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Friedrich Kluge
Etymologisches Wörterbuch
Friedrich Kluge

Etymologisches Wörterbuch
der deutschen Sprache
22. Auflage
unter Mithilfe von Max Bürgisser und Bernd Gregor
völlig neu bearbeitet von

Elmar Seebold

W
DE

G
Walter de Gruyter • Berlin • New York
1989
j _O 1o
1883 1. und 2* Auflage
1884 3., unveränderte Auflage
1889 4., verbesserte Auflage
1894 5., verbesserte Auflage
1899 6., verbesserte und vermehrte Auflage, davon zweiter Abdruck 1905
1910 7., verbesserte und vermehrte Auflage (seitdem mit Alfred Götze)
1915 8., verbesserte und vermehrte Auflage
1921 9., durchgesehene Auflage
1924 10., vermehrte und verbesserte Auflage
1934 11. Auflage, mit Unterstützung von Wolfgang Krause bearbeitet von Alfred Götze,
unverändert bis 14. Auflage 1948
1951 15. Auflage, Friedrich Kluge/Alfred Götze, Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Sprache (unter Mithilfe von Hans Krähe besorgt von Alfred Schirmer)
1953 16. Auflage, unveränderter Nachdruck
1957 17. Auflage unter Mithilfe von Alfred Schirmer bearbeitet von Walther Mitzka
1960 18. Auflage bearbeitet von Walther Mitzka
1963 19. Auflage bearbeitet von Walther Mitzka
1967 20. Auflage bearbeitet von Walther Mitzka
1975 21., unveränderte Auflage

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Kluge, Friedrich:
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache / Friedrich
Kluge. Unter Mithilfe von Max Bürgisser u. Bernd Gregor
völlig neu bearb. von Elmar Seebold. — 22. Aufl. — Berlin ;
New York : de Gruyter, 1989
ISBN 3-11-006800-1
NE: Seebold, Elmar [Bearb.]; HST

© Copyright 1989 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.


Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und
Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

Schutzumschlag: Rudolf Hübler


Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin
Buchbinderische Verarbeitung: Thomas Fuhrmann KG, Berlin
Inhalt

Vorwort und Dank. VII

Zur Einrichtung des Wörterbuchs . XI


Lemma-Bestand . XI
Aufbau der einzelnen Lemmata . XII
Register und Auswertung . XIII

Einführung in die Terminologie. XIV


Abgrenzung. XIV
Allgemeines, Urschöpfung. XV
Wortbildung. XVI
Syntaktische Fügungen. XXI
Semantische Begriffsschöpfung. XXI
Kurzwörter . XXII
Entlehnungen. XXII
Der Wortgebrauch. XXIV
Grammatik . XXVII
Lautstand . XXIX
Zeitliche Verhältnisse. XXXI
Register . XXXIII

Transkription fremder Alphabete — Lautzeichen . . . . XXXVII

Alphabetische Ordnung . XXXVII


Transkription. XXXVII
Allgemein verwendete diakritische Zeichen. XXXVII
Besonderheiten in den Einzelsprachen . XXXVII

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben . XLI

Allgemeine Abkürzungen . XLI


Abkürzungen der Sprachbezeichnungen . XLI
Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen. XLIV
Abgekürzt zitierte Literatur - Wörterbücher und Nachschlage¬
werke . LII

Wörterbuch . 1
Vorwort

Am 14. und 15. September 1982 fand in Wolfenbüttel auf Einladung von
Helmut Henne und Karl Stackmann ein Arbeitsgespräch über die Zukunft des
Etymologischen Wörterbuchs der deutschen Sprache von Friedrich Kluge und
des Deutschen Wörterbuchs von Hermann Paul statt. Beide Wörterbücher, die
sich lange Zeit als unentbehrliche Grundlagenwerke der Germanistik und als
anerkannte Nachschlagewerke der an der deutschen Sprache Interessierten
bewährt hatten, waren ohne Bearbeiter, und die letzten Auflagen veralteten in
bedenklichem Maße. Deshalb sollten im Einvernehmen mit den Verlegern
der beiden Werke die Möglichkeiten einer möglichst raschen Neubearbeitung
erörtert werden.
Für die Bearbeitung des Kluge wurde ich vorgeschlagen; und da ich mich
bereits ausführlich mit der Etymologie der deutschen Sprache, wie auch mit
etymologischen Fragen allgemeiner Art befaßt hatte und nicht ungern meine
Überlegungen in einen größeren und systematischen Rahmen gestellt hätte,
sagte ich zu.
Die Planung mit dem Verlag zielte auf zwei Projekte:
1. Eine Bearbeitung des Kluge, die hier nun vorgelegt wird. Diese Bearbeitung
ist insofern ein völlig neues Buch, als der Lemma-Bestand grundlegend systema¬
tisiert worden ist, und alle Artikel nach einem festen Schema aufgebaut und neu
geschrieben sind. Alles nach dem neueren Stand der Forschung Fragwürdige ist
ausgeschieden worden, im ganzen wird ein wesentlich stärker zurückhaltender
Standpunkt eingenommen. Daß neuere Überlegungen auch dann, wenn sie
stärker hypothetisch sind, dennoch berücksichtigt werden, ist in der Natur
eines Buches begründet, das auch ein Forschungsinstrument sein soll.
Was die Neubearbeitung aber nicht bringen kann, ist eine Aufarbeitung jedes
Artikels nach dem neuesten Forschungsstand, gegebenenfalls unter Einsatz
eigener Forschungsarbeit, und wirklich vollständige oder Vollständigkeit an¬
strebende Literaturangaben, denn dafür hätten die zur Verfügung stehende Zeit
und der zur Verfügung stehende Raum um ein Vielfaches überschritten werden
müssen.
Die Neubearbeitung hat sich dem Zug der Weiterentwicklung der Technik
angepaßt, indem sie von uns mit Hilfe der elektronischen Textverarbeitung
geschrieben und korrigiert worden ist. Dies hat es hoffentlich ermöglicht, die
Zahl der bei einem solchen Werk leicht in unangenehme Größenordnungen
wachsenden Druckfehler einzuschränken und diese vielleicht sogar zu verhin¬
dern. Außerdem hat uns die moderne Technik ermöglicht, das Material des
Wörterbuchs in einer Datenbank zu erfassen. Diese wird uns Wort- und
Sachregister für das Wörterbuch liefern und eine historische Analyse des
deutschen Wortschatzes (so weit er im Kluge erfaßt ist) ermöglichen. Diese
Teile sollen in einem Begleitband des Kluge veröffentlicht werden.
VIII Vorwort

Die Grundlage des Textes bildete die 21. Auflage des Kluge. Besonders
bei den Fremdwörtern haben wir den Etymologie-Duden und das Deutsche
Wörterbuch von Weigand/Hirt verglichen. Ferner haben wir ziemlich systema¬
tisch herangezogen das Deutsche Fremdwörterbuch von Schulz/Basler, soweit
vorhanden das Deutsche etymologische Wörterbuch von Hiersche (1986 ff.)
und das Etymologische Wörterbuch des Althochdeutschen von Lloyd/Springer
(1988 ff.), bei Bedarf das Grimmsche Wörterbuch (DWB), Trübners Deutsches
Wörterbuch und das Große Wörterbuch der deutschen Sprache von Duden.

2. Nach der hier vorgelegten Neubearbeitung des Kluge wird ein Etymologi¬
sches Wörterbuch der deutschen Sprache in Angriff genommen, das allen wissen¬
schaftlichen Ansprüchen genügen soll und das nicht räumlich begrenzt sein
wird. Der Kluge soll als einbändiges Wörterbuch, das die Ergebnisse des
größer angelegten Wörterbuchs in seinem Rahmen aufnimmt, beibehalten und
fortgeführt werden.
Ich habe mich bei dieser Neubearbeitung auf Hilfe und Mitarbeit von
verschiedenen Seiten verlassen können — worüber der nächste Abschnitt Re¬
chenschaft geben wird. Das Ausmaß der Mitarbeit von Dr. Bernd Gregor
(verantwortlich für die Fremdwörter und die EDV-Anlage) und Dr. Max
Bürgisser (verantwortlich für Planung, Aufbau und Redaktion) läßt es dabei
als angemessen erscheinen, sie als Mitarbeiter in den Titel aufzunehmen. Die
Verantwortung für die gesamte Neubearbeitung liegt aber dennoch bei mir.

Dank

Über den Anteil des Wolfenbütteier Kolloquiums und des Verlags de Gruyter
ist im Vorwort das Wichtigste gesagt worden. Besonderen Dank verdienen
dabei Herr Kollege Helmut Henne für seine wissenschaftliche Beratung und
Herr Prof. Wenzel vom de Gruyter Verlag als verständnisvoller Verhandlungs¬
partner und geduldiger Mahner.
Der Text selbst wurde von den Bearbeitern verfaßt und dann von studenti¬
schen Hilfskräften in den Computer eingegeben. Von diesen haben längere Zeit
an dem Projekt mitgearbeitet: Ruth Fahrmair, Cornelia Gindele, Beate Keeser,
Olga Klenner, Elke Link, Bernhard Meisinger, Imke Menzel, Liu Yeong-Jiann.
Bernhard Meisinger hat sich dabei zum unentbehrlichen EDV-Spezialisten
entwickelt.
Die langwierige Kontrolle und Korrektur hat vor allem Petra Seifert MA
getragen, sie war zusammen mit Dr. Max Bürgisser für die Redaktion des
Kluge verantwortlich. Die Verweise wurden von Karin Bausewein MA korri¬
giert. Außerdem arbeiteten Wolfgang Schindler MA (Markierungen) und Al-
brecht Rauch MA (Allgemeines) mit.
Als Berater für die Wiedergabe von Material fremder Sprachen haben uns
dabei geholfen: Prof. Dr. Paul Kunitzsch für Arabisch, Persisch und Türkisch;
dann Prof. Dr. Georg Bossong für Tupi und Guarani, Prof. Dr. Martin Camaj
für Albanisch, Wolfgang Hock MA für Armenisch, Jani Kuhnt-Saptodewo für
Indonesisch (Malayisch), Dr. Konrad Meissner für neuere indische Sprachen,
und Dr. Ilaria Weise-Furno für romanische Sprachen. Bei jiddischen und
Dank IX

rotwelschen Formen griffen wir auf die Magisterarbeit Hebraismen im Deut¬


schen von Israela Klayman zurück. — Beratung in unzähligen Einzelfällen
haben wir auch von zahlreichen Kollegen, Bekannten, Freunden und Studenten
erhalten, die hier nur pauschal erwähnt werden können.
Die ersten kritischen Leser des Gesamtwerks waren — neben den Herausge¬
bern — Prot. Dr. Heinrich Hettrich, München, jetzt Würzburg (vom Stand¬
punkt des Indogermanischen aus); Hertha Seebold, Andechs (vom germanisti¬
schen Standpunkt aus) und Diplomphysiker Reg. Dir. i.R. E. A. Hampe,
München (vom Standpunkt des interessierten Laien‘ aus). Sie haben uns auf
zahlreiche Druckfehler, Unrichtigkeiten, Stilmängel und anderes aufmerksam
gemacht.
Der Verlag de Gruyter hat uns bei der Anschaffung einer Spezialbibliothek
geholfen und hat die Anschaffung der EDV-Anlage finanziert. Die Förderung
der Auswertung unseres Materials durch ein DFG-Projekt ist durch die damit
verbundenen Kontrollen und Korrekturen auch dem Wörterbuch zugute ge¬
kommen. Auch die Ludwig-Maximilians-Universität München hat das Werk
wohlwollend unterstützt.
Allen Genannten und den vielen Ungenannten gilt unser herzlicher Dank.
Wenn die neue Auflage des Kluge eine wesentliche Verbesserung geworden
ist, dann haben sie daran einen nicht geringen Anteil. Die Verantwortung
für das Ganze bleibt dessen ungeachtet bei mir.

München, im April 1989 Elmar Seebold



Zur Einrichtung des Wörterbuchs

Lemma-Bestand

Der Kluge enthielt in seiner alten Fassung a) eine praktisch vollständige


Erfassung des standardsprachlichen Erbwortschatzes, b) eine ganz unzuläng¬
liche (wenig umfangreiche und ganz unsystematische) Erfassung des standard¬
sprachlichen Fremdwortschatzes, und c) eine ziemlich umfangreiche, wenn
auch nicht systematische Erfassung des peripheren Wortschatzes, d. h. der
archaischen, regionalen und fachsprachlichen Wörter. In der vorliegenden
Bearbeitung wurde versucht, den Standard-Wortschatz möglichst systematisch
zu erfassen — wir haben also den standardsprachlichen Erbwortschatz so weit
nötig korrigiert und den standardsprachlichen Fremdwortschatz praktisch neu
erarbeitet.
Der periphere Wortschatz ist beim heutigen Stand der deutschen Lexikogra¬
phie nicht systematisch zu erfassen; da seine Berücksichtigung aber zu den
Merkmalen des Kluge gehört, die nicht aufgegeben werden sollten, haben wir
den alten Bestand praktisch beibehalten und vorsichtig in Richtung auf
eine systematischere Behandlung ergänzt, d. h. wir haben schlecht vertretene
Bereiche erweitert und zu stark vertretene Bereiche (Seemannssprache, Studen¬
tensprache) reduziert. Alle Bestandteile des peripheren Wortschatzes wurden
als solche markiert (d. h. als archaisch, regional, fachsprachlich oder umgangs¬
sprachlich). Bei der Kontrolle des Lemma-Bestandes sind wir vom Bestand
des Universal-Duden (Duden Deutsches Universalwörterbuch, ed. G.
Drosdowski, Mannheim 1983) ausgegangen, ohne aber diesen pauschal und in
gleichem Umfang zu übernehmen.
Bei der Wolfenbütteler Tagung (s. Vorwort) wurde vereinbart, den Kluge
auf die Etymologie im Sinne der Untersuchung der Herkunft der Wörter zu
beschränken, während der Paul die Wortgeschichte stärker betonen sollte. Aus
diesem Grund wurde auf die Behandlung durchsichtiger Wörter verzichtet, auch
wenn sie geschichtlich durchaus behandelnswert gewesen wären. Im Prinzip sind
also Wörter wie Waschbecken oder Abendröte, die jeder Sprecher als ,Becken
zum Waschen1 und ,Röte am Abend‘ erklären kann, nicht aufgenommen.
Kleinere Inkonsequenzen sind in Kauf genommen worden, etwa wenn ein Wort
zwar durchsichtig, aber schon alt ist (z.B Fliege zu fliegen) oder wenn bei seiner
Bildung Fremdeinflüsse zu vermerken sind (etwa Dampfer).
Diese Beschränkung hatte zugleich Folgen für die Aufnahme der Wortbil¬
dungselemente. An sich sollte die Etymologie von Präfixen und Suffixen in der
historischen Wortbildungslehre behandelt werden und nicht in einem Wörter¬
buch. Wenn aber die Durchsichtigkeit zum Abgrenzungskriterium erhoben
wird, dann sollten auch die Mittel bereit stehen, um diese Durchsichtigkeit
feststellen zu können. Aus diesem Grund haben wir die wichtigsten Wortbil¬
dungselemente ebenfalls in das Wörterbuch aufgenommen, bzw. sie beibehalten.
XII Zur Einrichtung des Wörterbuchs

Ausgeschieden bzw. nicht aufgenommen wurden schließlich auch alle Namen


und Namen-Elemente — nicht, weil wir sie für unwichtig oder uninteressant
hielten, sondern weil ihre Behandlung so wichtig und so schwierig ist, daß sie
nicht nebenher in einem Wörterbuch mit anderer Zielsetzung erbracht werden
kann. (Zu einigen weiteren Bemerkungen über den Lemmabestand vgl. die
Einführung in die Terminologie4 unter 1.1, 1.2 und 4.1).

Aufbau der einzelnen Lemmata

1. Im Kopf des Lemmas stehen folgende Angaben: Die neuhochdeutsche


Lexikonform; grammatische Angaben (Genus, starkes oder schwaches Verb
usw.) und falls notwendig die Bedeutung, die Markierung der Sprachschicht
(archaisch, regional, fachsprachlich, umgangssprachlich) und Angaben zur heu¬
tigen Verbreitung bei regional beschränkten Wörtern. Die Bedeutungsangaben
sind nicht als Bedeutungsbeschreibungen gedacht, sondern als Identifizierungs¬
hilfen, etwa bei Homonymen oder bei seltenen Wörtern.
2. Angaben bei Erbwörtern aus älterer Zeit:
a) Die mittelhochdeutsche, althochdeutsche und altsächsische Lorm (Althoch¬
deutsch und Altsächsisch gelten als regionale Ausprägungen derselben Sprache).
Ist eine altsächsische Entsprechung nicht vorhanden, wohl aber eine mittelnie¬
derdeutsche oder mittelniederländische, so werden diese Eormen aufgeführt.
b) Die germanische Grundform mit grammatischen Angaben und Bedeutung;
dann die Eormen der anderen germanischen Sprachen, in denen das Wort
bezeugt ist. Ist das Wort nicht gemein-germanisch, so wird die erschlossene
Form als westgermanisch oder vordeutsch bezeichnet (westgermanisch, wenn
mindestens eine altenglische Entsprechung vorhanden ist; sonst vordeutsch.
Die Zugehörigkeit friesischer Wörter muß von Fall zu Fall beurteilt werden).
Aus Gründen der Systematik gilt ein Wort als germanisch, wenn es außer im
Deutschen noch im Gotischen oder in einer nordischen Sprache bezeugt ist.
An dieser Stelle werden nur die ältesten Stufen der germanischen Sprachen
berücksichtigt (zu den jüngeren vgl. 5a).
c) Die indogermanische Grundform mit grammatischen Angaben und Bedeu¬
tung. Falls ein Wort nicht gemein-indogermanisch ist, wird es als west-europä¬
isch (germanisch + keltisch oder italisch), ost-europäisch (germanisch +
baltisch oder slavisch), west/ost-europäisch (germanisch + mindestens eine
Sprache aus beiden zuvor genannten Gruppen) oder europäisch (germanisch
+ griechisch oder armenisch oder albanisch und gegebenenfalls weitere europä¬
ische Sprachen) bezeichnet oder bleibt unbezeichnet. Aus systematischen Grün¬
den gilt als indogermanisch eine Gleichung, die germanische und arische oder
hethitische oder tocharische Formen umlaßt. Untypische oder sonstwie beson¬
dere Beleglagen können als voreinzelsprachlich bezeichnet werden. Die genann¬
ten Bezeichnungen sind lediglich Beschreibungen der mit ihnen definierten
Verbreitung und schließen keinerlei sprachgeschichtliche oder andere Annah¬
men in sich.
Wenn das Belegmaterial reich genug ist, wird lediglich Hethitisch, Altindisch,
Tocharisch, Griechisch, Lateinisch, Altirisch (gegebenenfalls modernes Kym-
risch), Litauisch und Altkirchenslavisch aulgeführt. Andere Sprachen nur, wenn
Register und Auswertung XIII

sie besondere Aufschlüsse bieten oder das Material der regelmäßig geführten
Sprachen versagt.
d) Läßt sich das Wort als Ableitung zu einem Grundwort (oder als Zusammen¬
setzung) erklären, wird der semantische Bildungstyp und die Grundlage genannt
(z. B. Faktitivum zu ig. ...), außerdem wird normalerweise das Benennungsmo¬
tiv erläutert. Kann kein Grundwort festgestellt werden, wird Herkunft dunkel
(o. ä.) vermerkt; entsprechend Benennungsmotiv dunkel.
e) Es können weitere Bemerkungen zu Lautstand, Morphologie, Semantik,
Beleglage oder Wortgeschichte folgen, falls dies als notwendig erscheint.
3. Angaben zu Bestandteilen des Erbwortschatzes aus jüngerer Zeit:
a) Zeit und Typ der Bildung, Grundwort.
b) Benennungsmotiv und Besonderheiten.
4. Angaben zu Entlehnungen:
a) Zeit der Entlehnung, Herkunftssprache und gegebenenfalls vermittelnde
Sprache.
b) Kurze etymologische Erklärung des Wortes in der Herkunftssprache.
c) Verweis auf zugehörige Entlehnungen.
5. Verweisteil:
a) Entsprechungen in den modernen germanischen Sprachen, und zwar Neu-
Niederländisch. Neu-Englisch, Neu-Schwedisch und Neu-Isländisch.
b) Mit vgl. wird auf semantisch oder sachlich zugehörige Einträge verwiesen;
mit s. auf etymologisch zugehörige. Ein ( + ) weist daraufhin, daß unter dem
betreffenden Lemma weitere Verweise zu finden sind.
c) Literaturhinweise. Alle Literaturhinweise wurden geprüft, doch konnten
Neueinträge nur in beschränktem Umfang vorgenommen werden. Wir hoffen
aber, die wichtigsten Angaben der modernen Forschungsliteratur erfaßt zu
haben.

Register und Auswertung

Ein Begleitband mit vollständigen Registern und einer Auswertung der Angaben
des Wörterbuchs (systematische Gliederung nach Entstehungszeit, Sachregister
usw.) ist in Vorbereitung und wird unter dem Titel
Elmar Seebold: Register und Auswertung zur 22. Auflage des Etymologischen
Wörterbuchs von Friedrich Kluge

erscheinen.
Einführung in die Terminologie*

0. Dieses Wörterbuch ist für alle diejenigen geschrieben, die wissen wollen,
woher die Wörter der deutschen Sprache kommen — deshalb haben die
Verfasser nach Kräften versucht, sich allgemeinverständlich auszudrücken. Zu¬
gleich soll dieses Wörterbuch aber auch wissenschaftlichen Ansprüchen genü¬
gen — weshalb ein gewisses Maß an Fachterminologie unvermeidlich ist. Für
diejenigen, die mit dieser Fachterminologie Mühe haben, ist der folgende Abriß
geschrieben; die einzelnen Fachwörter (Termini) sind über das Register leicht
zu finden.

Abgrenzung

1.1 In diesem Wörterbuch geht es um Wörter, und Wörter müssen abgegrenzt


werden von Namen. Namen sind zunächst Bezeichnungen von Individuen
(seien es Personen oder Örtlichkeiten) - in diesem Fall sprechen wir von
Personennamen, Ortsnamen, Flußnamen usw., allgemein von Eigennamen (als
Fachwort für Eigenname wird zum Teil auch Nomen proprium oder einfach
Proprium gesagt). Namen werden in diesem Wörterbuch nicht behandelt, es
sei denn, sie hätten nachträglich die Bedeutung eines ,normalen1 Wortes (das
eine Klasse von Gegenständen bezeichnet) erlangt — diese ,normalen1 Wörter
(oder genauer: Substantive) nennt man im Gegensatz zu den Namen Appellativa
(Singular: -um, manchmal sagt man auch ausführlicher Nomen appellativum).
Ein Übergang von einem Namen zu einem Appellativum Findet sich z. B. bei
Zeppelin oder Dietrich (die Sie deshalb im Wörterbuch auch erklärt finden).
Im weiteren Sinn spricht man auch von Namen, wenn gar nicht Individuen
gemeint sind, sondern bestimmte einheitliche Typen, so z. B. bei Markennamen
oder Tier- und Pflanzennamen. Auch Markennamen werden hier nicht geführt
(sofern sie nicht aus irgendeinem Grund in die Gemeinsprache übergegangen
sind, wie z. B. Fön), dagegen gelten die normalen Tier- und Pflanzennamen
(nicht die spezielle zoologische und botanische Terminologie) als Wörter der
Sprache — sie sind deshalb aufgenommen.

1.2 Eine Abgrenzung ist auch notwendig gegenüber den sogenannten Fremdbe¬
griffen, das sind Wörter fremder Sprachen, die Gegenstände und Einrichtungen
bezeichnen, die es bei uns nicht gibt, die viele Sprecher aber aus Reiseberichten
und ähnlichem kennen (etwa Samowar, Iglu, Squaw, Kimono usw.). Sie müssen

* Ausführlichere Erklärungen, zusammen mit erläuternden Beispielen, finden Sie in dem Buch
Elmar Seebold: Etymologie. Eine Einführung am Beispiel der deutschen Sprache. München 1981 Als
termmologisches Ux.kon ist zu empfehlen Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft.
Stuttgart 1983 (Neu-Auflage in Vorbereitung).
Allgemeines, Urschöpfung XV

teilweise als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden, besonders


wenn sie in Vergleichen verwendet (wie etwa Bumerang) oder auf einheimische
Einrichtungen übertragen werden (wie etwa Bazar)\ auch die Verwendung in
der Mode (Kimono, Mokassin) führt häutig zu einem so hohen Bekanntheits¬
grad, daß eine Erklärung erwünscht ist. Aber der größte Teil dieser Fremdbe-
gritfe gehört allenfalls in den Sonderwortschatz bestimmter Fachleute oder
Kenner der betreffenden Länder und wird deshalb hier nicht behandelt; daß
man über Grenzfälle verschiedener Meinung sein kann, ist unvermeidlich.
E3 Von den so abgegrenzten Wörtern suchen wir die Etymologie, d. h. ihre
Herkunft (ihre Entstehung) und ihre darauf folgende Geschichte, so weit sie
für das Verständnis wichtig ist. Man sagt gelegentlich auch, daß man das
Etymon eines Wortes sucht — das ist eigentlich mehrdeutig: Es kann einerseits
heißen ,die Herkunft" oder ,die Erklärung der Herkunft", andererseits konkret:
das Wort, von dem das gesuchte Wort abgeleitet ist (das Grundwort, s. 3.5).

Allgemeines, Urschöpfung

2.1 Schauen wir uns nun an, wie Wörter entstehen können (was die Herkunft
der Wörter ist). Man könnte sich vielleicht denken, es sei der einfachste Fall,
für etwas Neues auch eine neue Lautfolge zu ,erfinden" — das wäre die
sogenannte Urschöpfung, die aber in Wirklichkeit (wenigstens in unseren Kul¬
tursprachen) sehr selten ist. Am nächsten kommt ihr noch die Lautmalerei oder
Onomatopöie (mit dem Adjektiv onomatopoetisch), das ist der Versuch, das
Gemeinte mit lautlichen Mitteln nachzuahmen. Speziell unterscheidet man
dabei drei Fälle: die Lautnachahmung, bei der ein Geräusch (ein Tierlaut, das
Begleitgeräusch eines Vorgangs u.ä.) mit sprachlichen Mitteln nachgeahmt
wird — der Tierlaut etwa, um das Tier zu bezeichnen (Kuckuck), das Begleitge¬
räusch, um den Vorgang zu bezeichnen (plumpsen).
2.2 Dann die Lautgebärde, bei der die Sprechwerkzeuge entweder Begleitgeräu¬
sche zu dem Gemeinten hervorbringen oder mit der Lauthervorbringung das
Gemeinte nachahmen. Für das erste kann man auf die vielen Wörter für
,Mutter" verweisen, die aus einfachen Folgen von Nasalen und Vokalen beste¬
hen (Mama u. ä.) - sie sind eigentlich Begleitgeräusche zum Saugen der
Kleinkinder an der Mutterbrust; dann übertragen auf die Mutter selbst. Als
Beispiel für das andere etwa bibbern für ,zittern", das mit seiner raschen
Aufeinanderfolge der beiden b und dem ,Zitterlaut" r das Gemeinte (nämlich das
Zittern) nachahmt. Und schließlich das Lautbild, bei dem ein nicht-lautlicher
Sinneseindruck mit lautlichen Mitteln wiedergegeben wird.
2.3 Dabei bedient man sich des Mittels der Lautbedeutsamkeit (man benutzt
etwa den Gegensatz zwischen hellen und dunklen Vokalen, also i/e gegenüber
u/a, um den Gegensatz zwischen hell und dunkel, zwischen hoch und tief,
zwischen klein und groß, schnell und langsam usw. auszudrücken). So empfin¬
den wir, daß der durch das Auge empfangene Sinnes-Eindruck Blitz durch das
Wort Blitz ,gut" oder ,angemessen" oder gar ,richtig" zum Ausdruck gebracht
wird: der helle und schnelle Eindruck wird durch das kurze i angemessen
wiedergegeben. In gewissem Umfang treten im Rahmen der Lautbedeutsamkeit
XVI Einführung in die Terminologie

Formungen und Lautungen auf, die sonst unüblich sind, oder die der Lautent¬
wicklung nicht entsprechen. So etwa emphatische oder expressive Lautungen
(Dehnungen, Verdoppelungen von Konsonanten, Verschiebungen der Artikula¬
tionsart usw.); Verdoppelungen von Silben (die sogenannte Reduplikation, die
in früheren Sprachen auch in der Formenbildung der Verben eine Rolle gespielt
hat, später aber nur noch lautbedeutsam ist); dann gibt es eigene Suffixe für
entsprechende Wörter, im Deutschen etwa -zen für Verben, die Ausdruckslaute
bezeichnen (ächzen, seufzen usw.) und anderes.

Wortbildung

3.1 Wesentlich häufiger als die Urschöpfung ist das Verfahren der Wortbildung,
bei dem eine neue Bezeichnung mit Hilfe bereits vorhandener Wörter gebildet
wird — entweder durch Zusammensetzung (Komposition) verschiedener Wörter
(Haus + Tür wird zu Haustür) oder durch die Ableitung (Derivation) mit Hilfe
zusätzlicher Elemente (Affixe): Diese sind meist Suffixe (die am Schluß eines
Wortes angehängt werden): Fabel + -haft wird zu fabelhaft, das wäre die
Suffigierung; oder durch Präfixe (die vorangestellt werden: tauschen + ver-
wird zu vertauschen), das wäre die Präfigierung (die häufig als besonderer
Bildungstyp von der Ableitung getrennt wird). In frühen Sprachstufen gab es
auch noch Elemente, die in das Wortinnere eingeschoben wurden, die Infixe
im Rahmen der Infigierung. Ein Infix (Nasalinfix) ist z. B. das Nasalpräsens
der frühen Sprachperioden: Das Präsens einer Verbalwurzel konnte dadurch
markiert werden, daß ein nasalhaltiges Element entweder suffigiert oder infi-
giert wurde. Als allgemeiner Ausdruck für Wortbildungsvorgänge und ihre
Ergebnisse wird hier Weiterbildung benützt.

3.2 Bei der Komposition kann es Vorkommen, daß zwischen den beiden Teilen
ein besonderes Element, das Fugenelement, eingeschoben wird (z. B. Wald -es-
Lust). Diese Elemente sehen aus wie Kasus- oder Numerussuffixe des ersten
Bestandteils, sind aber ihrer Funktion und Herkunft nach anders zu erklären.
In alten Sprachzuständen konnte auch an den Schluß eines Kompositums ein
besonderes Suffix treten, das gewissermaßen die Komposition (oder einen
besonderen Typ von Komposition) markierte. Solche Elemente nennt man
Korn positionssuffixe.

3.3 Bei der Ableitung kann es Vorkommen, daß ein Wort einfach in eine
andere Wortart überführt wird (was man an der Flexion und am syntaktischen
Gebrauch sieht), ohne daß ein besonderes Suffix auftritt. In diesem Fall spricht
man von Nullableitung (Arbeit — arbeiten). Andere Komplikationen entstehen
daraus, daß bestimmte zweite Bestandteile von Zusammensetzungen so häufig
werden, daß sich ihre Bedeutung abschwächt und sie gewissermaßen zu Suffixen
werden (etwa -mann, -zeug, -mäßig usw.). In solchen Fällen spricht man von
einem Halbsuffix oder auch Suffixoid. Entsprechend geht es bei der Entwick¬
lung von präfix-artigen Elementen aus ersten Bestandteilen von Zusammenset¬
zungen: Sie sind gegebenenfalls Halbpräfixe oder Präfixoide (z. B. erz-, ur-).
Eine Besonderheit ist auch der Vorgang, bei dem gleichzeitig präfigiert und
abgeleitet wird, die sogenannte Präfixableitung, z. B. wenn zu Ziffer das Verb
Wortbildung XVII

entziffern gebildet wird (es gibt weder *ziffern noch *Entziffer, so daß beide
Bildungsvorgänge zugleich erfolgt sein müssen).
3.4 Ein weiterer Sonderfall liegt vor, wenn zu einem Wort eine ,Ableitung1
gebildet wird, die aussieht, wie wenn der Bildungsvorgang umgekehrt verlaufen
wäre (die sogenannte Rückbildung): So sieht das Wort Bettler aus, wie wenn es
von betteln abgeleitet wäre (ein Bettler ist jemand, der bettelt). In Wirklichkeit
ist das Wort Bettler älter, und wie in anderen Sprachen ist das Wort für ,betteln1
davon abhängig (1. mendicus ,Bettler1 — mendicare ,betteln1); aber da Bettler
aussah wie eine Täterbezeichnung zu einem Verb, hat man für die Tätigkeit
des Bettlers dieses vermeintlich zugrundeliegende Verb auch gebildet. In diesen
Bereich gehören vor allem auch die sogenannten Nomina postverbalia oder
einfacher Postverbalia; das sind Substantive, die von einem Verb abgeleitet
sind, aber formal aussehen, als seien sie dessen Grundwort (Wank ist von
wanken abgeleitet, äußerlich gesehen könnte es umgekehrt sein). Dieser Fach¬
ausdruck ist aber alt und entspricht der modernen Erfassung solcher Erschei¬
nungen eigentlich nicht mehr in vollem Umfang.
3.5 Damit ist der Vorgang der Bildung beschrieben, aber wenn wir uns für die
Herkunft interessieren, gehen wir ja den umgekehrten Weg: Wir haben das
Wort bereits und analysieren es nun, indem wir die Affixe ablösen (oder die
Komposition trennen), um damit zu dem Grundwort zu gelangen (wenn man
mangels genauer Kenntnis weniger genau sein will, sagt man auch Grundlage;
bei der Komposition oder Präfigierung nennt man das einfache Grundwort
Simplex). Es kann sein, daß man auch das Grundwort weiter analysieren kann,
und dessen Grundwort wieder — aber irgendwann einmal hört das auf, und
man kommt zu Grundlagen, die nicht mehr analysierbar sind. Diese Grundla¬
gen nennt man traditionellerweise Wurzeln. In der Sprachfamilie, zu der das
Deutsche gehört, sind solche Wurzeln in den meisten Fällen Verbalwurzeln,
d. h. das Wort, das diese Wurzel vertritt, ist ein Verb. In der frühen Zeit wurden
dabei auch die einzelnen Stämme des Verbs (ein Präsens-Stamm, ein Perfekt-
Stamm und anderes) durch besondere Bildungsvorgänge aus der Wurzel gewon¬
nen: Entweder durch Suffixe oder Infixe (z. B. bei den Nasalpräsentien) oder
durch bloßen Vokalwechsel (Ablaut) bei den sogenannten Wurzelpräsentien.
3.6 Nominale Bildungen, die unmittelbar aus der Wurzel gewonnen wurden
(wenn sie auch semantisch von der Bedeutung des Verbs abhängig waren),
nennt man primäre Bildungen (sie haben in der Regel ein Suffix, es gibt aber
auch Wurzelnomina, bei denen kein Suffix vorhanden ist); werden sie aus einem
bereits gebildeten Wort abgeleitet, sind es sekundäre Bildungen. Ganz am
Schluß des Wortes kommen dann die Personal- und Kasus-Endungen; ihre
Form (und auch ihre Auswahl) ist häufig davon abhängig, mit welchem Laut
das vor ihnen stehende Element (die Wurzel oder das Suffix) aufhört. Danach
unterscheidet man konsonantische und vokalische Stämme (s. 3.7); die konso¬
nantischen können Wurzelnomina oder Wurzelverben sein, oder ein mit einem
Konsonanten endendes Suffix aufweisen (z. B. n-Stämme, r/n-Stämme und
anderes); vokalische Stämme (die insgesamt viel häufiger sind) haben in der
Regel ein Suffix, das auf einen Vokal endet; es können aber auch Wurzelverben
(oder selten Wurzelnomina) auf Langvokal sein, die sogenannten Verba pura
(Singular: Verbum purum).
XVIII Einführung in die Terminologie

3.7 Die gleichen Bildungsverfahren sind dabei in der Wortbildung wie auch in
der Stammbildung zu beobachten (d. h. bei der Bildung von Stämmen, die wir
der Flexion zurechnen, z. B. dem Perfektstamm beim Verb usw.). Bestimmte
Bildungstypen und bestimmte Affixe spielen in der frühen Wort- und Stammbil¬
dung eine große Rolle; man spricht dann etwa von P'-Abstrakta (und dem ti-
Suffix), den r/w-Stämmen, den s-Stämmen, den Nasalpräsentien, den Wurzelno¬
mina usw. Besonders häufig und besonders wichtig ist (beim Nomen und beim
Verbum) eine Bildungsweise, bei der ablautendes e(o vor der Endung steht,
der sogenannte Themavokal. Solche Bildungen nennt man thematisch; eine
sekundäre Überführung andersartiger Bildungen in thematische wird Themati-
sierung genannt. Zum vollen Verständnis von Argumenten mit solchen Ausdrük-
ken ist natürlich nötig, daß man die betreffenden Bildungsverfahren und ihre
Besonderheiten auch wirklich kennt. Das ist nun allerdings dem Fachmann
und dem Spezialstudium Vorbehalten, so daß der Nicht-Fachmann sich mit
einem entsprechend eingeschränkten Verständnis begnügen muß.
3.8 Über die ursprüngliche Form der Wurzeln und ihre Erweiterungen gibt es
mehrere Theorien — was bedeutet, daß man darüber in Wirklichkeit nicht so
genau Bescheid weiß. Wichtig ist, daß normalerweise eine Wurzel im Bereich
unserer Sprache und ihrer Vorformen einsilbig ist (meist in der Form Konsonant
+ Vokal + Konsonant); es kommt aber auch vor, daß an den letzten Konso¬
nanten noch ein Vokal gefügt wird (häufig ein a, über dessen Lautwert keine
Einigkeit besteht). In solchen Fällen spricht man von zweisilbigen Wurzeln/
Basen/ Grundlagen. An die Wurzel können Erweiterungen verschiedener Form
treten; entweder einfache Konsonanten, oder Vokal + Konsonant (oder Di¬
phthong) — letzteres setzt eine Schwundstufe der Wurzel voraus (zu dieser
s. u.). Das charakteristische Element der Erweiterung ist in der Regel der in
ihr enthaltene Konsonant oder Halbvokal, danach spricht man von Dentaler¬
weiterungen und entsprechend.
3.9 Zurück zur Wortbildung: Ein Wort kann aus einem Substantiv oder Adjektiv
gebildet sein — dann nennen wir es denominal; oder aus einem Verb — dann
nennen wir es deverbal; ein Adjektiv, das aus einem Verb gebildet und seman¬
tisch eng mit ihm verbunden ist (vielleicht sogar — wie die Partizipien — zu
seinem Formenbestand gehört), nennen wir ein Verbaladjektiv (gerissen etwa
wäre ein Verbaladjektiv zu reißen), ein Substantiv in dieser Stellung nennen wir
ein Verbalsubstantiv. Zu den Verbaladjektiven gehören vor allem die Partizipien
und die Adjektive der Möglichkeit (z. B. abwaschbar zu abwaschen); zu den
Verbalsubstantiven der Infinitiv und das sogenannte Verbalabstraktum, d. h. ein
Substantiv, das aus einem Verb gebildet ist und das gleiche bedeutet — nur
wird es eben als Substantiv gebraucht (etwa Verallgemeinerung zu verallgemei¬
nern, Stich zu stechen). Entsprechend ist es mit dem Adjektivabstraktum (Rein¬
heit zu rein, Röte zu rot). Wird ein alleinstehendes Adjektiv oder ein Infinitiv
mit dem Artikel versehen und damit wie ein Substantiv gebraucht, so ist es
substantiviert und wir sprechen von einer Substantivierung.
3.10 Einige Ableitungstypen weisen typische Funktionen auf, die mit bestimm¬
ten traditionellen Ausdrücken bezeichnet werden. So kann von fast jedem
Substantiv ein Diminutiv (also eine Verkleinerungsform - man findet auch
Deminutiv) gebildet werden, wie etwa Häuschen zu Haus. Mit ihm verwandt
Wortbildung XIX

sind die Kosewörter oder Hypokoristika, die allerdings meist für Namen gelten
und deshalb hier weniger einschlägig sind. Das Gegenteil dazu, das Augmentati-
vum (die ,Vergrößerungsform1) kommt im Deutschen bei Suffixen nicht vor. In
den gleichen Bereich gehört schließlich das Kollektivum, die als Einheit gesehene
Mehrheit (so ist Gebirge ein Kollektivum zu Berg: bei ihm handelt es sich
eigentlich um eine Mehrheit von Bergen, die aber als Einheit gesehen wird,
eben als ,Gebirge1). Wird von der Bezeichnung eines männlichen Wesens (oder
einer geschlechtsneutralen Bezeichnung) ein besonderes Femininum gebildet
(z. B. Hündin zu Hund), so nennt man dieses Wort moviert, die Bildungsweise
Motion (auch Movierung). Soziativbildungen nennt man solche, die Personen
bezeichnen, die etwas gemeinsam tun oder haben, z. B. Geselle, ursprünglich
derjenige mit dem man den Saal gemeinsam hat.
3.11 Andere Substantiv-Typen sind vorwiegend von Verben abgeleitet; so die
Nomina actionis, die eine Handlung, vorwiegend in ihrem Verlauf bezeichnen
(Verzeihung zu verzeihen), gegenüber den Nomina acti (oder Nomina rei acti),
die stärker das Resultat einer Handlung betonen (Pflanzung zu pflanzen). Die
Nomina instrumentalia oder Instrumentalbildungen bezeichnen das Werkzeug zu
einer Handlung (Bohrer zu bohren)', die Nomina agentis bezeichnen den Täter —
heute meist zu Verben (Fahrer zu fahren), früher häufig auch zu Substantiven
(Sänger zu Sang). Nomina qualitatis sind Eigenschaftsbezeichnungen zu Adjekti¬
ven (Größe zu groß). Bei den Adjektiven sind noch besonders die Materialadjek¬
tive zu erwähnen, die den Stoff angeben, aus dem etwas gemacht ist (hölzern
zu Holz). Auch die Zugehörigkeitsbildungen sind meist Adjektive, können aber
auch Substantive sein; sie drücken eine Zugehörigkeit zum Grundwort aus,
etwa ärztlich in ärztliche Kunst oder ärztliche Praxis (,zum Arzt gehörig4).
Kontrastbildungen sind solche den Pronomen nahestehende Adjektive, die einen
klaren Gegensatz zu einem anderen Begriff ausdrücken (rechts zu links, oben
zu unten usw.). Für die Wortbildung sind sie deshalb wichtig, weil bestimmte
Suffixe nur in solchen Kontrastwörtern Vorkommen.
3.12 Bei den Verben haben wir zunächst die Kausative, die ausdrücken, daß
eine Handlung veranlaßt oder bewirkt wird (tränken zu trinken als ,trinken
machen4); dann die Iterative, die eine Wiederholung anzeigen (sticheln zu
stechen), entsprechend die Frequentative (die eigentlich die häufige Wiederho¬
lung ausdrücken, aber meist gleichbedeutend mit Iterativ gebraucht werden);
die Intensive zum Ausdruck einer verstärkten Handlung (zucken zu ziehen),
die Durative für einen fortlaufenden Vorgang (besonders aus Adjektiven, z. B.
faulen zu faul)', die Inchoative (auch Incohative) für eine beginnende Handlung
(erröten zu rot)', bei Ableitungen aus Adjektiven außerdem die Faktitive (die
angeben, wozu etwas gemacht wird, wie wärmen ,warm machen4) und schlie߬
lich solche, die die syntaktische Konstruktion betreffen - vor allem Transitive,
die mit dem Akkusativ konstruiert werden und Intransitive, bei denen das nicht
der Fall ist (streng genommen solche, die keinen Kasus regieren). So wird etwa
aus antworten durch die Präfigierung mit be- das Transitivum beantworten.
Diesen Vorgang nennt man Transitivierung.
3.13 Bei den Zusammensetzungen (Komposita, Singular -um) ist die Haupt¬
gruppe die der Determinativ-Komposita. Das sind solche, bei denen die Zusam¬
mensetzung eine speziellere Form von dem bedeutet, was im Hinterglied ge-
XX Einführung in die Terminologie

nannt ist (eine Haustür ist eine speziellere Form von einer Tür). Eine heute
seltenere Gruppe sind die Possessiv-Komposita oder, wie man mit einem Aus¬
druck der indischen Grammatik häufig sagt, die Bahuvrihis. Das sind Kompo¬
sita, die etwas bezeichnen, das weder im Hinterglied noch im Vorderglied
benannt ist, sondern das besitzt, was in diesen Gliedern genannt ist. So ist ein
Dickkopf ja nicht ein dicker Kopf, sondern jemand, der einen dicken Kopf (im
übertragenen Sinn) besitzt, oder ein Rotkäppchen ist nicht ein rotes Käppchen,
sondern ein Mädchen, das ein rotes Käppchen besitzt usw. Solche Bildungen,
bei denen das Gemeinte außerhalb des durch die Glieder Angegebenen liegt,
nennt man auch exozentrisch — es sind meist Komposita, aber auch anderes.
Der weniger häufig gebrauchte Gegenbegriff wäre endozentrisch zur Bezeich¬
nung von Bildungen, bei denen ein Grundwort (Determinatum) näher bestimmt
wird durch ein anderes Wort oder ein Affix (Determinans). Sehr selten sind im
Deutschen die Kopulativkomposita, die etwas bezeichnen, das die Summe der
beiden Glieder darstellt (etwa Strumpßiose). Eine besondere Form der Kompo¬
sita sind schließlich die Verdeutlichungen, oder, wie man mit einem Beispielwort
auch sagt, die Lindwurm-Komposita. Das sind Wörter, die veraltet sind oder
gleichlautende Wörter anderer Bedeutung neben sich haben, und nun verdeut¬
licht werden, indem man sie zu einem Kompositum umbaut, in dessen Hinter¬
glied ein Allgemeinbegriff steht. So sagte man statt Maultier früher einfach
Maul — aber dies war gegebenenfalls mißverständlich wegen des gleichlauten¬
den Maul ,Mund‘, und so wurde ein Kompositum daraus gemacht mit dem
Allgemeinbegriff Tier im Hinterglied.

3.14 So weit die Wortbildung, wie sie sich auch heute noch vor unseren Augen
abspielt. Wenn man sich aber mit den Bildungsweisen älterer Sprachzustände
befaßt, findet man auch Bildungsmittel vor, die wir heute nicht mehr haben,
und die wir teilweise nicht mehr verstehen. So haben die frühen Bildungen
häufig Vokalwechsel, auf deren wichtigsten Fall, den Ablaut, unten noch
einzugehen sein wird. Eine Möglichkeit des Ablauts, die wir heute nicht mehr
haben, ist nun die Vriddhi (das ist ein Ausdruck der alten indischen Grammati¬
ker): Bei der Ableitung von Substantiven oder Adjektiven aus anderen Substan¬
tiven oder Adjektiven wird im Grundwort der erste Vokal gedehnt; die Bedeu¬
tung dieser Bildungen ist die der Zugehörigkeit. So ist bei dem Wort für ,Hahn‘
(in vorgermanischer Lautform *kano-) eine Ableitung gebildet worden, die
eigentlich ,zum Hahn gehörig1 bedeutet, und die diese Vokaldehnung aufweist,
nämlich *kän-es- ,Huhn‘.

3.15 Bildungsweisen, deren Funktion wir nicht mehr durchschauen, sind vor
allem die Wurzelerweiterung und das s mobile. Unter Wurzelerweiterung verste¬
hen wir, daß wir bei gleicher Bedeutung teilweise kürzere und teilweise längere
Wurzelformen vorfinden. Formal kann man dies beschreiben: Es sind eben
vokalische oder konsonantische Elemente oder beides an die ursprüngliche
Wurzelform angetreten. Aber so weit wir erkennen können, hat sich dabei die
Bedeutung nicht geändert, und außerdem treten bei diesen Wurzelerweiterungen
alle möglichen Lautformen auf (was bei der normalen Wortbildung nicht der
Fall ist). Hier liegt also offenbar eine Bildungsmöglichkeit vor, deren Funktion
uns verschlossen bleibt. Unter s mobile verstehen wir den Fall, daß in unseren
Vergleichsformen solche mit einem anlautenden s neben solchen ohne ein
Semantische Begriffsschöpfung XXI

solches s Vorkommen (z. B. d. schmelzen, alt smelzan — e. to melt). Ob


dieses ,bewegliche sk der Rest eines Präfixes ist, oder ein uns unbekanntes
Bildungsmittel, oder eine lautliche Verstärkung, oder eine Lautentwicklung in
bestimmten Umgebungen können wir nicht sagen — vermutlich sind auch
nicht alle Fälle gleich zu beurteilen.

Syntaktische Fügungen

4.1 Es gibt auch feste Wendungen, die mehr als ein Wort umfassen — weshalb
es umstritten ist, ob man sie in einem Wörterbuch behandeln soll oder in einer
speziellen Sammlung solcher Phrasen oder Idiome. In diesem Wörterbuch haben
wir in beschränktem Umfang und ohne Anspruch auf Systematik eine größere
Anzahl solcher Wendungen behandelt, vor allem, wenn sie auf das Wort, unter
dem sie aufgeführt sind, zusätzliches Licht werfen. Solche Wendungen sind
teils festgewordene Fügungen (wie grüner Salat), teils Zitate (wie des Pudels
Kern nach Goethes Faust).
4.2 Einige dieser Wendungen fassen wir heute sogar als einheitliche Wörter auf
(wie etwa abhanden, das eigentlich ab den Händen ,von den Händen weg1
ist), besonders bei bestimmten syntaktischen Fügungen wie Präposition +
Substantiv, oder bei Wörtern, die keinen selbständigen Ton haben, sondern
entweder vor einem anderen Wort hängen (Proklise, proklitisch, wie z. B. das
zu des Infinitivs) oder hinter einem anderen Wort hängen (Enklise, enklitisch,
wie z. B. da in der Mann da). Solche Fälle von Zusammenwachsen nennen wir
Zusammenrückungen (oder Univerbierungen). Etwas anders zu beurteilen sind
die Zusammenbildungen, bei denen in einen Wortbildungsvorgang Teile aufge¬
nommen werden, die gegenüber dem Grundwort syntaktisch frei sind. So ist
Grundsteinlegung das Abstraktum zu einen Grundstein legen (wo legen und
Grundstein selbständige Wörter sind), oder blauäugig zu hat blaue Augen (zu
beachten ist, daß es weder * Legung noch *äugig gibt).
4.3 Ein Sonderfall solcher Wendungen besteht schließlich darin, daß nicht eine
Wortgruppe, sondern ein flektiertes Wort in anderer Funktion verwendet wird
(z. B. geschweige, das eigentlich eine Verbalform ist, als Konjunktion). Diese
Fälle nennt man Hypostasierung und den Vorgang Hypostase.

Semantische Begriffsschöpfung

4.4 Etwas anderes ist es, wenn eine neue Bezeichnung dadurch gewonnen wird,
daß man die Bedeutung eines bereits bestehenden Wortes verändert. Äußerlich
gesehen bleibt das Wort dabei gleich, aber in der Bedeutung ist es anders
geworden, es hat eine zweite Bedeutung hinzugewonnen, so daß wir auch hier
von einem Bildungsvorgang reden können. Solche Bedeutungsveränderungen
verlaufen nach ganz bestimmten Mustern. Eines ist die Bedeutungsübertragung
oder Metapher. Dabei wird ein Wort, das sonst X bezeichnet (z. B.: Rohr
bezeichnet sonst ,Schilfrohr1, also eine Pflanze) dazu verwendet, auch Y zu
bezeichnen, weil sich X und Y in mindestens einem Merkmal ähnlich sind (z. B.
XXII Einführung in die Terminologie

Rohr wird dazu verwendet, auch künstlich geschaffene Röhren zu bezeichnen,


weil sich Schilfrohr und künstlich geschaffene Röhren darin ähnlich sind, daß
es sich bei ihnen um lange, runde, innen hohle Gegenstände handelt).
4.5 Ein weiteres solches Muster ist die Bedeutungsverschiebung oder Metonymie.
Dabei wird etwas mit einem Wort bezeichnet, das eigentlich etwas mit ihm
Zusammenhängendes meint. Typische Fälle sind etwa die Bezeichnungen von
Kleidungsstücken durch das Wort für den Körperteil, den diese Kleidungs¬
stücke bedecken: Ärmel oder in der Fachsprache auch Arm für das, was den
Arm bedeckt; Kragen für das, was den Kragen (Hals) bedeckt, Leib oder
Leibchen für das, was den Feib bedeckt usw. Dies ist aber nur ein besonderer
Fall der Metonymie, es gibt viele andere Typen.
4.6 Sehr wichtig ist dann auch die Synekdoche oder die Bezeichnung pars pro
toto (,der Teil für das Ganze4). Sie tritt etwa auf, wenn wir eine Wohnung oder
ein Haus als den (häuslichen) Herd bezeichnen (wir meinen ja wesentlich mehr
als den Herd), oder etymologisch: schenken bedeutet eigentlich nur ,schräg
halten4; man bezeichnete also das Ganze (das Einschenken) durch eine Teilhand¬
lung (das Schräghalten).

Kurzwörter

4.7 Eine moderne Form der Wortbildung sind dann schließlich die Kurzwörter
und Abkürzungen. Reine Abkürzungen, die man beim Sprechen als Buchstaben¬
folge ausspricht (BGB) oder wieder auflöst (usw.) sind in diesem Buch nicht
aufgenommen. Solche, die wie ein Wort ausgesprochen werden (wie in neuerer
Zeit Super-GAU oder AIDS, jetzt auch schon Aids, sogenannte Akronyme),
sind in beschränkter Zahl aufgenommen, in der Regel solche, die schon älter
sind und bei denen die Herkunft bereits nicht mehr allgemein bekannt ist. In
größerem Umfang aufgenommen sind gekürzte Wörter, sogenannte Kopfwörter,
bei denen nur der Anfang geblieben und der Schluß weggelassen ist (Auto für
Automobil) und Schwanzwörter (bei denen der Schluß geblieben und der Anfang
weggelassen ist, wie Bus aus Omnibus). Es gibt noch kompliziertere Formen
der Wortfabrikation, bei der beliebige Teile der vollen Bezeichnung zu einem
neuen Wort zusammengefaßt werden, doch wird auf sie nur in Sonderfällen
am Rande eingegangen, weil diese Art der Bildung bis jetzt weitgehend auf
Namen von Institutionen, Produkten usw. beschränkt ist.

Entlehnungen

5.1 Ein großer Bereich der Gewinnung neuer Wörter besteht dann schließlich
in der Entlehnung aus anderen Sprachen. Wir können z. B. ein englisches Wort
in einen deutschen Text aufnehmen, und wenn dies häufig geschieht, wenn die
Sprachgemeinschaft diese Übernahme akzeptiert, dann wird dieses ursprünglich
englische Wort auch zu einem deutschen (wie z. B. Sport, bei dem heute nur
noch der Sprachgeschichtler daran denkt, daß dies eigentlich ein englisches
Wort ist). Und dies gilt nicht nur für das Englische, sondern in früheren
Entlehnungen XXIII

Jahrhunderten vor allem für das Französische, und schon vor Beginn unserer
schriftlichen Überlieferung bis heute für das Latein (und über das Latein auch
das Griechische) — daneben auch für viele andere Sprachen, die aber nur in
geringerem Umfang in Frage kommen.

5.2 Nun ist der Fall, daß das Wort ganz übernommen wird (wie das eben
genannte Sport, das ein Lehnwort ist), nicht die einzige Möglichkeit der Entleh¬
nung. Ein mehrgliedriges Wort kann z. B. Stück für Stück übersetzt werden -
die Lehnübersetzung, wie z. B. Geistesgegenwart aus frz. presence d’esprit. Kom¬
plizierter ist die Lehnbedeutung, bei der ein Wort nach dem Vorbild eines
tremden Wortes eine zusätzliche Bedeutung bekommt. So bedeutet das deutsche
Wort lesen in alter Zeit eigentlich nur ,auflesen‘; aber das lateinische Wort, das
,auflesen' bedeutet (1. legere), bedeutet zugleich auch ,(Schrift) lesen', und
danach hat auch das deutsche Wort die Bedeutung ,(Schrift) lesen' bekom¬
men. — Von den Lehnwörtern unterscheidet man gelegentlich die Fremdwörter,
die ihr fremdartiges Aussehen behalten haben und nicht assimiliert worden
sind. Solche Fremdwörter hat man immer wieder aus der Sprache auszuschei¬
den gesucht, indem man bestimmte Ersatzwörter für sie vorgeschlagen hat.
Diese sind teilweise durchgedrungen, teilweise nicht. Sie bilden aber eine sprach-
geschichtlich aufschlußreiche Erscheinung, so daß wir sie in der Regel erwähnt
haben.

5.3 Interessant ist dann der Fall der Scheinentlehnung, bei der ein fremdsprach¬
liches Wort aufgenommen wird, das in der Ausgangssprache gar nicht existiert.
Wir sagen z. B. Oldtimer für ein altes Auto — das sieht aus wie eine Entlehnung
aus dem Englischen; aber im Englischen sagt man für diese Sache Veteran
car — der Ausdruck Oldtimer scheint also gar nicht englisch zu sein. Diese
Fälle sind meist sehr schwer zu beurteilen, weil man nicht mit Sicherheit sagen
kann, ob das Wort in der Ausgangssprache nicht doch ein paar Mal aufgetreten
und dabei entlehnt worden ist (worauf man dann in der Ausgangssprache ein
anderes Wort einführte).

5.4 Wenn man in verschiedenen Sprachen gleichbedeutende Wörter mit glei¬


chem Aufbau hat, aber nicht entscheiden kann, ob eine Lehnübersetzung
o. ä. vorliegt, spricht man zurückhaltender von Übersetzungsgleichungen oder
Übersetzungsäquivalenten (man kann z. B. nicht sagen, wo die beliebte Bezeich¬
nung der Zigarette als Sargnagel, ne. coffin nail, nisl. likkistu-nagli zuerst
aufgetreten ist — es sind Übersetzungsgleichungen, die erst durch eine beson¬
dere Untersuchung geschichtlich gedeutet werden können). Wörter, die in alle
wichtigen Kultursprachen entlehnt worden sind, nennen wir Internationalismen
(man sagt auch Europäismen u.ä.); bei den sehr frühen Fällen dieser Art
(Bezeichnungen für Gewürze, Metalle u.ä.) spricht man meist von kulturellen
Wanderwörtern.

5.5 Allgemein trennt man den Lehnwortschatz vom Erbwortschatz und spricht
demgemäß von Erbwörtern. Hat ein Wort Bestandteile aus dem Erbwortschatz
und dem Lehnwortschatz zugleich, spricht man von hybriden Bildungen (das
gilt auch, wenn ein Wort aus verschiedenen sonstigen Sprachen Elemente hat,
z. B. aus Latein und Griechisch). Beruhen Entlehnungen darauf, daß eine
Völkermischung eingetreten ist, dann spricht man von einer Substratsprache
XXIV Einführung in die Terminologie

oder einem Substrat, wenn aus der Sprache des unterlegenen Volkes Wörter
aufgenommen worden sind (Substrate werden aber häufiger behauptet als
nachgewiesen). Sind umgekehrt aus der Sprache des überlegenen Volkes Wörter
aufgenommen worden, so spricht man von einem Superstrat.

5.6 Da aus dem Lateinischen und den auf dieses folgenden romanischen
Sprachen zu allen Zeiten Wörter ins Deutsche entlehnt worden sind, macht
hier die sprachliche Bestimmung gelegentlich Mühe. Wir nennen hier Wörter,
die mit lateinischem Sprachmaterial in neuer Zeit gebildet worden sind, neolatei¬
nisch, und falls griechische Bestandteile beteiligt sind, neoklassisch. Bei den
romanischen Sprachen ist zu beachten, daß ihre Vorformen, die z.T. für die
Entlehnung ins Deutsche wichtig sind, nicht belegt werden können, sondern
nur erschlossen sind. Solche Wörter sind regelmäßig durch einen Stern (*)
markiert.

5.7 In den Teilen 2 — 5 dieser Übersicht sind die Möglichkeiten der Herkunft
eines Wortes aufgezählt — die verschiedenen Bildungsvorgänge, die in einer
Sprache ein neues Wort (oder ein Wort in einer neuen Bedeutung) hervorbrin¬
gen. Kommen wir bei unserer geschichtlichen Analyse eines Wortes nicht bis
auf einen solchen Bildungsvorgang zurück, so nennen wir die Herkunft dunkel.
Das bedeutet nicht, daß wir das Wort nicht zurückverfolgen können — unter
Umständen kann es für die indogermanische Grundsprache eindeutig erschlie߬
bar sein —; aber wir können seine Bildung nicht erklären und damit bleibt
seine Herkunft für uns dunkel.

Der Wortgebrauch

6.1 Die Wörter unserer Sprache liegen uns nicht alle gleich nahe: Einige
kommen uns recht veraltet vor — wir würden z. B. das Wort Odem in normaler
Sprache gar nicht benützen, es ist ein Archaismus, ein altertümliches Wort.
Manche Wörter sterben auch aus und werden dann (durch das Nachahmen
des Gebrauchs älterer Texte) wiederbelebt wie z. B. das Wort tarnen. Das
Extrem auf der anderen Seite sind die Neologismen, die Neuwörter, die gerade
erst in Gebrauch gekommen sind, und bei denen man noch nicht so recht weiß,
ob man sie schon unbesorgt gebrauchen darf. Andere Wörter liegen uns nicht
so nahe, weil sie fachsprachlich sind — dabei denken wir in erster Linie an die
Wissenschafts- und Berufssprachen; aber auch die Angler und Briefmarken¬
sammler haben ihre Fachsprache; es geht dabei einfach um einen Wortschatz,
der spezieller ist als ihn die Allgemeinheit benötigt, und deshalb nur von den
kleinen Gruppen der Fachleute benützt wird. Wörter, die nur von kleinen
Gruppen benutzt werden, kommen auch in anderen Zusammenhängen vor —
z. B. Anspielungen auf die griechische und römische Mythologie oder andere
geschichtliche Zustände, über die nur diejenigen reden können, die direkt
oder indirekt mit der Sache zu tun gehabt haben. Solche Wörter nennen
wir sondersprachlich. In derart verschiedenen Sprachausprägungen (auch in
verschiedenen Regionalsprachen usw.) treten häufig verschieden entwickelte
Formen (Lautformen, Flexionsformen) aus demselben Ausgangspunkt auf.
Der Wortgebrauch XXV

Solche verschiedenen Formen aus gleichem oder nahe verwandtem Ursprung


nennen wir Varianten.

6.2 Andererseits bemühen sich die Sprecher, eine bestimmte Form der Sprache
zu sprechen, etwa die Hochsprache. Sie setzen also z. B. mundartliche Lautfor¬
men regelmäßig in hochsprachliche Lautformen um. Dabei kann es nun Vor¬
kommen, daß sie sich in der Beurteilung täuschen, daß sie ein Wort hochsprach¬
lich machen, das gar nicht in die Hochsprache gehört, oder daß sie die Lautform
falsch beurteilen, und so eine falsche hochsprachliche Lautform hersteilen.
Solche Fälle nennt man Hyperkorrektismen. Es kann auch sein, daß die Spre¬
cher ein Wort fälschlich an eine andere Sprachform angleichen, z. B. an das
Französische, weil sie meinen, das betreffende Wort sei französischer Herkunft
(oder weil ihnen die französische Aussprache passender dünkt, oder aus welchen
Gründen auch immer). Dann sagt man, eine Form sei französisierend; wenn
man z. B. an das Griechische angleicht, ist die Form graezisierend und entspre¬
chend bei anderen Sprachen.

6.3 Wenn ein Wort gebildet wird, dann hat es in der Regel zunächst eine
systematische Bedeutung, d. h., seine Bedeutung kann aus der Bedeutung der
Elemente und der Kenntnis der Funktion der Fügungsregeln erschlossen wer¬
den. Wenn Sie z. B. das Wort Fensterreiniger zum ersten Mal hören, dann
können Sie die (systematische) Bedeutung erschließen aus Ihrer Kenntnis von
Fenster, reinigen und Ihrer Kenntnis des Wortbildungstyps der Nomina agentis
und Nomina instrumentalia auf -er, sowie der Möglichkeit, bei solchen Nomina
das Objekt der Handlung als Kompositionsglied anzufügen; also: jemand, der
Fenster reinigt1 oder ,etwas, womit man Fenster reinigt4. Die meisten Wörter
entwickeln aber nach einiger Zeit Besonderheiten, die nicht mehr aus den
Bestandteilen erschlossen werden können. Ein Maikäfer z. B. ist nicht mehr
einfach ein Käfer, den man im Mai vorfinden kann, sondern ein ganz bestimm¬
ter Käfer (auch wenn man ihn im April oder Juni Findet; und andere Käfer,
die man im Mai finden kann, heißen wir nicht so; diese Art der Differenzierung
nennt man Polarisierung). Die Bedeutung solcher Wörter muß man irgendwann
lernen, sie sind lexikalisiert (wenn man nur speziell die Weiterentwicklung der
Bedeutung meint, sagt man auch idiomatisiert oder ohne geschichtliche Deutung
idiomatisch). Zu den Besonderheiten der Bedeutung gehört auch, daß sie indivi¬
duelle oder stilistische Bewertungen entwickeln, die mit der Bedeutung selbst
nichts zu tun haben (so hat etwa das Wort Führer aus geschichtlichen Gründen
für uns einen negativen Beiklang). Soll auf solche Besonderheiten hingewiesen
werden, so unterscheidet man zwischen der Denotation (der Bedeutung im
eigentlichen Sinn) und der Konnotation (dem Beiklang, den Assoziationen).

6.4 Die Sprecher reagieren nun auf solche Entwicklungen, indem sie teilweise die
Wörter wieder im systematischen Sinn gebrauchen, sie wieder verdeutlichen4.
Diesen Vorgang erkennt man am besten daran, daß er manchmal zu Ergebnis¬
sen führt, die historisch gar nicht richtig sind; daß die Sprecher also eine
Verdeutlichung4 bewirkt haben, die etwas ganz Neues hervorbringt. So bedeutet
etwa das Wort irritieren eigentlich ,reizen4; aber die Sprecher haben geglaubt,
es an irre anschließen zu müssen und haben es dann in der Bedeutung ,irre
machen, verwirren4 gebraucht. Diese Reaktion kann sogar die Lautgestalt des
Wortes verändern; so etwa wenn ein Wort, das eigentlich Freithof lauten müßte
XXVI Einführung in die Terminologie

(und in alter Zeit gelegentlich auch in dieser Form auftaucht), an Friede


angeschlossen und dann Friedhof ausgesprochen wird. Solche Erscheinungen
nennt man meist Volksetymologie, eine neutralere Bezeichnung ist Sekundärmo¬
tivation. Auch in anderen Bereichen, etwa der Morphologie, können Umdeutun-
gen auftreten, etwa wenn ein Suffix mit einem gleichlautenden Suffix anderer
Herkunft identifiziert wird.
6.5 Andere derartige Veränderungen durch die Sprecher kommen davon, daß
sie bestimmte Muster als Vorbild genommen und auf andere Fälle übertragen
haben. So können wir etwa sagen tags in der Bedeutung ,tagsüber1, indem wir
einfach den Genetiv von Tag adverbial verwenden. Nach diesem Muster sagen
wir nun auch des Nachts ,die Nacht über, in der Nacht‘, obwohl Nacht gar
keinen Genetiv auf -5 hat. Solche Fälle nennt man Analogie. Wieder ein
anderer Fall, in dem sich die Sprecher ,zu viel gedacht haben‘ sind die falschen
Ablösungen, bei denen eine Form oder eine Wortgruppe nicht so aufgelöst wird,
wie es historisch gerechtfertigt wäre. So ist etwa Otter in der Bedeutung
,Schlange1 (wie in Kreuzotter eine falsche Ablösung aus Natter: Bei mundart¬
lichen Formen von eine Natter [-nadr] wurde falsch getrennt in [-n adr],
6.6 Bestimmte Besonderheiten ergeben sich auch schon beim Gebrauch der
Wörter: Manche Wörter will man z. B. nicht ,in den Mund nehmen1, weil sie
Dinge betreffen, über die man nicht gerne redet (die körperliche Ausscheidung,
Geschlechtsverkehr u.ä.). In solchen Fällen werden gerne verhüllende Wörter
(Hüllwörter oder Euphemismen) verwendet (etwa Hintern oder der Hintere statt
Arsch usw.). Nach einiger Zeit gelten häufig auch diese Hüllwörter wieder als
,zu direkt1, so daß sie durch neue ersetzt werden müssen. Das Wort, das als
Hüllwort herangezogen wird, macht damit natürlich eine Bedeutungsverschlech¬
terung durch: Es muß für den gemiedenen Begriff mit eintreten. Typisch ist
etwa, daß Wörter für Rädchen1 (wie unser Dirne) zu Wörtern für prostituierte1
werden. Es gibt auch andere Gründe für eine Bedeutungsverschlechterung,
etwa wenn ein gleichbedeutendes Wort das höhere Prestige hat (vgl. etwa
Frauenzimmer im Wörterbuch). Eine auf diese Weise abschätzige oder abwer¬
tende Bedeutung nennt man eine pejorative.
6.7 Andere Formen der Bedeutungsentwicklung sind die Bedeutungsverallge¬
meinerung (ein Wort bekommt eine allgemeinere Bedeutung, z. B. Sache wird
von ,Gerichtssache1 verallgemeinert zu ,Ding‘). Im Gegensatz dazu steht die
Bedeutungsverengung, bei der ein Wort eine eingeschränktere Bedeutung be¬
kommt (z. B. Faß, das ursprünglich allgemein ,Gefäß1 bedeutete). Die verschie¬
denen Möglichkeiten der Bedeutungsentwicklung bringen es mit sich, daß ein
Wort mehrere Bedeutungen haben und eine Bedeutung durch mehrere Wörter
ausgedrückt werden kann. Es ist deshalb nicht unwichtig, ob man sein Material
nach den Wortformen oder nach den Bedeutungen ordnet. Ordnet man nach
den Wortformen und fragt nach deren Bedeutungen, so wendet man das
semasiologische Verfahren an; ordnet man nach den Bedeutungen und fragt,
durch welche Wörter sie ausgedrückt werden können, so ist das Verfahren
onomasiologisch.

6.8 Wird etwas sprachlich zweimal benannt (etwa in den Teilen eines Komposi¬
tums), so nennt man dies eine Tautologie; der häufigste Fall sind die unter
Grammatik XXVII

3.13 behandelten Lindwurm-Komposita; es gibt aber auch anderes. Sind zwei


ui spi ungsverschiedene Wörter gleichlautend, so nennt man dies eine Homony¬
mie (sind sie nicht ganz gleichlautend, eine Paronymie). Sind die Bedeutungen
dieser gleichlautenden Wörter ähnlich, so werden sie vom Sprecher für dasselbe
Woit gehalten (vgl. etwa im Wörterbuch unter Spieß); sind die Bedeutungen
stark unterschiedlich (Fuge ,Ritze‘ und ,Musikstück1), so stört der Gleichlaut
nicht, sind sie dagegen verschieden, aber verwechselbar oder sonstwie störend,
so werden die beiden Wörter differenziert (verschieden gemacht); häufig auch
so, daß eines von beiden schwindet (es gibt im übrigen auch andere Gründe
tür eine Differenzierung, etwa, daß zwei Wörter genau die gleiche Bedeutung
haben — dies stört den automatischen Ablauf der Sprache).
6.9 Werden Teile eines sprachlichen Ausdrucks weggelassen, so nennt man dies
eine Ellipse (etwa ein Helles statt ein helles Bier). Die Abgrenzung gegenüber
Erscheinungen mit ähnlichen Auswirkungen wird verschieden vorgenommen,
so daß der Begriff etwas unpräzis ist. Werden in einem mehrteiligen Komposi¬
tum die Mittelglieder ausgelassen (Reißzwecke statt Reißbrett-Zwecke), so
spricht man von einer Klammerform.
6.10 Beeinflussen sich zwei (meist gleichbedeutende) Wörter so stark, daß sie
in eines verschmelzen, so spricht man von einer Kontamination (die Wörter
sind kontaminiert). Dies ist ein Sonderfall der unter 6.5 behandelten Analogie.
6.11 Besondere Schwierigkeiten für die Untersuchung bieten Wörter, die in
irgendeiner Weise selten sind. Dazu gehören die Wörter, die in der Überlieferung
nur einmal bezeugt sind — ein solches Wort nennt man Hapax legomenon oder
kurz Hapax (d. h. ,einmal zu lesen‘). Eine ähnliche Besonderheit besteht darin,
daß ein Wort nur in Wörterbüchern, nicht in Texten bezeugt ist (hier wird im
allgemeinen vermerkt: Nur bei Lexikographen o. ä.). — Anders ist es bei den
Relikten: Das sind Wörter oder Formen, die Merkmale eines älteren Systems
bewahrt haben, die sonst überall beseitigt worden sind. So ist etwa gülden
neben Gold das Relikt eines Lautwechsels ü — o (der darauf beruht, daß der
Umlaut ü vor einem folgenden i/j aus u entstand, und ein solches u vor dunklen
Vokalen zu o wurde). Etwas ähnliches wie die Relikte sind die Unregelmäßigkei¬
ten, die Abweichungen von einer systematischen Bildung, die meist ebenfalls
auf früheren Regelmäßigkeiten beruhen. Von Gelegenheitsbildungen oder okka¬
sionellen Bildungen sprechen wir, wenn ein Wort in einer bestimmten Situation
für einen bestimmten Zweck geprägt, dann aber wieder vergessen wird. Gele¬
gentlich werden solche Bildungen aber verallgemeinert und in den normalen
Wortschatz aufgenommen.

Grammatik

7.1 Auch bei der Besprechung der Etymologie ist immer wieder auf die gramma¬
tischen Eigenschaften der betreffenden Wörter einzugehen; zunächst auf die
Wortarten. Unter einem Nomen (Adjektiv: nominal) verstehen wir ein Substantiv
oder Adjektiv (meist ein Substantiv); es flektiert nach Kasus und Numerus;
wobei für das letztere zu beachten ist, daß es in der früheren Zeit auch einen
Dual gegeben hat, einen Numerus, der die natürliche Paarigkeit (z. B. von
XXVIII Einführung in die Terminologie

Körperteilen wie Ohren) bezeichnet. Beim Kasus wird gelegentlich der Kasus
obliquus oder obliquer Kasus genannt. Darunter versteht man zunächst den
Akkusativ; allgemeiner dann aber auch die Kasus außerhalb des Nominativs
(und Vokativs). Für die Wortbildung wichtig ist auch der Lokativ, ein Kasus,
der den Ort bezeichnet (es gibt auch lokativische Bildungen, die nicht speziell
Kasusformen sind). Eine Norninalform ist eine entweder wortbildungsmäßig
oder nach Kasus und Numerus als Nomen bestimmte Form.
7.2 Beim Verb sind zunächst finite Formen (die Personalformen) von den
infiniten Formen (wie Infinitiv und Partizip) zu unterscheiden; von diesen ist
der Infinitiv ein Verbalsubstantiv, das Partizip ist ein Verbaladjektiv. In anderen
Sprachen und in früheren Sprachzuständen gibt es außerdem noch ein Gerun¬
dium), das sogenannte Participium necessitatis (Partizip der Notwendigkeit;
Angabe, daß das im Verb Ausgedrückte getan werden muß) und das Gerundium,
ein zugehöriges Verbalsubstantiv. Bei den finiten Formen sind besonders die
Diathesen zu erwähnen (die Unterscheidung zwischen Aktiv und Passiv; in der
früheren Zeit gab es auch noch eine dritte, die funktionell häufig unserem
Reflexivum entspricht, die mediale Diathese), sowie die Unterscheidung nach
Tempus (Zeit) und Modus (Aussageart).
7.3 Bei den Adjektiven sind die verschiedenen Steigerungsformen zu beachten:
der Positiv (die Normalform), der Komparativ (die Steigerungsform) und der
Superlativ (die FlÖchststufe, die außerhalb von Vergleichen Elativ genannt
wird). Bei den mit den Adjektiven verwandten Zahlwörtern sind verschiedene
funktionelle Sonderformen zu beachten. Neben den üblichen Kardinalzahlen
(5, 6) und Ordinalzahlen (5., 6.) gibt es Multiplikativzahlwörter (fünfmal,
sechsfach) und Distributivzahlwörter (je fünf, je sechs). Über die Adverbien ist
hier nichts besonderes zu sagen; dagegen seien die Partikeln (nicht flektierende
Wörter) besonders erwähnt. Für die Etymologie wichtig sind besonders die
Interjektionen (Ausrufewörter).
7.4 Was die syntaktische Konstruktion anbelangt, so sei hier auf die Unterschei¬
dung zwischen affiziertem Objekt und effiziertem Objekt hingewiesen. Elfiziert
ist ein Objekt, wenn es durch die Verbalhandlung bewirkt, hervorgebracht wird
(z. B. ein Bild malen)-, affiziert ist das Objekt, wenn es durch die Handlung
betroffen wird (den Hund schlagen).
7.5 Nomina werden nach Kasus und Numerus abgewandelt (dekliniert, Deklina¬
tion), Verben nach Person, Numerus und Tempus/Modus (konjugiert, Konjuga¬
tion). Beides zusammen nennt man Flexion (die Wörter werden flektiert) und
das Verfahren dieser Abwandlung überhaupt die Morphologie einer Sprache
(mit dem gleichen Wort bezeichnet man auch die Beschreibung dieser Möglich¬
keiten). Den gesamten Formenbestand, den ein Wort haben kann, nennt man
sein Paradigma; fehlen bestimmte Teile, so ist das Paradigma defektiv; wie z. B.
bei den Pluralia tantum, den Wörtern, die nur im Plural Vorkommen (z. B.
Eltern). Tritt für eine fehlende Formenreihe die Reihe eines anderen Wortes
ein, so ist das Paradigma suppletiv (z. B. die Steigerungsformen gut, besser, am
besten).

7.6 Grammatische Wörter, die die Stelle der Nomina einnehmen oder diese
begleiten können, sind die Pronomina. Sie haben häufig bestimmte altertümliche
Lautstand XXIX

Stämme, die Pronominalstämme, die vielfach sehr kurz, unregelmäßig und


vielseitig verwendet sind. Zu den wichtigsten Funktionen der Pronomina gehört
die Wiederaufnahme von etwas bereits besprochenem, der Rückbezug oder die
anaphorische Funktion. Die Begleitung oder den Einsatz der Zeigegeste nennt
man die deiktische Funktion oder Deixis.

Lautstand

8.1 Was den Lautstand anbelangt, so bezeichnen wir die Bestandteile der
Wortform als Laute; betrachten wir die Laute vom Lautsystem her (z. B.
danach, ob sie Bedeutungen differenzieren können oder nicht), dann sprechen
wir von Phonemen. Nach der Art der Hervorbringung unterscheiden wir bei
den Lauten Vokale (Öffnungslaute, bei denen der Luftstrom beim Sprechen
nicht behindert wird) und — terminologisch etwas ungenau — Konsonanten,
bei denen der Luftstrom beim Sprechen behindert wird (eigentlich müßte man
Vokale und Nicht-Vokale unterscheiden; daneben Sonanten und Konsonanten,
d. h. Silbenträger und Laute außerhalb des Silbengipfels). Den Gesamtbestand
der Vokale einer Sprache, auch den Vokalbestand eines Wortes, nennt man
häufig den Vokalismus; entsprechend verwendet wird Konsonantismus. Laute,
die je nach Umgebung als Sonant oder Konsonant realisiert werden, nennt
man Halbvokale. Laute, die beim Übergang von einem Laut zu einem anderen
eingeschoben werden (z. B. ein j zwischen i und a), nennt man Gleitlaute.

8.2 Die Konsonanten unterscheidet man nach ihrer Hervorbringungsart in


Reibelaute (Spiranten, Adjektiv spirantisch), bei denen die Luft durch eine Enge
im Mund gepreßt wird (/, s, ch usw.); Verschlußlaute (Explosivlaute), bei denen
ein Verschluß gelöst wird (p, b, t, d usw.), Affrikaten (die aus Verschlußlaut +
Reibelaut an der gleichen Stelle bestehen), Nasale (m, n, ng), Liquiden (r, l)
und Kontinuanten (J, w — auf diese bezieht man sich häufig als Halbvokale).
Einen gelängten (verdoppelten) Konsonanten nennt man eine Geminate (gemi-
niert ,verdoppelt1).
8.3 Nach dem Artikulationsort unterscheidet man Labiale (mit den Lippen
gebildet), Labiodentale (Unterlippe + Oberzähne, z. B. /); Dentale (mit den
Zähnen), Alveolare (Zunge gegen Zahnrücken, wie d und t im Deutschen),
Palatale (Vordergaumen), Velare (weicher Gaumen), Uvulare (mit dem Zäpf¬
chen, z. B. das Rachen-r) und Laryngale (mit dem Kehlkopf, z. B. h). Die
Palatale und Velare zusammen werden Tektale genannt (in der älteren Literatur
auch Gutturale, was aber irreführend ist). Ein besonders in den frühen Sprachen
wichtiger kombinierter Artikulationsort wird labiovelar genannt. Dabei handelt
es sich um Velare, die mit Lippenrundung gesprochen werden, so daß sich eine
enge Verbindung von Velar und (bilabialem) w ergibt.
8.4 Laute verändern sich im Laufe der Zeit — in der Regel so, daß der gleiche
Laut unter gleichen Bedingungen zum gleichen anderen Laut wird. Das ist der
Lautwandel; wenn man die Regelmäßigkeit der Erscheinung hervorheben will,
spricht man auch von Lautgesetzen. Veränderungen, die von besonderen Bedin¬
gungen abhängig sind, sind etwa Dehnungen, d. h. Vokale, gelegentlich auch
Konsonanten, werden gelängt, sei es, um den Ausfall anderer Laute auszuglei-
XXX Einführung in die Terminologie

chen (Ersatzdehnung), sei es, um die Lautform ausdrucksvoller zu machen


(expressive Dehnung), sei es aus anderen Gründen. Ein wichtiger Fall ist die
Überdehnung oder Pluti, die in bestimmten Bereichen regelmäßig Vorkommen
kann (etwa bei gerufenen Namen oder sonstigen Ausrufen ein auslautender
Vokal). Wird ein Vokal so stark gedehnt, daß er in eine Lautfolge (meist zwei
gleiche Laute mit Gleitlaut) zerfällt, so spricht man von Zerdehnung (vgl. etwa
Ehe aus einem langen e).

8.5 Unter einer Assimilation versteht man, daß ein Laut an einen anderen, im
Wort benachbarten, ganz oder teilweise angeglichen wird. So haben wir etwa
statt *ent-fangen in Wirklichkeit empfangen: das t ist an das/assimiliert worden
(von einem Dental zu einem Labial) und dann hat sich auch der Nasal in
seinem Artikulationsort angeglichen. Umgekehrt geht es bei der Dissimilation:
Wenn zwei gleiche Laute nur durch wenige Laute getrennt sind, dann werden
sie häufig unähnlich gemacht. So lautete das Wort Köder ursprünglich Körder
und das erste r wurde durch Dissimilation beseitigt (dissimilatorischer
Schwund).
8.6 Bei einer Metathese werden zwei Laute miteinander vertauscht, der eine
springt um den anderen herum. Das ist besonders bei Liquiden der Fall; so
gehört etwa Born zu Brunn(en), hat aber in der Stellung des r eine Metathese
durchgemacht. Bei der Haplologie oder Silbenschichtung werden zwei gleiche
Lautfolgen zu einer einzigen vereinfacht. So sagen wir statt *Zauber-er-in nur
Zauberin, weil die beiden -er- zu einem einzigen vereinfacht worden sind.

8.7 Besonders starke Veränderungen ergeben sich in unbetonten Silben, im


Tiefton, gegebenenfalls auch im Satztiefton (an Stellen des Satzes, die struktur¬
bedingt unbetont sind). Zu den häufigsten Erscheinungen dieser Art gehört die
Apokope, der Abfall von auslautendem -e (gegebenenfalls auch von anderen
Vokalen), und die Synkope, der Ausfall von unbetontem -e- (gegebenenfalls
auch von anderen Vokalen) im Innern des Wortes. Man sagt, ein Vokal werde
apokopiert oder synkopiert. Eine ähnliche Erleichterung der Sprechbarkeit auf
der Seite der Konsonanten ist das ,Anwachsen4 geschichtlich unberechtigter
Konsonanten, meist am Schluß des Wortes (Epithese, epithetische Konsonanten);
im Deutschen in der Regel ein Dental.
8.8 Stoßen zwei Vokale aufeinander, so spricht man von einem Hiat (es geht
dabei nur um Vokalfolgen, die nicht einen Diphthong bilden können). Solche
Lautfolgen sind vielfach unbequem, weshalb Gleitlaute eingeschoben werden,
die sogenannten Hiattrenner. Beim Übergang in andere Sprachen (und auch
sonst in der Sprachgeschichte) werden Lautformen gelegentlich verändert um
der Sprechbarkeit oder des Wohlklangs willen (Euphonie, euphonisch).
8.9 Treten Lautwandel nur in bestimmten Umgebungen auf, und wechseln
diese Umgebungen innerhalb eines Paradigmas oder einer Wortfamilie, so
entstehen Lautwechsel. Zu den wichtigsten Lautwechseln aus früher Zeit gehört
der Ablaut, eine Reihe von Vokalveränderungen verschiedener Ursachen, die
in Flexion und Wortbildung der indogermanischen Sprachen eine große Rolle
spielten. Man spricht in diesem Rahmen von der Normalstufe oder e-Stufe
(d. h. ein e, das in anderen Formen abgewandelt wird), von der Abtönungsstufe
oder o- Stufe (beide zusammen sind Hochstufen) in Gegensatz zur Schwundstufe
Zeitliche Verhältnisse XXXI

oder Tiefstufe, in der der e-Vokal geschwunden ist, und der Silbengipfel durch
einen umgebenden Laut ausgefüllt werden muß. Umgekehrt ist es bei der
Dehnstufe, in der der Vokal (das braucht in diesem Fall nicht unbedingt ein e
zu sein) gelängt wird. Durch besondere Lautentwicklungen kann ein ablauten¬
des Wort eine Lautform bekommen, die einer andersartigen Ablautreihe ent¬
spricht und dann in seinen Formen und Ableitungen dieser anderen Ablautreihe
angeglichen werden (vgl. im Wörterbuch unter gedeihen). In diesem Fall spricht
man von Ablautentgleisung.

8.10 Ein anderer Lautwechsel ist der Umlaut, der darauf zurückzuführen ist,
daß die dunklen Vokale aufgehellt wurden, wenn in der folgenden Silbe früher
ein i oder7 stand (das in den späteren Formen aber geschwunden ist). Umlaute
haben wir in unserer heutigen Sprache noch in vielen Fällen, besonders auch
in der Form, daß sie funktionalisiert sind (d. h. eine grammatische Funktion
zum Ausdruck bringen müssen), so etwa bei Garten — Gärten zum Ausdruck
des Plurals. Ein Lautwechsel bei Konsonanten, der nur noch als Relikt erhalten
ist, ist der grammatische Wechsel, etwa in schneiden — schnitt (auch der Schnitt).
8.11 Eine besondere Vokalentwicklung ist die Rundung, bei der ein vorderer
Vokal nachträglich eine Lippenrundung bekommt (i wird dann zu ü, e zu ö
usw.); auch der umgekehrte Vorgang kann eintreten und heißt dann Entrundung.
8.12 In bezug auf die Schreibungen sei darauf hingewiesen, daß besondere
Laute entweder mit einem eigenen Zeichen zum Ausdruck gebracht werden
können, oder indem ein vorhandenes Zeichen abgewandelt wird. Der abwan¬
delnde Teil (z. B. die Pünktchen bei den Umlautvokalen) heißt diakritisches
Zeichen.

Zeitliche Verhältnisse

9.1 Was die zeitliche Schichtung anbelangt, so sei hier nur erwähnt, daß
wir unsere heutige Sprache (seit etwa 1600) als Neuhochdeutsch bezeichnen,
gegebenenfalls trennen wir die jüngste Schicht als Gegenwartssprache ab. Da¬
vor, etwa von 1350 — 1600, sprechen wir von Frühneuhochdeutsch (dazu gehört
etwa die Sprache Luthers), noch früher (etwa 1100 — 1350) ist Mittelhoch¬
deutsch (z. B. die Sprache Walthers von der Vogelweide oder Wolframs von
Eschenbach), und unsere frühest-bezeugte Sprachform nennen wir Althoch¬
deutsch (vom 8. Jh. bis etwa 1100). Das Element -hoch- kennzeichnet dabei
den Gegensatz zu Niederdeutsch, das zwar auch Deutsch ist, aber z. B. nicht
die Lautverschiebung mitgemacht hat. Zum gleichen Sprachraum gehörte auch
die Vorstufe des heutigen Niederländischen, das aber auf Grund besonderer
politischer und kultureller Umstände eine eigene Hochsprache entwickelt hat.
Dagegen sind Dänisch, Norwegisch, Schwedisch und Englisch eigene Sprachen,
die mit der unseren entfernter verwandt sind. Komplizierter ist es mit dem
Friesischen, das wir hier ebenfalls als eine eigene Sprache (oder Sprachgruppe)
betrachten.
9.2 Auf Grund der verhältnismäßig nahen Verwandtschaft des Deutschen zu
anderen Sprachen sind wir in der Lage, die Geschichte des Deutschen auch in
der Zeit zu betrachten, in der es noch gar nicht belegt ist: Wir können
XXXII Einführung in die Terminologie

durch den Vergleich der verwandten Sprachen die Vorstufen erschließen. Diese
Vorstufen sind vor allem für Deutsch, Englisch, die skandinavischen Sprachen
und das heute ausgestorbene Gotische das Germanische; vergleicht man darüber
hinaus auch das Lateinische, Griechische, Keltische, Baltische, Slavische, Indi¬
sche, Hethitische und einige andere Sprachen, so ergibt sich das Indogermani¬
sche, das in anderen, hauptsächlich englischen, Schriften auch Indoeuropäisch
genannt wird (das ist zwar ein neutralerer Ausdruck, aber sachlich weniger
richtig, weil nicht alle europäischen Sprachen zu dieser Gruppe gehören).
9.3 Vermuten wir von einem Wort, daß es bereits in der indogermanischen
Grundsprache vorhanden war, so nennen wir es indogermanisch oder grund¬
sprachlich. Nehmen wir ein hohes Alter in Anspruch, wollen aber nicht so weit
zurückgehen, dann sagen wir voreinzelsprachlich. In diesem Wörterbuch wird
versucht, die räumliche Vergleichbarkeit von Wörtern in bestimmte Gruppen
zu fassen (die gewisse Rückschlüsse auf das Alter ermöglichen). Wir treffen
dabei folgende Unterscheidungen: Westeuropäisch (weur.) nennen wir gegebe¬
nenfalls ein Wort, das außer im Germanischen noch im Keltischen oder Itali¬
schen oder in beiden vorkommt; osteuropäisch (oeur.) ein. Wort, das außer im
Germanischen noch im Baltischen oder Slavischen oder in beiden auftritt;
West- und osteuropäisch (w/oeur.) die Kombination aus beiden. Europäisch
(eur.) ist ein Wort, das außer im Germanischen noch im Griechischen oder
Armenischen oder Albanischen auftritt (diese Sprachen stehen dem Germani¬
schen ferner; deshalb müssen solche Wortgleichungen ein größeres Gebiet
umfaßt haben); für die Bezeichnung als indogermanisch oder grundsprachlich
verlangen wir, daß ein Wort außer im Germanischen noch im Arischen (Indisch,
Iranisch) oder Hethitischen oder Tocharischen auftritt.
9.4 Betrachten wir eine Sprache zu einem bestimmten Zeitraum, so nennen wir
diese Betrachtungsweise synchronisch; untersuchen wir sie in ihrer Entwicklung,
also historisch, so ist die Betrachtungsweise diachronisch. Die verschiedenen
menschlichen Sprachen bezeichnen wir als Natursprachen, wenn wir den Gegen¬
satz zu Kunstsprachen, Tiersprachen, Kalkülsprachen usw. hervorheben wollen.
Register XXXIII

Register
Abkürzungen 4.7 diakritisches Zeichen 8.12
Ablaut 8.9 Diathese 7.2
Ablautentgleisung 8.9 Differenzierung, differenziert 6.8
ablösen, Ablösung 6.5 Diminutiv 3.10
Abstraktum s. Adjektiv-, Verbal-, Dissimilation 8.5
ti- 3.7, 3.9 Distributivzahlwörter 7.3
Ableitung 3.1 Dual 7.1
Abtönungsstufe 8.9 dunkel 5.7
Adjektiv 7.3 Durativ 3.12
Adjektiv der Möglichkeit 3.9
Adjektivabstraktum, 3.9 e-Stufe 8.9
Adverb 7.3 effiziertes Objekt 7.4
Affix 3.1 Eigenname 1.1
affiziertes Objekt 7.4 Eigenschaftsbezeichnung 3.11
Affrikata 8.2 Elativ 7.3
Akronym 4.7 Ellipse 6.9
althochdeutsch 9.1 emphatische Dehnung 8.4
Alveolar 8.3 emphatische Lautung 2.3
Analogie 6.5 Enklise, enklitisch 4.2
anaphorisch 7.6 Entlehnung 5.1
8.7 Entrundung 8.11
Apokope, apokopiert
Epithese, epithetisch 8.7
Appellativ(um) 1.1
Erbwörter 5.5
Archaismus, archaisch 6.1
Ersatzdehnung 8.4
Assimilation, assimiliert 8.5
Ersatzwörter 5.2
Augmentativum 3.10
Erweiterung 3.8
Etymologie 1.3
Bahuvrihi 3.13
Etymon 1.3
Bedeutungsübertragung 4.4
Euphemismus 6.6
Bedeutungsverallgemeinerung 6.7
euphonisch 8.8
Bedeutungsverengung 6.7
europäisch 9.3
Bedeutungsverschiebung 4.5
Europäismus 5.4
Bedeutungsverschlechterung 6.6
exozentrisch 3.13
Bildungen, sekundäre 3.6 8.2
Explosivlaute
expressive Dehnung 8.4
defektiv 7.5
expressive Lautung 2.3
Dehnstufe 8.9
Dehnung 8.4 fachsprachlich 6.1
deiktisch 7.6 Faktitiv 3.12
Deklination 7.5 Falsche Ablösung 6.5
dekliniert 7.5 finite Formen, Finitum 7.2
Deminutiv 3.10 Flexion 7.5
denominal 3.9 französisierend 6.2
Denotation 6.3 Fremdbegriff 1.2
Dental 8.3 Fremdwort 5.2
Dentalerweiterung 3.8 Frequentativ 3.12
Derivation 3.1 frühneuhochdeutsch 9.1
Determinans 3.13 Fugenelement 3.2
Determinativ-Kompositum 3.13 funktionalisiert 8.10
Determinatum 3.13
deverbal, deverbativ 3.9 Gegenwartssprache 9.1
diachronisch 9.4 Geminate, geminiert 8.2
XXXIV Einführung in die Terminologie

germanisch 9.2 Konsonant 8.1


Gerundiv(um) 7.2 konsonantischer Stamm 3.6
Gleitlaut 8.1 Konsonantismus 8.1
graezisierend 6.2 Kontamination, kontaminiert 6.10
grammatischer Wechsel 8.10 Kontinuant 8.2
Grundlage 3.5 Kontrastbildung 3.11
grundsprachlich 9.3 Kopfwort 4.7
Grundwort 7.4 Kopulativkompositum 3.13
guttural 8.3 Kosewort 3.10
Kurzwort 4.7
Halbpräfix 3.3
Halbsuffix 3.3 Labial 8.3
Halbvokal 8.1 Labiodental 8.3
Hapax (legomenon) 6.11 Labiovelar 8.3
Haplologie 8.6 Laryngal 8.3
Herkunft 2.1 Laut 8.1
Herkunft dunkel 5.7 Lautbedeutsamkeit 2.3
Hiat 8.8 Lautbild 2.2
Hiattrenner 8.8 Lautgebärde 2.2
Hochstufe 8.9 Lautgesetz 8.4
Homonymie 6.8 Lautmalerei 2.1
Hüllwort 6.6 Lautnachahmung 2.1
hybrid(e Bildung) 5.5 Lautwandel 8.4
Hyperkorrektismus 6.2 Lautwechsel 8.9
Hypokoristikum 3.10 Lehnbedeutung 5.2
Hypostase, Hypostasierung 4.3 Lehnübersetzung 5.2
Lehnwort 5.2
idiomatisch, idiomatisiert 6.3 lexikalisiert 6.3
Idiom 4.1 Lexikograph 6.11
Incohativ, inchoativ 3.12 Lindwurm-Kompositum 3.13
indoeuropäisch 9.2 Liquid 8.2
indogermanisch 9.2, 9.3 Lokativ 7.1
Infigierung, infigiert 3.1 lokativische Bildung 7.1
infinite Formen 7.2
Infinitiv 7.2 Materialadjektiv 3.11
Instrumentalbildung 3.11 medial 7.2
Intensiv 3.12 Metapher 4.4
Interjektion 7.3 Metathese 8.6
Internationalismus 5.4 Metonymie 4.5
Intransitiv 3.12 mittelhochdeutsch 9.1
Iterativ 3.12 Modus 7.2
Morphologie, morphologisch 7.5
Kardinalzahlen 7.3 Movierung, Motion, moviert 3.10
Kasus obliquus 7.1 Multiplikativzahlwörter 7.3
Kausativ 3.12
Klammerform 6.9 Name 1.1
Kollektivum 3.10 Nasal 8.2
Komparativ 7.3 Nasalinfix 3.1
Komposition 3.1 Nasalpräsens 3.1
Kompositum 3.13 natursprachlich 9.4
Kompositionssuffix 3.2 neoklassisch 5.6
Konjugation, konjugiert 7.5 neolateinisch 5.6
Konnotation 6.3 Neologismus 6.1
Register XXXV

neuhochdeutsch 9.1 Reduplikation, redupliziert 2.3


niederdeutsch 9.1 Reibelaut 8.2
niederländisch 9.1 Relikt 6.11
Nomen 7.1 Rückbildung 3.4
Nomen appellativum 1.1 Rundung 8.11
Nomen proprium 1.1
Nomen acti 3.11 s mobile 3.15
Nomen actionis 3.11 Satztiefton 8.7
Nomen agentis 3.11 Scheinentlehnung 5.3
Nomen instrumentalis, instru- Schwanzwort 4.7
menti 3.11 Schwundstufe 8.9
Nomen postverbalium 3.4 sekundäre Ableitung, sekundäre
Nomen qualitatis 3.11 Bildung 3.6
Nomen rei acti 3.11 Sekundärmotivation 6.4
nominal 7.1 semasiologisch 6.7
Nominalform 7.1 Silbenschichtung 8.6
Normalstufe 8.9 Simplex 3.5
Nullableitung 3.3 Sonant 8.1
sondersprachlich 6.1
o-Stufe 8.9 Soziativbildung 3.10
7.4 Spirant 8.2
Objekt, affiziertes, effiziertes
spirantisch 8.2
obliquer Kasus 7.1
Stammbildung 3.6, 3.7
okkasionell 6.11
Stamm 3.7
onomasiologisch 6.7
Substantivierung, substantiviert 3.9
Onomatopöie, -poetisch 2.1
Substrat 5.5
osteuropäisch 9.3
Suffigierung 3.1
Suffix 3.1
Palatal 8.3
Suffixoid 3.3
Paradigma 7.5
Superlativ 7.3
Paronymie 6.8 5.5
Superstrat
Pars pro toto 4.6 Suppletiv 7.5
Partikeln 7.3 synchronisch 9.4
Partizip 3.9, 7.2 Synekdoche 4.6
pejorativ 6.6 Synkope, synkopiert 8.7
Phonem 8.1 systematische Bedeutung 6.3
Phrase 4.1
Pluralia tantum 7.5 Tautologie 6.8
Pluti 8.4 Tektal 8.3
Polarisierung 6.3 Tempus 7.2
Positiv 7.3 Terminus 0.0
Possessiv-Kompositum 3.13 thematisch, Thematisierung,
Postverbalia 3.4 Themavokal 3.7
Präfigierung 3.1 //-Abstraktum 3.7
Präfix 3.1 Tiefstufe 8.9
Präfixableitung 3.3 Tiefton 8.7
Präfixoid 3.3 transitiv, Transitivierung 3.12
Präsens, Nasal¬ 3.6, 3.7
primäre Bildung 3.6 Übertragung 4.4
Proklise, proklitisch 4.2 Umdeutung 6.4
Pronomen 7.6 Umlaut 8.10
Pronominalstamm 7.6 univerbiert 4.2
Proprium 1.1 Unregelmäßigkeit 6.11
XXXVI Einführung in die Terminologie

Urschöpfung 2.1 Volksetymologie 6.4


Uvular 8.3 voreinzelsprachlich 9.3
Überdehnung 8.4 Vriddhi 3.14, 8.9
Übersetzungsäquivalent 5.4
Übersetzungsgleichung 5.4 Wendung 4.1
Wanderwort, kulturelles 5.4
Variante 6.1 Weiterbildung 3.1
Velar 8.3 westeuropäisch 9.3
Verallgemeinerung 6.7 wiederbelebt 6.1
Verbalabstraktum 3.9 Wortbildung 3.1
Verbaladjektiv 3.9, 7.2 Wortfabrikation 4.7
Verbalsubstantiv 3.9, 7.2 Wurzel 3.5
Verbalwurzel 3.5 Wurzelpräsens 3.5
Verbum purum 3.6 Wurzelerweiterung 3.15
Verdeutlichung 3.13 Wurzelnomen 3.6, 3.7
Verengung 6.7
Verkleinerungsform 3.10 Zahlwörter 7.3
Verschiebung 4.5 Zerdehnung 8.4
Verschlechterung 6.6 Zugehörigkeitsbildiyig 3.11
Verschlußlaut 8.2 Zusammenbildung 4.2
Vokal 8.1 Zusammenrückung 4.2
Vokaldehnung 8.4 Zusammensetzung 3.1
vokalischer Stamm 3.6 Zweisilbige Wurzeln/Basen/
Vokalismus 8.1 Grundlagen 3.8
Transkription fremder Alphabete — Lautzeichen

Alphabetische Ordnung

Die alphabetische Ordnung ist die des deutschen Alphabets; ß gilt als 5 + 5. Umlaute
werden wie die einfachen Vokale behandelt (ä = a, ö — o, ü = u), bei sonst gleicher
Schreibung steht der umgelautete Vokal nach dem nicht umgelauteten. Auch andere
diakritische Zeichen bleiben bei der Anordnung unberücksichtigt (z. B. ä = a).

Transkription

Die Transkription erfolgt nach den in der modernen Forschung und Lexikographie
üblichen Verfahren. Zu Besonderheiten in der Schreibung s. unter den Einzelsprachen.

Allgemein verwendete diakritische Zeichen

über einem Vokalzeichen (z. B. ä) bezeichnet einen Langvokal.


über einem Vokalzeichen (z. B. ä) bezeichnet einen Kurzvokal (s. aber zu den
slavischen Sprachen unter 8).
(Akut) über einem Vokalzeichen (z. B. ä) bezeichnet den Wortakzent (s. aber zum
Altnordischen und Isländischen unter 3 sowie zum Slavischen unter 8).
(Gravis ) über einem Vokalzeichen (z. B. ä) bezeichnet einen davon verschiedenen
Akzent (mit einzelsprachlich stark unterschiedlichen Regelungen).
(Zirkumflex1) über einem Vokalzeichen (z. B. <5) bezeichnet in der Regel die schleif-
tonige Intonation, die den Wortton und die Vokallänge einschließt (in den baltischen
Sprachen auch bei /, r, m, n — Liquida— oder Nasaldiphthonge).
(Zirkumflex2) über einem Vokalzeichen (z. B. ä) bezeichnet in der Regel eine be¬
stimmte Vokalqualität, die die Vokallänge in sich schließt.
(Trema) über einem Vokalzeichen (z. B. i) bezeichnet die selbständige Aussprache
eines Vokals nach einem Vokal (also nicht als Diphthong o. ä.).
ist ein besonderer Akzent des Serbokroatischen, auch über Liquiden.

Besonderheiten in den Einzelsprachen

1. Zu beachten ist, daß z außerhalb des Deutschen ein stimmhaftes s bezeichnet. Wo


y als Konsonantenzeichen verwendet wird (z. B. ai.) entspricht es einem deutschen j,
als Vokalzeichen ist es normalerweise ein ü.

2. Indogermanisch, voreinzelsprachlich, erschlossene Formen:


3 Murmelvokal, wie unbetontes e im Deutschen
r, l, m, n silbentragende Sonoranten
XXXVIII Transkription fremder Alphabete — Lautzeichen

k, g palatale Laute
qu, gu labiovelare Laute (Velare mit gleichzeitiger Lippenrundung)

3. Germanische Sprachen
stimmloser dentaler Reibelaut (wie e. th in thin)
ce, ä offenes e (ä)
lv (gt.) h (oder ch) + w (Labiovelar)
q (gt.) k + w (Labiovelar wie d. qu —, aber ohne u geschrieben)
gg, gk, gq (gt.) n + g, n + k, n + q
o (nordische Sprachen) geschlossenes ö
ce (nordische Sprachen) offenes ö
g (nordische Sprachen) offenes o
ä (nordische Sprachen) offenes o
(z. B. ä) bedeutet anord. isl. und in anderen nordischen Sprachen Vokal¬
länge
p, ö sind im Altenglischen teilweise auch im Altnordischen gleichwertig (stimm¬
loser dentaler Reibelaut, der zwischen Vokalen stimmhaft gesprochen wird)
b, ö (as.) stimmhafte Reibelaute

4. Altindisch
r, l silbentragendes r, /
c tsch
j dsch (wie in e. joy)
t, d, n, s zerebrale (retroflexe) Laute
n velarer Nasal
n palataler Nasal
i sch
m m oder Nasalierung des vorausgehenden Vokals
h schwacher Hauchlaut (für auslautendes ^ oder r)

5. Avestisch (Persisch ist wie Arabisch umschrieben)


d Murmelvokal
ä offenes o
g nasaliertes a
s sch
z stimmhaftes sch (wie in frz. jour)
c tsch
J dsch (wie in e. joy)
rj velarer Nasal
3, ö stimmloser und stimmhafter dentaler Reibelaut
X, y stimmloser und stimmhafter velarer Reibelaut

6. Hethitisch
s sch

7. Tocharisch
Die Schreibung entspricht der altindischen. Ein Bogen über mehrere Zeichen bedeutet
verschmolzene Ausprache der bezeichneten Laute.

8. Slavische Sprachen
g, g, g nasalierte Vokale
e langes e (mit palataler Qualität des vorausgehenden Konsonanten)
y langes zentrales i
Besonderheiten in den Einzelsprachen XXXIX

i, ü reduzierte Kurzvokale
Der Akut bezeichnet, den Wortton, im Cechischen und Slovakischen aber
die Vokallänge
t hartes, in bilabiales w übergehendes /
s (poln. sz) sch
z (poln. i und rz) stimmhaftes sch (wie in frz. jour)
c ts
z dz (wie in e. recids)
c (poln. cz) tsch

9. Baltische Sprachen
g, §, j nasalierte Vokale
y langes i
e langes e
g (lett.) offenes e
J, n, k, (lett.) palatale Laute
s sch
z stimmhaftes sch (wie in frz. jour)
c tsch

10. Armenisch
e halboffenes e
d Murmelvokal
s sch
z stimmhaftes sch (wie in frz. jour)
c ts
j dz (wie in e. reads)
c tsch
j dsch (wie in e. joy)
x ach — Laut
' z. B. V bezeichnet die Aspiration
t besonderes, vermutlich retroflexes /
f verstärktes r

11. Europäische (ig.) Sprachen


q (frz.) ^ vor dunklen Vokalen

12. Semitisch (Arabisch, Hebräisch)


ßlf (hebr.),')
t, k, b, d, > spirantische Aussprache
giß (hebr.) J
t, d, n, s, h „emphatische” Laute (h im Hebräischen: stimmloser Laryngal)
s, s — z, z stimmlose und stimmhafte sch - Laute
c tsch
g dsch (wie in e. joy)
h ach — Laut
g stimmhafte Entsprechung zu h
3 (hebr. stimmloser Glottal) Kehlkopfverschlußlaut
(hebr. stimmhafter Reibelaut) stimmhafter Kehlpreßlaut

13. Türkisch
§ sch
j stimmhaftes sch (wie in frz. jour)
XL Transkription fremder Alphabete — Lautzeichen

f tsch
c stimmhaftes dsch (wie in e. joy)

14. Sonstiges
Kehlkopfverschlußlaut in phonetischer Schreibung
e offenes e (ä) in phonetischer Schreibung
e (alb.) offenes e

15. Nicht —phonetische Zeichen


* bezeichnet eine erschlossene Form
+ bei Verweisen gibt an, daß unter der angegebenen Stelle weitere Verwandte
zu finden sind.
Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

Allgemeine Abkürzungen

Adj. = Adjektiv Postp. = Postposition


Adv. Adverb PPerf. = Partizip Perfekt
Akk. - Akkusativ PPP. = Partizip Perfekt Passiv
Anm. = Anmerkung PPräs. = Partizip Präsens
arch. = archaisch PPrät. = Partizip Präteritum
Art. _ Artikel Präp. = Präposition
Aufl. = Auflage Prät.-Präs. = Präterito-Präsens
Bd. = Band Pron. = Pronomen
dass. = dasselbe Pron.-Adj. = Pronominal-Adjektiv
Dat. = Dativ refl. = reflexiv
d. h. = das heißt reg. = regional
dial. dialektal s. = siehe
evtl. = eventuell s. d. = siehe dort
f. — femininum = Singular
Sg-
FS = Festschrift = siehe oben
s. o.
Gen. = Genitiv = starkes Verb
stV.
Hrsg. = Herausgeber = siehe unten
s. u.
Instr. = Instrumental = Substantiv
Subst.
Interj. = Interjektion s. V. = sub voce (,unter dem
intrans. = intransitiv
Stichwort1)
Jh. = Jahrhundert = schwaches Verb
swV.
jmd. = jemand = transitiv
trans.
Konj. = Konjunktion
u. a. = unter anderem
m. = maskulinum = und ähnlich
u. ä.
n. = neutrum
u. dgl. = und dergleichen
n. Chr. nach Christus
ugs. = umgangssprachlich
Nom. - Nominativ
unr. V. = unregelmäßiges Verb
Num. = Numerale
v. Chr. = vor Christus
o. ä. oder ähnlich
= oder dergleichen vgl. = vergleiche
o. dgl.
= Partikel vs. = versus
Part.
= Partizip Futur vulg. = vulgär
PFut.
= Plural z. B. = zum Beispiel
PL
poet. = poetisch z. T. — zum Teil

prachbezeichnungen

afrk. — altfränkisch
aägypt. altägyptisch
altbretonisch ag. = altgermanisch
abret.
altenglisch agutn. = altgutnisch
ae.
altfriesisch ahd. = althochdeutsch
afr.
afrikanisch ai. altindisch
afrik.
XLII Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

aisl. - altisländisch fkslav. = frühkirchenslavisch


akslav. = altkirchenslavisch fläm. = flämisch
al. = altlateinisch fnhd. = frühneuhochdeutsch
alb. _ albanisch fnndl. = frühneuniederländisch
alb.-tosk. ... albanisch-toskisch fr. = friesisch
alern. — alemannisch friaul. = friaulisch
am.-e. ... amerikanisch-englisch frk. = fränkisch
am.-span. = amerikanisch-spanisch frz. = französisch
andd. altniederdeutsch fslav. = frühslavisch
andfrk. altniederfränkisch
andl. . altniederländisch g- — germanisch
angl. = anglisch gall. = gallisch
anglo-i. = angloindisch gallo-rom. = gallo-romanisch
anglo-norm. = anglo-normannisch gaskogn. = gaskognisch
anord. = altnordisch gotl. = gotländisch
äol. = äolisch gr- = griechisch
aondfrk. = altostniederfränkisch gt- = gotisch
aonord. = altostnordisch
hd. — hochdeutsch
apers. = altpersisch
apreuß. = hebr. = hebräisch
altpreußisch
arab. = arabisch hess. = hessisch
aram. . aramäisch heth. = hethitisch
arm. = armenisch hom. = homerisch
as. = altsächsisch hunn. = hunnisch
aschw. altschwedisch
i. = indisch
avest. avestisch
i.-iran. = indo-iranisch
bair. = bairisch ig- indogermanisch
bair.-österr. = bairisch-österreichisch ill. illyrisch
balto-slav. = balto-slavisch indian. - indianisch
bask. . baskisch ir. = irisch
berlin. — berlinisch iran. .- iranisch
bibel-gr. = bibelgriechisch isl. = isländisch
bret. - bretonisch it. = italienisch
bulg. bulgarisch it.-trent. = italienisch-trentinisch
burgund. - burgundisch ital. italisch
ivr. ivrit (neuhebräisch)
cech. cechisch
chin. chinesisch jap. ■ japanisch
javan. = javanisch
d. _
deutsch
dn. = dänisch kat. —
katalanisch
dor. - dorisch kelt. .. keltisch
khotan. = khotansakisch
e. = englisch kirchen-1. — kirchenlateinisch
eis. - elsässisch körn. -
komisch
eskim. = eskimoisch krimgt. . krimgotisch
estn. ... estnisch kslav. = kirchenslavisch
eur. =— europäisch¬ kurd. = kurdisch
indogermanisch kymr. = kymrisch (walisisch)
für. — färöisch 1. — lateinisch
finn. = finnisch langobard. -
langobardisch
finno-ugr. = finno-ugrisch latino-fal. - latino-faliskisch
Abkürzungen der Sprachbezeichnungen XLIII

lett. = lettisch obd. = oberdeutsch


lit. = litauisch obit. — oberitalienisch
lombard. lombardisch obrhein. = oberrheinisch
luv. = luvisch obsächs. = obersächsisch
lux.-lothr. = luxemburgisch¬ obsorb. obersorbisch
lothringisch od. = ostdeutsch
1yd. = lydisch oeur. = osteuropäisch¬
lyk. = lykisch indogermanisch
ofr. = ostfriesisch
maked. = makedonisch ofrk. = ostfränkisch
mal. = malaiisch ofrz. = ostfranzösisch
malay. malayalamisch og- = ostgermanisch
md. - mitteldeutsch ojidd. = ostjiddisch
me. = mittelenglisch omd. = ostmitteldeutsch

messap. = messapisch osk. = oskisch

mex. = mexikanisch osk.-umbr. oskisch-umbrisch


(-spanisch) osm.-türk. = osmanisch-türkisch

mhd. = mittelhochdeutsch osset. = ossetisch

mi. = mittelindisch österr. = österreichisch


ml. = mittellateinisch
pfälz.-frk. = pfälzisch-fränkisch
mndd. = mittelniederdeutsch
phön. _ phönizisch
mndl. = mittelniederländisch
phryg. = phrygisch
mrhein. - mittelrheinisch
pikard. = pikardisch
myk. = mykenisch — polnisch
poln.
polyn. = polynesisch
nassau. = nassauisch
port. = portugiesisch
ndd. = niederdeutsch
pränestin. = pränestinisch
ndl. — niederländisch
prov. = provenzalisch
ndn. = neudänisch
ndrhein. = niederrheinisch — räto-romanisch
räto-rom.
ndsorb. niedersorbisch rheinfrk. — rheinfränkisch
ne. = neuenglisch rom. — romanisch
neo-1. = neolateinisch rotw. rotwelsch
nfr. = neufriesisch rum. - rumänisch
nhd. = neuhochdeutsch runen-nord. = runennordisch
nisl. = neuisländisch russ. russisch
nndl. = neuniederländisch russ.-kslav. — russisch-
nnorw. = bokmäl-(riksmäl) kirchenslavisch
(bokmäl) neunorwegisch
nnorw. = nynorsk-(landsmäl-) sächs. = sächsisch
(nynorsk) neunorwegisch sard. = sardisch
nordd. = norddeutsch schles. = schlesisch
nordfr. - nordfriesisch schlesw.-holst. = schleswig-holsteinisch
nordg. nordgermanisch schott.-e. = schottisch-englisch

nordh. nordhumbrisch schott.-gäl. = schottisch-gälisch

nord-it. - norditalienisch schw. = schwedisch

nordod. = nordostdeutsch schwäb. = schwäbisch


= nordwestdeutsch sch wz. = schweizerisch
nordwd.
= norwegisch (dialektal) semit. = semitisch
norw.
nschw. = neuschwedisch serb.-kslav. serbisch-
ntl.-gr. = neutestamentlich grie¬ kirchenslavisch
chisch serbo-kr. = serbokroatisch
XLIV Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

singhal. = singhalesisch toch. (A./B.) = tocharisch (A./B.)


sizil. = sizilianisch türk. = türkisch
skr. = sanskrit
— ukrainisch
slav. — slavisch ukr.
slovak. = slovakisch umbr. = umbrisch
sloven. = slovenisch ung. = ungarisch (magyarisch)
sogd. = sogdisch
sorb. = sorbisch ved. — vedisch
spae. = spätaltenglisch venet. = venetisch
span. = spanisch venez. = venezianisch
spl. = spätlateinisch
— wallonisch
spmhd. = spätmittelhoch¬ wallon.
deutsch wd. = westdeutsch
steir. = steirisch westfäl. = westfalisch

südd. = süddeutsch weur. westeuropäisch¬


südod. = südostdeutsch indogermanisch
südwd. = südwestdeutsch wfr. = westfriesisch
sumer. = sumerisch wg. = westgermanisch
syr. = syrisch wind. = westindisch

wjidd. = westjiddisch

talmud-hebr. = talmud-hebräisch wmd. - westmitteldeutsch

tamil. — tamilisch wogul. = wogulisch


tarent. = tarentinisch wruss. — westrussisch

tat. tatarisch WS. westsächsisch


thrak. thrakisch
tirol. = tirolisch zigeuner. - zigeunerisch

Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen

AA Anzeiger für Altertumswissenschaft


AAL Annual of Armenian Liguistics
AANL Atti della Accademia Nazionale dei Lincei. Rendi conti della classe di
scienze morali, storiche e filologiche, Serie VIII
AASF Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia. Annales Academiae Scientia-
rum Fennicae
AAWG Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-
hist. Klasse
AAWLM Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in
Mainz, geisteswissenschaftliche Klasse
AB Archiv für Begriffsgeschichte
ABÄG Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik
ABAW Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
ABNG Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik
ABS Acta Baltico-Slavica
ADA Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur
AG MN (Sudhoffs) Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissen¬
schaft
AGP Archiv für die gesamte Psychologie
ÄHVL Ärsberättelse Humanistiska Vetenskapssamfundet i Lund. Bulletin de
la societe des lettres de Lund
AION-G Annali, Istituto Orientale di Napoli, sezione germanica, filologia germa¬
nica
Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen XLV

AION-L Annali, Istituto Orientale di Napoli, sezione linguistica


AION-N Annali, Istituto Orientale di Napoli, sezione germanica, studi nederlan-
desi, studi nordici
AION-T Annali, Istituto Orientale di Napoli, sezione germanica, studi tedeschi
AI SA Anzeiger für indogermanische Sprach- und Altertumskunde. Beiblatt
zu den Indogermanischen Forschungen
AJPh American Journal of Philology
AK Archiv für Kulturgeschichte
AL Archivum Linguisticum
ALASH Acta Linguistica Academiae Scientiarum Hungaricae
ALH Acta Linguistica Hafniensia
ALLG Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik
AIÖAW Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
ALV Archiv für Literatur und Volksdichtung
AM Archiv für Musikwissenschaft
AmS American Speech
ANF Arkiv för nordisk filologi
AnL Analecta Linguistica
AnthL Anthropological Linguistics
AÖAW Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philoso¬
phisch-historische Klasse
APAW Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften
APhS Acta Philologica Scandinavica
AR Archiv für Religionswissenschaft
ARom Archivum Romanicum
ARPh Arbeiten zur romanischen Philologie
AS Amerikastudien
ASA Anzeiger für indogermanische Sprach- und Altertumskunde
ASAWL Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
ASE Anglo-Saxon England
ASNSL Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen
AsM Asia maior. A British Journal of Far Eastern Studies
ASPh Archiv für slavische Philologie
AuA Antike und Abendland
AVPh Archiv für vergleichende Phonetik

BAR Bibliotheca delPArchivum Romanicum


BB Bunte Blätter
BBCS Bulletin of the Bord of Celtic Studies
BBGS Bayerische Blätter für das Gymnasial-Schulwesen
BCRTD Bulletin de la Comission Royale de Toponymie et de Dialectologie
BDL Blätter für deutsche Landesgeschichte
BEDS Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache
BF Beiträge zur Flurnamenforschung
BELM Bulletin de la Faculte des lettres de Mulhouse
BGDSL Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Halle
(1 [1874]-76 [1955, recte: 1954])
BGDSL-H Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Halle
(77 [1955]-100 [1979])
BGDSL-T Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Tübingen
(ab 77 [1955])
BGNT Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaft und Technik
BHV Bayerische Hefte für Volkskunde
XLVI Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

BJ Bonner Jahrbücher des rheinischen Landesmuseums


BKIS Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen (= ,Bezzenbergers
Beiträge1)
BN Beiträge zur Namenforschung
BNL Beiträge zur neueren Literaturgeschichte
BON Blätter für oberdeutsche Namenforschung
BRPh Beiträge zur romanischen Philologie
BSL Bulletin de la Societe Linguistique de Paris
BSO(A)S Bulletin of the School of Oriental (and African) Studies
BTLV Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde
BüM Bündnerisches Monatsblatt
BüW Bündnerisches Wochenblatt
BVSAW Berichte über die Verhandlungen der sächsischen Akademie der Wissen¬
schaften zu Leipzig, phil.-hist. Klasse

CFS Cahiers Ferdinand de Saussure


CG Colloquia Germanica
CL Cahiers de lexicologie
CM Classica et Mediaevalia
CMCS Cambridge Medieval Celtic Studies
CPh Classical Philology
CQ The Classical Quarterly
CR The Classical Review

DAEM Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters


DaS Danske studier
DF Deutsch als Fremdsprache
DJV Deutsches Jahrbuch für Volkskunde
DLR Deutsche Lebensmittelrundschau
DLZ Deutsche Literaturzeitung
DM IV Deutsche Medizinische Wochenschrift
DS Deutsche Sprache
DU Der Deutschunterricht
DuS Dutch Studies
DVLG Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesge¬
schichte
DWEB Deutsche Wortforschung in Europäischen Bezügen
DZPh Deutsche Zeitschrift für Philosophie

EC Etudes celtiques
ECl Les etudes classiques
EG Etudes germaniques
EOS Elbostfälische Studien
ES English Studies

FA Filologiskt arkiv
FF Forschungen und Fortschritte
FL Folia Linguistica
FLH Folia linguistica historica
FS Frühmittelalterliche Studien
FUF Finnisch-ugrische Forschungen
FUM Finnisch-ugrische Mitteilungen

GA Geistige Arbeit
GeL General Linguistics
Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen XLVII

GGA Göttingische Gelehrte Anzeigen


GL Germanistische Linguistik
GLL German life and letters
GLSt Grazer Linguistische Studien
Gordian Gordian. Zeitschrift für Nährmittel und Genußmittel
GR The Germanic Review
GRM Germanisch-Romanische Monatsschrift
GS Germano-Slavica
GSt Germanische Studien

HBV Hessische Blätter für Volkskunde


HG Hanseatische Geschichtsblätter
HL Historiographica Linguistica
HS Historische Sprachforschung (Historical Linguistics)
HV Heimat und Volkstum
HZ Historische Zeitschrift

IBK Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft


IF Indogermanische Forschungen
IIJ Indo-Iranian Journal
IJ Indogermanisches Jahrbuch
IJVS Innsbrucker Jahrbuch für Völkerkunde und Sprachwissenschaft
IL Incontri linguistici
INJ Ilbergs Neue Jahrbücher
IR Iberoromanica
IZAS Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft

JAK Jahrbuch für Antike und Christentum


JAWG Jahrbuch der Augustin Wibbelt-Gesellschaft
JBAW Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
JDF Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache
JDS Jahrbuch der deutschen Sprache
JEGPh Journal of English and Germanic Philology
JFDH Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts
JFL Jahrbuch für fränkische Landesforschung
JG Jahrbuch für Geschichte
JGGB Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des
Brauwesens e. V.
JHI Journal of the History of Ideas
JIDS Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache
JIES The Journal of Indo-European Studies
JNÖ Jahrbuch für National-Ökonomie
JOV Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde
JÖV Jahrbuch des Österreichischen Volksliederwerks
JVNS Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung
JVSA Jahrbuch des Vereins zum Schutze der Alpenpflanzen und -tiere

KBGL Kopenhagener Beiträge zur Germanistischen Linguistik


KBS Klagenfurter Beiträge zur Sprachwissenschaft
KN Kwartalnik neofilologiczny
KVNS Korrespondenzblatt des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung

LB Leuvense Bijdragen
LBa Linguistique balcanique
X LVIII Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

LF Listy filologicke
LGRP Literaturblatt für Germanische und Romanische Philologie
LiB Linguistische Berichte
LP Lingua Posnaniensis
LS Lingua e Stile
LSE Leeds Studies in English

MAE Medium zEvum


MAEPD Mitteilungen der Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und
Pflege des Deutschtums
MAG Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft
MASO Meijerbergs Arkiv för Svensk Ordforskning
MBV Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde
MDB Mitteilungen aus der Deutschen Bibliothek
MeS Medieval Studies
MGS Michigan Germanic Studies
MH Museum Helveticum
MJ Medizinisch-historisches Journal
MKNAW Mededelingen van de Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetten-
schappen
ML Modern Languages
MLN Modern Language Notes
MLQ Modern Language Quarterly
MLR Modern Language Review
MM Münchener Museum für Philologie des Mittelalters und der Renaissance
MMW Münchner Medizinische Wochenschrift
MoM Maal og Minne
Monatshefte Monatshefte für den deutschen Unterricht
Monatshefte Monatshefte. A journal devoted to the study of German language and
( Wisc.) literature (University of Wisconsin)
MoS Moderna Spräk
MoSp Moderne Sprachen
MPh Modern Philology
MS Muttersprache
MSGV Mitteilungen der schlesischen Gesellschaft für Volkskunde
MSS Münchner Studien zur Sprachwissenschaft
MUM Mitteilungen des Universitätsbundes Marburg
MVGB Mitteilungen des Vereins für Geschichte Berlins
MVSV Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde

NAWG Nachrichten von der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-


hist. Klasse. Nachrichten aus der neueren Philologie und Literaturge¬
schichte
NB Namn och Bygd
NDH Neue deutsche Hefte
NE Nordeuropa
NFJ Nordfriesisches Jahrbuch
NGG Nachrichten der Gelehrten Gesellschaft Göttingen, phil.-hist. Klasse
NGH Nachrichten der Gießener Hochschulgesellschaft
NGS New German Studies
NI Namenkundliche Informationen
NJ Niederdeutsches Jahrbuch
NJKA Neue Jahrbücher für das klassische Altertum
NKB Niederdeutsches Korrespondenzblatt
Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen XLIX

NM Niederdeutsche Mitteilungen
NPh Neophilologus
NPhM Neuphilologische Mitteilungen
NPh Mo Neuphilologische Monatsschrift
NPhZ Neuphilologische Zeitschrift
NS Nysvenska Studier
NSt Nietzsche-Studien
NTS Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap
NV Natur und Volk
NVRH Nachrichten-Blatt für rheinische Heimatpflege (Nachrichten-Blatt des
Verbandes der rheinischen Heimatmuseen)
NW Niederdeutsches Wort
NWELE North-Western European Language Evolution
NZV Niederdeutsche Zeitschrift für Volkskunde

OBS Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie


ÖGL Österreich in Geschichte und Literatur
OLZ Orientalische Literaturzeitung
OZV Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde

PaL Papiere zur Linguistik


PH Pfälzer Heimatkunde
PhJ Philosophisches Jahrbuch
PhQ Philological Quarterly
PhW Philologische Wochenschrift
PL Papers in Linguistics
PMLA Publications of the Modern Language Association of America

RBPhH Revue beige de philologie et d’histoire. Belgisch tijdschrift voor filologie


en geschiedenis
RCSF Rivista critica di storia della Lilosofia
REA Revue des etudes anciennes
REI Revue des etudes indo-europeennes
RES The Review of English Studies
RE Romanische Lorschungen
RFIC Rivista di filologia e di istruzione classica
RG Recherches germaniques
RIO Revue internationale d’onomastique
RJ Romanistisches Jahrbuch
RJVK Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde
RL Ricerche linguistiche
RLR Revue linguistique romane
RM Russia Mediaevalia
RMPh Rheinisches Museum für Philologie
RV Rheinische Vierteljahresblätter

SAV Schweizerisches Archiv für Volkskunde


SAWDDR Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR
SAWM Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Mainz, geistes¬
wissenschaftliche Klasse
SBAW Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-
hist. Klasse
SBBA Sitzungsberichte der Berliner Akademie
L Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

SC Studia Celtica
SCL Studii §i Cercetäri Lingvistice
SD Sprachdienst
SG Studium Generale
SGG Studia Germanica Gandensia
SHAW Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil-
hist. Klasse
SJ Schiller Jahrbuch
SL Studia Linguistica
SM Schweizer Monatshefte
SMS Studier i Modern Spräkvetenskap
SN Studia Neophilologica
SÖAW Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
SPAW Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften, phil.-
hist. Klasse
SS Sprachspiegel
SSAWL Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu
Leipzig
StG Studi Germanici
STZ Sprache im Technischen Zeitalter
SW Sprachwissenschaft

TB Taalkundige Bijdragen
TCLC Travaux du cercle linguistique de Copenhague
TCLP Travaux du cercle linguistique de Prague
ThB Therapeutische Berichte
TLI Travaux de linguistique indo-europeenne
TLL Travaux de linguistique et de litterature
TNTL Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde
TPhS Transactions of the Philological Society
TSZGK Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst
TT Taal en Tongval

UW Us Wurk
UUÄ Uppsala Universitets Ärsskrift (Filosofi, Spräkvetenskap och Historiska
Vetenskaper)
UWT Die Umschau in Wissenschaft und Technik

VDAWB Veröffentlichungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin


VIDS Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Sprache und Literatur
(Deutsche Akademie der Wissenschaften Berlin)
VL Vie et langage
VM Verslagen en mededeelingen der koninklijke oraanische academie voor
taal en letterkunde
VR Vox Romanica
VWP Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik

WB Wort und Brauch


WBZDS Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Deutschen Sprachvereins
WeB Weimarer Beiträge
WF Westfälische Forschungen
WiSt Wiener Studien
WJV Württembergisches Jahrbuch für Volkskunde
Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen LI

WoW Wort und Wahrheit


fES Wörter und Sachen
WSB Wiener Sprachblätter
WSt Wiener Studien
WW Wirkendes Wort
WZUB Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin
WZUG Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald
WZ UH Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle
WZUJ Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena
WZUL Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig
WZUR Wissenschaftliche Zeitschrift der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock

YES The Yearbook of English Studies


YWMLS The Year’s Work in Modern Language Studies
ZAA Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik
ZAgAs Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie
ZADS Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins

ZCPh Zeitschrift für celtische Philologie


ZD Zeitschrift für Deutschkunde
ZDA Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur
ZDB Zeitschrift für deutsche Bildung
ZDG Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft
ZDL Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik
ZDM Zeitschrift für deutsche Mundarten
ZDPh Zeitschrift für deutsche Philologie
ZDS Zeitschrift für deutsche Sprache
ZDU Zeitschrift für den deutschen Unterricht
ZDW Zeitschrift für deutsche Wortforschung
ZFS Zeitschrift für französische Sprache
ZG Zeitschrift für Germanistik
ZGL Zeitschrift für germanistische Linguistik
ZHM Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten
ZK Zeitschrift für Kulturgeschichte
ZKTh Zeitschrift für katholische Theologie
ZM Zeitschrift für Mundartforschung
ZN Zeitschrift für Namenforschung
ZO Zeitschrift für Ortsnamenforschung
ZPhAS Zeitschrift für Phonetik und Allgemeine Sprachwissenschaft
ZPhSK Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsfor¬
schung
ZRG Zeitschrift für Religion und Geistesgeschichte
ZRPh Zeitschrift für romanische Philologie
ZS Zeitschrift für Slawistik
ZSPh Zeitschrift für slavische Philologie
ZSSR-GA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische
Abteilung
ZSV Zeitschrift des Sprachvereins
ZSW Zeitschrift für Süßwaren
ZV Zeitschrift für Volkskunde
ZUL Zeitschrift für die Untersuchung der Lebensmittel
ZVPh Zeitschrift für vergleichende Phonetik
LII Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

ZVS Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung (auf dem Gebiete der


indogermanischen Sprachen)
ZW Zeitschrift des Vereins für Volkskunde
ZWL Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte

Abgekürzt zitierte Literatur — Wörterbücher und


Nachschlagewerke
Ader, D.: Studien zur Sippe von ,schlagen‘. Diss. Münster 1958.
Adelung, J. Ch.: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit
beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen.
2. vermehrte und verbesserte Ausgabe. Bd. I —IV. Leipzig 1793 — 1801. Nachdruck:
Hildesheim 1970.
Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von E. Steinmeyer hinterlassenen Samm¬
lungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearbei¬
tet und hrsg. von E. Karg-Gasterstädt, Th. Frings u. a. Bd. I: Berlin 1952 — 1968.
Bd. III: Berlin 1971 — 1985. Bd. IV, Lieferung 1 ff. Berlin 19,86 ff.
Angstmann, E.: Der Henker in der Volksmeinung. Bonn 1928.

Bachmann, K.: Der Einfluß von Luthers Wortschatz auf die schweizerische Literatur
des 16. und 17. Jahrhunderts. Freiburg/Br. 1909.
Bächtold-Stäubli, H. (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. I —X.
Berlin, Leipzig 1927/42. Nachdruck: Berlin, New York 1987.
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A
a-1 Präfix. Dient zur Präfigierung von Adjek¬ (hauptsächlich als Bestandteil von Pferdena¬
tiven (und von diesen abgeleiteten Substanti¬ men); -strich wohl als Verdeutlichung. Weitere
ven), wobei die Bedeutung des zugrundeliegen¬ Herkunft unklar.
den Wortes verneint (ins Gegenteil gewandelt S. Aal.
oder Fehlen bzw. Nichtbetroffensein ausge¬
drückt) wird. Das Präfix stammt aus dem Grie¬ Aar m., arch. Mhd. are, am, ahd. as. aro, am
chischen (alpha privativum); es wurde ur¬ aus g. *ar-n- m. 'Adler, großer Raubvogel’, auch
in gt. ara, anord. grn, (poet.) ari, ae. earn,
sprünglich nur bei Verbaladjektiven und Ba-
huvrlhibildungen (z. B. gr. ämorphos 'gestaltlos’ («-Stamm, teilweise erweitert). Mit ähnlicher
zu gr. morphe 'Gestalt’) gebraucht, dann aber morphologischer Unregelmäßigkeit heth. haras
allgemein zur Negierung von Adjektiven ver¬ (Gen. haranas); mit verallgemeinerter Bedeu¬
wendet (z. B. gr. äsophos 'unklug’ zu gr. sophös tung gr. örnis 'Vogel’; vorauszusetzen ist ig.
'klug’). Das Präfix wurde zunächst in griechi¬ *hor-n- m. 'Adler, großer Raubvogel’. Vermut¬
schen Wörtern in die europäischen Sprachen lich aus der gleichen Bildung, aber mit Dissimi¬
entlehnt und dann abgelöst; heute wird es vor¬ lationen und zum Teil (wohl sekundär) e-Voka¬
wiegend in neoklassischen hybriden Bildungen lismus, stammen air. ilar, kymr. eryr, lit. erelis,
mit lateinischen Grundwörtern verwendet (z. B. akslav. orilü-, und mit abweichender Bedeutung
asozial zu sozial, das aus dem Lateinischen arm. oror 'Möwe, Weihe’. Herkunft dunkel.
stammt). Vor Vokalen und vor /h/ erscheint das Das Wort wird seit dem 12. Jh. verdrängt durch
Präfix in der Form an- (anorganisch, anhy- die Verdeutlichung adel-are 'edler Aar’ (s. Adler)
drisch). Gelegentlich wird es mit ab- (s. d.) ver¬ und stirbt spätestens im 17. Jh. aus (z. T. noch
wechselt, etwa bei anomal (zu gr. nömos 'Sitte, erhalten in Zusammensetzungen wie Mausaar
Gesetz’) gegenüber abnormal (zu 1. nörma 'Maß, und Fischaar). Im 18. Jh. wird es in dichteri¬
Regel’). Etymologisch ist es verwandt mit un- scher Sprache wiederbelebt, wobei es zunächst
(s. d.) und dem aus dem Lateinischen stammen¬ noch durch Adler verdeutlicht werden muß.
den in- (s. d.). Mit gr. örnis vgl. Ornithologie 'Vogelkunde’. Nndl.
arend, ne. er ne, nschw. nisl. örn (f). S. Sperber und
a-2 (als Verbalpräfix), s. ad-. Bussard. — Suolahti (1909), 345 — 352; Kuhberg
Aal m. Mhd. ahd. as. äl aus g. *äla- m. 'Aal*, (1933), 32; Lloyd/Springer (1988ff), I, 341-344.
auch in anord. äll, ae. äl. Außergermanisch Aas n. Mhd. äs, ahd. as. -äs aus wg. *äsa- n.
(wie viele Fischnamen) nicht vergleichbar, doch 'Aas (als Fraß, vor allem der Raubvögel), Kö¬
scheint 1. anguilla f. 'Aal’ in den anderen indo¬ der’, auch in ae. äs. In der heutigen Bedeutung
germanischen Sprachen Europas Entsprechun¬ geht das Wort zurück auf eine Zugehörigkeits¬
gen zu haben, so daß das Germanische wohl bildung voreinzelsprachl. *edso- 'als Fraß die¬
geneuert hat. Herkunft unklar. Vielleicht als nend’ zu einem (wohl dehnstufigen) .v-Stamm
'Streifen’ zu dem unter Aalstrich angeführten voreinzelsprachl. *edos 'Essen, Fraß’ zu der
Wort, doch kann dieses auch umgekehrt ur¬ Wurzel ig. *ed- 'essen, fressen’, vgl. lit. edesis
sprünglich 'Aal’ bedeutet haben. Die Verkleine¬ m. 'Fressen, Köder’, russ. jasä f. 'Speise’ und
rungsform Älchen auch in der Bedeutung 'klei¬ (aus *eds-kä) 1. esca, lit. eskä f. 'Futter’. Wohl
ner Fadenwurm, Aaltierchen’. ein unmittelbarer Nachfolger dieses s-Stammes
Nndl. aal, ne. eel, nschw. äl, nisl. all. Vgl. Rütte, ist zu sehen in anord. ät, ae. ät, afr. et, as. ät,
Quappe 'Aalraupe’. S. auch aalen. — Hoops (1973ff.),
ahd. äz 'Speise’ (ahd. auch 'Aas’, wohl durch
I, 4f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 133-135.
Vermischung mit der Weiterbildung). Die bei¬
aalen swV. refi., ugs., nordd., od. Bezeugt seit den Bildungen ahd. äs und ahd. äz mußten im
dem 19. Jh. Vermutlich wie sich rekeln (zu Rekel Spätmittelhochdeutschen lautlich zusammen¬
'großer Hund’) zu Aal (s. d.) als 'sich wohlig fallen, wobei sich die Bedeutung 'Aas’ durch¬
dehnen, winden’ nach den Bewegungen des setzte (da bei Homonymen in der Regel die
Aals. anstößigere Bedeutung stärker ist); die Bedeu¬
Aalstrich m. 'dunkler Streifen auf dem tung 'Speise’ ist aber noch im 17. Jh. bezeugt.
Rücken von Säugetieren’, fachsprachl. Aus g. Das schwache Verb äsen (älter -ss-, schwz. ätzen)
*äla- m. 'Rückenstreifen’, auch in anord. äll 'weiden’ (älter 'etwas abweiden’) ist zu ahd.
ab- 2 Abele

äz gebildet; älter ist atzen, ahd. (alem.) äzzen deutscher Zeit. Der Wurzelstock sieht im Herbst
'füttern, jmd. speisen’, das aber auch mit ande¬ wie abgebissen aus, was offenbar dem Teufel
rer Lautung bezeugt ist, so daß die Vorform zugeschrieben wurde.
nicht sicher beurteilt werden kann. Vgl. mndd. abblitzen swV, ugs. (meist in Verbindungen
mndl. äsen 'füttern, fressen’. Umgangssprach¬ wie er ist abgeblitzt oder sie hat ihn abblitzen
lich aasen 'vergeuden’ geht von der Bedeutung lassen). Ursprünglich vom Schießpulver, das
'Aas’ aus, ist aber im einzelnen unklar (Sprache zündet, ohne den Schuß auszulösen. Die über¬
der Gerber: 'Fleisch vom Fell abschaben’ oder tragene Bedeutung ist früher (seit Ende des 18.
vom Verhalten aasfressender Tiere?). Jhs.) bezeugt. Ein ähnliches Bild bei der Schuß
1) Nndl. aas. 2) Schw. (dial.) at. S. essen und die
ist nach hinten losgegangen.
Weiterbildung Obst. — Lloyd/Springer (1988ff.), I,
406-408. Abc «., Abece n. 'Buchstabenreihe’. Die drei
ab- Präfix. Dient der Präfigierung von Ver¬ ersten Elemente stehen stellvertretend für das
ben und erscheint auch in deverbalen Substanti¬ Ganze; bezeugt seit dem 12. Jh.; schon früher
ven und Adjektiven, wobei ein Wegnehmen/ (9. Jh.) das sonst seltenere abecede mit Abece-
Weggehen bzw. Nicht-Vorhandensein zum Aus¬ darium 'Fibel; Gedicht, in dem jeder Vers mit
druck gebracht wird (z. B. absolvieren 'freispre¬ einem neuen Buchstaben des Alphabets be¬
chen’, abstrakt, Abszeß, Absenz, Aversion). Das ginnt’. Auch kürzer (vor allem norddeutsch)
Präfix wird in lateinischen Wörtern (z. T. über Abe mit Abebuch, auch A-Buch (vgl. Fibel). Der
romanische Vermittlung) entlehnt und in neo¬ ältere und allgemeinere Ausdruck ist Alphabet
klassischen Bildungen produktiv. Vor /k,t/ er¬ (s. d.).
scheint es als abs- (z. B. 1. abscessus, abstractus S. Abc-Schütz(e).
usw.) und vor /p,m,v/ als ä- (z. B. 1. äversio).
Abc-Schütz(e) m. Zuerst im 16. Jh. in dem
Zum Etymon s. ab (Präp./Adv.).
Diminutiv ABC-Schützigen. Zusammensetzung
ab Präp./Adv. Mhd. ab(e), ahd. aba, as. af von Abc (s. d.) und Schütze im Sinn von 'Anfän¬
aus g. *aba Präp. mit Dat., Adv., Präfix 'von —
ger, Neuling’. Dieser seit dem 15. Jh. belegte
weg’ (mit Betonung der Trennung), auch in gt.
Ausdruck ist eine Bedeutungsentlehnung aus 1.
af (ab-u), anord. af, ae. of afr. af, of (der
tiro 'Rekrut, Anfänger’, wobei wohl der etymo¬
Auslautvokal im Althochdeutschen ist sekun¬
logische Anschluß an it. tirare, frz. tirer 'schie¬
där). Dieses aus ig. *apo 'von — weg’ in 1. ab,
ßen’ zur Wahl der Übersetzung Schütze geführt
gr. apö, ai. äpa u. a. Flerkunft dunkel. Zum
Ausdruck von 'von — her’ (mit Betonung der hat.
Richtung) diente gt. ae. fram, anord. frä (laut¬ abdanken swV. 'zurücktreten’. So seit dem 16.
lich unregelmäßig) aus g. *frama(n) und ahd. Jh. Älter jemanden abdanken, d. h. 'mit Dank
fan(a), fon(a), as.fan(a), afr. fan aus g. *fa- verabschieden’. Der Konstruktionswechsel konnte
ne (mit sekundären Erweiterungen), aus ig. *po- leicht eintreten, da das Wort überwiegend in
ne (einer Variante von ig. *apo mit einem Suffix dem Partizip abgedankt verwendet wurde.
zur Bezeichnung der Herkunft). In der weiteren
Abdecker m. 'Schinder’, arch. Seit dem 16.
Entwicklung ist ab im Deutschen durch von in
Jh. Eigentlich 'derjenige, der die Decke ( =
der Funktion als Präposition weitgehend ver¬
drängt worden (noch erhalten regional schwei¬ Haut) von einem eingegangenen Tier abzieht’.
zerisch und in Relikten wie abhanden 'von den Abee m./n. 'Abort’, ugs., alem. Verhüllende
Händen weg’, s. d.), während es als Adverb und Abkürzung (= AB).
Präfix erhalten blieb (in dieser Funktion fehlt -abel Suffix. Dient der Ableitung von Adjek¬
dafür von). Als Präfix entwickelt ab- aus der tiven aus Verben (vornehmlich solcher auf -ie-
Grundbedeutung 'von — weg’ Nebenbedeutun¬
ren), wobei ein Möglichsein zum Ausdruck ge¬
gen wie 'miß-, -los, wider-’; s. abgeschmackt,
bracht wird (z. B. akzeptabel „kann akzeptiert
Abgott, Abgrund, abhold, abschätzig.
werden”). Das Suffix wird in romanischen (bzw.
Nndl. af, ne. of, nschw. av, nisl. af. S. ab-, aber ( + ),
Abend, Offsetdruck. — Henzen (1969), 218 — 273; romanischstämmigen) Wörtern entlehnt (z. T.
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 5 — 8. Anders (zu von, ver¬ als frz. -able, -ible) und geht auf funktional
einfacht aus J'rom): D. R. McLintock in: FS Schützei¬ entsprechendes 1. -äbilis zurück. Die Variante
chel (1987), 1099-1106. -ibel tritt meist auf, wenn das Basisverb nicht
Abakus m. 'Rechenbrett’, fachsprachl. Im auf -äre ausgeht (z. B. 1. dispönere — d. disponi¬
Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ bel, aber 1. acceptäre — d. akzeptabel). Heute
tend 1. abacus, dieses aus gr. äbax (-akos) in neoklassischen Bildungen frei verfügbar. Die
(dass.; wörtlich: 'Brett, Tafel’). deutsche Entsprechnung ist -bar (s. d.).
Abbild n., s. Konterfei. Abele/. 'Weißpappef, arch.,fachsprachl., reg.
Abbiß m., als Pfianzenname eigentlich Teufels Mit mndl. nndl. abeel, mndd. abele, ne. abele,
Abbiß, fachsprachl. Bezeugt seit frühneuhoch¬ ndn. abel entlehnt aus gleichbedeutend afrz.
Abend 3 Abgott

anbei. Dies setzt ein *albellus voraus, Diminutiv sammenfalls. Aus 'danach’ entwickelt sich die
zu 1. albulus 'weißlich’. Funktion des Gegensatzes, in Zusammenset¬
S. Alber, Album ( + ). zungen auch der Wiederholung (etwa in aber¬
Abend m. Mhd. äbent, ahd. as. äband aus hundert, abermals, vgl. einer nach dem andern
wg. *äband(a)- m. 'Abend’, auch in afr. avend, u. ä.). Eine besondere Bedeutung 'miß-’ findet
ähnlich ae. ätfen, das wohl aus der gleichen sich in Aberglaube (s. d.) und anderem.
Grundform umgestaltet worden ist; stärker ab¬ S. einerseits ab und andererseits Abend, achter, After
weichend anord. aptann aus *aftanf>(a)-. Zu¬ und Ebbe. — Lloyd/Springer (1988ff.), I, 401 —403.

mindest im Nordischen bezeichnete das Wort Aberesche/., s. Eberesche.


ursprünglich die Zeit zwischen 3 und 9 Uhr; die Aberglaube m. Spmhd. (13. Jh.) abergloube\
Zeit des Sonnenuntergangs war kveld (s. Kilt). neben späterem Mißglaube, Afterglaube u. a.
In den neueren Sprachen wurde im Nordischen Wohl eine Zusammensetzung mit aber (s. d.),
kveld, sonst Abend verallgemeinert (nndl. avond, das aus 'nach, wieder, hinter’ zu 'Neben-’ und
ne. evening, nschw. kväll, nisl. kvöld). Mit Rück¬ dann zu der abschätzigen Bedeutung kommen
sicht auf die Herkunft von frz. soir, it. sera f. konnte. Ein Zusammenhang mit über- und 1.
'Abend’ aus 1. serus 'spät’ und ntl.-gr. opsia f. superstitio f. 'Aberglaube’ ist aber nicht eindeu¬
'Abend’ aus gr. opse 'spät’ ist für die germani¬ tig auszuschließen.
schen Wörter wohl von einer sonst nicht be¬ S. auch Aberwitz. — E. Öhmann in: FS Krause (1960),
zeugten «/-Bildung zu einem Wort für 'spät(er)’ 166-169.
auszugehen, das unter aber behandelt wird Aberwitz m., arch. Spmhd. aberwitz f. 'Irre¬
(s. d.). Bildungen auf -nt- treten auch sonst bei sein’. Zusammensetzung aus Witz (s. d.) in der
Wörtern für Zeitstufen auf, vgl. ai. hemantä- alten Bedeutung 'Verstand’ und aber in der un¬
'Winter’, ai. vasantä- 'Frühling’. Das -t- in ter Aberglaube behandelten besonderen Funk¬
anord. aptann beruht wohl auf dem Einfluß von tion.
Bildungen wie aptr 'zurück, wieder’ und aptan
abgebrannt Adj. (PPrät.), ugs. Das Partizip
'hinten’; das ä der westgermanischen Formen
wird in der Bedeutung 'jmd., dessen Haus durch
ist unerklärt. — Die Bedeutung 'Vorabend’
Feuersbrunst zerstört wurde’ lexikalisiert und
(eines Festes) hängt daran, daß nach alter Auf¬
bekommt im 30-jährigen Krieg die Bedeutung
fassung der Tag mit dem vorangehenden Abend
'verarmt’. Es wird im 18. Jh. in die Studenten¬
beginnt; vgl. für die Auffassung der Bibel 3.
sprache aufgenommen und kommt von dort in
Mose 23,32 und für das Germanische Tacitus
die niedere Umgangssprache; gelegentlich lite¬
Germania 11 und allgemein Wünschmann (s.u).
rarisch (Goethe).
S. aber (-1-), ab, Sonnabend. — T. Johannison MASO
5 (1943), 50-75; Wünschmann (1966), 105-111; T.
abgebrüht Adj. (PPrät.). Heute verwendet wie
Johannison MASO 14(1975), 24f.; Darms (1978), 'hartgesotten’ (in übertragener Bedeutung).
77 — 80; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 9 — 13. Frühe Belege (16. Jh.) weisen auf einen Zusam¬
menhang mit ndd. brüen (eigentlich bräuten, zu
Abenteuer n. Mhd. äventiure f. Dies ist als
Braut, s. d.) 'beschlafen’; der Zusammenhang
ritterliches Modewort im 12. Jh. aus frz. aven-
mit dem modernen Wort (s. brühen) ist aber
ture f. entlehnt worden. Zugrunde liegt ein ml.
nicht lückenlos nachweisbar.
*adventura 'Ereignis’ zu 1. advenlre 'herankom¬
men, sich ereignen’. abgefeimt Adj. (PPrät.). Zu dem veralteten
Nndl. avontuur, nschw. äventyr, nisl. ceßntyr. S. Feim 'Schaum’ (s. d.) gehört das swV. abfeimen
Advent ( + ) - C. Müller ZDW 3 (1902), 251; Mietti¬ 'den Schaum von etwas wegnehmen, reinigen’.
nen (1962), 20 — 63; E. Öhmann NPhM 64 (1963), 76; Zur Bedeutungsentwicklung des Partizips vgl.
M. Nerlich WeB 24 (1977), 160-171. raffiniert und mit allen Wassern gewaschen. Be¬
aber Adv./Konj. Mhd. aber, ahd. abur (auch zeugt seit dem 15. Jh.
afur, auch r-lose Formen) aus g. *afar- 'nach abgekartet Adj. (PPrät.), s. abkarten.
(u. a.)’, auch in gt. afar 'nach’ und substanti¬ abgeschieden Adj. (PPrät.), s. Abschied.
viert in ae. eafora, as. aharo 'Nachkomme’. Das
abgeschmackt Adj. (PPrät.). Seit dem 17. Jh.
b in den deutschen Formen ist wohl durch den
Aus etwas älterem abgeschmack (seit dem 16.
Tiefton bedingt. Aus der Kontrastbildung ig.
Jh.) der Form eines Partizips angepaßt. Zusam¬
*öpero- 'hinterer, späterer’, auch in ai. äpara-
mensetzung aus geschmack Adj. 'geschmack¬
gleicher Bedeutung; zu ig. *op- 'hinter, spät’,
voll’ und ab in der Bedeutung '-los, wider-’ wie
das am deutlichsten in gr. öpi(s)the(n) 'hinten’
in abhold.
und heth. appa 'hinter, zurück bezeugt ist. Im
Germanischen (und teilweise auch außerhalb) Abgott m. 'Götze’, arch., heute meist im über¬
Vermischung mit der letztlich wohl verwandten tragenen Sinn (wie Idol). Mhd. abgot, ahd. ab-
Sippe ig. *ap- (s. ab) wegen des lautlichen Zu¬ got, abguti n./m., as. afr. afgod. Zusammenset-
Abgrund 4 abmurksen

zung mit ab- in der Bedeutung 'miß-, verkehrt’, Ablaß m., fachsprachl. Mhd. abeläz, ahd. ab-
(s. ab). Zu beachten ist die Annahme von läz, mndd. aflät n., mndl. afläte. Das Verbalab¬
Lloyd/Springer (s. u.), daß eine Lehnüberset¬ straktum zu ablassen kann neben konkreten
zung von gt. afgups 'gottlos, frevelhaft’ vorliegt, Bedeutungen auch die Vergebung im christli¬
da mit ab- sonst keine Konkreta gebildet chen Sinne meinen. Seit dem 11. Jh. bezeichnet
werden. es als Bedeutungsentlehnung aus kirchen-1. in-
Nndl. afgod. — E. Karg-Gasterstädt BGDSL 67 (1944), dulgentia f. den Nachlaß der zeitlichen Sünden¬
420-433; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 24. strafen. Bei Luther ist das Wort nach nieder¬
Abgrund m. Mhd. ahd. abgrunt sind umge¬ deutschem Sprachgebrauch ein Neutrum.
formt aus älterem mhd. abgründe, ahd. ab¬ Nndl. aßaat.
grunt i. as. afgrundv, dieses ist wie gleichbedeu¬
Ablativ m. (= 6. Kasus der Deklination),
tendes gt. afgrundipa f. Abstraktum zu einem
fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen entlehnt
vorauszusetzenden Adjektiv *af-grund-(u)-
aus gleichbedeutend 1. (cäsus) ablätivus 'der
'grundlos’; vielleicht Lehnübersetzung von gr.
die Trennung ausdrückende Fall’, zu 1. ablätus
äbyssos.
'weggetragen, weggebracht’, dem PPP. von 1.
Nndl. afgrond; aus dem Mittelniederdeutschen ent¬
lehnt nschw. avgrund. S. ab. auferre 'wegtragen, wegbringen’, zu 1. ferre
'tragen’.
abhanden Adv. Wie zuhanden, vorhanden Zu-
Etymologisch verwandt: s. Differenz. — E. Leser ZD W
sammenrückung von ab (s. d.) und dem alten,
15(1914), 53.
umlautlosen Plural von Hand (s. d.). Die zu¬
grundeliegende Fügung ist schon althoch¬ Ablaut m., fachsprachl. Im 17. Jh. gebildet,
deutsch, die Zusammenrückung etwa seit dem um den unregelmäßigen Vokalismus der starken
14. Jh. Verben zu kennzeichnen. Dabei ist ab- im Sinne
abhold Adj., arch. Bezeugt seit dem 14. Jh. von 'abweichend vom Regelmäßigen’ zu verste¬
aus hold (s. d.) und ab '-los, wider-’ wie in hen. Von J. Grimm 1819 als grammatischer
abgeschmackt (s. d.). Terminus festgelegt.
Abitur n. 'Reifeprüfung, Abgangsexamen’. G. Schoppe GRM 11 (1923), 184.
Neubildung des 19. Jhs. zu einem im Schullatein abluchsen swV. '(mit List) wegnehmen, ab¬
üblichen abitünre 'abgehen wollen’, zu 1. abitü- schwatzen’, ugs. Ursprünglich niederdeutsch.
rus 'einer, der Weggehen wird’, dem PFut. von Intensivum zu mndd. luken 'ziehen, zupfen’,
1. abire 'weggehen’, zu 1. Ire (itum) 'gehen’ (s. dieses aus wg. *leuk-a- 'rupfen’, aus ig. *leug-
auch ab-). Zunächst in der Form Abiturium-,
in ai. rujäti 'zerbricht, zerschmettert, zertrüm¬
gebildet in Analogie zu Physikum (aus 1. examen
mert’, lit. läuzti 'brechen, aufbrechen’. Zur Be¬
physicum)\ schon früher Abiturientenexamen.
deutungsentwicklung vgl. jemanden rupfen, zur
Also eigentlich 'Prüfung für den, der (von der
Form ndd. (Hildesheim) luckßen 'saugen (vom
Schule) abgehen will’.
Kleinkind)’.
Morphologisch zugehörig: Abiturient; etymologisch
verwandt: Ambiente, Ambition, Exitus, Initialen, Initia¬ W. Niekerken in: FS Pretzel (1963), 369f.
tive (usw.), Koitus, Komteß, Präteritum, Repertoire abmarachen (sich) swV. 'sich abquälen’, arch.,
(usw.), Trance, Transit (usw.), [transitiv]', zu ig. *ei-
reg. (nordd.). Bezeugt seit dem 18. Jh. Herkunft
'gehen’, das im Deutschen nur in unsicheren Erweite¬
dunkel.
rungen vertreten ist (s. Jahn, Jahr).
Versuche einer Erklärung aus dem Westjiddischen bei
abkarten swV., ugs. (in abgekartetes Spiel
E. Weißbrodt ZDPh 64 (1939), 308 und Wolf (1985),
u. ä.). Ursprünglich niederdeutsch neben ajka-
31.
tern. Dieses wohl zu ndd. köddern 'sprechen,
plaudern’, Intensivum zu g. *kwep-a- 'sprechen’ abmergeln swV., s. ausgemergelt.
(ahd. quedan, as. aondfrk. quethan, heute ausge¬ abmurksen swV. 'umbringen’, vulg. Seit dem
storben), als 'sich absprechen, verabreden’, 18. Jh. gelegentlich literarisch. Expressive ^-Bil¬
dann Angleichung an Karten (spielen). dung zu ndd. murken 'töten’, zu mndd. morken
W. Niekerken in: FS Pretzel (1963), 369f. 'zerdrücken’. Vgl. zum Bedeutungsübergang
Abklatsch m. Nachbildung ohne eigenen mhd. zermürsen, zermüschen 'zerdrücken, ein
Wert’. In der Druckersprache: 'von Fland herge¬ Tier zertreten’. Vermutlich zu ig. *mero- 'zer¬
stellter Bürstenabzug’, auch 'Kopie einer In¬ drücken in (spät-)anord. merja 'zerquetschen’,
schrift durch Anpressen von nassem Papier’. Zu I. mortärium 'Mörser’, gr. marainö 'ich reibe
klatschen (s. klatsch) im Sinne von 'geräuschvoll auf, vernichte’, ai. mrnäti 'zermalmt’ (lautlich
andrücken’. Bezeugt seit dem 19. Jh.
mehrdeutig). Vielleicht als Lautvariante ge¬
abkratzen swV. 'sterben’, vulg. Eigentlich nauer zu vergleichen mit ai. marcäyati 'beschä¬
'sich mit einem Kratzfuß (s. d.) verabschieden’. digt, versehrt (ai. markä- m. 'Vernichtung,
Bezeugt seit dem 19. Jh. Tod’), 1. murcus 'verstümmelt’. S. auch Murkel.
abnorm 5 absolut

abnorm Adj., s. Norm und ab-, minderwertig einstufen und deshalb aus dem
abnormal Adj., s. a-1, ab- und Norm. Verkehr ziehen (Münzen, Brot u. ä.)’.
S. ab.
abonnieren swV. 'eine regelmäßige Leistung
für eine befristete Zeit vereinbaren’. Im 18. Jh. Abschied m. Fnhd. (15. Jh.) abscheid zu fnhd.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. s'abonner abscheiden 'weggehen’. Der Vokal ist der Verän¬
bzw. abonner (eigentlich: 'ausbedingen, festset¬ derung im Partizip gefolgt (im Gegensatz zu
zen’), aus afrz. abosner 'abgrenzen’, zu afrz. Bescheid). Vom Verbum ist noch das erstarrte
bosne 'Grenzstein’. Entlehnt im Rahmen des Partizip abgeschieden 'zurückgezogen’ erhalten;
Journal- und Zeitungswesens. vgl. auch die Abgeschiedenen 'die Toten’ (fnhd.
Morphologisch zugehörig: Abonnent, Abonnement; abscheid häufig = 'Tod’).
etymologisch verwandt: borniert. — W. Feldmann Nndl. afscheid.
ZDW 8 (1906/07), 50; Schirmer (1911), 4. Abschlag m. In den kaufmännischen Bedeu¬
Abort m., ugs., reg. Hüllwort seit dem 18. Jh. tungen 'Rechnungsabzug, Teilzahlung’ seit dem
für älteres Abtritt (s. d.), aus ab und Ort als 16. Jh. bezeugt. Zu abschlagen, das schon
'abgelegener Ort’; schon mndd. afort in dieser mittelhochdeutsch übertragen für 'verringern’
Bedeutung. Mit Betonung des zweiten Gliedes in verschiedenen Anwendungsbereichen ge¬
unter dem Einfluß von 1. abortus 'Fehlgeburt’, braucht wird.
das als medizinisches Fachwort entlehnt wird Absehen n., s. Absicht.
(dieses zu 1. aboriri 'dahinschwinden, eine Fehl¬ Abseite /. 'Seitenschiff (einer Kirche)’, fach-
geburt haben’).
sprachl. 'Nebenraum unter der Dachschräge’,
Hoops (1973ff.), 1,15 — 18. Anders zur Betonung (nach ndd. Mhd. abslte, ahd. (12. Jh.) abstda, mndd.
Klosett, Toilette): Hiersche (1986ff.), 13.
afside 'Seitengewölbe’, entlehnt aus kirchen-1.
abrackern swV, s. Racker. abstda 'Wölbung, Chorkapelle’ zu gr. apsis. Die
Abrakadabra n. Ein in mehreren Sprachen Lautform ist angelehnt an ab und Seite; auch
bezeugtes Zauberwort, im Lateinischen seit dem die niederdeutsche Bedeutung steht wohl unter
3. Jh., im Deutschen seit dem 16. Jh. nachgewie¬ dem Einfluß dieses sekundären Anschlusses.
sen. Über die Herkunft sind nur Spekulationen Lloyd/Springer (1988ff.), I, 30 — 32.
möglich. abseits Adv. Seit dem 17. Jh. neben diesseits,
W. Buchholz ZRG 8 (1956), 257 — 259. Herleitung aus jenseits und wie diese ursprünglich ohne -s. Viel¬
dem Thrakischen ('Schaum und Asche’, vielleicht auch leicht in Anlehnung an das ältere seitab, sonst
'Nebel und Rauch’) bei W. Brandenstein in: Studies unklar. Als Fachausdruck im Fußballsport im
presented to J. Whatmough (s’Gravenhage 1957), 26f. 20. Jh. übersetzt aus ne. off side.
Abriß m. In der Bedeutung 'kurze Zusam¬ Absenz /. 'Abwesenheit’, auch 'Geistesabwe¬
menfassung’ bezeugt seit dem 19. Jh. Ursprüng¬ senheit’, sonderspracht. Im 15. Jh. entlehnt aus
lich (16. Jh.) ein nur in den Umrissen entworfe¬ gleichbedeutend 1. absentia, einem Abstraktum
nes Bild, zu (ab-)reißen (s. d.) in der Bedeutung zu 1. absens (-entis) 'abwesend’, dem PPräs. von
'zeichnen’. 1. abesse 'abwesend sein’, zu 1. esse 'sein’ (s.
abrupt Adj. 'plötzlich, jäh’. Im 18. Jh. ent¬ auch ab-).
lehnt aus gleichbedeutend 1. abruptus, dem PPR Morphologisch zugehörig: absent, sich absentieren; ety¬
mologisch verwandt: s. Essenz, Präsens. — Jones
von 1. abrumpere 'abreißen, losreißen’, zu 1.
(1976), 77.
rumpere (ruptum) 'reißen, zerbrechen’ (s. auch
ab-). Absicht/. Seit dem 17. Jh. für älteres Absehen,
bei dem sich die Bedeutung 'Bestreben, Augen¬
Etymologisch verwandt: Bankrott, Eruption, korrupt
(usw.), Raub (usw.), Rotte, Route.
merk’ aus konkretem 'Ziel, Visier’ entwickelte.
Zu absehen 'eine Schußwaffe auf jmd. richten’
abs- Präfix, s. ab-, (vgl. es auf jemanden oder etwas abgesehen
absacken swV., s. sacken und ab. haben).
Abschaum m. Bezeugt seit dem 15. Jh. Ur¬ Absinth m. 'Wermutbranntwein’, fachsprachl.
sprünglich der sich beim Sieden und Schmelzen Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutendem frz.
bildende unreine Schaum, der weggeräumt absinthe /., dieses aus 1. absinthium n., aus gr.
wird. Rückgebildet aus ab schäumen 'den apsinthion n. 'Wermut’. Die weitere Herkunft
Schaum entfernen’ (wie köpfen zu Kopf, abrah¬ ist nicht sicher geklärt.
men zu Rahm). Vor allem übertragen gebraucht absolut Adj. 'uneingeschränkt, unbedingt’. Im
und in übertragener Bedeutung auch früher be¬ 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. absolü-
zeugt. tus, dem PPP. von 1. absolvere 'loslösen, freispre¬
abschätzig Adj. Seit dem 15. Jh. zu abschätzen chen (u. a.)’, zu 1. solvere (solütum) 'lösen’ (s.
in der fachsprachlichen Bedeutung etwas als auch ab-), das mit gleichbedeutend gr. lyein
absolvieren 6 Abszisse

verwandt ist. Die staatsrechtliche Bedeutung Abstraktum zu 1. abstinens (-entis) 'enthalt¬


vor allem nach frz. absolu 'unumschränkt’. sam’, dem PPräs. von 1. abstinere 'sich enthal¬
Morphologisch zugehörig: Absolution, Absolutismus; ten’, zu 1. tenere 'halten, festhalten’ (s. auch
etymologisch verwandt: absolvieren (usw.), Analyse ab-). Die Bedeutungsverengung auf alkoholi¬
(usw.), Katalysator, Paralyse, resolut, Resolution; zum sche Getränke erfolgt Mitte des 19. Jhs. unter
Etymon s. verlieren. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Einfluß von ne. abstinente.
07), 50; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 385.
Morphologisch zugehörig: abstinent; etymologisch ver¬
absolvieren swV. 'beenden, zum Abschluß wandt: s. Tenor. — K.-H. Weinmann DWEB 2(1963),
bringen’, sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus 385.
gleichbedeutend 1. absolvere (auch: 'loslösen, abstrahieren swV., s. abstrakt.
freisprechen’), zu I. solvere (solütum) 'lösen’ (s.
abstrakt Adj. 'begrifflich, wenig konkret’. Im
auch ab-). Der Bedeutungsübergang von 'lösen’
15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. abstrac¬
zu 'zum Abschluß bringen’ geht wohl über 'erlö¬
tus (eigentlich: 'abgezogen’), dem PPP. von 1.
sen, abfertigen’.
abstrahere 'abziehen, wegziehen’, zu 1. trahere
Morphologisch zugehörig: Absolvent; etymologisch
(tractum) 'ziehen, herleiten’ (s. auch ab-). Die
verwandt: s. absolut. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
07), 50. im 16. Jh. in Philosophie und Rhetorik entstan¬
dene Bezeichnung geht aus von 'vom Gegen¬
absorbieren swV. 'aufsaugen’, sondersprachl.
stand absehen, vom Gegenständlichen ab¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. absor-
ziehen’.
bere, zu 1. sorbere 'schlucken, aufsaugen’ (s.
Morphologisch zugehörig: abstrahieren, Abstraktion,
auch ab-). Zunächst in die medizinische Fach¬
Abstraktum; etymolögisch verwandt: Attraktion
sprache entlehnt. Die Verallgemeinerung der (usw.), Extrakt (usw.), kontrahieren, Kontrakt, malträ¬
Bedeutung erst im 18. Jh. Heute auch übertra¬ tieren, Porträt (usw.), subtrahieren (usw.), trainieren
gen 'ganz in Anspruch nehmen’. (usw.), Trakt, Traktat (usw.), Trasse, Tratte; zum Ety¬
Morphologisch zugehörig: Absorber, Absorption. mon s. tragen. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 50.

abspenstig Adj. (in jemandem jemanden ab¬ abstrus Adj. 'eigenartig, verworren’. Im 17.
spenstig machen). Seit dem 16. Jh. für älteres Jh. entlehnt aus 1. abstrüsus 'verborgen’, dem
abspännig zu abspanen (abspenen) 'weglocken’ PPP. von 1. abstrüdere 'verstecken, verbergen’,
aus ahd. as. spanan 'locken’, spmhd. abspenen zu 1. trüdere (trüsum) 'stoßen, drängen’ (s. auch
(abspanen) 'weglocken’, formal zum ti-Ab¬ ab-). Die Bedeutungsverschlechterung von 'ver¬
straktum (ahd.) spanst 'Lockung’ gehörig. Das borgen’ zu 'absonderlich’ erst im Deutschen.
Verbum aus wg. *span-a- swV. 'locken’, auch in Etymologisch verwandt: s. verdrießen.
ae. spanan, afr. spona, (anord. spenja .vw V.),
absurd Adj. 'widersinnig’. Im 17. Jh. entlehnt
ohne klare Vergleichsmöglichkeit. Als Grund¬
aus gleichbedeutend 1. absurdus (eigentlich
wort wird heute abspannen 'ausspannen’ ver¬
'mißtönend’), das allgemein auf ein lautmaleri¬
standen, doch beruht dies auf sekundärer An¬
sches 1. susurrus 'Zischen’ zurückgeführt wird.
lehnung.
Früher vor allem üblich in der Sprache von
S. Gespenst.
Philosophie und Logik (vgl. ad absurdum
Abstand m. Bezeugt seit dem 15. Jh. In der führen).
eigentlichen Bedeutung 'Entfernung’ und der Morphologisch zugehörig: Absurdität; zum Etymon s.
übertragenen Bedeutung 'Verzicht’ Verbalab¬ schwirren. — W. J. Jones SN 51 (1979), 247f.
straktum zu mhd. abestän 'abstehen, entfernt Abszeß m. 'eitriges Geschwür’, fachsprachl.
sein; überlassen, verzichten’. Dieses zu ab und Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. abs-
stehen (s. d.). cessus (eigentlich: 'Weggang, Absonderung’), zu
Abstecher m. In der niederländischen See¬ 1. abscedere 'weggehen, entweichen, sich entfer¬
mannssprache gibt es zu nndl. afsteken '(ein nen’, zu 1. cedere (cessum) 'weichen’ (s. auch
kleines Beiboot mit Hilfe des Bootshakens vom ab-). Das Benennungsmotiv bezieht sich auf die
Schiff) abstoßen’ den Ausdruck een afsteker Absonderung der Eiterflüssigkeit.
maken 'eine kurze Fahrt mit dem Beiboot ma¬ Etymologisch verwandt: Accessoires, Exzeß (usw.),
chen’ (nndl. steken im Sinn von 'stechen, sto¬ Konzession (usw.), Präzedenzfall, Prozedur, Prozeß
ßen, stochern’). Beides im 18. Jh. ins Deutsche (usw.), Prozession, Rezession, Sezession, sukzessiv
entlehnt, wo das Substantiv mit allgemeinerer (usw.).
Bedeutung in die Gemeinsprache gelangt. Eine Abszisse/. 'Achsenabschnitt im Koordinaten¬
entsprechende Bedeutung von stechen liegt vor system’, fachsprachl. Entlehntaus neo-1. (linea)
in in See stechen. abscissa 'die Abgeschnittene (Linie)’, zu 1. ab-
Abstinenz/. 'Enthaltsamkeit (besonders in be¬ scindere 'abspalten, trennen’, zu 1. scindere (scis-
zug auf Alkohol)’. Im Mittelhochdeutschen ent¬ sum) 'zerreißen, spalten’ (s. auch ab-).
lehnt aus gleichbedeutend 1. abstinentia, einem Zum Etymon s. scheiden. - Schirmer (1912), 1.
Abt 7 Achse

Abt m. Aus kirchen-1. abbäs, Akk. abbätenr, afwesend, im 16. Jh. auch oberdeutsch. Parallel
dieses aus ntl.-gr. abbä\ ursprünglich nur als sind anwesend und anwesen, später Anwesenheit',
Anrede; aus aram. abbä 'Vater’ (zunächst ent¬ ursprünglich zu 1. adesse 'dabei sein’, dann vor
lehnt als Anrede für Gott im Gebet). Frühe allem Entsprechungen zu 1. praesens und 1.
Entlehnung in ahd. abbat, mhd. abbet, nndl. praesentia.
apt, abf, afr. abbed, ebbede; ae. abbad, ne. abbot. S. Wesen ( + ) und Anwesen.
Aus dem Altenglischen weiterentlehnt nschw.
ac- Präfix, s. ad-.
abbot und nisl. (anord.) äböti (umgedeutet zu
Accessoires PI. 'modisches Zubehör’, sonder-
'Verbesserer,’ zu der Sippe von büßen). Hierzu
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
Abtei, mhd. abbeteie, ahd. abbateia aus kirchen-
gleichbedeutend frz. accessoires, zu frz. acces-
1. abbatia (ahd. abbateia ist eine frühe Entleh¬
soire 'nebensächlich’, dieses aus ml. accessorius
nungsform des Suffixes, später an das aus dem
'zusätzlich’, aus I. accessus, dem PPP. von 1.
Französischen kommende -le angeglichen); und
accedere 'hinzukommen’, zu 1. cedere (cessum)
Abtissin, mhd. eppetisse, ahd. abbatissa aus kir-
'kommen; zuteil werden’ (s. auch ad-).
chen-1. abbatissa. Die Erweiterung mit -in seit
dem 15. Jh. Etymologisch verwandt: s. Abszeß.
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 19-23. -ach in Bach-, Fluß- und Ortsnamen, s. AufeJ.
Abteil n. Im 19. Jh. als Ersatzwort für Coupe ach Interj. Mhd. mndd. mndl. nndl. ach, ahd.
vorgeschlagen, und zwar als Maskulinum, ah 'ach’; auch nschw. ack, ndn. ak. Unklar ist
nachdem ein solches Wort in anderen Bedeu¬ der Zusammenhang mit ähnlichen Interjektio¬
tungen schon früher aufgetreten war. Das Wort nen außergermanischer Sprachen, vor allem lit.
wird durch den offiziellen Gebrauch in äk 'ach’ und air. uch, och, ach 'ach, weh’ und
Deutschland durchgesetzt, übernimmt aber von mit dem starken Verb ae. acan 'schmerzen’ (ne.
Coupe das neutrale Genus (und gelegentlich die ache 'Schmerz, schmerzen’). Schon in frühmit¬
Betonung auf der zweiten Silbe). telhochdeutscher Zeit auch substantiviert, heute
noch in Ach und Krach u. ä. Weiter hierzu äch¬
abträglich Adj. 'schädlich’. Bezeugt seit dem
zen (spmhd. ächzen, echzeri), eigentlich 'ach sa¬
16. Jh. Zu Abtrag 'Beeinträchtigung, Schädi¬
gung’; dieses zu abtragen. Die Art der bildlichen gen, stöhnen’.
Schwentner (1924), 17f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I,
Verwendung ist zwar klar, doch ist nicht ersicht¬
98f.
lich, in welchem Sachbereich oder welcher Si¬
tuation die spezielle Bedeutung 'Schaden, Achat m. (= ein Halbedelstein), fachsprachl.
schädlich’ entstanden ist. Im 12. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. achä-
tes, dieses aus gr. achates (dass.). Die weitere
Abtritt m. 'Klosett’, arch. Seit dem 16. Jh.
Herkunft ist nicht sicher geklärt.
Eigentlich 'Weggang, abgelegener Ort’ zu abtre¬
Lüschen (1968), 167f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 87.
ten in der Bedeutung 'weggehen’. Neuer austre¬
ten (s. d.). Achel /., s. Ähre.
S. Abort. acheln swV. 'essen’, ugs., reg. Aus rotw.
abtrünnig Adj. Mhd. abetrünnec, ahd. acheln, bezeugt seit dem 16. Jh., zu wjidd. achlen
ab(a)trunnTg, neben mhd. abtrünne, ahd. ab- 'essen’, dieses aus hebr. °akal 'essen’.
trunni. Vermutlich Adjektiv-Bildung oder No¬ Küpper (1955/70), I, 37; Wolf (1985), 32.
men agentis mit der Bedeutung 'Weggelaufener, Achillesferse /. 'wunder Punkt’, sonder-
Überläufer’. Bildungstyp unklar. Das Grund¬ sprachl. Nach einem griechischen Sagenmotiv,
wort wird unter entrinnen behandelt. demzufolge der Held Achill nur an einer Stelle
A-Buch n., s. Abc, Abece. seines Körpers, der Ferse, verwundbar war.

abwärts Adv., s. -wärts. Zu Achill: Littmann (1924), 50.

abwegig Adj. Bezeugt seit dem 15. Jh. Zu Achiss m., s. Essig.
Abweg 'Irrweg’ (auch 'Seitenweg’), also irrig Achse /. Mhd. ahse, ahd. as. ahsa aus wg.
(auch 'abliegend, umständlich’). Zu Weg (s. d.) *ahsö f. 'Achse’, auch in ae. eax; neben der
und ab (s. d.). /-Bildung *ahsula- (o. ä.) in anord. pxull; im
abwesend Adj. (PPräs.), Abwesenheit/. Schon Gotischen ist die Bedeutung nicht bezeugt.
Notker (um 1000) übersetzt 1. abesse 'fern sein, Außergermanisch ist das Wort gut vergleichbar,
fehlen’ mit ahd. abawesen. Während die finiten zeigt aber auch dort keinen einheitlichen mor¬
Formen keine große Rolle spielen, werden im phologischen Bau. Am weitesten verbreitet ist
Laufe der Zeit die Nominalformen wichtig: Seit *äksi- in 1. axis m., lit. ras, aruss. osi in gleicher
dem 14. Jh. abewesen, im 16. Jh. zu abwesenheit Bedeutung (lit. auch 'Klafter’); daneben *äkso-
verdeutlicht (vgl. zur Bildung Unwissenheit, in ai. äksa-, *äksön in gr. äxön, myk. a-ko-
Wohlhabenheit)-, seit dem 15. Jh. zunächst ndd. so-ne; eine (morphologisch nicht ausreichend
Achsel 8 Acht

klare) /-Bildung auch in kymr. echel. Lautlich Reichelt WS 12(1929), 112-114; Darms (1978),
und semantisch verwandt sind die Wörter für 143-157; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 114-116.
'Achsel’ (s. d.). Die Bildungverschiedenheit der acht Num. Mhd. aht, ahd. as. ahto aus g.
Wörter weist zurück auf ein konsonantisches *ahtau, auch in gt. ahtau, anord. ätta, ae. eahta,
**aks, das eine endungslose (etwa lokativische) afr. achta\ dieses aus ig. *oktöu 'acht’ in ai.
Bildung zu einem .j-Stamm **ages- 'Drehung, astäu, lit. astuoni, gr. oktö, 1. octö, air. ochf,
Schwingung’ zu ig. *ag- 'treiben, lenken’ (1. akslav. osmi ist sekundär umgeformt. Der auf¬
agere usw.) sein kann, wenn eine ursprüng¬ fällige Wortausgang läßt sich als Dualform er¬
lichere Bedeutung 'drehen, schwingen’ voraus¬ klären; das zugrundeliegende Wort müßte dann
gesetzt wird. In diesem Fall wäre **aks 'wo eine Bedeutung wie gr. palaste '(Handfläche),
die Drehung stattfindet’ und die verschiedenen Breite von vier Fingern’, avest. asta- 'kleines
Stammbildungen wären verschiedene Versuche, Längenmaß’, (avest. uz-asta- 'Länge von 8
die beschränkt verwendbare (Kasus-?) Form zu Fingerbreiten’) gehabt haben. Ein solches
einem vollen Substantiv umzugestalten. Bereits Grundwort kann in avest. astaii- und eventuell
alte Anwendungsbereiche sind 'Radachse’, einem zweiten Bestandteil von gr. palaste ge¬
'Achsel’ und wohl auch 'Zentrum des Sternen¬ sucht werden; andere knüpfen an das Zahlwort
himmels, Erdachse’. für 4 (*quetxvör) an oder an eine Wurzel *ok-
Nndl. as, nschw. axel, nisl. öxull; ne. axle ist aus dem 'spitzig’ (mit einer Bedeutung 'Spitzenreihe’,
Nordischen entlehnt. S. Achsel, Agenda ( + ), nämlich der 4 Finger der ausgestreckten Hand).
Antagonismus ( + ). - H. Reichelt WS 12(1929),
S. zu dieser Wurzel aber unter Ecke. — Die
112-114; Darms (1978), 143-157; E. Hamp ZVS
Ordnungszahl (der) achte zeigt ursprünglich
95 (1981), 81-83; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 113f.
eine Silbe mehr: mhd. ahtede, ahd. as. ahtodo
Achsel /. Mhd. ahsel, ahd. ahsala, as. ahsla vgl. gt. ahtuda. Diese dreisilbige Form ist seit
aus g. *ahslö f 'Achsel’, auf das auch anord. mittelhochdeutscher Zeit verkürzt worden; die
Qxl (femininer /-Stamm) und ae. eaxel zurück¬ Langform stirbt im 16. Jh. aus.
führen können; im Gotischen ist die Bedeutung
Nndl. acht, ne. eight, nschw. ätta, nisl. ätta. S. Oktober.
nicht bezeugt (nur amsa 'Schulter’). Zugehörig¬ Zu Achtel s. Teil, zu achtzig s. -zig. — F. Müller IF
keitsbildungen mit Virddhi gehen von einer 44(1926), 137 f.; H. Güntert WS 11 (1928), 142; W. B.
Form ohne / aus: ahd. uohasa (u. a.), mhd. Henning TPhS (1948), 69; E. A. Ebbinghaus BGDSL
uohse; ae. öcnsta (u. a.), anord. öst 'Achsel¬ 72 (1950), 319f.; H.-F. Rosenfeld WZUG 45 (1956/57),
höhle’, selten auch 'Fittich’, anord. 'Halsgrube’. 208; H. W. Bailey AsM 1 (1959), 23; Szemerenyi (1961),
Die ig. Form **aks 'wo die Drehung stattfindet’ 173; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 121 — 124.

(s. Achse) bekam im Germanischen und Lateini¬ Acht1/ 'Friedlosigkeit’, arch. Mhd. äht, echte,
schen eine /-Bildung, die auf die Bezeichnung ahd. ähta aus wg. *ähtö f. (älter *anhto) 'Fried¬
der Achsel spezialisiert wurde: neben dem ange¬ losigkeit’ auch in ae. öht, afr. acht(e). Dazu
führten g. *ahslö, 1. äla 'Flügel’ (aus *akslä), das Verbum ächten, mhd. ahten, echten ahd.
Diminutiv 1. axilla 'Achselhöhle’; die einfache ähten, as. ähtian, ae. ähtan, afr. achta, echta.
Bildung wurde dabei durch Polarisierung auf Die Acht (Friedlosigkeit) wurde von einem
die Bedeutung Radachse’ beschränkt — nur weltlichen Gericht verhängt. Der so Verurteilte
die Virddhibildung weist noch zurück auf die konnte straflos getötet werden. Im Mittelalter
alte Bedeutungsgleichheit. Umgekehrt hat im steht die weltliche Acht neben dem kirchlichen
Nordischen die /-Bildung das Grundwort in der Bann (vgl. in Acht und Bann tun). Außergerma¬
Bedeutung 'Achse’ verdrängt; der Unterschied nisch kann das Wort mit einer Reihe von laut¬
zwischen gxull und gxl dürfte darauf beruhen, lich und semantisch ähnlichen Wörtern vergli¬
daß die Körperteilbezeichnung auf eine Dual¬ chen werden, doch ist sowohl der Zusammen¬
form zurückgeht (so würde sich auch das femi¬ hang wie auch die Zugehörigkeit in allen Einzel¬
nine Genus erklären lassen). Entsprechende fällen unklar. Vgl. einerseits air. echt (aus
Körperteilbezeichnungen außerhalb des Ger¬ *anktu-) 'Mord, Totschlag’; heth. henkan 'Seu¬
manischen und Lateinischen sind ai. äksa-, das che, Tod’ (*henk-), andererseits gr. anänke
außer Achse auch Schlüsselbein’ (gewisserma¬ 'Notwendigkeit’.
ßen die Fortsetzung des Achselgelenks) bedeu¬ E. Polome RBPhH 30(1952), 462f.; E. Öhmann
tet, entsprechend auch das avest. Hapax asa- NPhM 66(1965), 517-519; Lloyd/Springer (1988ff.),
(das kaum Achsel bedeutet, wie aus etymologi¬ I, 118-120. Zur Sache: E. v. Künßberg: Acht (Weimar
schen Erwägungen angesetzt wird); und arm. 1910) und DRW I, 361-370.
anowt' 'Achselgrube’ (morphologisch unklare Acht2 f, arch. (in sich in acht nehmen usw.).
Zugehörigkeitsbildung); vielleicht auch air. ais Mhd. aht(e), ahd. ahta aus wg. *ahtö f 'Beach¬
'Rücken’ (wenn urspünglich 'Achsel’). tung (u. ä.), auch in ae. eaht. Hierzu das Ver¬
Nschw. axel, nisl. öxV, nndl. oksel Achselgrube’ ist bum achten 'beachten’, mhd. ahten, ahd. as.
lautlich von außerhalb beeinflußt. S. Achse. - H. ahtön, afr. achtia, ae. eahtian. Ohne Dentaler-
Achtel 9 addieren

Weiterung etwa gt. aha 'Sinn, Verstand’, gt. ah- als ac- vor /k/ (<c*) (vgl. Accessoires), als af-
jan 'meinen’. Weitere Herkunft unklar; viel¬ vor /{/ (z. B. A ffix), als ag- vor /g/ (z. B. Aggluti¬
leicht zu ig. *ak- 'scharf, spitzig’ (s. Ecke) mit nation), als ak- vor /k/, /ts/ (< c*, < z*) (z. B. akku¬
übertragener Bedeutung. rat, akzeptieren), als al- vor /l/ (z. B. Allianz),
Nndl. acht. S. Achtung, Obacht. — E. Öhmann NPhM als an- vor /n/ (z. B. Annonce), als ap- vor /p/
66(1965), 517 — 519; Lloyd/Springer (1988ff.), I, (z. B. Appell), als ar- vor /r/ (z. B. Arrest), als
116-118.
as- vor /s/ (z. B. assoziieren), und als at- vor /t/
Achtel m./n., s. acht und Teil. (z. B. Attraktion).
achten swV., s. Acht2. Adam m., sonder spracht. In der Bibel Name
ächten swV., s. Acht1. des ersten Menschen, zugleich hebräisches Wort
achter Adv. 'hinter’. Niederdeutsch für after. für 'Mensch, Mann’ ( ädäm). Verschiedene
S. aber und After. Wortverwendungen, die meist unmittelbar von
Bibelstellen abhängen: der alte Adam nach
Achtung/. Mhd. ahtunge, ahd. ahtunga. Ver¬
Röm. 6,6; den alten Adam ausziehen nach Kol.
balabstraktum zu achten (s. Acht2), das dessen
3,9 u. a. Geläufig seit Luther. Zu Adamsapfel
Grundwort Acht abgelöst hat.
(s. d.).
achtzig Num., s. acht und -zig.
Adamsapfel m. Wie nndl. Adamsappel, ne.
ächzen swV, s. ach.
Adam’s apple, nschw. adamsäpple, frz. pomme
Acker m. Mhd. acker, ahd. as. ackar aus g. dAdam, kymr. afal Adda usw. Die Bezeichnung
*akraz 'Acker’, auch in gt. akrs, anord. akr, ae. tritt zuerst im 15. Jh. im Gebiet der romani¬
cecer, afr. ekker, dieses aus ig. *agros (m.) 'Feld’ schen Sprachen auf. Alter (und entsprechend
in ai. äjra- 'Fläche, Ebene’, gr. agrös 'Feld, weit verbreitet) ist die Bedeutung 'Granatapfel’,
Land’, 1. ager 'Feld, flaches Land’. Das Wort auch Bezeichnung bestimmter Apfelsorten (hier
wird normalerweise als ro-Ableitung zu *ag- hat das Kompositionsglied Adam- eine ähnliche
'treiben, lenken’ gestellt, unter der Vorausset¬ Funktion wie Paradies- und soll nur die Vorzüg¬
zung, daß die Ausgangsbedeutung 'Weide’ war lichkeit der Frucht hervorheben). Da in arabi¬
(vgl. Trift zu treiben), die sich dann zu 'Acker’ schen medizinischen Schriften der Schildknor¬
entwickelte. Sachlich und semantisch ist diese pel als 'Granatapfel’ bezeichnet wird (pömum
Annahme unbefriedigend. Der Versuch von J. gränätum n. in der lateinischen Übersetzung)
Trier (s. u.) von einem r/«-Stamm *ager/n- 'um¬ übernahm Adamsapfel auf dem Wege der Lehn¬
hegter Platz’ (in gr. agön 'gehegter Kampfplatz’ bedeutung auch die heutige Bedeutung. Daran
und gr. agorä f. 'Versammlungsort’) auszuge¬ knüpft sich die Legende, daß diese Erhöhung
hen, liegt semantisch näher, ist aber nicht aus¬
der dem Adam im Hals stecken gebliebene Bis¬
reichend gesichert.
sen des verbotenen Apfels im Paradies sei. Das
S. Agronom ( + ). Nndl. akker, ne. acre (Flächenmaß),
seit dem 19. Jh. als Quelle angegebene hebr.
nschw. äker, nisl. akur. — H. Reichelt ZVS 46 (1914),
tappüPh haädäm (eigentlich 'Erhöhung beim
309 — 311; H. Frankel Gnomon 4 (1928), 566f.; A. Un-
gnad Language 13 (1937), 142—145; J. Trier BGDSL Mann’ umgedeutet zu 'Apfel des Adam’) ist
67 (1944), 126; P. Chantraine: Etudes sur le vocabulaire im Hebräischen selbst nicht nachweisbar. Erst
grec (Paris 1956), 33 -40; E. Mehl MS 71 (1961), 375f.; modern unter Einfluß der europäischen Spra¬
R. Anttila SUSA 80(1986), 15-27; Lloyd/Springer chen tappüah ha ädäm risön 'Apfel des ersten
(1988fr.), I, 40 - 42. Menschen’.
Ackermännchen n. 'Bachstelze’, reg. Bezeugt S. Adam.
seit dem 16. Jh. Der Vogel heißt danach, daß
adaptieren swV. 'anpassen’, fachsprachl. Ent¬
er im Frühjahr dem Pflug folgt, um Nahrung
lehnt aus gleichbedeutend 1. adaptäre, zu 1. ap-
zu finden.
täre (dass.) (s. auch ad-), einem Intensivum zu
Ackermennig m., s. Odermennig. 1. apere (aptus) (dass.).
ad- Präfix. Dient der Präfigierung von Ver¬ Morphologisch zugehörig: Adaptation, Adapter, Adap¬
ben, wobei ein (intensivierendes) Hinzukom¬ tion, adaptiv.
men zum Ausdruck gebracht wird; sekundär adäquat Adj. 'angemessen’, sonderspracht. Im
erscheint es in deverbalen Adjektiven und Sub¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend I. adaequä-
stantiven. Das Präfix wird in romanischen Wör¬ tus (eigentlich: 'angeglichen’), dem PPP. von 1.
tern ins Deutsche entlehnt; es geht auf funktio¬ adaequäre (-ätum) 'angleichen’, zu I. aequus
nal entsprechendes 1. ad- zurück, bei dem es
'gleich’.
sich ursprünglich um eine Präposition handelt.
Etymologisch verwandt: s. Äquator.
Es erscheint in unterschiedlicher lautlicher Um¬
gebung in verschiedenen Assimilationsformen: addieren swV. 'zusammenzählen, hinzufügen’.
Als a- vor allem vor /sk,sp,st/ (z. B. Aspiration), Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ad-
ade 10 Adjektiv

dere, zu 1. dare (datum) 'geben’ (s. auch ad-), erreicht’, dem PPP. von 1. adipiscT 'erlangen,
also 'hinzutun’. erreichen’, zu 1. apiscl 'erfassen, sich aneignen’.
Morphologisch zugehörig: Addition-, etymologisch ver¬ Zunächst 'jmd., der sich auf einem Gebiet viel
wandt: s. Datum. — Schirmer (1912), 2. Wissen angeeignet hat, Eingweihter’; heute
ade Part., s. adieu. scherzhaft meist junger Adept für einen Schüler
Adebar m., arch. Ein vor allem niederdeut¬ oder Neuling.
sches, aber auch in angrenzenden Gebieten be¬ Ader/. Mhd. äder, ahd. ädra aus einem wohl
zeugtes Wort für 'Storch’; vgl. nndl. ooievaar gemein-g. *ced(a)rö f. 'Eingeweide, Ader,
(dial. euver), mndl. mndd. odevare, and. odo- Sehne’ (die Einengung der Bedeutung ist erst
boro, odobero. Das offenbar schon früh un¬ neuhochdeutsch), auch in ae. cedre; anord. cedr
durchsichtig gewordene Wort wurde verschiede¬ zeigt eine Form ohne r (-r ist nur Nominativ-
nen lautlichen Umgestaltungen und Umdeutun¬ Zeichen), doch dürfte dies angesichts der ety¬
gen ausgesetzt. Sicher von Einfluß war die Deu¬ mologischen Zusammenhänge auf sekundärer
tung als 'Glücksbringer’ (zu g. *auda- 'Heil, Umdeutung beruhen. Zugrunde liegt ein wohl
Glück’ und *ber-a- 'tragen, bringen’, s. gebä¬ schon ig. *et-r- (r- oder r/n-Stamm) mit ver¬
ren)-, vgl. zu dieser auch die Verdeutlichung mit schiedenen Erweiterungen und morphologi¬
Heil- in ndl. dial. heil-uiver, doch scheint dies schen Umdeutungen; vgl. gr. etor n. 'Herz’,
bereits eine Umdeutung zu sein. Das Hinter¬ gr. etron n. 'Bauch, Eingeweide, air. inathar
glied kann zu *ber-a- 'tragen, bringen’ oder (mit ‘Eingeweide’. Falls avest. ätar- 'Feuer’ und die
niederdeutscher Inlautsentwicklung des f) zu Sippe von Atem (s. d.) zugehörig sind, ist von
*far-a- 'fahren’ gehören; das Vorderglied ist un¬ einer Bedeutung 'Wärme’ auszugehen, die sich
klar — ein Wort für 'Sumpf’ (Adebar also als einerseits (wie bei den keltischen Wörtern für
'Sumpfgänger’, was sachlich nahe liegen würde) 'Feuer’) zu 'Feuer’, andererseits zu 'Eingeweide’
läßt sich nicht ausreichend sichern. entwickeln konnte (vgl. zu diesem Bezeich¬
W. Krogmann Anglia 60(1936), 35-38 und KV NS nungsmotiv etwa Kaldaune, s. d.).
51 (1938), 71 -73. Nndl. oder, nschw. äder, nisl. ceö. — Lloyd/Springer
Adel m. Mhd. adel m./n., ahd. adal aus g. (1988ff.), I, 54-57.

*apala- n., das sonst nur in anord. adal n. be¬ Adhortativ m. 'Modus des Ermahnens’, fach-
zeugt ist, als Vorderglied auch im Altsächsi¬ sprachl. Entlehnt aus 1. (modus) adhortätlvus
schen und vielleicht in gotischen Namen (Atha- 'ermahnend’, dem PPP. von 1. adhortäri, zu 1.
larieus) auftritt, aber durch seine Ableitungen hortäri 'ermuntern, ermahnen’ (s. auch ad-).
überall außer im Gotischen vorausgesetzt wird. adieu Part. (= ein Abschiedsgruß), reg. Im
Die Bedeutung fallt auseinander, läßt sich aber 17. Jh. entlehnt aus frz. adieu 'zu Gott, Gott
einerseits auf 'Geschlecht, Herkunft’, anderer¬ befohlen’, einer Zusammenrückung von frz. ä
seits auf 'Art, Wesen, natürliche Beschaffenheit’ dieu 'zu Gott’, dieses aus gleichbedeutend 1. ad
zurückführen. Zu der Ableitung *apalja- s. un¬ deum. Die Variante ade beruht auf der älteren,
ter edel\ eine Virddhi-Bildung liegt offensicht¬ schon mittelhochdeutschen Entlehnung (wohl
lich vor in *öpala- (n.) 'Odal, Erbbesitz, Her¬ aus nordfrz. ade), die dann, vor allem im Süd¬
kunftsort’ in ahd. uodil, as. ööil, afr. ethel, ae. westen, in die Mundarten zurückgedrängt
äöel, anord. ööal. Dieses Wort ist auch in Na¬ wurde. Aus einer weiteren Variante wallon. ad-
men häufig (Ulrich)', seine Abgrenzung von der juus (vgl. span, adiös) kommen adjüs, adjes, tjüs,
Verwandtschaft des gt. haimopli 'Landbesitz, tschüs, letzteres vor allem nord- und mittel¬
Heimat’, das semantisch zu Heimat (s. d.) ge¬ deutsch.
hört, ist unklar. Die verschiedenen Versuche
Etymologisch verwandt: ade, Diva; zum Etymon s.
einer Etymologie können nicht voll überzeugen; Dienstag. Ersatzwort ist Lebewohl. — K. Prause: Deut¬
am besten Szemerenyi (s. u.), der von einem sche Grußformeln (Breslau 1930); R. Brunner WZUR
Kompositum **at-al- ausgeht zu *at(i) 'weg, 5(1955/56), 205-208; Kretschmer (1969), 75; E. Öh-
über-4 hinaus’ und *al-a- 'nähren, wachsen’, mann in: FS Foerste (1970), 198-200; B. Paraschke-
wobei zu vergleichen wäre 1. ind-oles 'angebo¬ wow BGDSL-H 93 (1972), 299-307; Jones (1976),
rene Anlage’, 1. pröles 'Sprößling, Nachkomme’ 84f.; R. A. Wolf ZDL 44 (1977), 81 —84.
und I. sub-o/es 'Sproß, Nachkommenschaft’, Adjektiv n. 'Eigenschaftswort’, fachsprachl.
evtl, auch toch. A. ätäl 'Mann’. Entlehnt aus spl. (nomen) adiectivum 'Wort,
Nndl. adel. — O. Behaghel: Odal (München 1935); O. das hinzugefügt werden kann’, zu 1. adiectum,
Szemerenyi Word 8 (1952), 42; H. Zutt: Adel und Edel dem PPP. von 1. adicere 'hinzufügen’ (eigentlich
(Mannheim 1956); W. Betz in: FS Hommerich (1962),
hinzu-werfen’), zu 1. iacere (iactum) 'werfen,
9f.; Hoops (1973ff.), I, 58-77; Darms (1978),
schleudern’ (s. auch ad-).
192 — 207; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 44 — 48.
Etymologisch verwandt: Injektion (usw.), [Interjek¬
Adept m. 'Eingeweihter, Schüler, Jünger’, tion], [Jet], Jeton, Konjektur (usw.), Objekt (usw.),
sonder spracht. Entlehnt aus 1. adeptus 'erlangt. Projekt (usw.), Projektil, Subjekt (usw.), Sujet, Trich-
Adjunkt 11 adrett

ter. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 51; E. Leser allgemeinen Bedeutung 'Oberbefehlshaber (der
ZDW 15(1914), 45.
Sarrazenen)’ entlehnt, wurde aber nach dem 16.
Adjunkt n./m. 'Hinzufügung, (veraltet:) Jh. durch die Neuentlehnung verdrängt.
(Amts-)Gehilfe’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. Etymologisch verwandt: Emir. — Littmann (1924), 69,
adiünctus 'eng verbunden’, dem PPP. von 1. ad- 96; Lokotsch (1975), 6.; P. Kunitzsch ADA 94(1983),
iungere 'anfügen, hinzufügen, verbinden’, zu 1. 108f.

iungere (iünctum) 'verbinden, vereinigen’ (s. Adoleszenz /. 'Alter zwischen Kindheit und
auch ad-)', in der wörtlichen Bedeutung 'anspan¬ Erwachsensein’, fachsprachl. Entlehnt aus
nen, ins Joch spannen’ (vgl. I. iugum n. 'Joch’). gleichbedeutend 1. adolescentia, einem Abstrak¬
Etymologisch verwandt: s. Konjunktion. tum zu 1. adolescere 'heranwachsen’, zu 1. alere
'nähren, ernähren; großziehen’.
Adjutant m. 'Hilfsoffizier’, fachsprachl. Im 17.
Etymologisch verwandt: s. Alimente.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. adjudant,
dieses aus span, ayudante (eigentlich: 'Helfer, Adonis m. 'schöner Mann’, sondersprachl. Im
Gehilfe’), einem Nomen agentis zu span, ayudar 18. Jh. entlehnt aus gr. Adonis, dem Namen
'helfen’, aus 1. adiütäre 'helfen, unterstützen’, eines Jünglings der griechischen Sagenwelt, der
zu 1. adiuväre (dass.), zu 1. iuväre 'unterstützen, von der Göttin Aphrodite wegen seiner beson¬
helfen’ (s. auch ad-). Das d der neueren französi¬ deren Schönheit geliebt wurde. Das Wort wird
schen Form geht auf eine Angleichung an das schon in der Antike als Appelativum verwendet.
lateinische Wort zurück. Littmann (1924), 22f.

Adlatus m. 'Helfer, Amtsgehilfe’, arch. Gebil¬ adoptieren swV. 'an Kindesstatt annehmen’.
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. adop-
det nach 1. ad latus 'zur Seite’ (d. h. im übertra¬
täre (eigentlich: 'hinzuwählen’), zu 1. optäre
genen Sinne 'zu Hilfe’), zu 1. latus 'Seite’.
'wählen, wünschen’ (s. auch ad-).
Etymologisch verwandt: s. lateral.
Morphologisch zugehörig: Adoption; etymologisch
Adler m. Eine seit dem 12. Jh. belegte Ver¬ verwandt: s. Option. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
deutlichung adel-are 'edler Aar’ (s. Aar); zu¬ 07), 51; Hoops (1973ff.), I, 83-85.
nächst vermutlich ein technischer Ausdruck der Adrenalin n. 'Hormon des Nebennieren¬
Falknerei. Mindestens gleichzeitig belegt ist marks’, fachsprachl. Neubildung zu 1. renälis
gleichbedeutendes afrz. alerion, das (trotz laut¬ 'die Nieren betreffend’ (s. auch ad-), zu 1. ren
licher Schwierigkeiten) als aus dem Fränkischen m. 'Niere’.
entlehnt gilt. Adresse/. 'Anschrift’. Im 18. Jh. entlehnt aus
Nndl. adelaar (poet.). — Suolahti (1909), 345 — 352;
gleichbedeutend frz. adresse (eigentlich: 'Rich¬
Hoops (1973ff.), I, 79-81.
tung’), zu frz. adresser 'etwas an jmd. richten’,
Administration /. 'Verwaltung’, fachsprachl. aus spl. *addlrectiäre 'ausrichten’, zu 1. directus,
Entlehnt aus 1. administrätio (-önis) 'Verwal¬ dem PPP. von 1. dlrigere 'gerade richten, aus¬
tung, Besorgung’ (eigentlich: 'Dienstleistung’), richten’ (s. auch ad-), zu I. regere (rectum)
zu 1. administräre 'verwalten, besorgen, ausfüh¬ 'leiten’ (s. auch dis-). In der Bedeutung 'an eine
ren’, zu 1. ministräre 'bedienen, darreichen, ver¬ hochgestellte Persönlichkeit gerichtetes Schrift¬
schaffen’ (s. auch ad-), zu 1. minister 'Diener, stück’ im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Gehilfe’, dieses wohl zu 1. minus 'weniger’ als ne. address gleicher Herkunft.
'der Geringere’. Morphologisch zugehörig: Adressat, adressieren; ety¬
Etymologisch verwandt: s. minus. — K. H. Feldmann mologisch verwandt: adrett, alert, arrogant, direkt
ZDW 8(1906/07), 51; K.-H. Weinmann DWEB (usw.), Direktor, dirigieren (usw.), Dreß, dressieren
2(1963), 385. (usw.), Eskorte (usw.), interrogativ, korrekt (usw.), Ma¬
haradscha, Pergola, Regel, Regie (usw.), regieren
Admiral m. (= Titel eines hohen Marineoffi¬ (usw.), Regime, Regiment, Region (usw.), regulieren
ziers). Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend (usw.), Reneklode, Ressourcen, Surrogat (usw.); zum
frz. admiral, neben älterem amiral, das sich im Etymon s. recht. Ersatzwort ist Anschrift. — W. Feld¬
Französischen später durchsetzt (das d wohl mann ZDW 8 (1906/07), 51; Schirmer (1911), 7; Ganz
durch Anknüpfung an 1. admirärl 'bewundern ); (1957), 28; Jones (1976), 85f.; Brunt (1983), 119f.
dieses aus arab. amlr 'Befehlshaber’, das seit adrett Adj. 'nett, ordentlich’. Im 17. Jh. ent¬
dem 10. Jh. in der lateinischen Form amiratus lehnt aus gleichbedeutend frz. adroit, dieses aus
u. ä. als Bezeichnung afrikanischer und mor¬ spl. *addirectus 'ausgerichtet, wohlgeführt’, zu
genländischer Herrscher erscheint. Es wird 1. directus, dem PPP. von 1. dlrigere 'gerade
dann in Italien auch für einheimische Würden¬ richten, ausrichten’ (s. auch ad-), zu 1. regere
träger gebraucht und dann auf den Befehlsha¬ (rectum) 'leiten’ (s. auch dis-). Deutsche Schrei¬
ber der Flotte eingeengt. Die verschiedenen bung und Aussprache nach der französischen
Wortausgänge beruhen wohl auf nachträglicher Aussprache zur Zeit der Entlehnung.
Suffixanpassung. Das Wort wurde bereits im Etymologisch verwandt: s. Adresse. — Brunt (1983),
12. Jh. als amiral, ammiralt, admirät u. ä. in der 121.
Advent 12 Affront

Advent m. 'Zeit vor Weihnachten’. Im Mittel¬ wie in anderen europäischen Sprachen (mit an¬
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1. deren Wörtern für Affe)', es wird zurückgeführt
adventus (eigentlich: 'Ankunft [Christi]’), dem auf eine Homonymie im cechischen (opice f.
Verbalabstraktum zu 1. adventre 'ankommen’, 'Affe’ und opit se 'sich betrinken’) oder auf
zu 1. venire (ventum) 'kommen’ (s. auch ad-). verschiedene Wirkungen des Alkohols, ausge¬
Etymologisch verwandt: Abenteuer, eventuell (usw.), drückt durch Vergleich mit Tieren (so R. Riegler
Intervention (usw.), Inventar (usw.), Konvenienz, Kon¬ s. u.). — Affe 'Tornister’ in der Soldatensprache
vent, Konvention, Parvenü, präventiv (usw.), Prove¬ seit 1800. Vielleicht scherzhafte Variation zu
nienz, Souvenir, Subvention', zum Etymon s. kommen.
älterem Katzbalg 'Tornister’ (s. katzbalgen).
Adverb n. 'Umstandswort’, fachsprachl. Im Nndl. aap, ne. ape, nschw. apa, nisl. api. S. Schlaraffe.
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (nomen) - R. Riegler WS 6 (1914/15), 194-196; Lloyd/Sprin¬
adverbium (eigentlich: 'das zum Verb gehörende ger (1988fT.), I, 58f. Zu Affe Rausch’ vgl. Steinhäuser
Wort’), zu 1. verbum 'Wort, Zeitwort’ (s. auch (1962), 16.
ad-). Affekt m. 'Erregung, Gemütsbewegung’. Im
Etymologisch verwandt: s. Verb. — W. Feldmann 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. affectus,
ZDW 8 (1906/07), 51; E. Leser ZDW 15 (1914), 45. dem Verbalabstraktum zu 1. afficere 'hinzutun,
Advokat m. 'Anwalt’, arch., reg. Im 15. Jh. einwirken, anregen’, zu 1. facere (factum) 'ma¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. advocätus (ei¬ chen, tun’ (s. auch ad-). Das Verbum ist als
gentlich: 'der Herbeigerufene’), dem substanti¬ afßzieren entlehnt.
vierten PPP. von 1. advocäre 'herbeirufen’, zu 1. Morphologisch zugehörig: affektiert', etymologisch
voeäre (vocätum) 'rufen’ (s. auch ad-), zu 1. vöx verwandt: s. Fazit. - W- Feldmann ZDW8 (1906/07),
(-öcis) 'Stimme’. Ursprünglich war der Advokat 51f.; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 175.

ein in Rechtssachen zugezogener Beistand, der Affenschande/., ugs. Bezeugt seit dem 19. Jh.
aus Freundschaft (oder gegen geringes Entgelt) Offenbar 'etwas, das selbst für die „notorisch
mit seinem Ansehen und juristischen Rat zur schamlosen” Affen eine Schande ist’.
Seite stand, aber kein juristischer Vertreter im Affirmation/., s.firmen.
heutigen Sinne des Wortes. Mit der späteren
Affix n. 'Wortbildungselement’, fachsprachl.
Professionalisierung der Rechtshilfe dann auch
Entlehnt aus 1. affixum 'das Angeheftete’, dem
entsprechender Bedeutungswandel.
substantivierten PPP. von 1. affigere 'anheften,
Etymologisch verwandt: s. Vokal, Vogt. Ersatzwort ist
an etwas befestigen’, zu 1. figere (fixum) 'befe¬
Rechtsanwalt. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 51.
stigen, heften’ (s. auch ad-).
af- Präfix, s. ad-, Morphologisch zugehörig: Kruzifix, Präfix, Suffix-,
Affäre/. 'Vorfall, Verhältnis’. Im 17. Jh. ent¬ etymologisch verwandt: s. fix.
lehnt aus gleichbedeutend frz. affaire, einer Zu- affizieren swV, s. Affekt.
sammenrückung aus frz. (avoir) ä faire 'zu tun Affodill m. (= ein lilienartiges Gartenge¬
(haben)’. Frz. faire 'machen, tun’ aus gleichbe¬ wächs mit vielen kleinen Wurzelknollen), fach¬
deutend 1. facere (factum).
sprachl. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
Etymologisch verwandt: s. Fazit. - Jones (1976), 86f.
aus gleichbedeutend 1. asphodelus, asphodilus,
Affe m. Mhd. affe, ahd. affo, as. apo aus dieses aus gr. asphödelos (dass.). Für die Form¬
wohl gemein-g. *apön- m., auch in anord. api, veränderung bei der Entlehnung wird die volks¬
ae. apa. Das Wort kann (zumindest in der Be¬ etymologische Anlehnung an Affe und Dill an¬
deutung Affe’) aus sachlichen Gründen nicht genommen.
alt sein; außergermanische Anschlüsse sind aber Affolter m., s. Apfel.
unsicher: Die lautlich vergleichbaren slavischen
Affrikate /. 'Verschlußlaut mit folgendem
Wörter (russ.-kslav. opica f. usw.) scheinen aus
Reibelaut (z. B. /pfD, fachsprachl. Entlehnt aus
dem Germanischen entlehnt zu sein; das von
1. affricäta (wörtlich: 'die Angeriebene’), dem
dem griechischen Lexikographen Hesych als
substantivierten PPP. von 1. affricäre 'anreiben’,
keltische Bezeichnung der Schwanzaffen ange¬
zu 1. fricäre (frictum) 'reiben’ (s. auch ad-).
gebene abränas ist vereinzelt und unklar. Viel¬
Morphologisch zugehörig: Frikativ; etymologisch ver¬
leicht aus einem weiter verbreiteten Wort für wandt: s. frottieren.
'Affe’ mit einem anlautenden k- (ai. kapi-, auch
Affront m. 'Schmähung, Beleidigung’, sonder-
in semitischen Sprachen, im Griechischen und
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Lateinischen). Der Anlautverlust könnte erklärt
frz. affront, zu frz. affronter 'auf die Stirn schla¬
werden, wenn das Wort aus dem Arabischen
gen, vor den Kopf stoßen, beschimpfen, beleidi¬
stammt, da im vulgären Arabischen bei diesem
gen , zu frz. front 'Stirn’, dieses aus 1. fröns
Wort ein Kehlkopfverschlußlaut statt des k- (-ontis) (dass.).
erscheint (Littmann [1924], 24f.; Lokotsch
Etymologisch verwandt: s. Front. - G. Schoppe ZDW
[1927], 85f.). — Affe 'Rausch’ seit dem 19. Jh. 15(1914), 175; Jones (1976), 87.
After 13 Agitation

After m. Mhd. after, ahd. aft(e)ro ist eine rer’, dann aber auch 'im staatlichen Auftrag
nur deutsche Substantivierung des ebenfalls nur tätiger Spion’.
deutschen Adjektivs ahd. aft(e)ro, mhd. after Morphologisch zugehörig: Agenda, Agens, Agentur,
'hinter, nachfolgend’, bedeutet also 'der Hin¬ agil, Akt, Akte, Aktion, aktiv (usw.); etymologisch ver¬
tere’ (vgl. Hintern), vielleicht Lehnübersetzung wandt: s. Agenda. — Schirmer (1911), 7; Jones (1976),
von 1. posteriora n. PI. Das Adjektiv wurde 88f.
gebildet aus dem g. Adverb *after- in gt. aftaro, Agentur /., s. Agent.
anord. eptir, ae. after, as. ahd. aftar 'hinter, Agglomerat n. 'Anhäufung, Zusammenbal¬
hinten’; dieses wiederum gehört zu ig. *op- 'hin¬ lung’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. agglomerätus
ten, hinter’, das unter aber behandelt wird. Ad¬ 'zusammengedrängt’, dem PPP. von 1. agglome-
verb und Adjektiv gehen im Deutschen schon räre 'dicht aneinanderdrängen’, zu 1. glomeräre
früh zurück, möglicherweise bedingt durch die (-ätum) 'zu einem Knäuel ballen’ (s. auch ad-),
als anstößig empfundene Bedeutung des Sub¬ zu 1. glomus 'Knäuel’.
stantivs. Ndd. Form: achter (s. d.).
Agglutination /. 'Verklebung, Aneinanderfü¬
S. auch ob-. — Lloyd/Springer (1988fT.), I, 63 — 67.
gung’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
Afterglaube m., s. Aberglaube. tend 1. agglütinätio, einem Abstraktum zu 1.
ag- Präfix, s. ad-. agglütinäre 'anleimen, ankleben’, zu 1. glütinäre
'leimen’ (s. auch ad-), zu 1. glitten, glütinum n.
Agave f. (= eine Pflanzengattung), fach-
'Leim, Kitt’.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
frz. agave, agave m., einer gelehrten Bildung zu Aggregat n. 'mehrgliedriges Ganzes’, fach¬
gr. agauös (agauS f.) 'edel, prächtig’; also 'die sprachl. Neolateinische Bildung des 19. Jhs. zu
Edle, Prächtige’. 1. aggregäre 'anhäufen, hinzuscharen’, zu 1. gre-
Littmann (1924), 151. gäre (-ätum) 'zu einer Herde scharen’ (s. auch
ad-), zu 1. grex (-egis) m.'Herde, Schar’.
-age Suffix. Dient zur Bildung von Substanti¬
Etymologisch verwandt: Allegorie, Gremium, Katego¬
ven, die eine Handlung (z. B. Massage zu mas¬
rie, Kongregation.
sieren) bezeichnen oder eine Sache als Kollekti-
vum erfassen (z. B. Trikotage zu Trikot). Man¬ Aggression /. 'feindselige Haltung, Angriff’.
che Ableitungen weisen beide Bedeutungen auf Im 19. Jh. entlehnt aus 1. aggressio 'Angriff’,
einem Abstraktum zu 1. aggredi 'heranschreiten,
(z. B. Drainage). Es gelangt seit dem Mittel¬
angreifen’, zu 1. gradi (gressus sum) 'schreiten,
hochdeutschen in französischen Lehnwörtern
ins Deutsche und geht auf 1. -äticum zurück, gehen’ (s. auch ad-).
Morphologisch zugehörig: aggressiv, Aggressor; ety¬
ursprünglich die Neutrumform von Adjektiven
mologisch verwandt: degradieren (usw.), Grad, grassie¬
auf 1. -äticus. Deutsche Bildungen erscheinen
ren, Ingredienz, Kongreß, progressiv (usw.), Regreß,
besonders in der Studentensprache (z. B. Bla¬ Regression.
mage), vor allem auch als Ulkwörter (z. B.
Ägide /. 'Obhut, Schirmherrschaft-’, sonder-
Schenk age).
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. aegis (-idis)
E. Öhmann: NPhM 75 (1974), 513 — 526.
'Schild des Jupiter und der Minerva, Schutz’,
Agenda /. 'Merkbuch, Liste, Verhandlungs¬ aus gr. aigis (-idos) 'Ziegenfell, Lederharnisch,
punkte’, schwz. Entlehnt aus 1. agenda 'Dinge, Sturmschild des Zeus und der Athena’. Die
die betrieben werden müssen’, dem Plural von weitere Herkunft ist umstritten (der Zusammen¬
1. agendum, dem Gerundivum von 1. agere (ac¬ hang mit gr. aix (-igös) 'Ziege’ ist nicht ein¬
tum) 'treiben, führen, in Bewegung setzen’. Das deutig).
Verbum ist ebenfalls entlehnt als agieren. agieren swV., s. reagieren.
Morphologisch zugehörig: Agens, Agent, Agentur, agil,
agil Adj. 'beweglich’, sonder spracht. Im 18.
Akt, Akte, Aktion, aktiv (usw.), agieren-, etymologisch
Jh. entlehnt aus frz. agile oder 1. agilis gleicher
verwandt: Aktie (usw.), aktuell (usw.), ambig, Axiom,
Essay, exakt, Examen (usw.), kaschieren (usw.), Navi¬
Bedeutung. Dieses zu 1. agere 'treiben, führen,
gation, reagieren (usw.), Redaktion (usw.), Transaktion-, in Bewegung setzen’ (s. Agenda, Agens).
zum Etymon s. Achse. — Schirmer (1911), 7. Agio n. 'Betrag über Nennwert’. Entlehnt aus
Agens n./m. 'treibende Kraft, Träger der gleichbedeutend it. aggio m., dieses aus gr.
Handlung’, fachsprachl. Entlehnt aus dem Par¬ (byz.) allägion (gr. allage f.) 'Tausch’. Dazu
tizip 1. agens (s. Agent) zu 1. agere 'treiben, Disagio für den 'Abschlag, um den der Kurs
führen, in Bewegung setzen’ (s. auch Agenda). hinter dem Nennwert zurückbleibt’ (s. auch
dis-).
Agent m. 'Vertreter, Spion’. Im 17. Jh. ent¬
lehnt aus gleichbedeutend it. agente, dieses aus Agitation /. 'aggressives Handeln zum Beein¬
1. agens (-entis), dem PPräs. von 1. agere (ac¬ flussen anderer’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt
tum) 'handeln’. Zunächst nur 'Geschäftsfüh- aus gleichbedeutend ne. agitation, dieses aus 1.
Agonie 14 Ahorn

agitatio (-onis) 'das In-Bewegung-Setzen’, zu 1. aber ab 1400 weicht das Wort vor dem klareren
agitäre 'schüren, betreiben, aufhetzen’. Großvater/Großmutter (s. d.) zurück.
Morphologisch zugehörig: agitato, Agitator, agitiert, S. Enkel1, Frauche, Herrche, Urahn. — Kuhberg
Agitprop. — Zu Agitator: Ganz (1957), 29f. (1933), 35; Müller (1979), 17-69; Lloyd/Springer
(1988ff.), I, 215-217.
Agonie /. 'Todeskampf, sehr große Angst’,
ahnden swV. 'strafen’, arch., fachsprachl. Mit
sonderspracht. Entlehnt aus gleichbedeutend
unregelmäßiger Vokaldehnung aus mhd. anden,
kirchen-1. agönia, dieses aus gr. agönia 'Kampf,
ahd. anton 'rächen, strafen, tadeln’, as. andon
Wettkampf, Angst, Beklemmung’, zu gr. agön
'eifern’, ae. andian 'neidisch, eifersüchtig sein’,
nt. 'Kampf, Wettkampf, Versammlung’, zu gr.
also wg. *and-ö-; dieses offenbar zu ahd. anto,
ägein 'führen, schreiten, marschieren’.
as. ando, ae. anda 'Zorn, Eifer, Neid’, auch
Morphologisch zugehörig: Agon, agonal, Agonist; ety¬
(ahd.) 'Strafe’. Unklar ist das Verhältnis zu ahd.
mologisch verwandt: s. Antagonismus.
anado, anadon ähnlicher Bedeutung (selten, in
Agraffe /. 'Spang€, fachsprachl. Im 17. Jh. Glossen), ae. anoöa. Mit Rücksicht auf die Be¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. agrafe (eigent¬ deutungsverzweigung von 1. animus ('Hauch,
lich: 'Haken’), zu frz. agrafer 'anhaken, einha¬ Mut, Stolz, Leidenschaft usw.’) kann an g.
ken’, das vermutlich auf ein germanisches Wort *an-a-, ig. *and- 'atmen’ angeknüpft werden,
zurückgeht. doch reicht diese Annahme allein noch nicht
Brunt (1983), 122. für die Erklärung der Bedeutung aus (hat etwa
eine Entsprechung von gr. önomai 'ich tadle’
agrar- Präfixoid 'die Landwirtschaft betref¬
eine Rolle gespielt?).
fend’. Entlehnt aus 1. agrärius 'den Acker(bau)
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 221—224.
betreffend’, zu. 1. ager 'Acker’.
Etymologisch verwandt: s. Agronom. ahnen swV. Seit dem 12. Jh. (mhd.) ez anet
mir (oder mich) aus dem Adverb ane 'an’ gebil¬
Agronom m. 'Landwirt mit akademischer det (vgl. es kommt mich an). Seit dem 14. Jh.
Ausbildung’, fachsprachl. Entlehnt aus frz. mit persönlicher Konstruktion (ich ahne usw.).
agronome 'Ackerbaukundiger’, dieses aus gr. In Mundarten, die nach Vokalsynkope zusam¬
(ep.) agronömos 'Aufseher über die Stadtlände¬ menstoßende Dentale vereinfachen (bint aus
reien’, wohl einer Substantivierung von gr. bindet), entsteht schon im 13. Jh. die hyperkor¬
(poet.) agrönomos 'ländlich, feldbewohnend’, zu rekte Form anden, später ahnden; sie ist aber
gr. agrös 'Acker, Feld, Land’ und gr. nömos wegen des Gleichklangs mit ahnden 'strafen’
'Brauch, Sitte, Satzung, Gesetz, (wörtlich:) Zu¬ wieder untergegangen.
geteiltes’, zu gr. nemein 'teilen, abteilen, zu- Stammler (1954), 141 — 144; zu ahnden: V. Moser ZM
teilen’. 14 (1938), 65.
Morphologisch zugehörig: Agronomie; etymologisch ähnlich Adj. Mhd. anelich, ahd. analih (nur
verwandt: agrar-; zum Etymon s. Acker. als Abstraktum analihhi n. u. a. belegt), wie
Agstein m., s. Bernstein. in gt. analeiko Adv. Eigentlich 'dessen Gestalt
(*leika~) nahe dar an ist’. Die fnhd. Form ein-
Ahle /. Mhd. äle, ahd. äla aus wg. *älö f. lich mit gleicher Bedeutung beruht wohl auf
'Ahle’, auch in ae. cel; dieses aus ig. *elä gleicher sekundärer Umdeutung.
Bedeutung, auch in ai. ärä. Daneben Formen Anders: O. Höfler in: FS Kralik (1954), 39—41.
mit kurzem a: anord. alr, ahd. alansa u. a. Her¬
Ahorn m. Mhd. ahd. as. ahorn neben n-losen
kunft unklar. Unklar ist auch der Zusammen¬
Formen in mundartlich Are (usw.), ndn. eer.
hang mit ähnlichen Wörtern der finnisch-
Aus diesen Formen läßt sich ein west-ig. *akr
ugrischen Sprachen (kulturelles Wanderwort 'Ahorn’ erschließen, das auch in 1. acer n. (1.
oder Entlehnungen aus dem Indischen in die aeernus 'aus Ahorn’) und gr. (Hesych) äkastos
finnisch-ugrischen Sprachen?). (vermutlich aus *akr-sto-) bezeugt ist. Falls es
Nndl. eis, ne. awl (aus dem Nordischen), nisl. alur. - sich um ein Erbwort handelt, dürfte es aus ig.
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 135f. *aker- 'Spitze’ oder einer damit zusammenhän¬
Ahn m. Mhd. an(e), ahd. ano. In dieser Be¬ genden Bildung abgeleitet sein (das Benen¬
deutung ('Vorfahr’) auf das Deutsche be¬ nungsmotiv wäre also die Form der Blätter).
Zu dieser Wurzel s. Ecke. Es gibt aber Hinweise
schränkt. Weiter verbreitet ist ein ig. *han- mit
darauf, daß es sich um ein vorindogermanisches
der Bedeutung alte Frau’. Herkunft dunkel,
Wanderwort handeln könnte; so das daneben¬
vielleicht Lallwort. In der Bedeutung 'Großva¬
stehende gr. (Hesych) äkarna 'Lorbeer’ und bal¬
ter, Großmutter’ fehlt dem Wort zunächst eine
tische und slavische Formen, die in ihrer Her¬
Unterscheidungsmöglichkeit zwischen maskuli- kunft unklar sind.
num und femininum. Diese wird nachträglich
S. Ähre, Akrobat, Akronym, akut. — 1. Nordstrandh
eingeführt (Ähni/Ahne, Ahnherr/Ahnfrau usw.), NM 5 (1949), 148-173; W. Mitzka: Der Ahorn (Gies-
Ähre 15 Akkusativ
sen 1950); Hoops (1973fT.), I, 115f.; Lloyd/Springer
akklimatisieren swV., s. Klima und ad-,
(1988ff.), I, 110-113.
akkomodieren swV, s. kommod und ad-.
Ähre/. Mhd. eher n., ahd. ehir, ahar n. führt
zusammen mit gt. ahs, anord. ax und ae. ear akkompagnieren swV., s. Kompagnon und ad-,
zurück auf einen g. j-Stamm *ahaz- n., aus Akkord m. 'Zusammenklang mehrerer Töne;
weur. *akos- n, auch in 1. acus, (aceris) n. Stückarbeit, Stücklohn; Vereinbarung’. Im 17.
'Granne, Spreu’ und gr. akostt 'Gerste’ ( = Jh. entlehnt aus frz. accord 'Übereinstimmung,
'die Grannige’). Mit anderem Suffix sind gebil¬ Abkommen’, einem postverbalen Nomen zu frz.
det ahd. ahil und mit grammatischem Wechsel accorder 'ein Abkommen schließen’, über spl.
tnhd. agel, nhd. Achel (mit ch als norddeutscher *accordäre (dass.), einer Entsprechung zu 1. con-
spirantischer Aussprache des g) 'Ährenspitze’, cordäre 'sich in Einklang befinden, versöhnen’
ae. egl(e) 'Granne’. Gemeint sind also jeweils (s. auch ad-), zu 1. cor (-rdis) n. 'Herz, Stim¬
die Grannen, so daß die Wörter wohl mit ig. mung (u. a.)’. Im 19. Jh. kommt zu der allgemei¬
*ak- 'Spitze, spitzig’ (etwa in gr. äkron n. 'das nen Bedeutung 'Abkommen’ die speziellere Be¬
äußerste Ende, Spitze’) Zusammenhängen. deutung 'Vereinbarung zur Bezahlung nach
Nndl. aar, nschw. nisl. ax. S. Ahorn ( + ), Ecke, Hachel, Stückzahl (usw.)’ hinzu, mit der diese Form
Hülst. — Lloyd/Springer (1988fT.), I, 95 — 98. von Bezahlung gegenüber Zeitlohn begrifflich
Ähren m., s. Ern. abgegrenzt wird. Die musikalische Bedeutung
ak- Präfix, s. ad-. seit Beginn des 18. Jhs. nach frz. accord (dass.),
so bezeichnet nach dem wohlgefügten Zusam¬
Akademie f. 'Vereinigung von Künstlern oder
menklang von Tönen. In dieser Bedeutung
Gelehrten, Forschungs- und Lehreinrichtung’.
dürfte beim frz. Wort eine Vermengung mit frz.
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Aca-
corde f. 'Saite’, aus 1. chorda f. (dass.), vorliegen,
demia, dieses aus gr. Akademeia (dass.). Im
was sich vor allem in der Bedeutung 'ein Instru¬
Griechischen ist es zunächst Name eines vor
ment stimmen’ zeigt, die der Bedeutung 'Zu¬
Athen gelegenen Tempelbezirks, der — mögli¬
sammenklang’ vorausgeht.
cherweise volksetymologisch — auf den Namen
des Heros Akädemos zurückgeführt wird. Eine Morphologisch zugehörig: Akkordeon, akkordieren;
etymologisch verwandt: Courage (usw.), Konkordanz,
von Platon in der Nähe eingerichtete Schule
Konkordat, Rekord', zum Etymon s. Herz. — Schirmer
erhält den Namen des Bezirks, den sie auch
(1911), 8; Eggebrecht (1955), 20f.; Jones (1976), 81f.
nach der Verlegung an einen anderen Ort beibe¬
hält. Dann Übergang des Propriums in ein Ap- Akkordeon n. 'Handharmonika’, fachsprachl.
pellativum. Die Bedeutung 'Vereinigung von Bezeichnung eines im 19. Jh. entwickelten
Gelehrten’ vor allem unter Einfluß von frz. Musikinstruments, dessen Bässe in Akkorden
academie. angeordnet sind. Die ursprüngliche Bezeich¬
Morphologisch zugehörig: die neo-1. Bildungen Akade¬ nung war Akkordion (wohl nach dem älteren
miker, akademisch. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Orchestrion, die Endung -eon in Anlehnung an
07), 50; O. Immisch: Academia (Freiburg/Br. 1924); die französische Form).
K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 386. Etymologisch verwandt: s. Akkord.
Akazie /. (= eines der Mimosengewächse), akkreditieren swV., s. Kredit und ad-,
auch 'Robinie’, fachsprachl. Entlehnt aus gleich¬
akkumulieren swV. 'anhäufen’, sonderspracht.
bedeutend 1. acacia, dieses aus gr. akakia (dass.)
Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleich¬
Akelei /.,fachsprachl. Mhd. ageleie, ahd. aga- bedeutend 1. accumuläre, zu 1. cumuläre 'häufen,
leia ist entlehnt aus ml. aquileja u. ä. unbekann¬ steigern’ (s. auch ad-), einer Ableitung von 1.
ter Herkunft (vielleicht zu 1. aquila 'Adler’ we¬ cumulus 'Haufe’.
gen der krallenförmig gekrümmten Honigblät¬ Morphologisch zugehörig: Akkumulation, Akkufmula-
ter oder zu spl. aculeus m. 'Stachel’ wegen des tor) 'Energiespeicher’; etymologisch verwandt: s. ku¬
oft stark gebogenen Sporns). Die heutige Laut¬ mulieren.
form ist vom Niederdeutschen beeinflußt. Echt
akkurat Adj. 'sehr genau’, sonder spracht. Im
hd. Aglei.
17. Jh. entlehnt aus 1. accürätüs 'sorgfältig, ge¬
Nndl. akelei. - Marzeil (1943/79), I, 359f.; Lloyd/
nau’, dem PPP. von 1. accüräre 'mit Sorgfalt
Springer (1988ff.), I, 76f.
erledigen’, zu 1. cüräre 'für etwas bzw. jmd.
Akklamation /. '(Abstimmung per) Beifall’,
Sorge tragen’ (s. auch ad-), zu 1. cüra 'Sorge,
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Sorgfalt, Augenmerk’.
deutend 1. acclämätio (-onis) (häufig auch Aus¬
Morphologisch zugehörig: die französisierende Bil¬
druck des Mißfallens), einem Abstraktum zu 1.
dung Akkuratesse; etymologisch verwandt: s. Kur.
acclämäre 'zurufen’, zu 1. clämäre 'laut rufen,
schreien’ (s. auch ad-). Akkusativ m. (= 4. Fall der Deklination),
Morphologisch zugehörig: akklamieren; etymologisch fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
verwandt: s. deklamieren. lehnt aus gleichbedeutend 1. (cäsus) accüsätivus
Akne 16 Akustik

'(wörtlich:) der eine Anklage ausdrückende Akte/., selten Akt m. (gewöhnlich PI. Akten)
Fall’, dem Adj. zu 1. accüsäre 'anklagen, be¬ 'Schriftstück, Schriftverkehr’. Zunächst in latei¬
schuldigen’, einer Zusammenbildung von 1. nischer Form entlehnt aus äcta (PI.) 'das Ver¬
causa f. 'Grund, Schuld, Umstand’ und ad- handelte’ (zu 1. agere [äctum] 'treiben, handeln,
(s. d.). Die lateinische Bezeichnung ist eine verhandeln’). Im 16. Jh. eingedeutscht, doch
Lehnbildung zu gr. he aitiakö ptösis/., das die¬ bleibt die Formel ad äcta 'zu den Akten’ bis
sen Kasus inhaltlich als den Fall des affizierten heute.
bzw. effizierten Objekts charakterisiert. Bei der Etymologisch verwandt: s. Agenda. — Ganz (1957),
Übertragung ins Lateinische wird die Mehrdeu¬ 31 f.
tigkeit von gr. aitiätikös, das neben 'ursächlich’ Aktie /. 'Wertpapier’. Im 15. Jh. entlehnt
auch 'die Anklage betreffend’ bedeuten kann, aus nndl. actie 'Anrecht’, aus 1. äctiö (-önis)
zur Wahl des Übersetzungsäquivalents herange¬ 'klagbarer Anspruch; Handlung (u. a.)’, einem
zogen und 1. accüsätivus mit einer Lehnbedeu¬ Abstraktum zu 1. agere (äctum) 'handeln, tun’.
tung versehen. Die Bedeutungsentwicklung vollzieht sich über
E. Leser ZDW 15(1914), 53. 'Dividendenanspruch’ hin zu 'Urkunde, die die¬
sen Anspruch bescheinigt’.
Akne /. 'Erkrankung der Talgdrüsen; (da¬
Morphologisch zugehörig: Aktionär, etymologisch ver¬
durch hervorgerufene) Pusteln, Mitesser’, fach-
wandt: s. Agenda. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gr. akme 'Höhe¬ 50f.; Schirmer (1911), 9.
punkt, Spitze’; so benannt wegen der kleinen
Aktion /. 'Handlung, Maßnahme’. Im Früh¬
Erhebungen auf der Haut. Das /n/ beruht wohl
neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
auf einer lautlichen Anpassung.
tend 1. äctiö (-önis), einem Abstraktum zu 1.
Akribie /. 'Sorgfalt’, sonder spracht. Im Früh¬ agere (äctum) 'handeln, tun’.
neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ Etymologisch verwandt: s. Agenda. — W. Feldmann
tend kirchen-1. acribia, dieses aus gr. akrtbeia ZDW 8 (1906/07), 51.
(dass.), einem Abstraktum zu gr. akrtbes 'genau, aktiv Adj. 'tätig, tatkräftig’. Im 17. Jh. ent¬
sorgfältig’, ursprünglich ein Handwerkswort lehnt aus gleichbedeutend 1. äctlvus, zu 1. agere
'festsitzend auf etwas’. (äctum) 'handeln, tun’.
D. Kurz: Akribeia (Göppingen 1970). Morphologisch zugehörig: Aktiv 'Diathese des Han¬
Akrobat m. 'Artist’. Im 19. Jh. entlehnt aus delns’, Aktiva, aktivieren, Aktivität', etymologisch ver¬
wandt: s. Agenda. — W. J. Jones SN 51 (1979), 248.
frz. acrobate m./f. 'Seiltänzer’, dieses aus gr.
akröbatos 'jmd., der Kunststücke macht’, zu gr. aktivieren swV., s. aktiv.
äkros 'spitz’ und gr. bainein (batös) 'gehen’. aktualisieren swV., s. aktuell.
Das Gehen auf Zehenspitzen wird im Griechi¬ aktuell Adj. 'neu, zeitgmäß, modisch’. Im 18.
schen in einer Pars-pro-toto-Übertragung zur Jh. entlehnt aus frz. actuel 'wirklich, für die
Charakterisierung der Artisten herangezogen. Gegenwart wichtig’, dieses aus spl. äctuälis
Zunächst nur in der Bedeutung 'Seiltänzer’, (dass.), zu 1. agere (äctum) 'handeln, tun’. Die
dann Bedeutungserweiterung auf alle Artisten Bedeutungsentwicklung verläuft von 'wirklich’
mit besonderer körperlicher Geschicklichkeit. über 'gegenwärtig wirklich’ hin zu 'zum gegen¬
Etymologisch verwandt: s. Ahorn und Basis. wärtigen Zeitpunkt wesentlich’, wobei das Zei¬
tungswesen des 19. Jhs. eine wichtige Rolle
Akronym n. 'Wort aus Anfangsbuchstaben
spielte (Tatsachenberichte von soeben Gesche¬
anderer Wörter\ fachsprachl. Neubildung zu gr.
henem).
äkros m. (wörtlich: 'das Äußerste’) aus gr. äkros
Morphologisch zugehörig: Aktualität, aktualisieren',
'spitz’ in der Bedeutung 'Anfang’ und einer
etymologisch verwandt: s. Agenda.
Variante von gr. önoma 'Name’.
Akupunktur/. 'Heilbehandlung mit Nadelsti¬
Etymologisch verwandt: s. Ahorn und Name.
chen’, fachsprachl. Neubildung aus 1. acü 'mit
Akt m. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. äctus 'Hand¬ einer Nadel’ (zu 1. acus 'Nadel’) und 1. pünctüra
lung’ (zu 1. agere [äctum] 'treiben, handeln’). 'Stich’, einer Ableitung von 1. pungere (pünc-
Hieraus verschiedene, teils schon im Lateini¬ tum) 'stechen'. Das Wort beschreibt zunächst
schen vorgebildete, Bedeutungsausweitungen. die Technik der Heilbehandlung eines anderen
Als Terminus der Malerei des 18. Jh. bezeichnet (chinesischen) Kulturkreises.
das Wort die Stellung des menschlichen Kör¬ Morphologisch zugehörig: Akupunkteur, punktieren',
pers, dann durch Bedeutungsverengung (Eu¬ Akupressur, etymologisch verwandt: bunt, Fichte, In¬
phemismus?) das Bild eines nackten Körpers. terpunktion, Kontrapunkt, kunterbunt, Pointe (usw.),
Etymologisch verwandt: s. Agenda. - W. Feldmann Punkt, pünktlich, Punze, Pygmäe, Spund.
ZDW 8(1906/07), 51; G. Schoppe ZDW 15(1914), Akustik f. '(Lehre vom) Schall’, fachsprachl.
175f.; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 386. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gr.
Akut
17 Alant

akoustikS (techne), einer Ableitung von gr.


assisum, accisum n. (wörtlich: 'Eingekerbtes’),
akoüein 'hören’ (aus *akous- mit dem to- Parti¬
dem substantivierten PPP. von 1. accidere 'an¬
zip *akousto-).
schneiden, anhauen’, zu 1. caedere 'hauen, sto¬
Zum Etymon s. hören.
ßen, aufschneiden (s. auch ad-). So bezeichnet
Akut m. (= ein diakritisches Zeichen), fach- nach der Art, die bezahlte Steuer zu quittieren.
sprachl. Ursprünglich Zeichen für steigende Dies erfolgte durch Einkerbung in einen Stock,
(spitze) Stimme, deshalb zu akut (s. d.). der dann zweigeteilt wurde, wobei eine Hälfte
akut Adj. 'heftig’. Im 19. Jh. entlehnt aus dem Steuerpflichtigen, die andere Hälfte dem
gleichbedeutend 1. acutus (eigentlich: 'spitz, Steuereinnehmer übergeben wurde.
scharf’), zu 1. acuere 'schärfen, spitzen’. Bereits Morphologisch zugehörig: Acciser; etymologisch ver¬
wandt: s. Zäsur. — Schirmer (1911), 10.
im Lateinischen als Attribut plötzlich auftreten¬
der, heftiger Krankheiten verwendet, wohl als -al Suffix. Dient der Bildung von Adjektiven,
Lehnbedeutung zu gr. oxys. wobei eine Ähnlichkeitsbeziehung bzw. Art
Etymologisch verwandt: s. Ahorn, Akut. (z. B. pastoral „wie ein Pastor” oder genial „in
der Art eines Genies”) oder eine Zugehörigkeit
Akzent m. 'Betonung(szeichen)’. Im 16. Jh.
(z. B. kolonial „zu den Kolonien gehörig, die
entlehnt aus gleichbedeutend 1. accentus, einer
Kolonien betreffend”) ausgedrückt wird. Es
Ableitung von 1. accinere 'dazu klingen, dazu
wird in lateinischen Wörtern ins Deutsche über¬
singen’, zu 1. canere (cantum) 'singen, klingen’
nommen und geht auf funktional entsprechen¬
(s. auch ad-); 1. accentus ist eine Lehnbildung
des 1. -älis zurück. Aus Substantivierungen sol¬
zu gr. prosödiä, einem Abstraktum zu gr. prös
cher lateinischen Adjektive stammen einige
'hin, zu’ und gr. öde 'Lied’, wörtlich also 'hinzu-
Fremdwörter im Deutschen, deren Wortaus¬
getügte Melodie’. Das Benennungsmotiv be¬
gang -al man synchronisch allerdings nicht als
zieht sich auf den ursprünglich musikalischen
Suffix einordnen würde (z. B. General — 1. gene¬
Akzent, der auf Tonhöhenunterscheidungen be¬
ralis 'allgemein’, Moral - 1. mörälis 'sittlich’).
ruht (im Gegensatz zum dynamischen Akzent
in anderen Sprachen wie etwa dem Deutschen). al- Präfix, s. ad-.
Die Bedeutung 'charakteristische Aussprache’ alaaf Interj., rhein. Hochruf in Köln (z. B. im
entsteht demgegenüber ohne griechisches Vor¬ Karneval: Kölle alaaf). Schon im 18. Jh. mit
bild. umgekehrter Stellung bezeugt als allaff Collen;
Morphologisch zugehörig: akzentuieren; etymologisch aber vermutlich älter. Ursprünglich wohl all-ab
verwandt: s. Chanson. Vgl. Prosodie. — W. Feldmann (mundartlich all-af) 'alles zur Seite, aus dem
ZDW 8 (1906/07), 50; E. Leser ZDW 15 (1914), 36. Weg’ mit emphatischer Dehnung des zweiten a
akzeptieren swV 'annehmen, billigen’. Im 15. in der Interjektion. Die Hochschätzung wäre
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. acceptäre, also ursprünglich durch die Forderung nach
einem Intensivum zu 1. accipere 'annehmen’, zu mehr Platz (vgl. Platz dem Landvogt bei Schil¬
1. capere (captum) 'nehmen’ (s. auch ad-). ler) zum Ausdruck gebracht worden.
Morphologisch zugehörig: akzeptabel; etymologisch Alabaster m. 'Edelgips\ fachsprachl. Im Mit¬
verwandt: Apercu, capito, catchen, Disziplin (usw.), telhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend
emanzipieren (usw.), Kapazität, kapieren, Kapsch, 1. alabaster m., alabastrum n., dieses aus gr.
Kasse, Kescher, Kontrazeption, konzipieren (usw.), ok¬
aläbastros (älter gr. aläbastos) 'Alabaster (als
kupieren (usw.), Partizip (usw.), Perzeption, Prinz
Mineral), aus Alabaster gefertigtes Salbenge¬
(usw.), Prinzip (usw.), Rezept (usw.); zum Etymon s.
heben. — Zu akzebtabel: Jones (1976), 78.
faß; Mineral’. Die weitere Herkunft ist nicht
sicher geklärt.
Akzidenz n. 'etwas Zufälliges, nicht zum We¬
Littmann (1924), 20f.; Lüschen (1968), 170f.
sen Gehörendes’, fachsprachl. Entlehnt aus
gleichbedeutend 1. accidentia, einer Ableitung Aland m., Alant m. (= die Süßwasserfische
von 1. accidere 'an etwas hinfallen, eintreten’, 'Idus melanotes’, 'Leuciscus idus’ und 'Squalius
zu 1. cadere 'fallen’ (s. auch ad-). Die Bedeutung cephalus’), fachsprachl. Mhd. alant, ahd. alunt,
'Druckerzeugnis, das nicht zum Buch- bzw. as. alund sind unter Annahme einer Grundform
Zeitschriftendruck gehört’ entsteht aus der ur¬ *alunfa- mit grammatischem Wechsel vergleich¬
sprünglichen Bedeutung 'gelegentliche Druck¬ bar mit anord. plunn 'Makrele’. Weitere Her¬
arbeit’. kunft dunkel.
Morphologisch zugehörig: Akzidens, akzidentell, akzi- Lloyd/Springer (1988ff.), I, 186-188.
dentiell; etymologisch verwandt: s. Chance. Alant m. 'Helenenkraut’ (= ein Korbblütler),
Akzise /. 'Verbrauchs-, Verkehrssteuer; Ort, fachsprachl. Mhd. ahd. alant, mndl. alaen. Her¬
an dem sie entgegengenommen wird’, arch. Im kunft dunkel; vermutlich über das Lateinische
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. accise, aus gr. helenion n., ein Pflanzenname, der ver¬
dieses aus ml. accisia, assis(i)a (dass.), zu ml. mutlich von gr. Helene, dem Namen der Toch-
Alarm 18 Album

ter des Zeus und der Leda, abgeleitet ist; die ml. alburus, Nebenform zu 1. albulus 'weißlich’
weitere Herkunft und die lautlichen Zusammen¬ mit Anpassung des Suffixes an ahd. -ari.
hänge sind unklar. S. Abele, Album (4-). Vgl. Pappel. - W. Meyer-Lübke
Lloyd/Springer (1988fF.), I, 147—149. ALLG 13 (1904), 50f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I,
157f. Besprechung regionaler Formen bei E. Öhmann
Alarm m. 'Gefahrenmeldung, Warnzeichen’.
NPhM 43 (1942), 20f.
Im 16. Jh. (vielleicht über das Französische)
entlehnt aus gleichbedeutend it. allarme, einer albern Adj. Mhd. alwcere, ahd. alawäri
Zusammcnrückung aus it. all'arme 'zu den 'freundlich, gütig’ aus g. *al(l)a-wär-ja- Adj.
Waffen’; it. arma n. 'Waffe’, aus 1. arma f. 'freundlich’, auch in gt. (Abstraktum) allawerei
'Waffen’. 'volles Vertrauen, Vorbehaltlosigkeit’, anord.
Morphologisch zugehörig: alarmieren; etymologisch glvcerr '(gast)freundlich’, ae. ealwerllce (Adv.)
verwandt: Armada, Armatur, Armee, armieren, Gen¬ 'freundlich’. Das Adjektiv ist ein BahuvrThi-
darm, Lärm-, zum Etymon s. Arm. Kompositum 'dessen Vertrauen ganz ist, der
Alaun m. 'Schwefeldoppelsalz’, fachsprachl. volles Vertrauen hat’ zu einem Wurzelnomen
Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ eur. *wer- 'Vertrauen’, das auch dem Adjektiv
deutend I. alümen. wahr zugrundeliegt (s. d.). Im Frühneuhoch¬
Etymologisch verwandt: Aluminium. — 0. B. Schlutter deutschen wird das Wort als Einheit empfunden
ES 42 (1910), 166 — 168; M. Foerster Anglia 41 (1917), (deshalb die Inlautentwicklung von Iw zu Ib
138; Löschen (1968), 171; Lloyd/Springer (1988ff.), I, und Abschwächung der zweiten Silbe) und nach
185f. dem Vorbild des Niederdeutschen mit einem aus
Alb m„ fachsprachl. Mhd. ahd. alb aus g. den obliquen Kasus stammenden n versehen,
*albi- (oder alba-) m. 'Alb’ (mythische Wesen wodurch es sich den Materialadjektiven auf ern
zwischen Menschen, Göttern und Zwergen), angleicht. Die Bedeutung wandelt sich in der
auch in anord. alfr, ae. celf (PI. ylfe). Vgl. den gleichen Zeit von 'freundlich’ zu 'harmlos, naiv
Zwergennamnen Alberich ('König der Alben’ ?), dumm’ (ähnlich in frz. bonhomme).
frz. Oberon und die Bezeichnung Alpdrücken, E. Seebold IF 78 (1973), 146-162.
Alptraum (auch ae. ylfa gesceot 'Albenschuß’
Albino m. (= ein Lebewesen, dem die Farb¬
für 'Hexenschuß’). Denkbar ist die Anknüp¬
stoffbildung fehlt), fachsprachl. Im Neuhoch¬
fung an ai. rbhü- 'Bezeichnung für kunstreiche
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend span.
Halbgötter’ (die Alben waren wie die Zwerge
offenbar auch begabte Schmiede) oder an 1. albino (wörtlich: 'der Weißliche’), einer Ablei¬
albus 'weiß’ (da es in der nordischen Mythologie tung von span, (poet.) albo 'weiß’, dieses aus 1.
'Lichtalben’ gibt). Wieder andere (C. A. Ma- albus (dass.). Die Bedeutungsentwicklung von
strelli nach F. de Saussure, s. u.) schließen an 'weiß’ zu 'farblos, ohne Farbstoff’ beginnt in
alpe 'Berggeister in den Alpen’ an. Im übrigen Bezeichnungen wie span, negros albinos für hell¬
ist die mythologische Stellung der Alben so häutige (= „weißliche”) Neger; dann übertra¬
wenig klar (auch in der sonst reichhaltigen nor¬ gen auf andere Lebewesen mit fehlenden Farb¬
dischen Überlieferung), daß etymologische An¬ pigmenten.
schlüsse nicht ausreichend gesichert werden Morphologisch zugehörig: Albinismus, albinotisch-, ety¬
können. mologisch verwandt: s. Album.
S. Album ( + ), Elf. - Hoops (1973ff.), I, 130-132; Album n. 'Sammelbuch, Langspielplatte’. Im
C. A. Mastrelli StG 13 (1975), 5—13; C. Lacouteux
17. Jh. entlehnt aus 1. album 'weiße Tafel für
Euphorion 75 (1981), 371—378; Lloyd/Springer
Aufzeichnungen, Verzeichnis, Liste’, zu 1. albus
(1988ff.), I, 152-154.
'weiß’. Zunächst eine Holztafel für öffentliche
Albatros m. (= ein Meeresvogel mit charak¬
Bekanntmachungen, die mit Gips geweißt und
teristischem, segelndem Flug), fachsprachl. Im
mit schwarzer Farbe beschrieben war. Dann
18. Jh. entlehnt aus ne. albatross über algatross
verblaßt das ursprüngliche Benennungsmotiv
aus span. port. alcatraz. Letztlich vermutlich
der Farbe, und die Bedeutungskomponente 'Li¬
aus arab. al-gattäs wörtlich: 'Taucher, ein Was¬
ste, Zusammenstellung, Sammlung’ tritt stärker
servogel der unterzutauchen pflegt’, die Beleg¬
in den Vordergrund: 'Stamm-, Gedenkbuch’.
lage ist allerdings unsicher.
Diese Bedeutungsentwicklung zeigt sich zuerst
Albe f. 'Weißfisch’, fachsprachl. Mhd. albe! im Deutschen und wird von dort in andere
m. ist entlehnt aus gleichbedeutend 1. albula (zu
Sprachen übernommen. Die Bedeutung 'Lang¬
1. albus 'weiß’).
spielplatte’ wird übernommen aus ne. album,
S. Album ( + ).
das eine Zusammenstellung von Liedern meint.
Alber /./ m. ’Weißpappel’, fachsprachl., obd. Etymologisch verwandt: Abele, Alb, Albe, Alber, Al¬
Mhd. alber(boum), ahd. albari ist entlehnt aus bino.
Alchemie 19 Alkohol

Alchemie/., s. Alchimie. beim Lösen von Gleichungen werden den Va¬


Älchen n., s. Aal. riablen die Werte so zugewiesen, daß beide Sei¬
ten der Gleichung denselben Wert haben; die
Alchimie /. 'Goldmacherkunst, magisch-che¬
Gleichung wird hergestellt.
mische Technologie’, fachsprachl. Im Mittel¬
Schirmer (1912), 3f.; Littmann (1924), 76; Lokotsch
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend
(1975), 50.
ml. alchimia, dieses aus span, alquimia (dass.),
aus arab. al-kimivä (dass.), aus gr. chymeia 'Be¬ Algorithmus m. 'Berechnungsverfahren’,
schäftigung mit den gießbaren Stoffen, Metall¬ fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
urgie und Färbetechnik’. Die Vorgänge des Le¬ lehnt aus gleichbedeutend ml. algorismus, das
gierens wurden — oft begleitet von magischen zurückgeht auf den Nachnamen eines arabi¬
Symbolen — allegorisch ausgedeutet hinsicht¬ schen Mathematikers, durch dessen Lehrbuch
lich des Vermengens von Eigenschaften; erst die zur Algebra die arabischen Ziffern in Europa
Neuzeit entmystifiziert die Alchimie zur wissen¬ allgemein bekannt wurden. Die Schreibung mit
schaftlichen Chemie. <th> in gräzisierender Anlehnung an gr. arith-
mös 'Zahl’.
Etymologisch verwandt: Chemie (usw.). — Lokotsch
(1975), 92. Schirmer (1912), 4; Littmann (1924), 77; P. Kunitzsch
ADA 94(1983), 109.
Aldermann m. 'Ältester, Vorstand’, arch., reg.
Im 18. Jh. als Fremdbegriff entlehnt aus ne. alias Part, 'anders, auch ... genannt’, sonder-
alderman 'Ratsherr’, dieses aus ae. ealdorman spracht. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. aliäs
'anders’, zu 1. alius 'ein anderer’.
'Fürst, Vornehmer’, zu ae. ealdor 'Ältester,
Herr’, zu ae. eald'alt’ (s. alt) und e. man 'Mann’ Etymologisch verwandt: s. Alternative.
(s. Mann). Alibi n. '(Nachweis über) Aufenthalt an einem
Hoops (1973ff.), I, 135. anderen Ort’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutend frz. alibi m., dieses aus 1. alibi 'an¬
alert Adj. 'flink, munter’, sonder spracht Im
derswo’, zu 1. alius 'ein anderer’.
17. Jh. entlehnt aus frz. alerte 'munter, wach¬
Etymologisch verwandt: s. Alternative. — Jones
sam’, dieses nach it. all’erta 'auf die Höhe, auf!’,
(1976), 91.
zu it. erta 'Anhöhe’, zu ait. ergere 'aufrichten’,
aus 1. erigere (dass.), zu 1. regere 'richten, leiten’ Alimente PI. 'Unterhaltszahlungen’, fach¬
(s. auch ex-). Die Bedeutungsentwicklung geht sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
demnach von einer Aufforderung zu Bewegung 1. alimenta (wörtlich: 'Nahrungsmittel’), Neu¬
und Handeln hin zur Bezeichnung eines schnell trum Plural von 1. alimentum, einer Ableitung
reagierenden, munteren Charakters. von 1. alere 'nähren’. Zunächst die von Seiten
des Staates geleistete Ernährung hilfsbedürfti¬
Etymologisch verwandt: s. Adresse. — Jones (1976),
90; Brunt (1983), 125f. ger Personen, dann auch Unterstützung kinder¬
reicher Familien, schließlich die Rechtspflicht
Alexandriner m. (= ein Versmaß), fach¬
zum Unterhalt.
sprachl. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus
Etymologisch verwandt: Adoleszenz, Alt, Altan, exal¬
gleichbedeutend afrz. (vers) alexandrin (wört¬
tiert, Hausse, Hautevolee, Hautgout, Koalition (usw.),
lich: 'Versmaß des Alexanderromans’). So be¬ Proletarier (usw.); zum Etymon s. alt. — G. Schoppe
zeichnet, weil es zum ersten Mal im französi¬ ZDW 15(1914), 176.
schen Heldengedicht über Alexander den Gro¬
Alkali n. 'Laugensalz’, fachsprachl. Im 16.
ßen (roman dAlixandre) verwendet wurde.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. alcali m.,
Alge /. 'Wasserpflanze’. Im 19. Jh. entlehnt dieses aus span, alcali m. (dass.), aus arab. al-
aus 1. alga 'Seegras, Tang’. qall, vulgäre Nebenform zu arab. al-qily (dass.),
Marzeil (1943/79), I, 190f. zu arab. qalä 'im Topf kochen, rösten’. So be¬
Algebra /. 'Lehre von den mathematischen zeichnet als 'das aus der Asche von Pflanzen
Gleichungen (usw.)’,fachsprachl. Im 17. Jh. ent¬ gewonnene Laugensalz’.
lehnt aus gleichbedeutend it. algebra, dieses Littmann (1924), 86; K..-H. Weinmann DWEB
2 (1963), 386; Lokotsch (1975), 83.
über ml. algehra aus arab. al-gahr (dass.), wört¬
lich 'das Wiederzusammenfügen getrennter Alkohol m. 'reiner Weingeist’. Im 16. Jh. ent¬
Teile (z. B. gebrochener Glieder)’, zu arab. ga- lehnt aus span, alcohol 'feines Pulver’, dieses
bara 'zusammenfügen’. Ausgangspunkt für die aus arab. al-kuhl (span.-arab. Aussprache: al-
Übernahme in die europäischen Sprachen war kuhül) 'Antimon; daraus hergestelltes Pulver
ein arabisches Lehrbuch aus dem 9. Jh. mit dem zum Schwärzen der Augenlider, -brauen und
Titel Wiederherstellung und Gegenüberstellung. -wimpem’. Im Deutschen zunächst in der Be¬
In der Algebra können in Form von Gleichun¬ deutung 'feines Pulver’ verwendet. Da solches
gen Kombinationen unterschiedlicher (Zahl) sehr feine Pulver gewöhnlich das Ergebnis des
Symbole einander gegenübergestellt werden; Zerstoßens einer Substanz ist und gleichsam
Alkoven 20 Allianz

deren Kern bzw. Essenz darstellt, kommt all¬ tung von gr. agora 'Markt’, zu gr. ageirein
mählich die allgemeinere Bedeutung 'Essenz’ '(ver-)sammeln’, das mit 1. grex (-egis) m.
hinzu, und man spricht u. a. von alcohol vini, 'Herde, Schar’ verwandt ist (s. auch allo-). Das
dem „Geist des Weines”. Von hier dann Erwei¬ „Anderssagen” meint die Versinnbildlichung
terung auf andere berauschende Getränke. Im von etwas Abstraktem in Form von Gleichnis¬
19. Jh. werden weitere „Alkohole” entdeckt sen u. ä.
(z. B. Methylalkohol), so daß das Wort in fach¬ Etymologisch verwandt: s. Aggregat. — W. Feldmann
sprachlichem Gebrauch Klassenbedeutung er¬ ZDW 8 (1906/07), 52.
hält. allegro Adv. 'lebhaft, schnell, heiter’, fach¬
Littmann (1924), 76; K.-H. Weinmann DWEB sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
2 (1963), 386; Lokotsch (1975), 98f. it. allegro, dieses über frühromanische Zwi¬
Alkoven m. 'nischenartiger Schlafraum’, fach- schenstufen aus 1. alacer f-cris) 'lebhaft, mun¬
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ter, aufgeregt’.
frz. alcöve /., dieses aus span, alcoba f. 'Schlaf¬ Morphologisch zugehörig: allegretto, Allegretto, Al¬
gemach’, aus arab. al-qubba 'Gewölbe, Ge¬ legro.
mach’. Zunächst die Alkove, dann verändert, allein Adv. Mhd. alein(e), Verstärkung von
vielleicht im Anschluß an Koben (s. d.). ahd. ein, wie in ne. alone (zu ne. one 'ein’) und
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 52; Lokotsch (1975), nndl. alleen (een 'ein’).
97f.; Brunt (1983), 125. S. ein1 (+).
all Pron./Adj. Mhd. ahd. as. al(l) aus g. allenthalben Adv., s. -halb(en).
*alla-, auch in gt. alls, anord. allr, ae. eall, afr.
allerdings Adv. Im 16. Jh. zusammengewach¬
al(l): daneben als Vorderglied von Komposita
sen aus aller dinge (n), zunächst in der Bedeu¬
auch *ala- 'all, ganz’. Lautlich ist vermutlich
tung 'gänzlich, völlig’. Später tritt adverbiales -s
von *alna- neben *ala- auszugehen; sonst ist an, und die Bedeutung wird zu einräumendem
die Herkunft dunkel. Vielleicht vergleichen sich '(gewiß), freilich’.
osk. allo 'ganz’, air. mle 'ganz, jeder’ (lautlich
S. Ding( + ).
mehrdeutig), lit. aliäi 'jeder, ganz’. Das Sub¬
Allergie /. 'Überempfindlichkeit gegen kör¬
stantiv All n. wird im 17. Jh. als Lehnbedeutung
perfremde Stoffe’, fachsprachl. Neubildung des
aus 1. Universum gewonnen. Die regionale Be¬
20. Jhs. zu gr. ergon n. 'Werk, Wirken, Sache’
deutung 'leer, ausgegangen’ (alle werden usw.)
(s. auch allo-). Gebildet in Analogie zu Energie,
beruht wohl auf einem Konstruktionswechsel
wobei der en-ergeia — der wirkenden Kraft der
oder einer Ellipse: Wenn z. B. die Kartoffeln im
körpereigenen immunologischen Prozesse —
Keller alle verbraucht sind, dann sind sie alle.
eine allo-ergeia gegenübergestellt wird, die die
Nndl. al, ne. all, nschw. all, nisl. allur. S. als2, also,
Reaktionen des Körpers auf körperfremde
Overall. — Kuhberg (1933), 35; J. Untermann IF
63 (1958), 241-245; Vendryes (195ff.), U/17f.; E. Stoffe meint.
Fraenkel: Die baltische Sprachwissenschaft in den Jah¬ Etymologisch verwandt: s. Energie.
ren 1938-1940 (Helsinki 1943), 58f.; Lloyd/Springer allerhand Adv., ugs. Im 16. Jh. zusammenge¬
(1988ff.), I, 129-131. wachsen aus aller hande 'aller Arten’, zu Hand
alldieweil Adv./Konj. 'währenddessen, weil’, (s. d.) in der Bedeutung 'Seite’ (rechter Hand
arch:, auch einfaches dieweil. Aus mhd. (alle) usw.).
die wile, wörtlich: 'die (ganze) Zeit’ (zu Weile, allerlei Pron./Adj., s. -lei.
s. d.); in der Bedeutung also eine Entsprechung
Allerwertester m. 'Gesäß’, ugs. Seit dem 19.
zu während.
Jh. bezeugter Euphemismus. Der verstärkte
Allee /. 'von Bäumen gesäumte Straße’. Im Superlativ allerwertest war in dieser Zeit wohl
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. allee schon erstarrt und diente der ehrenden Erwäh¬
(wörtlich: 'Gang’, d. h. „Baumgang”), zu frz. nung von Personen, auch in der Anrede. Der
aller 'gehen’, aus spl. *aläre (dass.), aus 1. ambu- scherzhafte Euphemismus ist wohl ähnlich zu
läre (dass.). verstehen wie der wertvollste Körperteil u. ä.
Etymologisch verwandt: ambulant, Allüren, Präambel. allgemach Adv., s. allmählich und gemach.
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 52; Jones (1976),
91f. Allianz/. 'Bündnis’, sondersprachl. Im 17. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. alliance, einer
Allegorie/. 'Gleichnis’, fachsprachl. Im Früh¬
Ableitung von frz. allier 'verbinden’, dieses aus
neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
1. alligäre (dass.), zu 1. ligäre 'binden’ (s. auch
tend 1. allegoria, dieses aus gr. allegoriä (dass.; ad-).
wörtlich: 'das Anderssagen’), einem Abstrak¬
Morphologisch zugehörig: Alliierte-, etymologisch ver¬
tum zu gr. agoreüein 'sagen, sprechen, (eigent¬ wandt: s. legieren. - Jones (1976), 93f.; Brunt (1983),
lich:) in der Öffentlichkeit sagen’, einer Ablei¬ 378f.
Alligator 21 Alphabet

Alligator m. (= eine Krokodilart), fach- mensetzungen mit Alltags- gleicher Bedeutung


sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ (zu alle Tage). Das, was alle Tage gebraucht
tend frz. alligator und e. alligator, diese zusam¬ wird, tritt in Gegensatz zu dem, was nur an
mengezogen aus span, el lagarto (de Indias) Sonn- und Feiertagen gebraucht wird, so daß
(dass., wörtlich: 'das Echsentier der nordameri¬ Alltag zu der Bedeutung 'Nicht-Feiertag’
kanischen Indianer’), aus 1. lacerta f 'Ei¬ kommt.
dechse’.
Allüren PI. 'auffälliges Benehmen, Gehabe’,
Alliierte PI., s. Allianz. sonder sprach!. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Alliteration/. 'Stabreim’, fachsprachl. Im 18. deutend frz. allure f. '(wörtlich:) Gang’, einer
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend neo-1. allitera- Ableitung von frz. aller 'gehen’, dieses aus spl.
tio (15. Jh.) zu 1. littera 'Buchstabe’ (s. auch *aläre (dass.), aus 1. amhuläre (dass.).
ad-). Etymologisch verwandt: s. Allee.
Etymologisch verwandt: s. Letter. Ersatzwort ist Stab¬ Alm /., s. Alp(e).
reim, das allerdings auf das verskonstituierende Auftre¬ Almanach m. 'Kalender, Jahrbuch’. Im 16. Jh.
ten in den altgermanischen Sprachen beschränkt wird. entlehnt aus gleichbedeutend mndl. almanak,
allmählich Adv. Mhd. almechlich zur gleichen dieses aus span, almanaque (dass.), aus ml. *al-
Grundlage wie gemach (s. d.). Vgl. älteres allge¬ manac, * almanach 'astronomisches Tafelwerk,
mach. Jahrbuch’, aus arab. al-manäh das zwar belegt,
Allmende /., arch. Mhd. almende, al- aber etymologisch nicht sicher gedeutet ist.
(ge)meinde, ahd. (ala-)gimeinida, gebildet aus W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 52; R Kunitzsch ADA
94(1983), 109f.
*ala- (s. all) und (Ge)meinde (s. d.) wie in afr.
elmetha. Anord. almenning gehört dagegen zu Almosen n. 'Schenkung an Bedürftige’. Im
dem Wort für 'Mann’. Das Wort bezeichnet Althochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend
wohl von Anfang an die Grundstücke, die der kirchen-1. eleemosyna /., dieses aus gr. eleemo-
Dorfgemeinschaft gehören; im Deutschen dane¬ syne f. 'Mitleid’, einem Nomen qualitatis zu gr.
ben auch die Dorfgemeinschaft selbst. eleemon 'mitleidvoll’, zu gr. eleos m. 'Mitleid’.
Das anlautende /a/ unter Einfluß von spl. *ali-
R. Schmidt-Wiegand: Mark und Allmende (Marburg
1981). mosina /., einer Nebenform, die wohl auf einer
volksetymologischen Vermengung mit 1. alimö-
allo- Präfix. Dient der Präfigierung von Ad¬
nia f. 'Ernährung, Unterhalt’ beruht (vgl. Ali¬
jektiven und Substantiven, wobei dem Grund¬ mente).
wort die Bedeutung 'fremd, anders(artig), ver¬ Lloyd/Springer (1988ff.), I, 142-144.
schieden’ hinzugegeben wird (z. B. Allophon
Almrausch m. 'Alpenrose’, österr. Zu Alm (s.
'Realisationsvariante eines Phonems’ zu Phon).
Alp[e]) und einer Entlehnung aus 1. rüscus /.,
Es wird in griechischen Wörtern ins Deutsche
rüscum n. 'Mäusedorn’.
übernommen und geht auf gr. ällos 'anderer’
H. Marzell JVSA 22 (1957), 44.
zurück.
Aloe/., fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen
Allod n., arch., fachsprachl. Germanisches
(mhd. älöe n.), entlehnt aus gleichbedeutend 1.
Rechtswort, das im 19. Jh. als Terminus der
aloe, dieses aus gr. alöe (dass.), das zu einem
Rechtsgeschichte aufgenommen worden ist. Es kulturellen Wanderwort des vorderen Orients
bedeutet ursprünglich 'freies, uneingeschränk¬ gehört.
tes Vermögen’ (mit zahlreichen Veränderungen, Lloyd/Springer (1988ff.), I, 167f.
die der Entwicklung der Rechtsvorstellungen
Alp(e) /. 'Bergweide’, reg. Mhd. albe, ahd.
folgen) und ist bezeugt in latinisierter Form in
alba neben Alm (das aus einer Assimilierung
frk. alodis, alodus, später al(l)odium und in
des blp an das n eines «-Stammes kommt, be¬
westgotischen Urkunden als alaudes. Vermut¬
zeugt seit dem 15. Jh.). Geht offenbar zurück
lich gebildet aus *alla- (s. all) und g. *auda-
auf ein vorindogermanisches Wort, zu dem
'Besitz’ in anord. auör, ae. ead, as. öd, ahd. öt.
auch der Name der Alpen (sowie Alb und All¬
Tiefenbach (1973), 97-100; Lloyd/Springer (1988ff.), gäu) gehört. Als seine Bedeutung wird 'Berg’
I, 165-167.
vermutet, wobei in der späteren Geschichte ein
Allotria n./Pl. 'Unfug’, sonder sprach]. Im 17. Anschluß an 1. albus 'weiß’ eine Rolle gespielt
Jh. entlehnt aus gr. allötria PI. 'nicht zur Sache haben mag.
gehörige Dinge’, einem Abstraktum zu gr. allö- J. U. Hubschmied in: FS Gauchat (1926), 438; V. Ber-
trios 'fremd, nicht zur Sache gehörig’ (s. allo-). toldi ZRPh 56(1926), 183; Hoops (1973ff.), I,
S. allo-, Hallodri. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 181-189; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 155-157.
52. Alpdrücken «., s. Alb.
Alltag m. 'Werktag’, nordd., md. Bezeugt seit Alphabet n. (= geordnete Folge von Buchsta¬
dem 19. Jh. wohl herausgelöst aus den Zusam¬ ben oder Symbolen). Im Spätmittelhochdeut-
Alptraum 22 Alter

sehen entlehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. len übernehmen konnten, von Frauen gesungen
alphabetum, dieses aus gr. alphäbetos m./f. wurde — für Frauen ist die Stimmlage aller¬
(dass.), aus gr. älpha und gr. beta, den Namen dings 'tief’.
der beiden ersten Buchstaben, die von den Grie¬ Etymologisch verwandt: s. Alimente.
chen mit dem Alphabet über phönizische Ver¬ alt Adj. Mhd. ahd. alt, as. ald aus wg. *alda-,
mittlung aus einer semitischen (vgl. hebr. aleph auch in ae. eald, afr. ald; im Nordgermanischen
und hebr. beth) Sprache übernommen worden nur Komparativ ellri und Superlativ ellztr (Posi¬
waren. Es handelt sich demnach um eine Pars- tiv gamall), im Gotischen y-Stamm alpeis in
pro-toto-Bezeichnung. gleicher Bedeutung (aber krim-gt. alt); vermut¬
S. auch Abc. lich to-Partizip zu g. *al-a- 'wachsen, nähren’
Alptraum m., s. Alb. in gt. alan 'aufwachsen’, anord. ala, ae. alan
Alraun m., Alraune /., fachsprachl. Mhd. al- 'nähren, aufziehen’, aus ig. *al- 'nähren’ in 1.
rüne, ahd. alrün(a). Dieses Wort wurde benützt, alere, air. ailid und Ableitungen in anderen
um den Pflanzennamen 1. mandragora m. wie¬ Sprachen. Die Ausgangsbedeutung ist also 'ge¬
derzugeben. Dieser steht für ein Nachtschatten¬ wachsen, erwachsen’; eine parallele Entwick¬
gewächs, dessen Wurzel nach hebräischem und lung liegt bei 1. altus 'hoch’, 1. adultus 'erwach¬
orientalischem Vorbild allerhand Zauberkräfte sen’ vor.
(Reichtum, Liebeszauber) zugeschrieben wur¬ Nndl. oud, ne. old. S. Alimente ( + ), Alter, Eltern, Oboe,
Oldie, uralt, Welt (-!-). — Lloyd/Springer (1988fF.), I,
den. Im Norden, wo die Mandragoragewächse
171-173.
nicht gedeihen, wurde die Pflanze mit ähnlichen
einheimischen Pflanzen (vor allem der Zaun¬ Altan m., auch •/. 'Söller, Balkon’, fach¬
rübe) identifiziert; die zugehörigen abergläubi¬ sprachl., siidd., Betonung auf beiden Silben
schen Vorstellungen sind wohl alle nicht-germa¬ möglich. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
nischen Ursprungs. Das Wort selbst wird mit tend it. altana (wörtlich: 'ein hoher, vorstehen¬
dem Frauennamen ahd. Al(b)rün, ae. Aelfrün, der Teil eines Hauses’), zu it. alto 'hoch’, aus 1.
altus (dass.).
anord. Alf'run in Verbindung gebracht, der im
Vorderglied das Wort Alb (s. d.), im Hinterglied Etymologisch verwandt: s. Alimente. — E. Öhmann
NPhM 43 (1942), 27; M. Wis (1955), 91.
ein Namenelement, das mit raunen zu tun hat,
enthält. Von der Sache her denkbar, aber ganz Altar m. (früher selten auch n.). Mhd. altcere,
unsicher. altäre, älter, ahd. altäri ist im 8. Jh. entlehnt
Hoops (1973ff.), I, 198; Lloyd/Springer (1988ff.), I, aus 1. altäre (im Rückgriff darauf auch die neu¬
168-170. hochdeutsche Betonung). Das lateinische Wort
(älter altäria n.) wurde als 'erhöhter Aufsatz’
als1 Konj. Mhd. als, alse, also 'ebenso’; das
(zu 1. altus 'hoch’, s. Alimente [ + ]) verstanden,
Wort ist demnach aus also (s. d.) abgeschwächt,
doch ist die ursprüngliche Bedeutung wohl
wie ne. as, nndl. als.
'Brandaltar’ (zu 1. adolere 'verbrennen’).
als2 Adv. 'immer wieder (u. ä.)’, wd., md. Ab¬ Hoops (1973ff.), I, 200-203; Lloyd/Springer (1988ff.),
geschwächt aus mhd. allez, Neutrum des Adjek¬ I, 174-176.
tivs all (s. d.).
altbacken Adj. (PPrät.). Ursprünglich für
Alsem m. 'Wermut’, wmd. Mndl. alsene, ahd. nicht mehr frisches Brot gebraucht (bezeugt seit
alahsan ist entlehnt aus ml. aloxinum n.; dieses dem 16. Jh.) und offenbar im Gegensatz zu
aus gr. alöe ox'mes f. 'bittere Aloe’. mhd. niubachen 'frisch gebacken’ gebildet.
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 139-141. S. backen ( + ).
also Adv. Mhd. also, ahd. also, wie ae. ealswä Alter n. Mhd. alter, ahd. altar, as. aldar aus
aus all (s. d.) und so (s. d.) zusammengesetzt, g. *aldra- n. (im Nordischen m., gotisch unbe¬
damit 'ganz so’. stimmt) 'Lebensalter’, auch in anord. aldr m.,
S. all, als', so (+). - G. Wolfrum BGDSL-H ae. ealdor, afr. alder; gotisch nur in fram-aldrs
80(1958), 33-110. 'bejahrt’; vermutlich tro-Bildung zu g. *al-a-
Alsterwasser n. 'Mischgetränk aus Bier und 'wachsen, nähren’, parallel zu *alda- 'alt’ (s. d.).
Limonade’, nordd. Scherzhafte Übertragung Außergermanisch vergleicht sich wohl air. alt-
nach der Farbe (des Hamburger Binnengewäs¬ ram(m) 'Ernährung, Erziehung’. Die Bedeu¬
sers). tungsentwicklung geht also offenbar von 'Her¬
anwachsen, Altersstufen des Unmündigen’ zu
Vgl. Radler. — J. Eichhoff in: FS Martin (1980),
159-163. den Altersstufen des Menschen allgemein, und
dann, in neuerer Zeit, zu 'hohes Alter’ (im Ge¬
Alt m., fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
gensatz zu 'Jugend’).
it. alto (aus 1. vöx alta f. 'hohe Stimme’). So wird
Nndl. ouderdom, nschw. älder, nisl. aldur. S. alt ( + ). —
zunächst eine hohe Männerstimme bezeichnet, Hoops (1973ff.), I, 204f. unter Alte, 211-213; Lloyd/
deren Rolle später, als auch Frauen Solistenrol¬ Springer (1988ff.), I, 173f.
Alternation 23 Amaryllis

Alternation /., s. Alternative. garn u. ä. genannt. Es scheint, daß diese Ge¬


alternieren swV., s. Alternative. webe ursprünglich Sommer, fliegender Sommer
u. ä. genannt wurden, und daß dies ein anderes
Altermutter/., Altervater m., s. Eltervater.
Wort ist als das für die Bezeichnung der Jahres¬
Alternative/. 'andere Möglichkeit5. Im 17. Jh.
zeit (vgl. das schon im 14. Jh. bezeugte me.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. alternative,
gossamer gleicher Bedeutung, das etymologisch
zu frz. alterne 'wechselnd, wechselweise’, aus 1.
unklar ist). Die Erweiterung zu Altweibersom¬
alternus (dass.), zu 1. alter 'der andere’.
mer (seit dem 19. Jh.) vielleicht wegen des zeit¬
Morphologisch zugehörig: alternieren; etymologisch lichen Auftretens der Fäden. Die norddeutschen
verwandt: alias, Alibi, Altruismus, subaltern.
Bezeichnungen Mettken oder Mettkensommer
altfränkisch Adj., arch. Seit dem 14. Jh. für (verhochdeutscht Mädchensommer) gehören
'althergebracht, tüchtig, echt’ (= in der Art der wohl zu Made und beziehen sich am ehesten
alten Franken); schon früh aber auch 'veraltet, auf das Gespinst der Schmetterlingspuppen und
unzeitgemäß’. Seidenwürmer.
G. Lüdtke/A. Götze ZDW 7 (1905/06), 15-27; J. Zur Bedeutung 2): A. Lehmann: Altweibersommer
Dünninger in: FS Schröder (1959), 155—162. (Diss. Berlin 1911).
altklug Adj. Bezeugt seit dem 18. Jh. Ur¬ Aluminium n. (= ein Leichtmetall), fach-
sprüngliche Bedeutung: 'durch Alter (und Er¬ sprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. alümen
fahrung) klug’. Heute nur noch in der ursprüng¬ (-minis) 'Alaun5; so benannt wegen des Vor¬
lich ironischen Verwendung, wenn es von jun¬ kommens in Alaunerde. Der Entdecker des Ma¬
gen Leuten, hauptsächlich Kindern, gesagt terials nannte es zuerst Alumium (nach Silicium
wird. usw.), später Aluminum. 1812 wurde Aluminium
Altruismus m. 'selbstlose Denkungsweise’, vorgeschlagen, weil dies dem Lateinischen eher
sondersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend gemäß sei. Die Form setzte sich dann durch,
frz. altruisme, einer Ableitung von frz. autrui wohl unterstützt von Magnesium u. ä.
'der andere’ aus 1. alter (dass.). Etymologisch verwandt: Alaun. — Löschen (1968),
Etymologisch verwandt: s. Alternative. 172.
altvaterisch Adj. 'altmodisch’, arch. Bezeugt Amalgam n. (= eine Quecksilberlegierung),
seit dem 16. Jh. Zu Altvater 'Vorfahr, Patriarch’ fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
(mhd. altvater, ahd. altfater, as. aldfadar bedeu¬ lehnt aus ml. amalgama, das in der Bedeutung
ten in erster Linie 'Patriarch’; afr. ald(a)feder, 'Erweichungsmittel, linderndes Pflaster’ auf gr.
ae. ealdfader 'Vorfahr5; anord. alda-faöir ist ein mälagma (dass.), zu gr. malässein 'weich ma¬
Beiname Odins). chen’, (gr. malakös 'weich5) zurückgeht. Die
Altvorder(e)n PL 'Vorfahren5, arch. Mhd. alt¬ Bedeutung 'Legierung’ scheint aus arab. al-mal-
vorder, ahd. altfordoro m., gebildet aus alt und gam 'Quecksilberlegierung5 zu stammen, doch
vorder (s. d.) im Sinne von 'früher5. sind die Einzelheiten dieser Beeinflussung un¬
Kuhberg (1933), 35f. klar.
Altweibersommer m., sonder sprachl. Das Lüschen (1968), 172.
Wort hat drei Bedeutungen, deren Benennungs¬ Amarant m. 'Gartenfuchsschwanz5, fach¬
motiv und deren Verhältnis zueinander unklar sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
sind: 1) Am schlechtesten bezeugt, aber viel¬ 1. amarantus, dieses aus ntl.-gr. amärantos
leicht Vorbild für die beiden anderen ist 'zweite (dass., wörtlich: 'Unvergängliche5), zu gr. ama-
Jugend bei Frauen5 (fast nur mundartlich, sel¬ räntinos 'unvergänglich, nicht verwelkend’, zu
ten literarisch seit dem 19. Jh.); als 'unzeitig5 gr. marainein 'hinschwinden, auslöschen’ (s.
und 'nur kurze Zeit dauernd5 aufgefaßt, wie auch a-1). So benannt nach der Dauer der
etwa auch das mundartlich verbreitete Wort Blüte.
Altweibertänze zeigt. Beim Mann spricht man Amarelle/. 'Weinkirsche’, fachsprachl. Im 14.
vom Johannistrieb mit ganz anderen Konno- Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. *amarel-
tationen. 2) 'Nachsommer, sommerliche Zeit im lum n., einer Substantivierung von ml. *amarel-
Herbst’, so seit dem 17. Jh.; auch St. Michaels¬ lus 'weinsäuerlich, bitter5, aus 1. amärus 'bitter’.
sommer (29. September), St. Martinssommer
So bezeichnet als eine 'Sauerkirsche5.
(11. November), Allerheiligensommer (1. No¬
Amaryllis /. (= eine Zierpflanze mit großen,
vember) u. ä. benannt. In der älteren Sprache
trichterförmigen Blüten), fachsprachl. Im 19.
auch Witwensommer, mundartlich (bair.)
Ähndlsommer. Vielleicht metaphorisch übertra¬ Jh. wurde auf die exotische Pflanze der Name
Amaryllis übertragen (eigentlich der Name einer
gen aus 1), da 'nachzeitig’ und 'nur kurz dau¬
Hirtin in Vergils Eklogen). Vielleicht hat dabei
ernd’. 3) 'Im Herbst (und Frühjahr) in der Luft
herumfliegende Spinngewebe’, auch Marien¬ der Anklang an gr. amaryssein 'funkeln’ eine
Amateur 24 amen

Rolle gespielt. Nähere Einzelheiten sind nicht nächst das wahltaktische Verhalten, zu den
bekannt. Wählern zu gehen und persönlich um Stimmen
Amateur m. 'Nichtfachmann, Nichtprofessio¬ zu werben, dann übertragen auf den Grund
neller’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend dieses Verhaltens; das Streben nach Macht usw.
frz. amateur, dieses aus 1. amätor (dass.), einem Morphologisch zugehörig: ambitioniert, ambitiös-, ety¬
Nomen agentis zu 1. amäre 'lieben, etwas gern mologisch verwandt: s. Abitur. - W. Feldmann ZDW
tun Zunächst in der Bedeutung 'Kunstliebha¬ 8 (1906/07), 52; W. J. Jones SN 51 (1979), 248.
ber' verwendet, dann 'wer etwas nicht zum ambivalent Adj. 'zweiwertig, zwiespältig’,
Gelderwerb, sondern zur Freizeitgestaltung fachspracht Neubildung des 20. Jhs. zu 1. valens
tut’; dabei immer auch etwas die Nebenbedeu¬ (-entis) 'mächtig, stark’ (s. auch ambi-), in Ana¬
tung des Dilettantischen. logie bzw. Abgrenzung zu äquivalent. Zunächst
Morphologisch zugehörig: Amant. ein Wort der Psychologie, das die zugleich nega¬
Amazone /. 'kriegerische Frau, Reiterin, tive und positive Bewertung einer Person oder
Mannweib’, sonder spracht Im Mittelhochdeut¬ Sache bezeichnet.
schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. Amäzön, Morphologisch zugehörig: Ambivalenz-, etymologisch
dieses aus gr. Amäzön (dass.), dessen Etymolo¬ verwandt: äquivalent, evaluieren (usw.), Invalide, Re¬
konvaleszent (usw.), Valenz, Valuta-, zum Etymon s.
gie nicht sicher geklärt ist. Der Name ist über¬
walten.
nommen aus der griechischen Sage, die von
einem matriarchalisch geführten Volk mit krie¬ Amboß m. Mhd. aneböz, ahd. anaböz, mndd.
gerischen Reiterinnen erzählt. Volksetymologi¬ aneböt m./n. ist gebildet aus an und der Ablei¬
sche Deutungen sehen in dem Wort gerne ein tung eines Verbs für 'schlagen’ g. *baut-a- stV.
gr. (poet.) mazös 'Brust’ (s. auch a-1) und erklä¬ in anord. bauta, ae. beatan, ahd. bözen swV,
ren das Benennungsmotiv aus der angeblichen also eigentlich 'Anschlag; Stelle an der geschla¬
Tatsache, daß sich diese Frauen eine Brust am¬ gen wird’. Möglicherweise ist das Wort eine
putierten, um den Bogen besser spannen zu Lehnübersetzung von 1. ineüs 'Amboß’ (aus 1.
können. in und einer Ableitung von 1. cüdere 'schlagen’).
amb- Präfix, s. ambi-, Parallel gebildet sind nndl. aambeeld (mndl.
anebelte), ne. anvil (ae. anfilt, ahd. anafalz).
Amber m., Ambra m. (= ein Duftstoff), fach-
S. Boße. - Hoops (1973ff.), I, 249-252; Lloyd/Sprin¬
sprachl. Im 13. Jh. über frz. ambre, später auch ger (1988ff.), I, 218f., 224f.
über it. ambra f. aus arab. canbar gleicher Be¬
deutung entlehnt. Ambrosia f. Götternahrung’, sondersprachl.
Im Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
ambi- Präfix. Dient der Präfigierung von Ver¬ deutend 1. ambrosia, dieses aus gr. ambrosia
ben, wobei dem Grundwort die Bedeutung
(dass.; wörtlich: 'Unsterblichkeit’), einem Ab¬
'herum, um, von verschiedenen Seiten her’ hin¬
straktum zu gr. ämbrotos 'unsterblich’, zu gr.
zugegeben wird (z. B. ambivalent „mehrwer¬
brotös sterblich (s. auch a-1). Nach der griechi¬
tig”). Es wird in lateinischen Wörtern ins Deut¬
schen Mythologie die Nahrung der Unsterblich¬
sche übernommen und geht auf funktional ent¬
keit, die den Göttern Vorbehalten war. Dann
sprechendes 1. amb(i) zurück.
auch Bedeutungserweiterung auf besonders
Zum Etymon s. bei.
wohlschmeckende Nahrung: „Götterspeise”.
Ambiente n. 'Umgebung, Atmosphäre’, son- Zum Etymon s. Mqrd.
derspracht Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
ambulant Adj. 'nicht stationär, wandernd’.
tend it. ambiente, dieses aus 1. ambiens (-entis),
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
dem PPräs. von 1. ambire 'herumgehen’ (vgl.
ambulant, dieses aus 1. ambuläre herumgehen’.
Ambition).
Die Ambulanz war ursprünglich ein bewegliches
Etymologisch verwandt: s. Abitur. Feldlazarett.
ambig Adj. 'mehrdeutig’, fachspracht Im Etymologisch verwandt: s. Allee. - W. Feldmann
Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ ZDW 8 (1906/07), 52; Schirmer (1911), 10.
tend 1. ambiguus, zu 1. ambigere 'uneins sein,
Ameise /. Mhd. ämeize, ahd. ämeiza aus wg.
schwanken , zu 1. agere (äctum) 'tun, verfahren’
*ä-maitjön f. 'Ameise’, auch in ae. atmete; No¬
(s. auch ambi-).
men agentis aus *ä ab, weg’ (s. Ohnmacht) und
Morphologisch zugehörig: Ambiguität; etymologisch *mait-a- 'schneiden’ (s. Meißel1), also 'Ab¬
verwandt: s. Agenda.
schneiderin (mindestens sekundär so gedeutet),
Ambition/. 'Ehrgeiz’, sondersprachl. Im Neu¬ weil das Tier Blatt-Teile abschneidet.
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend Ne. ant. — Th. Schumacher DWEB 2(1963),
frz. ambition, dieses aus 1. ambitio (-önis) (dass.; 301-316; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 203-205.
wörtlich: das Herumgehen’), zu 1. ambire 'her¬
amen Part. (= Schlußwort beim Gebet). Im
umgehen’, zu 1. Ire 'gehen’ (s. auch ambi-). Zu¬
Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu-
-ament 25 Amok

tend 1. amen, dieses aus gr. amen (dass.), aus ahd. amerlinc mit Verdeutlichung des Suffixes
hebr. ~ämen (dass.), zu hebr. äman 'stärken, -zo.
bekräftigen’. Ein Wort der Bekräftigung: 'so Ne. yellow-hammer. S. Emmer. — Suolahti (1909),
soll es sein!’. 101-104; D.v. Kralik GGA 176(1914), 135; Lloyd/
Lokotsch (1975), 6. Springer (1988ff.), I, 192-194.
Ammern PI. 'Funkenasche’, west-nordd.
-ament Suffix. Dient der deverbativen Ablei¬
Mhd. eimere, ahd. eimuria aus g. *aimuzjön f.
tung von Substantiven, die u. a. Vorgänge, Tä¬
'(Funken)Asche’, auch in anord. eimyrja, ae.
tigkeiten und das Ergebnis von Tätigkeiten be¬
ämyrgan. Dieses ist ein Kompositum aus *aima-
zeichnen (z. B. Fundament, Abonnement, Ar¬
in anord. eimr m. 'Rauch’ und *uzjön /., auch
rangement, Postament). Es wurde in romani¬
in anord. ysja f. 'Feuer’, mit anderem Suffix
schen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬
ahd. usil-, ae. ysel, anord. usli m. '(glühende)
men; sein Ursprung ist 1. -mentum (dass.). — In
Asche, Funken’ (zu ig. *eus- 'brennen’, etwa
einigen Wörtern lautet die Form -ement oder in 1. ürere 'brennen’); also etwa 'Rauch-Asche,
-ment. Rauch-Glut’.
Amethyst m. (= ein Halbedelstein), fach- Ne. ember, schw. dial. eldmörja. — Kluge ZVS
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. ame- 26(1883), 84.
tiste, amatist) entlehnt aus gleichbedeutend Ammoniak n./(m.) (= eine gasförmige Ver¬
afrz. amethyste, dieses aus 1. amethystus f. bindung von Stickstoff und Wasserstoff), fach¬
(dass.), aus gr. amethystos f. (dass.), zu gr. ame- sprachl. Neubildung des 17. Jhs. zu gleichbedeu¬
thystos 'dem Rausch entgegenwirkend’, zu gr. tend 1. säl ammöniacum m./n. (wörtlich: 'Am-
methyein 'trunken sein, betört sein’ (s. auch monisches Salz’), so bezeichnet nach der Am¬
a-2), zu gr. methy n. 'Wein, berauschendes Ge¬ monsoase in Ägypten, einem bedeutenden
tränk’. So benannt, da man dem Stein die Ei¬ Fundort dieses Salzes.
genschaft zusprach, Trunkenheit zu verhindern. Morphologisch zugehörig: Ammonium.
Vielleicht beruht dieser Glaube aber auf einer Ammonshorn n. 'Versteinerung eines Kopf-
Volksetymologie und der Name ist fremder füßlers’, fachsprachl. Übersetzung des 18. Jhs.
Herkunft. aus der seit Plinius bezeugten Bezeichnung 1.
Zum Etymon s. Met. ammönis cornüa 'Hörner Ammons’ (nach dem
ägyptischen Gott, der unter anderem in der
Amiant m. 'weißer Asbest’, fachsprachl. Ent¬
Gestalt eines Widders verehrt wurde).
lehnt aus gleichbedeutend 1. amiantus, dieses
Löschen (1968), 173.
aus ntl.-gr. anüantos 'unbefleckt, rein’ (s. auch
Amnestie /. 'Begnadigung’, fachsprachl. Im
a-1), zu gr. miainein 'beflecken, besudeln, fär¬
Frühneuhochdeutschen (16. Jh.) entlehnt aus 1.
ben’. So benannt nach der weißen Farbe.
amnestia 'Vergebung, Vergessen’, dieses aus gr.
Ammann m. 'Gemeindevorsteher’, schwz. Seit amnestiä, einem Abstraktum zu gr. ämnestos
mittelhochdeutscher Zeit bezeugte Variante von 'ohne Erinnerung’, zu gr. mimniskein '(sich)
Amtmann. erinnern’ (mit sekundär nach anderen Verbal¬
Amme /. Mhd. amme, ahd. amma, mndl. formen eingeschobenem -s-) (s. auch a-2). Der
amme gehört zu einem weiter verbreiteten Lall¬ Straferlaß wird begrifflich also gefaßt als ein
Sich-nicht-(mehr-)Erinnem an die Straftat.
wort der Kindersprache, das z. B. auch in
Früheste Schreibform im Deutschen ist amni-
anord. amma Großmutter und ai. amba Mut¬
stia, entsprechend der damaligen Aussprache
ter’ erscheint.
des gr. e.
S. Hebamme. - Lloyd/Springer (1988ff.), I, 205f.
Etymologisch verwandt: s. Automat. — W. Feldmann
Ammer /. (= eine Vogelart), fachsprachl. ZDW 8 (1906/07), 52.
Mhd. amer, ahd. amaro, as. amer geht wie ae. Amöbe /. 'Einzeller, Wechseltierchen’, fach¬
amore auf die Getreidebezeichnung ahd. amaro, sprachl. Neogriechische Bildung zu gr. amoibe
amari 'Emmer, Dinkel’ (eine in Südwest¬ 'Veränderung, Wechsel’, einer Ableitung von gr.
deutschland und der Schweiz häufiger, heute ameibein 'wechseln’. So benannt, da die Einzel¬
aber fast nicht mehr angebaute Weizenart) zu¬ ler ihr Aussehen wegen der Fließbewegungen
rück; vermutlich ist die Vogelbezeichnung des¬ des Plasmas ständig verändern.
halb gekürzt aus *amaro-fogal 'Emmer-Vogel Etymologisch verwandt: 1. migräre 'wandeln’; im Deut¬
(benannt nach der bevorzugten Nahrung, wie schen: emigrieren (usw.), immigrieren; zum Etymon s.
Meineid.
Distelfink und Hänfling). Seit dem 13. Jh. nach
der Farbe des Vogels verdeutlicht zu Goldam¬ Amok m., besonders in Amok laufen 'blind¬
mer. Die regionale Form Emmeritz geht auf die wütend herumrennen und Leute ermorden .
ahd. Koseform amirzo zurück; Emmerling auf Malayisches Wort und malayischer Brauch: Aus
amortisieren 26 Amt

Rach- oder Ruhmsucht sich in Opiumrausch sprachl. Entlehnt aus 1. amphora (dass.), dieses
versetzen und dann mit dem Kris (Dolch) jeden aus gr. amphoreüs m., älter amphiphoreüs m.
Beliebigen anzufallen. Der so Besessene ruft 'Vorratsgefäß mit beidseitigen Henkeln’, zu gr.
Amock. Aus Reisebeschreibungen bekannt seit pherein 'tragen’ (s. auch amphi-).
dem 17. Jh. Im 20. Jh. auf europäische Verhält¬
Etymologisch verwandt: Ampel, Ampulle, Bergfried,
nisse übertragen. Eimer, Euphorie, Metapher, Peripherie, Phosphor,
Littmann (1924), 128; Lokotsch (1975), 7. Pulle-, zum Etymon s. gebären. — Lloyd/Springer
amortisieren swV. 'tilgen , fachsprachl. Im 18. (1988ff.), I, 210-212.
Jh. entlehnt aus frz. amortir 'abtöten, abtragen’, Amplitude/. 'Schwingungsweite’, fachsprachl.
dieses aus spl. *ad-mortire 'töten’, zu 1. mortuus Entlehnt aus 1. amplitüdo (-dinis) 'Größe,
tot’, zu 1. mon 'sterben’. Zunächst übernom¬ Weite, Erhabenheit’, einer Ableitung von 1. am-
men im Sinne von 'für nichtig erklären’. So plus 'umfangreich, geräumig, groß’. Ausdruck
bezeichnet, da es sich um das schrittweise Ab¬ der Wellenlehre.
tragen („Abtöten”) von Schulden handelt.
Ampulle /. 'Glasröhrchen’, fachsprachl. Im
Etymologisch verwandt: morbid, zum Etymon s. Mord.
- Schirmer (1911), 10f.; Brunt (1983), 128. 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ampulla,
einem Diminutivum zu 1. amphora 'krugförmi¬
Ampel /. Mhd. ampel, ahd. ampulla ist ent¬
ges Gefäß’ (Zwischenstufe *am-por-la), dieses
lehnt aus 1. ampulla 'kleine Flasche’ (als *am-
por-la zu I. amphora 'zweihenkliger Krug’). Mit aus gr. amphoreüs m., älter amphiphoreüs m.
dem deutschen Wort wurde im Mittelalter das 'Vorratsgefäß mit beidseitigen Henkeln’, zu gr.
ewige Licht’ in der Kirche bezeichnet, in spät¬ pherein 'tragen’ (s. auch amphi-). Das ursprüng¬
mittelhochdeutscher Zeit im Oberdeutschen liche Benennungsmotiv 'etwas, das an beiden
auch Bezeichnung für andere Hängeleuchten. Seiten getragen werden kann’ verliert sich bei
In neuerer Zeit von Lampe zurückgedrängt, der Diminuierung — das sehr viel geringere
aber im Sinn von 'Verkehrsampel’ neu belebt. Gewicht macht die (doppelten) Henkel ja über¬
Die frühen Verkehrsampeln waren über der flüssig.
Kreuzung aufgehängt. Morphologisch zugehörig: Pulle-, etymologisch ver¬
Etymologisch verwandt: s. Ampulle. - Kuhberg wandt: s. Amphore. - Lloyd/Springer (1988EF.), I
(1933), 36; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 209f. 210-212.
Ampfer m., fachsprachl. Mhd. ampfer, ahd. amputieren swV. 'operativ abnehmen’, fach¬
ampfaro (auch ampfara/.) bedeutet wie ae. am- sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
pre der Saure’ zu dem nur noch in Relikten 1. amputäre, zu 1. putäre 'schneiden, reinigen
belegten g. Adjektiv *am(p)ra- 'sauer’ (vor (u. a.)’ (s. auch ambi-).
allem von pflanzlicher Säure) in nord. apr
Morphologisch zugehörig: Amputation-, etymologisch
scharf, kalt und älterem nndl. amper 'scharf, verwandt: Computer, Deputat (usw.), Diskont, Disput
sauer’; dieses aus ig. *am(p)ro- 'sauer, bitter’ (usw.), Konto, Kontor, Reputation.
in ai. ambla- 'sauer’ und 1. amärus 'bitter’.
Amsel f. Mhd. amsei, ahd. amsla führt wie
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 207-209.
ae. ösle auf ein wg. *amslön. Weitere Herkunft
amphi- Präfix. Dient der Präfigierung von
unklar. Lautähnlich (*mes neben *ames) ist 1.
Adjektiven und Substantiven, wobei dem
merula. Vielleicht auch kymr. mwyalch(en),
Grundwort die Bedeutung 'um ... herum’ (z. B.
falls aus *mesalkä.
Amphitheater) oder 'zweifach’ (z. B. Amphibie)
Ne. ouzel. - Suolahti (1909), 54f.; E. Hamp IF
beigegeben wird. Es wird bei griechischen Wör¬
87 (1982), 77-79; Lloyd/Springer (1988fT.), I, 212f.
tern ins Deutsche übernommen und geht auf
funktional entsprechendes gr. amphi zurück. Amt n. Mhd. ambahte, ahd. ambahti, as. am-
Zum Etymon s. bei. baht vereinigt sich mit gt. andbahti (sekundäre
Amphibie /. 'Tier, das sowohl im Wasser als Angleichung an die Vorsilbe and-), anord. em-
auch aul dem Land lebt’, fachsprachl. Im 16. batti und ae. ambiht unter einem g. *ambahtja-
Jh. zunächst in fremder Form (amphibion n.) n. Dienst, Amt, das neben g. *ambahtjön (und
entlehnt aus gleichbedeutend 1. amphibion n., *ambahta-) m. Diener, Gefolgsmann’ steht.
dieses aus gr. amphibion n. (dass., wörtlich: 'et¬ Dieses ist früh entlehnt aus kelt. ambactos 'Hö¬
was Zweilebiges’), zu gr. amphibios 'zweilebig’, riger, Diener’ (aus *ambi 'herum’ und dem to-
zu gr. bios m. Leben’ (s. auch amphi-). Partizip eines mit 1. agere fäctumj 'treiben,
Etymologisch verwandt: Antibiotikum, bio-, Biogra¬ handeln usw.’ vergleichbaren Verbs, erhalten
phie, Biologie, Hygiene, Mikrobe, Symbiose, Zoologie vielleicht in kymr. amaeth 'Landmann, Bauer’).
(usw.); zum Etymon s. keck.
Der Diener, Hörige ist also bezeichnet als 'Be¬
Amphore/. (= ein in der Antike verwendetes, gleiter, Gefolgsmann’ (derjenige, der sich bei
bauchiges Gefäß mit zwei Henkeln), fach¬ seinem Herrn aufhält). Das Wort gehört mit
Amtsschimmel 27 Analyse

Reich (s. d.) zusammen zu den wichtigsten frü¬ tern ins Deutsche übernommen, mitunter über
hen Entlehnungen aus dem Keltischen. lateinische und romanische Vermittlung, und
S. Beamter. — M. Gottschald ZD 46(1932), 732f.; geht auf funktional entsprechendes gr. anä zu¬
Hoops (1973ff.), I, 257-268; Obst (1983), 197-205; rück.
Lloyd/Springer (1988fT.), I, 195f. Zum Etymon s. an.
Amtsschimmel m. Seit dem 19. Jh. für 'Büro¬ Anachronismus m. 'veraltete Sache, zeitlich
kratie, Amtssprache’, zunächst in Österreich. falsche Einordnung’, sondersprachl. Entlehnt
Etwas älter in der Schweiz den Amtsschimmel aus gleichbedeutend frz. anachronisme, dieses
reiten im Sinn von 'sich die staatlichen Einrich¬ aus ml. *anachronismus (dass.), zu gr. chronis-
tungen zunutze machen’. Vielleicht ist die jün¬ mös 'das Verweilen, Verbringen von Zeit’, zu
gere Bedeutung aus der älteren entstanden im gr. chronizein 'Zeit verbringen, sich verspäten’,
Sinn von 'auf behördlichen Vorschriften o. ä. zu gr. anä 'hinauf, zurück’ und gr. chronos
herumreiten’ (im Sinn von 'unnötig lange und 'Zeit’.
umständlich darauf beharren’). Das Aufkom¬ Etymologisch verwandt: s. Chronik. — W. Feldmann
men der Redewendung bleibt aber unklar; daß ZDW 8 (1906/07), 52.
die Amtsboten in der Schweiz beritten waren,
Anagramm n. 'Wort, das durch Umstellung
reicht kaum zur Erklärung aus.
der Buchstaben eines anderen Wortes gebildet
A. J. Storfer: Wörter und ihre Schicksale (Berlin, Zü¬
wurde’. Neubildung zu gr. anä 'zurück’ und gr.
rich 1935), 312f.
grämma f. 'Buchstabe’.
Amulett n. '(mit Zauberkräften versehener) Etymologisch verwandt: s. Grammatik.
Anhänger’, sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt
analog Adj. 'gleichartig, im selben Verhältnis
aus gleichbedeutend 1. ämületum, dessen Her¬
stehend’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
kunft nicht sicher gedeutet ist.
gleichbedeutend frz. analogue, dieses aus 1. ana-
W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 52; G. Schoppe ZDW
logus (dass.), aus gr. anälogos (dass.), hypo-
15(1914), 176.
stasiert aus gr. anä lögon 'einem (mathemati¬
amüsieren swV. 'gut unterhalten, belustigen’. schen) Verhältnis gemäß’, zu gr. lögos 'Maß,
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Vernunft, Berechnung’ (s. auch ana-), einer Ab¬
s’amuser, wohl einer Ableitung von spl. *müsus leitung von gr. legein 'zählen, berechnen (usw.)’.
'Maul, Schnauze’. Man geht davon aus, daß Im Griechischen zunächst ein Terminus der
es zunächst 'starren, Maulaffen feilhalten’ hieß Mathematik — entwickelt in der pythagorei¬
(der offene Mund als Symbol großen Erstau¬ schen Schule —, der die Ähnlichkeit von Ver¬
nens), dann übertragen wurde auf die Belusti¬ hältnissen (z. B. der Proportionen geometri¬
gung beim Anblick von Sensationellem und scher Figuren) bezeichnete. Bald aber auch in
Unterhaltendem. der Sprachphilosophie für die Regularität
Morphologisch zugehörig: amüsant, Amüsement. Er¬ sprachlicher Formen und Paradigmen verwen¬
satzwort ist belustigen. — W. Feldmann ZDW8 (1906/
det; dann Verallgemeinerung.
07), 52; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 176; Jones (1976),
Morphologisch zugehörig: Analogie, Analogon', etymo¬
101 f.; Brunt (1983), 129-131.
logisch verwandt: Anthologie, Apologie (usw.), delegie¬
an- Präfix, s. a-1; und ad-. ren (usw.), Dialekt (usw.), Dialektik, Dialog, eklektisch
an Präp./Adv. Als Verbzusatz zur Bezeich¬ (usw.), elegant (usw.), Elite (usw.), Epilog, intelligent
nung der Richtung (anlachen), des Handlungs¬ (usw.), Katalog, Kollege (usw.), Kollektion (usw.), legal
(usw.), Legende (usw.), Legion (usw.), legitim (usw.),
beginns (anbrennen), der Fortdauer des Ergeb¬
-lei, Lektion, Lektor, Lektüre, lesen, Lexikon (usw.),
nisses (anbinden) u. ä. Mhd. ane, ahd. ana, as.
Logarithmus, -löge, -logie, Logik (usw.), loyal (usw.),
an gehört (mit erweitertem Suffix) zu g. *ana, Monolog, Neglige, Nekrolog, Privileg (usw.), Prolog,
auch in gt. ana (ebenfalls erweitert), anord. ä, Selektion (usw.). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
ae. afr. on, zu ig. *ana in gr. ana 'auf, an’, avest. 52; E. Leser ZDW 15(1914), 8f.; G. Schoppe ZDW
ana u. a. 15 (1914), 176; D. Fehling: Varro und die grammatische
Nndl. aan, ne. on, nschw. ä, nisl. ä. S. ana-. — Henzen Lehre von der Analogie (Diss. masch. Kiel 1956); H. H.
(1969), 241-268; Lloyd/Springer (1988ff.), I, Christmann in: FS K. Baidinger (Tübingen 1979), 1,
213-215. 102 —115; H. H. Christmann in: Stimmen der Romania,
FS W. T. Eiwert (Wiesbaden 1980), 519-535.
ana- Präfix. Dient der Präfigierung von Sub¬
stantiven und Verben, wobei dem Grundwort Analyse/. 'Zergliederung, Untersuchung’. Im
eine der Bedeutungen 'auf, hinauf' (z. B. Ana¬ 16. Jh. zunächst in fremder Form (analysis)
lyse „Auflösung”), 'entsprechend, gemäß’ (z. B. entlehnt aus gleichbedeutend gr. anälysis, einem
analog „einem bestimmten Verhältnis gemäß”), Nomen actionis zu gr. analyein 'zergliedern,
'zurück, wieder’ (z. B. Anamnese „vom Patien¬ auflösen’, zu gr. lyein 'lösen’ (s. auch ana-). Im
ten erinnerte Krankengeschichte”) hinzugefügt Griechischen zunächst ein Terminus der mathe¬
wird. Es wird vornehmlich in griechischen Wör¬ matischen und philosophischen Methodenlehre
Anämie 28 -and

(z. B. etwas auf die Bestandteile zurückführen, zu gr. aisthänesthai 'empfinden, wahrnehmen’
aus denen es zusammengesetzt ist). In der Neu¬ (s. auch ana-).
zeit dann Ausweitung der Bedeutung auf 'wis¬ Etymologisch verwandt: s. Ästhetik.
senschaftliche Untersuchung’.
Anatomie/ '(Wissenschaft vom) Aufbau des
Morphologisch zugehörig: Analysand, Analysator, Körpers’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
Analysis, Analyst, Analytik; etymologisch verwandt: s.
gleichbedeutend spl. anatomia, dieses aus gr.
absolut. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 52. Zu
Analytik vgl.: G. Tonelli AB 1 (1962), 120 — 139. anatome (dass.), einem Abstraktum zu gr. ana-
temnein 'aufschneiden, sezieren’, abgeleitet von
Anämie/. 'Blutarmut’, fachsprachl. Entlehnt
gr. temnein 'schneiden, zerteilen’ (s. auch ana-).
aus gleichbedeutend neo-1. anaemia, einer Neu¬
Der Aufbau eines Körpers wird in dieser Be¬
bildung zu gr. änaimos 'blutlos’, zu gr. hdima
zeichnung als Ergebnis des schneidenden Zer-
n. 'Blut’ (s. auch u-1).
gliederns gesehen.
Etymologisch verwandt: Leukämie, Schweiß1.
Morphologisch zugehörig: Anatom, anatomisch', ety¬
Ananas /. (= eine tropische Frucht). Im 16. mologisch verwandt: Atom, Dichotomie, Fliete. — W.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend port. ananäs, Feldmann ZDW 8 (1906/07), 52f.
dieses aus südamerikanischen Indianersprachen anbandeln swV. 'einen Flirt oder einen Streit
(Tupi, Guarani), in denen das Wort wohl anänä, anfangen’, ugs. Seit dem 18. Jh. aus bairisch-
nänä, nanas o. ä. gelautet hat (z. T. mit Differen¬ österreichischen Mundarten übernommen. Aus¬
zierung zwischen der Pflanze und der Frucht). gangsbedeutung: 'anzubinden suchen’. Genaue
Der eigentliche Ursprung des Wortes ist dunkel. Herkunft unklar, vielleicht wie anzetteln ein
Unter den vielen Kontakten dieses Internatio¬ Ausdruck der Webersprache.
nalismus in den europäischen Sprachen dürfte S. binden (+).
sich der Einfluß des Niederländischen auf Ak¬
anbelangen swV, s. belangen.
zentverschiebung und Zuordnung des femini¬
nen Genus im Deutschen mit ausgewirkt haben. anberaumen swV, arch. Lautlich unter dem
Littmann (1924), 146; R. Loewe ZVS 60(1933), Einfluß von Raum umgestaltet (oder regional
167-173; Palmer (1939), 23f.; M. Wis NPhM schwäbisch zu au entwickelt und verallgemei¬
66(1965), 621. nert) aus mhd. rämen 'festsetzen’, mhd. berämen
Anapäst m. (= ein VersfuQ), fachsprachl. Ent¬ festsetzen’, ahd. rämen, as. rämon, rümon
lehnt aus gleichbedeutend 1. anapaestus, dieses 'trachten, streben’. Mit gleichem Lautstand wie
aus gr. anäpaistos (dass.), zu gr. anapaiein 'Zu¬ das Altsächsische (und abweichend vom Deut¬
rückschlagen’, zu gr. paiein 'schlagen’ (s. auch schen) ae. römian 'streben’, wieder anders afr.
ramia 'erziehen’. Dieses gehört offenbar zu
ana-). So bezeichnet als 'umgekehrter Dak¬
tylus’. einer (allerdings schlechter bezeugten) Nomi¬
nalbildung mhd. räm 'Ziel’ zu weur. *re- 'be¬
Anarchie/. 'Gesetzeslosigkeit, Chaos’. Im 18. rechnen, meinen’, vor allem in 1. rert.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. anarchia,
H. Schüwer NJ 104(1981), 87f.
dieses aus gr. anarchia (dass.), einem Abstrak¬
tum zu gr. änarchos 'führerlos, zügellos’, zu gr. anbiedern swV. refl. 'sich plump einschmei¬
archös m. 'Führer’ (s. auch an-), einem Nomen cheln’. Im 18. Jh. als Zusammenbildung ent¬
standen zu dem bereits ironisch gebrauchten
agentis zu gr. ärchein 'führen, herrschen’ (dazu
bieder (s. d.).
gr. arche 'Ursprung, Anfang’). Im Griechischen
zunächst Bezeichnung für das Fehlen eines An¬ Anchovis PL (= eine Sardellenart), fach¬
führers bzw. Heerführers, dann auch — im Zu¬ sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
sammenhang politischer Staatstheorien — für nndl. ansjovis und ne. anchovy, diese über roma¬
die aus dem Zustand der Herrscherlosigkeit re¬ nische Vermittlung (vgl. port. anchova, span.
sultierenden Ausschreitungen. Seit dem 17. Jh. anchoa, frz. anchois m.) wohl aus dem Baski-
vermehrt Gegenstand neuzeitlichen Nachden¬ schen. Semantisch ist auch ein Anschluß an gr.
kens über die absolute Macht von Herrschern. aphye f kleine Fische’ (etymologisch unklar)
Morphologisch zugehörig: Anarchismus, Anarchist möglich, doch macht die Lautform Schwierig¬
(Neologismus des Frz.); etymologisch verwandt: ar¬ keiten.
chaisch, Archäologie, archi-, Architekt, Archiv (usw.), E. Polome JIES 11 (1983), 49.
Hierarchie, Monarch (usw.), Oligarchie, Patriarch', zum
-and Suffix. Dient der Bildung von Personen-
Etymon s. Erz-. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07)
52. und Sachbezeichnungen, wobei Person bzw. Sa¬
che als jmd. bzw. etwas charakterisiert wird,
Anästhesie/ 'Narkose’, fachsprachl. Entlehnt dem die im zugrundeliegenden Verb ausge¬
aus gr. anaisthesia 'Mangel an Empfindungen, drückte Handlung widerfahren soll (z. B. Habi¬
Unempfindlichkeit (gegenüber Schmerz)’, zu gr. litand „jmd., der habilitiert werden soll”, Multi¬
aisthesis 'Wahrnehmung’, einem Verbalnomen plikand „Zahl, die multipliziert werden soll”).
Andacht 29 Angel

