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Studienbrief

Gesundheits- und Sozialmanagement

Personalführung
Personalgespräche und Personalbeurteilung

Persönliches Exemplar für Martin Rossbach

Prof. Dr. Erika Regnet

1PEF
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Impressum

Verfasser
Prof. Dr. rer. pol. Erika Regnet
Prof. Dr. Regnet studierte Psychologie an der LMU München und Betriebswirt-
schaftslehre an der Universität Bayreuth und promovierte 1991 zum Dr. rer. pol. an
der Universität Bayreuth. Nach 10jähriger Berufserfahrung in leitenden Personal-
funktionen in verschiedenen Unternehmen war sie von 1997 bis 2008 als Professo-
rin für Personalmanagement und Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der FH
Würzburg-Schweinfurt tätig. Seit dem Sommersemester 2008 ist sie Professorin für
Personal und Organisation an der HS Augsburg. Arbeitsschwerpunkte: Lehre, For-
schung und Beratungs-/Trainingstätigkeit in den Bereichen Personalentwicklung,
Führungsverhalten, demographische Entwicklung und Midcareer Development,
neue Fortbildungsmethoden sowie weibliche Fach- und Führungskräfte. Prof. Dr.
Regnet ist Autorin mehrerer Fachbücher.

Lektorat
Diplom-Kauffrau (FH), Diplom-Pädagogin Manuela Holz
Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hamburger Fern-Hochschule
Diplom-Psychologe Oliver Ihne
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hamburger Fern-Hochschule

Satz/Repro
Haussatz

Redaktionsschluss
Februar 2018

3. Auflage 2018

 HFH · Hamburger Fern-Hochschule, Alter Teichweg 19, 22081 Hamburg

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbe-
sondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung
und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehal-
ten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung
der Hamburger Fern-Hochschule reproduziert oder unter Verwendung elektroni-
scher Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Gedruckt auf 100 % chlorfrei gebleichtem Papier.

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ...........................................................................................5
Einleitung .................................................................................................................6
1 Personalbeurteilung ...........................................................................................8
1.1 Ziele einer Personalbeurteilung ....................................................................9
1.2 Abgrenzung zur Potenzialbeurteilung ........................................................11
1.3 Wichtige Beurteilungskriterien ...................................................................14
1.4 Mitbestimmung des Betriebsrates...............................................................16
1.5 Chancen und Risiken einer Beurteilung .....................................................17
1.6 Durchführung einer Beurteilung .................................................................18
1.6.1 Summarische oder analytische Beurteilung .....................................18
1.6.2 Freie Eindrucksschilderung ..............................................................19
1.6.3 Rangordnungsverfahren ...................................................................19
1.6.4 Einstufungsverfahren........................................................................20
1.6.5 Verhaltensorientierte Beurteilungsskalen .........................................21
1.7 Beurteilungsfehler.......................................................................................22
1.7.1 Der Prozess der Eindrucksbildung –
wie kommen Menschen zu einem Urteil ..........................................23
1.7.2 Häufige Beurteilungsfehler ..............................................................24
1.7.2.1 Beobachtung eines nicht repräsentativen Verhaltens ..........24
1.7.2.2 Selektive Wahrnehmung......................................................25
1.7.2.3 Einfluss von Interaktionen:
Sich selbst erfüllende Prophezeiungen ................................25
1.7.2.4 Ebene der Eindrucksbildung ................................................28
1.7.2.5 Ebene der Aussagenbildung ................................................29
1.7.3 Möglichkeiten der Reduzierung von Beurteilungsfehlern................30
Übungsaufgaben .................................................................................................33
2 Personalgespräche ............................................................................................34
2.1 Arten von Personalgesprächen und ihre Zielsetzungen ..............................34
2.2 Mitarbeitergespräche auf der Basis von Zielvereinbarungen .....................35
2.2.1 Warum ein spezielles Zielvereinbarungsgespräch? ..........................35
2.2.2 Zentrale Elemente eines Mitarbeitergesprächs .................................36
2.2.2.1 Rückblick .............................................................................36
2.2.2.2 Stärken-Schwächen-Analyse ...............................................37
2.2.2.3 Zielvereinbarung und Fördermaßnahmen............................38
2.2.3 Hinweise zur Zielvereinbarung ........................................................39
2.2.4 Rückmeldung zum Führungsverhalten .............................................41
2.2.5 Organisatorische Aspekte .................................................................44
2.2.6 Erfahrungen mit einem institutionalisierten
Mitarbeitergespräch und Erfolgsfaktoren .........................................47
Übungsaufgaben .................................................................................................49
3 Die Gesprächsführung .....................................................................................50
3.1 Darstellung des Sender-Empfänger-Modells der Kommunikation.............51
3.2 Verbesserung der Kommunikation .............................................................52
3.2.1 Aktives Zuhören ...............................................................................53
3.2.2 Ich-Botschaften ................................................................................53
3.2.3 Fragetechnik .....................................................................................55
3.2.4 Metakommunikation ........................................................................56
3.3 Feedback geben und bekommen .................................................................56

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Inhaltsverzeichnis

3.4 Vorbereitung auf ein Personalgespräch ...................................................... 57


Übungsaufgaben ................................................................................................. 59
4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen...................... 60
4.1 Anerkennung und Kritik ............................................................................. 60
4.1.1 Ziele von Anerkennung und Kritik .................................................. 60
4.1.2 Das Anerkennungsgespräch ............................................................. 61
4.1.3 Das Kritikgespräch ........................................................................... 62
4.2 Das Krankenrückkehrgespräch ................................................................... 64
4.3 Das Abmahnungs- und Trennungsgespräch ............................................... 65
4.3.1 Das Abmahnungsgespräch ............................................................... 65
4.3.2 Das Trennungsgespräch ................................................................... 66
Übungsaufgaben ................................................................................................. 68
Lösungen zu den Übungsaufgaben ...................................................................... 69
Literaturverzeichnis .............................................................................................. 73

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Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis
AC Assessment Center
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
FDZ Forschungsdatenzentrum (der Bundesagentur für Arbeit)
HCM Human Capital Management
HR Human Resources
IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
KSchG Kündigungsschutzgesetz
MbO Management by Objectives
MuSchG Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter
SGB Sozialgesetzbuch

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Einleitung

Einleitung
Der vorliegende Studienbrief behandelt die Beurteilung von und die Gesprächsfüh-
rung mit Mitarbeitern1 in Unternehmen.
Lernziele Zunächst werden die Grundlagen der Beurteilung thematisiert:
 Wozu wird im Unternehmen und bei Erwachsenen eine routinemäßige Beurtei-
lung durchgeführt? Was soll damit erreicht werden? Wofür werden die Beurtei-
lungen verwendet?
 Wie lässt sich eine Personalbeurteilung professionell durchführen?
 Welche Beurteilungsfehler können auftreten? Worauf ist zu achten? Wie lassen
sich Beurteilungsfehler zumindest reduzieren?
 Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen im Unternehmen?
Im Folgenden lernen Sie ein heute weit verbreitetes Instrument der Mitarbeiterfüh-
rung und -beurteilung kennen: das Mitarbeitergespräch auf der Basis von Zielver-
einbarungen, man spricht auch von MbO (Management by Objectives).
Doch aus vielen Mitarbeiterbefragungen wissen wir, dass ein Großteil der Mitar-
beitenden nach einer Beurteilung – vor allem nach einem kritischen Feedback –
nicht motiviert und voller Elan wieder an die Arbeit geht, sondern sich vielmehr
ungerecht behandelt fühlt und demotiviert ist. Dies liegt meistens nicht daran, dass
das Unternehmen das Mitarbeitergespräch grundsätzlich falsch geplant hätte, son-
dern dass es der Führungskraft nicht gelingt, konstruktive und hilfreich formulierte
Kritik zu äußern. Es wird deshalb in diesem Studienbrief nicht nur um das „Was?“
einer Beurteilung gehen, sondern auch um das „Wie!“. Das Sender-Empfänger-
Modell der Kommunikation wird aufgegriffen, Sie erfahren, worauf bei dem Ge-
spräch mit Mitarbeitenden zu achten ist und wie sich die Kommunikation verbes-
sern lässt.
Zum Abschluss werden ausgewählte Formen von Mitarbeitergesprächen behandelt,
zu deren Durchführung Sie jeweils spezielle Hinweise erhalten.
Reflexion Bitte denken Sie auch an Ihre eigenen Erfahrungen: Sie alle haben in Ihrem Leben
bereits häufig Berührung mit Beurteilungsverfahren gehabt: In der Schule wurden
Sie in regelmäßigen Abständen beurteilt – meist in Bezug auf Ihre Leistung, z. T.
auch bezogen auf Ihr Verhalten. In der Hochschule wird das Gelernte kontinuier-
lich abgeprüft. Auch die Führerscheinprüfung ist ein Test- wie Beurteilungsverfah-
ren. Doch damit ist es nicht getan: Jedes Auswahlverfahren für eine Arbeitsstelle
stellt eine Sonderform der Beurteilung dar. Man schätzt Sie und Ihr Leistungsver-
mögen ein, gibt eine Prognose zu Ihrem Potenzial bezogen auf eine bestimmte
Funktion und Organisation ab. Sie alle haben sicher schon mehrere Auswahlge-
spräche bzw. -verfahren durchlaufen – sei es bei der Bewerbung um einen Ausbil-
dungsplatz, ein Praktikum oder beim Berufseinstieg. Viele von Ihnen haben sicher
schon Zeugnisse – Arbeits- oder Praktikumszeugnisse – erhalten, auch diese wer-
den selbstverständlich auf der Basis von Beurteilungen erstellt.

––––––––––
1
Im Studienbrief wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel die maskuline Schreibweise
verwendet. Gemeint sind selbstverständlich stets Personen beiderlei Geschlechts. Dies trifft auf
sämtliche personenbezogenen Termini zu (z.B. auch Bewerber, Kollege, Vorgesetzter, Arbeitgeber,
u. s. w.).

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Einleitung

Vergegenwärtigen Sie sich an den einzelnen dargestellten Punkten diese Erfahrun-


gen: Fühlten Sie sich gerecht oder ungerecht behandelt? Warum? Wie veränderte
sich Ihr Leistungsvermögen in der Beurteilungssituation? Wie Ihr Verhalten zu er-
folgreicheren und weniger erfolgreichen Mitbewerbern? Wie wirkte sich die Beur-
teilung auf Ihr weiteres (Leistungs-)Verhalten aus: Waren Sie besonders motiviert,
stolz oder gar frustriert und entmutigt?
Die Beurteilung wird Sie im Beruf dauerhaft weiter begleiten. Aus Sicht der Perso-
nalführung und des Personalmanagements muss es darum gehen, diese möglichst
gerecht, transparent und motivierend zu gestalten. Und genau dabei soll Ihnen die-
ser Studienbrief helfen.

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1 Personalbeurteilung

1 Personalbeurteilung
Lernziele Mit dem Durcharbeiten dieses Kapitels sollen Sie folgende Studienziele erreichen:
Sie
 wissen, wozu Personalbeurteilungen im Unternehmen eingesetzt werden,
 kennen zentrale Kriterien zur Beurteilung von Mitarbeitenden und Führungs-
kräften,
 verstehen die möglichen Ängste von Mitarbeitenden und die Bedenken der Füh-
rungskräfte bei einer Beurteilung,
 sind mit typischen Durchführungsvarianten von betrieblichen Personalbeurtei-
lungen vertraut. Sie verstehen deren Vor- und Nachteile sowie mögliche Ein-
satzfelder,
 kennen die rechtlichen Rahmenbedingungen,
 wissen, wie es dazu kommen kann, dass mehrere Beurteiler zu unterschiedli-
chen Wertungen gelangen,
 und kennen Maßnahmen zur Reduzierung von solchen Beurteilungsfehlern.
Menschen beurteilen ständig Wenn Menschen zusammentreffen, dann fällen sie Urteile übereinander. Beurteilt
wird immer – im Berufs- wie im Privatleben. Dies geschieht auch ohne ein vorhe-
riges Beurteilungstraining, ohne ein Psychologiestudium, ohne vorher definierte
Beurteilungskriterien und sogar ohne bewussten Entschluss. Man spricht davon,
dass sich Menschen bereits innerhalb der ersten 30 Sekunden einer Begegnung ein
erstes Urteil über ihr Gegenüber bilden.
Gründe der Urteilsbildung Warum ist dies so? Ein schnelles Urteil hilft dem Menschen dabei, sich in seiner
Umgebung zu orientieren und zurechtzufinden. Wir sind vielen Eindrücken ausge-
setzt, begegnen jeden Tag zahlreichen Menschen.
Es gehört sozusagen zur „psychologischen Grundausstattung“ der Menschen, ande-
re einzuschätzen. Es sichert das Überleben, wenn Gefahren schnell erkannt werden
können. Diese Urteile haben weitreichende Konsequenzen. Erscheint uns jemand
als gefährlich, werden wir unser Verhalten ändern. Weckt jemand unser Interesse,
so werden wir uns ihm zuwenden und uns länger mit ihm beschäftigen. Erscheint
uns jemand dagegen gleich unsympathisch (worauf das auch immer zurückzufüh-
ren sein mag), so hat es diese Person schwer, den schlechten ersten Eindruck wie-
der wettzumachen. Wir werden ihre Aussagen und ihr Verhalten besonders kritisch
beobachten und vorsichtig einschätzen.
Urteile werden also immer und von allen gefällt. Doch für eine Personalbeurteilung
im Unternehmen ist dies zu wenig. Denn Mitarbeitende haben den Anspruch, ge-
recht und nicht auf Basis von Sympathie und Vorurteilen bewertet zu werden. Und
für Unternehmen ist es erfolgsentscheidend, die am besten geeigneten Mitarbeiten-
den zu finden und zu fördern – und nicht allein die, die das beste Verhältnis zu ih-
rem Vorgesetzten pflegen. Für betriebliche Beurteilungen heißt dies, dass sie sys-
tematisiert werden und bestimmten Anforderungen, auf die wir später noch
eingehen werden, entsprechen müssen.

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Personalbeurteilung 1

1.1 Ziele einer Personalbeurteilung

In rund 90 % aller bundesdeutschen Unternehmen werden regelmäßig Mitarbeiter-


beurteilungen durchgeführt. Solche systematischen Beurteilungen stellen natürlich
einen nicht unbeträchtlichen Aufwand hinsichtlich Vorbereitung, Durchführung
und Verwaltung dar. Welche Ziele verfolgen die Unternehmen damit? Aus Unter-
nehmenssicht werden Beurteilungen insbesondere zu folgenden vier Zwecken ein-
gesetzt:
1) Als Grundlage für personelle Einzelentscheidungen, z. B. Auswahl, Probe- Grundlage personeller
zeitbeurteilung, Beförderung, Versetzung, Kündigung. In all diesen Fällen ist es Einzelentscheidungen
erforderlich, eine Aussage über das Leistungsvermögen des (potenziellen) Mit-
arbeitenden abzugeben.
Bei der Auswahl handelt es sich um eine Prognose – wird es dem Neuen gelin-
gen, sich in das Unternehmen einzugliedern, den Erwartungen zu entsprechen?
Zur Verfügung stehen hier i. d. R. Ausbildungsnachweise, Zeugnisse, ggf. Refe-
renzen und natürlich unternehmensinterne Verfahren wie Interviews, Assess-
ment Center oder Tests, durch die ein fundiertes und möglichst valides Urteil
erzielt werden soll.
Die anderen Situationen fordern von den Beurteilern nicht nur eine Prognose,
sondern eine Bewertung des bisher gezeigten Verhaltens. Probezeitbeurteilun-
gen werden in den meisten Unternehmen standardmäßig durchgeführt, indem
die Personalabteilung spätestens im fünften Monat der Beschäftigung bei der
Fachabteilung nach einer Beurteilung nachfragt und diese auch angeben soll, ob
der Mitarbeiter zur Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geeignet
erscheint. Dieser Zeitpunkt ist wichtig, da in den ersten sechs Monaten einer
Beschäftigung i. d. R. kein Kündigungsschutz besteht2, so dass Arbeitsverhält-
nisse leicht und ohne Angabe von Gründen aufgelöst werden können.
Bei der Probezeitbeurteilung wird es sich in vielen Fällen nicht nur um eine
Einschätzung des bisherigen Verhaltens, sondern zudem um eine Prognose han-
deln: Gerade bei komplexen Tätigkeiten ist eine längere Einarbeitung notwendig.
Es ist nicht zu erwarten, dass der neue Mitarbeiter in den ersten Monaten bereits
alle Tätigkeiten zufriedenstellend beherrscht. Es muss also – ausgehend vom bis-
her gezeigten Einsatz und Lernverhalten – ein Urteil darüber getroffen werden,
ob der neue Mitarbeiter in vertretbarer Zeit in der Lage sein wird, die an ihn ge-
stellten Erwartungen zufriedenstellend zu erfüllen.
Auch bei Beförderungen, Versetzungen und Kündigungen werden die Beur-
teiler nicht nur in die Vergangenheit schauen, sondern darüber hinaus eine posi-
tive oder negative Prognose zum weiteren Leistungsverhalten abgeben. Aller-
dings gilt für den betrieblichen Kontext immer: Wer sich an der jetzigen Stelle
nicht bewährt, der wird kaum eine Chance zum Aufstieg erhalten. Man weiß
zwar durchaus, dass Menschen schlechte Leistungen auch dann bringen, wenn
sie unterfordert sind – beispielsweise der hochbegabte Schüler, der sich lang-
––––––––––
2
Ausnahmen im Sinne eines erweiterten Kündigungsschutzes gelten für Schwangere (§ 9 Abs. 1
MuSchG) und für Menschen mit Behinderungen (§ 85 SGB IX). Umgekehrt besteht auch nach den
ersten sechs Monaten kein Kündigungsschutz, wenn nicht mehr als zehn Mitarbeitende beschäftigt
sind (Teilzeitkräfte werden anteilig gerechnet – § 23 KSchG). Kündigungsschutz heißt, dass nicht
mehr – wie in den ersten sechs Monaten – ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann, son-
dern nur noch aus den im Gesetz festgelegten Gründen: personen-, verhaltens- oder betriebsbe-
dingt. In letzterem Fall ist zudem eine Sozialauswahl unter den Mitarbeitenden gefordert. Wenn der
Arbeitsvertrag dagegen befristet ist, beispielsweise auf 12 Monate, so läuft er zu diesem Zeitpunkt
aus – ohne Kündigung und Kündigungsgrund und selbst bei bestehender Schwangerschaft.

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1 Personalbeurteilung
weilt, deshalb nur stört, sich nicht konzentriert und schließlich trotz herausra-
genden Potenzials schlechte Noten erhält. Hier gilt inzwischen als herrschende
Meinung, dass solche Schüler frühzeitig identifiziert und gefördert werden und
Klassen überspringen sollen. Im Unternehmen dagegen wird sicher niemand be-
fördert werden, der schlechte Leistungen brachte, weil ihn die Aufgabe lang-
weilte.
Leistungsbeurteilung 2) Zur Leistungsbeurteilung: Um das Leistungsergebnis des Unternehmens si-
cherzustellen, ist es eine zentrale Führungsaufgabe, dafür zu sorgen, dass die
Mitarbeitenden ihre Aufgaben angemessen erfüllen. Dies erfordert Beurtei-
lungs- und Feedbackgespräche, damit die Mitarbeitenden wissen, inwieweit
man mit ihrer Leistung zufrieden ist und wo Änderungen bzw. Verbesserungen
erwartet werden. Regelmäßige Leistungsbeurteilungen sind heute in den meis-
ten Unternehmen institutionalisiert. Durchgeführt werden sie beispielsweise als
Mitarbeiterjahresgespräche auf der Basis von Zielvereinbarungen (siehe Ab-
schnitt 2.2).
Personalentwicklung/ 3) Zur Personalentwicklung: Hier geht es darum, den Qualifikationsbedarf der
Feststellung des Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zu erkennen. In der Folge können sinnvolle
Qualifikationsbedarfs Fördermaßnahmen vereinbart werden. Die Mitarbeitenden haben die Gelegen-
heit, eigene Vorstellungen zur beruflichen Entwicklung zu äußern und erhalten
dazu in einem Fördergespräch Rückmeldung.
Gehaltsfestlegung bei variablen 4) Zur Gehaltsfestlegung: Dieser Aspekt ist in den meisten Unternehmen eng mit
Gehaltsbestandteilen der Leistungsbeurteilung verbunden. In den letzten Jahren wurde zunehmend
versucht, Gehaltszahlungen dahingehend zu flexibilisieren, dass ein Teil des
Gehaltes – meist zwischen 10 und 30 % – variabel, d. h. gemessen an der tat-
sächlich gezeigten Leistung bezahlt wird (vgl. Lebrenz 2014: 518 ff.). Diese
Entwicklung nahm ihren Ausgang bei den außertariflichen Mitarbeitenden und
Führungskräften, bei denen ein Teil des Gehaltes variabel vom eigenen Leis-
tungsbeitrag und dem Unternehmensergebnis abhängt. Doch auch für tariflich
eingruppierte Mitarbeitende besteht inzwischen bei vielen Unternehmen die
Möglichkeit, leistungsorientierte Zulagen und Bonuszahlungen zu erhalten.
Umfragen zeigen, dass Mitarbeitende in hohem Maße eine leistungsorientierte
Bezahlung wünschen – sie halten diese für wünschenswerter als eine Gehalts-
steigerung rein nach (Dienst-)Alter (vgl. Lebrenz 2014).
Jedoch setzt eine leistungsorientierte Bezahlung immer eine als gerecht erlebte
Beurteilung voraus (siehe Abbildung 1.1). In der Praxis werden hierbei aller-
dings große Defizite wahrgenommen. Nur wenn es den Führungskräften ge-
lingt, das variable Bezahlungssystem als gerecht zu vermitteln, wird dies tat-
sächlich zum gewünschten stärkeren Einsatz von Mitarbeitenden führen. Denn
wenn der Mitarbeiter glaubt, dass das höhere Gehalt doch wie bisher primär
vom Alter oder nun stattdessen von der Sympathie des Vorgesetzten abhängt,
wäre es unlogisch, mehr Einsatz zu zeigen.
Das IAB hat in Zusammenarbeit mit der Universität Bamberg ein Forschungs-
projekt zum Thema „Bonuszahlungen, Lohnzuwächse und Gerechtigkeit“
durchgeführt (Stephan et al. 2014). Hierfür wurden mehr als 2.700 Berufstätige
verschiedener Branchen befragt. Abbildung 1.1 veranschaulicht, dass trotz des
Bemühens vieler Unternehmen um Lohngerechtigkeit sich die Mehrzahl der Be-
fragten unterbezahlt fühlt.
Auf die Frage „Wenn Sie an Ihr eigenes gegenwärtiges Einkommen denken,
würden Sie sagen, dass es bezogen auf Ihre Tätigkeit sehr viel mehr, etwas

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Personalbeurteilung 1

mehr, etwas weniger oder sehr viel weniger ist als Ihnen gerechterweise zu-
steht?“ wurde folgendermaßen geantwortet:

Abb. 1.1: Gerechte Entlohnung – nur ein Wunsch? (N=2787, Daten sind online abrufbar unter
http://fdz.iab.de/de/FDZ_Individual_Data/blog/Working_Tools.aspx)

Bei der betrieblichen Personalbeurteilung handelt es sich also um Definition


• eine geplante, meist formalisierte Bewertung aller oder ausgewählter Organi- Personalbeurteilung
sationsmitglieder,
• zu einem bestimmten Zweck (s. o.),
• unter Berücksichtigung von vorher festgelegten Beurteilungskriterien,
• durch bestimmte, ausdrücklich von der Organisation des Unternehmens
beauftragte Personen. Dies werden in der Regel Führungskräfte, d. h. die
direkten Vorgesetzten, sein (vgl. Bisani 1997: 365).

1.2 Abgrenzung zur Potenzialbeurteilung

Eine Potenzialanalyse dient der Identifikation des bisher noch nicht ausge- Charakteristik
schöpften Potenzials der Mitarbeitenden eines Unternehmens. Potenzialanalyse

Eingesetzt wird die Potenzialanalyse mit dem Ziel,


• zukünftige Führungskräfte und Spezialisten frühzeitig zu entdecken und an- Ziele der Potenzialanalyse
schließend weiter zu fördern,
• Fähigkeiten, Stärken und Neigungen – also Potenziale –, die die Mitarbeitenden
am gegenwärtigen Arbeitsplatz (noch) nicht voll einbringen können, für das Un-
ternehmen zu identifizieren und zielführend einzusetzen,
• die Nachwuchs- und Nachfolgeplanung zu systematisieren und einen unterneh-
mensweiten „Potenzialpool“ aufzubauen,

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1 Personalbeurteilung
• bereichsübergreifende Rotationen sicherzustellen,
• Kosten für externe Rekrutierungen zu reduzieren,
• Mitarbeitenden Transparenz über ihre Aufstiegschancen im Unternehmen zu
geben sowie
• sich als zukunftsorientierter und attraktiver Arbeitgeber zu profilieren.
Abgrenzung Im Gegensatz zur Leistungsbeurteilung ist die Potenzialanalyse ausschließlich in
Potenzialbeurteilung und die Zukunft gerichtet. Man versucht, prognostisch Aussagen über zukünftige Ein-
Leistungsbeurteilung satzmöglichkeiten und den möglichen Erfolg abzugeben. Es sollen gezielt Aussa-
gen zur Zukunft, zur möglichen Bewährung an einer neuen Stelle getroffen wer-
den. Dagegen konzentriert man sich bei der Leistungsbeurteilung vor allem
rückblickend auf die Einschätzung und Bewertung der Arbeitsergebnisse in
einem bestimmten Zeitraum. Mit der Leistungsbeurteilung ist auch eine Wertung
verbunden (Erreichen, Übertreffen oder aber Verpassen der vereinbarten Ziele), die
sich meist in finanziellen Konsequenzen hinsichtlich Zulagen oder Bonuszahlun-
gen ausdrückt.
Allerdings wurde bereits festgestellt, dass bei einzelnen Formen der Beurteilung
– insbesondere der Auswahlsituation – neben der Leistungsbeurteilung immer auch
Prognoseaussagen mit einfließen.
Notwendigkeit von Um Prognosen über zukünftiges Leistungsverhalten zu erstellen, können bisherige
Potenzialprofilen Ergebnisse nicht einfach fortgeschrieben werden. Erfolgreiches aktuelles Arbeits-
verhalten ist keine Gewähr für Bewährung in der nächsten Position. Es besteht
sonst die Gefahr, dass Organisationsmitglieder – wie im so genannten Peter-
Paradigma prophezeit – bis zur Stufe ihrer Unfähigkeit befördert werden. Auch die
Suche nach „dem geborenen Führer“, dem „great man“, der an allen Positionen er-
folgreich arbeitet, ist zum Scheitern verurteilt (vgl. z. B. Rosenstiel 2014). Deshalb
macht es auch keinen Sinn, eine Art Gesamtnote über einen Menschen oder eine
Rangreihe bzw. Hitliste der Mitarbeitenden zu bilden, wie dies in der Vergangen-
heit öfter versucht wurde. Vielmehr sind Potenzialprofile der Mitarbeitenden zu
erstellen, die bei konkreten Stellenbesetzungen mit dem Anforderungsprofil ab-
geglichen werden können (siehe Abbildung 1.2). Wertungen im Sinne einer Rang-
reihe sind nicht notwendig, es geht um Eignungs- und Potenzialprofile.