Es wird vornehmlich in lateinischen Wörtern (dass.) mit -o des Stammes bzw. als Fügungsele¬
ins Deutsche übernommen und geht auf lateini¬ ment, zu gr. eidos n. 'Form, Gestalt’.
sche Gerundivformen mit -(a)nd(us) zurück. Etymologisch verwandt: s. androgyn.
Andacht/. Mhd. andäht, ahd. anadäht, mndd. Anekdote /, 'kurze, treffende Erzählung’. Im
andacht, mndl. aendachte ist ein ti-Abstraktum 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. anec-
zu denken (s. d.), kombiniert mit an (Präp./Adv., dote, dieses aus gr. anekdota '(wörtlich:) nicht
s. d.); also 'Denken an etwas, Aufmerksamkeit’. an die Öffentlichkeit Gegebenes’, einem Ab¬
Seit dem 12. Jh. eingeengt auf das 'Denken an straktum zu gr. anekdotos 'nicht veröffentlicht’,
Gott’. dem PPrät. zu negiertem gr. ekdidönai 'aus dem
K.-H. Göttert in: FS Tschirch (1972), 151 -169. Haus geben, veröffentlichen, unter die Leute
Andenken n. In der Bedeutung 'Erinnerungs¬ bringen’ (s. auch an-), zu gr. didönai 'geben,
zeichen’ Lehnbedeutung des 18. Jhs. zu frz. schenken’. Die für die Neuzeit entscheidende
souvenir m. Die ältere Bedeutung 'Erinnerung’ begriffliche Prägung basiert auf der Verwen¬
mit der Variante Angedenken noch in der heute dung des griechischen Wortes als Titel einer
meist ironisch gebrauchten Formel seligen An¬ Sammlung unveröffentlichter, „intimer” Bege¬
gedenkens. benheiten, die der byzantinische Geschichts¬
schreiber Prokop zusammengestellt hatte. Die
ander Adj. Mhd. ander, ahd. ander, as. ööar
Interpretation des Titels als „unveröffentlichte
aus g. *anpara-, auch in gt. anpar, anord. an¬
Geschichten” läßt einen neuen Singular entste¬
narr, ae. ööer, afr. öther. Dieses aus ig. *antero-
hen, bei dem der Aspekt der Veröffentli¬
(oder *ontero-) in ai. äntara-, lit. ahtras 'der
chung — und damit das eigentliche Bezeich¬
andere’. Gegensatzbildung auf *-tero- zu einem
nungsmotiv — etwas hinter dem besonderen
Pronominalstamm, der mit anderem Suffix
Charakter dieser Erzählungen zurücktritt.
auch in ai. anyä- 'anderer’ vorhegt. Hierzu an¬
Etymologisch verwandt: s. Datum.
derthalb 'eineinhalb’ = 'das zweite halb’. In
Anemone/. 'Buschwindröschen’, fachsprachl.
anderen Umständen beruht auf einem alten eu¬
phemistischen Gebrauch von ander (vgl. H. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ane-
möne, dieses aus gr. anemöne (dass.). Der Ur¬
Schulz, s. u.).
sprung des Wortes ist nicht geklärt. Wegen der
Nndl. ander, ne. other, nschw. annan, nisl. annar. —
H. Schulz ZDW 10(1909), 157; A. Debrunner REt lautlichen Ähnlichkeit wird es bereits im Grie¬
3 (1943), 5 — 14; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 241f. chischen volksetymologisch auf gr. änemos
m.'Wind’ bezogen. Diese Interpretation des
anderthalb Adv., s. ander und halb.
Wortes spiegelt sich auch im deutschen Ersatz¬
anderweit(ig) Adv. 'anderswo’, älter (Luther) wort Buschwindröschen.
'zum zweiten Mal’, arch. Zu einem mittelhoch¬
anerkennen swV. 'gutheißen’. Gebildet im 16.
deutschen Zahlwortsuffix der Bedeutung '-mal’,
Jh. zu erkennen in dieser Bedeutung (s. d.), das
das auf mhd. weide 'Fahrt, Reise’ zurückgeführt
durch die Neuerung verdeutlicht und schließlich
wird (zu Weide 'Futter’ = 'die soundsovielte
ersetzt wird.
Fütterung auf dem Weg’).
anfachen swV., s. fachen.
Andreaskreuz n. 'Schrägliegendes Kreuz’,
anfangen stV. Mhd. anvähen, ahd. anafähatr,
fachsprachl. So benannt, weil an einem solchen
aus an und fangen (s. d.), wie 'etwas anpacken
der Apostel Andreas gekreuzigt worden sein
u. ä.\ In den übrigen westgermanischen Spra¬
soll. Das Wort ist seit dem 16. Jh. (zunächst in
chen bedeutet die Präfigierung 'anpacken’.
Künstlerkreisen) üblich.
Anführungszeichen n., s. Gänsefüßchen.
androgyn Adj. 'mit männlichen und weibli¬
chen Merkmalen versehen’, fachsprachl. Ent¬ Angebinde n., arch. Seit dem 17. Jh. bezeugt.
lehnt aus gleichbedeutend frz. androgyne, dieses Ursprünglich 'Geburtstagsgeschenk’, weil die¬
zu 1. androgynus 'Zwitterwesen’, aus gr. andrö- ses an Arm oder Hals gebunden wurde.
gynos (dass.), zu gr. aner (andrös) 'Mann’ und S. binden ( + ). — F. Böhm: Geburtstag und Namenstag
gr. gyne 'Frau, weibliches Wesen’. Vgl. Mann¬ (Berlin 1938), 50-74.
weib. Angel/. Mhd. mndd. angel m., ahd. as. angul
Morphologisch zugehörig: Androgynie, Androide, [An¬ m. geht in beiden Bedeutungen zurück auf g.
drologe, Andrologie, androphil]’, etymologisch ver¬ *angula- m. 'Haken’, auch in anord. pngull,
wandt: Gynäkologie. ae. angel, einer (diminutiven?) /-Bildung zu g.
Androide m. 'künstlicher Mensch, ein dem *angön m. 'Haken’ in ae. ange, ahd. ango. Die¬
Menschen ähnliches Wesen’, fachsprachl. Ent¬ ses gehört zu ig. *ank- 'krümmen, krumm’ in
lehnt aus gleichbedeutend neo-1. androides, zu ai. ähcati 'krümmt’, gr. änkistron n. 'Widerha¬
gr. anär (andrös) 'Mann’ und neo-1. oides ken’, 1. ancus 'gekrümmt’ u. a. Falls heth. hink-
'gleich’, aus gr. -o-eides (dass.), zu gr. -eides 'sich verneigen’ zugehörig ist, ist von ig. *hank-
Angelegenheit 30 Anis

auszugehen. Der Übergang zum Femininum lich, doch ist nicht klar, von welcher konkreten
erst spätmittelhochdeutsch. Situation sie ausgegangen ist.
S. Anker1. - Hoops (1973ff.), I, 282-284; O. Kieser anheim Adv. (in anheimstellen, anheimfallen,
in: FS Martin (1980), 219 — 231; Lloyd/Springer anheimgeben), arch. Der Funktion nach ein ver¬
(1988fT.), I, 250-253.
stärktes Richtungsadverb 'hin’ zu mhd. (obd.)
Angelegenheit /., angelegentlich Adj., s. An¬ anheim 'anwesend’ (seit dem 15. Jh.); zu Heim
liegen. wie daheim.
angelweit Adj., s. sperrangelweit. anheimeln swV. 'vertraut wirken’. Bezeugt seit
angenehm Adj. Mhd. genäme, ahd. nämi aus dem 18. Jh. Die alemannischen Verbalbildungen
g. *-nämja- Adj., auch in gt. anda-nems 'ange¬ auf -ein bedeuten häufig 'nach etwas schmecken
nehm’, anord. ncemr 'gelehrig’. Adjektiv der oder riechen’, demgemäß etwa 'nach Heimat
Möglichkeit zu g. *nem-a- 'nehmen’ (s. d.); Aus¬ schmecken’.
gangsbedeutung für das deutsche Wort also 'an¬ anheischig Adj., arch. Aus mhd. antheizec in
nehmbar, was angenommen werden kann’. Anlehnung an heischen umgestaltet. Das mittel¬
Anger m., reg. Mhd. anger, ahd. as. angar. hochdeutsche Wort gehört als Adjektiv zu ant-
Vorauszusetzen ist *ang-ra- m. 'Grasland’, zu heiz 'Gelübde’, das zur Wurzel von heißen ge¬
dem auch anord. -angr (vermutlich 'Bucht’) in hört (s. d.).
Ortsnamen gehört, sonst im Nordischen eng S. auch heischen.
f. 'Wiese’ (aus *angjö) u. ä. Außergermanisch anhimmeln swV., ugs. Zu himmeln 'einen ver¬
vergleicht sich spl. ancrae, angrae f. 'Raum zwi¬ klärten Gesichtsausdruck haben’ als 'jmd. mit
schen Bäumen, bepflanzte Uferstreifen’ und gr. verklärtem Gesicht anschauen’.
änkos 'Tal’. Weitere Herkunft dunkel; vielleicht animalisch Adj. 'tierisch’, sonder spracht. Ge¬
als 'gekrümmte Fläche’ zu der unter Angel be¬ lehrte Hybridbildung des 17. Jhs. zu 1. animal
handelten Grundlage. 'Tier’, das zu 1. animus 'Atem, Seele’ gehört.
J. Trier: Anger und Park (Berlin 1968); H. Tiefenbach Etymologisch verwandt: s. animieren. — W. Feldmann
in: Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 299f.; Lloyd/Sprin¬ ZDW 8 (1906/07), 53; G. Schoppe ZDW 15(1914),
ger (1988ff.), I, 247 — 249. Zur Bedeutung: Trier (1963), 176; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 386.
23-31.
Animation /., s. animieren.
Angesicht n. 'Gesicht’, arch. Mhd. angesiht f,
animieren swV. 'ermutigen, anregen’. Im 17.
as. angisiht f. Ursprünglich wohl Verbalabstrak¬
Jh. entlehnt aus frz. animer 'ermutigen’, dieses
tum zu ansehen und dann in der Bedeutung
aus 1. animäre 'beseelen, beleben’, zu 1. animus,
von Gesicht (s. d.) beeinflußt. Die ursprüngliche
anima 'Atem, Seele’. Die Entlehnung erfolgt
Bedeutung ist wohl noch erhalten in angesichts.
zunächst in militärischem Zusammenhang, wo
Angewende n. 'Stelle, an der der Pflug gewen¬ ein Beleben im Sinne des Mutmachens gemeint
det wird’, fachsprachl., reg. Auch Gewende und ist. Dann mit weiterer Ausbreitung eine Ab¬
(so die älteste Form) Anwand, Anwende (mhd. schwächung und Verallgemeinerung zu 'anre¬
anwant, anwande/., ahd. anawanta/.). Zu wen¬ gen (zu), in Stimmung versetzen’. Im filmtechni¬
den (s. d.). schen Bereich daneben Animation im „klassi¬
Angst /. Mhd. angest, ahd. angust aus wg. schen” Sinn von 'Leben schenken’ (z. B. in Zei¬
*angusti- f. 'Angst’, auch in afr. angst. Dieses chentrickfilmen). Animosität bezeichnet die „ge¬
ist eine (i)r/-Bildung (oder ti-Bildung zu einem reizte Belebtheit”; daraus dann 'Feindseligkeit’.
j-Stamm) zu ig. *anghu- 'eng, bedrängend’ (s. Morphologisch zugehörig: Animateur, Animator, Ani¬
eng). Der .y-Stammm liegt vor in ai. ärhhas- mosität', etymologisch verwandt: animalisch, Asthma,
inhalieren (usw.). — W. J. Jones SN 51 (1979), 248.
'Bedrängung, Angst’, 1. angor m. 'Würgen,
Angst’, 1. angustus 'eng, schmal’ und akslav. Animosität /., s. animieren.
Qzos-ti 'Beengung’. Anis m. (= eine Gewürzpflanze). Im Mittel¬
S. hange. - H. Bergenholtz: Das Wortfeld 'Angst' hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1.
(Stuttgart 1980); Lloyd/Springer (1988fT.), I, 253-255. ariisum n., dieses aus gr. änlson n. (mit dial.
Angsthase m., s. Bangbüx. Varianten), dessen weitere Herkunft nicht ge¬
klärt ist. Das griechische Wort bedeutet zu¬
anhängig Adj. 'schwebend (von Gerichts¬
nächst sowohl 'Anis’ als auch 'Dill’. Das Latei¬
sachen)’, fachsprachl. Bezeugt seit dem 15. Jh.
nische nutzt dann die zwei ursprünglichen grie¬
als 'bei Gericht vorgebracht’ ('angehängt’).
chischen Varianten ariisum n. und anethum n.
anheben stV. 'beginnen’, arch. Mhd. anehe- zur sprachlichen Unterscheidung (1. anethum n.
ben, mndd. anheven, mndl. aenheffen; entspre¬ 'Dill’).
chend ae. onhebban, anord. hefja. Zu heben Lloyd/Springer (1988ff), I, 257f. Zur Sache: H. Fincke
(s. d.); die Bedeutungsveränderung ist verständ¬ Gordian 63 (1963), 10—18.
Anke(n) 31 Anrainer

Anke(n)1 m. 'Butter’, alem. Mhd. anke, ahd. Annalen PI. 'Jahrbücher’, fachsprachl. Im 18.
anko. Obwohl nur das Deutsche das Wort be¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (libri) annä-
wahrt hat, ist g. *ankwön m. 'Fett, Butter’ vor¬ les '(wörtlich:) jährliche Bücher’, zu 1. annälis
auszusetzen, als Fortsetzer eines weur. *onguen- 'das Jahr bzw. die Jahre betreffend’, einer Ablei¬
'Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablaut¬ tung von 1. annus m. 'Jahr’.
stufen), vgl. 1. unguen n. 'Fett, Salbe’, air. imb Morphologisch zugehörig: Annalist, Annalistik; etymo¬
'Butter’ (*nguen-) zur Verbalwurzel *ongu- 'sal¬ logisch verwandt: Annaten. Ersatzwort ist Jahrbücher.
ben’ in ai. anäkti, 1. unguere u. a. Annaten Pi 'die im ersten Jahr zu zahlende
S. auch Renke. — Lloyd/Springer (1988ff.), I, Abgabe einer geistlichen Pfründe’, fachsprachl.
263-265. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleich¬
Anke2/., s. Enkel2. bedeutend neo-1. annatae, zu 1. annus m. 'Jahr’.
Etymologisch verwandt: s. Annalen.
Anker1 m. Mhd. anker, ahd. anker. Wie ae.
annektieren swV., s. Nexus und ad-,
ancor entlehnt aus 1. ancora /., das auf gr. dn-
kyra f. zurückgeht. Dessen Bedeutung ist ur¬ Annonce/. 'Ankündigung, Bekanntmachung,
sprünglich 'Haken’ o. ä., da es etymologisch zu Inserat’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
der unter Angel behandelten Sippe gehört. Die tend frz. annonce, einer postverbalen Ableitung
Germanen übernahmen das lateinische Wort von frz. annoncer 'öffentlich bekanntgeben, an¬
mit der Sache — zuvor hatten sie ihre Schiffe kündigen’, dieses aus 1. annüntiäre (dass.), zu 1.
nüntiäre 'berichten, melden’ (s. auch ad-), einer
mit Steinen (ahd. senkil, anord. stjöri) festge¬
Ableitung von 1. nüntius m. 'Bote, Nachricht’.
legt.
Die eingeschränkte Bedeutung im Deutschen
S. Angel. — Hoops (1973ff.), I, 342f.; Lloyd/Springer
erklärt sich aus der Verwendung im Zeitungswe¬
(1988fF.), I, 261-263.
sen, wo man — wie heute — von einer Zeitungs¬
Anker2 m. 'Flüssigkeitsmaß’, arch. In früh¬ annonce spricht. Unter Wegfall des Bestim¬
neuhochdeutscher Zeit entlehnt aus nndl. anker, mungsworts Zeitung übernimmt dann das
das wie ne. anker, nschw. ankar(e) aus ml. Grundwort Annonce die engere Bedeutung des
anc(e)ria f. entlehnt ist. Dieses stammt seiner¬ ursprünglichen Kompositums.
seits vermutlich aus ahd. hantkar 'Handgefäß’. Etymologisch verwandt: denunzieren (usw.), Nuntius,
prononciert. Ersatzwort ist Anzeige.
ankohlen swV. 'im Scherz belügen’, ugs. Zu
Kohl2 (s. d.). annullieren swV., s. Null und ad-.

ankreiden swV. 'zum Vorwurf machen’, ugs. anomal Adj. 'unregelmäßig’, Anomalität /.,
Ursprünglich '(als Zeche) anschreiben’ (in alter sondersprach!. Entlehnt aus spl. anomale Adv.
Zeit mit Kreide an einer Tafel), daraus übertra¬ und spl. anömalia, diese aus gr. anömälos 'un¬
gen als 'sich vormerken, um sich später dafür gleich’ (zu gr. homalös 'gleich, eben’) entlehnt
wurde. Das Wort ist aber wohl schon früh auf
zu rächen’.
gr. nömos m. 'Brauch, Gesetz’ (s. auch Agro¬
Anlaß m. Mhd. an(e)läz z. B. 'Ort, von dem nom) bezogen worden und hat sich später mit
das Rennen losgeht’ (vgl. z. B. loslassen). Zu 1. abnormis 'von der Norm abweichend’ ver¬
lassen (s. d.). Die ursprüngliche Bedeutung wird mischt (s. Norm). In deutschen Texten etwa seit
verallgemeinert zu 'Anfang’, dann zu 'Ursache’. dem 18. Jh.
Seit dem 19. Jh. auch 'Ereignis’. W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 53.
Anliegen n. Substantivierter Infinitiv (zu es anonym Adj. 'nicht bekannt, ohne Nennung
liegt mir an etwas), bezeugt seit dem 15. Jh. des Namens’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Dazu als Partizip veraltetes angelegen (es sich deutend 1. anönymus und frz. anonyme, diese aus
angelegen sein lassen) mit angelegentlich 'nach¬ gr. anonymos 'namenlos, unbekannt’, abgeleitet
drücklich’ und Angelegenheit (ursprünglich 'Sa¬ von gr. önoma, önyma 'Name’ (s. auch a-1).
che, die einem am Herzen liegt’). Mhd. aneligen, Morphologisch zugehörig: Anonymität, Anonymus-,
ahd. analiggen, mndd. anliggen 'jemandes Sache etymologisch verwandt: homonym, Pseudonym, syn¬
onym; zum Etymon s. Name. — W. Feldmann ZDW
sein, jemanden bedrängen’ zu liegen (s. d.).
8 (1906/07), 53.
Anmut/. Seit dem 14. Jh. anemuot, ursprüng¬
Anorak m. 'wasser- und wetterfeste Jacke’.
lich maskulinum mit der Bedeutung 'was in den
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend eskim.
Sinn (Mut) kommt, Verlangen’. Später bezeich¬
anorak; dessen Herkunft ist nicht sicher geklärt.
net das Wort nicht mehr eine Empfindung des
anpassen swV, s. passen.
wahrnehmenden Subjekts, sondern eine Eigen¬
schaft des wahrgenommenen Objekts und anpflaumen swV, s. pflaumen.
kommt damit zur heutigen Bedeutung. Formal Anrainer m. 'Nachbar’, reg. Zu anrainen 'an¬
wohl Rückbildung zu einem Verb. grenzen’ (seit dem 17. Jh.), zu Rain (s. d.) im

S. Mut{ + ).
Sinne von 'Grenze’.
anranzen 32 Antenne

anranzen swV. 'derb anfahren’, ugs., obd. Seit Bedeutungen. Die Präfigierung anstrengen im
dem 18. Jh. bezeugt; wohl eine Bildung auf Sinn von einen Prozeß anstrengen geht auf die
mhd. -ezzen-, das Grundwort ist aber unklar mittelhochdeutsche Bedeutung 'dringend bit¬
(ranken 'brüllen’?). ten, zusetzen, bedrängen’ zurück (zu streng im
anrüchig Adj. Im 15. Jh. als anrüchtig aus Sinne von 'stark, aggressiv’); sich anstrengen ist
dem Niederdeutschen übernommen. Dort ist es 'sich abmühen (durch Anspannung aller Kräfte
zu ruchte 'Leumund’ gebildet, das (mit Über¬ und Verzicht auf anderes)’ aus mhd. strengen
gang von ft zu cht) mhd. ruoft 'Ruf, Leumund’ (mit Akkusativ) 'einschränken, antreiben’ zu
entspricht (näheres s. rufen). Das niederdeut¬ streng etwa im Sinn von 'unerbittlich’.
sche Adjektiv bedeutet zunächst 'der einen (üb¬ -ant Suffix. Dient zum einen der Ableitung
len) Ruf hat’; es wird dann im hochdeutschen von Personen- und Sachbezeichnungen, wobei
Bereich verallgemeinert und offenbar an riechen die Person als jemand charakterisiert wird, der
angeschlossen, so daß es sein -t- verliert. das im zugrundeliegenden Wort Ausgedrückte
ansässig Adj. Erst neuhochdeutsche Bildung tut (z. B. Fabrikant „jmd., der etwas fabriziert”,
zu fnhd. ansesz m. 'fester Wohnsitz’ und zu Praktikant „jmd., der ein Praktikum macht”).
ansesse m. 'Eingesessener’; diese zu mhd. nhd. Zum anderen werden damit auch Adjektive ge¬
sez n./m. 'Wohnsitz’. bildet, die das Vorliegen einer Eigenschaft be¬
S. sitzen ( + ), vgl. seßhaft. zeichnen (z. B. charmant „hat Charme”). Es
wird in lateinischen Wörtern (z. T. in romani¬
anschirren jwV 'anspannen’. Im 17. Jh. gebil¬
scher Vermittlung) ins Deutsche übernommen
det zu Geschirr (s. d.) in der Bedeutung 'Leder-
und geht auf das lateinische Partizip Präsens
und Riemenwerk der Zug- und Reittiere’.
auf -(ä)ns (-ntis) zurück.
anschnauzen swV., ugs. Seit dem 16. Jh. belegt
Antagonismus m. 'Gegensätzlichkeit’, fach-
und weiter verbreitet als Schnauze, so daß eine
sprachl. Neubildung zu gr. antagönizesthai 'ge¬
Bildung auf -ezzen zu schnauben (s. d.) angesetzt
gen jmd. kämpfen’, zu gr. agönizesthai 'kämp¬
werden kann.
fen’ (s. auch anti-), zu gr. agon 'Kampf, Wett¬
Ansehen n. Substantivierter Infinitiv, ausge¬ kampf, Versammlung’, zu gr. ägein 'treiben,
hend von der Bedeutung 'Erscheinung’, dann führen; schreiten, ziehen, gehen’.
'beachtliche Erscheinung, Wertschätzung (durch Morphologisch zugehörig: Antagonist; etymologisch
andere)’. Bezeugt seit dem 16. Jh. Zu sehen verwandt: s. Agonie, Demagoge (usw.), Pädagogik
(s. d.). (usw.), Protagonist, Synagoge, Strategie; zum Etymon
s. Achse.
Ansinnen n. Substantivierter Infinitiv zu mhd.
an einen sinnen 'jmd. angehen um etwas’. Be¬ Antarktis/., s. Arktis und anti-.
zeugt seit dem 16. Jh. Heute meist von einem ante- Präfix. Dient der Präfigierung von
ungerechtfertigten Begehren gesagt. Adjektiven, Substantiven und Verben, wobei
Anstalt/. Mhd. anstalt, nach dem Muster der dem Grundwort die Bedeutung 'vor’ hinzuge¬
älteren r/-Abstrakta gebildet zu stellen (s. d.). fügt wird (z. B. antediluvianisch „vorsintflut¬
Entsprechend zu anstellen 'anordnen, einrich¬ lich”, Antepänultima „die Silbe vor der Pänul-
ten’ bedeutet das Substantiv u. a. 'Anordnung’ tima [d. h. die drittletzte Silbe]”, antedatieren
(vgl. Anstalten treffen) und 'Einrichtung’ (auch „vor[aus]datieren”). Es wird in lateinischen
als Gebäude). Wörtern (z. T. in romanischer Vermittlung) ins
Anstand m. 'gute Sitten’. Abstraktbildung zu Deutsche übernommen und geht auf 1. ante-
anstehen im Sinne von 'passen, sich schicken’; zurück. Die Form ant- steht vor Vokalen.
dieses z. B. von Kleidern gesagt, wie 'es steht Etymologisch verwandt: s. antik.
mir’, 'es sitzt’. Bezeugt seit dem 17. Jh. Die Antenne /. 'Vorrichtung zum Senden und
heutige Bedeutung steht unter dem Einfluß der Empfangen elektromagnetischer Wellen’. Im
Ableitung anständig. 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. antenna,
anstatt Präp. Zu Statt (s. d.), also 'an der das eigentlich 'Fühler (von Insekten)’ bedeutet
Stelle von’. Bezeugt seit dem 15. Jh. und von Marconi zunächst nur als Bezeichnung
für die Empfangsantenne benutzt wurde (1895).
anstellig Adj., schwz. Auf Vorschlag Lavaters
Das Wort bedeutet ursprünglich 'Segelstange’
durch Schiller in die Hochsprache eingeführt.
(so 1. antenna) und bekam im 15. Jh. zusätzlich
Zur Bedeutung vgl. 'sich zu etwas (geschickt)
die Bedeutung 'Fühler’ unter dem Einfluß von
anstellen’.
1. cornü n., gr. keras n., die 'Horn’, 'Segelstange’
Kluge (1908), 207.
und 'Fühler’ bedeuten. Ursprünglich ist das
anstrengen swV. Mhd. (ane)strengen. Ahd. Wort eine Lokativbildung zu 1. ante 'vor’ ('das
mhd. strengen (heute nicht mehr üblich) ist eine davor Befindliche, Vorstehende’). Die Bedeu¬
Ableitung von streng (s. d.) mit verschiedenen tungserweiterung auf geerdete Sendeanlagen,
Anthologie 33 Antwort

die im Zusammenhang mit der funktechnischen Ersatzwort ist altertümlich. — W. Feldmann ZDW
Erfindung Marconis Ende des 19. Jhs. erfolgt, 8(1906/07), 53.
kann metaphorisch sowohl auf die (Stan- Antilope /. (= ein gehörntes Huftier), fach¬
gen)Form als auch auf die Funktion als infor¬ sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
mationsverarbeitende (insbesondere: informa- frz. antilope und ndl. antilope, diese aus e. ante-
tionsaufnehmende) Einrichtung rückbezogen lope (dass.). Die weitere Herkunft und das ur¬
werden. sprüngliche Bczeichungsmotiv sind nicht sicher
B. Forssman ZVS 79(1965), 18-20; J. Knobloch geklärt. Das Wort wird über Tierbücher („Be-
Lingua 26(1970/71), 297; Trier (1981), 118-125.
stiaria”) in die Neuzeit überliefert, wobei es zu
Anthologie /. 'Sammlung ausgewählter (Lite- volksetymologischem Bezug auf gr. änthos n.
ratur-)Stücke’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt 'Blume’ und gr. öps 'Auge’ kommt (etwa als
aus gleichbedeutend gr. anthologia, einer Zu¬ 'Tier mit den besonders schönen Augen’).
sammensetzung aus gr. änthos n. 'Blume, Blüte’
Antipathie /., s. Sympathie und anti-,
und gr. logia 'Sammlung’, dies eine Ableitung
von gr. legein 'sammeln’. Die wörtliche Bedeu¬ Antipode m. 'Mensch mit entgegengesetzter
tung 'Blütenlese’ basiert auf einer Metapher, Eigenart’, sonder spracht. Im Neuhochdeutschen
die Blüten für etwas besonders Schönes stehen entlehnt aus 1. antipodes, dieses zu gr. antipous
läßt. (-podos) 'gegenfüßig, die Füße umgekehrt ha¬
Etymologisch verwandt: s. analog und Chrysantheme. bend’, zu gr. poüs 'Fuß’ (s. auch anti-). Dem¬
nach ein 'Gegenfüßler’, d. h. 'jmd., der sich auf
Anthrazit m./(n.) 'hochwertige Steinkohle,
der entgegengesetzten Seite der Erde befindet
dunkelgrauer Farbton’. Im Neuhochdeutschen
und dem Ausgangspunkt deshalb die Füße zu¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. anthracites m.,
wendet’ und von da aus übertragen.
dieses zu gr. änthrax (-äkos) m. 'Glutkohle’.
Etymologisch verwandt: s. Podium. — W. Feldmann
Morphologisch zugehörig: Anthrazen, anthrazit.
ZDW 8 (1906/07), 53.
anti- Präfix. Dient der Präfigierung von Sub¬
Antiqua/., s. antik.
stantiven und Adjektiven, wobei ein Gegensatz
zum Bezeichneten des Grundworts zum Aus¬ Antiquariat n. Ableitung aus Antiquar
druck kommt (z. B. Antipathie 'Abneigung’ — 'Altertumsforscher, Händler mit alten Bü¬
vgl. Sympathie, Antikörper 'Abwehrkörper’, chern’. Dieses im 18. Jh. entlehnt aus 1. antiquä-
Antiheld 'ein Nicht-Held’, antiamerikanisch 'ge¬ rius m. 'Altertumskenner’.
gen Amerika eingestellt’). Es wird in griechi¬ Etymologisch verwandt: s. antik.
schen Wörtern ins Deutsche übernommen (z. T. Antlaßtag m. 'Gründonnerstag’, auch 'Fron¬
durch lateinische und romanische Vermittlung) leichnamstag’, reg., arch. Eigentlich 'Ablaßtag’,
und geht auf funktional entsprechendes gr. anti- bair., österr. Mhd. antläztac 'Gründonnerstag’,
zurück. Produktiv in neoklassischen Bildungen. zu mhd. antläz 'Sündenerlaß, Ablaß’, ahd. ant-
Etymologisch verwandt: s. antik. — A. Rey CL läz 'Aufschub, Vergebung’, eigentlich zu ent¬
11 (1967), 37 — 57 (zum Französischen). lassen.
Antibiotikum n. 'Wirkstoff gegen Krank¬ Antlitz n., arch. Mhd. antlitze, ahd. antluzzi
heitserreger’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus g. *anda-wlit-ja- n. 'Gesicht’, eigentlich 'das
aus gleichbedeutend frz. antibiotique Adj., einer Entgegenblickende’. Die Formen der anderen
Neubildung zu gr. (att.) biötikös 'lebensfähig, germanischen Sprachen zeigen z. T. andere
zum Leben gehörig’ (s. auch anti-), zu gr. bios Stammbildungen, doch hat der /z-Stamm An¬
m. 'Leben’. So benannt als 'ein lebende Erreger spruch auf Altertümlichkeit. Vgl. gt. anda-
abtötendes Mittel’. wleizn (aus *wleits-na-7), anord. andlit, ae. and-
Etymologisch verwandt: s. Amphibie. wlita («-Stamm), afr. andlete. Zu anda (gt.
antik Adj. 'das (klassische) Altertum betref¬ anda-, anord. ae. afr. as. ahd. and-) 'entgegen’ und
fend’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend einer Ableitung von *wleit-a- 'blicken’ in anord.
frz. antique, dieses aus 1. antiquus vorig, alt, lita, ae. wlltan 'sehen, blicken’ (mit Ableitungen
einer Nebenform von 1. anticus 'der vordere’, in den anderen germanischen Sprachen). Dieses
abgeleitet von 1. ante 'vor’. Die Bedeutungsent¬ ist eine Erweiterung von weur. *wel- 'sehen’
wicklung von 'alt’ zu altertümlich, das Alter¬ in 1. vultus m. 'Gesicht, Gesichtsausdruck’ und
tum betreffend’ vollzieht sich in den romani¬ kymr. gwelaf 'sehen’.
schen Sprachen im Rahmen kunst- und kultur¬ S. auch Antwort. — Lloyd/Springer (1988ff.), I,
historischer Studien. Die Schrift Antiqua ( = 280-283. Anders: E. Hamp IF 87(1982), 79 — 81
Littera antiqua 'alte Schrift’) ist so benannt, da (Kontamination von *wel- 'sehen’ und *weid- 'sehen’).
das Alphabet der alten Inschriften als Vorbild Antonym «., s. Name und anti-.
für die Großbuchstaben diente.
Antwort /. Mhd. antwürte, antwurt n./f, ahd.
Morphologisch zugehörig: Antike; etymologisch ver¬
wandt: ante-, anti-, Antiquariat (usw.), [Antiquitäten]. antwurti (ursprünglich «.), as. andwordi n. aus
anvisieren 34 Apfel

g. * anda-wurd-ja- n. 'Antwort’, eigentlich 'Wi¬ ap- Präfix, s. ad-.


derwort’, auch in gt. andawaurdi, ae. cmdwyrde, Apanage /., 'regelmäßige finanzielle Zuwen¬
afr. ondwarde. Zu anda- (s. Antlitz) und Wort dung’, faehsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
(s. d.). tend frz. apanage m., dieses aus ml. *appana-
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 288f. gium n. (dass.), einer Ableitung von ml. *appa-
anvisieren swV., s. Visier2. nare 'ausstatten (wörtlich: mit Brot versehen)’,
zu 1. pänis m. 'Brot’ (s. auch ad-).
Anwalt m. Mhd. anwalte, ahd. anawalto. Wie
Etymologisch verwandt: s. panieren.
ae. onwealda Nomen agentis zu einem ahd. ana-
walt, ae. onwealdf 'Gewalt’ (zu dessen Stamm apart Adj. 'besonders, hübsch’. Im 17. Jh.
s. Gewalt), also eigentlich 'der die Gewalt hat, entlehnt aus frz. ä part (vgl. it. a parte) 'auf
Bevollmächtigter’. der Seite’, dieses aus 1. pars (-rtis) 'Seite, Teil,
Anteil’. Im Deutschen wird es hypostasiert und
S. Gewalt, walten ( + ).
wie ein Adjektivadverb behandelt, d. h. auch als
Anwand/., Anwende/., reg., s. Angewende. attributives Adjektiv verwendet (im Gegensatz
Anwärter m. Zu mhd. anewarten 'erwarten’. zum französischen Modell). Diese Verwendung
Im Frühneuhochdeutschen gebildet. setzt sich allmählich durch, wobei sich die Be¬
S. warten ( + ). deutung zu 'besonders, reizvoll’ verengt.
Anwesen n., obd. Fnhd. anewesen 'Grund¬ Morphologisch zugehörig: Apartheit, Appartement;
etymologisch verwandt: s. Partei. — W. Feldmann
stück’ ist der substantivierte Infinitiv zu dem
ZDW 8 (1906/07), 53.
gleichlautenden mhd. Verb anewesen mit der
Bedeutung 'da sein, dabei sein’ (zu diesem s. Apartheid /. (= Bezeichnung der Trennung
Wesen). Zum Verb gehört in der heutigen Spra¬ von Weißen und Schwarzen in Südafrika),/ac/t-
che noch anwesend', der Infinitiv kommt von sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
'Anwesenheit’ zu der Bedeutung 'Wohnort’. gleichbedeutend Afrikaans apartheid (wörtlich:
'Abgesondertheit’), zu apart (s. d.) 'abgeson¬
Vgl. abwesend.
dert’, aus frz. ä part 'besonders, gesondert’, aus
-anz Suffix. Dient der Ableitung von Sub¬ 1. pars (-rtis) 'Seite, Teil, Anteil’.
stantiven, die einen mit dem zugrundeliegenden Etymologisch verwandt: s. Partei.
Verb zusammenhängenden Zustand oder eine
Apartment n., s. Appartement.
solche Tatsache bzw. Handlung bezeichnen
(z. B. Akzeptanz „das Akzeptieren”, Rasanz Apathie /., s. Pathos und a-1.
„rasantes Aussehen”). Es wird in lateinischen aper Adj. 'schneefrei’, obd. Mhd. ahd. äpar.
und französischen Wörtern ins Deutsche über¬ Wohl gleicher (unklarer) Herkunft wie 1. aprlcus
nommen und geht auf 1. -äntia zurück, dem 'offen, sonnenbeschienen’.
Abstraktionssuffix zum lateinischen Partizip Anders (aus ä + ber- 'fort-tragend’): Lloyd/Springer
Präsens -ans (-antis). (1988ff.), I, 16-19.

anzetteln swV. Ursprünglich Ausdruck der Aper?u n. 'prägnante, geistreiche Bemer¬


Webersprache: 'die Zettel (Längsfäden) eines kung’, sonder sprach!. Entlehnt aus gleichbedeu¬
Gewebes vorbereiten’, dann übertragen für 'an¬ tend frz. aperfu (wörtlich: 'kurzer Überblick’),
stiften’, in der Regel im negativen Sinn. Im dem substantivierten PPrät. von frz. apercevoir
Frühneuhochdeutschen gebildet. 'wahmehmen’, zu frz. pereevoir 'wahrnehmen’,
aus 1. percipere (dass., wörtlich: 'einnehmen,
anzüglich Adj. Zu anziehen in einer älteren
bemächtigen’), zu 1. capere 'nehmen, fassen, er¬
Bedeutung 'etwas (tadelnd) anführen, etwa vor
greifen’ (s. auch per-).
Gericht’. Bezeugt seit dem 17. Jh.
Etymologisch verwandt: s. akzeptieren.
F. Kainz in: Maurer/Rupp (1974/78), II, 248.
Aperitif m. 'alkoholisches Getränk (zum An¬
Äon m., meist Äonen PI. 'Weltalter’. Entlehnt
regen des Appetits)’, sonder spracht. Im 19. Jh.
aus 1. aeön m. (dass.), dieses aus gr. aion m./fi
entlehnt aus gleichbedeutend frz. aperitif, einem
'(Lebens)Zeit, Zeit(dauer), Ewigkeit’, zu gr. aiei
Nomen instrumenti zu frz. aperitif 'öffnend’,
'immer’, dieses als *aiw-es- neben *aiw-en- zu
dieses aus ml. aperitivus (dass.), zu 1. aperire
*aiu- 'Lebensdauer’, das in ai. äyu- n. bezeugt
'öffnen’. Das Wort hat zunächst rein medizini¬
ist.
sche Bedeutung; die heutige Bedeutung entsteht
C. Lackeit: Aion, Zeit und Ewigkeit (Diss. Königsberg
um 1750. Gemeint ist das Öffnen des Magens
1916).
als Vorbereitung auf das Essen.
Aorta /. 'Hauptschlagader\ fachsprachl. Ent¬ Etymologisch verwandt: Ouvertüre. - K.-H. Wein¬
lehnt aus gr. aorte 'Sack, Schlauch, Aorta’, zu mann DWEB 2 (1963), 386.
gr. (syn)aeirein 'zusammenbinden (usw.)’. Apfel m. Mhd. apfel, ahd. apful, as. appul
Etymologisch verwandt: Arterie. (-gre) aus g. *apli- m. 'Apfel’ ('Holzapfel’),
Apfelsine 35 Apostroph

auch in krimgt. apel, anord. epli, ae. ceppel, afr. Stellung, Gleichgewicht’), einer substantivierten
appel. Ein ähnliches Wort gleicher Bedeutung Zusammenrückung von frz. ä plomb 'senkrecht,
im Keltischen (air. ubull usw.), Baltischen (lit. im Lot; frz. plomb 'Blei’ aus 1. plumbum n.
öbalas usw.) und Slavischen (serb.-kslav. ja- (dass.). Die konkrete Bedeutung 'senkrechte
blüko usw.). Das Wort ist vielleicht nicht-indo- Stellung’ wird zu 'Festigkeit, Sicherheit’ abstra¬
germanischer Herkunft, doch kann es auch hiert, da man aufrechtes Stehen, geringen Nei¬
(nach Adams, s. u.) als /-Stamm (später zu *ab- gungswinkel usw. als Garanten für Stabilität
lu- erweitert) ein Erbwort sein, das im Mittel¬ ansieht.
meergebiet durch das Kulturwort *mälo- zu¬
apo- Präfix, s. ab.
rückgedrängt wurde. Das alte Wort für den
Apfelbaum ist Affolter, mhd. apfaller, aff alter, apodiktisch Adj. 'unumstößlich, nicht zu wi¬
ahd. affoltra, as. apuldra, die mit anord. apaldr derlegen’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
und ae. apulder auf g. *apuldrö f führen. Zu gr. apodeiktikös 'beweisend, (wörtlich: fertig
dessen Hinterglied s. Holunder. zum Vorzeigen)’, zu gr. apodeiknynai 'beweisen,
Nndl. appel, ne. apple, nschw. äpple, nisl. epli. S. Apfel¬
vorzeigen, aufweisen’, zu gr. deiknynai 'zeigen,
sine. — H. Berger MSS 9 (1956), 26; J. Pokomy in: vorzeigen, begreiflich machen’ (s. apo- unter
H. Kronasser (Hrsg.): MnSmes chärin, Gedenkschrift ab).
P. Kretschmer (Wien 1956/57), II, 83; Hoops (1973ff.), Etymologisch verwandt: [Deixis], Paradigma (usw.),
I, 368-372; E. P. Hamp ZCPh 37(1979), 158-166; Police, Syndikat (usw.); zum Etymon s. zeihen.
D. Q. Adams IF 90(1985), 79-82; Lloyd/Springer
Apokalypse /. 'Offenbarung über das kom¬
(1988ff.), I, 60-63, 298-301.
mende Weitende, schreckliches Unheil’, fach¬
Apfelsine/. 'Orange’. Im 18. Jh. entlehnt aus sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. apoca-
gleichbedeutend ndd. Appelsin(e) und nndl. si- lypsis, dieses aus ntl.-gr. apokälypsis (dass.,
naasappel. diese gebildet nach frz. pomme de wörtlich: 'Enthüllung’), zu gr. (ep.) kalyptein
Sine m. 'Apfel aus China’. Die Entlehnung er¬ 'verhüllen’ (s. apo- unter ab).
folgte zunächst im norddeutschen Raum; im
Apologie /. 'Verteidigung, Rechtfertigung’,
Hochdeutschen wird Appel durch lautverscho¬
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
benes Apfel ersetzt. Sina war um 1700 gebräuch¬
deutend 1. apologia, dieses aus gr. apologia
liche Bezeichnung für China, von wo die Frucht
(dass.), zu gr. apologeisthai 'sich herausreden,
von den Portugiesen im 16. Jh. nach Europa
verteidigen, (wörtlich:) sich losreden’, zu gr.
eingeführt wurde.
lögos m. 'Wort, Rede’.
Etymologisch verwandt: Apfel, [Sinologie], — W.
Morphologisch zugehörig: Apologet, Apologetik, apo-
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 53; G. Schoppe ZDW
logisieren\ etymologisch verwandt: s. analog. — W.
15 (1914), 209; Littmann (1924), 131f.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 53.
Aphasie/., '(teilweiser) Verlust des Sprechver¬
Aporie /. 'Ausweglosigkeit’, fachsprachl. Ent¬
mögens’, fachsprachl. Entlehnt aus gr. (poet.)
lehnt aus gleichbedeutend spl. aporia, dieses aus
aphasia 'Sprachlosigkeit’, zu gr. äphatos 'uner¬
gr. aporiä ‘Ratlosigkeit, Verlegenheit’, zu gr.
wähnt, unbekannt’ zu gr. phänai 'sprechen’ (s.
äporos 'hilflos, ratlos, unmöglich, unwegsam’,
auch a-1).
zu gr. pöros m. 'Durchgang, Pfad’ (s. auch a-v),
Etymologisch verwandt: blamieren (usw.), Blasphemie, zu gr. peirein 'durchdringen, durchbohren,
Euphemismus, Prophet; zum Etymon s. Bann.
durchstoßen’.
Aphorismus m. 'prägnanter Sinnspruch’, fach¬ Zum Etymon s. fahren.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Apostel m. 'Jünger Christi’. Im Althochdeut¬
I. aphorismus, dieses aus gr. aphorismös 'Ab¬
schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. apostolus,
grenzung, Unterscheidung’, abgeleitet von gr.
dieses aus gr. apöstolos 'Bote, Gesandter’, zu
aphorizein 'abgrenzen’, zu gr. höros 'Grenze’ (s.
gr. stellein 'senden (usw.)’ (s. auch apo- unter
auch ab-). Im Griechischen hat es vielfältige
ab). Die Apostel sind die Sendboten Jesu. Das
Bedeutungen, von 'Abgrenzung’ bis hin zu
Wort wird allerdings erst durch Luther allge¬
'(medizinischer) Lehrsatz’. Ab dem 17. Jh. in
meiner Bestandteil des Deutschen, indem es äl¬
literarischem Zusammenhang Bedeutungsver¬
teres Bote (ahd. boto) in dieser Bedeutung ver¬
engung von 'kurzer prägnanter Satz’ hin zu
drängt.
'prägnanter Sinnspruch’.
Etymologisch verwandt: Stola. — Lloyd/Springer
Etymologisch verwandt: Horizont (usw.). — K.-H.
(1988ff.), I, 301 f.
Weinmann DWEB 2 (1963), 386; Schalk (1966), 1 —20;
J. v. Stackeiberg in: G. Neumann (Hrsg.): Der Aphoris¬ Apostroph m. 'Auslassungszeichen’, fach¬
mus (Darmstadt 1976), 209 — 225. sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Aplomb m. 'Sicherheit, Festigkeit, besonderer 1. apostrophus, dieses aus gr. apöstrophos (dass.),
Nachdruck’, sonder spracht. Entlehnt aus gleich¬ wörtlich: 'abgewandt’, zu gr. strephein 'wenden,
bedeutend frz. aplomb (wörtlich: 'senkrechte drehen’ (s. auch apo- unter ab). Zunächst als
Apotheke 36 Aprikose

Attribut in 'ausgelassener Buchstabe’, dann 'das Appetit m. 'Hunger, Verlangen’. Im 15. Jh.
Weggelassene’, schließlich 'das Zeichen für et¬ entlehnt aus gleichbedeutend frz. appetit 'Eß-
was, das ausgelassen wurde’. lust’ und ml. appetitus cibi 'Verlangen nach
Etymologisch verwandt: s. Strophe. — W. Feldmann Speise’, diese aus 1. appetitus 'Verlangen’, abge¬
ZDW 8 (1906/07), 53; E. Leser ZDW 15(1914), 36, leitet von 1. appetere 'verlangen’, zu 1. petere
94. 'begehren (usw.)’, das weiter zu *pet- 'fliegen’
Apotheke f. 'Geschäft für Arzneimittel’. Im gehört (s. Feder, s. auch ad-). Die Bedeutungs¬
Mittelhochdeutschen entlehnt aus 1. apotheca verengung auf ein bestimmtes Verlangen — das
'Magazin’, dieses aus gr. apothtke (dass.), zu nach Speise — vollzieht sich im Mittellatein,
gr. theke 'Behälter, Abstellraum’ (s. auch apo- indem das attribuierende „Speise” als selbstän¬
unter ab). Die Bedeutungsentwicklung vollzieht diges Wort wegfallt.
sich von 'Abstellraum (im allgemeinen)’ über Etymologisch verwandt: [Appetizer], kompetent
die Bezeichnung des Aufbewahrungsortes für (usw.), Petition (usw.), repetieren', zum Etymon s. Fe¬
Kräuter und Arzneien (im speziellen) hin zu der. Ersatzwort ist Eßlust. — W. Feldmann ZDW
8 (1906/07), 53.
'Arzneiladen’. Daneben aber immer noch 'Be¬
hältnis für Medikamente’ (z. B. in Hausapo¬ applaudieren swV. 'Beifall spenden’. Im 17.
theke, Reiseapotheke). Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. applaudere
Etymologisch verwandt: s. Theke. und frz. applaudir, zu 1. plaudere (plausum)
'klatschen’ (s. auch ad-).
Apparat m. 'Gerät, Gesamtheit’. Im 17. Jh.
Morphologisch zugehörig: Applaus', etymologisch ver¬
entlehnt aus 1. apparätus 'Gerätschaft’, aus 1.
wandt: explodieren (usw.), plausibel.
apparäre 'ausrüsten, beschaffen’, zu 1. paräre
Apposition /., s. Position und ad-.
'fertigmachen, einrichten’ (s. auch ad-). Neben
der Bedeutung 'Sammlung, Gesamtheit von Appretur/. '(Mittel zur) Bearbeitung von Ge¬
Einzelgeräten’ entsteht im 19. Jh. die Bedeutung weben (zum Schutz vor Feuchtigkeit usw.)’,
'Einzelgerät, das aus mehreren Bestandteilen fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
zusammengesetzt ist; Maschine’. appret, einer Ableitung von afrz. aprester 'vor¬
Morphologisch zugehörig: apparativ, Apparatur, ety¬ bereiten, in Bereitschaft setzen’, zu 1. praestus
mologisch verwandt: s. parat. — G. Schoppe ZDW 'gegenwärtig, zur Hand’.
15(1914), 176. Morphologisch zugehörig: Appreteur, appretieren.

Appartement n. 'Wohnung’. Im 18. Jh. ent¬ approbieren swV. 'bestätigen, anerkennen’,


lehnt aus frz. appartement m., dieses aus it. fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
appartamento m., einer Ableitung von it. appar- deutend 1. approbäre 'gutheißen, anerkennen’
tare 'abtrennen’, das auf 1. pars (-rtis) f. 'Teil’ zu 1. probäre 'erproben, prüfen, untersuchen’ (s.
zurückgeht. Es wird im Deutschen zunächst wie auch ad-), zu 1. probus 'gut, tüchtig, brav’.
frz. appartement m. in der Bedeutung 'Zimmer¬ Etymologisch verwandt: s. probat. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 53.
flucht; Wohnung, die aus mehreren Zimmern
besteht’ in höfischem Zusammenhang verwen¬ Aprikose /. (= eine Frucht). Im 17. Jh. ent¬
det; über die Umdeutung des Plurals apparte- lehnt aus gleichbedeutend ndl. abrikoos, dieses
ments als 'mehrere Zimmer’ ergibt sich die Be¬ aus frz. abricot m. (dass.), span, albaricoque m.
deutung 'Kleinwohnung, Einzimmerwohnung’ (dass.) und port. albricoque (dass.), aus arab.
für den Singular. al-barqüq (dass.), dieses aus gr. praikökkion n.,
Etymologisch verwandt: s. Partei. — Jones (1976),
das seinerseits übernommen ist aus 1. praeco-
104; Brunt (1983), 132f. quum «., einer Variante von 1. praecox (PI. prae-
cocia) 'frühreif’, zu 1. coquere (coctum) 'reifen,
Appell m. 'Aufforderung, Aufruf’. Im 18. Jh.
reifen lassen’. Das Benennungsmotiv erklärt
entlehnt aus gleichbedeutend frz. appel, einer
sich daraus, daß die Frucht von anderen ähnli¬
postverbalen Ableitung von frz. appeler
chen Früchten (z. B. Pflaume) durch das beige¬
'(auf-)rufen’, dieses aus 1. appelläre (älter adpel-
fügte Attribut der früheren Reife, z. B. persica
läre) 'anreden, anrufen’, vermutlich zu der unter
praecocia, unterschieden wird. Das Attribut ver¬
befehlen (s. d.) und Beispiel (s. d.) behandelten selbständigt sich dann als alleinige Bezeich¬
Wurzel *(s)pel- 'sprechen’. Appell erscheint im nung. Der Erfolg des dem Arabischen entlehn¬
Deutschen — ausgehend von militärischen ten Wortes ergab sich wohl daraus, daß die
Kontexten — in verschiedenen Bedeutungsva¬ bezeichnete importierte Frucht einen besseren
rianten des Herbei- bzw. Aufrufens. Ende des Geschmack hatte als die einheimischen Maril¬
18. Jhs. kommt die Bedeutung 'feierlicher Auf¬ len. Die niederländische Form ist ein als Singu¬
ruf, Anruf’ hinzu. lar verstandener Plural, das auslautende -e des
Morphologisch zugehörig: Appellation, Appellativ, ap¬ deutschen Wortes eine Hyperkorrektur.
pellieren; etymologisch verwandt: Interpellation. — W. Etymologisch verwandt: s. kulinarisch. - Littmann
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 53; Brunt (1983), 133. (1924), 81 f.; B. Hasselrot SN 13(1941), 45-79;
April 37 Arabeske

226-252; Hoops (1973ff.), I, 375; Lokotsch (1975),


'Gleichmacher von Tag und Nacht’), so be¬
20f.; W. J. Jones SN 51 (1979), 249.
nannt, da Tag und Nacht gleich lang sind, wenn
April m. (= der 4. Monat des Jahres). Das die Sonne in dieser Position steht. Dann auch
aus 1. AprTlis (mensis) entlehnte Wort (mhd. als geographischer Terminus verwendet für den
aprille, ahd. abrello) verdrängt älteres ahd. Breitengrad der Erde, auf dem alle Punkte Tag-
östarmänöd 'Ostermonat’. Die Herkunft der la¬ und Nachtgleichheit aufweisen, d. h. der sie in
teinischen Monatsbezeichnung ist umstritten. die südliche und nördliche Halbkugel teilt.
Lloyd/Sprir.ger (1988fT.), I, 26 — 28. Morphologisch zugehörig: äquatorial', etymologisch
apropos Part, 'übrigens’, sonder spracht. Im verwandt: adäquat, äquivalent (usw.), [äquivok], egal
(usw.), eichen, Equalizer.
17. Jh. entlehnt aus frz. ä propos 'zur behandel¬
ten Sache, zum richtigen Zeitpunkt kommend’, Aquavit m., s. Aquarium und vital.
dieses hypostasiert aus frz. ä 'zu’ und frz. propos äqui- Präfix. Kompositionsform von 1. aequus
'Zweck, Anlaß, Vorsatz’, einer postverbalen 'gleich’, s. äquivalent.
Ableitung von frz. proposer 'vornehmen, Vor¬
äquivalent Adj. 'gleichwertig’, fachsprachl. Im
schlägen’, dies mit frz. pro- (s. pro-) und frz.
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. äquiva¬
poser 'stellen, legen’ gebildet nach 1. propönere
lent und ml. aequivalens (-entis), diese aus 1.
(dass), zu 1. pönere (positum) (dass.). Ab dem
aequus 'gleich’ und 1. valens (-entis) 'kräfig,
Ende des 17. Jhs. dann 'übrigens, nebenbei be¬
vermögend’, zu 1. valere 'wert sein, bei Kräften
merkt’.
sein’.
Etymologisch verwandt: s. Position. — Jones (1976),
Morphologisch zugehörig: Äquivalenz', etymologisch
542.
verwandt: s. Äquator und ambivalent. — W. Feldmann
Aquädukt m./n., s. Aquarium und Dusche. ZDW 8 (1906/07), 51; W. J. Jones SN 51 (1979), 257.

Aquamarin m. (= ein Edelstein), fachsprachl. ar- Präfix, s. ad-,


Neubildung nach dem Vorbild von gleichbedeu¬ -ar Suffix. Dient der Ableitung von Personen¬
tend frz. aigue-marine f. und it. acquamarina /., bezeichnungen (z. B. Bibliothekar „Betreuer
zurückgehend auf 1. aqua f. 'Wasser’ und 1. mare einer Bibliothek”) und kollektiven Sachbezeich-
n. 'Meer’. Der Edelstein ist somit nach seiner nungen (z. B. Mobiliar „die gesamten Möbel”).
Farbe ('Meerwasser’) bezeichnet. In dieser Form wird es in lateinischen Wörtern
Etymologisch verwandt: s. Aquarium. ins Deutsche übernommen, in der Form -är in
Aquaplaning n., s. Aquarium und planieren. französischen Entlehnungen (frz. -aire). Es geht
zurück auf 1. -ärius.
Aquarell n. 'mit Wasserfarben gemaltes Bild’,
Etymologisch verwandt: -er.
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutend it. acquarella f. (und frz. aquarelle /.), Ar n. (auch m.) 'Flächenmaß’, fachsprachl.
einer hypokoristischen Bildung zu it. acqua f. Im 19. Jh. amtlich übernommen aus frz. are
'Wasser’, das auf 1. aqua f. (dass.) zurückgeht. f, das seinerseits auf 1. ärea m. '(freier) Platz’
Man hat sich das Wort als verselbständigtes zurückgeht.
Attribut zu erklären (vgl. Aquarelltechnik, Etymologisch verwandt: Hektar.
Aquarellbild, Aquarellfarbe usw.), dessen -är Suffix, s. -ar.
Grundwort weggefallen ist.
Ära /. 'Zeitabschnitt, Epoche’. Im 18. Jh.
Etymologisch verwandt: s. Aquarium.
entlehnt aus gleichbedeutend spl. aera, ein als
Aquarium n. 'Behältnis für Wasserpflanzen Singular aufgefaßter ursprünglicher Plural
und -tiere’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ Neutrum von 1. aes (-eris) n. 'Erz, Bronze,
tend ne. aquarium, einer neolateinischen Loka¬ Kupfer, Geld, Wert’ (mit Deklinationswechsel).
tivbildung zu 1. aqua f. 'Wasser’ (vgl. Herba¬ Die Bedeutung 'Zeitabschnitt’ erhielt 1. aera
rium, Terrarium). wohl in Spanien, wo es zur Numerierung der
Etymologisch verwandt: Aquädukt, Aquamarin, Aqua¬ Jahre von einem bestimmten Zeitpunkt ab (38
planing, Aquarell, Aquatinta, Aquavit', zum Etymon s. v. Chr.) verwendet wurde (z. B. aera
Au(e). DXXXVIII = No. 538 = 500 n. Chr.). Von
Aquatinta /., s. Aquarium und Tinte. diesem Gebrauch aus verallgemeinert sich die
Bedeutung zu 'Epoche, Zeitabschnitt’ (z. B.
Äquator m. 'größter Breitenkreis auf der
Erde’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend aera Hispanica).
Etymologisch verwandt: ästimieren; zum Etymon s.
1. aequätor, einem Nomen instrumenti zu 1. ae-
ehern.
quäre 'gleichmachen’ (s. auch -ator), zu 1. ae-
quus 'gleich’. Es ist zunächst — im Mittella¬ Arabeske /. '(phantastische) Verzierung’,
tein — ein Fachwort der mittelalterlichen fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Astronomie zur Bezeichnung des Himmelsä¬ arabesque, zu frz. arabesque 'arabisch’. So be¬
quators (d. h. [circulus] aequätor diei et noctis nannt nach den Verzierungen der Araber, die
Arbeit 38 arg

im wesentlichen aus vielfältig verschlungenen archi- Präfix. Dient der Präfigierung von
Laubwerkornamenten bestanden. Substantiven, wobei dem Grundwort die Be¬
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 53; Littmann (1924), deutung 'haupt-, übergeordnet’ hinzugefügt
60; Lokotsch (1975), 8. wird (z. B. Archidiakort „erster Diakon”). Es
Arbeit /. Mhd. arebeit, ahd. arabeit(i), as. wird in griechischen Wörtern mit gr. archi 'An¬
arbed(i) aus g. *arbaif>i- f. 'Mühsal, Arbeit’, fang’ (z. T. in lateinischer und romanischer Ver¬
auch in gt. arbaips, anord. erfiöi, ae. earfoö, mittlung) ins Deutsche übernommen und aus
afr. arbe(i)d. Das Wort kann ein ri'-Abstraktum diesen als Präfix verselbständigt.
zu einem Verb auf g. *-ä-ja- sein (eine sonst Etymologisch verwandt: s. Anarchie.
nicht bezeugte Bildungsweise), doch findet sich Archipel m. (= eine größere Inselgruppe),
keine semantisch passende Grundlage (die An¬ fachsprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
knüpfung an Erbe ist unwahrscheinlich). Ande¬ gleichbedeutend it. arcipelago, zu it. pelago 'Ge¬
rerseits läßt sich das slavische Wort für Arbeit wässer’ (s. auch archi-), dieses aus 1. pelagus n.
vergleichen: akslav. rabota 'Sklaverei, Knecht¬ 'Meer’, aus gr. pelagos n. (dass.). Im Italieni¬
schaft u. ä.’, das deutlich zu akslav. rabü m. schen zunächst gebildet im Sinne von 'großes
'Knecht, Sklave’ gehört; hierzu vielleicht auch Gewässer’ als Bezeichnung des Ägäischen Mee¬
arm. arbaneak 'Diener, Gehilfe’. Die weiteren res; dann verallgemeinert zu 'Gewässer mit vie¬
Zusammenhänge sind noch nicht ausreichend len Inseln’, schließlich 'Inselgruppe im Meer’.
geklärt.
Architekt m. 'Baumeister’. Im 16. Jh. entlehnt
H. Götz ASAWL 49(1957), 119-125; G. Schneide¬
wind BGDSL-H 81 (1959), 174-187; Hoops (1973ff.), aus gleichbedeutend 1. architectus, dieses aus gr.
I, 383 — 386; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 313 — 318. architektön (dass.), einer Zusammensetzung aus
gr. archi f. 'Ursprung, Anfang’ und gr. tektön
arbiträr Adj. 'nach Ermessen, willkürlich’,
'Baumeister, Zimmermann’, also eigentlich
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
'Oberbaumeister’.
arbitraire, dieses aus 1. arbiträrius (dass.), zu 1.
Morphologisch zugehörig: Architektonik, Architektur;
arbiter 'Schiedsrichter, Beobachter, Mitwisser,
etymologisch verwandt: s. Anarchie. — W. Feldmann
Zeuge’, vermutlich zu 1. bTtere (eigentlich 1. bae-
ZDW 8 (1906/07), 53.
tere) 'gehen’ (s. auch ad-). Das lateinische Sub¬
stantiv bezeichnet wörtlich 'jmd., der hinzu¬ Archiv n. 'Aufbewahrungsort für öffentliche
kommt, um etwas zu sehen und zu hören’; dann Urkunden und Dokumente’. Im 16. Jh. entlehnt
über 'beiwohnender Unbeteiligter’ die Bedeu¬ aus gleichbedeutend ml. archivum, dieses aus
tung 'Schiedsrichter’. Das Adjektiv überträgt spl. archivum (dass.), einer Nebenform von 1.
die wörtliche Bedeutung 'schiedsrichterlich’ auf archtum (dass.), das auf gr. archeton 'Amtsge¬
'Sachverhalte, die nicht von Natur aus in einer bäude’ zurückgeht, einem Nomen loci zu gr.
bestimmten Weise festgelegt sind, sondern einer ärchein 'regieren, herrschen’.
Ermessensentscheidung bedürfen’; daraus dann Morphologisch zugehörig: Archivar; etymologisch ver¬
'beliebig, willkürlich’. wandt: s. Anarchie.
Morphologisch zugehörig: Arbiter, Arbitrage, Arbitra- Arena/. 'Kampfplatz (im Amphitheater)’. Im
tion. - Brunt (1983), 135. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. arena
archaisch Adj. 'veraltet, altmodisch’, sonder- und 1. arena, einer Nebenform von 1. harena
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 'Sand, Sandplatz’. Ausgehend von der Bezeich¬
gr. archai'kös, abgeleitet von gr. archatos 'alt’, nung eines Sandplatzes verengt sich die Bedeu¬
einer Ableitung von gr. archi 'Ursprung’. tung auf solche Sandplätze, auf denen Wett¬
Morphologisch zugehörig: Archaismus; etymologisch kämpfe abgehalten werden, bis sich dann der
verwandt: s. Anarchie. Bezug zu Sand weitggehend verliert.
Archäologie /. 'Altertumsforschung’. Im 18. arg Adj. Mhd. arc, ahd. ar(a)g aus g. *arga-
Jh. entlehnt aus gr. archaiologia 'Erzählungen Adj. 'feig’; das Wort gilt in alter Zeit als schlim¬
aus der alten Geschichte’, zu gr. archatos 'alt, mes Schimpfwort, und hat ersichtlich eine se¬
ursprünglich’ und gr. lögos m. 'Kunde, Wissen¬ xuelle Nebenbedeutung, vielleicht 'impotent’.
schaft, Vernunft’.
Bezeugt in anord. argr und ragr (mit tabuisie¬
Morphologisch zugehörig: Archäologie, Archäopterix; render Metathese), ae. earg, afr. erg. Herkunft
etymologisch verwandt: s. Anarchie und -logie.
dunkel. Ein Zusammenhang mit dem indoger¬
Arche /. Mhd. arche, ahd. arka, archa ist manischen Wort *orghi- Hode’ (gr. örchis usw.)
wie gt. arka, anord. prk, ae. earc(e), afr. erke ist wahrscheinlich, vgl. etwa gr. enorchis 'unver-
'Kasten’ entlehnt aus I. arca 'Verschluß, Ka¬ schnitten’, lit. erzus 'lüstern, geil’. Die Einzelhei¬
sten’. Im Neuhhochdeutschen nur noch als Be¬ ten bleiben aber unklar.
zeichnung für 'Noahs Kasten’ erhalten, mund¬
Nndl. erg, nschw. arg, nisl. argur 'schlecht’, ragur 'feig’.
artlich noch in anderer Bedeutung. S. ärgern. - J. Puhvel in: FS Risch (1986), 154f.;
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 330f. Lloyd/Springer (1988ff.), I, 321-324.
argem 39 Arkadien

ärgern swV. Mhd. ergern, ahd. ärgerem. For¬ schätzung des Sanskrit als Ursprache auf'indo¬
mal vom Komparativ zu arg (s. d.) abgeleitetes germanisch’ ausgedehnt. Nach dem Mißbrauch
Verb, also eigentlich 'schlechter machen’. Eine dieses Wortes im Nationalsozialismus wird es
genauere Bedeutungsanalyse steht noch aus. heute gemieden (in der Sprachwissenschaft
Argument n. 'Beweisgrund’. Im 16. Jh. ent¬ noch als 'indo-iranisch’ gebraucht).
lehnt aus gleichbedeutend 1. argumentum, einer H. Siegert FUN-(1941/42), 73-99; M. Mayrhofer Spra¬
Ableitung von 1. arguere 'beweisen, erhellen’. che 1 (1961), 177f. Anders: J. Trier BGDSL 67 (1944),
111-117.
Morphologisch zugehörig: Argumentation, argumenta¬
tiv, argumentieren. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), Aristokrat m. 'Adeliger’. Im 18. Jh. entlehnt
53f.; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 177. aus gleichbedeutend frz. aristocrate m.jf, einer
Argusaugen PL, sonder spracht. Im 17. gebil¬ Ableitung von frz. aristocratie f. 'Adelsherr¬
det als Bezeichnung für besonders wachsame schaft’, dieses aus 1. aristocratia f. (dass.), aus
und scharfe Augen. Basis ist der Name des gr. aristokratia f (dass.), einem Abstraktum zu
Riesen Argos (1. Argus) aus der griechischen gr. äristos 'Tüchtigster’, dem suppletiven Super¬
Sagenwelt, der hundert Augen hatte und von lativ zu gr. agathös 'tüchtig, trefflich’, und gr.
der Göttin Hera als Bewacher der Jo, einer kratetn 'herrschen’, einer Ableitung von gr. krä-
Gehebten des Zeus, eingesetzt wurde. tos 'Macht, Gewalt’. Im Griechischen bezeich¬
net das Wort die 'Herrschaft der Vornehm¬
Argwohn m. Mhd. arewän, ahd. argwän. Zu¬
sten’ — in bewußter Scheidung von der Monar¬
sammengerückt aus arg und wahn (noch im 13.
chie einerseits und der Demokratie andererseits.
Jh. auch arger wän). Die Entwicklung zu ö ist Da aber Adel gleichgesetzt wird mit der sittlich¬
in den meisten Mundarten üblich. In dieser moralischen Qualifikation des Edlen, kommt es
Zusammensetzung hat das Wort Wahn seine zu der Gleichsetzung von Qualifikation und
alte Bedeutung 'Vermutung’ bewahrt. Abstammung, die das neuzeitliche Wortver¬
Ariadnefaden m., sonder spracht. Im 18. Jh. ständnis prägt.
gebildet als Bezeichnung für etwas, das aus Morphologisch zugehörig: Aristokratie; etymologisch
einer sehr unübersichtlichen Situation bzw. Pro¬ verwandt: s. Demokratie. — W. Feldmann ZDW
blemlage heraushilft. Bestimmungswort und 8 (1906/07), 54.
Bezeichnungsmotiv stammen aus dem Griechi¬ Arithmetik /. 'Rechenkunst’, fachsprachl. Im
schen: Nach der griechischen Mythologie gibt 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. arithme-
Ariadne dem Theseus ein Knäuel, das er beim tica, dieses aus gr. arithmetike (techne) (dass.),
Gang durch das Labyrinth des Minotaurus ab- zu gr. arithmetikös 'was das Rechnen betrifft’,
rollen läßt, um nach dessen Bezwingung an zu gr. arithmein 'rechnen, zählen’, abgeleitet
diesem „Leitfaden” den rettenden Ausgang wie¬ von gr. arithmös m. 'Zahl’.
derzufinden. Etymologisch verwandt: Logarithmus. — Schirmer
(1912), 6. Zu Logarithmus: Schirmer (1912), 43; Ganz
Arie /. '(Opern)Lied’, fachsprachl. Im 17.
(1957), 132.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. aria 'Lied,
Melodie’, diese aus it. aria, afrz. aire 'Art und -arium Suffix. Dient der Bildung substantivi¬
Weise’, wobei das Wort eine 'Art zu singen’ scher Ortsbezeichnungen, vornehmlich zur
bezeichnet (vgl. dt. Weise 'Art’, Gesangsweise Charakterisierung von künstlich geschaffenen
und Weise 'Melodie’). Die Verengung zur heuti¬ Anlagen (z. B. Planetarium 'Beobachtungssta¬
gen Bedeutung 'Opernlied’ vollzieht sich im 18. tion für Himmelskörper’). Es wird hauptsäch¬
Jh. durch die eingeschränkte Verwendung im lich in neolateinischen Bildungen verwendet
Zusammenhang der von italienischen Vorbil¬ und geht auf das lateinische Lokativsuffix
dern geprägten Oper (vgl. die „tautologische -ärium zurück.
Zusammensetzung Opernarie). Das Wort ist Arkade /. 'Bogen’, meist PI. 'Bogengang
eine Pars-pro-toto-Bezeichnung, bei der „Melo¬ (usw.)’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
die” sowohl für die Melodie als auch für den gleichbedeutend frz. arcade, dieses aus it. arcata
Text steht. Sekundär wurde das Wort auf 1. (dass.) (abgeleitet von it. arco m. 'Bogen’) und
der m. 'Luft’ bezogen und als 'durch die Luft ml. arcuatum n. (dass.), beide aus 1. arcus m.
Getragenes’ verstanden. 'Bogen’.
Eggebrecht (1955), 114, 127f. S. Armbrust. Ersatzwort ist Bogengang. — Jones
(1976), 106f.; Brunt (1983), 136.
Arier m., fachsprachl. Die Selbstbezeichnung
der indisch-iranischen Völker ist ärya- (wozu Arkadien n. 'idyllisches Land’, sonder spracht.
auch Iran), eine Virddhi-Bildung zu ari- Im 18. Jh. entlehnt aus gr. Arkadia, der Bezeich¬
'Fremdling’ (als 'die Gastfreundlichen’?). Im 18. nung einer Landschaft inmitten des Peloponnes
Jh. in Europa zunächst als Bezeichnung der (vermittelnder Einfluß englischer Literatur ist
Inder eingeführt, dann mit der damaligen Über¬ anzunehmen). Ausgehend von der Vorstellung,
Axkebusier 40 Arnika

daß es dort wirklich unverdorbene, „paradiesi¬ Beck/K. Strunk in: FS Eggers (1972), 18 — 41; Hoops
sche” Natur und Lebensart gibt, entwickelt sich (1973ff.), I, 413 — 417. Anders (mit weiterer Literatur):
die appellative Bedeutung 'Platz idyllischen Le¬ Lloyd/Springer (1988ff.), I, 333 — 335. Zu Armut:
Lloyd/Springer (1988(1.), I, 338-340.
bens’, die das Wort zum Gegenbegriff von Un¬
natürlichem und Maniriertem werden läßt. Armada /. 'Kriegsflotte, große Zahl’, fach¬
Arkebusier m. 'Hakenbüchsen-Schütze’, arch. sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus span, armada
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. 'Kriegsflotte, Kriegsheer’, zu 1. armätus 'bewaff¬
arquebusier, zu frz. arquebuse /. 'Hakenbüchse’,
net’, dem PPP. von 1. armäre 'ausrüsten, bewaff¬
dieses zu nndl. haakbus (dass.) unter volksety¬ nen’, zu 1. arma n. 'Gerätschaften, Waffen’.
mologischer Anlehnung an 1. arcus 'Bogen’. Etymologisch verwandt; s. Alarm. — G. Schoppe
Wis (1955), 93f.
ZDW 15 (1914), 176.;
Arktis /. 'Gebiet am Nordpol’, fachsprachl.
Neubildung zu 1. Arctus m. 'der Große Bär, der Armatur /. 'Vorrichtung zum Bedienen’. Im
Norden’, dieses aus gr. ärktos m. (dass.). 17. Jh. entlehnt aus it. armatura und 1. armätüra
Morphologisch zugehörig: Antarktis. — A. Scherer:
'Ausrüstung, (Bewaffnung)’, einem Kollekti-
Gestirnnamen bei den indogermanischen Völkern (Hei¬ vum zu 1. armätus 'ausgestattet, bewaffnet’, dem
delberg 1953), 131-134. PPP. von I. armäre 'ausrüsten, bewaffnen’, zu 1.
Arl /. 'Hakenpflug’, arch., südod. Mhd. arl. arma n. 'Gerätschaften, Waffen’. Dazu armieren
Entlehnt aus einer slavischen Sprache (urslav. 'mit Waffen, mit einer Ummantelung, mit Stahl
*ordlo, vgl. sloven. rälo, cech. rädlo). Die zuge¬
versehen’.
hörige Pflugschar heißt Ärling, was wohl eben¬ Etymologisch verwandt: s. Alarm.

falls entlehnt ist (fslav. *ordlinikü, vgl. allgemein Armbrust/. Mhd. ar/m)brust, ar(m)brost n.
südslav. ra/nik). ist im 12. Jh. entlehnt aus afrz. arbalestre. Die¬
P. Wiesinger in: Beumann/Schröder (1985), 164 — 170. ses kommt aus 1. arcuballista 'Bogenschleuder’
Arlesbaum m. 'Kornelkirsche’, arch., reg. (zu 1. arcus m. 'Bogen’ und einer Ableitung
Mhd. arlizbown, ahd. erlizboum. Vielleicht eine von gr. bällein 'werfen, schleudern’). Das zweite
Weiterbildung zu dem Wort für Erle, da die Glied des deutschen Wortes wird zuerst auf
Blätter der beiden Bäume sich ähnlich sind. mhd. berust, berost n. (Kollektivum zu rüsten,
Vgl. Kornelkirsche, Herlitze. s. d.) und erst sekundär (nachdem dieses Wort
ungebräuchlich wurde) auf Brust (daher das
Arm m. Mhd. arm, ahd. ar(a)m aus g. *arma-
Femininum) bezogen.
m. 'Arm’, auch in gt. arms, anord. armr, ae.
S. Arkade und Parabel. - H. Schwarz in: Trier (1981),
earm, afr. erm. Dieses aus einem indogermani¬
21 Anm. 13; R. Hiersche BN 18 (1983), 262 Anm. 5;
schen Wort für 'Schultergelenk, Arm’, das in Lloyd/Springer (1988ff.), I, 336f.
zwei Ablautformen *ara-mo- und *ro-mo- auf-
Armee f. 'Heer’. Im 17. Jh. entlehnt aus
tritt. Ersteres in 1. armus 'Oberarm, Schulter¬
blatt’, akslav. ramo n. 'Schulter’; letzteres in ai. gleichbedeutend frz. armee, einem Nomen acti
Irma- 'Arm’, apreuß. irmo f. 'Arm’. Ableitung
zu frz. armer 'bewaffnen’, dieses aus 1. armäre
von der Verbalwurzel ig. *ara- 'fügen’ in gr. (dass.), zu 1. arma n. 'Gerätschaften, Waffen’.
arariskein 'zusammenfügen’ und Ableitungen in
Ein Heer wird demnach bezeichnet als eine mit
anderen Sprachen. Grundbedeutung von Arm Waffen versehene Mannschaft.
ist also 'Gelenk’ oder 'Körperteil bei dem Ge¬ Etymologisch verwandt: s. Alarm. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 54; Jones (1976), 107f.
lenk’. Vermutlich gleicher Herkunft ist 1. arma
n. 'Waffen’. Ärmel m. Mhd. ermel, ahd. armilo ist wie ae.
Nndl. ne. nschw. arm, nisl. armur. S. auch Alarm ( + ), earmella eine Zugehörigkeitsbildung zu Arm in
Art1, Harmonie (+), Reim (+), rituell. - Lloyd/Sprin¬ der Form eines Diminutivs. Grundbedeutung
ger (1988ff.), I, 331 -333. also 'das was zum Arm gehört’ (vgl. Eichel zu
arm Adj. Mhd. as. arm, ahd. ar(a)m aus Eiche).
g. *arma- Adj. 'vereinsamt, unglücklich’ (im armieren swV., s. Armatur.
Gegensatz zu heil, s. d.), auch in gt. arms,
Armleuchter m. 'Leuchter mit mehreren Ar¬
anord. armr, ae. earm, afr. erm. Vermutlich zu
men’. Das Wort wird in der Gegenwartssprache
ig. *er(a)- 'auflösen’ in lit. irti, akslav. oriti
als Schimplwort gebraucht, ursprünglich ver¬
'trennen, zerstören', ai. rte ‘ohne’. Morpholo¬
hüllend für Arschloch (wegen der gleichen An¬
gisch vergleichbar ist ai. ärma- 'Ruinenstätte’
fangsbuchstaben der Kompositionsglieder).
(im Gegensatz zum intakten Dorf). — Altes
Abstraktum zu arm ist Armut, mhd. armuot(e), Armut /., s. arm.
ahd. armuoti, armuotl n./f, as. armödi mit un¬ Arnika / (= eine I leilpflanze), fachsprachl.
klarem Suffix. Eine latinisierende Bildung unbekannter Her¬
Nndl. nschw. arm. - A. P. Wirth: Vor- und Frühge¬ kunft.
schichte des Wortes 'arm' (Diss. Freiburg 1966); H. Marzeil (1943/79), I, 406.
Aroma 41 Art

Aroma n. 'Duft, Gewürz, Geschmack’. Im 19. Ausgehend von der Bedeutung 'etwas für sich
Jh. entlehnt aus 1. aröma 'Gewürz’, dieses aus erbitten, beanspruchen’ entsteht die Bedeutung
gr. aröma (dass.), dessen Herkunft ungeklärt 'etwas unrechtmäßig für sich beanspruchen’,
ist. darunter auch 'sich Wissen usw. widerrechtlich
Morphologisch zugehörig: Arom, Arornat, aromatisie¬ zueignen’. Schließlich 'mit (solchem) Wissen
ren. - G. Schoppe ZDW 15(1914), 177. usw. auf andere herabsehen’.
Arrak m. 'Branntwein aus Reis oder Melasse’. Morphologisch zugehörig: Arroganz; etymologisch
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. verwandt: s. Adresse.
arak, dieses aus arab. caraq 'Schweiß, austre¬ arrondieren swV., s. rund und ad-.
tende Flüssigkeit; aus Palmmilch gewonnener
Arsch m., vulg. Mhd. ahd. as. ars(-belli) aus
gegorener Dattelschnaps’.
g. *arsa- m. 'Arsch’, auch in anord. ars und mit
Littmann (1924), 81, 84f.; Lokotsch (1975), 9.
tabuisierender Metathese rass, ae. ears; dieses
arrangieren swV. 'in Ordnung bringen, ein¬ aus ig. *orso- m. 'Hinterteil’, auch in heth. arra-
richten’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ (lautlich unklar), gr. örros, arm. or gleicher Be¬
tend frz. arranger, zu frz. ranger 'reihen’ (s. auch deutung, wozu als *orsä gr. oura/., air. err (mit
ad-), einer Ableitung von afrz. renc 'bestimmte wohl sekundärer e-Stufe) 'Schwanz’ (air. auch
Reihe, Platz’, dieses aus frk. *(h)ring 'Kreis, 'hinterer Teil’) gehört. Weitere Herkunft un¬
Versammlung’. klar.
Morphologisch zugehörig: Arrangement, Arrangeur; Nndl. aars, ne. arse, nschw. arsel, nisl. rass. S. auch
etymologisch verwandt: Rang, rangieren; zum Etymon Mastdarm. — Lloyd/Springer (1988ff.), I, 345f.
s. Ring. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 54; Schir¬
Arsen n. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
mer (1911), 15f. Zu rangieren: Brunt (1983), 442.
tend spl. arsenicum, das auf gr. arsenikön (ar-
Arrest m. 'Haft’. Im 16. Jh. entlehnt aus ml. rhenikön) zurückgeht. Dieses letztlich aus
arrestum 'Beschlagnahme, Festhalten, (später) mpers. *zarntk 'goldfarben’ nach seiner gelben
Haftbefehl, Verhaftung’, dieses über romani¬ Farbe; der Wortanfang durch volksetymologi¬
sche Zwischenstufen aus 1. restäre 'Zurückblei¬ schen Anschluß an gr. arsenikös 'männlich’.
ben, Stillstehen’ (s. auch ad-), zu 1. störe (sta- Löschen (1968), 178f.
tum) 'stehen’ (s. auch re-). Damit verwandt ist
Arsenal n. 'Sammlung, Lager’. Im 16. Jh.
1. sistere 'stellen’. Das Verbum arretieren geht
entlehnt aus it. arsenale m. 'Zeughaus, Werft’
auf die frz. Entsprechung arreter 'anhalten,
(unter Einfluß der Entsprechungen aus den an¬
hemmen, u. ä.’ zurück.
deren romanischen Sprachen), dieses aus arab.
Morphologisch zugehörig: Arrestant, arretieren; ety¬
dar as-sinäca 'Gewerbehaus, Fabrik, Werft’, zu
mologisch verwandt: Assistent (usw.), Destination
(usw.), Distanz (usw.), etablieren (usw.), Etage, Etat, arab. där 'Haus’ und arab. sinSa 'Kunst, Beruf,
existieren (usw.), Instanz, Institut (usw.), konsistent Gewerbe’.
(usw.), konstant (usw.), Konstitution (usw.), Kontrast, Ersatzwort ist Zeughaus. — Littmann (1924), 88; Wis
Kosten, kosten1, obstinat, Prostitution (usw.), resistent (1955), 95f., Lokotsch (1975), 40.
(usw.), Rest, Staat, stabil (usw.), stagnieren, Station
Art1 /. Mhd. art mjf. 'angeborene Eigentüm¬
(usw.), Statist, Statistik, Stativ, Statue, Statur, Statut,
Substantiv, Substanz (usw.), substituieren (usw.), Tran¬
lichkeit, Natur, Herkunft, Art und Weise’. Das
sistor; zum Etymon s. stehen. — Schirmer (1911), 16. Wort kann altererbt sein, doch ist auffällig, daß
es in früherer Zeit unbelegt ist und erst später
arretieren swV., s. Arrest.
allgemein verbreitet wird. Falls es alt ist, ist im
arriviert Adj. 'erfolgreich, angesehen’, sonder- germanischen Bereich zu vergleichen ae. eard
sprachl. Im 19. Jh. als Verb entlehnt aus gleich¬ (ebenfalls selten), mndl. aert 'Lage, Art’, anord.
bedeutend frz. arriver, das über späte lateinische einarör 'einfach, aufrichtig’ ('von einfacher
Formen (*adripare) zurückgeht auf 1. ripa Art’); außergermanisch ist am ehesten ein Wur¬
'Ufer’ (s. auch ad-). Die Bedeutungsentwicklung zelnomen *ar(d)t- 'Fügung’ (zu dem unter Arm
verläuft vom konkreten 'am Ufer ankommen’ behandelten *ara- 'fügen’) anzusetzen, das auch
zu abstraktem 'ein Ziel erreichen’; das Partizip in anderen Sprachen nur in Relikten und Wei¬
(arriviert sein) dann in der Bedeutung etwas terbildungen vergleichbar ist: gr. ärti 'gerade,
erreicht haben’. eben’, gr. ärtios 'angemessen, richtig, bereit’, gr.
Morphologisch zugehörig: Arrival, arrivieren, Arri¬ artizein 'ordnen, einrichten’; arm. ard 'soeben,
vierte; etymologisch verwandt: Revier. — Jones (1976),
jetzt’; lit. artüs 'nahe’ u. a.
112.
Nndl. aard. S. Arm, artig, Artikel, Artist.
arrogant Adj. überheblich . Im 18. Jh. ent¬
Art2 /., arch. (in Zusammensetzungen wie
lehnt aus gleichbedeutend frz. arrogant, dieses
aus 1. arrogäns (-tis), dem PPräs. von 1. arrogäre Artacker, Artzaun usw.). Mhd. ahd. art das
'etwas für sich beanspruchen’, zu 1. rogare 'fra¬ Ackern, Ackerbau’, as. ard 'Aufenthaltsort’ aus
gen’ (s. auch ad-); dieses zu 1. regere 'richten’. g. *aröi- f. 'das Ackern’, auch in anord. grd.
Artefakt 42 Asbest

ae. eard (auch 'Aufenthaltsort, Heimat’ usw.). 'ausrüsten, anordnen’, einer Ableitung von afrz.
//-Abstraktum zu dem alten Verbum für 'pflü¬ tire 'Ordnung, Reihe’, aus frk. *tert, zu ahd.
gen’ g. *ar-ja- in gt. arjan, ahd. erren\ ig. *ara- ziart 'Pracht, Schmuck’.
in 1. aräre, mir. airid, lit. ärti, akslav. orati, gr. Morphologisch zugehörig: Artillerist; zum Etymon s.
aroün. Zier. - W. Horn ASNSL 182 (1943), 51; Jones (1976),
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 347 — 349. 112-114.

Artefakt «., s. Artist und Faktum. Artischocke /. (= eine eßbare Pflanze). Im


16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend (nord)it.
Arterie /. 'Schlagader’, fachsprachl. Im 16.
articiocco m., dieses aus aspan. alcarchofa, aus
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. arteria, die¬
span.-arab. al-harsüfa, vulgäre Nebenform zu
ses aus gr. arteria (dass.), einer Ableitung von
arab. al-hursüfa (dass.).
gr. (syn)aeirein 'anbinden, aufhängen’ (aus
Litlmann (1924), 81, 84; Wis (1955), 96; Lokotsch
*aerter- vereinfacht). Wohl so benannt, da es
(1975), 66.
sich um die Adern handelt, die dem Körper
vom Herz aus das Blut zuführen. Sie sind Artist m. 'Künstler (der Geschicklichkeits¬
gleichsam am Herz festgemachte Leitungen für übungen vorführt)’. Im 16. Jh. entlehnt aus ml.
das Blut. Aus der gleichen Grundlage Aorta artista 'Künstler’, dieses aus 1. ars (-rtis) f.
(s. d.). 'Kunst, Wissenschaft, Geschicklichkeit’. Im 19.
Jh. entsteht im Zusammenhang mit Varietes
artig Adj. Mhd. zunächst mit Umlaut ertec
unter Einfluß von frz. artiste die heutige, spe¬
(verneint unartec, unertec), zu Art1 (s. d.), also
ziellere Bedeutung, die nur deutsch ist.
eigentlich 'von (guter) Art’ (zur Bedeutung vgl.
Morphologisch zugehörig:1 Artistik-, etymologisch ver¬
etwa typisch zu Typ). Dann in verschiedenen
wandt: Artikel (usw.); zum Etymon s. Art1. Ersatzwort
(positiven) Bedeutungen gebraucht; heute auf
ist Künstler. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 54.
wenige Sonderfälle beschränkt und bereits et¬
was archaisch. Bildungen wie bösartig sind Zu¬ Arve/. 'Zirbelkiefer’, schwz. Seit dem 16. Jh.
sammenbildungen (von böser Art). als arbe, arve belegt. Herkunft dunkel.
W. Mitzka ZDS 26 (1970), 1-8. Arznei /. Zu dem Wort Arzt (s. d.) werden
Artikel m. 'Aufsatz, Geschlechtswort, Gegen¬ früh gebildet ahd. gi-arzätön 'verarzten, heilen’
stand’. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus und ahd. arzätle 'Heilmittel’. Statt dieser Bil¬
gleichbedeutend 1. articulus 'Teil eines Schrift¬ dung treten auch andere auf, die dem verdräng¬
stücks, Glied’, einem Diminutivum zu 1. artus ten älteren Wort (ahd. lähhinön 'heilen’) nachge¬
'Gelenk, Glied’. Es wird zunächst in die Kanz¬ bildet sind: ahd. giarzinön 'verarzten, heilen’
leisprache entlehnt als 'Abschnitt eines Ver¬ und mhd. arzente, arzentuom; aus letzterem
trags’, das sich dann auch zu 'Posten einer unsere Arznei.
Warenrechnung’ entwickelt, wozu Ende des 17. Nndl. artsenij.
Jhs. aus frz. article die Bedeutung 'Handelsge¬ Arzt m. Mhd. arzät, arzet, ahd. arzät wurde
genstand, Ware’ übernommen wird. Im 18. Jh. in vorliterarischer Zeit aus ml. archiater ent¬
schließlich erscheint es als Terminus der Sprach- lehnt (näher an der Ausgangsform mndl. arsa-
beschreibung (der Artikel als Gelenkstück syn¬ tere). Das lateinische Wort stammt aus gr. ar-
taktischer Fügungen).
chiätros 'Erz-arzt’, dem Titel antiker Hofarzte
Etymologisch verwandt: artikulieren (usw.), Artist; (zu gr. iästhai 'heilen’).
zum Etymon s. Art'. Ersatzwort ist Geschlechtswort.
Nndl. arts. S. Erz-( + ). — Hoops (1973ff.), I,
— Schirmer (1911), 16.
440 - 446; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 358-360. Zum
artikulieren swV. '(sorgfältig) aussprechen, Benennungsmotiv für 'Arzt’ vgl.: G. Kandier ThB
äußern’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ 29 (1957), 366-375.
tend 1. articuläre (wörtlich: 'gliedern’), einer Ab¬
as- Präfix, s. ad-.
leitung von 1. articulus 'Abschnitt, Teil, Glied’,
einem Diminutivum zu 1. artus 'Glied, Gelenk’. As n. 'höchste Spielkarte’. Im 18. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: Artikulation; etymologisch aus gleichbedeutend frz. as m., dieses letztlich
verwandt: s. Artikel. - G. Schoppe ZDW 15(1914), aus 1. as m. 'viereckiges Metallplättchen’. Im
177; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 387. Lateinischen entwickelt sich die Bedeutung
Artillerie f. 'Geschütze, Truppengattung’, über 'Münze’ zu '(fast) wertlose Münze’. Von
fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ da Übertragung auf die 'niedrigste Zahl auf
deutend frz. artillerie 'Geschütz’, einer Ablei¬ Würfeln; Eins im Kartenspiel’. Von der Bedeu¬
tung von afrz. artill(i)er 'mit Gerätschaft aus¬ tung 'höchste Karte im Spiel’ geht dann die
rüsten’, dessen Herkunft nicht ganz sicher ge¬ weitere Entwicklung aus.
klärt ist. Möglicherweise steht es — in Anleh¬ Asbest m. 'feuerfester Faserstoff’, fach¬
nung an art — für älteres atillier 'ausstatten’, sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
einer dissimilierten Nebenform von afrz. atirier 1. asbestos, dieses aus gr. äsbestos (lithos) 'As-
Asch 43 Assel

beststein’ (wörtlich: 'unauslöschlich, unzerstör¬ wissenhaft tun’ entwickelt sich 'sich gewissen¬
bar’), zu gr. sbennynai 'auslöschen’ (s. auch a-2). haft ertüchtigen’, und das Substantiv nimmt die
Es ist demnach 'ein Stoff, der (durch Feuer) Bedeutung 'körperliche und geistige Schulung
nicht zerstört werden kann’. und Zucht’ an. Man ging davon aus, daß solche
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 54; Lüschen (1968), Ausbildung nur dann zu Weisheit und Tugend
179-181. führen kann, wenn sie auch Enthaltsamkeit und
Asch m. 'Gefäß', md., vgl. Aschkuchen. Mhd. Verzicht beinhaltet. Dieser Bedeutungsaspekt
asch, ahd. asc- 'Becken’ in asgfaz n. 'Urne’ und wird schließlich dominant.
ascman 'Bootsknecht’; wohl das gleiche Wort Morphologisch zugehörig: Asket.
wie g. *aska- 'Boot’ in anord. askr, ae. atsc, Asket m., s. Askese.
ahd. asc. Weitere Herkunft dunkel.
Aspekt m. 'Gesichtspunkt’. Im 18. Jh. ent¬
R. Hildebrand DWEB 3 (1963), 377; zur SchifTsbe-
lehnt aus 1. aspectus 'Anblick, Ausblick, Hinse¬
zeichnung: Hoops (1973ff.), I, 449f.
hen’, einem Nomen actionis zu 1. aspicere 'hin-
Asche /. Mhd. asche, ahd. as. asca aus g. sehen’, zu 1. specere 'sehen, schauen’ (s. auch ad-).
*aska-f. 'Asche’, auch in anord. aska, ae. cesce, Als lateinischer Terminus der mittelalterlichen
neben *azgö f. in gt. azgo. G. *aska- ist vermut¬ Astronomie hat es die eigentliche Bedeutung
lich eine Zugehörigkeitsbildung zu ig. *has- 'die Art, wie die Planeten aus ihren Positionen
'Herd’ (s. Esse), also 'das zu Herd (oder Feuer aufeinanderschauen’, dies wird dann übertra¬
o. ä.) gehörige’, ähnlich wie ai. äsa-, heth. hassa- gen auf ihren „Blick” auf die Erde, schließlich
'Asche’ eine Virddhi-Bildung zu der gleichen dann über die Perspektive des Betrachters auf
Grundlage sein dürfte. Die verbale tf-Ableitung der Erde hin zu 'Stellung der Sterne am Him¬
*haz-d- in gr. äzein 'dörren, trocknen’ und cech. mel’. Über die „schicksalsbestimmende” Deu¬
hvozdit 'Hopfen, Malz darren’ ist wohl als tung der Gestimpositionen dann auch 'Aus¬
'Hitze geben’ o. ä. aufzufassen, und war früher sichten’.
vermutlich weiter verbreitet. So könnte gt. azgo Etymologisch verwandt: s. Spektakel. — W. Feldmann
als *haz-d-ko- unter dem Einfluß dieser Form ZDW 8 (1906/07), 54.
stehen; vergleichbar ist vielleicht arm. aciwn. Asphalt m. (= eine Art Bitumen). Im 19.
Nndl. as, ne. ash(es), nschw. aska, nisl. aska. S. Esse. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. asphalte,
Äsche /. (= Flußfisch), fachsprachl. Mhd. dieses aus 1. asphaltus (dass.), aus gr. äsphaltos
asche m„ ahd. asco m. Herkunft unklar. Viel¬ (dass.), einer Ableitung von gr. sphällesthai 'be¬
leicht zu Asche (s. d.) wegen der Farbe. schädigt werden, umgestoßen werden’ (s. auch
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 367. a-2). Es ist das (Binde-)Mittel, das ursprünglich
verwendet wird, um Mauern zu festigen, d. h.
Aschenbrödel n., Aschenputtel n. Seit dem 16.
vor dem Umfallen oder Einreißen zu schützen.
Jh. bezeugte Bezeichnung des Küchenjungen.
Lüschen (1968), 181f.
Eigentlich 'der in der Asche wühlt’.
Zu -brödel s. brodeln. Aspik m./(n). 'Gallert’. Im 19. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutend frz. aspic m., dessen weitere
Aschermittwoch m. An diesem Tag macht der
Priester den Gläubigen zum Zeichen ihrer Bü߬ Herkunft nicht sicher geklärt ist.
fertigkeit ein Kreuz aus Asche auf die Stirn. Aspirant m. 'Anwärter, Bewerber’, sonder-
Das -er- in der Fuge dieses Wortes hängt mit sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
einer regionalen Pluralform von Asche zusam¬ frz. aspirant, einer Ableitung von frz. aspirer
men. Bezeugt seit dem 15. Jh. 'sich bewerben, streben, sich sehnen nach’, aus
1. aspträre 'sich einer Sache oder Person nähern,
Aschkuchen m., s. Asch und Kuchen.
zu jmd. oder zu etwas zu gelangen suchen;
Aschlauch m., s. Schalotte.
wörtlich: zuhauchen, zuwenden’, zu 1. spträre
Ase m. (= Gott der nordischen Mythologie), 'hauchen, atmen’ (s. auch ad-).
fachsprachl. Im 19. Jh. aus anord. äss entlehnt. Morphologisch zugehörig: Aspirantur, Aspirata, Aspi¬
Dieses führt mit ae. ös gleicher Bedeutung auf ration, aspirieren-, etymologisch verwandt: s. Spiritus.
g. *ansu- m. 'Gott’, dessen weitere Herkunft Assel /., auch m., fachsprachl. Seit dem 16.
dunkel ist. Jh., auch als atzel, nassel u. a. Aus it. asello m.
Hoops (1973ff.), I, 457f.; L. Motz IF 89(1984), 'Assel’ zu 1. asellulus m. 'kleiner Esel’; deshalb
190-195. heißt das Tier auch Maueresel, Eselchen u. ä.
äsen swV, s. Aas. Das lateinische Wort ist eine Bedeutungsentleh¬
Askese /. 'enthaltsame Lebensweise’, sonder- nung aus gr. oniskos m. zu gr. önos m./f. 'Esel’,
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend formal ein Diminutiv, aber eigentlich eine Zuge¬
gr. äskesis, einem Abstraktum zu gr. askein hörigkeitsbildung, da es offenbar ursprünglich
'üben, etwas gewissenhaft tun’. Aus 'etwas ge¬ eine auf Eseln schmarotzende Laus bezeichnete,
Assessor 44 Asyl

dann auch andere Sorten Läuse und schließlich -ast Suffix. Dient der Bildung von desubstan-
die (oberflächlich ähnlichen) Asseln. Die Form tivischen Personenbezeichnungen (z. B. Gymna¬
mit -tz- tritt auch bei dem Wort Esel auf und siast, Phantast). Es wurde in griechischen Ent¬
widerspricht deshalb einer Gleichsetzung nicht. lehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ur¬
Vgl. 1. porcellio m. 'Assel’, ursprünglich 'Schwei- sprung ist gr. -astes (dass.).
nelaus’ zu 1. porcus m. 'Schwein’. Aster /. 'Sternblume’, fachsprachl. Im 18. Jh.
Assessor m. 'Anwärter der höheren Beamten¬ entlehnt aus gleichbedeutend 1. aster m. 'Stern’
laufbahn’, J'achsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus und gr. asttr m. (dass.).
l. assessor 'Beisitzer bei Gericht’, einem Nomen Etymologisch verwandt: astro-, Astrologie, Astrono¬
mie, Desaster; zum Etymon s. Stern1. Ersatzwort ist
agentis zu 1. assidere 'dabeisitzen’ (s. auch -or),
Sternblume. — Ganz (1957), 32f.
zu 1. sedeve 'sitzen' (s. auch ad-). Von da dann
Weiterentwicklung zu 'Richter und Beamte am Ästhetik/. '(Lehre von der) Schönheit’. Neu¬
Anfang der Laufbahn im höheren Dienst’. bildung des 18. Jhs. zu gr. aisthetikös 'wahr¬
nehmbar’, zu gr. aisthänesthai 'wahrnehmen’
Etymologisch verwandt: Dissident (usw.), possessiv
(usw.), Präsident (usw.), Residenz (usw.), Sediment (als Grundform wird *awis-dh- angesetzt, das
(usw.), Session; zum Etymon s. sitzen. Ersatzwort ist auch 1. audlre 'hören’ zugrunde liegen kann).
für eine Teilbedeutung Beisitzer. Die Bezeichnung erklärt sich aus der „klassi¬
assimilieren sw V. 'angleichen\ fachsprachl. Im schen” Gegenüberstellung von Vernunft und
Sinnlichkeit. Die Philosophie sollte durch die
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. assimi-
neue Disziplin Ästhetik erweitert werden, indem
läre, zu 1. simuläre 'ähnlich machen, nachbilden’
sinnliche Empfindungen und Eindrücke gleich¬
(s. auch ad-), zu 1. similis 'ähnlich’.
rangig neben die Vernunft gestellt wurden, um
Morphologisch zugehörig: Assimilation; etymologisch
die Wahrheit von Dichtung und Kunst mit der
verwandt: Dissimilation, Ensemble, Faksimile, Simile,
simpel, simulieren (usw.); zum Etymon s. zusammen. Wahrheit der Philosophie in Einklang zu
— Zu Faksimile; Ganz (1957), 71; bringen.
Morphologisch zugehörig: Ästhet; etymologisch ver¬
Assistent m. 'Helfer, Gehilfe’. Neubildung
wandt: Anästhesie (usw.), Audienz, audio-, Auditorium,
zum PPräs. von 1. assistere 'beistehen’, zu 1. Synästhesie (usw.). — A. Gombert ZDW 3 (1902),
sistere '(sich) hinstellen’ (s. auch ad-). Wörtlich 164; W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 51f.
demnach 'jmd., der bei einem steht’, dann 'jmd., Asthma n. 'schweres Atmen, Keuchen’, fach¬
der beisteht’. sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Morphologisch zugehörig: Assistenz; etymologisch gr. ästhma, einer morphologisch unklaren Ab¬
verwandt: s. Arrest. — Jones (1976), 116f. leitung von idg. *ano- 'atmen’.
assoziieren swV. 'sich verbinden, sich zusam¬ Etymologisch verwandt: s. animieren.
menschließen’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt ästimieren swV. 'wertschätzen, würdigen’,
aus gleichbedeutend frz. s’associer, dieses aus 1. arch. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus
associäre 'vereinigen, verbinden’, zu 1. sociäre gleichbedeutend frz. estimer, dieses aus 1. aesti-
'vereinigen, verbinden’ (s. auch ad-), zu 1. socius märe 'den Geldwert schätzen, taxieren’, zu 1.
'Gefährte’ (verwandt mit 1. sequi 'folgen’). Zu¬ aes 'Vermögen, Erz’.
nächst ein Terminus der Kaufmannssprache Etymologisch verwandt: s. Ära.
('Gesellschafter’), dann vor allem ein Wort der astro- Präfixoid. Dient der Komposition von
Psychologie. Substantiven, wobei dem Grundwort die Be¬
Morphologisch zugehörig: Assoziation, assoziativ; ety¬ deutung 'Stern, die Gestirne betreffend’ hinzu¬
mologisch verwandt: Exekution (usw.), Exequien, kon¬ gefügt wird (z. B. Astronomie 'Sternkunde’). Es
sequent (usw.), Konsoziation, sekundär, Sekunde (usw.), wird in griechischen Wörtern ins Deutsche
sozial (usw.), Sozius, Suite. — Schirmer (1911), 18. übernommen und geht auf gr. aster 'Stern’ zu¬
Ast m. Mhd. ahd. as. ast aus g. *asta- m. rück.
'Ast’, auch in gt. asts (der /-Stamm des Althoch¬ Etymologisch verwandt: s. Aster.
deutschen ist wohl sekundär). Aus eur. *ozdo- Astrologie /., s. astro- und -logie.
m. 'Ast, Zweig’, auch in gr. özos und arm. ost. Astronomie /., s. astro- und Agronom.
Vermutlich aus **o-sd-o- 'das, was ansitzt’ zu
Asyl n. 'Zufluchtstätte’. Im 18. Jh. entlehnt
der Wurzel *sed- 'sitzen’ (es wäre also eigentlich
aus gleichbedeutend 1. asylum, dieses aus gr.
der Astknorren so bezeichnet worden). Als Zu¬
äsylon (dass.), zu gr. äsylos 'unberaubt, sicher’,
gehörigkeitsbildung mit Virddhi noch ae. öst,
zu gr. sylon 'Raub, Plünderung’ (s. auch a-1).
mndd. öst, mndl. oest (aus g. *östa-) 'Astknor¬
Zunächst in der Bedeutung 'Zufluchtsort’ ver¬
ren’. Umgangssprachlich ist Ast 'Knorren’ für wendet; ab dem 19. Jh. dann 'Heim bzw. Unter¬
'Buckel’, vgl. sich einen Ast lachen. kunft für Bedürftige’.
S. sitzen ( + ). — Darms (1978), 236 — 238; Lloyd/ Morphologisch zugehörig: Asylant. — G. Schoppe
Springer (1988ff.), I, 373-375. ZDW 15(1914), 177.
Aszendent 45 Atoll

Aszendent m., 'Vorfahr; bei der Geburt im Feuermetaphorik anregen. Auf der Basis der
Osten des Horizonts auftretendes Tierkreiszei¬ ursprünglichen Dualität der feineren und weni¬
chen, Aufgangspunkt eines Gestirns’, fach- ger feinen Luft wird das Wort im 18. Jh. meta¬
sprachl. Neubildung zu 1. ascendens (-entis), phorisch zur Bezeichnung des Betäubungsmit¬
dem PPräs. von 1. ascendere 'hinaufsteigen, em¬ tels verwendet, das flüchtiger als Luft ist. Im
porsteigen’, zu 1. scandere 'steigen, emporstei¬ 19. Jh. erfolgt eine Übertragung auf das Me¬
gen’ (s. auch ad-). dium der Licht- und Funkwellen auch außer¬
Morphologisch zugehörig: Aszendenz, aszendieren; ety¬ halb des Luftraums.
mologisch verwandt: s. Skala. Morphologisch zugehörig: ätherisch. — Ganz (1957),
at- Präfix, s. ad-. 28f.; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 387.

-at Suffix. Vielfältig verwendetes Wortbil¬ Athlet m. 'Wettkämpfer’. Im 18. Jh. entlehnt
dungselement. Es dient u. a. zur Bezeichnung aus gleichbedeutend 1. äthleta, zu gr. äthletis
der 'Tätigkeit, die jemand ausübt’ (z. B. Deka¬ (dass.), einem Nomen agentis zu gr. äthlein 'um
nat), des 'Orts, an dem man das Amt ausübt’ einen Preis kämpfen’, zu gr. äthlos 'Wettkampf’
(z. B. Dekanat, Rektorat) und 'der Zeit, in der und gr. äthlon n. 'Preis’.
man das Amt ausübt’ (z. B. Dekanat). Hinzu Morphologisch zugehörig: Athletik; etymologisch ver¬
kommen deverbative Vorgangsbezeichnungen wandt: Biathlon.
(z. B. Telefonat), deverbative Bezeichnungen Atlantik m. 'Meer zwischen Europa, Afrika
des Ergebnisses einer Handlung (z. B. Testat, und Amerika’. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
Reservat). Außerdem desubstantivische Kollek- lehnt aus gleichbedeutend I. Atlanticum mare,
tiva (z. B. Proletariat) und Bezeichnungen der Atlanticus öceanus 'Atlantischer Ozean’ und gr.
normalen Oxydationsstufe der Säuren, aus der Atlantikön pelagos n. (dass.). Das Benennungs¬
das Salz entsteht: Kaliumnitrat. Es wurde in motiv geht zurück auf die griechische Mytholo¬
lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬ gie, nach der der Himmel auf dem Gebirge
nommen; sein Ursprung ist 1. -ätus (dass.). Atlas in Libyen ruht, so benannt nach dem
Atelier n. 'Werkstatt, Arbeitsraum (eines griechischen Halbgott Atlas, der die Erdkugel
Künstlers)’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ auf seinen Schultern trug (das nt aus flektierten
tend frz. atelier m., dieses aus frz. astelier m. Formen). Das Wort dient dann auch als Attri¬
'Haufen von Holzspänen’, aus afrz. astele but zur Bezeichnung der weiteren Regionen,
'Span, Splitter’, einem Diminutivum zu 1. asser die an das Gebirge angrenzen, schließlich auch
m. 'Stange, Balken’. Aus 'Ort mit viel Spänen’ insbesondere für das an der Westküste Afrikas
wird demnach 'Arbeitsraum des Tischlers’ und gelegene Meer.
schließlich 'Arbeitsraum des Künstlers’. Etymologisch verwandt: [Atlant], Atlas.

Atem m. Mhd. ätem, ahd. ätum, as. äöom aus Atlas m. 'Landkartensammlung’. Nach dem
wg. *ädma- m. 'Hauch, Atem’, auch in ae. äöm, Titel einer Landkartensammlung von Mercator
afr. ethma; dieses aus ig. *etmö- 'Atem’, auch 1595 (nach dem Halbgott Atlas, s. Atlantik).
in ai. ätma 'Hauch, Seele’ («-Stamm) und viel¬ W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 54; G. Schoppe ZDW
leicht air. athach f. 'Hauch, Wind’. Herkunft 15 (1914), 177; Littmann (1924), 94.
dunkel. Luthers Form Odem ist auf die religiöse Atmosphäre /. 'Lufthülle der Erde, Stim¬
und gehobene Sprache beschränkt geblieben. mung’. Neubildung des 17. Jhs. zu gr. atmös m.
Nndl. adern. — Lloyd/Springer (1988ff.), I, 391 — 393. 'Dunst’ und gr. sphaira 'Kugel’ zur Bezeichnung
Atheismus m., fachsprachl. Neubildung des des angeblich von Himmelskörpern ausströ¬
16. Jhs. zu gr. ätheos 'gottlos, die Staatsgötter menden und sie umgebenden Dunstes. Die
leugnend’, zu gr. theös 'Gott’ (s. auch a-1). übertragene Bedeutung 'Umgebung, Stim¬
mung’ findet sich ab dem 18. Jh.
Morphologisch zugehörig: Atheist; etymologisch ver¬
wandt: Enthusiasmus, Theologie. — W. Feldmann Morphologisch zugehörig: Sphäre. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 54; W. J. Jones SN 51 (1979), 249. ZDW 8 (1906/07), 54.

Äther m. 'Raum des Himmels, Narkosemit- Atoll n. 'KoralleninseF, fachsprachl. Im 19.


W\\ fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. aether Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. atoll, das
'oberste Luftschicht’, dieses aus gr. aither (dass.; seinerseits aus einheimischen Bezeichnungen
wörtlich: 'Brennendes’), zu gr. aithein 'brennen, wie atollon und atoll für die Malediven über¬
glühen’. Nach griechischer Vorstellung lag über nommen ist, die wohl auf das Wort adal 'verbin¬
dem niederen Luftraum (gr. äer) eine höhere dend’ der Sprache Malayalam zurückgehen. Be¬
Luftzone, der Äther. Im Äther, dem Wohnsitz nennungsmotiv ist also die ringförmige Struk¬
der Götter, soll die Luft besonders fein sein. tur der Inseln, für die die Malediven charakteri¬
Das Benennungsmotiv ist wohl in den Rotfär¬ stisches Beispiel sind.
bungen des Himmels begründet, die zu einer Littmann (1924), 121.
Atom 46 ätzen

Atom n. 'winziges Teilchen’. Im 19. Jh. ange¬ 1. testäri (testätus) 'bezeugen’ (s. auch ad-), zu
paßt aus älterem Atomus m., das entlehnt ist 1. testis 'Zeuge’.
aus gleichbedeutend 1. atomus f., dieses aus gr. Etymologisch verwandt: protestieren (usw.), Testa¬
ätomos f. (dass.), einer Substantivierung von gr. ment, testieren. — W. J. Jones SN 51 (1979), 249.
ätomos 'unteilbar’, abgleitet von einer Ablaut¬ Ätti m. 'Vater’, alem. Diminutiv zu Att(e),
stufe von gr. temnein 'schneiden’ (s. auch a-2) mhd. atte, ahd. atto 'Vater’. Kindersprachliches
(vgl. gr. tome, tomä f 'Schnitt’). Im Griechi¬ Lallwort (vgl. das Ausbleiben der Lautverschie¬
schen zunächst in philosophischen Überlegun¬ bung!), das auch in gt. atta auftaucht (dazu als
gen Bezeichnung für hypothetische Elementar¬ Diminutiv der Name des Hunnenfürsten Attila,
teilchen; mit dem Aufkommen der Naturwis¬ mhd. mit Lautverschiebung [!] Etzel); außerger¬
senschaften dann physikalische Fundierung die¬ manisch in heth. atta-, gr. (Vokativ) ätta, 1.
ses Konzeptes. Die erfolgreiche Kernspaltung atta , alb. ät(e) 'Vater’, ohne Geminate das
im 20. Jh. widerlegt das ursprüngliche Benen¬ Diminutiv akslav. otici; vgl. ai. attä 'Mutter’
nungsmotiv. (nicht in Texten belegt). Ähnliche Formen auch
Morphologisch zugehörig: atomar, etymologisch ver¬ in außerindogermanischen Sprachen.
wandt: s. Anatomie. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Lloyd/Springer (1988ff.), I, 385-388; Lühr (1988),
07), 54. 254f. Zu entsprechenden Lallwörtem vgl.: J. Friedrich
-ator Suffix, s. -or. Glotta 23 (1935), 207 — 210. Zu 1. atta vgl.: E. Hermann
IF 53 (1935), 97f.
Attache m., 'diplomatischer Berater’, fach-
Attraktion/. 'zugkräftige Darbietung (im Zir¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. atta-
kus)’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
che m. (wörtlich: 'Zugeteilter’), einer Substanti¬
ne. attraction, dieses aus frz. attraction 'Anzie¬
vierung des PPrät. von frz. attacher 'zuteilen’.
hung’, aus spl. attractio (dass.), einem Nomen
Etymologisch verwandt: s. Attacke. — Brunt (1983),
actionis zu 1. attrahere 'anziehen’, aus 1. trahere
138f.
(tractum) 'ziehen’ (s. auch ad-).
Attacke /. 'Angriff’. Im 17. Jh. entlehnt aus Morphologisch zugehörig: attraktiv, Attraktivität; ety¬
gleichbedeutend frz. attaque, einem Nomen ac- mologisch verwandt: s. abstrakt. — K.-H. Weinmann
tionis zu frz. attaquer 'angreifen’, dieses aus DWEB 2(1963), 387f.
it. attaccare (dass.), das auf ein nicht belegtes Attrappe/. 'Nachbildung’. Im 19. Jh. entlehnt
germanisches Wort für ein spitzes Befestigungs¬ aus gleichbedeutend frz. attrape, einer Ablei¬
mittel (vgl. ndd. takk 'Nagel, etwas Spitzes’) tung von frz. attraper 'fangen, fassen, erwi¬
(s. auch ad-) zurückgeht. Es bedeutet zunächst schen’, das seinerseits abgeleitet ist von frz.
wörtlich 'festmachen, befestigen’ (vgl. frz. atta¬ trappe 'Schlinge, Falle’, das auf ein afrk.
cher, ne. attach); dann auch 'zugehörig sein, *trappa 'Falle’ zurückgeht. Aus der Bedeutung
zusammengehören’. Im 16. Jh. dienen dann ita¬ 'Falle’ entwickelt frz. attrape die Bedeutung
lienische Phrasen mit attaccare (z. B. attaccare 'täuschender Scherzartikel (auf den man „her¬
battaglia 'in der Schlacht mitmachen, mit¬ einfällt”)’; also eine täuschende Nachbildung.
kämpfen’) als Vorbild für frz. attaquer in der Jones (1976), 120.
Bedeutung 'angreifen’.
attribuieren swV., s. Attribut.
Etymologisch verwandt: Attache. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 54; Jones (1976), 118f. Attribut n. 'Beifügung, Eigenschaft’, fach-
sprachl. Im 18. Jh.-entlehnt aus gleichbedeutend
Attentat n. 'Mordanschlag’. Im 15. und er¬
1. attribütum, dem substantivierten PPP. von 1.
neut im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
frz. attentat m., dieses aus 1. attentätum 'Ver¬ attribuere 'zuweisen, beifügen’, zu 1. tribuere
(tribütum) 'zuteilen’ (s. auch ad-).
such’, dem substantivierten PPP. von 1. atten-
täre, attem(p)täre 'versuchen, angreifen, anta¬ Etymologisch verwandt: s. Tribut. Ersatzwort ist Beifü¬
gung.
sten’, zu 1. temptäre, tentäre (temptätum) 'ver¬
suchen’ (s. auch ad-). 'Versuch’ wird hier über Atzel /. 'Elster’, reg. Diminutiv zu der auf
'verbrecherischer Versuch’ eingeengt auf den ahd. agaza, agastra zurückgehenden Form. S.
speziellen Fall eines politischen Mordversuchs. Elster.
Attentäter ist im 19. Jh. gebildet (als Reimwort atzen swV., s. Aas.
zu Hochverräter) mit volksetymologischer In¬
ätzen swV. Mhd. etzen, ahd. ez(z)en aus g.
terpretation von -tat als Kompositionsglied d.
*at-eja- 'essen lassen, beißen lassen’, auch in
Tat.
gt. fra-atjan 'zum Essen austeilen’, anord. etja
Etymologisch verwandt: s. tentativ.
'hetzen, anspornen, reizen, füttern’, ae. ettan
Attest n. 'Bescheinigung’. Im 17. Jh. entlehnt 'abweiden’, afr. etta 'weiden’; Kausativ zu essen
aus gleichbedeutend 1. attestätio /., einer Ablei¬ (s. d.). Bedeutungsentwicklung im einzelnen un¬
tung von 1. attestäri 'bezeugen, bestätigen’, zu klar. In der Bedeutung 'füttern’ berührt sich
au 47 auf

das Wort im Deutschen mit anderen Bildungen Audimax n., Kurzform von 1. auditörium
(s. Aas)\ es bleibt in der Bedeutung 'beißen, mäximum, s. Auditorium und Maximum.
ätzen’, die im 15. Jh. zu dem Fachwort für das audio- Präfixoid. Dient der Komposition von
Behandeln von Metall mit Säure wird. Substantiven und Adjektiven, wobei dem
au Interj. (des Schmerzes). Mhd. ou, ouwe, Grundwort die Bedeutung 'das Hören, die aku¬
ahd. au neben mhd. o we. Naturlaut wie 1. ai stische Wahrnehmung betreffend’ hinzugefügt
u. a. wird (z. B. Audiometer 'Gerät zum Messen der
S. o, oh. — Lloyd/Springer (1988ff.), 1, 393 — 395. Hörfähigkeit des Menschen’, audiovisuell „hör¬
Au(e) /., arch. Mhd. ouwe, ahd. ouwa 'Land bar und sichtbar”). Es wird vornehmlich in
am Wasser, Insel’ aus g. *agwijö f. 'die zum neolateinischen Wörtern verwendet und geht
Wasser gehörige’, auch in anord. ey 'Insel’, ae. auf 1. audlre 'hören’ zurück.
Tg 'Insel’; Zugehörigkeitsbildung zu g. *ahwöf Etymologisch verwandt: s. Ästhetik.

'Fluß, Wasser’ in gt. alva 'Fluß’, anord. ö, ä Auditorium n., 'Hörerschaft, Hörsaal’, fach¬
'Fluß’, ae. ea, afr. ä, e 'Wasser, Fluß’, as. ahd. sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. auditörium
aha 'Wasser, Flut, Fluß’ aus weur. *aquä f. 'Hörsaal (ursprünglich: das Anhören einer
'Wasser’, auch in 1. aqua f. 'Wasser, Fluß’; weite¬ Rechtssache)’, zu 1. audltor m. 'Hörer’, zu 1.
rer Anschluß an heth. eku- 'trinken’ ist umstrit¬ audlre 'hören’.
ten. Sowohl Ach wie Au sind im Deutschen und Etymologisch verwandt: s. Ästhetik. - G. Schoppe
außerhalb häufig in Gewässer- und Flurnamen; ZDW 15 (1914), 177. Zu Auditeur: Jones (1976), 121.
als Appellativ ist Ach heute ausgestorben, Aue/., s. Au(e).
Au(e) ist auf die gehobene, dichterische Spra¬ Auerhahn m., Auerochse m. Einerseits mhd.
che beschränkt. ürhan, andererseits mhd. ür(ochse), ahd.
Nndl. landouw 'Gefilde’, ne. island, nschw. ö, nisl. ür(ohso) neben ae. ür, anord. ürr. Für 'Auer¬
ey(ja) 'Insel’. S. Aquarium ( + ), Eiland. — Darms
hahn’ auch anord. orri, mhd. orrehan. Die indo¬
(1978), 25. Zu -ach: Lloyd/Springer (1988ff.), I,
germanischen Sprachen haben zwei parallele
99-103.
Wörter für das Männchen von Tieren, einmal
Aubergine/. (= die Frucht eines Nachtschat¬ *wrs(en)- in ai. vrsän- 'Männchen, Hengst’, ai.
tengewächses in Südostasien). Entlehnt aus vrsabhä- 'Stier’, 1. verres 'Eber’, lit. versis '(Och¬
gleichbedeutend frz. aubergine, dieses aus kat. sen) Kalb’; andererseits *rs- in ai. rsabhä-
alberginia (dass.), aus arab. al-bädingän (dass.), 'Stier’, gr. ärsen 'männlich’. Beide stehen neben
aus pers. bädingän, bädingän u. ä. (dass.). Wörtern für 'regnen’ (und andere Nieder¬
Morphologisch zugehörig: aubergine. schläge) und beruhen wohl auf einer alten meta¬
auch Part. Mhd. ouch, ahd. ouh, as. ök geht phorischen Benennung des Geschlechtsverkehrs
zurück auf g. *auke 'auch’ in gt. auk, anord. als 'beregnen’; die Bedeutung 'männlich’ also
auk, ae. eac, afr. äk\ mit abweichender Bedeu¬ aus 'besamend’. Die beiden Sippen sind entwe¬
tung gt. auk 'denn’, ahd. ouh 'aber’. Es kommen der parallel oder durch unregelmäßige Abwand¬
zwei Etymologien in Frage; unter Umständen lung auseinander entstanden. Aus *rs- läßt sich
sind — erkennbar an den verschiedenen Bedeu¬ ohne weiteres anord. orri, mhd. orrehan herlei¬
tungen — zwei Partikel lautlich zusammenge¬ ten, doch ist es auffällig, daß hier (und nur
fallen, nämlich ein Imperativ g. *auke 'füge hier) ein Vogel als Männchen bezeichnet wird.
hinzu’ zu dem starken Verb g. *auk-a- 'hinzufü¬ Immerhin ist das Balzverhalten des Auerhahns
gen’ (gt. aukan, anord. auka, ae. eacen PPrät., so auffällig, daß eine solche Bezeichnung denk¬
afr. äka, as. ökan PPrät., ahd. auhhan), das auf bar wäre. Die übrigen Wörter (Auer-) gehen auf
ig. *aug- 'vermehren’ (1. augere usw.) zurück¬ g. *üra- zurück, das in der Bedeutung 'regnen’
geht; und eine ig. Partikel *au, etwa in gr. aü (anord. ur 'feiner Regen’) nur mit lateinischen
'wieder, hingegen’. Zugunsten der ersten Ety¬ Wörtern vergleichbar ist (1. ürlnäre 'harnen’).
mologie spricht das durchsichtige ae. pär-tö- In beiden Sprachen kann diese Lautform auf
eacan 'außerdem’ (wörtlich 'dazugefügt’). *uwrs-, einer Variante zu dem oben angeführten
S. Auktion ( + ), noch2, wachsen ( + ). *wrs- mit der Entwicklung von rs zu rz, dann zu
rr mit anschließender Vereinfachung (lateinisch
Audienz/. 'Empfang’, fachsprachl. Im 16. Jh.
vor dem Akzent, germanisch nach Langvokal)
entlehnt aus 1. audientia 'Gehör, Aufmerksam¬
zurückgehen, so daß der Anschluß an die ver¬
keit’, einem Abstraktum zu 1. audlre 'hören'.
breitete indogermanische Sippe gewonnen wird.
Die Bedeutung entwickelt sich an den Fürsten¬
S. Ochse ( + ), Ur. Nndl. oeros. — Suolahti (1909),
höfen in Formeln wie Audienz geben oder um
248-251; Hoops (1973ff.), I, 476-479.
eine Audienz bitten von Gehör zur Zeremonie,
auf Adv., Präp. Mhd. ahd. üf, as. up aus g.
bei der einem Gehör geschenkt wird .
*up(a) 'auf’, auch in anord. upp, ae. up, afr.
Morphologisch zugehörig: Auditorium-, etymologisch
verwandt: s. Ästhetik. - Jones (1976), 120f.
up neben gt. iup (aus *eupa?); dieses aus ig. *upo
aufbürden 48 aufziehen

mit ähnlichen lokalen Bedeutungen in ai. üpa mand auf etwas sein Augenmerk richtet, dann
und mit s-Anlaut gr. hypo, hypö und 1. sub. läßt er zugleich von seiner Tätigkeit ab; das
Das germanische Wort zeigt später im Süden Ablassen ist deshalb ein anderer Aspekt des
Vokaldehnung, im Norden Geminate des Kon¬ Aufmerkens; daher die Übertragung.
sonanten. Nach Sommer (s. u.) Lautgebärde äufnen swV. '(Kapital) ansammeln’, schwz.
*up für eine schnelle, kräftige Bewegung von Wie mhd. üf(f)en 'erhöhen, ansammeln’. Ablei¬
unten nach oben; iup mit 'Artikulationsanlauf’. tung zu auf (s. d.).
Nndl. op, ne. up, nschw. nisl. upp. S. äufnen, hypo-,
aufoktroyieren swV., sondersprachl. Im 17. Jh.
Make-up, oben, offen, sub-, über (+). — Henzen
als oktroyieren 'bewilligen, gewähren’ entlehnt
(1969), 218-240, 274-278; F. Sommer (1977), 6-11.
Zum Lautlichen: W. Mitzka ZDA 93 (1964), 293. aus frz. octroyer gleicher Bedeutung (dieses mit
Neu-Anschluß an die lateinische Grundlage aus
aufbürden swV, s. Bürde.
afrz. otroier, dieses aus ml. *auctorizare, Erwei¬
aufdinsen stV, arch., s. aufgedunsen. terung aus 1. auetöräre 'bestätigen, sich verbür¬
aufdrieseln swV., s. auf dröseln. gen’ zu 1. auctor 'Urheber, Gewährsmann’).
Die — nur deutsche — spätere Bedeutungsver¬
aufdröseln swV. 'aufdrehen, entwirren’, ugs.
änderung beruht auf dem Streit um die preußi¬
Auch aufdrieseln, auftröseln. Zu einem md. ndd.
sche Verfassung von 1848, die vom König ok¬
triseln 'drehen’, vgl. trisel 'Kreisel’. Weiteres
unter triezen, aber sonst ist die Herkunft unklar. troyiert, also 'erlassen’ wurde. Dies wurde von
den Demokraten nicht gebilligt, die in der ok¬
Das Wort ist durch Goethe verbreitet worden.
troyierten Verfassung eine aufgezwungene Ver¬
Aufenthalt m. Spmhd. üfenthalt; Verdeutli¬
fassung sahen. Diesen Sinn hat das Wort (ver¬
chung von gleichbedeutendem enthalt 'Unter¬
stärkt durch auf-) bis heute beibehalten.
halt, Aufenthalt’ zu enthalten 'unterhalten’.
S. Auktion ( + ).
Aufgebot n. Bezeugt seit dem 15. Jh. Zunächst
aufpäppeln swV., s. päppeln.
eine aufgebotene Mannschaft, zu aufgebieten,
aufpassen swV, s. passen.
aufbieten. Dann 'Aufforderung zur Anmeldung
von Ansprüchen’ und schließlich 'Bekanntgabe Aufruhr m., s. Ruhr.
einer beabsichtigten Eheschließung’ (d. h. 'Auf¬ aufsässig Adj. Zu mhd. üfsaz m. 'Widersetz¬
forderung zur Anmeldung irgendwelcher Ehe¬ lichkeit, Groll’, etwa nach dem Muster mhd.
hindernisse’). widersaz — widersceze(c) gebildet. Zugrunde
aufgedunsen Adj. (PPrät.). Zu einem nicht liegt ein altes Adjektiv der Möglichkeit (*sätja-)
mehr gebräuchlichen starken Verb aufdinsen zu sitzen oder setzen (s. d.).
'ausdehnen’. Dieses zu mhd. dinsen, ahd. thin- aufschneiden stV. Es bedeutet in alter Zeit
san, as. thinsan 'ziehen’ aus g. *pens-a- stV. 'vorlegen’. Im 17. Jh. auch für 'große Reden
'ziehen’, auch in gt. atpinsan 'heranziehen’. Die¬ führen’ (etwa in der Wendung mit dem großen
ses aus ig. *tens- 'ziehen, spannen’ in ai. tarhsa- Messer aufschneiden, also 'große Stücke vorle¬
yati 'zieht hin und her, schafft herbei’, lit. t§sti gen’); dann allgemein für 'prahlen’.
'durch Ziehen dehnen, spannen’. Eine einfa¬ aufschwemmen svt’F. Meist in festen Wendun¬
chere Wurzelform ist ig. *ten- (s. dehnen). gen wie aufgeschwemmtes Gesicht ('aufgedun¬
aufgekratzt Adj. (PPrät.) 'ausgelassen’, ugs. sen’). Zu mhd. swemmen 'aufgehen lassen’ (etwa
Ursprünglich Partizip zu aufkratzen 'durch Teig mit Hefe); vermutlich eine Ableitung zu
Kratzen aufbereiten’, übertragen etwa in ein Schwamm (s. d.) als 'aufgehen wie ein
schlechtes (Theater-) Stück aufkratzen und dann Schwamm’, aber beeinflußt von schwemmen,
verallgemeinert. Vielleicht letztlich vom Auf¬ überschwemmen usw., die zu schwimmen gehö¬
kratzen der Wolle mit Disteln. ren (s. d.).
S. kratzen (+). aufstöbern swV., s. stöbern.
aufgeräumt Adj. (PPrät.). Partizip zu aufräu- auftröseln swV., s. aufdröseln.
men. Wie bei herausgeputzt ist der Ausdruck für
aufwarten swV. 'zu Diensten sein’, arch. Ei¬
das Sauber-Machen gleichzeitig ein Ausdruck
gentlich 'auf jmd. achten, für jmd. sorgen’. Zu
für das Schmücken der Person. Schon früh warten (s. d.).
übertragen verwendet für 'gut aufgelegt’.
aufwiegeln swV. Eine seit dem 15. Jh. (ur¬
Aufhebens machen. Ursprünglich Ausdruck sprünglich nur schweizerisch) belegte Iterativ¬
der Fechtersprache für das zeremonielle Aufhe¬ bildung zu (be)wegen, also ursprünglich: 'in
ben der Waffen; danach allgemein für 'sich um¬ vielen kleinen Schritten bewegen’.
ständlich verhalten’.
aufziehen stV. Bei Uhren deshalb, weil die
aufhören swV. Mhd. üfhaeren\ in gleicher Be¬ Gewichte der alten Turmuhren in die Höhe
deutung auch einfaches mhd. liieren. Wenn je¬ gezogen wurden: In der Bedeutung 'verspotten’
Auge 49 Ausflucht

ein Ausdruck der Folter: das Opfer wurde mit Aula /. 'Raum für Veranstaltungen’, fach¬
beschwerten Füßen hochgewunden — deshalb sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. aula 'Atrium,
eigentlich 'jmd. quälen’, dann abgeschwächt Halle’, dieses aus gr. aufl 'Hof, Wohnung’.
'verspotten’. Im 20. Jh. eine Veranstaltung auf-
Aura /. 'Ausstrahlung’, sonder sprachl. Ent¬
ziehen, etwa im Sinne von 'wie ein Uhrwerk
lehnt aus 1. aura 'leiser Schimmer, Lichtglanz,
ablaufen lassen’.
Dunst, Hauch’, dieses aus gr. aüra 'frische Luft,
W. Linden in: Maurer/Stroh (1943), II, 412; A. Langen
Hauch, Luftzug’.
in: Maurer/Rupp (1974/78), II, 70.
Aurikel /. 'Bergschlüsselblume’, fachsprachl.
Auge n. Mhd. ouge, ahd. ouga, as. öga aus g.
Neubildung des 18. Jhs. zu 1. auricula 'Öhr-
*augön n. 'Auge’, auch in gt. augo, anord. auga,
chen’, einem Diminutivum zu I. auris 'Ohr’.
ae. eage, afr. äge, aus ig. *oqu- 'Auge’ in ai.
So benannt nach der Form der Blätter dieser
äksi-, gr. össe (Dual), 1. oculus m., akslav. oho,
Pflanze.
lit. akis f. Vielleicht zu einer Verbalwurzel mit
der Bedeutung 'sehen’. Der Diphthong im Ger¬ aus Adv./Präp. Mhd. ahd. üz, as. üt aus g.
manischen beruht auf einem (wohl unregelmä¬ *ut(a) 'aus’ in gt. üt, anord. üt, ae. afr. üt zu
ßigen) Umsprung des u/w (Bestandteil des La- ig. *ud- mit ähnlichen lokalen Bedeutungen,
biovelars qu) wie bei Haupt (s. d.). z. B. in ai. üd- 'empor, hinaus’. Das Wort ist
Nndl. oog, ne. eye, nschw. öga, nisl. auga. — Zur Adverb; Präposition nur im Westgermanischen.
Lautform: F. Specht ZVS 62 (1935), 211." Die Vokallänge beruht auf sekundärer Deh¬
Augenbraue /., s. Braue. nung.
Nndl. uit, ne. out, nschw. ut, nisl. üt. S. außen, außer,
Augenhaber m. 'Geschwulst am Augenlid’, s.
Fallout, Handout, k.o., Layout. — Henzen (1969),
Gerstenkorn. 133-178.
Augenlid n., s. Lid.
ausbaden swV 'die Folgen tragen’, ugs. Be¬
Augentrost m. 'Euphrasia’, fachsprachl. zeugt seit dem 16. Jh. Älter ist die Bedeutung
Spmhd. ougentröst, mndd. ögentröst heißt so, 'zu Ende baden’. Der Bedeutungsübergang ist
weil die Pflanze als Augenheilmittel verwendet vielleicht bewirkt durch sprichwörtliche Wen¬
wurde. Übernommen in nndl. ogentroost, dungen, wie Wer in das Bad steigt, muß auch
nschw. ögontröst. ausbaden (ähnlich bei Fischart 1575). Gemeint
Marzeil (1943/79), II, 389-392. ist (wörtlich) 'das Badewasser ausgießen
Augiasstall m. 'Ort mit großer Unordnung, müssen’.
üble Verhältnisse’, sonder sprach!. Im 19. Jh. aus S. Bad(+). — Anders: W. Niekerken in: FS Pretzel
dem Griechischen übernommen, wo es auf eine (1963), 372f.
altgriechische Sage um Herkules zurückgeht, ausbaldowern swV, s. baldowern.
der die Aufgabe hatte, den seit 30 Jahren nicht
ausbooten swV. 'vom Schiff mit einem Boot
mehr ausgemisteten Stall des Königs Augeias
ans Land bringen’, ugs. Heute nur noch über¬
zu säubern. Schon in antiker Zeit als Bild ver¬
tragen (ausgebootet werden 'aus einer Position
wendet, um gehäufte Mißstände zu bezeichnen.
verdrängt werden’). Vielleicht beeinflußt durch
Augmentation /., s. Auktion. Bote als '(durch Boten) ausladen’.
Augstein m., s. Bernstein. W. Niekerken in: FS Pretzel (1963), 373.
August m. (= der 8. Monat des Jahres). Im Ausbund m., arch. Seit dem 15. Jh. belegt für
Althochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend den Gebrauch der Kaufleute, Warenproben 'aus
1. (mensis) Augustus. Von den Römern so be¬ den Bünden’ zu nehmen, um sie als Schauende,
nannt zu Ehren des Kaisers Octavian, der den Schaustück o. ä. obenauf zu binden. Da hierzu
Namen Augustus (wörtlich: 'der Erhabene’) als die besseren Stücke genommen wurden, entwik-
Beinamen trug. Entlehnung und Verbreitung kelt Ausbund die Bedeutung 'das beste von allen
der lateinischen Bezeichnung erfolgte in juristi¬ Stücken, etwas ungewöhnlich Gutes’.
schen Texten. Ahd. augusto, mhd. ougest, dann
ausflippen swV. 'durchdrehen, sich der Gesell¬
wieder an die Ursprache angepaßt.
schaft entziehen’, jugendsprachl., ugs. In der
Auktion /. 'Versteigerung’, sondersprachl. Im Gegenwartssprache entlehnt aus ne. to flip out,
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. auctio das das gleiche bedeuten kann (wörtlich: 'weg¬
(-önis), einem Nomen actionis zu 1. augere schnipsen’).
(auctum) 'vermehren, versteigern’. Aus 'ver¬
Ausflucht /., meist PI. Bezeugt seit dem 15.
mehren’ wird dabei den Preis erhöhen .
Jh. Die heutige Bedeutung geht zurück auf
Morphologisch zugehörig: auktionieren, Auktionator,
rechtssprachliche Wendungen ('Anrufung eines
etymologisch verwandt: aufoktroyieren, Autor (usw.),
höheren Gerichts, Vorwand bei der Verteidi¬
Autorität, zum Etymon s. auch und wachsen. Ersatz¬
wort ist Versteigerung. gung’, vgl. Ausweg, doch wird bei Ausflucht
Ausgeburt 50 Ausstand

von vorneherein das Merkmal des Vortäuschens dieser Zusammenhang sekundär ist, ist die Her¬
unterstellt). Zu fliehen und Flucht1 (s. d.). kunft des Wortes unklar.
Ausgeburt/. 'Geborenes, Erzeugnis’ (meist im Nach R. Gerlach BDL 90 (1953), 175 zu merten (d. h.
schlechten Sinn), arch. Bezeugt seit dem 18. Jh. 'ausscheiden am Martinstag’). Nach R. Neubauer
ZW 13 (1903), 100 — 102 als *merkezen 'markieren’
Zu gebären (s. d.) und Geburt.
zu merken (bair. Schafe merken).
ausgekocht Adj. (PPrät.), ugs. Zu auskochen
auspowcm swV 'ausbeuten bis zur völligen
mit ähnlichem Bedeutungswandel wie raffiniert
Erschöpfung\ jugendsprach/. Präfigierung zu d.
(s. d.). Gaunersprachliches kochem (s. d.) 'ge¬
power 'armselig, ärmlich’, dieses aus frz. pauvre
scheit’ kann mit eingewirkt haben.
(dass.), aus 1. pauper (dass.).
S. kochen ( + ).
ausrangieren swV., s. arrangieren und aus.
ausgemergelt Adj. (PPrät.). Partizip eines sel¬
tener belegten schwachen Verbs ausmergeln, ausrotten swV. Früher auch ausruttem, es ist
auch abmergeln. Vermutlich wird damit ur¬ die ursprüngliche oberdeutsche Entsprechung
sprünglich das Verfahren bezeichnet, Äcker mit zu dem aus dem Niederdeutschen stammenden
Mergel kurzfristig aufzuwerten, wodurch sie roden (s. d.). Die Bedeutung ist also 'mit der
aber stärker ausgelaugt werden (vgl. die Wurzel entfernen’.
Bauernregel Mergel macht reiche Väter und Aussatz m., fachsprachl. Im 13. Jh. rückge¬
arme Söhne). Das Wort wird auch für andere bildet aus mhd. üzsetze, ahd. üzsazfejo 'Aussät¬
Formen des Auslaugens und Abmagerns ver¬ ziger’, wörtlich 'einer, der außen sitzen muß’,
wendet und dabei an Mark (s. d.) im Sinne von weil die Leprakranken sich von dem menschli¬
'das Mark ausziehen’ angeschlossen; bei der chen Siedlungen absondern mußten. Das ältere
Verwendung zur Bezeichnung eines abgemager¬ Wort ist ahd. misalsuht 'Mieseisucht’ zu 1. misel-
ten Körpers auch (in der medizinischen Fach¬ Ius 'der Arme, Elende’.
sprache) an 1. marcor 'Schlaffheit’, 1. marcidus Hoops (1973ff.), I, 505-508.
'welk’. Einzelheiten der Entstehung und Ent¬
Ausschuß m. 'ausgeschiedene Teile der Pro¬
wicklung unklar.
duktion’. Im 15. Jh. zu ausschießen in der heute
S. auch Mergel. - B. Liebich BGDSL 23 (1898), 223;
S. Singer ZDW3 (1902), 223; A. Götze ZDW10 (1908/
nur noch regional üblichen Bedeutung 'aus¬
09), 49-56. scheiden, aussondern’ gebildet. Die Bedeutung
geht auf schießen 'werfen’ zurück. Mit an¬
ausgepicht Adj. (PPrät.) 'durchtrieben’, ugs.
derer Bedeutungsentwicklung aus der gleichen
Eigentlich 'mit Pech ausgeschmiert’ (um dicht
Grundlage die Bedeutung 'Kommission’.
zu machen), dann übertragen wie raffiniert
(s. d.), durchtrieben u. ä. außen Adv. Mhd. üzen, ahd. üz(z)ana zu g.
*ütan- 'außen’ in gt. ütana 'von außen’, anord.
auskneifen swV, ugs. Im 19. Jh. übernommen
ütan, ae. utan(e), üton; aus der unter aus (s. d.)
aus ndd. ütkmpen (auch knipen gän) 'sich aus
behandelten Grundlage.
der Klemme (knlp) befreien, weglaufen’. Später
Nschw. nisl. utan.
zunächst in der Studentensprache 'sich heimlich
davonmachen’. Außenseiter m. Lehnbildung zu ne. Outsider,
Auskunft/. Seit dem 17. Jh. bezeugt, zunächst ursprünglich als Bezeichnung eines Pferdes, auf
in der Bedeutung 'Ausweg’ (zu auskommen, her¬ das nicht gewettet wird.
auskommen)-, dann über Auskunft geben 'einen Stiven (1936), 82, 98.
Ausweg nennen’ zur heutigen Bedeutung. außer Adv. Mhd. üzer, ahd. üz(z)ar, as. -ütar
S. kommen ( + ). aus g. *ütar-, auch in anord. ütar, ae. üte,
ausladend Adj. (PPräs.) 'ausgebreitet (von üt(t)or, afr. üter, aus der unter aus (s. d.) behan¬
Ästen u. a.)’. Ursprünglich niederdeutsch. Zu delten Grundlage.
Lode (s. d.), also vom üppigen Wachstum jun¬ ausstaffieren svrF. Im 16. Jh. aus ndd. utstaf-
ger Sprößlinge gesagt und sekundär an laden feren (u. ä.) übernommen, das über das Nieder¬
angeglichen. ländische auf afrz. estofer zurüchgeht; dieses
W. Niekerken in: FS Pretzel (1963), 373. gehört zu dem unter Stoff (s. d.) behandelten
ausmarchen swV. '(Rechte) gegeneinander ab¬ Substantiv; also ursprünglich; 'mit Stoff aus¬
grenzen’, schwz. Fnhd. ausmarken 'abgrenzen’; statten, ausschmücken’.
zu Mark' (s. d.). S. Staffage, Stoff.
ausmerzen swV Seit dem 15. Jh. im Sinne Ausstand m. In älterer Zeit oberdeutsches
von 'die zur Zucht nicht tauglichen Schafe aus- Wort für 'Fehlen beim Dienst’ zu ausstehen
scheiden’. Das Wort wird auf März bezogen, '(beim Dienst) fehlen’. Ende des 19. Jh. wird
von der Vorstellung ausgehend, daß die Schaf¬ das Wort aus der Bergmannssprache aufgegrif¬
herden im Frühjahr verkleinert werden. Falls fen, um das aus ne. strike entlehnte Streik zu
ausstatten 51 Autorität

ersetzen; hat sich aber nur teilweise durchge¬ gen verwendet; es geht auf gr. autbs 'selbst’
setzt. zurück.
V. Steinecke ZSV 9 (1894), 106. Etymologisch verwandt: autark, authentisch, Auto,
Autogramm, Automat, autonom.
ausstatten swV. Seit dem 17. Jh. zu früherem
stat(t)en 'zu etwas verhelfen’, eigentlich 'zu et¬ Auto n. Kopfwort von Automobil 'Kraftfahr¬
was Gelegenheit geben’, zu Statt (s. d.) 'Stelle, zeug’, das im 19. Jh. entlehnt wurde aus gleich¬
Gelegenheit’. bedeutend frz. automobile, einer Zusammenset¬
zung aus gr. au tos 'selbst’ und 1. möbilis 'beweg¬
Auster f. Im 16. Jh. aus ndd. üster entlehnt,
lich’. So benannt, da es 'ein sich selbst bewegen¬
das über das Niederländische auf afrz. oistre
des Fahrzeug’ ist.
und auf 1. ostrea und 1. ostreum n. zurückgeht.
Etymologisch verwandt: s. auto- und mobil.
Dieses stammt aus gr. östreion n. 'Auster’, das
aus einem Stamm *ostr- 'harte Schale’ zu ig. Autodafe n. 'feierliche Hinrichtung von Ket¬
*os(t)- 'Knochen’ gebildet ist. zern’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Hoops (1973ff.), 1, 509 — 512; Lloyd/Springer (1988
gleichbedeutend port. auto da fe m. (wörtlich:
ff.), I, 295-297. 'Akte des Glaubens’ [= 1. actus fidel m.]). Zu¬
nächst Bezeichnung der öffentlichen Verkündi¬
Austrag m., arch., südd. Verbalabstraktum zu
gung eines Urteils der Inquisition; dann über¬
austragen. Österr. auch 'Altenteil’ zu österr.
tragen auf dessen Vollstreckung.
austragen 'sich ausbedingen’.
Autogramm n., 'eigenhändige Unterschrift’.
austreten stV Im intransitiven Gebrauch er¬ Neubildung des 20. Jhs. zu gr. autbs 'selbst’ und
hält das Verb frühneuhochdeutsch vor allem gr. grämma f. 'Schriftzeichen, Schreiben’.
in der Heeressprache die Bedeutung 'aus einer Etymologisch verwandt: s. auto- und Grammatik.
Gruppe heraus-/ hervor-/ wegtreten’. Daraus
Automat m. Im 18. Jh. übernommen aus 1.
übertragen im 19. Jh. 'aus einem Verein usw.
automatus, automatos 'aus eigenem Antrieb
austreten’ und 'seine Notdurft verrichten’ (die¬
handelnd, freiwillig’ zu gr. automatos 'sich von
ses wie älteres abtreten, s. Abtritt).
selbst bewegen, selbständig, von selbst gewor¬
ausweiden stV. 'die Eingeweide herausneh- den, u. ä.’ zu gr. autbs 'selbst’ (s. auto-) und dem
men’,fachsprachl. Seit dem 16. Jh. zu dem unter Partizip *mn-to- der Wurzel *men- 'denken’.
Eingeweide behandelten Wort. Etymologisch verwandt: Amnestie-, zum Etymon s.
mahnen.
auswendig Adj. 'äußerlich’. Nur noch in der
Verbindung mit wissen, lernen (u. ä.). So seit autonom Adj. 'unabhängig’, fachsprachl. Im
dem 16. Jh. als 'bereits beim äußeren Anblick 18. Jh. entlehnt aus gr. autonomos, dieses aus
kennen’. gr. autbs 'selbst’ (s. auto-) und gr. nomos 'Ge¬
setz’, also 'nach eigenem Gesetz’.
auswringen stV, s. wringen.
Etymologisch verwandt: Taxonomie.
autark Adj. 'unabhängig’, fachsprachl. Im 20.
Autor m. 'Verfasser’. Im 15. Jh. entlehnt aus
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gr. autärkes,
1. auctor (bzw. seiner Schreibvariante 1. autor)
einer Ableitung von gr. arketn 'genügen, ausrei¬
'Urheber, Gründer’, einem Nomen agentis zu
chen’ (s. auch auto-). 1. augere 'vermehren, fördern’. Es bezeichnet
Morphologisch zugehörig: Autarkie; etymologisch ver¬ zunächst u. a. 'jmd., der bestimmte Rechte hat’
wandt: s. auto-. (vgl. z. B. „auctöritäs”), dann auch Rechtsge¬
authentisch Adj. 'verbürgt, eigenhändig’, son- lehrte (die ihr Wissen niederlegen) und schlie߬
dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ lich allgemeiner Gelehrte, die ihr Wissen schrift¬
tend 1. authenticus, dieses aus gr. authentikös lich weitergeben. Die heutige Bedeutung in be¬
(dass.), einer Ableitung von gr. authentes 'Urhe¬ wußter Abgrenzung von Dichter und Schrift¬
ber’ (s. auch auto-). Die Etymologie des zweiten steller.
Bestandteils ist umstritten. Morphologisch zugehörig: autorisieren-, etymologisch
Morphologisch zugehörig: Authentizität, etymologisch verwandt: s. Auktion. Ersatzwort ist Verfasser. - W.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 55.
verwandt: s. auto-, — W. Feldmann ZDW8 (1906/07),
55; W. J. Jones SN 51 (1979), 249. autorisieren swV, s. Autorität.
auto- Präfixoid. Dient der Komposition von Autorität /. 'Ansehen’. Im 15. Jh. entlehnt
Substantiven und Adjektiven, wobei dem aus 1. au(c)töritäs 'Gültigkeit, Glaubwürdig¬
Grundwort die Bedeutung 'selbst, aus eigener keit’, zu 1. auctor m. 'Urheber, Gründer’, einem
Kraft’ hinzugefügt wird (z. B. Automobil 'selbst¬ Nomen agentis zu 1. augere 'vermehren, för¬
bewegendes Fahrzeug’, autonom 'selbständig’). dern’. Hierzu autorisieren (16. Jh.) über frz.
Es wird in griechischen Wörtern ins Deutsche autoriser 'ermächtigen, mit Gültigkeit (auctöri¬
übernommen und viel in neoklassischen Bildun¬ täs) versehen’. Dazu im Französischen autori-
avancieren 52 azur

taire 'sich Autorität anmaßen’, woraus in der Avocado/. (= die eßbare Frucht eines süd¬
Gegenwartssprache autoritär entlehnt ist. amerikanischen Baumes), fachsprachl. Entlehnt
Etymologisch verwandt: s. Auktion. — F. Fürst: Die aus gleichbedeutend span, avocado m. (s. Advo¬
Bedeutung der auctoritas (Diss. Marburg 1934); H. kat), einer volksetymologischen Umbenennung
Rabe: Autorität (Konstanz 1972).
von Nahuatl ahuacatl (dass.).
avancieren swV. 'aufsteigen, vorwärtskom¬
Axiom n. 'Grundsatz’, fachsprachl. Im 17. Jh.
men’, sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
gleichbedeutend frz. avancer, dieses über spätla¬ entlehnt aus gleichbedeutend 1. axiöma, dieses
teinische Zwischenstufen zu 1. abante 'vor etwas aus gr. axiöma (dass.), einer Ableitung von gr.
weg’, zu I. ante 'vor, vorn’ (s. auch ab-). äxios 'würdig, wert’. So benannt nach der Auf¬
Morphologisch zugehörig: Avance, Avancement. — fassung, daß diese Lehrsätze von allen aner¬
Schirmer (1911), 25; Jones (1976), 122; Brunt (1983), kannt und von niemandem angezweifelt wer¬
140f. den. Erst später entwickelt sich aus den 'ge¬
Avantgarde/. '(extravagante) Vorreiter’, fach- schätzten Grundsätzen’ eine wissenschaftliche
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Axiomatik.
frz. avant-garde, dieses aus frz. avant 'vor’ und Morphologisch zugehörig: Axiomatik; etymologisch
frz. garde m. 'Bewachung, Wache’ (s. Garde). verwandt: s. Agenda. — Schirmer (1912), 8.
Das militärische Wort wird dann übertragen
Axt /. Mhd. ackes, ahd. ackus, as. akus aus
verwendet als 'Vorreiter (einer bestimmten Strö¬
mung o. ä.)\ g. *akwesjö f. 'Axt’, auch in gt. aqizi, anord.
Etymologisch verwandt: s. Garde. — Jones (1976), ex, ae. cecse, afr. axa. Das -t ist sekundär ange¬
124f.; H. Böhringer AB 22 (1978), 90-114. treten; das k ist vor w westgermanisch gemi-
Aversion/. 'Abneigung’, sondersprachl. Im 17. niert. Vergleichbar sind 1. ascia und gr. axtne
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. aversion, ähnlicher Bedeutung. Es könnte ig. *ak- 'spitz,
dieses aus 1. äversio (-önis) (dass., wörtlich: scharf’ als Grundwort vorausgesetzt werden,
'Abwenden’), einer Ableitung von 1. ävertere doch ist das Wort eher eine Entlehnung aus
'abwenden’, zu 1. vertere (versum) 'wenden, dre¬ einer vorindogermanischen Sprache.
hen’ (s. auch ab-). A. Schirokauer MLQ 4(1943), 21—25; Hoops
Morphologisch zugehörig: Avers; etymologisch ver¬ (1973FF.) I, 534-562; W A. Benware BGDSL-T
wandt: s. Vers. — Brunt (1983), 141. 101 (1979), 333f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 44.
avisieren swV. 'einen Besuch o. ä. ankündi¬
azur Adj. 'himmelblau’. Im 18. Jh. entlehnt
gen’, sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
aus gleichbedeutend frz. azur, dieses aus ml.
gleichbedeutend frz. aviser, einer Ableitung von
azurum 'himmelblau, Lasurstein’, aus arab. lä-
frz. avis 'Meinung’, einer Zusammenrückung
aus afrz. a vis in Nachbildungen von spätem 1. zaward, läzuward 'Lasurstein’, aus pers. läzu-
mihi Visum est 'es scheint mir’, zu 1. videre wärd (dass.). Bei der Entlehnung wurde das /-
(vlsum) 'sehen’ (s. auch ad-). als vermeintlicher Artikel weggelassen.
Morphologisch zugehörig: Avis, Aviso; etymologisch Etymologisch verwandt: Lapislazuli, Lasur. - Litt-
verwandt: s. Visage. - Schirmer (1911), 26. mann 1 (1924), 90f.; Lokotsch (1975), 104.
B
Baas m. 'Meister, Herr’, ndd. Entlehnt aus wäre der erste Bestandteil mit Woge oder einem
nndl. baas, mndl. baes. Vor allem in der Sprache ähnlichen Wort verknüpft und durch Bach er¬
der Seeleute gebräuchlich. Herkunft dunkel. setzt worden; stelz- statt sterz- könnte auf einer
S. Boß. auch sonst beobachtbaren Lautentwicklung be¬
babbeln swV., s. pappein. ruhen oder umgedeutet sein.
Vgl. nndl. kwikstaart, ne. wagtail. S. Stelze ( + ). —
Babuschen PI. 'Hausschuhe’, nordd., od. Im
Suolahti (1909), 87-94; F. Freitag ZM 13(1937),
18. Jh. entlehnt aus frz. babouche/., das letztlich 157-174; K. Ranke BGDSL 62 (1938), 286-317;
auf pers. päpüs 'Fußbekleidung’ (aus pers. pä Lloyd/Springer (1988ff.), I, 511-513.
'Fuß’ und pers. püsldän 'bedecken’) zurückgeht.
Back/, 'tiefe, hölzerne Schüssel’, fachsprachl.,
Die norddeutsche Form Puschen ist wohl von
ndd. Vgl. ne. back 'Gefäß’, nndl. hak 'Trog’;
poln. papuc (gleicher Herkunft) beeinflußt.
vielleicht entlehnt aus gall. *bacca 'Wasserge-
Baby n. 'Säugling’. Im 19. Jh. entlehnt aus faß’, das allerdings in der vorauszusetzenden
gleichbedeutend ne. baby, einer hypokoristi- Form mit dieser Bedeutung nicht belegt ist.
schen Form zu ne. habe, dessen Ursprung nicht S. Bassin ( + ).
geklärt ist. Man vermutet ein zugrundeliegendes
Backbord n. 'linke Schiffsseite’, fachsprachl.
Lallwort der Kindersprache.
Aus dem Niederdeutschen; wie nndl. bakboord,
Morphologisch zugehörig: Babysitter.
ae. bcecbord, wörtlich 'Bord im Rücken’ (s. Bord
Bach m. Mhd. hach m./f, ahd. bah, as. beki und vgl. g. *baka- n. 'Rücken’ in anord. bak,
aus wg. *baki- m. 'Bach’, auch in ae. bece, ae. bcec, afr. bek, as. bak, ahd. bah\ Herkunft
afr. -bitze, neben dem ya-Stamm *bakja- m. in unklar, s. aber Backe2). In alter Zeit war das
anord. bekkr, ae. becc. Regional, besonders in Steuer auf der rechten Seite des Schiffes, so daß
Gewässernamen, auch Femininum. Herkunft die linke im Rücken des Steuermanns lag.
dunkel. Wenn air. büal 'Wasser’ auf *bhog-lä Vgl. Steuerbord. S. Bache, Comeback, Feedback, Play¬
zurückgeht, kann es vergleichbar sein. Vgl. auch back.
ae. brök 'Bach’ (s. Bruch2), zu dem es mit Ab¬ Backe1 /., Backen m. Mhd. backe m., ahd.
laut und Ausfall des r zwischen Labial und backo m. 'Backe, Kinnlade’, as. in der Zusam¬
Tektal (vgl. sprechen und ne. to speak) gehören mensetzung kinnibacco (ahd. chinnibahho, kinni-
kann. bahho) 'Kinnbacken’. Wenn unmittelbar mit
Nndl. beek, nschw. bäck. — H. Krähe BN 1 (1949/50), dem gr. Glossenwort phagönes 'Kinnbacken’ zu
32 — 34; Rooth (1983), 5 — 49; zur Morphologie: Ch.
vergleichen, liegt voreinzelsprachl. *bhagn-/-en-
Peeters 7.F77(1972), 212 — 214. Anders: Lloyd/Sprin¬
voraus; weitere Herkunft unklar (kaum zu gr.
ger (1988fif.), I, 427-429.
phägö 'ich esse’, üblich ist nur der Aorist epha-
Bache /. '(wildes) Mutterschwein’, fach- gon). Lautlich verdächtig ähnlich, aber nicht
sprachl. Seit dem 16. Jh. bezeugt. Vermutlich unmittelbar zu vergleichen ist 1. bucca f. 'aufge¬
von einem Ausdruck für 'Schinken, Speckseite’ blasene Backe’.
übertragen: ahd. bahho, mndl. bake 'Rücken, R. M uch ZD W2 (1902), 283; Lloyd/Springer (1988ff.),
Speckseite’ (hieraus afrz. ne. bacon 'Speck’). I, 421 -423; Lühr (1988), 224f.
Vgl. mundartlich Bachen 'Speckseite’. Vielleicht
Backe2 /. in Arschbacken, Hinterbacken PI.,
zu g. *baka- n. 'Rücken’ (s. Backbord).
ugs. Mhd. backe. Wird als übertragene Verwen¬
S. Backe2. — Lloyd/Springer (1988ff.), I, 417f.
dung von Backe1 aufgefaßt, und möglicher¬
Bachen m., s. Bache. weise ist das Wort auch so zu erklären. Der
Bachstelze/. Seit dem 15. Jh. als bachstelz(e) übliche Anschluß an g. *baka- n. 'Rücken’ (s.
bezeugt. Wörtlich 'die im Bach stelzt’ nach dem Backbord) und ahd. bahho 'Speckseite’ (s. Ba¬
bevorzugten Aufenthaltsort des Vogels. Vermut¬ che) ist aus lautlichen und semantischen Grün¬
lich handelt es sich aber um eine Erneuerung den zumindest bei einer unmittelbaren Ver¬
eines älteren Namens *wagi-starzjö 'die den knüpfung ausgeschlossen. Wenn das Wort tat¬
Schwanz bewegt’ (vgl. mundartlich Wippstert, sächlich alt und von Backe1 unabhängig ist,
ne. wagtail usw.) nach den charakteristischen gehört es zu g. *bröka- 'Hinterteil’, übertragen
Bewegungen des Vogels. Bei der Erneuerung 'Hose’ (vgl. frz. culotte 'Hose’ zu frz. cul m.
backen 54 bähen

'Hinterteil’), das mindestens im Altenglischen schröpft usw. Danach allgemein für 'Heilge¬
eine Nebenform mit Geminate und Vokalkürze hilfe’.
hat (ae. bracc-). Das r kann zwischen Labial S. Bad.
und Tektal ausgefallen sein (vgl. nhd. sprechen
Badminton n. (= ein wettkampfmäßiges Fe¬
und ne. to speak).
derballspiel), fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt
S. Bruch3. - R. Much ZDW 2 (1902), 283; Lühr
aus gleichbedeutend ne. badminton, so bezeich¬
(1988), 224f.
net nach dem englischen Ort Badminton, wo das
backen stV. Mhd. hacken, ahd. backan, bah- Spiel zuerst nach festen Regeln durchgeführt
han aus g. *bak-a- (mit vermutlich sekundärer wurde.
Nebenform *bakk-a-) 'backen’, auch in ae. ba-
Bafel m. 'dummes Zeug’, südwd. Angeblich
can, sonst in Ableitungen (anord. baka swV.
aus hebr. babel, bafel 'minderwertige Ware’.
braten, backen, kneten’; as. gibäk 'Gebäck’
oder 'gebacken’). Mit abweichendem Vokalis¬ Wolf (1985f.), 39f.

mus vergleichbar ist gr. phogö 'ich röste, brate’, Bäffchen n., s. Beffchen.
das auch «-Präsentien aufweist, die die germani¬ Bagage/. (= eine pejorative Bezeichnung für
sche Geminate erklären könnten. Vermutlich
eine Gruppe von Menschen), ugs. Im 16. Jh.
gehören beide Wörter mit unregelmäßigem Aus¬
entlehnt aus frz. bagage m. 'Gepäck, Troß’,
fall von r nach Labial zu einer lautmalenden
einem Kollektivum zu frz. bagues PL 'Gepäck’,
Sippe *bhrdg-l*bhr(d)g- in ai. bhrjjäti 'röstet’
das wohl auf anord. baggi m. 'Bündel’ zurück¬
(ebenfalls mit Geminate), wozu apreuß. aubirgo
geht. Die Bedeutungsverschlechterung zu 'Ge¬
'Garkoch’ und 1. fertum, al. ferctum 'Opferku¬
sindel’ geht darauf zurück, daß die kämpfenden
chen’; mit i und u 'verstärkt’ in 1 .frigere 'rösten,
Truppen die Mannschaften, die das Gepäck zu
dörren’ und gr. phrygö 'ich röste, dörre, brate’.
überwachen hatten, so bezeichneten (vgl.
Lautmalereien dieser Art sind auch brutzeln
Pack).
(s. d.), prasseln (s. d.) u. ä.
Jones (1976), 128f.
Nndl. bakken, ne. hake, nschw. nnisl. baka. S. altbak-
ken, Batzen ( + ), Beck, hausbacken. — Hoops Bagatelle/. 'Kleinigkeit’. Im 17. Jh. entlehnt
(1973ff.), I, 573-576; Lloyd/Springer (1988ff.), I, aus gleichbedeutend frz. bagatelle, dieses aus it.
419 — 421. Zum Nomen agentis Bäcker. W. Braun in:
bagatella (dass.), einem Diminutivum zu 1. bäca
Dückert (1976), 55 — 119.
'Beere’. Von 'kleine Beere’ aus verallgemeinert
Backfisch m. Übertragen seit dem 16. Jh. für zu 'eine Kleinigkeit’ (vgl. den Gebrauch von
junge Studenten. Junge Fische, die schon zu ne. peanuts und mhd. niht ein ber 'gar nichts’).
groß sind, um wieder ins Wasser geworfen zu
Morphologisch zugehörig: bagatellisieren. — W. J.
werden, eignen sich nur zum Backen oder Bra¬ Jones SN 51 (1979), 249; Brunt (1983), 144.
ten. Vermutlich aber eigentlich eine Verballhor¬
baggern swV. Im 18. Jh. entlehnt aus nndl.
nung von ml. baecalarius (niedrigster akademi¬
scher Grad). Danach auch 'halbwüchsiges baggeren 'eine Fahrtrinne ausbaggem’ zu nndl.
Mädchen’. bagger 'Schlamm’, also eigentlich 'entschlam¬
S. Kabeljau. men’; dann verallgemeinert zu 'Erdreich ma¬
schinell abräumen’. Bagger als Bezeichnung der
Backpfeife /., nordd. Seit dem 19. Jh. belegt.
dazu verwendeten Maschine ist eine deutsche
Die zugrundeliegende Vorstellung ist unklar;
Rückbildung aus dem Verb; vielleicht zugleich
vielleicht 'Schlag, der an den Backen pfeift’.
eine Verkürzung aus nndl. baggermachine.
Vgl. Ohrfeige.
Lühr (1988), 292f.
Bad n. Mhd. bat (-des), ahd. bad, as. bath
aus g. *bapa- n. 'Bad’, auch in anord. baö Baguette n. 'Stangenweißbrot’. Im 20. Jh. ent¬
'Dampfbad’, ae. btep, afr. be(i)th. Vermutlich lehnt aus gleichbedeutend frz. baguette f. (ei¬
to-Bildung zu bähen 'erwärmen’ (s. d.), doch ist gentlich: 'Stange, Leiste’), dieses aus it. bae-
die Bildung kaum unabhängig von dem Mittel¬ chetta f. 'Stock, Stab’, einem Diminutivum zu
meerwort *bal- '(warmes) Bad’ in gr. balaneion it. bacchio m. 'Stab’, aus 1. baeulum (spl. baculus
usw. In Ortsnamen bezeichnet das Wort Heil¬ m.) (dass.).
quellen wie Wildbad. Der Plural in Wiesbaden Etymologisch verwandt: Bakel, Bazille, Bakterie.
usw. unter Einfluß von 1. aqua f. bähen swV. 'durch Umschläge wärmen, Brot
Nndl. bad, ne. bath, nschw. bad, nisl. baö. S. ausbaden, rösten’, arch., südd. Mhd. bähen, bcejen, ahd.
Bader. - Hoops(1973ff.), I, 579-589; Lloyd/Springer bäen 'erwärmen’. Vermutlich mit unregelmäßi¬
(1988ff.), I, 423f.
gem Ausfall des r nach Labial zu g. *brä-,
Bader m., arch. Mhd. badeere, as. batheri ist voreinzelsprachl. *guhre- 'wärmen’, das in
ursprünglich der Besitzer einer Badestube, der akslav. greti 'wärmen’ bezeugt ist. Vgl. auch
die Badenden bedient, sie auch zur Ader läßt, braten und brüten, sowie Bad.
Bahn 55 halbieren

Bahn/. Das Wort fehlt der ältesten Zeit und gleichbedeutend frz. baionnette /.; so benannt
tritt erst als mhd. ban(e), mndl. baue auf. Her¬ nach dem ursprünglichen Herkunftsort
kunft unklar. In der Bedeutung 'Eisenbahn’ aus Bayonne in Frankreich.
dem vollen Wort gekürzt. Ersatzwort ist Seitengewehr. — Brunt (1983), 144f.
Nndl. bann. S. Bahnsteig. — Lloyd/Springer (1988ff.),
Bake /. 'Richtzeichen der Seeleute’, fach¬
I, 460 — 462 (zu ahd. bano m. 'Scharfrichter, Mörder,
sprachl. Im 17. Jh. ins Hochdeutsche übernom¬
Untergang, Verderben, Tod’, das zu einer Wurzel mit
der Bedeutung 'schlagen’ gehört). men aus mndd. hake 'Leuchtfeuer’, das seiner¬
seits auf afr. bakka beruht. Dieses setzt wg.
Bahnsteig m. Im 19. Jh. als Ersatzwort für
*baukna- n. 'Zeichen’ fort (ae. beacen, as. bökan,
Perron (analog zu Bürgersteig) eingeführt. Die¬
ahd. bouhhan). Ererbt ist daraus das Bodensee¬
ses aus gallo-rom. *peträtum zu 1. petra /. 'Stein,
wort Bauche 'Boje’.
Fels’.
Hoops (1973ff.), II, lf.; Schmidt-Wiegand (1978).
S. Bahn. Bürgersteig, Steig ( + ). - Pfaff (1933), 18.
Bakel m. 'Schulstock’, auch 'Spazierstock’,
Bahre /. Mhd. bare, ahd. as. bära aus wg.
arch., obd. Im 17. Jh. eingedeutscht aus 1. bacu-
*bärö f 'Bahre’, auch in ae. bär, afr. bere. lum n. (spl. baculus ml) 'Stab’.
Dehnstufige Instrumentalbildung zu g. *ber-a-
S. Baguette ( + ).
'tragen’ (s. gebären)', also eigentlich 'das, womit
getragen wird’. Bakschisch n. 'Geldgeschenk (als Gegenlei¬
Nndl. baar, ne. hier. — Cox (1967), 50 — 55; Lloyd/
stung für eine Gefälligkeit)’, sondersprachl. Im
Springer (1988ff.), I, 469f. Neuhochdeutschen entlehnt aus pers. bahsts
'Geschenk’.
Bai /. 'Meeresbucht\ fachsprachl. Im 15. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend nndl. baai, dieses Bakterie /. 'einzelliges Lebewesen’, fach¬
aus frz. baie (dass.), das zunächst der Name des sprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. bacterium
französischen Ortes La Baie sowie der umlie¬ n. 'Stöckchen, Stäbchen’, dieses aus gr. bakteria
genden Gegend einschließlich einer Meeres¬ (dass.), auch bakterion n. Die Krankheitserreger
bucht war. Aus den dortigen Salinen kam sehr erhielten den Namen nach ihrer stäbchenförmi¬
hochwertiges „Baisalz“ nach ganz Europa. gen Gestalt. Ursprünglich Neutrum, dann we¬
gen der überwiegenden Verwendung im Plural
M. Metzeltin VR 26 (1967), 249-276; Pfister (1980),
84-90. zum Femininum geworden.
Morphologisch zugehörig: bakteriell, Bakteriologe,
Baiser n. ( = ein Gebäck aus Eischnee und
Bakteriologie, Bakterium', etymologisch verwandt: s.
Zucker), reg. Scheinentlehnung des 19. Jhs. zu Baguette.
frz. baiser m. 'Kuß’, dieses aus älterem frz.
Balalaika /. (= ein dreisaitiges, russisches
baisier (dass.), dem substantivierten Infinitiv
Instrument), fachsprachl. Im Neuhochdeut¬
von afrz. baisier 'küssen’, aus 1. bäsiäre (dass.).
schen entlehnt aus gleichbedeutend russ. bala-
Das Gebäck ist nach seiner Zartheit so benannt
läjka. Vermutlich zu einem lautnachahmenden
(vgl. Negerkuß). Das richtige französische Wort
russischen Verb (vgl. etwa russ. balaböliti
dafür ist meringue.
'schwatzen’).
Baisse /. 'Sinken der Wertpapiere’, fach¬
Balance /. 'Gleichgewicht’. Im 17. Jh. ent¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
lehnt aus gleichbedeutend frz. balance, dieses
frz. baisse, zu frz. baisser 'senken’, zu ml. bassus
aus dem 1. Adjektiv bilanx (bilancium) 'zwei
'niedrig, flach’.
Schalen besitzend’, zu 1. lanx (-ncis)
Bajadere/, 'indische Tempeltänzerin’, sonder- '(Waag)Schale’ (s. auch bi-); gekürzt aus der
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Fügung 1. libra bilanx 'zweischalige Waage’. Der
frz. bayadere, dieses aus port. bailadeira (dass.), Wortanfang bal- statt bil- mag auf volksetymo¬
einem Nomen agentis zu port. bailar 'tanzen’, logischer Gleichsetzung beruhen, etwa mit 1.
aus spl. balläre (dass.). balläre 'tanzen, bewegen’ (Balance wird u. a.
Etymologisch verwandt: s. Ball2. — Littmann (1924), gerne im Zusammenhang mit Seiltanz ge¬
126; Richter (1932), 1 -20; Lokotsch (1975), 123. braucht). Das Bild ausgeglichener Waagschalen
Bajazzo m. 'Spaßmacher’, sondersprachl. Im einer Balkenwaage dient als Grundlage der Be¬
18. Jh. entlehnt aus obit. pajazzo, pajasso deutungsentwicklung.
'Strohsack’. In metaphorischer Übertragung in Morphologisch zugehörig: balancieren; etymologisch
der Bedeutung 'Narr, Hanswurst, Spaßmacher’, verwandt: Bilanz. Ersatzwort ist Gleichgewicht. —
da diese Figuren eine weite Bekleidung aus gro¬ Jones (1976), 132f.; Brunt (1983), 145-147.
bem Stoff trugen, die Ähnlichkeit mit Strohsäk- halbieren swV, arch. Regional und in festen
ken aufwies. Wendungen wie über den Löffel halbieren; ei¬
Bajonett n. ( = eine auf Gewehre aufgesetzte gentlich barbieren zu Barbier (s. d.). Einen Löf¬
Stichwaffe), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus fel schob man früher alten, zahnlosen Männern
bald 56 Ballade

in den Mund, um sie besser rasieren zu können. balgen swV. refl. Seit dem 17. Jh. belegt. Zu
Deshalb über den Löffel halbieren 'rücksichtslos Balg (s. d.) im Sinne von '(abgezogene) Haut’.
(oder pauschal) behandeln5, dann auch 'über¬ Vgl. etwa einem das Fell gerben.
vorteilen5.
Balken m. Mhd. balke, ahd. balko, balc(h)o,
bald Adv. Mhd. balde, ahd. baldo ist Adjektiv- as. balko aus wg. *balkön m. 'Balken5, auch in
Adverb zu g. *balpa- 'kühn5 in gt. balp-, anord. ae. balca, afr. balka. Daneben ein «-Stamm in
ballr, ae. beald, as. ahd. bald. Der Bedeutungs¬ anord. bplkr und ein «-Stamm von der e-Stufe
übergang geht über 'kühn, eifrig5 zu 'schnell5 in anord. bjalki. Am nächsten stehen außerhalb
und dann zur heutigen Bedeutung. In seiner des Germanischen lit. balziena /., balzienas
ursprünglichen Bedeutung spielt das Wort eine 'Querstange’, russ. (dial.) bölozno n. 'dickes
Rolle als Namenselement (Balduin, Willibald Brett’ und, mit zweisilbiger Grundlage *bhlag-,
usw.). Seine weitere Herkunft ist unklar. Mit gr. phälanx 'Baumstamm, Walze, Balken’ (und
abweichendem Auslaut (Suffix oder Wurzeler¬ vielleicht 1. sufflämen n. 'Bremsklotz5, falls aus
weiterung) ist vergleichbar air. balc 'stark, *sub-ßag-men). Es handelt sich um eine verbrei¬
mächtig5, kymr. balch 'kühn5, doch ist das damit tete Sippe für Wörter der Bedeutung 'Balken,
vorausgesetzte *bhal- seiner Lautstruktur nach Stamm usw.’ Falls 1 .fulclre 'stützen5 dazugehört
auffällig und nicht weiter vergleichbar. (*bhlk-jo-, also mit abweichendem Tektal), wird
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 434-436. dieses die Ausgangsbedeutung zeigen.
Baldachin m. 'prunkvolle Überdachung5. Im Nndl. balk, ne. balk 'Hindernis5. S. Balkon, Bohle,
Planke, Phalanx. — Lloyd/Springer (1988ff.), I,
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. baldac-
440 - 443.
chino, einer Ableitung von it. Baldacco, der ita¬
lienischen Form des Namens der Stadt Bagdad. Balkon m. 'offener Vorbau’. Im 17. Jh. ent¬
Zunächst eine Bezeichnung für (Seiden-)Stoffe, lehnt aus gleichbedeutend frz. balcon, dieses aus
die aus dieser Stadt kommen, wird das Wort it. balcone (dass.), einem Augmentativum zu it.
dann metonymisch übertragen auf ein beson¬ balco '(Balken)Gerüst’, aus ahd. balko 'Bal¬
ders prunkvolles Produkt aus diesem Material. ken5. Aus 'Balken5 wird 'aus Balken gefertigtes
Littmann (1924), 93; Lokotsch (1975), 15. Gerüst’, sodann der mit einer solchen Kon¬
struktion gestützte Vorbau.
baldowern swV, ausbaldowern swV. 'heraus¬
Etymologisch verwandt: s. Balken. - E. Öhmann
bekommen, auskundschaften5, reg. Aus rotw.
NPhM 44(1943), 14; Lokotsch (1975), 17; Brunt
wjidd. Baldower m. 'Auskundschafter, Angeber, (1983), 147f.
Anführer bei Diebesunternehmen5; aus hebr.
Ball1 m. Mhd. ahd. bal aus g. *ballu- m. 'Ball,
baPal-däbär 'Herr des Wortes, der Sache5. Diese
Kugel’, auch in anord. bpllr 'Kugel5 und der
Wendung wird gebraucht, wenn man jemanden
nicht bei seinem Namen nennen will. Ableitung ae. bealluc 'Hode5. Am nächsten ver¬
gleichbar ist 1. follis m. 'Blasebalg, Luftball,
Wolf (1985), 41.
Luftkissen’, zu einer Wurzel *bhel-, die mehrere
Baldrian m. (= eine Pflanze, aus der ein Bezeichnungen für aufgeblasene oder aufge¬
Beruhigungsmittel gewonnen wird). Im Mittel¬ schwollene oder ausgestopfte Gegenstände lie¬
hochdeutschen (mhd. baldriän) mit unregelmä¬ fert.
ßiger Formentwicklung entlehnt aus gleichbe¬ Nndl. bal, ne. ball, nschw. boll. S. Ballen, Ballon, Ballo-
deutend ml. valeriana, dessen weitere Herkunft tage, Bille, Biller, Bolle, Bulge1, Bulle1, Polster. -
nicht sicher geklärt ist. Hoops (1973ff.), II, 11-13; Lloyd/Springer (1988ff.),
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 437f. I, 430f.

Balg m. Mhd. balc, ahd. as. balg aus g. *ba1gi- Ball2 m. 'Tanzfest’. Im 17. Jh. entlehnt aus
m. in gt. balgs, anord. belgr, ae. belg. Die Bedeu¬ gleichbedeutend frz. bal, einer Ableitung von
tung ist 'Schlauch, Sack, abgezogene Tierhaut5. frz. baller 'tanzen5, dieses aus 1. balläre (dass.).
Das Wort ist vergleichbar mit außergermani¬ Etymologisch verwandt: Bajadere, Ballade, Ballerina,
schen Wörtern der Bedeutung 'Kissen, Polster5 Ballett. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 55; E.
(s. auch Polster), z. B. avest. barazis n. 'Kissen, Mehl MS 76(1966), 307 — 311; Jones (1976), 131-
Brunt (1983), 145.
Polster5, andererseits air. bo/g 'Sack5. Wahr¬
scheinlich handelt es sich um ein lautlich nicht Ballade /, 'erzählendes Gedicht5. Im 18. Jh.
sicher faßbares Wanderwort, das mit dem g. entlehnt aus ne. bailad 'volkstümliches Lied’,
starken Verb *belg-a- schwellen, zürnen’ ur¬ dieses aus afrz. balade 'Tanzlied5, einer Ablei¬
sprünglich nichts zu tun hat. tung von 1. balläre 'tanzen5. Zunächst ein zum
Nndl. balg, ne. belly Bauch5, bellows Blasebalg’, Tanze gesungenes Lied, dann allgemeiner
nschw. bälg 'Blasebalg’. S. auch Budget, Bulge1. - volkstümliches Lied . Die in den Liedern gerne
i. Vendryes BSL 41 (1941), 134-139; Lloyd/Springer erzählten Geschichten führen dazu, daß man
(1988ff.), I, 438-440.
dann darunter vor allem Gedichte mit erzählen-
Ballast 57 banal

dem Charakter und schicksalhaftem Inhalt ver¬ fen’), einem Diminutivum zu frz. balle 'Kugel’,
steht. Form und Akzent des deutschen Wortes dieses aus it. balla (dass.).
in französisierender Anlehnung an frz. bailade Etymologisch verwandt: s. Ball'.
'Tanzlied’.
Balsam m. (= ein Baum, dessen Harz), meist
Morphologisch zugehörig: balladesk; etymologisch
übertragen als 'Wohltat, Labsal’ wegen der heil¬
verwandt: s. Ball2. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
kräftigen Wirkung des Balsamharzes. Im Alt¬
55; Ganz (1957), 34; Jones (1976), 133.
hochdeutschen (ahd. balsamo, mhd. balsame)
Ballast m. 'zur Beschwerung mitgeführtes Ge¬ entlehnt aus gleichbedeutend 1. balsamum n.,
wicht, unnützes Gewicht, Überflüssiges’. Im 17. dieses aus gr. bälsamon n. (dass.), aus hebr.
Jh. entlehnt aus nndl. ballast 'das Gleichgewicht bäsam (dass.).
von Schiffen sicherndes Gewicht (in Form von Morphologisch zugehörig: (ein-)balsamieren’, etymo¬
Sandsäcken)’. Das Wort ist nicht sicher erklärt. logisch verwandt: Bisam. — Littmann (1924), 17;
Man vermutet im zweiten Bestandteil -last die Lokotsch (1975), 25; Lloyd/Springer (1988ff.), I,
Entsprechung zu d. Last (s. d.); der erste Be¬ 445 - 447.
standteil wird sowohl mit bar 'rein, bloß’ in Balustrade/. (= ein besonders verziertes Ge¬
Verbindung gebracht (d. h. 'eine Last um der länder), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Last willen’) als auch mit nndl. bal- 'schlecht’ gleichbedeutend frz. balustrade, dieses aus it.
(d. h. 'die Last ohne Handelswert’). Vielleicht balaustrata (dass.), einer Ableitung von it. ba-
liegt in nschw. barlast (eigentlich 'bloße Last’) laustro m. 'Geländerdocke’, aus 1. balaustium n.
die ursprüngliche Form vor. 'Granatapfel’, aus gr. balaüstion n. (dass.). So
Ballen m. Mhd. balle, ahd. hallo 'Hand- und benannt nach den typischen Verzierungen der
Fußballen, Zusammengepacktes’. Schwach Geländer mit Nachbildungen von Granat¬
flektierte Nebenform zu Ball1 (s. d.), die zur äpfeln.
Differenzierung der Bedeutung ausgenutzt Brunt (1983), 148.
wurde. Balz/. Seit dem 14. Jh. in der Lautform balz
Ballerina /. 'Tänzerin (beim Ballett)’, fach- neben falz. Das Wort bezeichnet das Paarungs¬
sprachl. Entlehnt aus it. ballerina 'Tänzerin’, verhalten des Feder hoch wilds und — da dieses
einer Ableitung von it. ballare 'tanzen’. Weiteres Wild zur gleichen Zeit auch gejagt wurde — die
s. Ball2. einschlägige Jagd. Die Herkunft des Wortes ist
BaUermann m., s. ballern.
ganz unklar, der Wechsel des Anlauts rätselhaft.
Bambule /. in Bambule machen, 'krawallarti¬
ballern swV. 'dumpf knallen’, ugs. Mndd. hol¬
deren gleicher Bedeutung. Lautmalend; um¬
ger Protest von Häftlingen’, ugs., sonder spracht.
gangssprachlich für '(herum-)schießen’; danach In der Gegenwartssprache entlehnt aus frz.
bamboula 'Rummel’, eigentlich Bezeichnung
umgangssprachlich Ballermann m. 'Schu߬
einer afrikanischen Trommel und eines Tanzes
waffe’, besonders 'Revolver’.
zu deren Klängen (aus einer Bantusprache).
Ballett n. 'künstlerische Tanzdarbietung’. Im
Bambus m. 'tropisches Rohrgras’. Im 17. Jh.
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. balletto
entlehnt aus gleichbedeutend nndl. bamboe, die¬
m. (und frz. ballet m.) (dass.), einer Diminutiv¬
ses aus südindischen Dialekten bambu, mambu
bildung zu it. ballo m. 'Tanz’, zu it. ballare
u. ä. (dass.). Das -s über das Niederländische
'tanzen’, dieses aus 1. ballare (dass.).
aus der portugiesischen Pluralform.
Etymologisch verwandt: s. Ball2. — Jones (1976), 133f.
Littmann (1924), 129; Lokotsch (1975), 18.
Ballon m. 'kugelförmiges Gefäß’. Im 18. Jh.
Bammel m. 'Angst’, ugs. Wohl als 'Herzklop¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. ballon, dieses
fen’ zu bammeln 'hin- und herschwanken’ (von
aus it. pallone 'großer Ball’, einem Augmentati-
etwas Aufgehängtem). Dieses tritt seinerseits in
vum zu it. palla, balla f. Kugel’, das aus dem
mehreren Lautvarianten auf (baumeln [s. d.],
Germanischen (Langobardischen?) stammt.
pampein usw.) und ist deshalb wohl eine laut¬
Etymologisch verwandt: s. BallL — W. Feldmann
malerische Bildung.
ZDW 8 (1906/07), 55.
Versuch einer Herleitung aus dem Westjiddischen bei
Ballotage/. 'Abstimmung durch Abgabe ver¬ Wolf (1985), 43.
schiedenfarbiger Kugeln’, sonder spracht. Im
bammeln swV, s. baumeln.
Neuhochdeutschen entlehnt aus frz. ballottage
'Abstimmung mit Kugeln, negativer Wahlaus¬ banal Adj. 'sehr einfach’, sonder spracht. Im
gang, wobei kein Kandidat die nötige Mehrheit 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. banal,
erhält, Stichwahl’, einer Ableitung von frz. bai¬ einer Ableitung aus afrz. ban 'Gerichtsbezirk’.
lotter 'durch kleine Kugeln abstimmen’, zu frz. Das Adjektiv wird zunächst zur Bezeichnung
ba/lotte 'Kugel zum Abstimmen’ (unter Einfluß von Dingen verwendet, die den Personen, die
von frz. balotter eine Kugel hin und her wer¬ in einem bestimmten Bezirk leben, gemeinsam
Banane 58 Bänkelsänger

gehören. Aus 'gemeinsam, gemeinnützig’ wird nach dem langen, in Segmente eingeteilten
dann 'normal’ mit der Bedeutungsverschlechte¬ Darmschmarotzer.
rung hin zu 'unoriginell, einfältig’. Bangbüx /., Bangbüxe /., Bangbux /. 'Angst¬
Morphologisch zugehörig: banalisieren, Banalität; ety¬ hase’, nordd. Eigentlich 'Angsthose’ (s. Buxe),
mologisch verwandt: s. Bann. da sich nach der Volksweisheit die Angst vor
Banane /. (= die Frucht einer tropischen allem in der Hose bemerkbar macht (vgl. Schiß
Staude). Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ u. ä.). Der Ausdruck läßt vermuten, daß Angst¬
tend port. banana, dieses aus einer Mundart hase eigentlich aus Angsthose umgedeutet ist.
Guineas. Vergleiche aber Hasenpanier, Hasenfuß usw.
Littmann (1924), 88, 130, 152; R. Loewe ZVS
bange Adj. Mhd. bange aus ahd. be- und ahd.
61 (1933), 112-114; M. Wis NPhM 6i (1960), 58-62;
ango 'ängstlich’ (zu der Grundlage von Angst,
NPhM 66 (1965), 621; Lokotsch (1975), 18.
s. d.) zusammengewachsen. S. auch eng.
Banause m. 'Mensch mit mangelhaftem Ver¬
Bangert m. 'Obstgarten’, arch. Aus der mo¬
ständnis für Kunst usw.’, sonder sprach!. Im 19.
nophthongierten mhd. Form bäm 'Baum’ und
Jh. entlehnt aus gr. bänausos 'Handwerker, ge¬
ahd. gart zusammengewachsen. Vgl. mhd.
mein, niedrig’. Die Bedeutung 'Mensch, der kei¬
nen Sinn für den wirklichen Wert einer Sache boumgarte.
hat’ etabliert sich vor allem im Streit deutscher Vgl. Wingert.

Literaten. Banier m., s. Banner.


R. F. Arnold ZDW 5(1903/04), 257-262; ZDW Banjo n. (= ein amerikanisches Saiteninstru¬
8 (1906/07), 2f.
ment), fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
Band /. 'Musikgruppe’. Im 20. Jh. entlehnt gleichbedeutend ne. banjo, dieses phonologisch
aus gleichbedeutend ne. band, dieses aus frz. unregelmäßig aus e. bandore (= ein gitarren¬
bande 'Gruppe von Menschen’. ähnliches Saiteninstrument), aus span, bandur-
Etymologisch verwandt: s. Bande. ria f, bandola f. (dass.) und port. bandola f,
Bandage /. 'fester Schnür- bzw. Stützver¬ bandolim m. (dass.), aus 1. pandüra/., pandürium
band’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 'dreisaitiges Musikinstrument’.
frz. bandage, einer Ableitung von frz. bande Bank1 /. 'Sitzgelegenheit’. Mhd. banc, ahd.
'Binde’, das aus dem Germanischen stammt. as. bank aus g. *banki- m. 'Bank’, auch in
Etymologisch verwandt: s. binden. anord. bekkr, ae. bene, afr. benk, bank, bonk.
Bande /. 'Schar’. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. Daneben steht der «-Stamm anord. bakki 'Er¬
bande 'Trupp, Schar’, zunächst für Soldaten, höhung’, ae. höbanca 'Bettstelle’. Das Femini¬
Musikanten u. ä. Das französische Wort bedeu¬ num ist erst mittelhochdeutsch und vielleicht
tet ursprünglich 'Fähnlein’ und ist entlehnt aus altenglisch. Weitere Herkunft unklar.
dem Germanischen (gt. bandwa 'Zeichen’ usw.). Nndl. bank, ne. bench, nisl. bekkur. S. Bank2 ( + ),
Im Deutschen sinkt die Bedeutung zu 'Diebes¬ Bänkelsänger, Bankert, Bankette. — Hoops (1973ff.),
und Räuberbande’ (möglicherweise unter dem II, 33f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 456 — 458.
Einfluß von Bandit, s. d.), weshalb für die alte Bank2 /. 'Geldinstitut’. Im 16. Jh. entlehnt
Bedeutung Truppe und Trupp (s. d.) vordringt. aus gleichbedeutend it. banco m., banca (eigent¬
S. Band und Banner. lich: 'Tisch’). Zugrunde liegt ahd. bank (s.
bändigen swV. Im 17. Jh. abgeleitet aus bendec Bank'). Aus 'Tisch’ wird hier speziell der 'Tisch
'an die Leine gelegt’ (zu Band). Zunächst von des Geldwechslers’, dann allgemeiner 'Institu¬
Hunden gesagt, dann übertragen. tion des Geldhandels’.

S. unbändig. Morphologisch zugehörig: Bankier; etymologisch ver¬


wandt: s. Bank', Bankett, Bankrott. — Brunt (1983),
Bandit m. 'Verbrecher’. Im 16. Jh. entlehnt 149; zu Banker. Ganz (1957), 35.
aus gleichbedeutend it. bandito, dem substanti¬
Bänkelsänger m. Im 18. Jh. vielleicht in An¬
vierten PPerf. von it. bandire 'verbannen’, das
lehnung an it. cantambanco gebildet, um die
aus dem Germanischen entlehnt ist (s. Bann).
Sänger zu bezeichnen, die auf den Jahrmärkten
Sekundär ist das Wort mit Bande (s. d.) ver¬
usw. die neuesten (meist schauerlichen) Bege¬
knüpft worden.
benheiten sangen, wobei sie auf einer Bank
Etymologisch verwandt: s. Bann.
standen und ein vorgezeigtes Bild ausdeuteten.
Bandoneon n. (= ein Akkordeon, das statt
Das Diminutiv Bänke! ist ostmitteldeutsch. Die
Tasten Knöpfe hat), fachsprachl. Im 19. Jh. so
heutige abschätzige Bedeutung ist von den häu¬
benannt nach dem deutschen Erfinder Band.
figen Parodien dieser Liedform beeinflußt.
Bandwurm m. In der Gegenwartssprache S. Bank1 ( + ) und singen. — Zur Sachgeschichte: H.
übertragen für lange Sätze u. ä. Metaphorisch Naumann ZW 30/31 (1921), 1-21.
Bankert 59 Bär

Bankert m. 'uneheliches Kind’, arch., reg. frz. banniere f. 'Heerfahne’, das seinerseits eine
Mhd. banchart. Zusammensetzung aus Bank1 Weiterbildung zu einer Entlehnung aus dem
und dem Namenelement -hart (Gebhart, Rein¬ Germanischen ist (gt. bandwa 'Zeichen’ und
hart), wörtlich also 'das auf der (Schlaf-)Bank seine Verwandtschaft). Die nicht eingedeutschte
(der Magd, und nicht im Ehebett) gezeugte Form Banier, seit dem 15. Jh. auch Panier2
Kind’ (s. Bank1 [ + ]). Daß sich -hart als zweites bleibt regional (z. B. bei Luther), ist heute aber
Element (gegenüber ähnlichen Bildungen wie veraltet.
Bänkling, Bankkind) durchgesetzt hat, beruht S. Bande, Hasenpanier.
wohl auf dem lautlichen Gleichklang mit Ba¬
Bannware/., s. Konterbande.
stard (s. d.).
Banse /. auch m. '(Korn)Scheuer, Stapelplatz
Bankett n. 'Festmahl’. Im 16. Jh. entlehnt aus
für Holz, Kohle u. ä.’, md., ndd. In der älteren
gleichbedeutend it. banchetto m., einer Diminu¬
Sprache nicht bezeugt, aber offensichtlich be¬
tivbildung zu it. banco m. 'Tisch’. Verschiedene
reits germanisches Wort, vgl. gt. bansts
Bedeutungsentwicklungen sind hier denkbar.
'Scheuer’, anord. hass 'Stand im Kuhstall’, ae.
Plausibel erscheint, daß zunächst eine Bedeu¬
bös(i)g 'Stall, Heuplatz über dem Stall’. Ver¬
tungsverschiebung von 'Tisch’ auf 'Essen' statt¬
mutlich eine Bezeichnung für aus leichtem
gefunden hat (vgl. d. „Mittagstisch“), wozu
Flechtwerk bestehende Nebengebäude; deshalb
dann die hypokoristische Bildung als Bezeich¬
ist ein Anschluß an binden (s. d.) denkbar (g.
nung eines feinen, besonderen Essens hinzu¬
*band-s-).
kam; schließlich Erweiterung zu 'Festmahl’.
Bar /. '(Nacht)Lokal’. Im 19. Jh. entlehnt
Etymologisch verwandt: s. Bank1. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 55. aus gleichbedeutend ne. bar, dieses aus afrz.
barre 'Balken, Stange, Schranke’. Die Bezeich¬
Bankette /. 'Randstreifen einer Straße’, fach-
nung einer Schranke, die den Gastraum vom
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Schankraum trennt, wird als pars pro toto zu
frz. banquette, einer Ableitung von norman-
'Trinkstube’. Schließlich u. a. Einengung auf
nisch-frz. banc 'Aufwurf an einem Graben, Um¬
'Nachtlokal’.
fassung aus aufgeworfener Erde’, der norman¬
Etymologisch verwandt: s. Barre.
nischen Entsprechung von frz. banche 'ebener
Steingrund’, dieses wohl aus afrk. *banc (s. bar Adj. Mhd. ahd. bar, as. bar aus g. *baza-
Bank1). 'bar, bloß’, auch in anord. berr, ae. beer, afr.
ber aus verbreitetem voreinzelsprachl. *bhoso-
Bankkind n., s. Bankert.
'bar, bloß’, auch in lit. bäsas, aruss. bosü 'barfü¬
Bänkling m., s. Bankert. ßig’, arm. bok 'nackt’. Zu einem schlecht faßba¬
Bankrott m. 'Zahlungsunfähigkeit’. Im 16. ren Verbum ig. *bhes-, psä- 'reiben, abreiben’;
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. banca rotta Ausgangsbedeutung also 'blank’ mit Bedeu¬
f. (wörtlich: 'zerstörte Bank’); it. rotta aus 1. tungsübergang wie bei nhd. blank und bei der¬
ruptus 'zerbrochen, zerstört’, dem PPP. von 1. selben Grundlage etwa bei gr. psenös 'kahl¬
rumpere 'zerbrechen’. köpfig’ (Glossenwort). — Die Verwendung in
Morphologisch zugehörig: Bankrotteur; etymologisch bezug auf Geld ist schon mittelhochdeutsch und
verwandt: s. Bank2 und abrupt. — C. Müller ZDW später sehr häufig; gemeint ist wohl 'offen vor
3 (1902), 251; Schirmer (1911), 27.
Augen liegend, vor den Augen aufgezählt’.
Bann m. Mhd. ahd. as. ban aus g. *banna- m. Nndl. bar, ne. bare, nschw. bar, nisl. ber. S. Berserker,
'Aufgebot, Befehl, Bann’, auch in afr. ban(n), Besen ( + ). — G. Richter in: Dückert(1976), 173 —214;
bon, in anord. bann (n.) 'Verbot’, ae. geban(n). Lloyd/Springer (1988ff.), I, 465f.
Abstraktum zu g. *bann-a- stV. 'aufbieten, ge¬ -bar Suffix. Heute nur noch Adjektivsuffix
bieten’. Dieses beruht vermutlich auf einem Na¬ für passive Adjektive der Möglichkeit, früher
salpräsens (*bhd-nw- o. ä.) zu eur. *bhä- '(feier¬ selbständiges Wort. Mhd. -beere, ahd. -bäri ge¬
lich) sprechen’ in 1. färi 'sprechen’ (vgl. fäs hen, wie ae. -beere, zurück auf ein Adjektiv der
'göttliches Recht’), russ. obaväti 'bezaubern, be¬ Möglichkeit *bär-ja- zu *ber-a- 'tragen’.
schwören’, gr. phemi 'ich sage, behaupte, be¬
S. gebären ( + )• — Lloyd/Springer (1988ff.), I,
fehle’. 472-474.
Nndl. ne. ban, nschw. nisl. bann. S. Aphasie ( + ), banal,
Bär1 m. 'Bär’. Mhd. ber, ahd. pero, ber, mndl.
Bandit, diffamieren ( + ). — H. Wießner: Twing und
Bann (Baden 1935); Hoops (1973ff.), I, 34-44; Tiefen¬ bere aus g. *berön/-n- m. Bär’, auch in anord.
bach (1973), 18-21; Lloyd/Springer (1988fT.), I, bjprn (w-Stamm), ae. bera. Die nur germanische
453-356. Bezeichnung geht entweder auf ein älteres Wort
Banner n. Aus dem mhd. Fremdwort ba- für 'braun’ zurück (lit. beras 'braun’) oder setzt
nier(e) dem deutschen Lautstand angepaßt. (mit Übergang von *ghw- zu g. *b-) älteres
Das mittelhochdeutsche Wort ist entlehnt aus *ghwer- 'wildes Tier’ fort (mit Dehnstufe gr.
Bär 60 Bärenklau

ther, akslav. zvert, lit. zveris; sonst 1. ferus Barbier m., arch. Im Mittelhochdeutschen
'wild’)- — Die Bezeichnung eines Sternbilds als (mhd. barbierer) entlehnt aus gleichbedeutend
Bär folgt der antiken Tradition. afrz. barbier 'Friseur’, dieses aus ml. barberius
Nndl. beer, ne. bear, nschw. nisl. björn. S. braun, Biber. (dass.), einer Ableitung von 1. barba f. 'Bart’.
— W. Hävers: Neuere Literatur zum Sprachtabu (Wien S. halbieren, Barbe, Bart ( + ).
1946), 35-37; Hoops (1973ff.), II, 45-48; Lloyd/ Barchent m./n. 'auf einer Seite aufgerauhter
Springer (1988ff.), I, 563 — 565.
Baumwollflaneir, fachsprachl. Im Mittelhoch¬
Bär2 m. 'Zuchteber’, arch. Mhd. mndl. bere, deutschen (mhd. barchant, barchät, barchet,
as. ber(swm) 'Eber’ aus wg. *baizi- m. 'Eber’, barragän, harkän m.) entlehnt aus ml. barracha-
auch in ae. bär. Wenn so zunächst der wilde nus m., barrachanum n. 'grober Wollstoff’, die¬
Eber bezeichnet wurde, kann voreinzelsprachl. ses aus span, barragän m. (dass.), aus arab.
*bhoids-i- 'der Schreckliche’ (lit. baisas barrakän (dass., sowie auch ein Gewand
'Schreckgespenst, schreckliche Erscheinung’) zu daraus).
*bhoidos- 'Schrecken’ (vgl. lit. baisä f. 'Schrek-
Barde m., arch. Entlehnt aus frz. barde '(kelti¬
ken’, 1. foedus 'häßlich’) zugrundeliegen.
scher) Sänger’ (vgl. 1. bardus), das seinerseits
Nndl. beer, ne. boar. - Anders: Lloyd/Springer
ersichtlich aus einem keltischen Wort entlehnt
(1988ff.), I, 542.
ist. Im 17. Jh. zunächst in dieser Bedeutung
Baraber m. '(italienischer) Bauarbeiter’, vulg., gebraucht, dann im Zuge der Ossian-Begeiste-
österr. Wird auf it. parlare 'sprechen’ zurückge¬ rung verallgemeinert und auch für 'Sänger der
führt, doch haben bei diesem Spottwort sicher Germanen’ gebraucht.
Anklänge an Araber und anderes mitgespielt. Kuhberg (1933), 37f.; Stiven (1936), 29.
Baracke/, '(unsolide) Behelfsunterkunft’. Im Bardiet n. 'Bardengesang’, arch. Bei Tacitus
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ba- Germania 3 wird der Schildgesang der Germa¬
raque 'Feldhütte’ und it. baracca (dass.), beide nen bei Beginn des Kampfes barditus genannt.
aus span, barraca (dass.). Die weitere Herkunft Dieses Wort ist ungeklärt. Klopstock nimmt es
ist nicht sicher geklärt. wieder auf, indem er es als eine Ableitung von
Jones (1976), 139f. Barde (s. d.) auffaßt (was sprachgeschichtlich
Barbar m. 'Rohling’. Im 16. Jh. entlehnt aus kaum richtig ist).
gleichbedeutend 1. barbarus, dieses aus gr. bär- Hoops (1973ff.), II, 52f.
baros 'ausländisch, roh’. Man bezeichnete da¬ Bärendienst m. 'in guter Absicht ausgeführte
mit gerne Personen, die nicht nach den griechi¬ Handlung, die dem Begünstigten aber schadet’.
schen oder römischen Sitten lebten bzw. Grie¬ Nach der Fabel L'ours et l'amateur des jardins
chisch oder Latein nur mangelhaft beherrschten von La Fontaine (VIII, X), in der ein Bär eine
(vgl. „barbarisches Latein“). Ausgangsbedeu¬ Fliege auf der Nasenspitze des schlafenden
tung ist offenbar 'stammelnd, babbelnd’. Freundes totschlägt und diesem dabei den
Morphologisch zugehörig: Barbarismus; etymologisch Schädel eindrückt.
verwandt: brav, bravo, Rhabarber. — Hoops (1973ff.),
Bärendreck m. 'eingekochter Süßholzsaft, La¬
II, 49f.
kritze’, ugs., südd. Das Benennungsmotiv ist
Barbe/. (= ein Flußfisch), fachsprachl. Mhd. unklar — vielleicht wegen der starken Süße als
barbe m./f., ahd. barbo m. Entlehnt aus 1. barbus '(Dreck) für die — Süßes liebenden — Bären’.
m., das seinerseits eine Zugehörigkeitsbildung Zu beachten ist die Bedeutung 'Einkochrück¬
zu 1. barba 'Bart’ ist (nach den Barteln 'Bartfa¬ stand’ bei Dreck.
den’ dieser Fische). Bärenhäuter m., sondersprachl. Im 17. Jh. ge¬
Etymologisch verwandt: s. Barbier. — Lloyd/Springer
bildet zu dem Ausdruck auf der Bärenhaut liegen
(1988ff.), I, 470f.
für 'faul sein’ (mit Bezug auf die Landsknechte,
Barbecue n. 'Fest, bei dem im Freien Fleisch dann auch auf Studenten). Der Ausdruck selbst
gegrillt wird; Bratrost’, sonder spracht. Im Neu¬ ist von den Humanisten im Anschluß an Taci¬
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend tus, Germania 15 geprägt, wonach die Germa¬
ne. barbecue, dieses aus span, barbacoa, barba- nen in Friedenszeiten faulenzten. Die Ausgestal¬
cuä f. 'im Erdloch zubereiteter Braten (ur¬ tung des Bildes ist wohl angeregt durch den
sprünglich: Lager aus Weiden- oder Lianenge¬ Bericht derselben Quelle, wonach sich die Ger¬
flecht)’, das auf ein indianisches Wort zurück¬ manen in Felle wilder Tiere kleideten.
geht. Anders: W. Niekerken in: FS Pretzel (1963), 373f.
bärbeißig Adj. Nach Bärenbeißer, einer Be¬ Bärenklau m. (oder /.) 'heracleum sphondy-
zeichnung der Boxer (Hunderasse), die ur¬ lium (u. a.)’, fachsprachl. Die Form der Blätter
sprünglich zur Tierhatz gezüchtet wurden. Das wird mit der Tatze (Klaue) eines Bären vergli¬
Adjektiv spielt auf den unfreundlich wirkenden chen.
Gesichtsausdruck dieser Tiere an. Marzell (1943/79), II, 820.
Bärentraube 61 Baron

Bärentraube/. 'arctostaphylos uva-ursi’ ,fach- weiter zu Lappen, s. d.) wird die Pflanze wegen
sprachl. Lehnübersetzung aus gr. arktoü sta- ihrer lappigen Form bezeichnet; ähnlich die jün¬
phyle (für eine wohl ähnliche Pflanze). Die An¬ gere 1. Benennung lycopodium n. (wörtlich
gabe Bär- soll wohl auf 'wildwachsend’ hin- 'Wolfsfuß', wonach ne. wolf’s claw).
weisen.
Bärme/. Bierhefe’, reg. Im 17. Jh. aus ndd.
Marzell (1943/79), I, 385.
barme übernommen. Dieses geht auf wg. *ber-
Barett n. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ ma-jön m. 'Hefe’ in ae. beorm(a), mndd. berm,
tend ml. beretaf., birretum 'flache Kopfbedek- barm zurück, das mit 1. fermentum n. 'Sauerteig,
kung’, dieses aus 1. birrus m. 'Mantelkragen, Ferment’ unmittelbar zu vergleichen ist (*bher-
kurzer Mantel mit Kapuze’, dessen weitere Her¬ men-). Vermutlich als 'Mittel zum Heben’ zu g.
kunft umstritten ist. *ber-a-, ig. *bher- 'tragen, heben’ (s. gebären
Barg m. 'verschnittener Eber’, fachsprachl. und vgl. Hefe zu heben).
Ne. barm. S. Ferment.
Mhd. bare, ahd. as. bar(u)g aus g. *baruga- m.
'verschnittener Eber’, auch in anord. bprgr, ae. barmherzig Adj. Mhd. barmherzec, ahd. arm-
bearg\ Nebenform mit Schwundstufe in ae. herzi ist Lehnübersetzung von 1. misericors (zu
-borg und mndd. borch. Vergleichbar sind slavi- L miser 'arm, elend’ und 1. cors 'Herz’), also
sche Wörter, etwa russ. börov 'verschnittener 'der ein Herz für die Armen hat’. Das b- stammt
Eber (wohl nicht aus dem Germanischen ent¬ von erbarmen (s. d.).
lehnt) aus *bhoru-o- neben dem durch das Ger¬ Barn m. 'Krippe, Heustock’, obd., md. Mhd.
manische vorausgesetzten *bhoru-ko-. Die slavi- barn (barm, baren) ist vergleichbar mit ae. beren
schen Wörter können auch 'Kleinvieh u. ä.’ be¬ 'Scheuer’, neben dem bere-cern u. a. steht. Im
deuten, so daß die Ausgangsbedeutung unklar Englischen scheint das Wort für 'Gerste’ (ae.
ist. Falls von 'verschnitten’ auszugehen ist, bere) zugrundezuhegen; doch hat dies im Deut¬
kann an ig. *bher- 'schneiden u. a.’ angeknüpft schen keine Entsprechung. Auch Anschluß an
werden (zu diesem s. bohren). g. *ber-a- 'tragen’ (s. gebären) ist denkbar. Im
E. (dial.) barrow. — Trier (1952), 87f.; Lloyd/Springer einzelnen unklar.
(1988ff.), I, 493-495. Lloyd/Springer (1988ff.), 482f. Trier (1952), 84f. ver¬
gleicht Wörter für 'Korb’ und weist darauf hin, daß
Bariton m. 'Singstimme zwischen Tenor und
Krippen häufig geflochten waren.
Baß’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬
barock Adj., sonder sprachl. Im 18. Jh. ent¬
bedeutend it. baritono, zu it. baritono 'tief’,
lehnt aus gleichbedeutend frz. baroque, dieses
dieses aus gr. barytonos (dass.), zu gr. barys
aus it. barocco (eigentlich: 'unregelmäßig, son¬
'schwer, tief’ und gr. teinein 'spannen’.
derbar’), aus port. barroco 'unregelmäßige
Etymologisch verwandt: s. gravitätisch und Ton2.
Perle’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist.
Barkarole /. 'Lied der Gondolieri’, fach¬ Zunächst ein Fachwort des Juwelierwesens (vgl.
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus d. Barockperle, Brockperle), dann im französi¬
gleichbedeutend it. barcarola, einer Ableitung schen Klassizismus als pejorative Bezeichnung
von it. barcarolo m. 'Gondoliere’, zu it. barca übertragen von der minderwertigen Perle auf
'kleines Schiff’, aus 1. barca (dass.). den wenig geschätzten Kunststil des 17. (und
S. Barke. frühen 18.) Jhs. Im 20. Jh. wird Barock zum
Barkasse /., s. Barke. Epochenbegriff.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 55; Lokotsch (1975),
Barke /., fachsprachl. Im Mittelhochdeut¬ 30; O. Lurati VR 34(1975), 63 — 93; H. Jaumann AB
schen (mhd. barke) entlehnt aus gleichbedeu¬ 20(1976), 17-41.
tend mndl. barke 'kleines Küstenschiff’, das
Barometer njm. 'Luftdruckmesser’. Neubil¬
über romanische Zwischenstufen zurückgeht dung des 18. Jhs. zu gr. bäros n. 'Schwere,
auf 1. barca (dass.), einer femininen Form zu Druck’, zu gr. barys 'schwer’ und gr. metron n.
gr. bäris 'ägyptischer Nachen; eine Art Floß’, 'Maß, Maßstab’.
einem ägyptischen Wort der Nilschiffahrt. Die Etymologisch verwandt: s. gravitätisch und Metrik. —
Barkasse geht zurück auf eine italienische Aug- Ganz (1957), 36f.
mentativbildung zu it. barca selben Ursprungs. Baron m. 'Freiherr’. Im Mittelhochdeutschen
Etymologisch verwandt: Barkarole. — P. Katz IF (mhd. barün) entlehnt aus gleichbedeutend frz.
57 (1940), 264; E. Öhmann NPhM 41 (1940), 145f.; baron (wörtlich: 'freier Mann, Lehensmann’),
Lokotsch (1975), 168; Jones (1976), 140; Lloyd/Sprin¬
das zurückgeht auf ein germanisches Wort für
ger (1988fT.), I, 474-476.
'Mann’ (vgl. afrk. *baro). Die Form auf -on
Bärlapp m., fachsprachl. Seit dem 16. Jh. als seit dem 16. Jh. durch neuen Anschluß an das
Name der Farnart Lycopodium bezeugt. Als Französische.
'Bärentatze’ (zu ahd. lappo 'RuderschaufeF, Morphologisch zugehörig: Baronat, Baronesse, Baro¬
also 'flacher, großer Gegenstand’, vermutlich nie, Baronin. — Ganz (1957), 37.
62 Base
Barras

Barras m. 'Militärdienst’, ugs. Seit napoleoni- Barsch (s. d.) als 'borstig’ zu erklären (evtl, als
scher Zeit, zunächst für das Militärbrot, dann *bars-ka-).
(ähnlich wie bei Kommiß, s. d.) auf alles Militä¬ Zur Bedeutung vgl. widerborstig.
rische ausgeweitet. Zu wjidd. baras Fladen¬ Bart m. Mhd. ahd. hart, as. bard aus wg.
brot’. *hard-, auch in ae. beard, afr. berd. Aus weur./
H. Kügler NPhZ 4 (1952), 135f.; Wolf (1985), 44f. oeur. *bhardh-, älter vermutlich *bharz-dh-,
Barre f. 'Schranke', arch., danach 'Sandbank, auch in 1. barba f. (Anlaut unregelmäßig), lit.
Untiefe’ (als 'Hindernis, Absperrung’). Mhd. barzda/., akslav. brada f. 'Bart’, zu ig. *bhres/
harre, entlehnt aus afr. barre 'Stange’; dieses bhares 'Spitze, Borste’, also etwa 'der Borstige,
aus gallo-rom. *barra 'sperriger Balken’. Spitzige’. Von der gleichen Grundlage auch
Zu einer Entlehnung auf anderem Weg vgl. Bar. S. Barsch, Borste und Bürste (s. d.); eine ähnliche
auch Barren, Barriere, Barrikade, Embargo. — H. Suo- Bildung auf -dh-, aber mit Schwundstufe der
lahti NPhM 17(1915), 117; E. Mehl MS (1962), ersten Silbe in air. brot 'Stachel’, kymr. brathu
52-54. 'stechen’, ahd. brart, brort 'Spitze, Rand’. Das
Barrel n. (= ein Hohlmaß), fachsprachl. Im zugrundeliegende Verb ist unter bohren behan¬
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. barrel delt.
(eigentlich: 'Holzgefäß’), dieses aus afrz. baril Nndl. baard, ne. beard. S. Barbier ( + ), Barte, Helle¬
(dass.), dessen weitere Herkunft nicht sicher barde, Schembart — Trier (1963), 188 — 191.
geklärt ist. Möglicherweise verwandt mit frz.
Barte f., fachsprachl. In der Bedeutung klei¬
barre f. 'Stange’ (s. Bar, Barre).
nes Beil’, mhd. barte, ahd. barta, as. barda,
E. Öhmann NM 59 (1958), 225f.
Zugehörigkeitsbildun’g zu Bart (s. d.), also 'die
Barren m. 'Stange’. Seit frühneuhochdeut¬ Bärtige’, wie anord. skeggja 'Hellebarde’ zu
scher Zeit neben Barre f. (s. d.). Besonders für anord. skegg 'Bart’. S. Hellebarde. In der Be¬
die Handelsform von Edelmetallen und seit deutung 'Fischbein’ erst neuhochdeutsch; wohl
Jahn Name eines Turngeräts. Es ist unklar, regional niederdeutsch oder niederländisch ent¬
warum Jahn zur Bezeichnung eines zweiteiligen standen und eigentlich aus dem Plural von Bart
Geräts eine maskuline Singular-Form wählte. (nndl. baarden) rückgebildet.
Hoops (1973ff.), II, 60-71. Der Name des Turngeräts
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 490 — 492.
ist eine Abkürzung für * Barrenschwingel nach E. Mehl
MS 72(1962), 52-54. Barteln PL, s. Barbe.
Barriere /. 'Absperrung’. Im 18. Jh. entlehnt Basalt m. 'Ergußgestein\ fachsprachl. Im 18.
aus gleichbedeutend frz. barriere, einem Kollek- Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. basaltes,
tivum zu frz. barre 'Stange’. einer Verschreibung von 1. basanites 'Probier¬
Etymologisch verwandt: s. Barre. — Jones (1976), stein, sehr harter Stein, (wahrscheinlich: Ba¬
140f. salt)’, aus gr. basanites lithos (dass.), aus älterem
Barrikade/. 'Absperrung, Sperre’. Im 18. Jh. gr. bäsanos (dass.), das möglicherweise ägypti¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. barricade, die¬ schen Ursprungs ist.
ses aus it. barricata (dass.), einer Ableitung von Lüschen (1968), 183f.
it. barricare 'versperren, verrammeln’, zu gallo- Basar m. '(orientalischer) Markt’. Im 18. Jh.
rom. *barra 'sperriger Balken’. entlehnt aus gleichbedeutend frz. bazar, dieses
Morphologisch zugehörig: verbarrikadieren-, etymolo¬
aus pers. bäzär 'öffentlicher Markt’. Nach fran¬
gisch verwandt: s. Barre. — A. Gombert ZDW
zösischem Vorbild auch für 'Wohltätigkeitsver¬
3(1902), 165f.; Jones (1976), 140.
käufe u. ä.’.
Barsch m. Mhd. ahd. as. bars aus wg. *barsa-
Schirmer (1911), 29; Littmann (1924), UOf.; Lokotsch
m. 'Barsch’, auch in ae. bcers\ eine Nebenform
(1975), 23.
ist ahd. bersih, mhd. bersich, alem. berschi u. ä.
(*barsiha-) und aschw. ag(h)borre, ndn. aborre Base1 /., arch., südd. Mhd. base, ahd. basa\
(*ag- 'spitzig’ und *burzön-). Zugrunde liegt ig. ursprünglich 'Schwester des Vaters’, dann im
*bhresfbhares- 'Spitze’ (zu diesem s. Bart, Borste 15. Jh. ausgeweitet zu 'Tante’, danach auch
und Bürste), also *bhärs-o- 'der mit Stacheln 'Nichte’ (selten) und (wohl ausgehend vom Di¬
Versehene’ (nach der stacheligen Rückenflosse minutiv) 'Kusine’ (häufig), auch allgemein 'ent¬
dieser Fische). fernte weibliche Verwandte’; in der Hoch¬
Nndl. baars, ne. bass(e). — Hoops (1973ff.), I, 71 —73; sprache Entsprechung zu Kusine (s. d.). Neben¬
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 486 — 488 (zu den nordi¬ form ahd. as. wasa. Die Herkunft des nur deut¬
schen Wörtern: I, IQ —12). schen Wortes ist dunkel. Falls ml. barbas m.
barsch Adj. Im 17. Jh. aus dem Niederdeut¬ 'Vatersbruder’ als langobardisches Wort ver¬
schen übernommen, wo es aber nicht viel früher gleichbar ist, kann von *baiwön ausgegangen
bezeugt ist. Vermutlich wie der Fischname werden.
Base 63 Bastion

Zur Bedeutungsentwicklung vgl. Vetter. — Müller baß Adv. des Komparativs besser (s. d.), arch.
(1979), 75-78; Ruiperez (1984), 19-28; Lloyd/Sprin¬
Mhd. ahd. baz, as. bat aus g. *batiz, auch in
ger (1988ff.), I, 495-497.
anord. betr, ae. afr. bet. Mit Schwundstufe des
Base2/., s. Basis. Komparativsuffixes gebildet; später durch den
basieren swV, s. Basis. normalen Komparativ ersetzt.
S. besser, Buße, fürbaß.
Basilika /. ( = ein Kirchengebäude), Jach-
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend spl. basi- Bassin n. 'Wasserbecken’. Im 17. Jh. entlehnt
lica, dieses aus 1. basilica 'Prachtbau’, zu 1. basi- aus gleichbedeutend frz. bassin m., aus gall.
licus 'königlich, fürstlich’, aus gr. basilikös bacca 'Wassergefaß’, dessen Herkunft nicht si¬
(dass.), zu gr. basileüs m. 'König, Fürst, Herr¬ cher geklärt ist.
scher’. Etymologisch verwandt: Back, Becken. — W. Feld¬
mann ZDW 8 (1906/07), 55; Brunt (1983), 151f.
Etymologisch verwandt; Basilikum, Basilisk.
Bast m. Mhd. ahd. as. hast aus g. *basta- m.
Basilikum n. 'Königskraut’. Im Mittelhoch¬
'Bast (innere Schicht der Pflanzenrinde), Bast-
deutschen (mhd. basilie, basilig f./m.) entlehnt
seif, auch in anord. hast, ae. hast. Hierzu als
aus gleichbedeutend ml. basilicum (wörtlich:
Vriddhi-Bildung mhd. buost 'Bastseil’. Herkunft
das Königliche’), zu 1. basilicus 'königlich,
dunkel. Da Wörter für 'Bast’ meist zu Bedeu¬
fürstlich’, aus gr. basilikös (dass.), zu gr. basileüs tungen wie 'schälen, nackt u. ä.’ gehören (vgl.
m. 'König, Fürst, Herrscher’. So bezeichnet etwa 1. Uber), kommt ein Zusammenhang mit
nach dem edlen Duft. bar (s. d.) in Frage. Die Beurteilungsgrundlage
Etymologisch verwandt: s. Basilika — Lloyd/Springer ist aber nicht ausreichend. Nach Koivulehto
(1988fr.), I, 497f. (s. u.) nach der Art der Gewinnung (nach dem
Basilisk m. (= ein Fabelwesen mit tödlichem Einweichen ausgeschabt) als 'Ausgeschabtes’ zu
Blick), fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen der unter Besen und bar (s. d.) vorausgesetzten
(mhd. basiliske) entlehnt aus 1. basiliscus ( = Wurzel *bhes- 'schaben, reiben’.
eine Eidechsenart), dieses aus gr. basiliskos Nndl. ne. nschw. nisl. hast (n.). S. basteln, Besen ( + ).
— K. F. Johansson IF 19(1906), 121; E. Abegg IF
(dass., wörtlich: 'kleiner König’), zu gr. basileüs
46 (1928), 267; Darms (1978), 257—264; J. Koivulehto
'König’. So benannt, weil man einen kleinen
in: FS Schmitt (1988), 252 — 255; Lloyd/Springer
Hornfortsatz mit einer Krone verglich. Der (1988ff), I, 500-502.
Name der Eidechse wird übertragen auf ein
basta Part. 'Schluß!’, ugs. Im 17. Jh. entlehnt
Fabelwesen, das — halb Drache, halb Hahn —
aus gleichbedeutend it. basta 'es ist genug’, die¬
aus mißgebildeten Hühnereiern von Schlangen,
ses aus spl. *bastare 'genug sein’, dessen Her¬
Kröten usw. ausgebrütet wird und dessen Blick kunft nicht sicher geklärt ist.
tödlich ist. Anlaß für die Übertragung ist der
Bastard m. 'uneheliches Kind, Mischling’.
ebenfalls als Krone gedeutete weiße Fleck auf
Mhd. bast(h)art ist entlehnt aus afrz. bastard
dem Kopf.
(neben jils de bas[ t]) 'anerkannter Sohn eines
Etymologisch verwandt: s. Basilika.
Adeligen, der nicht von der rechtmäßigen Frau
Basis /. 'Grundlage’. Im 16. Jh. entlehnt aus stammt’. Die Herkunft ist unklar, germanischer
gleichbedeutend 1. basis, dieses aus gr. bäsis Ursprung nicht ausgeschlossen.
(dass.; auch: 'Schritt, Gang’), einer Ableitung Anders: J. Knobloch LBa 27 (1984), 57 — 60 (ossetisch
von gr. bainein 'treten, verweilen’. (Zur Bedeu¬ 'Kind des Packs’).
tungsentwicklung vgl. d. treten — Tritt 'Halt’.) Bastei /., s. Bastion.
Das Verb basieren meint 'als Grundlage haben’; basteln swV. Bezeugt seit dem 15. Jh. als
Base 'Lauge’ ist wohl so benannt als 'Grund¬ 'mangelhaft zurechtmachen u. ä.’, auch in der
stock’ für bestimmte chemische Vorgänge. For¬ Form bästeln. Herkunft nicht ausreichend klar.
mal ist es eine Rückbildung aus dem Plural. Wahrscheinlich zu mhd. besten 'schnüren, bin¬
Etymologisch verwandt: Akrobat, Baß; zum Etymon den’ als 'etwas notdürftig zusammenbinden’
s. kommen. — A. Gombert ZDW 3 (1902), 167 — 169; (statt es fachgerecht zu reparieren), vgl. Besteier
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 55; Schirmer (1911), 'Flickschuster’. Dieses zu Bast (s. d.) in der Be¬
29; Schirmer (1912), 8; Jones (1976), 141. deutung 'Seil’.
Baß m. Im 15. Jh. entlehnt aus it. basso (ml. Bastion /. 'Bollwerk’, sonderspracht. Im 17.
bassus 'niedrig’) als 'tiefe (niedrige) Stimme’; Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. bastion m.,
teilweise aber auch als Basis 'Grundlage’ ver¬ dieses aus it. bastione m. (dass.), einem Augmen-
standen (s. Basis). Über die Zusammensetzung tativum zu it. bastia 'Bollwerk’, aus afrz. bastie
Baßgeige entsteht der Name für das Streichin¬ 'Gebäude’, einer Ableitung von afrz. bastir
strument. 'bauen’.
Eggebrecht (1955), 68f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I, Etymologisch verwandt: Bastei. — Jones (1976), 141 f.
503-505. Zu Bastei; E. Öhmann NPhM 43 (1942), 27.
Bastonade 64 bauen

Bastonade f. 'orientalische Prügelstrafe (auf dann auf die im 15. Jh. in Bern und Salzburg
die Fußsohlen)’, sonder spracht. Im 19. Jh. über geprägten Dickpfennige bezogen; deshalb heute
frz. bastonnade entlehnt aus it. bastonata noch in der Schweiz für ein kleines Geldstück.
'Stockhieb’ zu it. bastonare 'prügeln’ aus it. S. Butzen, patzen.
bastone m. 'Stock’. batzig Adj., s. patzig.
Bataillon n. 'Truppenabteilung’, fachsprachl. Bau nt., s. bauen.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Bauch m. Mhd. büch, ahd. büh aus g. *büka-
bataillon m., dieses aus it. battaglione m. (dass.),
m. 'Bauch’, auch in anord. bükr, ae. büc, afr.
einem Augmentativum zu it. battaglia f.
bük, büch. Das Wort geht zurück auf eine Wur¬
'Schlachttruppe’, aus spl. battuälia f. 'Fecht¬
zel mit verschiedenen anlautenden Labialen,
übungen mit Stöcken’, zu spl. battuere 'schla¬
mit der dicke, bauchige Gegenstände bezeichnet
gen, klopfen’.
werden (vgl. russ. püzo n. 'Bauch, Wanst’); ver¬
Etymologisch verwandt: Batterie, Debatte, Kombat¬
tant, Rabatt. — Jones (1976), 143f. mutlich ursprünglich eine Lautgebärde für die
aufgeblasenen (und daher dicken) Backen, vgl.
Batate f 'Süßkartoffel’, reg. Seit dem 16.
die Zusammenstellung unter Bausch.
Jh. entlehnt aus span, patata (vgl. ne. potato
Nndl. buik, nschw. buk, nisl. bükur 'Rumpf’.
'Kartoffel’). Das Wort stammt aus einer süd¬
amerikanischen Indianersprache. Es hat sich bei Bauche /., s. Bake.
uns hochsprachlich nicht durchgesetzt, hält sich bauchen swV., auch bäuchen swV, 'in heißer
aber in Mundarten Thüringens, Hessens und Lauge einweichen’, reg. (vorwiegend). Spmhd.
Frankens. büchen, biuchen, me. böuken. Das Wort wird zu
Batenke/. (= eine Schlüsselblumenart),/ac/i- Buche (s. d.) gestellt, da die Lauge ursprünglich
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. (staehys) aus Buchenasche hergestellt wurde, doch sind
betönica, der gelehrten Bezeichnung unbekann¬ die lautlichen Zusammenhänge unklar.
ter Herkunft für Betonte (einer weiteren Va¬ Hoops (1973ff.), IV, 57f.
riante aus derselben Grundlage). Bauchgrimmen n., s. Grimmen und Bauch.
Marzeil (1943/79), IV, 461; Diedrichs (1952), 34-41
bauchpinseln swV. (sich gebauchpinselt fühlen
(nach Plinius 25,46 aus gall. vettonica, nach dem Volks¬
u. ä. 'sich geschmeichelt fühlen’, auch -kitzelt,
stamm der Vettoneri). Zu Betonie'. Lloyd/Springer
(1988ff.), I, 57lf.
-streichelt), ugs. Nach der Art, in der Tiere, etwa
Katzen, zutraulich gemacht werden, -pinseln ist
Batik /. (= eine Färbemethode für Gewebe
dabei eine umgangssprachliche Vergröberung.
bzw. so gefärbtes Gewebe), fachsprachl. Im 19.
Baude /., ostmd. Ursprünglich 'Hirtenhütte
Jh. über niederländische Vermittlung entlehnt
aus javan. batik 'gesprenkelt’. im Riesengebirge’ (jetzt eher 'Hotel’ an entspre¬
chender Stelle), aus einer Variante *büpö- zu
G. Kahlo MS(1961), 32.
*böpö- in Bude (s. d.); cech. bouda ist aus diesem
Batist m. 'feines Gewebe’. Entlehnt aus entlehnt. Auf entsprechender Lautstufe mit Vo¬
gleichbedeutend frz. batiste/., dessen Herkunft kalkürze steht lit. bütas m. 'Haus’.
nicht sicher geklärt ist. B. Schier in: FS Foerste (1970), 181 f.
Batterie /. 'Reihung von Geschützen usw., bauen swV. In der heute vorherrschenden Be¬
Stromspeicher’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleich¬ deutung '(ein Haus) bauen’ ist das Wort jung
bedeutend frz. batterie, einem Kollektivum zu (spätmittelhochdeutsch) und wohl eine Ablei¬
frz. battre 'schlagen’, dieses aus spl. battuere
tung zu Bau (mhd. ahd. bü, ae. bü 'Wohnung,
(dass.). Das französische Wort bedeutet zu¬ Haus’), die sich mit älteren, gleichlautenden
nächst 'Schlagen’, dann auch 'Platz der Schlä¬
Verben vermischt hat. Diese älteren Verben sind
ger am Markt’; als frz. batterie d'artillerie
nicht mehr auseinanderzuhalten. Beteiligt ist
'Reihe der Kanonen in Gefechtsaufstellung’, er¬
sicher ein starkes Verb, das aber nur im Altnor¬
weitert schließlich zu 'in einer Reihe aufgestellte
dischen noch als solches erhalten ist (anord.
Gegenstände’. Die Bedeutung 'Stromspeicher’
büa); sonst gibt es starke Präsensformen (go¬
wird im 18. Jh. aus dem Englischen über¬
tisch, altenglisch, altsächsisch, althochdeutsch)
nommen.
und ein starkes Partizip (altenglisch, mittel¬
Etymologisch verwandt: s. Bataillon. — Jones (1976),
hochdeutsch) mit unklaren Präteritalformen im
145.
Althochdeutschen, sowie schwache Verben aller
Batzen m., ugs. Seit frühneuhochdeutscher Stammklassen. Die Hauptbedeutung der For¬
Zeit belegt für 'Klumpen, dickes Stück’ zu dem men der alten Sprachen ist 'wohnen’, wodurch
schwachen Verb batzen 'zusammenkleben, Zu¬ sich das Verb, für das als Ausgangsform etwa
sammenhängen’ (wohl eine Intensivbildung *böww-a- anzusetzen ist, als dehnstufige Bil¬
*backezzen zu backen, s. d.). Das Wort wird dung zu ig. *bhewo- 'werden, sein’ erweist. Die-
Bauer 65 Bausch

ses ist bezeugt in 1. ful 'ich war’ (u. a.), den *bu-(ge)veile 'Ruine’; belegt ist aber nur mhd.
außerpräsentischen Formen des Verbum sub- hüsgevelle in dieser Bedeutung.
stantivum im Keltischen, lit. büti 'sein, werden’,
Baum m. Mhd. ahd. boum, as. böm aus wg.
akslav. byti 'sein, werden’, gr. phyö 'ich bringe
*bauma- m. 'Baum, Balken’, auch in ae. beam
hervor, zeuge’, gr. phyomai 'ich werde, wachse’,
Baum, Balken’, afr. bäm. Daneben steht *bag-
ai. bhävati 'er wird, er ist’ (s. auch bin). Die
ma- gleicher Bedeutung in gt. bagms, aschw.
(lautlich ebenfalls schwierigen) Formen sind:
bakn und — auf *bazma- zurückgehend —
gt. bauan, anord. büa, ae. büan, as. büan, ahd.
anord. baömr. Die Möglichkeit der Verbindung
büwan, büwen. Die transitive Bedeutung 'berei¬ dieser Lautformen und damit die Etymologie
ten, (ein Feld) bebauen’ gehörte ursprünglich des Wortes ist umstritten und unklar.
wohl zu einer anderen Bildung von derselben Nndl. boom, ne. beam 'Balken’. S. Schlagbaum. — Ch.
Grundlage. Peeters ZVS 88 (1974), 129-133. Lehmann (1986),
Nndl. bouwen, nschw. bo 'wohnen’, nisl. büa 'Land¬ 55f. (zieht einen Ansatz mit Laryngal vor). Zur Bedeu¬
wirtschaft betreiben’. S. Bauer1!2, Bauten, Bude, Futur, tung 'Sarg’ vgl. Cox (1967), 55-61.
Gebäude, Physik.
baumeln swV. Wohl regionale (ostmitteldeut¬
Bauer1 m. (auch n.) 'Vogelkäfig’. Mhd. bür, sche) Variante des ebenfalls regionalen bam¬
ahd. bür n. (auch m.l), ursprünglich mit weiterer meln. Am ehesten als Lautbild aufzufassen.
Bedeutung 'Haus, Kammer’, später auf 'Vogel¬ Wenn vom Hängen und Schwingen der Glocken
käfig (u. ä.)’ eingeengt. Aus g. *büra- m./n. auszugehen ist, könnte auch eine Lautnachah¬
'(kleines) Haus’, auch in anord. bur n., ae. bür mung zugrundeliegen.
n. Eine wohl nur germanische Bildung zu dem S. Bammel, Bembel, Pummel.
unter bauen behandelten Verb für 'wohnen’; bäumen swV, meist sich aufbäumen 'sich auf¬
doch klingt die Hesychglosse byrion 'Haus, richten’. Seit frühneuhochdeutscher Zeit belegt.
Zimmer’, vielleicht messapisch, an. Wohl 'sich am Baum aufrichten’ (sonst auch
Ne. bower 'Innenraum, Sommerhaus’, nschw. bur 'Kä¬ 'auf den Baum klettern’ von Tieren). Vermutlich
fig,Kittchen, Tor’, nisl. bür 'Vorratskammer’. S. ein altes Jägerwort, dessen alte Bedeutung nicht
Bauer1, Nachbar. — H. Krähe IF 47 (1929), 326 und mehr erschlossen werden kann; evtl, ursprüng¬
57(1939), 116f. lich vom Bären gesagt, der sich aufrichtet, um
Bauer2 m. 'Landmann’. Mhd. gebür(e), ahd. auf einen Baum zu steigen.
as. gibür (neben obd. gibüro; auch bür, büari W. Porzig (1950), 23 lf.
u. a.) aus wg. *ga-büra- m. 'Mitbewohner (der Baumpicker m., s. Specht.
Dorfgemeinschaft)’ (Stammbildung und Bedeu¬ Baumwolle/. Mhd. boumwolle, regional auch
tung nicht ausreichend sicher). Eigentlich eine assimiliert bouwol (vgl. schwz. bouwele). Diese
Bildung wie Geselle (s. d.), also 'einer, der im eingeführte Faser gleicht der Wolle, ist aber
gleichen bür „Wohnort“ wohnt’. Die Bedeutung nicht von Schafen, sondern von Bäumen (ge¬
'Landmann’ als Berufsbezeichnung und Stan¬ nauer: Sträuchem, gossypium herbaceum). Das
desbezeichnung ist jünger, wobei ihre Ausbil¬ Bestimmungswort Baum- wurde vielleicht im
dung im einzelnen unklar ist. Die Verwendung Anschluß an Herodot 3,106 gewählt, wonach
des Wortes im Schach- und Kartenspiel folgt in Indien Wolle, die die Schafwolle an Schön¬
der dort auftretenden (bruchstückhaften) Stan¬ heit und Güte übertrifft, auf Bäumen wächst,
desordnung. Neben den deutschen Wörtern und aus der die Inder ihre Kleidung hersteilen.
auch in ae. gebür, doch zeigt das (Alt-)Englische Vgl. Kattun.
mit land-büend daneben auch die Bildung (aus Bausback m., s. Pausbacken.
der gleichen Grundlage), die für die nordischen
Bausch m. 'Ausfaltung von Stoff, lockerer
Sprachen charakteristisch ist (anord. böndi).
Knäuel (Watte usw.), Wulst’. Mhd. (selten)
Nndl. boer 'Bauer’, buur 'Nachbar’. S. bauen, Bauer1
büsch, auch mit -s; dazu bauschen, bausen 'auf¬
und Nachbar. - Hoops (1973ff.), II, 99-107; III,
schwellen’, auf- 'übertreiben’. Zugrunde hegt
216 — 221; R. Wenskus/H. Jankuhn/K. Grinda (Hrsg.):
eine Lautgebärde für 'die Luft aus den aufge¬
Wort und Begriff 'Bauer’ (Göttingen 1975), besonders
die Beiträge von R. Wenskus 11—28, H. Beck 58 — 72 blasenen Backen ausstoßen’, etwa *phu- für
und W. Schmid 222 — 227. 'aufblasen — sprengen — platzen’ und mit
einem bilabialen Reibelaut *fu- (o. ä.) für das
Bauernfänger m. 'plumper Betrüger’. Im 19.
anhaltende Blasen. Daraus einerseits Bedeutun¬
Jh. in der Berliner Diebessprache gebildet.
gen wie 'blasen’, andererseits 'aufgeblasen, dick,
Bauer dabei im Sinn von 'Dummkopf, Tölpel’.
geschwollen’. Da die Lautungen einerseits im¬
Bauer(n)wetzel m., s. Ziegenpeter. mer wieder als Lautgebärde erneuert, anderer¬
baufällig Adj. Seit frühneuhochdeutscher Zeit seits aber auch lautgesetzlich weiterentwickelt
üblich; Aufbau unklar. Vielleicht zu einem mhd. werden können und da die Einzelsprachen
Bäuschcl 66 beben

durch ihren unterschiedlichen Lautbestand die 'Weg, Straße’) lautete und das -r- in der Überlie¬
Lautgebärde verschieden erfassen, fallen die ferung verloren ging (wie häufig in Anlautgrup¬
vergleichbaren Wörter stark auseinander (und pen mit Labial + r).
entsprechend unsicher ist die Zusammenstel¬ Hoops (1973fr.), II, 112f.
lung). Zudem sind die meisten Wörter erst spät Bauten PI. Mndd. buwete n.'Gebäude’ (zu
belegt, was aber nicht notwendigerweise heißt, bauen, s. d.) dringt als regionales Wort (ndd.
daß sie jung sind — im allgemeinen sind es bäte) in die Verwaltungssprache von Branden¬
familiäre und umgangssprachliche Wörter, die burg und besonders Berlin und bekommt im
nicht ohne weiteres in literarische Texte aufge¬ Laufe des 18. Jhs. im Norddeutschen die Funk¬
nommen (und deshalb auch nicht überliefert) tion des Plurals zu Bau. Um 1800 in die Hoch¬
werden. Einen zu Bausch passenden Lautstand sprache aufgenommen (wohl um die lautlich
zeigen außerhalb des Germanischen etwa russ. unbequemen Formen Baue, Baue zu ver¬
büchnuti'(an)schwellen’ und gr. physa f. 'Blase¬ meiden).
balg, Blase’. Zum lautmalerischen Ursprung
baxen swV. 'ringend schlagen’, arch., ndd. Ei¬
vgl. noch ai. phutkaroti ’phu machen, (verächt¬
gentlich baks 'Schläge’ geben. Variante zu dem
lich) zischen u. a.\ In diesen Zusammenhang
aus dem Englischen stammenden boxen (s. d.).
können gestellt werden: mit der Bedeutung 'bla¬
sen’ pusten, pfusen, fauchen und Bö\ mit der Bazar m., s. Basar.
Bedeutung 'aufgeblasen’ Pausbacken, bauschen Bazi m. 'Taugenichts’, bair.-österr. Gekürzt
und Pocke', mit der Bedeutung 'dick, geschwol¬ aus der latinisierenden Scherzbildung Lumpa-
len’ Bauch, Backe1 (1. bucca) und Beule. — Die zi(us), zu Lump (s. d,).
Redensart in Bausch und Bogen (wozu auch
Bazille /., auch Bazillus m. 'Stäbchenbakte¬
pauschal, s. d.) ist etymologisch nicht eindeutig
rie’, fachsprachl. Im 19. Jh. eingeführt für 'eine
geklärt. Zu beachten ist zunächst, daß Bausch,
stäbchenförmige Unterart der Bakterien’, zu
Baus in der älteren Sprache auch 'Armvoll,
spl. bacillum n., bacillus m. 'Stäbchen’, das zu
Handvoll u. ä.’ bedeutet, also eine ungezählte
spl. baculus m., baculum n. 'Stab’ gehört.
und ungewogene Menge. Hierzu nach der Bause
Etymologisch verwandt: s. Baguette.
'geschätzt, nicht gewogen’ und weiter (vielleicht
unter dem Einfluß von in Saus und Braus) auch be- Präfix. Mhd. be-, ahd. as. bi- aus g. *bi-,
'mit vollen Händen’. Der Bestandteil Bogen auch in gt. bi-, ae. be-, afr. bi-. Entstanden
bleibt dabei ungeklärt. Die Erklärungsversuche aus der Partikel bei (s. d.). In verkürzter Form
von DWB I, 1198 (es ist vom Grundstückskauf festgeworden ist das Präfix in bleiben (s. d.),
auszugehen, wobei Bausch nach außen ge¬ binnen und bange (s. d.). In nominalen Formen
wölbte, Bogen nach innen gewölbte Flächen ist in der älteren Sprache noch die betonte,
aber nicht notwendigerweise gelängte Form bi-
sind) und von Kluge C171957) (nach H. H. Bock¬
bezeugt; Relikte dieser Betonungsweise noch in
witz: Kulturgeschichte des Papiers [Stettin 1935],
bieder (s. d.) und (nicht mehr erkennbar) in
62: ein Bauseh Papier sind 181 Bogen) scheitern
Beichte (s. d.). Die Funktion des Präfixes war
daran, daß eine entsprechend frühere fach¬
ursprünglich rein örtlich (ahd. bifallan 'hinfal¬
sprachliche Verwendung nicht nachweisbar ist.
len’) und wurde dann verallgemeinert zu einer
S. auch Beuschel, Beutel, blähen, Bö, Butzen, erbosen,
Verstärkung (bedecken) und zur Transitivie-
Puff.
rung ursprünglich intransitiver Verben (be¬
Bäuschel m./n. 'schwerer Hammer’, fach-
leuchten). Außerdem tritt be- in Präfix-Ablei¬
sprachl. Instrumentalbildung zu mhd. biuschen, tungen vom Typ bekleiden zu Kleid ('mit Klei¬
büschen 'schlagen, klopfen’. Weiter verbreitet dern versehen’) auf.
ist mit dieser Bedeutung eine Lautform g.
Nndl. ne. be-,
*baut-a- stV. 'schlagen, stoßen’ (s. Amboß und
beachten swV., s. be- und Acht2.
vgl. ae. bytl n./(m.?) 'Hammer’), der lautliche
Zusammenhang ist aber nicht klar. Beamter m. Im 17. Jh. kontrahiert aus Beam¬
teter, der Substantivierung eines partizipialen
Bautastein m., fachsprachl. Ein ursprünglich
Adjektivs zu Amt (s. d.).
nur in isländischen Texten überliefertes Wort
(anord. bautarsteinn, auch bautaöarsteinn) für beanstanden swV. Im 19. Jh. als Präfix-Ablei¬
den skandinavischen Brauch, zu Ehren be¬ tung zu Anstand gebildet, und zwar in dessen
stimmter Toten große Steine (in der Regel Bedeutung 'Zaudern, Stillstand’ mit den
schriftlose, aber auch Bild- und Runensteine) Nebenbedeutungen 'Bedingung' und 'Ein¬
an die Straße zu setzen. Die Etymologie ist wand’; also etwa 'Einwände machen’.
unklar; am wahrscheinlichsten ist die Annahme, beben swV. Mhd. biben, ahd. biben, as. hibön
daß das Wort ursprünglich *brautarsteinn, aus g. *bib-ä- (neben -ö-) swV. 'beben’, auch in
d. h.'Stein an der Straße’ (zu anord. braut f. anord. bifa, ae. bifian, afr. beva. Zugrunde liegt
Becher 67 Beet

ersichtlich eine reduplizierte Präsensbildung, als 'erfordern, zur Bedingung haben’. Hierzu auch
deren Grundlage ig. *bheia- 'sich fürchten’ an¬ unbedingt 'ohne Voraussetzung, ohne Vorbe¬
gesehen wird. Dieses wird bezeugt durch ai. halt’.
bhäyate, akslav. bojati .?f und lit. bijötis gleicher bedingen2 stV. 'zur Bedingung machen’, arch.
Bedeutung. Die hochsprachliche Form mit -e- auch sich ausbedingen. Ursprungsgleich mit be¬
stammt über Luther aus dem Niederdeutschen dingen1 (s. d.), mit Beibehaltung der älteren Be¬
(mndd. beven). Im Oberdeutschen dafür (mhd.) deutung; dann, ausgehend vom Niederdeut¬
bidemen aus derselben Grundlage. Eine mund¬ schen, sekundär starke Flexion (besonders das
artliche Intensivbildung ist bibbern (s. d.). Zur Partizip ausbedungen).
Reduplikation (wohl nicht morphologisch, son¬ S. Ding{+).
dern expressiv) vgl. zittern.
beeinträchtigen swV. Zu fnhd. eintragen 'hin¬
Nndl. beven. - F. Kluge ZVS 26(1883), 85f.; E. Sie-
dern, schaden’ nebst Eintrag und (möglicher¬
vers IF 43 (1925), 174; F. Mezger ZVS 72 (1954), 127.
Ablehnend: J. Wackernagel ZVS 41 (1907), 305 — 309. weise sekundär) Eintracht 'Hindernis, Schaden’,
vermutlich maskulin (im Gegensatz zu dem
Becher m. Mhd. becher, ahd. behhari, as. bi-
heute noch üblichen Eintracht /.) gehört beein¬
keri sind entlehnt aus ml. bicarium n., älter
trächtigen 'hindern, schaden’, das aus der Kanz¬
bacarium n. 'Weingefäß, Wassergefäß, Becher’
leisprache in die allgemeine Sprache eindringt.
unklarer Herkunft. Aus dem Niederdeutschen
Die Bedeutungsentwicklung des Grundworts ist
sind entlehnt lett. bi^eris und anord. bikarr
unklar.
(aus diesem me. biker, ne. beaker) Aus einer
Beelzebub m. (= der oberste Teufel), fach-
romanischen Nebenform (afrz. pichier) stammt
sprachl. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
ne. pitcher 'Krug’.
aus hebr. bdal-zfbüb (= eine Gottheit der Phili¬
Nndl. beker, ne. beaker, nschw. bägare, nisl. bikar.
— J. Sehwers ZVS 54(1927), 167; Lloyd/Springer ster), wörtlich: 'Herr der Fliegen (= der bösen
(1988fF.), I, 507f. Die spätlateinische Beleglage ist im Geister)’. Der heutige Gebrauch, vor allem in
einzelnen undurchsichtig, s. FEW I, 362 und Gamill- der Wendung den Teufel durch Beelzebub aus-
scheg (1969), 108. treiben, geht zurück auf Mt. 12,24, wo die Phari¬
Beck m. 'Bäcker’, südd. und md. Mhd. becke, säer Jesus vorwerfen, er treibe die bösen Geister
ahd. beckeri, -becko, becko, Nomen agentis durch Beelzebub, ihren Obersten, aus (von Jesus
(*bak-jön) zu g. *bak-a- 'backen’ (s. backen). gleichgesetzt mit 'den Satan durch Satan aus-
Erst neuhochdeutsch ersetzt durch die systema¬ treiben’).
tische Neubildung Bäcker; außer in den Mund¬ Beere /. Das Femininum ist offenbar im
arten noch als Familienname erhalten. Frühneuhochdeutschen aus dem Norden ein¬
Vgl. Pfister. gedrungen, vgl. mndd. mndl. (dial.) bere, ae.
berige f. 'Beere’ (/ö«-Stamm). Älter ist g. *baz-
Becken n. Mhd. becke(n), ahd. becki(n) ist
ja- n. in anord. ber, as. (win)-beri, ahd. beri n.,
entlehnt aus ml. ba(c)in(i)um n. 'Wassergefaß’;
mhd. ber f./n., neben der Form ohne grammati¬
dieses ist eine Ableitung zu gall. bacca f. gleicher
schen Wechsel *bas-ja- n. in gt. (weina-)basi,
Bedeutung.
mndl. bes(e), mndd. beseke (Diminutiv); hierzu
Zu den romanischen Formen gehört frz. bassin, das
auch ndd. (dial.) Besing 'Beere, Heidelbeere’.
auch als Lehnwort im Deutschen (und in ne. basin)
auftaucht. Nndl. bekken. S. Bassin ( + ), Pickelhaube. Herkunft unklar. Die Herleitung aus einem
- R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 358f.; Lloyd/ Wort für 'rot’ (ae. basu 'purpurn’, mir. base
Springer (1988ff.), I, 508f. 'rot, Scharlach’) ist so wenig zu sichern wie die
aus einem Wort für 'Strauch, Rute’ (norw.
Beckmesser m. 'kleinlicher Kritiker’, sonder-
[dial.] bas[e] m. 'Strauch, Unterholz’). Zu be¬
sprachl. Nach der gleichnamigen Gestalt in
achten ist, daß allgemeine Wörter für 'Beere’
Wagners Meistersinger.
(gegenüber 'Frucht’ usw. mit weiterer Bedeu¬
bedeppert Adj. 'ratlos’, ugs., reg. Zu mundart¬ tung und gegenüber Einzelbezeichnungen für
lich zerdeppern 'zerschlagen’ mit einem ähnli¬ die Beerensorten) nicht häufig sind und daß 1.
chen Bild wie ndd. bekloppt, eigentlich 'be¬ bäca, bacca 'Beere’ aus einem Substrat stammt.
klopft’, also 'angeschlagen’. Nndl. bes, ne. berry, nschw. bär, nisl. ber. — Hoops
bedeuten swV, s. be- und deuten. (1973ff.), II, 132-139; Lloyd/Springer (1988ff.), I,
560f.
bedingen1 swV 'zur Folge haben’, mhd. bedin¬
gen, verstärkt aus einfachem dingen, ahd. Beet «., obd. auch Bett n. Mhd. bette, ahd.
t(h)ingön, dingön (s. Ding). Die ursprüngliche bettili(n). Das Wort ist ursprünglich identisch
Bedeutung ist 'aushandeln, vereinbaren’, dar¬ mit Bett (s. d.); doch sind die Bedeutungen
aus 'verursachen, zur Folge haben’. Unter dem 'Beet’ und 'Bett’ im 16. Jh. ausgehend vom
Einfluß von Bedingung (ursprünglich 'Verein¬ Mitteldeutschen auf verschiedene Lautvarian¬
bartes’, dann 'Voraussetzung, Kondition’) auch ten verteilt worden: Die Form Bett setzt dabei
Beete 68 Begeisterung

den Lautstand des Genitivs mit Konsonanten¬ nebst gr. pelas 'nahe’ (Wörter für 'nahe’ gehen
gemination fort (bette-s), die Form Beet den nicht selten auf'angepreßt, angedrängt’ zurück,
ursprünglichen Lautstand des Nominativs und vgl. etwa frz. pres 'nahe’, das zu 1. presse Adv.
Akkusativs (beti). Die übertragene Bedeutung 'gepreßt, gedrückt’ gehört).
'Beet’, die auch im Englischen auftritt, ist ur¬ Nndl. bevelen, schw. dial. fjäla, nisl. fela. S. Appell,
sprünglich 'Pflanzenstandorf (auch von wild¬ Beispiel, empfehlen.
wachsenden Pflanzen); auszugehen ist also von Beffchen n. 'Predigerkragen\ fachsprachl. Im
der Bedeutung 'Lager, Grundlage’. 18. Jh. aus dem Niederdeutschen verbreitet (für
Nndl. ne. bed, nisl. beö (entlehnt). früheres Überschlägcheri). Diminutiv zu mndd.
Beete /., s. Bete. beve, beffe 'Chorhut und Chorrock des Präla¬
ten’, mndl. beffe 'Kragen’, das seinerseits aus
befangen Adj. (PPrät). Zu dem starken Verb
ml. biffa/., der Bezeichnung einer Tuchart und
befangen, mhd. bevähen. Die Bedeutung war
afrz. biffe 'gestreifter Stoff’ stammt. Zur Bedeu¬
ursprünglich 'gefangen, verwickelt’ und wurde
tungsentwicklung vgl. Kappe und Mütze.
in der Zeit der Klassik einerseits auf'verschüch¬
tert’ und andererseits 'voreingenommen’ festge¬ beflissen Adj. (PPrät.), s. Fleiß.
legt. befördern swV. Bezeugt seit dem 18. Jh. neben
befehlen stV Mhd. bevelhen, ahd. bifelahan, gleichbedeutendem bevordern und befürdern.
as. bifelhan ist eine Präfigierung zu g. *felh-a- Präfixableitung zu vorder (s. d.) im Sinn von
stV, auch in gt. filhan, anord. fela, ae. feolan, 'voranbringen’ ('helfen’, 'transportieren’ und
afr. -fela. Die Bedeutung ist bei intransitivem als Ersatz für avancieren im 19. Jh. 'aufrücken
Gebrauch (nur im Altenglischen belegt) lassen’).
'(ein-)sinken, (ein-)dringen’; für den transitiven befriedigen swV. Seit dem 15. Jh. für mhd.
Gebrauch läßt sich 'senken, drängen’ erschlie¬ bevriden, eigentlich 'einfrieden, schützen’. Das
ßen; bezeugt ist einerseits (ausgehend von 'ver¬ Wort gerät immer stärker unter den Einfluß
senken’) 'verbergen, begraben’ (gotisch, alt¬ von zufrieden (s. d.) und bedeutet heute im all¬
nordisch, westgermanisch in Relikten bei präfi- gemeinen 'zufriedenstellen’.
gierten Formen), andererseits (nur präfigiert, befürworten sw V. Kanzleisprachliche Bildung
und zwar gotisch mit ana-, westgermanisch mit des 19. Jhs. zu Fürwort im Sinne von 'Empfeh¬
bi-) 'empfehlen, an vertrauen, befehlen’ (vgl. in lung’ (vgl. etwa Fürbitte).
jemanden dringen, auf etwas dringen). Die Be¬
begabt Adj. (PPrät.). Zu mhd. begäben 'aus¬
deutung 'befehlen, gebieten’ taucht zunächst
statten, beschenken’, ursprünglich konkret ge¬
nur vereinzelt auf, setzt sich dann aber bei der
meint (etwa: 'zur Hochzeit ausgestattet’). Durch
Entwicklung zum Neuhochdeutschen durch.
die Mystiker wird das Wort im 14. Jh. einge¬
Das einfache Verb stirbt im Deutschen nach der
schränkt auf spirituelle und intellektuelle Aus¬
althochdeutschen Zeit aus. — Außergermanisch
stattung und entwickelt sich dann zu einem
ohne klare Vergleichsmöglichkeit. Das wurzel¬
Ausdruck für 'talentiert’. Das Substantiv Bega¬
schließende -h ist sicher nur germanisch und
bung (zunächst 'Schenkung’) folgt dieser Bedeu¬
vergleicht sich mit dem gleichen Auslaut bei
tungsentwicklung im 18. Jh.
dem in der Bedeutung entsprechenden *prenh-a-
(s. dringen). In der damit übrig bleibenden begatten swV. refl. Bezeugt seit dem 18. Jh.
einfacheren Form eur. *pel- vergleichen sich in der heutigen Bedeutung. Wohl zu Gatte (s. d.)
mit der Bedeutung 'begraben’ 1. sepellre (umbr. als Euphemismus gebildet.
pels-) 'begraben’, mir. (unsicher) eillged, eill- begeben st V. refl. Das Wort bedeutet ur¬
gheadh 'Begräbnis’; ausgehend von 'verbergen’ sprünglich 'sich hingeben, sich entäußern’ und
wohl auch air. to-ell- 'stehlen’ (*pel-n-, nur im wird im Mittelhochdeutschen speziell gebraucht
Perfekt, bei einem Verbalstamm, in dem ver¬ für 'sich ins Kloster begeben’. Später verblaßt
schiedene Quellen zusammengeflossen sind); die Ausgangsbedeutung, und das Wort bedeutet
mit der Bedeutung 'empfehlen usw.’ am ehesten nur noch 'sich irgendwohin begeben’, mit un¬
1. appelläre 'anreden, anrufen, anregen’ (auch persönlichem Subjekt auch 'sich ereignen’.
com-, interpelläre), vielleicht auch gr. apeileö begehren swV. Mhd. begern ist eine Präfigie¬
ich gebe an, drohe’ und lett. peet 'schmähen, rung zu älterem mhd. ger(e)n, ahd. geren, gerön
verleumden’. Am wenigsten deutlich sind die 'begehren’, das seinerseits von ahd. mhd. ger
Verknüpfungsmöglichkeiten für die Ausgangs¬ 'begierig’ abgeleitet ist. Zur weiteren Verwandt¬
bedeutung. In Frage kommen (alle aus *pel-n-) schaft s. gern und Gier. Zum Zeitwort die Rück¬
1. pellere trans. 'stampfen, klopfen, schlagen, bildung Begehr (mhd.) und die Ableitung be¬
fortstoßen, forttreiben, beeindrucken (u. a.)’, gehrlich.
air. ad-ella 'besuchen, sich nähern, berühren’, Begeisterung/. Im 17. Jh. wird die Präfix-
gr. pilnamai trans./intrans. 'ich nähere mich’. Ableitung begeistern 'beleben’ zu Geist gebildet
beginnen 69 behelligen

(s. d.). Das erst später auftretende Abstraktum behäbig Adj. Seit spätmittelhochdeutscher
Begeisterung ist in seiner Bedeutung offenbar Zeit gibt es zu gehaben, behoben (s. haben, he¬
von Enthusiasmus (s. d.) beeinflußt worden. ben) im Sinne von 'festhalten, Zusammenhalten’
beginnen stV. Mhd. beginnen, ahd. as. bigin- /«-stämmige Adjektive gehebe, behebe 'zusam¬
nan, Präfigierungen zu dem nur präfigiert auf¬ menhaltend, dicht schließend (von Gefäßen),
tretenden Verbalstamm g. *-genn-a- 'beginnen’, geizig’. Diese Adjektive werden häufig mit -ig
auch in gt. duginnan, ae. beginnan, onginnan, erweitert, und mit dieser Form kommt behäbig
afr. biginna, bijenna. Die außergermanischen in der Zeit der Klassik (Goethe) in die Hoch¬
Vergleichsmöglichkeiten sind unsicher, da das sprache, wird dabei allerdings von einem ande¬
Verb nur präfigiert vorkommt und sich deshalb ren habig 'wohlhabend’ (das von die Habe abge¬
die Ausgangsbedeutung nicht sicher bestimmen leitet ist) in der Bedeutung beeinflußt. Durch
läßt. Mit Rücksicht auf gleichbedeutendes an¬ den Gebrauch hat sich die Bedeutung dann zu
fangen, etwas an-packen, 1. incipere usw. ist aber 'wohlbeleibt, behaglich’ weiterverschoben.
eine Grundbedeutung 'fassen, packen’ wahr¬ behagen swV. Mhd. behagen, as. bihagon aus
scheinlich, die bei einer Verbalwurzel *ghed-, in g. *hag-ö- swV. 'gefallen, passen’, auch in anord.
der Regel mit doppelter Nasalierung (*ghend-n-), hagar 'es trifft sich, ziemt sich’, ae. gehagian
bezeugt ist. In diesem Fall vergleichen sich 1. 'sich bequemen, bereit sein’, afr. hagia 'beha¬
prehendere 'ergreifen, fassen’ und gr. chandänö gen’. Alle einzelsprachlichen Formen sind spät
'ich fasse, umfasse’; vielleicht auch air. ro-geinn und z. T. spärlich bezeugt. Im Deutschen hat
'Platz finden, umschlossen sein’, kymr. genni sich das Wort offenbar vom Niederdeutschen
'enthalten sein’. her ausgebreitet. Alter a/ö-Ablaut in der altnor¬
Nndl. beginnen, ne. begin. S. Repressalie ( + ), ver¬ dischen Wortfamilie (anord. högr 'bequem’)
gessen. läßt ein Primärverb als Ausgangspunkt der ger¬
begleiten swV. Zu mhd. fnhd. geleit(e) n. manischen Sippe vermuten. Eine ältere Bedeu¬
'Geleite, Begleitung’ wird im 17. Jh. eine Ablei¬ tung 'können, vermögen’ zeigt sich in ae. onha-
tung be-geleiten 'das Geleit geben’ gebildet. Das gian, das damit eine Brücke bildet zu ai. saknöti
Wort ist im Niederländischen in dieser Form 'kann, vermag’, ig. *kak-, wohl auch (mit ab¬
erhalten (begeleiden), während es im Neuhoch¬ weichendem Anlaut) in lit. käkti 'irgendwohin
deutschen vereinfacht wird. gelangen, genügen, ausreichen’, lit. känkinti
begnügen swV. rej7. Mhd. begenüegen (häufi¬ 'jmd. etwas zur Genüge liefern, hinreichend mit
ger mhd. benüegen). Abgeleitet von genug (s. d.) etwas versehen’. Die Bedeutungsverhältnisse
mit Ausfall des -e- des zweiten Präfixes. sind im einzelnen unklar.
Begonie/. (= eine in tropischen und subtro¬ Nndl. behagen.
pischen Gebieten beheimatete Pflanze), fach- behaupten sw V. Die heutige Bedeutung 'versi¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend chern’ (besonders gegenüber jmd., der das Ge¬
frz. begonia m., so benannt nach Begon, einem sagte nicht glauben will) geht zurück auf eine
Generalgouverneur von St. Domingo. ältere 'etwas durchsetzen, etwas verteidigen’
begöschen swV. 'beschwichtigen’, ndd. Umge¬ (heute noch in der Wendung sich gegen etwas
setzt aus begösken zu göske 'Gänschen’ (nach behaupten), vor allem als Ausdruck der Rechts¬
den Zischlauten bei der Beruhigung kleiner sprache (bezeugt seit dem 14. Jh.). Vermutlich
Kinder). zu Haupt (s. d.) im Sinne von 'Herr’, also 'sich
Begräbnis n., s. graben. als Herr (über etwas) erweisen’.
begreifen st V. Mhd. begrifen, ahd. bigrifan beheben stV. 'beseitigen’. Regional auch in
bedeutet zunächst konkret 'ergreifen, umgrei¬ anderen Bedeutungen; mit verstärkendem Prä¬
fen’, ebenso mhd. begrif 'Umfang, Bezirk’. Die fix be- zu heben (s. d.); vgl. aufheben.
übertragene Verwendung des Verbs im Sinne behelligen sw V., unbehelligt PPrät. Bezeugt
von 'verstehen’ beginnt bereits in althochdeut¬ seit dem 17. Jh. Die heutige Bedeutung 'belästi¬
scher Zeit, später auch die des Substantivs im gen’ geht zurück auf älteres 'plagen’. In dieser
Sinn von 'Vorstellung’. In der Aufklärung wird Bedeutung ist das Wort (wie das einfache heili¬
Begriff auf'Allgemeinvorstellung’ (zur Überset¬ gen) aus dem Adjektiv heilig 'müde, matt’ abge¬
zung von Idee, s. d.) eingeengt. Die Wendung leitet (also eigentlich 'ermatten, ermüden’,
in etwas begriffen sein bedeutet ursprünglich
trans.). Das nur regional seit spätmittelhoch¬
'ertappt werden bei etwas’; im Anschluß an die deutscher Zeit auftretende Adjektiv ist seiner¬
verallgemeinerte Verwendung dieses Ausdrucks
seits eine Erweiterung aus dem ebenfalls be¬
seit dem 18. Jh. auch im Begriff sein zu tun schränkt verbreiteten hahl, hähl, hel(l) 'trocken,
'gerade etwas tun’. mager, dürr’, mndl. hael\ Relikte dieses Adjek¬
Nndl. begrijpen, begrip. - R. L. Schwartz: Der Begriff
tivs auch in anderen germanischen Sprachen,
des Begriffs in der philosophischen Lexikographie
(München 1983) (zur Ideengeschichte). vor allem in anord. hallceri 'Mißernte, Hun-
behende 70 Beifall

gersnot’ (zu anord. är 'Jahr’) und ae. (selten) beide Num. Mhd. ahd. beide, bede, as. bet3,
hell-heort 'verzagt’ ('schwachherzig’). Zu er¬ beöea geht zurück auf eine Wortgruppe aus
schließen ist etwa g. *halli- Adj. 'dürr, vertrock¬ einem kollektiven Zahlwort, das in gt. bai, *bos,
net’ (aus voreinzelsprachl. *qolz-i-?)\ vergleich¬ ha bezeugt ist, und dem bestimmten Artikel
bar ist lett. kälst 'vertrocknen’ und mit s mobile (bzw. demonstrativen Pronomen), z. B. in gt.
im Anlaut gr. skellomai 'ich vertrockne, ver¬ ba l>o skipa 'beide (die) Schiffe’. Das Altnordi¬
dorre’, nebst gr. skeletös 'Skelett’. sche hat im Genitiv noch die einfachen Formen,
S. schal, Skelett. sonst (NPl. bäöir) Formen, die aus der Zusam-
behende Adj. Mhd. behende 'geschickt, flink’
menrückung stammen; das Altenglische hat ein¬
ist zusammengerückt aus bi hende 'bei der fache Formen, die stark an das parallele Zahl¬
Hand’. Ähnlich abhanden (s. d.), vorhanden wort für 'zwei’ angeglichen sind (besonders
und — aus anderer Grundlage — zufrieden. deutlich im NPl. begen zu twegen 'zwei’), ne.
both, me. bothe ist aus dem Altnordischen ent¬
Behörde /. Es wurde im 18. Jh. aus ndd.
lehnt. Das Altfriesische (bethe) hat wie das
behören im Sinne von 'zu etwas gehören’ gebil¬
Altsächsische und Althochdeutsche nur noch
det und entspricht damit eher niederdeutschem
die zusammengerückten (und danach verein¬
Wortgebrauch. Die ursprüngliche Bedeutung
fachten) Formen. Die Lautung -e- im Althoch¬
noch in Zubehör. Die heutige Bedeutung 'Amts¬
deutschen stammt vom Zahlwort für 'zwei’
stelle’ ersetzt früheres behörigen Orts und meint
(zwene). Zugrunde liegt diesem kollektiven
demnach die 'zugehörige Amtsstelle’.
Zahlwort eine Formation, die aus ig. *-bh- +
Behuf m., arch. in der Wendung zu diesem Endungen (teilweise erkennbaren Dualendun¬
Behuf 'zu diesem Zweck’ und in der erstarrten gen) besteht, wobei aber außerhalb des Germa¬
Genitiv-Form behufs 'zwecks’. Mhd. behuof nischen Lautungen vorangehen, die untereinan¬
mndd. behöf in der alten Sprache nicht bezeugt, der nicht vereinbar sind: Auf *ambhö weisen gr.
wohl aber in ae. afr. behöf n. 'Zweck, Nutzen’ ämphö und 1. ambö; auf a/o/a- weisen lit. abü
(vgl. anord. höf n. 'Maß, Art und Weise’). Das m. und akslav. oba m.\ das Altindische hat
hierfür vorauszusetzende präfigierte Verb behe¬ ubhäu, dessen lautliche Deutung höchst umstrit¬
ben ist wesentlich schlechter und nicht in pas¬ ten ist. Möglicherweise war das Wort ursprüng¬
senden Bedeutungen bezeugt. Auch ist die lich enklitisch und hat dabei die erste Silbe
Dehnstufe bei diesem Bildungstyp unüblich. verschiedenen Auslauten vorangehender Wör¬
Die Einzelheiten der Bildung bleiben deshalb ter angepaßt.
unklar.
Nndl. beide, ne. both (entlehnt), nschw. bäda, nisl.
Nndl. behoeve, ne. behoof. S. heben ( + ). bäöir. S. ob1, um. — Lloyd/Springer (1988ff.), 1,
behum(p)sen swV. 'hereinlegen’, ugs., omd. Zu 513-515.

mundartlichem hum(p)sen 'stehlen’, das wohl Beiderwand f./n./(m.) 'auf beiden Seiten
zu humpeln usw. gehört (s. d.), vgl. hümpler gleich aussehendes Gewebe aus Leinen und
'Stümper, Pfuscher’ (16. Jh.). Wolle,fachsprachl. Zu want n. 'Tuch, Zeug’ wie
bei Präp./Adv. Mhd. ahd. as. bl aus g. *bi in Gewand und Leinwand (s. d.). Seit dem 15. Jh.
(mit Möglichkeit der Dehnung), auch in gt. bi, nördlich des Mains in verschiedenen lautlichen
ae. afr. bi. Als Verbalpräfix regelmäßig unbe¬ Varianten bezeugt; südlich davon gilt Peter.
tont und später abgeschwächt (gt. bi-, anord. beiern swV. 'mit dem Klöppel an die Glocke
in Relikten b-, ae. be-, afr. as. ahd. bi-). Die schlagen’, wmd. Entlehnt aus mndl. beier(e)n
Bedeutung ist 'nahe, bei’, im Gotischen 'um - gleicher Bedeutung, älter beiaerden. Dieses aus
herum . Letzteres erlaubt eine Anknüpfung an mndl. beiaert Glockenspiel’, dessen Herkunft
ig. *ambhi, *mbhi 'um — herum, auf beiden umstritten ist.
Seiten’ (s. um, ambi-, amphi-), wobei angenom¬
J. H. Kern ZDW14 (1912), 214-217; E. Gailliard VM
men werden muß, daß im Germanischen die 2(1913), 300-308 und 688f.
erste Silbe abfallen konnte (was bei einem Wort
Beifall m. Seit dem 15. Jh. vor allem im
mit so extremen Betonungsunterschieden nicht
ausgeschlossen ist). Norden bezeugt für 'Unterstützung, Hilfe’ vor
Nndl. bij, ne. by. S. Biwak. allem vor Gericht und in politischen Auseinan¬
dersetzungen. Das Wort gehört zu fallen im
Beicht(e) /. Mhd. bihte, ahd. bfjiht, bigiht, as.
Sinn von jmd. zufallen’; mit entsprechender
bigihto (m.). Verbalabstraktum zu ahd. bijehan,
Bedeutung wird zunächst auch Zufall benutzt
as. (bi)gehan 'bekennen’ zu g. *jeh-a- stV. 'spre¬
(heute nicht mehr üblich), in entgegengesetzter
chen, versichern’. Als solches eine Lehnbildung
Bedeutung Abfall (von jemandem). Das entspre¬
zu 1. cönfessio gleicher Bedeutung neben 1. cönfi-
chende Verb beifallen ist selten bezeugt und
teri 'bekennen’.
heute nicht mehr üblich. Beifall wird in jüngerer
Nndl. biecht.
Zeit allgemein als Ersatzwort für Applaus ver-
Beifuß 71 Beisei

wendet. In entsprechender Bedeutung das Ad¬ beiläufig Adj. 'nebenbei’, auch 'unwichtig’
jektiv beifällig. (österr.). Aus bei und laufen (s. d.) als 'neben¬
Beifuß m. 'Artemisia vulgaris’, fachsprachl. herlaufend’, doch ist nicht bekannt, aus wel¬
Die ursprüngliche Form des Pflanzennamens chen konkreten Situationen das Bild genommen
ist ahd. pTpöz, mhd. biböz, mndd. bibot, fnhd. wurde.
peipus (und ähnliches in einigen Mundartfor¬ Beilke/., s. Billard.
men). Lautlich könnte dies eine Zusammenset¬ Bein n. Mhd. ahd. bein, as. ben aus g. *baina-
zung aus bei und der auch in Amboß (s. d.) n. 'Knochen’, auch in anord. bein, ae. bän,
enthaltenen Ableitung zu g. *baut-a- 'schlagen’ afr. ben-, im Gotischen ist die Bedeutung nicht
sein, doch bleibt das Benennungsmotiv und da¬ belegt. Germanischer Ersatz für das alte indo¬
mit auch die Verknüpfung unklar. Das Wort germanische Wort, das in gr. osteon, 1. os u. a.
ist im Westfalischen des 13. Jhs. umgedeutet vorliegt. Herkunft unklar. Man kann das Wort
worden zu bivöt 'Bei-Fuß’, sehr wahrscheinlich auf anord. beinn Adj. 'gerade’ zurückführen, in
in Anlehnung an den antiken Glauben, daß ans der Annahme, daß ursprünglich die geraden
Bein gebundener Beifuß vor Müdigkeit auf der Röhrenknochen gemeint waren, doch ist dieses
Reise schütze (Plinius Nat. hist. 26, 150). Da¬ Adjektiv nur nordgermanisch und seinerseits
nach mndl. bivoet, mndd. ndd. bifot und seit nicht anschließbar. Die heute vorherrschende
dem 14. Jh. auch fnhd. bivuoz, nhd. Beifuß. Bedeutung 'untere Extremität’ ist erst im Deut¬
Nndl. bijvoet. — E. Karg-Gasterstädt BGDSL schen entwickelt worden.
62 (1938), 55-59; Marzeil (1943/79), I, 434f. Für die
Nndl. been, ne. bone, nschw. ben, nisl. bein. — Silfwer-
Etymologie ist vielleicht mhd. wurpöz 'Wurzelwerk’ brand (1958), 116—186 (entlehnt aus einem keltischen
wichtig; vgl. hierzu T. Dahlberg NM 22(1966), Wort für 'Horn, [Elfen-]Bein’); Th.L. Markey NWELE
105-114.
2(1983), 93-107; E. P. Hamp NWELE 6(1985),
Beige /. 'Stapel’, südd. Mhd. bige, ahd. biga 67-70; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 515f.
(auch bigo m.) 'Stapel, Haufe (von Holz, Gar¬ beinahe Adv. Mhd. bi nach, ahd. bi näh, Kom¬
ben usw.)’. Hierzu spmhd. bigen, nhd. (südd.) bination von zwei Elementen, die für sich al¬
beigen 'aufstapeln’. Herkunft unklar. leine ebenfalls 'beinahe, fast’ bedeuten können
beige Adj. 'sandfarben’. Im 19. Jh. entlehnt („bei viertausend“ bei Luther, „ein Vergleich
aus frz. beige 'sandfarben; (bezüglich Wolle;) ward nahe zustande gebracht“ bei Goethe).
ungefärbt, roh’, dieses aus 1. baeticus 'aus der Häufig wird die Verbindung erst in frühneu¬
Provinz Baetica (in Südwestspanien)’. Zunächst hochdeutscher Zeit, wobei sie vielfach auf dem
eine Herkunftsbezeichnung ('baetische Wolle’), zweiten Bestandteil betont wurde.
dann wird das herausragende Charakteristikum Nndl. bijna.
dieser Wollart dominant ('ungefärbte Wolle’), Beinheil n., s. Beinwell.
schließlich dann Bezeichnung der Farbe dieser
Beinwell m. 'Symphytum officinale’, fach¬
Art von Wolle und Verallgemeinerung als Farb-
sprachl. Mhd. beinwelle, ahd. beinwella, bein-
bezeichnung. (Vgl. orange zu Orange.)
walla, mndd. benwell. Der Pflanze wird heilende
Beil n. Mhd. bll(e), blhel, ahd. bihal, mndd. Kraft bei Knochenbrüchen zugeschrieben, vgl.
bil, byl. Ein nur deutsches und niederländisches die gleichbedeutenden gr. symphyton n., eigent¬
Wort, das von einem gleichbedeutenden kelti¬ lich 'Zusammenwachsen’, 1. cönsolida f. eigent¬
schen Wort kaum zu trennen ist: air. biail, biäil lich 'Befestigung, Verdickung’, nhd. Beinheil.
m., kymr. bwyall, bw(y)ell 'Axt’. Die keltischen Die genaue Bedeutung, die mit dem zweiten
Wörter führen auf *bijalis f. zurück, die germa¬ Bestandteil verknüpft wurde, ist unklar, da die¬
nischen auf *biklo- n.\ vielleicht ist aber unter ser Lautform verschiedene Bedeutungen zu¬
Ansatz eines *bij9-tlo- zu vermitteln, obwohl geordnet werden können. Vermutlich zu dem
die Lautentwicklung auf beiden Seiten nicht erst spät bezeugten wallen 'zusammenwachsen’
völlig klar ist. Falls dieser Ansatz zutrifft, han¬ (von Wunden, Schnitten in Bäumen u. dgl.).
delt es sich um eine Instrumentalbildung zu der Dasselbe Element im Vorderglied s. unter Wallwurz.
Verbalwurzel *bhew- 'schlagen, spalten, schnei¬ - DWB XIII, 1280; Marzeil (1943/79), IV, 536-544;
den’ in 1. (Glosse) perfines, perfringas, air. be- Lloyd/Springer (1988ff.), I, 520f.
naid 'schlägt, schlägt ab, erschlägt usw.’, akslav. Beisasse m., auch Beisaß m. 'außerhalb der
biti 'schlagen, stoßen’, zu der unser Verb beißen Stadtmauern wohnender Bürger’, fachsprachl.
(s. d.) eine Erweiterung bildet. Zur Bildung und zum zweiten Element vgl. In¬
Nndl. biß. - C. Karstien ZVS65 (1938), 154-161; W. sasse.
Mohr ZVS 65 (1938), 161f.; V. Pisani ZFS 67 (1942),
Beisei n. 'Kneipe’, österr. Entlehnt aus rotw.
226f.; F. W. Blaisdell/W. Z. Shetter BGDSL-T
und wjidd. bajis 'Haus’; dieses aus hebr. bajit
80 (1958), 404-412; H. Götz BGDSL-H 81 (1959),
188 — 191; W. Foerste in; FS Trier (1964), 115f.; Hoops 'Haus’.
(1973ff.), II, 154-162. S. Beiz(e). - Wolf (1985), 40f.
Beispiel 72 Belami

Beispiel n. Mhd. bispel, ahd. blspil 'Gleichnis, beizen, Kausativum zu beißen (s. d.), also 'bei¬
Redensart’, ebenso ae. bispell, eigentlich 'das ßen lassen’, aber mit Konstruktionsänderung
dazu Erzählte’, zusammengesetzt aus bei und g. (man beizt nicht den Falken, sondern man beizt
*spella- n. 'überlieferte Geschichte, Mythos’ in mit dem Falken das Wild). Hierzu mhd. beize
gt. spill, anord. spjall (meist PI.), ae. spell, as. 'Falkenjagd’.
ahd. spei, das sich bei gleicher Lautform Reuter (1906), 5 — 10; Hoops (1973ff.), II, 163 — 173;
(*spel-) nur mit arm. ara-spel 'Sage, Sprich¬ Lloyd/Springer (19881T.), I, 524 — 526.
wort’ vergleicht; weiter vielleicht mit i mobile bejahen swV. Seit dem 17. Jh., ursprünglich
zu den unter befehlen aufgeführlen Verwandten in der Bedeutung 'bewilligen’, danach 'ja sagen’.
von 1. appellare. Der Vokalismus ist seit spätmit¬ Zu ja (s. d.).
telhochdeutscher Zeit sekundär an Spiel ange¬ bekannt Adj. (PPrät). Ursprünglich Partizip
glichen worden (vgl. Kirchspiel). Die heutige zu bekennen '(er)kennen’, heute haben sich fini¬
Bedeutung 'Beispiel, Muster, Vorbild’ beruht tes Verb und Partizip semantisch voneinander
auf einer Lehnbedeutung von 1. exemplum, das getrennt. Hierher als Weiterbildung bekanntlich,
u. a. 'Gleichnis’ und 'Vorbild, Muster’ bedeutet. das sich aus der Kanzleisprache verbreitet hat.
S. Appell ( + ), Gospel. — E. Schröder ZDA 37 (1893), S. kennen ( + ). — M. Leumann IF 45 (1927), Ulf.
241-268.
bekehren swV. Mhd. bekeren, ahd. bikeren
beißen stV. Mhd. bizen, ahd. biz(z)an, as.
aus be- (s. d.) und kehren1 (s. d.), einer Lehn¬
bitan aus g. *beit-a- stV. 'beißen’, auch in gt.
übersetzung von 1. convertere 'umdrehen, be¬
beitan, anord. bita, ae. bitan, afr. blta; dieses
kehren’.
aus ig. *bheid- 'spalten, trennen’, auch in ai.
bekennen swV. Es 'bedeutet ursprünglich
bhinätti 'zerstört, erschlägt’, gr. pheidomai 'ich
schone (ich lasse ab von)’, 1. findere 'spalten, '(er)kennen’ (s. bekannt), hat aber in der Rechts¬
trennen’. Für die unerweiterte Wurzel ig. *bheid- sprache die Funktion von 'bekannt machen’
sind die zugehörigen Formen unter Beil aufge¬ übernommen (es ist also eigentlich ein neues
führt. Wort, das aber keine neue Form bekam, da
Nndl. bijten, ne. bite, nschw. bita, nisl. bita. S. beizen,
Ableitungen aus Partizipien unbequem sind).
bißchen, bitter, bitzein, Imbiß. Der Ausdruck wird früh auch in der Kirchen¬
sprache verwendet und erhält durch die Mysti¬
Beißker m., s. Peitzker.
ker seine besondere Prägung.
Beiswind m., s. Bise.
beklommen Adj. (PPrät.). Partizip zu einem
Beitel m. 'Holzmeißel’, meist Stechbeitel, nicht mehr gebräuchlichen starken Verb mhd.
fachsprachl. Es ist mit niederdeutschem Konso¬ beklimmen 'beklemmen, umklammern’. Das
nantismus entlehnt aus ndd. bötel (u. ä.); der starke Verb klimmen hatte nebeneinander die
Vokal ist unklar — er beruht entweder auf Bedeutungen 'steigen, klimmen’ und 'klem¬
Angleichung an das bedeutungsverwandte Mei¬ men’; die zweite Bedeutung wird nachträglich
ßel oder auf Einfluß einer entrundenden Mund¬ auf die schwach flektierende Ableitung klemmen
art (vgl. md. Beißel 'Meißel’). Das niederdeut¬ konzentriert; beklommen ist ein Relikt des älte¬
sche Wort entspricht einem wg. *baut-ila- m. ren Zustands in übertragener Bedeutung.
'Schlegel’ zu g. *bauta-a- 'schlagen’ (s. Amboß), S. klemmen ( +).
vgl. ae. bytla 'Hammer’, ahd. steinbözil 'Stein¬
bekloppt Adj. 'töricht’, ugs. Niederdeutsches
klopfer’, mhd. bözel 'Prügel’.
Partizip '(an-)geschlagen’ zu der Entsprechung
S. auch Beutheie.
von klopfen (s. d.).
Beitscher m., s. Peitzker.
bekommen stV. Mhd. bekomen, ahd. bique-
Beitzker m., s. Schlammbeißer. man. Präfigierung des starken Verbs kommen
Beiz(e) /. 'Kneipe’, südred. Von der gleichen (s. d.) mit breit gelächerter Bedeutung, zu der
Grundlage wie Beisei (s. d.) aus dem Rotwel¬ im Althochdeutschen auch 'zu etwas kommen,
schen oder Westjiddischen entlehnt. zuteil werden’ gehört. Hieraus die Bedeutung
beizen swV. Die Bedeutung der Wörter, die 'erhalten’, die heute vorherrscht. Auf eine an¬
dieser Lautform entsprechen können, fallen dere Bedeutungsschattierung geht etwas be¬
weit auseinander. Hier werden nur diejenigen kommt mir 'etwas ist mir zuträglich’ zurück,
berücksichtigt, die für das Neuhochdeutsche wozu in neuerer Zeit das Adjektiv bekömmlich
vorauszusetzen sind, nämlich 1) 'mit Beize be¬ gebildet wurde.
handeln’, auch intr. 'ätzen’, mhd. beizen, abge¬ Nndl. bekomen. — S. bequem.

leitet von mhd. beize, ahd. beiza 'Beize, Lauge, bekömmlich Adj., s. bekommen.
Alaun’, eigentlich 'die Beißende’, vgl. ahd. Belami m. Frauenliebling’, sondersprachl. Im
beiz(i)stein 'Alaun’; 2) 'mit Greifvögeln jagen’, Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
früher auch 'mit Hunden jagen’, ahd. mhd. tend frz. be! ami (wörtlich: 'schöner Freund’);
belämmert 73 Belletrist

frz. bei 'schön’ aus 1. bellus (dass.), dieses aus 1. (von Sachen), ugs. Aus dem Niederdeutschen
benulus 'gut, angenehm’, einem Diminutivum verbreitetes Frequentativum (mndd. belemme¬
zu 1. benus, bonus 'gut’; frz. ami 'Freund’ aus ren) zu belemen 'lähmen’ (s. lahm). Vor allem
1. amicus (dass.). Die Entlehnung erfolgt nach das Partizip wird häufig an Lamm angeschlos¬
einem Romantitel von Maupassant. sen, deshalb auch die Schreibung belämmert
Etymologisch verwandt: Beicanto, Belletrist. und die erkennbare Bedeutungsverschiebung
belämmert Adj. (PPrät.), s. belemmern. dieser Form.

belangen swV. Mhd. b(e)langen, ahd. belan¬ belfern swV, ugs. Ausdruck für ein besonde¬
gen, Präfixbildung zu langen (s. langen). Im res Bellen, das nach Region verschieden ist
Althochdeutschen bedeuten beide Verben (aus¬ ('winselnd’, 'rauh, mißtönig u. ä.’), obd. belfzen,
gehend von 'ausstrecken, ergreifen’) 'verlangen, sonst auch helfen und (lautlich weiter abliegend)
sich sehnen’ (mit Akkusativ der Person und bäffen. Wohl lautmalende Ausdrücke in Anleh¬
Genitiv der Sache), dieser Gebrauch ist noch in nung an bellen.
obd. (vor allem schwz.) blangen erhalten. Erst Belladonna/. 'Tollkirsche, aus der Tollkirsche
mittelhochdeutsch bezeugt ist die vom gleichen gewonnene Arznei’, fachsprachl. Im 19. Jh. ent¬
Ausgangspunkt ausgehende Bedeutung 'sich er¬ lehnt aus gleichbedeutend it. belladonna (wört¬
strecken, ausreichen, betreffen’, wofür heute lich: 'schöne Frau’), einer volksetymologischen
meist anbelangen steht; vergleichbar ist nndl. Umdeutung von ml. bladona, blandonia 'Nacht¬
aanbelangen und ne. belong 'gehören zu’. Ferner schatten’, das wohl gallischen Ursprungs ist.
gehört hierzu die Rückbildung nhd. Belang, die Semantische Basis der volksetymologischen
im 18. Jh. aus der Kanzleisprache übernommen Deutung ist die Verarbeitung der Tollkirsche in
wurde. Erst frühneuhochdeutsch ist beim tran¬ Schönheitsmitteln (vor allem solche, die eine
sitiven Verb die Bedeutung 'jmd. um etwas ange- Vergrößerung der Pupillen bewirkten).
hen, jmd. vor Gericht ziehen’. Sie geht auf die Marzeil (1943/79), I, 516-523.
konkrete Bedeutung 'ergreifen’ zurück. bellen sw V. Mhd. bellen stV, ahd. bellan (nur
Beicanto n. 'meisterhafte Gesangeskunst’, Präsensbelege), in erster Linie vom Bellen des
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend it. Hundes gesagt, andere Gebrauchsweisen lassen
belcanto m. (wörtlich: 'schöner Gesang’); it. sich als übertragene Verwendungen auffassen.
bel(lo) 'schön, gut’ aus 1. bellus (dass., s. Be- Das lautlich vergleichbare ae. bellan (ebenfalls
lami) und it. cantare 'singen’, aus 1. cantäre nur Präsensbelege) bedeutet allgemein 'brüllen’
(dass.), einem Intensivum zu 1. canere 'Töne von (vom Löwen, Eber usw.), und mit dieser all¬
sich geben, singen’. gemeineren Bedeutung sind auch nordgerma¬
Etymologisch verwandt: s. Belami und Chanson. nische Wörter mit einfachem l vergleichbar
(anord. beli 'das Brüllen’, belja 'brüllen’).
Belche/. 'Bleßhuhn’, südd. Mhd. belche, ahd.
Schallwörter mit einer Grundlage *bhellbhle
belihha. Ein nur deutsches Wort, das aber sehr
sind häufiger (vgl. etwa 1. flere 'weinen’ und
alt sein muß, da es sich mit gleichbedeutendem
mhd. bltxjen 'blöken’), bellen kann in diesen
1. fulica (auch fulix) unter Ansatz eines *bho-
Umkreis gehören. Es ist aber nicht völlig auszu¬
lik(a) fast genau vergleichen läßt (g. -k-, ahd.
schließen, daß es zu einem anderen bellan 'tref¬
-hh- setzt eigentlich ig. -g- voraus). Morpholo¬
fen, prallen, stoßen’ gehört, das hauptsächlich
gisch stärker abweichend, aber gleichbedeu¬
in ahd. widarbellan 'zurückspringen’ bezeugt ist
tend, ist gr. phaleris. Zugrunde liegt eine Be¬
(vgl. etwa anschlagen vom Hund, oder aussto¬
zeichnung für Tiere mit weißem Fleck auf der
ßen von einem Schrei u. ä.). S. auch belfern,
Stirn oder dem Kopf (wie etwa bei nhd. Bless);
blaffen, bölken.
vgl. etwa noch alb. bale 'Tier (meistens Schaf
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 167-171; Lloyd/
oder Ziege) mit weißem Fleck auf der Stirn’, lit. Springer (1988ff.), I, 533-535.
bälas, gr. phalös 'weißfleckig', mit e-Vokalismus
Belletrist m. 'Autor unterhaltender Literatur’,
akslav. belü weiß’. Belchen als Bergname
fachsprachl. Im 18. Jh. gebildet zu frz. belles¬
könnte sich auf kahle oder schneebedeckte Gip¬
iet t res PI. 'schöne Wissenschaften’; frz. belle
felstellen beziehen.
'schön’ aus 1. bellus (dass.), frz. lettre 'Buch¬
S. blaß, Blesse. - Lloyd/Springer (1988ff.), I,
stabe, Schrift; Literatur’ aus 1. littera f. (dass.).
431-434, 530f.
Die 'schönen Wissenschaften’ waren Gramma¬
beleidigen swV. Mhd. beleidegen, Verstärkung tik, Rhetorik und Poesie; Belletrist bezieht sich
zu mhd. leidegen, leidigen, ahd. -leidigön, leide- jedoch nur auf unterhaltende („schöngeistige“)
gön, leidogön 'betrüben’ zu leideg, leidig 'be¬ Literatur.
trübt’. Weiter zu Leid (s. d.). Morphologisch zugehörig: Belletristik; etymologisch
belemmern swV. 'belästigen’, nordd.; beson¬ verwandt: s. Belami und Letter. - W. Feldmann ZD W
ders belemmert PPrät. 'betreten’, 'scheußlich 8 (1906/07), 55; Brunt (1983), 153.
beizen 74 bequem

beizen swV., s. pelzen. benehmen stV. In der alten Bedeutung 'weg¬


nehmen’ veraltet. Jung und seiner Herkunft
bemänteln swV. Eigentlich 'mit dem Mantel
der christlichen Nächstenliebe zudecken’ (kir- nach unklar ist sich mit jemandem benehmen (ins
Benehmen setzen) 'besprechen, verständigen’
chen-1. pallio Christiänae dilectiönis tegere), in
den Streitschriften der Reformationzeit abge¬ (wohl aus der Kanzleisprache und nach Ade¬
wertet zu 'beschönigen’. lung niederdeutsch) und (damit wohl zusam¬
menhängend) sich benehmen 'sich aufführen’.
S. Deckmantel.
S. auch unbenommen.
Bembel m. 'Glockenschwengel’, übertragen
'Krug für Apfelwein’, wmd. In der eigentlichen benetzen swV, s. netzen.
Bedeutung zu regionalem bampeln 'baumein’ (s. Bengel m. 'ungezogener Junge’. Oberdeutsch
baumeln)', die Bedeutungsübertragung nach der auch 'Knüppel, Stange’, wie regelmäßig mhd.
Form des Krugs. bengel, mndl. bengel. Wie Schlegel zu schlagen
Bemme /. 'Butterbrot’, omd., ndd. Entlehnt ist dieses abgeleitet von ndd. bangen (neben ne.
aus sorb. pomazka 'Butterschnitte’ (zu sorb. po to bang, anord. banga) 'klopfen, schlagen’. Die
'auf’ und der Entsprechung zu akslav. mazati Übertragung auf Menschen stellt diese (ähnlich
'schmieren’). Das Wort wird zunächst zu Bemm- wie bei Flegel) als Menschen, die mit einem
chen umgeformt und dann dazu eine Normal¬ groben Bengel hantieren, und deshalb als 'grob’
form Bemme, -pomme, -bamme u. ä. gebildet. dar.
F. Panzer in: FS Kluge (1926), 99 — 108; P. v. Polenz Nndl. bengel.
DWEB 2 (1963), 275-279; Bielfeldt (1965), 44. Gegen
Benne/. 'Wagenkasten, Schubkarren’, schwz.
eine Entlehnung (eher zu omd. bammen, bampen 'es¬
sen’): Eichler (1965), 23-27; E. Eichler/H. Weber ZS
Entlehnt aus gall. benna, vielleicht über frz.
11 (1966), 231-237. benne 'zweirädriger Karren mit geflochtenem
Korb’, vgl. kymr. ben 'Fuhrwerk’, vermutlich
bemoost Adj. (PPrät.), ugs. Baumstämme
aus einer mit unserem binden (s. d.) vergleichba¬
und Steine, die lange an der selben Stelle blei¬
ren Grundlage (etwa als *bhendhna), also 'das
ben, setzen Moos an; deshalb sagt man auch
Geflochtene’. Aus der gleichen Wortsippe ent¬
von Menschen, die lange an derselben Stelle
lehnt sind ae. binn f. 'Kasten, Korb, Krippe’,
bleiben, daß sie Moos angesetzt haben. Die
spezielle Verwendung im Deutschen kommt aus ne. bin 'Kasten, Tonne’, nndl. ben 'Korb’. Ein
der Studentensprache: ein bemoostes Haupt ist hierzu gehöriges benne 'Futterraufe’ haben nie¬
'ein älterer Herr’ oder 'ein Student mit vielen derländische Siedler des 12. Jhs. aus Südbra¬
Semestern’. Verstärkt wurde der Gebrauch die¬ bant in die Mark Brandenburg gebracht.
ser Wendung durch ein Lustspiel gleichen Titels benzen swV. 'inständig bitten, tadeln’, bair.-
von R. Benedix (19. Jh.). österr. Herkunft unklar.
benauen swV. 'in die Enge treiben’, reg., be¬ Benzin n. (= ein Treibstoff). Neubildung des
sonders benaut PPrät. 'kleinlaut’. Entlehnt aus 19. Jhs. (zunächst zur Bezeichnung des Benzols)
ndd. benouwen, dessen Grundlage nouw dem zu d. Benzoe 'Harz des Benzoebaumes’, dieses
hd. genau entspricht (s. d.). über verschiedene romanische Zwischenstufen,
Bendel m./n. 'Schnur, Schnürsenkel’, reg. wohl aus arab. lubän gäwi (dass.; wörtlich:
Mhd. bendel m., ahd. bentil m.\ alte Diminutiv¬ 'javanischer Weihrauch’). So benannt, da man
bildung zu Band mit dem älteren maskulinen die Flüssigkeit zunächst durch Erhitzen einer
Genus. Die alten Diminutive waren nicht aus Benzoeharz hergestellten Säure (Benzoe¬
durchgängig neutral, sondern folgten dem Ge¬ säure) gewann. Das Ursprungsland des Benzoe¬
nus ihres Grundworts. harzes ist in der arabischen Bezeichnung irrtüm¬
S. binden (4-). lich mit Java — statt Sumatra — angegeben.
benedeien swV. 'segnen’, arch. Mhd. benedien, Littmann (1924), 86; Lokotsch (1975), 106.

benedigen, entlehnt aus it. benedire, das auf 1. Benzoe n., s. Benzin.
benedicere 'wohl reden, segnen’ zurückgeht. bequem Adj. Mhd. bequame, ahd. biquämi
S. diktieren (+).
passend, schicklich , ähnlich ae. gecweme 'an¬
Benefiz n., Benefizvorstellung f 'Vorstellung nehmbar, gefällig . Dehnstufiges Adjektiv der
zugunsten eines Künstlers oder eines wohltäti¬ Möglichkeit (*-kwämi-) zu der Vorform von
gen Zwecks’, sondersprachl. Entlehnt aus der bekommen (s. d.) mit der alten Bedeutung 'zu¬
frz. Wendung au benefice de 'zugunsten von’ träglich sein (u. ä.)’, also 'was zuträglich sein
(aus 1. beneficium n. 'Gunst, Verdienst, Bei¬ kann . Die naheliegende Weiterentwicklung zu
stand’). Seit dem 18. Jh. gebräuchlich. dem heutigen 'angenehm usw.’ ist jung.
Zum älteren Begiff des Beneßziums s.: Hoops (1973ff.) Nndl. bekwaam. S. kommen ( + ). - J. Weisweiler IF
II, 233-237. 53 (1935), 55.
berappen 75 Berg¬

berappen swV, ugs. Das Wort ist aus der Formen gehören. Außergermanisch ist am
Studentensprache in die Hochsprache gelangt; nächsten vergleichbar lett. rist 'ordnen’, lett.
dorthin kam es offenbar aus schwäbischen Krä¬ riedu 'ich ordne’ mit lett. raids 'fertig, bereit’,
mersprachen, also Ausprägungen des Rotwel¬ lit. raidüs 'bereit, schnell’; air. reid 'eben, leicht,
schen. Die weitere Herkunft ist unklar: Sowohl bereit’, kymr. rhwydd 'leicht, schnell, frei’. Zu¬
gegen die Ableitung von der Scheidemünze Rap¬ grunde liegt offenbar eine Erweiterung
pen (s. d.) wie auch gegen Anknüpfungen an *(a)reidh- zu der Wurzel *ara- 'fügen’, die unter
das Jiddische und Hebräische können starke Arm aufgeführt wird. Eventuell kann auch gr.
Bedenken geltend gemacht werden. Nach Wolf arithmös 'Zahl, Zählung’ näher angeschlossen
(s. u.) aus berabbeln, dieses aus berebbeln, berib- werden. — Zur Bedeutung des adverbiellen be¬
beln zu Rebbes 'Zins, Gewinn, Ertrag’. reits vgl. ne. already zu ready.
S. A. Birnbaum ZDPh 74(1955), 249; Wolf (1985), Nndl. bereid, bereiden, ne. ready, nschw. greja 'erledi¬
264. gen’, nisl. reidubüinn. S. Reede, ruhmredig. — Lloyd/
Springer (1988ff.), I, 283-285.
Berberitze /. 'Berberis vulgaris’, fachsprachl.
Berg m. Mhd. berc, ahd. as. berg aus g.
In neuhochdeutscher Zeit entlehnt aus ml. ber-
*berga- m. 'Berg’ auch in anord. bjarg n., berg
beris m./f. (auch barberis m./f) unbekannter
n. 'Felsen, Felswand’, ae. beorg, afr. berch, birg
Herkunft. Einheimische Namen für den Strauch
und gt. in der Weiterbildung bairgahei 'Ge¬
und die Beere sind mhd. sürach m. u. ä. (nach
birge’; dieses aus ig. *bhergh- 'Höhe’ (vermut¬
dem sauren Geschmack der Blätter und der
lich ein ablautendes Wurzelnomen), auch in
Beeren; -ach ist ein Kollektivsuffix bei Pflanzen¬
avest. *bardzah- n. 'Höhe, Berg’, arm. (erkn-a-)
namen), nndl. zuurbes m. ('Sauerdorn’ — die
berj 'himmelhoch’, akslav. bregü 'Ufer, Abhang’
Blätter und Zweige tragen Dornen).
(in anderen slavischen Sprachen auch 'Hügel’),
Marzell (1943/79), I, 568-579.
mir. bri(g) 'Hügel, Berg’ (schwundstufig). Der
Bereich m. Im 18. Jh. rückgebildet aus mhd. Wurzelauslaut des altkirchenslavischen und des
bereichen, mndl. bereiken 'reichen bis, sich er¬ avestischen Wortes stimmen dabei nicht zusam¬
strecken’ (s. reichen). Das Wort übernimmt die men. Wegen der besonderen Bedeutung des alt¬
allgemeine Bedeutung des älteren Reich und kirchenslavischen Wortes ist wohl keine Entleh¬
schränkt dieses ein auf 'Herrschaftsbereich’. nung (etwa aus dem Germanischen) anzuneh¬
Die Auseinandersetzung zwischen den beiden men, sondern das auch sonst zu beobachtende
Wörtern führt zu Vermischungen im Genus und Verhalten des Slavischen wie eine Kentum-
in der Aussprache (in Mundarten, die mhd. ei Sprache. Mit Hochstufe wie im Germanischen,
und f noch unterscheiden). aber in der Bedeutung weiter abliegend, ist
P. v. Polenz ZDPh 76 (1957), 80-94. kymr. bera 'Haufen (von Stroh, Heu o. dgl.)’.
bereit Adj. Mhd. bereit(e), mndd. berede, be- Diese Substantive gehören zu einem Verb mit
reide, mndl. bereet, bereiden. S. bereiten.
der Bedeutung 'sich erheben, wachsen’ in heth.
parkiya- 'sich erheben, hoch werden, wachsen’,
bereiten swV. Mhd. bereiten, mndd. bereden,
toch. A. B. pärk- 'aufgehen’, avest. barazaiia-
bereiden, mndl. bereden, bereiden. Diese Wortfa¬ 'aufwachsen lassen’ (Kausativ). Daneben Ad¬
milie ist wegen der ungünstigen Beleglage und jektive in der Bedeutung 'hoch’ in heth. parku-,
der Vermischung lautgleicher und -ähnlicher avest. baraz-, arm. barjr und in der Partizi¬
Wurzeln nicht mehr genau abzugrenzen. Vor¬ pialbildung (*bhrghont-) ai. brhänt-, der im We¬
auszusetzen ist zunächst ein Verb mit der Be¬ sten Namen entsprechen: in germanischer Laut¬
deutung 'ordnen (u. a.)’ g. *raid-eja-, häufig form die Burgunden, zusammen mit Bornholm
auch mit ga- präfigiert, in gt. (ga)raidjan 'an¬ (anord. Burgundarhölmr), in keltischer Laut¬
ordnen’, anord. greiöa, ae. (ge)rädan, mndl. form der Stammesname Brigantes, der Frauen¬
(ge)reiden, (ge)re(e)den, mhd. (ge)reiten. Da¬ name Brigitte ('die Erhabene’) und der Stadt¬
neben stehen die Adjektive gt. garaips (garaids) namen Bregenz.
'angeordnet’, anord. greiör 'bei der Hand, Nndl. berg, ne. barrow, nschw. berg, nisl. bjarg n., berg
geradewegs (usw.)’, anord. reiör 'bereit’, ae. n. S. Burg, Gebirge. - Lloyd/Springer (1988fT.), I,
(ge)räde 'bereit (usw.)’, afr. red(e) 'fertig’, 553f. Als Lehnwort erklärt von: Güntert (1932), 30f.
mndl. (ge)re(e)de, (ge)reide, mhd. (ge)reit(e). Berg- in Bergbau m., Bergwerk «., Bergmann
Wohl erst unter dem Einfluß dieser Adjektive m. usw. Diese Bezeichnungen beruhen darauf,
tritt bei den Verben auch die Bedeutung 'bereit daß der bei uns älteste Untertagebau in Stollen
machen, zubereiten’ auf. Im Althochdeutschen betrieben wurde, die man in die Berghänge hin¬
ist nur ebanreiti 'in derselben Lage befindlich eingrub. Die entsprechenden Ausdrücke treten
neben Formen mit ant- (antreitl 'Ordnung, seit dem 14. Jh. auf. Die Bezeichnungen wurden
Reihe u. a.’) bezeugt; später werden im konti¬ beibehalten, als der Untertagebau auch auf das
nentalgermanischen Bereich vor allem Präfigie- Flachland ausgedehnt wurde.
rungen mit be- üblich, zu denen die heutigen Hoops (1973ff.), II, 245-267.
Bergamotte 76 Berserker

Bergamotte /. (= eine Birnenart), fach- Berkan m., s. Barchent.


sprachl. Entlehnt aus frz. bergamote; dieses aus Berline /. 'Reisewagen’, arch. Im 17. Jh. von
it. bergamotta. Das italienische Wort ist in An¬ einem Baumeister des Kurfürsten von Branden¬
lehnung an den Ortsnamen Bergamo umge¬ burg hergestellt. Danach in Anlehnung an den
bildet aus türk, beg armudi 'Herrenbirne’, zu Stadtnamen frz. berline und danach d. Berline.
türk, beg, heute bey (= Adelstitel). Brunt (1983), 154.
Brunt (1983), 154.
Berliner m. 1) 'Felleisen der Handwerksbur¬
bergen stV. Mhd. bergen, ahd. bergan, schen’, arch. Aus dem Rotwelschen. Vielleicht
(gi-)bergan aus g. *berg-a- stV. 'bergen’, auch handelt es sich um eine Umdeutung von 1. pellT-
in gt. bairgan, anord. biarga, ae. beorgan, nwfr. nus Adj. 'aus Fell’ (zu 1. pellis f. 'FelI’).Im Kon¬
bergje. Aus einer sonst nur im Baltoslavischen trast dazu werden dann gebildet: Charlotten¬
bezeugten Verbalwurzel *bhergh- 'bewahren’, burger 'Umhängetasche’ und Potsdamer 'klei¬
auch in lit. (reg.) birginti 'sparen’ und akslav. nes Reisebündel’ nach Stadtteilen von Berlin.
nebresti 'außer Acht lassen, mißachten’, russ. 2) 'Schmalzgebäck’, gekürzt aus Berliner Pfann¬
bereci 'hüten, bewahren, schonen, sparen’, russ. kuchen, seit dem 19. Jh.
beregy ' ich hüte, bewahre, schone, spare’. Wei¬ Wolf (1985), 50.
tere Anknüpfungsmöglichkeiten sind unsicher;
Berlocke/., Brelocke/. (meist PL) 'Uhrenan¬
auch der Bedeutungszusammenhang innerhalb
hängsel’, arch. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. ber-
der Sippe (vgl. borgen) ist nicht ausreichend
loque, einer seltenen Nebenform von breloque
geklärt.
(reg.) 'zierliche Kleinigkeit, Schmuck’, mit un¬
Nndl. bergen, nschw. bärga, nisl. bjarga. S. Bürge,
klarer Herkunft.
Herberge. - Hoops (1973ff.), II, 277 — 284; Lloyd/
Springer (1988ff.), I, 554 — 556. Bernhardiner m. (= Hunderasse, Lawinen¬
Bergfex m., s. Fex. hund). Nach dem Hospiz St. Bernhard in der
Schweiz, in dem diese Hunde als Lawinenhunde
Bergfried m. 'fester Turm’, fachsprachl. Mhd.
ausgebildet wurden.
ber(c)vrit, bervride mit der älteren Bedeutung
'hölzernes Turmgerüst, das an die Mauern einer Bernstein m. In frühneuhochdeutscher Zeit
belagerten Stadt geschoben wird’. Ähnliche entlehnt aus mndd. bern(e)stein, barnsten
Ausdrücke mit ähnlichen Bedeutungen in ande¬ 'brennbarer Stein’ zu bernen 'brennen’ (aus
ren mittelalterlichen Sprachen (etwa ml. berfre- brennen durch Umsprung des r entstanden).
dum n., belfredus, berfredus usw. afrz. berfroi). Das entsprechende anord. Wort brennisteinn be¬
Das Wort ist also durch Sekundärmotivation an deutet 'Schwefel’. Zu der teilweise konkurrie¬
Berg und Friede (oder einfrieden) angeschlossen renden Bezeichnung Agstein (Augstein, Aget-
worden, seine Herkunft ist unklar. Lautlich an¬ stein u. a.), die auf 1. achätes zurückgeht und
klingend und etymologisch klar wäre das von eigentlich 'Achat, Gewichtstein, Magnetstein’
Götze (s. u.) angeführte mgr. *pyrgos phoretos bedeutet, siehe Meineke (s. u.).
'Tragturm von Elefanten’ (zu gr. pherein 'tra¬ Vgl. zur Sache: Glas, Magnet und elektrisch. — Lö¬
gen’), das aber nicht belegt zu sein scheint. schen (1968), 169f., 188f.; Hoops (1973fL), II,
288-298; Meineke (1984), 24-26, 67-74.
(Bezeugt ist gr. pyrgos in der Bedeutung 'Trag¬
turm, Belagerungsturm’). Berserker m. Entlehnt aus anord. berserkr,
Ne. belfry. S. Amphore ( + ). - A. Götze BGDSL Bezeichnung eines Kriegers, der in Ekstase mit
59 (1935), 316f.; Lloyd/Springer (1988ff.), I, 556 — 558. übermenschlicher Kraft kämpft und nach
Beriberi /. (= Mangelkrankheit, die die Eu¬ Volksmeinung unverwundbar ist. Das Wort ge¬
ropäer im 16. Jh. auf Ceylon kennenlernten), hört zu anord. serkr 'Gewand, WafTenrock,
fachsprachl. Singhai. beri bedeutet 'Schwäche’, TierfelF, das Vorderglied ist weniger klar; aber
die Verdoppelung verstärkt den Inhalt (also da berserkr in der nordischen Überlieferung
'große Schwäche’). mit ulf-heöinn 'Wolfswams’ (als Bezeichnung
Littmann (1924), 125f. solcher Krieger) in Kontrast gesetzt wird, dürfte
das Vorderglied das Wort für 'Bär’ sein (obwohl
berichten swV. Mhd. berihten, bedeutet zu¬
dies im Altnordischen bjprn lautet). Anders
nächst 'richtig machen’ (dafür heute berichti¬
McCone, der das Vorderglied zu berr 'nackt’ (s.
gen), dann allgemein 'in Ordnung bringen’.
bar) stellt und 'mit bloßem Hemd bekleidet’
In übertragener Bedeutung wird es im Sinn
ansetzt (oder 'dessen Hemd Nacktheit ist’ =
von 'belehren’ verwendet: jemanden über einer 'nackt’?).
Sache berichten (vgl. unterrichten). Später abge¬
E. Noreen ANF 48 (1932), 242-254; K. v. See ZDW
schwächt zu 'mitteilen, wiedergeben’.
17(1961), 129-135; Hoops (1973fT.), II, 298-304;
Nndl. berichten. K. R. McCone in: Meid (1987), 106.
Bersich 77 bescheren

Bersich m., s. Barsch. stanz (ich berufe mich auf den Kaiser 'ich appel¬
bersten stV. Mhd. bresten, ahd. as. brestan liere an den Kaiser’). Ein dritter Gebrauch von
aus g. *brest-a- stV. 'bersten’, auch in anord. berufen geht zurück auf die Vorstellung, daß
bresta, ae. berstan, afr. bersta\ höchstwahr¬ Geister durch die Nennung ihres Namens her¬
scheinlich eine st-Weiterbildung zu *brek-a- beigerufen werden; im weiteren Sinn, daß die
'brechen’ oder eine unabhängige Bildung aus Nennung eines Unglücks usw. dieses herbeiruft.
der gleichen Wurzel. Die Varianten berst- und Hierher gehört der Gebrauch von unberufen zur
brest- wechseln einander im Laufe der Ge¬ Abwendung dieser Möglichkeit.
schichte ab; die heutige Form ist durch den berufen stV., s. Beruf.
Gebrauch Luthers fest geworden. Die andere Beryll m., fachsprachl. Der glashelle Halb¬
Variante hat sich in Gebresten 'Mängel, Krank¬ edelstein heißt auf päli veluriya-, was wohl auf
heit’ (süddeutsch) gehalten. Zu dessen Bedeu¬ den dravidischen Ortsnamen Velur zurückgeht.
tung vgl. brechen — Gebrechen. Hierzu die sanskritisierte Form väidüryam n.
Nndl. barsten, ne. hurst, nschw. brista, nisl. bresta. S. und verschiedene mittelindische Varianten, von
prasseln.
denen präkrit. verulia- das Vorbild für gr. beryl-
Bertram m. 'Anacyclus pyrethrum’ (= Heil¬ los bietet. Über 1. beryllus und afrz. beril führt
pflanze), mit der aus den Mittelmeerländern dies zu mhd. berille, barille. Die weitere Ent¬
stammenden Abart Deutscher Bertram, fach- wicklung s. unter Brille.
sprachl. Mhd. ber(h)tram, ahd. berhtram. Die Lüschen (1968), 43, 189.
brennend schmeckenden Wurzeln der Pflanze
beschaffen Adj. (PPrät.). Zu einem heute
werden in der Heilkunde verwendet, daher der
nicht mehr üblichen mhd. beschaffen stV.
gr. Name pyrethron n. (zu gr. pyr n. 'Feuer’),
'(er-)schaffen’. Das Partizip ist mit der Bedeu¬
übersetzt in nndl. vuurwortel 'Feuerwurzel’. Bei
tung 'geartet’ übriggeblieben; hierzu seit dem
der Übernahme wird das Wort an den Perso¬
17. Jh. Beschaffenheit 'Art, Zusammensetzung’.
nennamen Berhtram, Bertram lautüch angegli¬
beschäftigen swV. Frühneuhochdeutsche Prä¬
chen.
fix-Ableitung zu mhd. scheftig, scheftec 'tätig’
S. Pvromane. — Marzeil (1943/79), I, 251f.; Lloyd/
Springer (1988ff.), I, 559f. (zu schaffen 'arbeiten’, s. d.).
berüchtigt Adj. (PPrät.) 'in schlechtem Ruf beschälen swV. 'bespringen\ fachsprachl. Eine
stehend’. Ursprünglich Partizip zu dem heute erst neuhochdeutsche Ableitung zu mhd.
untergegangenen berüchtigen 'ins Gerede brin¬ schel(e), ahd. scelo 'Zuchthengst’.
gen’, erweitert aus älterem berüchten, das aus S. Schälhengst.

mndd. berüchten, berochten entlehnt wurde. Es beschatten swV. In der übertragenen Bedeu¬
bedeutet ursprünglich 'das Gerüft/Geschrei (er¬ tung 'jmd. heimlich bewachen’ als 'wie ein
stes Stadium der Anklage) über jmd. erheben’ Schatten folgen’ (s. Schatten) seit den zwanziger
und zeigt mit -cht- aus -ft- (zu rufen, s. d.) Jahren dieses Jahrhunderts bezeugt.
niederdeutsche/niederländische Lautform. Zur bescheiden stV. Mhd. bescheiden hat zwei Be¬
gleichen Sippe gehören anrüchig, Gerücht und deutungen: 1) 'jmd. etwas zuweisen, bestimmen’
ruchbar. (vgl. etwa entscheiden)', hierzu noch Wendungen
berücken sw V. 'den Kopf verdrehen’, sonder- wie mir ist beschieden. 2) 'jmd. über etwas beleh¬
sprachl. Aus der Sprache des Fisch- und Vogel¬ ren’ (vgl. etwa mitteilen), heute noch in kanzlei¬
fangs, also 'das Netz über das zu fangende Tier sprachlichen Wendungen wie jemanden abschlä¬
werfen (rücken)’. gig bescheiden. Hierzu das reflexive sich beschei¬
Beruf m. Spätmittelhochdeutsche Ableitung den, ursprünglich 'sich belehren lassen, zur Ein¬
aus berufen im geistlichen Sinn: Gott läßt seinen sicht kommen’, dann 'sich begnügen’. Zu dieser
Ruf an die Menschen ergehen. So wird Beruf Bedeutung gehört das Partizip bescheiden (mit
verwendet wie das ntl.-gr. klesis /., 1. vocätiof. älterer Ablautform). Es steht mit der Ableitung
Bescheidenheit unter dem Bedeutungseinfluß
Luther verwendet das Wort auch im weltlichen
Sinn für 'Amt, Stand’ und führt so zum heuti¬ von 1. discretio, frz. discretion.
S. scheiden ( + ). - K. Berg in: Würzburger Prosastu¬
gen Gebrauch; doch zeigt sich die besondere
dien /(München 1968), 16 — 80.
Herkunft noch heute an den teilweise an¬
spruchsvollen Verwendungen des Wortes. — bescheren swV. 'zu Weihnachten schenken’.
Auf den Gebrauch des Verbs in der Rechts¬ Aus mhd. beschern mit allgemeinerer Bedeutung
sprache verweist sich auf etwas oder jemanden 'zuteilen, zumessen’ (von Gott und Schicksal).
berufen', jemanden berufen bedeutet dort zu¬ Die besondere Bedeutung des heutigen Wortes
nächst 'vor Gericht laden’, bei der Berufung erklärt sich aus der Auffassung, daß die Weih¬
lädt man sich gewissermaßen selbst vor Gericht, nachtsgeschenke Gaben des Christkinds seien.
nach an oder auf steht dabei die Berufungsin¬ Das mittelhochdeutsche Wort ist eine Präfixbil-
bescheuert 78 besser

düng zu wg. *skar-ija- '(zu-)teilen’ in ae. scirian, besebeln swV. 'betrügen’, vulg. Seit dem 16.
ahd. scerian, scerren zu *skarö f. Teil’ in ae. Jh. als Entsprechung zu nhd. bescheißen aus
scearu, afr. skere. rotw. sefeln 'scheißen’ zu rotw. Sefel Kot,
S. scheren1 ( + ).
Mist’. Das rotwelsche Wort wird zurückgeführt
auf hebr. zebul 'Wohnung’, ist aber im Westjid¬
bescheuert Adj. (PPrät.) 'nicht recht bei Ver¬
dischen nicht bezeugt.
stand’, von Sachen 'unerfreulich', ugs. Junge
Wolf (1985), 307.
Bildung, die vermutlich von scheuern (s. d.) im
Sinn von 'prügeln’ ausgeht (vgl. bekloppt u. ä.). beseitigen swV. Um 1800 aus dem Oberdeut¬
schen in die Hochsprache übernommen. Das
beschließen stV. Mhd. besliezen, ahd. bislio-
Wort geht zurück auf das mhd. Adverb besTte
zan. Die Ausgangsbedeutung 'abschließen’ ist
'beiseite, auf der Seite’ und bedeutet damit zu¬
heute veraltet. Aus ihr entwickelt sich schon
nächst 'auf die Seite stellen’.
mittelhochdeutsch die Bedeutung 'beenden’
S. Seite (+).
und 'zum Schluß kommen, entscheiden’.
Besemer m., auch Desem(er) m. u. ä. 'Hand¬
S. schließen ( + ).
schnellwaage mit nur einer Schale und ver¬
beschränken swV. Mhd. beschrenken, zu¬ schiebbarem Gewicht’, fachsprachl. Ursprüng¬
nächst in der eigentlichen Bedeutung 'mit lich niederdeutsches Wort, das im 13. Jh. (wie
Schranken umgeben, durch Schranken zurück¬ anord. bismari gleicher Bedeutung) aus russ.
halten’, dann übertragen als 'einengen, in Gren¬ bezmen entlehnt wurde. Das russische Wort
zen halten, (sich) begnügen’ (s. Schranke und geht vermutlich auf türk, batman zurück, das
schränken). Die schon althochdeutsch (biscren- ein Gewichts- und Hohlmaß von etwa 10 kg
ken) bezeugte Bedeutung 'zu Fall bringen’ ge¬ bezeichnet.
hört zu dem unter schränken behandelten Verb, Wiek (1939), 19; Bielfeldt (1965), 11.
das von einem Adjektiv abgeleitet ist und ur¬
Besen m. Mhd. bes(e)m(e), ahd. bes(a)mo,
sprünglich 'ein Bein (quer) stellen’ bedeutet.
as. besmo aus wg. *besmön- m. 'Besen’, auch
beschummeln swV. 'betrügen’, ugs. Seit dem in ae. afr. besma. Instrumentalbildung 'Feger,
18. Jh. bezeugt und als jüdisches Wort bezeich¬ Kehrer’ zu einer Wurzel *bhes- 'fegen, reinigen’,
net. Es läßt sich aber im Westjiddischen nicht die in dieser Form nicht faßbar ist. Vergleichbar
nachweisen. Herkunft umstritten. Älteste Be¬ ist vor allem die Erweiterung *pse (aus **bhse-)
deutung von schummeln ist vielleicht 'handeln’. in gr. psäö 'ich reibe, wische’, gr. peripsema n.
H. P. Althaus ZM 30(1963/64), 66 — 69. Anders: W. 'Kehricht’ u. a. (vgl. auch die unter bar behan¬
Foerste NW4 (1964), 79: zu ndd. schummeln 'scheuern, delten Wörter).
schrubben’ aus 'sich schnell hin- und herbewegen’, das
Nndl. bezem, ne. besom. S. bar, Bast. — J. Koivulehto
andererseits zu 'betrügen’ wird.
in: FS Schmitt (1988), 246 — 252; Lloyd/Springer
beschuppen swV. 'betrügen’, reg. Entlehnt aus (1988FF.), I, 567f.
dem Rotwelschen. Wahrscheinlich handelt es Besing m., s. Beere.
sich ursprünglich um ein Wort für 'heftig sto¬
besitzen stV. Mhd. besitzen zunächst 'in Besitz
ßen’ (vgl. Schubs 'Stoß’ zu schieben), das zu
nehmen’, zu besez 'Besitz’. Gemeint ist zunächst
'übertölpeln, betrügen’ weiterentwickelt wurde.
Grund und Boden, auf dem man tatsächlich
Wolf (1985), 302.
sitzt (oder sich setzt). Danach Verallgemeine¬
Beschwerde /., s. beschweren. rung zum heutigen Sinn, erst seit dem 16. Jh.
beschweren swV. Das Wort ist in der ur¬ häufiger.
sprünglichen Bedeutung 'belasten’ noch heute S. sitzen ( + ).
gebräuchlich. Daneben reflexives sich beschwe¬ besonders Adv. Mhd. besunder ist eine Zusam-
ren seit dem 14. Jh. mit der Bedeutung 'sich als menrückung aus unbetontem bei und sondern2
beschwert, bedrückt darstellen, sich beklagen’. (s. d.); seit frühneuhochdeutscher Zeit mit ad¬
Entsprechend wandelt Beschwerde seine Bedeu¬ verbialem -s (wie bei Adverbien, die aus Geni¬
tung von 'Bedrückung’ zu 'Klage’. tivformen stammen). Gleichzeitig kann die Zu-
beschwichtigen swV. Im 18. Jh. entlehnt aus sammenrückung auch als Adjektiv besonder ge¬
ndd. beswichtigen, erweitert aus beswichten 'zum braucht werden.
Schweigen bringen’. Es entspricht mit ndd./ndl. besorgen swV. 'Sorge tragen für etwas’, 'etwas
Übergang von -ft- zu -ht- dem mhd. (be-)swif- beschaffen’, umgangssprachlich auch 'stehlen’.
ten, ahd. giswiften, einer morphologisch unkla¬ Mhd. besorgen, ahd. bisorgen, zunächst in allge¬
ren Bildung zu gt. sweiban 'ablassen, aufhören’. meiner Bedeutung, dann meist eingeengt. Zu
Auffällig ähnlich ist messap. sipta 'das Schwei¬ Sorge (s. d.).
gen’ (aus *jw-). besser Adj. (Komparativ). Das zugehörige
H. Krähe IF 47 (1929), 327. Adverb baß ist veraltet; Superlativ best', mhd.
bestallen 79 beten

be zzer, best/bezzist, baz; ahd. bezziro, bezzisto, 18 (1962), 96 — 99; D. Brennecke NSt 5(1976),
baz; as. betara, betst/best/bezt, bat/bet aus g. 113-145.
*batiz-ön, *batist-a-, *batiz, auch in gt. batiza, bestimmen swV. Mhd. bestimmen ist ur¬
batista, anord. beztr/baztr, 6e/r; ae. bet(e)- sprünglich 'durch seine Stimme auswählen, fest¬
ra, bet(e)st, bet; afr. beter/betr, best, Der legen’, dann allgemein 'anordnen’. In der philo¬
Suppletivismus bei den Adjektiven für 'gut’ sophischen Fachsprache des 18. Jhs. entwickelt
ist weit verbreitet; weniger klar sind die Ver¬ sich die Bedeutung 'definieren’.
knüpfungsmöglichkeiten. Unter dem Ansatz S. stimmen ( + ).
einer Wurzel ig. *bhad- oder *bhod- läßt sich
bestricken swV. Mhd. bestricken, ahd. bistrik-
die ro-Bildung ai. bhadrä- 'glücklich, erfreulich’
ken bedeutet u. a. 'mit einem Strick, mit Strik-
heranziehen (die aber lautlich mehrdeutig ist);
ken fangen’, zunächst wohl als Ausdruck der
vielleicht auch (bei Annahme eines Konsonan-
Jägersprache. Schon mittelhochdeutsch wird es
tenumsprungs) akslav. dobrü 'gut’. Im Germa¬
zum gängigen Ausdruck für 'durch Liebreiz für
nischen ist die Wortsippe mit mehreren Bildun¬
sich einnehmen’ (vgl. berücken, umgarnen u. a.).
gen vertreten, von denen sich nur Buße bis heute
S. Strick.
gehalten hat (s. d.).
Nndl. beter, best, ne. beiter, best, nschw. bättre, bäst, Bestseller m. 'etwas, das sich sehr gut ver¬
nisl. betri, beztur, betur. S. baß, Bestseller, Buße. kauft’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
ne. bestseller, einem Kompositum aus e. best,
bestallen swV 'in ein Amt einsetzen’, fach-
dem suppletiven Superlativ von e. good 'gut’,
sprachl. Mhd. bestallt ist die alte Partizipialform
und e. seller, einer Ableitung von e. seil 'verkau¬
von bestellen, die sich in der Bedeutung 'in ein
fen’, das auf g. *saljan (dass.) zurückgeht.
Amt eingesetzt’ in der Hochsprache hält. In
Zum Etymon von e. best s. besser.
Anlehnung an dieses Partizip wird auch das
Verb zu bestallen umgebildet (bleibt aber außer¬ bestürzen swV. Mhd. bestürzen, ahd. bisturzen
halb des Partizips selten). ist eigentlich ein verstärktes 'stürzen, umwerfen,
zusammenwerfen’. Seit frühmittelhochdeut¬
bestätigen swV. Mhd. bestätigen ist eine Prä¬
scher Zeit auf innere Zustände übertragen, etwa
fix-Ableitung zu mhd. statec 'fest, beständig’
als 'jmd. verwirren, durcheinanderbringen’; zu¬
(also 'fest machen’). Das Adjektiv wird heute nächst auch von freudigen Anlässen gesagt,
stetig geschrieben (s. stet), es gehört letztlich zu
dann auf 'erschrecken’ eingeengt. Vor allem in
stehen (s. d.). Partizipien (bestürzend, bestürzt) und Ableitun¬
bestatten swV. Mhd. bestaten, Verstärkung gen (Bestürzung) üblich.
des einfachen staten 'an seinen Ort bringen’ (zu besuchen swV. Mhd. besuochen, ahd. besuoh-
Statt, s. d.). Das Wort wird verhüllend für 'ins hen 'untersuchen, versuchen, befragen u. ä.’.
Grab legen’ gebraucht. Die Bedeutung, auf die der heutige Gebrauch
bestechen swV. Mhd. bestechen hat mehrere zurückgeht, ist 'jmd. aufsuchen’ mit verschiede¬
Bedeutungen, von denen eine in die Fachspra¬ nen Bedeutungsspezialisierungen. In nach-mit-
chen (etwa der Bergleute) eingegangen ist, und telhochdeutscher Zeit eingeengt auf 'Verwandte
dort 'durch einen Anstich ausprobieren, kon¬ oder Freunde aufsuchen’.
trollieren’ bedeutet. Daraus wird allgemein S. suchen (+).
'ausprobieren’ und seit dem 16. Jh. 'durch Ge¬ besudeln swV., s. sudeln.
schenke zu Unrechten Handlungen verführen’,
Bete /., auch Beete /. 'rote Rübe’, reg. Im
etwa im Sinne von 'in Versuchung führen’.
18. Jh. aus dem Niederdeutschen übernommen.
S. stechen (+). Das Wort ist eine alte Entlehnung aus 1. beta
Besteck n. Bezeugt seit dem 16. Jh. Ursprüng¬ 'Bete, Mangold’. Die ebenfalls frühen hoch¬
lich ein Futteral, in das Werkzeuge u. ä. gesteckt deutschen Entlehnungen haben sich nur regio¬
werden, dann der zusammengehörige Satz der nal (als Beißkohl, Bießkohl u. ä.) gehalten.
Werkzeuge u. ä. selbst. Heute eingeengt auf das Nndl. biet, ne. beet, nschw. beta. — E. Karg-Gaster-
Tischbesteck (und auf fachsprachlichen Ge¬ städt BGDSL 62(1938), 159f.; Hoops (1973ff.), II,
brauch). Zu stecken (s. d.). 314 — 316. Zu den Lautformen: Th. Baader BGDSL
62(1938), 159f.; 63 (1939), 117-119.
Besteier m., s. basteln.
beten swV. Mhd. beten, ahd. beton, as. bedon.
bestellen swV, s. bestallen. Der christliche Begriff des Betens wurde von
bestialisch Adj., s. Bestie. den Germanen bei der Übernahme des Chri¬
Bestie /. Im Mittelhochdeutschen (mhd. stentums meist in einer Art Lehnbedeutung aus
bestm) entlehnt aus 1. bestia 'Tier, wildes Tier’. 1. öräre 'bitten, beten’ durch Wörter für 'bitten’
Morphologisch zugehörig: bestialisch, Bestialität; ety¬
wiedergegeben. Zu diesen gehört auch beten,
mologisch verwandt: Biest2. - E. Öhmann ZDW das von g. *bed-5 f. 'Bitte’, dann auch 'Gebet’
beteuern 80 Beule

abgeleitet ist (dieses in gt. bida, ae. bedu, afr. Bettel m. 'minderwertiges Zeug’, ugs., meist
bede, as. beda, ahd. beta). in der Fügung jemandem den Bettel vor die Füße
S. bitten, Gebet. — Wißmann (1932), 92—102. werfen 'seine Mitarbeit aufkündigen’. Rückbil¬
dung aus betteln (s. d.), wohl mit dem ursprüng¬
beteuern swV Seit spätmittelhochdeutscher
lichen Sinn 'Ertrag des Betteins’.
Zeit für 'eidlich einschätzen, festsetzen’, zu¬
nächst den Wert einer Sache (deshalb zu teuer, betteln swV. Mhd. betelen, ahd. betalön. Wör¬
s. d.), dann die Wahrheit einer Aussage betref¬ ter dieser Bedeutung sind in der Regel von
fend. Wörtern für 'Bettler’ abgeleitet, das deutsche
Wort muß also eine Rückbildung sein zu Bett¬
Beton m. (= ein Baustoff aus Zement, Sand
ler, mhd. betelcere, ahd. betaläri (oder auf die
und Wasser). Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
gleiche Grundlage zurückgehen). Mit diesem
deutend frz. beton, dieses aus 1. bitümen «.'Erd¬
Nomen agentis hängen zusammen gt. bidagwa
harz, Bergteer’. Direkt aus dem Lateinischen
'Bettler’, ae. bedecian 'betteln’. Semantisch ist
stammt das Wort Bitumen ( = eine teerartige
wie bei 1. mendicus 'Bettler’ zu 1. mendum 'Feh¬
Masse). ler, Gebrechen’ oder bei gr. ptöchös 'Bettler’ zu
Betonie /., s. Batenke. gr. ptöma 'Fall, Unglück’, gr. ptossö 'ich gehe
betören swV. Mhd. betceren, eigentlich 'zum zusammengekauert (o. ä.)’ ein Ausdruck für
Toren machen’ (s. Tor1). einen unglücklichen Zustand als Grundlage zu
erwarten. Ein solcher könnte in lit. beda, akslav.
betrachten swV. Mhd. betrahten, ahd. bitrah-
beda 'Not, Sorge, Kummer’ vorliegen, doch
tön, bitrahten ist eine Verstärkung des einfachen
sind diese (dehnstufigen) Formen wegen Zu¬
trachten (s. d.) und bedeutet zunächst wie dieses
sammenfalls verschiedener Wurzeln mehrdeu¬
'erwägen’. In frühneuhochdeutscher Zeit
tig. Der Anschluß von Bettler und betteln an
kommt es als 'beim Anschauen erwägen’ zu der
bitten ist aber wohl sekundär, doch ist zu beach¬
heutigen Bedeutung. Das Substantiv Betracht
ten air. foigde, faigde 'Bettelei’ (*upo-guhedh-
(in Betracht ziehen usw.) bewahrt noch die ältere
jä) und air. foigdech 'Bettler’ zu eben dieser
Bedeutung; das Adverb (und Adjektiv) beträcht¬
Wurzel. Auf jeden Fall ist der Anschluß von
lich entwickelt sich aus 'mit Überlegung’ zu
Bettler und betteln an bitten sekundär.
allgemeinerem 'erheblich’.
Nndl. bedelen, bedelaar. — Hoops (19731T.), II, 316.
beträchtlich Adj., s. betrachten.
Betthupferl n. 'Süßigkeit, die die Kinder be¬
betragen stV. Im Zusammenhang mit Sum¬ kommen, um ihnen das Zu-Bett-Gehen zu ver¬
men und Maßen aus mhd. betragen stV. 'Zusam¬ süßen’, reg. Eigentlich 'das, womit man ins Bett
mentragen, rechnen’; im Sinne von 'sich beneh¬ hüpft’.
men’ aus mhd. betragen swV. 'seinen Unterhalt
betucht Adj., ugs. Unmittelbar aus dem West¬
haben, sich mit etwas begnügen’, dann 'mit
jiddischen im 17. Jh. entlehnt, und zwar liegt
jmd. auskommen’ zu der heutigen Bedeutung.
das hebr. Partizip bätiPh 'sicher sein, ver¬
Die zweite Form gehört vielleicht nicht zu tra¬
trauensvoll’ zugrunde, das in Händlerkreisen
gen stV., sondern zu as. tregan 'leid sein, betrü¬
auf einen finanziell sicheren, also wohlhaben¬
ben’ über eine Bedeutung 'Sorge’ (mhd. betrac
den Partner angewandt werden kann. Die Lau¬
'Sorge’ ist bezeugt).
tung wird über wjidd. betuche 'sicher’ an die
betreten Adj. (PPrät.) 'verlegen’. Bezeugt seit deutsche Partizipialform angepaßt. Im Rotwel¬
dem 16. Jh.; vermutlich zu der Nebenbedeutung schen erscheint das Wort erst später in der Form
'überraschen, ertappen’ von betreten stV. betuach und bedeutet dort 'still, vorsichtig, zu¬
S. treten (+). versichtlich’.
Bett n. Mhd. bett(e), ahd. betti, as. bed(di) Wolf (1985), 51.
aus g. *badja- n. 'Bett’, auch in gt. badi, anord. betulich Adj. Bezeugt seit dem 18. Jh. Zu sich
beör m. ('Polster, Federbett’), ae. afr. bed. Her¬ betun 'sich geschäftig zeigen’ (zu tun, s. d.).
kunft unklar. Air. lepaid /., das neben 'Bett’
beugen swV. Mhd. böugen, ahd. bougen, as.
auch 'Schlafzimmer, Zufluchtsort’ bedeutet,
bögian 'biegen’ aus g. *baug-eja- swV. 'beugen’,
weist am ehesten auf eine Vorform *bhotjö-.
auch in anord. beygja, ae. bigan, afr. beia (die
Zu beachten ist auch das zweite Glied von gr.
Deutung von gt. usbaugjan 'ausfegen’ ist um¬
kräbbatos m. '(niedriges) Ruhebett’, dessen Her¬
kunft ungeklärt ist. stritten), Kausativ zu biegen (s. d.), also 'biegen
machen’.
Nndl. ne. bed, nschw. bädd. S. Beet. — W. Foerste
NW 2 (1961), 21-64; Hoops (1973ff.), II, 316-320; Nndl. buigen, ne. bow, nschw. böja, nisl. beygja. —
J. Knobloch SW 5 (1980), 180; J. P. Mäher JIES Pfaff (1933), 19.
9(1981), 341—347; Lloyd/Springer (1988ff.), I, Beule/. Mhd. biule, ahd. bül(l)a, büilla, as.
572-574. büla aus wg. *büljö(n) f. 'Beule’, auch in ae.
Beunde 81 bewegen

byl(e), afr. bei, beil. Daneben eine Reihe von Kopf’, me. budde n., ne. bud 'Knospe’. Da
lautlich und semantisch ähnlichen Bildungen. ein Zusammenhang wahrscheinlich ist, dürfte
Zu der zugrundeliegenden Lautgebärde s. Beutel ursprünglich 'das in einem Tuch Zusam¬
Bausch. mengebundene (etwa: Geld)’ gewesen sein, die
Beunde/., arch., reg. Ursprünglich 'umzäunte expressiven Wörter haben dann eine Bedeutung
Hauswiese’. Kommt heute vor allem mundart¬ wie 'Knopf’, bezeichnen also etwas dickes Run¬
lich und in zahlreichen Flurnamen vor. Mhd. des. Sie gehören wohl zu der unter Bausch be¬
biunt(e), biunde, ahd. biunta vor-d. *bi-wundö. schriebenen Lautgebärde. Beutel ist auch ein
Die mndd. Entsprechung bivank weist darauf Mehlsieb (ein auf diese Weise zusammengebun¬
hin, daß die Ausgangsbedeutung wohl 'Um- denes Tuch ist die einfachste Form eines
zäuntes’ war (zu bei und wenden im Sinne von Siebs) — daher gebeutelt 'durcheinanderge¬
'flechten, Palisadenzäune anbringen’) schüttelt’. Ein Beutelschneider ist eigentlich je¬
Vgl. Bitze. - R. Bauer BON 16(1979), 23-33; H. mand, der Geld stiehlt, indem er den am Gürtel
Tiefenbach in: Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 294 — getragenen Beutel aufschlitzt — heute für je¬
298. Anders: N. Tömquist NJ 76 (1953), 25-37. Vgl. manden gebraucht, der Wucherpreise verlangt.
auch Lloyd/Springer (1988fF), I, 451—453 zu ahd. Beutheie /., auch Pochheie /. 'Böttcherschle-
bameth.
gel’, fachsprachl. Zu mhd. hei(e), ahd. heia
Beuschel n. 'Speise aus Tierinnereien’, bair.- 'Schlegel, Holzhammer’ und einer Ableitung
österr. Die ursprüngliche Bedeutung ist wohl von g. *baut-a- 'schlagen’ (s. unter Amboß und
'Herz, Lunge, Milz und Leber’ (obere Einge¬ Beitel) in einer aus dem Niederdeutschen ent¬
weide eines geschlachteten Tieres). Diminutiv lehnten Lautform. Heie gehört zu mndl. wfr.
zu Bausch (s. d.), wobei der Bedeutungsüber¬ heien 'schlagen, rammen’, das vielleicht mit 1.
gang nicht ganz klar ist. Falls von 'Lunge’ aus¬ caedere 'hauen, schlagen’ zusammengehört.
gegangen werden kann, dann etwa 'das Aufge¬ S. Zäsur ( + ). — F. Braun in: F. Debus/J. Hartig
blasene’ zu der in diesem Komplex bezeugten (Hrsg.): FS G. Cordes (Neumünster 1976), 42 — 55.
Bedeutung 'blasen, atmen’. Bevölkerung/., s. Volk.
Beute1 /. 'Kriegsbeute’. Mhd. biute 'Beute, bevor Konj. Mhd. bevor, ahd. bifora, as. bifo-
Verteilung’. Entlehnt aus mndd. bü(i)te ran sind wie ae. beföran Adverbien mit der
'Tausch, Verteilung, Beute’ das eine Ableitung Bedeutung 'davor’ (örtlich), 'vorher, zuvor’
von buten 'tauschen, verteilen, Beute machen’ (zeitlich). In Sätzen, bei denen bevor Adverb ist,
ist. Die Wörter sind seit dem 14. Jh. bezeugt das durch e 'ehe’ wiederaufgenommen wird,
und schon kurz darauf als Entlehnung in den entwickelt sich in frühneuhochdeutscher Zeit
Nachbarsprachen nachweisbar (frz. butin, buti- seine Funktion als Konjunktion.
ner). Die Beute wird also zunächst als 'das (bei bewähren swV. Mhd. bewceren, ahd. biwären
einem Kriegs- oder Raubzug) zur Verteilung
sind von wahr (s. d.) abgeleitet und bedeuten
Kommende’ aufgefaßt, erst später als 'das Weg¬ demnach zunächst 'als wahr erweisen’. Heute
genommene, Eroberte’. Weitere Herkunft un¬ meist im reflexiven Gebrauch mit der Bedeu¬
klar. Am ehesten kommen für einen Vergleich tung 'sich als brauchbar erweisen’,
in Frage kymr. budd 'Gewinn, Beute, Reich¬
bewältigen swV. Zu Gewalt (s. d.).
tum’, air. büaid n. 'Sieg, Vorteil’ (aus *bhoud-),
die aber ihrerseits isoliert sind. Eine Entlehnung bewandert Adj. (PPrät.). Einerseits in der zu
aus dem Keltischen ist ebenfalls nicht völlig erwartenden passiven Bedeutung bezeugt (ein
auszuschließen. viel bewanderter Weg), andererseits, und heute
Nndl. buit, ne. booty. S. Filibustier, Freibeuter. — fast ausschließlich, im Sinne des Perfekts oder
Hoops (1973ff.), II, 323-331. Zustandspassivs (er ist in etwas bewandert).
Letzteres wohl nach dem Vorbild von erfahren.
Beute2 /. 'Backbrett’, hess. Vielleicht hierher
S. wandern (+).
auch die Bedeutung 'Bienenkorb’ (ursprünglich
Holzkasten für Waldbienen), falls diese nicht bewandt Adj., s. bewenden.
näher zu Beutel gehört. Mhd. biute, ahd. biuta Bewandtnis/., s. bewenden.
neben ahd. biot m. (noch in obd. biet 'Kelter¬ bewegen 1) stV. 'jmd. zu etwas veranlassen’.
bett, Mühlsteinlager’) aus g. *beuda- m. 'Tisch’, Mhd. bewegen, ahd. biwegan. 2) swV. 'jmd. oder
auch in gt. biups m., anord. bjöö n., ae. beod. etwas in Bewegung setzen’ (auch refl.), 'jmd.
Beutel m. Mhd. biutel n./m., ahd. bütil, as. innerlich bewegen’. Mhd. bewegen. — Die bei¬
büdil führen zurück auf vor-d. *büdila- m. 'Beu¬ den Verben sind geschichtlich und regional
tel’. Außerhalb vergleichen sich Wörter mit weit nicht klar abzugrenzen. Dem starken Verb liegt
auseinanderfallender Bedeutung, die auf *budd- zugrunde g. *weg-a- 'bewegen’, das unter wiegen
(eine expressive Lautform) zurückführen: nisl. behandelt ist, und zu dem auch wägen (s. d.)
-budda 'Geldbeutel’ (jung), schwed. (dial.) bodd gehört; bewegen hat heute ein schwaches Prä-
beweisen 82 Biber

sens, wägen setzt den e-Vokalismus (/. Sg. und und psychologischen Fachsprache (Selbstbe¬
PI.) des Präsens fort, wiegen den /-Vokalismus wußtsein) eine bedeutende Rolle.
(2./3. Sg.). — Das schwache Verb ist ursprüng¬ Nndl. bewust, bewustzijn. S. wissen ( + ).
lich zu diesem das Kausativ, da aber das Grund¬ bezichtigen swV. Neben heute ausgestorbe¬
verb schon transitiv war oder zumindest sein nem bezichten seit frühneuhochdeutscher Zeit
konnte, hatte es eher den Wert einer Verstär¬ als Ableitung zu dem Substantiv Bezieht 'Be¬
kung, was zu Vermischungen und Neu-Abgren- schuldigung’ und dem dazugehörigen Adjektiv
zungen Anlaß gab. Die Präfigierung mit Ge¬ bezichtec 'beschuldigt’. Bezieht ist ein t/-Ab-
taucht beim schwachen Verb erst spät auf. straktum zu mhd. bezlhen stV., ahd. bizlhan stV.
Heute hat sie weitgehend die Ausgangsbedeu¬ 'zeihen, beschuldigen’ (s. zeihen).
tung des Grundverbs übernommen.
Bezirk m. Zu mhd. zirc, zirk(e) 'Umfang,
Nndl. bewegen stV. S. Leuwagen, unentwegt, Waage( + ),
Umkreis’ entlehnt aus 1. circus 'Kreis’ wird spät¬
Wacke, wackeln, Wagen ( + ), Weg ( + ), Wiege ( + ),
mittelhochdeutsch eine Präfixableitung bezirken
Woge.
'Umfang bestimmen’ gebildet, unter deren Ein¬
beweisen stV. Mhd. bewisen, mndd. bewisen fluß das einfache zirk zu Bezirk erweitert wird.
swV. Die starken Formen beginnen im 15. Jh. Von 'Kreis, Umkreis’ ausgehend, wird es auf
und setzen sich dann durch. Evtl, hat dabei ein 'Verwaltungsgebiet, zugehöriges Gebiet’ einge¬
älteres -wizan 'anrechnen’ mitgeholfen (auch in schränkt.
der Bedeutung?). Das Wort bedeutet mit per¬ S. Zirkus ( + ).
sönlichem Objekt ursprünglich 'anweisen, zu¬
bi- Präfixoid. Dient in Wortbildungen zum
rechtweisen, belehren’ zu weisen (s. d.); später
formalen Ausdruck der Bedeutungskompo¬
mit Akkusativ der Sache 'nachweisen, zeigen’,
nente 'zwei, doppelt’ (z. B. bivalent 'zweiwertig’;
in der Rechtssprache — ausgehend vom Vorzei¬
auch: Billion 'eine Million Millionen’). Es wird
gen von Beweismitteln — 'zwingend nachwei¬
vornehmlich in lateinischen Wörtern ins Deut¬
sen’. Von dort aus gelangt es in die Wissen¬
sche entlehnt und geht auf 1. bi(s) 'zweimal’,
schaftssprache. Als Substantiv hierzu gilt zu¬
eine Nebenform zu 1. di-, zurück.
nächst mhd. bewisunge; seit dem 16. Jh. wird es
Etymologisch verwandt: s. Diplom.
ersetzt durch Beweis, einer Rückbildung aus
dem schwachen Verb. Biathlon n. 'Kombination aus Skilanglauf
Nndl. bewijzen, bewijs. S. weisen ( + ). — Hoops und Scheibenschießen’, fachsprachi, s. Athlet
(1973fr.), II, 483-487. und bi-.

bewenden swV., arch. Mhd. bewenden, ahd. bibbern swV. 'zittern’, ugs. Zu einer Lautge¬
biwenten, Präfigierung zu wenden (s. d.). Das bärde für 'zittern’, zu der auch beben (s. d.)
Wort bedeutet ursprünglich 'hinwenden’, auch gehört.
'anwenden, verwenden’. Hierzu die heute idio- S. puppern.
matisierte Wendung es dabei bewenden lassen Bibel /. 'die Heilige Schrift’. Im Mittelhoch¬
(d. h. 'auf sich beruhen lassen’); ähnlich mit deutschen (mhd. biblie, bibel) entlehnt aus kir-
substantiviertem Infinitiv sein Bewenden haben chen-1. biblia 'die Heiligen Bücher’, dieses aus
'auf sich beruhen bleiben’ und als Ableitung gr. biblion n. 'Buch’, zu gr. byblos, biblos 'Papy¬
aus dem alten Partizip bewandt (ähnlich wie rusbast’, aus Byblos, dem Namen einer phönizi-
verwandt im Sinn von 'angeboren, zugehörig’ schen Stadt, aus der dieses Schreibmaterial vor¬
gebraucht) die Bewandtnis 'Beschaffenheit’. nehmlich eingeführt wurde.
bewerkstelligen swV. Im 17. Jh. aus der For¬ Etymologisch verwandt: s. Bibliographie, bibliophil, Bi¬
mel mhd. ze werke stellen 'zur Ausführung brin¬ bliothek, Fibel. — Littmann (1924), 9; Hoops (1973fT.),
II, 487-499.
gen’ mit Präfix-Ableitung zusammengebildet.
S. Werk ( + ). Biber m. Mhd. biber, ahd. bibar, as. bibar aus
g. *bebru- m. 'Biber’, auch in anord. björr, ae.
bewußt Adj. (PPrät.), Bewußtsein n. Das Verb
beofer, dieses aus ig. *bhebhru- (auch andere
fnhd. bewissen, mndd. beweten 'wissen, sich zu-
Stammbildungen) m. 'Biber’, auch in avest. baß-
rechtfinden’ ist spärlich bezeugt, ebenso sein
ra-, kslav. bebrü, bobrü, lit. bebras, 1. fiber. Die
Partizip bewist. Dieses entwickelt sich (wie bei
lautliche Entsprechung im Altindischen ist
gewußt zu wissen) im Mitteldeutschen zu bewußt
babhru- Adj. 'rotbraun’, m. ( = eine Ichneumon-
und setzt sich in dieser Form durch Luthers
Art). Falls dieses Wort zugehörig ist, wäre da¬
Einfluß durch. Das Partizip wird später in der durch erwiesen, daß der Biber nach seiner Farbe
reflexiven Formel sich einer Sache bewußt sein bezeichnet wurde (s. auch braun und Bär1).
im Sinne von 'wissen, sich klar darüber sein’ Biber taucht in zahlreichen Ortsnamen auf (Bi-
gebraucht und spielt dann zusammen mit der berach usw.); in Pflanzennamen wie Biberklee
Ableitung Bewußtsein in der philosophischen ist aber Fieber gemeint, das eine Variante mit
Bibergeil 83 Bier

anlautendem b- haben kann. Biber 'Baumwoll- büg- im Präsens: ae. bügan und wohl auch as.
gewebe, Bettuch’ geht auf eine Übertragung bügan (Präsens nicht belegt, aber mndd. bugen,
zurück: verglichen wurde das kurzgeschorene mndl. büghen). Dieses hat keine genaue Ver¬
Biberfell. gleichsmöglichkeit. Semantisch am nächsten
Nndl. bever, ne. beaver, nschw. bäver (entlehnt), nisl. kommt eine Variante ig. *bheug- (statt *bheugh-
björ, bifur. S. Bibergeil. - Hoops (1973ff.), II, wie durch das Germanische vorausgesetzt) in ai.
499-502.
bhujäti 'biegt, krümmt’; mit gleichem Lautstand
Bibergeil n. 'Duftdrüse des Bibers und der in tritt die Bedeutung 'fliehen’ auf, die als 'sich
ihnen enthaltene Duftstoff’, fachsprachl. Mhd. abwenden’ zugehörig sein kann: 1. fugere 'flie¬
bibergeil zu geil(e) 'Hoden’, weil man die Duft¬ hen’, gr. pheügö 'ich fliehe’ und vielleicht lit.
drüsen für die Hoden des Bibers hielt. bügti 'erschrecken’.
S. Biber. Nndl. buigen, ne. bow, nschw. buga. S. beugen, Bogen,
Bucht, bücken, Bügel, Gebück, Refugium.
Bibernelle /., s. Pimpernelle.
Biene /. Mhd. bin, bin, ahd. bina /., as. bina
Bibliographie/. 'Literaturverzeichnis’, s. Bibel
n. aus vor-d. *bi-n-i- n. 'Biene’ neben g. *bi(j)ön
und Grammatik.
n. 'Biene’ in anord. by n., ae. beo, as. ahd. bla
bibliophil Adj. 'bücherliebend’, s. Bibel und zu weur./oeur. *bhi- 'Biene’, auch in akslav.
-phil. bicela (*bhikelä), lit. bite und mit e-Vokalismus
Bibliothek /. 'Bücherei’. Im 16. Jh. entlehnt air. bech (*bhekos). Weitere Herkunft unklar.
aus gleichbedeutend 1. bibliotheca, dieses aus gr. Bienenkorb, mhd. binenkar n., ahd. binikar n.
bibliotheke (dass.), zu gr. bibllon n. 'Buch’ (s. (zu kar 'Gefäß’); Bienenstock ist eigentlich ein
Bibel), und gr. thike 'Gestell, Abstellplatz’. Baumstamm als Behausung der Waldbienen.
Morphologisch zugehörig: Bibliothekar, etymologisch Vgl. Imme und Zeidler.
verwandt: s. Bibel und Theke. Ersatzwort ist Bücherei. Nndl. bij, ne. bee, nschw. bi, nisl. byfluga. — E. Müller-
— W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 55; Hoops Graupa Glotta 18(1930), 132-137; N. Törnquist SN
(1973fT.), II, 502-510. 17 (1945), 200 — 203. Zur Sache: B. Schier: Der Bienen¬
stand in Mitteleuropa (Leipzig 1939); Hoops (1973IT.),
Bickbeere /. 'Heidelbeere’, ndd. Vielleicht als
II, 514-529.
'Pechbeere’ aufzufassen, im Hinblick auf die
Farbe. Der Anlaut (eigentlich p-) müßte dann Bienenstich m. 'Gebäck mit Puddingfüllung’.
dem des zweiten Bestandteils angeglichen sein. Herkunft unklar. Mit -stich kann eine gestockte
Masse bezeichnet sein (vgl. Eierstich), aber das
Bickel m., s. PickelL
Vorderglied bleibt unklar.
biderb Adj., s. bieder.
Bier n. Mhd. hier, ahd. as. bior aus wg. *beu-
Bidet n. 'niedriges Waschbecken (zum Reini¬ ra- n. 'Bier’, auch in ae. beor, afr. biar, hier
gen des Afters und der Genitalien)’. Im Neu¬ (anord. björr m. ist vermutlich aus dem
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend Altenglischen entlehnt). Vor allem kontinental¬
frz. bidet m., dessen weitere Herkunft nicht si¬ germanisches Wort, während im Norden gl
cher geklärt ist. (*alut-) gilt, im Englischen stehen beide neben¬
bidmen swV, s. beben. einander. Bei Konkurrenz beider Bezeichnun¬
gen gilt Bier als das vornehmere Getränk gegen¬
Bieber m., s. Biber.
über Ale. Die Herkunft des Wortes ist unsicher,
bieder Adj. Mhd. biderbe, ahd. bitherbi, mndl. und es gibt dementsprechend mehrere Erklä¬
berf geht zurück auf eine im einzelnen unklare rungsmöglichkeiten. Am wahrscheinlichsten ist
Ableitung von bedürfen mit der Bedeutung 'dem ein Zusammenhang mit der Wurzel für brauen
Bedürfnis entsprechend, brauchbar’, auf Perso¬ (s. d.), bei der neben der Vollstufe der zweiten
nen bezogen 'brav, wacker’ (mit betontem Erst¬ Silbe (*bhreu-) auch eine Vollstufe der ersten
glied). Das Adjektiv starb praktisch ganz aus Silbe (*bherw-) gut bezeugt ist; allerdings zei¬
und wurde im 18. Jh. wiederbelebt. Durchgän¬ gen die einschlägigen Getränkebezeichnungen
gig erhalten blieb Biedermann 'Ehrenmann’, Vollstufe der zweiten Silbe, z. B. gr. (thrak.)
heute nur noch ironisch gebraucht. Dagegen ist brytos m. 'Gerstenbier’, 1. defrutum 'Most’
Biedermeier erst 1853 von A. Kußmaul und L. (*bhru-to-). In einem solchen *bherwo- müßte
Eichrodt als sprechender Name gebildet. Der das w umgesprungen sein (vgl. Auge und
Name wurde dann gegen Ende des Jhs. zur Haupt). Denkbar ist aber auch ein näherer Zu¬
Bezeichnung des Stils der 1. Hälfte des 19. Jhs. sammenhang mit einem germanischen Wort für
S. anbiedern, unbedarft. — Kuhberg (1933), 40f.; 'Gerste, Getreide’ (*bewwa- in anord. bygg
Stammler (1954), 148 — 154.
usw.).
biegen stV. Mhd. biegen, ahd. biogan aus g. Nndl. hier, ne. beer. S. auch Kindelbier. — Der Ansatz
*beug-a- stV. 'biegen’, auch in gt. biugan, anord. *breu-ra- zu brauen mit Dissimilation ist weniger wahr¬
bjüga (Präsens nicht belegt), mit der Variante scheinlich: F. Holthausen IF 60 (1952), 280. An Entleh-
Biese 84 Bild

nung aus spl. biber f. 'Getränk’ (auch Bier’) zu 1. Bigamie f. 'Doppelehe , fachsprachl. Im 16.
bibere 'trinken’ denkt Lindquist (1955), 29f. Vgl. außer- Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. bigamia,
ßerdem: Heyne (1899/1903), II, 341; Hoops (1973ff.), dieses aus kirchen-1. bigamus 'zweimal verheira¬
II, 533-537; L. Mehlber JGGB (1980/81), 49-83 (zu tet’, aus gr. digamos (dass.) (mit 1. bi-), zu gr.
Bier), 32 — 40 (zu Ale).
gamein 'heiraten’.
Biese /. 'Ziernaht’, fachsprachl. Mhd. biese Morphologisch zugehörig: Bigamist.
'Binse’, mndd. bese, mndl. biese. Das hochdeut¬
bigott Adj. 'übertrieben fromm, frömmelnd’.
sche Wort ist aus dem Niederdeutschen oder
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Niederländischen entlehnt; dort berührt es sich
bigot, dessen Herkunft nicht geklärt ist. Volks¬
mit dem Wort Binse (s. d.), mit dem es aber
etymologisch kommt es zu einer Assoziation
nicht verwandt ist. Weitere Herkunft unklar.
der zweiten Silbe mit Gott.
H. Dittmaier ZDA 89(1959), 37-40; Rooth (1981),
Morphologisch zugehörig: Bigotterie.
22-29.
Bikini m. 'zweiteiliger Badeanzug’. Im 20. Jh.
Biest1 m., Biestmilch/. 'erste Milch einer Kuh
nach dem Kalben’, fachsprachl. Mhd. biest, ahd. entlehnt aus gleichbedeutend frz. bikini, dem
as. biost aus wg. *beusta-, auch in ae. beost (und Namen eines Atolls der Gruppe der Marschall-
biesting). Auf eine Parallelform *breusta- führen Inseln, die wegen der von den USA 1946 — 1958
anord. äbrystur f. PI. 'Getränk aus Biestmilch’, dort durchgeführten Atomversuche weltweit be¬
fnhd. briester. Die beiden Formen sind kaum kannt waren. Der Schöpfer des Kleidungsstücks
unabhängig voneinander; es kann aber sowohl verbindet mit dieser Bezeichnung für einen
sein, daß r in dieser Stellung geschwunden ist (knappen) zweiteiligen Badeanzug offenbar die
(vgl. nhd. sprechen — ne. to speak), wie auch, Vorstellung von Südsee-Exotik.
daß ursprüngliches *beust- an die Wörter Brust Bilanz /. 'Endabrechnung, Abwägung von
(s. d.) oder Brieschen angeglichen worden ist. Positivem und Negativem’. Im 17. Jh. entlehnt
Eine Etymologie wird dadurch sehr unsicher. aus gleichbedeutend it. bilancia, dieses aus 1.
Auch die Lautähnlichkeit von gleichbedeuten¬ bilanx (-ncis) 'ausgeglichen’, zu 1. libra bilanx
den gr. pyös und ai. piyusa- mahnt zur Vorsicht, 'Waage mit zwei Waagschalen’.
bis die Herkunft des Begriffs eindeutig geklärt Etymologisch verwandt: s. Balance. — Schirmer
ist. (1911), 33f.