Abb. 1.2: Beispiel für ein Potenzialprofil

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Personalbeurteilung 1

Es geht bei der Potenzialanalyse letztendlich darum:


Wie kann ein Unternehmen Mitarbeitende in Fach- und Führungspositionen opti-
mal einsetzen und sie ihren Potenzialen und dem Unternehmensbedarf entspre-
chend fördern?
Erkenntnisse werden dabei vor allem zu folgenden Fragen angestrebt:
• Haben die Führungskräfte und die Führungsnachwuchskräfte ausreichend Po-
tenzial, um die anstehenden Aufgaben auch in den nächsten Jahren erfolgreich
zu bewältigen?
• Welche Positionen können mit internen Mitarbeitenden besetzt werden?
• Wo liegen die Stärken und Schwächen der Führungs(nachwuchs)kräfte?
• Welche Maßnahmen sind zur Unterstützung der Mitarbeitenden und Führungs-
kräfte notwendig?
Tabelle 1.1 veranschaulicht noch einmal zusammenfassend die wichtigsten Unter- Unterschiede Leistungs- und
schiede zwischen der Leistungs- und der Potenzialbeurteilung. Potenzialbeurteilung
Tabelle 1.1: Unterschiede zwischen Leistungs- und Potenzialbeurteilung

Potenzialbeurteilung Leistungsbeurteilung
• zukunftsorientiert, prognostisch • vergangenheitsorientiert, an Ergebnissen,
erreichten Zielen ausgerichtet
• erfasst Fähigkeiten und Eignungen auf der Basis • erfasst Leistungen, ohne nach dem
eines Persönlichkeitsbildes Persönlichkeitshintergrund zu fragen
• zunächst ohne Wertung, Ziel ist die Erstellung • klare Wertung in der Aussage: Ziele wurden
eines Eignungsprofils erreicht, nicht erreicht, übertroffen
• dient der Positionsbesetzung, Nachfolgeplanung • dient der persönlichen Orientierung, der
und der richtigen Aufgabenzuordnung Vorbereitung von Einzelmaßnahmen und der
Bemessung von Gehalt/Zulagen
• alle 2 – 4 Jahre ausreichend • jährlich notwendig

• für bestimmte Mitarbeitergruppen • für alle Mitarbeitenden


(meist nach Qualifikation, erreichter Position
und Alter ausgewählt)

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1 Personalbeurteilung

1.3 Wichtige Beurteilungskriterien

Zentrale Beurteilungskriterien Stehle (1999) hat Beurteilungskriterien zusammengefasst, die in Unternehmen


trotz Globalisierung sowie zahlreicher und schneller wirtschaftlicher Veränderun-
gen auch heute noch häufig Verwendung finden.
Tabelle 1.2: Zentrale Beurteilungskriterien (vgl. Stehle 1999: 210)

Leistungs- und Arbeitsergebnis Arbeitseinsatz


• Arbeitsmenge und -qualität • Leistungsbereitschaft
• Fachwissen • Fleiß
• Grad der Zielerreichung • Sorgfalt
• Verhandlungsgeschick • Belastbarkeit, Ausdauer, Stressresistenz
• Klares Urteilsvermögen • Initiative
• Problemlösefähigkeit
• Planung, Organisationsfähigkeit

Kooperation Personale Kompetenzen


• Teamgeist • Zuverlässigkeit
• Kontaktfähigkeit • Selbstständigkeit
• Kommunikationsverhalten • Selbstvertrauen, Selbstsicherheit
• Informationsverhalten • Verantwortungsbewusstsein
• Durchsetzungsvermögen • Zielorientierung

Sonstiges
• Innovation
• Kreativität
• Kritisches Denken
• Wirtschaftliches Denken
• Lernfähigkeit
• Loyalität

Arbeitsleistung Hinsichtlich der Arbeitsleistung ist zunächst zu denken an


• die Arbeitsmenge, d. h. Output, Grad der Zielerreichung, quantitativ gemessen,
und ebenso an
• die Arbeitsqualität, d. h. ist die Arbeit fehlerfrei, von hoher Qualität oder muss
nachgebessert werden, kommt es zu Beschwerden, wie ist die Kundenzufrie-
denheit?
Fachkompetenz Fachwissen ist wichtig und wird es weiterhin bleiben. Es geht um das fachspezifi-
sche Know-how, aber natürlich auch darum, dieses Wissen situationsangemessen
einbringen zu können. Fachwissen greift über die aktuelle Stelle, die gegenwärti-
gen Aufgaben hinaus. Flexibilität im Arbeitseinsatz ist für Unternehmen ein wett-
bewerbsentscheidender Faktor. Das Unternehmen, das schnell auf Veränderungen
im Markt, auf neue Kundenwünsche reagieren kann, ist im Vorteil. Mitarbeitende,
die über breites Fachwissen verfügen, sich schnell auch in andere Arbeitsprozesse
einarbeiten, Zusammenhänge rasch erfassen oder einfach ihre Kollegen im Krank-
heitsfall vertreten können, erhöhen dadurch die Flexibilität und Anpassungsfähig-
keit eines Unternehmens.
Methodenkompetenz Methodenkompetenz ist nötig, um Fachwissen umsetzen zu können. Hierunter
fallen Fertigkeiten wie Rhetorik, Moderation von Gruppen, Problemlösungstechni-
ken. Das heißt, jeder Mitarbeiter benötigt so genannte „skills“, also Fertigkeiten,
um sein fachliches Wissen in Handlungen umsetzen zu können.
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Personalbeurteilung 1

Diese Kriterien reichen sicher nicht aus, hinzu kommen z. B. Sorgfalt, Einsatz, Zu- Sozialkompetenz
sammenarbeit mit Kollegen, die Bereitschaft, sich in Neues einzuarbeiten, oder In-
novationsfähigkeit. Die soziale Kompetenz beschreibt die Fähigkeiten im Umgang
mit anderen. Kann ich die Bedürfnisse anderer erkennen, deren Sichtweise nach-
vollziehen? Doch der andere soll nicht nur verstanden werden. Die eigene Meinung
muss so dargestellt werden, dass man den anderen überzeugen und gewinnen kann,
Kritik so geäußert werden, dass die weitere Zusammenarbeit besser wird, Grup-
penarbeit so gestaltet sein, dass deren Mitglieder zusammen und nicht gegeneinan-
der arbeiten. Dafür ist soziale Kompetenz unabdingbar. Ein Mindestmaß an sozia-
ler Kompetenz wird in jedem Job benötigt, da Teamarbeit – z. B. in Projekten zur
Problemlösung – zunehmend gefordert ist. Der hochqualifizierte Einzelkämpfer,
der nicht bereit oder in der Lage ist, sein Wissen mit anderen zu teilen, ist in Un-
ternehmen kaum mehr einsetzbar.
Persönlichkeit oder personale Kompetenz gilt heute gleichfalls als unverzichtba- Personale Kompetenz
re Schlüsselqualifikation. Wenn man Personalchefs fragt, was ihnen bei der Perso-
nalauswahl wichtig ist, so nehmen Persönlichkeit und Teamfähigkeit (also soziale
Kompetenz) die oberen Ränge ein. Was verbirgt sich hinter dem schwammigen
Begriff Persönlichkeit? Handelt es sich lediglich um den berüchtigten „Nasenfak-
tor“, also um Sympathie-Effekte?
Bei der personalen Kompetenz, manche Autoren sprechen auch von Selbstkontroll-
Kompetenz oder Ich-Kompetenz, geht es um die Fähigkeit, die eigene Arbeit zu
planen, sich eigenverantwortlich zu organisieren und immer wieder selbst zu moti-
vieren. Selbst-Motivation meint die Fähigkeit, seine eigene Leistungsbereitschaft
auch bei Widerständen oder Misserfolgen aufrechtzuerhalten. Hilfreich ist in die-
sem Zusammenhang eine optimistische Grundhaltung.
In die Arbeitsleistung gehen immer Fähigkeiten und Bereitschaft mit ein. Man Elemente der Arbeitsleistung
kann dies in folgender Funktion ausdrücken:

Leistung = Können × Wollen

Jemand der hochbegabt ist, jedoch unmotiviert, wird dem Unternehmen nichts nüt-
zen. Und umgekehrt kann jemand fehlendes Fachwissen oder geringe Erfahrung
durch hohen Einsatz und Fleiß kompensieren. Deshalb wird in der Beurteilung ver-
sucht, nicht allein die Arbeitsergebnisse zu betrachten, sondern zusätzlich eine Ein-
schätzung der Leistungsbereitschaft, der Motivation vorzunehmen.
Allerdings reichen Können und Wollen nicht aus. Betrachten wir ein Beispiel aus
dem Hause Daimler: Selbst der begabteste und hochmotivierteste Verkäufer konnte
nach dem berühmt-berüchtigten „Elchtest“ zunächst keinen Wagen der A-Klasse
mehr verkaufen. Die Berichte waren zu verunsichernd. Oder man denke an die
Tankstelle mit den höheren Preisen: Sie wird weniger umsetzen als ihr billigerer
Konkurrent nebenan, da mögen die Angestellten noch so freundlich oder qualifi-
ziert sein. Hier wären Preis- und Produktpolitik und nicht das Verkaufstalent Ein-
zelner zu betrachten: vielleicht zieht man ja mit neuen Produkten wie einem Ge-
tränkemarkt mehr Käufer an, die dann auch gleich zum Tanken bleiben?
Deshalb gilt:

Leistung = Können × Wollen × Situation

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Eine Aufgabe der Führungskräfte besteht deshalb darin, die Umgebungsvariablen
zumindest so zu gestalten, dass sie nicht leistungsstörend sind. Wird das schlechte
Leistungsergebnis eines Mitarbeiters, das auf ungünstigen Rahmenbedingungen
beruht, dem Einzelnen angelastet, so wird dies als ungerecht erlebt und führt letzt-
lich zur Demotivation.
Abschließender Hinweis:
Passung von Anforderungs- Zwar lassen sich beim Vergleich mehrerer Unternehmen immer wieder auftau-
und Eignungsprofil chende zentrale Beurteilungskriterien herauskristallisieren. Doch zu warnen ist vor
der Suche nach der „eierlegenden Wollmilchsau“. Es kann nicht darum gehen, dass
alle Mitarbeitenden die oben genannten Kriterien komplett erfüllt. Wie bereits dar-
gestellt wurde, weisen Menschen individuelle Stärken- und Schwächenprofile auf.
Wichtig ist bei der Zuordnung von Aufgaben zum Stelleninhaber eine hohe Über-
einstimmung zwischen Anforderungen der Stelle und Eignung des Betreffenden.

1.4 Mitbestimmung des Betriebsrates

Bei der Einführung von Personalbeurteilungssystemen hat der Betriebsrat ein


weitgehendes Mitbestimmungsrecht, insbesondere hinsichtlich der festzulegen-
den Kriterien.

Rechtliche Grundlagen Nach § 94 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung
allgemeiner Beurteilungsgrundsätze. Beurteilungsgrundsätze wie beispielsweise ein Personal-
fragebogen können nicht einseitig festgelegt werden, sie bedürfen der Zustimmung des Be-
triebsrates. Darüber hinaus bedürfen die „Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstel-
lungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen“ der Zustimmung des
Betriebsrats (§ 95 Abs. 1 BetrVG). „In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der
Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die (…) zu beachtenden fachlichen und per-
sönlichen Voraussetzungen“ bei den genannten personalpolitischen Maßnahmen verlangen
(§ 95 Abs. 2 BetrVG).
Der Mitarbeiter selbst kann verlangen, dass ihm die Beurteilung seiner Leistung sowie die
Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung erläutert werden (§ 82 Abs. 2 BetrVG). Mitar-
beitende können auch ein Mitglied des Betriebsrates zum Gespräch hinzuziehen.

Natürlich kann der Betriebsrat bei Personalveränderungen nicht selbst eigene Kan-
didaten durchsetzen. Doch er hat ein Mitspracherecht bei den Richtlinien des Vor-
gehens (§ 93 Abs. 1 BetrVG). Hierzu werden insbesondere die Festlegung von Be-
urteilungsmerkmalen, Beurteilungsstufen, Verfahrensregelungen, der Kreis der
Beurteiler und Beurteilten, der zeitliche Turnus, die Dokumentation und die Aufbe-
wahrung der Beurteilungsunterlagen gerechnet. Zudem kann der Betriebsrat verlan-
gen, dass freie Arbeitsplätze vor ihrer Besetzung zunächst innerhalb des Betriebes
ausgeschrieben werden (§ 93 BetrVG).
In der Vergangenheit haben sich Gewerkschaften häufig gegen Beurteilungsverfah-
ren gesträubt, mit der Begründung, es handle sich lediglich um eine „systematisier-
te Willkür“; statt Lohngerechtigkeit zu erhalten, werde nur die Machtausübung im
Unternehmen verstärkt. Diese Haltung hat sich inzwischen weitgehend verändert.
Beurteilungen und Personalentscheidungen können wohl niemals fehlerfrei sein
(vgl. die Ausführungen zu möglichen Beurteilungsfehlern). Doch auch die Alterna-
tive ist nicht sinnvoll: Ein weitgehender Verzicht auf Beurteilungen und die Bezah-
lung z. B. ausschließlich nach Dienstzugehörigkeit oder die Stellenbesetzungen
nach Zufallssystem würden den Mitarbeitenden auf keinen Fall gerecht werden.

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Arbeitnehmervertretungen sind deshalb i.d.R. bereit, in dem Prozess der Entwick- Einbezug des Betriebsrates
lung bzw. Überarbeitung eines Personalbeurteilungsverfahrens mitzuarbeiten, die
Sorgen der Mitarbeitenden einzubringen und ihre Mitbestimmungsrechte konstruk-
tiv zu nutzen. Deshalb ist es sinnvoll, den Betriebsrat bei der Neueinführung oder
einer Überarbeitung des bestehenden Beurteilungssystems zu einem möglichst frü-
hen Zeitpunkt einzubeziehen. Dies kann z. B. im Rahmen einer Projektgruppe, in
der er mitarbeitet, geschehen. So wird der Betriebsrat nicht nur mit einem fertigen
Konzept konfrontiert, sondern hat die Chance, mitzugestalten und frühzeitig eigene
Vorstellungen einzubringen.

1.5 Chancen und Risiken einer Beurteilung

Worin liegen die Chancen und Risiken einer Beurteilung? Betrachten wir zunächst Aus Sicht des Mitarbeiters
die Sichtweise der Mitarbeitenden. Chancen für den Mitarbeiter liegen darin,
dass die erbrachte Leistung anerkannt und gelobt wird. Die Leistung wird dadurch
im Unternehmen transparent. Man erhält Feedback und ggf. auch Hinweise, wo
Änderungen sinnvoll sind. Leistungsgerechte Bezahlung wird – wie oben ausge-
führt – von den Mitarbeitenden gewünscht und als gerecht erlebt. Dies trägt zur
weiteren Motivation, zum Einsatz bei. Gleichzeitig hat der Mitarbeiter die Gele-
genheit, seine Sichtweise darzustellen und beispielsweise zu erläutern, warum ein-
zelne gesetzte Ziele nicht erreicht werden konnten.
Allerdings wird nicht jeder Mitarbeiter beschwingt in ein Beurteilungsgespräch ge- Gründe für Ängste
hen. Die Rückmeldung kann auch negativ ausfallen, dies kann das eigene Selbst-
bild verletzen und Gehaltszulagen sowie den weiteren beruflichen Weg beeinträch-
tigen. Möglicherweise ruft die Beurteilung Ängste hervor, man fühlt sich
überwacht und kontrolliert, vom Vorgesetzten abhängig und seinem Urteil ausge-
liefert.
Wird die Beurteilung stärker als eine Chance zur Rückmeldung, zum Gespräch
oder als eine Verurteilung von oben empfunden? In der Praxis wird beides vorzu-
finden sein, abhängig:
• vom Führungsstil des Vorgesetzten – ist er autoritär oder gesprächsbereit?
• vom Verhältnis zwischen der/dem Mitarbeitenden und der Führungskraft – of-
fen oder belastet?
• vom erreichten Ergebnis: Lob ist leichter auszusprechen als Kritik (s. u.).
• von den Konsequenzen – droht eine Kündigung, wird man Verbesserungsvor-
schläge wohl kaum also solche wahrnehmen können.
Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass alle Mitarbeitende der regelmäßigen
Personalbeurteilung positiv gegenüberstehen. Dies erklärt auch die zum Teil reser-
vierte Haltung des Betriebsrats gegenüber einer systematischen Beurteilung.
Führungskräfte dürften eine Leistungsbeurteilung zunächst einmal positiv be- Aus Sicht der Führungskräfte
trachten. Zum einen gehört es zu den ureigensten Führungsaufgaben, Mitarbeitende
anzuleiten und ihnen Rückmeldung zu geben (vgl. Rosenstiel et al. 2014: 125 f.).
Zum anderen haben sie so die Chance, der Leistungsbeurteilung Konsequenzen
folgen zu lassen – dies kann mehr Freiraum und Verantwortung, Förderung durch
Weiterbildung oder eine Bonuszahlung sein. Damit haben sie die Möglichkeit, her-
ausragende Leistungen anzuerkennen und die Motivation der Mitarbeitenden zu
fördern (Lebrenz 2014). Doch auch Führungskräfte haben durchaus Bedenken in
Bezug auf eine bevorstehende Beurteilung. Sie befürchten:
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Gründe für Widerstand • größeren Aufwand,
der Führungskräfte
• mehr Bürokratie,
• standardisierte und damit für sie verpflichtende Formen,
• Demotivation der Mitarbeitenden, wenn sie ihnen negative Rückmeldungen ge-
ben oder mangelnde berufliche Perspektiven offensichtlich werden,
• Unruhe unter den Mitarbeitenden, vielleicht auch Neid und wachsendes Kon-
kurrenzverhalten.

1.6 Durchführung einer Beurteilung

Zur Durchführung einer Beurteilung gibt es mehrere grundsätzliche Möglichkeiten.


Im Folgenden werden diese kurz dargestellt und deren Vor- und Nachteile verdeut-
licht.

1.6.1 Summarische oder analytische Beurteilung

Summarische Beurteilung Bei einer summarischen Beurteilung wird aus der Vielzahl der Eindrücke und
Leistungsmerkmale ein ganzheitliches Bild gewonnen. Beispiele sind die Abi-
turnote, die dann entscheidend für die Zuteilung von Studienplätzen ist, oder ei-
ne Rangreihe der Verkäufer nach dem von ihnen erzielten Umsatz.

Auf den ersten Blick bietet ein solches Vorgehen Vorteile: man erhält einen ein-
heitlichen „Wert“ für jeden Mitarbeiter. Dieser wird entweder aus dem Durch-
schnitt einer Reihe von Kriterien ermittelt (wie bei der Abiturnote) oder es wird
von vornherein nur ein besonders relevantes Kriterium betrachtet – z. B. der Um-
satz pro Person im oben gewählten Beispiel. Damit lassen sich Mitarbeiter in der
Folge eindeutig in eine Rangreihe bringen, sind von daher klar miteinander zu ver-
gleichen. Die Suche nach „dem Starverkäufer“ oder nach „dem Mitarbeiter des
Monats“ geht in diese Richtung.
Doch bereits die Betrachtung einer schulischen Gesamtnote greift häufig zu kurz,
denn einzelne Ausprägungen, d. h. Stärken und Schwächen, werden nicht berück-
sichtigt. Dies gilt ebenso für die Mitarbeiterbeurteilung im Unternehmen: Nutzt
man die Beurteilung lediglich zur Gehaltsfestsetzung, so mag eine summarische
Beurteilung ausreichen. Für alle weitergehenden Personalmaßnahmen – Förderung
wie Versetzung etc. – ist eine differenzierte Betrachtung unverzichtbar.

Analytische Beurteilung Im Gegensatz dazu versucht man bei einem analytischen Verfahren, verschie-
dene Kriterien zu betrachten. Aus deren Ausprägung ergibt sich ein individuelles
Stärken- und Schwächenprofil.

In der Praxis ist in den letzten Jahren fast ausschließlich die analytische Bewertung
verbreitet, um ein differenziertes Bild von den Stärken und Schwächen der Mitar-
beitenden zu gewinnen.
Mit der im Folgenden beschriebenen freien Eindrucksschilderung (vgl. Kap. 1.6.2)
lassen sich beide Formen – analytisches wie summarisches Vorgehen – verbinden.
Rangreihen (vgl. Kap. 1.6.3) finden wir eher beim summarischen Ansatz, Einstu-

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fungsverfahren (vgl. Kap. 1.6.4) werden vor allem mit analytischen Verfahren
kombiniert.

1.6.2 Freie Eindrucksschilderung

Bei diesem Vorgehen wird der Vorgesetzte gebeten, seinen Eindruck von dem Charakteristik
Mitarbeiter, der zu beurteilen ist, in eigenen Worten niederzulegen. Es handelt
sich dabei meist um ein unstandardisiertes Verfahren, wenn im Vorfeld darauf
verzichtet wurde, einheitliche Kriterien festzulegen und zu vereinbaren.

Vorteile dieses Verfahrens sind, dass kein verbindliches Beurteilungsverfahren Vorteile


entwickelt werden muss und Kriterien je nach Situation gewählt werden können.
Dadurch bleibt der bürokratische Aufwand gering. Die Führungskraft selbst hat ei-
nen großen Spielraum bei der Beurteilung.
Doch darin liegen auch Nachteile dieses Verfahrens: Die Aussagen verschiedener Nachteile
Führungskräfte sind kaum vergleichbar. Ihr Aussagegehalt hängt in hohem Maße
von der Beurteilungskompetenz und der Ausdrucksfähigkeit der jeweiligen Füh-
rungskraft ab. Damit lassen sich auf der Basis freier Eindruckschilderungen perso-
nelle Entscheidungen (z. B. wer soll befördert werden?) nicht begründet treffen.
In der Praxis finden sich Beurteilungen mit Hilfe freier Eindrucksschilderung Anwendung in der Praxis
• im Feedback-Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, wenn der
Vorgesetzte erläutert, welches Verhalten des Mitarbeiters er gut findet und wel-
ches verbesserungswürdig;
• bei Zwischenbeurteilungen (z. B. bei einem Führungskraftwechsel), wenn die
Führungskraft eine formlose Beurteilung über die den Mitarbeiter verfasst. Da-
gegen würden Arbeitszeugnisse einen festgelegten Inhalt und bestimmte formale
Erfordernisse hinsichtlich der Gestaltung und sprachlichen Würdigung erfordern
(vgl. z. B. Huber, Müller 2014);
• in manchen Beurteilungsverfahren als Erläuterung zu Einstufungen oder Be-
wertung analytisch vorgegebener Kriterien.

1.6.3 Rangordnungsverfahren

Bei diesem Ansatz bringen Führungskräfte ihre Mitarbeitenden anhand be- Charakteristik
stimmter Kriterien in eine Reihenfolge vom Erfolgreichsten bis zum Schlechtes-
ten. Dieses Vorgehen zwingt also bewusst zur Differenzierung. Doch dies setzt
voraus, dass die Leistung eindeutig und klar festgestellt werden kann.

Solche „Hit-Listen“ gibt es zum Beispiel im Vertrieb und selbst dort ist eine solche Kritik
Zuordnung nicht immer gerecht. Wird der Umsatz oder der Gewinn betrachtet? Die
Gewinnung von Neukunden? Hatten tatsächlich alle die gleichen Chancen, be-
treuen sie ein Gebiet mit den gleichen potenziellen Kunden? Ist die Kaufkraft, die
Wettbewerbssituation überall ähnlich? Wie viel schwerer ist es erst in anderen
Funktionsbereichen wie dem Marketing, dem Rechnungswesen, der Forschung und
Entwicklung, die Leistung von zwei Kollegen gerecht zu vergleichen! Diese Her-

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ausforderungen sind vom Vertrieb auf zahlreiche andere Funktionsbereiche über-
tragbar.
Als Erfahrungswert zeigt sich, dass es Vorgesetzten meist noch relativ leicht fällt,
einige besonders gute Mitarbeitende und einige Leistungsschwache zu nennen.
Doch im Mittelfeld genau zu differenzieren, ist kaum mehr möglich.
Auch aus motivationalen Gründen ist das Rangordnungsverfahren kritisch zu hin-
terfragen. Derjenige, der das Schlusslicht bildet, beispielsweise weil er neu in dem
Bereich ist, ist demotiviert, selbst wenn er zum Vormonat schon einen Leistungs-
zuwachs erkennen lässt. Und wenn Teamarbeit gefordert ist, so wirkt die Aus-
zeichnung Einzelner zu Lasten der anderen kontraproduktiv. Man hebt sich bei
einem Rangordnungsverfahren hervor, wenn man besser ist als der Kollege. Von
daher wäre es widersinnig, Kollegen zu unterstützen, wenn gerade ein Fehler der
anderen dazu führt, dass man selbst in der Rangreihe nach oben steigt.
Anwendung in der Praxis Führungskräfte ihrerseits wenden das Rangstufen-Verfahren meist ungern an, da
Konflikte mit Mitarbeitenden und innerhalb der Gruppe von Kollegen eine fast
zwangsläufige Folge sind. In der Praxis findet sich ein solches Vorgehen vor allem
im Vertrieb und bei großen Unternehmensberatungen sowie manchen amerikani-
schen Firmen. Durch regelmäßige Personalbeurteilungen sollen jedes Jahr die 10 –
20 % der Schlechtesten identifiziert werden. Gelingt es ihnen nicht, innerhalb der
nächsten Periode ihre Leistung zu verbessern, werden sie zum Verlassen der Firma
aufgefordert. Dadurch soll eine kontinuierliche Hoch-Leistungsbereitschaft und ein
Aussieben von Schlechteren sichergestellt werden. Allerdings führt eine solche
Personalstrategie auch zu kontinuierlichem Druck auf die Mitarbeitenden und un-
terliegt in der Bundesrepublik Restriktionen durch die Arbeitsgesetze.

1.6.4 Einstufungsverfahren

Charakteristik Beim Einstufungsverfahren werden mehrere vorgegebene Kriterien anhand


von Skalen nach ihrer Ausprägung bei dem Mitarbeiter bewertet. Diese Krite-
rien können sich auf Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Leistungsergebnisse
beziehen. Damit versucht man, die bei den oben genannten Verfahren auftreten-
den Probleme zu verhindern. Durch die Anwendung gleicher Kriterien und Ska-
len für alle Mitarbeitende sind diese besser vergleichbar. Dies erleichtert auch
eine Gleichbehandlung der Mitarbeitenden.

Die meisten in Unternehmen verwendeten Beurteilungsverfahren sind solche Ein-


stufungsverfahren. Auch die Notengebung in Schulzeugnissen ist ein Beispiel für
ein Einstufungsverfahren.
Die gerade Zahl von Ausprägungsstufen – also vier oder sechs Stufen – zwingt
zur eindeutigen Festlegung.

Beispiele

Note für das Fach Englisch 1 2 3 4 5 6

Verhandlungsgeschick ++ + – ––

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Die ungerade Zahl von Ausprägungsstufen ermöglicht das Ausweichen auf die
Mitte, wenn tatsächlich keine klaren Tendenzen erkennbar sind. Dies stellt
manchmal eine Vermeidungsstrategie dar, wenn Führungskräfte klare Aussagen
und für sie unangenehme Gespräche scheuen. In vielen Fragebögen und Beurtei-
lungsskalen wird eine solche fünffach gestufte Skala eingesetzt.

Beispiele

Kommunikationsverhalten ++ + 0 – ––

Arbeitsleistung sehr gut gut mittel ausreichend unbefriedigend

Einstufungsverfahren sollen den Vergleich zwischen verschiedenen Beurteilten er- Kritik


leichtern. Jedoch sind hier Urteilstendenzen der Beurteiler (siehe Abschnitt 1.7.) in
Rechnung zu stellen. Die Interpretation der Ergebnisse ist also nicht eindeutig. So
gibt es bei Untersuchungen zu Schulnoten das Ergebnis, dass mehrere Beurteiler
durchaus zu abweichenden Urteilen ein und derselben Prüfung gelangen können.
Solche Urteilsfehler und -tendenzen sind auch bei einem standardisierten Beurtei-
lungsbogen mit vorgegebenen Kriterien und vermeintlich eindeutigen Skalen nicht
ganz auszuschließen.
Wie viele Kriterien sollten bei einer Beurteilung verwendet werden? Sind mög-
lichst viele zu empfehlen, um jedem Einzelfall gerecht zu werden und ein mög-
lichst umfangreiches Bild jedes Mitarbeiters zu gewinnen? Untersuchungen vermit-
teln hierzu ein ernüchterndes Bild (z. B. Stehle 1999: 211): Menschen sind nur
schwer in der Lage, mehr als 10 Kriterien wirklich unabhängig voneinander ein-
zustufen. Wenn Führungskräfte dagegen – wie dies in manchen Unternehmen
durchaus üblich ist – 20 bis 30 Kriterien einstufen sollen, so wird nicht mehr diffe-
renziert. Vielmehr überwiegt ein Gesamteindruck. Überspitzt ausgedrückt: dem
freundlichen Mitarbeiter werden dann auch ein vorbildliches Kommunikationsver-
halten und gute Fachkenntnis bescheinigt. Deshalb ist es wichtig, den Beurtei-
lungsbogen keinesfalls zu überfrachten und lieber weniger, dafür aber wichtige
Merkmale einschätzen zu lassen.

1.6.5 Verhaltensorientierte Beurteilungsskalen

Um individuelle Beurteilungstendenzen etwas zu begrenzen und vor allem, um Charakteristik


einen möglichst vergleichbaren Maßstab anzusetzen, werden Skalen auch mit
konkreten Verhaltensbeispielen unterlegt. Man spricht von so genannten verhal-
tensorientierten Skalen.

Dies soll auch helfen, Kriterien einheitlich zu definieren. Was wird beispielsweise
unter Belastbarkeit verstanden? Dass jemand bereit ist, viele Überstunden zu ma-
chen? Dass er mehrere Aufgaben zeitgleich erledigen kann? Dass er bei zornigen
Kunden ruhig bleibt? Dass er unter Stress den Überblick nicht verliert? Wenn jeder
Vorgesetzte ein anderes Bild zugrunde legt, dann können die Beurteilungen weder
einheitlich noch vergleichbar sein.
Ein Beispiel zeigt Tabelle 1.4. Allerdings verbleibt trotz der verhaltensorientierten Kritik
Verankerung weiterhin viel Beurteilungsspielraum bei der Führungskraft. Sie hat
beispielsweise zu entscheiden, ob ein Verhalten „ständig“, „häufig“, „regelmäßig“,

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„im Rahmen seiner Möglichkeiten“ erfolgt. Das heißt, sogar bei solch dezidiert
ausgearbeiteten Skalen ist der Bezugsrahmen, der Maßstab immer noch individuell.
Festzuhalten bleibt: Eine wirklich objektive Aussage lässt sich nicht erzielen,
solange Menschen beurteilen.
Zudem besteht die Gefahr der Überforderung der Führungskräfte, wenn sie zu je-
dem Beurteilungskriterium solche Skalen durchzuarbeiten haben. Und fremde
Funktionsbereiche dürfen im gezeigten Beispiel offensichtlich nicht mit Verbesse-
rungsvorschlägen bedacht werden – auch dies ist eine Wertung des Unternehmens.

Beispiel Beispiel für das Kriterium Initiative


Definition: Fähigkeit und Bereitschaft, im Rahmen des Funktionsbereiches Anstöße für
Lösungen und Änderungen zu geben sowie Hindernisse bei der Arbeit tatkräftig und mit
angemessenen Mitteln auszuräumen.

Tabelle 1.4: Praxisbeispiel für eine verhaltensorientierte Beurteilungsskala

Übertrifft die Anforderungen Erkennt stets Ansatzpunkte für sinnvolle Änderungen, die den
ständig eigenen Funktionsbereich betreffen. Gibt Anstöße und
verwirklicht selbst neue Lösungswege. Auch schwierige
Probleme werden tatkräftig bewältigt.
Übertrifft häufig die Notwendige Änderungen, die den eigenen Funktionsbereich
Anforderungen betreffen, werden erkannt, tatkräftig angegangen und
zielstrebig bis zur Lösung verfolgt.
Erfüllt regelmäßig alle Ergreift bei Hindernissen im eigenen Funktionsbereich in der
Anforderungen Regel die Initiative und geht tatkräftig dabei vor. Erkennt im
Rahmen seiner Möglichkeiten Ansatzpunkte für
Veränderungen.
Erfüllt die Anforderungen Ist manchmal nicht in der Lage, Hindernisse bei der Arbeit aus
nicht immer eigenem Antrieb aufzugreifen und zu beseitigen. Lässt sich von
Problemen bei der Verfolgung von Lösungen entmutigen.
Ist von den Anforderungen Ist kaum in der Lage, Hindernisse bei der Arbeit zu bewältigen.
häufig überfordert Kümmert sich nicht um erforderliche Änderungen; muss von
anderen Mitarbeitenden mitgezogen werden.

Da also selbst bei Verwendung von verhaltensorientierten Skalen Beurteilungsfeh-


ler (siehe im Einzelnen dazu das folgende Kapitel) nicht ausgeschlossen, sondern
lediglich verringert werden können, sind Beurteilerschulungen unverzichtbar.
Diese werden meistens bei Betriebsvereinbarungen zur Einführung eines neuen
Beurteilungssystems oder eines Zielvereinbarungsgesprächs auch vorgesehen.
Soweit die Beurteilungen für die Nachfolge- und Nachwuchsplanung verwendet
werden, werden üblicherweise im Rahmen einer Potenzialanalyse weitere Beurtei-
lungs- und Einschätzungsdaten ergänzt. Dazu werden zunehmend Assessment-
Center ähnliche Verfahren (genannt Personalentwicklungs-, Orientierungsseminar
u. Ä.) eingesetzt.

1.7 Beurteilungsfehler

Mitarbeitende haben einen Anspruch auf eine gerechte und transparente Beurtei-
lung, hat diese doch eine Reihe von weitreichenden Konsequenzen auf das berufli-
che Leben. Doch können Beurteilungen anderer wirklich gerecht, möglichst objek-
tiv sein? Das Leistungsverhalten im Betrieb lässt sich nicht so eindeutig bewerten
wie im Hochsprung die Frage, ob die Latte gerissen wurde oder nicht. Psychologi-
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sche Tests erfüllen die Anforderung nach Objektivität weitgehend, doch sie helfen
in Fragen der Leistungsbeurteilung nicht weiter.
Man muss immer wieder konstatieren, dass zwei Menschen, die einen dritten zu
beurteilen haben, zu verschiedenen Eindrücken gelangen. Gleichzeitig besteht im
betrieblichen Kontext die Forderung nach einer möglichst gerechten Beurteilung.
Betrachten wir deshalb zunächst typische Beurteilungsfehler und wenden uns an-
schließend der Frage zu, wie man Beurteilungsfehler reduzieren kann.

1.7.1 Der Prozess der Eindrucksbildung – wie kommen Menschen zu einem Urteil

Abbildung 1.3 zeigt den Ablauf vom Verhalten über die Beobachtung, den Ein-
druck bis hin zur Aussage über eine Person.
Beurteilungsfehler können liegen auf der Ebene Ebenen möglicher
Beurteilungsfehler
• des Verhaltens
Das wahrgenommene Verhalten, das immer nur ein Ausschnitt aus dem Ge-
samtverhalten der Person ist, war nicht repräsentativ für diese Person.
• der Wahrnehmung
Zwei Beobachter haben auf Unterschiedliches geachtet und deshalb andere
Verhaltensausschnitte wahrgenommen.
• des Eindrucks
Die beiden Beobachter haben zwar dasselbe gesehen, jedoch einen unterschied-
lichen Eindruck vom beobachteten Verhalten gewonnen, sie interpretieren die
Beobachtung unterschiedlich.
• der Aussage
Die Beobachter kommen zu verschiedenen Aussagen über das beobachtete Ver-
halten.
Jedoch ist bereits das gezeigte Verhalten nicht in einem „luftleeren“ Raum zu se- Einfluss von Situationsvariablen
hen, auf das nur die Person mit ihren Eigenschaften, Fähigkeiten und Motivationen
gestaltenden Einfluss hat. Auch die Situation – beispielsweise das Verhalten von
Kolleginnen und Kollegen – wird von Einfluss sein. So gibt es beispielsweise viele
Sportler, die in der Konkurrenzsituation wachsen und sich noch mehr anstrengen,
um einen gleichwertigen oder besseren Gegner zu übertrumpfen. Möglicherweise
verhalten sich Mitarbeitende im betrieblichen Kontext in Gegenwart von Vorge-
setzten anders als z. B. sonst gegenüber Kollegen.

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Abb. 1.3: Modell der Beurteilung (vgl. Schuler 1978: 165)

1.7.2 Häufige Beurteilungsfehler

1.7.2.1 Beobachtung eines nicht repräsentativen Verhaltens

Beurteilungsfehler auf der Auf der Ebene des Verhaltens können insbesondere folgende Faktoren dazu füh-
Ebene des Verhaltens ren, dass die Beobachtungssituation nicht repräsentativ für das Gesamtverhalten
des Mitarbeiters ist:
• Fehlschluss von einer Situation auf eine andere
Beobachtungen sind immer stichprobenartig. Wenn jemand im Kollegenkreis
zurückhaltend ist, heißt das noch nicht, dass er keinerlei Durchsetzungskraft be-
sitzt und im Kundengespräch nicht zielorientiert verhandeln könnte. Es mag
weitere Gründe für das Verhalten geben (z. B. Höflichkeit gegenüber den älte-
ren Kollegen).
• Einfluss sozialer Beziehungen
Viele Menschen verhalten sich in Gegenwart des Vorgesetzten anders, der hier
gezeigte Einsatz, die Freundlichkeit müssen nicht durchgängig sein.
• Einfluss von Rollenerwartungen
Der Beurteilte versucht, den vermuteten Erwartungen zu entsprechen und ver-
hält sich entsprechend. So erhält jemand beispielsweise eine erste Führungspo-
sition. Er geht davon aus, dass er nun Ziele vereinbaren und deren Erfüllung
kontrollieren muss. Und verhält sich in der Konsequenz autoritär, verteilt Auf-
gaben, ohne die Kollegen einzubeziehen.
• Probleme, z. B. aus dem Privatbereich
Menschen sind keine Maschinen. Jemand, der gerade in Scheidung lebt, wird
kaum als Stimmungskanone im Unternehmen auftreten. Hat er deshalb keinen
Humor? Konzentrationsstörungen aufgrund von persönlichen Problemen wer-
den nicht dauerhaft sein.

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1.7.2.2 Selektive Wahrnehmung

Niemand kann all die Reize speichern und verarbeiten, die den ganzen Tag über Definition
auf ihn einströmen. Das heißt, selektive Wahrnehmung – der Ausschnitt aus einem
größeren Zusammenhang – ist immer notwendig, um in der Welt reaktionsfähig zu
bleiben. Man kann sich die Wahrnehmung anhand eines Konzertes verdeutlichen:
Der eine Zuhörer nimmt den Gesamteindruck wahr, der andere konzentriert sich
dagegen auf die Klarinetten. Beide erleben dasselbe Konzert und nehmen doch an-
dere Ausschnitte wahr.
Machen Sie einen kleinen Selbstversuch: Lassen Sie sich von einem Bekannten Beispiele
einen Film erzählen, den Sie selbst auch vor kurzem gesehen haben. Sie werden
erstaunt sein, was der andere wahrgenommen hat, was ihm wichtig war, was er an-
ders interpretiert hat. Neben der selektiven Wahrnehmung treten hier auch Effekte
der Eindrucksbildung (siehe Abschnitt 1.7.2.4) auf. Betrachten wir zunächst wieder
die Wahrnehmung:
Bekannt ist z. B., dass Lehrer bei Prüfungen eher Fehler übersehen, wenn sie den
Schüler für gut halten. Empirisch wurde auch schon untersucht, welche Fouls Zu-
schauer eines Fußballspiels wahrnehmen – die der favorisierten Partei oder die des
Gegners? Die Fouls des Gegners werden sehr genau wahrgenommen, die Fouls der
eigenen Mannschaft dagegen gerne übersehen. Bekannt ist auch, dass es selbst
ohne eigene Interessen Fehlurteile gibt: So nennen Zeugen eines Autounfalls häu-
fig die unterschiedlichsten Autofarben, wenn sie z. B. nach einem flüchtenden
Fahrzeug befragt werden. Sie sind nicht farbenblind, sie lügen nicht bewusst – die
Wahrnehmung war fehlerhaft, das Gedächtnis spielt einen Streich.
In allen diesen Fällen ist das beobachtete Verhalten kein gutes und ausreichendes
Kriterium, um ein zutreffendes Urteil zu fällen. Wir haben lediglich einen (relevan-
ten?) Ausschnitt der Wirklichkeit gespeichert.
Bezogen auf die Mitarbeiterbeurteilung besteht die Gefahr, dass ein nicht-
repräsentatives Verhalten beobachtet oder Wichtiges übersehen wird, und man zu
Fehlurteilen gelangt. Insbesondere, wenn der Beobachtungszeitraum kurz ist – bei-
spielsweise bei neuen Mitarbeitenden in der Probezeit oder bei seltenen Kontakten
mit jemandem aus einer anderen Abteilung – kann selektive Wahrnehmung zu Be-
urteilungsverfälschungen führen.

1.7.2.3 Einfluss von Interaktionen: Sich selbst erfüllende Prophezeiungen

In den 1960er Jahren wurde von Rosenthal in den USA folgende Untersuchung Das Rosenthal-Experiment
durchgeführt: Schüler verschiedener Jahrgangsstufen unterzogen sich einem Intel-
ligenztest. Nun wurde aber ein Trick angewandt: Die Lehrer, die ja von den
IQ-Tests wussten, erhielten die Ergebnisse. Jedoch wurden diese z. T. bewusst ver-
fälscht (siehe Abbildung 1.4). Bei einem Teil der nach Testergebnissen überdurch-
schnittlich intelligenten Kinder erhielten die Lehrer die richtig Angabe, bei einem
Teil jedoch die Aussage, die Kinder hätten im Test unterdurchschnittlich abgeschnit-
ten und langfristig seien von ihnen keine besonders guten Ergebnisse zu erwarten.
Ebenso wurde bei den nach Test unterdurchschnittlich begabten Kindern verfahren:
Bei einem Teil wurden die Lehrer richtig informiert. Bei einem Teil dagegen glaub-
ten sie, es handle sich um besonders intelligente Kinder, die eben lediglich „Spätzün-
der“ seien oder besonderer Förderung bedürften, um ihr Potenzial zu zeigen.

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Abb. 1.4: Darstellung der Rosenthal-Untersuchung

Effekte der Erwartungen Nach einem Jahr wurde überprüft, inwieweit sich aufgrund des vermeintlichen
Wissens der Lehrer über die Begabung ihrer Schüler die Noten verändert hatten.
An dieser Stelle soll nicht über die ethische Problematik dieses Versuches disku-
tiert werden, die offensichtlich ist. Eine derartige Versuchsanordnung könnte man
sich heute kaum mehr vorstellen. Betrachten wir vielmehr die Ergebnisse im Ver-
gleich der vier Gruppen:
Bei den Gruppen 1 und 4 änderten sich die Notendurchschnitte nicht signifikant.
Interessant sind nun die Gruppen, von denen die Lehrer die falschen Informationen
erhielten – also Gruppe 3 mit weniger intelligenten Kindern, die aber besonders gu-
te Werte haben sollten, und Gruppe 2, eigentlich hochbegabte Kinder, von denen
die Lehrer aber die Meinung haben mussten, sie wären weniger intelligent. Bei der
Gruppe 3 besserte sich innerhalb des Jahres der Notendurchschnitt, bei der Gruppe
2 sank er hingegen.
Die Noten wurden also so, wie die Lehrer glaubten, dass die Kinder begabt seien.
Man bezeichnet dieses Phänomen auch als eine sich selbst erfüllende Prophezei-
ung.
Wie ist das zu erklären? Bei den intelligenten Kindern, über die die Lehrer absicht-
lich falsch informiert wurden, glaubten sie, die bisherigen gute Ergebnisse sei eher
über besonderen Fleiß oder schlicht Glück erreicht worden. Diese Kinder wurden
im Folgenden durch die Lehrer eher entmutigt (z. B. durch Aussagen wie „Da hast
Du aber Glück gehabt“, „Hast Du abgeschrieben?“ bei guten Noten und durch we-
niger Berücksichtigung im Unterricht). Die eigentlich unterdurchschnittlich begab-
ten Schüler, die ja laut Test besondere Potenziale haben sollten, wurden dagegen
ermutigt („Du weißt das doch sicher“, „Überleg doch noch mal“), unterstützt und
anschließend gelobt.
Übertragung der Ergebnisse auf Inzwischen liegen Untersuchungen vor, dass ähnliche Mechanismen auch in der
Situationen in Unternehmen Führung und Zusammenarbeit im Unternehmen wirksam sind. Menschen werden
langfristig so, wie wir glauben, dass sie sind, weil wir sie entsprechend behandeln,
und das verstärkt wieder unsere Überzeugung, dass unsere Einschätzung richtig
war (vgl. Rosenstiel, Comelli 2009: 108).
Abbildung 1.5a verdeutlicht einen positiven Kreislauf, Abbildung 1.5b den negati-
ven Kreislauf der sich selbst erfüllenden Prophezeiung:
Positiver Kreislauf der sich Eine Vorgesetzte, die einen Mitarbeiter für qualifiziert, selbstständig und karriere-
selbst erfüllenden Prophezeiung ambitioniert hält, delegiert ihm anspruchsvolle Aufgaben und Verantwortung und
fördert ihn in Bezug auf sein weiteres berufliches Vorankommen. Klappt etwas
nicht sofort, so wird sie sagen, „kann mal vorkommen“ und sich mit dem Mitarbei-
ter zusammensetzen, um das Problem zu lösen. Der Mitarbeiter bekommt interes-
sante Aufgaben, sieht seine Chancen, strengt sich an, um gute Ergebnisse zu erzie-

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len und erhält dafür wiederum Anerkennung. Und die Vorgesetzte sieht sich in ih-
rer Personalauswahl und Förderpraxis bestärkt und wird diesen Mitarbeiter weiter
unterstützen.

Abb. 1.5a: Positive sich selbst erfüllende Prophezeiung im Führungsverhalten

Abbildung 1.5b veranschaulicht den allerdings auch möglichen negativen Kreislauf Negativer Kreislauf der sich
von Erwartungen, darauf aufbauendem Verhalten und einer Bestätigung der eige- selbst erfüllenden Prophezeiung
nen Vorurteile.

Abb. 1.5b: Negative sich selbst erfüllende Prophezeiung im Führungsverhalten

Sich selbst erfüllende Prophezeiungen sehen wir in vielen Bereichen: Mitarbeiten-


de, die sich sorgen, dass sie nach der Probezeit nicht übernommen werden, werden
unsicher, unkonzentriert, trauen sich wenig zu und produzieren genau durch diese
negativen Bilder erst ihre Fehler und ihren Misserfolg.
Aber auch in makropolitischer Hinsicht sehen wir die Wirkung: Herrscht in einer
Gesellschaft Sorge um die Arbeitsplätze und die Entwicklung der Zukunft vor, so
werden die meisten versuchen, ihr „Geld zusammenzuhalten“ und wenig zu kon-
sumieren, da man ja nicht sicher sein kann, in einem Jahr noch in Beschäftigung zu
stehen. Der Konsum geht zurück, die Unternehmen machen weniger Umsatz, sie
werden rationalisieren, Personal abbauen, was die Unsicherheit in der Bevölkerung
weiter verstärkt. Das Schlimme ist in diesem Fall: Die Krise entsteht primär
dadurch, dass aus Angst vor der Krise das Verhalten verändert wird. Das nicht er-
wünschte Ereignis wird durch das eigene Verhalten erst hervorgerufen.

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Wichtig: Selbstprüfung Führungskräfte sind deshalb gefordert, immer wieder zu reflektieren, inwieweit das
und Reflexion Verhalten ihrer Mitarbeitenden von ihnen selbst erst in Gang gesetzt wurde. Eben-
so sind sie gefordert, eine negative Spirale zu vermeiden, denn es ist sehr schwie-
rig, diese wieder zu unterbrechen.
Gefahr: Erlernte Hilflosigkeit Im Extremfall kann dies bis zur gelernten Hilflosigkeit gehen, die Seligman (2011)
beschreibt: Nach vielen Entmutigungen traut sich der Mitarbeiter nichts mehr zu
und wird nicht mehr aktiv, selbst wenn der neue Vorgesetzte gerade darauf Wert
legt.

1.7.2.4 Ebene der Eindrucksbildung

Die Persönlichkeit des Beurteilers, seine Vorerfahrungen, seine Stimmung etc. tra-
gen maßgeblich zum Zustandekommen eines Urteils bei. Urteile sagen manchmal
mehr über den Urteilenden als über den beurteilten Sachverhalt. Aus der Beurtei-
lung von Führungskräften durch ihre Mitarbeiter weiß man, dass die Aussagen der
Untergebenen über einen Vorgesetzten zumeist weit streuen (vgl. Nerdinger 2014,
Nachreiner 1978). Manchmal wirkt es, als wären unterschiedliche Personen beur-
teilt worden, so weit gehen die Aussagen der beurteilenden Mitarbeiter auseinan-
der. Wie kann es dazu kommen, dass ein und dieselbe Person in der Bewertung
mehrerer Personen anders abschneidet?
Arten von Beurteilungsfehlern • Interpretationen
bei der Eindrucksbildung Der zu Beurteilende verhält sich in einer bestimmten Weise – die zu beschrei-
bende Wahrnehmung wäre, „Sie haben mich jetzt zum zweiten Mal unterbro-
chen“. Doch die Interpretation kann sehr unterschiedlich sein: Der andere ver-
hält sich flegelhaft, ist arrogant, oder er ist schlicht besonders am Thema
interessiert, engagiert, oder aber ich drücke mich langwierig aus oder wider-
sprüchlich oder komme nicht zur Kernaussage.
Zu den wichtigsten Hinweisen beim Feedback (siehe Abschnitt 3.3) gehört des-
halb, Beobachtung und Wertung klar voneinander zu trennen.
• Maßstab gebildet durch Vorerfahrungen
Jeder bezieht sich bei seinem Urteil auf seine Vorerfahrungen: Wer zunächst ei-
nen sehr partizipativen Vorgesetzten hatte, wird anschließend einen durch-
schnittlich mitwirkungsorientierten als „autoritären Knochen“ empfinden. Der
Kollege dagegen, der in den letzten Jahren unter einem wirklich autoritären
Vorgesetzten zu leiden hatte, wird den durchschnittlichen nun als hoch-
partizipativ empfinden.
• Sympathie und Ähnlichkeit
Ein uns sympathischer Kollege wird von uns besser beurteilt werden als ein uns
unsympathischer. Die einzelnen Merkmale werden nicht unabhängig voneinan-
der wahrgenommen. Menschen neigen dazu, generell andere, die ihnen ähnlich
erscheinen, als sympathischer wahrzunehmen und eigene (positive) Eigenschaf-
ten auf diese zu projizieren. Dabei kann sich die Ähnlichkeit auf Äußeres bezie-
hen (beide tragen als Einzige in der Firma moderne Kleidung oder Motorrad-
kluft), auf das Alter, Geschlecht, eine bestimmte Ausbildung, Hobbys, gleichen
Geburtsort etc.

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• Halo-Effekt
Manchmal ist ein Merkmal so stark, dass es andere überlagert und generalisiert
wird. Beispiel: Ein Kollege ist immer gut gelaunt, zu einem Scherz bereit und
freundlich. Dies macht ihn sympathisch, er wirkt positiv und offen. Doch es be-
deutet noch lange nicht, dass er deshalb auch fair und kooperativ sein wird.
• Eigene Betroffenheit
Die eigene Betroffenheit erschwert die objektive Urteilsbildung. So wird ein
Vorgesetzter eine Mitarbeiterin, von deren Arbeitseinsatz seine eigene Arbeits-
leistung abhängt, strenger als einen anderen Mitarbeiter beurteilen, bei dem dies
nicht der Fall ist. Besonders stark ist die eigene Betroffenheit in Konfliktsituati-
onen, wenn man auch emotional beteiligt ist. Dies beeinträchtigt häufig die
Wahrnehmung. Jeder hat dann etwas anderes gehört (s. o. die Ausführungen zur
selektiven Wahrnehmung)!
• Persönlichkeitstheorien und Stereotype des Beurteilers
Wir alle machen uns – ohne Psychologiestudium und ohne uns dessen immer
bewusst zu sein – Gedanken darüber, wie Dinge zusammenhängen und Men-
schen sich verhalten. Hat nun z. B. jemand die Theorie, dass eine Person, die
zweimal eine Klasse wiederholen musste, nur absolut faul sein kann, so wird es
diese Person sehr schwer haben, überhaupt eine Chance zur Bewährung zu erhal-
ten. Negative Stereotype – die nichts anderes als Vorurteile sind – finden wir häu-
fig gegenüber allem, was als Abweichung wahrgenommen wird, z. B. übergewich-
tigen Menschen, Ausländern, psychisch Kranken, Frauen in Männerdomänen etc.

1.7.2.5 Ebene der Aussagenbildung

Abweichende Beurteilungen einer Person können schließlich auch auf der Ebene
der Aussagenbildung begründet sein.
• Unklar definierte Kriterien Arten von Beurteilungsfehlern
Wenn die Urteilskriterien (wie bereits angeführt wurde – siehe Abschnitt 1.6.5) auf der Aussagenebene
nicht eindeutig sind, verwenden unterschiedliche Beurteiler zwar den gleichen
Begriff, verbinden damit aber anderes (z. B. Was ist mit „emotionaler Intelli-
genz“ gemeint?). Damit ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Aussagen der
Beurteiler streuen werden.
• Individuelle Urteilstendenzen
– Tendenz zur Mitte: Hier geben die Beurteiler eher mittlere Werte an.
– Tendenz zur Strenge: Diese Beurteiler werten eher kritisch, bei ihnen ist die
Note 3 schon eine Auszeichnung; keine Arbeit erscheint wirklich perfekt.
Statt zu loben sagen viele gerade einmal „das war nicht schlecht“.
– Tendenz zur Milde: Diese Beurteiler vergeben großzügig gute Bewertungen.
Wenn z. B. ein Auszubildender von unterschiedlichen Abteilungen sehr differie-
rende Bewertungen erhält, so kann es sein, dass er sich unterschiedlich gut ein-
bringen konnte oder aber dass Urteilstendenzen mit hineinwirkten. Letzteres
lässt sich nur eindeutig bestimmen, wenn man systematisch (d. h. über einen
längeren Zeitraum und verschiedene Beurteilte hinweg) die Aussagen von ver-
schiedenen Führungskräften vergleicht.

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Deshalb ist es schwierig, unterschiedliche Aussagen ohne weitere Information
richtig einzuschätzen. Dieses Problem haben viele Entscheider, beispielsweise
wenn es um die Einstellung von Hochschulabsolventen geht. Bedeutet die Note
„2“ an jeder Hochschule, in jedem Fachbereich, bei jedem Professor dasselbe?
Internationale Hochschulen geben deshalb z. T. das Ranking an, also ob der be-
treffende Absolvent unter den besten 10 oder aber unter den besten 60 % der
Studenten ist, um Entscheidern einen Anhaltspunkt zu geben. Ein solches Ver-
fahren wurde mit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System auch in
Deutschland eingeführt, sodass auch hier von den Hochschulen im Diploma
Supplement ein Rang von A bis E angegeben wird.
• Mangelnde Offenheit des Beurteilers
Die Absichten des Beurteilers und der Bezug, in dessen Rahmen die Beurtei-
lung steht, gehen in die Wertung mit ein und sind anderen nicht immer offen
zugänglich.

Beispiele:
Für einen sehr guten Mitarbeiter interessiert sich eine Nachbarabteilung und fragt bei der
Vorgesetzten nach dessen Arbeitsleistung. Die Vorgesetzte will den Mitarbeiter auf kei-
nen Fall verlieren – wird sie sich wirklich bereitwillig begeistert äußern und den guten
Mitarbeiter ziehen lassen? Oder eher einen anderen, einen leichter zu ersetzenden Mit-
arbeiter anpreisen?
Sie kennen vielleicht die Situation: Ein Verhaltenszug eines Freundes stört Sie ungemein.
Und doch sagen Sie nichts zu ihm, fressen Ihren Ärger in sich hinein und reagieren gele-
gentlich mal etwas aggressiver. Warum sagen Sie nicht offen, was Sie stört? Aus Rück-
sichtnahme? Weil Sie den anderen nicht verletzen wollen? Sowieso nicht an eine Än-
derung glauben? Nicht wissen, wie Sie es ohne Streit und Kränkung verdeutlichen können?

Auch Führungskräfte sind nur Menschen und hinsichtlich ihrer Offenheit und
Kommunikationsstärke manchmal noch entwicklungsfähig.
• Unklare Sprache, z. B. Zeugnissprache
Im Zeugnis wird selbst Negatives vermeintlich positiv ausgedrückt. Dies hat
verschiedene Gründe: Zum einen unterliegen Arbeitgeber einer Wohlwollens-
pflicht, sie sollen ausscheidenden Mitarbeitern deren berufliche Zukunft nicht
erschweren. Andererseits haben sie aber auch eine Wahrheitspflicht. Wer den
daraus resultierenden speziellen Zeugnis-Sprachcode nicht kennt, wird aufgrund
der eigentlich guten Aussagen („bemühte sich intensiv, den Anforderungen ge-
recht zu werden“, „war immer interessiert, viele Abteilungen kennen zu ler-
nen“) zu einem falschen Urteil gelangen.

1.7.3 Möglichkeiten der Reduzierung von Beurteilungsfehlern

Sind solche Beurteilungsfehler bei der Mitarbeiterbeurteilung – von Auswahlent-


scheidungen einmal abgesehen – überhaupt relevant? Werden hier nicht grundsätz-
lich Ergebnisse betrachtet, harte Faktoren also, die im Nachhinein nicht mehr zu
beschönigen sind? Und kennt nicht jede Führungskraft ihre Mitarbeiter sowieso?
Natürlich kann bei gewerblichen Mitarbeitern am Band deren individuelles Output
erfassst werden. Möglicherweise lassen sich auch Fehler direkt feststellen und zu-
ordnen. Doch wie sieht es mit der Unterstützung der Kollegen aus? Der Zusam-
menarbeit? Innovativen Lösungsvorschlägen zur Verbesserung der Prozesse und
der Vermeidung von Ausschuss? Wie lassen sich diese messen und erfassen?