Biest2 n., ugs. Im 16. Jh. über das Westmittel¬ bilateral Adj. 'zweiseitig’, s. bi- und lateral.
deutsche in die Hochsprache gekommen. Über¬ Bilch m. 'Siebenschläfer’, fachsprachl. Mhd.
nommen aus mndl. beest, das aus afrz. beste bilch(müs), ahd. bilih. Entlehnt aus slov. pölh
entlehnt ist. Dieses aus 1. bestia f. '(wildes) Tier’. (vorauszusetzen *pilch) gleicher Bedeutung.
S. Bestie. - E. Öhmann ZDW 18 (1962), 69-99. Das slavische Wort ist verwandt mit lit. pele f.
bieten stV. Mhd. bieten, ahd. biotan, as. bio- 'Maus’ zu lit. pälios, pilkas 'grau’. Also wohl
dan aus g. *beud-a- stV. 'bieten’, auch in gt. die Maus als 'die Graue’ und der Siebenschläfer
-biudan, anord. bjööa, ae. beodan, afr. biada, als 'Maus’ bezeichnet.
bieda, dieses aus ig. *bheudh- mit weit auseinan¬ S. Siebenschläfer. — Wiek (1939), 19f.; Bielfeldt (1965),
derfallenden Bedeutungen, die sich etwa auf 54.
'zum Bewußtsein bringen — sich bewußt wer¬ Bild n. Mhd. bilde, ahd. bilidi (obd. auch
den — zum Bewußtsein kommen’ zurückführen bilodi, biladi), as. bilidi. Die älteste Bedeutung
lassen: ai. bödhati 'wacht, beobachtet, versteht’, ist 'Vorbild, Muster’, erst später überwiegt 'Ab¬
gr. peüthomai 'ich erfahre, erfrage’, aktiv 'ich bild’. Das Wort ist nur kontinentalgermanisch,
teile mit’, akslav. vüz-bünpti 'wach werden’, spanord, biläti usw. sind aus dem Niederdeut¬
akslav. büdeti 'wachen’, lit. büsti 'erwachen’, schen entlehnt und sekundär an läti 'Benehmen’
air. -bo(i)nd mit ad- 'verbünden, erklären’, air. angeglichen worden. Zugehörig sind weiter ahd.
odbo((Jm/'absagen, verweigern’. Der Übergang unbilidi 'Unförmigkeit’, mhd. unbilde 'das Ma߬
zu den germanischen Bedeutungen läßt sich lose, das Unrechte’ und mndd. wie(h)beide,
nicht genau präzisieren; vermutlich haben hier
wikbelderecht 'Dorfrecht’ (o. ä.); weiter mhd.
Präfigierungen mitgewirkt.
unbil Adj. 'ungemäß, ungerecht’, mndd. billich,
Nndl. biedert, ne. bid, nschw. bjuda, nisl. bjööa. S. Bote, bil(li)k, mhd. billich 'passend, angemessen’,
botmäßig, Büttel, Gebiet, unbotmäßig. — Frisk (1966),
weiteres ist unsicher. Der Sippe liegt offenbar
21—23; C. Watkins in: Meid (1987), 308 — 311.
ein nicht bezeugtes Substantiv *bil zugrunde,
Bieten m. 'Vorderteil des Schiffs’, schwz., dessen Bedeutung 'Form’, besonders 'richtige
auch Vorderbieten, Hinterbieten. Falls ur¬ Form’ gewesen sein kann. Dazu wäre bilidi eine
sprünglich 'Brett’, dann zu dem unter Beute2 Kollektivbildung nach üblichem Typ; die Be¬
dargestellten germanischen Wort für 'Tisch, deutung wäre in diesem Fall nur verstärkend,
Brett’. weshalb auch die Weiterbildung wohl das
bilden 85 Bilsenkraut

Grundwort verdrängt hat. Eine denkbare Ver¬ Billetdoux n. 'Liebesbriefchen’, arch. Im Neu¬
gleichsmöglichkeit hierzu wäre 1. filum 'Gestalt’ hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend
(Entsprechung zu l.förmaf); die beiden Wörter frz. billet doux m. (wörtlich; 'süßer Brief’), aus
könnten weiter auf die Erweiterung *bhwi- zu Billett (s. d.) und frz. doux 'süß’ aus 1. dulcis
*bhu3- 'sein’ (in 1. fio 'ich entstehe, werde er¬ 'süß’.
zeugt’, g. *bi-, s. unter bin) zurückgehen. Diese Etymologisch verwandt: s. Billett.
Annahme setzt allerdings voraus, daß 1. filum
Billett n. 'Fahrkarte, Eintrittskarte, Brief¬
n. 'Gestalt’ nicht mehr etymologisch an 1. filum
chen’, arch., österr., schwz. Im 16. Jh. entlehnt
n. 'Faden’ angeschlossen wird. — Im Bilde sein
aus frz. billet (de logement) m. 'Quartierschein
und ins Bild setzen sind abhängig von sich ein
(für Soldaten)’, aus afrz. billette 'Zollzeichen’,
Bild von etwas machen und wurden offenbar
aus älterem afrz. bullette 'Beglaubigungsschein’,
zuerst im Rahmen militärischer Planungen und
aus 1. bulla f. 'Siegelkapsel (usw.)’. Es handelt
Manöver üblich.
sich bezeichnungsmotivisch zunächst also um
Nndl. beeid. S. bilden, billig, Mannsbild, Unbill, Un¬
das mit einem Siegel Versehene; später dann
bilden, Weibsbild, Weichbild. — W. Foerste in: FS Trier
Verlust des ursprünglichen Benennungsmotivs
(1964), 112-145; W. Kaspers ZDS 20(1964),
178-192. und Verselbständigung der Bedeutung. Der Vo¬
kalwechsel von /u/ zu /i/ beruht auf einer Asso¬
bilden .sw V. Mhd. bilden, ahd. bilidön 'gestal¬
ziation mit frz. bille f. 'Kugel’.
ten, Form geben’, dann auch 'abbilden, nachei-
Etymologisch verwandt: Billetdoux, Boiler, Bouillon,
fem’. Abgeleitet von (ahd.) bilidi in seinen ver¬
Bowling, Bulette, Bulle2, Bulletin. Ersatzwort ist
schiedenen Bedeutungen (s. Bild). Die Wort¬ (Fahr-)Karte. - Jones (1976), 148; Brunt (1983), 155f.
sippe spielt dann in der Mystik eine große Rolle
Billiarde /., s. bi- und Milliarde; vgl. Billion.
(vgl. etwa sich einbilden) und liefert im 18. Jh.
einen der zentralen pädagogischen Begriffe mit billig Adj. Mhd. billich, ahd. billih, mndd.
Bildung, gebildet usw. (womit zunächst die For¬ bil(li)k, billich 'angemessen, passend’. Ablei¬
mung der Jugend gemeint ist). tung (mit abgeschwächtem Kompositionsglied,
F. Rauhut GRM 34(1953), 81—91; F. Rauhut/I. s. -lieh) von dem erschlossenen Substantiv *bil
Schaarschmidt: Beiträge zur Geschichte des Bildungsbe¬ 'Form, richtige Form’ (s. Bild), deshalb 'pas¬
griffs (Weinheim 1965); E. Lichtenstein AB 12 (1968), send, angemessen’. Die heutige Bedeutung geht
7-29. auf die Fügung billige Preise zurück, die eigent¬
Bilge /. 'Kielraum, in dem sich Leckwasser lich 'angemessene Preise’ sind, dann aber als
sammelt’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬ 'niedrige Preise’ verstanden werden. In dieser
deutendem ne. bilge, dessen Herkunft nicht aus¬ Bedeutung wird wohlfeil durch billig verdrängt.
reichend klar ist. Das negative unbillig bewahrt die alte Bedeu¬
bilingual Adj. 'zweisprachig’, s. bi- und Lin¬ tung noch besser.
guistik. Nndl. billijk. S. Bild( + ). - Hoops (1973ff.), II,
Billard n. (= ein Spiel, bei dem Kugeln mit 607-612.
einem Stab in Bewegung gesetzt werden). Im Billion /. (= eine Million Millionen). Im 18.
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. biliard Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. billion m.,
m., verkürzt aus jeu de billard m. 'BillardspieE, einer Nachbildung von frz. million m. 'Million’
aus afrz. billart 'Stab zum Kugelspiel’, zu frz. (s. auch bi-), wobei 'zwei’ hier die „Doppelung“
bille f. 'Holzstab’. der Million in Form der Multiplikation mit sich
Jones (1976), 147f. selbst meint. Entsprechend Billiarde zu Mil¬
Bille/. 'Hinterbacken’, ndd. Mndd. (ars)bille, liarde.
mndl. ersbille. Daneben die Ablautvariante ahd. Etymologisch verwandt: Million.
as. arsbelli aus vor-d. *beljölbaljö zu einer Wur¬ Bilme /., s. Bilsenkraut.
zel *bhel-, die Bezeichnungen für Wülste, Ge¬
Bilsenkraut n. 'Hyoscyamus niger’ (= Heil-
genstände mit Rundungen usw. liefert. Zu die¬
und Giftpflanze), fachsprachl. Mhd. bilse /.,
ser s. Ball1, Biller.
ahd. bil(i)sa /., mndd. bilse /., mndl. bilse /.,
Nndl. bil. - W. Foerste in: FS Trier (1964), 140.
belse /., belsencruut, daneben ae. belene f,
Biller PI. 'Zahnfleisch’, obd. Mhd. biler(n),
be(o)lone/., as. bilena/., die auch außergerma¬
ahd. bilarn, mndd. billre, in nördlicheren Mund¬
nisch vergleichbar sind: gall. belenion, russ. be-
arten auch ablautend Baller u. ä. Vermutlich zu
lenä /.; wieder anders nschw. bolmört, nhd.
den Wörtern der Wurzel *bhel-, die Wörter für
Bilme f. u. a. Weitere Herkunft und Benen¬
'Wulst, Gegenstände mit Rundungen u. ä.’ lie¬
nungsmotiv unklar; es kann zu *bhel- 'Wulst’
fert.
(s. Ball1) gehören wegen der Samentaschen.
S. Bille (Belle) und Ball1. - E. Schwyzer ZVS
57(1930), 265-274; W. Foerste in: FS Trier (1964), Nndl. bilzekruid, ne. henbane, nschw. bolmört. — P.
141; W. Kaspers ZDS 20 (1964), 91 —97, 178 — 192. Kretschmer Glotta 14(1925), 96f.; Marzell (1943/79),
Bilwis 86 Binsenwahrheit

II, 927f.; W. Foerste in: FS Trier (1964), 142; Hoops Präsens). Während diese beiden Paradigmen im
(1973ff.), III, 2-4. Altenglischen getrennt nebeneinanderstehen,
Bilwis m./f 'bestimmter Kobold’, reg. Mhd. sind sie im Althochdeutschen (bim, bis, PI. bi-
bilwiz, bilwiz m./f./n. mndd. bel(le)wit(te), rum, birut). Altsächsischen (bium, bis) und Alt¬
mndl. belewitte. Formal entspricht ae. bilewit friesischen (bim, bin) in einigen Präsensformen
Adj. 'gütig, milde’. Zu dem altenglischen Adjek¬ kontaminiert worden und existieren außerhalb
tiv stimmt, daß der Kobold offenbar ursprüng¬ dieser kontaminierten Formen nicht mehr.
lich gutmütig war, sein Bild dann aber in der S. bauen, ist, sein (+), Wesen (+). - Zur Abgrenzung
späteren Zeit verschlechtert wurde (besonders der beiden Verben im Altenglischen vgl.: K. Jost: beon
zu einem schädlichen Komdämon). Ein An¬ und wesan (Heidelberg 1909).

schluß an *bil (die Grundlage von Bild, s. d.) binär Adj. 'zwei Einheiten enthaltend’, s. Bit.
und *wita- (s. Witz) ist nicht ausgeschlossen — binden stV. Mhd. binden, ahd. bintan, as. bin-
die Ausgangsbedeutung müßte dann etwa 'von dan, aus g. *bend-a- 'binden’ auch in gt. bindan,
rechtem Sinn’ gewesen sein, aber alles weitere anord. binda, ae. bindan, afr. binda dieses aus
scheitert am Mangel an Klarheit in der früheren ig. *bhendh- 'binden’ in ai. badhnati 'bindet’,
Sprache. in den anderen Sprachen nur Ableitungen: gr.
W. Deboy: Der Bilwis (Diss. masch. Marburg 1954); peisma 'Schiffstau’, lit. behdras 'Genosse’, mir.
W. Foerste in: FS Trier (1964), 127f.
bann 'Band, Verschluß’, 1. offendix 'Kinnband,
bimmeln swV, ugs. Seit dem 17. Jh. bezeugt, um die Kopfbedeckung der Priester zu halten’.
vgl. mndd. bimmeln. Lautmalend für den Klang Zu der Sonderbedeutung '(Bücher) binden’ ge¬
kleiner Glocken (bim) gegenüber dem bam oder hört Band in der Bedeutung '(dickes) Buch’.
bum der großen. Nndl. binden, ne. bind, nschw. nisl. binda. S. anbandeln,
Bims(stein) m., fachsprachl. Mhd. bumez, Angebinde, Bandage, Bendel, Bund.
bimz, ahd. pumiz. Entlehnt aus 1. pümex (-mieis), Bingo n. (= ein dem Lotto ähnliches Glücks¬
dieses ohne s mobile zu 1. spüma f. 'Schaum’ spiel), sonderspracht. Im 20. Jh. entlehnt aus
(wegen der porösen Beschaffenheit dieses gleichbedeutend ne. bingo, dessen Herkunft
Steins). Parallele Entlehnungen führen zu ae. nicht sicher geklärt ist.
pumicstän, mndd. pomes, mndl. pomse, nndl.
binnen Präp. Mittel- und niederdeutsche
puimsteen.
Form (mndl. mndd. binnen, bim, auch ae. bin-
Lüschen (1968), 190f.
nan, afr. binna, binnia), die älteres mhd. innen als
bimsen swV., ugs. Die Ausgangsbedeutung ist Präposition verdrängt. Heute nur noch zeitlich
'(mit Bimsstein) abreiben, scheuern, putzen’; verwendet; die räumliche Bedeutung in Kompo¬
danach umgangssprachlich 'prügeln’ (vgl. sita wie Binnenland usw. Die Form entstand
scheuern u. ä.), 'drillen’ (vgl. schleifen u. ä.) und aus einer Zusammenrückung von be und innen,
schließlich 'beschlafen’ (angeregt durch bumsen, wobei der Vokal des ersten Glieds (wie etwa in
s. d., aber 'scheuern, reiben’ ist ebenfalls ein bange) verloren ging.
passender Ausgangspunkt). In der Ausgangsbe¬ Nndl. binnen.
deutung seit dem 15. Jh.
Binokel n. 'Brille, Fernglas’, arch. Entlehnt
bin unr. V. Die Formen des Verbums sein sind
aus gleichbedeutend frz. binocle m., dieses aus
nicht nur suppletiv (s. ist, sein und Wesen für
gleichbedeutend neo-1. binoculus m., zu 1. bini
die unvermischten Formen), sondern teilweise
'je zwei, doppelt’ und 1. oculus m. 'Auge’.
auch aus verschiedenen Grundlagen verschmol¬
Etymologisch verwandt: Monokel.
zen: 1. Sg. Präs, bin und 2. Sg. Präs, bist sind
kontaminiert aus der alten Wurzel ig. *es- 'sein’, Binse /. Fnhd. bintze, rückgebildet aus dem
1. Sg. *es-mi (gt. im, anord. em, ae. eom; heth. Plural von mhd. bin(e)z m./f., ahd. binuz m.,
esmi, ai. äsmi, gr. eimi, akslav. jesmi, alit. esmi, as. binut m. aus wg. *binut(a)- (oder *ben-) m.
air. am), 2. Sg. *es-si, esi (gt. is, anord. es, ae. Binse’, auch in ae. beonet- (nur in Eigenna¬
eart; heth. essi, ai. äsi, gr. ei, akslav. jesi, lit. men). Daneben mhd. biese, mndd. bese, nfr.
esi, air. at, it) und der Erweiterung *bhei- aus büs. Herkunft unklar.
*bhwei- zu der Wurzel *hhewo- 'sein’. Diese Nndl. bies, ne. bentgrass. — A. Dittmaier ZDA
Erweiterung bildet ein volles Paradigma im 89(1959), 37-40; Rooth (1981), 22-29.
Altenglischen, außerhalb des Germanischen in Binsenwahrheit /., Binsenweisheit /. Bezeugt
1. fio 'werde, geschehe’, dem “consuetudinal seit dem 19. Jh.; Benennungsmotiv nicht ganz
present” des Verbum substantivum im Kelti¬ klar. Vermutlich im Anschluß an 1. quaerere in
schen (air. biid usw.) und besonderen Formen scirpo nödum 'in der Binse einen Knoten suchen’
in den baltischen und slavischen Sprachen. Im = 'sich unnötige Mühe machen’ (weil die Binse
Gotischen als Relikt die Konjunktion bijandz- keine Knoten hat); also etwa 'eine Weisheit, die
ubfan 'zugleich aber auch’ (formal ein Partizip man nicht suchen muß, die offen zutage liegt’.
bio- 87 Bistum

bio- Präfixoid. Dient der Bildung von Wör¬ Bischof m. Mhd. Bischof ahd. biscof as.
tern mit Bezug auf 'Leben’ (z. B. Biographie biskop, biscop geht zurück auf eine außerhalb
'Schrift über das Leben einer Person’). Es wird des Gotischen gemeingermanischc Entlehnung
sowohl in griechischen Wörtern ins Deutsche aus 1. episcopus 'Bischof’ aus gr. episkopos 'Auf¬
entlehnt als auch in neoklassischen Bildungen seher’, zu gr. skopein 'sehen’. Durch romanische
verwendet und geht auf gr. bios 'Leben’ zurück. Vermittlung wird dabei das p zu b (Ansätze
Etymologisch verwandt: s. Amphibie. schon im Vulgärgriechischen) und anlautendes
Biographie /. 'Lebensbeschreibung’, s. bio- e schwindet. So auch in anord. biskup, byskup,
und Grammatik. ae. bisceop, afr. biskop; dagegen geht das gt.
aipiskaupus unmittelbar auf das griechische
Biologie/. 'Lehre vom Lebenden’, s. bio- und
Wort zurück.
-logie.
Nndl. bisschop, ne. bishop, nschw. biskop, nisl. biskup.
Birett n., s. Barett. S. Skepsis ( + ). — P. Kretschmer Glotta 31(1951),
Birke/. Mhd. birke, birche, obd. birche, ahd. 103f.; Hoops (1973ff.), III, 35-40; M.-L. Rotsaert SW
2(1977), 181-216.
birka, as. birka aus g. *berk-jo/*berkö f. 'Birke’,
auch in anord. bjprk, ae. beorc, dieses aus ig. Bise/. 'Nordostwind’, schwz. Mhd. bise, ahd.
*bherdgo- (mit Ablaut) 'Birke’ in ai. bhürja- m. bisa, as. biosa führen zurück auf vor-d. *bisö f.
(mit r russ. bereza, lit. berzas m., und evtl. 1. 'Nordostwind, Wirbelwind’ (für den Vokal ist
fraxinus 'Esche’. Falls nicht ein altes Lehnwort Länge und Kürze bezeugt, Länge etwa in fnhd.
vorliegt, kann der Baumname zu der ig. Wurzel Beiswind, die Lemmaform entspricht der heute
*bherpg- 'glänzen’ gehören, da die helle Rinde in der Schweiz üblichen). Herkunft unklar. Ein
zu den auffälligsten Merkmalen des Baumes Zusammenhang mit ahd. bisön, mhd. bisen 'zü¬
gehört. Das Birkhuhn, mhd. birkhuon, ahd. birc- gellos sein, umherrennen (wie von Bremsen ge¬
huon heißt so, weil es in Birkenwaldungen ange¬ plagtes Vieh)’ ist denkbar, aber nicht ausrei¬
troffen wird und sich von den Knospen der chend wahrscheinlich zu machen. Zu Brise
Birke nährt. (s. d.) mit Ausfall des r?
Nndl. berk, nschw. björk, nisl. birki. — Suolahti (1909), Ndl. (dial.) bijs. - H. Wehrle ZDW 9(1907),
251-253; Hoops (1973ff.), III, 28f. 164-166; N. Tömquist KVNS 77 (1970), 22f.

Birkhuhn n., s. Birke. Biskotte /., s. Biskuit.

Birne /. Mhd. bir(e), ahd. bira, pira (das Biskuit m. (= ein Feingebäck). Im 17. Jh.
spätere n ist aus dem Plural und anderen Ka¬ entlehnt aus gleichbedeutend frz. biscuit, dieses
susformen der schwachen Flexion verallgemei¬ aus 1. bis coctus (pänis) 'zweimal Gebackenes
nert), entlehnt aus 1. pira /., pirum n. 'Birne’. (Brot)’, aus 1. bis 'zwei, zweimal’ und 1. coquere
Das lateinische Wort wird mit der Sache ent¬ (coctum) 'backen, kochen’. So benannt, da das
lehnt, d. h. mit der Kenntnis der Gartenbirne. Gebäck nach dem Backen noch leicht geröstet
Wie die schon zuvor vorhandenen Flolzbirnen wird. Biskotte (dass.) beruht auf it. biscotto
benannt wurden, ist nicht überliefert. Auch die desselben Ursprungs.
lateinische Form ist ihrerseits aus einem vorin¬ Etymologisch verwandt: s. kulinarisch. Ersatzwort ist
dogermanischen Mittelmeerwort entlehnt. Zwieback. — E. Öhmann NPhM 44 (1943), 13f.; Jones
(1976), 149.
Nndl. peer, ne. pear (die nordischen Wörter sind aus
dem Altenglischen entlehnt: nschw. päron, nisl. pera). Bison n., s. Wisent.
- Hoops (1905), 541 f.; Frings (1932), 152; Hoops
bißchen Pronominaladj. Eigentlich 'ein kleiner
(1973ff.), III, 29-32.
Bissen’ (und dementsprechend mit verschiede¬
birschen swV, s. pirschen. nen regionalen Diminutivformen verwendet),
bis Adv./Präp.lKonj. Mhd. biz ist offenbar z. B. in ein Bißchen Brot 'ein kleiner Bissen
aus mhd. bi und mhd. ze (s. zu) zusammenge¬ Brot’. Im 17./18. Jh. verallgemeinert zu 'ein
wachsen und paßte seine Lautform (Verlust des wenig’, also z. B. auch ein bißchen Eisen, Holz
e, Aussprache des z) der Stellung vor vokalisch usw.
anlautenden Präpositionen (bis auf usw.) an. S. beißen ( +).
Th. Frings/G. Schieb, in: FS Öhmann (1954),
Bißgurre /., s. Peitzker.
429-462; G. Schieb BGDSL-H 81 (1959), 1 -77.
bist unr. V., s. bin.
Bisam m. 'Moschus’, fachsprachl. Im Alt¬
hochdeutschen (ahd. bisamo, mhd. bisem) ent¬ Bistum n., fachsprachl. Mhd. bis(ch)tuom,
lehnt aus gleichbedeutend ml. bisamum n., die¬ ahd. biscoftuom n./(m.?); das Wort ist also aus
ses aus hebr. böscem, bcescem. * Bischof tum gekürzt und lautlich angepaßt. Zu
beachten ist dabei, daß es auch für das Wort
Etymologisch verwandt: Balsam. — Littmann (1924),
Bischof regional Formen gibt, bei denen der
17; Lokotsch (1975), 25.
bisweilen 88 blähen

Vokal der zweiten Silbe ausgestoßen wurde Bitze/. 'Baumgarten, Grasgarten’, reg. Mhd.
(Bisp u. ä.). biziune, bizüne n., ahd. bizüni n., also 'einge¬
zäuntes Grundstück’ zu bei und Zaun (s. d.).
bisweilen Adv., arch. Das seit dem 16. Jh.
Vgl. Beunde.
bezeugte Wort ist mit keiner Bedeutung von bis
in Zusammenhang zu bringen. Es löst mhd. bi bitzein swV. 'prickeln’, südd., wd. Diminuie-
wilen (noch bei Luther beiweilen) und ze wilen rende Bildung zu beißen (s. d.).
(nhd. zuweilen) ab und ist vielleicht eine Kreu¬ Biwak n. 'Nachtlager im Freien’, fachsprachl.
zung aus beiden (bize wilen, vgl. die Entstehung Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
von bis, s. d.). bivouac m., dieses aus ndd. bi-wake 'Beiwache’.
Bit n. 'Binärzeichen’, fachsprachl. Im 20. Jh. Nach den morphologischen Bestandteilen be¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. bit, einem zeichnet das Wort die „Beiwache“. Da diese
Kunstwort aus e. binary digit 'binäre Zahl’. E. Beiwache nicht wie die Hauptwache in einem
binary geht (wie auch d. binär) zurück auf 1. festen Bau, sondern im Freien postiert ist,
binärius 'zwei enthaltend’, zu 1. binus 'je zwei’; kommt die Bedeutungskomponente „im
e. digit 'Ziffer, Zahl’ basiert auf 1. digitus '(der Freien“ hinzu. Diese wird allmählich dominant
zum Zählen benutzte) Finger’. Ein Bit ist eine und drängt das ursprüngliche Benennungsmo¬
Informationseinheit, die genau zwei Zustände tiv des Wachehaltens zurück.
einnehmen kann (z. B. „ja/nein“). Das Binär¬ Zu den Etyma s. bei und wachen.
zahlsystem stellt alle Zahlen auf der Basis von bizarr Adj. 'absonderlich, wunderlich’. Im 17.
zwei Symbolen dar (im Gegensatz zu zehn Sym¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. bizarre,
bolen beim Dezimal-, und sechzehn Symbolen dieses aus it. bizzarro (dass.; älter: 'zornig, lau¬
beim Hexadezimalsystem). nenhaft’), einer Ableitung von obit. bizza 'üble
Etymologisch zugehörig: binär, digital (usw.). Laune, Jähzorn’, das möglicherweise entlehnt
ist aus ahd. bäga 'Streit’.
bitten stV. Mhd. ahd. bitten, as. biddian aus g.
F. Schalk in: FS Wartburg (1958), 655-679; Schalk
*bed-ja- stV. 'bitten’, auch in gt. bidjan, anord.
(1966), 21-59; H. Busch RF 86 (1974), 447-450.
biöja, ae. biddan, afr. bidda, bidia. Das germani¬
sche Verb entspricht in allen lautlichen und Bizeps m. (= der zweiköpfige Oberarmmus¬
morphologischen Einzelheiten (auch in der kel). Neubildung zu 1. biceps 'doppelköpfig’, zu
ganz ungewöhnlichen e-Stufe eines /-Präsens) 1. caput n. 'Kopf, Haupt’ und 1. bis 'zwei’. So
air. guidid 'bittet’, gr. (Glosse) thessesthai 'bit¬ benannt nach dem doppelten Ansatz am Schul¬
ten’ und avest. jaidiiemi 'bitte, erfrage’. Mor¬ tergelenk.
phologisch abweichend, aber lautlich entspre¬ Etymologisch verwandt: s. Chef.

chend sind akslav. zgdati 'dürsten, Verlangen Blache /., s. Plane.


haben, ersehnen’, akslav. zgdeti 'Verlangen Blachfeld n. 'flaches Feld, Ebene’, arch. Erst
haben, begehren’, akslav. zgzdp 'ich dürste, seit Luther bezeugt; bei diesem auch (offenbar
sehne, verlange’ und lit. geidäuti, geidäuju 'ich durch Auflösung des Substantivs) blaches Feld.
wünsche, begehre’. Da die außergermanischen Auf Grund der Beleglage ist wohl von *Flach-
Formen auf einen Anlaut *guh zurückführen, feld mit Dissimilierung des ersten / gegen das
ist diese Gleichung einer der stärksten Hinweise zweite auszugehen, unter Umständen hat zu¬
darauf, daß ig. *guh im germanischen Anlaut sätzlich ein Wort wie Blache (s. unter Plane)
zu b- geworden ist. eingewirkt. Falls urverwandt mit lit. bläkas
Nndl. bidden, ne. bid, nschw. (veraltet) bedja, nisl. 'gleich, eben’ muß es sich in Flurnamen gehal¬
biöja. S. beten, Gebet, Pedell. — E. Seebold in: Mayr¬ ten haben; anders wäre sein späteres Auftreten
hofer/Peters/Pfeiffer (1980), 479—482. nicht zu erklären.
bitter Adj. Mhd. bitter, ahd. as. bittar aus g. S. ßach (+). — Stammler (1954), 131 f.
*bit-ra- Adj. 'bitter’, auch in anord. bitr, ae. blaffen swV. 'kurz bellen’, ugs. Spmhd. mndd.
biter neben dem hochstufigen *bait-ra- gleicher blaffen 'bellen’. Lautmalerische Bildung aus
Bedeutung in gt. baitrs und *baiska- (aus dem Umkreis von bellen (s. d.).
*bait-ska-) in anord. beiskr. Sämtliche zu der Nndl. blaffen. S. belfern.
Verbalwurzel g. *beit-a- beißen’, also ursprüng¬
Blagen PI. 'Kinder’, Blag n. 'Kind’, ugs.,
lich 'beißend’. Vor r ist die hochdeutsche Laut¬
nordwd. Herkunft unklar.
verschiebung unterblieben.
Nndl. blaag.
Nndl. ne. nschw. bitter, nisl. bitur. S. beißen ( + ).
Blähe /., s. Plane.
Bittersüß n., s. Jelängerjelieber.
blähen swV. Mhd. blcejen, ahd. bläen, bläjen
Bitumen n. (= eine teerartige Masse), s. aus wg. *bld-ja- stV., das aber einzelsprachlich
Beton.
schwaches Verb wird, blähen, blasen’, auch in
blaken 89 blaß

ae. bläwan 'blasen’, afr. onblä 'einhauchen’. Blänke /. 'erster Tagesschimmer am Hori¬
Außergermanisch vergleicht sich 1. fläre 'bla¬ zont’, fachsprachl.', 'offene Stelle in einer sonst
sen’, das ä (vielleicht h) aufweist. Lautgebärde, geschlossenen Eisdecke’, reg. Zu blank (s. d.)
ähnlich wie die unter Bausch besprochene. Eine als Abstraktbildung.
Erweiterung dazu ist blasen (s. d.), s. auch Blatt,
Blankett n. 'nicht vollständig ausgefülltes
Blatter.
Schriftstück’,/ac/!iprac/!/. Französisierende Neu¬
Ne. blow.
bildung zu d. blank (s. d.). S. auch blanko.
blaken swV. 'brennen, rußen, qualmen’, ndd. blanko Adj. 'unliniert, unausgefüllt’. Im 17.
Mndd. mndl. blaken, trotz der erst späten Be¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. bianco
zeugung ein altes Wort. Außergermanisch ver¬ (auch: 'weiß’), wobei die Form an d. blank
gleichen sich unter einem Ansatz *bhleg- 'bren¬ angeglichen wird, mit dem es wohl urverwandt
nen’ toch. A. B. pälk- 'brennen, leuchten’, gr. ist. S. auch Blankett.
phlegö 'ich brenne, leuchte’, auch trans., 1. fla-
Blankscheit n. 'Fischbein im Mieder’, arch.
gräre 'brennen, lodern’, nebst 1. flamma
Um 1700 umgedeutet aus frz. planchette /., ei¬
'Flamme’ aus *flag-ma. Für das Germanische
gentlich 'Plättchen, Brettchen’.
wäre ein starkes Verb **blek-a- vorauszusetzen,
das aber nicht bezeugt ist, *blak-ö- kann zu ihm Blankvers m. 'reimloser Jambus\ fachsprachl.
ein Intensivum sein. S. blecken und blitzen zu Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
der Schwierigkeit der Abgrenzung gegenüber blank verse (s. blank und Vers).
*bleik-a- 'schimmern’. Ganz (1957), 40.

Nndl. blaken. S. phlegmatisch. blasen st V. Mhd. bläsen, ahd. bläsan, mndd.


blamieren swV. 'bloßstellen’. Im 17 Jh. ent¬ mndl. blasen aus g. *bläs-a- stV. 'blasen’, auch
lehnt aus frz. blämer 'tadeln’, mit unregelmäßi¬ in gt. -blesan, anord. bläsa, dieses ist eine nur
ger Lautentwicklung aus spl. blastemare, aus germanische Erweiterung der Wurzel *bhle-, die
1. blasphemäre '(Gott) lästern, tadeln’, aus gr. unter blähen dargestellt ist. Hierzu als 'Aufge¬
blasphemein (dass.), das mit gr. phänai 'reden, blasenes, Aufblasbares’ nhd. Blase, mhd. bläse,
sagen’ verwandt ist. Das Wort wird im Deut¬ ahd. bläsa f. nndl. blaas.
schen zunächst vor allem in der Bedeutung 'be¬ Nndl. blazen, nschw. bläsa, nisl. bläsa.

schimpfen, schmähen’ gebraucht; in der Spra¬ blasiert Adj. 'dünkelhaft überheblich’. Im 19.
che der Studentenverbindungen wandelt sich Jh. entlehnt aus frz. blase 'abgestumpft, gleich¬
die Bedeutung, als das Wort häufig bei Verge¬ gültig’, dem PPrät. von frz. blaser 'abstumpfen’,
hen gegen den Ehrenkodex verwendet wird. dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Ur¬
Morphologisch zugehörig: blamabel, Blamage, Blas¬ sprünglich ein wissenschaftlicher Fachausdruck
phemie:; etymologisch verwandt: s. Aphasie. — Jones zur Bezeichnung übersättigter Flüssigkeiten;
(1976), 150f.; Brunt (1983), 157. dann übertragen auf die Alkoholaufnahme im
blangen swV, s. belangen. menschlichen Körper und deren Wirkung auf
blank Adj. Mhd. ahd. blanc, mndd. blank die körperliche Verfassung, woraus sich die Be¬
führen auf vor-d. *blanka- Adj. 'glänzend, weiß, deutung 'gleichgültig, abgestumpft’ ergibt. Un¬
hell’ zurück. Damit vergleicht sich zunächst (als ter Verlust des ursprünglichen Benennungsmo¬
Pferdefarbe) anord. blakkr 'fahl’, aber auch tivs Bedeutungsverengung von 'gleichgültig, un¬
'braun’, ae. blanca 'Schimmel’, so daß wohl ein interessiert’ hin zu 'uninteressiert aus Überheb¬
g. * blanko- 'weiß’ anzusetzen ist (zumal ein lichkeit’, schließlich 'hochnäsig’.
solches Wort durch die romanischen Entleh¬ blasonnieren swV. 'ein Wappen mit Malereien
nungen frz. blanc, it. bianco vorausgesetzt wird); schmücken’, fachsprachl. Im Mittelhochdeut¬
die Bedeutungsabgrenzung macht aber stellen¬ schen (mhd. blasenieren, blesenieren) entlehnt
weise Schwierigkeiten. Die neuhochdeutsche aus afrz. blasonner 'Wappen malen’, zu afrz.
Bedeutung 'bloß, bar’ geht wohl auf Wendun¬ blason 'Schild, Wappen am Schild’, dessen wei¬
gen wie blankes Schwert 'gezogenes Schwert’ tere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
zurück, das ursprünglich 'blitzendes Schwert’ Blasphemie /. '(Gottes)Lästerung’, fach¬
heißen konnte, aber als 'bloßes Schwert’ zu sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
verstehen war. Lautlich und semantisch gehört
1. blasphemia, dieses aus gr. blasphemia (dass.),
blank zu blinken (s. d.), doch ist dieses Verb
einem Abstraktum zu gr. blasphemein 'lästern,
wesentlich später und schlechter bezeugt. Zu
schmähen’, das verwandt ist mit gr. phänai 're¬
Wörtern mit ähnlicher Lautform und Bedeu¬
den, sagen’. Das Vorderglied ist unklar.
tung gehören noch blaken (s. d.), blecken (s. d.),
Etymologisch verwandt: s. Aphasie. — W. Feldmann
bleich (s. d.) und blitzen (s. d.). ZDW 8 (1906/07), 56.
Nndl. blank, nschw. black. S. Blänke, Blankett, blanko.
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 55; Schwentner
blaß Adj. Mhd. blas (selten, auch in ablie¬
(1915), 37-39.
genden Bedeutungen, die möglicherweise nicht
90 Blazer
Blässe

hierhergehören), ahd. blas ros 'Pferd mit Blesse’, in der Bedeutung stärker abweicht. Zu einer
as. blas 'weiß’ aus vor-d. *blasa- neben der Gruppe von westeuropäischen Farbwörtem aus
etwas weiter verbreiteten /Ableitung in Blesse einer Grundlage *bhel- mit im einzelnen unkla¬
(s. d.) Eine nur germanische Erweiterung zu ig. ren Zusammenhängen. — Das Wort tritt in
*bhel- 'weiß’ (besonders als Tierfarbe und für mehreren übertragenen Verwendungen auf, die
weiße Flecken auf Tieren). nur teilweise erklärt werden können. Die Be¬
S. Belche. — Schwentner (1915), 43f.
deutung 'betrunken’ stammt wohl aus 'blau vor
den Augen’, 'blau sehen’ u. ä. (wofür wir heute
Blässe /., s. Blesse.
schwarz sagen), bezeichnet also das Schwindel¬
Blatt n. Mhd. ahd. blat, as. blad aus g. *blada- gefühl des Betrunkenen. Blaues Blut ist eine
n. 'Blatt’, auch in anord. blad, ae. blad, afr. Übersetzung aus span, sangre azul — dieses soll
bled (im Gotischen steht für den Plural das eine Bezeichnung der weißhäutigen (westgoti¬
Wort Laub, s. d.). Dieses läßt sich mit anderen schen) Adelsgeschlechter gewesen sein, bei de¬
indogermanischen Wörtern für 'Blatt’ verglei¬ nen die Adern durch die Haut sichtbar waren
chen, die auf *bhel- zurückführen: toch. A. pält, (im Gegensatz zu den braunhäutigen Mauren).
gr. phyllon (mit unregelmäßiger Vertretung der Die Ausdrücke blauer Montag und blau machen
Schwundstufe), 1. folium, mir. bileöc. Weitere sind nicht ausreichend geklärt.
Verknüpfungen sind unklar; vermutlich aus Nndl. blauw, ne. blue (über das Französische), nschw.
'sprossen, hervorbrechen’, dann näher zu blühen blä, nisl. blär. — Schwentner (1915), 69 — 74; J. Sofer
(s. d.) und vielleicht zu der unter blähen behan¬ Glotta 18 (1930), 125f. Anders zu blaues Blut: K. Heisig
delten Lautgebärde für 'blasen, schwellen, plat¬ MS 99(1980), 181-184.
zen’. — Das Wort steht in zahlreichen übertra¬ Blaubart m. 'Frauenmörder’, sonder spracht
genen Verwendungen für flache Gegenstände. Nach dem französischen Märchen vom Ritter
Dabei geht auf die Bedeutung 'Schulterblatt’ Barbe Bleue.
zurück das Blatt beim Schalenwild (Körperge¬
Blaubuch n. 'fürs Parlament gedruckte Darle¬
gend um das Schulterblatt herum), auf 'Blatt
gung der äußeren Politik mit Beifügung der
Papier’ kein Blatt vor den Mund nehmen (bei den
wesentlichen Aktenstücke’, fachsprachl. Nach
Schauspielern: nicht das Blatt vor den Mund
ne. blue book (weil im englischen Parlament
halten, um zu verdecken, wer spricht), auf das
diese Akten blau eingebunden wurden). In
Blatt beim Kartenspiel die Wendung das Blatt
Deutschland als Schlagwort verwendet; danach
hat sich gewendet; auf den Stoß Blätter (beim
Gelb-, Rot-, Weißbuch gebildet. Für die Sache
Buch, beim Kartenspiel usw.) blättern im Sinn
wird heute Weißbuch gesagt, allgemein spricht
von 'in dünne Schichten zerfallen’, sowie die
man von Farbbüchern.
Bezeichnung Blättermagen für den dritten Ma¬
gen der Wiederkäuer (wegen der Schichten der Bläuel m„ s. bleuen.
Magenhautgebilde) und Blätterteig. bläuen swV, s. bleuen.
Nndl. blad, nschw. blad, nisl. blad. S. Folie (+). — H. Blaustrumpf m. Abwertend für 'intellektuelle
Kügler MS 54(1939), 35. Frau, die auf die als typisch weiblich geltenden
Blatter/., arch. Mhd. blätere, ahd. blät(a)ra, Eigenschaften keinen Wert legt’. Lehnüberset¬
as. blädara aus wg. *blädrön f. 'Blase, Pocke’, zung von ne. blue-stocking. Als Blue Stocking
auch in ae. blädre, eine Instrumentalbildung Society wurden schöngeistige Gesellschaften im
auf ig. *-tro- (im Germanischen auch zu femini¬ London des 18. Jhs. (besonders die der Lady
nen «-Stämmen umgebildet) zu der unter blähen Montague) bezeichnet, weil dort Männer blaue
behandelten Wortsippe. Also eigentlich 'Mittel (statt schwarze) Strümpfe trugen (Diener oder
zum Aufblasen’ (etwa eine Schweinsblase), und Gäste — die Angaben sind nicht einheitlich).
dann übertragen auf Blasen auf der Haut. Danach blue-stocking, Blaustrumpf für 'gelehrte
Nndl. blaar, ne. bladder. Frau’, in Deutschland schon Ende des 18.
Blättermagen m., s. Blatt. Jhs. — Ein älteres Blaustrumpf (17. Jh.) meinte
die Polizeidiener (wegen ihrer blauen Strümpfe);
blättern swV, s. Blatt.
dieser Ausdruck war hauptsächlich bei den Hal-
Blätterteig m., s. Blatt. lischen und Leipziger Studenten üblich.
blau Adj. Mhd. blä(wes), ahd. bläo, bläw-, Blazer m. 'sportliches (blaues) Jackett’. Im
as. bläo aus g. *blewa- Adj. 'blau’, auch in 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. blazer,
anord. blär 'dunkelblau, dunkel’, ae. bläh(ä)- einem Nomen instrumenti zu e. blaze 'hell
wen, bläwen, afr. blaw. Semantisch steht die¬ leuchten’, zu e. blaze 'Flamme, Leuchten’. Bla¬
sem am nächsten kymr. blawr 'grau, grau-blau’ zer sind zunächst leichte Jacken in hellen Far¬
(aus *bhlö-ro-), während das formal ähnlichere ben, die z. B. beim Cricket getragen werden.
1. flävus 'goldgelb, blond’ (*bhlä-wo- neben Dann vor allem auch die Jacken von Schuluni¬
*bhle-wo- als Vorstufe für das germanische Wort) formen usw.
Blech 91 Blende

Blech n. Mhd. blech, ahd. bleh, mndd. blek, blifa (entlehnt, nur in späten christlichen Texten
blik 'Flecken, kleiner Ort’, mndl. blic aus vor-d. bezeugt), ae. bellfan, afr. b(i)lTva, belTva (gt. nur
*b!ika- n. 'dünne Metallscheibe’. Vermutlich eine umstrittene Einzelform bilaif). Der Auslaut
eine Ableitung aus g. *bleik-a- 'glänzen’ (s. blei¬ zeigt grammatischen Wechsel, wie der Vergleich
chen), also ursprünglich 'Glanz, Glänzendes’. mit gt. aflifnan 'übrig bleiben’ zeigt; es ist also
In der Gaunersprache seit dem 15. Jh. bedeutet vor-g. *leip- vorauszusetzen. Eine Wortsippe
Blech eine kleine Münze, dann auch 'Geld’; mit diesem Lautstand gibt es für die Bedeutung
dazu in der Studentensprache des 18. Jh. ble¬ 'beschmieren, kleben’, das mit 'bleiben’ als
chen 'bezahlen’. 'hängen bleiben, kleben bleiben’ verbunden
Nndl. blik. - Hoops (1973fT.), III, 63-72; Wolf werden kann. Ai. limpäti 'beschmiert, salbt’,
(1985), 56. toch. B. Up- 'übrig bleiben’, akslav. prilepiti
blecken swV. Mhd. blecken 'aufblitzen lassen, 'kleben’, lit. lipti 'kleben’, gr. vielleicht aleiphö
durchscheinen lassen, entblößen’, ahd. blecken 'ich schmiere, salbe’ (wenn sekundär aspiriert
'aufblitzen, glänzen’ aus vor-d. *blekk-ä- 'auf¬ gegenüber gr. lipos n. 'Fett’). Dieses aus einer
blitzen (lassen)’, ähnlich ae. blicettan 'glänzen’, einfacheren Wurzel *lei- 'schmieren’, die etwa
ahd. bleckazzen 'glitzern’. Die genaue lautliche in 1. linere vorliegt.
Bestimmung der Wörter dieser Bedeutung mit Nndl. blijven, nschw. bli(va). S. leben ( + ), Leber,
e/i-Vokalismus ist schwierig, weil zwei Grundla¬ Leim{ + ) und die zweiten Bestandteile von elf (s. d.)
gen in Frage kommen; einmal g. *blek- (s. bla¬ und zwölf.

ken) und zum andern g. *bleik-a- (s. bleichen). bleich Adj. Mhd. bleich, ahd. bleih, as. blek
Die beiden Sippen sind bedeutungsähnlich und aus g. *blaika- Adj. 'gelblich glänzend’, auch in
gehen vermutlich auch auf die gleiche Wurzel anord. bleikr, ae. bläc; die Bedeutung 'blaß’
zurück (*bhel-, einerseits zu *bhl-eg-, anderer¬ tritt vor allem im Deutschen hervor. Mit der
seits zu *bhl-ei-g- erweitert). Semantisch ist blek- entsprechenden Lautform gibt es im Germani¬
ken in beiden Fällen gleich zu erklären — die schen Wörter aus dem Bedeutungsbereich 'blaß’
Intensiv-Gemination verweist auf den Aus¬ und solche mit 'glänzen, leuchten’ (s. *bleik-a-
druck für eine kurze, intensive Handlung, also unter bleichen). Letztlich gehen diese Bedeutun¬
etwa 'aufblitzen’. Weiteres unter blaken und gen aber sicher auf den gleichen Ausgangspunkt
bleichen. zurück. Zu 'bleich’ gehören etwa anord. blikna
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 64f. 'erblassen’ und außergermanisch lit. blyksti
Blei1 n. Mhd. blT(wes) m./n., ahd. blio, bliwo, 'bleich werden’. Die andere Bedeutung unter
as. bl! aus g. *bliwa- n. 'Blei’, auch in anord. bleichen.
bly (aber ae. lead, s. Lot). Das Wort ist am Nndl. bleek, ne. black 'schwarz’ aus 'glänzend’, nschw.
ehesten entlehnt aus einer nicht-indogermani¬ blek, nisl. bleikur. S. Bleichen. — Schwentner (1915),
39-43.
schen Sprache, die auch gr. mölybdos, mölibos
m. 'Blei’ (und vielleicht 1. plumbum 'Blei’) gelie¬ bleichen stV, erbleichen stV., verbleichen stV.
fert hat: Aus *mlib- hätte sich g. *blib- oder Mhd. blichen, ahd. blihhan, as. blikan aus g.
*bliw- ergeben können, so daß sich gr. mölibos *bleik-a- stV. 'glänzen, schimmern’, auch in
m. und g. *bITwa- lautlich ausreichend nahe anord. blikja, ae. blican, afr. bleka. Die Bedeu¬
stehen. Bei einer Metallbezeichnung liegt die tung ist im Deutschen durch bleich 'blaß’ beein¬
Annahme der Entlehnung ohnehin nahe. — Mit flußt worden, so daß semantisch die abgeleitete
Blei und Bleiweiß wurde früher geschrieben. Bedeutung 'bleich werden’, aber mit starker
Daher Bleistift, obwohl dieser heute Graphit Flexion, vorliegt.
enthält. Nndl. blijken 'sich herausstellen’, nisl. blika. S. Blech,
Nschw. bly, nisl. bly. — A. Senn JEGPh 32(1933), blecken, bleich, Bleichen.
509; S. Lengmark MoS 47 (1953), 63—71; Lüschen Bleichert m. 'hellroter Wein\fachsprachl. Be¬
(1968), 192; Hoops (1973fF.), III, 72-75.
zeugt seit dem 16. Jh. Aus bleich (s. d.) und dem
Blei2 m., Blei(h)e /. ' Abramis brama’ (= eine Namenelement -hart.
Weißfischart), ndd. für Brachsen. Mndd.
Bleistift m., s. Blei1.
blei(g), bleger, bleyer, mndl. blei aus wg. *blaj-
jön, auch in ae. bläge. Weitere Herkunft unklar; Bleiweiß «., s. Blei1.
in Anbetracht dessen, daß es sich um einen Blende /. 'Gestein, das metallhaltig aussieht,
Weißfisch handelt, ist eine Erweiterung zu aber nicht verwertet werden kann’ (z. B. Zink¬
*bhel- 'weiß’ (s. Belebe und Blesse) nicht ausge¬ blende), fachsprachl. Bezeugt seit dem 16. Jh.
schlossen. Zu blenden (s. d.) im Sinn von 'täuschen’. Später
Nndl. blei, ne. blay, bley. Sammelbegriff für einige halbmetallisch ausse¬
bleiben stV. Mhd. b(e)lTben, ahd. as.(bi)liban hende Gesteine geringer Härte.
aus g. *bi-leib-a- stV. bleiben , auch in anord. Lüschen (1968), 96f., 193f.
92 blitzen
blenden

blenden swV. Mhd. blenden, ahd. bienten, Adjektiv, als dessen Grundlage vielleicht ein
mndd. blenden, blinden aus wg. *blandija- swV. starkes Verb **blend-a- anzusetzen ist (s. unter
'blenden’, auch in ae. biendun, afr. blenda, blenden). Vergleichbar ist vor allem lit. blistis,
blinda, Faktitivum zu blind (s. d.) mit auffälli¬ blgstis, bljsti 'trübe, dunkel werden, sich verfin¬
gem Ablaut. Vielleicht liegt deshalb eher (wie stern’; blind wäre demnach 'finster, verfinstert’.
lit. blistis 'trübe werden, sich verfinstern’ nahe¬ Zu der litauischen Sippe gehört bljsti, blgsti
legt) ein Kausativum zu einem im Germani¬ 'Essen mit Mehl anrühren’, das seinerseits mit
schen nicht mehr erhaltenen starken Verb g. *bland-a- 'mischen’ verwandt ist (s. Blend¬
**blend-a- 'sich verfinstern’ vor, zu dem blind ling). Die Bedeutung 'trübe, finster werden’ geht
eine e-stufige Ableitung wäre. also offenbar auf die Bezeichnung der Verände¬
S. Blende, Blendling. rung beim Einrühren in klare Flüssigkeiten zu¬
rück.
Blendling m. 'Mischling’, fachsprachl. Seit
Nndl. ne. nschw. blind, nisl. blindur.
dem 17. Jh. bezeugt, ist wie gleichbedeutendes
anord. blendingr eine Herkunftsbildung zu dem Blinddarm m. Frühneuhochdeutsche Lehn¬
schwachen Verb blenden 'mischen’ neben dem übersetzung von 1. cölon n. oder 1. intestinum
starken Verb g. *bland-a- 'mischen’ in gt. blan- caecum n., das seinerseits aus entsprechenden
dan, anord. blanda, ae. blandan as. PPrät. gi- griechischen Bezeichnungen für diesen Körper¬
blanda 'mischen’, ahd. blantan. Dies vergleicht teil beim Tier übersetzt ist. Blind hat hier wie
sich vor allem mit lit. blgsti, blgsti 'Essen mit in anderen Wendungen die Bedeutung 'ohne
Mehl anrühren’. Ausgang’.
S. blind, blenden. Blindschleiche /. Mhd. blintsliche, ahd.
Blesse /. 'weißer Fleck (auf der Stirn), Haus¬ blint(o)slih(ho), as. blindslico. Da sie ihre
tier mit einem solchen Fleck’. Zu blaß (s. d.). Augen mit Lidern schließen kann, hielt man sie
Weiße Flecken bezeichnen auch mhd. blasse, von jeher für blind. Deshalb schon gr. typhlön
ahd. blas(ros), mndd. bles(se), anord. blesi (u. ä.) zu gr. typhlös 'blind’, 1. caecilia zu 1.
(m.) und blesöttr (Adj.). Die e-Formen beru¬ caecus 'blind’ und so entstand auch — vielleicht
hen am ehesten auf einer y-haltigen Nominal¬ in Anlehnung an das lateinische Wort — das
ableitung. Daneben mit grammatischem Wech¬ deutsche. Die althochdeutsche und altsächsi¬
sel mndd. blare, mndl. blaar. sche Form ist maskulin. Das Femininum ist
S. blaß und Belche. vielleicht in Anlehnung an Schlange gebildet.
blessieren swV. 'verwunden’, areh. Im 17. Jh. blinken swV. Mhd. * blinken stV., mndd. blen-
entlehnt aus gleichbedeutend frz. blesser, dessen ken, blinken, mndl. blinkem, hierzu sicher blank
weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. (s. d.). Nächstverwandt in der Bedeutung und
Morphologisch zugehörig: Blessur. Lautform ist g. *bleik-a- 'glänzen’, und die mor¬
bleuen swV. 'schlagen’, arch. Mhd. bliuwen phologisch einfachste Verknüpfung wäre die
stV, ahd. bliuwan stV, as. ütbliuwan (nur Präs.) Annahme eines Nasalpräsens **bli-n-k-a mit
aus g. *bleww-a- 'schlagen’ stV, auch in gt. Ablautentgleisung. Morphologisch schwieriger,
bliggwan. In neuerer Zeit zu blau gezogen (grün aber semantisch günstiger wäre ein Anschluß
und blau schlagen) und zu einem schwachen an *blek- (s. unter blaken). Allerdings ist die
Verb geworden. Die Sippe hat außergermanisch späte Bezeugung für diese Verknüpfungen nicht
keine genaue Vergleichsmöglichkeit. Eine Ablei¬ günstig, deshalb nicht ausreichend klar. Nach
tung ist Bleuel, mhd. bliuwel, ahd. bliuwil 'Mör¬ L. Lühr (s. u.) im Niederländischen und Nieder¬
serkeule’, hierzu in neuerer Zeit Pleuelstange deutschen aus dem Umlaut von a entstanden,
(s. d.). als Ableitung von blank.
Blick m., blicken swV. Unter blecken ist auf Nndl. blinken stV, ne. blink. S. auch blinzeln, flink. —
die Wortsippe hingewiesen, die auf g. *blekk-/ Stammler (1954), 216-220; Lühr (1988), 96f.

blikk- mit Intensiv-Gemination beruht, und die blinzeln swV. Spmhd. blinzeln, auch blinzen.
sowohl an *bleik-a- 'glänzen’, wie auch an Die in bairisch-österreichischen Mundarten
**blek-a- 'leuchten’ angeschlossen werden auftretende Form blinkitzen macht blinken als
kann. Als Bedeutungen ergeben sich erst seit Grundlage wahrscheinlich (also *blink-atja-).
mittelhochdeutscher Zeit 'aufleuchten, aufblit¬ S. blinken.
zen’, später auch übertragen auf den schnellen
blitzen swV. Mhd. bliczen, ahd. bleckazzen,
Blick des Auges.
bleckezzen. Zu dem unter blecken aufgeführten
S. blecken, blaken, Blech, bleichen, blitzen.
Verb mit der Bedeutung 'aufblitzen (lassen)’
blind Adj. Mhd. ahd. blint, as. blind aus g. gehört auch die Erweiterung auf g. *-atja- und
*blinda-, älter *blenda- Adj. 'blind’, auch in gt. teils e-, teils i-Vokalismus. Die Bedeutung ist
blinds, anord. blindr, ae. afr. blind. Ein c-stufiges 'glitzern’ u. ä., doch ist sicher schon in verhält-
Blocher 93 blühen

nismäßig alter Zeit auch 'blitzen’ (von der Na¬ den Lautgesetzen unterworfen ist; entspre¬
turerscheinung) vorauszusetzen. Das Substan¬ chende Bildungen gleicher Bedeutung sind gr.
tiv Blitz, mhd. blitze, blicze ist dazu eine Rück¬ blechästhai, russ. (alt) blekati, alb. blegerönj und
bildung. In dieser Bedeutung steht von den etwas abweichend ae. blätan, ne. bleat, nndl.
beiden in Frage kommenden verbalen Grundla¬ blaten.
gen g. *blek- näher, weil auch 1. fulgur 'Blitz’ Zu weiteren Bildungen s. plärren. — H. Glombik-
(aus *bhlg-) zu dieser Wurzelform gehört. Hujer DWEB 5(1968), 144-146.
Blocher m., auch Blocker m. Bürste zum blond Adj. (= eine helle Farbe). Im 17. Jh.
Bohnern’, südd. Zu blochen, blocken 'bohnern’ entlehnt aus gleichbedeutend frz. blond, dessen
zu Bloch, Block 'Holzblock’ (nach der Beschwe¬ Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt ist. Nicht
rung der Bürsten, mit der ein stärkerer Druck auszuschließen ist eine germanische Herkunft,
auf den Boden erzielt werden sollte). da germanische Farbbezeichnungen gerne ent¬
Block m. Niederdeutsche Form von obd. lehnt wurden.
Bloch. Seit dem 17. Jh. üblich, mhd. bloch n., Morphologisch zugehörig: Blondine. — G. Tilander in:
FS Meier (1971), 545-547; Brunt (1983), 160.
ahd. bloh, bloc n./jm.?) 'Klotz, Bohle’. Das
Wort gehört am ehesten zu Balken (s. d.) bloß Adj. Mhd. blöz, mndd. blot, mndl. bloot
und könnte eine Zugehörigkeitsbildung zu die¬ aus g. *blauta- Adj. 'bloß (u. a.)’, auch in anord.
sem sein: *belkön/balkön und *blukna- (aus blautr 'zart, schwach, naß’, ae. bleat 'armselig’.
*bhhgn-ö-). Unmittelbar zu vergleichen kann Lautlich würde entsprechen ein gr. phlydäö 'ich
sein russ. (dial.) bölozno n. 'dickes Brett’ (hat triefe’ mit gr. phlydarös 'weich, matschig’. Das
aber Hochstufe der zweiten Silbe). Die Block¬ würde die altnordische Nebenbedeutung erklä¬
flöte ist nach dem in das Mundstück eingelasse¬ ren, aber kaum zu 'entblößt’ führen. Unter Um¬
nen Block benannt. Die Blockstelle dient zum ständen sind hier zwei verschiedene Wörter zu¬
blockieren eines Geleises, ist also aus blockieren sammengeflossen; vgl. das bedeutungsähnliche
(s. d.) rückgebildet. blöde (s. d.) und obd. ndd. blutt 'bloß, unbeklei¬
Nndl. blök. det’, die lautlich nicht ohne weiteres zu bloß
passen. Die Zusammenhänge bedürfen noch der
Blockade /., s. blockieren.
genaueren Aufklärung.
Blocker m., s. Blocher. Nndl. bloot, nschw. blöt, nisl. blautur 'naß’. — Lühr
blockieren swV. 'sperren’. Im 17. Jh. entlehnt (1988), 267f.
aus gleichbedeutend frz. bioquer (zunächst: 'mit Blouson m./n., s. Bluse.
einem Fort versehen’), einer Ableitung von frz.
blubbern swV. 'Blasen aufsteigen lassen’, ugs.
blocus 'Festungsfort’, dieses aus mndl. blochuus
Erst aus neuerer Zeit bezeugt. Lautmalerisch.
'Balkenhaus’. Durch die Errichtung von Forts
kann der freie Durchgang unterbunden werden; Bluejeans PL, s. blau und Jeans.
daraus dann Verallgemeinerung der Bedeutung. Bluff m. 'Täuschung’. Im 20. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: Blockade; etymologisch aus gleichbedeutend ne. bluff, dessen Herkunft
verwandt: s. Block. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ nicht zweifelsfrei geklärt ist. Ausgangspunkt für
07), 56; Jones (1976), 152f.; Brunt (1983), 160. die Entlehnung ist wohl das Kartenspiel Poker,
blöde Adj. Mhd. blaede 'gebrechlich, zaghaft’, bei dem der Bluff zur Spielpraxis gehört. Dann
ahd. blödi, as. blöö(i) aus g. * blau ha, blaußja- Verallgemeinerung der Bedeutung.
(vermutlich ursprünglich w-Stamm) Adj. Etymologisch verwandt: verblüffen.

'schwach, zaghaft’ auch in anord. blauör, ae. blüffen swV, s. verblüffen.


bleafl, gt. vielleicht in blauhjan 'abschaffen’. blühen swV. Mhd. blüejen, ahd. bluoen, as.
Außergermanisch ist am ähnlichsten gr. phlaü- blöian aus wg. *blö-a- stV. 'blühen’, auch in ae.
ros 'schlecht, geringfügig, ärmlich’ (*bhlau-ro-); blöwan stV (die auf Langvokal auslautenden
weitere Herkunft unklar. Im 17. Jh. wird dazu 'Verba pura’ sind im Deutschen allgemein von
gebildet blödsinnig 'schwachsinnig’, worauf der starken in die schwache Flexion übergegan¬
blöde ebenfalls in dieses Bedeutungsfeld hinein¬ gen). Dieses aus weur. *bhlö- 'blühen’, auch in
gezogen wird. Blödsinn m. ist eine Rückbildung 1. flös (-öris) 'Blume, Blüte’ und mir. bläth
des 18. Jhs. zu blödsinnig. 'Blüte’; falls das Wort Blatt zugehörig ist (s. d.),
Nndl. in bloodaard 'Feigling’, nschw. blödig 'weich, ergeben sich weitere Vergleichsmöglichkeiten.
empfindsam’. S. bloß. — Ruppel (1911), 19f; Lühr Wenn von einer Bedeutung 'sprossen, hervor¬
(1988), 267f. brechen’ auszugehen ist, kann die Wortsippe an
blöken swV. Übernommen aus ndd. blöken, die unter blähen besprochene Lautgebärde für
bleken, mndd. bleken. Daneben fnhd. blocken, 'blasen, schwellen, platzen’ angeschlossen
blecken, das sich nicht gehalten hat. Lautnach- werden.
ahmende Bildung, die nicht notwendigerweise Nndl. bloeien, ne. blow. S. Blatt, Blume, Blüte, Blust.
Blümchenkaffee 94 Bock

Blümchenkaffee m. 'sehr dünner Bohnenkaf¬ gt. blop, anord. blöd, ae. afr. blöd. Ein nur
fee’ (besonders in Sachsen gesagt), ugs., reg. germanisches Wort, das die alten indogermani¬
Angeblich, weil man bei ihm das Blumenmuster schen Wörter für 'Blut’ (vertreten durch 1. aser
auf dem Grund der Tasse sehen konnte. Weitere und 1. cruor m.) ersetzt hat. Vermutlich eine
Herkunft des Benennungsmotivs unklar. Beiwort (oder Hüllwort?) zu diesen, wohl zu
*bhel- 'schwellen’ — 'platzen’ — 'fließen’ (1.
Blume /. Mhd. bluome m.jf., ahd. bluoma /.,
fluere 'fließen’ usw.) als das, was den Körper
bluomo m., as. blömo m. aus g. *blömön m.
straff hält und bei Verwundungen hervorquillt.
'Blume, Blüte’, auch in gt. blöma, anord. blöm
Einzelheiten bleiben aber unklar.
n. , blömi m., afr. bläm (ae. blöma bedeutet
Nndl. bloed, ne. blood, nschw. blöd, nisl. blöd. S. auch
'Metallmasse’ und ist wohl nicht zugehörig);
Geblüt. - H. W. J. Kroes GRM 36 (1955), 347; Silfwer-
partizipähnliche Ableitung 'das Blühende’ aus
brand (1958), 81-115; Hoops (1973fT.), III, 77-80;
g. *blö-a- 'blühen’ (s. blühen). Parallele Ablei¬
E. P. Hamp FLH 1 (1980), 389-392.
tungen sind ae. blöstm(a) m. (ne. blossom) und
ae. bläd fl, ahd. blat n. S. auch Blüte und Blüte /. Mhd. ahd. bluot aus wg. *blö-di- f.
'Blüte’, auch in ae. bläd. Ein //-Abstraktum zu
Blust. — Die Blume des Weins ist dessen Duft
(und Geschmack) — wie der einer Blume (vgl. g. *blö-a- 'blühen’, also eigentlich 'das Blühen’.
frz. bouquet m.). Die Blume im Bierglas ist der Die neuhochdeutsche Lautform (mit -e) ist in
hochstehende Schaum (der wie eine Blume auf¬ frühneuhochdeutscher Zeit aus dem Plural Blü¬
blüht), möglicherweise nach dem Vorbild von ten rückgebildet in Anlehnung an Pflanze u. ä.
\. flös (-öris) m. 'Schaum des Weins’. Durch die S. blühen, Blume, Blust.

Blume oder verblümt wird etwas nur andeu¬ blutrünstig Adj. Mhjd- bluotrunsec (u. ä.) 'mit
tungsweise gesagt; ursprünglich wohl durch Re¬ fließendem Blut’, abgeleitet aus mhd. bluotrunst
deblumen, d. h. in zierlicher, geschmückter Aus¬ 'Fließen von Blut’, zu blut und einer alten Ablei¬
drucksweise. tung von g. *renn-a- 'rinnen’: ahd. runs, runsa,
Nndl. bloem, ne. bloom (entlehnt aus dem Altnordi¬ runst 'Strömung, Wasserlauf’. Erst in jüngster
schen), nschw. blom(ma), nisl. blöm. Zeit hat sich die Bedeutung des Adjektivs zu
Blumenkohl m. Im 16. Jh. als Lehnüberset¬ 'blutdürstig’ gewandelt — die Einzelheiten des
zung zu it. cavolfiore gebildet (zu it. cavolo Übergangs sind noch nicht untersucht.
'Kohl’ und it. fiore 'Blume’) Statt dessen auch S. Runse, rinnen ( + ).
Entlehnung des italienischen Worts, die sich Bö/. 'Windstoß’. Entlehnt aus nndl. bui. Ge¬
heute noch in österr. Karfiol hält. hört wohl zu der unter Bausch dargestellten
blümerant Adj. 'flau, unwohl’, ugs. Im 17. Lautgebärde für 'blasen’.
Jh. entlehnt aus frz. bleumourant 'mattblau’, Boa /. 'Schlange, Halspelz’. Im 16. Jh. ent¬
wörtlich 'sterbendes Blau’. Die heute noch übli¬ lehnt aus 1. boa 'Wasserschlange’ unklarer Her¬
che Verwendung mir wird ganz blümerant zu¬ kunft. Die Bedeutung 'Halspelz, Federboa’ ist
mute ist eine umschreibende Abwandlung von im 19. Jh. aus dem Französischen entlehnt und
mir wird blau (statt dessen heute: schwarz) vor bezeichnet dort ein Accessoir der Damenmode.
den Augen.
Bob m. (= ein Sportschlitten). Im 20. Jh.
Blunze /., auch Blunzen /. 'dicke Blutwurst’, entlehnt aus gleichbedeutend ne. bob(sleigh),
südd. Zu mhd. blunsen 'aufblähen, aufblasen’. zu e. bob 'ruckartig bewegen’ (unsicherer Her¬
Bluse /. (= ein hemdähnliches Kleidungs¬ kunft, möglicherweise lautmalerisch) und e.
stück). Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend sleigh 'Schlitten’ (urverwandt mit d. Schlitten,
frz. blouse, dessen Herkunft nicht sicher geklärt s. d.). Zunächst Bezeichnung für die Gefährte
ist. zum (Lang-)Holztransport, wobei die ruckarti¬
Etymologisch verwandt: Blouson. - Lokotsch (1975), gen Brems- und Lenkmanöver wohl das Benen¬
132. nungsmotiv beeinflußten. Dann übertragen auf
Blust m. Blüte’, arch., alem. Mhd. bluost ist Sportfahrzeuge.
eine besondere Ableitung zu g. *blö-a- ‘blühen; Boccia n. (= ein Spiel mit faustgroßen Ku¬
ähnlich ae. blöstm(a). Es handelt sich hier wohl geln), sonder spracht. Im Neuhochdeutschen ent¬
um germanische .«-Bildungen, es ist aber nicht lehnt aus it. bocciaf. (wörtlich: 'runder Körper,
ausgeschlossen, daß letztlich ein näherer Zu¬ Kugel’), dessen weitere Herkunft nicht sicher
sammenhang zu der «Erweiterung in 1. flös geklärt ist.
(-öris) vorliegt.
Bock m. Mhd. boc, ahd. as. boc, buc aus g.
S. Blume, blühen, Blüte.
*bukka- m. 'Bock’, auch in anord. bukkr, bokkr,
Blut n. Mhd. ahd. bluot, as. blöd aus g. *blö- ae. bucca (n-Stamm, neben bucc 'Rehbock’).
da- n. 'Blut’ (mit grammatischem Wechsel, der Den gleichen Lautstand (expressive Gemina¬
im Gotischen zurückgenommen ist), auch in tion oder Assimilation von gri) zeigen die kelti-
Bockbier 95 Bohle

sehen Wörter air. boc(c), kymr. bwc(h)\ eine Bodenbirne /., s. Erdapfel.
Entlehnung ist deshalb nicht ausgeschlossen
Bodmerei /. 'Schiffsbeleihung’, fachsprachl.
(wenn auch aus sachlichen Gründen nicht
Aus mndd. (ver)bod(d)emen 'den Boden eines
wahrscheinlich). Ohne Geminate, aber mit Vo¬ Schiffs, Schiff und Ladung, beleihen’.
kallänge, entspricht avest. büza- und mit abwei¬ Nndl. bodemerij. S. Boden.
chender Bedeutung arm. bowc 'Lamm’. Weitere
Bofist m., Bovist m. (= Pilzart), fachsprachl.
Herkunft unklar. — Übertragen ist Bock ein
Fnhd. vohenvist 'Füchsinnenfurz’ zu mhd. vohe
vierbeiniges Gestell, danach auch der Kutscher¬
'Füchsin’ (s. Fähe) und mhd. vist 'Furz’ (s. Fist).
bock. Einen Bock schießen für älteres einen Feh¬
Der Anlaut wird gegen den Anlaut des zweiten
ler schießen und damit auch Bock für 'Fehler’:
Gliedes mitteldeutsch und niederdeutsch dissi¬
In den Schützengilden des 16. Jhs. wurde ein
miliert; die entstehende Form wird teils sekun¬
Fehlschuß Bock genannt, wie noch heute beim
där motiviert (zu Pfauen-, Buben-Fist), teils für
Kegeln ein Fehlwurf ein Pudel.
ein Fremdwort angesehen. Dem Hinterglied
Nndl. bok, ne. buck, nschw. bock. S. Bückling2, ver¬
entspricht mit gleicher Bedeutung genau gr. pe-
bocken.
zis 'Bofist’. Allgemeiner ist die Bezeichnung
Bockbier n., gekürzt Bock m./n., auch Doppel¬ 'Wolfsfurz’ in gr. lyköperdon, nndl. wolfsveest,
bock m./n. usw. Früher Oambock oder Ambock frz. vesse-de-Ioupe u. a. Die Benennung bezieht
(in München). Gemeint war ursprünglich das sich auf die bei Berührung des alten Pilzes aus¬
Einbecker Bier, das berühmte Exportbier der stäubenden Sporen.
niedersächsischen Stadt Einbeck. Bock beruht B. Forssman MSS 29 (1971), 47-70.
auf der Kürzung einer regionalen Variante die¬ Bogen m. Mhd. boge, ahd. bogo, as. -bogo
ses Namens. aus g. *bug-ön m. 'Bogen’, auch in anord. bogi,
L. Mehlber JGGB (1980/81), 111-117. ae. afr. boga; eine Instrumentalbildung zu g.
Bocksbeutel m. 'besonders geformte Flaschen *beug-a- 'biegen’ (s. biegen). Außergermanisch
für Frankenwein’. Scherzhafter Vergleich mit vergleichbar ist mir. fidbocc 'Holzbogen’ (mit
dem Hodensack des Bocks. expressiver Gemination oder assimiliertem
Auslaut). — Ein Bogen Papier sind ursprünglich
Bockshorn n. (in der Redensart jemanden ins
die aus einem Stück zusammengefalteten
Bockshorn jagen), ugs. Bezeugt seit S. Brant
Blätter.
und M. Luther in verschiedenen Wendungen.
Nndl. boog, ne. bow, nschw. bäge, nisl. bogi. S. noch
Herkunft unklar, da eine Erklärung aus regio¬ Bausch zu der Redensart in Bausch und Bogen. —
nalen Verhältnissen die weite Verbreitung Hoops (1973fr.), III, 157-165, 171f.; F. Wortmann
glaubhaft machen müßte. NW 15 (1975), 85 — 87. Zur Bedeutung 'Geigenbogen’
W. Hartnacke NPhMo 13 (1942), 227f.; Th. Heiner¬ (seit dem Mittelhochdeutschen): Relleke (1980),
mann BGDSL 61 (1944), 248-269. 73-75, 177.
Boheme /. 'ungezwungenes Künstlermilieu’,
Boden m. Mhd. bodem, boden, ahd. bodam,
sonderspracht. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
as. boöom aus vor-d. *bupma- m. 'Boden’, wäh¬
deutend frz. boheme, dieses aus möglicherweise
rend die außerdeutschen Sprachen auf g. *but-
ml. bohemus 'böhmisch’. Als Herkunftsbezeich¬
ma- zurückgehen (anord. botn, ae. botm). Aus¬
nung („die Leute aus Böhmen“) hat es bereits
zugehen ist offenbar von einem ig. *bhudh-men-
im Mittellateinischen auch die Bedeutung 'Zi¬
in ai. budhnä- m. 'Boden, Grund, Wurzel’ (mit
geuner’. In bewußter „Entbürgerlichung“ des
Erleichterung von -mno-), gr. pythmen m. 'Bo¬
Künstlerlebens kommt es dann zu der Assozia¬
den eines Gefäßes, des Meeres, Wurzel’; ferner, tion von Künstlerleben und Zigeunerleben, die
wohl mit Umsprung des 1. fundus m. 'Bo¬ die heute geläufige Bedeutung entstehen läßt.
den’, mir. bonn m. 'Sohle, Grundlage’. Die Ver¬ Morphologisch zugehörig: Bohemien. — Jones (1976),
schiedenheit des dentalen Auslauts kann auf 153f.
verschiedene Assimilation an den Nasal zurück¬ Bohle /. Mhd. bole, mndd. bol(l)e 'Planke’,
gehen. Herkunft der Wurzel und damit die wei¬ mndl. bol 'Baumstamm’ aus vor-d. *bulön f.
tere Erklärung unklar. Die Bedeutung 'Stock¬ 'Bohle, Baumstamm’; vergleichbar ist anord.
werk’ und dann besonders 'Dachstock’ ist spe¬ bolr, bulr m. (a-Stamm) 'Baumstamm’. An sich
ziell deutsch. — Der Bodensee hat seinen Na¬ könnte hier die unerweiterte Grundlage des
men seit der Karolingerzeit von der kaiserlichen Wortes für Balken (s. d.) vorliegen, doch ist
Pfalz Bodman (Zu dieser s. Hoops [1973ff.], III, diese Annahme bei so spät und schlecht bezeug¬
125-129). ten Wörtern nicht wahrscheinlich. Vielleicht
Nndl. bodem, ne. bottom, nschw. botten, nisl. botn. S. einfach Lautmalereien für schwere Gegen¬
Bodmerei, buddeln, fundieren (+). — H. Schlemmer: stände.
Semantische Untersuchungen zur verbalen Lexik (Göp¬ S. Bollwerk, Phalanx, Planke. — Hoops (1973ff.), III,
pingen 1971), 143 — 149; Lühr (1988), 340f. 174-183.
Bohne 96 Bollwerk

Bohne /. Mhd. böne, ahd. as. böna aus g. Boiler m. (= ein Gerät zur Bereitung von
*baunö f. 'Bohne’, auch in anord. baun, ae. heißem Wasser). Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
bean, afr. bäne. Gemeint ist zunächst die Sau¬ bedeutend ne. boiler, einem Nomen instrumenti
bohne und die Bohnenkerne, die Gartenbohne zu e. boil 'kochen, erhitzen’, aus afrz. bolir
('grüne Bohne’) ist erst später aus Amerika ein¬ (dass.), aus I. bulltre (dass.; eigentlich: 'Blasen
geführt. Außergermanisch vergleicht sich 1. werfen’), einer Ableitung von 1. bulla f. 'Wasser¬
J'aba, russ. bob m. und apreuß. babo, die auf blase (usw.)’.
*bhabhä führen, sowie (aus *bha-ko/ä) alb. bä- Etymologisch verwandt: s. Billett.
the 'Saubohne’ und gr. phakos m. 'Linse’. Mit
Boje /. (= ein verankerter Schwimmkörper
diesen läßt sich der germanische Diphthong nur
als Markierung), fachsprachl. Seit dem 16. Jh.
unter der Annahme einer Dissimilierung
belegt. Entlehnt aus mndl. boye, dieses aus afrz.
**babnö zu *baunö vereinigen; sie ist nicht aus¬
boie (nfrz. bouee). Als dessen Herkunft wird
geschlossen, aber ohne Parallele. Zu bedenken
ndfrk. *bökan 'Zeichen’ (s. Bake) vermutet.
ist außerdem die Möglichkeit, daß es sich um
I. Modeer NB 31 (1943), 131-149.
Entlehnungen aus einer nicht-indogermani¬
schen Sprache handelt, da die Bohne nirgends -hold Suffix. Zunächst Namenelement in Na¬
eine Wildfrucht ist. men auf -bald (vgl. etwa Sigibald 'Sebaldus’)
Nndl. boon, ne. bean, nschw. böna, nisl. baun. — Hoops und gleichzusetzen mit dem Adj. bald 'kühn’.
(1973fr.), HI, 183-189. Schon früh (mittelhochdeutsch) dient dieses
Bohnenlied n. (es geht übers Bohnenlied 'das Namenglied auch zur Schaffung von charakte¬
ist unerhört’), sonder spracht. Dieses Lied ist be¬ risierenden Appellativen. Zunächst etwa Hetz-
zeugt und stammt spätestens aus dem 15. Jh. bold als Name eines Jagdhundes, dann allge¬
Es schildert Verkehrtheiten und Albernheiten mein 'Jagdhund’. Dann schon mittelhoch¬
und hat den Kehrreim Nu gang mir aus den deutsch Trunkenbold und Wankelbold. Vielleicht
Bohnen 'Laß mich jetzt in Ruhe’. war das Hinterglied zur Zeit der ersten Bildun¬
Text bei F. M. Böhme: Altdeutsches Liederbuch (Leip¬ gen noch durchsichtig, vgl. Maul-Held, nschw.
zig 1877), 435. Vgl. außerdem A. Kopp ZVS 27 (1917), dryckeskämpe 'Trunkenbold’ (zu Kämpe, s. d.)
35-49, 167f. u. a.
bohnern swV., höhnen swV 'Boden wachsen’, Bolero m. (= ein sehr rhythmischer spani¬
ndd. Zu mndd. bonen 'blank reiben’, das mit scher Tanz), fachsprachl. Im Neuhochdeutschen
mndl. (uut)boenen auf wg. *bön-5- swV. 'blank entlehnt aus gleichbedeutend span, bolero, des¬
reiben, glänzen’, auch in ae. bönian, führt. sen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
Außergermanisch vergleicht sich air. bän 'weiß,
bölken swV. 'brüllen (vor allem von Rin¬
glänzend’; ein weiterer Anschluß ist an eine
dern)’, nordd., wd. Das Wort gehört zu einer
Wurzelform *bhä- 'leuchten, glänzen’ (ai. bhäti)
Reihe von niederdeutschen Schallwörtem, wie
möglich.
mndd. belken, bolken, mndl. belken, nndl. bal-
Böhnhase m., nordd. Alte niederdeutsche ken (vom Esel), md. bülken, nndl. bulken 'brül¬
Scherzbezeichnung für die Katze ('Bühnenhase’ len, muhen, blöken’. Lautnachahmende Bildun¬
zu Bühne 'Dachraum’, entsprechend anderen¬ gen von der Grundlage von bellen (s. d.) mit
orts Dachhase), die im 15. Jh. (wohl wiederum germanischem /c-Suffix.
scherzhaft) auf unzünftige Handwerker, vor al¬ O. Hauschild ZDW 12(1910), 34.
lem Schneider, übertragen wird (weil sie heim¬
Bolle/. 'Zwiebel’, berlin., Bolle/., schwz. Ge¬
lich in abgelegenen Räumen arbeiten).
kürzt aus it. cipolla (s. Zwiebel) in Anlehnung
C. Walther ZDW 8 (1906/07), 191-199.
an älteres mhd. bolle 'Knospe’ (u. ä.).
bohren swV. Mhd. born, ahd. as. boron aus g. S. Ball1 ( + ).
*bur-ö- swV. 'bohren’, auch in anord. bora, ae.
bollern swV, s. bullern.
börian; außergermanisch vergleicht sich am ge¬
nauesten 1 .foräre 'bohren’ (wohl von einer Voll¬ Böller m. 'kleiner Mörser’. Spmhd. pöler, zu¬
stufe), darüber hinaus weit verbreitet Wörter nächst 'Schleudermaschine’, dann 'kleines Ge¬
auf einer Grundlage *bher- zur Bezeichung von schütz’, zu mhd. boln 'schleudern’, ahd. bolön
Arbeiten mit scharfen Werkzeugen. Die beson¬ 'rollen, wälzen’.
dere Stammbildung in den germanischen und Bollwerk n. Fnhd. boiwerk, ebenso mndd.
lateinischen Wörtern ist entweder intensiv-de- boiwerk, mndl. nndl. bolwerc 'Schutzbau (Werk)
verbal oder denominativ (am ehesten zu einem aus Bohlen’ (s. Bohle). Ins Französische ent¬
Wort für 'Loch’). lehnt als boulevard m., das alsbald seine Bedeu¬
Nndl. boren, ne. bore, nschw. borra, nisl. bora. — tung wandelt zu 'breite Ringstraße’ (die sich
Hoops (1973ff.), III, 189-205.
auf, bzw. vor den Bollwerken ausbilden
Bolzen 97 Boot

konnte). In der Bedeutung 'breite Straße’ dann gegeben wird’. Das Verb bongen 'einen Bon
ins Deutsche zurückentlehnt. ausstellen’ entsteht aufgrund der Aussprache
Stammler (1954), 194-198; Jones (1976), 157f. mit auslautendem velarem Nasal.
Bolzen m. (= fester Holzstift). Mhd. bolz(e), Etymologisch verwandt: Bonbon. — Zu Bonmot: Schir¬
ahd. bolz(o), mndd. bolte(n), mndl. bolte, mer (1911), 35; Brunt (1983), 162f.
boute führen wie anord. bohr auf einen Bonbon «. (= eine Süßigkeit). Im 18. Jh.
«-Stamm; ahd. mhd. bolz, ae. bolt auf einen entlehnt aus gleichbedeutend frz. bonbon m.,
a-Stamm. Beide Formen sind entlehnt aus ro- einer substantivierten Reduplikationsform des
man. (cada-)bultjo 'Bolzen, Pfeil’ aus 1. cata- französischen Adjektivs bon 'gut’, dieses aus 1.
pulta f 'Wurfmaschine, Wurfgeschoß’ aus gr. bonus 'gut’. Es dürfte sich um eine Bildung aus
katapeltes 'Schleudermaschine’. der Kindersprache handeln.
S. bolzen. - J. Brüch ZDA 73 (1936), 75-86. Morphologisch zugehörig: Bonbonniere; etymologisch
bolzen swV. 'kraftvoll, aber planlos Ballspie¬ verwandt: s. Bon.
len, raufen’, ugs. Zu Bolzen (s. d.), vermutlich bongen swV., s. Bon.
mit Bezug auf das Einpressen von Bolzen in der
Bonmot «., s. Bon und Motto.
Technik (kaum vom Bolzen-Schießen).
Bonus m., s. Bon.
Bombardement «., s. Bombe.
Bonze m. (= abwertende Bezeichnung eines
bombardieren swV, s. Bombe.
[finanziell] bessergestellten [Funktionärs]). Im
Bombast m. 'Schwulst, Redeschwall’. Im 18. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. bonze,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. bombast, dieses aus port. bonzo (dass.), aus jap. bözu n.
einer Variante von ne. bombace, dieses aus afrz. 'Priester’. Es bezeichnet zunächst den buddhi¬
bombombasin 'Baumwolle; baumwollene Wat¬ stischen Priester in China und Japan, dann wird
tierung’, aus ml. bombax (-aeis) 'Baumwolle’, es auf bigotte Geistliche beliebigen Bekenntnis¬
aus älterem 1. bombyx (-ycis) m.lf. (dass.), aus ses übertragen. In der Arbeiterbewegung wird
gr. bombyx (dass.); dieses ist wohl orientalischer es zum Spottwort für verständnislose, auf den
Herkunft. Die heutige Bedeutung beruht auf eigenen Vorteil bedachte, hochstehende Funk¬
einem Vergleich mit einer durch Wattierung tionäre (der Grund für die Übertragung liegt
übermäßig vergrößerten Jacke. in der ideologischen Unbeweglichkeit), dann
Etymologisch verwandt: Wams. — Ganz (1957), 42f. allgemein für Hochgestellte und Reiche (z. B.
Bombe /. (= ein Sprengkörper). Im 17. Jh. Parteibonze).
entlehnt aus gleichbedeutend frz. bombe, dieses Lokotsch (1975), 27.
aus it. bomba (dass.), aus 1. bombus m. 'dumpfes
Boom m. 'rasanter Aufschwung’. Im 20. Jh.
Geräusch’, aus gr. bömbos m. (dass.), für das
entlehnt aus gleichbedeutend ne. boom, dieses
man lautnachahmenden Ursprung annimmt.
wohl zu e. boom 'sich plötzlich — unter be¬
Bombardement und bombardieren gehen auf frz.
trächtlicher Geräuschentwicklung — sehr heftig
bombarde (eigentlich: '[Stein-]Schleuderma-
fortbewegen’, das wohl lautnachahmenden Ur¬
schine’) zurück, eine Ableitung von frz. bombe.
sprungs ist.
Seit dem 19. Jh. sind bombenfest und bombensi¬
cher belegt, ursprünglich 'etwas ist so fest (si¬ Boot «. Im 16. Jh. aus der niederdeutschen
cher), daß es durch keine Bombe zerstört wer¬ Seemannssprache übernommen, mndd. böt,
den kann’, dann verallgemeinert zu 'sehr fest, mndl. boot, diese aus me. böt, ae. bät f./m.
sicher’ (wobei die Betonung auf beide Komposi¬ Neben diesem anord. bätr m., mit dem es nicht
tionsglieder fällt). Aus einer Verallgemeinerung urverwandt sein kann. Es fragt sich deshalb, ob
zu 'besonders Wirkungsvolles, Einschlagendes’ das Altenglische aus dem Altnordischen ent¬
dann die Bedeutung 'großartig’ von bombig. lehnt hat oder umgekehrt (das Wort ist weder
Jones (1976), 154f.; Brunt (1983), 161f.
in den ältesten nordischen, noch in den ältesten
englischen Texten belegt). Wegen der kultur-
bombig Adj., s. Bombe.
und sprachgeschichtlichen Verhältnisse ist wohl
Bommel f./m. 'Troddel, Quaste’, reg. Zu bum¬ anzunehmen, daß das nordische Wort den Aus¬
meln (s. d.) in der Bedeutung '(wie ein Glocken¬ gangspunkt bildet. Ein seltenes und poetisches
schwengel) hin- und herschwanken’. anord. beit 'Schiff’ fällt demgegenüber nicht ins
Bon m. 'Gutschein’. Im 19. Jh. entlehnt aus Gewicht, weil es ohne weiteres eine postverbale
gleichbedeutend frz. bon, einer Substantivie¬ Bildung zu anord. beita 'kreuzen’ sein kann.
rung von frz. bon 'gut’, dieses aus 1. bonus Herkunft unklar.
(dass.). Das Bonmot 'treffende, geistreiche Be¬ W. H. Wolf-Rottkay Anglia 71 (1952/53), 140 —147; W.
merkung’ ist wörtlich ein 'gutes Wort’; der Bo¬ Wüst Anglia 73 (1955), 262 — 275; Hoops (1973ff.), III,
nus ist 'etwas, das einem als Plus (= Gutes) 233-291.
Bor 98 Börse

Bor n.,fachsprachl. Fnhd. borros, spmhd. bu- kommt’ zu ndd. bören '(Gefälle) erheben’, vgl.
ras ist entlehnt aus ml. borax f./(n.). Dieses gebühren.
geht über arab. büraq, bauraq auf pers. bürä DRW II, 408; E. Schröder NJ 65/66 (1939/40), 33f.
zurück. Gemeint ist erst in neuerer Zeit das Bordell n. 'Haus für gewerbsmäßige Prostitu¬
Element Bor (entdeckt 1808 als Radikal der tion’. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Boraxsäure), zuvor borsaures Natron. Zur Be¬ mndl. bordeel, dieses aus frz. bordel m. (dass.)
zeichnung des Natriumsalzes wird später erneut und it. bordello m. (dass.), die in der wörtlichen
auf ml. borax f/(n.) zurückgegriffen (nhd. Bo¬ Bedeutung 'kleine (Bretter-)Hütte’ vermutlich
rax m.). auf ein germanisches Wort zurückgehen (s.
E. Öhmann NPhM 57(1956), 107f.; Lüschen (1968), Bord1). Es handelt sich demnach um eine eu¬
194.
phemistische Diminutivbildung.
Borax m., s. Bor. Zum Etymon s. Bord'. — W. J. Jones SN 51 (1979),
Bord1 n. 'Wandbrett’. Niederdeutsches Wort, 249.
das g. *burda- n. 'Brett’ entspricht, auch in gt. bordieren swV. 'einfassen, besetzen’, fach-
fotu-baurd 'Fußbank’, anord. borö, ae. bord, sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus frz. border glei¬
afr. as. bord in., mndd. bort, mndl. bord. Dieses cher Bedeutung, zu frz. bord 'Rand, Besatz’,
Wort steht im Ablaut zu Brett (s. d.). das seinerseits aus einem westfränkischen Wort
Nndl. bord, ne. board, nschw. bord, nisl. borö. S. Bord2, stammt, das zu Bord3 oder zu Borte gehört
Bordell.
(s. d.). Hierzu auch Bordüre.
Bord2 m. 'Oberster Rand des Schiffes’, meist Jones (1976), 156f.
übertragen (an Bord usw.). Niederdeutscher/
borgen swV. Mhd. borgen, ahd. borgen, mndd.
niederländischer Ausdruck der Seemannsspra¬
mndl. borgen aus wg. *burg-e- swV., auch in ae.
che, der auch in Gegenden, in denen er lautlich
borgian. Als älteste Bedeutungen stehen fest
abgewandelt erscheinen sollte, diese Lautform
'schonen’ und 'etwas erlassen’, dann erst 'bor¬
behält. Bezeugt in anord. borö n., ae. afr. as.
gen, leihen’ und 'Bürge sein’. Der Bedeutungs¬
bord n., ahd. bort n. Die Etymologie ist nicht
übergang ist unklar.
eindeutig, da mehrere Herleitungsmöglichkei¬
S. Bürge ( +), mit dem das Wort ersichtlich zusammen¬
ten bestehen; unter Umständen haben die ver¬
hängt.
schiedenen Quellen zusammengewirkt: 1. Da
der Bord ursprünglich aus aufgesetzten Brettern Borg(schwein) n., s. Barg.
bestand, kann Herkunftsgleichheit mit Bord1 Borke/., ndd. Mndd. borke, mndl. bark. Ver¬
'Brett’ angenommen werden. 2. Für das Wort wandt ist anord. bprkr m. 'Rinde’, so daß wohl
bord besteht weithin die allgemeinere Bedeu¬ g. *barku- m. erschlossen werden kann — im
tung 'Rand’, die (da es sich um den Rand des Niederdeutschen/Niederländischen wäre das
Schiffes handelt) ebenfalls zugrundeliegen Wort zum Femininum umgeformt worden.
kann. Bei dieser liegt aber ein anderes Wort Wenn die Bedeutung ursprünglich 'Rinde’ war,
vor, das seinerseits lautlich nicht völlig klar ist: dann ist es auf Grund seiner Verbreitung wohl
Es handelt sich um Bildungen zu *bar/bur- und ein älteres Wort, das sich im Niederdeutschen/
*br-; da ahd. brort, ae. brord bezeugt ist, kann Niederländischen als Relikt erhalten hat. Son¬
ahd. bort usw. durch Dissimilation aus brort stige Herkunft unklar.
entstanden sein — ein einfaches *bor-d- ist aber H. Petersson IF 23 (1908/09), 403.
nicht ausgeschlossen. Bis zu einer genaueren
Born m., s. Brunnen.
Klärung der philologischen Verhältnisse wird
man davon ausgehen müssen, daß in dem Aus¬ borniert Adj. 'engstirnig’. Im 18. Jh. entlehnt
druck der Seemannssprache beide Quellen zu¬ aus gleichbedeutend frz. borne, dem PPrät. von
sammengeflossen sind. frz. borner 'beschränken; (wörtlich: einge¬
Zur Bedeutung 'Rand’ vgl. noch Bord3 und Borte. grenzt)’, einer Ableitung von frz. borne 'Grenz¬
stein’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist.
Bord3 n. 'Uferböschung, begrenzender Ab¬
Etymologisch verwandt: s. abonnieren.
hang’, arch., schwz. Zu dem unter Bord2 behan¬
delten mhd. ahd. bort 'Rand’. Weitere Herkunft Borretsch m. 'Borago officinalis\ fachsprachl.
unklar. Spmhd. boretsch über romanische Zwischenstu¬
S. Borte, bordieren. fen entlehnt aus ml. bor(r)ago. Als Ausgangs¬
Börde f. 'fruchtbare Niederung, besonders in punkt für das lateinische Wort gilt arab. abü
der norddeutschen Tiefebene’, ndd. Aus mndd. caraq 'Vater des Schweißes’, weil Borretsch als
borde 'ein der Stadt(kirche) zins- oder steuer¬ schweißtreibendes Mittel verwendet wurde.
pflichtiges Landgebiet’, dann 'Gerichtsbezirk, Börse1 /. 'Geldbeutel’. Im 18. Jh. entlehnt
Landschaft’, heute vor allem in Landschaftsbe¬ aus nndl. beurs, das seinerseits auf ml. bursa
zeichnungen wie Magdeburger Börde. Althoch¬ 'Geldbeutel’ zurückgeht.
deutsch entspricht giburida f. 'was einem zu¬ S. Börse2, Bursch. — Jones (1976), 158.
Börse 99 Bottich

Börse2/. 'Handelsplatz’. Im 16. Jh. entlehnt f. (wörtlich: 'neue Welle, neuer Stil’); aus port.
aus nndl. beurs, das das 'Börsengebäude’ in novo 'neu’ und port. bossaf. 'Auswuchs, Talent’.
Antwerpen bezeichnet. Dieser Name wird zu¬ Boße m. 'Bund Flachs’, arch. Mhd. böze, ahd.
rückgeführt auf das Brügger Kaufleutege- bözo, mndd. bote aus vor-d. *baut-ön m. 'Bün¬
schlecht von der Burse (weil sie als Kaufleute del Flachs’, vielleicht zu g. *baut-a- 'schlagen’
drei Börsen, Geldbeutel, im Wappen führten). (s. Amboß), vgl. ein Stoß Papier, ein Schlag
In ihrem Haus in Brügge trafen sich die lombar¬ Essen u. ä., oder 'so viel Flachs, wie auf einmal
dischen Kaufleute zu ihren Geschäften; von gebossen wird’?
dort wird die Bezeichnung übertragen auf den
bosseln swV. 'an einer kleinen Arbeit eifrig
Treffpunkt der Kaufleute in Antwerpen.
herummachen, basteln’, ugs. Bezeugt seit dem
S. Börse1.
15. Jh. neben Bossel-Arbeit 'Kleinarbeit’. Viel¬
Borste/. Mhd. börste neben borst n./m., ahd. leicht letztlich zu bossen 'schlagen’ (s. Amboß),
borst, burst m./n., borsta, bursta, as. bursta aus aber die Bedeutungszusammenhänge sind noch
vor-d. *burst- m./f./u. 'Borste’. Daneben mit nicht genügend erhellt.
noch anderen Stammbildungen ae. byrst f./n., Botanik /. 'Lehre von den Pflanzen’, fach¬
bryst, anord. burst. Zu ig. *bhrs/bhares- 'Spitze, sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Borste’, das unter Bart behandelt ist. S. außer neo-1. (scientia) botanica, dieses nach gr. bota-
diesem noch Barsch und Bürste. Ähnliche /-Bil¬ nike (episteme); gr. botanikös 'pflanzlich’ ist
dungen wie in g. *burst- auch in 1. fästigium n. eine Ableitung von gr. botäne 'Weide, Futter’.
'Gipfel’ und ai. bhrsti- 'Spitze’.
Bote m. Mhd. bote, ahd. boto, as. bodo aus
Ne. bristle, nschw. borst. S. widerborstig.
g. *bud-ön m. 'Bote’, auch in anord. boöi, ae.
Borte/. Mhd. horte m., ahd. borto m. aus wg. afr. boda\ Nomen agentis zu g. *beut-a- stV.
*burdönf. 'Rand, Borte’, auch in ae. borda m., 'bieten’ (s. bieten), also 'derjenige, der entbietet
ist die «-stämmige Nebenform zu dem unter oder aufbietet’. Auch Botschaft, ahd. bota-
Bord1 und Bord3 behandelten Wort für 'Rand’, scaf(t), ae. bodscipe ist gemein-westgermanisch
das früh schon 'Randbesatz, Band’ bedeutet. und kann deshalb schon alt sein. Botschafter
Vermutlich ist die systematische Verteilung geht auf Botschaft 'Gesandter’ im 15. Jh. zu¬
*burda- 'Rand’ und *burdön 'Randbesatz’, doch rück. Die Nomen-agentis-Form entwickelte
gehen die belegten Formen durcheinander. sich erst später im nichtamtlichen Gebrauch
Hoops (1973ff.), III, 322. (etwa für Brieftauben). Nachdem das alte Wort
Botschaft 'Gesandter’ zunächst dem frz. ambas-
Böschung/, 'künstlich hergestellter, gleichmä¬
sadeur weichen mußte, wurde dieses im 18. Jh.
ßiger Abhang’. Ursprünglich ein Ausdruck des
durch die Form Botschafter von Wien ausge¬
Deich- und Festungsbaus. Seit dem 16. Jh. be¬
hend, offiziell ersetzt.
zeugt, später die vorausgesetzte Grundlage bö¬
schen 'einen Deich- oder Wallabhang mit Rei¬ botmäßig Adj. 'untergeben’, arch., heute
sigbündeln ausfüttem’. Das Wort gehört offen¬ praktisch nur noch unbotmäßig (s. d.) in über¬
tragener Bedeutung ('aufsässig’). Zu spmhd.
bar zu einer regionalen Form von Busch (s. d.).
botmcezec 'dem Gebot gemäß’ zu (Ge) bot, bie¬
N. Kranemann MS 71 (1961), 328 — 333; Trier (1981),
84 — 88; R. Hiersche BN 18 (1983), 273 — 275.
ten und gemäß (s. d.).
Böttcher m. 'Küfer’, ndd. Spmhd. botecher ist
böse Adj. Mhd. base, böse, ahd. bösi aus
ursprünglich ein niederdeutsches Wort, mndd.
vor-d. *bausja- 'böse, gering, schlecht’. Die laut¬
bodeker, bodiker u. ä. Da im Gegensatz dazu
lich vergleichbaren Wörter sind semantisch zu
Bottich ein urprünglich oberdeutsches Wort ist,
verschieden, so daß die Herkunft unklar bleibt.
kann Böttcher nicht unmittelbar aus diesem ab¬
Nndl. boos. S. empören.
geleitet sein; es ist vielmehr eine niederdeutsche
Boskett n. 'Gebüsch’, fachsprachl. Im 18. Jh. Nomen-agentis-Form auf -ker zu Bütte, mndd.
entlehnt aus frz. bosquet m. 'Wäldchen’, dieses bode(ne) (vgl. omd. Büttner).
aus it. boschetto m. (dass.), einem Diminutivum S. Bütte (+). - M. Äsdahl-Holmberg: Studien zu den
zu it. bosco m. Wald’, für das ein gallischer niederdeutschen Handwerksbezeichnungen des Mittelal¬
Ursprung angenommen wird. ters (Lund, Kopenhagen 1950), 163 — 188.

Boß m. 'Chef’, ugs. Im 20. Jh. entlehnt aus Botten PI. 'schwere Stiefel, plumpe Schuhe’,
gleichbedeutend ne. boss, dieses aus mndl. baas reg. Aus frz. botte f. gleicher Bedeutung, z. T.
'Herr, Meister’. über poln. boty m. 'Gummiüberschuhe, Stiefe¬
S. Baas. letten u. ä.’.

Bossa Nova m. (= ein lateinamerikanischer Bottich m. Mhd. botige, boting, botech(e) m./
Tanz), sondersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus /., ahd. botega f. ist sicher aus dem romanischen
gleichbedeutend brasilianisch-port. bossa nova Bereich entlehnt, doch macht die Bestimmung
Boudoir 100 Brache

der genauen Vorform Schwierigkeiten. In Frage zösischen. Die älteren Bedeutungen sind erhal¬
kommt eine Kurzform von 1. apotheca f. aus ten in der älteren Form Budike.
mgr. apotheke f. (s. Apotheke), doch ist für Etymologisch verwandt: s. Theke. — W. Feldmann
dieses Wort die nächststehende Bedeutung ZDW 8 (1906/07), 56; Jones (1976), 159.
'Weinkeller’, und spl. but(t)is 'Faß’, das aber Bovist m., s. Bofist.
keine tektale Erweiterung zeigt. Eine Mischung
Bowle /. (= ein alkoholisches Getränk mit
aus beiden Quellen ist nicht ausgeschlossen.
Früchten). Im 18. Jh. entlehnt aus ne. bowl
Das Wort Bottich ist zunächst nur oberdeutsch.
'Napf, (Punsch-)Schale’. Das -e durch Vermen¬
Es hat später sein maskulines Genus wohl von
gung mit d. Bolle 'rundliches Gefäß, Schale’.
dem lautähnlichen botah m. 'Körper’ bezogen.
Zunächst entlehnt in der Bedeutung 'Gefäß für
S. Bütte ( + ), Theke (A). - A. Götze NJKA 41 (1918),
Mischgetränke’; ab 1850 metonymisch übertra¬
130; G. Müller BGDSL-H 83 (1961), 288-293; Hoops
(1973ff.), III, 330-332. gen auf ein bestimmtes, in solchen Gefäßen
serviertes Getränk.
Boudoir n. 'eleganter, intimer Raum der vor¬
Ganz (1957), 43f.
nehmen Damen’, sonder spracht. Im Neuhoch¬
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend frz. Bowling n. (= eine dem Kegeln ähnliche
boudoir m., einer Lokativbildung zu frz. bouder Sportart), fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
'schmollen, schlecht gelaunt sein’, das wohl aus gleichbedeutend ne. bowling, einer Ableitung
dem Galloromanischen stammt. So bezeichnet von e. bowl 'schieben, rollen’, zu e. bowl 'Kugel’,
als der Raum, in den sich die Dame zurückzie¬ dieses aus frz. boule f. (dass.), aus 1. bulla f.
hen kann, wenn ihr nicht nach Gesellschaft 'Aufschwellung, Blase’ (usw.).
zumute ist. Etymologisch verwandt: i. Billett.
Bouillon/. 'Fleischbrühe’. Im 18. Jh. entlehnt Box /. 'Schachtel, Unterstand, Abteilung
aus gleichbedeutend frz. bouillon m., einer Ab¬ usw.’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
leitung von frz. bouillir 'sieden’, dieses aus 1. ne. box 'Behältis, Unterstand’, dieses aus 1.
bullire (dass.; eigentlich: 'Blasen werfen’), zu 1. pyxis 'Behältnis’. Boxkalf (aus ne. box calf)
bulla 'Blase (usw.)’. 'chromgegerbtes, feinnarbiges Kalbsleder’ ist so
Etymologisch verwandt: s. Billett. - W. Feldmann benannt nach dem Londoner „bootmaker“ Jo¬
ZDW 8 (1906/07), 56; Brunt (1983), 165. seph Box\ zudem liegt ein wortspielerischer Be¬
Boulevard m., s. Bollwerk. zug des Namens auf die rechteckige („kästchen¬
Bourgeois m. 'wohlhabender Bürger’, fach- förmige“) Narbung des Leders vor.
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Etymologisch verwandt: s. Büchse.
frz. bourgeois, einer Ableitung von frz. bourg boxen swV. 'schlagen; mit den Fäusten kämp¬
'befestigte Siedlung’. Zunächst Bezeichnung des fen’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
freien Staatsbürgers; dann immer stärkere Her¬ ne. box, dessen Herkunft nicht geklärt ist. Boxer
vorhebung der wirtschaftlichen Situation (dabei wird dann von deutschen Züchtern als Bezeich¬
dann Abgrenzung von frz. citoyen), schließlich nung einer Hunderasse gewählt, um Eigen¬
immer mehr „Mitglied der besitzenden Klasse“. schaften wie Kampfgeist u. ä. zu suggerieren.
Morphologisch zugehörig: bourgeois, Bourgeoisie', zum S. boxen. - E. Erämetsä NPhM 59 (1958), 36.
Etymon s. Burg - R. F. Arnold ZDW8 (1906/07), 3.
Boxer m. (= eine Hunderasse), s. boxen.
Bouteille/. 'Flasche’, dreh. Im 17. Jh. entlehnt
Boykott m. 'Ächtung’. Im 19. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutend frz. bouteille, dieses aus
aus gleichbedeutend ne. boycott, das auf einen
ml. buticula (dass.), einem Diminutivum zu ml.
but(t)a 'Schlauch, Faß’, das wohl zurückgeht Eigennamen zurückgeht. Der Güterverwalter
auf gr. boüt(t)is, boüte 'Faß in Form eines Charles Boycott wurde von der irischen Land¬
abgestumpften Kegels’. liga wegen seiner Härte gegen die Pächter ge¬
Etymologisch verwandt: [Bottelier], ächtet, und niemand wollte mehr für ihn arbei¬
ten. Sodann allgemein jemanden so behan¬
Boutique /. 'kleines (Mode-)Geschäft’, son-
deln, wie Boycott behandelt wurde“.
dersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Morphologisch zugehörig: boykottieren.
tend frz. boutique, dieses aus mgr. apotheke
Speicher, Magazin (s. Apotheke). Es bedeutet brabbeln swV. 'vor sich hinreden’, ugs. Mndd.
im 16. Jh. Lokal, in dem ein Beruf ausgeübt brabbelen-, ursprünglich wohl lautmalend.
wird’, dann spezieller 'Kramladen’. Diese Be¬ Brache /, 'unbestelltes Land’. Mhd. bräche,
deutung wird ins Deutsche übernommen; sie ahd. brähha, mndd. mndl. bräke aus vor-d.
verschlechtert sich dann aber zu 'schlechtes *bräk-ö f. Brache’ Da das Wort kaum von
Haus, Bude; (insbesondere:) schlechte Gastwirt¬ kymr. braenar, branar, brynar, air. branar 'Bra¬
schaft’. Die heutige Bedeutung beruht auf einer che’ zu trennen ist, ist ein Anschluß an g.
jungen abermaligen Entlehnung aus dem Fran¬ *brek-a- 'brechen’, der zur Not semantisch
brachial 101 brandmarken

glaubhaft gemacht werden könnte, nicht rat¬ *brg-t-), so daß voreinzelsprachl. *mregh- als
sam. Im Keltischen liegt *brag-no- oder *mrag- Ausgangspunkt anzusetzen ist (Anlaut!). Auf¬
no- voraus, so daß der gemeinsame Ausgangs¬ fällig ist die lautliche und semantische Nähe zu
punkt *bhrag- oder *mrag- sein könnte. Am ig. *mozg- 'Mark, Gehirn’ (s. Mark3), doch
ehesten zu der unter morsch behandelten sind die beiden Sippen lautgesetzlich nicht zu¬
Grundlage, so daß von 'morsch werdendes sammenzubringen.
Land’ auszugehen wäre. Nndl. brein, ne. brain. — Anders: Lühr (1988), 332f.
Nndl. braak(akker). — A. Kutzelnigg MS 82 (1972), Bram /. 'zweitoberste Verlängerung der Ma¬
173.
sten’, fachsprachl., ndd. In Anbetracht der ne.
brachial Adj. 'den Arm betreffend, handgreif¬ Entsprechung top-gallant-sail für 'Bramsegel’
lich’, sonder spracht. Entlehnt aus 1. brachiälis kann an bram 'Angeber’, brummen 'renommie¬
'zum Arm gehörig’, zu 1. brac(c)hium 'Unter¬ ren’ angeknüpft werden; doch ist der Anschluß
arm’, aus gr. brachion (dass.). nicht sicher, da verschiedene Lautformen Vor¬
Etymologisch verwandt: Brasse, Bratsche, Brezel, kommen und das vermutete Etymon nicht über
Pratze. jeden Zweifel erhaben ist.
Brachsen m., Brachse/. (= ein Karpfenfisch), Bramarbas m. 'Prahlhans’, häufig bramarba¬
fachsprachl. Mhd. brahsem m., ahd. brahsa /., sieren swV. 'großtun’, arch. Titelfigur in einer
brachsmo m., brachsma/., mndd. brassem, dane¬ Satire von B. Mencke 1710 und von dort aus,
ben as. bresmia f. (aus *brehs- oder *brahsimo) hauptsächlich durch Gottsched, in allgemei¬
aus vor-d. *brahs-mön f. (u. ä.) 'Brachsen’; dazu nerem Sinn verwendet. Der Name ist wohl in
nschw. braxen, wohl urverwandt, also von ur¬ Anlehnung an span, bramar 'schreien’ oder
sprünglich weiterer Verbreitung. Lautlich läßt nndl. brammen 'prahlen’ (17. Jh.) gebildet.
sich an ein schlecht bezeugtes Verb für 'glänzen, Branche/. 'Abteilung, Zweig’. Im 18. Jh. ent¬
leuchten’ anknüpfen: mhd. brehen, anord. brjä lehnt aus gleichbedeutend frz. branche, dieses
(falls gt. bralva augins 'Augenblick’ dazugehört, aus 1. branca 'Pfote’, möglicherweise mit volks¬
aus *brehw-), da der Brachsen ja ein Weißfisch etymologischer Anknüpfung an 1. brac(c)hium
ist. Es wäre dann also von *bralt(w)s-mön- 'der n. 'Unterarm; Seitenzweige’. Die weitere Her¬
Glänzende’ auszugehen. kunft ist nicht geklärt.
Nndl. brasem, ne. bream (entlehnt aus frz. breme, das Schirmer (1911), 37.
aus der deutschen Sippe stammt), nschw. braxen.
Brand m. Mhd. ahd. brant, as. brand aus
Brack n. 'Ausschuß’, bracken swV 'ausmu¬ g. *branda- m. 'Brand’, auch in anord. brandr
stern’, ndd. Seit dem 14. Jh. als Wörter des 'brennendes Holzscheit’, ae. afr. brand, brond.
norddeutschen Handels bezeugt: Lautvarianten Eine to-Bildung (evtl, aus älterem tu) zu g.
zu Wrack (s. d.) und wracken. *brenn-a- stV. 'brennen’ (s. brennen). Die nordi¬
A. Kutzelnigg MS 82(1972), 169—181. sche Bedeutung 'Teil des Vorderschiffs’ ist sicher
Bracke m. 'Spürhund’, fachsprachl. Mhd. nicht zugehörig; ob die Bedeutung 'Schwert’
bracke, ahd. bracko, mndd. mndl. bracke aus (zu der die häufigen Personennamen auf -brand
vor-d. *brakkön, das — mit expressiver Gemi¬ gehören) einschlägig ist, ist nicht sicher; -brand
in Ortsnamen weist dagegen auf Brandrodung
nation oder -kn-Assimilierung — zu 1. fragräre,
mhd. brechen 'riechen’ gestellt werden kann. hin.
Nndl. brand, ne. nschw. brand.
Nndl. brak. S. Flair ( + ). — Lühr (1988), 225f.
Brandbrief m. 'dringlicher Brief’, sonder-
Brackwasser n. Gemisch von Süß- und Salz¬
sprachl. Entsprechende Wörter treten zu ver¬
wasser’, fachsprachl. Wie nndl. brakwater zu
schiedenen Zeiten mit verschiedenen Bedeutun¬
mndl. brak 'salzig’ (ne. brackish). Dessen Her¬
gen auf. Auf den heutigen Gebrauch haben
kunft zeigt kymr. merddwr 'Salzwasser’ aus
wohl eingewirkt: 1) ein niederdeutsches Wort,
*merg- und dwr, dwfr 'Wasser’: voreinzel-
seit dem 16. Jh. bezeugt, 'Schreiben, wodurch
sprachl. *mrog- zu der unter morsch behandel¬
das Abbrennen von Haus und Hof angedroht
ten Sippe, mit der auch abgestandene und fau¬
wird’ (parallel zu Fehdebrief), und 2) ein süd¬
lige Flüssigkeiten bezeichnet werden. deutsches Wort, seit dem 17. Jh. bezeugt, 'obrig¬
S. Bruch1, Brühl, morsch. - A. Kutzelnigg MS keitliche Verfügung, die zum Sammeln von Ga¬
82(1972), 173. ben für Brandgeschädigte berechtigt’.
Brägen m., Bregen m. Hirn von Schlachttie¬
Brandherd m., s. Herd.
ren’, ndd. Aus mndd. bregen, bragen n., mndl.
Branding/., s. Brandung.
bragen aus wg. *bragno- rn. 'Hirn’, auch in ae.
breegen, afr. brein, brin n. Wohl zu vergleichen brandmarken swV. 'anprangern’. Erst früh¬
mit gr. brechmös m. Vorderhaupt, Oberschä¬ neuhochdeutsch bezeugt. Wie Brandmal und
del’, kymr. breithell, brithell 'Gehirn’ (aus Brand allein bedeutet fnhd. brandmerk 'das Tie-
Brandschatzung 102 brauchen

ren, Geräten usw. eingebrannte Eigentumszei¬ den. Diese kann vorliegen in air. gris 'Hitze,
chen’, ist dann aber wohl weithin als 'Stigma’ Feuer, Glut’ (*guhred-s-, der Lautstand ist aber
(wie etwa Kainszeichen) verstanden worden. unsicher; zum Auslaut vgl. air. grisaid 'macht
Schon früh in übertragener Verwendung ge¬ erröten’ mit kymr. gwrido 'erröten lassen’).
braucht, die heute vorherrscht. Auch 1. fretäle 'Bratpfanne’ kann unmittelbar
Hoops (1973fr.), III, 40lf. zugehören, besonders wenn der Wurzelvokal
Brandschatzung /. und daraus rückgebildet lang ist. Es wäre dann weur. *guhret- 'erhitzen’
brandschatzen swV. 'eine Geldzahlung o. ä. anzusetzen.
(Schatzung) erpressen durch die Drohung des Nndl. braden. S. auch brüten.
Niederbrennens einer Stadt o. ä.’, arch. S. Braten m. Mhd. bräte, ahd. bräto, as. brädo,
Schatz. ein ursprünglich von dem starken Verb braten
Brandsohle /. 'innere Schuhsohle’, fach- ganz unabhängiges Wort mit der Bedeutung
sprachl. Aus dünnem, schlechterem Leder gefer¬ 'schieres Fleisch ohne Speck und Knochen’,
tigt. Evtl, ursprünglich: 'das Stück Leder, das das erst auf Grund der Lautgleichheit sekundär
das Brandzeichen eines Tieres trägt’. dem Verbum angeglichen wurde und heute als
ein Konkretum zu diesem gelten kann. Voraus¬
Brandung/. Seit dem 18. Jh. bezeugt, älter
zusetzen ist g. *bräda-lönl-ö 'Fleischstück’,
Branding, das aus nndl. branding entlehnt ist.
auch in anord. bräö f. 'Fleisch’, ae. lende-bräd
Dieses zu branden (etwa 'wie ein Brand andrin¬
'Lende’. Von der alten Bedeutung hält sich noch
gen’) aus brennen (s. d.) unter dem Einfluß von
obd. Brät 'feingehacktes mageres Kalb- oder
Brand (s. d.).
Schweinefleisch’ und — mit abweichender
Brandy m. 'Weinbrand’, sonder spracht. Im Schreibung — Wildbret (s. d.). Außergerma¬
Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ nisch vergleicht sich lediglich mir. broth
tend ne. brandy, einer Kurzform von e. brand- 'Fleisch’, sonst Herkunft unklar.
wine, brandewine (dass.), aus ndl. brandewijn
Bratenrock m. (= eine Art Gehrock), arch.
(dass., wörtlich: 'gebrannter Wein’) (s. Brannt¬
Seit dem 17. Jh. als 'das Kleidungsstück, in
wein und brennen).
dem man zum Essen (Braten) geht’; vgl. ne.
Ganz (1957), 46.
roastmeat clothes.
Branntwein m. Bezeugt seit dem 14. Jh. als
Bratsche / (= ein Streichinstrument), fach-
brantwm, auch mit Flexion des ersten Gliedes
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
(Akkusativ Brandtenwein bei Schiller). Zu bren¬
it. viola da braccio, dessen Bestimmungswort
nen im Sinn von 'destillieren’ und Wein (s. d.).
zurückgeht auf 1. brac(c)hium n. 'Unterarm’.
Entlehnt zu nndl. brandewijn und von dort zu
Als 'Armgeige’ steht das Instrument im Gegen¬
ne. brandy (s. d.).
satz zur Kniegeige’, der viola da gamba
S. auch Weinbrand.
'Gambe’. Im Deutschen erscheint es zunächst
Brasse/. 'Seil am Ende der Segelstange’, fach¬ als Bratschgeige.
sprach/. Aus nndl. bras, das seinerseits aus frz. Etymologisch verwandt: s. brachial.
bras m. in dieser Bedeutung entlehnt ist. Dies
brauchen swV. Mhd. brüchen, ahd. brühhan,
ist das Wort für 'Arm’, aus dem der technische
brühhen, as. brükan 'genießen, sich erfreuen’ aus
Ausdruck durch Bedeutungsübertragung ge¬
g. *brük-a- stV. intr. 'gebrauchen’, auch in gt.
wonnen ist. Ähnlich schon in dem vorausliegen¬
brükjan, ae. brücan,-afr. brüka. Es ist nur im
den 1. brac(c)hium n. 'Unterarm’.
Altenglischen eindeutig als starkes Verb belegt;
S. brachial (+).
in den übrigen westgermanischen Sprachen gibt
Brassen m., s. Brachsen. es nur ein starkes Präsens, das später meist
Brät n., s. Braten. schwache Präteritalformen hat; im Nordischen
fehlt es, im Gotischen ist es ein schwaches Verb.
braten st V. Mhd. braten, ahd. brätan, as. Prät.
Die Bedeutung ist 'brauchen, gebrauchen, ver¬
-bredaus wg. *bräd-a- stV. 'braten’, auch in ae.
brauchen’. Außergermanisch lassen sich unter
brädan, afr. breda. Vergleichbar sind nordische
einer Grundform ig. *bhrug- mit formalen
Wörter mit der Bedeutung 'schmelzen’: aschw.
Schönheitsfehlern ein lateinisches und altindi¬
bradhin geschmolzen’, anord. brceöa 'schmel¬
sches Verb vergleichen: \. fruor, früctus sum 'ich
zen’ swV. Da die gemeinsame Bedeutung offen¬
genieße, erfreue mich an, habe den Nießbrauch’
bar erhitzen’ ist, liegt ein Zusammenhang mit
(Auslaut unklar), ai. bhunäkti 'genießt, benützt,
der Wurzel von brennen näher als der sonst
verzehrt’ (unter der Annahme, daß das Nasalin¬
angenommene mit Brühe. Zu der unter brennen
fix das r ausgedrängt hat). Die heutige Bedeu¬
(s. d.) angesetzten Wurzel ig. *guher- 'brennen’
tung von brauchen entwickelt sich im 17. Jh. in
müßte dann eine langvokalische Erweiterung
verneinten Sätzen ('etwas nicht verwenden’ =
mit dentalem Auslaut *guhret/dh angesetzt wer¬ 'etwas nicht nötig haben’); das sachliche Objekt
Brauchtum 103 Bräutigam

tritt dabei in den Akkusativ (statt in den Geni¬


der alten Bedeutung 'violett’ beruht auf einer
tiv). Das abgeleitete (erst frühneuhochdeutsch Entlehnung aus 1. prünum 'Pflaume’ zur Be¬
gebräuchliche) Substantiv Brauch wandelt seine
zeichnung der Farbe dieser Frucht (ahd. mhd.
Bedeutung von 'Verwendung’ zu 'Sitte’, wohl
brun). Die Formel braune Nacht (seit der Ba¬
ausgehend von Wendungen wie rechter Brauch,
rockzeit) beruht auf romanischen Vorbildern
unser Brauch usw. Entsprechend Brauchtum.
(frz. nuit brune usw.), Bräune als Krankheits¬
Nndl. gehruiken, ne. brook, nschw. bruka. nisl. brüka. name ('Diphterie, Angina’) bezieht sich auf die
S. frugal ( + ).
Verfärbung der Schleimhäute bei den betroffe¬
Brauchtum n., s. brauchen. nen Kranken.
Braue /. Mhd. brä(wen), ahd. bräwa, as. Nndl. bruin, ne. brown, nschw. brun, nisl. brünn. S.
bräha, bräwa aus g. *brägwö f. 'Braue, Wimper’, brünett. - A. Götze ZDW 12(1910), 200-206;
auch in anord. brä 'Wimper’, ae. bräw, afr. bre Schwentner (1915), 56-59; K. Borinski SBAW( 1918),
nmit Ablaut gt. in brah’a augins 'im Augen¬ Nr. X; K. Borinski SBAW (1920), Nr. I; K. Vietor
ZDPh 63(1938), 284-298; I. Dal ATS 9(1938),
blick’, Konkretbildung zu einem Verb zum Aus¬
219-230.
druck schneller Bewegungen, besonders des Au¬
ges, g. (erweitert) *bregd-a- 'zücken, zucken’ Brausche /. 'Beule auf der Stirn’, reg. Mhd.
(anord. bregöa, ae. bregdan, afr. breida, brida, brüsche. Eine Bildung aus einer Grundlage, die
ahd. brettari), aus voreinzelsprachl. *mrequ- in ae. brysan 'stoßen, schürfen’ (ne. bruise) ent¬
lit. merkti 'die Augen schließen, blinzeln’ (mit spricht.
anderer Vokalisierung). Das alte Wort für brausen swV. Mhd. mndd. brüsen. In der Be¬
'Braue’, ig. *bhrü-, ist erhalten in anord. brün, deutung 'schäumen, sieden’ dürfte das Wort aus
ae. brü und im Deutschen in dialektalen Fort¬ dem Umkreis von brauen (s. d.) stammen. Die
setzern eines nicht belegten mhd. *brü, *brün. Bedeutung 'stürmen’ kann damit Zusammen¬
Das hinzutretende Wort Braue bedeutet zu¬ hängen, aber auch auf einer unabhängigen
nächst 'Wimper’, und zwar wird eine obere und Fautmalerei beruhen.
eine untere Braue (u. ä.) unterschieden (s. Wim¬ Nndl. bruisen. S. auch Braut2.
per). Danach (so schon althochdeutsch) be¬
Braut1/- 'junge Frau am Hochzeitstag’. Mhd.
kommt Braue die heutige Bedeutung.
ahd. brüt, as. brüd aus g. *brüdi- f. 'junge Frau
Nndl. wenkbrauw, ne. brow, nisl. brä. — M. Dolch am Tag ihrer Hochzeit’ (später auch 'Verlobte’),
ZM 20 (1951/52), 146f. Anders: A. Kutzelnigg MS
auch in gt. brüps, anord. brüör, ae. bryd, afr.
83 (1973), 135-142.
breid. Vorauszusetzen ist ig. *mr-ü-t(i)-, das
brauen swV Mhd. briuwen, brüwen, mndd. in dieser Form nicht vergleichbar ist. Auf der
bruwen, bruen, browen stV/swV, mndl. brouwen Grundlage *mr- vergleichen sich 1. maritus 'be¬
aus g. *breww-a- 'brauen’, auch in aschw. bryg- weibt, verheiratet’ und lit. marti 'Braut’.
gia, ae. breowan, afr. briüwa\ dieses aus ig. Nndl. bruid, ne. bride, nschw. brud, nisl. brüöur. S.
*bhru-/bherw- 'wallen, sieden’, auch 'brauen’. Bräutigam, Brautlauf. — W. Krogmann Glotta
Dem Germanischen stehen am nächsten 1. de- 20(1932), 175-180; WS 16(1934), 80-90.
frütum 'gekochter Most’, mir. bruithid 'kocht’
Braut2/. 'Gärung des sämischen Feders nach
(zu mir. bruth 'Glut’, kymr. brwd 'das Brauen;
dem Walken’, fachsprachl. Hierzu Windsbraut,
so viel Bier, wie auf einmal gebraut wird’),
mhd. windes brü (Form unklar), ahd. wintesbrüt
gr. ap-e-phry-sen (Glosse) 'braute, sott’, thrak.
aus vor-d. *brüdi- zu der unter brauen aufge¬
brytos 'Gerstengetränk’; von der anderen Wur¬
führten Grundlage (zu der auch brausen gehört,
zelstufe vor allem 1. fervere (al. [poet.] fervere)
s. d.).
'sieden’ und mir. berbaid 'kocht’.
W. Krogmann IF 49 (1931), 184 — 202.
Nndl. brouwen, ne. brew, nschw. brygga, nisl. brugga.
S. auch Bier, brausen, brodeln, brausen, Braut2, Brun¬ Bräutigam m. Mhd. briutego(u)me, bruite-
nen, Brot, brühen. — L. Mehlber yGG5(1983), 11 —17. gume, ahd. brütigomo, as. brüdigumo aus g.
Zu den wichtigsten Ableitungen vgl.: L. Mehlber JGGB *brüdi-gumön m. 'Bräutigam’, auch in anord.
(1982), 178-186. brüögumi, ae. brydguma (dagegen: gt. brup-faps
braun Adj. Mhd. ahd. as. brün aus g. *brüna- mit einer Entsprechung zu ai. päti- 'Herr’ im
Adj. 'braun’, auch in anord. brünn, ae. afr. brün; Hinterglied). Das zweite Element ist das heute
dieses aus voreinzelsprachl. *bhrüno- 'braun’, im Deutschen ausgestorbene alte Wort für
auch in gr. phrynos m.,phryne f. 'Kröte, Frosch’ 'Mann, Mensch’ in gt. guma, anord. gumi, ae.
(wenn nach der Farbe als 'Brauner’ benannt). guma, ahd. gomo, vergleichbar mit 1. homo, alit.
Eine einfachere (reduplizierte) Wurzelform hegt zmuö 'Mann, Mensch’ zu dem alten Wort für
vor in ai. babhrü- 'braun’ (zu dem vermutlich 'Erde’ (ig. *ghöem-), also eigentlich 'Irdischer’.
das Wort Biber gehört, s. d.); noch einfacher Nndl. bruidegom, ne. bridegroom (sekundär an groom
*bher- in lit. beras 'braun’ (s. Bär). — Braun in angeglichen), nschw. brudgum, nisl. brüögumi. S.
Brautlauf 104 brennen

Braut\ Humus (+). - P. Schmidt ZDA 51 (1909), Bredouille /. 'mißliche Lage’, ugs. Im Neu¬
280-287; Ch. Peeters ZVS 90(1977), 8f. hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend
Brautlauf m. 'Hochzeit’, arch. Mhd. brüt- frz. bredouille (urspr. 'Dreck’), dessen weitere
louf(t) m./f./n., ahd. brüt(h)louft m.lf., as. Herkunft nicht sicher geklärt ist.
brüdlöht, brüdhlöft aus g. *brüdi-hlaupa- m. Bregen m., s. Brägen.
'Hochzeit, Brautiauf’, auch in anord. brüöh- Brei m. Mhd. brl(e), ahd. bri(o), briwo,
laup, bruölaup, brullaup n., ae. brydhlöp (aus mndl. bri, mndd. bri, brig aus vor-d. *briwa- m.
dem Altnordischen entlehnt; sonst ws. gifta, 'Brei’. Dies gehört am ehesten zu der Grundlage
angl. gemung /., u. a.). Die Stammbildung ist von brauen, ig. *bherw-/bhreu-, aber zu einem
nicht einheitlich, wobei vermutlich sekundäre sonst nicht belegten Erweiterungstyp *bhr-ei-w-.
Umgestaltungen eine größere Rolle gespielt Das morphologisch entsprechende mir. breö f.
haben als von Anfang an bestehende verschie¬ 'Flamme’ weicht in der Bedeutung stark ab und
dene Bildungen. Es handelt sich um die germa¬ gehört wohl nicht unmittelbar dazu. Ausgangs¬
nische Bezeichnung der Hochzeit, wobei das bedeutung könnte etwa 'Gekochtes’ sein (vgl.
Benennungsmotiv unklar bleibt (s. Braut1 und die regionale Variante Koch 'Brei’). In bair.
laufen). Vermutlich ist die 'Heimführung’ der Brein ist das n einer «-stämmigen Ableitung
Braut gemeint. festgeworden; die Bedeutung ist in der Regel
W. Rrogmann WS 16(1934), 80 — 90. Anders: E. 'Hirse’.
Schröder ZDA 61 (1924), 17 — 34. Zur Sache: Hoops Nndl. brij. - Hoops (1973ff.), III, 429-431.
(1973fF.), III, 421-425.
breit Adj. Mhd. ahd. breit, as. bred aus g.
brav Adj. 'artig, wacker, lieb’. Im 17. Jh.
*braida- Adj. 'breit’, auch in gt. braifs, anord.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. brave, dieses
breiör, ae. bräd, afr. bred, breid\ Herkunft un¬
aus it. bravo (dass.; auch: 'unbändig, wild’), aus
klar. Etymologisch zugehörig ist wohl ahd.
1. barbarus 'fremd, ungesittet’.
breta 'flache Hand’, ae. bred, afr. brede 'Fläche’.
Etymologisch verwandt: Barbar, bravo.
Nndl. breed, ne. broad, nschw. bred, nisl. breiöur.
bravo Part, 'sehr gut’. Im 18. Jh. entlehnt
Breme /., Bremse1 /. Name verschiedener
aus gleichbedeutend it. bravo (älter: 'tüchtig,
Stechmücken. 1) Mhd. brem(e), ahd. brema/.,
unbändig’), aus 1. barbarus 'fremd, ungesittet’.
bremo m„ as. bremo m. aus vor-d. *brem-ön m.
Morphologisch zugehörig: Bravour, etymologisch ver¬ 'Bremse, Stechfliege’ zu der ig. Schallwurzel
wandt: Barbar, brav. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
*bhrem- (z. B. in 1 .fremere 'brüllen, tosen’, ahd.
07), 56. Zu Bravour: Brunt (1983), 167.
pram 'rugiebam’), hier offenbar in der Bedeu¬
Bravour /., s. bravo. tung 'summen’, also 'Summer’. Vgl. ai. bhrama-
brechen stV. Mhd. brechen, ahd. brehhan, as. rä- m. 'Biene’, bulg. brbmbar 'Hummel, Käfer’.
brekan aus g. *brek-a stV. 'brechen’, auch in gt. 2) Zur gleichen Wurzel mndd. bromete, mndl.
brikan, ae. brecan, afr. breka; dieses aus ig. breemse, ahd. brimissa, das im 17. Jh. aus dem
*bhreg- 'brechen’, das vielfach ein Nasalpräsens Niederdeutschen ins Hochdeutsche übernom¬
aufwies, wodurch das r ausgedrängt werden men wird.
konnte. Lautlich genau vergleicht sich 1. fran- Bremse2 /. 'Hemmschuh’. Spmhd. bremse,
gere 'brechen’ (allerdings mit a-Vokal, aber vgl. 'Klemme, Maulkorb u. ä.’ zu einem Verb, das
das Präteritum fregi)\ ohne r: air. bongid 'bricht, 'zwängen, klemmen’ bedeutet, mhd. pfrengen
erntet’, lit. behgti 'beenden, aufhören’ ('abbre¬ und (lautlich genauer) mndd. pramen. Weitere
chen’), ai. bhanäkti 'bricht, zerbricht’. Die Wur¬ Herkunft unklar. Bremse war die Nasenklam¬
zel *bhreg- kann als Erweiterung von einfache¬ mer zur Bändigung störrischer Pferde, von dort
rem *bher- aufgefaßt werden, durch das ver¬ aus zur Vorrichtung zum Anhalten von Fahr¬
schiedene ähnliche Tätigkeiten bezeichnet wer¬ zeugen.
den, vgl. anord. berja 'schlagen, kämpfen’, ahd. W. Seibicke MS (1964), 253.
berien, berren 'zerstampfen, zerschlagen’, 1.
brennen swV. 1) Formal liegt voraus mhd.
ferire 'schlagen’, akslav. brati 'kämpfen, strei¬
ahd. brennen, aus g. *branneja- 'verbrennen’
ten’. Die Bedeutung 'sich erbrechen’ seit dem
(trans.), auch in gt. gabrannjan, anord. brenna
14. Jh. aus der Magen erbricht sich mit Gewalt.
(älter brinna), ae. bcernan, afr. barna, berna,
Nndl. breken, ne. break. S. bersten, Brecher, bresthaft, burna, Kausativ zum folgenden: 2) Mhd. brin-
Brikett, Brocken, Bruch1, Fragment (+), gebrechen,
nen, ahd. as. brinnan aus g. *brenn-a- stV. 'bren¬
Gebresten, Interferenz, prägen, Verbrechen und indirekt
Bresche. nen’ (intrans.), auch in gt. brinnan, anord.
brenna (älter brinna), ae. beornan, afr. burna.
Brecher m. 'Sturzsee’. Im 19. Jh. entlehnt aus
In nachmittelhochdeutscher Zeit ist das starke
ne. breaker (zu brechen), davor hd. Brechsee.
Verb ausgestorben und seine Funktion vom
S. brechen (+). schwachen Verb übernommen worden. Das ger-
Brennessel 105 Brikett

manische Verb ist wahrscheinlich ein altes Brevier n. 'Gebetbuch; Auszug wichtiger
/»»-Präsens zu der ig. Wurzel *guher- 'brennen’. Textstellen’, fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus
Dieses in ai. ghrnoti 'leuchtet, brennt’ (Lexikon¬ gleichbedeutend 1. breviärium, einem Kollekti-
wort), arm. Jernowm, jeray 'ich wärme mich’; vum zu 1. brevis 'kurz’. Zunächst nur ein kurzes
die einfache Wurzel in gr. theromai 'ich werde Verzeichnis der Elemente des kirchlichen Stun¬
warm, wärme mich’, akslav. greti s§ 'sich wär¬ dengebets, dann erweitert um die jeweiligen Ge¬
men’, lit. gareti 'brennen’, air. fo-geir 'erhitzt, bete, Psalmen und Gesänge.
entflammt’, 1. formus 'warm’.
Etymologisch verwandt: Brimborium', zum Etymon s.
Nndl. branden, ne. bum, nschw. brinna, bränna, nisl. Brief.
brenna. S. Brand, Brandung, Branntwein, Brandy, bra¬
ten, brenzein, Brunst, Weinbrand. - Zum Lautlichen Brezel /. Mhd. brezel (u. ä.), ahd. brezzitella
vgl.: E. Seebold in: Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), (u. ä.) sind aus einem romanischen Wort ent¬
431 —484, besonders 478f. lehnt, das durch it. bracciatello m. vertreten ist.
Brennessel /., s. Nessel. Dieses ist ein Diminutiv zu 1. brac(c)hia PI.
Arme’ und benennt damit das Gebäckstück
Brente /. 'Rückentraggefaß’, reg. Spmhd.
nach der Form der ineinander gelegten Arme.
brente wie nordit. brenta. Ein Wort der Alpenre¬
Auf eine einfachere (unbezeugte) Vorform ge¬
gion, das in germanischen und romanischen
hen ahd. brezzita, mhd. preze, schwäb. brezet
Sprachen verbreitet ist. Herkunft unklar, ver¬
zurück.
mutlich Substratwort.
S. brachial (+).
E. Öhmann NPhM 42 (1941), 105f.
Brief m. Mhd. brief ahd. briaf, neben as. afr.
brenzein swV. 'verbrannt riechen’, reg. Seit
bref n., anord. bref n. Frühe Entlehnung aus 1.
dem 16. Jh. zu gleichbedeutendem brenzen, das
breve n. 'kurzes Schreiben’ (zu 1. brevis 'kurz’).
mit Suffix -ezz- (g. *-atja-) aus brennen (s. d.)
Dabei geht g. P auf gedehntes 1. e zurück, / ist
gebildet ist. Die Ableitung brenzlig seit dem 17.
Jh. für 'angebrannt’, auch übertragen 'kritisch, der Reflex von bereits spirantisch gewordenem
verdächtig’. 1. v. Die Bedeutung ist ursprünglich 'Urkunde,
kurze schriftliche Festlegung’; die heutige Be¬
Bresche /. Im 16. Jh. als militärisches Fach¬
deutung wird ursprünglich von Sendbrief getra¬
wort entlehnt aus frz. breche gleicher Bedeu¬
gen, das seit mittelhochdeutscher Zeit verein¬
tung. Dieses ist seinerseits wohl aus einem west¬
facht wird. Die ältere Bedeutung noch in Brief
fränkischen Wort aus der Sippe von brechen
und Siegel, verbriefen, Schuldbrief u. ä.
(s. d.) entlehnt. Vor Bresche wurde in frühneu¬
S. Brevier, Brimborium. — Hoops (1973fif.), III,
hochdeutscher Zeit Lucke gesagt. 461-463.
bresthaft Adj. 'mit Gebrechen behaftet’, Bries «., Briesel n., Brieschen n., Bröschen n.
arch., schwz. Mhd. bresthaft zu breste 'Gebre¬ 'innere Brustdrüse bei jungen Kälbern’, fach¬
chen’, also 'mit Gebrechen behaftet’. sprachl. Fnhd. brüs. Am ehesten abgeleitet von
S. Gebresten.
brust, doch ist mangels früher Formen keine
Brett n. Mhd. ahd. bret, as. (beddi-)bred aus Klarheit zu gewinnen.
wg. *breda- n. 'Brett’. Im Ablaut dazu steht Nschw. kalvbräss, vgl. vielleicht auch ne. brisket 'Tier¬
Bord1 (s. d.); es ist deshalb nicht ausgeschlos¬ brust’, frz. brechet m. 'Brustbeinkamm der Vögel’. S.
sen, daß eine gemeinsame, ablautende Grund¬ Brust. — Kretschmer (1969), 248f.
lage (also ein Wurzelnomen) vorausliegt. Zu der Brigade /. (= eine Truppenabteilung), fach¬
Wurzel *bher-, die unter brechen und bohren sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
dargestellt ist; eine Bedeutung 'schneiden frz. brigade, dieses aus it. brigata 'Kampf¬
(o. ä.)’ ist in ihrem Rahmen nicht ausgeschlos¬ truppe’, einer Ableitung von it. brigare 'kämp¬
sen, so daß die Grundbedeutung 'Geschnitte¬ fen’, abgeleitet von it. briga 'Streit’. Die weitere
nes’ sein könnte. — Das schwarze Brett war Herkunft ist nicht geklärt. Dazu Brigant 'Stra¬
ursprünglich eine Tafel, auf die geschrieben ßenräuber’, älter 'Kämpfer’.
wurde, später 'Anschlagtafel’. Vielleicht besteht Morphologisch zugehörig: Brigadier, etymologisch
ein Zusammenhang mit den sogenannten verwandt: [Brigantine], Brigg. — Jones (1976), 162f.
Hohn- und Spott-Tafeln norddeutscher Zünfte,
Brigg /. 'Zweimaster’, fachsprachl. Seit dem
die seit dem 16. Jh. bezeugt sind. Der Ausdruck
18. Jh. nach einer neuenglischen Kürzung von
schwarzes Brett ist hierfür allerdings erst im 18.
Brigantine (ursprünglich 'Raubschiff’, zu Bri¬
Jh. bezeugt. Einen Stein im Brett haben kommt
gant, s. Brigade), dann 'kleiner, schneller Zwei¬
von den Brettspielen. Bretter sind u. a. die Skier
master’.
(nach dem Vorbild von bair. Brettl)', auch für
Vgl. Kuff. - Ganz (1957), 47.
'Bühne, Theater’ (nach der besonders aufgebau¬
ten Bretterbühne). Brikett n. 'Preßkohle’. Im 19. Jh. entlehnt
S. Pritsche. - J. Warncke NZV 6(1928), 179-183; aus gleichbedeutend frz. briquette /., einer Ab¬
A. Götze NGH 7 (1929), 14-20. leitung von frz. brique f. 'Ziegelstein’, dieses
106 Brodem
brillant

im Griechischen suppletiv ergänzen, ist eine sol¬


aus mndl. bricke (dass.) (zu brechen, s. d.). So
benannt nach der Form, in die die Kohle ge¬ che Annahme naheliegend.
preßt wird (etwa „Ziegelstein-Kohle“, vgl. Nndl. brengen, ne. bring, nschw. bringa (entlehnt).

„Eierkohle“). Brink m. 'GrashügeF, ndd. Mndd. mndl. brinc


brillant Adj. 'glänzend’. Im 18. Jh. entlehnt 'Anger’, ähnlich me. brinke, brenke, bringe n.
aus gleichbedeutend frz. brillant, dem PPräs. zu 'Rand, Ufer’, anord. brekka f. 'Abhang eines
frz. briller 'glänzen’, aus it. brillare (dass.). Die Hügels’. Gemeint ist offenbar der Rand eines
weitere Herkunft ist nicht völlig geklärt. Eine Grashügels, hinter dem das Gelände abfällt.
Beziehung zu 1. beryllus 'Beryll, bläulich gefärb¬ Am ehesten zu den Wörtern mit der Bedeutung
tes Mineral’ ist denkbar, in diesem Fall mit 'Rand’ von einer Grundlage *bh(e)r(e)m-, ei¬
Brille (s. d.) verwandt. nerseits in anord. barmr 'Rand’, andererseits in
Morphologisch zugehörig: Brillant, Brillanz, brillieren. mhd. brem n. 'Einfassung’, me. brimme, brumme
- A. Gombert ZDW 3 (1902), 169f.; W. Feldmann n. 'Rand’ (s. verbrämen), also *bhrem-go.
ZDW 8 (1906/07), 56; Littmann (1924), 17; Brunt Das Wort ist häufig in niederdeutschen Ortsnamen
(1983), 167f. und davon abhängigen Personennamen.
Brille /. 'Augengläser’. Im Mittelhochdeut¬ brisant Adj. 'sehr aktuell und heikel, hochex¬
schen (mhd. berille, barille m., fnhd. b[e]rille) plosiv’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
entlehnt aus 1. beryllus m. 'Beryll, bläulich ge¬ frz. brisant, dem PPräs. von frz. briser 'brechen,
färbtes Kristall’, aus gr. beryllos m. (dass.), das zerbrechen, sprengen’, wohl zu afrz. brisa
wohl auf einen dravidischen Stadtnamen zu¬ 'Rückstand beim Keltern’ (aufgefaßt als Nomen
rückgeht. Man schliff Berylle in Reliquiare und acti „das, was aus dem Zerquetschen der Wein¬
Monstranzen ein, um den Inhalt sichtbar zu beeren resultiert“).
machen, erkannte daran die optische Wirkung Morphologisch zugehörig: Brisanz.
des Halbedelsteins und erfand so um 1300 die
Brise /. 'leichter Wind’. Im 18. Jh. in die
Brille. Deren Linsen wurden aus Beryll (und
Seemannssprache entlehnt aus einem Wort, das
Bergkristall) geschliffen, bis man Glas ohne
in mehreren germanischen und romanischen
Bläschen hersteilen lernte. Das Wort ist eigent¬
Sprachen verbreitet, aber unklarer Herkunft ist:
lich die Pluralform, die dann aber singularisch
ne. breeze, frz. brise, span, brisa usw.
für die Verbindung von zwei Augengläsern um¬
S. auch Bise. — Ganz (1957), 47.
gedeutet wird.
S. Beryll und brillant. Brocken m. Mhd. brocke, ahd. brocko ist
eine Bildung mit expressiver Gemination (oder
brillieren sw V, s. brillant.
«-Assimilation) zu brechen (s. d.), also Bruch¬
Brimborium n. 'übergroßer Aufwand , ugs. stück, Abgebrochenes’. Dazu brocken ('Brot
Entlehnt aus frz. brimborion m. 'Lappalie’. Da¬ o. ä. in Stücke brechen und in die Suppe o. ä.
bei Einfluß von frz. brimbe, bribe m. (dass.), aus werfen’) und bröckeln ('in Brocken zerfallen).
mfrz. breborion 'Brevier’, später 'Zauberformel,
Das auslautende n ist aus dem Plural und den
Zaubergebete’, dieses aus 1. breviärium 'Brevier’,
obliquen Formen übernommen.
zu 1. brevis 'kurz’. Die heutige Bedeutung ist zu
Lühr (1988), 226.
verstehen als 'viel Lärm um nichts’.
brodeln swV. Spmhd. brodelen, nndl. bordeten.
Etymologisch verwandt; Brevier, zum Etymon s. Brief.
Iterativ-Ableitung zu einem Wort für 'Brühe’,
bringen unr. V. Mhd. bringen, ahd. bringan,
wg. *bruda- n. in ahd. brät, ae. brof. Brudler
as. brengian aus g. *breng-a- unr. V. 'bringen’,
u. ä. sagt man süddeutsch für 'Brauer, Koch’
auch in gt. briggan, ae. bringan, afr. bringa. Die
u. ä., Aschenbrödel (s. d.) ist 'Küchenjunge’
Stammbildung ist im Germanischen singulär;
(derjenige aus der Küche, der mit Asche zu tun
starkes Präsens, aber schwaches, abgelautetes
hat).
Präteritum; dazu westgermanisch teilweise ein
S. brauen ( + ), prudeln.
starkes Partizip (das im Althochdeutschen se¬
kundär auch zu starken Präteritalformen ge¬ Brodem m. 'Dunst, Dampf’, arch. Mhd. brä-
führt hat). Das Verb kann verglichen werden dem, bradem, mndl. bradem, ahd. brädam; dane¬
mit einem keltischen und vielleicht einem tocha- ben ae. bräf 'Geruch, Ausdünstung, Dampf’,
rischen Verb unter einer Grundform *bhrenk-, ne. breath 'Atem’. Wahrscheinlich gehen beide
was für das Germanische grammatischen Wech¬ Formen auf wg. *bräda- m. zurück, und das
sel voraussetzen würde: kymr. hebrwng, hebryn- deutsche Wort ist nachträglich an Atem (s. d.)
gaf, 'führen, bringen’ (aus *sem-bhronk-), toch. angepaßt worden. Das Grundwort ist vielleicht
A. B. pränk- 'sich zurückhalten’. Diese Bildung bezeugt in mhd. brcehen 'riechen’, aber dies ist
wird als Wurzelkontamination von *bher- 'tra¬ nur einmal als Variante bezeugt (Parzival
gen’ (s. gebären) und *(e)nek- 'erreichen’ (s. 171,23). Weiter zu ig. *guhre- 'riechen’ in ai.
genug) angesehen. Da sich diese beiden Verben jighrati 'riecht’, toch. A. kräm 'Nase’, gr. os-
Brokat 107 Brot

phrainomai 'ich rieche’, gr. ösphresis f. 'Geruchs¬ bar auf dieses Verb zurückzuführen). Brösel ist
sinn’ (*ods-guhre-) erweitert \. fr agrare 'duften’. ein altes Diminutiv hierzu (mhd. brosemlln n.),
S. Flair (+). — Zum Lautlichen vgl.: E. Seebold in: zu diesem weiter (zer-)bröseln. Diese Wörter
Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), 482. zeigen noch eine allgemeinere Bedeutung, wäh¬
Brokat m. 'kostbares, durchwirktes (Sei- rend Brosamen wohl durch den Anklang an
den)Gewebe’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Brot (s. d.) auf 'Brotkrümef festgelegt ist.
deutend it. broccato, einer Ableitung von it. Brosche/. 'Anstecknadel’. Im 19. Jh. entlehnt
broccare 'durchwirken', aus einem gallo-rom. aus gleichbedeutend frz. broche, dieses aus gal¬
*brocca 'Spitze’. So benannt nach der Beson¬ lo-rom. *brocca 'Spitze’.
derheit, daß das Seidengewebe mit Gold- bzw. Etymologisch verwandt: s. Brokat.
Silberfaden durchwirkt wurde.
Bröschen n., s. Bries.
Etymologisch verwandt: Brokkoli, Brosche, Broschüre.
broschieren swV, s. Broschüre.
Brokkoli m. (= ein Gemüsekohl), fach-
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus Broschüre /. 'kleineres, geheftetes Schrift¬
gleichbedeutend it. broccoli, dem Plural von stück’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
it. broccolo 'Sprossenkohl, Spargelkohl’, zu it. frz. brochure, dieses aus gallo-rom. *brocca
brocco 'Schößling’. 'Spitze’. So benannt (als Nomen acti) nach der
Etymologisch verwandt: s. Brokat. gehefteten Bindung.
Morphologisch zugehörig: broschieren; etymologisch
Brom n. (= ein chemisches Element), fach-
verwandt: s. Brokat. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
sprachl. Im 19. Jh. entdeckt und aufgrund des 07), 56.
unangenehmen Geruchs nach gr. brömos m.
Brösel m., s. Brosam.
'Gestank’ benannt.
Brot n. Mhd. ahd. bröt, as. bröd aus g. *brau-
Brombeere /. Mhd. brämber n., mndd. bram-
da- n., auch in anord. brauö, ae. bread, afr.
ber, ahd. brämberi n., d. h. die Beere des Dom¬
bräd, krimgt. broe. Das Wort hat im Altengli¬
strauchs, der ahd. bräma /., brämo m., mhd.
schen und Altnordischen das ältere *hlaiba- (s.
bräme m. heißt (nndl. braam); eine Weiterbil¬
Laib) in der Bedeutung 'Brot’ verdrängt; das
dung in ae. brcemel, ne. bramble. Da es ein
Gotische hat noch allgemein hlaifs m., im
voreinzelsprachl. *moro- 'Maulbeere, Brombee¬
Altenglischen und Altnordischen haben die äl¬
re’ gibt (gr. möron n., arm. mor, kymr. mor-
testen Quellen noch hläf m. und hleifr m. Dage¬
wydden n., 1. mörum n. — von denen aber min¬
gen heißt westgermanisch schon seit frühester
destens das lateinische Wort aus dem Griechi¬
schen entlehnt ist), ist es verlockend, für wg. Zeit die eßbare Bienenwabe 'Bienenbrof: ae.
*brämön von voreinzelsprachl. *mremo- auszu¬ beobread, as. bibröd, ahd. blbröt. Die Etymolo¬
gehen; die Form der Erweiterung ist aber un¬ gie ist entsprechend unklar: 1) Normalerweise
klar. Ig. *moro- kann zu einem schlecht faßba¬ geht man von einer Ableitung von brauen (s. d.)
ren *mer- 'schwarz, dunkel’ gehören. aus, mit dem Hinweis darauf, daß mit Brot
ursprünglich das nach der neuen Technik ge¬
L. Wienesen: Die Brombeere (Gießen 1952).
säuerte Brot gemeint war (im Gegensatz zu
Bronchitis /. 'Entzündung des Luftröhrenteils
einfacheren Herstellungsarten der Laibe). Ge¬
in der Lunge’, fachsprachl. Neubildung zu 1.
gen diese Etymologie spricht, daß kein anderes
bronchia n. 'Luftröhrenäste’, dieses aus gr. brön-
Wort für Brot (in irgendeiner Sprache) dieses
chia n. (dass.), zu gr. brönchos m. 'Luftröhre’.
Benennungsmotiv zeigt. Das 'Bienenbrot’
Bronn m., s. Brunnen. müßte bei dieser Etymologie eine übertragene
Bronze /. (= Kupferlegierung). Im 17. Jh. Bedeutung sein. 2) In Anbetracht der im Nord-
entlehnt aus gleichbedeutend it. bronzo m. 'eine humbrischen auftretenden Bedeutung 'Stück,
Metall-Legierung’. Die weitere Herkunft ist Bissen’ bei ne. bread wird an die Grundlage
nicht geklärt. *breu- 'brechen’ und die davon abgeleiteten (al¬
Brosam m., Brosame /., meist Brosamen PI. lerdings lautlich abweichenden) Wörter für
Mhd. brosem(e), brosme/., ahd. brös(a)ma/., 'Brosamen’ angeknüpft (s. Brosam). 'Bissen,
as. brosmo m. aus vor-d. *brusmön f. 'Krume, Leckerbissen’ ist ein häufiges Benennungsmotiv
Brosame’; aus der gleichen Grundlage mit ande¬ für 'Brot’ (nachvollziehbar z. B. in ngr. psömi
ren Suffixen mir. bruar 'Stückchen, Brosame’, n. 'Brot’); das 'Bienenbrot’ wäre dann ein 'Lek-
mir. bruscar 'Brosamen’, 1. früstum n. 'Stück¬ kerbissen von den Bienen’. Diese Etymologie
chen’ zu *bhreus- 'zerbrechen’ in ae. brysan ist aber lautlich und morphologisch nicht be¬
'zerreiben, zerstampfen’, mir. brüaid 'zerbricht, friedigend. 3) Zu erwägen wäre auch ein Zusam¬
zerschmettert’; mit anderem Auslaut anord. menhang mit brauchen (s. d.) in Anbetracht von
brjöta, ae. breotan brechen’ (es wäre nicht aus¬ 1. frümentum 'Korn, Nahrungsmittel’ und der
geschlossen, *brusmön als *brut-smön unmittel¬ häufigen Herleitung von Wörtern für 'Brot’ aus
108 Bruder
Brotzeit

Getreidebezeichnungen. Das 'Bienenbrot wäre gend5 und von der geminierten Form das unter
dann 'Bienennahrung’. Aber auch hier ist kein Backe2 behandelte Wort. Verwandt sein kann
einfacher lautlicher oder morphologischer Weg ferner 1. suffrägo f. Hinterbug der Tiere .
der Verbindung erkennbar (1. frümentum geht Nndl. broek, ne. breeches.
vermutlich auf *bhrüg-ment- oder *bhrügsment- Brücke/. Mhd. brücke, brücke, brügge, ahd.
zurück). brugga, as. bruggia aus g. *brugjö /., auch in
Nndl. brood, ne. bread, nschw. bröd, nisl. brauö. - O. anord. bryggja 'Landebrücke, Landesteg , ae.
Schräder in: FS E. Sievers (Halle/S. 1896), 5 — 11, brycg, afr. brigge. Daneben anord. brü Brücke .
Hoops (1973ff.), III, 545 — 552. Außergermanisch vergleicht sich das zweite
Brotzeit/., bair., s. Frühstück. Wort mit slavischen Wörtern (aruss. bervi
Bruch1 m. 'Gebrochenes5. Mhd. bruch, ahd. 'Floß5, ukr. berv 'Baumstumpf5, bulg. brbv
brüh, as. bruki aus wg. *bruki- m. 'Bruch’, auch 'Steg, Furt5, serbo-kr. brv 'Balken, Stegbrücke5
in ae. bryce, afr. breke zu *brek-a- 'brechen’ (s. u. a.), älter akslav. brivino n. 'Balken5, das
brechen). Die Einzelbedeutungen sind durch¬ eigentliche slavische Wort für Brücke5 ist aber
sichtig; zu beachten ist Bruch (zahl), das eine akslav. mostü m. usw. Anschließbar ist ferner
Lehnübersetzung von 1. numerus fräctus ist. das in einigen Ortsnamen auftauchende Ele¬
Hierzu in die Brüche gehen, ursprünglich nicht ment gall. briva, das Brücke5 bedeuten könnte,
aufgehen, einen Bruch ergeben5, dann unter in den belegten keltischen Sprachen ist das Wort
Einfluß der Grundbedeutung 'zunichte 'Brücke5 aber air. drochet, kymr. pont. Auszuge¬
werden5. hen ist wohl von einem kelt.-g.-slav. Wort
Bruch2 m./n. 'Sumpfland5, ndd. Mhd. bruoch, *bhrw-, das 'Stamm' Bohle’ und 'einfache
ahd. bruoh n./(m.l), vielleicht hierher auch ae. Brücke (aus einem Stamm)’ bedeutete, hierzu
bröc m. 'Bach5 (vermutlich 'Bach mit sumpfigen anord. brü. Als technisch anspruchsvollere
Ufern5); dann wg. *bröka- m./n. 'Sumpfland', Brücken auftraten, konnte dieses Wort erhalten
zu der unter Brackwasser behandelten Sippe g. bleiben; daneben gab es für die neuere Form
*brak- für 'Sumpf, stehendes Wasser5 usw. aus aber auch speziellere Bezeichnungen, in der Re¬
weur/oeur. *m(e)r(e)g- neben *m(e)r(e)k-, gel kollektiv-artige Ableitungen zu einem Wort
wohl Erweiterung zu *mer- 'Gewässer, Sumpf5, für 'Stämmchen, Prügel’ (so gehört das altiri¬
zu dem auch Meer und Moor gehören (s. d.). sche Wort wohl zu *druko- 'Stämmchen' zu
Häufig in Ortsnamen. Nndl. broek, ne. brook. S. Bach, *deru- 'Baum5). G. *brugjö ist am ehesten eine
Brühl. — A. Kutzelnigg MS 82(1972), 173. Ableitung zu einem solchen Wort, nämlich
Bruch3/./«, 'kurze Hose5, arch. Mhd. bruoch *bhru-k(o)-, erhalten in Prügel (seit spätmittel¬
/., ahd. bruoh f., as. bröc f. aus g. *bröka- m./ hochdeutscher Zeit belegt, s. d.) und schwz.
n. 'Hose5, auch in anord. brök/., ae. brec, brcec Brügi 'Prügeldamm, Plattform, Heubühne
PI. /., afr. brek, brök. Gemeint ist die kurze (usw.)5; zu vergleichen ist vielleicht auch lit.
Hose, an die in früherer Zeit die Beinlinge (Ho¬ brüklys 'Prügel5. Das Wort Brücke selbst weist
sen) befestigt wurden. Das gleiche Wort für in den Mundarten ebenfalls Bedeutungen wie
die gleiche Sache bestand auch bei den Kelten 'Zwischenboden, Bettstelle über dem Ofen u. ä.5
(bräca), sogar auch in einer Nebenform mit auf. Das ursprüngliche Wort fiel der Homony¬
expressiver Verdoppelung oder «-Assimilation mie mit dem alten Wort Braue (s. d.) zum Opfer;
(ae. braccas PI. m., gall. bracca). Eine der beiden im Nordischen wurde dieses mit -« erweitert, so
Sprachen muß aus lautlichen Gründen aus der daß brü 'Brücke5 bestehen bleiben konnte; im
anderen entlehnt haben. Da im Altertum die Süden ist das alte Wort ausgestorben.
bräca als typisch gallische Kleidung galt (man Brücke ist häufiges Element von Ortsnamen. Nndl.
unterschied sogar Gallia bräcäta 'das behoste brug, ne. bridge, nschw. brvgga, nisl. brü, bryggja 'Ha¬
Gallien5 = 'Gallia Narbonensis5 von Gallia to- fendamm, Anlegebrücke’. — Hoops (1973ff.), III,
gäta 'das togatragende Gallien5 = 'Oberita¬ 555-580; E. Seebold IF 87 (1982), 189-191.
lien5), wurde bräca häufig als ursprünglich kelti¬ Bruder m. Mhd. ahd. bruoder, as. brööar aus
sches Wort angesehen. Den Ausschlag dürfte g. *bröper- m. 'Bruder5, auch in gt. bropar,
aber geben, daß im Germanischen eine klare anord. brööir, ae. brööor, afr. bröther, bröder,
etymologische Anknüpfung möglich ist, so daß bröer. Dieses aus ig. *bhräter m. 'Bruder5, auch
das Germanische die gebende Sprache gewesen in toch. A. pracar, ai. bhratar-, gr. phrater 'Mit¬
sein muß: gleichlautend gibt es im Germani¬ glied einer Bruderschaft5,1. fräter, air. bräthair,
schen Wörter für 'Hinterteil5, so daß die Hose akslav. brat(r)ü, lit. (Diminutiv) broterelis.
nach dem Körperteil benannt wurde, den sie Weitere Herkunft unklar.
bedeckt (vgl. frz. culotte f. 'Hose5 zu frz. cul m. Nndl. broeder, ne. brother, nschw. broder, nisl. brööir.
'Hinterteil5), anord. brök f. 'Oberschenkel5, ae. S. fraternisieren. — Bartholmes (1970), 81—93; Hoops
brec f. 'Hinterteil5, schwz. bruech 'Schamge¬ (1973ff.), III, 552-555.
Brühe 109 Brust
Brühe /., s. brühen. brunna, ae. burna, afr. burna; mit abweichender
brühen swV. Mhd. brüejen, brüen, mndd. Stammbildung anord. brunnr; dieses vergleicht
broien, brogen, mndl. broeien aus vor-d. sich unmittelbar mit dem gr. r/n-Stamm phreär
*brö(w)-ja- sh’K. 'brühen’. Das Wort gehört (-ätos) aus *bhrew-r/-nt-, von dem der r-Stamm
sicher zu der unter brauen behandelten Sippe im arm. atbewr (älter: atbiwr) 'Quelle’ fortge¬
ig. *bherw-/bhreu- 'wallen, sieden’, entweder als setzt ist, der n(t)-Stamm (mit ursprünglich vor¬
unabhängige Erweiterung (*bhrö-) oder, was auszusetzender Schwundstufe *bhru-n[t]-) in g.
wahrscheinlicher ist, als dehnstufige Bildung zu *brunnön. Das zweite -«- stammt wohl aus der
*breww-a- 'brauen’ (*bhröw-). Von den Wör¬ «-Flexion. Vom «/-Stamm (vielleicht umgebaut)
tern für 'Brühe’ gehört Brühe, mhd. brüeje, auch air. tipra f. 'Quelle, Brunnen’. Aus *bhr-
mndl. broei(e) zu brühen; anord. broö n., ae. u-nt- vielleicht auch mit Ausfall des r nach La¬
broö, ahd. broth, brod n. näher zu brauen. bial 1. Jons (-ntis) 'Quelle’ (alt mit -«-). Wohl
Nndl. broeien. S. abgebrüht. denominativ hierzu (trotz Flexion eines Primär¬
Brühl m. 'feuchte Wiese’, arch. Mhd. ahd. verbs) air. bruinnid 'quillt hervor, sprudelt’. Ver¬
mutlich zu der unter brauen (s. d.) dargestellten
brüel, entlehnt aus ml. bro(g)ilus, das gall. *bro-
Grundlage. Auf r-Metathese beruht die wd.
gilos voraussetzt. Dies zu *mrog-, das als Erb¬
Form Born.
wort in Brackwasser (s. d.) und Bruch2 auftritt
(s. d.). Sowohl Brunnen wie Born sind häufig Namenelemente.
Nndl. bron, e. (dial.) burn, nschw. brunn, nisl. brunnur.
Das Wort ist häufiges Element in Ortsnamen.
S. brunzen. — Hoops (1973ff.), IV, 1—16.
brüllen swV. Mhd. brüelen setzt vor-d.
Brunnenkresse /., s. Kresse1.
*bröl-ja- voraus. Im Ablaut zu diesem mhd.
pral, bral 'Schrei’. Herkunft unklar, wohl laut¬ Brunst/. Mhd. ahd. brunst aus g. *brunsti- f.
malend. 'Brand, Hitze’, auch in gt. ala-brunsts 'Brand¬
opfer’. Formal ein //-Abstraktum zu brinnen
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 152-157.
(s. brennen) mit nicht ausreichend geklärtem
brummen swV. Mhd. brummen. Lautmalende
s-Einschub. Die alte Bedeutung noch in Feuers¬
Bildung, der Wörter für 'summen, surren’ am
brunst, übertragen auf 'edle Leidenschaft’ in
nächsten stehen (s. Brem[s]e). Weiter ab liegt
Inbrunst; als einfaches Wort nur noch für 'ge¬
die Bedeutung 'brüllen’, die bei entsprechender
schlechtliche Erregung von Tieren’ (wofür häu¬
Lautform vorkommt (ahd. breman, 1. fremere fig Wörter für 'Hitze’ übertragen werden). Zur
u. a.) Die Bedeutung 'im Gefängnis sitzen’ ist Berührung mit Brunft s. d.
wohl rückgebildet aus rotw. Brummbajes 'Bie¬
brunzen swV. 'urinieren’, vulg., südd. Mhd.
nenstock, Gefängnis’.
brunnezen, wie brunnen .sw V. gleicher Bedeutung
Nndl. brommen. — Wolf (1985), 65.
von Brunnen (s. d.) abgeleitet, also ursprüng¬
brünett Adj. 'bräunlich, von dunklem Teint’. lich: 'einen Brunnen machen’.
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
brüsk Adj. 'schroff’. Im 18. Jh. entlehnt aus
brunet, brünette, einer Ableitung von frz. brun
gleichbedeutend frz. brusque, dieses aus it.
'braun’, dieses aus dem germanischen Farbwort
brusco 'stachlig, rauh’, das wohl aus Bezeich¬
(s. braun).
nungen für Pflanzen mit rauher Oberfläche
Morphologisch zugehörig: Brünette; zum Etymon s.
(etwa it. brusco 'Mäusedorn’) stammt.
braun. — Jones (1976), 163; Brunt (1983), 171 f.
Morphologisch zugehörig: brüskieren. — W. Feldmann
Brunft /., fachsprachl. Mhd. brunft. Formal ZDW 8 (1906/07), 56.
als //-Abstraktum zu ahd. breman 'brüllen’ auf¬
Brust/. Mhd. ahd. brust, mndd. mndl. borst
zufassen, also 'das Brüllen des Rotwilds in der
aus g. *brusti- f. 'Brust’, auch in gt. brusts. Im
Paarungszeit’. Die tatsächliche Verwendung
Ablaut dazu g. *breusta- n. in anord. brjöst «.,
entspricht eher der etymologischen Bedeutung
ae. breost«., afr. br(i)ast, bürst, borst, as. briost,
von Brunst (s. d.).
breost (meist PI.) 'Brust’. Vorauszusetzen ist
Brünne /. 'Teil der Rüstung’, arch. Mhd. eine Grundlage voreinzelsprachl. *bhreus- (oder
brünne, brünje, ahd. brunnt, brunna, as. brunnia ein s-Stamm zu *bhreu-) mit einer Bedeutung
können auf g. *brunjön f. 'Brustharnisch’ zu¬ wie 'schwellen, sprießen’. Hierzu *bhrus-önj-n-
rückgeführt werden, auch in gt. brunjo, anord. in air. brü njf 'Bauch, Brust, Mutterleib’;
brynja, ae. byrne. Vermutlich entlehnt aus dem *brusnä in kymr. bron 'Brust’ und *bhrusnjö in
Keltischen: air. bruinne m. bedeutet 'Brust’, es air. bruinne m. 'Brust’ (s. auch Brünne) und
kann (was aber nicht bezeugt ist) auch als 'Be¬ vielleicht mhd. briune, brüne 'weibliches Ge¬
deckung der Brust’ gebraucht worden sein. schlechtsteil, Unterleib’. Entweder eine /-Ablei¬
M. Szadrowsky GRM 31 (1943), 273. tung oder (wahrscheinlicher) eine (/-Erweite¬
Brunnen m. Mhd. brunne, ahd. as. brunno aus rung (zu *do- 'geben’, also 'Schwellung geben’)
g. *brunnön m. 'Brunnen, Quelle’, auch in gt. in den germanischen Wörtern für 'Brust’. Mög-
Brüstung 110 Buch

licherweise ein Relikt der Ausgangsbedeutung Knecht’ (niederen Standes), dann auch 3)
in as. brustian 'sprießen’. Vielleicht ist die Be¬ 'Schelm, Spitzbube’. Die Beleglage dürfte dar¬
deutung 'Brust’ nicht unmittelbar aus der ver¬ auf hinweisen, daß es sich um ein Wort der
balen Grundlage abzuleiten, sondern übertra¬ Unterschicht handelt, die in den frühen Quellen
gen aus einem Wort für 'Knospe’. S. Biest1 und normalerweise nicht zu Worte kommt. Daß das
Bries zu problematischen Mitgliedern dieser Wort offenbar zuerst in Namen bezeugt ist,
Wortsippe. — Sich brüsten ist 'sich in die Brust kann damit in Einklang stehen, denn von sol¬
werfen, prahlen’. Brüstung ist die 'brusthohe chen Leuten (und damit ihrem Namen) wird
Schutzmauer’. häufiger geredet, als daß sie selbst (in der
Nndl. borst, ne. breast, nschw. bröst, nisl. brjöst. — schriftlichen Überlieferung) sprachlich erkenn¬
Trier (1953), 16f. bar werden. Des weiteren ist nicht ausgeschlos¬
Brüstung/., s. Brust. sen, daß es sich ursprünglich um ein Kinder¬
wort handelt. Man kann eine Grundlage *bö-
Brut /. Mhd. bruot. Wie ae. bröd 'Brut (der
erschließen, die im Deutschen mit b erweitert
Bienen, Vögel)’ möglicherweise eine Rückbil¬
(oder redupliziert) erscheint, im Englischen und
dung zu brüten (s. d.) oder eine Ableitung aus
Friesischen als /Bildung (*böbön und *böjön).
der gleichen Grundlage, die semantisch ange¬
Die Herkunft dieses Elements aus einer kinder¬
paßt wurde.
sprachlichen Verstümmelung von Bruder (so be¬
brutal Adj. 'roh, gewalttätig’. Im 16. Jh. ent¬ zeugt in fläm. boe, nnorw. boa) ist denkbar.
lehnt aus spl. brütälis 'unvernünftig, tierisch’, Der Umkreis von schwz. bäbi, bäbdli, ne. habe
dieses aus 1. brütus 'schwerfällig, stumpf, ge¬ usw. (s. Baby) bleibt trotz ähnlicher Herkunft
fühllos’. besser fern. Hierzu auch Boofke als gutmütige
Morphologisch zugehörig: brutalisieren, Brutalität; Schelte.
etymologisch verwandt: brutto. — W. Feldmann ZDW Nndl. boef, ne. boy. S. auch Buhle, Cowboy. — E. E.
8 (1906/07), 56. Müller JIDS (1968), 129-146; W. Kaestner KV NS
brüten swV. Mhd. brüeten, ahd. bruoten aus 11 (1970), 10f.; K. Roelandts in: N. R. Ärhammar u. a.
wg. * bröd-ja- swV. 'brüten, wärmen’, auch in (Hrsg.): Misellanea Frisica (Assen 1984), 123 — 136.
ae. bredan; vermutlich Kausativ zu *bräd-a- Buch n. Mhd. buoch, ahd. buoh f.jn.lm., as.
'wärmen, braten’ (s. braten). Eine entspre¬ bök (s. u.) aus g. *bök-(ö) /., auch in gt. boka
chende Bedeutungsentwicklung bei der einfa¬ f. 'Buchstabe’, gt. bokos 'Schriftstück, Buch’,
chen Wurzel (*guher-) in kymr. gör, air. guirid anord. bök f. (ursprünglich Wurzelnomen) 'ge¬
'brütet aus’ (neben anderen Bedeutungen). sticktes Kissen, Buch’, ae. böc f. (auch n.) (ur¬
Nndl. broeien, ne. breed. S. Brut. sprünglich Wurzelnomen) 'Buch’, afr. bök
brutto Adv. 'ohne Abzug’. Im 16. Jh. entlehnt 'Buch’, as. bök f./Sg. 'Schrifttafel’, sonst ffn.
aus gleichbedeutend it. brutto, dieses aus 1. brü¬ PI. 'Buch, Bücher’; auch althochdeutsch (nor¬
tus 'schwerfällig, stumpf’. Zunächst vor allem malerweise neutrum, aber auch maskulinum
zur Bezeichnung des Rohgewichts nach it. und femininum) kann der Plural für ein einzel¬
brutto peso. nes Buch gebraucht werden (in einen buachon
Etymologisch verwandt: brutal. usw.). Auszugehen ist ersichtlich von einem fe¬
mininen Wurzelnomen mit der Bedeutung
brutzeln swV, ugs. Seit dem 16. Jh. bezeugt;
'Buchstabe’ (so gotisch und in Spuren althoch¬
formal näher mit brodeln (s. d.) zusammenhän¬
deutsch). Dessen Verwendung im Plural mit der
gend, aber semantisch zu braten (s. d.) gehörig.
Bedeutung 'Schriftstück, Buch’ (eindeutig im
S. backen.
Gotischen, aber auch im Altsächsischen und
Bube m. Mhd. buobe, mndd. bove, mndl. boef, Althochdeutschen) entspricht dem Gebrauch
boeve, bouve, md. büfe. Die Beleglage ist auffäl¬ von gr. grämma n. und 1. littera f. und ist
lig: Entsprechende Wörter tauchen in spätmit¬ deshalb wohl von den alten Sprachen entlehnt.
telhochdeutscher Zeit (und entsprechend spät Daraus wird offenbar im Westgermanischen ein
in anderen Sprachen) im ganzen westgermani¬ Singular gebildet, der auch vom Altnordischen
schen Bereich auf, sind vorher aber nirgends übernommen wird. Möglicherweise hat dazu
bezeugt. Es gibt zwar Namen, die offenbar laut¬ beigetragen, daß in echt germanischer Aus¬
gleich sind, aber von denen natürlich nicht mit drucksweise der Singular *bök- auch 'etwas,
Sicherheit gesagt werden kann, daß sie zu dem auf dem Zeichen (Buchstaben) stehen’ bedeuten
Appellativum Bube gehören. Bezeugt sind als konnte. Darauf könnte die altnordische Bedeu¬
Namen ahd. Buobo, as. Bövo, ae. Böfa neben tung 'gesticktes Kissen’ weisen (ob sie nun echt
Böja, der Entsprechung zu ne. boy, fr. boi. Die nordisch oder aus dem Westgermanischen ent¬
Bedeutung des Appellativums ist im Deutschen lehnt ist, vgl. as. bökon 'sticken’). Für diesen
von Anfang an 1) 'männliches Kind’ (ein ver¬ Singular setzt sich im Deutschen das sporadisch
trauliches Wort) und 2) 'Troßbube, Diener, auch außerhalb bezeugte Neutrum durch. Die
Buche 111 Buchweizen

Bedeutung 'Buchstabe’ (die im übrigen auch in und Buchhaltung stammen zwar aus der glei¬
die slavischen Sprachen entlehnt wird, vgl. russ. chen übertragenen Bedeutung von Buch, kom¬
bükva f. usw.) wird im Westgermanischen und men aber aus dem Italienischen, wo teuere i
im Anschluß daran im Altnordischen (zur Be¬ libri die entsprechende Tätigkeit bezeichnete.
zeichnung lateinischer Buchstaben gegenüber Die Lehnübersetzung die Bücher halten (seit
den Runen) verdeutlicht durch *staba- m., das dem 15. Jh.) hat sich zwar nicht gehalten, wohl
auch für sich allein 'Buchstabe’ bedeuten aber die Ableitungen, von denen Buchhalter
konnte. Diese Bedeutung 'Buchstabe, Zeichen’, ebenfalls ins 15. Jh. zurückgeht.
aus der sich alle anderen herleiten lassen, kann S. Buch( + ). — A. Schirmer (1911), 38.
mit dem Wort Buche (so die übliche Etymolo¬
Buchhalter m., Buchhaltung/., s. buchen.
gie) aus formalen und sachlichen Gründen
nichts zu tun haben: aus formalen Gründen, Buchs(baum) m. Mhd. ahd. buhsboum, mndd.
weil das Wort *bök-s ursprünglich ein Wurzel¬ bussböm, mndl. husch, buschboom ist in sehr
nomen war und die angebliche Grundlage ein früher Zeit aus 1. buxus f. gleicher Bedeutung
femininer ö-Stamm; aus sachlichen, weil nir¬ entlehnt worden (da es noch die Lautverschie¬
gends das Schreiben von Runen (um das es bung mitgemacht hat). Das lateinische Wort
ursprünglich gegangen sein muß) auf Buchenta¬ geht zurück auf gr. pyxos f. gleicher Bedeutung
feln bezeugt ist. Andererseits kann die allge¬ und unklarer Herkunft.
meinere Bedeutung 'Zeichen’ aus 'Loszeichen, S. Büchse ( + ). - Marzeil (1943/79), I, 702f.

Los’ stammen, wie etwa der lett. Neologismus Buchse /. 'Hohlzylinder zur Aufnahme eines
burts 'Buchstabe’, eigentlich 'Zauberzeichen’, Steckers’, fachsprachl. Ursprünglich nicht um¬
zu lit. bürtai m. PL 'Los, Zauberei, Wahrsage¬ gelautete Form von Büchse (s. d.). Im 20. Jh.
rei’, zu lit. bürti 'zaubern, weissagen’ (zum Sach¬ fachsprachlich verbreitet.
lichen vgl. für das Germanische v.a. Tacitus Büchse /. Mhd. bühse, ahd. buhsa in früher
Germania 10). Deshalb kann sich das germani¬ Zeit entlehnt aus 1. buxa, dieses aus gr. pyxis
sche Wort unmittelbar anschließen an ai. bhäga- 'Döschen aus Buchsholz’ zu Buchs. Gemeint
'Wohlstand, Glück, Besitz’, avest. baga- 'Anteil, waren kleine Kästchen für Arzneimittel, Ge¬
Los’ zu ai. bhäjati 'teilt zu’. würze u. ä. Die spätere Bedeutung 'Feuerwaffe’
Nndl. boek, ne. book, nschw. bok, nisl. bök. S. buchen, bezieht sich wie Feuerrohr auf den Lauf des
Buchstabe. - Hoops (1973ff.), IV, 34-37; Seebold Gewehrs.
(1981), 290-292; E. A. Ebbinghaus GeL 22(1982),
S. Box, Buchs (bäum), Buchse.
99—103; E. Seebold in: Brogyanyi/Krömmelbein
(1986), 527-532. Buchstabe m. Mhd. buochstap, buochstabe,
Buche /. Mhd. buoche, ahd. buohha, as. böka ahd. buohstab, as. bökstaf aus wg. *bök-staba-
aus g. *bökö f 'Buche’, auch in anord. bök, m. 'Buchstabe’, auch in ae. böcstcef, entlehnt aus
ae. böc (neben einer /ö-stämmigen Form bece)\ anord. bökstafr. Verdeutlichende Komposition
dieses aus voreinzelsprachl. *bhägä f. 'Buche’, des alten *bök-s 'Buchstabe’ durch das Wort
am genauesten vergleichbar mit 1 .fägus 'Buche’, Stab, das auch allein (vor allem im Altnordi¬
schen und Altenglischen) 'Buchstabe’ bedeuten
semantisch abweichend gr. phegös 'Eiche’ und
konnte. Die ursprüngliche Bedeutung von Stab
vermutlich kelt. *bägos in Ortsnamen. Das
in diesem Zusammenhang war sicher die eines
Wort spielt eine Rolle in dem „Buchenargu¬
Stäbchens oder Zweigs mit einem darauf geritz¬
ment“ bei der Bestimmung der Heimat der In¬
ten Zeichen — mit dem Hauptstab der Runen
dogermanen, da die Verbreitung der Buche ein¬
(dem für die meisten Zeichen typischen senk¬
geschränkt ist. Da die Bedeutung des Wortes
rechten Strich) hat sie sicher nichts zu tun.
aber nicht ausreichend (etwa durch eine klare
Nndl. boekstaaf, nschw. bokstav, nisl. bökstafur. S.
Etymologie) gesichert werden kann, reicht die¬
Buch, Stab( + ), Stabreim. — W. Krogmann IF
ses Argument zu weiterführenden Schlüssen
48 (1930), 268; Hoops (1973ff.), IV, 87f.; E. A. Ebbing¬
nicht aus. haus GeL 21 (1981), 194-197.
Nndl. beukeboom, ne. beech, nschw. bok. S. bauchen.
Zu Buchecker s. Ecker. — W. Wißmann: Der Name
Bucht /. Im 17. Jh. übernommen aus ndd.
der Buche (Berlin 1952); W. Krogmann ZVS 72 (1955), bucht 'Biegung, Krümmung’ in der technischen
1 -29; ZVS 73 (1956), 1 -25; W. Eilers/M. Mayrhofer Bedeutung 'landeinwärtsgebogene Strandlinie’.
MAG 92 (1962), 61 -92; Hoops (1973ff.), IV, 55-59. Dieses ist ein altes ti-Abstraktum zu biegen
Buchecker /., s. Ecker. (s. d.), bewahrt in anord. -böt, ae. byht, mndd.
bucht, bocht. Ndd. Bucht bedeutet auch 'Ver¬
buchen swV 'in die Bücher (heute: die Buch¬
schlag für Haustiere’, wohl ausgehend von der
haltung) eintragen’. Im 18. Jh. aus ne. to book
Bedeutung 'Winkel’.
entlehnt. Dieses zu ne. books 'Buchhaltung’. In
neuerer Bedeutung 'eine Flugkarte o. ä. bestel¬ Buchweizen m. Ursprünglich niederdeutsch
len’. Die heute zugehörigen Wörter Buchhalter (mndd. bökwete, bökweite, mndl. boeeweit). Die
Buckel 112 Bug

Benennung erfolgte nach der Form der Samen, Budget n. 'Finanzmittel’, fachsprachl. Im 18.
die kleinen Bucheckern ähnlich sehen. Da die Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Budget,
Pflanze wohl im 12. Jh. von Kreuzfahrern einge¬ dieses aus afrz. bougette 'LederbeuteF, einem
führt wurde, heißt sie sonst meist Heidenkorn Diminutivum zu frz. bouge m. 'Ledersack’, aus
u. ä. l. bulga f. (dass.). Die Bezeichnung des Behält¬
Marzeil (1943/79), II, 406; O. Kieser NJ 84(1961), nisses der Finanzmittel wird metonymisch über¬
67-77; Hoops (1973ff.), IV, 88f. tragen auf die Finanzmittel selbst. Die techni¬
Buckel m. Mhd. buckel f./m.; entlehnt aus sche Bedeutung bekommt das Wort dadurch,
afrz. boucle 'Schildknauf’, das seinerseits aus 1. daß die jährliche Planung der Haushaltmittel
buecula/., Diminutiv zu 1. bucca/., ursprünglich im englischen Parlament so genannt wird. In
dieser Bedeutung wird das Wort auch ins Fran¬
'(aufgeblasene) Backe’ stammt. Das Wort be¬
zösische entlehnt, von wo um 1800 die heutige
zeichnet seit frühneuhochdeutscher Zeit ver¬
Aussprache übernommen wird.
schiedene Erhebungen, etwa 'Hügel’ und
Morphologisch zugehörig: budgetär, budgetieren; zum
'krummer Rücken’; letzteres wohl unter dem
Etymon s. Balg. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
Einfluß von bücken (s. d.).
56; Ganz (1957), 49.
S. auch Mißpickel. — Valtavuo (1957), 79 — 82.
Budike /. 'kleiner Laden, kleine Kneipe’, s.
bücken swV. Mhd. bücken, mndd. bucken, Boutique.
mndl. bocken. Intensivum zu biegen (s. d.) mit
Büfett n. 'Anrichte, zum Selbstbedienen auf¬
Intensiv-Gemination (*bukk-ja- zu *beug-a-).
gestellte Speisen’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬
Bücking m., s. Bückling112. bedeutend frz. buffet m. Die weitere Herkunft
Bückling1 m. 'Verbeugung (der Männer)’, ugs. ist nicht geklärt.
Fnhd. bücking 'jmd., der sich höflich verbeugt’; Morphologisch zugehörig: Büfettier. — W. Feldmann
dann einerseits Anpassung an die Ableitungen ZDW 8 (1906/07), 56; Brunt (1983), 172.
auf -ling, andererseits Übertragung auf die Büffel m. Spmhd. büffel. Entlehnt aus frz.
Handlung (wie Diener 'Dienender; jmd., der büffle, das auf spl. büfalos, Nebenform von
sich wie ein Diener verbeugt; höfliche Verbeu¬ bübalos zurückgeht. Dieses stammt aus gr. boü-
gung’). Zu bücken (s. d.). balos, einer unklaren Ableitung von gr. boüs /./
Bückling2 m. 'geräucherter Hering’. Spmhd. m. 'Rind’, die ursprünglich 'Gazelle’ bedeutet
bückinc. Aus mndd. buckink, mndl. buckinc. ('das rind-ähnliche Tier’?), dann aber unter dem
Wie nndl. boksharing eine Ableitung von Bock Einfluß des Grundworts auf den Büffel übertra¬
(s. d.) wegen des eindringlichen Geruchs dieser gen wird. Die Büffel waren früher Arbeitstiere,
Fische. Später Anpassung an die Ableitungen deshalb büffeln 'hart arbeiten’ (wonach später
auf -ling. ochsen).
S. Kuh, Posaune.
Buddel /., Buttel /. 'Flasche’, ndd. Aus ndd.
buddel, das im 17. Jh. aus frz. bouteille entlehnt Buffo m 'Sänger und Darsteller eines lustigen
wurde (vgl. ne. bottle). Das französische Wort Parts in der Oper’, fachsprachl. Im Neuhoch¬
geht auf ml. but(t)icula 'Flasche, Krug’ zurück, deutschen entlehnt aus gleichbedeutend it.
eine Verkleinerungsform von ml. but(t)is 'Faß’ buffo, zu it. buffone 'Possenreißer’, dieses aus
(vgl. Bütte). ml. bufo 'Kröte, Possenreißer’, aus 1. büfo
buddeln swV. 'mit den Händen im Sand wüh¬ 'Kröte’.
len, graben’, ugs. Herkunft unklar; vgl. für die Morphologisch zugehörig: buffonesk.

entsprechende Tätigkeit im Wasser puddeln und Bug1 m. 'Schulterstück von Pferd und Rind,
(aus dem Neuenglischen) Paddel. Strebe im Gebälk\ fachsprachl. Mhd. buoc, ahd.
S. Boden. - H. Schlemmer: Semantische Untersuchun¬ buog aus g. *bög(u)- m. 'Arm’ (vermutlich nur
gen zur verbalen Lexik (Göppingen 1971), 143 — 149. noch in besonderen Verwendungen), auch in
Bude /. Mhd. buode, mndd. bode, mndl. anord. bögr, ae. bog. Dieses aus ig. *bhäghu- m.
boede. Das vorauszusetzende vor-d. *bößö kann Arm ai. bähü- 'Arm’, gr. pechys 'Unterarm,
zu *böww-a- bauen’ mit Verlust des zweiten Ellenbogen’. Weitere Herkunft unklar.
Diphthongbestandteils gehören. In diesem Fall Ne. bough 'Ast, Zweig’.
vergleichen sich näher anord. büö 'Wohnung, Bug2 m. Schiffsbug'. In den späten germani¬
Laden, Bude’ (aus *bü-), sowie außergerma¬ schen Sprachen verbreitet (nschw. bog, ne. bow,
nisch (mit Vokalkürze) air. both 'Hütte’, lit. nndl. boeg). Vermutlich mit der Bedeutung
bütas 'Haus, Hütte’. 'Flanke’ eine Übertragung aus Bug1; sonst wäre
Ne. booth (entlehnt aus dem Altnordischen), nschw. an eine regional entstandene Ableitung aus bie¬
bod, nisl. büö. S. Baude, bauen. - Stammler (1954), gen zu denken, die bei der Verbreitung einen
205-208; Bielfeldt (1965), 25. abweichenden Lautstand angenommen hätte.
Bügel 113 Bulle

Bügel m. Seit dem 17. Jh. in der Form bügele afrz. böschet, einem Diminutivum zu afrz. bois
f, vorher mndl. bogel, buegel, mndd. bog(g)el, 'Holz, Wald’. Zur gleichen Zeit auch starker
eigentlich 'gebogenes Stück’; späte Instrumen¬ Einfluß von ne. bosket 'Gebüschpflanzug’ (glei¬
talbildung zu biegen (s. d.). cher Herkunft). Die ursprüngliche Bedeutung
Nndl. beuget. 'kleine Ansammlung von Bäumen’ wird verall¬
bügeln sh’F Frühestens seit dem 17. Jh. be¬ gemeinert auf eine Zusammenstellung von
zeugt. Vermutlich ist mit diesem Wort ursprüng¬ Pflanzen und übertragen auf einen Strauß
lich 'mit einem (heißen?) Instrument Rundkrä- Blumen.
gen biegen’ gemeint, also 'einen „Bügel“ ma¬ Zum Etymon s. Busch. Ersatzwort ist Blumenstrauß.
chen’. Die Bezeichnung wäre dann auf das spä¬ Bulette /. ( = Hackfleischbällchen), reg. Im
tere glätten (s. glatt) oder plätten (s. platt) über¬ Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
gegangen. Die Beleglage ist aber für eine sichere tend frz. boulette (de viande), einem Diminuti¬
Beurteilung zu dürftig. vum zu frz. boule 'Kugel’, aus I. bulla 'Aufge-
bugsieren swV. 'Schiff ins Schlepptau neh¬ walltes, Blase’.
men’. Im 17. Jh. entlehnt aus nndl. boegseren, Etymologisch verwandt: s. Billett.
das seinerseits aus port. puxar 'ziehen, zerren’
Bulge1 /. 'Meereswelle’, reg. Mhd. mndd.
stammt (dieses aus 1. pulsäre 'stoßen’, das mit
bulge aus g. *bulgjön f. 'Welle’, auch in anord.
1. pellere 'stoßen, schlagen’ verwandt ist). So¬
bylgja\ vermutlich zu g. *belg-a- stV. 'schwellen’
wohl im Niederländischen wie im Deutschen
in anord. boiginn 'geschwollen’ (außerhalb des
hat die Anlehnung an Bug auf Aussprache und
Nordischen zu 'zürnen’ weiterentwickelt). Wei¬
Schreibung eingewirkt.
ter zu BallL
S. Puls (+).
Bulge2/, 'lederner Wasserbehälter’, reg. Mhd.
Bühl m. 'Hügel’, südd. Mhd. bühel, ahd. buhil.
bulge, ahd. bulga. Vermutlich entlehnt aus
Heute nur noch mundartliches Wort und (weit
einem Wanderwort, das auch in spl. bulga 'Le¬
verbreitet) in Ortsnamen. Herkunft unklar.
dersack’ erscheint.
Valtavuo (1957), 83-88.
S. Balg. - J. Vendryes BSL 41 (1941), 135-139.
Buhle m., arch. Mhd. buole, mndd. bo(u)le,
Bullauge n. Im 19. Jh. über ndd. bulloog ent¬
mndl. boel. Trotz der späten Belege wohl ein
lehnt aus ne. bull’s eye und teilweise übersetzt.
altes Wort (aus der Sprache niederer Schich¬
Die Bullaugen waren runde Scheiben, die in der
ten?): zu g. *böla- n. 'Schlafplatz’ in anord. böl
Mitte aufgewölbt waren; deshalb der Vergleich
«.'Schlafplatz, Lager wilder Tiere’ als 'Schlafge-
mit dem Auge eines Ochsen.
nosse’; vgl. das möglicherweise verwandte lit.
S. BulleL Ochsenauge.
guölis 'Schlafstätte, Lagerstätte’ nebst lit. gulö-
vas 'Lagergenosse’ und lit. gulöve, gulovä f. 'Bei¬ Bulldogge/. Im 18. Jh. entlehnt aus ne. bull-
schläferin’. Die gleichlautenden Kosewörter für dog 'Hund für Stierhetze’, entsprechend zu Bul¬
'Bruder’ sind wohl abzutrennen und in den lenbeißer aus ndd. bullenbyter. Die Bestandteile
Umkreis von Bube (s. d.) zu stellen. entsprechen nhd. Bulle1 und Dogge (s. d.). In
E. Seebold in: Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), 484. neuerer Zeit ein zweites Mal als Bulldog m.
'Traktor’ entlehnt (ursprünglich Markenname).
Buhne /. 'Uferschutzbau’. Aus dem Nieder¬
deutschen: mndd. bune, nndl. bun. Herkunft Ganz (1957), 50; J. Eichhoff in: FS Martin (1980),

unklar. Vermutlich hängt es mit dem ebenfalls 156-159.

unklaren Bühne (s. d.) zusammen. Bulle1 m. 'Stier*. Ursprünglich ein niederdeut¬
Bühne/. Mhd. bün(e), mndd. bone m./f. setzt sches Wort: ndd. bulle, ndl. (dial.) bol, böl, bolle
vor-d. *bum-/-jö voraus. Die vielfältigen Bedeu¬ u. a. und nndl. bul aus den Kasusformen eines
tungen lassen sich auf 'Brettergerüst, Decke’ «-Stammes *bulön, *buln- m. 'Stier’, in einfacher
zurückführen. Herkunft nicht ausreichend klar; Form bezeugt in anord. boli 'Stier, Stierkalb’,
am ehesten zu voreinzelsprachl. *bhun- in avest. weitergebildet in ae. bulluca 'Stierkalb’. Das
buna- m. 'Boden’, air. bun m.(?) 'dickes Ende, Wort ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Aus¬
Wurzel’, wohl einer Variante zu dem unter Bo¬ druck pars pro toto, der ursprünglich das Zeu¬
den (s. d.) behandelten Wort (etwa bhudhnjö als gungsglied bedeutet, voreinzelsprachl. *bhh- in
Ausgangspunkt für das germanische Wort, mit gr. phallös (neben phäles), air. ball 'Glied, Ge¬
Ausdrängung des Dentals). schlechtsglied’, im Germanischen mit Ablaut
Nndl. beun 'Fischkasten*. S. auch Buhne. — Lühr ae. beallucas 'Hoden’, hess. bille 'Penis*. Falls
(1988), 343f. die Bedeutung 'Zeugungsglied’ ursprünglich ist,
Bukett n. 'besonders festlicher Blumen¬ kann an die Wurzel *bhel- angeschlossen wer¬
strauß’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend den, die Bezeichnung für aufgeblasene oder auf¬
frz. bouquet m., einer pikardischen Form von geschwollene Gegenstände liefert (s. Ball1). Die
Bulle 114 Burg

allgemeine Bedeutung 'Glied’ in dem altirischen Bund m. Mhd. mndd. bunt, mndd. bonde,
Wort ist dieser Annahme aber nicht günstig. bunde, bunne 'Staatsbund’, mndl. bont aus
Nndl. bul, ne. bull, nisl. boli. S. Bullauge, Bulldogge, vor-d. *bundi- m. 'Verbundenes, Einfassung’.
Phallus. Hierzu das Diminutiv Bündel (alt m. und wohl
Bulle2f 'päpstliche Verordnung’, fachsprachi mit ae. byndele, bindele f. 'Bündel’ unmittelbar
Mhd. bulle. Entlehnt aus 1. bulla gleicher Bedeu¬ zu vergleichen) und seit dem 18. Jh. bündeln
tung, ursprünglich 'Siegelkapsel’, also eine Be¬ 'ein Bündel machen, zusammenbinden’. Das
zeichnung pars pro toto. Ausgangsbedeutung ist Adjektiv bündig, mhd. bündec, mndl. bondich
'Wasserblase, Kugel’. bedeutet zunächst 'festgebunden, in einem
Etymologisch verwandt: s. Billett. — Hoops (1973ff.), Bund’ und bekommt dann in der Fachsprache
IV, 109-112. der Handwerker die Bedeutung 'auf gleicher
Bullenbeißer tri., s. Bulldogge. Höhe abschließend’ (wie etwa Stäbe in einem
Bund). Hieraus die Redensart kurz und bündig.
bullern swV, auch bollern swV, ugs., ndd. Ein
Nndl. bond. S. binden ( + ).
Schallverb. In der Bedeutung 'schießen’ zumin¬
dest beeinflußt von Böller (s. d.). Bundschuh m., fachsprachi. Mhd. buntschuoch
'grober Schnürschuh der Bauern’ ( = 'Schuh
Bulletin n. 'offizieller, veröffentlichter Be¬
mit Bund’). Wurde im Bauernaufstand zum
richt’, fachsprachi. Im 19. Jh. entlehnt aus
Symbol der einfachen Bauern, dann auch als
gleichbedeutend frz. bulletin m., einer Ableitung
Feldzeichen und zur Selbstbezeichnung be¬
zu afrz. bulle 'Kugel’, dieses aus 1. bulla f.
nutzt.
(dass.). Die Bedeutungsentwicklung in met¬
Bungalow m. 'einstöckiges Haus mit flachem
onymischer Übertragung vom Behältnis zum
Dach’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Inhalt.
ne. bungalow, dieses aus hindl banglä 'einstöcki¬
Etymologisch verwandt: s. Billett.
ges, strohbedecktes Haus mit offener Veranda
Bult m., Bülte /. 'moos- und grasbewachsene in Bengalen’. Weitere Deutungen sind wenig
Bodenerhebung in Moor oder Bruch’, reg. Ndd. gesichert.
mndd. bulle '(Stroh-) Haufe, Hügel’. Auch in Littmann (1924), 121 f.
Ortsnamen, in denen es schon früher bezeugt
Bunker m. 'großes Behältnis, Schutzraum’.
ist. Wohl aus dem Umkreis der bei BalP darge¬
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
stellten Lautgebärde. Näheres unklar.
(coal) bunker. Die weitere Herkunft ist nicht
Bumerang m. 'Wurfholz’. Im 19. Jh. entlehnt eindeutig geklärt. Zunächst 'Behälter für Koh¬
aus gleichbedeutend ne. boomerang, dieses aus len auf Dampfern und in Fabriken’; im 1. Welt¬
einer Eingeborenensprache Australiens. Weiter¬ krieg dann auch 'Betonfort’.
führende Erklärungen sind nicht hinreichend
bunt Adj. Mhd. mndd. bunt, mndl. bont. Die
gesichert.
ursprüngliche Bedeutung ist 'schwarz-weiß’
Littmann (1924), 135.
(von Pelzwerk), auch als Neutrum 'schwarz¬
bummeln swV. Seit dem 18. Jh. bezeugt, zu¬ weißes Pelzwerk’. Seit dem 13. Jh. beginnt das
nächst in der Bedeutung 'hin und herschwingen’ Wort, älteres mhd. veh in der Bedeutung 'viel¬
(vgl. baumeln, auch Bammel, Bommel, s. d.), farbig’ abzulösen. Vermutlich ein Klosterwort
Lautgebärde, oder falls unmittelbar vom Hin- für schwarze Stickerei auf weißem Grund; in
und Herschwingen des Glockenklöppels auszu¬ diesem Fall zu 1. pünctus 'Stich, Stechen’.
gehen ist, Lautnachahmung. Daraus übertragen S. Akupunktur ( + ).
'hin- und herschlendern, nichts tun’. Hieraus Bunzen m. , s. Punze.
die Rückbildung Bummel.
Bürde /. Mhd. bürde, ahd. burdin, burdi,
O. Ladendorf ZDW 5(1903), 107; Stammler (1954),
208-212. mndd. borde, borden(e) aus g. *burpln- f
Bürde’, auch in gt. baurpei, anord. byrör. For¬
bummern swV., reg. Wie wummern Schall¬
mal handelt es sich um ein Adjektiv-Abstrak¬
nachahmung für schwere, dumpfe Töne (mit
tum zu einer (alten) Partizipialform (*burda-)
der Faust an die Tür, von Kanonen usw.).
des starken Verbs g. *ber-a- 'tragen’ (s. gebären),
bumsen swV. 'dumpf dröhnen, heftig anpral¬ also etwa 'das, was getragen wird’. Dazu die
len’, ugs. Schallnachahmung, vgl. die Interjek¬ gleichbedeutende Weiterbildung ae. byröen. —
tion bums. Danach (vermutlich ausgehend von Die Ableitung bürden 'belasten’ heute nur noch
einer abschätzigen Bezeichnung von Blech¬ in aufbürden und überbürden.
musik) als abwertender Bestandteil in Bums¬ Ne. bürden, nschw. börda, nisl. byröi.
lokal, Bumsmusik. In neuerer Zeit, ausgehend Burg/. Mhd. burc, ahd. as. bürg aus g. *burg
von 'anprallen’, umgangssprachlich für 'Ge¬ (Wurzelnomcn) /. ‘Burg, Stadt, auch in gt.
schlechtsverkehr haben’.
baurgs, anord. borg, ae. bürg, afr. burch, bürg.
S. auch bimsen.
Mit diesem Wort werden zunächst befestigte
Bürge 115 Büro

Städte bezeichnet, und zwar — da die alten S. borgen, bergen ( + ). — F. Beyerle ZSSR-G 47 (1927),
Germanen keine Städte hatten — zunächst rö¬ 567 — 645, besonders 599 — 607; Hoops (1973ff.), IV,
mische oder sonstige antike Anlagen. In einhei¬ 105-107.

mischen Namen taucht das Wort etwa in saltus Bürger m. Mhd. burgare, burger, ahd. bur-
Teutoburgiensis 'Teutoburger Wald" auf (eigent¬ gäri, burgeri, mndd. borgere, mndl. borger. Zu¬
lich: 'Wald der Volksburg’, mit Kompositions¬ nächst ist dies eine Nomen-agentis-Ableitung
suffix -ja-). Solche Bezeichnungen beziehen sich zu Burg (s. d.), doch weist das inhaltlich ent¬
wohl auf befestigte Fliehburgen. Ab etwa 900 sprechende ae. burgware, burgwaran darauf hin,
entstehen befestigte Anlagen als Herrensitze, daß vermutlich eine alte Einwohnerbezeich¬
die zu den Ritterburgen (und der Bedeutung nung mit dem zweiten Kompositionsglied g.
im heutigen Sinn) führen. Schließlich werden *warön (oder *wazön) vorliegt, die erst sekun¬
Städte mit ausgeprägteren Befestigungsanlagen där (nach dem lautgesetzlichen Schwund des w)
Burg genannt (wozu dann Bürger). Im Altnordi¬ an die Nomina agentis angepaßt wurde. Dieses
schen kann borg auch 'Hügel (bei dem eine Kompositionsglied taucht bereits in alten ger¬
Wohnanlage steht)’ bedeuten. Diese Sachver¬ manischen Stammesbezeichnungen auf, z. B.
halte machen es schwierig, die Etymologie fest¬ Amsivarii 'Emsanwohner’. Es wird normaler¬
zulegen, zumal mehrere konkurrierende Mög¬ weise zu wehren gestellt (s. d.), dann wäre der
lichkeiten bestehen: 1) kann Burg im Ablaut zu Bürger ursprünglich ein 'Stadtverteidiger’; doch
Berg stehen und näher zu diesem gehören. ist ein Anschluß an g. *wes-a- 'sein, bleiben’,
Dann war die Ausgangsbedeutung kaum etwas auch 'wohnen’ in ahd. wesan usw. (s. Wesen)
anderes als 'Höhe’, was nicht recht zu der Be¬ semantisch wahrscheinlicher. Es fragt sich aller¬
deutung 'Stadt’ paßt. 2) kann Burg näher zu dings, ob ein *-waz- schon in den alten Stam¬
bergen (s. d.) gehören (Ort, an dem man sich mesnamen als -varii (mit -r-) hätte auftauchen
birgt, versteckt, wohin man flieht). 3) Schlie߬
können.
lich gibt es das sehr ähnliche gr. pyrgos m.
W. Meschke: Das Wort 'Bürger' (Diss. masch. Greifs¬
'Turm, Mauerturm’, auch 'Burgmauer, Wirt¬
wald 1952); Bartholmes (1970), 95-125; H.-M. Militz:
schaftsgebäude u. ä.\ zu dem 1. burgus m. 'Ka¬ Die Bezeichnungsgeschichte von Bürger’ im Französi¬
stell, Wachturm’ gehört. Entlehnung aus dem schen (Diss Halle 1975); J. Fleckenstein/K. Stackmann
Germanischen kann zwar für das lateinische (Hrsg.): Über Bürger, Stadt und städtische Literatur
Wort, kaum für das griechische geltend gemacht im Spätmittelalter (Göttingen 1980), insbesondere R.
werden; wenn gr. Pergamos 'Burg von Troja’ Schmidt-Wiegand, 106—126.
zugehört, ist sie ganz ausgeschlossen. Außerdem Bürgersteig m. Ursprünglich nur nord- und
gibt es griechische Glossen wie phyrkos m. mitteldeutsch für die vom Schmutz der Straße
'Mauer’. Dieser Befund würde am ehesten auf abgehobenen und erhöhten Gehsteige. Kaum
ein vorindogermanisches Substratwort weisen. vor dem 19. Jh. gebräuchlich.
Bei der vielseitigen Bedeutung von Burg ist es
S. Steig ( +).
natürlich auch möglich, daß verschiedene Quel¬
burlesk Adj., 'spaßhaft’, sonder spracht. Im 18.
len zusammengekommen sind, etwa indem ein
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. burlesque,
einheimisches Wort semantisch von einem frem¬
dieses aus it. burlesco (dass.), einer Ableitung
den beeinflußt wurde o. ä. Vorerst kann eine
von it. burla 'Posse’, wohl aus 1. burra 'zottiges
Entscheidung noch nicht getroffen werden.
Gewand, (PI.) Possen’.
Nndl. burcht, ne. borough, nschw. borg. S. Bourgeois.
— P. Kretschmer Glotta 22 (1933), 100—122; W. Schle¬ Morphologisch zugehörig: Burleske. — W. Feldmann
singer in: FS Mayer (1954), 97 — 150; M. Pfütze ZDW 8 (1906/07), 56; Brunt (1983), 173.
BGDSL-H 80(1958), 272-320; W. Schlesinger SG Burnus m.'Kapuzenumhang’, fachsprachl. Im
16(1963), 433-444; Hoops (1973ff.), IV, 117-216; 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. bur-
Tiefenbach (1973), 24-28; L. Motz JF 81 (1976),
nous, dieses aus arab. burnus (dass.).
204-220; E. E. Metzner BN 14(1979), 412-463. Als
Lokotsch (1975), 30.
Lehnwort erklärt von: Güntert (1932), 30f.
Büro n. 'Amtszimmer’. Im 17. Jh. entlehnt
Bürge m. Mhd. bürge, borge, ahd. burgo, as.
aus gleichbedeutend frz. bureau m., aus afrz.
burgio aus wg. *burgjön m. 'Bürge’, auch in
ae. byrgea, afr. borga. Hierzu 'bürgen’ in mhd. bure, burel 'grober Wollstoff’, aus 1. burra f.
bürgen, ahd. burgön, wozu auch anord. äbyrg- 'zottiges Gewand’. Es vollzieht sich eine Bedeu¬
jast 'sich verbürgen’, anord. äbyrgö 'Verantwor¬ tungsentwicklung von 'Tuch’ über 'mit Tuch
tung für etwas’ gehört. Der Bürge ist ursprüng¬ bedeckter Tisch’ zu 'Schreibtisch’ und schlie߬
lich eine Art Treuhänder, der einem Rächer lich zu 'Raum mit Schreibtisch, Schreibstube,
dafür bürgt, daß der Verfolgte seine Tat sühnt Amtszimmer’. Man überzog insbesondere den
oder sich der Rache stellt. Ausgangsbedeutung Rechentisch mit Stoff, da auf ihm Münzen zur
ungefähr 'Schützer’. Weiter wohl zu bergen (s. d.). Kontrolle der Echtheit aufgeworfen wurden.
Bürokratie 116 Buße

Etymologisch verwandt: Bürokratie. — Schirmer Bürzel m. 'Geflügelsteiß’, reg. Fnhd. bürtzel,


(1911), 38. Zu Bürokratie vgl.: M. Albarow: Büro¬ pirtzel, zu borzen, bürzen 'hervorstehen, strot¬
kratie (München 1972); A.-M. Bijaoui-Barnon VL 272
zen’, das seinerseits zu ahd. bor 'oben’ (s. empor)
(1974), 640-644.
gehört. Hierher wohl auch purzeln (s. d.).
Bürokratie /., s. Büro und Demokratie. Lloyd/Springer (1988ff.), I, 566f.
Bursch m. 'Mitglied einer Studentenverbin¬ Bus m., s. Omnibus.
dung’, arch. An den frühen Universitäten hie¬
Busch m. Mhd. busch, bosch(e), ahd. busc,
ßen die aus einer gemeinsamen Kasse (Stiftung)
böse, as. (brämal-)busc aus vor-d. *buski- m.,
verköstigten und sonst versorgten Studentenge¬
auch *buskön (mhd. bösche u. ä.). Das Wort hat
meinschaften fnhd. bursche (aus ml. bursa f.
keine klare Vergleichsmöglichkeit. Auffällig ist
'Geldbeutel’, s. Börse1). Die einzelnen Teilneh¬
ml. boscus 'Wald’ mit frz. bois, it. bosco, die
mer hießen burßgesell, bursant, mitbursche usw.
keine lateinische Herkunft haben und deshalb
Seit dem 17. Jh. kann Bursche aber auch als
teilweise als aus dem Germanischen entlehnt
Plural gefaßt und dazu ein Singular der Bursch
gelten. Die Bedeutung 'Wald’ erscheint aber bei
gebildet werden (vgl. die Entwicklung von Frau¬
dem germanischen Wort so früh noch gar nicht,
enzimmer, s. d.).
so daß der Verdacht einer gemeinsamen Entleh¬
S. Bursche, burschikos, Bürstenbinder. — W. Stammler
nung (aus dem Gallischen?) besteht. Ein ent¬
(1954), 201-204.
sprechendes keltisches Wort läßt sich allerdings
Bursche m. 'junger Mann’. Die unter Bursch auch nicht nachweisen. Zu denken wäre schlie߬
aufgeführten Wörter Bursche 'Studentenge¬ lich an eine Vorform g. *brus-k-, wie in nnorw.
meinschaft’, Bursch 'Mitglied einer solchen Ge¬ brüsk 'Büschel, Gebüsch, Gestrüpp’, außerger¬
meinschaft’ werden auch übertragen auf andere manisch vergleichbar mit lit. bruzgai PI. 'Ge¬
Gemeinschaften (Soldaten, Handwerker u. a.), strüpp, Unterholz’ mit r-Ausdrängung zwischen
so daß der Singular Bursch(e) auch die allge¬ Labial und Dental. Aber die Beleglage ist insge¬
meine Bedeutung 'junger Mann’ bekommen samt zu wenig klar für eine Etymologie.
kann, in der das Wort auch in Nachbarsprachen Nndl. bos, ne. bush (im Mittelenglischen entlehnt),
entlehnt wird: norw. (dial.) busse 'Mann’, nschw. buske (entlehnt). S. Böschung, Bukett, Puschel.
nschw. buss 'mutiger, kräftiger Kerl’, nndl. borst Buschwindröschen «., s. Anemone.
'junger Mann’. Die hier vorgenommene seman¬
Büse /. 'Boot zum Heringsfang’, ndd. Das
tische Differenzierung der Varianten Bursch
Wort wurde aus dem Niederländischen (mndl.
(s. d.) und Bursche wird in der Hochsprache
büse) übernommen. Dieses aus afrz. busse
bevorzugt, gilt aber nicht allgemein.
'Ruderschiff’ aus ml. bucius m. 'größeres Fahr¬
Stammler (1954), 201—204.
zeug’ unbekannter Herkunft.
burschikos Adj. Eine studentische Scherzbil¬ Busen m. Mhd. buosem, buosen, ahd. buosum,
dung mit dem gr. Adverbialsuffix -ikös (das im as. bösom aus wg. *bösma- m. 'Busen’, auch
18. Jh. auch an andere deutsche Wörter gehängt in ae. bös(u)m, afr. bösem. Herkunft unklar.
wurde) zu Bursch (s. d.) in der Bedeutung 'Stu¬ Meerbusen ist eine Lehnbildung zu 1. sinus.
dent’, also 'nach Art der Studenten’, dann 'ohne Nndl. boezem, ne. bosom.
weitere Umstände, burschenhaft unge¬
Bussard m. Im 16. Jh. entlehnt aus frz. busard
zwungen’.
'Weihe, Bussard’.. Dieses ist umgestaltet aus äl¬
Stammler (1954), 204.
terem bu(i)son (das mhd. büsant ergibt), aus 1.
Bürste /. Mhd. bürste zu Borste (s. d.). Es büteo (= ein Greifvögel, vielleicht 'Bussard’).
handelt sich am ehesten um eine Zugehörig¬ Der ältere volkstümliche Name für Bussard war
keitsbildung ('die mit Borsten versehene’), doch Maus-Aar (s. Aar), Mauser.
fallen Formen und Bedeutungen der Belege aus¬ Suolahti (1909), 352-356.
einander, so daß keine sichere Beurteilung mög¬
Busserl n. Kuß’, bair.-österr. Zu zahlreichen
lich ist.
meist familiären Wörtern für 'Kuß, küssen’ auf
S. Bart ( + ).
einer lautmalenden Grundlage bu-/bus-. Vgl.
Bürstenbinder m. (in der Wendung saufen wie etwa ne. (arch., dial.) buss, span, buz, poln.
ein Bürstenbinder), ugs. Das schwache Verb bür¬ buzia, lit. buciüoti u. a.
sten bedeutet auch 'trinken’, geht in dieser Be¬ Buße/. Mhd. buoz m., buoze/., ahd. buoz(a),
deutung aber nicht auf Bürste, sondern auf Burs as. böta aus g. *botö f Besserung’, auch in
(s. Bursch) zurück, also etwa 'an einer Zechge¬ gt. bota, anord. ae. böt, afr. böte; dehnstufiges
sellschaft teilnemen’. Danach ist das (mögli¬ Abstraktum zu dem in baß, besser (s. d.) vorlie¬
cherweise als Handwerkerbezeichnung schon genden Adjektiv (Komparativ). Aus der ur¬
bestehende) Wort Bürstenbinder als 'jmd., der sprünglich konkreten Bedeutung entwickelt
zu saufen versteht’ üblich geworden. sich die rechtliche und die religiöse.
büßen 117 Buxe

Nndl. boete, ne. (arch.) boot, nschw. bot, nisl. bot. S. person, später einen Gemeindediener, regional
baß, besser, büßen. — J. Weisweiler: Buße (Halle 1930). auch den Scharfrichter.
büßen swV. Mhd. biiezen, ahd. buozen, as. Nndl. beul. — Angstmann (1928), 7 — 10.
bötian aus g. *böt-ja- swV. 'bessern’, auch in Butter /., obd. m. (nach dem Genus von An¬
gt. gabotjan, anord. basta, ae. betan, afr. beta; ken 'Butter’). Mhd. buter m./f, spahd. butira,
dehnstufiges Faktitivum zu baß, besser oder wie ae. butere entlehnt aus spl. bütyrum n. aus
denominatives Verb zu Buße. Aus konkretem gr. boütyron n. 'Kuhquark’, das seinerseits frem¬
'verbessern, ausbessern’ entwickelt sich die den Vorbildern folgt. Die Umbildung zum Fe¬
rechtliche und vor allem religiöse Bedeutung mininum erfolgt über den Plural des spätlateini¬
'Buße tun’. schen Wortes.
Nndl. boeten, ne. boot, nschw. bota, nisl. bata, botä. Förster (1941), 585 Anm. 1; Hoops (1973ff.), IV,
S. Buße ( + ), Lückenbüßer. — Reuter (1906), 15 — 23. 285-290.

Büste /. 'künstlerische Nachbildung der Büttner m„ s. Bütte.


Kopfpartie eines Menschen’. Im 18. Jh. entlehnt Butz m., Butzemann m. 'Poltergeist’, reg.
aus gleichbedeutend it. busto m. und frz. buste Mhd. butz(e). Vielleicht zu ahd. bözen 'schla¬
m. Die weitere Herkunft ist nicht sicher geklärt. gen’ (s. Amboß), aber mangels näherer Angaben
Butike/., s. Boutique. unsicher. Ähnliche Koboldbezeichnungen mit
schwer zu beurteilendem Zusammenhang sind
Butler m. 'Hausdiener’. Im Neuhochdeut¬
ne. Puck und lit. babaüze f. 'Schreckgespenst,
schen entlehnt aus gleichbedeutend ne. butler,
mit dem man Kindern Furcht einjagt’, lit. buzys
dieses aus afrz. bouteiller 'Kellermeister’, zu ml.
'Popanz, Vogelscheuche’; vgl auch langob. wa-
but(t)icula f 'Krug, kleines Faß’. lapauz, walapoz 'Untat in Vermummung’.
S. Bütte ( + ). G. Princi Braccini AION-G 27 (1984), 135 — 205.
Butt m. (= ein Fisch), sonder sprach!. Fnhd. Butzen m., südd. Vor allem Apfelbutzen 'Kern¬
butt. Ein Wort aus dem Niederdeutschen/Nie¬ haus des Apfels’, sonst 'Klumpen, Schlacke’.
derländischen (mndd. but, mndl. bot[te ], Mundartlich tritt neben 'Kernhaus’ auch die
but[te]); vermutlich zu dem Adjektiv mndd. Bedeutung 'Fliege am Apfel’ auf, die ursprüng¬
but, mndl. bot 'stumpf, plump’ (wegen der mas¬ licher sein kann, weil sie ihrerseits auf die besser
sigen Gestalt). Vgl. ahd. agabüz 'Barsch’, nhd. bezeugte Bedeutung 'Knospe’ (mhd. butzef((?),
(alem.) Butz(li) 'gemeiner Barsch’. Der Stein- mndl. botte, nndl. bot; vermutlich entlehnt me.
butt heißt nach den über die Oberseite verteilten budde, ne. bud; ebenso-frz. bouton m. 'Knospe,
Knochenhöckerchen, der Heilbutt (ndd. hillig- Knopf’) zurückgehen kann (diese vermutlich zu
butt) danach, daß er das besonders feine Fisch¬ der unter Bausch behandelten Lautgebärde in
fleisch für die Heiligentage lieferte. der speziellen Bedeutung 'schwellen’). Auch die
Nndl. bot, ne. but(t) (vgl. halibut), nschw. butta (ent¬ mundartlichen Bedeutungen 'abgebrannter
lehnt). S. auch Hagebutte. — Lloyd/Springer (1988ff.), Kerzendocht, schlackenartige Erhöhung der
I, 73-75. Butzenscheibe, ‘oberes Ende des zugebundenen
Sacks’ u. ä. können aus 'Fliege am Apfel’ über¬
Bütte/. Butte/. 'offenes Daubengefäß’. Mhd.
tragen sein, doch kann der Bereich Abfall —
büt(t)e, büten, ahd. butin, butin(n)a, as. budin,
Verunreinigung — plumpe Masse’ auch zu einer
wie ae. byden und anord. bytta /., bytti n. früh
Lautgebärde gehören, die mit Batzen (s. d.) nä¬
entlehnt aus ml. butina 'Flasche, Gefäß’ aus gr.
her zusammenhängt. Auf jeden Fall handelt es
bytine, pytine 'umflochtene Weinflasche’ unter
sich um einen Bereich, in dem einerseits Expres¬
Einfluß von ml. but(t)is 'Faß’ (Einzelheiten
sivität und Lautbedeutsamkeit, andererseits
sind nicht ausreichend klar). Hierzu der Hand¬
Anknüpfungen an bestehende Wortsippen ein
werksname Büttner. Bei den Papiermachern
schwer durchdringbares Geflecht von Bedeu¬
enthält die Bütte den Papierbrei, aus der früher tungsspektren ergeben. Zu dem unter Butt ge¬
von Hand geschöpft wurde; daher die Bezeich¬ nannten Adjektiv, in obd. Form butz als 'plum¬
nung für das handgeschöpfte Büttenpapier. Da pes, unförmiges Stück’. Die Butzenscheiben sind
Karnevalsreden aus einem solchen Faß gehalten runde, in Blei gefaßte Scheiben, die in der Mitte
wurden, bedeutet das Wort in der regionalen einen 'Butzen’, eine schlackenartige Erhöhung
Form Bütt 'Vortragspult für Karnevalsredner'. haben.
Entsprechend Büttenrede, Büttenredner. S. auch Hagebutte, Popel, putzen.
S. Bottich, Böttcher, Buddel, Butler. - Frings (1932), 90. Butzenscheibe/., s. Butzen.
Buttel /., s. Buddel. Buxe /. 'Hose’, ndd. Mhd. buxe aus *buck-
Büttel m., arch. Mhd. bütel, ahd. butil, as. hose 'Hose aus Bocksleder’ (vgl. ne. buckskins),
budil aus wg. *budila- m. 'Aufbieter’, auch in wie mndd. lerse aus lederse, zu leder(en)
ae. bydel; Nomen agentis zu g. *beud-a- 'bieten’ ho(e)se.
(s. bieten). Das Wort bezeichnet eine Gerichts¬ S. auch Bangbüx.
c
Cabriolet n., s. Kapriole. c(h)ape (dass.), aus spl. cappa f. 'Kopfbedek-
Cafe n., s. Kaffee. kung, Kapuzenmantel’.
Etymologisch verwandt: s. Eskapade, Kappe.
Cafeteria /. 'Selbstbedienungsrestaurant’. Im
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Cafete¬ capito Ausruf, s. kapieren.
ria. dieses aus span. Cafeteria 'Kaffeestube, Kaf¬ Carbid n., s. Karbid.
feegeschäft, Imbißstube mit Selbstbedienung’, Cartoon m. 'gezeichnete Bildgeschichte’, fach-
zu span, cafe m. 'Kaffee’, aus it. caffe, dieses sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
aus türk, qahve (dass.), aus arab. qahwa (dass.). ne. cartoon, dieses aus frz. carton 'Zeichnung
Etymologisch verwandt: Kaffee. auf Karton, Karton’, aus it. cartone (dass.),
Camembert m. (= ein Weichkäse). Im Neu¬ einem Augmentativum zu it. carta f. 'Papier’,
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend aus 1. Charta f. 'Papier, Schrift’. Es handelt
frz. Camembert, so benannt nach dem ursprüng¬ sich um eine metonymische Übertragung vom
lichen Herstellungsort Camembert (in der Nor¬ Material auf die darauf gefertigte Zeichnung
mandie). (eigentlich: „Kartonzeichnung“).
Camp n. '(Feld-)Lager’, sonder spracht. Im 20. Etymologisch verwandt: s. chartern.

Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. camp, die¬ catchen swV. 'ringen, kämpfen, fassen’, ugs.
ses aus frz. camp m. (dass.), aus it. campo m. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. catch, dieses
(dass.), aus 1. campus m. 'Ebene, Fläche’. Der aus me. catchen 'fassen, ergreifen’, aus anglo-
Ort des Lagers wird metonymisch übertragen normannisch cachier (dass.), aus spl. *captiäre
zur Bezeichnung einer bestimmten Art von La¬ (dass.), einem Intensivum zu 1. capere 'nehmen,
ger, zunächst vor allem 'Feldlager, Gefangenen¬ fassen’.
lager’. Morphologisch zugehörig: Catcher, etymologisch ver¬
Morphologisch zugehörig: campen, Camper, Camping', wandt: s. akzeptieren, Kescher.
etymologisch verwandt: Champion, Kamp, Kampagne, Cello n.(= ein Musikinstrument), fach-
kampieren', zum Etymon s. Kampf.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Canaille/., s. Kanaille. it. Violoncello m., einem Diminutivum zu it.
Canasta n. (= ein Kartenspiel), sonder- violone m. 'Baßgeige; (wörtlich: große Geige)’,
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend einem Augmentativum zu it. viola f. 'Bratsche’,
span, canasta f. (wörtlich: 'Korb’), dieses aus aus prov. viola, viula (dass.) /. (vgl. Fiedel).
spl. canistellum 'Frucht-, Brotkörbchen’, einem Morphologisch zugehörig: Cellist', mit Violincello ety¬
Diminutivum zu 1. canistrum 'aus Rohr gefloch¬ mologisch verwandt: Viola, Violine. - Relleke (1980),
215f.
tener Korb’, aus gr. känastron. So bezeichnet,
da es in dem Spiel vorrangig um das Sammeln Cembalo n., fachsprachl. Entlehnt aus gleich¬
(von Karten gleicher Ranghöhe) geht; sie wer¬ bedeutend it. clavicembalo m., zu 1. clävis f.
den zu einer Folge von sieben zusammengrup¬ 'Schlüssel’ und I. cymbalum 'Zimbel’.
piert, die ebenfalls Canasta heißt ('Korb’ steht Morphologisch zugehörig: Cembalist', etymologisch
dabei metonymisch für 'Gesammeltes’). verwandt: s. Klausur.

Etymologisch verwandt: s. Kanal. Center n., s. Zentrum.


Cancan m. (= ein lebhafter Tanz), fach- Cerevis n. 'kleine runde Mütze, die bei Bier¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend kommersen von Studenten getragen wird’, fach¬
frz. cancan. Die weitere Herkunft ist nicht ge¬ sprachl. Gekürzt aus Cerevismütze (dass.), zu 1.
klärt. cerevisiaf, cervtsia/. (= ein dem Bier ähnliches
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 180. Weizen- oder Gerstengetränk).
Canossa-Gang m., s. Kanossa-Gang. Cervelat/. (= eine Wurstsorte). Im Neuhoch¬

Cantate/., s. Kantate.
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend frz. cer-
velas m. und it. cervellata (dass.), einer Ablei¬
Cape n. 'Umhang’. Im 20. Jh. entlehnt aus tung von it. cervello m. 'Gehirn’, dieses aus 1.
gleichbedeutend ne. cape, dieses aus afrz. cerebellum n. 'kleines Gehirn’, einem Diminuti-
Chaiselongue 119 Charisma

vum zu 1. cerebrum n. 'Gehirn’, also eigentlich Entlehnung über ne. chance (dass.) anzunehmen
'Hirnwurst’. ist.
Chaiselongue/./n. (= eine gepolsterte Liege), Etymologisch verwandt: Akzidenz (usw.), Dekadenz
sondersprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt (usw.), Kadaver, Kadenz, Kaskade, Kasus, Koinzidenz,
aus gleichbedeutend frz. Chaiselongue m. (wört¬ okkasionell, Okzident, s. Schanze1.

lich: 'langer Stuhl’), zu frz. chaise m. 'Stuhl' Chanson n. 'geistreiches episches Lied’. Im
(aus 1. cathedra f. [dass.], aus gr. kathedra f 18. Jh. entlehnt aus frz. chanson f. 'Lied’, dieses
[dass.]) und frz. long (f. longue) 'lang’ (aus I. aus 1. cantio /., einer Ableitung von 1. canere
longus [dass.]). (cantum) 'singen’. Zunächst entlehnt als '(fran¬
Etymologisch verwandt: s. Katheder und lang. zösisches) Liedchen’; dann im Kabarett ein 'fre¬
ches, geistreiches Lied’, schließlich in jüngster
Chalet n. 'Landhaus, Sennhütte’, schwz. Im
Zeit 'geistreiches episches Lied’.
Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
Morphologisch zugehörig: Chansonette, Chansonnier',
tend frz. chalet m., dieses wohl aus afrz. chasel
etymologisch verwandt: Akzent (usw.), Belcanto,
'Hütte, Baracke, Gehöft’, aus 1. casälis 'zum Charme (usw.), Diskant, Kantate (usw.), Posaune
Hof gehörig’, zu 1. casa f 'Landgut’. (usw.), Shanty, zum Etymon s. Hahn. — W. Feldmann
Etymologisch verwandt: Kasino, s. auch Hut'. ZDW 8 (1906/07), 57; Jones (1976), 199; Brunt (1983),
189.
Chamäleon n. (= eine Echse, die ihre Haut¬
farbe schnell der Umgebung anpassen kann). Chaos n. 'großes Durcheinander, Verwir¬
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. chamaeleön m., rung’. Im 18. Jh. entlehnt aus gr. chäos 'leerer
dieses aus gr. chamaileön m. (dass., wörtlich: Raum; verworrene Urmasse’. Davor bereits als
'kleiner Löwe’), zu gr. chämai 'bescheiden, nied¬ 'Kluft’ im Deutschen verwendet. Die beiden
rig, (wörtlich:) auf der Erde’ und gr. leön m. Bedeutungen beruhen auf unterschiedlichen
'Löwe’. Das Tier ist offenkundig so benannt Vorstellungen der Antike von der Entstehung
aufgrund der einem Löwen ähnlichen Körper-, der Welt. Zum einen wird das Chaos als sich
Rumpf- und Schwanzform. bildende gähnende 'Kluft’ zwischen Himmel
und Erde gesehen, zum anderen versteht man
Etymologisch verwandt: s. Löwe. — G. Schoppe ZD W
15(1914), 180.
darunter eine ursprünglich vorhandene 'form¬
lose, ungeordnete Urmasse’. Die letztere Vor¬
Champagner m. (= hochwertiges, dem Sekt
stellung bildet die Basis für Chaos im heutigen
ähnliches Getränk). Im 18. Jh. entlehnt aus Deutschen.
gleichbedeutend frz. (vin de) Champagne
Morphologisch zugehörig: Chaot, chaotisch; etymolo¬
'(wörtlich:) Wein aus der Champagne’, so be¬ gisch verwandt: Gas.
nannt nach der Herkunft aus einer Provinz im
chaotisch Adj., s. Chaos.
östlichen Frankreich.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 57; J. A. Walz ZDW
Charakter m. 'wesentliche Eigenschaft’. Im
12(1910), 176; Brunt (1983), 188. 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. carac-
tere, dieses aus 1. c(h)aracter 'Kennzeichen’,
Champignon m. (= ein Edelpilz). Im 18. Jh.
aus gr. Charakter (dass.), einer Ableitung von gr.
entlehnt aus frz. Champignon 'Pilz’, eine Ablei¬
charässein 'einritzen, prägen’. Die Bedeutung
tung von gallo-rom. campana 'Glocke’. Die
'charakteristische Eigenart’, die das Wort schon
Entlehnung ins Deutsche erfolgt mit einer Be¬
im Griechischen hatte, kommt erst wieder im
deutungsverengung, bei der aus dem französi¬
Französischen auf und wird von dort ins Deut¬
schen Gattungsbegriff im Deutschen ein Artbe¬
sche übernommen. Die Eigenart einer Person
griff wird. wird dabei als ihr Kennzeichen aufgefaßt.
Brunt (1983), 188f. Morphologisch zugehörig: Charakteristik. — W. Feld¬
Champion m. 'Meister einer Sportart’. Im mann ZDW 8 (1906/07), 57f.; Ganz (1957), 51,
19. Jh. entlehnt aus ne. Champion, eigentlich Charge /. 'Amt, Rang, Dienstgrad’, sonder¬
'Kämpfer’, aus afrz. Champion (dass.). Dieses zu sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
1. campus in der Bedeutung 'Kampfplatz’ (s. frz. Charge, einem Nomen acti zu frz. charger
Camp und Kampf). 'beladen’, aus spl. carricäre (dass.), einer Ablei¬
Chance/. 'Möglichkeit des Gelingens’. Im 19. tung von 1. carrus m. 'Wagen’, wobei es sich
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. chance, vermutlich um ein ursprünglich keltisches Wort
handelt. So benannt nach einer Metapher, die
das zurückgeht auf eine Ableitung des PPräs.
die dienstliche Position als etwas versteht, das
von 1. cadere (cäsürus) 'fallen’. Benennungsmo¬
dem Menschen „aufgebürdet“ wird.
tiv ist eine Metapher aus dem Würfelspiel, die
Zum Etymon s. Karren.
das Glück beim Fallen der Würfel meint. Das
Wort kommt als Fachwort des englisch gepräg¬ Charisma n. 'besondere Ausstrahlung’, son¬
ten Pferderennsports ins Deutsche, so daß eine dersprachl. Entlehnt aus spl. charisma 'Ge-
120 Chicoree
Charivari

schenk, Gnadengabe’, dieses aus ntl.-gr. Cha¬ stein’. Es handelt sich ursprünglich um eine
risma '(göttliche) Gnadengabe’, zu gr. charize- Bezeichnung für Landstraßen in Frankreich,
sthai 'schenken’, zu gr. chäris f 'Gunst, Huld, die durch Beschotterung befestigt waren.
Gnade, Freude, Anmut, Liebreiz’, zu gr. chai- Etymologisch verwandt: s. kalkulieren. — W. Feld¬
rein 'Freude haben, liebhaben’. Die heutige Be¬ mann ZDW 8 (1906/07), 58.
deutung geht von dem christlichen griechischen Chauvinismus m. 'exzessiver Nationalismus;
Begriff aus, der 'Amtsgnade, die durch Hand¬ fehlgeleitetes, übersteigertes Männlichkeitsver¬
auflegen vermittelt wird’ bedeutet, daneben ständnis’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus
aber auch 'besondere Gnadengaben’. gleichbedeutend frz. chauvinisme '(auch:) fana¬
Charivari n. 'Katzenmusik, bayrischer Trach¬ tische Vaterlandsliebe’, das wohl auf einen
tenanhänger’, arch., hair. Im Frühneuhochdeut¬ Eigennamen Chauvin zurückgeht und karikie¬
schen entlehnt aus gleichbedeutend frz. chari- rend den übertriebenen Patriotismus dieser Per¬
vari m. (eigentlich: 'der Lärm, den die Hoch¬ son begrifflich faßt. In jüngster Vergangenheit
zeitsgäste beim Verlassen des Brautpaares ma¬ neuerliche Entlehnung aus dem angelsächsi¬
chen’), dessen weitere Herkunft nicht sicher ge¬ schen Raum mit der Bedeutung 'übersteigerte
klärt ist. Die partielle Reduplikationsbildung Männlichkeit’ (meist abgekürzt als Chauvi).
läßt vermuten, daß es sich um eine Neubildung Morphologisch zugehörig: Chauvinist. — W. Seibicke
mit loser volksetymologischer Anlehnung an SD 23(1979), 65-68.
ein ungeläufiges (Fremd-)Wort handelt. checken swV. 'nachprüfen, kontrollieren’,
Zu verschiedenen Thesen s.: Gamillscheg (1969), 213f. fachsprachl., ugs. Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
charmant Adj. 'bezaubernd’, s. Charme. bedeutend ne. check, dieses aus afrz. eschaquier,
eschecquier 'Schach spielen, im Schach bedro¬
Charme m. 'Anmut’. Im 18. Jh. entlehnt aus
hen’. Aus der Grundbedeutung entwickeln sich
gleichbedeutend frz. charme, einer Ableitung
im Englischen in einer Vielfalt von Überschnei¬
von frz. charmer 'bezaubern’, das zurückgeht
dungen und Berührungen verschiedene Bedeu¬
auf 1. carmen n. 'Gesang, Spruch, Zauberformel’
tungen des Angreifens, Überprüfens usw.
(vgl. bezaubernd), das auf 1. canere (cantum)
Morphologisch zugehörig: einchecken, nachchecken
'singen’ zurückgeht.
(usw.); zum Etymon s. Schach.
Morphologisch zugehörig: charmant, Charmeur, ety¬
mologisch verwandt: s. Chanson. — Jones (1976), Chef m. 'Vorgesetzter’. Im 17. Jh. entlehnt
202f.; Brunt (1983), 190. aus gleichbedeutend frz. chef, dieses aus 1. caput
Charmeur m. 'bezaubernder Mann, n. 'Haupt, führende Person’.
Schmeichler’, s. Charme. Etymologisch verwandt: Bizeps, Dakapo, Kabeljau,
Kadett, Kap, Kapital (usw.), Kapitän, Kapitel, Kapitell,
chartern swV. 'mieten’, fachsprachl. Im 19. kapitulieren, Kappes, Kappzaum, Kaprice, Korporal',
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. charter, zum Etymon s. Haupt. — Schirmer (1911), 39; Jones
einer Ableitung von e. charter 'Urkunde, (1976), 204; Brunt (1983), Ulf.
Freibrief’, dieses aus afrz. chartre (dass.), aus
Chemie/., s. Alchimie.
I. chartula 'kleine Schrift’, einem Diminutivum
Chemisette /. 'gestärkte Hemdbrust’, fach¬
zu 1. Charta 'Papier, Schrift’, aus gr. chärtes
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
'Blatt Papier; (ursprl.:) Blatt der ägyptischen
Papyrusstaude’. Die weitere Herkunft ist nicht frz. Chemisette, einem Diminutivum zu frz. che-
geklärt. Benennungsmotiv ist demnach das Ver¬ rnise 'Hemd’, dieses aus 1. camisia 'Hemd,
briefen des zeitlich beschränkten Nutzungs¬ Überwurf’.
rechts. In Charts 'Hitliste’ ist die ursprüngliche -chen Diminutivsuffix. Ältere Form -ichen,
Bedeutung 'Liste, Verzeichnis’ noch enthalten. ndd. -iken. Im Mittelhochdeutschen noch -(e)lur,
Etymologisch verwandt: Cartoon, [Charte], Kartät¬ -ikin nur in Nachahmungen niederdeutscher/
sche, Karte, Kartei, Kartell, Karton, Kartusche, Skat. niederländischer Sprechweise. Erst nach Luther
Charts PI. 'Hitliste’, s. chartern. setzt sich die nördliche Form -chen gegen das
südliche -lein durch. Entstanden ist das Suffix
Chauffeur m. 'Fahrer’. Im 20. Jh. entlehnt
durch eine -üi-Erweiterung eines alten
aus gleichbedeutend frz. Chauffeur '(wörtlich:)
/c-Suffixes (das am ehesten auf ig. *k beruht,
Heizer’, einem Nomen agentis zu frz. chauffer
mit unregelmäßiger Lautvertretung durch Ver¬
'warm machen’, aus 1. calefacere (calefactum)
allgemeinerung von Sonderentwicklungen, etwa
(dass.).
in der Stellung nach s).
Etymologisch verwandt: s. Kalorie und Fazit.
Cheque m., s. Scheck.
Chaussee /. 'Landstraße’, sonder spracht. Im
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Chaus¬ Chic m., s. Schick1.
see, aus gallo-rom. (via) calciäta 'geschotterte Chicoree mff. (= eßbare Sprosse der Salatzi¬
Straße’, zu 1. calx (-leis) ff (m.) 'Stein, Kalk¬ chorie), fachsprachl. Im Neuhochdeutschen ent-
Chiffon 121 Christ

lehnt aus gleichbedeutend frz. chicoree/., dieses Cholera /. 'Brechruhr’. In spätmittelhoch¬


aus ml. cicorea f (dass.), aus 1. cichörium n., deutscher Zeit entlehnt aus gleichbedeutend ml.
cichoreum n. (dass.), aus gr. kichora n. PL, ki- cholera, das auf gr. cholera 'Gallensucht’ zu¬
chöre /., kichörion n. 'Wegwarte, Endivie’. rückgeht. Dieses zu gr. chole 'Galle’. Die Ver¬
Etymologisch verwandt: Zichorie. schiebung in der Bedeutung beruht darauf, daß
Chiffon m. (= ein feines Seidengewebe), fach- Gallenleiden (vgl. Gallenbrechruhr) ähnliche
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. chiffon Symptome haben können wie die Brechruhr.
'Lumpen, durchsichtiges Gewebe’, einem Dimi- Etymologisch verwandt: Choleriker, Melancholie.
nutivum zu frz. chiffe 'Papierlappen’, das mögli¬ Choleriker m. 'zornsüchtiger Mensch’. Im 17.
cherweise auf eine Vermengung von mfrz. chipe Jh. zunächst als Adjektiv cholerisch entlehnt
'Lumpen’ und mfrz. chiffre 'wertloser Gegen¬ aus ml. cholericus; dieses aus gr. cholerikös.
stand' (s. Chiffre) zurückgeht. Gemeint ist eines der vier Temperamente (s.
Morphologisch zugehörig: Chiffoniere. - Lokotsch Melancholie, phlegmatisch, sanguinisch), das als
(1975), 150.
von der Galle (gr. chole /.) bestimmt galt.
Chiffre /. 'Geheimkode’, fachsprachl. Im 17. Etymologisch verwandt: Cholera, Melancholie.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. chiffre m.
Chor m. 'Sängergruppe’. Im Althochdeut¬
'(auch:) Ziffer’, dieses aus afrz. cifre 'Null’, über
schen (ahd. chör, mhd. kör) entlehnt aus gleich¬
mittellatein aus arab. sifr (dass.). Die Bedeu¬
bedeutend 1. chorus '(auch:) Tanz’, dieses aus
tungsentwicklung verläuft von 'Null’ zu 'Zahl¬
gr. clxorös (dass.). In der griechischen Antike
zeichen’ (= 'Ziffer’) hin zu 'Geheimzeichen’,
Bezeichnung für den Tanzplatz und eine
wobei der letzte Schritt durch die Verwendung
Gruppe von Tänzern, dann 'Kultgesang bzw.
von Ziffern zur Verschlüsselung von Nachrich¬
Kulttanz für die Gottheiten’. Ausgehend von
ten herbeigeführt wurde. (Zur weiteren Bedeu¬
der Bedeutung 'Sänger’ in der christlichen Kir¬
tungsentwicklung s. Ziffer).
che der 'Platz der Sänger vor dem Altar’, dann
Etymologisch verwandt: s. Ziffer. — Littmann (1924),
Erweiterung auf den 'Bereich der Kirche, der
77; W. Taylor LSE2 (1933), 67-71; Jones (1976), 206;
Brunt (1983), 193f. den Geistlichen Vorbehalten war’ (vgl. „Chorge¬
stühl“). Der Choral ist wörtlich ein „Chorge¬
Chili m. 'Schote des Cayenne-Pfeffers, daraus
sang“: kirchen-1. cantus choralis. Bei der Cho¬
hergestellte Würzsoße’, fachsprachl. Über das
reographie handelt es sich bezeichnungsmoti¬
Spanische entlehnt aus Nahuatl chilli gleicher
visch um das (Vor-)Schreiben der Tanzbewe¬
Bedeutung.
gungen.
Chimäre /., s. Schimäre.
Choral m., s. Chor.
Chip m. 'kleines Silikonplättchen mit elektro¬
Choreographie /., s. Chor und Graphik.
nischen Schaltungen’, fachsprachl. Im 20. Jh.
Chrisam n./m. 'geweihtes kirchliches Salböl,
entlehnt aus gleichbedeutend ne. chip '(auch:)
Spielmarke; kleine Scheibe (wörtlich: abge¬ Salbung, Ölung’, fachsprachl. Im Althochdeut¬
schen (ahd. chrismo 'Salbung, Ölung’, mhd. kri-
schnittenes Stück)’, zu einem wohl lautmalen¬
sem(e), kresem(e), krisme, kresme m.) entlehnt
den Verb. Die Bedeutung 'Mikroprozessor’ ent¬
aus gleichbedeutend ml. chrisma n., zu spl.
stand als metonymische Übertragung der Trä¬
chrisma n. 'Salbung, Ölung’, dieses aus gr.
gerform auf das darauf Untergebrachte.
chrisma, chrima n. 'Salböl’.
Chirurg m. 'Wundarzt’, fachsprachl. Im 18.
Etymologisch verwandt: s. Christ1.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. chlrürgus,
Christ1 m. (= Christus). Im Althochdeut¬
dieses aus gr. cheirourgös (dass.), zu gr. cheir f.
'Hand’ und gr. ergon n. 'Tätigkeit’. So benannt, schen (ahd. Kris[t] u. a., mhd. Kr ist) entlehnt
da er durch die Geschicklichkeit der Hände aus gleichbedeutend 1. Christus, dieses aus gr.
Christös (dass.; wörtlich: 'Gesalbter’ zu gr.
heilt, im Gegensatz etwa zum Verabreichen von
chriein 'salben, bestreichen’), einer Lehnbildung
Medikamenten. Der Chirurg galt bis ins 19. Jh.
zu hebr. mäsiah 'Messias’. Es liegt demnach eine
als „Handwerker“ im Gegensatz zum akademi¬
Übertragung des ursprünglichen Beinamens
schen Arzt.
vor.
Morphologisch zugehörig: Chirurgie; etymologisch
Etymologisch verwandt: Creme, Chrisam, Christ2,
verwandt: s. Energie.
Kretin.
Chlor n. (= ein gelbgrünes Gas), fachsprachl.
Christ2 m. 'Angehöriger einer christlichen
Neubildung des 19. Jhs. zu gr. chlörös 'gelblich¬
Glaubensgemeinschaft’. Substantivierung von
grün’.
mhd. kristen 'christlich’, dieses aus ahd. kristäni
Morphologisch zugehörig: Chloral, chloren, chlorieren,
Chloroform, chloroformieren, Chlorophyll, zum Ety¬
(dass.), aus 1. Christiänus (dass.), eigentlich 'zu
mon s. gelb. Christus gehörig, Anhänger Christi’ (s. Christ1).
Chrom 122 Clou

Chrom n. (= chemisches Element). Nach Clan m. 'Sippschaft’, sonder spracht. Über das
1800 entlehnt aus frz. chrome m. Dieses wurde Englische entlehnt aus ir. schott.-gäl. dann
zur Bezeichnung des Elements übernommen aus 'Kinder, Sippe’, das lautlich kymr. plant ent¬
gr. chröma 'Farbe (u. a.)’ wegen der Schönheit spricht. Herkunft unklar, Entlehnung aus 1.
der Farben von Chromverbindungen. ptanta f 'Gewächs, Sprößling’ kaum wahr¬
Etymologisch verwandt: chromatisch, Chromosom. scheinlich.
Ganz (1957), 52.
chromatisch Adj.,fachsprachl. Neubildung zu
gr. chrömatikös 'gefärbt’, einer Ableitung von Claqueur m. 'jmd., der gegen Entlohnung Bei¬
gr. chröma 'Farbe'. So benannt in einer Farb- fall klatscht’, sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt
metaphorik, die die Erhöhung bzw. Erniedri¬ aus gleichbedeutend frz. claqueur, einer Ablei¬
tung von frz. claquer 'knallen, klappern’, dieses
gung um einen halben Ton mit der Abtönung
eine Vermengung aus frz. cliquer 'lärmen’ (s.
von Farben vergleicht.
Clique) und mfrz. claper 'lärmen’, das wohl
Morphologisch zugehörig: Chromatik; etymologisch
verwandt: Chrom, Chromosom.
lautnachahmenden Ursprungs ist.
Morphologisch zugehörig: Claque.
Chromosom »., meist PI. 'Träger der Erbfak¬
Clavicembalo «., s. Cembalo.
toren’. Neubildung des 20. Jhs. aus gr. chröma
n. 'Farbe' und gr. söma n. 'Körper’, also eigent¬ clever Adj. 'raffiniert’. Im 20. Jh. entlehnt aus
lich 'Farbkörper’. So benannt, weil die Zellfä¬ ne. clever 'gescheit’, dessen weitere Herkunft
den, um die es dabei geht, durch Färbung sicht¬ nicht sicher geklärt ist. Die Bedeutungsverände¬
bar gemacht werden können. rung von 'klug, gescheit’ zu 'wendig, gerissen’
Etymologisch verwandt: chromatisch, Chrom. ergibt sich, da das Wort im Deutschen zunächst
nur zur Bezeichnung bestimmter Geschäfts¬
Chronik/. 'Geschichtsbuch’. Im Mittelhoch¬
praktiken in Wirtschaft und Handel verwendet
deutschen (mhd. krönik[e]) entlehnt aus gleich¬
wird.
bedeutend 1. chronica 'Geschichtsbuch’, dieses
Morphologisch zugehörig: Cleverneß.
aus der substantivierten Form zu gr. chronikös
'die Zeit betreffend’, zu gr. chrönos m. 'Zeit¬ Clinch m. 'Umklammerung, Nahkampf’,
dauer, Zeitverlauf, Zeit’. Das Adjektiv chronisch fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
'andauernd, ständig’ ist entlehnt aus 1. (mor¬ deutend ne. clinch, einer Ableitung von e. clinch
'umklammern’, einer Nebenform von e. clench
bus) chronicus 'anhaltende Krankheit’, eine Be¬
zeichnung, die langwierige Krankheiten von (dass.), dieses aus ae. clencan (dass.).
akuten Krankheiten trennt. Clip m. 'Ohrgehänge’. Im 20. Jh. entlehnt aus
Morphologisch zugehörig: Chronist, Chronologie, ne. clip, das zu dem Verb ne. to clip 'festklem¬
Chronometer, etymologisch verwandt: Anachronismus, men’ gehört.
synchron. Ersatzwort ist Geschichtsbuch. — W. Feld¬ Clipper m., s. Klipper.
mann ZDW 8 (1906/07), 58.
Clique /. 'Gruppe, Sippschaft’. Im 18. Jh.
Chronologie m., s. Chronik und -logie. entlehnt aus gleichbedeutend frz. clique, einer
Chronometer n., s. Chronik und Meter. Ableitung von afrz. cliquer, clinquer 'lärmen,
Chrysantheme /. (= eine Zierpflanze), fach- klingen’, das wohl auf eine Vermengung von
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. chrys- ndl. klinken 'schallend schlagen’ und ndl. klik-
anthemon n., dieses aus gr. chrysänthemon n. ken 'petzen, schwatzen’ zurückgeht. Hier dürf¬
'Goldblume’, zu gr. chrysös n. 'Gold’ und gr. ten wohl die angeregten Unterhaltungen in grö¬
ßeren Gruppen die Basis für das französische
anthemion m. 'Blüte’, zu gr. änthos n. 'Blume’.
Substantiv gebildet haben. Zunächst ins Deut¬
Etymologisch verwandt: Anthologie.
sche übernommen als Spottwort für Gruppen
Chuzpe /. 'Dreistigkeit’, ugs. Erst in diesem literarischer Anhänger und Bewunderer.
Jahrhundert bezeugt, aber wohl schon früher S. auch Claqueur. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
aus wjidd. chutzpe entlehnt. Dieses aus hebr. 59.
huspä(h) 'Frechheit’.
Clochard m. 'Stadtstreicher’, sonder spracht.
City / 'Zentrum einer großen Stadt’, fach- Im Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus ne. city 'Gro߬ deutend frz. clochard, dieses möglicherweise zu
stadt’, dieses aus afrz. eite 'Stadt’, aus 1. civitäs frz. cloche f. 'Glocke’, das wohl keltischen Ur¬
'Stadt, Bürgerschaft’, einer Ableitung von 1. sprungs ist. Danach so bezeichnet als 'die Perso¬
civis 'Bürger’. Die im Deutschen übliche Bedeu¬ nen, die beim Glockenzeichen der Großmarkt¬
tung '(modernes) Stadtzentrum’ nach ne. city hallen auftauchen (um sich die Febensmittelre-
center. ste einzusammeln)’.
Etymologisch verwandt: s. zivil. - Schirmer (1911), Clou m. 'Glanzpunkt’, ugs. Im 20. Jh. ent¬
40; Ganz (1957), 52. lehnt aus gleichbedeutend frz. clou, dieses aus
Clown 123 Coupe

1. clävus. Die Entstehung aus dessen Bedeutung Collage/. 'Kunstwerk, das aus verschiedenen
'Nagel’ ist zwar möglich, aber nicht gesichert Teilen zusammengestellt ist’,fachsprachl. Im 20.
und semantisch recht kompliziert ('Nagel’ als Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. collage m.
'Herausragendes’ überzeugt nicht). Ebenso un¬ (wörtlich: 'Leimen, Ankleben’), einer Ableitung
sicher, aber semantisch plausibler erscheint die von frz. coller 'leimen, kleben’, abgeleitet von
Zurückführung auf die Bedeutung 'purpurner frz. colle 'Leim’, aus gr. kölla (dass.). In der
oder goldener Saum auf Gewändern und Tü¬ entlehnten Bedeutung handelt es sich also um
chern’, die 1. clävus neben anderen auch noch ein Nomen acti zu frz. coller.
hat. Denn dann handelt es sich bei der moder¬
Collier n. 'wertvoller Halsschmuck, Halsring,
nen Bedeutung lediglich um eine Verallgemeine¬
Halsstück’, fachsprachl. Im Neuhochdeutschen
rung von 'besondere Verzierung’ hin zu 'beson¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. collier m., die¬
ders Hervorstechendes, Höhepunkt’.
ses aus 1. colläre f./n., collärium 'Halsband,
Etymologisch verwandt: s. Klausur.
Halseisen’, einer Ableitung von 1. colläris 'zum
Clown m. 'Spaßmacher’. Im 19. Jh. entlehnt
Hals gehörig’, einer Ableitung von 1. collus m.,
aus gleichbedeutend ne. clown. Es liegt ein Wort collum 'Hals’.
zugrunde, das 'Bauer; plumper Bursche’ bedeu¬
Comeback n. 'Neubeginn’, sondersprachl. Im
tete (1. colönus 'Bauer’). Im englischen Schau¬
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Come¬
spiel zunächst der Tölpel, dann Entwicklung
zur Bezeichnung von Spaßmachern im Zirkus. back, einer Ableitung von e. come back 'zurück¬
kommen’.
Morphologisch zugehörig: Clownerie, clownesk. -
Ganz (1957), 115. Zum Etymon s. kommen und Backbord.

Club m., s. Klub. Combo /., s. Kombination.


Cockpit n. 'Steuerungsraum’, fachsprachl. Im Computer m. 'Datenverarbeitungsanlage’. Im
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. cockpit, 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Compu¬
einer Zusammensetzung aus e. cock 'Hahn’ und ter, einer Ableitung von e. compute 'berechnen’,
e. pit 'Grube’. Aus der ursprünglichen wört¬ dieses aus frz. Computer (dass.), aus 1. computäre
lichen Bedeutung 'Grube für Hahnenkämpfe’ 'berechnen, zusammenrechnen, überschlagen’,
entwickeln sich ausgehend von der Bedeutungs¬ zu 1. putäre 'rechnen, berechnen, putzen, reini¬
komponente 'tiefer gelegener Raum’ im Engli¬ gen’ (s. auch kon-), zu 1. putus 'rein, gereinigt’.
schen übertragene Bedeutungen, so auch 'Raum Etymologisch verwandt: s. amputieren.
junger Marineoffiziere’. Aus dem nautischen
Container m. 'normierter Großbehälter’. Im
Bereich dann Erweiterung auf Flugzeuge usw.
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Contai¬
Etymologisch verwandt: s. kokett und Pfütze.
ner, einer Ableitung von e. contain 'enthalten’,
Cocktail m. 'Mischgetränk’. Im 20. Jh. ent¬ aus frz. contenir (dass.), aus 1. continere 'umfas¬
lehnt aus gleichbedeutend ne. cocktail, einer sen’, zu 1. teuere 'halten’ (s. auch kon-).
Zusammensetzung aus e. cock 'Hahn’ und e.
Etymologisch verwandt: s. Tenor.
tail 'Schwanz’. Das Benennungsmotiv ist trotz
einiger phantasievoller Ansätze nicht sicher ge¬ Convoi m., s. Konvoi.
klärt. Das Wort ist wohl zunächst Bezeichnung Couch/. 'Sofa’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
eines bestimmten (Misch-)Getränks, dann Be¬ bedeutend ne. Couch, dieses aus afrz. couche
zeichnung einer Gruppe von Mischgetränken 'Lager’, einer Ableitung von afrz. coucher 'nie¬
und schließlich dann allgemeine Bezeichnung derlegen’, aus 1. collocäre 'aufstellen, legen, set¬
für 'etwas Gemischtes’. Plausibel erscheint die zen’, aus 1. locäre 'stellen, legen’ (s. auch kon-).
Deutung, daß man das Getränk nach den Cock¬ Die älteren Wörter Gautsche, Gutsche 'Bett,
tails benannte, das sind Pferde, die diese Be¬ Kinderbett’ beruhen auf früherer Entlehnung
zeichnung wegen ihrer gestutzten und hochge¬ aus dem Französischen.
bundenen Schweife erhielten („Hahnen¬
Etymologisch verwandt: s. lokal.
schwanz“). Es handelte sich dabei grundsätzlich
um nicht reinrassige Pferde. Der Vergleich des Coup m. '(gelungenes) riskantes Unterneh¬
nicht ganz reinen (d. h. nicht rein alkoholi¬ men’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
schen) Getränks mit dem nicht ganz reinen Blut gleichbedeutend frz. coup, dieses über ml. col(a)-
der Pferde würde ein einsichtiges Benennungs¬ pus 'Streich, Schlag’ aus 1. colaphus 'Faust¬
motiv bieten. schlag, Ohrfeige’, aus gr. kölaphos (dass.). Aus
Etymologisch verwandt: s. kokett und Zaget. 'Schlag’ wird über 'gelungener Treffer’ dann
'erfolgreicher Streich’.
Code m., s. Kode.
Schirmer (1911), 40; Jones (1976), 249; Brunt (1983),
Coiffeur m. 'Friseur’, schwz. Entlehnt aus frz.
217.
coiffeur gleicher Bedeutung. Dieses zu frz. coiffe
f. 'Haube’. Coupe n. 'WaggonabteiP, arch., österr. Im 19.
Brunt (1983), 197f. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. coupe f.
Couplet 124 Cutter

'(wörtlich:) abgeschnittener/abgeteilter Gegen¬ 'Person, die wegen besonderer Leistungen ge¬


stand’, dem substantivierten PPrät. von frz. cou- rühmt wird’. Das Benennungsmotiv des Kra¬
per 'abschneiden’. Übertragen auch Bezeich¬ chens findet sich im verwandten Wort Cracker,
nung von Sportwagen. Kräcker '(gesalzenes) Knuspergebäck’.
Etymologisch verwandt: Coupon, kupieren. Ersatzwort Etymologisch verwandt: Krach, Kräcker.
ist Abteil. — Jones (1976), 250.
Cracker PL, s. Crack.
Couplet n. 'Liedchen mit gereimten Stro¬
Creme /. 'Sahne, Süßspeise; Salbe’. Im 18.
phen’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. creme, die¬
couplet m. 'gereimte Strophe(n)’, einem Dimi-
ses aus einer Vermengung von gall. krama
nutivum zu frz. couple m. 'Vereinigung’, aus 1.
'Sahne’ und spl. chrisma n. 'Salbung, Ölung’,
cöpula f. 'Vereinigung’, einer Ableitung von 1.
aus gr. chrisma n. (dass.), einer Ableitung von
cöpuläre 'verbinden'. Aus 'Liedchen mit gereim¬
gr. chriein 'salben, einreiben’.
ten Strophen’ entwickelt sich (u. a. in Berlin)
Etymologisch verwandt: s. Christ1. — Brunt (1983),
'Spottliedchen’.
22 lf.
Etymologisch verwandt: s. Kopula.
Crew /. 'Besatzung, Team’, fachsprachl. Im
Coupon m. 'Gutschein’. Im 18. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutend frz. Coupon '(wörtlich:) ab¬ 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. crew,
geschnittener Zettel’, einem Nomen acti zu frz. dieses aus afrz. crue 'Anwachsen, Zuwachs’,
couper 'schneiden’. Zunächst 'Abschnitt’, dann dem subsantivierten PPrät. von afrz. croitre
'Abschnitt mit bestimmtem Wert’. 'wachsen, sich mehren’, aus 1. crescere (dass.).
Etymologisch verwandt: Coupe, kupieren. — Zu kupie¬ Eigentlich also eine — zu einem bestimmten
ren: Brunt (1983), 218. Zweck — zusamme'ngekommene Gruppe von
Courage/. 'Mut, Beherztheit’. Im 16. Jh. ent¬
Menschen.
lehnt aus gleichbedeutend frz. courage m„ Croupier m. 'Angestellter einer Spielbank’,
einem Abstraktum zu frz. cceur m. 'Herz’, dieses fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
aus 1. cor (-rdis) n. (dass.). deutend frz. croupier, einer Ableitung von frz.
Etymologisch verwandt: s. Akkord. — Jones (1976), croupe f. 'Hinterteil’ (d. Kruppe, s. Kropf). Zu¬
25 lf. nächst Bezeichnung für eine Person, die hinter
Cousin m. 'Vetter’. Im 17. Jh. entlehnt aus dem Reiter sitzt und mitreitet, dann verschie¬
gleichbedeutend frz. cousin, dieses aus ml. Cosi¬ dene Übertragungen über die Bedeutungskom¬
nus (dass.), aus 1. cönsobrinus (dass.; wörtlich: ponenten 'helfen’ und 'profitieren’. In der heuti¬
'Geschwisterkind’), aus 1. sobrinus (dass.), zu 1. gen Bedeutung wohl aus 'Assistent beim Spiel’.
sorörius, einer Ableitung von 1. soror f. 'Schwe¬ Cup m. 'SiegespokaL. Im 20. Jh. entlehnt
ster’. Das lateinische Wort ist zunächst ein Ad¬ aus ne. cup, das eigentlich 'Tasse, Trinkgefaß’
jektiv und bezeichnet die Kinder der Schwester bedeutet. Da solche Pokale besonders bei Wett¬
(„die schwesterlichen Kinder“). Dann Verallge¬
kämpfen mit bestimmten Qualifikationsregeln
meinerung zu 'Geschwisterkind’. Die Bildung
als Preis ausgesetzt wurden ('Sieger gegen Sie¬
mit con- bezeichnet die Geschwisterkinder im
ger’), wurde das Wort auch zur Bezeichnung
Verhältnis zueinander, d. h. jedes ist „auch“ so¬
solcher Wettkämpfe herangezogen.
brinus zum anderen.
Zum Etymon s. Schwester. - Jones (1976), 261; Brunt Curriculum n. 'Lehrplan\ fachsprachl. Im 20.
(1983), 219f. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Curriculum,
Couvert n., s. Kuvert. dieses aus 1. curriculum 'Ablauf' (zu 1. currere
'laufen’).
Cover n. 'Plattenhülle’, s. Kuvert.
Morphologisch zugehörig: curricular; etymologisch
Cowboy m. 'berittener Rinderhirt’. Im 20. Jh. verwandt: s. Kurier.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. cowboy, einer
Zusammensetzung aus e. cow 'Kuh' und e. boy Curry m. (= eine Gewürzmischung). Im
Junge, Bursche’ (mit nicht sicher geklärter Her¬ 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. cur-
kunft). ry(-powder), dieses aus anglo-i. curry (dass.),
Zum Etymon von e. cow s. Kuh', zu boy s. Bube. aus tamil. kari 'Soße, Tunke’. Das Wort be¬
zeichnet die u. a. mit der Gewürzmischung
Crack m. 'besonders guter Sportler (usw.)’,
fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Curry abgeschmeckte Soße bzw. ein damit an¬
deutend ne. crack (wörtlich: 'Krach, Knall’), gerichtetes Reisgericht. Das Deutsche über¬
das auf ein wohl lautnachahniendes Wort zu¬ nimmt es aber vor allem als Bezeichnung des
rückgeht (s. Krach). Die Bedeutungsübertra¬ Gewürzes.
gung im Englischen vollzieht sich von 'Krach’ Littmann (1924), 123f.
über 'lautes Gerede, lautes Berühmen’ hin zu Cutter m., s. Kutter.
D
da1 Adv. des Ortes. Mhd. ahd. dä(r), as. thar schen Bezeichnungen 'Gestell’, besonders ein
aus wg. * pcer Adv. da, dort’, auch in ae. pär, solches, auf dem etwas anderes ruht. Hier: 'Ge¬
afr. ther. Von einer kurzvokalischen Form *par stell, auf dem die Dachhaut ruht, angebracht
gehen dagegen aus gt. anord. par (die altfriesi¬ ist’. Vgl. Glockenstuhl, Webstuhl.
schen und altsächsischen Formen sind mehr¬
Dachtel/. 'Ohrfeige’, reg. Frühester Beleg im
deutig). Lokativ-Bildung auf -r zu dem demon¬
15. Jh. in der Bedeutung 'Murmel’; daneben
strativen Pronominalstamm ig. *to- mit ver¬
dachteln, dachein, dakern, daksen u. ä. swV 'eine
schiedenen Ablautformen (oder verschiedenen
Dachtel geben, prügeln, aufschlagen (vom Re¬
Vokalentwicklungen unter Sonderbedingungen
wie dem Satztiefton). Das auslautende r schwin¬ gen, vom Fallobst usw.), mit Murmeln spielen,
det in solchen unbetonten Wörtern seit mittel¬ mit einer Murmel eine andere treffen usw.’.
hochdeutscher Zeit; in Zusammenrückungen Eine expressive Sippe mit expressiven Abwand¬
vor Vokal (wie daran, darauf) hat es sich gehal¬ lungen; als Ausgangspunkt läßt sich *pak(k)-
ten und gilt dort als „Hiattrenner“. 'berühren’ vermuten, das sich auch in ae. pac-
Nndl. daar, ne. there, nschw. dar, nisl. par. S. auch cian 'berühren, streicheln’, as. thakolon 'strei¬
dann, dannen, dar, dort. cheln’ und außergermanisch in 1. tangere 'be¬
da2 Adv. der Zeit / Konj. Mhd. ahd. dö, as. rühren' zeigt.
thö, entsprechend ae. pä. Entweder langvokali- H.-G. Maak ZDL 42 (1975), 189-196. Als 'Denkzet¬
sche Adverbialbildung zum demonstrativen tel’ zu mhd. däht f. 'Denken’ nach G. Weitzenböck
ZM 13 (1937), 26.'
Stamm ig. *to- (wohl instrumental) oder ur¬
sprünglich Form des Akkusativs Singular femi- Dackel m. Spmhd. dachshund bezeichnet
ninum des demonstrativen Pronomens (Arti¬ einen Hund, der zum Aufjagen von Fuchs und
kels), wobei ein Begriff wie 'Zeit’ zu ergänzen Dachs in ihrem Bau gebraucht wird. Für diese
wäre. Die Lautform würde dabei zwar dem Hundesorte taucht im 18. Jh. ndd. Teckel, im
gotischen Pronomen (po), nicht aber dem alt¬ 19. Jh. obd. Dackel auf. Obwohl der Gedanke
hochdeutschen/altsächsischen entsprechen. Die an eine Verkürzung aus Dachshund naheliegt,
unregelmäßige Lautentwicklung im Deutschen sind die lautlichen Schwierigkeiten nicht aus
durch Anschluß an da1. der Welt zu schaffen. Herkunft deshalb unklar.
Dach n. Mhd. dach, ahd. dah, mndd. dack, Daffke in der Wendung aus Daffke 'zum
dahe n./m., mndl. dac, dec aus g. *paka- n. Trotz’, ugs., berlin. Aus rotw. dafko 'durchaus,
'Dach’, auch in anord. pak, ae. pcec; dieses aus absolut’, dieses aus wjidd. dajke(s) 'nun gerade,
west-ig. *togo-, auch in 1. toga f. 'Dach’ und
erst recht’; dieses aus hebr. dawqäC) 'nur so
'Bedeckung, Toga’, kymr. to m. 'Dach’ zu der
(und nicht anders), durchaus’. Die deutsche
Verbalwurzel *teg- 'decken’ in 1. tegö 'ich
Wendung beruht auf der Hypostasierung einer
decke’, im Osten *steg- in kslav. ostegngti
satzwertigen Partikel.
'knüpfen, Fesseln anlegen’, gr. stegö 'ich decke’.
Das 'Dach’ ist also die 'Decke’. daheim Adv. Aus mhd. dä heime, eine Verstär¬
Nndl. dak, ne. thatch, nschw. tak, nisl. pak. S. kung von älterem heime 'zu Hause’. Das Orts¬
decken ( + ). adverb da tritt mittelhochdeutsch gerne verstär¬
Dachhase m., s. Böhnhase. kend vor Ortsbezeichnungen.
Dachs m. Mhd. ahd. dahs, mndd. das(se), dahlen swV. 'einfältig reden, tändeln’, arch.
mndl. das (as. in Ortsnamen Thahs-) aus g. Daneben auch fnhd. tallen und talmen. Vgl. bei
*pahsu- m. 'Dachs’, auch in nnorw. svintoks Luther ein tillens tellens und unnütz gepleuder,
'Schweinedachs’, unklarer Herkunft. Das Wort sowie ne. dally 'tändeln’ und dilly-dally. Eine
ist offenbar ins Lateinische (taxus) und die Herleitung aus afrz. daher 'plaudern’ wäre
romanischen Sprachen entlehnt worden. denkbar, doch ist dann talmen merkwürdig.
Nndl. das. Vielleicht handelt es sich einfach um lautnach-
Dachsbeil n., Dächsel m., s. Dechsel. ahmende Bildungen.
Dachshund m., s. Dackel. Dahlie /. (= eine Korbblütler-Pflanze), fach¬
Dachstuhl m., fachsprachl. Bezeugt seit dem sprachl. Neubildung des 18. Jhs. nach dem Na¬
15. Jh. Das Element -Stuhl bedeutet bei techni¬ men des schwedischen Botanikers Dahl.
Dakapo 126 dämmen

Dakapo n. 'Wiederholung’, fachsprachl. Sub¬ und frz. dame, dieses aus 1. domina '(Haus-)Her-
stantivierung des 18. Jhs. zu it. da capo 'von rin’, der movierten Form von 1. dominus m.
Anfang an’, zu it. capo 'Kopf’, aus 1. caput '(Haus-)Herr’, zu 1. domus 'Bau, Haus’. Es wird
(dass.). als Wort höfischer Kreise gegen etwas älteres
Etymologisch verwandt: s. Chef. Frauenzimmer (s. d.) durchgesetzt.
Etymologisch verwandt: Dom1, Domäne, Domestik,
Daktylus m. (= ein Versmaß), fachsprachl.
dominieren. Dominium, Domino, Domizil, Dunzel, [Ma¬
Entlehnt aus gleichbedeutend I. dactylus, dieses
dam], Madonna, Mamsell, Primadonna', zum Etymon
aus gr. däklylos (wörtlich: 'Finger’). Angeblich s. ziemen. — W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 63; Jones
so benannt nach einer Metapher, die die Ab¬ (1976), 267-270.
folge einer langen und zweier kurzen Silben
Dame2 /. in Dame spielen, Damespiel, Dame¬
mit der Anordnung der Glieder von Fingern
brett usw. Im beginnenden 17. Jh. (unabhängig
vergleicht.
von Dame1) entlehnt aus frz. dame 'Doppelstein
Etymologisch verwandt: Dattel.
im Brettspiel’. Die französische Bezeichnung ist
Dalben PL, s. Dückdalbe. wohl — ähnlich wie bei Königin!Dame im
Dalk m. 'ungeschickter Mensch’, südd. Dazu Schach — dadurch motiviert, daß der wichtig¬
dalken swV. 'kindisch daherreden’, österr.', dal- ste Stein mit einem gehobenen Wort für 'Frau,
ke(r)t Adj. 'ungeschickt, dumm’, österr. Zu¬ Herrin’ benannt wurde. Das mndd. damspil,
grunde liegt mhd. talgen 'kneten’, talke (ver¬ über das nichts näheres bekannt ist, gehört
mutlich:) 'klebrige Masse’, vgl. südd. dalke(r)t wohl nicht hierher.
'weich, unfest’, also ein Wort für 'Teig — kne¬ Nndl. dam.
ten — weich’, dessen Flerkunft unklar ist (zu dämelen swV, s. dämlich.
Talg!). Näher an dieser Bedeutung noch österr.
damein swV, dämeln swV. 'sich kindisch be¬
Dalken 'eine Mehlspeise’. Die Übertragung zu
nehmen, verwirrt sein’, ndd. Zu der unter däm¬
'ungeschickt usw.’ kann sowohl über 'weich’
lich behandelten Sippe (s. d.).
wie auch über 'nicht fertig gebacken, noch tei¬
gig’ gegangen sein. Damhirsch m., fachsprachl. Wie Dambock
und Damwild ein verdeutlichendes Komposi¬
Dalle /., s. Delle.
tum zu mhd. tarne, täm n., ahd. tämo, mndl.
Dalles m. 'Not, Geldverlegenheit’, ugs. Letzt¬ dam(m)e. Dies ist entlehnt aus 1. däma, damma
lich aus wjidd. dalles 'Armut’ aus hebr. dallüt /., einer allgemeinen Bezeichnung für rehartige
'Armut’. Das Wort ist auch im Rotwelschen Tiere (auch Antilopen usw.), die möglicherweise
belegt, aber erst nach seiner Bezeugung in der ihrerseits aus dem Keltischen entlehnt ist; vgl.
neuhochdeutschen Umgangssprache, so daß air. dam 'Ochse’, air. dam allaid ('wilder Ochse’)
der Weg der Übernahme nicht eindeutig ist. 'Hirsch’.
Wolf (1985), 76.
damisch Adj., damisch Adj., s. dämlich.
dalli Part, 'hurtig’, ugs. Im Neuhochdeut¬
dämlich Adj., ugs. Bair. damisch, älter dämisch
schen entlehnt aus poln. dalej 'weiter, los, vor¬
hängt zusammen mit einem regional verbreite¬
wärts’.
ten schwachen Verb dämelen mit ähnlicher Be¬
Eichler (1965), 33.
deutung wie 'taumeln’. Der Zusammenhang
damals Adv. Fnhd. damal(en), mhd. des mä- zwischen diesen familiären Wörtern läßt sich
les; also ausgehend von mäles, adverbialer Ge¬ im einzelnen nicht mehr rekonstruieren. In An¬
nitiv zu mhd. mäl 'Zeitpunkt’ (s. MahP), da betracht der sehr späten Beleglage (seit dem
verstärkend wie bei daheim, also 'zu dem Zeit¬ Frühneuhochdeutschen) empfehlen sich Ver¬
punkt’. knüpfungen mit außergermanischem Sprach-
Damast m. 'feines, gemustertes Gewebe’, material nicht.
fachsprachl. Im 15. Jh. (zunächst in der Form S. damein. - A. Götze BGDSL 24(1899), 507f.
damask) entlehnt aus gleichbedeutend it. dama- Damm m. Mhd. tam(m), mndd. mndl. dam.
c(at)o, das zurückgeht auf den Namen der Wie anord. dämm n. und afr. dämm, domm eine
Stadt Damaskus. Das Gewebe wird folglich späte Rückbildung aus dämmen. Die Schrei¬
nach dem ursprünglichen Herkunftsort („Da¬ bung mit d- im Hochdeutschen unter dem Ein¬
master Gewebe“) bezeichnet. fluß des Niederdeutschen, in dem die Sache eine
Etymologisch verwandt: [ damaszieren ] 'flammend ät¬ wesentlich größere Rolle spielt als in Süd¬
zen’, Zwetschge. — Littmann (1924), 94; Lokotsch deutschland.
(1975), 38.
Nndl. ne. dam, nschw. dämm. S. dämmen. — Als Lehn¬
Dambock m., s. Damhirsch. wort erklärt von: Güntert (1932), 30.

Dame1 /. 'vornehme Frau’. Im 17. Jh. ent¬ dämmen swV. Mhd. temmen, ahd. -temmen
lehnt aus gleichbedeutend it. dama, span, dama aus g. * dämm-ja- swV. 'dämmen, hindern’, auch
Dämmer 127 dann

in g\. faur-dammjan 'versperren’, anord. demma, [Göttingen21970], 65) und wohl auch 'Ausdün¬
ae. fordemman, afr. damma, demma. Herkunft stung'. Dann hat die Sippe offenbar als Kraft¬
unklar; vgl. das laut- und bedeutungsähnliche wort (besonders deutlich bei dämpfen) von der
stemmen. anderen Sippe die Bedeutung 'Dampf’ über¬
Nndl. (af)dämmen, ne. dam, nschw. dämma. S. Damm. nommen. Das starke Verb dimpfen ist kaum ein
Dämmer m„ Dämmerung /., dämmern rwK Fortsetzer des der ganzen Sippe zugrundelie¬
Ausgangspunkt der Sippe ist mhd. demere /., genden Verbs, eher eine nur mittelhochdeutsche
ahd. demar m. 'Dämmerung’ aus einem alten Rückbildung.
s-Stamm, der außergermanisch bezeugt ist in Nndl. damp. S. Dämpfer.
ai. tämas- n. 'Dunkel’ und 1. tenebrae f. PL Dampfer m. Nach ne. steamship und abge¬
(aus *temes-rä) 'Finsternis’. Auch in anderen kürzt ne. steamer erscheint im 19. Jh. im Deut¬
Ableitungen weit verbreitet, ein Verb z. B. in lit. schen Dampfschiff und Dampfer als Lehnbil¬
temti 'dunkel werden’. Hierzu mhd. demerunge dung. Früh erscheinen auch Formen mit Um¬
f, ahd. demarunga /.; aber erst frühneuhoch¬ laut (Dämpfer), die wohl durch Anknüpfung
deutsch das Verb dämmern. Das nhd. poetische an die seltene Nebenform dämpfen zu dampfen
Dämmer setzt wohl nicht das Grundwort fort, (also als Nomen instrumenti) zu erklären sind.
sondern ist eine späte Rückbildung aus däm¬ Kluge (1911), 173-175; Ganz (1957), 54f.
mern.
Dämpfer m. 'Vorrichtung zum Vermindern
S. finster. der Tonstärke und Verändern der Klangfarbe
Damoklesschwert n. 'sichtbare, ständig vor¬ bei Geige, Cello usw.’, fach spracht. Zu dämpfen
handene Bedrohung’, sonder spracht. So be¬ (s. Dampf). Daher jemandem einen Dämpfer auf¬
nannt nach einer Begebenheit des Höflings Da- setzen.
mokles. Als dieser das Glück des Tyrannen Dio- Dampfnudel /. 'Mehlspeise’, siidd. Bezeugt
nysios von Syrakus überschwenglich pries, seit dem 17. Jh., auch als Dämpfnudel. Zu Nudel
wollte letzterer ihm die ständige Bedrohung jeg¬ in der früher noch allgemeinen Bedeutung (s. d.,
lichen Glücks versinnbildlichen. Dazu setzte er etwa 'Knödel’) und dämpfen, weil die Dampfnu¬
dem Damokles kösthche Speisen vor, befestigte deln in einer gut verschlossenen Kachel zuberei¬
aber über seinem Sitzplatz ein Schwert lediglich tet werden.
an einem Pferdehaar. Dampfschiff n., s. Dampfer.
Dämon m. 'böser Geist’. Im 17. Jh. entlehnt Damwild n., s. Damhirsch.
aus gleichbedeutend 1. daemön, dieses aus gr.
Danaergeschenk n. 'unheilbringendes Ge¬
daimön 'göttliche Macht, Geschick, Gott’, zu
schenk’, sonder spracht. Im 19. Jh. wohl nach 1.
gr. daiomai '(ver)teilen’; das Bezeichnungsmotiv
Danaum fätäle münus 'das unheilvolle Geschenk
ist nicht sicher geklärt, möglicherweise 'Zuteiler
der Danaer’ bei Seneca gebildet, in Anspielung
des Schicksals’.
auf Vergil Aeneis 11,49 (Quidquid id est, timeo
Etymologisch verwandt: Pandämonium; zum Etymon
Danaös et döna ferentes 'Was es auch ist, ich
s. Zeit. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 63; G.
fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke
Schoppe ZDW 15 (1914), 180; Ganz (1957), 54; K.-H.
Weinmann DWEB 2 (1963), 388. bringen’). Damit ist das von den Danaern ( =
poetischer Name für die Griechen bei Homer)
Dampf m. Mhd. dampf, tampf ahd. dampf,
den Trojanern überlassene Trojanische Pferd ge¬
mndd. mndl. damp aus vor-d. *dampi- m. 'Aus¬
meint.
dünstung, Dampf’; ferner dämpfen, mhd. demp-
Dandy m. '(übertrieben) eleganter Mann’,
fen, ahd. dempfen, t(h)empfen 'ersticken’ und
sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
mhd. dimpfen stV. 'dampfen (von der körper¬
lichen Ausdünstung)’. Das alte indogermani¬ deutend ne. dandy, dessen Herkunft nicht sicher
geklärt ist.
sche Wort für 'Dampf’, das z. B. in 1. fümus
erscheint, führt auf ig. *dhou-mo-/dhü-mo- zu¬ Dank m. Mhd. ahd. danc, as. thank aus g.
rück — hierzu ahd. toum 'Dampf, Dunst’ und *panka- m. 'Dank’, auch in gt. pagks, anord.
mit 5 mobile ae. steam, ne. steam. Die lautliche ppkk/., ae. pank, Rückbildung zu denken (s. d.).
Vorform von Dampf führt dagegen auf eine Der Sinn ist 'in Gedanken halten’ = 'danken’
Bedeutung 'blasen, fauchen’, lit. dümti 'blasen, (vgl. Ich werde daran denken als Wort des Dan¬
wehen, schnuppern’, mit Labialerweiterung lit. kes oder der Drohung).
dümples f. 'Blasebalg’, lit. dumpliüoti 'schnau¬ Nndl. dank, ne. thanks PL, nschw. tack, nisl. pökk. S.
fen, keuchen’. Zu dieser Bedeutung 'blasen, (at¬ denken, dünken.
men)’ gehören unmittelbar dämpfen 'ersticken’ dann Adv./Konj., Nebenform denn (funktio¬
(zu den Bedeutungsverhältnissen vgl. die balto- nell bis ins 18. Jh. nicht verschieden). Mhd.
slavischen Verben von der Wurzel *dhwes- bei dan(ne), den (ne), ahd. danna, danne, denne,
R. Trautmann: Balto-slavisches Wörterbuch than(n)e u. a., as. than(na), thanne, wie afr.
dannen 128 Datum

than(a), ae. don(ne) die mit einer «-Partikel das Pron./Art., s. der.
erweiterte Form des Zeitadverbs g. *pan, anord. dasig Adj. 'dortig’, österr., schwz. Zuerst im
pä (runennord. pg); dieses mit temporalem 15. Jh. in der Bedeutung 'derjenige’ belegt. Man
«-Suffix gebildet zum demonstrativen /o-Prono- vermutet deshalb ein älteres *da-wesic 'hier
men (vgl. da1 und da2, der usw.). Die älteste seiend’, das aber nicht bezeugt ist; vgl. aber
Verwendung der Partikel im Deutschen ist die nndl. aanwezig 'anwesend u. ä.’.
einer Vergleichspartikel und einer temporalen A. Götze BGDSL 64 (1940), 204f.; E. Öhmann NPhM
Konjunktion (und eines temporalen Adverbs). 55 (1954), 188f.
S. auch denn, wann. — G. v. Stuckrad BGDSL-H
daß Konj. Sprachgeschichtlich identisch mit
79 (1957) (= Sonderband FS Frings), 489 — 535.
dem Nominativ des demonstrativen Pronomens
dannen Adv., arch. Nur noch in von dannen. (das) und von ihm erst in neuhochdeutscher
Mhd. danne(n), dan(e), ahd. than(n)ana, da- Orthographie geschieden. Die Entwicklung zur
nana u. a. Mehrfach erweiterte Adverbialbil¬ Konjunktion, die in allen germanischen Spra¬
dung auf die Frage 'woher?’ (ursprünglich -na chen und vielfach bei Entsprechungen in ande¬
zum demonstrativen /o-Pronomen, vgl. da, der, ren indogermanischen Sprachen stattgefunden
dann, usw.). hat, verläuft im Prinzip über eine Vorauswei¬
dar Part. In den zusammengerückten Formen sung: ich höre das: er kommt wird neu interpre¬
daran, darauf liegt das Adverb des Ortes da1 tiert als ich höre, daß er kommt.
(s. d.) vor. Als Verbzusatz wie in darreichen = W.-D. Michel BGDSL-H 79(1957) (= Sonderband
mhd. dar, ahd. dara ein Ortsadverb auf die FS Frings), 536-549; G. Müller/Th. Frings BVSA
Frage 'wohin?’ zum demonstrativen ?o-Prono- 103 (1959), 6.
men, vgl. da, der, dann, dannen usw. Dasselfliege/. 'große Fliege, die ihre Eier auf
daran Adv., s. dar und an. der Haut von Säugetieren ablegt’, fachsprachl.
darauf Adv., s. dar und auf. Vermutlich aus ndd. dase 'Stechfliege’. Weitere
Herkunft unklar.
darben swV, arch. Mhd. darben, ahd. darben,
as. tharbon aus g. *parb-e- swV. 'darben’, auch Dativ m. (= 3. Fall der Deklination), fach¬
in gt. ga-parban 'sich enthalten’. Wohl denomi- sprachl. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
nativ zu *parbö f. 'Mangel’ in gt. parba, anord. aus gleichbedeutend 1. (cäsus) datlvus, zu 1.
pgrf ae. pearf afr. therve, as. tharf ahd. darba, dare (datum) 'geben’. In der ursprünglichen
dieses zu dürfen (s. d.) in der alten Bedeutung lateinischen Grammatik bezeichnet der Dativ
'bedürfen, nicht haben’. Vgl. immerhin cech. häufig Personen oder Sachen, die das im Akku¬
trpet (usw.) 'leiden’, das auf einen anderen Zu¬ sativobjekt Bezeichnete „erhalten“.
sammenhang weist. Vielleicht sind hier zwei Etymologisch verwandt: s. Datum. — E. Leser ZDW
Wurzeln zusammengefallen. 15(1914), 53.
V. Machek ZSPh 23 (1954), 116f. Datschi m. 'Obstkuchen’, bair. Zu den auf
Darlehen «. Bezeugt seit dem 17. Jh. Ur¬ datsch- beruhenden Lautnachahmungen für
sprünglich oberdeutsche Form mit lehen (leh¬ 'hinklatschen, breitdrücken u. ä.’
nen) im Sinn von 'leihen’ (s. leihen und Lehen) Dattel /. Im Anschluß an frz. datte, span.
und dem Verbzusatz dar (s. d.). dätil, it. dattero m. angeglichen aus mhd. datel,
Darm m. Mhd. ahd. darm, as. tharm aus ahd. dahtil. Dieses aus spl. dactylus m. aus gr.
g. *parma- 'Darm’, auch in anord. parmr, ae. däktylos m. 'Dattel’, übertragen aus dem Wort
pearm, afr. therm. Dieses kann mit gr. törmos für 'Finger’ (nach der Form der Früchte? oder
'Zapfen, Loch, Radnabe usw.’ unmittelbar der Blätter?).
gleichgesetzt werden (weiter zu ig. *ter- 'drehen, S. Daktylus.
reiben, bohren’). Gemeint ist also offenbar der
Datum «. 'Zeit-, Tagesangabe’. Entlehnt aus
Mastdarm vom After aus, nicht in erster Linie
substantiviertem 1. datum 'ausgefertigt (am)’,
das Gedärm von Schlachttieren. Vgl. ndn. ncese-
dem PPP. von 1. dare (datum) 'geben, ausferti¬
bor 'Nasenloch’ zu bohren (s. d.).
gen’ (damit verwandt ist gr. didönai 'geben,
Nndl. darm, nschw. lärm, nisl. parmur. S. drehen ( + ).
schenken’). Es handelt sich um den Beginn der
Darre /. 'Hürde zum Trocknen von Obst üblichen Einleitungsformel von Briefen, der den
usw.’, fachsprachl. Mhd. darre, ahd. darra, Ausstellungszeitpunkt bezeichnete. Die verbale
mndd. dar(n)e aus g. *parzö, auch in schw. Fügung wird dann nominalisiert und begrifflich
(dial.) tarre. Entsprechend (von der Schwund¬ verselbständigt.
stufe) gr. tarsös m., tarsiä 'Vorrichtung zum
Morphologisch zugehörig: datieren, bis dato; etymolo¬
Dörren’, arm. Var 'Stange zum Trocknen von
gisch verwandt: addieren, Anekdote, Dativ, Dosis, do¬
Trauben usw.’ zu ig. *ters- 'dörren, trocknen’ tieren, kommandieren (usw.), Mandat, Pardon, Tradi¬
(s. dürr). tion (usw.). - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 63.
Daube 129 debil

Daube/. 'Faßdaube’, fachsprachl. Seit Luther Eiderdaune aus anord. aöar-dünn (nisl. ce wird
bezeugtes Wort, neben dem in gleicher Bedeu¬ als Diphthong ausgesprochen; -ar ist Genitiv-
tung mhd. düge steht. Entlehnt aus ml. doga, Endung). Einheimisch ist dagegen nndl. dons
dova 'Faßdaube’. Vermutlich Entlehnung aus 'Daune, Flaum’. Obd. Federstaub zeigt, wie
einer Substratsprache, die auch gr. dokös anord. dünn und nndl. dons (zu nhd. Dunst) als
'Dachsparren’ geliefert hat. Ableitungen einer Wurzel *dheua-, bzw. *dhwen-
W. Kaspers ZN 19(1943), 241—246. Erklärungsver¬ 'stieben’ zu verstehen sind.
such als Erbwort bei: H.-G. Maak ZDPh 94(1975)
367-371. Daus1 n. 'zwei Augen im Würfelspiel, Spiel¬
karte’, arch. Spahd. düs /., entlehnt aus südfrz.
däuchten wL, arch. Rückgebildeter Infinitiv
daus, das frz. deux entspricht (aus 1. duos zu
zu mir däucht, das aber ursprünglich Konjunk¬ duo 'zwei’).
tiv des Präteritums von dünken ist (s. d.).
Daus2 in Wendungen wie Ei der Daus! ( =
Dauerbrenner m. Seit dem beginnenden 20. Ausruf der echten oder gespielten Verblüffung),
Jh. belegte Zusammensetzung für 'Ofen, der arch. Könnte der Funktion nach eine Entstel¬
andauernd brennen kann’ aus dauern1 'währen’ lung des Wortes Teufel sein (wegen des Anlauts
(s. d.) und Brenner (Nomen instrumenti zu bren¬ evtl, in niederdeutscher Form).
nen, s. d.). Dann scherzhafte Nachdeutung für
de- Präfix. Wortbildungselement, das 1) eine
'langandauernder Kuß’ (im Kino), 'Ware, die
Abtrennung oder Loslösung, das Fehlen oder
sich immer wieder gut verkauft usw.’.
Abgehen ausdrückt (z. B. debil, deduzieren) oder
dauern1 swV. 'währen’. Ursprünglich nieder¬ 2) eine Verstärkung anzeigt (z. B. Debakel). Es
deutsches Wort (mndd. mndl. dureri), wie afr. wurde in romanischen Entlehnungen ins Deut¬
düria entlehnt aus 1. düräre 'dauern’ und seit sche übernommen; sein Ursprung ist 1. de-
mittelhochdeutscher Zeit nach Süden ver¬ (dass.), das auf der lateinischen Präposition de
breitet. 'von, weg’ beruht. — Vor Vokalen lautet die
dauern2 swV. 'bedauern’, sonder sprach!. Mhd. Form des- (z. B. desillusionieren).
türen neben mich nimmt eines dinges tür 'ich -de Suffix zur Bildung von Adjektiv-Ab¬
lege einer Sache Gewicht bei’. Wird im allgemei¬ strakta, sekundär auch Verbalabstrakta. Heute
nen zu teuer (s. d.) gestellt, doch läßt der Laut¬ nicht mehr produktiv. Aus g. *-ipö in gt. -ipa,
stand dies ohne Annahme von Zusatzentwick¬ anord. ae. -ö, ahd. as. -ida. Ein indogermani¬
lungen (die erst noch zu erweisen wären) nicht sches Dentalsuffix, das an den Zwischenvokal
zu, also Herkunft unklar. -i- antrat. Vgl. etwa Freude, Gemeinde.
Daumen m. Mhd. düme, ahd. düm(o), as. Debakel n. 'schwere Niederlage, unheilvoller
thümo aus wg. *pümön 'Daumen’, auch 'Dau¬ Ausgang’, sonder spracht. Im Neuhochdeutschen
menbreit, Zoll’, auch in ae. püma. Daneben entlehnt aus gleichbedeutend frz. debäcle f
stehen die nordischen Sprachen mit kurzvokali- (wörtlich: 'plötzlicher Eisbruch, plötzliche Auf¬
schen Formen (auch im Altenglischen ist die lösung’), einer Ableitung von frz. debäcler 'auf¬
Länge nicht ausreichend gesichert): aschw. pum brechen’, zu frz. bäcler 'versperren, verram¬
'Zoll’, aschw. pumi 'Daumen’, anord. pumall meln’ (s. auch de-), das möglicherweise aus dem
'Däumling am Handschuh’, anord. pumalfingr Niederdeutschen stammt.
'Daumen’. Wohl als 'der Dicke, Geschwollene’ Debatte /. 'Diskussion, Auseinandersetzung’.
zu der in 1. tumere 'geschwollen sein’ vorliegen¬ Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
den Verbalwurzel; vgl. dazu die Adjektivbildun¬ debat m., einer Ableitung von frz. debattre 'dis¬
gen ai. tümra- 'kräftig, dick, groß’ und ai. tütu- kutieren; (wörtlich:) schlagen’, dieses aus 1. bat-
mä- 'wirkungsvoll, kräftig’. Der Unterschied in tuere 'schlagen’ (s. auch de-). Bezeichnungsmo¬
der Vokallänge der germanischen Wörter bleibt tiv ist der Gedanke des Gefechts mit Worten
dabei unklar; er ist aber nicht allzu gewichtig, („Wortschlacht“).
da die letztlich zugrunde liegende Wurzel als Etymologisch verwandt: s. Bataillon. — W. Feldmann
*teu3- angesetzt werden kann; also etwa *tua-m-, ZDW 8 (1906/07), 63; Ganz (1957), 56; Jones (1976),
teilweise mit Schwund des a. Eine „expressive 273; Brunt (1983), 224.
Dehnung“ im Westgermanischen ist aber bei debil Adj. 'leicht schwachsinnig’, fachsprachl.
der angesetzten Bedeutung ebenfalls nicht aus¬ Entlehnt aus 1. debilis (älter: 1. dehibilis)
geschlossen. 'schwächlich, gelähmt, ungelenk,verkrüppelt’,
Nndl. duim, ne. thumb, nschw. tumme, nisl. pumal- zu 1. habilis 'beweglich, behend, rüstig, tüchtig’
fingur. (s. auch de-), zu 1. habere 'haben, besitzen, in
Daune /. Aus ndd. düne, mndd. dune', dieses der Lage sein’.
entlehnt aus den nordischen Sprachen, vgl. Morphologisch zugehörig: Debilität', etymologisch ver¬
anord. dünn 'Flaumfeder, Daune’, besonders wandt: s. habilitieren.
Debüt 130 definieren

Debüt n. 'erstes Auftreten; Erstlings-’, sonder- Deckmantel m. Seit dem 16. Jh. bezeugt, nur
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend in übertragener Verwendung, die von der Wen¬
frz. debut m. (wörtlich: 'Anfang’), einer postver¬ dung mit dem Mantel der christlichen Nächsten¬
balen Ableitung von frz. debuter 'anspielen, be¬ liebe zudecken (1. pallio Christiänae dilectiönis
ginnen, zum ersten Mal auftreten’, dieses zu¬ legere) stammt. Heute fast nur noch für 'falsche
sammengerückt aus frz. (jouer) de but 'aufs Ziel Vorspiegelung’ gebraucht.
hin spielen’; frz. but wohl aus einer Vermengung S. bemänteln.
von afrz. bot 'Ende’, aus frk. *but (dass.), mit Dedikation/. 'Widmung, Zueignung’, s. dedi-
Bildungen zu frk. *biutan 'reichen’, im Sinne zieren.
von 'etwas (= „ein Ende“), das man erreichen
dedizieren swV. 'widmen, schenken’, fach-
möchte’. Es läßt sich eine Bedeutungsentwick¬
sprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus spl. dedicäre
lung denken von 'aufs Ziel spielen’ über 'das
'(Gott) weihen, widmen’, dieses aus 1. dedicäre
Spiel beginnen, indem man das Ziel anvisiert’
'kundgeben, erklären’, zu 1. dicäre 'weihen, ver¬
zu 'als erster ... bzw. zum ersten Mal ...’.
künden’, (s. auch de-), einem Intensivum zu 1.
Morphologisch zugehörig: Debütant. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 63.
die er e 'sagen’.
Morphologisch zugehörig: Dedikation-, etymologisch
Dechant m., s. Dekan. verwandt: s. diktieren.
Decher n./m. 'zehn Stück Felle’, arch. Mhd.
Deduktion /. 'Ableitung aus dem Allgemei¬
decher, techer, mndd. deker, daker m. Entlehnt
nen’, s. deduzieren.
aus 1. decuria f. 'Zehnerschaft’ (wonach die Rö¬
mer Felle zählten). Das Wort wird deshalb be¬ deduzieren swV. 'ableiten, herleiten’, fach-
deutend, weil germanische Stämme Felle als sprachl. Entlehnt aus 1. dedücere (deductum)
Tribut an die Römer zu liefern hatten (vgl. 'abführen, herabziehen, wegziehen’, zu 1. dücere
Tacitus Annalen 4,72 zu den Friesen). 'ziehen, schleppen’ (s. auch de-).
S. Dezember (+). Morphologisch zugehörig: Deduktion, deduktiv, ety¬
mologisch verwandt: s. Dusche.
Dechsel/., auch Dachsbeil n. 'Queraxt’, fach-
sprachl. Mhd. dehse(l) /., ahd. dehsa(la) /., Deem /. 'Mädchen’, ndd. Form von Dirne
mndd. desele, de(i)ssel /., mndl. dissel aus g. (s. d.).
*pehsalön 'Zimmermannsaxt (o. ä.)’, auch in Deez m., s. Dez.
anord. pexla /., e. (dial.) thixel. Entsprechende Defekt m. 'Fehler, Schaden’. Im 16. Jh. ent¬
außergermanische Wörter (mit verschiedenen lehnt aus gleichbedeutend 1. defectus, dem sub¬
Ablautstufen) sind akslav. tesla, air. täl 'Axt’ stantivierten PPR von 1. deficere 'abnehmen,
und vielleicht I. telum n. 'Wurfgeschoß’, zu ig. fehlen’, zu 1. facere (factum) 'machen, tun’ (s.
*teks- 'behauen’ in ai. tästi, Aorist täksati, auch de-).
akslav. tesati 'hauen, fallen’, akslav. tesQ 'ich
Etymologisch verwandt: s. Fazit. — Schirmer (1911),
haue, falle’, lit. tasyti (mit abweichender Bedeu¬ 42f.
tung 1. texere 'weben’, mhd. dehsen stV. 'Flachs
schwingen’). defensiv Adj. 'zurückhaltend, verteidigend’.
Nndl. dissel, e. (dial.) thixel, schw. (dial.) täxla. S. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml.
Text ( + ). defensivus, zu 1. defendere (defensum) 'abweh-
ren, wegstoßen’, zu *fendere 'stoßen’.
Deck n. Ursprünglich niederländisches Wort
der Seemannssprache, zuerst vielleicht in nndl. Morphologisch zugehörig: Defensive-, etymologisch
verwandt: offensiv (usw.). — Jones (1976), 276f.
overdeck, eigentlich 'Überdecke’ zu decken
(s. d.), Lehnbildung zu it. coperta/., frz. couvert defilieren swV. 'in Reihen vorbeiziehen’, son¬
m. (durchgehende Böden in Schiffen wurden der spraehl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
zuerst im mittelmeerischen Schiffsbau einge¬ tend frz. defilier, einem zusammengerückten
führt). Verb aus frz. de file 'der Reihe nach, in einer
S. Doppeldecker, Verdeck. — Kluge (1911), 177 — 183. Reihe’; frz .file 'Reihe’ ist eine postverbale Ab¬
decken swV. Mhd. decken, ahd. decchen, dek- leitung von frz. filer 'in einem Faden, einer
kon, as. -thekkian aus g. *pak-ija- swV. 'decken’, Reihe vereinigen’ (zuerst als ä file, ä la file), aus
auch in anord. pekja, ae. peccan, afr. thekka. I filäre 'einen Faden ziehen’, zu 1 .fllum 'Faden’.
Vermutlich ein Denominativum zu Dach (s. d.), Morphologisch zugehörig: Defilee-, etymologisch ver¬
eine kausativ-intensive Bildung zu dem dort wandt: s. Filet. - Brunt (1983), 228f.
genannten Grundverb ist aber ebenfalls mög¬ definieren swV. 'bestimmen, abgrenzen’. Im
lich. Das parallele air. tuigithir 'bedeckt’ ist 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. definlre
denominativ. (wörtlich: 'abgrenzen’), einer Ableitung von 1.
Nndl. dekken, ne. thalch, nschw. (be)täcka, nisl. pekja. finis 'Grenze’ (s. auch de-). Einen Begriff defi¬
S. Dach, Deck ( + ), Detektiv ( + ), Tiegel, Ziegel. nieren heißt demnach, die Grenzen seines Gel-
Defizit 131 Deichsel

tungsbereichs festlegen (und ihn inhaltlich von degradieren swV. 'herabsetzen (im Rang); her¬
anderen [ähnlichen] abgrenzen). abwürdigen’. Im Mittelhochdeutschen (mhd.
Morphologisch zugehörig: Deßniendum, Definiens, de¬ degradieren ) entlehnt aus gleichbedeutend ml.
finit, Definition, definitiv. Deßnitor, definitorisch\ ety¬ degradare, einer Ableitung von 1. gradus
mologisch verwandt: fein. Finale (usw.), Finanzen
'Schritt, Rang’ (s. auch de-), einer postverbalen
(usw.), Finesse, Finish, finit (usw.), Infinitiv (usw.),
Ableitung von I. gradi (gressum) 'gehen,
Paraffin, raffiniert (usw.). - W. Feldmann ZDW
8 (1906/07), 63f. schreiten’.
Morphologisch zugehörig: Degradation', etymologisch
Defizit rt. 'Mangel, Fehlbetrag’. Im 18. Jh. verwandt: s. Aggression. — W. Feldmann ZDW
entlehnt aus gleichbedeutend frz. deficit m., die¬ 8 (1906/07), 64; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 181.
ses aus 1. deficit 'es fehlt’, zu 1. deficere 'abneh¬
degustieren swV. 'kosten, prüfen’, sonder¬
men, fehlen’, zu 1. facere (factum) 'machen,
sprachl., schwz. Entlehnt aus gleichbedeutend 1.
tun’ (s. auch de-).
degüstäre, zu 1. güstäre 'zu sich nehmen, kosten’
Morphologisch zugehörig: defizitär, etymologisch ver¬ (s. auch de-).
wandt: s. Fazit. — Schirmer (1911), 43.
Morphologisch zugehörig: Degustation', zum Etymon
deformieren swV, s. Form und de-. s. kosten1.
deftig Adj. 'kräftig’. Ursprünglich niederdeut¬ dehnen swV. Mhd. den(n)en, ahd. dennen,
sches Wort aus nndl./fr. deftig 'gewichtig’, auch then(n)on, as. thennian aus g. *fan-eja- 'dehnen,
'vornehm’. Dieses gehört zu ae. gedafte 'freund¬ strecken’, auch in gt. uf-panjan 'sich ausstrek-
lich’, Adv. 'passend, bereit’, ist also offenbar ken’, anord. penja, ae. pennan, penian 'ausbrei¬
ein altererbtes Wort. Zugrunde liegt g. *dab-a- ten’. Vermutlich Kausativ-Bildung zu der Ver¬
stV. 'passen, zutreffen’ in gt. gadaban 'betref¬ balwurzel ig. *ten- 'dehnen, ziehen’ in ai. tanöti
fen’, ae. gedafen 'angebracht, angemessen’. Ent¬ 'spannt’, gr. teinö 'ich dehne, spanne’, erweitert
sprechungen hierzu in lit. dabä 'Natur, Art und 1. tendere 'dehnen, spannen’.
Weise, Charakter’, akslav. podobati 'geziemen, Nschw. tänja, nisl. penja. S. aufgedunsen, Deichsel (+),
Dohne, Donner (F), dünn, gedunsen, Tempo ( + ),
müssen’ (hierzu, in der Bedeutung zu dem ger¬
Tenor (+), Ton2 (+).
manischen Adjektiv passend, akslav. dobrü 'gut,
Deibel m., s. Deixel.
tüchtig, schön’).
Deich m. Spmhd. dich, tich, entlehnt (unter
Degen1 m. 'Krieger’, arch. Mhd. degen, ahd.
teilweiser Umsetzung in hochdeutsche Laut¬
degan, thegan, as. thegan aus g. * feg na- m.
form) aus mndl. dijc, dieses aus as. die, wozu
'Knabe, Diener, Krieger’, auch in anord. pegn,
afr. dik, ae. die ’Erdwall’, ae. die f. 'Graben’,
ae. peg(e)n. Die ursprüngliche Bedeutung
erweitert anord. diki n. 'Pfütze, Morast’. Vor¬
'Knabe’ noch im Altsächsischen (teilweise) und
auszusetzen ist also ein *dika- o. ä. in den nord¬
in ahd. thegankind n. 'Knabe’. Außergerma¬ seegermanischen Sprachen, dessen Bedeutung
nisch entspricht gr. teknon n. 'Kind’, das zu 'der beim Graben eines Wasserlaufs an der Seite
gr. t'iktö (*ti-tk-5) 'ich bringe hervor, gebäre’ aufgeworfene Wall (als Erhöhung oder Verstär¬
gehört, weiter allenfalls noch ai. täkma- n. 'Ab¬ kung des Randes)’ gewesen sein muß. Zu einer
kömmling’. Also 'Geborenes, Kind, Junges’ zu west-ig. Verbalwurzel *dheig- 'in die Erde ste¬
einem weitgehend ausgestorbenen ig. Verb *tek- chen/stecken’ in lit. diegti 'in die Erde stecken,
'hervorbringen, gebären’. setzen, stechen’, 1. figere 'heften, hineinstecken,
Ne. thane, nisl. pegn. S. Haudegen. durchbohren’.
Degen2 m. 'Stichwaffe’. Spmhd. degen, ent¬ S. fix (+), Teich.
lehnt aus ofrz. degue (frz. dague f. 'Dolch’. Deichsel/. Mhd. dihsel, ahd. dihsala, as. thlsla
Dessen Herkunft ist unklar.). aus g. *pihslö, älter *penhslö f. 'Deichsel’, auch
S. Haudegen. in anord. pisl, ae. pTxl, pisl. Außergermanisch
vergleichen sich mit abweichenden Suffixen 1.
degenerieren swV. 'sich zurückentwickeln,
temo m. 'Deichsel’ (*teng-s-mön), apreuß. teau-
verkümmern’, s. generieren und de-.
sis 'Deichsel’ (*teng-s-jo), zur Verbalwurzel
degoutieren swV. 'anekeln’, sondersprachl. Im *teng- 'ziehen’ in aruss. tjagati 'ziehen’ und
Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ wohl auch (trotz abweichendem Anlaut) avest.
tend frz. degoüter, einer Ableitung von frz. goüt Ifang- '(Wagen) ziehen’, vermutlich eine Erwei¬
'Geschmack’, dieses aus 1. güstus (dass.). Die terung von *ten- 'spannen, ziehen’ (s. dehnen).
Bedeutung wird verschoben von 'keinen Ge¬ Auszugehen ist wohl von einem .s-Stamm ig.
schmack an einer Speise finden’ zu etwas wi¬ *tengos- 'das Ziehen’, zu dem mit verschiedenen
derwärtig finden’. Zugehörigkeitssuffixen die Wörter für 'Deich¬
Morphologisch zugehörig: Degout, degoutant', etymo¬ sel’ gebildet wurden.
logisch verwandt: Hautgout, Ragout', zum Etymon s. Nndl. dissel, nschw. tistel, nisl. pisl. S. deichseln,
kosten1. — Brunt (1983), 231. dehnen ( +), denken, dünken.
deichseln 132 dekorieren

deichseln swV, ugs. Ableitungen zu Deichsel Untereinheit der Zenturie bzw. Kommandeur
(s. d.). Im 15. Jh. belegt in der Bedeutung 'einen eines Geschwaders von zehn Schiffen, im Kir¬
Wagen mit einer Deichsel versehen’. Für die chenlatein 'Vorgesetzter von zehn Mönchen’,
heutige, seit dem 19. Jh. bezeugte (ursprünglich dann Verallgemeinerung der Bedeutung unter
wohl studentensprachliche) Übertragung 'eine Verlust des Bezugs auf diese Anzahl.
schwierige Sache meistern’ ist auszugehen von Morphologisch zugehörig: Dekanat; etymologisch ver¬
'den Wagen mit der Deichsel rückwärts lenken’, wandt: s. Dezember. — Götze (1929), 7.
was einen erheblichen Aufwand an Geschick¬ deklamieren swV. '(pathetisch) aufsagen’,
lichkeit und Kraft erfordert. fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Deiger m„ s. Deixel. deutend 1. declämäre, einem Intensivum zu 1.
dein Pron. (= Genitiv von du [s. d.], Posses¬ clämäre 'rufen, schreien’ (s. auch de-), zu 1.
siv-Pronomen der 2. Person Singular). Mhd. clärus 'laut; hell’. Im Deutschen zunächst ver¬
dm, ahd. din, thin, as. thin aus g. *pma-, auch wendet als Bezeichung der (lateinischen) Rede¬
in gt. peins, anord. pinn, ae. pin. Zugehörigkeits¬ übungen in der Tradition der klassischen Rhe¬
bildung auf -no-, ausgehend vom Lokativ-Suffix torikausbildung an den Schulen.
*-ne zu dem ursprünglich enklitischen Pronomi¬ Morphologisch zugehörig: Deklamation; etymologisch
nalstamm *tei (auch in heth. -ti, al. tis). verwandt: Akklamation (usw.), deklarieren (usw.), Ex-
Nndl. dijn, ne. (arch.) thine, nschw. din, nisl. pinn. S. klamation, klar, Klarinette, Konzil (usw.), proklamieren
dich, dir, du. — Seebold (1984), 49 — 51. (usw.), Reklame, reklamieren (usw.); zum Etymon s.
holen. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 63.
Deiner m., s. Deixel.
deklarieren swV.,'angeben, erklären’, sonder-
Deixel n., ugs., reg. Aus euphemistischen
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. decläri-
Gründen entstellt aus Teufel (s. d.), bezeugt seit
reri) entlehnt aus gleichbedeutend 1. decläräre,
dem 17. Jh. Entsprechende Hüllformen sind
einem Intensivum zu 1. cläräre 'deutlich ma¬
etwa Deibel, Deubel, Deiger, Deiner, Drixel usw.
chen’ (s. auch de-), zu 1. clärus 'laut; hell, klar’.
(vgl. auch die Zusammenrückung Gottseibei¬
Morphologisch zugehörig: Deklaration; etymologisch
uns). Dahinter steckt der — keine strikte Tren¬
verwandt: s. deklamieren. — W. Feldmann ZDW
nung zwischen Sache und Bezeichnung ken¬
8 (1906/07), 63; Schirmer (1911), 43; G. Schoppe ZDW
nende — Volksglaube, daß man den Teufel 15(1914), 180.
durch das Aussprechen seines richtigen Namens
herbeirufen würde. deklinieren swV. 'morphologisch beugen’,
fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. de-
deka- Präfixoid. Wortbildungselement mit
clinieren, deklmeri) entlehnt aus gleichbedeutend
der Bedeutung 'zehn’ (z. B. Dekagramm). Es
1. decltnäre (wörtlich: 'abbiegen’), zu 1. *clinäre
wurde vornehmlich in griechischen Entlehnun¬
'biegen, beugen’ (s. auch de-). Das Benennungs¬
gen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung
motiv versteht die Formen eines Wort(para-
ist gr. deka (dass.).
digma)s als von der Zitierform abgeleitete („ab¬
Etymologisch verwandt: Dekade-, zum Etymon s. zehn.
gebogene“) Wörter, und das Deklinieren eines
Dekade /. 'zehn Stück, Zeitraum von zehn Wortes besteht demnach im Aufsagen (d. h.
Einheiten’. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. Nachbilden) dieser Ableitungen.
decade, dieses aus 1. decas (-adis) 'eine Anzahl
Morphologisch zugehörig: Deklination, Deklinator,
von zehn’, aus gr. dekäs (dass.), zu gr. deka Deklinatorium; etymologisch verwandt: [Klementine],
(-ädos) 'zehn’. Klima (usw.), Klimax, Klinik (usw.); zum Etymon s.
Etymologisch verwandt: s. deka-, lehnen. Ersatzwort ist beugen. — E. Leser ZDW
15(1914), 49f.
Dekadenz /. 'Verfall’, fachsprachl. Im 17. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. decadence, dekolletiert Adj. 'mit einem (tiefen) Aus¬
dieses aus ml. decadentia (dass.), zu spl. cadentia schnitt’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
'das Fallen’ (s. auch de-), aus 1. cadere 'fallen’. frz. decollete (wörtlich: 'ohne Halskragen’), dem
Benennungsmotiv ist eine Metapher, die Besse¬ PPrät. von frz. decolleter 'den Nacken entblö¬
res als Höher(liegend)es sieht und Verschlechte¬ ßen’, einer Ableitung von frz. collet 'Halskra¬
rung dann als eine Abnahme an Höhe versteht. gen' (s. auch dis-), zu frz. col 'Hals’, aus 1.
Morphologisch zugehörig: dekadent', etymologisch ver¬ collum 'Hals’.
wandt: s. Chance. - Jones (1976), 275; Brunt (1983), Morphologisch zugehörig: Dekollete; etymologisch
225. verwandt: Koller2, Kollier, Kolonie (usw.), kultivieren
Dekan m. 'Vorsteher (einer Fakultät, usw.)’, (usw.); zum Etymon s. Hals.
fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ dekorieren swV. 'verzieren’. Im 16. Jh. ent¬
deutend I. decänus (wörtlich: 'Vorsteher von lehnt aus gleichbedeutend 1. decoräre, einer Ab¬
zehn’), einer Ableitung von I. decem 'zehn'. Zu¬ leitung von 1. decus (-coris) 'Schmuck, Zierde’.
nächst Führer der aus zehn Mann bestehenden Später auch wesentlicher Einfluß von frz. deco-
Dekorum 133 Demagoge

rer (dass.). L. decus ist entfernt verwandt mit 1. sein’, zu 1. deltrus 'wahnsinnig’, dem PPP. von
docere (s. Doktor). 1. dellräre 'wahnsinnig sein; Unsinniges reden,
Morphologisch zugehörig: Decorum. Dekor, Dekora¬ faseln’, das auf einer Zusammenrückung von 1.
teur, Dekoration, dekorativ, etymologisch verwandt: de lirä (Ire) '(wörtlich:) von der Furche abwei¬
dezent (usw.), Dogma (usw.), Doktor (usw.), Doktrin
chen, (übertragen:) vom Normalen abweichen’
(usw.), Dokument (usw.), dozieren, [indigniert], ortho¬
beruht. Aus einem konkreten Fall des Abwei-
dox (usw.), paradox (usw.). - W. Feldmann ZDW
8 (1906/07), 63. chens vom vorgegebenen Weg, der geraden Ak-
kerfurche nämlich, wird eine allgemeine Be¬
Dekorum n. 'Geziemendes’, s. dekorieren.
zeichnung für das Abweichen vom Normalen
Dekret n. 'Erlaß’, fachsprachl. Im Mittel¬ abstrahiert und auf Schwachsinnigkeit übertra¬
hochdeutschen (mhd. decret) entlehnt aus gen. Die bereits im Lateinischen entwickelte
gleichbedeutend 1. decretum (wörtlich: 'Ent¬ Bedeutung 'Unsinn reden, faseln’ wird in der
scheidung’), dem substantivierten PPP. von 1. Medizin als Grundlage genommen für die Be¬
decernere 'entscheiden’, zu 1. cernere (crevt, cre- deutungsverengung auf einen bestimmten Fall
tum) 'scheiden’ (s. auch de-). Das Benennungs¬ von Abnormität, eine (durch Alkoholgenuß,
motiv versteht das Befürworten einer Sache als Fieber usw.) hervorgerufene Bewußtseinstrü¬
das Trennen einer Möglichkeit von den rest¬ bung, die unsinniges Faseln und Wahnvorstel¬
lichen. lungen als charakteristische Begleiterscheinung
Morphologisch zugehörig: Dekretale; etymologisch aufweist.
verwandt: Dezernent (usw.), diakritisch, diskret (usw.), Zum Etymon von 1. lirä s. Geleise.
diskriminieren (usw.), Konzern, Konzert (usw.), Krise,
Delle/., Telle/., Dalle /. 'Vertiefung im Ge¬
kritisch (usw.), Sekret (usw.), Sekretär (usw.), Zertifi¬
kat, zum Etymon s. rein. lände, in Blech usw.’, reg. Spmhd. teile, mndl.
delle. Alte umgangssprachliche Ausdrücke für
delegieren swV. 'abgeben, abordnen’, sonder-
'Vertiefung’, auch in ae. dell m./n., afr. dele.
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Zugehörigkeitsbildungen auf g. *jö zu dem
1. delegäre, zu 1. legäre '(gesetzlich) verfügen,
Wort Tal (s. d.). Als Dole der niedrigere Teil des
als Legaten abordnen’ (s. auch de-), einer Ablei¬
Fußbodens im niedersächsischen Bauernhaus.
tung von 1. legätus 'Gesandter, (wörtlich:) mit
Nndl. del, ne. dell. S. Tal, Tülle. — W. Jungandreas
gesetzlicher Vollmacht Beauftragter’, zu 1. lex NJ 77 (1954), 69-83.
(-egis) 'Gesetz’ (verwandt mit gr. lögos 'Maß,
Delphin m. (= ein Meeressäugetier). Im Mit¬
Vernunft, Berechnung’).
telhochdeutschen (mhd. delfin) entlehnt aus
Morphologisch zugehörig: Delegat, Delegation', etymo¬
gleichbedeutend 1. delphinus, dieses aus gr.
logisch verwandt: s. analog. — Jones (1976), 278f.;
Brunt (1983), 232f. delphis (-tnos) (dass.), zu gr. delphys f. 'Gebär¬
mutter’. Das /n/ wird aus flektierten Formen in
delikat Adj. 'fein, wohlschmeckend; heikel’.
den Nominativ übernommen. So benannt, da
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
es sich bei diesem Meeresbewohner um keinen
delicat, dieses aus 1. delicätus (dass.), das häufig
Fisch, sondern ein Säugetier (einen „Fisch“ mit
zu 1. deliciae 'ergötzliche Dinge, Kleinodien,
Gebärmutter) handelt.
Schlüpfrigkeiten’ in Beziehung gesetzt wird.
Delta n. 'dreieckförmiges Gebiet einer Flu߬
Morphologisch zugehörig: Delikatesse. — W. Feld¬
mündung; Nilmündung’, fachsprachl. Im 16. Jh.
mann ZDW8 (1906/07), 64; Jones (1976), 278f.; Brunt
(1983), 232. entlehnt aus gleichbedeutend 1. delta/./«., dieses
aus gr. delta (dass.), eigentlich die Bezeichnung
Delikt n. 'Straftat; Verfehlung’. Im 19. Jh.
des vierten Buchstabens des griechischen Al¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. delictum, dem
phabets, diese aus hebr. daleth (dass.). Man
substantivierten PPP. von 1. delinquere 'in seiner
benannte das in Unterägypten von den Nilar¬
Pflicht fehlen, sich vergehen; (wörtlich:) ausge¬
men gebildete Gebiet nach der Ähnlichkeit mit
hen, fehlen’, zu 1. linquere 'lassen, überlassen, dem dreiecksförmigen Buchstaben (etwa „das
zurücklassen’ (s. auch de-)', 1. delictum ist der Nildreieck“). Lange Zeit blieb das Wort darauf
zentrale Begriff des römischen Privatrechts (für beschränkt. Dann Verallgemeinerung der Be¬
alle Straftaten mit Ausnahme von Mord und deutung auf jede solche Flußmündung (im
Hochverrat, die von Seiten des Staates geahndet Deutschen seit dem 19. Jh.).
wurden: 1. crimen). Dazu Delinquent (wörtlich:
Demagoge m. 'politischer Hetzer’. Im 19. Jh.
'jmd., der sich vergeht’).
entlehnt aus gleichbedeutend gr. demagögos, zu
Etymologisch verwandt: Reliquie (usw.); zum Etymon
gr. demos 'Volk’ und gr. ägein 'führen, treiben’.
s. leihen.
Zunächst wertneutrale Bezeichnung für Vertre¬
Delinquent m., s. Delikt. ter der Sache des Volkes. Im Griechischen tritt
Delirium n. 'Bewußtseinstrübung’, fach¬ dann aber eine Bedeutungsverschlechterung zu
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. dellrium 'Irre¬ 'Aufwiegler’ ein, weil man ihnen vorwirft, das
Demant 134 Denkmal

Volk zur Durchsetzung von unlauteren Eigenin¬ Mentor, monieren, Monitor, Monstranz, Monstrum,
teressen aufzuhetzen. Monument, Muster; zum Etymon s. mahnen. — W.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 64.
Morphologisch zugehörig: Demagogie; etymologisch
verwandt: s. Antagonismus und Demokratie. — W. demoralisieren swV., s. Moral und de-,
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 64.
Demoskopie /., s. Demokratie und Skepsis.
Demant m., arch. Alte Nebenform zu Dia¬
Demut /. Mhd. diemüete, diemuot, ahd. dio-
mant (s. d.), entlehnt aus afrz. demande, Neben¬
muotl, Adjektiv-Abstraktum zu ahd. diomuoti
form zu diamant.
Adj. 'demütig’. Dies ist ein Bahuvrihi-Komposi-
Dementi n. 'Widerruf, offizielle Richtigstel¬ tum mitya-Suffix zu Mut in der alten Bedeutung
lung’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 'Sinn’ (s. d.) und einem alten Wort für 'Diener,
gleichbedeutend frz. (donner un) dementi m., zu Gefolgsmann’, g. *pewa- m. in gt. pius, runen-
frz. dementir 'abstreiten’, einer Ableitung von nord. pewaR, ae. peow; also 'der die Gesinnung
frz. mentir 'lügen’ (s. auch de-), aus 1. mentlrl eines Gefolgsmannes, Dieners, hat’. Nhd. e statt
(dass.), zu 1. mens (-entis) f. 'Denken, Verstand’. ie beruht auf niederdeutschem Einfluß.
Die Bedeutung 'lügen’ des lateinischen Verbs Nndl. deemoed. S. dienen. — M.-L. Rotsaert in: FS
ergibt sich aus 'sich etwas ausdenken’ (im Ge¬ Schützeichel (1987), 1048 — 1058. Abweichend: W.
gensatz zu 'sich an die Tatsachen halten’). Das Braune BGDSF 43 (1918), 397.
französische Verb hat eine negierende Bedeu¬
dengeln swV, fachsprachl. Mhd. tengelen, ein
tung im Sinne von 'bei jmd. als Lügen nachwei-
wohl nur wegen seiner speziellen Bedeutung
sen’, d. h. 'als den Tatsachen nicht entsprechend
('die Sense schärfen’) schlecht bezeugtes Verb.
abstreiten’.
Formen mit / sind ahd. tangil 'Dengelhammer’,
Etymologisch verwandt: s. mental. — W. Feldmann
ahd. tangiläri, tengiläri 'Kaltschmied’; Formen
ZDW 8 (1906/07), 64.
ohne / führen zunächst auf g. *dang-eja- 'häm¬
Demokratie /. 'Regierungform mit vom Volk mern, dengeln’ in anord. dengja, ae. dencgan,
in allgemeinen Wahlen bestimmter Regierung’. mhd. tengen; dazu vielleicht als ursprüngliches
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend demo- starkes Verb aschw. diungha 'schlagen’ (nur Prä¬
cratia, dieses aus gr. demokratia (dass.), zu gr. sens, selten), me. dingen, dengen 'schlagen’. Wei¬
demos m. 'Volk’ und gr. kratein 'herrschen’. tere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche
Das Wort bekommt erst mit der französischen Form kann von dem Gerätenamen (ahd. tangil)
Revolution politische Bedeutung; vorher war es abgeleitet sein (also 'mit dem tangil arbeiten’)
(in den modernen Sprachen) ein rein theoreti¬ oder eine Iterativ-Bildung zu mhd. tengen dar¬
scher Begriff. stellen.
Morphologisch zugehörig: Demokrat; etymologisch
W. Mitzka HBV 49/50 (1958), 151-155; Lühr(1988),
verwandt: Aristokrat, Bürokratie, [demo-], Demagoge 364.
(usw.), Epidemie-, zum Etymon s. hart. — R. Breitling
in: P. Hanngs (Hrsg.): Res publica, FS D. Sternberger denken swV. Mhd. ahd. denken, as. thenkjan
(München 1977), 37 — 52; K. H. Kinzl Gymnasium aus g. *pank-(i)ja- swV. 'denken’, auch in gt.
84(1978), 117-127, 312-326. pagkjan, anord. pekkja, ae. pencan, afr. thanka,
demolieren swV. 'zerstören, stark beschädi¬ thenza, Kausativum (oder allenfalls Primär¬
gen’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend verb) zu einer zunächst nicht klaren Verbalwur¬
frz. demolir, dieses aus 1. demölrn (dass.), einem zel; parallel 1. tongere 'wissen’. Nun zeigt die
Intensivum zu 1. möllrl 'fortbewegen; errichten; unter Deichsel aufgeführte ig. Verbalgrundlage
zerstören’ (s. auch de-), zu 1. möles 'Masse, Last, *teng- 'ziehen, spannen’ im Slavischen auch die
Bau’. Im Deutschen zunächst beschränkt auf Bedeutung 'wiegen’ (aruss. tjagnuti 'schwer sein
das 'Zerstören, Schleifen von Festungswerken’, [auf der Waagschale], wiegen’, russ. tjanüti
im 19. Jh. dann in allgemeinerer Bedeutung. [meist unpersönlich] 'wiegen’). Dies weist dar¬
Etymologisch verwandt: s. Molekül. - W. J. Jones SN aufhin, daß das germanische Wort für 'denken’
51 (1979), 254f. ursprünglich ein 'erwägen’, 1. tongere den nach
demonstrieren swV. 'zeigen, beweisen; eine diesem Vorgang erreichten Zustand ('wissen’)
Kundgebung machen’. Im 16. Jh. entlehnt aus bezeichnete; dünken (s. d.) vielleicht als Fortset¬
1. demönsträre 'hinweisen, verdeutlichen’, einem zer des primären Verbs 'mir wiegt etwas, mir ist
Intensivum zu 1. mönsträre 'zeigen’ (s. auch de-), etwas gewichtig’.
zu 1. mönstrum 'Mahnzeichen’, zu 1. monere Nndl. denken, ne. think (formal = dünken), nschw.
'mahnen’. Die Bedeutung 'öffentliche Kundge¬ tänke, nisl. pekkja. S. Andacht, Dank, Deichsel ( + ),
dünken, Gedanke.
bung’ (eigentlich: 'öffentliches Kundtun seiner
Meinung’) wird im 19. Jh. aus dem Englischen Denkmal n. Lehnbildung (16. Jh.) nach
übernommen. (ntl.-)gr. mnemösynon 'Gedächtnis, Denkmal’
Morphologisch zugehörig: Demonstration, demonstra¬ mit denken 'sich erinnern’ (s. d.) und Mal2 'Zei¬
tiv, Demonstrativpronomen; etymologisch verwandt: chen’ (s. d.). Die ursprüngliche Bedeutung ist
Denkzettel 135 der

also 'Erinnerungszeichen’ allgemein; erst später sondern von Kurieren befördert wurden, deren
wird (wohl unter Einfluß von 1. monumentum) offizielle Position eine ungehinderte und zügige
'Gedenkstein, Monument’ vorherrschend. Übermittlung gewährleistete. Mit dem techni¬
Denkzettel m. Zusammensetzung aus denken schen Fortschritt im 19. Jh. dann Verlust des
'sich erinnern’ (s. d.) und Zettel2 (s. d.). Zuerst usprünglichen Benennungsmotivs und Bedeu¬
im 15. Jh. als Fachwort der Rechtssprache be¬ tungserweiterung von 'Eilbotschaft’ zu 'Tele¬
legt: mndd. denkcedel = 'Urkunde, schriftliche gramm' (= telegraphisch übermittelte Eilbot¬
Vorladung’. Im 16. Jh. gebraucht es Luther zur schaft).
Übersetzung von ntl.-gr. phvlakterion n. 'jüdi¬ Etymologisch verwandt: s. Pedal - Schirmer (1911),
scher Gebetsriemen mit Gesetzessprüchen’; von 44; Jones (1976), 285; Brunl (1983), 236f.
daher die Bedeutung 'Erinnerungsmerkblatt’ deponieren .sw V. 'ablegen, hinterlegen’. Im 16.
und allgemein 'Erinnerungszeichen’. Die Be¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. depönere, zu
deutung 'Strafe (an die man lange denken wird)’ 1. pönere (positum) 'setzen, stellen, legen’ (s.
ist schon seit dem 16. Jh. bezeugt; die Ein¬ auch de-).
engung auf 'Prügelstrafe’ geschah wohl zuerst Morphologisch zugehörig: Depot', etymologisch ver¬
in der Schulsprache. wandt: s. Position. — Schirmer (1911), 44.
denn Konj. Funktionell bis ins 18. Jh. nicht Depot n., s. deponieren.
von dann (s. d.) geschieden.
Depp m. (= Schimpfwort für einen unge¬
Zur Herausbildung der kausalen Konjunktion vgl. Be¬
schickten Menschen), ugs., bair.-österr. Gehört
haghel (1923/32), III, 112-122.
wie früheres Taps zu täppisch (s. d.).
Dental m. 'mit Zunge und Zähnen gebildeter
Depression f. 'Niedergeschlagenheit; wirt¬
Laut’. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. dens (den¬
schaftlicher Rückgang’. Im 19. Jh. entlehnt aus
tis) 'Zahn’.
gleichbedeutend frz. depression (wörtlich: 'Nie-
S. Dentist, Zahn( + ).
derdrückung, Senkung’), dieses aus 1. depressio
Dentist m. 'Zahnarzt’. Im 20. Jh. entlehnt (-önis) (dass.), einer Ableitung von 1. deprimere
aus frz. dentiste, das zu 1. dens (dentis) 'Zahn’ (depressum) 'niederdrücken, senken’, einem In-
gebildet ist. tensivum zu 1. premere (pressum) 'drücken’ (s.
S. Dental, Zahn ( + )• auch de-). Die wörtliche Bedeutung des physi¬
denunzieren swV. 'anzeigen, verpfeifen’, son- schen Niederdrückens (bzw. Niedergedrückt¬
dersprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. denüntiäre seins) wird übertragen auf Zustände psychi¬
'anzeigen, ankündigen’, einer Ableitung von 1. scher (usw.) „Be-lastung“ und die damit ver¬
nüntius 'Bote, Verkünder’ (s. auch de-), einer bundene Gemütsverfassung.
Substantivierung von 1. nüntius 'meldend’. Die Morphologisch zugehörig: depressiv, deprimiert', ety¬
ursprünglich neutrale Bedeutung 'etwas mel¬ mologisch verwandt: s. Presse. — Schirmer (1911), 44.

den’ verengt sich auf 'etwas bei der Obrigkeit deprimiert Adj., s. Depression.
melden’, d. h. 'jmd. verraten’. Deputat n. 'zugehörige Sachleistung; zu lei¬
Morphologisch zugehörig: Denunziant', etymologisch stende Zahl von Unterrichtsstunden’, fach-
verwandt: s. Annonce. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
07), 64.
1. deputätum (wörtlich: 'Bestimmtes, Zugeteil¬
Deo n., s. Deodorant. tes’), dem substantivierten PPP. von 1. deputäre
Deodorant n. 'Pflegemittel gegen Körperge¬ 'zuteilen; für jmd./etwas bestimmen’, zu 1. pu-
ruch’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend täre 'schneiden, reinigen, berechnen (u. a.)’ (s.
ne. deodorant, einer neolateinischen Bildung zu auch de-), zu 1. putus 'rein, lauter’. Das Wort
l. odöräre 'riechend machen’ (s. auch de-), zu 1. bezeichnet die jemandem für eine erbrachte Lei¬
odor m. 'Geruch’. stung zugewiesenen Sachen wie auch die für
Morphologisch zugehörig: Desodorant, Deo (spray). eine Entlohnung zu erbringende Leistung
Depesche /. 'Eilbotschaft, Telegramm’, fach- („Lehrdeputat“). Deputation und Deputierter
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend sind so benannt, da es sich um Personen han¬
frz. depeche, einer Ableitung von frz. depecher delt, die zu Vertretern von jemanden/etwas be¬
'beschleunigen, absenden, (wörtlich: die Füße stimmt worden sind. Ersatzwort für Deputierter
von Flindemissen befreien)’, gebildet als Gegen¬ ist Abgeordneter.
wort zu frz. empecher 'hindern, (wörtlich: Fu߬ Morphologisch zugehörig: Deputant', etymologisch
angeln legen)’ (s. auch de-), dieses aus spl. impe- verwandt: s. amputieren. — G. Schoppe ZDW
15(1914), 181.
dicäre 'verwickeln, festhalten, behindern’, zu 1.
pedica 'Fußfessel, Fußschlinge’, zu 1. pes (-edis) der Pron./Art. Dieses Pronomen (nhd. der,
m. 'Fuß’. So benannt, da diese eiligen offiziellen die, das', mhd. ahd. der, diu, daz) beruht auf
Botschaften nicht auf dem regulären Postweg, einer Umgestaltung des alten ig. to-Pronomens
derb 136 desolat

mit demonstrativer Funktion. Die Funktion des Derwisch m. 'mohammedanischer Mönch’,


Artikels hat dieses Pronomen in allen westger¬ sonder spracht. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
manischen Sprachen übernommen; im Goti¬ lehnt aus gleichbedeutend türk, dervis, dieses
schen nur ansatzweise, in den nordischen Spra¬ aus pers. darwis (wörtlich: 'Armer’).
chen nur in bestimmten Fügungen (während des- Präfix, s. de-.
dort sonst ein suffigierter Artikel anderer Her¬
des- (Negationspräfix), s. dis-.
kunft verwendet wird).
Desaster n. 'schreckliches Unglück’, sonder-
derb Adj. Mhd. derp, ahd. derb(i), as. therf,
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
thervi, therpi aus g. *perba- Adj. 'ungesäuert,
gleichbedeutend frz. desastre m., zu frz. astre
nicht salzig (von Wasser), nicht sauer (von
nt. 'Gestirn’ (s. auch dis-), aus 1. astrum (dass.),
Milch)’, also etwa 'einfach, ohne besonderen
aus gr. ästron (dass.), zu gr. aster m. 'Stern,
Geschmack’, auch in ae. peorf, anord. piarfr.
Gestirn’. So bezeichnet nach der Vorstellung,
Damit gehört das Wort vermutlich zu 1. torpere
daß bestimmte Gestirnkonstellationen für das
'steif sein, gefühllos sein’ (von den Gliedern),
und entsprechend lit. tirpti 'einschlafen, erstar¬ Schicksal der Menschen verantwortlich sind.
ren’, russ. terpnuti. Die Bedeutungsentwicklung Etymologisch verwandt: s. Aster.
im Deutschen ist dann dadurch beeinflußt wor¬ Dese /., s. Dose.
den, daß im Niederdeutschen ein ursprungsver¬
Desem(er) m., s. Besemer.
schiedenes Adjektiv damit zusammenfiel, näm¬
desertieren swV. 'fahnenflüchtig werden’. Im
lich anord. djarfr 'kühn, mutig’, as. derbi 'grob,
roh’, afr. derve 'verwegen’. Die Einzelheiten die¬ 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. deser-
ses Zusammenfalls sind aber noch nicht ausrei¬ ter, zu frz. desert ''verlassen’, aus 1. desertus
chend erhellt. (dass.), dem PPP. von 1. deserere 'verlassen,
V. Machek ZSPh 23 (1954), 116f. abtrennen’, zu 1. serere '(aneinander)fügen, rei¬
hen’ (s. auch de-).
Derby n. 'Pferderennen; besonderes Sport¬
Morphologisch zugehörig: Deserteur, Desertion-, ety¬
ereignis’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus
mologisch verwandt: s. Serie. — Brunt (1983), 242f.
gleichbedeutend ne. Derby (race), so benannt
nach dem 12. Earl of Derby, der solche Pferde¬ Desiderat n. 'Erwünschtes, Benötigtes’, son-
rennen Ende des 18. Jhs. einführte. Aus der dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. desi-
Bezeichnung für ein bestimmtes Pferderennen derätum, dem substantivierten PPP. von 1. desT-
entwickelt sich dann bald ein Appellativum für deräre 'nach etwas verlangen, begehren, ver¬
eine ganze Klasse von Pferderennen. Die Be¬ missen’.
deutung 'besonderes Sportereignis’ entsteht als Morphologisch zugehörig: desiderabel, desiderat, Desi¬
Verallgemeinerung von 'besonderes Pferde¬ deratum.
sportereignis’ unter Verlust der Beschränkung Design n. '(Entwurf von) Gestalt, Aussehen;
auf Pferderennen. Plan’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
derivieren swV. 'herleiten, ableiten’, fach¬ ne. design, dieses aus frz. dessein m. (dass.),
sprachl. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus it. disegno m. (dass.), einer postverbalen
aus gleichbedeutend 1. deriväre (derivätum) Ableitung von it. disegnare 'beabsichtigen, be¬
(wörtlich: 'eine Flüssigkeit wegleiten’), zu 1. zeichnen’, aus 1. designäre (dass.), zu 1. signäre
riväre 'ableiten’ (s. auch de-), zu 1. rivus 'Bach, 'zeichnen, bezeichnen, siegeln’ (s. auch de-), zu
Kanal’. Bereits im Lateinischen die Bedeutung 1. signum 'Zeichen, Kennzeichen, Merkmal’, zu
'ein Wort von einem anderen ableiten’. 1. secäre (sectum) 'schneiden’.
Morphologisch zugehörig: Derivat, Derivation, Deriva¬ Morphologisch zugehörig: Designer, Designat, Desig¬
tiv, Derivativum; etymologisch verwandt: Rivale (usw.); nation, Designator, designatus, designieren; etymolo¬
zum Etymon s. rinnen. gisch verwandt: s. sezieren.
dero Fron., arch. Es handelt sich um die volle, desinfizieren swV., s. infizieren.
nicht zu -e abgeschwächte Form des Genitivs
deskribieren swV. 'beschreiben’, fachsprachl.
Plural des Artikels (s. der). Ahd. dero erscheint
Entlehnt aus gleichbedeutend I. describere, zu 1.
mittelhochdeutsch meist als der(e); im Aleman¬
scribere 'schreiben, zeichnen, entwerfen’ (s.
nischen hält sich aber die Vollform auf -o (dane¬
auch de-).
ben auch -a und -u) und wird dort als Demon¬
strativ- und Relativpronomen in der Kanzlei¬ Morphologisch zugehörig: Deskription, deskriptiv,
sprache fest. Von da dringt dero als Demonstra¬ Deskriptor; etymologisch verwandt: Manuskript, prä-
skriptiv, schreiben, Skriptum, subskribieren, transkribie¬
tiv-Pronomen, vorwiegend für den Genitiv Plu¬
ren. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 64.
ral aller Genera, seltener für den Genitiv und
Dativ Singular Femininum, in die deutsche Desodorant n., s. Deodorant.
Kanzleisprache ein. desolat Adj. 'traurig, trostlos’. Entlehnt aus
S. auch desto. gleichbedeutend l. desölätum, dem adjektivi-
despektierlich 137 Detektiv

sehen PPP. von 1. desöläre 'einsam lassen, verlas¬ läre 'herabträufeln’, dieses aus 1. destilläre
sen’, zu 1. söläre 'einsam machen’ (s. auch de-), (dass.), zu 1. stilläre 'tropfen, träufeln, tropfen¬
zu 1. sölus 'allein, einsam’. weise fallen’ (s. auch de-), einer Ableitung von
Etymologisch verwandt: solo (usw.). 1. stllla 'Tropfen, ein Bißchen’, einem Diminuti-
despektierlich Adj. 'abfällig’. Adjektivbildung vum zu 1. stiria Tropfen’. So benannt, da beim
zu 1. despeetäre 'herabsetzen, verachten’, einem Destillieren ein Flüssigkeitsgemisch zum Sieden
Intensivum zu 1. despicere 'herabblicken, nieder¬ erhitzt und der entstehende Dampf durch Ab¬
blicken’, zu 1. specere, spicere 'sehen’ (s. auch kühlen kondensiert wird, wobei sich die enthal¬
de-). tenen Substanzen tröpfchenweise wieder ver¬
Etymologisch verwandt: s. Spektakel. flüssigen. Da sich verschiedene Stoffe aufgrund
von unterschiedlichen Siedepunkten hierbei un¬
Desperado m. 'jmd., der sich zu gefährlichen
terschiedlich verhalten, können sie durch ge¬
Verzweiflungstaten hinreißen läßt’, sonder-
trenntes Auffangen voneinander geschieden
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
werden. Also wörtlich ein „Auseinandertrop¬
gleichbedeutend ne. desperado, dieses wohl eine
fen“ von Flüssigkeiten.
hispanisierende Ableitung von e. desperate 'ver¬
Morphologisch zugehörig: Destillat, Destillateur, De¬
zweifelt’, aus 1. desperätus (dass.), dem adjekti¬
stillation, Destillator, Destille; zum Etymon s. Stein.
vischen PPP. von 1. desperäre 'verzweifeln, etwas
aufgeben’, zu 1. speräre 'erwarten, vermuten, Destination/. 'Bestimmung, Endzweck’, son¬
hoffen’ (s. auch de-). dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. de-
Morphologisch zugehörig: desperat, Desperation. stinätio (-önis), einer Ableitung von 1. destinäre
'befestigen, festmachen, festsetzen’, einem Kau-
desperat Adj. 'verzweifelt’, sondersprachl. Im
sativum zu 1. stäre 'stehen, verweilen, befinden’.
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Destinatur, Destinut; ety¬
deutend 1. desperätus, dem PPP. von 1. desperäre
mologisch verwandt: s. Arrest.
'verzweifeln, keine Hoffnung haben’, zu 1. spe¬
desto Adv. Seit dem 16. Jh. in der Kanzlei¬
räre 'erwarten, vermuten’ (s. auch de-).
sprache bezeugt. Mhd. deste, dest, zusammen¬
Morphologisch zugehörig: Desperation, Desperado. —
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 181.
gerückt aus des diu, dem Genitiv und dem alten
Instrumental des Artikels; spätalthochdeutsch
Despot m. 'Gewaltherr(scher)’. Im 16. Jh. ent¬
(bei Notker) neben deste auch desto, des toh;
lehnt aus gr. despötes 'Herr, Hausherr, Herr¬
also Zusammenrückung von des mit doch. Ob
scher’, wohl eine Zusammenrückung aus 'des
die kanzleisprachliche Form auf Entsprechen¬
Hauses Herr’. Das Hinterglied ist umgebildet
des zurückgeht oder eine formalisierende Neu¬
aus ig. *poti- (m.) 'Herr’, das zu 1. potis 'mäch¬
bildung nach dero (s. d.) usw. ist, muß offen
tig, vermögend’ gehört (s. potent). Im Deut¬
bleiben.
schen zunächst Bezeichnung für Fürsten, dann
destruktiv Adj., s. konstruieren und de-,
im Zusammenhang der französischen Revolu¬
tion die Bedeutungsverschlechterung zu 'ge¬ Detail n. 'Einzelheit’. Im 18. Jh. entlehnt aus
waltsamer Herrscher, der willkürlich vorgeht’. gleichbedeutend frz. detail m., einer Ableitung
Zur (wahrscheinlichen) Verwandtschaft s. ziemen, po¬ von frz. detailler 'zerteilen, abteilen’, einem In¬
tent. tensivum zu frz. tailler 'schneiden, zerlegen’ (s.
Dessert n. 'Nachtisch’. Im 18. Jh. entlehnt auch dis-), aus 1. taliäre 'spalten’, zu 1. tälea
aus gleichbedeutend frz. dessert m. (älter: des- /.'abgeschnittenes Stück’. Dem Benennungsmo¬
serte), zu frz. desservir 'abtragen’, zu frz. servir tiv nach handelt es sich bei einem Detail also
'aufwarten, dienen’ (s. auch dis-), aus 1. servire um etwas, das durch Zerteilen von etwas Grö¬
ßerem entstanden (usw.) ist.
'dienen, Sklave sein’, zu 1. servus m. 'Diener,
Morphologisch zugehörig: detailliert; etymologisch
Sklave’. So benannt, da es der Gang ist, der
verwandt: s. Taille. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
gereicht wird, wenn die Tafel abgetragen ist.
07), 64; Schirmer (1911), 45.
Morphologisch verwandt: s. konservieren.
Detektiv m. 'Person, die Ermittlungen an¬
Dessin n., s. Design.
stellt’. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. detective
Dessous n./PI 'elegante Damenunterwäsche’. (policeman), zu e. detect 'ermitteln, aufdecken’,
Im Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ dieses aus 1. detegere (detectum) (dass.), zu 1.
deutend frz. dessous m./PI. (wörtlich: 'Unter¬ tegere 'bedecken, verhüllen, verheimlichen’ (s.
seite’), einer Ableitung von frz. dessous 'darun¬ auch de-). So benannt, da es sich ursprünglich
ter’, dieses aus 1. de subtus 'von unterhalb’, zu um eine von der Polizei in England eingerichtete
1. sub 'unten’ (s. sub-). Spezialtruppe ausgewählter Polizisten handelte,
destillieren swV. 'flüssige Stoffe mit unter¬ die sich nicht mit polizeilicher Routinearbeit,
schiedlichen Siedepunkten thermisch trennen’, sondern ausschließlich mit Spezialuntersuchun¬
fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus spl. distil- gen (und -Überwachungen) zu beschäftigen
determinieren 138 deutsch

hatte. Diese „Entdeckungs-“Polizei arbeitete sprache’. Das Wort ist also wohl auf ahd. diot
mitunter auch in Zivil. Im Deutschen dann Be¬ 'Volk’ bezogen worden (s. deutsch), doch kann
deutungsverengung auf Privatpersonen (nach es semantisch keine Ableitung zu diesem sein;
ne. private detective). auch sprechen verwandle Formen gegen diese
Morphologisch zugehörig: Detektor, etymologisch ver¬ Annahme (vgl. etwa ae. gepeodan 'übersetzen’);
wandt: protegieren (usw.), [Toga]', zum Etymon s. anord. pyöa in der Bedeutung 'übersetzen’ und
decken. '(einen Traum) deuten’ ist kaum vom Altengli¬
determinieren swV. 'bestimmen, festlegen’, schen und Deutschen unabhängig. Möglicher¬
sondersprach!. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. weise ist ein Wort anderer Herkunft in den
determinäre, zu 1. terminäre 'begrenzen, be¬ Bedeutungsbereich von 'Volk, Volkssprache’
schränken, beschließen’ (s. auch de-), zu 1. termi- hineingezogen worden; aber die Einzelheiten
nus 'Grenze’, zu 1. terere 'reiben’. sind nicht ausreichend untersucht.
Morphologisch zugehörig: Determinante, Determina¬ Nndl. duiden, nschw. tyda, nisl. pyöa. S. deuteln, deut¬
tion, determinativ. Determinativ, Determinismus, Deter¬ lich, deutsch. — Zu Bedeutung vgl.: R. Haller AB
minist', etymologisch verwandt: Termin (usw.). — W. 7(1962), 57-119.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 64; K.-H. Weinmann
deutlich Adj. Mhd. diutliche, zunächst nur als
DWEB 2(1963), 388.
Adverb. Eigentlich 'was leicht gedeutet werden
detonieren swV. 'explodieren\ faehsprachl. Im kann’ zu deuten (s. d.).
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. de-
deutsch Adj. Mhd. tiutsch, diut(i)sch, ahd.
toner, dieses aus 1. detonäre 'losdonnern, herfal¬
diutisc, as. thiudisc ist abgeleitet von g. *peudö
len’, einem Intensivum zu 1. tonäre 'donnern’.
f. 'Volk’ in gt. piuda, anord. pjöö, ae. peod,
Gemeint ist eine Art von Explosion, bei der
afr. thiäd, as. thiod(a), ahd. diot, dieses aus ig.
sich der Druckanstieg unter heftiger Knallent¬
*teutä f. 'Volk’ in alit. tautä, air. tüath, osk.
wicklung mit sehr großer Geschwindigkeit und
touto und wohl auch heth. tuzzi- 'Heer’. Es
zerstörender Kraft ausbreitet (und gleichsam
bedeutet also 'zum Volk gehörig’ und ist ein
über die Umgebung „herfällt“).
systematisch gebildetes Adjektiv wie etwa gt.
Morphologisch zugehörig: Detonation, Detonator', zum
piudisks 'heidnisch’, das formal genau ent¬
Etymon s. Donner.
spricht, aber eine Lehnbildung nach gr. ethnikös
Deube m., s. Dieb.
(1. gentTlis) ist. Die Bedeutung 'in der Volks¬
Deubel m., s. Deixel. sprache’ wurde im Frankenreich schon früh
Deut m. 'kleine Münze’, arch. In keinen Deut festgelegt, zuerst bezeugt in latinisierter Form
auf etwas geben u. ä. Aus dem Niederdeutschen/ (theodisce, theodisca lingua). Dieser latinisierte
Niederländischen mndl. duit u. ä. Name einer Gebrauch ist früh auch schon in England für
niederländischen/westniederdeutschen Scheide¬ 'volkssprachlich, in der Volkssprache’ (d. h. hier
münze, die weithin bekannt war. Das Wort also: 'in Altenglisch’) bezeugt, möglicherweise
erinnert lautlich an anord. pveiti n. 'Maßeinheit, in Anlehnung an den fränkischen Gebrauch.
kleinste Scheidemünze’, das offenbar zu einem Der Gegensatz zur Volkssprache muß ursprüng¬
Verbum gehört, das in ae. pwitan stV. 'abschnei¬ lich das Latein gewesen sein; im Zuge der Ro-
den’ bezeugt ist; also eigentlich 'Abschnitt, Ab¬ manisierung der Westfranken und der Abgren¬
geschnittenes’. Dies kann in seiner Grundbe¬ zung des Altfranzösischen gegen das Althoch¬
deutung zu einem Wort für 'Scheidemünze’ wer¬ deutsche (Fränkische) wird dann aber deutsch
den; man kann aber auch daran denken, daß als Bezeichnung gegenüber dem Romanischen
bei Münzen mit Materialwert (oder Edelmetall¬ verwendet. Im Laufe des 10. und 11. Jhs. wird
stücken als Zahlungsmittel) Stücke davon als es zur allgemeinen Bezeichnung kontinentalger¬
Gegenwert kleinerer Beträge gebraucht wurden. manischer Sprachen. Auch die niederländischen
Der Zusammenhang zwischen dem mittelnie¬ Sprachausprägungen wurden (auch in der
derländischen und dem altnordischen Wort Selbstbezeichnung) deutsch genannt (Dietsc in
bleibt aber im einzelnen (auch lautlich) unklar. Flandern, Duutsc in Holland, im 16. Jh. Duits).
Vgl. zum Bennennungsmotiv Scherflein. Seit dem 16. Jh. im Zusammenhang mit den
deuteln swV. Frühneuhochdeutsche Verklei¬ Selbständigkeitsbestrebungen statt dessen auch
nerungsbildung zu deuten (s. d.). Indem das 'an Nederlands, das im 19. Jh. (abgesehen von Re¬
Kleinem herumdeuten’ zu einem Suchen nach likten) zur allein gebräuchlichen Bezeichnung
Ausflüchten und Widersprüchen wird, erhält wird. — Deutschland ist eine Zusammenrük-
das Wort seine negative Bedeutung. kung, die seit dem 15. Jh. auftritt; vorher mhd.
daz diutsche lant, in diutschen landen usw.
deuten swV. Mhd. ahd. diuten, tiuten, mndd.
Nndl. duits, ne. dutch 'niederländisch’, nschw. tysk,
duden, mndl. dieden heißt in der allen Sprache
nisl. pyzka. S. deuten ( + ). — L. Weisgerber: Deutsch
vielfach 'bedeuten in der Volkssprache’, ent¬
als Volksname (Stuttgart 1953); H. Eggers BGDSL-H
sprechend zu mhd. ze diute 'in der Volks¬ 82(1961) (= Sonderband FS Karg-Gasterstädt),
Deutscher Bertram 139 di-

157 — 173; H. Brinkmann: Studien zur Geschichte der


dezent Adj. 'zurückhaltend, gedämpft’. Im
deutschen Sprache und Literatur (Düsseldorf 1965), 1,
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. decens
259 — 278; W. Betz in: Maurer/Rupp (1973), I,
(-entis), dem PPräs. von 1. decere 'sich ziemen,
130 — 133; K.-H. Roth:'Deutsch’ (München 1978); F. J.
Worstbrock BGDSL-T 100(1978), 205-212. Zum
wohlanstehen, zieren’, zu 1. decus 'Zierde, An¬
Grundwort vgl. K. R. McCone in: Meid (1987), stand’.
101 — 154; S. Zimmer in: Meid (1987), 326. Etymologisch verwandt: s. dekorieren.

Deutscher Bertram m., s. Bertram. dezentral Adj., s. Zentrum und de-,

Devise /. 'Wahlspruch’. Im 17. Jh. entlehnt Dezernent m. 'Sachbearbeiter’, fachsprachl.


aus gleichbedeutend frz. devise (wörtlich; 'Abge¬ Neubildung des 18. Jhs. zu 1. decernens (-entis),
teiltes’), zu frz. deviser 'ein-, abteilen’, über spl. dem PPräs. von 1. decernere 'entscheiden’, einem
*devisäre, *dtvisäre aus 1. dtvidere (dtvtsum) Intensivum zu 1. cernere (cretum) 'trennen,
scheiden’ (s. auch de-). Das Wort entsteht im
(dass.). (In frz. deviser liegt eine Vermengung
Deutschen aus Aktennotizen wie „Decernat col-
mit dem Wortstamm von 1. videre vor, s. Devi¬
lega N.“, mit denen den zuständigen Sachbear¬
sen.) Das Wort stammt aus der Wappenkunde
beitern vom Amtsvorstand Akten zur Bearbei¬
und bezeichnet zunächst die Unterteilungen der
tung zugeteilt wurden (1. decernat 'er möge ent¬
Wappen. Der in ein solches Feld geprägte Wahl¬
scheiden’). Sodann Dezernent als 'derjenige, der
spruch war der „Devisenspruch“, woraus sich
entscheidet’ (wörtlich: „der Entscheidende“).
dann die allgemeine Bedeutung 'Motto’ entwic¬
Morphologisch zugehörig: Dezernat; etymologisch
kelte. verwandt: s. Dekret.
Etymologisch verwandt: Devisen, Dividende, dividieren
dezi- Präftxoid. Wortbildungselement mit der
(usw.), [Divis], Division, Individuum (usw.).
Bedeutung 'zehn’ (z. B. Dezimeter). Es wurde
Devisen PI. 'Zahlungsmittel in fremder Wäh¬ vornehmlich in französischen Entlehnungen
rung’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus (frz. deci) ins Deutsche übernommen; sein Ur¬
gleichbedeutend frz. devise /., aus afrz. devise sprung ist 1. decimus 'zehnter’, zu 1. decem
'Bestimmung, Anordnung, Verfügung’, einer 'zehn’.
postverbalen Ableitung von afrz. deviser 'an¬ Etymologisch verwandt: s. Dezember, Dezibel.
ordnen, bestimmen’, einem Intensivum zu afrz. Dezibel n. 'Maßeinheit für Schalldruck’. Im
viser 'aufmerksam machen, ins Auge fassen’, 20. Jh. gebildet aus dezi- (s. d.) und dem Namen
aus 1. videre (vlsum) 'sehen, wissen’. (In frz. des amerikanischen Physikers A. G. Bell.
deviser hegt eine Vermengung mit dem Wort¬ dezidiert Adj. 'bestimmt, energisch’, sonder-
stamm von 1. dtvidere vor, s. Devise.) Zunächst sprachl. Partizipialadjektiv zu d. dezidieren, die¬
handelt es sich um eine kaufmännische Zah¬ ses aus gleichbedeutend 1. decldere (wörtlich:
lungsanordnung, dann insbesondere um eine 'abschneiden’), zu 1. caedere 'hauen, schlagen’
auf einen ausländischen Handelsplatz ausge¬ (s. auch de-).
stellte Zahlungsanweisung ( = Wechsel). Um Etymologisch verwandt: s. Zäsur. — W. Feldmann
1900 ist eine Devise ein Auslandswechsel. Im ZDW 8 (1906/07), 63.
Zusammenhang der Inflation von 1923 entsteht dezimal Adj., s. dezi- und dezimieren.
dann die Bedeutung 'ausländisches Zahlungs¬
dezimieren swV 'durch Gewalt an Zahl sehr
mittel’. stark verringern’, sondersprach!. Im 18. Jh. ent¬
Etymologisch verwandt: s. Visage. lehnt aus 1. decimäre 'jeden zehnten Mann tö¬
devot Adj., Devotion /., Devotionalien /., s. ten’, einer Ableitung von 1. decimus 'der
Votum. Zehnte’, zu 1. decem 'zehn’. Im Deutschen zu¬
nächst in dieser Bedeutung verwendet in Schil¬
Dez m., Deez m. 'Kopf’, ugs., reg. Vermutlich
derungen römischer Kriegsbräuche. Bei der de-
entlehnt aus frz. tete f. 'Kopf’.
cimatio, der Strafe für Meuterei, wurde durch
Dezember m. (= der 12. Monat des Jahres). Losentscheid jeder zehnte Mann zum Tode ver¬
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (men- urteilt, während die übrigen Meuterer mit Kür¬
sis) December (wörtlich:) 'der zehnte Monat’, zungen der Rationen davonkamen. Nach der
mit unklarer Wortbildung zu 1. decem 'zehn’. Loslösung vom römischen Hintergrund Verall¬
So benannt als der zehnte und letzte Monat des gemeinerung der Bedeutung unter Verlust des
304 Tage dauernden Mondjahres, das mit dem ursprünglichen Benennungsmotivs.
Martius („März“) begann. Mit der Einführung Etymologisch verwandt: s. Dezember.
des 365 Tage dauernden Mondsonnenjahres di- Präftxoid. Wortbildungselement mit der
(unter Hinzunahme von Januar und Februar) Bedeutung 'zwei’ (z. B. Dipol). Es wurde vor¬
wird er dann zum zwölften Monat. nehmlich in neoklassischen Bildungen verwen¬
Etymologisch verwandt: Decher, Dekan, dezi-, dezimal, det; sein Ursprung ist gr. dis 'zwei’.
dezimieren; zum Etymon s. zehn. Etymologisch verwandt: s. Diplom.
Dia 140 Diamant

Dia n., s. Diapositiv. diagonal Adj. 'quer’. Im 18. Jh. entlehnt aus
Diabetes m. 'Zuckerkrankheit’, fachsprachl. gleichbedeutend ml. diagonalis (wörtlich: 'durch
Entlehnt aus gleichbedeutend neo-1. Diabetes die Winkel’), einer Bildung zu gr. diä 'durch’
mellitus, dieses aus gr. diabetes 'Harnruhr’ und und gr. gönia 'Winkel’. Die Diagonale verbindet
1. mellitus 'honigsüß’. So bezeichnet nach dem die Ecken eines Vielecks in gerader Linie.
typischen Symptom der Krankheit: dem hohen Zum Etymon s. Knie. — Schirmer (1912), 14f.
Zuckergehalt im Urin. Das Grundwort zu gr. Diagramm n. 'graphische Darstellung’, fach¬
diabalnein 'die Beine spreizen’; das Substantiv sprachl. Entlehnt aus gr. diägramma 'geometri¬
bezeichnet zweischenklige Werkzeuge: den Zir¬ sche Figur, Umriß’, zu gr. diagräphein 'auf¬
kel und den Doppelheber (zur Entnahme von zeichnen’, zu gr. gräphein 'schreiben, zeichnen’
Wein). Nach dem Doppelheber ist die Krank¬ (s. auch dia-).
heit benannt: Der Kranke kann die Flüssigkeit Etymologisch verwandt: s. Grammatik.
nicht halten, sie fließt durch ihn hindurch wie
durch einen Heber. Die Übertragung auf die Diakon m. '(Pfarr)Helfer; Pfleger’, fach¬
Zuckerkrankheit, weil auch bei dieser ein sehr sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. dläken)
starkes Durstgefühl auftritt. entlehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. diäco-
K. Kalbfleisch AG MN 42 (1958), 142-144; G. Tonelli nus, dieses aus gr. diakonos 'Diener’. Nachträg¬
AB 7 (1962), 120-139. lich wurde es wieder genauer an den lateini¬
schen Lautstand angeglichen.
diabolisch Adj. 'teuflisch’, sonder spracht Im
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ Morphologisch zugehörig: Diakonie, Diakonissel in.

deutend kirchen-1. diabolicus, zu ntl.-gr. diäbo- diakritisch Adj. 'der Unterscheidung die¬
los 'Teufel, (wörtlich:) Feind, Widersacher’, nend’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
einer Ableitung von gr. diabällein 'verfeinden, tend gr. diakritikos, zu gr. diakrtnein 'trennen’,
verleumden (wörtlich: [mit Worten] durcheinan¬ zu gr. krinein 'schichten, trennen’ (s. auch dia-).
derwerfen)’, zu gr. bällein 'treffen, werfen’. Morphologisch zugehörig: Diakrise, Diakrisis; etymo¬
Morphologisch zugehörig: Diabolik; etymologisch ver¬ logisch verwandt: s. Dekret.
wandt: s. Parabel.
Dialekt m. 'Mundart’. Im 17. Jh. aus gleich¬
diachron Adj., s. Chronik. bedeutend 1. dialectos/., dieses aus gr. diälektos
Diadem n. 'Stirn-, Kopfschmuck’, fach¬ 'Unterredung, Redeweise, Mundart’, zu gr. le¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gein 'sprechen, zählen, berechnen’ und gr. diä
1. diadema, dieses aus gr. diädema (dass.) (wört¬ 'auseinander, entzwei, anders’. So benannt, da
lich: 'Umgebundenes’), einer Ableitung von gr. es sich um die spezifische Ausdrucksweise be¬
diadein 'umbinden’. Zunächst Bezeichnung stimmter Regionen handelt. Ersatzwort ist
einer jeden um den Kopf getragenen Binde, Mundart.
insbesondere aber für Auszeichnungen (Sport¬ Morphologisch zugehörig: Dialektik-, etymologisch
ler, Priester). Dann speziell die Königsbinde, verwandt: s. analog.
später auch Schmuck des Kaisers (mit Perlen
Dialektik /. 'Kunst der Gesprächsführung’,
und Edelsteinen). Schließlich unter Verlust des
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
ursprünglichen Benennungsmotivs verallge¬
deutend 1. (ars) dialectice, dieses aus gr. dialek-
meinert auf wertvollen Kopfschmuck.
tike (techne), zu gr. diälektos m. 'Unterredung
Diadochenkämpfe PI. 'Konkurrenzkampf um (usw.)’, zu gr. dialegesthai 'sich unterreden,
die Nachfolge in einem bedeutenden Amt’, son- sprechen’, zu gr. legein 'sprechen, reden, sam¬
dersprachl. Aus gr. diädochos m. 'Nachfolger’, meln’ (s. auch dia-). Vom Mittelalter bis zum
einer Substantivierung von gr. diädochos 'nach¬ 18. Jh. versteht man unter Dialektik die
folgend, übernehmend’, zu gr. diadechesthai (Schul-)Logik. Von da aus Bezeichnung philo¬
'übernehmen, ablösen’, zu gr. dechesthai 'hin¬ sophischer Schulen.
nehmen, in Empfang nehmen, abnehmen’. Ver¬
Etymologisch verwandt: s. analog. - K.-H. Weinmann
allgemeinert aus der Bezeichnung der Auseinan¬ DWEB 2 (1963), 388.
dersetzungen um die Nachfolge Alexanders des
Großen. Dialog m. 'Zwiegespräch’. Im 18. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutend frz. dialogue, dieses aus 1.
Diagnose /. 'Bestimmen eines Defekts’, son-
dialogus (dass.), aus gr. diälogos (dass., wört¬
dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
lich: 'Gespräch’), zu gr. dialegesthai 'sich unter¬
tend frz. diagnose, dieses aus gleichbedeutend
reden, sprechen’, zu gr. legein 'sprechen, reden,
gr. diägnösis, einer Ableitung von gr. diagignös-
sammeln’ (s. auch dia-).
kein 'völlig erkennen, beurteilen’, zu gr. gignös-
kein 'erkennen’; vgl. gr. gnösis 'Erkenntnis’. Etymologisch verwandt: s. analog. - W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 64f.
Morphologisch zugehörig: Diagnostik, diagnostizieren;
etymologisch verwandt: [Gnoseologie], Prognose Diamant m. (= ein sehr harter Edelstein). Im
(usw.); zum Etymon s. können. Mittelhochdeutschen (mhd. diemant, dia-
diametral 141 dicht

mant[e]) entlehnt aus gleichbedeutend afrz. Diäten PL 'Tagegelder (von Abgeordneten)’,


diamant, dieses aus ml. diamas (-antis) (dass.), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
zu. 1. adamäs (-antis) (bzw. adimant) 'das härte¬ deutend ml. dieta f (auch: 'Versammlung’), die¬
ste Eisen; Diamant’, aus gr. adämas (dass.). ses aus 1. dies f./m. 'Tag’. Eine (teilweise) seman¬
Dieses ist in der Bedeutung 'Diamant’ wohl tische Vermengung mit 1. diaeta f. 'Lebensart,
eine Entlehnung, die volksetymologisch auf gr. Lebensunterhalt’ (s. Diät) ist anzunehmen. Zu¬
damnänai 'bezwingen’ (s. auch a-) bezogen wird. nächst 'Tagegeld, Aufwandsentschädigung’,
Vor der wissenschaftlichen Analyse der Neuzeit dann Einengung auf die Entschädigungen für
stehen allegorische und abergläubische Deutun¬ Abgeordnete; hierbei Einfluß von frz. diete f.
gen von Eigenschaften der Metalle und Minera¬ 'Versammlung’ desselben Ursprungs. Anfäng¬
lien im Vordergrund - so auch hier die Eigen¬ liche Bildungen wie Diätengelder deuten auf das
schaft der sehr großen Härte. Der sich in den Benennungsmotiv 'Versammlungsgelder’. (Vgl.
romanischen Sprachen entwickelnde Wortan¬ die ähnliche Bedeutungsbreite von d. Tag-,
fang dia- dürfte auf einer volksetymologischen Reichstag, Bundestag, tagen.)
Anlehnung an gr. diaphainein 'durchscheinen’
Etymologisch verwandt: Diarium, Diät, Journal (usw.),
beruhen, mit der eine Abgrenzung von der Be¬ jovial (usw.). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 65.
deutung 'Metall’ erreicht wird (vgl. frz. aimant
dibbern swV. 'reden’, besonders 'leise auf jmd.
'Magnet’ vs. frz. diamant 'Diamant’).
einreden’, reg. Übernommen aus dem Rotwel¬
S. auch Demant. — Lüschen (1968), 203f.; Lloyd/
schen, wo es seit dem 15. Jh. bezeugt ist. Dieses
Springer (198811.), 1, 50f.
aus wjidd. dibbern/dabhern aus der hebräischen
diametral Adj. 'gegensätzlich, entgegenge¬ Wurzel däbar 'sprechen’, aber ohne genaues
setzt’, fachsprachl. Entlehnt aus spl. diameträlis Vorbild.
'zum Durchmesser gehörig’, zu 1. diametrus
dich Pron. Akkusativ zu du. Mhd. dich, ahd.
'Durchmesser’, dieses aus gr. diämetros (dass.),
dih. Dieser Form entspricht sonst nur anord.
zu gr. metron 'Maß’ und gr. diä 'durch’.
pik und ae. (angl.) per, das Gotische weicht
Morphologisch zugehörig: Diameter; etymologisch
im Vokal ab (puk), und den ingwäonischen
verwandt: s. Metrik.
Sprachen fehlt der konsonantische Auslaut (ae.
Diapositiv n. 'durchsichtige Fotografie zum pe\ afr. as. thi). Die einfache Form g. *pe geht
Projizieren auf Leinwände usw.’, fachsprachl. auf das undifferenzierte ig. *te zurück, die ver¬
Neubildung des 20. Jhs. zu gr. diä 'durch, hin¬ stärkende Partikel *-ge findet sich außer im
durch’ und positiv (s. d.). So benannt als 'photo¬ Germanischen noch im Hethitischen und (in
graphisches Bild auf durchsichtigem Schichtträ¬ selbständiger Form) im Griechischen. Das -u-
ger’ (im Gegensatz zu den Positiven auf Photo¬ im Gotischen ist typisch für die volltonigen
papier). Formen. S. einerseits du, dein, dir und anderer¬
Etymologisch verwandt: s. Position. seits mich.
Diarium n. 'Tagebuch’, fachsprachl. Im Früh¬ Seebold (1984), 36f. und 98-105.
neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ Dichotomie/. 'Zweiteilung, Zweiergegensatz’,
tend 1. diärium, zu 1. dies f./m. 'Tag’. fachsprachl. Neubildung zu gr. dichotomia,
Etymologisch verwandt: s. Diäten. einer Ableitung von gr. dichötomos 'halbiert,
Diaspora/. '(Lebensraum einer) konfessionel¬ geteilt’, zu ntl.-gr. dichotomein 'teilen, in zwei
len bzw. nationalen Minderheit’, fachsprachl. Teile spalten’, zu gr. dicha 'entzwei, auseinan¬
Entlehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. dia- der’ und gr. temnein 'schneiden, zerschneiden,
spora, dieses aus ntl.-gr. diasporä (dass., wört¬ teilen, spalten’.
lich: 'Zerstreuung, Ausstreuung’), zu gr. diaspei- Morphologisch zugehörig: dichotom; etymologisch
rein 'zerstreuen, ausstreuen’, zu gr. speirein 'aus¬ verwandt: s. Anatomie.
streuen, säen’ und gr. diä 'auseinander, ent¬ dicht Adj. Mhd. dlhte, mndd. dicht(e) aus g.
zwei’. *pihta-/ja-, älter *penhta-/ja- Adj. 'dicht, dick’,
Etymologisch verwandt: s. sporadisch. auch in anord. pettr '(wasser)dicht, schwer’,
Diät /. 'Schonkost’. Im 16. Jh. entlehnt aus ae. piht (selten) 'fest’. Vermutlich abgeleitet von
gleichbedeutend 1. diaeta, dieses aus gr. diaita g. *plh-a- aus *penh-a- 'gedeihen’. In der Sippe
(dass., wörtlich: 'Lebensart, Lebensunterhalt’). dieses Verbs kommen Bedeutungen wie 'gerin¬
Das allgemeine Wort für die Lebensart wird seit nen, zusammenziehen’ vor, die die besondere
Hippokrates medizinisch als Bezeichnung für Bedeutung von dicht ausreichend erklären kön¬
eine besondere, schonende, Lebensart und die nen, vgl. besonders air. techt 'geronnen’, lit.
damit verbundene Ernährung verwendet. tänkus 'dicht’, avest. taxma- 'fest, dicht’. Die
Etymologisch verwandt: s. Diäten. — W. Feldmann Kürze im Neuhochdeutschen beruht auf einer
ZDW8 (1906/07), 65; J. W. Walz ZDW12 (1910), 177. niederdeutschen Kürzung vor Doppelkonso-
dichten 142 Dienst

nanz, die sich im Neuhochdeutschen durchge¬ die PronjArt., s. der.


setzt hat. Dieb m. Mhd. diep, ahd. diob, thiob, as. thiof
Nndl. dicht, ne. tight (unregelmäßiger Anlaut), nschw. aus g. *peuba- m. 'Dieb’, auch in gt. piufs,
tat, nisl. pettur. S. gedeihen (+), dichten\ Tang, Ton'.
anord. pjöfr, ae. peoj’ afr. thiäf. Herkunft un¬
dichten1 swV. 'dicht machen’. Seit dem 16. Jh. klar. Dieb bezeichnet im Germanischen denjeni¬
bezeugt; zu dicht (s. d.). gen, der heimlich etwas wegnimmt (im Gegen¬
dichten2 swV. 'ein sprachliches Kunstwerk satz zum Räuber). Man versucht, über eine Be¬
verfassen’. Mhd. tihten, ahd. dihtön, mndd. deutung 'kauern’ an ein litauisches Verbum an¬
nmdl. dichten 'den Text eines Schriftstücks ver¬ zuschließen, das aber 'hocken’ bedeutet.
fassen, dichten’, sind wie afr. dichta 'abfassen’, Nndl. dief ne. thief nschw. tjuv, nisl. pjöfur. S. Ducht.

ae. dihtan 'anordnen’, anord. dikta 'etwas auf Diechter m., s. Tichter.
Latein abfassen’ entlehnt aus I. dictäre 'etwas Diele/. Mhd. dilf/m., dille, ahd. dil(o), dilla
zum Aufschreiben vorsagen’, einem Intensivum /., dili, as. thili aus einer auf g. *pel- beruhenden
zu 1. dicere 'sagen’, das mit zeihen (s. d.) näher Wortsippe mit der Bedeutung 'Brett, Bretter¬
verwandt ist. Dichter, belegt seit dem 12. Jh., boden (u. ä.)’. Hierzu anord. pil(i) n. 'Bretter¬
ist kein häufiges Wort (mhd. tihter, tichtcere); wand, Getäfel, Dielung’, ae. pille f. 'Diele’;
seit es im 18. Jh. als Verdeutschung von Poet e-Vokal haben anord. pel «.'Grund’, ae. pel n.
(s. d.) durchgesetzt wird, hat es im Deutschen 'Fußboden’ und Formen deutscher Mundarten
einen festen Platz. (E. Nörrenberg, s. u.). Zugrunde liegende Wör¬
S. diktieren ( + ). — C. Soetemann in: FS Hommerich ter, die auf ig. *tel- zurückgehen und 'Boden,
(1962), 271-280. Fläche u. ä.’ bedeuten; ai. tala- 'Fläche, Ebene’,
Dichter m., s. dichten2. ai. talima- n. 'Fußboden’, gr. telia 'Tisch, Brett,
dick Adj. Mhd. dic(ke), ahd. dicki, as. thikki Gestell’, 1. tellüs 'Fußboden, Erdboden, Erde’,
f. 'Dicke’ aus g. *peku- Adj. 'dick’ (mit diesem air. talam m./f. 'Erde’ und näher am Germani¬
Lautansatz ist wohl auszukommen, obwohl die schen lit. tiles PI. 'Bodenbretter im Kahn’. Im
Nachfolgeformen Gemination und Aufhellung einzelnen ist die Zusammenstellung aber unsi¬
cher.
des Vokals vor j voraussetzen; hierfür dürfte
aber der Ausgleich innerhalb der Flexion ma߬ Nndl. deel, nschw. tilja, nisl. pil. — E. Nörrenberg WF
1 (1938), 326-357.
geblich gewesen sein); auch in anord. pykkr, ae.
picce. Dieses aus west-ig. *tegu- Adj. 'dick’, das Dieme /., Diemen m. 'Strohhaufen’, ndd.
auch gemeinkeltisch ist (air. tiug, kymr. tew Mndd. dime; vermutlich eine Lautvariante zu
dick, dicht’). Weitere Herkunft unklar. Viel¬ Feim, Feimen gleicher Bedeutung, mndd.
leicht zu einer nasallosen Variante der unter vim(m)e, vine m. Weiter einerseits mit Kürze zu
gedeihen behandelten Grundlage (da bei dieser as. aran-fimba f. 'Getreidehaufen’, andererseits
Grundlage auch Auslautvariation vorkommt). zu ahd. wituvina f. 'Scheiterhaufen’, ae. wudu-
In diesem Fall näher zu dicht (s. d.) gehörig. fin f. 'Holzhaufen’. Einzelheiten und weitere
Herkunft unklar.
Nndl. dik, ne. thick, nschw. tjock, nisl. pykkur. S.
gedeihen, dicht, Dickicht. dienen swV. Mhd. dienen, ahd. dionön, thio-
Dickicht n. In frühneuhochdeutscher Zeit aus nön, as. thionon aus g. *piwa-nö- swV. 'dienen’,
dem Adjektiv dickicht 'dicht, undurchdringlich’ auch in anord. pjöna, afr. thiänia\ vielleicht Er¬
substantiviert und als Kollektiv auf -icht nach satz für älteres *skalki-nö- in gt. skalkinon glei¬
dem Muster von Röhricht (s. d.) u. a. aufgefaßt. cher Bedeutung und entsprechender Herkunft
Ähnlich in der Bedeutung schon früher bezeug¬ (zu gt. skalks 'Diener’). Denominative Durativ-
tes Dickung 'dichtes Gebüsch’, beides jäger¬ Bildung zu g. *pewa- m. 'Diener’ in gt. pius,
sprachlich (Dickung noch heute). Zugrunde runen-nord. pewaR, ae. peow. Herkunft unklar.
liegt das Adjektiv dick 'dick, dicht’ (s. d.) und Nndl. dienen, nschw. tjäna, nisl. bjöna. S. Demut,
seine Abstraktbildung mhd. dicke f. 'dichtes Dienst. - Darms (1978), 61 —66.
Gebüsch’. Diener m. Nomen agentis zu dienen, seit mit¬
W. A. Benware BGDSL-T 101 (1979), 343. telhochdeutscher Zeit belegt. Die Bedeutung
didaktisch Adj. das (gute) Lehren betreffend’, Verbeugung stammt aus einen Diener machen
fachsprachl. Im 18. Jh, entlehnt aus gr. didakti- 'sich wie ein Diener verbeugen’, vielleicht unter
kös 'zum Lehren geeignet’, zu gr. didäskein 'leh¬ dem Einfluß der mit Verbeugung gesprochenen
ren’, einem Kausativum zu gr. daenai 'lernen’. Abschiedsformel Ergebenster Diener (u. ä.).
Vgl. Bückling'.
Morphologisch zugehörig: Autodidakt, Didaktik. -
W. Feldmann ZDW 8(1906/07), 65; J. Knecht AB Dienst m. Mhd. dien(e)st m./n., ahd. dionöst,
28 (1984), 100-122.
as. thionost aus g. *pewanösta- m. 'Dienst’, auch
Dienstag 143 digital

in anord. pjönasta, pjönusta (f), ae. peonest-, Dietrich m. 'Nachschlüssel5. Schon im 14. Jh.
mit st-Suffix zu dienen (s. d.). wird der Nachschlüssel (Mit-, After-, Dieb¬
Dienstag m. Die Namen der Wochentage schlüssel) scherzhaft durch Männernamen be¬
wurden in der Antike nach orientalischem Vor¬ zeichnet (gewissermaßen als ständiger Begleiter
bild mit den Namen von Planeten benannt. o. ä. benannt). So vor allem obd. Dietz, mndd.
Diese wiederum waren identisch mit den Na¬ diderik, ndd. Dierk, hd. Dietrich; sonst auch
men der zugeordneten Götter. Von den Germa¬ Peterchen, Klaus (Kläuschen) u. a. Vielleicht
nen wurde diese Namengebung nachgeahmt, spielte bei Dietrich der Anklang an Dieb, bei
indem entsprechende einheimische Götter ein¬ Peterchen der Gedanke an Petrus (mit dem
gesetzt wurden. Der Dienstag war 1. Martis dies Himmelsschlüssel) eine Rolle.
(vgl. frz. mardi), und mit dem römischen Gott O. Meisinger: Hinz und Kunz (Dortmund 1924), 18.
Mars wurde der g. Gott *Teiwa- (in anord. Tyr, Dietz m., s. Dietrich.
ae. Tiw, Ti(g), ahd. Ziu) gleichgesetzt. Dieser
diffamieren swV. 'verunglimpfen5, sonder-
Name bedeutet eigentlich 'göttlich5 und ent¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
spricht 1. dTvus, er ist nahe verwandt (aber nicht
frz. diffamer, dieses aus 1. diffämäre (dass.), zu
identisch) mit dem indogermanischen Namen
1. fäma 'Gerede, Gerücht5 (s. auch dis-), das mit
des Himmelsgotts (gr. Zeus, 1. Juppiter) und
1. färt 'sprechen, sagen5 verwandt ist.
dem alten Wort für den Taghimmel. Unmittel¬
Morphologisch zugehörig: Diffamation, Diffamie; ety¬
bar zu *Teiwa- gehören anord. tysdagr, ae. mologisch verwandt: s. Bann, Enfant terrible, Fabel
Uwes dag, afr. tiesdei, tiesdi, ahd. zlestag (usw.), fabulieren (usw.), famos, Fant, fatal (usw.), Fata
'Dienstag5. Statt dessen wurde am Niederrhein Morgana, Fee, [infam], Infanterie (usw.), Konfession
mndd. dingesdach, dinschedach, mndl. dinx(en)- (usw.), Professor (usw.). — W. J. Jones SN 51 (1979),
dach 'Dienstag5 gebraucht, nach einem in¬ 255.
schriftlich bezeugten g. Gott Mars Thingsus, Differenz/. 'Unterschied5. Im 15. Jh. entlehnt
von dem sonst aber nichts bekannt ist. Dieses aus gleichbedeutend 1. differentia, einem Ab¬
Wort ist die Form Luthers und danach die straktum zu 1. differre 'sich unterscheiden; zer¬
der Hochsprache geworden, das südd. Ziestag teilen; auseinandertragen5, zu 1. ferre 'tragen,
wurde aber erst im 17. Jh. zurückgedrängt und aufweisen, herbeibringen5 (s. auch dis-).
lebt heute noch in den Mundarten. Wieder ein Morphologisch zugehörig: different, differential (usw.),
anderes Wort ist bair. Ergetag (s. d.), das aus differentiell, differenzieren (usw.), differieren, indiffe¬
dem Griechischen stammt (Areos hemera, nach rent (usw.); etymologisch verwandt: [Conferencier],
Ares, der griechischen Entsprechung zu Mars). Fortüne, Frettf chen), Furunkel, Konferenz, Luzifer, of¬
ferieren (usw.), Präferenz, referieren (usw.), transferie¬
Nndl. dinstag, ne. Tuesday, nschw. tisdag. S. adieu ( + ).
ren; zum Etymon s. gebären. Zum Suppletivstamm
Dierk m., s. Dietrich. tuli/lätum (zu diesem s. *teh/tlä- unter Geduld) gehören
dieser Pron. Mhd. diser (dirre), disiu, ditze Ablativ, Elativ, Superlativ (usw.); korrelieren; Oblate,
Prälat, relativ (usw.). — Schirmer (1912), 15; W. J.
(diz); ahd. deser, desiu, diz(i); as. these, thius,
Jones SN 51 (1979), 255.
thit. Das verstärkt demonstrative Pronomen
wurde im Vordeutschen durch das einfache Pro¬ diffizil Adj. 'schwierig5, sonder sprach!. Ent¬
nomen ausgedrückt, an das eine Partikel -si lehnt aus gleichbedeutend frz. difficile, dieses
gehängt wurde. Ursprünglich wurde dabei das aus 1. difficilis (dass.), zu 1. facilis 'leicht, be¬
Pronomen, nicht aber die Partikel flektiert (letz¬ quem5 (s. auch dis-), zu 1. facere 'machen, tun5.
ter Rest im Althochdeutschen: desse [Gen. Sg.J Etymologisch verwandt: s. Fazit.

im Muspilli); danach trat die Flexion ans Ende diffus Adj. 'unklar, verschwommen, durch¬
dieses Gebildes und wurde im Innern aufgege¬ einander5, sonder spracht. Entlehnt aus I. diffüsus
ben. Dieser Stand (mit Flexion nur noch am 'ausgebreitet, sich weit erstreckend5, dem PPP.
Ende) ist im Deutschen (bis auf wenige Relikte) von 1. diffundere 'gießend verbreiten, ausgießen,
bereits beim Beginn der Überlieferung erreicht. ausströmen lassen5, zu 1 .fundere 'gießen, fließen
Vgl. afr. this, thius, thit; ae. pes, peos, pis; alt¬ lassen5 (s. auch dis-).
nordisch nur in einzelnen Formen, z. B. pessa Morphologisch zugehörig: diffundieren, Diffusion, Dif¬
(Gen. Sg. m.). fusor; etymologisch verwandt: s. Fondue.
Nndl. deze, ne. this. — H.-F. Rosenfeld FF 29 (1955), digital Adj. 'in Ziffern dargestellt; auf Zahlen¬
172-178. kodes) basierend5, fachsprachl. Im 20. Jh. ent¬
diesig Adj. 'dunstig5. Aus der niederdeutschen lehnt aus gleichbedeutend ne. digital, zu e. digit
Seemannssprache. Ndd. disig, ndl. dial. dijzig, 'Ziffer5, aus 1. digitus 'Finger5, in Redewendun¬
ndn. diset, nschw. disig gehen auf ndn. dis oder gen auch 'Zahl5 (vom Rechnen mit den Fin¬
nordfr. dish 'Dunst5 zurück, vgl. mndd. disinge gern).
'Nebelwetter5. Ohne klare Anschlußmöglich¬ Morphologisch zugehörig: Digit, digitalisieren; etymo¬
keit. logisch verwandt: binär, Bit.
Diglossie 144 Ding

Diglossie/. 'Vorkommen von zwei Sprachen Fall auf einer Zugehörigkeitsbildung mit
in einem Siedlungsgebiet’, fachsprachl. Neubil¬ Vriddhi beruhen.
dung zu gr. glössa 'Zunge, Sprache’ (s. auch di-). Nndl. dille, ne. dill, nschw. dill. S. Dolde ( + ). — Trier
Etymologisch verwandt: s. Glosse. (1952), 56.
Dimension /. 'Ausdehnung, Größe’, sonder-
Diktator m., s. diktieren.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Diktatur /. 'Gewaltherrschaft’. Im Frühneu¬
l. dimensiö, einem Abstraktum zu 1. dimetiri
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1.
'ausmessen, vermessen’, zu 1. metlri 'messen’ (s.
dictätüra, zu 1. dictätor (-öris) m. 'Befehlshaber,
auch dis-).
Diktator’, zu 1. dictäre 'vorsagen, befehlen, vor¬
Morphologisch zugehörig: dimensional, dimensionie¬
schreiben’, einem Intensivum zu 1. dicere ren; etymologisch verwandt: immens, kommensurabel,
'sagen’. meditieren (usw.), Medikament, Medizin (usw.), Men¬
Morphologisch zugehörig: Diktator, etymologisch ver¬ sur, Monat; zum Etymon s. Mahl' und messen. —
wandt: s. diktieren. Schirmer (1912), 15.

diktieren swV. 'vorsprechen, vorschreiben’. Diminutiv n. 'Verkleinerungsbildung’, fach¬


Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. dic¬ sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. (nö-
täre, einem Intensivum zu 1. dicere (dictum) men) diminütivus, deminütivus, zu 1. deminütivus,
'sprechen’. dlminütlvus 'vermindernd’, zu 1. deminuere 'ver¬
Morphologisch zugehörig: Diktat, Diktator, Diktatur, mindern, schmälern, schwächen’, zu 1. minuere
Diktion, Diktum; etymologisch verwandt: benedeien, 'kleiner machen’ (s. auch de-), zu 1. minus 'weni¬
dedizieren (usw.), dichten1, [Diktionär], Edikt, Index, ger, kleiner’.
Indikation, Indikativ, Indiz, Kondition, Kontradiktion, Morphologisch zugehörig: diminuendo. Diminuendo,
Prädikat (usw.), predigen, Predigt, Verdikt, vermale- diminuieren, Diminution, diminutiv, Diminutivum; ety¬
deien; zum Etymon s. zeihen. — W. Feldmann ZDW mologisch verwandt: s. minus.
8 (1906/07), 65.
Dimmer m. 'Helligkeitsregler’, fachsprachl.
Dilemma n. 'Zwangslage’. Im 19. Jh. entlehnt Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
aus 1. dilemma 'Doppelsatz’, dieses aus gr. di¬ dimmer, einem Nomen instrumenti zu e. dim
lemma (dass.), zu gr. lemma 'Einnahme, An¬ 'dämpfen’, aus ae. dim (dass.) (vgl. ahd. timber
nahme’ aus gr. lambänein 'nehmen, ergreifen’ 'dunkel, düster’).
(s. auch di-). Zunächst ein Wort der Logik. Es
DIN. Abkürzung für Deutsche Industrie-
bezeichnet eine Schlußart, bei der eine Situation
Norm. Dann verselbständigt in DIN-Format
der notgedrungenen Wahl zwischen zwei Mög¬
u. ä.
lichkeiten herbeigeführt wird, die beide nicht
wünschenswert sind (= ein Fangschluß). Dann Diner n. 'festliches Essen’, sonder sprach!. Im
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. diner
Verallgemeinerung auf schwierige Entschei¬
dungslagen. m. , einer Ableitung von frz. diner 'essen’, aus
afrz. disner (dass.), aus spl. *disieiünäre (dass.,
Dilettant m. 'Stümper; ambitionierter Laie’.
wörtlich: 'mit dem Fasten aufhören’), zu 1. ie-
Im 18. Jh. entlehnt aus it. dilettante 'Kunstlieb¬
iunus 'nüchtern’ (s. auch dis-).
haber usw.’, einer Ableitung von it. dilettare
Etymologisch verwandt: Dinner. — W. Feldmann
'erfreuen, amüsieren’, aus 1. delectäre (dass.), ZDW 8 (1906/07), 65.
einem Intensivum zu 1. delicere 'an sich locken,
Dinformat n., s. DIN.
ergötzen’, zu 1. lacere 'locken’. Aus der Bezeich¬
nung für jemand, der sich zur Kunst (usw.) Ding n. Mhd. dinc, ahd. ding, thin(g), as.
hingezogen fühlt, aber keine professionelle Aus¬ thing geht mit Rücksicht auf gt. peihs zurück
bildung dafür hat, entwickelt sich die abwer¬ auf g. *pengaz n., auch in gt. peihs, anord. ae.
ping, afr. thing, im Gotischen unter Zurück¬
tende Bezeichnung, die immer auch mangelndes
Können meint. nahme des grammatischen Wechsels (*penhaz
zu peihs). Die Bedeutung ist im Gotischen '(fest¬
Etymologisch verwandt: s. Lasso. - W. Feldmann
gesetzte) Zeit’, in den übrigen Sprachen 'Ver¬
ZDW 8 (1906/07), 65; H. R. Vaget SJ 14 (1970),
131-158; J. Stenzei SJ 18 (1974), 235-244. trag, (festgesetzte) Versammlung’, so daß die
Grundbedeutung etwa Festsetzung’ gewesen
Dill m. Mhd. tille m./f., ahd. tilli, tilla f, as.
sein muß. Für die heutige Bedeutung ist von
dilli aus wg. *delja- m. 'Dill’, auch in ae. dile,
einer Bedeutungsverschiebung 'das, was auf
nschw. dill. Daneben ae. dyle (selten), ndl. dulle,
dem Thing verhandelt wird, Gerichtssache’ aus¬
mhd. tiill(e), nnorw. dylla. Am ehesten zu zugehen, die wie bei Sache (s. d.) oder bei frz.
Dolde (s. d.), das auch in dentallosen Formen chose f. 'Sache’ (aus 1. causa f. 'Gerichtssache’)
auftritt (ahd. tola). Vielleicht g. *dul- 'Dolde’ zu einer starken Bedeutungsverallgemeinerung
und *dulja- 'Dill’ (= 'mit einer Dolde versehen’, geführt hat. Das germanische Wort vergleicht
metonymisch). Die e-Stufe könnte in diesem sich zunächst mit mir. techtae 'gesetzmäßig,
dingen 145 Dirne

vorgeschrieben’, mir. techtae n. 'Rechtmäßig¬ jeder Art von Gedoppeltem (z. B. ein Doppelge-
keit' aus *tenktjo- oder *tnktjo-, Weitere Ver¬ läß), auch zur Bezeichnung des gefalteten ( =
gleiche sind wegen der Unsicherheit der Ab¬ „gedoppelten“) und versiegelten offiziellen
grenzung von *ten- 'ziehen' + k gegenüber Briefes; dann verliert sich das Benennungsmo¬
*tek- 'erreichen' + Nasalierung vorläufig nicht tiv. Der Diplomat ist ein durch ein Beglaubi¬
mit genügender Sicherheit anzusetzen. gungsschreiben ausgewiesener Staatsmann.
Nndl. ding, ne. thing, nschw. ting, nisl. ping. S. aller¬
Morphologisch zugehörig: Diplomand, Diplomatie, Di¬
dings, bedingen1'2, dingen, dingfest, Teiding, Thing, ver¬
plomatik', etymologisch verwandt: bi-', zum Etymon s.
teidigen. - E. Karg-Gasterstädt: Althochdeutsch -falt und zwei.
thing' - neuhochdeutsch 'Ding (Berlin 1958) ( =
BVSAW 104,2 [1958]). Diplomat m., s. Diplom.

dingen stV. 'in Dienst nehmen’, arch. Mhd. dir Pron. Dativ zu du. Mhd. ahd. dir, dazu
dingen stV./swV, ahd. dingön swV., as. thingon vermutlich mit Abfall des auslautenden -z as.
aus g. *peng-ö- (auch andere Stammbildungen) afr. thi, ae. pe, anord. per, die auf g. *pez
swV. 'vertraglich festsetzen’, auch in anord. führen, während gt. pus ein g. *puz voraussetzt.
pinga, ae. pingian, afr. thingia, ist abgeleitet von Vermutlich ist die Form mit u die ursprünglich
Ding (s. d.). Da das Verb wie ein starkes Verb volltonige, die mit -e- die ursprünglich neben¬
der III. Klasse aussah. bekam es im 17. Jh. tonige; doch kann die Form mit -e- auch auf
starke Formen. sekundäre Angleichung an die Form der 1. Sin¬
S. auch Leibgedinge. gular beruhen. Ausgangspunkt ist die undiffe¬
renzierte ig. Form *te-, an die ein sonst in dieser
dingfest Adj. Nur in der Wendung jemanden
speziellen Funktion nicht bezeugtes -s trat.
dingfest machen = 'festnehmen’. Archaisie¬
S. einerseits du, dein, dich und andererseits mir. —
rende Zusammensetzung des 19. Jhs. mit Ding
Seebold (1984), 44 - 46 und 98-105.
(s. d.) in der alten Bedeutung 'Gericht’ und fest
(s. d.), vielleicht nach dem Vorbild von älterem direkt Adj. 'gerade, geradlinig’. Im 16. Jh.
jemanden handfest, dingpflichtig machen. (Alt ist entlehnt aus gleichbedeutend 1. directus (wört¬
dagegen das im Neuhochdeutschen nicht mehr lich: 'gerade ausgerichtef), dem PPR von 1.
belegte mhd. dincvlühtec 'einer, der sich durch dirigere (directum) 'ausrichten’, zu 1. regere
Flucht dem Gericht entzieht’). 'lenken, leiten’ (s. auch dis-).
S. auch handfest. Morphologisch zugehörig: Direktion, direktiv, Direk¬
tive, Direktor, Direktorat, direktorial, Direktorium, Di¬
Dinkel m. 'Getreidesorte’, fachsprachl. Mhd.
rektrice, Direx; etymologisch verwandt: s. Adresse.
dinkel, ahd. dinkil, thinkil. Herkunft unklar. In
Ortsnamen verbreitet. dirigieren swV. '(ein Ensemble) leiten’. Im 16.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. dirigere, zu
Dinner n., s. Diner.
1. regere 'lenken, leiten’ (s. auch dis-).
Dinosaurier m., s. Saurier. Morphologisch zugehörig: Dirigat, Dirigent, Dirigis¬
Diözese /. (= Amtsgebiet eines katholischen mus, dirigistisch', etymologisch verwandt: s. Adresse.
— W. Feldmann ZDW 8(1906/07), 65; G. Schoppe
Bischofs), fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬
ZDW 15(1914), 181.
deutend 1. dioecesis (wörtlich: 'Bezirk, Di¬
strikt’), dieses aus gr. dioikesis (dass., wörtlich: Dirndl n., s. Dirne.
'Haushaltung, Verwaltung’), zu gr. dioikein Dirne/. Mhd. diern(e), dirn(e), ahd. diorna,
'verwalten, einrichten’, zu gr. oikein 'haushal- as. thiorna aus g. *pewernö f. 'Jungfrau’, auch
ten, wohnen’, zu gr. oikos m. 'Haus, Wohn¬ in anord. perna. Unter Umständen ist das Wort
haus’. ursprünglich nur deutsch und die nordische
Morphologisch zugehörig: diözesan, Diözesaw, etymo¬ Form aus dem Niederdeutschen entlehnt. Mor¬
logisch verwandt: s. Ökologie. phologisch kann es sich um eine der seltenen
Diphthong m. 'Zwielaut’, fachsprachl. Im 16. Ableitungen auf g. *-ern- zu Nominalstämmen
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. diphthongus handeln (wie gt. widuwairna 'Waise’ zu gt. wi-
/., dieses zu gr. phthongos 'Ton’ (s. auch di-), zu duwo 'Witwe’); die Grundlage müßte dann das
gr. phthengesthai 'tönen’. So bezeichnet, da es Wort für 'Diener’ sein, das unter dienen (s. d.)
sich um die Kombination zweier Laute (nach besprochen wird. Da Dirne aber in der alten
gängiger Auffassung: Vokale) handelt. Zeit 'Jungfrau’, und nicht 'Dienerin’ bedeutet,
Morphologisch zugehörig: Monophthong. müßte auch für g. *pewa- eine andere Bedeu¬
Diplom n. 'Urkunde’. Im 17. Jh. entlehnt tung als 'Diener, Knecht’ vorausgesetzt werden.
aus gleichbedeutend 1. diplöma, dieses aus gr. Die Etymologie bleibt also unklar. In der Hoch¬
diplöma (dass., wörtlich: 'Gefaltetes, Gedoppel¬ sprache ist das Wort weitgehend als Hüllwort
tes’), zu gr. diplöos, diploüs 'doppelt’ (s. auch zu der Bedeutung 'Prostituierte’ abgesunken. In
di-). Das Wort dient zunächst zur Bezeichnung den Mundarten ist es z. T. noch in der alten
dis- 146 diskutieren

Bedeutung lebendig. Dabei bair. Dirndl auch Diskothek /. 'TanzlokaE. Neubildung zu e.


für eine in Bayern übliche weibliche Tracht. disk 'Scheibe, Schallplatte’ und gr. theke 'Be¬
Nndl. deern, nschw. tärna, nisl. perna. — E. Karg- hältnis’. Zunächst Bezeichnung für ein Behält¬
Gasterstädt BGDSL 66 (1942), 308-326; H. Nowicki nis für Platten bzw. eine Plattensammlung (vgl.
ZDA 106(1977), 83-87. Bibliothek), dann übertragen auf 'Lokal mit
dis- Präfix. Wortbildungselement, das eine Tanzmusik von der Platte’.
Verneinung zum Ausdruck bringt (z. B. diskon¬ Morpologisch zugehörig: Diskothekar; etymologisch
tinuierlich. Disproportion). Es wurde vornehm¬ verwandt: s. Diskette und Theke.
lich in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche Diskrepanz /. 'Mißverhältnis’, sonder spracht.
übernommen; sein Ursprung ist 1. dis- (dass.). Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. dis-
— Vor /{/ lautet die Form dif- (z. B. Differenz), crepantia, einem Abstraktum zu 1. discrepäre
in manchen französischen Entlehnungen er¬ 'nicht übereinstimmen, im Widerspruch stehen,
scheint es als des- (z. B. desinteressiert). (wörtlich: schlecht zusammenklingen)’, zu 1.
Zum Etymon s. zer-, crepäre 'lärmen’ (s. auch dis-).
Disagio n. 'Abschlag, um den der Kurs hinter Morphologisch zugehörig: diskrepant. — W. J. Jones
dem Nennwert zurücksteht’, fachsprachl., s. SN 51 (1979), 255f.
Agio und dis-. diskret Adj. 'zurückhaltend, verschwiegen’.
Schirmer (1911), 46. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Diskant m. 'höchste Stimmlage, Tonlage’, discret, dieses aus 1. discretus 'abgesondert, un¬
fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. dis- terschieden’, dem PPP. von 1. discernere 'unter¬
cantfe]) entlehnt aus gleichbedeutend ml. dis- scheiden’, einem Intensivum zu 1. cernere (cre-
cantus (wörtlich: 'Gegenstimme’), zu 1. cantus tum) 'scheiden’ (s.’auch dis-).
'Singen, Gesang’ (s. auch dis-), zu 1. canere Morphologisch zugehörig: Diskretion; etymologisch
'singen, Töne von sich geben’. So benannt als verwandt: s. Dekret. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
eine höhere, frei kontrapunktierende Gegen¬ 07), 65; W. J. Jones SN 51 (1979), 256.

stimme zum Cantus firmus. diskriminieren swV. 'herabwürdigen, schlech¬


Etymologisch verwandt: s. Chanson. ter behandeln’, sonder spracht. Im 19. Jh. ent¬
Diskette /. 'magnetisierbare Kunststoff¬ lehnt aus gleichbedeutend 1. discruninäre (wört¬
scheibe zur Speicherung von Daten’, fach¬ lich: 'abtrennen’), einer Ableitung von 1. discri-
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend men (-minis) 'das ‘Trennende, der Unterschied,
ne. diskette, einem Diminutiv zu e. disk 'Platte, der Abstand’, zu 1. discernere 'unterscheiden,
Scheibe’, dieses aus 1. discus m. 'Scheibe’, aus trennen’, zu 1. cernere (cretum) 'scheiden’ (s.
gr. diskos m. (dass.). auch dis-). Die Bedeutungsverschlechterung
Morphologisch zugehörig: Floppy-disk, Harddisk', ety¬ durch Einengung auf 'aussondern (um zu ver¬
mologisch verwandt: Diskjockey, Diskothek, Diskus; werfen)’.
zum Etymon s. Tisch. Ersatzwort ist Platte. Morphologisch zugehörig: Diskriminante, Diskrimina¬
tion; etymologisch verwandt: s. Dekret.
Diskjockey m. 'jmd., der Platten präsentiert’.
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Diskurs m. 'Abhandlung, Unterhaltung, Er¬
diskjockey, einer Zusammensetzung aus e. disk klärung’, sondersprachl. Entlehnt aus 1. discur-
'Platte, Scheibe’ (aus 1. discus 'Scheibe’, aus sus 'Erörterung, Mitteilung’ (wörtlich: Unter¬
gr. diskos [dass.]) und e. Jockey 'Handlanger, laufen, Auseinanderlaufen), zu 1. discurrere (dis-
Fahrer’, einer hypokoristischen Bildung zum cursum) 'auseinanderlaufen, ausbreiten, mittei-
Eigennamen Jock, der nordenglischen und len, erörtern’, zu 1. currere 'laufen, rennen’ (s.
schottischen Form von Jack, dieses eine (hypo- auch dis-).
koristische) Nebenform von John. Der Name Morphologisch zugehörig: diskursiv; etymologisch ver¬
Jockey wird auch als Appellativum gebraucht wandt: s. Kurier. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
für 'Arbeiter, Bursche usw.’, als allgemeine Be¬ 65; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 181.

zeichnung für 'Handlanger’, aber auch für Diskus m. 'Wurfscheibe', fachsprachl. Im 19.
'Tankwart, Mechaniker’ (= garage Jockey). Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. discus, dieses
Von 'jmd., der sich um die Autos kümmert, aus gr. diskos (dass.), zu gr. diskem 'werfen’.
u. ä.’, dann Übertragung auf'jmd., der Platten Etymologisch verwandt: s. Diskette.
auflegt und präsentiert’. Diskussion/., s. diskutieren.
Etymologisch verwandt: s. Diskette und Jockey.
diskutieren swV. 'erörtern’. Im 16. Jh. ent¬
Diskont m. 'Vorzinsen’, fachsprachl. Entlehnt lehnt aus gleichbedeutend I. discutere (wörtlich:
aus gleichbedeutend it. disconto, dieses zu ml. 'zerlegen’), zu 1. quatere (quassum) 'treiben, sto¬
discomputare 'abrechnen’, zu 1. computäre 'be¬ ßen, schütten’ (s. auch dis-).
rechnen’ (s. Computer, s. auch dis-). Morphologisch zugehörig: Diskussion, diskutabel, in¬
Morphologisch zugehörig: Diskonto, Diskonten, dis¬ diskutabel; etymologisch verwandt: Kasko, Squash;
kontieren; etymologisch verwandt: s. amputieren. zum Etymon s. schütten.
disparat 147 distribuieren

disparat Adj. 'nicht zueinander passend’, son- Dissident m. 'Abweichender, Andersdenker’.


dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend I. dissi-
tend 1. disparätus, dem adjektivischen PPP. von dens (-entis), dem PPräs. von 1. dissidere 'ge¬
1. disparäre 'absondern, trennen’, zu 1. paräre trennt sein, anders denken, (wörtlich: voneinan¬
'gleichmachen’ (s. auch dis-), zu 1. pär 'gleich’. der getrennt sitzen)’, zu I. sedere (sessum) 'sit¬
Morphologisch zugehörig: Disparität; etymologisch zen’ (s. auch dis-).
verwandt: s. parat.
Morphologisch zugehörig: dissidieren; etymologisch
Dispens m. 'Befreiung’, fachsprachl. Entlehnt verwandt: s. Assessor. Heutiges Ersatzwort, vor allem
aus gleichbedeutend ml. dispensa /., zu ml. dis- in Ostdeutschland: Abweichler. - B. Horlitz NPItM
81 (1980), 240-242.
pensare zuteilen . aus 1. dispensäre 'zuteilen,
genau abwägen’, einem Intensivum zu 1. dispen- Dissimilation /., s. assimilieren und dis-.
dere 'auswägen, zuteilen’, zu 1. pendere (pen- Dissonanz /., 'unharmonischer Zusammen¬
sum) 'wiegen, abwägen’ (s. auch dis-). Die Be¬ klang, Unstimmigkeit’. Im Frühneuhochdeut¬
deutungsentwicklung geht über 'Zugeständnis’. schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. dissonan-
Morphologisch zugehörig: Dispensairemethode, Dis- tia, einer Ableitung aus 1. dissonäre 'verworren
pensarium, Dispensation. Dispensatorium; etymologisch tönen, nicht übereinstimmen’, zu 1. sonäre 'tö¬
verwandt: s. Pensum. nen’ (s. auch dis-), zu 1. sonus m. 'Ton, Klang’.
disponieren jh’K 'einteilen, planen’, sonder- Morphologisch zugehörig: dissonant, dissonieren; ety¬
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend mologisch verwandt: s. Sonate. Ersatzwort ist Mi߬
klang.
1. dispönere (dispositum). zu 1. pönere 'stellen,
legen’ (s. auch dis-). Distanz /. 'Entfernung’. Im 16. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: Disponende. Disponent, dis¬ aus gleichbedeutend 1. distantia, einem Abstrak¬
ponibel. Disponibilität, disponiert, Disposition, disposi¬ tum zu 1. dTstäre 'voneinander wegstehen’, zu 1.
tiv; etymologisch verwandt: s. Position. — W. Feld¬ stäre 'stehen’ (s. auch dis-).
mann ZDW 8 (1906/07), 65; Schirmer (1911), 46f.; G. Morphologisch zugehörig: distanzieren, distanziert;
Schoppe ZDW 15 (1914), 181. etymologisch verwandt: s. Arrest. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 65; Schirmer (1912), 15; Jones
Disput m. 'Auseinandersetzung, Wortstreit’,
(1976), 293.
sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutend frz. dispute/., einer postverbalen Ablei¬ Distel /. Mhd. di st cd m.lf., ahd. distil m.,
tung von frz. disputer 'streiten’, dieses aus 1. distila, as. thistil m. aus g. *pistila- m. (und
andere Stammbildungen), das einer plausiblen
disputäre (dass., wörtlich: 'auseinandersetzen’,
Etymologie zuliebe als *j>ihstila- angesetzt wer¬
zu 1. putäre (putätum) 'schneiden, trennen’ (s.
den kann. Zu einer s-losen Variante der Wurzel
auch dis-).
*(s)teig- 'stechen’ (s. stechen), und zwar von
Morphologisch zugehörig: disputabel, Disputant, Dis¬
einem s-Stamm, wie er in ai. tejas- n. 'Schneide,
putation, Disputator, disputieren; etymologisch ver¬
wandt: s. amputieren. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Spitze’ vorliegt. Hierzu eine t-Erweiterung und
07), 65. ein Instrumentalsuffix mit -/-.
Nndl. distel, ne. thistle, nschw. tistel, nisl. pistill. S.
Dissens m. 'Uneinigkeit, Meinungsverschie¬
stechen ( + ).
denheit’, sonder sprachl. Entlehnt aus gleichbe¬
Distichon n. 'Verspaar aus einem Hexameter
deutend 1. dissensus, dem substantivierten PPP.
und einem Pentameter’, fachsprachl. Entlehnt
von 1. dissentire 'verschiedener Meinung sein,
aus gleichbedeutend 1. distichon, zu I. distichus
nicht übereinstimmen’, zu 1. sentire 'fühlen, den¬
Adj. (wörtlich: 'zwei Reihen habend, zweizei¬
ken, wahrnehmen, urteilen’ (s. auch dis-).
lig’), dieses aus gr. distichos (dass.), zu gr. sti-
Morphologisch zugehörig: Dissenter, dissentieren; ety¬
chös f. 'Reihe, Linie’ (vgl. auch di-), zu gr.
mologisch verwandt: s. sensibel. — Ganz (1957), 58f.
steichein 'schreiten, gehen’.
Dissertation /. 'Doktorarbeit’, fachsprachl. Zum Etymon s. steigen.
Im 16. Jh. entlehnt aus 1. dissertätiö (-önis)
distinguieren swV, s. Distinktion.
'Erörterung, wissenschaftliche Abhandlung’,
einer Ableitung von 1. dissertäre 'auseinander¬ Distinktion /. 'Unterscheidung, Auszeich¬
setzen’, einem Intensivum zu 1. disserere, zu 1. nung’, sonder sprachl. Im Frühneuhochdeut¬
serere (sertum) 'fügen, reihen’ (s. auch dis-). schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. distinctio
Zunächst in der allgemeineren Bedeutung des (-önis), zu 1. distinguere (distinctum) 'abson¬
dern, trennen, abteilen’, das zu 1. *stinguere
lateinischen Wortes verwendet; im 18. Jh. dann
'stechen’ gebildet ist (s. auch dis-).
Einengung auf 'Doktorarbeit’ (vgl. Inaugural¬
Morphologisch zugehörig: distinguieren, distinguiert,
dissertation).
distinktiv; etymologisch verwandt: s. Instinkt.
Morphologisch zugehörig: Dissertant, dissertieren; ety¬
mologisch verwandt: s. Serie. — W. Feldmann ZDW distribuieren swV. 'verteilen’, sonder sprachl.
8 (1906/07), 65. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. distribuere, zu
Distrikt 148 doch

1. Iribuere 'zuteilen’ (s. auch dis-), zu 1. tribus divers Adj. 'verschieden’. Im 17. Jh. entlehnt
'Bezirk’. aus gleichbedeutend 1. diversus, zu 1. divertere
Morpologisch zugehörig: Distribuent, Distribution, dis- 'auseinandergehen, voneinander abweichen’, zu
tributional, distributioneil, distributiv, Distributivunr, 1. vertere (versum) 'umwenden, drehen’ (s. auch
etymologisch verwandt: s. Tribut. dis-).
Distrikt m. 'Bezirk\ fachsprachl. Im 16. Jh. Morphologisch zugehörig: Diversifikation, diversifizie¬
ren; etymologisch verwandt: s. Vers. — W. J. Jones SN
entlehnt aus spl. districtus 'Gerichtsbezirk’, die¬
51 (1979), 256.
ses zu 1. distringere (districtum) 'ausdehnen’, zu
1. stringere 'anziehen, fassen’ (s. auch dis-). Dividende /. 'Aktiengewinn’, fachsprachl. Im
Etymologisch verwandt: s. strikt. — W. Feldmann 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. divi-
ZDW 8 (1906/07), 65. dende m., dieses aus 1. dividendus m. 'das zu
Teilende’, zu 1. dividere 'teilen, trennen’ (s. auch
Disziplin /. 'Zucht, Ordnung; Fach, Teilbe¬
dis-).
reich’. Im 14. Jh. entlehnt aus 1. disciplina 'Erzie¬
Etymologisch verwandt: s. Devise. — Schirmer (1911),
hung, Zucht’, zu 1. discipulus m. 'Schüler’, das
47.
zu 1. *discipere 'zergliedern, um zu erfassen’
gebildet ist (zu 1. cctpere 'fassen’, s. auch dis-). dividieren swV. 'teilen’, fachsprachl. Im Mit¬
Wichtig für die Entlehnung ist der Begriff der telhochdeutschen (mhd. dividieren) entlehnt aus
1. disciplina militäris, die sowohl die militärische gleichbedeutend 1. dividere.
Zucht als auch die militärische Ausbildung und Morphologisch zugehörig: Dividend, Dividende, Divis,
Division, Divisionär, Divisor, Divisorium; etymologisch
das damit verbundene Wissen meinte; von da
verwandt: s. Devise. — Schirmer (1912), 16.
dann Verallgemeinerung. Im 15. Jh. dann auch
'Wissenschaftszweig, Fach usw.\ Division /. (= ein Heeresteil), fachsprachl.
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Morphologisch zugehörig: disziplinär, disziplineil, dis¬
ziplinieren, diszipliniert', etymologisch verwandt: s. ak¬ division (wörtlich: 'Abteilung’, dieses aus 1.
zeptieren. — O. Mauck: Der lateinische Begriff'disci¬ divisio (-önis) 'Teilung, Zerlegung, Ausgeteil¬
plina'' (Diss. Freiburg/Schweiz 1941). tes’), zu 1. dividere 'teilen, trennen’ (s. auch
dis-).
Dithyrambe /. 'enthusiastisches Gedicht’,
Etymologisch verwandt: s. Devise. — W. Feldmann
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
ZDW 8 (1906/07), 66.
deutend 1. dithyrambus m., dieses aus gr. dithy-
rambos m. (dass., eigentlich ein Beiname des Diwan m. 'Sofa; Gedichtsammlung’. Im 19.
Bacchus). Zunächst so benannt als 'Lobgesang Jh. entlehnt aus türk, divan 'Sofa; (älter:) Emp¬
auf Bacchus’; dann verallgemeinert. fangsraum’, dieses aus pers. diwän (älter devän)
'Amtszimmer’, zu pers. dibir 'Schreiber’. Zu¬
dito Part, 'desgleichen, dasselbe’, ugs. Im 16.
nächst eine Sammlung von Geschriebenem
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. detto, Parti¬
(u. a. auch Gedichte), dann erweitert auf den
zip zu it. di re 'sagen’, aus 1. dicere (dictum)
Ort, an dem solches verfaßt wurde, schließlich
(dass.). Es bezeichnet also das 'bereits Gesagte’,
auch Bezeichnung eines dort üblichen Einrich¬
auf das wiederholend hingewiesen wird. tungsgegenstands.
Dittchen n. 'kleine Münze’, od. Fnhd. düttgen, Littmann (1924), 75, 88f.; Lokotsch (1975), 42.
ndd. düttke, entlehnt aus poln. dudek m.
Dixie m. ( = ein Jazzstil), fachsprachl. Im 20.
'Wiedehopf’, das als spöttische Bezeichnung Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Dixie (fand),
der polnischen Dreigroschenmünze verwendet übertragen von einer Bezeichnung für die Süd¬
wurde, da diese einen Adler als Wappentier staaten der USA. Die Herkunft dieser Bezeich¬
enthielt. nung ist nicht sicher geklärt. Der Jazzstil ist
Diva f. 'gefeierte Künstlerin’, sonder sprach/. somit nach seinem Ursprung im Süden der USA
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. diva benannt.
(wörtlich: die Göttliche’, dieses aus 1. divus Döbel m., s. Dübel.
(diva) 'göttlich’, zu 1. deus m. 'Gott’.
Dobermann m. (= Hunderasse), fachsprachl.
Etymologisch verwandt: s. adieu.
Nach dem Züchter Dobermann, der die Rasse
Divan m., s. Diwan. durch Kreuzung von Pinscher und Schäferhund
divergent Adj. 'verschieden, auseinanderge¬ entwickelte.
hend’, sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeu¬ doch Konj. Mhd. doch, ahd. doli, tho(h), as.
tend ml. divergens (-entis), zu 1. vergere 'sich thöh aus g. *pau-h, auch in gt. pauh, anord. pö,
neigen, gelegen sein, erstrecken’ (s. auch dis-). ae. peah, afr. thäch, besteht aus dem adverbialen
Morphologisch zugehörig: Divergenz, divergieren', ety¬ pau, wie es im Gotischen belegt ist (vergleichbar
mologisch verwandt: konvergent; zum Etymon s. ren¬ etwa mit ai. tu doch’) und dem enklitischen
ken. — Schirmer (1912), 15. -h (gt. -uh, -h nach Vokal), das 1. -que (u. a.)
Docht 149 Dolde

entspricht. Das nhd. o ist in unbetonter Stellung Dohne /. 'Schlinge zum Vogelfang’, fach¬
gekürzt.
sprachl. Mhd. don(e), ahd. dona, as. thona aus
Ai. tu wird jetzt auf das Pronomen der 2. Person wg. *punön f. 'Zweig, Rute’, speziell 'Dohne’,
Singular zurückgeführt. Falls dies richtig ist, muß die
auch in ae. (celf)pone 'Geißblatt’. Vergleichbar
Verbindung mit doch aufgegeben werden. Vgl. J. S.
sind 1. tenus n. 'Schnur mit Schlinge zum Vogel¬
Klein Sprache 28 (1982), 1 —26, besonders S. 11.
fang’, russ. russ.-kslav. teneto n. 'Schlinge zum
Docht m. Mhd. ahd. täht m./n. aus g. *pähta-
Vogelfang’, die zu *ten- 'ziehen, dehnen, span¬
m. 'Docht, Litze’, auch in anord. pättr 'Litze
nen’ gehören. Also etwa Spanner als Grundbe¬
eines Seils, Abschnitt’. In neuhochdeutschen deutung.
Mundarten auch andere Suffixe: bair. dähen,
S. auch dehnen (+).
eis. döche, schwz. dägel. Semantisch am ehesten
zu einem *tek- 'zusammendrehen’, das aber Doktor m. (= ein akademischer Titel). Im
nur in abgelegenen Sprachen bezeugt ist: arm. Mittelhochdeutschen (mhd. doctor) entlehnt
t'ek’em 'drehen, flechten’, arm. t’iur (*tek-ro-) aus 1. doctor 'Lehrer’, zu 1. docere (doctum)
'gedreht’; osset. taxun 'weben’, osset. an-dax 'lehren, unterrichten’, das mit 1. decoräre 'ver¬
'Faden'; vielleicht auch mit ^-Erweiterung 1. zieren’ verwandt ist. Zunächst eine Standesbe¬
texere 'flechten, weben’. Der Docht wäre also zeichnung der Gelehrten, die einer Lehrtätigkeit
das Zusammengedrehte’. Der Anlaut t im Alt¬ nachgingen; als für die offizielle Lehrtätigkeit
hochdeutschen und Mittelhochdeutschen be¬ bestimmte Voraussetzungen gemacht werden,
ruht auf einer auch sonst zu beobachtenden erhält die Berufsbezeichnung Titelcharakter.
Weiterverschiebung (vgl. tausend). Mit der Einrichtung weiterer akademischer
Nschw. tat, nisl. pättur. S. Text (+). Lehrberechtigungen (z. B. dem Bakkalaureat)
Dock n., fachsprachl. Aus dem Niederdeut¬ verliert das Wort die allgemeine Bedeutung
schen, mndd. mndl. docke. Daneben mndl. 'Hochschullehrer’ und wird zum reinen Titel.
docke 'Wasserrinne’, für das ein 1. *ductia 'Was¬ Aus Doctor medicinae entsteht die Bedeutung
serleitung’ (zu 1. dücere 'leiten, führen’) voraus¬ 'Arzt’, wobei der gelehrte „Doktor“ dem nicht
gesetzt wird. akademisch ausgebildeten „Arzt“ gegenüberge¬
S. Dusche ( + ). - Kluge (1911), 187f.; Stiven (1936), stellt wird.
16f. Morphologisch zugehörig: Doktorand, Doktorat, dok¬
Docke /. 'Puppe, Klötzchen u. ä.’, reg. Mhd. torieren-, etymologisch verwandt: s. dekorieren. —
Götze (1929), 9 — 11; zu Dozent: Nyström (1925), 124f.
tocke, ahd. tocka, mndd. docke aus g. *dukkönf.
unklarer Ausgangsbedeutung (ungefähr 'etwas Doktrin/. 'Lehrmeinung’, fachsprachl. Im 17.
Rundes’), auch in anord. dokka 'Puppe, Mäd¬ Jh. entlehnt aus 1. doctrina 'Belehrung, Unter¬
chen’, as. dokka, ae. finger-docce f.jm.(?) richt, Lehre’, zu 1. docere (doctum) 'lehren,
'Fingermuskel’. Keine naheliegende Vergleichs¬ unterrichten’, das mit 1. decoräre 'verzieren’ ver¬
möglichkeit. Vor weiteren Anknüpfungen muß wandt ist.
die Ausgangsbedeutung im Germanischen ge¬ Morphologisch zugehörig: doktrinär, Doktrinär, Dok¬
klärt werden. trinarismus-, etymologisch verwandt: s. dekorieren. —
Lühr (1988), 226f. W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 66.

Dogge /. Über das Niederländische entlehnt Dokument n. 'amtliches Schriftstück’. Im 17.


aus ne. dog 'Hund’, me. dogge, ursprünglich Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. documen-
eine besondere Hunderasse. tum, dieses aus 1. documentum 'Beweis, (wört¬
S. Bulldogge, Hotdog. — Lühr (1988), 290. lich:) wodurch man etwas lehren/schließen
Dogma n. 'verbindliche Lehrmeinung’, son- kann’, zu 1. docere (doctum) 'lehren, unterrich¬
dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ ten, nachweisen’, das mit 1. decoräre 'verzieren’
tend 1. dogma, dieses aus gr. dögma (dass.), zu verwandt ist.
gr. dokeüein, doketn 'meinen’. Dieses ist ver¬ Morphologisch zugehörig: Dokumentär, Dokumenta¬
wandt mit 1. docere (s. Doktor). tion, dokumentieren-, etymologisch verwandt: s. deko¬
Morphologisch zugehörig: Dogmatik, dogmatisieren, rieren.
Dogmatismus-, etymologisch verwandt: s. dekorieren. Dolch m. Fnhd. dollich, dolken u. ä. Herkunft
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 66.
unklar. Lautähnlich ist 1. dolo, dolön 'Stockde¬
Dohle /. Mhd. täle, töle, tähele (entlehnt als gen, Stilett’, doch bleibt die Herkunft des Tek-
it. taccola), erweiternde /-Bildung zu mhd. tähe, tals g/ch unklar.
ahd. täha, neben dem ae. *dawe steht; es wird
Dolde /. Mhd. dolde, tolde, ahd. toldo m.
also von wg. *dagwön/dahwön f 'Dohle’ auszu¬
führt auf vor-d. *dulpön f. 'Dolde’, neben dem
gehen sein. Vergleichbar ist apreuß. doacke
dentalloses ahd. tola 'Kamm der Weintraube’
'Star’. Weitere Herkunft unklar.
steht. Weitere Herkunft unklar.
Ne.jackdaw. Gegen die Gleichsetzung von *tahele und
mhd. täle, töle: Suolahti (1909), 185 — 189. S. Dill, Tolle. — Trier (1952), 56.
Dole 150 Dompteur

Dole /. 'bedeckter Abzugsgraben’, fach- 18. Jh. entlehnt aus frz. döme 'Kuppel’, das über
sprachl. Ahd. dola 'Röhre, Abzugskanal, Rinne’; spl. döma n. auf gr. döma n. 'Haus, Wohnung,
daneben mit Langvokal 5 anord. dala 'eine Art Tempel, Dach’ zurückgeht.
Schiffspumpe oder Ableitung für das Bilgwas- Domäne /. 'Gebiet, Staatsgut’. Im 17. Jh.
ser’. Wegen der Unklarheit des Lautstands ist entlehnt aus frz. domaine m. 'Gut in landesherr¬
auch die Etymologie unklar. lichem Besitz’ dieses aus 1. dominium n. 'Herr¬
S. auch Tülle. schaft, herrschaftlicher Besitz’, zu 1. dominus m.
Dollar m., s. Taler. 'Herr, Eigentümer’, zu 1. domus 'Haus’. Aus
Dolle /. 'Pflock, Ruderpflock’, fachsprachl. derselben Quelle: Dominium 'Herrschaftsver¬
Aus dem Niederdeutschen, mndd. dolle, dulle, hältnis’.
wie in afr. tholl, ae. f>oll m., nschw. lull m. Morphologisch zugehörig: dominal, etymologisch ver¬
Vielleicht liegt wegen der seltenen Bedeutung wandt: s. Dame'. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),

(und damit späten Beleglage) Urverwandtschaft 66; Jones (1976), 294.

(g. *pulla-, vielleicht mit /n-Assimilierung) vor; Domestik m. 'Dienstbote’, sonder spracht. Im
vermutlich ist das Wort aber von einem nicht 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. dome-
mehr klaren Augangspunkt aus verbreitet wor¬ stique, zu frz. domestique 'zum Haus gehörig’,
den. Außergermanisch vergleicht sich am näch¬ dieses aus 1. domesticus (dass.), zu 1. domus f.
sten lit. tulis 'Achsnagel’ nebst anderem weniger 'Haus’.
Klarem, das auf eine Wurzel *teu- 'schwellen’ Etymologisch verwandt: s. Dame'.
zurückgeführt wird.
dominieren swV. 'beherrschen’. Im 16. Jh. ent¬
Dolmen m., fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt lehnt aus gleichbedeutend 1. dominäri, zu 1. do¬
über frz. dolmen 'keltisches Steindenkmal’ aus minus 'Herr’, zu 1. domus 'Haus’.
körn, tolvaen, tollven 'Lochstein’, zu körn, toll Morphologisch zugehörig: dominant, Dominante, Do¬
'Loch’ (Megalithen mit einem Loch in der minanz, Dominal, Domination, Dominium; etymolo¬
Mitte). In der Bretagne hat man das Wort auf gisch verwandt: s. Dame'.
andere megalithische Steinformationen ange¬
Dominium n., s. Domäne.
wandt, vor allem auf Grabkammern mit tisch¬
artiger Deckplatte über dem Eingang. Domino m. 'Kamevalskostüm’, sonder-
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Dolmetsch(er) m. Spmhd. tolmetsche, tulmet-
frz. domino, dieses aus it. domino (dass., eigent¬
sche, fnhd. dolmetsch-, dazu das Verb dolmet¬
lich: 'Kapuzenmantel der Mönche’), zu 1. domi¬
schen. Aus diesem das Nomen agentis Dolmet¬
nus 'Herr’, zu 1. domus f. 'Haus’. Aus der Be¬
scher, das das ursprüngliche Wort verdrängt.
zeichnung des Wintermantels der Mönche ent¬
Über ung. tolmäcs entlehnt aus türk, tilmag.
wickelt sich zunächst die allgemeine Bedeutung
Dieses ist eine volksetymologische Angleichung
'Mantel’; im 18. Jh. erfolgt dann eine Speziali¬
an atürk. til 'Zunge, Sprache’ und das Suffix
sierung der Bedeutung auf 'schwarzseidener
-mag, doch weist das Fehlen der Vokalharmonie
Maskenmantel beim Karneval in Venedig’. Das
auf Entlehnung. Da in der kleinasiatischen Mi-
Dominospiel wird ebenfalls im 18. Jh. aus frz.
tanni-Sprache schon im 15. Jh. v. Chr. ein Ta-
domino entlehnt. Sein Name stammt vermutlich
lami 'Dolmetscher’ bezeugt ist, wird das türki¬
daher, daß der Gewinner sich 1. dominus 'Herr’
sche Wort irgendwie mit diesem Zusammen¬
nennen durfte. .
hängen.
Etymologisch verwandt: s. Dame'.
Dom1 m. 'Hauptkirche’. Im 16./17. Jh. über
Domizil n. 'Wohnsitz, Zahlungsort’, sonder-
frz. döme entlehnt aus spl. domus ecclesiae f.
sprachl. Entlehnt aus 1. domicilium 'Wohnsitz,
'Haus der Kirchengemeinde’, das seinerseits aus
Wohnung, Palast, Residenz’, zu 1. domus f.
gr. otkos tes ekklesiäs entlehnt ist. Danach hieß
'Haus’.
die Stiftskirche ecclesia de domö f. und in diesem
Etymologisch verwandt: s. Dame'.
Sinn wird die Entlehnung verwendet. Das Wort
war schon wesentlich früher als ahd. mhd. tuom, Dompfaff m. 'Gimpel’. So benannt wegen des
nhd. (bis ins 18. Jh.) Thum entlehnt worden roten Federkleides mit schwarzem Scheitel, das
(entsprechend afr. döm), doch ist diese Form dem Talar und der Kappe eines Domgeistlichen
dann ausgestorben. vergleichbar ist.
Etymologisch verwandt: s. Dame'. — Masser (1966), Dompteur m. 'Tierbändiger’. Im 20. Jh. ent¬
53-70.
lehnt aus gleichbedeutend frz. dompteur, einem
Dom2 m. 'gewölbeartige Struktur’, fach¬ Nomen agentis zu frz. dompter 'zähmen’, aus 1.
sprachl. Technisches Wort zunächst der Bau¬ domitäre (dass.), einem Intensivum zu 1. domäre
kunst, das aber in Verwendungen wie Himmels¬ 'zähmen’.
dom usw. von Dom1 aufgesogen worden ist. Im Zum Etymon s. zahm.
Donner 151 Dorf

Donner m. Mhd. dotier, toner, ahd. donar, rückgedrängt wurde das Wort vor allem durch
t(h)onar, as. thunar aus g. *punra- m. 'Donner’ Stube (s. d.)
(auch 'Donnergott’), auch in anord. pörr, B. Schier in: FS Foerste (1970), 177-197; Eichler
Imnarr, ae. punor, afr. thuner, tonger, zu einer (1965), 35f. Anders: H. H. Bielfeldt ZDW 17(1961),
Schallwurzel, die speziell auch Wörter für 'don¬ 136-148.
nern’ aufweist: ig. *ten- in 1. tonäre 'donnern’, Döntjes PI. 'Anekdoten’, ndd. Eigentlich
ai. tanyü- donnernd’, ae. punian donnern’, mit 'kleine Erzählungen, kleine Lieder’ zu don 'Ton,
s mobile *sten- in ai. stänati 'donnert’, auch ai. Weise’ mit dem Diminutivsuffix.
stamäyati.
doof Adj. 'dumm’, ugs. Niederdeutsche Ent¬
Nndl. donder, ne. thunder. S. dehnen (+), detonieren,
sprechung von hd. taub (s. d.), die im 20. Jh.
Donnerkeil, Donnerstag, stöhnen.
von Berlin aus üblich wurde. Der Dumme wird
Donnerkeil m., fachsprachl. Seit dem 16. Jh.
als so verständnislos wie ein Tauber dargestellt.
belegte Zusammensetzung aus Donner (s. d.) in
dopen swV. 'durch verbotene Mittel kräftigen,
der mittelhochdeutschen Nebenbedeutung
aufputschen’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt
'Blitz’ und Keil (s. d.). Sowohl die Bedeutung
aus gleichbedeutend ne. dope, zu e. dope 'Mittel,
'Blitzstrahl’ (eigentlich 'Blitz, der in Keilform
Droge, Substanz’, dessen weitere Herkunft
niederfahrt’) als auch 'Versteinerung’ (beson¬
nicht sicher geklärt ist.
ders der urzeitlichen Kopffüßler oder Belemni-
Morphologisch zugehörig: Doping.
ten — mit unbekanntem Benennungsmotiv)
sind alt. Der Verwendung als Fluchwort liegt Doppeldecker m. 'Flugzeug mit zwei Lagen
wie bei Donnerwetter der übertragene Gebrauch von Tragflächen’. Im 20. Jh. gebildet nach dem
der erstgenannten Bedeutung zugrunde. Vorbild von Dreidecker (und vielleicht Zweidek-
Donnerlittchen, Donnerlüttchen (= Ausruf), ker), d. h. Schiffe mit mehreren Decks (Stock¬
werken).
ugs., reg. Eigentlich Lichtchen, vgl. opreuß.
lichting 'Blitz’, also eine Entsprechung zu Don¬ S. Deck ( + ).

nerwetter. doppeln swV. 'würfeln’, sonder spracht Mhd.


Donnerstag m. Zum Prinzip der Bezeichnung toppein, topelen, mit Bedeutungsverschiebung
der Wochentage vgl. Dienstag. Im Fall von entlehnt aus prov. doplar 'den Einsatz verdop¬
'Donnerstag’ hegt 1. Iovis dies voraus (vgl. frz. peln’, doch haben bei der Bedeutungsentwick¬
jeudi), also die Benennung nach dem Planeten lung offenbar einheimische, für die frühe Zeit
Juppiter und indirekt nach dem obersten Him¬ nicht faßbare Wörter eine Rolle gespielt.
melsgott (wie gr. hemera diös/.). In den germa¬ doppelt Adj. Im 15. Jh. entlehnt aus afrz.
nischen Sprachen wurde er durch den Wetter¬ doble (frz. double aus 1. duplus 'zweifältig’, zu 1.
und Donnergott vertreten, der vermutlich bei duo 'zwei’). Das auslautende -t wurde offenbar
der bäuerlichen Bevölkerung als oberster Gott von gleichbedeutendem gedoppelt übernom¬
galt; eine weitere Anknüpfung besteht an den men. Zusammensetzungen wie Doppelpunkt
Blitze schleudernden Juppiter tonäns (= 'don¬ bleiben ohne -t.
nernd’) der Römer. Vgl. anord. pörsdagr, ae. S. Duett ( + ). — W. A. Benware BGDSL-T101 (1979),
punres dceg, afr. thunresdei, mndl. dondersdach, 330.
donre(s)dach, mndd. donerdach, donredach, Dorf n. Mhd. dorf, ahd. dorf, thorf, as. thorp
dunredach, mhd. donerstac, donrestac, dunre- aus g. *purpa- n. 'Dorf, Gehöft’, auch in gt.
stac, ahd. donarestag. Bair.-österr. Pfmztag paurp, anord. porp, ae. porp, prop m., afr. thorp,
(s. d.) stammt aus dem Griechischen und ist therp. Semantisch vergleichen sich (neben dem
eigentlich der 'fünfte Tag’ (pempte hemera f.). vom Germanischen vorausgesetzten *trab-) im
Nndl. Donderdag, ne. Thursday (unter nordischem Ein¬ Keltischen mir. treb f, kymr. tre(f) 'Haus,
fluß), nschw. Torsdag. S. Donner ( + ), Gründonnerstag. Dorf, Anwesen’ (vgl. denominativ mir. trebaid
Donnerwetter «., s. Donnerkeil, Donner und 'pflügt, bebaut, bewohnt’, sowie air. dithrub,
Wetter. kymr. didref '*Un-dorf’ = 'Wildnis’) aus
Dönse /. 'geheizte Stube, Schrankbett u. a.’, *treb-, osk. triibüm 'Haus, Gebäude’ aus *treb-
ndd. Im Oberdeutschen dafür Türnitz. Im Nie¬ und lit. trobä f. 'Haus, Gebäude’ aus *träb-.
derdeutschen belegt seit dem 13. Jh. (dornise, Lautlich noch ferner steht gr. teramna PI.
in Halle), im Oberdeutschen seit dem 11. Jh. 'Haus’ aus *terdb-no-. Diese schließen sich ei¬
als turniza. Entlehnt aus slav. *dvorünica 'Hof¬ gentlich zwanglos an die Verbalbedeutung von
stube’ zu akslav. dvorü 'Hof’ (zuerst im Polabi- kslav. trebiti 'reinigen, roden’, so daß von 'Ro¬
schen um 1700 als dwarneiz). Es handelt sich dung’ auszugehen wäre (vgl. besonders die kel¬
um den geheizten Raum in slavischen Adelshäu¬ tischen Bedeutungen). Daß möglicherweise 1.
sern, der zunächst für das Grenzgebiet, dann trabs f. 'Baumstamm, Balken usw.’ zugehörig
auch weiter im Westen vorbildlich wurde. Zu¬ ist, läßt sich aus dem semantischen Umfeld
Dorn 152 Double

verstehen; die Grundbedeutung (dann weiter zu da1 (s. d.) mit einem Suffix zur Bezeichnung der
'Blockhaus’, zu 'Dorf’ usw.) ist in diesem Wort Richtung.
sicher nicht zu suchen. Als älteste germanische Dose/. Im 15. Jh. ins Niederdeutsche entlehnt
Bedeutung ist zu erschließen 'Gehöft’, und zwar aus gr. dösis 'Gabe’ über ml. dosis. Offenbar
vorzugsweise ein Aussiedlerhof im Rodungsge¬ wurde jede Arzneigabe in einer Kapsel verab¬
biet, bestehend aus Haus und eingezäuntem reicht, so daß die Bedeutungsverschiebung von
Ackerland. Die älteste teilweise nur in Ortsna¬ der Sache zum Behälter erfolgen konnte. Wenn
men faßbare Schicht zeigt sich dabei in anord. der Gebrauch des Wortes für größere Gefäße
porp, nnorw. torp, ae. prop, afr. therp, as. thorp, (Döse 'Bottich’, Dese 'Waschfaß’ u. ä.) sich als
ahd. thorf; eine jüngere geht auf dem Weg der älter erweisen läßt, muß die angegebene Etymo¬
Entlehnung vom Niederdeutschen aus (anord. logie allerdings aufgegeben werden. In diesem
porp in jüngerer Bedeutung, ae. porp, afr. Fall ist die Herkunft unklar.
thorp). Die heute übliche Bedeutung 'Ansamm¬
Döse /., s. Dose.
lung von zusammengehörigen Gehöften’ ent¬
dösig Adj., ugs. Im 19. Jh. aus dem Nieder¬
wickelt sich offenbar in neuen Siedlungsgebie¬
deutschen übernommen (ae. dysig, ne. dizzy).
ten, in denen die Wohnstätten aus Sicherheits¬
Etwas später auch dösen 'halb schlafen’ (vgl.
gründen größere Einheiten umfaßten. Aus der
ne. doze). Zu Wörtern auf einer Grundlage ig.
gleichen Grundlage entstammen auch die Be¬
*dheus/dhwes- für 'verwirrt sein, betäubt sein’
deutungen 'Ackerland’, 'Versammlungsort (re¬
(s. Tor1), die vermutlich auf *dheu- 'stieben,
gional)’ und 'Pferch’, letzteres nur in Relikten
durcheinanderwirbeln’ zurückgehen.
greifbar, aber in der Bedeutungsverschiebung
S. Dunst ( + ), ram(m)dösig.
zu 'Herde’ faßbar in anord. porp, nnorw. torp
(auch für 'Menschenmenge’) und wfr. (latini¬ Dosis /. 'zugemessene Menge; verabreichte
siert) troppo, das frz. troupeau m. und frz. troupe Menge’. Im 16. Jh. entlehnt aus ml. dosis
f. ergibt (s. Trupp). Ist damit der Bedeutungszu¬ 'Gabe’, dieses aus gr. dösis (dass.), zu gr. didönai
sammenhang einigermaßen klar, so bleiben die 'geben’, das mit 1. däre (datum) 'geben’ ver¬
Ablautverhältnisse doch rätselhaft. Überhaupt wandt ist.
macht die Sippe kaum einen gut indogermani¬ Morphologisch zugehörig: dosieren-, etymologisch ver¬
schen Eindruck. wandt: s. Datum. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
66; J. W. Walz ZDW 12 (1910), 177.
Nndl. dorp, ne. (vor allem in Ortsnamen) thorp. —
W. Foerste SG 16(1963), 422 — 433; R. Schützeichel Dossier n. 'umfängliche Akte’, sonder spracht.
AAWG III, 109 (1981), 9-36. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. dossier nt.,
Dorn m. Mhd. dorn, ahd. dorn, thorn, as. einer Ableitung von frz. dos m. 'Rücken’, dieses
thorn aus g. *purnu- m. 'Dorn’, auch in gt. aus 1. dorsum (dass.). Zunächst so bezeichnet als
paurnus, anord. ae. porn, porn, afr. thorn-, ent¬ 'ein Bündel Akten, das durch einen Umschlag
sprechend ig. *trn- (mit verschiedenen Stamm¬ zusammengefaßt ist, auf dessen Rücken der In¬
bildungen) 'Spitze, Dorn’ in akslav. trinü halt vermerkt wird’.
'Dorn’; ferner ai. trnä- n. 'Grashalm’. Setzt eine Dost m. 'origanum vulgare, wilder Majoran’,
Wurzel *ter- voraus, die 'stechen’ bedeutet fachsprachl. Mhd. doste, toste, ahd. dost(o).
haben müßte, die aber nur in Ableitungen und Die Bedeutung ist teilweise auch 'Büschel,
nicht sehr deutlich zu fassen ist (evtl. *ster-). Strauß’. Herkunft unklar.
Nndl. doorn, ne. thorn, nschw. torn, nisl. pyrnir. R. Löwe BGDSL 59 (1935), 256-260.

dorren swV. Mhd. dorren, ahd. dorren, t(h)or- dotieren swV 'ausstatten, mit Geld versehen’,
ren. Inchoativum zu dürr (s. d.). fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. do¬
tieren) entlehnt aus gleichbedeutend 1. dötäre
dörren swV. Mhd. derren, ahd. derren, t(h)er-
(dötätum), zu 1. dös (-ötis) 'Gabe’, zu 1. dare
ren, mndl. dorren aus g. *parz-eja swV. 'dörren’,
'geben, reichen’.
auch in anord. perra, ae. pi(e)rran; Kausativum
Morphologisch zugehörig: Dotation; etymologisch ver¬
zu g. *pers-a- stV. 'dorren’ (s. dürr).
wandt: s. Datum.
Dorsch in. Aus dem Niederdeutschen (mndd.
Dotter m. (auch /./«.). Mhd. toter, tuter m./
dorsch, dorsfkf), mndl. dorsc) in die Hoch¬
n., ahd. totoro, toter, as. dodro; vgl. ae. dydrin
sprache übernommen. Dieses entlehnt aus
'Dotter’. Vielleicht zu toch. B. tute 'gelb’, sonst
anord. porskr, eigentlich 'der zum Dörren geeig¬ unklar.
nete Fisch’ zu g. *pers-a- 'dorren’ (der Dorsch
Zu dem weiter verbreiteten Pflanzennamen Dotter s •
wird getrocknet als Stockfisch gehandelt). Marzell (1943/79), I, 753-757.
dort Adv. Mhd. dort, ahd. tharot, dorot, tho- Double n. 'Ersatzdarsteller, Doppelgänger’,
rot, as. tharod. Wie afr. thard 'dorthin’ gebildet fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. double
aus g. *par, der kurzvokalischen Variante von m. Doppelgänger’, einer Substantivierung von
dozieren 153 Drank

frz. double 'doppelt’, dieses aus 1. duplus (dass.), Drahtzieher seit dem 18. Jh. für 'Hinter¬
zu 1. duo 'zwei’. mann’ — gemeint ist derjenige, der die Mario¬
Morphologisch zugehörig: doubeln\ etymologisch ver¬ netten an Drähten bewegt.
wandt: s. Diplom.
(trainieren swV. 'durch Anlage eines Röhren¬
dozieren swV. 'lehren’, s. Doktor. systems entwässern, Flüssigkeiten ableiten’,
Drache1 m. Mhd. trache, tracke, drache, fachsprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
dracke, ahd. trahho; wie anord. dreki, ae. draca gleichbedeutend frz. drainer, dieses aus ne. drain
entlehnt aus 1. draco (-önis), das seinerseits aus (dass.), aus ae. dreahnian 'trocknen’.
gr. dräkön übernommen ist. Das griechische Morphologisch zugehörig: Drain, Drainage; zum Ety¬
Wort bedeutet eigentlich 'der scharf Blickende’ mon s. trocken.
zu gr. derkomai 'ich sehe’. Draisine /. (= 1. ein kleines Schienenfahr¬
S. Dragoner, drakonisch. zeug, 2. ein Vorläufer des Fahrrads), fach¬
Drache2 m., s. Enterich. sprachl. Neubildung des 19. Jhs. nach dem Na¬
men des deutschen Erfinders Freiherr Drais von
Drachensaat /. 'Zwietracht säende Gedan¬
Sauerbronn.
ken’, sondersprachl. Seit dem 19. Jh. belegte
Klammerform für * Drachenzähnesaat, nach drakonisch Adj. 'sehr streng, übermäßig hart’,
den in der griechischen Mythologie von Kad- sondersprachl. Bildung des 18. Jhs. zu gr. Drä¬
mos ausgesäten Drachenzähnen, aus denen kön, dem Namen eines altgriechischen Herr¬
Krieger erwuchsen, die sich alle (bis auf fünf) schers, unter dem sehr strenge Gesetze galten.
gegenseitig erschlugen. Etymologisch verwandt: s. Drache.

Drachme /. (= ein Gewicht, eine Münze), drall Adj. Aus dem Niederdeutschen (mndd.
sondersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. dral), eigentlich 'fest gedreht’, zu einem nur
drachrna, dieses aus gr. drachme (dass., wörtlich: wenig älter bezeugten drillen (s. d.). Von da
'eine Handvoll’), zu gr. drässomai 'ich fasse, aus etwa im Sinn von 'stramm’ auf Personen
ergreife’. übertragen. Gleicher Herkunft ist das Substan¬
Zum Etymon s. Zarge. tiv Drall, das die Drehung im gezogenen Fauf
von Feuerwaffen, und danach die Drehung der
Dragee n. 'Süßigkeit, mit Guß überzogene
Geschosse bezeichnet.
Pille’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
S. drehen ( + ), drollig.
frz. dragee /., dieses wohl aus gr. trägema
'Naschwerk’, zu gr. trögein 'essen, knabbern’. Drama n. 'Theaterstück; tragisches Gesche¬
Vermutlich weiter zu ig. *terd- 'drehen, reiben’. hen’. Im 17. Jh. entlehnt aus spl. dräma 'Schau¬
Morphologisch zugehörig: Drageur, zum Etymon s. spiel’, dieses aus gr. dräma (dass., wörtlich:
drehen. — K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 389. 'Handlung, Geschehen’), zu gr. drän 'handeln,
tun’. Die Bedeutung 'tragisches Geschehen
Dragoman m. 'Übersetzer’, sondersprachl.
(usw.)’ ergibt sich aus der Verallgemeinerung
Über it. dragomanno, frz. span, dragoman ent¬
des Geschehens in Tragödien.
lehnt aus arab. targumän (dass.).
Morphologisch zugehörig: Dramatik, dramatisch, dra¬
Dragoner m. 'leichter Reiter’, fachsprachl. Im matisieren, Dramaturg, Dramaturgie; etymologisch ver¬
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. dragon, wandt: drastisch. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
dieses aus 1. draco (-önis) 'Drache’, aus gr. 66.
dräkon (dass.). Der deutsche Stamm auf -er dran Adv., s. dar, an und draus.
entsteht aus dem als Plural und Singular ver¬
Drang m. Erst mittelhochdeutsch zu dringen
standenen Plural (der/die Dragoner). Bei frz.
(s. d.) gebildet, obwohl auch ältere Stufen der
dragon handelt es sich ursprünglich um die Be¬
anderen germanischen Sprachen entsprechende
zeichnung einer Handfeuerwaffe („feuerspeien¬
Bildungen zeigen. Auch das Kausativ drängen
der Drache“), mit der die Kavalleristen bewaff¬
zu dringen (s. d.) ist erst mittelhochdeutsch
net waren. Dann Bezeichnungsübertragung auf
(neben parallelen Bildungen in anderen germa¬
die damit ausgerüstete Person.
nischen Sprachen).
S. Drache ( + ). - Jones (1976), 297f.
S. drangsalieren, dringen ( + ), gedrungen.
Draht m. Mhd. ahd. drät, as. thräd 'Faden’
drangsalieren swV. Im 19. Jh. zu Drangsal
aus g. *prädu- m. 'Draht’, auch in anord. präör gebildet (neben drangsalen). Das Grundwort ist
'Faden, Feine’, ae. präd, afr. thred, eigentlich
ein seit dem 15. Jh. bezeugtes Abstraktum
'der Gedrehte’ (tu-Abstraktum zu drehen, s. d.). Drangsal f. (auch n.) zu drängen (s. Drang) mit
Der gezogene Metallfaden ist nach dem gedreh¬
ähnlicher Bedeutung wie Bedrängnis.
ten Zwirn benannt. Draht ist seit dem 19. Jh.
dränieren swV, s. drainieren.
Ersatzwort für Telegraph (Drahtantwort usw.)
nach den Verbindungsdrähten. Vielleicht hierzu Drank m. 'Spülwasser, Schweinefutter’, reg.
auf Draht sein 'schnell, geschäftstüchtig sein’. Eigentlich Trank zu trinken (s. d.). Bezeichnet
drapieren 154 dreschen

das flüssige Schweinefutter, in das Küchenab¬ drei Num. Mhd. ahd. drt, as. thria, thrie, threa
fälle usw. gegeben werden. aus g. *prej(ez) 'drei’, auch in gt. preis, anord.
drapieren äh’K 'umkleiden, zusammenstellen’. prir, ae. pri, afr. thre, thria, thriü (bis in mittel¬
Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleich¬ hochdeutsche Zeit war das Zahlwort noch flek¬
bedeutend frz. draper, zu frz. drap 'Tuch’, des¬ tiert); dieses aus ig. *trejes (Nom. PI. m.) in ai.
träyas m., gr. treis, trla, akslav. trije m., lit. trys,
sen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
1. tres, air. tri, vgl. heth. teri, toch. A. tre m.,
Morphologisch zugehörig: Draperie.
trif.
drastisch Adj. 'durchgreifend’. Im 18. Jh. ent¬
Nndl. drie, ne. three, nschw. tre, nisl. prir. S. Drillich,
lehnt aus gleichbedeutend gr. drastikös, zu gr. Drilling, dritte, Trio( + ).
dran 'handeln, wirken, tun’. Zunächst nur für
Dreidecker m., s. Doppeldecker.
stark wirkende Medizin verwendet; dann Ver¬
allgemeinerung. Dreifaltigkeit /., Mhd. drivaltecheit zu mhd.
drivaltec 'dreifältig, dreifach’. Übersetzt 1. trini-
Etymologisch verwandt: Drama.
täs, das wörtlich 'DreizahF bedeutet.
dräuen swV. Alte Form von drohen (s. d.).
dreigen swV., s. dringen und drohen.
draus Adv., draußen Adv. Aus daraus, dar-
Dreikäsehoch m., ugs. Scherzhafte Bezeich¬
außen wie dran und drin aus daran und darin (s.
nung für ein kleines (= nicht hochgewachsenes)
dar).
Kind. Im einzelnen ist das Benennungsmotiv
drechseln sw V. Mhd. drceseln, drehsein ist ab¬ unklar.
geleitet aus mhd. drcehsel, drehsei, ahd. drähsil
dreist Adj. Ursprünglich niederdeutsches Wort
'Drechsler’, neben dem schon althochdeutsch
(mndd. drlst), das früher allgemein westgerma¬
die Erweiterung thrähslari steht. Vor-d. *prcehs-
nisch war: *pristja- aus älterem *prenh-st-ja- in
mit Nomen-agentis-Suffix -da, neben ae. prä-
as. thrlst(i), ae. priste. Da es zu dringen (s. d.)
stan 'drehen, zwingen’. Zu ig. *terk- 'drehen,
gehört, ist die Ausgangsbedeutung offenbar 'zu¬
drechseln’; am nächsten beim Germanischen
dringlich o. ä.’
stehen der Bedeutung nach ai. tarkü- 'Spindel’,
Drei] m. 'Leinengewebe aus dreifachen Fä¬
gr. ätraktos 'Spindel’ (a- unklar), 1. torquere
den’, fachsprachl. Aus dem Mittelniederdeut¬
'drehen, verdrehen, winden’. Der Lautstand des
schen (mndd. drellje]) übernommen. Vermut¬
germanischen Wortes ist wohl an den von dre¬
lich eine unregelmäßige Kürzung des unter Dril¬
hen (s. d.) angepaßt worden.
lich (s. d.) behandelten Wortes.
S. drillen, Tortur ( + ). — Zu den Berufsbezeichnungen
(Drechsler usw.) vgl.: E. Christmann ZN 19(1943), dreschen stV. Mhd. dreschen, ahd. dreskan,
115-119. threskan, mndd. derschen, dorschen, mndl. der-
scen aus g. *presk-a- stV. 'dreschen’, auch in gt.
Dreck m. Mhd. spahd. drec, mndd. dreck,
priskan, aschw. pryskia, ae. perscan, wfr.
mndl. drec aus g. *prekka- m. 'Dreck’, auch in
terskje. Keine genaue Vergleichsmöglichkeit.
anord. prekkr, ae. (weitergebildet) preax 'Fäul¬
Obwohl die Bedeutung des germanischen Wor¬
nis’, afr. threkk. Das -kk- kann auf Assimilation
tes eher auf'schlagen u. ä.’ weist, ist am ehesten
von kn oder expressiver Verdoppelung beruhen.
an ig. *terd- 'reiben (u. ä.)’ anzuknüpfen, da die
Zugrunde liegt eine Wurzel *terg-, mit s mobile
Bedeutungen 'reiben’, 'stampfen’, 'dreschen’,
*sterg-, auch mit Auslaut k. Am nächsten zu
'mahlen’ häufig eng Zusammenhängen (vgl. 1.
dem germanischen Wort steht gr. stergänos
lerere frümentum 'dreschen’). Die .v/c-Bildungen
'Dung’, mit Auslautvariation 1. stercus n. 'Dün¬
dieser Sippe sind lit. treksti 'quetschen, pressen,
ger’, vgl. auch lit. tersti '(be)schmutzen’.
melken’, lit. trüskinti 'zerkleinern, zermalmen’,
Nndl. drek, nschw. träck.
gr. titroskö 'ich schädige, verletze’, toch. A. B.
drehen sw V. Mhd. drcejen, ahd. dräen, as. träsk- 'kauen'. Gedroschen wurde in frühester
thräian setzt ein altes starkes Verb g. *prä-a- Zeit offenbar durch Herausstampfen der Kör¬
'drehen’ fort, das als solches nur noch in ae. ner; deshalb bedeuten alte Lehnwörter aus g.
präwan belegt ist. Zu ig. *terd- 'reiben, bohren, *presk-a- im Romanischen 'trampeln, tanzen’
drehen’ mit Vollstufe der zweiten Silbe; formal (it. trescare, prov. trescar, afrz. treschier). —
entspricht am ehesten gr. titräö 'ich durchbohre’ Einen Versuch, die romanischen Wörter aus
(*ti-tra-), semantisch am besten 1. torquere 'dre¬ *trisiare (zu spl. *trisus, Variante von 1. tritus
hen, verdrehen, winden’. zu 1. terere) zu erklären, unternimmt H. Bursch
Nndl. draaien, ne. throw 'werfen*. S. Darm, Dragee, (s. u.). Wie weit dies für die romanischen Wör¬
Draht, drechseln, dringen, drohen, Tour (+), sowie ter gilt, muß dahingestellt bleiben. Daß die im
drall, drillen, drollig. — Zu den Berufsbezeichnungen Germanischen gut bezeugte Bedeutung 'dre¬
(Dreher usw.) vgl.: E. Christmann ZN 19(1943), schen’ aber aus den sehr spärlichen romani¬
115-119. schen Ansatzpunkten entlehnt sei, ist kaum
Dreß 155 Drittel

denkbar. Aufklärung über Einzelheiten wäre Drillich m. Mhd. dril(i)ch 'mit drei Fäden
erwünscht. gewebtes Zeug’, Substantivierung des Adjektivs
Nndl. dorsen, ne. thrash, nschw. tröska, nisl. preskja. mhd. dril(i)ch 'dreifach’, das aus 1. trilix 'dreifa-
S. drücken, Trittschäuflein. - H. Bursch ASNSL dig’ (zu 1. tri-, Kompositionsform von 1. tres,
213 (1976), 1-8.
tria 'drei' und 1. licium n. 'Faden’) entlehnt und
Dreß m. '(Sport)Bekleidung’. Im 20. Jh. ent¬ nach drei und -lieh umgebildet ist.
lehnt aus gleichbedeutend ne. dress, einer Ablei¬ S. drei (+), Drell.
tung von e. dress 'herrichten’, dieses aus afrz.
Drilling in. Unter Einfluß von Zwilling (s. d.)
dresser (dass.), aus spl. *directiäre (dass.), aus
im 17. Jh. aus älterem Dreiling (mhd. drllinc,
1. dlrigere 'ausrichten’, zu 1. regere 'richten, len¬ mndd. drelink, drilink), einer Ableitung zum
ken’ (s. auch dis-).
Numerale drei (s. d.), umgebildet. Drilling m.
Etymologisch verwandt: s. Adresse. 'Triebrad (einer Mühle)’, Drillbohrer m. usw.
dressieren swV. 'abrichten’. Im 18. Jh. ent¬ gehören dagegen zu drillen 'drehen’ (s. d.).
lehnt aus gleichbedeutend afrz. dresser, dieses drin Adv., s. dar, in und draus.
aus spl. *directiäre 'herrichten’, aus 1. dlrigere
dringen st V. Mhd. dringen, ahd. dringan,
'ausrichten', zu 1. regere (rectum) 'lenken, lei¬
thringan, as. thringan aus g. * prenh-a- stV.
ten' (s. auch dis-). Zunächst gebraucht für das
'drängen, dringen’, auch in gt. preihan, anord.
Abrichten der Hunde für die Jagd.
pryngva, pryngja, ae. pringan, afr. ur-thringa
Morphologisch zugehörig: Dresseur, Dressur; etymolo¬
('verdrängen’). Der ursprüngliche Wechsel zwi¬
gisch verwandt: s. Adresse. - Brunt (1983), 255; G.
Schoppe ZDW 15 (1914), 182. schen h im Präsens (mit Nasalschwund von
-enh- zu -Th-) und g (-ung-) im Präteritum ist auf
dribbeln swV. 'den Ball mit kleinen Stößen
veschiedene Weise ausgeglichen worden: Das
vorantreiben’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt
Gotische hat die Präsensform als Grundlage für
aus gleichbedeutend ne. dribble, einem Intensi-
ein starkes Verb der Klasse I genommen, die
vum zu e. drip 'tröpfeln’.
außergotischen Sprachen haben den Lautstand
Morphologisch zugehörig: Dribbler, Dribbling; etymo¬ des Präteritums und den grammatischen Wech¬
logisch verwandt: Drops; zum Etymon s. triefen.
sel durchgeführt. Vergleichbar können sein: lit.
Driesch m. 'erschöpfter Acker, der brach lie¬ trenkti 'kräftig schlagen, stampfen, anstoßen’
gen bleibt’, dann auch 'Weide u. a.’, reg. (ndd., und avest. Draxta- 'zusammengedrängt’ (von
alem.). Mndd. dresch, drisch, vgl. auch mndl. der Schlachtreihe), das aber nur einmal bezeugt
driesch und alem. driesch 'brach’. Vermutlich ist. Bedeutungsmäßig ist ein Anschluß an ig.
als *preutes-ka- zu *preut-a- stV. 'ermüden, er¬ *tera- 'reiben, drehen’ (s. drehen) möglich, doch
schöpfen’ (s. verdrießen). kann dies nicht näher gestützt werden.
H. Dittmaier in: FS Steinbach (1960), 704 — 726; W. Nndl. dringen, ne. (Substantiv) throng, nschw. tränga.
Foerste NW 6 (1966), 57-69. S. befehlen. Drang)-f), dreist, drehen ( + ), drohen,
drücken, gedrungen.
Drift /. 'durch Wind erzeugte Strömung; un¬
kontrolliertes Treiben’, fachsprachl. Ursprüng¬ Drink m. '(alkoholisches) Getränk’. Im 20.
lich niederdeutsches Seemannswort aus einem Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. drink, zu
?/-Abstraktum zu treiben (s. d.). Neuere Bedeu¬ e. drink 'trinken’.
tungen hängen in der Regel unmittelbar von ne. Zum Etymon s. trinken.
drift 'Strömung, Tendenz’ ab. Drischel m.jf., s. dreschen.
Drillbohrer m., s. drillen und Drilling. dritte Num. Mhd. drit(t)e, ahd. dritt(i)o,
drillen swV. Erst frühneuhochdeutsch be¬ thrit(t)o, as. thrida aus g. *pridjön 'dritter’,
zeugt, besonders niederdeutsch, auch mittelnie¬ auch in gt. pridja, anord. priöi, ae. pridda, pirda,
derländisch. Hierzu schon mhd. gedrollen afr. thredda, thirda aus voreinzelsprachl. *trit-
'rund’. Formal kann es sich um eine /-Erweite¬ jo-, auch in avest. Dritiia-, 1. tertius und kymr.
rung der unter drehen behandelten Wurzel ig. trydydd; vielleicht aus älterem *trijo- umge¬
*tera- 'reiben, drehen’ handeln, doch ist dann bildet im Anschluß an andere Ordinalzahlen,
das späte Auftreten des Wortes schwer zu erklä¬ die scheinbar ein ?-Suffix enthielten (das aber
ren. Vielleicht handelt es sich um eine Kreuzung aus dem Auslaut einer älteren Form der Kardi¬
zwischen drehen (s. d.) und Quirl (s. d., mhd. nalzahlen stammt). Andere Sprachen haben
twirl) oder eine unregelmäßig starke Vereinfa¬ teils andere Ablautstufen (ai. trttya- usw.) oder
chung aus drechseln (s. d.). Die Bedeutung einfaches -o- statt -jo- (gr. tritos usw.)
'exerzieren lassen’ wohl aus 'drechseln’ und da¬ Nndl. der de, ne. third, nschw. tredje, nisl. priöji. S.
nach die Bedeutung der Entlehnung aus ne. to drei (+)•
drill 'maschinell in Reihen säen’. Drittel n. Mhd. dritteil, eigentlich 'der dritte
S. drall, Drilling, drollig. Teil’.
Drixel 156 Drossel

Drixel nt., s. Deixel. *trond-/tront- zurückweisen. Vgl. außerdem


Droge /. 'Rohstoff für Heilmittel (usw.); etwa ae. dora nt. 'Hummel’, so daß insgesamt
Rauschgift’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ auf die lautlich unfeste Schallwurzel *dher- 'tö¬
deutend frz. drogue, dieses aus mndd. droge, nen, dröhnen, summen’ usw. zurückzugreifen
druge 'trocken'. Bei der Entlehnung ins Franzö¬ ist, die verschiedene Erweiterungen aufweist,
sische scheint die ndd. Fügung droge fate u. a. *dhre- und *dhren-.
'(wörtlich:) trockene Fässer’ als 'Fässer mit Ge¬ Vgl. dröhnen.
trocknetem’ verstanden worden zu sein (d. h. dröhnen sw V. Im 17. Jh. aus dem Niederdeut¬
als „Drogenfässer“ im Sinne von „Wirkstoff- schen übernommen (mndd. dronen). Das Wort
Fässer“), wobei sich dann die Bedeutung auf die gehört mit gt. drunjus 'Schall’ und anderen
getrockneten Rohstoffe für Arzneimittel usw. Schallwörtern zu einer Erweiterung *dhren- der
einengte. Die Bedeutung 'Rauschgift’ vor allem Schallwurzel *dher-. Die Bedeutungen fallen na¬
unter Einfluß von ne. drug (desselben Ur¬ turgemäß weit auseinander; einen semantisch
sprungs). verhältnismäßig einheitlichen Komplex s. unter
Morphologisch zugehörig: Drogerie, Drogist', zum Ety¬ Drohne.
mon s. trocken. — Littmann (1924), 90, 152; Lokotsch
drollig Adj. Im 17. Jh. (über das Niederdeut¬
(1975), 44.
sche?) aus gleichbedeutend nndl. drollig ent¬
dröge Adj. 'trocken, langweilig’, ndd. Nieder¬
lehnt; dies ist (vielleicht unter Einfluß von frz.
deutsche Entsprechung zu trocken (s. d.).
dröle 'lustig, spaßhaft’) aus nndl. drol 'Knirps,
Drogerie /., s. Droge. Possenreißer’ (verwandt mit drall, s. d. und dril¬
drohen swV. Mhd. drön, Nebenform zu dröu- len, s. d.) abgeleitet. Im Deutschen kommt das
wen, ahd. drouwün, drewen aus wg. *praw-ja- Wort früher (18. Jh.) auch mit Suffix -icht, -igt
swV 'drohen’, auch in ae. prean, preagan. Die (drollicht/drolligt) vor.
neuhochdeutsche Form ist lautlich von umge¬ S. drehen ( + ).
bungsbedingten Varianten, hauptsächlich dem Dromedar n. 'einhöckeriges Kamel’, fach¬
Substantiv mhd. drö, drouwe 'Drohung’ beein¬ sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. trome-
flußt. Das eigentlich lautgesetzliche dräuen ist där, dromedär) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
heute veraltet. Das Wort gehört zu *treu- 'sto¬ dromedärius m. (wörtlich: 'Schnell-Läufer’), zu
ßen, drängen, bedrängen’, dessen Erweiterung 1. dromas (camelus) 'laufend’, aus gr. dromäs
unter verdrießen (s. d.) behandelt ist (mit dessen 'laufend, gehend’.
Lautstand ae. preat(n)ian, 'quälen, peinigen,
Drops m./n. 'Fruchtbonbon’. Im 19. Jh. ent¬
bedrängen, nötigen’, ne. threaten 'drohen’). Auf
lehnt aus gleichbedeutend ne. drop (wörtlich:
gleicher Stufe mit etwas abweichender Bedeu¬
'Tropfen’), das mit ne. drip 'tröpfeln’ verwandt
tung gr. tryö 'ich drücke nieder, erschöpfe’,
ist. Der Stammauslaut -5 geht auf einen als
kslav. tryti 'reiben’. Weiter zu *tero- 'reiben,
Singular verstandenen englischen Plural zu¬
zerreiben’ (s. unter drehen). Gleichbedeutendes
rück. Ursprünglich so benannt als 'kleine, ku¬
nndl. dreigen gehört wohl zu dringen (s. d. und
gelförmige (eigentlich ‘tropfenförmige’) Süßig¬
Franck-van Wijk [1912/36], Suppl. 37f.), so daß
keit’.
drohen aus der gleichen Wurzel gebildet sein
wird. Etymologisch verwandt: s. dribbeln.
Ne. (Ableitung) threaten. S. auch dräuen. Droschke /. 'leichtes Fuhrwerk; Taxi’, arch.
Im 18. Jh. entlehnt aus russ. drözki PI. 'leichter
Drohne /., fachsprachl. Im 17. Jh. aus dem
Wagen’. Droschken wurden zur Beförderung
Niederdeutschen in die Hochsprache übernom¬
men als Ersatz des veraltenden mhd. tren, ahd. von Personen verwendet; bei der Umstellung
auf motorisierte Fahrzeuge blieb die Bezeich¬
tren(o), das offenbar wegen der Homonymie
nung nach der Funktion erhalten.
mit Träne unbequem wurde. Das niederdeut¬
sche Wort ist wg. *dränö f. 'Drohne’, auch in ae. A. Gombert ZDW 8 (1906/07), 124-126; H. Krebs
ZDW 8 (1906/07), 379.
drän, drän, as. dreno, dräno. Außergermanisch
entspricht am genauesten gr. thrönax 'Drohne’ dröseln swV. 'aufdrehen’, reg. Niederdeut¬
in einer dem Lakonischen zugeschriebenen sches Wort unklarer Herkunft.
Glosse. Daneben stehen im Griechischen ver¬ Drossel1/ (= ein Vogel). Mitteldeutsch-nie¬
schiedene Wörter für bienenartige Insekten, die derdeutsches Wort (ahd. drosela, as. throsla),
ein Element -thre-d- oder thre-n- aufweisen, was das obd. droschel, droschdle ersetzt; vgl. ahd.
für das germanische Wort auf eine Trennung in drösca(la). Vorauszusetzen ist wg. *prust-löf,
*dhrä-n- weisen und die Kürze im althochdeut¬ auch in ae. prostle, in das sich offenbar eine
schen Wort unerklärt lassen würde. Daneben ^--Erweiterung eingemischt hat. Im Ablaut
aber die Anlautdublette lit. tränas nt. 'Drohne’ dazu steht anord. prpstr m. aus *prastu-. Zu¬
und gleichbedeutende slavische Wörter, die auf grunde liegt west-ig. *tr(o)zdo- 'Drossel’, das
Drossel 157 Drüse

mit * stören- 'Star’ verwandt ist (s. Star1). Zuge¬ 'Bücher drucken’ (eigentlich 'drücken’, vgl.
hörig ist außerdem die Lautung *ter- zur Be¬ Presse) durchgesetzt.
zeichnung von Hühnervögeln, Tauben u. ä. Es Stammler (1954), 144— 148; S. Corsten in: Schützeichel
wird sich letztlich um eine Schallwurzel Ver¬ (1979), 620-642.
handeln, die die regelmäßigen, nicht melodi¬
drücken swV. Mhd. drücken, drucken, ahd.
schen Laute dieser Vögel bezeichnet. Dazu mit
thruken, drucchen, drucken aus wg. *prukk-ja-
s mobile und Suffix eines Nomen agentis *storen-
swV. 'drücken’, auch in ae. pryccan; wohl eine
'Star’ (also eigentlich 'Schmätzer o. ä.’) und von
Intensiv-Bildung zu *prüg- in anord. prüga
einem s- Stamm **teros- 'das Gackern, Schmat¬
'drücken'. Eine speziell germanische Weiterbil¬
zen usw.’ die Ableitung *tr(o)z-d-, bei der das
dung der Wurzel, die in anderen Weiterbildun¬
d zu *dö- 'geben’ gehören kann, also 'Schmatz-
gen in dreschen, dringen und verdrießen vorliegt
laut-Geber’, 'Drossel’; so in 1. turdus m. 'Dros¬
(s. d.).
sel , mir. truid 'Star’, anord. prgstr m. und mit
Stammler (1954), 144 — 148.
Anlautvariation russ. drozd m., mit s mobile lit.
sträzdas m. 'Drossel’. Die ^--Formen und /-Er¬ drucksen swV., ugs. Neuhochdeutsche Inten¬
weiterungen (diese möglicherweise nach dem sivbildung zu drucken 'drücken’. Zugrunde lie¬
Wort Amsel) in kymr. tresglen 'Drossel’ und gen diesem Typ deverbative Bildungen auf ahd.
den westgermanischen Wörtern. — E. P. Hamp -isö-.
(s. u.) erklärt die Anlautvariation (auch in Drude /. 'Zauberin’, sonder spracht. Spmhd.
kymr. drudw 'Star’) durch den Ansatz von trut(e). Da es sich regional um Wesen handelt,
*(s)drosdh-. In der Tat könnte mit *s-der-en die Alpdruck erzeugen (Nachttrut usw.), ist ein
'Star’ neben *s-dr-os/z-d(h)- auszukommen Zusammenhang mit treten (bzw. dessen
sein. schwundstufiger Präsensform) nicht ausge¬
Ne. thrush, nschw. trast, nisl. pröstur. S. Star1. — E. P. schlossen. Sonst unklar. Das Pentagramm gilt
Hamp in: D. Farkas /W. M. Jacobsen/K. W. Todrys als Fußabdruck der Druden und heißt deshalb
(Hg.): Papers from the Parasession on the Lexicon,
Drudenfuß. Als Drudenstein werden gewisse
Chicago Linguistic Society (Chicago 1978), 187f.; E. P.
Steine mit einem natürlichen Loch bezeichnet,
Hamp ZFS 95 (1981), 81.
die zur Abwehr von Druden verwendet wurden.
Drossel2 /. 'Kehle’, fachsprachl. Spmhd.
Zu Drudenstein: Lüschen (1968), 209.
drozze, drüzzel. Weiterbildung mit / zu mhd.
drozze, ahd. drozza aus wg. *prutö(n) f. 'Kehle’, Drude! m./n. 'scherzhaftes Bilderrätsel’, son-
auch in ae. protu, in afr. throtbolla m. 'Kehle’ dersprachl. Offenbar eine Phantasiebezeich¬
(oder Rückbildung aus früher bezeugtem nung, aufgekommen in den 50er Jahren des 20.
(er-)drosseln, wie me. throttle). Mit s mobile as. Jhs.
strota, mhd. strozze, nhd. (wmd.) Strosse', die Druiden m. PI. 'Priesterklasse der alten Kel¬
nordfriesischen Mundarten setzen ebenfalls ten’, sonder spracht. Hauptsächlich aus Caesars
*strote voraus. Zugrunde liegt offenbar ein Beschreibung bekannt. Dessen 1. druides aus
Wort für 'Rohr’, das in lit. tr(i)usis, (Rohr, einem gallischen Wort, dem ir. drüi, 'Zaube¬
Schilfrohr) akslav. tristi (dass.) vorliegt. Dieses rer’, kymr. dryw (dass.) entspricht. Voraus liegt
vermutlich zu der unter strotzen behandelten *dru-wido-, dessen zweiter Teil zu *weid- 'sehen,
Sippe: Das Wort bezeichnete (ausgehend von wissen’ gehört (s. wissen); der erste Teil gehört
'wachsen, sprießen’) urspünglich die Loden, da¬ zu dem Wort für 'Eiche, Holz’, das auch 'fest,
nach das '(Schilf-)Rohr’ und andere hohle treu’ und im Keltischen ein Verstärkungswort
Pflanzenstengel. üefert. Also etwa 'der sicher Sehende’ oder 'der
Ne. throat. — Herbermann (1974), 69 — 107; Lühr Hochweise o. ä.’.
(1988), 256f. Drusch m. 'Dreschen, Dreschertrag’. Erst
Drost m. 'Amtshauptmann’, nordd. Nieder¬ neuhochdeutsche Bildung mit einem Ablaut
deutsches Wort aus mndd. dros(se)te, der Ent¬ ohne Vorbild; vielleicht aus dem Partizip abge¬
sprechung zu mhd. truh(tjsceze 'Truchseß’. wandelt.
S. Truchseß. Drus(e)/., s. Drüse.
Drückeberger m., ugs. Scherzhafte Bezeich¬ Drüse f. Mhd. druos, drüese, ahd. druos,
nung in Form eines Familiennamens, wie mndd. drose, druse. Das alte Wort bezeichnet
Schlauberger, Schlaumeier u. ä. Körperschwellungen und müßte neuhoch¬
drucken swV Oberdeutsche Nebenform zu deutsch als Drus(e) fortgesetzt sein. In dieser
drücken (s. d.), da im Oberdeutschen ck den Lautform tritt es auch auf als Bezeichnung einer
Umlaut hindert. Da die wichtigen Mittelpunkte Pferdekrankheit und bergmännisch für Hohl¬
des frühen Buchdrucks in Oberdeutschland la¬ räume im Gestein. Die neuhochdeutsche Form
gen, hat sich die dortige Ausdrucksweise für ist aus dem Plural rückgebildet, um den medizi-
Drusen 158 dudeln

nischen Fachausdruck zu liefern. Herkunft un¬ bius 'zweifelnd, hin und her schwankend’, zu 1.
klar. duo 'zwei, die beiden’.
Lüschen (1968), 209f. Morphologisch zugehörig: dubiös, Dubiosa, dubitativ,
Dubitativ, etymologisch verwandt: s. Duett. — Schir¬
Drusen PL 'Hefe’, arch., alem. Mhd.
mer (1911), 49; Brunt (1983), 256.
dru(o)sene, drusine/., ahd. truosana f. 'Boden¬
satz, Hefe’, mndd. druse /., mndl. droese aus Dublee n. 'Metall mit Überzug aus Edel¬
wg. *drösnö f. 'Bodensatz, auch in ae. drosna. metall’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
Da die nächst vergleichbaren Formen eine tek- gleichbedeutend frz. double m., dem substanti¬
tale Erweiterung aufweisen, ist vermutlich von vierten PPrät. von frz. doubler 'doppeln’, dieses
*dröh-snö f auszugehen. In diesem Fall sind aus spl. duplare (dass.), zu 1. duplus 'doppelt’,
vergleichbar anord. dregg f. ‘Hefe’, alit. drages zu 1. duo 'zwei’.
PI. 'Hefe’, akslav. drozdijg f. PI. 'Hefe’ und Morphologisch zugehörig: dublieren; etymologisch
mit Auslautvariation 1. fraces f. 'Ölhefe’. Unter verwandt: s. Duett.

Hefe ist hier jeweils 'Bierhefe u. ä.’ gemeint. Dublette/. 'Doppelstück’. Im 18. Jh. entlehnt
S. Treber, Trester (+). — E. Alanne: Das Fortleben aus gleichbedeutend frz. doublet m., zu frz.
einiger mhd. Bezeichnungen für die Weinlese und Wein- double 'doppelt’, dieses aus 1. duplus (dass.), zu
beliandlung am Oberrhein (Helsinki 1956), 22 — 24. 1. duo 'zwei’.
Dschungel m. 'Urwald’. Im 19. Jh. entlehnt Etymologisch verwandt: s. Duett.
aus ne. jungle (dass.), dieses aus hindT jangal Dublone/. (= eine Goldmünze), fachsprachl.
'Ödland, Wald’, aus ai. jangala- 'wasserarme, Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
menschenleere, unfruchtbare Gegend’. Im Indi¬ doublon m., dieses aus span, doblön (dass.), zu
schen zunächst 'unkultiviertes Land’, dann Be¬ span, doble 'doppelt’, aus 1. duplus (dass.), zu 1.
zeichnung von wildbewachsenem Land. duo 'die beiden’.
Littmann (1924), 121; Lokotsch (1975), 74. Etymologisch verwandt: s. Duett.
Dschunke/. (= ein chinesisches Segelschiff), Ducht /. 'Ruderbank’, fachsprachl. Nieder¬
fachsprachl. Entlehnt aus mal. djung 'großes deutsches Wort (mndl. dochtfe]) mit -cht- für
Schiff’, das selbst aus dem Chinesischen über¬ hd. -ft- in ahd. dofta. Zugrunde liegt g. *puftön
nommen ist. Die Entlehnung ins Deutsche wohl f. 'Ruderbank’, auch in anord. popta, ae.
über englische und portugiesische Vermittlung. poft(e). Vermutlich zu verbinden mit lit. tupti
G. Kahlo MS (1961), 32; Lokotsch (1975), 59. 'sich hinhocken’, als 'das, worauf man hin¬
du Pron. Mhd. dü, duo, ahd. dü, t(h)ü, as. hockt’.
thu aus g. *pu 'du’ (mit der Möglichkeit der S. Dieb.
Längung unter dem Hochton); dieses aus ig. Dückdalbe m., fachsprachl. Aus nndl. dukdalf.
*tu, das unerweitert auch in avest. tü, akslav. Angeblich nach dem Herzog Alb (Duc d’ Alba)
ty, lit. tü, 1. tü, air. tu vorliegt. Das Element -u für 'Pfahlgruppe, die zur Befestigung von Schif¬
wird auch zur Markierung von Gegensätzen
fen in den Hafen eingerammt ist’ im dem Her¬
verwendet; der Stamm t- ist mit dem Pronomi¬ zog anhängenden Amsterdam. Vielleicht aber
nalstamm *to- 'dieser, der’ vergleichbar.
eher zu dallen 'Pfahle’ und ducken 'sich neigen’
Nndl. du (arch.), ne. thou (arch.), nschw. du, nisl. pü. als 'geneigte Pfähle’. Der Anschluß an den Duc
S. dein. - Seebold (1984), 24f., 98.
d’ Alba wäre dann zwar früh gemacht worden,
Dual m. 'Numerus der Zweiheit’, fachsprachl. aber sekundär.
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. duälis (nume- Goedel (1902), 115 — 117; F. Ritter Upstalsboom
rus), zu 1. duälis 'von zweien, zwei enthaltend’, 1 (1911/12), 83f.
zu 1. duo 'zwei, die beiden’.
ducken swV. Mhd. tucken, tücken 'sich schnell
Etymologisch verwandt: s. Duett.
nach unten neigen’. Intensivbildung zu tauchen
Dualismus m., s. Dual und -ismus. (s. d.) mit niederdeutschem Lautstand.
Dübel m., auch Döbel m. 'Hilfsmittel zum Duckmäuser m. Dieses Wort erscheint in ver¬
Einschrauben’, früher 'Pflock, Holznagel’. Aus schiedenen Varianten, zuerst als spmhd. duckel-
mndd. dovel, mhd. tübel, ahd. gitubili 'Aus¬ müser, zu mhd. duckelmüsen 'heimlichtun’, ver¬
schnitt, Fuge’, aus vor-d. *dubila- m. 'Pflock’. mutlich zu mhd. dockelmüs u. ä. 'Maus, die sich
Außergermanisch steht am nächsten das gr. duckt’.
Glossenwort typhoi PI. 'Keil’, so daß *dhubh- dudeln swV, ugs. Vermutlich rückgebildet aus
vorauszusetzen ist. Weitere Verknüpfungen un¬
Dudelsack, das älteres Sackpfeife (mhd. bla¬
sicher.
ter pfife, mhd. stlve) verdrängt, wie die von
dubios Adj. 'zweifelhaft’, sondersprachl. Ent¬ Osten vordringende Instrumentform das alte
lehnt aus gleichbedeutend 1. dubiösus, zu I. du- Instrument ersetzt. Dem Vorderglied liegt zu-
Dudelsack 159 Dummerjan

gründe cech. dudy, das letztlich auf türk, düdük Dult/. 'Fest, Jahrmarkt’, bair.-österr. Vor al¬
'Flöte’ zurückgeht. lem berühmt die Auer Dult in München. Mhd.
Wiek (1939), 21 f.; Relleke (1980), 134. spahd. dult, ahd. tuld(i). Beschränkt auf den
Dudelsack m., s. dudeln. oberdeutschen, in späterer Zeit nur den bairi¬
schen Raum. Vergleicht sich mit gt. dulps 'Fest’
Duell n. 'Zweikampf’. Im 17. Jh. entlehnt
und ist offenbar mit gotisch-arianischen Mis¬
aus gleichbedeutend ml. duellum, dieses aus al.
sionsbestrebungen über die Alpen nach Süd¬
duellum 'Krieg’. Der Bedeutungswandel im Mit¬
deutschland gelangt. Möglicherweise /(-Ab¬
tellateinischen aufgrund einer volksetymologi¬
straktum zu g. *dwel-a- stV. 'verharren’ (s. toll)
schen Anbindung an 1. duo 'zwei’.
als 'Verharren’ = 'Feiertag’.
Etymologisch verwandt: Rebell (usw.). - J. W. Walz
H. Wesche BGDSL 61 (1937), 94 — 97; P. Wiesinger in:
ZDW 12 (1910), 177; W. J. Jones SN 51 (1979), 256.
Beumann/Schröder (1985), 173, 190 — 193. Anders: A.
Duett n. 'Musikstück für zwei Interpreten’, Senn JEGPh 32(1933), 513, 528 (aus 1. indultum n.
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ 'Erlaubnis, Gabe, Ablaß’).
deutend it. duetto m., einer Ableitung von it. Dulzinea /. 'Freundin, Geliebte’ (abwertend),
due 'zwei’, dieses aus 1. duo 'zwei’. sonder sprach/. Im 18. Jh. entlehnt aus span.
Etymologisch verwandt: doppelt, Dual, dubios (usw.), „Dulcinea del Toboso“, dem Namen der Ange¬
Dublee (usw.), Dublette, Dublone, Duo, Dutzend, zum beteten von Don Quichote. Bald auch als Ap-
Etymon s. zwei.
pellativum verwendet.
Duft m. Mhd. tuft m./f, ahd. duft. Die Bedeu¬ J. W. Walz ZDW 12(1910), 177.
tung 'Geruch’ ist nicht allgemein; mittelhoch¬
Dumdumgeschoß n. 'abgestumpfte Ge¬
deutsch bedeutet das Wort 'Reif, Nebel, Dunst’,
schosse’, fachsprachl. Entlehnt aus ne. dumdum,
althochdeutsch einmal 'Reif’ und einmal 'Hitze’ das seinerseits auf den Ortsnamen Dämdamä
(beides in Glossen). Falls diese Bedeutungen bei Kalkutta zurückgeht (eigentlich 'Erdwall’),
zusammengehören, ist an eine Grundlage zu wo die bengalische Artillerie ihren Standort
denken, wie sie etwa in gr. typhö 'ich rauche, hatte. Dort sollen die Geschosse zuerst herge¬
qualme, glimme’ vorliegt (vgl. den Zusammen¬ stellt worden sein.
hang von riechen und rauchen). Das Wort wäre Littmann (1924), 125f.
dann wohl ein tu-Abstraktum.
dumm Adj. Mhd. tumb, tump, ahd. tumb, as.
dufte Ad]., ugs. Von Berlin ausgehend; aus dumb aus g. *dumba- Adj. 'stumm’, dann 'uner¬
dem Rotwelschen, wo es seit dem 18. Jh. be¬ fahren, töricht’, auch in gt. dumbs, anord.
zeugt ist. Als Quelle kommt wjidd. tauw, tow dumbr, ae. afr. dumb. Herkunft unklar. Da
'gut’ in Frage (auch hebr. töw 'gut’), aber dieses 'taub’ und 'stumm’ häufiger durch die gleichen
ist (auch neben dufte) als toff bezeugt. Evtl, zu Wörter bezeichnet werden, könnte eine nasa¬
rotw. dufte 'Kirche’ (daraus 'recht, richtig’, lierte Form von taub (s. d.) vorliegen.
dann 'großartig’). Nndl. dom, ne. dumb, nschw. dum. S. stumm, tumb. —
Günther (1919), 11; A. Lasch: Berlinisch (Berlin 1927), Lühr (1988), 101-103. Anders: H. G. Maak in: FS
175. Schützeichel (1987), 1082-1084.
Dukaten m. (= eine Goldmünze), fach¬ dummdreist Adj. Im 17. Jh. nach dem ndd.
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. ducate) Kopulativkompositum dumdriste Adj. gebildet,
entlehnt aus gleichbedeutend ml. ducatus und dessen erster Bestandteil dum (wie driste, s.
it. ducato, zu it. duca 'Herzog’, aus 1. dux (-ucis) dreist) im Mittelniederdeutschen auch 'kühn,
(dass.), zu 1. dücere 'ziehen’. waghalsig’ bedeuten konnte. Entsprechende
Etymologisch verwandt: s. Dusche. Bildungen sind dummkühn, dummkeck, dumm¬
Düker m. 'unter einem Hindernis verlaufende frech; tollkühn.
Rohrleitung’, fachsprachl. Ursprünglich nieder¬ Dummerheinz m., s. Dummerjan.
deutscher Fachausdruck, der hd. Taucher ent¬ Dummerjan m., ugs. Da zuerst (16. Jh.) nur
spricht. Entsprechend nndl. duiker. die Fügung dummer Jan belegt ist, liegt wohl
dulden swV. Mhd. dulden, dulten, ahd. thulten, Zusammenrückung von dumm (s. d.) und der
dulten, mndd. dulten, mndl. dulden aus wg. niederdeutschen Kurzform für Johann vor.
*puld-ija- swV. 'dulden’, auch in ae. gepyldi- Ähnliche Verbindungen mit Vornamen sind das
(ge)an, afr. th(i)elda, denominativ zu *puldi- etwa gleich alte Dummerheinz und ndd. Dumm-
'das Dulden’ (s. Geduld). Das denominative hinnerk 'Dummheinrich’ und Duffritjen 'doofes
Verb ersetzt teilweise das ältere ahd. dolen, dolön Fritzchen’. Die seit dem 17. Jh. belegte Form
'dulden’. Der Umlaut fehlt vor der Gruppe -Id-; Dummrian und das jüngere Dummian stehen
-Id- ist frühe Erweichung von -It-. offensichtlich unter dem Einfluß von Grobian
S. tolerieren. — G. de Smet LB 44(1954), 1—20, (s. d.) und Schlendrian (s. d.), denen das 1. Suffix
47-64; G. de Smet WW 5 (1954/55), 69-79. -iänus zugrunde liegt.
dummfrech 160 Dunst

dummfrech Adj., dummkeck Adj., dummkühn gleicht sich kymr. dewaint 'Dunkelheit’ und
Adj., s. dummdreist. heth. dankui- 'dunkel, schwarz’. Offenbar ein
dumpf Adj. Erst neuhochdeutsch, wohl rück¬ altes Wort ohne weitere Anknüpfungsmöglich¬
gebildet aus dumpfig 'modrig’, das zu Dumpf keit.
'Moder, Schimmel’ und dumpfen 'modern, Dünkel m., sondersprachl. Frühneuhochdeut¬
schimmeln’ gehört. In bezug auf Töne ist wohl sche Weiterbildung zu älterem dunk 'Bedünken,
auf die alte Nebenbedeutung 'engbrüstig, asth¬ Meinung’. Wohl als Diminutiv empfunden, des¬
matisch. heiser’ zurückzugreifen. Als Herkunft halb 'kleines Bedünken’ und daraus 'eingebil¬
wird eine Ablautform zu Dampf (s. d.) ver¬ deter Stolz’.
mutet. S. dünken.
Dumpingpreis m. 'Preis, der deutlich unter Dunkelmann m., sonder sprachl. Seit dem aus¬
dem Angemessenen liegt\ fachsprachl. Bildung gehenden 18. Jh. belegte Lehnbildung zu I. vir
des 20. Jhs. zu ne. dumping 'das Verkaufen obscürus 'dunkler Mann’ nach der im 16. Jh.
zu Schleuderpreisen’, zu e. dump 'unter Wert erschienenen Satire Epistolae obscurorum viro-
verkaufen, wegwerfen, abladen', dessen weitere rum (hier = 'Briefe unberühmter Männer’),
Herkunft nicht sicher geklärt ist. worin die Rückständigkeit gewisser Zeitgenos¬
Düne /. Im 17. Jh. über das Niederdeutsche sen gegeißelt wird. Als die Verbindung mit der
aus dem nndl. duin entlehnt. Dieses führt mit historischen Situation nicht mehr geläufig war,
mndl. dune, duun. ae. dün 'Hügel’ und ahd. düna wurde der Gebrauch des Wortes stärker an die
'Vorgebirge, Düne’ auf wg. *dünö(n) f. 'Hügel’ systematische Bedeutung angeglichen.
zurück. Herkunft unklar. Ähnlich ist gr. this dünken swV, arejx. Mhd. dünken, ahd. dün¬
(-thinbs) mjf 'Sandhaufen, Düne’ und ai. ken, dunchen, thunken, as. thunkian aus g.
(ved.) dhisniya- 'Erdaufwurf, Feueraltar’, die *punk-ja- swV. 'dünken’, auch in gt. pugkjan,
sich auf *dhisn- zurückführen lassen. anord. pykkja, ae. pyncan, afr. thinza. Wie unter
S. auch Showdown. denken ausgeführt, handelt es sich wohl um ein
Dung m. Mhd. tunge aus wg. *dung- (mit Verb, das ursprünglich 'wiegen' bedeutete, also
verschiedenen Stammbildungen und Genera) (unpersönlich) 'mir wiegt etwas, mir ist etwas
'Dung’, auch in ae. afr. düng. Daneben steht gewichtig’. Hierzu denken als Kausativum ('er¬
mhd. tune m./f, 'halb unterirdischer Raum, wägen’).
Webraum’, ae. düng 'Kerker’, anord. dyngja f. Nndl. dünken, ne. think, nschw. tycka, nisl. pykja. S.
'Frauengemach’. Für beide Wörter kann die denken (+), Dank, däuchten, Deichsel, Dünkel.

Ausgangsbedeutung 'Bedeckung’ geltend ge¬ dünn Adj. Mhd. dünne, ahd. dunni, as. thunni
macht werden, die in lit. dengti 'decken’ (und aus g. *punnu- Adj. 'dünn’, auch in anord.
etwa lit. padänga 'überhängendes, fast bis auf punnr, ae. pynne, afr. thenne. Die Geminate
den Boden herunterreichendes Dach’) eine stammt wie in parallelen Fällen aus alten Ka¬
Stütze findet. Auch 'Dung’ kann Bedeckung susformen, in denen auf das u ein Vokal folgte,
sein — einmal als Dünger, dann aber auch (wie sich also die Lautfolge -nw- ergab, die assimi¬
Tacitus Germania 16 und Plinius Naturalis histo- liert wurde. Auszugehen ist also von g. *penu-,
ria 19,1 berichten) zur Isolierung solcher halb¬ dem ig. *tenu- Adj. 'dünn’ vorausliegt, auch in
unterirdischer Räume. Bedenken erregt bei die¬ ai. tanü-, 1. tenuis, air. tana(e), lit. tgvas, akslav.
ser kulturgeschichtlich interessanten Etymolo¬ tinükü. Das ebenfalls zugehörige gr. tany- (nur
gie, daß Entsprechungen wie lett. danga 'eine noch als Vorderglied von Komposita und in
durch das Befahren entstandene Rinne, kotige Ableitungen) bedeutet 'lang’ und weist damit
Pfütze’ zwar zu der Bedeutung 'Dung’, nicht darauf hin, daß das Wort als Ableitung von
aber zu der Bedeutung 'Bedeckung’ passen. *ten- 'dehnen, spannen’ (s. dehnen) ursprünglich
Vielleicht liegt deshalb doch eher eine Homony¬ 'langgezogen’ (und damit 'dünn’) bedeutete.
mie vor. Nndl. dun, ne. thin, nschw. tum, nisl. punnur. S.
Ne. düng, nschw. dynga. - Heyne (1899), 46f.; J. dehnen ( + ).
Knobloch SW 5 (1980), 172-200; H. Tiefenbach in; Dunst m. Mhd. dunst, tunst, mitteldeutsch
Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 52f.
auch/., ahd. tun(i)st f. 'Sturm’; vgl. ae. dust n.
dunkel Adj. Mhd. tunkel, dunkel, ahd. tunkal, Staub’, mndd. dunst 'Dunst’. Obwohl sich diese
tliunchel, mndl. donkef daneben mit anderem Formen auf den gleichen Lautstand zurückfüh¬
Suffix mhd. tunker, as. dunkar und von anderer ren lassen, sind sie kaum unmittelbar zusam-
Ablautstufe afr. diunk, anord. dokkr. Diese füh¬ • mengehörig. Der Bedeutung 'Sturm’ entspricht
ren auf ein g. *denkw- Adj. 'dunkel’, das offen¬ am besten gr. thy(n)ö 'ich stürme, brause, tobe’,
bar ablauten konnte und von der Schwundstufe das auf *dhu-nw- zurückgehen kann, und *dhu-
mit r- und /-Suffixen die kontinentalgermani¬ nes-t- oder *dhu-nu-st- wäre für das althoch¬
schen Formen lieferte. Außergermanisch ver¬ deutsche Wort eine befriedigende Ausgangs-
Dünung 161 durchtrieben

form. Die Bedeutungen 'Dunst’ und 'Staub’ durch, über’, zu dem eine tektale Erweiterung
können Zusammenhängen, sind aber nach ver¬ ai. tirasc- 'waagrecht, querliegend’ gehört. Im
schiedenen Richtungen vergleichbar: 'Dunst’ Germanischen scheint diese tektale Erweiterung
mit lett. dvans 'Dunst, Dampf’, lett. dvihga (die etwa *-q[u]e- sein kann) an eine einfachere
'Dunst, Kohlendampf’, was *dhwen- (und ger¬ Form mit Beibehaltung der Grundbedeutung
manisch eine Schwundstufe *dhun-st-) voraus¬ angetreten zu sein. Diese weiter zu ai. tärati
setzen würde; Staub mit ai. dhvämsati- 'ver¬ 'setzt über, überwindet’ (*tera-). Partikeln mit
fällt, zerfallt zu Staub’, ai. dhvasrä- 'staubig’ der Bedeutung 'durch’ sind in den Nachbar¬
usw., was entweder *dhwen-s- oder eine nasa¬ sprachen aus *tera- erweitert, vgl. 1. träns (ver¬
lierte Form von *dhwes- fortsetzt. Alles zusam¬ mutlich *tränt-s), air. tre, kymr. drwy, trwy
men gehört auf jeden Fall zu der Wurzel (*trei).
*dheu(a)- 'stieben', doch bleibt die Entwick¬
Nndl. door, ne. through.
lung im einzelnen unklar.
Ne. dust. S. dösig, Dusel, quasseln, Tor'.
durchaus Adv. Seit frühneuhochdeutscher
Zeit belegt. Eigentlich 'hindurch und hinaus’,
Dünung/. 'Seegang nach Sturm’, fachsprachl.,
dann zu 'ganz und gar’.
älter auch Deining (aus dem Niederländischen).
Aus ndd. diinen 'auf- und niederwogen’, vgl. durchbrennen stV. 'heimlich davonlaufen’,
nndl. deinen 'leise auf- und niederwogen’ und ugs. Im 19. Jh. in der Studentensprache entstan¬
nndl. deining 'Dünung’. Die Herkunft bleibt, den; vermutlich ausgehend von 'durchbrennen’
vor allem wegen der Unsicherheit des Anlauts, = 'durch eine Umhüllung o. ä. durchbrennen’;
unklar. der konkrete Ausgangspunkt ist aber nicht klar.

Dunzel /. 'dickes, dummes Mädchen’, wmd. durchfallen swV. 'Mißerfolg (bei einem Ex¬
Entlehnt aus frz. donzelle 'launisches Mädchen’, amen, bei einer Wahl, auf der Bühne) haben’.
aus it. donzella 'Mädchen’, aus ml. dominicella Verkürzt aus der schon im 16. Jh. verbreiteten
'kleine Herrin’, zu 1. domina 'Herrin’ (s. Dame'). Redensart durch den Korb fallen. Sie geht zurück
auf einen mittelalterlichen Schwankstoff, in
Duo n. 'Musikstück für zwei Personen’, s.
dem der unerwünschte Liebhaber von seiner
Duett.
Geliebten in einem so schwachen Korb zu sich
düpieren swV. 'überlisten, narren’, sonder¬ hinaufgezogen wird, daß er dabei durch den
sprach!. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Boden hindurch fallt. Die ursprüngliche Bedeu¬
frz. duper, einer Ableitung von frz. dupe
tung ist deshalb 'bei der Liebeswerbung keinen
'Dummkopf. Wiedehopf’, mit unregelmäßiger
Erfolg haben’. Seit dem 17. Jh. studenten-
Formentwicklung aus 1. upupa 'Wiedehopf’.
sprachlich auch auf Mißerfolge bei Prüfungen
Brunt (1983), 256f.
u. ä. übertragen. (Gleichen Ursprungs ist die
Duplikat n. 'Zweitausfertigung’. Neubildung jüngere Redensart jemandem einen Korb geben.)
des 18. Jhs. zu 1. duplicätum 'verdoppelt’, dem
durchlaucht Adj., (= Titel und Anredeform),
PPP. von 1. duplicäre 'verdoppeln’, zu 1. duplex
arch. Frühneuhochdeutsche Lehnbildung zu 1.
'doppelt’, zu 1. duo 'zwei’.
perillüstris 'sehr berühmt’ (eigentlich 'erleuch¬
Morpologisch zugehörig: Duplik, Duplikation, Dupli-
tet’); durchlüht ist mitteldeutsche Variante zu
katur, duplizieren, Duplizität, Duplum; etymologisch
verwandt: s. Duett. mhd. durchliuhtet 'erleuchtet’ (PPrät.).
S. erlaucht, leuchten ( + ).
Dups m. 'Gesäß’, omd. Entlehnt aus poln.
dupa 'Hintern’. Durchmesser m. Aus dem 17. Jh. stammende
Lehnbildung zu 1. diametros f. von gr. diämetros
Dur n. (= das „männliche“ Tongeschlecht),
f. 'durch einen Mittelpunkt gehende Linie’, aus
fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. (cantus)
dürus m. 'harter Klang’. Die Metapher geht aus gr. diä 'durch’ und gr. metron n. 'Maß’ (im 17.
von den Notenzeichen, mit denen der Ganzton¬ Jh. als dyameter belegt). Formal handelt es sich
schritt vom Halbtonschritt unterschieden wird: um ein Nomen instrumenti auf -er zu durchmes¬
das eckige („harte“) Auflösungszeichen im Ge¬ sen, vgl. gr. diametreö 'ich durchmesse, messe
gensatz zum mit einem rundlichen („weichen“) ab’.
Verminderungszeichen symbolisierten Halbton¬ durchtrieben Adj. (PPrät.). Es handelt sich
schritt. um das Partizip Präteritum von mhd. durch-
C. Dahlhaus AM 12 (1955), 280-296. trlben stV. 'durchziehen, (geistig) durchdringen,
durch Präp. Mhd. dur(ch), ahd. duruh, thu- erfüllen’, das schon mittelhochdeutsch neben
ru(c)h, as. thurh, thuru aus wg. *pur-h-, auch 'von etwas ganz erfüllt, durchdrungen’ auch
in ae. purh, afr. thr(i)uc 'durch’, neben gt. pairh, 'verschlagen, abgefeimt’ bedeuten konnte. Das
ae. perh aus *per-h- mit Ablaut. Außergerma¬ Verb ist zusammengesetzt aus mhd. durch (s. d.)
nisch vergleichbar ist vor allem ai. tirä- (*tros) und mhd. trlben (s. treiben), dessen Partizip
durchweg(s) 162 Dutzend

Präteritum mittelhochdeutsch auch in der Be¬ ne m. 'Wasserspeicher, Leitungsröhre’, aus 1.


deutung 'geübt’ belegt ist. ductio (-önis) 'Leitung’, einer Ableitung von 1.
dücere (ductum) 'führen’. Zunächst ein medizi¬
durchweg(s) Adv. Bildung wie schlechtweg
nisches Fachwort; im 19. Jh. Verallgemeine¬
(schlechthin, schlechterdings), wohl aus dem
rung.
Adverb weg.
Etymologisch verwandt: Aquädukt, deduzieren (usw.),
dürfen Prät.-Präs. Mhd. dürfen, dürfen, ahd. Dock, Dukaten, [Duktus j, induktiv (usw.), Kondukteur,
durfan, as. thurban aus g. * parfi pur b- Prät.- Obduktion, produzieren (usw.), Redoute, reduzieren
Präs. 'bedürfen’, auch in gt. paurban, anord. (usw.), Viadukt', zum Etymon s. ziehen.
purfa, ae. purfan, afr. thurva; die ursprüngliche
Düse /. Seit dem 16. Jh. als Fachwort der
Bedeutung zeigt sich noch in der Präfigierung
Erzschmelzer bezeugt als t(h)üsel. Gemeint ist
bedürfen; aus ig. *terp- in ai. trpyati, tarpati
die Röhre, durch die der Blasebalg in den
(älter trpnöti) 'sättigt sich, wird befriedigt’;
Schmelzofen mündet. Das Wort ist vermutlich
toch. A. B. tsärw- 'sich freuen’; gr. terpö 'ich
entlehnt aus cech. duse '(Auto)Schlauch’; doch
sättige, erfreue’, lit. tarpä 'Gedeihen’, apreuß.
macht der Lautstand Schwierigkeiten.
enterpo 'nutzt’. Semantisch läßt sich zwar eine
Bielfeldt (1965), 27; S. A. Wolf MS 77 (1967),
Brücke bauen von 'sich sättigen, genießen’ (als
377-378.
verlaufende Handlung) zu 'bedürfen’, doch ist
dies mit der Form eines Perfekts nicht in Ein¬ Dusel m., ugs. Im 16. Jh. mit verschiedenen
klang zu bringen. Es bleiben deshalb beträchtli¬ Bedeutungen aus dem Niederdeutschen über¬
che Unklarheiten. nommen. Im ursprünglichen Sinn 'Schwindel,
S. darben, dürftig, Notdurft. Rausch, Schlaf’ gehört es zu dösen (s. dösig,
hierzu auch Dussel)-, der Übergang zu 'unver¬
dürftig Adj. Mhd. dürftic, durftic, ahd.
dientes Glück’ ist nicht ausreichend erklärt.
dürftig, as. thurftig ist ein denominales Adjektiv
Daß es der Herr den Seinen im Schlafe gibt
zu ahd. dürft, as. thurft, gt. faurfts (aus g.
(Psalm 127,2), reicht insofern nicht zur Erklä¬
*purfti- f. 'Bedürfnis’).
rung aus, als das Wort in dieser Bedeutung
S. dürfen, Notdurft.
fast ausschließlich in der Wendung Dusel haben
dürr Adj. Mhd. dürre, dürre, ahd. durri, thurri, auftritt.
dürre, mndl. dorre aus g. *purzü- Adj. 'dürr’, S. Dunst (+), Tor1. — Stammler (1954), 164—167.
auch in gt. paursus, anord. purr, ae. pyrre', dieses
Dussel m. 'Dummkopf’, reg. Nebenform von
aus ig. *trsü- 'trocken, dürr’, in avest. tarsauu-
Dusel (s. d.).
'trocken, fest’, al. torrus 'trocken’; in der Bedeu¬
tung abweichend ai. trsü- 'gierig’ ('lechzend’). Dust m., s. Dunst.
Primäres Adjektiv zu ig. *ters- 'trocknen, dor¬ düster Adj. Im 16. Jh. aus dem Nieder¬
ren’, das unter Durst dargestellt wird. deutschen übernommen (mndd. duster, mndl.
Nndl. dor, nschw. torr. S. Darre, dorren, dörren, Durst, du(u)ster, as. thiustri) aus wg. *peustrija- 'licht¬
Terrasse (+).
los’, auch in ae. pyster, pystre, afr. thiüstere.
Durst m. Mhd. durst, ahd. durst, thu(r)st, Falls ae. puhsian 'verfinstern’ (vom Himmel) hin¬
as. thurst aus wg. * fürs tu- m. 'Durst’ (eigent¬ zugehört, ist der Lautstand als *peuhs-(t)r-ja- zu
lich 'Dürre’), auch in ae. purst. Daneben steht erschließen; dann ist wohl eine ro-Ableitung zu
gt. paurstei, das ein Abstraktum zu einem einem 5-Stamm *peuhaz- vorauszusetzen (wie
*pursta- 'vertrocknet, durstig’ zu sein scheint; bei finster (s. df) und 1. tenebrae). Vergleichbar
anord. porsti kann entweder Umbildung eines ist aber allenfalls russ. tüsk 'Nebel, Finsternis’,
«-Stamms oder ein nominaler «-Stamm zu das lautlich weiter absteht. Im übrigen unklar.
einem solchen Adjekiv sein. Da beide Bildungen
Dutt m. 'Haarknoten’, reg. Aus dem Nieder¬
(Substantiv und Adjektiv) gleich naheliegen,
deutschen übernommen, eigentlich 'Haufe’.
läßt sich eine sichere morphologische Entschei¬
Düttchen «. s. Dittchen.
dung nicht treffen; doch gehören die Wörter
auf jeden Fall zu ig. *ters- 'trocknen, dorren’ Dutte fi 'Zitze, weibliche Brust’, vulg., reg.
in gr. tersomai 'ich werde trocken’, 1. torrere Mhd. tut(t)e m./fi, ahd. tutta. Offenbar ein
'dorren’, der germanischen Gruppe dorren/dör¬ Lallwort, das sich teilweise der Lautverschie¬
ren (s. d.) und mit abgeleiteter Bedeutung ai. bung entzieht.
trsyati 'dürstet, lechzt’. Vgl. Zitze, Titte und Tüttel.
Nndl. dorst, ne. thirst, nschw. törst, nisl. porsti. S. Dutzend n. Seit dem 15. Jh. als totzen bezeugt
dürr ( + ), Toast.
mit späterem Antreten eines -d. Entlehnt aus
Dusche /. 'Brause’. Im 18. Jh. entlehnt aus afrz. dozeine 'Zwölfheit’, das zu douze 'zwölf’
gleichbedeutend frz. douche (auch: 'Wasser¬ gehört.
rinne’), dieses aus it. doccia (dass.), zu it. doccio- S. Duett (+).
duzen 163 Dynastie

duzen swV. Mhd. mndd. du(t)zen. Eine nerator [zunächst dynamoelektrische Maschine,
Ableitung vom Personalpronomen du (s. d.) dann Dynamo-Maschine]) neugebildet.
mit dem Suffix -zen (ahd. -azzen, -ezzen,
Morphologisch zugehörig: Dynamik; etymologisch
-izzen), vielleicht unter Einfluß von ml. tuisare verwandt: Dynastie.
duzen' gebildet. Etwas früher belegt ist mhd.
Dynamit n., s. dynamisch.
irzen, erst seit dem 18. Jh. dagegen erzen und
siezen. Dynamo /»., s. dynamisch.
S. ihr zen.
Dynastie /. 'Herrscherhaus, Herrscherge¬
dynamisch Adj. 'voller Kraft und Energie’. schlecht , fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
Neubildung zu gr. dynamis 'Kraft’, einer Ablei¬ gr. dynasteia 'Herrschaft’, einem Abstraktum
tung von gr. dynasthai 'können, vermögen’. Aus zu gr. dynasthai 'können, vermögen’.
derselben Quelle werden im 19. Jh. Dynamit ( = Morphologisch zugehörig: Dynast', etymologisch ver¬
ein Sprengstoff) und Dynamo (= ein Stromge¬ wandt: s. dynamisch.
E
-e Suffix. Dient zur Bildung von 1) Verbalab¬ Eberbaum m., s. Eberesche.
strakta, häufig mit Ablaut (geben — Gabe); Eberesche /., fachsprachl. Bezeugt seit dem
Herkunft aus alten femininen ö- und ön-Stäm- 15. Jh., auch als Aberesche, Eberbaum u. ä.
men. 2) Adjektiv-Abstrakta, in der Regel mit Trotz des späten Auftretens wird der Zusam¬
Umlaut (rot — Röte) aus Stämmen auf ahd. menhang mit einem keltischen Wort vermutet,
-I. 3) (nicht mehr produktiv): Nomina agentis,
das in mir. ibar 'Eibe’ vertreten ist. Eiben und
in der Regel zu starken Verben (bieten — Bote)
Ebereschen haben gleichermaßen rote Beeren;
aus alten maskulinen ön-Stämmen. Der Typ mit
deshalb könnte der Wechsel verständlich sein.
Umlaut (schießen — Schütze) geht auf -jön-
Stämme zurück. Eberraute /., fachsprachl. Umgestaltet aus
gleichbedeutendem 1. (h)abrotonum n., das sei¬
Ebbe /. Ursprünglich niederdeutsches Wort,
nerseits auf gr. abrötonon n. unklarer Herkunft
das seit dem 16. Jh. im Hochdeutschen belegt
zurückgeht.
ist: Mndl. ebbe, afr. ae. ebba m. (?), as. ebbiunga
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 28-30.
aus wg. *abjön f. 'Ebbe’, einer Ableitung von
ig. *op- 'hinten, spät’ mit der im Germanischen echauffieren swV. 'sich erregen, erhitzen’, s.
weiterentwickelten Bedeutung des Gegensatzes Chauffeur.
und der Wiederholung; also 'das Wiederkom¬ Echo n. 'Widerhall’. Im 16. Jh. entlehnt aus
mende, Zurückkommende’.
gleichbedeutend 1. echö/., dieses aus gr. echö f.
S. aber ( + ).
(dass.), zu gr. echö f. 'Schall’.
eben Adj./Adv. Mhd. eben(e), ahd. eban, as. Morphologisch zugehörig: Echolot; etymologisch ver¬
eban aus g. *ebna- Adj. 'eben’, auch in gt. ibns, wandt: Katechismus.
anord. /ü/n, jamn, ae. efen, afr. even, iven; dane¬
Echse /., s. Eidechse.
ben Formen mit -mn-, besonders im Altengli¬
schen, die der üblichen Verteilung von -bn- und echt Adj. Aus dem Niederdeutschen seit dem
-mn- nicht entsprechen. Herkunft deshalb un¬ 17. Jh. übernommen (mndd. mndl. echte). Das
klar. Wort ist mit dem Wandel ft zu cht eine Entspre¬
Nndl. effen, ne. even, nschw. jämn, nisl. jafn. S. auch chung zu obd. ehaft und kontrahiertem afr. aft
neben. 'gesetzmäßig’, besonders in ehafte Not 'recht¬
Ebenbild n., arch. Mhd. ebenbilde. Zu Bild mäßige Gründe für das Nicht-Erscheinen vor
(s. d.) und eben (s. d.) in der Bedeutung 'gleich’, Gericht’. Älter ist ahd. eohaft 'der Sitte (Ehe,
die auch in ebenbürtig und Ebenmaß auftritt. s. d.) entsprechend, fromm’.
Ebener m. 'Zugholz an der Zweispänner- Seebold (1981), 79-81, 95-98.
deichsel’, nordd. Eigentlich 'Gleichmacher’ (zu Ecke /.; südd. auch Eck n. Mhd. ecke, ahd.
eben, s. d.), wie entsprechend Waage in dieser egga, as. eggia aus g. *agjö f 'Schärfe, Kante’,
Bedeutung. Vgl. nndl. evenaar 'Zunge an der auch in anord. egg, ae. ecg, afr. egg, ig. Außer¬
Waage’, ne. evener.
germanisch steht am nächsten 1. acies 'Schärfe,
Ebenholz n. Spahd. mhd. ebenus m.; daneben Schlachtreihe’; mit r-Suffix ai. äsri- 'Ecke,
eb(b)oum m., ebeienbaum m. und (seit Luther) Kante, Schneide’, gr. okris 'Zacken’, al. ocris
(h)ebenholtz. Entlehnt aus 1. (h)ebenus 'Eben¬ m. 'Bergzacken’, mir. ochair 'Ecke, Rand’. Falls
holzbaum, Ebenholz’, das seinerseits über gr.
heth. hekur- n. 'Fels, Felsgipfel’ zugehört, ist ig.
ebenos f. auf aägypt. hbnj zurückführt, dessen
*hok- anzusetzen. Zu einer schwer abgrenzba-
Vokalisierung wir nicht kennen.
ren Wortsippe, die einerseits ein *ak- 'spitzig’,
Eber m. Mhd. eber, ahd. ebur, as. ebur(spiot) andererseits *ak-/ok- 'scharf’ enthält. G. *agjö
n.(?) aus wg. *ebura- m. 'Eber’, auch in ae.
gehört zum zweiten Bereich. Die neutrale Form
eofor. Das entsprechende anord .jpfurr wird nur
des deutschen Wortes ist seit mittelhochdeut¬
als übertragene Bezeichnung für Fürst’ verwen¬
scher Zeit belegt und vor allem im Oberdeut¬
det. Entsprechend 1. aper (mit abweichendem
schen weit verbreitet.
Vokal) und (mit v-Vorschlag) akslav. vepri, lett.
Ne. edge, nschw. egg. S. acht, Ahorn ( + ), Ähre, Egge112.
vepris. Weitere Herkunft unklar.
Evtl, ist auch gr. ebros (für gr. trägos bätes 'Ziegen¬ Ecker/. In neuhochdeutscher Zeit aus dem
bock’) heranzuziehen, vgl. A. v. Blumenthal IF Niederdeutschen übernommen, vor allem als
49 (1931), 174. Buchecker (ndd. ecker 'Eichel, Buchecker’,
Ecu 165 Egge

mndd. ackeren, eckeren). Dieses aus g. *akrana- Effeff n., ugs. (in etwas aus dem Effeff können
n. 'Wildfrucht’, auch in gt. akran 'Ertrag, usw.) 'etwas sehr gut beherrschen’. Die Her¬
Frucht’, anord. akarn n. 'Eichel’, ae. äcern, kunft ist nicht sicher geklärt; dem Wortge¬
äcirn n. 'Eichel, Nuß’; im Althochdeutschen brauch nach (aus dem Effeff) am ehesten für
fehlt das Wort, mhd. ackeran, m./n. und so auch die alte Abkürzung ff für die Digesten (Geset¬
noch in den Mundarten. Das Femininum seit zessammlungen des römischen Rechts); ff ist
dem 15. Jh. als Variante. Die Bedeutung 'Eichel’ dabei entstellt aus einem durchstrichenen D.
noch als Farbe im Kartenspiel Ecker(n).
Effekt m. 'Wirkung’. Im 16. Jh. entlehnt aus
Außergermanisch stehen formal am nächsten
gleichbedeutend 1. effectus, dem substantivier¬
mir. äirne m. 'Schlehe’, kymr. aeron 'Frucht,
ten PPP. von 1. efßcere (effectum) 'bewirken,
Beere’ (*agranjo-/agrinjo- neben *agrono- für entstehen lassen’, zu 1 .facere (factum) 'machen’
das Germanische). Am ehesten weiter zu gr. (s. auch ex-). Aus der franzöischen Entspre¬
ägrios, 1. agrestis 'wild’ und vielleicht zu dem chung (frz. effet) ist entlehnt Effet 'Drall, der
Wort für 'Acker’ (für das die formalen und bewirkt wurde (beim Billard)’; die Effekten 'er¬
semantischen Zusammenhänge aber noch nicht reichter Besitz (besonders Wertpapiere)’ zeigen
geklärt sind). Die Zugehörigkeit der baltisch- den Lautstand der Entlehnung aus dem Lateini¬
slavischen Wörter für 'Beere’, die auf *ög- zu¬ schen, sind aber in der Bedeutung von frz. effets
rückführen, ist weniger wahrscheinlich. abhängig. Die Effizienz ist die 'Wirksamkeit’.
Nndl. aker, ne. acorn, schw. (dial.) akarn, nisl. akarn.
Morphologisch zugehörig: Effektivität, etymologisch
S. Acker.
verwandt: s. Fazit. — W. Feldmann ZDW8 (1906/07),
Ecu m. (= neue europäische Währungsein¬ 66; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 182; K.-H. Weinmann
heit). In Anlehnung an frz. ecu, einer Münzbe¬ DWEB2(\96?>), 389.
zeichnung wie etwa der Taler, geschaffene Ab¬ Effekten PL, s. Effekt.
kürzung aus European currency unit. Effet m., s. Effekt.
edel Adj. Mhd. edel(e), ahd. edili, as. eöili Effizienz /., s. Effekt.
aus wg. *apl-ja- 'edel’, auch in ae. ceöel-, afr.
egal Adj. 'gleich, gleichgültig’, ugs. Im 18. Jh.
ethele; Zugehörigkeitsbildung zu Adel (s. d.),
entlehnt aus gleichbedeutend frz. egal, dieses
also eigentlich 'zum Adel gehörig, vornehm’,
aus 1. aequälis 'gleich’, einer Ableitung von 1.
später meist übertragen gebraucht.
aequus 'gleich’.
Nndl. edel. — H. Zutt: Adel und Edel (Mannheim
Morphologisch zugehörig: egalisieren, egalitär, Egali¬
1956).
tät, etymologisch verwandt: s. Äquator. — W. Feld¬
Edikt n. 'Erlaß’, fachsprachl. Im Frühneu¬ mann ZDW8 (1906/07), 66; Jones (1976), 301 f.; Brunt
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1. (1983), 263.
edictum, dem substantivierten PPP. von 1. edl-
Egart/. 'Grasland, das in anderen Jahren als
cere (edictum) 'bekanntgeben’, zu 1. dTcere 'sa¬ Acker benützt wird’, südd. Mhd. egerde, egerte,
gen’ (s. auch ex-). Bereits bei den Römern ist ahd. egerda. Herkunft unklar.
es Bezeichnung für öffentliche Bekanntma¬
S. auch Egerling.
chungen.
Egel m. Mhd. egel(e) /., ahd. egala/.; heute
Etymologisch verwandt: s. diktieren.
meist Blutegel. Herkunft unklar. Auffällig ist
Edition /. 'Ausgabe, Herausgabe’, fach¬ die Ähnlichkeit von air. gil, kymr. gele(n) 'Blut¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. editio egel’ und evtl. gr. bdella f. 'Blutegel’.
(-önis), einer Ableitung von 1. edere (editum)
Egerte /., s. Egart.
'herausgeben’.
Morphologisch zugehörig: edieren, Editor, Editorial. Egerling m. (= eine Pilzart), reg. Zu Egart
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 66. (s. d.) als 'Wiesenpilz’.
Efeu m. Mhd. ep-höu, ebehöu, ahd. (h)ebah. Egge1 /. (= landwirtschaftliches Gerät).
An Heu (s. d.) angelehnte Umdeutung (wie an Mhd. egede, ahd. egida, as. egitha aus wg.
Rebe in schwz. Räbhew, an Laub in mndd. iwlöf *agepö f. 'Egge’, auch in ae. egede, afr. eide;
ifflöf) eines Wortes, das in älterer Form wohl dieses aus weur. *oketä f. 'Egge’, auch in lit.
in ahd. ebach, ae. ifig n. vorliegt. Verwandt sind ekecios PL, akecios PL, kymr. og(ed) und mit
weiter ae. ifegn n. und die Grundlage von mndd. lautlicher Unregelmäßigkeit (Konsonantenum¬
iwlöf, mndl. iloof. In ahd. ebach könnte -ach stellung?) 1. occa. Aus der gleichen Grundlage
ein Kollektivsuffix sein, das erste Element ist mit anderem Suffix ist gr. oksina f. 'Egge’ gebil¬
unklar und wohl entlehnt. Die Anknüpfung an det. Aus der Sippe, die ig. *ak- 'spitzig’ und a/c/
1. ibex m. 'Steinbock’ unter der Annahme einer ok- 'scharf’ enthält (s. Ecke), Egge zur Bedeu¬
gemeinsamen Grundlage, die 'klettern’ bedeu¬ tung 'spitzig’, vermutlich als ein Kollektivum.
ten soll, bleibt hypothetisch. Der Konsonantismus des litauischen Wortes
Marzeil (1943/79), II, 756 — 765. macht bei dieser Annahme allerdings Schwierig-
Egge 166 Ehrfurcht

keiten. Da die Endung im Germanischen wie bedeutung ist offenbar 'bei Tagesanbruch’, vgl.
ein Partizip aussah, wurde das Verbum rückge¬ gr. eri- (aus *ajeri) und avest. aiiar- 'Tag’
bildet als vor-d. *ag-ija- in ahd. eggen, eckan, (r/«-Stamm). Die Zweisilbigkeit der neuhoch¬
ekken. Die nhd. Form Egge steht in der Lau¬ deutschen Form beruht auf Zerdehnung.
tung unter dem Einfluß dieses Verbs. Nndl. eer(der), ne. (arch.) ere. S. ehe, erst.
Nndl. eg(ge). S. Ecke (+). ehern Adj., nur noch in übertragener Bedeu¬
Egge2 f. 'Webkante’, fachsprachl. Niederdeut¬ tung üblich. Mhd. ahd. ertn, aus wg. *aizina-
sche Form zu Ecke (s. d.). Adj. 'ehern’, auch in ae. är(e)n, afr. eren, Mate¬
F. Specht ZVS 62 (1935), 210-215. rialadjektiv zu g. *ajaz- n. 'Erz’ in gt. aiz, anord.
Egoismus m. 'Selbstsucht’. Im 18. Jh. entlehnt eir, ae. är, ahd. er(e), as. er; dieses zu ig.
aus gleichbedeutend frz. egoisme, dieses zu 1. *ajos- n. 'Erz’, dem einzigen grundsprachlichen
ego 'ich’ (s. auch -ismus). Die ältere Form Ego¬ Metallwort, das in der Bedeutung allerdings
tismus stammt aus dem Englischen, wo sie viel¬ nicht einheitlich ist: ai. äyas- 'Eisen, Erz’, 1.
leicht im Anschluß an Idiotismus gebildet aes 'Erz, Bronze, Kupfer’; auch gotisch und
wurde. altnordisch bedeutet das Wort eher 'Kupfer’ als
Morphologisch zugehörig: Egoist, Egotist, egozen¬ 'Eisen’. Weitere Herkunft unklar. Die Zweisil¬
trisch; zum Etymon s. ich. Ersatzwort ist Selbstsucht. bigkeit im Neuhochdeutschen beruht auf Zer¬
- Ganz (1957), 61 f. dehnung.
Egotismus m., s. Egoismus. S. Ära.

Egozentrik /., s. Egoismus und Zentrum. Ehezärter m. 'Ehevertrag’, arch. Seit dem 16.
egressiv Adj., s. Aggression und ex-. Jh. belegte Zusammensetzung aus Ehe (s. d.)
und Zärter, Zarter (ndd. Zerter), dem das aus
ehaft Adj., s. echt.
dem Französischen entlehnte chartre f. (von 1.
ehe Konj. Der Form nach handelt es sich um
chartula f.) 'Urkunde’ zugrunde liegt.
eine Variante von eher (s. d.). Das r ist nach
Langvokal im Auslaut minder betonter Wörter ehrbar Adj. Mhd. erbcere. Entsprechend zu
abgefallen, so e aus er mit der gleichen Zerdeh- ehrlich (s. d.).
nung wie dort. Diese Variante hat die Funktion Ehre /. Mhd. ere, ahd. as. era aus g. *aizö f.
der neu entstandenen Konjunktion übernom¬ 'Achtung’, auch in anord. eir 'Gnade, Milde,
men, etwa nach dem Muster Ich gehe nicht, ehe Hilfe’, ae. är 'Wohltat, Schonung, Ehre’, afr.
er kommt aus Ich gehe nicht. Eher kommt er. ere; mit Rücksicht auf die außergermanischen
S. eher ( + ). - Behaghel (1923/32), III, 166. Verwandten ist von **aids-ä auszugehen, einer
Ehe/. Mhd. e(we), ahd. ewa, ewi, as. eo aus Erweiterung eines s-Stammes, der in gr. aidös
wg. *aiwä-/j- f. 'Sitte, Recht’, auch in ae. äwe 'Ehrfurcht, Scheu’ vorliegt. Dieses zu gr. aideo-
n., ä(w), afr. ewa, ewe. Die Spezialisierung auf mai, aidomai 'ich scheue, verehre’. Eine Weiter¬
die heutige Bedeutung ist erst mittelhoch¬ bildung *aids-d- 'Scheu, Ehre geben’ in gt. ai-
deutsch, früher schon belegbar im Altengli¬ stan 'scheuen, achten’ und vielleicht ai. itte
schen. Am nächsten steht bei Annahme einer 'preist, verehrt’ (Lautstand unklar).
Grundform *ajeu- 1. iüs aus * (a)jewes-, das Nndl. eer. — E. Karg-Gasterstädt BGDSL 70(1948),
später allgemein 'Recht’ bedeutet, aber ur¬ 308-331. Anders: G. Must PMLA 76(1961),
sprünglich ebenfalls eindeutig von 'Sitte’ ausge¬ 326-329.

gangen ist. Beide Wörter beruhen auf *ajeu- ehrenrührig Adj. Bezeugt seit frühneuhoch¬
'lenken’, verbinden’, das auch Wörter für deutscher Zeit. Eigentlich 'was an die Ehre
'Folge, Dauer, Ewigkeit’ liefert (s. ewig). Auszu¬ rührt (sie betrifft, speziell: sie angreift, verletzt)’.
gehen ist also von 'Herkommen, Überliefe¬ S. Ehre und rühren.
rung’. Die Zweisilbigkeit der neuhochdeutschen
Ehrenwort n. Seit dem 16. Jh. belegte Zusam¬
Form beruht auf Zerdehnung.
mensetzung aus Ehre (s. d.) und Wort (s. d.).
S. echt. — H. Beck in: Gedenkschrift H. Güntert (Inns¬
Zuerst nur in der systematischen Bedeutung
bruck 1974), 47-56; Seebold (1981), 89-98; R.
Schmidt-Wiegand in: FS Schützeichel (1987), 'ehrendes Wort, höfliche Rede, Kompliment’,
937-958. seit dem 18. Jh. dann in der heutigen Bedeutung
gebraucht.
eher Adv. Mhd. ahd. er aus g. *airiz Adv.
eines Komparativs, der in ahd. eriro, afr. erra, Ehrfurcht /. Eine seit dem 17. Jh. belegte
ärra, ae. terra, cerre vorliegt und zu dem der Rückbildung aus dem seit dem 16. Jh. nachge¬
Superlativ in erst (s. d.) erhalten ist. Das Adverb wiesenen Adjektiv ehrfürchtig, das mit Ehre
des Komparativs auch in gt. airis (mit wieder¬ (s. d.) und fürchtig 'Furcht habend’ (zu Furcht,
hergestelltem Endungsvokal), ae. är, der Positiv s. d.) zusammengesetzt ist.
vermutlich in gt. air, anord. är 'früh’. Ausgangs¬ Nichtenhauser (1920), 25.
Ehrgeiz 167 Eichhörnchen

Ehrgeiz m. Seit dem 16. Jh. belegte Rückbil¬ auch 'Armbrust’ (da aus dem Holz der Eiben
dung aus dem Adjektiv ehrgeizig, mhd. ergitec, Bogen hergestellt wurden). Daneben Formen
das aus Ehre (s. d.) und geizig in der älteren mit Tektal in ahd. igo m., as. ih; da eindeutig
Bedeutung 'habsüchtig, gierig’ (= Ableitung zu west-ig. *oiwä vorausliegt, sind diese unerklärt.
Geiz, s. d.) zusammengesetzt ist. Weur. *oiwä 'Eibe’ ist bezeugt in air. eö m.,
ehrlich Adj. Mhd. erlich, ahd. erlih 'ehren¬ kymr. ywen Eibe’, apreuß. iuwis 'Eibe’ (viel¬
wert’, dann vor allem im Gegensatz der ehrli¬ leicht entlehnt), und mit abweichender Bedeu¬
chen und unehrlichen Gewerbe eingeengt und tung gr. oie, da 'Vogelbeerbaum’, lit. ievä 'Faul¬
neuhochdeutsch zu 'aufrichtig’ verschoben. baum’, russ. iva 'Weide’. Der Baumname wird
Ehrn m., s. Ern. auf ein Farbwort für 'rötlich’ zurückgeführt,
der sich teils auf das Kernholz, teils auf die
ehrwürdig Adj. Mhd. erwirdec; vor allem als
Beeren beziehen soll. Da ein solches Farbwort
Beiwort für die Bezeichnung von Angehörigen
aber nicht eindeutig belegt ist, bleibt diese An¬
geistlicher Stände. Daraus im 16. Jh. die Rück¬ nahme unsicher.
bildung Ehrwürden als Anrede.
Nndl. ijf, ne. yew, nschw. yd, nisl. yr.
Ei n. Mhd. ahd. as. ei aus g. *ajjaz- n. 'Ei’,
Eibisch m., fachsprachl. Mhd. ibesch(e),
auch in anord. egg, ae. ä(i)g, krimgt. ada.
ybesch f, ahd. ibisca, iwisca f. entlehnt aus 1.
Gehört zu einer lautlich auseinanderfallenden,
(h)ibiscum n., das seinerseits aus dem Kelti¬
aber offenbar zusammengehörigen Gruppe von
schen entlehnt ist. Weitere Herkunft unklar.
Wörtern für ‘Ei’ in den indogermanischen Spra¬
S. Hibiskus. - Marzell (1943/79), I, 229f.
chen, mit denen wahrscheinlich ein lautlich
Eiche /. Mhd. eich, ahd. eih(ha), as. ek aus
ebenfalls schwieriges, aber offenbar altes Wort
g. *aikö, älter *aik- f. 'Eiche’, häufig auch
für 'Vogel’ zusammengehört. Offenbar ist das
'Schiff aus Eichenholz’, auch in anord. eik
Ei als das 'zum Vogel Gehörige’ benannt (nicht
(Konsonantstamm), ae. äc, afr. ek. Ähnlich in
umgekehrt der Vogel als 'Eiertier’). Das Wort
Form und Bedeutung sind 1. aesculus 'Berg¬
für 'Vogel’ ist *dwei- in ai. vi- m., 1. avis f. und
eiche’ und gr. aigilöps m. 'eine Eichenart, Flug¬
vielleicht auch gr. äetös m., gr. (ion.) aietös m.
hafer’, gr. aigeiros 'Schwarzpappel’. Kaum ein
'Adler’, kymr. hwyad(en) 'Ente’; das Wort für
indogermanisches Wort.
'Ei’ (*o-3wi-o-l) erscheint ohne das vorauszuset¬
Nndl. eik(eboom), ne. oak, nschw. ek, nisl. eik. S.
zende w außer im Germanischen auch in akslav.
Eichel.
ajice (aus *öjo-); unsicher 1. övum und arm. ju,
kymr. wy\ mit w gr. öiön, (Sapph.), gr. Sion (in Eichel/. Mhd. eichel, ahd. eihhila, mndl. eikel
Glossen Öbea, wodurch das w erwiesen wird). sind Zugehörigkeitsbildungen in Form eines Di-
Der lautliche Übergang von voreinzelsprachl. minutivums zu Eiche (s. d.).
*öwj- bzw. *öj- zu g. *ajj- ist nicht ausreichend Eichelhäher m., s. Häher.
aufgehellt. eichen swV. 'amtlich abmessen’. Spmhd.
Nndl. ei, ne. egg (entlehnt), nschw. ägg, nisl. egg. S. ichen, mndd. mndl. iken sind entlehnt aus spl.
oval. — J. Schindler Sprache 15 (1969), 144—167.
aequäre 'gleichsetzen’ wie afrz. essever 'eichen’
ei Interj. (Zum Ausdruck von Verwunderung, aus spl. exaequäre. Der Lautstand scheint auf
Freude, Spott). Mhd. ei(ä). Ähnlich gr. ai als eine frühe Entlehnung (vor der Lautverschie¬
Ausruf der Verwunderung bzw. als Weheruf; bung) zu weisen.
ähnliche Interjektionen für weiter abstehende S. Äquator ( + ). — L. Guinet EG, 31 (1976), 249f.
Funktionen auch in anderen indogermanischen
Eichhörnchen n., auch Eichhorn n. Mhd.
Sprachen.
eich(h)orn, ahd. eihhurn(o), eihhorno, mndd.
-ei Suffix. Es dient zur Bildung von denomi- e(c)keren, ekerken, ekorn n./m., mndl. eencoren,
nativen Äbstraktbildungen (Barbarei) und No¬ eenhoorn führen zurück auf g. *aikurna- m./n.
mina, die Orte bezeichnen, an denen ein Beruf 'Eichhörnchen’, auch in aschw. ekorne (neben
ausgeübt wird (Bäckerei) u. ä., sekundär auf früher bezeugtem, aber entwicklungsgeschicht¬
Verben bezogen in der Form -erei (Raserei)', lich späterem anord. ikorni m.), ae. äcwern —
heute auch bei Bezeichnungen von Sammlun¬ fast überall mit sekundären Umgestaltungen.
gen beliebt (Kartei, Datei). Im Mittelhochdeut¬ Der vorausliegende nordindogermanische Na¬
schen entlehnt aus dem Französischen als -ie. me ist *woiwer-, wobei in der ersten Silbe
Kann als heimisch gelten, zeigt aber noch den auch e oder ä erscheint. Morphologisch handelt
französischen Akzent auf dem Suffix. es sich wohl um eine Intensiv-Reduplikation
Eibe f, fachsprachl. Mhd. iwe, ahd. iwa, oder eine Virddhi-Bildung zu einer einfachen
mndd. iwe aus g. *iw- (mit verschiedenen nominalen Reduplikation (bei der i oder e denk¬
Stammbildungen) /. 'Eibe’, auch in anord. yr bar wäre). Vgl. lit. veveris/., vaiveris m., voveris
m., ae. iw, häufige Nebenbedeutung ist 'Bogen’, /., aruss. veverica, kymr. gwiwer, nir. georog und
Eid 168 Eigenname

mit leicht abweichender Bedeutung 1. viverra f. sich ig. *eti/j- erschließen läßt. Weitere Her¬
'Frettchen’. Das germanische Wort unterschei¬ kunft unklar.
det sich von diesen in einer auch sonst bezeug¬ S. Ente.
baren Veränderung von inlautendem w zu g. k Eiertanz m., ugs. Zuerst bei Goethe (Wilhelm
und im Fehlen des Anlauts w- (was möglicher¬ Meisters Lehrjahre II.8 und III,6) von einem
weise in nir. (reg.) iora eine Parallele hat). Vor¬ italienischen Kunsttanz zwischen ausgelegten
auszusetzen ist also *(w)oiwr-. Weitere Her¬ Eiern. Ein solcher Tanz ist auch oberdeutscher
kunft unklar. Die sekundäre Umgestaltung im Volksbrauch gewesen (Fischer: [1904/36], II,
Deutschen zu -hont, -hörnchen (schon seit spät¬ 568). Übertragen von jmd., der sich mit gewun¬
althochdeutscher Zeit) hat in neuerer Zeit zu denen Worten um heikle Dinge herumdrückt
der Ablösung Hörnchen für die ganze Familie (er führt einen Eiertanz auf).
dieser Tiere geführt (Flughörnchen usw.).
Eifer m. Zunächst im Nomen agentis spmhd.
Nndl. eekhorn, nschw. ekorre, nisl. ikorni. — E. See-
eifrcer 'Zelot’, dann der substantivierte Infinitiv
bold IF 87 (1982), 175f.
eifern 'Eifersucht’, schließlich Eifer bei Luther,
Eid m. Mhd. eit, ahd. eid, as.(men)eth aus g. der es als neues Wort bezeichnet. Herkunft un¬
*aipa- m. 'Eid’, auch in gt. aips, anord. eiör, ae. klar. Vielleicht zu ahd. eibar, eivar, ae. afor
äp, afr. eth. Außergermanisch sind vergleichbar 'rauh, herb’.
air. oeth m. 'Eid’, kymr. anudon 'Meineid’. Es K. v. Bahder ZHM 1 (1900), 300f.; IF 14 (1903), 261.
handelt sich bei diesen aber nicht um die nor¬
Eifersucht /. Eine seit dem 16. Jh. belegte
malen keltischen Wörter für 'Eid’, deshalb ist
verdeutlichende Zusammensetzung aus Eifer
die Annahme, daß die germanischen Wörter
(s. d.) in der alten Bedeutung 'Eifersucht (Arg¬
aus den keltischen entlehnt seien, nicht wahr¬
wohn gegenüber einem Nebenbuhler)’ und
scheinlich. Formal entspricht gr. oitos m. '(un¬
Sucht (s. d.). Die Ableitung eifersüchtig Adj.
glückliches) Schicksal’. Alles weitere ist unklar.
erscheint im 17. Jh.
Nndl. eed, ne. oath, nschw. ed, nisl. eiöur. S. auch
Meineid. eigen Adj. (PPrät.). Mhd. eigen, ahd. eigan,
as. egan, germanisches Partizip Präteritum zu
Eidam m. 'Schwiegersohn’, arch. Mhd. eidem,
dem Prät.-Präs. *aih 'besitzt’ in gt. aih, anord.
ahd. eidum, mndd. eidom, eidum aus wg. *aipuma-
ä, ae. äh, afr. äch, as. egun PL, ahd. eigun PL;
m. 'Schwiegersohn’, auch in ae. äöum, afr.
das Partizip auch in anord. eiginn, ae. ägen, afr.
äthom. Mundartlich ist die Bedeutung 'Erb¬
ein. Das Verb vergleicht sich vor allem mit ai.
tochtermann’ (= 'jmd., der in eine Familie ein¬
tse 'hat zu eigen, besitzt, beherrscht’ (wird als
heiratet, die nur Töchter hat’). Formal scheint
athematisches Präsens behandelt, ist aber sicher
das Vergleichssuffix ig. *-tmo- vorzuliegen; die eine Umgestaltung aus einem alten Perfekt).
Wurzel müßte dann pronominal oder lokal sein
Nndl. eigen, ne. own, nschw. egen, nisl. eiginn. S.
(zu *-oi- 'der eine, derselbe’?). Fracht.
F. Debus DWEB 1 (1958), 31-37; Müller (1979),
Eigenbrägler m., Eigenbrätler m., s. Eigen¬
121-179.
brötler.
Eidechse/. Mhd. egedelise, eidehse, ahd. egi-
Eigenbrötler m. 'Sonderling’. Zusammenbil¬
dehsa, ewidehsa, as. egithassa aus wg. *ag-
dung aus eigen (s. d.), Brot (s. d.) und Suffix
wi-pahsjön f. 'Eidechse’, auch in ae. äöexe. Falls
-ler. Als systematische Bedeutung ist zu er¬
anord. eyöla 'Eidechse’ auf dieselbe Grundform
schließen 'einer, der sein eigenes Brot bäckt’;
zurückführt, wäre sie gemeingermanisch. Die
belegt ist das Wort seit dem 19. Jh. (zuerst nur
lautlichen Verhältnisse sind jedoch noch nicht im Schwäbischen) in der Bedeutung 'Jungge¬
ausreichend geklärt, zumal bei diesem Wort in selle mit eigenem Haushalt’, etwas später dann
späterer Zeit starke Umgestaltungen aufgetre¬ (weil Junggesellen gerne als Sonderlinge be¬
ten sind, die auch für die frühe Zeit nicht ausge- trachtet werden und wohl auch unter Einfluß
schlosssen werden können (vgl. etwa die Ver¬ von eigen in der Bedeutung 'sonderbar’) als
schiedenheit des altnordischen und des westger¬ 'Sonderling'. Ähnliche Bezeichnungen (aus dem
manischen Wortes). Herkunft deshalb unklar. süddeutschen Raum) sind Eigenbrätler, Eigen¬
Nndl. Iiagedis, nschw. ödla, nisl. (sand)eöla. — W. brägler, Einmüßler (ein = eigen); vgl. auch
Steinhäuser ZM 30(1963/64), 331-334; V. Machek spmhd. einbrwtec Adj. 'einen eigenen Herd ha¬
ZSPh 23 (1954), 120f. bend’.
Eider m., Eiderente /., fachsprachl. Im Zuge Eigenname m. Seit dem 17. Jh. belegte Lehn¬
des Daunenhandels entlehnt aus isl. ceör (das bildung mit eigen (s. d.) und Name (s. d.) zu 1.
diphthongisch ausgesprochen wird), (nisl. ccdur, nömen proprium (nömen = 'Name’ und gram¬
ceöarfugl). Das Wort läßt sich wohl vergleichen matischer Begriff für Substantiv und Adjektiv,
mit ai. ätif. 'Name eines Wasservogels’, so daß proprius = 'eigen’). Vorher (16. und 17. Jh.)
Eigennutz 169 Einbaum

werden Fügungen gebraucht wie (der) eigene sich später durchsetzt. Herkunft unklar, da ein
Namen, (der) eigentliche Namen oder das Ei¬ Anschluß an *<?/- 'gehen’ die ältere Bedeutung
gene.
unberücksichtigt läßt. Vielleicht schwundstufi¬
Vortisch (1910), 46. ges *idlo- 'Eifer' neben *jälo- in gr. zelos 'Eifer’,
Eigennutz m., s. Nutzen. air. ailid 'erfleht, bedrängt’, kymr. iolaf 'ich
flehe an, lobpreise’, evtl, weiter zu ai. yä-, das
eigens Adv. Adverbialer Genitiv zu eigen in
einerseits als 'anflehen’ (vgl. ai. yäti 'bittet, fleht
der Bedeutung 'besonders, ausschließlich zuge¬
hörig’. Bezeugt seit dem 18. Jh. an’), andererseits in Ableitungen für 'verfolgen,
rächen’ (vgl. ai. yätä 'Rächer, Verfolger’) be¬
Eigensinn m. Seit dem 18. Jh. belegte Rückbil¬ zeugt ist.
dung aus dem schon im Mittelhochdeutschen
eilfertig Adj., arch. Bezeugt seit dem 17. Jh.
nachweisbaren Adjektiv eigensinnig (mhd.
Eigentlich 'bereit (fertig) zu eilen’.
eigensinnec), das mit eigen (s. d.), Sinn (s. d.)
und Suffix -ig zusammengebildet ist. Die Fü¬ eilig Adj. 'stumpf (von Zähnen)’, arch., reg.
gung (der) eigen Sinn ist im 17. Jh. nachweis¬ Auch eilen 'stumpf sein (von Zähnen)’ neben
bar. Entsprechende Rückbildungen sind: Blöd-, ilgern 'stumpf werden (von Zähnen)’. Herkunft
Doppel-, Hoch-, Kalt-, Leicht-, Scharf-, Tief-, unklar. Vielleicht mit dem gleichen Wechsel
Un-, Wahn- und Widersinn. *idljjel- wie bei eilen (s. d.) zu lit .jelas, lett. jjls
Ruppel (1911), 20f.
'roh' (sowohl von Milch und Fleisch, als auch
von der Haut 'wund’ usw.).
eigentlich Adj. Mhd. eigenlich. Ableitung mit¬
Eimer m. Mhd. eimer, eimber, einher, ahd.
tels Suffix -lieh (s. d.) von eigen Adj. (s. d.) oder
eimbar m./n., eimb(a)ri n., eimbarT(n) n. Das
eigen n. 'Besitz’; der Gleitlaut ist schon im 14.
Wort ist ursprünglich, wie ae. ämber, ömbor m./
Jh. gelegentlich belegt. Im Mittelhochdeutschen
n.(?) entlehnt aus 1. amphora /., das seinerseits
ist das Wort sowohl in der ursprünglichen Be¬
aus gr. amphoreüs entlehnt ist, das durch Ha-
deutung 'eigen = im Besitz habend’ als auch in
plologie aus ebenfalls belegtem gr. amphi-pho-
der von 'eigentümlich, ausdrücklich, bestimmt’
reüs 'Doppelträger’ (zweihenkliger konischer
nachzuweisen.
Krug) entstanden ist. Offenbar wurde die Funk¬
eignen swV., arch. Mhd. eigenen, ahd. eiganen tion dieses Gefäßes dann durch einen Kübel
aus wg. *eigen-ä- swV. 'zu eigen haben, besit¬ mit Henkel übernommen, worauf das Wort um¬
zen’, auch in ae. ähnian, ägnian; es gehört zu gedeutet wurde zu ahd. eim-bar 'Ein-Trage’ zu
eigen, aber wohl eher zu einem Substantiv (wie dem Zahlwort eins und einer möglichen Ablei¬
etwa anord. eign 'Eigentum’) als zu dem Adjek¬ tung zu heran 'tragen’ (s. gebären).
tiv (Partizip Präteritum). Die Art des Mittelvo¬ S. Amphore ( + ). — R. Hildebrandt DWEB 3 (1963),
kals ist unklar. Anders gebildet sind anord. 381 f.; Hoops (1973ff.), III, 324-330.
eigna 'sich aneignen, erwerben’ und gt. ga-aigi- ein1 Num./Art. Mhd. ahd. ein, as. en aus g.
non 'übervorteilen’ (ö-Verb 'zu eigen machen’). *aina-, auch in gt. ains, anord. einn, ae. afr. än;
Da man auch Eigenschaften besitzen kann, dieses aus nord- und west-ig. *oi-no- 'ein’ in gr.
wird die Bedeutung von sich eignen im Neu¬ oinös 'Eins auf dem Würfel’, 1. ünus, air. oen,
hochdeutschen zu 'passend sein, geeignet sein’. oin, kymr. un, apreuß. ains, lit. vienas, akslav.
Eiland «., arch. Im 17. Jh. aus dem Nieder¬ inü. Aus der gleichen Grundlage gebildet ist ai.
deutschen übernommen (mndd. e(i)lant, eyg- eka- 'ein’. Vermutlich zu dem Pronominal¬
lant, mndl. eiland). Dies ist eine späte Verdeutli¬ stamm *ei-, also 'dieser’. Die Entwicklung zum
chung, die auch in afr. eiland, eilond, ae. egland, unbestimmten Artikel hat schon vorliterarisch
eglond und anord. eyland auftritt, zu g. *agwijö eingesetzt (deutsch und englisch). Das alte Ad¬
f. 'die zum Wasser gehörige’ — was im Deut¬ verb eine 'allein’ wird durch allein fortgesetzt.
schen zu Au(e) wird (s. d.), in den nordseeger¬ Nndl. een, ne. one, nschw. en, nisl. einn. S. allein, eins,
manischen Sprachen zu einem Wort für 'Insel’ Einbaum, einfach, einig, Einkorn, eins, einsam, einst,
in anord. ey f, ae. Tg, eg /., mndd. ö, oe, oge, einzeln, elf, entweder, nein. — Henzen (1969),
133-178.
afr. -ey in Ortsnamen. Eiland ist also 'Inselland’.
Schon mhd. einlant 'Insel’ mit Umdeutung des ein2 Adv. Mhd. ahd. Tn; betonte und deshalb
Vorderglieds ('allein liegendes Land’), auch mit gedehnte Form von in (s. d.).
einer Variante eilant, doch ist dieses Wort schon W. Mitzka ZM 31 (1964), 173-179.
früh ausgestorben. Einbaum m., fachsprachl. Seit dem 18. Jh.
Nndl. eiland, ne. Island. S. Au(e). — Rooth (1979), (zuerst nur süddeutsch) belegt. Wohl eine Rück¬
14-17. bildung aus dem schon im Althochdeutschen
eilen swV. Mhd. Tlen, ahd. Tl(l)en, as. ilian (jedoch später nicht mehr) nachzuweisenden
aus vor-d. *Tljan swV., zunächst 'sich mühen, Adjektiv ahd. einboimih, einer Lehnbildung zu
anstrengen’, dann auch schon früh 'eilen’, das 1. monoxilus Adj., aus gr. monöxylos Adj. (mit
einbilden 170 Einlieger

gr. mönos 'einzig’ und gr. xylon n. 'Holz’), zu¬ Adverb ein (Variante zu in) und gebären (s. d.).
sammengebildet aus ein (s. d.), Baum (s. d.) und Die heutige (bereits veraltete) Verwendung mit
Suffix -ih(t). Substantivierung für die Bewohner eines Ent¬
einbilden swV. Mhd. Jnbilden. Aus der Mystik wicklungslandes ist jung.
(13. Jh.) stammende Zusammensetzung mit ein eingefleischt Adj. Vor allem in eingefleischter
Adv. (s. in und ein-2) und bilden (s. Bild). Die Junggeselle. Ursprünglich aus der religiösen
ursprüngliche Bedeutung bei den Mystikern ist Sprache für 'Fleisch geworden’ als Lehnüberset¬
'(etwas in die Seele, die Seele in Gott) hineinprä¬ zung von 1. incarnätus. Bezeugt seit dem 16. Jh.
gen’, später im kirchlichen Bereich 'einprägen’ Zum Adverb ein (als Variante von in) und
allgemein und seit dem 17. Jh. mit dem Reflexi- Fleisch (s. d.).
vum (sich einbilden) 'irrtümlich annehmen, Eingeweide n. Frühneuhochdeutsche Verdeut¬
wähnen’. (Nndl. inbeeiden, ndn. in(d)bilde, lichung zu mhd. geweide. Eine Bildung zu
nschw. inbilla sind Lehnbildungen nach dem *weid- 'winden’ wie Gekröse und Geschlinge
deutschen Wort.) Aus der Mystik stammen (s. d.); unmittelbar zu vergleichen ist wohl 1.
auch Einblick, Eindruck, Einfall, einleuchten vlscus, vlscera (PL) 'Eingeweide’. Dazu auswei¬
usw. den und weidwund 'ins Eingeweide getroffen’.
S. Einfluß und einsehen. R. A. Fowkes JEGPh 52 (1953), 96-98.
einblasen swV. 'vorsagen, eingeben’, ugs. einheimsen swV., ugs. Seit dem 17. Jh. zu
Wohl in der Schülersprache entstandene Lehn¬ älterem mhd. heimsen 'heimbringen’, Bildung
übersetzung von 1. inspiräre 'einhauchen, beflü¬ auf -isö- zu heim (s. d.).
geln’.
einhellig Adj. Spmhd. einhellec, erweitert aus
Einblick rn., einbilden. ahd. einhel(li); vgl. ahd. in ein hellan 'in eins
Eindruck m., s. einbilden. klingen’ = 'übereinstimmen’ zu dem starken
Verb hellan 'tönen’.
einfach Adj. Im 15. Jh. gebildet aus ein1 (s. d.)
und -fach (s. d.), zunächst in wörtlicher Bedeu¬ S. hallen ( + ), mißheilig.
tung 'einmal’, dann in übertragenem Gebrauch. Einhorn n. Mhd. einhorn m./n., einhurne, ein-
Einfall m., s. einbilden. hürne m., ahd. einhurno, einhorno m., einhorn,
einhurn m./n.(?) 'Einhorn, Nashorn’, wie ae.
einfaltig Adj. Mhd. einvalt, ahd. einfalf, ver¬
änhorn(a) m. Lehnbildung zu 1. ünicornis m.,
mutlich schon sehr alt, vgl. gt. ainfalßs, anord.
das auf gr. monökerös m. zurückgeht. Damit
einfaldr, ae. änfeald', doch wohl aber erst eine
wird eigentlich das Rhinozeros bezeichnet, doch
Lehnübersetzung aus I. Simplex 'einfach’ mit
knüpft sich an den Namen schon früh die Vor¬
immer stärkerer Bedeutungsverschlechterung
stellung von einem Fabeltier mit einem Horn
bis zu 'töricht’. Die Form des BahuvrThi-Adjek-
auf der Stirn.
tivs wird neuhochdeutsch durch -ig erweitert.
Das Substantiv Einfalt ist erst aus dem Adjektiv einig1 Adj. Mhd. einec, einic, ahd. einag, einig,
rückgebildet. as. enag; vermutlich wie ae. änig, anord. einigr
S .falten ( + ).
eine Anpassung an den normalen Ableitungstyp
auf -g- aus g. *aina-ha- Adj. 'einzig’ in gt. ainaha,
Einfluß m. Mhd. Tnvluz. Lehnbildung der My¬
f. ainoho. Die Bedeutung 'übereinstimmend’ ist
stik aus ein Adv. (s. in) und Fluß (s. d.) zu ml.
erst frühneuhochdeutsch.
influentia f. (ursprünglich Neutrum Plural des
einig2 Pron. (PL). Mhd. einic, ahd. einig
Partizip Präsens zu 1. Influere 'hineinfließen’).
(Adj.) 'irgendjemand’, Weiterbildung des Nu-
Ursprünglich bedeutet das Wort 'das wirkende
merales ein1 (s. d.). Der Plural mit der Bedeu¬
Hineinfließen göttlicher Kräfte in den Men¬
tung 'etliche’ erst frühneuhochdeutsch.
schen’, danach wird es — wie heute fast nur
noch — übertragen gebraucht. (Nndl. invloed, Ne. any.
ndn. indflydelse und nschw. inflytelse sind Einkommen n. Wie Einkünfte eine frühneu¬
Lehnbildungen zum deutschen Wort.) Das Verb hochdeutsche Substantivierung zu einkommen
einfließen (s. fließen) ist erst seit dem 18. Jh. in der Bedeutung 'in die Kasse kommen’.
belegt. Einkorn n. 'Dinkel', fachsprachl. Mhd. ahd.
K. Heisig BGDSL-T 86 (1964), 338-342. einkorn. Danach benannt, daß im Gegensatz
einfrieden swV., einfriedigen swV. 'umzäunen’, zum Weizen in jeder Hülse nur ein Korn ist.
arch. Zu mhd. vride 'Umzäunung’ (s. FriedhoJ). einleuchten swV., s. einbilden.
Die mittelhochdeutsche Form ist bevriden', die
Einlieger m., fachsprachl. Früher 'Arbeiter
Bildung mit ein- ist norddeutsch.
oder Handwerker ohne eigenen Landbesitz, der
eingeboren Adj. (PPrät.). Mhd. ingeborn 'in bei einem Bauern zur Miete wohnt’. Diese Be¬
dem betreffenden Land oder Ort geboren’; zum deutung ist mit der Sache veraltet; doch wurde
einmotten 171 einzig

die Bezeichnung aufgegrifTen für den im neue¬ einseifen swV. betrügen’, ugs. Vermutlich
ren Steuerrecht relevanten Tatbestand, daß je¬ angepaßt an rotw. beseiwelen, beseibeln, eigent¬
mand eine selbständige Wohneinheit innerhalb lich 'bescheißen’ zu wjidd. sewel 'Dreck, Mist’
einer anderen Wohneinheit (Einfamilienhaus aus hebr. zäbäl 'Dünger, Abfälle, Dreck’.
usw.) bewohnt. Hierzu vor allem Einliegerwoh¬ Einsicht /., s. einsehen.
nung.
Einsiedler m. Spmhd. einsidelcere. Mit -er ver¬
einmotten swV. Heute nur noch in der über¬ deutlicht zu älterem nhd. Einsiedel m., mhd.
tragenen Bedeutung 'für längere Zeit stillegen’ einsidel(e), ahd. einsidil(o), einsidil(a), einer
(Schiffe usw.). Ursprünglich von Kleidung und unter dem Einfluß von gr. monaehös, 1. mo-
Pelzen gesagt, die über den Sommer (oder den nachus 'Einsiedler, Mönch’ (s. Mönch) entstan¬
Winter) aufbewahrt und zum Schutz gegen denen Zusammensetzung aus ahd. ein in der
Motten mit einem besonderen Mittel behandelt Bedeutung 'allein’ (s. ein1) und ahd. sidilo m.
wurden. 'Bewohner, Einwohner’, dem Nomen agentis zu
einmummen swV, s. ein2 und Mumme. ahd. sidila, sidella f./n. 'Sitz, Wohnsitz’ (s. sie¬
deln und sitzen). — Das von Einsiedel abgelei¬
Einmüßler m., s. Eigenbrötler.
tete Wort Einsiedelei f. ist seit dem 17. Jh.
einnicken swV., s. nicken. belegt.
Einöde f. Mhd. einorte, einorde, einöte, ahd. O. Behaghel ZDW 1 (1901), 64.
einöti f./n., as. enödi\ wie ae. änäd n. eine Bil¬ einst Adv. Mhd. einst, ahd. eines. Ursprüng¬
dung auf g. *-ödja- zu ein im Sinn von 'allein’ lich adverbialer Genitiv wie ae. äne zu ein1
(das Suffix ist schwer abgrenzbar, vgl. Armut (s. d.) im Sinne von einmal. Das -t ist sekundär
und Heimat). Die alte Bedeutung 'allein liegend’ angetreten.
bewahrt noch bair. Einödhof 'allein stehender Ne. once - R. Glasser IF 57(1940), 186f.; W. A.
Hof’; sonst ist das Wort seit mittelhochdeut¬ Benware BGDSL-T 101 (1979), 343-345.
scher Zeit an Öde (s. öde) lautlich, semantisch Einstand m. 'Amtsbeginn’, meist 'die zum
und im Genus angeglichen worden. Amts- oder Arbeitsbeginn bezahlte Freirunde’.
eins Num. Neutrale Form des Numerales. Seit In dieser Bedeutung zu fnhd. einstand 'Amtsan¬
mittelhochdeutscher Zeit fest geworden. S. auch tritt’, zu einstehen 'eintreten’.
ein1. Eintracht /. In spätmittelhochdeutscher Zeit
übernommen aus ndd. eindraht, Abstraktum zu
einsam Adj. Schon das ahd. einsamana f. 'Ein¬
en drägen und över en drägen. also 'in eines
heit’ setzt das erst seit dem 15. Jh. belegte Ad¬
tragen’, vgl. nhd. Übereinkommen.
jektiv einsam voraus. Dieses fnhd. einsam ist
S. Zwietracht.
Ableitung auf -sam (s. d.) zu mhd. ein Num. in
der Bedeutung rallein(ig)\s. ein1). Es verstärkt Eintrag m.. Eintracht m. 'Hindernis, Scha¬
urspünglich die Bedeutung des Grundworts und den’, arch. Dringt aus der Kanzleisprache in die
steht seit dem 16. Jh. auch für 'unverheiratet’ allgemeine Sprache (s. vor allem beeinträchti¬
und (wie heute nur noch) 'für sich allein, ver¬ gen). Die Bedeutungsentwicklung ist unklar.
Vielleicht aus 'die in den Aufzug am Webstuhl
lassen’.
eingebrachten Querfäden’ (sonst Einschlag) und
einschlägig Adj. Bezeugt seit dem 19. Jh. Zu von dort aus übertragen.
einschlagen im Sinn von 'sich in ein Gebiet
eintrichtern swV, s. Trichter.
hineinerstrecken, etwas betreffen’.
einwecken swV 'einkochen’, Bezeichnung der
einschränken swV. Bezeugt seit dem 14. Jh.,
Firma Weck für das 1894 eingeführte Verfahren,
zunächst in der eigentlichen Bedeutung 'mit Obst, Gemüse und Fleisch keimfrei einzuko¬
Schranken zurückhalten’ (s. Schranke und chen. Es wird seit seiner ersten Verwendung zu
schränken). Seit dem 18. Jh. meist übertragen Beginn des 20. Jhs. in die Hochsprache über¬
auf 'einengen, (sich) begnügen’. nommen.
einsehen stV. Mhd. insehen (nur als substanti¬ einzeln Pron. Mhd. einzel, Weiterbildung zu
vierter Infinitiv bezeugt). Aus der Mystik (13. mhd. einez, ein(i)z, ahd. einaz (nur in ahd.
Jh.) stammende Lehnbildung mit ein2 (s. d.) einazen 'stückweise, schrittweise’ bezeugt), Ab¬
und sehen (s. d.) zu 1. inspicere 'hineinschauen’. leitung auf g. -t- aus ein1 (s. d.). Schon früh mit
Die ursprüngliche Bedeutung ist 'in etwas hin¬ der Kasusform auf -n adverbial gebraucht. Als
einsehen (im Sinne religiösen Erkennens)’; seit Kompositionsform noch ohne -n, ebenso das
dem 18. Jh. steht es dann allgemein für 'erken¬ Einzel beim Tennis.
nen’. Das dazugehörige Abstraktum Einsicht f. einzig Adj. Mhd. einzec, einzic; ähnliche Wei¬
ist vom 18. Jh. an für älteres Einsehen n. (mhd. terbildung wie einzel aus derselben Grundlage
insehen n.) nachweisbar. (s. unter einzeln).
Eis 172 Ekel

Eis n. Mhd. ahd. Ts, as. is aus g. *Tsa- n. 'Eis’, Eisenhut m., fachsprachl. Seit dem 16. Jh.
auch in anord. iss m., ae. afr. Ts; vermutlich aus wird das blaue Hahnenfußgewächs nach der
älterem *eisa-. Dieses hat eine genaue Ver¬ Form seiner Blüten als Eisenhut (älteres Wort
gleichsmöglichkeit lediglich in den iranischen für 'Helm’) bezeichnet.
Sprachen, z. B. avest. aexa- n. 'Frost, Eis’, avest. Eisheilige PI. Ursprünglich 'die Heiligen, an
isauu- 'eisig’ usw. Offenbar ist diese Bedeutung deren Tagen üblicherweise nochmals Kälteein¬
aber wie bei Frost (s. frieren) aus 'Rauhreif’ brüche auflreten’ (11 .-15. Mai: Mamertus, Pan¬
entstanden, das in lit. ynis triff, russ. inej m. kratius, Servatius, Bonifatius und die Kalte So¬
'Rauhreif’ bezeugt ist (wird als *mjo- mit abwei¬ phie). Heute wird das Wort unmittelbar für
chender Wurzelerweiterung angesetzt; es scheint diese Tage gebraucht.
aber denkbar zu sein, von *isnjo- mit unregel¬ S. auch Hundstage.
mäßiger Lautentwicklung auszugehen). Dieses
Eishockey n., s. Eis und Hockey.
weiter zu *eis- 'sprühen’, etwa in anord. eisa
'sprühen, schäumen’, einer Spezialisierung von Eisknochen m., s. Eisbein.
ig. *eis- 'antreiben, schnellen’ in ai. isnäti 'setzt Eiß m., Eiße/. 'Geschwür’, südd. Mhd. ahd.
in Bewegung, schwingt, eilt’ usw. eiz m., verwandt nisl. eitill m. 'Drüse’ aus g.
Nndl. ijs, ne. ice, nschw. is, nisl. is. *aita- 'Schwellung’. Die Wörter gehören zu
einer indogermanischen Wurzel, die nur noch
Eisbein n. Mhd. Tsben, ahd. Tsbein, as. Tsben,
in Ableitungen bezeugt ist. Am nächsten liegt
auch e. (dial.) iee-bone, ndn. isben. Altes fach¬
gr. oidos n. 'Geschwulst’, neben gr. oideö, 'ich
sprachliches Wort der Ärzte und Jäger für das
schwelle’ arm. ayt-nu-m 'ich schwelle’; auch 1.
Elüftbein und naheliegende Knochen; vermut¬
aemulus 'geschwolleft’ kann zugehörig sein (der
lich entlehnt aus 1. ischia 'Hüftgelenk’, das sei¬
nerseits aus gr. ischion 'Hüftbein’ stammt. Das Diphthong paßt aber nicht zum Griechischen).
Wort erscheint frühneuhochdeutsch als Eisbein S. Eiter.

'Hälfte des Schlosses an zahmen oder wilden Eisvogel m., fachsprachl. Mhd. Tsvogel, ahd.
Tieren’ (d. h. also 'Hinterviertel’). Erst neu¬ Tsfogal, daneben aber ahd. Tsarno, Tsaro, Tsarar,
hochdeutsch erscheint ndd. Eisbein, weiter süd¬ also ursprünglich 'Eisenvogef, evtl, umgedeutet
lich Eisknochen für 'Schweinsfüße’ (als Ge¬ zu 'Eis-Aar’. Benennungsmotiv und Wortge¬
richt). Vermutlich ist die Benennung sekundär schichte im einzelnen unklar.
verschoben worden. D. v. Kralik GGA 176(1914), 134-138.
S. Ischias. — Anders: H. Sperber tPS 6 (1914), 51 —53. eitel Adj. Mhd. Ttel, ahd. Ttal, as. Tdal aus wg.
Eisbombe /. Die Zusammmensetzung ent¬ *Tdla Adj. 'nichtig, leer’, auch in ae. afr. Tdel.
stand im 20. Jh. für in Form einer Bombe Die heutige Bedeutung 'eingebildet’ ist wohl
gefrorenes Speiseeis. über 'aufgeblasen, leer’ entstanden. Herkunft
Eisen n. Mhd. Isen, ahd. Ts an, Tser, älter Tsarn, unklar.
as. Tsarn aus g. *Tsarna- n. 'Eisen’, auch in gt. Nndl. ijdel, ne. idle. S. vereiteln.

eisarn, anord. järn (neben älterem isarn), ae. Eiter m. Mhd. eiter n., ahd. eitar n., as. ettar
Tse(r)n, Tren, afr. Tsern. Die gleiche Form wird n. aus g. *aitro- n. 'Eiter, Gift’, auch in anord.
durch die keltischen Wörter für 'Eisen’ voraus¬ eitr «., ae. ät(t)or n.; aus derselben Wurzel wie
gesetzt: air. iarann, tarn m./n., kymr. haearn, Eiß (s. d.); offenbar wird so zunächst die aus
haiarn. Das Wort ist sicher aus einer dritten Geschwüren austretende Flüssigkeit bezeichnet,
Sprache entlehnt; alles weitere ist jedoch unklar. erst sekundär Gift’. Das Maskulinum ist erst
Nndl. ijzer, ne. iron, nschw. järn, nisl. järn. — H. neuhochdeutsch. Näher zu vergleichen ist lett.
Birkhan: Germanen und Kelten (Wien 1970), 126—141; idra 'das faule Mark eines Baumes’, russ. iad
Hoops (1973ff.), VII, 58 — 61; (zum Lautlichen:) See- 'Gift’.
bold (1984), 52-54.
Nndl. etter, nschw. etter, nisl. eitur.
Eisenbahn /. Ursprünglich (seit dem 18. Jh.)
Ekel m. Erst frühneuhochdeutsch; älter ist
für die eisernen Schienen der Förderbahnen im
das Adjektiv ndd. ekel. Mit niederdeutschem
Bergbau. Bei Einführung der Dampfzüge wird
Übergang von w zu g, gg, ch, k vielleicht aus
das Verkehrsmittel mit einer Bedeutungsver¬
g. *aiw- in gt. aiwiski, ae. cewisc f. 'Schande’.
schiebung nach solchen eisernen Schienen be¬
Außergermanisch vermutlich gr. aischos n.
nannt.
'Schande' (aus *aiguhs-ko mit lautlich unklarer
Eisenfresser m. 'Prahlhans’, ugs. Bezeugt seit Weiterentwicklung), evtl, auch 1. aeger 'krank,
dem 16. Jh. für jemanden, der mit seinen verstimmt’. Zu erwägen ist auch eine Rückfüh¬
Kriegstaten groß tut. Auch Eisenbeißer, mhd. rung (mit unregelmäßigem Ausfall von r) auf
TsenhTz. Zu mhd. Tsen ezzenlfrezzen im Krieg fnhd. erken, erkelen 'Abscheu haben’, mhd. erk-
vor nichts zurückscheuen’, häufig ironisch ge¬ lich zuwider’. Entsprechend me. irken 'anwi¬
braucht. dern’, avest. aragant- 'abscheulich’; doch ist bei
Ekelname 173 Elch

so spät bezeugten Wörtern die Annahme so Meißel). 4) Adjektivbildungen, die auf ig. *-lo-
hoher Altertümlichkeiten mißlich. zurückgehen und nicht mehr produktiv sind.
H. Schröder BGDSL 29 (1904), 557. Lloyd/Springer (1988ff.), I, 131-133.
Ekelname «;., arch. Aus ndd. ökelname, das Elaborat «., s. elahoriert.
aus einer nordischen Sprache entlehnt ist, letzt¬
elaboriert Adj. (PPrät.) 'ausgearbeitet’, fach¬
lich anord. aukanafn 'Übername’ (zu anord.
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
auka 'vermehren’); ins Englische entlehnt als
ne. elaborate, dieses aus 1. elahörätus (dass.),
nickname (aus ekename mit falscher Ablösung
dem PPR von 1. elaböräre 'ausarbeiten’, zu 1.
des unbestimmten Artikels). Im Neuhochdeut¬
laböräre 'arbeiten’ (s. auch ex-). Die Entlehnung
schen sekundär an Ekel angeschlossen.
ertolgt bei der Rezeption der entwicklungspsy¬
Eklat nt. 'Aufsehen, Skandal’, sondersprachl. chologischen Studien Bernsteins, der „elabo-
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. rierte“ und „restringierte“ Sprachfähigkeiten
eclat (prov. asclat 'Holzsplitter’, prov. esclat mit der Zugehörigkeit zu sozialen Schichten zu
Lärm’), zu afrz. esclater 'in Splitter schlagen, korrelieren versucht. Elaborat hat demgegen¬
lärmvoll brechen’, dieses wohl aus spl. *ascla über als Schulwort für Arbeiten von Schülern
'Splitter, Span’, einer Nebenform von 1. astula, (seit dem 16. Jh.) in verächtlich machender
assula f. (dass.). Wohl zunächst Bezeichnung Übertreibung eine ausgeprägt pejorative Bedeu¬
für ein Zersplittern, dann auch für das davon tungskomponente.
hervorgerufene Aufsehen; letzteres verselbstän¬
Elan m. 'Schwung, Energie’, sondersprachl.
digt sich in der ins Deutsche übernommenen
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Bedeutung.
elan, einer postverbalen Ableitung von frz. elan-
Morphologisch zugehörig: eklatant. — W. Feldmann
cer 'vorwärtsschnellen’, zu frz. lancer 'schleu¬
ZDW 8 (1906/07), 66; H. Meier RJ 10(1959),
271 -273; Brunt (1983), 261. dern’, aus spl. lanceäre 'die Lanze schwingen’,
zu 1. lancea f. 'Lanze’. Bei der Bedeutungsent¬
eklatant Adj., s. Eklat.
wicklung verliert sich der ursprüngliche Bezug
eklektisch Adj. 'unsystematisch auswählend’, zu „Lanze“.
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Etymologisch verwandt: lancieren, Lanze, Lanzette.
deutend gr. eklektikös (wörtlich: 'auswählend’),
elastisch Adj. 'dehnbar, nachgebend’. Im 18.
zu gr. eklegein 'auslesen, auswählen’, zu gr.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend neo-1. elasti-
legein 'lesen, auslesen, sammeln’ und gr. ex,
cus, zu gr. elaünein (intr.) 'ziehen, auseinander¬
entsprechend zu 1. ex (s. auch ex-).
ziehen, treiben’. Die Entlehnung erfolgt in tech¬
Morphologisch zugehörig: Eklektiker, Eklektizismus,
nischen Zusammenhängen, in denen es um
eklektizistisck, etymologisch verwandt: s. analog.
Kräfte und die Reaktion verschiedener Stoffe
Ekstase /. 'Verzückung, tranceartiger Zu¬ auf solche Kräfte geht. Körper sind elastisch,
stand’, sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus wenn sie ihre unter Krafteinwirkung veränderte
gleichbedeutend kirchen-1. ecstasis, dieses aus Form beim Ausbleiben dieser Kraft wiederge¬
im ntl.-gr. ekstasis (dass.), aus gr. existasthai winnen.
'heraustreten, sich entfernen’, zu gr. histänai
Morphologisch zugehörig: Elastik, Elastizität. — W.
'stellen, legen’. Im heutigen Sinn vor allem seit Feldmann ZDW 8 (1906/07), 66.
dem 17. Jh. unter Einfluß von frz. extase 'höch¬
Elativ m. (= absoluter, d. h. nicht verglei¬
ste Erregung’; zuvor in theologischen Zusam¬
chender Superlativ [z. B. schönstes Wetter]),
menhängen (insbesondere Heiligenlegenden)
fachsprachl. Neubildung zu 1. elätus 'erhaben,
vor allem das „Heraustreten der Seele aus dem
hoch’, dem adjektivischen PPP. von 1. efferre
Leib“.
(elätum) 'emporheben, tragen’, zu 1. ferre 'tra¬
Morphologisch zugehörig: Ekstatik, Ekstatiker, ety¬
gen’ (s. auch ex-).
mologisch verwandt: s. System. — W. Feldmann ZDW
8 (1906/07), 66. Etymologisch verwandt: s. Differenz.