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Wie sieht es bei einer Sekretärin aus? Natürlich lässt sich klar messen, wie viele
Briefe und Mails sie pro Tag schreibt und wie lange die Beantwortung dauert.
Doch sind das die relevanten Kriterien zur Einschätzung ihrer Arbeitsleistung? Wie
wird die Eigenständigkeit in der Aufgabenerledigung gemessen? Wie die Fehler-
freiheit? Wie die Freundlichkeit im Umgang mit Kollegen und Kunden?
Je komplexer die Tätigkeit ist, umso schwerer wird die eindeutige Beurteilung fal- Problem: Bewertung von
len. Dies erfordert von Führungskräften zum einen, dass sie vorab Ziele vereinba- komplexer Tätigkeit
ren (siehe Abschnitt 2.2), damit die Mitarbeitenden auch wissen, was von ihnen
erwartet wird, welche Prioritäten ihre Tätigkeiten haben. Zum anderen ist ein sys-
tematisches Beurteilungsverfahren mit klaren Definitionen der zu bewerten-
den Kriterien vonnöten. Was ist mit Teamorientierung gemeint? Was wird unter
Durchsetzungsvermögen verstanden? Was ist Kundenorientierung – Beratungsqua-
lität? Eingehen auf Sonderwünsche? Schnelles und kulantes Reagieren auf Be-
schwerden? Freundlichkeit? Häufige Mailingaktionen zur Information?
Je komplexer die Tätigkeit und je weniger klar das Ergebnis messbar bzw. zuord-
enbar ist, um so mehr gewinnen subjektive Bewertungen an Einfluss. Im Ski-
Abfahrtslauf geht es lediglich darum, die Zeit eindeutig zu messen und die Einhal-
tung der Regeln (Streckenverlauf) zu kontrollieren. Im Eiskunstlauf geht es nicht
nur um die reine Schwierigkeit der Übungen, sondern gerade auch um die Art der
Ausführung. Und hier schwanken bekannterweise die Meinungen.
Für die betriebliche Praxis wurde z. B. gezeigt (siehe Abbildung 1.1), dass viele
Menschen sich nicht gerecht bezahlt fühlen – sie empfinden ihre Gehaltsfestset-
zung entweder im Vergleich zu den Kollegen nicht als gerecht oder nicht als leis-
tungsgerecht. Dies kann an Differenzen zwischen Selbst- und Fremdbild, fehlender
Rückmeldung, schwieriger Leistungseinschätzung oder den genannten Beurteilungs-
fehlern liegen. In der betrieblichen Praxis zeigen sich auch deutliche Wahrneh-
mungsunterschiede, je nachdem, ob der Vorgesetzte oder aber ein Kollege ein Vo-
tum abgibt. Jochum (1987) belegte in seiner Dissertation, dass im so genannten Peer-
Rating, der Beurteilung durch gleichgestellte Kollegen, andere Wertungen zu Tage
treten als in der Beurteilung durch die Führungskräfte. Bereits die Einschätzungen
zur Kompetenzzuschreibung gehen auseinander. Jeder nimmt offensichtlich einen
anderen Verhaltensausschnitt wahr.
Was kann also getan werden, um Beurteilungsfehler wie die beschriebenen zu re- Möglichkeiten zur Reduzierung
duzieren und um für Mitarbeitende eine möglichst nachvollziehbare und gerechte von Beurteilungsfehlern
Beurteilung zu erreichen?
Zunächst einmal ist dafür zu sorgen, dass die Verhaltensbeobachtung in möglichst Repräsentative
vielen und auch unterschiedlichen Situationen ermöglicht wird. Nur so gelingt es, Verhaltensausschnitte wählen
einen Eindruck von repräsentativen Verhaltensausschnitten zu gewinnen und
„Vorführeffekte“ bzw. Fehler aufgrund von Lampenfieber zu reduzieren.
Selbstverständlich sind die Beurteiler – d. h. im Regelfall die Führungskräfte – zu Schulung der Beurteiler
schulen: Sie müssen sensibilisiert werden, welche Beurteilungsfehler auftreten und
dass ihr Urteil möglicherweise nicht unabhängig von ihrer eigenen Befindlichkeit
zu sehen ist. Dazu wird ein Begleiteffekt des Assessment Centers immer wieder
hervorgehoben: Im AC werden ja nicht nur mehrere Kandidaten bei mehreren
Übungen verglichen, sondern auch mehrere Führungskräfte beobachten sie und
müssen sich anschließend auf ein gemeinsames Urteil einigen. Es lassen sich also
die Eindrücke und Urteilstendenzen auch der Beobachter miteinander vergleichen.
Der Einzelne erhält sozusagen nebenbei Rückmeldung, ob er beispielsweise ausge-
sprochen kritisch oder milde auf andere reagiert. So können auch Urteile über Be-

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werber, die einem der Beobachter besonders sympathisch oder unsympathisch sind,
hinterfragt und überprüft werden.
Einsatz mehrerer Beurteiler Generell hilft der Einsatz mehrerer Beurteiler, subjektive Urteilstendenzen und
Wahrnehmungsverfälschungen einzuschränken. In der betrieblichen Praxis ist es
weit verbreitet, dass Personal-Auswahlentscheidungen nicht von einem Einzelnen
getroffen werden und die Nachwuchs- und Nachfolgeplanung in einem internen
Gremium besprochen werden muss. Allerdings verbleibt die regelmäßige Beurtei-
lung des Mitarbeiters durch die Führungskraft zumeist in der Zweiersituation. Erst
in strittigen Konfliktsituationen wird man höhere Vorgesetzte hinzuziehen.
„Rundumbeobachtung“ durch So genannte 360-Grad-Beurteilungen, wie sie in den letzten Jahren verstärkt ein-
360-Grad-Beurteilungen gesetzt werden (vgl. z. B. Scherm 2013), haben das Ziel, durch die Rückmeldung
von verschiedenen Bezugspersonen zu erheben,
• wie eine einzelne Person sich in verschiedenen Situationen, d. h. in unterschied-
lichen Rollen verhält – beispielsweise als Mitarbeiter, als Vorgesetzter, als Kol-
lege, gegenüber Externen;
• dieses Fremdbild mit dem Selbstbild abzugleichen und
• dadurch Ansatzpunkte zur weiteren Verbesserung zu gewinnen.
Oben wurde dargestellt, dass jeder Beobachter nur einen Teilausschnitt des Verhal-
tens der anderen Person wahrnehmen kann. Durch eine solche „Rundumbeob-
achtung“ wird nicht primär der einzelne Beobachter trainiert, genauer zu schauen,
sondern der Blickwinkel wird erweitert.

Abb. 1.6: Modell einer 360-Grad-Beurteilung

Praxistipps Insbesondere der Einsatz mehrerer Beobachter ist eine gute Möglichkeit, Urteile
eines Einzelnen zu hinterfragen. Voraussetzung ist allerdings, dass die unterschied-
lichen Beobachter unabhängig voneinander zu ihrem Urteil kommen und sich nicht
bereits in dieser Phase beeinflussen (vgl. Schuler 1978). Wichtig ist auch, gerade
bei unterschiedlichen Urteilen genau danach zu fragen, wie der andere zu dieser
Überzeugung kommt. Ein reiner Mittelwert der Beobachteraussagen mag beim Eis-
kunstlauf eine geeignete Methode sein. Bei der Mitarbeiterführung greift dies zu kurz,
eine wichtige Möglichkeit zum Hinterfragen des eigenen Urteils wäre vergeben.
Auf eines ist jedoch klar hinzuweisen: Viele subjektive Urteile ergeben noch
kein objektives Bild. Auch wenn mehrere Beurteiler mitwirken und sich deren
fehlerhafte Urteilstendenzen möglicherweise ausgleichen, heißt dies noch nicht,
dass dadurch ein gerechtes, objektives Urteil entsteht. Nerdinger (2014: 209 f.)
warnt nachdrücklich davor, viele subjektive Urteile mit der Wahrheit gleichzuset-
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zen: „Der Durchschnitt vieler subjektiver Urteile ist nicht die objektive Wahrheit!
Vielmehr besteht die Erkenntnis einer solchen Beurteilung darin, dass der Beurteil-
te erfährt, wie er von verschiedenen Bezugsgruppen wahrgenommen und einge-
schätzt wird.“
Eine 360-Grad-Beurteilung ist deshalb keine geeignete Basis für Gehaltsentschei- Grenzen einer
dungen. Aber sie vermittelt wichtige Eindrücke und kann helfen, durch die Rück- 360-Grad-Beurteilung
meldungen den eigenen „blinden Fleck“ zu reduzieren. Nerdinger (2014) plädiert
sogar dafür, die 360-Grad-Beurteilung ausschließlich mit dem Ziel des Feedbacks
und der persönlichen Entwicklung einzusetzen.

Übungsaufgaben
1.1) Welche zentralen Ziele verfolgen Unternehmen mit einer systematischen Personalbeurtei-
lung?
1.2) Warum sind Probezeitbeurteilungen in der Praxis wichtig? Was ist zu beachten?
1.3) Nennen Sie zentrale Beurteilungskriterien für Führungsnachwuchskräfte.
1.4) Erläutern Sie zentrale Unterschiede zwischen Beurteilung und Potenzialeinschätzung!
1.5) Diskutieren Sie kritisch den Einsatz eines Rangordnungsverfahrens zur Personalbeurteilung.
1.6) Beschreiben Sie anhand eines Beispiels kurz den so genannten Rosenthal-Effekt (Effekt der
sich selbst erfüllenden Prophezeiung).
1.7) Nennen Sie zwei weitere mögliche Beurteilungsfehler, die bei der Mitarbeiterbeurteilung auf-
treten können.
1.8) Welche Einflussmöglichkeiten hat der Betriebsrat bei der betrieblichen Personalbeurteilung?
1.9) Warum sind auch manche Führungskräfte gegen Beurteilungen eingestellt?
1.10) Erläutern Sie, was unter verhaltensorientierten Beurteilungsskalen zu verstehen ist!
1.11) Was ist unter einer 360-Grad-Beurteilung zu verstehen? Was spricht für ihren Einsatz in der
Unternehmenspraxis?

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2 Personalgespräche

2 Personalgespräche
Mit dem Durcharbeiten dieses Kapitels sollen Sie folgende Studienziele erreichen:
Lernziele  Sie haben einen Überblick über verschiedene Arten von Personalgesprächen
und deren Einsatzmöglichkeiten;
 verstehen die Entwicklung vom reinen Beurteilungsgespräch hin zum Zielver-
einbarungsverfahren;
 kennen den typischen Aufbau eines Mitarbeitergesprächs auf der Basis von
Zielvereinbarungen;
 verstehen, warum Zielvereinbarungen wichtig sind und was Ziele auszeichnet;
 verstehen, dass ein solches Mitarbeitergespräch ein zentrales Personal-Füh-
rungsinstrument ist;
 wissen, wie ein solches Verfahren organisatorisch eingebunden werden kann;
 haben einen Eindruck von Erfahrungen mit MbO in der Unternehmenspraxis
gewonnen.

2.1 Arten von Personalgesprächen und ihre Zielsetzungen

Tagtäglich finden Gespräche zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitenden


statt. „Miteinander arbeiten – miteinander reden“ hat der Organisationspsychologe
Oswald Neuberger (1996) eines seiner vielfach verlegten Werke genannt. Führung
wie Zusammenarbeit erfordern das Gespräch miteinander.
Führen heißt kommunizieren Insbesondere Führungskräfte sind kommunikativ gefordert: Höhere Führungskräfte
verbringen rund 70 % ihrer Arbeitszeit in Face-to-Face-Kontakten, d. h. in persönli-
chen Zweier-Treffen und Besprechungen (vgl. Pribilla et al. 1996; Regnet 2014:
29 f.).
Dabei handelt es sich selbstverständlich nicht nur um Beurteilungsgespräche. Die
folgende Zusammenfassung in Tabelle 2.1 zeigt zentrale Zielsetzungen von ver-
schiedenen Mitarbeitergesprächen und die geeignete Gesprächsform im Überblick.
Arten von Personalgesprächen Tabelle 2.1: Arten von Personalgesprächen entsprechend ihrer Zielsetzung

Personalgespräche geeignete Form


Zielsetzung
Offene Fragen sind zu klären Abstimmungsgespräch
Rückmeldung soll gegeben werden Feedback-Gespräch
Mitarbeiter braucht eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen Entscheidungssitzung
(z. B. Konditionen im Angebot)
Leistungen lassen nach Motivationsgespräch
Fehler, Beschwerden tauchen auf Kritikgespräch
Teil-Ziele werden besonders gut erreicht Anerkennungsgespräch
Unterstützung bei der Aufgabenerfüllung ist erforderlich Coaching
Mitarbeiterin stößt auf ein Problem Problemlösegespräch
Beurteilung der Leistung Beurteilungsgespräch
Gehalt und Zulagen sollen neu festgelegt oder überprüft werden Gehaltsgespräch
Kündigung ist geplant Trennungsgespräch

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Personalgespräche 2

Je nach Situation bedarf es also einer angemessenen kommunikativen Reaktion.


Wir werden uns im Folgenden nicht mit den üblichen Gesprächen zwischen Vorge-
setzten und Mitarbeitenden zur Aufgabenplanung, -koordination, -kontrolle sowie
zur Problemlösung beschäftigen. Der Fokus wird auf dem Beurteilungsgespräch
liegen. Feedback, Kritik, Anerkennung und Motivation werden in diesem Zusam-
menhang aber auch behandelt, da ihnen immer Beurteilungsprozesse zugrunde lie-
gen und sie für einen effizienten Verlauf des Beurteilungsgespräches unverzichtbar
sind.
Das Mitarbeitergespräch auf der Basis von Zielvereinbarungen, das im Folgenden
speziell vorgestellt werden soll, wird in manchen Unternehmen auch Mitarbeiter-
jahresgespräch genannt, da es zumeist einmal pro Jahr durchgeführt wird. Dies
heißt nicht, dass es andere Gespräche ersetzen kann. Es handelt sich nicht um ein
Verfahren zur Rationalisierung der Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und
Führungskräften, sondern um eine Ergänzung mit zum Teil neuen Inhalten.

2.2 Mitarbeitergespräche auf der Basis von Zielvereinbarungen

Im folgenden Kapitel werden wir das so Mitarbeitergespräch näher beleuchten. Charakteristik


Es stellt eine Weiterentwicklung des klassischen Beurteilungsverfahrens dar. In
einem analytischen Vorgehen werden meist Einstufungsverfahren, z. T. aber
auch freie Eindrucksschilderungen eingesetzt. Es handelt sich um ein Führungs-
instrument zur Steuerung der Mitarbeitenden und zur Optimierung des
Leistungsverhaltens. Die Urteile der Vorgesetzten sollen an die jeweiligen Mit-
arbeitenden zurückgemeldet werden und eine akzeptierte Grundlage zur Zu-
sammenarbeit schaffen.

Unter den Begriffen „Mitarbeitergespräch“, „Mitarbeiter-Jahresgespräch“, „Perso-


nalbeurteilungsgespräch“ oder „Zielvereinbarungsgespräch“ wurden Beurteilungs-
systeme auf der Basis von Zielvereinbarungen entwickelt. Man spricht von einem
Management by Objectives (MbO). Neu ist
• der kooperative Anspruch an die Gesprächsführung und dass
• dieses Gespräch nicht nur vergangenheitsorientiert sein soll (= klassische Beur-
teilung), sondern ebenso die weitere Zusammenarbeit thematisiert wird,
• die Zielvereinbarung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden,
• die Verbindung mit der Förderung und der Personalentwicklung.

2.2.1 Warum ein spezielles Zielvereinbarungsgespräch?

Das Mitarbeitergespräch sollte regelmäßig in einem bestimmten Abstand – meist Relevanz von
jährlich – stattfinden. Ein solches institutionalisiertes Gespräch darf und kann die Mitarbeitergesprächen
vielen täglichen Gespräche in der Führungsdyade natürlich nicht ersetzen. Es geht
nicht darum, Strichlisten für später zu führen, in denen während des Jahres Fehler
und Erfolge festgehalten werden. Allerdings bleiben Gespräche im betrieblichen
Alltag – selbst bei einem intensiven Kontakt zwischen Führungskraft und Mitarbei-
tenden – meist auf die operativen, drängenden fachlichen Fragen beschränkt. Zu
kurz kommt das Feedback für die Mitarbeitenden, der Austausch über zukünftige
Planungen, Fördermaßnahmen etc. Umfragen zeigen, dass Mitarbeitende sich

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auf allen Hierarchieebenen und Funktionen mehr Information durch die Vorgesetz-
ten wünschen. Hier soll das institutionalisierte Mitarbeitergespräch, das in einem
bestimmten Quartal zu führen ist, eine Lücke füllen.
Abgrenzung Zudem kommt ein weiterer Themenschwerpunkt hinzu: Das klassische Beurtei-
Mitarbeitergespräch und lungsgespräch ist vergangenheitsorientiert. Die Leistung des Mitarbeiters im letz-
Beurteilungsgespräch ten Jahr (siehe Abbildung 2.1) wird gewürdigt oder kritisiert – mit den oben be-
schriebenen Folgen für die Gehaltsfestsetzung und ggf. weiteren Aufstiegschancen.
Im Mitarbeiterjahresgespräch soll darüber hinaus die Zukunft thematisiert werden
(s. u.). Dies umfasst zum einen die Vereinbarung konkreter Ziele, an denen sich der
Mitarbeiter auch später messen lassen muss, und zum anderen die Klärung not-
wendiger Förderung, sei es durch Weiterbildung, sei es durch Unterstützung von
Vorgesetzten.

Abb. 2.1: Traditionelles Beurteilungsverfahren und Mitarbeiterjahresgespräch im Vergleich

2.2.2 Zentrale Elemente eines Mitarbeitergesprächs

Ein Mitarbeitergespräch auf der Basis von Zielvereinbarungen besteht aus drei
zentralen Teilen, die in den folgenden Abschnitten erläutert werden:
• Rückblick (2.2.2.1),
• Stärken-Schwächen-Analyse (2.2.2.2),
• Zielvereinbarung und Fördermaßnahmen (2.2.2.3).

2.2.2.1 Rückblick

Zu Beginn des Gespräches ziehen Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam ein


Fazit für das vergangene Jahr bzw. den Zeitraum seit dem letzten Gespräch in Be-
zug auf
• Arbeitsleistungen und
• Arbeitsverhalten des Mitarbeiters sowie
• bezüglich ihrer Zusammenarbeit.
Dieser Teil entspricht am ehesten der klassischen Beurteilung, es geht um eine in
die Vergangenheit gerichtete Leistungsbeurteilung. Im Mitarbeitergespräch werden

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Personalgespräche 2

die Eindrücke während des vergangenen Jahres systematisiert, verdichtet und im Kooperatives Vorgehen
Gesamtzusammenhang besprochen. Betont wird aber bereits hier das kooperative
Vorgehen: Wichtig ist das gemeinsame Fazit über den erreichten Stand. Denn be-
steht dazu keine Übereinstimmung, wird man sich kaum auf vernünftige Maßnah-
men einigen können. Nur so kann ein Einverständnis über Konsequenzen erzielt
werden, und nicht allein durch ein Urteil der höheren Ebene! Ein gemeinsames Re-
sümee ist beim erreichten Stand meist einfacher zu erzielen als beim nachfolgen-
den Punkt der Stärken- und Schwächenanalyse.
Empfehlenswert ist, zunächst die Mitarbeitenden deren Leistung und Arbeitsver- Hinweise zur Gesprächsführung
halten im letzten Jahr darstellen zu lassen. So können sie ihre Erfolge betonen und
werden anschließend auch eher bereit sein, eventuelle Schwächen einzugestehen.
Zudem wird die Beurteilung eher als Gespräch und Kooperation erlebt, denn als
reine Meinungsäußerung des Vorgesetzten. Dies heißt nicht, dass die Führungskraft
alles zu akzeptieren hat, was der Mitarbeiter anführt. Doch man sollte Mitarbeitende
zunächst einmal anhören, damit auch Akzeptanz signalisieren und erst anschließend
einzelne Aspekte hinterfragen, unterschiedliche Sichtweisen darstellen etc.

2.2.2.2 Stärken-Schwächen-Analyse

Ausgehend von der Einschätzung des vergangenen Zeitraums (erste Gesprächspha-


se) analysieren Führungskraft und Mitarbeiter anschließend, inwieweit die verein-
barten Ziele des Vorjahres erreicht, über- oder unterboten wurden und besprechen
die Gründe für Abweichungen.
Ursachen für Abweichungen von den vereinbarten Zielen können Ursachenanalyse
• in der Person des Mitarbeiters, d. h. in seinen Stärken oder Schwächen liegen,
• auf Umstände zurückzuführen sein, auf die der Mitarbeiter keinen Einfluss hat-
te; beispielsweise wenn die Prioritäten im Laufe des Jahres geändert wurden,
ein genereller Markteinbruch zu verzeichnen war, Umsatzrückgänge auf eine
aggressive Preispolitik der Wettbewerber zurückzuführen sind etc.
Eine solche fundierte Ursachenanalyse ist von zentraler Bedeutung: Nur wenn auch
externe Faktoren berücksichtigt wurden, werden Mitarbeitende die Beurteilung als
gerecht erleben. Zudem ist sie eine notwendige Voraussetzung, um angemessene
Reaktionen festzulegen.

Beispiel:
Braucht der Mitarbeiter, der mit seinen Aufgaben in Verzug ist, ein Zeitmanagement-
Training, um sich besser organisieren zu lernen? Oder ist er schlicht und einfach überlastet?
Und was bedeutet dieses? Ist ein neuer Kollege einzustellen oder sind einige Aufgaben weg-
zulassen, also Prioritäten neu festzulegen? Oder liegt es schlicht an der veralteten technischen
Ausstattung, dass Zeit durch Computerabstürze, Reparaturen etc. verloren geht?

Die neuen Zielvereinbarungen und die ggf. vorzusehenden Unterstützungen bzw.


Fördermaßnahmen werden sich je nach Ursachenanalyse deutlich unterscheiden.
Diese zweite Gesprächsphase wird einen großen Raum einnehmen, denn hier ist Praxistipps
zentral, dass Führungskraft und Mitarbeiter eine gleiche Bewertung der Situation
und der zu Grunde liegenden Ursachen erreichen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass
der Mitarbeiter insbesondere bei einer nicht zufrieden stellenden Leistung sich
rechtfertigen, in eine Verteidigungshaltung gehen und eher externe Faktoren ver-

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2 Personalgespräche
antwortlich machen wird. Doch es ist unverzichtbar, dass das Feedback von dem
Mitarbeitender auch akzeptiert wird. Denn sonst wird er nicht motiviert und mit
neuen Zielen wieder an die Arbeit gehen, sondern sich ungerecht behandelt fühlen.
Dies bedeutet für die Führungskraft, dass sie ihre abweichende Meinung belegen,
erläutern und gleichzeitig sensibel auf den Mitarbeiter eingehen muss.

2.2.2.3 Zielvereinbarung und Fördermaßnahmen

Das Mitarbeitergespräch soll gerade nicht bei einem ausschließlichen Rückblick


verharren. Deshalb wird nun eine verbindliche Vereinbarung über die neuen
Ziele für das kommende Jahr getroffen. Diese wird schriftlich festgehalten und von
beiden Gesprächspartnern unterschrieben: Dadurch sollen eine höhere Verbind-
lichkeit als bei Neujahrsvorsätzen erreicht und Missverständnisse vermieden wer-
den.
Motivation durch Das eigene „Commitment“, die Identifikation mit den Zielen ist dann hoch, wenn
Zielvereinbarungen Einfluss auf deren Festlegung genommen werden konnte. Praxiserfahrungen zei-
gen, dass die häufig geäußerte Angst von Vorgesetzten, bei stärkeren Mitwir-
kungsmöglichkeiten würden die Mitarbeitenden ein möglichst geringes Zielniveau
ansetzen, meist unbegründet ist. Auf die offenen Fragen: „Was glauben Sie, wie
viel Neugeschäft ist in der Periode X möglich? Was möchten Sie erreichen?“ oder
„Bis wann werden Sie X umgesetzt haben?“ setzen sich die meisten Mitarbeiter
durchaus anspruchsvolle Ziele, häufig sogar höher als die Führungskraft dies ihrer-
seits gewagt hätte. Sollte dies nicht der Fall sein, kann der Vorgesetzte an dieser
Stelle immer noch intervenieren.
Welche Arten von Die Ziele können sich beziehen auf:
Zielen gibt es?
• Sachziele, Leistungsergebnisse, Projekte etc.,
• Kooperationsziele, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Kunden, mit Kol-
legen (z. B. Einarbeitung, Informationsweitergabe), mit dem Vorgesetzten oder
auf Arbeitsabläufe,
• Entwicklungsziele, d. h. welche Fördermaßnahmen, Schulungen etc. sind not-
wendig und sinnvoll.
Damit erhält der Mitarbeiter Klarheit über künftige Aufgaben und Erwartungen des
Vorgesetzten. Zudem werden Rahmenbedingungen festgelegt, so dass die Erfül-
lung der Ziele möglich wird. Dies können Fördermaßnahmen sein, die den Mitar-
beitender in der Zielerreichung und seiner weiteren Entwicklung unterstützen, aber
auch die Bereitstellung von benötigten Ressourcen, Schaffen zeitlicher Freiräume
für Spezialaufgaben u. Ä. m.
Allerdings heißt Entwicklungsziel nicht, dass man ausschließlich an das Buchen
von Schulungsmaßnahmen denken sollte. Das meiste lernt man „on the job“, durch
das Tun (vgl. Hofmann, Regnet 2003). Das heißt, Führungskraft und Mitarbeitende
sollten sich gemeinsam überlegen, welche Projekte oder Sonderaufgaben dem Mit-
arbeiter übertragen werden sollten, da sie anspruchsvoll sind und der Weiterent-
wicklung des Mitarbeiters dienen. Schulungen sind lediglich begleitende Unter-
stützungsmaßnahmen.
Da die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten ein weiteres
Thema ist, müssen auch Vorgesetzte bereit sein, Kritik anzunehmen und Anregun-
gen umzusetzen. Im Rahmen des Blicks in die Zukunft sollte die weitere Zusam-
menarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter thematisiert werden. Wie wird

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die Zusammenarbeit von dem Mitarbeiter erlebt? Reichen die Informationen aus?
Wo bestehen Unzufriedenheit und Veränderungswünsche?
Dahinter steckt nicht allein ein humanistisches Menschenverständnis oder der
Wunsch nach Egalität in Organisationen, sondern vielmehr die Erfahrung, dass mit
Druck auf Dauer kein positives und insbesondere kein kreatives Arbeitsergebnis
erreicht werden kann (vgl. Rosenstiel et al. 2014). Vorgesetzte und Mitarbeitende
sollen im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs die qualitativen wie quantitativen
Arbeitsziele gemeinsam diskutieren und vereinbaren. Der Mitarbeiter ist damit ein
Partner, der zum Mitdenken und Mitwirken aufgefordert wird. Er kann konstruktiv
an der Gestaltung seiner Aufgabe mitwirken (vgl. Berkel, Lochner 2001).
Das kooperative Vorgehen steht im Mittelpunkt: Zielvereinbarung bedeutet Mit-
sprache des Mitarbeiters und das Einverständnis beider Betroffener.
Ein solches Mitarbeitergespräch greift tief in das Führungsverhalten hinein – Vo- Anforderungen an
raussetzung ist weniger die gute Technik, als vielmehr die Bereitschaft zu einem Führungskräfte
offenen und kooperativen Gespräch. Dies erfordert die Fähigkeit, auch heikle
Themen anzusprechen und generell eine Kritik- und Veränderungsbereitschaft auf
beiden Seiten.
Eine faire und verantwortungsbewusste Rückmeldung setzt zudem eine gründliche
und systematische Vorbereitung voraus sowie in Beurteilungsfragen wie Ge-
sprächsführung geschulte Führungskräfte.

2.2.3 Hinweise zur Zielvereinbarung

Betrachten wir zunächst, was mit einer Zielvereinbarung erreicht werden soll: Zweck von Zielvereinbarungen
• Orientierung des Mitarbeiters – er soll wissen, was von ihm erwartet wird in
qualitativer, quantitativer Hinsicht, in Bezug auf die Zeitachse etc.
• Planung und Prioritätensetzung – es wird im gemeinsamen Gespräch geklärt,
was realistisch und erreichbar ist.
• Die individuellen Ziele des Mitarbeiters müssen in die Abteilungs- und Un-
ternehmensziele eingebunden werden.
• Angestrebt wird eine hohe Motivation des Mitarbeiters, indem die Ziele durch
ein gemeinsames Vorgehen entwickelt werden, indem der Mitarbeiter Einfluss
hat und indem eine Übereinstimmung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter
erreicht wird.
• Die Zielvereinbarung ist Grundlage für die Beurteilung im nächsten Jahr, sie
ermöglicht einen Ist-Soll-Vergleich, die Kontrolle von Teilzielen, dadurch
Transparenz und eine Vergleichbarkeit zwischen den Mitarbeitenden.
• Der Entwicklungs- und Lernprozess der Mitarbeitenden soll gefördert wer-
den.
• Durch die vereinbarten Ziele erhalten die Mitarbeitenden im Laufe des Jahres
Feedback, sie wissen, wo sie leistungsmäßig stehen.