-el Suffix. In dieser Form erscheinen im Neu¬ Elch m. Mhd. eich, ahd. elahho aus wg. *el-
hochdeutschen Suffixe verschiedener Herkunft: ha-lön m. 'Elch’; dazu im grammatischen Wech¬
1) Alte Diminutivbildungen, die im Genus ih¬ sel und Ablaut steht nordg. *algi- m. 'Elch’ in
rem Grundwort folgen und ursprünglich in der anord. elgr. Die nordgermanische Form scheint
Regel als «-Stämme flektierten (z. B. Ärmel). in der antiken Überlieferung als 1. alces /., gr.
2) Alte Nomen agentis-Bildungen, normaler¬ älke f. aufgenommen zu sein. Ebenso entspricht
weise maskuline «-Stämme auf g. *-ila- (z. B. der nordischen Form russ. olenl 'Hirsch’ (aus
Büttel). 3) Mit diesen ursprungsgleich Nomina *olki-); vielleicht weiter hierher mit Schwund¬
instrumenti (Gerätebezeichnungen), die masku¬ stufe ai. rsya- 'Antilopenbock’. Es handelt sich
lin oder feminin sein können und als a/ö- um ^-Erweiterungen einer Wurzel ig. *el-, mit
Stämme oder als «-Stämme flektieren (z. B. der hirschartige Tiere bezeichnet werden. Zu
Eldorado 174 elf

einer Erweiterung mit -n- gehören arm. etn angesehen wurden. Mit Fortschreiten der physi¬
'Hirsch’, gr. ellös 'junger Eiirsch’, gr. elaphos kalischen Erkenntnisse dann Verlust des ur¬
m./f 'Hirsch', kymr. elain 'Hirschkuh', lit. elnis, sprünglichen Benennungsmotivs. Das griechi¬
ä/nis 'Hirsch', lett. atnis 'Elentier’, akslav. jeleni sche Wort vielleicht zu gr. alegein 'zählen’ (weil
'Hirsch'. Aus baltischen Vertretern dieser Sippe Bernstein als Zählstein oder Zahlungsmittel
wird frühneuhochdeutsch in Preußen elen(dt), verwendet wurde?).
Elentier entlehnt. Morphologisch zugehörig: elektrifizieren, Elektrik,
H. H. Bielfeldt FF 39 (1965), 86; Hoops (1973fr.), VII, Elektriker, elektrisieren, Elektrizität, Elektrode (usw.).
127-130. — Ganz (1957), 62f.; K.-H. Weinmann DWEB
2(1963), 389; L. Deroy/R. Halleux, Glotta 52(1974),
Eldorado n. 'Traumland, Paradies’, sonder-
36-52.
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
span. El Dorado (wörtlich: 'das vergoldete Elektron n. 'elektrisch negativ geladenes Ele¬
[Land]’), aus 1. deauräre 'vergolden’, zu I. aurum mentarteilchen’, fachspraehl. Im 20. Jh. entlehnt
'Gold' (s. auch de-). Zunächst ein fabelhaftes, aus gleichbedeutend ne. electron, einer Neubil¬
an Pretiosen reiches Land in Südamerika, dann dung aus e. electric 'elektrisch’ (s. d.) und -on
Verallgemeinerung der Bedeutung unter Verlust (aus e. ion 'elektrisch geladenes Teilchen’). Zu¬
des Bezugs auf Wertgegenstände (z. B. „ein El¬ nächst Bezeichnung der elektrischen Elementar¬
dorado für Wassersportler“). ladung, dann übertragen auf das die Ladung
Palmer (1939), 35f.
tragende Teilchen.
Morphologisch zugehörig: Elektronik; etymologisch
Elefant m. (= ein Rüsseltier). Im Althoch¬
verwandt: elektrisch (usw.), Ion.
deutschen (ahd. helpfant, helfent, mhd.
Element«. 'Bestandteil, Grundstoff’. Im Mit¬
el(e)fant) entlehnt aus gleichbedeutend 1. ele-
telhochdeutschen (mhd. element) entlehnt aus
phantus, dieses aus gr. elephäs (-phantos) 'El¬
gleichbedeutend 1. elementum.
fenbein, Elefantenzahn, Elefant’, aus kopt.
eb[o]u 'Elfenbein, Elefant’. Das Wort war be¬ Morphologisch zugehörig: elementar. — W. Feldmann
ZDW8 (1906/07), 66; Schirmer (1912), 20; G. Schoppe
kannt, lange bevor man das Tier in Europa zu
ZDW 15(1914), 182; Littmann (1924), 8; A. Lumpe
sehen bekam.
AB 7(1962), 285-293.
Etymologisch verwandt: Elfenbein. — Littmann
(1924), 14; V. D. Corazza in: FS Bonfante (1976), I,
elementar Adj., s. Element.
217-223. Elen n.jm., s. Elch.
elegant Adj. 'geschmackvoll’. Im 18. Jh. ent¬ elend Adj. Mhd. eilende, ahd. elilenti, as. eli-
lehnt aus gleichbedeutend frz. elegant, dieses lende aus wg. *alja-landja- (oder *«/;-) 'außer
aus 1. elegäns (-antis) (dass.), einer Nebenform Landes seiend’, auch in ae. eilende mit dem
von 1. eligens (-entis) (dass.), dem PPräs. von Neutrum in der Funktion des Abstraktums
eligere 'herauslesen, auslesen, auswählen’, das (nhd. Elend). BahuvrThi-Bildung zu Land (s. d.)
mit gr. legein 'zählen, berechnen’ verwandt ist. und einem im Germanischen sonst aussterben¬
Zunächst ein Wort der Kunstkritik, dann Ver¬ den *alja- 'anderer’ in gt. aljis, 1. alius, air. aile,
allgemeinerung auf Kleidung usw. Eleganz gr. ällos. 'Außer Landes’ oder 'in einem anderen
wurde als Fachausdruck der Rhetorik bereits Land’ ist der Verbannte oder Vertriebene, daher
im 16. Jh. übernommen. die Bedeutungsentwicklung zu 'unglücklich,
Morphologisch zugehörig: Elegant; etymologisch ver¬ jammervoll’. Vgl. hiermit ne. wretch 'Elender’
wandt: s. analog. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), (eigentlich 'Vertriebener’ zu rächen, s. d.) und it.
66; Lokotsch (1975), 68f.
cattivo 'elend, schlecht’ zu 1. captivus 'gefangen’.
Elegie /. 'Klagelied, (auch: Gedicht in Disti¬ elf Num. Mhd. eilf, einlif, einlef, ahd. einlif,
chen)’, fachspraehl. Im 16. Jh. entlehnt aus as. ellevan aus g. *aina-lif- (teilweise mit Endung
gleichbedeutend 1. elegia, dieses aus gr. elegeia, der n-Stämme) 'elf’, auch in gt. ainlif, anord.
einer Ableitung von gr. elegos m. 'Trauerge¬ ellifu, ae. endleofan. Das Germanische hat in
sang'. Zunächst allgemein 'Gedicht in Disti¬ der Zahlenreihe diese besondere Formation auf
chen’, dann Bedeutungsverengung auf Gedichte -///’- bei elf und zwölf (s. d.), offenbar als Relikt
mit wehmütigem und klagendem Inhalt (in ge¬
eines Kontrastes zwischen einem Zehner- und
reimten Alexandrinern).
einem Zwölfer-System. Eine ähnliche Bildungs¬
elektrisch Adj. 'auf Kräften geladener Ele¬ weise zeigen im Litauischen die Zahlen von elf
mentarteilchen beruhend’. Im 17. Jh. entlehnt bis neunzehn, gebildet mit lit. -lika. Dabei zeigen
aus gleichbedeutend neo-1. electricus, zu 1. elec- die alit. Ordinalzahlen liekas 'der elfte’ und
trum 'Bernstein’, aus gr. Elektron (dass.). So ahtras liekas 'der zwölfte’, daß von 'der Über¬
benannt, da diese Kräfte zunächst an Bernstein schüssige’ und 'der zweite Überschüssige’ aus¬
beobachtet und als eine inhärente Eigenschaft zugehen ist. Man kann lit. -lika und g. *-lif-
(eine hypothetische Substanz) dieses Materials etymologisch miteinander verbinden, wenn
Elf' 175 Elster

man von *-liqu- ausgeht. Man muß dann anneh¬ Elle /. 'Längenmaß’, früher 'Vorderarm’.
men, daß der Labiovelar nach dem Labial in Mhd. el(l)e, eln(e), elline, ahd. as. elina aus g.
zwölf (-w-) labialisiert und diese Artikulation *alinö / 'Elle’, auch in gt. aleina, anord. qln,
auf elf übertragen wurde. Es ist aber auch mög¬ ae. ein. Dieses zu einer allgemein verbreiteten
lich, daß es sich um parallele Wurzeln *leiqu- Grundlage tür 'Elle’ und ähnlichen Bedeutun¬
(s. leihen) und *leip- (s. bleiben) handelt. gen, deren Bildungen aber so weil auseinander¬
Nndl. elf ne. eleven, nschw. elva, nisl. ellefu. S. fallen, daß keine gemeinsame Grundform re¬
ein1 (+). — H.-F. Rosenfeld NJ 79 (1956), 115—140. konstruiert werden kann. Dem Germanischen
Elf m., Elfe /. Im 18. Jh. durch Bodmer und stehen am nächsten mit *olmä: 1. ülna 'Ellenbo¬
Wieland entlehnt aus ne. elf (bei Milton und genknochen’, mir. uilen 'Ellenbogen, Winkel’
Shakespeare). Das neuenglische Wort geht auf (air. uilen[n] Winkel’), kymr. elin; weiter ab
ae. celf m. zurück, dem mhd. alp, alb m./n. stehen gr. ölene 'Ellenbogen’, noch weiter ai.
entspricht (s. Alb). Die Alben (wozu das neuere aratni- 'Ellenbogen’. Weitere Herkunft unklar.
Adjektiv elbisch gebildet wurde) waren eher ge¬ Nndl. el, elleboog, ne. eil, ellbow, nschw. aln, nisl. alin,
fährliche Wesen; die Vorstellung von den zier¬ ol(n)bogi. S. auch Glied, Lünse. — Hoops (1973ff.),
lichen, freundlichen Elfen stammt aus der Ro¬ VII, 160; C. A. Mastrelli in: FS Bonfante (1976), I,
447-472.
mantik.
C. A. Mastrelli StG 13 (1975), 5-13. Ell(en)bogen m. Eine wohl schon gemeinger¬
manische Bildung zu Elle 'Unterarm’ (s. d.) und
Elfenbein n. Mhd. helfenbein, ahd. helfant-
Bogen 'Biegung’, im Sinn von 'Gelenk’, vgl.
bein, helphanft)bein. Ahd. Iielfan(t), helpfant
anord. gl(n)bogi, ae. elnboga, ahd. elinbogo,
bedeutet wie gr. elephäs m. sowohl 'Elefant’ wie
mhd. el(l)enboge.
auch Elfenbein'. Die Komposition mit Bein ist
also, wie ae. elpenbän, lediglich eine Verdeutli¬ Eller /., s. Erle.
chung. Die Form ohne h- seit Luther. Ellerling m., s. Elritze.
S. Elefant. — Hoops (1973FF.), VII, 141 f.
Ellipse/. (= ein Kegelschnitt); 'Auslassung’,
eliminieren swV. 'beseitigen', sonder spracht. fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. deutend 1. ellTpsis, dieses aus gr. ekleipsis (dass.,
eliminer, dieses aus 1. eliminäre (dass., wörtlich: wörtlich: 'Mangel’), einer Ableitung von gr.
'über die Schwelle treiben’), zu 1. Urnen ekleipein 'fehlen, zurückstehen’, zu gr. leipein
'Schwelle’, das mit 1. limes 'Querweg, Rain, lassen’. Es wird bereits in der antiken Rhetorik
Grenze’ verwandt ist (s. auch ex-). als Bezeichnung für die sprachliche Auslassung
Etymologisch verwandt: s. Limit. — Schirmer (1912), verwendet. In der Geometrie wird damit ein
20; W. J. Jones SN 51 (1979), 257. Kegelschnitt eines bestimmten Winkels bezeich¬
Elite /. 'Auswahl der Besten’, sondersprachl. net, wobei dieser Winkel kleiner ist als der Win¬
Im 18. Jh. entlehnt aus frz. elite 'das Auser¬ kel der Seitenfläche des Kegels zur Basis (im
wählte’, einer postverbalen Ableitung von frz. Gegensatz zum größeren Winkel der Hyperbel),
elire 'auswählen’, aus 1. eligere 'auswählen’, zu demnach im Winkel „zurücksteht“.
1. legere '(auf)lesen’, das mit gr. legein 'zählen, Zum Etymon s. leihen. — Schirmer (1912), 21.
berechnen’ verwandt ist. (S. auch ex-). eloquent Adj. 'beredt’, sonder sprachl. Ent¬
Morphologisch zugehörig: elitär, etymologisch ver¬ lehnt aus gleichbedeutend 1. eloquens (-entis),
wandt: s. analog. — Jones (1976), 303. dem adjektivischen PPräs. von 1. eloquT 'aus¬
Elixier n. 'Zaubertrank, Heiltrunk’, sonder- sprechen, heraussagen, vortragen’, zu 1. loquT
sprachl. In mittelhochdeutscher Zeit entlehnt 'sprechen’ (s. auch ex-).
aus ml. elixir aus 1. elixüra/., einer Nebenform Morphologisch zugehörig: Eloquenz-, etymologisch
zu 1. elixätüra f. 'Absud’. verwandt: s. Kolloquium, Lokution (usw.).
K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 389. Elritze /. (= ein Fisch), fachsprachl. Ur¬
-eil Suffix. Dient der Bildung desubstantivi- sprünglich sächsisch, ältestbezeugt ahd. mhd.
scher Adjektive (z. B. konfessionell). Es wurde erlinc, wie heute noch bairisch. Außerdem Er-
in französischen Entlehnungen ins Deutsche litz, Irlitze, Ellerling u. a. Die Namen scheinen
übernommen; sein Ursprung ist 1. -älis (dass.). mit dem Baumnamen Erle (s. d.), Eller zusam¬
menzuhängen, doch ergibt sich kein klares Be¬
-eile Suffix. Dient der Bildung von desub-
nennungsmotiv.
stantivischen Substantiven, wobei (ursprüng¬
lich) eine verkleinernde (bzw. hypokoristische) Elster /. Mhd. elster, agelster, ahd. agalstra
Komponente hinzukommt (z. B. Pastorelle). Es aus vor-d. *aglistrjön f. 'Elster’; andere Formen
wurde in französischen (und italienischen) Ent¬ sind as. agastria, ahd. agaza (das zu schwz.
lehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ur¬ Hetze führt) nebst der Erweiterung agazzala,
sprung ist 1. -ellus (dass.). aus der Atzel stammt. Die einfachste Form
Eltern 176 eminent

scheint in ahd. aga, ae. agu 'Elster’ vorzuliegen. ZDW 3 (1902), 173; W. Lampert NS 13 (1973), 62-70;
U. Herrmann AB 18 (1974), 85 — 143.
Herkunft unklar. Nach Lloyd-Springer (s. u.)
eigentlich 'die Spitze’ nach dem spitzigen Embargo n. 'Ausfuhrverbot\ fachsprachl. Im
Schwanz. 19. Jh. entlehnt aus span, embargo m. 'Beschlag¬
W. de Cubber in: FS de Smet (1986), 93 — 100; Lloyd/ nahme’, einer Ableitung von span, embargar
Springer (1988ff.), I, 72f., 79f„ 85f., 89-91. 'beschlagnahmen, behindern’, das zurückgeht
Eltern PL Mhd. altem, eitern, ahd. eltiron, auf gallorom. *barra 'Balken’. Zunächst das
staatliche Festhalten ausländischer Schiffe in
althon, as. eldiron, aldiro aus wg. *aldizön-,
Plural des Komparativs von alt (s. d.), auch in heimischen Häfen und Gewässern, dann verall¬
gemeinert auf das Verbot des Ausführens von
ae. eldran, yldra, afr. alder, elder. Vgl. gt. airi-
Waren (insbesondere, um wirtschaftlichen
zans 'Vorfahren’, zu gr. airis 'früher’.
Druck auf andere Staaten auszuüben).
Nndl. ouders, ne. elders 'die Älteren als gesellschaftlich
Höherstehende’. S. alt ( + ). — Hoops (1973ff.), VII, Etymologisch verwandt: s. Barre.
195f. Emblem n. 'Sinnbild, Kennzeichen’, fach¬
Eltervater m., Eltermutter /. 'Großvater, sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Großmutter’, md. Mhd. (md.) eltervater, elter- frz. embleme m., dieses aus 1. emblema 'Einlege¬
muoter. Zusammensetzung mit dem Kompara¬ arbeit’, aus gr. emblema (dass.), einem Nomen
tiv älter, der auch in Eltern (s. d.) auftritt. acti zu gr. embällein 'einlegen’, zu gr. bällein
'treffen, werfen’. In der Antike ist das Emblem
ein- Präfix, s. en-,
eine eingelassene Reliefarbeit auf Prunkgefäßen
Email n. (= ein Schmelzüberzug). Im 18. bzw. eine in Fußböden eingelassene Mosaikta¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. email m. fel. Die Bedeutungsentwicklung zu 'Sinnbild’
(älter: esmail), aus fränk. *smalt 'Schmelzung’, vollzieht sich ausgehend von der verallgemei¬
einer postverbalen Ableitung von frk. *smeltan nerten Bedeutung 'Verzierung’, als die Humani¬
'schmelzen’. Es handelt sich beim Email um sten aus der Beschäftigung mit Hieroglyphen
einen aufgeschmolzenen silikatischen Überzug; u. ä. heraus eine bildliterarische Kunstform ent¬
das Wort wird durch französische Miniaturma¬ wickeln, in der es um besondere Verbindungen
lereien auf Email in Deutschland bekannt. von Bild, Text und Symbolik geht.
Morphologisch zugehörig: Emaille, Emailleur, emaillie¬ Morphologisch zugehörig: Emblematik; etymologisch
ren; zum Etymon s. schmelzen. — W. Feldmann ZD W verwandt: s. Parabel. Ersatzwort ist Sinnbild.
8(1906/07), 66; Hoops (1973ff.), VII, 197; Brunt
Embryo m. 'im Entstehen befindlicher Orga¬
(1983), 266.
nismus’, fachsprachl. Neubildung zu gr. em-
Emaille /., s. Email. bryon n. 'Neugeborenes, ungeborenes Leben’,
Emanzipation /. 'Gleichstellung’, sonder- zu gr. bryein 'sprossen, treiben’ (s. auch en-).
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Morphologisch zugehörig: Embryologie, embryonal. —
1. emancipätio (-önis), einem Abstraktum zu I. W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 66; K.-H. Weinmann
emancipäre 'entlassen, für selbständig erklären’, DWEB 2 (1963), 389.
zu 1. mancipäre 'zu eigen geben’ (s. auch ex-), emendieren sw V. 'berichtigen , fachsprachl. Im
zu 1. manus 'Hand’ und 1. capere 'fangen, ergrei¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. emen-
fen’. Das Bezeichnungsmotiv für das Verb man¬ däre, zu 1. mendum 'Fehler’ (s. auch ex-).
cipäre liegt in der juristischen Prozedur, das Morphologisch zugehörig: Emendation.
förmliche Eigentumsrecht an einem Gegenstand
-ement Suffix, s. -ament.
durch Anfassen desselben in Gegenwart von
emeritieren swV. 'von der Lehrtätigkeit ent¬
fünf Zeugen zu erlangen. Die Gegensatzbildung
binden’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1.
dazu meint zunächst vor allem das Entlassen
emerere (emeritum) 'ausgedient haben’, zu 1.
eines Sklaven oder Sohnes aus der Gewalt des
merere 'verdienen’ (s. auch ex-).
Herrn bzw. Vaters (eine recht komplizierte Pro¬
Morphologisch zugehörig: Emerit, emeritus, Emeritus.
zedur, bei der eine dreimalige mancipatio an
einen Vertrauensmann zu erfolgen hatte). Dann emigrieren swV. '(wegen Verfolgung) auswan¬
Verallgemeinerung der Bedeutung. Im Deut¬ dern’, sondersprach). Im 18. Jh. entlehnt aus 1.
schen vor allem im Zusammenhang der Franzö¬ emigräre 'auswandern, ausziehen’, zu 1. migräre
sischen Revolution und der Befreiung der ame¬ 'wandern' (s. auch ex-). Die Entlehnung wird
rikanischen Negersklaven gebraucht. Aktuali¬ gestützt von ne. emigrate (dass.).
siert wurde der Begriff durch die Frauenbewe¬ Morphologisch zugehörig: Emigrant, Emigration; ety¬
gung der 60er und 70er Jahre. mologisch verwandt: s. Amöbe.

Morphologisch zugehörig: Emanze, emanzipaliv, eminent Adj. bedeutsam, groß, herausra¬


emanzipatorisch, emanzipieren; etymologisch ver¬ gend’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
wandt: s. akzeptieren und manuell. — A. Gombert gleichbedeutend frz. eminent, dieses aus 1. emi-
Emir 177 emsig

nens (-entis) (dass.), dem PPräs. von 1. eminere rend ), sind dann aber durch übertriebenen Ge¬
herausragen’, zu 1. minae 'Zinnen, hochragende brauch abgesunken.
Spitzen’, das zur Sippe von 1. möns (-ontis)
W. Feldmann ZDW 6(1905), 303-315; PfafT (1933),
'Berg’ gehört. Die deutsche Form unter Einfluß 28f.; Ganz (1957), 64 — 68; G. Jäger: Empfindsamkeit
des lateinischen Adjektivs. und Roman (Stuttgart 1969); G. Sauder: Empfindsam¬
Morphologisch zugehörig: Eminenz; etymologisch ver¬ keit, Bd. / (Stuttgart 1974).
wandt: montieren (usw.), promenieren (usw.), prominent
empfindsam Adj., s. empfinden.
(usw.).
Emphase /. 'Hervorhebung, Nachdruck’,
Emir m., s. Admiral.
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Emission/., s. Mission und ex-, deutend frz. emphase, dieses aus 1. emphasis
emittieren sw V, s. Mission und ex-, (dass.), aus gr. emphasis (dass., wörtlich: 'Ver¬
deutlichung’), einer Ableitung von gr. emphat-
Emmchen PI. 'Mark’, ugs. Scherzhafte Ver¬
nein 'aufzeigen, sichtbar machen’, zu gr. phai-
wendung der alten Abkürzung M. für Mark
nein (dass.) (s. auch en-).
(noch vor Reichsmark und Deutsche Mark).
Etymologisch verwandt: s. Phänomen.
Emmer m. 'Dinkel’, südd. Das Wort ist die
empirisch Adj. auf Beobachtung basierend,
alte Bezeichnung des Dinkels, die unter Ammer
aus der Erfahrung gewonnen’, fachsprachl. Im
aufgelührt ist. Herkunft unklar. Aus älterem
19. Jh. entlehnt aus gr. empeirikös 'erfahren’,
emmerkorn entstand schwz. Merkorn.
zu gr. petra 'Versuch, Erfahrung’.
Vgl. Dinkel, Einkorn, Spelt. — Lloyd/Springer
(1988ff.), I, 190-192. Morphologisch zugehörig: Empirie, Empiriker, Empi¬
rismus, Empirist-, etymologisch verwandt: Pirat. — G.
Emmeritz m., s. Ammer. Schoppe ZDW 15(1914), 182; K.-H. Weinmann
Emmerling m., s. Ammer. DWEB 2 (1963), 390.

Emotion f. Gefühl’, sonder spracht. Im Neu¬ empor Adv. Mhd. enbor(e), ahd. in bor 'in
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend die Höhe’, ahd. in bore 'in der Höhe’, besteht
frz. emotion, einer Ableitung von frz. emouvoir also offenbar aus der Präposition in (s. d.) und
'bewegen, erregen’ (unter formaler Anlehnung einem Substantiv für 'Höhe’. Dieses ist bezeugt
an frz. motion 'Bewegung’), aus 1. emovere 'her¬ in ahd. mhd. bor mit meist technischen Bedeu¬
ausbewegen, emporwühlen’, zu 1. movere 'bewe¬ tungen, wie 'ein bestimmter Raum im oberen
gen’ (s. auch ex-). Teil des Hauses’, aber auch als 'Höhe’. Zu einer
Morphologisch zugehörig: emotional, Emotionalität, Reihe von Wörtern für 'hoch u. ä.’, die auf
emotionell', etymologisch verwandt: s. mobil. — W. ig. *bher- zurückführen (vgl. etwa ig. *bhergh-
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 66; Jones (1976), 306. 'Höhe’ unter Berg). Man schließt sie üblicher¬
empfangen st V. Mhd. empfähen, enphähen, weise an die Verbalwurzel ig. *bher- 'tragen,
entvähen, ahd. intfähan. Assimilationsform aus bringen’ an (s. gebären), was möglich, aber nicht
ent- + fangen (s. d.). Fangen ist hier in der sicher ist. Die neuhochdeutsche Form ist zu¬
allgemeinen Bedeutung '(auf-, an-) nehmen’ ge¬ sammengerückt und assimiliert worden. Zu ihr
braucht. auch Empore 'oberer Raum in der Kirche’
(mhd. auch borkirche).
empfehlen stV. Mhd. empfelhen, enphelhen.
Assimilationsform aus ent- (s. d.) und dem star¬ Empore/., s. empor.
ken Verb, das im Neuhochdeutschen sonst nur empören swV. Mhd. enbceren, anfrk. aneboren,
noch in befehlen (s. d.) auftritt. Die ursprüngli¬ zu mhd. bör 'Trotz, Aufruhr’ (nur einmal be¬
che Bedeutung ist 'jmd. etwas anvertrauen’, legt). Das Wort sieht mit seiner Bedeutung 'sich
später abgeschwächt zu 'etwas als gut Vor¬ erheben’ aus wie eine Ableitung von empor,
schlägen’. stimmt aber mit diesem nicht zusammen, da es
empfinden stV. Mhd. empfinden, enpfinden, eindeutig eine Länge aufweist. Das Wort kann
entvinden, ahd. intfindan, wie ae. onfindan Nach¬ deshalb nur auf eine Variante von böse (s. d.)
folger einer offenbar schon westgermanischen mit grammatischem Wechsel zurückgehen.
Präftgierung. Neuhochdeutsch eine Assimila¬ Nachträglich ist es aber mit empor in Verbin¬
tionsform aus ent- + finden (s. d.). Die Bedeu¬ dung gebracht worden, was sich zumindest an
tung ist also eigentlich 'herausfinden, wahrneh¬ der Schreibung zeigt.
men’, im Deutschen später eingeschränkt auf emsig Adj. Mhd. emzec, emzic, ahd. emezztg,
das Wahrnehmen seelischer Regungen. Das Ad¬ emizztg 'beharrlich, fortwährend’; zu ahd. emiz-
jektiv empfindsam wird im 18. Jh. gebildet, um 'beständig’. Am nächsten verwandt ist nisl.
ne. sentimental zu übersetzen. Beide Wörter amstr 'Anstrengung’, nnorw. ama seg 'sich an¬
waren ursprünglich positiv gemeint (etwa im strengen’ (anord. ama ist 'dauernd an jmd. her¬
Sinne von 'feinfühlig’, 'das Feingefühl berüh¬ ummachen, plagen’). Hierzu ai. ämiti 'dringt
Emulsion 178 Enkel

an, bedrängt’. Also wohl ig. *oma-, g. *am(a)- 'schreckliches Kind’). Frz. enfant m. aus gleich¬
'bedrängen, zusetzen’ als Grundlage. bedeutend 1. infäns m.jf. (wörtlich: 'der nicht
sprechen kann’), zu 1. färt 'sagen’ (s. auch in-);
Emulsion /. 'Gemenge aus zwei nicht misch¬
frz. terrible aus gleichbedeutend 1. terribilis, zu
baren Flüssigkeiten; lichtempfindliche Schicht’,
1. terrere 'schrecken, erschrecken’.
fachsprachl. Neubildung zu 1. emulsum n., dem
Etymologisch verwandt: s. diffamieren.
PPP. von 1. emulgere 'ausmelken, abmelken’, zu
l. mulgere 'melken’ (s. auch ex-). So benannt eng Adj. Mhd. enge, ahd. as. engi aus g.
nach dem trüben, milchigen Aussehen solcher *angu- (später *angwu-/ja-) Adj. 'eng’, auch in
Gemenge. gt. aggwus, anord. (>ngr, engr, ae. enge; dieses
Morphologisch zugehörig: emulgieren. aus ig. *anghü- 'eng’, auch in ai. arhhü- 'eng’,
arm. anjuk 'eng’, akslav. Qzükü 'eng’; abwei¬
en- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
chende Bildungen auch in anderen Sprachen.
deutung 'hinein, innerhalb’ (z. B. Engramm 'Er¬
Die Grundlage ig. *angh- 'beengen, einschnü¬
lebniseindruck’). Es wurde in griechischen und
ren’ liegt vor in avest. pzarhe 'zu bedrängen’,
romanischen Entlehnungen ins Deutsche über¬
gr. änchö 'ich schnüre zusammen, erdroßle’, 1.
nommen; sein Ursprung ist gr. en 'in, darin,
angere 'beengen, zuschnüren’.
hinein’. — Vor Labial lautet die Form em- (z. B.
Nndl. eng, nisl. öngur. S. Angst, bange.
Emphase, empirisch).
Engagement n. 'Einsatz, Anstellung’, sonder-
Etymologisch verwandt; 1. inter, intra, intus; zum Ety¬
mon s. in. sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
frz. engagement m., einer Ableitung von frz.
-en Suffix, s. -ern.
engager 'verpflichten (wörtlich: in Sold neh¬
-end Suffix, s. -and. men)’, zu frz. gage m. 'Pfand, Lohn’ (s. auch
endgültig Adv., s. gültig. en-), aus fränk. *waddi 'Pfand, Einsatz’. Die
Ende n. Mhd. ende m./n., ahd. enti m./n., as. Bedeutung 'Einsatz’ aus dem reflexiven Ge¬
endi m. aus g. *andija- m. 'Ende’, auch in gt. brauch 'sich verpflichten, Verpflichtung über¬
nehmen’.
andeis, anord. endi(r) m., ae. ende m., afr. enda
Morphologisch zugehörig: engagieren, engagiert', ety¬
m. Eine yo-Bildung wie ai. äntya- 'am Ende
mologisch verwandt: s. Gage. — Schirmer (1911), 53f.;
befindlich, letzt’ zu ig. *hant-, für das die Bedeu¬
Jones (1976), 309; Brunt (1983), 271-273.
tungen 'Vorderseite, Stirn, Ende’ bezeugt sind.
Vermutlich ist von 'Stirn’ auszugehen (wie in Engel m. Mhd. engel, ahd. engil, as. engil.
ahd. endi, anord. enni — also ohne grammati¬ Wie gt. aggilus, anord. engeil, ae. engel entlehnt
aus gr. ängelos 'Bote’ (evtl, unter Mitwirkung
schem Wechsel gegenüber 'Ende’, 1. antiae f.
der 1. Entlehnung angelus). Das griechische
'Stirnhaare’, air. etan, edan m. 'Stirn’). Sonst
Wort ist seinerseits wohl ein altes Lehnwort
heth. hanza Adj. 'vorn’, ai. änta- m. 'Ende,
aus einer unbekannten Sprache. Im christlichen
Grenze, Rand’, gr. änta 'gegenüber, ins Gesicht’
Wortschatz ist es eine Lehnbedeutung von hebr.
u. a.
mafäk 'Bote (Gottes)’.
Nndl. eind(e), ne. end, nschw. ända, nisl. endir. S. ent-,
S. Evangelium.
Happy-End, und.
Engerling m. Mhd. enger(l)inc, ahd. engiring
Endivie/. (= eine Salatpfianze). Im Frühneu¬
'kleiner Wurm, Made, Finne’; Verkleinerungs¬
hochdeutschen über romanische Vermittlung
form zu ahd. angar(T), mhd. anger, enger
entlehnt aus 1. intubus, intubum, intibus, intibum
'Made’. Zu einer schwer abgrenzbaren (und
n. (dass.).
kaum etymologisch einheitlichen) Sippe, die
Energie /. 'Kraft’. Im 18. Jh. entlehnt aus Wörter für 'Schlange, Aal, Wurm, Made’ liefert.
gleichbedeutend frz. energie, dieses aus spl. Semantisch am nächsten stehen (mit lautlicher
energla 'Wirksamkeit’, aus gr. energeia (dass.), Umbildung) lit. inkstiras 'Finne, Trichine’, lett.
zu gr. ergon n. 'Werk, Wirken’ (s. auch en-). anksteri 'Made, Larven, Engerlinge’, russ. ügori
Die Fortschritte der Physik des 19. Jhs. prägen Finne’; ebenfalls mit r bestehen Wörter für
das heutige Wortverständnis. 'Aal’ im Baltisch-Slavischen und vielleicht Grie¬
Morphologisch zugehörig: Energetik, energisch', ety¬ chischen: russ. ügori usw. lit. ungurys und die
mologisch verwandt: Allergie, Chirurg, Ergonomie, Li¬ gr. Glosse imberis. Ohne r: 1. anguis 'Schlange’,
turgie, Organ (usw.), Orgie', zum Etymon s. Werk. — 1. anguilla f 'Aal’, lit. angis f. 'Schlange’, russ.
W. Feldmann ZDWi (1906/07), 67; G. Schoppe ZDW uz 'Natter’, mir. escong(a) f. 'Aal’ ('Wasser¬
15(1914), 182f.
schlange’). Die östlichen Wörter für 'Schlange’
energisch Adj., s. Energie. sind ohne Nasal.
Enfant terrible n. 'jmd., der (bewußt) gegen Nndl. engerling. - Lloyd/Springer (1988IT.), I, 246f.
Konventionen verstößt, um zu schockieren’, en gros Adv., s. Gros und en-,
sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Enkel1 m. 'Kindeskind’. Mhd. eninkel, spahd.
deutend frz. enfant terrible m. (wörtlich: enikltn, enichlin; Verkleinerungsform zu ahd.
Enkel 179 Ente

ano 'Ahn" (s. Ahn), es wird also das gleiche enragiert Adj., s. en- und Rage.
Verwandtschaftsverhältnis von der anderen
Ensemble n. 'Gruppe, Zusammenstellung’,
Seite her betrachtet. Eine entsprechende Her¬
sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
kunft zeigen vermutlich die slavischen Wörter
deutend frz. ensemble m., zu frz. ensemble 'zu¬
für 'Enkel' aruss. viinukü usw. (zu einer Tief-
sammen’, aus 1. Insimul 'zugleich’, zu 1. similis
tonform von *an-). Übertragung der Verwandt¬ 'ähnlich’.
schaftsbezeichnung vom Vertreter der älteren
Etymologisch verwandt: s. assimilieren. - Jones
Generation auf den der jüngeren findet sich im (1976), 310.
Mittelhochdeutschen auch sonst vielfach mar¬
Ensilage/., s. Silo.
kiert durch das Diminutiv (z. B. Muhme 'Mut¬
en suite Adv., s. Suite und en-.
terschwester' — Mi'thme, Mühmlein 'Schwester¬
tochter’). Erklärt wird diese Erscheinung meist -ent Suffix, s. -ant.
durch den Anredewechsel (d. h. in der Anrede ent- Präfix. Es bezeichnet normalerweise die
antwortet der Verwandte mit der gleichen Trennung von etwas. Voraus liegt g. *anda-, das
Form, mit der er angeredet wird). in den präfixbetonten Nominalkomposita nhd.
Zu den älteren Ausdrücken vgl. Neffe und Tichter. — Ant- ergibt, in den unbetonten Verbalpräfigie-
E. Öhmann NPhM 66(1965), 512-519; J. Erben in: rungen ent-. Die Formen sind mhd. ent-, ahd.
FS Dam (1977), 101-113; Müller (1979), 71-119; int- u. a. (aus verschiedenen Quellen), ebenso
Ruiperez (1984), 35-41, 106f., 119-121; Lloyd/ as. ant-, afr. und-, ond-, ae. and- (gegenüber o<5-,
Springer (1988ff.), 1, 258-261. aber mit der Variante on-, die für beides stehen
Enkel2 m. 'Fußknöchel’, reg. Mhd. enkel, kann, und dem ahd. int- funktionell entspricht),
ahd. anhala, enkil; Weiterbildung (evtl. Diminu¬ gt. and- (gegenüber in-, und-, unpa-, die alle in
tiv) zu ahd. anka f 'Hinterhaupt, Glied’, mhd. ahd. int- aufgehen). Der Hauptquelle g. *anda-
anke 'Gelenk’. Außergermanisch vergleicht sich entsprechen Kasusformen von ig. *hant- (s. ent-
ai. änga- n. 'Glied’. Weitere Herkunft unklar. risch) mit der Bedeutung 'gegenüber’ in gr. änta,
E. Knetschke: Genick und Knöchel in deutscher Wort¬ lit. aht und mit anderer Endung heth. hanti, ai.
geographie (Giessen 1956), 21—24; E. Öhmann NPhM anti, gr. anti, 1. ante.
66 (1965), 512 — 519; Lloyd/Springer (1988ff.), I, S. Ende ( + ). — Lloyd/Springer (1988ff.), I, 268 — 270.
258-261.
entbehren swV. Mhd. enbern, ahd. inberan
Enklave/, '(kleines) eingeschlossenes Gebiet’, ist eigentlich das verneinte Verb heran 'tragen,
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ bringen’ (s. gebären), also eigentlich 'nicht tra¬
deutend frz. enclave, einer postverbalen Ablei¬ gen’, das zu 'nicht haben’ und schließlich 'er¬
tung von frz. enclaver 'einschließen’, zu 1. clävis mangeln’ wird. Die verbale Negation ist sekun¬
'Schlüssel’ (s. auch en-). där in der Präfixform ent- aufgegangen; die
Morphologisch zugehörig: Exklave, Konklave; etymo¬ starke Flexion ist in nachmittelhochdeutscher
logisch verwandt: s. Klausur. Zeit der schwachen gewichen.
en masse Adv., s. Masse und en-, entblöden swV., arch. Nur in der Wendung
sich nicht entblöden 'sich nicht scheuen’. Die
en miniature Adv., s. Miniatur und en-,
Wendung lautet ursprünglich (17. Jh.) sich ent¬
enorm Adj. 'außergewöhnlich, außerordent¬ blöden etwas zu tun 'seine Blödigkeit aufgeben,
lich’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend sich getrauen’. Da die Wendung schon bald
frz. enorme, dieses aus 1. enörmis (dass.; wört¬ nicht mehr verstanden wurde, kamen negative
lich: 'von der Norm abweichend’), zu 1. nörma und positive Formulierung durcheinander.
'Regel, Norm’ (s. auch ex-). Zunächst in der
entdecken swV. Mhd. endecken, ahd. intdek-
Gerichtssprache für übermäßige Vergehen,
ken bedeutet eigentlich 'aufdecken’ und wird
dann Verallgemeinerung der Bedeutung und Be¬
zunächst in diesem konkreten Sinn verwendet.
deutungsverbesserung.
Dann 'jmd. etwas entdecken’ für 'mitteilen’ und
Morphologisch zugehörig: Enormität', etymologisch schließlich (vielleicht unter dem Einfluß von
verwandt: Norm. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
frz. decouvrir) 'auffinden’.
67; W. J. Jones SN 51 (1979), 257.
Ente /. Mhd. ant, ahd. anut, as. anad (in
en passant Adv., s. passieren und en-.
Ortsnamen) aus g. *anuöi- f. 'Ente’, auch in
Enquete f. 'Kommissionsuntersuchung, Um¬ anord. pnd, ae. ened; dieses aus ig. *ondt- f.
frage’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. 'Ente’ (oder anderer Wasservogel), auch in ai.
enquete 'Nachforschung, Umfrage’, dieses über äti-, gr. nessa (aus *natjd), lit. äntis, kslav. Qty,
spätlateinische Zwischenstufen zu 1. inqulrere 1. anas. Die altindische Form ist allerdings laut¬
'nachforschen’, zu 1. quaerere 'suchen’ (s. auch lich mehrdeutig und semantisch nicht ausrei¬
in-). chend bestimmbar; sie kann auch zu Eider
Etymologisch verwandt: s. Inquisition. (s. d.) gehören. Der Mittelvokal in den germani-
Entente 180 entrisch

sehen Formen ist unklar, da er eigentlich hätte positionen in und gegen (s. d.), vgl. ae. ongeagn,
schwinden müssen. Aus einer Variante mit -i- ongean. Das Vorderglied wird später lautlich an
stammt die Form ahd. enita, die später für die das Präfix ent- angeglichen.
Hochsprache bestimmend geworden ist. Ente Enthusiasmus m. 'Begeisterung’. Im Frühneu¬
'Zeitungslüge’ ist eine Fehnbedeutung zu frz. hochdeutschen entlehnt aus gr. enthousiasmös
canard m. im 19. Jh. 'Gottesbegeisterung’, einem Abstraktum zu gr.
Nndl. eend, nschw. and, nisl. Und. — W. Feldmann entheos 'gottbegeistert’, zu gr. theös m./f. 'Gott’.
ZDW 13 (1912), 286f.; A. J. Storfer: Wörter und ihre Das Wort meint im Griechischen in der meta¬
Schicksale (Wiesbaden, Zürich 1981), 82 — 87; Lloyd/
physischen Anthropologie zunächst das Durch¬
Springer (1988ff.), I, 291-293.
drungenwerden der menschlichen Existenz vom
Entente /. 'Staatenbündnis’, fachspraehl. Im Heiligen, später in christlichen Zusammenhän¬
Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ gen die ekstatische Gottesverehrung, dann auch
tend frz. entente (wörtlich: 'Absicht’), dieses (pejorativ) religiöses Schwärmertum. Seit dem
über frühromanische Zwischenstufen aus 1. in- 18. Jh. Säkularisierung und Verallgemeinerung
tendere (animum) 'auf etwas achten, lenken, der Bedeutung unter Verlust des ursprünglichen
richten, wenden’, zu 1. tendere 'spannen, aus¬ Benennungsmotivs.
strecken’ (s. auch in-). Dazu Entente cordiale
Morphologisch zugehörig: Enthusiast', etymologisch
(wörtlich: 'herzliches Einverständnis’) als Be¬ verwandt: s. Atheismus. — W. Feldmann ZDW
zeichnung für die bündnisähnlichen Beziehun¬ 8 (1906/07), 67; W. Horn ASNSL 181 (1942), 110f.;
gen zwischen England und Frankreich nach W. Krauss WZUH 19(1970), 91-100; S. I. Tucker:
1904 (zur Verständigung über die nordafrikani¬ Enthusiasm (London 1972).
schen Kolonialfragen). entlang Adv./Postp. Im 19. Jh. aus dem Nie¬
Etymologisch verwandt: s. Tenor. derdeutschen entnommen, wo es aus der Präpo¬
Enterich m. Mhd. antreche, ahd. anutrehho, sition in und lang 'längs’ zusammengerückt ist.
mit Rücksicht auf me. drake, ndd. dräke, hd. In norddeutscher Umgangssprache bleibt ent-
(dial.) drache (thür.), (t)rech (schwz.) als *anut- häufig weg.
trehho aufzufassen. Lautlich ist das Wort neu¬ entpuppen swV. reß. Seit dem 19. Jh. nur in
hochdeutsch an die Männernamen auf -rieh an¬ übertragener Bedeutung (eigentlich vom
gelehnt worden, und das vermeintliche Suffix Schmetterling: von der Puppe zum Schmetter¬
-erich ist beschränkt produktiv geworden (Gän¬ ling werden).
serich, zunächst scherzhaft Mäuserich usw., s.
entraten stV. 'entbehren’, arch. Mhd. enträ-
-[e]rich). Die Herkunft des Wortes ist nicht
ten, aber auch in gleicher Bedeutung geraten.
ausreichend geklärt.
Mhd. rät ist unter anderem 'Abhilfe’, mhd. rät
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 293-295.
hän eines dinges bedeutet nicht nur 'Abhilfe
entern sxvV., fachspraehl., ndd. Einerseits für wissen’, sondern auch 'entbehren’; von da aus
'ein feindliches Schiff besteigen’, andererseits Rückwirkung auf das starke Verb.
für 'in die Takelung klettern’, entlehnt aus nndl.
entrinnen stV. Mhd. entrinnen, ahd. intrinnan
enteren seit dem 15. Jh. Dieses geht auf frz.
ist in seiner Bedeutung sicher von rinnen (s. d.)
entrer zurück, das seinerseits aus 1. inträre 'ein-
beeinflußt worden (also 'wegrinnen’), ursprüng¬
treten, hineingehen’ stammt.
lich aber mit Sicherheit ein anderes Verb. Der
Entertainer m. 'Unterhalter’, sonderspracht. Anlaut ist näher bestimmbar durch ahd. ab-
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. trunni, as. abdrunnig 'abtrünnig’, doch scheint
entertainer, einem Nomen agentis zu e. entertain der Vergleich mit trennen (das allerdings nicht
'unterhalten’, aus frz. entretenir (dass.), zu frz. ohne weiteres herangezogen werden kann, s. d.)
tenir 'halten’ (s. auch inter-), aus 1. tenere auf g. *tr- zu weisen. Auffällig ist die Ähnlich¬
(dass.). Die Bedeutungsentwicklung ist geprägt keit mit gr. apodidräskö, apodidreskö 'ich laufe
von einer systematischen Mehrdeutigkeit 'Un¬ weg , was für (in diesem Fall anzusetzendes) g.
terhalt’ und 'Unterhaltung’; letzteres ergibt *trenn-a- voreinzelsprachl. *dr-na- mit Ablaut¬
sich, als man darunter nicht nur die Bewirtung entgleisung voraussetzen würde.
von Gästen (o. ä.) versteht, sondern auch die S. auch abtrünnig.
bei solchen Gelegenheiten geführten Gespräche
entrisch Adj. 'unheimlich’, bair-österr. Mhd.
(„Unterhaltungen“) usw.
entrisch, ahd. entrisc 'uralt, altertümlich’. Zu ig.
Morphologisch zugehörig: Entertainment; etymolo¬
gisch verwandt: s. Tenor. *hant- 'Vorderseite’ gehört die Bedeutung 'vor’
und daraus abgeleitet 'früher, alt’ (wie in 1.
entfachen swV., s. fachen.
antTquus). Sie wird im Germanischen gespiegelt
entgegen Adv. Mhd. engegen, ahd. ingagan(i), durch eine Komparativform *andiz- 'früher’ in
ingegin, angegini, as. ange(g)in aus einer schon anord. endr 'wieder, früher’, ae. end 'vorher’,
westgermanischen Zusammenrückung der Prä¬ ahd. enti 'früher’, semantisch abweichend gt.
entrückt 181 Enzyklopädie
andiz-uli 'entweder’. Hierzu als Weiterbildung entwickeln swV. Im 17. Jh. gebildet unter dem
das deutsche Adjektiv. Einfluß von 1. e.xplicäre, frz. evoluer. Deshalb
S. ent- ( + ). fast nie in der wörtlichen Bedeutung 'aufwik-
entrückt Adj. (PPrät.), s. entzücken. keln’ gebraucht, sondern zunächst 'einen Ge¬
danken entwickeln’, 'ein Rätsel lösen’, 'etwas
entrüsten swV. Mhd. entrüsten heißt eigentlich
nachprüfen’. Das Reflexivum weitet dann sei¬
'die Rüstung ausziehen. abnehmen’, übertragen
nen Anwendungsbereich zu 'sich allmählich
'aus der Fassung bringen’.
herausbilden’.
S. rüsten (+).
entwischen swV, ugs. Mhd. entwischen, ahd.
entscheiden stV. Mhd. entscheiden, zunächst
intwisken, eigentlich 'wegstreifen’. Von der Tä¬
von der richterlichen Entscheidung u. ä., also
tigkeit mit sächlichem Objekt übertragen auf
'die Aussagen, Ansichten usw. voneinander
die intransitiv erfaßte Handlung von Personen.
trennen, um zur richtigen Ansicht zu kommen’.
Im Neuhochdeutschen abgeschwächt und ver¬ entziffern swV. Präfigierendc Ableitung zu
allgemeinert. Ziffer (s. d.) in der Bedeutung 'unbekanntes
S. scheiden ( + ). oder schlecht lesbares Schriftzeichen’ nach dem
Vorbild von frz. dechiffrer, zu frz. chiffre. Be¬
entschlagen swV. in sich einer Sache entschla-
zeugt seit dem 18. Jh.
gen 'sich innerlich von etwas frei machen’, arch.
Mhd. entsiahen. Ursprünglich 'herausschlagen’ entzücken swV. Mhd. en(t)zücken, eigentlich
(etwa Feuer aus dem Stein u. ä.). Dann übertra¬ 'wegziehen, wegreißen’ (zu zucken, zücken,
gen für 'freimachen, loslösen’, worauf die heu¬ s. d.). Dies wird im konkreten Sinn gebraucht,
tige, abgeschwächte Bedeutung beruht. erhält aber in der Mystik (wie verzückt, entrückt
u. ä.) die Bedeutung 'in Ekstase bringen, kom¬
entschließen st V. Mhd. entsliezen, ahd. intslio-
men’. Meist werden nur Partizip und Infinitiv
zan bedeutet ursprünglich 'aufschließen’, auch
verwendet. Dann Übertragung auf die irdische
bei reflexivem Gebrauch. Seit frühneuhoch¬
Liebe (jemanden entzücken) und schließlich all¬
deutscher Zeit bildlich in heutigen Sinne, ur¬
gemein für 'jmd. erfreuen’.
sprünglich mit Genitiv, dann mit zu konstruiert.
entzwei Adj. Mhd. enzwei, ahd. in zwei, also
entsetzen swV. Mhd. entsetzen 'außer Fassung
zusammengewachsen aus in zwei (Teile) mit
bringen’ zu mhd. entsitzen stV. 'außer Fassung
nachträglicher Angleichung an das Präfix ent-.
kommen’. Zu vergleichen ist etwa außer sich
sein. enumerieren swV., s. Nummer.

entsprechen st V. Das Wort ist im Sinne von -enz Suffix, s. -anz.


'gemäß sein’ eine Lehnbedeutung zu frz. re- Enzian m.(= eine Gebirgspflanze mit glocki¬
pondre 'antworten, etwas entsprechen’, denn gen Blüten). Im Althochdeutschen (ahd. eneiän,
das Wort hatte mittelhochdeutsch (süddeutsch) eneiäne /.) entlehnt aus gleichbedeutend 1. gen-
die Bedeutung 'antworten’. tiäna f.
enttäuschen swV. Im 19. Jh. als Ersatzwort Enzyklika /., 'päpstliches Rundschreiben’,
für frz. desabuser und detromper gebildet. Es fachsprachl. Neubildung zu spl. encyclios 'einen
bedeutet eigentlich 'aus einer Täuschung her¬ Kreis bildend’, di’eses aus gr. enkyklios 'kreisför¬
ausreißen’, wird aber heute nur noch im negati¬ mig, allgemein’, zu gr. kyklos m. 'Kurs,
ven Sinn 'einer Erwartung nicht entsprechen’ Kreislauf’ und gr. en 'in’.
benützt. Etymologisch verwandt: s. Zyklus.
entweder Konj. Mhd. eintweder, ahd. ein we¬ Enzyklopädie /. 'umfassendes Nachschlage¬
der, as. endihweöar; zunächst zu wg. *hwedera- werk’, sonder spracht. Im 16. Jh. entlehnt aus
'welcher von beiden’ (s. weder). Im Yorderglied gleichbedeutend frz. encyc/opedie, dieses aus
steht ein1 (s. d.), der Dental ist wohl ein Gleit¬ neo-1. encyclopaedia 'Grundlehre der Wissen¬
laut. Gemeint ist also: 'eines von beiden: A oder schaften und Künste’, aus gr. enkyklopaideia
B’, woraus nach heutigem Verständnis 'entwe¬ (dass.), zu gr. enkyklios 'kreisförmig, allgemein’
der A oder B’. (zu gr. kyklos m. 'Kreis’) und gr. paideia 'Lehre,
entwerfen st V. Mhd. entwerfen, zunächst Ausbildung’, letzteres zu gr. pais (-idös) m./f.
'künstlerisch ausführen’ (Malerei, Einlegen, 'Kind’. Das Wort meint zunächst Universalwis¬
Sticken, Aufnähen usw.); Benennungsmotiv un¬ sen (bei den Sophisten) bzw. das dem wirklichen
klar. Später unter dem Einfluß von 1. pröiectäre Studium zugrundeliegende propädeutische Wis¬
und frz. projeter vom Hinwerfen einer schnel¬ sen. In der Neuzeit versteht man darunter Repe¬
len, flüchtigen Umrißzeichnung gesagt. titorien und Lehrwerke, in denen das Wichtigste
S. Singer ZDW 4(1903), 127; E. Schröder ZDA aus der Fachliteratur in Kurzfassung zusam¬
68 (1931), 283f. mengetragen ist, bis im 18. Jh. unter dem Ein-
Epaulett 182 Epos

fluß der französischen Enzyklopädisten die Be¬ gr. epi Präp. 'auf, darüber’. Im Griechischen
deutung 'umfassende Sammlung des verfügba¬ eine Aufschrift auf Kunstgegenständen, die
ren Wissens’ entsteht. diese (oft pointenhaft) beschreibt und erklärt.
Morphologisch zugehörig: Enzyklopädist; etymolo¬ Morphologisch zugehörig: Epigraph; etymologisch
gisch verwandt: s. Zyklus und Pädagogik. — J. Hen- verwandt: s. Grammatik. Ersatzwort ist Sinngedicht.
ningsen AB 10 (1966), 271 —357; U. Dierse: Enzyklopä¬ - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 67.
die (Bonn 1977).
Epilepsie /. 'Fallsucht’, fachsprachl. Entlehnt
Epaulett «., Epaulette /. 'Achsel-, Schulter¬ aus gleichbedeutend 1. epilepsia, dieses aus gr.
stück der Uniform, Schulterschutz’, fach- epilepsis (dass., wörtlich: 'Ergreifen’), zu gr. epi-
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend lamhänein 'erfassen, überfallen’, zu gr. lamhä-
frz. epaulette /., einem Diminutivum zu frz. nein 'fassen, nehmen’ und gr. epi Präp. 'auf,
epaule f. 'Achsel, Schulter’, aus 1. spatula f. darüber’.
'Schulterblatt, (wörtlich: Löffel)’, einem Dimi¬ K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 390.
nutivum zu 1. spatha f. 'Löffel, Spatel’, aus
Epilog m. 'Nachruf, Nachspiel’, fachsprachl.
gr. späthe f. (dass., wohl auch: 'Schulterblatt’).
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. epilo-
(Vgl. die Übertragung der Bezeichnung des Kör¬
gus, dieses aus gr. epilogos (dass.), zu gr. lögos
perteils zu der des Kleidungsstücks bei Ärmel.)
'Sprechen, Rede’ und gr. epi Präp. 'nach’.
Etymologisch verwandt: s. Spachtel ( + ).
Etymologisch verwandt: s. analog.
epi- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
deutung 'daneben, darüber, darauf’ (z. B. Epi¬ episch Adj., s. Epos.
gramm). Es geht zurück auf gr. epi 'auf, darauf, Episkopat n., s. Bischof.
hinauf, neben, nach’. — Die Form vor Vokal Episode/. '(unbedeutendes) Ereignis’, sonder¬
lautet ep- (z. B. epagogisch), vor /h/ erscheint sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
es als eph- (z. B. ephemer).
frz. episode, dieses aus gr. epeisödion n. 'einge¬
Etymologisch verwandt: ob2. schobene Dialogteile, (wörtlich: Hinzukom¬
Epidemie /. 'Massenerscheinung, Massener¬ mendes)’, zu gr. hodös 'Gang, Weg’, gr. epi
krankung’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ Präp. 'hinzu’ und gr. eis Präp. 'hinein’. Zu¬
tend ml. epidemia, dieses aus gr. (dor.) epidämos nächst Bezeichnung des im frühen griechischen
'im Volk verbreitet’, zu gr. demos m. 'Volk’ und Theater zum Chor hinzukommenden Dialogs.
gr. epi Präp. 'dazu, dabei; auf, an, bei, etc.’. Als der Dialog eine immer größere Rolle spielt,
Etymologisch verwandt: s. Demokratie. — K.-H. entwickelt sich die Bedeutung hin zu 'Neben¬
Weinmann DWEB 2 (1963), 390. handlung’, dann auch Verallgemeinerung zu
Epigone m. 'Nachahmer, unbedeutender 'unbedeutendes Ereignis’.
Nachfolger’, sondersprachl. Im 19. Jh. entlehnt Etymologisch verwandt: s. Methode.
aus gr. epigonoi '(wörtlich:) Nachgeborene’, zu
Epistel/. 'Sendschreiben, Teil der christlichen
gr. gignesthai 'entstehen’, das mit 1. genus n.
Liturgie’, fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen
'Geschlecht, Art’ verwandt ist, und gr. epi Präp.
(mhd. epistole) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
'nach’. Der neuzeitliche Wortsinn geht auf die
epistula, epistola, dieses aus gr. epistole (dass.,
Bezeichnung einer bestimmten Gruppe von
wörtlich: 'Übersandtes’), zu gr. epistellein 'zu¬
Nachfahren in einer griechischen Sage zurück:
schicken’, zu gr. stellein 'schicken, fertigma¬
die Söhne der sieben Helden, die im Kampf um
chen’ (s. epi ) und gr. epi Präp. 'nach, über’.
das mächtige Theben unterlegen waren. Einige
Als Bestandteil der Liturgie eigentlich 'Lesung
Jahre nach dem Tod ihrer Väter ziehen sie aus,
aus den Briefen’.
um diese zu rächen. Sie können Theben zwar
erobern, aber was sie zerstören, ist eine in der Epoche/. 'Zeitraum’. Im 18. Jh. über romani¬
Zwischenzeit schwach gewordene Stadt, deren sche Vermittlung entlehnt aus gr. epoche 'Ge¬
Einwohner auf einen Seherspruch hin in der stirnposition, fester Zeitpunkt, (wörtlich: An¬
Nacht zuvor geflohen waren. Von dieser Ge¬ halten)’, zu gr. epechein 'an-, festhalten’, zu gr.
schichte aus dann Verallgemeinerung der Be¬ echein 'halten’ und gr. epi Präp. 'an’. Das Wort
deutung. meint einen bestimmten Zeitraum, der (in der
Morphologisch zugehörig: epigonal; etymologisch ver¬ Regel) mit einem besonderen Ereignis beginnt.
wandt: s. Genus. - M. Windfuhr AB 4(1959), Etymologisch verwandt: s. Schema.
182-209.
Epos n. 'erzählende Dichtung’, fachsprachl.
Epigramm n. 'Sinn-, Spottgedicht’, fach- Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. epos,
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend dieses aus gr. epos (dass.), zu gr. ep-, dem
1. epigramma, dieses aus gr. epigramma (dass.; Stamm von gr. eipein 'sagen’.
wörtlich 'Inschrift, Aufschrift’), zu gr. grämma Morphologisch zugehörig: Epik, episch', zum Etymon
'Geschriebenes’, zu gr. graphein 'schreiben’, und s. erwähnen. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 67.
Eppich 183 Erbe

Eppich m., reg. Mhd. epfich «., ahd. ephih m./ gangsbezeichnungen, z. B. Arbeiter, Bohrer,
n-(?), mndd. eppe, md. eppe, eppich, also in Seufzer). In alter Zeit bei Bildungen aus Sub¬
mitteldeutscher oder mittelniederdeutscher stantiven, dann mehr und mehr bei Bildungen
Form in die Hochsprache gelangt. Das Wort aus Verben (so heute fast ausschließlich). Va¬
meint die Sellerie, die im frühen Mittelalter aus rianten sind -ler und -ner. Übernommen und
Italien nach Deutschland gebracht wurde. Mit abgelöst aus lateinischen Bildungen mit dem
der Sache wurde der Name (1. apium n.) ent¬ Suffix -ärius: das teils durch -cere, teils durch
lehnt. Das lateinische Wort wird von 1. apis f -ere wiedergegeben wird; die Einzelheiten der
Biene abgeleitet als 'von den Bienen bevor¬ Verteilung sind unklar. In der Regel haben die
zugte Pflanze5 - was sachlich kaum stimmt; Ableitungen mit diesem Suffix Umlaut. Im
wohl von einer anderen Pflanze übertragen. Deutschen gleichlautend ist das Suffix zur Bil¬
Equalizer m., s. Äquator. dung von Einwohnerbezeichnungen; dieses geht
Equipage /. 'Kutsche5, arch. Im 17. Jh. ent¬ vermutlich auf *-wazön- zurück (s. Bürger).
lehnt aus gleichbedeutend frz. equipage (auch: S. -ar. - Lloyd/Springer (1988ff.), I, 326-329.
'Besatzung, Ausrüstung5), einer Ableitung von erbarmen swV. Mhd. (er) barmen, ahd.
frz. equiper '(ein Schiff) ausrüsten, mit dem (ir)barmen neben ahd. armen, as. armon, gt.
Nötigen versehen5, aus anord. skipa 'einrichten, (ga-)arman 'sich erbarmen5, eine Lehnbildung
einordnen5; wohl auch 'ein Schiff mit Ausrü¬ zu 1. miserere neben 1. miser 'arm, elend5. Die
stung und Besatzung versehen5. Von Ausrü¬ Form mit b- beruht offenbar auf einer Präfigie-
stung entwickelt sich die Bedeutung zu 'Rüst¬ rung mit ab-, wie in ae. of-earmian. Die Beleg¬
wagen eines Offiziers5, woraus dann 'herrschaft¬ lage ist aber auffällig.
liche Kutsche5 entsteht. Vgl. barmherzig. - Lloyd/Springer (1988ff.), I,
Morphologisch zugehörig: Equipe; zum Etymon s. 478-480.
Schiff. - Brunt (1983), 281. erbauen swV., arch. Mhd. mndd. erbüwen,
Equipe /. 'Mannschaft5, s. Equipage. erbiuwen, erbouwen: zunächst konkret 'zu Ende
er Pron., es Pron. Mhd. er, ez, ahd. er, iz. bauen5, dann nach dem Vorbild von 1. aedificäre
Das Maskulinum er geht zurück auf g. *eiz aus und ntl.-gr. oikodomeö geistlich gewendet.
weur. *eis, wie genau entsprechendes air. e und Hierzu erbaulich und von etwas erbaut sein.
die 1. Reliktform eis: entsprechend, ohne -s, ai. erbaulich Adj., s. erbauen.
ayäm. Im Voralthochdeutschen muß der Diph¬ Erbe1 n. 'Erbgut5. Mhd. erbe, ahd. er bi, as.
thong zu e2 kontrahiert und dann gekürzt wor¬ erbi aus g. *arbija- n. 'Erbe5, auch in gt. arbi,
den sein (vgl. daß ahd. er im Gegensatz zu iz ae. i(e)rfe, yrfe, afr. erve; entsprechendes
und es nie in Enklise seinen Vokal verliert). anord. erfi bedeutet 'Leichenschmaus5, entwe¬
Das Neutrum iz setzt g. *it, ig. *id fort. Das der durch eine aus der Situation der Totenfeier
Pronomen bestand ursprünglich aus einem verständliche Bedeutungsverschiebung (z. B.
Stamm *e- 'der5, der durch eine Partikel -i zu 'zum verwaisten Gut gehen5 = 'zum Leichen¬
einem anaphorischen Pronomen erweitert schmaus gehen5) oder sie beruht auf einer unab¬
wurde. Deshalb erscheinen in den indogermani¬ hängigen Bildung aus der gleichen Grundlage.
schen Sprachen Stämme mit e und mit i neben¬ Außergermanisch vergleicht sich genau air.
einander. orb(b)a n./m. 'Erbschaft5 aus *orbhijo-\ dane¬
S. auch Identität, ihm, ihn. ihr2. — Zu den Einzelheiten ben ohne y-Suffix air. orb(b) m. 'Erbschaft,
vgl: Seebold (1984), 58-73, 79-84. Erbe5, entsprechend zu anord. arfr m. 'das Erbe5
er- Präfix. Mhd. er-, ahd. ar- (Tatian), ir- und als «-Stamm arfi m. 'der Erbe". Diese gehö¬
(Otfrid), er- (Notker) entspricht gt. us- und ren zunächst zu ig. *orbho- 'verwaist5 in gr.
führt damit auf g. *uz- zurück. Die übrigen orpho- (in Komposita), gr. orphanös, orphanikös
Sprachen haben in seiner Funktion ä-. In Nomi¬ 'verwaist5, arm. orb 'Waise5, 1. orbus 'beraubt,
nalverbindungen mit betontem Vorderglied verwaist5. Die Bedeutung 'Erbe5 geht dabei da¬
steht ahd. mhd. ur- (vgl. Urteil — erteilen). Die von aus, daß das 'Erbgut5 als 'verwaistes Gut5
Partikel bedeutet eigentlich 'aus5 und ist am bezeichnet wird; ähnlich gehört zu *ghero- 'ver¬
ehesten eine Parallelbildung zu g. *üt- 'aus5 waist, beraubt5 (vgl. gr. chira f. 'Witwe5) die
(*ud- neben *ud-s-). Als Präfix bildet sie vorwie¬ Bedeutung 'Erbgut5 in gr. cheröstai m. 'Seiten¬
gend inchoative Verben (die den Anfang einer verwandte, die einen Verstorbenen mangels nä¬
Handlung bezeichnen). Mundartlich ist durch herer Verwandter beerben5 und 1. heres (-edis)
Assimilation im Satzzusammenhang die südod. m. 'der Erbe5. Weitere Anschlüsse sind unsicher.
Variante der- entstanden. In Frage kommen einerseits ai. ärbha- 'klein,
S. ur-. — T. Ahlden: der- = er- (Göteborg 1953). schwach, Kind5, andererseits heth. harp- 'abson-
-er Suffix (zur Bildung von Nomina agentis dem5 (mit unklaren semantischen Weiterun¬
und Gerätebezeichnungen, selten auch Vor¬ gen); beides zugleich ist wohl aus semantischen
Erbe 184 Erdschocke

Gründen ausgeschlossen. Falls das hethitische orbaind 'Korn’), gr. örobos m., erebinthos m.
Verb die Grundlage zeigt, ist von ig. *horbh- 'Kichererbse’. Vermutlich entlehnt aus einem
auszugehen. Da finn. orpo 'Waise’ wohl aus alten vorindogermanischen Wanderwort. Bei
dem Germanischen entlehnt ist, wird g. *arba- anord. ertr PI. 'Erbsen’ ist umstritten, ob es aus
ursprünglich diese Bedeutung gehabt haben; ist dem Altsächsischen entlehnt ist oder mit den
dann aber von anderen Wörtern verdrängt wor¬ deutschen Wörtern zusammen auf eine ältere
den, bzw. im Nordischen zu der Bedeutung Stufe zurückgeht.
'Erbe’ übergegangen. Die morphologischen Hoops (1911/19), I, 622 — 624; Lloyd/Springer
Einzelheiten bleiben unklar. (1988ff.), I, 308-311.
Nschw. arv, nisl. arfur. S. Erbe2, Ganerbe. — O. Gron- Erbsünde /. Mhd. erbesünde, Lehnüberset¬
vik: The wordsfor ’heir’, ’inheritance’ and funeralfeast' zung von 1. peccätum hereditärium n. für die
in early Germanic (Oslo 1982).
Sünde, die die Menschheit von Adam geerbt
Erbe2 m. Mhd. erbe, ahd. erbo, mndd. erve n. hat.
aus g. *arbijön m. 'der Erbe’, auch in gt. arbja,
Erchtag m., s. Ergetag.
runen-nord. arbija-, afr. erva. Nomen agentis
zu Erbe n., entsprechend zu air. orb(b)am m./ Erdapfel m. 'Kartoffel’, reg. In dieser Bedeu¬
n., comarb(b)ae. Die ältere Ausdrucksweise (die tung seit dem 17. Jh.; mhd. ertapfel, ahd. erd-
unter Umständen nicht genau dasselbe bedeu¬ aphul bezeichnte andere Früchte, die im oder
tet) ist 'Erbnehmer’, vgl. zu nehmen gt. arbi- auf dem Boden wachsen, wie Cyclamen, Kürbis,
numja, ae. irfenuma, ahd. erbinomo und außer¬ Melone und Gurke (Lehnübersetzung von 1.
germanisch gr. kleronömos (zu gr. kleros 'Anteil, mälum terrae). Die Übertragung der Bezeich¬
Erbgut’), anders anord. arftaki und wieder an¬ nung auf die Kartoffel ist in Europa weit ver¬
ders 1. heres (-edis) und ai. däyädä- 'Erbe’ (zu breitet (vgl. etwa frz. pomme de terre /.). In
ai. däyä- 'Anteil, Erbschaft’) zu einem *ad- 'neh¬ Deutschland ist teilweise der Erdapfel von der
men’ oder zu *dö- mit einem Präfix. Im übrigen Grund- (Erd-, Boden-) Birne unterschieden wor¬
vgl. ErbeL den. In diesem Fall bezeichnet Erdapfel die To¬
pinambur-Knolle, Grundbirne die länglichere
Erbfeind m. Mhd. erbevint ist eigentlich der
Kartoffel.
Teufel, dessen Feindschaft die Menschheit mit
der Erbsünde (s. d.) geerbt hat. Dann übertra¬ S. Kartoffel ( + ). — Seebold (1981), 213 — 215.
gen auf die Türken in den Türkenkriegen, und Erdbirne /., s. Erdapfel.
schließlich auch auf die Franzosen (schon im Erde/. Mhd. erde, ahd. erda, as. ertha aus g.
16. Jh., dann vor allem im 19. Jh.). *erpö f 'Erde’, auch in gt. airpa, anord.jprö, ae.
F. Behrend: Altdeutsche Stimmen (Berlin 1916), 7—25. eorpe, afr. erthe. Außergermanisch mit gleicher
Erblasser m. 'der nach seinem Tod ein Erbe Bedeutung gr. era (Glossenwort; weiter verbrei¬
hinterläßt’, fachsprachl. Seit dem 16. Jh. belegte tet ist gr. eräze 'auf die Erde, zur Erde’), arm.
Zusammenbildung aus mhd. daz erbe län 'das erkir 'Erde’ und innerhalb des Germanischen
Erbe hinterlassen’ als Verdeutschung von 1. ahd. ero m. Weitere Verknüpfungen sind unsi¬
testätor; zunächst nur von demjenigen, der ohne cher.
Testament ein Erbe hinterläßt, danach verallge¬ Nndl. aarde, ne. earth, nschw. jord, nisl. jörö. S. auch
meinert. irden, irdisch. — Zu Erde als Terminus der Mineralogie
Pfaff (1933), 29f. und Chemie vgl. Lüschen (1968), 214f.

erbosen swV. Erst seit dem 17. Jh. sicher be¬ erden swV. 'mit der Erde verbinden’, fach¬
zeugt. Von den Sprechern auf böse (s. d.) bezo¬ sprachl. Fachwort der Telegraphenbauer und
gen und von diesem in der Bedeutung beein¬ Starkstromtechniker seit dem 19. Jh.
flußt; aber kaum von ihm abgeleitet. Vgl. me. Erdgeschoß n., s. Parterre.
boosten, ne. boast 'prahlen’, das sich mit erbosen
Erdkunde /., s. geo- und Graphik.
auf 'aufblasen o. ä.’ vereinigen läßt und wohl
in den Zusammenhang der unter Bauseh aufge¬ Erdnuß /. Früher (mhd. ertnuz, ahd.
führten Lautgebärden gehört. erdfhjnuz) Bezeichnung für verschiedene Knol¬
lengewächse, ähnlich wie Erdapfel. Seit dem 18.
Erbse /. Mhd. erbiz, areweiz, arwtz, arwls
Jh. auf eine exotische Frucht übertragen, die
u. ä., ahd. araw(e)iz, as. er(iw)it aus vor-d.
eigentlich nicht eine Nuß, sondern Samen eines
*arw(a)-(a)itö f 'Erbse’. Das Wort ist sicher
Schmetterlingsblütlers ist (dessen Samenhülsen
entlehnt; es ist aber nicht klar, auf welcher
sich in die Erde senken).
Stufe. Falls alt, so kann man ein Hinterglied g.
*ait- ablösen, das sich mit ae. äte 'Hafer’, ne. erdrosseln swV. Im 17. Jh. aus Drossel2
oats vergleichen läßt und das 'Korn’ bedeutet 'Kehle’ abgeleitet (s. d.).
haben könnte. Das Vorderglied wäre vergleich¬ Erdschocke f. Sekundäre (regionale) Umge¬
bar mit 1. ervum n. 'Hülsenfrucht’, (evtl. mir. staltung von Artischocke (s. d.).
ereignen 185 erklecklich

ereignen swV. Älter eräugen, ahd. irougen 'vor reichbar, tunlich’. Das Wort dient dann in der
Augen stellen’, eine (Präfix-) Ableitung zu ahd. Sprache der Juristen und der Kanzleien zur
ouga 'Auge’. Die Nebenform auf -nen und die Wiedergabe von 1. releväns 'relevant’ (eigentlich
Entrundung sind regional und haben sich viel¬ 'schwer genug, um die andere Waagschale zu
leicht durch den sekundären Anschluß an eigen heben’). Von dort aus wird es gemeinsprachlich.
durchgesetzt. A. Götze ZDW 11 (1909), 254-260.
Eremit m. 'Einsiedler’, sondersprachl. Im 18. erholen swV. Mhd. erholn, ahd. irholön ist
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. eremita und ursprünglich nur ein verstärktes holen (s. d.).
frz. ermite, aus gr. eremites (dass.), einer Ablei¬ Im reflexiven Gebrauch bekommt es frühneu¬
tung von gr. eremos 'einsam’. hochdeutsch (unter anderem) die Bedeutung
Morphologisch zugehörig: Eremitage. 'sich für etwas entschädigen’, daraus die heutige
Eren m., s. Ern. Bedeutung 'seine Kraft wiederzuerlangen su¬
chen’.
erfahren stV. Mhd. ervarn, ahd. irfaran, ur¬
sprünglich 'durchreisen’, dann 'ein Land ken¬ Erika/., fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
nenlernen’ zu allgemein 'kennenlernen’. Seit spl. erice, aus gr. ereike, erike 'Heidekraut’,
dem 15. Jh. ist das Partizip erfahren 'bewandert, das seinerseits wohl aus einer Substratsprache
klug’ bezeugt. entlehnt ist. Die Anfangsbetonung beruht auf
einer Anlehnung an den Personennamen Erika
Erfolg m. Rückbildung des 17. Jhs. zu erfol¬
neben Erich.
gen 'erreichen, erlangen’; vielleicht unter dem
Einfluß von frz. succeder und succes. erinnern sw V. Mhd. (er) innern, inren ist abge¬
leitet von dem Raumadjektiv ahd. innaro 'der
ergattern swV, ugs. Seit frühneuhochdeut¬
Innere, innerer’ und bedeutet ursprünglich 'ma¬
scher Zeit belegt; es wird erklärt als 'durch das
chen, daß jmd. etwas inne wird’.
Gatter erwischen’ (etwa der Fuchs die Hühner),
doch ist schon in den frühesten Belegen kein erkennen swV. Mhd. erkennen, ahd. arkennen,
solcher konkreter Bezug mehr vorhanden. irkennen, mndd. erkennen. Präfigierung von
kennen (s. d.), die eigentlich den Beginn der
Ergetag m. 'Dienstag’, südod. Mhd. ergetac,
Handlung ausdrückt, vielfach aber auch als
ertac (aus *erjotag aus *arjotag). Entlehnt aus
bloße Verstärkung gebraucht wurde. Vor allem
gr. Areös hemera f. 'Tag des Ares’ (vgl. 1. dies
bei Fügungen mit als bekommt das Wort häufig
Märtis 'Tag des Mars’). Sekundäre Varianten
die Bedeutung, die heute mit anerkennen (s. d.)
sind Erchtag, Ertag und Erntag. Das Wort ge¬
ausgedrückt wird. Der weitere Sinn von 'dank¬
hört mit Pfinztag (s. d.) und dem nur ahd. phe-
bar anerkennen’ zeigt sich heute noch in er¬
rintag 'Freitag’ zu den ostgermanischen Einflüs¬
kenntlich (s. d.). Weitere spezielle Anwendungen
sen auf das Bairische. sind 'Urteil sprechen’ (für recht erkennen) und
Vgl. Dienstag, Samstag. — Kranzmayer (1929), 'gutschreiben’ (für einen Betrag erkennen). Bi¬
25 — 41, 74 — 76; P. Wiesinger in: Beumann/Schröder
blisches ein Weib erkennen 'Geschlechtsverkehr
(1985), 153-200.
haben’ ist eine Lehnbedeutung aus dem Urtext
Ergonomie /. 'Wissenschaft von den Leistun¬ (1. cögnöscere 'kennen lernen, erkennen’, gr. gig-
gen und Belastungen des Menschen am Arbeits¬ noskö 'ich erkenne, lerne kennen’, die ihrerseits
platz’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus auf hebräische Vorbilder zurückgehen).
gleichbedeutend ne. ergonomics, einer neologi¬ S. auch Urkunde.
schen Kontamination aus e. economics 'Volks¬
erkenntlich Adj. Nur in sich erkenntlich zei¬
wirtschaftslehre)’ und gr. ergon n. 'Arbeit’.
gen. Das Adjektiv bedeutet eigentlich (16. Jh.)
Morphologisch zugehörig: Ergonomik; etymologisch
'erkennbar’, wird dann aber (17. Jh.) festgelegt
verwandt: s. Energie und Ökonomie.
auf Wendungen, in denen es heißt '(seine Dank¬
ergötzen swV., arch. Mhd. ergetzen, ahd. ir- barkeit) erkennbar (werden lassen)’.
gezzen; Kausativum zu ahd. irgezzan, mhd. er- S. erkennen (+).
gezzan, vergezzan 'vergessen’ (s. vergessen).
Erker m. Mhd. erker, erkeere, ärker, ärker
Ausgangsbedeutung ist also 'vergessen machen’
ist im 12. Jh. entlehnt aus nordfrz. arquiere
(Leid, Kummer, Sorge usw.). Das ö seit dem
'Schießscharte’, entsprechend einem spl. *ar-
16. Jh. als unregelmäßige Rundung.
cuarium zu 1. arcus 'Bogen’. Vom Festungsbau
erhaben Adj. (PPrät.). Das alte Partizip zu sind Sache und Wort in den Wohnungsbau
erheben, während die heutige Partizipialform übernommen worden.
erhoben nach dem Präteritum ausgeglichen ist. B. Keller: Der Erker (Diss. Zürich 1980).
erheben swV., s. heben, er-, erhaben, erheblich. erklecklich Adj., arch. Frühneuhochdeutsch
erheblich Adj. Im 16. Jh. gebildet zu erheben gebildet zu erklecken 'ausreichen, genügend’,
'durchsetzen’, zunächst in der Bedeutung 'er¬ also eigentlich 'ausreichend’. Das Verb selbst (s.
erkoren 186 Erosion

klecken) hat weit auseinanderfallende Bedeu¬ ermitteln swV. In der Bedeutung 'den Durch¬
tungen, deren Zusammenhang noch nicht aus¬ schnittswert feststellen’ ist das Wort abhängig
reichend aufgehellt ist. von Mitte, (arithmetisches) Mittel', möglicher¬
weise gehen alle Bedeutungen auf diesen Aus¬
erkoren Adj. (PPrät.), s. kiesen.
gangspunkt zurück, doch ist das Wort sicher auf
erlangen swV. Perfektive Bildung zu langen '(Hilfs-)Mittel’ bezogen worden. Im einzelnen
'nach etwas greifen, sich ausstrecken’ (s. d.). unklar.
erlauben swV. Mhd. erhüben, ahd. irlouben -ern, -en Suffix zur Bildung von Materialad¬
aus g. *uz-laub-ija- swV. 'erlauben’, auch in gt. jektiven aus Substantiven. Das gemeingermani¬
uslaubjan, ae. alyfan. Zu lieb und glauben (s. d.), sche Suffix geht auf *ina- zurück, d. h. auf ein
doch sind die morphologischen und semanti¬ «-Suffix nach Zwischenvokal -i-, der gedehnt
schen Einzelheiten unklar (ähnliche Zusam¬ wird, vgl. gt. -eins, anord. -enn, ae. -en, ahd. as.
menhänge bei 1. venia 'Erlaubnis’, das im einzel¬ -in, mhd. -en. Die Variante -ern, die sich später
nen ebenfalls unklar bleibt). Altes Abstraktum stark ausbreitet, beruht ursprünglich auf Ablei¬
zu erlauben ist Urlaub (s. d.). Die zugrundelie¬ tungen zu .y-Stämmen.
gende Sippe s. unter Laub. Ern m., auch Ähren m., Ehren m., Öhrn m.
S. auch Verlaub. — D. Wiercinski ZDPh 84(1965), 'Hausflur’, reg. Mhd. er(e)n, ahd. arin, erin n.
98f. 'Fußboden’ gilt als entlehnt aus 1. arena f. 'Sand
erlaucht Adj., arch. Mhd. erliuht (md. erlühi), (boden)’.
Partizip Präteritum zu erliuhten 'erleuchten’. Ernst m. Mhd. ern(e)st, ahd. ernust m.ln./f.,
Wie durchlaucht (s. d.) als Lehnbedeutung zu 1. as. ernisti f. aus wg. *ernusti- m. 'Ernst, Festig¬
illustris verwendet. keit, Kampf’, auch in ae. eornost/., vermutlich
S. leuchten, licht ( + ). Abstraktum zu dem Adjektiv g. *arni- in gt.
erläutern swV. Das Wort gehört zu lauter arniba 'sicher’, anord. ern 'tüchtig’. Außerger¬
(s. d.), wie erklären zu klar. manisch vergleicht sich avest. aronauu-
'(Wett-)Kampf’ zu einer schwer abgrenzbaren
Erle /., auch Eller /. Mhd. erle, ahd. erila,
Wurzel ig. *er-/or- 'sich in Bewegung setzen,
elira, as. elira, mndd. elre aus g. *alizö/., auch erregen’.
in gt. *alisa (zu erschließen aus span, aliso m. Nndl. ernst, ae. earnest.
'Erle’), anord. plr m. (mit Suffixablaut oder
Erntag m., s. Ergetag.
unregelmäßigem Einfluß von auslautendem -u
Ernte /. Mhd. ernde, ahd. arnöd m., aus wg.
aus -ö), ae. alor m. Im Deutschen sind die beiden
*az(a)nöti- f. 'Ernte’, auch in ae. ernp. Die
Liquiden l-r zu r-l umgesprungen. Die Form
mittelhochdeutsche Form entspringt dem Plural
Eller stammt aus dem Niederdeutschen. Außer¬
dieser Bildung. Es handelt sich um ein Abstrak¬
germanisch entspricht am nächsten russ. ölichä
tum zu ahd. arnön 'ernten’ oder um eine Weiter¬
'Erle’; Weiterbildungen mit n in lit. atksnis m.,
bildung (Kollektivum o. ä.) zu gt. asans f.
lett. elksnis und 1. alnus (*alisnos). Man vermu¬
'Ernte, Sommer’, anord. pnn (*aznu-) 'Feldar¬
tet als Grundlage einen Farbnamen für 'gelb,
beit’, afr. ern 'Ernte’, ahd. aren m. 'Ernte’ (die
rötlich’ nach der Farbe des Holzes.
Stammbildungen lassen sich nicht glatt vereini¬
S. Ulme, Elritze. - Th. Frings in: FS Wartburg (1958), gen). Außergermanisch vergleicht sich zunächst
239-259; O. Szemerenyi Glotta 38 (1960), 227-229.
russ. ösenl 'Herbst’ und unter Annahme eines
erledigen sw V. Mhd. erledigen, erledegen ur¬ vorausliegenden /-./«-Stammes gr. opöra f. 'Spät¬
sprünglich 'etwas ledig, frei machen’, dann all¬ sommer, Frühherbst’ aus *op-osar-ä 'Nach¬
gemein zu 'etwas zu Ende bringen’. sommer’. Zu erschließen ist also voreinzel-
S. auch ledig. sprachl. *osör/-n- 'Ernte, Spätsommer’ mit ver¬
schiedenen Weiterbildungen.
erlegen swV. In der heutigen Bedeutung
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 304—307.
'schießen’; ursprünglich ein Jägerausdruck, der
erobern swV. Mhd. (er)oberen, ahd. (ke)obe-
bis in die mittelhochdeutsche Zeit zurückgeht.
rön zu ober1 (s. d.) im Sinn von 'der Obere
Auszugehen ist von 'niederlegen’.
bleiben, Oberhand behalten’.
erliegen stV. Mhd. erligen, ahd. irliggen 'um¬
erodieren swV., s. Erosion.
kommen’; auszugehen ist von einem ähnlichen
erörtern swV. Im 16. Jh. als Lehnbildung zu 1.
Bild wie unterliegen.
determinäre 'bestimmen, untersuchen’, gebildet
Erlitz(e) m./fi, s. Elritze. zum Plural Örter = 1. termini, gr. töpoi, also
Erlkönig m., sonder spracht. Im 18. Jh. gebil¬ 'ein Urteil auf seine termini zurückführen’.
dete Zusammensetzung aus Erle (s. d.) und Kö¬ Eros m., s. erotisch.
nig (s. d.) in Anlehnung an mißverstandenes Erosion /. 'zerstörende Wirkung der Witte¬
ndd. elle(r)konge, elve(r)konge = ’Elfenkönig'. rung auf die Erdoberfläche’, fachsprachl. Ent-
erotisch 187 erwähnen

lehnt aus 1. erösio (-önis) 'das Zerfressenwer- erstatten swV. Mhd. erstaten 'hinbringen’ zu
den\ einer Ableitung von 1. erödere 'wegnagen’, Statt 'Stelle’ (s. d.). Die alte Bedeutung ist noch
zu 1. rädere 'nagen’ (s. auch ex-). mehr oder weniger erhalten in Bericht erstatten,
Morphologisch zugehörig: erodieren; etymologisch dagegen beruht die Bedeutung 'zurückgeben,
verwandt: Korrosion, räß. ersetzen’ auf Bedeutungsspezialisierung.
erotisch Adj. 'sexuell, sinnlich’. Im 18. Jh. erstehen stV, arch. Mhd. erstän, ersten, ahd.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. erotique, die¬ irstän, irstantan, wie as. (ä)stän, (ä)standan
ses aus gr. erötikös 'zur Liebe gehörig’, einer und gt. usstandan. Ein präfigiertes Verb mit
Ableitung von gr. erös, eros 'Liebe’. verschiedenen Bedeutungen. Alt ist z. B. 'auf¬
Morphologisch zugehörig: Eros. stehen’ (vgl. Auferstehung mit dem alten Ab¬
Erpel m. Übernommen aus dem Niederdeut¬ straktum mhd. urstende 'Auferstehung’). Die
schen (mndd. erpel, arpel, mndl. erpel). Es wird heutige Bedeutung des transitiven Verbs geht
vermutet, daß das Wort eigentlich eine Kose¬ zurück auf 'bestehen, überstehen, durchstehen’;
form zu einem männlichen Personennamen war besonders als Rechtsausdruck: ein Urteil, sein
(as. Erpo). Recht, eine Strafe erstehen = 'sie schließlich
bekommen’, verstanden als 'durch Stehen erlan¬
erpicht Adj. (PPrät.). Früher auch verpicht;
gen’. In diesem Sinne wurde die Verwendung
die ursprüngliche Bedeutung ist 'mit Pech fest¬
ausgedehnt bis zu 'erwerben’.
geklebt an etwas’. Das Bild ist vom Vogelfang
genommen, bei dem der Vogel an der Leimrute ersticken swV. Mhd. ersticken, ahd. arsticken,
(s. d.) oder Pechrute kleben bleibt und nicht ursprünglich Intransitivum zu dem Kausativum
mehr davon loskommt. erstecken, mit dem es sich aber schon früh ver¬
mischt hat. Man erstickt, wenn etwas in der
erquicken sw V. 'beleben’, arch. Mhd. erquik-
Kehle steckt. Davon sind die Bedeutungen aus¬
ken, erkücken. ahd. irquicken ist abgeleitet von
gegangen (s. unter stecken).
ahd. quick 'lebendig’ (bezeugt in ahd. quicken
ersuchen swV, sonder spracht. Mhd. ersuo-
'lebendig machen’) (s. keck und Quecksilber),
chen, ahd. arsuohhan in verschiedenen Bedeu¬
also eigentlich 'lebendig machen’.
tungen, die einfaches suchen verstärken. Das
Erratum n. 'Fehler, Druckfehler’, fachsprachl.
heutige 'dringend bitten’ ist seit spätmittelhoch¬
Entlehnt aus 1. errätum 'Fehler, Irrtum’, dem
deutscher Zeit bezeugt; es leitet sich her aus
substantivierten PPP. von 1. erräre 'irren’. 'jmd. aufsuchen (um ihm eine Bitte vorzu¬
Etymologisch verwandt: s. irre. tragen)’.
erschöpfen swV Mhd. erschepfen, zunächst in Ertag m., s. Ergetag.
der ursprünglichen Bedeutung 'ausschöpfen, zu
ertappen swV. In frühneuhochdeutscher Zeit
Ende bringen’. Seit dem 17. Jh. die übertragene
zu tappe 'Pfote’ gebildet, ähnlich wie 'in die
Bedeutung 'stark ermüden’ (auch reflexiv), die
Finger bekommen’.
heute vorherrscht.
eruieren swV. 'feststellen, herausfmden’, son-
erschrecken swV. In diesem Verb sind zwei
dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1.
zusammengehörige Verben aufgegangen: mhd.
eruere (wörtlich: 'herausgraben’), zu 1. ruere
erschricken, ahd. irscricken intr., wörtlich: 'auf¬
'aufwühlen, niederreißen, stürzen, rennen’ (s.
springen’, und das Kausativum dazu mhd. er¬
auch ex-).
schrecken 'aufspringen machen’. Zur Bedeutung
Etymologisch verwandt: Ruine.
vgl. auffahren u. ä.
Eruption /. '(Vulkan-)Ausbruch’,/acfeprac/i/.
erschüttern swV. Intensivum auf -r- zu mhd.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. erup-
erschüt(t)en, ahd. irscutten 'schütteln, erschüt¬
tio (-önis), einem Abstraktum zu 1. erumpere
tern’.
'ausbrechen’, zu 1. rumpere (ruptum) 'brechen’
S. schütten. (s. auch ex-).
erschwingen swV., arch. Mhd. erswingen ist Morphologisch zugehörig: eruptiv, etymologisch ver¬
zunächst einfach eine Verstärkung zu schwingen wandt: s. abrupt.
(s. d.). Der heutige Gebrauch ('etwas aufbrin¬ erwähnen swV. Mit Präfix er- erst frühneu¬
gen’) geht wohl mit Konstruktionsänderung auf hochdeutsch, vorher mhd. gewahenen, gewä-
sich erschwingen zu etwas zurück, d. h. 'sich zu hen(en) stV, ahd. giwänen stV, as. nur unklares
etwas aufschwingen’. giwegi 'suggeraf. Auffälliges Suppletiv-Para-
erst Adj. Mhd. er(e)st, erste, ahd. erist, as. digma zwischen einem schwachen Nasalpräsens
erist aus wg. *airista-, auch in ae. ehrest zu und einem starken Präteritum in der frühen
g. *air- 'früh’, das unter eher dargestellt wird Sprache. Aus etymologischen Gründen ist g.
(s. d.). *wahw-na- 'erwähnen’ vorauszusetzen, wozu
Nndl. eerst. noch anord. vättr 'Zeuge’ und vielleicht ae. wöm
erwerben 188 Eselsohr

'Lärm’. Außergermanisch vergleichen sich toch. vorausgesetzte ig. *osk- auch in gr. oxya 'Buche,
A. wak, toch. B. wek 'Stimme’, heth. huek-, Speer’, alb. ah 'Buche’, arm. ha(i 'Esche’; statt
huk- 'beschwören’, ai. vivakti 'redet, spricht’, gr. dessen eine «-Bildung in l. ornus 'wilde Berg¬
eipon 'er sagt’, apreuß. enwacke 'sie rufen an’, esche, Speer’ (*osino-), air. (h)uinnius, kymr.
air. focal, focull 'Wort, Spruch, Urteil, Verspre¬ onnen 'Esche’, russ. jäseni m. 'Esche’ (usw.),
chen’, I. vöx 'Stimme’, 1. vocäre 'heißen, nen¬ unerweitert lit. üosis m./f. (balto-slav. *ös-).
nen’, also ig. *hwequ- 'nachdrücklich sprechen’. Weitere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche
S. Epos, Vokal ( + ). Form ist aus dem Plural rückgebildet. Aus
erwerben swV Mhd. erwerben, ahd. irwerban Eschenholz wurden in alter Zeit vor allem
ist eine perfektivierende Präfigierung zu einfa¬ Speere u. dgl. hergestellt, deshalb dient der
chem werben, also etwa 'durch Bemühen errei¬ Baumname häufig zur Bezeichnung solcher Ge¬
chen’, zunächst auf spezielle Fälle bezogen, die genstände.
dem einfachen werben entsprechen, danach Nndl. esch, ne. ash, nschw. ask, nisl. askur. — Hoops
stark verallgemeinert zu 'bekommen’ (meist (1911/19), I, 631; Marzeil (1943/79), II, 486-493;
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 360 — 363. Zu möglichen
durch Geschäfte).
Verwandten in den (arischen) Kafirsprachen: R. Nor¬
Erz n. Mhd. erze, ahd. aruz m., aruzzi n./ mier Sprache 27 (1981), 22 — 29.
m. {'?), as. arut. Altes Lehnwort, das letztlich
Esel m. Mhd. esel, ahd. as. esil, wie ae.
auf sumer. urud(u) 'Kupfer’ zurückgeht. Unsi¬
e(o)sol und gt. asilus entlehnt aus 1. asinus mit
cher ist die Zugehörigkeit von anord. ortog,
Suffixersatz (wohl nicht aus dem spl. Diminuti-
ertog, certog f. 'kleine Münze, Drittelunze’, das
vum asellus), dagegen anord. asni 'Esel’ aus
auf *aruti-taugö zurückgehen kann. Mhd. erze
afrz. asne. Dem lateipischen Wort entspricht gr.
hat älteres er 'Erz’ (s. ehern) verdrängt.
önos 'Esel’ und arm. es. Es sind wohl alle drei
T. E. Karsten: Die Germanen (Berlin 1928), 196; Lloyd/
unabhängig voneinander aus einer Substrat¬
Springer (1988ff.), I, 355-358.
sprache entlehnt.
Erz-, erz- Präfix. Mhd. erz(e)-, ahd. erzi-,
Eselchen n. (= krebsartiges Tier), s. Assel.
entlehnt aus spl. archi- (mit der z-Aussprache
von k, ch), das seinerseits auf gr. archi- 'der Eselsbrücke/. Seit dem 18. Jh. belegte Lehn¬
erste, oberste’ zurückgeht. Die Entlehnung er¬ bildung zu 1. pöns asinörum m. bzw. pöns asini
folgt in Bildungen wie ahd. erzi-biscof aus 1. m. 'Brücke der Esel bzw. des Esels’. Pöns asinö¬
archiepiscopus; zu einer älteren Bildung und rum bezeichnete in der scholastischen Philoso¬
Entlehnung vgl. Arzt. Das Präfix wird dann in phie einen logischen Mittelbegriff; pöns asini
frühneuhochdeutscher Zeit auf andere Amtsbe¬ wurde in der älteren Schulsprache für einen
zeichnungen und schließlich auch auf außerhalb Lehrsatz des Euklid gebraucht. Im Deutschen
stehende Wörter übertragen, seit dem 17. Jh. ist das Wort zuerst auch nur auf den Schulbe¬
auch auf Adjektive. reich beschränkt und bedeutet 'Schwierigkeit,
S. Anarchie (+). vor der Unwissende stutzen’, dann (wie heute
nur noch) 'Gedächtnisstütze, Verstehenshilfe’;
erzählen swV. Mhd. erzein, erzeilen, ahd. irzel-
regional (süddeutsch) bezeichnet Eselsbrücke
len bedeutet ursprünglich 'aufzählen’, dann 'in
auch den mathematischen Lehrsatz des Pytha¬
geordneter Folge hersagen, berichten’, woraus
goras. Zugrunde liegt dem allem wohl die letzt¬
durch Verallgemeinerung die heutige Bedeutung
lich auf Plinius zurückgehende Volksmeinung,
entstand.
daß ein Esel keine Brücke überschreitet, wenn
S. Zahl ( + ).
er durch deren Belag das Wasser sehen kann.
erzen swV. 'mit Er anreden’, arch. Im 18. Jh. Das Stutzen des Esels vor der nur vermeint¬
nach dem Vorbild von duzen gebildet (s. d.). lichen Gefahr wurde dann offensichtlich über¬
es Pron., s. er. tragen auf nur vermeintliche Schwierigkeiten
Esch m. 'Getreideteil der Gemarkung’, reg. im Bereich der Logik und Mathematik, was
Mhd. ezzisch, ahd. ezzisc, as. ezk- aus g. *ates- dann — wohl über 'Behelf für Dumme, die vor
ka- 'Saatfeld, Flur’, auch in gt. atisk, ae. edise derartigen Hindernissen zurückschrecken’ — zu
n. eingezäunte Weide, Acker’ (Vermischung mit 'Gedächtnisstütze, Verstehenshilfe’ führte. Ent¬
ae. eodor 'Zaun’, s. Etter). Herkunft unklar, ln sprechende Bildungen sind in den meisten euro¬
Mundarten und Flurnamen verbreitet. päischen Sprachen belegt.
H. Dittmaier in: FS Steinbach (1960), 704-726; Röhrich (1973), 246f.
H. Tiefenbach in: Beck/Denecke/Jankuhn (1980),
Eselsohr n. 'umgeknickte Ecke einer
312-314.
(Buch)Seite’, ugs. Seit dem 17. Jh. belegte Zu¬
Esche/. Mhd. esch(e), auch asch m., ahd. sammensetzung aus Ohr (s. d.) und Esel (s. d.).
asc m., asca, as. asc m. aus g. *aski- m. 'Esche’, Zugrunde liegt ein Vergleich mit dem nach hin¬
auch in anord. askr m., ae. cesc m. Das hierdurch ten gebogenen Ohr eines Esels (vgl. mit ähn-
-esk 189 Esse

lichem Benennungsmotiv ne. dog’s ear, nschw. sind; zu diesem nordlit. apusis aus *op(u)si-,
hundöra mit derselben Bedeutung = eigentlich russ. osina (aus *opsi-nä). Wenn türk, apsak
Hundeohr ); im 18. Jh. ist dafür auch nur das Pappel und tschuwaschisch ewes 'Espe’ aus
Simplex Ohr belegt. einer indogermanischen Sprache entlehnt sind,
-esk Suffix. Dient der Bildung von desubstan- würde dies eine ursprünglich weitere Verbrei¬
tivischen Adjektiven, wobei es die Bedeutung tung erweisen. Weitere Herkunft unklar.
"in der Art von, wie’ zum Ausdruck bringt (z. B. P. Thieme AAMLM (1953), XI, 546-548, 550; F.
balladesk, kafkaesk) (einige Bildungen sind syn- Soter Glossa 18 (1985), 129; Lloyd/Springer (1988ff.),
chronisch unanalysierbar [z. B. burlesk, grotesk, I, 370 — 372. Über weitere mögliche Zusammenhänge
pittoresk]). Es wurde in romanischen Wörtern vgl. R. Normier Sprache 77 (1981), 22—29.
(auf it. -esco, frz. -esque) ins Deutsche über¬ Esperanto n. (= Name einer Welthilfsspra¬
nommen. che), fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs. zum
Eskalation /. 'Steigerung, Verschärfung’, son- Eigennamen Esperanto, einem Pseudonym von
dersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ L. Zamenhof, der die Grundlagen für diese
tend ne. escalation, einem Abstraktum zu e. Sprache legte (wörtliche Bedeutung; 'der Hof¬
escalade 'ausweiten, steigern’, aus frz. escalader fende’, zum Ausgangspunkt vgl. Desperado).
übersteigen’ aus ml. scalare (dass.), zu 1. scälae Espresso m. 'starker, dunkel gerösteter Kaf¬
(-ärum) PI. 'Leiter’, zu 1. scandere 'steigen, er¬ fee’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it.
steigen’. (caffe) espresso, dem PPrät. zu it. esprimere
Morphologisch zugehörig: eskaladieren. eskalieren; 'ausdrücken, hervortreten machen’, aus 1. expri-
etymologisch verwandt: s. Skala. mere (expressum) (dass.), zu 1. premere (pres-
Eskapade /. 'Seitensprung, eigenwillige sum) 'drücken’ (s. auch ex-). Bei der Zuberei¬
Handlung’, sondersprachl. Im Neuhochdeut¬ tung von Espresso wird Wasserdampf unter
schen entlehnt aus gleichbedeutend frz. esca- Druck durch das Kaffeepulver gepreßt.
pade, dieses aus it. scappata und span, escapada, Etymologisch verwandt: s. Presse.
über spätlateinische Zwischenformen (s. auch Esprit m. 'Geist, Witz’, sonder sprachl. Im 18.
ex-) zu 1. cappa 'Kopfbedeckung, Kapuzenman¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. esprit, die¬
tel’. Die Bedeutung ist zunächst 'Entkommen’ ses mit unregelmäßiger Formentwicklung aus 1.
(eigentlich: 'aus dem Mantel entschlüpfen’), wo¬ splritus 'Geist, Hauch’.
bei der Bezug zu 1. cappa wohl bereits im Spätla¬ Etymologisch verwandt: s. Spiritus. — W. Feldmann
teinischen nicht mehr gesehen wurde. ZDW 8 (1906/07), 68; Jones (1976), 318; Brunt (1983),
Morphologisch zugehörig: Eskapismus-, etymologisch 284f.
verwandt: s. Cape. — E. Öhmann NPhM 41 (1940), Essay m./n. 'Abhandlung, Aufsatz’, fach¬
36.
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Eskorte /. 'Begleitung, begleitende Bewa¬ ne. essay, dieses aus afrz. essai 'Probe, Versuch’,
chung’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend aus 1. exagium n. 'das Wägen’, einer postverba¬
frz. escorte, dieses aus it. scorta (dass.), einer len Ableitung von 1. exigere (exäctum) 'abwä-
postverbalen Ableitung von it. scorgere 'gelei¬ gen, beurteilen’, zu 1. agere (äctum) 'handeln
ten’, zu 1. corrigere 'auf den richtigen Weg füh¬ von (u. a.)’ (s. auch ex-). Die spezielle Bedeu¬
ren’ (s. auch ex-), zu 1. regere 'leiten, lenken’ (s. tung 'literarischer Versuch, Abhandlung’ geht
auch kon-). auf den Titel Essais eines Werkes von Mon¬
Morphologisch zugehörig: eskortieren-, etymologisch taigne zurück. Ins Deutsche kommt das Wort
verwandt: s. Adresse. — Jones (1976), 317; Brunt vor allem mit Essays englischer Autoren, nach¬
(1983), 283. dem es zuvor bereits vereinzelt aus dem Franzö¬
esoterisch Adj. 'abgehoben, nur für Einge¬ sischen übernommen worden war (dabei aller¬
weihte verständlich’, sonder sprachl. Entlehnt dings gerne durch Versuch ersetzt wurde). „Ver¬
aus gleichbedeutend gr. esöterikös (wörtlich: such“ soll dabei zum Ausdruck bringen, daß der
'innerlich’), zu gr. esöteros, dem Komparativ Autor zu einer ihn bewegenden Frage Stellung
von gr. eisö, esö 'innerhalb, drinnen’. nimmt, ohne dabei bereits auf jede anstehende
Morphologisch zugehörig: Esoterik, Esoteriker. Frage eine endgültige Antwort geben zu kön¬
Espe /. Mhd. aspe, ahd. aspa, mndd. mndl. nen. Die gebräuchliche Endbetonung basiert
espe aus g. *aspö f. 'Espe’, auch in ae. cesp(e), auf einer Französisierung des Wortes.
anord. psp. Der Umlaut im Neudochdeutschen Morphologisch zugehörig: Essayist, Essayistik-, etymo¬
logisch verwandt: s. Agenda.
ist offenbar nördlicher Herkunft, er könnte
vom Materialadjektiv espen herrühren (vgl. Esse /. Mhd. esse, ahd. essa aus g. *asjö f.
Esche). Eine besser vergleichbare Form ist ae. 'Esse’, auch in aschw. cesja. Außergermanisch
cepse aus *apsö, aus dem die heutigen Formen vergleicht sich 1. ära 'Brandaltar’ und heth. has-
durch Umstellung der Konsonanten entstanden sa- 'Herd, Feuerstelle’. Offensichtlich Relikte
-esse 190 Etappe

eines alten Wortes für 'Herd’, ig. *has- (oder mo(e)der, nndl. moer 'Sinkstoffe’, ne. mother
*has-, die Lautform ist nicht völlig klar). Zu 'Hefe’, die zu Moder (s. d.) gehören. Der Ge¬
weiter zugehörigen Wörtern s. unter Asche. Eine brauch des Wortes 'Mutter’ für 'Essighefe’ in
Grundlage *lras- 'brennen, braten’ kann sich einigen romanischen Sprachen (z. B. frz. mere
zeigen in 1. ärere 'trocken sein’, 1. ärdere 'bren¬ de vinaigre) beruht wohl auf Bedeutungsentleh¬
nen’ und 1. assus 'trocken, gebraten’. nung aus dem Deutschen.
Nschw. ässja. Establishment «., s. etablieren.
-esse1 Suffix. Dient der Bildung deadjektivi- Ester m. (= chemische Verbindung, die durch
scher Eigenschaftsbezeichnungen (z. B. Akkura¬ Vereinigung von Säure und Alkohol unter Was¬
tesse). Es wurde in französischen Entlehnungen seraustritt entsteht), fachsprachl. Im 19. Jh. in
ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist J. Liebigs Gießener Laboratorium entstanden
frz. -esse (dass.). als Verschmelzung aus Essig-Äther.
-esse2 Suffix. Dient der Movierung weiblicher Estrade/, 'erhöhter Boden’,fachsprachl. Ent¬
Personenbezeichungen (z. B. Baronesse). Es lehnt aus gleichbedeutend frz. estrade, dieses
wurde vornehmlich in französischen Entleh¬ aus prov. estrada (dass., wörtlich: 'Straße’), aus
nungen ins Deutsche übernommen; sein Ur¬ spl. sträta 'gepflasterte Straße (wörtlich: Hinge¬
sprung ist gr. -issa (dass.). breitete)’, zu 1. sternere (strätum) 'hinbreiten,
ausbreiten, sich erstrecken’.
essen stV. Mhd. ezzen, ahd. ezzan, as. etan
Etymologisch verwandt: s. streuen.
aus g. *et-a- stV. 'essen’, auch in gt. itan, anord.
eta, ae. etan, afr. Tta; dieses aus ig. *ed- (athema- Estrich m. Mhd. est(e)rich, est(e)rich, ahd.
tisches Verb) 'essen’ in heth. ed-, ad- 'essen, estrTh, astrih, mndd. astrak, asterik, esterik n.
entlehnt aus ml. astracus, astricus 'Estrichguß,
fressen’, ai. ätti 'er ißt’, gr. edö 'ich esse’, akslav.
Pflaster’, das seinerseits auf gr. östrakon n. 'knö¬
jasti 'essen’, lit. esti (balto-slavische Langvo¬
cherne, harte Schale von Schnecken etc.,
kale) 'essen’, air. ess, Konjunktiv zu air. ithid
Scherbe’ zurückgeht. Zur Herstellung des
'ißt’, 1. edere 'essen’. Da das indogermanische
Estrichs aus Scherben vgl. Isidor Etymologiae
Wort für 'Zahn’ (*dont-, ablautend) möglicher¬
XV 8, 11 = XIX 10, 26.
weise zugehörig ist, dürfte von einer ursprüngli¬
cheren Bedeutung 'beißen’ auszugehen sein. etablieren swV. 'begründen, sich festsetzen’.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Nndl. eten, ne. eat, nschw. äta, nisl. eta. S. Aas, atzen,
ätzen, fressen, Obst, Zahn( + ). etablir (wörtlich: 'festmachen’), aus 1. stabillre
'befestigen’, zu 1. stabilis 'fest’, das mit 1. störe
essentiell Adj., s. Essenz.
'stehen’ verwandt ist. In Etablissement 'zwie¬
Essenz /. 'Wesentliches, Konzentrat’, sonder- lichtiges (Vergnügungs-)Unternehmen’ wird das
sprachl. In mittelhochdeutscher Zeit entlehnt allgemeine Wort für „Unternehmen“ verhüllend
aus gleichbedeutend 1. essentia, einem Abstrak¬ auf bestimmte Unternehmen angewendet;
tum zu 1. esse 'sein’ nach Vorbild von gr. ousia Establishment kommt aus der englischen Ent¬
'Wesen’. Die Spezialisierung auf 'Konzentrat’ sprechung und meint die Gesamtheit derjeni¬
erfolgt in der Sprache der Alchimisten. Quintes¬ gen, die etabliert sind.
senz entwickelt sich aus der pythagoreischen Etymologisch verwandt: s. Arrest. — Schirmer (1911),
Elementenlehre, die neben die vier Elemente 56; Jones (1976), 319; Brunt (1983), 286f.
den unsichtbaren Luft- oder Ätherstoff als Etablissement n., s. etablieren.
quinta essentia (wörtlich „fünfte Essenz“) stellt. Etage/. 'Stockwerk’. Im 18. Jh. entlehnt aus
Morphologisch zugehörig: essentiell; etymologisch ver¬ gleichbedeutend frz. etage m. (älter: 'Rang, Auf¬
wandt: Absenz, interessant (usw.), Präsens (usw.), enthalt’), das über spätlateinische Zwischenstu¬
Quintessenz, repräsentieren (usw.), prosit; zum Etymon
fen zurückgeht auf 1. statio 'Aufenthalt, Stand¬
s. sein. — G. Schoppe ZDW 15(1914), 183; K.-H.
ort (usw.)’, zu 1. störe (statum) 'stehen’.
Weinmann DWEB 2 (1963), 390.
Morphologisch zugehörig: Etagere; etymologisch ver¬
Essig m. Mhd. ezzich, ahd. ezzih; wie anord. wandt: s. Arrest. — Jones (1976), 319.
edik n. entlehnt aus einer wohl schon in der Etappe /. 'Abschnitt, Stadium’. Im 18. Jh.
gebenden Sprache erfolgten Umstellung *ate- entlehnt aus gleichbedeutend frz. etape (wört¬
cum zu 1. acetum n. 'Essig’ (zu 1. acidus 'sauer’). lich: 'Niederlassung, Handelsplatz’), dieses aus
Aus der Normalform sind entlehnt gt. akeit, ae. mndl. Stapel (dass., wörtlich: 'Stapelplatz’). Die
eced m./n., as. ekid n., schwz. Achiss. Bedeutungsentwicklung verläuft von 'Handels¬
L. Guinet EG 31 (1976), 249. niederlassung’ über 'Rastort, Verpflegungs¬
Essigkrug in. 'mürrischer Mensch’, s. Sauer¬ stelle’ zu 'Strecke zwischen Verpflegungsstellen’.
topf. Dann Verallgemeinerung auf Abschnitte größe¬
rer Wegstrecken.
Essigmutter /. 'Bodensatz im Essig’, fach-
Zum Etymon s. Stapel. - Jones (1976), 319; Brunt
sprachl. Seit dem 17. Jh. bezeugt. Zu mndl. (1983), 287f.
Etat 191 Etymologie

Etat m. (Plan für) Haushalt, Finanzmittel der Verwandtschaft von oder (s. d.) und gehört
(eines Staates)’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬ vielleicht in deren Umkreis.
bedeutend frz. etat (auch 'Staat’, wörtlich: 'Zu¬ S. auch etwa.
stand’), dieses aus 1. Status 'Zustand’, zu 1. stäre
-ette Suffix. Dient der Bildung von desub-
(statum) 'stehen . Die Bedeutung 'Staat’ über¬
stantivischen Diminutiva (z. B. Operette, Stiefe¬
nimmt das französische Wort aus it. stato, auch
lette). Es wurde in französischen Wörtern ins
das lateinische Etymon hat diese Bedeutung
Deutsche übernommen; sein Ursprung ist frz.
zuweilen.
-ette (dass.).
Etymologisch verwandt: s. Arrest. - W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 68; Jones (1976), 320; Brunt (1983) Etter m./n. 'Zaun’, obd. Mhd. eter, ahd. etar
288. m., as. edor, eder aus g. *edara- m. 'Zaun’, auch
in anord. jaöarr m. 'Rand, Kante’, ae. eodor m.
et cetera Formel 'und so weiter’. Wörtlich:
Zu entsprechenden Wörtern für Brettergestelle
und weitere’. In Zeiten der Prüderie nicht selten
u. ä. etwa akslav. odrü m. 'Lager, Bahre’ (vgl.
als Euphemismus verwendet für Wörter, die
den Bedeutungszusammenhang bei Pritsche).
nicht ausgesprochen oder geschrieben werden
Nisl.yadar 'Rand, Kante’. S. auch Esch. — R. Merin-
sollten.
ger/F 18 (1905/06), 256-258.
H. Schulz ZDW 10(1909), 130-133.
Etüde /. 'Musikstück mit besonderen Schwie¬
etepetete Adj. 'geziert, übermäßig fein’, ugs. rigkeiten’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬
Verstärkende Reduplikationsbildung mit Reim¬ deutend frz. etude (wörtlich: 'Studium’, aus
charakter und dissimiliertem /p/ (ete-pet-ete), afrz. estudie (dass.), aus 1. Studium n. (dass.,
wohl zu ndd. ete, öte 'geziert’. wörtlich: 'Drang, Streben, Eifer’), zu 1. studere
Ethik /. 'Sittenlehre, Moralphilosophie’. Im 'sich um etwas bemühen, streben, trachten’.
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ethice Etymologisch verwandt: s. studieren.
([res] ethica), dieses aus gr. ethike, zu gr. ethi- Etui n. 'Behältnis’. Im 18. Jh. entlehnt aus
kös 'sittlich, moralisch, gebräuchlich’, zu gr. gleichbedeutend frz. etui m., aus afrz. estui
ethos n. 'Sitte, Gewohnheit, Brauch’. (dass.), einer postverbalen Ableitung von afrz.
Zum Etymon s. Sitte. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/ estuier, estoier 'in eine Hülle legen, verbergen,
07), 68; Ch. Chamberlain Hermes 112 (1984), aufsparen’, dieses möglicherweise aus 1. studere
176-183. 'trachten nach, zu erlangen suchen’, zu 1. Stu¬
ethnisch Adj. 'die Kultur einer Volksgruppe dium 'Streben, Bestreben’.
betreffend’, fachsprachl. Entlehnt aus gr. ethni- Brunt (1983), 290.
kös 'zum (fremden) Volke gehörig, volkstüm¬ etwa Adv. Mhd. ete(s)war, ete(s)wä 'ir¬
lich’, zu gr. ethnos 'Volk, Schar’. gendwo’, aus wo (s. d.) und dem in etlich (s. d.)
Morphologisch zugehörig: Ethnie, Ethnikon, Ethno¬ behandelten Vorderglied.
graph, Ethnologe, Ethnologie, ethnologisch. — K.-H.
Etymologie /. 'Wort(ursprungs)forschung’,
Weinmann DWEB 2 (1963), 390.
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Ethos «., s. Ethik. deutend 1. etymologia, dieses aus gr. etymologia
Etikett n. 'Aufkleber, Schildchen’. Im 19. Jh. (dass., wörtlich: 'Lehre vom Wahren’), zu gr.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. etiquette f. etymos 'wahr, wirklich’ (s. auch -logie). Das
(wörtlich: 'Einkerbung, Markierung’), zu afrz. Benennungsmotiv „Lehre vom Wahren“ erklärt
estiquier, estequier 'feststecken’, dialektalen sich aus der Vorstellung, daß Form und Inhalt
Nebenformen von afrz. estichier, estechier 'hin¬ von Wörtern nicht einfach willkürlich (durch
einstechen’, aus fläm. steeken (dass.). Aus der Konvention) zusammengehören, sondern daß
Bedeutung 'Aufschrift’ entwickeln sich die Be¬ diese Beziehung naturgegeben ist. Wenn aber
deutungen 'Vorschrift’ und 'gesellschaftlicher eine naturgegebene Beziehung zwischen dem
Zwang’ (= „[schriftlich] fixierte Verhaltens¬ Bezeichnenden (der Wortform) und dem Be-
maßregeln“), die im 17. Jh. in Etikette entlehnt zeichneten (dem Wortinhalt) besteht, so kann
das Wesen („das Wahre“) des Bezeichneten er¬
werden.
kannt werden, wenn man die Art analysiert,
Etymologisch verwandt: Ticket; zum Etymon s. ste¬
wie es im Bezeichnenden genannt wird. Diese
chen. — Schirmer (1911), 56; Brunt (1983), 289.
philosophische Wortspekulation wurde erst im
Etikette/., s. Etikett. 19. Jh. durch die historische Sprachwissenschaft
etlich Pron.-Adj., arch. Mhd. et(es)Ilh, ahd. abgelöst, die nicht nach dem Wesen der Dinge,
eddellh 'etlich’, ahd. eddeshwellh 'irgendeiner’, sondern nach der nachweislichen Geschichte
PI. 'manche’ zu ahd. eddes- 'irgend’ und ahd. der Wörter fragt.
hwelth (s. welch), also 'irgendweich’. Das Vor¬ Morphologisch zugehörig: Etymon. — E. Leser ZD W
derglied zeigt eine ähnliche Assimilation wie in 15(1914), 15f.; Pfister (1980), 7-10.
euch 192 evakuieren

euch Pron. Mhd. iu(wi)ch, ahd. iuwih, Akku¬ nungsmotivisch meint das Wort die Aufsicht
sativformen, von denen sich der Dativ mhd. über die Frauen in einem polygamen Haushalt.
ahd. in unterscheidet. Ansätze zu einer entspre¬ Da für diese Tätigkeit im wesentlichen Kastra¬
chenden Unterscheidung im Anglischen, sonst ten angestellt wurden, nimmt das Wort allmäh¬
sind Dativ und Akkusativ des Pronomens der lich auch die Bedeutung 'Kastrat’ an.
2. Person Plural in den germanischen Sprachen Etymologisch verwandt: s. Schema. — G. Schoppe
gleich. Die Unterscheidung beruht auf der ZDW 15(1914), 183.

Übernahme der Endung der 1. Person Singular Euphemismus m. 'Hüllwort, beschönigende


(und 2. Person Singular). Für die einfache Form Bezeichnung’, fachsprachl. Entlehnung des 19.
zeigt das Gotische izwis, dem anord. yör laut¬ Jhs. aus gr. euphemismös 'Ersatz unheilträchti¬
lich genau entsprechen kann. Die westgermani¬ ger Wörter durch wohltönende (während eines
schen Formen (ae. eow, afr. iu und obige) kön¬ Ritus usw.)’, über das Verb gr. euphemizomai
nen mit diesen auf *izwez zurückgeführt werden zu gr. eüphemos 'wohlredend’ (auch im übertra¬
(wobei die Lautentwicklung im einzelnen nicht genen Sinn), zu gr. eüs 'wohl, gut, tüchtig’ und
klar ist). Hierfür ergibt sich als Ausgangspunkt gr. pheme f. 'Rede’, zu gr. phänai 'sprechen’.
ig. *sghwes, das auch in anderen Pronomina Morphologisch zugehörig: euphonisch', etymologisch
verwandt: s. Aphasie.
der 2. und 3. Person in den indogermanischen
Sprachen vertreten ist. Der Wechsel zwischen Euphorie /. 'ausgelassene Hochstimmung’,
2. und 3. Person, wie auch die ausgefallene sonder sprachl. Entlehnt aus gr. euphoria 'Wohl¬
Lautform, die das ältere, einfachere Pronomen befinden’, zu gr. eüphoros 'kräftig, stark, ge¬
*(j)usme verdrängt, weist darauf hin, daß hier wandt, sich wohl befindend’, zu gr. eüs 'wohl,
ein Sonderfall vorliegen muß. Die Annahme, gut’ und gr. pherein 'tragen, sich befinden’.
Etymologisch verwandt: s. Amphore.
daß es sich um ein altes Höflichkeitspronomen
(aus *seghu- 'mächtig, stark’, also 'der Starke’) -eur Suffix. Dient der Bildung von deverbati-
gehandelt hat, ist dabei nicht von der Hand zu ven Personenbezeichnungen (z. B. Chauffeur,
weisen. s. d.). Es wurde vornehmlich in französischen
Nndl. u, ne. you, nschw. eder, er, nisl. vöur (Höflich¬ Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein
keitsform). - F. Kluge ZDW 10 (1908/09), 65; Ursprung ist frz. -eur (dass.)
Schmidt (1978), 218-225; E. Seebold Sprache -euse Suffix. Dient der Bildung von deverba-
29 (1983), 27-36; Seebold (1984), 41-44. Anders: tiven femininen Personenbezeichnungen (z. B.
H.-F. Rosenfeld ZVPh 8 (1954), 370-372.
Friseuse). Es wurde in französischen Entlehnun¬
euer Poss.-Pron. Mhd. i(u)wer, ahd. iuwer, gen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung
iuwar. Wie in den anderen germanischen Spra¬ ist frz. -euse (dass.).
chen gebildet durch das Suffix -ero- zum (einfa¬ Eutern. Mhd. üter, iuter m., ahd. ütar(o) m.,
chen) Obliquus-Stamm des Personalprono¬ as. üder aus wg. *üdara- n. 'Euter’, auch in ae.
mens. üder; daneben mit Ablaut (*eudara-) anord.
Eukalyptus m. (= ein immergrüner Baum, jür, jügr, afr. uder, jäder, as. geder; doch ist die
dessen Blätter ein ätherisches Öl enthalten), Beurteilung des Lautstands problematisch. Aus
fachsprachl. Neubildung des 18. Jhs. zu gr. eüs ig. *üdhar-/-n- n. 'Euter’, auch in ai. üdhar-,
udhan-, gr. oüthar (-atos), 1. über; umgebildet
'gut, wohl’ und gr. kalyptein 'bedecken, umhül¬
in russ. vymja, weitergebildet in lit. üdrüoti
len’, wohl so benannt nach den haubenartig
'trächtig sein’. Der sonst durchgehende Vokal
geschlossenen Blütenkelchen, die sich beim Auf¬
ü weicht im Griechischen und teilweise im Ger¬
blühen wie Deckel lösen. Das griechische Wort
manischen ab. Man erklärt dies durch einen
ist eine Erweiterung zu der unter hehlen be¬
alten Ablaut eu/öu/ü, doch hat diese Annahme
schriebenen Grundlage *kel- 'verborgen’.
nicht viel Wahrscheinlichkeit für sich. Das Wort
Eule/. Mhd. iuwel, iule, ahd. üwila, üla aus kann zu einer Wurzel für 'schwellen’ gehören,
vor-d. *üwilön, älter *uwwilön f 'Eule’ neben die aber wesentlich schlechter bezeugt ist (russ.
(mit Suffixablaut) g. *uwwalön in anord. ugla, üditl 'anschwellen, reifen’).
ae. üle. Weiterbildung zu g. *uwwön (s. Uhu). Nndl. uier, ne. udder, nschw. juver, nisl. jügur. — E. P.
Hamp Glotta 48 (1970), 141 — 145.
Ndd. Eule 'Handbesen’, älter (här)üle soll nach
seiner Form so benannt sein. Euthanasie /. 'Sterbehilfe’, fachsprachl. Ent¬
S. Uhu, Ulk. — Zur Bedeutung 'Narr’ vgl.: G. F. lehnt aus gr. euthanasia 'leichter, schöner Tod’,
Lussky ZDPh 63 (1938), 235-251. zu gr. eüs 'wohl, gut’ und gr. thänatos m. 'Tod’.

Eunuch m. 'Entmannter, Haremswächter’, evakuieren swV. 'aussiedeln’. Im 19. Jh. ent¬


lehnt aus 1. evacuäre 'räumen, leer machen’, zu
sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
I. vacuus 'leer’ (s. auch ex-).
deutend I. eunüchus, dieses aus gr. eunoüchos
Morphologisch zugehörig: Evakuation; etymologisch
'Kämmerer, (wörtlich: Bettschützer)’, zu gr.
verwandt: s. Vakuum. - K.-H. Weinmann DWEB
eune f. 'Bett’ und gr. echein 'halten’. Benen¬ 2(1963), 390.
evaluieren 193 Exegese

evaluieren swV. 'bewerten, beurteilen’, sonder¬ Ewer m. 'Flußfahrzeug auf der unteren Elbe’,
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. eva- fachsprachl., ndd. Niederdeutsches Wort (mndl.
luer, zu 1. valere 'wert sein, kräftig sein’. ever) zu fläm. (13. Jh.) envare 'Ein-fahrer’. Be¬
Morphologisch zugehörig: Evaluation, evaluativ, ety¬ nennungsmotiv unklar ('Schiff, auf dem nur ein
mologisch verwandt: s. ambivalent. Mann fährt’?).
Evangelium n. 'Heilsbotschaft’. Im Althoch¬ F. Kluge (1911), 229 — 231.; H. Szymanski: Der Ewer
deutschen (ahd. evangelio, ewangelio m., mhd. der Unterelbe (Lübeck 1932).
ewangeli, evangeli, ewangelje) entlehnt aus
ewig Adj. Mhd. ewic, ahd. ewig, as. ewig,
gleichbedeutend kirchen-1. euangelium, dieses
wie afr. ewich, ewelik abgeleitet von g. *aiwi-
aus gr. euangelion (dass., wörtlich: 'gute Bot¬
Ewigkeit in gt. aiws, anord. cevi, ahd. ewa; dieses
schaft’), zu gr. euängelos 'gute Kunde bringend’,
aus ig. *3iw- 'Lebenszeit, Ewigkeit’ in avest.
zu gr. eü 'gut’ und gr. ängelos m. 'Bote, Ge¬
äiiar '(Lebens)Dauer’, gr. aiön 'Lebenszeit,
sandter’.
lange Zeit, Ewigkeit’, 1. aevum 'Lebenszeit,
Morphologisch zugehörig: Evangeliar, evangelikal,
Ewigkeit’. Dies zur Verbalwurzel *(d)jeu- 'len¬
evangelisch, evangelisieren, Evangelist; etymologisch
verwandt: Engel. ken, verbinden’, die auch zu Wörtern für 'fort¬
laufend, ununterbrochen’ und damit auch zu
eventuell Adj. 'möglicherweise’. Im 18. Jh.
'ewig’ führt.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. eventuel, zu
Nndl. eeuwig. S. Ehe,je( + ), Joch, nie. — Seebold
1. eventus 'Ereignis, Zufall’, zu 1. evenire 'sich
(1981), 93-98.
ereignen, herauskommen’, zu 1. venire 'kom¬
men’ (s. auch ex-). ex- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
Morphologisch zugehörig: Eventualität', etymologisch deutung 'aus ... heraus, weg, ehemalig’. Es
verwandt: s. Advent. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/ wurde in lateinischen Entlehnungen (z. T. ver¬
07), 68. mittelt über andere Sprachen) ins Deutsche
Evergreen m. 'langlebiges Musikstück o. ä.’, übernommen; sein Ursprung ist 1. ex- (dass.).
sondersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ — Die Assimilationsformen lauten vor Konso¬
deutend ne. evergreen (dass., wörtlich: 'Immer¬ nant: e- (evozieren) und vor /f/: ef- (z. B. Ef¬
grün’), einer Zusammensetzung aus e. ever 'im¬ fekt).
mer’ und e. green 'grün’. Das Benennungsmotiv exakt Adj. 'genau’. Im 17. Jh. entlehnt aus
ist eine Metapher, in der die Farbe Grün Jugend gleichbedeutend 1. exäctus, dem PPR von 1.
und Frische symbolisiert. exigere 'abwägen, untersuchen’, zu 1. agere 'be¬
evident Adj., s. Evidenz. treiben’ (s. auch ex-).
Evidenz /. 'Deutlichkeit, Gewißheit’, fach- Etymologisch verwandt: s. Agenda. — W. Feldmann
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ZDW 8 (1906/07), 68; Brunt (1983), 291.
1. evidentia, einem Abstraktum zu 1. evidens 'of¬ exaltiert Adj. (PPrät.) 'überspitzt, überreizt’,
fenkundig’, zu 1. videre 'sehen, erkennen’ (s. sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
auch ex-). deutend 1. exaltätus, dem PPP. von 1. exaltäre
Morphologisch zugehörig: evident; etymologisch ver¬ 'erhöhen’, einem Intensivum zu 1. altäre (dass.)
wandt: s. Visage. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
(s. auch ex-), zu 1. altus 'hoch’.
68.
Etymologisch verwandt: s. Alimente. — K.-H. Wein¬
Evokation/. 'Hervorrufen, Vorladung’, s. evo¬ mann DWEB 2(1963), 390.
zieren.
Examen n. 'Prüfung’. Im 16. Jh. entlehnt aus
Evolution /. 'Entwicklung’, fachsprach!. Neu¬ gleichbedeutend 1. exämen (eigentlich: 'das
bildung zu 1. evolvere (evolütum) 'entwickeln,
Zünglein an der Waage’), einer Nebenform von
verdrängen’, zu 1. volvere 'drehen, fortrollen’
1. exagimen, zu 1. exigere (exäctum) 'abwägen,
(s. auch ex-). Als Gegenbegriff zu Revolution
untersuchen’, zu 1. agere 'betreiben’ (s. auch ex-).
gewinnt es insbesondere in der Rezeption der
Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'Prüfung’
Darwinschen Entwicklungstheorie an Bedeu¬
vollzieht sich ausgehend vom prüfenden Abwä¬
tung.
gen von Gegenständen.
Morphologisch zugehörig: evolutionär, evolvieren. —
Morphologisch zugehörig: Examinator, examinieren',
M. Briegel: Evolution (Diss. masch. Freiburg/Br. 1963);
etymologisch verwandt: s. Agenda.
W. J. Jones SN 51 (1979), 257.
evozieren swV. 'hervorrufen, bewirken’, son¬ Exegese/. 'Bibelauslegung, Schrifterklärung’,
dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. evo- fachsprachl. Entlehnt aus gr. exegesis 'Ausein¬
cäre, zu 1. vocäre 'rufen, herbeirufen’ (s. auch andersetzung, Erklärung’, zu gr. exegeisthai
ex-), das mit 1. vöx (-öm/Stimme’ verwandt 'auslegen, ausführen, erklären’, zu gr. hegeisthai
ist. 'führen, vorangehen’.
Morphologisch zugehörig: Evokation, evokativ; etymo¬ Morphologisch verwandt: Exeget, Exegetik; etymolo¬
logisch verwandt: s. Vokal. gisch verwandt: Hegemonie', zum Etymon s. suchen.
Exekution 194 exorbitant

Exekution/. 'Hinrichtung’, sonder spracht. Im ex(s)istere (wörtlich: 'herauskommen, zum


15. Jh. entlehnt aus 1. ex(s)ecütio (-önis) 'Aus¬ Vorschein kommen’), zu 1. sistere 'stellen, ein¬
führung (einer Anordnung)’, einem Abstraktum stellen’ (s. auch ex-).
zu 1. exseqitl 'verfolgen, ausführen’, zu I. sequi Morphologisch zugehörig: Existent, existential, Exi¬
'Folge leisten’ (s. auch ex-). Im 17. Jh. verengt stentialismus, existentiell, Existenz; etymologisch ver¬
sich die Bedeutung dann auf die Ausführung wandt: s. Arrest. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
einer bestimmten Anordnung, der Vollstrek- 68 f.

kung eines Todesurteils. Exitus m. 'Tod’, fachsprachl. Entlehnt aus


Morphologisch zugehörig: Exekution, exekutiv, Exe¬ gleichbedeutend 1. exitus (wörtlich: 'Herausge¬
kutive', etymologisch verwandt: s. assoziieren. — W. hen, Ausgang’), zu 1. exlre (exitum) 'weggehen’,
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 68; W. J. Jones SN zu 1. Ire 'gehen’ (s. auch ex-).
51 (1979), 257f.
Etymologisch verwandt: s. Abitur.
Exekutive /. 'Gesamtheit der ausführenden Exklamation /. 'Ausruf’, arch., sonder sprach!.
Staatsorgane’, s. Exekution.
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. exclämätio
Exempel n. 'Beispiel, Muster’, sonder spracht. (-önis), einer Ableitung von 1. exclämäre 'laut
Im Mittelhochdeutschen (mhd. exempet) ent¬ schreien’, zu 1. clämäre 'rufen’ (s. auch ex-).
lehnt aus gleichbedeutend 1. exemplum (wört¬ Etymologisch verwandt: s. deklamieren.
lich: 'das [als Muster] Herausgegriffene’), zu 1.
Exklave /. 'Gebiet innerhalb eines fremden
eximere (exemptum) 'herausnehmen’, zu 1.
Staatsgebiets’, s. Enklave und ex-.
emere 'nehmen’ (s. auch ex-). Im 16. Jh. dazu
dann Exemplar. exklusiv Adj. 'außergewöhnlich’. Im 19. Jh.
Etymologisch verwandt: [Impromptu], konsumieren
entlehnt aus gleichbedeutend ne. exclusive
(usw.), Prämie (usw.), prompt, resümieren (usw.). — (wörtlich: 'absondernd, abgesondert’), dieses
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 68; Schirmer (1912), aus 1. exclüslvus 'abgesondert’, einem mittella¬
21f.; H. Kornhardt: Exemplum (Diss. Göttingen 1935; teinischen PPR von 1. exclüdere (exclüsum) 'ab¬
Borna/Leipzig 1936). sondern’, zu 1. claudere 'schließen, sperren’ (s.
Exemplar n., s. Exempel. auch ex-).
Morphologisch zugehörig: Exklusivität; etymologisch
Exequien Pt. 'Totenmesse, Begräbnisfeier’,
verwandt: s. Klausur.
fachspracht. Entlehnt aus gleichbedeutend 1.
ex(s)equiae f. Pt., einer Ableitung von 1. exkommunizieren swV., s. Kommunion und
ex(s)equl 'nachfolgen, einer Leiche das Geleit ex-.
geben, verfolgen’, zu 1. sequi 'folgen, nachfol¬ Exkurs m. 'Abschweifung’, sonder spracht. Im
gen, begleiten’ (s. auch ex-). 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. excursus
Etymologisch verwandt: s. assoziieren. (wörtlich: 'Herauslaufen’; auch: 'Ausflug’), zu
exerzieren swV. 'üben’, sonder spracht. Im 16. l. excurrere (excursum) 'herauslaufen, reisen’,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. exercere zu 1. currere 'laufen, rennen’ (s. auch ex-).
(wörtlich: 'nicht ruhen lassen, Bewegung ver¬ Morphologisch zugehörig: Exkursion', etymologisch
schaffen’), zu 1. arcere 'in Ruhe halten’ (s. auch verwandt: s. Kurier.

ex-). Exkursion /., s. Exkurs.


Morphologisch zugehörig: Exerzitien, Exerzitium. Exlibris n. 'in Bücher geklebter Zettel mit
Exhibition /. 'Zurschaustellung, Vorzeigen’, Namen des Besitzers’, fachsprachl. Substantivie¬
sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. rung zu 1. ex libris 'aus den Büchern’, zu 1. über
exhibitio (-önis) (auch: 'Beschaffung, Bestrei¬ m. 'Buch’ (s. auch ex-).
tung, Unterhalt’), zu 1. exhibere 'vorzeigen, bei- Etymologisch verwandt: s. Libretto.
bringen, herschaffen’, zu 1. habere 'haben, füh¬ exmatrikulieren swV., s. Matrikel und ex-.
ren, tragen’ (s. auch ex-).
Exodus m. 'Auszug (einer gesamten Gruppe)’,
Morphologisch zugehörig: exhibieren, exhibitionieren,
sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeutend 1.
Exhibitionismus, Exhibitionist; etymologisch verwandt:
s. habilitieren.
exodus/., dieses aus gr. exodos f. 'Auszug, Ab¬
zug, Weggang’, zu gr. hodös f. 'Weg, Marsch’
exhumieren swV. 'eine Leiche ausgraben’, s.
(s. auch ex-). Ursprünglich wurde der Auszug
Humus und ex-.
des Volkes Israel aus Ägypten so bezeichnet
Exil n. 'Verbannung(sort)’. Im 18. Jh. ent¬ (vgl. auch das so benannte 2. Buch Mose).
lehnt aus gleichbedeutend 1. ex(s)ilium, zu I. Etymologisch verwandt: s. Methode.
ex(s)ul m./f 'der, die Verbannte’, zu 1. solum
exorbitant Adj. 'gewaltig, enorm’, sonder-
'Grund, Boden’ (s. auch ex-).
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. exorbi-
existieren swV. 'vorhanden sein, bestehen’. läns (-antis), dem PPräs von 1. exorbitäre 'ab¬
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. weichen, zur Seite springen’, zu 1. orbita 'Bahn,
Exorzismus 195 exquisit

Wagengeleise’ (s. auch ex-), zu 1. orbis 'Run¬ explodieren swV. 'krachend zerbersten’. Neo¬
dung. Gleis’.
lateinische Bedeutungszuweisung zu 1. explö-
Morphologisch zugehörig: Exorbitanz, Orbit. dere, (älter:) 1. explaudere 'ausklatschen, unter
Exorzismus m. 'Teufelsaustreibung’, fach- Färm heraustreiben’, zu 1. plaudere (plausum)
sprachl. Entlehnt aus 1. exorcismus 'Beschwö¬ klatschen, schlagen’ (s. auch ex-).
rung , dieses aus gr. exorkismös (dass.), zu gr. Morphologisch zugehörig: Explosion; etymologisch
exorkizein 'durch Beschwörung austreiben’, zu verwandt: s. applaudieren.
gr. örkos 'Eid, Schwur’ und gr. ex- 'aus, hinaus’. explorieren swV. 'erforschen, erkunden’, son-
Morphologisch zugehörig: Exorzist. - G. Schoppe dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. ex-
ZDW 15 (1914), 183f. plöräre.

exotisch Adj. 'fremd, ausländisch’. Im 18. Jh. Morphologisch zugehörig: Explorand, Exploration,
Explorator.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. exöticus, aus gr.
exötikös (dass.), zu gr. exö 'außerhalb', einer Explosion/., s. explodieren.
Weiterbildung von gr. ex- 'aus, hinaus’. Exponat n. 'Ausstellungsstück’, s. Position
Morphologisch zugehörig: Exot, Exotik. und ex-.

Expansion /. 'Ausweitung, Vergrößerung’, Exponent m. '(herausragender) Vertreter’, s.


sonder spracht Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Position und ex-.
deutend frz. expansion, dieses aus 1. expänsio exponieren swV., s. Position und ex-,
(-önis) (dass.), einem Abstraktum zu 1. expan- Export m. 'Ausfuhr’. Im 18. Jh. entlehnt aus
dere 'ausdehnen’, einem Intensivum zu 1. pan- gleichbedeutend ne. export, einer postverbalen
dere (pänsum) 'ausbreiten’ (s. auch ex-), einem Ableitung von e. export 'ausführen’, aus 1. ex-
Kausativum zu 1. patere 'offenstehen, klaffen’. portäre (dass.), zu 1. portäre 'tragen’ (s. auch
Zunächst in die Fachsprache der Physik ent¬ ex-).
lehnt, dann allgemeinerer Gebrauch. Morphologisch zugehörig: Exporteur, exportieren; ety¬
Morphologisch zugehörig: Expander, expansiv, etymo¬ mologisch verwandt: s. Porto. — Ganz (1957), 69f.
logisch verwandt: s. passieren. Expose n. 'Übersicht, Plan, Entwurf, Bericht’,
Expedition/. 'Forschungsreise, Versandabtei¬ fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
lung’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. expeditio expose m., einer Substantivierung des PPrät.
(-önis) 'Erledigung. Abfertigung, Feldzug’, einem von frz. exposer 'darlegen, auslegen’, dieses aus
Abstraktum zu 1. expedlre 'erledigen, losma¬ 1. expönere (expositum) (dass.), zu 1. pönere
chen, (wörtlich: den Fuß aus Fesseln befreien)’, 'legen, setzen, stellen’ (s. auch ex-).
zu 1. pedica 'Fußfessel’, zu 1. pes (-edis) m. Etymologisch verwandt: s. Position.
'Fuß’. Zunächst entlehnt in der Bedeutung Exposition /., s. Expose.
'Feldzug’ („Kriegsexpedition“), dann Erweite¬ expreß Adj. 'eilig, eigens, extra’, sonder-
rung aus 'Reise, um wissenschaftliche Erkennt¬ sprachl. Entlehnt aus 1. expressus 'audrucksvoll,
nisse zu gewinnen’ („Forschungsexpedition“). deutlich’, dem adjektivischen PPP. von 1. expri-
Schließlich übernimmt Expedition diese Bedeu¬ mere 'herausdrücken, auspressen, deutlich aus¬
tung aus dem attribuierenden Bestimmungs¬ sprechen, erpressen’, zu 1. premere 'drücken’ (s.
wort. auch ex-). Die Bedeutung im Deutschen auf¬
Morphologisch zugehörig: Expedient, expedieren', ety¬ grund einer Übertragung auf 'ausdrücklich für
mologisch verwandt: s. Pedal. — W. Feldmann ZDW spezielle Aufgaben’, dann z. T. eingeengt auf
8 (1906/07), 69. 'besonders eilige Spezialaufgaben’. Dazu Ex¬
Experiment n. '(wissenschaftlicher) Versuch’. pressionismus als Bezeichnung einer Stilrich¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ex- tung, für die der gesteigerte Ausdruck von Gei¬
perlmentum, einer Ableitung von 1. experlrl (ex- stig-Seelischem charakteristisch ist.
pertus) 'versuchen’. Morphologisch zugehörig: Expreß, Expression, Ex¬
pressionist, expressis verbis 'ausdrücklich’, expressiv,
Morphologisch zugehörig: experimental, experimentell,
Expressivität; etymologisch verwandt: s. Presse. — W.
Experte, Expertise; zum Etymon s. Gefahr. — W. Feld¬
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 69.
mann ZDW 8 (1906/07), 69; K.-H. Weinmann DWEB
2 (1963), 390. Expressionismus m., s. expreß.

Experte m., s. Experiment. expressiv Adj., s. expreß.

Expertise/., s. Experiment. exquisit Adj. 'erlesen, von besonderer Quali¬


tät’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
explizit Adj. 'eindeutig, ausführlich’, s. impli¬
gleichbedeutend 1. exqulsitus, dem PPP. von 1.
zieren und ex-. exquirere, (älter:) 1. exquaerere 'aussuchen’, zu
Explikation/. 'Darlegung’, s. implizieren und 1. quaerere 'suchen, fragen’ (s. auch ex-).
ex-. Etymologisch verwandt: s. Inquisition.
Extemporale 196 Ezzes

Extemporale n. 'Kurzarbeit’, fachsprachl. 'neugestaltef, zu 1. pollre 'reiben, glätten, polie¬


Neubildung zu 1. (örätio, actio) extemporälis f ren’ (s. auch inter-).
'unvorbereitete Rede’, zu 1. extemporälis 'unvor¬ Morphologisch zugehörig: Extrapolation', etymolo¬
bereitet, aus dem Stegreif, (wörtlich: ohne [Vor- gisch verwandt: s. polieren.
bereitungs]Zeit)’, zu 1. tempus 'Zeit’ (s. auch Extraposition /., s. extra- und Position.
ex-). extravagant Adj., 'außergewöhnlich, beson¬
Morphologisch zugehörig: extemporieren; etymolo¬ ders, ausschweifend’. Im 18. Jh. entlehnt aus
gisch verwandt: s. Tempo.
gleichbedeutend frz. extravagant, dieses aus ml.
Extension/. 'Ausdehnung, Erstreckung’, son- extravagans (dass.), zu 1. exträ 'außerhalb’ und
dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. ex- I. vagärl 'umherschweifen, umherziehen’, zu 1.
tensio (-önis), zu 1. extendere 'ausdehnen, aus¬ vagus 'umherschweifend, unstet’.
breiten’, zu 1. tendere 'spannen, ausdehnen, aus¬ Morphologisch zugehörig: Extravaganz', etymologisch
strecken’ (s. auch ex-). verwandt: s. Vagabund. — W. J. Jones SN 51 (1979),
Morphologisch zugehörig: extendieren, Extensität, ex¬ 258.
tensiv, extensivieren; etymologisch verwandt: s. Tenor. extrem Adj. 'äußerst’. Im 17. Jh. entlehnt
extensivieren swV. 'ausdehnen’, s. Extension. aus gleichbedeutend 1. extremus, dem Superlativ
Exterieur n. 'Äußeres, Außenseite’, s. Inte¬ von 1. externus 'außen’, zu 1. ex 'aus, heraus’ (s.
rieur und ex-, auch ex-).
Morphologisch zugehörig: Extrem, Extremismus, Ex¬
extern Adj. 'außerhalb, äußerlich’, sonder-
tremist, Extremität', etymologisch verwandt: extern, ex¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
tra. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 69; K.-H.
1. externus, einer Nebenform von 1. exterus,
Weinmann DWEB 2 (1963), 391.
exter (dass.), zu 1. ex 'aus, heraus’ (s. auch ex-).
extrovertiert Adj. 'offen, nach außen ge¬
Etymologisch verwandt: extra, extrem.
wandt’, fachsprachl. Neubildung zu 1. exträ 'au¬
extra Adv. 'zusätzlich, besonders’. Im 16. Jh. ßen, außerhalb’ und 1. vertere 'wenden, kehren,
entlehnt aus 1. extra (ordinem) 'außerhalb (der drehen’.
Reihe)’, aus einem früheren Lokativ 1. exterä
Etymologisch verwandt: s. Vers.
(parte) 'im äußeren Teil’ von 1. exterus, exter
exzellent Adj. 'hervorragend’, sondersprachl.
'außen’, zu 1. ex- 'aus, heraus’ (s. auch ex-).
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Etymologisch verwandt: extern, extrem.
excellent, dieses aus 1. excellens (dass.), dem
extra- Präfix. Wortbildungselement, mit dem PPräs. von 1. excellere 'herausragen’, das mit 1.
der Bedeutung 'besonders, außergewöhnlich’, culmen 'Gipfel’ verwandt ist.
hinzugefügt wird (z. B. Extraordinarius, Ex¬
Morphologisch zugehörig: Exzellenz', etymologisch
trablatt, extrastark). Es wurde in lateinischen verwandt: kulminieren. — G. Schoppe ZDW 15 (1914),
Entlehnungen ins Deutsche übernommen; das 184; W. J. Jones SN 51 (1979), 257.
lateinische Präfix extra- basiert auf der form¬
exzentrisch Adj. 'ungewöhnlich, abweichend’,
gleichen lateinischen Präposition mit der Be¬
s. Zentrum und ex-.
deutung 'außen, außerhalb’.
exzerpieren swV. 'Auszüge machen’, sonder¬
extrahieren swV. 'herausziehen, ausziehen’, s.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Extrakt.
1. excerpere (excerptum), zu 1. carpere 'pflük-
Extrakt m. 'Auszug’, sonder spracht. Im 16. ken, aussuchen, auswählen’ (s. auch ex-).
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. extractum Morphologisch zugehörig: Exzerpt.
n., dem substantivierten PPP. von 1. extrahere,
Exzeß m. 'Ausschweifung, Ausschreitung’. Im
zu 1. trahere 'ziehen’ (s. auch ex-).
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. excessus,
Morphologisch zugehörig: Extraktion', etymologisch
dem substantivierten PPP. von 1. excedere 'her¬
verwandt: s. abstrakt. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
ausgehen’, zu 1. cedere 'gehen, weichen’ (s. auch
07), 69; Weinmann DWEB 2 (1963), 391.
ex-). Das Benennungsmotiv meint das (übermä¬
extraordinär Adj., s. ordinär und extra-. ßige) Hinausgehen über das Normale.
extrapolieren swV. 'erschließen, näherungs¬ Morphologisch zugehörig: exzessiv; etymologisch ver¬
weise bestimmen’, sondersprachl. Neubildung wandt: s. Abszeß. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
zu 1. exträ 'außerhalb’ und interpolieren 'errech¬ 68.
nen’, dieses aus 1. interpoläre 'entstellen, verfäl¬ Ezzes PI. 'Ratschläge’, ugs., österr. Aus rotw.
schen, zurichten’, zu 1. interpolis, interpolus eize 'Rat’, wjidd. eize aus hebr. ^esä(h) f. 'Rat’.
F
Fabel /. 'lehrhafte Erzählung, phantastische nau-peg-ös m. 'Schiffsbaumeister usw.’, russ.
Geschichte’. Im Mittelhochdeutschen (mhd./a- paz m. 'Fuge, Nute’; die Ausgangsbedeutung ist
be![e]) entlehnt aus 1. fäbula 'Erzählung, Sage, also 'festmachen, befestigen’ (zumal das Wort
Rede’, einer Ableitung von !. färT 'sagen’. In im Griechischen auch 'gefrieren’ heißt). Eine
diesen Sinn gibt das lateinische Substantiv gr. Variante mit ig. *-k s. unter fangen.
mythos m. wieder (s. Mythos). Die Bedeutung S. auch fair, fügen, Palisade ( + ). — E. Schröder: Deut¬
'lehrhafte Tiergeschichte’ geht auf eine Über¬ sche Namenkunde (Göttingen 1938), 271—285; W.
nahme des 18. Jhs. aus dem Französischen zu¬ Foerste NW 5 (1965), 86 — 95.
rück. -fach Suffix (zur Bildung von Multiplikativ-
Morphologisch zugehörig: Fabulant, fabulieren, Fabu¬ Zahlwörtern). Mhd. -vach. Zu Fach, das im
list, fabulös; etymologisch verwandt: s. diffamieren. Mittelhochdeutschen auch die Bedeutung
Fabrik /. 'Produktionsstätte’. Im 17. Jh. ent¬ 'Falte’ haben kann. Vielleicht ist es deshalb
lehnt aus frz. fabrique 'Herstellung(sart)’, einer unmittelbar an mhd. manecvalt 'mannigfaltig’
postverbalen Ableitung von frz. fabriquer 'er¬ oder die lateinischen Bildungen auf -plex (du¬
zeugen', dieses aus 1 .fabricäre (dass.), zu l.faber plex 'zweifach’ usw.) angeschlossen worden. Es
m. 'Handwerker’. Die moderne Bedeutung ent¬ kann aber auch eine unabhängige Bildung sein.
steht im 18. Jh., wohl auch unter Einfluß von Fächeln swV. Seit dem 16. Jh., zu fnhd. fechel
1. fabrica 'Werkstätte’. 'Fächer’.
Morphologisch zugehörig: Fabrikant, Fabrikat, Fabri¬ S. Fächer ( + ).
kation, fabrizieren. — A. Rehmann: Die Geschichte
fachen swV, sonder spracht. Meist anfachen,
der technischen Begriffe fabrica' und ’machina’ in den
romanischen Sprachen (Diss. Münster 1935); Schirmer
entfachen, älter (fnhd.) fochen. Mit Lautsubsti¬
(1911), 58; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 391; tution entlehnt aus ml. focare 'entfachen’ (zu 1.
Brunt (1983), 293f. focus 'Feuerstelle’).
S. Fächer, Foyer ( + ).
fabulieren swV. 'phantasievoll erzählen, er¬
fundene Geschichten erzählen’, sonderspracht. Fächer m. Im 17. Jh. bei der Einführung des
Im 16. Jh. entlehnt aus 1. Jabuläh 'sprechen, Geräts wird es bezeichnet mit dem Namen des
schwatzen, plaudern’, zu 1. fäbula 'Rede, Sage, bereits vorhandenen focher, fechel usw. 'Feuer-
Gerede’ (s. Fabel). wedel’ (zum Feuermachen in der Küche). Dieses
Morphologisch zugehörig: Fabulant, Fabulierer, Fabu¬ zu fachen (s. d.), das aus ml .focare entlehnt ist.
list, fabulös\ etymologisch verwandt: s. diffamieren. S. Foyer ( + ).

Fa^ade /., s. Fassade. fachsimpeln swV. '(zur Unzeit) Fachgespräche


führen’. Im 19. Jh. studentensprachlich zusam¬
Facette /. 'eckig geschliffene Fläche (usw.)’,
mengebildet aus Fach 'Spezialgebiet’ (s. d.) und
sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Simpel 'Einfaltspinsel’ bzw. simpel Adj. 'einfäl¬
deutend frz.facette, einem Diminutivum zu frz.
tig’ (s. d.). Ursprünglich eine despektierliche
face 'Seite, Vorderseite, Außenfläche’, dieses aus
Bezeichnung für das Verhalten der (jungen) Stu¬
1. facies (dass., auch: 'Beschaffenheit’), zu 1.
denten, die zur Unzeit mit ihrem neu erworbe¬
facere 'machen, fertigen, hervorbringen’.
nen Wissen prahlen wollten.
Etymologisch verwandt: s. Fazit.
Fackel /. Mhd. vackel, ahd. fackfajla, fak-
Fach n. Mhd. vach, ahd. fah, as. (juk)fac aus
kila, fackula, as. fakla entlehnt aus 1. facula,
wg. *faka- n. 'Fach, Teil, Abteilung’, auch in
Weiterbildung zu 1 .fax (-acis) 'Fackel’.
ae. fcec, afr. fek. Diese Wörter erscheinen in
fackeln swV., ugs. Spmhd. vackelen, ur¬
einer großen Zahl von technischen Bedeutun¬
sprünglich 'unruhig brennen wie eine Fackel’,
gen, die sie mit entsprechenden Wörtern außer¬
dann übertragen auf das 'Hin- und Herbewe¬
halb des Germanischen verknüpfen. Anzuset¬
gen, ohne das Ziel anzugehen’. Eine andere
zen ist voreinzelsprachl. *päg-, schwundstufig
Herkunftsmöglichkeit s. unter Faxe.
*pog- in 1. pangere 'befestigen’, 1. compäges f.
'Fuge’, 1. impäges f. 'Leiste’, 1. pägus m. 'Di¬ facken sw V, vulg., s. ficken.
strikt, Gau usw.’, gr. pSgnymi 'ich befestige, fade Adj. 'geschmacklos, langweilig’. Im 18.
füge zusammen’. Gr. pegma 'Gerüst’, gr. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. fade (älter
Faden 198 Fähnrich

auch: 'schwächlich, albern’), dieses aus einer wohl von einem übercharakterisierten Föhin ab¬
Vermengung von l.fatuus 'albern’ und 1. vapidus hängig ist.
'verdorben’ (zu 1. vappa 'umgeschlagener fähig Adj. Mhd. *\ähec und vengec, Ableitun¬
Wein’). gen zu mhd. vähen 'fangen’, also eigentlich 'was
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 69. gefangen werden kann’ und 'wer fangen kann’.
Faden m. Mhd. vaden, vadem, ahd. fadum, In der Rechtssprache kann man z. B. erbfähig
fadam, as. PL faömos 'Klafter’ aus g. *fapma- sein ('imstande, ein Erbe zu empfangen’), und
m. 1) 'Umarmung’, 2) 'Klafter’, 3) 'Faden’ (nur entsprechende Bildungen sind auch heute noch
deutsch), auch in anord.J'aömr 'Klafter, Arme, in Gebrauch. Als einfaches Wort wird fähig
Umarmung’, ae. fceöm 'Umarmung, Klafter’, aber immer stärker auf 'imstande, etwas zu
afr. fethem 'Klafter’. Was hier als 'Klafter’ um¬ tun’ eingeengt. Vgl. etwa die entsprechenden
schrieben wird, ist ein Längenmaß (oder eigent¬ Verhältnisse bei 1. capäx (-äcis) zu 1. capere.
lich mehrere), das unterschiedlich beschrieben S. fangen ( + ).
wird. Es scheint aber die Bedeutung 'von fahl Adj. Mhd. val, ahd. falo, as. falu aus g.
Fingerspitze zu Fingerspitze bei ausgebreiteten *falwa- Adj. 'fahl’, auch in anord./p/r, ae.fealu
Armen’ zugrunde zu liegen. Mit diesem Maß
(und vielleicht gotisch erschließbar aus dem
werden vor allem Höhen und Tiefen sowie Um¬ mgr. Pferdenamen phälbas). Außergermanisch
fänge gemessen. Die Etymologie gibt insofern vergleichen sich am genauesten lit. palvas 'fahl,
Rätsel auf, als 'Umarmung’ oder 'ausgebreitete bleich’, russ. polövyj, polovöj 'fahl, isabell¬
Arme’ gut vergleichbar ist — es entspricht die
farbig’, während semantisch zugehörige For¬
ig. Sippe *pet3- 'ausgebreitet sein, offen stehen’
men anderer Sprachen nicht wo-stämmig sind:
etwa in 1. patere. Der einzige formal genaue
ai. palitä- 'grau’, gr. poliös 'grau’, gr. peliös
Vergleich (falls gr. potamös 'Fluß’ nicht dazuge¬ 'fahl’, 1. pallidus 'blaß, bleich’.
hört) ist aber eine keltische Sippe, von der der
Nndl. vaal, ne. fallow, nisl. fölur. S. auch Felchen. —
gälische Zweig (schott.-gäl. aitheamh 'Klafter’) Schwentner (1915), 83 — 86; E. Schwyzer ZDA
die Bedeutung 'Klafter’ zeigt, der britannische 66(1929), 95f.
(kymr. edau, edej, edaf, edyf'Faden’) die Bedeu¬
fahnden swV Erscheint erst im 18. Jh. mit
tung 'Faden’. Dabei ist der Bedeutungsüber¬
der speziellen Bedeutung 'polizeilich suchen’. Es
gang von 'Klafter’ zu 'Faden’ singulär: Er muß
stammt wohl aus mndd. vanden, vannen 'besu¬
wohl über 'Fadenmaß’ (vgl. Faden schlagen) zu
chen, heimsuchen’, das auf ein gut bezeugtes
'Faden’ allgemein gegangen sein. Die parallele
älteres Verb zurückgeht: wg. *fand-ö- 'suchen,
Entwicklung im Deutschen und Kymrischen ist
erforschen’ in &e.fandi(g)an, afr. fandia,fondia,
dabei höchst auffällig. Vgl. außerhalb noch be¬
as. fandon, ahd. fantön\ eine Intensivbildung zu
sonders 1. passus 'Schritt’ (auch als Län¬
finden (s, d.). Schreibung und Aussprache im
genmaß).
Neuhochdeutschen sind vielleicht durch fähen
Nndl. vadem, vaam, ne. fathom, nschw. famn, nisl.
faömur. S. passieren (+).
(s. unter fangen) bestimmt.

fadenscheinig Adj. Seit dem 18. Jh. belegte Fahne /. Mhd. van(e) m., ahd. as. fano m.
Ableitung von dem im 18. Jh. bezeugten Adjek¬ aus g. *fanön m. 'Tuch’, auch in gt. fana m., ae.
tiv fadenschein 'was die Fäden durchscheinen afr. fana m. Die heutige Bedeutung ist schon
läßt’, einem Kompositum aus Faden (s. d.) und früh aus einer Kürzung von ahd. gundfano
dem nur noch mhd. Adjektiv schm 'scheinend’ 'Kriegsfahne’ (eigentlich 'Kriegstuch’) entstan¬
(zu scheinen, s. d.). Die Ableitung kommt im den. Auch das feminine Genus ist erst deutsch.
17. Jh. auch mit Suffix -isch vor und wird zuerst Vergleichbar sind 1. pännus m. 'Tuch, Lappen’,
wie das zugrundeliegende Adjektiv nur vom gr. pine 'Spule, Gewebe’. Die Lautverhältnisse
abgenutzten Gewebe, dessen Fäden durchschei¬ machen nicht den Eindruck eines Erbwortes.
nen, und erst seit dem 19. Jh. auch in übertrage¬ S. auch Fähnrich, Rainfarn. — Tiefenbach (1973), 32f.
ner Bedeutung ('leicht durchschaubar’) ge¬ Fähnlein n., fachsprachl. Zunächst 'kleine
braucht. Fahne’, dann 'Kriegszeichen’ und 'Trupp von
Fagott n. (= ein Holzblasinstrument), fach- Landsknechten unter einem Fähnlein’. Von da
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend an weiter im Gebrauch als militärischer Fach¬
it. fagotto m.; die weitere Herkunft ist nicht ausdruck.
sicher geklärt.
Fähnrich m., fachsprachl. Mhd. venre, vener,
Fähe /. 'Füchsin’, fachsprachl. Mhd. vohe, vaner, ahd. faneri 'Fahnenträger’ sind Nomen-
ahd. foha, aus g. *fuhön f. 'Füchsin’, auch in agcntis-Bildungen zu Fahne (s. d.). Das Wort
gt. fauho, anord. J'öa. Femininbildung zu der bleibt schweizerisch als Venner erhalten, wird
gleichen Grundlage wie bei Fuchs1 (s. d.). Der sonst aber nach dem Muster Dieter zu Dietrich
Umlaut aus einer Entrundung von föhe, das in Fähnfdjrich umgebildet. Es ist nicht ganz
Fähre 199 Faktotum

ausgeschlossen, daß das etwas früher bezeugte Fahrzeug n. Seit dem Ende des 17. Jhs. belegte
nndl. vaandrig gleicher Bedeutung nicht eine Lehnbildung (mit fahren, s. d. und Zeug, s. d.)
Entlehnung aus dem Deutschen, sondern das zu ndd. färtüg, nndl. vaartuig 'Schiff’. Die alte
Vorbild des deutschen Wortes ist (in diesem Fall Bedeutung von Fahrzeug ist ebenfalls 'Schiff’;
zu nndl. dragen 'tragen’ ?). erst seit dem 19. Jh. ist es als 'Fuhrwerk, Wagen’
Fähre /. Mhd. mndd. ver(e) n., mndl. vere, und dann allgemein als 'Transportmittel zu
wie anord./erya abgeleitet von g. *far-eja- 'über¬ Land’ bezeugt. Entsprechende Lehnbildungen
setzen’, Kausativum zu fahren (s. d.), in gt. far- nach dem niederdeutschen Wort sind ndn. far-
jan 'zur See reisen’, anord. ferja, ae. feri(g)an, toj, nschw. fartyg, nnorw. (nynorsk) farty. Da¬
afr. feria, as. ferian, ahd. J'erien, ferren, mhd. von zu trennen ist das Kompositum Fahrzeug
vern. Zugehörig ist auch Ferge 'Fährmann’ = 'schwebendes Gerüst des Dachdeckers’.
(s. d.). Faible n. 'Schwäche, Vorliebe’, sonder spracht.
fahren stV. Mhd. var(e)n, ahd. as. faran aus Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
g. *far-a- stV. 'fahren’, auch in gt. faran, anord. fälble m., einer Substantivierung von frz. faible
fara, ae. faran, afr. fara. Außergermanisch ver¬ 'schwach’, dieses aus 1. ßebilis 'kläglich, bemit¬
gleicht sich am nächsten gr. poreüö 'ich trage, leidenswert’, zu l.flere 'weinen’ (mit einer Dissi¬
bringe’, medial 'ich gehe, gehe hinüber’. Mit milation der Form in Anlehnung an 1. debilis
dessen aktiver Bedeutung vergleicht sich weiter 'schwach’).
1. portäre 'tragen, bringen’; ferner ai. piparti, das W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 69.

neben anderem auch 'hinüberbnngen’ bedeutet, fair Adj. 'sportlich, ehrlich’. Im 19. Jh. ent¬
sowie weiter Abstehendes aus anderen Spra¬ lehnt aus gleichbedeutend ne. fair (play). Zu¬
chen. Diese Bildungen gehören zur Wurzel *per- nächst vor allem in der Sprache des Sports
'durchbohren, hinüberbringen’; ob sie selbstän¬ verwendet; dann Verallgemeinerung.
dige Entwicklungen aus dieser sind oder unter Morphologisch zugehörig: Fairneß. — Schirmer
sich näher zusammengehören, kann kaum ent¬ (1911), 58.
schieden werden. Fakir m. 'religiöser Asket, Gaukler’, sonder-
Nndl. varen, ne. fare, nschw. nisl. fara. S. Aporie, sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus arab. faqir 'Ar¬
Fähre, fahrig, fahrlässig, Fährte, Ferge, fern, fertig, mer, arm’. Zunächst Bezeichnung für moham¬
Förde, Fuhre, führen, Furt, Gefahr, Gefährte, Hoffart, medanische Bettelmönche, dann auch für hin-
Pore (+), Porto (+), Prahm, ver-, Vorfahr(e), Wohl¬
duistische Asketen verwendet. Die von ihnen
fahrt.
mitunter praktizierten asketischen Übungen
fahrig Adj. 'nervös’. Eine Bildung wie fnhd. ziehen Besucher an und werden dann auch von
ferig 'hurtig, schnell’, zu fahren (s. d.), vermut¬ Gauklern zum Gelderwerb vorgeführt.
lich zunächst mit der Bedeutung 'schnell, be¬ Littmann (1924), 64; Lokotsch (1975), 45f.
weglich o. ä.’.
Faksimile n. 'Nachbildung’, fachsprachl.
fahrlässig Adj. Zu mhd. varn län 'fahren las¬ Neubildung zu 1. fac simile 'mach ähnlich’, zu
sen, vernachlässigen’, als Ausdruck der Rechts¬ 1. facere 'machen, tun’ und 1. similis 'ähnlich’.
sprache im 15. Jh. gebildet. Etymologisch verwandt: s. Fazit und assimilieren.
S. fahren ( + ).
Fakt m., s. Faktum.
Fahrnis/. 'fahtcnde Habe’, arch. Bezeugt seit
faktitiv Adj. 'bewirkend\ fachsprachl. Neubil¬
dem 16. Jh. für 'bewegliche Habe’. dung zu 1. factitäre 'oft, gewöhnlich machen’,
Fährnis/. 'Gefahr’, arch. Zur gleichen Grund¬ einem Frequentativum zu 1. facere (factum)
lage wie Gefahr (s. d.). 'machen, tun’.
Fahrrad n. Ende des 19. Jhs. mit fahren (s. d.) Morphologisch zugehörig: Faktitivum; etymologisch
und Rad (s. d.) als Ersatzwort für Veloziped verwandt: s. Fazit.

gebildet, das seinerseits aus frz. velocipede m., Faktor m. 'etwas, das Wirkungen hervorruft;
dem 1. velöx 'schnell’ und 1. pes (-edis) m. 'Fuß’ Größe, mit der eine andere multipliziert wird;
zugrundeliegen, entlehnt wurde (heute noch Leiter einer Setzerei’, fachsprachl. Im 16. Jh.
verkürzt als Velo in der Schweiz). entlehnt aus 1 .factor (-öris) 'Verfertiger, Schöp¬
fer, Urheber’, einem Nomen agentis zu 1. facere
Fährte /. Erst neuhochdeutsch als Singular
'machen, tun, schöpfen’. Im Deutschen zu¬
aufgefaßter Plural des Wortes Fahrt (mhd. vart,
nächst in der Bedeutung 'Geschäftsführer’; die
ahd. fart, as. fard, afr. ferd, ae. fyrd, fcerd,
heute üblichen Bedeutungen seit dem 18. Jh.
anord. ferö aus *fardi-, //-Abstraktum zu
Etymologisch verwandt: s. Fazit.
*far-a- 'fahren’, s. unter fahren). Zu Fahrt wird
statt dessen ein neuer Plural Fahrten gebildet. Faktotum n. 'Person, die sich um alles küm¬
Die heutige Bedeutung geht über 'Wildwechsel, mert, skurrile Person’, sonderspracht. Neubil¬
Wege des Wilds’ zu 'Wildspur’. dung des 16. Jhs. zu 1. fac tötum 'mach alles’,
Faktum 200 fällen

zu 1. facere 'machen, tun’ und 1. tötus 'ganz, unbefriedigend. Eine lateinische Etymologie
völlig’. (die an X.falx (-leis) f. 'Sichel’ anknüpft, wegen
Etymologisch verwandt: s. Fazit und total. — W. Feld¬ der sichelförmigen Krallen dieses Greifvogels)
mann ZDW 8 (1906/07), 69. ist semantisch befriedigender, erklärt aber nicht
Faktum n. 'Tatsache’, sonder spracht. Im 17. das späte Auftreten des Wortes im romanischen
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. factum Bereich. Germanische Völker- und Personenna¬
(wörtlich: 'das Gemachte’), dem substantivier¬ men können keinen Ausschlag geben, da nicht
ten PPP. von 1. facere (factum). erwiesen werden kann, daß in ihnen tatsächlich
Morphologisch zugehörig: Faktura fakturieren. Faktu¬ das Wort für 'Falke’ steckt. Auf jeden Fall ist
rist; etymologisch verwandt: s. Fazit. - W. Feldmann die Falkenjagd später als das erste Auftreten
ZDW8 (1906/07), 69; J. W. Walz ZDW 12 (1910), 179. des Wortes.
Fakultät /. 'Fachbereich, Wissenschafts¬ Suolahti (1909), 327-333.
zweig’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
Fall m. Mhd. val, ahd. as. fal aus vor-d.
gleichbedeutend ml. facultas (-atis), dieses aus
*falla- m. 'Fall’ (in anderen germanischen Spra¬
1. facuttäs (-ätis) 'Befähigung, Talent u. ä.’,
chen andere Stammbildungen). Zunächst Ab¬
über 1. facul 'leicht’ zu 1. facere 'machen, tun’.
straktum zu fallen (s. d.); später für verschie¬
Die Bedeutung 'Wissenschaftszweig’ entwik-
dene Möglichkeiten (im Recht, der Philosophie
kelt sich bei Aristoteles, der gr. dynamis 'Kraft,
u. a.). Ausgangspunkt für diesen Gebrauch
Fertigkeit’ auch als Bezeichnung der Fertigkei¬
waren wohl die wechselhaften Möglichkeiten
ten in einem Wissenszeig verwendet. Von hier
beim Fall der Würfel, außerdem hat 1. cäsus (mit
wird die Bedeutung ins Mittellateinische über¬
entsprechender Bedeutungsvielfalt) als Vorbild
nommen. Bei der Gründung der Universitäten
mitgewirkt. Sicher ist dies bei Fall als Terminus
wird Fakultät zum Namen der Gesamtheit von
der Grammatik: Hier ist es eine im 17. Jh.
Lehrern und Hörern einer Wissenschaft, deren
aufgekommene Lehnbedeutung von 1. cäsus,
Lehrkörper zunächst collegium facultatis heißt.
das seinerseits gr. ptosis übersetzt. Dieses be¬
Morphologisch zugehörig: fakultativ, etymologisch
verwandt: s. Fazit. - W. Feldmann ZDWH (1906/07), nennt die Verschiedenheit der grammatischen
69; Schirmer (1912), 23; Götze (1929), 12. Fälle nach der Verschiedenheit beim Fall der
Würfel.
fakultativ Adj. 'frei, nicht festgelegt, optio¬
nal’, sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt aus Falle f. Mhd. valle, ahd. as. falla aus wg.
gleichbedeutend frz.facultatif dieses zu 1 .facul- *fallön 'Falle’, auch in ae.fealle. Die Bedeutung
täs (-ätis) in der Bedeutung 'Möglichkeit, Ver¬ geht offenbar von Fallen mit Falltüren aus (wie
mögen u. ä.’, einer Ableitung von 1. facul bei bestimmten Mausefallen); schon die frühe¬
leicht’, zu 1. facere 'machen, tun’. sten Belege zeigen aber Anwendung auf anderes
Morphologisch zugehörig: Fakultät; etymologisch ver¬ (Fangstrick usw.).
wandt: s. Fazit.
fallen stV. Mhd. vollen, ahd. as. fallan aus g.
falb Adj., arch. Nebenform zu fahl, da aus *fall-a- stV. 'fallen’, auch in anord. falla, ae.
mhd. Mal, valwes aus der Nominativform fahl feallan, afr. falla (das Gotische hat dafür driu-
in Formen mit Endungen falb werden sollte. san). Keine sichere Vergleichsmöglichkeit. Eine
Dabei ist fahl besonders niederdeutsch, falb be¬ möglicherweise vergleichbare baltische Sippe
sonders oberdeutsch verallgemeinert worden. (lit. pülti 'fallen’) weist auf einen Langvokal,
Falb, Falbe gilt heute praktisch nur noch als der auf eine Dehnstufe zurückgehen müßte.
Pferdefarbe und als Bezeichnung für ein Pferd Lautlich mit dem Germanischen übereinstim¬
dieser Farbe. mend ist apreuß. aupallai, das aber 'findet' be¬
Schwentner (1915), 83 — 86. deutet. Weiter wird verglichen arm. p’ul ‘Fall’
Falbel f 'gefältelter oder gekrauster Besatz und schwundstufiges arm. p’lanim ‘ich falle,
an Kleidern’, fachsprachl. Im 18. Jh. zunächst stürze ein ; und mit 5 mobile gr. sphällö 'ich lasse
als falbala entlehntes Wort. Aus frz. falbal m. fallen, stürze, stelle ein Bein’, was *(s)phal(n)-
'Faltensaum’ zu afrz. felpe 'Franse’. voraussetzen würde.
kalke m. Mhd. valke, ahd. falk(o), mndd. Nndl. vollen, nt.fall, nschw. nisl.falla. S. Fall,fällen,
mndl. valke. Ein zunächst nur deutsches Wort, Fallout, gefallen. - F. Kluge ZDW 8(1906/07)
31-34.
neben dem das lautgleiche 1. falco steht. Unter
diesen Umständen ist es schwierig festzustellen, fällen swV. Mhd. veilen, ahd. feilen, as.fellian
wo das Wort seinen Ursprung genommen hat. aus g. *fall-eja- swV 'fällen’, auch in anord.
Eine germanische Etymologie, die an fahl an¬ Jella, ae. fellan, fyllan, afr. fella, falla. Kausati-
knüpft (das eine Nebenform falk- hat) und das vum zu fallen (s. d.), also eigentlich 'fallen ma¬
Wort ins Lateinische entlehnt sein läßt, würde chen’.
der Beleglage entsprechen, ist aber semantisch Nndl. veilen, ne. feil, nschw. fälla, nisl .fella.
fällig 201 falzen

fällig Adj. Mhd. vellec, vellic, ahd. feilig, ei¬ grammatischen Wechsel), anord. -faldr, ae.
gentlich 'zum Fallen kommend’, in dieser Be¬ -feald, afr. -fald. Vom Deutschen und Germani¬
deutung noch in baufällig, fußfällig u. ä. Da schen her gesehen liegt eine Ableitung zu Falte
fallen auch vom Nachwuchs der Tiere und vom (oder eine verwandte Bildung) vor, was seman¬
Ertrag von Bäumen und Pflanzen gebraucht tisch ausreichend verständlich wäre. Allerdings
wird, können auch Zinsen usw. 'fallen’. Zu dem sind die Multiplikativ-Zahlwörter auf einer
Zeitpunkt, an dem dies geschieht, werden sie Grundlage *pel- besser vergleichbar als das Ver¬
fällig. So die heutige Bedeutung des einfachen bum falten (s. d.) und seine Ableitungen, so
Wortes. daß eine Trennung vielleicht ratsam ist. Vgl. gr.
Fallout m. 'radioaktiver Niederschlag’, J'ach- dipläsios 'doppelt’ (*pl-t-), 1. duplus 'doppelt’,
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend mir. diabul 'doppelt’, gr. diplöos 'doppelt’
ne.fall-oul (wörtlich: 'Ausfall’), zu e./a// 'fallen’ (*plo-) und zu *pl-ek- 1. duplex 'doppelt’, gr.
(s. fallen) und e. out 'aus’ (s. aus). diplax 'doppelt gelegt, zweifach’.
Fallreep n. 'herablaßbare Treppe an einem Nndl. -voudig, ne. -fold. S. Diplom ( + ), einfältig,
Schiff’, fachsprachl. Eigentlich ein 'Seil (ndd. falten ( + ), Zweifel.

reep, ne. rope) zum Hinunterlassen’ übertragen falten stV. Mhd. valten, valden, ahd. faldan,
auf die Leiter oder Treppe, die dieses Seil er¬ mndd. volden, mndl. vouden aus g. *falf-a- stV.
setzte. 'falten’, auch in gt. faifalp Prät., anord. falda,
S. Reep und Reif1 ( + ). — Kluge (1911), 243f. ae. fealdan. Keine genaue Vergleichsmöglich¬
falls Konj. Zu Fall in der Bedeutung 'eintre¬ keit. Vielleicht als schwundstufige Nomina air.
tende Möglichkeit’. Adverbialer Genitiv mit der alt 'Gelenk, Glied, Abschnitt’ und (sehr unsi¬
Bedeutung 'im Fall, für den Fall’. Bleibt die cher) ai. puta- 'Falte, Tasche’. Vgl. die wesent¬
folgende Konjunktion (daß) weg, so wird falls lich besser vergleichbaren Multiplikativ-Zahl¬
zur Konjunktion, wie heute allgemein. wörter auf -falt.
Fallstrick m. Seit dem 16. Jh. belegte Zusam¬ Nndl. vouw, ne. fold, nschw.fälla 'säumen’, nisl. faldur
'Saum’. S. einfältig (+), falzen, Fauteuil. — T. Burrow
mensetzung mit fallen (s. d.) und Strick
BSOAS 35 (1972), 537f.
'Schlinge’ (s. d.). Die ursprüngliche Bedeutung
ist 'Schlinge zum Fangen von Wildtieren’ (wört¬ Falter m. Im 18. Jh. abgelöst aus mhd. vlval-
lich 'Schlinge, worüber man fallt’), die übertra¬ ter, nachdem das Vorderglied auch in verschie¬
gene Bedeutung ist jedoch vor dieser bezeugt. dener Weise umgestaltet worden war. Das mit¬
telhochdeutsche Wort aus ahd. fifaltfajra /.,
falsch Adj. Mhd. vals(ch). Entlehnt aus afrz.
fals, das seinerseits aus 1. falsus 'falsch’ stammt fifalter, as. fifaldra f. aus g. *fifal-drön m. 'Fal¬
(zu 1. fallere 'täuschen’). Auf die Lautung war ter’, auch in ae. fiff(e)alde f. (mit Verlust des
eine nordfrz. Variante falske f. von Einfluß, die r) und anord. ßfrildi n. (mit Vorwegnahme des
zu mndl. valsch führte und von dort auch ins r). Außergermanisch vergleicht sich 1. päpilio
Mittelhochdeutsche gelangte. Vgl. aber auch 'Schmetterling’, so daß das Wort als eine Redu¬
fälschen. plikationsform zu verstehen ist. Weitere An¬
schlüsse an eine indogermanische Verbalwurzel
S. Falsett, Fauxpas, fehlen.
sind kaum ratsam angesichts der ähnlichen
falschen swV. Mhd. velschen, ahd. felsken
Wörter in benachbarten Sprachen. Vgl. etwa
(u. a.) ist entlehnt aus spl. *falsicäre, das aus 1.
kymr. pili-pala, olit. peteliske (aus *pel-tel-? vgl.
*falsificäre gekürzt ist (bezeugt ist lediglich das
lett. peteligs 'flatterhaft’), lett. pledins (zu lett.
PPP. von 1. *falsificäre 1. falsificätus). Die Ablei¬
pledinät 'die Flügel bewegen’, lett. plevinät 'flat¬
tung fälschen ist also früher entlehnt als das
tern’), russ. pikali PL, pekelek 'Schmetterling’
zugrundeliegende falsch (s. d.).
u. a.
Falsett n. 'Fistelstimme’, fachsprachl. Ent¬ H. Krause: Geschichte der zoologischen Nomenklatur
lehnt aus gleichbedeutend it. falsetto m., zu it. (Diss. Göttingen 1918), 48; W. Oehl in: FS Schuchardt
falso 'falsch’, dieses aus 1. falsus (dass.), zu 1. (1922), 75-115.
fallere (falsum) 'täuschen’. Wohl so bezeichnet,
falzen swV. Mhd. valzen, velzen, ahd.
da mit dieser Kopfstimme des Mannes hohe
(ga)falzjan. Es kann sich um eine Intensivbil¬
Töne erzeugt werden, die denen einer Frauen¬
dung zu falten (s. d.) handeln, aber ein ahd.
stimme ähneln. *faldezzen ist nicht belegt, und die Lautform
Etymologisch verwandt: s. falsch. falz- erscheint früher als eine Kontraktion statt¬
falsifizieren swV, s. falsch. gefunden haben könnte. Allerdings sind die frü¬
-falt, -faltig Suffix (zur Bildung von Multipli- hen Belege nicht mit Sicherheit zu beurteilen,
kativ-Zahlwörtern). Mhd. -valt, ahd. -falt, as. da die Abgrenzung gegenüber einem ursprungs¬
-fald aus g. *-falda-, auch in gt. -falfs (ohne verschiedenen ahd. falzan (möglicherweise ein
Familie 202 Farbe

starkes Verb), das 'schlagen (u. a.)’ bedeutet, setzte arabische Ursprung muß als unwahr¬
kaum durchführbar ist. scheinlich gelten.
Familie/. 'Gemeinschaft der Verwandten’. Im Littmann (1924), 100, 102; Jones (1976), 327.
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. familia, fangen stV. Mhd. vähen, vän, ahd. as. fähan
zu 1 .famulusm. 'Diener’. Das Benennungsmotiv aus g. *fanh-a- stV. 'fangen’, auch in gt. fähan,
erklärt sich aus dem patriarchalischen System, anord. fä (später fanga), ae. fön, afr. fä. Dieses
das Blutsverwandte, Abhängige und Sklaven ist eine nasalierte Form zu ig. *päk- 'befestigen,
im Hausverband einem „dominus“ unterstellte. halten’ (also *pank- als Grundlage des germani¬
Aus der Bedeutung 'Hausgenossenschaft’ unter schen Wortes; vielleicht unmittelbar zu verglei¬
Wirkung der sozialen Veränderungen dann die chen ist das 1. Glossenwort pancra rapina
Bedeutungsentwicklung zum heutigen Wortver¬ 'Raub’). Die Wurzel ist bezeugt in gr. pegnymi
ständnis. ich befestige’), 1. paciscor 'ich schließe einen
Morphologisch zugehörig: familiär, Familiarität', ety¬ Vertrag’, g. *fög-ja- 'fügen’ (s. fügen) und viel¬
mologisch verwandt: Famulatur. leicht ai. päsa- 'Schlinge, Band’. Zu der Variante
famos Adj. 'großartig’, ugs. Im 19. Jh. ent¬ *päg- s. unter Fach (der Gebrauch dieser Sippe
lehnt aus gleichbedeutend frz. fameux, aus 1. könnte darauf hinweisen, daß 'fangen’ ur¬
Jämösus 'vielbesprochen’, zu 1. fäma 'Gerede, sprünglich 'Fische fangen’ bedeutete). Die mo¬
Gerücht’, zu 1. färt 'sprechen’. Die Form wird derne Form fangen beruht auf dem Ausgleich
an das bereits im 17. Jh. übernommene famos des grammatischen Wechsels, der ursprünglich
'berüchtigt’ angeglichen. Im Deutschen erfolgt nur dem Präteritum zukam.
eine Bedeutungsverengung auf 'wegen positiver Nndl. vangen, nschw./d, nisl. fä. S. empfangen, fähig,
fügen ( + ), Gefängnis. •
Eigenschaften vielbesprochen’, daraus dann
'positive Eigenschaften habend, großartig’. Fant m. 'unreifer Jüngling’, arch. In ober¬
Etymologisch verwandt: s. diffamieren. - W. Feld¬ deutschen Mundarten aufgenommen aus it.
mann ZDW 8 (1906/07), 69. fante 'Knabe, Knecht, Bauer’ (zu 1. Tnfäns m./f
Famulatur /. 'Krankenhauspraktikum von 'Kind’, das auf 1. färi 'sprechen’ zurückgeht,
Medizinstudenten’, fachsprachl. Neubildung zu also wörtlich: 'der nicht sprechen kann’). In
1.famulus m. 'Diener, Helfer’. Seit dem 16. Jh. mhd. vende, vent 'Knabe, Fußgänger, Bauer im
wird 1. famulus im Deutschen als Bezeichnung Schachspiel’ hat sich wohl dieselbe Quelle mit
einem älteren ahd. fuoz-jendo 'Fußgänger’ (das
für Hilfskräfte akademischer Lehrer verwendet,
zu einer Ableitung von finden gehört) vermischt.
dann Einengung auf den Bereich der Medizin
Wieder ein anderes Wort scheint mndd. vent
{Famulus als 'Mediziner in der praktischen Aus¬
'Knabe, Knecht, Genosse’ zu sein: es wird auf
bildung’, d. h. wörtlich 'Helfer des Arztes’).
mndl. vennoot 'Genosse’ aus mndl. veemgenoot
Etymologisch verwandt: Familie.
'Mitglied der Feme (Genossenschaft)’ zurück¬
Fan m. 'begeisterter Anhänger’. Im 20. Jh. geführt.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. fan, einer S. diffamieren ( + ). - K. v. Bahder BGDSL 22 (1897),
Kurzform von e. fanatic, zu e. fanatic Adj. 527-531.
'schwärmend, eifernd’, dieses aus 1. fänaticus
Fantasie/., s. Phantasie.
(dass.), zu 1. fänum n. 'Ort der Gottheit,
Tempel’. Farbbuch n., s. Blauhuch.
Etymologisch verwandt: s. Ferien. Farbe/. Mhd. v.arwe, var, ahd. (ar(a)wa aus
g. *farwa-/ö m./f 'Form, Gestalt, Farbe’, auch
fanatisch Adj. 'überschwenglich, schwärme¬
in gt. farwa (Dal. Sg.) 'Gestalt'. Vermutlich
risch’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. fänaticus 'reli¬
mit Wechsel von ig. qu zu g. / vor Labial aus
giös schwärmerisch, von der Gottheit ergriffen’,
voreinzelsprachl. *quor-wo- zu ig. *quer-w-ma¬
zu 1. fänum 'Ort der Gottheit, Tempel’. Der
chen, gestalten’ in ai. krnöti 'macht usw.’ Von
Bezug auf Religiöses verliert sich ausgehend
derselben Wurzel mit anderen Suffixen air.
vom Französischen des 18. Jhs„ das den Begriff
cruth m. 'Gestalt’, kymr. pryd (*qurtu-); ai. krp
in politischen Zusammenhängen verwendet.
'Gestalt’, 1. corpus n. 'Körper, Fleisch, Gestalt’,
Morphologisch zugehörig: Fan, Fanatiker, fanatisieren,
mir. cri 'Fleisch, Gestalt’. Die Bedeutung
Fanatismus; etymologisch verwandt: s. Ferien. - A.
Gombert ZDW 3 (1902), 174f.; W. Feldmann ZDW
'Farbe’, die sich später durchsetzt, ist wohl ent¬
8 (1906/07), 69; Schalk (1966), 60 — 74; R. Spaemann standen in BahuvrThi-Komposita wie rosen-faro
AB 15 (1971), 256-274. 'das Aussehen von Rosen habend’ = 'rosen¬
farbig’.
Fanfare f. 'Trompetensignal, ein Blasinstru¬
Nndl. verv. S. Körper. - V. Pisani StG 10(1972),
ment’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
35-40; O. Szemerenyi Language 48 (1972), 5-9; E. P.
gleichbedeutend frz. fanfare, dessen Herkunft
Hamp NWELE 4 (1984), 51 f. Anders: A. Kutzelnigg
nicht sicher geklärt ist. Der manchmal ange¬ ZM 32(1965), 221 -250 und G. Must IE 86(1981),
Farce 203 Faschismus

255 — 270 (Lehnwort aus arab.farwfa] 'Pelz, pelzbe¬ Färse /. 'junge Kuh’, fachsprachl. Spmhd.
setztes Gewand’).
mndl. verse, trotz der späten Bezeugung wohl
Farce /. 'Posse, lächerliche Angelegenheit’. schon alt und als *farsi/jö anzusetzen.
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Zur Etymologie s. Farre(n).
farce (wörtlich: '[Fleisch-]Füllung)’, zu 1. farclre
farzen swV, vulg. Mhd. varzen. Ableitung
'stopfen’. Die übertragene Bedeutung geht aus
oder lautliche Abwandlung zu g. *fert-a- 'fur¬
von Einlagen in den mittelalterlichen geistlichen
zen’, auch in ae. *feortan (zu erschließen aus
Schauspielen, die sich dann zu eigenständigen
ae. feorting 'Furz’), ahd. ferzan, mhd. verzen,
Darbietungen verselbständigen. Die Wörter for¬
anord. (mit tabuisierender Metathese) freta.
cieren, faschieren und Faschiertes basieren auf
Vgl. anord. frata 'furzen’ und Furz (s. d.). Zu¬
der ursprünglichen Bedeutung 'Füllung aus
grunde liegt ig. *perd- 'furzen’ in ai. pärdate,
kleingehacktem Fleisch’.
gr. perdomai, russ. perdett, perzü, lit. persti und
Etymologisch verwandt: Frequenz (usw.), Infarkt. —
aus dem Keltischen vielleicht kymr. rhech
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 69f.; Jones (1976),
372f; Brunt (1983), 296. 'Furz’, das auf *prd-kä zurückgeführt werden
kann.
Farin m. 'gelblichbrauner Zucker’, arch.,
fachsprachl. Im 18. Jh. als Farinzucker über it. Fasan m. (= ein Hühnervögel). Im Althoch¬
farina f 'Mehl’ entlehnt aus 1 . farina f. 'Mehl’. deutschen (ahd. *fasiän, fasan, fasant, fesihuon
Das Wort bedeutet ursprünglich 'wenig raffi¬ n. [„Fasanhuhn“], mhd. fasän, fasant) entlehnt
nierter Zucker’ oder 'Abschaum von Zucker’, aus gleichbedeutend aus 1. (avis) Phäsiäna /.,
so daß das Benennungsmotiv unklar bleibt. aus gr. (örnis) Phasianös (dass., wörtlich: ‘Vo¬
Später, durch Rückanschluß an 1 .farinaf. usw. gel aus der Gegend des Flusses Phasis [am
in der Bedeutung 'Puderzucker’ verwendet. Schwarzen Meer]). Die mittelhochdeutsche
Form basiert auf einer erneuten Entlehnung,
Farm /. 'landwirtschaftlicher Betrieb’. Im 19.
diesmal aus afrz. faisan desselben Ursprungs.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. farm, die¬
ses aus afrz. ferme 'Pachthof’, einer postverba¬ Littmann (1924), 15.
len Ableitung von afrz. fermer 'einen Vertrag Fasche/, 'lange Binde’, arch., südd. Entlehnt
schließen, beschließen, (älter:) festmachen’, aus aus it. fascia 'Band, Binde’, zu 1. fascia, das
1. firmäre 'festmachen’, zu 1. firmus 'stark’. zu einer Wortsippe für 'Bündel, Binde’ gehört
Morphologisch zugehörig: Farmer, etymologisch ver¬ (dazu auch 1. fascis m. 'Bund’, s. Faschismus).
wandt: s. Firma. — Ganz (1957), 71. faschieren swV. 'durch den Fleischwolf dre¬
Farn m., fachsprachl. Mhd. varm, vorn, ahd. hen’, s. Farce.
farn, farm, as. farn aus wg. *farna- m. 'Farn’,
Fasching m., bair.-österr. für Fastnacht (s. d.).
auch in ae. fe(a)rn n. Aus ig. *pte/or-(no-)
Seit dem 13. Jh. als vaschanc, vaschang belegt
'Farn’ zu ig. *petor/n 'Flügel’ mit Vereinfa¬
und erst später den Wörtern auf -ing angegli¬
chung der Anlautgruppe pt- außerhalb des
chen. Die Herkunft des ersten Elements ist Fast-
Griechischen. Entsprechende Wörter für 'Farn’:
zu fasten oder *fasa- wie in Fastnacht (s. d.).
gr. pteris /., lit. papärtis, russ. päporotf /., air.
Das zweite Element ist unklar, vermutlich
raith/.; morphologisch dem germanischen Wort
-gang. Mndd. vastgank, anord. (spät) fgstu-
entsprechend ai. parnä- n. 'Feder, Blatt’. Für
gangr 'Beginn der Fastenzeit’ könnten entspre¬
'Flügel’: heth. pattar n., gr. pterön n., ai. parnä-
chen.
n. und mit s mobile lit. sparnas. Farn ist also
F. Wilhelm MM 4(1924), 86; P. Wiesinger in: Beu-
ursprünglich 'der Gefiederte’.
mann/Schröder (1985), 160f.; P. Wiesinger in: FS W.
Nndl. varen, ne. fern. S. Feder (F). — Anders: A.
Kleiber (im Druck). Anschluß an Faß sucht mit beacht¬
Kutzelnigg Orbis 17 (1968), 142—157.
lichen Gründen: H. Moser SAV 68/69(1972/73),
Farre(n) m. 'Stier’, arch., reg. Mhd. var(re), 433-453.
pfar(re), ahd.far(ro), mndd. varre, verre, mndl.
Faschismus m. 'antidemokratische, rechtsra¬
varfrje 'junger Stier’, aus g. *farza-lön m.
dikale Bewegung’. Im 20. Jh. entlehnt aus
'Stier’, auch in anord. farri, ae.fearr, afr. abge¬
gleichbedeutend it. fascismo, zu it. fascio
leitet fering. Farre(n) ist das Maskulinum, zu
'Bund’, aus \. fascis (dass., wörtlich: 'Rutenbün¬
dem Färse (s. d.) die Femininform ist, vermut¬
del’). Im Italienischen zunächst Eigenbezeich¬
lich in dem Sinne 'junge Kuh, die zum ersten
nung der Bewegung, die unter Mussolini 1922
Mal zum Stier kommt’. Das Femininum offen¬
an die Macht kam; dann Verallgemeinerung
bar in gleichem Sinn, aber ohne -s- in ae. heah-
der Bedeutung. Die Bezeichnung steht in der
fore, ne. heifer und gr. (ep.) pöris, auch gr.
Tradition sozialrevolutonärer „Bünde“ des 19.
pörtis; weiter vielleicht arm. ort’ 'Kalb’ (ausge¬
Jhs. (z. B. „fasci dei lavoratori“). Das lateini¬
hend von 'junge Kuh’). Weitere Herkunft un¬
sche Wort fascis steht insbesondere für ein Ru¬
klar.
Vermutungen zur Herkunft bei: O. Paul WS 20 (1939), tenbündel mit Beil, dem symbolischen Zeichen
38. für die Herrschergewalt; es wurde bei öffent-
Fase 204 fatal

liehen Auftritten von den Liktoren den Magi¬ *fet-a- 'fallen’ (anord. feta, ahd. fezzari) zu
straten als Zeichen der Macht vorangetragen. stellen.
Morphologisch zugehörig: Faschist, faschistoid; ety¬ S. auch gefaßt.
mologisch verwandt: Fasche, Faszikel. Fasson/. 'Form, Machart’, sonderspracht. Im
Fase /. 'abgeschrägte Kante’, fachsprachl. 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. fagon,
Entlehnt aus frz. face 'Gesicht, Oberfläche’. dieses aus \. factio (-önis) 'das Machen’, zu 1.
Fasel m. 'geschlechtsreifes Rind oder facere (factum) 'machen, tun’. Selben Ur¬
Schwein, meist männlich’, fachsprachl. Mhd. sprungs ist Fashion 'Mode’ (aus ne. fashion).
vasel, ahd. fasal m./(n.) aus wg. *fasla- m. Etymologisch verwandt: s. Fazit. — W. Feldmann
'Zucht, Zuchttier’, auch in ae. fcesl m.(?)/n.(?) ZDW 8 (1906/07), 69.

'Nachkommenschaft’. Mit Rücksicht darauf, fast Adv. Ursprünglich umlautloses Adverb


daß gr. späö 'ich ziehe, reiße’ auch 'ich leite her, zu fest (ahd. fasto). Noch frühneuhochdeutsch
stamme ab’ bedeuten kann, wohl zu diesem als Verstärkung, dann durch Ausweitung des Ge¬
*(s)pas-lo- 'Zucht, Abstammung’. brauchs abgeschwächt zu 'beinahe’ (vgl. ganz
S. Penicillin (+). gut, recht gut usw.).
faseln swV. 'wirr reden’, ugs. Seit dem 17. Jh. fasten sw V. Mhd. vasten, ahd. fasten aus g.
neben älterem fasen, vgl. mndd. vase, visevase, *fast-ce- swV. 'fasten’, auch in gt.fastan, anord.
vasevise 'dummes Zeug’. Vielleicht zu ahd. faso fasta, ae. fastan. Das Verbum gehört möglicher¬
'Franse’, mhd. vase 'Faser’ im Sinn von 'Wirr¬ weise zu fest (s. d.) als 'fest sein’ oder 'fest
warr’. Vgl. nnorw. fjas n. 'Unsinn, dummes bleiben’. Warum der kirchliche Begriff des Fa¬
Zeug’, regional auch 'Brennholz aus Reisig’. stens (1. ieiünäre, gr, nesteüeiri) so ausgedrückt
L. Hermodsson SA 37 (1965), 112 — 115. und übersetzt wurde, bleibt unklar.
Faser/. Spmhd. vaser, Weiterbildung zu mhd. Nndl. vasten, ne.fast, nschw. nisl.fasta.
vase, ahd. faso m.('?), fasa, mndd. vesen(e), Fastnacht /., reg. Bezeugt seit dem 13. Jh.,
vese, mndl. vese, aus wg. *fasön m.lf. 'Faser’, wobei die Formen von Reliktmundarten auf
auch in ae. fees. Wohl zu russ. päsmo n. 'Gam- ursprüngliches *fasanaht unklarer Herkunft
strähne’. Sonst Herkunft unklar. Vgl. das ähnli¬ (der zweite Bestandteil ist aber sicher Nacht)
che Fitze (s. d.). 'wehen’. hinweisen. Schon früh ist das Wort als fastnacht
Fashion /. 'Mode, gepflegter Lebensstil’, s. 'Vorabend der Fastenzeit’ verstanden worden,
Fasson. doch beruht dies sicher auf sekundärer Motiva¬
tion — auch Anschlüsse an Faß kommen vor.
fashionable Adj. 'modisch’, s. fesch.
Bairisch-österreichisch dafür meist Fasching
Faß n. Mhd. vaz, ahd. faz, as.fat aus g. *fata- (s. d.).
n. 'Faß, Gefäß’, auch in anord.fat, ae.fcet, afr. A. Hiß WJV (1965/69), 123-193; K. Meisen RJVK
fet. Außergermanisch zeigt gleichen Lautstand 17/18 (1967), 7 — 47; K. Finsterwalder ZDPh 105
lit. püodas m. 'Topf’. Unklar ist das Verhältnis (1986), 385f.; R Wiesinger in: FS W. Kleiber (im
zu spl. *pottus 'Topf’ (s. Pott). Weitere Her¬ Druck). Anschluß an Faß sucht mit beachtlichen
kunft unklar. Gründen: H. Moser SAV 68/69 (1972/73), 433-453.
S. auch Fetzen, Gefäß. — J. Trier ZDPh 70(1947/49), Faszikel m./n. 'Aktenbündel, Bündel’, sonder-
353-355; R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 345-348; sprachl. Entlehnt aus 1. fasciculus m. 'kleines
Hoops (1973ff.), III, 324 — 330; T. Capelle in: Schmidt-
Bündel, Paket’, einem Diminutivum zu 1. fascis
Wiegand (1981), 52 — 57. Zu der Bedeutung 'Sarg’ vgl.:
m. 'Bund, Bündel, Paket’.
Cox (1967), 61-63.
Etymologisch verwandt: s. Faschismus.
Fassade /. 'Vorderseite, Außenseite’. Im 18.
faszinieren swV. 'begeistern, anziehen’. Im 18.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. faqade,
Jh. entlehnt aus 1. fascinäre 'behexen’, dessen
dieses aus it. facciata, einer Ableitung von it.
Herkunft nicht sicher geklärt ist. Zunächst ent¬
faccia 'Vorderseite („Gesichtsseite“)’, aus 1. fa¬
lehnt in der Bedeutung 'bezaubern’, dann Wei¬
des 'Aufmachung, Aussehen, Gesicht’, einer
terentwicklung zu 'anziehen’.
Ableitung von 1. facere 'tun, machen’.
Morphologisch zugehörig: Faszination. — W. Feld¬
Etymologisch verwandt: s. Fazit. - Brunt (1983), 294.
mann ZDW 8 (1906/07), 70.
fassen swV. Mhd. vazzen, ahd. fazzön, mndd.
fatal Adj. 'mißlich’, sonder spracht. Im 16. Jh.
mndl. vaten aus g. *fat-ö- swV. 'fassen’, auch in
entlehnt aus X.fätälis 'verderbenbringend’, einer
anord. fata, ae. fetian, afr. fatia. Sowohl die
Ableitung von 1. fätum 'Mißgeschick, Lebens¬
Zusammengehörigkeit dieser Wörter unterein¬
schicksal, Weissagespruch’, zu X.färt 'sprechen’.
ander als auch der Vergleich mit Faß, Fessel
Morphologisch zugehörig: Fatalismus, Fatalist, Fatali¬
und außergermanischen Wörtern sind unklar.
tät-, etymologisch verwandt: s. diffamieren. Ersatzwort
Anord. fata 'Finden’ und ae. fetian 'holen, brin¬ ist verhängnisvoll. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
gen’ sind vielleicht abzutrennen und zu g.
Fata Morgana 205 Favorit

Fata Morgana f. 'Luftspiegelung, Trugbild’. Faultier n. Seit dem 17. Jh. belegte Lehnbil¬
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. fata dung nach span, perezoso m., einer Substanti¬
morgana (eigentlich: fata Morgana „Fee Mor¬ vierung des Adjektivs span, perezoso 'faul,
gana“). It. fata 'Fee („Schicksalsgöttin“)’ geht träge, schwerfällig’ zur Bezeichnung des in Mit¬
zurück auf 1. fätum n. 'Schicksal, Weissage¬ tel- und Südamerika heimischen schwerfälligen
spruch', zu 1. fän 'sprechen’; der Frauenname Tieres aus der Familie der Bradypodidae. Seit
Morgana aus gr. margarites m. 'Perle’. Die so dem 19. Jh. auch auf den Menschen übertragen.
bezeichnete Fee wird vom Volksglauben für die Faun m. triebhafter Waldgeist, lüsterner
Luftspiegelungen in der Straße von Messina Mensch’, sonder sprach!. Im 18. Jh. entlehnt aus
verantwortlich gemacht; dann Ausweitung auf l. Faunus, dem Namen des römischen Gottes
andere Trugbilder, insbesondere solche in der der Hirten und Herden. Die Bedeutung des
Wüste. lüsternen Waldgottes wird in der Mythologie
Etymologisch verwandt: s. diffamieren. - P. Beck aus dem Bild des griechischen Hirtengottes Pan
ZDIV 3 (1902), 366; A. Gombert ZDW 3 (1902), 146. übernommen. Der Name der Waldgöttin Fauna
Fatzke m. 'eitler Geck’, berlin. Wohl aus dem (Frau, Schwester oder Tochter von Faunus) ist
poln. Personennamen Waeek (Casus obliquus: Grundlage für d. Fauna 'Tierwelt’.
Wacka) gebildet. Morphologisch zugehörig: Fauna.
M. Vasmer ZSPh 2(1915), 124; Lasch (1928), 198f.; Fauna/., s. Faun.
Bielfeldt (1965), 31f.; Wolf (1985), 92.
Faust /. Mhd. vüst, as. ahd. füst aus wg.
fauchen swV, auch pfauchen swV. (österr.). *füsti- f. 'Faust’, auch in ae. fyst, afr. fest.
Mhd. pfüchen, meist von Katzen (und übertra¬ Hierzu serb.-kslav. ppsti und mit Umstellung
gen) gesagt. Zu der unter Bausch behandelten lit. kümste, so daß sich als Ausgangspunkt
Lautgebärde. *pnk-sti-, früh-g. *funhsti- ergibt. Man versucht
faul Adj. Mhd. vül, voul, ahd.fül aus g. *füla- dieses Wort an fünf anzuschließen, doch gibt es
Adj. 'faul, verfault’, auch in gt .füls, anord .füll, hierfür keine besonderen Stützen. Auffällig ist
ae. afr. fül. Adjektivische /-Bildung zu einer die lautliche Nähe von 1. pügnus m., gr. pygme
Wurzel, die unerweitert noch in den nordischen 'Faust(kampf)’, gr. pyx 'fäustlings, im
Sprachen auftaucht: anord. füinn (Partizip) Faustkampf’. Die Faust steht sinnbildlich für
'verfault’, anord. feyja 'verfaulen lassen’ (Kau¬ 'Gewalt, Krieg’ in Fügungen wie Faustrechf,
sativ), anord. füna 'verwesen, faulen’. Zu ig. fnhd. von der Faust weg bedeutet 'frisch von
der Leber weg, ohne Umstände, unbekümmert’,
*pü- 'faulen’ in ai. püyati 'wird faul, stinkt’, lit.
hierzu Faustregel (der Ausgangspunkt für die
püti 'faulen’, mit Erweiterung gr. pythomai 'ich
Wendung ist nicht ganz klar, vielleicht vom
faule’, unerweitert in gr. pyon, pyos 'Eiter’, 1.
Essen aus der Hand her genommen). Das Faust¬
püs (-uris) 'Eiter’. Dieser Wurzel kann ein Laut
pfand ist das Pfand, das man in der Hand hält,
des Abscheus (wie unser pfui) zugrundeliegen.
über das man also unmittelbar verfügen kann.
Die Übertragung auf 'träge’ geht von 'so lange
Nndl. vuist, ne. fist.
liegen geblieben, bis Fäulnis eintritt’ aus.
Nndl. vuil, nt. foul, nschw. ful. S. faulenzen, Foul.
Fauteuil m. 'bequemer Polstersessel’, arch.,
südd. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Faulbett «., arch. Altes Wort für 'Sofa’ (seit frz. fauteuil, älter faldertueil, faldertoel 'zusam¬
frühneuhochdeutscher Zeit). Bezieht sich wie menklappbarer Stuhl’, das auf afränk. *faldistöl
Lotterbett auf die nachlässige Haltung, die man (dass.) zurückgeht, s. falten und Stuhl.
darauf einnimmt.
Fauxpas m. 'Taktlosigkeit’, sonder sprach!. Im
faulenzen swV. Mhd. vülezen. Ableitung zu 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Wz. faux
mhd. vül, voul (s. faul) mit dem bei Verben des pas (wörtlich: 'falscher Schritt’); frz. faux
Riechens häufigen Suffix -zen. Die ursprüngli¬ 'falsch’ aus 1 .falsus (dass.), zu 1 .fallere (falsum)
che, im Mittelhochdeutschen belegte Bedeutung 'ausgleiten machen, täuschen’; frz. pas 'Schritt’
ist 'faulig riechen’. Das Wort verbreitete sich aus 1. passus (dass., wörtlich: 'das Ausspreizen
seit dem 16. Jh. in der omd. Form -enzen und der Beine beim Gehen’), zu 1. pandere (pänsum,
wird in Anlehnung an faul 'träge’ fast nur über¬ passum) 'spreizen’, einem Kausativum zu 1. pa-
tragen gebraucht. tere 'offenstehen, offen sein’.
Zum Bildungstyp: K. Rother ZDW 14(1912), 219f. Etymologisch mit pas verwandt: s. passieren; zum Ety¬
Faulpelz m. Ursprünglich (frühneuhoch¬ mon von faux s. falsch.
deutsch) die Pilzschicht, die sich auf stark ver¬ Favorit m. 'Begünstigter, aussichtsreichster
faulten Stoffen bildet. Danach als Kraftwort Teilnehmer’. Im 17. Jh. entlehnt aus frz.favorite
(wiq faules Aas u. ä.) übertragen auf träge Per¬ m. Kf.) 'Günstling (usw.)’, dieses aus it.favorito
sonen. (dass.), zu it.favorire 'begünstigen’, einer Ablei-
Faxe 206 Federfuchser

tung von it. favore 'Gunst’, aus I. favor (-öris) fechten stV. Mhd. vehten, ahd. as. fehtan aus
(dass.), zu 1 .favere 'geneigt sein’. Die Bedeutung wg. *feht-a- stV. 'fechten’, auch in ae. feohtan,
'aussichtsreichster Teilnehmer’ im 20. Jh. aus afr.fiuchta. Dieses aus einer Verbalwurzel *pek-
gleichbedeutend ne. favourite gleichen Ur¬ 'rupfen, raufen’, die gelegentlich mit einer
sprungs. t-Erweiterung erscheint. Der Bedeutungsüber¬
Morphologisch zugehörig: favorisieren. — W. Feld¬ gang von 'raufen’ zu 'kämpfen’ ist dabei beson¬
mann ZDW 8 (1906/07), 70; W. J. Jones SN 51 (1979), ders im Litauischen deutlich sichtbar. Auf
258; Brunt (1983), 331f. *pekt- führen 1. pectere 'kämmen’, scherzhaft
Faxe /. Seit dem 17. Jh. in dieser Form be¬ 'prügeln’, gr. pekteö 'ich schere’ (Übergang von
zeugt (meist im Pural). Vorher gibt es für '(unru¬ 'Wolle raufen’ zu 'Wolle scheren’); mit *pek- lit.
hig und meist nutzlos) hin- und herbewegen’ pesti 'rupfen, zausen, an den Haaren reißen’,
fickfacken, mit Fickesfacken 'Possen’, aus dem lit. pestis reff 'miteinander raufen, sich prü¬
Faekes, Facks abgelöst sein kann. Auch einfa¬ geln’, gr. pekö 'ich kämme, schere Wolle’, sowie
ches ficken, facken, fucken für 'hin- und herbe¬ g. *fahsa- 'Haar’ (s. unter Fechser). Von der
wegen', Fickmühle 'Zwickmühle’ u. ä. ursprünglichen Bedeutung ausgehend bedeutet
S. auch fackeln, Federfuchser, Fex. — Lasch (1928), fechten mundartlich auch 'sammeln’ (Beeren
198f. usw.). Daher im 17. Jh. im Rotwelschen 'bet¬
Fazit n. 'Ergebnis, Schlußfolgerung’, sonder- teln’, das dann weiter in die niedere Umgangs¬
sprachl. Neubildung zu 1. facit 'es macht’, zu 1. sprache gelangt. Die Bedeutung 'auf Wander¬
facere (factum) 'machen, tun’. Es bezeichnet schaft betteln’ kommt von dem alten Brauch
zunächst nur die Summe einer Rechnung, dann des Schau-Fechtens von Wanderburschen für
Erweiterung zur heutigen Bedeutung. Geld.
Etymologisch verwandt: Affäre, Affekt, Chauffeur, Nndl. rechten, ne.fight. S. Fuchtel, fuchtig, Harm. —
[Defätismus], Defekt, Defizit, desinfizieren, diffizil, F. Specht ZVS 68 (1944), 205; D. Ader in: FS Trier
echauffieren, Effekt, Effet, Facette, Faksimile, Fakt, (1964), 146-159; Wolf (1985), 92f.
[faktisch], faktitiv, Faktor, [Faktorei], Faktotum, Fak¬ Feckin /. 'Närrin’, bair., s. Fex.
tum, [Faktura], Fakultät, fakultativ, Fassade, Fasson,
Feder /. Mhd. veder(e), ahd. fedara. as. feöa-
Feature, fesch, Fetisch (usw.), Gratifikation (usw.),
ra aus g. *fedurö f. 'Feder’, auch in anord.
identifizieren, Imperfekt, infizieren (usw.), Kalfakter,
Konfekt, Konfektion, Konfetti, Konfiserie, Konterfei, fipör, ae. feöer, afr. fethere. Zugehörigkeitsbil¬
Kontrafaktur, [malefiz], Manufaktur, modifizieren, dung zu ig. *petor/n- 'Flügel’, das zu ig. *pet-
perfekt (usw.), Pontifikat, Präfekt, Profit (usw.), ratifi¬ 'fliegen’ gehört. Ig. *pet- 'fliegen’ in ai. pätati
zieren (usw.), Refektorium, Remter, Satisfaktion, signi¬ 'fliegt, schwebt’, gr. petomar, der r/«-Stamm für
fikant, süffisant (usw.), Zertifikat', zum Etymon s. tun. 'Flügel’ in heth. pattar n. und abgeleitet in ai.
— W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 69; Schirmer
patahgä- m. 'fliegend, Vogel’ und kymr. adar,
(1911), 60f.; Schirmer (1912), 23.
aderyn, ederyn 'Vogel’ neben kymr. adain, aden
Feature n. 'Dokumentarbericht, spezielle Sen¬ 'Flügel’. Entsprechende Wörter für 'Feder, Flü¬
dung’, sonder sprach! Im 20. Jh. entlehnt aus gel’ sind 1. penna (*petn-ä), gr. pteron n., kslav.
gleichbedeutend ne. feature, dieses aus me. pero n. (s. auch Farn). Feder als Schreibgerät
feture 'Aufmachung', aus afrz. faiture (dass.), beruht darauf, daß früher mit den Kielen von
aus 1. factüra f. (dass.), zu I. facere 'machen, Schwungfedern geschrieben wurde; (Metall)fe-
tun’. der ist vermutlich rückgebildet aus Federung,
Etymologisch verwandt: s. Fazit. mhd. viderinc m., ahd. fidering m.(?) ursprüng¬
Februar m. (= der 2. Monat des Jahres). lich 'Schleuder, Wurfriemen’, das wohl auf ein
Im 16. Jh. entlehnt aus 1. (mensis) februärius Adjektiv *petro- 'fliegend’ zurückgeht.
(wörtlich: 'Reinigungsmonat’), zu 1. februäre Nndl. veer, ne. feather, nschw. fjäder, nisl. fjööur. S.
'reinigen’. So benannt, da in der zweiten Hälfte Appetit ( + ), Farn, finden ( + ), Fittich, Gefieder, Sym¬
ptom (usw.). - J. P. Mährer in: Christie (1976),
dieses Monats die Reinigungs- und Sühnopfer
389-409.
für die Lebenden und die Toten abgehalten
wurden. Er war der letzte Monat des altrömi¬ Federfuchser m. 'Schreiber, der andere durch
schen Kalenders. seine Pedanterie ärgert’, ugs. Vermutlich Fort¬
bildung eines älteren Federfuchs 'Pedant mit der
Fechser m. 'bewurzelter Schößling’, fach-
Feder’ wie Schulfuchs 'Pedant in der Schule’.
sprachl. Fnhd. fechser (15. Jh.). Vermutlich No¬
Schon im 16. Jh. als sprechender Name Lupol-
men agentis zu mhd. vahs m./n. 'Haar’, aus g.
dus Federfusius in den „Briefen der Dunkelmän¬
*fahsa- n., auch in ahd. as. fahs n./m.(?), afr.
ner“. Umbildung im Zusammenhang mit sich
fax n., ae. J'eax n. und anord. fax n. 'Mähne’.
fuchsen 'sich ärgern’ (wohl zu fucken 'hin- und
Also 'der Haare (eine Mähne) hat’, d. h. 'der herfahren’, Abwandlung zu ficken und facken,
bewurzelt ist’. s. Faxe).
S. fechten. H.-F. Rosenfeld BGDSL-H 77 (1955), 256.
Federlesen 207 feig

Federlesen n. In Wendungen wie nicht viel


ö voraussetzt. Die Lautzusammenhänge sind
Federlesens machen; ohne viel Federlesens. klärungsbedürftig.
Spmhd. vederlesen 'schmeicheln'. Zusammen¬
Hegfeuer n. Mhd. vegeviur, mndd. vege(n)vür,
setzung mit Feder 'Vogelfeder’ (s. d.) und lesen
mndl. vegevier. Lehnbildung mit fegen 'reinigen’
'auf-, ablesen, einsammeln’ (s. d.), entsprechend
(s. d.) und Feuer (s. d.) zu 1. pürgätörius Tgnis
mhd. vederklüben gleicher Bedeutung; die ur¬
m. 'reinigendes Feuer’ oder 1. pürgätörium 'Ort,
sprüngliche Bedeutung ist 'Federn (von einem
wo gereinigt wird’.
Gewand) ablesen’. Zugrunde liegt die Sitte, Hö¬
hergestellten die lästigen kleinen Flaumfedern Feh /. 'sibirisches Eichhörnchen’ (als Pelz),
vom Kleide zu nehmen, was offensichtlich fachsprachl. Mhd. vech n. 'buntes Pelzwerk’ zu
schon im Spätmittelalter einerseits als Schmei¬ g. *faiha- 'bunt’ in gt. filu-faihs 'vielfach’, ae.
chelei und andererseits als Ausdruck einer über¬ fäh 'bunt’, ahd. feh 'verschiedenfarbig, bunt’.
triebenen Sauberkeit und Umständlichkeit galt; Außergermanisch etwa gr. poikilos 'bunt’ und
dies führte in der negativen Form (ohne viel Wörter für 'einfärben’. Die heutige Bedeutung
durch starke Einengung.
Federlesens, nicht viel Federlesens) zu der schon
seit dem 16. Jh. bezeugten Bedeutung 'nicht viel Fehde/., arch. Mhd. ve(he)de, ahd. (gi)fe-
Umstände machen’ hida, mndd. vede-, mndl. ve(e)de aus wg.
Röhrich (1973), 259-261. *faih-ipöf 'Feindseligkeit’, auch in uc.fähd(u),
afr. fäithe, feithe, Abstraktbildung zu dem Ad¬
Federweißer m. 'junger Wein’, reg. Federweiß
jektiv wg. *faiha- 'feindselig, geächtet’ in ae.
ist eigentlich der Name verschiedener Minera¬
fäh, afr. Jach, ahd. gifeh, mndl. gevee\ hierzu
lien (Talk, Alaun), also 'weiß wie Federn’; dann
auch gt. bifaih 'Übervorteilung’, gt. bifaihon
auch als substantiviertes Adjektiv (vor allem
'übervorteilen’. Zu ig. *peik- 'zürnen o. ä.’ in
westmitteldeutsch) 'junger Wein’ und 'junger,
ai. pisuna- 'böse, verleumderisch’, lit. (mit Ver¬
trüber Most’. Vermutlich eine Bezeichnung
nach der Farbe. halten einer Kentum-Sprache) peikti 'tadeln,
schmähen’, lit. piktas 'böse’, lit. pykti 'zürnen’.
Lüschen (1968), 216.
Eine einfachere Wurzelform *pei- wird unter
Fee/, 'weibliches Märchenwesen mit Zauber¬ Feind dargestellt.
kräften . Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ S feig, Feind, Urfehde. - A. Maier ZDW 10(1908),
tend frz. fee, dieses aus 1. Fäta 'Schicksalsgöt¬ 181-187; J. A. Walz ZDW 12(1910), 179-182.
tin , zu 1. Fätua 'Weissagerin’, der movierten
fehlen swV. Mhd. vcelen, velen, valen. Entlehnt
Form von 1. Fätuus m. 'Weissager’, zu 1. fätum
aus afrz. faillir 'verfehlen, sich irren’ aus 1. fal-
n. 'Schicksal(sspruch)’, zu 1. färi 'sprechen’. Im
lere 'täuschen’.
12. Jh. ist es schon einmal als fei (afrz. fae)
S. falsch ( + ), Fehler.
übernommen worden. Als Entsprechung zu frz.
Fehler m. Nomen agentis zu fehlen (s. d.),
fee in den auch in Deutschland beliebt werden¬
zunächst für einen Fehlschuß gebraucht.
den contes de fees sucht Bodmer das alte Fei
wiederzubeleben, doch setzt sich alsbald die Fei /, s. Fee und gefeit.
junge Entlehnung Fee durch. Die alte Form Feier/. Mhd. vire, ahd.ßr(r)a. Entlehnt aus
noch poetisch-archaisch (Waldfei)-, hierzu auch spl. feria 'Festtag’ aus 1. Jeriae PI. 'Tage, an
gefeit (s. d.). denen keine Geschäfte vorgenommen werden’.
Etymologisch verwandt: s. diffamieren. — J. A. Walz S. Ferien ( + ).
ZDW 14(1912/13), 190-210.
Feierabend m. Spmhd. viräbent 'Vorabend
Feedback n. 'Reaktion(en) auf eine Aktion, eine Festes’. Zusammensetzung mit Feier (s. d.)
Darbietung usw.’, sondersprach/. Im 20. Jh. ent¬ in der alten Bedeutung 'Festtag, Feiertag’ und
lehnt aus gleichbedeutend ne. feedback, dieses Abend 'Vorabend’ (s. d.). Die ursprüngliche Be¬
aus e. feed 'einspeisen, füttern’ (aus ae. fedan deutung wird im Frühneuhochdeutschen in An¬
[dass.] und e. back 'zurück’, [s. Backbord]). Zu¬ lehnung an Feier 'Ruhe von der Arbeit’ zuerst
nächst Bezeichnung der Elektrotechnik, die die nur handwerkersprachlich zu '(Beginn der) Ru¬
Rückführung eines Teils einer Ausgabe in die hezeit am Abend’ umgedeutet.
korrespondierende Eingabe meint; dann Be¬ feig Adj. Mhd. veige, ahd. feig(i), as.fegi aus
zeichnung eines so zurückkommenden Signals. g. *feigja- Adj. 'todgeweiht’. Diese Bedeutung
Schließlich übertragen und verallgemeinert. hat das Adjektiv in allen alten Sprachzustän-
fegen swV., reg. Mhd. vegen, ahd. fegön, as. den; sekundär entwickelt sich daraus 'sich ver¬
fegon. Nur unter Annahme eines merkwürdigen halten wie jmd., der todgeweiht ist’; in den
Ablauts verknüpfbar. Mhd. vegen setzt e vor¬ nordischen Sprachen ist das 'ungewöhnlich,
aus; anord. fäga 'schmücken, reinigen’, mndl. verrückt’, im Mittelhochdeutschen zunächst
vagen dagegen g. ä\ außergermanisch vergleich¬ 'verhaßt u. ä.’, dann seit Luther 'verzagt’ mit
bar ist lit. puösti 'schmücken, putzen’, das ig. einem noch nicht ausreichend aufgehellten Be-
Feige 208 Feldwebel

deutungsübergang. Das Adjektiv gehört mit entstanden ist ('das ist die Grenze’ = das ist
einem ebenfalls nicht ausreichend aufgehellten das Äußerste’ = 'das ist das beste’).
Bedeutungsübergang zu der unter Fehde (s. d.) S. definieren ( + ). - E. Steinmeyer ZDA 34(1890),
dargestellten Grundlage g. *faiha- 'feindselig, 282f.; Miettinen (1962), 205-209.

geächtet’ ('geächtet’ = 'todgeweiht’?). Feind m. Mhd. vlant, vi(e)nt, ahd. ßant,


Nndl. veeg, nisl. feigur. S. auch Feind. — A. Schütt ßjant, as. fand, fiond aus g. *fijänd- m. 'Feind’,
ZDW 11 (1909), 274f. auch in gt. fijands, anord. fjandi, ae. ßond,
Feige/. Mhd. vige, ahd. as.ßga. Entlehnt aus fiond, afr. ßand; erstarrtes Partizip Präsens zu
prov.figa, das aus 1. flcus 'Feige’ stammt. Dies g. *fij-ä- 'hassen’ in gt. fijan, anord. fjä, ae.
wiederum ist aus einer Substratsprache ent¬ ßon, ahd.fiten. Zu ig. *peio- 'hassen, verderben’,
lehnt, aus der auch gr. sykon n. 'Feige’ stammt. auch in ai. piyati 'schmäht, höhnt’. Eine Erwei¬
terung hierzu s. unter Fehde und feig.
feil Adj., arch. Mhd. veil(e), ahd. feili, fäli,
Nndl. vijand, ne. fiend, nschw. fiende, nisl. fjandi. -
mndd. vel(e), veile, vgl. anord.fair. Die Bedeu¬
E. Steinmeyer ZDA 34(1890), 282f.
tung ist überall 'verkäuflich’, der Vokalismus
ist unvereinbar. Da bei dieser vergleichsweise feindselig Adj. Seit dem 16. Jh. in Anlehnung
speziellen Bedeutung verschiedene Quellen an Ableitungen auf -selig zu Substantiven auf
kaum in Frage kommen, muß eine Ablautent¬ -sal (wie trübselig zu Trübsal, s. d.) zu Feind
gleisung auf der Seite des Deutschen vorliegen (s. d.) gebildet (zuerst nur in der Bedeutung
(etwa ein Präsens *filj- aus *felj- und dazu eine 'verhaßt’).
Hochstufe nach dem Muster des ei/i-Ablauts). feist Adj. Mhd. veiz(e)t, ahd. feiz(i)t (vgl.
Ahd .fäli ist ein schwer deutbarer Einzelbeleg — auch ae. fcett), ursprünglich Partizip Präteri¬
sonst steht überall ei. Auszugehen ist also von tum zu mhd. veizen, anord. feita 'fett machen,
dem Vokalismus des Nordischen (*fala-), der mästen’, Faktitivum zu g. *faita- Adj. 'fett’ in
sich anschließt an lit. pelnas 'Verdienst’, lit. pel- anord. feitr, ae. fcett, afr. fatt, fet, mndl. feit,
nyti 'verdienen, gewinnen’, akslav. plenü mhd. veiz. Zu ig. *peid- 'fett sein, strotzen’ (das
'Beute’, ai. pänya- 'Ware’, ai. pänate 'handelt allerdings keine genau vergleichbare Bildung
ein, kauft’ und mit Ablaut gr. pöleö 'ich biete mit -d- aufweist). Vergleichbar in der Bedeutung
feil, verkaufe’. sind ai. pinä- 'feist, dick’, gr. pion, pieira 'fett,
S. feilschen, Monopol. fruchtbar’ u. a.
S .fett. - E. Linke BGDSL-H 82(1961) (= Sonder¬
Feile /. Mhd. vile, ahd. fihala, as. flla aus g.
band FS Karg-Gasterstädt), 235 — 244.
*ßlö f. 'Feile’, auch in anord. l>el (vermutlich
mit Lautübergang / zu />), ae. feol. Dies kann feixen swV., ugs. Norddeutsche Bildung des
weiter auf **finhlö zurückgeführt werden, was 19. Jhs. zu feix 'junger Student’, also etwa 'ver¬
Anschluß an ai. pimsati 'haut aus, bereitet, legen lachen’ (wie die Neulinge es tun).
schmückt’ erlaubt, ln diesem Fall also ein nasa¬ H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 41 -44.
liertes *peik-, zu dem ohne Nasal auch gr. pikrös Felchen m., fachsprachl. Mhd. velche m.(?).
'scharf, spitz, stechend’ gehört (und evtl, die Herkunft unbekannt. Vielleicht zu fahl (s. d.)
unter Feh behandelte Sippe mit der Bedeutung als dessen Nebenform mit g. -k-,
'einfarben’). Feld n. Mhd. velt, ahd. as.feld aus wg. *felpa-
Nndl. vijl, ne. file, nisl. pjöl. — Etwas anders (nicht n., auch in ae. afr. feld; hierzu mit Ablaut *fuldö
überzeugend): Trier (1951), 12.
'Erde, Boden’ in anord. foldf, ae. folde /., as.
feilschen swV. Mhd. veilsen; Ableitung auf folda f. Ableitung aus der ig. Verbalwurzel
-isö- zu feil (s. d.). *peh/plä- 'ausbreiten’, zu der mehrere bedeu¬
Feim m. 'Schaum’, arch. Mhd. veim, ahd. tungsähnliche (aber nicht formal gleiche) Wör¬
feim aus wg. *faima- m. 'Schaum’, auch in ae. ter gehören, etwa arm. /lof'Erde, Boden, Land’,
fäm n. Außergermanisch finden sich Ableitun¬ air. läthar 'Ort, Lage’, akslav. polje 'Feld’ u. a.
gen auf m und n, meist mit s mobile, so daß Also 'Ausgebreitetes, Ebene’ als Ausgangsbe¬
*spoi-mno- vorausgesetzt werden kann. Zu die¬ deutung.
sem ai. phena- 'Schaum’, 1. spüma f. 'Schaum¬ Nndl. veld, ne. feld. S. flanieren, Gefilde, Planet.
gischt’, lit. spaine f. 'Schaumstreifen auf beweg¬ Feldscher m., Feldscherer m. 'Heereswund¬
ter See’, akslav. pena f 'Schaum, Speichel’. Wei¬ arzt’, arch. Seit frühneuhochdeutscher Zeit. Ei¬
tere Herkunft unklar. gentlich der 'Bartscherer im Feld (Krieg)’, da
Ne. foam. S. abgefeimt. in alter Zeit der Barbier auch Wundarzt war.
Feim(en) m., Feime/. 'Strohhaufen’, s. Dieme. Feldstecher m., s. Fernglas.
fein Adj. Mhd. ßn, vin, mndd.ßn, mndl-fijn. Feldwebel m. Fnhd. feldweibel. Seit dem 16.
Entlehnt aus afrz. fin, das aus dem Substantiv Jh. zu Weibel 'Gerichtsdiener’ (s. d.), also eine
1. finis 'Ende, Grenze’ in prädikativer Stellung untergeordnete Amtsperson im Feld (Krieg,
Felge
209 Ferkel

Heer). Das -e- beruht auf einer ostmitteldeut¬


Femel m., s. Fimmel(hanf).
schen Variante.
feminin Adj. 'weiblich’, sondersprachl. Im
E. Fraenkel ZSPh 20 (1948), 51 -89.
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
Felge1/. Mhd. velge, ahd. felga, as■ felga aus deutend 1. fernininus, zu 1. femina 'Frau’.
w§- *felgö 'Krummholz, besonders am Rad’, Morphologisch zugehörig: Femininum, Feminismus,
auch in az.felg(e). Außergermanisch vergleicht Feministin.
sich russ. pöloz m. Schlittenkufe . Alles weitere Fenchel m. Mhd. fen(i)chel, ahd. fenihhal,
ist unklar.
fenichen, as. fenecal, fenikel. Entlehnt aus ml.
Nndl. velg, ne. felloe, felly. *feniclum n., umgangssprachliche Form von
1 Jeniculum n. (wegen seines Heudufts nach
Felge2 / 'Brachland nach dem Umpflügen’,
l. fenum n. 'Heu’ benannt).
reg. Mhd. nur valgen, velgen 'umackern, umgra¬
ben’, aber ae. fealh, fe(a)lg 'gefelgte Brache’. Fenn n. 'Sumpfland’, ndd. Mndd. ven(ne),
Außergermanisch vergleicht sich gall. olka 'Ak- mndl. vene, veen aus g. *fanja- n. 'Sumpf’, auch
kerland’, russ. polosä '(Land)Strich, Streifen, in gt. fan i 'Schlamm', anord. fen, ae.fen(n) n./
Ackerfurche’. Alles weitere unklar. m. , afr. fen(n)e m./f., as. fen(n)i, ahd. fenni,
fenm f. Außergermanisch vergleichen sich ai.
Fell n. Mhd. vel, ahd. fei aus g. *fella- pähka- m. 'Schlamm, Kot, Sumpf’, apreuß. pan-
n. Haut, Fell, auch in gt.fill (gt.fi/leins 'ledern’, nean 'Moorbruch’, mir. enach n./(m.) 'Sumpf’.
gt. prutsfill 'Aussatz’), anord.fjall, feil, ae. feil. Weitere Herkunft unklar.
Dieses aus voreinzelsprachl. *pelno- n. 'Fell’, Nndl. veen, ne. fen, nisl .fen. S. auch feucht. - Teuchert
auch in 1. pellis /.. gr. pella f. Anderes steht (1944), 188-190.
weiter ab. Zur Verbalwurzel *pel- 'bedecken’. Fenster n. Mhd. venster, ahd. fenstar. Wie
Nndl. vel, ne. feil, nschw. fall 'Schuppe’. S. Film. - ae. fenester entlehnt aus 1. fenestra /., dessen
Anders (nicht überzeugend): Trier (1951), 30. Herkunft dunkel ist. Das neutrale Genus wohl
Felleisen n. 'lederner Reisesack’, arch. Seit nach dem älteren ougatora 'Tür in Form eines
dem 15. Jh. in den Formen velTs(en), felliß, Auges’ (Rundfenster).
fellentz, fellus, feiles f. bezeugt. Entlehnt aus Ferge m., arch. Mhd. ver(e), verje, ver(i)ge,
frz. valisef. 'Gepäckstück, Koffer’, das auf ml. ahd. ferio,fer(i)go, ferro. Nomen agentis zu g.
valixia, valisia f. 'Satteltasche’ zurückgeht. Die *far-eja- swV. 'überführen, übersetzen’ in gt.
seit dem 16. Jh. auftretenden diphthongierten farjan 'zur See reisen’, anord. ferja, ae. fe-
Formen bewirkten dann formale (jedoch nicht ri(g)an, 'dth. feria, ahd. ferien, ferren, as.ferian,
semantisch motivierte) Anlehnung an Fell und mhd. vern. Also vor-d. *far-ejön- m. 'der Über¬
führende, Fährmann’.
Eisen und damit Wechsel vom Femininum zum
Neutrum. S. Fähre und fahren ( + ).
Ferien PI. 'arbeitsfreie Zeit, Ruhetage’. Im
Felonie /. 'Treubruch, Verstoß gegen die Rit¬
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. feriae
tersitte’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
(wie 1. festus 'festlich, feierlich’ und 1. fänum n.
tend frz. felonie, zu frz. je Ion 'treubrüchig, ver¬
'Heiligtum’) zu einer Wurzel für 'heiliges We¬
räterisch’, aus afrz. fei, felon 'treulos, böse,
sen’, zu der auch gr. theös m./f 'Gott’ gestellt
schurkisch’, über dessen Herkunft unterschied¬
wird. Eine verbale Grundlage ist nicht erkenn¬
liche Meinungen vertreten werden.
bar. Die Ferien waren ursprünglich die Tage
Fels m. Mhd. vels(e), ahd. felis, as. fel(i)s religiöser Handlungen, an denen keine Ge¬
aus g. *feleza- m., auch in anord. fjall, feil n. schäfte betrieben wurden. Im Deutschen zu¬
'Gebirge’. Außergermanisch kann vergleichbar nächst in der Gerichtssprache die verhandlungs¬
sein gr. pella f. 'Stein’, mir. all 'Klippe’, ai. freien Tage. Dann übernommen in das Schulwe¬
päsänä- 'Stein, Fels’. sen; von hier Verallgemeinerung der Bedeutung.
Die ältere Entlehnung ist Feier (s. d.).
Nschw. fjäll n., nisl. fjall n. — Frings (1932), 215.
Etymologisch verwandt: Fan, fanatisch, Fest, profan.
Feme/ 'heimliches Gericht’, arch. Mhd.feim,
Ferkel n. Mhd. verhelln, verhel, ahd. far-
veme, mndd. veme, mndl. veme, veem. Das Wort
hili(n), Diminutivform zu ahd. far(a)h aus wg.
bedeutet ursprünglich 'Genossenschaft’, verfe¬
*farha- m.jn. 'Schwein’, auch in ae. fearh m.
men ist 'aus der Genossenschaft ausstoßen’. Die
Dieses aus ig. (weur./oeur.) *porko- m.
Einrichtung der Fem(e)gerichte geht vom Nie¬ 'Schwein’, auch in 1. porcus m., lit. parsas m.,
derdeutschen aus (daher auch der heutige Laut¬ kslav. prasg, mir. orc m.; zu ig. *perk- 'aufwüh¬
stand). Wort und Sache bedürfen noch weiterer len’, das unter Furche dargestellt ist, also 'Auf¬
Aufklärung. wühler, Furcher’. Nhd. ch ist im Silbenanlaut
J. Trier ZSSR-GA 65 (1947), 256. zu k geworden (unregelmäßige Entwicklung).
Fermate 210 fesch

Die Diminutivform auf -el ist regional. Es ist Vorbild genau entsprechende Ferngucker, die
aber auch möglich, daß sie ursprünglich ist, und Fremdwörter Teleskop (s. d.) und Perspectiv,
die Belege mit den normalen Diminutivformen wofür alsbald als Ersatz Fernschauer, Fernge¬
auf Anpassung an die Normalform beruhen. sicht, Fernrohr (nicht nur wie heute für das
Ähnliche Bildungen außerhalb des Germani¬ einrohrige Gerät) und Sehrohr vorgeschlagen
schen sind 1. porculus, porcellus m. und lit. par¬ werden. Jünger sind dagegen Fernstecher und
selis. Feldstecher zu Stecher 'Opernglas’, einer ur¬
S. Porzellan. — W. J.J. Pijnenburg SW 10(1985), sprünglich vielleicht scherzhaft gemeinten Ab¬
359-364. leitung zu stechen (s. d.).
Fermate /. 'Zeichen in musikalischer Nota¬ Ferngucker m., s. Fernglas.
tion, das für eine Verlängerung steht’, fach- Fernrohr n., s. Fernglas.
spraclil. Entlehnt aus gleichbedeutend it. fer-
Fernschauer m., s. Fernglas.
mata (wörtlich: 'Aufenthalt, Halt’), einer Ablei¬
Fernstecher m., s. Fernglas.
tung von it. fermare 'anhalten, befestigen’, die¬
ses aus 1 .Jirmare (dass.), zu 1. firmus 'fest, stark’. Ferse /. Mhd. versen(e), ahd. fers(a)na, as.
Etymologisch verwandt: s. Firma. fersna aus g. *fersnö f. 'Ferse’, auch in gt.
fairzna (woher ist das stimmhafte z?), als
Ferment n. 'Enzym\ fachsprachl. Im 18. Jh.
/-Stamm ae. ftersn, fyrsn. Das Wort ist sicher alt,
entlehnt aus gleichbedeutend 1. fermentum,
aber lautlich (und damit auch semantisch) ganz
einer Ableitung von \. fervere 'wallen, sieden’.
unklar. Das Altindische hat Langvokal (pärs-
Morphologisch zugehörig: Fermentation, fermentativ,
ni-), das Griechische einen unklaren Anlaut
fermentieren; zum Etymon s. Bärme. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 70; K.-H. Weinmann DWEB (pterne). Unter diesen Umständen ist es unsi¬
2(1963), 391. cher, ob 1. perna 'Hüfte, Hinterkeule’ und heth.
parsina- mit unklarer Bedeutung (etwa 'Ober¬
fern Adj./Adv. Das Adverb mhd. ferren(e),
schenkel, Hinterbacken’) hierhergezogen wer¬
ahd. ferrana, ferranän antwortet eigentlich auf
den dürfen (vgl. immerhin heth. pars(a)nai-
die Frage 'woher?’, ist also 'von ferne’; das
'sich niederhocken’, d. h. mit den Hinterbacken
Adjektiv ist dieser Form angepaßt worden. Auf
auf den Fersen sitzen).
die Frage 'wo?’ antwortete das jetzt nicht mehr
übliche mhd. verre, ahd .ferro, samt einem zuge¬ Fersengeld n., ugs. In der Wendung Fersengeld
hörigen Adjektiv verre, ver. Nur das Adverb ist geben 'fliehen’. Gleichbedeutend schon mhd.
älter, das Adjektiv ist im Deutschen von ihm (13. Jh.) versengelt geben. Die Herkunft ist un¬
abgeleitet. Zugrunde liegt g. *fer(e)rö 'fern’, geklärt; vielleicht liegt im ersten Glied tatsäch¬
auch in gt. fairra, anord. fjarri, älter anord. lich das Wort Ferse (s. d.) vor, da Redewendun¬
ferri, ae. feor. Dies ist eine (lautlich wegen des gen wie Fersen oder Fußsohlen zeigen für 'flie¬
Zwischenvokals unregelmäßig entwickelte) Ge¬ hen’ schon seit der Antike bekannt sind. Eben¬
gensatzbildung auf ig. *-ero- zu ig. *per-, das in falls im 13. Jh. ist mhd. mndd. versengelt und
entsprechender Bedeutung in ai. pärah 'ferner’, versne penning für nicht genau bestimmbare Ab¬
arm. heri 'fern’, gr. perä 'weiter’, 1. porrö 'vor¬ gaben (einmal im Zusammenhang mit der Ehe¬
wärts’ vorliegt. Es kann weiter zu *pera- 'hin¬ scheidung bei den Wenden) bezeugt.
überbringen’ gehören (s. fahren und ver-). Röhrich (1973), 267f.

S. Firn, vor { + ). — G. Stötzel: Die Bezeichnung der fertig Adj. Mhd. vertec, vertic, mndd. verdich,
zeitlichen Nähe (Marburg 1963), 17 — 32. mndl. vaerdich'. Abgeleitet von Fahrt (s. unter
Fern- Präfixoid. In vielen technischen Ersatz¬ fahren), also 'bereit zur Fahrt, zum Aufbruch’,
wörtern steht Fern- für Tele-, z. B. in Fernspre¬ dann übertragen 'bereit zu etwas’ bei anderen
cher (s. Telefon). Danach wird am Ende des 19. Dingen {büß-, friedfertig usw.) und schließlich
Jhs. Fernsehen gebildet, dazu Fernseher (Anfang allgemein 'bereit’, mit Verschiebung des Ge¬
sichtspunkts 'abgeschlossen' (ursprünglich mit
20. Jh.) und fernsehen (Mitte 20. Jh.).
den Vorbereitungen, dann mit der Arbeit).
Ferner m. 'Gletscher’, südd. Zu Firn (s. d.).
S. auch rechtfertigen.
Ferngesicht n., s. Fernglas.
fesch Adj. 'hübsch, Hott, modisch’, bair.-
Fernglas n. Lehnbildung des beginnenden 17. österr. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Jhs. mit fern (s. d.) und Glas1 (s. d.) für nndl. ne. fashionable, zu e. fashion 'Aufmachung,
verrekijker wörtlich: 'Ferngucker’, womit zuerst Mode’, aus afrz.fagon 'Aufmachung, Machart’,
nur das zu jener Zeit in Holland erfundene dieses aus 1. factio (-önis) 'das Machen’, zu 1.
einrohrige Instrument, etwas später jedoch (wie facere (factum) 'machen, tun’. Die Kürzung
heute nur noch) auch das doppelglasige be¬ zur einsilbigen Wortform erfolgte in der Wiener
zeichnet wurde. Am Ende desselben Jhs. er¬ Umgangssprache.
scheinen dann noch folgende Wörter: das dem Etymologisch verwandt: s. Fazit.
Fessel 211 Feudel

Fessel1/, (früher auch m. und «.). Der Form 'Zauber, Zaubermittel, (wörtlich:) künstlich
nach ist mhd. vezzel m., ahd. fezzil m., mndd. Hergerichtetes’, zu 1. facere 'machen, tun’.
vetel 'Band, Nestel’ ein Wort für 'Gehänge, Morphologisch zugehörig: Fetischismus, Fetischist;
Band’, g. *fatila-, auch in anord. fetill m., ae. etymologisch verwandt: s. Fazit. - Littmann (1924)
fetel m.; vermutlich weiter zu fassen (s. d.). Der 139.
Bedeutung nach setzt es ein anderes Wort fort, fett Adj. Ursprünglich niederdeutsches Wort,
das im 16. Jh. seine alte Form aufgab: mhd. das sich langsam nach Süden ausgebreitet hat.
vezzer, ahd. fezzara, as. feteros (PI.) aus g. Zugrunde liegt das alte Adjektiv g. *faita- 'fett’
*fetura- m. 'Fessel’, auch in anord. fjQturr m., in anord. feitr, ae. feet, afr. fatt, fet, mndl. feit
ae. fetor. Dieses gehört wie mehrere ähnliche feitijs 'wohlgeformt, schön’, mit dem sich die
Wörter in den außergermanischen Sprachen zu kontrahierte Form des Partizips zu dem abgelei¬
dem alten Wort für 'Fuß’ mit e-Stufe (die sonst teten Verb, also die Entsprechung zu obd. feist,
in den überlieferten westindogermanischen aus veizzit, also feilt, fett, vermischt hat. Zur
Sprachen bei diesem Paradigma nicht bezeugt Etymologie s. feist. Die Substantivierung Fett
ist). Die Fessel ist also etwas für die Füße; n. ist schon alt und weit verbreitet.
etwas, das am Fortgehen hindert. Vgl. 1. pedica Nndl. vet, ne. fat. - E. Linke BGDSL-H 82 (1961)
'Schlinge’, 1. compes 'Fußschelle’, 1. impedire (= Sonderband FS Karg-Gasterstädt), 235—244; R.
Schützeichel in: FS Quint (1964), 203-211.
'hindern’, gr. pede 'FußfesseF, gr. pedäö 'ich
feßle und vielleicht avest. bibda- m. 'zweifache Fetzen m. Spmhd. vetze. Trotz seiner späten
Fessel’. Vgl. auch russ. petljä 'Schlinge’ (usw.). Bezeugung wohl ein altes Wort, da es am ehe¬
S. auch Fessel2, Fuß. - V. Machek Slavia 21 (1953), sten ein *fat-jön 'zum Kleid gehöriges, vom
264-266. Kleid stammendes’ fortsetzt zu anord. fat n.,
besonders fpt PI. 'Kleider’ (vermutlich zu Faß
Fessel2/. 'Teil des Pferdefußes’. Mhd. vezzel
gehörig, s. d.). Auf die Bedeutung '(Papier)Fet-
und das Kollektivum mhd. vizzeloch n. 'Hinter¬
zen’ kann schwz. Fotz 'Fetzen, Zettel’ oder ein
bug’. Es gehört zu dem Wort für 'Fuß’, doch
damit verwandtes Wort eingewirkt haben.
ist wegen des späten Auftretens an die Möglich¬
S. auch Fötzel. — W. H. Wolf-Rottkay Kratylos
keit zu denken, daß es der Teil des Fußes ist, an 10(1964), 191.
dem man die Pferde beim Weiden anzubinden
feucht Adj. Mhd. viuhte, ahd. füht(i), as.füht
pflegte (also zu Fessel1).
aus wg. *fühti- (oder ähnliche Stammbildung)
Fest n. Mhd. fest, auch feste f. Entlehnt aus Adj. 'feucht’, auch in ae. füht. Da ein langes ü
1. festum n. 'Feiertag’ zu 1. festus 'feierlich, der in dieser Stellung ungewöhnlich ist, wird wohl
religiösen Feier gewidmet’ (zu dem unter Feier *funhti- vorausliegen. Außergermanisch keine
behandelten lateinischen Wort). Der Plural des einwandfreie Vergleichsmöglichkeit. Man kann
lateinischen Wortes ergibt gleichbedeutendes an ai. pdhka- m. 'Sumpf, Schlamm’ anknüpfen
afrz. feste f. unter dessen Einfluß das mittel¬ (s. unter Fenn), dann wäre feucht ursprünglich
hochdeutsche Femininum steht. die Feuchtigkeit des Bodens.
S. Ferien ( + ). - Brunt (1983), 300. Nndl. vocht.

fest Adj. Mhd. vest(e), ahd. as. feste, außer¬ feudal Adj. 'vornehm, das Lehen betreffend’,
halb des Deutschen kein /«-Stamm, deshalb arch. Im 17. Jh. entlehnt aus ml. feodalis, einer
liegt vielleicht ein «-Stamm zugrunde, also g. Ableitung von ml. feodum, feudum, fedium,
* fastu- Adj. 'fest’, auch in anord. fastr, a e. feest, fe(v)us 'Lehngut’, zu ml. fe(v)um 'Lehen’ (s.
as. fast-, im Gotischen nur die Ableitung fastan Vieh). Das /d/ in ml. feodum wohl in volksety¬
(s. unter fasten). Außergermanisch ist außer mologischer Anlehnung an das Rechtswort ml.
einem zweifelhaften Vergleich mit arm. hast allodium 'Eigengut’. Feudal ist zunächst ein Ter¬
minus für das Lehenswesen; im 19. Jh. wird
'fest’ nichts zu Finden. Am ehesten ist das Wort
es über die Bedeutungskomponente 'besitzend’
'Fuß’ heranzuziehen, entweder mit seiner Be¬
(scherzhaft) auf Vornehmes und Teures über¬
deutung 'Fundament’ (wie im Slavischen) oder
tragen.
mit der Bedeutung 'Fessel, hindern’ (wie grie¬
Morphologisch zugehörig: Feudalismus, Feudalität;
chisch, lateinisch, germanisch), doch findet sich
etymologisch verwandt: [pekuniär]; zum Etymon s.
nichts genau Vergleichbares. Denkbar wäre eine
Vieh. — H. Krawinkel: Feudum (Weimar 1938). —
?o-Ableitung zu einem y-Stamm *podos-. Zu Tiefenbach (1973), 100-102.
dem früheren umlautlosen Adverb s. unter fast.
Feudel m. 'Scheuertuch’, feudeln swV. 'aufwi¬
Nndl. vast, ne. fast, nschw. fast, nisl. fastur.
schen’, nordd. Im Vokalismus und im intervoka-
Fetisch m. 'magischer Gegenstand, Götzen¬ lischen -d- eine hyperkorrekte Form zu feiel,
bild’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬ feuel, zunächst in ofr. feil 'Scheuertuch’ be¬
bedeutend frz. fetiche, dieses aus port. feitigo zeugt. Als Ausgangspunkt wird angesehen frz.
Feuer 212 Fiaker

faille f 'Mantel, grober Stoff’. Falls aber ndd. des im Feuer’, seit dem 18. Jh. für das mittel¬
fuddeln 'scheuern (u. a.)’ nebst früh bezeugtem alterliche Gottesurteil (bei der ein glühendes
Personennamen Fudeler auf ein altes *fudel Eisen berührt werden mußte) und dann übertra¬
'Lappen’ weisen, muß das Wort älter sein. Die gen für 'Prüfung (mit hoher Belastung)’.
Annahme der Entlehnung aus dem Französi¬ Feuertaufe /., fachsprachl. Zusammensetzung
schen trifft dann nicht zu. des 18. Jhs. mit Feuer (s. d.) und Taufe (s. tau¬
Feuer n. Mhd. viur, vi(u)wer, ahd. as. fiur fen) in der Bedeutung 'Erteilung der übernatür¬
aus wg. *fewur n. 'Feuer’, auch in ae. fyr, afr. lichen Gaben (an die Apostel und ersten Chri¬
fiior, fiur; daneben steht anord. (arch.) fürr m. sten)’ nach der Bibelstelle Mt. 3,11 und Lk.
(mit langem ü und sekundärer Überführung in 3,16: der nach mir kommt ... wird euch mit dem
einen /-Stamm), anord. funi m. 'Feuer, Flam¬ Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Im 19. Jh.
me’ und der unregelmäßige gt. //-Stamm fön, in Anlehnung an Feuer im militärischen Bereich
funins. Diese Verteilung weist wie bei dem (Feuer geben, im Feuer stehen, Feuerüberfall,
Wort für 'Wasser’ auf einen grundsprachlichen feuern usw.) umgedeutet zu 'Einweihung eines
/■/«-Stamm und ist im Falle von Feuer das wich¬ Kriegers, indem er zum ersten Male dem feindli¬
tigste Material zu dessen Erschließung neben chen Feuer ausgesetzt wird’ und später allge¬
der direkten Bezeugung im Hethitischen. Aus¬ mein 'erste Bewährungsprobe’.
gangspunkt ist also ig. *pehwr/phwnos n. 'Feuer’ Feuilleton n. 'Unterhaltungsteil, literarischer
(mit schwundstufiger Nominativ-Endung, die die Beitrag’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Abweichungen gegenüber dem Wort für 'Was¬ gleichbedeutend frz. feuilleton m. (wörtlich:
ser’ ergibt). So bezeugt in heth. pahhu(wa)r, 'Beiblättchen’), einem Diminutivum zu frz.
pahhwenas Gen. Daraus haben die westgermani¬ feuille f. 'Blatt’, dieses aus 1. folium (dass.).
schen Sprachen wie auch sonst den Nominativ/ Etymologisch verwandt: s. Folie.
Akkusativ-Stamm verallgemeinert und sind mit
feurio Interj., arch. Alter Notschrei bei Aus¬
ihrer Lautung die einzige Quelle für diese Form.
brechen einer Feuersbrunst; belegt zuerst im 15.
Altes ahd. fuir ist zu erklären als Schreibung
Jh. Zu einer nicht mehr faßbaren alten Endung,
für das früh entstandene ü (Schweikle, s. u.).
die ihre volle Vokalfarbe in der Pluti (Überdeh¬
Diese ungewöhnliche Stammform ist anderswo
nung bei Ausrufen usw.) bewahren konnte.
schon voreinzelsprachlich so ausgeglichen wor¬
den, daß auch der Nominativ/Akkusativ- Fex m. 'Narr’ (besonders in Zusammenset¬
Stamm die Schwundstufe der Wurzel über¬ zungen wie Bergfex), südd., österr. Ursprünglich
nahm, also *phwr zu *pur entstand. Dies ist als bairisch-österreichisch. Möglicherweise eine
/■-Stamm flektiert worden, wurde im einsilbigen Kürzung aus dem seit dem 15. Jh. belegten
Nominativ/Akkusativ Singular aber gedehnt zu Scherzwort Narrifex, das wie Versifex lateini¬
sche Bildungen wie pontifex nachahmt. Ob da¬
*pür. Das ist der Zustand von gr. pyr, umbr.
pir und mit Überführung in eine vokalische mit auch möglicherweise zugehörige Bildungen
wie Faxe (s. d. mit anderer Etymologie), bair.
Stammklasse in arm. hur und anord. fürr m.,
Feckin als weibliche Form erklärt werden
weitergebildet in slavischen Wörtern für 'Asche’
könnte, muß offen bleiben.
(cech. pyr m. 'glühende Asche’ usw.). Das Go¬
A. Lindquist BGDSL 76(1954), 234-236; H.-F. Ro¬
tische und Nordische, die auch sonst den
senfeld BGDSL-T 77 (1955), 259.
//-Stamm von /-///-Stämmen fortsetzen (vgl. Was¬
ser) haben zu dem Genitiv *phwnes (so für das Fez m. 'Spaß’-, ugs., reg. Bezeugt seit Ende des
Germanische anzusetzen) einen Nominativ mit 19. Jhs., besonders in Berlin. Herkunft unklar.
gedehnter Endungssilbe gebildet: *phwön, des¬ Man vermutet den Plural von frz. fete f. 'Fest’
sen unmittelbarer Fortsetzer gt. fon ist. Bei der als Ausgangspunkt, doch ist die Aussprache des
Beseitigung der //-Stämme mit schwundstufi¬ e ([fe. ts], aber [fiv.td]) dieser Annahme nicht
gem Suffix ist dann das zu erwartende *funs günstig. Vielleicht aus e. feats 'Taten’, das iro¬
nicht zu *fuins (was systematisch gewesen nisch gebraucht sein kann.
wäre), sondern verständlicherweise zu funins Lokotsch (1975), 47f.
ausgeglichen worden. Der dadurch entstandene FF m., s. Effeff.
unregelmäßige //-Stamm ist im Nordischen zu
Fiaker m. 'Mietkutsche’, österr. Im 18. Jh.
funön (anord. funi m.) vereinheitlicht worden. entlehnt aus gleichbedeutend frz. fiacre, dessen
Vgl. noch toch. A. por, toch. B. puwar 'Feuer’. Herkunft damit erklärt wird, daß diese Fahr¬
Nndl. vuur, ne. fire. S. Funke(n). — G. Schweikle zeuge ihren Standplatz zunächst vor einem
BGDSL-T 86 (1964), 215.
Haus mit dem Bildnis des hl. Fiacrius hatten
Feuerprobe /. Seit dem beginnenden 17. Jh. und mit einem Bild dieses Heiligen versehen
belegte Zusammensetzung mit Feuer (s. d.) und waren.
Probe (s. d.); zuerst nur für 'Läuterung des Gol¬ Brunt (1983), 301.
Fiale 213 Heren

Fiale /., s. Phiole.


licken swV, vulg. Da Belege für ein Wort
Fiasko n. 'Mißerfolg, ReinfaU\ Im 19. Jh. für 'kodieren’ in der frühen Literatur nicht zu
entlehnt aus it. (far) fiasco 'durchfallen, (wört¬ erwarten sind, läßt sich der Zusammenhang mit
lich: Flasche [machen])’, zu it. fiasco m. 'Fla¬ gleich- und ähnlichlautenden Wörtern schwer
sche aus spl. flasco m. 'Weinkrug’, aus wg. oder gar nicht bestimmen. Für den Vergleich
*flaska 'Flasche’. Zunächst als Fiasko machen in Frage kommen Verben mit der Bedeutung
entlehnt und insbesondere auf durchgefallene 'reiben, hin- und herfahren’ (ficken, fackenj'uk-
Bühnenaufführungen angewendet. Man vermu¬ ken, fickfacken), bei denen aber durchaus nicht
tet, daß die Wendung im Italienischen auf einer sicher ist, ob sie den Ausgangspunkt für das
Lehnbedeutung von frz. bouteille f. 'Flasche’ obszöne Wort bilden oder nicht umgekehrt vul¬
beruht, das in der Schülersprache auch 'Fehler’ gäre Wörter sind, die dieses zum Ausgangs¬
bedeutete (vgl. d. Flasche 'Versager, Nichts¬ punkt oder überhaupt eine andere Herkunft
könner’). haben. Auf höheres Alter des obszönen Wortes
Etymologisch verwandt: s. Flasche. - H.-F. Rosenfeld weist immerhin ne. fuck, das im Falle eines
NPhM 53 (1952), 277-287; NPhM 54(1953) Zusammenhangs den Vokalismus auf -u- festle¬
327-356.
gen würde (mit nhd. i als Entrundung von ü).
Fibel1 /. 'Lesebuch, Lehrbuch’. Neubildung Daraul könnte eine vereinzelte, nachgetragene
des Frühneuhochdeutschen zu kirchen-1. biblia Glosse des 11. Jhs. weisen: vita-vuehut zu dum
Bücher, die Heilige Schrift’. Die wortgeschicht¬ spurca mendicat stupra 'wenn er um schmutzige
lich nicht regelmäßige phonologische Ersetzung Hurereien bettelt’ (Gl. II, 433,24). Da es sich
von /b/ durch /f/ ist nicht sicher geklärt. Meist bei -ck- um eine Intensiv-Gemination handeln
wird eine Umgestaltung in der Kindersprache muß, läßt sich in diesem Fall weiter vögeln
(z. B. als dissimilierender Reim „Bibel — Fibel“ anschließen, was eine Lautform g. *fug- voraus¬
o. ä.) vorgeschlagen; wahrscheinlicher ist wohl setzen würde. Evtl, zu *peuk-/peug- 'stechen’ (s.
eine dialektale Umgestaltung bei der Über¬ Fichte).
nahme des fremden Worts, die letztendlich zu S. vögeln. - O. Weise ZDW 3 (1902), 243f.; E. Ochs
einer begrifflichen Differenzierung von Bibel NPhM 22 (1921), 124.
und Fibel genutzt wurde. Dabei mag es auch
fickfacken swV., s. Faxe und ficken.
zu einer volksetymologischen Anlehnung an 1.
fibula 'Heftnadel’ gekommen sein (vgl. das Be¬ Fickesfackes Pi, s. Faxe.
nennungsmotiv von Broschüre). fidel Adj. 'vergnügt’. Im 17. Jh. entlehnt aus
Etymologisch verwandt: s. Bibel. - Nyström (1915), 1. fidelis 'treu’, zu 1. fieles 'Treue, Vertrauen’, zu
200; Littmann (1924), 10. 1. ßdere 'trauen’. Die Bedeutungsentwicklung
Fibel2/. 'Sicherheitsnadel aus der Bronzezeit’, von 'treu’ zu 'vergnügt’ erfolgt in der Studen¬
fachsprachl. Entlehnung der Archäologie und tensprache des 18. Jhs.
Kunstwissenschaft aus 1. fibula 'Fibel’ zu 1. Etymologisch verwandt: s. Föderalismus. — W. Feld¬
ßgere 'heften’. mann ZDW 8 (1906/07), 70f.; W. J. Jones SN
S./?*(+). 51 (1979), 258.

Fiber /. 'Faser’, fachsprachl. Im Neuhoch¬ Fidibus m. 'Papierstreifen zum Anzünden des


deutschen entlehnt aus gleichbedeutend l.fibra, Tabaks’, arch. Bildung des 17. Jhs., deren Ent¬
zu der gleichen Grundlage (*guhis-) wie 1 .filum stehung nicht sicher geklärt ist.
n. 'Faden’. Fieber n. Mhd. fieber ,vieber, ahd. fiebar. Wie
Etymologisch verwandt: s. Filet. — W. Feldmann ae. fefer m. entlehnt aus I. febris f. (eigentlich
ZDW 8 (1906/07), 70. 'Hitze’).
Fichte /. Mhd. viehte, ahd. ßuhta, as. fiuhtia W. Horn ASNSL 182(1943), 52.
aus vor-d. *feuht(j)ön f. 'Fichte’. Außergerma¬
Fiedel /., ugs. Mhd. videl(e), ahd. fidula, fi-
nisch vergleicht sich bei entsprechendem Laut¬
dala, mndl. vedele. Wie ae. fiöele und anord.
stand air. ochtach (*puktakö) 'Fichte’; ohne
fidle entlehnt aus spl. *\itula 'Saiteninstru¬
das ableitende t gr. peüke, lit. pusis 'Kiefer,
ment’, zu 1. vituläri 'frohlocken’.
Fichte’. Da es im Griechischen Bildungen gibt,
S. auch Cello, gebumfiedell. Vgl. Geige. — Relleke
die ein *peuk- 'stechen’ voraussetzen (mit einer
(1980), 75-79, 178f.
Variante im Auslaut auch 1. pungere 'stechen’),
fiepen swV. 'einen leisen, hohen Ton von sich
kann der Name im Hinblick auf die Nadeln als
'Stecher o. ä.’ erklärt werden (gegebenenfalls geben’ (meist von Mäusen; meist aus Angst).
als 'der mit Nadeln’, wenn ein nicht bezeugtes Wohl lautmalend.
Wort für 'Nadel’ von dieser Wurzel vorausge¬ fieren swV. 'eine Last durch Lösen des Befe¬
setzt wird. Vgl. immerhin gr. eche-peukes, was stigungstaus hinunterlassen’, fachsprachl., ndd.
'eine Spitze habend’ bedeuten kann). Seit dem 16. Jh. als firen\ ebenso nndl. vieren,
S. Akupunktur (+), ficken. fries. fierje, ne. veer. Vermutlich ist zu verglei-
fies 214 Finale

chen ahd. gifieren 'wenden, lassen, bringen’ zu Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. film (wört¬
ahd. fiera (gt. fera) 'Seite’. lich: 'Häutchen’), aus ae.fylmen n.ffilm 'Häut¬
Kluge (1911), 250; N. Törnquist SN 13(1941), chen’.
253-290. Zum Etymon s. Fell. — H. Moser in: Maurer/Rupp
(1974/78), 541, 573.
fies Adj. 'widerwärtig’, ugs. Ursprünglich nie¬
derdeutsches Wort, ebenso nndl. vies. Vermut¬ Filou m. 'jmd., der es versteht, andere (harm¬
lich zu mhd. vist, vist 'Fist, Furz’ (gegebenen¬ los) zu übervorteilen’, ugs. Im 17. Jh. entlehnt
falls über Ableitungen wie Fiesling 'widerwärti¬ aus frz. filou 'Gauner’, dieses wohl aus e.fellow
ger Mensch’). 'Bursche, Genosse’, aus ae.Jeolaga (dass., wört¬
H.-F. Rosenfeld BGDSL-H 78 (1956), 402-406; lich: 'jmd., der sein Geld in ein gemeinsames
BGDSL-H 80 (1958), 424-428. Unternehmen mit anderen legt’), zu ae. feoh n.
'Eigentum, Geld’ und ae. lecgan 'legen’. Zu¬
fifty-fifty Adv. 'halbe-halbe’, ugs. Im 20. Jh.
nächst entlehnt als 'Dieb, Spitzbube’, dann Ab¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. fiftyfifty. Das
schwächung.
Wort meint das gleichmäßige Teilen durch Zu¬
Etymologisch verwandt: s. Vieh und legen. — Brunt
teilung von fünfzig Prozent an jeden (s. fünf
(1983), 302, 334.
und -zig).
Filter m. 'Vorrichtung zum Trennen von Be¬
Figur /. 'Gestalt, Gebilde’. Im Mittelhoch¬ standteilen’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutschen (mhd. figürje], figiure) entlehnt aus deutend ml.filtrum n. (wörtlich: '[Seihgerät aus]
gleichbedeutend afrz. figure, aus 1. figüra Filz’), dieses aus g. *filta- 'Filz’ (s. unter Filz).
(dass.), einer Ableitung von 1. fingere (fictum) Morphologisch zugehörig: Filtrat, Filtration; etymolo¬
'formen, gestalten’. gisch verwandt: s. Filz„infiltrieren. — K.-H. Weinmann
Morphologisch zugehörig: Figurant, Figuration; ety¬ DWEB 2(1963), 391.
mologisch verwandt: fingieren, Fiktion (usw.), Finte, Filz m. Mhd. vilz, ahd. filz, as. filt n. 'Wolle’
Science-Fiction; zum Etymon s. Teig. — W. Feldmann
aus wg. *filta- m. 'Filz’, auch in ae. feit. Ver¬
ZDW 8 (1906/07), 71; Schirmer (1912), 23f.
gleicht sich mit einer Reihe von bedeutungsglei¬
Fiktion/. 'Erdachtes, Irreales’, sondersprachl. chen Wörtern in den Nachbarsprachen, mit de¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. fictio nen es aber lautlich (und vor allem morpholo¬
(-önis), einer Ableitung von 1. fingere (fictum) gisch) nicht genau übereinstimmt: gr. pilos 'Filz,
'formen, gestalten’. Filzhut, Filzschuh’, 1. pileus 'Filzkappe, Filz¬
Morphologisch zugehörig: fktional, Fiktionalismus, mütze’ (auch 1. pilus 'Haar’?), aruss. pülsti 'Filz¬
fiktiv, fingieren; etymologisch verwandt: s. Figur. decke’. Am ehesten ein altes Kulturwort aus
Filet n. 'Fleisch von der Lende, Stück vom unbekannter Quelle.
Rücken eines Fisches, netzartig gewebter Stoff’. S. auch Filter, kompilieren ( + ). — Flasdieck (1952),
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.filet 133-138.
m., zu frz. fil m. 'Faden’, aus 1. filum (dass.). Fimmel m. 'leidenschaftlich betriebene Be¬
Das Wort nimmt im Französischen eine Reihe schäftigung’, ugs. Herkunft unbekannt.
von Bedeutungen an, die von der „dünnen“, Fimmel(hanf) m. 'der kürzere männliche
„feinen“ Gestalt des Fadens ausgehen, so auch Hanf, der nach der Besamung vor dem weibli¬
'Scheibe, Schnitte’ (z. B. bei Metallen und eben chen verholzt’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. fe-
auch bei Fleisch und Fisch). mella f. 'Weibchen’, weil der kürzere Hanf für
Etymologisch verwandt: defilieren (usw.), Fiber, Fili¬ den weiblichen gehalten wurde. Entsprechend
gran, Profit. - Brunt (1983), 302. heißen die eigentlich weiblichen Pflanzen
Filiale f 'Zweiggeschäft, Abteilung’. Im 19. schweizerisch (arch.) mäseh, mäschel, was zu
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. filiale, zu maskulin (s. d.) gehört.
neo-1. filialis 'abhängig’, aus kirchen-1. ßliälis final Adj. 'den Schluß bildend, den Zweck
'kindlich’, zu 1. filia 'Tochter’ und 1. filius m. charakterisierend’, s. Finale.
'Sohn’. Finale n. 'Schlußteil, Endspiel’. Im 17. Jh.
Morphologisch zugehörig: Filialist, FUiation. entlehnt aus gleichbedeutend it. finale m., dieses
Filigran n. 'kunstvoll geflochtene Zierarbeit’, aus 1. finälis 'am Ende befindlich, die Grenzen
fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ betreffend', zu 1. finis m.fifi) 'Ende’. Zunächst
deutend it. filigrana f, aus it. filo m. 'Faden’ entlehnt als ein Wort des Musikwesens; im 20.
(aus \ . filum 'Faden’) und it. grana f. 'körniges Jh. dann aus dem Englischen in die Sprache des
Gewebe an der Metalloberfiäche’ (aus 1. gränum Sports übernommen. In final 'zweckgerichtet’
'Korn, Körnchen’). ist die Grundbedeutung als 'auf ein bestimmtes
Etymologisch verwandt: s. Filet und Granate. Ende (d. h. Ziel) ausgerichtet’ ausgeprägt.
Morphologisch zugehörig: Finalismus, Finalist, Finali¬
Film m. 'dünner (lichtempfindlicher) Streifen; tätfinit; etymologisch verwandt: s. definieren. — Jones
darauf festgehaltene Handlungsfolge’. Im 19. (1976), 335f.
Finanzen 215 Firma

Finanzen PI. 'Geldmittel’. Im 17. Jh. entlehnt Finken PI. 'Haussschuhe’, südwd. Entspricht
aus gleichbedeutend frz. finances, dieses aus ml. ungefähr ml. ficones. Weitere Herkunft unklar.
fmancia (dass.), dem substantivierten PPräs.
Finne1 /. 'Larve, Pustel’, fachsprachl. Mhd.
von ml. finare 'bezahlen’, aus 1 .jlriire 'endigen’,
phinne, vinne. Entlehnt aus 1. pinna 'Spitze’.
zu 1. finis m.Kf) 'Ende, Grenze’. Die Bedeu¬
S. Finne2.
tungsentwicklung verläuft von 'Ende, Grenze’
über 'Zahlungsterminierung’ zu 'Zahlung’ Finne2 /. 'Rückenflosse großer Fische’, fach¬
(nach dem Vorbild von gr. tä tele, vgl. Zoll). sprachl. Aus ndd. vinne, letztlich zu 1. pinna
Morphologisch zugehörig: Financier, Finanz, finanziell, gleicher Bedeutung (identisch mit dem unter
finanzieren', etymologisch verwandt: s. definieren. — Finne1 genannten).
Jones (1976), 335f.
finster Adj. Mhd. vinster, ahd. finstar, as.
Findelkind n. Bezeugt seit dem 15. Jh., zuerst finistar, finistri 'Finsternis’. Das Wort hat in
in der Form fündel (Diminutiv zu Fund)', da¬ dieser Form keine Vergleichsmöglichkeit. Dane¬
nach an den Infinitiv finden angeschlossen und ben steht aber besser vergleichbares mhd. din-
durch Kind verdeutlicht. ster, ahd. dinstar, so daß angenommen werden
finden stV. Mhd. vinden, ahd. as. findan aus kann, daß vorausliegendes p- unregelmäßig in
g. *fenp-a- st V. 'finden’, auch in gt. finpan, f- ausgewichen ist (vgl. zum umgekehrten Vor¬
imord.finna. -dt. findan, afr.finda. Keine sichere gang Feile). Zugrunde liegt eine ro Bildung zu
Vergleichsmöglichkeit; am ehesten eine Nasalie¬ ig. *temos- 'Dunkel’ (s. Dämmer)', der Bildung
rung zu ig. *pet- 'Biegen, fallen’ (vgl. auf etwas nach entspricht 1. tenebrae 'Finsternis’ (aus
verfallen), zu diesem s. unter Feder. *temes-rä) und ai. tämisrä 'dunkle Nacht’
Nndl. vinden, ne. find, nschw. nisl. finna. S. empfinden, (*temas-rä), ursprünglich also *tema-os- +
fahnden. -ro-.
Finesse /. 'Kunstgriff, Feinheit’, sonder- S. auch düster.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Finte/. Entlehnt aus W.finta 'List, Trugstoß’,
frz. finesse, einem Nomen qualitatis zu frz. fin zunächst als ein Wort der Fechtersprache. Das
'fein, durchtrieben’, aus gallo-rom. finus 'Äu¬ italienische Wort geht zurück auf das Partizip
ßerstes, Bestes’, aus 1. finis m.Kf.) 'Grenze, von 1. fingere 'bilden, erdichten’.
Ende’.
S. Figur ( + ). - Jones (1976), 332; Brunt (1983), 299.
Etymologisch verwandt: s. definieren.
finzelig Adj. 'kniffiig’, reg. Herkunft unbe¬
Finger m. Mhd. vinger, ahd. fingar aus g.
kannt, vielleicht eine Kreuzung aus fein und
*fengra- (oder *fingra-) m. 'Finger’, auch in gt.
winzig (o. ä.).
figgrs, anord .fingrm.l(n.), ae.fimger. Das Wort
wird zu dem Zahlwort fünf gestellt, was formal Fips m. 'unscheinbarer Mensch’, reg. früher
möglich wäre, semantisch aber nicht befriedigt. 'Schneller mit dem Mittelfinger’ (wie Schnips).
Wohl beides Rückbildungen aus fipsen 'schnel¬
Nndl. vinger, ne.fimger, nschw. fiinger, nisl. fiingur. -
Über Fingernamen: W. Grimm: Kleine Schriften (Ber¬ len’, das am ehesten eine Lautgebärde ist. Das
lin 1884), III, 425-450. 'Unscheinbare’ liegt an der wegwerfenden Be¬

fingieren swV 'vortäuschen’, s. Fiktion. wegung.


Firlefanz m., ugs. Mhd.firlifanz, Bezeichnung
finit Adj. 'bestimmt’. Übernommen aus 1.
finitus (dass.), eigentlich 'begrenzt’, PPP. zu 1. für einen (närrischen?) Tanz, aus mhd. firlei
finire 'begrenzen’, zu 1. finis 'Grenze, Ende’ (s. 'ein Tanz’, das aus afrz. vire-lai 'Ringellied’
übernommen ist. Das Wort wird dann zu mhd.
Finale).
firlefei u. ä. erweitert; firlifanz wohl in Anleh¬
Fink m. Mhd. vinke, ahd. finko, fine aus wg.
nung an tanz.
*finkön (oder *fenkön) m. 'Fink’, auch in ae.
O. Weise ZDW 3 (1902), 123f.
fine, vielleicht entspricht diesem norw. (dial.)
spikke 'kleiner Vogel’. Außergermanisch ver¬ firm Adj., sondersprachl. Im 18. Jh. aus 1.
gleicht sich kymr. pinc 'Fink’, mit s mobile gr. firmus 'fest, sicher, stark’ entlehnt, wohl in An¬
spinös '(Buch)Fink’. Der Name ist zweifellos lehnung an ne. firm.
lautmalerisch. Der Gebrauch als Schimpfwort S. Firma ( + ).
in Dreck-, Schmier-, Schmutzfink u. ä. geht viel¬
Firma/. 'Unternehmen’. Im 18. Jh. entlehnt
leicht auf rotw. Pink, Bink, Fink 'Mann’ (ein
aus it. firma 'rechtskräftige Unterschrift unter
verächtliches Wort, wohl aus Pink 'männliches
einer geschäftlichen Vereinbarung’, einer Ablei¬
Glied’ übertragen) zurück.
tung von it. firmare 'befestigen, bekräftigen ,
S. Pinkel. — Suolahti (1909), 109f.; Wolf (1985), 246f.
aus 1 .firmäre (dass.), zu 1. firmus 'fest, tüchtig’.
Zu der Variante pink, spink vgl.: M. Förster Anglia
Im Deutschen entwickelt sich die Bedeutung
62 (1938), 66f.
Firmament 216 Fistel

von 'Unterschrift’ über 'Handelsname’ zu 'Ge¬ psäri n. 'Fisch’ auf ntl.-gr. opsärion n. 'Zukost,
schäft, Unternehmen (dieses Namens)’. Fische’ zurückgeht, so kann für das westindo¬
Morphologisch zugehörig: firm, Firmament, firmen, fir¬ germanische Wort für 'Fisch’ eine Zugehörig¬
mieren', etymologisch verwandt: Farm, Fermate, Kon¬ keitsbildung zu *peitos- 'Nahrung’ (ai. pitit-
firmation. - E. Öhmann NPliM 61 (1960), 150-152.
'Nahrung, Speise’, akslav. pista f. 'Speise, Nah¬
Firmament n. Himmel, Himmelsgewölbe’, rung’, air. ith n. 'Getreide’, lit. pietüs PI. 'Mit¬
sonder spracht. Im Mittelhochdeutschen ent¬ tagsmahl’), ein genau vergleichbarer j-Stamm
lehnt aus gleichbedeutend spl. firmamentum angesetzt werden: *pits-ko/i für das Germani¬
(wörtlich: 'das über der Erde Befestigte’), zu 1. sche und Lateinische, *peits-ko- für das Altiri¬
firmäre 'befestigen’, zu 1. firmus 'fest’. Nach sche. Der Fisch wäre also zunächst als Nah¬
mittelalterlicher Vorstellung hatte jeder der sie¬ rungsmittel ('Zukost’) benannt und diese Be¬
ben Planeten eine Sphäre (einen Himmel) für zeichnung auf das Tier im Wasser übertragen
sich; darüber war als achte Sphäre das Firma¬ worden.
ment, an dem die Fixsterne befestigt gedacht Nndl. vis, ne. fish, nschw. fisk, nisl. fiskur. - E. See-
waren. bold in: FS Knobloch (1985), 443 — 451. Zu den indo¬
Etymologisch verwandt: s. Firma. germanischen Fischwörtern und damit zusammenhän¬
genden geographischen Fragen vgl.: J. P. Mallory JIES
firmen swV.,fachsprachl. Das katholische fir¬ 11 (1983), 263-279.
men geht wie das evangelische konfirmieren auf
Fischaar m., s. Aar.
1. (con)firmäre 'bestärken’ zurück: die liturgi¬
sche Handlung soll den jungen Christen in sei¬ Fisimatenten Pi 'Ausflüchte, Winkelzüge’,
ner Zugehörigkeit zur Kirche bestärken (d. h. ugs. Bezeugt seit dem 16. Jh„ auch als visipatent
er soll sich jetzt selbst vertreten, nachdem bei u. ä. vermutlich Streckform zu fnhd. fisiment
der Taufe seine Paten ihn verteten hatten). 'bedeutungsloser Zierat (am Wappen)’, zu mhd.
S. Firma (-f). visieren, das u. a. die Wappenfiguren ordnen
und beschreiben’ bedeutet.
Firn m. Firne/, 'der vorjährige Schnee, Alt¬
schnee’, südd. Zu schwz. firn 'vorjährig’. Sonst Fiskus m. 'Staatskasse’, fachsprachl. Im 16.
wird geschieden zwischen mhd. vir ne (*fernja-) Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1 .ftscus (wört¬
alt und mhd. vern(e) u. ä. (*ferna-) 'vorjäh- lich: 'Korb, Geldkorb’).
rig’. Die yö-Bildung auch in ahd. firni, gt. fair- Morphologisch zugehörig: Fiskal, fiskalisch; etymolo¬
neis, ae. fyrn 'ehemalig’; einfaches *ferna- 'vor¬ gisch verwandt: konfiszieren.

jährig in as. fernun gere, gt. af fairnin jera 'im fissein swV. 'fein regnen’, ndd. Herkunft un¬
vorigen Jahr’. Außergemanisch in lett. pgrns bekannt.
vorjährig’, lit. pernai(s), anders gebildet gr. Fist m. 'leiser Bauchwind’, vulg., reg. Mhd.
perysifn), ai. parüt- 'im vorigen Jahr’; verwandt vist, vTst mndd. vist; vgl. ae. fisting f In den
mit dem Raumadverb fern (s. d.). modernen Fortsetzern sind Reflexe von altem
Firnis/. (= ein Anstreichmittel), fachsprachl. t, i und auch ai vertreten. Formal handelt es
Im Mittelhochdeutschen (mhd. firms,firmz, fir¬ sich um //-Abstrakta zu dem in anord. fisa
nes, verniz) entlehnt aus gleichbedeutend afrz. 'furzen’ vorliegenden starken Verb. Da aber
vernis, dessen weitere Herkunft nicht sicher ge¬ praktisch gemein-indogermanisch ein Unter¬
klärt ist. schied gemacht wird zwischen *perd- '(laut) fur¬
S. Vernissage. - Meineke (1984), 30-32, 67-74. zen’ und *p(e)zd- 'leise fisten’, und da g. *fisti-
semantisch einwandfrei zu *pezdi- stimmt und
First m. (auch /), fachsprachl. Mhd. virst,
in gr. pezis Bofist’ ein genaues Gegenstück hat
ahd. first rn./f.(?), mndl. verste aus wg. *fersti-
(s. Bofist) dürfte die Ableitung älter als das
m. First, auch in ae. first. Das Wort erklärt
starke Verb sein. Anord. fisa ist dann entweder
sich zwanglos aus *per- 'heraus, hervor’ und
durch falsche Rückbildung entstanden, oder es
einer schwundstufigen Ableitung von ig. *sthä-
hat ursprünglich 'blasen’ bedeutet (vgl. 1. spiräre
stehen , also *per-stho-i- 'der Hervorstehende’.
aus *speis-) und von dem Nomen, das lautlich
Entsprechend sind gebildet ai. prsthä- n. 'her¬
und morphologisch wie eine Ableitung zu ihm
vorstehender Rücken, Gipfel’ (*pr-stha-ö-) und
aussah, die belegte Bedeutung bezogen.
wohl auch I. postis, gr. pastäs f. '(Tür)Pfosten,
H.-F. Rosenfeld BGDSL-H 78 (1956), 357-520; B.
Pfeiler, Vorhalle’ (*por-stha-i- und *pr-stha-).
Forssman MSS 29 (1972), 47-70.
S. auch Forst. - H. Osthoff IF8 (1897), 1 -29' Tiefen¬
bach (1973), 34-38. Fistel /., fachsprachl. Mhd. fistel 'eiterndes
Geschwür’. Entlehnt aus l.fistula 'röhrenförmi¬
Fisch m. Mhd. visch, ahd. fisc, as. fisk aus g.
ges Geschwür’. Das lateinische Wort bedeutet
*fiska- m. 'Fisch’, auch in gt.fisks, anord./Mt,
eigentlich Pleife . Von dieser Grundbedeutung
ae. fisc, afr. fisk. Vergleichbar sind air. iask
aus wurde in neuerer Zeit Fistelstimme 'hohe
'Fisch’ (mit -ei-) und 1. piscis 'Fisch’. Wie ngr.
Stimme’ (wie eine Rohrpfeife) entlehnt.
fit 217 Flader

fit Adj. 'in guter körperlicher Verfassung’. Im fixieren swV. 'feslhalten, verbindlich bestim¬
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. fit, men, anstarren, lichtbeständig machen’, sonder-
dessen Flerkunft nicht sicher geklärt ist. sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus ml. fixare 'fest¬
Morphologisch zugehörig: Fitneß. machen, unbeweglich machen’, zu 1 .fixus 'fest’,
Fittich m., arch. Mhd. vetach, vetech m./n. dem adjektivischen PPP. von 1. figere 'heften,
u. a., vittich, ahd. feddäh, mndd. vit(te)k. Am stecken’. Im 19. Jh. entsteht dann die photogra¬
ehesten eine Variante zu ahd. fe dar ah n./mf?), phische Bedeutung im Sinne von 'feste Sub¬
fedarahha f, as. federac; im einzelnen ist die stanz, Haltbarkeit geben’.
Stammbildung (und z. T. die Lautentwicklung) Etymologisch verwandt: s. fix. — A. Gombert ZDW
8 (1906/07), 126f.
aber rätselhaft. Zugehörig ist Schlafittich (s. d.).
S. Feder (+). - Lühr (1988), 258. Fjord m., s. Förde.

Fitze /. 'Gamsträhne’, reg. Mhd. vitze, ahd. flach Adj. Mhd. vlach, flach, ahd. Jlah, mndd.
Jizza; lautlich vergleichbar sind as. fittea, ae. vlak, mndl. vlac aus vor-d. *flaka- Adj. 'flach’.
fitt 'Abschnitt eines Gedichts’ und anord. fit Hierzu as. flaca 'Fußsohle’ und ndd. flake
'Gewebekante, Schwimmhaut der Vögel’. Die 'Scholle; mit Ablaut anord. fiöki ‘Flachfisch,
Vielzahl der technischen Bedeutungen dieser Flunder’, ae. flöc 'Flachfisch’. Zugrunde liegt
Wörter ist schwer in einen Zusammenhang zu voreinzelsprachl. *pebg-/pläg-, auch in gr. pela-
bringen. Den möglichen Ausgangspunkt zeigt gos 'offene See, Meeresfläche’, 1. plaga 'Fläche’
auffälligerweise ein griechisches Wort: gr. peza usw., eine g-Erweiterung (neben häufigerer
(aus *ped-ja-, das dem germanischen Wort ge¬ ^-Erweiterung) zu ig. *peb/plä- 'ausbreiten,
nau entsprechen kann) ist eigentlich 'das zum flach’. Zu der Variante s. unter Fluh.
Fuß gehörige, der Spann am Fuß’. Von Klei¬ S. auch Blachfeld, flocken. Fladen ( + ), Fleck ( + ), Flo¬
men, Flöz, Fluh, Flur.
dern ist es der Teil, der am Fuß liegt, der Saum,
die Gewebekante. Daraus wird dann ein allge¬ Flachmann m. 'flache Schnapsflasche, die
meines Wort für 'Saum, Kante’ (auch bei Über¬ man in die Tasche stecken kann’, ugs. Mit dem
tragungen). Hierzu eindeutig das nordische nord- und mitteldeutschen Halbsuffix -mann ge¬
Wort (zu der Bedeutung 'Schwimmhaut’ vgl. bildet.
ne. web in dieser Bedeutung). Der Übergang zu Flachs m. Mhd. vlahs, ahd. fiahs, as. flas
den anderen Bedeutungen ist nicht ausreichend aus wg. *flahso m. 'Flachs’, eine nicht näher
klar. Vielleicht ist von 'Webkante’ zu 'Fadenen¬ einzuordnende s-Bildung zu der unter flechten
den des alten Aufzugs zum Anknüpfen des dagestellten verbalen Grundlage. Sachlich ist
neuen’ (so althochdeutsch) zu kommen; von dieser Zusammenhang aber nicht begründet, so
dort aus zu 'Garnsträhne’; doch müßte dies daß auch eine sekundäre Angleichung vorliegen
noch eingehender, unter Berücksichtigung der kann.
technischen Bedeutungen, geklärt werden. Nndl. vlas, ne. flax.
S. verfitzen. Vgl. auch Faser. — Etwas anders: N.
flacken swV. 'herumliegen’, südd. Am ehesten
Foerste NW 5 (1965), 1 lOf.
eine Ableitung zu flach (s. d.) mit expressiver
fix Adj. 'fest, konstant’. Im 16. Jh. entlehnt Gemination.
aus gleichbedeutend 1. fixus, dem PPP. von 1.
flackern swV. Mhd. vlackern. Entsprechend
ßgere 'festmachen’. Zunächst in der Sprache
mit der Bedeutung 'flattern’: ahd. flogarön, me.
der Alchimisten, dann Verallgemeinerung. Die
flakeren (ae. Jlacor 'fliegend’), anord. flpkra.
Bedeutung 'gewandt, geschickt’ entsteht aus
Wohl zu ig. *pläg/pbg- 'schlagen’ in gr. plegenai
'fest, sicher’, indem das Ergebnis sicherer Fer¬
Pass., 1. plangere 'schlagen’; die moderne Be¬
tigkeit - die Gewandtheit - übernommen
deutung wohl beeinflußt von blaken (s. d.).
wird. S. auch Flader, flattern. — Lühr (1988), 369.
Morphologisch zugehörig: Fixateur, Fixation, Fixativ,
Fixator, fixen, Fixer, fixieren, Fixum', etymologisch
Fladen m. Mhd. vlade, ahd. flado, mndd.
verwandt: Affix, Fibel2, Kruzifix, Mikrofiche, Präfix, mndl. vlade aus vor-d. *flaßön m. 'Fladen,
Suffix', zum Etymon s. Deich. — W. Feldmann ZDW Scheibe’. Zu ig. *plät-/pbt- 'ausbreiten, breit’
8 (1906/07), 71; G. Schoppe ZDW 15(1914), 184; in ai. prthä- 'flache Hand’, gr. platys 'breit’,
K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 391. kymr. lled 'Breite, Weite’, lit. plötas 'Platte’ u. a.
fixen swV. 'Rauschmittel spritzen’, ugs. Eine Dieses ist eine Erweiterung zu ig. *peb/plä-
Entlehnung aus der amerikanischen Umgangs¬ 'ausbreiten’ (vgl. flach).
sprache; die Bedeutung stammt wohl aus ne. S. Flunder, Plateau ( + ). - A. Wurmbach ZV
fix up 'sich herrichten, sich herausputzen’ und 56(1960), 20-40.
nimmt auf die stimulierende Wirkung der Flader /. Spmhd. vlader m. 'Holzmaserung’,
Rauschmittel Bezug. fachsprachl. Vermutlich wegen der Form als
'Flamme’ bezeichnet, und zu flattern (s. d. und
S.fix ( + ).
fiadern 218 flattieren

Fledermaus) zu ziehen. Der Zusammenhang von Flanell m. (= ein gerauhtes Gewebe), fach-
flattern’ und 'flacken, Flamme’ zeigt sich auch sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
bei flackern (s. d.). frz. flaneile, dieses aus e. flannel (dass.), das
fiadern swV. 'stehlen’, österr. Aus rotw. fla- möglicherweise auf kymr. gwlän 'Wolle’ zurück¬
dern, s. Leichenfledderei. geht. In diesem Fall verwandt mit Wolle (s. d.).
Flagge/. Im 17. Jh. entlehnt aus nndl. vlag W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 71; Ganz (1957), 74.
'Schiffsflagge’. Dies ist ursprünglich ein nordi¬ flanieren swV. 'umherschlendern’. Im 19. Jh.
sches, in England aufgekommenes Wort, ver¬ entlehnt aus gleichbedeutend frz. flauer, dieses
mutlich Rückbildung zu anord./7Qgra 'flattern’. über normannische Mundarten aus aisl. flana
Kluge (1911), 254 — 263; Stammler (1954), 213-215; umherstreifen, unbesonnen hervorstürzen’.
Lühr (1988), 290. Morphologisch zugehörig: Flaneur; zum Etymon s.
Feld.
flagrant Adj., deutlich hervorstechend’, s.
flambieren. Flanke/. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. flanc m.
'Weiche’, das seinerseits aus afrk. *hlanca 'Seite,
Flair n. 'persönliche Note, Ausstrahlung’.
Hüfte, Lende’ (s. Gelenk) umgestaltet ist.
Entlehnt aus frz. fair m. 'Spürsinn, Geruch¬
flankieren swV., s. Flanke.
sinn’, zu frz. flairer 'wittern, riechen’, aus 1.
fragräre 'stark riechen, duften’ (mit Dissimilie- Flansch m. Spmhd. flansch n. 'Zipfel\ fach-
rung). sprachl. Weitere Herkunft unklar.
Etymologisch verwandt: s. Bracke, Brodem. flappen swV 'klatschen (von Segel u. ä. im
Flakon n./m. 'Fläschchen’, sonder spracht. Im Wind)’, ndd. Wohl lautmalend. Hierzu Flappe,
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. flacon vulgär für Mund’.(eigentlich ’herabhängende
m., aus afrz. *flascon, aus spl. flasco m. 'Wein¬ Unterlippe, vgl. Klappe) und flapsig 'mit
krug’, aus wg. *flaskö 'Flasche’. schlechten Manieren’ (d. h. mit unkontrollier¬
ten Bewegungen).
Etymologisch verwandt: s. Flasche.
Flasche / Mhd. flasche, v/esche, ahd. flasca
Flamberg m. 'breites Landsknechtsschwert’,
aus g. *flaskö fl 'Flasche’, auch in anord./7aska,
arch. Literarisches Wort, eigentlich die Flam-
ae. flasce. Es wird vermutet, daß es sich ur¬
berge, nach dem Schwertnamen frz. flamberge
sprünglich um die Bezeichnung eines umfloch¬
/., im Anschluß an frz. flambee f. 'Flamme’
tenen Gefäßes handelte (wie in der Tat gläserne
umgestaltet aus Floberge. So hieß das Schwert
Flaschen erst spät gebräuchlich werden). In die¬
des Renaut de Montauban (eigentlich der
sem Fall ist ein Anschluß an flechten (s. d.)
Frauenname wfrk. Flotberga o. ä.).
denkbar: g. *flaht-ska- 'das zum Geflecht gehö¬
flambieren swV. 'mit Alkohol übergießen und rige’.
anzünden . Entlehnt aus gleichbedeutend frz. Nndl. flesch, ne. flask, nschw. nisl. flaska. S. auch
flamber, einer Ableitung von frz. flambe Fiasko, Flakon, Flaschner. — E. Schröder ADA
Flamme , dieses aus 1. flammula 'Flämmchen’, 23 (1897), 157. Anders (zu *ple- 'füllen’ als *ph-skä)-
einem Diminutivum zu 1. flamma 'Flamme, V. Pisani ZVS 90 (1976), 18f. Zu Flasche 'Schwächling’
Feuer , über *flagma zu 1. flagräre 'flammen, vgl.: H.-F. Rosenfeld NPhM 53 (1952) 277-287'
NPhM 54(1953), 237-356.
lodern, brennen . Aus dem adjektivischen
PPräs. l.flagräns 'flammend, erregt’ d. flagrant. Flaschenzug m. Seit dem 18. Jh. belegte Zu¬
Etymologisch verwandt: s. Flamme. sammensetzung mit Flasche (s. d.) und Zug
Flamen PL, Flamen PI., s. Flomen. (s. d.). Die Bezeichnung rührt vom flaschen¬
halsförmigen Gehäuse der Rollen.
Flamenco m. ( = andalusisches Lied, stark
Flaschner m. 'Klempner’, südd. Der mittel¬
rhythmischer Tanz), sonder spracht. Entlehnt aus
alterliche vlaschener stellte blecherne und zin¬
gleichbedeutend span, flamenco (wörtlich: 'der
nerne Flaschen her (vgl. Wärmflasche).
Flämische [= andalusischer Zigeuner]’), dieses
S. Flasche ( + ). - Kretschmer (1969), 282-284.
aus mndl. Vlaminc 'Flame’ (vgl. mhd. Vlceminc
'Flame’). flattern swV. Fnhd. fiadern neben flattern
(auch fütteren, flotteren u. a.). Außerdeutsch
Flamingo m. (= ein großer Wasservogel),
ne.flutter. Gehört zu einer Variante mit denta¬
Jachsprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
lem Auslaut zu flackern (s. d.), bezeugt etwa in
gleichbedeutend span, flamenco, dessen weitere
lit. plazdeti, lett. plezdinät 'schwingen, flattern’.
Herkunft nicht sicher geklärt ist.
flattieren swV. 'schmeicheln, schöntun’, arch.
Hamme/ Mhd. vlamme. An verschiedenen
Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleich¬
Stellen und zu verschiedenen Zeiten entlehnt
bedeutend frz. flauer, dessen weitere Herkunft
aus 1. flamma 'Flamme’ (zu 1. flagräre 'lodern’). nicht sicher geklärt ist.
Etymologisch verwandt: flambieren, flimmern.
Morphologisch zugehörig: Flatterie, Flattierer.
flau 219 Fleisch

flau Adj. Wort der Seemannssprache, das auf 'Fleck5 (darübergesetzter Lappen, Farbfleck,
afrz. flau 'sanft5 (frz.flou 'sanft, weich5) zurück¬ Eingeweidestück), auch in anord. flekkr. Wie 1.
geht. Dieses wiederum ist aus ahd. *hlao (s. plagula fl, plagella f. 'Lappen5 zu 1. plaga fl
unter lau) entlehnt. 'Fläche, Gegend5 gehören, so Fleck zu flach
Flaum m. Mhd. phlüme, vlüme m./f., ahd. (s. d.). Es ist also von *pbgno- 'Ausgebreitetes5
phlüma f 'Flaumfeder5, as. plümon 'mit Federn auszugehen. Nach Sommer (s. u.) eher zu einer
füllen5; wie ae. plümfeöerf entlehnt aus 1. plüma Lautnachahmung für 'hinklatschen5, Vgl. Plak-
f. 'Flaumfeder5 (zu dessen germanischer Ent¬ ken. Vielleicht ist aber eher von *flikk- auszuge¬
sprechung s. unter Flausch). hen, vgl. anord. fl'tk(a) f. 'Lappen, Fetzen5,
ae. flicce n. 'Speckseite5, mndd. vli(c)e, vlecke
Flaumen PL, s. Flomen.
'Speckseite5. S. auch Kuttelfleck unter Kutteln.
Flausch m., auch Flaus m. Ursprünglich nie¬ S. flach ( + ), Fleisch, flicken. Placken. — Sommer
derdeutsches Wort (mndd. vlüs, vlüsch n. 'Schaf¬ (1977), 15; Lühr (1988), 216-218.
fell5), das einerseits als Flaus(ch)rock 'wollener
fleddern swV., s. Leichenfledderei.
Überrock5 in die frühe Hochsprache gelangt,
Fledermaus /. Mhd. vledermüs, ahd. fle-
andererseits als Flausen, eigentlich 'herumflie¬
gende Wollflocken', dann übertragen auf'närri¬ darmüs, mndd. vledermüs, vlermüs, mndl. vleder-
muus, wörtlich 'Flatter-Maus5, zu dem unter
sche Einfälle5. Das niederdeutsche Wort geht
flattern behandelten Wort. Der ältere und ei¬
zurück auf voreinzelsprachl. *plus- 'Woll-
gentlich genauere Name ist ahd. müstro m.
flocke5, auch in lit. plüskos f. PI. 'Haarzotten5,
'Tier, das einer Maus ähnelt5 wie ai. asvatarä-
mir. lö, löe 'Wollflocke5, 1. plüma f. (aus
m. 'Maultier, Tier, das einem Pferd ähnelt5 zu
*plus-ma) 'Flaumfeder5.
ai. äsva- m. 'Pferd5.
S. Flaum, Fluse, Vlies.
Nndl. vleermuis. S. zerfled(d)ern. — Palander (1899),
Flausen PL, s. Flausch. 22-24.
Flaute /. 'Windstille5, fachsprachl., ndd. Ab¬ Flederwisch m. 'Putzgerät5. Mhd. vlederwisch
straktum zu flau (s. d.). 'Gänseflügel zum Abwischen5; ursprünglich
Fläz m. 'Flegel5, ugs. Aus dem Niederdeut¬ wohl vederwisch (das in anderer Bedeutung be¬
schen stammendes Scheltwort mit dem dort be¬ zeugt ist) und sekundär an mhd. vleder(e)n
liebten -5-Suffix für derartige Personenbezeich¬ 'flattern5 angeglichen.
nungen. Zugrunde liegt vielleicht vlote 'breiter Flegel m. Mhd. vlegel, ahd. as.flegil. Entlehnt
Abrahmlöffel5 (wie auch Löffel als Scheltwort aus \. flagellum n. 'Geißel, Flegel5, da die Ger¬
herangezogen wird). manen das Dreschen mit Flegeln von den Rö¬
H. Schröder GRM 1 (1909), 703. mern (Romanen) kennenlernten. Als Schimpf¬
Flechse /. 'Sehne5. Seit dem 17. Jh. bezeugt. wort zunächst gebraucht für den Bauern nach
Es wird ein Anschluß an Flachs versucht oder seinem typischen Arbeitsgerät.
ein altes Flecht-sehne vorausgesetzt. Beides we¬ flehen swV. Mhd. vle(he)n, vlegen, ahd.
gen der späten Bezeugung nicht nachweisbar flihön, flehen, as. flehön 'dringend bitten5. Die
und wenig überzeugend. Beurteilung der Etymologie ist mit dem Pro¬
G. Weitzenböck Teuthonista 7 (1930/31), 157. blem der noch unklaren Lautentsprechung gt.
Flechte /. Spmhd. vlehte, zunächst für die fl- — nordg./wg. fl- belastet. Entsprechungen
Haarflechte, danach übertragen auf das Moos deshalb vorerst als unsicher zu beurteilen. Vgl.
und den Hautausschlag. immerhin 1. supplex 'demütig flehend5,1. suppli-
flechten stV. Mhd. vlehten, ahd. as. flehtan cäre 'demütig flehen5.
aus g. *fleht-a- stV. 'flechten5, auch in ae. floh- Fleisch n. Mhd. vleisch, fleisch, ahd. fleisc, as.
ten-föte 'Zehen mit Schwimmhäuten5, anord. flesk aus wg. *fleiska- n. 'Fleisch5, auch in ae.
fletta swV. 'flechten5, gt. flahta 'Flechte5. Zu¬ flcesc, afr. flesk-, dazu anord. flesk(i) 'Speck5,
grunde liegt die verbreitete Verbalwurzel *plek- das wohl aus dem Westgermanischen entlehnt
'flechten5, die in mehreren Sprachen mit ?-Er- ist. Hierzu weiter anord. flikki, ae. flicce, mndl.
weiterung erscheint. Mit t\ 1. plectere, akslav. vlec(ke) 'Stück Speck, Speckseite5. Dies kann
pleti 'jäten5; ohne t: 1. plicäre 'zusammenfalten5, weiter führen zu lit. pleikti '(einen Fisch) der
gr. plekö 'ich flechte, winde5 und vielleicht das Länge nach aufschlitzen und dann ausnehmen5.
germanische Wort für Flachs (s. d.). Im Falle eines Vergleichs wäre von *ploik-sko-
Nndl. vlechten, nschvt. fläta, ms\. fletta. S. Flasche ( + ), und *plikk-jön (o. ä.) auszugehen, die Grundbe¬
Komplikation ( + ). - B. Schier: Flechten im Lichte der deutung wäre 'Speckseite, ausgenommenes
historischen Volkskunde (Frankfurt/M. 1951). Schwein5. In Betracht zu ziehen ist aber auch
Fleck m., Flecken m. Mhd. vlec(ke), ahd. akslav. plüti f. 'Fleisch, Leib, Haut5, lett. pluta
flec(ko), mndl. vlecke aus g. *flekka-jön m. 'Fleisch, Haut5, lit. pluta fl '(Brot)Kruste,
Fleischkäse
Fliegenpilz

Schweineschwarte’, die wurzelverwandt sein flicken swV. Mhd. vlicken, eigentlich 'einen
könnten. Vorläufig nicht ausreichend klar. Aus¬ Fleck aufsetzen’ (s. Fleck).
gangsbedeutung ist wohl 'Stück eines zerlegten
Flieder m. Erst seit dem 16. Jh. auch hoch¬
Schlacht- oder Jagdtiers’ zu einem Verbum für
deutsch, vorher mndd. vleder, mndl. vlie(de)r.
'zerteilen, zerlegen’.
Das Wort ist vermutlich gebildet mit dem west¬
Nndl. vlees, ne. flesh, nschw. ßäsk, nisl. flesk. S.
germanischen 'Baumnamensuffix’ -dra- (s. un¬
Fleck ( + ). - Silfwerbrand (1958), 1-80. Zum Nomen
ter Holunder), das Vorderglied läßt sich nicht
agentis Fleischer: W. Braun in: Dückert (1976)
55-119. weiter anknüpfen. Mit Flieder wird zunächst
der Holunder bezeichnet; im 16. Jh. bei Einfüh¬
Fleischkäse m., s. Leberkäse.
rung des Flieders ('syringa vulgaris’) wird das
Fleisehpflanzl n. 'Fleischküchlein’, bair. Ei¬ Wort auf diesen übertragen, zunächst mit ver¬
gentlich Fleischpfanzl aus Pfann-Zelten (s. Zel¬ deutlichenden Adjektiven (spanischer, welscher,
te fnj) 'Pfannkuchen’ mit sekundärer Anglei¬ türkischer Flieder), dann auch als einfaches
chung an Pflanze. Wort. Heute wird Flieder für Holunder nur
Fleiß m. Mhd. vliz, ahd. fliz, as. fflt aus wg. noch in nordostdeutschen Mundarten ge¬
*flTta- (*fleita-) m. 'Streit, Anstrengung’, auch braucht, häufig verdeutlicht als wilder oder
in ae. afr. fflt. Abstraktum zu wg. *fleit-a- stV. schwarzer Flieder.
wetteifern’ in ae. flltan, as. (and)flitan, ahd. Teuchert (1944), 214f.
flizan, mhd. vlizen, das keine überzeugende Ver¬ fliegen stV. Mhd. vliegen, Ahd. jhogan, mndd.
gleichsmöglichkeit außerhalb des Germani¬ vlegen, mndl. vliegen aus g. *fleug-a- stV. 'flie¬
schen hat. gen’, auch in anord. fljüga, ae. fleogan, afr.
Nndl. vlijt. S. geflissentlich. fliäga. Außergermahisch läßt sich ein baltisches
Wort bei Ansatz eines *pleuk- 'fliegen, schwim¬
flektieren swV. 'morphologisch beugen’, fach-
men’ vergleichen, was voraussetzen würde, daß
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. flectere
das germanische Wort den grammatischen
(flexum) 'beugen, biegen’.
Wechsel zugunsten des stimmhaften Lautes aus¬
Morphologisch zugehörig: flexibel, Flexibilität, Fle¬
geglichen hätte. Mit Rücksicht auf die Vermei¬
xion: etymologisch verwandt: reflektieren (usw.). - E.
Leser ZDW 15 (1914), 48f. dung eines Zusammenfalls mit fliehen (s. d.) in
den außergotischen Sprachen ist diese An¬
Flemen PL, s. Flomen.
nahme durchaus möglich. Vgl. lit. plaükti
flennen swV. 'nach Kinderart weinen’, ugs. 'schwimmen, herbeiströmen’ und vielleicht lit.
Seit dem 15. Jh. pflennen, südod. /7ebnen; be¬ plünksna 'Feder’ (neben lit. plüsna). Unter Um¬
zeugt ist auch die Bedeutung 'lachen’, die die ständen ist die auf *pleus- zurückführende
Verbindung zu ahd. flannen 'den Mund verzie¬ Sippe von Flaum und Flausch näher zugehörig.
hen’ herstellt. Weiter zugehörig sind vermutlich Weiter zu ig. *pleu- fließen’, das unter fließen
mhd. vlans Mund, Maul’ und norw. schw. dargestellt ist. Einen ähnlichen Bedeutungswan¬
(di al.) flina die Zähne zeigen, grinsen’. Weitere del von 'schwimmen’ zu 'fliegen’ zeigt toch.
Herkunft unklar. A. B. plu- 'schweben’ von der einfacheren Wur¬
S. Flunsch. - H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968) zelstufe (sowie vielleicht *plus- 'Wollflocke,
69-75. Flaumfeder). Auch ai. plävate heißt neben
schwimmen, fließen gelegentlich schweben,
fletschen swV. Mhd. vletzen 'ebnen, ausbrei¬
fliegen’. - Schon westgermanisch ist das Wort
ten , zu ahd. flaz flach, breit’, also eigentlich
Fliege (mhd. vliege, ahd. fliuga, as. fliega, ae.
den Mund breitziehen’.
fleoge), dazu im Ablaut anord. fluga gleicher
S. Flöz (+). - H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968) Bedeutung.
80-82.
Nndl. vliegen, ne. fly, nschw. flyga, nisl. fljüga. S.
fletschern swV. 'langsam kauen\ fachsprachl. flitzen, Flocke, Flucht2, Flügel, flügge, flugs — Th
Nach dem amerikanischen Ernährungsphysio¬ Schumacher ZM 23 (1955), 59-64^
logen H. Fletcher, der diese Eßweise vorschlug. fliegender Sommer m., s. Altweibersommer.
Flett n„ Fletz n./m., s. Flöz. Fliegenpilz m. 'Amanita muscaria’. Die seit
flexibel Adj. 'biegsam, elastisch, anpassungs¬ dem 17. Jh. (?) bezeugte Zusammensetzung
fähig’, s. flektieren. mit Fliege (s. fliegen) und Pilz (s. d.) rührt da¬
her, daß dieser Giftpilz schon seit alters mit
Flibustier m. 'Seeräuber’, sondersprachl. Im
Milch abgekocht wurde, um damit Fliegen und
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. flibu-
Insekten zu töten. Ältere Bezeichnungen mit
stier, dieses aus e. filibuster (dass.), wohl aus e.
entsprechendem Benennungsmotiv sind spmhd.
flibutor, freebooter (dass.), aus ndl. vrijbuiter
(14. Jh.) muckenswam 'Mückenschwamm’,
(dass.) (s. frei und Beute1).
fnhd. Fleugenschwamm 'Fliegenschwamm’ (s'
Fliegenteufel 221 flispern

Schwamm)-, weiter sind belegt Fliegenteufel, flithme, flytme entlehnt aus 1. phlehotomus m.
Fliegentod usw. Ähnliche Bezeichnungen findet aus gr. phlebotömon n. (zu gr. phleps 'Ader’ und
man auch in anderen europäischen Sprachen. gr. temnein 'schneiden’).
Marzeil (1943/79), I, 237. S. Anatomie ( + ). — Hoops (1973ff.), I, 78f.
Flicgenteufel m., s. Fliegenpilz. flimmcn swV., s. flimmern.
Fliegentod m., s. Fliegenpilz. flimmern swV. Erst neuhochdeutsch (17. Jh.)
fliehen stV. Mhd. vliehen, ahd. as. fliohan aus zu flimmert neben flammen, von unruhigen Be¬
wg. nordg. *Jleuh-a- stV. 'fliehen’, auch in ae. wegungen. Wohl ursprünglich von Flamme
fleon, as. fliohan, ah.fliä und Resten im Altnor¬ (s. d.) abgeleitet, aber lautmalerisch abgewan¬
dischen (mit fljüga 'fliegen’ zusammengefallen). delt.
Im Deutschen ist der grammatische Wechsel flink Adj. Im 17. Jh. aus dem Niederdeut¬
zugunsten von -h- ausgeglichen, wohl um das schen übernommen, wo es ursprünglich 'glän¬
Verb von fliegen (s. d.) getrennt zu halten. Im zend, blank’ bedeutet (ndd. flinken 'glänzen’).
Gotischen entspricht pliuhan 'fliehen’. Der Die Bedeutungsübertragung war möglich, weil
Wechsel gt. pl-wg./nordg. fl- in bestimmten offenbar ein unruhiges, wechselndes Glänzen
Wörtern ist bis heute nicht ausreichend geklärt. gemeint war. Herkunft unklar; wohl lautmaleri¬
Für ursprüngliches fl- mit Entwicklung zu pl- sche Abwandlung von blinken (s. d.), vgl. auch
vor Spirant K. Matzel (s. u.), der aber nicht flimmern.
alle widersprechenden Fälle zu klären vermag.
Lühr (1988), 106f.
Andererseits ist für gt. pl- kein überzeugender
Flins(e) /., Plinze /. 'Eierkuchen, Kartoffel¬
Ausgangspunkt zu finden (kaum ig. tl-). Die
puffer’, ondd. Entlehnt aus sorb. blinc, mlinc
Etymologie dieser Wörter muß deshalb offen
bleiben. 'dünner Buchweizenkuchen’.

Nndl. vlieden, ne. flee, nschw. fly swV., nisl. flyja swV Flintbüchse/., s. Flinte.
S. Floh, FluchtL — K. Matzel Sprache 8 (1962), Flinte /., arch. Im 17. Jh. gekürzt aus älterem
220-237.
Flintbüchse, Flintrohr. Dieses bezeichnet ein im
Fliese f. Ursprünglich niederdeutsches Wort 30jährigen Krieg aufgekommenes Gewehr mit
(mndd. flise, vlise 'Steinplatte’). Dieses hat (Feuer)Steinschloß (das zuvor nur die Pistolen
keine klare Vergleichsmöglichkeit. Die vorge¬ hatten). Davor wurde mit der Lunte (s. d.) der
schlagenen Verwandten sind entweder in der Schuß ausgelöst. Dabei ist flint die schwedische
Lautform oder in der Bedeutung zu weit abste¬ Form des Wortes für 'Feuerstein’ (ahd. flins m.,
hend. mhd. vlins m.; dagegen nschw./ndn. ndd./nndl.
fließen stV. Mhd. vliezen, ahd. fliozan, as. ne. flint). Die schw. Wörter flintebössa, flinte-
fliotan aus g. *fleut-a- stV. 'fließen’, auch in rör, flinta sind früher bezeugt als die deutschen
anord. fljöta, ae. fleotan, afr. fliäta, im Goti¬ Entsprechungen und haben diesen offenbar als
schen ist kein Wort dieser Bedeutung belegt. Vorbild gedient. Das schwedische Wort ist dem
Dieses aus einer auch in den Nachbarsprachen frz. fusil ä silex m. nachgebildet.
des Germanischen bezeugten Erweiterung Ganz (1957), 74f.; Lüschen (1968), 219; F. de Tolle-
*pleud- zu der ig. Wurzel *pleu- 'fließen’; *pleud- naere SN 53 (1981), 245-257; Lühr (1988), 105f.
in lit. plüsti 'strömen’, lit. pläuti 'spülen, wa¬ Flintrohr n., s. Flinte.
schen’, air. lüaidid 'bewegt sich’, air. imm- 'be¬
Flipper m. (= ein Spielautomat), sonder-
wegt, trägt, treibt, fährt herbei’; *pleu- in ai.
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
plävate 'schwimmt, gleitet’, gr. pleö 'ich segle,
ne. flipper, einer Ableitung von e. flip 'schnip¬
schiffe, schwimme’, akslav. pluti 'befahren’, air.
sen, schnellen’, dessen Herkunft nicht sicher
luid (ursprünglich Deponens) 'bewegt sich,
geklärt ist.
fliegt’. Dieses aus einer einfacheren Wurzelstufe
Morphologisch zugehörig: Flip.
*peb- 'gießen, füllen’ in lit. pilti 'gießen, füllen’,
ai. piparti 'füllt, nährt’ (selten); fließen ist also flirren swV., sonder spracht. Seit dem 17. Jh.
bezeugt. Sicher ursprünglich eine Lautgebärde.
eigentlich 'überfließen’.
Nndl. vlieten, ne. fleet, nschw. jlyta, nisl. fljöta. S. flirten swV. 'um Zuneigung buhlen, kokettie¬
fliegen ( + ), Floß, Flosse, flößen, flott, Flotte, Fluß ( + ), ren’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Flut. ne. flirt, dessen Herkunft nicht sicher geklärt
Fließpapier n. Seit dem 16. Jh. für saugfähiges ist. Dazu Flirt 'Liebelei’ nach e. flirtation.
Papier, auf dem die Tinte verfließt. Zum Trock¬ flispern swV. 'flüstern, beim Sprechen mit der
nen der Tinte u. ä. verwendet. Zunge anstoßen’, nordd. Seit dem 18. Jh. belegt.
Fliete /. 'Aderlaßeisen’, arch. Mhd. fliet(e), Wohl eine Mischbildung aus flüstern und wis¬
vlie(de)me, ahd. fliodema, fliotema. Wie ae. pern oder lispeln.
Flitscherl 222 Florin

Flitscherl n., bair.-österr. Entsprechung zu Sprache eine größere Rolle spielt. Die Bezie¬
Flittchen (s. d.). hung zu frz. marche aux puces, /es puces ist
Flittchen n. 'leichtfertiges Mädchen’, ugs. noch nicht geklärt.
Wohl rückgebildet aus ßittern 'kichern’, auch Flomen PI. 'rohes Bauch- und Nierenfett’,
'liebkosen’. ndd.; regional auch Flaumen. Hochdeutsch
S. Flitter, Flitscherl. würde Flumen entsprechen (vgl. mndd. vlome),
Flitter m. Seit dem 16. Jh. als 'glitzerndes das teilweise als Verhochdeutsch ung vorkommt.
Metallplättchen’ belegt; daneben flittern in ver¬ Süddeutsch entspricht Flamen u. ä., das meist
schiedenen Bedeutungen ('glitzern, kichern, 'dünne Haut u. ä.’ bedeutet und zu Flomen im
schmeicheln u. a.’), am frühesten bezeugt ahd. Ablaut steht. Wohl zu der gleichen Grundlage
flitarezzen 'schmeicheln, liebkosen’. Wohl eine wie bei Fladen und flach (s. d.); es bezeichnet
Lautmalerei, bei der die Bedeutungszusammen¬ (vermutlich) die ausgebreitete Fläche.
hänge im einzelnen nicht mehr nachvollziehbar E. Damköhler IVBZDS 6,43 (1927), 185-192; E.
sind. Christmann ZDPh 55 (1930), 230-237; Kretschmer
S. Flittchen (+). (1969), 328.

Flitterwochen PI. Seit dem 16. Jh. bezeugt, Flop m. Reinfall, Mißerfolg’, sonder spracht.
zu flittern (s. unter Flitter) in der Bedeutung Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. flop
'liebkosen’. (wörtlich: das Hinfallen’), einer Ableitung von
e.flop '(mit Lärm) hin(unter)fallen’, aus e. flap
Flitzbogen m., s. flitzen.
(dass.), dessen weitere Herkunft nicht sicher
flitzen swF'sich schnell bewegen’, ugs., älter geklärt ist; man vermutet Lautnachahmung.
mit Pfeilen schießen’. Abgeleitet von Flitze
Flor1 m. 'Schleier’, fachsprachl. Im 16. Jh.
(flitsche) f. 'Pfeil’, einer morphologisch unkla¬
entlehnt aus gleichbedeutendem nndl. floers;
ren niederdeutschen/niederländischen Ablei¬
dies aus afrz. veluous, später velours 'Samt’ (aus
tung von mndd. flehe, flieke, mndl. vl(i)eke
1. villösus 'haarig, zottig’).
'Pfeil’ (evtl, über frz. fleche 'Pfeil’, das aus einer
S. Velours.
entsprechenden germanischen Form stammt).
Dieses kann eine Ableitung auf *-ikön zu dem Flor2 m. 'Blüte, Wohlstand, Gedeihen’, son-
Wort fliegen sein (s. d.). Gebräuchlich ist auch dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
noch Flitzbogen (von der alten Bedeutung’). tend 1. flös (-öris).
Morphologisch zugehörig: Flora, florieren', etymolo¬
Flocke /. Mhd. vloc, vlocke m., ahd. flocko
gisch verwandt: Florett, Florin, Floskel, Karfiol. - W.
m„ mndd. mndl. vlocke aus vor-d. *flukk(ön) Feldmann ZDW 8 (1906/07), 71.
m. 'Flocke’. Am ehesten entlehnt aus 1. floccus
Flora/. 'Pflanzenwelt, Bestimmungsbuch’, s.
m. 'Flocke’. Falls Erbwort, gehört es zu lett.
Flor2.
plauki 'Schneeflocken’, lett. plaükas PI. 'Fasern,
Abgang von Wolle und Flachs’ und weiter zu Florett n. (= eine Stoßwaffe mit biegsamer
fliegen (s. d.). Die Beleglage spricht aber eher Klinge), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
für eine Entlehnung. gleichbedeutend frz. fleuret m., dieses aus it.
S. Plane. — Lühr (1988), 218f. fioretto m. (dass.), (auch:) 'Kugel an der Spitze
des Degens’, (wörtlich:) 'Knospe, Blümchen’,
Floh m. Mhd. vlö(ch) m./f, ahd. flöh, mndd.
einem Diminutivum zu it. fiore m. 'Blume,
mndl. vlo f. aus g. *flauha- m. 'Floh’, auch in
Blüte , aus \. flös (-öris) m. (dass.). So benannt
anord. flö /., ae. flea. Außergermanisch wird
nach der kleinen Kugel, die bei Übungen auf
das Tier mit ähnlichen, aber lautlich nicht genau
die Spitze des Degens gesteckt wurde, um ernst¬
vereinbaren Wörtern bezeichnet. Vermutlich ex¬
hafte Verletzungen zu vermeiden.
pressive Umgestaltungen oder sekundäre An¬
Etymologisch verwandt: s. Flor2.
gleichungen, die etwa von *plus- ausgehen, vgl.
florieren swV. 'blühen, gedeihen’, sonder-
ai. plusi-, gr. psyllaj./(m.) (vielleicht angelehnt
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
an gr. psen 'kratzen’), arm. lu, lit. blusä /., 1.
\.flörere, zu X.flös (-öris) 'Blume, Blüte, Wohl¬
pülex. Im Germanischen eventuell an fliehen
stand’.
(s. d.) angeschlossen.
Morphologisch zugehörig: Florileg, Florilegium, Flo¬
Nndl. vlo, ne. flea.
rist, Floristik', etymologisch verwandt: s. Flor1.
Floh- in Flohzirkus m„ Flohkino n„ Flohmarkt
Florin m. 'niederländischer Gulden’, fach¬
m. Die erste Bildung ist wohl die älteste, eine
sprachl. Entlehnt aus ml. florenus (Florentiner)
Scherzbildung, die unterstellt, daß in einem sol¬
Gulden’, einem substantivierten Adjektiv zu 1.
chen Zirkus dressierte Flöhe auftreten. Danach
flos (-öris) Blume, Blüte’. So benannt als die
wohl schon als negatives 'Halbpräfix’ gebraucht
'Münze mit der Blume’, da sie auf der Rückseite
Flohkino (kaum weil es dort Flöhe gibt), und eine Lilie eingeprägt hatte.
schließlich Flokmarkt, das in der modernen Etymologisch verwandt: s. Flor2.
Florist 223 flügge
Florist m., s. Flor2.
Bezeichnung für den Fußboden innerhalb des
Floskel /, 'nichtssagende Redensart’. Im 18. Hauses; als solches wird es auch in der ndd.
Jh. entlehnt aus 1. flösculus m. 'Denkspruch, Form Flett erwähnt.
Sentenz, (wörtlich: Blümchen)’, einem Diminu- S. auch fletschen. - Hoops (1911/19), II, 66-68; W.
tivum zu 1. flös (-öris) m. 'Blume, Blüte’. Die Jungandreas NJ 77 (1954), 69 — 83.
Bedeutungsverschlechterung ergibt sich aus der fluchen stV. Mhd. vluochen, ahd.fluohhön, as.
oftmaligen Verwendung von Redewendungen, flökan aus g. *flök-a- stV., auch in gt.faiflokun
die durch die Häufigkeit des Auftretens ihre Prät. betrauerten’, anord. fllökinn verworren’,
Aussagekraft verlieren. (Zum Bild vgl. Antho¬ ae. flocan 'die Hände zusammenschlagen’, afr.
logie.)
urflökin 'verflucht’. Die Ausgangsbedeutung ist
Etymologisch verwandt: s. Flor2. wohl 'stoßen, schlagen’; daraus die deutsche
Floß n. Mhd. vlö: m./n., ahd. flöz in verschie¬ Bedeutung (vgl. einen Fluch ausstoßen) und in
denen Bedeutungen, die das Wort als Ableitung einem anderen Bild die Hände zusammenschla¬
zu fließen (s. d.) erweisen. gen’ im Englischen; dies als Zeichen der Trauer
und Verzweiflung im Gotischen (wobei die Fü¬
Flosse /. Mhd. vlozze, ahd. jlozza zu fließen
gung syntaktisch weiterentwickelt ist, im Akku¬
(s. d.) in der Bedeutung 'schwimmen’.
sativ die betrauerte Person steht, nicht die
flößen swV., auch flözen swV. Verwendungs¬ Hände o. ä.). Das germanische Verb geht zu¬
weisen wie einflößen zeigen, daß das Wort (mhd. rück auf *pläg- 'schlagen' in 1. plangere 'schla¬
vlaezen) ein Kausativ zu fließen (s. d.) ist, also gen, an die Brust schlagen, trauern’, gr. plessö
fließen machen, schwimmen machen’. 'ich schlage, treffe, treibe’. Eine Variante mit -k
Flöte/ Mhd. vloite, floit(e),flöute. Entlehnt in lit. pläkti 'schlagen, peitschen, prügeln’.
aus afrz. fleute über mndl. flute, fleute, floyte. Nndl. xloeken. — M. Förster in: FS F. Liebermann
Die Herkunft des romanischen Wortes ist un¬ (Halle-1921), 154-156.
klar. Flucht1/ (zu fliehen). Altes Abstraktum: ahd.
Relleke (1980), 54f. fluht, mhd. vluht, as. fluht, afr. flecht, ae. flyht
flötengehen stV. 'verloren gehen’, ugs. Seit m. aus wg. *fluhti- f. 'Flucht’. Dagegen ein n-
dem 18. Jh. bezeugt. Herkunft dunkel. Mögli¬ Stamm in anord. flötti m., ein m/'J-Stamm in
che Herleitung aus dem Jiddischen über das gt. frlauhs.
Rotwelsche bei Wolf (s. u.), zur gleichen Quelle Nndl. vlucht, ne.flight. S. Ausflucht, fliehen.
wie Pleite (s. d.). Flucht2 fl. 'zusammenfliegende Schar Vögel’,
Wolf (1985), 103. arch. Im 17. Jh. aus dem Niederdeutschen über¬
flott Adj. Im 17. Jh. aus dem Niederdeutschen nommen (ndd. flugt). Dieses ist f/-Abstraktum
übernommen; dort ist es zunächst in Wendun¬ zu fliegen (s. d.). Hierher auch Fluchtlinie (vgl.
gen wie flott werden (von einem Schiff) üblich, Fluglinie) 'Gerade’, Zimmerflucht und der tech¬
und erweist sich damit als Ableitung von fließen nische Ausdruck fluchten 'in einer Linie stehen’.
(s. d.). Die heutige Bedeutung entstand vermut¬ Nndl. vlucht, ne. flight. S. fliegen ( + ).
lich über flott leben (u. ä.) in der Studentenspra¬ Flugblatt n. Wie Flugschrift f. eine seit dem
che. Als neutrales Abstraktum ndd. Flott in 18. Jh. belegte Zusammenbildung mit Flug (s.
Entenflott und in der Bedeutung 'Sahne’ (oben unter fliegen) und Blatt (s. d.) bzw. Schrift (s.
Schwimmendes). unter schreiben) zu frz. feuille volante f. wörtlich
Kluge (1911), 271. 'fliegendes Blatt’, weil es sich dabei im Gegen¬
Flotte fl In frühneuhochdeutscher Zeit aus satz zu gebundenen Büchern um lose Blätter
it. flotta entlehnt, das wie frz. flotte auf ein handelte und dann auch wegen ihrer schnellen
germanisches Wort zurückgeht: anord. floti m., Verbreitung. Im 19. Jh. wird Flugschrift als Er¬
ae.flota m., mndl. vlöte, vloot, einer Ableitung satz für Broschüre (s. d.), Pamphlet (s. d.) und
zu fließen (s. d.). Pasquill vorgeschlagen.
Kluge (1911), 271; Jones (1976), 340. Flügel m. Mhd. vlügel, mndd. vlogel, wie ae.
Flöz n. 'waagrechte Gesteinsschicht’, fach- fligel, anord. flygill eine jüngere Instrumental¬
sprachl. Fnhd. flez. Das Wort beruht auf einer bildung auf -ila- zu fliegen (s. d.). Flügel 'Kla¬
Übertragung aus mhd. vletz(e) 'Tenne, Stuben¬ vier’ heißt so nach der Form: zunächst war
boden u. ä.’, ahd. flezzi, as. fletti aus g. *flatja- der Flügel eine entsprechend geformte Harfe
n. '(bearbeiteter) Boden’, auch in anord. flet, (mndd. vlogel, 14. Jh.).
ae. flet(t), aix.fl'ett; eine Ableitung (Abstrakt¬ Relleke (1980), 264f.
bildung) von g. *flata- Adj. 'flach’, in anord. flügge Adj., ugs. Mhd. vlücke. Die neuhoch¬
flatr, as. flat, ahd. flaz (parallele Erweiterung deutsche Form mit -gg- beruht auf ndd. vlügge.
von flach, s. d.). Das Wort ist die technische Das Wort ist westgermanisch: ae. flyege. Ein
Flughörnchen 224 Fock(segel)

Adjektiv der Möglichkeit auf -ja-, also wg. nung. Dazu fluoreszieren usw., mit dem 'wie
*flug-ja- 'imstande zu fliegen’. gewisse Fluorverbindungen im Licht reagieren’
S. fliegen ( + ). gemeint ist, da man die Erscheinung zunächst
Flughörnchen s. Eichhörnchen. an den Kristallen des Flußspats beobachtete.
Morphologisch zugehörig: Fluoreszenz, fluoreszieren-,
flugs Adv. Mhd. vluges. Erstarrter adverbialer
etymologisch verwandt: s. fluktuieren.
Genitiv zu Flug, also 'im Fluge’.
S. fliegen ( + ).
fluppen swV. 'flutschen’, ugs. Lautgebärde wie
flutschen (s. d.).
Flugschrift/., s. Flugblatt.
Flur /. Mhd. vluor m., ahd. fluor m., mndd.
Fluh fl 'Fels, Felswand’, schwz. Mhd. vluo,
flör, mndl. vloer aus g. *flöra- m. 'Boden’, auch
ahd. fluoh aus g. *flöhi- f. 'Fels, Felsstück, Fels¬
in anord./7örr m., de. flör m. Außergermanisch
wand’, auch in anord. flö 'Schicht, Absatz an
entspricht *plä-ro- in air. lär n.f(m.), kymr.
einer Felswand’, de. flöh 'Felsstück, Fliese’. Am
Ilawr 'Boden’, von derselben Grundlage ig.
ehesten aus einer Variante *pläk- neben *pläg-,
*plä- wie flach (s. d.), Fladen, Flöz usw. Im
das in flach (s. d.) vorliegt. Hierher gr. pläx
Deutschen ist Flur 'Feldflur’ ererbt und hat in
'Fläche’, 1. placidus 'flach, eben’, lit. pläkanas
spätmittelhochdeutscher Zeit sein Genus zum
'flach’.
Femininum umgestellt. Flur m. 'Hausgang’ ist
S. Nagelfluh.
erst im Neuhochdeutschen aus dem Niederdeut¬
Fluidum n. 'Wirkung, Ausstrahlung’, sonder-
schen aufgenommen worden.
sprachl. Neubildung zu 1. fluidus 'flüssig', zu 1.
Nndl. vloer, ne. floor. — W. Mitzka BF 11 (1940),
fluere 'fließen, strömen’, also 'Flüssigkeit’. Die
66 — 68; Kretschmer (1969), 203 — 210.
Übertragung geht von dem Gebrauch des Wor¬
tes für Träger und Verbreiter bestimmter (z. B. Fluse /. 'Fadenrest, Fussel’, nordd. Nieder¬
elektrischer) Kräfte’ aus. deutsche Form von Flausch (s. d.).
Morphologisch zugehörig: fluid; etymologisch ver¬ Fluß m. Mhd. vluz, ahd. fl uz, as. fluti aus
wandt: s. fluktuieren. vor-d. * fluti- m. 'Fließen, Fluß’. Häufig in Ge¬
fluktuieren swV 'schwanken, sich ändern’, wässer- und Ortsnamen.
sonder sprach!. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. S. Einfluß, fließen (4-).
Jlüctuäre (auch: 'Wellen schlagen, wogen’), zu Flußspat m., s. Fluor.
1. flüctus 'Strömen, Wogen, Strömung’, zu T.
fluere 'fließen’. flüstern swV. Fnhd./?istern. Ursprünglich nie¬
derdeutsches Wort, das wohl auf Lautmalerei
Morphologisch zugehörig: Fluktuation; etymologisch
verwandt: Fluidum, Fluor (usw.), Influenza. — Schir¬ beruht.
mer (1911), 64. Flut /. Mhd. vluot m., ahd. jluot, as. fl öd /./
Flumen PI., s. Flomen. m. aus g. *flödu- m. 'Flut’, auch in gt. flodus,
Flunder /. Im 16. Jh. als englischer Name anord. flöö n.,flcedr, ae.flöd n./m., Abstraktbil¬
vermerkt, vgl. ne.flounder, nnovw. flundra. Da¬ dung zu g. *Jlöw-a- 'fließen' in ae. flöwan stV.,
neben in spätmittelalterlichen Vokabularien anord. flöa swV. 'überfließen’. Dieses ist eine
vlander, vluoder u. ä. Vermutlich zu dem unter dehnstufige Bildung zu ig. *pleu- 'fließen’, das
Fladen (s. d.) aufgeführten *pht-fplät- 'flach’ unter fließen dargestellt wird.
mit sekundärer Nasalierung. Die Verbreitung Nndl. vloed, ne.flood, nschw.flod, nisl. flöö. — Kluge
dieser Form ist aber im einzelnen unklar. (1911), 276.

flunkern swV., ugs. Zu flinken 'glitzern’ u. ä. flutschen swV. 'flüchtig arbeiten, gut voran¬
Übertragen gebraucht für 'sich glanzvoll dar¬ kommen’, ugs., nordd. Niederdeutsches Wort,
stellen’ etwa seit dem 18. Jh. wohl aus einer Lautgebärde entstanden.
Lühr (1988), 106f. H. Gombik-Hujer DWEB 5 (1968), 82f.

Flunsch m. 'Maul (zum Weinen verzogen)’, Fock(segel) n. 'Segel am Vormast’, fach¬


ugs., nordd. Mit Lautabwandlung zu der unter sprachl., ndd. Seit dem 16. Jh. als ndd. nndl.
flennen dargestellten Sippe. (auch ndn., nschw.) fok, flock] dazu ndd. flocken
Fluor m. (= ein Gas mit stechendem Ge¬ 'Segel hissen’, vielleicht nndl.fokken 'aufziehen,
ruch), fachsprachl. Neubezeichnung zu 1. fluor züchten’. Die Zusammenhänge sind nicht aus¬
das Fließen’, zu 1. fluere 'fließen’. Dies ist ur¬ reichend klar. Für 'Zieher’ (zu fokken 'ziehen’)
sprünglich Bezeichnung des Flußspats, dem ergibt sich kein plausibler Ausgangspunkt. Fr.
wichtigsten Fluor enthaltenden Mineral; dann J'ok 'dreieckiges Stück Land’ scheint von der
übertragen auf das Gas. Flußspat wurde im Form des Segels so benannt zu sein, nicht umge¬
Hüttenwesen dazu benutzt, den Schmclzvor- kehrt.
gang bei Erzen zu fördern; daher die Bezeich¬ Kluge (1911), 278.
Föderalismus 225
Folter
foderalismus m. 'Bündnis, Zusammen¬
folgen swV. Mhd. volgen, ahd. folgen, as. fol-
schluß'Jachsprachl. Neubildung zu 1. (cön)foe-
gon aus g. *fulga-ä- swV. 'folgen’, auch in
deratio (-önis) /., einer Ableitung von 1. foede-
anord. fylgja, ae. folgian, fylgean, afr. folgia,
rare 'durch ein Bündnis vereinen’, zu 1. foedus
fulgia, folia, das Gotische hat dafür laistjan (s.
n. Bündnis', zu 1 .fidere 'sein Vertrauen setzen’.
unter leisten). Außergermanisch besteht keine
Morphologisch zugehörig: föderal, Föderalist, Födera¬ klare Vergleichsmöglichkeit. Kymr. öl 'Spur’
tion, föderativ; etymologisch verwandt: fidel, Hi-Fi,
Konföderation, perfide (usw.).
würde zwar semantisch gut passen, ist aber laut¬
lich mehrdeutig (könnte allenfalls auf *polgh-
Fohe/., Föhe/., s. Fähe und Fuchs'. zurückgehen) und ist selbst auch vereinzelt.
Fohlen n. Mhd. vol(e) m„ ahd. as. folo m. Vom Germanischen her würde ein Anschluß an
aus g. *fulon m. 'Fohlen’, auch in gt. fula, *felh-a- (s. befehlen) am meisten befriedigen,
anord.foli m., ae.fola m.\ das Neutrum wie das und die dort für die Grundlage *pel- gegebenen
aus dem Kasus eingedrungene -n erst frühneu¬ Formen stehen der Bedeutung folgen’ teilweise
hochdeutsch. Fohlen ist hauptsächlich ein nörd¬ semantisch recht nahe (zum Griechischen vgl.
liches Wort gegenüber südlichem Fidlen (s. d.). noch gr. (dor.) pelätes 'Höriger, Lohnarbeiter’,
Semantisch genau entsprechend und lautlich gr. plätis Gattin , gr. pelasis Annäherung’),
vergleichbar ist gr. pölos m./f. junges Pferd, aber hier handelt es sich nur um eine Wurzelety¬
Fohlen ; zu diesem Vergleich würde *pl-ön mit mologie, was die außergermanischen Formen
Schwundstufe für das Germanische, *pölo- mit anbelangt, und die Bedeutungen stimmen auch
Dehnstufe für das Griechische genügen. Falls nicht wirklich ausreichend überein.
jedoch andere Wörter für Tierjunge und Kinder Nndl. volgen, ne.follow, nschw. följa, nisl. fylgia.
(z. B. 1. pullus m. Tierjunges, auch Fohlen’ und folgenschwer Ädj. Seit dem 18. Jh. bezeugte
evtl. 1. puer m. 'Knabe’) herangezogen werden Lehnbildung mit Folge (s. folgen) und schwer
sollen, muß von *pu-l- ausgegangen werden. In (s. d.) zu frz. gras de consequences (aus frz. gras
diesem Fall wäre das griechische Wort eine vom groß, dick, schwer ; frz. consequence 'Folge’).
germanischen Wort unabhängige Bildung aus folgerecht Adj., arch. Seit dem 18. Jh. als
einer Dehnstufe *pöu- und nicht näher mit ihm Ersatzwort für konsequent, zu dem es eine Lehn-
zu vergleichen. Vermutlich liegt doch *pu- zu¬ bildung ist (1. sequi 'folgen’). Heute folgerichtig.
grunde als Bezeichnung für 'Junge von Tieren Foliant m. 'unhandliches Buch, Buch im For¬
und Menschen’, zumal sich an Wörter für mat eines halben Bogens’, sondersprach/. Neu¬
klein, gering mit dieser Lautung anknüpfen bildung des 17. Jhs. zu Folio 'Buchformat in
läßt (z. B. 1. paucus 'wenig’). der Größe eines halben Bogens’, einer Neubil¬
Ne. foal. nschw. fäle, nisl. (weitergebildet) folald. S. dung zu 1. infolio 'in einem Blatt’, zu 1. folium
Füllen, Pädagogik (F). n. 'Blatt’.
Föhn m. 'warmer Fallwind’, sondersprach/. Morphologisch zugehörig: Folia, foliieren; etymolo¬
gisch verwandt: s. Folie.
Ahd. fönno. Naturgemäß ein süddeutsches
Wort, das aus 1. (ventus) favönius 'lauer West¬ Folie /. '(sehr dünnes Material als) Grund¬
wind entlehnt ist. Dieses zu 1. fovere 'wärmen’. lage, Hintergrund’. Im 16. Jh. entlehnt aus ml.
Der deutschen Form liegt eine wohl schon spät¬ folia 'Metallblättchen’, dieses aus 1. folium n.
lateinische Kontraktion *faonius zugrunde. 'Blatt’. Zunächst im Deutschen vor allem
H. Wehrle ZDW 9 (1907), 166-168. Metallblättchen als Unterlage von Edelsteinen
zur Erhöhung ihres Glanzes’, dann Verallge¬
Föhre f, fachsprach/. Mhd. vor he, ahd. for(a)- meinerung.
ha, as. furia aus g. *furhö f. 'Föhre’, auch in
Morphologisch zugehörig: foliieren, Folio-, etymolo¬
anord. fura, füra, ae. furh. Außergermanisch gisch verwandt: Feuilleton, Foliant', zum Etymon s.
wird zum Vergleich it. (trent.) porca 'Föhre’ Blatt.
angegeben; sonst besteht keine klare Anschluß- Folio n. (= ein Buchformat), s. Foliant.
möglickeit. Daß das Wort zu dem alten Wort
Folklore/ 'Volkstümliches (in Kleidung, Mu¬
für 'Eiche’ (*perquu-, 1. quercus usw.) gehören
sik usw.)’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
soll, ist wegen des damit vorausgesetzten Ab¬ tend ne. folklore (wörtlich: 'Volkswissen’). Der
lauts und der Bedeutung nicht glaubhaft. Die erste Bestandteil, ne. folk, ist urverwandt mit
Umlautform wohl aus einer alten Adjektivbil¬ d. Volk, der zweite Bestandteil, ne. lore, mit d.
dung (*forhin). Lehre.
Ne. fir (entlehnt), nschw. fura, nisl .fura. - W. Horn Morphologisch zugehörig: Folk, Folklorist, Folklori-
in: FS D. Behrens (Jena, Leipzig 1929), 111. stik, Folksong-, zum Etymon von Folk s. Volk', zum
Fokus m. 'Brennpunkt’, fachsprachl. Entlehnt Etymon von lore s. lehren.
aus 1. focus 'Feuerstätte u. ä.\ Folksong m., s. Folklore und Song.
Morphologisch zugehörig: fokal, fokussieren-, etymolo¬ Folter/. Seit dem 15. Jh. Mit der Sache ent¬
gisch verwandt: s. Foyer. lehnt aus ml. poledrus, das ein scharfkantiges
Fön 226 Formal

Gestell bezeichnet, auf das der Verdächtigte mit fjgrör n. gleicher Bedeutung (*feröu-). Dies ist
beschwerten Füßen gesetzt wurde. Das lateini¬ eine hochstufige Bildung, die im übrigen dem
sche Wort ist erweitert aus gr. pölos triff glei¬ schwundstufigen Furt (s. d.) entspricht (zu
cher Bedeutung, eigentlich 'Fohlen’. Diese Her¬ Fähre und fahren, s. d.). Der Bedeutung nach
kunft des Wortes war bekannt, zumal daneben am ehesten vergleichbar ist 1. portus m. 'Hafen’,
auch eine 1. Übersetzung eculeus m. existierte. so daß von 'Meeresbucht, Meeresarm’, beson¬
Deshalb wurde das Wort im Anlaut an Fohlen ders im Hinblick auf die leichte Zugänglichkeit
angeglichen. Das Femininum im Anschluß an durch Schiffe, auszugehen ist.
Marter. fordern swV. Mhd. vo(r)dern, ahd. ford(a)-
Fön m. 'elektrische Heißluftdusche’. Anfang rön, mndd. vorderen. Eine Ableitung zu vorder
des 20. Jhs. zunächst als Warenbezeichnung, im (s. d.) mit der Bedeutung 'machen, daß etwas
Anschluß an Föhn mit abweichender Schrei¬ oder jmd. hervorkommt’ (vgl. äußern, erinnern
bung (nach schwedischem Vorbild?). u. a.). Regional ist teilweise das erste r durch
Fond m. 'Hintergrund, rückwärtiges Teil, Dissimilation geschwunden.
Untergrund, eingekochter Fleischsaft’, sonder- fördern swV. Mhd. vürdern, vurdern, ahd.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. fond furd(i)ren, mndl. vorderen aus wg. *furdiz-ija-
'Grund, Grundstock’, dieses aus 1. fundus swV. 'fördern’, auch in ae. fyrßran', abgeleitet
(dass.). Selben Ursprungs ist Fonds PI. 'Vermö¬ aus fürder (s. d.), wörtlich also 'vorwärts brin¬
gensreserve, Grundstock’. gen’.
Etymologisch verwandt: s. fundieren. — W. Feldmann Wolf (1958), 196.
ZDW 8 (1906/07), 71.
Forelle/. Mit einer seit dem 16. Jh. bezeugten
Fonds PL, s. Fond. Verlagerung des Akzents entstanden aus mhd.
Fondue n. (= ein Gericht [zumeist] aus ge¬ forhe(n), forhel, förhel, ahd. for(a)hana, as.
schmolzenem Käse und Weißwein). Im 20. Jh. furnia aus wg. *furhnö f. 'Forelle’. Dieses zu
entlehnt aus gleichbedeutend frz. fondue f. ig. *prk-n- 'gefleckt, gesprenkelt’ in ai. prsni-
(wörtlich: 'Geschmolzenes’), zu frz. fondre 'gefleckf. Vgl. mit Hochstufe gr. perknös 'ge¬
'schmelzen’, aus 1. fundere (füsum) 'flüssig ma¬ sprenkelt’ und gr. perke 'Flußbarsch’; ferner
chen, gießen’. mir. erc 'gefleckt, dunkelrot’, als Substantiv
Etymologisch verwandt: diffus, Fusion, Infusion, konfus 'Lachs’. Die Forelle ist also nach ihrer gespren¬
(usw.); zum Etymon s. gießen. — Jones (1976), 341 f. kelten Zeichnung benannt.
Fontäne /. 'Wasserstrahl (eines Springbrun¬ Forke /. 'Heu-, Mistgabel’, nordd. Mndd.
nens)’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend mndl. vorke. Wie ae. forca m. entlehnt aus 1.
frz. fontaine, dieses aus spl. fontäna 'Quelle’, furca 'Gabel’, dessen Herkunft unklar ist.
aus 1. föns (-ontis) m. (dass.). Im Mittelhoch¬ Form /. 'Gestalt, Darstellungsweise (usw.)’.
deutschen (mhd. funtäne,fontäne) war das Wort Im Mittelhochdeutschen (mhd. formfe]) ent¬
in der Bedeutung 'Quelle’ bereits einmal (aus lehnt aus gleichbedeutend 1. forma. Im Laufe
dem Altfranzösischen) entlehnt worden. der Zeit entwickelt das Wort eine große Bedeu¬
Jones (1976), 342. tungsvielfalt, die zum Teil auf dem Lateini¬
foppen sw’K, ugs. Seit dem 14. Jh. bezeugtes schen, zum Teil aber auch auf dem Englischen
Wort der Gaunersprache, zunächst nur ober¬ und auf eigenen Entwicklungen im Deutschen
deutsch, dann weiter verbreitet. Der Lautstand beruht.
kann nicht oberdeutsch sein, aber eine mögliche Morphologisch zugehörig: formal, Formalia, formali¬
westjiddische Quelle kann ebenfalls nicht nach¬ sieren, Formalismus, Formalist, Formalität, Formans,
gewiesen werden. Herkunft deshalb unklar. Zu Format, Formation, Formativ, Formel, formell, formie¬
ren, Formular, formulieren', etymologisch verwandt: de¬
beachten ist nndl. fokken (s. Fockfsegel]), das
formieren, informieren (usw.), konform, pro forma, re¬
sich mit foppen weithin semantisch berührt.
formieren (usw.), Transformator (usw.), Uniform. —
H. Schulz ZDW 10 (1908), 242-253; Wolf (1985), 104. G. Schoppe ZDW 15(1914), 185; A. Kutzelnigg MS
forcieren swV. 'erzwingen, verstärken, mit 82(1972), 27-37; Jones (1976), 344.
Nachdruck betreiben’, sonder spracht. Im 17. Jh. formal Adj. '(nur) die Form betreffend’. Im
entlehnt aus gleichbedeutend frz. forcer, das 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1 .förmälis,
über spätlateinische Zwischenstufen zurückgeht zu 1. förma 'Form’.
auf 1. fortis 'stark, fest’. Morphologisch zugehörig: Formalismus, Formalist,
Etymologisch verwandt: s. Fori. — Schirmer (1911), Formalität', etymologisch verwandt: s. Form. — W.
65; Jones (1976), 343f. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 70.
Förde /. 'langgestreckte Meeresbucht’, son- Format n. 'Größe, besonderes Niveau’. Im
dersprachl. Entlehnt aus ndn. nnorw. nschw. 16. Jh. entlehnt aus 1. förmätum 'Gestaltetes,
fjord 'schmaler Meeresarm’; dieses aus anord. Reguliertes’, dem substantivierten PPP. von 1.
Formation 227 Fossil
förmäre 'bilden, regulieren, gestalten’, zu 1.
sche 'Kraft’, das seinerseits aus frz .force 'Kraft’
förma f 'Gestalt, Form, Figur, Umriß’. Zu¬
entlehnt ist und auf 1. fortis 'stark’ zurückgeht.
nächst Bezeichnung der Druckersprache für ein S. Fort ( + ).
genormtes Größenverhältnis (vgl. im Format
DIN A4). forschen swV Mhd. vorschen, ahd. forseön
Iragen nach , neben ahd. forsca 'Frage’. Laut¬
Etymologisch verwandt: s. Form.
lich entspricht genau ai. prcchäti 'fragt’ und ai.
Formation f. Aufstellung, Verband’, s. for¬ prcchä 'Frage’; vgl. ferner toch. A. prak-, toch.
mieren. B. prek- 'fragen’ mit 5-Präsens, 1. pöscere 'for¬
Formel f. 'fester Ausdruck, Gleichung’. Im dern’ aus *prk-sk- zu ig. *p(e)r(e)k 'fragen’ (s.
Frage).
16. Jh. entlehnt aus 1. förmula 'Gestalt, Form,
S. postulieren. - W. Porzig IF 45 (1927), 156f.; T.-M.
Gesetz, Bestimmung, feste Wendung, Formu¬
Nischik in: A. Diemer (Hrsg.): Konzeption und Begriff
lar , einem Diminutivum zu 1. förma Gestalt, der Forschung in den Wissenschaften des 19. Jhs. (Mei¬
Form, Figur, Umriß’. senheim 1978), 1 —10.
Etymologisch verwandt: s. Form. Forst m. Mhd. forst, vorst, ahd. forst 'Bann¬
formell Adj. 'den Vorschriften nach, unper¬ wald'. Nach Trier (s. u.) eigentlich 'Gehegtes’
sönlich . Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ zu mndl. dat vorste 'Umhegung’ und schwz.
tend frz. formeI, diese aus 1. förmälis (dass.), zu forst 'Zauntor’; und weiter zu First (s. d.).
1. förma 'Gestalt, Form, Figur, Umriß’. E. Lerch RF 60 (1947), 650-653; K.-H. Borck in: FS
Trier (1954), 456-476; R. Schützeichel ZDA 87 (1956/
Etymologisch verwandt: s. Form.
57), 105-124; W. Kaspers WZUL 7 (1957/58), 87-97;
formidabel Adj. 'großartig, (älter: furchterre¬ Tiefenbach (1973), 42-52; Trier (1981), 132- 137 und
gend)’. sondersprachl. Im Neuhochdeutschen weitere Literatur auf S. 126, Anm. 1.

entlehnt aus gleichbedeutend frz. formidable, fort Adv. Mhd. vort, as.forö aus wg. *furf>a-
dieses aus I. formidäbilis 'furchterregend’, zu 1. Adv. vorwärts , auch in ae.forp, afx.forth, eine
formido (-inis) 'Grausen, peinigende Furcht’. Bildung auf -f>- auf die Frage 'wohin?’ zu der
Die Bedeutungsentwicklung verläuft wohl von in vor (s. d.) vorliegenden Grundlage. Das Wort
'furchterregend’ zu 'gewaltig’, wobei es abge¬ scheint in alter Zeit vom Norden her ausgebrei¬
schwächt und dann sogar als 'großartig’ ins tet worden zu sein.
Positive gekehrt wird. Nndl. voort, ne.forth. S. fürder, vor( + ).

Fort n. 'Befestigungsanlage’, fachsprachl. Im


formieren swV. 'aufstellen, in eine Ordnung
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. fort
bringen’, sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
m., einer Substantivierung von frz. fort 'stark’,
gleichbedeutend frz. former, dieses aus 1. för¬
dieses aus 1. fortis (dass.).
märe 'bilden, regulieren, gestalten’, zu 1 .förma
Etymologisch verwandt: forcieren, forsch, Komfort,
'Gestalt, Form, Figur, Umriß’. Das Wort war Piano (forte). - W. J. Jones SN 51 (1979), 259.
bereits in mittelhochdeutscher Zeit in der Be¬
Fortschritt m. Seit dem 18. Jh. belegte Lehn¬
deutung 'gestalten, bilden’ aus dem Lateini¬
bildung mit fort (s. d.) und Schritt (s. unter
schen entlehnt worden.
schreiten) zu gleichbedeutend frz. progres aus 1.
Morphologisch zugehörig: Formation', etymologisch prögressus 'Fortschreiten, Vorrücken, Ausbrei¬
verwandt: s. Form. tung’.
Formular n. 'Vordruck’. Neubildung des 16. Fortüne/. 'Glück, Erfolg’, sondersprachl. Ent¬
Jhs. zu 1. förmulärius 'zu den Rechtsformeln lehnt aus gleichbedeutend frz. fortune, dieses
gehörig’, zu 1. förmula f. 'Gesetz, Bestimmung, aus 1. fortüna 'Glück, Zufall, Schicksal’, zu 1.
Vordruck’, zu 1. förma f 'Gestalt, Form, Figur, fors 'blinder Zufall’, zu 1 . ferre 'tragen, bringen’.
Umriß’. Etymologisch verwandt: s. Differenz. — Jones (1976),
Etymologisch verwandt: s. Form. 346.

formulieren swV. 'abfassen, in eine passende Forum n. 'Plattform, Personenkreis’. Im 18.


Jh. entlehnt aus 1. forum 'länglicher, viereckiger
sprachliche Form bringen’. Im 19. Jh. entlehnt
freier Raum; Marktplatz, Gerichtsort’. Zu¬
aus gleichbedeutend frz. formuler, einer Ablei¬
nächst vor allem in der Bedeutung 'Gericht’
tung von frz. formule 'fester Ausdruck’, dieses
verwendet (z. B. „das sittliche Forum“).
aus 1. förmula (dass.), einem Diminutivum zu 1.
förma (dass.). Fossil n. 'Überrest einer vergangenen Zeit’,
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Morphologisch zugehörig: Formulierung', etymologisch
fossile m. (wörtlich: 'Ausgegrabenes’), zu 1. fos-
verwandt: s. Form.
silis 'ausgegraben’, zu \. födere (fossum) 'gra¬
forsch Adj. Im 19. Jh. übernommen aus dem ben, ausgraben’.
Niederdeutschen, offenbar über die Studenten¬ Morphologisch zugehörig: fossil, Fossilation, fossi-
sprache. Das Adjektiv ist rückgebildet aus For¬ lieren.
foto- 228 Frack

foto-. Dient als Bestimmungswort zur Bil¬ 'Mund, Maul’ ist unklar. Ein ursprünglicher
dung von Wörtern, die verschiedene Aspekte Zusammenhang besteht wohl nicht.
der Belichtung von lichtempfindlichem Mate¬ K. F. Johansson ZVS 36 (1900), 352f.; Heinertz (1927),
rial bezeichnen. Es wird vor allem in neoklassi¬ 76 — 80 mit verfehlter Schlußfolgerung; V. Pisani
schen Bildungen verwendet und geht zurück NPhM 80(1979), 85-87.

auf gr. (ep., poet.) pliäos, gr. (att.) phös (-ötös) Fötzel m. 'Schimpfwort’, schwz. Wohl zu
'Licht", das mit gr. phainein 'sichtbar machen, schwz. Fotz 'Zotte, Fetzen’, das unklarer Her¬
sehen lassen’ verwandt ist. Dazu fotogen, photo¬ kunft ist (s. Fetzen).
gen 'gut geeignet zum Fotographiert werden’ Foul n. 'regelwidriges, unsportliches Verhal¬
aus gleichbedeutend ne. photogenic (wörtlich: ten’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
'durch Licht erzeugt’), zu e. photogene 'durch bedeutend ne. foul, das urverwandt ist mit d.
Licht erzeugt’ (s. Genus). Die Bedeutungsüber¬ faul.
tragung im Englischen wohl von 'durch Licht Morphologisch zugehörig:foul, zum Etymon s.faul.
erzeugt’ über 'ein Bild erzeugend’ hin zu 'ein
Foxtrott in. (= ein Tanz im Vierviertel-Takt),
gutes Bild erzeugend’. Im einzelnen unklar. fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Foto, fotogen', etymologisch deutend ne. foxtrot (wörtlich: 'Fuchsgang’),
verwandt: s. Phänomen.
einer Zusammensetzung aus e.fox 'Fuchs’ (aus
Fotz in. 'Fetzen, Zettel’, schwz., s. Fetzen. ae. fox [dass.]) und e. trot 'Trab, Trott’, einer
Fotze/., vulg. Seit dem 15. Jh. neben weiter Ableitung von me. trotte 'traben, trotten’, dieses
verbreitetem und früher bezeugtem mhd. vut aus afrz. trotter (dass.), aus mhd. trot(t)en
'Scheide’, regional auch 'Hintern’, vgl. e. (dial.) (dass.). Der Tanz ist nach der charakteristischen
fud 'Scheide, Hintern’, anord. fuö- 'Scheide’ Schrittfolge in Analogie zu einer bestimmten
(nur in Zusammensetzungen belegt). Wegen der Pferdegangart bezeichnet, die wiederum nach
schlechten Bezeugung läßt sich nicht festlegen, dem kleinschrittigen Gang von Füchsen be¬
nannt ist.
ob das -tz- von Fotze aus einer expressiven
Etymologisch verwandt: s. Fuchs' und Trott.
Geminate (g. *futt-) mit Lautverschiebung
stammt oder aus einer s-Bildung (für das letz¬ Foyer n. 'Vorraum, Wandelhalle’. Im 19. Jh.
tere könnte der Plural Hundsfötter zu Hunds¬ entlehnt aus gleichbedeutend frz. foyer m. (ei¬
fott, s. d.) sprechen. Für die Bedeutung von gentlich: 'Raum mit Feuerstelle’), aus 1 .foeärius
mhd. vut ist festzustellen, daß bei einem Neben¬ 'zum Herd gehörig’, zu X.focus m. 'Feuerstätte’.
einander der Bedeutungen 'Scheide’ und 'Hin¬ Ausgehend von der Bedeutung 'beheizbarer
tern’ die letztere in der Regel die ursprüngli¬ Raum, Aufenthaltsraum’ wird das Wort ver¬
chere ist, weil die Wörter für 'Scheide’ stärker wendet zur Bezeichnung des Aufenthalts- und
tabuisiert sind und deshalb im aktuellen Umkleideraumes der Künstler im Theater; dann
Sprachgebrauch das Wort für 'Hintern’ (zumal erfolgt die Erweiterung zur heutigen Bedeu¬
wenn es mit 'Oberschenkel’ o. dgl. zusammen¬ tung, wobei das ursprüngliche Benennungsmo¬
hängt) verhüllend dafür eintreten kann. Des¬ tiv verlorengeht.
halb entspricht dem germanischen Wort auch Etymologisch verwandt: fachen, Fächer, Fokus, Füsi¬
lier.
am nächsten (allerdings auch mit Vokallänge)
ai. pütau m. 'die beiden Hinterbacken’, wozu die Fracht /. Seit dem 16. Jh. im hochdeutschen
späteren indisch-arischen Sprachen (die püta-, Bereich. Ein letztlich friesisches Wort, das über
*hudda-, *pucca- fortsetzen) Ausdrücke für mndd. vracht in den Süden gelangt ist. Das
'Hintern’ und für 'Scheide’ bieten. Vgl. auch it. Wort entspricht ahd. freht 'Lohn, Verdienst’
polta 'Scheide’ (geschichtlich undurchsichtig). und ist das t/-Abstraktum zu *aih 'haben’ (s.
Weiter können verwandt sein: Gr. pyge 'der unter eigen), präfigiert mit ver-, dessen Vokal
Hintere, Steiß’ (dagegen gehört 1. pödex m. in geschwunden ist. Ausgangsbedeutung der Ent¬
andere Zusammenhänge), gr. (Glosse) pynnos in. lehnung ist 'Beförderungsgebühr für Schiffsla¬
'Hinterteil’. Zu ig. *pu(a)- 'dick, aufgeblasen’, dungen’, daraus allgemein 'Beförderungsge¬
also 'der Dicke’ oder 'die Dicken’. Auffällig bühr’ und dann durch Bedeutungsverschiebung
sind die reimenden Wörter für 'Scheide’ im Ger¬ 'befördertes Gut’.
manischen: neben *J'ut(t)- steht *put(t) in Kluge (1911), 282f.; Schirmer (1911), 65.
schw. (dial.) puta, ofr. put(e), mndd. pute, rotw. Frack in. ( = eine festliche, schwarze Jacke;
Potz, österr. (Kärnten) Putze', mit -s(s)- aisl. festlicher Abendanzug). Im 18. Jh. entlehnt aus
püss (bei Pferden), schw. (dial.) puso, fr. puss, gleichbedeutend ne. frock (coat), dieses aus
ndd. puse; auch *kut(t)- in mndd. ndd. kutte, afrz. froc 'Kutte’, dessen weitere Herkunft nicht
nndl. kut, me. cutte, ne. cut, nschw. kuta und sicher geklärt ist. Der Vokal des entlehnten
mit -s- kusa. Die Herkunft von bair. Fotze I Wortes gibt die Aussprache des englischen Vor-
Frage
229 Fratze
bilds zur Zeit der Entlehnung wieder (vgl. die
mesbezeichnung der Franken; da die Franken
heutige amerikanische Aussprache).
die Freien waren, wurde das Adjektiv in der
Ganz (1957), 75f.; F. Kainz in: Maurer/Rupn (1974/
78), II, 259, 288, 434.
Bedeutung 'frei’ benutzt. Evtl, ist dies auch die
Ausgangsbedeutung des Stammesnamens.
Frage /., fragen swV. Mhd. vräg(e), ahd. S.frankieren. - Tiefenbach (1973), 52-56.
fraga, afr./rege; mhd. vrägen, ahd. frühen, fra¬
frankieren swV. 'freimachen’. Im 17. Jh. ent¬
gen, as. frägon aus wg. *fräg-ä- swV. 'fragen5,
lehnt aus gleichbedeutend it. francare, einer Ab¬
auch in afr. fregia. Das Verbum ist — trotz
leitung von it. (porto di) franco '(fracht)frei’,
besserer Bezeugung - vom Nomen abgeleitet.
dieses aus ml. francus (dass., wörtlich: 'frän¬
Dieses ist ein dehnstufiges Abstraktum zu g.
kisch ), dem Stammesnamen der Franken.
*freg-na- stV. fragen in gt. fraihnan (gram¬
Morphologisch zugehörig: franko-, zum Etymon s.
matischer Wechsel zurückgenommen), anord. frank. - W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 71; Schirmer
fregna, ae. fregnan, frignan, frinan, as. Prät. (1911), 66.
fragn, ahd. nur im Wessobrunner Gebet gafre-
franko Adv., s. frankieren.
gin. Eine weitere alte Bildung s. unter forschen.
Franse f. Mhd. franze, entlehnt aus afrz.
Zu ig. *p(e)rek- fragen in 1. precor 'ich bitte,
fringe, J'renge über mndl. fringe, frange,
bete, air. (com-)-aircc, (com-)-aircim 'fragt’,
fran(d)je. Das französische Wort geht (mit un¬
lit. pirsti für jmd. um die Hand eines Mädchens
anhalten’, akslav. prositi 'erbitten, verlangen’, regelmäßiger Entwicklung) auf 1. fimhria
'Franse, Troddel’ zurück.
sowie die unter forschen aufgeführten ^-Bil¬
dungen. Franz- in Franzmann m. 'Franzose’, ugs. Seit
S. Pracher, prekär. dem 17. Jh. belegte Zusammensetzung mit
Franze m. (mhd. Franze) gleicher Bedeutung
Fragment n. 'Bruchstück; etwas, das nicht
(wie Franzose auf ml. Francia 'Frankenland’
fertiggestellt wurde’. Im 16. Jh. entlehnt aus
zurückgehend) und Mann (s. d.); seit dem 18.
gleichbedeutend 1. frägmentum, einer Ableitung
Jh. auch scherzhaft gebraucht. Entsprechende
von 1 .frangere (fräctum) 'brechen’.
Bildungen sind: Franzband 'Ledereinband nach
Morphologisch zugehörig: fragmentär, fragmentarisch,
französischer Art’, Franzfbrannt)wein, Franz¬
fragmentieren', etymologisch verwandt: Fraktion
brot usw.
(usw.), Fraktur (usw.), Refrain-, zum Etymon s. bre¬
chen. Ersatzwort ist Bruchstück. - W. Feldmann frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, be¬
ZDW 8 (1906/07), 71. fremden’, sonder sprach/. Im 18. Jh. entlehnt aus
Fraktion /. 'parlamentarische Vertretung gleichbedeutend frz. frapper (wörtlich: 'schla¬
einer Partei, Gruppe . Im 19. Jh. entlehnt aus gen’), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen’, zu ahd.
gleichbedeutend frz. fraction, dieses aus 1. fräc- *raffön (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin
tio (-önis) 'Brechen, Zerbrechen’, zu 1. frangere zu 'befremden’ wohl auf der Basis des Überra¬
(fräctum) 'brechen’. schungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl.
ne. striking).
Morphologisch zugehörig: fraktionell, fraktionieren-,
Morphologisch zugehörig: frappant. - W. Feldmann
etymologisch verwandt: s. Fragment. - W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 71.
ZDW 8 (1906/07), 71.
Fräse/. (= Feil- und Hobelmaschine), fach¬
Fraktur /. 'Schrift mit gebrochenen Linien,
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Knochenbruch’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt
frz. fraise, zu frz. fraiser (afrz. fraser) 'entscho-
aus \. fräctüra 'Bruch’, zu 1. frangere (fräctum)
ten, enthülsen’, das auf \.fres(s)um 'zermalmt’
'brechen’. Die Bezeichnung der Schrift erfolgt
(zu 1. frendere 'knirschen’) zurückgeht.
in Abgrenzung von den runden Formen der
lateinischen Schrift. (Als verselbständigtes Be¬ fraternisieren swV. 'Bruderschaft schließen’,
stimmungswort, vgl. Frakturhuchstabe, Fraktur¬ sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
schrift). Die Redensart Fraktur reden beruht deutend frz. fraterniser, dieses aus spl. fräter-
wohl darauf, daß in Frakturschrift deutsche — näre (dass.), zu 1. fräternus 'brüderlich’, zu 1.
fräter 'Bruder’.
nicht lateinische — Texte abgefaßt wurden, die
Etymologisch verwandt: Bruder.
Bedeutung 'deutlich, unmißverständlich die
Meinung sagen’ dann wohl in Unterscheidung Fratze/ Im 16. Jh. (vielleicht durch Luther)
zu 'lateinisch reden’. entlehnt aus it. frasche PL 'Possen’ (vielleicht
Etymologisch verwandt: s. Fragment. — A. Gombert zu it. frasca 'Laubast, der als Schankzeichen
ZDW 8 (1906/07), 127. ausgesteckt wird’, vgl. Besenwirtschaft u. ä., der
Bedeutungswandel nach dem dort üblichen aus¬
Fräle /., s. Frauche.
gelassenen Treiben). Die Bedeutung 'entstelltes
frank Adj. Im 15. Jh. entlehnt aus frz. franc Gesicht’ ist gekürzt aus Fratzengesicht.
und hauptsächlich in der Formel frank und frei Anders: L. M. Holländer ZDW 7(1906), 296; Litt-
verwendet. Dem Wort liegt voraus die Stam- I mann (1924), 47-49.
Frau 230 frei

Frau f Mhd. vro(u)we, ahd. frouwa, ds.früa chen diminutivischen Bedeutung 'Mädchen,
aus vor-d. *frawjönf. 'Herrin’, Femininbildung junge Frau vornehmen Standes’ (vgl. die alte
zu g. *fraw-jön 'Herr’ in gt. frauja, ahd. frö Bedeutung von Frau) und dann auch speziell
m. (s. Fron, Fronleichnam). Der Unterschied mit der Komponente 'unverheiratet’ bezeugt,
zwischen Maskulinum und Femininum beruht wobei es an die Stelle von mhd. juncvrou(w)e,
in der Flexionsverschiedenheit; einen vielleicht juncvrou (s. Jungfrau) tritt. Als 'unverheiratete
älteren Zustand zeigen die anord. Götternamen Frau aus dem Adelsstände’ hält es sich bis ins
Freyr m. und Freyja, die wohl ursprungsgleich beginnende 19. Jh., wird dann auch für bürger¬
sind; sie unterscheiden *frauja- m. und *fraujön liche Mädchen verwendet und löst damit die
f Diese Wörter gehören sicher zu den Erweite¬ Entlehnungen aus dem französischen Demoi-
rungen von ig. *per-, die 'vorne, früh, erster’ selle, Mamsell (s. d.) ab. Entlehnungen von
bedeuten (vgl. die Herkunft von Fürst aus der¬ mndd. vrouken, vroiken sind ndn. Jroken, nschw.
selben Wurzel). Allerdings sind die vergleichba¬ fröken.
ren wo-Bildungen entweder hochstufig mit Th. Matthias ZDW 5 (1903/04), 23-58.
*prö-wo- und bedeuten 'nach vorne geneigt, ab¬ frech Adj. Mhd. vrech, ahd. freh, mndl. vrec
schüssig’, oder tiefstufig *pro-wo- und bedeuten aus g. *freka- Adj. 'gierig’, auch in anord. frekr,
dann 'erster’, wie von den germanischen Wör¬ ae. free, gt. in faihu-friks 'habgierig’. Die Bedeu¬
tern vorausgesetzt (das allerdings eine Hoch¬ tung wechselt einerseits zu 'wild u. ä.’, anderer¬
stufe hat), vgl. ai. pürva- 'vorderer, früherer’, seits zu 'kühn, tapfer, eifrig’. Die Abgrenzung
akslav. prtvü 'erster’. Möglicherweise sind die der Sippe ist problematisch, weil neben dem -e-
germanischen Wörter deshalb eine Virddhi-Bil- in frech z. B. auch -5- erscheint (anord. freekn,
dung zu einem entsprechenden Wort (etwa 'der ae. fräene, as. frökni, frekni 'kühn, verwegen’,
an der Spitze stehende’). ahd. fruoh(ha)m 'früh, zeitig’), was morpholo¬
S. Fräulein, für (+). gisch nicht recht erklärbar ist. Auch außerger¬
Frauche /., Fräle /. 'Großmutter’, lux.-lothr., manisch ergibt sich kein überzeugender An¬
ofrk. Kürzung aus Ahnfrau mit dem Suffix der schluß. Man vergleicht poln. pragngc 'gierig
Koseformen. verlangen’, kymr. rhewydd 'Geilheit’ und ande¬
S. Ahn, für ( + ). Vgl. Herrche, Herrle. — Müller (1979), rerseits mit s mobile gr. spargäö 'ich strotze,
50. begehre heftig’. Die Sippe bedarf einer genauen
Frauenglas n., Fraueneis n. 'Gipskristalf, s. Analyse.
Marienglas. Fregatte /. (= ein wendiges Kriegsschiff),
Frauenmantel m. 'Alchemilla vulgaris’, J'ach- fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
sprachl. Seit etwa 1500 belegte Zusammenset¬ deutend it. fregata und frz. fregate, deren wei¬
zung mit Frau (s. d.) und Mantel (s. d.). Der tere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
Name rührt wohl daher, daß die Form der frei Adj. Mhd. vri, ahd. fri aus g. *frija- Adj.
rundlichen, etwas gefalteten Blätter an den auf 'frei’, auch in gt.freis, ae./reo; altnordisch statt
Bildern öfters dargestellten Mantel Marias (oft dessen die Ableitung frjäls, die auch in ahd.
auch Unsere liebe Frau u. ä. genannt) erinner¬ frihals, ae. freols, gt. freihals auftritt und ver¬
ten. Entsprechende regionale Bezeichnungen mutlich als Bahuvrihi-Kompositum 'dessen
sind Liebfrauen-, Muttergottes-, Marienmantel Hals frei ist’ zu erklären ist. Zu diesem germani¬
usw.; in anderen Sprachen etwa ml. (16. Jh.) schen Wort stimmt genau kymr. rhydd 'frei’,
Sanctae Mariae pallium, nndl. (lieve) vrouen- das wegen seines Lautstands urverwandt sein
mantel, ne. (our) lady’s mantle, ndn. vor frues muß. Mit dieser Übereinstimmung setzen sich
kaabe, nschw. Mariekäpa. das Germanische und das Kymrische von den
Marzell (1943/79), I, 174. übrigen Sprachen ab, in denen *prijo- ursprüng¬
lich 'eigen’, dann 'vertraut, lieb’ bedeutet (ai.
Frauenzimmer n., ugs., arch. Spmhd. vrouwen-
priyä- 'eigen, lieb’, 1. proprius 'eigen’, evtl,
2 immer 'Gefolge der Fürstin’, noch älter
auch gr. (poet.) propreön 'geneigt, bereitwillig’;
'Wohngemächer (Zimmer) der Fürstin (Frau)’.
s. auch freien). Die Bedeutung 'eigen’ zu
Mit Bedeutungsverschiebung vom Aufenthalts¬
*per(a)i- 'nahe, bei’ (= 'das, was bei mir ist’);
ort zu den Bewohnern; dann Verwendung für
auch das Primärverb ai. prinati 'erfreut, genießt’
Einzelpersonen statt für ein Kollektiv. Schlie߬
muß ursprünglich lokale Bedeutung gehabt
lich durch die Konkurrenz von Dame1 (s. d.) in
haben ('ist dabei, nähert sich o. ä.’). Die Bedeu¬
der Bedeutung abgesunken.
tung 'frei’ entwickelt sich aus 'eigen’ vermutlich
E. Seidenadel ZDW 5(1903/04), 59-98; Seebold
in Wendungen wie 'die eigenen Kinder’, das nur
(1981), 15-26.
dort gesagt wird, wo es erbrechtlich usw. von
Fräulein n. Mhd. vrbuwelTn, vröu(we)lin. Di¬ Belang ist.
minutiv auf -lein (s. d.) zu Frau (s. d.). Im Mit¬ Nndl. vrij, ne. free. S. Flibustier, Freund, Friede(n),
telhochdeutschen ist das Wort in der ursprüngli¬ Friedhof, freien, Gefreiter, v<?r-( + ). — Scheller (1959),
Freibeuter 231 fressen

1-86; F. Metzger ZVS 79 (1964), 32-38; J. Schlum- dies; der römischen Venus wurde also die germa¬
bohm: Freiheitsbegriff und Emanzipationsprozeß (Göt¬ nische Freia gleichgesetzt. Das lateinische Wort
tingen 1973); Günther (1979). Zu Freiheit vgl.: J.
ist seinerseits Nachbildung von gr. Aphrodites
Schlumbohm AB 17(1973), 140 — 142.
hemera (zu Aphrodite).
Freibeuter m. Im 16. Jh. entlehnt aus nndl. Nndl. vrijdag, ne. friday.
vrijbuiter, dieses aus mndl. vrijbuiten 'freibeu¬
Freite /., 'Brautwerbung’, arch. Mhd.
ten’, aus mndl. vrij 'frei’ und mndl. buit 'Beute’.
vriät(e). Abstraktum zu freien (s. d.) und wie
S. Beute1 ( + ) und frei(+).
dieses aus dem Niederdeutschen ins Hochdeut¬
Freidenker m. Seit dem beginnenden 18. Jh. sche gelangt.
bezeugte Lehnbildung mit frei (s. d.) und
Freitod m. Zusammensetzung mit frei (s. d.)
Denker (zu denken, s. d.) für ne. freethinker
und Tod (s. d.) des beginnenden 20. Jhs. als
gleicher Bedeutung.
Euphemismus für Selbstmord nach Nietzsches
Ganz (1957), 76-78.
Überschrift der 22. Rede Zarathustras „Vom
freien swV., arch. Durch Luther aus dem Nor¬ freien Tod“ (wohl in Anlehnung an 1. mors
den eingeführt. Mndd. vrien, vrigen 'heiraten, voluntäria 'freiwilliger Tod’).
umwerben’ ist eine Spezialisierung von g. *frijö-
fremd Adj. Mhd. vrem(e)de, vröm(e)de, ahd.
swV. 'freundlich behandeln, umwerben’, wohl
fremidi, as. fremiöi aus g. *framaßja- Adj., auch
unter dem Einfluß von as. frt '(Ehe)Frau’. Das
in gt.framapeis, ae.frem(e)de, eine Adjektivbil¬
Verb auch in gt. frijon, anord.frijä, ae. freogan,
dung zu g. *fram- 'fern von, weg von’ in gt.
mndl. vrien. Es ist grundsprachlichen Alters,
fr am, anord. fr am, ae. from und ahd .fr am 'vor¬
vgl. ai. priyäyäte, akslav. prijati 'hold sein,
wärts, fort’; Ausgangsbedeutung also etwa 'fort
beistehen, sorgen (für)’, ein Denominativ zu
seiend’.
*prijo- 'eigen, lieb, freundlich’ (s-frei).
Nndl. vreemd.
S. auch Freite. — Scheller (1959), 89 — 101; etwas an¬
ders: F. Metzger ZVS 79 (1964), 32-38. frenetisch Adj. 'überschwenglich, leiden¬
schaftlich’, sonder sprachl. Im 19. Jh. entlehnt
Freigeist m. Seit dem 17. Jh. belegte Lehnbil¬
aus gleichbedeutend frz. (applaudissements)
dung mit frei (s. d.) und Geist (s. d.) zu frz.
frenetiques („frenetischer Beifall“; wörtlich;
esprit libre 'freier Geist’.
'wahnsinnig’), dieses aus 1. phreneticus, phremti-
Freihandel m. Seit dem 19. Jh. bezeugte Lehn¬ cus 'wahnsinnig, gehimkrank’, aus gr. phreniti-
bildung mit frei (s. d. ) und Handel (s. d.) für ne. kös (dass.), zu gr. phren 'Zwerchfell’ (als Sitz
freetrade gleicher Bedeutung. der Seele).
freilich Adv. Mhd. vrtliche(n) 'auf freie Weise, W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86; K.-H. Weinmann
offenbar’. Durch die Anerkennung des vom DWEB 2(1963), 392; Schalk (1966), 75-95.
Gesprächspartner Gesagten mit diesem Wort Frequenz /. 'Häufigkeit, (Schwingungs)
(mit nachfolgender Entgegensetzung der eige¬ Zahl’, sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
nen Meinung) bekommt das Adverb seinen ad¬ 1 .frequentia 'Häufigkeit’, einem Abstraktum zu
versativen Charakter. 1. frequens (frequentis) 'häufig’ (verwandt mit
Freimaurer m., sondersprachl. Seit dem 18. 1. farclre 'stopfen’).
Jh. belegte Lehnbildung mit frei (s. d.) und Morphologisch zugehörig: frequent, Frequentant, Fre-
Maurer (s. unter Mauer) für gleichbedeutendes quentation, Frequentativ, frequentieren', etymologisch
verwandt: s. Farce.
ne. free mason. Ursprünglich wurden mit free
masons im Spätmittelalter die Steinmetze be¬ Fresko n. 'Malerei auf frischem, noch feuch¬
zeichnet, die nach der Gesellenprüfung in die tem Putz’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
Geheimzeichen der Bauhütten (= ne. lodge, s. it. (pittura al) fresco („Freskomalerei“; wört¬
Loge) eingeweiht waren und zur Arbeitssuche lich: 'frisch’), das aus d. frisch entlehnt ist.
frei durchs Land ziehen konnten. Zum Etymon s. frisch.
Ganz (1957), 78f. Fressalien PI. 'Lebensmittel’, ugs. Scherz¬
Freistaat m. Im 18. Jh. als Ersatzwort für wort, das wohl dem älteren Schmieralien 'Beste¬
Republik (s. d.) gebildet; zunächst in bezug auf chungsgelder’ (seit dem 16. Jh.) nachgebildet
die Schweizer Eidgenosssenschaft gebraucht. ist. Zu fressen (s. d.) mit der an die deutsche
Gemeint ist ein Staat, in dem alle die politischen Sprachform angepaßten lateinischen Endung
Freiheiten haben. Nach 1918 bezeichnet sich -alia (PL).
die Mehrzahl der deutschen Länder als Frei¬ fressen stV. Mhd. v(e)rezzen, ahd. frezzan,
staat, nach 1945 nur noch Baden und Bayern. as. fretan, eine schon alte Verschmelzung des
Freitag m. Mhd. vrftac, ahd. fri(j)atag, Verbs essen mit der Vorsilbe ver-, vgl. ae,. fretan
mndd. vridach, mndl. vridach, wie afr. friadei, und gt. fret Prät. (aber Präsens getrennt fra-
ae. frigdceg als Nachbildung von spl. Veneris itan). Zur Etymologie s. essen. Die Bedeutung
Frett(chen) 232 Fries

ist 'aufessen, verzehren’, erst in mittelhochdeut¬ nen’ (sonst ist 'Friede’ gt. gawairpi). Ein tu-
scher Zeit beginnt die Differenzierung essen bei Abstraktum zu der in frei (s. d.) vorliegenden
Menschen — fressen bei Tieren. Grundlage *pri-, die von 'nahe, bei’ ausgeht.
Nndl. vreten, ne. frei. S. auch Fressalien. Friede müßte demnach ungefähr das 'Beieinan¬
Frett(chen) n., fachsprachl. Fnhd. frett(e), dersein' im Sinne von 'das gegenseitige Behan¬
später Frettchen. Entlehnt aus ml. furet(t)us deln wie innerhalb der Sippe’ sein. Zur Bedeu¬
'Frettchen', einer Ableitung von 1. füro m. 'Iltis’ tungsverzweigung s. frei, freien, Freund.
(das wohl zu 1. für m. 'Dieb’ gehört, s. Fu¬ Nndl. vrede, nschw.fred, nisl.fridur. S. auch Friedhof.
runkel). - Scheller (1959), 113f.; Tiefenbach (1973), 56-60.
Etymologisch verwandt: s. Differenz. Friedhof m. Mhd. vrlthof ahd. frithof m.j
Freude /. Mhd. vröude, vröide, vreude, ahd. (n.?), as. frldhof ursprünglich 'Vorhof, einge¬
frewida, frouwida, vor-d. *frawipö, Abstraktbil¬ friedetes Grundstück’ zu ahd. friten 'hegen’, gt.
dung zu freuen (s. d.) und damit zu froh (s. d.) freidjan 'schonen’, ln ungestörter Entwicklung
gehörig. wäre nhd. Freithof zu erwarten gewesen, was
E reudenhaus n., s. Freudenmädchen. auch tatsächlich regional bezeugt ist; doch ist
das Wort als Bezeichnung des Kirchhofs an
Freudenmädchen n. Lehnbildung des 18. Jhs.
Friede (vgl. die Formel mögen sie ruhen in Frie¬
mit Freude (s. d.) und Mädchen (s. d.) für frz.
den) angeglichen worden. Ahd .friten gehört zu
Jille de joie f. gleicher Bedeutung als Euphemis¬
der Sippe von frei, freien, Freund und Friede (n)
mus für Prostituierte’. Andere Lehnbildungen
(s. d.) mit der Sonderbedeutung 'hegen, scho¬
jener Zeit sind Töchterchen, Töchter der Freude.
nen, pflegen’. Unmittelbar zugrunde liegt das
Freudenhaus 'Bordell’ ist eine etwa gleich alte
Adjektiv g. *frTda-''gepflegt, schön’ in anord.
Klammerform für Freudenmädchenhaus', davon
friör, ae.frip, außergermanisch vergleichbar ist
zu trennen ist älteres Freudenhaus (mhd. vröu-
ai. pritä-, Partizip zu ai. prinäti (s. frei).
denhüs) Flaus voller Freuden’ im Gegensatz zu
Trauerhaus. Scheller (1959), 114-117; Kretschmer (1969)
275-278.
freuen swV Mhd. vröuwen, vröiwen u. ä., ahd.
frieren stV. Mhd. vriesen, ahd. friosan, mndl.
frewen, frouwen, mndd. vrouwen, mndl. vrowen
aus vor-d. *frawija- swV. 'freuen’, ein Faktiti- vriesen aus g. *freus-a- stV. 'frieren’, auch in
vum zu froh (s. d.), also eigentlich 'froh ma¬ anord. frjösa, ae. freosan, gt. in frius 'Frost’.
chen’. Das Verb läßt sich in der gleichen Bedeutung
nicht vergleichen, dagegen zeigt die Ableitung
Freund m. Mhd. vriunt, ahd. friunt, as.friund
Frost (ae. afr. as. ahd. frosv, daneben anord.
aus g. *frijond- m. 'Freund, Verwandter’, auch
fror, frer, ahd. fror) gute Vergleichsmöglich¬
in gt. frijonds, ae. freond, afr. friönd. Dazu mit
keit mit 1. pruina 'Rauhreif’, auch 'Winter’,
stärkerer Umbildung anord. Jrcendi Verwand¬
kymr. rhew 'Eis, Frost’ und ai. prüsvä (auch
ter’. Das Wort ist eine Partizipialbildung zu g.
ai. prusvä) 'Tropfen, Tau’, vielleicht auch
*frij-ö- swV. 'freundlich behandeln, umwerben’,
Rauhreif’. Die außergemanischen Wörter hän¬
das unter freien behandelt ist, dieses weiter zu
frei (s. d.). gen aber von einem *preus- 'sprühen, spritzen’
ab, das in lit. praüsti 'waschen’, serbo-kr.
Nndl. vriend, ne. friend, nschw. frände (s. o.), nisl.
prskati spritzen, besprengen’, ai. prusnöti 'be¬
freendi (s. o.). S./r<?;( + ). - Scheller (1959), 105-108.
Etwas anders: F. Metzger ZVS 79 (1964), 32-38. Zu sprengt, träufelt, näßt bezeugt ist. Daraus ist zu
Freundschaft ‘Verwandtschaft’ vgl. A. Götze ZDW schließen, daß *freus-a- ursprünglich 'sprühen’
12(1910), 93-108. bedeutete und Ableitungen mit der Bedeutung
Frevel m. Mhd. vrevel(e), ahd. fravaliist wie 'Rauhreif, Frost’ bildete. Unter dem Einfluß
ae. frcefel ein Abstraktum zu dem Adjektiv wg. dieser Ableitungen verschob sich dann seine
*frafla-lja. 'übermütig, hartnäckig, verschlagen’ Bedeutung zu 'frieren’.
in ahd. fravali, as.fravol, ae. frcefel(e). Vermut¬ Nndl. vriezen, ne. freeze, nschw. frysa, nisl .frjösa. S
lich ist es zusammengesetzt aus dem Präfix ver- Frost. - E. Hamp J1ES 1 (1973), 215-223.
mit Verlust des Vokals und einem Substantiv Fries1 m. 'Zierstreifen\ fachsprachl. Im 17.
aßa- Kraft in anord. af7 /?., ae. afol n., vgl. Jh. entlehnt aus frz. frise f gleicher Bedeutung.
ahd. afalön, avalön 'zuwege bringen’ und mit Das französische Wort ist wohl seinerseits aus
anderem Suffix gt. abrs 'stark’. Also *fr(a)-af- einem germanischen Wort entlehnt (vgl. afr.
la-(-ja-) dessen Stärke vorangeht’, etwa im friste, fresle 'Lockenhaar' mit frz. frise 'kn. us’).
Sinne von 'rücksichtslos’.
S. Fries2, frisieren. - Lokotsch (1975), 872.
Friede(n) m. Mhd. vride, ahd. fridu, as. friöu
Fries2 m. krauses Wollzeug, fachsprachl.
aus g. *fripu- m. 'Friede’, auch in anord. friör,
Entlehnt aus frz. frise, das mit dem unter Fries1
ae. frip m./n., afr. fretho, gt. in gafriöon 'versöh¬
genannten wohl identisch ist.
Frieseln 233 fromm

Frieseln PL 'Hautausschlag\ fachsprachl. Seit seln'). Es bezeichnet zunächst das Zurechtma¬


dem 16. Jh. bezeugt. Vermutlich zu regional chen der Perücken, wobei deren Locken wieder
gebräuchlichem freiseln 'frösteln’ (also eigent¬ frisch eingedrehl wurden, ln der übertragenen
lich 'Gänsehaut’?). Bedeutung dann auch allgemein 'herrichten,
N. Jokl in: FS Jagic (1908), 484f. verbessern’ (z. B. „einen Motor frisieren“).
frigide Adj. 'gefühlskalt’, fachsprachl. Ent¬ Morphologisch zugehörig: Friseur, Friseuse, Frisur;
lehnt aus gleichbedeutend 1 .frigidus, zu 1. frigere zum Etymon s. Fries1. - W. Feldmann ZI) W 8 (1906/
07), 72; Brunt (1983), 311.
'kalt sein, erkaltet sein’.
Morphologisch zugehörig: Frigidarium, Frigidität. Frist/. Mhd. wist, ahd. fr ist, as. frist 'Gele¬
genheit’ aus g. *fristi- 'Frist, Zeit’, auch in
Frikadelle /. 'gebratenes Hackfleischklö߬
anord. frest n., ae. first m., afr. ferst n., frist n.
chen’, reg. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Herkunft unklar; vgl. immerhin toch. A. prast,
tend xmdl.frikadel, dieses aus it.frittella 'kleiner toch. B. presciya 'Zeit’.
Pfannkuchen’, das über spätlateinische Zwi¬
N. O. Heinertz in: Studier i modern spräkvetenskap
schenformen zurückgeht auf 1 . frigere (frictum) (Uppsala 1928), 3-24.
'rösten’. Die Formveränderung im Niederländi¬
fristen swV. Mhd. vristen, ahd .fristen, eigent¬
schen dürlte auf einer volksetymologischen Ver¬
lich 'bewahren, aufschieben’ zu Frist (s. d.).
mengung mit frz. fricandeau m. 'Pastetenfülle
(aus Innereien)’ beruhen. fritieren swV. 'in heißem Fett schwimmend
garen’, fachsprachl. Neubildung zu frz.frit, dem
Etymologisch verwandt: Frikassee, fritieren, Pommes
frites.
PPrät. von frz.frire 'backen, braten’, dieses aus
\. frigere (frictum) 'rösten, braten’.
Frikassee n. 'Ragout aus weißem Fleisch’.
Morphologisch zugehörig: Fritüre; etymologisch ver¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. wandt: s. Frikadelle.
fricassee /., einer Ableitung von frz. J'ricasser
frivol Adj. 'anzüglich, leichtfertig’. Im 18. Jh.
'Fleisch schnetzeln und in Soße zubereiten’. Bei
entlehnt aus gleichbedeutend frz. frivole (wört¬
diesem Verb handelt es sich wohl um eine volks¬
lich: 'nichtig, leichtfertig’), aus 1. frivolus (dass.,
etymologische Vermengung mit dem auf 1.
wörtlich: 'zerbrechlich’), zu 1. friäre 'zerreiben,
frigere (frictum) 'rösten’ zurückgehenden Wort zerbröckeln’ (verwandt mit 1. fricäre 'reiben’).
für 'braten’; mit welchem anderen Wort dieses
Morphologisch zugehörig: Frivolität; etymologisch
assoziiert wurde, läßt sich jedoch nicht mit Si¬ verwandt: s. frottieren. — W. Fcldmann ZT)(FS (1906/
cherheit klären. 07), 72.
Morphologisch zugehörig: frikassieren; etymologisch froh Adj. Mhd. vrö, ahd. frö, as. frei aus
verwandt: s. Frikadelle. — Gamillscheg (1969), 452; vor-d. *frawa- Adj. 'froh’, zu dem auch afr. fre
Brunt (1983), 310.
stimmt; dagegen bedeutet anord. frär 'schnell’.
Friktion /. 'Reibung, Widerstand’, s. Affri- Letzteres ist wohl die Ausgangsbedeutung, doch
kate. fehlen sichere außergermanische Vergleichs¬
frisch Adj. Mhd. vrisch, ahd. frisc, mndd. möglichkeiten.
versch, vers, varsch, mndl. versch aus wg. Nndl. vro. S. auch Freude, freuen.
*friska- Adj. 'frisch’, auch in ae. ferse, afr.fersk. frohlocken swV. Spmhd. vro/ocken. Vermut¬
Außergermanisch keine sichere Vergleichsmög¬ lich zu lecken 'springen, hüpfen’ mit Umbil¬
lichkeit. Offenbar auf *preska- gehen zurück dung, als das einfache lecken2 unterging.
lit. pre'skas 'süß, ungesäuert, frisch, fade’, russ. S. lecken2.
presnyj 'ungesäuert, süß, fade’. Aber wie ist fromm Adj. Mhd. vrum, vrom, ahd. nur Sub¬
das vom Germanischen vorausgesetzte -/- zu stantiv fruma, froma 'Vorteil, Nutzen’. Im prä¬
vermitteln? Nach Mentz (s. u.) als 'dem Ur¬ dikativen Gebrauch wird dieses zu einem Ad¬
sprung nah’ zu 1. priscus und vielleicht weiter jektiv mit der Bedeutung 'nützlich u. ä.’, das
zu den genannten baltisch-slavischen Wörtern. dann zu 'tüchtig’ und 'rechtschaffen’ wird. Au¬
Nndl. vers. ne. fresh. S. Fresko. — F. Mentz ZVS ßerhalb des Deutschen hat das Grundwort eine
65 (1938), 263-265. andere Vokalstufe (anord. framr 'tapfer, vor¬
Frischling m. 'junges Wildschwein’, fach¬ züglich’, ae. fram 'förderlich’), wie auch die
sprachl. Mhd. vrisch(l)inc, ahd. frisking mit außergermanischen Formen in ihrem Ablaut
einer Anzahl Nebenformen. Wohl einfache Zu¬ auseinandergehen: gr. prömos 'Vorkämpfer,
Führer’, 1. primus, lit. pirmas 'Erster’. Zu der
gehörigkeitsbildung zu frisch (s. d.) 'der Frische
Wurzel *per- 'vorne, früh, erster’ zu der auch
(Neue, Frischgeborene)’.
Fürst und Frau gehören (s. diese; dort weitere
Vgl. aber noch Palander (1899), 131—133.
Verweise).
frisieren m. 'die Haare zurechtmachen’. Im S. für {+). — V. Günther: 'Fromm’ in der Zürcher
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend nndl. frise- Reformation (Aarau 1955); E. E. Müller BGDSL-T
ren, dieses aus frz. friser (dass., wörtlich: 'kräu¬ 95 (1973), 333-357.
Fron 234 Frühstück

Fron f 'Frondienst’, arch. Zu ahd. frö m. bar ist weiter anord. frost n. Abstraktum zu
'Herr' gehört als Genitiv Plural fröno 'der Her¬ frieren (s. d.).
ren, speziell der Götter’, daraus einerseits die Nndl. vorst, ne. frost.
Bedeutung heilig’ mit adjektivischer Flexion;
frottieren swV. '(mit einem Tuch) abreiben’.
so übernommen ins Christentum. Andererseits
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
(auch als Vorderglied von Komposita) 'recht¬
frotter, das mit unregelmäßiger Formentwick¬
lich, gerichtlich, öffentlich’ (etwa Fronbote 'Ge¬
lung auf 1. fricäre (frictum) 'reiben’ zurückgeht.
richtsbote ). Hierzu mhd. vrondienest 'Herren¬
Morphologisch zugehörig: Frottage, Frottee-, etymolo¬
dienst’, von dem das Adjektivabstraktum die
gisch verwandt: Affrikate, [frikativ], Friktion, frivol.
Fron semantisch abhängig ist.
frotzeln swV 'aufziehen, scherzen’, ugs. Her¬
S. Frau, fronen, Fronleichnam.
kunft unklar; vielleicht zu it. frottola 'Flause,
fronen swV, frönen swV, arch. Mhd. vrönen, Scherzlied, Märchen’, frz. frotter ä quelqu’un
vrcenen. Die beiden Formen sind Varianten des 'sich mit jmd. anlegen’ (also aus den romani¬
gleichen Wortes, nämlich der Ableitung von schen Sprachen mit der Ausgangsbedeutung
Fron (s. d.) mit der Bedeutung 'dienen, unter¬ 'reiben’).
worfen sein’. Die Variante mit Umlaut heute
Frucht/. Mhd. vruht, ahd. as.fruht. Entlehnt
nur übertragen (seinen Leidenschaften frönen).
aus 1. früctus m. gleicher Bedeutung (zu 1.frut
Fronleichnam m. Ursprünglich 'der Leib des ‘genießen1). Das deutsche Wort ist Femininum
Herrn’, dann der ihm geweihte zweite Donners¬ geworden im Anschluß an die t/'-Abstrakta wie
tag nach Pfingsten. Zu mhd. licham(e) 'Leib’ Flucht usw.
(in der ursprünglichen Bedeutung, s. Leichnam) S. frugal (+).
und Fron als alter Genitiv (s. Frau und Fron).
Fruchthorn n., s. Füllhorn.
Front /. 'Vorderseite, vordere Reihe’. Im 17.
frugal Adj. 'einfach, gesund und nahrhaft’,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. front m.,
sonderspracht. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
dieses aus 1 .fröns (-ontis) 'Stirn, vordere Linie’.
deutend frz. frugal, dieses aus 1 .frügälis 'Nutzen
Morphologisch zugehörig: frontal, Frontalität; etymo¬
bringend, zu den Früchten gehörig’, zu 1. früx
logisch verwandt: Affront, Frontispiz, Konfrontation
(-ügis) 'Frucht, Getreide’, zu 1. frut 'von etwas
(usw.). - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 72; Jones
(1976), 350f. Genuß haben, aus etwas Nutzen ziehen’.
Morphologisch zugehörig: Frugalität; etymologisch
Frontispiz n. 'Vordergiebelseite, Titelseite verwandt: Frucht-, zum Etymon s. brauchen — W J
eines Buches\ fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt Jones SN 15(1979), 259.
aus gleichbedeutend frz. frontispice m„ dieses
früh Adj. Mhd. vruo, ahd. fruo, mndd. vro,
aus ml. frontispicium 'Giebel eines Gebäudes’,
mndl. vroe(ch) aus vor-d. *frö-. Außergerma¬
zu 1. fröns (-ontis) f 'Vorderseite, Stirn’ und 1.
nisch vergleichen sich auf einer Grundlage *prö-
spicere, specere 'sehen’.
gr. pröt 'früh' und ai. prätä- 'früh’. Letztlich
Etymologisch verwandt: s. Front und Spektakel.
gehört die Sippe zu der Wurzel *per- 'vorne,
Frosch m. Mhd. vrosch, ahd. frosc, mndd. früh, erster’.
vors(ch), mndl. vorsch(e) aus g. *fruska- m. S- für ( + ).
Frosch, auch in anord. froskr. Varianten Frühling m., Frühjahr n. Die Wörter sind ver¬
hierzu sind anord. frauki und ac.frogga. Außer¬ hältnismäßig späte (frühneuhochdeutsche) Bil¬
germanisch vergleicht sich am ehesten russ. pry- dungen im Gegensatz zu Spätling, Spätjahr
gatf 'springe, hüpfe’, so daß der Frosch (ver¬ Herbst, die sich in der Hochsprache nicht ge¬
ständlicherweise) als 'Hüpfer’ bezeichnet wäre. halten haben.
Die Anschließbarkeit des slavischen Wortes ist M. Tallen DWEB 2 (1963), 159 — 229.
aber dürftig, so daß die Etymologie unsicher
Frühstück n. Seit dem 15. Jh. (vruostücke,
bleibt. Nach Foerste (s. u.) wird das Wort für
vrüestücke) belegte Zusammensetzung mit früh
'Frosch’ in mehreren Sprachen für die Krank¬
(s. d.) und Stück (s. d.). Ursprünglich bezeich¬
heit 'Soor’ verwendet (so auch ndd./asc/i, fiäm.
net es wie mhd. morgenbröt das morgens in der
vesch aus *fersk/forsk-), was eine Ausgangsbe¬
Frühe gegessene Stück Brot. Im Mittelhoch¬
deutung 'weiche Masse’ nahelegt. Das von ihm
deutschen ist dafür auch vruo-ezzen, vruoimbTz
angegebene Vergleichsmaterial ist aber nicht
m. 'Frühessen, Frühimbiß’ bezeugt. Vgl. auch
überzeugend.
mndd. vrokost f (entlehnt zu ndn. frokost,
C Marstrander in: FS S. Bugge (Kristiania 1908), 243;
nschw. frukost) = wörtlich 'Frühkost’ und
H. Falk/I. Reichborn-Kjennerud AUW (1923), 65-73;
W. Foerste NW 1 (I960), 13-20. schwz. Morgenessen sowie bair. Brotzeit 'zwei¬
tes Frühstück, Zwischenmahlzeit’. Ebenfalls
Frost m. Mhd. vrost, ahd. as. frost aus wg.
schon im 15. Jh. ist die Ableitung vruostücken
*frusta- m. Frost’, auch in ae. frost', vergleich¬ belegt.
frustrieren 235 fühlen

frustrieren sw K. 'Erwartungen enttäuschen’, kuliert mit den Armen, er fuchtelt mit ihnen
sondersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ herum.
deutend 1. früsträre, zu 1. früsträ 'irrtümlich, S. fechten und Fuchtel.
vergebens’, zu 1. fraudäre 'täuschen, betrügen’.
fucken swV., vulg., s. ficken.
Die heutige Bedeutung beruht auf der Über¬
nahme des englischen Terminus frustration, der fuddeln swV., fudeln swV. 'pfuschen, betrügen,
aus der Tiefenpsychologie stammt und seiner¬ scheuern’, ndd. Herkunft unbekannt, wohl auf
seits S. Freuds Terminus Versagung wiedergibt. eine Lautgebärde zurückgehend.
Morphologisch zugehörig: Frust, Frustration. — W. J. Fuder n., reg. Mhd. vuoder, ahd. fuodar, as.
Jones SN 51 (1979), 259. vöther aus wg. *födra- n. 'Wagenladung’ (auch
Fuchs1 m. Mhd. vuhs, ahd. fuhs, as. fohs aus für Maße und evtl, für Gefäße). Dem Sinn
wg. *fuhsa- m. 'Fuchs’, auch in ae. fox. Der nach am ehesten eine Instrumentalableitung zu
Vergleich mit dem Femininum Fohe/Fähe (s. fahren, führen (s. d.), also *för-/>ra-', doch ist
Fähe) zeigt, daß das s suffixal ist (wie auch bei der dissimilatorische Schwund von r vor r (vgl.
anderen Tierbezeichnungen). Suffixlos ist auch Köder, fordern u. a.) so früh sonst nicht bezeugt.
gt. fauho 'Fuchs’. Wie bei span, raposo 'Fuchs’ Anders: J. Trier ZSSR-GA 65 (1947), 239-243; Trier
zu span, rabo 'Schwanz' oder lit. uodegis 'Fuchs’ (1981), 14f.
zu lit. uodegä f 'Schwanz’ ist der Fuchs nach Fug m., arch. Heute noch in mit Fug und
seinem Schwanz benannt, vgl. ai. püccha- Recht, aber vgl. das Gegenwort Unfug (s. d.).
'Schwanz’ (*puk-sko-), aruss. puchü 'Pelzbe¬ Mhd. vuoc m. 'Schicklichkeit’. Ableitung zu
satz’, lit. paustis 'Tierhaar’. dem unter fügen (s. d.) genannten Verb, hier in
Nndl. vos, ne. fox. S. Foxtrott. — Anders: A. Kutzel- der Bedeutung 'sich fügen, passen’.
nigg MS 90 (1980), 185 — 188 (Bezeichnung nach dem
Fuge1/. Mhd. vuoge 'Verbindungsstelle’. Ab¬
Geruch).
geleitet zu dem unter fügen (s. d.) genannten
Fuchs2 m. 'angehender Student’, studenten- Verb.
sprachl. Älter Fux, dieses wohl umgebildet nach
Fuge2/. (= Musikstück mit nacheinander in
noch älterem Feix. Für dieses wird eine Her¬
verschiedenen Stimmen durchgeführtem
kunft aus Feist 'Furz’ vermutet, entsprechend
Thema), fachsprachl. Im 14. Jh. entlehnt aus 1.
der Art der damaligen Schelten. Künstliche No-
fuga (wörtlich:) 'Flucht, Entrinnen’. So bezeich¬
men-agentis-Bildungen auf -x sind in der Stu¬
net in einer Metapher, die den aufeinander fol¬
dentensprache üblich. — Ein anderes Wort ist
genden Einsatz von Stimmen als das Davonlau¬
Schulfuchs, das aus dem Rotwelschen stammt
fen der Stimmen voneinander auffaßt. Zunächst
und davon seinen Ausgang genommen hat, daß
Bezeichnung des Kanons, dann mit der Weiter¬
wjidd. schuol 'Fuchs’ bedeutet.
entwicklung in der Musik auch Veränderung
H.-F. Rosenfeld BGDSL-H 77 (1955), 246-305; Wolf
(1985), 301.
der Bedeutung; das heutige Verständnis vor al¬
lem seit dem 17. Jh.
fuchsen swV 'sich ärgern’, ugs. Herkunft un¬
Etymologisch verwandt: Zentrifuge.
klar. Vermutlich besteht ein Zusammenhang
mit fucken 'hin- und herfahren’. fügen swV. Mhd. vüegen, vuogen, ahd. fuogen,
as. fögian aus wg. *fög-ija- swV. 'fügen’, auch
Fuchsschwanz m., 'Holzsäge’. Seit etwa 1800
in ae. fegan, afr. fögia. Dieses aus ig. *päli-
belegte Zusammensetzung mit Fuchs1 (s. d.)
'befestigen’ in ai. päsäyati 'bindet’, denominativ
und Schwanz (s. d.). Wohl so benannt nach der
zu ai. päsa- 'Schlinge’, gr. pegnymi 'ich befe¬
Form des Sägeblattes, die als dem Schwanz
stige’ und von der Variante *päg- 1. compäges
eines Fuchses ähnlich empfunden wurde.
'Fuge’.
fuchsteufelswild Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh., Nndl. voegen. S. fangen, Fach ( + ), Fug, Fuge', ver¬
auch in der Form fuchswild. Zu verstehen als fügen.
'wild wie ein Fuchs, wild wie ein Teufel’. fühlen swV. Mhd. vüelen, ahd. fuolen, as.
Fuchtel /., ugs. Frühneuhochdeutsch zu fech¬ (gi)fölian aus wg. *föl-ija- swV. 'fühlen’, auch
ten (s. d.) gebildet. Als 'Fechtdegen’ wird es in ae. felan, afr. ßla\ dazu mit Ablaut anord.
zum Symbol soldatischer Zucht, dann allgemein falma 'tappen, tasten’. Außergermanisch
für 'Herrschaft’ (umgangssprachlich). Dazu stimmt dazu (mit Erweiterung) 1. palpäri 'strei¬
(herum)fuchteln vor allem in bildlichem Ge¬ cheln, schmeicheln’ (tm Vokalismus zu anord.
brauch. falma passend); hierzu weiter, aber mit abenteu¬
S. fechten, fuchtig ( + ). erlichen Fautentsprechungen, gr. pselaphäö 'ich
fuchtig Adj. 'erbost’, ugs. Nach einem ähnli¬ betaste, streichle, untersuche’. Alle diese Zu¬
chen Bild wie bei umgangssprachlich herum¬ sammenhänge sind klärungsbedürftig.
fuchteln zu fechten (s. d.): Wer zornig ist, gesti¬ Nndl. vuolen, ne. feel.
Fuhre 236 funken

Fuhre/. Mhd. vuore, ahd.J'uora aus wg. *foro fundamental Adj. 'grundlegend’, s. fundieren.
f 'Fuhre, Fahrt’, auch in ae. för. Das Wort Fundgrube/. Seit dem 15. Jh. belegte Zusam¬
ist wohl eine dehnstufige Ableitung zu fahren mensetzung mit Fund und Grube (s. d.). Zuerst
(s. d.), steht aber mindestens semantisch auch nur bergmännisch gebraucht für 'Stelle, wo Erz
unter dem Einfluß von führen (s. d.). für eine sich lohnende Ausbeutung zu finden
führen swV. Mhd. vüeren, ahd. fuoren, as. ist’; der übertragene Gebrauch ('Ort mit ergiebi¬
förian aus g. *för-eja- swV. 'führen’, auch in gen, wertvollen Informationen’) ist aber schon
anord. fara, ae.fceran,feran, afr./mr Dchnstu- um 1500 bezeugt.
figes Kausativum zu fahren (s. d.), entsprechend Wolf (1958), 168f.; J. Mendels 4/5(1963), 168f.
etwa ai. päräyati 'führt hinüber’, zu ai. piparti fundieren swV. 'eine Grundlage geben’, son-
'setzt über’. dersprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd.
Nndl. voeren, nschw. föra, nisl .fara. S. fahren ( + ), finden, fundieren) entlehnt aus gleichbedeutend
Fuhre, Fuder. - Zu Führer. Bartholmes (1970), 1 .Jündäre, einer Ableitung von l.fundus 'Grund,
151-174. Boden’.
Fülle /. Mhd. vülle, ahd. füllt, follT aus g. Morphologisch zugehörig: Fundus; etymologisch ver¬
* full-in- f 'Fülle’, auch in gt. (ufar)fullei, wandt: Fond, Fonds, Fundamentfundamental, Plafond,
anord. fylli, ae. fyll\ Adjektiv-Abstraktum zu profund', zum Etymon s. Boden. - Ganz (1957), 81;
voll (s. d.). Schirmer (1911), 67.
Fundus m. 'Unterbau, Grundstock an Aus¬
füllen swV. Mhd. vüllen, ahd. füllen, as. fullian
stattungsgegenständen’, s. fundieren.
aus g. *full-ija- swV. 'füllen’, auch in gt. fulljan,
anord. fylla, ae.fyllan, afr./<?//«; Faktitivum zu fünf Num. Mhd. vünf, ahd. fünf as .ff aus g.
voll (s. d.), also eigentlich 'voll machen’. *femf(e), auch in “gt. fünf anord. fim(m), ae.
Nndl. vullen. ne./?//, nschw. nisl .fylla. ff. Mit / aus ig. qu nach Labial aus ig. *penque
Num. 'fünf’ in ai. pähca, gr. pente, 1. qutnque,
Füllen n. 'Fohlen’, sonder sprach!. Mhd.
air. cöic, lit. penki, akslav. ppti. Auch die Ordi¬
vülT(n), vül(n), vüle, ahd. fulT(n), mndl. vcelen
nalzahl ßnfter ist von grundsprachlichem Alter
ist eine Diminutivbildung zu Fohlen (s. d.).
(*penqu-to), aber im Germanischen wohl se¬
Ähnliche Ableitungen sind anord. fyl (*ful-ja-) kundär dem Lautstand der Kardinalzahl ange¬
und mhd. viilhe f, ahd. fulihha f. 'weibliches paßt worden.
Fohlen’.
Nndl. vijf n e.five, nschw .fern, nisl .fimrn. - A. J. van
Nndl. veulen und evtl, ne.fdly. Windekens IF 87 (1982), 8 — 14.
Füllhorn n., arch. Lehnbildung des 18. Jhs. fungieren swV. 'eine bestimmte Aufgabe
mit Fülle (zu voll, s. d.) und Horn (s. d.) für 1. haben bzw. ausführen’, sonder spracht. Im 17.
cornü cöpiae 'Horn der Fülle, des Reichtums’. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. fungt (fünc-
Es bezeichnet im Deutschen zuerst wie das latei¬ tus sum).
nische Vorbild ein mit Blumen und Früchten Morphologisch zugehörig: Funktion, funktional, funk-
gefülltes Horn als Symbol des Überflusses, das tionalisieren, Funktionalismus, Funktionalist, Funktio¬
in allegorischen Darstellungen weit verbreitet när, funktionell, funktionieren. - Schirmer (1912), 25.
war und auf die antike Mythologie zurückgeht; Zu Funktionär vgl.: R. Breitling MS 81 (1971), 22-41.
danach auch übertragen für 'Überfluß’ allge¬ Funke(n) m. Mhd. vunke, spahd. funko, mndd.
mein. Nicht gehalten hat sich die etwa gleich vunke /., mndl. vonke aus vor-d. *fun-k-o-n m.
alte Lehnbildung Fruchthorn. E’unke, Feuer’. Eine Zugehörigkeitsbildung zu
fulminant Adj. 'großartig, überwältigend’, dem schwundstufigen «-Stamm von Feuer
sonder sprach!. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. fulmi¬ (s. d.). Die mhd. Variante vanke setzt eine
nant und 1. fulminäns (-äntis) 'blitzend’, zu 1. o-Stufe voraus, die nach dem paradigmatischen
fulminäre 'blitzen und donnern’, zu 1. fulmen Ablaut nicht zu erwarten wäre. Vielleicht han¬
(-minis) 'Blitz, Donnerkeil’, zu 1. fulgere 'blit¬
delt es sich bei ihr um eine bloße Lautabwand¬
zen’. Die moderne Bedeutung wohl unter Ein¬ lung. In der Schweiz ist Funke(n) auch 'Freu¬
denfeuer’.
fluß der Fachsprache der Chemie, die mit Ful-
Bahder (1925), 63f.
tninat hochexplosive Stoffe, die Salze der Knall¬
säure, bezeichnet. funkeln swV. Seit dem 15. Jh. belegte Iterativ¬
bildung zu funken (s. d.).
fummeln swV. 'herumtasten, unsachgemäß ar¬
beiten’, ugs. Jüngeres, aus dem Norden stam¬ tunken swV. Mhd. vunken Funken von sich
mendes Wort, dessen Herkunft unklar ist. Ver¬ geben’; seit 1914 als Wort für die drahtlose
mutlich liegt eine Lautgebärde zugrunde. Telegraphie gebraucht (als pars pro toto für die
beim Bilden der Kontakte entstehenden Fun¬
Fundament n. 'Grundlage, Grundstock’, s. ken). Daraus Funk, Rundfunk usw.
fundieren. S. auch funkeln.
Funktion 237 Furt

Funktion /., s. fungieren. Geht wohl auf eine Erweiterung der alten Ad¬
Funzel /., ugs. Eine neuere Ableitung auf -sei verbialform des Komparativs zu fort (s. d.) zu¬
zu der Grundlage von Funke(n)\ vielleicht ist rück. Vgl. ne.J'urther.
es auch aus funk-sel (nndl. vonksel 'Zündstoff’) S. auch fördern.
vereinfacht. Furie /. 'wütende Frau’. Im 18. Jh. entlehnt
H. Gombik-Hujer DWEB 5 (1968), 231f. aus gleichbedeutend 1. Furia, übertragen von
für Präp. Mhd. vür(e), ahd. as.furi aus vor-d. der Bezeichnung der Rachegöttinnen in der My¬
*furi 'vor, für’; vergleichbar ist anord. fyr(ir) thologie, zu 1. furia 'Wut, Raserei’, einer Ablei¬
'vor’. Aus voreinzelsprachl. *pri zu *per- tung von 1 .furere 'rasen, wüten’. Die Bedeutung
'vorne, früh, erster’. Die Bildung selbst hat kein 'Rachegöttin’ basiert auf einer Identifikation
genaues Vergleichsstück (außer evtl. kelt. are- mit den griechischen Rachegöttinen, den Erin-
in Namen), ist aber als Lokativ ohne weiteres nyen. Aus dem zugehörigen lateinischen Adjek¬
klar. Von derselben Stufe ist Fürst gebildet tiv d. furios 'rasend, mitreißend, leidenschaft¬
(s. d.). Mit anderer Endung gehört dazu vor lich’.
(s. d.); die Abgrenzung in der Bedeutung (nach Etymologisch verwandt: Furore. — W. J. Jones SN 51
der für nur noch im übertragenen Sinn steht) (1979), 259.
ist erst neuhochdeutsch. furios Adj. 'rasend, mitreißend, leidenschaft¬
S. Fürst, Frau. Frauche, fromm, früh, vor. lich’, s. Furie.
Furage /. 'Futter’, arch. Im 17. Jh. entlehnt furnieren swV. 'mit höherwertigem Holz über¬
aus gleichbedeutend frz.fourrage m., dieses aus ziehen’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus frz.
afrz.fuerre 'Viehfutter’, das wohl germanischen fournir 'versehen’, aus frk. *frümmjan 'fördern’,
Ursprungs ist (g. *födra- n., s. Futter1). Dazu zu ahd. frummen 'vollbringen u. ä.’. Bei der
Furier m. 'Unteroffizier, der für das Quartierwe¬
Entwicklung zur modernen Bedeutung wurde
sen zuständig ist’. ein ursprüngliches Objekt in die Verbbedeutung
Zum Etymon s. Futter1. inkorporiert.
fürbaß Adv. 'besser fort, weiter’, arch. Mhd. Morphologisch zugehörig: Furnier.
vürbaz, aus für (s. d.) und baz, dem alten Adverb
Furore /. (vor allem in der Wendung Furore
von besser (s. baß).
machen 'Aufsehen erregen’). Nach it.far furore
Furche /. Mhd. furch, ahd. fur(u)h, mndd. 'Begeisterung erwecken’, zu it. furore m. 'heftige
vore, vare, mndl. vorke aus wg. *furhö f. 'Fur¬ Gemütsbewegung, Wut, Raserei’, dieses aus 1.
che’, auch in ae. furh, afr. furch. Dieses zu weur. furor (-öris) m. (dass.), zu 1. furere 'rasen,
*prk-o/ä 'Furche’, auch in 1. porca 'Erhöhung wüten’.
zwischen zwei Furchen’, kymr. rhych 'Furche’. Etymologisch verwandt: s. Furie.
Das Wort gehört weiter zu *perk- 'aufreißen,
Fürst m. Mhd. vürste, ahd. as. furisto, Sub¬
wühlen’, zu dem auch Wörter für 'Schwein’ (als
stantivierung zu dem Superlativ g. *furista- 'der
'Wühler’) gehören (s. Ferkel).
erste’ in anord. fyrstr, ae. fyr(e)st, afr. ferist,
Nndl. voor, ne. furrow.
ferst, ferost, ahd. as.furist. Die Bedeutungsspe¬
Furcht /. Mhd. vorht(e), ahd. as. for(a)hta zialisierung wie in 1. princeps 'der Erste, Fürst’,
ist wie gt. faurhtei, ae. fyrhto, afr. fruchte eine zu dem es wohl eine Bedeutungsentlehnung ist.
Abstraktbildung zu einem Adjektiv g. *furhta- Zu den Bildungen im Positiv s. für und vor.
'furchtsam’ in gt. faurhts, ae. forht, ahd. Komparativ ahd. furiro, anord. fyrr(i).
-for(a)ht, as. for(a)ht; von derselben Grundlage
E. Schröder ZSSR-GA 44 (1924), 9 - 29.
das Verb fürchten g. *furht-ija- in gt. faurhtjan,
ae. forhtian, fyrthan, afr. fruhtia, as. forhtian, Furt /. Mhd. vurt m., ahd. furt m., as. vord
ahd. for(a)hten, furhten. Das allen diesen Bil¬ aus wg. *furdu- m. 'Furt’, auch in ae. ford
dungen zugrundeliegende Adjektiv *furhta- ist m., afr. forda m. Das Femininum dringt erst
offenbar eine ?o-Bildung (Partizip) zu einem mittelhochdeutsch vor, vermutlich in Analogie
Verb *perk-, das so nicht belegt ist (allenfalls zu den //-Abstrakta wie Geburt. Allerdings
toch. A. B. pärsk- 'sich fürchten’, ,vk-Präsens, könnten Ortsnamen wie Fürth und ae. -fyrd
das auf *perk-sk- zurückgehen kann). Im übri¬ daraufhinweisen, daß das Femininum ebenfalls
gen wohl eine Erweiterung auf -k- (oder -g-) zu alt ist. G. *furdu- beruht auf ig. *prtu- 'Durch¬
*per-, das in Wörtern für 'Gefahr’, 'riskieren’ gangsmöglichkeit, Zugangsmöglichkeit, Furt’,
u. ä. auftaucht (s. Gefahr). auch in avest. porotauu- m./f. 'Furt, Brücke’
Ne. fright. - Anders: A. Kutzelnigg Orbis 19 (1970), (vgl. Euphrat, avest. hu-pord§ß(ii)a- 'dessen
492-499. Furt gut ist’), 1. portus m. 'Hafen’, kymr. rhyd
fürder Adv., arch. Mhd. vürder, vurder, ahd. 'Furt’; zu *per- 'hinüberbringen, überbringen’
furdir 'weiter’, entsprechend ae. furöor, furöur. (s. unter fahren). Eine gleichartige hochstufige
Fürtuch 238 Futter

Bildung in anord. fjgrör n. 'Meeresarm, Bucht, e-stufigen Ableitungen von diesem Wort s.
Fjord’ (dazu Fjord, Förde, s. d.). Fessel'. Letztlich Lautnachahmung für schwer¬
Nndl. voorde, ne. ford. S. Portier (+). fälliges Auftreten.
Fürtuch n. 'Schürze’, südd. Spmhd. vortuoch; Nndl. voet, ne. foot, nschw. fot, nisl. fötur. S.
Pedal (-(-), Podium ( + ). — Sommer (1977), 13 — 15.
eigentlich 'das vorgebundene Tuch’, deshalb
auch für 'Serviette’. Fußball m. Lehnbildung mit Fuß (s. d.) und
Furunkel m. 'Eitergeschwür\ fachsprachl. Im Ball1 (s. d.) des ausgehenden 19. Jhs. für gleich¬
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend l.füruncu- bedeutendes ne. football, das vorher auch als
lus (wörtlich: 'kleiner Dieb’; auch 'Nebenschö߬ Fremdwort im Deutschen verwendet wurde.
ling eines Rebstocks’), einem Diminutivum von Stiven (1936), 96.
1. für 'Dieb’, (wörtlich: 'jmd., der etwas weg¬ Fussel /. 'Faser’, ugs. Herkunft unklar, wohl
trägt’), zu 1 .ferre 'tragen’. Der Bedeutungsüber¬ Variation zu mhd. visel, vesel mff. entsprechen¬
gang ist nicht ausreichend klar. der Bedeutung (und ebenfalls unklarer Her¬
Etymologisch verwandt: s. Differenz. kunft).
Fürwort n. Neben ursprünglich anderen Be¬ Fußstapfe f. Zu Stapf (s. d.). Vielfach dafür
deutungen (wie 'Ausflucht, Fürsprache’) wird Fußtapfe mit falscher Ablösung, was weiterhin
das Wort seit dem 17. Jh. als Lehnbildung zu zu einem schwachen Verb tapfen für stapfen
1. praepositio f 'Präposition’, eigentlich 'das geführt hat.
Vorangesetzte’ verwendet (mit für in der alten
Fut /. 'Scheide’, vulg. Mhd. vut. Grundwort
Bedeutung 'vor’). Nachdem für und vor im 18.
zu Fotze (s. d. für die Etymologie).
Jh. funktionell getrennt worden waren, ent¬
sprach nhd .für dem 1. pro, so daß der gramma¬ futsch Interj. 'zunichte’, ugs.; pfutsch Adj.,
tische Terminus nun auf 1. prönömen übertragen hair. Offensichtlich eine Lautgebärde wie in
werden konnte. witsch u. ä. Also zuerst 'weg’, dann 'zunichte’.
Pfaff (1933), 30. Zu beachten ist die lautliche Nähe von frz.foutu
'futsch’ (Partizip von foutre, vermutlich in der
Furz m., vulg. Mhd. vurz, spahd .furz, mndd.
ursprünglichen Bedeutung 'beschlafen’).
vort, mndl. vort aus vor-d. *furti- m. 'Furz’.
S. auch unter pfuschen. — Anders: L. Spitzer iVS
Abstraktbildung zu g. *fert-a- stV. 'furzen’ (s.
5(1913), 212.
unter farzeri). Denominal spmhd. vurzen.
Futter1 n. 'Nahrung’. Mhd. vuoter, ahd. fuo-
fuschen swV, tuscheln swV, s. pfuschen.
tar, mndd. voder, vor, mndl. voeder aus g. *fö-
Fusel m., ugs. Seit dem 18. Jh. als Bezeich¬ dra- n. 'Futter’, auch in anord. föör, ae. födder;
nung für schlechten Branntwein belegt. Die daneben mit ursprünglich gleicher Bedeutung
Herkunft des Wortes ist unklar. *föstra- in anord. föstr 'Erziehung, Unterhalt’,
Füsilier m. 'Schütze’, arch., schwz. Im 17. Jh. ae.föstor, as. in föstir-mödar f. Dazu als Verbum
entlehnt aus gleichbedeutend frz. füsilier, einer g. *föd-ija- 'füttern’ in gt. fodjan, anord. fee da,
Ableitung von frz. fusil (ä silex) 'Feuerstein¬ ac.feöan, afr. födia, as.födian, ahd. fuoten; von
flinte, (älter: Feuerstrahl)’, das über spätlateini¬ der Schwundstufe ahd. fatunga f. 'Nahrung’.
sche Zwischenstufen zurückgeht auf 1. focus Zu voreinzelsprachl. *pä-t-/pa-t- 'nähren’ in gr.
'Feuerstätte, Herd’. pateomai 'ich esse, verzehre’. (Dieses ist wohl
Morphologisch zugehörig: füsilieren, Füsillade; etymo¬ von der Wurzel *pä- 'weiden’ zu trennen, da
logisch verwandt: s. Foyer. diese näher zu *pöi- 'weiden, hüten, schützen’
Fusion /. 'Verschmelzung, Zusammenschluß’, gehört).
sonderspracht. Im 19. Jh. entlehnt aus I. füsio Nndl. voer, ne. fodder, nschw. foder, nisl. födur. S.
(-önis) 'das Gießen, das Schmelzen’, einer Ab¬ Furage. — Tiefenbach (1973), 38—42.
leitung von 1. fundere 'gießen’. Zunächst in der Futter2 n. 'Unterfutter’. Mhd. vuoter 'Unter¬
konkreten Bedeutung des (Ver)Schmelzens ent¬ futter, Futteral’, ahd. fuotar, mndd. voder, vor
lehnt, dann Verallgemeinerung und Übertra¬ aus g. *födra- n. 'Unterfutter, Futteral,
gung der Bedeutung. Scheide’, auch in gt.fodr 'Scheide’, anord. föör
Morphologisch zugehörig: fusionieren; etymologisch 'Futteral, Scheide, Kleiderfutter’, ae. födder,
verwandt: s. Fondue. — Schirmer (1912), 67. afr. föder. Offensichtlich eine Instrumental¬
Fuß m. Mhd. vuoz, ahd. fuoz, as. föt aus g. ableitung auf -tro-, wie sie auch in ai. pätra-
*föt(u)- m. 'Fuß’, auch in gt. fotus, anord. ’Behälter, Gelaß’ vorliegt (ein ebenfalls genann¬
fötr, ae.. föt. Dieses aus ig. *pod- m. 'Fuß’ (mit tes heth. pattar, pattur 'Korb’ ist nicht ausrei¬
starkem Ablaut innerhalb des Paradigmas, ein¬ chend sicher nachzuweisen). Das altindische
zelsprachlich verschieden ausgeglichen): ai. pät, Wort erweist sich dabei als klare Ableitung von
gr. (dor.) pös, I. pes, toch. A. pe, toch. B. paiyye ai. päti 'schützt, behütet, bewahrt’, das auf ig.
und Ableitungen in anderen Sprachen. Zu *pah- zurückzuführen ist (heth. pahs- 'schüt-
Futteral 239 Futur

zen"). Hierzu auch gr. pöma 'Deckel’. Ausgangs¬ Futur n. 'Zukunft, Tempus des Zukünftigen’,
bedeutung des germanischen Wortes ist also fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
'Schutz’.
lehnt aus gleichbedeutend 1. (tempus) futürum,
S. auch Futteral.
zu 1. futüvus 'zukünftig, (wörtlich: sein wer¬
Futteral n. 'Behältnis’. Im 15. Jahrhundert dend)’.
entlehnt aus ml.fotrale, das seinerseits aus Fut¬
Morphologisch zugehörig: Futurismus, Futurist, Futu¬
ter2 (s. d.) entlehnt ist.
rologie-, zum Etymon s. bauen. - E. Leser ZDW
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 72. 15(1914), 62.
G
Gabe /. Mhd. gäbe, mndd. gave; verhältnis¬ sind lit. ziopsöti 'mit offenem Mund dastehen’,
mäßig spät bezeugte Abstraktbildung zu g. ai. häphikä 'das Gähnen u. a.’.
*geb-a- 'geben’ (s. geben) von der Vokalstufe des S. jappen. — Lokotsch (1975), 88.
Präteritums Plural. Ältere Bildungen gleicher Gag m. 'witziger Einfall, Besonderheit’, son-
Bedeutung sind ahd. geba und ahd. gift (s. dersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Gift). tend ne. gag, das möglicherweise abgeleitet ist
gäbe Adj. (nur noch in gang und gäbe), arch. von e. gag 'würgen, knebeln’, für das lautnach-
Mhd. gäbe, mndd. geve, mndl. gave, gheve, afr. ahmender Ursprung (nach dem Röcheln beim
jeve, gebe, anord. gcefr 'gut, tüchtig, annehmbar, Ringen nach Luft) angenommen wird. Wie der
dienlich’. Eigentlich Adjektiv der Möglichkeit Ursprung nicht sicher geklärt ist, so kann man
zu geben (s. d.), also 'was gegeben werden auch für die Bedeutungsentwicklung nur Ver¬
kann’. mutungen anstellen. Da es ein Theaterwort ist
Gabel/. Mhd. gabel(e), ahd. gabala, as. ga- und zunächst Improvisationen und Spontanak¬
bala, gaflia aus wg. *gablö f. 'Gabel’, auch in tionen bezeichnet, die Lacherfolg erzielen sol¬
ae. gafol; voreinzelsprachl. *ghabhlo- 'Gabel’, len, ist eine Herkunft aus derben Darbietungen
auch in air. gabulf/m. 'Gabel, Schenkelspreize’; wahrscheinlich, in denen die Zuschauer mit
1. gabalus m. 'Galgen’ ist wohl aus dem Kelti¬ Würge- und Prügelszenen unterhalten wurden.
schen entlehnt; ohne das /-Suffix ai. gabhä- m. Von hier könnte es unter Verlust des ursprüngli¬
'Vulva, Schenkelspreize’. Weitere Herkunft un¬ chen Benennungsmotivs und einer gewissen
klar. Ameliorisierung zur heutigen Bedeutung 'witzi¬
S. auch Gaffel. - J. Trier ZDA 76(1939), 15-19, ger Einfall (usw.)’ verallgemeinert worden sein.
40-43.
Gagat m. (= als Schmuckstein verwendete
Gabelfrühstück n. 'zweites Frühstück in der Pechkohle), fachsprachl. Im Mittelhochdeut¬
Art eines kalten Büfetts, besonders bei fest¬ schen (mhd. gagätes) entlehnt aus gleichbedeu¬
lichen Anlässen’, arch. Lehnübersetzung des 19. tend 1. gagätes (lapis), dieses aus gr. gagätes
Jhs. aus frz. dejeuner ä la fourchette; so genannt, (dass.). So benannt nach der Stadt und dem
weil man nur im Stehen einzelne Häppchen mit Fluß Gagas in Kleinasien.
der Gabel aufnahm.
Gage /. 'Künstlerhonorar’. Im 17. Jh. ent¬
gach Adj., s. jäh. lehnt aus frz. gages 'Löhnung, Sold’, dem Plural
gackern swK, gacksen swV, gackeln swV. von frz. gage m. 'Pfand’, aus frk. *wadi 'Pfand’
Lautmalende Bildungen wie ahd. gackezzen, (g. *wadja). Zunächst verwendet in militäri¬
gackizzön 'schnattern’. schem Zusammenhang zur Bezeichnung der
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 193-197. Entlohnung von Soldaten; im 18. Jh. dann Be¬
Gadem m./n., auch Gaden m./n. 'Haus mit zeichnung von Künstlerhonoraren.
nur einem Raum’, arch., reg. Mhd. gadem, ga- Etymologisch verwandt: Engagement (usw.); zum Ety¬
den n., mndd. gadem, gäm n., ahd. gadum, ga¬ mon s. Wette. - Kluge (1911), 293; Jones (1976), 352f.
dem n. Herkunft unklar. Gähnaffe m., s. Maulaffe.
N. Törnquist NPhM 61 (1960), 153-159.
gähnen swV. Mhd. genen, ginen, geinen, ahd.
Gaffel /. 'Segelstange mit gabelförmigem ginen, ginön, as. ginon. Verschiedene Bildungen,
Ende’, J'achsprachl. Mittelniederdeutsche und die auf einem Nasalpräsens von einer Grund¬
mittelniederländische Form von Gabel (s. d.). lage g. *gei- beruhen. Vgl. als starkes Verb
gaffen swV. Vgl. ahd. geffidaf. 'Betrachtung’; anord. gina, ae. ginan: als schwaches Verb ae.
mndd. mndl. gapen 'den Mund aufsperren’, gänian usw. Ausgangsbedeutung ist 'gähnen,
ebenso anord. gapa\ dazu ae. ofergapian 'verges¬ klaffen’, wie außergermanisch bezeugt in 1. hiäre
sen, vernachlässigen’. Expressives und deshalb 'klaffen, gähnen’, lit. ziöti 'öffnen’, refl. 'gäh¬
lautlich unfestes Wort zu ig. *ghe-/gh3- 'gähnen, nen’, akslav. zingti 'gähnen, klaffen’. Die neu¬
klaffen’, z. B. in gr. chäskö 'ich gähne, klaffe’. hochdeutsche Form ist eine Schriftaussprache
Labiale Erweiterungen (die lautlich nicht genau einer etymologisch unrichtigen Schreibung.
mit dem germanischen Wort übereinstimmen) S. Chaos.
Gala-
241 Galgenstrick
Gala-. Bestimmungswort, das in Zusammen¬
Namen der Provinz Galilea in Palästina. In
setzungen ausdrückt, daß eine besonders fest¬ einer Metapher, die diese Provinz allgemein für
liche Ausprägung des vom Grundwort Bezeich-
das Land der zu bekehrenden Ungläubigen ste¬
neten gemeint ist (z. B. Galakleid, Galavorstel¬ hen läßt, wird mit diesem Wort in Rom der
lung). Es wird als Bezeichnung festlicher Klei¬
Aufenthaltsplatz von Ungetauflen vor den
dung im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend christlichen Kirchen bezeichnet. Dann unter
span. gala f, dessen Herkunft nicht sicher ge¬
Verlust des ursprünglichen Benennungsmotivs
klärt ist (möglicherweise dieselbe Herkunft wie Verallgemeinerung der Bedeutung zu 'Vorhalle’.
Galanterie, s. d.). Aus dem zugehörigen Adjek¬
Ins Deutsche gelangt das Wort zunächst im
tiv span. galano 'in Gala gekleidet, höfisch, Rahmen des Gartenbaus, dann findet es im
artig’ ist span, galän m. abgeleitet, aus dem d. Festungsbau Verwendung und nimmt schlie߬
Galan Verehrer, Liebhaber übernommen lich weitere Bedeutungen (wie 'Bildersaal’ und
wurde. 'Erker’) an.
A. Götze ZDW 2(1902), 279; Schramm (1914),
Morphologisch zugehörig: Galerist. - W. Feldmann
49-57; Littmann (1924), 100f.; Lokotsch (1975), 68f. ZDW 8 (1906/07), 72; Jones (1976), 356-359.
galaktisch Adj., s. Galaxis.
Galgen m. Mhd. gal ge, ahd. galga /., galgo,
Galan m., s. Gala- und Galanterie. as- galgo aus g. *galgön m. 'Galgen’, auch in
Galanterie /. 'höfliches, zuvorkommendes gt. galga, anord. galgi, ae. gealga, afr. galga.
Verhalten (gegenüber Damen)’, sondersprachl. Das Vergleichsmaterial zeigt, daß damit ur¬
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. sprünglich ein biegsamer Stamm bezeichnet
galanterie, einem Abstraktum zu frz. galant 'lie¬ wurde, an dem der zu Hängende in die Luft
benswürdig , dem PPräs. von afrz. galer 'sich geschnellt wurde: anord. gelgja f. 'Stange’, lit.
erfreuen, unterhalten’, einer Ableitung von afrz. zalgäfi Stange’, lett. zalga 'Angelrute’.
gale 'Vergnügen, Freude’, aus frk. *wala 'Wohl’ Nndl. galg, ne. gallows, nschw. galge, nisl. gälgi. S.
oder eine Entsprechung zu ahd. geilT 'Munter¬ auch Kreuz.
keit’ (s. geil). Galgendraht m., s. Galgenstrick.
Morphologisch zugehörig: galant. - W. Feldmann
Galgenfrist /. Eigentlich 'der dem Verbrecher
ZD H 8 (1906/07), 72; E. Thurau: 'Galant' (Frankfurt/
vor der Hinrichtung gewährte Aufschub’; da¬
M. 1936); Lokotsch (1975), 68f.; Jones (1976), 355f.;
S. Stehmeier ASNSL 222 (1985), 144f. nach übertragen gebraucht. Seit dem 16. Jh.
belegt.
Galaxis f Milchstraße’, fachsprach/. Im
Vgl. Galgenhumor, Galgenschwengel, Galgenstrick, Gal¬
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ genvogel.
deutend ml. galaxia, dieses aus 1. galaxiäs m.
Galgenholz n., s. Galgenstrick.
(dass.), aus gr. galaxias m. (dass.), zu gr. gala
n. 'Milch’. Galgenhumor m. Erst seit dem 19. Jh. Ge¬
Galeere /. (= ein Ruderschiff mit Segelma¬ meint ist Humor, trotz bevorstehender Hin¬
sten), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus richtung’; dann verallgemeinert.
gleichbedeutend it. galera, dieses aus ml. galea Vgl. Galgenfrist, Galgenschwengel, Galgenstrick, Gal¬
genvogel.
(dass.), aus mgr. galea 'Schwertfisch’, wohl zu
gr. galee 'Wiesel, Schwertfisch’. Ähnlich wie das Galgennagel m., s. Galgenstrick.
Wort ausgehend von der diesem Tier zugespro¬ Galgenschwengel m., ugs. Mhd. galgenswen-
chenen Flinkheit und Wendigkeit als Bezeich¬ gel, galgenswenkel 'Dieb, der für den Galgen
nung einer Fischart Verwendung findet, wird es reif ist’. Zusammensetzung mit Galgen (s. d.)
auch metaphorisch auf einen Schiffstyp über¬ und Schwengel (s. d.). Das Wort rührt daher,
tragen („das Wieselflinke“). Dazu das mit daß man den Gehängten scherzhaft mit dem
einem Augmentativsuffix gebildete Galeone, mit Schwengel einer Glocke verglich — wie denn
dem ein größeres Handel- und Kriegsschiff be¬ der Galgen selbst seit dem 16. Jh. mit der Be¬
zeichnet wird. Galionsfigur bezeichnet eine Fi¬ zeichnung Feldglocke bezeugt ist.
gur am Bug eines solchen Schiffes (die Form Vgl. Galgenfrist, Galgenhumor, Galgenstrick, Galgenvo¬
ist bedingt durch das Niederländische, aus dem gel, Ladenschwengel.
das Wort entlehnt ist). Galgenstrick m., ugs. Zusammensetzung mit
D. C. Hesseling NPh 6(1921), 208-213; H. Kahane/ Galgen (s. d.) und Strick (s. d.). Im 15. Jh. in
R. Kahane in: FS Wartburg (1958), 428-439; W. J.
der ursprünglichen Bedeutung 'Strick, womit
Jones SA 51 (1979), 259f.
der Verurteilte am Galgen aufgeknüpft wird’
Galeone /., s. Galeere. bezeugt, seit dem 16. Jh. dann übertragen zuerst
Galerie /. 'umlaufender Gang, Kunsthand¬ als 'galgenreifer Schelm’ (wie Galgenschwengel
lung, Rang (usw.)’. Im 16. Jh. entlehnt aus it. und Galgenvogel) und später allgemeiner als
galleria 'Säulengang’, das zurückgeht auf den 'Strolch, (durchtriebener) Spitzbube’. Entspre-
Galgenvogel 242 Gamasche

chende Bezeichnungen sind auch Galgendraht, werden kann. Die Formveränderung zum Neu¬
Galgenholz, Galgennagel. hochdeutschen hin beruht auf einer Metathese
Vgl. Galgenfrist, Galgenhumor, Galgenschwengel, Gal¬ des /r/ (vielleicht gestützt durch eine volksety¬
genvogel. mologische Anlehnung an kellern 'gerinnen’).
Galgenvogel m., ugs. Zusammensetzung mit Etymologisch verwandt: s. Gelatine.
Galgen (s. d.) und Vogel (s. d.). Seit dem 16. Jh. Gallone/. (= ein Hohlmaß), fachsprachl. Im
sowohl in der Bedeutung 'Rabe’ (weil sich diese 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. gallon,
Vögel gern bei Aas und Leichen — und somit dieses aus afrz. galon, galun, einer nördlichen
auch beim Galgen — einfinden) als auch über¬ Variante von zentralem afrz. jalon, jallon, jail-
tragen wie Galgenschwengel (s. d.) und Galgen¬ lon, das auf afrz. *gal!a 'Gefäß’ zurückgeht.
strick (s. d.) belegt.
Gailwespe f s. Galle2.
Vgl. Galgenhumor, Galgenschwengel, Galgenstrick. —
Suolahti (1909), 179. Galopp m. (= eine sehr schnelle Gangart). Im
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. galoppo,
Galimathias m./n. 'verworrenes Gerede’, son-
dieses aus frz. galop (dass.), einer Ableitung
dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
von frz. galoper 'sehr schnell reiten’, aus afrz.
tend frz. galimatias m., dieses aus neo-1. gallima-
waloper (dass.), aus frk. *wala hlaupan (dass.,
thia (dass., wörtlich 'Galimathier Art zu spre¬
chen’), zu Galimathie, einer fiktiven Ortsbe¬ wörtlich: 'gut laufen’). Älter (seit dem 13. Jh.)
zeichnung in der Satire „Menippee“. sind die aus dem Französischen stammenden
Formen Balab, Walab u. ä. und (seit dem 12.
A. Nelson: Strena philol. Upsaliensis (Upsala 1922),
289 — 308. Zu weiteren Herleitungen s. Gamillscheg Jh.) das Verb galoppieren, balopieren u. ä.
(1969), 464. Zum Etymon s. wohl und laufen. — J. Knobloch in:
Svmbolae Linguisticae in honorem Georgii Kurytowicz
Galionsfigur /., s. Galeere und Figur.
(Warschau 1965), 173f.; Jones (1976), 359f.
Gallapfel m. (= Mißbildung bei Pflanzen),
Galosche/. 'Überschuh, (Haus-)Schuh’, arch.
fachsprachl. Kreuzung aus Galle2 (s. d.) und
Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
gleichbedeutendem mhd. eichapfel.
galoche, aus 1. gallicula (dass., auch: 'Sandale’),
Galle1 /. (= eine Körperflüssigkeit). Mhd. einem Diminutivum, das mit unregelmäßiger
galle, ahd. as. galla aus g. *gallön 'Galle’ (viel¬ Lautentwicklung auf 1. (solea) gallica 'gallische
leicht ursprünglich Neutrum), auch in anord. Sandale’ zurückgeht. Zunächst entlehnt in der
gall n., ae. gealla m. Alter *galön-, *galn- (wor¬ Bedeutung 'lederner Überschuh’, im 19. Jh.
aus die Geminate). Aus ig. *ghel- in 1. fei n. dann Bezeichnung für 'Überschuh aus Gummi’.
(Anlaut unregelmäßig), gr. chole/., avest. zära-
W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 72; G. Schoppe ZDW
m., akslav. zlüci (später sekundär auch z-). Mit 15(1914), 185.
Umstellung lit. tulzis. Die Galle ist nach ihrer
galstern swV. 'zaubern’, auch 'lärmen’, reg.
gelb-grünen Farbe benannt: zu ig. *ghel- 'gelb’
(und 'grün’), vgl. gelb. Da nach altem Glauben Zu mhd. galster, ahd. galstar 'Zaubergesang,
die Galle Bitterkeit und Bösartigkeit bewirkt, Zauber’ zu ahd. galan 'singen’ (s. Nachtigall).
steht das Wort in vielen Zusammenhängen in Th. Andersson in: FS Foerste (1970), 148—166.
entsprechender Bedeutung (die Galle kommt mir galt Adj., s. gelt1.
hoch, gallig 'bösartig’ usw.). galvanisieren swV. 'durch Elektrolyse mit
Nndl. gal, ne. gall, nschw. galla, nisl. gall. S. vergällen. einer Schicht überziehen’, fachsprachl. Im 19.
Galle2 /. (= Geschwulst an Pflanzen und Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. galvaniser,
Tieren), fachsprachl. Spmhd. galle, mndd. galle, einer Ableitung vom Eigennamen Galvani.
wie ae. gealla m. entlehnt aus 1. galla 'Gallapfel’. Luigi Galvani hatte in Tierversuchen Erkennt¬
Hierzu Gailwespe, weil die Eiablage dieses In¬ nisse gewonnen, die den Ausgangspunkt der
sekts zu Gallen führt. modernen Elektrochemie bildeten (auch wenn
S. Gallapfel. er selbst die Erscheinungen nicht richtig gedeu¬
Gallert n., Gallerte /, 'eingedickte, verfestigte tet hatte).
Flüssigkeit’. Im Mittelhochdeutschen (mhd. Morphologisch zugehörig: Galvanisation, Galvaniseur,
galreide /.) entlehnt aus gleichbedeutend ml. Galvanismus.

gelatria, geladia f, aus I. geläta f. (dass.), dem Gamasche/. (= eine Beinbekleidung). Im 17.
substantivierten PPP. von I. geläre (gelätum) Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gamache,
'gefrieren, verdichten’, zu 1. gehl n. 'Eis, Frost’. dieses aus span, guadameci m. (wörtlich:) '(Le¬
Das Wort bezeichnet eine zähflüssige, aus der) aus der Stadt Ghadames (in Libyen)’, aus
Fleisch, Knochen, Fisch oder Früchten gewon¬ arab. gadämasi (dass.).
nene Masse, die durch Abkühlung vom flüssi¬ Littmann (1924), 94; Lokotsch (1975), 50.; Jones
gen in einem festen Aggregatzustand überführt (1976), 360.
Gambe 243 Gans

Gambe/. 'Kniegeige’, fachsprachl. Im 18. Jh.


gang Adv. 'üblich’ (nur noch in gang und
entlehnt und gekürzt aus it. viola da gamba (zu
gäbe), arch. Die ältere Form ist gange, heute
it. viola 'Altgeige’ und it. gamba 'Bein’).
gängig. Mhd. ahd. genge aus g. *gang-i- Adj.
Gambit n. 'Bauernopfer, um Eröffnungsvor¬ gangbar, imstande zu gehen’, auch in anord.
teil zu erlangen’, fachsprachl. (Schach), gele¬ gengr 'Gang', ae. genge, afr. gendze, ganse,
gentlich übertragen verwendet. Im 16. Jh. (zu¬ ginse; Adjektiv der Möglichkeit zu dem unter
nächst im Spanischen) übernommen aus der Gang aufgeführten starken Verb g. *gang-a- 'ge¬
Boxersprache (it. dare il gambetto 'ein Bein stel¬ hen . Die Wendung gang und gäbe bezog sich
len, einen Hinterhalt legen zu it. gamba f ursprünglich auf Münzen ('geläufig und an¬
'Bein’). nehmbar’), dann allgemeiner auf Waren und
Gammler m., ugs. Zu gammel 'altes Zeug’, schließlich auch auf anderes. Die heutige Form
vergammeln 'verkommen’; im Niederdeutschen gang ist dissimiliert gegen das zweite ä in dieser
aufgekommen. Vermutlich entlehnt aus einer Wendung.
skandinavischen Sprache (ndn. gammel 'alt’, Kluge (1926), 112.
anord. gamall). gängeln swV. Seit dem 16. Jh. bezeugte Itera¬
Gams m./f./n., reg. Regionale (bairische) tivbildung zu dem jetzt ausgestorbenen Verb
Form von Gemse (s. d.); besonders verbreitet in mhd. gengen 'laufen machen’, einem Kausati-
Gamsbart m. Büschel von Rückenhaaren der vum zu ahd. gangan, gän, gen 'gehen’ (s. Gang).
Gemse, die als Schmuck an bayrischen Trach¬ Die alte Bedeutung ist 'ein Kind gehen lehren’,
tenhüten getragen wird’, (zu Bart [s. d.] in weite¬ doch wird es schon im 16. Jh. auch übertragen
rer Bedeutung). (aber noch nicht abwertend wie heute) ge¬
Ganeff m. 'Ganove’, scherzhaft 'Schwieger¬ braucht. Die Zusammensetzung Gängelband ist
sohn’, österr. Entlehnt aus dem Rotwelschen, seit dem 18. Jh. belegt, zuerst nur als 'Band, an
wo es seit dem 18. Jh. bezeugt ist (schon seit dem man ein Kind beim Gehenlernen führt’.
dem frühen 16. Jh. das Verbum genffen 'steh¬ Gangspill n., fachsprachl., ndd. Die Bedeu¬
len ). Dieses aus wjidd. gannew, das aus hebr. tung ist 'aufrecht stehende Winde (Spill, s. d.),
gannäb 'Dieb' stammt. Dasselbe Wort ergibt die bedient wird, indem man um sie herumgeht
aus seiner Pluralform wjidd. ganöwem das Wort und dabei die Kabeltrommel mitdreht’ (deshalb
Ganove. Gang-Spill).
Ganerbe m. 'Nebenerbe, Gesamtheit der zu Gangster m. 'Verbrecher’. Im 20. Jh. entlehnt
einem Erbe Berechtigten, durch Erbverbrüde¬ aus gleichbedeutend ne. gangster, einer Ablei¬
rung Verbundene’, arch. Die älteste Form (9. tung von e. gang 'Verbrecherbande’, das urver¬
Jh.) ist ge-anervun (Dat. PL) neben ganervo wandt ist mit d. Gang. Eine Gang ist demnach
(Sg.) in der gleichen Urkunde. Mhd. ganerbe, eine Gruppe von Personen, die zusammen
mndd. ganerve; auch (13. Jh. Rheinland) ane- einem (verbrecherischen) Vorhaben nachgehen;
gerve. Zu erklären als *gi-ana-erbo 'die Ge¬ ein Gangster ein Angehöriger einer solchen
samtheit (gi-) derer, die einen Anspruch Gruppe.
(-ana-) auf ein Erbe haben’. Zum Etymon s. Gang.
S. Erbe1. Gangway /. 'Steg, Treppe zum Ein- und Aus¬
Gang m. Mhd. ganc, ahd. as. gang aus g. stieg’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
*ganga- m./n. 'Gang’, auch in gt. gagg «., anord. gleichbedeutend ne. gangway, einer Zusammen¬
gangr m., ae. gang m., afr. gang, gong, gung. setzung aus e. gang 'Gang, Gehen’ und e. way
Verbalabstraktum aus dem defektiven starken 'Weg’.
Verb g. *gang-a- 'gehen’ in gt. gaggan, anord. Zum Etymon von gang s. Gang, zum Etymon von way
ganga, ae. gangan, afr. gunga, as. gangan, ahd. s. Weg.
gangan, gän, gen. Das Verb bildet im Gotischen
Ganove m., 'Verbrecher’, ugs., s. Ganeff.
und Altenglischen das Präteritum aus einer an¬
deren Wurzel. Im Deutschen ist es mit dem Gans/. Mhd. ahd. mndl. gans, mndd. gös, güs
(unverwandten) starken Verb gehen (s. d.) kom¬ aus g. *gans- f 'Gans’ (ursprünglich offenbar
biniert worden und liefert in der Gegenwarts¬ Konsonantenstamm, später EStamm), auch in
sprache dessen Präteritum und Partizip. Außer¬ anord. gas, ae. gös. Dieses aus ig. *ghans- f.
germanisch zeigt sich eine c-stufige Vergleichs¬ 'Gans’ (auch ähnliche Wasservögel) in ai. harhsä-
möglichkeit im Litauischen: zengti 'schreiten’; m. 'Gans, Schwan’, gr. chen ffm. (aus *ghans),
vielleicht auch ai. jähghä f. 'Unterschenkel’, ai. lit. z(isis', 1. änser m. hat anlautendes h- verloren;
jahghäla- 'schnellfüßig’; mit Anlautvariation air. geis (aus *ghanst) 'Schwan’. Da die Laut¬
(*kengh-) air. cingid 'geht, schreitet’. form Ähnlichkeit mit verschiedenen Wörtern
Nndl. gang, ne. gang, nschw. gang. S. auch gängeln, für 'gähnen usw.’ hat, ist die Gans wohl nach
Gangster, Gangway, gehen. ihrem charakteristischen zischenden Verteidi-
Gänseblümchen 244 Garbe

gungslaut benannt. — Neben diesem Wort hat wollen’; mit -s- gt. gansjan, etwa 'bereiten, fertig
es im Germanischen andere gegeben, die von machen’, russ. gustöj 'dick, dicht’; von einfache¬
einfacherem *ghan- ausgehen. Schon bei Plinius rem ig. *ghon- ai. ghanä- 'kompakt, fest, hart,
ist 1. ganta als germanischer Name der Gans dicht’, npers. ä-ganis 'voll’, lit. ganä 'genug’,
genannt. Es entspricht wohl ae. ganot m., ahd. akslav. aruss. goneti 'genügen’. Auf anderer Ab¬
ganazzo, ganzo, mhd. ganze m. (später verdeut¬ lautstufe und auch sonst problematisch ist alb.
licht zu Ganzer, Ganser) 'Gänserich’ (*ganöt- i zane 'dicht, dick’. Ausgangsbedeutung ist also
o. ä.). Wieder anders ae. gan(d)ra m„ mndd. 'genug, fertig’; aber eine klare verbale Grund¬
gante m. 'Gänserich’ (ne. gander, auch hd. [dial.] lage fehlt.
Gander, Ganter, das aber auch aus *ganöt kom¬ E. Fraenkel ZVPh 8 (1954), 58f.; zu ndd. gant vgl. W.
men kann). Mitzka in: FS Foerste (1970), 319 — 326.
Nndl. gans, ne. goose, nschw. gäs, nisl. gas. S. auch gar Adj. Mhd. gar(e), ahd. as. garo aus g.
Gössel. — Suolahti (1909), 410 — 415. *garwa- Adj. 'bereit, fertig’, auch in anord. ggrr,
Gänseblümchen n. Bezeugt seit dem 16. Jh. ae. gearo. Herkunft umstritten. Die Bedeutung
als gensbluome. Älteres mhd. gensebluome be¬ war früher allgemein 'bereit’ (auch z. B. von
zeichnet die weiße Glockenblume, so daß das Personen gesagt), deshalb gehört hierher auch
Bezeichnungsmotiv wohl 'weiß’ (und 'häufig’) gerben (s. d.).
ist. Nndl. gaar. - A. Kabell ZVS 87 (1973), 26-35.
Gänsefüßchen n. Seit dem ausgehenden 18. Garage/, 'überdachter Raum für Fahrzeuge’.
Jh. belegte Zusammensetzung mit Gans (s. d.) Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
und Füßchen (zu Fuß, s. d.) als Ersatzwort der garage m., einer Ableitung von frz. garer 'in
Druckersprache für 1. signum citationis 'Zitaten- eine sichere Verwahrstelle bringen’, aus prov.
zeichen’. Wohl so benannt nach der Form des garar 'achtgeben, bewahren’, aus gt. *warön
Fußes bzw. der Fährte einer Gans. Vorher (seit 'beachten’.
Mitte 18. Jh.) ist dafür Anführungszeichen be¬ Zum Etymon s. wahren.
zeugt. Nicht gehalten haben sich die folgenden Garantie /. 'Sicherheit, Gewähr’. Im 17. Jh.
Bezeichnungen des 18. Jhs.: Gänseaugen (wie
entlehnt aus gleichbedeutend frz. garantie, einer
ndn. gäseejne), Hasenohr und Hasenöhrchen.
Ableitung von frz. garant m. 'Bürge’, aus afrz.
Klenz (1900), 45f.; H. Klenz ZDW 1 (1901), 75f.
guarant, warant 'wer bei Gericht die Gewähr
Gänsehaut /. 'vor Schrecken oder Kälte leistet, (später: Beschützer)’, aus frk. *werend
schaudernde Haut des Menschen’. Seit dem 16. 'Gewähr leistend’. Die Änderung der Vokale im
Jh. in der heutigen Bedeutung bezeugte Zusam¬ Französischen einerseits durch Anlehnung an
mensetzung mit Gans (s. d.) und Haut (s. d.). afrz. garir 'beschützen’, andererseits durch An¬
So benannt, weil die Haut des Menschen bei gleichung an das PPräs. auf -ant. Zunächst ein
Schreck und Kälte an diejenige einer gerupften Fachwort der Sprache der Diplomatie; dann
Gans erinnern konnte. Mit entsprechendem Be¬ Verallgemeinerung und Erweiterung der Bedeu¬
nennungsmotiv regional auch Hühnerhaut. tung.
Gänseklein n., älter Gänsekleint n. Aus Gänse¬ Morphologisch zugehörig: Garant, garantieren; zum
kleinod (s. Kleinod), weil die Kleinteile des Etymon s. gewähren. — Schirmer (1911), 69; Brunt
Schlachttiers bis ins 18. Jh. Kleinod heißen. (1983), 314.
Kretschmer (1969), 213-215. Garaus m. Seit dem 15. Jh. bezeugt. Ur¬
Ganser m., s. Gans. sprünglich Ausruf, der die Polizeistunde beglei¬
tete. Daraus verallgemeinert zu 'Ende’, beson¬
Gänserich m. Neubildung im 16. Jh. nach
ders in der Wendung den Garaus machen.
dem Muster von Enterich (s. d.). Ältere Namen
der männlichen Gans s. unter Gans. Garbe /. Mhd. garbe, ahd. garba, as. garba,
garva aus vor-d. *garbön f. 'Garbe’. Vermutlich
Gant /. 'Versteigerung’, arch., schwz. Seit dem
14. Jh. in der Schweiz; dort entlehnt aus ml. vergleicht sich unter *gherbhö (mit unklarer
inquantare, incantare 'versteigern’ (zu der Frage
Vokalstufe) /. 'Büschel, Rupfung’ 1. herba
des Auktionators 1. in quantum 'wie hoch?’), 'Kraut' (eine Garbe war ursprünglich so viel
vgl. it. incanto m. 'Versteigerung’. Korn, wie man mit der Hand umfassen und
dann mit der Sichel abschneiden konnte). Es
Ganter m., s. Gans.
paßt lautlich und semantisch zu ig. *ghrebh-
ganz Adj. Mhd. ahd. ganz 'heil, unverletzt, 'fassen, greifen’, zeigt allerdings eine andere Vo¬
vollständig’ aus vor-d. *ganta- Adj. 'heil’. kalstellung als dieses. Vgl. ai. grabh- 'ergreifen,
Außergermanisch entspricht am genauesten der fassen’ (ai. grbhnäti), lit. grabstyti 'ergreifen,
alit. Komparativ gandziaus 'im Gegenteil, viel¬ packen’, akslav. grabiti 'rauben’. Germanische
mehr, lieber’ aus *ghond-, mit lit. gandeti 'genug Verwandte s. unter grapsen. (Im Germanischen
haben, befriedigt sein, zufrieden gestellt sein scheinen die einschlägigen Bildungen zugunsten
Garde 245 Garten

des homonymen graben beseitigt worden zu wallen, gären’ in ai. yäsyati 'siedet, wird heiß,
sein).
schäumt über , toch. A. yäs- 'sieden’, gr. zeö
Nndl. garf
ich walle, siede, koche’, kymr. iasu 'kochen
Garde/., fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus lassen . Im Deutschen ist der grammatische
frz. garde m. 'Leibwache’. Dies ist seinerseits Wechsel zu r ausgeglichen und der Anlaut mög¬
aus wfrk. *uarda, einer Entsprechung zu unse¬ licherweise unter dem Einfluß von gar zu g-
rem Warte (s. d.) entlehnt. geworden.
Etymologisch verwandt: Avantgarde, Garderobe-, zum S. Germ, Gischt, Kieselgur.
Etymon s. warten. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), Garn n. Mhd. ahd. garn, mndd. garn, mndl.
72; G. Schoppe ZDW 15(1914), 185; Brunt (1987)
315. gaern, gar(e)n, gairn aus g. *garna- n. 'Garn’,
auch in anord. gam, ae. gearn. Daneben die
Garderobe/. 'Kleiderablage, Raum für Klei¬ Bedeutung 'Darm’ in anord. gprn /. und ahd.
der, Gesamtheit der Kleidungsstücke’. Im 17. mittigarni, as. midgarni 'Eingeweidefett’. Ver¬
Jh. entlehnt aus frz. garde-robe 'Kleiderablage, gleichbar ist weitgehend nur die Bedeutung
(wörtlich: Verwahrung der Kleider)’ zu frz. Darm’, vgl. lit. zärna f. 'Darm, Schlauch’, 1.
garde m. 'Verwahrung, Bewachung’ (s. Garde) hernia f 'Eingeweidebruch’; ohne das «-Suffix
und frz. robe 'Kleid, Kleidung’ (s. Robe). ai. hira- in. 'Band’, ai. hirä f. 'Ader’, gr. chords
Morphologisch zugehörig: Garderobiere. f. (Darm)Saite’. Garn besteht also ursprünglich
Gardine/. 'Vorhang'. Im 16. Jh. entlehnt aus aus (gedrehten) Därmen.
nndl. gordijn 'Bettvorhang’, dieses aus frz. cour¬ Nndl. garen, ne. yarn, nschw. nisl. garn. S. auch
tine (dass.), aus kirchen-1. cortTna 'Vorhang’, Midder.
einem substantivierten Adjektiv zu 1. cörs 'Ein¬ Garnele /. (= eine Krebsart), fachsprachl.
zäunung, Hofraum’, aus 1. cohors (dass.). Die Im 16. Jh. entlehnt aus nndl. garneel (heute
Bedeutung 'Vorhang’ nach gr. aulaia (dass.), zu garnaal). Die frühest-bezeugte Form ist gernaet
gr. aul<? 'Hofraum’. Der Vorhang wird bezeich¬ (16. Jh.), das als Garnat ins Deutsche entlehnt
nungsmotivisch zunächst als etwas Abgrenzen¬ wird (heute nicht mehr üblich). Die weitere
des aufgefaßt; später tritt die Bedeutungskom¬ Herkunft ist unklar.
ponente des Verhüllens in den Vordergrund; garnieren swV 'verzieren’. Im 17. Jh. entlehnt
schließlich im 19. Jh. als Bezeichnung für die aus gleichbedeutend frz. garnir (wörtlich: 'aus¬
aus feinem Gewebe gefertigten Vorhänge an rüsten’), dieses aus frk. *warnjan 'sich vorse¬
Fenstern verwendet. Das Wort wird im nieder¬ hen’. Eine Garnitur ist eigentlich eine zusam¬
deutschen Sprachraum entlehnt und bleibt mengehörige Ausrüstung; bei der Garnison han¬
lange Zeit im oberdeutschen Raum unge¬ delt es sich um eine Schutzausrüstung bzw.
bräuchlich. Die schwedischen Gardinen, eine -truppe. Die Bedeutung 'Truppenstandort’ aus
scherzhafte Bezeichnung für die Gitter in Ge¬ frz. ville de garnison.
fängnissen, sind als Oxymoron zu deuten, wo¬ Morphologisch zugehörig: Garnitur, zum Etymon s.
bei Gardinen für sehr feines Gewebe und schwe¬ wahren. - Brunt (1983), 317.
disch für besonders guten Stahl steht (solcher
Garnison/., s. garnieren.
wurde zu Zeiten aus Schweden importiert). (S.
auch Gardinenpredigt.) Garnitur /., s. garnieren.
Etymologisch verwandt: s. Kurtisane. — E. Öhmann garren swV., s. girren.
NPhM 64(1963), 338f.
garstig Adj. Erweiterung von mhd. mndd.
Gardinenpredigt /., ugs. Seit dem 18. Jh. be¬ garst 'ranzig, verdorben schmeckend’, wozu
legte Zusammensetzung mit Gardine 'Bettvor¬ ahd. gerstl f. 'Groll, Garstigkeit’ als Abstrak¬
hang’ (s. d.) und Predigt (s. d.). Vielleicht Lehn¬ tum. Zu dem vorauszusetzenden g. *garsta- als
bildung zu nndl. gordijnpreek (17. Jh.) gleicher i/ja-Stamm anord. gerstr 'bitter, unwillig, mür¬
Bedeutung. Die ursprüngliche Bedeutung ist risch’. Außergermanisch vergleicht sich ohne
'nächtliche Strafrede der Ehefrau an ihren das ableitende -t- lit. grasä '(An)Drohung’ und
Mann’; wohl so benannt, weil sich die Frau arm. garsim 'ich habe Abscheu’. Mehrdeutig
bereits im Bett (hinter den Gardinen) befand, sind 1 fästldium 'Ekel, Widerwille’ und air. goirt
wenn ihr Mann zu spät in der Nacht (und 'bitter, salzig’.
vielleicht betrunken) heimkehrte. Vgl. ndn. gar- Garten m. Mhd. garte, ahd. garto, as. gardo
dinprceken (nach deutschem Vorbild); vgl. auch aus g. *gardön m. 'Garten’, auch in gt. garda,
ne. curtain lecture wörtlich 'Gardinenvortrag’. afr. garda. Daneben *garda- m. in gt. aurti-
gären stV. Mhd. jesen, ahd. jesan, gesan, aus gards 'Garten’ (/-Stamm), anord. garör 'Zaun,
vor-d. *jes-a- stV. 'gären’; in anderen germani¬ Hof, Garten’, ae. geard 'Hof’, ahd. gart 'Kreis’.
schen Sprachen anord. jpstr 'Gärung, Hefe’, Beide aus ig. *ghortö- 'Umzäunung’ in gr. chbr-
ae. gist 'Hefe’. Dieses aus ig. *jes- 'schäumen, I tos 'Hof, Gehege’, 1. hortus 'Garten’, air. gort.
Gas 246 Gatte

gart 'Saatfeld’, air. lubgort 'Gemüsegarten’, akslav. gospodi 'Gastherr’). Weitere Herkunft
kymr. garth 'Garten, Pferch’. Ein nur wurzel¬ unklar.
verwandtes Wort ist dagegen gt. gards 'Haus’, Nndl. gast, ne. guest, nschw. gast, nisl. gestur. S.
ai. grhä- 'Haus’ (*ghordh-). Ein mögliches Hospital ( + ). — F. Schröder ZDPh 56(1931),
Grundwort *gher- '(um)fassen’ kann in ai. hä- 385-394.
rati 'nimmt, bringt, holt herbei’ vorliegen, doch Gastronomie /. 'Gaststättengewerbe, (gute)
bleibt dieses vereinzelt und ist auch in seiner Bewirtung’. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. gastro-
Lautung nicht unproblematisch. Die ganze nomie 'Lehre vom feinen Essen’, dieses aus gr.
Sippe weist lautliche Schwierigkeiten auf; die gastronomla (dass.), zu gr. gaster 'Bauch, Eß-
Möglichkeit von Substrateinflüssen ist nicht lust’. Es handelt sich bei dem Wort um den
von der Hand zu weisen. Vgl. noch gürten. Titel eines Werkes („Lehre von der Pflege des
S. Hortensie, Kurtisane ( + ). — U. Scheuermann NJ
Bauches“), das der griechische Schriftsteller Ar¬
92(1969), 97f.; H. Tiefenbach in: Beck/Denecke/Jan- chestratos (zitiert bei Athenaeus) verfaßt hatte.
kuhn (1980), 291-294. Die starke Betonung der gewerblichen Seite (ge¬
genüber der Seite des Verbrauchers, also Fein¬
Gas n. 'luftförmiger Stoff’. Im 18. Jh. ent¬
schmeckers) ist nur deutsch. Ihre Verbreitung
lehnt aus gleichbedeutend nndl. gas, einem
hat mit dem Anklang an Gastwirtschaft zu tun,
Neologismus des 17. Jhs. auf der Basis von
hat sich zunächst aber unabhängig davon ent¬
neo-gr. chäos 'luftförmiger Körper’, aus gr. chäos
wickelt.
'Luftraum’ (s. Chaos). Das initiale <g> ent¬
Morphologisch zugehörig: Gastritis, Gastronom.
spricht nach niederländischer Schriftkonven¬
tion dem griechischen <ch> und wird erst im Gaststätte /. Mi) Gast (s. d.) und Stätte (s.
Deutschen durch Schriftbildaussprache als /g/ Statt) zusammengesetztes Ersatzwort des be¬
wiedergegeben. Das <a> anstelle von <äo> nach ginnenden 20. Jhs. für gleichbedeutend Restau¬
ration aus 1. restaurätio 'Erneuerung, Wieder¬
dem Wort blas 'bewegende Kraft, die von den
herstellung’ (s. restaurieren). Gastwirtschaft für
Sternen ausgeht’. Zunächst auf fachsprach¬
älteres Wirtschaft (s. d.) ist dagegen schon seit
lichen Gebrauch beschränkt; mit der Einfüh¬
dem beginnenden 19. Jh. bezeugt.
rung von Gasbeleuchtung dann in allgemeinem
Gebrauch. Gastwirtschaft/., s. Gaststätte.

Morphologisch zugehörig: Gasometer; etymologisch Gat(t) n. 'Loch, Öse’, fachsprachl., ndd. As.
verwandt: s. Chaos. — H. Strigl Sprachwissenschaft gat, afr. jet, gat 'Loch’, ae. g(e)at 'Tor, Tür,
für alle 3(1911), 5-11; R. Loewe ZVS 63 (1936), Öffnung’, anord. gat 'Loch’. Niederdeutsch/
118-122; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 376f. niederländisch (dialektal) bedeutet das Wort
Gasse /. Mhd. gazze, ahd. gazza; daneben auch 'Arschloch’, und in dieser Bedeutung
anord. gata und gt. gatwo 'Straße einer Stadt, könnte es angeschlossen werden an ig. *ghed-
Platz’ (wobei zumindest die altnordische Form 'scheißen’ (ai. hadati, gr. chezo). Es ist aber
keine genaue Entsprechung der gotischen ist.) wohl ausgeschlossen, daß aus einer solchen Be¬
Herkunft unklar. deutung ein neutrales 'Loch, Tür, Tor’ wird,
wie sie für das Germanische vorauszusetzen ist.
S. Getto.
Deshalb wohl nur zufällige Ähnlichkeit. Hier¬
Gassenhauer m„ sonder spracht. Zusammen¬ her Kattegat 'Katzenarsch’ als Name einer
bildung mit Gasse (s. d.), hauen (s. d.) in der Meerenge.
seit dem 15. Jh. bezeugten Bedeutung 'gehen, S. auch Gatter, Speigatt.
eilen’ und Nomen-Agentis-Suffix -er. Das Wort
gütlich Adj. 'passend’, ndd. Ndd. gadlich; vgl.
taucht im 16. Jh. zuerst nur als 'auf der Straße
ahd. gegat 'passend’ zu der gleichen Grundlage
gesungenes Tanzlied’ auf; die ursprüngliche Be¬
wie Gatte (s. d.).
deutung 'jmd., der (unnütz) in den Gassen her¬
Gatte m. Mhd. gate, älter gegate, as. gigado
umläuft’ (entsprechend Pflastertreter) ist jedoch
ebenfalls noch in demselben Jahrhundert belegt aus wg. *ga-gadön m. 'Genosse’, auch in ae.
gegada, Substantivierung des Adjektivs ahd. ge¬
und wurde dann übertragen auf die von diesen
gat 'passend, zugehörig’. Eine ältere Bildung
Leuten gesungenen Lieder.
gleicher Bedeutung aus dieser Grundlage ist g.
Gast m. Mhd. ahd. gast 'Fremder, Gast¬ *gadilinga- 'Genosse, Verwandter’ in gt. gadi-
freund’, as. gast aus g. *gasti- m. 'Gast’, auch liggs, ae. gadeling, as. gaduling, ahd. gatiling.
in gt. gasts, anord. gestr, ae. giest, afr. jest, Das Grundwort dieser Bildungen ist offenbar
dieses aus voreinzelsprachl. *ghosti- m. 'Fremd¬ untergegangen; vgl. aber wg. *gad-ö 'Zusam¬
ling’, speziell 'Gast’, auch in akslav. gosti menkommen, passen’ in afr. gadia 'vereinigen’,
'Gast’, 1. hostis 'Fremdling’, 1. hospes 'Fremder, mndd. gaden 'passen, gefallen, sich begatten’,
Fremdling, Gastfreund’ (*ghosti-pot-s, vgl. ahd. bigaton, mhd. gaten 'zusammenkommen,
Gatter 247 Gaumen

passen’. Außergermanisch vergleicht sich kraut. Der Name rührt daher, daß es früher
akslav. godü 'Zeit, passende Zeit’, akslav. u. a. als Heilmittel gegen Geisteskrankheiten
godinü 'gefällig’. Weiteres, wie auch die Zugehö¬ galt. Entsprechende regionale Bezeichnungen
rigkeit von gut (s. d.) ist unsicher. sind Geckenheil, Narrenheil, Vernunftkraut,
S. begatten, gütlich, vergattern. Wutkraut.
Gatter n. Mhd. gater m./n., ahd. gataro m., Nndl. guichelheil. — Marzeil (1943/79), I, 253 — 255.
mndd. gaddere. Hierzu stimmt semantisch am Gaudi /., s. Gaudium.
genauesten ae. geat, gat 'Tor, Gatter, Schranke’ Gaudium n. 'Belustigung’, arch. Im 17. Jh.
(s. Gatt). Weitere Herkunft unklar. entlehnt aus gleichbedeutend 1. gaudium, einer
Gattung /. Spmhd. gatunge, mndl. gadinge, Ableitung von 1. gaudere 'fröhlich sein’.
Abstraktum zu gatten 'zusammenfügen’, also Morphologisch zugehörig: Gaudi, Gaudeamus.
'Zusammengefügtes, Zusammengehöriges’. Gaufel/. 'hohle Hand, die zusammengelegten
S. auch Gitter. hohlen Hände voll’, schwz. Mhd. goufe, ahd.
Gau m., arch.', auch Gäu n., obd. Mhd. gou, goufana aus g. *gaupnö f. 'hohle Hand’, auch
göu, geu n., ahd. gewi, gouwi n. (Gen. gouwes), in anord. gaupn. Weiter wohl zu *gaupa-
as. -gä , -gö in Namen aus g. *gaw-ja- n. 'Ge¬ 'krumm’ in ae. geap (o. ä.) als 'die Gekrümmte’.
gend, Landschaft’, auch in gt. gawi, afr. gä. Gauke /., s. Gaube.
Entspricht am ehesten gr. chöra /., chöros m., gaukeln swV. Mhd. goukeln, gougeln, ahd.
die sowohl 'freier Raum’, wie auch 'Gegend, gougalön, mndd. gokelen, mndl. gokelen 'Nar¬
Land’ bedeuten. Der Vokalismus wird deutli¬ renpossen treiben’; dazu mhd. goukel, gougel,
cher durch arm. gawar 'Gebiet, Vaterstadt, ahd. gougal, goucal 'Narretei, Zauberei’, das
Dorf’, das sich mit dem germanischen Wort auf das Grundwort sein könnte. Noch weiter ver¬
*ghou- zurückführen läßt. Zu diesem würde das breitet ist das Nomen agentis Gaukler, mhd.
griechische Wort eine Vollstufe *ghö(uj- zeigen. goukelcere, gougelcere, ahd. gougaläri, goucaläri,
Die für das germanische Wort übliche Etymolo¬ mndd. gokeler, mndl. gokelare, gogelare, guke-
gie als *ga-agwja- 'das am Wasser gelegene’ ist lare, ae. geoglere. Semantisch stimmen diese
weder lautlich noch semantisch wahrscheinlich. Wörter zu 1. ioculäri 'scherzen, schäkern’, iocu-
Dagegen kommt die früher vorgeschlagene lätor 'Spaßmacher’, morphologisch und lautlich
Verknüpfung mit gr. oie f. 'Dorf’ (*aujä) ernst¬ können sie nicht ohne weiteres als Entlehnung
lich in Frage, wenn von einem Kollektivum erklärt werden. Entweder Vermischung mit
*ga-au-ja- ausgegangen wird. ('Gesamtheit der einem heimischen Wort (etwa Gauch, s. d.) oder
Dörfer’). Dafür spräche ahd. inouwa f. 'Woh¬ Entlehnung durch eine vermittelnde Sprache
nung, Wohnsitz’. (aber welche?).
S. Gaumen. — Schrader/Nehring (1917/29), II, 454; S. auch gokeln.
Heinertz (1927), 46 — 50.
Gaul m. 'Pferd’. Spmhd. gül 'schlechtes Pferd’
Gaube /., auch Gaupe /., Gauke /. (reg.) (wie spmhd. gurre 'schlechte Stute’), daneben
'Dacherker’, fachsprachl. Spmhd. güpe; Her¬ auch 'Ungetüm’. Herkunft so unklar wie beim
kunft unklar. Vielleicht zu regionalen Wörtern Femininum Gurre.
für 'hinausschauen, gaffen’ (gauken, hess. gei- Nndl. guil. — F. Sommer IF 31 (1912), 362 — 371.
pen o. ä.). gaumen swV. 'hüten, wahren’, schwz. Mhd.
Gauch m. 'Kuckuck, Narr’, arch. Mhd. gouch, goumen 'eine Mahlzeit halten; Aufsicht, Wache
ahd. gouh, as. gök aus g. *gauka- m. 'Kuckuck’, halten’, ahd. goumen 'erfrischen, achtgeben’, as.
auch in anord. gaukr, ae. geac. Das alte Wort gömian aus g. *gaum-ija- 'beachten, besorgen’,
für den Kuckuck beruht sicher auf dessen Ruf auch in gt. gaumjan, anord. geyma 'beachten,
(guck-guck), hat aber eine auffällige Hochstufe. sorgen für’, ae. gyman, gieman. Ableitung von g.
Vielleicht eine Art Vriddhi-Bildung mit Zugehö¬ *gaumö f. 'Aufmerksamkeit, Obacht’ in anord.
rigkeitsfunktion ('der, der guk schreit’). Später gaum, gaumr, ae. gyme, as. göma, ahd. gouma,
durch das stärker lautmalende Kuckuck ersetzt mhd. goum(e). Dieses ist eine nominale Ablei¬
(seit dem 13. Jh.). Der Kuckuck gilt als töricht tung zu der Verbalwurzel *ghau- in anord. gä
(wohl wegen seines eintönigen Geschreis), des¬ 'beachten’, 1. favere 'gewogen sein’, akslav. go-
halb die Nebenbedeutung 'Narr’ (schon ahd. veti 'verehren’.
gouh). Gaumen m. Mhd. guom(e), goum(e), ahd.
S. auch gaukeln, geck, Kuckuck. goumo neben guomo (mhd. guome)', daneben ae.
Gauchheil n. 'Anagallis arvensis’, fachsprachl. göma, anord. gömr, ahd. giumo. Das Nebenein¬
Seit dem 15. Jh. bezeugte Zusammensetzung ander der verschiedenen Vokalstufen weist dar¬
mit Gauch 'Tölpel, Narr, Schwachsinniger’ auf hin, daß verschiedenartige Fortentwicklun¬
(s. d.) und Heil (s. unter heil) für ein Ackerun¬ gen eines Diphthongs vorliegen, der im Germa-
Gauner 248 gebären

nischen beseitigt wurde, nämlich öu in *göumön Gazette/. 'Zeitung’, arch. Im 17. Jh. entlehnt
m. 'Gaumen’. Außergermanisch steht am näch¬ aus gleichbedeutend frz. gazette, dieses aus it.
sten lit. gomurys 'Kehle, Schlund’; morpholo¬ gazetta (dass.), aus der venezianischen Bezeich¬
gisch und semantisch weiter entfernt sind gr. nung gazeta de la novitä. Ursprünglich handelt
chäos n. 'leerer Raum’, gr. chaünos 'locker, klaf¬ es sich bei venez. gazeta um den Namen einer
fend’, 1 .fauces PL 'Schlund’ und toch. B. koym Münze im Wert von zwei venezianischen Kreu¬
'Mund4, toch. A. ko ‘Mund’, toch. B. kor zern — dem Preis, der im 16. Jh. für ein Nach¬
'Kehle'. Offenbar ursprünglich 'der aufgerissene richtenblatt entrichtet werden mußte (vgl. zur
Rachen’ zu ig. *ghäu- 'gähnen, klaffen’. Bezeichnung d. Groschenheft).
Ne. gums, nschw. gom, nisl. gömur. S. Gau. - W. W. J. Jones SN 51 (1979), 260.
Winter JIES 10(1982), 181-183.
ge- Präfix. Mhd. ge-, ahd. gi-, ga-, as. gl-, afr.
Gauner m. Mit omd. Lautung g- für y- aus i- (meist abgefallen), ae. ge-, gt. ga-, (altnordisch
älterem Joner, das im 15. Jh. noch sind alle unbetonten Präfixe abgefallen). Die
(Falsch)Spieler’ bedeutet, ebenso junen 'falsch Grundform ist also am ehesten g. *ga-. Funk¬
spielen’. Das Wort kommt aus dem Rotwel¬ tionell entspricht 1. com-, gr. syn-, xyn, die sich
schen, wo es aber die Bedeutungsverallgemeine¬ aber wegen des Anlauts weder mit g. *ga- noch
rung nicht mitmacht, sondern immer auf das untereinander vereinigen lassen. Funktionell ist
Kartenspiel bezogen bleibt. Das Wort bedeutet *ga- 1) ein Verbalpräfix mit starken Ansätzen
vermutlich ursprünglich 'Grieche’, so wie frz. zur Verallgemeinerung mit perfektiver Bedeu¬
grec auch für 'Falschspieler’ stehen konnte (zu tung in den frühen germanischen Sprachen —
wjidd. J0WÖ/2 'Griechenland’, zu dem es ein *ye- davon ist im heutigen Deutschen die Verwen¬
wönefr] 'Grieche’ gegeben haben kann). Im dung im Partizip geblieben; 2) ein nominales
einzelnen nicht ausreichend klar. Präfix, besonders bei Kollektiven (Gebirge zu
Wolf (1985), 119f.
Berg) und Abstrakten (Geschrei zu schreien)',
Gaupe /., s. Gaube. auch Soziativbildungen wie Geselle zu Saal. In
gautschen1 swV. 'schaukeln, wiegen’, südwd. einigen Bildungen ist der Vokal ausgefallen (s.
Andernorts auch gauken, gaukeln, so daß wohl glauben, gleich, begleiten u. a.).
ein altes *gükezzen o. ä. vorausliegen wird. Das Gebärde/. Mhd. gebärde, ahd. gibärida, gibä-
Wort ist aber in alter Zeit nicht bezeugt. ridT 'Benehmen, Aussehen, Wesen’, Verbalab¬
gautschen2 swV, faehsprachl. Fachausdruck straktum zu mhd. gebaren, ahd. gibären 'sich
der Papierherstellung: 'die geschöpften Bogen benehmen’ (s. gebaren).
zum Pressen auf ein Brett legen’, danach im S. auch ungebärdig.
Buchdruckergewerbe: 'ausgelernte Lehrlinge gebaren swV., arch. Mhd. gebären, ahd. gibä-
durch Eintauchen oder anderes Naßmachen in ron neben dem yan-Verb mhd. gebaren, ahd.
die Zunft aufnehmen’. Vermutlich Lehnwort gibären gleicher Bedeutung (s. Gebärde). Zum
aus gleichbedeutendem frz. coucher oder ne. yan-Verb auch as. gibärion, ae. gebäran. Deno-
couch, auf das gautschen1 lautlich eingewirkt minales Verb zu wg. *bär-ja- n. 'Betragen’ in
haben mag. ae. gebäre, as. gibäri, mhd. gebäre. Dieses eine
Gavotte/. (= ein Tanz), faehsprachl. Im 18. Ableitung zu g. *ber-a- 'tragen' (s. gebären)', vgl.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gavotte, gleichbedeutendes Betragen.
dieses aus prov. gavoto (dass.), zu prov. gavot B. v. Lindheim BGDSL 62 (1938), 421 -425; H. Götz
Alpenbewohner in der Provence, Lümmel’, aus BGDSL-H 81 (1959), 191-203; W. H. Wolf-Rottkay
Kratylos 9 (1964), 196.
prov. gavach Lümmel, Grobian’. So bezeichnet
als 'Tanz der Alpenbewohner der Provence’, die gebären stV. Mhd. gebern, ahd. giberan aus
diesen Namen als Spitznamen erhalten hatten. g. ga-ber-a- stV. gebären , auch in gt. gabairan,
Gaze /. (= ein leichtes Gewebe), faehsprachl. (anord. berä), ae. geberan, perfektivierende Prä-
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend nndl. figierung zu g. *ber-a- tragen, bringen’ in den
gaas, dieses aus frz. gaze (dass.), aus span, gasa gleichen Sprachen. Dieses aus ig. *bher- 'tragen,
(dass.), aus arab. qazz Rohseide’, aus pers. käz bringen’ in ai. bhärati, bibharti, toch. A. B. pär-,
(dass.). gr. pherö, air. ber-, 1. ferre, mit abweichender
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 72; Littmann (1924), Bedeutung lit. berti 'streuen, ausschütten’ und
94; Lokotsch (1975), 55, 91f.; Brunt (1983), 318. akslav. bfrati 'sammeln, lesen, wählen’. Die Ver¬
ben sind vielfach suppletiv. Die Spezialisierung
Gazelle/. (= eine Art Antilope), faehsprachl.
auf gebären’, die beim germanischen Verb auch
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
im Simplex auftritt, findet sich auch teilweise
gaze Ile, dieses aus span, gacela (dass.), aus arab.
gazala (dass.).
im Lateinischen und deutlicher im Altirischen
(dort allerdings häufiger bei dem suppletiv er¬
Lokotsch (1975), 55.
gänzenden ro-ucc-, da ber- selbst keine ro-For-
Gebäude 249 Geburtstag

men bilden kann — die ro-Formen entsprechen Blut’, im Sinne von 'von gleicher Abstammung’,
funktionell den germanischen ga-Formen); spo¬ aber auch übertragen gebraucht.
radisch (bei Ableitungen usw.) auch in anderen
Gebot n., s. bieten und ge-.
Sprachen. Gebären ist also 'austragen, zu Ende
tragen’. gebrechen st V. (es gebricht an, älter auch mit
Nndl. baren, ne. bear, nschw. bära. nisl. bera. S. Ade¬
Genitiv, 'es fehlt’), arch. In dieser Bedeutung
bar, Amphore ( + ), Ausgeburt, Bahre, -bar, Bärme, seit mittelhochdeutscher Zeit. Ausgangsbedeu¬
Barn, bringen, Bürde, Differenz (+), Eimer, entbehren, tung ist offenbar 'es bricht ab von, es geht ab
gebaren, Gebärde, gebühren, Geburt, Radeberge, unge¬ von, es fehlt’.
bärdig, Ungeziefer, urbar, Zuber. — Lloyd/Springer S. brechen ( + ), Gebrechen.
(1988ff.), I, 546-548.
Gebrechen n. 'Krankheit’, arch. Substanti¬
Gebäude n. Mhd. gebüwede, ahd. gibü(w)ida, vierter Infinitiv zu gebrechen (s. d.), der älteres
gibüidT’Bau’, Ableitung zu bauen (s. d.); eigent¬ mhd. gebreche m. 'Mangel, Beschwerde, Krank¬
lich 'das Gebaute’. heit’ verdrängt. Im Laufe der frühneuhochdeut¬
geben stV. Mhd. geben, ahd. as. geban, aus g. schen Zeit setzt sich die zunächst übertragene
*geb-a- stV. 'geben’, auch in gt. giban, anord. Bedeutung 'Krankheit’ als einzige durch.
gefa, ae. giefan, afr. jeva. Dieses Verb ist außer¬ Gebresten n./PI. 'Krankheit(en)’, arch.,
halb des Germanischen nicht unmittelbar zu schwz. Entsprechend zu Gebrechen abgeleitet
vergleichen. Am nächsten steht ein in den euro¬ von mhd. gebresten n., das mit Metathese des
päischen indogermanischen Sprachen bezeugtes r zu bersten gehört. Schon ahd. bresta f. 'Man¬
*ghabh- 'nehmen, bringen, halten’. Es stimmt gel’, ahd. gibrestan stV. 'ermangeln’.
dazu aber weder der Vokalismus noch die Be¬ S. brechen ( + ), bresthaft.
deutung (allerdings treten 'nehmen’ und 'geben’
Gebück n. 'geflochtene Hecke’, arch. Mhd.
häufiger bei der gleichen Verbalwurzel auf). Vgl.
gebucke 'ein zur Bezeichnung der Waldgrenzen
1. habere 'haben’, air. gaibid 'nimmt, ergreift’,
ineinander gebogenes oder geflochtenes Ge¬
lit. gabenti 'befördern, herbeischaffen, fort¬
büsch’, zu bücken (s. d.), das eine Intensivform
schaffen’, poln. gabac 'angreifen, ergreifen’.
zu biegen 'knicken’ (s. d.) ist.
Nndl. geven, ne. give (entlehnt), nschw. giva, nisl. gefa.
S. Gabe, gäbe, Gift, habilitieren ( +). — G. Stojcevski gebühren swV, arch. Mhd. gebürn, ahd. gibu-
Orbis 23 (1974), 433-437. rien, as. giburian aus g. *ga-bur-ija- 'gebühren’,
Gebet n. Mhd. gebet, ahd. gibet, as. gibed aus
auch in ae. gebyrian, (anord. byrja), gt. in ga-
baurjaba 'gern’. Die bezeugten Bedeutungen
wg. *ga-beda- n. 'Gebet’, auch in ae. gebed. Das
Wort ist eine Ableitung zu bitten (s. d.) und sind 'beginnen’ — 'sich ereignen, zutragen’ —
muß ursprünglich eine entsprechende Bedeu¬ 'gebühren, sich gehören’. Das Verbum gehört
tung gehabt haben ('Bitte o. ä.’). Dann Ge¬ sicher zu *ber-a- 'tragen, bringen’ (s. gebären),
brauch für 'Gebet’ im Rahmen des Christen¬ doch ist der morphologische Zusammenhang
tums. Das Verb beten (s. d.) ist jünger. Die unklar. Evtl, handelt es sich um ein altes
Wendung ins Gebet nehmen 'scharf zurechtwei¬ /«-Präsens von der Schwundstufe.
sen’ kann dem Sinn nach kaum das gleiche Nndl. gebeuren. S. gebären ( + ).
Wort sein. Ansprechend ist die Vermutung, daß gebumfiedelt Adj. (PPrät.) in sich gebumfie-
es sich um ndd. gebet(t) 'Gebiß’ handelt, d. h. delt fühlen 'sich geehrt fühlen’, ugs. Eigentlich
der eiserne Querriegel im Maul des Pferdes, mit 'sich durch ein Ständchen geehrt fühlen’ zu
dem dieses gezügelt wird. Fiedel (s. d.) und wohl einer lautmalenden Ver¬
Gebiet n. Mhd. gebiet(e) n./f. Ableitung von stärkung, vgl. etwa fiedelfumfei als Nachah¬
gebieten (s. bieten), ursprünglich mit der Bedeu¬ mung der Fiedel.
tung 'Befehlsgewalt’; dann übertragen zu 'Be¬ Geburt/. Mhd. gebürt, ahd. giburt, as. giburd
fehlsbereich, Gebiet, in dem der Befehl gilt’; aus g. *ga-burdi- f. 'Geburt’, auch in gt. ga-
dann verallgemeinert zu 'Bereich’. baurßs (grammatischer Wechsel zurückgenom¬
S. bieten ( + ), unbotmäßig. men), anord. byrö, ae. gebyrd, afr. berde. Ein
Gebirge n. Mhd. gebirge, ahd. gibirgi. Kollek¬ ti-Abstraktum zu gebären (s. d.); außergerma¬
tivbildung zu Berg (s. d.), also eigentlich 'Ge¬ nisch entspricht air. breth, brith 'Geburt’.
samtheit der Berge’. Nndl. geboorte, ne. birth (entlehnt), nschw. börd. S.
gebären ( + ).
Geblüt n., arch. Seit frühneuhochdeutscher
Zeit bezeugt. Das Wort ist eigentlich eine Kol¬ Geburtstag m. Mhd. geburttac, ahd. giburti-
lektivbildung zu Blut (s. d.), also 'Gesamtheit tag(o) 'Tag der Geburt’. Lehnbildung mit Ge¬
des Blutes’. Die heutige Verwendung in von burt (s. d.) und Tag (s. d.) zu gleichbedeutendem
fürstlichem Geblüt u. ä. ist aber abhängig von 1. dies nätälis. ln Anlehnung an Tag als 'Jahres-,
der Soziativbildung fnhd. geblut 'von gleichem Gedenktag’ seit dem 16. Jh. in der heutigen
Geck 250 Gefängnis

Bedeutung Tag, an dem die Geburt sich jährt as. tholon, thol(o)ian, ahd. t(h)olen, doten. Die
und gefeiert wird’. Ableitung muß alt sein, da sie das verbale Suffix
Geck m. Ursprünglich niederdeutsches Wort nicht übernimmt. Das Verb geht zurück auf ig.
(mndd. geck, mndl. gec), im 14. Jh. für 'Hof¬ *teh/tlä 'tragen’ im Sinne von 'ertragen’, vgl. 1.
narr’, heute im Rheinland Jeck 'Narr’ (beson¬ tollere 'aufheben, tragen’, 1. toleräre 'ertragen’,
ders im Karneval). Das Adjektiv jeck 'närrisch, gr. tlenai 'ertragen’.
verrückt’ ist aus dem Substantiv in prädikati¬ gedunsen Adj. (PPrät.). Altes Partizip zu
vem Gebrauch entstanden. Oberdeutsch ent¬ mhd. dinsen, ahd. thinsan, dinsen 'ziehen, zerren,
spricht mundartliches gagg, bairisch auch schleppen’ aus g. *pens-a- stV. 'ziehen’, auch in
gacks. Offenbar ein lautmalendes Wort; vgl. gt. at-pinsan 'heranziehen’. Dieses geht zurück
auch Gauch.
auf eine Erweiterung *ten-s- der Wurzel *ten-
Geckenheil n., s. Gauchheil. ziehen, spannen’. Zu *ten- s. unter dehnen, zu
Gedanke m. Mhd. gecianc, ahd. gidanc, as. *tens- vgl. lit. t§sti 'durch Ziehen dehnen, span¬
githanko aus wg. *ga-panka-/ön m. 'Gedanke’, nen’, ai. tarhsayati 'zieht hin und her, schafft
auch in ae. geponc m./n.; offenbar altes Verbal¬ herbei’. Die Bedeutung des neuhochdeutschen
abstraktum zu denken (s. d.), da es dessen Wortes hängt ab von der reflexiven Verbalbe¬
y-Suffix nicht übernimmt. Die schwachen Fle¬ deutung 'sich ausdehnen’.
xionsformen sind offenbar vom Norden her S. auch Gedöns.
eingedrungen. Geest /. 'hochliegendes Heideland über der
gedeihen stV. Mhd. gedlhen, ahd. gidthan, as. Marsch’, reg. Ursprünglich niederdeutsches
(gi-)thihan. Im Altenglischen geht das Verbum Wort (mndd. gest,> gast, mndl. geesf, vgl. fr.
nach der III. Klasse: peon, päh, pungon, pungen. gäst). Substantivierung des Adjektivs ndd. gest,
Dies weist darauf hin, daß von *penh- auszuge¬ afr. gäst 'unfruchtbar, trocken’, vgl. ae. gäsne,
hen ist, das nach dem Nasalschwund im Präsens ahd. geisini 'Unfruchtbarkeit, Armut’, nisl. gi-
wie ein starkes Verb der I. Klasse aussah und sinn 'trocken, rissig’. Weitere Herkunft unklar.
deshalb in diese übertrat. Ebenfalls auf *penh-
Gefahr/. Mhd. geväre 'Hinterlist, Betrug’ zu
weisen ae. pyhtig 'gediegen’ und vielleicht as.
älterem mhd. väre, ahd. fära, as. fär 'Nachstel¬
athengian 'ausführen’. Das Gotische hat eben¬
lung’ aus g. *färö f. 'Nachstellung, Gefahr’,
falls schon die sekundäre Form (gt. peihan,
auch in anord. fär n. 'Feindschaft, Betrug’, ae.
paih). G. *penh-a- stV. 'gedeihen’ hat keine si¬
fär m. Dehnstufige Nominalbildung zu einer
chere Vergleichsmöglichkeit. Vermutlich ist von
ig. *tenk- 'gerinnen’ auszugehen; dieses in ai. Wurzel *per- 'versuchen, riskieren’ in 1. pericu-
lanäkti zieht zusammen, gerinnt’, air. con-teici lum n. 'Gefahr’, 1. experimentum n. 'Versuch,
es gerinnt’ und aus dem Germanischen noch Prüfung’, gr. peira 'Erfahrung, Versuch’. Ver¬
nisl. pel 'geronnene Milch’. Den Übergang zu mutlich eine Bedeutungsspezialisierung der
'gedeihen’ bilden Bedeutungen wie 'fest werden, Wurzel *per- 'durchdringen, hinübersetzen’ (s.
stark werden’. fahren).
Nndl. gedijen. S. dicht, gediegen. - Trier (1951), S. Experiment, Furcht, unverfroren, willfahren. — An¬
16-23; E. Benveniste Word 19(1954), 253f.; Ch. Do¬ ders: A. Kutzelnigg Orbis 19(1970), 492-499.
nath BGDSL-H 84 (1962), 445, 453.
Gefährte m. Mhd. geverte, ahd. gifarto,
gediegen Adj. (PPrät.). Mhd. gedigen, ahd. mndd. geverde ist eine Soziativbildung zu Fahrt,
gidigan. Die alte Partizip-Form von gedeihen also jmd., der mit auf der (gleichen) Fahrt ist’.
(s. d.). Die Bedeutungsentwicklung ist im ein¬ S. fahren ( + ).
zelnen unklar.
gefallen stV. Mhd. gevallen, ahd. gifallan 'zu¬
E. Ochs BGDSL 44 (1920), 318f.
fallen, zuteil werden’; Präfigierung von fallen
Gedöns n. 'Aufhebens’, nordd. Mhd. gedense (s. d.). Die Bedeutung 'zu-fallen’ ist nahelie¬
Hin- und Herziehen zu mhd. dinsen 'ziehen’ gend, ist aber vielleicht unterstützt worden von
(s. unter gedunsen).
Ausdrücken beim Würfelspiel. Noch mittel¬
gedrungen Adj. (PPrät.) 'kurz und breit’. Be¬ hochdeutsch stehen bei gevallen qualifizierende
zeugt seit dem 16. Jh. Eigentlich Partizip zu Adverbien wie wol, baz usw.
dringen (s. d.), der Bedeutung nach aber eher
Gefängnis n., älter auch f. Mhd. (ge)vanc-
zu drängen (s. d.) gehörig ('zusammengedrückt,
nisse, (ge)venenisse, mndd. gevenknisse, mndl.
gestopft’).
gevanenesse; Verbalabstraktum zu (ge)fangen
Geduld /. Mhd. gedult, gedulde, ahd. gidult, (s- fangen). Die Bedeutung ist ursprünglich 'Ge¬
as. githuld aus wg. *ga-puldi- f. 'Geduld’, auch fangenschaft, Gefangennahme’; erst im 15. Jh.
in ae. gepyld; //-Abstraktum zu g. *pul-ä- sw V.
beginnt sich die Bedeutungsverschiebung zu
'dulden' in gt. pulan, anord. pola, ae. polian, Kerker’ durchzusetzen.
Gefäß 251 Gegner

Gefäß n. Mhd. geväze, ahd. gifäzi, eigentlich ae. geagn- neben *gegni-, auch in anord.--ae.
'Ausrüstung, Schmuck’, dann zu der heutigen gegn, afr.jen. Vgl. anord. gaghals 'mit zurückge¬
Bedeutung spezialisiert unter dem Einfluß von bogenem Kopf’ und ähnliche Bildungen. Aber
Faß, als dessen Kollektivum das Wort aufgefaßt klare außergermanische Vergleichsmöglichkei¬
wurde (es ist aber höchstens eine weitläufige ten fehlen.
Verwandtschaft anzunehmen). Zu dem deut¬ S. auch gen.
schen Wort stimmen gt. fetjan 'schmücken’, gt.
Gegend/. Mhd. gegende, gegenöte, ahd. gaga-
gafeteins 'Schmuck’, anord.fat 'Gefäß', anord.
nöti. Offenbar eine Fehnübersetzung von ml.
fata 'schön tun’, ae.fcet n. 'Faß, Gefäß, bearbei¬
contrata, contrada 'das Gegenüberliegende’ in
tetes Metall, Goldschmuck'. Die im einzelnen
it. contrada, frz. contree (ne. country, mhd. con-
unklaren Bedeutungsverhältnisse erschweren
träte). Eine Ableitung von gegen statt der roma¬
eine etymologische Beurteilung. Evtl, zu Faß
nischen Ableitung von contra.
(s. d.) und fassen.
Gegengift n. Fehnbildung des 17. Jhs. mit
gefaßt Adj. (PPrät.) 'beherrscht’. Ursprüng¬
gegen (s. d.) und Gift (s. d.) zu gleichbedeutend
lich als Partizip zu fassen (s. d.), refl. sich fassen,
frz. contrepoison m., das seinerseits eine Fehn¬
eigentlich 'sich mit Vorräten usw. ausrüsten’,
bildung zu 1. antidotum n. gleicher Bedeutung
'Vorräte fassen’ gebraucht. Daher gefaßt =
ist. Dieses aus gr. antidotos Adj. 'dagegen gege¬
'vorbereitet’; im 17. Jh. auf die seelische Verfas¬
ben’, später gr. antidotos f. 'Gegengift’ (zu gr.
sung übertragen.
anti 'gegen’, s. anti- und gr. didömi 'ich gebe’).
gefeit Adj. (PPrät.), arch. Seit dem 19. Jh. Auf deutschem Vorbild beruhen nndl. tegen-
im Rückgriff auf älteres Fei (für Fee, s. d.) gebil¬ gif(t), ndn. modgift, nschw. motgift, nisl. mot-
det als 'durch Zauberkraft stark oder unver¬ eitur.
wundbar machen". Das ältere Wort ist mhd. A. Götze ZDW 11 (1909), 260-266; W. Betz BGDSL
feinen zu mhd. fei(e), feine 'Fee’. 67 (1944), 302.
Gefieder n. Mhd. gevider(e), ahd. gifederi, Gegensatz m. Seit dem 15. Jh. belegte Zusam¬
Kollektiv zu Feder (s. d.), also 'Gesamtheit der mensetzung mit gegen (s. d.) und Satz (s. d.).
Federn’. Zuerst nur in der Rechtssprache als 'Entgeg¬
Gefilde n., arch. Mhd. gevilde, ahd. gefildi, nung im Rechtsstreit’ bezeugt, wohl Fehnbil¬
Kollektiv zu Feld (s. d.), also 'Gesamtheit der dung zu gleichbedeutend 1. oppositio f. (zu 1.
Felder’. oppönere 'entgegenstellen’).

gefinkelt Adj. 'schlau’, österr. Zu Fink Gegenstand m. Seit frühneuhochdeutscher


'schlauer Mensch’. Zeit belegte Fehnbildung zu Objekt (1. oculö
obiectum n. 'dem Auge gegenüberliegend, ge¬
geflissentlich Adv./Adj. In dieser Form be¬
genüberstehend’). Wird durch die Fachsprache
zeugt seit dem 18. Jh.; ohne eingeschobenes -t-
der Philosophen durchgesetzt.
seit dem 16. Jh. Das zugrundeliegende Adjektiv
Pfaff (1933), 30f.
geflissen ist Partizip Präteritum zu mhd. vlizen
'sich befleißigen’ (s. Fleiß)', die Ausgangsbedeu¬ Gegenstück n. Mit gegen (s. d.) und Stück
tung ist also etwa 'absichtlich’. (s. d.) gebildetes Ersatzwort des 18. Jhs. für
gleichbedeutend Pendant n., das im 18. Jh. aus
Geflügel n. Spmhd. gevlügel(e), älter gevü-
gleichbedeutend frz. pendant, dem Partizip Prä¬
gel(e). ahd. (gi-)fugili(n), ein Kollektiv zu Vo¬
sens von frz. pendre 'hängen’, entlehnt wurde.
gel (s. d.), also 'Gesamtheit der Vögel’. Das
Wort ist sekundär an Flügel angeglichen wor¬ Pfaff (1933), 31 f.
den; daher die neuhochdeutsche Form. gegenüber Präp./Adv. Frühneuhochdeutsche

Gefreiter m. Partizip Präteritum von freien,


Zusammenrückung aus gegen (s. d.) und über
mhd. vrien 'frei machen, befreien’ (zu frei, s. d.). (s. d.).
Soldatensprachliche Fehnbildung des 16. Jhs. Gegenwart /. Rückgebildet aus mhd. gegen-
zu 1. exemptus, dem Partizip Perfekt Passiv von wertec, gegenwürtec 'gegenwärtig’, dieses erwei¬
1. eximere 'herausnehmen’. Die alte Bedeutung tert aus ahd. gaganwertig 'gegenwärtig, anwe¬
ist — dem lateinischen Vorbild entsprechend — send’. Eigentlich 'gegenüber seiend’. Zum zwei¬
'der (vom Schildwachdienst und anderen Tätig¬ ten Bestandteil s. -wärts.
keiten) Befreite’. Daneben tritt das Wort im 16. Gegner m. Ursprünglich norddeutsch, breitet
Jh. auch in der Sprache der Bibel als 'Freigelas¬ sich aber seit dem 17. Jh. auf das ganze Sprach¬
sener’ auf. gebiet aus. VinAA. jegenere ist Fehnübersetzung
R. M. Meyer ZDW 12 (1910), 148f. von 1. adversärius (gegen steht für 1. adversus
gegen Präp. Mhd. gegen, ahd. gegin, gagan, 'gegenüber’).
as. gegin aus g. *gagna-, auch in anord. gagn. C. Walther ZDW 7 (1905), 35-38.
gehaben 252 Geige

gehaben swV. (auch rej7.), arch. Hochsprach¬ gehl Adj., s. gelb.


lich nur noch in Gehab dich wohl. Aus mhd.
gehorchen swV. In der heutigen Bedeutung
sich gehaben, ahd. sih gihaben 'halten, sich be¬
seit dem 13./14. Jh. 'auf jmd. hören (und dann
finden'. Der Bedeutungsübergang wie bei ne.
seinem Rat, Befehl usw. folgen)’ wird zu einem
behave 'sich benehmen’.
Wort für 'gehorsam sein’; zunächst auf die Ge¬
Gehalt n./m. Mhd. gehalt, Verbalabstraktum genden beschränkt, in denen auch horchen üb¬
zu gehalten 'festhalten’ (s. unter halten). Das lich ist (s. d.). Die ältere Bildung mit dieser
Wort zeigt verschiedene Bedeutungen, von de¬ Bedeutung (gehorsam) geht von hören aus und
nen sich zunächst 'Edelmetallgehalt von Mün¬ ist eine Lehnbildung zu 1. oboedire 'gehorchen’,
zen’, dann allgemein 'Anteil’ (an erwünschten l. oboediens 'gehorsam’, 1. oboedientia 'Ge¬
Stoffen) durchsetzt. Die Bedeutung 'Besoldung’ horsam’.
ist spät (18. Jh.) und geht aus von 'die Summe, W. Betz in: W. Meid/K. Heller (Hrsg.): Sprachkontakt
für die man jmd. in Diensten hält’. Sekundär als Ursache von Veränderungen der Sprach- und Bewußt¬
sind Genus und Pluralformen getrennt worden seinsstruktur (Innsbruck 1981), 19 — 22.
in das Neutrum 'Besoldung’ (PI. Gehälter) und gehören swV. Es ist weit verbreitet als Inten-
das Maskulinum 'Anteil, Inhalt’ (PL Gehalte). siv-Form zu hören (s. d.). Die heutige Bedeu¬
geharnischt Ad). (PPrät.). Zu Harnisch (s. d.) tung entwickelt sich aus 'auf jmd. hören’ =
als 'in Kampfbereitschaft gebracht’, übertragen zu ihm gehören’, geht also ursprünglich von
für 'heftig, nachdrücklich’. Personen aus und ist dann auf Sachen verallge¬
Gehäuse n. Spmhd. gehiuse, Kollektiv zu meinert worden. Zu gehorsam usw., s. gehor¬
Haus (s. d.), aber eher als Modifikation ge¬ chen.
braucht: 'etwas in Art eines Hauses’. Gehre/., auch Gehren m. 'Kleiderschoß, keil¬
gehaut Adj. (PPrät.) 'durchtrieben’, ugs., förmiges Stück’, reg. Mhd. ger(e) m., ahd. gero
österr. Wohl ausgehend vom Hauen der Feile m. aus g. *gaizön m. 'Spitziges, Keilförmiges’,
(= 'schärfen’). auch in ae. gär m. 'Zeugstück’, anord. geirer m.
Gehege n. Mhd. gehege, am ehesten ein Kol¬ 'dreieckiges Zeugstück’, eine Ableitung von g.
lektiv zu Hag (s. d.), also 'Gesamtheit der *gaiza- 'Ger, (Spitze)’ (s. unter Ger). Heute
Zäune oder Hecken, Umzäunung’. sind vor allem die Ableitungen gehren 'schräg
Tiefenbach (1973), 60 — 62. zuschneiden’ und Gehrung 'schräger Zuschnitt’
als technische Ausdrücke der Holzbearbeitung
geheim Adj. Spmhd. geheim, eigentlich eine üblich.
Soziativbildung 'der im gleichen Hause ist’ und
damit ein Wort für 'vertraulich’; daraus verall¬ Gehrock m. Seit dem beginnenden 19. Jh.
gemeinert zur heutigen Bedeutung. bezeugt. Wohl gekürzt aus * Ausgehrock, einer
S. Heim ( + ). Zusammensetzung von ausgehen 'aus dem
Hause gehen (s. aus und gehen) und Rock
gehen stV. Mhd. ahd. gän, gen, as. gän aus g. (s. d.).
*gä- stV. 'gehen’, auch in krimgt. geen, aschw.
gä, ae. gän, afr. gän; überall suppletiv ergänzt Geier m. Mhd. ahd. glr, mndd. gire aus vor-d.
durch *gang-a- (s. unter Gang). Die am weite¬ *gTra-/ön m. Geier’, einer Substantivierung
sten verbreitete Form *gä- ist im Althochdeut¬ zu einem allerdings erst später und mit anderer
schen athematisch; sie vergleicht sich außerger¬ Stammbildung belegten Adjektiv *gfra- gierig’
manisch mit gr. kichänö (aus *ghd-nw-) 'ich in mhd. gir, mndd. gir, ger. Die Gier der Geier
erreiche, erlange, treffe an’, ai. jihite 'springt gilt auch heute noch als auffälligster Zug dieser
auf, begibt sich zu’. Die Herkunft von d. ge-, Vögel (vgl. wie die Geier u. ä.). Zur Grundlage
das auf g. *gai- zurückgehen sollte, ist umstrit¬ des Adjektivs s. unter Gier.
ten. Es handelt sich aber sicher um eine sekun¬ Nndl. Gier.
däre Abwandlung. Geifer m., arch. Seit dem 14. Jh. belegt; späte
Nndl. gaan, ne. go, nschw. gä. - W. Manczak KN Bildung zu dial. geifen 'gähnen, klaffen, verlan¬
34(1987), 3-10. gend blicken . Offenbar ist der Geifer zunächst
geheuer Adj. Mhd. gehiure, eigentlich eine als Zeichen des Verlangens, Gelüstens aufgefaßt
Präfigierung, die aber wohl erst aus dem Gegen¬ worden (vgl. mir läuft das Wasser im Mund
satz ahd. ungihiuri neben ahd. unhiuri herausge¬ zusammen), dann erst Verschiebung zu der spä¬
löst ist. Zugrunde liegt g. *hiurja- (älter offen¬ teren Bedeutung, die mehr auf das 'Schäumen
bar *heiw-ra-) 'lieb’ in anord. hyrr, ae. hiere, vor Wut’ abzielt. Älter auch vom ausfließenden
as. ahd. unhiuri 'unheimlich’. Außergermanisch Speichel bei Kindern, Hunden usw.
vergleicht sich ai. seva- 'lieb, wert, vertraut’. S. giepern.
Die weitere Etymologie s. unter Heirat.
Geige/. Mhd. gTge. Ursprünglich offenbar in
S. Ungeheuer.
gleichem Sinn gebraucht wie Fiedel (s. d.), dann
geil 253 Geize

zur Differenzierung eines neuen Instrumentes det, von g. *gaiza- 'Ger’ abgeleitet (s. Ger).
(das kleiner war und einige andere Baumerk¬ Die Verschiedenheit zjs ist dabei offenbar durch
male aufwies) verwendet. Das Wort war am einen Betonungsunterschied bewirkt.
ehesten ursprünglich eine Scherzbezeichnung Nndl. gesel, nisl. geisli.
und bezog sich (wie lautmalendes mhd. glgen,
Geißfuß m„ fachsprachl. Seit dem 16. Jh. be¬
gieksen u. ä.) auf schrille Töne, die mit der
legte Zusammensetzung mit Geiß (s. d.) und
Geige hervorgebracht werden können. Diese
Fuß (s. d.) in der Bedeutung 'vorne gespaltenes
Herkunft ist aber schon in den frühesten litera¬ Gerät (insbesondere: Brechstange)’. Benannt
rischen Belegen nicht mehr zu erkennen.
nach der einem Ziegenfuß ähnlichen Form.
R. Meringer IF 16(1904), 133-137; Relleke (1980), Ebenfalls seit jener Zeit ist das Wort auch für
185f.
die Pflanze Giersch (s. d.) bezeugt, benannt
geil Adj., fachsprachl., jugendsprachl. Mhd. nach deren ziegenfußartigen Blättern. Vgl. Kuh¬
ahd. geil, as. gel aus g. *gaila- Adj. 'lustig, fuß 'Stemmeisen, Nagelzieher’.
lüstern', auch in ae. gäl, erweitert in anord. Marzeil (1943/79) I, 124-132.
geiligr schön' und in gt. gailjan 'erfreuen’.
Geist m. Mhd. ahd. geist, as. gest aus wg.
Außergermanisch vergleichen sich lett. gails *gaista- m. 'überirdisches Wesen, Gemütsver¬
'wollüstig (u. a.)’, lit. gailüs 'beißend, scharf’ fassung’, auch in ae. gäst, afr. jest. Aus ig.
und vielleicht akslav. (d)zelo, (d)zelü 'sehr’. *gheis-d- 'außer sich sein’, auch in ai. hid- 'zür¬
Die Bedeutungen in allen beteiligten Sprachen nen’; unerweitert in avest. zaesa- 'schauderhaft’,
fallen ziemlich weit auseinander und sind kaum gt. usgeisnan 'erschrecken’, gt. usgaisjan 'er¬
auf eine einheitliche Grundform zurückzufüh¬ schrecken (trans.f, anord. geiskafullr 'völlig
ren. Die Zusammenhänge im einzelnen sind klä¬ erschrocken’. Da zu der weitläufigen Verwandt¬
rungsbedürftig. Vermutlich liegt eine /-Ablei¬ schaft von *ghd!ghdi- 'gähnen’ auch die Bedeu¬
tung zu der unter Geiz und Geier behandelten tung 'den Mund aufsperren’ gehört, ist wohl
Wurzel *ghei- 'verlangen, begehren’ vor. von einem *ghdies- 'Mundaufsperrung’ auszu¬
S. auch Galanterie. gehen; das -d- ist wohl Schwundstufe von *dö-
Geisel m.jf. Mhd. gisel m.jn., ahd. gisal m., ’geben’, also 'Mundaufsperrung herbeiführen;
as. gisal m. aus g. *geisla- m. 'Geisel’, auch in machen, daß man den Mund aufsperrt’.
anord. gisl m., ae. gisel, gysel m. Außergerma¬ E. Lutze: Die germanischen Übersetzungen von 'Spiritus’
und ’pneuma’ (Diss. Bonn 1960); U. R. Mahlendorf
nisch vergleicht sich kelt. *gheistlo- in air. giall
JEGPh 59 (1960), 480—490; W. Betz in: FS Hamme-
m., kymr. gwystl 'Geisel’. Der Ablaut zu wohl
rich (1962), 7f.; G. Becker: 'Geist’ und'Seele’ im Sächsi¬
zugehörigem ir. giall, geill 'Einsatz, Pfand’ ist schen und im Althochdeutschen (Heidelberg 1964);
auffällig (*ghistlo-). Vielleicht ist Geisel eine B. G. Weidmann Orbis 32 (1983 [1987]), 223-240. An¬
Zugehörigkeitsbildung zu dem Wort für ders: V. Machek Sprache 4(1958), 74f.
'Pfand’. Da auf der Seite des Germanischen Geisterfahrer m. 'Fahrer, der auf der Auto¬
keine weiter vergleichbaren Wörter vorliegen, bahn in der falschen Richtung fahrt’. Um 1975
ist der Verdacht begründet, daß das germani¬ aufgekommen, wohl in Analogie zu Geister¬
sche Wort aus dem Keltischen entlehnt ist. schiff 'unbemanntes (und damit unnormales)
Geiser m., Geisir m., s. Geysir. Schiff’ (Sagenmotiv).
Geiß /., südd., westmd. Mhd. ahd. geiz, as. Geisterschiff n., s. Geisterfahrer.
get aus g. *gaiti- (älter *gait-) f. 'Ziege’, auch Geiz m. Mhd. glt (eigentlich gitese)\ Rückbil¬
in gt. gaits, anord. geit, ae. gät. Außergerma¬ dung aus mhd. gitesen, gitsen, wie ae. gitsian
nisch ist genau vergleichbar 1. haedus m. 'Zie¬ 'begehren, verlangen’. Das Verb ist eine Ablei¬
genbock’, was auf *ghaid- 'Ziege’ zurückführt. tung zu ahd. mhd. git 'Habsucht, Gier’. Außer¬
Dabei könnte anord. geitungr 'Vogel’ darauf germanisch vergleicht sich lit. geisti 'begehren,
hinweisen, daß *ghaid- ursprünglich 'Spitze, verlangen’. Wohl zu der auch in Gier und Geier
Horn, Stachel’ bedeutete (vgl. Hornisse). Im auftretenden Wurzel *ghei- 'begehren’ (s. Gier).
Germanischen ist das allgemeine Wort wie auch Im 18. Jh. setzt sich die Nebenbedeutung
bei Kuh und anderen auf die Bezeichnung des 'Knauserei’ gegenüber dem alten 'Habgier’
weiblichen Tiers eingeschränkt worden. durch. Die Geize (Nebentriebe) an Pflanzen
Nndl. geit, ne. goat, nschw. get, nisl. geit. S. Kitz. — A. werden so bezeichnet , weil sie die Kraft der
Janzen: Bock und Ziege (Göteborg 1938), insbesondere Pflanze (gierig) an sich saugen.
32-40; K. Rein DWEB 1 (1958), 192-255. S. auch geil.
Geißel/. Mhd. geisel, ahd. geisila, mndl. ge- Geize/. 'Pflugsterz’, südwd. Mhd. geize, ahd.
sele aus vor-d. *geislön f. 'Peitsche’; vergleich¬ geiza aus vor-d. *gait-jön, einer Ableitung zu
bar mit anord. geisli m. 'Stab, Strahl’ zu anord. *gaiti- 'Geiß’ (die Griffe werden verglichen mit
geisl m. 'Stab’. Das Wort ist wohl mit einem den Hörnern einer Geiß).
/-Suffix, das häufig Gerätebezeichnungen bil¬ Reuter (1906), 31—33.
Geizhals 254 Gelee

Geizhals in. Zusammensetzung mit Geiz zen 'gottergeben’ bedeutete und über 'ruhig (im
(s. d.) und Hals (s. d.). Es ist seit dem 16. Jh. Gemüt)’ im Pietismus des 18. Jhs. zur heutigen
bezeugt, zuerst nur (mit Geiz in der alten Bedeu¬ Bedeutung gelangte.
tung 'Gier') in der ursprünglichen Bedeutung L. Völker in: FS Mohr (1972), 281 -312.
gieriger Rachen’ und als Possessivkompositum
Gelatine/. (= eine geschmacksneutrale, dick¬
'einer mit gierigem Rachen’ sowie übertragen
flüssige Substanz). Neubildung des 16. Jhs. zu
als 'Geldgieriger’, seit dem 18. Jh. dann in An¬
1. geläre (gelätum) 'gefrieren, verdichten, erstar¬
lehnung an Geiz 'übertriebene Sparsamkeit’ im
ren’, zu 1. gelü n. 'Eis, Frost’. Von Gelatine
heutigen Sinne. Mit gleicher Bedeutung tritt seit
abgeleitet ist Gel.
dem beginnenden 19. Jh. auch Geizkragen auf
Morphologisch zugehörig: gelatinieren, gelatinös; ety¬
(mit Kragen, [s. d.] in der alten Bedeutung
mologisch verwandt: Gallert, Gelee, [Glace], Gletscher,
'Hals’). zum Etymon s. kalt.
Geizkragen m., s. Geizhals. geläufig Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh. Verstär¬
Gekröse n. Mhd. gekrcese 'das kleine Ge¬ kung zu läufig (s. d.) in der alten Bedeutung
därm’, fachsprachl. ahd. kroes 'Krapfengebäck’. 'gängig, üblich’ (auch in der Bedeutung 'beweg¬
Außerdeutsch mndl. croos 'Eingeweide’, also lich’).
vor-d. *kraus-ja-, das 'Gekräuseltes’ bedeutet gelb Adj. Mhd. gel, ahd. gel(o), as. gelo, geln
haben kann (wenn das Wort zu kraus gehört). aus wg. *gelwa- Adj. 'gelb’, auch in ae. geolo.
Man schließt normalerweise an kraus an, doch Aus der Nominativform stammt regionales
ist ein Ablaut ü — au bei so spät belegten gehl, die hochsprachliche Form aus den flektier¬
Wörtern nicht selbstverständlich. Vgl. immer¬ ten Kasus (gelw-). Außergermanisch entspricht
hin, daß mndd. krose, kruse, krosele(n), krusele genauer 1. helvus 'honiggelb’. Zu ig. *ghel-, das
einerseits Knorpel, Weichbein’, andererseits Wörter für gelbe und grüne Farben liefert: ai.
'Gekröse, Bauchfett’ bedeutet. häri- 'gelblich’, akslav. zelenü 'grün’, lit. zehas
Gel n., s. Gelatine. 'grünlich’, gr. chlörös 'grün, gelb’.
gelackmeiert Adj. (PPrät.) 'hereingelegt’, Nndl. geel, ne. yellow. S. Chlor, Galle1, Gold. —
ugs. Vermutlich scherzhafte Kreuzung zwischen Schwentner (1915), 66-68; Kluge (1926), 93.
gelackt, lackiert gleicher Bedeutung und selte¬ Gelbschnabel m. arch., ugs. Seit dem 16. Jh. in
nem (an-)meiern 'betrügen’. der heutigen Bedeutung 'junger, unerfahrener
Gelage n. Seit dem 14. Jh. zunächst westnie¬ Mensch’ bezeugte Zusammensetzung mit gelb
derdeutsch (geloch u. ä.) belegt, dann der hoch¬ (s. d.) und Schnabel (s. d.). So benannt, weil
sprachlichen Form angepaßt. Die Bedeutung die Haut am Schnabelansatz junger Vögel eine
ist ursprünglich 'Zusammengelegtes, Umlage’, gelbliche Farbe hat. Danach wird seit dem 18.
dann die so bezahlte Gasterei. Vielleicht hat bei Jh. in Anlehnung an grün 'frisch, unreif, uner¬
der Bildung 1. collätio f eingewirkt, das auch als fahren’ auch Grünschnabel gebildet (zumal die
Lehnwort fnhd. kollaz 'Schmaus, Fest’ auftritt. betreffende Schnabelhautfarbe auch als 'grün¬
lich' interpretiert werden kann). Entsprechende
Gelände n. Mhd. gelende, ahd. gilenti, Kollek¬
Bildungen sind nndl. geelbek, frz. bejaune (aus
tiv zu Land (s. d.), also eigentlich 'Gesamtheit
bec jaune).
der Landstücke’.
Geld n. Mhd. gelt m./n., ahd. gelt 'Entgelt,
Geländer n. Seit dem 15. Jh. als Kollektivbil¬
Belohnung’, as. geld 'Vergeltung, Lohn’ aus g.
dung zu mhd. lander n./f. 'Stangenzaun’. Zu
*geld-a- n. 'Vergeltung, Entgelt’, auch in gt.
diesem vgl. lit. lentä f. 'Brett, Tafel’.
gild Steuer’, anord. gjald 'Bezahlung, Gabe,
S. Linde ( + ). — Zu der Verwandtschaft mit Glind
Tribut’, ae. gild, gyld 'Gabe, Bußgeld’, afr. jeld
'Gehege’ s.: U. Scheuermann NJ 92(1969), 98f.
Kautpreis’. Die Bedeutung 'geprägtes Zah¬
gelangen swV Mhd. gelangen, ahd. -langen. lungsmittel’ seit dem 14. Jh. Das Wort ist eine
Präfigierung zu langen 'reichen’ (s. d.). Ableitung von g. *ge/d-a- 'entgelten’.
Gelaß n., arch. Mhd. gelceze Niederlassung’, S. gelten ( + ), Wergeid. - G. Niemer: Das Geld (Bres¬
'Ort, wo man etwas lassen kann’. Im 18. Jh. lau 1930).
verengt zu der Bedeutung 'Zimmer’. Geldschneider m. 'zu sehr auf Gewinn be¬
gelassen Adj. 'ruhig, beherrscht, gleichmütig’ dachter Kaufmann’, sondersprach!. Bezeugt seit
(vgl. gesetzt). Es ist formal ein Partizip Präteri¬ dem 17. Jh. Ursprünglich jmd., der Münzen am
tum von lassen (s. d.) bzw. von ahd. giläzan, Rand beschneidet, bevor er sie weitergibt (um
mhd. geläzen 'erlassen, verlassen, unterlassen, sich am Materialwert des Goldes oder Silbers
sich niederlassen, sich benehmen’. Die heutige zu bereichern).
Bedeutung nimmt ihren Ausgangspunkt in der Gelee n. 'gallertartige Masse aus Saft’. Im 18.
Sprache der Mystik, wo das Adjektiv mhd. gelä¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gelee /.,
Gelegenheit 255 Gemacht

dieses aus 1. geläta f. (dass.), dem substantivier¬ geloben swV., arch. Mhd. geloben, ahd. gilo-
ten PPP. von 1. geläre 'gefrieren, verdichten’, zu bön, mndd. geloven 'versprechen, beistimmen’.
l. gelü 'Eis, Frost’. Da das Beistimmen zu einem Vertrag eine Ver¬
Morphologisch zugehörig: gelieren; etymologisch ver¬ pflichtung mit sich bringt, entwickelt das Wort
wandt: s. Gelatine. - W. Feldmann ZDW8 (1906/07) die heutige Bedeutung 'versprechen’. Die Ein¬
72; Brunt (1983), 318.
zelheiten des Zusammenhangs mit Lob (s. d.)
Gelegenheit/. Mhd. gelegenheit, Abstraktum und loben bleiben unklar.
zu mhd. gelegen, das eigentlich Partizip Präteri¬
Gelse/. 'Stechmücke’, österr. Zu bair. gelsen
tum zu liegen (s. d.) ist und 'gleich liegend,
'summen’, einem Schallverb wie gellen.
passend bedeutet. Auch Gelegenheit bedeutet
ursprünglich nur 'Lage’, erst später 'Möglich¬ gelt1 Adj., auch galt Adj. 'keine Milch gebend,
keit usw.’. unfruchtbar’, reg. Mhd. galt, ahd. gfijalt,
E. Lerch Geistige Arbeit 9 (1942), Nr. 21, 5f. mndl. gelt aus g. *galdi- Adj. 'unfruchtbar’,
auch in anord. geldr, ae. gelde. Herkunft unklar.
Geleise n„ meist PL, gekürzt Gleis n. Mhd.
Anders: P. Lessiak ZDA 53 (1912), 146f. (als 'verhext’,
geleis f, eine Kollektivbildung zu mhd. leis(e) ursprünglich Partizip zu ahd. galan 'singen’, s. Nachti¬
/., ahd. -leisa f. 'Spur'. Außergermanisch ver¬ gall).
gleicht sich mit diesem Wort 1. lira f 'Furche’.
gelt2 Interj., auch gell u. ä. Interj., ugs., südd.
Weiteres s. unter Leist(en), lehren, Delirium.
Mhd. gelte, eigentlich 'es möge gelten’ (dial.
Gelenk n. Mhd. gelenke 'Hüftgelenk’ und von auch was gelt’s, geltet u. ä.).
dort aus verallgemeinert. Das Wort ist eine Kol¬
Gelte /. 'Milchgefäß u. ä.’, reg. Mhd. gelte,
lektivbildung zu mhd. lanke, lanche /., ahd.
ahd. gellita, gellida. Wie ae. gellet n.(?) entlehnt
(h)lanca f 'Hüfte’, die zu ae. hlenca /., hlence
aus ml. gal(l)eta 'Gefäß, Kübel'.
m. 'Glied in einer Kette’, anord. hlekkr m.
'Ring, Kette’ gehören. Auszugehen ist also von gelten st V. Mhd. gelten, ahd. geltan, as.
g. *hlanki- 'Biegung’ (mit verschiedenen geldan aus g. *geld-a- stV. 'entgelten’, auch in
Stammbildungen). Außergermanisch hat das gt. -gildan, anord. gjalda, ae. gieldan, afr. jelda.
Wort keine klare Entsprechung. Vielleicht ge¬ Die heutige Bedeutung führt über 'ist wert’ zu
hört dazu 1. clingere 'umgürten’. S. lenken und 'ist gültig’. Die genaueste Vergleichsmöglichkeit
als Rückentlehnung Flanke. besteht zu akslav. zlasti und akslav. zlesti 'ab¬
zahlen, vergelten’, doch ist bei diesen der Ver¬
Gelichter n. Mhd. geliebter 'Sippe, Zunft’,
dacht, daß sie aus dem Germanischen entlehnt
arch. Seit dem 17. Jh. in der Bedeutung abge¬
sind, nicht mit Sicherheit zu entkräften.
sunken (vgl. etwa Sippschaft als verächtlichen
Nndl. gelden, nschw. gälla, nisl. gjalda. S. Geld, Gilde,
Ausdruck). Das Wort hat vermutlich ursprüng¬
gültig, vergelten. — V. Machek Slavia 21 (1953), 252f.
lich 'Geschwister’ bedeutet, denn es könnte eine
Soziativbildung zu ahd. lehtar m./n. 'Gebärmut¬ Geize/. 'verschnittene Sau’, arch., reg. Mhd.
ter’ sein ('die aus der gleichen Gebärmutter gelz(e), galze, ahd. galza, gelza, mndd. gelte
stammen’ = 'Geschwister’). Vgl. gr. adelphös 'verschnittenes weibliches Schwein’ aus vor-d.
m. 'Bruder’ zu gr. delphys f. 'Gebärmutter’ oder *galt-jön f. 'verschnittenes Schwein’. Außer¬
anord. barmi m. 'Bruder’ zu anord. barmr m. deutsch vergleichen sich ae. gilte und anord.
'Busen, Schoß’, gylta, gyltr, die auf die gleiche Grundform zu¬
rückgehen, aber (zumindest im Nordischen)
gelieren swV, s. Gelee. 'junges Schwein’ bedeuten. Vgl. einerseits
gelinde Adj. Mhd. gelinde, verstärkte Form anord. gelda 'kastrieren’, andererseits anord.
zu lind (s. d.). galti, galtr m. 'Eber’. Vor dem Versuch einer
gelingen stV. Mhd. gelingen, ahd. gilingam, ein Etymologie sind diese nicht übereinstimmenden
Simplex evtl, in mhd. lingen 'vorwärtskommen’. Bedeutungen zu klären.
Eine nur im Deutschen auftretende Wortfamilie gemach Adv., Gemach n., arch. Das Adjektiv
ohne nähere Verknüpfungsmöglichkeit. Mögli¬ mhd. gemach, ahd. gimah, as. gimak führt mit
cherweise Zugehöriges s. unter langen ( + ) und anord. makr, ae. gemcec auf g. *-maki- 'passend,
unter leicht ( + ), lungern, mißlingen. bequem’, einem Adjektiv der Möglichkeit zu
gell Interj., s. gelt2. machen (s. d.), also 'was zu machen ist, was
gellen swV. Mhd. gellen, ahd. gellan stV., gemacht werden kann’. Hierzu das Neutrum als
mndd. gellen aus g. *gell-a- 'gellen’ stV., auch Substantiv 'Bequemlichkeit’, das schon mittel¬
in anord. gella, gjalla, ae. gellan, gi(e)llan. hochdeutsch zu 'Ort, wo man es bequem hat,
Schallwort ohne genaue Vergleichsmöglichkeit. Zimmer’ wird.
Vgl. immerhin das unter Nachtigall aufgeführte S. allmählich, macklich.
galan 'singen’. Gemacht n. 'Zeugungsglied’, arch. Mhd. ge¬
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 111-114. mäht /., ahd. gimaht /., mndl. gemacht(e), ge-
Gemahl 256 Gemüse

mochte 'männliches Glied’. Zu Macht (s. d.) in schlagene Bildung Allgemeingeist. Unabhängig
der Sonderbedeutung 'Zeugungskraft’; verhül¬ davon ist kurz vorher schon Gemeingeist als
lend auf den Körperteil übertragen. Dagegen ist 'Geist einer religiösen Gemeinde’ bezeugt.
Gemachte 'Geschöpf’ ein altes mhd. gemächede, Ganz (1957), 82.
ahd. gimahhida/., Ableitung zu machen (s. d.).
Gemeinplatz m. Lehnbildung des 18. Jhs. mit
W. Betz MSS 18 (1965), 5-11.
gemein 'allgemein’ (s. d.) und Platz (s. d.) zu
Gemahl m., arch. Mhd. gemahel(e), ahd. gi- dem Fachausdruck der Rhetorik 1. locus com¬
mahalo 'Bräutigam, Gatte’, ahd. gimahala f. münis 'Satz, der unter vielen Gesichtspunkten
'Braut, Gattin’; Soziativbildung zu g. *mapla- betrachtet doch immer seine Gültigkeit behält’
'festes Wort, Verhandlung, Versammlung’ in gt. (wörtlich: 'gemeinsamer, allgemeiner Ort’).
mapl, anord. mal«., ae. mceöel n. und mit Über¬ Wohl unter dem Einfluß von gleichbedeutend
gang von pl zu hl in ahd. as. mahal n. Also ne. common place nimmt es schon im 18. Jh.
eigentlich 'Versprochene(r); die die Zusage (mit) die heutige Bedeutung 'Altbekanntes, Abgegrif¬
gegeben haben’. In ähnlicher Weise bedeutet fenes, Banales’ an. Nicht durchgesetzt haben
langob. gamahal 'Eideshelfer’. Vermutlich eine sich die konkurrierenden Bildungen jener Zeit
Instrumentalbildung auf *-tlo- zu der Wurzel, wie Gemeinort, Gemeinsatz, Gemeinspruch. Ent¬
die in heth. (redupliziert) mema- 'sprechen’ be¬ sprechende Lehnbildungen zum 1. Ausdruck
zeugt ist. Wegen der Vereinzelung aber unsicher. sind neben ne. common place auch nndl. ge-
S. Mahl2, vermählen. meenplaats und frz. lieu commun.
Gemälde n. Mhd. gemcelde, spahd. gimäli(di). Pfaff (1933), 32; Ganz (1957), 82f.
Ursprünglich Abstraktum zu malen (s. d.), das gemeinsam Adj. Mhd. gemeinsam, ahd. gi-
aber seit seiner frühesten Bezeugung als Kon¬ meinsam: Verdeutlichung von gemein (s. d.) in
kretum gebraucht wird. dessen alter Bedeutung, unter dem Einfluß von
gemäß Adj-IPräp. Mhd. gemceze, ahd. gemäze I. commünis.
aus wg. *ga-mätja- 'angemessen’, auch in ae. Gemeinsinn m. Lehnbildung des 17. Jhs. mit
(ge)mäte. Adjektiv der Möglichkeit zu messen gemein 'allgemein’ (s. d.) und Sinn (s. d.) für
(s. d.), also 'was gemessen werden kann’. In der den philosophischen Fachausdruck 1. sensus
Bedeutung 'passend zu ...’ heute als Halbsuffix commünis 'sechster, allgemeiner Sinn (in dem
verwendet (kindgemäß usw.). sich die Wahrnehmung der fünf Sinne zur Ein¬
Zum Gebrauch von -gemäß als Suffixoid s.: W. Seibike heit sammeln)’ (wörtlich: 'allgemeiner Sinn’).
MS (1963), 33 — 47, 73 — 78; G. Inghult: Die semanti¬
Die heutige Bedeutung 'gesunder Menschenver¬
sche Struktur desubstantivischer Bildungen auf-mäßig'
(Stockholm 1975), 121-129.
stand’, seit dem 18. Jh. bezeugt, entstand wohl
unter dem Einfluß von gleichbedeutend ne.
gemein Adj. Mhd. gemein(e), ahd. gimeini,
common sense (wörtlich: 'allgemeiner Sinn, Ver¬
as. gimeni aus g. *ga-maini- Adj. 'allgemein’,
stand’). Die jüngere Verwendung des Wortes
auch in gt. gamains, ae. gemeine, afr. mene.
als 'Bürgersinn, Verantwortlichkeit’ steht wohl
Genau gleich gebildet ist 1. commünis gleicher
unter dem Einfluß von älterem Gemeingeist
Bedeutung (wohl zu 1. münus 'Verrichtung, Auf¬ (s. d.).
gabe’). Zugrunde liegt ein *moino- 'Wechsel,
Ganz (1957), 83. Zu common sense vgl.: H. Körver:
Tausch’ (s. Meineid); Ausgangsbedeutung ist Common Sense (Diss. Bonn 1967).
also 'worin man sich abwechselt, was einem im
Gemme /. (= ein [Halb-]Edelstein), fach-
Wechsel zukommt’. Die Bedeutungsverschlech¬
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
terung (die bei Wörtern dieser Sphäre häufig
ist) ist erst neuhochdeutsch. it. gemma, dieses aus 1. gemma (dass., ursprüng¬
lich: das Auge, die Knospe, an Rebstöcken,
Nndl. gemeen, ne. mean. S. auch Gemeinde, handge¬
mein, immun, Kommune, Meineid ( + ). - D. Schlech¬ Bäumen usw.’). Das Wort war bereits im Alt¬
ter: Der Bedeutungswandel des Wortes 'gemein’ im 19 hochdeutschen (ahd. gimma, mhd. gimme) ent¬
Jh. (Köln 1955). lehnt worden, ging aber wieder verloren.
Gemeinde /. Mhd. gemeinde, ahd. gimeimda, Gemse /., fachsprachl. Mhd. gamz, ahd. ga-
as. gimentho m.; Adjektivabstraktum zu gemein rniza, gam(e)z. Entlehnt aus einer romanischen
(s. d.) in dessen alter Bedeutung 'allgemein’. Sprache (it. camoscio m., spl. *camox) oder
Vermutlich steht die Bildung unter dem Einfluß aus der Substratsprache, aus der das lateinische
von 1. commünio 'Gemeinschaft’. Wort vermutlich stammt.
S. Allmende. S. Gams. - H. Güntert SHAW (1932/33), I, 21 f.
Gemeingeist m. Lehnbildung des 18. Jhs. mit Gemüse n. Mhd. gemüse. Kollektivbildung zu
gemein 'allgemein’ (s. d.) und Geist (s. d.) zu Mus (s. d.). Die Bedeutungen von Mus und
gleichbedeutend ne. public spirif, nicht durchge¬ Gemüse sind regional stark verschieden. Die
setzt hat sich die zu jener Zeit ebenfalls vorge¬ heutige Bedeutung von Gemüse geht wohl auf
Gemüt 257 Genie

Brei, zerkleinerte Nahrung’ zurück und ist se¬ nerell; etymologisch verwandt: s. Genus. - R. M.
kundär auf'pflanzliche Nahrung, eßbare Pflan¬ Meyer ZDW 12 (1910), 152f.
zen’ eingeengt worden. generalisieren swV, s. General.
Gemüt n. Mhd. gemüete, gemuote. Kollektiv¬ Generation/., s. generieren.
bildung zu Mut (s. d.) in dessen alter Bedeu¬
generativ Adj., s. generieren.
tung, also etwa 'Gesamtheit der seelischen
Generator m., s. generieren.
Kräfte und Sinnesregungen’; daraus in neuerer
Zeit 'Sitz der Empfindung’. generell Adj., s. General.
W. Braune BGDSL 43 (1918), 356 — 359; J. A. Bizet in: generieren swV. 'erzeugen’, fachsprachl. Im
Melanges de Linguistique et de Philologie, F. Mosse in Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
memoriam (Paris 1959), 37—40.
tend 1. generäre, zu 1. genus n. 'Gattung, Ge¬
gemütlich Adj. Mhd. gemuotlich, gemüetlich, schlecht, Abstammung’. Aus Ableitungen von
Erweiterung zu älterem ahd. gimuati 'wohl¬ diesem Verb dann auch die Entlehnungen Gene¬
tuend, dem Sinn (Mut) entsprechend’. Im 19. ration 'das Erzeugen, die Personen eines Men¬
Jh. hat es seine spezielle Bedeutungsausprägung schenalters’, Generator usw.
erhalten. Morphologisch zugehörig: generativ; etymologisch
Gen n. 'Erbträger’, s. Genus. verwandt: s. Genus.
gen Präp., arch. Mhd. gein, mit Vokalisierung generisch Adj., s. Genus.
des zweiten g aus geg(i)ni, s. unter gegen. Eleute generös Adj., 'großzügig’, sondersprach/. Im
nur noch in gehobener (Kirchen-) Sprache ge¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gene-
braucht. reux, dieses aus 1. generösus 'edel, hochherzig’,
genant Adj., s. genieren. zu 1. genus 'Geburt, Abstammung, Klasse’.
genau Adj. Spmhd. genou 'sorgfältig’. Adv. Morphologisch zugehörig: Generosität; etymologisch
verwandt: s. Genus.
'knapp’; nndl. nauw 'eng, pünktlich’. Gehört
zusammen mit benauen (s. d.) zu einer Grund¬ Generosität /. 'Großzügigkeit, Freigebigkeit,
lage g. *bnöww-a- stV. 'reiben’, die lautlich Hochherzigkeit’, sonder spracht Entlehnt aus
ziemlich unfest ist, und in der das anlautende gleichbedeutend frz. generosite, dieses aus 1. ge-
b- durch Präfixe ersetzt werden kann. Die Be¬ nerösitäs 'Hochherzigkeit, edle Art’, zu 1. gene¬
deutung geht also von 'reibend’ über 'eng’ zu rösus 'edel, hochherzig, (eigentlich: ‘von edler
'genau’. Herkunft’), zu 1. genus n. 'Geburt, Abstam¬
Seebold (1970), 123f. mung, Herkunft’.
Gendarm m. 'Polizist’, arch., österr., schwz. Morphologisch zugehörig: generös; etymologisch ver¬
wandt: s. Genus.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
gendarme, dem Singular einer Zusammenrük- Genese/ 'Entstehung’, fachsprachl. Entlehnt
kung von frz. gens d’arme, (älter) gent d’arme über frz. genese und 1. genesis aus gr. genesis
'(wörtlich:) bewaffnete Männer’. Zunächst Be¬ 'Entstehung’, zu gr. gignesthai 'entstehen’ (s.
zeichnung für Soldaten; seit der Französischen Epigone). Häufig auch Genesis, meist in Anleh¬
Revolution (auch) Bezeichnung für die Polizei. nung an Genesis 'Schöpfungsbericht’ (als Titel
Morphologisch zugehörig: Gendarmerie; etymologisch des 1. Buches Mose).
verwandt: s. Alarm und Genus. — Jones (1976), 362; Etymologisch verwandt: s. Genus.
Brunt (1983), 319.
genesen stV, arch. Mhd. genesen, ahd. as.
Genealogie /., s. Genus und -logie. ginesan aus g. *ga-nes-a- stV. 'überstehen, gene¬
genehm Adj., arch. Mhd. ge nee me. Adjektiv sen’, auch in gt. ganisan, ae. genesan. Dieses
der Möglichkeit zu nehmen (s. d.), also eigent¬ aus ig. *nes- 'heimkommen, ankommen, über¬
lich 'was genommen werden kann, was man stehen’, auch in ai. näsate 'tritt heran, sucht auf,
gerne nimmt’. vereinigt sich’, gr. neomai 'ich komme davon,
General m. (= der oberste Vorsteher). Im gelange glücklich wohin, kehre glücklich heim’;
Mittelhochdeutschen (mhd. general) entlehnt und vielleicht toch. A. nas-, toch. B. nes- 'sein’.
aus kirchen-1. generälis (abbäs) 'Oberhaupt S. nähren.
eines Mönchsordens’, aus 1. generälis 'allge¬ Genetiv m., s. Genitiv.
mein’, zu 1. genus n. 'Gattung (u. a.)\ Aus dem genial Adj., s. Genie.
klerikalen Bereich wird das Wort in frühneu¬
Genick n. Mhd. genic(ke), Kollektivbildung
hochdeutscher Zeit unter Einfluß von frz. (capi-
zu mndd. necke, afr. hnekka m., ae. hnecca m.
taine, lieutenant) general 'Befehlshaber einer
'Nacken’. Dieses steht im Ablaut zu Nacken
militärischen Truppe’ in das Heereswesen über¬
(s. d.).
nommen.
Morphologisch zugehörig: Generalat, generalisieren, Genie n. 'außergewöhnlich begabter Mensch;
Generalissimus, Generalist, Generalität, generaliter, ge¬ besondere Begabung’. Im 18. Jh. entlehnt aus
genieren 258 Genus

gleichbedeutend frz. genie m., dieses aus spl. geneat, afr. nät. Soziativbildung zu g. *nauta-
genius m. 'Begabung, schöpferischer Geist’, aus n. 'Vieh, wertvolle Habe’ in anord. naut n., ae.
1. genius m. 'Schutzgeist, (wörtlich:) das Leben- neat n., afr. nät, as. nöt, ahd. nöz n. Ausgangsbe¬
Erzeugende, die Wirkkraft’, zu 1. generäre 'er¬ deutung ist also: 'der das gleiche Vieh hat, der
zeugen, hervorbringen’. Das lateinische Wort das Vieh gemeinsam hat’. Das Grundwort ver¬
bezeichnet den Gott, der über die menschliche mutlich zu g. *neut-a- 'genießen’ (s. d.).
Natur waltet, der bei Zeugung und Geburt Nndl. genoot. S. genießen ( + ), Knote. — E. Schröder
wirkt und schicksalbestimmender Schutzgeist ZDA 60 (1923), 70; W. Krogmann BGDSL 60 (1936),
des Menschen ist. Teile dieser Bedeutung sind 398f.; H. Bartholmes: Das Wort 'Volk’ im Sprachge¬
in der Entlehnung Genius übernommen. Im brauch der SED (Düsseldorf 1964), 125 — 128; H. Bar¬
tholmes MS 78 (1968), 193-222; Bartholmes (1970),
Spätlateinischen nimmt das Wort auch die Be¬
175-222; H. Bartholmes AB 20(1976), 120.
deutung 'Schöpfergeist’ an, die dem Wort Genie
zugrundeliegt; möglicherweise unter dem Ein¬ Genre n., s. Genus.
fluß von 1. ingenium 'angeborene Art, Charak¬ gentil Adj., s. Gentleman.
ter, Phantasie’.
Gentleman m. 'Mann von Lebensart und
Morphologisch zugehörig: Genialität; etymologisch
Charakter’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
verwandt: s. Genus. — K. Bauerhorst: Der Geniebegriff
tend ne. gentleman, einer Lehnbildung zu frz.
(Diss. Breslau 1930); Brunt (1983), 320f.
gentilhomme (dass.). Ne. gentle geht über frz.
genieren swV. 'gehemmt und verschämt sein/
gentil zurück auf 1. gentTlis 'von guter Abstam¬
sich benehmen’. Im 18. Jh. entlehnt aus frz.
mung’, zu 1. gens (-entis) f. 'Sippe’, das mit 1.
gener 'bedrücken, stören’, aus afrz. gehiner 'fol¬
genus n. 'Geschlecht, Art, Gattung’ verwandt
tern’, einer Ableitung von afrz. gehine 'das ist.
durch Folter erpreßte Geständnis’, dieses abge¬
Morphologisch zugehörig: gentlemanlike; etymolo¬
leitet von afrz. jehir 'zum Geständnis zwingen, gisch verwandt: s. Genus und Mann. — A. Hoyler:
gestehen’, aus frk. *jahhjan 'zum Gestehen brin¬ Gentleman-Ideal (Leipzig 1933); Ganz (1957), 84.
gen’, einem Faktitivum zu frk. *jehan (= ahd.
genug Adj. Mhd. genuoc, ahd. ginuogt, as.
jehan) 'eingestehen’. Die Bedeutungsgeschichte
ginög(i) aus g. *ga-nöga- Adj. 'genügend’, auch
des Wortes ist geprägt von 'Zwang’, und auch
in gt. ganohs, anord. gnögr, ae. genög, genöh,
die Bedeutung im Neuhochdeutschen erklärt
afr. (e)nöch; mit ungewöhnlichem Ablaut gebil¬
sich als 'Angstigung, die ein uneingeschränktes,
detes Verbaladjektiv zu g. *nah/nug- (Prät.-
lockeres Verhalten nicht zuläßt’.
Präs.) 'genügen’, in gt. ganah, ae..geneahhe,
Morphologisch zugehörig: genant. - Littmann (1924),
ahd. ganah. Dieses gehört zu einer ig. Verbal¬
35; Lokotsch (1975), 56.
wurzel *(e)nek- 'erreichen’, auch 'tragen’ in 1.
genießen stV. Mhd. geniezen, ahd. giniozan, nancisct 'erreichen, erhalten’, air. ro-icc 'er¬
as. niotan aus g. * (ga-)neut-a- stV. 'genießen’, reicht, kommt an’, lit. nesti 'tragen, bringen,
auch in gt. niutan, anord. njöta, ae. neotan, reichen bis’, akslav. nesti 'tragen’, gr. enenkein
afr. niäta. Dieses hat außer lit. naudä 'Nutzen, 'herbeischaffen, davontragen’ (suppletiv zu
Vorteil’ usw. (und seinen baltischen Verwand¬ *bher- 'tragen’, Ansatz der Vorform umstrit¬
ten) keine brauchbare Vergleichsmöglichkeit. ten), ai. asnöti 'gelangt, erreicht’, toch. A. ents-,
Nndl. genieten, nschw. njuta. nisl. njöta. S. Genosse,
toch. B. enk- 'ergreifen’, heth. ninink- 'heben,
Nießbrauch, nütze, Nutzen. — Zu Genuß\gl.: W. Binder
aufheben, auflauern’ (mn-Infix).
AB 17 (1973), 66-92.
Nndl. genoeg, ne. enough, nschw. nog, nisl. nögur. S.
genital Adj., s. Genus. auch begnügen, bringen, vergnügen.
Genitiv m. (= 2. Kasus der Deklination), genuin Adj. 'echt’, sondersprachl. Entlehnt aus
fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬ gleichbedeutend 1. genutnus (wörtlich: 'angebo¬
lehnt aus gleichbedeutend 1. (casus) genittvus, ren, natürlich’), zu 1. gignere 'zeugen, erzeugen,
genetlvus, zu 1. generäre, gignere 'hervorbrin¬ gebären’ (s. Genus).
gen’. Es handelt sich dabei um eine Lehnbil¬
Genus n. 'Geschlecht, Art, Gattung’, fach¬
dung zu gr. geniki (ptösis) f (dass., wörtlich:
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
die Herkunft, Abstammung, bezeichnender
Fall’). gleichbedeutend I. genus (-eris) 'Geschlecht,
Art , einer Ableitung aus 1. gignere 'hervorbrin¬
Etymologisch verwandt: s. Genus. - E. Leser ZDW
15(1914), 53. gen’. Die damit verwandte Wortgruppc hat als
Bedeutungskern das 'Hervorbringen’, der in
Genius m., s. Genie.
mannigfacher Weise variiert wird, z. B. in der
Genosse m. Mhd. genöze, ahd. ginözo; neben Gruppe um genital als 'die Fortpflanzung be¬
mhd. genöz, ahd. ginöz, as. ginöt aus g. *ga- treffend’ bzw. die Gruppe um Gen, die das
nauta-/-ön m. 'Genosse’, auch in einerseits Erbgut meint, in der Gruppe um Genre als 'die
anord. nauti, andererseits anord. nautr, ae. Gattung’ im Sinne von 'Klasse’, was in der
geo- 259 gerecht

Bedeutung 'Sippe’ eine Gruppe von Menschen gerammelt Adj. (PPrät.) (in gerammelt voll),
gleicher Abstammung meint, usw. Das „gram¬ ugs. Zu rammeln (s. d.) in der Bedeutung 'sto¬
matische Geschlecht“ ist demnach bezeich¬ ßen, (stopfen), rütteln’, die hochsprachlich
nungsmotivisch eine „Klassenbildung“ unter sonst nur in rammen vorliegt (s. Ramme).
den Substantiven.
Geranie /. (= eine Pflanze). Im 18. Jh. ent¬
Etymologisch verwandt: degenerieren, Epigone, Gen,
lehnt aus gleichbedeutend 1. geranion n., dieses
Gendarm, Genealogie, General, generell, generieren
(usw.), generisch, generös, Generosität, Genese, [Gene¬ aus gr. geranion n. (dass.), zu gr. geranos fj
tik], Genie, genital, Genitiv, Genius, Genre, Gentleman, (m.) 'Kranich . So bezeichnet nach einem Ver¬
genuin, heterogen, homogen, imprägnieren, Ingenieur, gleich der Form der Früchte mit einem Kra¬
König, naiv, Nation (usw.), Natur (usw.), prägnant nichschnabel (vgl. nhd. Storchschnabel).
(usw.), regenerieren, Renaissance; zum Etymon s. Kind.
Gerät n. Mhd. gerate, ahd. giräti, as. girädi,
— E. Leser ZDW 15 (1914) 51.
Kollektiv zu Rat (s. raten)', demgemäß ist die
geo- Präßxoid. Dient als Determinans mit Bedeutung althochdeutsch 'Beratung, Für¬
der Bedeutung 'die Erde betreffend’. Es ist in sorge’, altsächsisch 'Vorteil’. Da das Grund¬
griechischem Lehngut ins Deutsche gelangt und wort, wohl ausgehend von 'Vorsorge’, zuneh¬
geht auf gr. ge 'Erde, Erdboden, Land’ zurück. mend konkrete Bedeutung übernimmt (vgl.
Heute wird es auch in neogriechischen Bildun¬ auch Hausrat, Vorrat, Unrat), bekommt auch
gen verwendet. das Kollektiv zunehmend die Bedeutung 'Ge¬
Geographie /., s. geo- und -graphie. rätschaften’.
Gepäck n. Älter auch mhd. gepac. Kollektiv¬ geraum Adj. (in seit geraumer Zeit), arch.
bildung zu Pack(en) (s. d.). Ausgangsbedeu¬ Mhd. gerüm(e), ahd. girümo Adv. 'bequem’,
tung also 'Gesamtheit der Packen (Gepäck¬ mndd. gerume. Westgermanische Verstärkung
stücke)’. *ga-rüma- Adj. 'geräumig’ des unter Raum
Gepard m. 'kleiner Leopard’, fachsprachl. (s. d.) behandelten Adjektivs g. *rüma- 'geräu¬
Entlehnt aus gleichbedeutend frz. guepard, das mig’, auch in ae. gerüme.
seinerseits auf it. gattopardo 'Gardelkatze’ zu¬ Geräusch1 n. Mhd. geriusche; zunächst Ver¬
rückgeht. Dieses zu spl. cattus 'Kater’ (s. Katze) balabstraktum zu dem unter rauschen (s. d.)
und dem unter Leopard (s. d.) behandelten genannten Verb. Danach Bedeutungsverallge¬
Wort. meinerung zur Bezeichnung beliebiger Gehörs¬
gepunzt Adj. (PPrät.), s. Punze. eindrücke.

Ger m., arch. Mhd. ger(e), ahd. as. ger aus Geräusch2 n. 'Eingeweide von Schlachttieren’,
g. *gaiza- m. 'Ger’, auch in anord. geirr, ae. fachsprachl. Spmhd. in-geriusche (Präfix wie
gär aus voreinzelsprachl. *ghaisö-, auch in gr. Eingeweide, s. d.); das Simplex in gleichbedeu¬
chatos 'Hirtenstab’, air. gae, woraus 1. gaesum n. tendem mndd. rusch, ndd. rusch. Wohl als
'Wurfspeer’ entlehnt ist. Auch das germanische *rüs-ka- (o. ä.) zu *rus- in anord. hold-rosa f.
Wort steht möglicherweise unter dem Einfluß 'Fleischseite der Haut’, as. hrusil (mit sekundä¬
des Keltischen. Weitere Herkunft unklar. rem Anlaut?) 'rohes Stück Fett’, ae. rysel m.
S. auch Gehre, Geißel, Näber. — Hüpper-Dröge (1983), 'Fett, Speck’. Weitere Herkunft unsicher. Viel¬
314-327. leicht als 'Lappen, Flecken’ zu *reu- 'reißen’
(s. reuten und vgl. dial. Altreuß, Altreuscher
gerade1 Adj. 'durch zwei ohne Rest teilbar’,
'Schuhflicker’).
fachsprachl. Mhd. gerat, gerade, ahd. gerad'aus
W. Kaspers BGDSL-H 80 (1958), 174.
zwei gleichen Zahlen bestehend, gerade’. Ge¬
hört zu einer Bildung wie gt. rapjö f. 'Zahl’, gerben swV. Mhd. gerwen, garwen, ahd. gara-
doch kann keine genaue Entsprechung vorlie¬ wen, as. gar(u)wian, ger(ijwian aus g. *garw-ija-
gen, da die deutschen Wörter keinen Umlaut swV 'fertig machen’, auch in anord. gorva,
aufweisen. Etwa *ga-rapa- 'dessen Zahl gleich gera 'machen’, ae. gearwian, Ableitung zu g.
ist’. Zu der entsprechenden Grundlage s. unter *garwa- Adj. 'fertig, bereit’ (s. unter gar). Im
Rede. Verlauf der mittelhochdeutschen Zeit wird das
S. auch hundert, nachgerade, Reim(+). — Schirmer Verb eingeengt auf 'Leder fertigmachen, ger¬
(1912), 27; Götze (1919), 67-70. ben’. Da beim Gerben das Leder geknetet und
gerade2 Adj. 'in unveränderter Richtung ver¬ gepreßt wird, bekommt gerben sekundär auch
die Bedeutung 'würgen’.
laufend’. Mhd. gerat, gerade 'schnell, gewandt’,
auch 'gerade aufgeschossen’, danach die Bedeu¬ Nschw. göra, nisl. gera, gjora.
tung 'lotrecht’, von der die heutige Bedeutung gerecht Adj. Mhd. gereht, ahd. gireht', Ver¬
ausgegangen ist (möglicherweise unter Einfluß stärkung von recht (s. d.), zunächst im konkre¬
von gerade1). Zum Grundwort s. unter rasch. ten Sinn 'gerade, richtig, passend’; vielleicht als
S. Rad( + ). Lehnbildung zu 1. directus. Die Bedeutung 'dem
Gericht 260 Gerstenkorn

Rechtsgefühl entsprechend’ entwickelt sich erst gern aus g. *gerna- Adj. 'begierig, eifrig’, auch
in mittelhochdeutscher Zeit, ist aber z. B. schon in anord. gjarn, ae. georn, gt. in faihu-gairns
in der Entsprechung gt. garailits vorhanden. 'habsüchtig’. Zu Formen ohne n s. unter begeh¬
In neuerer Zeit auch als Halbsuffix mit der ren. Aus ig. *gher- 'gern haben, begehren’, auch
Bedeutung 'eingerichtet für, passend zu’ ver¬ in ai. häryati 'findet Gefallen, hat gern’, gr.
wendet (mediengerecht u. ä.). chairö 'ich freue mich’, 1. hortäri 'antreiben,
H. Hommel AuA 15 (1969), 159-186. ermuntern’, ln den Formen ohne n haben sich
Gericht1 n. 'richtende Körperschaft’. Mhd. Nachfolger der Wurzel *gher- mit r-Erweiterung
gerillt(e), ahd. girihti, ursprünglich Adjektiv- der Wurzel *ghei- (s. unter Geier, Gier) so ver¬
Abstraktum zu gerecht in dessen konkreter Be¬ mischt, daß sie teilweise nicht mehr auseinan¬
deutung 'gerade, richtig’, also etwa 'Richtigstel¬ dergehalten werden können.
lung’, schon althochdeutsch für 'Gericht, Ur¬ Nndl. gaarne, nschw. gärna, nisl. gjarna.
teil’. Gerner m., s. Karner.
R. Schnerrer BGDSL-H 85 (1963), 248-312.
Geröll n. Bezeugt seit dem 18. Jh. Ableitung
Gericht2 n. 'Speise’. Schon mhd. geriht(e) in zu rollen (s. d.) als Bezeichnung für Steinlagen
der Bedeutung 'angerichtete Speise’. Rückbil¬
an Bergabhängen, die leicht ins Rollen (Rut¬
dung zu richten (s. d.).
schen) geraten und auf denen man auch leicht
gerieben Adj. (PPrät.) 'schlau’, ugs. Seit dem ausrutscht.
15. Jh. bezeugt. Wie in raffiniert u. a. wird die
gerren swV., s. girren.
Bezeichnung für eine Verfeinerung von Stoffen
und Gegenständen auf Menschen übertragen, Gerste /. Mhd. ßerste, ahd. as. gersta aus
um deren besonders geschicktes Verhalten (mit vor-d. *gerstö. Außergermanisch ist zunächst
einem leicht tadelnden Unterton) zu kenn¬ verwandt 1. hordeum n. 'Gerste’, das als Grund¬
zeichnen. form *gherz-dö erweist (im Lateinischen
Schwundstufe oder o-Stufe); nicht ohne weite¬
gering Adj. Mhd. geringe, ahd. (gi)ringi
res vereinbar sind gr. krithe 'Gerste’ und alb.
'leicht’, mndd. geringe, mndl. gering(e) wie afr.
ring aus *rengja- 'leicht’. Außergermanisch ver¬ drith. An sich läßt sich das germanisch-lateini¬
gleicht sich zunächst lit. jrangüs 'hurtig, rührig sche Wort weiter anschließen an ig. *ghers-
bei der Arbeit’ (*ronghu-) und dann als *rengh- 'starren, sich sträuben’ (womit auf die auffälli¬
wa- gr. rimpha Adv. 'rasch, behend’. Der west¬ gen Grannen der Gerste Bezug genommen
germanische ja-Stamm könnte auf einen alten würde), doch lassen die ähnlichen und doch
u-Stamm, also *renghu- zurückgehen; anderer¬ auseinanderfallenden Lautungen der Einzel¬
seits stimmt die Wurzelstufe besser zu gr. rimpha sprachen eher auf ein nicht-indogermanisches
und damit *renghwa-. Weitere Herkunft unsi¬ Wanderwort schließen, das evtl, im Germani¬
cher. schen und Lateinischen sekundär durch den
Anschluß an *ghers- motiviert wurde.
gerinnen stV. Eine bereits germanische Präfi-
Hoops (1905), 364-371.
gierung zu rinnen (s. d.), allerdings in der ur¬
sprünglichen Bedeutung 'zusammenrinnen, zu¬ Gerstenkorn n. 'Geschwulst am Augenlid’. In
sammenlaufen’. Die heutige Bedeutung 'dick dieser Bedeutung seit dem 16. Jh. belegte Zu¬
werden’ (von Flüssigkeiten) setzt sich im Mittel¬ sammensetzung mit Gerste (s. d.) und Korn'
hochdeutschen durch, ist aber bereits althoch¬ 'Samenkorn’ (s: d.). Wohl Lehnbildung zu
deutsch und altenglisch zu belegen. gleichbedeutend 1. hordeolus m. (zu 1. hordeum
Gerippe n. Kollektiv zu Rippe (s. d.) und da¬ 'Gerste’), das seinerseits gr. krithe f. 'Gerste’
mit zunächst den Brustkorb bezeichnend; dann übersetzt, womit schon bei Hippokrates das
ausgeweitet zu 'Skelett’. Bezeugt seit dem 17. betreffende Augenleiden bezeichnet wird. So be¬
Jh. nannt, weil die Geschwulst an ein Samenkorn
der Gerste erinnern konnte. Ähnliche Benen¬
gerissen Adj. 'schlau’, ugs. Seit dem 19. Jh.
nungsmotive liegen vor in den Bezeichnungen
bezeugt. Herkunft wohl aus einem technischen
(Augen)haber, Hagelkorn, Erbse, Perle usw.
Fachwort, das aber nicht mehr erkennbar ist.
Vgl. auch frz. grain d’orge m., orgelet m. 'Ger¬
Vielleicht zu sich reißen um jemanden.
stenkorn’, das schwz. Ürseli ergab. Seit dem
Germ m.Kf) Backhefe’, bair-österr. Aus
Mittelhochdeutschen ist Gerstenkorn auch als
mhd. gerben, gerwe(n) f. mit bairischer Reali¬
Bezeichnung eines der kleinsten Gewichte und
sierung der Endung. Späte Bildung zu gären
Längenmaße und seit dem 18. Jh. für 'grobkör¬
(s. d.).
niges Stoffgewebe’ bezeugt, denen ebenfalls
gern Adv. Mhd. gern(e), ahd. gerno, Adverb Vergleiche mit dem Samenkorn der Gerste zu¬
zum Adjektiv mhd. gern(e), ahd. gern(i), as. grundeliegen dürften.
Gerte 261 Geschick

Gerte /. Mhd. gerte, ahd. gerta, gart, as. präfigierten gisizzen 'sich setzen5 mit der Bedeu¬
aus wg. *gazdjö f 'Gerte5, auch in ae. tung Sitz, Ruheort u. ä.5. Seit mittelhochdeut¬
gerd, afr. jerde, erweitert aus g. *gazda- m.
scher Zeit bedeutet es auch 'Körperteil, mit dem
Stecken, Stab’ in gt. gazds, anord. gaddr m.,
man sitzt , und diese Bedeutung hat sich im
ahd. mhd. gart. Vergleichbar ist mir. gut m.
Neuhochdeutschen durchgesetzt.
'Weidenrute5. Weitere Herkunft unklar.
Ne. yard. Geschäft n. Mhd. geschefte PL, eine Abstrakt¬
bildung zu schaffen 'arbeiten5. Der Form nach
Gerücht n. In spätmittelhochdeutscher Zeit
ist das Wort abhängig von einem alten ?/-Ab-
aus mndd. geruht, geruht entlehnt, das mhd.
straktum zu schaffen mit der Bedeutung 'Schöp-
geruofede, geruofte, gerüefte entspricht. Dieses
lung, Geschöpf5 (gt. gaskafts, ae. gesceaft /.,
ist ein Verbalabstraktum zu rufen (s. d.), also ahd. giscafftj).
Gerufe’. Das Wort bezeichnet zunächst das
S. schaffen ( + ). - Kluge (1926), 68.
(rechtlich relevante) Geschrei, das über eine
Untat erhoben wird, und sinkt dann ab zu Geschäftsmann m., s. Geschäftsträger.
'Gerede5. Geschäftsträger m. Lehnbildung des 18. Jhs.
geruhen .jvvF., arch. Erst in frühneuhochdeut¬ mit Geschäft (s. d.) und Träger (zu tragen, s. d.)
scher Zeit an ruhen angeschlossen und entspre¬ zu frz. Charge d'affaires 'mit politischen und
chend geschrieben. Zuvor mhd. geruochen, ahd. kaufmännischen) Geschäften Beauftragter5. Ge¬
(gi)ruohen, as. rökian aus g. *rök-ija- swV. 'sich schäftsmann (um 1800) ist Lehnbildung zu
um etwas kümmern, sorgen5, auch in anord. gleichbedeutend frz. homme d'affaires-, (davon
rcekja, ae. reccan (lautlich unregelmäßig). Mög¬ zu trennen ist die am Ende des 15. Jhs. bezeugte
licherweise liegt das Grundwort hierzu vor in Zusammensetzung gescheftsman ‘Testaments¬
ahd. ruohha 'Bedacht, Sorge’. Außergermanisch vollstrecker’).
vergleicht sich lediglich (mit e gegenüber g. 5) geschehen stV Mhd. geschehen, ahd. giskehan
gr. aregö 'ich helfe, stehe bei’. Weitere Herkunft geht mit afr. skiä zurück auf wg. skeh-a- stV.
unklar. (meist mit ga- präfigiert) 'geschehen5. Wie die
S. auch ruchlos, verrucht. Ableitungen mhd. schehen swV. 'eilen, dahinja¬
Gerümpel n. Mhd. gerumpel, gerümpel bedeu¬ gen’, ahd. seiht 'Flucht' zeigen, handelt es sich
tet eigentlich 'Getöse' (zu rumpeln, s. d.) Wie um eine Bedeutungsübertragung aus einem
das Wort zu der Bedeutung 'alter Hausrat5 Verb für 'laufen5, also ursprünglich 'verlaufen5.
kommt, ist nicht ganz klar. In gleicher Bedeu¬ Außergermanisch vergleichen sich air. scuchid,
tung auch Geröll/Gerüll, Gerummel u. a. scuichid 'geht weg, hört auf5 und akslav. skociti
Gerundium n. (= eine Flexionsform des 'springen5.
Verbs), fachsprachl. Im Neuhochdeutschen ent¬ S. auch Geschichte, schicken ( + ). — L. Weisgerber in:
lehnt aus gleichbedeutend 1. gerundium, zu 1. FS Trier (1964), 23—46; G. Heintz: Geschehen (Diss.
Münster 1968).
gerere 'ausführen u. a.5.
Etymologisch verwandt: s. Register. — E. Leser ZD W Geschein n. 'Blütenstand der Weinrebe’, fach¬
15(1914), 64. sprachl. Vermutlich im Sinne von 'erscheinen5
Gerundivum n. (= Partizip Passiv Futur im für die neu aufbrechenden Blütenstände.
Lateinischen), fachsprachl. Entlehnt aus gleich¬ gescheit Adj. Mhd. geschide gehört zu mhd.
bedeutend spl. (modus) gerundivus, zu 1. gerun¬ schlden 'scheiden, unterscheiden5. Dieses ist eine
dium 'was ausgeführt werden muß5, zu 1. gerere sekundäre Nebenform zu scheiden (s. d.). Aus¬
'tragen, ausführen, besorgen5. gangsbedeutung ist also 'unterscheidend, unter¬
Etymologisch verwandt: s. Register. scheidungsfähig5.
Gerüst n. Mhd. gerüste, ahd. girusta/., girusti W. H. Wolf-Rottkay Kratylos 9(1964), 196f.
'Hilfsmittel, Ausrüstung, Zurichtung5 zu rüsten Geschichte/. Mhd. geschiht, ahd. giskiht 'Er¬
(s. d.). Die Einengung auf die heutige Bedeu¬ eignis, Zufall, Hergang5; fi-Abstraktum zu ge¬
tung ist erst neuhochdeutsch. schehen (s. d.), also eigentlich 'Geschehnis5.
gesamt Adj. Mhd. gesam(en) t, gesamnet, Par¬ P. E. Geiger: Das Wort 'Geschichte’ {Diss. Freiburg i.B.
tizip von mhd. samanen 'sammeln5 (s. sammeln). 1908); J. Hennig DVLG 16 (1938), 511-526; Günther
Ausgangsbedeutung also 'gesammelt5. (1979).
Gesandter m. Kürzung aus spmhd. gesandter Geschick n. Mhd. geschicke 'Begebenheit,
pote. Wird dann wie Abgesandter (das sich ge¬ Ordnung, Gestalt5 zu schicken (s. d.), das wohl
halten hat) als Entsprechung zu frz. envoye in ein Intensivum zu (ge)schehen ist. Geschick als
der Diplomatensprache gebraucht. Eigenschaft ist wohl von 'Ordnung, Benehmen5
Gesäß n. Mhd. gesaze, ahd. gisäzi. Ursprüng¬ ausgegangen; Geschick 'Schicksal5 wohl als 'das
lich ein dehnstufiges Verbalabstraktum zu dem Geschickte, die Fügung5.
geschickt 262 Geselle

geschickt Adj. Mhd. geschicket, Partizip von Geschütz n. Mhd. geschütze, geschüz, mndd.
schicken (s. d.) in der Bedeutung 'anordnen, geschutte; Kollektiv, das wohl eher zu Geschoß
einrichten’ (s. die erste Bedeutung von Ge¬ als zu Schuß gehört.
schick). S. Geschoß, schießen ( + ).
Geschirr n. Mhd. geschirre, ahd. giskirri 'Ge¬ Geschwader n., fachsprach/. Kollektiv zu
fäß, Gerät, Werkzeug, Bespannung usw.’; im spmhd. swader, das entlehnt ist aus it. squadra
Neuhochdeutschen dann festgelegt auf einer¬ f. 'im Viereck angeordnete Truppe’ (besonders
seits das Geschirr im Haushalt und andererseits Reiter). Dieses aus it. squadrare aus spl. *ex-
das Pferdegeschirr. Offensichtlich ein Kollektiv quadräre 'im Quadrat aufstellen’. Übertragen
zu einer nicht näher bestimmten Grundlage. auf Scharen von Seevögeln und dann schließlich
S. anschirren, schirren. — N. O. Heinertz BGDSL festgelegt auf Schiff- und Flugzeugformationen.
41 (1916), 489-495.
S. Quadrant ( + ). - Kluge (1911), 31 lf.
Geschlecht n. Mhd. gesteht(e), geslähte, ahd.
geschweige Konj. Verkürzt aus mhd. ich
gislahtv, Kollektivum zu mhd. slaht(e) /., ahd.
geswlc 'ich schweige’.
slahta f. 'Generation, Art, Ursprung’, ursprüng¬
Behaghel (1923/32), III, 177f.; A. Lindquist (1961), 75.
lich 'Gesamtheit der Loden eines Ausschlags¬
stammes’, dieses zu schlagen (s. d.). Die Bedeu¬ geschwind Adj., reg. Mhd. geswinde, mndd.
tung 'Sexus’ ist spät von 1. sexus m. über¬ geswint, geswinde 'stark’; althochdeutsch nur in
nommen. Namen, also wohl von Norden her ausgebreitet;
S. ungeschlacht und schlagen ( + ). — Ader (1958), aus g. *swinßa- 'stark, ungestüm’, auch in gt.
11-38. swinßs, anord. svinnr, sviör 'verständig’, ae.
Geschlinge n. Seit dem 15. Jh. für Lunge, swip, as. swlö(i), afr. swithe Adv. 'sehr’. Vermut¬
Herz und Gurgel des Schlachttiers. Offenbar lich aus ig. *sghuwent- 'mächtig’ wie in sogd.
ein Kollektiv zu Schlung, einer Nebenform zu xsawan- 'Macht’, ai. ksumant- 'mit Macht verse¬
Schlund (also *Geschlünde 'der Schlund und was hen’ zu *s(e)ghu- 'Macht’ in gr. ischßs 'Macht,
dazugehört’). Stärke’, ai. sähuri- 'gewaltig, überlegen’. Zu der
S. Schlund ( + ). — Kretschmer (1969), 216f. Anders: Verbalwurzel *segh- 'verfügen können’ (s. auch
Lühr (1988), 150f. Sieg).

Geschmack m. Mhd. gesmac(h), ahd. gismac, S. gesund. — E. Seebold Sprache 29 (1983), 32f.
gismah, gesmacko; Verbalabstraktum zu (ge)- Geschwister PI. Mhd. geswister, geswester,
schmecken (s. unter schmecken). Die wertende Kollektivum zu Schwester (s. d.), also eigentlich
Übertragung (hier positiv: guter Geschmack 'Gesamtheit der Schwestern’. Derselbe Aus¬
usw.) tritt bei Wörtern des Tast-, Geruch- und gangspunkt auch in anord. systkini 'Geschwi¬
Geschmacksinns häufig auf; sie kann aber nach ster’.
romanischem Vorbild erfolgt sein (it. gusto, frz.
E. Hermann IF 53 (1935), lOlf.
goüt).
Geschwulst /. Mhd. geswulst, ahd. giswulst.
Geschmeide n., arch. Mhd. gesmTde, ahd.
Verbalabstraktum zu (ge)schwellen. S. schwel¬
gesmidi 'Metall, Metallwerkzeug, Schmuck’,
len und Schwulst.
sonder sprach/. Kollektiv zu ahd. smlda f. 'Me¬
tall’. Zur Etymologie s. unter Schmied. Das Geschwür n. Fnhd. geschwür neben geschwär,
Adjektiv geschmeidig muß seiner Lautform das die ältere Form ist (mhd. geswer m./n., ahd.
nach zu Geschmeide gehören, also 'für Ge¬ giswer). Verbalabstraktum zu schwären (s. d.),
schmeide geeignet’ (d. h. 'gut schmiedbar’). also eigentlich 'etwas das schwärt, eitert’.
Geschmeiß n., arch., vulg. Mhd. gesmeize, Ab¬ Geseire(s) n., Geseier n. 'Geschwätz’, ugs. Aus
leitung aus mhd. smeizen, smizen 'scheißen’ dem Rotwelschen, das es seinerseits von wjidd.
(hauptsächlich von kleinen Tieren); wohl eine geseire 'böser Zustand, Verhängnis’ hat. Die
Umdeutung von mhd. smizen 'schmieren’ (s. Bedeutung ist wohl vermittelt durch 'Klagen
unter schmeißen) nach scheißen. Als Geschmeiß über die verhängnisvolle Lage’.
wird der Kot oder auch die Eier der Fliegen Wolf (1985), 115.
bezeichnet, dann auch kleine Insekten (usw.)
Geselle m. Mhd. geselle, ahd. gisello\ Sozia-
selbst, auch verächtlich von Personen.
tivbildung zu Saal (s. d.), also 'jmd., der im
S. Schmeißfliege.
gleichen Haus (Saal) wohnt’, dann verallge¬
Geschoß n. Mhd. geschoz, geschöz, ahd. ge- meinert zu 'Gefährte’ und schließlich (schon
scöz, mndd. geschöt, mndl. gescot. Zu schießen mittelhochdeutsch) festgelegt auf 'Handwerks¬
(s. d.). Die Herkunft der Bedeutung 'Stock¬ geselle’.
werk’ ist unklar.
S. auch Junggeselle. - E. Adelberg in: Dückert (1976)
S. auch Geschütz. 121-172.
Gesetz 263 gestern

Gesetz n. Mhd. gesetzede n.jf., gesetze, ahd. Gespons m./f. 'Ehepartner’, arch., ugs. Mhd.
gisezzida /., also eigentlich 'das Gesetzte’ mit gespons, gespunse m./n. 'Bräutigam, Braut’, ent¬
einem ähnlichen Bedeutungsübergang wie bei lehnt aus 1. spönsus m., spönsa f. 'Verlobter,
Satzung. Verlobte’ (zu 1. spondere [spönsum] 'geloben,
S. setzen ( + ). versprechen’).
gesetzt Adj. 'ruhig, würdig’. Ursprünglich S. Gspusi, Sponsor.

Partizip zu gesetzen. das auch 'sich setzen ma¬ Gestade n., arch. Mhd. stade, ahd. stado m.,
chen, beruhigen’ bedeutete. stad m./n., as. stath m. aus g. *stapa- n. 'Ge¬
S. setzen ( + ). stade’, auch in gt. stapa (Dat. Sg.), ae. stcep,
afr. sted(e)\ die Kollektivbildung mit ge- seit
Gesicht n. Mhd. gesiht, ahd. gisiht, ähnlich
mittelhochdeutscher Zeit. Ableitung zu stehen
ae. gesiht f. 'das Sehen, der Anblick’, Abstrak¬
(s. d.), also *stha-to- 'Stätte, Stelle’. Das Wort
tum zu sehen (s. d.). Die heutige Bedeutung
ist in neuerer Zeit durch Ufer zurückgedrängt
entwickelt sich aus 'Anblick’.
worden.
Gesichtspunkt m. Lehnbildung des 17. Jhs. S. auch Staden. — Bahder (1925), 37f.
mit Gesicht (s. d.) in der allgemeinen Bedeutung
Gestalt /. Mhd. gestalt 'Aussehen, Beschaf¬
'das Sehen’ und Punkt (s. d.) zu gleichbedeu¬
fenheit’, etwas älter ungestalt 'Unförmigkeit’.
tend frz. point de vue, das seinerseits zu dem
Eigentlich Partizip zu stellen (s. d.), also 'das
l. Fachausdruck des Zeichnens punctum vtsus
Gestellte’. Das Verbum gestalten ist hiervon ab¬
'Perspektive’ (wörtlich: 'Punkt des Sehens’) ge¬ geleitet.
bildet ist. Im 16. Jh. ist dafür die Fügung des
S. ungestalt, verunstaltet. — A. Kutzelnigg MS
gesichts punct belegt. 82(1972), 27-37.
Gesinde n., arch. Mhd. gesinde, ahd. gisindi, gestanden Adj. (PPrät.) (in ein gestandener
as. gisTöi aus g. *ga-senpja- n. 'Begleitung’, spä¬ Mann u. ä.). Schon mittelhochdeutsch in der
ter 'Gesinde’, auch in gt. gasinpi, anord. sinni Bedeutung 'erwachsen, erfahren’. Wohl als
m. 'Gefährte’, ae. gesTp m. 'Gelahrte’; Kollektiv 'zum Stehen gekommen’ = 'erwachsen’.
zu g. *ga-sinpön m. 'Begleiter’ in gt. (mip)ga- S. stehen ( + ).
sinpa, anord. sinni, ae. gesTp m. 'Gefährte, Ka¬ gestatten swV. Mhd. gestatenen, ahd. gistatön
merad’, as. gisid m., ahd. gisind m., mhd. gesint 'gewähren’. Abgeleitet von ahd. stata 'günstiger
m. Dieses ist eine Soziativbildung zu g. *senpa- Ort’, also 'einen günstigen Ort geben’. Das
'Weg’ in gt. sinps, anord. sinn m., ae. sip m., Grundwort gehört wie Stätte zu stehen (s. d.).
afr. as. sith m., ahd. sind m., also 'der den
Geste /. Um 1500 entlehnt aus 1. gestus
gleichen Weg hat’. Aus der Bedeutung 'Beglei¬
m. 'Mienenspiel, Gebärdenspiel’ (zu 1. gerere
tung, Gefolge’ hat sich in neuhochdeutscher
fgestumj 'sich benehmen’), zunächst in der la¬
Zeit die Bedeutung 'Dienerschaft’ entwickelt.
teinischen Form, dann aus dem Plural Gesten
S. Gesindel, senden. — E. Seebold BGDSL-T96 (1974), rückgebildet die heutige deutsche.
1-11.
S. gestikulieren, Register ( + ).
Gesindel n. Fnhd. gesindlein (und andere Ver¬ gestehen stV. Mhd. gesten, ahd. gistän 'stehen
kleinerungen) bedeutet zunächst nur 'kleines bleiben, hintreten, einräumen’. Die Einengung
Gesinde’; dann erfolgen regionale Differenzie¬ auf die heutige Bedeutung erst neuhochdeutsch.
rungen, von denen sich in der Hochsprache die
gestern Adv. Mhd. gester(n), ahd. gesteren,
zu Gesindel 'Lumpenpack’ durchsetzt.
gestre, gest(e)ra, mndl. gisteren aus wg.
S. Gesinde, senden.
*gestra- (mit adverbialen Kasusformen) 'ge¬
Gesocks n. 'Gesindel’, ugs. Herkunft unklar. stern’, auch in ae. geostra; daneben mit anderer
Gespan m. 'Gefährte’, arch. Mhd. gespam, Vokalstufe anord. i gar und als Kompositum
Soziativbildung mit unklarer Grundlage. Viel¬ gt. gistra-dagis 'morgen’ (= 'der Tag, an dem
leicht mhd. span(n) 'Zerwürfnis, Streit’, als der heutige = gestern ist’? Oder Bedeutungsver¬
allgemeinerung?). Entsprechend gebildet ist 1.
'einer, der beim Streit mithilft’.
hesternus 'gestrig’; wie ai. hyä- und wohl auch
S. widerspenstig.
gr. chthes zeigen, ist von ig. *ghjes auszugehen,
Gespenst n. Mhd. gespenst, gespanst /., ge- das ein adverbialer Genitiv sein könnte. Laut¬
spenste n. 'Lockung, Trugbild, Gespenst’, ahd. lich unklar sind air. inde und kymr. (d)doe. Die
gispensti/., gispanst, as. gispensti 'Verlockung’. nordische Form dürfte auf eine späte sekundäre
Verbalabstraktum zu ahd. spanan stV. 'verlok- Dehnung zurückgehen.
ken’; also zunächst von verlockenden Gaukel¬ Nndl. gisteren, ne. yesterday. — F. Kluge BGDSL
bildern, dann verallgemeinert. 41(1916), 182. Anders: F. Specht ZVS 68(1944),
S. abspenstig. 201-205.
gestikulieren 264 Gewand

gestikulieren swV. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. dem 16. Jh.), deren Herkunft nicht mit letzter
gesticulärl (dass.), das von 1. gesticulus, dem Sicherheit geklärt ist. Es scheint auf ein mund¬
Diminutiv des unter Geste behandelten Wortes, artliches it. ghetto m. 'Gasse’ zurückzugehen.
abgeleitet ist. S. Gasse. — Littmann (1924), 59; S. A. Wolf BN
Gestirn n. Mhd. gestirn(e), ahd. gistirni; Kol¬ 12(1961), 280-283; H. Meier ASNSL 209(1972),
lektiv zu Stern1 (s. d.), also zunächst 'Sternbild 1-8.
u. ä.\ Dann auch für einzelne Sterne gebraucht. Getümmel n. In frühneuhochdeutscher Zeit
Gestöber n. Spmhd. gestöber, gestobere, ge- gebildetes Kollektiv zu mhd. tumel m. 'Lärm,
stiibere zu mhd. stöbern, eigentlich 'stieben ma¬ Durcheinander’, das zu tummeln (s. d.) und wei¬
chen’, also dem Sinn nach zu stieben (s. d.) und ter zu taumeln gehört.
stöbern. Gevatter m., arch. Mhd. gevater(e) fjm.,
Gestör 'Verbindung mehrerer Stämme
n. ahd. gifatero; Lehnübersetzung von ml. compa-
beim Flößen’, reg. Mhd. gestore, Kollektiv zu ter 'Mitvater in geistlicher Verantwortung,
storre 'Baumstumpf, Baumstamm’ (s. Storren). Pate’. Während für diese Bedeutung Pate allge¬
mein üblich wird, wird Gevatter auf die schon
Gestrüpp n. Erst neuhochdeutsch zu bele¬
alt bezeugte Bedeutung 'Freund der Familie’
gende Kollektivbildung zu mhd. struppe f.
zurückgedrängt.
'struppige Pflanzen’. Dieses zu struppig und
R. Hildebrandt in: FS Schmitt (1988), 672-674.
sträuben (s. d.).
gewahr Adj., arch. Mhd. gewar, ahd. as. giwar
Gestüt n. Kollektivbildung seit dem 16. Jh.
zu mhd. stuotf. 'Pferdeherde’, das sich in dieser aus g. *war-a- 'aufmerksam’, auch in gt. wars
Zeit zur Bezeichnung für das weibliche Pferd 'behutsam’, anord. varr, ae. gewar. Zu ig. *wer-
wandelt (s. Stute). Vom Kollektivum 'Pferde¬ 'beobachten, aufmerken’, das unter wahren
herde’ aus verschiebt sich die Bedeutung zu (s. d.) dargestellt ist. Ableitungen hierzu sind
Hof, auf dem Pferde gezüchtet werden’. gewahren und Gewahrsam, beides seit mittel¬
hochdeutscher Zeit.
Gesums n. unnötiges Gerede’, ugs. Neuhoch¬
Ne. aware. S. wahren ( + ).
deutsche Bildung zu summen (s. d.) mit einem
eher in Norddeutschland üblichen Suffix. gewähren swV. Mhd. gewern, ahd. (gi)weren
'zugestehen’ führt wie afr. wera 'Gewähr leisten’
gesund Adj. Mhd. gesunt, ahd. gisunt(i),
auf *wer-ä- 'gewähren’. Zu ig. *wero- 'achten’,
rnndl. gesonde, gesont aus wg. *ga-sunda- Adj.
das einerseits 'wahrnehmen’ ergibt (s. gewahr
gesund’, auch in ae. gesund, afr. sund. Das
Wort gehört am ehesten zu geschwind', so wie und wahren), andererseits übertragen wird auf
dieses auf *sghuwent zurückgeht, kann gesund moralische und religiöse Vorstellungen (1. vererl
auf schwundstufiges *sghu-nt- zurückführen. 'scheuen, verehren’, s. wahren). Semantisch am
Die Ausgangsbedeutung wäre dann 'mächtig, nächsten bei gewähren steht gr. epi era pherein
stark’. jmd. einen Gefallen erweisen’. Die Wendung
Nndl. gezond, ne. sound. S. geschwind.
gewähren lassen geht auf älteres gewerden lassen
zurück (zu gewerden 'tun, wie man will’), ist
gesundstoßen stV, ugs. In der Gegenwarts¬
also etymologisch abzutrennen.
sprache entstanden, zunächst offenbar an der
S. Garantie. — F. Klaeber JEGPh 18 (1919), 250 — 271;
Börse: 'seine wirtschaftliche Lage durch günsti¬ E. Seebold 7F78 (1973), 159-161.
ges Abstoßen von Aktien verbessern’.
Gewalt/. Mhd. gewalt m./f, ahd. giwalt m./
Getreide n. Mhd. getregede, geträgete, spahd.
f, as. giwald m./f; wie afr. wähl, weldf/n. ein
gitregidi', Verbalabstraktum zu (ge) tragen, ei¬
Verbalabstraktum zu walten (s. d.). Eine andere
gentlich 'das Getragene, der Ertrag’. Seit dem
Stammbildung zeigen anord. vald n., ae. ge-
14. Jh. speziell auf den Kornertrag spezialisiert,
w(e)ald m./n. (neutrale a-Stämme) gleicher Be¬
und dann überhaupt zu Korn’ geworden. deutung.
S. tragen ( + ). — J. Knobloch in: Schmidt-Wiegand
(1981), 50f. Nndl. geweld, nschw. väld (s. o.), nisl. vald (s. o.). S.
Anwalt, walten ( + ).
Getriebe n. In frühneuhochdeutscher Zeit als
Gewand n., arch., siidd. Mhd. gewant, seit
Abstraktum zu treiben gebildet; dann zunächst
dem 11. Jh. als giwant bezeugt und als solches
vom Antriebsmechanismus der Mühlen und
von dort aus verallgemeinert. Ableitung zu wenden (s. d.). In älterer Zeit be¬
S. treiben ( + ). deutet es 'Wendung’ und 'Gewendetes’ und
kann sich so auch auf Tuchballen beziehen, in
Getto n. 'abgetrenntes Wohnviertel; Juden- denen das Tuch gefaltet, also gewendet ist. In
viertel’, sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus der Bedeutung 'Kleid’ dürfte das Wort aber eine
gleichbedeutend it. ghetto m., ursprünglich Be¬
Umdeutung aus älterem mhd. geweete, gewäte,
zeichnung des Judenviertels in Venedig (seit I ahd. giwäti, giwädi 'Kleidung’ sein. Dieses be-
gewandt 265 Gewissen

deutet ursprünglich 'Gewebe’ und gehört zu dagegen für den englischen Ausdruck Gewerk¬
weben- das einfache Wort ahd. mhd. wät bedeu¬ verein und Gewerksgenosssenschaft.
tete ebenfalls 'Kleid’.
Gewese n. 'Benehmen’, ugs., nordd. Abstrakt¬
S. auch Leinwand, Wat. — H. Wunderlich IF 14 (1903), bildung zu dem starken Verb wesen, hoch¬
406-420.
sprachlich nur noch in Präteritalbildungen
gewandt Adj. (PPrät.). Das Partizip zu wen¬ (war, gewesen) und Ableitungen (Wesen, s. d.).
den (s. d.) wird wie wendig zu einem Ausdruck gewesen unr. V, s. Wesen.
für 'geschickt' (etwa seit dem 17. Jh.).
Gewicht1 n. (= durch Wiegen ermittelte
Gewann(e)/. 'Teil der Gemarkung’, reg. (häu¬ Schwere eines Körpers). Mhd. gewiht(e), eine
fig in Flurbezeichnungen). Mhd. mndl. gewande Kollektivbildung zu g. *wehti- f. 'Gewicht’ (aus
'Ackergrenze, Ackerlänge’. Ursprünglich die *weg-ti- zu wiegen, s. d.) in anord. vatt /., ae.
Grenze des Ackers, an der beim Pflügen gewen¬ wiht/.('?), afr. wicht, mndd. wicht(e) f.
det wurde. Dann über 'Grenze’ zu den weiteren Nndl. wicht, ne. weight, nisl. vatt. S. Wichte, wichtig,
Bedeutungen. wiegen ( + ), Wucht.
S. Gewende, wenden ( + ). Gewicht2 n. 'Geweih’, fachsprachl. Frühneu¬
gewärtig Adj., arch. Mhd. gewertec zu mhd. hochdeutsch zu Geweih (s. d.).
gewarten 'sich bereithalten’. gewieft Adj. 'gerissen’, ugs. Herkunft unklar.
S. warten ( + ). Scherzhaft zu frz. vif 'aufgeweckt, lebendig’?
Gewäsch n. 'Geschwätz’, ugs. Zu mhd. wa¬ gewiegt Adj. (PPrät.) 'schlau’, ugs. Offenbar
schen (s. d.), weschen 'schwätzen’, eigentlich Partizip Präteritum zu wiegen 'mit dem Wiege¬
'waschen’ (bezogen auf die Unterhaltung der messer fein hacken’ (s. d.), also 'feingehackt’
gemeinsam waschenden Frauen). mit ähnlicher Bedeutungsentwicklung wie bei
S. waschen, Wischiwaschi. raffiniert, gerieben u. ä.

Gewehr n. Mhd. gewer, ahd. giwerida f. Zu¬ Gewinde n. Seit frühneuhochdeutscher Zeit
nächst 'Verteidigungswaffe’ (zu wehren, s. d.), Verbalabstraktum zu winden (s. d.). Später Ver¬
danach allgemein 'Waffe’ und schließlich einge¬ engung zu 'Schraubengewinde u. ä.’.
schränkt auf eine bestimmte Schußwaffe. gewinnen st V. Mhd. gewinnen, ahd. giwinnan;
gemeingermanische Präfigierung, die aber nur
Geweih n. Mhd. gewtge. Wie in mndd. her-
im Westgermanischen die Bedeutung 'erwerben’
testwich 'Hirschgeweih’ zu mndd. twlch 'Zweig’
hat. Grundwort ist g. *wenn-a- 'sich mühen’ in
steht das deutsche Wort neben einem Wort für
gt. winnan, anord. vinna, ae. winnan, afr. winna,
'Zweig’, das in ai. vayä f. und dehnstufig akslav.
as. ahd. winnan-, gewinnen ist also 'durch Mühe
vejaf. 'Zweig’ bezeugt ist. Diese zu *wew- 'we¬
erreichen’. Zu ig. *wena- 'erstreben’ in ai. vanöti
ben, flechten’ (also eigentlich 'Rute, Gerte’), 'wünscht, verlangt, gewinnt’, akslav. uniti 'wol¬
das auch im Germanischen bezeugt ist. Das len’, 1. venus 'Liebe, Liebesgenuß’. Die Gemi-
Geweih wird also als 'Geäst’ bezeichnet. nate des Germanischen geht am ehesten auf
S. auch Gewicht2. *wenw- zurück (vgl. die altindische Form aus
Gewende n. 'Ackergrenze, Feldmaß’, reg. Zu *wen-u-). Nach Trier (s. u.) ist die Ausgangs¬
wenden (s. d.) mit dem gleichen Bedeutungszu¬ bedeutung 'rupfen’ (von Laubbüscheln), was
sammenhang wie bei Gewannte) (s. d.). mit beachtlichen Gründen gestützt wird (ved.
vänas- Bedeutung unsicher, nach Trier 'Laubbü-
Gewerbe n. Mhd. gewerbe gehört zu (ge) wer¬
schef).
ben in dessen allgemeiner Bedeutung 'tätig sein’;
Nndl. winnen, ne. win, nschw. nisl. vinna. S. überwinden,
also eigentlich 'Tätigkeit’. In frühneuhochdeut¬ wohnen, Wonne, Wunsch. — A. G. v. Hamei in: Me-
scher Zeit auf 'Berufstätigkeit’ eingeengt. langes Linguistiques, FS Holgar Pedersen (Aarhus
Gewerkschaft/. Seit dem 16. Jh. belegtes Kol¬ 1937), 103-109; Trier (1963), 118-141; Trier (1981),
175-179.
lektiv auf -schaft (s. d.) zu Gewerke, mhd. ge-
werke 'Handwerks-, Zunftgenosse, Teilhaber an gewiß Adj. Mhd. gewis, ahd. giwis(si), as.
einem Bergwerk’. Schon in mittelhochdeutscher (gi)wis aus g. * (ga)wissa- 'gewiß, sicher’, auch
Zeit wird die Bedeutung von Gewerke auf den in gt. unwiss 'ungewiß’, anord. viss (vermischt
Bergbau eingeschränkt, und Gewerkschaft be¬ mit der Entsprechung zu weise), ae. gewis(s),
deutet deshalb bis ins 18. Jh. 'Gesamtheit der afr. wiss. Ein ro-Partizip zu g. *wait (Prät-
Inhaber eines Bergwerks’; von da an wird es Präs.) 'weiß’, also eigentlich 'das Gewußte’.
Nndl. (ge)wis, nschw. nisl. viss. S. wissen( + ).
auch auf andere Berufe ausgedehnt und be¬
kommt seit der Mitte des 19. Jhs. unter Einfluß Gewissen n. Mhd. gewizzen/., ahd. giwizzani
von ne. trade union 'Arbeiterverband’ die heu¬ /.; Lehnbildung zu 1. cönscientia/., ursprünglich
tige Bedeutung. Nicht durchgesetzt haben sich ein Ausdruck der Rhetorik vor Gericht, mit
Gewitter 266 Gier

dem die Auswirkungen des Schuldbewußtseins 'Werkzeug’ eine Ableitung zu g. *tau-ja- 'zurich¬
(Unruhe, Unsicherheit usw.) bezeichnet wur¬ ten’ (s. zauen).
den. Das griechische Wort syneidesis f ist erst
Gezeiten PI. Seit dem 17. Jh. angepaßt aus
für das Neue Testament belegt. Der Form nach
mndd. getide n. 'Flutzeit’, einer Spezialisierung
ist ahd. giwizzani Adjektiv-Abstraktum zum
des Wortes Zeit (s. d.).
Partizip giwizzan 'gewußt, bewußt’.
S. auch Tide. - Kluge (1911), 782f.
S. wissen (+). — F. Zucker: Syneidesis-Conscientia
(Jena 1928); W. Betz BGDSL 67(1944), 302; P. W. Gezücht n. (meist in Ottergezücht/ Natternge¬
Schönlein RMPh 112 (1969), 289-305; A. Cancrini: zücht nach Mt. 3, 7), arch. Mhd. gezühte, Kol-
Syneidesis (Rom 1970). lektivum von Zucht (s. d.) im Sinn von 'Brut,
Gewitter n. Mhd. gewiter(e), ahd. giwitiri, Aufgezogenes’.
as. giwidiri aus wg. *ga-wedr-ja- n. 'Gewitter’, Ghetto n., s. Getto.
auch in ae. gewider. Kollektiv zu Wetter (s. d.), Gicht /. Mhd. gibt nff, ahd. gigiht, mndd.
das aber nur vom Unwetter gebraucht wird. gicht, mndl. gicht(e). Herkunft unklar.
S. auch Ungewitter.
P. Lessiak ZDA 53 (1912), 101 -182; E. Müller-
gewogen Adj. (PPrät.), arch. ln dieser Bedeu¬ Graupa Glotta 19(1931), 57f.
tung seit dem 16. Jh. bezeugt, offenbar Partizip Gickelhahn m., s. Gockel.
zu dem Komplex wiegen/wägen/bewegen, wobei
gicksen swV., reg. Mhd. gichsen, gichzen,
die Bedeutungsentwicklung im einzelnen unklar
ahd.(ir)gickezzen 'einen leichten Schrei aussto¬
bleibt. Zu beachten ist; jemanden zu etwas bewe¬
ßen’. Aus einer lautmalenden Grundlage; vgl.
gen — ich habe ihn bewogen; vielleicht als Ent¬
etwa ae. geocsa, gepxa m. 'Schluckauf’.
sprechung dazu (in diesem Fall zu gewegen) er
S. kieksen.
ist mir gewogen.
S. wiegen ( + ). Giebel1 m., fachsprachl. Mhd. gibel, ahd. gibil,
mndd. mndl. gevel aus vor-d. *gibla- m. 'Gie¬
gewöhnen swV. Mhd. gewenen, ahd. giwennen
bel’, neben gt. gibla 'Giebel’ mit schwacher Fle¬
aus g. *wan-ija- swV. 'gewöhnen’, auch in
xion; daneben anord. gafl 'Giebelreiter’. Laut¬
anord. venja, ae. gewenian. Offenbar eine Ablei¬
lich vergleichbar ist ein weiter verbreitetes Wort
tung zu *wanan- in anord. vanr 'gewohnt’,
für 'Kopf’ (ahd. gibilla/., gr. kephale/., toch. A.
neben dem mit Ablaut ahd. giwona, mhd. gewon
spät 'Kopf’). Die Bedeutungszusammenhänge
steht. Adjektiv und Verb haben sich im Deut¬
sind nicht ausreichend geklärt. Falls von 'Ober¬
schen angeglichen; das Verb wird zu gewöhnen,
stes (o. ä.)’ auszugehen ist, können 'Kopf’ und
das Adjektiv bekommt die Form eines Partizips
'Giebel’ Zusammenhängen; in diesem Fall ist
(gewohnt). Zur Grundlage s. wohnen', die Be¬ Kopf’ wohl die Ausgangsbedeutung. Anderer¬
deutungszusammenhänge sind im einzelnen seits ist *ghebh- 'Kopf’ parallel zu *kap- 'Kopf’
noch nicht geklärt.
(s. Haupt) und könnte eine Variation von die¬
Nndl. wennen, ne. wean, nschw. vänja, nisl. venja. S. sem sein; 'Giebel’ könnte andererseits näher bei
auch verwöhnen. - E. Rooth UUA (1924), II.8,
Gabel (s. d.) stehen und 'Spitze, Gabelung o. ä.’
93-106. Zu Gewohnheit vgl.: G. Funke AB 3 (1958).
bedeuten. Eine Entscheidung ist vorläufig nicht
Gewölle n. 'von Raubvögeln ausgewürgte un¬ möglich.
verdauliche Bestandteile ihrer Beute’, fach- J. Trier ZDA 76(1939), 13-44.
sprachl. In dieser Bedeutung seit dem 16. Jh.
Giebel2 m., auch Gieben m. ( = der Fisch
bezeugt, mhd. gewel(le) 'Brechmittel für den
Carassius gibellio’), fachsprachl. Fnhd. gibel',
Falken, Gebrochenes’. Zu mhd. wullen, wüllen,
vgl. ahd. guva f. Beides wohl entlehnt aus 1.
willen, ahd. wullön, willön 'erbrechen, Ekel emp¬
gobius, das seinerseits aus gr. köbiös stammt.
finden’.
giepern swV. 'gierig nach etwas (Eßbarem)
Gewürz n. Seit dem 15. Jh. übliches Kollektiv
verlangen’, ndd. Zu einer Entsprechung des nur
zu Wurz 'Kraut’ (s. d.), also eine ähnliche Be¬
im Hochdeutschen belegten Geifer (s. d.), also
deutungsverengung wie bei dem Plural Kräuter.
'vor Begierde Speichel absondern’. Gieper 'Be¬
Geysir m., Geiser m. 'heiße Quelle’, J'ach- gierde’ ist daraus rückgebildet.
sprachl. Entlehnt aus nisl. geysir (Name einer
Gier /. Mhd. gir, ahd. girl 'Begierde’, Adjek¬
solchen Quelle), dieses zu nisl. geysa 'hervor¬
tivabstraktum zu ahd. ger, giri, mhd. gir, ger
sprudeln’.
begierig In den Wörtern dieser Lautform mi¬
Gezähe n. 'Gerät’, fachsprachl. Mhd. ge- schen sich zwei Quellen: ig. *gher- 'verlangen’
zouwe, gezowe. Wie die bedeutungsähnlichen (s. gern) und r-Ableitungen von *ghei- 'gähnen,
Wörter afr. tauw(e) /., mndd. touwe, tow, tau klaffen, verlangen’ (s. Geier).
und - anders gebildet - ae. töl, anord. töl S. auch Geiz.
Giersch 267 Giro

Giersch m. (= ein Unkraut), reg. Ahd. gers, rückgeht, einer Ableitung von afrz. gigue
gires, mhd. gers, gfres, gfrst, mndd. gers(ele), 'Geige’, vermutlich aus frk. *giga (dass.).
gersgerse. Damit können urverwandt sein (mit
Gilde /., arch. Ursprünglich niederdeutsches
Ablaut) lit. garsvä /., garsas 'Angelika, Engel¬
Wort (mndd. gilde f./n. 'Brüderschaft, Gesell¬
wurz’.
schaft’); ein Kollektiv in der gleichen Bedeutung
Marzeil (1943/79), I, 124-126.
liegt in ae. gegilda m. 'Kompanion, Genosse’,
gießen stV. Mhd. giezen, ahd. giozan, as. gio- anord. gildi m. 'Gildebruder’ vor. Gehört offen¬
tan aus g. *geut-a- stV. 'gießen’, auch in gt. bar zu Geld (s. d.) in der Bedeutung 'Abgabe’.
giutan, anord. gjöta, ae. geotan, afr. gjäta\ dieses Vermutlich wird dadurch eine Gesellschaft be¬
aus *gheud-, einer Erweiterung zu *gheu- 'gie¬ zeichnet, die gemeinsam Mittel durch Umlage
ßen’. *gheud- in 1. fundere 'gießen, schütten’, gr. aufbringt.
kochydeö 'ich ströme hervor’; *gheu- in ai.juhöti E. v. Künßberg ZM 11 (1935), 242-245; Obst (1983),
'opfert, gießt Butter ins Feuer’, gr. cheö 'ich 142-157.
gieße, schmelze’, 1. fütis 'Wassergefäß’, toch.
Gimpel m. (= ein Finkenvogel), fachsprachl.
A. B. ku- 'gießen, spenden’.
Spmhd. gümpel zu mhd. gumpen 'springen’, also
Nndl. gieten, nschw. gjuta, nisl. gjöta. S. Fondue ( + ),
etwa 'Hüpfer’. Da der Vogel ziemlich schwerfäl¬
Gosse, Guß.
lig ist, Übertragung auf den Menschen als 'ein¬
Gift «., früher auch /./m. Mhd. ahd. gift /., fältiger Tropf’.
mndd. gifte/., mndl. gift(e) aus g. *(-)gefti- f.
Suolahti (1909), 137-140; Lühr (1988), 366.
'Gabe’ (zu geben, s. d.), auch in gt. -gifts, anord.
gift(a) /., ae. gift/., air.jeft(e) m./f. Das Wort Gin m., 'Wacholderbranntwein’, sonder-
kann seit dem Althochdeutschen (wohl im An¬ sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. gin,
schluß an gr. dös [-ötös] f. und 1. dös [-ötisj f. einer Kurzform von e. geneva (dass.), aus nndl.
'Gabe, Arzneigabe, Giftgabe’) 'Gift’ bedeuten; genever (dass.), aus afrz. gene(i)vre 'Wachol¬
im 16. Jh. wird differenziert: die Bedeutung der’, aus 1. iüniperus f. (dass.).
'Gabe’ bleibt Femininum (vgl. Mitgift), die Be¬ Etymologisch verwandt: [Genever],

deutung 'Gift’ wird Neutrum. Danach stirbt Ginster m., fachsprachl. Mhd. ganeister /.,
das Femininum bis auf Relikte aus. ginster, ahd. geneste(r). Entlehnt spl. genista/.,
Nndl. ne. gift, nschw. gift. — V. Pisani StG 10 (1972), it. ginestra/., deren Herkunft unklar ist.
29 — 34. Zur Bedeutungsentwicklung vgl.: M. G. Arca- Marzeil (1943/79), II, 601f.
mone StG 5 (1967), 5-40.
Gipfel m. Fnhd. güpfel, Diminutiv zu mhd.
Gig/. 'Ruderboot des Kapitäns\fachsprachl. gupf(e) 'Spitze’. Dieses ist eine oberdeutsche
Entlehnt aus ne. gig 'leichtes Boot’, das auch
Entsprechung zu Kuppe (s. d.).
'leichter Wagen’ bedeuten kann. Weitere Her-
Anders: Lühr (1988), 273f.
kunft unklar.
Gips m. Mhd. spahd. gips. Entlehnt aus 1.
Gigant m. 'Riese, Person mit außergewöhn¬
gypsum n., das aus gr. gypsos f. stammt. Dieses
lichen Möglichkeiten und Fähigkeiten’, sonder-
vielleicht aus einer Entsprechung zu hebr. gäbis
sprachl. Im Althochdeutschen entlehnt aus
'Kristall’. Das Maskulinum des deutschen Wor¬
gleichbedeutend 1. Gigäs (Gigantis), dieses aus
tes wohl im Anschluß an Kalk.
gr. Gigäs (Gigantos) (dass.). In der altgriechi¬
W. Horn BGDSL 22(1897), 218f.; Lüschen (1968),
schen Sage sind die Giganten die riesenhaften
226f.; Lokotsch (1975), 56.
Söhne der Gaia, die von Zeus wegen ihres Fre¬
velmuts bekämpft werden. Giraffe /. (= ein großes Säugetier). Im 16.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 72.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. giraffa, die¬
ses aus arab. zuräfa (dass.).
Gigerl m./n., 'Modegeck’, ugs., sonder-
Littmann (1924), 79, 138; Lokotsch (1975), 173f.
sprachl., südd. Im 19. Jh. in Österreich aufge-
kommen; eigentlich ein Mundartwort für Girlande/. 'Schmuckgebinde’. Im 18. Jh. ent¬
'Hähnchen’. lehnt aus gleichbedeutend frz. guirlande, dieses
Ladendorf (1906), 107f.
aus it. ghirlanda (dass.), das selbst wohl aus dem
Französischen (afrz. garlande) übernommen ist.
Gigolo m. 'Eintänzer; Mann, der sich von
Die weitere Herkunft ist nicht mit letzter Sicher¬
Frauen aushalten läßt’, sonderspracht. Im 20.
heit geklärt.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gigolo, der
movierten Form von frz. gigole f. 'hagere junge Giro n. 'Geldüberweisung’, fachsprachl. Im
Frau, professionelle Tänzerin in Tanzsalons’, 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. giro m.
einer Bildung zum Stamm von frz. gigoter 'tan¬ (wörtlich: 'Kreis, Umlauf’), dieses aus 1. gyrus
zen, die Beine bewegen’, das über mundartliche m. 'Kreis’, aus gr. gyros m. (dass.).
Zwischenformen auf frz. giguer 'hüpfen’ zu¬ Morphologisch zugehörig: Girant, Girat.
girren 268 gleich

girren swV. Seit frühneuhochdeutscher Zeit Glas2 n. 'halbe Stunde’ (in bestimmten Wen¬
bezeugt. Lautmalendes Wort wie garren, gerren, dungen), fachspracht Nach dem Plural Glasen
gurren, kirren in entsprechender Verwendung. zu urteilen, im Niederländischen entstanden.
O. Hauschild ZDW 11(1909), 176; P. Kretschmer Gemeint ist ursprünglich die Sanduhr (aus
Glotta 13 (1924), 136f. Glas), nach deren Ablauf der Wachdienst auf
Gischt m., auch/, sondersprachl. Mhd. gest, den Schiffen geregelt war.
jest; Verbalabstraktum zu gischen, gesehen swV. glasieren swV. 'mit Glasmasse oder Zucker¬
schäumen’, die Nebenformen zu *jes-a- 'gären’ guß überziehen’. Bezeugt seit dem 16. Jh. Mit
sind (s. gären). fremder Endung zu Glas1 (s. d.).
gissen swV 'die Position eines Schiffes schät¬ Glast m. 'Glanz’, arch., südd. Mhd. glast.
zen , fachspracht, ndd. In den Nordseesprachen Gehört zu den 'Glanz’-Wörtern mit Anlaut gl-
gebräuchliches Wort (nschw. gissa, ndn. gisse, ohne nähere Verknüpfbarkeit.
ndd. gissen), das wohl als *gets-ija- zu *get-a-
Glasur /. 'Tortenguß’. Bezeugt seit dem 17.
(s. vergessen) gehört. Die Bedeutung ist ur¬
Jh. Wie glasieren mit fremder Endung zu Glas1
sprünglich 'mutmaßen’ und hat sich dann ein¬
(s. d.).
geengt auf die fachsprachliche Bedeutung.
Kluge (1911), 320.
glatt Adj. Mhd. glat, ahd. glat, as. glad- 'froh’
aus g. *glada- Adj. 'glatt, schlüpfrig’, übertra¬
Gitarre /. ( = ein Saiteninstrument). Im 17.
gen 'froh’, auch in anord. glaör 'blank, froh’,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span, guitarra,
ae. glad 'glänzend, froh’, afr. gled 'glatt, schlüp¬
dieses aus arab. qJtära (dass.), das übernommen frig’. Außergermanisch vergleicht sich 1. glaber
ist aus gr. kithärä 'große Leier’.
'glatt, kahl’ (*ghlädh-ro-) und mit Dehnstufe
Morphologisch zugehörig: Gitarrist', etymologisch ver¬ lit. glod(n)üs, akslav. gladükü 'glatt, eben’. Wei¬
wandt: Zither. — Littmann (1924), 90f.
tere Herkunft unklar.
gitt(e) Interj., s. igitt. Nndl. glad, ne. nschw. glatt, nisl. glaöur. S. Glatze. -
Gitter n. Bezeugt seit dem 15. Jh., auch als H. Schwarz in: FS Trier (1954), 445 — 449.

gegitter. Offenbar eine jüngere Abwandlung zu Glatze/. Mhd. glat(z) m. Zu glatt (s. d.) mit
Gatter (s. d.) und damit in seiner Herkunft un¬ Intensivgemination.
klar wie dieses. Lühr (1988), 258f.

Gladiator m. 'Kämpfer in den Zirkusspielen glauben swV. Mhd. g(ejlouben, ahd. gilouben,
des alten Roms’, sonder spracht Entlehnt aus as. gilöbian aus g. * (ga-)laubija- 'glauben’, auch
gleichbedeutend 1. gladiätor, einer Ableitung in gt. galaubjan, ae. gelifan, gelyfan; dazu nur
von 1. gladius 'Schwert’. wg. *ga-laub-ön m. (mhd. gfejloube, ahd. gi-
Etymologisch verwandt: Gladiole. loubo, as. gilöbo, ae. geleafa). Abgeleitet von
*ga-lauba- Adj. 'vertraut, Vertrauen erweckend’
Gladiole / (= ein Schwertliliengewächs),
in gt. galaufs, ahd. giloub, also 'vertraut ma¬
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1.
chen’. Vermutlich gehört dieses Wort zu Laub
gladiolus m. (wörtlich; 'kleines Schwert’, zu 1.
gladius m. 'Schwert’). in der Bedeutung 'Laubbüschel als Futter und
Lockmittel für das Vieh’ und bedeutet dann
Etymologisch verwandt: Gladiator.
ursprünglich 'zutraulich, folgsam, handzahm’
Glanz m. Mhd. spahd. glanz neben dem Ad¬ (wie das Vieh, dem ein Laubbüschel hingehalten
jektiv mhd. ahd. glanz 'glänzend’. Daneben eine wird).
Reihe weiterer 'Glanz’-Wörter mit Anlaut gl-, Nndl. geloven, ne. believe. S. Laub ( + ). - Th. Frings
ohne daß es sinnvoll wäre, daraus eine beson¬ BGDSL-H 91 (1969), 30-32; H. Kuhn: Kleine Schrif¬
dere Wurzel o. ä. zu konstruieren. ten (Berlin, New York 1978), IV, 309-317; R. Hinder-
H. Schwarz in: FS Trier (1954), 439-442. üng in: FS de Smet (1986), 207-216.

Glas1 n. Mhd. ahd. as. glas aus wg. *glasa- Glaubersalz n. 'Natriumsulfat als Abführmit¬
n. Glas , auch in ae. glas. Daneben mit gram¬ tel’, fachsprachl. Nach J. R. Glauber (17. Jh.),
matischem Wechsel mndd. glar 'Harz, ae. glar der es herstellte und anpries.
'Bernstein’, anord. gier 'Glas’ aus *glaza-. Of¬ Löschen (1968), 228.
fenbar haben die Germanen das Glas zunächst gleich Adj. Mhd. gelTch(e), ahd. gilTh, as.
als Schmuck kennengelernt und mit einem Wort gilik(o), aus g. *ga-!eika- Adj. 'gleiche Gestalt
für Bernstein bezeichnet. Das Wort stellt sich habend , auch in gt. galeiks, anord. (g)likr, ae.
zwar zu den anderen Glanz -Wörtern mit An¬ gelice, alr. llk. Zu dem damit vorausgesetzten
laut gl-, ist aber kaum ein Erbwort. g. *leika- Gestalt’, s. Leiche.
S. auch glasieren, Glasur. - Kritisch zu der Bedeutung
Nndl. gelijk, ne. like, nschw. lik, nisl. likur. S. auch
'Bernstein’: Meineke (1984), 45-62, 67-74. Gleisner, mißlich, sogleich.
Gleichgewicht 269 Globetrotter

Gleichgewicht Lehnbildung des 17. Jhs. mit Glied n. Mhd. g(e)lit, ahd. gilid, mndd. mndl.
gleich (s. d.) und Gewicht1 (s. d.) zu gleichbe¬ gelit; Kollektivbildung zu einfachem g. *lipu-
deutend frz. equilibre m. und 1. aequilibrium (aus m. 'Glied’ in gt. lipus, anord. liör m., ae. lip m./
1. aequus 'gleich’ und 1. Iibra f. 'Waage, Pfund’). n. , afr. lith, as. lid m., ahd. lid m./n./f. Von
Gleichmaß n. Rückbildung des 17. Jhs. aus derselben Grundlage gebildet sind anord. loimr,
dem Adjektiv gleichmäßig, das seit dem 16. Jh. ae. lim; auszugehen ist also von *//-. Dies kann
bezeugt ist (= Zusammensetzung mit gleich, eine Erweiterung sein zu der in Elle (s. d.) beleg¬
[s. d.] und mäßig zu Maß, s. d.). ten Grundlage *el-ei-, aber eine genauere Ent¬
Nichtenhauser (1920), 25. sprechung findet sich nicht.

Gleichnis n. Mhd. gelTclmisse, gelTchnus f.\ Gliedmaßen PI. Spmhd. lidemäz, mndd. lit-
n., ahd. gilthnissa 'Gleichheit’, dann 'Ebenbild’ mate, litmete, mndl. litmate, afr. lithmete; etwas
anders mhd. gelidemceze f. In den späten nordi¬
und schließlich 'Gleichnis, Parabel' (alle Bedeu¬
schen Sprachen (nisl. liöamöt usw.) scheint ein
tungen schon althochdeutsch).
anderes Hinterglied vorzuliegen (vergleichbar
gleichwohl Konj./Adv. Aus mhd. gelTche wol mit ne. to meet 'treffen’), die Bedeutung ist
'ebenso wohl, ebenso wirksam’. 'Gelenk, Glied, Mitglied’. Die kontinentalen
Behaghel (1923/32), III, 181f. Wörter bedeuten 'Leibeslänge, Gliederlänge,
Gleis n., s. Geleise. Glied u. ä.’. Ausgangspunkt unklar. Daß die
deutsche und die nordische Sippe zu trennen
Gleisner m. 'Heuchler’, arch. Mhd. gelTchse-
sein soll, ist nicht recht glaubhaft.
ncere, glTsenare, Nomen agentis zu mhd. gellch-
senen, gelichesen, gelihsen, ahd. gilthhisön 'es glimmen stV. Mhd. mndd. mndl. glimmen,
jmd. gleichtun, sich verstellen’; Ableitung zu wfr. glimme. Keine rechte Vergleichsmöglich¬
gleich (s. d.). Zur Bedeutung vgl. 1. simuläre keit. Gehört zu den 'Glanz’-Wörtern mit An¬
ähnlich machen, abbilden, erheucheln’ zu 1. laut gl-.
similis 'ähnlich’. Glimmer m. (= Steinname), fachsprachl. Be¬
A. Wallner ZDA 63 (1926), 214-216. zeugt seit dem 16. Jh. Wohl wegen des Glanzes
(unter Einfluß von 1. mica f. 'Krümchen’ — so
Gleiße /., auch Gleiß, m. 'Hundspetersilie’,
wegen des Vorkommens in kleinen Blättchen -,
reg. Mhd. glise, fnhd. gleisz. Vermutlich wegen
das zu 1. micäre 'funkeln’ gestellt wurde). Es
der glänzenden Blätter.
kann aber auch abwertend (wie Blende, s. d.)
Marzell (1943/79), I, 135-137.
gemeint sein. In der modernen Mineralogie für
gleißen swV, arch. Mhd. glTzen, ahd. gllzan, bestimmte Tonerdesilikate.
as. glitan aus vor-d. *gleit-a- stV. 'gleißen’ Lüschen (1968), 228f.
(schwache Flexion erst neuhochdeutsch).
glimpflich Adj. Nur noch in Wendungen wie
Außerdeutsch in gt. glitmunjan 'glänzen’, anord.
glimpflich davonkommen (d. h. 'ohne größeren
glita 'glimmern’, ae. glitinian 'glitzern’. Das Schaden’). Mhd. gelimpflich 'angemessen’ zum
Wort hat keine brauchbare Vergleichsmöglich¬ starken Verb ahd. gilimpfan 'sich geziemen, ge¬
keit. Es gehört zu den 'Glanz’-Wörtern mit bühren’. Dieses reicht nicht über das Westger¬
Anlaut gl-. Dazu auch glitzern (s. d.). manische hinaus und hat keine brauchbare Ver¬
gleiten st V. Mhd. gllten, ahd. * glitan, as. gleichsmöglichkeit.
aondfrk. glidan aus wg. *gleid-a- stV. 'gleiten’, S. verunglimpfen.
auch in ae. glidan, afr. gltda; im Nordischen glitschen swV, ugs. Seit dem 15. Jh. bezeugt.
vielleicht hierher anord. gleiör 'mit gespreizten Intensivbildung zu gleiten (s. d.).
Beinen’, anord. gleöa 'Milan’. Das Wort hat
glitzern swV. Erweitert aus mhd. glitzen (ver¬
keine brauchbare Vergleichsmöglichkeit.
gleichbar sind aber anord. glit[r]a und ne. glit-
Nndl. glijden, ne. glide. S. auch glitschen. ter). Intensivbildung zu gleißen (s. d.) und wie
Gletscher m. 'großes Eisfeld’. Im 16. Jh. ent¬ dieses ohne brauchbare Etymologie.
lehnt aus schweizerdeutschen Mundartwörtern, global Adj., s. Globus.
die auf gleichbedeutend spl. glaciärium n., einer
Globetrotter m. 'Weltenbummler’, sonder-
Ableitung von spl. glacia f. 'Eis’, aus 1. glacies sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. globe-
f. (dass.). trotter, einer Zusammensetzung aus e. globe
Etymologisch verwandt: s. Gelatine. — W. Meyer- 'Globus, Welt’ (s. Globus) und e. trotter 'jmd.,
Lübke ZDW 2 (1902), 73f. der viel läuft, sich ständig bewegt’, einer Agen-
Glibber m. 'schlüpfrige Masse’, ndd. Rückbil¬ tivableitung zu e. trot 'sich schnell bewegen,
dung aus fnhd. geliefern, mhd. gelibert, ahd. traben’, dieses aus afrz. troter (dass.), dieses aus
giliberot 'geronnen, gefroren’. Die weitere Ver¬ mhd. trot(t)en (dass.).
wandtschaft ist unter Lab (s. d.) dargestellt. Etymologisch verwandt: s. Trott.
Globus 270 glühen

Globus m. 'kugelförmiges Modell der Erde, Glück auf, fachsprachl. Grußformel wie etwas
die Erdkugel’. Neubildung zu I. globus 'Kugel, älteres Glück zw, zu der einfachen Wunschfor¬
Klumpen’. mel tritt wohl anfeuerndes Auf. Seit dem 17.
Morphologisch zugehörig: global; etymologisch ver¬ Jh. Gruß der Bergleute.
wandt: Konglomerat. H.-F. Rosenfeld AASF B50,4 (1942).
Glocke /. Mhd. glocke, glogge, ahd. glocka, Glucke /. 'Bruthenne’. Mhd. klucke zu dem
klocke, as. glogga. Entlehnt aus air. cloc(c) m. lautnachahmenden glucken (s. d.).
'Schelle, Glocke’. Die irischen Glaubensboten
glucken swV. (vom Lockruf der Bruthennen).
trugen Handglocken, die z. T. noch erhalten
Lautnachahmendes Wort, das viele Parallelen
sind.
hat (mhd. klucken, glucken, mndl. clocken, ae.
Relleke (1980), 101-111, 221-241.
cloccian; außergermanisch gr. klozein 'kräch¬
Glockenspeise /. 'Gußmetall für die Glocke’, zen, schnalzen’, 1. glöclre mit seinen romani¬
fachsprachl. Mhd. glockenspise. Der zweite Teil schen Nachfolgern).
ist unmittelbar aus 1. expensa 'Aufwand’ über¬ Nndl. klokken, ne. duck, nschw. skrocka. S. gluckern,
nommen. glucksen.

Gloria «.//., s. Glorie. gluckern swV. (vom Wasser oder anderen


Flüssigkeiten, die aus einer Flasche fließen).
Glorie /. Ruhm, Glanz’, sondersprachl. Im
Seit dem 16. Jh. belegt. Lautmalend wie glucken
Mittelhochdeutschen (mhd. glörje) entlehnt aus
(s. d.).
gleichbedeutend 1. glöria.
Morphologisch zugehörig: Glorifikation, glorifizieren, glucksen swV. (beim Lachen u. ä.). Fnhd.
glorius. — W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 72f.; Brunt glucksen, klucksew, lautmalend wie glucken
(1983), 322. (s. d.).

glosen swV., glosten swV. 'glimmen, schwe¬ Glückshaube /., s. Glückskind.


len’, arch., reg. Entsprechend mhd. glost(e) Glückskind n. Seit dem 16. Jh. belegte Zusam¬
'Glut’ und einiges weiter abstehende. Gehört mensetzung mit Glück (s. d.) und Kind (s. d.).
näher zu glühen (s. d.); aber auch dieses hat Entweder Lehnbildung zu 1. fortünae filius m.
keine genaue Vergleichsmöglichkeit. Es gehört 'Sohn des Glücks’ oder in Anlehnung an
zu den 'Glanz’-Wörtern mit gl- im Anlaut. Glückshaube gebildet mit der ursprünglichen
Glossar n., s. Glosse. Bedeutung 'Kind, das mit einer Glückshaube
geboren wurde’; dabei handelt es sich um Reste
Glosse /, 'prägnanter schriftlicher Kommen¬
der Embryonalhaut am Kopf des Neugebore¬
tar, Randbemerkung’, fachsprachl. Im Mittel¬
nen, was nach altem Volksglauben als Zeichen
hochdeutschen (mhd. glöse) entlehnt aus gleich¬
für zukünftiges Glück galt.
bedeutend 1. glössa, dieses aus gr. glössa 'Spra¬
M. Höfler: Deutsches Krankheitsnamenbuch (München
che’. Zunächst Bezeichnung für ein erklärungs¬
1899), 221, 229; Bächtold-Stäubli (1927/42), III,
bedürftiges Wort, dann übertragen auf die Er¬ 890-894; Röhrich (1973), 335.
klärungen vermeintlich schwieriger Wörter,
Glückspilz m., ugs. Seit dem 18. Jh. belegte
dann Verallgemeinerung der Bedeutung hin zu
Zusammensetzung mit Glück (s. d.) und Pilz
'prägnante Stellungnahme zu einem Ereignis
(s. d.), zuerst nur in der Bedeutung 'Empor¬
usw.’. Dazu Glossar 'Sammlung von Glossen,
kömmling’, deshalb wohl Lehnbildung zu ne.
Wörterverzeichnis’.
mushroom, das neben 'Pilz’ auch 'Emporkömm¬
Morphologisch zugehörig: Glossator, Glossem; etymo¬
ling’ bedeutet (wobei ein Vergleich mit den
logisch verwandt: Diglossie, [Isoglosse], polyglott.
schnell aufschießenden Pilzen zugrunde liegen
glotzen swV, ugs. Mhd. glotzen. Ähnlich sind dürfte); seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. dann
me. glouten 'starren’ und evtl, anord. glotta fast nur noch als 'Glückskind’ bezeugt.
'grinsen’. Weitere Herkunft unklar.
Glufe /., auch Guf /. 'Stecknadel’, obd.
Ne. gloat. — Lühr (1988), 114.
Spmhd. glufe, gufe. Herkunft unklar. Es wird
Glück n. Mhd. g(e)lücke, mndd. gelucke, eine Entlehnung aus obit. glove 'Astgabel’ erwo¬
mndl. geluc(ke). Herkunft unklar. Nach San¬ gen, das seinerseits aus ahd. klob(o) m. 'Falle,
ders (s. u.) Bedeutungsübertragung aus afrz. de- Schlinge, gespaltenes Holz’ stammt.
stinee, das einerseits 'Festsetzung, Bestimmung, L. Engelhardt/E. Diedrichs ZPhAS 10 (1957), 30-48;
Beschluß’, andererseits 'christliches Fatum’ be¬ H. Lüdtke ZPhAS 10(1957), 392-397..
deutet. So zuerst in andfrk. *gilukki zu andfrk. glühen swV. Mhd. glü(ej)en, ahd. gluoen, as.
lükan 'schließen’, danach auch 'beschließen, glöian aus g. *glö-a- 'glühen’, das ursprünglich
festsetzen, bestimmen’. ein starkes Verb war, aber als solches nur noch
W. Sanders: Glück (Köln, Graz 1965), insbesondere S in ae. glöwan erhalten ist; auch anord. glöa ist
236-261.
ein schwaches Verb. Das Wort hat keine genaue
Glühwürmchen 271 Gold

Vergleichsmöglichkeit. Es gehört zu den neist(e) f-lm. Funke’ (nach den glänzenden


'Glanz’-Wörtern mit Anlaut gl-.
Bestandteilen). Daneben ahd. g(ajneista, gna-
Nndl. gloeien, ne. glow, nschw. glöda, nisl. glöa. S. neistaf. und ganeheista, ganeist /., das lautlich
auch glosen, Glut.
nicht ausreichend aufgeklärt ist.
Glühwürmchen n. (= Leuchtkäfer aus der Lüschen (1968), 229f.
Familie der 'Lampyridae’). Seit dem 19. Jh.
Gnitze/. 'kleine Mücke’, nordd., od. Mndd.
bezeugtes Diminutiv zu Glühwurm (18. Jh.),
gnitte; auch mit Vokalvariation ndd. gnatte,
einer Zusammensetzung mit glühen (s. d.) und
wozu ae. gncet m. 'Mücke’ gehört. Herkunft
Wurm (s. d.), das älter und regional auch 'In¬ unklar.
sekt, Käfer bedeuten kann. So benannt, weil
Gnom m. Kobold’. Wortschöpfung des 16.
der Käfer beim Herumfliegen in der Nacht
leuchtet. Jhs., deren Benennungsmotiv nicht sicher ge¬
deutet ist. Es handelt sich wohl um eine freie
Glumse /. 'Quark’, omd. Entlehnt aus poln.
Neubildung, die auf der Symbolik der verwen¬
glomzfd)a gleicher Bedeutung.
deten Laute und der Besonderheit ihrer Anord¬
glupen swV, glupschen swV. 'mit großen nung beruht.
Augen ansehen, schräg ansehen’, ndd. Mndd.
Gnu «., fachsprachl. Im 18. Jh. übernommen
glupen, fnndl. gluipen, gloepen, nndl. gluipen,
aus Afrikaans ghnoe, das aus dem hottentoti-
auch afr. glüpa 'schleichen’. Herkunft unklar, schen gnu stammt.
vielleicht unregelmäßige Entsprechung zu
Littmann (1924), 138; R. Loewe ZVS6\ (1933), 119f.;
akslav. glipati sehen . Hierzu glupsch 'finster, E. Polome JIES 11 (1983), 49.
heimtückisch’.
Gobelin m. 'Wandteppich mit Bildmotiven’,
Glut /. Mhd. ahd. gluot aus g. *glö-di- f. fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
'Glut’, auch in anord. glöö, ae. afr. gled\ deutend frz. gobelin, das zurückgeht auf den
//-Abstraktum zu glühen (s. d.). Namen les Gobelins einer Teppichfabrik in Pa¬
Nndl. gloed, ne. gleed, nschw. glöd, nisl. glöö. ris, nach dem Namen des Färbers Gille Gobelin.
Glyptothek /. 'Sammlung von Skulpturen’, Zunächst also Bezeichnung für Teppiche dieser
fachsprachl. Neubildung zu gr. glypte (lithos) Firma, dann übertragen auf eine bestimmte
Skulptur’, einer Ableitung von gr. glyphein Klasse von Teppichen, die dort hergestellt wur¬
'gravieren, meißeln’ (zum zweiten Bestandteil s. den, schließlich Bezeichnung dieser Art von
Theke). Teppichen unabhängig vom Hersteller.
Morphologisch zugehörig: Glypte, Glyptik, etymolo¬ Gockel m. 'Hahn’, ugs., reg. Entsprechende
gisch verwandt: Hieroglyphe; zum Etymon s. klieben. regionale Namen für den Haushahn sind Gut,
Glyzerin n. (= ein Bestandteil aller natürli¬ Guler, Guli u. ä., wozu (vielleicht als Reduplika¬
chen Fette), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus tion) Güggel, Göcker, Gockel u. ä. (auch mit i
gleichbedeutend frz. glycerine /., einer Neubil¬ aus ü Gickelhahn, das als Bergname durch Goe¬
dung zu gr. glykys 'süß’. So benannt nach dem the bekannt geworden ist). Weitere Herkunft
Geschmack. unklar.
Etymologisch verwandt: Glykol, Lakritze. Göcker m., s. Gockel.
Gnade/. Mhd. g(e)näde, ahd. ginäda, ginädl, Gocks m., s. Koks3.
as. ginätha aus g. *(ga)näpön f. 'Wohlwollen,
Goder m. 'Doppelkinn’, österr. Mhd. goder
Gunst’, auch in anord. näö (möglicherweise ent¬
'Gurgel, Schlund’. Weitere Herkunft unklar.
lehnt, dann ist das Wort praktisch nur deutsch),
Gof m./n. 'ungezogenes Kind’, schwz. Her¬
afr. nethe. Kann ein Verbalabstraktum sein zu
kunft unklar.
einem Verb, das nur in gt. nipais 'du mögest
unterstützen’ bezeugt ist (möglicherweise steht Goi m., sondersprachl. Jüdisches Wort für
in diesem nur einmal bezeugten Wort gt. i für 'Nichtjude’ aus hebr. göj 'Nichtjude, Heide’.
gt. e, wie auch sonst gelegentlich. Sonst würde Go-in n., s. Sit-in.
Ablaut vorhegen). Außergermanisch vergleicht gokeln swV., auch kokeln swV. 'mit Feuer
sich ai. näthate 'sucht Hilfe, fleht’, auch mit spielen’, omd. Hängt wohl mit gaukeln (s. d.)
anderem Auslaut ai. nädhamäna- 'hilfesuchend’; zusammen. Einzelheiten unklar.
wohl erweitert aus *ono-, das in gr. oninemi 'ich
Gold n. Mhd. golt, ahd. as. goldaus g. *gulpa-
nütze’, g. *ann (s. gönnen) vorliegt.
n. 'Gold’, auch in gt. gulp, anord. goll, gull, ae.
Gnagi n. 'gepökelte Teile von Kopf, Schwanz afr. gold. Im Ablaut zu dem dadurch vorauszu¬
und Füßen des Schweins’, schwz. Eigentlich setzenden *ghlto- steht akslav. zlato (*gholto-)
'Genage’ zu nagen (s. d.). und lett. zglts (*ghelto-); mit n- statt /-Suffix
Gneis m. (= Gesteinsart), fachsprachl. Seit ai. hiranya-, alle 'Gold’. Auf die Grundlage
dem 16. Jh. bezeugt. Vermutlich zu mhd. ga- *ghel- führen auch Farbwörter für 'gelb’ und
Goldammer 272 gotisch

'grün’ zurück (s. gelb und Galle1), so daß das Ähnlichkeit mit dem etymologisch unklaren ne.
Gold als 'das Gelbe’ benannt sein kann. Auffäl¬ girl auffällig. Herkunft also unklar.
lig ist allerdings die starke Verschiedenheit in Gorilla m. 'ein Menschenaffe, Leibwächter’.
Morphologie und Ablaut. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
Nndl. goud, ne. gold, nschw. guld, nisl. gull. S. auch gorilla. Das Wort taucht zuerst in dem Reisebe¬
Gulden. richt des Karthagers Hanno (5. Jh. v. Chr.) auf
Goldammer /., s. Ammer. und bezeichnet in Afrika (Kamerun) angetrof¬
fene schwarzhaarige Wilde (unklar, ob Men¬
Goldlack m. 'Cheiranthus Cheiri’, fach-
schen oder Tiere). Bei der näheren Erforschung
sprachl. Seit dem 18. Jh. bezeugte Zusammen¬
der Menschenaffen im 19. Jh. wurde der Name
setzung mit Gold (s. d.) und Lack (s. d.); be¬
auf eine entsprechend aussehende Art über¬
nannt nach der goldenen Farbe der Blüten die¬
tragen.
ser Pflanze. Nach deutschem Vorbild sind ent¬
Littmann (1924), 26.
standen nndl. goudlak, ndn. gyldenlak, nschw.
gyllenlack. Gösch / 'kleine Flagge’, fachsprachl. Aus
Marzell (1943/79), I, 917-923.
nndl. geus(je), also eigentlich 'Bettlerchen’, vgl.
die Bedeutungsvielfalt von ne. jack, das eben¬
Golf1 m. 'größere Meeresbucht’. Im 14. Jh.
falls diese Bedeutung haben kann.
entlehnt aus gleichbedeutend it. golfo, dieses
Kluge (1911), 324f.
aus spl. colphus (dass.), aus gr. kölpos (dass.,
Gosche /., auch Gusche / 'Mund’, ugs., reg.
wörtlich: 'Wölbung’).
Seit dem 16. Jh. bezeugt. Herkunft unklar. Vgl.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 73; Wis (1955), 133.
auf jeden Fall 1. geusiae PI. 'Rachen, Schlund’
Golf2 n. (= ein Rasenspiel). Im 18. Jh. ent¬ und mit anderer Erweiterung 1. gula 'Schlund,
lehnt aus gleichbedeutend ne. golf, dessen Her¬ Kehle’.
kunft nicht sicher geklärt ist. Möglicherweise
Gose/. 'obergäriges Bier’ (Leipziger Gegend),
aus einem schottischen Dialektwort.
reg. Mndd. gose, ursprünglich Goslarer Bier,
Gondel/, 'ein venezianisches Boot, Korb’. Im nach dem Flüßchen Gose, das durch Goslar
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. gondola, fließt.
dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Anders (mit beachtlichen Gründen): L. MehlberyGG5
Morphologisch zugehörig: gondeln, Gondoliere. (1982), 123-126; JGGB (1983), 63f.