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Tabelle 2.2: Hinweise zur Zielformulierung

Anforderungen an Wie sollten Ziele formuliert sein?


die Zielformulierung • realistisch – sonst wirken sie nur entmutigend

• umsetzbar, erreichbar

• widerspruchsfrei – dies ist natürlich nicht immer leicht zu erreichen, doch dann müssen Prioritäten
festgelegt werden
• messbar, nur so können Ziele später wieder zur Beurteilung herangezogen werden

• positiv, um ein erwünschtes Handlungsziel zu verdeutlichen

• herausfordernd, um einen Leistungsansporn zu setzen

• sinnvoll, relevant – Ziele werden nicht vereinbart, um die Personalabteilung glücklich zu machen, sondern
um ein geeignetes Steuerungsinstrument zu haben
• konkret, klar, eindeutig – um messbar zu sein und damit Mitarbeitende wirklich wissen, was von ihnen
erwartet wird

Festlegung von Kriterien Zur Zielvereinbarung gehört insbesondere die Festlegung der Kriterien, an deren
der Zielerreichung Erreichung der Einzelne gemessen wird. Dies kann mühsam sein, doch rächt sich
konfliktvermeidendes Vorgehen spätestens bei dem nächsten Gespräch. Woran soll
festgemacht werden, ob jemand „freundlicher zu Kunden war“, „mehr Engagement
in die Arbeit gesteckt hat“, „besser mit den Kollegen zusammengearbeitet hat“,
„seine Englischkenntnisse verbessert hat“?
Je klarer die Ziele und die Kriterien der Zielerreichung besprochen werden, um so
weniger Missverständnisse und enttäuschte Erwartungen gibt es in der Zukunft. Je
klarer Ziele formuliert werden, desto einfacher lassen sich die Ergebnisse planen,
kontrollieren und die Leistung eindeutig messen.
Natürlich ist dies bei qualitativ anspruchsvollen Aufgaben schwieriger. Es muss
trotzdem nach sinnvollen Kriterien gesucht werden, dies ist wichtiger als die reine
Messbarkeit.

Beispiele:
(1) Denken Sie an Ihr Studium. Woran ist die Arbeitsqualität eines Professors zu bewerten?
Die Durchfallzahlen bei der Prüfung sind leicht zu ermitteln, doch sagen sie wirklich etwas
über die Unterrichtsqualität aus? Sicher ist es notwendig, dass dieser Studienbrief für Sie ver-
ständlich gestaltet ist. Doch allein der Unterhaltungswert darf es sicher nicht sein, wenn dafür
wichtige Aussagen unterbleiben.
(2) Der Umsatz eines Vertriebsmitarbeiters ist eindeutig zu messen. Doch bereits in diesem
vermeintlich einfachen Fall muss es sich nicht um das relevante Kriterium handeln: Wie sieht
es mit der Rendite aus? Wurden Neu-Kunden hinzugewonnen? Schließen Altkunden grund-
sätzlich keinen weiteren Vertrag ab, weil sie unzufrieden sind? Werden auch neue Produkte
vermarktet?

Die dritte Gesprächsphase wird deshalb häufig relativ viel Gesprächszeit einneh-
men, da man sich mit dem Mitarbeiter über konkrete Ziele und Erfolgskriterien ei-
nigen muss.

Beispiele für Arbeitsziele:


• Gewinnung von 10 Neukunden im nächsten Quartal. Dazu werden zukünftig
pro Woche 2 Akquisitionstermine durchgeführt.
• Verstärkter Reaktionsdruck auf säumige Kunden durch schriftliche und telefo-
nische Mahnungen nach spätestens 4 Wochen.

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• Aktualisierung von mindestens 80 % der Hilfeplanungen für die Klienten und


Klientinnen alle vier Wochen innerhalb der ersten Woche des Monats.

Konkrete Beispiele für Kooperationsziele:


• Einrichtung einer wöchentlichen Gesprächsrunde mit dem Ziel einer verbesser-
ten Information und einer frühzeitigen Eingreifmöglichkeit bei Problemen.
• Sicherstellung von wechselseitigen Vertretungen in der Abteilung bei Krankhei-
ten und Urlaub, dazu einheitliches Ablage- und Berichtssystem und wöchent-
liche gegenseitige Information.

Konkrete Beispiele für Entwicklungsziele:


• Besuch des Seminars zu … bis zum 30.6., um folgende Kompetenzen zu erwer-
ben: …
• Mitarbeit in der Projektgruppe XY, um sich in das neue Themenfeld einzuarbei-
ten.
• Moderation der Abteilungssitzungen im nächsten Jahr unter Einsatz von Mode-
rationstechnik.
Zielvereinbarung ist kein Wert an sich, sondern ein Ansatz zur Arbeitsoptimierung.
Es geht nicht darum, dass jedes Jahr mit jedem Mitarbeiter möglichst viele oder
originelle Ziele vereinbart werden. Führungskraft und Mitarbeiter sind aufgefor-
dert, die Ziele zu formulieren und zu konkretisieren, so dass Klarheit über die
wechselseitigen Erwartungen besteht. Soweit sich im Laufe des Jahres Aufgaben
oder Prioritäten ändern, müssen die vereinbarten Ziele natürlich angepasst werden.

2.2.4 Rückmeldung zum Führungsverhalten

Ein wichtiger Unterschied zum reinen Beurteilungsverfahren liegt im Anspruch, Partizipatives


partizipativ vorzugehen: Nicht allein der Vorgesetzte soll sich äußern und sein Führungsverständnis
Urteil über den Unterstellten abgeben. Vielmehr sollen Mitarbeitende in allen Pha-
sen beteiligt werden – beim Rückblick ebenso wie bei der Stärken-/Schwächen-
analyse und der Zielfestlegung. Die verwendete Terminologie verdeutlicht diesen
Anspruch. Es soll sich um ein „Gespräch“ und um „Vereinbarungen“, nicht Vorga-
ben handeln.
Deshalb ist vorgesehen, dass beide Seiten – Führungskraft und Mitarbeiter – sich
dazu äußern, wie sie ihre Zusammenarbeit empfinden und welche Änderungen sie
wünschen. Dahinter steckt neben dem partizipativen Anspruch der Gedanke, dass
auch die Führungskraft „blinde Flecken“ hat – also Verhaltensweisen, die den
Mitarbeitenden missfallen, die der Führungskraft selbst aber nicht bewusst sind.

Beispiel:
Eine Führungskraft reißt ihre Mitarbeitenden immer wieder aus der Arbeit heraus, indem sie
diese durch die Sekretärin kurzfristig zu sich bestellen lässt („Kommen Sie doch mal eben
kurz zum Chef“). Die Mitarbeitenden können sich auf das Gespräch nicht vorbereiten, haben
notwendige Unterlagen nicht parat. Zudem müssen sie ihre bisherige Arbeit kurzfristig unter-
brechen, sind damit aus der Konzentration gerissen. Der Führungskraft sind diese Konse-
quenzen nicht bewusst, sie macht es nicht aus bösem Willen, sondern weil sie selbst gerade
Zeit hat, an bestimmten Themen arbeitet, eine Rückfrage hat etc. Hier könnten sich Mitarbei-
tende und Führungskraft auf bestimmte Spielregeln verständigen, z. B. die e-Mail-Bearbeitung
innerhalb eines festgelegten Zeitfensters oder regelmäßige Treffen, bei denen dann alle offe-
nen Punkte gesammelt angesprochen werden.

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Feedbackmöglichkeiten Wie kann man sich ein Feedback der Mitarbeitenden an die Führungskraft im
vom Mitarbeiter an die Rahmen des Mitarbeitergesprächs vorstellen? In der Praxis gibt es dazu verschie-
Führungskraft dene Varianten:
• Aufforderung zum Feedback
Mitarbeitende und Führungskräfte werden darauf hingewiesen, beispielsweise
durch einen speziellen Passus in der Beschreibung zum Mitarbeitergespräch,
dass die Führung und Zusammenarbeit auch aus Sicht der Mitarbeitenden the-
matisiert werden sollen.

Beispiele:
„Der Mitarbeiter sollte die Führung und Zusammenarbeit ansprechen (…), eigene Vor-
schläge machen.“ Oder „Jeder Gesprächspartner sollte seine Situation und seine Ein-
drücke klar darlegen und dem anderen Gelegenheit geben, dasselbe zu tun. Jeder sollte um
Verständnis des anderen bemüht und auch für Anregungen und Kritik empfänglich sein“.
Konkret können Vorgesetzte beispielsweise fragen:
„Wie schätzen Sie unsere Zusammenarbeit ein? Was wünschen Sie sich anders?“
„Wie kann ich Sie dabei unterstützen, Ihre Arbeit gut zu erledigen und Ihre Aufgaben zu
erfüllen?“
„Was funktioniert in der Abteilung aus Ihrer Sicht gut, was klappt weniger gut?“
„Was sollten wir beibehalten, was verändern?“
oder einfach:
„Was würden Sie anders machen, wenn Sie auf meinem Stuhl säßen?“

• Vorgabe zur Diskussion im Gespräch


Im Vorbereitungsbogen einer Bank beispielsweise finden sich Fragen, die die
Mitarbeitenden vor dem Gespräch ausfüllen und anschließend mit ihren Vorge-
setzten besprechen sollen. Der Vorgesetzte soll zu dieser Rückmeldung Stellung
nehmen und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung vereinbaren (Beispiel in
Abbildung 2.2). Bei dieser Variante sind tatsächlich beide Seiten aufgefordert,
ihre jeweilige Meinung zu äußern.
Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass die Bereitschaft von Mitarbeitenden,
ihrer Führungskraft auch kritische Rückmeldung zu geben, in hohem Maße von de-
ren Verhalten abhängt. Nur wenn die Führungskraft selbst Offenheit und persönli-
che Bereitschaft zur Veränderung signalisiert und die Betroffenen keine späteren
Sanktionen fürchten müssen, werden die Untergebenen Kritisches äußern.
Praxistipp Fehlt diese Offenheit oder ist die Angst bei den Mitarbeitenden sehr hoch, so sind
anonyme Durchführungsvarianten zu bevorzugen. Möglich wäre beispielsweise ei-
ne standardisierte Vorgesetztenbeurteilung oder ein 360-Grad-Feedback (vgl. Ner-
dinger 2014; Scherm 2013). Die Mitarbeitenden beantworten anonym schriftliche
Fragebogen. Diese werden – meist von Externen – so ausgewertet, dass die Aussa-
gen keinen Einzelpersonen zugeordnet werden können. Die Führungskraft erhält
die zusammengefassten Aussagen und verdichteten Ergebnisse. Auf dieser Basis
kann sie das Gespräch mit den Mitarbeitenden suchen und aus dem Feedback für
sich Veränderungsbedarf ableiten.

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Bewertung der Arbeits- und Führungssituation sowie der Zusammenarbeit


Soll von der/von dem Mitarbeitenden vor dem Mitarbeitergespräch ausgefüllt werden. Die Sicht der/des
Mitarbeitenden wird im gemeinsamen Gespräch besprochen und von der Führungskraft kommentiert.
1. Wie zufrieden sind Sie mit

Bemerkungen
Ihrer Aufgabe?  ++  +  –  ––
der Information?  ++  +  –  ––
der Anerkennung Ihrer
Leistung?
 ++  +  –  ––
der Delegation und Freiraum
für eigenes Handeln?
 ++  +  –  ––
Ihren beruflichen
Perspektiven?  ++  +  –  ––

2. Wie beurteilen Sie die Unterstützung durch Ihre Führungskraft hinsichtlich

der Umsetzung der Bemerkungen


vereinbarten Ziele?
 ++  +  –  ––

der Planung, Organisation  ++  +  –  ––


des Arbeitsablaufs?
der Arbeitsmittel und
Arbeitsplatzgestaltung?
 ++  +  –  ––
der Durchführung geplanter
Entwicklungsmaßnahmen?  ++  +  –  ––

3. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit

Bemerkungen
zwischen Ihnen und Ihrer
Führungskraft?
 ++  +  –  ––

innerhalb der Abteilung?  ++  +  –  ––

mit anderen Abteilungen  ++  +  –  ––


bzw. Bereichen?

mit Externen und Kunden?  ++  +  –  ––

Von der Führungskraft geplante Maßnahmen zur Veränderung (von der Führungskraft auszufüllen)

Bogen verbleibt bei den Gesprächsteilnehmern

Abb. 2.2: Leitfaden zum Vorgesetzten-Feedback

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2.2.5 Organisatorische Aspekte

• Vorbereitung
Schulungen Eine Information an die Belegschaft über das neue Verfahren reicht sicher nicht
aus, vielmehr sollten Schulungen für all diejenigen vorgesehen werden, die
zukünftig ein solches Gespräch zu leiten haben. Der Trainingsbedarf hängt
dabei davon ab, inwieweit schon auf frühere Führungs- und Kommunikations-
seminare aufgebaut werden kann und ob Beurteilungsprozesse bereits vertraut
sind. Schwerpunkte sollten in einem Training dann insbesondere die kooperati-
ve Gesprächsführung und die Zielvereinbarung sein, da gerade letztere in der
Praxis vielen Probleme bereitet.
Gute Erfahrungen werden auch damit berichtet, Schulungen ergänzend auf
freiwilliger Basis für die Mitarbeitenden anzubieten. Beurteilungsverfahren –
wie kooperativ sie auch immer durchgeführt werden – werden von den Mitar-
beitenden zunächst mit Misstrauen betrachtet. Sie fragen sich:
– „Handelt es sich um ein neues Verfahren, das mit besonders geschickten
Techniken noch mehr Leistung herauspressen soll?“
– „Kann man sich auf Zielvereinbarungen einlassen oder wird man hier später
,festgenagelt‘?“
– „Was geht in die Personalakte ein, wie ist der Bezug zum Gehalt?“
– „Ist es nur alter Wein in neuen Schläuchen?“.
Erfahrungsgemäß nehmen rund 10 – 15 % der Mitarbeitenden ein solches Schu-
lungsangebot wahr und werden später von ihren Vorgesetzten im Gespräch als
besonders gut vorbereitet und aktiv, d. h. mit eigenen Vorschlägen kommend,
erlebt.
• Erstes Gespräch
In einem ersten Gespräch – beispielsweise bei einer Neueinführung dieses Ver-
fahrens, einem neu eingestellten Mitarbeitende oder nach einem Stellenwechsel –
liegen noch keine früheren Zielvereinbarungen vor. Gesprächsbasis können hier
allgemein die Anforderungen der Stelle, die zentralen Aufgaben und die Erwar-
tungen/Wünsche des Mitarbeiters sein. Bereits vor dem Ablauf der Beurteilungs-
periode sind natürlich kontinuierlich Gespräche zur Rückmeldung zu suchen.

Abb. 2.3: Erstmaliges Mitarbeitergespräch und Einbindung in das laufende Jahr

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• Gesprächsbogen
Wird in Organisationen ein Mitarbeitergespräch institutionalisiert, so wird auch Gesprächsleitfaden
ein Bogen verabschiedet, der zur Gesprächsvorbereitung genutzt werden soll
und in dem zentrale Gesprächsinhalte dokumentiert werden. Abbildung 2.4
zeigt ein Beispiel. Empfohlen wird, Zielvereinbarungen und Fördermaßnahmen
auf alle Fälle schriftlich festzuhalten, um Missverständnisse zu vermeiden und
die Verbindlichkeit zu erhöhen. Diese Unterlagen verbleiben i. d. R. bei den Ge-
sprächspartnern.

I. Gesprächsinhalte und -ablauf


Dieses Formular verbleibt bei den Gesprächspartnern, wobei die Punkte 1 und 2 mündlich er-
folgen, Punkt 3 wird schriftlich festgehalten. Zusätzliche Anmerkungen können mündlich
oder schriftlich erfolgen.
Name der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters: .......................................................
Direkte(r) Vorgesetzte(r): ..............................................................................
Letztes Gespräch am: .....................................................................................

1. Rückblick
Erreichen der vereinbarten Ziele bzw. Abweichungen davon, sonstige Beobachtungen
(positiv wie negativ) hinsichtlich der Leistungsmenge, Leistungsgüte und sonstiger Sach-
verhalte:

2. Stärken-/Schwächen-Analyse
2.1 Ursachen, die die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat …
2.2 Ursachen, die mit den Stärken der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters zusammen-
hängen …
2.3 Ursachen, die mit den Schwächen der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters zusammenhän-
gen …
2.4 Veränderungen in den Stärken und Schwächen der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters …
2.5 Zusammenfassung …

3. Zielvereinbarung für die bevorstehende Periode und vorgesehene Fördermaßnahmen


3.1 Zielvereinbarung
Ziele können Sie aus Aufgabenschwerpunkten oder Stärken-/Schwächen-Analysen im
Verhaltensbereich ableiten. Achten Sie auf die Stimmigkeit mit den Zielsetzungen bzw.
Aufgaben Ihres Verantwortungsbereiches.

................................................................................................................................................
................................................................................................................................................
................................................................................................................................................
3.2 Fördermaßnahmen
Erörtern Sie hier, welche Fördermaßnahmen im Rahmen der Aufgabenstellung (z. B.
durch ihre Veränderung, Erweiterung der Kompetenzen etc.) bestehen und welche Maß-
nahmen außerhalb des Arbeitsplatzes hilfreich erscheinen.

................................................................................................................................................
................................................................................................................................................

____________________________ __________________________
Unterschrift Mitarbeiter/in Unterschrift Vorgesetzte/r

Abb. 2.4: Muster eines Gesprächsbogens zum Zielvereinbarungsgespräch

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• Gesprächspartner
Die Verantwortung für das Gespräch liegt bei dem direkten Vorgesetzten und
dem Mitarbeiter, wobei die Führungskraft mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf
zu dem Gespräch einladen und sich selbst einen störungsfreien, zeitlich ausrei-
chenden Termin freihalten muss.
Information des Zur Führungsverantwortung des höheren Vorgesetzten gehört es, sich über die
höheren Vorgesetzten Gespräche und Zielvereinbarungen der unterstellten Führungskräfte mit deren
Mitarbeitenden zu informieren. Üblicherweise wird er aber nicht selbst am Ge-
spräch teilnehmen, um nicht eine Front aufzubauen (der Mitarbeiter alleine ge-
gen den direkten und den höheren Vorgesetzte). Im Sinne eines Eskalations-
prinzips haben Mitarbeitende aber das Recht, bei Problemen mit dem direkten
Vorgesetzten den „Weg nach oben“ zu gehen und das Gespräch mit der höheren
Führungskraft zu suchen.
• Meinungsverschiedenheiten
Insbesondere bei einer kritischen Rückmeldung werden der Mitarbeiter und die
Führungskraft nicht immer einer Meinung sein. Die Führungskraft ist aufgefor-
dert, die Sichtweise des Mitarbeiters anzuhören und sich damit auseinander zu
setzen. Primäres Ziel muss es sein, die Gegensätze zu überwinden, damit eine
einvernehmliche Basis für die weitere Zusammenarbeit geschaffen wird. In kri-
tischen Fällen kann ein dritter Gesprächspartner hinzugezogen werden (bei-
spielsweise der höhere Vorgesetzte, die Behindertenvertretung oder ein Mit-
glied des Betriebsrats). Auch wenn ein Mitarbeiter das Gespräch ablehnt,
müssen die Gründe geklärt und ggf. Hindernisse ausgeräumt werden.
• Dokumentation
Schriftliche Dokumentation Mit der Unterzeichnung des Bogens durch die Führungskraft und den Mitarbei-
ter wird das Mitarbeitergespräch abgeschlossen. Die Form der Dokumentation –
Was wird schriftlich festgehalten? Was kommt in die Personalakte? – muss vor
dem Gespräch geklärt und mit dem Betriebsrat vereinbart sein. Falls der Mitar-
beiter eine eigene ergänzende schriftliche Stellungnahme zu dem Gespräch vor-
nehmen will, so ist ihm Gelegenheit dazu zu geben und dies im Bogen zu ver-
merken. Die Personalabteilung erhält die Information, dass das Gespräch
durchgeführt wurde und welche Trainings- und Fördermaßnahmen geplant sind.
Grenzen Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nicht erreichte Ziele nicht für spätere
arbeitsrechtliche Schritte (wie Abmahnung oder leistungsbezogene Kündigung)
ausreichen. Denn hier ist der Arbeitgeber u. a. verpflichtet zu verdeutlichen,
dass die Ziele tatsächlich realistisch und erreichbar waren. Das nicht Erreichen
von Zielen ist nicht mit einer Arbeitsverweigerung gleichzusetzen.
• Häufigkeit des Gesprächs/zeitlicher Abstand
Für die institutionalisierte Form des Mitarbeitergesprächs hat sich in vielen Un-
ternehmen ein zeitlicher Abstand von einem Jahr eingebürgert. Bei jüngeren
Mitarbeitenden, insbesondere in der Probezeit oder nach einem internen Stellen-
wechsel, sind jedoch kürzere Zeitabstände anzuraten. Zum einen sind bei ihnen
schnellere Veränderungen zu erwarten, zum anderen benötigen Mitarbeitende in
einem neuen Umfeld mehr Rückmeldung, um selbst zu wissen, ob er den Erwar-
tungen entspricht.

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• Ältere Mitarbeitende
Bei älteren Mitarbeitenden wird das Gespräch dagegen manchmal auf einen
längeren Zeitraum bezogen (2 – 3 Jahre) und damit seltener geführt oder ganz
auf eine freiwillige Basis gestellt. Zu vermeiden ist allerdings, dass ein Mitar-
beiter das Gefühl gewinnt, dass man nur noch auf sein Ausscheiden warte und
sich der Aufwand für ihn nicht mehr lohne. Deshalb ist es meist besser, das Ge-
spräch grundsätzlich mit allen Mitarbeitenden zu führen. Sollte sich dann im
Einzelfall zeigen, dass sich wenig geändert hat – z. B. bei älteren Mitarbeiten-
den, die schon seit längerem denselben Aufgabenbereich erledigen –, so kann
das Gespräch mit ihnen kürzer gehalten werden.

2.2.6 Erfahrungen mit einem institutionalisierten Mitarbeitergespräch und


Erfolgsfaktoren

Welche Erfahrungen wurden bisher mit dieser Form der Mitarbeiterbeurteilung ge-
sammelt, wie schätzen betroffene Mitarbeitende, wie schätzen Führungskräfte das
Verfahren ein?
Putz und Lehner (2002) konnten Effekte zielorientierter Mitarbeitergespräche Effekte von
nachweisen. Ein Haupteffekt liegt in der Verbesserung der Führungsbeziehung und Zielvereinbarungsgesprächen
Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Gebert und Ulrich
(1990) belegten in einer detaillierten Analyse in Kreditinstituten die positive Wir-
kung (gemessen z. B. an Rendite oder Umsatz) von Zielen, aber auch von zielför-
derndem, unterstützendem und konsequentem Verhalten der Vorgesetzten.
Betrachtet man Evaluationsstudien in Unternehmen, so führen Mitarbeitende vor Kritik seitens der Mitarbeiter
allem folgende Kritikpunkte an:
• mangelnde Sensibilität des Vorgesetzten,
• keine Zielvereinbarung in schriftlicher Form,
• unsinnige Zielvereinbarungen,
• bei dem Vorgesetzten auf reine Routineübung reduziert,
• „es ändert sich doch nichts“,
• Personalpolitik steht von vornherein fest,
• viel Lob, aber keine gehaltliche Berücksichtigung,
• wenig relevant für die Arbeit,
• Aussagen über weitere Entwicklungsmöglichkeiten fehlen,
• dient lediglich weiterer Leistungssteigerung und -kontrolle.
Dieses Blitzlicht zeigt, dass sich die Menschen allein durch ein neues Verfahren
noch nicht ändern. Neben einer partiell aufscheinenden Resignation wird insbeson-
dere Kritik am Vorgesetztenverhalten laut. Das heißt, es kommt weniger auf die
eine oder andere Form des Gesprächsbogens an oder darauf, was und wie viel
letztendlich in der Personalakte dokumentiert wird. Vielmehr geht es darum, wie
die verantwortlichen Führungskräfte das Verfahren leben.
Dies müsste im Rahmen von Workshops und Schulungen in der Vorbereitung auf-
gegriffen und behandelt werden.
Von Seiten der Vorgesetzten werden häufig insbesondere der hohe Zeitaufwand, Kritik seitens der Vorgesetzten
die stärkere Bürokratie und hohe Erwartungs-/Anspruchshaltungen auf Seiten der
Mitarbeitenden beklagt.

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Darüber hinaus äußern alle am Prozess Beteiligten immer wieder Schwierigkeiten
hinsichtlich der Vereinbarung konkreter und doch anspruchsvoller Ziele.
Zentrale Erfolgsfaktoren Zentrale Erfolgsfaktoren sind:
• Verhalten der Führungskräfte hinsichtlich Gesprächsführung und
Vorbereitung
Hier geht es zum einen um deren Fähigkeit, selbst in kritischen Gesprächssitua-
tionen kompetent und trotzdem sensibel zu reagieren, Mitarbeitende wertzu-
schätzen, Veränderungsnotwendigkeiten zu verdeutlichen, ohne zu entmutigen.
Zum anderen geht es auch um die Bereitschaft der Vorgesetzten, sich wirklich
auf ein partizipatives Verfahren einzulassen und die Meinung der Mitarbeiten-
den ernst zu nehmen.
• Vier-Augen-Prinzip
Das Hinzuziehen weiterer Gesprächsteilnehmer (ob höhere Führungskraft oder
Betriebsrat) führt leicht zu einer Konfrontation. In der geschützten Atmosphäre
ohne Zeugen besteht dagegen eher die Bereitschaft, auch eigene Fehler zuzuge-
ben.
• Gesprächszeitpunkt
In den meisten Unternehmen wird ein Mitarbeitergespräch zur Beurteilung und
Zielvereinbarung zumindest einmal im Jahr gefordert. Mitarbeitende ihrerseits
haben Anspruch auf ein solches Gespräch.
• Weiterführende Perspektiven, Aussagen zur beruflichen Entwicklung,
Konsequenzen
Natürlich freut sich jeder Mensch, wenn er gelobt wird. Doch mittelfristig gese-
hen sollte es nicht alleine beim Lob bleiben. Die Mitarbeitenden erwartet einen
Niederschlag der guten Leistung im Gehalt, aber auch in weiterführenden beruf-
lichen Perspektiven.
Praxistipp Das Mitarbeiterjahresgespräch ist nicht nur Beurteilungsgespräch, sondern auch
Führungsinstrument. Das heißt konkret, es ist jederzeit auch ohne formale Be-
triebsvereinbarung oder in kleineren Unternehmen in einer nicht-standardisierten
Form in der Verantwortung der einzelnen Führungskraft einzusetzen. Hier wird
man dann ohne einen vorbereiteten formalen Gesprächsleitfaden arbeiten, kann
diesen aber natürlich als Checkliste selbst nutzen. Das heißt, die Führungskraft
setzt sich dann in einem bestimmten zeitlichen Abstand eigenverantwortlich mit
ihren Mitarbeitenden zusammen, um über Zusammenarbeit, Leistungserfüllung,
weitere Ziele und notwendige Fördermaßnahmen zu sprechen.

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Übungsaufgaben
2.1) Was ist unter MbO zu verstehen?
2.2) Erläutern Sie die zentralen Elemente eines Mitarbeitergespräches auf der Basis von Zielver-
einbarungen!
2.3) Warum werden in Unternehmen Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitenden getroffen?
2.4) Erscheint Ihnen ein zweijähriger Abstand für ein solches Mitarbeitergespräch geeignet? Be-
gründen Sie Ihre Meinung!
2.5) Diskutieren Sie kritisch, ob man ein solches Mitarbeitergespräch auf freiwilliger Basis (für
Mitarbeitende und/oder Führungskräfte) oder für alle verpflichtend installieren sollte!
2.6) Wie sollten Ziele formuliert sein? Warum?
2.7) Formulieren Sie für sich als Studentin oder Student Ziele – fachliche, bezogen auf Kooperati-
on/Verhalten und Entwicklungsziele.
2.8) Erläutern Sie, inwiefern sich ein Mitarbeitergespräch auch zum Vorgesetztenfeedback eignet.
2.9) Ist ein Mitarbeitergespräch auch für geringfügig Beschäftigte geeignet? Begründen Sie Ihre
Meinung!