Gong m. 'Metallscheibe zum Erzeugen eines Gospel m./n. 'rhythmisches religiöses Lied’,
sonoren Klanges, ein solcher Klang’. Im 19. Jh. fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. gong, einem deutend ne. gospel (song), aus ae. god-spell n.
angloindischen Wort, das auf mal. (e)gung '(wörtlich:) gute Kunde’, einer Lehnbildung zu
(dass.) zurückgeht. 1. bona annüntiätio/., das die eigentliche Bedeu¬
Lokotsch (1975), 44. tung 1. evangelium n., aus gr. euangelion n.,
verdeutlichen sollte.
gönnen swV. Mhd. gunnen, günnen, ahd.
S. Beispiel ( + ).
(gi)unnan. Festgewordene Präfigierung zu dem
Gosse / Fnhd. gossen, mndd. mndl. gote.
alten Präterito-Präsens g. *ann/unn- in anord.
Ursprünglich ein technisches Wort für 'Abzugs¬
anna 'ausführen, fertigbringen’, anord. unna
kanal u. ä.’, im Ablaut zu gießen (s. d.); seit
'lieben, gönnen’, ae. ann 'er gibt zu’ zu ae.
dem 18. Jh. als .'Straßenrinne’.
unnan, as. gionsta Prät., ahd. unnan. Die Bedeu¬
Lühr (1988), 259.
tung ist etwa 'gewogen sein’. Dies erweist die
Verwandtschaft mit gr. oninemi 'ich nütze, helfe, Gössel/ 'junge Gans’, nordd. Verkleinerungs¬
erfreue’ (aus *ona-). form zu ndd. gös (s. Gans).
S. Gnade, Gunst. Gote /. 'Patin’, reg. Mhd. göt(t)e, got(t)e,
ahd. gota, gode\ südwestdeutsch auch Götti
Göpel m. 'mit Pferden betriebene Förderma¬
Pate’; dann auch Göttikind 'Patenkind’ u. a.
schine’, fachsprachl. Seit dem 16. Jh. bezeugt.
Vermutlich eine bereits heidnische Bezeichnung
Herkunft unklar.
für einen Eltern-Ersatz (oder -Zusatz), die zu
Wolf (1958), 186.
anord. goöe 'Priester’ (= 'der zu Gott Gehö¬
Gör n.. Göre/. Mädchen’, Gören PI. 'kleine rige’) gehört (mit anderem Suffix gt. gudja 'Prie¬
Kinder’, nordd. Ursprünglich niederdeutsches ster’).
Wort; seit dem 16. Jh. bezeugt. Verglichen wird S. Tote. — R. Hildebrandt in: FS Schmitt (1988),
rhein. gor, gorich 'gering, armselig’; doch ist für 661-666.
die Bedeutung 'Mädchen’ ein Zusammenhang gotisch Adj. Eigentlich Herkunftsadjektiv zu
mit Gurre, westfäl. gäre 'Mähre’ nicht außer¬ dem Stammesnamen Goten-, aber im späten Mit¬
halb des Denkbaren. Im übrigen ist auch die telalter ziemlich ausgedehnt verwendet, auch
Gott
273 Graffiti
für altertümlich, geschmacklos u. ä.\ Vorbild
frz. gourmet, dieses mit unregelmäßiger seman¬
für diesen Gebrauch ist weitgehend das Franzö¬
tischer Entwicklung wohl aus afrz. gormet 'Ge-
sische. Deshalb gotische Schrift, gotische Archi¬
hillc des Weinhändlers’.
tektur, die jeweils mit den Goten nichts zu tun
haben. Gouvernante/. 'Erzieherin’, sondersprach/. Im
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gouver-
Gott m. Mhd. ahd. got, as. god aus g. *guf-
nante, dem substantivierten PPräs. von frz. gou-
Gotf, ursprünglich offenbar ein Neutrum, verner 'lenken’, aus 1. gubernäre (dass.).
dann bei der Übertragung auf den christlichen
Etymologisch verwandt: Gouverneur. - Brunt (1983)
Gott allgemein zum Maskulinum geworden; 323f.
auch in gt. gup (Wurzelnomen), anord. god, guö
Gouverneur m. 'Statthalter, Befehlshaber’. Im
m./n., ae. god. Vermutlich Abstraktbildung mit
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. gouver-
ableitendem -t- zu ig. *gheu- 'gießen' (besonders
nettr, zu frz. gouverner 'lenken’, dieses aus 1.
bei Opferhandlungen) in ai. juhöti 'opfert, gießt
gubernäre (dass.) (vgl. I. gubernätor 'Lenker’).
Butter ins Feuer’, avest. zaotar- '(Ober)Prie-
Morphologisch zugehörig: Gouvernement, gouverne-
ster , gr. cheö ich gieße aus, schmelze, löse
mental; etymologisch verwandt: Gouvernante.
auf , toch. A. B. ku- gießen, spenden u. a.\
grabbeln swV. 'herumtasten, herumwühlen’,
Ursprünglich also 'Gießen, Opferung’, dann
nordd. Wie grapsen (s. d.) eine Intensivbildung
übertragen auf den Gott, zu dessen Ehren das
zu einer Grundlage *grab- 'ergreifen, packen’.
Opfer stattfmdet.
Nndl. god, ne. god. nschw. gud, nisl. goö, guö. S. auch graben stV. Mhd. graben, ahd. graban, as.
Götze. - J. B. Wimmer ZKTh 41 (1917), 625-655; gravan aus g. *grab-a- stV. 'graben’, auch in
E. Karg-Gasterstädt BGDSL 67(1944), 420-433; C. gt. graban, anord. grafa, ae. grafan, afr. greva,
Watkins in : M. Mayrhofer u. a. (Hrsg.): Antiquitates griova. Aus voreinzelsprachl. *ghrebh- 'graben’,
Indogermanicae. Gedenkschrift H. Güntert (Innsbruck auch in lett. grebt 'aussschaben, aushöhlen’,
1974), 155-163.
akslav. greti 'rudern, graben’. Kann weiter zu
Götterdämmerung/. Lehnbildung des 18. Jhs. *ghrebh- 'greifen’ gestellt werden (s. greifen und
mit dem Plural von Gott (s. d.) und Dämmerung grapsen).
(s. Dämmer) zu anord. ragnarpk n. PI. 'Götter¬ Nndl. graven, ne. grave, nschw. gräva, nisl. grafa. S.
schicksal , einer Bezeichnung der nordischen Gracht, gravieren, Grube, grübeln, Gruft. - J. P Mäher
JIES 9(1981), 341-347.
Mythologie für den Untergang der Götter und
der Welt und in (falscher) Anlehnung an anord. Gracht/ 'Kanalstraße’, sondersprachl. Im 18.
rokkr 'Dunkelheit’. Jh. aus dem Niederländischen entlehnt, in erster
O. Ladendorf ZSV 25 (1910), 348f. Linie um niederländische Verhältnisse zu be¬
zeichnen. Das Wort gehört zu graben (s. d.) mit
Gottesfurcht/. Seit dem 15. Jh. bezeugt. Wohl
niederdeutsch-niederländischem Wechsel von
Zusammenrückung der seit althochdeutscher
-ft- zu -cht-.
Zeit belegten Genitivfügung ahd. gotes forahta
(s. Gott und Furcht), das 1. timor det m. über¬ Grad m. Seit dem 14. Jh. entlehnt aus 1.
setzt. Oder Rückbildung (in Anlehnung an diese gradus 'Schritt, Stufe’ (zu 1. gradT 'schreiten’),
Fügung) aus dem Adjektiv gottesfürchtig, das zunächst als 'akademischer Grad', dann als
aber bis ins 16. Jh. meist in der fugenlosen 'Temperaturschritt’, dann in weiteren Bedeu¬
Form mhd. gotevorhtec, fnhd. gotförhtec usw. tungen.
belegt ist. Morphologisch zugehörig: gradieren, graduell, gra¬
Ruppel (1911), 41 f.
duiert; etymologisch verwandt: s. Aggression. - Schir¬
mer (1912), 29; Lokotsch (1975), 57f.
Gottseibeiuns m., s. Deixel.
gradieren swV, s. Grad.
Götze m. Fnhd. götze\ Ableitung von Gott
graduell Adj., s. Grad.
(s. d.) mit dem verkleinernden z-Suffix, das vor
graduiert Adj., s. Grad.
allem Kurzformen zu Namen bildet (Dietz zu
Dietrich, Heinz zu Heinrich usw.). Früh bezeugt Graf m. Mhd. gräve, ahd. grävo, mndl. grave,
ist vor allem die Bedeutung 'Heiligenbild’; 'fal¬ greve (daneben auch eine Form mit /Suffix);
scher Gott’ vor allem bei Luther. Bezeichnung verschiedener königlicher Verwal¬
tungsbeamter (ml. -gravius). Die Deutung ist
Götzenträger m., s. Ölgötze.
umstritten; am ehesten handelt es sich um ein
Gourmand m. 'jmd., der gern viel und gut Lehnwort; dann kommt gr. grapheits, ursprüng¬
ißt’, sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeu¬ lich 'Schreiber’ am ehesten als Quelle in Be¬
tend frz. gourmand, dessen Herkunft nicht si¬ tracht.
cher geklärt ist. S. Grammatik (+).
Gourmet m. 'Feinschmecker, Weinkenner’, Graffiti PI. (= mit Farbe auf Wände usw.
sondersprach/. Entlehnt aus gleichbedeutend gesprühte Texte und B\\der),fachsprachl. Im 20.
Grafik 274 grandios

Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. graffiti PI., eine Nadel die in die Platte eingeritzten Kontu¬
dieses aus it. graffito m. 'Eingeritztes’, zu it. ren abtastet (Grammo-) und die sich daraus
graffiare 'kratzen’. ergebenden Bewegungen in Laute übertragen
Grafik/., s. Graphik. werden (-phoh, zu gr. phönetn 'sprechen’).
Morphologisch zugehörig: grammatikalisieren, Gram-
Gral m. 'Heiligtum’ (Stein, Kelch o. ä.), arch.
matikalität, Grammalizitäf, etymologisch verwandt:
In mittelhochdeutscher Zeit (gräl) entlehnt aus Anagramm, Autogramm, Bibliographie, Biographie,
afrz. graal gleicher Bedeutung, das außerdem Diagramm, Epigramm, [Fotographiej, Graf, Gramm,
auch 'Behälter’ bedeutet. Weitere Herkunft un¬ -gramm, -graph, -graphie, Graphik (usw.), Graphit,
klar. Griffel, hektographieren (usw.), Kinemalograph (usw.),
J. Trier ZDPh 70 (1947/49), 365-370; V. Günther in: Paragraph, Pornographie, Programm, Stenographie
FS Wartburg (1968). II, 339-356; Lokotsch (1975), (usw.), Telegramm-, zum Etymon s. kerben. Ersatzwort
57f. ist Sprachlehre. - E. Leser ZDW 15(1914), 10-13.

gram Adj., arch. Mhd. ahd. as. gram aus g. Grammel /. 'Griebe’, bair.-österr. Herkunft
*grama- Adj. 'gram, böse’, auch in anord. umstritten.
gramr, ac. gram. Das zugehörige Maskulinum Grammophon n„ s. Grammatik und Phonetik.
Gram erst seit mittelhochdeutscher Zeit; dage¬
Gran n./m. 'kleines Gewicht’, arch. Seit dem
gen ist das Verb gramen, gremen gemeingerma¬
15. Jh. Entlehnt aus ml. granum n., älter 1.
nisch: gt. gramjan 'erzürnen’, anord. gremja,
gränum n. 'Korn’ (auch 'Gewicht’).
ae. gremian, ahd. gremmen. Die Sippe steht
im Ablaut mit grimm (s. d.); außergermanisch S. Granate ( + ).

vergleicht sich eine Sippe *ghrem- die offen¬ Granat m. (= e(n braunrotes Mineral), fach-
sichtlich von 'mit den Zähnen knirschen’ aus¬ sprachl. Im Mittelhochdeutschen (gränät) ent¬
geht, vgl. gr. chrömados 'das Knirschen’ und lehnt aus gleichbedeutend ml. granatus, dieses
wohl auch lit. grumzdeti 'mit den Zähnen knir¬ aus 1. (lapis) gränätus 'kornförmiger Edelstein’,
schen’. Näher an der Bedeutung von gram und zu 1. gränum n. 'Korn’.
grimm steht avest. gramantgm 'derer, die (uns) Etymologisch verwandt: s. Granate. — Löschen (1968),
gram sind’, avest. granta- 'ergrimmt’. Die weite¬ 23 lf.
ren Zusammenhänge weisen auf eine Schallwur¬
Granate/ (= ein Sprengkörper). Im 16. Jh.
zel für 'donnern, poltern usw.’; andererseits auf
entlehnt aus gleichbedeutend it. granata (ur¬
Wörter für 'reiben’, was sich nicht auszuschlie¬
sprünglich = eine Apfelsorte), dieses aus 1.
ßen braucht.
(mälum) gränätum n. 'kernreicher Apfel’, zu 1.
Nndl. gram, nisl. gramur. S. Griesgram, grimm, Grind.
gränum n. 'Korn, Kern’. Der Sprengkörper er¬
grämen swV, s. gram. hält seinen Namen in einer bildlichen Übertra¬
Gramm n. (= ein Gewicht). Im 19. Jh. ent¬ gung, die Form und Aufbau mit einer bestimm¬
lehnt aus gleichbedeutend frz. gramme m., die¬ ten Apfelsorte vergleicht. Es handelt sich zu¬
ses aus 1. gramma (= eine Gewichtseinheit), aus nächst um Wurfgeschosse; später übertragen
gr. grämnui 'Gewicht von 1/24 Unzen’, wörtlich auf Geschosse der Artillerie. Auf der frz. Form
'Schriftzeichen’. Die heutige Bedeutung beruht grenade von it. granata beruht d. Grenadier
auf einer normierenden Setzung des 19. Jhs. (ursprünglich: 'der Handgranaten-Werfer’).
Etymologisch verwandt: s. Grammatik. Etymologisch verwandt: Filigran, Gran, Granat, [Gra¬
-gramm Suffixoid. Tritt in Zusammenset¬ natapfel], Granit; granulieren (usw.); zum Etymon s.
zungen in den Bedeutungen 'Schrift, Geschrie¬ Kern und Korn'. — Jones (1976), 368f.
benes’ (z. B. Monogramm) auf. Es wurde vor¬ Grand1 m. (= das höchste Spiel beim Skat),
nehmlich in griechischen Entlehnungen ins s. grandios.
Deutsche übernommen; sein Ursprung ist
Grand2 m. 'Sand’, nordd. In neuhochdeut¬
gr. gramma (dass.), zu gr. gräphein 'ritzen,
scher Zeit entlehnt aus ndd. grand. Dieses ist
schreiben’.
abgeleitet aus g. *grend-a- stV. 'zerreiben’ in ae.
Etymologisch verwandt: s. Grammatik.
grindan 'zerreiben, zermalmen’.
Grammatik/. 'Sprachlehre, Sprachbau’, fach-
grandig Adj. 'groß’, reg. Über die Soldaten¬
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus I. (ars) gramma-
sprache aus dem Rotwelschen entlehnt, wo es
tica 'Sprachlehre’, dieses aus gr. grammatike
seit dem 17. Jh. bezeugt ist. Mit deutscher En¬
(techne) (dass.), zu gr. gramma n. 'Geschriebe¬
nes, Buchstabe’, einer Ableitung von gr. grä¬ dung zu it. gründe 'groß’.
phein 'einritzen, schreiben’. Das griechische S. grandios. - Wolf (1985), 121.

Substantiv bildet auch die Grundlage für das grandios Adj. 'großartig’. Im 18. Jh. entlehnt
Lehngut auf -gramm (Autogramm, Monogramm aus gleichbedeutend it. grandioso, einer Ablei¬
usw.). Das Grammophon ist so bezeichnet, da tung von it. grande 'groß’, dieses aus 1. grandis
Granit 275 Grasmücke

(dass.). Aus frz. grand jeu 'großes Spiel’, d. Komposita mit gr. -graplüa, die Zugehörigkeits¬
Grand (= das höchste Spiel beim Skat). bildungen zu Nomina agentis auf gr. -gräphos
S. auch grcmdig.
(zu gr. gräphein 'ritzen, schreiben’) sind, z. B.
Granit m. (= ein sehr hartes Gestein). Im gr. geögraphia 'Erdbeschreibung, Geographie’
Mittelhochdeutschen (mhd. grämt) entlehnt zu gr. geögräphos 'Geograph’.
aus gleichbedeutend it. granito und ml. grani- Etymologisch verwandt: s. Grammatik.
tum marmor n., zu it. granire 'körnen’, einer Graphik/. Schaubild’. Neubildung nach gr.
Ableitung von it. grano 'Korn’, aus 1. gränum graphikt (techne) 'die Kunst des Schreibens,
n. (dass.).
Malens, Zeichnens’, zu gr. gräphein 'einritzen,
Etymologisch verwandt: s. Granate. - Lüschen (1968) schreiben’. Dazu weitere Wörter, die in ver¬
232.
schiedenster Weise mit dem Schreiben und
Granne /., fachsprachl. Mhd. gran(e), ahd. Zeichnen in Beziehung stehen: Graph, Graphem,
gran(a) 'Schnurrbart’ aus g. *granö f. 'Haar¬ Graphie (usw.).
spitze (besonders 'Schnurrbart’ und 'Ähren¬ Morphologisch zugehörig: Graphit, Graphologe, Gra¬
granne ), auch in anord. grgn, ae. granw, für phologie-, etymologisch verwandt: s. Grammatik.
das Gotische bezeugt durch Isidors ml. granus Graphit m. (= ein schwarzgraues Mineral
m. 'Schnurrbart’. Außergermanisch vergleichen aus reinem Kohlenstoff), fachsprachl. Im 19. Jh.
sich (mit Erweiterung) mir. grend 'Bart’, bret. entlehnt aus gleichbedeutend frz. graphite, einer
grann 'Augenbraue’ (*ghrndh-no-). Weiter ent¬ Neubildung zu gr. gräphein 'schreiben’. So be¬
fernt sind Wörter, die auf *gher- zurückführen zeichnet, da man es zur Herstellung von
und 'Spitze u. ä.’ bedeuten. Schreib- und Zeichenstiften verwendete.
S. auch Grans, Grat.
Etymologisch verwandt: s. Grammatik. — Lüschen
Grans m. 'Hinter- und Vorderteil des Schiffs, (1968), 232.
Schnabel’, siidd. Mhd. ahd. grans Vermutlich grapsen swV., auch grapschen swV., ugs. Erst
eine mit Granne (s. d.) verwandte Bildung mit neuhochdeutsch. Entsprechend ne. grab, grasp\
der Bedeutung 'Spitze’. auch anord. gräpa 'an sich reißen, mausen’.
Kluge (1911), 326. Eine entsprechende Grundlage *ghrebh- 'grei¬
grantig Adj. 'übelgelaunt’, südd. Herkunft un¬ fen’ ist aber gut bezeugt (s. greifen)-, so daß es
klar. sich wohl um alte Wörter der Vulgärsprache
Lühr (1988), 116f. handelt. Lautnachahmung ('Zuschnappen’) ist
wahrscheinlich.
granulieren swV. 'körnig machen’, s. Granat.
S. auch Garbe, grabbeln, graben, grübeln. — K. EI.
Grapefruit /. (= eine Zitrusfrucht). Im 20. Meyer IF 35 (1915), 224f.; Sommer (1977), 5.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. grapefruit,
Gras n. Mhd. ahd. as. gras aus g. *grasa- n.
einem Kompositum aus e. grape 'Traube’ und
'Gras, Kraut’, auch in gt. gras, anord. gras, ae.
e. fruit (s. Frucht). E. grape ist übernommen
gras. Am nächsten scheint zu stehen 1. grämen
aus afrz. grape, grappe, einer Ableitung von
(aus *grasmen) '(Gras)Stengel’ (besonders als
afrz. graper 'weinlesen, (älter:) packen’, dieses
Futter); doch ist dieses mehrdeutig — es kann
abgeleitet von afrz. grappe 'Haken’, aus prov.
auch zu gr. gräö 'ich fresse’, gr. grästis f. 'Fut¬
grapa (dass.), aus gt. *krappa (dass.).
terkraut, Grünfutter’ (auch kr-), ai. gräsati 'ver¬
Graph m., s. Graphik. schlingt, frißt, verschlingt’ gehören. Da die
-graph Suffixoid. Tritt in Zusammensetzun¬ Gruppe auch im Griechischen einen unfesten
gen in den Bedeutungen 'Schrift, Geschriebe¬ Anlaut hat, kann evtl, auch g. *grasa- mit An¬
nes’ (z. B. Autograph) sowie 'Schreiber’ (z. B. lautvariation zu ig. *gras- gehören. Andernfalls
Stenograph) auf. Es wurde vornehmlich in grie¬ zu g. *grö-a- 'wachsen’ (s. unter grün) als mor¬
chischen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬ phologisch unklare Ableitung. — In Ausdrük-
men; sein Ursprung ist gr. gräphein 'ritzen, ken wie Grasaffe (Goethe) steht Gras wie grün
schreiben’. für 'unreif, jung’.
Etymologisch verwandt: s. Grammatik. Nndl. gras, ne. gross, nschw. gras, nisl. gras.
Graphem n., s. Graphik. Grasbürger m., s. Pfahlbürger.
Graphie/., s. Graphik. Grasmücke /., fachsprachl. Mhd. gras(e)-
-graphie Suffixoid. Tritt in Zusammensetzun¬ mucke, ahd. grasasmugga. Vermutlich ein *gra-
gen in den Bedeutungen 'Beschreiben, graphi¬ sa-mucka zu smucken, Intensivbildung zu schmie¬
sches oder fotographisches Darstellen, Schrei¬ gen (s. d.), also 'Grasschlüpfer’ mit sekundärer
ben’ (z. B. Geographie) auf. Es wurde vornehm¬ Umdeutung (deren Grund allerdings nicht er¬
lich in griechischen Entlehnungen ins Deutsche sichtlich ist).
übernommen; sein Ursprung sind griechische Suolahti (1909), 69-71.
grassieren 276 Greif

grassieren swV 'sich ausbreiten, wüten’. Im grauen swV Mhd. grüwen, ahd. (in)grüen
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. gras- 'schaudern’. In der Bedeutung vergleichbar ist
sari, dieses aus 1. grassäri 'wüten, umhertoben’, die dentale Erweiterung in lit. graudüs 'rührend,
einem Frequentativum zu 1. grudT 'schreiten’. wehmütig’, russ.-kslav. sü-grustiti sja 'sich grä¬
Etymologisch verwandt: s. Aggression. men’. Die Ausgangsbedeutung scheint aber 'rei¬
gräßlich Adj. Frühneuhochdeutsche Vermi¬ ben, aufreiben’ zu sein.
schung aus mndd. greselik 'schaudererregend’ S. auch gräßlich, grauten, grausen, Greuel, griesein,
gruseln.
(zu mndd. grese 'Schauder’) und mhd. graz
'wütend, zornig’. Das erste gehört mit abwei¬ graulen swV. 'sich fürchten’, ugs. Mhd. griu-
chendem Vokalismus zu Grausen (s. grauen), weln, grüweln, griulen, grulen. Erweiterung zu
das zweite vielleicht zu gt. gretan, anord. gräta grauen (s. d.).
'weinen’ (s. grüßen). Graupe /., meist PI. Seit frühneuhochdeut¬
S. auch vergrätzen. scher Zeit belegt. Entlehnt aus dem Slavischen
Grat m., Gräte /. Mhd. grat, mndl. graet. (obsorb. krupa ’Getreidegraupe’, auch 'Hagel¬
Gräte ist ursprünglich der Plural zu Grat, erst schloße’). Zu der zweiten Bedeutung fnhd. grau-
neuhochdeutsch sind die beiden Formen seman¬ pen, graupeln 'fein hageln’, Graupelwetter usw.
tisch differenziert worden. Grat kann zu den Wiek (1939), 22f.; P. v. Polenz DWEB 2(1963),
267-279; Eichler (1965), 40.
Wörtern von einer Grundlage *gher- mit der
Bedeutung 'Spitze’ gehören, doch zeigt sich Graupeln PL, s. Graupe.
keine nähere Vergleichsmöglichkeit. Von einer grausen swV. Mhd. grüsen, ahd. irgrüwisön,
entsprechenden Schwundstufe kann russ. grot -grüsön. Erweiterung der unter grauen darge¬
'Wurfspeer’ und ähnliches im Slavischen kom¬ stellten Grundlage!
men, doch gibt es keine alten Formen. Graveur m., s. gravieren.
S. Granne ( + ), Rückgrat.
gravieren swV. 'ein Muster (ein-)ritzen’. Im
Gratifikation / 'Sonderzuwendung’, sonder- 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. graver,
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus 1. grätißcätio dieses aus mndl. graven (dass., wörtlich:
'Gefälligkeit’, einer Ableitung von 1. grätificärT '[einjgraben’).
'sich gefällig zeigen’, zu 1. grätus 'erwünscht, Morphologisch zugehörig: Graveur, Gravur, zum Ety¬
willkommen u. ä.’ und 1. facere 'machen’. mon s. graben. — Brunt (1983), 325.
Etymologisch verwandt: s. Grazie und Fazit. — W.
gravierend Adj., s. gravitätisch.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 73; Schirmer (1911), 76.
Gravis m., s. gravitätisch.
gratis Adj. 'unentgeltlich’. Im 16. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutend 1. gratis 'umsonst’, zu 1. Gravitation /., s. gravitätisch.
grätia 'Gefallen’, zu 1. grätus 'erwünscht, will¬ gravitätisch Adj. 'würdevoll, gemessen’, son-
kommen u. ä.\ dersprachl. Neubildung zu dem Lehnwort Gra¬
Etymologisch verwandt: s. Grazie. — W. Feldmann vität 'Schwere’, aus gleichbedeutend 1. gravitäs,
ZDW 8 (1906/07), 73. einer Ableitung von 1. gravis 'schwer, gewaltig’,
Grätsche /. 'Sprung mit gespreizten Beinen’. das mit gr. barys 'schwer, tief’ verwandt ist.
Von Jahn zu grätschen swV. 'mit gespreizten Aus dem lateinischen Adjektiv noch weitere
Beinen gehen’ gebildet. Dieses ist Intensivum Entlehnungen, die in verschiedener Weise
zu gräten gleicher Bedeutung. Weitere Flerkunft Schweres bzw. Würdevolles bezeichnen: z. B.
unklar. gravierend, Gravis, Gravitation.
gratulieren swV. 'beglückwünschen’. Im 16. Etymologisch verwandt: Bariton, Barometer. — W.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 73; G. Schoppe ZDW
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. grätulärT, zu
15(1914), 186.
1. grätes 'Dank’ (zu I. grätus 'dankbar, ange¬
nehm u. ä.’) und 1. tollere '(er)heben’. Gravur/., s. gravieren.
Morphologisch zugehörig: Gratulant, Gratulation; ety¬ Grazie /. 'Anmut’. Im 18. Jh. entlehnt aus
mologisch verwandt: s. Grazie. gleichbedeutend 1. grätia, einer Ableitung von
Grätzel n. 'Häuserblock’, ugs., österr. Zu 1. grätus 'anmutig, willkommen u. ä.’.
einer Bildung wie mhd. gereiz m. 'Umkreis’ zu Morphologisch zugehörig: graziös; etymologisch ver¬
reißen (s. d.). wandt: Gratifikation, gratis, gratulieren (usw.). — W.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 73.
grau Adj. Mhd. grä, ahd. gräo aus g. *grä-wa-
grazil Adj. 'zierlich', sondersprachl. Im 19. Jh.
Adj. 'grau’, auch in anord. grär, ae. grceg, greg,
entlehnt aus gleichbedeutend frz. gracile, dieses
afr. gre, grls. Außergermanisch ist ähnlich 1.
aus 1. gracilis 'schmal, dünn, mager’.
rävus 'grau' (lautlich unklar). Weitere Herkunft
unsicher. graziös Adj., s. Grazie.
Nndl. grauw, ne. grey, nschw. grä, nisl. grär. — Greif m., arch. Mhd. grtf(e), ahd. grlf(o).
Schwentner (1915), 76-79. Entlehnt aus spl. gryps, gryp(h)is, das aus gr.
greifen
277 grienen

gryps. Als Name für ein Fabeltier ist dieses


hranice 'Grenzmark’, zu akslav. grani 'Ecke’).
möglicherweise aus dem Akkadischen entlehnt;
Seine Aufnahme in die Hochsprache verdankt
es hat aber eine Wortsippe ausgebildet, die in¬ das Wort dem Gebrauch durch Luther.
dogermanisch vergleichbar ist (vgl. krumm).
Wiek (1939), 23; Bielfeldt (1965), 29f.; Eichler (1965)
Der Vokalwechsel zum Althochdeutschen be¬ 40f.
ruht wohl auf Anlehnung an greifen.
Gretchenfrage f 'Gewissensfrage’, sonder-
greifen stV. Mhd. grifen, ahd. grTfan, as. sprachl. Nach der Frage Gretchens an Faust
gripan, aus g. *greip-a- stV. 'greifen’, auch in (Goethe; Faust I, 3415): Nun sag’, wie hast du’s
gt. greipan, anord. gripa, ae. gripan, afr. gripa. mit der Religion?
Unter einer voreinzelsprachl. Grundform
Greuel m. Mhd. griu(we)l, griule, mndl. gru-
*ghreibh- läßt sich vergleichen lit. griebti grei¬
wel. Weiterbildung zu grauen (s. d.). Hierzu
fen nach, haschen, anfassen’. Daneben steht
auch greulich.
mit abweichendem Vokalismus *ghrebh-, dessen
Zusammenhang mit *ghreibh- unklar ist. Vgl. Griebe/, 'ausgebratener Speckwürfef. Mhd.
ai. grbhnäti 'ergreift’ (z. T. mit unregelmäßiger griebe m., ahd. grieben PL, auch in ae.
/-Erweiterung, vgl. grbhitä- PPP.), akslav. gra- (ele)greofa 'Ölgriebe’, so daß sich ein wg.
biti raffen, ergreifen’, lit. grebti 'rechen, harken, *greub(j)ön erschließen läßt. Die Bedeutung ist
rauben’. allerdings nicht einheitlich: ahd. griobo m. be¬
Nndl. grijpen, ne. gripe, nschw. gripa, nisl. gripa. S. deutet auch 'kleingemachtes Anfeuerholz’, ahd.
grapsen ( + ), graben ( + ), Griff, Griffel, Grips. griupa auch 'Pfanne'. Wenn diese zusammenge¬
hören, müßte ein Schallwort (wie 'brutzeln,
greinen swK, ugs. Mhd. grinen stV, ahd.
prasseln ) zugrundeliegen. Nachweisbar ist aber
grinan stV., mndd. mndl. grinen stV. Die Bedeu¬
nichts dieser Art. Die Bedeutung 'Pfanne’ auch
tungen sind vielfältig; auszugehen ist etwa von
in mndd. grope(n) m., fnhd. groppen. Ist diese
den Mund verziehen’, daraus einerseits la¬
Bedeutung abzutrennen?
chen’, andererseits 'weinen’, auch 'grinsen’,
Ne. greaves. - B. Martin Teuthonista 3 (1926), 63f.;
winseln u. a. Offenbar eine Lautgebärde. Ver¬
J. Müller NVRH 3 (1931/32), 94f.; Teuchert (1944)
gleichbar ist noch ae. gränian 'weinen’. 290-293.
S. grießachen, grienen, griemeln, grinsen. — H. Glom-
bik-Hujer DWEB 5 (1968), 89-94. Griebs m. 'Kernhaus’, reg. Spmhd. grubz,
grübz; auch Gröbs, älter grabiz, grobiz. Auffällig
greis Adj., arch. Mhd. gris, as. mndd. gris
ist danebenstehendes mhd. ebiz, ebitz, ewitz,
‘grau’; ein offenbar sich von Norden aus durch¬
bair. ebütz. Deutungsversuche sind vor einer
setzendes Wort. Dazu Greis, mhd. grise 'alter
Analyse der Lautvarianten nicht ratsam. — Die
Mann’. Die Bedeutungsentwicklung geht über
Bedeutung 'Adamsapfel’ hängt mit dem Volks¬
die Bezeichnung nach den grauen Haaren. Eine
glauben zusammen, Adam sei der 'Griebs’ des
entsprechende Sippe auch in den romanischen
ihm von Eva gereichten Apfels im Hals stecken
Sprachen (frz. gris, it. griso), dorthin möglicher¬
geblieben.
weise aus dem Germanischen entlehnt.
J. Müller NVRH 3 (1931/32), 90f.
Nndl. grijs 'grau’. S. gries.
grell Adj. Mhd. grel 'zornig, laut’, mhd. grel¬ grieflachen swK, ndd. Das Vorderglied gehört
len 'vor Zorn schreien’; vgl. ae. grillan 'knir¬ wohl zur Sippe von greinen (s. d.) und bezieht
schen, grell tönen’. Zumindest in der Vokalab¬ sich damit auf die Mundstellung. Genauere
wandlung eine lautbedeutsame Sippe, vgl. gril¬ Festlegungen sind schon wegen der zahlreichen
len, grellen, grollen-, s. auch Groll. Grell für Varianten dieses isolierten Bestandteils nicht
möglich.
Farben ist eine Übertragung auf einen anderen
Sinnesbereich wie bei hell. H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 94f.
S. auch Grille. griemeln swV 'schadenfroh in sich hineinla¬
Gremium n. 'Körperschaft’. Im 19. Jh. ent¬ chen’, wmd. Ähnlich zu beurteilen wie grießa¬
lehnt aus 1. gremium 'Schoß, Innerstes’ (ver¬ chen (s. d.).
wandt mit 1. grex [-egis] m. 'Herde’). Die neu¬ Grien nj(m.) 'Kies’, alem. Mhd. grien, grin
zeitliche Bedeutungsübertragung geht aus von m./n. Vermutlich mit Grieß, Grütze usw. zu den
'Innerstes, die Inneren (= Mitglieder) einer So¬ Verben für 'zerreiben, vermahlen’ (ae. grindan,
zietät, Universität usw.’, dann über 'Gesamtheit ahd. firgrozzen PPrät.); ein genauer Anschluß
der Mitglieder einer Sozietät’ hin zu 'Körper¬ an eine bezeugte Grundlage ist aber nicht mög¬
schaft’ (vgl. e. gremial). lich.
Etymologisch verwandt: s. Aggregat. S. Grieß(A).
Grenadier m., s. Granate. grienen swV, nordd. Niederdeutsche Form zu
Grenze/. Mhd. (13. Jh.) greniz(e). Entlehnt greinen (s. d.). Die Bedeutungsverschiedenheit
aus dem Slavischen (russ. poln. granica, cech. erklärt sich aus älterem 'den Mund verziehen’.
gries 278 Grippe

gries Adj. 'grau’, reg. Wohl entlehnt aus frz. Grille/. Mhd. grille m., ahd. grillo m. Letzt¬
gris; es kommt aber auch eine mundartliche lich lautmalenden Ursprungs. Ob es aus gleich¬
(nicht diphthongierte) Form von obd. greis in bedeutendem 1. gryllus m. (sehr spät bezeugt)
Frage. entlehnt ist, kann offen bleiben. Im Deutschen
S. greis. findet das Wort Anschluß an die Sippe von grell
griesein swV. 'erschauern’, ndd. Dazu Griesel¬ (s. d.), während das lateinische Wort isoliert
fieber 'Schüttelfrost’. Aus mndl. grisen 'grausen’ ist. Die Bedeutung 'Laune, verrückter Einfall’
stV., ae. grisan stV. 'erschauern’; auch ahd. kommt vermutlich von dem Volksaberglauben,
grTsenlTli 'furchtbar, schrecklich’. Ähnlich zu be¬ daß Grillen in das Gehirn kriechen (zum glei¬
urteilen wie grausen und grauen (s. d.) und wohl chen Motiv s. Ohrwurm, Grille und Ohrwurm
wurzelverwandt mit diesen, aber besser bezeugt. sind nah miteinander verwandt). Zu dieser
übertragenen Bedeutung Grillenfänger 'wunder¬
Nndl. afgrijzen.
licher Kauz’ (seit dem 17. Jh.) und grillisieren
Griesgram m. Wie mhd. grisgram 'Zähneknir¬
'seinen Launen nachhängen’ aus derselben Zeit.
schen’ aus ahd. grisgramön 'mit den Zähnen
K. Jaberg SAV 47(1951), Ulf.; A. Lindqvist BGDSL
knirschen’ (vgl. ahd. grisgramön, grisjtjgrim-
76(1954), 239f.
mön, as. gristgrimmo, ae. grist-bitian usw.) Ae.
Grillenfänger m., s. Grille.
ne. grist ist 'Mahlgut’; es wird also ein Wort für
'zerreiben’ zugrundeliegen, das mit *greut-a- (s. grillisieren swV., s. Grille.
Grieß) und ae. grindan 'zermahlen’ verwandt Grimasse /. 'verzerrtes Gesicht’. Im 17. Jh.
ist; eine genauer vergleichbare Form läßt sich entlehnt aus gleichbedeutend frz. grimace, des¬
aber nicht feststellen. Die neuhochdeutsche Be¬ sen Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt ist.
deutung des Wortes ist stärker von grämlich W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 73; Brunt (1983),
u. ä. beeinflußt und läßt die alte Bedeutung 326f.
nicht mehr erkennen. grimm Adj., arch. Mhd. grim(me), ahd.
S. gram ( + ). grimfmi), as. grim aus g. *gremma- Adj. 'grim¬
Grieß m. Mhd. griez m./n. 'Sand, Kies’, ahd. mig’, auch in anord. grimmr, ae. grim, afr.
grioz, as. griot aus wg. *greut-a- m. 'Sand, Kies’, grimm. Daneben ein Verbum ae. as. grimman,
auch in ae. greot n. (auch als Neutrum, zu ahd. grimmen 'toben’ (das wohl kein starkes
dem auch anord. grjöt n. 'Sand, Kies’ gehört). Verb ist). Die Etymologie s. unter gram. Die
Ableitung zu einem starken Verb *greut-a-, das Herkunft der Geminate ist unklar.
nur noch in dem ahd. Partizip Präteritum fir- Ne. grim, nschw. grym, nisl. grimmur.
grozzen erhalten ist. Außergermanisch ver¬
Grimmen n., meist Bauchgrimmen n., arch.
gleicht sich lit. grusti 'stampfen, zerstoßen,
Mhd. krimmen, ahd. krimmam, erst in neuerer
drängen’; wurzelverwandt ist wohl ae. grindan
Zeit an grimm angeschlossen und so geschrie¬
'zerreiben’ und anderes (s. Grien, Griesgram).
ben. Ahd. mhd. krimmen bedeutet 'mit den
Die neuhochdeutsche Bedeutung zuerst in
Krallen packen, zerfleischen’, das keine genaue
spmhd. griezmel 'grob gemahlenes Mehl’ (wie
Vergleichsmöglichkeit hat. Weiter entfernt ver¬
Sandzucker u. ä.); dann übernimmt das einfache
wandt sind Krampf und krumm (s. d.).
Wort diese Bedeutung.
Hoffmann (1956), 20 — 22.
S. auch groß, Grus, Grütze1.
Grind m. 'Schorf’, reg.', vulg. für 'Kopf’
Griff m. Mhd. grif aus wg. *gripi- m. 'Griff’,
(südd.). Mhd. grint', wohl zu vergleichen mit
auch in ae. gripe; Abstraktbildung zu greifen
(s. d.). mndl. grinde 'grober Sand, Grind’ und damit
Ne. grip.
eine Ableitung zu *grend-a- stV. 'zerreiben’ in
ae. grindan. Dieses ist wurzelverwandt mit gram
Griffel m. Mhd. griffet, ahd. grif(f)il,
(s. d.).
gref(f');7; Instrumentalbildung zu greifen (s. d.),
die aber unter dem Einfluß von ahd. graf Grinsei n. 'Kimme am Gewehrlauf’, österr.
'Schreibgerät’ steht, das aus afrz. grafe entlehnt Eigentlich *Gerünsel zu mhd. runs(t) m., runse
ist. Dieses über spl. graphium n. aus gr. gra- f 'Wasserrinne’ (zu rinnen, s. d.).
pheton n. 'Schreibgerät’ (zu gr. gräphein grinsen swV. Fnhd. grinzen, Intensivbildung
'schreiben’). zu mhd. grinnen, das weiter zu greinen (s. d.)
S. Grammatik ( + ). — Kluge (1926), 48. gehört. Ursprünglich 'den Mund verziehen’.
Grill m. 'Rost, Gerät zum Rösten’. Im 20. Jh. Grippe /. (= eine Erkältungskrankheit). Im
entlehnt aus gleichbedeutend ne. grill, dieses 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. grippe,
aus frz. grille f. 'Rost’, aus afrz. greille, graille zuerst mit französischem Artikel als la grip(p)e,
(dass.), aus I. crätlcula f 'kleiner Rost’, einem dann seit etwa 1800 allgemein als Grippe. Das
Diminutivum zu 1. crätis f. 'Flechtwerk’. französische Wort ist eine der volkssprachlichen
Zum Etymon s. Hürde. Bezeichnungen, mit denen die einander ähnli-
Grips 279 Großhundert

chen, aber nicht gleichen epidemischen Krank¬ Matrosen nach seinem Spitznamen benannt
heiten benannt wurden; als grippe zuerst die worden sein.
von 1743 (während die vorausgehende la follette Morphologisch zugehörig; groggy. — Ganz (1957), 87;
hieß). Die Bezeichnungen bedeuten häufig W. Seibicke Sprachdienst 20(1976), 185-187.
'Mode’ oder 'Laune’ (= 'Depression’?), so auch groggy Adj. 'betrunken, angeschlagen’, ugs.
grippe, dessen eigentliche Bedeutung 'Grille, Im 20. Jh. entlehnt aus e. groggy (dass.) zu Grog
Laune’ ist. Auffällig ist das Auftreten laut- und (s. d.).
bedeutungsähnlicher Wörter im Deutschen und
grölen swV., ugs. Fnhd. (15. Jh.) grölen, gralen
Slavischen. So bereits im 16. Jh. in der Schweiz
(ndd. und md.). Offenbar zu mndd. gröl 'Herr¬
griippi für einen epidemischen Schnupfen (mo¬
lichkeit, Pracht, rauschendes Fest’. Weitere
dern grupi 'Rheumatismus im Hals, Nacken¬
Herkunft unklar.
starre’), dann im Zusammenhang mit frz. grippe
A. Götze NPhM 25(1924), 118; H. Glombik-Hujer
1788 in München, Kryps, 1789 in der Oberpfalz DWEB 5 (1968), 126f.
Grips 'Grippe’. Diese sind wohl Bedeutungsan¬
Groll m. Mhd. groll(e) 'Zorn’; zu der unter
passungen eines bereits vorhandenen Mundart¬
grell dargestellten lautbedeutsamen Sippe. Der
worts. Entsprechend wohl cech. chripka
Groll ist also nach den mit ihm verbundenen
'Grippe’ zu russ. chrip m. 'Heiserkeit’.
Lautäußerungen benannt.
Morphologisch zugehörig: grippal, grippös. — W. Feld¬
mann ZDW 8 (1906/07), 73; W. Kurrelmeyer JEGPh
Gros n. 'Hauptmasse’, sonder spracht. Im
19 (1920), 513f.; H. Orth A/MtF(1958), 462; C. Sche- Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
lenz MMW (1959), 63. deutend frz. gros m., einer Substantivierung von
frz. gros 'dick, beträchtlich’, aus 1. grossus
Grips m. 'Verstand’, ugs. Zu regionalem grip-
(dass.). Dazu Grossist 'Großhändler’ und en
pen, auch gripsen; Intensivformen zu greifen
gros 'im Großen, in großen Mengen’. Die Be¬
(s. d.), etwa 'fassen, packen’ (also 'Auffassungs-
deutung 'zwölf Dutzend’ (mit der Aussprache
kraft’).
[gros], arch.) ist entlehnt aus frz. gros m., dieses
grob Adj. Mhd. g(e)rop, ahd. g(e)rop, grob, gekürzt aus frz. grosse douzaine f. 'Großdut¬
mndd. mndl. grof. Zu einer Sippe mit Wörtern zend’.
für 'Kruste’, 'Schorf u. ä.’, vgl. mit Hochstufe Etymologisch verwandt: Groschen. — Jones (1976),
und ohne grammatischen Wechsel anord. hrjüfr 369; Brunt (1983), 328.
'rauh, schorfig’, ae. hreof, ahd. riob gleicher
Groschen m. Spmhd. gros(se), die Lautform
Bedeutung, auch 'aussätzig’; außergermanisch mit -sch- offenbar aus Böhmen mit cechischer
lit. kraupüs 'rauh’, lit. nu-krüpgs 'schorfig’, Aussprache (die böhmischen Groschen gehören
kymr. crawen, crafen, crofen 'Kruste’. Für das zu den wichtigsten). Entlehnt aus spl. denärius
Adjektiv ist also von *ga-hruba- 'mit Kruste, grossus 'dicker Denar’ (geprägt 1266 in Tours);
mit Schorf’ auszugehen; dann Bedeutungsver¬ in den Volkssprachen it. grosso, frz. gros. Mit
allgemeinerung. auffälliger Umsetzung in ndd. grot (und ne.
Grobian m. Scherzbildung des 15. Jhs. aus groat).
grob und der 1. Endung -iän(us). Unmittel¬ S. Gros. - Wiek (1939), 24.
bares Vorbild sind vielleicht (Heiligen)Namen groß Adj. Mhd. ahd. gröz, as. gröt aus wg.
wie Damian, Cassian, Cyprian. *grauta- Adj. 'groß’, auch in ae. great, afr. grät.
Groden m. 'angeschwemmtes, bewachsenes Daneben steht anord. grautr 'Grütze’, so daß
Vorland von Deichen’, ndd. Mndd. grode, grude von einer Bedeutung 'grob gemahlen’ auszuge¬
dasselbe, eigentlich 'Wachstum’, zu mndd. hen ist. Dieses zu g. *greut-a- 'zerreiben, zer¬
groien 'wachsen’ (s. grün). mahlen’, das als starkes Verb nur noch in ahd.
ßrgrozzen (PPrät.) bezeugt ist. Zur weiteren
Grog m. (= ein Getränk aus Rum, Zucker
Etymologie s. Grieß.
und heißem Wasser). Im 18. Jh. entlehnt aus
Nndl. groot, ne. great. S. Grieß, Grütze1.
gleichbedeutend ne. grog, das auf ein wind.
Wort grog für eine Mischung aus Rum und Großhundert n. '120 Stück’ (bei bestimmten
Wasser zurückgeht (bezeugt seit 1770). Schon Waren), arch. Seit dem 17. Jh. so ausgedrückt,
früh ist dann eine Entstehungsgeschichte be¬ vielleicht nach dem Vorbild von e. (dial.) great
zeugt, nach der das Wort auf den Spitznamen hundred oder long hundred', zuvor wurde auch
„Old Grog“ zurückgeht, der sich von e. grogram zu dieser Einheit meist hundert gesagt (andere
'Überrock aus Kamelhaar’ ableitet. Nach der genauere Bezeichnungen sind ahd. tualepti
Erzählung soll Admiral Vernon diesen Spitzna¬ 'Zwölfheit’ [Lex Salica], anord. tolfrcett hundraö
men gehabt haben. Als er die Anordnung gege¬ 'Zwölferhundert’). Bei den Germanen gab es
ben hatte, Rum mit Wasser zu verdünnen, soll außer dem als indogermanisch gesicherten dezi¬
das Mischgetränk „in Dankbarkeit“ von den malen Hundert auch ein duodezimales. Das
Grossist 280 Grundel

Großhundert hält sich am längsten im Handel von grapsen usw. (s. d.); vgl. ndd. grubbeln,
an der Seeküste. nndl. grobbelen 'herumtasten, herumwühlen’.
Grossist m. 'Großhändler’, s. Gros. Grüezi (= Grußformel), schwz. Gekürzt aus
großkotzig Adj., ugs. Gelangt aus Berlin in (Gott) grüße (euch).
die Hochsprache. Vergröbernder Ausdruck für Reuter (1906), 33-36.
jmd., der in großem Bogen spuckt’. Gruft/ Mhd. grüß, ahd. grüß, krufl 'Höhle,
Großmutter /., Großvater m. Eine Bezeich¬ Schlupfwinkel; Graben, Krypta’, ln welchem
nungsweise, die seit dem 14. Jh. für deutsch, Umfang hier eine Ableitung von graben (s. d.)
niederländisch, französisch und englisch be¬ mit unregelmäßigem Ablaut und eine Entleh¬
zeugt ist. Ausgangspunkt der semantisch durch¬ nung aus 1. crypta zusammengespielt haben,
sichtigen Bildungen ist offenbar das Französi¬ läßt sich nicht mehr mit Sicherheit bestimmen.
sche im 14. Jh. Grund für die rasche Verbrei¬ grummeln swV. 'brummen’, ugs. Lautmaleri-
tung war wohl die klare Unterscheidungsmög¬ sche Bildung.
lichkeit von Maskulinum und Femininum ge¬
genüber älterem Ahn (s. d.). Grummet n. 'zweite Heuernte’, reg. Mhd.
grüenmät, grummaf, aus Mahd (s. d.) und einer
J. Erben in: FS Dam (1977), 101-113; Müller (1979)
17-69. umlautlosen Variante zu grün (s. d.), die noch
im Schweizerdeutschen gut bezeugt ist. Dort
Großtat /. Seit dem 17. Jh. belegt. Rückbil¬ auch die Bedeutung 'frisch, jung’, die hier wohl
dung aus dem schon seit dem 15. Jh. bezeugten
zugrunde liegt, also 'Schnitt der jungen (nach¬
Adjektiv großtätig 'groß handelnd, kraftvoll, gewachsenen) Triebe’.
machtvoll, das wohl eine Lehnbildung zu 1.
G. Ruppenthal; Der‘zweite Grasschnitt in deutscher
mägnificus 'großartig, prachtvoll’ (aus 1. mägnus Synonymie (Gießen 1950); W. Steinhäuser ZM
'groß' und 1. facere 'machen, tun’) ist, zusam¬ 20(1952), 65-92; R. Bruch BGDSL-T 79 (1957)
mengesetzt mit groß (s. d.) und tätig (zu Tat, 406 - 412.
s. d.).
grün Adj. Mhd. grüene, ahd. gruoni, as. gröni
Ruppel (1911), 39f.
aus g. *grö-ni- Adj. 'grün’, auch in anord. greenn,
Großvater «?., s. Großmutter. ae. afr. grene. Mit «/-Suffix abgeleitet von g.
großzügig Adj. Im 19. Jh. zusammengebildet *grö-a- wachsen , als starkes Verb in anord.
aus in großen Zügen. groa, ae. gröwan, als schwaches Verb in afr.
grotesk Adj., s. Grotte. groia, ahd. grüen. Ausgangsbedeutung also
'wachsend’.
Grotte/. 'Felsenhöhle’. Im 15. Jh. entlehnt Nndl. groen, ne. green, nschw. grön, nisl. greenn. S.
aus gleichbedeutend it. grotta, dieses aus spl. auch Groden, Grummet, Singrün. - Schwentner
crupta (dass., auch: 'Gewölbe’), aus 1. crypta (1915), 62-66. Zur Morphologie: G. R. Solta Sprache
(dass.), aus gr. krypte (dass.). Das von dem 12(1966), 26-47.
italienischen Substantiv abgeleitete Adjektiv Grund /«. Mhd. ahd. grünt, as. grund aus g.
grotteseo bildet die Grundlage für d. grotesk. *grundu- Grund, Boden’, auch in gt. grundu-,
In Wendungen wie grottesca pittura meint es anord. grunnr, ae. afr. grund. Die außergermani¬
zunächst regulär bestimmte Decken- und Ge¬ schen Vergleichsmöglichkeiten sind problema¬
wölbemalereien phantastischen und bizarren tisch. Einerseits air. grindeil Grund eines Sees,
Inhalts. Dann geht die Bedeutung vom Lokalen Untergrund , würde *ghrndh- voraussetzen;
über zum Inhaltlichen, so daß das Wort diese dem widerspricht auf der germanischen Seite
Art der Malerei bezeichnet. Schließlich dann ollenbar das Nordische, das *ghrnt- vorauszu¬
Verallgemeinerung der Bedeutung.
setzen scheint. Auf der anderen Seite lit. pägrin-
Etymologisch verwandt: [Groteske], Krypta, kryptisch das Grundlage, Fundament mit dem gleichen
(usw.). — P. Knaak: Über den Gebrauch des Wortes
formalen Problem und außerdem klaren Ver¬
grotesque’ (Greifswald 1913); M. Wis NPhM 64
(1963), 129-143. bindungen zu Wörtern für 'Brett, Bohle’, so
daß in diesem Fall an einen künstlichen Boden
Grube /. Mhd. gruohe, ahd. gruoha, mndl zu denken ist. Muß vorläufig als ungeklärt
groeve aus g. *gröbö f. 'Grube’, auch in gt. gelten.
groba, anord. groß. Dehnstufiges Abstraktum
Nndl. grond, ne. ground, nschw. grund, nisl. grunnur.
zu g. *grab-a- 'graben’.
S. Grundel, gründe ln. - H. Kunisch: Das Wort Grund’
Nndl. groeve. S. graben ( + ). (Münster 1929).
grübeln swV. Mhd. grübelen, ahd. grubilön. Grundbirne /., s. Erdapfel.
Mit unregelmäßigem Ablaut gebildet zu graben
Grundel /.//«., auch Gründel m., Gründling
(s. d.) als Iterativbildung. Vielleicht gehört das
m. ( = ein Fisch), fachsprachl. Mhd. gründe/,
Wort aber eher als 'herumtasten’ zu der Sippe
grundelinc m., ahd. gruntila, grundila f. So be-
gründein 281 Guerilla

nannt, weil sich dieser Fisch gerne am Grund Grus m. 'Zerbröckeltes’, reg. Ursprünglich
(s. d.) des Wassers aufhält. niederdeutsches Wort, dem obd. Graus ent¬
gründein swV. 'mit dem Oberkörper ins Was¬ spricht. Mhd. grüz m./f, vergleichbar mit ae.
ser tauchen, um Nahrung zu suchen’ (von Enten grytta f. 'grobes Mehl’. Mit untypischem Voka¬
usw.). Von Grund (s. d.) abgeleitet. lismus wie Grieß (s. d.) zu g. *greut-a- 'zer¬
Gründling m., s. Grundel. reiben’.

Gründonnerstag m. Seit dem 15. Jh. als Zu¬ gruseln swV. Mhd. griuseln. Inlensivbildung
sammensetzung mit grün (s. d.) und Donnerstag zu grausen (s. d.). Offenbar durch norddeut¬
(s. d.) belegt, jedoch schon vorher (13. Jh.) als schen Einfluß in umlautloser Form fest ge¬
Fügung mhd. grüene donerstac. Die Herkunft worden.
ist nicht geklärt. Offensichtlich handelt es sich S. grauen ( + ).
um eine ursprünglich eher volkstümliche Be¬ grüßen swV. Mhd. grüezen, ahd. gruozen, as.
zeichnung, so daß die Herleitung von der seit grötian aus wg. *gröt-eja- swV. 'ansprechen’,
dem 14. Jh. bezeugten und weit verbreiteten auch 'anklagen, angreifen’; formal entspricht
Sitte, an diesem Tag grüne Heilkräuter und anord. grceta 'zum Weinen bringen’, das ein
grünes Gemüse zu essen, nicht von vornherein Kausativ zu gt. gretan, anord. gräta stV. 'wei¬
auszuschließen ist. Lehnbildung nach 1. dies viri- nen' ist. Der Bedeutungszusammenhang ist aber
dium 'Tag der Grünen’ (nach Lk. 23,31), womit nicht ausreichend klar. Liegt eine frühe Einwir¬
die an diesem Tag von den Sünden und Kir¬ kung von 1. grätus 'lieb, willkommen’ o. ä. vor?
chenstrafen Freigesprochenen gemeint sein sol¬ Nndl. groeten, ne. greet. S. auch gräßlich. — W. Bruckner
len, ist auszuschließen, da die lateinische Fü¬ SAV 37 (1939), 65-86.
gung erst seit dem 17. Jh. nachzuweisen ist und Grütze1/. Mhd. grütze n.\f. (?), ahd. gruzzi
offensichtlich ihrerseits nach dem deutschen «., mndd. grutte, mndl. gort(e) aus wg. *grutjö
Vorbild gebildet wurde; allerdings ist grün (und f. 'Grütze’, eigentlich 'Grobgemahlenes’, auch
1. viridis) vom 14. bis 16. Jh. vereinzelt in kirch¬ in ae. grytta. Wie Grieß (s. d.) zu g. *greut-a-
lichem Sprachgebrauch in Anlehnung an grün stV. 'zerreiben, zermahlen’.
in der Bedeutung 'frisch’ als 'erneuert, sündlos’ Nndl. gort, ne. grits. S. auch groß.
belegt; vgl. hierzu auch die Bezeichnung Antlaß-
Grütze2 /. 'Verstand’, ugs. Vermutlich zu
tag (s. d.) 'Tag des Erlasses (der Sünden und
fnhd. kritz in der Nase haben 'naseweis sein,
Kirchenstrafen), des Ablasses’. Weitere Bezeich¬
sich klug dünken’. Herkunft unklar. Vielleicht
nungen sind Hoher Donnerstag (14. Jh.), Großer
zu kritz 'Kitzel’.
Donnerstag (15. Jh.), Guter Donnerstag (16. Jh.).
Bächtold-Stäubli (1927/42), III, 1186f. Anders (Um¬ Gspusi n. 'Liebschaft, Liebste(r)’, bair. Wei¬
deutung von ahd. grün stm./stf. 'Jammer, Unglück’): terbildung mit ge- zu einer Entlehnung aus it.
H. Jeske SW 11 (1986), 82-109. sposa f. 'Braut’, it. sposo m. 'Bräutigam’. Dieses
Grundriß m. Zu reißen 'zeichnen’ gebildet; s. aus 1. spönsus m. 'Bräutigam’, 1. spönsa f. 'Braut’
Riß. (s. Gespons).
Grünschnabel m., s. Gelbschnabel. Guano m. 'organischer Dünger aus Exkre¬
Grünspan m.. fachsprachl. Mhd. grüenspän, menten von Seevögeln’, fachsprachl. Entlehnt
grüenspät (auch umgekehrt: Spangrün). Lehn¬ aus gleichbedeutend span, guano, dieses aus
bildung zu ml. viride hispanicum n. 'spanisches Ketschua huanu (dass.).
Grün’, weil von dort Kupferoxyd nach Palmer (1939), 41 f.; Lüschen (1968), 234.
Deutschland exportiert wurde. Schon seit frü¬ gucken swV. 'aussschauen’, ugs., reg.', gele¬
her Zeit auch Grünspat (s. Spat') durch Nach¬ gentlich unter Einfluß des entsprechenden ndd.
deutung des Wortes. kieken (s. d.) kucken geschrieben. Erst seit dem
grunzen swV. Mhd. grunzen, ahd. in grunni- Mittelhochdeutschen belegt, aber wohl älter;
zöd, grunnizöt 'das Grunzen’; entsprechend ae. mhd. gucken-berglin 'verstecken spielen’. Her¬
grunnian-, Intensivbildung zu erst frühneuhoch¬ kunft unklar. Wenn das Wort alt ist, kann es
deutsch belegtem grunnen gleicher Bedeutung, als g. *gugg- zu ig. *gheugh- 'verstecken’ gehö¬
das wie 1. grundTre, grunmre und gr. gryzein ren, vgl. ai. gühati 'verbirgt, verhüllt, versteckt’,
lautmalend ist. lit. guzti 'zudecken’, lit. güzineti 'mit kleinen
Ne. grünt. - O. Hauschild ZDW 12 (1910), 41 -44; P. Schritten in gebückter Haltung gehen, Blinde¬
Kretschmer Glotta 13 (1924), 135; H. Glombik-Hujer kuh spielen usw.’. Die Bedeutung wäre dann
D WEB 5 (1968), 205f. 'aus einem Versteck herausspähen’, was zu den
Gruppe/. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. groupe deutschen Bedeutungen recht gut paßt.
/??., das seinerseits aus it. gruppo m. entlehnt ist.
Gucks m., s. Jux.
Weitere Herkunft unklar.
Guerilla m. 'Kleinkrieg\ fachsprachl. Im 19.
Kranemann (1958), 107-112. Anders: M. Eusebi
ASNSL 198/113 (1961), 30-32. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span, guerilla
Gufe 282 Guß

fl, einem Diminutivum zu span, guerra f name in Anlehnung an den Männernamen


'Krieg’, aus afrk. *werra 'Streit’. Gundram umgebildet zu ahd. gunderam m.\ dar¬
Zum Etymon s. wirr. aus später Gundermann (seit dem 17 Jh.).
Gufc/., s. Glufe. R. Löwe BGDSL 60(1936), 164 — 166; Marzeil (1943/
79), II, 699-704.
Gugelhopf m., auch Gugelhupf m. (= ein Ge¬
bäck), südd. Zu mhd. gugel(e) f 'Kapuze’ und Günsel m., früher auch /., fachsprachl. Ahd.
einer Nebenform von Hefe. Nach der Form kunsele. Entlehnt aus 1. cönsolidafl, it. consolida
und der ursprünglichen Machart (Hefeteig) be¬ f. (zu I. cönsolidäre 'festmachen’); dieses ist wie¬
nannt. derum ein Lehnübersetzung aus gr. symphyton
Güggel m., s. Gockel. n. 'Zusammenwachsen’ als Bezeichnung für
Heilpflanzen, die das Zuheilen von Wunden
Guillotine/. 'Fallbeil’, fachsprachl. Im 18. Jh.
fördern (vgl. Beinwell).
entlehnt aus gleichbedeutend frz. guillotine, das
zurückgeht auf den Namen des Befürworters Gunst /. Mhd. gunst m., mndd. gunst m./fl;
Guillotin. entsprechend ahd. unst m., ahd. abunst m./fl;
Ersatzwort ist Fallbeil. - G. Schoppe ZDW15 (1914) as. abunst 'Mißgunst’. Ein t/'-Abstraktum (mit
186. s-Einschub) zu ahd. g(i)unnan 'gönnen’ (s.
gönnen).
Gulasch n./m. (= ein scharf gewürztes Ra¬
gout). Im 19. Jh. entlehnt aus ung. gulyäs (hus) Lloyd/Springer (1988ff.), I, 265-267.
(wörtlich:) Fleisch der Rinderhirten’, zu ung. Gur/., s. Kieselgur.
gulva 'Rinderherde’. Unter Wegfall des Grund¬ Gurgel /. Mhd. gurgel, ahd. gurgula, mndd.
worts geht die Bedeutung von den herstellenden gorgelfstrate). Entlehnt aus 1. gurgulio m. 'Luft¬
Personen auf das Gericht selbst über.
röhre’, das das mit ihm urverwandte ahd. quer-
Gulden m., fachsprachl. Bei Goldmünzen wird ca(la) verdrängt.
häufig das Material genannt, so mndl. gülden Nndl. gorgel. - W. Goldberger Glotta 18 (1930), 34.
florijn goldener Florin , mhd. guldin pfenninc
Gurke/. Seit dem 16. Jh. in verschiedenen
u. a. Das Wort wird dann als Währungsbezeich¬
Formen bezeugt (österr. umurke, ndd. augurke
nung fest; heute gilt es für den niederländischen
usw.). Entlehnt aus poln. ogurek m. (heute ogö-
Gulden (abgekürzt fl. für Florin). Dabei wird
rek m.), das seinerseits (mit anderen slavischen
an die ursprüngliche Materialbezeichnung nicht
Wörtern) aus mgr. ägovros 'unreif’ stammt. Die
mehr gedacht, so daß früher auch Silbergulden
möglich war. südd. Form guckummer stammt dagegen aus 1.
cucumis (-mesis) m., cucumer, das wohl aus
Nndl. gülden. S. Gold.
einer Substratsprache kommt.
Gully m. 'Abfluß’. Im 20. Jh. entlehnt aus
Wiek (1939), 25f.; Bielfeldt (1965), 29; Eichler (1965), 43.
gleichbedeutend ne. gully, wohl einer Neben¬
Gurre/, s. Gaul.
form von e. gullet 'Schlund’, dieses aus afrz.
goulet (dass.), einem Diminutivum zu afrz. gole, gurren swV. Mhd. gurren. Lautmalende Bil¬
goule 'Kehle’, aus 1. gula f. (dass.). dung.
Zum Etymon s. Kehle1.
gürten swV. Mhd. gürten, gurten, ahd. gurten
gültig Adj. Mhd. gültic 'zu zahlen verpflich¬ aus g. *gurd-ja- swV. 'gürten’, auch in anord.
tet, wert’ zu mhd. gälte 'Zahlung, Schuld, Wert’, gyröa, ae. gyrdan, afr. un-e-gert ungegürtet’.
das zu gelten (s. d.) gehört. Dazu Gürtel aus g. *gurd-ila- in anord. gyröill,
Gummi m./n. 'elastisches Kautschukprodukt’. ae. gyrdel, afr. gerdel, ahd. gurtil, mhd. gürtel
Im Mittelhochdeutschen (gummi) entlehnt aus m-/f/n. (?). Die Wörter gehören zu der ig. Sippe
gleichbedeutend ml. gummi, dieses aus 1. cummi *gherdh- 'Umfassung’ (s. Garten), in der aber
n., cummis f. (dass.), aus gr. kömmt n. (dass.), keine Primärverben bezeugt sind. Deshalb ist
das auf ein ägyptisches Wort zurückgeht. gt. bigaurdans 'gegürtet’ wohl auch nicht Rest
Littmann (1924), 12. eines starken Verbs, sondern sekundäre Nomi¬
Gumpe /., auch Gumpen m. 'tiefe Stelle im nalbildung. Auffällig ist immerhin der Ablaut
Wasser’, alem. Mhd. gumpe m. 'Wasserwirbef. in *gerdö f. 'Gürtel’ (gt. gairda).
Herkunft unklar, vielleicht zu gumpen Nndl. -gorden, ne. gird, nschw. gjorda, nisl. gyröa.
'springen’.
Guru m. 'religiöser Lehrer im Hinduismus’,
Gundelrebe/., fachsprachl. Mhd. grunderebe, sondersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend
ahd. guntreba, gundareba. Vielleicht aus *grunt- hindi guru, dieses aus ai. gurü- (dass., wörtlich;
reba nach den Ausläufern am Boden und in 'schwer, gewichtig’).
Anlehnung an die lateinische Bezeichnung he-
Guß m. Mhd. ahd. guz, mndd. gote f aus wg.
dera terrestris so benannt (vgl. auch die Bezeich¬
*guti- m. 'Guß', auch in ae. gyte. Verbalabstrak¬
nung Erd-Efeu). Im 12. Jh. wird der Pflanzen¬ tum zu gießen (s. d.).
gut 283 Gynäkologie

gut Adj. Mhd. ahd. guot, as. göd aus g. *göda Gymnasium n. 'Oberschule’. Im 15. Jh. ent¬
Adj. 'trefflich, gut’, auch in gt. gods, anord. lehnt aus gr. gymnäsion 'Übungs- und Ausbil¬
gödr, ae. göd. Am besten vergleicht sich dem dungsstätte’, einer Ableitung von gr. gymnä-
Sinn nach gr. agathös 'gut, tüchtig, trefflich’, zesthai '(sich mit bloßem Körper) sportlich be¬
das als Entsprechung zu g. *göda- eigentlich tätigen’, zu gr. gymnös 'nackt’. Im Zeitalter des
*akathös lauten müßte. Dieses ist in der Form Humanismus dann auf die geistige Ausbil¬
gr. akathön, allerdings nur als Glosse, bezeugt. dungsstätte beschränkt (vgl. dagegen e. gymna-
Eine weitere Verbindung mit der Sippe von sium 'Turnhalle’). In der ursprünglichen Bedeu¬
Gatte (s. d.) ist möglich. Die Ausgangsbedeu¬ tung: Gymnastik (usw.).
tung wäre dann 'passend’. — Häufig substanti¬ Morphologisch zugehörig: gymnasial, Gymnasiast,
viert (Gut n.) im Sinne von 'Vermögen’. Als Gymnasf, zum Etymon s. nackt. — Nyström (1915),
zweiter Bestandteil von Komposita des Typs 23-26.
Saatgut oder Diebesgut ist diese Substantivie¬
Gymnastik/., s. Gymnasium.
rung zu einem Halbsuffix verblaßt.
Nndl. goed, ne. good, nschw. god, nisl. gööur. — F. Gynäkologie /. 'medizinische Fachrichtung
Schmidt: Zur Geschichte des Wortes 'gut' (Diss. Berlin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe’, fach¬
1898); W. Mitzka BGDSL 58 (1934), 319-321. sprachl. Neubildung auf -logie (s. d.) zu gr. gyne
guttural Adj. 'kehlig, im Bereich der Kehle (-naikös) 'Frau’.
gebildet’, fachsprachl. Neubildung zu 1. guttur Morphologisch zugehörig: Gynäkologe, gynäkologisch;
'Kehle’. etymologisch verwandt: androgyn. Das Etymon auch
Morphologisch zugehörig: Guttural. in ne. quean, mit Vriddhibildung in ne. queen.
H
Haar1 n. Mhd. ahd. as. här aus g. *hära n. Habergeiß /. 'Sumpfschnepfe’, fachsprachl.
Haar, auch in anord. här, ae. här, her (im Wie Himmelsziege eine Übertragung eines ande¬
Gotischen steht dafür tagl, s. Zagei). Am ehe¬ ren Tiernamens (wegen der meckernden Geräu¬
sten ursprünglich ein dehnstufiger kollektiver sche beim Balzflug). Das Wort ist seit dem 15.
i-Stamm, der sich vergleichen läßt mit lit. Jh. belegt und ist eine Zugehörigkeitsbildung
serys m. 'Borste, (Tier)Haar’, lit. sirys 'Haar’ zu einem alten Wort für 'Ziegenbock’, ae. hafer
(*ker-, kr-)', mit s erweitert (Reflex eines m., anord. hafr m.; außergermanisch in 1. caper
J-Stammes?) russ. sersti f 'Wolle’. Weitere m. 'Ziegenbock’. Weitere Herkunft umstritten.
Herkunft unklar. S. auch Hafer, Hippe2, Kapriole. - Suolahti (1909),
Nndl. haar, ne. hair, nschw. här, nisl. här. S. hären. 276 — 278; F. Lochner-Hüttenbach in: FS Pokorny
Haar2 m. '(nicht zubereiteter) Flachs’, fach- (1967), 51-55.
sprachl. Mhd. har, ahd. har(o) aus g. *hazwa- habhaft Adj., arch. In einer Sache habhaft
m. 'Flachs’, auch in anord. hprr, afr. her. Ver¬ werden. Ursprünglich 'mit Habe versehen,
mutlich zu ig. *kes- 'kämmen’ in heth. kisai- wohlhabend’; mit werden (seit dem 17. Jh.) 'et¬
kämmen’, akslav. cesati 'kämmen, abstreifen’, was bekommen’; daraus die heutige Bedeutung.
lit. kasäf. 'Haarflechte’, mir. cir f. 'Kamm’ und
Habicht m. Mhd. habech, habich, ahd. habuh,
vielleicht gr. keskeon 'Werg’.
habech, as. havuk aus g. *habuka- m. 'Habicht’,
Nisi. hör. S. Hede ( + ), hären.
auch in anord. haukr, ae. hafoc, heafoc. Das -t
haarscharf Adj. Erst neuhochdeutsch belegt. im Deutschen ist sekundär angetreten. Außer¬
Wohl nicht mit Haar1 zusammengesetzt (ob¬ germanisch vergleicht sich russ. kobec 'Bienen-,
wohl dies einen Sinn ergäbe), sondern eine Ver¬ Wespenfalke’. Es kann *kap- 'packen, greifen’
deutlichung von mhd. har(e) 'herb, bitter, zugrundeliegen (s. heben), aber da 1. capus
rauh, scharf’ (s. unter herb). Falke’ oder 'Habicht’ (unsicher bezeugt) als
W. Mitzka HBV 49/50(1958), 154f. etruskisch gilt, ist auch für das germanische und
haben swV Mhd. haben, ahd. haben, as. heb- slavische Wort Entlehnung aus einer Substrat¬
bian aus g. *hab-ä- swV. 'haben’, auch in gt. sprache nicht ausgeschlossen. Daß dennoch von
haban, anord. hafa, ae. habban, afr. habba, einer Lautgebärde *kap- 'packen’ auszugehen
hebba; Durativum zu g. *haf-ja- 'heben’ (s. un¬ ist, kann erwogen werden.
ter heben)-, dem Sinn nach näher zu 1. capere Nndl. havik, ne. hawk, nschw. hök, nisl. haukur. —
fassen, greifen’: Was man ergriffen hat, das Suolahti (1909), 359-362; W. A. Benware BGDSL-T
hat, besitzt man. Ganz parallel gehört 1. habere 101 (1979), 343.
'haben’ zu geben (aus *ghebh- 'nehmen’); *kap- habilitieren swV. 'die Lehrberechtigung er¬
und *ghebh-/ghabh- sind Parallelwurzeln (ur¬ werben bzw. erteilen’, fachsprachl. Im 17. Jh.
sprünglich lautmalender Herkunft: *kap- usw. entlehnt aus ml. habilitare 'fähig machen’, die¬
'zuschnappen’). ses gebildet zu 1. habilis 'leicht zu handhaben,
Nndl. hebben, ne. have, nschw. hava, nisl. hafa. S. fähig, tüchtig’, einer Ableitung von 1. habere
habhaft, Habseligkeiten, Haft, haschen, heben (4-). - 'haben, beherrschen, an sich tragen’.
W. Oehl IJVS 1 (1926), 50 — 61; Sommer (1977), 4.
Morphologisch zugehörig: Habilitand, Habilitation-,
Haber m., s. Hafer. etymologisch verwandt: debil (usw ), Exhibition (usw.)’
Habitus, Kohabitation, malade, prohibieren (usw.), Pro¬
Haberfeldtreiben n. 'nächtliches Rügegericht,
viant, Pfründe-, zum Etymon s. geben. - G. Schoppe
besonders wegen sexueller Ausschreitungen’’
ZDW 15 (1914), 186.
bair. In später Zeit so erklärt, daß gefallene
Mädchen in ein Haberfeld und wieder zurück¬ Habitus m. 'Verhalten, Erscheinungsbild’. Zu
getrieben wurden. Dies ist aber wohl erst aus 1. habere 'haben, an sich tragen’ (s. habilitieren).
dem Wort herausgesponnen, das möglicher¬ Habseligkeiten PI. Zu einem seit dem 17. Jh.
weise aus Haber-fell 'Bocksfell’ (s. Habergeiß) bezeugten Habseligkeit 'Habe’, das auf ein Ad¬
entstellt ist. Alle Einzelheiten sind aber unklar. jektiv habselig (und dieses wiederum auf ein
Schmeller (1872/77), I, 1033f.; H. Jaekel ZSSR-GA *Habsal, wie Labsal, Trübsal) verweist. Mögli¬
40(1906), 121; G. Queri: Bauernerotik und Bauern- cherweise ist das Substantiv aber in Analogie
fehme (München 1911), 57 — 162.
zu Armseligkeit, Saumseligkeit usw. gebildet.
Hachel 285 Hafer

Hachel /. 'Granne, Stachel’, omd. Mhd. ha¬ Hackepeter m. 'Hackfleisch, Mett, Tatar’,
chel, hechel, mit /7-Vorschlag zu ahd. ahil. Dieses nordd. Der zweite Bestandteil ist der Personen¬
ist auch in nhd. Achel erhalten und gehört zur name Peter. Ein Grund für diese Namensver¬
Verwandtschaft von Ähre (s. d.). wendung ist nicht ersichtlich. Vielleicht scherz¬
Hachse /., auch Hechse /., Haxe /. 'Unter¬ haft im Anschluß an (gehackte) Petersilie. Peter
schenkel und Fuß von Mensch und Tier’. Mhd. wird im Norddeutschen häufiger appellativ ver¬
hahsen, hehsen PI. 'Kniebug der Pferde und wendet. Für Personen etwa Lügenpeter 'kleiner
Hunde’, Singular selten für 'Schenkel’, ahd. Lügner’; sonst Ziegenpeter (s. d.) für eine
hähs(i)na 'Achillessehne’ aus g. *hanh(a)-sinwö Krankheit usw.
f. 'Achillessehne’, auch in anord. häsin, ae. höh- Häcksel m./n. 'kleingeschnitlenes Stroh’. Seil
sinu, afr. höx(e)ne (mit Bedeutungserweiterung dem 16. Jh. als Konkretbildung zu hacken
zu 'Wade’ und dann 'Unterschenkel’). Daneben (s. d.).
aus *hanhö ae. hö(h) m. 'Ferse, Wade’, und aus Hader1 m. 'Streit’, arch. Seit dem 14. Jh. im
*hanhilö anord. hall m., ae. afr. heia m. 'Ferse’. Ostmitteldeutschen belegt, dann durch Luther
Grundbedeutung also 'Fersensehne’. Außerger¬ in der Hochsprache durchgesetzt, aber ein Wort
manisch vergleicht sich lit. kenkli 'Kniekehle’, der gehobenen Sprache. Vergleichbar ist vor
lit. kinka 'Kniekehle, Hachse’. Auffällig ist, daß allem akslav. kotora f. 'Streit, Zwist’, so daß
neben diesem *konk- ein *kalk- mit entspre¬ man an eine Entlehnung glauben würde, wenn
chender Bedeutung existiert (1. calx (-leis) /./ dem nicht die Lautverschiebung widerspräche.
(m.) usw.), ebenso *kag- (nhd. Hacke1, s. d.) Möglicherweise ist altes g. *ha/m- 'Kampf’ (fast
und mit ähnlichen Bedeutungen *koks- (1. coxa nur in Personennamen bezeugt) von einem sla-
usw.). vischen Wort beeinflußt worden.
S. Sehne ( + ). — G. Weitzenböck Teuthonista 1 (1934), Hader2 m. 'Lumpen’, siidd. Mhd. hader, ahd.
156f. hadara f. 'Lappen, Schafspelz’; daneben as.
Hackbrett n., fachsprachl. Eigentlich 'Brett haöilin n. 'Lumpen’, ahd. zi-hadilen 'zerfetzen’.
zum Hacken von Fleisch usw.’, dann für ein Herkunft unklar. Auffällig ist die Nähe von 1.
mit Holzschlegeln geschlagenes Saiteninstru¬ cento 'aus Flicken zusammengenähtes Kleid’,
ment (so seit dem 15. Jh.). Die Übertragung ai. kanthä f. 'Lumpen, geflicktes Gewand’.
kann zwar die Form des Instruments zum An¬ S. Haderlump, Hudel. — W. Belardi RL 4(1958),
laß genommen haben, ist aber wohl scherzhaft 29-57; E. P. Hamp AION-L 2 (1960), 155-157; Lühr
(1988), 120f.
bezogen auf die Tätigkeit beim Spielen.
Relleke (1980), 83, 187f. Haderlump m. 'Lump’, reg., vor allem österr.
Das Wort haderlump(en) ist ursprünglich eine
Hacke1/. 'Ferse, Absatz’, nordd. Mndl. hac.
verdeutlichende Zusammensetzung zu Hader2
Vielleicht läßt sich anord. hcekill m. 'Hinterfuß’
(s. d.), bezeugt seit dem 15. Jh. Dann, wie das
(bei einem Fell) vergleichen. Zu dem Nebenein¬
Grundwort, übertragen auf '(Lumpensammler,
ander von *hak- und *hök- vgl. Darms (1978), in Lumpen Gekleideter), Lump’.
302. Weitere Herkunft unklar.
Hades m. 'Totenreich, Unterwelt’, sonder-
Nndl. hak. Vgl. Hachse.
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend gr. (att.)
Hacke2 /. Mhd. hacke. Instrumentalbildung Haides, so benannt nach dem griechischen Gott
zu hacken (s. d.). der Unterwelt.
Hackemack n./m., s. Heckmeck. Hafen1 m. 'Topf’, obd.\ nordd. nur in Glücks¬
hacken swV. Mhd. hacken aus wg. *hakk-5- hafen 'Topf für die Lose’. Mhd. haven, ahd.
swV. 'hacken’, auch in ae. haccian, afr. hakia. havan. Herkunft unklar.
Die Bedeutung ist ursprünglich 'aushacken (die S. auch Hafner. - J. Trier ZDPh 70(1947/49), 344f.;
P. Hovda: Norske Fiskemed (Oslo 1961), 18 — 34; R.
Augen, von den Vögeln), in den Fuß stechen
Hildebrand DWEB 3 (1963), 309-319.
(von der Schlange)’ und 'abschlagen, auseinan¬
derschlagen’. Morphologisch handelt es sich um Hafen2 m. 'Schiffshafen’. Aus mndd. ha-
eine Intensivbildung wie picken, packen, zwik- ve(ne) m.lf., das aber wohl wie spae. hafen(e)
ken, zucken usw. Weitere Herkunft unklar. Viel¬ f. aus anord. hgfn f. entlehnt ist. Verwandt
scheint air. cüan 'Seehafen’. Weitere Herkunft
leicht näher zu Haken (s. d.), wenn vom Arbei¬
unklar. Vielleicht zu Haft (s. d.).
ten mit Klauen oder gekrümmten Werkzeugen
Kluge (1911), 340-344.
ausgegangen wird. Es gibt für eine solche An¬
nahme aber keine ausreichenden Anhalts¬ Hafer m. Mhd. haber(e), ahd. habaro, as.
punkte. havoro führt mit anord. hafri auf g. *habrön in.
Nndl. hakken, ne. hack. S. auch Hacke2, Häcksel, 'Hafer’. Mit Rücksicht auf gr. aigilöps 'Flugha¬
Hickhack. fer (wörtlich ‘Ziegenkraut’)’ gehört das germa-
Haff 286 Hagestolz

nische Wort wohl zu g. *habra- 'Ziegenbock’ (s. kymr. cae 'Gehege’. Weitere Herkunft unklar.
Habergeiß). Ausgangsbedeutung also 'Ziegen¬ Die Sippe macht nicht den Eindruck altererbter
bockskraut’. Die Form Hafer ist erst in neu¬ Wörter.
hochdeutscher Zeit aus dem Niederdeutschen Nndl. haag, ne. haw, nschw. hage. S. Gehege, Hage¬
eingedrungen. Zuvor obd. Haber. buche, Hagebutte, Hagedorn, Hagestolz, Hain, hanebü¬
Nndl. haver, nschw. havre, nisl. hafur. - Marzeil chen, Heck, Hecke, hegen, Hexe, Kai. — Marzeil (1943/
(1943/79), I, 531-533. 79), I, 1219-1223; U. Scheuermann NJ92 (1969), 99f.

Haff n. 'Küstenbucht hinter Nehrung’, ndd. Hagebuche/., auch ffainbuche/., fachsprachl.


Die ältere Bedeutung ist 'Wattenmeer, Meer’. Eigentlich 'Heckenbuche’, obwohl es sich um
So in anord. haß ae. hcef, afr. hef. Mhd. hap ein Birkengewächs handelt. Mhd. hagenbuoche,
Meer, Hafen’ ist wohl ebenfalls aus dem Nie¬ ahd. haganbuohha, mndd. hageboke. Zu der
derdeutschen entlehnt. Herkunft unklar. Form Hain (s. d.).
H. Heger NKB 73 (1966), 42-47. Nndl. haagbeuk. S. Hag( + ).

Hafner m. 'Ofensetzer’, südd. Zu Hafen1 Hagebutte /. Seit dem 15. Jh.; verdeutlicht
(s. d.) in der Bedeutung 'Ofenkachel’. aus älterem butte (vielleicht verwandt mit But¬
Haft/. Bei diesem Wort sind folgende Bildun¬ zen, Butt, s. d.); nordd. hambutten u. ä. zu hagan
gen zu unterscheiden: 1) Das Femininum in in der Bedeutung 'Dornstrauch, Heckenrose’ (s.
der Bedeutung 'Gefangenschaft’ ist eine junge unter Hag). Daraus wieder verkürzt auch wobd.
Anpassung an die ti-Abstrakta (mhd. haft /.); hege Hagenbutte’ und wobd. hegemark für die
älter ist die Bedeutung beim neutralen Genus. aus den Früchten gewonnene Marmelade.
2) Die Bedeutungen mhd. haft m. 'Gefangener’, G. Paetzer: Hagebutte (Diss. masch. Marburg 1949).
mhd. haft m. 'Haft’ und 'Fessel’ sind Substanti¬ Hagedorn m. 'Weißdorn\ fachsprachl. Mhd.
vierungen des unter 3) zu nennenden Adjektivs. hage( n)dorn aus g. * haga-für na in. 'Hagedorn’,
Belegt ist anord. hapt n. 'Fessel’, anord. haptr auch in anord. hagforn, ae. hcegforn. Eigentlich
in. 'Gefangener, Leibeigener’, ae. haft m. 'Ge¬ 'Domstrauch für Hecken’, s. Hag( + ).
fangener, Fessel’, afr. heft(e) 'Haft’, afr. heftene Nndl. hagedoorn, ne. hawthorn, nschw. hagtorn. —
'Verhaftung, Fessel’, ahd. haft m. 'Fessel’. 3) Marzeil (1943/79), I, 1219-1237.
Das Adjektiv (Partizip Präteritum) g. *hafta- in Hagel m. Mhd. hagel, ahd. as. hagal aus g.
den Bedeutungen 'behaftet’ und 'gefangen’ in *hagla- m. 'Hagel’, auch in anord. hagl n., ae.
gt. hafts, as. haft, haht, ahd. haft. Hierzu das hagal, hagol. Vergleichbar könnte sein gr. käch-
nhd. Halbsuffix -haft, das auf syntaktische Fü¬ lex 'Sternchen, Kiesel’, für das aber die Her¬
gungen aus Dativ + *hafta- im Sinn von 'be¬
kunft aus einer Substratsprache erwogen wird.
haftet mit etwas’ zurückgeht. — Zugrunde liegt Weitere Herkunft also unklar.
eine partizipiale to-Bildung der Wurzel *kap-
Nndl. hagel, ne. hail, nschw. hagel, nisl. hagl.
packen, ergreifen (s. unter heben), wie sie in
gleicher Form vorliegt in 1. captus 'gefangen’ Hagelkorn n. 'Geschwulst am Augenlid’, s.
und den Substantiven air. cacht 'Gefangener, Gerstenkorn.
Fessel, kymr. caeth 'Sklave, Gefangenschaft, hager Adj. In spätmittelhochdeutscher Zeit
Fessel’, 1. captivus m. 'Gefangener’. aus dem Niederdeutschen übernommen. Her¬
S. haben ( +), heften, inhaftieren. kunft dunkel. Anklingend sind lit. nukaseti
-haft Halbsuffix, s. Haft. 'ganz entkräftet werden’ und avest. kasauu-
'klein, gering’. .
Haftel n./(m./f); auch Heftel, älter Häftel
'Häkchen am Kleidungsstück, Fiebel, Befesti¬ Hagestolz m„ arch. Mhd. hagestolz, älter ha-
gungspflock’, arch., reg. Mhd. haftel, hefte! n.\ gestalt, ahd. hagustalt, hagastalt, as. hagustald,
ursprünglich Diminutiv zu Haft ([2], s. d.) in hagastald aus g. *hagu-stalda- m., auch in ru-
der Bedeutung 'Fessel, Haken’. nen-nord. hagustaldaR, anord. haukstaldr,
haukstallr (lautlich umgeformt), ae. hcegsteald
haften swV. Mhd. haften, ahd. haften, as. haf-
ton, eigentlich 'hängen bleiben, festhalten’, da¬ m./f(?). Die mittelhochdeutsche/neuhochdeut¬
sche Form ist sekundär an stolz angeglichen.
nach die rechtliche Bedeutung 'für etwas einste¬
hen’ (= 'an der umstrittenen Sache hängen Die deutsche Bedeutung ist im Prinzip 'unver¬
bleiben’). heirateter Mann, Junggeselle’, die nordische
und englische eher 'junger Krieger’. Die Be¬
Hag m., arch., schwz. Mhd. hac m./n., ahd.
standteile sind offenbar Hag (s. d.) und die Ent¬
hag, hac\ sonst mit «-Flexion as. hago, hag
sprechung zu gt. staldan 'besitzen’ - alles wei¬
m.(?), ae. haga, anord. hagi aus g. *haga-/ön
tere ist unklar und spekulativ.
m. Umzäunung (umzäuntes Grundstück, Wei¬
J. de Vries ANF 58 (1944), 93-104; J. Trier ALV
deplatz, Hecke)’. Außergermanisch vergleicht
I (1949), 96-98. Zu Gastalde vgl. Tiefenbach (1973)
sich I. cattl(l)ae f. Schafhürden (aus *caholae). 29-32.
Häher 287 häkeln

Häher m.,fachsprachl. Mhd. heher m./f, ahd. in Deutschland ist das Bild neu interpretiert
hehara, hera /.; daneben mit grammatischem worden durch den Bezug auf die Hörner der
Wechsel mndd. he(i)ger, hegger, ae. higera, hi- Kapaune: Den Hähnen wurden bei der Kastrie¬
gora\ mit anderer Bedeutung anord. hegri 'Rei¬ rung Kamm und Sporen abgeschnitten, damit
her’ (s. Reiher). Außergermanisch vergleichen sie nicht durch übermäßiges Wachstum das Tier
sich gr. kissa (*kik-ja)'Hä\\<ir, Elster’, ai. ki- behinderten und damit die Kapaune leichter
kidivi- 'blauer Holzhäher’. Zugrunde liegt of¬ von den Hähnen unterschieden werden konn¬
fenbar ein lautmalendes *kik(i), das den Schrei ten. Steckte man die abgeschnittenen Sporen in
dieser Vögel wiedergeben soll; wohl deshalb hat die Schnittwunde des Kamms, so wuchsen sie
sich auch das altindische Wort den Lautent¬ an und erreichten eine größere Länge als die
wicklungen (Palatalisierung) entzogen. Im Ge¬ normalen Sporen. Auf diese Praxis bezieht sich
gensatz dazu ist das Wort auf dem Weg ins mit Sicherheit der Ausdruck Hörner aufsetzen
Germanische verschoben worden, und hat sei¬ (also eigentlich 'zum Kapaun machen’). Zu al¬
nen lautmalenden Charakter verloren. len Zeiten ist diese 'sexuelle Abartigkeit’ in der
Suolahti (1909), 198 — 205; E. Christmann ZV Bezeichnung aber vermischt worden mit ihrem
40 (1930), 217-224. Gegenteil, der Geilheit (z. B. im Griechischen
Hahn m. Mhd. han(e), ahd. han(o), as. hano durch die Vermischung mit dem Bild des geilen
aus g. *hanön m. 'Hahn’, auch in gt. hana, Bocks). Was nun Hahnrei anbelangt, so ver¬
anord. hani, ae. hana, afr. hana, hona; eigentlich gleicht sich einerseits ofr. hänrüne 'Kapaun’
'der Sänger’ zu einer Entsprechung von 1. canere (nebst ofr. rüne, nndl. nun 'verschnittenes
'singen’, air. canaid 'singt’; vgl. lit. gaidys Pferd’), das lautlich nicht mit (Hahn)ref über¬
Hahn’ zu lit. gäida f. 'Melodie, Gesang’ und einstimmt, und andererseits ae. wräne 'geil’, hd.
lit. giedöti 'singen’, russ. petüch 'Hahn’ zu russ. (dial.) reihisch, reisch, reinisch 'brünstig’, hd.
peil 'singen’ usw. Unmittelbar zu vergleichen (dial) reihen 'sich paaren (von Vögeln)’, ahd.
ist vielleicht das gr. Glossenwort eikanös 'Hahn’ (w)reinisc 'geil’, ahd. reiniscäri, (w)reiniscros
('Morgenfrühe-Singer’). Der Hahn ist also da¬ 'Deckhengst’ (also wohl zu g. *wreih-a- stV.
nach benannt, daß er die Morgenfrühe mit sei¬ 'decken’ und 'geil’ aus 'rossig, brünstig’). Laut¬
nem Gesang begrüßt (oder nach älterer magi¬ lich und semantisch zu Hahnrei passendes fnhd.
scher Vorstellung: sie hervorruft). (obd.) rein 'castratus’ und reinen 'castrare’ sind
Nndl. haan, nschw. hane, nisl. hani. S. Chanson ( + ), nur in Wörterbüchern bezeugt und deshalb un¬
Henne, Hinkel, Huhn. — Suolahti (1909), 228 — 242; sicher.
B. Schlerath ZVS 71 (1953), 28-32; Seebold (1981), S. auch Rune — Die Sitte des Hömens der Kapaune
42 - 44. ist in Handbüchern der Geflügelzucht (u. ä.) des 16.
Hahnenfuß m. (= Pflanz€),fachsprachl. Mhd. bis 19. Jhs. gut bezeugt, z. B. V. Sickler: Die deutsche
Landwirtschaft, Bd. 7, (Erfurt 1806), 234—241. Ferner:
hanenvuoz, ahd. hanafuoz, hanenfuoz. Zu Hahn
H. Dünger Germania 29(1884), 59 — 70; S. Singer
(s. d.) und Fuß (s. d.) nach der Form der Blätter. ZDW 3 (1902), 228; J. Bolte ZW 19 (1909), 63-82;
Hahnenkamm m. ( = eine Pflanze), fach- O. B. Schlutter ZDW 14 (1913), 155.
sprachl. So benannt wegen der Form der Blüte Hai m. Seit dem 17. Jh. aus nndl. haai, das
mit Hochblatt. Seit dem 16. Jh. als Lehnbildung aus nisl. hai entlehnt ist; anord. här, das außer
zu 1. crista galli f. und spgr. alektorolophos. 'Hai’ auch 'Pfahl’ und später 'Kesselhaken’ be¬
Hahnentritt m., fachsprachl. 1) Stoffmuster deutet — letztlich verwandt mit hängen (s. d.).
(nach dem Trittsiegel des Hahns). 2) fehlerhaf¬ Er ist deshalb am ehesten nach der hakenförmi¬
ter Gang von Pferden (nach dem Stolzieren des gen Rückenflosse benannt.
Hahns). 3) Keimscheibe auf dem Eidotter (als Hain m. 'Wäldchen’, arch. Kontrahierte
Zeichen der Befruchtung; vgl. der Hahn tritt die Form von mhd. hagen 'gehegter Wald’, ahd.
Henne). hagan 'Dornstrauch usw.’, also eine Variante zu
Hahnrei m., arch. In frühneuhochdeutscher Hag (s. d.) mit etwas anderer Bedeutungsent¬
Zeit aus dem Niederdeutschen eingeführt wicklung.
(mndd. hanerei). Die Herkunft des Wortes ist Zur technischen Bedeutung in der Niederwaldwirt¬
dunkel; doch ist auf folgenden sachlichen Hin¬ schaft s.: Trier (1981), 18f.
tergrund hinzuweisen: Ein Bezeichnungsmotiv Hainbuche/., s. Hagebuche.
für den betrogenen Ehemann ist der Vergleich
häkeln swV. in der Bedeutung Tmgerhakeln’,
mit einem verschnittenen Tier, speziell die Be¬
bair. In verschiedenen Sonderbedeutungen aus
zeichnung als 'gehörnt, hörnertragend u. ä.’.
der Sprache des Sports. Wohl eine diminuie-
Die antike Bezeichnung (gr. kerasphöros usw.)
geht wohl auf das Wissen zurück, daß kastrierte rende Form zu haken swV.
Hirsche ihr Geweih nicht abwerfen (Aristoteles; häkeln swV. 'mit der Häkelnadel arbeiten’.
Plinius Naturalis historia 8, 50/117). Zumindest Seit dem 17. Jh. zunächst in allgemeinerer Be-
Haken 288 hallen

deutung ('mit Häkchen fassen’) bezeugt zu eines Lustspiels wählte. Er verstand darunter
mhd. hcekel 'Häkchen’ (s. Haken). die 'Klasse der aus ihrer Klasse Ausgeschlosse¬
Haken m. Mhd. häke(n), ahd. häcko, häco, nen’. Der neuere Gebrauch des Wortes ist im
Iwc(ko), häho neben mhd. hägge, ahd. hägo aus Deutschen wie im Französischen stärker pejo¬
vor-d. *ltäggön m. 'Haken’ neben *hakön in as. rativ.
hako, häco, ae. haca, anord. haki und *höka in Ilaldc /. Mhd. halde, ahd. halda', Substanti¬
mndd. hök, huk, afr. hök, ae. höc 'Haken’ und vierung aus dem Adjektiv g. *ltalpa- 'schräg,
anord. lurkja f. 'Krücke’. Außergermanisch ver¬ geneigt’, in anord. halr, ae. heald (der Auslaut
gleicht sich am ehesten russ. kögotl 'Klaue, ge¬ ist nicht einheitlich). Herkunft unklar. Eine se¬
krümmte Eisenspitze’; anderes steht weiter ab. mantisch passende Wurzel *kel- 'sich neigen’ ist
Der Ablaut läßt sich vielleicht so erklären, daß auf dieser Wurzelstufe praktisch nicht belegt
von *hakön 'Haken’ auszugehen ist, zu dem (eigentlich nur *klei-), so daß ein Vergleich al¬
Zugehörigkeitsbildungen mit Vriddhi gebildet lenfalls mit einer etwas problematischen Wurze¬
werden: in den Haken wird 'das zum Haken letymologie möglich ist.
gehörige’ (d. h. ein anderer Haken oder eine
S. auch Helling, hold (+).
Öse) eingehängt (vgl. zur Sache etwa Kleiderha¬
ken + Haken an einem Kleiderbügel). Hälfte/. Im 15. Jh. aus dem Niederdeutschen
eingedrungen (mndd. helfte, mndl. afr. hälfte,
S. hacken, häkeln, Hechel, Hecht. — Lühr (1988), 285f.
helfte m., anord. helfd, helft f. aus *halb-ido).
Halali n. (= ein Jagdruf), fachsprachl. Im
Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬ Halfter1 m.jn.Kf.) 'Zaum ohne Gebiß’. Mhd.
tend frz. hallali m., für das man lautnachahmen- halfter/., ahd. halftra, hal(f)ter/., mndd. halter
den bzw. lautsymbolischen Ursprung annimmt. n., mndl. halfter, halchter aus wg. *halftrön f.
Lokotsch (1975), 5. 'Halfter’, auch in ae. hcelftre f. Offenbar eine
Instrumentalbildung mit -tr- von unklarer
Halamarsch m., Halamatsch m. (= ein Pilz),
Grundlage. Zu erwägen wäre ig. *kuel- 'drehen,
s. Hallimasch.
wenden’ (1. colere 'warten, pflegen, bebauen
halb Adj. Mhd. halp, ahd. halb, as. half aus u. a.’, gr. pelomai 'ich rege mich, bewege mich’,
g. *halba- Adj. 'halb’, auch in gt. Iialbs, anord. ai. cärati 'bewegt sich, wandert’) als 'Mittel
halfr, ae. healf, afr. half das substantivierte zum Wenden’? In diesem Fall wäre das labiale
Femininum dazu bedeutet gemeingermanisch Element vor ig. *o ausgefallen (vgl. unter Hals).
'Seite’. Herkunft unklar. Vielleicht zu lit. salis S. Helm2 ( + ).
Seite, Gegend’, lett. salis 'Speckseite’, lett. sala
Halfter2 /./«., auch Hulfter /., Holfter /.
'Hälfte des geschlachteten Schweins’.
'Pistolentasche’, fachsprachl. Mhd. hülfe,
Nndl. ne. half, nschw. halv, nisl. hälfur. S. auch -halb,
innerhalb, meinethalben. - Behaghel (1923/32), 1, 443. hulft(er), hülst f. 'Köcher’. Instrumentalbildung
zu ig. *kel- 'verbergen’ (s. hehlen). Vergleichbare
-halb, -halben, -halber Suffixoid'wegen-’. Aus
Bildungen sind gt. hulistr n. 'Hülle, Decke’, ae.
gleichbedeutendem mhd. halp, halbe(n) zu
heolstor n. 'Versteck’, ndd. holster 'Hülle’ und
mhd. halbe 'Seite’ (s. unter halb)', meinethalben
ahd. hülst f. 'Satteldecke’.
also 'von meiner Seite her’.
S. auch Holster. — Kluge (1926), 50.
Halbfisch m., fachsprachl. Mhd. halpvisch',
Halle f. Mhd. halle, ahd. as. halla aus g.
Bezeichnung für Fische, die nicht für vollwertig
gelten. *hallöf. 'Halle, von Säulen getragener Vorbau’,
auch in anord. hgll, ae. heall. Außergermanisch
halbieren swV. Spmhd. halbieren, die älteste
vergleichbar mit einigen Bezeichnungen für
bezeugte Bildung aus deutschem Stamm und
Räumlichkeiten, von denen 1. cella 'Vorrats¬
romanischer Endung bei den abgeleiteten
kammer, Stübchen’ am nächsten steht. Viel¬
Verben.
leicht weiter zu *kel- 'verbergen’ (s. unter
Halbinsel/. Seit dem 17. Jh. als Lehnbildung hehlen).
zu 1. paeninsula ('fast eine Insel’). Nndl. hal, ne. hall, nschw. hall, nisl. höll. - E. Schrö¬
W. Betz BGDSL bl (1944), 301. der NKB 35 (1915), 54f.; Güntert (1932), 29f- Ganz
halbseiden Adj. Fnhd. halbsldin zunächst für (1957), 90.

das aus Seide und (Baum)Wolle gemischte Ge¬ hallelujah (= ein freudiger Ausruf). Entlehnt
webe; dann sinnbildlich für nur scheinbar wert¬ aus gleichbedeutend kirchen-1. hallelüiä, dieses
volle Kleidung. Von da aus übertragen auf an¬ aus hebr. halalüjäh, halalü-jäh (wörtlich:) prei¬
deres, etwa im Sinn von 'zwielichtig’, auch 'ho¬ set Jahwe’.
mosexuell’. Morphologisch zugehörig: Hallelujah.
Halbwelt /. Lehnübersetzung von frz. demi- hallen swV. Abgeleitet aus mhd. hal 'Hall’,
monde, das Alexandre Dumas 1855 als Titel einer Ableitung zu wg. *hell-a- stV. 'schallen’ in
Hallig 289 Halunke

as. ahd. hellan, mhd. hellen aus ig. *keh- (s. labialen Elements vor ig. o und mit Assimilation
holen). des 5 bzw. g. z); dieses eine Erweiterung zu
S. einhellig, mißheilig, hell. einem s-Stamm *kuelos- Drehung’ zu der Wur¬
Hallig /. 'flache, gegen die Flut nicht ge¬ zel *kuel- 'drehen’ (in 1. colere 'warten, pflegen,
schützte Insel’, reg. Seit dem 18. Jh. in hoch¬ bebauen u. a.’, gr. pelomai 'ich rege mich, be¬
deutschen Texten. Zu nordfr. hall, wfr. häl, wege mich’ u. a.). Der Hals wäre also als 'Ort
mndl. hael 'seicht, trocken, ausgetrocknet’. der Drehung’ (des Kopfes) aufgefaßt wie in
Außergermanisch vergleicht sich lett. kälst 'ver¬ akslav. vratü Hals’ zu akslav. vratiti sg 'drehen’
trocknen’. und lit. käklas 'Hals’ zu dem Wort für 'Rad’
Kluge (1911), 348; Krogmann NM 4(1948), 71 -73; (ai. cakrä- usw.).
P. Jorgensen NM 6 (1950), 58-60. Nndl. hals, nschw. hals, nisl. hals. S. dekolletiert ( + ),
halten, Kalesche, Pol, Zyklus (+).
Hallimasch m. (= ein Pilz), fachsprachl. Seit
dem 19. Jh. in dieser Form bezeugt; ursprüng¬ halsen swV. (meist in umhalsen). Das Wort
lich österreichisches Wort, das auch als Ha- ist schon gemeingermanisch: anord. halsa, ae.
lawatsch und Halamarsch auftritt. Offenbar hälsian, healsian, as. helsian, ahd. halsön, halsen
umschrieben als „hal (mhd. hälfe] 'verholen, aus g. *hals-ö-.
verborgen, glatt, schlüpfrig’) am Arsch“, weil Halsgericht n. 'Gericht, das Todesurteil ver¬
der Pilz bei zu reichlichem Genuß abführend hängen kann’, arch. Mhd. Iialsgerihte. Hals
wirkt. steht bildlich für 'Leben — Todesstrafe’, da die
Marzeil (1943/79), I, 395f. normale Todesstrafe durch Erhängen erfolgte.
hallo Interj. Ursprünglich der Imperativ zu halt Part, 'eben’, obd. Mhd. ahd. halt, as.
ahd. halön, holön (s. unter holen), vergleichbar bald aus dem Adverb des Komparativs g. *hal-
mit holla zu holen. Eigentlich Zuruf an den diz- 'mehr, eher’, auch in gt. haldis, anord. heldr.
Fährmann (hol über) mit im Zuruf gedehnter Herkunft unklar.
Endsilbe (Pluti), die deshalb in voller Form Behaghel (1923/32), III, 182-185; Lindquist (1961),
24-27; E. Seebold BGDSL 107(1985), 27f.
erhalten bleibt.
Schwentner (1924), 33f. halten stV. Mhd. halten, halden, ahd. haltan,
as. haldan aus g. *hald-a- stV. (reduplizierend),
Hallodri m. 'Luftikus’, bair. Vermutlich aus
auch in gt. haldan, anord. halda, ae. h(e)aldan,
Allotria (s. d.) umgeformt.
afr. halda. Die Bedeutung ist zunächst 'hüten —
Hallore m. 'Salzwerkarbeiter’, fachsprachl. schützen — bewahren’, daraus 'halten, festhal-
Mischbildung aus dem Genitiv Plural (hallo- ten’ (konkret und übertragen: Gesetze halten,
rum) eines latinisierten hallo 'Einwohner von Feste halten usw.). Herkunft unklar. Am ehe¬
Halle’. Bezeugt seit dem 17. Jh. sten kommt der Bedeutung nach in Frage ein
A. Gebhardt ZDW 10(1908/09), 205-208; B. Som¬ Anschluß an die Wurzel *kuel- 'sich um etwas
merlad TSZGK 18 (1929), 92-96. herumbewegen, drehen, wenden (usw.)’ in 1.
Halluzination/, 'eingebildete Wahrnehmung’, colere 'warten, pflegen, bebauen u. a.’, gr. pelo¬
fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. mai 'ich rege mich, bewege mich’ usw. Dies
(h)alücinärt 'träumen, faseln’. würde voraussetzen, daß das labiale Element
Morphologisch zugehörig: halluzinativ. vor ig. o geschwunden ist.
Nndl. houden, ne. hold, nschw. hälla, nisl. halda. S.
Halm m. Mhd. ahd. mndd. mndl. halm aus
auch Hals, Gehalt, Hinterhalt, reichhaltig.
g. *halma- m. 'Halm’, auch in anord. halmr, ae.
healm n. aus eur. *kohmo- m. 'Halm, Schilf’, -haltig Suffixoid mit der Bedeutung 'x enthal¬
auch in gr. kälamos 'Rohr, Schilf, Halm’ (wohl tend’ (säurehaltig, erzhaltig usw.). Zu Halt in
mit Vokalassimilation), 1. culmus 'Halm’, der Bedeutung, die heute Gehalt hat. Ein einfa¬
apreuß. salme 'Stroh’, russ. solbma 'Stroh’. Wei¬ ches haltig für 'erzhaltig’ ist schon früher in der
tere Herkunft unklar. Bergmannssprache bezeugt, von der die Bildun¬
gen wohl ihren Ausgang genommen haben.
Nndl. ne. nschw. halm, nisl. halmur. S. Karamel.
Halunke m. Im 16. Jh. entlehnt aus cech.
Halma n. Ein schon im Altertum bekanntes
holomek 'Bettler, Gauner, Diener, Knecht. Äl¬
Brettspiel, benannt nach gr. hälma 'Sprung’
ter zunächst Holunke; das vortonig entwickelte
(aus gr. hällomai 'ich springe’, das verwandt ist
a setzt sich erst im 19. Jh. durch. Im Deutschen
mit 1. sallre 'springen’).
bedeutet das Wort zunächst ebenfalls ‘Bettler’
S. Salto ( + ).
(daneben schlesisch auch 'Bote, Wächter’); wird
Hals m. Mhd. ahd. hals, as. hals- aus g. *hal- dann aber wie im Slavischen zu 'schlechter Kerl,
sa- m. 'Hals’, auch in gt. anord. hals, ae. Lump’ verallgemeinert und kommt schließlich
h(e)als, afr. hals. Zunächst zu 1. collum n., auch zu der heutigen Bedeutung 'Schurke’.
collus m. 'Hals’; als gemeinsame Ausgangsform Wis (1939), 26f.; Stammler (1954), 161 — 163; Eichler
wird angenommen *kuolso- (mit Ausfall des (1965), 44f. Anders: H. Schröder (1906), 11 — 19.
Hamburger 290 Handbuch

Hamburger m. 'Brötchen mit (Hack)Fleisch- auch 'Stein, Klippe’, so daß denkbar ist, daß
füllung’. In der Nachkriegszeit entlehnt aus ne. Hammer auf ein Wort für 'Stein’ zurückgeht
Hamburger, eigentlich 'Hamburger Steak’, im (sei es, daß an Steinhämmer zu denken ist, oder
Englischen aber mit kam 'Schinken’ assoziert, daß der Hammer Funktionen hat, die sonst
worauf analogisch weitere Bildungen mit -bur- auch Steine erfüllen können). Das zugrundelie¬
ger (Cheeseburger usw.) erfolgen konnten. gende Wort für 'Stein’ ist lautlich und morpho¬
Häme/., s. hämisch. logisch sehr schwer zu beurteilen. Mehrere
Sprachen weisen auf *akmön (ai. äsmä, lit. ak-
Hamen m., fachsprachl. 1) 'Angelhaken’.
muö 'Stein’, gr. äkmön 'Amboß’), dabei weisen
Mhd. ham(e), ahd. hamo; entlehnt aus 1. hämus
Ableitungen auf einen alten Wechsel zwischen
'Haken, Angelhaken’. 2) 'Netz’. Mhd. ham(e),
r und n (ai. asmarä- 'steinern’). Davon weicht
ahd. hamo, mndd. hame; Herkunft unklar. Viel¬
die Vokalisierung des Germanischen ab (*ka-
leicht Sonderbedeutung zu dem Wort für 'Haut,
mer- ?); sie hat ein Gegenstück in akslav. kamy
Hülle, Kleid’, das in Leichnam (s. d.) vorausge¬
'Stein’. Das k im Baltischen und Slavischen
setzt ist (mhd. ham[e]). 3) 'Kummet’ (s. d.),
ist gegenüber ai. -s- auffällig (Entlehnung oder
wmd. Mndl. hame, vgl. nndl. haam; Herkunft
Unregelmäßigkeit?). Zu der Verwandtschaft mit
ebenfalls unklar. Mit 2) und 3) vergleichbar
Himmel s. d.
könnten sein gr. kemös 'Maulkorb, geflochtener
Nndl. hamer, ne. hammer, nschw. hammare, nisl. ha¬
Deckel der Stimmurne, Fischreuse, Mundbinde
mar. — J. P. Mäher JIES 1 (1973), 441f.; F. Crevatin
usw.’, lit. kämanos f.Pl. 'Zaumzeug mit Gebiß’.
IL 1(1974), 61 -81; 2(1975), 47-60; 3 (1976/77),
Es wäre eine Ausgangsbedeutung 'Flechtwerk’ 29 — 40; J. P. Mäher in: McCormack/Wurm (1978),
möglich, andererseits ist ein Zusammenhang 85 —106; H. Schelesniker in: FS Ölberg (1987), 23 — 26.
mit hemmen (s. d.) zu erwägen. Die Beleglage
Hampelmann m. 'Seit dem 16. Jh. in der Be¬
für Kum(m)et, die hier ebenfalls einschlägig ist,
deutung 'Einfaltspinsel’ bezeugt; seit dem 17.
wird unter diesem Wort dargestellt.
Jh. für 'hüpfende Puppe’ zu ndd. hampeln 'sich
S. auch Hemd{ + ).
hin- und herbewegen’; unklarer Herkunft (wohl
hämisch Adj. Mhd. hem(i)sch, erweitert aus Lautgebärde). R. Lühr (s. u.) sieht in dem Verb
mhd. hem 'aufsässig, böswillig’. Die frühneu¬ eine Kreuzung zwischen ndd. hoppen (s. hüpfen)
hochdeutsch bezeugte Vermischung mit hei¬ und ndd. ampeln (dass.); entsprechend stram¬
misch und heimlich spricht nicht dafür, daß es peln (s. d.).
sich um ein Erbwort handelt. Herkunft unklar. Lühr (1988), 118f.
Häme ist eine junge Rückbildung aus dem Ad¬
Hamster m. Mhd. Hamster, ahd. hamustro,
jektiv.
as. hamustra /., hamustro. Entlehnt aus russ.-
S. auch Heimtücke. — A. Götze BGDSL 24(1900),
kslav. chomestorü 'Hamster’ (vgl. russ. chomjäk
503-505.
'Hamster’ und lit. staras 'Hamster’; Herkunft
Hammel m. Mhd. hamei, ahd. hamal, mndd. beider Wörter umstritten). Das althochdeutsche
mndl. hame! 'verschnittener Schafbock’ ist eine Wort glossiert 1. curculio 'Kornwurm’. Offenbar
Substantivierung des Adjektivs ahd. /zamu/'ver¬ bezeichnte es verschiedene Kornschädlinge.
stümmelt’ zu dem auch g. *hamlö- swV. 'ver¬ Wiek (1939), 27f.; Steinhäuser (1962), 26-28; Bielfeldt
stümmeln’ in anord. hamla, ae. hamelian, afr. (1965), 54.
hamelia, homelia, ahd. hamalön gehören. Wei¬
Hand f. Mhd. ahd. hant, as. hand aus g.
tere Herkunft unklar. Vom Lautstand her gese¬
*handu- f. Hand’, auch in gt. handus, anord.
hen am ehesten zu hemmen (s. d.). Zu beachten
hpnd, ae. afr. hand, hond. Herkunft umstritten.
sind die Bezeichnungen für verschnittene Tiere,
Denkbar ist ein Anschluß an g. *henp-a- stV.
die auf *(s)kap- zurückgehen (s. Kapaun).
'fangen, ergreifen’ in gt. frahinpan; die Hand
Lautlich ist dieses aber kaum mit *kam- zu
wäre dann als 'Greiferin’ bezeichnet. Morpho¬
vermitteln.
logisch ist diese Annahme allerdings problema¬
Palander (1899), 128f.
tisch, weil es keine germanischen Nomina agen-
Hammelsprung m., fachsprachl. Scherzwort tis dieser Art gibt.
für ein Abstimmungsverfahren, bei dem alle Nndl. ne. nschw. hand, nisl. hönd. S. abhanden, aller¬
Abgeordneten den Saal verlassen und (den Par¬ hand, behende, Handbuch, handeln, Handel, Händel,
teiführern wie Leithammeln folgend) ihn durch handfest. Handfeste, handgemein. Handout, Hantel,
die Ja- und Nein-Tür wieder betreten, ln den [überhand], vorhanden, zuhand. - A. Jensen ZVPh
6(1952), 50 — 57; Devleeschouwer Orbis 23 (1974),
70er Jahren des 19. Jhs. in Berlin aufgekommen.
130-141; Th.L. Markey JIES 12(1984), 261 -292.
Hammer m. Mhd. hamer, ahd. hamar, as. Ein Versuch zu einer anderen Etymologie bei' E See-
harnar, hamur aus g. *hamara- m. 'Hammer’, bold TPS (1975), 166f.
auch in anord. hamarr, ae. hamer, homer, ha- Handbuch n. Bezeugt seit dem 15. Jh., wird
mor, afr. hamer, homer. Anord. hamarr bedeutet aber wohl älter sein (vgl. ae. hand-böc). Lehnbil-
Handel
291 Handstreich

düng zu 1. manuäle (zu 1. manus f 'Hand’),


oder Handgelenken fassend’, aber meist in all¬
das seinerseits gr. encheiridion (zu gr. clieir f.
gemeineren Zusammenhängen (auch von Lie¬
Hand ) wiedergibt. Ursprünglich war mit der bespaaren).
Bezeichnung das Handbuch eines Geistlichen S. auch Hand ( + ) und gemein (4-).
gemeint (das in die Hand genommen, nicht auf
das Lesepult gelegt wird). Handhabe /. Mhd. hanthabe, ahd. hanthaba,
S. Hand ( + ). hanthabi, das vermutlich im Anschluß an Hand
umgedeutet ist aus ahd. anthaba Gegengriff’
Handel m. Mhd. Handel. Rückbildung zu han¬
(vgl. Antwort 'Gegenwort’). Der zweite Be¬
deln, zunächst allgemein in den Bedeutungen
standteil (ahd. haba 'Henkel, Griff’) gehört nä¬
dieses Verbs, dann spezialisiert auf die kauf¬ her zu heben (s. d.) als zu dem wurzelverwand¬
männische Bedeutung. Eine Sonderbedeutung ten haben (s. d.). Vgl. 1. capulus m. 'Handhabe’
des Wortes ist 'Verhandlung, Streitsache’; vor zu 1. capere 'greifen, nehmen’. Das schwache
allem im Plural spmhd. Hendel, der zu nhd. Verb handhaben bedeutet ursprünglich 'schüt¬
Händel führt (vielleicht unter dem zusätzlichen zen und ist als solches eine Lehnübersetzung
Einfluß der Verbalform Hendeln, die zunächst von ml. manutenere. Die Bedeutung ist dann
nur eine Variante von handeln ist). aber im Anschluß an das Substantiv verändert
S. Hand( + ), Händel. - Ganz (1957), 90f. worden.
Händel m. 'Streit’, arch. Frühneuhochdeut¬ Handikap n. 'Behinderung, Nachteil’, sonder-
sche Variante von Handel (s. d.), von dem es in sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus ne. Handicap
der Bedeutung nachträglich differenziert wird. (race) 'Rennen, bei dem Gewichtsvorteile
handeln swV. Mhd. Handeln, ahd. hantalön, as. durch Benachteiligung ausgeglichen werden’,
Handion. mndd. mndl. Handelen aus g. *handlö- dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Man
■sh’L, auch in anord. handln, hpndla, ae. hand- hat eine Zusammenrückung aus e. Hand in the
lian, atr. handelia, hondelia. Die Bedeutung ist cap vermutet und angenommen, daß der Ur¬
ursprünglich 'greifen, ergreifen, befühlen’, dann sprung in einem Wettspiel zu suchen ist, bei
auch übertragen 'behandeln’, dann im Deut¬ dem es um Ziehungen aus einer Mütze o. ä.
schen allgemein 'verrichten, tun (usw.)’. Die geht. Entscheidend für die Weiterentwicklung
kaufmännische Geltung etwa seit dem 16. Jh. des Begriffes ist dabei der von einem Schieds¬
Eine Ableitung zu Hand (s. d.), also 'etwas mit richter vorgenommene Ausgleich der unter¬
der Hand tun (wie etwa ae. cneowian 'knien’ schiedlich wertvollen eingesetzten Gegenstände.
zu ae. cneow 'Knie’); es scheint aber keinen Die Tatsache, daß der Ausgleich eine Erschwer¬
Mittelvokal gehabt zu haben. nis bzw. Behinderung eines Beteiligten bedeutet,
Nndl. handelen. ne. handle, nisl. handla, höndla. S. führt dann zu der heutigen Bedeutung 'Nach¬
Hand ( + ). teil’.
handfest Adj. Mhd. hantveste 1) 'gefangen’ Handlanger m. Im 15. Jh. gebildet zu langen
(wohl nicht 'an den Händen gefesselt’, sondern 'greifen, reichen’ für jmd., der Handreichungen
'fest in der Hand’); später ersetzt durch dingfest ausführt.
(s. d.). 2) 'fest mit der Hand, stark, kräftig’. S. langen ( + ).
Heute nur noch übertragen gebraucht. Eine Handout n. 'Tischvorlage’, sonderspracht. Im
dritte Bedeutung s. unter Handfeste. 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. hand¬
Handfeste /. 'mittelalterliche Verleihungsur¬ out, einer Substantivierung von e. handout 'aus¬
kunde’, arch. Vgl. ae. handfcestan 'verloben’, ae. teilen’.
handfeest(n)ung 'Handschlag, der ein Verspre¬ Zu den Etyma s. Hand und aus.
chen bekräftigt’. Ursprünglich wohl ein Adjek¬ handsam Adj. 'leicht zu haben, anstellig’,
tiv (s. handfest) mit der Bedeutung 'durch arch., reg. Bezeugt seit dem 16. Jh. nach der
Handschlag bekräftigt’; dann allgemein zu 'Ver¬ gleichen Vorstellung wie bei zur Hand, handlich
sprechen, Vertrag, Verleihung’. u. ä.
S. Handle).
Handschuh m. Mhd. hantschuoch, hent-
Handgeld n., arch. Bezeugt seit dem 17. Jh., schuoch, hentsche, ahd. hantseuoh. Vielfach mit
eigentlich 'in die Hand gegebenes (bares) Geld’, abgeschwächtem zweiten Glied in den Mundar¬
von Anfang an speziell 'bei Vertragsabschluß ten (hentschich, hentsche usw.). Durchsichtige
geleistete Geldzahlung (Anzahlung)’, vor allem Bildung, die offenbar älteres Wanten (s. d.) er¬
militärisch im Rahmen der Soldatenwerbung. setzt.
handgemein Adj. Meist in handgemein werden Heyne (1899/1903), III, 300-302.
'aneinandergeraten’, arch. Bezeugt seit dem 18. Handstreich m. Seit dem 16. Jh. bezeugt, zu¬
Jh. Ursprünglich wohl aus dem Ringkampf'die nächst (einheimisch) in der Bedeutung 'Hand¬
Hände zusammen habend, sich an den Händen schlag’ (bei Kaufabschluß, Verlöbnis usw.). Da-
Handwerk 292 Hanse

von zu trennen ist das gleichlautende Wort für g. *hang-cc- swV. 'hängen’ [intr.], auch in gt.
'Überraschungsangriff’, das zur Zeit der Frei¬ hähan mit Beseitigung des grammatischen
heitskriege frz. coup de main übersetzt. Wechsels, anord. hanga, vermischt mit dem star¬
Handwerk n. Mhd. ahd. hantwerc, zunächst ken Verb, ae. hangian, afr. hangia, hongia) ver¬
'Handarbeit’. Schon mittelhochdeutsch für 'Ge¬ mischt. Da dieses regional auf den Südwesten
werbe’. eingeschränkt wurde, hat die Vermischung auch
Obst (1983), 188-197. auf das alte Faktitivum ('hängen’ Irans.) über¬
gegriffen: mhd. ahd. hengen, anord. hengja, afr.
hanebüchen Adj., arch. Mhd. hagenbüechin
hingia (zu einer Variante davon s. unter hen¬
'aus dem Holz der Hagebuche’ mit der Neben¬
ken). — Das starke Verb führt zurück auf ig.
form hainbüechm in der Übertragung für 'derb,
*konk- 'hängen’, dessen Ausgangsbedeutung
klotzig’ (bezeugt seit dem 18. Jh. als hanbüchen).
außer im Germanischen nur noch im Hethiti-
Dann umgestaltet ohne Verständnis für die Aus¬
schen (heth. gank- 'hängen, wägen’) erscheint.
gangsform.
Außerdem in übertragener Bedeutung 'schwan¬
S. Hag( + ).
ken, unsicher sein/lassen’, die auch im Goti¬
Hanf m. Mhd. hanef, han(i)f, ahd. hanaf schen auftritt ('in Unsicherheit lassen’), 1. cünc-
hanif, as. hanup aus g. *hanapa- m. 'Hanf’, auch täri 'zögern, schwanken, zweifeln’, ai. sähkate
in anord. hampr, ae. hcenep. Altes Lehnwort 'zweifelt, befürchtet, ist vorsichtig, mißtrauisch,
(Lautverschiebung!) aus der gleichen Quelle, die sorgt sich’. Der weitere Anschluß an Wörter für
auch gr. kännabis f geliefert hat. Nach Herodot 'Haken u. ä.’ (Pokorny [1959/69], 537f.) wäre
4, 74f. sind das die Skythen; zu beachten ist semantisch ansprechend (gewissermaßen 'etwas
aber immerhin sumer. kunibu 'Hanf’. aufhaken’, 'etwas ist am Haken’), verträgt sich
E. Lewy IF 53 (1935), 122; Marzeil (1943/79), I, aber nicht mit der Flexion eines Primärverbs
775-779.
und muß deshalb aus morphologischen Grün¬
Hänfling m., fachsprachl. Mhd. henfelinc. den außer Betracht bleiben.
Der Vogel ist danach benannt, daß er sich gern Nndl. hangen, ne. hang, nschw. hänga, nisl. hanga. S.
vom Hanfsamen ernährt. Hai, Hang, Henkel, henken, Verhängnis. — F. Rißleben:
Die Geschichte der Verbalgruppe 'hähan — hangen —
Hang m. Spmhd. harte wie ungefähr gleichzei¬
hengen — henken (Diss. Greifswald 1931).
tiges abhang gebildet zu abhin (oder ze tale)
bähen (s. unter hängen) 'herunterhängen, sich Hans m. Eigentlich männlicher Vorname, der
nach unten neigen’. aber auch im appellativischen Wortschatz eine
Rolle spielt. Im 14. Jh. aus Johannes verkürzt;
Hangar m. 'Halle für Flugzeuge’, fachsprachl.
dieses als biblischer Name aus dem Hebrä¬
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
hangar '(wörtlich:) Schuppen, Schirmdach’, aus
ischen. Als einer der geläufigsten Taufnamen
spfrk. *haimgard, einem Kompositum aus frk. wurde Hans in vielen Umschreibungen, Über¬
*haim 'Gehöft’ und frk. *gard 'Gehege’.
namen u. ä. verwendet (Hanswurst usw., Prahl¬
hans usw., Hans-Dampf-in-allen-Gassen usw., s.
Hängematte /. Als Schlafstelle für Matrosen
Hansdampf).
mit einer Lehnübersetzung aus nndl. hangmat
Meisinger (1924), 29 — 35.
bezeichnet. Die ältere Form des niederländi¬
schen Wortes ist hangmak, das über frz. hamac Hansdampf m. 'einer, der sich um alles küm¬
m. und span, hamaca auf ein karibisches Wort mert, der alles (oberflächlich) kennt, Luftikus’,
(westind. hamäka) zurückgeht. Wort und Sache sondersprachl. Bezeugt seit dem 18. Jh. Der
lernte schon Kolumbus auf Haiti kennen. Die häufigste mittelalterliche Name diente auch als
Nachdeutung zu hängen und Matte, die im allgemeines Appelativ und als Grundwort cha¬
Deutschen seit dem 17. Jh. auftaucht, entstand rakterisierender Bezeichnungen (Prahlhans,
im Niederländischen zunächst als Variante zu Schmalhans usw.). Entsprechend in Namensfor¬
der einfachen Entlehnung mit Nachdeutung des meln, deren Nachname den Charakter angibt:
ersten Gliedes. Das Englische ist mit hammock Hans Liederlich, Hans Arsch von Rippach, Hans
bei der Entlehnung geblieben. Hagel (Zornhagel), Hans Küchenmeister usw.
R. Loewe ZVS 61 (1933), 57-61. In Hans Dampf ist mit Dampf 'Eitelkeit, Nich¬
hängen stV/swV Das starke Verb mhd. bä¬ tigkeit’ gemeint (etwa wie Schall und Rauch).
hen, ahd. as. hühan aus g. *hanh-a- stV. 'hängen’ Hans Dampf in allen Gassen ist eine Kontamina¬
(intr.), 'hängen lassen’, auch in gt. hähan, tion mit Hans in allen Gassen (so seit dem 16.
anord. hanga, ae. hön, afr. huä ist wie fangen im Jh.).
Präsens nach den Formen mit grammatischem S. Hans.
Wechsel ausgeglichen worden und hat sich da¬ Hanse /. Mhd. hans(e), mndd. hanse, hense
bei mit einem alten Zustandsverb hangen 'hän¬ 'Handelsgesellschaft’, ahd. hansa '(Krieger)
gen’ (intr.), mhd. ahd. hangen, as. hangon (aus Schar’ aus g. *hanso f. 'Schar’, auch in gt.
hänseln
293 Harem

hansa 'Schar, Menge’, ae. hös 'Gefolge, Schar’.


hapern swV. Im 17. Jh. übernommen von
Nachdem das Wort seit dem 12. Jh. für 'Kauf¬
mndl. hap(e)ren 'stottern, stocken’, dann bild¬
mannsgilde’ gebraucht worden war, wurde es lich übertragen auf das Stocken in einem Ver¬
1358 als diidesche hense zum Namen des nord¬ lauf u. ä. Das niederländische Wort geht wohl
deutschen Städtebunds. Die Herkunft des Wor¬ auf eine Lautgebärde zurück.
tes ist unklar. Falls es sich um ein Erbwort
Happe/., s. Hippe1.
handelt, ist es am ehesten eine Ableitung von
einem s-Stamm, also *kont-s-ä (oder mit a, oder Happen m. Aus dem Niederdeutschen; ur¬
mit einem anderen Dental). Vergleichbar wäre sprünglich eine Lautgebärde, wie auch die In¬
kymr. cant Schar , mir. cete (?) Versammlung’ terjektion happ(s). Bezeugt erst seit dem 18. Jh.,
(falls diese nicht zu dem Wort für 'hundert’ etwas früher nndl. happen 'schnappen’; dieses
gehören). könnte aber viel älter sein und die Grundlage
S. auch hänseln. - J. Schnetz BBGS 58 (1922), 37f.; W. von frz. happer 'wegschnappen’ (12.Jh.) abgege¬
Krogmann ASNSL 169(1936), 1-8; J. Trier BGDSL ben haben.
66(1942), 232-264; R. Schmidt-Wiegand KVNS S. happig. — Sommer (1977), 4.
88 (1981), 33-35; Obst (1983), 224-231.
Happening n. 'Kunstveranslaltung’, sonder-
hänseln xvt’F. 'jmd. aufziehen, necken’. So be¬ sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
zeugt seit dem 17. Jh. Die Entstehung ist nicht ne. happening, einer Ableitung von e. happen
völlig eindeutig: Einerseits bedeutete hänseln 'in 'geschehen’, zu me. hap 'Zufall, Glück’, aus
eine Gesellschaft aufnehmen’, was mit aller¬ anord. happ (dass.).
hand Bräuchen verbunden sein konnte, die zum Etymologisch verwandt: Happy-End.
Teil auch Neckereien enthalten mochten. Be¬
happig Adj. in groben Stücken’, ugs. Bezeugt
zeugt ist diese Bedeutung kaum vor der ande¬
seit dem 18. Jh. in norddeutschen Texten. Zu
ren; sie könnte aber älter sein. Abzuleiten ist
happen 'schnappen’ (s. Happen) gehört ndd.
sie wohl von Hanse (s. d.), also 'in die Hanse,
happig 'gierig’ (auch hochsprachlich, aber ar¬
die Gesellschaft, aufnehmen’, dafür älter und
chaisch); Daneben ondd. 'derb, grob’ (abhängig
nie in der verschobenen Bedeutung hansen. Da¬
von Happen, also eigentlich 'in großen
neben ist das Wort teilweise an Hohn ange¬ Happen1).
schlossen, etwa nassau. hohnsein 'hänseln’. Be¬
zeugt seit dem 15. Jh. Zu erwägen ist schließlich Happy-End n. ‘glücklicher Ausgang’. Im 20.
auch obd. hanzeln 'tätscheln, streicheln’, wohl Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. happy en-
auch 'stupfen' als Ableitung von Hand. Im all¬ ding\ e. happy abgeleitet von me. hap 'Glück,
gemeinen wird der Ableitung von Hanse der Zufall’, aus anord. happ (dass.).
Vorzug gegeben, doch könnten zusätzliche Be¬ Morphologisch zugehörig: happy, etymologisch ver¬
lege das Bild leicht ändern. wandt: Happening; zum Etymon von ending s. Ende.

Hanswurst m. Seit dem 16. Jh. als spöttische Harakiri n. 'Selbstmord, waghalsige Unter¬
Bezeichnung dicker Leute bezeugt. Bei Luther nehmung’, sonder sprach!. Im 19. Jh. entlehnt
in der Bedeutung 'ungeschickter Tölpel' belegt, aus gleichbedeutend jap. harakiri, zu jap. hara
dann Bezeichnung des ungeschickten Bauern 'Bauch’ und jap. kiru 'schneiden’.
und schließlich des Narren im Lustspiel. Littmann (1924), 135; Lokotsch (1975), 64.

Hantel /., auch m. Ein urspünglich nieder¬ Harde /. 'Verwaltungsbezirk’, ndd. Mndd.
deutsches Wort für 'Griff’, abgeleitet von Hand harde, herde n. Entlehnt aus anord. heraö n.
(mit auffälligem Dental). Von Jahn 1816 als 'Bezirk’.
Bezeichnung für ein Turngerät übernommen. Hardware /. 'die Geräte einer Datenverarbei¬
S. Hand ( + ). tungsanlage’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt
hantieren swV. Mhd. hantieren 'Handel trei¬ aus gleichbedeutend ne. hardware, einem Kom¬
ben’, aus mndd. hanteren, das seinerseits aus positum aus e. hard 'hart, fest’ und e. wäre
frz. hanter 'hin- und herziehen, oft besuchen’ 'Erzeugnis’.
entlehnt ist. Im Neuhochdeutschen wird das Zu den Etyma s. hart und Ware.
Wort mit Hand verknüpft und seine Bedeutung Harem m. 'Frauenabteilung eines orientali¬
daran angepaßt; die Schreibung bleibt, wohl schen Wohnhauses, mehrere Frauen eines Man¬
wegen der fremden Endung, von Hand getrennt. nes’. Im 18. Jh. entlehnt aus türk, harem, dieses
Einzelheiten bleiben unklar. aus arab. haram (wörtlich:) 'geheiligter, verbo¬
hantig Adj. 'bitter, scharf’, bair.-österr. Mhd. tener Ort’. Es handelt sich demnach bezeich¬
handec, ahd. hantag, hantig. Zu voreinzel- nungsmotivisch um die Gemächer, zu denen der
sprachl. *kent-, auch in gr. kenteö 'ich steche, Zugang verboten ist.
stachle’, lett. sits 'Jagdspieß’. Lokotsch (1975), 64; R Kunitzsch ADA 94 (1983), 110.
hären 294 hart

hären Adj. 'aus groben Fasern bestehend’, verwandt: philharmonisch; zum Etymon s. Arm — G.
arch. Mhd luerm, ahd. häri/v, fnhd. auch hären, Schoppe ZDW 15 (1914), 186; O. Gigon SG 19 (1966),
eigentlich 'aus Haaren bestehend’ ('Roßhaar, 539-547; H. Huschen SG 19 (1966), 548-554.
Ziegenhaar’ u. ä.). In bezug auf Kleidungs¬ Harmonika /, s. Harmonie.
stücke dürfte aber Haar2 (s. d.) eingewirkt Harn m. Mhd. ahd. harn mit der regionalen
haben (das in alter Zeit kurzes a hat). Nebenform harm. Ablautend dazu mhd. hurmen
Häresie /. 'Ketzerei\ fachsprachl. Im Mittel¬ 'düngen’. Das Wort hat keine genaue Ver¬
hochdeutschen (mhd. [hjeresie) entlehnt aus gleichsmöglichkeit. Anschließbar sind Wörter
gleichbedeutend 1. haeresis, dieses aus gr. haire- mit s mobile und der Bedeutung 'Kot, Mist’,
sis 'Wahl, Überzeugung u. a.’, zu gr. hairein zunächst in anord. skarn n., ae. scearn n., afr.
'nehmen, überreden’. skern, ndd. schäm 'Mist’. Dieses kann weiter
Morphologisch zugehörig: Häretiker. - K.-H. Wein¬ gehören entweder zu *skerd- 'schneiden, schei¬
mann DWEB 2 (1963), 392. den’ (vgl. ai. apaskara-, 1. ex-cre-mentum n.
Harfe/. Mhd. harpfe, ahd. har(p)fa, harf aus
'Ausscheidung’) oder zu dem alten r/n-Stamm
*sekor/sakn- 'Kot, Mist’ in heth. sakkar, zakkar
g. *harpö f. 'Harfe’, auch in anord. as. harpa,
n., gr. skör (skatös) n., 1. -cerda f. 'Kot’ (1.
ae. hearpe, hcerpe. Herkunft unklar. Vgl. immer¬
müscerda f. 'Mäusekot’, 1. sücerda f. 'Schweine¬
hin das unter Harpune genannte, in dieser Be¬
kot’), russ. srati 'scheißen’ und avest. sairiia-
deutung nicht bezeugte *harpon 'zupfen’. Da¬
'Dünger, Mist’.
nach wäre die Harfe eine 'Zupfe’.
Nndl. ne. harp, nschw. nisl. harpa. — R. Meringer IF Harnisch m. Mhd. harnas(ch) m./n.. Entlehnt
16(1904), 128-133; H. Sperber (US 3 (1912), 68-77; aus afrz. harnais 'Rüstung’, das seinerseits ety¬
J. Werner in : FS Maver (1954), 9 — 15; Relleke (1980), mologisch umstritten ist.
84-88, 188-191; Lühr (1988), 264f. S. geharnischt. — E. Ploß BGDSL-T 81 (1959),
Harke /., nordd. Mndd. mndl. harke. Dane¬ 107-110; N. Tönquist KV NS 76(1969), 43f.
ben ndd. harken 'schaben’, kratzen’. Weitere Harpune/. 'Speer mit Halteleine’. Im 17. Jh.
Herkunft unklar. entlehnt aus gleichbedeutend nndl. harpoen,
Harlekin m. 'Spaßmacher’, sonder sprach!. Im dieses aus frz. harpon m. (dass., wörtlich: 'Eisen¬
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. arle- klammer’), vermutlich einem Nomen instru-
quin, dieses aus it. arlecchino, das wohl auf afrz. menti zu afrz. harper 'ankrallen’, aus frk. *har-
mesnie Hellequin 'lustige Teufelschar’ zurück¬ pön 'zupfen’.
geht. Die Herkunft dieser Bezeichnung ist um¬ Morphologisch zugehörig: Harpunier. — Kluge (1911),
355f; Jones (1976), 371 f.
stritten.
Morphologisch zugehörig: Harlekinade. - W. Feld¬ harren swV., sonder spracht. Mhd. harren. Ur¬
mann ZDW 8 (1906/07), 74; M. Rühlemann: Etymolo¬ sprünglich regionales Wort, das vor allem durch
gie des Wortes 'hartequin und verwandter Wörter (Diss. Luther verbreitet wird. Herkunft unklar. Die
Halle 1912). ursprüngliche Bedeutung ist 'feststecken, nicht
Harm m., arch. Mhd. harm, ahd. harm, as. mehr weiterkönnen’.
harm m./n. aus g. *harma- m. 'Harm’, auch in Bahder (1925), 93, 121f.
anord. harmr, ae. hearm, afr. herm. Falls akslav. Harsch m. 'Schneekruste’, südd. Vgl. mndd.
sramü 'Schande’ und avest.fsarama- m. 'Scham harsch 'rauh'. Dazu verharschen 'verschorfen’
(Gefühl)’ (mpers. npers. sarm) zugehörig sind, (von Wunden). Am ehesten mit ^--Suffix neben
muß das Wort urspünglich mit p angelautet dem Dentalsuffix von hart zur gleichen Grund¬
haben. In diesem Fall wäre an *pkor-mo- zu lage wie dieses (s. unter hart).
denken, das zu *pek- 'die Haare raufen’ (s. Harst m. 'Schar, Gruppe’, schwz. Mhd.
unter fechten) gehören könnte. Also 'Haare- harsch, harst 'Kampfgruppe’. Herkunft unklar.
Raufung’?
hart Adj. Mhd. Iierte (Adv. harte), ahd. hart
Ne. nschw. harm, nisl. harmur. - J. A. Walz GR
(Adv. hartjo]) aus g. *hardu- Adj. 'hart’, auch
10(1935), Nr. 2, 98-113.
in gt. hardus, anord. harör, ae. heard. Mit glei¬
Harmonie/. 'Übereinstimmung, Wohlklang’. cher Bedeutung ai. karkara- (spät bezeugt) und
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Iiar- das gr. Glossenwort kärkaroi; vielleicht auch
monia, dieses aus gr. harmonia (dass., wörtlich: das morphologisch unklare Wort für den Krebs,
'Fügung’), gebildet zum Stamm von gr. harmö- ai. karkata-, gr. karkinos, 1. cancer. Morpholo¬
zein 'zusammenfügen’ und gr. harmös m. 'Fuge, gisch verlockend wäre ein Anschluß an gr. kra-
Gelenk’. Die vom 13. bis zum 15. Jh. bezeugte tys 'stark, mächtig’ (auch gr. kart-), ai. krätu-
Form urmonie ist aus dem Französischen ent¬ Kralt; doch weicht die Vokalisierung (Hoch¬
lehnt und wird durch die relatinisierte Form stufe im Griechischen.: kret-) und die Bedeu¬
verdrängt. tung ab.
Morphologisch zugehörig: harmonieren, Harmonik, Nndl. ne. hard, nschw. Iiärd, nisl. haröur. S. auch
Harmonika, harmonisieren, Harmonium; etymologisch Harsch, Hartmond, Hardware.
hartleibig 295 Hasenpanier

hartleibig Adj. l)'an Verstopfung leidend’, heben ( + ). In diesem Fall wäre *haf-skö- anzu¬
2)’geizig\ arch. Bezeugt seit dem 17. Jh. Die setzen.
zweite, häufiger bezeugte, Bedeutung ist entwe¬
Hascher/??, 'bemitleidenswerter Mensch’, Ha¬
der übertragen aus der ersten oder mit Leib
scherl /?. 'bemitleidenswertes Kind’, österr. Be¬
als bloßer Erweiterung gebildet, da hart allein
zeugt seit dem 19. Jh. Herkunft unklar.
dieselbe Bedeutung haben kann.
Haschisch n. (= ein Rauschgift). Im 20. Jh.
Hartmond m., Hartmonat m., auch Hartung
entlehnt aus gleichbedeutend arab. hasts (dass.,
m. 'Januar’ (auch 'November’ oder 'Dezem¬
wörtlich: 'Kraut, Gras’).
ber’), arch. Mhd. hartmänöt, hartmän, ahd. har-
Lokotsch (1975), 66f.
timänöd, hertimänöd. Zu hart (s. d.) in der Be¬
deutung 'kalt, gefroren’. Hase m. Mhd. has(e), ahd. has(o), mndd.
hartnäckig Adj. Seit dem 15. Jh. bezeugt als mndl. hase aus vor-d. *hasön m. 'Hase’, neben
'einer, der einen harten Nacken hat’ (übertragen dem mit grammatischem Wechsel *hazön anzu¬
vom starken Nacken der Zugrinder). setzen ist, das in anord. heri, ae. hara auftritt.
Aus ig. *kosö-/ön m. 'Hase’ auch in ai. sasä-
Hartriegel m. (= Strauch mit hartem Holz),
(das zweite i durch Assimilation entstanden),
fachsprachl. Mhd. hartrügel rt., ahd. hart(t)ru-
apreuß. sasins , erweitert kymr. ceinach. Das
gil. Ursprünglicher scheint das einfache, nicht
Wort bedeutet ursprünglich offenbar 'der
verdeutlichte Wort zu sein, das als afrz. troine,
Graue’ (vgl. lit. sirvis 'Hase’ zu lit. sirvas 'grau’);
regional truele entlehnt wurde. Das Verhältnis
dieses in ae. hasu 'graubraun’, anord. hgss
zwischen / und n ist dabei nicht ganz klar; es
'grau’; und außergermanisch 1. cänus (aus *kas-
ist aber nicht auszuschließen, daß -n- auch in
no-).
der ursprünglichen deutschen Form enthalten
Nndl. haas, ne. hare, nschw. hare, nisl. heri. —
war. Dann ist von *trugun aus g. *truwun aus
Schwentner (1915), 79f.; H. Hendriksen IF 56 (1938),
voreinzelsprachl. *druwno- auszugehen, zu ig.
27; M. Mayerhofer Sprache 7 (1961), 181.
*dru- 'Baum, Holz, hart’ (s. Teer), das «-Ablei¬
tungen mit entsprechender Bedeutung aufweist Hasel/., fachsprachl. Mhd. hasel, ahd. hasal,
(ai. därunä- 'hart, herb, rauh’, air. dron 'fest, hasel m., hasala, mndd. has(s)el m., mndl. hasel
stark, hart’). Bei dieser Annahme hätte schon aus g. *hasla- m. 'Hasel’ (im Deutschen dem
das einfache Wort den Strauch bezeichnet ('der Genus anderer Baumnamen angeglichen), auch
Harte’) und die verdeutlichende Komposition in anord. hast m., ae. hasel m. Außergermanisch
mit hart- wäre zu einer Zeit erfolgt, in der das vergleicht sich kymr. coli (aus *koslo-) und mit
Wort als Appellativum unüblich war, aber noch Rhotazismus 1. corylus, corulus, beide 'Hasel’,
verstanden wurde. dazu noch alit. kasulas 'Jägerspieß’. Weitere
S. Holunder ( + ). - Marzell (1943/79), I, 1173-1179; Herkunft unklar.
E. Seebold IF 87 (1982), 186. Nndl. hazelaar, ne. hazel, nschw. hassel, nisl. hasl, hesli.
S. Haselnuß. - Marzell (1943/79), I, 1199-1207.
Harz n. Mhd. harz n./m., ahd. harz, as. hart
aus vor-d. *harta- n. 'Harz’. Keine Vergleichs¬ Haselhuhn /?., fachsprachl. Mhd. haselhuon,
möglichkeit. Am ehesten anschließbar an die ahd. hasalhuon, hasenhuon, mndd. hasenhün.
Wörter für 'Wachs’ (gr. kerös m., lit. korys Wie das Birkhuhn nach seinem Hauptaufent¬
m. 'Honigwabe’), für die Entlehnung aus einer haltsort benannt. Regionales Hasenhuhn ist eine
orientalischen Sprache erwogen wird. Evtl. ai. Umdeutung.
kunda- m. 'Harz des Weihrauchbaums’. Suolahti (1909), 253f.
J. Loewental BGDSL 52(1928), 457; R. A. Fowkes Haselnuß /. Mhd. haselnuz, ahd. hasalnuz
JEGPh 45 (1946), 218f.; G. Klingenschmitt MSS
(dass.); zu Hasel (s. d.) und Nuß1 (s. d.).
18 (1965), 29-33.
Hasenfuß m. 'Feigling’, ugs. Mhd. hasenvuoz.
Hasardspiel n. 'gewagtes Spiel/Unterneh¬
Da der Hase schnell davonläuft, wird mhd.
men’, sonder sprach!. Im 18. Jh. entlehnt aus frz.
has(e) auch für 'Feigling; jmd., der davonläuft’
jeu de hasard m. (= eine Art Würfelspiel), dieses
gebraucht. Hierzu Hasenfuß als Pars-pro-toto-
aus arab. az-zahr 'Würfel zum Spielen’.
Bezeichnung, die das Fortlaufen betont (ähn¬
Morphologisch zugehörig: Hasardeur. — Lokotsch
lich Hasenherz).
(1975), 170f.; Jones (1976), 327; Brunt (1983), 331,
347. Hasenpanier n. Zunächst scherzhafte weid¬
haschen swV. Spmhd. haschen, zunächst re¬ männische Bezeichnung für den Schwanz des
gional (ostmitteldeutsch), dann vor allem durch Hasen (Panier = Banner, s. d.), so wie Fahne
Luther verbreitet. Der Bedeutung nach könnte für den Schwanz des Eichhörnchens. Während
es ein Intensivum zu *hab- 'packen, fangen’ das Banner im Kampf vorangetragen wird, zeigt
sein (vgl. 1. capere), während die germanischen der Hase sein 'Panier’ bei der Flucht. Deshalb
Wörter in der Bedeutung abgewandert sind, s. das Hasenpanier ergreifen, aufwerfen, aufstecken
hasenrein 296 Haufen

usw. für 'die Flucht ergreifen’. Zuerst nieder¬ hatschen swV. 'latschen, hinken’, ugs., bair.-
deutsch im 16. Jh. bezeugt. österr. Ein expressives Wort wie etwa rutschen,
hasenrein Adj. '(von einem Hund:) zum Auf¬ mit dem es einige Bedeutungen teilt. Ein ge¬
stöbern, aber nicht Jagen von Hasen abgerich¬ nauerer Ausgangspunkt ist unbekannt.
tet’, fachsprachl. Bezeugt seit dem 19. Jh. In der hätscheln swV. liebkosen’, verhätscheln swV.
Wendung etwas ist nicht (ganz) hasenrein 'nicht 'verwöhnen’. Expressives Wort, das 'tätscheln’
ganz einwandfrei’ ist das Wort wohl nur als oder 'wiegen’ bedeuten kann. Vgl. hatschen und
Verstärkung von rein gebraucht.
österr. hutschen. Ein genauerer Ausgangspunkt
Hasenscharte / Erst seit frühneuhochdeut¬ ist unbekannt.
scher Zeit bezeugt, jiber in ähnlichen Bezeich¬
Hattrick m. 'dreimaliger Erfolg’, fachsprachl.
nungen weit verbreitet; vgl. ae. hcersceard n.,
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
ne. hare-lip, nndl. hazelip, ndn. hareskaar, afr.
hattrick, einer Zusammensetzung aus e. hat
hasskerde (Adj.)', außergermanisch 1. labium le-
Hut’ und e. trick 'Dreh, Kunststück’. Der Aus¬
porinum n., frz. bec de lievre m.. Benannt nach
druck scheint im Kricket aufgekommen zu sein
der für die Hasen typischen gespaltenen Ober¬
lippe. und auf der Gepflogenheit zu beruhen, einem
Werfer einen Hut zu überreichen, wenn er das
Haspe /. 'Haken (und Bänder) an der Tür,
Wicket drei oder mehrere Male getroffen hatte.
Garnwinde, Strang Wolle oder Garn (so viel
Von hier aus dann ins Fußballspiel übernom¬
auf einmal gehaspelt wird)\ fachsprachl., arch.
men und weiter verallgemeinert.
Mhd. haspe, mndd. mndl. haspe aus g. *has-
Zu den Etyma s. Hut' und Trick.
P°(n) f 'Türhaken, Garnwinde, Strang Garn’,
auch in anord. hespa (yön-Stamm?). Die Aus¬ Hatz/. 'Hetze, Eile, Jagd’, obd. Auch Hatze,
gangsbedeutung ist offenbar 'Haken, um den das eine unumgelautete Variante von Hetze ist.
sich etwas dreht’ (wie Angel u. ä.). Weitere Her¬ Seit dem 16. Jh. bezeugte Rückbildungen zu
kunft unklar. hetzen (s. d.).
Ne. hasp, nschw. hasp. S. Haspel ( + ). Haube/ Mhd. hübe, ahd. hüba, as. hüva aus
Haspel /. 'Garnwinde’ (auch andere Bedeu¬ g. *hübönf. 'Haube’, auch in anord. hüfa, ae.
tungen von Haspe), fachsprachl. Mhd. haspel hüfe, afr. hüve, houwe. Kann zu den indogerma¬
m. , ahd. haspil m., mndd. mndl. haspel aus nischen Wörtern für Höcker, Buckel gehören,
vor-d. *haspilö f. 'Garnwinde’; mit Instrumen¬ die ein *kübh- (auch *kubh-) voraussetzen, so
talsuffix *-ilö zu Haspe (s. d.) gebildet. gr. kyphös 'gebückt, buckelig’, ai. kaküp (ka-
Nndl. haspel. S. Haspe, verhaspeln. kübh-) 'Spitze, Gipfel, Höcker’; lit. kupra 'Buk-
Haß m. Mhd. ahd. haz, as. heti aus g. *hatas- kel, Höcker’ u. a.
n. Haß’, auch in gt. hatis, anord. hatr n., ae. hauchen swV. Spmhd. buchen (omd.). Her-
hete (das Maskulinum ist sekundär im deut¬ kunlt unklar. Vielleicht eine expressive Ab¬
schen Bereich entstanden). Dieses setzt vorein- wandlung von mhd. küchen 'hauchen’ (s. unter
zelsprachl. *kddos- voraus, das eine hochstufige keuchen).
Entsprechung in gr. kedos n. 'Sorge, Trauer’ hat
(entsprechend vielleicht kymr. cawdd 'Zorn’)? Haudegen m. Zunächst (17. Jh.) 'Hiebwaffe’
S. auch häßlich, hetzen. im Gegensatz zu Stoßdegen. Im 18. Jh. neu
gedeutet als 'Draufgänger’, im Anschluß an De¬
häßlich Adj. Mhd. hez(ze)lich, haz(ze)lich,
gen 'Krieger’. Einzelheiten bleiben unklar.
ahd. hazlih, as. hetilik aus wg. *hates-lika- Adj.
S. Degen112.
Haß erregend, gehässig’, auch in ae. hetelic (die
Bildungen können allerdings auch selbständig hauen stV. Mhd. houwen, ahd. houwan, as.
und später sein), zu Haß (s. d.). Spätestens in ha uw an aus g. * haww-a- st V. hauen’, auch in
frühneuhochdeutscher Zeit beginnt das Wort anord. hpggva, ae. heawan, afr. häwa, houwa.
im Deutschen den Gegensatz von 'schön’ zu Aus ig. *ko\V3- 'hauen, schlagen’ in lit. käuti
bezeichnen. schlagen, hauen, umbringen’, akslav. kovati
A. Götze ZDW1 (1905), 202-220. 'schmieden’, toch. B. kau- 'töten’; mit cf-Erwei-
Hast/. Im 16. Jh. aus dem Niederdeutschen terung 1. cüdere 'schlagen, schmieden’.
aufgenommen, wohin es aus dem Niederländi¬ Nndl. houwen, ne. hew, nschw. hugga, nisl. höggva. S.
schen gelangt ist. Dorthin ist es entlehnt aus Heu, Hieb.

alrz. haste (frz. hüte), das seinerseits aus dem Haufen m. Mhd. hüfe, ahd. hüfo, mndd. hop,
Germanischen entlehnt ist: auf ein *haifsti- hoppe, hupe neben dem stark flektierten mhd'
'Streit, Anstrengung’ führen gt. haifsts, ahd. ahd. houf, as. höp, ae. heap. Außergermanisch
heifti 'heftig, sehr’ und ae. Inest(e) 'heftig’. Hast stehen am nächsten (mit Auslautvariation) lit.
ist also ursprünglich 'Anstrengung’. käupas 'Haufen’, akslav. kupü 'Haufen’. Neben
S. auch heftig. — E. Öhmann ZDW 16(1960), diesen steht im Litauischen ein Primärverb
kaüpti 'reinigen, säubern’, so daß etwa von 'zu-
häufig 297 Hautevolee

sammengerechter Haufen’ ausgegangen werden (Würzburg 1916), 56 — 61. Zu Haus in der Bedeutung
kann. Die Anwendung auf Menschenmengen 'Firma’: E. Öhmann NPhM 61 (1960), 150f.
wäre dann sekundär. hausbacken Adj. (PPrät.J. Seit dem 17. Jh.
Nndl. hoop, ne. heap. mit Auslassung des ge- wie in altbacken. Das
häufig Adj. Erst neuhochdeutsch, eigentlich hausgebackene Brot gilt als einfach, alltäglich
'haufenweise’. gegenüber dem Bäckerbrot; deshalb bekommt
Hauhechel /., fachsprachl. Die Pflanze wird das Wort die Nebendeutung 'nüchtern,
wegen ihrer Dornen mit einer Hechel vergli¬ schwunglos, langweilig’.
chen, zumal gerne Heu (dies ist der erste Be¬ Nndl. huisbakken. S. backen ( + ).

standteil) an ihnen hängen bleibt. Hausehre /., arch. Mhd. hüsere 'Ehre des
Haupt n. Mhd. houbet, ahd. houbit, as. höbid Hauses, Hauswesen’. Mit Anspielung auf das
aus g. *haubida- n. 'Haupt’, auch in gt. haubip, Sprichwort hausehr liegt am weib, nit am man
anord. haufuö, ae. heafod, afr. häved, hä(u)d, (bezeugt seit dem 16. Jh.) wird das Wort auch
hafd. Neben diesem steht anord. hpfuö, ae. ha- für 'Hausfrau’ verwendet; schon früh häufig
fud, die auf g. *habuda- zurückführen und mit scherzhaft.
1. caput unmittelbar zu vergleichen sind. Ver¬ Hausen m. (= ein Fisch), fachsprachl. Mhd.
mutlich liegt eine Bildung mit Suffixablaut hüse, ahd. hüso, mndd. husen. Gehört am ehe¬
*kapwet-/kaput- vor, bei der die im Germani¬ sten zu einem Wort für 'Fischblase’, ähnlich wie
schen zu erwartende Lautfolge -fw- bei der er¬ in gr. kystis f. 'Blase, Harnblase’. Vgl. Hausen¬
sten Form umgesprungen ist und den Di¬ blase (seit dem 16. Jh.), nndl. huisblas (die Blase
phthong ergeben hat. Andere Wörter von der¬ dieser Fische wird zu verschiedenen Zwecken,
selben Grundlage, wie ai. kapäla- 'Schale, Hirn¬ u. a. zur Leimherstellung, verwendet).
schale, Schädel’ weisen darauf hin, daß seman¬ hausen swV. 'rücksichtslos umgehen’, meist
tisch von 'Hirnschale’ auszugehen ist (vgl. die übel (böse usw.) hausen. Eigentlich 'wirtschaf¬
Entwicklung bei Kopf). ten, haushalten’ (zu Haus, s. d.), dann festge¬
Nndl. hoofd, ne. he ad. nschw. huvud. nisl. höfuö. S. worden im Kontext negativer Adverbien.
behaupten, Chef ( + ), Skinhead. — Nussbaum (1986).
S. Haus ( + ), Hauser, hausieren.
Häuptling m. Seit dem 17. Jh. bezeugt für
Hauser m. 'Haushälter’, Hauserin/., obd. Be¬
'Anführer, Oberhaupt’, zu Haupt (s. d.). Seit
zeugt seit dem 16. Jh. Zu älterem hausen im
dem 19. Jh. festgelegt auf 'Anführer eines
Sinn von 'wirtschaften, haushalten’.
Stammes’.
S. hausen ( + ).
Hauptmann m. Mhd. houbetman, ahd. houbit-
hausieren swV. Seit dem 15. Jh. bezeugte
man; wie ae. heafodman 'Anführer, Erster unter
Mischbildung zunächst in verschiedenen Be¬
seinesgleichen’. Von Friedrich Wilhelm IV. als
deutungen ('haushalten’, 'schlimm hausen’),
Ersatzwort für Kapitän verwendet und seither
schriftsprachlich festgeworden mit 'von Haus
in diesem Gebrauch festgeworden. Zu Haupt
zu Haus feilbieten’.
und Mann (s. d.).
S. hausen ( + ).
F. Kluge ZDW 1 (1901), 76.
Hausrat m., s. Haus, Rat und Unrat.
Haus n. Mhd. ahd. as. hüs aus g. *hüsa- n.
'Haus’, auch in gt. -hüs (nur in gudhüs 'Tempel’, Hausse /. 'Steigen der Wertpapiere’, fach¬
sonst gt. razn), anord. hüs, ae. afr. hüs. Herkunft sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
unklar. Verwandtschaft mit Hütte (s. d.) ist an¬ frz. hausse, zu frz. hausser 'erhöhen’, aus 1. altus
zunehmen, so daß *hüsa- wohl auf *hud-s-a- 'hoch’.
(mit Dentalschwund und Ersatzdehnung) zu¬ Etymologisch verwandt: s. Alimente.
rückgehen wird. Ein Zusammenhang mit gr. Haut /. Mhd. ahd. hüt, as. hüd aus g. *hüdi-
keüthos n. 'Versteck, Höhle, Tiefe’ und seiner f. 'Haut’, auch in anord. hüö, ae. hyd, afr.
Verwandtschaft ist denkbar, aber nicht nahelie¬ hed. Gehört zu den Dental-Erweiterungen der
gend. Häuschen in Wendungen wie aus dem Wurzel * (s)keu(a)- 'bedecken’ (in ai. skunati
Häuschen geraten geht aus von Häuschen 'Irren¬ 'bedeckt’), zu denen auch 1. cutis 'Haut’ gehört;
anstalt’ (Petites-maisons war der Name einer mit abweichendem Vokal lit. kiäutas 'Schale,
Pariser Irrenanstalt). Also eigentlich aus dem Hülse’; mit x mobile gr. skytos n. 'zubereitete
Häuschen sein = 'aus der Irrenanstalt sein’, Haut, Leder’, mit abweichendem Dental mir.
'irre sein’, dann Übertragung auf andere Wen¬ codal 'Haut’.
dungen. Nndl. huid, ne. hide, nschw. hud, nisl. hüö.
Nndl. huis, ne. house, nschw. hus, nisl. hüs. S. Gehäuse,
Hautevolee f 'vornehme Gesellschaft’, arch.
hausen ( + ), Hütte. - O. Streicher ZADS 37 (1922),
63f.; Ganz (1957), 92. Zu 'aus dem Häuschen sein’: Im frühen 19. Jh. entlehnt aus frz. des gens de
[?] Rieger: Die Julius-Universität und das Julius-Spital haute volee PI. 'Leute von hohem Rang’ (wört-
Hautgout 298 Heckmeck

lieh von hohem Flug’), offenbar durch man¬ eines Hauses erstellen’. Als Hebemahl schon im
gelhaftes Verstehen dieser Wendung. In späterer 18. Jh. bezeugt.
Zeit nur noch spöttisch oder ironisch ge¬
Hechel /., fachsprach/. Mhd. hachel, hechel,
braucht.
ahd. hähala, häla, hähal 'Haken, Kesselhaken’,
S. Alimente ( + ).
ahd. -hachele, as. hähal 'Kesselhaken’; vgl. ne.
Hautgout m. 'Wildgeschmack nach dem Ab¬ hatchel, nschw. häckla. Eine Instrumentalbil¬
hängen’. sonder spracht. Fachsprachlich schon dung zu der Sippe, zu der auch Haken (s. d.)
im 17. Jh. in Deutschland bekannt, aber erst im gehört. (Gebrochener Flachs wird durch die
18. Jh. eingebürgert. Aus frz. haut goüt 'starker Hechel gezogen, um die Fasern vom Werg zu
Geschmack’ (frz. haut eigentlich 'hoch’, aus 1. trennen. Das Gerät besteht aus nebeneinander¬
altus). Häufig pejorativ (im Sinne von 'ange¬ stehenden Metallspitzen).
fault’) und übertragen ('feiner Geschmack’
Hechse /., s. Hachse.
usw.) gebraucht.
S. Alimente ( + ) und degoutieren ( + ). Hecht m. Mhd. hech(e)t, ahd. hehhit, as.
hakth aus wg. *hakida-, auch in ae. haced; dane¬
Havarie /. Unfall, Beschädigung’, fach-
ben scheint auch *hakuda- (ae. hacod) voraus¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
zusetzen zu sein. Der Hecht wird nach seiner
nndl. averij und nndd. Haverye, diese aus frz.
avarie (dass.), aus it. avaria (dass.), aus arab. Körperform und Bewegung meist als 'Spieß
o. ä.’ bezeichnet (ne. pike 'Stackei, Hecht’, frz.
’awär 'Schaden, Fehlerhaftigkeit’ bzw. arab.
awäriya 'beschädigte Güter’. brochet 'Hecht’ zu frz. brochef. 'Spieß’, nschw.
gädda 'Hecht’ zu nschw. gadd 'Stachel’), doch
Morphologisch zugehörig: Havarist. - Littmann
(1924), 97; Lokotsch (1975), 12. haben Wörter, zu,denen Hecht der Lautform
nach passen würde, eher die Bedeutung 'Haken’
Haxe /., s. Hachse.
als 'Spitze’ (s. Haken, Hechel). Auch ahd. hek-
Hearing n. 'Anhörung’, sonder spracht. Im 20. ken 'durchbohren, stechen’, ahd. hecki 'Spitze’
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. hearing, n.(?) stimmt nicht genau dazu.
einer Ableitung von e. hear 'hören’.
Heck n. 'Oberteil des Hinterschiffs’, fach-
Zum Etymon s. hören.
sprachl., ndd. Seit dem 18. Jh. auch hoch¬
Hebamme f. Mhd. hebeamtne; älter ist ahd. deutsch. Aus mndd. heck 'Umzäunung’, nordd.
hevtan(n)a, hevanna, hevamma, das mundart¬ Heck 'Gattertür, Koppel’, weil der dort befind¬
lich noch heute fortlebt (hebane usw.). Die Her¬
liche Platz des Steuermanns eingehegt war.
kunft des Zweitglieds -anna ist dunkel; das 'he¬
S. Hag(y). - Kluge (1911), 360f.
ben’ bezieht sich offenbar auf das Hochheben
des Kindes unmittelbar nach der Geburt. Die Hecke /. Mhd. hegge, hecke f/n., heck n.,
neuere Form Hebamme beruht auf Vermischung ahd. hegga, mndl. hegge aus wg. *hagjö(n) f.
mit einfachem Amme (s. d.) in der Bedeutung 'Hecke, Umzäunung’, auch in ae. heeg; Weiter¬
Mutter’, auch 'Hebamme’. bildung zu Hag (s. d.).
S. heben (y). - W. Wolf-Rottkay Kratvlos 9(1964) Nndl. heg, ne. hedge. S. Hag(y).
197.
hecken swV., meist aushecken. Mhd. hecken,
Hebel m. Mhd. hebet 'Hebestange’. Mit dem vgl. me. hacchen, ne. hatch. Eigentlich 'ausbrü¬
Instrumentalsuffix -et (aus -Ha-) zu heben (s. d.). ten’; zu einem Stamm *hag- 'sich fortpflanzen’,
Ahd. hevil(o) bedeutet 'Hefe’. der auch belegt ist in Hagen 'Zuchtstier’, mhd.
heben stV. Mhd. heben, ahd. hexen, heffen, as. hagere, ahd. hegidruos(a), hegidrousT, mhd. he-
hebbian aus g. *haf-ja stV. 'heben’, auch in gedruose Hode, (Fortpflanzungsdrüse)’ u. a.
gt. hafjan, anord. hefja, ae. hebban, afr. hebba; Weitere Anknüpfungen sind nicht gesichert. In
dieses aus ig. *kap- 'fassen, nehmen’ in 1. capio frage kommen russ.-kslav. kocanü 'männliches
'ich nehme, ergreife’, lett. kämpt 'greifen, fassen’ Glied’ (das aber mit Wörtern für 'Kohlstrunk,
(mit Nasalierung), gr. käptö ' ich schnappe, Kohlkopf’ zusammengehört), lett. kakale 'Ho¬
schlucke’; zugrunde liegt wohl eine Lautge¬ densack’.
bärde 'schnappen’. Als Variante mit auffälligen S. Heckpfennig.
Übereinstimmungen vergleicht sich *ghabh- (s. Heckmeck m. 'dummes Zeug, dummes Ge¬
unter geben).
rede’, ugs. Wohl nach älterem Hackemack,
Nndl. heffen, ne. heave, nschw. häxa, nisl. hefja. S. Hack und Mack, eigentlich 'Gehacktes und
akzeptieren (+), anheben, beheben, Behuf, haben (4-),
Durcheinandergemengtes’, dann auch 'Plunder,
Habicht, Haft, Handhabe, haschen, Hebamme, Hebel,
Hebeschmaus, Hefe, Heft'12, Urheber. Pöbel, zusammengelaufenes Gesindel, dummes
Gerede . Heute eher aufgefaßt als reimende
Hebeschmaus m. 'Richtfest’, reg. Zu heben
Doppelbildung zu meckern (s. d.), also 'Ge¬
(s. d.) im technischen Sinn von 'den Rohbau mecker’.
Heckpfennig 299 Heide

Heckpfennig m., arch. Seil dem 18. Jh. be¬ heftig Adj. Mhd. heftec, erweitert aus älterem
zeugt. Nach dem Volksglauben der Pfennig im hefte (schon spätalthochdcutsch) 'ungestüm’
Geldbeutel, den man nicht ausgeben darf, weil mit Monophthongierung und Kürzung. Dieses
er weitere Pfennige hervorbringt (zu hecken gehört wohl zu *haifsti- 'Streit, Anstrengung’,
s. d.).
das unter Hast behandelt ist. Vermutlich sind
Hede/. 'Werg’, ndd. Mndd. mndl. hede. afr. *heist- und *heift- verschiedene Vereinfachun¬
hede aus wg. *hezdön /. 'Werg’ mit Ausfall des gen aus *haifst-,
z unter Ersatzdehnung. Ohne diesen Ausfall in Hegemonie /. 'Vorherrschaft, Vormachtsstel-
ae. heordan; daneben mit Ablaut anord. haddr lung’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus
m. 'weibliches Haupthaar’. Mit anderem Suffix gleichbedeutend gr. hegemonia (wörtlich: 'An¬
von der gleichen Grundlage gr. keskeon n., russ. führen’), zu gr. hegeisthai 'vorangehen, führen’.
ceska Werg’ zu ig. *kes- 'kämmen’, das unter Morphologisch zugehörig: hegemonial', etymologisch
Haar2 angeführt ist. Hede ist also 'das Ausge¬ verwandt: s. Exegese.
kämmte’.
hegen swV. Mhd. hegen. Faktitivum zu Hag
Nndl. hede, ne. hards. S. Haar2, verheddern.
(s. d.), also zunächst mit einem Hag umgeben,
Hederich m., fachsprachl. Mhd. hederich, He¬ umzäunen’, dann zu 'pflegen, bewahren’ weiter¬
derich, ahd. hederih, mndd. hederik, hederich. entwickelt.
Name verschiedener Ackerunkräuter. Vermut¬
hehlen swV. Mhd. he/(e)n stV, ahd. as. helan
lich aus 1. hederaceus 'efeu-ähnlich’ im An¬
aus g. *hel-a- stV. 'hehlen’, auch in ae. helan,
schluß an Wegerich (s. d.) umgebildet.
afr. heia-, gotisch und altnordisch in Ableitun¬
Heer n. Mhd. her, ahd. heri m./n., as. heri m.j gen, s. z. B. hüllen. Zu weur. *kel- 'verbergen’
f. aus g. *harja- m. 'Heer’, auch in gt. harjis, auch in 1. occulere 'verbergen’, air. ceilid 'ver¬
anord. Herr m., ae. here m. (das neutrale Genus birgt’. Vielleicht gehört weiter hierher ai. sara-
ist erst deutsch); dieses aus weur. *koiro- m. nä- 'schützend, verteidigend’.
'Heer’, auch in lit. kärias 'Heer’, mir. cuire Nndl. helen. S. Eukalyptus, Halfter1, Halle, Hel, hel¬
'Schar, Menge’ und weitergebildet in gr. kotra- fen', Helm', Hölle, Hülle, Hülse, Kolorit ( + ), Lid, ok¬
nos m. 'Heerführer, Herr’. Dies ist vermutlich kult, Schirm, [verhohlen]. — Bahder (1925), 135f.
eine Zugehörigkeitsbildung zu einem Wort für hehr Adj., arch. Mhd. her(e), ahd. as. her aus
'Krieg’, das nur noch in lit. käras 'Krieg’ be¬ g. *haira- Adj. 'grau(haarig)’, das im Westger¬
zeugt ist. Eine andere Zugehörigkeitsbildung manischen zu 'ehrwürdig’ weiterentwickelt und
(mit Vriddhi) wäre apers. kära- 'Kriegsvolk, im Deutschen weiter zu 'vornehm u. ä.’ wird;
Heer’. außerhalb vergleichen sich anord. harr, ae. här
Nndl. heer, nschw. här, nisl. her. S. Heerbann, Her¬ 'grau’. Ein entsprechendes Farbwort ist mir.
berge, Herold, Herzog, verheeren. — F. Specht ZVS
dar 'dunkel’ und mit anderem Suffix akslav.
60 (1933), 130-138; K. R. McCone in: Meid (1987),
sini 'schwarzblau, schwärzlich’ (*lceini-).
101-154.
Nndl. heerlijk, ne. hoary. S. Herr{ + ). — Schwentner
Heerbann m., arch. Mhd. herban, ahd. heriban (1915), 80-82.
'Aufgebot der waffenfähigen Freien zur Heeres¬
Heia /. 'Bett’, kindersprachl. Die Lautung ist
folge’, zu Heer und bannen. Bann in der Bedeu¬
kindersprachlich und mundartlich ober- und
tung 'aufbieten, Aufgebot’ (s. d.).
mitteldeutsch verbreitet in Bedeutungen wie
Tiefenbach (1973), 64 — 66.
'Wiege — Kinderbett — schlafen’; der Wiegen¬
Hefe /. Mhd. hebe, hefe m./f, ahd. hevo,
lied-Refrain eia (popeia) dürfte damit Zusam¬
heffo m., mndl. heffe aus wg. *haf-jön m. 'Hefe’,
menhängen. Es kann sich um eine Lautgebärde
eigentlich 'der Hebende’ zu heben (s. d.). Ent¬
handeln, doch ist Anschluß an altes Wortgut
sprechende Bildungen sind ahd. hevil(o), hefo
(*kei- Tiegen, schlafen’) nicht unmöglich.
m., heva, urhab m./n.
H.-F. Rosenfeld NW 13 (1973), 25-30; Lühr (1988),
Heide1/ 'unbebautes Land’. Mhd. Heide, as.
356. heida, heda aus g. *haipcei- f. 'Wildland’, auch
in gt. haipi, anord. heidr, ae. häp. Außergerma¬
Heft1 n. 'Schreibheft’. Rückbildung des 16.
nisch vergleicht sich kymr. coed 'Wald’, 1. caedes
Jhs. zu heften (s. d.), also 'das Geheftete’.
in der Bedeutung 'Aushauen’ (von Hecken
Heft2 n. 'Griff (einer Waffe, eines Werk¬
usw.), sonst 'Niedermetzeln u. ä.’. Als 'nutzba¬
zeugs)’. Mhd. hefte, ahd. hefti, mndd. hechte
res Wildland’ ('das Auszuhauende’) zu 1. caedere
'Messergriff’, eigentlich 'Halter’ zu heben (s. d.)
'abhauen, niederschlagen’, unerweitert in mndl.
in der ursprünglichen Bedeutung 'fassen, pak-
hei(d)en 'feststampfen’.
ken’ dieser Wurzel.
Nndl. heifde), ne. heatli, nschw. hed, nisl. heidi. Heide2,
heften swV. Mhd. ahd. heften. Faktitivum zu Heidelbeere, Heidschnucke, Zäsur ( + ). — J. Trier ALV
ahd. haft 'gefangen, gebunden’ (s. unter Haft), (1949), 63 — 103; E. Seebold in: Mayrhofer/Peters/
also 'gebunden machen’. Pfeiffer (1980), 455f.
Heide 300 heilen

Heide2 /. 'Heidekraut’, fachsprachl. Mhd. sind, kommen norddeutsch und mitteldeutsch


beide, ahd. heida, as. heida, heda aus wg. *haipjö öfter vor.
./• 'Heidekraut’, auch in ae. häd\ vermutlich eine heikel Adj. Seit dem 16. Jh. bezeugt; offenbar
Zugehörigkeitsbildung zu Heide' (s. d.) durch
in der Volkssprache schon älter. Wenn das Wort
Themalisierung (*haipj-ö-).
ererbt ist, kann es als vor-d. *haikula- aus
Heide3 m. Mhd. beiden, ahd. heidan. Der älte¬ *kaiwfo- angesetzt werden und gehört dann zu
ste Stand im Althochdeutschen ist das Substan¬ ai. kevala- 'jmd. ausschließlich eigen, allein’, 1.
tiv heulen und ein zugehöriges Adjektiv heida- caelebs 'ehelos’ (aus *kaiwlo-lib- 'allein lebend’).
nisc, heitnisc, heidhanliih; dann wird ahd. heidan Zum Bedeutungsübergang vgl., daß auch eigen
als Adjektiv gebraucht (vor allem in der Wen¬ die Bedeutung 'heikel’ haben kann. Die Erklä¬
dung heidanin gommane 'Heidenleute, Heiden¬ rung setzt außerdem voraus, daß das g. -k- vor
männer’), als Suffixform setzt sich dabei mehr / geminiert wurde — aber der (obd.) Inlaut -k-
und mehr -in- durch. Das Wort ist offenbar ist auch anders nicht ohne weiteres zu erklären.
übernommen aus dem Gotischen (belegt ist das Die Lautverhältnisse bedürfen also noch weite¬
Femininum haipnö) mit Umsetzung des für die¬ rer Aufklärung.
ses Wort anzusetzenden langen ä zu ahd. ei, der Zum Lautlichen vgl.: E. Seebold IF 87(1982),
normalen Entsprechung bei alten Diphthongen. 172—183. Anders: G. Weitzenböck ZM 12(1937),
Das gotische Wort ist aber seinerseits entlehnt 229-232.
aus gr. tä ethne 'die Heiden’ (wörtlich: 'die heil Adj. Mhd. ahd. heil, as. hei aus g. *haila-
Völker’), mit sekundärem Gebrauch für Einzel¬ Adj. 'heil, ganz, gesund’, auch in gt. hails,
personen. Vom Althochdeutschen ausgehend anord. heill, ae. häl, afr. häl. Diesem am nächsten
hat sich das Wort als Adjektiv *haipina- zu den stehen akslav. celü 'gesund, ganz, unversehrt’,
anderen germanischen Sprachen verbreitet. Bei apreuß. kailüstiskun (Akk.) 'Gesundheit’. Das
Bedarf wurde aus dem Adjektiv ein Substantiv Substantiv Heil ist nicht eine einfache Substan¬
gebildet. tivierung und unter Umständen etymologisch
E. Seebold BGDSL-T 93 (1971), 29-45. gar nicht verwandt; Das Neutrum anord. heill,
ae. häl, afr. as. hei, ahd. heil 'Vorzeichen’ geht
Heidelbeere /. Mhd. beide Iber, heitber, ahd.
auf einen s-Stamm zurück, daneben existiert ein
heidfi)beri wie ae. hädberige eine Bildung aus
gleichlautendes Femininum im Altnordischen
Heide1 (s. d.) und Beere, im Deutschen sekun¬
und Altenglischen mit der Bedeutung 'Heil, Se¬
där mit -/- im Vorderglied. Dieses / ist mögli¬
gen, Glück’. Die beiden haben sich nachträglich
cherweise aus n durch Suffixersatz entstanden
vermischt. Außergermanisch vergleicht sich zu¬
und gehört zu einem Wort, das für sich allein
nächst kymr. coel 'Zeichen, Vorzeichen, Schick¬
die Heidelbeere bezeichnen kann (südd. Heidei,
sal’, auch 'Glaube, Vertrauen’, dann osk. kaila
schwz. Heiden).
'Tempel’ und vielleicht mit andersartiger Er¬
R. Vollmann BHV{1916), 119-128: H. Hepding HBV
weiterung (oder unregelmäßiger Lautverände¬
22(1923), 1 -58; B. Martin Teuthonista 3 (1926/27),
310 — 313; E. Christmann OZV 15 (1941), 79 — 84.
rung?) 1. caerimönia 'religiöse Handlung’. Vgl.
auch akslav. celovati 'begrüßen, (die Reliquien)
Heidenkorn n., s. Buchweizen.
küssen’! Die Grundbedeutung wäre dann am
Heidenlärm m. Seit dem 19. Jh. üblich im ehesten 'Zeichen’ (zu ai. keta- 'Zeichen’, s. -heit
Anschluß an Psalm 2,1 Warum toben die und heiter).
Heiden? Nndl. heel, ne. whole, hale, nschw. hei, nisl. heill. S.
S. Lärm. Heiland, heilen'12, heilfroh, heilig. - J. W. Müller
TNTL 57(1938), 63-74; Boethe (1942); H. Kuhn
heidnisch Adj., s. Heide3.
ADA 62(1944), 1-5; Ganz (1957), 93.
Heidschnucke /. (= Schafart), fachsprachl.
Heiland m., sondersprachl. Mhd. ahd. heilant,
Aus Heide' (s. d.) und Schnucke, ndd. snucke,
as. heliand, hel(e)and wie ae. hälend eine Lehn¬
seit dem 17. Jh. bezeugt (Nebenformen
übersetzung von 1. salvätor Retter’, das seiner¬
Schnacke und Schnieke). Wohl eine lautmalende
seits gr. söter übersetzt. Ursprünglich Partizip
Bezeichnung nach dem Blöken der Schafe (vgl.
Präsens zu heilen' (s. d.), das von heil (s. d.)
snukkern 'schluchzen’). abgeleitet ist.
H. Schröder BGDSL 29 (1904), 558; V. Kruppa-Kusch/
H. Kolb in: FS Schützeichel (1987), 1234-1249.
F. Wortmann NW 4(1964), 42 — 44.
Heilbutt m., s. Butt.
Heie/., heien swV., s. Beutheie.
heilen1 swV. 'heil machen’. Mhd. ahd. heilen,
Heiermann m. 'Fünfmarkstück’, ugs., reg.
as. helian aus g. *hailija- swV. 'heil machen’!
Vielleicht entrundet aus Heuer (s. d.). Die Bil¬
auch in anord. heda, ae. hälan, afr. heia', Fakti-
dungen auf -mann für Gegenstände, die durch
tiv zu dem Adjektiv heil (s. d.). Das Intransitiv
das im Vorderglied genannte charakterisiert heil werden geht au! das ursprünglich verschie-
heilen 301 Heimtücke

Jene ahd. heilen 'heil werden’ zu der gleichen heim , auch in anord. heima, ae. häm (keine
Grundlage zurück.
Entsprechung im Gotischen bezeugt).
Nndl. helen, ne. heal. S. heil( + ). - M. Leumann ZVS
Ne. home, nschw. hem, nisl. heima. S. einheimsen,
67 (1942), 215-217.
Heim ( + ).
heilen2 swV. 'kastrieren’, sonder spracht. Ober¬
Heimat /. Mhd. heimuot(e), heimöt(e), hei¬
deutsch seit dem 15. Jh. bezeugt, mndd.
möde, heimüetef./n., ahd. heimöti, heimuoti, hei-
he(i)len, ae. töhälan. Vermutlich Lehnüberset¬
mödi n., mndd. he(i)mode, heinmöt n. Die Be¬
zung von 1. sänäre 'dem männlichen Tier durch
deutung ist ungefähr 'Stammsitz’. Der zweite
Wegschneiden der Hoden die Wildheit nehmen’
Bestandteil ist unklar, besonders im Vergleich
(d. h. es 1. sänus 'gesund’ im Sinne von 'zahm,
mit ahd. heimuodil, heimödil m., gt. haimöpli
brauchbar’ machen). Ebenso ndd. böten (= bü¬
gleicher Bedeutung, die semantisch zwar zu
ßen) 'heilen, kastrieren’.
*öpala- 'Erbbesitz’ gehören, aber lautlich (Mit¬
S. heilen', heil( + ), verheilen. - Bahder (1925), 156f.;
M. Förster Anglia 67 (1944), 98f.
telvokal) nicht dazu stimmen (s. Adel). Sonst
zu Heim (s. d. +).
heilfroh Adj. 'ganz und gar froh’, ugs. Zu heil
(s. d.) in der Bedeutung 'ganz’ (niederdeutsch Heimchen n. 'Hausgrille’, fachsprachl. Mhd.
und mitteldeutsch). heime m., ahd. heima m., mndd. heirne aus wg.
*haimön m. 'Grille’, auch in ae. häma m. Die
heilig Adj. Mhd. heilec, heilic, ahd. heilig,
Verkleinerungsform Heimchen taucht so seit
heilag, as. he lag aus g. *hailaga- Adj. 'heilig,
dem 15. Jh. auf, ist aber wohl eine Umbildung
mit Heil versehen’, Zugehörigkeitsbildung zu
einer anderen Form: mndd. he(i)meke, schwz.
dem Substantiv Heil (s. heil).
heimuch und umgestellt ahd. mühheimo m., so
Nndl. heilig, ne. holy, nschw. helig, nisl. heilagur. S.
daß vielleicht sogar ein abgeschwächtes Kom¬
heil (+), Helgen. - Baetke (1942); H. Kuhn ADA
62(1944), 1-5; G. Must JEGP 59 (1960), 184-189. positum vorliegt. Das Wort ist sicher mit Heim
(s. d.) verbunden worden und -much kann zu
heillos Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh. als 'ohne
gt. müka- 'sanft’ gehören, aber vermutlich lie¬
Heil — elend — übel’, dann wie viele Ausdrücke
gen hier Umdeutungen älterer Bezeichnungen
für Unangenehmes als Steigerungswort ge¬
vor. Daneben schon ahd. heimilt(n).
braucht (vgl. elend, entsetzlich usw.).
R. Much ZDA 69 (1932), 48.
Heilsarmee /. Lehnübersetzung von ne. Sal¬
vation Army (1878). heimlich Adj. Mhd. heim(e)lieh, heimlich,
mndd. hemelik, mndl. heimelijc zu Heim mit der
W. Feldmann ZDW (1911), 100; Stiven (1936), 78.
Ausgangsbedeutung 'zum Haus gehörig, einhei¬
Heim n. Mhd. heim, ahd. heima, as. hem aus misch’; schon von Anfang an auch zur Bezeich¬
g. *haima- m. 'Heim, Welt’, auch in anord. nung des damit verbundenen Aspekts: wer sich
heimr m., heima (als Kompositionsglied auch in das Heim zurückzieht, verbirgt sich vor ande¬
heimis-), ae. häm. Im Gotischen flektiert der ren, vor Fremden. Heute wird der Zusammen¬
Singular als femininer /-Stamm, der Plural als hang mit Heim nicht mehr gefühlt.
femininer ö-Stamm. Dieses Formenverhältnis
Nndl. heimelijk. S. Heim( + ), geheim. — Bahder
ist ungeklärt, hat aber eine auffällige Parallele (1925), 136.
in ai. bhüma (neutraler n-Stamm) 'Erde, Welt,
Heimsuchung/. Mhd. heimsuochunge, Zusam¬
Wesen’ neben ai. bhümi- f. (femininer /-Stamm)
menbildung aus Heim (s. d.) und suchen (s. d.),
'Erde, Boden’. Die Formen sind Abstrakta auf
wie afr. hämseke(ne), hemsekene, hämsekinge,
-mo- zu der ig. Wurzel *kpei- 'wohnen’, also
hämsekenge und, mit anderem Suffix, aschw.
*kpoimo- 'Wohnung, Siedlung’, vgl. ai. ksema-
hemsökn, ae. hämsöcn. Dabei handelt es sich
Adj. 'wohnlich’, ai. ksema n. 'Sicherheit, Ruhe’,
ursprünglich um einen Rechtsterminus für das
vielleicht auch 'Wohnsitz’; mit der Bedeutung
'im Hause aufsuchen’, d. h. den Überfall im
'Hausbewohner’ lit. seimä 'Familie, Gesinde’,
russ.-kslav. semija 'Familie’; weiter lit. kiemas Hause, 'Hausfriedensbruch’. Später in allge¬
'Bauernhof, Dorf’, das entweder das Verhalten meinerer und übertragener Bedeutung ge¬
braucht, auch in positivem Sinn. Mhd. heimsuo-
einer Kentum-Sprache zeigt oder aus dem Ger¬
manischen entlehnt ist. Das zugrundeliegende chen swV. ist aus der Zusammenbildung rückge¬
Verbum in ai. kseti 'wohnt’, gr. eü ktimenos 'wo bildet.
sich’s gut wohnt’. Heimtücke /. Älter heimliche oder hämische
Nndl. heem, ne. home, nschw. hem, nisl. heimur. S. Tücke; zu Tücke (s. d.) und wohl zu dem in
geheim, heim, Heimat, Heimchen, heimlich, Heimsu¬ seiner Herkunft unklaren hämisch (s. d.), wobei
chung, Heimweh, Heirat, Oheim. — Ganz (1957), 93f. aber sicher auch die Bedeutung von heimlich
heim Adv. Mhd. ahd. heim aus g. *haiman (s. d.) und geheim (s. d.) eine Rolle gespielt hat.
(so wohl als adverbialer Akkusativ anzusetzen) A. Götze BGDSL 24(1900), 505.
Heimweh 302 Heißsporn

Heimweh n. Seit dem 17. Jh. bezeugt; zuerst im Deutschen ist sekundär und vielleicht von
als Krankheit aufgefaßt, dann allgemeiner als heißen übernommen). Dieses aus ig. *ais-sko-
ein Sehnsuchtsgefühl. Das gleichzeitig auftau¬ 'wünschen, begehren’, auch in ai. icchäti 'sucht,
chende Wort Nostalgie ist wohl nur eine (medi¬ wünscht’, lit. iesköti, akslav. iskati, sowie 1.
zinische) Übersetzung des deutschen Wortes, aeruseäre 'bitten’ (*aisos-k-) zu der Wurzel
das ursprünglich von der Schweiz ausging und *ais- 'suchen, bitten’, die etwa in ai. esati 'sucht’
teilweise auch als Schweizer Heimweh verdeut¬ vorliegt. Vielleicht eine Ableitung zu dem No¬
licht wurde. men ahd. eisca 'Forderung’, ai. iccha 'Wunsch’,
S. Heim( + ). - F. Kluge ZDtF 2(1902), 234-251; akslav. iska 'Wunsch’; aber eher eine primäre
E. Borst ZDW 11 (1909), 27-36; K.-H. Gerschmann ^-Bildung, die im Germanischen schwach ge¬
AB 19 (1975), 83-88.
worden ist.
Hein m., reg. In der Wendung Freund Hein Ne. ask. S. anheischig.
als Hüllwort für den Tod gebraucht, bezeugt
heiser Adj. Mhd. heiser, Weiterbildung zu
seit dem 17. Jh. Kurzform des Vornamens Hein¬
mhd. heis(e), ahd. heis(ar) aus g. *haisa- 'hei¬
rich — warum aber gerade dieser für den Tod
ser’ in ae. häs und anord. hass, dessen Lautstand
gebraucht wird, ist unklar.
allerdings unklar ist (aber kaum *hairsa- vor¬
Meisinger (1924), 39.
aussetzt). Norw. (dial.) haas 'rauh’ läßt vermu¬
heint Adv. 'letzte Nacht’, arch., reg. Mhd. ten, daß 'rauh, trocken’ die Ausgangsbedeutung
ahd. hinaht 'diese Nacht’ mit demselben Prono¬ ist. Im übrigen unklar. Ne. hoarse wohl von ne.
men wie in heute (s. d.) und Nacht in stark coarse beeinflußt.
abgeschwächter Form. Nndl. hees, ne. hoarse (s. o.), nschw. lies, nisl. häs.
Heinzelmännchen n. Bezeugt seit dem 16. Jh. heiß Adj. Mhd. ahd. heiz, as. het aus g. *haita-
als Name für gute Hausgeister. Offenbar han¬ Adj. 'heiß’, auch in anord. heitr, ae. hat, afr. het;
delt es sich um eine Koseform des Vornamens gt. in heito 'Fieberhitze’. Zu einer ^-Erweiterung
Heinz, doch ist unklar, warum gerade dieser von *kai- 'brennen’, zu dem wohl auch *kai-
Name für diese Bezeichnung ausgewählt wurde. 'leuchten’ gehört. 'Brennen’ in ahd. gihei(ge)
Meisinger (1924), 36. 'Hitze, Dürre’; mit /-Erweiterung lit. kaisti 'heiß
Heirat /. Mhd. ahd. hirät m./f, 'Vermählung’, werden’; zu der Bedeutung 'leuchten’ s. unter
älter 'Hausstand’, wie ae. (ws.) hfred, hird m.; heiter.
hiwräden, ae. hired 'Haushalt, Familie’, selten Nndl. heet, ne. hot. nschw. het, nisl. heitur. S. heizen,
'Heirat’; äußerlich gesehen eine Zusammenset¬ Hitze, Hotdog.
zung aus g. *heiwa-/ön 'Hausgemeinschaft, Fa¬ heißen stV. Mhd. heizen, ahd. heizan, as. hetan
milie’ und Rat (in dessen älterer allgemeinerer aus g. *hait-a- stV. 'heißen’, auch in gt. haitan,
Bedeutung 'Besorgung o. ä.’), aber vielleicht anord. heda, ae. hätan, afr. heta. Die Bedeutung
liegt eher eine Umbildung aus unklarer Grund¬ ist mit Akkusativ der Person 'jmd. heißen, be¬
lage vor. Das Vorderglied ist bezeugt in gt. fehlen, rufen, einladen’; dann 'versprechen
heiwa-frauja m. 'Hausherr’, sowie anord. hjön, u. ä.’, mit doppeltem Akkusativ 'jmd. etwas
hjü(n) n., ae. hiwen n., hiwan, higan PL, afr. heißen, jmd. mit einem Namen benennen’; mit
hiöna, hiüna, hina PL, ahd. hlwun, hiun PL 'Ehe¬ Prädikatsnomen heißen , passiv 'genannt wer¬
leute, Hausgemeinschaft, Familie’. Eine Ablei¬ den’. Eine nur germanische ^-Erweiterung der
tung von derselben Grundlage wie Heim (s. d.); Wurzel *kew- 'in Bewegung setzen’. Sie liegt vor
vermutlich zunächst ein w-Adjektiv *kßeju- 'be¬ in 1. cieo 'ich setze in Bewegung, lasse kommen,
wohnend’, dann dazu ein Kollektiv *kßeiwo-/ön nenne mit Namen, rufe hervor’ (später ersetzt
'Bewohnerschaft’; mit gleicher Stammbildung durch das Frequentativum 1. citäre); gr. (hom.)
(mit /-Stamm aus w-Stamm) 1. civis m. Bürger, ekion 'ging’ (mit sekundärem Präsens gr. kiö
Hausgenosse’. Die Verengung auf die Ehepart¬ 'ich gehe’), mit eu-Erweiterung ai. cyävate 'be¬
ner im Germanischen und besonders im Deut¬ wegt sich (hin und her), entfernt sich’, mit zu¬
schen hängt wohl an der Einmischung einer sätzlichem Nasalpräsens gr. kineö ich setze in
lautgleich gewordenen Wurzel *kei- 'liegen’ (ai. Bewegung’.
säye 'liegt’, gr. keisthai, heth. kitta; vgl. gr.
Nndl. heten, nschw. heta, nisl. heita. S. auch anheischig,
koite Lager’, gr. äkoitis 'Gemahlin’; sowie gr. heischen, Schultheiß, verheißen. - D. Hoffmann NW
koimema 'Schlaf, Beischlaf’ und ae. häman 'be- 20(1980), 85-110.
schlafen’).
Heißsporn m. Übersetzung des Beinamens ne.
S. geheuer, Heim( + ), zivil ( + ). - W. Steinberg
Hotspur von Henry Percy in Shakespeares Kö¬
WZUH 8 (1959), 695-714.
nig Heinrich IV. durch A. W. Schlegel. Dieses
heischen swV, arch. Mhd. (h)eischen, ahd. wird nach 1800 übertragen und schließlich als
eise an, as. eskon aus wg. *aiskö- swV. 'fragen, Appellativ gebraucht.
fordern’, auch in ae. ascian, afr. äskia (das h- S. Sporn ( + ). - Ganz (1957), 94.
Heister 303 Held

Heister m. 'junge Buche, junger Laubbaum 'hervorragend, hell’ und mit j mobile (und
aus einer Baumschule’, fachsprachl., reg. Mhd. (/-Erweiterung) lit. skäidrus 'hell, klar’. Von der
heister, mndd. he(i)ster, mndl. heister aus älte¬ gleichen Wurzel 1. caelum 'Himmel’ und das
rem *hais-tru- mit dem Suffix, das Baumnamen unter -heit behandelte Wort.
bildet (s. Holunder). Bedeutung des Wortes ist
heizen swV Mhd. heizen, ahd. heizen 'heiß
'Niederwaldbaum’. Das Wort wird aus dem
sein, lodern, erglühen’, (mit Affrikata und Spi¬
Mittelniederdeutschen ins Französische über¬
rans) aus g. *haitija- swV. 'heizen, heiß machen’,
nommen als hetre 'Buche’. Das erste Glied ist
auch in anord. heita, ae. hätan; Faktitiv zu g.
als Hees (*haisi-) und Heest (haisipi-) noch in
*haita- Adj. 'heiß’ (s. unter heiß).
niederländisch-nordwestdeutschen Ortsnamen
Ne. heat. S. heiß{ + ). - Reuter (1906), 36-38.
bezeugt und ist ein Wort für die im Niederwald¬
betrieb stehende Hecke oder den Wurzelstock, Hektar m. (= 100 Ar), fachsprachl. Im 19.
aus dem die jungen Stämme wachsen. Hierzu Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Iiectare,
wohl weiter der bei Tacitus bezeugte Waldname einer Neubildung zu gr. hekatön 'hundert’ und
Caesia Silva als Latinisierung eines germani¬ frz. are, dieses aus 1. ärea f. 'Fläche’ (s. Ar).
schen Wortes. Die etymologische Erklärung Etymologisch verwandt: s. hekto-, hektographieren
wird durch verwandte Fachwörter im Lateini¬ (usw.); zum Etymon s. hundert.
schen geliefert: Romanische Wörter für 'Hecke’ hektisch Adj. 'aufgeregt, betriebsam’. Ent¬
gehen auf *caesa zurück und das klassische lehnt aus gr. hektikös 'gewohnheitsmäßig, an¬
lateinische Wort für 'Niederwald' ist silva cae- haltend’, zu gr. hexis 'Zustand’, zu gr. echein,
dua. Es handelt sich dabei um Ableitungen von ischein 'halten, haben, anhalten’. In medizini¬
1. caedere 'hauen, fällen’, das damit eine Ent¬ schen Zusammenhängen nimmt es die Bedeu¬
sprechung im Germanischen gehabt haben muß tung 'anhaltend, heftig, fiebrig’ an.
(ebenso wie die Partizip-Bildung *kaiso- aus Morphologisch zugehörig: Hektik; etymologisch ver¬
*kaid-to-). Andernfalls müßte das Wort in sehr wandt: s. Schema. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
früher Zeit entlehnt worden sein. 74; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 186.

S. Zäsur ( + ). — T. Frings/W. v. Wartburg ZRPh hekto- Präfixoid. Wortbildungselement mit


57 (1937), 195-210; 58 (1938), 542-549; Trier (1952), der Bedeutung 'vielfach, hundertfach’ (z. B.
95—106 mit weiterer Literatur; L. G. Romeil in: H. Hektoliter, hektographieren). Es wurde vor¬
Beckers/H. Schwarz (Hrsg.): Gedenkschrift J. Trier
nehmlich in französischen Entlehnungen ins
(Köln, Wien 1975), 243-250.
Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr.
-heit Suffix für Abstraktbildungen aus Adjek¬ hekatön 'hundert’. — Vor Vokal lautet die Form
tiven und (seltener) Substantiven. Die Varianten hekt- (z. B. Hektar).
-keil und -igkeit sind aus falscher Ablösung Etymologisch verwandt: s. Hektar.
von Adjektiven auf -ig (mhd. -ec: -ec-heit
hektographieren swV. 'vervielfältigen’, sonder-
= -ec-keif, -ig-keit) entstanden; mhd. ahd. -heit,
sprachl. Neubildung des 20. Jhs. zu gr. hekatön
as. -hed aus wg. *-haidu-, auch in ae. -häd, afr.
'hundert’ und gr. gräphein 'schreiben’. Die Zahl
-hed(e). Das selbständige Wort ist als g. *haidu-
100 steht in dieser Bildung verallgemeinert für
'Art und Weise, Erscheinung’ anzusetzen. Es
'vielfach, in großer Zahl’.
tritt auf in gt. haidus 'Art und Weise’, anord.
Morphologisch zugehörig: Hektograph, Hektographie,
heiör 'Ehre, Würde’, ae. häd 'Wesen, Person,
Hektoliter; etymologisch verwandt: s. Hektar und
Rang, Würde, Geschlecht’, as. hed, ahd. heit Grammatik.
'geistlicher Stand, Person, Geschlecht’, mhd.
Hektoliter m., s. hekto- und Liter.
heit 'Wesen, Beschaffenheit, Rang, Würde’.
Außergermanisch ist genau vergleichbar ai. ke- Hel /. 'Unterwelt, Totengöttin’ (in der nordi¬
tu- 'Licht, Erscheinung, Gestalt’ zu einer Wurzel schen Mythologie),/acfo/;rac/!/. Entspricht dem
*kai- 'leuchten’, auf die unter heiter verwiesen Wort Hölle (s. d.), das nur als christlicher Ter¬
wird. minus bezeugt ist, und weist damit darauf hin,
Nndl. -heid, ne. -hood. S. heil, heiter. — J. C. Wells in: daß der Ausdruck schon vorchristlich bei den
W. Betz u. a. (Hrsg.): FS Taylor Starck (The Hague Germanen in Gebrauch war.
1964), 51-55. Held m. Mhd. heit, mndd. heit, mndl. helet,
heiter Adj. Mhd. heiter, ahd. heitar, as. hedar as. heliö, (ahd. nicht bezeugt) aus g. *haluö-
aus wg. *haidra- Adj. 'heiter’ (zunächst vom (wohl erst sekundär auch *haliö-) m. 'Held,
Himmel, dann übertragen), auch in ae. hädor. Kämpfer, freier Mann’, auch in anord. hplör
Hierzu im Germanischen anord. heiö 'klarer 'Erbbauer, Mann’, neben anord. halr 'Mann’,
Himmel’, anord. heiör 'klar, heiter’ (*haida-). ae. hcele(p). Vor allem wegen der unsicheren
Grundlage ist ein ro-Adjektiv zu einer ?-Erwei- Ausgangsbedeutung läßt sich keine klare Ver¬
terung der Wurzel *kai- 'leuchten’ (wohl zu gleichsmöglichkeit finden. Vielleicht zu *kuel-
*kai- 'brennen’, s. unter heiß)', vgl. ai. citrä- 'drehen, besorgen’, das Wörter für 'Wirt’ und
helfen 304 hemmen

'Bauer’ geliefert hat. Held als 'Hauptperson’ ist Hallensis). Das ähnliche Wort ahd. mhd. hellinc,
Lehnbedeutung nach ne. hero. as. halling scheint aber auf halbling 'halber
Nndl. held, nschw. hjälte. — Ganz (1957), 94f.; H. Pfennig’ zurückzugehen und ist deshalb abzu¬
Kolb in: FS Tschirch (1972), 384-406; H. Fromm trennen.
MDB 13 (1979), 1-10.
Helling/., auch Helge f. 'geneigte Holzbahn
helfen stV. Mhd. helfen, ahd. helfan, as. hel- beim Schiffbau’, fachsprachl. Aus mndd. hel¬
pan aus g. *help-a- stV. 'helfen’, auch in gt. link, hellinge, älter heldinge 'Schräge’ zu Halde
hilpan, anord. hjalpa, ae. helpan, afr. helpa. Das (s. d.) und mhd. beiden 'neigen’.
Wort hat keine genaue Vergleichsmöglichkeit. Kluge (1911), 364.
In Betracht kommen drei baltische Varianten:
Hellseher m. Lehnübersetzung von frz. clair-
1) alit. selbtis 'auszukommen suchen, sich zu
voyant, seit dem 18. Jh. belegt.
helfen suchen’ (kann lautlich genau entspre¬
chen), 2) lit. seTpti 'unterstützen, fördern, hel¬ Helm1 m. Mhd. ahd. as. heim aus g. *helma-
fen’; kann als Auslautvariante entsprechen; 3) m. 'Helm’, auch in gt. hilms, anord. hjalmr, ae.
lit. gelbeti 'helfen’ als Anlautvariante (*gelb- afr. heim. Vermutlich eine Konkretbildung auf
oder *ghelb-). Eine Zurückführung auf *kel- -mo- zu *kel- 'verbergen, schützen’ (s. unter
'verbergen’ (auch 'beschirmen u. ä.’) ist denk¬ hehlen), vergleichbar mit ai. särma(n) n.
bar (s. hehlen). 'Schirm, Schutzdach, Decke’.
Nndl. helpen, ne. help, nschw. hjälpa, nisl. hjalpa. Nndl. ne. heim, nschw. hjälm, nisl. hjälmur. S.
hehlen (+).
Helge /., meist PI. Nebenform zu Helling
(s.d.). Helm2 m. 'Stiel, Handhabe’, arch. Mhd. heim,
halm(e); wohl als *halbn- zu ahd. halb, helb,
Helgen m. 'kleines Bild’, schwz. Eigentlich
as. helvi n., ae. helfe m./n. gleicher Bedeutung.
'Heiliger’, da es sich ursprünglich um Heiligen¬
Näher zugehörig können auch sein Halfter1
bildchen handelte.
und baltische Wörter für 'Schlinge u. ä.’ (lit.
S. heil ( + ).
kilpa 'Schlinge, Schleife’ usw.). Wörter ähnli¬
Helium n. (= ein farbloses Edelgas), fach- cher Bedeutung sind nndl. heim 'Griff des Steu¬
sprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu gr. helios erruders’, ae. helma 'Steuerruder’, anord. hjalm-
m. 'Sonne’. So benannt, da die Spektrallinien VQlr 'Ruderpinne’; anord. hjalt n., ae. hilt m./n.,
mit denen eines auf der Sonne nachgewiesenen mndl. hebte, hilte, ahd. helza f. 'Schwertgriff’
Elements identisch sind. u. a. Eine klare Grundlage ist nicht ersichtlich.
Zum Etymon s. Sonne. S. Halfter1, Hellebarde, Holm2. — Kluge (1911), 364f.;
hell Adj. Mhd. hei, ahd. nur gehellan 'zusam¬ H. Sperber WS 3 (1912), 77-80.
menpassend, erschallend’, ahd. missehellan 'un¬ Hemd n. Mhd. hem(e)de, ahd. hemidi, as.
einig sein’ zu ahd. hellan stV. 'tönen, klingen’ hemithi aus wg. *hamipja- n. 'Hemd’, auch in
(s. unter hallen und holen). Das Wort bedeutet ae. hemeöe, afr. hamethe, hemethe. Weiterbil¬
also zunächst 'tönend’, dann 'schallend, laut’ dung zu wg. *hamön m. 'Hülle, Kleidung, Leib’
und wird dann übertragen auf Gesichtsein¬ in ae. hama m. 'Kleidung, Haut, Leib’, afr.
drücke (helle Farben u. ä.), vgl. den Ausdruck hama, homa m. 'Gewand’, ahd. (Hildebrands¬
schreiende Farben u. ä. Ganz entsprechend be¬ lied) gündhama 'Kampfhemd’. Weitere Ver¬
deutet das wurzelverwandte 1. clärus 'laut schal¬ knüpfungen sind unsicher; ai. sämulyä- Akk.
lend; hell, klar’. 'Gewand der Braut’ liegt doch recht weit ab.
Kretschmer (1969), 234f. Das germanische Wort ist über das Gallische
hellauf Adv. Bezeugt in dieser Form seit dem ins Lateinische (als camisia f.) entlehnt worden.
18. Jh. Offenbar zusammengewachsen aus dem Nndl. hemd. S. Leichnam, Hamen. — J. Sofer Glotta
Präverb auf und dem Adverb hell, z. B. hellauf 17(1929), 29f.

lachen = hell auflachen. Dann abgelöst und auf hemi- Präfix. Wortbildungselement mit der
andere Kontexte übertragen (hellauf begeistert Bedeutung 'halb' (z. B. Hemisphäre, hemizy-
usw.). klisch). Es wurde vornehmlich in griechischen
Hellebarde /., arch. Umgestaltet aus mhd. Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein
helmbarte, das aus Barte 'Beil’ (s.d., zu Bart) Ursprung ist gr. hemisys 'Hälfte’.
und Helm2 'Stiel, Handhabe’ (s. d.) zusammen¬ Etymologisch verwandt: semi-,
gesetzt ist, also eigentlich 'Stiel-Beil’; entspre¬ Hemisphäre/. 'Erdhälfte, Halbkugel’, s. At¬
chend mhd. helm-ackes (zu Axt). Ne. halberd mosphäre und semi-.
usw. sind aus dem Deutschen entlehnt.
hemmen ävcK. Mhd. harnen, hemmen, mndl.
Heller m. 'Scheidemünze’, arch. Mhd. heller, hemmen aus g. *hamija- swV. 'hemmen’, auch
hallcere, Haller pfenninc ist der in Schwäbisch in anord. hemja. Weitere Herkunft unklar.
Hall seit 1208 geprägte Pfennig (ml. denarius S. auch Hamen ( + ), Hammel. - Bahder (1925), 119.
Hengst 305 Herd

Hengst m. Mhd. heng(e)st, ahd. hengist, Heraldik/. 'Wappenkunde’, s. Herold.


mndl. henxt aus wg. *hangista- m. 'Pferd’, be¬
herausgeputzt Adj., s. aufgeräumt.
sonders 'Hengst’, auch 'Wallach’, auch in ae.
hengest, afr. hengst, hängst, hanxt 'Pferd’. Dane¬ herausstreiehen swV. Durch Striegeln werden
ben in den nordgermanischen Sprachen mit Pferde (für den Kauf) ansehnlich gemacht.
grammatischem Wechsel *hanhista- m. 'Pferd’ Schon im 16. Jh. übertragen und heute allge¬
(anord. hestr). Unmittelbar zu vergleichen ist mein tür 'lobend hervorheben’.
kymr. caseg 'Stute' (*kankstikä). Es scheint herb Adj. Mhd. har(e), her(e) 'scharf schnei¬
sich um eine seltene, aber auch sonst in Tierna¬ dend’, mhd. herwe 'Herbheit’. Keine genaue
men aultretende ^t-Bildung in der Funktion Vergleichsmöglichkeit, doch liegt es von der Be¬
eines Nomen agentis zu handeln; eine Grund¬ deutung her nahe, an *sker- 'schneiden’ mit
lage zeigt sich in lit. sanküs 'beweglich, schnell’, unregelmäßigem Verlust des j zu denken (s.
lit. sankinti 'springen lassen’ (ein Pferd), also unter scheren1). Gleichen Lautstand zeigen
Springer’ (wohl im Sinne von 'schnell laufen’, noch mhd. herwen 'ärgern’ und ae. hyrwan 'ver¬
nicht von 'bespringen’, da die Bedeutung spotten’.
'Hengst’ nicht allgemein ist). S. haarscharf, Herling. - W. Mitzka HBV 49/
Nndl. hengst, nschw. hast, nisl. hestur. - W. Krause 50(1958), 151 -155.
ANF48 (1932), 156-166; H. Krähe BGDSL 71 (1949) Herbarium n. 'Sammlung getrockneter Pflan¬
245.
zen’, fachsprachl. Im 18. Jh. mit Bedeutungsän¬
Henkel m. Bezeugt seit dem 15. Jh. Instru¬ derung entlehnt aus ml. herbarium Gemüsegar¬
mentalbildung zu henken in dessen alter Bedeu¬ ten, Kräutergarten’, zu 1. herba f. 'Pflanze,
tung 'etwas aufhängen’, also 'Mittel zum Auf¬ Kraut’.
hängen’. Morphologisch zugehörig: Herbalist; etymologisch
S. hängen ( + ). - Lühr (1988), 120. verwandt: Herbizid.

henken swV., areh. Mhd. ahd. henken kreuzi¬ Herberge/. Mhd. herberge, ahd. as. heriberga.
gen’ mit der (unregelmäßig bewahrten) Gemi- Wie afr. hereberge eine Zusammenbildung aus
nate vor altem j. Das Wort ist dann gegenüber dem Wort für Heer und einer Ableitung des
der Variante hängen (trans.) differenziert wor¬ starken Verbs bergen (s. d.), also eigentlich 'Ber¬
den; heute meint man mit henken nur noch gung, Unterkunft für das Heer’; dann verallge¬
'einen Menschen (als Todesstrafe) aufhängen’; meinert zu 'Unterkunft’. Hierher auch ne. har-
entsprechend Henker, das aber zu 'Scharfrich¬ bour 'Hafen’ ('Zufluchtsort’), das aus dem Nor¬
ter’ verallgemeinert wurde. dischen stammt, das es wiederum aus dem Nie¬
derdeutschen hat.
S. hängen ( + ). — Angstmann (1928), 28 — 31; Lühr
(1988), 364f. Nndl. herberg. S. Heer ( + ). - R. Schmidt-Wiegand
in: FS de Smet (1986), 419 — 428.
Henkersmahlzeit /. Von der Sitte ausgehend,
Herbizid n. 'chemisches Unkrautvertilgungs-
daß der Henker dem Verurteilten ein letztes
mittcT, fachsprachl. Neubildung zu 1. herba f.
Mahl richtet und dabei dessen Wünsche erfüllt.
'Unkraut, Pflanze’ und 1. caedere 'töten, hauen,
Heute 'Mahlzeit vor einem unangenehmen Er¬
schlagen, niedermachen’ (in Zusammensetzun¬
eignis’.
gen in der Form 1. -cidere, z. B. 1. percldere
Henne /. Mhd. kenne, ahd. henin, henna, 'zerhauen’).
mndd. henne, hinne, mndl. henne aus wg. Etymologisch verwandt: s. Herbarium und Zäsur.
*han-n-jaljö-, auch in ae. kenn, afr. hanne, henne',
Herbst m. Mhd. herb(e)st, ahd. herbist(o)
alte Femininbildung zu Hahn (s. d.), also 'Weib¬
aus g. * harbista- m. 'Herbst’, ursprünglich wohl
chen des Hahns’.
'Ernte’, auch in anord. haust n., ae. heerfest, afr.
Nndl. ne. hen. S. Hahn ( + ).
herfst. Zu voreinzelsprachl. *karp- 'ernten’ in 1.
Heppe /., s. Hippe1. carpere, gr. karpizomai (gr. karpös 'Frucht’), lit.
her Adv. Mhd. her, ahd. hera. Mit einem kirpti 'schneiden’; ferner Wörter für 'Sichel’ in
Suffix zur Angabe der Richtung (vgl. ahd. wara mir. corrän, russ. cerp, gr. kröpion n.
'wohin’, ahd. dara 'dorthin’) zum Pronominal¬ Nndl. herfst, ne. harvest, nschw. höst, nisl. haust. —
H. Krähe BGDSL 71 (1949), 240; M. Tallen D WEB
stamm *hi- zur Bezeichnung des Ortes, an dem
2(1963), 159-229.
der Sprecher steht. Wird der Ausgangspunkt
mit bezeichnet (vom Haus her usw.), so tritt Herbstzeitlose /., s. Zeitlose.
dieser in den Vordergrund, so daß der Ausdruck Herd m. Mhd. hert, ahd. herd, as. herth aus
auch verwendet werden kann, wenn die Rich¬ wg. *herj>a- m. 'Herd’, auch in ae. heorp, afr.
tung nicht auf den Sprecher zu ist. herth. Eine nur germanische und morphologisch
S. hier ( +). — G. Manganella AION-G 1(1958), unklare /-Erweiterung oder /-Ableitung zu ig.
139-151; Henzen (1969), 279-293. *ker(d)- 'heizen’ in lit. kürti 'heizen’ und viel-
Herde 306 Herr

leicht ai. küdayati 'versengt, verbrennt’; ferner und hängt vielleicht von it. ermellino m. ab. In
mit der Bedeutung 'Kohle’ 1. carbo, gt. hauri dieser Bedeutung ist das Wort ein Maskulinum
und lett. c?ri 'Glutsteine’. Semantisch am näch¬ (= 'Pelz’). Die Ähnlichkeit des deutschen Wor¬
sten liegen slavische Wörter (*kerno-): russ. tes mit frz. hermine (und it. ermellino, armellino
ceren 'Salzpfanne der Salzsiedereien, Feuer¬ m.), das auf Armenius mus 'Maus aus Armenien’
herd, Kohlenbecken’, ukr. cerinl 'Feuerherd’, zurückgeführt wird, ist auffällig.
poln. trion 'Herd’. In Brandherd u. ä. liegt eine H. Meyer-Lübke ZRPh 19(1895), 94; J. Koivulehto
Lehnübersetzung von 1. focus 'Herd, Brenn¬ in: FS M. Alinei (Amsterdam 1986), I, 133—147.
punkt’ vor. Hermeneutik /. 'Verfahren zum Verstehen
Nndl. haard, ne. hearth. S. Karfunkel, Pottharst, Vogel¬ eines Textes\ fachsprachl. Entlehnt aus gr. her-
herd. meneutike (techne) 'Kunst der Deutung’, zu gr.
Herde f. Mhd. hert, ahd. herta aus g. *herdö hermeneüein 'erklären, auslegen, denken.
f 'Herde’, auch in gt. hairda, anord. hjprö, ae. hermetisch Adj. ‘völlig, zur Gänze’, sonder-
Iieord', dieses aus voreinzelsprachl. *kerdhä f. spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus neo-1. hermetice
'Reihenfolge, Herde’, auch in akslav. creda (dass.), das zurückgeht auf neo-1. sigillum Her¬
Reihe, Herde’, davon abgeleitet lit. kerdzius m. metis 'das Siegel des Hermes’. Der Name ist die
'erwachsener Oberhirt’; weiter abliegend kymr. griechische Bezeichnung (eigentlich gr. Hermes
cordd 'Gruppe, Stamm, Schar’, gr. körthys 'Ge¬ Trismegistos 'dreifach größter Hermes’) für den
treidehaufen, Garbe’. Weitere Herkunft unklar. Urvater alchimistischer Weisheit, den ägypti¬
Das -d- in dem neuhochdeutschen Wort gilt als schen Gott Thot, der ein Siegel erfunden haben
Einfluß des Niederdeutschen. soll, mit dem man Röhrchen luftdicht („herme¬
Ne. herd, nschw. hjord, nisl. hjörö. S. Hirt. tisch“) abschließen- konnte.
Hering m. Mhd. herinc, ahd. häring, hcerinc, Morphologisch zugehörig: Hermetik. — J. W. Walz
mndd. herink, harink, mndl. harinc geht wie ZDW 12(1910), 185; K.-H. Weinmann DWEB
2(1963), 392.
ae. hcering auf *härenga- (oder -inga-) zurück,
während ahd. as. hering auf Kürze (*harenga-) Heroin n. (= ein Rauschgift). Neubildung
weist. Herkunft unklar. Bereits im 6. Jh. ins des 19. Jhs. zu gr. heröiös, heröios 'heldenhaft’
Lateinische (haringus) entlehnt. in der späteren Bedeutung 'stark’, einer Ablei¬
Nndl. haring, ne. herring. — E. Müller-Graupa Glotta tung von gr. hirös m. 'Held’.
18 (1930), 136 Anm. 3. Etymologisch verwandt: s. heroisch.

Herkules m. 'sehr starker Mann’. Entlehnt heroisch Adj. 'heldenmütig, erhaben’, sonder-
aus 1. Hercules, dem lateinischen Namen für sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
den griechischen Sagenhelden Herakles, dessen I. heröicus, dieses aus gr. heröikös (dass.), zu gr.
besondere Qualitäten seine Kraft und sein Ein¬ herös 'Held’.
fallsreichtum waren. Morphologisch zugehörig: Heroe, Heroik, Heroin ( =
ein Rauschgift), Heroin 'Heldin’, Heroine, heroisieren,
Herling m. 'unreife Traube’, fachsprachl.
Heroismus. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 74.
Mhd. herlinc, ahd. herling. Zu mhd. here, herves
Herold m. 'mittelalterlicher Hofbeamter, Ver¬
"herb’ (s. herb) als 'herbe (Traube)’.
künder’, arch. Im Spätmittelhochdeutschen
E. Björkman ZDW 3(1902), 269; R. Hildebrandt in:
FS W. Kleiber (im Druck).
(spmhd. heralt, heralde) entlehnt aus gleichbe¬
deutend afrz. heraut, haraut, hiraut, das zurück¬
Hermaphrodit m. 'Zwitter’, fachsprachl. Ent¬
geht auf frk. *heriwald (wörtlich: „Heeres-wal-
lehnt aus gleichbedeutend 1. hermaphrodüus, ter“). Auf diese Form könnte vor allem der
dieses aus gr. hermaphröditos (dass.), nach der schon bei Tacitus bezeugte Männername Cha-
Sagenfigur des Hermaphröditos. Er wurde auf riovalda hinweisen. Semantisch liegt allerdings
Wunsch einer Quellnymphe, die er zurückgewie¬ ein Anschluß an gt. hazjan 'loben, preisen’, ahd.
sen hatte, von den Göttern mit ihr auf ewig hären 'rufen, schreien’ näher, doch bleibt dann
vereint, indem sie aus den beiden ein Wesen — das vorauszusetzende Hinterglied unklar. Vgl.
halb Mann, halb Frau — schufen. noch ahd. forahara 'Verkünder’. Selben Ur¬
Hermelin n. Mhd. hermelin, ahd. harmili(n), sprungs ist nhd. Heraldik Wappenkunde’, das
liarmil 'Wiesel’ (besonders das im Winterpelz). sein Benennungsmotiv aus der Funktion der
Verkleinerungsform zu ahd. as. harmo m., ae. Herolde bezieht, bei Turnieren die Wappen der
hearma m. Wiesel’. Aus voreinzelsprachl. *ker- Teilnehmer zu prüfen.
mön in lit. sermuö, sarmuö m.\ Zugehörigkeits¬ Zu den Etyma s. Heer und walten.
bildung zu *kormo- 'Reif, Schnee, Hagel’ in lit. Herr m. Mhd. herre, herre, ahd. Iterro, heröro,
sarmas m. 'Reif, gefrorener Tau’, als 'das wie as. herro, eigentlich der Komparativ zu hehr
Schnee aussieht'. Die neuhochdeutsche Endbe¬ (s. d.). Seit dem 8. Jh. als Substantiv verwendet
tonung geht aus von dem Wort für den Pelz im Anschluß an 1. senior in gleicher Verwendung
Herrche 307 heucheln

(das eigentlich 'der ältere’ bedeutet). Ebenso gleichbedeutend gr. hetaira 'Freudenmädchen,
afr. hera\ während ae. hearra und anord. herra, Freundin’, der movierten Form von gr. hetdiros
harri, herri aus dem Deutschen entlehnt sind. m. '(makedonischer) Adliger in der Funktion,
Im Anschluß daran Herren- in Komposita: ei¬ den König zu beraten und zu unterstützen,
gentlich 'den Herren (Adeligen) Vorbehalten’, Freund, Gefährte’. Euphemistische Bezeich¬
dann häufig für 'besser, hochstehend’. nung für gebildete Prostituierte, später meist
S. hehr, Herrche, herrlich, Herrschaft, herrschen. — A. gebraucht, um sie von den ungebildeten gr.
Schirokauer: Germanistische Studien (Hamburg 1957) pörnai PI. zu unterscheiden.
213-221.
Morphologisch zugehörig: Hetärie.
Herrche m., Herrle m. 'Großvater’, lux.-lothr.,
hetero- Präfixoid. Wortbildungselement mit
ofrk. Kürzung aus Ahnherr mit dem Suffix der
der Bedeutung 'verschieden, fremd, anders’
Koseformen.
(z. B. Heterodoxie, heterosexuell). Es wurde
S. Ahn, Herr ( + ). Vgl. Frauche, Fräle. — Müller
vornehmlich in griechischen Entlehnungen ins
(1979), 50.
Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr.
herrlieh Adj. Mhd. ahd. herlth, as. herllk. Ur¬ heteros 'der andere, abweichend, verschieden’.
sprünglich Weiterbildung von hehr, dann auf
heterogen Adj. 'gemischt, verschieden’, son-
Herr (s. d.) bezogen und entsprechend abge¬
dersprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
wandelt.
gleichbedeutend ml. heterogeneus, dieses aus gr.
Herrschaft /. Mhd. herschaft, ahd. her¬ heterogenes (dass.), zu gr. heteros 'anders, ver¬
schafft), zunächst 'Würde, Ehrenamt’, aber schieden’ und gr. genos 'Klasse, Art’, das mit 1.
auch 'Herrschaft’, also zu hehr (s. d.), aber von genus 'Geschlecht, Art’ verwandt ist.
vorneherein unter dem Einfluß von Herr (s. d.). Morphologisch zugehörig: Heterogenität, hetero--, ety¬
Günther (1979). mologisch verwandt: s. Genus. - W. Feldmann ZDW
8(1906/07), 74.
herrschen swV. Mhd. hers(ch)en, hersen, ahd.
herisön. Ableitung zu hehr, aber semantisch aus¬ Hetze /., s. Elster.
gehend von Herr (s. d.), also ursprünglich 'Herr hetzen swV. Mhd. hetzen aus wg. *hat-eja-
sein’. 'verfolgen, hetzen’, auch in ae. hettan. Dem
Herz n. Mhd. herz(e), ahd. herza, as. herta Sinn nach gehört dieses Verb zu gr. (hom.) hypö
aus g. *hertön n. 'Herz’, auch in gt. hairto, kekädonto 'sie wichen zurück’ (also 'zurückwei¬
anord. hjarta, ae. heorte /., afr. herte, hirtz f chen’ und dazu ein Kausativ 'in die Flucht
Aus dem ursprünglich ablautenden Wurzelno¬ schlagen, verfolgen, hetzen’). Das griechische
men ig. *kerd- n. 'Herz’, auch in heth. kard-, Verb bedeutet aber im Aktiv 'rauben, berau¬
gr. kardia /., gr. (ep.) ker, 1. cor (-rdis), air. ben’, so daß die Bedeutungsverhältnisse nicht
cride, lit. sirdis /., akslav. srüdice\ eine Variante ausreichend klar sind. Unklar ist auch der Zu¬
liegt vor in ai. hrä-, hrdaya- (*gherd-). Weitere sammenhang mit Haß (s. d.) und seiner Sippe.
Herkunft unklar. Vgl. auch gt. hatjan 'hassen’ (neben hat an, das
Nndl. hart, ne. heart, nschw. hjärta, nisl. hjarta. S. sich mit der Form der anderen germanischen
Akkord ( + ). Sprachen vergleicht).
S. Hatz, Haß.
Herzog m. Mhd. herzoge, ahd. herizogo,
as. heritogo aus wohl schon gemein-g. *har- Heu n. Mhd. höu(we), hou(we), heu, ahd.
ja-tug(ön) m. 'Heerführer’, auch in anord. her- hou(wi), hewi, as. höi aus g. *haw-ja- n. 'Heu’,
togi, hertugi, ae. heretoga, afr. hertoga. Das auch in gt. hawi, anord. hey, ae. heg, afr. hä,
Wort dürfte eine Lehnübersetzung aus gr. (ion., he. Das Wort gehört vermutlich zu hauen (s. d.)
att.) strategös oder eher noch von gr. (poet.) als 'das gehauene Gras’. Zu beachten ist aller¬
stratelätes 'Heerführer’ sein (zu gr. stratös dings eine lautlich mehrdeutige Gruppe, die aus
'Heer’ und elaünein 'ziehen’). Solche Heerführer anord. hä f. 'Grummet’, lit. sekas m. 'frisch
waren im byzantinischen Reich häufig Germa¬ gehauenes (Grün)Futter’ und evtl. ai. säka- 'e߬
nen, so daß ein unmittelbarer Zusammenhang bares Kraut, Gemüse’ (dieses vielleicht aber
gegeben ist. In der Karolingerzeit wird aus dem nicht indogermanisch) besteht. Falls ig. *keku-
militärischen Rang eine Fürstenbezeichnung. angesetzt wird, könnte Heu (als *kdku-jo- zu
S. Heer( + ), ziehen ( + ). — E. Schröder ZSSR-GA *hagw-ja-) eine schwundstufige Bildung dazu
44(1924), 1-9; R. Herzog SPAW (1933), 411; R. sein.
Much Teuthonista 9 (1933), 105 — 116. Nndl. hooi, ne. hay, nschw. hö, nisl. hey. S. hauen (+),
Hauhechel. — J. Trier in: FS Arnold (1955), 258.
Hetäre/, 'hochgebildete (meist) politisch und
gesellschaftlich einflußreiche Freundin bzw. heucheln swV Erst seit dem 16. Jh. (Luther)
Geliebte zumeist bedeutender Männer’, fach- bezeugt; aus dem Niederdeutschen eingedrun¬
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus gen, vgl. nndl. huichelen. Mit niederdeutschem
Heuer 308 Hiefe

Übergang von w zu g/ch, zu ae. hiwian 'bilden, s. oben; lit. sis, akslav. si 'dieser’, apreuß. schai
bemalen, heucheln’ zu g. *hiwja- n. 'Aussehen, 'hier’, heth. kl (Nom./Dat. Sg.) 'dieses hier’.
Farbe, Form’ in gt. hiwi, ae. hiw\ 'heucheln’ ist S. he int, hier ( + ).
also ursprünglich 'etwas bilden, formen’, evtl, Hexameter m. (= ein Versmaß), fachsprachl.
'färben’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (ver¬
H. Schröder BGDSL 29 (1904), 556f. sus) hexameter, aus gr. hexämetros 'sechsfüßig’,
Heuer/. 'Miete, Lohn\ fachsprachl. Aus ndd. zu gr. hex 'sechs’ und gr. metron n. 'Maß, Vers¬
hüre\ in hochdeutschen Quellen seit mittelhoch¬ fuß’. So bezeichnet als sechsfüßiges Versmaß.
deutscher Zeit bezeugt. Das vorauszusetzende Etymologisch verwandt: s. Metrik.
*hür-ija- (nndl. huren, afr. hera, ae. hyrian, ne. Hexe /. Mhd. hecse, ahd. hazissa, hagzussa
hire) ist vielleicht vergleichbar mit gr. ä-kyros u. ä., mndl. hagetisse aus wg. *haga-tusjö (o. ä.)
'ohne Rechtskraft’, gr. kyros n. 'Rechtskraft’, /. 'Hexe’, auch in ae. hcegtesse. Der erste Be¬
gr. kyröö 'ich mache, werde rechtskräftig’ u. ä. standteil ist Hag (s. d ), das an das Gehöft an¬
Wenn aber *küs- (mit Rhotazismus) vorauszu¬ grenzende, aber nicht mehr voll zu ihm gehö¬
setzen ist, könnte heth. kussan- n. 'Lohn, Sold, rende Gebiet. Außerdem scheint es, nach anord.
Preis’ verglichen werden. tünriöa, mhd. (14. Jh.) zunrite 'Zaunreiterin,
S. Heiermann. — Kluge (1911), 365f.; B. Cop Sprache Hexe’ zu schließen, daß in der germanischen
3 (1957), 138-141; A. R. Bomhard RHA 31 (1973), Vorstellung von Hexen, diese auf dem Zaun
111-113; E. Seebold ZVS 96 (1982/83), 47. (oder Dachfirst) reiten. Der zweite Bestandteil
heuer Adv., südd. Mhd. hiure, ahd. hiuro, hiuru könnte zu voreinzelsprachl. *dhwes- 'Geist’ ge¬
aus hiu järu 'in diesem Jahr’ (zum ersten Ele¬ hören, vgl. lit. dvasiä 'Geist’ und dehnstufig
ment s. heute). mhd. getwäs n. 'Gespenst’. Anders Polome
S. heurig, heute ( + ), Jahr. — G. Stötzel: Die Bezeich¬ (s. u.): Zu haga-, das irgendetwas mit Sexualität
nung der zeitlichen Nähe (Marburg 1963), 17 — 32. zu tun hat (s. hecken zu den einschlägigen Wör¬
tern) und norw. (dial.) tysia 'Elfe’ als 'Scham¬
heulen swV. Mhd. hiulen, hiuweln, ahd. hüwi-
zauberin’. Die Einzelheiten bleiben auch hier
lön, hülön, mndd. hulen\ eigentlich 'schreien wie
unklar; eine sexuell bestimmte Ausgangsbedeu¬
eine Eule’ zu mhd. hiuwel, hüwel, ahd. hüwo
tung ist aber denkbar.
'Uhu, Eule’. Ähnlich 1. ululäre 'heulen’ von 1.
Nndl. heks, ne. hag. S. Hag (+). — O. Lauffer in:
ulula 'Kauz’.
Volkskundliche Ernte, FS H. Hepding (Gießen 1938),
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 188-193. 114-130; E. C. Polome in: FS Schützeichel (1987),
heureka ('ich habe es gefunden’ = ein Aus¬ 1107-1112.
ruf), sondersprachl. Im 18. Jh. übernommen aus Hexenschuß m. Erst frühneuhochdeutsch be¬
gr. heuriskein 'finden’ (Perfekt heureka). Nach zeugt, beruht aber offenbar auf einer alten Vor¬
dem vermeintlichen Ausruf des Archimedes, als stellung, vgl. ae. hcegtessan gescot neben ae. ylfa
er das Gesetz des spezifischen Gewichts ent¬ gescot 'Elfengeschoß’ und ne. elf-arrow für die
deckte. gleiche Krankheit.
Etymologisch verwandt: [Heuristik]. P. Lessiak ZDA 53 (1912), 136-140; Bächtold-Stäubli
(1927/42), VII, 1576f.
heurig Adj., südd. Mhd. hiurec Adjektivbil¬
dung zu heuer (s. d.). Der Heurige ist in Öster¬ Hibiskus m., fachsprachl. Junge Entlehnung
reich der junge Wein. einer Variante zu dem unter Eibisch (s. d.) be¬
handeltem Wort.
Heuschrecke /., auch Heuschreck m. Mhd.
hickeln swV. 'hinken’, reg. Mhd. hickeln
höuschrecke, höuschricke m., ahd. hewiscrecko,
'springen, hüpfen’. Herkunft unklar; vielleicht
houwiscrecko m. eigentlich 'Heuspringer’ zu al¬
Lautgebärde.
tem schrecken 'springen’ (s. unter schrecken).
Hicker m. 'Schluckauf’, reg. Lautmalend
heute Adv. Mhd. hiute, ahd. hiutu, hiuto, as.
(vgl. hick als Interjektion).
hiudu, wie afr. hiüdega, hiüde, hiöda, ae. headceg
aus *hiu tagu 'an diesem Tag’ zusammenge¬ Hickhack n. 'Streiterei’, ugs. Ablautende und
reduplizierende Bildung zu hacken (s. d.), etwa
wachsen. Der gleiche Pronominalstamm *hi-
im Sinn von 'hin- und herhacken’.
dieser’ erscheint in gt. himma daga 'heute’ und
und hina dag 'bis heute’ (bis zu diesem Tag). hie Adv., arch., s. hier.
Außergermanisch entspricht morphologisch gr. Hieb m. Im 15. Jh. gebildet aus dem Präteri¬
timeron, gr. (ep., ion., hell.) semeron 'heute’ aus tum hieb zu hauen (s. d.).
*ki- und dem griechischen Wort für 'Tag’; mit Hiefe /. 'Hagebutte’, südd. Mhd. hiefe, ahd.
anderen Stämmen I. hodie. Der Pronominal¬ hiofa, hiufa (u. ä.), as. hiopo m. aus g. *heupön
stamm *ki- erscheint auch in 1. cis 'diesseits’, 1. f. (auch m.), auch in ae. heopa m., heope und
citrö 'hierher’ usw., air. ce 'hier, diesseits’; gr. in nordischen Mundarten. Mit dem Baum-
hienieden 309 hin

namensuffix (vgl. Holunder) ahd. hiofaltra, hiu- helfa, as. helpa, afr. helpe, ae. help m./f., anord.
faltar, hiufoltra 'Dornstrauch, wilde Rose’. Ver¬ hjplp. Auch fnhd. Hülfe, mhd. hülfe, ist eine nur
mutlich mit russ. sunica 'Walderdbeere' zu ai. deutsche und wohl sekundäre Form.
söna- 'rot, hochrot’, also Bezeichnung nach der Nndl. hulp, ne. help, nschw. hjälp, nisl. hjälp.
Farbe der Beere.
Hilpertsgriffe PI. 'Roßtäuscherkniffe’, fach¬
Nndl. joop, ne. hip. — Bahder (1925), 151 f. Anders:
sprachl. Seit dem 16. Jh. bezeugt. Vermutlich
R. Trautmann ZVS 42 (1908/09), 369.
zurückgehend auf Meister Albrants Roßarznei¬
hienieden Adj. 'hier unten’, arch. Zusammen- buch (13. Jh.), das im Laufe der Zeit entartete
rückung aus (mhd.) hie, einer Variante von hier und als Anleitung für Täuschungsmanöver gel¬
(s. d.) und niden(e) 'unten’, einer heute nicht ten konnte.
mehr gebräuchlichen Lokativform zu nieder G. Eis (1939), 106f.
(s. d.).
Himbeere J. Mhd. hintber n., ahd. hinlberi n.,
hier Adv., auch hie Adv., (arch.). Mhd. hie(r), as. hindberi n. aus wg. *hinda-basja- n. 'Him¬
ahd. hia(r), as. her aus g. *her (e2) 'hier’, auch beere’, auch in ae. hindberige. Das Wort kann
in gt. her, anord. her, as. her, afr. hir; eine eine Zusammensetzung aus Hinde (s. d.) und
Lokativbildung auf -r zu dem Pronominal¬ Beere sein, obwohl das Benennungsmotiv un¬
stamm *kei- 'hier’, auch 'dieser hier’ (s. unter klar bleibt.
heute) mit noch unaufgeklärter Vokalverände¬ L. Wienesen: Die Brombeere (Gießen 1952), 90f.; J.
rung (vermutlich *kei-r oder *kei-r). Höing DWEB 5 (1968), 335-403.
S. her, heuer, heute, hienieden, hiesig, hin, hinnen. Himmel m. Mhd. himel, ahd. as. himil, wie
Hierarchie /. 'Rangordnung’, sonder spracht. afr. himel, himul durch Suffix-Ersatz (oder Dis-
Im 18. Jh. entlehnt aus kirchen-1. hierarchia similierung) aus älterem *himena- m. 'Himmel’
'innerlich festbestimmte Rangordnung’, dieses entstanden. Dieses zeigt sich in gt. himins,
aus nicht klassischem gr. hierarchia 'die Herr¬ anord. himinn\ während ae. heofon, as. heban
schaft des Priesters’, zu gr. hiereüs m. 'Priester’, das m dissimilatorisch zu v (stimmhafter bi¬
zu gr. hierös 'heilig’; der zweite Bestandteil geht labialer Reibelaut) weiterentwickelt haben. In
zurück auf gr. ärchein 'herrschen’. Zunächst Form und Bedeutung vergleichbar mit Wörtern
beschränkt auf die Rangordnung von Priestern für 'Stein’, die auch 'Himmel’ bedeuten kön¬
und Engeln; dann Verallgemeinerung. nen — zu 'Stein’ s. unter Hammer, die Bedeu¬
Etymologisch verwandt: s. Anarchie und Hieroglyphe. tung 'Himmel’ in ai. äsmä 'Stein, Fels, Himmel’,
gr. äkmön 'Amboß’. Die Lautfolge des germani¬
Hieroglyphe /. 'bilderschriftliches Zeichen’,
schen Wortes zeigt die gleiche Abweichung wie
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
bei Hammer, die Bedeutungsverhältnisse sind
deutend frz. hieroglyphe m., das zurückgeht auf
umstritten. Nach Mäher (s. u. ) eigentlich 'Ge¬
gr. hieroglyphikä grämmata PI. 'die heiligen
witterhimmel’ (im Gegensatz zu *djeu- 'Tag-
Schriftzeichen’, zu gr. hierös 'heilig’ und gr.
himmel’), benannt nach den 'Donnerkeilen’
glyphein 'eingravieren’.
(='Steinen’, vgl. den Hammer des Donner¬
Etymologisch verwandt: Glyptothek und Hierarchie.
gottes Thor), die aus ihm kommen.
hiesig Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh. Als Aus¬ Nndl. hemel, ne. heaven, nisl. himinn. — J. Schindler
gangspunkt wird *hie-wesig zu wesen 'sein, woh¬ Kratylos 15(1970), 152; J. P. Mäher JIES 1 (1973),
nen’ vermutet. Vgl. dasig. 441 —462; J. P. Mäher in: McCormack/Wurm (1978),
85-106. Vgl. auch: E. Fraenkel ZVS 63 (1936), 183f.
S. hier{ + ). - E. Öhmann NPhM 55(1954), 188f.
himmeln swV, s. anhimmeln.
hieven swV, ugs., fachsprachl. Als Seemanns¬
ausdruck im 19. Jh. aus dem Englischen (to himmelschreiend Adj. Seit dem 17. Jh. bezeugt
im Anschluß an 1. Mose 4,10 (das Blut deines
heave) entlehnt.
Bruders schreit zu mir, vom Brudermord Kains).
Hi-Fi 'hohe Wiedergabequalität\ fachsprachl.
Himten m. 'Getreidemaß’, ndd., omd. Mhd.
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. hi-
(md.) hemmete; früher als ml. herneta bezeugt.
fi, eigentlich high fidelity (wörtlich: 'hochgra¬
Offenbar ist das 1. hemina f. (s. Irnmi) und das
dige [Klang-]Treue’).
deutsche Metze, mndd. matte, mette f. gekreuzt
Etymologisch verwandt: s. hoch und Föderalismus.
worden.
Hifthorn n., fachsprachl. Auch umgedeutet als E. Schwentner BGDSL 56 (1932), 351 —354.
Hifthorn = 'an der Hüfte getragenes Horn’, hin Adv. Mhd. hin(e), ahd. hin(n)a, mndl.
älter Hiefhortr, zu Hift, älter Hief 'Stoß ins hene, auch altenglisch als Vorderglied hin- be¬
Horn’, vergleichbar mit gt. hiufan 'klagen’. zeugt. Als Pronominalbildung zur Bezeichnung
Hilfe /. Mhd. helfe, hilfe, ahd. helfa, hilfa des Ausgangspunktes 'von hier’ zu dem Prono¬
zeigen eine von den Präsensformen beeinflußte minalstamm *hi-, ig. *ki- gebildet.
Lautung. Die ältere Form ist mhd. helfe, ahd. Nndl. heen. S. hier ( + ). — Henzen (1969), 279 — 293.
Hinde 310 Hippe

Hinde/. 'Hirschkuh’, arch. Mhd. hinde, ahd. hinter- ist der Hintere oder Hintern (mhd. hin¬
hinta, hinda, hinna aus g. *hindö f. 'Hinde’, auch der) 'Gesäß’ substantiviert.
in anord. ae. hind. Vorauszusetzen ist *kemtä S. auch hindern, hinten, Hinterhalt. — H. Schulz ZDW
'die Geweihlose’ zu ai. säma- 'hornlos’, lit. smü- 10(1909), 143f.; Henzen (1969), 86-132; Seebold
las 'hornlos’, gr. kemäs, (-ädos) 'Hirschkalb, (1984), 65.

junge Hinde, junger Hirsch’. Hinterbieten m., s. Bieten.


Nndl. hinde, ne. hind, nschw. nisl. hind. S. auch Him¬ hinterfotzig Adj. 'hinterhältig’, bair. Herkunft
beere. nicht ausreichend klar; wohl zu fotzein = frot¬
hindern swV. Mhd. hindern, ahd. hintaren wie zeln 'zum besten haben’ ('hinter dem Rücken
ae. hindrian, anord. hindra eine Ableitung zu zum besten haben’).
hinter (s. d.), also etwa 'hintansetzen, zurück¬ Hinterhalt m. In der heutigen Bedeutung be¬
halten’ (vgl. fördern). zeugt seit dem 16. Jh. Eigentlich ein Versteck,
Nndl. hinderen, ne. hinder. um den Gegner von hinten zu überfallen; auch
Hinkel n., etymologisch genauer Hünkel n. die Truppen, die dies tun. Zu hinter (s. d.) und
'Hühnchen’, md. Mhd. hünkel, hinkel, huoniclln, halten (s. d.).
ahd. huoni(n)klin; mit einem komplexen Dimi¬ Hintern m., s. hinter.
nutiv-Suffix zu Huhn gebildet. hinterrücks Adv. Bezeugt seit dem 15. Jh. als
S. Hahn ( + ). 'hinter dem Rücken’ mit adverbialem Genetiv
hinken swV. Mhd. hinken stV, ahd. hincan (zu der alten Form Ruck). Älter ist der von der
stV, mndd. hinken aus g. *henk-ö- swV. 'hin¬ Präposition abhängige Dativ: mhd. hinderrucke,
ken’, auch in anord. hinka, ae. hincian. Daneben ahd. hintar rukke, -allerdings mit nicht übertra¬
mit Ablaut mhd. hanken, mit s- anord. skakkr gener Bedeutung 'rückwärts’.
'hinkend, schief’. Das Wort ist althochdeutsch Hintersaß m., Hintersasse m. 'Abhängiger’,
und mittelhochdeutsch (wohl sekundär) stark schwz. Mhd. hinder-saze, hinder-sezze. Mit der
flektiert. Außergermanisch ist die Variante mit gleichen Ableitung von sitzen wie Insasse (s. d.)
s- vergleichbar: gr. skäzö 'ich hinke’, ai. khähjati gebildet.
'hinkt’ (mittelindische Lautvertretung von sk-). Hintertreffen n., ugs. Eigentlich der beim
Nndl. hinken. S. Schenkel. Kampf (Treffen) hinten stehende Teil des Hee¬
hinnen Adv., arch. Mhd. hinnen, ahd. res, ohne Anteil an den Vergünstigungen im
Fall eines Sieges.
hin(n)än, as. hinan(a), wie ae. heonan eine er¬
weiterte Adverbialbildung zur Angabe des Aus¬ Hinterwäldler m. Seit 1833 bezeugt als Lehn¬
gangspunktes, also 'von hier weg’ zum Prono¬ übersetzung von ne. (am.-e.) backwoodsman.
minalstamm *hi- 'hier’. Gemeint sind die Bewohner der 'neuen Ansied¬
S. hier ( + ). lungen jenseits der Alleghanygebirge’.
A. Gombert ZDW 7 (1905), 146.
hinrichten swV. Entspricht richten 'verurtei¬
len, Urteil vollstrecken’ (durch den Zusammen¬ Hinz und Kunz 'jeder beliebige’, ugs. Nach
hang Richter — Scharfrichter, Nachrichter ver¬ zwei gebräuchlichen altdeutschen Vornamen:
anlaßt) mit verstärkendem hin-, so daß die Be¬ Hinz ist wie Heinz Kurzform zu Heinrich und
ist der Lautform nach mitteldeutsch; Kunz ge¬
deutung frühneuhochdeutsch einerseits 'zu¬
hört zu Konrad und ist eine oberdeutsche Form.
grunde richten’, andererseits 'das Todesurteil
Die Wahl gerade dieser beiden Namen (und
vollstrecken’ ist.
Namenformen) ist sicher nicht zuletzt wegen
hinten Adv. Mhd. hinden, ahd. hintana, as. der dadurch gewonnenen Lautabwandlung er¬
(bi-)hindern', entsprechend ae. hindan, gt. hin- folgt. Hinz, Hinze, Heinz steht regional für ver¬
dana. Sekundäre Lokativbildung zu einem aus schiedene Tiermännchen (wie ne. tomcat u. ä.).
hinter (u. ä.) abgelösten Stamm hind-, Meisinger (1924), 35 — 39.
S. hinter ( + ).
Hiobspost /., arch.', Hiobsbotschaft /. 'Un¬
hinter Präp. Mhd. hinder, hinter, ahd. hintar glücksnachricht’, sondersprachl. Im 18. Jh. ge¬
aus g. *henderan Präp. 'hinter’, auch in gt. hin- bildet zum Eigennamen Hiob aus dem Alten
dar, ae. hinder, eigentlich Akkusativ Neutrum Testament. Hiob wird von einer Reihe von
eines alten Komparativs (oder einer Gegensatz¬ Schicksalsschlägen getroffen, die er demütig
bildung) auf ig. *-tero- (wozu als Superlativ und in festem Glauben erträgt. Post in der alten
gt. hindumists, ae. hindema). Die Grundlage ist Bedeutung 'Botschaft’.
vermutlich ein komplexes Pronomen aus den Hippe1/. 'Sichelmesser’, sondersprachl. Mhd.
Stämmen *k- und *-en-, wie im anord. Anapho- hepe, ahd. habba, heppa, mndd. hep(p)e, hep,
rikum hann usw. Aus dem zugehörigen Adjektiv heipe, hiepe, mndl. hepe aus vor-d. *häbjön f.
Hippe 311 Hit

'Sichelmesser5. Die lautlichen Abwandlungen sticht5, fachsprachl. Seit dem 17. Jh. für älteres
beruhen darauf, daß sich für den schriftlich Weidmesser.
kaum gebrauchten Fachausdruck keine überre¬
Hirschhornsalz «., fachsprachl. Erst neuhoch¬
gionale Form herausgebildet hat, so daß die
deutsch bezeugt. Ammoniumcarbonat als Treib¬
regionale Herkunft der Belege von Zufälligkei¬
mittel für Backwerk, früher aus Hirschhorn ge¬
ten abhängt. Ähnliche Ausdrücke liegen vor in
wonnen.
gr. kopis, (-idos) m. 'Schlachtmesser, krummer
SäbeF, gr. kopäs, (-ädos) 'beschnitten, gestutzt5 Hirschkäfer m. Seit dem 17. Jh. bezeugt, be¬
zu gr. köptö 'ich schlage, haue5 (s. auch nannt nach den geweihartigen Oberkiefer. Ver¬
Komma), lit. kapöne 'Haue, Beil’ zu lit. kapöti deutlichende Zusammensetzung nach älterem
'hacken, spalten5 und lit. käpti 'hauen, fällen5; einfachen hirz, vgl. 1. cervus, zu dem es vielleicht
eine Bedeutungsentlehnung darstellt.
ferner russ. kopäti 'hacken, hauen, graben5. Der
Vokalismus des germanischen Wortes bleibt da¬ Hirse/ Mhd. hirs(e) m., ahd. hirso, hirs(i) m.,
bei unklar. as. hirsim. aus vor-d. *hersja- m. 'Hirse5 (Rispen¬
Th. Frings ZRPh 63 (1943), 174—178. hirse). Offenbar eine Zugehörigkeitsbildung auf
-jo- zu einem *keros- n. 'Sättigung, Nahrung5,
Hippe2/., auch Heppe/., Happe/. 'Ziege5, reg.
am besten erhalten in 1. Ceres, dem Namen der
Geht zurück auf eine affektive Verschärfung
römischen Göttin des pflanzlichen Wachstums,
des inlautenden Konsonanten zu Haber(geiß)
arm. ser 'Abkunft, Geschlecht’; der Bedeutung
(s. d.), worauf das auslautende r abfiel.
nach näher stehen gr. köros m. 'Sättigung5, gr.
K. Rein DWEB 1 (1958), 260-272.
korennymi 'sättigen5, lit. serti 'füttern5 und mit
Hippie m. 'zumeist junger Mensch, der natür¬ Vollstufe der zweiten Silbe 1. crescere 'wachsen5.
liches und friedfertiges Zusammenleben in der M. Niedermann: Symbolae in honorem J. Rozwadowski
Art der Jugendbewegung der 60er/70er Jahre (Cracoviae 1927), I, 109 — 117.
propagiert5. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Hirt m. Mhd. hirt(e), ahd. hirt(i), herte, as.
deutend ne. hippie, hippy, einer hypokoristi- hirdi aus g. *herd-ija- m. 'Hirt5, auch in gt. hair-
schen Ableitung von am.-e. hip, hep 'modern, deis, anord. hiröir, ae. hi(e)rde. Zugehörigkeits¬
informiert5, dessen Herkunft nicht geklärt ist. bildung (Nomen agentis) zu dem Wort für Herde
Hirn n. Mhd. hirn(e), ahd. hirn(i); dabei (s. d.). Genau vergleichbar ist lit. kerdzius 'Ober¬
zeigt mndl. hersene, daß von *hersnja- auszuge¬ hirt5.
hen ist; vermutlich geht darauf auch anord. Ne. shepherd, nschw. herde, nisl. hiröir.
hjarni m. 'Hirn5 mit sekundärer Umgestaltung Hirtentäschel«. (= eine Pflanze), fachsprachl.
zurück. Grundlage hierfür ist ein Wort, das Entsprechende Bezeichnungen sind dem Typ
noch in nisl. hjassi, nschw. hjässa 'Schädel5 be¬ nach seit dem 16. Jh. bezeugt. Die Pflanze heißt
zeugt ist und das auf *hersön zurückgeht. Hirn so nach der Form der Samenschoten.
ist also eigentlich 'das im Schädel, im Kopf Marzeil (1943/79), I, 788-795.
befindliche5, zu der gleichen Grundlage wie 1.
hissen swV. '(Segel, Fahne) hochziehen5. Aus
cerebrum 'Gehirn5 (*kerds-ro-) und gr. kränion der niederdeutschen Seemannssprache (mndd.
'Schädeldecke, Scheitel5. Das zugrundeliegende hissen)', offenbar lautmalend nach dem Ge¬
Wort für 'Kopf5 ist bezeugt in ai. siras- n. (zu räusch, das entsteht, wenn Taue über Rollen o. ä.
dem die übrigen Kasusformen von einem erwei¬ gezogen werden. Neuer auch heißen (aus nndl.
ternden «-Stamm gebildet werden) und gr. kärä. hijseri)', sonst auch hitzen u. ä.
Nndl. hersenen, nschw. hjärna. S. Hirsch, Horn( + ), Kluge (1911), 370 — 372. Vgl. die Auseinandersetzung
Zervelatwurst. — Seebold (1981), 158 — 161; Nuss¬ bei: C. Walter NBK 19(1896/97), 78, 81f. und NBK
baum (1986), 185-194. 20(1898), 1-9.
Hirsch m. Mhd. hirz, ahd. hir(u)z, as. hirot Historie /. 'Geschichte5, sonder spracht Im
aus g. *heruta- m. 'Hirsch5, auch in anord. Mittelhochdeutschen (mhd. histörje) entlehnt
hjprtr, ae. heorot. Von der gleichen Grundlage aus gleichbedeutend 1. historia, dieses aus gr. hi-
(aber morphologisch verschieden) wie kymr. storia (dass., wörtlich: 'Wissen, Kunde5), einem
car, 1. cervus m. 'Hirsch5 zu *kerd-u- 'Horn5 in Abstraktum zu gr. histör m. 'der Kundige,
avest. srü, sruuä- 'Horn5, also 'der ein Horn Zeuge5.
(Geweih) hat5. Mit dieser Grundlage verwandt Morphologisch zugehörig: Historik, Historiograph, Hi¬
ist auch unser Wort Horn (s. d.) und dessen storismus, Historizität; etymologisch verwandt: Story;
nähere Verwandtschaft. zum Etymon s. wissen. — W. Feldmann ZDW8 (1906/
Nndl. hert, ne. hart, nisl. hjörtur, nschw. hjort. S. Hirn, 07), 74; K. Keuck: Historia (Diss. Münster 1934); A.
Horn ( + ). - Seebold (1981), 161f. Seifert AB2\ (1977), 226-284.

Hirschfänger m. Seitengewehr des Weid¬ Hit m. 'erfolgreiches Produkt5, ugs. Im 20. Jh.
manns, mit dem er das Wild fängt, d. h. 'ab¬ entlehnt aus gleichbedeutend ne. hit, einer Ablei-
Hitze 312 Hockey

tung von e. hit 'schlagen, treffen’, aus ae. hittan Hochrippe/. 'Rückgratrippe des (geschlachte¬
(dass.), aus anord. hitta (dass.). Es handelt sich ten) Viehs\fachsprachl. Schon spahd. höchrippe
um ein Nomen acti im Sinne von 'etwas, das ein¬ n. Heute südwestdeutsches Wort gegenüber süd¬
geschlagen hat’. östlichem hochrucke.
Hitze /. Mhd. hitze, ahd. hizza, as. *hitti aus Hochstapler m. Aus dem Rotwelschen, zuerst
*hitjö; ähnlich anord. hita und anord. hiti m. im 18. Jh. bezeugt. Zu Stapler 'Bettler’ (zu
'Hitze’, während ae. häte 'Hitze’ und gt. heito stapeln 'betteln, von Ort zu Ort gehen’, dessen
'Fieber’ auf die Hochstufen *hait- und *heit- zu¬ Herkunft unklar ist, vielleicht zu Stapf [s. d.]).
rückführen. Abstraklbildung zu dem Adjektiv Hoch- ist lediglich eine Verstärkung.
heiß (s. d.); der starke Ablaut läßt aber wohl auf O. Ladendorf ZDW 7 (1905), 46; Wolf (1985), 138,
die Mitwirkung eines (nicht mehr bezeugten) 316.
starken Verbs schließen. hochtrabend Adj. (PPräs.). Eigentlich ein
Nndl. bitte, entsprechend ne. heat, nschw. hetta, nisl.
Pferd, das beim Traben den Reiter hochwirft,
hita, hiti.
also unbequem zu reiten ist. Seit spätmittel¬
hm Interj. (zum Ausdruck des Nachdenkens hochdeutscher Zeit auf menschliches Verhalten
und Zweifelns). Früher auch hem, hum geschrie¬ übertragen.
ben. Vgl. ne. hem, frz. hem, hom, hum, 1. (e)he-
hochträchtig Adj. (im ursprünglichen Sinne
man. Wohl eine Nachahmung des Räusper¬
von 'hochfahrend’), s. niederträchtig.
lautes.
Schwentner (1924), 31 f. Hochzeit /. Mhd. höch(ge)zit f.jn. zusam¬
mengewachsen aus ahd. diu höha gezlt 'hohes
Hobby n. 'Freizeitbeschäftigung’. Im 20. Jh.
Fest’, übernimmt dann die Bedeutung des älte¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. hobby (horse),
ren Brautlauf (s. d.), während es in der älteren
dessen Ursprung nicht mit letzter Sicherheit ge¬
Bedeutung durch das Lehnwort Fest verdrängt
klärt ist. Es bedeutet ursprünglich ein kleines
wird. Die neue enge Bedeutung schon bei Lu¬
Pferdchen bzw. die Nachbildung eines solchen
ther, doch gilt die alte Bedeutung noch bis ins
aus Holz usw. Das Bild vom vergnüglichen Rei¬
17. Jh.
ten eines Spielzeugpferdchens dient als Grund¬
Hoops (1973ff.), III, 421 -425.
lage der Bedeutungsentwicklung, die verallge¬
meinernd eine Bezeichnung für jegliche 'Beschäf¬ Hocke1 /. 'Getreide- oder Heuhaufen’, ndd.
tigung zur Erholung und zum Zeitvertreib’ ent¬ Erst neuhochdeutsch bezeugt, schon früher
stehen läßt. mndd. hocke 'Garben- oder Heuhaufen’. Wohl
Ersatzwort ist Steckenpferd. mit Verschärfung des Auslauts zu dem Wort
hobeln swV. Seit dem 14. Jh. als mhd. ho- Hügel (s. d.) und seinen Verwandten. Mögli¬
bel(e)n, hoveln, mndd. höveln bezeugt; vermut¬ cherweise verwandt ist Schock1 (s. d.).
lich zu mndd. hovel, nndl. heuvel 'Hügel, Un¬ Hocke2/. 'Turnübung’. Rückgebildet aus hok-
ebenheit, Anschwellung’; also ein ursprünglich ken swV. (s. d.).
niederdeutsches Wort für 'Unebenheiten beseiti¬ hocken swV. Nndl. hukken, Intensivbildung
gen’ (zum Grundwort s. unter Hübel). Davon zu mhd. hüchen, anord. hüka 'kauern’, auch
rückgebildet die Werkzeugbezeichnung Hobel mit Ablaut anord. heykjask 'sich niederhocken’.
(spmhd. hovel, hobel, mndd. hovel). Der ältere
Diese Wörter beruhen auf einer Auslautvariante
Ausdruck ist schaben und Schabe.
zu der unter Hügel behandelten Sippe. Die Aus¬
Zu Hobel in der Bedeutung 'Sarg’ vgl.: Cox (1967),
gangsbedeutung ist 'sich krümmen’ (vgl. ai. ku-
65-68.
cäti 'krümmt sich’); der gleiche Bedeutungswan¬
hoch Adj. Mhd. hoch, ahd. as. höh aus g. *hau- del wie im Germanischen bei apoln. kuczec,
ha- Adj. 'hoch’, auch in gt. hauhs, anord. här, ae. serb. cücati 'hocken’.
heah, afr. häch, vielleicht auch enthalten
S. auch Hocke2, Höcker, Hügel ( + ), hudern, Hutzel.
im Stammesnamen der Chauken. Vergleichbar ist
Höcker m. Mhd. hocker, hoger 'Buckel’. For¬
vielleicht (mit abweichendem Auslaut) toch. A.
koc, toch. B. kaue 'hoch, nach oben’. Weitere mal gehört das Wort zu Hügel (s. d.), Hocke1
Herkunft unklar. Wohl nicht zu Hügel (s. d.), und hocken (s. d.), in deren Sippe auch seman¬
sondern zu ai. sävira- 'stark, mächtig’, gr. kyrios tisch ähnliche Wörter auftreten (etwa lett. ku-
m. 'Herrscher, Besitzer’, kymr. cawr 'Riese’; kurs 'Höcker, Beule’). Früher und besser be¬
also *kou-ko-, ursprünglich wohl 'groß, stark’. zeugt ist für diese Bedeutung aber ahd. hovar,
Nndl. hoog, ne. high, nschw. hög, nisl. här. S. Hoheit, mhd. hover, ae. hofer, vgl. lit. kuprä f. 'Buckel’
Hi-Fi. und gr. kyphos n. 'Höcker, Buckel’, so daß
hochdeutsch Adj. Es dringt wie sein Gegen¬ vielleicht eine Umbildung vorliegt.
wort niederdeutsch im 15. Jh. durch. Hockey n. (= ein Feldspiel). Im 20. Jh. ent¬
A. Socin: Schriftsprache und Dialekte (Heilbronn lehnt aus gleichbedeutend ne. hockey, dessen
1888), 173f.; N. v. Wyk ZDW 12 (1910), 239f. weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
Hode 313 Höhle

Hode m./f. Mhd. höde m., ahd. hodo m., mndl. einer Lautgebärde *hup- in Bewegungen von
hode m. Das Femininum seit dem 18. Jh. Vor¬ unten nach oben.
auszusetzen ist vor-d. *hupön, das gleiche für B. Cop Sprache 3 (1957), 146-148; H. Kuhn in: FS
afr. hothan (PL). Damit ist vergleichbar kymr. Hammerich (1962), 114f.; Th. Frings BGDSL-H
cwd 'Beutel', auch 'Hodensack’, gr. kvtos n. 91 (1969), 35-38; Sommer (1977), 8; W. Sanders in:
'Rundung, Wölbung eines Schildes, Hülle, FS de Smet (1986), 411 -417.
Haut’, 1. cutis f. 'Haut', alit. kutys m. 'Beutel’, hofieren swV. Zu mhd. hof seit dem 13. Jh.:
die wohl weiter zu *skeu- 'bedecken, umhüllen’ hovieren, hofieren 'sich gesellig (wie am Hof)
gehören (s. unter Scheuer). Der «-Stamm des verhalten, den Hof machen (frz. faire la cour),
Germanischen könnte auf eine Zugehörigkeits¬ ein Ständchen darbringen’. Heute eingeengt auf
bildung 'was zum (Hoden)Sack gehört’ zurück¬ 'jmd. schmeicheln’. Im 16./17. Jh. auch scherz¬
gehen. haft für 'seine Notdurft (auf dem Hof) ver¬
Hof m. Mhd. ahd. as. hof aus g. *hufa- m. richten’.
'Hof, Gehöft’, auch in anord. höf «., ae. afr. höfisch Adj. Zu Hof gebildet, wie das ältere
hof n. Zu vergleichen sind zunächst 1. cavum hübsch (s. d.).
aedium n. 'Hof’ (eigentlich 'Höhle des Hauses’) höflich Adj. Mhd. hovelich 'der Sitte des Ho¬
und andererseits gr. kypai (Glossenwort) PI. fes gemäß’, ähnlich wie höfisch und hübsch
'Behausungen aus Holz und Umfriedung’. Das (s. d.).
germanische Wort macht nicht den Eindruck
Hofschranze m. 'Höfling’, arch. Zu mhd.
eines Erbworts. Die spätere Bedeutung
schranz(e) 'Riß, Schlitz’ (s. Schranz) gehört
'Fürstenhof’ steht unter dem Einfluß von frz.
auch die Bedeutung 'geschlitztes Gewand’ und
cour f. gleicher Bedeutung. Die Bedeutung 'hel¬
weiter 'jmd., der solche Kleider trägt, Geck,
ler Nebelring um Sonne oder Mond’ tritt seit
Höfling’.
dem 15. Jh. auf und geht wohl von 'Umgebung’
aus. Höft «. 'Ufervorsprung, Vorsprung der Kai¬
Nndl. hof, nisl. /uS/'Tempel’. — Th. Andersson in: FS
mauer’, ndd. Eigentlich 'Haupt’ (mndd. hovet,
Schmidt-Wiegand (1986), 1 —9. höft), entsprechend der Verwendung von Kopf
für 'vorne’.
Hoffart/., arch. Mhd. höchvart 'die vornehme
(hohe) Art zu leben (Fahrt)’, mit einer Ablei¬ högen swV., meist reflexiv 'sich freuen’, ndd.
tung zu fahren in einer allgemeinen Bedeutung Mndd. hogen 'sich erfreuen, trösten’ mndd. zu
'leben, sich befinden’ (s. auch Wohlfahrt). Die hoge 'Sinn, Geist, Stimmung, Freude’; dieses zu
Bedeutung wurde bald ins Negative gekehrt as. huggian 'denken’ (g. *hug-ja- 'denken’ in gt.
('Hochmut, Übermut, eitler Aufwand usw.’). hugjan, anord. hyggja, ae. hycgan, afr. hugia,
Der Vokal des ersten Gliedes wurde vor schwe¬ ahd. hug(g)en, huckan).
rer Konsonanz gekürzt, dann wurden die Kon¬ Hoheit/. Vereinfacht aus mhd. höchheit, dem
sonanten assimiliert, so daß das Wort heute Abstraktum zu hoch (s. d.). Der Gebrauch als
verdunkelt ist. Titel und als höfliche Anrede seit dem 17. Jh.
S. fahren ( + ). hohl Adj. Mhd. ahd. as. hol aus g. *hula- Adj.
hoffen swV. Mhd. hoffen, mndd. hopen, hapen, 'hohl’, auch in anord. holr, ae. afr. hol. Eine
mndl. hopen aus wg. *hup-ö- swV. 'hoffen’, auch entsprechende Grundlage liegt vor in 1. cavus,
in ae. hopian, afr. hopia. Semantisch zu beach¬ mir. cüa 'hohl’, mit -«- ai. sünyä- Teer, öde’, mit
ten ist, daß in altniederdeutschen Glossen auch / gr. koilos (aus *kowilo-) 'hohl’, alb. thele 'tief’,
die Bedeutung 'fürchten’ auftritt (entsprechend arm. soyl 'Höhle’; morphologisch entspricht
in oberdeutschen Mundarten), sowie daß nhd. dem Germanischen am besten gr. kyla 'Höhlen
verhoffen beim Wild 'einhalten, um zu sichern’ unter den Augen’. In entsprechender Lautung
bedeutet. Dies macht einen Vergleich mit gr. treten auch Wörter für 'Loch u. ä.’ auf (avest.
kyptö 'ich bücke mich, beuge mich nach vorn, süra 'Loch’, gr. kyar 'Nasenloch’); sonst ist die
lasse den Kopf hängen’, gr. kybda 'vornüber Sippe schwer abgrenzbar. Vermutlich gehen die
gebeugt’ wahrscheinlich: Indem man sich nach Adjektive auf Substantive zurück ('hohl’ =
vorne beugt, versucht man weiter zu sehen, 'was eine Höhlung, ein Loch, hat’). Das germa¬
genauer zu sehen. Dann wäre die heutige Be¬ nische Wort könnte dann die Schwundstufe
deutung übertragen als 'in die Ferne, in die eines /-Stammes (*kowel- zu *kul-ö-) voraus¬
Zukunft sehen’; vgl. auch unverhofft 'unerwar¬ setzen.
Nndl. hol, ne. hole 'Loch’, nisl. holur. S. auch Höhle.
tet’. Letztlich gehört das Wort zu *keu- 'biegen,
bücken’. Der Vergleich mit heth. kup- '(einen Höhle /. Mhd. hüle, ahd. hüll, Abstraktbil¬
Anschlag) planen’ ist kaum angängig, zumal dung zu hohl (s. d.). Die Anpassung an den
das hethitische Wort unter dem Verdacht steht, Umlaut des Grundworts ist erst neuhoch¬
ein Fremdwort zu sein. Nach Sommer (s. u.) zu deutsch.
Hohn 314 Holm

Hohn m. Mhd. mndd. hon, ahd. höna f. sind falls in gr. kelados 'Getöse’ anzutreffen. Anord.
Substantivbildungen zu dem Adjektiv g. *hauni- hala 'ziehen’ (und die daraus entlehnten franzö¬
' niedrig, verachtet’ in gt. hauns, ae. he an, afr. sischen und englischen Wörter, vgl. ne. hale
häna, ahd. höni, mhd. hcene. Gleich gebildet ist und ne. haul) stammt wohl aus einer anderen
das gr. Glossenwort kaunös 'schlecht’ und lett. Wurzel, die aber möglicherweise die Bedeutung
kaum 'Scham, Schande, Schmach’; ohne das n der oben aufgeführten Sippe beeinflußt hat.
anord. häön. 'Spott’ (*hawiöa-) und lit. küvetis Nndl. halen. S. deklamieren ( + ), erholen, hallen ( + ),
'sich schämen’. Alt ist auch das Verbum höhnen hallo, hell, holla, kielholen. — Kritisch: J. Mansion
(mhd. hänen, ahd. honen, afr. hena, ae. hynan, BGDSL 33 (1908), 547-570.

gt. haunjan 'erniedrigen’). Vielleicht ursprüng¬ Holfter/., s. Halfter2.


lich 'niedrig’ aus 'zusammengekrümmt’ zu Holk f./m., s. Hulk.
*keu- 'biegen, krümmen’ (s. etwa hocken).
holla Interj. Entsprechend zu hallo gemäß der
Höker m. 'Kleinhändler’ und hökern swV. Variante ahd. holön neben halön (s. unter holen).
'verkaufen’, ndd. Mhd. hucke, mndd. hoke(r), Auslautendes -a ist wohl gekürzt aus altem -ä,
hoken neben mndl. hoecster und ohne Suffix während das -o in hallo Beibehaltung der Länge
mhd. hucke. Gebildet zu Hucke 'Traglast des und deren weithin übliche Verschiebung zu -ö
Hausierers’ (s. unter Hucke). voraussetzt.
Hokuspokus m./n. Zunächst Zauberformel, Hölle /. Mhd. helle, ahd. hell(i)a, as. hellia
die dann zur Bezeichnung für allerlei Zauber aus g. *haljö f. 'Unterwelt, Totenwelt’, auch in
und Blendwerk wird. Bezeugt zunächst im 17. gt. halja, anord. hei, ae. hell, afr. helle-, in der
Jh. in England als hocospocos 'Taschenspieler’. Regel für den christlichen Begriff der Hölle
Dann als Taschenspielerlehre über den Konti¬ bezeugt, im Altnordischen aber für die entspre¬
nent verbreitet (Hocus Pocus Junior seit 1634). chende germanische Vorstellung; dort auch die
Ähnliche gleichzeitige Ausdrücke in Deutsch¬ Personifizierung Hel für die Totengöttin. Man
land sind ox box, Hogges und Pogges, Okos kann vermuten, daß die Germanen die Toten¬
Bokos u. ä. Die Formel ist sicher eine Reimfor¬ welt als das die Toten Bergende bezeichneten
mel von dem schon 1563 bezeugten Typ hax und damit an g. *hel-a- 'bergen’ (s. unter hehlen)
pax max Deus adimax. Sie knüpft an natur¬ anschließen; doch bleibt dies bei einem mytho¬
sprachliche Wörter an (in der genannten For¬ logischen Begriff eine bloße Vermutung. Son¬
mel sind es lateinische; bei Hokus Pokus sind derbedeutungen wie 'Raum zwischen Kachelo¬
die beiden ersten Wörter daraus entnommen) fen und Wand’ oder in Hellegat 'kleiner Aufbe¬
und entstellt sie zu möglichst beeindruckenden wahrungsraum auf Schiffen’ (eigentlich 'Höl¬
gleichklingenden Wörtern. lenloch’) können ohne weiteres als bildliche
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 74. Übertragungen verstanden werden und zeigen
kaum den Reflex einer älteren Bedeutung.
hold Adj., arch. Mhd. holt, ahd. as. hold aus
Nndl. hei, ne. hell, nisl. hel(viti). S. auch hehlen (+),
g. *hulpa- Adj. 'zugeneigt’, auch in gt. hulps,
Hel. - Kluge (1911), 363f.; S. D. Völkl in: FS Ölberg
anord. hollr, ae. afr. hold-, entsprechend abhold,
(1987), 27-33.
seit dem 15. Jh. 'abgeneigt’, s. auch Unhold.
Höllenstein m. 'Silbernitrat\fachsprachl. Ent¬
Wohl mit Ablaut zu g. *half>a- Adj. 'schräg,
lehnt aus 1. lapis infernälis (vgl. frz. pierre infer¬
geneigt’ (s. unter Halde)-, vgl. 1. cliens 'Höriger,
nale)-, zuerst bezeugt im 18. Jh. Der Stoff heißt
Klient’ zu einer ^/-Erweiterung derselben
so wegen seiner starken Ätzkraft.
Wurzel.
Nschw. huld, nisl. hollur. S. abhold, Huld, Unhold, Holm1 m. 'kleine Insel’, ndd. Hochdeutsch
vgl. Kobold. — G. Royen in: Donum Natalicium Jos. erst seit dem 17. Jh.; ursprünglich aus dem
Schrijnen (Nijmegen, Utrecht 1929), 713 — 716. Niederdeutschen, vgl. mndd. holm, as. holrn n.
Holder m., s. Holunder. aus g. *hulma- m. 'kleine Insel’, auch in anord.
holmi, holmr, ae. holm. Eine ziemlich genaue
holen swV. Mhd. hol(e)n, ahd. holön, neben
außergermanische Entsprechung kann sein 1.
mhd. haln, ahd. halön, as. halön, haloian aus
columen n. (*kb-men~) 'Gipfel, Höhepunkt’ zu
wg. *hal-ö- swV. mit der Variante *hul-ö- 'ho¬
l. (prae-)cello 'ich rage hervor’. Zu dieser Wur¬
len’, auch in afr. halia und ae. geholian. Zu ig.
zel (verbal noch in lit. kelti 'emporheben, tra¬
*klä-/kab- 'rufen, herbeirufen’ in 1. caläre (dazu
gen’) gehört eine Reihe von Wörtern für 'Hü¬
1. clärus 'laut, hell’), gr. kaleö 'ich rufe’, heth.
gel , mit denen sich die Bedeutung des germani¬
kalles- und mit einer alten Sonderanwendung
schen Wortes verknüpfen läßt: gr. kolönös, 1.
air. cailech Hahn’, ai. usäkala- 'Hahn’, weniger collis, ae. hyll (*klni-), lit. kalväf; also *kbmo-
sicher lett. kaluöt 'schwatzen’. Auf eine zugehö¬ m. (Erhebung, Hügel) Insel’. Das nordische
rige e-Stufe kann zurückgeführt werden wg. Wort wird auch lür größere Inseln verwendet,
*hell-a- 'schallen’ in ahd. as. hellan\ doch ist vgl. Ortsnamen wie Bornholm.
eine e-Stufe außerhalb des Germanischen allen¬ Nschw. holme. - R. Holsten NKB 57(1950), 2-6.
Holm 315 Honig

Holm2 m. 'waagrechte Stange’, fachsprachl. mir. caillf, kymr. celli 'Wald, Hain’ (*klddi)\
Auch Teil eines Turngeräts (Barren); auch Hul- semantisch ferner steht akslav. klada 'Balken,
be(n), aus dem es wohl durch Assimilation von Holz’. Zu *keh- 'schlagen, brechen’ in gr. kläö
bn zu m entstanden ist. Vergleichbar ist Helm2, 'ich breche, beschneide junge Zweige’, 1. percel-
mit dem es wohl verwandt ist. lere 'zu Boden werfen, zerschmettern’ (wohl
S. Helm2 ( + ). *keh-n-), lit. kälti 'schlagen, schmieden’, akslav.
Holocaust m. 'massenhafte Vernichtung von klati 'stechen, schlachten’.
Menschen’, sondersprachl. Im 20. Jh. entlehnt Nndl. hout, ne. holt, nschw. hult. — Trier (1952),
aus gleichbedeutend ne. Holocaust, dieses aus 43-51; K.-H. Borck in: FS Trier (1954), 456-476.
afrz. holocauste, aus 1. holocaustum n. 'Brand¬ Holzweg m. Meist in auf dem Holzweg u. ä.
opfer’, aus gr. holocaütöma n. (dass.), zu gr. 'im Irrtum befangen’. Mhd. holzwec 'Weg im
hölos 'ganz, völlig’ und gr. kaiein 'verbrennen, Wald, auf dem Holz geführt wird’. Da diese
verwüsten’. Entlehnt im Zusammenhang von Wege häufig auf einem Holzplatz o. ä. enden
Berichten über die Massenvernichtung vor al¬ und nicht weiterführen, wird das Wort bildlich
lem von Juden im Nationalsozialismus. für 'Sackgasse’ und dann für 'Irrweg’ benutzt.
holpern swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. Dane¬ homo- Präfixoid. Wortbildungselement mit
ben holpein, hilpeln und schwz. hülpen 'hinken’. der Bedeutung 'gleich, gleichartig’. Es wird in
Ähnlich lit. klüpti 'stolpern’; zu beachten ist das griechischen Wörtern übernommen und geht
Reimwort stolpern. Wohl eine Lautgebärde. auf gr. homös 'zusammen, gemeinsam’ zurück.
Holster n. 'Ledertasche für Handfeuerwaffe’, Etymologisch verwandt: Homöopathie; zum Etymon s.
fachsprachl. Entlehnt aus ne. holster, das seiner¬ zusammen.
seits aus nndl. holster stammt. Dieses ist eine homogen Adj. 'gleichgestaltet, gleichmäßig
Nebenform zu holfter, s. Halfter2. aufgebaut’, s. homo- und Genus.
Holunder m. Mhd. holunter, Holunder, ahd. homolog Adj. 'übereinstimmend, entspre¬
holuntar, hol(d)er. Das Vorderglied hat eine chend’, s. homo- und Logik.
Entsprechung in ndn. hyld, nschw. hyll 'Holun¬
homonym Adj. 'gleichlautend’, s. anonym und
der, Flieder’ (der neu eingeführte Flieder wird
homo-.
häufig als Holunder, meist mit einem Beiwort,
Homöopathie/. (= eine Heilbehandlung, Na¬
bezeichnet, vgl. Flieder). Daraus läßt sich ein
turheilverfahren), fachsprachl. Neubildung des
*hulun/huln, voreinzelsprachl. *kln- erschließen,
19. Jhs. zu gr. homoios 'gleich, gleichartig’ (s.
mit dem russ. kallna f. 'Maßholder, gemeiner
homo-) und gr. päthos n. 'Leiden, Krankheit’.
Schneeball’ verglichen werden kann. Falls es
Lehre, die in schwachen Dosen Arzneien verab¬
sich um ein Erbwort handelt, kann an gr. kelai-
reicht, die in hohen Dosen bei Gesunden ähnli¬
nös 'schwarz’ (wegen der blauschwarzen Bee¬
che Auswirkungen hätten, wie sie beim Er¬
ren) angeknüpft werden. Das „Baumnamensuf¬
krankten infolge der Krankheit auftreten.
fix“ -der führt zunächst auf ig. *-tro- zurück,
Etymologisch verwandt: s. Pathos.
doch ist auch denkbar, daß es eigentlich aus
einem zweiten Kompositionsglied abge¬ homophon Adj. 'gleichlautend’, s. homo- und
schwächt ist, das dem alten Wort für 'Baum’ Phonetik.
entspricht: g. *trewa- n. 'Baum’ in gt. triu, Homosexualität /., s. homo- und Sex.
anord. tre, ae. treow n., afr. tre n., as. treo, trio n.
Homunkulus m. 'künstlich geschaffener
Zum Weiteren s. unter Teer. Als Suffix taucht
Mensch\ fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs.
das Wort in folgenden deutschen Baumnamen
zu 1. homunculus 'Menschlein, schwaches Er¬
auf: Affolter (s. Apfel), Flieder, Heister, Holun¬
denkind’, einem Diminutivum von 1. homo
der, Maßholder, Reckholder, Rüster, Wacholder.
'Mensch, Irdischer’.
Der Holunder wäre also ein 'Schwarz(bee-
Etymologisch verwandt: s. Humus. — K.-H. Wein¬
ren)baum’. Die Betonung der zweiten Silbe ist
mann DWEB 2 (1963), 377.
jung; die Entstehungszeit ist aber nicht klar.
honett Adj. 'redlich, anständig’, s. Honorar.
S. Hartriegel, Teer, Trog. — Lühr (1988), 203. Anders:
C. P. Hebermann (1974), 91 f. Anders zum Baum- Honig m. Mhd. honec, honic n., ahd. honag
namensuffix: Lloyd/Springer (1988ff.), I, 61. n., as. honeg aus g. *hunanga- n. 'Honig’, auch
Holz n. Mhd. ahd. holz, as. holt aus g. *hulta- in anord. hunang n., ae. hunig n., afr. hunig.
n. 'Holz’, auch in anord. holt, ae. holt m./n., Dieses aus ig. *knoko- Adj. 'goldfarben’ in ai.
afr. holt. Ausgangsbedeutung ist eigentlich 'Ge¬ käheanä- n. 'Gold’, Adj. 'golden’, auch Name
samtheit der zu schlagenden Schößlinge des verschiedener Pflanzen, gr. knekos f. 'wilder Sa¬
Niederwaldbaums’ (Trier, s. u.); daher verglei¬ fran’, gr. (dor.) knäkbs 'gelblich’ und vielleicht 1.
chen sich unmittelbar (neben g. *hulta- aus canicae f. 'eine Art Kleie’. Wegen der speziellen
*khldo-) gr. klädos m. 'Zweig’ (*khdo-) und Bedeutungen ist dieser Vergleich in allen Teilen
Honorar 316 Hornisse

unsicher. Das zweite n beruht wohl auf Einmi¬ hören swV Mhd. hären, ahd. hören, as. hörian
schung des Suffixes -ing/ang-', es wird später aus g. *hauz-ija- swV. 'hören’, auch in gt. haus-
lautgesetzlich wieder getilgt nach Stämmen, die jan, anord. heyra, ae. hyran, afr. hera.
mit n auslauten. Zunächst verwandt ist gr. akoüö 'ich höre’
Nndl. honing, ne. honey, nschw. honung, honing. (*-kous-, Deutung des a- umstritten); vielleicht
Honorar n. 'Bezahlung5. Im 18. Jh. entlehnt weiter dazu als primäres Verb gr. akeuei 'beach¬
aus 1. honörärium 'das Ehrengeschenk’, einer tet’, das aber nur als Glossenwort bezeugt ist.
Substantivierung von 1. honörärius 'ehren¬ Ohne das auslautende -s- hierzu gr. koeö 'ich
halber’, zu 1. honor m. 'Ehre’. Zunächst freiwil¬ bemerke, vernehme, höre’, 1. caveö 'ich nehme
lige, dann obligatorische Zahlung für eine intel¬ mich in Acht, sehe mich vor’ und ai. ä-küvate
lektuelle Dienstleistung (z. B. von Lehrern und 'beabsichtigt’. Eine möglicherweise parallele
Anwälten). Wurzel *skeu- 'wahrnehmen’ s. unter schauen.
Etymologisch verwandt: honett, [ Honneurs], Honora¬ Nndl. hören, ne. hear, nschw. höra, nisl. heyra. S.
tioren, honorieren, [honorig], — W. Feldmann ZDW Akustik, horchen, gehorchen, gehören, Hearing, Kau¬
8 (1906/07), 74. tion, schauen ( + ).

Honoratioren PL 'angesehene Bürger’, s. Ho¬ hörig Adj. Mhd. härec, ahd. gihörTg. Ur¬
norar. sprünglich ein Rechtsausdruck für den von
einem Herrn Abhängigen ('hörend’ = 'gehor¬
honorieren swV, s. Honorar.
chend’).
Hopfen m. Mhd. hopfe, ahd. hopfo, mndd.
hoppe(n), mndl. hoppe. Herkunft unklar. Zu Horizont m. 'Gesichtskreis, scheinbare Be¬
beachten ist die Lautähnlichkeit mit einer ande¬ rührungslinie von Himmel und Erde’. Im 17.
ren Bezeichnung für den Hopfen, nämlich Jh. entlehnt aus, gleichbedeutend 1. horizön
anord. humli, ae. hymele f. Diese passen zu (-ontis), dieses aus gr. horizön (kyklos) (dass.,
aruss. ch(ü)meli, finn. humala, wogul. qumlix, wörtlich: 'Grenzlinie’), zu gr. horizein 'begren¬
magy. om/ö, ngr. choumeli. Von welcher Sprache zen’, eine Ableitung von gr. höros 'Grenze,
die Entlehnungen ausgegangen sind, ist aber u. ä.’. So benannt als die (vermeintliche) Grenz¬
umstritten. linie zwischen Himmel und Erde.
Nndl. hop, ne. hop (entlehnt). — E. Neumann in: FS Morphologisch zugehörig: horizontal, Horizontale', ety¬
Mogk (1924), 424-432; L. Mehlber JGGB (1980/81), mologisch verwandt: Aphorismus. - Schirmer (1912),
58-65; Lühr (1988), 234. 32.

hoppeln swV. Seit dem 17. Jh. bezeugt. Itera¬ Hormon n. (= ein körpereigener Wirkstoff),
tivbildung zu ndd./md. hoppen 'hüpfen’ (s. un¬ fachsprachl. Neubildung des 20. Jhs. zu gr. hor-
ter hüpfen). män 'anregen’, einer Ableitung von gr. hormef.
S. auch hopsen. 'Antrieb, Andrang’, das mit gr. rhein 'fließen,
strömen’ entfernt verwandt ist. So benannt, da
hoppnehmen swV., 'verhaften’, ugs. Nach dem
es sich dabei um die Stoffe handelt, die im
Ausruf hopp, mit dem z. B. zum (raschen) Auf¬
lebenden Organismus Stoffwechsel, Wachstum
stehen und Mitkommen aufgefordert wird.
und die Grundlagen der Fortpflanzung steuern
hopsen swV., ugs. Erst neuhochdeutsche Wei¬ („anregen“).
terbildung zu hoppen (s. unter hoppeln und hüp¬ Morphologisch zugehörig: hormonal, hormonell', ety¬
fen), vermutlich ausgehend von einer Interjek¬ mologisch verwandt: s. Rhythmus.
tion hops o. ä.
Horn n. Mhd. ahd. as. horn aus g. *hurna- n.
Sommer (1977), 8.
'Horn’, auch in gt. haurn, anord. horn, ae. horn
horchen swV. Mhd. hör(e)chen, horchen, m., afr. horn. Außergermanisch entspricht am
spahd. hörechen, mndd. mndl. horken ist wie genauesten (als w-Stamm) 1. cornü 'Horn,
afr. harkia und ae. hyrcnian mit einem intensi¬ Spitze’, weiter dazu (mit morphologisch unkla¬
vierenden A-Suffix zu hören (s. d.) gebildet. Zu¬ rem -g-) ai. srhga- n. 'Horn’ (vermutlich ver¬
nächst ein nördliches Wort, das im Laufe der schiedene Weiterbildungen zu einem zugrunde¬
Zeit nach Süden vordringt. liegenden /7-Stamm). Auszugehen ist wohl von
Ne. hark. S. hören ( + ), gehorchen. einem alten *(a)ker- 'Spitze’, zu dem auch ein
Horde /. Seit dem 15. Jh. für einen Trupp altes Wort lür 'Kopf’ (= 'das an der Spitze’)
herumziehender Kriegsleute gebraucht, zu¬ gehört (s. unter Hirn).
nächst für Tataren. Das Wort ist entlehnt, ver¬ Nndl. hoorn, ne. nschw. nisl. horn. S. Hirn ( + ), Hirsch,
mutlich aus poln. horda, das seinerseits auf türk. Hornisse, hürnen, Karat, Kornett, Rhinozeros, Rind.
ordu 'Heerlager, Heer, Troß’ zurückgeht. Dieses - Seebold (1981), 161 -165; Nussbaum (1986). Zum
Musikinstrument: Relleke (1980), 41 f., 57-64.
aus tatar. urdu 'Lager’ (zu tatar. urmak
'schlagen’). Hörnchen n., s. Eichhörnchen.
G. Schoppe ZDW 15(1914), 186; Littmann (1924), Hornisse/. Mhd. horniz, hornuz m., ahd. hor¬
109; Lokotsch (1975), 128. nuz, hurniz m./n., as. hornut m./n., ae. hyrnet(u).
Hornung 317 Hose

Außergermanisch vergleicht sich 1. cräbro (-önis) dem Bau von Nestern in den Schößlingen eines
m. 'Hornisse’, lit. sirse 'Wespe’ (apreuß. Horstes (= Wurzelstock mit neuem Ausschlag).
sirsilis m. 'Hornisse’), russ.-kslav. strüseni, srü- Etymologisch gehört das Wort zu einer weitläu-
seni Hornisse, Bremse’, alle aus *krosen-, so tigen und nicht genau faßbaren Gruppe von
daß für das germanische Wort wohl *hurzn-ud Wörtern auf einer Grundlage qures-, die mit
vorauszusetzen ist. Der Anklang an Horn, der Wald- und Holzformen der Niederwaldwirt¬
in as. horn-bero m., nndl. hoornaar aufgenom¬ schaft zu tun haben. Am nächsten bei dem
men ist, stimmt deshalb nicht unmittelbar zu deutschen Wort steht kymr. prys 'Reisig, Ge¬
dem g. Wort *hurna-, kann aber mittelbar zu¬ büsch’ aus *qurestjo-, das seinerseits mit kymr.
treffen, da auch *keras- ein Wort für 'Horn’ preun 'Baum’ (*qures-no-), air. crann n. 'Baum’
ist (gr. keras n.). Ob die Hornisse nach ihren (*qurs-no-J zusammenhängt. Weiter sloven.
gebogenen Fühlhörnern so heißt, oder ob Horn krs, lett. cers 'Strauch’.
in der älteren Bedeutung 'Spitze’ zu verstehen
Nndl. hörst, ne. hurst. — H. Krähe BGDSL 71 (1949),
ist und sich auf den Stachel bezieht, ist nicht
243; J. Trier (1952), 72 — 81; J. Trier in: FS Foerste
ausreichend zu sichern. (1970), 100 — 108; E. P. Hamp in: Linguistic Method,
Ne. hörnet. S. Horn( + ). — Nussbaum (1986), FS H. Penzl (The Hague, New York 1979), 175 — 181;
248-260. E. P. Hamp BBCS 29 (1980), 85.
Hornung m. 'Februar’, arch. Mhd. hornunc, Hort m., arch. Mhd. hört, ahd. hört n., as.
ahd. hornung. Die lautliche Entsprechung in hord, horö n. aus g. *huzda- n. '(verborgener)
den anderen germanischen Sprachen anord. Schatz’, auch in gt. huzd, anord. hodd /., ae.
hornungr, ae. hornungsunu, afr. hörni(n)g be¬ hord m.ln. Das maskuline Genus ist erst mittel¬
deutet 'Bastard’ und gehört zu horn in der Be¬ hochdeutsch. Zu der Wurzel *keudh- 'verber¬
deutung 'Winkel, Eck’ ('der im Winkel, und gen’ in gr. keüthö 'ich verberge, verhehle’ und
nicht im Ehebett Gezeugte’). Der Monatsname ae. hydan gehört der .‘.'-Stamm gr. keüthos n.
beruht offenbar darauf, daß der Februar kürzer 'Versteck, Höhle’. Zu einem derartigen i'-Stamm
ist als die übrigen Monate, spiegelt also den gehört (mit Schwundstufe des Grundworts)
Einfluß der römischen Zeitrechnung. *kudhs-dhd-o-, wobei *dha- die Schwundstufe
E. Hofmann ZVS 59 (1931), 135—139; W. Preußler IF der Wurzel *dhe- 'setzen’ ist (am deutlichsten
54(1936), 181 f.; J. Knobloch ZVS 88 (1974),
bezeugt in gr. tithemi 'ich setze’). Der Hort ist
122-125.
also 'das ins Versteck gesetzte’; ähnlich wie 1.
Horoskop n. 'Darstellung der Planetenkon¬ cüstös 'Wärter’ der 'zum Versteck Gehörige’
stellation, daraus abgelesene Vorhersage’. Im (mit unklarem zweiten Bestandteil) ist. Das
19. Jh. entlehnt aus 1. höroscopmm (dass.), dieses Wort war in nachmittelhochdeutscher Zeit aus¬
aus gr. höroskopeTon 'Instrument zum Erkennen gestorben und ist nach der Entdeckung des
und Deuten der Geburtsstunde’, zu gr. höros Nibelungenlieds aus dessen Text wiederbelebt
in. 'Frist u. ä.’ und gr. skeptomai 'betrachten, worden. Heute ist vor allem die Ableitung hor¬
spähen’. ten üblich. Neuerdings auch Kinderhort u. ä.
Etymologisch verwandt: s. Skepsis. Ne. hoard.
horrend Adj. 'übermäßig’, s. Horror. Hortensie/. (= ein Zierstrauch), fachsprachl.
horrido Interj., fachsprachl. Jagdruf, ur¬ Neubildung des 18. Jhs. zum Eigennamen Hor-
sprünglich Zuruf an die Meute; vermutlich ho, tense (Lepante), der verwandt ist mit 1. hortus
Riid’, ho als Zuruf an den Rüden. m. 'Garten’ (s. Garten).
Horror m. 'Schrecken’. Im 18. Jh. entlehnt Hose/. Mhd. hose, ahd. as. hosa aus g. *husön
aus gleichbedeutend frz. horreur/., dieses aus 1. /., auch in anord. hosa, ae. hosa m.lf.(?). So
horror (dass.), einer Ableitung von 1. horrere bezeichnet waren ursprünglich eine Art
'schauem, sich entsetzen’. Im 20. Jh. erneute Strümpfe, die an der eigentlichen Hose (s. unter
Entlehnung aus ne. horror (dass.), selben Ur¬ Bruch3) befestigt waren (deshalb noch nhd. ein
sprungs (z. B. Horror-Film). Horrend meint „er¬ Paar Hosen u. ä.). Später wurden 'Bruch’ und
schreckend groß“. 'Hosen’ zu einem einzigen Kleidungsstück ver¬
Horst m. Mhd. hurst /., ahd. hurst m./f, as. einigt. Dem entsprechend ist die ursprüngliche
hurst /. 'Gebüsch, Gestrüpp’; daneben mit ab¬ Bedeutung von Hose 'Umhüllung’, wie etwa
weichender Stammbildung ae. hyrst 'Hügel, Ge¬ auch in ae. hosa m. 'Fruchthülse, Schote’. Die
büsch’. Das Wort hat mehrere Sonderbedeutun¬ weitere Herkunft ist unklar. Entweder als mor¬
gen wie 'stehengebliebenes Waldstück’, 'Erhö¬ phologisch singuläre Bildung zu *(s)keu- 'be¬
hung im Sumpfgebiet u. ä.\ Die heutige Lau¬ decken’ oder mit gr. kystis f. 'Blase, Schlauch,
tung ist ostmitteldeutsch, die Bedeutung 'Raub¬ Säckchen’ (vgl. ne. hose 'Schlauch’!) zu *kwes-
vogelnest’ beruht (nach J. Trier [1970], s. u.) auf blasen’ (ai. sväsiti 'schnaubt, bläst’). Wind- und
Hosenrolle 318 Huf

Wasserhose sind nach der Form dieser Naturer¬ für die man eine verbale Bedeutung 'biegen’ als
scheinungen benannt. Grundlage voraussetzt. Vgl. etwa Hügel und
Nndl. (water )hoos, ne. hose, nschw. nisl. hosa. S. Was¬ Höcker.
serhose. - F. Kaufmann ZDPh 40(1908), 386-396. Nndl. heuvel. S. hobeln.
Hosenrolle /. ’Männerrolle, die von einer hübsch Adj. Mhd. hübesch; übernommen aus
Frau gespielt wird’. Benannt nach dem auffäl¬ mndl. hovesch über mfrk. hüvesch, eigentlich
ligsten Unterschied der Kleidung. Die Hosen 'höfisch’, also 'wie es sich am Hof geziemt’, als
anhaben u. ä. in der Bedeutung 'das Regiment Lehnübersetzung von frz. courtois. Umsetzung
in der Ehe führen’ (von der Frau) seit dem von v zu b nach Mustern in Erbwörtern mit
16. Jh. altem b; die Bedeutung wurde schon früh von
Hospital n. 'Krankenhaus’. Im Althoch¬ 'zierlichem Benehmen’ zu einer allgemein loben¬
deutschen (ahd. hospitälhüs, hospitarohüs, den Äußerung.
ospitärohüs, mhd. hospitäl) entlehnt aus 1. hos- S. auch höfisch, hößich. — K. Grubmüller in: FS de
pitälium 'Gastzimmer’, aus I. hospitälis 'gast¬ Smet (1986), 169-181.
freundlich’, zu 1. hospes (-pitis) m. 'Gastfreund, Huchen m. 'Raubfisch, der vor allem in der
Gastgeber’. Zunächst vor allem als Bezeichnung Donau vorkommt’, fachsprachL Spmhd. bu¬
für Armen- und Altenhäuser verwendet; ausge¬ chen. Herkunft unklar.
hend von der Pflegebedürftigkeit der beherberg¬
Hucke /. 'Bündel des Hausierers’, reg.
ten Personen, dann Bedeutungsentwicklung hin
Spmhd. hucke. Vielleicht ursprünglich zu einem
zu 'Krankenhaus’. Hospitieren meint „zu Gast
Wort für 'Mantel’, mndl. hoyke, houke, vgl. gt.
sein“. In Hosteß liegt eine moderne movierte
hakuls, anord. hpkull m., ae. hacele, afr. hezil,
Form zu ne. host (zu 1. hospes) vor; so benannt
ahd. hahhul m. 'Kapuze, Mönchskutte’; dieses
als eine Frau, die sich um Gäste und Besucher
zu einem Wort für 'Ziege’ (akslav. koza, dehn¬
kümmert. Hotel meint ein Haus mit Gastzim¬
stufig ae. hecen, mndd. hoken, huken n. 'Zick¬
mern.
lein’). Vgl. jemandem die Hucke vollschlagen /
Morphologisch zugehörig: hospitalisieren, Hospitalis¬
mus, Hospitant, Hospitation, Hospiz, Spital; etymolo¬
die Jacke vollschlagen.
gisch verwandt: [Hotelier]', zum Etymon s. Gast. — S. auch Höker. — E. Bergkvist: Zwei Wanderwörter
H. Sparmann BGDSL-H 86 (1964), 464-467. (Eksjö 1934); K. Rein DWEB 1 (1958), 282-285.

hospitieren swV, s. Hospital. huckepack 'auf dem Rücken’, ugs. Zu Hucke


Hospiz n., s. Hospital. und dem von diesem abgeleiteten Verb hucken
'als Last tragen’ und back 'Rücken’; also ein
Hosteß /. 'Betreuerin, Begleiterin’, s. Hos¬
niederdeutsches Wort, das bei der Aufnahme
pital.
im Süden an Pack angeschlossen wurde.
Hostie /. 'geweihte Oblate als Sinnbild des
Hude /. 'Viehweide’, ndd. Zu mndd. hode,
Opferlammes’, fachsprachL Im Mittelhochdeut¬
hude, hote, mhd. huot(e) 'Ort, wo man hütet’
schen entlehnt aus 1. hostia 'Opfertier, Sühne¬
und weiter zu hüten (s. Hut2).
opfer, (wörtlich:) das Geschlagene’, einer Ablei¬
tung von 1. hostire 'schlagen, verletzen’. Hudel m. 'Lumpen’, reg. Spmhd. hudel, huder.
Hotdog n./m. 'heißes Würstchen in einem Herkunft unklar, vgl. aber das lautähnliche Ha¬
Brötchen’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ der2. Gebräuchlich ist die Ableitung hudeln
tend ne. hot dog '(auch:) jmd., der etwas gut 'schlampig arbeiten’, vgl. auch lobhudeln.
kann, (wörtlich:) heißer Hund’. Das Benen¬ hudeln swV.', s. Hudel.
nungsmotiv ist nicht mit Sicherheit geklärt.
hudern swV. 'die Küken unter die Fittiche
Zu den Etyma s. heiß und Dogge.
nehmen, im Sand baden’, reg. Zu lautähnlichen
Hotel n., s. Hospital. Wörtern der Bedeutung 'niederkauern’ (hoddern
hott Interj. 'Zuruf an das Pferd zum Rechts¬ u. ä.). Zu einer ähnlichen Grundlage wie hocken
gehen oder Schnellergehen’, sondersprachl. Be¬ (s. d.) oder eine lautliche Abwandlung von
zeugt seit dem 15. Jh. Dazu kindersprachl. Hot¬ diesem.
tepferd u. ä. Herkunft unklar. Huf m. Mhd. ahd. huof as. höf aus g. *höfa-
Hübel m., Hubel m. 'Hügel’, reg. Mhd. hübet, m. 'Huf’, auch in anord. höfr, ae. afr. höf.
hubel, hovel, ahd. hubil, as. huvel aus vor-d. Vergleichbar ist ai. saphä- m. Huf, Klaue’ und
*hubila- m. 'Erhebung, Hügel, Höcker’. Ver¬ russ. kopyto n. 'Huf’, das an russ. kopäti ’gra¬
gleichbar ist lit. kuprä f. 'Höcker, Buckel’ (das ben, hauen' ('scharren’?) angeschlossen werden
allerdings genauer zu ahd. hovar 'Höcker’ kann. Könnte also die Scharre’ sein, mit Dehn-
stimmt), russ. kuper 'Bürzel’, avest. kaofa- slufe im Germanischen und einer Aspirata un¬
'Bergrücken’. Zu einer Reihe von bedeutungs¬ klarer Herkunft im Indischen.
ähnlichen Wörtern auf einer Grundlage *keu-. Nndl. hoef ne. hoof, nschw. hov, nisl. höfur.
Hufe 319 human

Hufe/., obd. Hube/. 'Landmaß’, arch. Mhd. Huhn n. Mhd. ahd. huon, as. hön, hän aus
huobe, ahd. huob(a), huobi, as. höha, höva ver¬ g. *lwnaz n. 'Huhn’, auch verbaut in anord.
gleicht sich mit gr. kepos m. 'Garten, eingeheg¬ hcens(n), hcensni PI. (u. ä.). Dehnstufige Zuge¬
tes, bepflanztes Land'. Vermutlich weiter zu lit. hörigkeitsbildung (Vriddhi) zu Hahn (s. d.).
köpti 'scharren, scharrend häufen’, lit. kuöpti S. Hahn( + ). — Darms (1978), 122—133.
'reinigen, säubern, ernten’. Ausgangsbedeutung
Hühnerauge n. Seit dem 16. Jh., vielleicht
ist wohl 'das zubereitete, hergerichtete Land’.
im Anschluß an 1. oculus pullinus m. gleicher
Hoops (1911/19), II, 565; W. Schlesinger in; E.-J.
Bedeutung. Die Benennung erfolgt nach dem
Schmidt (Hrsg.): FS W. Schröder (Berlin 1974),
15-85; W. P. Schmid AAWG III, 115 (1979), 71-73; Aussehen: eine runde Erhebung von einem
H. Tiefenbach in: Beck/Denecke/Jankuhn (1980), Hornring umgeben.
314-316. Hühnerhaut /., s. Gänsehaut.
hufen swV., reg.: hupen stvK, ndd. 'zurückge¬ Huld /., arch. Mhd. hulde, ahd. huldi, as.
hen lassen’. Dazu der Zuruf an Zugtiere hüf, huldi: wie afr. helde, ae. hyldu und anord. hylli
häuf 'zurück’; vgl. ae. onhupian, anord. hopa Adjektiv-Abstraktum zu hold (s. d.).
'sich zurückbewegen’. Herkunft unklar. Viel¬
M. Ohly-Steimer ZDA 86 (1955), 81 -119.
leicht mit gedehnter Schwundstufe zu *kettb-
Hulfter /., s. Halfter1.
'sich biegen, beugen’ (s. unter Hüfte), weil die
Tiere beim Zurückweichen einen Buckel ma¬ Hulk f/m./(n.), Holk//m./(n.) 'abgetakeltes
chen müssen. Schiff’, fachsprachl. Mndd. hulk rn., spahd.
holco m. 'Lastschiff’, entlehnt (über afrz.
Huflattich m„ fachsprachl. Mhd. huofleteche
hulque) aus ml. hulcus m., das seinerseits aus gr.
/., ahd. huofletihha /., huofletich. Entlehnt aus
holkäs f. 'Schleppkahn’ (zu gr. heikein 'ziehen’)
I. lattüca/.. das in diesem Fall aus 1. lapathum
n. 'Ampfer’ stammt (dieses wiederum aus gr. stammt.
läpathon n. 'Ampfer’ zu gr. lapässö 'ich erwei¬ Kluge (1911), 383f.

che’ nach der abführenden Wirkung). Vermischt Hülle/. Mhd. hülle, ahd. hulla 'Obergewand’;
mit 1. lactüca/., das unter Lattich (s. d.) behan¬ Verbalabstraktum zu hehlen (s. d.) in seiner ur¬
delt ist. Das Vorderglied Huf- nach der breiten sprünglichen Bedeutung 'verbergen’, also das
Form. '(Ver)Bergende’. Gemeint ist zunächst die Klei¬
Hüfte /. Mhd. ahd. huf aus g. *hupi- m. dung, besonders in der Formel Hülle und Fülle,
'Hüfte’, auch in gt. hups, ae. hype m. Das t ist die wie 1. vlctus et amictus 'Kleidung und Nah¬
im Neuhochdeutschen sekundär angetreten; das rung’ bedeutet (zu voll 'satt’), danach aber nach
Femininum nach dem Plural. Außergermanisch der jüngeren Bedeutung von Fülle umgedeutet
entspricht an sich am genauesten gr. kybos m. wird.
'Höhlung vor der Hüfte beim Vieh’, doch be¬ Hülse /. Mhd. hülse, ahd. hulis(a), hulsca.
deutet dieses Wort auch 'Würfel u. a.’, so daß Mit einem i-Suffix (etwa -isjö) gebildet zu heh¬
der Zusammenhang nicht gesichert ist. Seman¬ len (s. d.) in dessen ursprünglicher Bedeutung
tisch weiter entfernt ist 1. cubitum n. 'Ellbogen’ 'verbergen’ (und 'bedecken’), also 'Bedeckung’.
(also 'Gelenk’?). Zu Wörtern für 'sich biegen, S. hehlen (+). — Kluge (1926), 45.
beugen’ auf einer Grundlage *keu- mit verschie¬
Hulst m. 'Stechpalme’, fachsprachl. Mhd.
denen Auslauten (gr. kyptö u. ä.). Vgl. das
huls, ahd. as. hul(i)s. Mit anderen Suffixen und
Reimwort mndd. schuft (?) 'Vorderschulter¬
Weiterbildungen ae. hole(g)n (ne. holly), anord.
blatt’.
hulfr und außergermanisch mir. cuilenn, kymr.
Nndl. heup, ne. hip. S. auch hufen, kubik-,
celyn. Mit anderen Bezeichnungen für spitzige
Hügel m. Seit dem 16. Jh. bezeugt, vom Ost¬ Gegenstände wohl zu einer Erweiterung zu *ak-
mitteldeutschen aus verbreitet, vor allem durch 'spitzig’ (s. unter Ähre).
Luther. Älter ist die hochstufige Form mhd. E. Björkmann ZDW 2(1902), 211f.; F. Solmsen
houc n., ahd. houg, houc, hög n., anord. haugr. BGDSL 27 (1902), 366f.; V. Hubschmied VR 3 (1938),
Letztlich zu einer Grundlage *keuk- 'sich bie¬ 69f.; Marzeil (1943/79), II, 979-982.
gen, krümmen’ (in ai. kucäti 'sich zusammen¬ human Adj. 'menschenwürdig’, sonder spracht
krümmen’, serbo-kr. cücati 'hocken, kauern’, s. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. hümä-
nhd. hocken) gehören Wörter für verschiedene nus, zu 1. homo 'Mensch’.
Erhebungen, etwa ai. kuca- m. 'weibliche Brust’, Morphologisch zugehörig: Humanismus, Humanist,
lit. kaükas 'Beule’, lit. kaükaras 'Hügel’; s. auch humanitär, Humanität: etymologisch verwandt: s. Hu¬
Hocke1, hocken ( + ), Höcker, zu diesem Haug mus. — W. Feldmann ZDW 8(1906/07), 74; G.
und Hügel. Schoppe ZDW 15(1914), 186f.; K.-H. Weinmann
S. auch Hohn. — B. Hesselman MASO 2 (1939), 12f.; DWEB 2 (1963), 392; V. R. Giustiniani JHI46 (1985),
Valtavuo (1957), 37 — 49. 167-195.
Humbug 320 hundert

Humbug m. "Unsinn’, ugs. Im 19. Jh. entlehnt (und Nasalierung). Weitere Vergleiche liegen
aus gleichbedeutend ne. humbug, dessen Ur¬ nicht nahe.
sprung nicht mit Sicherheit geklärt ist. S. behum(p)sen. — F. Sommer /F51 (1933), 248.
Hummel/. Mhd. hum(m)el, humbel m., ahd. Humpen m. Früher auch Humpe f. Erst seit
humbal, hummel m., mndd. homele, hummel, dem 16. Jh. bezeugt, zuerst ostmitteldeutsch; es
mndl. hom(m)el. Wie me. humbil, nnorw. ist vermutlich durch die Leipziger Studenten
nschw. humla ein altes lautmalendes Wort für verbreitet worden. Das Wort ist an sich ver¬
den Summton dieser Insekten; vgl. mhd. hum- gleichbar (gr. kymbos m./(n.) 'Schale’, gr.
men, nndl. hommelen, me. hummen, ne. hum kymbe f. 'Trinkgefäß’, ai. kumbhä- m. 'Topf’),
'summen’. Außergermanisch stehen am näch¬ doch handelt es sich bei diesen eher um Wander¬
sten russ. smeli m., apreuß. camus 'Hummel’, wörter als um Urverwandtschaft, und auch das
lit. kamäne 'Erdbiene’. späte Auftreten des deutschen Wortes ist einem
O. Hauschild ZDW 12(1910), 32; W. Mitzka NSN solchen Vergleich nicht günstig. Vielleicht han¬
18 (1956), 154-161. delt es sich um ein Wort der niederen Um¬
Hummer m. Im 16. Jh. entlehnt über ndd. gangssprache; aber dann ist es eher als 'Klotz,
bummer aus anord. humarr. Das altnordische Kloben’ (emphatische Bezeichnung für einen
Wort läßt sich mit gr. kämmaros 'eine Art schweren Krug) zu mndd. hump 'Höcker’ und
Krebs’ vergleichen, doch ist die Art des Zusam¬ ähnlichen Wörtern zu stellen.
menhangs unklar. Lühr (1988), 117f.
P. Kretschmer Glotia 22 (1933), 103f. Humus m. 'fruchtbares Erdreich’, fach-
Humor m. 'Sinn für Spaß’. Im 18. Jh. entlehnt sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus 1.
aus gleichbedeutend ne. humour '(älter:) Tempe¬ humus f. 'Erde’. Dazu eine Reihe stammver¬
rament, Laune’, dieses aus afrz. humour 'Flüs¬ wandter Wörter, die den Menschen begrifflich
sigkeit, Körpersäfte’, aus 1. (h)ümor 'Feuchtig¬ als den 'Irdischen’ (= „Erde-ischen“) fassen
keit, Flüssigkeit’. Die Endbetonung nach frz. (human usw.).
humeurf Nach der in der griechischen Antike Etymologisch verwandt: Bräutigam, Homunkulus, hu¬
entwickelten und bis in die Neuzeit vertretenen man (usw.), Lomber.
Auffassung waren die Stimmungen und Tempe¬ Hund m. Mhd. ahd. hunt, as. hund aus g.
ramente der Menschen abhängig von der jewei¬ *hunda- m. 'Hund’, auch in gt. hunds, anord.
ligen Mischung der vier wesentlichen Körper¬ hundr, ae. afr. hund. Dieses mit dentaler Erwei¬
säfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze
terung zu ig. *ku-ön m. 'Hund’, auch in ai. svä,
Galle) — daher der Bezug zu „Feuchtigkeit“
gr. kyön, 1. canis (lautlich unregelmäßig), air. cü
(danach die Bezeichungen cholerisch, phlegma¬
n./m., kymr. ci, lit. suö, toch. A. B. ku. Weitere
tisch, sanguinisch und melancholisch). Dann
Herkunft unklar.
übertragen auf das Ergebnis der Körpersäftemi¬
Nndl. hond, ne. hound, nschw. hund, nisl. hundur. S.
schung, die „Laune, das Temperament“ bzw.
hunzen, zynisch. - S. Gutenbrunner ASNSL (1960),
die „gute Laune“. Ins Deutsche wird das Wort 65-68; E. P. Hamp IF 85 (1980), 35-42. Zu Hund
in der literarischen Kritik übernommen, die sich 'Bergwerksfahrzeug’ vgl.: Bielfeldt (1965), 27.
mit der Heiterkeit in der erzählenden englischen
hundert Num. Mhd. hundert. Das alte Wort
Literatur der Zeit auseinandersetzt.
für 'hundert’ (zu 'hundert-zwanzig’ s. Großhun¬
Morphologisch zugehörig: Humoreske, Humorist; ety¬
dert) ist g. *hunda- in gt. ae. as. hund, ahd.
mologisch verwandt: [Humidität] - W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 74; Ganz (1957), 98f.; K. O. Schütz mhd. hunt. Dazu die Erweiterung mit *-rapa-
MS 70 (1960), 193 — 202; K.-H. Weinmann DWEB 'ZahF (s. unter gerade1) in anord. hundraö, ae.
2(1963), 392. hundred, afr. hunderd, hundred, as. hunderod,
Hümpel m. 'Haufen’, ndd. Mndd. humpel offenbar eine Bildung der nordseegermanischen
(dass.), entfernter in der Bedeutung ne. hump Sprachen, die nachträglich auch im Deutschen
Buckel’. Das Wort ist zwar vergleichbar (z. B. ausgebreitet wurde. G. *hunda- 'hundert’ ent¬
ai. kümba- m./n. 'das dicke Ende eines Kno¬ spricht ig. *kmtö- 'hundert’ in ai. satäm, gr.
chens’), doch legen die allgemeine Bedeutung hekatön (he- zu *sem eins’), 1. centum, air. cet,
und die Bezeugung die Annahme von Urver¬ lit. sirhtas, akslav. süto (lautlich unklar), toch.
wandtschaft nicht nahe. Vielleicht nasalierte A. känt, toch. B. kante. Vermutlich ist das Wort
Form zu Haufen (s. d.). eine Ableitung zu *dekm 'zehn’, also *dkmtö-
'Zehnerschaft (von Zehnern)’.
humpeln swV. Im 18. Jh. aus dem Niederdeut¬
Nndl. honderd, ne. hundred, nschw. hundra, nisl. hun¬
schen übernommen, vgl. nndl. hompelen. Wie
draö. S. Hektar (y), Rede, Reim, tausend,
etwa ne. hobble eine expressive Bildung auf Zentner ( + ). - A. Jensen ZVPh 6(1952), 50-57; E.
einer Grundlage *keu- mit labialem Auslaut Risch IF 67 (1962), 129-141.
Hundsfott 321 hurtig

Hundsfott m., vulg. Schimpfwort im Sinn von hüpfen swV. Mhd. hupfen, hüpfen, mndd. hup¬
verächtlich, feige'. Gebräuchlich seit dem 16.
pen neben hopfen (obd. mhd.), ndd. hoppen, ae.
Jh., eigentlich 'Fotze der Hündin’ (s. unter
hoppian, anord. hoppa, vgl. auch hopsen und
Fotze); ursprünglich sehr ordinärer Ausdruck
hoppeln. Ein expressives Wort ohne nähere An¬
(vgl. entsprechendes anord. fuölmndr [als Spott¬
knüpfungsmöglichkeit. Vielleicht zu gr. kybi¬
name], ne. son of a bitch 'Sohn einer Hündin’;
st äö ich schlage ein Rad, Überschläge mich,
angespielt wird auf die sexuelle Aufdringlichkeit
tummle mich herum’, das aber seinerseits ety¬
der läufigen Hündin).
mologisch unklar ist. Nach Sommer (s. u.) zu
Hundstage Pl. Die von dem Sternbild cani- der Lautgebärde *hup- für eine Bewegung von
cula. dem Hund des Orion, beherrschten Wo¬ unten nach oben.
chen vom 24. Juli bis zum 23. August heißen S. auch Hampelmann. — Sommer (1977), 8.
schon im nachklassischen Latein dies canTculä-
Hürde/. Mhd. hurt, ahd. hurt, htird, as. hurth
res. Entsprechend in den Volkssprachen, im
aus g. *hurdi- f. 'Flechtwerk’, besonders 'ge¬
Deutschen seit dem 15. Jh. Gemeint sind sehr
flochtene Tür’, auch in gt. haurds, anord. hurö,
heiße Tage (wie unter den Eisheiligen (s. d.) sehr
ae. weitergebildet in hyrdel. Die Ausgangsbe¬
kalte Frühjahrstage verstanden werden).
deutung ist 'Flechtwerk’, wie in 1. crätis (*kra-
H. Soulahti: Niederdeutsche Studien für C. Borchling
ti-), mir. ceirtle Knäuel’ und einigem weiter
(Neumünster in Holstein 1932), 191 — 196.
abliegenden. Man sieht die lateinische Form,
Hüne m. Mhd. hiune, seit dem 13. Jh. in der die ra voraussetzt, als sekundär an und sucht
Bedeutung 'Riese’, vorher 'Hunne’, wie ahd.
hinter ai. krnätti 'dreht, spinnt’ ein ursprüng¬
Hun(i) PL, as. hün; also Name des im 4. Jh. liches Verb für 'flechten o. ä.’, das die Grund¬
nach Europa einbrechenden Völkerstamms.
lage der genannten Wörter abgeben könnte. Die
Hunger m. Mhd. hunger, ahd. as. hungar aus Zusammenhänge sind aber nicht ausreichend
g. *hungru- m. 'Hunger’, auch in anord. hungr klar.
m.l(n.), ae. hungor, afr. hunger; gt. ohne gram¬ S. Grill, Roße.
matischen Wechsel gt. hührus (mit Nasal¬
Hure /. Mhd. huore, ahd. huor n., mndd.
schwund vor h), vgl. aber gt. huggrjan 'hun¬
ltor(r)e, mndl. hoere aus g. *hörön fl 'Hure’,
gern’. Semantisch am genauesten stimmt hierzu
auch in anord. höra, ae. höre; ein entsprechen¬
das gr. Glossenwort kenkei 'hungert’, dazu lit.
des Maskulinum ist gt. hors, anord. hörr m.
kehkti 'weh tun’ und das sekundäre anord. hä
'Hurer’. Offenbar als 'Liebhaberin’ und 'Lieb¬
(*hanhö-) 'plagen, quälen’. Die Sonderbedeu¬
haber’ Substantivierungen eines Adjektivs, das
tung ist wohl in unpersönlichen Ausdrücken
im Germanischen nicht mehr bezeugt ist, s. aber
('es plagt mich’ = 'es hungert mich’) entstan¬
den; dazu das germanische Verbalnomen Hun¬ 1. cärus 'lieb, begehrt’, lett. kärs 'lüstern’, dazu
ger, das wohl auf einem alten /--Stamm beruht. air. cara m. 'Freund’ und air. caraid 'liebt’;
/-«-Bildungen zu *kä- 'begehren, heben’, das in
Nndl. höriger, ne. hunger, nschw. hunger, nisl. hungur.
- Schulze (1933), 329. dem Partizip ai. kayamäna- 'begehrend, liebend’
und in ai. kämet- m. 'Wunsch, Begehren, Liebe’
Hungertuch n., arch. Zunächst im 15. Jh. be¬
vorliegt.
zeugt als Weihegabe für überstandene Hungers¬
Nndl. hoer, ne. whore, nschw. hora. S. Karitas. —
not. Diese Bezeichnung geht dann auf die Fa¬
Anders (entlehnt aus slav. kurüva dass.): V. Machek
stentücher über, mit denen schon im 13. Jh.
Slavia 21 (1953), 259-261.
während der Fastenzeit die Altäre verhüllt wur¬
hürnen Adj. 'aus Horn’, arch. Mhd. hürnin,
den. Dies gibt zu bildlichen Wendungen wie am
Hungertuch flicken, nähen für 'hungern, kärg¬ hurriin. Materialadjektiv auf -Ina- zu Horn
(s. d.).
lich leben’ Anlaß, später durch Mißverständnis
am Hungertuch nagen. hurra Interj. Freudenruf; bezeugt erst seit
hunzen swV, sondersprachl. Neuhochdeutsch dem 18. Jh., aber wohl älter. Könnte auf einen
zu Hund (s. d.) gebildet wie entsprechendes Imperativ von mhd. hurren 'sich schnell bewe¬
schwäb. (ver)hundaasen zu Hunde-Aas. Die Be¬ gen’ zurückgehen; ist aber aufs ganze gesehen
deutung ist 'mißhandeln, verächtlich behan¬ unklar.
deln’, eigentlich 'behandeln wie einen Hund’. Lokotsch (1975), 169.