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3 Die Gesprächsführung

3 Die Gesprächsführung
Lernziele Die Bearbeitung dieses Kapitels vermittelt Ihnen
 Wissen über das Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation,
 Verständnis für die Entstehung und Ursachen von Kommunikationsproblemen,
 Ansatzpunkte zur Vermeidung von Kommunikationsblockaden,
 Hinweise zur effizienten Gestaltung einer zwischenmenschlichen Gesprächssi-
tuation,
 die Regeln zum Geben und zum Empfangen von Feedback,
 eine Übersicht, wie Sie sich auf ein Personalgespräch vorbereiten können.
In diesem Kapitel sind wesentliche Grundlagen von Kommunikation und Ge-
sprächsführung übersichtlich zusammengestellt. Damit sollen Ihre vorhandenen
Kenntnisse aktiviert werden, um angemessen auf die Fortsetzung und Vertiefung in
den weiteren Studienbriefen dieses Moduls – bis hin zur Gesprächsführung im
Konfliktfall – vorzubereiten.
Miteinander arbeiten erfordert immer Kommunikation im zwischenmenschlichen
Umgang. Führen bedeutet in erster Linie miteinander zu sprechen – zum Austausch
von Informationen, zur Koordination, Aufgabenverteilung, Abstimmung, Lösung
von Sachproblemen und zur Entscheidung.
Mit steigender Hierarchieebene wächst der Anteil der Kommunikation an der
Gesamtarbeitszeit: Bei höheren Führungskräften nehmen face-to-face-Kontakte,
d. h. persönliche Treffen und Besprechungen, rund 70 % der Arbeitszeit ein (vgl.
Pribilla et al. 1996).
Doch trotz Informationsflut und hoher Informationsverfügbarkeit durch Internet/
Intranet wird von vielen Organisationsmitgliedern eine Diskrepanz zwischen
quantitativer Informationsüberflutung und qualitativem Informationsbedürf-
nis erlebt (vgl. z. B. Regnet 2014a: 214). Dies zeigen beispielsweise Ergebnisse
von Mitarbeiterbefragungen (vgl. Borg 2003): Mitarbeitende wünschen sich da-
nach in hohem Maße mehr Information über betriebliche Entwicklungen und Ab-
läufe in sowie zwischen den Abteilungen. Möglicherweise ist dies Folge des ge-
sellschaftlichen Wertewandels: Die Mitarbeitenden wollen nicht nur die zuge-
wiesene Aufgabe erfüllen, sie wollen eingebunden sein, Zusammenhänge
verstehen, erfahren, welche weiteren Entwicklungen geplant sind. Dagegen schei-
nen manche Führungskräfte noch immer dem tayloristischen arbeitsteiligen Modell
anzuhängen (überspitzt ausgedrückt: „Ihr sollt arbeiten und nicht denken“). Dies
führt auch dazu, dass auf allen Hierarchieebenen die Mitarbeitenden einem Ge-
spräch mit ihrem Vorgesetzten positiver gegenüber stehen und sich besser vorbe-
reiten, als dies im Gespräch mit einem Untergebenen der Fall ist.

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Die Gesprächsführung 3

3.1 Darstellung des Sender-Empfänger-Modells der Kommunikation

Basierend auf dem nachrichtentechnischen Modell von Shannon und Weaver


unterscheidet man bei der Kommunikation
• den Sender, der eine Nachricht kodiert,
• Zeichen zur Übermittlung, die auf einem Übertragungskanal geleitet werden, an
• den Empfänger, der diese zu dekodieren hat.
Schulz von Thun (2014) erweiterte das nachrichtentechnische Modell durch eine Kommunikationsmodell von
psychologische Interpretation, da jede Nachricht neben der reinen Sachinformation, Schulz von Thun
der Mitteilung, noch drei weitere Ebenen aufweist (siehe Abbildung 3.1). Es geht
gleichzeitig immer auch um das „Wie“ der Mitteilung, die Beziehung zwischen den
Akteuren. Generell gesehen ist es nicht möglich zu kommunizieren, ohne etwas
von sich selbst preiszugeben („Selbstoffenbarung“). Hinzu kommt die Appellfunk-
tion, man will mit der Aussage etwas bewirken, den Empfänger beeinflussen.
Dieses Modell ist gut geeignet, um Störungen in der Kommunikation zu erklären –
z. B. hat der Sender seine Botschaft primär als Appell formuliert („Wie spät ist es
denn schon?“) und meint eigentlich, dass er allmählich müde wird und eine Pause
bräuchte. Wenn der Empfänger aber lediglich auf den Inhalt reagiert und – wie ge-
fragt – die Uhrzeit nennt, fühlt sich der Sender schnell missverstanden und nicht
wertgeschätzt.

Abb. 3.1: Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun (vgl. Schulz von Thun 2014)

Watzlawick et al. (2011) haben 5 Axiome zur Kommunikation formuliert:


1. Man kann nicht nicht kommunizieren. Kommunikationsprinzipien
Auch wer nichts sagt oder auf eine Frage nicht reagiert, teilt etwas mit. Der
Empfänger wird auch ein solches „Nicht-Verhalten“ bewerten.
2. Jede Kommunikation besitzt einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.
Es geht nicht nur um das „Was“ der Nachricht, sondern gleichzeitig immer um
das „Wie“ des miteinander Umgehens. Dies macht Kommunikationsstörungen
verständlicher. Gleichzeitig haben viele Menschen das Bedürfnis, sich „rein
sachlich“ auszutauschen – doch das ist kaum möglich. Denn die Beziehung hat
einen Einfluss: Geht es um einen gleichberechtigten Austausch? Wird die Aus-
sage als Hinweis, als Kritik oder gar als Ablehnung interpretiert?
3. Jede Kommunikation ist durch die Interpunktion von Kommunikationsabläufen
geprägt.
Damit ist gemeint: Ein Gespräch zwischen Menschen besteht aus einer ganzen
Reihe von Interaktionen, es handelt sich i. d. R. nicht um einen einmaligen In-
formationsaustausch. Interpunktion meint nun, dass Verhaltensweisen und Aus-
sagen des Gegenübers zu einem bestimmten Zeitpunkt interpretiert und Ursa-

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3 Die Gesprächsführung
che-Wirkungsannahmen gezogen werden, man nimmt also nur einen bestimm-
ten Wirklichkeitssauschnitt wahr. Beispielsweise den Vorgesetzten, der einen
Auszubildenden rüde und vor Kollegen zurechtweist. Nicht offensichtlich ist
dagegen die Vorgeschichte, in diesem konkreten Fall haben möglicherweise
vorher schon zahlreiche frühere individuelle Kritikgespräche stattgefunden. Ei-
ne partielle Betrachtung einer Kommunikationssequenz wird der Komplexität
menschlichen Verhaltens häufig nicht gerecht.
4. Es gibt digitale und analoge Kommunikation.
Digitale Kommunikation erfolgt vor allem durch Wort oder Schrift und dient
zur präzisen Übermittlung des Inhaltes. Analoge Kommunikation bezieht sich
dagegen auf den nonverbalen Anteil (Mimik, Gestik) und Tonfall. Bekannt ist,
dass die nonverbale Kommunikation meist einen höheren Einfluss hat als der
reine Sachinhalt.
5. Kommunikation kann symmetrisch oder komplementär verlaufen.
Symmetrisch verläuft sie zwischen Gleichgestellten. Komplementär meint, dass
die Gesprächspartner sich gegenseitig ergänzende Unterschiede aufweisen (z. B.
Mitarbeitende – Vorgesetzte).

3.2 Verbesserung der Kommunikation

Welche typischen Kommunikationsfehler lassen sich im betrieblichen wie im


privaten Kontext feststellen und wie können diese möglichst vermieden werden?
Betrachten wir zunächst häufige Kommunikationsblockaden:
Kommunikationsblockaden • Kommunikationsmangel
Manche Themen werden nicht oder nicht eindeutig angesprochen. Dies lässt
sich insbesondere bei unangenehmen Fragestellungen und Konfliktsituationen
beobachten (vgl. Regnet 2007: 27 ff.).
• Senderfehler
Der Sender formuliert seine Botschaft bewusst unklar, nicht offen oder verwen-
det vor allem Angriffe, Vorwürfe, Verallgemeinerungen, Killerphrasen u. Ä. m.
• Empfängerfehler
Beim Empfänger kommt entweder nur ein Teil der Botschaft an, oder er ergänzt
die Nachricht nach seiner Erwartung. Jeder Mensch nimmt selektiv wahr (s. o.),
die menschliche Informationsverarbeitungskapazität scheint beschränkt zu sein.
Deshalb ist zu beachten: Der Sinn einer Nachricht entsteht beim Empfän-
ger! Missverständnisse resultieren häufig aus der Diskrepanz zwischen dem,
was der Sender ausdrücken wollte und dem, was beim Empfänger ankommt.
• Informationsnutzung
Nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül werden Informationen eher genutzt, wenn
ihre Beschaffung einfach, ihr Nutzen als hoch angenommen wird, wenn sie
kompakt und leicht verständlich dargestellt sind und die Informationsquelle als
vertrauenswürdig gilt. Die nachträgliche Analyse von betrieblichen Fehlent-
scheidungen belegt, dass in den meisten Fällen die notwendigen Informationen
vorgelegen hätten, um eine richtige Entscheidung zu treffen. Doch sie wurden
nicht berücksichtigt (vgl. Geißler 1986). Gerade unter Zeitdruck wird weniger
Information nachgefragt.

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Die Gesprächsführung 3

• Verbale und nonverbale Aussage passen nicht zusammen


Bestehen Widersprüche zwischen der inhaltlichen Aussage und der nonverbalen
Ebene, so führt dies zu Verwirrung und Misstrauen, die Nachricht wird nicht als
authentisch erlebt.
Unter quantitativen Gesichtspunkten ist sicherzustellen, dass Zeit für face-to-face-
Kontakte bleibt. Hierfür sind die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, z. B.
regelmäßige Treffen, gemeinsame Termine, bestimmte Zeiten der Erreichbarkeit.
Gerade virtuelle Arbeitsformen erfordern die Berücksichtigung systematischer
Kommunikationsformen, wie wöchentliche Video-/Telefonkonferenz, bestimmte
Chat-Gelegenheiten, regelmäßige persönliche Treffen.
Unter qualitativen Gesichtspunkten ist wichtig, dass unangenehme Themen nicht
einfach ausgeklammert werden. Harmoniesucht und als Preis Konfliktvermeidung
sind meist nur kurzfristig hilfreiche Strategien. Die Probleme bestehen weiter.
Im Folgenden sollen einige spezielle Hinweise zur Verbesserung des Kommunika-
tionsverhaltens gegeben werden.

3.2.1 Aktives Zuhören

Nicht nur der Sender kann Fehler im Kommunikationsprozess machen, sondern


ebenso der Empfänger: Er hört nicht genau zu, ist unkonzentriert, reagiert auf ein-
zelne Schlüsselthemen, generalisiert oder interpretiert. Empfohlen wird deshalb der
Einsatz des so genannten aktiven Zuhörens.
Der Zuhörer konzentriert sich zunächst auf den Gesprächspartner und signalisiert Vorgehensweise
ihm dies verbal wie nonverbal (z. B. durch Blickkontakt). Aufmerksamkeit wird
beispielsweise durch Nicken, das nicht eine inhaltliche Zustimmung, sondern das
Interesse am Gesagten signalisiert, verdeutlicht. Im zweiten Schritt wird der
gehörte Sachverhalt mit eigenen Worten wiederholt oder zusammengefasst, um
sicherzustellen, dass man die Aussage richtig verstanden hat. Statt sofortiger
Entgegnung kommt erst ein: „Sie meinen also, dass …“, Habe ich Sie richtig ver-
standen, dass …“, „Besonders wichtig ist Ihnen, dass …“. Des Weiteren kann der
Empfänger an einzelnen Punkten nachfragen. Dies bietet die Möglichkeit zur in-
haltlichen Klärung und zugleich Zeit zum Nachdenken, signalisiert dem anderen
persönliche Wertschätzung und ernsthafte Auseinandersetzung und verringert
Missverständnisse. In Besprechungen würde man beispielsweise wichtige Aussa-
gen auf einem Flipchart festhalten – für alle nachvollziehbar und eindeutig – oder
die Formulierung für das Protokoll wiederholen und noch einmal abklären.
Erst wenn der Sender zustimmt, dass er richtig verstanden wurde, ist es nun am
Empfänger, weiterführende Ideen oder Widerspruch einzubringen.

3.2.2 Ich-Botschaften

Authentische Kommunikation setzt die Bereitschaft, andere Personen und ihre


Meinungen zu akzeptieren, aber auch Vertrauen voraus. Jemandem vertrauen heißt,
die eigene Verletzbarkeit zu erhöhen. In einer Misstrauens- und Angstkultur ist die
Forderung nach offener, freier Meinungsäußerung sinnlos. Ein deutliches Zeichen
für Offenheit und Authentizität sind Ich-Aussagen.

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3 Die Gesprächsführung
Also: Sagt der Sprecher, was er selbst meint, oder äußert er versteckte Appelle oder
Vorwürfe („man müsste doch jetzt …“, „es sollte Folgendes noch bedacht wer-
den“, „wir könnten auch noch denken an …“)? Hinter einem „man“ oder einem
generellen „wir“ wird die eigene Meinung versteckt.
Ebenso sind Zeichen für eine fehlende Offenheit in der Kommunikation:
• Einschränkungen („man könnte vielleicht …“, „grundsätzlich klingt das ja gut“),
• verneinte Wirklichkeit („ich will ja nicht stören, aber …“, „ja, aber …“),
• Konjunktiv,
• Verstecken der Meinung hinter vermeintlichen Fragen statt klarer Aussagen
(„Denken Sie, dass Herr X das wirklich kann?“, „Meinen Sie nicht, dass das
sehr risikoreich ist?“).
Zu klären wäre hier, was tatsächlich gemeint ist. Missverständnisse sind ansonsten
vorprogrammiert.
Oft drücken Menschen nicht aus, was sie empfinden („Ich ärgere mich, wenn Du
spät zur Teamsitzung kommst“), sondern übertragen ihre Befindlichkeit in eine
Aussage über den anderen, die nicht selten eine Schuldzuweisung, Verurteilung
oder Drohung beinhaltet („Du bist unfähig im Team zu arbeiten“). Die eigenen Be-
dürfnisse bleiben verborgen, der andere wird in eine Verteidigungshaltung ge-
drängt. Aussagen über den anderen bezeichnet man als Du-Botschaften, sie zielen
ab auf die Beziehungsebene („Was ich von Dir halte“). Aussagen, mit denen man
eigene Sichtweisen, Empfindungen und Reaktionen offenbart, nennt man Ich-
Botschaften (Gordon 2012). Sie betreffen die Selbstkundgabeebene („Was ich von
mir zu erkennen gebe“).
Kritik oder Nicht-Übereinstimmung, die in der Du-Form geäußert wird, beeinträch-
tigt das Gesprächsklima. Du-Botschaften verursachen Schuldgefühle, können der
Selbstachtung des Empfängers schaden und werden häufig als bestrafend empfun-
den. Statt Einsicht lösen sie Rechtfertigung aus.
Ich-Botschaften dagegen signalisieren Offenheit. Ich vertraue mich meinem Ge-
sprächspartner an und gebe ihm damit das Zeichen, dass Gefühle offen angespro-
chen werden dürfen. Dies führt zu einem tieferen Kontakt zwischen Menschen. In
Gesprächssituationen, in denen die Befürchtung besteht, dass sich der Gesprächs-
partner leicht angeklagt oder angegriffen fühlt, werden Ich-Botschaften zum Tür-
öffner. Es fällt meinem Gegenüber leichter, mir zuzuhören, als wenn ich ihn direkt
mit einer Du-Botschaft konfrontiere (Riechmann, 2016).
Bestandteile von Eine vollständige bzw. erweiterte Ich-Botschaft (inkl. Wunsch bzw. Appell)
Ich-Botschaften besteht aus vier Elementen, deren Reihenfolge variierbar ist:
• Gefühl („ich bin …“)
• Anlass/Situation/Verhalten („wenn Du …“)
• Grund/Auswirkungen („weil …“)
• Wunsch („und ich möchte …“)

Beispiel: Wenn Sie 20 Minuten zu spät zur Teamsitzung kommen (Anlass), ärgere ich mich
(Gefühl), weil wir alle dadurch Zeit verlieren (Grund) und ich möchte, dass Sie in Zukunft
pünktlich kommen (Wunsch).

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Die Gesprächsführung 3

3.2.3 Fragetechnik

Eine Spezialform des aktiven Zuhörens stellt die non-direktive Gesprächs- non-direktive Gesprächsführung
führung dar (vgl. Neumann 2014: 255). Hier verzichtet der Empfänger weitgehend
darauf, seine Sichtweise darzustellen und den anderen von seinen
Argumenten zu überzeugen. Vielmehr geht der Zuhörer im Gespräch weitgehend
auf die Sichtweisen seines Gegenüber ein. Dies bedeutet nicht, dass alle Argumen-
te des Gesprächspartners übernommen werden – wohl aber, dass der Zuhörer ver-
sucht, diese zu verstehen.
Durch aufmerksames, aktives Zuhören und vor allem Nachhaken mit offenen Fra-
gen soll der Sprecher dazu bewegt werden, sich weiter zu öffnen. Ein solches non-
direktives Gespräch ist empfehlenswert, wenn Vorgesetzte weitere Informationen
von ihren Mitarbeitenden erhalten wollen sowie in Konfliktgesprächen. Auch in
bestimmten Phasen eines Interviews zur Auswahl eines neuen Mitarbeiters kann
die non-direktive Vorgehensweise helfen, ein besseres Bild von dem Bewerber zu
gewinnen.
Zum Öffnen des Gesprächspartners und Vertiefen der Kommunikation ist beim Hinweise zum
Stellen der Fragen folgendes zu beachten: Stellen von Fragen
• Offene Fragen, also möglichst „W-Fragen“ verwenden, beispielsweise „Wie
stellen Sie sich … vor?“, „Bis wann können Sie den Fall X fertig haben?“,
„Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?“
• Nachfragen, statt sich mit einer ersten Antwort zufrieden zu geben – „Was sonst
noch?“
• Nicht nur nach einem Grund fragen – Besser „Was sind die Gründe für …“ als
nur „Warum ist Kunde X unzufrieden?“
• Warum-Fragen bringen meist keine so guten Antworten, da eine vermeintlich
rationale Antwort möglicherweise erst produziert und der Befragte leicht in eine
Verteidigungshaltung gedrängt wird. Verwenden Sie stattdessen lieber: „Wie
kam es dazu, dass …“, „Was spricht dafür/dagegen, dass …“, „ Inwiefern sehen
Sie hier Probleme …“, „Was ist geschehen, dass …“
• Keine Doppel-, Mehrfachfragen, sonst wird sich der Befragte das aussuchen,
wozu er lieber etwas sagt. Das andere Thema gerät darüber in Vergessenheit.
• Keine Alternativfragen („Wollen Sie lieber in Pakistan oder in Vietnam arbei-
ten?“) verwenden, sonst engen Sie den Gesprächspartner ein und erhalten keine
zuverlässige Antwort. Bedenken Sie immer: Die non-direktive Gesprächsfüh-
rung setzen Sie ein, wenn Sie die Sichtweise des anderen erfahren wollen, und
nicht, wenn Sie etwas verkaufen wollen.
• Bewertende Fragen vermeiden – „Sind Sie eigentlich teamorientiert?“. Auf
solche Fragen erhalten Sie lediglich Antworten im Sinne der sozialen Er-
wünschtheit, also das, wovon der Mitarbeiter glaubt, dass Sie das hören wollen.
• Auch Suggestivfragen – „Sehen Sie das nicht genauso?“, „Glauben Sie eigent-
lich, dass Sie mit dieser Situation zurechtkommen?“ – tragen nicht zu einer
offenen Gesprächssituation bei.
• Konfrontative Fragen sollten Sie – wenn überhaupt – erst in einer späteren
Gesprächsphase einsetzen, der Mitarbeiter geht sonst sofort auf Distanz und in
Verteidigungshaltung.

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3 Die Gesprächsführung
• Vorhaltungen und Vorwürfe sind generell wenig geeignet. Stellen Sie lieber die
Frage, wie der Mitarbeiter sich Änderungen vorstellt und vereinbaren Sie klare,
neue Ziele (siehe Abschnitt 2.2).
Wer fragt, der führt, heißt es. Und wer dumm fragt, der …?
Lassen Sie also den Gesprächspartner ausreden, geben Sie keine Werturteile ab,
hören Sie geduldig zu und steuern Sie das Gespräch durch öffnende Fragen.

3.2.4 Metakommunikation

Mit Metakommunikation wird die Kommunikation über die Kommunikation be-


zeichnet. Die Beteiligten machen also bewusst eine Unterbrechung, gehen weg von
der inhaltlichen Diskussion. Sie tauschen sich bewusst – auf einer anderen Ebene –
nicht länger über den Inhalt, sondern über den Gesprächsablauf, das „Wie“, ihre
Erwartungen und Wünsche etc. aus. Sie sprechen Konflikte an und geben dem
anderen Rückmeldung (siehe Abschnitt 3.3), wie sie ihn erleben. So können Stö-
rungen frühzeitig angesprochen und eine Einigkeit über das weitere Vorgehen er-
zielt werden. Konfliktbereitschaft statt Harmonie um jeden Preis ist gefragt.

3.3 Feedback geben und bekommen

Feedback ist für eine gelungene Kommunikation unverzichtbar. Doch häufig un-
terbleibt Feedback, weil es den Betreffenden unangenehm ist, abweichende Mei-
nungen oder Kritik auszudrücken. Hauptziel bei einem Feedback ist aber nicht das
Kritisieren, sondern vielmehr:
Ziele von Feedback • Verkleinerung des blindes Flecks – der Betreffende soll erfahren, wie er auf
andere wirkt, was andere an seinem Verhalten stört.
• Jeder hat natürlich auch ein bestimmtes Bild von sich selbst. Feedback erweitert
diese Sicht, ein Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild wird möglich. Dies
bedeutet grundsätzlich nicht, dass das Fremdbild stimmiger ist oder das Selbst-
bild „falsch“.
• Doch wenn man sich selbst für freundlich hält, andere einen aber eher als lau-
nisch wahrnehmen, so bietet eine solche Rückmeldung eine Lernchance – nur
wenn ich weiß, was andere stört, warum sie bestimmte Annahmen über mich
haben, kann ich mein Verhalten erklären bzw. verändern.
• Bekräftigung – wenn ein Mitarbeiter immer hört, was er alles falsch macht, so
wird er zunehmend unsicherer werden. Unter Lerngesichtspunkten betrachtet ist
es wichtig, auch Gutes anzuerkennen. Der Mitarbeiter muss erfahren, was er
beibehalten soll, wo er auf dem richtigen Weg ist.
• Motivation – ein Mitarbeiter soll nicht demotiviert und entmutigt aus einem Ge-
spräch herausgehen, sondern eine positive Vorstellung davon haben, wie er zu-
künftig erfolgreicher arbeiten kann. Ein Theaterkritiker darf eine Aufführung ver-
reißen, er muss selbst keine bessere abliefern. Konrad Adenauer wird der Spruch
nachgesagt: „Maul nicht über die Leute. Du bekommst keine anderen.“ Dies
kennzeichnet die Situation für jede Führungskraft: Sie muss mit ihren Mitarbei-
tenden erfolgreich sein, deren Humankapital, also deren spezifische Fähigkeiten
und Stärken, gewinnbringend einsetzen. Zielführend wird es nicht sein, die Unter-
stellten zu entmutigen oder sich ständig andere Mitarbeitende zu wünschen.

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Die Gesprächsführung 3

Tabelle 3.1 veranschaulicht im Überblick, worauf beim Geben sowie beim Emp-
fangen von Feedback zu achten ist.

Tabelle 3.1: Hinweise zum Geben und Empfangen von Feedback

Feedback geben Feedback bekommen Feedback-Regeln


Mit positiver Rückmeldung beginnen – Kritik ist Zuhören – Auch wenn es unangenehm ist, etwas
für niemanden angenehm, die Bereitschaft, sie anzu- Kritisches zu hören, hören Sie wirklich aufmerksam
nehmen steigt aber, wenn auch Positives dargestellt zu. Nur so können Sie etwas daraus lernen.
wird. Zudem soll der Mitarbeiter ja auch erfahren,
welches Verhalten er beibehalten soll!
Beschreibende Aussagen verwenden – Zum einen Bei Unklarheiten nachfragen – Ziel ist es, konkret
weiß der Mitarbeiter so genau, welches Verhalten zu erfahren, was anderen gefällt und was sie stört.
kritisch gesehen wird, zum anderen unterbleibt eine Natürlich hört jeder gerne „Das war super“. Aber
Wertung (also „Sie sind in den letzten zwei Wochen können Sie daraus wirklich lernen? Was hat den
drei Mal zu spät gekommen, zudem hat sich eben ein anderen genau gefallen? Wieso hatten manche den
Kunde über Fehler in Ihrem Angebot beschwert“ und Eindruck, Sie wären etwas überheblich gewesen?
nicht: „Sie sind in letzter Zeit so unkonzentriert und
unzuverlässig geworden.“)
Bezogen auf konkret beobachtetes Verhalten Lassen Sie sich ruhig Beispiele schildern.
Aussagen in Ich-Form – Jeder kann nur für sich Nicht rechtfertigen – Feedback ist keine Anklage,
sprechen und nur für sich sagen, was ihn stört. zu der Sie sich äußern müssen, sondern die Meinung
Ich-Aussagen wirken auch weniger vorwurfsvoll als des anderen, dessen Eindruck von Ihrem Verhalten.
Du-Botschaften („Immer kommst Du zu spät“, Hören Sie sich dies an und überlegen Sie
„Nie hilfst Du mir bei …“). anschließend, wo für Sie ein Korn Wahrheit steckt
und woran Sie arbeiten wollen.
Verständlich ausdrücken – Nur wenn dem Rückmeldungen gezielt einfordern – Meist
Mitarbeiter klar wird, was er ändern soll, kann dies erhalten wir wenig Rückmeldung, dies gilt selbst im
auch sein weiteres Verhalten zielorientiert Freundeskreis. Bitten Sie deshalb gezielt um
beeinflussen. Rückmeldungen – nach einer Präsentation, einer
Moderation oder einem wichtigen Gespräch.
Auswirkungen schildern – auf die Arbeitssituation
und auch auf einen selbst. Man kann und soll auch
im betrieblichen Kontext Gefühle ausdrücken, natür-
lich nicht, indem Sie jemanden anschreien, aber Sie
können durchaus sagen: „Ich habe mich sehr über
Sie geärgert“, „Ich bin enttäuscht, dass …“.
Bereitschaft des Empfängers prüfen – Ist der
Gesprächspartner im Augenblick aufnahmebereit?
Oder liegt ihm gerade etwas ganz anderes auf dem
Herzen?

3.4 Vorbereitung auf ein Personalgespräch

Beurteilungs-, Kritik- sowie alle schwierigen Mitarbeitergespräche bedürfen einer


guten Vorbereitung. Die Führungskraft muss ihre Sichtweise argumentativ vertre-
ten können. Anweisungen ohne Begründungen werden von den Mitarbeitenden
nicht dauerhaft akzeptiert. Dies bedeutet auch, dass Kritik an Beispielen konkreti-
siert wird und Fragen der Mitarbeitenden beantwortet werden können.
Beim Zielvereinbarungsgespräch sollte man sich zum einen auf die vorausgegan-
genen Zielvereinbarungen beziehen. Zum anderen können zwischenzeitliche Feed-
back-Gespräche, Projektergebnisse etc. herangezogen werden. Darüber hinaus
können Stellenbeschreibungen und durchgeführte Personalentwicklungsmaßnah-
men weitere Anhaltspunkte liefern.

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3 Die Gesprächsführung
Zielklärung Bereits vor dem Gespräch sollte sich die Führungskraft über das angestrebte
Ziel klar werden: Soll der Mitarbeiter bestärkt werden? Welche konkreten Aufga-
ben stehen an, welche Ziele und Personalentwicklungsmaßnahmen sollen verein-
bart werden? Wo soll der Mitarbeiter sich ändern? Handelt es sich im kritischen
Fall um einen „Warnschuss“ oder wird die Auflösung des Arbeitsverhältnisses an-
gestrebt?
Auch der Mitarbeiter selbst soll sich vorher konkrete Überlegungen zu den von ihm
gezeigten Leistungen und den neuen Zielen machen. Manche Unternehmen geben
den Mitarbeitenden dazu konkrete Fragestellungen an die Hand. Diese können sich
beispielsweise auf die Einschätzung der Stärken und Schwächen beziehen (Selbst-
bild) oder auf die Zusammenarbeit im Team und mit dem Vorgesetzten.

Checkliste zur Gesprächsvorbereitung für die Führungskraft


• Kündigen Sie das Gespräch vorher an, so dass sich auch der Mitarbeiter vorbereiten kann.
• Bereiten Sie sich inhaltlich gut vor.
• Machen Sie sich Ihr Gesprächsziel vorher klar.
• Halten Sie die notwendigen Unterlagen bereit.
• Stellen Sie sich auf den Mitarbeiter und dessen Situation ein.
• Überlegen Sie konkrete Beispiele zur Verdeutlichung Ihrer Argumentation.
• Sorgen Sie für eine gute Gesprächsatmosphäre, indem Sie beispielsweise zunächst die
Leistungen und Erfolge des Mitarbeiters anerkennen.
• Ein längeres Gespräch sollte nicht am Schreibtisch, sondern an einem Besprechungstisch
oder in einem gesonderten Besprechungsraum geführt werden.
• Planen Sie ausreichend Zeit ein! Teilen Sie die zeitlichen Rahmendaten auch dem Mitar-
beiter mit.
• Vermeiden Sie während des Gesprächs Unterbrechungen – durch Telefonate oder andere
Kollegen.
• Der Besprechungsraum sollte nicht einsehbar sein.

Fragen zur weiteren beruflichen Entwicklung, zu besonderen Personalentwick-


lungsmaßnahmen wie Rotationen oder zum Gehalt wird die Führungskraft nicht
immer im Gespräch direkt beantworten können. Nicht alles liegt in ihrer Kompe-
tenz. Hier hilft zum einen eine gute Vorabstimmung mit dem höheren Vorge-
setzten. Zum anderen kann für spezielle Fragen ein neuer Gesprächstermin verein-
bart werden.

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Die Gesprächsführung 3

Übungsaufgaben
3.1) Erläutern Sie anhand des Sender-Empfänger-Modells der Kommunikation, wie es zu Proble-
men und Missverständnissen kommen kann.
3.2) Was meint Watzlawick mit seiner Aussage „Man kann nicht nicht kommunizieren?“
3.3) Wodurch ist aktives Zuhören gekennzeichnet? Warum ist es sinnvoll?
3.4) Sie haben den Eindruck, Ihr Gesprächspartner ist nicht ganz offen zu Ihnen. Welche Kommu-
nikationselemente können Sie einsetzen, um ihn zum Sprechen zu bringen und zu „öffnen“?
3.5) Erläutern Sie, was beim Empfangen von Feedback zu beachten ist!
3.6) Die nachfolgend beschriebene Übung („Der kontrollierte Dialog“) zum (achtsamen) aktiven
Zuhören ist Ihnen bekannt. Gesprächsführung ist eine Fähigkeit, die trainiert werden will.
Ihren Trainingserfolg können Sie verbessern, indem Sie Übungen zum Aktiven Zuhören gele-
gentlich wiederholen. Vielleicht frischen Sie Ihre Gesprächsführungsfähigkeiten anhand der
folgenden Übung im Rahmen einer individuellen Lerngruppe auf.
Der kontrollierte Dialog:
Zwei von Ihnen (A und B) einigen sich auf ein Thema (bei dem Sie möglichst nicht einer
Meinung sind) und führen darüber einen Dialog unter Beachtung der folgenden Spielregeln:
A beginnt mit einer Aussage. B fasst den gedanklichen Sinn dessen, was A gesagt hat, in
eigene Worte (nicht nur „nachplappern“). A bestätigt kurz sprachlich (stimmt/ja) oder non-
verbal (z. B. Kopfnicken), ob B die Aussage sinngemäß richtig wiedergegeben hat. Hat A mit
„stimmt“ bestätigt, darf B auf die Aussage antworten und den Dialog fortsetzen. Wenn B den
Sinn falsch erfasst hat, wiederholt A seine Aussage. B wiederholt diese solange sinngemäß,
bis A sie mit „richtig“ bestätigt. Der dritte Teilnehmer (C) beobachtet den Dialog und unter-
bricht, wenn die Spielregeln nicht eingehalten werden. Jeder Dialog dauert fünf Minuten. Da-
nach werden die Rollen gewechselt, so dass jeder einmal der Beobachter ist.
3.7) Vergegenwärtigen Sie sich zu Ihrer individuellen Vorbereitung auf die Komplexe Übung die-
ses Moduls folgende Aspekte:
• Inwieweit hat sich Ihre Wahrnehmung von kommunikativen Vorgängen verändert?
• Wie gehen Sie mit „aktivem Zuhören“ in Ihrem beruflichen Alltag um? Haben Sie Nutzen
oder Grenzen des Einsatzes erfahren?
• Hat sich Ihr Gesprächsverhalten verändert?

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4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen

4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen


Mit dem Durcharbeiten dieses Kapitels sollen Sie folgende Studienziele erreichen:
Lernziele  die Besonderheiten einiger ausgewählter Formen von Mitarbeitergesprächen
verstehen,
 wissen, was mit Anerkennung und was mit Kritik erreicht werden soll,
 wissen, worauf bei Anerkennungs- und Kritikgesprächen zu achten ist,
 verstehen, warum es wichtig ist, Anerkennung explizit auszudrücken,
 das Eskalationsprinzip bei Kranken-Rückkehrgesprächen einsetzen können,
 ein Abmahnungsgespräch richtig umsetzen können,
 wissen, wie Sie ein Trennungsgespräch vorzubereiten haben.

4.1 Anerkennung und Kritik

Anerkennung und Kritik sind zentrale Führungselemente, die der Führungskraft


jederzeit zur Verfügung stehen. Durch sie kann der Vorgesetzte das Verhalten der
Mitarbeitenden steuern, verändern, verstärken. Doch er muss sie auch wirklich ein-
setzen. Betrachten wir zunächst kurz, was mit Anerkennung und Kritik – also der
positiven wie der kritischen Rückmeldung – erreicht werden soll.

4.1.1 Ziele von Anerkennung und Kritik

Feedback Anerkennung und Kritik dienen zunächst zum Feedback. Der Mitarbeiter soll er-
fahren, wie seine Leistung und sein Verhalten vom Vorgesetzten gesehen und ein-
geschätzt werden. Ein weiteres Ziel des Feedbacks ist, dass der Mitarbeiter ein rea-
listisches Selbstbild entwickelt und seine Stärken weiter ausbauen kann. In Abschnitt
3.3 wurde bereits dargestellt, worauf beim Geben von Feedback zu achten ist.
Verhaltensstabilisierung bzw. Verhaltensstabilisierung bzw. -veränderung: Anerkennung und Kritik sollen
Verhaltensveränderung kein Selbstzweck sein. Wenn der Mitarbeiter durch das Feedback erfährt, was er
gut gemacht hat und welche Verbesserungen man sich aus Sicht der Organisation
von ihm wünscht, so geht es hierbei – wie bereits oben beim Mitarbeitergespräch
ausgeführt – nicht primär um eine reine Beurteilung oder gar um eine Abrechnung
mit der Vergangenheit. Vielmehr wird in Organisationen die zielorientierte Gestal-
tung der weiteren Zusammenarbeit im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Der Mit-
arbeiter soll in die Lage versetzt werden, Fehler zu erkennen und aus ihnen zu ler-
nen, damit eine Verhaltensveränderung erreicht wird. Allerdings sollte nicht
vergessen werden, dass ein Mitarbeiter auch wissen muss, was er gut gemacht hat –
denn dieses Verhalten soll beibehalten und von der Führungskraft verstärkt wer-
den. Wird ein Mitarbeiter im Extremfall lediglich auf Fehler hingewiesen, so weiß
er schließlich, was er alles nicht tun soll – ein positives Verhalten wird jedoch nicht
aufgebaut und unterstützt.
Motivation der Mitarbeitenden Schließlich soll die Motivation der Mitarbeitenden weiter verstärkt werden. Bei
der Anerkennung scheint dies offensichtlich zu sein: Jeder hört Lob gerne und wird
danach meist weiteren Ansporn zur Leistung verspüren. Doch selbst hier lässt sich
einiges falsch machen (s. u.). Besonders schwierig ist die Aufrechterhaltung der
Motivation bei und nach einem Kritikgespräch. Ziel ist es ja, dass der Mitarbeiter

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Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen 4

sein Verhalten im Sinne der Organisation verändert (vgl. dazu auch Rosenstiel
2014: 244). Jedoch ist aus Befragungen bekannt, dass viele Mitarbeiter nach einem
Kritikgespräch frustriert sind und sich ungerecht behandelt fühlen. Dies ist keine
gute Basis für die weitere Zusammenarbeit. Verhaltensänderungen sind in dieser
Konstellation nicht aufgrund von Einsicht, sondern allenfalls durch Machteinsatz,
Anweisungen etc. zu erreichen.

4.1.2 Das Anerkennungsgespräch

Betrachten wir zunächst die positive Seite, das Anerkennungsgespräch. Worauf ist
zu achten? Was sind typische Fehler? Zunächst einmal nicht, dass zu viel gelobt
wird. Diese Gefahr ist speziell in unserem Kulturkreis sehr gering einzuschätzen.
Gerade Deutsche gehen ausgesprochen sparsam mit Lob um.
Allerdings sollte das Lob authentisch sein, also das ausdrücken, was der Lobende Authentizität
wirklich meint. Authentisch sein bedeutet nicht, dass jeder dem anderen alles sagt,
was er denkt und gerade empfindet – eine solche bedingungslose Offenheit hält
keine Freundschaft, keine Beziehung und auch keine Arbeitsgruppe aus. Die For-
derung danach, im Umgang mit anderen authentisch zu sein, meint vielmehr, nicht
alles zu sagen, was man denkt, aber das, was man sagt, auch zu meinen.
Einige Hinweise zum Anerkennungsgespräch:
• Verantwortlich ist der direkte Vorgesetzte. Verantwortlichkeiten
Auch ein Lob sollte man nicht über einen Kollegen mitteilen lassen. Nehmen
Sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch oder zumindest einen Anruf oder eine
persönliche Mail.
Ein Lob des höheren Vorgesetzten hat besonderes Gewicht – allerdings muss
dieser darauf achten, dass er nicht in Widerspruch zum direkten Vorgesetzten
gerät. Wird ein häufig unzuverlässiger Mitarbeiter nach einer ausgezeichnet ge-
lungenen Kundenpräsentation vom Vorstand als „tüchtig und begabter Füh-
rungsnachwuchs“ ausgezeichnet, dann wird es für den direkten Vorgesetzten
schwer sein, mit seiner berechtigten Kritik an anderen Verhaltensweisen durch-
zudringen.
• Was sollte gelobt werden? Inhalt des Lobes
Generell gilt: ein beobachtetes Verhalten oder ein konkretes, dem Mitarbeiter
zuordenbares Leistungsergebnis. Es geht nicht um allgemeine Wesenszüge oder
Verallgemeinerungen („immer so engagiert“).
Denken Sie daran, auch konstant zuverlässige Dauerleistungen wertzuschätzen.
Nicht jeder Mitarbeiter kann in seiner Aufgabe besondere Erfolge – wie den
Gewinn eines neuen Kunden oder die Umsatzsteigerung – vorweisen. Doch das
fehlerfreie Arbeiten über längere Zeit oder unter besonderer Belastung wie
Zeitdruck ist gleichfalls anzuerkennen.
• Wie sollten Sie loben? Hinweise zum Formulieren
Wichtig ist hier vor allem, dass die Anerkennung explizit ausgesprochen wird. von Anerkennung
Ein „das ist nicht schlecht“ ist keine Wertschätzung. Führungskräfte, die sich
nach dem Motto verhalten: „Nicht getadelt ist genug gelobt“, frustrieren ihre
Mitarbeitenden. Ein zentrales Ergebnis von Mitarbeiterbefragungen (vgl. z. B.
Borg 2003) ist immer wieder, dass Mitarbeitende sich über fehlende Anerken-
nung ihrer Leistung beklagen.

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4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen
Loben Sie also ausdrücklich, nennen Sie das Verhalten, das Ergebnis, das Ihnen
gefallen hat und das Anerkennung verdient.
Betrachten Sie das folgende wörtliche Zitat (erhoben im Rahmen einer eigenen
Studie) – was fällt auf?
Thema: Information eines Mitarbeiters über seine bevorstehende Beförderung.
„Warum soll ich denn nicht sagen, Sie haben Glück gehabt, Sie sind dieses Jahr
dabei, Sie sind mit durchgerutscht. Und ich habe ja auch für Sie gekämpft, zwei
bis drei Jahre lang. Dieses Jahr haben wir es gepackt. Die Quotenplätze waren
da, und es ist nun gelungen aufgrund der Leistungen, die Sie gezeigt haben,
aufgrund der Bewertungen, die ich daraus geschlossen habe, äh, Sie dieses
Jahr durchzupauken.“
Der Mitarbeiter wird befördert – doch wird er glücklich aus diesem Gespräch
herausgehen? Will nicht vielmehr die Führungskraft für ihren Einsatz selbst ge-
lobt werden?
Und die Anerkennung muss sich auf relevante Aspekte beziehen: Wir wissen
aus der „Zeugnissprache“ (siehe Abschnitt 1.7.2.5), dass die Betonung von
Selbstverständlichkeiten gerade den gegenteiligen Effekt hat (Beispiel: „Er war
immer pünktlich und ehrlich“ – das klingt auf den ersten Blick nett, sagt aber
aus: mehr war nicht).
Lob vor allen oder Ein Lob kann man auch vor den Kollegen ausdrücken, insbesondere wenn diese
unter vier Augen? gleichfalls die Chance gehabt hätten, die entsprechende Aufgabe gut zu erledi-
gen. Einen solchen positiven Wettbewerb versucht man beispielsweise mit der
Auszeichnung des „Mitarbeiters des Monats“ zu erreichen. Falls dem Mitarbei-
ter die Heraushebung aber unangenehm sein sollte, ist es besser, das Lob unter
vier Augen auszusprechen.
Bei Gruppenleistungen ist selbstverständlich die gesamte Gruppe zu loben und
nicht nur der Teamsprecher.
Timing und Konsequenzen • Timing und Konsequenzen
von Anerkennung Die Anerkennung soll zeitnah erfolgen, um zu einer Verstärkung des erwünsch-
ten Verhaltens beizutragen. Natürlich erwartet kein Mitarbeiter, dass nach je-
dem Lob sofort eine finanzielle Höherstufung erfolgt – die Angst davor lässt
viele Führungskräfte so zurückhaltend sein. Vielmehr legen Mitarbeitende min-
destens ebenso viel Wert auf die persönliche Wertschätzung wie die finanzielle
Vergütung (vgl. Rosenstiel et al. 2014: 243 f.). Aber für einen Mitarbeiter, der
sich durch konstant gute Leistung auszeichnet und der häufig gelobt wird, sollte
man auch an weitere Förderung (Personalentwicklung, Aufstieg) sowie einen
gehaltlichen Bonus denken.

4.1.3 Das Kritikgespräch

Das Kritikgespräch ist meist schwieriger als das Verteilen von Lob. Der Führungs-
kraft ist es häufig unangenehm, und viele Mitarbeitende haben ein anderes Selbst-
bild, wollen sich rechtfertigen und ihre Sichtweise erläutern. Deshalb im Folgenden
einige Hinweise zur Durchführung eines Kritikgespräches:

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Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen 4

• Bei einem Kritikgespräch ist der direkte Vorgesetzte gefordert. Verantwortlichkeiten


Es ist eine der wichtigen Führungsaufgaben des direkten Vorgesetzten, den
Mitarbeitenden Rückmeldung zu geben und Änderungen zu vereinbaren. Ein
Kritikgespräch lässt sich nicht delegieren – nicht an Kollegen („Sagen Sie doch
mal dem Huber, …“) und nicht an die Personalabteilung. Richten Sie die Kritik
an denjenigen, den sie betrifft. Ziehen Sie nicht über Dritte her!
• Was sollte angesprochen werden? Inhalt der Kritik
Achten Sie darauf, dass Sie nur tatsächlich beobachtetes Verhalten zurückmel-
den bzw. sich auf konkrete Ergebnisse (z. B. ein fehlerhaftes Angebot) bezie-
hen. Hüten Sie sich vor Generalisierungen („das ist ja wieder einmal typisch“).
Es macht keinen Sinn, Kritik von anderen Organisationsmitgliedern anzuführen,
wenn diese Ihnen auferlegt haben, ihren Namen nur nicht zu nennen. Wenn Sie
Klagen von Kollegen oder Kunden ansprechen, so müssen Sie gleichfalls in der
Lage sein, ihre Kritik mit konkreten Beispielen zu verdeutlichen.
Wenn Sie Gerüchte ansprechen, so machen Sie deutlich, dass es ein umgehen-
des Gerücht ist und keine Behauptung, und geben Sie dem Mitarbeiter Gele-
genheit zur Stellungnahme.
• Zur Vorbereitung: Vorbereitung eines
– Legen Sie Zeit und Ort des Gespräches fest. Kritikgespräches

– Laden Sie rechtzeitig, ggf. auch schriftlich zum Gespräch ein.


– Planen Sie genügend Zeit ein und wählen Sie einen möglichst nicht einseh-
baren Raum.
– Achten Sie auf eine störungsfreie Atmosphäre.
– Legen Sie für sich Ihre Ziele fest (Maximal-, Kompromiss-, Minimalziel).
– Gehen Sie das Gespräch in Gedanken durch. Mit welchen Reaktionen rech-
nen Sie? Welche Beispiele können Sie anführen? Welche Argumente wird
der andere voraussichtlich anführen?
– Formulieren Sie den Anfang des Gespräches für sich vor.
• Was ist bei der Durchführung zu beachten? Hinweise zum
Beschreiben Sie das Vorgefallene und bitten Sie den Mitarbeiter, dazu Stellung Formulieren von Kritik
zu nehmen. Ermutigen Sie zur Wahrheit und bauen Sie auch „Brücken“. Ma-
chen Sie die Auswirkungen deutlich – auf die Aufgabe, das Unternehmen, die
Kunden. Bleiben Sie dabei sachlich. Aber sprechen Sie deutlich an, was Sie
stört und was Sie sich anders vorstellen (nicht: „Man hätte das ja vielleicht auch
anders machen können“ oder „zukünftig sollten Sie sich mal überlegen, ob …“).
Emotionen dürfen Sie durchaus ausdrücken („ich bin jetzt sehr verärgert“), aber
Sie sollten Ihren Mitarbeiter nicht anbrüllen. Analysieren Sie gemeinsam die
Gründe für das Fehlverhalten. Beziehen Sie den Mitarbeiter in die Verantwor-
tung mit ein, fragen Sie ihn nach konkreten Änderungsmöglichkeiten und Lö-
sungsvorschlägen.
Ein Kritikgespräch ist im Regelfall immer unter vier Augen zu führen. Wenn es Kritikgespräch unter
möglich ist, auch nicht am Telefon, sondern persönlich. Fehlverhalten von vier Augen
Gruppen – wie beispielsweise die Missachtung von Sicherheitsvorschriften –
kann selbstverständlich in der Runde angesprochen werden.

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4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen
Timing und Konsequenzen • Timing und Konsequenzen
von Kritik Auch die Kritik sollte zeitnah erfolgen – das Mitarbeiter-Jahresgespräch ist
nicht dazu gedacht, nach einem Jahr als eine Generalabrechnung zu erfolgen.
Der alte Tipp des „eine Nacht darüber schlafen“ empfiehlt sich vor allem dann,
wenn Sie selbst sehr emotionalisiert sind und befürchten, die Beherrschung zu
verlieren.
Bei einem schwerwiegenden Fehlverhalten eines Mitarbeiters werden Sie nicht
gleich zur Tagesordnung übergehen können. Hier sind neue Ziele bzw. Maß-
nahmen zu vereinbaren und ihre Umsetzung zu kontrollieren sowie weitere Ge-
sprächstermine abzustimmen. Doch dem Mitarbeiter muss verdeutlicht werden,
dass er eine neue Chance erhält. Ein Kritikgespräch wird im Regelfall gerade
nicht die Einleitung zum Trennungsprozess sein. Deshalb ist es wichtig, sich vor
oder spätestens im Kritikgespräch klar zu werden, ob man die Zusammenarbeit
verbessern oder aber auf eine Trennung vom Mitarbeiter hinarbeiten will.

4.2 Das Krankenrückkehrgespräch

Stufenmodell bei Das Krankenrückkehrgespräch wird nach einer krankheitsbedingten Fehlzeit einge-
Krankenrückkehrgesprächen setzt mit dem Ziel, Gründe für Fehlzeiten zu identifizieren und mittelfristig die
Fehlzeitenquote zu senken. Es ist dabei an ein Stufenmodell zu denken:
1. Stufe: Gespräch direkt bei 1. Gespräch mit dem zurückkehrenden Mitarbeiter unmittelbar nach Arbeits-
Rückkehr nach einer Krankheit beginn
Hier geht es darum, den Mitarbeiter zu begrüßen und ihm zu verdeutlichen, dass
man sich über seine Rückkehr freut und ihn in der Zwischenzeit – persönlich
wie fachlich – vermisst hat. Informieren Sie den Mitarbeiter über wichtige Vor-
kommnisse während seiner Abwesenheit. Zudem sollte man sich nach dem Be-
finden erkundigen („Wieder ganz gesund?“) und klären, ob die Arbeitsfähigkeit
bereits vollständig wiederhergestellt ist oder ob der Mitarbeiter noch der Scho-
nung bedarf. Dem Vorgesetzten obliegt auch eine Fürsorgepflicht für die Mitar-
beitenden. Wünschen Sie zum Gesprächsabschluss alles Gute und viel Erfolg
für die wieder aufgenommene Tätigkeit.
In vielen Unternehmen wird ein solches Gespräch routinemäßig nach jeder
Fehlzeit geführt. Dabei handelt es sich zumeist um ein kürzeres Gespräch von
ca. 10 Minuten Dauer.
2. Stufe: Gespräch nach 2. Nach Auffälligkeiten – z. B. häufige Kurzerkrankungen
Auffälligkeiten Vor dem Gespräch empfiehlt sich eine Abstimmung mit der Personalabteilung
über das Vorgehen.
Versuchen Sie im Gespräch zu klären, ob die häufigen Erkrankungen auf glei-
che oder ähnliche Ursachen zurückzuführen sind. Möglicherweise liegen Ursa-
chen im Betrieb (man kann dabei an viele Faktoren denken: von der Zugluft bis
zum schlechten Arbeitsklima oder Mobbing) – hier sollte nach Lösungen ge-
sucht werden. Gegebenenfalls sind Rehabilitationsmaßnahmen nötig, um die
Arbeitskraft vollständig wiederherzustellen. Wenn der Mitarbeiter den Belas-
tungen der Stelle dauerhaft wohl nicht mehr gewachsen ist, so sind die Mög-
lichkeiten einer (einvernehmlichen) Versetzung zu klären.
Der Mitarbeiter ist rechtlich nicht verpflichtet, die genaue Krankheitsursache zu
offenbaren. Auch eine ausweichende Antwort muss kein Zeichen für „Blauma-

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Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen 4

chen“ sein, denn man spricht beispielsweise leichter über einen gebrochenen
Fuß als über eine Fehlgeburt.
Generell gilt: Machen Sie dem Mitarbeiter keine Vorwürfe, werden Sie nicht
persönlich und vermeiden Sie negative Ausdrücke und Unterstellungen („blau
machen“).
Ziehen Sie zum Abschluss Bilanz und fassen Sie die wichtigsten Inhalte noch
einmal kurz zusammen. Vereinbaren Sie falls nötig einen weiteren Termin und
halten Sie geplante Maßnahmen schriftlich fest. Versuchen Sie, das Gespräch
positiv zu beenden.
3. Nach weiteren Auffälligkeiten 3. Stufe: Gespräch nach
weiteren Auffälligkeiten
Der Ablauf entspricht zunächst der Stufe 2. Allerdings sollten hier klare Ver-
einbarungen getroffen und das Gespräch schriftlich dokumentiert werden. Die
zentralen Aussagen sind vom Mitarbeiter gegenzuzeichnen. Zudem sind dem
Mitarbeiter die Konsequenzen bei weiteren Auffälligkeiten zu verdeutlichen.
Die Einführung eines systematischen Gesprächs mit einem bestimmten Ablauf Mitbestimmungsrecht
oder unter Einsatz eines vorgesehenen Gesprächsleitfadens, der von allen Vorge- des Betriebsrates
setzten umgesetzt wird, unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates (gem. Be-
trVG § 87 Absatz 1 Nr. 1).

4.3 Das Abmahnungs- und Trennungsgespräch

Nicht immer wird das Fehlverhalten eines Mitarbeiters mit einem Kritikgespräch Gründe für eine Abmahnung
zu klären sein. Bei schwerwiegenden Verfehlungen ist die Kritik mit einer schrift-
lichen Abmahnung zu dokumentieren. Diese ist gleichzeitig eine Voraussetzung,
um eine spätere verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten oder sich zumindest
offen zu halten. Die Abmahnung ist damit als ernste Verwarnung zu werten. Im
Folgenden wird nicht der Anspruch erhoben, einen vollständigen arbeitsrechtlichen
Überblick zu liefern. Der interessierte Leser sei hierzu auf das Werk von Schaub et
al. (2013) verwiesen. An dieser Stelle sollen vielmehr Hinweise für die Gesprächs-
führung vermittelt werden.

4.3.1 Das Abmahnungsgespräch

Voraussetzung für eine Abmahnung ist immer, dass der Mitarbeitende gegen
arbeitsvertragliche Pflichten – aus dem Leistungs- und/oder dem Vertrauensbereich
– verstoßen hat. Anlässe können im persönlichen Verhalten (private Telefonate
oder E-Mails oder Internetsurfen, wenn dies verboten ist, eigenmächtiges Überzie-
hen des Urlaubs, Beleidigung von Kollegen) oder in der Verletzung arbeitsvertrag-
licher Verpflichtungen (wie Zuspätkommen, wiederholte verspätete Krankmeldun-
gen, Anweisungen nicht beachten) liegen. Bei schwerwiegendem Fehlverhalten
wie sexueller Belästigung und vor allem einer Verletzung des Vertrauensverhält-
nisses, beispielsweise durch Betrug (auch falsche Spesenabrechnung!) oder Dieb-
stahl etc., ist i. d. R. eine der Kündigung vorausgehende Abmahnung nicht nötig.

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4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen
Aufbau einer Abmahnung Die schriftliche Abmahnung sollte enthalten:
• eine knappe Schilderung des gerügten Sachverhaltes bzw. Verhaltens,
• Hinweis auf davon betroffene Gesetze bzw. Pflichten aus dem Arbeitsvertrag,
• Hinweis auf Unterlassung in der Zukunft,
• Verdeutlichung von weitergehenden Schritten bei einem weiteren Fehlverhalten
– dies wird zumeist die Drohung mit einer Kündigung sein,
• Unterschrift mit Nennung der Position des Unterzeichnenden.
Eine Abmahnung hat „nach einem noch angemessenen Zeitraum“ zu erfolgen. Im
Gesetz ist keine definitive Frist genannt. Jedoch ist die arbeitsrechtliche Wirksam-
keit der Abmahnung bei einem längeren Zeitraum als vier Wochen zwischen Be-
kanntwerden des Vorfalls und Abmahnung fraglich. Will man also ein Fehlverhal-
ten offiziell rügen, so muss dies zeitnah geschehen.
Die Abmahnung muss dabei nicht zwingend schriftlich erfolgen, sie kann auch un-
ter Zeugen als mündliche Verwarnung ausgesprochen werden. Um die Beweislast
zu erleichtern und Missverständnisse zu vermeiden, hat sich aber die schriftliche
Form eingebürgert. Die Abmahnung wird in der Personalakte dokumentiert.
Durchführung von Im Abmahnungsgespräch ist sicherzustellen, dass der Mitarbeiter den Inhalt ver-
Abmahnungsgesprächen steht. Nur dann ist die Abmahnung rechtlich wirksam! Der Mitarbeitende kann nur
dann sein Fehlverhalten korrigieren, wenn ihm klar ist, was der Arbeitgeber geän-
dert sehen will. Konkret bedeutet dies, dass bei ausländischen Arbeitnehmern ggf.
ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist. Ein Mitglied des Betriebsrates kann auf
Wunsch des Mitarbeiters teilnehmen.
Wenn der Mitarbeiter den Sachverhalt anders sieht oder Ursachen anführt, auf die
er keinen Einfluss hatte (starke Verspätung des Zuges aufgrund von Sturmschä-
den), so ist seine Stellungnahme gleichfalls zu Protokoll zu nehmen. Allerdings ist
der Mitarbeiter nicht dazu verpflichtet – im Extremfall wird er seine Argumente
erst nach einer Kündigung im Kündigungsschutzprozess anführen. Das ist sein
Recht, auch wenn es für manchen Arbeitgeber schwer nachzuvollziehen ist. Auch
deshalb empfiehlt es sich, den Mitarbeiter frühzeitig anzuhören.

4.3.2 Das Trennungsgespräch

Personen- und • Personen- bzw. verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber


verhaltensbedingte Kündigung Personenbedingte Gründe können z. B. die mangelnde körperliche oder geistige
Eignung des Arbeitnehmers sein. Allerdings darf die Kündigung dann nur der
letzte Ausweg sein, der Arbeitgeber muss vorher versuchen, den Arbeitnehmer
auf einen anderen Arbeitsplatz umzusetzen oder in vertretbarem Umfang zu
schulen. Ein Beispiel könnte der Verlust des Führerscheins bei einem Fahrer
oder das Nicht-Bestehen einer Prüfung sein. Auch Kündigungen wegen Krank-
heit fallen hierunter (beispielsweise häufige Kurzerkrankungen und negative
Gesundheitsprognose; Alkoholismus – wenn der Mitarbeiter Hilfsmaßnahmen
verweigert oder rückfällig wird). Bei personenbedingten Gründen ist keine Ab-
mahnung im Vorfeld gefordert – die mangelnde Eignung oder Krankheit liegt ja
gerade nicht in der willentlichen Entscheidung des Mitarbeitenden. Allerdings
werden auch hier vor der eigentlichen Kündigung meist zahlreiche Gespräche
und sonstige Maßnahmen (Entlastungen, Schulungen etc.) zur Problemlösung
unternommen worden sein. Die Kündigung und damit das Trennungsgespräch
sind das Ende eines längeren Prozesses mit einem problematischen Mitarbeiter.
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Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen 4

Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist dagegen i. d. R. im Vorfeld zumin-


dest eine Abmahnung als Warn- und Hinweisfunktion auszusprechen. Auch hier
ist der Mitarbeiter also vorgewarnt. Bei einem weiteren Fehlverhalten ist es dem
Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Zeigen Sie im Gespräch den personenbedingten Grund bzw. das Fehlverhalten Hinweise zur Gesprächsführung
auf, das zur Kündigung führt. Begründen Sie Ihre Entscheidung, lassen Sie sich
an diesem Punkt aber nicht mehr auf „Verhandlungen“ oder sonstige Verspre-
chungen ein. Die Entscheidung von Seiten des Arbeitgebers ist getroffen. Ihre
Aufgabe ist es nun, den Mitarbeiter zu informieren und die konkrete Abwick-
lung (beispielsweise Freistellung, gemeinsame Sprachregelung nach außen,
Fristen, Outplacement-Unterstützung) festzulegen. Informieren Sie ihn darüber,
dass er sich unverzüglich (d. h. nicht erst nach der Kündigungsfrist!) bei der
Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend melden muss, wenn er keine späte-
re Kürzung von Leistungen riskieren will.
Gestehen Sie dem Mitarbeiter aber auch Emotionen zu. Trotz vorhergehender Umgang mit Emotionen
Gespräche erkennen nicht alle den Ernst der Lage. Gerade wenn Führungskräfte
in der Vergangenheit konfliktscheu waren und beispielsweise Leistungsdefizite
nicht konkret angesprochen haben, erwarten manche eher eine Beförderung als
eine Kündigung oder Nicht-Verlängerung eines befristeten Vertrages. Planen
Sie deshalb genügend Zeit und einen störungsfreien Raum ein.
Bezogen auf Hinweise zum arbeitsrechtlich geforderten Vorgehen bei einer
Kündigung (beispielsweise Fristen, Anhörung des Betriebrates) sei wiederum
auf Schaub et al. (2013) verwiesen.
• Betriebsbedingte Kündigung Betriebsbedingte Kündigung
Diese Situation fällt vielen Führungskräften am schwersten: Der Mitarbeiter hat
nichts falsch gemacht und doch muss ihm gekündigt werden. Sei es aufgrund
der schlechten Auftragslage oder aber wegen Entscheidungen der Geschäftsfüh-
rung (Kostensenkung, Standortverlagerung, Aufgabe des Bereiches X).
Wichtig ist hier vor allem:
1. Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen, sonst ist sie unwirksam. Doch
dies heißt nicht, dass ein persönliches Gespräch verzichtbar ist. Natürlich ist
das Kündigungsgespräch für keinen der Beteiligten angenehm, doch der
Mitarbeiter hat ein (moralisches) Recht auf einen Gesprächstermin, auf die
persönliche Benachrichtigung. Es ist die Aufgabe der Vorgesetzten und der
Personalabteilung, diese Gespräche zu führen. Bleiben Sie sachlich, schil-
dern Sie die Situation und die Konsequenzen. Vermeiden Sie aber Vorwürfe
(beispielsweise an die Adresse der Geschäftsführung) oder Entschuldigungen.
2. Seien Sie fair! Versuchen Sie nicht, um eine möglichst billige Trennung zu
erreichen, den Mitarbeitenden mit einem Aufhebungsangebot „über den
Tisch zu ziehen“ oder gar mit Drohungen zu arbeiten. Wenn Sie die finanzi-
ellen Mittel (noch) haben, so lassen sich mit großzügigen Abfindungen, län-
geren Kündigungsfristen oder Hilfen zum Outplacement die Probleme für
die Mitarbeitenden reduzieren. Die anderen Mitarbeitenden beobachten sehr
genau, wie Kollegen im Trennungsfall behandelt werden – also bleiben Sie
fair, denn sonst kündigen ihnen auch die anderen Mitarbeitenden die Loyali-
tät auf.

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4 Gesprächsführung bei ausgewählten Mitarbeitergesprächen
3. Achten Sie darauf, dass Sie selbst und die weiteren betroffenen Führungs-
kräfte durch Supervision oder Erfahrungsaustausch mit anderen Unterstüt-
zung in dieser hoch belastenden Situation erhalten. Bei betriebsbedingten
Kündigungen sind Sie mit vielfältigen menschlichen Schicksalen und Emo-
tionen bis hin zu Aggressionen konfrontiert. Mit diesen müssen Sie umgehen
lernen, ohne selbst depressiv zu werden.
Nach § 1a KSchG kann der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen inzwi-
schen direkt mit der Kündigung eine Abfindung anbieten, wenn der Mitarbeiter
dafür auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Nimmt der Mitarbeiter dieses
Angebot an, kann er sich später nicht mehr auf Kündigungsschutz oder Formfehler
berufen.
Kündigung durch • Kündigung durch den Mitarbeiter
den Mitarbeiter Hier geht die Trennung vom Mitarbeiter aus. Nutzen Sie aber auch in dieser Si-
tuation die Gelegenheit zum Gespräch – in der Praxis wird dies in vielen Unter-
nehmen noch immer vernachlässigt. Fragen Sie den Mitarbeitenden nach den
Gründen für seine Kündigung und danach, was ihm während seiner Tätigkeit
gut und was ihm weniger gut gefallen hat. Sie haben in dieser Phase die Chan-
ce, ungefilterte und ehrliche Antworten zu erhalten, da der Mitarbeiter ja bereits
die Konsequenzen für sich gezogen und nichts mehr zu befürchten hat. Nehmen
Sie Klagen als Chance zur Früherkennung und Verbesserung vergleichbar zu
Kundenbeschwerden. Machen Sie keine Vorwürfe („Gerade von Ihnen hätte ich
das ja nicht erwartet“, „Das kann man doch so nicht sagen“ …) und danken Sie
dem Mitarbeiter für die Zusammenarbeit und den geleisteten Einsatz. Es geht
um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und nicht um Fahnenflucht!

Übungsaufgaben
4.1) Was sind die zentralen Ziele bei einem Anerkennungsgespräch?
4.2) Worauf ist bei einem Kritikgespräch zu achten?
4.3) Sollten Anerkennung und Kritik öffentlich oder unter vier Augen stattfinden? Begründen Sie
Ihre Meinung!
4.4) Diskutieren Sie kritisch den Einsatz eines Kranken- bzw. Rückkehrgespräches.
4.5) Erläutern Sie ein mögliches Stufenmodell der Reaktion bei einem Krankenrückkehrgespräch.
4.6) Inwieweit ist der Betriebsrat bei Kranken-/Rückkehrgesprächen zu beteiligen?
4.7) Warum werden Abmahnungen eingesetzt?
4.8) Was ist beim Trennungsgespräch zu beachten?
4.9) Was spricht dafür, auch mit Mitarbeitenden, die von sich aus das Unternehmen verlassen,
noch ein Austrittsgespräch zu führen?

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Lösungen zu den Übungsaufgaben

Lösungen zu den Übungsaufgaben


1.1) Unternehmen benötigen systematische und damit vergleichbare Personalbeurteilungen als Ba- Lösungen zu Kapitel 1
sis für personelle Entscheidungen (z. B. Beförderung, Versetzung); für Leistungsbeurteilung,
Feedback und Leistungssteuerung; für Festlegung des variablen Anteils am Gehalt und
schließlich für Personalentwicklung, um Qualifikationsbedarf zu erkennen.
1.2) Lediglich innerhalb der ersten 6 Monate kann – soweit die Mitarbeitenden unter den gesetzli-
chen Kündigungsschutz fallen – ohne Angaben von Gründen gekündigt werden (Ausnahmen:
Schwangere, Behinderte). Das heißt, der Arbeitgeber muss sich innerhalb dieser Frist klar
werden, ob er ein festes Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeitenden wünscht. Auch in diesem
Fall ist der Betriebsrat anzuhören. Die Frist von maximal 6 Monaten ist bindend, erhält der
Mitarbeiter erst danach die Kündigung zugestellt, fällt er unter das Kündigungsschutzgesetz.
1.3) Neben dem Leistungsvermögen und dem Engagement, dem Einsatz, wird man insbesondere
die soziale Kompetenz, erste Führungserfahrungen und Kooperationsverhalten beurteilen
sowie personale Kompetenzen wie Zuverlässigkeit, Zielorientierung, Selbstsicherheit, Ver-
antwortungsbewusstsein, Loyalität, unternehmerisches Denken.
1.4) Die Beurteilung ist vergangenheitsorientiert, sie gibt dem Mitarbeitenden Feedback zu seinem
Leistungsverhalten und dient als Basis z. B. für Gehaltsfestlegungen. Dagegen soll die Poten-
zialanalyse helfen, eine Prognose zu zukünftigem Verhalten abzugeben. Hier wird es insbe-
sondere um Tätigkeiten gehen, die der Mitarbeitende bisher nicht zeigen konnte – beispiels-
weise bei Beförderungen oder Job-Rotationen um die Frage, ob der Mitarbeitende mit den
neuen, zusätzlichen Anforderungen zurechtkommt. Bei der Potenzialanalyse werden – zu-
nächst ohne Wertung – Stärken und Schwächen des Mitarbeitenden erhoben, um diese bei-
spielsweise mit dem Anforderungsprofil einer anderen Stelle vergleichen zu können.
1.5) Bei einem Rangordnungsverfahren werden die Mitarbeitenden nach bestimmten vorher defi-
nierten Kriterien in eine Rangreihe entsprechend ihrer Leistung gebracht – also vom Besten
bis zum Schlechtesten. Gebräuchlich ist dies z. B. im Vertrieb nach Umsatzzahlen. Allerdings
ist kritisch zu fragen, ob man nicht „Äpfel mit Birnen“ vergleicht, also: Hatten wirklich alle
die gleiche Ausgangslage? Zudem ist zu beachten, dass durch ein solches Verfahren die Kon-
kurrenz unter den Mitarbeitenden zunimmt, die Kooperation dagegen abnehmen wird und die
weniger erfolgreichen Mitarbeitenden möglicherweise statt angespornt zu sein demotiviert
werden.
1.6) Der Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung sagt aus, dass ein Ereignis erst dadurch
eintritt, dass ich bereits daran glaube und mich dementsprechend verhalte. Wenn ein Großteil
der Menschen an eine Wirtschaftskrise glaubt, werden sie sparen und wenig konsumieren, die
Unternehmen setzen weniger Produkte ab, investieren nicht und rationalisieren. Dadurch
kommt es zu einem Kreislauf nach unten.
Ein Vorgesetzter, der einem Mitarbeiter wenig zutraut und ihn häufig kontrolliert, wird bei
diesem Verunsicherung auslösen. Er merkt, dass ihm sein Vorgesetzter wenig zutraut und
kommt häufig zu ihm, um nachzufragen und sich abzusichern. Letztlich traut er sich alleine
gar nichts mehr zu entscheiden – und die Führungskraft fühlt sich bestätigt, obwohl sie selbst
Auslöser für das Verhalten war.
1.7) Beispielsweise selektive Wahrnehmung oder Urteilstendenzen, wie Tendenz zur Strenge
– man setzt besonders hohe Maßstäbe an.
1.8) Der Betriebsrat hat keinen Einfluss im konkreten Einzelfall. Aber er hat ein Mitbestimmungs-
recht hinsichtlich der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze. Darunter fallen Krite-
rien, Häufigkeiten der Beurteilungen, verwendete Fragebögen. In Betrieben mit mehr als 500
Mitarbeitenden kann der Betriebsrat die Aufstellung von Beurteilungsrichtlinien verlangen.
1.9) Für Führungskräfte bedeutet eine systematische Beurteilung, dass sie selbst ihre Mitarbeiten-
den nach vorgegebenen Kriterien einschätzen müssen. Sie müssen ihre Aussagen begründen
können. Der subjektive Spielraum wird (etwas) eingeschränkt. Führungskräfte befürchten
aber auch verstärkten administrativen Aufwand sowie möglicherweise Unruhe, Konkurrenz
oder sogar Demotivation unter den Mitarbeitenden.
1.10) Um Beurteilungsfehler und subjektive Maßstäbe möglichst zu reduzieren, werden die einzu-
schätzenden Kriterien – wie beispielsweise Überzeugungsfähigkeit – mit konkreten Verhal-
tensbeispielen unterlegt. Dann wird erläutert, was ein erwünschtes Verhalten ist (hier konkret
Argumentation, konstruktiver Umgang mit Kritik) und was unerwünscht (hier: sich nicht
durchsetzen können, zu schnell von der eigenen Meinung abrücken, aber auch stur bei seiner

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Lösungen zu den Übungsaufgaben

Meinung zu bleiben). So soll Klarheit erreicht werden, was unter den einzelnen Kriterien tat-
sächlich zu verstehen ist.
1.11) Bei einer 360-Grad- oder Rundumbeurteilung wird der Einzelne nicht nur von der Führungs-
kraft, sondern auch von Kollegen auf derselben Ebene und – soweit vorhanden – von Mitar-
beitenden und von Externen (z. B. Kunden) beurteilt. Für den Einsatz spricht, dass es sich um
ganz verschiedene Rollen handelt, und das Auftreten durchaus jeweils anders sein kann. So
erhält der Einzelne Rückmeldung, wie er auf verschiedene Kooperationspartner wirkt. Er hat
dadurch die Möglichkeit, seinen „blinden Fleck“ zu reduzieren und sein Verhalten zu verbes-
sern.
Lösungen zu Kapitel 2 2.1) Unter Management by Objectives (MbO) ist gemeint, dass der Mitarbeiter nicht kleinlich
kontrolliert, sondern über gemeinsam vereinbarte Ziele gesteuert wird. Der Mitarbeiter weiß
so, was von ihm erwartet und woran er bei der Beurteilung seiner Leistung gemessen wird.
2.2) Zunächst soll in einem Rückblick auf die letzte Periode ein gemeinsames Fazit zwischen Mit-
arbeiter und Führungskraft über die erreichten Leistungen, das Verhalten des Mitarbeiters und
die Zusammenarbeit gefunden werden.
Danach schließt sich eine Stärken-Schwächen-Analyse an, bei der es insbesondere darum geht
herauszufinden, wo die Gründe für Abweichungen – z. B. Nicht-Erreichen von Zielen –
liegen: Ist es vom Mitarbeiter zu verantworten? Oder traten Umstände ein (beispielsweise ein
schlechter Bericht von Stiftung Warentest), auf die der Mitarbeiter keinen Einfluss hatte? Ge-
rade in dieser Phase wird es nicht immer einfach sein, zu einem Konsens zu kommen, wenn
der Mitarbeiter Gründe für sein schlechtes Abschneiden vor allem in äußeren Faktoren sieht.
Allerdings: werden nicht die wahren Ursachen gefunden und benannt, dann können auch die
resultierenden Maßnahmen nicht greifen!
Zum Abschluss geht es um einen Ausblick auf die neue Periode mit konkreten Zielvereinba-
rungen sowie der Vereinbarung von Förder- und Entwicklungsmaßnahmen.
2.3) Es handelt sich zum einen um ein partizipatives Führungsinstrument – Mitarbeiter und Füh-
rungskraft einigen sich auf Prioritäten und die vordringlichsten Aufgaben für das nächste Jahr.
Der Mitarbeiter erhält so Klarheit, er weiß, was von ihm erwartet wird. Zudem ist es ein In-
strument, das gerade bei qualifizierten Mitarbeitenden wichtig ist: bei qualifizierten und/oder
kreativen Arbeiten macht es keinen Sinn, mit Anweisung und Kontrolle zu führen. Der Mitar-
beiter kennt sich in seinem Spezialgebiet besser aus als der Vorgesetzte. Aber seine Tätigkeit
muss über Ziele in die Abteilungsaufgaben eingebunden sein. Zudem dient der Zielerrei-
chungsgrad zur Beurteilung der Leistung.
2.4) In der schnelllebigen Wirtschaftswelt ist es wohl kaum möglich, sinnvolle Ziele mit einem
Zeithorizont von 2 Jahren zu vereinbaren. Das heißt, bei einem Abstand von 2 Jahren kann
das Mitarbeitergespräch nicht mehr als sinnvolles Führungs- und Steuerungsinstrument ge-
nutzt werden. Deshalb ist ein mindestens jährlicher Abstand unverzichtbar.
2.5) Ein Mitarbeitergespräch setzt bei der Führungskraft kommunikative Kompetenz, Offenheit
und die Bereitschaft, sich auf den Mitarbeiter und seine Sicht bzw. Vorstellungen einzulassen,
voraus. Von daher kann diese positive Atmosphäre schwerlich verordnet werden. (Allerdings
sollten Führungskräfte entsprechend vorher geschult werden). Es wird also wohl immer Füh-
rungskräfte geben, die das Gespräch nicht wie vorgesehen durchführen. Die Alternative, das
Gespräch ganz freiwillig zu lassen, erscheint aber auch nicht sinnvoll: ein Vorgesetzter, der
nicht mit einem Mitarbeiter sprechen will, signalisiert diesem, dass er kein Interesse an ihm
hat, nicht an Veränderungen auf Seiten des Mitarbeiters glaubt bzw. schlicht über Arbeitsauf-
träge und Anweisungen führen will. Und ein Mitarbeiter, der nicht mit der Führungskraft
sprechen will? Auch dies ist keine Basis für eine vernünftige Kooperation, in dieser Situation
sind Konfliktlösungsgespräche sowieso dringend gefordert.
Fazit: Das Gespräch sollte verpflichtend sein, selbst dann, wenn man weiß, dass es nicht von
allen Führungskräften optimal geführt wird.
2.6) Realistisch – damit die Mitarbeitenden sich auch bemühen;
Positiv – wirkt motivierender, das Ziel ist klar benannt;
Herausfordernd – um anspornend zu wirken;
Messbar – damit sie später Basis für die Beurteilung sind;
Präzise, konkret – damit der Mitarbeiter wirklich weiß, was von ihm erwartet wird;
Sinnvoll, relevant – um ein geeignetes Steuerungsinstrument zu sein;
Widerspruchsfrei – damit die Prioritäten klar sind.

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Lösungen zu den Übungsaufgaben

2.7) Fachliches Ziel: Erfolgreiches Absolvieren aller vorgesehenen Prüfungen mit einer Durch-
schnittsnote von mindestens 2,3 und Erreichen der notwendigen Credit Points bis zum Ende
des 4. Semesters.
Kooperationsziel: Bildung einer gemeinsamen Prüfungsvorbereitungsgruppe mit drei Kommi-
litonen mit einem wöchentlichen Treffen zum wechselseitigen Stoffabfragen.
Entwicklungsziel: Verbesserung der englischen Sprachkenntnisse durch regelmäßige Teil-
nahme an einer wöchentlichen englischen Kommunikationsrunde mit dem Ziel, dann den
TOEFL-Test bis Ende des nächsten Jahres zu absolvieren.
2.8) Wie der Name schon sagt, sollte es sich um ein Gespräch handeln und nicht allein um die
Beurteilung von oben nach unten. Wenn die Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und
Mitarbeiter thematisiert wird, dann ist bereits dieses eine indirekte Rückmeldung. Die Füh-
rungskraft kann aber konkret danach fragen, womit der Mitarbeiter zufrieden ist und was er
sich ggf. anders wünscht. So kann auch die Führungskraft ihren eigenen blinden Fleck redu-
zieren und versuchen, sich auf die Erwartungen der Mitarbeitenden einzustellen.
2.9) Selbstverständlich – auch ein Mitarbeiter auf einem so genannten Mini-Job soll schließlich
wissen, wie seine Leistung eingeschätzt wird. Und auch hier sind Zielvereinbarungen zur
Leistungssteuerung sinnvoll. Zudem kann ein Gespräch mit dem Mitarbeiter die Gelegenheit
geben, seine Sichtweise oder Wünsche zu erfahren. Allerdings wird es sich hierbei meist nicht
um stundenlange, sondern eher kürzere Gespräche handeln. Des Weiteren werden meist keine
Entwicklungsziele zu vereinbaren sein, da die geringfügig beschäftigten Mitarbeitenden übli-
cherweise auf weniger qualifizierten Arbeitsplätzen und für klar umschriebene Aufgaben ein-
gestellt sind.
3.1) Der Sender teilt eine Nachricht mit. Doch neben dem Inhalt der Nachricht, der Sachebene, Lösungen zu Kapitel 3
spielen noch weitere Aspekte eine Rolle: Sagt jemand z. B. „Sollten wir einmal eine Pause
machen?“, so teilt er auch etwas über sich mit, nämlich im konkreten Fall, dass er erschöpft
ist und sich eine Unterberechung wünscht. Gleichzeitig verdeutlicht dieser Satz auch den An-
spruch an den Empfänger, also den Appell, auf den indirekt geäußerten Wunsch zu reagieren.
Und schließlich spielt in jede Äußerung auch die Beziehung zwischen den Beteiligten mit hin-
ein. Reagiert jemand auf die dargestellte Frage nur auf der Sachebene „Nein, ich brauche noch
keine Pause“ – oder gar ausschließlich auf der Beziehungsebene mit „Du bist immer viel zu faul
und hast zu wenig Durchhaltevermögen“, so fühlt sich der Sender schnell missverstanden.
3.2) Auch wer nichts sagt oder auf eine Aussage nicht reagiert, teilt etwas mit – z. B. mangelndes
Interesse oder fehlende Aufmerksamkeit. Auch dieses „Nicht-Verhalten“ wird vom Gegen-
über bewertet.
3.3) Beim aktiven Zuhören konzentriert sich der Zuhörer ganz auf den Sender: durch nonverbales
Verhalten wie Blickkontakt oder Nicken signalisiert er Aufmerksamkeit und Interesse. Durch
Wiederholen und Zusammenfassen des Gesagten können Missverständnisse ausgeschaltet
werden. Erst dann werden weitere Fragen, weiterführende Ideen etc. geäußert.
Der Sender erfährt Aufmerksamkeit und dadurch Wertschätzung. Dies erleichtert es ihm, sich
im Gespräch zu öffnen. Missverständnisse werden reduziert. Und bei Konfliktsituationen ver-
hindert das Wiederholen von Aussagen ein schnelles „Hochschaukeln“.
3.4) Zum einen aktives Zuhören (s. o.). Zum anderen durch non-direktive Gesprächsführung: man
greift Äußerungen des Redners – z. B. durch kurze Wiederholungen – auf, fragt bei einzelnen
Punkten noch einmal nach, setzt offene Fragen ein und vor allem: hält Pausen aus, um dem ande-
ren Zeit zum Nachdenken zu geben und ihn zum Sprechen zu verleiten.
3.5) Man sollte genau zuhören und nachfragen, wenn einem etwas nicht nachvollziehbar ist. Man
kann die Aussage mit Beispielen unterlegen lassen, damit klar wird, was gemeint ist. Also
sich nicht mit schön klingenden Worthülsen („das war super“) abfertigen lassen. Rechtferti-
gungen sollten dagegen nicht sein. Und schließlich sollte man Rückmeldungen auch offensiv
einfordern, da wir sie meist sonst nicht erhalten.
3.6) Diese praktische Übung ist individuell (in Form einer Gruppenarbeit) durchzuführen.
Beim kontrollierten Dialog entsteht ein zeitverzögertes Gespräch, in dem der Ablauf jeweils
durch die zusammenfassenden sinngemäßen Wiederholungen unterbrochen wird. Man zeigt
sich damit gegenseitig das, was man verstanden hat. Dass man im Alltag nicht immer so kon-
trolliert diskutieren kann, versteht sich von selbst. Sie sollten aber in der Lage sein, jederzeit
einen Gesprächsablauf so kontrollieren zu können.
Der kontrollierte Dialog kann immer dann eingesetzt werden, wenn die Gefahr besteht, dass
sich Gesprächspartner nicht richtig verstehen. Er hilft bei sprachlichen, aber auch bei sachli-
chen oder persönlichen Missverständnissen. Das heißt, diese Form des Dialogs ist also nicht

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Lösungen zu den Übungsaufgaben

ständig zu gebrauchen, da sie Zeit kostet und z. T. den Gesprächsfluss behindert. Zudem kann
es sein, dass sich der Gesprächspartner nicht ernst genommen fühlt, wenn Banalitäten, die
leicht verständlich sind, wiederholt werden. Zu Übungszwecken sollten Sie allerdings wäh-
rend des gesamten Gesprächs „kontrolliert diskutieren“.
3.7) Es handelt sich um eine individuelle Reflexionsübung, zu der es keine Musterlösung gibt.
Lösungen zu Kapitel 4 4.1) Der Mitarbeiter soll Feedback erhalten, um zu wissen, was er gut gemacht hat, damit er dieses
Verhalten auch beibehält. Zudem wird der Mitarbeiter durch Lob zur weiteren Leistung moti-
viert und angespornt.
4.2) Auch nach einem Kritikgespräch sollte der Mitarbeiter motiviert und bereit zur Verhaltensän-
derung sein. Deshalb sollte konkret beschrieben werden, mit welchem Verhalten man nicht
zufrieden ist und welche Änderungen man sich wünscht. Es geht nicht um eine Generalab-
rechnung. Verantwortlich ist der direkte Vorgesetzte. Das Kritikgespräch sollte grundsätzlich
unter vier Augen erfolgen. Das zu rügende Verhalten sollte deutlich aber sachlich angespro-
chen werden. Für die Vorbereitung und die Durchführung ist genügend Zeit einzuplanen. Die
Kritik sollte zudem zeitnah erfolgen.
4.3) In der Regel unter vier Augen. Ausnahmen bei Lob: Besondere Herausstellung, soweit alle
die Chance dazu hatten (z. B. Übernahme einer besonders schwierigen Aufgabe, beste Um-
satzzahlen); Lob oder Kritik der gesamten Gruppe; bei Kritik grundsätzlich unter vier Augen,
außer das Fehlverhalten ist für alle offensichtlich (z. B. Missachtung von Schutzvorschriften
auf der Baustelle).
4.4) Pro: Der Mitarbeiter nimmt wahr, dass man ihn vermisst hat; man hat die Chance, (betriebs-
bedingte) Gründe für das Fehlen (z. B. Zugluft, Mobbing) herauszufinden und gegenzusteu-
ern. Insbesondere häufige Fehlzeiten sollten beobachtet werden.
Allerdings: Man sollte Mitarbeiter auch nicht als „Blaumacher“ behandeln. Zudem ist nie-
mand verpflichtet, den Grund seiner Erkrankung zu nennen.
4.5) Begrüßung, Information und kurzes Gespräch nach jeder Erkrankung. Bei Auffälligkeiten
(z. B. häufige oder mehrere Kurzerkrankungen) Gespräch zur Klärung der Ursachen (s. o.).
Die Inhalte sollten zum Abschluss zusammengefasst und schriftlich festgehalten werden, dies
gilt ebenso für notwendige Maßnahmen. Auch dieses Gespräch sollte möglichst positiv been-
det werden. Kommt es zu weiteren Auffälligkeiten, sollten klare Vereinbarungen getroffen
und das Gespräch auf alle Fälle schriftlich festgehalten werden. Eine vorherige Absprache mit
der Personalabteilung ist wichtig. Der Mitarbeiter muss wissen, zu welchen Konsequenzen
weitere Fehlzeiten führen werden.
4.6) Der Betriebsrat hat keinen Anspruch darauf, bei einem solchen Gespräch teilzunehmen. Wird
in einem Unternehmen ein systematisches Rückkehrgespräch geführt (anhand eines festgeleg-
ten Stufenmodells oder mit einem bestimmten Gesprächsleitfaden), so ist der Betriebsrat
diesbezüglich mitbestimmungsberechtigt.
4.7) Abmahnungen sollen dem Mitarbeiter verdeutlichen, dass sein Verhalten die Arbeitspflichten
verletzt und nicht akzeptiert wird. Die Abmahnung hat damit eine Warn- und Hinweisfunkti-
on. Da sie in die Personalakte kommt und i. d. R. Voraussetzung für eine verhaltensbedingte
Kündigung ist, hat sie auch die Funktion der Dokumentation des gerügten Verhaltens.
4.8) Die Entscheidung und die Gründe sollten klar und sachlich dargestellt werden. Der Mitarbei-
ter muss informiert werden über die konkrete Abwicklung (Fristen etc.), Meldung bei der
Bundesagentur. Die Kündigung selbst muss schriftlich erfolgen. Man sollte genug Zeit für das
Gespräch einplanen, mit emotionalen Reaktionen ist zu rechnen. Auch für Führungskräfte
sind Trennungsgespräche belastend – sie sollten deshalb dabei unterstützt werden (durch
Schulung, Beratung etc.).
4.9) Gerade in dieser Situation hat der Mitarbeiter nichts mehr zu befürchten oder zu verlieren
– er wird sich also wohl besonders offen äußern. Dies bietet die Chance zu erfahren, was den
Mitarbeiter motiviert und was ihn demotiviert hat. Dadurch kann bei anderen Mitarbeitern ge-
gengesteuert werden, so dass Demotivationen abgebaut werden.

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