E. Gutmacher BGDSL 38 (1913), 560 — 562. Hurrikan m., s. Orkan.


Hupe fl. Seit dem 18. Jh. bezeugt für eine hurtig Adj., arch. Mhd. hurtec seit dem 14.
Weidenpfeife; dann übertragen auf die moder¬ Jh. zu hurten 'vorprellen’ und hurt(e) 'Anprall’;
nen Signalhörner. Das Wort ist wohl lautma¬ Ausdrücke aus der Turniersprache, die aus afrz.
lend (wie tüt, tüten u. ä.). hurt 'Stoß, Anprall’, afrz. hurter 'stoßen’ ent¬
Th. Matthias MS 43 (1928), 8. lehnt und weiterentwickelt sind.
Husar 322 Hybris

Husar m., arch. Im 16. Jh. entlehnt aus ung. durch lautlichen Zusammenfall eingemischt.
huszär 'Lanzenreiter’, wörtlich 'Zwanzigster’ Vgl. Hut2.
(zu ung. husz 'zwanzig’), weil jeder zwanzigste Nndl. hoed, ne. hood, hat, nschw. halt, nisl. hattur,
Rekrut zu den Reitern kam. hötlur. S. auch Chalet, Hut2, Hattrick. — H. F. Foltin
Steinhäuser (1962), 88 — 92. DWEB 3 (1963), 1-296.

huschelig Adj. 'unordentlich’, reg. Seit dem Hut2 /., arch. Mhd. huot(e), ahd. huota.
18. Jh. bezeugt. Vgl. huscheln 'unordentlich ar¬ Rückbildung aus dem wg. schwachen Verb
beiten’, Huschet 'unordentliche Frauensperson’. *höd-ija- 'hüten’ in ae. hedan, afr. höda, as.
Wohl zu huschen als 'etwas (zu) schnell tun’. hödian, ahd. huoten, mhd. hüeten. Das Verb
gehört wohl zu einem Substantiv mit der Bedeu¬
huschen swV. Wie die Interjektion husch (die
tung 'Bedeckung’ zu der unter Hut1 genannten
wohl die Grundlage bildet) seit dem 16. Jh.
Wurzel *kat-, die mit 'einschließen, bedecken’
bezeugt. Als Interjektion vergleicht sich außer¬
zu tun hat; möglicherweise ist es in Hut1 aufge¬
halb des Deutschen ne. hush 'still’. Es besteht
gangen.
wohl ein Zusammenhang mit sch, pscht u. ä.,
S. Hude. - H. F. Foltin DWEB 3 (1963), 1 -296.
so daß für huschen wohl von 'sich lautlos (und
schnell) bewegen’ auszugehen ist. Hutsche/. 'Fußbank’ arch., reg. Bezeugt seit
Schwentner (1924), 31. dem 17. Jh. Aus hutschen 'rutschen, schieben’
Husten m. Mhd. huoste, ahd. huosto, mndd. unklarer Herkunft.
höste, mndl. hoesten aus g. *hwöstön m. 'Hu¬ Hutschnur / 'Schnur, die den Hut einfaßt’.
sten’, auch in anord. hösti, ae. hwesan, hwösta; Bezeugt seit dem 17. Jh.; bis über die Hutschnur
Abstraktbildung zu altem *hwös-a- swV. 'hu¬ bedeutet regional dasselbe wie bis über die Oh¬
sten’, das nur noch in ae. hwesan, hwösan be¬ ren', daß wie eine Hutschnur gelegentlich auch
zeugt ist. Dieses zu ig. *kwäs- 'husten’ in ai. als Maß eines Wasserstrahls u. ä. benützt wird,
käste, akslav. kastllngti, lit. köseti 'husten’, mir. hat darauf kaum einen Einfluß gehabt.
cosachtach f. 'Hustenanfalf, kymr. peswch 'Hu¬ K. Gleißner BGDSL 58 (1934), 296f.
sten’.
Hütte/ Mhd. hütte, ahd. hutta\ zu derselben
Nndl. hoest, nschw. hosta, nisl. hösta.
Grundlage (g. *hud-) wie Haus (s. d.). Ne. hut
Hut1 m. Mhd. ahd. huot, as. hod aus wg. u. a. sind aus dem Deutschen entlehnt.
*höda- m. 'Hut, Bedeckung’, auch in ae. afr. Wolf (1958), 102f.
höd; daneben morphologisch abweichend *hat-
Hutzel /, 'gedörrtes Obst’, reg. Mhd. Iiützel,
tu- m. 'Hut’ in anord. hgttr, ae. hcet(t). Die
hutzel 'getrocknete Birne’ zu (ver)hutzeln, ndd.
Etymologie ist kompliziert, da hier offenbar
hotten 'einschrumpfen’, vgl. ndd. hotte 'geron¬
verschiedene schwer greifbare Ansätze zusam¬
nene Milch’. Offenbar zu einer Dentalerweite¬
mengespielt haben. Von der Bedeutung her sind
rung der Wurzel *keu- 'sich biegen, zusammen¬
zunächst zu beachten 1. cassis f. 'Helm’ und
krümmen’ (zu deren Tektalerweiterung s. unter
1. cappa f. 'Kappe, Überwurf’, die aber beide
hocken).
etymologisch nicht klar sind; zumindest 1. cassis
ist der Entlehnung aus einer anderen Sprache Hyäne /. (= ein Raubtier). Im Frühneu¬
verdächtig. Dann ist zu berücksichtigen, daß hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1.
Kleidungsstücke, die Kopf und Schultern be¬ hyaena, dieses aus gr. hyaina (dass.)
decken in früherer Zeit offenbar häufig aus Zie¬ Hyazinth m. (= ein Edelstein), fachsprachl.
genfell gefertigt wurden, so daß, wie bei anord. Im Althochdeutschen (ahd. jalihant, jagant 'Sa¬
heöinn 'kurzes Kleidungsstück mit Kapuze, phir’, mhd. jacintus, jächant, jacliant) entlehnt
von Pelz gemacht’ zu anord. haöna f 'Ziege’, aus gleichbedeutend 1. hyacinthus m.\f., dieses
auf dieses auch im Deutschen bezeugte Wort aus gr. hyäkinthos m.jf. (dass.). Dazu auch
für 'Ziege’ zurückgegriffen werden könnte. In Hyazinthe, ursprünglich 'violette Schwertlilie’,
diesem Fall würde es sich um Zugehörigkeitsbe¬ so benannt nach der Farbe der Blüten.
deutungen handeln ('aus Ziegenfell gemacht’,
Luschen (1968), 240f.
vgl. unsere Lammfellmützen). Schließlich gibt es
offenbar eine Wurzel *kat-, die (von welchem Hybride //w. 'durch Kreuzung entstandenes
Ausgangspunkt auch immer — vermutet wird Wesen’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
'flechtend zusammendrehen’) mit 'einschließen, tend 1. hybrida, hibrida /., dieses aus gr. hybris
bedecken u. ä.’ zu tun hat, vgl. etwa 1. catena f. 'Frevel, Schändung’.
f. (*katesnä) 'Kette’, I. cassis 'Jägergarn, Netz, Morphologisch zugehörig: hybrid, hybridisieren; ety¬
Spinngewebe’, I. casa f. 'Hütte u. ä.’. Die An¬ mologisch verwandt: Hybris.

knüpfung an das Ziegenfell ist die natürlichste; Hybris /. 'Hochmut, Vermessenheit’, sonder-
die andere Wurzel hat sich möglicherweise sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend gr. hybris
Hydrant 323 Hysterie

(wörtlich: 'frevelhafte Vermessenheit gegenüber sein 'schläfrig sein, schlafen’, zu gr. hypnos m
den Göttern’).
'Schlaf’.
Morpologisch zugehörig: hybrid: etymologisch ver¬
wandt: Hybride. - J. T. Hooker AB 19(1975) Morphologisch zugehörig: Hypnotik, Hypnotikum,
125-137. Hypnotiseur, Hypnotismus.

Hydrant m. 'Wasserzapfstelle’. Im 19. Jh. ent¬ hypo- Präftxoid. Wortbildungselement mit


lehnt aus gleichbedeutend ne. hydrant, einer der Bedeutung 'darunter, unter’. Es wird in
neologischen Bildung zu gr. hydör n. 'Wasser’. griechischen Wörtern übernommen und geht
Auf das etymologisch verwandte 1. hydraulicus auf gr. hypo, hypö (dass.) zurück.
gehen die Entlehnungen hydraulisch (usw.) zu¬ Zum Etymon s. auf.
rück, die zunächst auf Wasserorgeln bezogen
sind, dann aber auf andere Maschinen verallge¬ Hypochonder m. Person mit unbegründeten
meinert werden. Krankheitsvorstellungen’, fachsprachl. Neubil¬
Etymologisch verwandt: [Hydra], [Hydrat], hydro-: dung des 18. Jhs. zu d. hypochondrisch 'schwer¬
zum Etymon s. Wasser. mütig’, das zurückgeht auf gr. hypochöndrios
hydraulisch Adj., s. Hydrant. '(wörtlich:) unterhalb des Brustknorpels lie¬
gend’, zu gr. chöndros 'Brustknorpel’ (s. hypo-).
hydro- Präftxoid. Wortbildungselement mit
der Bedeutung 'Feuchtigkeit, Wasser’ (z. B. Hy¬ So benannt, da nach antiker Auffassung die
drokultur). Es wurde in griechischen Entlehnun¬ Gemütskrankheiten im Unterleib situiert sind.
gen ins Deutsche übernommen und in neologi¬ Morphologisch zugehörig: Hypochondrie. - W. Feld¬
schen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist mann ZDW 8 (1906/07), 74; Ganz (1957), 102.
gr. hydör (dass.). Hypotaxe /. 'Unterordnung von Satzteilen’,
Etymologisch verwandt: s. Hydrant.
s. Syntax und hypo-.
Hygiene /. 'Gesundheitslehre, Maßnahmen
Hypothek /. 'Pfandrecht’, fachsprachl. Im 16.
zur Sauberhaltung’. Neubildung des 18. Jhs. zu
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. hypotheca,
gr. hygieinös 'heilsam, der Gesundheit zuträg¬
dieses aus gr. hypotheke (dass, wörtlich 'Unter¬
lich’, einer Ableitung von gr. hygieia 'Gesund¬
heit’, zu gr. hygies 'gesund, heilsam’ (eigentlich lage, Untergestell’), zu gr. hypotithenai 'dar¬
'gut lebend’). unterstellen, verpfänden’, zu gr. tithenai 'setzen,
Etymologisch verwandt: s. Amphibie. stellen, legen’ (s. auch hypo-).
hygro- Präftxoid. Wortbildungselement mit Morphologisch zugehörig: Hypothekar: etymologisch
der Bedeutung 'Feuchtigkeit’ (z. B. Hygrome¬ verwandt: s. Theke.

ter, hygroskopisch). Es wurde vornehmlich in Hypothese /. 'Annahme’, sonder spracht. Im


griechischen Entlehnungen ins Deutsche über¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. hypo-
nommen; sein Ursprung ist gr. hygrös 'naß’. thesis, dieses aus gr. hypöthesis (dass.), zu gr.
Hymne/. 'feierliches Musikstück’. Im 18. Jh. hypotithenai 'unterstellen’, zu gr. tithenai 'set¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. hymnus m., die¬ zen, stellen, legen’ (s. auch hypo-).
ses aus gr. hymnos m., dessen Ursprung nicht Morphologisch zugehörig: hypothetisch, etymologisch
mit letzter Sicherheit geklärt ist. verwandt: s. Theke. — A. Menne AB 22(1978),
Morphologisch zugehörig: Hymnik, Hymnologie, 120f.
Hymnus.
Hysterie/. 'Erregtheit, Überspanntheit’. Neu¬
hyper- Präftxoid. Wortbildungselement mit
bildung des 18. Jhs. zu hysterisch 'überspannt’,
der Bedeutung 'über, hinaus, übermäßig’. Es
wird in griechischen Wörtern übernommen und dieses aus 1. hystericus (dass.), aus gr. hysterikös
geht auf gr. hyper, hyper (dass.) zurück. (dass.), zu gr. hystera 'Gebärmutter, Mutter¬
Etymologisch verwandt: s. super. — W. Feldmann leib’. Die Hysterie wurde von der älteren Medi¬
ZDW 8 (1906/07), 74. zin als eine Frauenkrankheit gesehen und auf
Hyperbel f, s. hyper- und Ellipse. eine Erkrankung der Gebärmutter zurückge¬
Hypnose /. 'schlafähnlicher Bewußtseinszu¬ führt.
stand’. Neubildung des 19. Jhs. zu gr. hypnös- Morphologisch zugehörig: Hysteriker.
I
-i Suffix (besonders in Kosenamen und Über¬ ten Rest einer Adjektivbildung mit 'Stammaus¬
namen). In neuerer Zeit häufig in Abkürzungen laut + -/ja-’ und modifizierender Funktion,
(Krimi aus Kriminalroman, aber als echtes Suf¬ während -ig (s. d.) auf eine Variante mit gram¬
fix in Fundi aus Fundamentalist). matischem Wechsel und exozentrischer Funk¬
A. Greule MS 94 (1983/84), 207-217. tion zurückgeht.
-ial Suffix, s. -al. J. Haltenhof: Zur Geschichte des mhd. Adjektiv Suffixes
'-icht' und seiner Verwandten (Diss. Heidelberg 1904);
-ibel Suffix, s. -abel.
E. Seebold 77^(1975), 157-172.
ich Pron. Mhd. ich, ahd. ih, as. ik aus g. Ideal n., s. Idee.
*ek/ekan; diese beiden Formen werden in den
Idee /. 'Vorstellung, Gedanke’. Im 17. Jh.
runischen Texten noch als ek (am Satzanfang)
entlehnt aus gleichbedeutend 1. idea und frz.
und -eka (enklitisch nach dem Verb) unterschie¬
idee (dass.), die zurückgehen auf gr. idea 'Vor¬
den, in den späteren Sprachen mußten diese
stellung, Meinung, Aussehen’, zu gr. idein 'er¬
Formen lautgesetzlich zusammenfallen, so daß
blicken, erkennen-’, ursprünglich Aorist zu gr.
ein Unterschied nicht mehr erkennbar ist. So
eidenai 'wissen, verstehen, gesinnt sein’. Ideal
auch in gt. ik, anord. ek (aonord. iak), ae. ic,
basiert auf dem in der Platonischen Philosophie
afr. ik. Die beiden germanischen Formen gehen
entwickelten Wortverständnis 'ein gedachtes
auf ig. *eg und *egom zurück; beide Formen
vollkommenes Muster, das von den zugehöri¬
nebeneinander zeigen auch die slavischen Spra¬
gen individuellen Entitäten nur unvollkommen
chen, etwa in aruss. ja neben jazü und (mit
realisiert wird’. Beim Ideogramm handelt es sich
problematischem Vokalismus) heth. uk neben
um ein Schreibzeichen, das auf der abgebildeten
uga. Nur die kürzere Form haben die baltischen
Einheit beruht und nicht auf einer lautlichen
Sprachen (lit. es, äs usw. mit unregelmäßig ent¬
Wortform. Die Ideologie ist ein System von
wickeltem Vokalismus und Konsonantismus),
Grundeinstellungen und Wertungen.
nur die längere haben die arischen Sprachen
Morphologisch zugehörig: ideell; etymologisch ver¬
(ai. ahäm mit unregelmäßigem Konsonantis¬
wandt: [idealisieren], [Idealismus], [Idealist], [Ideali¬
mus). Ein dritter (wohl morphologisch selbstän¬
tät], Idol, Idylle (usw.), Kaleidoskop; zum Etymon s.
diger) Ausgang *-ö liegt vor in gr. ego, 1. egö, wissen. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 75; W. J.
wohl auch der ahd. Emphaseform ihha und Jones SN 51 (1979), 260; Brunt (1983), 337. Zu Ideolo¬
vielleicht heth. uk (s. o.). Die obliquen Kasus gie: J. Frese: Ideologie (Diss. Münster 1965); H. Oertel
werden seit alter Zeit von dem Stamm *me- DZPh 18(1970), 206-211; H.-Chr. Rauh DZPh
gebildet (s. unter mein). Das Pronomen *eg 18 (1970), 689 — 715; J. Plamenatz: Ideology (London
ist vielleicht mit dem ich-deiktischen Pronomen 1970; deutsch: München 1972).

*ke-/ki- in Verbindung zu bringen; die Verschie¬ identifizieren swV, s. Identität.


denheit der Artikulationsart ist dabei ungeklärt. Identität /. 'Gleichheit’. Im Frühneuhoch¬
Nndl. ik, ne. I, nschw. jag, nisl. jeg. S. Egoismus. — deutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1. iden-
Seebold (1984), 20-24, 95. titäs, einem Abstraktum zu 1. idem 'derselbe’,
-icht1 Suffix (zur Bildung von sachlichen Kol¬ einer Ableitung von 1. is 'er, der’. In dem Verb
lektiven, hauptsächlich bei Pflanzen, z. B. Röh¬ identifizieren bringt 1. facere die Bedeutung des
richt, Kehricht). Das auslautende -t ist sekundär Erkennens hinzu (s. Fazit).
und seit dem 16. Jh. angetreten, die älteren Morphologisch zugehörig: Identifikation, identisch,
Formen sind mhd. -ich, -ech, -ach, ahd. -ahi. Identität; zum Etymon s. er. — W. Feldmann ZDW
W. A. Benware BGDSL-T 101 (1970), 340-343; 8 (1906/07), 75; G. Schmidt MS 86 (1976), 333-354.
Lloyd/Springer (1988ff.), 1, 104f. Ideogramm n., s. Idee und -gramm.
-icht2 Adjektivsuffix (wie in töricht, heute weit¬ Ideologie /., s. Idee und -logie.
gehend auf die Mundarten beschränkt, südd. idio- Präfixoid. Wortbildungselement mit der
meist als -et, das aber auch andere Herkunft Bedeutung 'selbst, eigentümlich’ (z. B. Idiosyn¬
haben kann). In der Hochsprache ist dafür -ig krasie, s. d.). Es wurde in griechischen Entleh¬
eingetreten. Das t ist sekundär angetreten, aber nungen ins Deutsche übernommen; sein Ur¬
schon mhd. -oht, -eht, -iht; ahd. -aht, -oht; (aber sprung ist gr. idios (dass.).
gt. stainahs usw.). Es handelt sich um den letz¬ Etymologisch verwandt: s. Idiot.
Idiolekt 325 Igel

Idiolekt m. 'Sprache bzw. Spracheigentüm¬ aus der Hirtenwelt , einem Hypokoristikum zu


lichkeiten einer Person\ fachsprachl. Im 20. Jh. gr. eidos n. 'Erscheinung, Idee, Zustand’, zu gr.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. idiolect, einer idein 'erkennen, erblicken’, ursprünglich Aorist
Neubildung nach dem Vorbild von e. dialect zu gr. eidenai 'sehen, erkennen, wissen u. ä.’.
Mundart’ zu gr. idios 'eigen, eigentümlich’. Die eigentliche Bedeutung 'Darstellung eines
Morphologisch zugehörig: ideolektal; etymologisch Zustands wird aut die häufig dargestelltcn Ver¬
verwandt: s. Idiot.
hältnisse von Hirten und einfachen Menschen
Idiom n., s. Idiot. eingeengt; die dabei herausgestellte Friedlich¬
Idiosynkrasie f. Eigenart, Überempfindlich¬ keit und Natürlichkeit wird schließlich in der
keit \ fachsprachl. Entlehnt aus gr. idiosynkräsia Bedeutung dominant, und der Bezug zu den
'besondere Mischung der Körpersäfte, die da¬ Hirten verliert sich.
durch bewirkte Beschaffenheit des Körpers’, zu Morphologisch zugehörig: Idyll, Idylliker, etymolo¬
gisch verwandt: s. Idee.
gr. idios 'eigen, seltsam, merkwürdig’ mit gr.
syn 'zusammen’ und gr. kräsis, kresis 'Mi¬ -ie Suffix. Dient der Bildung von desubstanti-
schung', zu gr. kerännymi 'ich mische’. vischen Kollektiva (z. B. Aristokratie) und von
Morphologisch zugehörig: idiosynkratisch; etymolo¬ desubstantivischen (und deadjcktivischen) Be¬
gisch verwandt: s. Idiot. zeichnungen für Verhaltensweisen oder Wissen¬
Idiot m. 'Schwachsinniger’, ugs. Im 16. Jh. schaftszweige (z. B. Scharlatanerie, Ökonomie,
entlehnt aus 1. idiöta, idiötes 'der Ungebildete, Philosophie, Galanterie). Es wurde in romani¬
Laie, Stümper’, dieses aus gr. idiötes (dass., schen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬
eigentlich: 'die Einzelperson im Gegensatz zum men; sein Ursprung ist 1. -ia, gr. -ia. — In
Staat, der Nichtkenner im Gegensatz zum Sach¬ einigen Wörtern ist die Form erweitert zu -erie
verständigen’), zu gr. idios 'eigen, privat, eigen¬ (z. B. Clownerie). Anderer Herkunft ist das Suf¬
fix in Wörtern wie Poesie (gr. -si-. Form des
tümlich’. Zunächst in der ursprünglichen Be¬
ti- Abstraktums).
deutung entlehnt; die heutige Bedeutung beruht
Etymologisch verwandt: -ei.
auf einer Übernahme des 18. Jhs. von ne. idiot
'Schwachsinniger’, das diese Bedeutung als juri¬ -ier Suffix. Dient der Bildung von desubstan¬
stischer Terminus angenommen hat. So wurden tivischen Personenbezeichnungen (Bankier, Ka¬
Personen bezeichnet, die nicht im Vollbesitz der nonier). Es wurde in französischen Entlehnun¬
geistigen Kräfte und somit zu rationalem Den¬ gen ins Deutsche übernommen; sein Urprung
ken nicht fähig sind. — Auf der ursprünglichen sind funktional entsprechende lateinische Bil¬
Bedeutung 'eigen’ beruhen einige Entlehnun¬ dungen auf -arius.
gen, die etwas Eigenartiges bezeichnen: Idiom Etymologisch verwandt: -er. — E. Öhmann NPhM
'besondere Redensart, Sprechweise’, Idiotikon 72(1971), 526-539.

'Mundartwörterbuch’ usw. -iere Suffix. Dient vornehmlich der Bildung


Morphologisch zugehörig: Idiotismus; etymologisch desubstantivischer Personenbezeichnungen (z. B.
verwandt: idio-, Idiolekt, Idiosynkrasie. — E. Leser Garderobiere, Gondoliere)-, daneben finden sich
ZDW 15 (1914), 7; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 187; jedoch weitere Bildungen mit breiter semanti¬
Ganz (1957), 403; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), scher Fächerung (z. B. Sauciere, Bonbonniere).
393.
Es wurde in französischen Entlehnungen ins
Idiotikon n., s. Idiot. Deutsche übernommen; sein Ursprung ist 1.
Idol n. 'vergöttertes Vorbild’. Im 18. Jh. ent¬ arius.
lehnt aus 1. Tdölum, Tdölon 'Schattenbild eines -ig Adjektivsuffix. Mhd. -ic, -ec, ahd. -ig
Abgeschiedenen, das Bild in der Seele, das Göt¬ neben seltenem -ag (weshalb diese Bildungen
zenbild’, dieses aus gr. eidölon (dass.), zu gr. teilweise Umlaut haben, teilweise nicht). Heute
idem 'erkennen, erblicken’, ursprünglich Aorist das gebräuchlichste Suffix zur Bildung von
zu gr. eidenai 'sehen, wissen u. a.’. Im Griechi¬ Eigenschaftsadjektiven; ursprünglich Stamm¬
schen zunächst 'Vorstellung, Scheinbild, Vor¬ auslaut + -ga- (aus -ko- mit grammatischem
stellung’, dann vor allem auch im christlichen Wechsel) zur Bildung exozentrischer Adjektive.
Sinn 'Götzenbild’. Die heutige, positiver kon- Das Vorherrschen des -i- rührt von der Mög¬
notierte Bedeutung wohl aus dem Französi¬ lichkeit, den Stammauslaut vor Ableitungssuffi¬
schen und Englischen. xen durch -i- zu ersetzen.
Etymologisch verwandt: s. Idee. — W. Feldmann S. Acht1.
ZDW 8 (1906/07), 75. Igel m. Mhd. igel, ahd. as. igil aus wg. *egila-
Idylle/, 'paradiesische Landschaft, friedliche m. 'Igel’, auch in ae. igel, daneben mit Länge
Abgeschiedenheit’. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. des Wurzelvokals anord. igull, ae. Tl. Aus vorein-
Idyllium n. 'Hirtengedicht’, dieses aus gr. eidyl- zelsprachl. *eghi- in lit. ezys, akslav. jezi, gr.
lion n. 'Bildchen mit Darstellung von Szenen echinos, arm. ozni. Die Grundform kann schon
igitt 326 Illusion

'Igel’ bedeutet haben und ist dann nicht weiter ihr2 Pron. (= Formen des anaphorischen
anschließbar. Da es sich aber in allen Fällen Pronomens). Genitiv Plural mhd. ir, ahd. as.
um morphologische Erweiterungen zu einem iro, gt. ize, sowie das zugehörige Possessivum;
*eghi- 'Schlange, Wurm' handelt, ist es möglich, Genitiv Singular femininum mhd. ir, ahd. as.
daß der Igel als 'der zur Schlange (zum Wurm) ira, gt. izos und das zugehörige Possessivum;
Gehörige’, also als 'Schlangenfresser’ bezeich¬ Dativ Singular femininum mhd. ir, ahd. as. iru,
net wäre. Der (besonders in der zusammenge¬ gt. izai. Obwohl die ig. Pronominalstämme *e-
rollten Verteidigungsstellung) nach allen Seiten und *i- im Germanischen lautlich nicht mehr
stachelbewehrte Igel hat zu zahlreichen Über¬ auseinanderzuhalten sind, läßt sich ansetzen,
tragungen Anlaß gegeben (z. B. Igel-Fisch, Igel- daß die Genitiv-Plural-Form auf *i-s-öm zu¬
Schnitt, Igel-Stellung usw.). rückgeht, die femininen Formen auf *esjäi und
Nndl. egel. — J. Brüch in: FS P. Kretschmer (Wien, *esjäs mit Verlust des j im Germanischen. Die
Leipzig, New York 1926), lOf. Erweiterung -s(j)- der Pronominalstämme geht
igitt Interj. zum Ausdruck von Ekel und Ab¬ wohl auf archaische Kasusformen zurück.
scheu, meist verdoppelt als igittigitt, älter auch S. er( + ). - Seebold (1984), 72f.
gittegitt, vor allem ndd. Wohl nur aus [i:] als ihro Pron., arch. Im 17. Jh. nach dero (s. d.)
Ausdruckslaut für Ekel herausgebildet (kaum gebildet.
Entstellung von o Gott).
ihrzen swV. 'mit Ihr anreden’, arch. Mhd.
-igkeit Suffix, s. -heit. irzen; mit Suffix -zen zum Personalpronomen
Iglu m./n. (= eine aus Schneeblöcken gebaute ihr (s. ihr1) gebildet (näheres s. duzen).
Hütte), sonder spracht. Entlehnt aus gleichbe¬ -ik Suffix. Dient vornehmlich der Bildung
deutend eskim. iglu. denominaler Substantive, die eine Gesamtheit
Ignoranz/. 'Unwissenheit’, sonder spracht. Im oder ein Fachgebiet bezeichnen (z. B. Motivik,
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Tgnöran- Informatik). Daneben finden sich auch Bezeich¬
tia, einem Abstraktum zu 1. ignöräre 'nicht ken¬ nungen für 'Geartetheit, Beschaffenheit’ (z. B.
nen, nicht kennen wollen, unwissend sein’, zu Theatralik, Esoterik). Es wurde in romanischen
1. Tgnärus 'unerfahren sein, unwissend sein’, zu Entlehnungen ins Deutsche übernommen und
1. gnärus 'einer Sache kundig sein’ (s. auch in-), in einer Reihe von neologischen Bildungen ver¬
das mit 1. nöscere 'kennenlernen’ verwandt ist. wendet; sein Ursprung ist gr. -ike, 1. -ica.
Morphologisch zugehörig: ignorant, Ignorant; etymo¬
Ikone /. 'Kultbild’, fachsprachl. Entlehnt aus
logisch verwandt: s. Notiz.
gleichbedeutend spl. Icön, dieses aus gr. eikon
Ihle m. 'Hering, der schon gelaicht hat\fach-
'bildliche Darstellung, Ebenbild’. Das allge¬
sprachl. Wohl zu ndl. (dial.) iel 'schwach, dünn’.
meine Wort für 'Gemälde’ übernimmt hier die
ihm Pron. Dativ zu er/es. Mhd. im(e), ahd. speziellere Bedeutung einer bestimmten Art von
imu, as. im(u); auch gt. imma\ während altnor¬ Gemälden, nämlich der religiösen Kultbilder
disch, altenglisch und altfriesisch eine mit h- der Ostkirche.
anlautende Form vorausgesetzt wird. Vor-d. Morphologisch zugehörig: Ikon, ikonisch, Ikonolatrie,
etwa *i(s)möd neben *ismed oder *esmed für Ikonologie.
das Gotische.
-ille Suffix. Dient der Bildung von desubstan-
S. er, es, ihn, ihr1, ihr2. — Seebold (1984), 70f.
tivischen Diminutiven (z. B. Pupille, Pastille).
ihn Pron. Akkusativ zu er. Mhd. in(en), ahd. Es wurde in französischen Entlehnungen ins
in (an), as. ina; auch gt. ina; während alt¬ Deutsche übernommen; sein Ursprung ist 1. -il-
nordisch, altenglisch und altfriesisch eine mit h- lus, -illa (dass.).
anlautende Form voraussetzen. Aus ig. *i-m,
Iler m. 'Schabeisen des Kammachers’, fach¬
das zu *in wird, worauf verschiedene Partikeln
sprachl. Zu den 'Horn an der Innenseite abscha¬
antreten: Im Gotischen -ö, im Deutschen eine
ben’. Herkunft unklar.
Form, die zur Akkusativendung des Adjektivs
umgeformt wird. ilgern swV. 'stumpf werden’ (von den Zäh¬
S. er, es, ihm, ihr1, ihr2. — Seebold (1984), 69f. nen), arch. S. unter eilig 'stumpf (von den
ihr1 Pron. (=2. Person Plural). Mhd. ahd. Zähnen)’.
ir, as. gi aus wg. *jiz 'ihr’, auch in ae. ge, afr. illegal Adj., s. in- und legal.
ji, i. Daneben mit Länge anord. er, aschw. ir illegitim Adj., s. in- und legal.
und mit anderem Vokalismus gt. jus. Die goti¬
Illokution /., s. in- und Lokution.
sche Form ist die ältere nach Ausweis von avest.
yüs, lit. jus und mit anderem Aufbau ai. yüyäm. Illumination/., s. Luzifer.
Die außergotischen Formen sind an die der 1. Illusion /. 'Vorstellung, Selbsttäuschung’. Im
Plural im Vokalismus angeglichen worden. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. illusion
Nndl. gij. S. auch ihn, ihrzen. — Seebold (1984), 30f. und 1. illüsio (-önis) (dass.), zu 1. illüdere (illü-
illusorisch 327 Imperativ

sum) 'täuschen, betrügen, verspotten’, zu 1. lu¬ Imker m. Im 18. Jh. aus dem Niederdeut¬
dere (lüsum) 'Possen treiben, spielen, täuschen’ schen/Niederländischen übernommen für das
(s. auch in-). alte Bienenvater und od. Zeidler. Das Wort ist
Morphologisch zugehörig: illusionär, illusionieren, Illu¬ ein Nomen agentis auf -ker (wohl nicht zu
sionismus, Illusionist, illusorisch', etymologisch ver¬ einem *imbi-kaz-ja- 'Bienenkorb’, das nicht be¬
wandt: Präludium. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
zeugt ist).
75; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 187; W. J. Jones SN
51 (1979), 260. S. Imme. - Th. Frings BGDSL 54(1930), 159;
M.J.v. d. Meer BGDSL 55 (1931), 73-76; H. Ditt-
illusorisch Adj., s. Illusion.
maier in: FS Foerste (1970), 202 — 205.
illuster Adj., s. illustrieren.
immanent Adj., s. permanent.
illustrieren swV. 'erläutern, mit Bildern verse¬
immatrikulieren swV., s. Matrikel.
hen’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. illüsträre 'erläu¬
tern, aufklären, verschönen’, zu 1. illüstris 'of¬ Imme /., fachsprachl. Mhd. imbe, imp(e),
fenbar, strahlend, angesehen, berühmt’, zu 1. imme m., ahd. imbi m. aus wg. *imbi- m.
lüsträre 'hell machen, beleuchten’, zu 1. lüx 'Schwarm, Bienenschwarm’, auch in ae. ymbe
'Licht’ (s. auch in-). Die Bedeutung 'mit Bildern m.('?). Die Bedeutung 'Biene’ ist erst spätmittel¬
versehen’ kommt im 19. Jh. auf und meint hochdeutsch, in den Mundarten wird z. T. zwi¬
wörtlich 'mit Bildern erläutern und veranschau¬ schen den beiden Bedeutungen unterschieden
lichen’. (westfal. Tme f. 'Biene’, westfal. Imen m. 'Bienen¬
Morphologisch zugehörig: illuster, Illustration, illustra¬ schwarm’, schwz. immi n. 'Biene’, schwz. imb
tiv, Lustrator, Illustrierte', etymologisch verwandt: Lü¬
m. 'Bienenschwarm’). Die Herkunft ist unklar.
ster; zum Etymon s. licht.
Vielleicht zu air. imbed, imbad n./m. 'große
Illustrierte /., s. illustrieren.
Menge, Überfluß’.
Iltis m., fachsprachl. Mhd. iltis, eltes, ahd. S. Imker. Vgl. Biene. — E. Müller-Graupa Glotta
illintis(o), illitiso (in der Regel als Glosse zu 18 (1930), 132 — 137; B. Schier: Der Bienenstand in
1. hyaena, wohl auf Grund einer alten Glosse Mitteleuropa (Leipzig 1939), 63; N. Törnqvist SN
'nächtliches Untier’, was sowohl auf die Hyäne, 17(1945), 182-200.
wie auch auf den Iltis paßt). Gelegentliche
immens Adj. 'riesig, unermeßlich’. Im 19. Jh.
Diphthonge des zweiten Elements weisen auf
entlehnt aus gleichbedeutend 1. immensus, zu 1.
ursprüngliche Länge des f. Vgl. ndd. nndl. ilk,
metlri (mensus sum) 'messen’ (s. auch in-).
ülk, ülling. Alles weitere ist unklar.
P. Lessiak ZDA 53 (1912), 121f„ 128; H. Suolahti in: Morphologisch zugehörig: Immensität; etymologisch
Germanica, FS E. Sievers (Halle/S. 1925), 107 — 114; verwandt: s. Dimension.
Teuchert (1944), 345f.; H.-F. Rosenfeld BGDSL-H immer Adv. Mhd. im(m)er, iemer, ahd. iomer,
80(1958), 429-435.
as. eomer, iemar. Zusammengerückt aus ahd.
Image n. 'Bild von jmd. in der Öffentlichkeit’. io (s. unter je) und ahd. mer (s. unter mehr).
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Ausgangsbedeutung ist 'immer mehr, von jetzt
image, dieses aus frz. image /., älter afrz. ima- an’, dann verallgemeinert zu 'immer’.
gene 'Bild’, aus 1. imägo (-ginis) f. 'Bild, Bildnis,
Nndl. immer. S. je ( + ), nimmer. - Behaghel (1923/
Abbild’. 32), III, 189; B. Latour MS 99 (1980), 299-321.
Morphologisch zugehörig: imaginabel, imaginär, Ima¬
gination, Imaginativ, Imago; etymologisch verwandt: Immi n. (= ein Hohlmaß), arch., schwäb.
imitieren (usw.). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), Mhd. imt(n). Entlehnt aus 1. heminä/., das auf
75; G. Schoppe ZDW 15(1914), 187. gr. hemina f. 'Hälfte’ (als Maß, zu gr. hemi-
imaginär Adj. 'nicht wirklich’. Entlehnt aus 'halb-’) zurückgeht.
frz. imaginaire (mit latinisierender Aussprache). S. auch Himten.
Dieses als 'eingebildet’ zu dem unter Image
immigrieren swV., s. emigrieren und in-.
(s. d.) behandelten Wort.
Immobilien PL, s. mobil und in-.
Imbiß m. Mhd. imbiz, inblz m./n, ahd. imbiz,
inbiz m./n., mndd. immet, Abstraktum zu ahd. immun Adj. 'unempfindlich, unempfänglich’,
inbizan 'essen’ (eigentlich 'entbeißen’); die Be¬ fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. immünis
deutungsentwicklung beim Verb ist nicht hinrei¬ 'frei (von Abgaben), dienstfrei, unberührt, rein’,
chend klar. Alem. zimmes ist aus ze imbiz 'zum zu 1. münus 'Verrichtung, Aufgabe’ (s. auch in-).
Imbiß’ zusammengewachsen. Morphologisch zugehörig: immunisieren, Immunität,
Nndl. ontbijt. S. beißen ( + ). Immunologie; etymologisch verwandt: s. gemein.
imitieren swV. 'nachahmen’. Im 16. Jh. ent¬ Imperativ m. (= Modus des „Befehlens“),
lehnt aus gleichbedeutend 1. imitärl, das mit 1. fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬
imägo 'Bild, Bildnis, Abbild’ verwandt ist.
lehnt aus gleichbedeutend 1. (modus) imperäti-
Morphologisch zugehörig: Imitat, Imitation, imitativ.
vus, zu 1. imperäre 'befehlen’, zu 1. paräre 'rü¬
Imitativ, Imitator; etymologisch verwandt: Image
sten, sich zu etwas bereiten’ (s. auch in-). Impe-
(usw.).
Imperfekt 328 in

rium meint die Herrschergewalt bzw. das Herr¬ gen, einführen’, zu 1. portare 'tragen, befördern’
schaftsgebiet. (s. auch in-).
Morphologisch zugehörig: imperativ, Imperator, ety¬ Morphologisch zugehörig: Importeur, importieren', ety¬
mologisch verwandt: s. parat. - E. Leser ZDW mologisch verwandt: s. Porto. — Ganz (1957), 104f.;
15 (1914), 63; Brunt (1983), 338. Zu Imperium vgl.: M. Schirmer (1911), 86; W. J. Jones SN 51 (1979), 261.
Awerbuch AB 25 (1981), 162-184.
imposant Adj., s. imponieren.
Imperfekt n. 'nicht vollendete Zeit’, s. perfekt
und in-, impotent Adj., s. potent und in-.

Imperium n., s. Imperativ. imprägnieren swV. 'durchtränken, mittels


Durchtränken wasserdicht machen’, fach-
impertinent Adj. 'unverschämt’, sonder-
sprachl. Neubildung des 17. Jhs. zu 1. impraeg-
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
näre ^schwängern’, zu 1. praegnäns 'schwanger’
frz. impertinent, dieses aus I. impertinens 'unge¬
(s. auch in-), zu 1. näsci 'gezeugt werden, gebo¬
hörig, unpassend’, zu 1. pertinere 'zu etwas ge¬
ren werden, entstehen’ (s. auch prä-). In der
hören, sich beziehen auf, sich erstrecken’ (s.
neuen Bedeutung zunächst in der Fachsprache
auch in-), zu 1. tenere 'halten, haben’ (s. auch
der Chemie; daneben in juristischen Texten in
per-). Aus der Bedeutung 'nicht zur Sache Ge¬
der lateinischen Bedeutung.
höriges sagen’, die vor allem in juristischer
Etymologisch verwandt: s. Genus. - K.-H. Weinmann
Fachsprache üblich war, entwickelt sich 'Unge¬
DWEB 2(1963), 393.
höriges sagen’, daraus dann bei größerer Ver¬
breitung des Wortes 'sich unpassend benehmen, Impresario m. 'Künstleragent’, fachsprachl.
unverschämt sein’. Entlehnt aus gleichbedeutend it. impresario, zu
Morphologisch zugehörig: Impertinenz; etymologisch it. impresa f. 'Unternehmen’, zu 1. prehendere,
verwandt: s. Tenor. - A. Gombert ZDW 3 (1902), (prehensum) 'fassen, ergreifen, nehmen’ (s.
179; W. J. Jones SN 51 (1979), 261. auch in-).
impfen swV. Mhd. impfe(te)n, inpfeten, ahd. Etymologisch verwandt: s. Repressalie.
impfön, impitön; zunächst ein Ausdruck des Impression /. 'Eindruck’, s. Presse und in-,
Wein- und Gartenbaus für 'veredeln (pfrop¬ Impressum n. 'Druckvermerk’, eigentlich 'das
fen)’, im 18. Jh. übertragen auf die Schutzimp¬ Eingedruckte’, s. Presse und in-,
fung von Menschen. Das Wort ist entlehnt aus
Imprimatur n./(f) 'Freigabe zum Druck’.
1. imputäre gleicher Bedeutung, das seinerseits
Der lateinische Ausdruck bedeutet 'es werde
eine Nachdeutung von gr. emphyteüö 'ich
gedruckt’. Benützt bei der kirchlichen Drucker¬
pflanze ein, pfropfe auf’ sein kann. Auf späterer
laubnis und bei der Freigabe der Korrekturfah¬
Neuentlehnung beruhen schwäb. im(p)ten,
nen zum Druck.
ndd. enten.
S. Presse (+) und in-,
E. Nörrenberg NJ (1948), 328f.; H. Schuchart ZM
(1952), 8-11; Ganz (1957), 104. improvisieren swV. 'etwas ohne Vorbereitung
implizieren swV 'mitbedeuten, einschließen’, tun . Im 18. Jh. entlehnt aus it. improvvisare,
sondersprach!. Im Neuhochdeutschen entlehnt zu it. improvviso 'unvermutet’, aus 1. improvTsüs
aus 1. implicäre (implicitum, implicätum) 'um¬ (dass.), zu 1. prövidere 'vorhersehen, Vorkehrun¬
fassen’, zu 1. plicäre 'zusammenfalten, zusam¬ gen treffen (s. auch in-), zu 1. videre 'sehen,
menwickeln’ (s. auch in-). begreifen (s. auch pro-). Das Wort wird beim
Morphologisch zugehörig: Implikat, Implikation, lm- Kennenlernen des italienischen Stegreiftheaters
plikatur, implizit, implizite-, etymologisch verwandt: ex¬ übernommen.
plizit (usw.). Morphologisch zugehörig: Improvisation, Improvisa¬
tor, etymologisch verwandt: s. Visage.
imponieren swV 'beeindrucken’. Entlehnung
des 18. Jhs. zu 1. impönere 'auflegen, hineinle¬ Impuls m. Anstoß’. Im 18. Jh. entlehnt aus
gen’, zu 1. pönere 'setzen, stellen, legen’ (s. auch gleichbedeutend 1. impulsus, dem substantivier¬
in-). Die Bedeutung 'beeindrucken’ wird aus frz. ten PPP. von 1. impellere (impulsum) 'anstoßen,
imposer (dass.) übernommen, dieses selbst ist bewegen , zu 1. pellere stoßen, schlagen’ (s.
eine Lehnprägung zu dem lateinischen Verb. auch in-).
Imposant 'beeindruckend’ ist dagegen eine (spä¬ Morphologisch zugehörig: impulsiv, Impulsivität', ety¬
tere) direkte Entlehnung aus dem Französi¬ mologisch verwandt: s. Puls.
schen.
imstande Verbzusatz. Aus im Stande zu Stand
Etymologisch verwandt: s. Position. in der Bedeutung Stellung, Lage’; verallge¬
Import m. 'Einfuhr’. Im 18. Jh. entlehnt aus meinert zu 'fähig (sein) zu u. ä.’.
gleichbedeutend ne. import, einer Ableitung von in Präp. Mhd. ahd. as. in aus g. *in, älter
e. import einführen , aus 1. importäre 'hineintra¬ *eni, auch in gt. in, anord. t, ae. afr. in. Dieses
329 indogermanisch

aus voreinzelsprachl. *eni in gr. en(i), 1. in, bekanntmachen’, zu 1. dicere (dictum) 'sagen,
apreuß. en und wohl mit Schwundstufe lit. j sprechen’.
Nndl. ne. in, nschw. i, nisl. i. S. ein-1, empor, en-, inne, Morphologisch zugehörig: Indiz; etymologisch ver¬
innen, inner, innig, Innung. wandt: s. diktieren. - Feldmann ZDW 8 (1906/07),
76.
in- Präfix. Wortbildungselement, das einer¬
seits der Negierung des Inhalts von Adjektiven, Indianer m. 'Ureinwohner Amerikas’. Bil¬
Substantiven und Verben dient (z. B. irrational, dung zu Indien, nach der Auffasung des Kolum¬
Indiskretion, inaktivieren). Andererseits fügt es bus, der von ihm entdeckte Erdteil sei Indien.
in Wortbildungen die Bedeutungskomponente Morphologisch zugehörig: Indianist, Indianistik.
hinein’ hinzu (z. B. inskribieren, instituieren). indifferent Ad)., s. Differenz und in-.
Es wurde in beiden Varianten vornehmlich in Indigo m./n. (= ein dunkelblauer Farbstoff),
romanischen Entlehnungen ins Deutsche über¬ fachsprachl. Entlehnt aus möglicherweise
nommen; sein Elrsprung ist in beiden Funktio¬ gleichbedeutendem span, indico, dieses aus I.
nen entsprechendes 1. in. Die verneinende Va¬ Indicum n. (dass.), aus gr. Indike f. 'Indien, die
riante ist etymologisch verwandt mit d. un-, die Indische’; so benannt nach seiner ostindischen
andere Variante mit d. in. - Die Assimilations¬ Herkunft.
formen lauten: vor Labialen: im- (z. B. implan¬ Lokotsch (1975), 72f.
tieren, immateriell), vor /!/; zu il- (z. B. illuminie¬
Indikation/. 'Heilanzeige, Angezeigtsein eines
ren), und vor /r/: ir- (z. B. irrational).
Schwangerschaftsabbruchs’, fachsprachl. Ent¬
S. auch a-1. lehnt aus 1. indicätio (-önis) 'Anzeige (des Prei¬
-in Suffix der Motion (d. h. zur Bildung femi¬ ses)’, zu 1. indicäre 'anzeigen, bekannt machen’,
niner Nomina aus maskulinen oder aus allge¬ einem Intensivum zu 1. indlcere 'ansagen, öffent¬
meinen Artbezeichnungen). Mhd. -In, -inne; lich bekanntmachen’, zu 1. dicere (dictum)
ahd. -in, -inna; ae. -en. Zugrunde liegen movie- 'sprechen, sagen’ (s. auch in-).
rende /-Suffixe (l/jö, -i-, -jö). die im Germani¬ Etymologisch verwandt: s. diktieren.
schen zusammengefaßt und an verschiedene Indikativ m. (= Modus der „Aussage“), fach¬
Ablautstufen von «-Stämmen gefügt werden. sprachl. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
Inauguration /. 'feierliche Einsetzung’, fach- aus gleichbedeutend 1. (modus) indicätlvus, zu
1. indicäre 'anzeigen, bekanntmachen’, einem
sprachl. Entlehnt aus 1. inaugurätio f-önis),
Intensivum zu 1. indlcere 'ansagen, bekanntma¬
einem Abstraktum zu 1. inauguräre 'einen Prie¬
chen’, zu 1. dicere (dictum) 'sagen, sprechen’.
ster usw. weihen, einsetzen’, zu 1. auguräre 'Vor¬
Morphologisch zugehörig: Indikation, Indikator; ety¬
hersagen, (wörtlich:) das Amt des Augurs ver¬
mologisch verwandt: s. diktieren. — E. Leser ZDW
richten, Augurien anstellen, Wahrzeichen beob¬ 15(1914), 62.
achten und deuten’ (s. auch in-), zu 1. augur m.
Individuum n. 'Einzelwesen’, sonder sprach!
'der Augur, Vogeldeuter’. Die Auguren waren
Neubildung zu 1. Individuum 'das Unteilbare’,
angesehene Priester, die aus dem Flug und dem
zu 1. dlvidere 'teilen, trennen’ (s. auch in-). Das
Verhalten von Vögeln die Zukunft deuteten. So
lateinische Wort selbst ist eine Lehnbildung zu
wurde etwa auch für einen neu einzusetzenden
gr. ätomos m. 'das Unteilbare’ (s. Atom). Zu¬
Priester ein solches Augurium eingeholt.
nächst in der Philosophie der Stoa Bezeichnung
Morphologisch zugehörig: Inauguraldissertation; ety¬ eines Existierenden, das nicht weiter zerteilt
mologisch verwandt: Malheur. werden kann, ohne seine Eigenart zu verlieren;
indem Konj. Mhd. in dem, entsprechend ahd. dann in Renaissance und Humanismus Bezeich¬
innan thiu drückt aus, daß der folgende Satz nung eines menschlichen Einzelwesens; schlie߬
zeitlich den vorausgehenden oder nachfolgen¬ lich das Einzelwesen im Gegensatz zur Gesell¬
den Satz umfaßt. schaft.
Behaghel (1923/32), III, 189-192. Morphologisch zugehörig: Individualisation, Individua¬
lismus, Individualist, Individualität, Individuation, indivi¬
indes Adv. 'inzwischen’, arch. Mhd. inne(n) duell; etymologisch verwandt: s. Devise. — W. Feld¬
des, seit dem 17. Jh. auch indessen. Der Genitiv mann ZDW 8 (1906/07), 76; A. Viguier CL 13 (1968),
des bezieht sich auf den zuvor genannten Satz 95-126.
zurück. Indiz n. In der Rechtssprache entlehnt aus
Behaghel (1923/32), III, 192-194. 1. indicium 'Anzeichen, Anzeige’. Dieses zu 1.
Index m. 'alphabetisches Verzeichnis’. Ent¬ indlcere 'anzeigen’ (s. Index).
lehnt aus 1. index (-dicis) 'Register, Verzeichnis, indogermanisch Adj., fachsprachl. Bezeich¬
Katalog’, zu 1. indicäre 'anzeigen, bekanntma¬ nung für die von Franz Bopp nachgewiesene
chen’, einem Intensivum zu 1. indlcere 'ansagen, Sprachfamilie. Die Bezeichnung stammt von
indoktrinieren 330 Influenza

Malte-Brun: Precis de la geographie universelle Infektion /., s. infizieren.


(Paris 1810). infernalisch Adj. 'teuflisch’, sonder sprach! Im
H. Siegert WS (1941/42), 73-99; K. Koemer IF 16. Jh. entlehnt aus 1. infernälis 'unterirdisch’,
86 (1981), 1 -29; F. R. Shapiro //Z, 8 (1981), 165 — 170.
zu 1. infernus 'der untere, in der Unterwelt be¬
indoktrinieren swV., s. Doktrin und in-, findlich’, zu 1. infer 'der, die, das Untere’. Die
induktiv Adj. 'vom Einzelnen zum Allgemei¬ Bedeutung ist also eigentlich 'höllisch’.
nen’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. inductlvus 'zur Morphologisch zugehörig: Infernalität, Inferno. —
Annahme geeignet, zur Voraussetzung geeig¬ K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 393.
net’, zu 1. indücere 'hinführen’, zu 1. dücere (duc- Inferno n., s. infernalisch.
tum) 'führen’ (s. in-). infiltrieren swV. 'eindringen, einflößen’, son-
Morphologisch zugehörig: Induktanz, Induktion, In¬ dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
duktivität, Induktor, etymologisch verwandt: s. Dusche.
infiltrer, einer Ableitung von frz. filtre 'Filter,
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 76.
Tuch zum Seihen’, dieses aus ml.filtrum (dass.).
Industrie/. 'Wirtschaftszweig, Gesamtheit der Morphologisch zugehörig: Infiltrant, Infiltration; ety¬
Wirtschaft’. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. industrie mologisch verwandt: s. Filter.
'Fleiß, Geschäftigkeit’, dieses aus 1. industria Infinitiv m. (= die unflektierte Zitierform
(dass.), einem Abstraktum zu I. industrius 'be¬ des Verbs), fachsprachl. Im Frühneuhochdeut¬
triebsam’, zu 1. struere 'schichten, bereiten’ schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. (modus)
(Vorderglied unklar, vielleicht in-, s. d.). Das infinltlvus '(wörtlich:) der nicht Festgelegte
Deutsche übernimmt die weiteren Bedeutungs¬ (d. h. bezüglich Person und Numerus nicht Spe¬
entwicklungen aus dem Französischen, die über zifizierte)’, zu 1. finire 'begrenzen’ (s. auch in-),
'Gewerbefleiß’ hin zur Produktion und den Pro¬ zu 1. finis 'Grenze’.
duktionsstätten führen. Die Bedeutung 'Ge¬ Morphologisch zugehörig: finit, infinit, infinitesimal,
samtheit der Produktionsstätten’ stammt letzt¬ etymologisch verwandt: s. definieren. — Schirmer
lich wohl aus dem Englischen (Adam Smith?). (1912), 39; E. Leser ZDW 15 (1914), 63.
Morphologisch zugehörig: industrialisieren, industriell, infizieren swV. 'anstecken’, fachsprachl. Im
etymologisch verwandt: s. Struktur. - A. Gombert
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Inficere
ZDW 3 (1902), 180; W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
76; Schirmer (1911), 87; W. Schröder Lendemains (Tnfectum) '(wörtlich:) mit etwas anmachen,
4(1976), 45-61. mit etwas (z. B. Gift) tränken’, zu 1 .facere 'ma¬
chen’ (s. auch in-).
infam Adj., s. diffamieren und in-.
Morphologisch zugehörig: desinfizieren, Infektion, in¬
Infant m., s. Infanterie. fektiös; etymologisch verwandt: s. Fazit. — G. Schoppe
Infanterie /. 'Nahkampftruppen des Heeres, ZDW 15(1914), 187; K.-H. Weinmann DWEB
Fußtruppe’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 2(1963), 393.
gleichbedeutend it. infanteria (sowie ebenfalls in flagranti Adv. 'auf frischer Tat’, sonder-
aus dem Italienischen entlehntem span, infan¬ sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
teria und frz. infanterie), einem Kollektivum zu 1. in flagranti (crlmine), zu \. flagräns (-antis)
it. infante m. 'Fußsoldat’, dieses aus 1. infam (wörtlich:) brennend’, zu 1. flagrare 'brennen’.
(-antis) m./fi 'ein kleines Kind, Knäblein, Zunächst ein Wort der Gerichtssprache.
(wörtlich:) der (noch) nicht reden kann’, zu 1. Inflation /. 'Preissteigerung wegen zu großer
färi 'sprechen, sagen’ (s. auch in-). Die Bedeu¬ im Umlauf befindlicher Geldmenge’, fach¬
tung 'Fußsoldat’ entstand im Italienischen, ver¬ sprachl. Neubildung des 20. Jhs. zu 1. mflätio
mutlich über Edelknabe’. Auf der ursprüngli¬ (-önis) 'das Anschwellen, (wörtlich:) das Sich-
chen lateinischen Bedeutung beruhen die Ent¬ Aufblasen’, zu 1. infläre 'hineinblasen, aufbla¬
lehnungen Infant und infantil. sen’, zu \.fläre 'blasen’ (s. auch in-). Das Wort
Morphologisch zugehörig: Infanterist, Infantilismus, bezeichnet zunächst das Vergrößern der Geld¬
Infantilität-, etymologisch verwandt: s. diffamieren. -
menge; in neologischem Gebrauch dann auf das
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 76; G. Schoppe ZDW
Ergebnis dieser Vergrößerung angewendet.
15(1914), 187; E. Öhmann NPhM 41 (1940), 37f.;
Jones (1976), 381. Morphologisch zugehörig: inflationär, Inflationismus-,
etymologisch verwandt: soufflieren (usw.). - K.-H.
infantil Adj., s. Infanterie. Weinmann DWEB 2 (1963), 393.
Infarkt m. 'durch Unterbrechung der Blutzu¬ Influenza J. 'Grippe’, fachsprachl. Im 18. Jh.
fuhr verursachtes Absterben eines Organ(teil)s’, entlehnt aus gleichbedeutend it. Influenza (wört¬
fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. lich: Einfluß [der Sterne]’), dieses aus ml. in-
infarclre 'hineinstopfen’, zu 1. farclre (farje]- fluentia 'Einfluß’, zu 1. influere 'hineinfließen’,
tum) 'stopfen’ (s. auch in-). zu 1. fluere 'fließen’ (s. auch in-). Seit dem 15.
Etymologisch verwandt: s. Farce. Jh. bedeutet das italienische Wort auch 'Anstek-
Informatik 331 Initiative

kung und wird danach auf die Grippe speziali¬ aus 1. zingiber, gingiber n., dieses aus gr. zingibe-
siert. ris m./f., dieses wiederum aus dem Mittelindi¬
Etymologisch verwandt: s. fluktuieren. schen, z. B. päli sihgivera- n. Davon ist der
Informatik /., s. informieren. zweite Bestandteil vera- ein dravidisches Wort
informieren swV. 'unterrichten, in Kenntnis für 'Wurzel’ (Ingwer wird aus einer Wurzel ge¬
setzen'. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend wonnen), das Vorderglied ist in praktisch allen
1. Tnförmäre '(wörtlich:) bilden, eine Gestalt ge¬ Sprachen Südostasiens in ähnlicher Lautform
ben', zu 1. förmäre 'etwas gestalten, bilden’ (s. vorhanden, ohne daß sich eine bestimmte Spra¬
auch in-), zu 1. förma 'Gestalt, Figur’. Informa¬ che als Ausgangspunkt feststellen ließe.
tik meint die Lehre von (der Kombination von) A. S. C. Ross: Ginger (Oxford 1952); A. S. C. Ross:
Informationseinheiten. Etvmology (London 1958), 146—148; Seebold (1981),
99-101.
Morphologish zugehörig: Informanti, Informant, Infor¬
mation, informationell, informativ, Informator, etymo¬ Inhaber m. Mhd. inhaber, Nomen agentis zu
logisch verwandt: s. Form. inne haben.
infra- Präfix. Wortbildungselement mit der inhaftieren swV., fachsprachl. Im 18. Jh. in
Bedeutung 'unter, unterhalb’ (z. B. infrarot, In¬ der Gerichtssprache zusammengebildet aus in
frastruktur). Es wurde vornehmlich in neologi¬ Haft nehmen und mit fremder Endung versehen
schen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist (s .Haft).
1. infra- (dass.).
inhalieren swV. 'Einatmen von Dämpfen’. Im
Etymologisch verwandt: infernalisch, Inferno; zum Ety¬
mon s. unter. 20. Jh. entlehnt aus 1. inhäläre 'jmd. etwas zu¬
hauchen, anhauchen’, zu 1. häläre 'ausduften,
Infusion/. 'Einträufelung von Flüssigkeiten’,
ausdünsten, hauchen, duften’ (s. auch in-), das
fachsprachl. Entlehnt aus 1. Infüsio (-önis) 'das
wohl mit 1. animus, anima 'Lebenshauch, Seele’
Hineingießen, das Einspritzen’, zu 1. infundere
urverwandt ist.
'hineingießen, hineinspritzen’, zu X.fundere 'gie¬
Morphologisch zugehörig: Inhalation; etymologisch
ßen, fließen lassen’ (s. auch in-).
verwandt: s. animieren.
Etymologisch verwandt: s. Fondue.
Inhalt m. Mhd. innehalt; Abstraktum zu inne¬
-ing Suffix (zur Bildung von Zugehörigkeits¬
halten 'beinhalten, in sich schließen’, meist auf
substantiven u. ä.). Mhd. -inc, ahd. -ing; eine
Schriftwerke bezogen.
erweiterte Form ist -ling. Entsprechend as. ae.
-ing, anord. -ingr. Zugrunde liegt ein -ko- Suffix, inhärent Adj. 'innewohnend, anhaftend’,
das an vollstufige n-Stämme antrat (eine funk¬ fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. in-
tionell abweichende Variante von der Schwund¬ haerens (-entis), dem PPräs. von 1. inhaerere
stufe hat sich im Deutschen nicht gehalten). 'anhaften, an etwas kleben’, zu 1. haerere 'hän¬
Die Ortsnamen auf -ingen (und bair. -ing) sind gen, stecken, kleben’ (s. auch in-).
ursprünglich Dative des Plurals zu entspre¬ Morphologisch zugehörig: Inhärenz, inhärieren; ety¬
chenden Namensableitungen: Machtlfing (aus mologisch verwandt: kohärent.
-ing-ng, aus -ingen) 'bei den Leuten des Machtolf’. initial Adj., s. Initiative.
H. H. Munske: Das Suffix '*-inga/-unga’ in den germa¬
Initialen PL, s. Initiative.
nischen Sprachen (Marburg 1964).
Initiative /. 'Anstoß, Entschlußkraft, Vor¬
Ingenieur m. 'Absolvent einer akademischen,
schlag’. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. initiative
technisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung’.
(legislative) 'Vorschlagsrecht (für Gesetze), Ge¬
Im 16. Jh. entlehnt aus it. ingegnere 'Kriegsbau¬
setzesinitiative’, zu frz. initier 'einführen, den
meister’ und (später) aus frz. Ingenieur (dass.),
Anfang machen, einweihen’, aus 1. initiäre
zu 1. ingenium n. 'sinnreiche Erfindung, Scharf¬
(dass.), zu 1. initium n. 'Anfang, Eingang, Ur¬
sinn, Natur’, zu 1. gignere 'hervorbringen’ (s.
auch in-). Der Ingenieur ist bezeichnungsmoti¬ sprung’, zu 1. inire 'hineingehen, anfangen’, zu
visch jmd., der sinnreiche Erfindungen macht 1. Ire 'gehen’ (s. auch in-). Zunächst entlehnt in
und konstruiert; da es sich dabei im wesent¬ politischen Zusammenhängen, in denen es um
lichen um Kriegsgerät handelte, entstand die das Einbringen von Gesetzesentwürfen ging;
Einengung der Bedeutung auf 'Kriegsbaumei¬ danach allgemeinere Verwendung. Die Bedeu¬
ster’, die sich jedoch zur Neuzeit hin durch die tungskomponente des Anfangs von etwas findet
Vielzahl technisch-naturwissenschaftlicher Ge¬ sich in weiteren Entlehnungen wie Initialen 'die
rätschaften wieder verliert. Anfangsbuchstaben’, Initiation 'der Aufnahme¬
Morphologisch zugehörig: ingeniös, Ingenium, Ingenui- ritus am Anfang des Erwachsenenalters’ usw.
tät; etymologisch verwandt: s. Genus — Jones (1976), Morphologisch zugehörig: initial, Initiand, Initiant, ini¬
381 f. tiativ, Initiator; etymologisch verwandt: s. Abitur. —
Ingwer m. Mhd. ingwer, ingeber, ahd. gingi- A. Gombert ZDW 3 (1902), 180-182; W. Feldmann
bero (u. ä.). Entlehnt aus afrz. gimgibre, dieses ZDW 8 (1906/07), 76.
Injektion 332 Input

Injektion /. 'Einspritzen von Flüssigkeiten’, von 'früheste Drucke’ Bezeichnung für die er¬
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus I. iniectio sten Druckerzeugnisse bis zum Jahre 1500.
(-önis) 'das Einspritzen, (wörtlich:) das Hinein¬ Inlay n. (= eine Zahnfüllung), fachsprachl.
werfen’, zu 1. inicere 'einflößen, hineinwerfen’, Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
zu 1. iacere 'werfen, ausstreuen’ (s. auch in-). inlay, einer Ableitung von e. inlay 'einlegen,
Morphologisch zugehörig: injizieren; etymologisch ver¬ einpassen’, zu e. lay 'legen’ (s. auch in-).
wandt: s. Adjektiv. Zum Etymon s. legen.
Injurie/. 'Beleidigung’, fachsprachl. Entlehnt
Inlett n. Ursprünglich niederdeutsches Wort,
aus gleichbedeutend 1. iniüria (auch: 'Ungerech¬
eigentlich Inlät 'das Eingelassene’ (zu ein und
tigkeit, Gewalttätigkeit’), zu 1. iniürius 'unge¬
lassen, s. d.). Mit dem norddeutschen Leinen¬
recht’, zu 1. iüs (-üris) n. 'Satzung, Verordnung,
handel verbreitet.
Recht’ (s. auch in-).
Kretschmer (1969), 240f.
Morphologisch zugehörig: injuriieren; etymologisch
verwandt: s. Jura. inmitten Präp. Mhd. ahd. in mitten + Dativ,
wobei mitten eigentlich attributives Adjektiv ist
Inkarnation /. 'Verkörperung, Fleischwer¬
(s. mitten). Neuhochdeutsch wird die Wendung
dung, Menschwerdung’, fachsprachl. Entlehnt
umgedeutet zu 'in der Mitte von’ und demge¬
aus gleichbedeutend 1. incarnätio (-önis), einer
mäß mit Genitiv konstruiert.
Ableitung von 1. incarnäre 'zu Fleisch machen’,
Behaghel (1923/32), II, 32.
zu 1. caro (-rnis) 'Fleisch’ (s. auch in-).
Morphologisch zugehörig: inkarnat, Inkarnat, inkar- inne Adv. Mhd. inne, ahd. inna, as. inna 'in¬
nieren, inkarniert; etymologisch verwandt: s. Karner. wendig’ aus g. *innä Adv. 'innerhalb, inwendig,
innen’, auch in gt. innana. Adverbialbildung zu
Inklination /., s. deklinieren und in-.
in (s. d.).
inklusiv Präp. 'einschließlich’. Im 16. Jh. ent¬
innen Adv. Mhd. innen, ahd. innan(a) aus
lehnt aus gleichbedeutend ml. inclusivus, zu 1.
g. *innanä Adv. 'innen’ (mit einzelsprachlichen
inclüdere (inclüsum) 'einschließen’, zu I. clau-
Umformungen), auch in gt. innana. Adverbial¬
dere 'schließen, versperren’ (s. auch in-).
bildung zu in (s. d.).
Morphologisch zugehörig: inkludieren, Inklusen, Inklu¬
sion; etymologisch verwandt: s. Klausur. inner Adj. Mhd. inner, ahd. innaro, inner;
inkognito Adv. 'unter anderem Namen, uner¬ Adverbialbildung zu in (s. d.).
kannt’, sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus innerhalb Adv. Mhd. innerhalp, ahd. (mit Fle¬
gleichbedeutend it. incognito, dieses aus 1. incög- xion) innerünhalp, ininhalb, innanhalb Präp. ei¬
nitus 'unbekannt, (wörtlich:) nicht erkannt’, zu gentlich 'auf der inneren Seite’ zu ahd. halba
1. cögnöscere (cögnitum) 'erkennen, wahrneh¬ 'Seite’ (s. unter halb).
men, bemerken’ (s. auch in-), zu 1. nöscere 'ken¬ innig Adj. Mhd. inner, innic, mndl. innich,
nenlernen’. ahd. inniglTh 'innerlich’. Adjektiv-Ableitung zu
Morphologisch zugehörig: Inkognito; etymologisch den Adverbialbildungen von in (s. d.).
verwandt: s. Notiz. H. Paul ZDW 10(1909), 126.
inkommodieren swV, s. kommod und in-. Innovation/, s. Novum.
inkorporieren swV. 'einverleiben’, s. korpulent Innung /. Mhd. innunge, mndd. inni(n)ge,
und in-,
innic; Verbalabstraktum zu ahd. innön 'in einen
inkriminieren swV. 'beschuldigen, anschuldi¬ Verband aufnehmen, verbinden’. Dieses zu inne
gen’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend und weiter zu in (s. d.).
ml. incriminare, zu 1. crimen 'Beschuldigung, Obst (1983), 168-178.
Vergehen’.
in petto 'beabsichtigt’, ugs. Im 18. Jh. entlehnt
Etymologisch verwandt: s. kriminell.
aus gleichbedeutend it. avere a petto, zu it. petto
Inkubationszeit/. 'Zeitraum zwischen Anstek- Brust’, aus 1. pectus (dass.). Die Redensart ist
kung und Ausbruch einer Infektionskrankheit’, wohl im klerikalen Rom entstanden und meint
fachsprachl. Neubildung zu 1. incubätio (-önis) den Zustand, daß der Papst einen Priester für
'das Brüten’, zu 1. incubäre 'bebrüten, niederle¬ das Kardinalsamt zwar bereits ausgesucht hat,
gen’, zu 1. cubäre 'liegen’ (s. auch in-). seine Entscheidung jedoch noch nicht bekannt¬
Morphologisch zugehörig: Inkubation, Inkubator, In¬ geben will.
kubus; etymologisch verwandt: s. Konkubine.
Input m./n. 'Eingabq , fachsprachl. Im 20. Jh.
Inkunabeln PL 'Erstlingsdrucke, Wiegen¬ entlehnt aus gleichbedeutend ne. input, einer
drucke’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. Ableitung von e. input 'hineingeben’, zu e. put
incünäbula n. 'der Ursprung, die Wiege, (eigent¬ 'setzen, stellen, legen’ (s. auch in-), dessen vor¬
lich:) die Windeln, die Wickelbänder’, zu 1. cu- altenglische Geschichte nicht mit Sicherheit ge¬
nae f. PL 'Wiege’. Als Inkunabeldrucke im Sinne klärt ist.
Inquisition 333 Instanz

Inquisition /. '(gerichtliche) Untersuchung’, Insiegel n. 'Abdruck einer Fährte’, fach¬


fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ sprachl. Mhd. insigil(e), ahd. insigil(i) 'Siegel¬
deutend 1. inquisitio (-önis), einer Ableitung von abdruck’, eigentlich 'das ein Siegel erhält’. S.
1. inquirere (inquisitum) 'suchen, erkunden’, zu unter Siegel.
1. quaerere (quaesTtum) 'suchen’ (s. auch in-).
Insignien PI. Kennzeichen von Würde und
Seit dem 13. Jh. ist das Wort in lateinischen
Macht’, sonder spracht. Im 16. Jh. entlehnt aus
Texten für die Untersuchungen der Rechtgläu¬
1. TnsTgnia f Abzeichen’, einer Ableitung von 1.
bigkeit durch die katholische Kirche belegt.
insignis 'durch ein Abzeichen von anderen zu
Morphologisch zugehörig: Inquirent, inquirieren, Inqui-
unterscheiden’, zu 1. signum n. 'Zeichen, Abzei¬
sit, inquisitiv, Inquisitor, etymologisch verwandt: En¬
quete, exquisit, requirieren (usw.), Requisiten. — G. chen’ (s. auch in-), zu I. secäre 'schneiden’.
Schoppe ZDW 15 (1914), 187. Etymologisch verwandt: s. sezieren.

Insasse m. Mhd. insceze, insceze 'Einsitzer’ zu Inskription/., s. schreiben und in-.


in und sitzen (s. d.) über ein dehnstufiges Ver¬ insofern Konj., insoweit Konj. Aus älterem
balabstraktum. Ähnliche Bildungen sind Bei¬ sofern, soweit erweitert.
sasse (s. d.) und Hintersasse (s. d.). Aus entspre¬ Behaghel (1923/32), III, 194.
chendem mndd. insete kommt ndd. Inste m. insolent Adj. 'unverschämt’, sonder sprach! Im
'Häusler’.
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. insolens
S. auch Kossat, Saß, Truchseß. (-entis) (eigentlich: 'ungewöhnlich’), zu 1. solere
Insekt n. Kerbtier’. Im 16. Jh. entlehnt aus 'pflegen, gewohnt sein’ (s. auch in-).
gleichbedeutend 1. insecta PI., dem substanti¬ Morphologisch zugehörig: Insolenz. - W. J. Jones SN
vierten PPR von 1. insecäre (insectum) 'ein¬ 51 (1979), 263.
schneiden, zerschneiden’, zu 1. secäre 'schnei¬ Inspektion /., s. inspizieren.
den, zerschneiden’ (s. auch in-). Das lateinische Inspiration /. 'schöpferischer Einfall’, sonder¬
Substantiv ist eine Lehnbildung zu gr. entomon, sprach! Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
zu gr. entemnein 'einschneiden’. Plinius bezeich¬ 1. inspirätio (-önis) (wörtlich: 'Einhauchen, Ein¬
net die Tiere nach der Segmentierung des Kör¬ atmen’), einem Abstraktum zu 1. inspiräre 'ein¬
pers als die 'Tiere mit dem eingeschnittenen flößen, hineinblasen’, zu 1. spiräre 'blasen, we¬
Körper’. hen, hauchen’ (s. auch in-).
Morphologisch zugehörig: Insektarium, Insektizid; ety¬ Morphologisch zugehörig: inspirativ, Inspirator, ety¬
mologisch verwandt: s. sezieren. Ersatzwort ist Kerb¬ mologisch verwandt: s. Spiritus. — W. Feldmann
tier: daneben auch Ziefer vorgeschlagen. ZDW 8(1906/07), 76; K.-H. Weinmann DWEB
Insel /. Mhd. insei(e) neben älterem insule. 2(1963), 394.
Entlehnt aus 1. insula gleicher Bedeutung (Her¬ inspizieren swV. 'untersuchen, begutachten’.
kunft umstritten). Auf älterer Entlehnung über Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Tnspi-
romanische Zwischenstufen beruht das noch in cere (inspectum), zu 1. *specere 'sehen’ (s. auch
Namen erhaltene Isel. in-).
S. isolieren. Morphologisch zugehörig: Inspekteur, Inspektor, Inspi¬
Insemination /., s. Same(n). zient; etymologisch verwandt: s. Spektakel.

inserieren swV. 'eine Anzeige aufgeben’. Im Installation /. 'Einrichtung, Einsetzen’. Neu¬


16. Jh. entlehnt aus 1. inserere 'hineinfügen, bildung des 19. Jhs. ('Einsetzen in ein Amt’),
hineinbringen’, zu 1. serere (sertum) 'fügen, rei¬ zu ml. installare 'in ein Amt einsetzen’, zu ml.
hen’ (s. auch in-). Zunächst das Hinzufügen stallus 'Stuhl’ (= Zeichen der Amtswürde, vgl.
eines Textstücks zu einem größeren Text; seit Lehrstuhl).
Ende des 18. Jhs. mit Aufkommen des Anzei¬ Morphologisch zugehörig: Installateur, zum Etymon
s. Stal!
genwesens für das Einfügen von Anzeigen in
einen Zeitungstext gebraucht. instand Verbzusatz. Entsprechend zu imstande
Morphologisch zugehörig: Inserat, Inserent, Insertion; (s. d.) in Fügungen mit Akkusativ.
etymologisch verwandt: s. Serie. — Schirmer (1911), inständig Adj. Schon althochdeutsch als in-
88. stendigo Adv. einmal bezeugt, dann erst wieder
Insertion /., s. inserieren. im 16. Jh., nun als Wiedergabe (Lehnüberset¬
Insider m. 'Eingeweihter’, sonder spracht. Im zung) von 1. instanter 'eindringlich’. Das Wort
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. insider, gehört zu älterem instand m. 'Fortdauer, Be¬
einer Ableitung von e. inside 'innen, innerhalb’ stand’.
(s. auch -er), zu e. side 'Seite’ (s. auch in-). So Instanz /. 'zuständige Stelle’. Im Mittelhoch¬
benannt, da eine zugehörige Person naturge¬ deutschen entlehnt aus 1. instantia 'inständiges
mäß über intime Kenntnisse verfügt. Bitten, Drängen, unmittelbare Nähe, (wört¬
Zum Etymon s. Seite. lich:) das Auf-dem-Nacken-sein’, einer Ablei-
Inste 334 interessant

tung von 1. instäre 'auf etwa stehen, hart hinter integer Adj., s. integrieren.
etwas her sein, verfolgen, nahe bevorstehen’, zu integrieren swV. 'eingliedern, zu einem Gan¬
1. stäre 'stehen, sich aufhalten’ (s. auch in-). Im zen zusammenfügen’. Im 18. Jh. entlehnt aus 1.
Deutschen zunächst die 'beharrliche Verfolgung integräre (integrätum) 'wiederherstellen, ergän¬
einer Sache’, dann übertragen auf die (Dienst) zen’, zu 1. integer 'unversehrt, unberührt, unbe¬
Stelle, die gewisse Sachen verfolgt, d. h. bear¬ fangen, unbescholten’, das zu 1. tangere (täc-
beitet. Auf der Bedeutung der zeitlichen Nähe tum) 'berühren’ gebildet ist.
beruht das englische Lehnwort instant (z. B. Morphologisch zugehörig: Integral, Integralismus, In-
Instantkaffee), das die sofortige Löslichkeit pul¬ tegrand, Integration, integrativ, Integrator, Integrität;
verisierter Substanzen beim Hinzufügen von etymologisch verwandt: s. Tangente. — Schirmer
(1912), 35; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 187.
Flüssigkeit meint.
Etymologisch verwandt: s. Arrest. — W. Feldmann Intellekt m., s. intelligent.
ZDW 8 (1906/07), 76. intellektuell Adj., s. intelligent.
Inste m., s. Insasse. intelligent Adj. 'klug, begabt’. Im 18. Jh. ent¬
Instinkt m. 'sicheres Gespür für etwas’. Im lehnt aus gleichbedeutend 1. intellegens (-entis),
dem PPräs. von 1. intellegere (intellectum) 'ver¬
18. Jh. entlehnt aus ml. instinctus (naturae)
stehen, wahrnehmen, erkennen’, zu 1. legere 'zu¬
'Naturtrieb’, zu 1. Instinguere (mstlnctum) 'an¬
sammennehmen, ins Auge fallen, aussuchen’ (s.
treiben, anstacheln’, zu 1. *stlnguere 'stechen’
auch inter-), das mit gr. legein 'zählen, berech¬
(s. auch in-).
nen’ verwandt ist.
Morphologisch zugehörig: instinktiv; etymologisch Morphologisch zugehörig: Intellekt, intellektuell, Intel¬
verwandt: Distinktion, stimulieren (usw.); zum Etymon lektueller, Intelligenz, intelligibel; etymologisch ver¬
s. stechen. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 76. wandt: s. analog. -1 W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
Institut n. 'Einrichtung, Anstalt’. Im 18. Jh. 76; G. Schoppe ZDW 15(1914), 187; O. W. Müller:
Intelligencija (Frankfurt 1971); Jones (1976), 383f. Zu
entlehnt aus 1. mstitütum 'Einrichtung’, dem
Intellektueller vgl.: G. Idt CL 15(1969), 35—46; T.
substantivierten PPP. von I. instituere (mstitü¬ Field TLL 14(1976), 159-167; D. Bering: Die Intel¬
tum) 'hinstellen, aufstellen, einrichten, regeln’, lektuellen (Stuttgart 1978).
zu 1. statuere 'stellen, errichten’ (s. auch in-), zu Intendant m., s. Intention.
1. sistere 'stellen, hinbringen, errichten’, zu 1.
Intention /. 'Absicht, Bestreben’, sonder-
stäre 'stehen, sich befinden’.
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Morphologisch zugehörig: Institution, institutionell; 1. intentio (-önis), einem Abstraktum zu 1. int en¬
etymologisch verwandt: s. Arrest. — W. Feldmann
de re (intentum) 'hinwenden, anschicken, sein
ZDW 8 (1906/07), 76.
Streben auf etwas richten’, zu 1. tendere (tentum,
instruieren swV. 'anweisen, anleiten, unter¬ tensum) 'spannen, sich anstrengen für, bestrebt
richten’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ sein’ (s. auch in-). Intendant meint 'den, der sein
tend 1. Instruere (wörtlich:) 'hineinfügen, her- Streben, seine Aufmerksamkeit auf das Theater
richten, ausrüsten’, zu 1. struere 'schichten, er¬ richtet’; Intensität usw. sind so benannt als
richten’^. auch in-). Die Bedeutung 'Ausrü- 'Grad der Anspannung’.
stung(sgegenstand), Werkzeug’ findet sich in Morphologisch zugehörig: Intendantur, Intendanz, In¬
den Entlehnungen Instrument, Instrumentarium tension, intensiv, Intensivum, intentional, intentioneil;
etymologisch verwandt: s. Tenor. - K.-H. Weinmann
usw.
DWEB 2 (1963), 394; Jones (1976), 384.
Morphologisch zugehörig: Instrukteur, Instruktion, in¬
Intensität /.,- s. Intention.
struktiv, Instruktiv, Instruktor, instrumental, Instrumen¬
tal, Instrumentalis, Instrumentalist, Instrumentation, In- inter- Präfix. Wortbildungselement mit der
strumentativ, instrumentell; etymologisch verwandt: s. Bedeutung 'zwischen, in der Mitte von’ (z. B.
Struktur. - W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 76; K.-H. interkontinental, Interregnum, Intermezzo). Es
Weinmann DWEB 2 (1963), 394. wurde in romanischen Entlehnungen ins Deut¬
Instrument n., s. instruieren. sche übernommen; sein Ursprung ist 1. inter-
(dass.), das ursprünglich Adverb und Präposi¬
Instrumentarium «., s. instruieren. tion ist.
inszenieren swV, s. Szene und in-. Etymologisch verwandt: Interim, intra-, intro-,
intakt Adj. Entlehnt aus 1. intäctus 'unbe¬ interessant Adj. '(intellektuell) anziehend, an¬
rührt’ (s. Tangente und in-) und umgedeutet als regend’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
'im Takt, in Ordnung’. frz. interessant, einer französischen Adjektivbil¬
dung, deren Stamm zurückgeht auf 1. interesse
Intarsie /. 'Einlegearbeit’, fachsprachl. Im
'an etwas Anteil nehmen, (wörtlich:) dazwi¬
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
schensein’, zu 1. esse 'sein’ (s. auch inter-).
deutend it. intarsio m., dieses aus arab. tarsT
Morphologisch zugehörig: Interesse, Interessent; ety¬
(wörtlich:) 'das Besetzen (mit Pretiosen)’. mologisch verwandt: s. inter- und Essenz. - W. Feld-
Interferenz 335 Intuition

mann ZDW 8 (1906/07), 76f.; W. Sucharowski PaL stand zwischen zwei Tönen’; dann Verallge¬
20 (1979), 3-36; SW 4 (1979), 370-410; Jones (1976),
meinerung.
384-386.
Etymologisch verwandt: Wall. — W. Feldmann ZDW
Interferenz /. '(unerwünschtes) Beeinflussen’, 8 (1906/07), 77; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963),
fachsprachl. Zu 1. fertre (s. unter brechen) und 394.
int er-.
Interview n. 'Befragung’. Im 19. Jh. entlehnt
Interieur n. 'das Innere, die Innenausstat¬ aus gleichbedeutend ne. interview, dieses aus
tung’, sondersprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. entrevue m. 'Zusammenkunft’, einer post¬
gleichbedeutend frz. interieur m., dieses aus 1. verbalen Ableitung von frz. entrevoir 'sehen,
interior m. (dass.), einer Substantivierung der treffen’, zu frz. voir 'sehen’, aus 1. videre (dass.)
gleichlautenden Komparativform von 1. inter (s. auch inter-).
'innen, zwischen’ (s. auch inter-). Etymologisch verwandt: s. Visage.
Interim n. 'Übergangslösung’, fachsprachl. Im intim Adj. 'vertraut, verborgen, geheim’. Im
20. Jh. rückgebildet aus interimistisch (seit dem 18. Jh. entlehnt aus 1. intimus 'der innerste,
18. Jh.) u. ä. Dieses beruht auf einer Entlehnung vertrauteste, geheimste’, der Superlativform
aus 1. interim 'unterdessen, zwischenzeitlich’ (zu von 1. intra 'innen’ (s. auch inter-).
1. inter, s. inter-). Häufiger sind Komposita (In¬
Morphologisch zugehörig: Intimation, Intimität, In¬
terims-Regierung usw.). timus.
interlinear Adj., s. Linie und inter-. intra- Präfix. Wortbildungselement mit der
intermediär Adj., s. Intermezzo. Bedeutung 'innerhalb, einwärts’ (z. B. intrazel¬
Intermezzo n. 'Zwischenspiel, kleine Begeben¬ lular, intramuskulär). Es wurde vor allem in
heit’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬
intermezzo m., das zurückgeht auf 1. intermedius nommen; sein Ursprung ist 1. intra- (dass.), ur¬
'zwischen etwas befindlich, das Mittelste’, zu 1. sprünglich ein Adverb.
medius 'in der Mitte befindlich’ (s. auch inter-). Etymologisch verwandt: s. inter-, — B. Latour MS
Zunächst in die Bühnensprache übernommen 99 (1980), 299-321.
als 'lustiges Zwischenspiel’; dann Verallgemei¬ Intrige /. 'heimtückische Machenschaft’, son-
nerung. dersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Etymologisch verwandt; s. Medium. tend frz. intrigue, einer postverbalen Ableitung
von frz. intriguer 'Ränke schmieden, in Verle¬
intern Adj. 'innerlich, nicht öffentlich’, son-
genheit bringen’, dieses aus it. intrigare 'verwir¬
dersprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus 1. internus
ren, verwickeln’, aus 1. intricäre (dass.), zu 1.
'im Inneren befindlich, einheimisch’, zu 1. inter
trlcae 'Possen, Unsinn’ (s. auch in-), das mit 1.
'innen, zwischen’ (s. auch inter-). Dazu die neo¬
torquere 'drehen, verzerren’ entfernt verwandt
lateinische Bildung Internat.
ist.
Morphologisch zugehörig: Interna, internalisieren, in¬
ternieren,, Internist, Internum. Morphologisch zugehörig: intrigant, Intrigant, intrikat;
etymologisch verwandt: s. Tortur. — W. Feldmann
Internat n., s. intern. ZDW 8 (1906/07), 77; Brunt (1983), 341, 342f.
international Adj., s. Nation und inter-, intrinsisch Adj. 'aus eigenem Antrieb, von
Internist m., s. intern. innen her’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬
deutend ne. intrinsic, dieses aus frz. intrinseque
Interpellation /., s. Appell und inter-,
(dass.), aus ml. intrinsecus (dass.), aus 1. intrinse-
interpretieren swV. 'deuten, auslegen, vortra¬
cus Adv. 'inwendig, innerlich’.
gen’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
1. interpretärT, einer Ableitung von 1. interpres intro- Präfix. Wortbildungselement mit der
'Erklärer, Vermittler’. Bedeutung 'hinein, nach innen, innerlich’ (z. B.
introvertiert, Introduktion). Es wurde vornehm¬
Morphologisch zugehörig: Interpret, Interpretation, in-
terpretativ. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 77; lich in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche
G. Schoppe ZDW 15(1914), 187; K.-H. Weinmann übernommen; sein Ursprung ist 1. intro- (dass.),
DWEB 2 (1963), 394. ursprünglich ein Adverb.
Interpunktion /., s. Punkt und inter-. Etymologisch verwandt: s. inter-,

Interregnum n., s. regieren und inter-, Introspektion /., s. Aspekt und intro-,

Intervall n. 'Zwischenraum’, fachsprachl. Im Intuition /. 'Gespür, Erkennen eines Sachver¬


18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. interval¬ halts ohne bewußte Reflexion’, sonder sprachl.
lum (wörtlich: 'Raum zwischen zwei Schanz¬ Im 18. Jh. entlehnt aus ml. intuitio (-onis) 'un¬
pfählen’), zu 1. vällus m. 'Pfahl’ (s. auch inter-). mittelbare Anschauung’, älter 'Erscheinen des
Zunächst übernommen in der Bedeutung 'Ab¬ Bildes auf der Oberfläche eines Spiegels’, zu
intus 336 irre

1. intuen 'genau hinsehen, anschauen’, einem -ion Suffix. Dient vornehmlich der Bildung
Intensivum zu I. tuen'schauen’ (s. auch in-). deverbativer Vorgangsbezeichnungen (z. B. In¬
Morphologisch zugehörig: intuitiv. — W. Feldmann vasion, Produktion). Hinzu kommen deadjekti-
ZDW 8 (1906/07), 77. vische Bezeichnungen für Eigenschaften und
intus 'innen, einverleibt’, s. in-. Verhaltensweisen (z. B. Diskretion, Devotion).
Daneben finden sich weitere Bildungen mit
Invalide m. 'Schwerbeschädigter’. Im 18. Jh.
breiter semantischer Fächerung (Religion, Insti¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. invalide, einer
tution, Station). Es wurde in romanischen Ent¬
Ableitung von frz. invalide 'kraftlos (u. ä.)’, die¬
ses aus 1. invalidus (dass.), einer Gegcnsatzbil- lehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ur¬
dung zu 1. validus 'kräftig, stark’ (s. auch in-), sprung ist 1. -io (-iönis) (dass.) (Erweiterung
zu I. valere 'kräftig sein’. -ation).
Morphologisch zugehörig: invalid, Invalidität; etymo¬ Ion n. (= ein elektrisch geladenes Teilchen),
logisch verwandt: s. ambivalent. — W. Feldmann ZDW fachsprachl. Neubildung im Englischen des 19.
8 (1906/07), 77. Jhs. zu gr. iön 'wandernd’, dem PPräs. von gr.
Invasion /. '(kriegerischer) Einmarsch, Ein¬ ienai 'gehen, wandern’. So bezeichnet, da sich
dringen’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ diese negativ oder positiv geladenen Teilchen
tend frz. invasion, dieses aus spl. inväsio (-önis) bei der Elektrolyse auf die jeweils entgegenge¬
(dass.), einer Ableitung von 1. invädere 'eindrin- setzt geladenen Elektroden zubewegen.
gen, losgehen’, zu 1. vädere 'schreiten, losgehen’ Morphologisch zugehörig: Ionisation', etymologisch
(s. auch in-). verwandt: Elektron.
Morphologisch zugehörig: invasiv, Invasor, zum Ety¬
irden Adj. Mhd. irdtn, ahd. irdln-, mndd. er¬
mon s. waten. — W. J. Jones SN 51 (1979), 263.
den; wie gt. airpeins Materialadjektiv zu Erde
Inventar n. 'Gesamtheit der zugehörigen Gü¬ (s. d.), also 'aus Erde’.
ter’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1.
irdisch Adj. Mhd. irdisch, irdesch, ahd. irdisc;
inventärium, einem Kollektivum zu I. invenlre
Zugehörigkeitsadjektiv zu Erde (s. d.); im Laufe
'bekommen, erwerben, zu etwas kommen’, zu
1. venire 'kommen, zukommen’ (s. auch in-). der Zeit auf den Gegensatz zu himmlisch festge¬
legt worden.
Morphologisch zugehörig: Inventarisation, Inventa-
rium, Invention, Inventor, Inventur', etymologisch ver¬ irgend nähere Bestimmung zu Indefinitprono¬
wandt: s. Advent. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), mina. Mhd. iergen, entsprechend ahd. io wergin;
77; Schirmer (1911), 89. Zu Invention s.: W. J. Jones dieses ist zusammengerückt aus io (s. unter je)
SN 51 (1979), 263f.
und *hwar-gen- 'wo auch immer, irgend’ in as.
Investition /. 'längerfristige Kapitalanlage’, hwergin, ae. hwergen, anord. hvergi 'wer immer,
fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. in- jeder’. Dieses aus *hwar 'wo’ (s. unter wo) und
vestire 'bekleiden, einsetzen’, zu 1. vestire 'klei¬ einer Indefinitpartikel, die auch als gt. -hun und
den’ (s. auch in-), zu 1. vestis 'die Bekleidung, ai. canä auftritt, und deren genaue Lautform
das Kleid’. Es handelt sich um eine Erweiterung unsicher ist. Nhd. -d ist sekundär angetreten.
der ursprünglichen Bedeutung („jmd. mit einem
S.ye(+).
Amt bekleiden“) hin zum Einsatz von Mitteln
zur Erhaltung (bzw. Steigerung) der Produktivi¬ Iris /. 'Schwertlilie, Regenbogenhaut des Au¬
tät. Die ältere Bedeutung findet sich noch in ges’, fachsprachl. Entlehnt aus gr. Iris 'Regenbo¬
Investitur. gen, Regenbogenhaut, Schwertlilie’.
Morphologisch zugehörig: Investment, Investor, zum Irlitze /., s. Elritze.
Etymon s. Weste.
Ironie /. 'unterschwelliger Spott’. Im 18. Jh.
inwiefern Interrogativ-Adv., inwieweit Interro- entlehnt aus gleichbedeutend 1. Trönia, dieses
gativ-Adv. Frageformen zu insofern (s. d.), inso¬ aus gr. eiröneia (dass.).
weit.
irrational Adj., s. rational und in-.
Inzest m.'Blutschande’, fachsprachl. Entlehnt
irre Adj. Mhd. irre, ahd. irri aus g. *erzja-
aus gleichbedeutend 1. ineestum n., einer Sub¬
verirrt, auch zornig’, auch in gt. airzeis, ae.
stantivierung von 1. incestus 'unrein, sündhaft,
irre, yrre. Die Bedeutung 'verirrt’ ist eindeutig
blutschänderisch’, einer Gegensatzbildung zu
anschließbar an 1. erräre 'irren’; die Bedeutung
1. castus 'rein, unschuldig, anständig’ (s. auch
'zornig, rasend’ läßt sich weiter verknüpfen mit
in-), zu 1. carere 'frei sein von, sich enthalten’.
der Sippe von rasen (s. d.), ai. irasyäti 'zürnt’,
Etymologisch verwandt: Karenz.
lit. arsüs 'heftig’ u. a. Möglicherweise handelt
inzwischen Konj. Mhd. da enzwischen 'zwi¬ es sich um zwei verschiedene Wörter, die sich
schen diesem’. unter der Bedeutung 'rasend’ attrahiert haben.
S. zwischen. - Behaghel (1923/32), III, 194f. S. Erratum, rasen.
irreal 337 -istik

irreal Adj., s. real und in-. als Männername ('Eisenhelm’ zu Eisen und ae.
irregulär Adj., s. regulieren und in-, grmta, anord. grima f. 'Maske, Helm’) erklärt.
irrelevant Adj., s. relevant und in-. Seit dem 18. Jh. auch übertragen auf mürrische
irreparabel Adj., s. reparieren und in-, und trotzige Menschen, wobei sicher der An¬
klang an grimmig eine Rolle gespielt hat.
irritieren swV. 'verwirren, stören’. Im 16. Jh.
entlehnt aus 1. irritäre 'erregen, reizen, provozie¬ -ismus Suffix. Dient der Bildung desubslanti-
ren’, einem Intensivum zu 1. ritäre 'aufregen’ vischer und deadjektivischer Substantive. Die
(s. auch in-). Im Deutschen zunächst in der wichtigsten Bedeutungen sind: (a) 'Lehrmei¬
ursprünglichen Bedeutung verwendet; ab dem nung, System’ (z. B. Rationalismus, Kapitalis¬
19. Jh. dann in Anlehnung an d. irren die Ent¬ mus, Marxismus), (b) 'Gesamtheit’ (z. B. Orga¬
wicklung der modernen Bedeutung. nismus), (c) 'Krankheitsbezeichnung’ (z. B.
Morphologisch zugehörig: irritabel, Irritabilität, Irrita¬ Mongolismus) und (d) 'Spracheigentümlichkeit’
tion- etymologisch verwandt: reizen. - W. J. Jones SN
(z. B. Anglizismus, Provinzialismus). In einigen
51 (1979), 264.
Wörtern lautet die Form -asmus (z. B. Pleonas¬
Irrlicht n. 'Flämmchen über dem Moor¬
mus). Das Suffix wurde vornehmlich in romani¬
boden’. Seit dem 17. Jh., wohl wegen der unru¬
schen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬
higen Bewegung, als 'herumirrende Lichter’ be¬
men; sein Ursprung sind latinisierte Formen
zeichnet.
von gr. -ismös und -asmös, die zu griechischen
Irrwisch m. (= dasselbe wie Irrlicht), sonder-
Verben auf -izö und -äzö gehören.
sprachl. Seit dem 16. Jh. zu Wisch 'leuchtende
Fackel’ (eine spezielle Bedeutung des unter isolieren swV. 'abtrennen, vereinzeln’. Im 18.
Wisch behandelten Wortes). Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. isoler, die¬
isabell Adj. 'gelblich weiß’, arch. Im 17. Jh. ses aus it. isolare (dass.), einer Ableitung von
entlehnt aus frz. isabelle (dass.). Wohl zu dem it. isola 'Insel’, aus 1. Insula (dass.). Wörtlich
Frauennamen Isabella, doch ist das Benen¬ also 'zu einer Insel machen’.
nungsmotiv unbekannt. Morphologisch zugehörig: Isolat, Isolation, Isolationis¬
-isch Suffix zur Bezeichnung der Flerkunft mus, Isolationist, Isolator, etymologisch verwandt: s.
(z. B. norwegisch), auch andere Ableitungen, Insel.
meist von Personenbezeichnungen (mörde¬ -ist Suffix. Dient der Bildung von desubstan-
risch), häufig pejorativ (weibisch gegenüber tivischen Personenbezeichnungen (z. B. Impres¬
weiblich). Mhd. -ischfesch, ahd. as. -isc; auch sionist, Pianist). Es wurde in griechischen, latei¬
ae. -isc, anord. -sk-, gt. -isk-, also g. *-isko-. nischen und französischen Entlehnungen ins
M. Schläfer: Die Adjektive auf '-isch' in der deutschen
Deutsche übernommen; sein Ursprung sind I.
Gegenwartssprache (Heidelberg 1977); L. M. Eichin-
ger: Syntaktische Transposition und semantische Deriva¬ -ista (dass.) und gr. -istes (dass.).
tion (Tübingen 1982); L. M. Eichinger: GLSt 21 (1984), ist unr. V. Die Formen der 3. Person Singular
99 — 118; L. M. Eichinger in: FS Brekle (1987),
ist, mhd. ahd. ist aus g. *ist(i), auch in gt. ist,
155-176.
entsprechend anord. er, ae. is sind hochstufige
Ische /. 'Mädchen’, sonder sprach!. Aus wjidd.
Formen der Wurzel *es- 'sein’, die unter sein
ische, das aus hebr. fssä(h) 'Weib, Gattin’
(s. d.) behandelt ist. Eine entsprechende Form
stammt. Seit dem 18. Jh. auch im Rotwelschen
ist verbaut in bist und bin.
bezeugt.
Ischias mjn. 'Hüftschmerz’. In der medizini¬ -istik Suffix (zur Bildung von Wissenschafts¬
schen Fachsprache über 1. ischias f. entlehnt bezeichnungen u. ä.). Ursprünglich gebildet zu
aus gr. ischias (nösos) f. 'Flüftschmerz’, zu gr. Bezeichnungen der Ausübenden dieser Wissen¬
ischion n. 'Hüftgelenk’ (s. Eisbein). schaft, z. B. Linguistik 'Sprachwissenschaft’ zu
Isegrimm m., sonder spracht. Name des Wolfs Linguist 'Sprachwissenschaftler’ zu 1. lingua
im Tierepos seit dem 12. Jh. Das Wort wird 'Sprache’ (eigentlich 'Zunge’).
J
ja Adv. Mhd. ahd. as. ja aus g. *ja Adv. unverständliche Latein als Fachsprache an den
ja’ (mit Möglichkeit der Dehnung des Vokals), Universitäten und in der Kirche.
auch in gt. ja, anord. ja (mit unregelmäßig Jaguar m. (= ein Raubtier mit rötlichgelbem
erhaltenem Anlaut), ae. gea, afr. je. Außerger¬
Fell). Entlehnt aus port. Jaguar, dieses aus der
manisch vergleicht sich zunächst kymr. ie, bret.
südamerikanischen Indianersprache Tupi jag-
ya, die — eingeschränkter als im Germani¬
wär 'fleischfressendes Tier’.
schen — auch als Antwortpartikel verwendet
Littmann (1924), 144; R. Loewe ZVS 60(1933),
werden. Ferner steht etwa 1. iam 'schon’. Ver¬
177-184.
mutlich ist von einem demonstrativen Pronomi¬
nalstamm *i- auszugehen; näheres ist aber un¬ jäh Adj., arch. Regional auch gäh(e), sowie
klar. (mit dem Lautstand des alten Adverbs) jach,
gach. Mhd. gcehe, gäch Adv., ahd. gäho Adv.,
Nndl. ja, ne. yea (und ne. yes durch Zusammenwach¬
sen mit altem swa 'so’), nschw. ja, nisl. ja. S. bejahen. gähi, as. gähliko, gähun Adv. Die regionale Aus¬
sprache mit j- wird durch Luther verbreitet.
Jacht /. Seit dem 16. Jh. als Jachtschiff oder
Herkunft unklar.'
Jageschiff. Bezeichnung für schnellfahrende
Schiffe mit dem Wort Jagd in niederländisch¬ Jahn m. 'Grasschwaden’, fachsprachl.
niederdeutscher Lautform. Die Schreibung mit Spmhd. jän 'Reihe (von Reimen)’. Fachwort,
Y- beruht auf Anlehnung an das englische Wort das sonst im Germanischen nicht bezeugtes al¬
(yacht), das aber seinerseits aus dem Niederlän¬ tes Wortgut bewahrt: *jäna- m. 'Reihe’ ist ei¬
dischen entlehnt ist. gentlich 'Gang’ wie ai. yüma- 'Gang, Lauf,
S. auch jagen. Bahn’; es handelt sich um eine no-Ableitung zu
ig. *jä- 'gehen’ in ai. yati 'geht’, toch. A. yä-
Jacke /. Seit dem 14. Jh. als jacca; entlehnt
'gehen, fahren’, lit. jöti 'reiten’ u. a. Der Voka¬
aus frz. jaque 'kurzer, enger Männerrock’, älter
lismus stimmt zwar nicht überein, doch ergeben
jaque (de mailles) 'Panzerhemd, Kriegswams’.
Dieses ist über span, saco f. entlehnt aus arab. sich derartige Abweichungen auch sonst. Vgl.
noch Jahr.
sakk 'Brünne’. Im 19. Jh. ist auch die Verkleine¬
rungsform frz. jaquette als Jackett entlehnt Jahr n. Nhd. ahd.jär, as. ger,jär aus g. *jära-
worden. n. 'Jahr’, auch in gt. jer, anord. är, ae. gear,
S. auch Janker. afr. jer. Vergleichbar, aber mit ö-Stufe, ist zu¬
Jackpot m. 'Einsatz in der gemeinsamen nächst gr. höra f. 'Jahreszeit, Jahr, Zeit, Blüte¬
Kasse, Hauptgewinn’, sonder spracht. Entlehnt zeit’ (später auch gr. höros m. 'Jahr’) und mit
aus gleichbedeutend ne. jackpot, zu e. jack mehrdeutigem Lautstand avest. yär- 'Jahr’ (alt¬
'Bube (im Kartenspiel)’ und e. pot 'Einsatz, indisch nur in ai. paryärinif 'nach einem Jahr
Topf’. kalbend’), 1. h.örnus 'heurig’ (aus *ho-jöri-no-,
vgl. heuer). Es ist von der Bedeutung 'Frühling’
Jade mjf. (= ein blaßgrüner Schmuckstein),
auszugehen, mit Übergang zu der Bedeutung
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
'Jahr' durch die Zählung der Jahre nach den
jade m., dieses aus span, (piedra de la) ijada f.
Lenzen. Das germanische Wort weicht im Voka¬
'(Stein für die) Weiche’; Jadesteine wurden als
lismus ab. Man versucht, auf *je-/jö- 'gehen’
Heilmittel gegen Nierenkoliken angesehen.
und eine Bedeutung 'Gang’ zurückzugreifen (s.
Lüschen (1968), 242f.
auch Jahn), doch ist dies sehr unsicher.
jagen swV. Mhd. jagen, ahd. jagön, mndd. Nndl. jaar, ne. year, nschw. är, nisl. är. S. heuer, Uhr.
mndl. jagen, auch afr. jagia. Herkunft unklar. — Zu Jahrhundert: W. Feldmann ZDW 5 (1903/05),
Als Verbalabstraktum hierzu Jagd, mhd. jaget, 229-237; Pfaff (1933), 34f.; J. Erben BGDSL-H
jeit (s. hierzu auch Jacht). 75(1953), 312-314.
Jägerlatein n. Seit dem 19. Jh. als scherzhafte Jakobsstab rn. 'Meßlatte, mit der auf Schiffen
Bezeichnung der für Laien unverständlichen die Sonnenhöhe bestimmt wird’, fachsprachl.
Fachsprache der Jäger. Nachträglich auch ver¬ Benannt nach der Ähnlichkeit mit dem Stab der
wendet für Aufschneidereien bei Jagderzählun¬ Jakobspilger. Entsprechend ne. Jacob's staff.
gen (s. lateinisch). Anspielung auf das für Laien Kluge (1911), 395.
Jalousie 339 Jause

Jalousie /. 'Licht- und Sichtschutzvorrich¬ riante Ienuarius die Form Jänner übernommen
tung . Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend worden, die heute noch landschaftlich gilt.
frz. jalousie, das diese Bedeutung wohl als Lehn¬
jappen swV., ndd. Niederdeutsche Form von
bedeutung von it. gelosia (dass.) übernommen
Saffen (s. d.), eigentlich 'den Mund aufsperren’,
hat. In der eigentlichen Bedeutung 'Eifersucht’
mit j für g und abweichender Bedeutungsent¬
ist es eine Ableitung von frz. jaloux 'eifersüch¬
wicklung. Hierzu auch japsen gleicher Bedeu¬
tig’, das zurückgeht auf 1. zelus m. 'Eifersucht’,
tung.
aus gr. zelos m. (dass.). Die Erklärung der Be¬
deutungserweiterung des italienischen Wortes Jargon m. 'Sondersprache’. Im 18. Jh. ent¬
ausgehend von 'Eifersucht’ zu 'Rolladen’ ist lehnt aus gleichbedeutend frz.Jargon (wörtlich:
weitgehend spekulativ. 'unverständliches Gerede’), dieses aus gallo-
Morphologisch zugehörig: Jalousette. - M. Grzywacz rom. *gargone 'Gezwitscher, Geschwätz’.
ARPh 42(1937), 119-125; Jones (1976), 387; Brunt W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 77.
(1983), 345.
Jasmin m.( = ein Ölbaumgewächs, ein Stein¬
Jambus m. (= ein Versfuß, bei dem eine lange brechgewächs). Entlehnt aus gleichbedeutend
Silbe auf eine kurze to\gt),fachsprachl. Entlehnt span, jazm'm, dieses aus arab. yäsamtn (dass.),
aus gleichbedeutend 1. iambus, dieses aus gr. aus pers. yäsaman (dass.).
iambos (dass.). Littmann (1924), 81, 86; Lokotsch (1975), 75.
Jammer m. Mhd. jämer m./n., ahd. jämar zu Jaß m. (= schweizerisches Kartenspiel), fach-
dem gleichlautenden Adjektiv ahd. jämar, as. sprachl. Vermutlich durch Schweizer Söldner
jämar-, ae. geomor 'traurig’. Man vermutet die aus dem Niederländischen eingeführt; dort ist
Ableitung von einem Schmerzenslaut hinter die¬ jas eine Spielkarte (Trumpfbauer). Weitere Her¬
ser Bildung. Vgl. die Nebenformen spahd. ämar, kunft umstritten; vielleicht gekürzt aus nndl.
mhd. ämer und anord. amra, ahd. ämarön 'er¬ paljas 'Hanswurst, Bajazzo’ (mit Rücksicht auf
sehnen’.
andere Kartenbezeichnungen wie südndl. zot
S. auch Katzenjammer. 'Narr’, frz. fou 'Narr’).
jammerschade Adj. (nur prädikativ), ugs. Im jäten swV. Regional auch gäten. Mhd. jeten,
18. Jh. zusammengewachsen aus der prädikativ ahd. jetan, getan, as. gedan\ bis zum 17. Jh. ein
verwendeten Formel Jammer und Schade. starkes Verb. Herkunft unklar.
Jammertal n., sonder spracht. Lehnprägung J. Koivulehto: Jäten’in deutschen Mundarten (Helsinki
aus 1. vallis lacrimarum f. ('Tal der Tränen’) des 1971).
13. Jhs. (jämertal); aufgenommen und verbrei¬ Jauche f. Mndd. juche. Entlehnt aus slav.
tet durch Luther. jucha 'Brühe, Suppe’, das im Sorbischen auch
Janhagel m., arch. Jan Hagel erscheint im 17. 'Stalldünger’ bedeutet.
Jh. im Niederländischen als Schelte von Kerlen, B. Martin Teulhonista 2(1925), 134 — 136; Wiek
die jeden Augenblick de hagel sla hem rufen. (1939), 30f.; Bielfeld (1965), 40-42; Eichler (1965),
Dann vorwiegend als Spottname hamburgi- 51 f.; Kretschmer (1969), 241-243; H. H. Bielfeldt
scher Bootsleute bezeugt. BGDSL-H 94 (1974), 80-100.
A. Gombert ZDW 3 (1902), 310; Kluge (1911), 396. jauchzen swV. Mhd. jüchezen; eigentlich jüch
janken swV. 'winseln, quietschen’, ndd. Aus (juhu) rufen’; entsprechend juchzen, das im Vo¬
mndd. mndl. janken, das wohl lautmalender kal gekürzt ist. Das Suffix -ezzen leitet häufiger
Herkunft ist. Verben aus Interjektionen ab (vgl. ächzen usw.).
Die Grundlage *jü- ist in dieser Verwendung
Janker m. 'kurzes Obergewand’, bair.-österr.
schon älter; vgl. 1. jübilum 'freudiger Aufschrei’
Zuerst als Jencker im 16. Jh. bezeugt; oberdeut¬
und gr. (poet.) iauot’juchhe’.
sches Wort, auch als (schwäb.) Jänke, älter jeng-
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 129-131.
gen. Herkunft unklar; ein Zusammenhang mit
Jacke (s. d.) ist denkbar, aber lautlich unaufge¬ jaulen swV. Im 18. Jh. übernommen aus ndd.
klärt. jaulen-, vgl. ne. yowl. Wohl lautmalend wie jap¬
pen u. ä.
Januar m. (= der 1. Monat des Jahres). Im
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (mensis) H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 175-178.
länuärius, das man in der Regel mit dem Namen Jause /., österr. Mhd. jüs m., entlehnt aus
des altitalischen Gotts Iänus in Beziehung setzt; sloven. jüzina 'Mittagessen’ (zu sloven. jüg 'Sü¬
allerdings ist dieser Zusammenhang wie auch den, Mittag’, vgl. Jugoslawien eigentlich 'Süd-
das zugrundeliegende Benennungsmotiv nicht slawien’).
mit Sicherheit geklärt. Bereits in frühneuhoch¬ Wiek (1939), 79f.; Steinhäuser (1962), 86-88;
deutscher Zeit war aus der spätlateinischen Va¬ Wünschmann (1966), 61—70.
Jazz 340 Jeton

Jazz m. (= eine Musikrichtung). Im 20. Jh. Rinde erst bitter schmeckt, dann aber immer
entlehnt aus gleichbedeutend ne. jazz, dessen süßer, je länger man sie kaut (deshalb auch
Herkunft nicht sicher geklärt ist. Bittersüß)-, dann angewandt auf Pflanzen, deren
je Part. Mhd. ie, ahd. io, as. eo mit Verschie¬ Schönheit dem Betrachter 'immer lieber’ wird,
bung des Silbengipfels in spätmittelhochdeut¬ seit dem 19. Jh. vor allem das Geißblatt.
scher Zeit aus g. *aiwin 'immer, irgendeinmaf, S.Je( + ). - R. Loewe BGDSL 60(1936), 399-406;
auch in gt. (ni) aiw, anord. x, ae. ä. Das Wort Marzeil (1943/79), I, 165.
ist eine Kasusform zu *aiwi- m. 'Zeit, Ewigkeit’ jemals Adv. Eine neuhochdeutsche Nachbil¬
(s. unter ewig). Eine ähnliche außergermanische dung zu mhd. emäles 'vormals, früher’ (ehe
Bildung ist gr. aiFei 'immer’ (aus *aiwes-i). und der adverbiale Genitiv von Mal), ebenso
S. ewig (+), immer, irgend, jeder, jedweder, jeglich, niemals und nachmals.
jemals, jemand, jetzt, jeweils, nein, nicht, nie, Jelängerje¬ S Je(+).
lieber. - Behaghel (1923/32), III, 198-200.
jemand Pron. Mhd. ieman, iemen, ahd. ioman,
Jeans PI. (= eine Hosenart, ein Baumwoll¬ eoman, aus den Vorformen von je und Mann,
stoff). Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend man (s. d.) zusammengerückt, also 'jeder (belie¬
ne. (blue) jeans, wohl aus me. Gene, Jene (usw.), bige) Mann, irgendein Mann’. Das -d ist erst
das über romanische Zwischenstufen wahr¬ neuhochdeutsch angetreten.
scheinlich auf den Namen der Stadt Genua (frz.
S je( + ), niemand. — Behaghel (1923/32), I, 399f.
Genes) zurückgeht. Damit ursprünglich be¬
jemine Interj. Seit dem 17. Jh. zusammenge¬
zeichnet nach der Herkunft von einem wichti¬
zogen aus Jesu domine 'Herr Jesu’, um die Nen¬
gen Handelsplatz.
nung des heiligen Namens abzuschwächen.
Jeck m. 'Karnevalsnarr’, rhein. Lautvariante
zu Geck (s. d.). jener Pron. Mhd. jener, ahd. jener, mndd.
jen(n)e u. a., afr. jen(e), jena\ mit abweichen¬
jeder Pron. Mhd. ieweder, ahd. iowedar, älter
dem Vokalismus ae. geon, wieder anders gt.
eohwedar, auch eogiwedar, as. iehweöar, iah-
jains. Ohne den Anlaut j- anord. enn, inn, ahd.
weöar aus wg. *aiwin-gi-hwef>era-, auch in ae.
ener, mhd. (obd.) ener. Diese einfache Form
xghwxöer. Die Bildung ist zusammengewach¬
*eno- ist gut vergleichbar; heth. anni (abwei¬
sen aus *aiwin 'immer’ (s. unter je) und *gi-
chende Flexion), ai. ana-, akslav. onü, lit. ans-,
hwepera (s. unter weder) 'jeder von uns beiden’,
zum Artikel weitergebildet (wie im altnordi¬
also ursprünglich 'alle beide’, erst seit mittel¬
schen) auch im Armenischen. Das Pronomen
hochdeutscher Zeit auch für mehr als zwei ver¬
tritt häufig als zweiter Bestandteil auf und kann
wendet.
dann mit dem vorausgehenden Element ver¬
S. je{ + ), weder, jedweder. — Behaghel (1923/32), I,
388f.; H. Kolb SW 8 (1983), 48-76. schmelzen; so mit *(e)k- in gr. ekeinos und
anord. hinn, mit *to- in gr. (dor.) tenos und
jedweder Pron., arch. Mhd. ietweder aus ieg(e)-
apreuß. täns, mit *ol- in 1. ille, mit *i-, jo- in
weder, eine Entwicklungs-Variante zu der Vor¬
ahd .jener, gt. jains. — Aus spmhd. der jener ist
form von jeder (s. d.) mit Beibehaltung des inne¬
nhd. derjenige entwickelt.
ren gi. Die Lautfolge -gw- wird (wohl im An¬
E. Seebold in: J. Untermann/B. Brogyani (Hrsg.): Das
schluß an jeder) ersetzt durch -tw-.
Germanische und die Rekonstruktion der Indogermani¬
Behaghel (1923/32), I, 389f.
schen Grundsprache (Amsterdam, Philadelphia 1984),
Jeep m. 'geländegängiges Fahrzeug’, sonder- 155-179.
sprachl. Nach dem 2. Weltkrieg entlehnt aus
jenisch Adj. 'in der Sprache der Fahrenden’,
am.-e. jeep. Dieses ist wohl aus der verkürzten
sonder spracht. Seit dem 18. Jh. bezeugt, zu¬
Aussprache der Abkürzung g. p. (= general
nächst als Selbstbezeichnung: Adjektiv-Ablei¬
purpose 'Mehrzweck’) gewonnen.
tung zu zigeuner. dsan- 'wissen’ (urverwandt
jeglich Pron., arch. Mhd. iegelich, ahd. iogillh, mit kennen, s. d.), also eigentlich 'wissend’; ge¬
älter iogihwelik, also Zusammenrückung der meint ist 'Sprache der Eingeweihten’.
Vorformen von je (s. d.) und welch (s. d.). Spä¬ Wolf (1985), 144f.
ter durch jeder (s. d.) zurückgedrängt.
Jeton rn. 'Spielmarke, Rechenpfennig’, fach¬
S je( + ), männiglich. - Behaghel (1923/32), I, 390f.
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
jein Part., ugs. Moderne Verschmelzung von frz. jeton, einer postverbalen Ableitung von frz.
ja und nein als Antwort auf eine Frage, die jeder 'werfen’, das über ml. jactare zurückgeht
sowohl bejaht als auch verneint werden kann.
auf 1. iactäre '(wiederholt) werfen, ausstreuen,
Jelängerjelieber rn./n. (= Name verschiede¬ wegwerfen’, einem Intensivum zu 1. iacere
ner Pflanzen), fachsprachl. Ursprünglich (um 'werfen’.
1500) für den roten Nachtschatten (ye lenger ye Etymologisch verwandt: s. Adjektiv. - Brunt (1983),
lieber, nndl. hoe langer hoe Iiever), weil seine 346.
jetzt 341 Jongleur

jetzt Adv. Mhd. jeze, älter je zuo aus je (s. d.) gr. ion 'Veilchen’), frz. iode 'veilchenfarbig’ be¬
und zu (s. d.) mit auffälliger Einschränkung der nannt, weil es sich bei der Erhitzung in veilchen¬
Bedeutung auf den gegenwärtigen Zeitpunkt. blauen Dampf verwandelte.
Beim Zusammenrücken entstehen mehrere Va¬
jodeln swV. Seit dem 19. Jh bezeugt. Wohl
rianten: die heutige Form führt zu jetz, an das
abgeleitet aus einem Jodelruf (jo), vgl. gleichbe¬
im Neuhochdeutschen ein t anwächst. Daneben
deutendes jutzen (schwz.). Einzelheiten sind un¬
die häufige Form itz (ebenfalls zu itzt erweitert) klar, vgl. johlen.
und die volle Form jetzo, auch itzo\ jetzund und W. Senn JÖV 11 (1961), 150-166.
jetzunder haben andersartige Adverbialsuffixe
Joga m./n., s. Yoga.
übernommen.
Jogging n. 'Lauftraining’. Im 20. Jh. entlehnt
jeweils Adv., auch je weilen Adv. Erst neuhoch¬
aus gleichbedeutend ne. jogging, einem Verbal¬
deutsche Zusammenrückung aus je (s. d.) und
substantiv zu e. jog 'laufen, bewegen, usw.’,
Weile (s. d.), also 'jedes Mal’ ('jede Weile’).
dessen Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist.
jiddisch Adj., fachsprachl. Regionale ostfrän¬ Lautmalerischer Ursprung wird vermutet.
kische Form von jüdisch, die in der Sprache der Joghurt m./n. ( = ein Sauermilchprodukt).
deutschsprachigen Juden als Selbstbezeichnung Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend türk.
verwendet wurde. Da das in Deutschland ge¬ yogurt.
sprochene Jiddisch in der Neuzeit fast völlig Littmann (1924), 112; Lokotsch (1975), 76.
verloren ging, wird heute unter Jiddisch in der
Johannisbeere/. Seit dem 16. Jh. bezeugt. Sie
Regel die Sprache der Ostjuden verstanden.
heißt so, weil sie schon um den Johannistag
Job m. '(Gelegenheits)Arbeit’, ugs. Im 20. (24. Juni) reift.
Jh. entlehnt aus ne.job 'Arbeit, Aufgabe, usw.’, Johannisbrot n., fachsprachl. Die Hülsen von
dessen Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist. 'Cevatonia siliquia’, sonst Bockshorn genannt,
Morphologisch zugehörig: Jobber. - Ganz (1957), heißen nach Johannes dem Täufer, dessen Kost
108. sie nach der Legende vervollständigten. Im
Jobeljahr n., s. Jubel. Deutschen bezeugt seit dem 14. Jh.
Marzeil (1943/79), I, 898f.
Joch n. Mhd. joch, ahd. joh, juh, as. juk aus
g. *juka- n. 'Joch’, auch in gt. juk, anord. ok, Johanniswürmchen n. 'Leuchtkäfer’, reg. Seit
ae. geoc. Dieses aus ig. *(a)jugo- n. 'Joch’, auch dem 16. Jh.; weil es um den Johannistag (24.
in ai. yugä-, gr. zygön, 1. iugum, akslav. igo; bei Juni) herum fliegt.
heth. yuga- 'Joch’ ist umstritten, ob es Erbwort johlen swV. Mhd. jölen 'laut singen’, mndd.
oder Entlehnung aus dem Indischen ist (vgl. jolen 'jubeln’. Wohl als 'Freudenrufe ausstoßen’
Tischler [1983ff.], I, S. 448f.). Das Wort gehört (jo rufen’) aufzufassen und damit näher zu
zunächst zu einer Verbalwurzel *(d)jeug- 'an¬ jodeln (s. d.) gehörig. Einzelheiten sind aber un¬
schirren, verbinden’ in ai. yunäkti 'schirrt an, klar.
spannt an’, gr. zeügnymi 'ich spanne an, joche Joker m. (= eine beliebig einsetzbare Spiel¬
zusammen’, 1. jüngere, lit. jüngti; diese geht auf karte [o. ä.]). Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
einfacheres *(d)jeu- 'anbinden, anschirren’ (ai. bedeutend ne. joker, einem Nomen agentis
yäuti) zurück. zu e. joke 'Spaß’, dieses aus 1. iocus 'Spaß,
Nndl. juk, ne. yoke, nschw. nisl. ok. S. auch ewig (+), Scherz’. So bezeichnet, da auf diesen Spielkar¬
Juchart, Yoga. — Seebold (1981), 93 — 98. ten immer Narren und Spaßmacher abgebildet
sind.
Jock m., s. Jux.
Etymologisch verwandt: s. Jux.
Jockey m. 'Rennreiter’, fachsprachl. Im 18.
Jolle /. 'einmastiges Fahrzeug’, fachsprachl.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. jockey,
Aus der Seemannssprache, Ursprung dunkel.
einer hypokoristischen Form von Jock, der nord¬
Bezeugt sind ndd. (seit dem 16. Jh.) jolle,jelle,
englischen und schottischen Variante des Na¬
nndl. (16. Jh.) jol, ne. yawl, jollyboat u. a.
mens Jack. Zunächst Bezeichnung für 'jmd.,
Jongleur m. 'Darsteller von Geschicklich¬
der Hilfarbeiten erledigt’, dann auch speziell
keitsübungen’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
für 'jmd., der sich um Pferde kümmert’, dann
deutend frz. jongleur, dieses aus 1. ioculätor
übertragen auf 'Kutscher, angeheuerter Reiter’.
'Spaßmacher’, einem Nomen agentis zu 1. iocu-
Etymologisch verwandt: Diskjockey. — Littmann
lärT 'scherzen, schäkern’, zu 1. ioculus 'Spä߬
(1924), 48; Ganz (1957), 108f.
chen’, einem Diminutivum zu 1. iocus 'Scherz,
Jod n. Das chemische Element wurde von Spaß’.
Courtois 1812 in der Asche des Seetangs ent¬ Etymologisch verwandt: s. Jux. — W. Feldmann ADW
deckt und nach gr. ioeides 'veilchenfarbig’ (zu 8(1906/07), 77.
Joppe 342 Juli

Joppe /. Mhd. jop(p)e, juppe (schöpe, Etymologisch verwandt: Jubilar, [jubilieren]. — H.


schöpfp]e f./m.). Entlehnt aus (älterem) it. Grundmann in: FS Trier (1954), 477 — 511; Lokotsch
giubba, guppa 'Jacke, Wams’, das seinerseits auf (1975), 76.
arab. gubba 'Obergewand mit langen Ärmeln’ Jubilar m., s. Jubel.
zurückgeht. Gleicher Herkunft ist vielleicht Jubiläum n., s. Jubel.
Schaube (s. d.).
Juchart m. 'Feldmaß’, südwd. Regional auch
Jot n. (= Buchstabenname). Nach hebr. jod Jauchert. Spahd. jühhart n., ae. gicer, gycer n.
gleicher Bedeutung. Der gr. Buchstabenname Vermutlich entlehnt aus 1. iügerum n. 'Morgen
iöta (im Griechischen für das i) wird für die Landes’ (zu der Sippe von Joch, I. iugum n. als
übertragenen Bedeutungen verwendet: das se¬ 'so viel Land, wie ein Joch Ochsen an einem
mitische jod und das gr. iöta sind ein einfacher Tag zu pflügen vermag’), das -t kann von mhd.
kleiner Strich; deshalb nicht ein Jota 'nicht das egerte, egerde f. 'Brachland’ übernommen sein.
Geringste’ (Mt. 5,18). Der Ansatz eines Erbwortes ist aber nicht aus¬
Journal n. 'Zeitschrift, Nachrichtensendung’, geschlossen (vgl. gt. jukuzi 'Joch’).
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. S. Joch( + ). — H. Tiefenbach in: Beck/Denecke/Jan-
journal m. 'Tageszeitung’, einer Substantivie¬ kuhn (1980), 317-319.
rung von frz. journal 'jeden einzelnen Tag be¬ juchen sw V., juchzen swV. Varianten zu jauch¬
treffend’, zu frz. jour m. 'Tag’, aus afrz. jorz zen (s. d.).
(jorn) (dass.), dieses aus 1. diurnum (tempus) Juchten n./m. 'auf bestimmte Weise gegerbtes
(dass., älter: 'erlebter Tag, Tagewerk’), zu 1. diü Leder\ fachsprachl. Wie mndd. juften u. ä. ent¬
'bei Tage’, zu 1. dies f./(m.) 'Tag, Tageslicht’. lehnt aus russ.jufti, jucht!f. gleicher Bedeutung,
Zunächst entlehnt in der Bedeutung 'gelehrte dessen Herkunft umstritten ist. Vielleicht ist das
Zeitschrift’; dann Verallgemeinerung. Zuvor be¬ Wort über das Turko-Tatarische entlehnt aus
reits in der Bedeutung 'Tagebuch’ aus it. gior- npers. juft 'Paar’ (weil die Häute paarweise ge¬
nale m. selben Ursprungs in die Kaufmanns¬ gerbt wurden).
sprache entlehnt. Lokotsch (1975), 166.
Morphologisch zugehörig: Journaille, Journalismus,
juchzen swV., s. jauchzen.
Journalist, Journalistik; etymologisch verwandt: s. Diä¬
ten. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 77; Schirmer juckeln swV. 'unruhig hin- und herrutschen,
(1911), 90; Brunt (1983), 347. langsam und wackelig fahren’, ugs. Diminuie-
jovial Adj. 'umgänglich, leutselig’. Im 16. Jh. rende Form zu jucken (s. d.) in der alten Bedeu¬
tung 'hüpfen’.
entlehnt aus 1. Ioviälis 'zu Jupiter gehörig’, zu
1. Io vis 'Jupiter’ (1. io vis aus *dju- neben *dieus, jucken swV. Mhd. ahd. jucken, mndl. joken;
das 1. dies 'Tag’ ergibt). Die heutige Bedeutung ebenso ae. giccan, ne. itch. Herkunft unklar. S.
aufgrund astrologischer Deutungen, die den auch juckeln.
Planeten Jupiter als „Erzeuger“ von Fröhlich¬ Judo n. (= Technik der Selbstverteidigung).
keit ansah. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend jap.
Morphologisch zugehörig: Jovialität; etymologisch jüdö, zu jap. jü 'Sanftmut’ und jap. dö 'Weg,
verwandt: s. Diäten. — G. Schoppe ZDW 15(1914), Pfad’.
188; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 394. Morphologisch zugehörig: Judoka.
Jubel m. 'Freudensbekundung’. Mhd. jübel Jugend/. Mhd. jugent, ahd. jugund, as. juguö
gehört zu mhd. jübiliren, das aus afrz. jubiler aus wg. *jugunpi- f. 'Jugend’, auch in ae.
'jauchzen’ (1. iübiläre) entlehnt ist. Dieses geht geogup. Die westgermanische Form ist entstan¬
auf 1. iübilum n. 'Freudenruf der Hirten, Jäger den aus *juwunpi- mit Übergang von w zu wg.
etc.’ zurück. Damit vermischt sich eine zweite g. Es handelt sich um ein //-Abstraktum zu ig.
Quelle, die hauptsächlich in Jubeljahr (oder *ju(w)n Adj. 'jung’ in ai. yüvan-, 1. iuvenis, air.
Jobeljahr) bezeugt ist: Nach dem mosaischen öa 'jünger’, lit. jäunas. Parallele Abstrakta sind
Gesetz war jedes 50. Jahr ein Erlaßjahr, das 1. iuventüs und air. oltiu. Das Gotische (Junda
mit dem Widderhorn (hebr. jöbel) eingebla¬ mit unsilbischem n) und das Altnordische (aska
sen wurde. Der Papst Bonifatius III. führt 1300 aus *unhiskä) haben die für den Wandel zu g
ein christliches Jubeljahr ein, das alle hundert kritische Lautumgebung gemieden.
Jahre wiederkehren soll und Kirchenstrafen er¬ Nndl. jeugd, ne. youth. S. jung ( + ). — E. Seebold IF
läßt. Von späteren Päpsten wird der Zeitraum 87(1982), 183f. *>
auf 50 Jahre, dann auf 33 und schließlich auf Juli m. (= der 7. Monat des Jahres). Im 16.
25 verkürzt. Hierzu Bildungen wie Jubiläum Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (mensis)
u. ä., die heute an jubeln angeschlossen wer¬ lülius, so benannt nach C. Julius Caesar, auf
den. den die Kalenderreform zurückgeht.
Julklapp 343 Jury

Julklapp m. 'Weihnachtsgeschenk’, ondd. Junggeselle m. Seit dem 15. Jh. zunächst im


Entlehnt aus dem Schwedischen: Der Schenker, Gegensatz zu Altgesell. Zu seinen Merkmalen
der unerkannt bleiben will, klopft an die Tür — gehört, daß er unverheiratet ist, und im Verlauf
klapp! — und wirft das reichlich umhüllte Ge¬ der Wortgeschichte gewinnt dieses Merkmal die
schenk in die Stube, indem er Julklapp! ruft. Überhand.
Seit dem 18. Jh. bezeugt (Vorpommern war S. jung ( + ), Geselle.
1648 — 1815 von Schweden besetzt). Zu Jul, dem
Jüngling m., arch. Mhd. jungelinc, ahd. jungi-
schwedischen Wort für Weihnachten (ursprüng¬
ling, jungelinc, as. jungling aus g. *jungilinga-
lich Sonnwendfest, Herkunft umstritten).
m. 'Jüngling’, auch in anord. ynglingr, ae.
jung Adj. Mhd. junc, ahd. as. jung aus g. geongling, afr. jungeling. Demgegenüber gt.
*junga- Adj. 'jung’, auch in gt. juggs, anord. juggalaups (zu gt. laudi f. 'Gestalt’).
ungr, ae. geong, afr. jung. Dieses ist eine ko- Nndl. jongeling. S. jung ( + ).
Weiterbildung zu ig. *ju(w)n- Adj. 'jung'; die¬
jüngst Adv., arch. Mhd. (ze)jungest(e), jun¬
selbe Weiterbildung findet sich in air. de, äc,
gist, ahd. zi jungist 'in jüngster Zeit’, in frühneu¬
kymr. ieuanc, ifanc, 1. iuvencus 'Jungstier’, ai.
hochdeutscher Zeit gekürzt.
yuvasä- 'jugendlich, jung’. Die Grundlage s. un¬
S.jung( + ).
ter Jugend.
Nndl. jong, ne. young, nschw. ung, nisl. ungur. S. Ju¬ Juni m. ( = der 6. Monat des Jahres). Im 16.
gend, Junge, Jünger, Jungfer, Jungfrau, Junggeselle, Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (mensis)
Jüngling, jüngst, Junker. — Ganz (1957), llOf. Iünius, so benannt nach der römischen Göttin
Junge m. In der Bedeutung 'Knabe’ seit dem Juno.
16. Jh. bezeugt. Vgl. nndl. jongen. Junker m., arch. Mhd. juncherre, juncherre,
S.jung( + ). - E. E. Müller JIDS (1968), 129-146. entsprechend nndl. jonk(he)er. Zunächst 'der
Jünger m. Mhd. junger, ahd. jungiro. Wie bei junge Herr’ und dann lexikalisiert.
ae. gyngra dient der Komparativ von jung zur S ,jung( + ).
Lehnübersetzung von 1. junior 'Schüler, Unter¬ Junktim n. 'vertragsmäßige Verkoppelung’,
gebener’. In neuerer Zeit vor allem für das (kir- fachsprachl. Im 20. Jh. eingeführt in Anlehnung
chen-)l. discipulus verwendet. an das Adverb 1. iünctim 'zusammen’, zu 1.
S. jung( + ). — H. Eggers in: W. Betz u. a. (Hrsg.): FS iünctus, dem PPP. von 1. jüngere 'verbinden’.
T. Starck (The Hague 1964), 62 — 81. Etymologisch verwandt: s. Konjunktion.
Jungfer/., arch. Mit Abschwächung des zwei¬ Junta /. 'Regierungs-, Verwaltungsbehörde’,
ten Kompositionsglieds entstanden aus mhd. fachsprachl. Entlehnt aus span, junta 'Vereini¬
juncvrou(we), junevrowe junge Herrin, Edel¬ gung, Rat’, einer Substantivierung von span.
fräulein’; dann Verallgemeinerung wie später junto 'vereinigt’, aus 1. iünctus (dass.), dem PPP.
bei Fräulein. In der Bedeutung 'Libelle’ (Was¬ von 1. iungere 'verbinden’.
serjungfer) liegt wohl eine Lehnbedeutung zu 1.
Etymologisch verwandt: s. Konjunktion.
nympha, gr. nymphe vor. Die spezielle Bedeu¬
Jura 'Rechtswissenschaft’. Im Frühneuhoch¬
tung von 'Jungfrau’ zeigt sich in Ableitungen
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1. iüra,
wie entjungfern. Die Jungfernfahrt und die Jung¬
der Pluralform von 1. iüs (-üris) n. 'Recht, Sat¬
fernrede (Lehnbildung zu ne. maiden speech)
zung, Verordnung’. In justieren hegt die agen-
sind nach dem Vorbild von ne. maiden race
tive Bedeutung 'in die rechte Ordnung bringen’
'Rennen mit Pferden, die zum ersten Mal ren¬
vor; just meint 'gehörig, recht’.
nen’ zu ne. maiden 'Pferd, das zum ersten Mal
Morphologisch zugehörig: Injurie (usw.), Jurisprudenz,
rennt’ gebildet.
Jurist, Juror, etymologisch verwandt: Jury, [Justifika-
S. Jungfrau, jung ( + ). — A. Gombert ZDW 7 (1905),
tion], [Justifikatur], [Justitia], [Justitiar], [Justitia-
147; Stiven (1936), 49.
riat], [Justitium], Justiz.
Jungfrau /. Mhd. juncvrou(we), junevrowe,
Jurte /. 'Nomadenzelt’, sonder spracht. Über¬
ahd. jungfrouwa- zunächst als 'junge Herrin’ die
nommen aus russ. jurta (dass.) zu russ. jurt m.
Bezeichnung der Edelfräulein, später verallge¬
'Haus, Hof’, einem Lehnwort aus dem Turko-
meinert zu 'junge (unverheiratete) Frau’. In der
Tatari sehen.
Mystik wird das Wort im Rahmen des Marien¬
kultes eingeengt auf die unberührte Jungfrau, Jury /. 'Gruppe von Fachleuten, Sachver¬
so daß das Wort schon bald auf (unberührte) ständigen oder Geschworenen’. Im 19. Jh. ent¬
Frauen übertragen werden kann. Auf diese Be¬ lehnt aus gleichbedeutend ne. jury, dieses aus
deutung ist das Wort heute weitgehend be¬ afrz.ywre 'Geschworener’, zu afrz.jurer 'schwö¬
schränkt. Vgl. nndl. jonkvrouw, juffrouw, juffer. ren, durch Schwur das Recht verstärken’, aus
1. iüräre (dass.), zu 1. iüs (-üris) n. 'Recht’. Die
S .jung( + ), Jungfer.
just 344 Jux

Aussprache ist geprägt von einer Französisie- wurde. Das Wort geht vielleicht zurück auf ai.
rung des Lehnworts. jatä f. '(Haar)Flechte’.
Etymologisch verwandt: s. Jura. Littmann (1924), 123f; Lokotsch (1975), 54f.
just Adv., arch., ugs. Mit nndl. juist, ne. just Juwel n./w. 'wertvoller Schmuckstein; Kost¬
im 16. Jh. entlehnt aus 1. iuste 'angemessen, barkeit’. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
gehörig’ zu 1. iüstus 'dem Recht gemäß’. Im 18. tend mndl. juweel, dieses aus afrz. joel
Jh. galt teilweise die französische Aussprache.
'Schmuck’, dessen weitere Herkunft nicht mit
S. Jura( + ). - Brunt (1983), 349f.
letzter Sicherheit geklärt ist.
justieren swK, s. Jura. Morphologisch zugehörig: Juwelier. — W. Feldmann
Justiz /., s. Jura. ZDW 8 (1906/07), 77.

Jute /., fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus Jux m., ugs. L. iocus 'Spaß, Scherz’ wird
ne.jute und zunächst wie dieses ausgesprochen. zunächst unverändert in die deutsche Rede ein¬
Das englische Wort stammt aus hindT jüt, Be¬ geschoben, dann von Studenten zu Jock, Gucks,
zeichnung der betreffenden Faser, die zunächst Jux entstellt. Es ist bezeugt seit dem 18. Jh.
nach England eingeführt und dort verarbeitet S. auch Joker, Jongleur.
K
Kabale /. 'Intrige’, sonder spracht. Im 18. Jh. zeug, Gebiß’, lit. zaböklis m. 'Knebel’; vgl. lett.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. cabale (eigent¬ zabeklis 'Stöckchen oder Dornen, womit man
lich: 'jüdische Geheimlehre’), dieses aus hebr. einem jungen Tier das Maul so umzäumt, daß es
qabhälä(h) (dass., ursprünglich: 'Überliefe¬ nicht saugen kann’. Hierher auch slav. *zobadlo
rung’). (z. B. in slovak. cech. zubadlo) 'Zaum, Gebiß’;
Etymologisch verwandt: [Kabbala], — W. Feldmann sonst keine weitere Vergleichsmöglichkeit.
ZDW 8 (1906/07), 56; Littmann (1924), 49, 51; Lo- Nndl. kavel.
kotsch (1975), 78; Jones (1976), 163.
Kabeljau m. Oberdeutsch bezeugt seit dem
Kabarett n. 'Kleinkunst(bühne)’. Im 19. Jh. 16., niederdeutsch seit dem 14. Jh., entlehnt aus
entlehnt aus gleichbedeutend frz. cabaret m. nndl. cabbeliau, das in latinisierter Form als
(älter: 'Schenke’), dessen weitere Herkunft nicht cabellauwus schon im 12. Jh. bezeugt ist. Dieses
mit Sicherheit geklärt ist. ist offenbar mit Konsonantenumstellung aus
Morphologisch zugehörig: Kabarettier, Kabarettist. — span, bacalao entlehnt (im 16./17. Jh. noch ein¬
Jones (1976), 164. mal ohne Umstellung als bakeljauw). Das spani¬
Kabäuschen n. 'kleiner Raum’, reg. Verkleine¬ sche Wort gehört vielleicht zu 1. baculus 'Stab’
rungsform zu dem unter Kombüse (s. d.) behan¬ (nach der Form des Fisches), vgl. Stockfisch für
delten Wort. denselben Fisch, wenn er gedörrt ist. Wegen der
kabbeln swV. (reß.) 'sich um etwas streiten’, verschiedenen Besonderheiten der Beleglage ist
ugs., nordd. Mndd. kabbelen 'gegeneinanderlau¬ diese Etymologie aber in allen Punkten unsi¬
fen (von Wellen), zanken’. Sowohl lautlich cher. Nach Polome (s. u.) zu ml. *baccallanus
(auch kibbeln u. ä.) als auch semantisch ohne (einer Variante zu ml. baccalarius, s. Backfisch),
klare Abgrenzung. Herkunft deshalb unklar. weil der Fisch auch als 'Abt’ oder 'Kurat’ be¬
zeichnet wird (Benennungsmotiv?), und mit
Kabel1 n. 'Tau’. Seit dem 13. Jh. bezeugt und
Umstellung der Konsonanten im Anschluß an
in dieser Zeit (mit der Bedeutung 'Ankertau’)
frz. chabot (= 1. caput n. 'Kopf’, nach dem
über das Niederländische entlehnt aus frz. (pi-
großen Kopf).
kard.) cäble m. Dessen Herkunft ist unklar;
S. Chef{+). - E. Polome JIES 11 (1983), 49.
vermutlich haben sich bei seiner Herausbildung
mehrere Quellen vermischt. Kabine /. 'abgeteilter Raum’. Im 17. Jh. ent¬
lehnt aus gleichbedeutend ne. cabin, aus me.
Kabel2 /. 'Anteil, Los’, arch., ndd. Mndd.
caban(e) (dass.), dieses aus afrz. cabane 'Hütte
kavelen 'verlosen’, mndl. cavele\ vgl. afr. kavelia
u. ä.’, aus kelt. capanna (dass.). Die heutige
'verlosen’. Diese Sippe ist vor allem mit nord¬
Form unter Einfluß von frz. cabine (dass.) sel¬
germanischen Wörtern vergleichbar, und zwar
ben Ursprungs. Zunächst entlehnt als Bezeich¬
vergleicht sich in der Bedeutung zunächst am
nung für die Unterkunft auf Schiffen. Kabinett
genauesten anord. kefli n. 'Stab, Pflock’, vor
geht auf ein Diminutivum zu frz. cabine zurück.
allem als Terminus für Runenbriefe und andere
Zu Kabinett: Brunt (1983), 174.
mit Runenzeichen versehene Holzstücke. Kabel
'Los’ ist also zunächst ein Runenstäbchen, und Kabinett n., s. Kabine.
mit solchen wurden offenbar Anteile ausgelost. Kabis m., s. Kappes.
Im Nordischen hat das Wort aber noch die ganz Kabriolett n. 'offener Wagen’, s. Kapriole.
allgemeine Bedeutung 'Holzstab, Holzpflock’,
Kabuff n. ugs., reg. Besonders ndd. Streck¬
etwa auch zum Knebeln (vgl. kefla 'knebeln, form zu mndd. kuffe, küffe, kiffe f. 'kleines,
einem Lamm oder Kalb Holz vor das Maul schlechtes Haus’ unter dem Einfluß von Kabuse
binden, um es am Saugen zu hindern’), ebenso
(s. Kombüse).
anord. kaßi m. 'runder Stock, Stab’. Auszuge¬
Schröder (1906), 26-28.
hen ist offenbar von *kabla- 'Holzstück, Rute,
Kabuse /., Kabüse /., s. Kombüse.
Zweig’, mit dem sich lit. zäbas m. 'Ast, Gerte,
Reisig’ unter Ansatz von *gobh- unmittelbar Kachel/. Mhd. kachel(e), ahd. kahhala 'irde¬
vergleichen läßt. Semantisch vergleichbar ist ner Topf’, mndd. kachel 'Ofenkachel’. Entlehnt
vor allem lit. zaböti 'zäumen’ (dem Pferd das aus spl. *cacculus 'Kochgeschirr’ (vgl. tarent.
Gebiß einlegen), lit. zaböklas m. 'Zügel, Zaum¬ caccalo), einer Variante von 1. caccabus m., das
kacken 346 kahl

aus gr. käkkabos w/Tiegel, Schmorpfanne’, ur¬ *kabra- steht. Beides geht (vielleicht ursprüng¬
sprünglich 'dreibeiniger Kessel’ entlehnt ist. lich als aktives Adjektiv) auf die unter Kiefer1
Dieses ist seinerseits ein Lehnwort aus dem Se¬ dargestellte Lautgebärde mit der Bedeutung
mitischen (genaue Quelle unklar). 'fressen, kauen’ zurück; der Käfer wird also als
Heyne (1899/1903), 1, 240f.; J. Brüch ZRPh 57 (1937), 'Fresser’ bezeichnet.
385-394; R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 356-358. Nndl. kever, ne. chafer. S. Kiefer
kacken swV, vulg. Fnhd. kacken', entspre¬ Kaff1 n. 'elendes Nest’, vulg. Übernommen
chend 1. cacäre, gr. kakkäö, mir. caccaid. Offen¬ aus dem Rotwelschen, in das es aus zigeunerisch
sichtlich eine Lautgebärde aus der Kinder¬ gäw 'Dorf’ gekommen ist. Älteres rotw. kefar
sprache (vgl. das noch deutlicher auf die¬ 'Dorf’ stammt aus wjidd. kefar und dieses aus
sen Bereich festgelegt ist). Übernahme aus dem hebr. *käpär 'Dorf’.
Lateinischen der Schülersprache ist aber nicht S. Kaffer.
ausgeschlossen.
Kaff2 n. 'Fruchthülse des Getreides’, ndd.
S. Kakerlak.
Mndd. kaf, kave, mndl. caf das wie ae. ceaf
Kadaver m. 'verwesender Körper’. Im 16. Jh. auf *kafa- (-b-) zurückführt, neben ahd. keva
entlehnt aus gleichbedeutend 1. cadäver n. f 'Hülse, Schalenerbse’ aus *kebön. Weitere
(wörtlich: 'der gefallene, tot daliegende Kör¬ Herkunft unklar.
per’), zu 1. cadere 'fallen’.
Kaffee m. (= ein anregendes Getränk). Im
Etymologisch verwandt: s. Chance. — K.-H. Wein¬
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cafe,
mann DWEB 2(1963), 394.
dieses aus it. caffe (dass.), aus türk, qahve
Kadenz /. 'Schlußakkordfolge (usw.)’, fach- (dass.), aus arab. yahwa (dass.). Cafe 'Kaffee¬
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend haus’ ist eine Entlehnung des 19. Jhs. aus dersel¬
it. cadenza, dieses wohl aus einer spätlateini¬ ben Quelle.
schen Substantivierung, zu 1. cadens (-entis) Etymologisch verwandt: Cafeteria. — W. Feldmann
'fallend’, dem PPräs. von 1. cadere 'fallen’. ZDW 8 (1906/07), 56; Littmann (1924), 81 f.; Ganz
Etymologisch verwandt: s. Chance. - G. Schoppe (1957), lllf.; Kretschmer (1969), 159 — 161; Lokotsch
ZDW 15 (1914), 188. (1975), 80.
Kader m./(n.) 'Stammbelegschaft, Kern’. Im Kaffer m. 'dummer Kerl’, vulg. Aus dem
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cadre Rotwelschen, in dem es seit dem 18. Jh. be¬
m. (wörtlich: 'Einfassung, Rahmen’), dieses aus zeugt ist. Dorthin kam es aus wjidd. Kaf(f)er
it. quadro m. 'Viereck, Gemälde im Rahmen’, 'Bauer, Dörfler’ (aus hebr. [nachtalmudisch]
aus 1. quadrus m. 'Viereck, viereckig’, zu 1. quat- kafrt 'dörflich’ zu wjidd. kefar 'Dorf’, s. unter
tuor 'vier’. Die Stammbelegschaft wurde als der Kaff1). Die afrikanische Stammesbezeichnung
Rahmen empfunden, der dem Ganzen den Halt ist davon unabhängig: sie stammt aus span,
gibt. Kern- oder Stamm- gehen dagegen vom port. cafre 'Barbar’, das aus arab. käfir 'Un¬
Bild des Baum(stamm)es aus, dessen wichtigster gläubiger’ kommt.
Teil innen ist. Littmann (1924), 47f.; Lokotsch (1975), 79.
Etymologisch verwandt: s. Quadrant.
Käfig m. Mhd. kevje /., ahd. kev(i)a, keba
Kadett m. 'Offiziersanwärter’,/ac/rsprtzc/i/. Im /., as. kevia f Entlehnt aus 1. cavea f 'Käfig,
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cadet Behältnis, Höhle’ (zu 1. cavus 'hohl’, das sich
(auch: 'nachgeborener Sohn’), aus gaskogn. aber wohl mit .einer anderen Quelle vermischt
capdet 'Haupt, Hauptmann’, aus 1. caput hat).
'Haupt’. Zunächst Bezeichnung der gaskogni- S. Kaue, Koje. - E. Rooth in: FS Pretzel (1963),
schen Offiziere am Pariser Hof; da es sich dabei 301-307.
in der Regel um die von der Erbfolge ausge¬ Kaftan m. (= ein langes, weites Oberge¬
schlossenen Söhne der gaskognischen Adeligen wand), sondersprachl. Entlehnt aus gleichbe¬
handelte, erfolgt eine Bedeutungsübertragung deutend türk, kaftan, dieses aus arab. quftän
zu 'jüngerer Sohn’ bzw. 'Offiziersanwärter’. (dass.), dieses aus pers. haftän 'unter dem Pan¬
Etymologisch verwandt: s. Chef. - Brunt (1983), 174f. zer zu tragendes Gewand’.
Kadi m. 'Richter’, ugs. Im 17. Jh. entlehnt Käfterchen n. 'kleiner Abstellraum’, md. Viel¬
aus gleichbedeutend arab. qädi. Es wurde aus leicht zu ahd. kafteri m. 'Bienenkorb’ (aus spl.
orientalischen Erzählungen übernommen. capisterium 'Mulde, Behälter, Bienenkorb’, das
J. W. Walz ZDW 12 (1910), 187; Littmann (1924), 71. seinerseits aus gr. skaphisterion 'Trog, Mulde’
Käfer m. Mhd. kever, ahd. kevur, kevar, ke¬ stammt). Einzelheiten bleiben aber unklar.
ver; auch schwach: mhd. kevere, ahd. kevuro, kahl Adj. Mhd. kal(wes), ahd. kalo, mndl.
keviro, kevero, as. kevera /.. Dieses führt auf calu aus wg. *kalwa- Adj. 'kahl’, auch in ae.
vor-d. *kebra-/ön, neben dem ae. ceafer aus calu(w). Zu vergleichen ist vermutlich akslav.
Kahm 347 Kakerlak

golü 'nackt’, zu dem einerseits lit. gäldyti Kaiserling m. {— der Blätterpilz 'Amanita
'scheuern, reinigen’ ('blank machen’), anderer¬ caesarea’), fachsprachl. Die Bezeichnung geht
seits lit. galvä, akslav. glava 'Kopf’ (vgl. 1. calva darauf zurück, daß Kaiser Claudius 54 nach
'Schädel’ zu 1. calvus 'kahl’) gehören. Weitere Christus an Gift starb, das man einem Gericht
Herkunft unklar. Entlehnung aus 1. calvus (so dieser Pilze beigemischt hatte (Plinius Naturalis
zuletzt A. Senn, s. u.) ist weniger wahrschein¬ historia 22,92). Die Bezeichnung ist im Deut¬
lich, aber nicht auszuschließen. schen seit dem 17. Jh. erwähnt und wurde ver¬
S. auch Halunke. Nndl. kaal, ne. callow. — A. Senn standen als 'vortrefflicher Pilz’ (s. Kaiser).
JEGPh 32 (1933), 521. Marzeil (1943/79), I, 236.
Kahm m. 'Schimmel auf gegorenen Flüssig¬ Kaiserschnitt m., fachsprachl. Bei Plinius (Na¬
keiten’, fachsprachl. Daneben auch älteres turalis historia 7,47) wird der Name Caesar da¬
Kahn. Fnhd. kön, mhd. kän; sonst mhd. mndd. mit erklärt, daß der erste Träger dieses Namens
kam, nndl. kaam\ wie e. (dial.) canes, keans seiner Mutter aus dem Leib geschnitten wurde
'Schaum auf Gegorenem’ entlehnt aus spl. (1. caedere [caesum] 'hauen, fällen, ausschnei-
*cäna 'Schmutzschicht auf Wein’ (zu 1. cänus den u. ä.’). Danach heißt die operative Entbin¬
'grau’), vermutlich über afrz. chanes, chienes. dung im späten Mittelalter sectio caesarea. Dies
Kahn m. Ursprünglich nur nord- und mittel¬ wird im 17. Jh. übersetzt zu Kaiserschnitt.
deutsch (kane), durch Luther in die Schrift¬ S. Zäsur (+).
sprache eingeführt. Vergleichbar ist zunächst
Kajak m./(n.) (= ein Paddelboot), fach¬
ndn. (arch.) kane 'Boot, Schlitten’ zu anord.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus einem Dialekt
kani 'Gefäß, Schüssel’, neben dem als Vriddhi-
der Eskimos.
Ableitung kcena 'eine Art Boot’ steht. Weitere
Kajüte /., fachsprachl. Übernommen aus
Herkunft unklar.
mndd., älter nndl. kajute. Herkunft unklar; viel¬
K. Bischoff EOS (1954). 90f.; Kretschmer (1969), 245f.
leicht Streckform aus Kute, Küte, Kaute 'Loch,
Kai m. 'gemauerter Uferdamm’. Im 17. Jh.
Höhle’ (s. unter Kaute).
entlehnt aus nndl. kaai, das wie ne. quay auf
Schröder (1906), 35-39.
frz. quai beruht. Dieses aus einem keltischen
Kakadu m. 'Schopfpapagei’, fachsprachl. Im
Wort, das kymr. cae 'Gehege’ (s. unter Hag)
18. Jh. aus nndl. kak(k)etoe übernommen, das
entspricht. Zu diesem auch abret. caiou PI.
seinerseits auf ein malayisches Wort zurück¬
'Schutzwalf, das die Bedeutungsbrücke liefert.
geht, das ganz oder in Teilen lautmalend ist
Kranemann (1958), 84 — 95.
(vermutlich kaka 'Papagei’ nach dem Schrei des
Kainszeichen n., sonderspracht. Bezeugt seit
Vogels + tüa 'alt’).
dem 18. Jh. Nach dem Zeichen, mit dem Gott
R. Loewe ZVS 61 (1933), 120-130; G. Kahlo MS
den Brudermörder Kain zeichnet (1. Mose 4,15).
(1961), 32.
Verallgemeinert zu 'Zeichen eines Brudermör¬
Kakao m. (= Frucht eines tropischen Bau¬
ders’ oder noch allgemeiner 'eines verwerflichen
mes). Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Menschen’.
span, cacao, dieses aus dem mexikanischen Dia¬
Littmann (1924), 42f.
lektwort kakahuatl 'Kakaobohne’. Bei der Ent¬
Kaiser m. Mhd. keiser, ahd. keisur, keisar, as. lehnung ist die Vermittlung weiterer romani¬
kesur gehen mit ae. Cäsere, gt. kaisar zurück scher Sprachen anzunehmen.
auf eine der ältesten Entlehnungen des Germa¬
J. W. Walz ZDW 12 (1919), 187; Littmann (1924), 146,
nischen aus dem Lateinischen: Der Herrscherti¬ 150; R. Loewe ZVS 61 (1933), 84-93.
tel 1. Caesar, übernommen aus dem Eigenna¬
kakeln swV. 'gackern, schwatzen’, nordd.
men C. Julius Caesar, bezeichnet zunächst den
Lautmalende Bildung, schon mndd. kakelen-,
Herrscher des römischen Reichs, dann den
weiter nndl. kakelen, ne. cackle, nschw. kackla
Herrscher allgemein. Gleicher Herkunft ist russ.
u. a.
carl, aruss. cesari (wohl über gt. kaisar). Die
Entlehnung spiegelt einen auffallend frühen Kakerlak m. 'Schabe’, übertragen 'Albino (da
Lautstand des Lateinischen (k vor hellem Vo¬ ebenfalls lichtscheu), lichtscheuer Mensch’. Be¬
kal, Diphthong). Zu seiner Erklärung wird teils zeugt seit dem 16. Jh., zunächst als Schimpfwort
griechische Vermittlung, teils Lautersatz nach (angelehnt an kacken, s. d.?). Die Herkunft ist
vorliegenden Mustern angenommen. — Im al¬ nicht ausreichend klar. Das Wort ist wohl von
ten Österreich wurde Kaiser- nicht selten zur den Niederlanden aus verbreitet, obwohl es dort
Markierung des in seiner Art Hervorragenden erst seit dem 17. Jh. bezeugt ist. Da das so
verwendet, besonders bei Speisen (Kaiserbirne, bezeichnete Tier aus Südamerika eingeschleppt
Kaisersemmel, Kaiserfleisch, Kaiserschmarrn wurde, kann span, cucaracha f. zugrunde liegen,
u. a.). das auch die englische Entsprechung cockroach
S. auch Kaiserling, Kaiserschnitt. geliefert hat.
Kaktee 348 kalfatern

Kaktee /., s. Kaktus. nung). Nicht selten in Wendungen und Übertra¬


Kaktus m. (= eine dornige, in Trockengebie¬ gungen (die teilweise auch davon ausgehen, daß
ten wachsende Pflanze). Im 18. Jh. entlehnt auf der Trommel gewürfelt wurde).
aus gleichbedeutend gr. käktos, dessen weitere S. Kalb ( + ).
Herkunft nicht geklärt ist. Dazu die Nebenform Kalbsmilch /. 'Brustdrüse des Kalbs’, nordd.,
Kaktee. md. Bezeugt seit dem 18. Jh. Wie bei Milken
Kalamität /. 'mißliche Lage’, sondersprach!. u. ä. wird die Drüse nach ihrer Zartheit be¬
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. calamitäs (-ätis) zeichnet.
(auch: 'Schaden, Unglück, Verderben’, zu¬ S. Kalb(+). — Kretschmer (1969), 248f.
nächst 'landwirtschaftliches Unglück [z. B. Ha¬
Kaldaune /., meist PI. 'eßbare Innereien’. Im
gelschlag, Viehsterben usw.]’).
Mittelhochdeutschen (mhd. kaldüne) aus mittel¬
Kalauer m. 'wenig geistreicher Witz’. Vermut¬ lateinischen Bildungen entlehnt, die zu 1.
lich eine in Berlin entstandene volksetymologi¬ cal(i)dus 'warm’ gehören. Wahrscheinlich so
sche Umdeutung von frz. calembour 'Wortspiel’ bezeichnet als die 'noch warmen Teile eines
nach dem Namen der Stadt Kalau in der Nie¬ ansonsten bereits erkalteten geschlachteten
derlausitz. Man vermutet das Umformungsmo¬ Tieres’.
tiv in der Minderwertigkeit von Erzeugnissen
Kalebasse/. (= ein bauchiges Gelaß mit lan¬
(vor allem Schuhwerk), die von dieser Stadt
gem Hals), sondersprachl. Entlehnt aus gleich¬
nach Berlin geliefert wurden.
bedeutend frz. calebasse, dieses aus span, cala-
Kalb n. Mhd. kalp, ahd. kalb, as. kalf aus g.
baza 'Kürbis(pflanze)’, dessen weitere Herkunft
*kalbaz- n. 'Kalb’, auch in anord. kalfr m., ae.
nicht sicher geklärt ist.
cealf m./n.; im Gotischen ist nur die Ableitung
kalbo f. 'junge Kuh’ bezeugt, entsprechend zu Kaleidoskop n. 'abwechslungsreiche Folge
ahd. kalba. Der Ansatz eines ^-Stamms ergibt von Bildern usw.’, sonder sprachl. Neubildung
sich aus dem r-Plural und aus der altnordischen des 19. Jhs. zu gr. kalös 'schön’, gr. eidos 'Bild,
Form. Aus einer damit ablautenden Form Gestalt’ (zu gr. idem 'sehen’) und gr. skopein
könnte wg. *kelbuzjö f. 'Mutterlamm’ abgeleitet 'schauen’ in Analogie zu Mikroskop. Somit also
sein (in ahd. kilburra, kilb(ir)ra /., ae. cilfor- ein 'Gerät zum Betrachten von Schönem’.
lamb). Morphologisch und semantisch passen Etymologisch verwandt: s. Idee und Skepsis.
dazu einige Ausdrücke für 'Gebärmutter, Tier¬ Kalender m. '(Papier zur) Aufzeichung von
junges (u. ä.)’ im Indischen und Griechischen Daten, Terminen usw.’. Im 15. Jh. entlehnt aus
(die Bedeutungen gehen häufig ineinander gleichbedeutend ml. calendarius, dieses aus 1.
über); doch weist das Griechische auf einen Calendae f. 'der erste Tag des Monats, Monat’,
Anlaut *gu-, der nicht zum Germanischen zu 1. caläre '(die Kalenderdaten) ausrufen’.
stimmt. Vgl. ai. gärbha- m. 'Mutterleib, Leibes¬
Morphologisch zugehörig: Kalendarium. - Lokotsch
frucht’, avest. gdrd-bus- n. 'Tierjunges’, gr. del- (1975), 82.
phys f. 'Gebärmutter’, in Glossen auch gr. dol-
Kalesche/. (= eine leichte Kutsche), arch. Im
phös/., ein .s-Stamm ist vielleicht verbaut in gr.
17. Jh. entlehnt aus cech. koleska und poln.
adelpheös m. 'Bruder’ (Homer). Die Zusammen¬
kolaska, zu poln. koto n. 'Rad’, das mit der
hänge (Parallelwurzeln oder sekundäre Vermi¬
unter Hals beschriebenen Wurzel verwandt ist.
schung) sind deshalb im einzelnen unklar.
Zum Etymon s. Hals. - Kretschmer (1969), 312f.
Nndl. kalf, ne. calf nschw. kalv, nisl. kälfur. S. Kälber-,
Kalbfell, Kalbsmilch. — M. Platschek: Lamm und Kalb Kalfakter m. 'jmd., der Hilfsdienste tut’, arch.
(Gießen 1957), 14-16. Im 16. Jh. entlehnt aus ml. cal(e)factor 'Hei¬
Kälber- in Pflanzennamen. Kälberkern ist um¬ zer’, einem Nomen agentis zu 1. cal(e)facere
gestellt aus kerbelkerne 'Kerbelrübe’, die so 'einheizen’, zu 1. cal(i)dus 'warm, heiß’ und 1.
heißt, weil ihre knollig verdickte Wurzel einem facere 'machen’. Zunächst entlehnt als Bezeich¬
Haselnußkern (ahd. kerno) ähnelt. Wegen der nung für denjenigen, der in der Schule mit dem
äußeren Ähnlichkeit wird der Name übertragen Einheizen beauftragt war. Dann Verallgemeine¬
auf den Schierling und dann auf den Wiesenker¬ rung zu 'jmd., der Hilfsdienste verrichtet’.
bel, für den er dann umgestallet wird zu Kälber¬ Etymologisch verwandt: s. Kalorie und Fazit.
kropf (wegen der kropfartigen Anschwellungen
kalfatern swV. 'Wände von Schiffen (mit Teer
der Stengelknoten); so seit dem 18. Jh.
usw.) abdichten’, fachsprachl. Entlehnt aus
S. Kalb( + ). - R. Loewe HG DSL 60(1936),
gleichbedeutend ndl. kalfateren, dieses aus frz.
406-414; Marzell (1943/79), I, 909-911.
calfater (dass.), it. calafatare (dass.) und span.
Kalbfell «., arch. Seit dem 17. Jh. Bezeich¬ calafatear (dass.), dieses wohl über griechische
nung der Werbetrommel (nach deren Bespan¬ Vermittlung zu arab. qafr 'Asphalt’.
Kaliban 349 Kamellen

Kaliban m. 'grobschlächtiger Mensch’, son- kalt Adj. Mhd. ahd. kalt, as. kald aus g.
dersprachl. Im 18. Jh. als Appellativum ge¬ *kalda- Adj. 'kalt’, auch in gt. kalds, anord.
braucht zu ne. Caliban, dem Namen einer Figur kaldr, ae. ceald, afr. kald. Altes /«-Partizip zu
aus Shakespeares Stück Tempest. g. *kal-a- slV. 'frieren, kalt werden’ in anord.
Ganz (1957), 50. kala, ae. calan. Außergermanisch vergleichen
Kaliber n. 'Größe, Art (bes. von Geschüt¬ sich nur Nomina: 1. gelü 'Frost, Kälte’, lit. gel-
zen)’. Im 17. Jh. aus gleichbedeutend frz. calibre menis, gelumä 'heftige Kälte, Frost’, russ. göloti
m., dieses aus it. calibro m. (dass.), über mittel¬ 'Glatteis’.
lateinische Vermittlung aus arab. qälib 'Form, Nndl. koud, ne. cold, nschw. kall, nisl. kaldur. S.
Modell, Schusterleisten’, aus gr. kälopödion Gelatine ( + ), kühl ( + ).
'Schusterleisten, (wörtlich: Holzfüßchen)’, Kalter m. 'tragbarer Behälter für Fische’,
einem Diminutivum zu gr. kälöpous m. 'Holz¬ fachsprachl., südd. Spmhd. kalter, eigentlich ge¬
fuß, Schusterleisten’, einer Zusammensetzung halter zu gehalten 'behalten, aufbewahren’.
aus gr. kälon 'Holz’ und gr. poüs m. 'Fuß’.
Kalumet n. 'Friedenspfeife’, sonder spracht. Es
S. Podium ( + ). - A. Kluyver ZDW 11 (1909),
219—224; Littmann (1924), 98, 100; Lokotsch (1975), handelt sich um ein französisches Regionalwort
83. (nordfrz. calumet 'Röhrchen’, Entsprechung zu
frz. chalumeau m. 'Strohhalm usw.’, aus 1. cala-
Kalk m. Mhd. ahd. as. kalc beruhen wie ae.
cealc auf früher Entlehnung aus 1. calx (-leis) mellus m. 'Röhrchen’, zu 1. calamus m. 'Schilf¬
/., das seinerseits aus gr. chälix m.lf. 'Kies, rohr’), das von französischen Siedlern in Nord¬
Kalkstein, ungebrannter Kalk’ entlehnt ist. Die amerika zur Bezeichnung der (ihnen unbekann¬
Germanen lernten die Verwendung des Kalks ten) Pfeife diente.
mit dem Steinbau von den Römern kennen und Kalvarienberg m. 'Nachbildung der Kreuz¬
entlehnten mit der Sache das Wort. In ihrer wegstationen’, fachsprachl. Bildung zu spl. cal-
ursprünglichen Bauweise benützten sie Lehm. väriae (locus) 'Schädelstätte (von Golgatha)’,
S. kalkulieren ( + ). - Hoops (1911/19), III, 5f.; Lü- zu 1. calväria f. 'Hirnschale, Schädel’, zu 1. calva
schen (1968), 246. f. 'Hirnschale, Schädel’, zu 1. calvus 'kahl, haar¬
Kalkül n.\ m., s. kalkulieren. los’. Es liegt eine metonymische Übertragung
kalkulieren swV. 'berechnen, überlegen’. Im der Bezeichnung der Schädelstätte von Golga¬
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. calculäre tha vor, die nach Ausweis der christlichen Über¬
(wörtlich: 'mit Rechensteinen umgehen’), zu 1. lieferung die Kreuzigungsstätte Jesu war.
calculus 'Sternchen, Rechenstein, Berechnung’, Kamel n. (= ein Wüstentier). Im Mittelhoch¬
einem Diminutivum zu 1. calx (-leis) 'Stein, deutschen (mhd. kembel, kemmel, kemel, kamel
Spielstein, Kalkstein’, verwandt mit gr. chälix m. u. a.) entlehnt aus gleichbedeutend gr. käme-
'kleiner Stein, Kalkstein’. los rnff, das auf ein semitisches Wort zurück¬
Morphologisch zugehörig: Kalkulation, Kalkulator, geht. Später auch Einfluß von 1. camelus m./f.
etymologisch verwandt: Chaussee, Kalkül, Kalk. — W.
(dass.).
Feldmann ZDW8 (1906/07), 56f.; Schirmer (1911), 92;
Schirmer (1912), 34f.; G. Schoppe ZDW 15(1914), S. Kämelgarn. — Littmann (1924), 15; Löschen (1968),
188; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 394. 224; Lokotsch (1975), 52.

Kalle /. 'Braut, Prostituierte’, vulg. Im Rot¬ Kämelgarn n. 'Garn aus dem Haar der Ango¬
welschen seit dem 18. Jh. bezeugt. Aus wjidd. raziege’, fachsprachl. Zu fnhd. kemel 'Kamel’ (s.
kalle 'Braut’, das zu hebr. kallä(h) gleicher Kamel), übertragen auf die Angoraziege wegen
Bedeutung gehört. ihres langen Halses.
Kalmen PI. 'Windstille’, fachsprachl. Im 16. Kamelie /. (= eine Pflanze mit immergrünen
Jh. durch Palästinafahrer im Deutschen einge¬ Blättern und rosenähnlichen Blüten), fach¬
führt. Zugrunde liegt ein romanisches Wort (frz. sprachl. Neubildung zum Namen des Missio¬
calme m., it. span. port. calmaf), das die Ruhe nars Camel, der die Pflanze aus Japan nach
bezeichnet, die bei großer Hitze einzutreten Europa brachte.
pflegt. Es geht zurück auf gr. kaüma n. 'Hitze’, Kamelle/. Mundartliche Variante von Kara¬
das unter dem Einfluß von 1. calere 'warm sein
mel (s. d.).
umgebildet wurde.
Kamellen PI. (in der Fügung alte/olle Kamel¬
Kluge (1911), 415f.
len 'Altbekanntes’), ugs. Mundartliche Variante
Kalorie/. (= eine Maßeinheit für den Ener¬
von Kamille (s. d.). Die Redewendung fußt auf
giegehalt von Lebensmitteln), fachsprachl. Neu¬
einem Vergleich des geringen (Neuheits)Werts
bildung des 20. Jhs. zu 1. calor (-öris) 'Wärme,
bestimmter Nachrichten und Dinge mit der
Hitze’, zu 1. calere 'glühen, warm sein’.
Wertlosigkeit lange gelagerter Kamille, die
Etymologisch verwandt: Chauffeur, Kalfakter, Non¬
chalance', zum Etymon s. lau.
durch lange Lagerung ihre Wirkkraft verliert.
Kamera 350 Kampfer

Kamera /. 'Gerät für fotographische Aufnah¬ Kammer/. Mhd. kamer(e), ahd. chamara, as.
men’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend kamara. Früh entlehnt aus 1. camera 'gewölbte
neo-1. camera obscura (wörtlich: 'dunkle Kam¬ Decke’, dann 'Zimmer mit gewölbter Decke,
mer’), aus 1. camera 'Gewölbe, gewölbte Decke, Wölbung’, das seinerseits aus gr. kamära 'Ge¬
Wölbung’, dieses aus gr. kamära 'Gewölbe, ge¬ wölbe, gewölbte Kammer’ entlehnt ist.
wölbte Kammer’. S. Kamera {-f). - Heyne (1899/1903), I, 90.
Etymologisch verwandt: Kamerad., zum Etymon s. Kammerjäger m. Ursprünglich 'fürstlicher
Kammer. Leibjäger’, dann scherzhaft umgedeutet zu
Kamerad m. 'Freund, Gefährte’. Im 16. Jh. 'Rattenfänger’ und 'Vertilger von Ungeziefer’.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. camerade, die¬ Die Umdeutung ist im 17. Jh. in Norddeutsch¬
ses aus it. camerata m./f. 'Gefährte, Kammerge¬ land aufgekommen.
meinschaft’, zu it. camera 'Kammer’, aus 1. ca¬ Kammerton m.,fachsprachl. Bezeugt seit dem
mera 'Gewölbe, gewölbte Decke, Wölbung’, aus 18. Jh. als der für die Kammermusik übliche
gr. kamära 'Gewölbe, gewölbte Kammer’. Grundton (der Grundton der Oper war tiefer,
Etymologisch verwandt: s. Kamera. der der Orgel höher). Danach Verallgemeine¬
Kamikaze m. 'sich selbst opfernder Pilot/ rung des Grundtons mit entsprechender Verän¬
Mensch’, sondersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus derung der Bedeutung des Wortes.
gleichbedeutend jap. kami-kaze, zu jap. kami Kammertuch n. 'feine Leinwand’, fachsprachl.
'Gott’ und jap. kaze 'Wind’, wörtlich also 'Got¬ Seit dem 16. Jh. Ursprünglich ‘Tuch aus Cam-
teswind’. Bezeichnung japanischer Piloten, die brai (nndl. Kamerijk)\ entsprechend nndl. kame-
sich im 2. Weltkrieg mit ihren sprengstoffbela¬ rijksdoek, dann gekürzt zu kamerdoek, das ins
denen Flugzeugen auf amerikanische Kriegs¬ Deutsche übertragen wird.
schiffe stürzten und dabei selbst den Tod Kammgarn n., fachsprachl. Im 19. Jh. gebildet
fanden. zur Bezeichnung von Garn aus Wolle, die durch
Kamille /. (= eine zu den Korbblütlern gehö¬ Kämmen gereinigt und aufgelockert worden
rende Pflanze). Im Mittelhochdeutschen (mhd. war.
camille) entlehnt aus gleichbedeutend 1. chamae- Kamp m. 'Grasplatz, kleine Baumschule’, reg.
melon, chamomilla. Dieses aus gr. chamaimelon Spmhd. mndd. kamp, entlehnt aus 1. campus
n., zu gr. chamai 'auf der Erde, niedrig wach¬ 'Feld’.
send’ und gr. melon n. 'Apfel’ (wohl wegen S. Camp( + ). - Jones (1976), 170.
Form und Geruch der reifen Blüten). Kampagne /. 'Feldzug, gezielte gemeiname
S. Kamellen. Aktion’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Kamin m. 'Feuerstelle, Rauchabzug’. Im Mit¬ tend frz. Campagne, dieses aus it. campagna
telhochdeutschen (mhd. kämm, kemln 'Schorn¬ 'Ebene, Feld’, aus spl. campänia f./(n.) (dass.),
stein’) entlehnt aus 1. camlnus 'Feuerstelle, einer Substantivierung von spl. campäneus 'das
Schmiedeesse, Herd’, dieses aus gr. käminos flache Land betreffend’, zu 1. campus m. 'Feld’.
'Ofen’. Etymologisch verwandt: s. Camp. — Schirmer (1911),
S. Kemenate. - J. Trier ZDPh 70 (1947/49), 352f.; 92; Jones (1976), 170.
Kretschmer (1969), 439f. Kämpe m., arch. Niederdeutsche Entspre¬
Kamm m. Mhd. kambe, kämme m./f, kam(p), chung zu Kämpfe(r) (s. d.), die im 18. Jh. wie¬
ahd. as. kamb aus g. *kamba- m. 'Kamm’, auch derbelebt und in die Schriftsprache übernom¬
in anord. kambr, ae. camb. Dieses aus ig. men wurde.
*gömbho- 'Zahn’ in ai. jämbha- 'Zahn, Fang¬ Kampf m. Mhd. ahd. kampf wie ae. comp
zahn’, gr. gömphos 'Pflock, Nagel’, akslav. zpbü, und anord. kapp n. 'Wettstreit’ wohl eine alte
lett. züobs (lit. zambas 'Balkenkante’). Da die Entlehnung aus 1. campus 'Feld’. Die Ausgangs¬
Stammbildung überall gleich ist, liegt im Ger¬ bedeutung im Germanischen ist 'Zweikampf’;
manischen kaum eine Zugehörigkeitsbildung solche Zweikämpfe wurden in einem abgesteck¬
('mit Zähnen versehen’) oder ein Kollektivum ten Feld durchgeführt, für das offenbar 1. cam¬
vor; deshalb wohl als pars pro toto aufzufassen. pus als Bezeichnung diente.
Die verbale Grundlage zu diesem Nomen ist S. Camp (+), Kämpe und Kämpfe(r).
wohl *gembh- in ai.jämbhate 'schnappt, packt’, Kampfer m. (= eine harzige Masse mit cha¬
arm. camem 'ich kaue’, lit. zembiü 'ich zer¬ rakteristischem Geruch), fachsprachl. Im Mit¬
schneide’, aksalv. zpbp 'ich zerreiße’, obwohl telhochdeutschen (mhd. kampf er, gaff er) ent¬
die semantischen Verhältnisse nicht ganz klar lehnt aus einem letztlich austroasiatischen Wort
sind. (Khmer käpör usw.). Die verschiedenen Inlaut¬
Nndl. kam, ne. comb, nschw. kam, nisl. kambur. S. konsonanten (Kampfer, e. camphor, it. canfora
auch Knebel. Zur Bedeutungsentwicklung vgl. Strähl. /., arab. käfür, ai. karpüra-) erklären sich wohl
Kämpfe(r) 351 Kanker

aus einer Variation, die letztlich auf Präfixver¬ Kandelaber m. 'mehrarmiger Ständer für Ker¬
schiedenheiten zurückgeht. zen u. ä.’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Kämpfe(r) m. Mhd. kempfe, ahd. kempf(e)o, tend frz. candelabre, dieses aus 1. candelährum n.
as. kempio, ae. cempa, anord. kappi bedeuten (dass.), einer Ableitung von 1. candela f. 'Kerze,
ursprünglich 'Zweikämpfer’ und gehören als Talglicht’, dieses abgeleitet von 1. candere 'glän¬
Nomen agentis zu Kampf (s. d.). Zu Kämpfer zen, schimmern’.
'Balkenkopf’ s. Käpfer, Köper. Etymologisch verwandt: Kandidat.
S. auch Kämpe. kandieren swV. 'einzuckern’, s. Kandis.
Kämpfer m. 'Balkenkopf’, s. Käpfer. Kandidat m. 'Bewerber’. Im 16. Jh. entlehnt
kampieren swV., s. Camp. aus gleichbedeutend 1. candidätus, einer Sub¬
Kanaille /. 'verbrecherische Person’. Im 17.
stantivierung von 1. candidätus 'weiß gekleidet’,
zu 1. candidus 'glänzend weiß, fleckenlos’, zu
Jh. entlehnt aus frz. canaille 'Gesindel’, dieses
l. candere 'glänzen, schimmern’. Zunächst vor
aus it. canaglia 'Hundepack’, einem Kollekti-
allem der Bewerber um eine Magistratur, der
vum zu it. cane m. 'Hund’, aus 1. canis m.
während der Bewerbung eine mit Kreide ge¬
(dass.).
weißte toga candida f. trug.
Brunt (1983), 176f.
Morphologisch zugehörig: Kandidatur; etymologisch
Kanake m. (= eine abwertende Bezeichnung verwandt: Kandelaber.
für südliche Ausländer), vulg. Entlehnt aus der
Kandis m. (= eine Zuckersorte). Im 18. Jh.
Bezeichnung für Südseeinsulaner, diese aus
entlehnt aus gleichbedeutend it. (zucchero) can-
polyn. kanaka 'Mensch'.
di(to), dieses aus arab. qandi'vom Zuckerrohr’,
Kanal m. 'Wasserlauf, Weg. Sendefrequenz’. zu arab. qand 'Zuckerrohr, Rohrzucker’, aus ai.
Im 15. Jh. entlehnt aus it. canale 'Röhre, Rinne, khandaka- 'Zucker in kristallartigen Stücken’.
Wasserlauf’, dieses aus 1. canälis m./f (dass.), Das auslautende /s/ wohl aus der Variante can-
einer Substantivierung von 1. canälis 'rohrför¬ disieren des Verbs kandieren in den Stamm des
mig’, zu 1. canna f. 'kleines Rohr, Schilf’, aus gr. Substantivs übernommen. Mundartlich bereits
känna f. 'Rohr’, einem semitischen Lehnwort. zuvor entlehnt als Kandelzucker, Kandizucker
Frühere Entlehnung bereits im Alt- und Mittel¬ u. ä. Dazu nach italienischem und französi¬
hochdeutschen (s. Kandel). schem Vorbild das Verb kandieren.
Morphologisch zugehörig: Kanalisation; etymologisch S. Zuckerkand(el). — Littmann (1924), 81, 87. Zu
verwandt: Canasta, Kandel, Kanister, Kanne, Kännel, kandieren: Lokotsch (1975), 85; Brunt (1983), 177f.
Kanon, Kanone, Kanüle, Knaster. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 57; Kluge (1911), 419. Känguruh n. (= ein Beuteltier Australiens).
Im 18. Jh. über englische Vermittlung entlehnt
Kanapee n. 'Sofa’, sonder spracht. Im 18. Jh.
aus einer Eingeborenensprache Australiens.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. canape m.,
Littmann (1924), 135.
dieses über mittellateinische Vermittlung aus 1.
cönöpeum, cönöpium 'Himmelbett, mit einem Kaninchen n. (= ein dem Hasen ähnliches
Mückennetz geschützte Lagerstätte, feinma¬ Tier). Diminutivum zu gleichbedeutend d. Ka¬
schiges Mückennetz’, aus gr. könöpion (dass.), nin, dieses aus afrz. conin (dass.), aus 1. cunlculus
zu gr. könöps m. 'Mücke, Stechmücke . m. (dass.).
J. W. Walz ZDW 12 (1910), 187. S. Karnickel. — F. Holthausen Anglia Beiblatt
44(1933), 3; J. Hubschmied RH 20(1943), 265 — 270;
Kanarienvogel m. (= ein kleiner, gelber Vo¬
A. Schulten: Iberische Landeskunde (Strasbourg 1955/
gel). Neubildung zu gleichbedeutend frz. canari,
57), II, 567.
so benannt nach den Kanarischen Inseln.
Kanister m. (= ein Behältnis für Flüssigkei¬
Morphologisch zugehörig: Kanari, Kanarie, Kanarier,
kanarisch. — Suolathi (1909), 133f.
ten). Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
ne. canister, dieses aus 1. canistrum n. 'ein aus
Kandare /. 'Gebißstange im Zaumzeug von
Rohr geflochtener Korb’, aus gr. känastron n.
Pferden’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
(dass.), zu gr. kännaf. 'Rohr’, einem semitischen
tend ung. kantär. Dazu jemanden an die Kandare
Lehnwort. Im Englischen von 'Korb’ auf 'Be¬
nehmen 'jmd. hart herannehmen’.
hältnis’ ausgeweitet, u. a. auch 'Blechdose’. Von
Lokotsch (1975), 84f.
hier aus dann die Entlehnung in der einge¬
Kandel m./f, reg. Das Wort weist jungen schränkten Bedeutung. In der Bedeutung
Gleitlaut d zwischen n und / auf und geht in 'Korb’ findet sich das Wort bereits früher im
der Bedeutung 'Kanne’ (bairisch, ostfränkisch)
Deutschen.
zurück auf mhd. kannel/., ahd. kannella, kan-
Etymologisch verwandt: s. Kanal, Knaster.
nalaf. (zu Kanne, s. d.); in der Bedeutung 'Stra¬
Kanker1 m. 'Weberknecht’, reg. Spmhd. kan-
ßenrinne, Dachrinne’ auf mhd. kandel f. aus
ker. Trotz seiner späten Bezeugung offenbar
ahd. kanali m. (s. unter Kanal).
Kanker 352 Kantel

ein altes Wort. Mit verschiedenen lautlichen Kanone /. 'schweres Geschütz’. Im 16. Jh.
Umgestaltungen vgl. nordfr. kunker, anord. entlehnt aus gleichbedeutend it. cannone m.,
kgngurväfa, kpngulväfa /., ae. gongelwcefre f. einem Augmentativum zu it. canna 'Rohr’, aus
Zugrundezuliegen scheint ein Wort für 'weben’, 1. canna (dass.), aus gr. kanna (dass.), einem
vgl. die Entlehnung ins Finnische kangas 'Ge¬ semitischen Lehnwort. Die Augmentativbil-
webe’, finn. kankuri 'Weber’ und vielleicht russ. dung erhält die Bedeutung 'Geschütz’ in einer
guz 'Seil, Tau’. Kaum ein Erbwort. Zum fol¬ Pars-pro-toto-Übertragung von 'großes Rohr’
genden? zu 'Gerät mit großem Rohr’. Unter aller Kanone
Kanker2 m. 'Krebs an Bäumen’, fachsprachl. ist eine Scherzbildung zu 1. sub omni canöne und
Ahd. kancur; wie ae. cancer eine Entlehnung aus meint 'unterhalb jeglichen Maßes’. Die Wen¬
1. cancer 'Krebs’ (eigentlich und übertragen). dung steht damit nur volksetymologisch in Be¬
Möglicherweise hat die Entlehnung ein Erbwort zug zu Kanone und gehört zu Kanon.
überlagert, das gr. göngros 'Auswuchs an (Oli- Morphologisch zugehörig: Kanonade, Kanonier, ety¬
ven)Bäumen’, gr. gängraina f. 'bösartige Ge¬ mologisch verwandt: s. Kanal. — Littmann (1924), 18.
schwulst’ entsprechen würde. Kanonenfieber n., s. Lampenfieber.
F. Kluge ZVS 26 (1883), 86.
kanonisch Adj. 1) 'kirchenrechtlich’, 2) 'als
Kanne /. Mhd. kanne, ahd. as. kanna, ver¬ Richtschnur dienend’, s. Kanon.
gleichbar mit anord. kanna, ae. canne. Vermut¬ Kanossa-Gang m. oder Gang nach Kanossa
lich entlehnt aus ml. canna gleicher Bedeutung 'eine durch die Situation erforderliche Selbster¬
(die umgekehrte Entlehnungsrichtung ist nicht niedrigung oder Demütigung’, sondersprachl.
ausgeschlossen). Falls aus dem Lateinischen, ist Nach Canossa (einer Felsenburg in Oberitalien
das Wort eine Bedeutungsverschiebung aus 1. bei Reggio Emil’ia), dem damaligen Aufent¬
canna 'Schilf, Ried, Rohr’ und bedeutet ur¬
haltsort Papst Gregors VII., ging Kaiser Hein¬
sprünglich 'Gefäß mit einer Ausgußöffnung’.
rich IV. 1077, um die Aufhebung des über ihn
Fnhd. Kante gleicher Bedeutung stammt aus
im Jahr zuvor verhängten Kirchenbannes zu
ahd. kannata, kanta, das aus der 1. Ableitung
erwirken. Das in seiner Bedeutung bei den Hi¬
(ölla) *cannäta 'mit Ausgußöffnung versehener
storikern umstrittene Ereignis wurde im 19. Jh.
(Topf)’ entlehnt ist. Nach Lühr (s. u.) ursprüng¬
häufig sehr pathetisch und einseitig geschildert.
lich germanisch und zu anord. kani m. 'Schüs¬
Ein Schlagwort wurde der Name, als Bismarck
sel’ (usw.) zu stellen.
1872 die Ablehnung des Kardinals Hohenlohe
S. Kanal ( + ), Kandel. — Frings (1932), 129f.; J.
als deutscher Botschafter bei Papst Pius IX.
Schnetz ZN 19 (1943), 150-153; Lühr (1988), 204f.
kommentierte mit dem Satz Nach Canossa ge¬
Kännel m. 'Dachrinne’, reg. Mhd. kanel, ke- hen wir nicht.
nel, eingedeutschte Form des Lehnworts ahd.
Büchmann (1986), s. unter diesem Wort.
kanali (aus 1. canälis 'Röhre, Rinne, Wasser¬
lauf’). Kantate /. (= ein Gesangstück), fachsprachl.
S. Kanal ( + ). Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. can-
tata, einer Ableitung von it. cantare 'singen’,
Kannibale m. 'jmd., der Menschenfleisch ißt’.
aus 1. cantäre (dass.), einem Intensivum zu 1.
Im 16. Jh. entlehnt aus der gleichbedeutenden
canere 'singen’.
Pluralform span, canibal, dem Stammesnamen
Morphologisch zugehörig: Kantor, etymologisch ver¬
der menschenverzehrenden Kariben (mit dem
wandt: s. Chanson. — Zu Kantor. Nyström (1915),
Überlieferungsfehler /n/ statt /r/). 93-95.
Morphologisch zugehörig: Kannibalismus. - Litt-
mann (1924), 145; R. Loewe ZVS 61 (1933), 38-48; Kante/. Im 17. Jh. entlehnt aus ndd. nndl.
Palmer (1939), 63-65; M. Wis NPhM 66(1965), 621. kant(e), das seinerseits auf afrz. cant 'Ecke’
Kanon m. 'Lied mit versetztem Einsatz der
zurückgeht. Dieses offenbar aus einem galli¬
Stimmen, Gesamtheit von Regeln usw.’, fach¬ schen Wort, das als cant(h)us m. 'eiserner Rad¬
sprachl. Entlehnt aus 1. canön 'Regel, Vor¬ reifen’ auch ins Lateinische entlehnt wurde.
schrift’, dieses aus gr. kanön 'Stange’, dann Gleicher Herkunft und ebenfalls aus dem Nie¬
'Richtscheit’, dann 'Regel usw.’. Es gehört wohl derländischen entlehnt ist Kante '(geklöppelte)
Spitze’.
metonymisch zu gr. kanna f. 'Rohr’, einem se¬
mitischen Lehnwort. In der Bedeutung 'Lied’ S. Kanton, Kantel, Kant(en), kentern. — Schirmer
(1912), 35.
meint es ein Lied, bei dem ein bestimmter Stim¬
meneinsatz vorgeschrieben ist, in anderen Be¬ Kantel n. 'Lineal von quadratischem Quer¬
deutungen die 'vorgeschriebene Literatur’ usw. schnitt’, reg. Von Jahn 1833 als Ersatz für Li¬
Morphologisch zugehörig: kanonisch, Kanonistik; ety¬ neal vorgeschlagen und in der Schulsprache des
mologisch verwandt: s. Kanal. - Littmann (1924), 18; Nordens und Ostens durchgedrungen. Abgelei¬
H. Oppel: KANQN (Diss. Berlin 1937). tet von Kante (s. d.).
Kant(en) 353 Kapelle

Kant(en) m. 'Brotranft’, reg. Es handelt sich Kanzel/. Mhd. kanzel, ahd. kanzella; entlehnt
ursprünglich um das gleiche Wort wie Kante aus 1. cancellim. (ursprünglich PI.) 'Schranken’.
(s. d.), das sich mit der Bedeutung 'Rand’ ver¬ Damit waren ursprünglich die Schranken ge¬
selbständigt hat. meint, die den Chorraum der Kirche vom Mit¬
Teuchert (1944), 287-290; W. Mitzka ZM 23 (1955), telschiff trennten. Dort stand das Lesepult für
39. die Predigt des Diakons. Das Wort bleibt Be¬
Kanter m. 'Kellerlager’, südwd. In mittelhoch¬ zeichnung für die Stelle, von der aus in der
deutscher Zeit entlehnt aus einer regionalen Va¬ Kirche gelehrt wird, auch als dieser Ort sich
riante von frz. chantier 'Stapellager, Kellerla¬ ändert. Auch übertragen auf andere Stellen,
ger’, das wohl auf 1. cantherius 'Gaul, verschnit¬ an denen gelehrt wird; schließlich auch für die
tener Hengst’ zurückgeht (mit einer ähnlichen Pilotenkabine im Flugzeug, etwa als 'enger
Bedeutungsübertragung wie bei Bock, also 'Ge¬ Raum, in den man hinaufsteigt’.
S. Kanzlei ( + ).
stell zum Aufbewahren’).
Kanzlei /. Seit dem 14. Jh. kanzelte. Mit
Kantersieg m. 'müheloser, hoher Sieg’, fach-
sprachl. Zu Kanter 'kurzer leichter Galopp’, das
Adaptionssuffix -Te entlehnt aus 1. cancelli m.
(ursprünglich PI.) 'Schranken’, in diesem Fall
aus dem Englischen entlehnt ist. Dieses soll
die Schranken, die Behörden und Gerichtshöfe
gekürzt sein aus Canterbury gallop, der den
abtrennten. Von da aus zur Bezeichnung der
Pilgern nach Canterbury zugeschriebenen Fort¬
Behörde selbst verschoben.
bewegungsart.
S. Kanzel, Kanzler.
Kanthaken m. 'kurzer Eisenhaken, mit dem
Kanzler m. Mhd. kanzelare, kanzler, ahd.
Schauerleute in norddeutschen Häfen Ballen
kanzelläri, kanziläri. Entlehnt aus spl. cancellä-
und Kisten kanten und fortbewegen’, fach-
rius 'Vorsteher einer Behörde’ (s. Kanzlei). Da
sprachl. Dieses Wort vermischt sich in Redewen¬
das Wort schon alt und weit verbreitet ist, geht
dungen mit einen beim Kamm nehmen u. ä. (wo¬
es ursprünglich wohl unmittelbar auf 1. cancelli
bei mit Kamm der obere Teil des Halses von
'Schranken’ zurück und meint denjenigen, der
Pferden usw. gemeint ist). Offenbar sind beim
von der abgeschrankten Estrade aus die Kund¬
Kamm und mit dem Kanthaken durcheinander¬
gebungen der Behörde verliest.
gebracht worden, so daß auch Kanthaken 'Ge¬
Kap n. 'Vorgebirge’. Im 15. Jh. aus mndl.
nick’ auftritt.
kaap (aus frz. cap m.) ins Niederdeutsche und
O. Hauschild NKB 41 (1928), 57-59.
von da aus im 17. Jh. in die Hochsprache ent¬
Kantine/. 'Ort für die Essensausgabe für Mit¬ lehnt. Zuvor wird it. capo m. 'Kopf, Spitze’ (zu
arbeiter’. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. cantine 1. caput 'Haupt’), von dem auch das französi¬
'Soldatenschenke, Flaschenkeller’, dieses aus it. sche Wort ausgeht, als Fremdwort verwendet.
cantina 'Flaschenkeller’, dessen weitere Her¬ S. Chef( + ). - Jones (1976), 174.
kunft nicht sicher geklärt ist. Zunächst in der
Kapaun m. 'gemästeter, kastrierter Hahn’,
Bedeutung 'Soldatenschenke’ übernommen;
fachsprachl. Auch umgedeutet zu Kapphahn. Im
dann Verallgemeinerung.
Althochdeutschen (ahd. kappo, mhd. kappün)
Kanton m. 'Bundesstaat’. Entlehnt aus frz. entlehnt aus afrz. capon (dass.), dieses aus spl.
canton 'Ecke, Landstrich, Bezirk’, dieses aus it. cäpo (-önis) (dass.), einer späteren Nebenform
cantone (dass.), einer Augmentbildung zu it. von spl. cäpus (dass.).
canto 'Ecke’. Kapazität /. 'Fassungskraft, bedeutender
Morphologisch zugehörig: kantonal; zum Etymon s. Fachmann, bedeutende Fachfrau’. Im 16. Jh.
Kante. entlehnt aus I. capäcitäs 'Fassungsvermögen’.
Kantor m., s. Kantate. Dies ist ein Abstraktum zu 1. capäx 'umfassend,
Kanu n. (= ein Paddelboot). Im 18. Jh. ent¬ brauchbar’, das zu 1. capere 'fassen’ gehört (s.
lehnt aus gleichbedeutend ne. canoe, dieses aus akzeptieren).
span, canoa /. 'Einbaum’, das auf ein Wort eines Kapee s. kapieren.
Dialektes in der Karibik zurückgeht. Kapelle/. 'kleines Gebäude für Gottesdienste,
Morphologisch zugehörig: Kanute. - G. Schoppe Gruppe von Musikern’. Im Althochdeutschen
ZDW 15(1914), 188; R. Loewe ZVS 61 (1933), (ahd. kapella, mhd. kapfpjelle, kappel) entlehnt
54 — 57; E. Öhmann NPhM 41 (1940), 36. aus gleichbedeutend ml. cap(p)ella (wörtlich:
Kanüle /. 'Röhrchen\ fachsprachl. Im 19. Jh. 'kleiner Mantel’), einem Diminutivum zu 1.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. canule, dieses cappa 'eine Art Kopfbedeckung’. Zunächst Be¬
aus 1. cannula 'kleines Rohr’, einem Diminuti- zeichnung für das Gebäude, in dem ein Um¬
vum zu 1. canna 'Rohr, Schilfrohr’. hang als Reliquie des Martin von Tours aufbe¬
Etymologisch verwandt: s. Kanal. wahrt wurde. Dann Verallgemeinerung, auf
Kaper 354 Kappes

kleines Gotteshaus’. Die Bedeutung 'Gruppe lung, Passus, Hauptinhalt, (wörtlich: Köpf¬
von Musikern’ entsteht als Bezeichnung für chen)’, einem Diminutivum zu 1. caput 'Haupt¬
Musiker, die bei festlichen Anlässen in der satz, Hauptabschnitt, Paragraph, Kapitel,
Schloßkappelle spielten. Haupt (usw.)’. Die heute vorherrschende Be¬
Etymologisch verwandt: s. Kappe. — Masser (1966), deutung durch erneute Entlehnung im 16. Jh.
109-113. Die frühe Bedeutung ist noch erhalten in Dom¬
Kaper /., meist PI. 'eingelegte Blütenknospe kapitel. Kapitell 'Säulenkopf’ geht auf spl. capi-
von Capparis spinosa’. Fnhd. gappern u. ä., im tellum, eine weitere Diminutivform zu 1. caput
15. Jh. entlehnt aus 1. capparis, das seinerseits zurück.
aus gr. käpparis unklarer Herkunft stammt. Etymologisch verwandt: s. Chef.

kapern swV. Seit dem 17. Jh. zu Kaper 'Frei¬ Kapitell n., s. Kapitel.
beuter, Freibeuterschiff’; dieses ist aus dem kapitulieren swV. 'nachgeben, aufgeben’. Im
Niederländischen entlehnt, wo es als Nomen 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. capitu-
agentis zu nndl. käp 'Kauf’ (in friesischer Laut¬ ler, dieses aus ml. capitulare 'über einen Vertrag
form) gebildet ist; also 'Kauf’ als verhüllender verhandeln’, aus 1. caput 'Paragraph, Hauptsatz
Ausdruck für 'Seeraub’. (in Gesetzen und Schriften), wörtlich: Haupt’.
Käpfer m., Kämpfer m. 'Balkenkopf’, fach- Morphologisch zugehörig: Kapitulant, Kapitular, Kapi¬
sprachl. Mhd. kepfer, mndd. kepere, mndl. ke- tularien, Kapitulation-, etymologisch verwandt: s. Chef.
per 'Strebebalken’. Entlehnt aus einer Vorform - G. Schoppe ZDW 15 (1914), 188; K.-H. Weinmann
von frz. ehevron 'Stützbalken’ (*capreonem), DWEB 2 (1963), 395; W. J. Jones SN 51 (1979), 260.

einer Ableitung von 1. caper 'Bock’. Im 18. Jh. Kaplan m. 'Hilfsgeistlicher, Geistlicher mit
wird das undurchsichtige Wort umgedeutet zu besonderen Aufgaben’. Im Mittelhochdeut¬
Kämpfer, die Bedeutung wird vom Holzbau auf schen (mhd. kappellän, kaplän) entlehnt aus ml.
den Steinbau übertragen. cap(p)el(l)anus 'Geistlicher für die Kappelle’,
S. Kämpfe(r), Köper. - F. Kluge BGDSL 41 (1916), zu ml. cap(p)ella f. 'Kapelle’, zu 1. cappa f. 'Art
180. Kopfbedeckung’ (s. Kapelle).
kapieren swV. 'verstehen, erfassen’, ugs. Im Etymologisch verwandt: s. Kappe. - Hoops (1911/
19), III, 12f.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. capere.
Dazu die französisierende Bildung Kapee in Kapo m., s. Korporal.
schwer von Kapee sein und (aus dem Italieni¬ kapores Adj. 'kaputt, tot’, ugs. Im Rotwel¬
schen) capito 'verstanden’. schen bezeugt seit dem 18. Jh., bald danach
Etymologisch verwandt: s. akzeptieren. auch literarisch. Aus wjidd. kapores, das heraus¬
Kapital n. 'Vermögen’. Im 16. Jh. entlehnt gelöst wurde aus kapores schlagen. Damit war
aus gleichbedeutend it. capitale m., dieses aus ursprünglich das Schlachten von Hühnern als
I. capitälis 'Haupt-, den Kopf bzw. das Leben Versöhnungsopfer, hebr. kappärä(h), am Vor¬
betreffend’, zu 1. caput 'Haupt, Kopf’. Das abend des Versöhnungstages gemeint. Die spä¬
Wort meint zunächst die Kopfzahl (des Viehbe¬ tere Entwicklung ist wohl von kaputt (s. d.)
stands) im Gegensatz zum Zuwachs durch die beeinflußt.
frisch geworfenen Tiere (die gewissermaßen die Kappe /. Mhd. kappe, ahd. kappa, kapfa,
Zinsen darstellen). gapfa, mndl. cappe; ursprünglich 'Mantel mit
Morphologisch zugehörig: Kapitalisation, Kapitalis¬ Kapuze’, entlehnt aus ml. cappa unklarer Her¬
mus, Kapitalist-, etymologisch verwandt: s. Chef. — W. kunft. In der Weiterentwicklung wird Kappe im
Feldmann ZDW8 (1906/07), 57; Schirmer (1911), 93f.;
Süddeutschen in der Hochsprache zur Bezeich¬
J. Knobloch MS 82 (1972), 157f.
nung einer Kopfbedeckung, im Thüringischen
Kapitän m. 'Kommandant, Führer’. Im Mit¬ zu 'Bauernkittel’.
telhochdeutschen (mhd. kapitän) entlehnt aus S. Cape (+), Kapelle, Kaplan, Käppi, Verkappen. — H.
afrz. capitaine 'Führer’, dieses aus spl. capitä- Kuhn in: FS Hommerich (1962), 113 — 124.
neus 'durch Größe hervorragend’, zu 1. caput n. kappen swV. '(Tau) abhauen’, fachsprachl.
'Haupt, Anführer, Kopf’. Eine weitere Entleh¬ Hochsprachlich seit dem 17. Jh. Zu mndl. cap-
nung im 16. Jh. (aus dem Italienischen) führt pen 'abhauen’ unbekannter Herkunft.
die Bedeutung 'Schiffsführer’ speziell ein. Kluge (1911), 424f.; H. Kuhn in: FS Hommerich (1962),
Etymologisch verwandt: s. Chef. — Kluge (1911), 115-117; Lokotsch (1975), 78.
422 — 424; E. öhmann NPhM 41 (1940), 150E; Wis
Kappes m., auch Kappus m., Käppis m. u. ä.
(1955), 151 f.
Kohl, reg. Mhd. kabez, kap(pü)s, kappiz, kap¬
Kapitel n. 'Abschnitt’. Im Mittelhochdeut¬ puz, ahd. kabuz. Entlehnt aus ml. *caputia, einer
schen (mhd. kapitel) in der Bedeutung 'Haupt¬ Weiterbildung zu 1. caput n. 'Haupt’. Häufig
versammlung einer geistlichen Körperschaft’ übertragen gebraucht als 'dummes Zeug u.ä’.
entlehnt aus spl. capitulum 'Abschnitt, Abtei¬ S. Chef(-t-). — Kretschmer (1969), 565f.
Kapphahn 355 Karat

Kapphahn m., s. Kapaun. chende Formen finden sich auch in den außerin¬
Käppi n., sonder sprach!. Als Soldatenmütze dogermanischen Sprachen, so daß es sich wohl
im 19. Jh. in Deutschland eingeführt. Das Wort um ein altes Wanderwort handelt. Einzelheiten
ist eine schweizerische Verkleinerungsform von über den Entlehnungsweg sind aber unklar. Vgl.
Kappe (s. d.). assyr. käsu 'Schale’, arab. ka‘s, aram. käsa\
Kappzaum m. 'Zaum mit Nasenband’, fach- hebr. kös 'Becher’.
sprachl. Im 17. Jh. als Kappezan entlehnt aus S. Kasten. — L. Berthold in: FS Helm (1951), 238f.;
R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 348-351.
it. cavezzone gleicher Bedeutung. Dieses ist eine
Vergrößerungsform zu it. cavezza f 'Halfter’ Karabiner m. (= ein Gewehr), fachsprachl.
(aus 1. capitium n. 'Haube’ zu 1. caput n. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
'Haupt’). Das Fremdwort wird umgedeutet im carabine (wörtlich: 'Reiterflinte’, auch: 'kleine
Anschluß an Kappe und Zaum. Armbrust’), einer Ableitung von frz. carabin
S. Chef(+). 'leichter Reiter’, möglicherweise aus frz. escar-
rabin 'Leichenträger während der Pest’, zu frz.
Kaprice /. 'Laune, Eigensinn’, sondersprachl.
scarabee '(Mist)Käfer’.
Entlehnt aus gleichbedeutend frz. caprice, dieses
Morphologisch zugehörig: Karabinier. — Jones (1976),
aus it. capriccio m. (dass.), wohl eine Zusam¬
178f.
mensetzung aus it. capo m. 'Kopf’ (aus 1. caput
n. [dass.]) und it. riccio m. 'Igel, Seeigel’ (aus 1. Karacho n. 'große Geschwindigkeit, Heftig¬
keit’, ugs. Entlehnt aus span, carajo, einem der¬
ericius m. 'Igel’). Zunächst wohl ein Possessiv¬
ben Fluch (eigentlich Bezeichnung für das
kompositum „Wirrkopf", dann übertragen auf
männliche Glied). Die im Deutschen übliche
die charakteristische Eigenart einer solchen Per¬
Bedeutung wohl nach der spanischen Redensart
son. Dazu kaprizieren 'eigensinnig auf etwas
al carajo contigo 'Geh zum Teufel!, Mach, daß
bestehen’ und kapriziös 'launisch’. Außerdem
du fortkommst!’. Der Ausdruck ist zuerst in der
Capriccio als Bezeichnung für ein 'scherzhaftes,
Hamburger Seemannssprache zu finden.
launiges Musikstück’.
H.-K. Schneider in: S. Horl u. a. (Hrsg.): Homenaje a
Etymologisch verwandt: s. Chef.
R. Grossmann (Frankfurt/M. 1977), 455 — 466.
Kapriole /. 'übermütiger Streich’. Im 17. Jh.
Karaffe f. 'Glasbehältnis’, fachsprachl. Im 18.
entlehnt aus it. capriola 'kunstvoller Sprung,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. carafe,
Bocksprung’, einer Ableitung von it. capro m.
dieses aus it. caraffa (dass.), aus span, garrafa
'Bock’, dieses aus 1. caper (-pri) m. (dass.). Die
(dass.), aus arab. garräfa 'Wasserheberad mit
heutige Bedeutung 'Streich’ wohl aus Wendun¬
Schaufeln’, zu arab. garafa 'schöpfen’.
gen wie Kapriolen schneiden 'Sprünge, Faxen
Littmann (1924), 90, 92; Kretschmer (1969), 225f.;
machen’. Kabriolett 'leichter, offener Wagen’ Lokotsch (1975), 54; Brunt (1983), 179.
geht über frz. cabriolet m. (dass.) auf dieses
Karambolage /. 'Zusammenstoß’, ugs. Im 19.
italienische Wort zurück. Im Französischen
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. carambo-
wohl wegen der tänzelnden und hüpfenden Be¬
lage m., einer Ableitung von frz. caramboler
wegungen solcher leichten einspännigen Wagen
'zusammenstoßen’, zu frz. carambole 'roter Ball
so bezeichnet.
beim Billardspiel’, dieses wohl zu frz. carambole
Etymologisch verwandt: s. Habergeiß.
'Frucht des Karambolabaumes’. Zunächst nur
Kapsel /. Fnhd. kapsel ist entlehnt aus ml. im Zusammenhang des Billardspiels verwendet;
capsella, zu 1. capsula, einem Diminutiv zu 1. dann Verallgemeinerung.
capsa 'Behälter’ (zu 1. capere 'fassen, enthal¬ Morphologisch zugehörig: Karambole.
ten’). Die ältere Entlehnung wird zu einem Di¬
Karamel n./m. (= eine Süßigkeit). Im 19.
minutiv umgeformt (ahd. as. kapsilm n.).
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. caramel,
S. akzeptieren ( + ).
dieses aus span, caramelo m. 'gebrannter
kaputt Adj. 'nicht verwendungsfähig, nicht Zucker, Zuckerrohr’, einem Diminutivum zu 1.
einsatzbereit, müde’, ugs. Neubildung nach der calamus m. 'Rohr’, aus gr. kälamos m. (dass.).
Wendung caput machen 'ohne Stich sein’ (beim Morphologisch zugehörig: karamel, Karamelle-, etymo¬
Kartenspiel), gebildet nach frz. faire capot logisch verwandt: Kamelle-, zum Etymon s. Halm.
(dass.), unter Beeinflussung von frz. faire capot Karat n. (= eine Gewichtseinheit für Gold
'Umschlägen, kentern’. und Edelsteine), fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt
Kapuze /., s. Kappe. aus gleichbedeutend frz. carat m., dieses aus it.
Kar n. 'Gebirgskessel’, südd. Mhd. ahd. kar, carato m. (dass.), aus arab. qlrät (dass.), aus gr.
mndd. kar(e) 'Gefäß’ aus g. *kaza- n. 'Gefäß’, kerätion (dass., wörtlich: 'Hörnchen’), einem
auch in gt. kas, anord. ker, as. in bi-kar 'Bienen¬ Diminutivum zu gr. keras (-ätos) 'Horn’. Die
korb’; auch sonst lebt das Wort noch in speziel¬ Samen des Johannisbrotbaumes werden im
len Verwendungen in den Mundarten. Entspre¬ Griechischen nach der Form als 'Hörnchen’
Karate 356 Karfreitag

bezeichnet. Daraus entsteht die Bedeutung 'Ge¬ gung des Drehmoments unter wechselnden
wichtseinheit5, weil man die gleich großen Sa¬ Winkeln zulassen), fachsprachl. Neubildung
men beim Aufwiegen von Gold, Diamanten und zum Namen des italienischen Erfinders Car-
Juwelen als Gewicht verwendete. dano.
Etymologisch verwandt: s. Horn. — Littmann (1924),
Kardätsche /. 'Wollkamm5, arch.; 'Pferdebür¬
76; Lokotsch (1975), 94.
ste5, fachsprachl. Im 17. Jh. rückgebildet aus
Karate n. (= eine Kampfsportart). Im 20. nur wenig älterem kardätschen 'Wolle kämmen5.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend jap. karate Dieses entlehnt aus (älter) it. cardeggiare (dass.)
(wörtlich: 'leere Hand5). zu Karde (s. d.), weil die Weberdisteln zum
Morphologisch zugehörig: Karateka. Krempeln der Wolle benützt wurden.
Karavelle /. (= ein leichtes Segelschiff mit Karde /. 'Weberdistel5, fachsprachl. Mhd.
geringem Tiefgang), fachsprachl. Entlehnt aus karte, ahd. karta, as. karda. Entlehnt aus 1.
gleichbedeutend frz. Caravelle, dieses aus port. carduus m. 'Distel5 (noch vor der 2. Lautver¬
caravela (dass.), zu spl. carabus m. 'kleiner schiebung). Die neuhochdeutsche Schreibung
Kahn aus Flechtwerk5. mit d beruht auf Neu-Anschluß an das lateini¬
Karawane /. 'Reisegruppe, Kaufmannszug5. sche Wort (und sollte wohl der Unterscheidung
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. caro- von Karte dienen). Das lateinische Wort gehört
vana, dieses aus pers. kärwän (dass.). Die zu¬ zu 1. carere 'Wolle krempeln5.
sätzlichen Vokale wurden der persischen Form S. Kardätsche. — Marzell (1943/79), II, 141 — 143.
im romanischen Sprachraum wohl aus euphoni¬
Kardinal m. (= ein hoher kirchlicher Funk¬
schen Gründen hinzugefügt.
tionär). Im Mittelhochdeutschen (mhd. karde-
Morphologisch zugehörig: Karawanserei, etymolo¬
näl, kardinal) entlehnt aus gleichbedeutend kir-
gisch verwandt: [Caravan], — Schirmer (1911), 94;
chen-1. (episcopus) cardinälis (wörtlich: 'wich¬
Littmann (1924), 111; Lokotsch (1975), 94.
tigster Geistlicher5), einem spätlateinischen Ad¬
Karbe /. 'Feldkümmel5, reg. Mhd. karwe, jektiv zu 1. cardo (-dinis) 'Hauptumstand,
karve, mndd. karve, mndl. carvi (nndl. karwij,
Dreh- und Angelpunkt5. Zusammensetzungen
ne. caraway). Entlehnt aus ml. care(i)um n.
wie Kardinaltugend gehen über entsprechende
u. ä., das auch in den romanischen Sprachen
lateinische Vorbilder (1. virtütes cardinäles PI.)
fortlebt. Dieses aus arab. karäwijä 'Kümmel5.
auf die Ausgangsbedeutung des lateinischen
Marzeil (1943/79), I, 859f.
Adjektivs ('Haupt-, wichtigst’) zurück.
Karbid n. 'Verbindung zwischen Kohlenstoff Morphologisch zugehörig: kardinal, Kardinale.
und Metall oder Halbmetall5, fachsprachl. Neo¬
Karenz /. 'Enthaltsamkeit, Wartefrist5, son-
lateinische Bildung zu 1. carbo m. 'Kohle5. Aus
dersprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
technischem Karbid und Wasser entsteht das
1. carentia 'Entbehrung, Freisein von5, einem
brennbare Acetyleir, dazu Karbidlampe usw.
Abstraktum zu 1. carere 'frei sein, sich enthal¬
Etymologisch verwandt: Karbol, Karbonade.
ten, entbehren5.
Karbol n. 'einfacher Alkohol5, fachsprachl. Etymologisch verwandt: Inzest.
Neolateinische Bildung zu 1. carbo m. 'Kohle5.
Karfiol m. 'Blumenkohl5, südd. Entlehnt aus
Etymologisch verwandt: s. Karbid.
gleichbedeutend it. cavolfiore (wörtlich: 'Kohl¬
Karbonade /. 'gegrilltes Fleisch (u. ä.)5, arch. blume5), einer Zusammensetzung aus it. cavolo
Im 18. Jh. über nndl. karbonade aus frz. carbon- 'Kohl5 und it. fiore 'Blume5 (aus l.flös, s. Flor2).
nade entlehnt. Dieses aus it. carbonada f. zu it.
Karfreitag m. Mhd. karvritac (oder die Klam¬
carbone m. 'Kohle5 (aus 1. carbo m. 'Kohle5).
merform kartac), entsprechend karwoche f. Ge¬
Zum gleichen Grundwort Karbon 'Erdzeitalter
bildet mit mhd. kar/., ahd. as. karaf. 'Kummer,
(mit Kohlevorkommen in den entsprechenden
Sorge aus g. *karö f. 'Sorge, Kummer5, auch
Schichten)5 und als Kompositionsglied und
in gt. kara, ae. cearu f. (ne. care), anord. wohl
Grundlage von Ableitungen 'Kohle-5 in ver¬
kgr f. Krankenlager'. Daneben das schwache
schiedenen Bedeutungen.
Verb *kar-ö- in gt. karon 'sich kümmern5, ae.
Etymologisch verwandt: s. Karbid.
cearian sorgen5, ahd. karön, as. karon 'wehkla¬
Kardamom m./n. (= eine mit den Ingwerge¬
gen5. Die Wörter werden auf eine Schallwurzel
wächsen verwandte Pflanze), fachsprachl. Im
*gar- zurückgeführt, was in Anbetracht der
Mittelhochdeutschen (mhd. kardamuome f.,
Rechtserheblichkeit von Rufen und Schreien in
kardamöm m.) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
der alten Zeit nicht undenkbar ist. Die teilweise
cardamömum n., dieses aus gr. kardämömon n.
aber deutlich davon abgehobenen Bedeutungen
(dass.).
des Germanischen ('Sorge5, dehnstufig anord.
Kardanwelle /. (= eine unterteilte Welle, die kara 'anklagen, sich beschweren5) weisen im
an Gelenken angebracht ist, die eine Übertra¬ Zusammenhang mit toch. A. kärye 'Sorge, Be-
Karfunkel 357 Karotte

denken’ (zu toch. A. käry- 'bedenken, bestim¬ anord. kirna weisen auf g. *kern(j)ön f. 'Butter¬
men’) aber doch vielleicht darauf hin, daß im faß’; dazu als Verbum 'Butter rühren’ fnhd.
Germanischen zwei Quellen (1. 'klagen’, 2. 'sor¬ kernen, ndd. kamen, nndl. kernen, kamen, ae.
gen, bedenken’) zusammengeflossen sind. cernan sowie Wörter für 'Rahm’ in hd. Kern
S. karg. (pfälz.-frk.), mndl. kerne, nisl. kjarna. Man ver¬
Karfunkel m. (= ein roter Edelstein), fach- mutet, daß der Rahm als 'Kern’ (im üblichen
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. karfun- Sinn, s. unter Kern) bezeichnet wurde, entwe¬
kek karvunkel) entlehnt aus gleichbedeutend 1. der, weil er das Beste der Milch ist oder weil er
carbunculus (zunächst: 'kleine Kohle’), einem beim Buttern körnig wird. Diese Annahmen
Diminutivum zu 1. carbo (-önis) 'Kohle’. Die sind aber nicht überzeugend. Eine genauere
Bedeutungsübertragung im Lateinischen geht Deutung steht noch aus.
wohl vom Aussehen glühender Kohle aus. Die S. kirnen.
deutsche Form mit -/- wohl in Anlehnung an Karner m., auch Kerner m., Gerner m. 'Bein¬
Funke (s. d.). haus’, 'Fleischkammer’, arch., südd., besonders
Zum Etymon s. Herd. — Lüschen (1968), 247 — 250. bair. Mhd. karncere, kerner, gerner. Entlehnt aus
karg Adj. Mhd. karc, ahd. as. karag; einer¬ ml. carnarium n. 'Fleischkammer’ (zu 1. caro f.
seits 'betrübt, bekümmert’, dann auch 'besorgt, 'Fleisch’).
vorsichtig’ und 'dürftig’, andererseits (beson¬ S. Inkarnation, Karneval.
ders mittelhochdeutsch) 'klug, schlau, zäh im
Karneval m. 'Fastnacht’. Im 17. Jh. entlehnt
Hergeben’. Eine Ableitung von westgermani¬
aus gleichbedeutend it. carnevale, dessen Her¬
scher Verbreitung (ae. cearig 'traurig’) zu der
kunft nicht mit Sicherheit geklärt ist. Mögli¬
unter Kar(freitag) (s. d.) aufgeführten nomina¬
cherweise eine Lehnbildung mit it. carne f.
len Grundlage. Der Vokal der Ableitungssilbe
'Fleisch’ und it. levare 'wegnehmen’. Ursprüng¬
ist im Deutschen lautgesetzlich geschwunden.
lich Bezeichnung des Tages vor der voröster¬
Nndl. karia. ne. charn.
lichen Fastenzeit; dann Erweiterung des be-
kariert Adj., s. Karo. zeichneten Zeitraumes (vgl. Fast-nacht).
Karies /. 'Zerfall der harten Substanz der Morphologisch zugehörig: karnevalesk. Karnevalist;
Zähne,fachsprachl. Im Neuhochdeutschen ent¬ etymologisch verwandt: s. Karner. — W. Feldmann
lehnt aus 1. caries 'Morschheit, Fäulnis’. ZDW 8 (1906/07), 57; N. O. Heinertz MoS 47 (1954),
Morphologisch zugehörig: kariogen, kariös. 352f.; H. Rosenfeld AK 51/52 (1969/70), 175-181.

Karikatur /. 'satirische Verzerrung’. Im 18. Karnickel n. Aus älterem kanikel zu 1. cunicu-


Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. caricatura lus m. mit der gleichen Entwicklung des Vokals
(wörtlich: 'Überladung’), einer Ableitung von wie bei Kaninchen (s. d.). Der Einschub des r ist
it. caricare 'beladen, komisch darstellen’, zu 1. ein Hyperkorrektismus, da r in entsprechender
carrus m. 'Karren’. So bezeichnet, da solche Stellung in niederdeutschen Mundarten häufig
bildlichen Darstellungen ihre Prägnanz sehr oft schwindet (swatt statt swart 'schwarz’ usw.).
aus dem Überzeichnen bestimmter Elemente F. Holthausen Anglia Beiblatt 44 (1933), 3.
usw. beziehen. Karo n. 'Viereck, Raute’. Im 18. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: karikativ, karikaturesk, Ka¬ aus gleichbedeutend frz. carreau m., dieses aus
rikaturist; zum Etymon s. Karren. — W. Feldmann
gallo-rom. *quadrellum (dass.), einem Diminu¬
ZDW 8 (1906/07), 57. Zum Ersatzwort Zerrbild s.
tivum zu spl. quadrum 'Viereck, Quadrat’, zu 1.
Pfaff (1933), 59f.
quadrus 'viereckig’, zu 1. quattuor 'vier’. Dazu
Karitas /. 'Wohltätigkeit, christliche Näch¬
auch Karree 'Viereck’.
stenliebe’, sondersprachl. Entlehnt aus 1. cäritäs
Etymologisch verwandt: s. Quadrant.
(-ätis) 'Hochschätzung, Wert’, zu 1. cärus
'teuer, wert, geschätzt’. Karosse /. 'Prunkfahrzeug’. Im 17. Jh. ent¬
Morphologisch zugehörig: karitativ, etymologisch ver¬ lehnt aus gleichbedeutend frz. carrosse m., die¬
wandt: Hure. ses aus it. carrozza (dass.), möglicherweise einer
Karmesin n. (= ein kräftiges Rot, ein solcher Ableitung von it. carro m. 'Wagen’, aus 1. carrus
Farbstoff), fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬ m. 'Karren’.
deutend (arch.) it. carmessino, cremisi, cremisino Morphologisch zugehörig: Karosserie, Karossier; ety¬
m., dieses aus arab. qirmizl (dass.), letztlich zu mologisch verwandt: s. Karren. — Jones (1976), 184;
Brunt (1983), 181.
ai. krmi-jä f. 'Schildlaus’. Dazu die Variante
Karmin. Karotte/. 'Möhre’. Entlehnt aus gleichbedeu¬
S. auch Kermes. tend ndl. karote, dieses aus frz. carotte (dass.),

Karn /. 'Butterfaß’, nordd. Fnhd. (arch.) aus 1. caröta, aus gr. karötön n. (dass.).
Kerne, mndd. kerne, karne, ae. ceren, cyrin. Kretschmer (1969), 338.
Karpfen 358 Karussell

Karpfen m. Mhd. karpfe, ahd. karpf(o), frz. cartel m. 'Schriftstück, schriftliche Verein¬
mndl. carpe(r). Die Herkunft des Worte ist barung’, dieses aus it. cartello m. 'Vereinigung,
unbekannt. Der Fisch kam vor allem im Alpen¬ Verband’, einem Diminutivum zu it. carta /.,
gebiet vor und wurde dann vor allem als Zucht¬ dieses aus 1. charta f. 'Geschriebenes, Urkunde’.
fisch weiter verbreitet. Aus einer germanischen Etymologisch verwandt: s. chartern. — W. Feldmann
Sprache (Gotisch?) stammt I carpa /., von dort ZDW 8 (1906/07), 57; W. J. Jones SN 51 (1979), 250.
die romanischen Formen. Kartoffel /. In dieser Form bezeugt seit dem
Lühr (1988), 265. 17. Jh., älter tartoffel u. ä. Letztlich aus it. tar-
Karree n. 'Viereck’, s. Karo. tuficolo m. (zu einem ml. *territüberum 'Erd¬
Karren m., auch Karre/. Mhd. karre/., ahd. knolle’, das eigentlich die Trüffel meint; die
karra, garra /., karro, mndd. kar(re) n. 'Ge¬ Übertragung nach dem Wachsen in der Erde
schirr, Gefäß, Korb’, mndl. carre f. Früh ent¬ und äußerer Ähnlichkeit). Die Dissimilierung
lehnt aus 1. carrus m. 'Wagen’, das seinerseits des Anlauts trat zuerst in Südfrankreich ein,
entlehnt ist aus gall. karros (zu einem Verbum hat sich aber nur im Deutschen durchgesetzt. —
für laufen, fahren’). Die Form karch (südwd.), Der Sache nach wurden aus Amerika drei e߬
mhd. karrech, karrieh m. beruht auf 1. carrüca bare Knollen eingeführt, die in der Bezeichnung
f. (das in frz. charrue f. 'Pflug’ weiterlebt, ein häufig durcheinandergingen: 1) Die Kartoffel
Reflex der Einführung des Zweiräderpflugs). (,solanum tuberosum, Nachtschattengewächs),
S. Charge, Karikatur, Karosse, Karriere — Th. Frings 2) die Topinambur oder Roßkartoffel (helian-
ZV 40 (1930), 100-105. thus tuberosus, ein sonnenblumenartiger Korb¬
Karriere/, 'berufliche Laufbahn’. Im 18. Jh. blütler), 3) die Batate oder Süßkartoffel {ipo-
entlehnt aus gleichbedeutend frz. carriere (auch: moea batatas, eiri Windengewächs). Alte An¬
'Rennbahn’), dieses aus it. carriera 'Fahrstraße’, baugebiete (16./17. Jh.) sind Norditalien —
aus ml. (via) carraria 'Fahrstraße’, zu 1. carrus Südfrankreich — Schweiz, woher die Bezeich¬
m. 'Wagen, Karre’. nung als 'Trüffel’ kommt, und England — Ir¬
Morphologisch zugehörig: Karrierismus, Karrierist; land, wo der der Süßkartoffel zukommende
etymologisch verwandt: s. Karren. - Jones (1976), Name (e. potato) gewählt wurde. Deutsche Be-
183f. zeichungen sind Erdapfel (ein altes Wort, das
Karst m. 'Hacke’, reg. Mhd. ahd. karst. Her¬ verschiedene Knollen bezeichnet, und das vor
kunft unklar. allem für die Topinambur gebraucht wird) und
R. Meringer IF 17 (1904), 120. Grundbirne (im Kontrast dazu gebildet, zu¬
nächst für die länglichere Kartoffel).
Kartätsche /. ( = ein Artilleriegeschoß), arch.
Im 17. Jh. entlehnt aus it. cartoccio m. 'Tüte, S. Erdapfel, Trüffel. - B. Martin Teuthonista 2 (1925),
64 — 67; DWEB 2(1963), 1—126; Kretschmer (1969),
Zylinder, Kartusche’, aus it. cartaccia 'grobes
256 — 264; Seebold (1981), 212 — 217 mit weiterer Lite¬
Papier’, zu it. carta 'Papier’, aus 1. charta
ratur.
(dass.). So benannt, da es sich um ein Geschoß
handelt, bei dem eine Umhüllung aus Stoff oder Karton m. '(Schachtel aus) Pappe’. Im 17. Jh.
Papier mit Kugeln und Metallstücken benutzt entlehnt aus gleichbedeutend frz. carton, dieses
wird, die beim Abfeuern platzt, und eine starke aus it. cartone (dass.), einem Augmentativum
Streuung des Metalls zuläßt. Die Form im zu it. carta f. 'Papier’, aus 1. charta f. (dass.).
Deutschen wohl in volksetymologischer Anleh¬ Morphologisch zugehörig: kartonieren, kartoniert', ety¬
nung an d. Kardätsche 'Bürste, Striegel’ (s. d.). mologisch verwandt: s. chartern und Karte.

Etymologisch verwandt: s. chartern. Karussell n. (= ein sich drehendes Vergnü¬


Kartause /. 'Kloster der Kartäusermönche’, gungsgefährt). Im 18. Jh. entlehnt aus frz. car-
fachsprachl. Im Spätmittelhochdeutschen rousel m. 'Ringelstechen’, dieses aus it. carosello
(spmhd. karthüse, [älter:] chartusey) entlehnt m., (dass., Herkunft unbekannt). Ursprünglich
aus gleichbedeutend ml. Cartusia, so benannt wohl so bezeichnet nach einem Ritterspiel, bei
nach dem südfranzösischen Kloster Chartreuse. dem nach geworfenen Bällen gestochen wurde,
Karte / Spmhd. karte, entlehnt aus frz. carte die kahlen menschlichen Köpfen nachgestaltet
'steifes Blatt’, das auf 1. charta zurückgeht. Die¬ waren. Darauf Bezeichnung von Reiterspielen,
ses aus gr. chärtes m., das wohl ägyptischen bei denen mit Lanzen nach Ringen gestochen
Ursprungs ist. Die Bedeutung 'Spielkarte’ ist wurde; in der Neuzeit übertragen auf sich dre¬
aus dem Italienischen übernommen. hende Vergnügungsplattformen, von denen aus
S. chartern ( + ), Kerze. - Wis (1955), 159f. man nach aufgehängten Ringen stach. Dann
Verallgemeinerung auf alle Arten von sich dre¬
Kartei/., s. Karte.
henden Vergnügungsgefahrten.
Kartell n. 'Zusammenschluß von Unterneh¬ Littmann (1924), 100, 102; Jones (1976), 184f.; Brunt
mungen’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus (1983), 182.
Karzer 359 Kassiber

Karzer m., auch n., arch. Im 14. Jh. an den (älter: 'kleiner Wachraum’), dieses aus prov.
Universitäten entlehnt aus 1. carcer m. (das frü¬ cazerna 'Wachgebäude für vier Soldaten’, aus
her schon als Kerker entlehnt wurde, s. d.). Die spl. *quaderna 'Gruppe von vier Personen’, zu
Karzer der Universität waren Zeichen deren 1. quattuor 'vier’.
eigener Gerichtsbarkeit. Etymologisch verwandt: s. Quadrant.
Karzinom n. 'bösartige Geschwulst, Tumor’, Kasino n. 'Speiseraum, Gebäude für gesellige
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. Zusammenkünfte’. Entlehnt aus it. casino m.
carcinörna, dieses aus gr. karkinöma (dass.), zu 'Gesellschaftshaus’, einem Diminutivum zu it.
gr. karkinos m. 'Krabbe, Krebs’. casa f. 'Haus’, aus 1. casa f. (dass.).
Morphologisch zugehörig: karzinogen, Karzinogen, Etymologisch verwandt: Chalet.
Karzinoid, Karzinologe, Karzinologie, karzinomatös.
Kaskade /. 'stufenförmiger Wasserfall,
Kasatschok m. (= ein russischer Volkstanz), Sprung’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeutend tend frz. cascade, dieses aus it. cascata (dass.),
russ. kazacok, zu russ. kazak 'Kosake’. So be¬ einer Ableitung von it. cascare 'fallen’, aus 1.
nannt als „Tanz der Kosaken“. cadere (dass.).
kascheln swV. 'auf dem Eis schlittern’, schles. Morphologisch zugehörig: Kaskadeur; etymologisch
Herkunft unklar. verwandt: s. Chance.

Kaschemme /. 'schlecht beleumundete Gast¬ Kasko m. 'Schiff, Fahrzeug’, fachsprachl. Im


wirtschaft’, ugs. Gaunersprachlich bezeugt seit 18. Jh. entlehnt aus span, casco 'Schiff,
dem 19. Jh. Aus zigeuner. katsima/., kartschima Schiffsrumpf’, dieses mit unregelmäßiger Be¬
'Wirtshaus’, das seinerseits auf ein slavisches deutungsentwicklung zu span, cascar 'zerbre¬
Wort zurückgeht (z. B. serb. curtschema, auch chen’, zu 1. quassus 'zerbrochen’, dem PPP. von
ins Deutsche entlehnt als Kretscham). 1. quatere 'zerschlagen, zerstoßen, schütteln’.
Lokotsch (1975), 90; Wolf (1956), 154. Die Kaskoversicherung ist eine 'Versicherung ge¬
kaschen swV 'an sich nehmen, gefangenneh¬ gen Schäden an Transportmitteln’.
men’, ugs. Entlehnt aus frz. eacher 'verbergen’ Etymologisch verwandt: s. diskutieren.

(s. kaschieren), das in bestimmten Wendungen Kassandraruf m. '(vergebliche) Warnung vor


auch 'wegnehmen’ bedeuten kann. Vielleicht drohendem Unheil’, sonder spracht. Bildung
hat auch Kescher (s. d.) eingewirkt. zum Namen der Seherin Kassandra, die die
kaschieren swV. 'vertuschen, verstecken’. Im Troer vor dem 'Trojanischen Pferd’ warnte, da¬
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cacher bei aber keinen Glauben fand.
(älter: 'zusammendrücken, quetschen’), dieses Kasse /. 'Geldbehältnis (usw.)’. Im 16. Jh.
aus gallo-rom. *coacticare 'zusammendrücken’, entlehnt aus gleichbedeutend it. cassa, dieses
einem Intensivum zu 1. coäctäre 'mit aller Ge¬ aus 1. capsa 'Behältnis, Kapsel, Kasten’, einer
walt zwingen’, einem Intensivum zu 1. cögere Ableitung von 1. capere 'greifen, fassen’. Die
'zwingen, zusammentreiben’, zu 1. agere 'trei¬ deutsche Endung ist erst im 18. Jh. üblich ge¬
ben, tun’. worden.
Etymologisch verwandt: s. Agenda, kaschen. Morphologisch zugehörig: Kassette, Kassierer, etymo¬
logisch verwandt: s. akzeptieren. — Schirmer (1911),
Käse m. Mhd. käse, ahd. käsi, as. k(i)esi
95f.
geht wie ae. cese auf eine frühe Entlehnung aus
1. cäseus 'Käse’ zurück, die ihrerseits zu einem Kasserole /. 'Topf zum Schmoren’. Im 18.
Wort für 'Gärung, Gärmittel’ gehört (vgl. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. casserole,
akslav. kvasü 'Sauerteig’ u. a.). Das lateinische einem Diminutivum zu frz. casse 'Pfanne’, aus
Wort wird mit der Labkäsebereitung entlehnt. spl. *cattia 'Löffel’, aus gr. kyäthion n., einem
Zuvor kannten die Germanen nur Weichkäse Diminutivum zu gr. kyathos m. 'Schöpfgefäß’.
(Quark). W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 57; R. Hildebrandt
DWEB 3 (1963), 363f; Brunt (1983), 183.
Kasematte/, 'geschützter Raum’, fachsprachl.
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Kassette/. Ursprünglich 'Kästchen für Wert¬
casemate, dieses aus it. casamatta 'Wallge¬ sachen’. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. cassette, it.
wölbe’, aus mgr. chäsma (-ata) n. 'Spalte, cassetta, das ein Diminutivum zu it. cassa ist
Erdkluft’. Zunächst Bezeichnung eines unterir¬ (s. Kasse).
dischen, bombensicheren Festungsgewölbes, Kassiber m. 'aus dem Gefängnis geschmug¬
dann auch übertragen auf gepanzerte Geschütz¬ gelter Brief’, sonder spracht. Im Rotwelschen be¬
räume auf Schiffen. zeugt seit dem 19. Jh.; etwas früher das Grund¬
G. Baist RF 10 (1899), 177f. wort kaseremen 'schreiben’, das heute nicht
Kaserne/. 'Unterkunft für Soldaten’. Im 17. mehr üblich ist. Die hebräische Wurzel ist zwar
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. caserne klar, doch ist die genaue Grundform strittig;
Kastagnette 360 Katarrh

vermutlich hebr. ketTbä(h) 'das Schreiben’ (wo¬ Kasus m. 'Fall’, fachsprachl. Im 16. Jh. ent¬
zu wjidd. kessiwe, kessiwurenen 'Schön¬ lehnt aus gleichbedeutend 1. cäsus, einer Ablei¬
schreiben’). tung von 1. cadere 'fallen’. Die grammatische
Wolf (1985), 155. Bedeutung hat das lateinische Substantiv als
Kastagnette /. (= ein kleines Rhythmusin¬ Lehnbedeutung von gr. ptösis 'Kasus, Fall’.
strument), fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬ Etymologisch verwandt: s. Chance. — W. Feldmann
deutend span, castaheta, einem Diminutivum ZDW 8 (1906/07), 57; E. Leser ZDW 15 (1914), 52.
zu span, castaila 'Kastanie’, dieses aus 1. casta- kata- Präfix. Wortbildungselement mit den
nea (dass.), aus gr. kastäna PL (dass.), zu gr. Bedeutungen 'gegen, gänzlich, abwärts’ (z. B.
kästanee 'Kastanienbaum’. So benannt nach Kathode, katholisch, Katechet, katastrophal). Es
der äußeren Ähnlichkeit mit der Frucht des wurde in griechischen Entlehnungen ins Deut¬
Kastanienbaumes. sche übernommen; sein Ursprung ist gr. käta,
Etymologisch verwandt: Kastanie. katä (dass.). — Vor Vokalen und vor /h/ lautet
Kastanie /. In dieser Form im 15. Jh. neu die Form kat-,
entlehnt aus 1. castanea (dass.), dieses aus gr. Katafalk m. (= ein Gerüst für den Sarg wäh¬
kästana PL (dass.) aus einem kleinasiatischen rend der Trauerfeier), sondersprachl. Entlehnt
Wort (zu dem auch arm. kask 'Kastanie’ ge¬ aus gleichbedeutend frz. catafalque, dieses aus
hört). Vieleicht zu einem Ortsnamen (gr. Ka- it. catafalco (dass.), über spätlateinische Zwi¬
stanis, Kastanea u. a.), der aber umgekehrt auch schenstufen aus 1. catasta f. 'Schaugerüst’.
aus dem Pflanzennamen gebildet sein kann.
Katakomben Pl. 'unterirdische Bestattungs¬
Eine ältere Entlehnung in ahd. kastänie und
anlage’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
ahd. kestin(n)a, kesten, mhd. kastän(i)e und
gleichbedeutend it’. catacombe, dieses aus spl.
kesten(e), auch mhd. kestennuz wie ne. chest-
catacumbae (dass.).
nut; reg. (südd.) Käste(n).
S. Kastagnette. Katalog m. 'Verzeichnis, Aufzählung’. Im 16.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. catalogus,
Kaste /. 'abgeschlossener Stand, Rasse’. Im
dieses aus gr. katälogos (dass.), einer Ableitung
18. Jh. entlehnt aus frz. caste. Das Wort ist
von gr. katalegein 'aufzählen’, zu gr. legein 'zäh¬
eigentlich portugiesisch (casta 'Rasse, Abkunft’,
len, berechnen’ (s. auch kata-).
ursprünglich Substantivierung zu 1. castus
Etymologisch verwandt: s. analog. - W. Feldmann
'rein’ und bezeichnete zunächst die un-
ZDW 8 (1906/07), 77; Schirmer (1911), 96.
vermischte Rasse der Iberer (gegenüber den
Mauren). Im 16. Jh. wenden es die Portugiesen Katalysator m. 'Stoff, durch dessen Vorhan¬
auf die gegeneinander abgeschlossenen Stände densein chemische Reaktionen beeinflußt wer¬
Indiens an, und mit dieser Bedeutung hat es den’, fachsprachl. Neubildung zu gr. katalyein
sich allgemein verbreitet. 'auflösen’, zu gr. ly ein 'lösen’ (s. auch kata-).
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 57; E. Öhmann Morphologisch zugehörig: Katalyse, katalysieren, ka¬
NPhM 41 (1940), 36. talytisch; etymologisch verwandt: s. Analyse.

kasteien swV. 'enthaltsam leben, Entbehrun¬ Katamaran m. (= ein doppelrümpfiges Segel¬


gen auf sich nehmen’, sondersprachl. Im Alt¬ boot), fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
hochdeutschen (ahd. kestigön, mhd. kastigen, gleichbedeutend ne. catamaran, dieses aus ta-
kestigen, spmhd. kastyen) entlehnt aus gleichbe¬ mil. kattumaram 'Auslegerboot’, zu tamil. kat tu
deutend ml. castigare, dieses aus 1. castlgäre 'binden’ und tamil. maram 'Baumstamm’.
'zurechtweisen, züchtigen, strafen’. Katapult n./m. 'Schleudereinrichtung’. Im
Kastell n. 'befestigtes Truppenlager, Schloß’, Neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
fachsprachl. Im Althochdeutschen (ahd. kastei, tend 1. catapultaf, dieses aus gr. katapeltes m.
mhd. kastei) entlehnt aus gleichbedeutend 1. (dass.), einer Ableitung von gr. pällein 'schwin¬
castellum, einem Diminutivum zu 1. castrum gen, schütteln’.
Festung’. Weitere Entlehnung im Frühneu¬
Katarakt m. 'Stromschnelle, Wasserfall’,
hochdeutschen.
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Kastellan.
deutend I. cataracta f, dieses aus gr. katarräktes
Kasten m. Mhd. käste, ahd. kasto 'Behälter’, (dass.), einer Substantivierung gr. katarräktes
mndl. caste 'Kornscheuer’. Herkunft unklar. herabstürzend , zu gr. katarrättein 'herabstür¬
Vielleicht eine frühe Weiterbildung zu g. *kaza- zen , zu gr. rattein schlagen, niederschmettern’
'Gefäß’ (s. unter Kar). (*räg-) (s. auch kata-).
kastrieren swV. die Keimdrüsen entfernen’. Katarrh m. 'heftige Erkältung’, fachsprachl.
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ca- Im 16. Jh. entlehnt aus 1. catarrhus Schnupfen’,
sträre eigentlich 'verschneiden’.
dieses aus gr. katärrhous, katärrhoos (dass.,
Morphologisch zugehörig: Kastrat, Kastration.
wörtlich: Herabfließen), einer Substantivie-
Kataster 361 Kathode

rung von gr. katärrhous 'herunterfließend’, zu 'Kategorie’ durch eine Verallgemeinerung von
gr. katarrhein 'herunterfließen’, zu gr. rhetn 'Aussagearten’ zu 'Klasse’.
'fließen’ (s. auch kata-). So bezeichnet wegen Morphologisch zugehörig: kategorial, kategoriell; ety¬
der Absonderungen, die mit der Schleimhaut¬ mologisch verwandt: s. Aggregat.
entzündung verbunden sind; nach der antiken Kater1 m. Mhd. kater(e), ahd. kataro, mndl.
Vorstellung waren sie die Ursache der Krank¬ cater (die niederdeutschen Mundarten setzen
heit. aber z. T. -d- voraus). Gebildet aus der Vorform
Etymologisch verwandt: s. Rhythmus. des Wortes Katze (s. d.) noch bevor dessen -t-
Kataster m./n. 'amtliches Grundstücksver¬ geminiert wurde. Das Wort ist lautlich und mor¬
phologisch rätselhaft: Seine Bildung verweist
zeichnis’, fachsprachl. Entlehnt aus it. catasto
auf frühes Alter, zu dem aber die regionale
m. 'Steuerregister, Zinsregister’, dessen weitere
Verteilung des Inlauts (ndd. -t— hd. -/-) nicht
Herkunft nicht sicher geklärt ist.
stimmt (vgl. auch junges ne. caterwaul 'Katzen¬
Katastrophe/. 'Unglück, Unheil’. Im 17. Jh.
geschrei’). Und dann gibt es im Althochdeut¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. catastropha, ca- schen noch kein Suffix zur Bildung speziell
tastrophe, dieses aus gr. katastrophe (dass., männlicher Formen (eine ähnliche Problematik
wörtlich: 'Umkehr, Wendung’), zu gr. katastre- besteht bei ae. ganra 'Gänserich’, ne. gander).
phein 'umkehren, umwenden’, zu gr. strephein Die Bildung ist deshalb kaum germanisch, aber
'wenden’ (s. auch kata-). die gebende Sprache läßt sich nicht ausmachen.
Morphologisch zugehörig: katastrophal; etymologisch S. Kuder. - Seitz (1976). Anders (als Kompositum
verwandt: s. Strophe. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ erklärt): F. Kluge BGDSL 14(1889), 585-587.
07), 77.
Kater2 m. 'Katzenjammer’, ugs. Im 19. Jh.
Kate /. 'Hütte’, reg. Älter kot(e), mndd. in Leipziger Studentenkreisen entstanden als
kot(t)e, mndl. cote, ae. cot 'Hütte’, ae. cote volkstümliche Form von Katarrh (s. d.), das
'Stall’, anord. kot n. 'Hütte’ weisen auf g. zuvor in ähnlicher Bedeutung gebraucht wird.
*kuta-/ö 'Hütte, Stall’. Daneben mit Hochstufe Durchgesetzt hat sich das Wort aber wohl we¬
(*kautjön) ae. cyte, norw. (dial.) keyta 'Wald¬ gen seiner Beziehung zu Katzenjammer (s. d.),
hütte’. Herkunft unklar. das schon vorher für 'Unwohlsein nach Alko¬
S. Kätner, Kietze, Kittchen, Kossat. holgenuß’ gebraucht wird.
Katechismus m. 'Lehrbuch für den Glaubens¬ S. auch Muskelkater. — F. Kluge ZDW 5 (1904), 262.
unterricht’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus Anders (mit beachtlichen Belegen): L. Mehlber JGGB
(1982), 112-115; JGGB (1983), 63; ZDPh 103 (1984),
gleichbedeutend 1. catechismus zu gr. (Hesych)
430-437.
katechizein 'zum Katechumenen machen’, zu
gr. *katochömenes 'Glaubensschüler’, eigentlich Katheder n./m. 'Pult, Podium, Lehrstuhl,
'der Angeworbene’, zu ntl.-gr. katechein 'ein¬ fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
dringlich einreden auf, auffordern’, zu gr. echeln deutend 1. cathedra/., dieses aus gr. kathedräf.
'schallen, tönen’ (s. auch kata-). Bis zur Refor¬ 'Sitz, Stuhl, Lehrstuhl’, zu gr. hedrä f. 'Sitz,
mation handelt es sich bei der Katechese um Sessel’ (s. auch kata-). Kathedrale ist übernom¬
mündlichen Unterricht mit Memorierung dog¬ men aus ml. ecclesia cathedralis 'Kirche des
matischer Formulierungen. Bischofssitzes’.
Morphologisch zugehörig: Katechet, Katechetik, Kate- Etymologisch verwandt: Chaiselongue', zum Etymon
chisation, Katechist; etymologisch verwandt: Echo. - s. sitzen. — A. Gombert ZDW 3 (1902), 312f.; W.
A. Knauber AB 13 (1969), 95 — 97. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 77.

Kategorie/. 'Klasse’. Im 18. Jh. entlehnt aus Kathedrale/., s. Katheder.


gleichbedeutend 1. categoria, dieses aus gr. kate- Kathete /. (= Seite eines rechtwinkligen
goriä (dass., wörtlich: 'Tadel, Beschwerde, Dreiecks), fachsprachl. Entlehnt aus 1. cathetus
Klage’), einer Ableitung von gr. kategorein 'aus- 'senkrechte Linie’, dieses aus gr. käthetos 'Senk¬
sagen, anklagen’, zu gr. agoreüein 'in der Öf¬ blei’.
fentlichkeit reden’ (s. auch kata-), zu gr. agorä Etymologisch verwandt: s. Katheter.
'öffentliche Rede, Versammlung, öffentlicher
Katheter m. (= ein Röhrchen zur Einführung
Markt’, das mit 1. grex (-egis) m. 'Herde, Schar in Körperorgane), fachsprachl. Entlehnt aus
verwandt ist. Zunächst ein Terminus der Philo¬
gleichbedeutend 1. catheter, dieses aus gr. kathe-
sophie, der die entscheidende Prägung durch
ter (dass.), das zu gr. kathienai 'herabsetzen,
die Kategorienlehre des Aristoteles erhielt. Er
herabwerfen, sich niederlassen’ gebildet ist.
unterschied zehn Arten, wie man mit Aussagen
Morphologisch zugehörig: katheterisieren, kathetern.
über das Seiende urteilen kann: Substanz,
Kathode /. 'negative Elektrode’, fachsprachl.
Quantität usw. Hier vollzieht sich bezeich¬
nungsmotivisch der Übergang von 'Aussage’ zu Entlehnt aus gleichbedeutend ne. kathode, die-
katholisch 362 kaudem

ses aus gr. käthodos 'Hinabweg, Rückweg’, zu Katzenauge n. 'reflektierender Quarz’, fach¬
gr. katä 'abwärts’ und gr. hodös 'Weg’. sprachl. Bezeugt seit dem 18. Jh. In moderner
Etymologisch verwandt: s. Methode. Zeit auch für 'Rückstrahler am Fahrrad’. Über¬
katholisch Adj. (= eine bestimmte christliche tragen wegen der starken Reflexionsfähigkeit
Kirche betreffend). Im 16. Jh. entlehnt aus der Augen von Katzen.
Lüschen (1968), 250f.
gleichbedeutend kirchen-1. catholicus (auch:
'allgemein’), dieses aus gr. katholikös (dass.), zu Katzengold n. Schon mhd. katzengolt. Ge¬
gr. kathölou 'im allgemeinen, überhaupt’, einer meint ist einerseits das goldgelb ausfließende
Zusammenrückung aus gr. kat’hölou (dass.), Kirschbaumharz (auch Katzengummi, Katzen¬
zu gr. hölos 'ganz’ (s. auch kata-). Zunächst klar genannt), andererseits ein goldglänzender
gebraucht als Bezeichnung der Gesamtheit der Glimmer (auch Katzenglimmer genannt, es gibt
Gläubigen. Später benutzt, um die (Recht) auch Katzensilber). Gemeint ist jeweils 'falsches
Gläubigen von den Anhängern anderer Konfes¬ Gold (usw.)’, wie häufig minderwertige Varian¬
sionen abzugrenzen; damit dann Bezeichnung ten mit Tierbezeichnungen versehen werden. An
einer bestimmten Konfession. die 'Falschheit der Katzen’ braucht dabei nicht
Morphologisch zugehörig: Katholik, Katholizismus, notwendigerweise gedacht zu werden, obwohl
Katholizität. auch dies eine Rolle gespielt haben mag.

Kätner m. 'Besitzer einer Kate’, s. unter Kate. Katzenjammer m. Seit dem 18. Jh. bezeugt,
zunächst allgemein für '(ein besonderes) Leib¬
katschen svcK, auch kätschen swV. 'schmat¬
weh’, dann einerseits spezialisiert auf 'Nachwe¬
zend kauen’, reg. Wohl eine regionale Weiterbil¬
hen von zu reichlichem Alkoholgenuß’, ande¬
dung oder Abwandlung zu kauen (s. d.), deren
rerseits als moralischer Katzenjammer oder kurz
Vorform nicht bezeugt ist (*kawezzen wäre
Moralischer für 'starke Niedergeschlagenheit’.
denkbar).
Katzenjammer ist eigentlich die 'Katzenmusik
Kätscher m., s. Kescher. (Brunstschreie der Katzen)’, ist dann wohl aber
Kattun m. (= ein festes Gewebe aus Baum¬ auf Grund der Doppeldeutigkeit von Jammer
wolle), fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬ (s. d.) auf 'Schmerzen, Unwohlsein’ bezogen
tend ndl. kattoen, dieses aus arab. qutn, span.- worden, da Katzen ihr Unwohlsein sehr aus¬
arab. Nebenform qutün 'Baumwolle’. drucksstark zeigen können. Denkbar ist auch
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 57.
ein Anschluß an Jammer 'Rausch’, näher be¬
stimmt durch Katze, eines der durch Tiernamen
katzbalgen swV, ugs. Das seit dem 16. Jh. bezeichneten, volkstümlich klassifizierten Sta¬
bezeugte Wort ist zwar semantisch naheliegend dien des Rausches (R. Riegler, s. u.).
('balgen wie Katzen’), muß aber morphologisch S. auch Kater2. - H. Klenz ZDW 1 (1901), 76; Kluge
von einem Substantiv Katzbalg abgeleitet sein. (1912), 100-102; R. Riegler WS 6(1914/15),
Dieses bedeutet aber nicht (oder nur äußerlich 194-196.
gesehen) 'Katzenfell’, sondern ist ein Wortspiel Katzenkopf m., sonderspracht. In einer Reihe
('das Balgen von Katzen’). von übertragenen Verwendungen, die im einzel¬
S. auch Affe. nen nicht durchsichtig sind. Der Name für einen
Katze /. Mhd. katze, ahd. kazza (auch ahd. bestimmten Pflasterstein stammt wohl vom
kazzo m.), mndd. katte, mndl. catte gehören Rohrstein (grau, gedrungen, mit Zacken wie
wie anord. kgttr m., ketta, ae. cat(t) m., afr. Ohren); die Bezeichnung des 'Schlags an den
Kopf’ vom Umgang mit Katzen.
katte zu einem gemeineuropäischen, aber recht
spät auftretenden Wanderwort; vgl. spl. cattus Katzentisch m., ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh.
m., catta (4. Jh. nach Chr.), air. cat(t) m., zunächst als scherzhafte Bezeichnung des Fu߬
kymr. cath, gemein-slav. kotü m. 'Kater’, lit. bodens, dann für kleinere, abseits stehende Ti¬
kate 'Katze’, lit. kätinas m. 'Kater’. Herkunfts¬ sche. Die Wendung am Katzentisch sitzen für
sprache unklar. 'abseits von der Gemeinschaft (auf dem Fu߬
boden oder an einem niedrigen Tisch) essen’
S. auch Kater'. - Seitz (1976); Lühr (1988), 260-262.
(als Strafe) scheint aus dem Klosterleben zu
Katzelmacher m. (= Scheltname für Italiener stammen.
in Südostdeutschland), ugs., reg. Bezeugt seit
Katzoff m. Fleischer, Schlächter’, rhein. (und
dem 18. Jh. Ursprünglich für die Grödner in
sonst reg.). Aus wjidd. kazzow Fleischer’ (vgl.
Südtirol, die bis ins 19. Jh. hölzernes Küchenge¬ ivr. qassäb Metzger’) zu hebr. qassäb- 'Metz¬
rät herstellten und vertrieben. Stellvertretend ger’.
für dieses die Ggatzlen 'hölzerne Schöpfkellen’, H. P. Althaus ZDS 21 (1966), 20-41.
Verkleinerungsform zu tirol. ggätze 'Schöpf¬
kaudern swV. wie ein Truthahn kollern,
kelle’ aus gleichbedeutendem venez. cazza.
schwatzen , arch., reg. Seit dem 16. Jh. bezeugt,
Anders: E. Trauschke GRM 8 (1920), 105f. ursprünglich wohl lautmalend.
kauderwelsch 363 Kauz

kauderwelsch Adj., auch n. (substantiviert) und Kaulkopf vor und geht auf mhd. küle, zu¬
(= unverständliche Sprache). Bezeugt seit dem sammengezogen aus mhd. kugel(e), zurück, be¬
16. Jh. als Kauder- oder Kuderwelsch. Das Wort deutet also 'Kugel, Klumpen’. Vgl. ahd. külhou-
ist schon früh auf die Rätoromanen (die Wel¬ bit 'Döbel (Weißfisch mit großem Kopf)’.
schen von Chur, also Churerwelsch) bezogen S. Keule, Kielkropf, Kugel (A). — O. Kieser ZDL
worden, vgl. bei Luther: der Chauderwelschen 49 (1982), 208-216.
oder Churwallen kahle Glossen; doch ist unsi¬
kaum Adv. Mhd. küm(e), ahd. kümo Adv.
cher, ob das Wort tatsächlich als 'Churerwelsch’
'mit Mühe, schwerlich’, dazu das Adjektiv ahd.
zu erklären ist. Vgl. immerhin uckerwendsch
kümig 'kraftlos, mühsam’. Die Grundbedeu¬
gleicher Bedeutung in der Mark Brandenburg.
tung ist 'kläglich’ zu ahd. kämen, kümön, as.
Als Name ist Kudirwale schon im 13. Jh. be¬
kümian 'trauern, klagen’.
zeugt.
S. welsch ( + ). — R. v. Planta BüM (1931), 101 f.
kausal Adj. 'ursächlich’, sonderspracht. Ent¬
lehnt aus gleichbedeutend spl. causälis, zu 1.
Kaue /. 'fensterloser Raum, meist Waschka¬
causa 'Grund’.
bine’, fachsprachl. Mhd. kouwe. Wie nndl. koje
Morphologisch zugehörig: Kausalität, kausativ, Kausa¬
(s. unter Koje) entlehnt aus 1. cavea 'Umfrie¬
tiv, Kausativum; etymologisch verwandt: [Chose],
dung’, das auch Käfig (s. d.) ergeben hat.
S. auch Kebse. kaustisch Adj. 'scharf, ätzend, sarkastisch’,
fachsprachl. Entlehnt aus 1. causticus 'ätzend,
kauen swV. Mhd. kiuwen, ahd. kiuwan stV.,
brennend, beizend’, dieses aus gr. kaustikös
küwen, aus wg. *keww-a- stV. 'kauen’, auch in
'brennend’, zu gr. kaiein 'brennen’.
ae. ceowan; daneben anord. tyggja, tyggva, das
wohl sekundär (k zu t) umgestaltet ist. Zu ig. Kaute /. 'Grube’, md. Seit dem 14. Jh. küte.
*geu- 'kauen’ in npers. jävidan 'kauen’, serb.- Herkunft unklar. Vielleicht ist Kuhle (s. d.) nä¬
kslav. zivati 'kauen’, toch. A. B. su-, swä- 'es¬ her zu vergleichen.
sen’, lit. ziäunos PI. f. 'Kiemen, Kiefer’. Nhd. S. auch Kajüte. — E. Christmann ZM 31 (1964), 194f.
kauen geht auf md. küwen zurück; die ungebro¬ Kautel /. 'Vorbehalt, Sicherheitsvorkehrung’,
chene Entwicklung in Wiederkäuen (s. d.). fachsprachl. Entlehnt aus 1. cautela 'Behutsam¬
Nndl. kauwen, ne. chew. nschw. tugga, nisl. tyggja. S. keit, Vorsicht’, einer Ableitung von 1. cautus
katschen, Kieme, Wiederkäuen. 'vorsichtig, behutsam’, dem adjektivischen PPR
kauern swV. Im 18. Jh. aus dem Niederdeut¬ von 1. cavere 'Vorsichtsmaßregeln treffen, sich
schen übernommen (mndd. kuren 'lauem’); hüten, sich vorsehen’.
ähnlich im Englischen und in den nordischen Etymologisch verwandt: s. Kaution.
Sprachen (entlehnt?). Eine frühe Variante ist
Kaution /. 'Bürgschaft’. Im 16. Jh. entlehnt
hüren, wie hauchen, ndd. hüken neben kauchen
aus gleichbedeutend 1. cautio (-önis) (auch: 'Be¬
(alle mehr oder weniger in der gleichen Bedeu¬
hutsamkeit, Vorsicht’), mit unregelmäßiger
tung). Vermutlich handelt es sich um Variatio¬
Formentwicklung aus 1. cavitio (dass.), einer
nen des unter hocken behandelten Lautkom¬
Ableitung von 1. cavere 'sich hüten, sich vor¬
plexes.
sehen’.
kaufen sw V. (regional z. T. umgelautet häu¬ Etymologisch verwandt: Kautel; zum Etymon s. hören.
fen, ndd. köpen). Mhd. ahd. koufen, as. köpian — Schirmer (1911), 98.
führen auf ein gemein-g. *kaup-ö- swV. 'kaufen,
Kautsch /., s. Couch.
Handel treiben’ zurück, auch in gt. kaupon
'Handelsgeschäfte treiben’, anord. kaupa. Das Kautschuk m. (= natürlicher Rohstoff für die
Wort beruht auf einer sehr frühen Entlehnung Herstellung von Gummi), fachsprachl. Entlehnt
aus dem Lateinischen, und zwar liegt letztlich aus gleichbedeutend frz. caoutchouc, dieses aus
I. caupo 'Schankwirt, Kleinhändler’ zugrunde, span, caucho (älter: cauchuc) (dass.), das aus
das als ahd. koufo, ae. cypa entlehnt wird. Ver¬ einer peruanischen Indianersprache stammt.
mutlich ist aber die bereits im Lateinischen be¬ R. Loewe ZVS 60(1933), 162-166.
zeugte Verbalableitung caupönäri 'schachern’ Kauz m. Seit dem 15. Jh. als (stein)küz(e).
der Ausgangspunkt für die germanischen Ver¬ Sicher ursprünglich eine lautmalende Bildung
ben (nicht eine germanische Ableitung zu dem (vgl. mhd. küz(e) 'Schreihals’, mndd. kuten
bereits entlehnten Nomen). Eine frühe Rückbil¬ 'schwatzen’), obwohl der Ruf des Käuzchens
dung zu diesem Verb ist Kauf m., mhd. ahd. einen «-Laut nicht nahelegt (er wird meist mit
kouf as. köp, afr. käp, ae. ceap, anord. kaup n. kiwitt umschrieben). — Seit dem 16. Jh. als
J. Bruch ZDA 83 (1951), 92-103. Übername für den Sonderling, wegen der bei
Kaulquappe f. Zu Quappe (s. d.); das Bestim¬ Tag zurückgezogenen Lebensweise dieses Vo¬
mungswort Kaul- kommt auch in Kaulbarsch gels.
Kavalier 364 Kehraus

Kavalier m. 'höflicher, hilfsbereiter Mann, ga¬ keckem swV., fachsprachl. Seit dem 19. Jh.
lanter Liebhaber5. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. bezeugt für die Laute der Marder-Arten (Wiesel
cavalier 'Reiter5, dieses aus it. cavaliere (dass.), usw.). Lautmalend.
einer Ableitung von it. cavallo 'Pferd, Gaul’, Keder m., auch Queder m. 'schnurartige
aus 1. caballus 'Pferd, Gaul5. Zunächst nach Randverstärkung5, fachsprachl. Mhd. ke(r)der,
italienischem Vorbild Bezeichnung von Ordens¬ querder mjn., 'Streifen an Schuhen oder Klei¬
rittern; dann 'Edelmann, Hofmann, (auch:) Of¬ dern5, ahd. querdar 'Köder5. Die überlieferten
fizier5, schließlich nach französischem Vorbild Formen stimmen mit denen des Wortes Köder
'galanter Liebhaber5. Die Bedeutung des überein; ein naheliegender Zusammenhang ist
Grundworts ist noch erhalten in Kavalkade und nicht ersichtlich.
Kavallerie.
Kees n. 'Gletscher5, bair.-österr. Mhd. kes 'fet¬
W. Feldmann ZD W 8 (1906/07), 57; Schramm (1914),
ter Boden, steiniger Sand5, ahd. kes 'Eis5. Die
32-43; Jones (1976), 193-197.
Zugehörigkeit des mittelhochdeutschen Wortes
Kavalkade/. 'Reiteraufzug5, s. Kavalier. ist ganz unsicher. Herkunft unklar.
Kavallerie /. 'berittene Truppe5, s. Kavalier. Kefe/. 'Schotenerbse5, schwz. Fnhd. kif-arbis,
Kaverne/, '(unterirdischer) Hohlraum5, fach- ahd. keva 'Schote5. Herkunft unbekannt.
sprachl. Entlehnt aus 1. caverna 'Höhlung, Kefir m. (= ein aus Milch durch Gärung
Grotte5, zu 1. cavus 'hohl, gehöhlt, konkav5. gewonnenes Getränk), sonder spracht. Entlehnt
Morphologisch zugehörig: Kavernom, kavernös. aus gleichbedeutend russ. keßr.
Kaviar m. 'Fischrogen5. Im 17. Jh. entlehnt Kegel m. Mhd. kegel, ahd. kegil 'Nagel,
aus gleichbedeutend türk, havyar. Pflock5, mndd. kegel aus vor-d. *kagila- m. 'Ke¬
G. Schoppe ZDW 15(1914), 188; Littmann (1924), gel5 zu südd. Kag 'Strunk5, nndl. keg 'Keil5.
110; Lokotsch (1975), 68. Außergermanisch läßt sich vergleichen lit. zägas
Kebab m. (= eine Speise mit am Spieß gebra¬ 'kegelförmiger Heuschober5, lit. zaginys 'Pfahl,
tenen Fleischstückchen), sonder spracht. Ent¬ Pfosten5; im übrigen ist die Herkunft unklar.
lehnt aus gleichbedeutend türk, kebap, dieses Deshalb ist auch nicht sicher zu entscheiden,
aus arab. kabäb (dass.). ob Kegel (mhd. 'uneheliches Kind5) in Kind und
Kegel hierhergehört oder abzutrennen ist.
Kebse /. 'Nebenfrau5, arch. Mhd. kebes,
S. auch Kufe'.
keb(e)se, ahd. kebis(a), as. kevis aus wg. *kabisö
f. 'Nebenfrau5, auch in ae. cefes. Entsprechend Kehle1/. Mhd. kel(e), ahd. kel(a), as. kela
anord. kefsir m. unklarer Bedeutung. Vermut¬ aus wg. *kelön f. 'Kehle5, auch in ae. ceole. Falls
lich feminine Zugehörigkeitsbildung auf *-isjö Kiel 'Grundbalken des Schiffs5 hierhergehört,
zu dem auch in Kaue (s. d.) und Koje (s. d.) hat das Wort auch im Nordischen eine Entspre¬
vorhegenden, aus 1. cavea früh entlehnten Wort, chung. Außergermanisch vergleicht sich zu¬
wohl ausgehend von dessen Bedeutung 'Bett5, nächst 1. gula 'Schlund, Kehle5, doch macht der
also 'Bettgenossin5. Konsonantismus Schwierigkeiten. Während 1.
E. Rooth in: FS Pretzel (1963), 301 —307. Anders: H.
gula an *guel- 'verschlingen5 angeschlossen wer¬
Schröder ZDPh 38 (1906), 523; K. H. Menges ZSPh den kann, ist dies bei Kehle wegen des Anlauts
43 (1983), 400—406 (entlehnt aus einem uralischen kaum möglich. Vermutlich gehören die beiden
Wort für 'Mädchen5). Wörter aber doch zusammen, und wg. *kelön
keck Adj. Mhd. kec, quec, ahd. quic, quec ist sekundär abgewandelt worden.
lebendig, lebhaft’ aus g. *kwiku- Adj. 'leben¬ Nndl. keel. S. Gully, Kiel3 ( + ).

dig5, auch in anord. kvikr, ae. cwicu. Das Adjek¬ Kehle2 /., fachsprachl. ln der Bedeutung
tiv beruht auf einer g-Erweiterung der ig. Wur¬ 'Schlucht5 in Flurnamen, als 'Rinne5 in Holz¬
zel *gueio- 'leben5. Diese liegt vor in gr. beomai, kehle und Kniekehle. Mhd. kniekel; weiteres in
ebiön und anderen Formen von verschiedenen den Mundarten; vgl. nschw. käl(l)a 'aushöh¬
Ablautstufen 'leben5, avest. jiiätauu-, jiiätaii- len5. Außergermanisch passen Wörter für 'aus¬
'Leben5, arm. keam 'ich lebe5, schwundstufig in höhlen5 auf einer Grundlage *gel-, die aber
akslav. ziti 'leben5, lit. gyti 'sich erholen5; zu außergermanisch überall durch -bh- erweitert
einer w’-Erweiterung 1. vivere, ai. jlvati 'lebt5 ist; vgl. russ. zölob m. 'Rinne5 usw.
und gt. qius 'lebendig5 (*guiwo-, wie in gr. bios S. Kelle, Kniekehle. — V. O. Heinertz BGDSL
'Leben5, air. beo, biu, kymr. byw 'lebendig5); das 41 (1916), 499f.

g-Suffix in lett. dzieva 'Leben5, 1. vigere 'kräftig Kehraus m. Seit dem 18. Jh. bezeugt als
sein5 u. a. Schlußtanz (eine Art Polonaise) und erklärt als
Nndl. kwiek, ne. quick, nschw. kvick, nisl. kvikur. S. Tanz, bei dem die Kleider der Tänzerinnen
Amphibie (+), erquicken, Quecke, Quecksilber, Quick¬ den Saal fegen5. Wesentlich früher bezeugt ist
born, quicklebendig, verquicken, vital ( + ), Wacholder. Kehraus in der Stirn (15. Jh.) mit nicht ganz
kehren 365 Kellerhals

klarer Bedeutung (es geht dabei um Trinken Keilschrift /., fachsprachl. Nach den mit Kei¬
und um Abschied). Entsprechender Bedeutung len in Lehm eingedrückten und damit auch keil¬
ist frühes Kehrab\ unter Umständen ist Kehr ab förmigen Schriftzeichen der babylonisch-assyri¬
und Garaus (in dieser Kombination bezeugt) zu schen Schrift. Als Gegensatz zur Bilderschrift
Kehraus zusammengezogen worden. der Hieroglyphen eingeführt 1802, zunächst für
S. kehren2. die (einfachere) altpersische Schrift.
kehren1 swV. 'wenden’. Mhd. ahd. keren, as. S. Keil (+).

kerian; ebenso afr. kera. Bedeutungsmäßig ent¬ Keim m. Mhd. kim(e), ahd. kimo. Konkret-
spricht ae. cerran 'wenden’, das aber im Vokalis- Bildung zu dem starken Verb g. *kei-na- 'kei¬
mus nicht übereinstimmt. Herkunft unklar. men’ in gt. keinan, as. ahd. kinan, die ältere
Nndl. keren. S. bekehren, Verkehr. Bedeutung zeigt vermutlich ae. cinan 'aufbre¬
chen, aufspringen’ (s. unter Keil). Allerdings
kehren2 swV. 'fegen’, reg. Mhd. ker(e)n, ahd.
läßt sich nur die weiterentwickelte Bedeutung
kerien aus vor-d. *kar-eja- swV. 'fegen’. Wohl
auch außerhalb vergleichen: lett. ziedet 'hervor¬
denominativ zu dem Substantiv, das auch in
blühen, zum Vorschein kommen’, lit. zydeti
ahd. ubar-kara 'Kehricht’ verbaut ist. Dieses
'blühen’; eine /-Ableitung kann vorliegen in
vielleicht zu lit. zerti 'glühende Kohlen zusam¬
arm. eit 'Keimling, Sproß, Sprößling’.
menscharren’. Weitere Herkunft unklar.
Nndl. kiem. S. auch Kien.
Nndl. keren. S. Kehraus, Kehricht.
kein Pron. Vereinfacht aus nichein (auch eu¬
Kehricht m./n., arch. Spmhd. kerach n.; Kol¬ ch ein) mit Verhärtung des Silbenanlauts ch-,
lektivbildung (wie Röhricht u. ä.) zu kehren2 dieses aus älterem nihein 'und nicht ein’ (vgl.
(s. d.) oder einem davon abgeleiteten Substan¬ gt. nih 'und nicht’, 1. neque). Die entsprechenden
tiv. Ursprünglich ostmitteldeutsch. mittelniederdeutsch-mittelniederländischen For¬
Keib(e) m. (= Schimpfwort), schwäb., schwz. men mit g(h)- sind im Satztiefton entstanden
Seit dem 15. Jh. als Wort für 'Leichnam, Aas (kaum ein echter grammatischer Wechsel).
(Gehenkter)’ bezeugt, sonst unerklärt. Mhd. kein bedeutet auch 'irgendein’, in dieser
Bedeutung kommt es aus dehein, das seit Otfrid
keifen swV. (im Norden auch stV). Hoch¬
bezeugt ist — sein Vorderglied ist unklarer Her¬
deutsch ursprünglich keiben, mhd. kiben, kiven,
kunft.
neben kibelen, kivelen, das sich in obd. kibbeln
O. Behaghel fViss. Beiheft zur ZVS 36(1913),
'necken’ fortsetzt; mndd. kiven, mndl. kiven aus 178-181; Behaghel (1923/32), I, 422-425; Ph. Marcq
g. *kib-ö- swV 'zanken’, auch in anord. kifa, EG 41 (1986), 1-7.
afr. zivia. Weitere Herkunft unklar. -keit Suffix, s. -heit.
Nndl. kijven. S. kiebig.
Keks m. Entlehnt aus ne. cakes PI. für 'kleine
Keil m. Mhd. kil, ahd. kil, mndd. kil, kel. Zu Kuchen’. Zu dessen Herkunft s. unter Kuchen.
einem starken Verb, das in ae. cinan 'aufbre¬ Littmann (1924), 112.
chen, aufspringen’ erhalten ist und vermutlich
Kelch m. Mhd. kel(i)ch, ahd. kelih, as. kelik,
mit dem gleichlautenden Verb für 'keimen’ (gt.
wie ae. ccelic, afr. zilik entlehnt aus 1. calix
keinan usw., s. unter Keim) identisch ist. Mit 'Kelch’.
der Bedeutung 'aufbrechen o. ä.’ ist es außer-
Kelle /. Mhd. keile, ahd. kella, mndd. keile,
germanisch nicht vergleichbar. Neben mhd. kil
mndl. kele aus vor-d. *kaljö\ entsprechend ae.
steht auch kidel; es ist denkbar, daß beide For¬
ciellan m. mit der Bedeutung 'Feldflasche, Fla¬
men auf vor-d. *kei-pla- (oder -F-) zurückgehen,
sche aus Leder u. ä.’. Weitere Herkunft unklar.
doch sind die damit zusammenhängenden laut¬
Vielleicht als ursprünglich 'ausgehöhltes Gefäß’
lichen Regelungen noch nicht endgültig geklärt.
zu Kehle2 (s. d.).
In diesem Fall wäre Keil ein 'Mittel zum Auf¬
N. O. Heinertz BGDSL 41 (1916), 495-501.
brechen’.
Keller m. Mhd. keller, ahd. kellari, keller,
S. Keiler, Keilschrift, Kien.
kelre, as. kellari. Entlehnt aus 1. cellärium n.
keilen swV. 'schlagen, prügeln’, ugs. Entnom¬ 'Vorratsraum’, das seinerseits zu 1. cella f (s.
men aus dem Rotwelschen, wie auch Keile unter Zelle) gehört. Ursprünglich waren die
'Schläge’. Dort eine Bedeutungsverschiebung, Keller nicht unterirdisch, sondern eine Art Spei¬
da beim Keile-Eintreiben kräftig zugeschlagen cher.
werden muß. S. Kellner. - Heyne (1899/1903), I, 92f.

Keiler m. 'Wildeber im dritten Jahr’, fach- Kellerhals m. 'Seidelbast, Zeiland, deutscher


sprachl. So seit dem 17. Jh. Vemutlich Nomen Pfeffer’, fachsprachl., reg. Seit dem 15. Jh., auch
agentis zu Keil (s. d.), indem die Hauer mit mndd. kelder. Vermutlich zu mndd. keilen, kil¬
Keilen verglichen werden. len, mhd. queln, keilen swV. 'quälen, schmerzen’,
Kellner 366 Kerner

weil die Beeren ein starkes Purgiermittel sind wegen seines Duftes und Geschmacks) ange¬
und im Hals heftig brennen. paßt ist.
Kellner m. Mhd. kelnare, keiner, ahd. Vgl. Kälberkern. — Marzeil (1943/79), I, 330f.

kel(l)enäri, kelnere (mit der Nebenform mhd. kerben swV Mhd. kerben, mndd. mndl. ker-
kellerer, fnhd. Keller). Entlehnt aus 1. cellenä- ven; früher nicht bezeugt, vgl. aber afr. kerva,
rius, das aus I. cellerarius dissimiliert ist. Die ae. ceorfan die ein starkes Verb g. *kerb-a- 'ein¬
Bedeutung ist ursprünglich 'Vorsteher der Vor¬ schneiden’ fortsetzen (anord. in kurfr 'Baum¬
ratshauses’ und entwickelt sich mit der Verände¬ stumpf’ u. ä.). Das Verb kann verwandt sein
rung der gesellschaftlichen Zustände. Die heu¬ mit gr. gräphö 'ich ritze ein, schreibe’.
tige Bedeutung etwa seit dem 18. Jh. Nndl. kerven, ne. carve.
S. Keller. Kerbtier n., fachsprachl. 1791 von Campe zur
Kelter /. Mhd. kalter, kelter, ahd. kelter-, Übersetzung von Insekt (s. d.) gebildet.
kalc(a)tura. Entlehnt aus I. calcätüra 'das Kel¬ S. auch Kerf. - Pfaff(1933), 36.
tern’, einer Nebenform zu 1. calcätörium n. 'Kel¬ Kerf m. 'Insekt’, fachsprachl. Rückbildung
ter’ (zu 1. calcäre 'treten’, weil die Trauben vor des 19. Jhs. aus Kerbtier und teilweise in den
dem Pressen mit den Füßen zerstampft Gebrauch übergegangen.
wurden).
Kerker m. Mhd. karkcere, kerkcere, kerker,
S. Trotte. - Heyne (1899/1903), II, 359f.
ahd. karcäri, karcher, as. karkari, wie ae. car-
Kemenate /. 'Frauengemach, persönlicher cern n. (mit Anlehnung an ae. -am 'Haus’), gt.
Raum\ fachsprachl. Im Althochdeutschen (ahd. karkara entlehnt aus 1. carcer. Die Entlehnung
keminäta, keminäda, mhd. kemenäte) entlehnt muß wegen des k vor e früh sein.
aus gleichbedeutend ml. caminata (wörtlich: S. Karzer.
'heizbares Zimmer’), zu 1. caminätum 'mit einem Kerl m., ugs. Aus mndd. kerle 'freier Mann
Kamin versehen’, dem PPP. von 1. caminäre 'in nicht ritterlichen Standes’ wie afr. zerl, ae. ceorl,
Form eines Kamins aufbauen’, zu 1. camlnus m. auch 'Mann, Ehemann, Geliebter u. ä.’. Dane¬
'Feuerstätte, Kamin’, aus gr. kämtnos 'Ofen’.
ben steht (mit Ablaut?) anord. karl 'Mann, Ehe¬
Etymologisch verwandt: s. Kamin. — Heyne (1899/
mann’, ae. carl, ahd. karl, mhd. karl(e)' weiter
1903), I, 119.
hat anord. karl auch die Bedeutung 'alter
kennen swV. Mhd. kennen, ahd. -kennen, Mann’ (wie anord. kerling f. 'alte Frau’), und
meist in Präfigurierungen (bi-, ir-), as. (ant-) schließlich ist Karl als Herrschemame nicht
kennian aus g. *kann-eja- sw V. 'kennen machen, ohne weiteres mit den sonstigen Bedeutungen
kennenlernen’, auch in gt. kannjan 'bekannt dieses Wortes in Verbindung zu bringen. Der
machen’, anord. kenna 'bekannt machen, wahr¬ übliche Anschluß an ig. *gero- 'alt’ (in gr. gerön
nehmen, genießen’, ae. cennan 'erklären’, afr. 'Greis’ u. a.) vermag diese Bedeutungsvielfalt
kanna, kenna 'kennen’, Kausativum zu dem nicht zu erklären. Die Bedeutung 'alt, ehrwür¬
Präterito-Präsens kann (s. unter können). Im dig’ kann kaum der Ausgangspunkt für 'Freier
Kontinentalgermanischen haben sich die Be¬ nicht-ritterlichen Standes; Ehemann, Geliebter
deutungen von Grundwort und Ableitung an¬ u. ä.’ sein. Deshalb ist zumindest Wurzelmi¬
einander angeglichen und erst sekundär wieder schung anzunehmen; möglicherweise ist die
differenziert. Sippe aber überhaupt anders zu erklären. Her¬
Nndl. kennen, nschw. känna, nisl. kenna. S. erkennen, kunft deshalb unklar.
jenisch, können ( + ). Nndl. kerel, ne. churl. — R. M. Meyer ZDW 1 (1901),
kentern swV. Aus der niederdeutsch-nieder- 12-14.
ländischen Seemannssprache, ndd. nndl. kente¬ Kermes m., fachsprachl. Das Wort kommt vor
ren, konteren, zu Kante (s. d.), also 'kanten, allem in Tier- und Pflanzenbezeichnungen vor,
umkippen’. In hochdeutschen Texten seit dem die mit 'rot’ zu tun haben (Kermes-Schildlaus,
17. Jh. Kermes-Eiche). Entlehnt aus span, carmesi, der
Kluge (1911), 437f. Bezeichnung eines roten Farbstoffs, der unter
Keramik /. 'Produkte aus gebranntem Ton’. Karmesin behandelt ist.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Kern m. Mhd. kern(e), ahd. kern(o) aus g.
ceramique, dieses zu gr. keramos m. 'Töpfererde, *kernön m. 'Kern’, auch in anord. kjarni. Am
Tongefäß’. ehesten mit Ablaut zu Korn1 (s. d.), obwohl die
Kerbel m., fachsprachl. Mhd. kervel(e) f./m., e-Stufe bei dieser Bildung auffällig ist.
ahd. kervola, kervila, kerbele /., wie ae. cerßlle Nndl. kern. S. Granate (+), Karn.

f. entlehnt aus 1. caerefolium n., das aus gr. kernen swV. 'buttern’, s. kirnen.
*chairephyllon n. (nur in 1. Form chaerephyllum Kerner m. 'Beinhaus, Fleischkammer’, s.
n. bezeugt) 'Kerbel’ (eigentlich 'liebliches Blatt’, Karner.
kerngesund 367 Kicher(erbse)

kerngesund Adj. Bezeugt seit dem 18. Jh. Ge¬ 'Herde, Schar’, mndd. kudde n.jf., afr. kedde n.
meint ist 'bis in den Kern gesund’, ausgehend Weitere Herkunft dunkel.
vom Holz (dessen Kern häufig morsch ist). Nndl. kudde.
kernig Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh., zunächst Ketzer m. Seit dem 13. Jh. mhd. ketzer, mndd.
in der Form kernicht (u. ä.), die dann dem allge¬ ketter. Nach der manichäischen Sekte der Ka¬
meinen Typ angepaßt wird. Die Bedeutung ist tharer (zu gr. katharös Adj. 'rein’), ml. Cathari,
zunächst 'Kerne enthaltend’, dann (von einer it. Gazari.
anderen Bildungsbedeutung ausgehend) 'zum E. Öhmann NPhM 40(1939), 213-221; H. Grippcr/
Kern gehörig, zu den festen Teilen gehörig’, H. Schwarz: Bibliographisches Handbuch zur Sprachin-
ausgehend vom Holz (Kern - Splint), dann haltsforschung (Köln 1962), I, 295. Anders mit beacht¬
übertragen im Sinne von 'fest, derb, dauerhaft lichen Gründen: H. Collitz in: Germanica, FS E. Sie-
usw.’. vers (Halle/S. 1925), 115-128.

keuchen swV. Mhd. klehen 'schwer atmen’;


Kerze f. Mhd. kerze, ahd. kerza. Das Wort
sonst nur nasaliert in der Bezeichnung des
gehört offenbar zu ahd. karz(a) 'Docht, Werg’;
Keuchhustens: mndd. kinkhoste, nndl. kink-
doch ist dessen Herkunft unklar. Zu der An¬
hoest, fr. kinkhoast, ne. chincough. Die lautliche
nahme einer Entlehnung aus 1. charta (s. unter
Umprägung zum Neuhochdeutschen steht ei¬
Karte) vgl. Rohlfs (s. u.): Es handelt sich eigent¬
nerseits als hyperkorrekter Ersatz des ei durch
lich um spiralförmig gewickelte Streifen aus Bir¬
eu in entrundenden Mundarten, hat aber ande¬
kenrinde, die vor dem Gebrauch in Öl getaucht
rerseits als Vorbild mhd. küchen 'hauchen’
wurden.
(mndl. cochen, nndl. kuchen, ae. cohhetan, ne.
G. Rohlfs: Sprache und Kultur (Braunschweig 1928). cough 'husten’). Im weiteren sind wohl beide
Kescher m., auch Kesser m., Ketscher m.,fach- Sippen lautmalend.
sprachl. Aus mndd. kesser, das entlehnt ist aus S. auch hauchen.
ne. catcher 'Fischhamen’ (zu ne. catch 'fangen’). Keule /. Mhd. kiule 'Keule, Stock, Stange’;
S. akzeptieren (+), catchen, kaschen. Zugehörigkeitsbildung zu mhd. küle 'Kugel’ (s.
keß Adj. Entlehnt aus dem Rotwelschen, wo Kaulquappe und Kugel), also 'mit einer Kugel
es 'in Diebessachen erfahren, zuverlässig’ be¬ (Verdickung) versehen’. Entsprechend (mit dem
g von Kugel) mndl. cogele 'Kugel’, ae. cycgel
deutet. Man vermutet als Ausgangspunkt den
'Knüttel’.
Buchstabennamen für das ch, weil mit diesem
S. Kaulquappe ( + ). — Kretschmer (1969), 271.
kochem 'gescheit’ anfing.
Lasch (1928), 172; Wolf (1985), 161. Keuper m. (= geologische Formation im
Trias), fachsprachl. Im 19. Jh. nach der im Co-
Kessel m. Mhd. kezzel, ahd. kezzil, as. ketil
burgischen üblichen Bezeichnung des zugehöri¬
führen mit gt. katil-, anord. ketill, ae. cytel, afr.
gen Buntsandsteins eingeführt. Vgl. bair. kiefer
zetel auf ein gemein-g. *katila- m. 'Kessel’, das m. 'Sand, Kies’, im übrigen unklar.
früh aus 1. catlllus, Diminutiv zu catmus 'Schüs¬
keusch Adj. Mhd. kiusch(e), ahd. küski, as.
sel’, entlehnt ist.
küski, küsc, afr. küsk ist vom Anfang seiner
J. Brüch in: FS P. Kretschmer (Wien, Leipzig, New
Bezeugung an ein ethischer Begriff, der aller¬
York 1926), 10-14.
dings eine größere Bedeutungsbreite hat
Kesseltreiben n. Bezeugt seit dem 17. Jh. Kes¬ ('schamhaft, sanftmütig, tugendhaft u. a.’).
sel im weidmännischen Sinn ist der ringsum Entlehnt aus 1. cönscius 'bewußt’ mit Ausfall
geschlossene Platz, in den das Wild getrieben des Nasals und Ersatzdehnung, die Bedeutung
wird. Übertragen in die Sprache des Militärs geht wohl von 'beherrscht, der sittlichen Nor¬
mit einkesseln u. ä. men (oder der christlichen Lehre) bewußt’ aus.
W. Kaspers BGDSL 67 (1944), 151-154; Th. Frings/
Kesser m., s. Kescher.
G. Müller in: FS Helm (1951), 109-135.
Ketchup mjn. 'Würzsoße’. Im 20. Jh. entlehnt
khaki Adj. 'erdfarben’, fachsprachl. Entlehnt
aus gleichbedeutend ne. ketchup, dieses aus
aus gleichbedeutend ne. khaki, dieses aus pers.
chin. köechiap, ketsiap 'Fischtunke’.
häkt (dass.), zu pers. häk 'Staub, Erde’.
Ketscher m., s. Kescher. Morphologisch zugehörig: Khaki.
Kette1/. 'Metallband’. Mhd. keten(e), ahd. kibbeln swV, s. keifen.
ketin(n)a, mndd. kedene. Entlehnt aus 1. catena Kibbuz m. 'ländliches Kollektiv (in Israel)’,
'Kette’, wobei das inlautende t, wie auch sonst sonderspracht. Entlehnt aus gleichbedeutend
gelegentlich, mit d wiedergegeben wurde. ivr. qibbüs (wörtlich: 'Gemeinschaft’).
Bahder (1925), 64f. Kicher(erbse) /. Mhd. kicher m./f, ahd. kihhi-
Kette2 /. 'Schar’ (besonders von Rebhüh¬ ra, kihhura u. a. Früh entlehnt aus 1. cicer n.
nern), fachsprachl. Mhd. kütte n., ahd. kutti n. gleicher Bedeutung.
kichern 368 Kielkropf

kichern swV. Erst neuhochdeutsch. Ähnliche kieken swV. 'schauen’, ndd. Mndd. kiken,
Wörter sind nndl. giechelen, ahd. kahhezzen, mndl. kiken stV., nndl. kijken. Herkunft unklar.
kahhizzön, mhd. kachezen, ae. ceahhettan. Ur¬ Vielleicht besteht ein Zusammenhang mit anord.
sprünglich sicher lautmalend. Der Anlaut k-, keikja 'sich zurückbeugen’ (etwa als 'sich Vor¬
der sich bei Wörtern dieser Bedeutungssphäre beugen, um besser zu sehen’). Hierzu Kieker
häufig Lautveränderungen entzieht, steht wohl 'Fernrohr’ seit dem 18. Jh. und die Redensart
für den (beim Lachen auftretenden) Kehlkopf¬ auf dem Kieker haben 'mißtrauisch beobachten’,
verschlußlaut. dann auch 'beargwöhnen, herumnörgeln’.
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 46-48. S. Spökenkieker.
kicken swV. 'Fußball spielen’, ugs. Im 20. Jh. kieksen swV. Variante zu gicksen (s. d.).
entlehnt aus gleichbedeutend ne. kick, dessen
Kiel* m. (= Federkiel). Mhd. kil m./n. Rhein.
Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist.
keil (ndrhein. kijl, 15. Jh.) würden auf altes
Morphologisch zugehörig: Kick, Kicker, Mokick.
*ktl- (und damit Entlehnung aus dem Norden?)
kidnappen swV. 'entführen’. Im 20. Jh. ent¬ weisen. Vergleichbar ist me. quil(le), quele n.,
lehnt aus gleichbedeutend ne. kidnap, einer Zu¬ ne. gw///'Federkiel’. Herkunft unklar. Eine Her¬
sammensetzung aus e. kid 'Junges’ und e. nap leitung aus 1. caulis 'Stengel, Federkiel’ wäre
'ergreifen’ (dessen Herkunft nicht sicher geklärt semantisch befriedigend, doch ist der Vokalis¬
ist). Zunächst gebraucht für den Raub junger mus kaum mit dieser Annahme zu vereinigen.
Leute, die in amerikanischen Plantagen zu ar¬
Kluge (1911), 440.
beiten hatten.
Morphologisch zugehörig: Kidnapper, Kidnapping-,
Kiel2 m. 'Schiff’, arch. Mhd. kiel, ahd. kiol,
zum Etymon von kid s. Kitz. kil, as. kiol aus gi *keula- m. 'Schiff’, auch in
anord. kjöll, ae. ceol. Herkunft unklar. Viel¬
kiebig Adj. 'vorlaut, gereizt’, nordd. Mhd.
leicht vergleichbar ist gr. gaülos '(rundes)
klbic, zu keifen (s. d.).
Lastschiff’, doch ist für dieses Entlehnung aus
Kiebitz m. Mhd. glbitze (u. ä.), mndd. kivit,
dem Semitischen zu erwägen. Möglicherweise
kiwit, mndl. nndl. kievit. Schallnachahmende
ist deshalb auch das germanische Wort eine
Bildung nach dem Ruf dieses Regenpfeifers. Die
Entlehnung.
Bedeutung 'Zuschauer beim Spiel’ ist zwar an
Kluge (1911), 440.
den Vogelnamen angeglichen, stammt aber aus
anderer Quelle: s. unter kiebitzen. Kiel3 m. 'Grundbalken des Schiffes’, fach-
Suolahti (1909), 264-267; Bächtold-Stäubli (1927/42), sprachl. Aus dem Niederdeutschen verbreitet:
IV, 1304f. mndd. kel, kil, vielleicht entlehnt aus anord.
kiebitzen swV. 'bei einem Spiel zuschauen’, kjplr, das auch zu den Formen der anderen
ugs. Aus rotw. kibitschen 'visitieren, beobach¬ Sprachen geführt haben kann. Dieses kann dem
ten’. Weitere Herkunft unklar. Wort Kehle1 (s. d.) entsprechen. Einzelheiten
bleiben unklar.
S. Kiebitz.
S. kielholen. — Kluge (1911), 440 — 442.
Kiefer1 m. 'Kinnbacken’. Mhd. kiver m./
n.(?), kivel, kiuwel, mit anderem Suffix anord. kielholen swV. 'Schiff so aufsetzen, daß die
kjaptr, kjgptr (*kebuta-), mit Ablaut ae. ceafl, unter Wasser gehenden Teile bearbeitet werden
as. kaflos PI. Die morphologisch stark ausein¬ können’, fachsprachl. Aus ndd. nndl. kielholen
anderfallende Sippe gehört offenbar zu avest. aus der Entsprechung von KieP und holen
zafar 'Mund, Rachen’, air. gop 'Schnabel, (s. d.) im Sinne von 'ziehen, holen’, also eigent¬
Mund’. Vielleicht aus einer Lautgebärde für lich 'unter dem Kiel durchziehen’.
'schnappen’. Kluge (1911), 442 - 444.
S. Käfer.
Kielkropf m., arch. Seit dem 16. Jh. bezeugt
Kiefer2/. ( = Nadelbaum). So seit dem 15. für ein mißgestaltetes (wasserköpfiges), aber ge¬
Jh., fnhd. Kienfer, mhd. *kienvore (in mhd. fräßiges Kind, das als vom Teufel (früher evtl,
kienvorhin 'aus Kiefernholz’), ahd. kienforaha, von anderen nicht-menschlichen Wesen) unter¬
also 'Kien-Föhre’, d. h. der Baum, aus dem geschoben galt, Wechselbalg. Die Bezeichnung
Kienspäne (für Fackeln u. ä.) hergestellt werden kommt in verschiedenen Formen vor; als Vor¬
(die Kiefer ist besonders harzreich). Ähnlich derglied findet sich kil-, kül-, kaul- (zu diesem
vereinfacht (und an Kühe angeglichen?) sind die s. Kaulquappe), als Hinterglied -kröpf, -köpf
vereinzelten Bildungen Kühfichte und Kühtanne. -krob u. a., so daß es unmöglich ist, aus dem
Kieke/. 'Wärmetopf’, ndd. Mndd. kTke; vgl. Namen auf die zugrundeliegende Vorstellung
ndn. ild-kikkert (zu ndn. ild 'Feuer’) und west- zurückzuschließen. Die regionale Entsprechung
fäl. fürkipe (mit Anlehnung an Kiepe 'Korb’). Wasserkind gibt zu der Vermutung Anlaß, daß
Sonst ist die Herkunft unklar. im Vorderglied eine mit Quelle verwandte Form
Kieme 369 kikeriki

(fnhd. kil) zu suchen sei, doch ist auch dies (wohl nicht von der gleichen Wurzelerweite¬
unsicher.
rung) lit. ziezdrä f. 'Kies, Korn’ und andere
Kieme /. In dieser Form seit dem 16. Jh. baltische Wörter. Grundlage ist also eine nicht
bezeugt; daneben auch kimme. Die ältere Form weiter erklärbare Wurzel *gei-, In der modernen
ist ahd. kiuwa, kewa, kouwa, as. kio m., ae. Mineralogie Sammelname für Mineralien mit
cian, also *kewwjön f. (u. ä.), das ersichtlich starkem Metallglanz und großer Härte.
mit kauen (s. d.) zusammenhängt und neben S. Kies2. - Lüschen (1968), 96, 251-253.
Kiemen auch 'Kiefer, Kinnlade’ bedeutet. Kies2 m. 'Geld’, ugs. Aus dem Rotwelschen
Eventuell geht Kieme mit regionalem Wechsel über die Studentensprache in die niedere Um-
von w zu m unmittelbar auf diese Form zurück. gangsgsprache gelangt. Vermutlich mit der Be¬
Deshalb auch (wohl eher als Abwandlungen, deutung 'Stein' aus Kies1 (s. d.) übernommen,
denn als gleichbedeutende Neubezeichnungen) zunächst in der Bedeutung 'Silbergeld’.
Kiefer (kif kife, kifel) und Kinn (as. kin(ni) n., Wolf (1985), 163.
fnhd. kinleiri) für 'Kiemen’. Dieselbe Bedeu¬
Kieselgur /. 'Bergmehr, fachsprachl. Der
tungsvielfalt zeigt sich in lit. ziäuna 'Kieme,
zweite Bestandteil -gu(h)r ist ein Fachwort der
Kinnbackenknochen’ und anderen baltischen
Mineralogie, das seit dem 16. Jh. vorkommt.
Wörtern. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß die
Als 'aus dem Gestein ausgärende Masse’ ein
Kiemen als Kauwerkzeuge der Fische aufgefaßt
regionales Abstraktum zu gären (s. d.). Bezeugt
wurden; eher wahrscheinlich ist die Bezeich¬
ist auch die Gur des Bieres.
nung der Kiemen als 'Backen o. ä.\ so daß
Lüschen (1968), 234f.
das Wort (*geuwön-) ursprünglich 'Backe’
(*'Kauende’) bezeichnete. Semantisch am ein¬ kiesen stV., arch. Mhd. kiesen, ahd. as. kiosan
leuchtendsten ist aber die Bezeichnung der Kie¬ aus g. *keus-a- stV. 'erproben, wählen’, auch in
men als 'Lippen’, wie etwa in nschw. gäl, ne. gt. kiusan, anord. kjösa, ae. ceosan, afr. kiäsa,
chill 'Kieme’, die zu gr. chelyne 'Lippe, Kinn¬ ziäsa. Hierzu als Partizip Präteritum erkoren.
lade’ gehören. Im oben genannten Fall läßt Aus ig. *geus- 'kosten, ausprobieren’ in ai. ju-
sich hierfür auf bulg. zuna 'Lippe’, lit. ziäuna säte 'genießt, hat gern, liebt’, gr. geuomai 'ich
'Brotknust’ ( der angebackene Teil des Brotes koste’, air. do-goa 'wählen, aussuchen’, 1. degü-
wird häufig als 'Mündchen’ bezeichnet) heran¬ nere (*de-gus-n-), glossiert als 1. (de)gustäre
ziehen. Möglicherweise hat diese Bedeutung 'kosten’. Das Wort wurde durch das heute eben¬
einen von kauen abweichenden Ursprung und falls archaische Wort küren (s. d.) ersetzt.
ist erst sekundär mit einer Ableitung von diesem Nndl. kiezen, ne. choose, nschw. tjusa, nisl. kjösa. S.
gleichgesetzt worden. erkoren, kosten2, Kür, küren, Walküre.

Nndl. kieuw. S. kauen ( + ). Kietze /., Kötze /. 'Tragkorb’, md. Die ver¬
Kien m., arch. Mhd. kien, ahd. kien, mndd. schiedenen Mundartformen lassen sich auf
ken 'Kienspan, Lackel’ aus wg. *keno- (e2!) m. mhd. *kaezze zurückführen. Dies könnte eine
'Kien’, auch in ae. cen (das allerdings nur als Ableitung auf (ahd.) -issa zu Kate, Kote 'Hütte’
Name der A-Rune und in deren Erläuterung (auch für kleinere 'Behältnisse’ gebraucht) sein
auftritt; deshalb ist Übernahme aus einer ande¬ (s. unter Kate), doch sind die Bedeutungsver¬
ren germanischen Sprache nicht ausgeschlos¬ hältnisse nicht eindeutig, und ein sonst denkba¬
sen). Semantisch kann das Wort zu ae. cinan rer Zusammenhang mit Kiepe (s. d.) ist bei die¬
'aufspringen, rissig werden’ gestellt werden, (s. ser Annahme ausgeschlossen. Herkunft deshalb
unklar.
unter Keim). Das e1 müßte dann auf einen
Kretschmer (1969), 272-274.
/-Diphthong (evtl, eine Dehnstufe ei) zurückge¬
führt werden. Die Kienspäne wurden von grö¬ Kiez m. 'Stadtteil (besonders der, in dem sich
ßeren Holzstücken abgespalten, später auch ab¬ die Prostituierten aufhalten)’, vulg., nordod. Seit
gehobelt, so daß sich der Bedeutungszusam¬ dem 13. Jh. bezeugt als 'Ort, wo die Fischer
menhang leicht erklärt. wohnen’. Wahrscheinlich slavischen Ursprungs.
S. Keil (+). - Heyne (1899/1903), I, 123, 275. Kif m. 'Marihuana, Haschisch’, sonder-
Kiepe /. 'Tragkorb’, ndd., md. Mndd. kipe; sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
ae. cypa m. 'Korb’. Es ist also von *küp- auszu¬ ne. kif, dieses aus arab. kaif (dass., wörtlich:
gehen; alles weitere ist unklar — vielleicht zu 1. 'Wohlbefinden’).
cüpa 'Tonne’. kikeriki (= Ruf des Hahns). So erst im 19.
Vgl. Kietze. — Kretschmer (1969), 272—274. Jh.; vorher kikri (18. Jh.), kekerlekyh (17. Jh.).
Kies1 m. Mhd. kis m./n. (vor allem ober¬ Stärker abweichend tutterhui (16. Jh.) und guck
deutsch und mitteldeutsch); dazu als mhd. kisel, guck gurith (16. Jh.). Lautnachahmung wie ne.
ahd. kisil m., ae. ceosel m., 'Kiesel, Hagel¬ cock-a-doodle-doo (vgl. cock 'Hahn’), frz. coco-
schloße’. Außergermanisch vergleichen sich rico, 1. cücurru, lit. kakarykü u. a. Auch Wörter
Killer 370 Kino

für den Hahn gehen auf solche Lautnachah¬ Kindclbicr n. 'Bewirtung der Gäste bei der
mungen zurück, z. B. ai. kurkuta-, gr. klkirros, Taufe’, nordd. Die Verwendung des Wortes Bier
kikkös; ebenso für 'krähen’, z. B. ngr. kykyrlzö, (und seiner Entsprechungen) für 'Fest, Gelage’
russ. kukurekati. ist schon alt; die spezielle Wortform ist bezeugt
O. Hauschild ZDW 11 (1909), 165-167. seit dem 17. Jh.
Killer m. 'bezahlter Mörder’, ugs. Im 20. Jh. Kinematograph m. (= ein Apparat zur Auf¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. killer, einem nahme und Wiedergabe bewegter Bilder), arch.
Nomen agentis zu e. kill 'töten’, dessen Her¬ Entlehnt aus gleichbedeutend frz. cinemato-
kunft nicht sicher geklärt ist. graphe, einer Neubildung zu gr. kinema (-atos)
Morphologisch zugehörig: killen. f. 'Bewegung’, zu gr. klneln 'bewegen’, und
-graph zu gr. gräphein 'schreiben’ (s. auch
Kilogramm n. 'Gewichtseinheit von 1000
-graphie). Dazu die aus Berlin stammende um¬
Gramm’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
gangssprachliche Variante Kintopp.
tend frz. kilogramme m., dieses zu gr. chilioi
Morphologisch zugehörig: Kinemathek, Kinematik, Ki¬
'tausend’ (s. auch Gramm).
nematographie, Kino; etymologisch verwandt: /Kine-
Kilt m., Kiltgang m. 'nächtlicher Besuch von sik], Kinetik und Grammatik.
Jungburschen bei Mädchen’, arch., alem. Vgl. Kinetik /. (= ein Teilgebiet der Mechanik,
auch eis. quelte f. 'Abendbesuch bei Nachbarn’. das sich mit Kräften und Bewegungen befaßt),
Älter in ahd. chwiltiwerch 'Arbeit bis zur Nacht¬ fachsprachl. Neubildung zu gr. kinetikös 'die
zeit’; zu g. *kwelda- (auch /-Stamm) m. 'Zeit Bewegung betreffend’.
des Sonnenuntergangs’, auch in anord. kveld n., Etymologisch verwandt: s. Kinematograph.
ae. cwyld-tld (vgl. Abend). Mit Rücksicht auf
Kink m. 'Knoten, Knick (der sich von selbst
lit. gälas 'Ende, Schluß’ und ae. cwyld 'Tod,
gebildet hat)’, fachsprachl., ndd. Zu mndd. kinke
Verderben’ gehört das Wort wohl als 'Ende des
'gewundene Schnecke’. Mit dem ablautenden
Tages’ oder 'Untergang der Sonne’ (eigentlich
anord. kpkkr 'Ball’ zu gr. göngros 'Auswuchs
'Tod’) zu der Sippe von Qual (s. d.). Zur Bedeu¬
am Baum’, lett. gungis 'Krümmung’, lit. günglio,
tung vgl. Abend (s. d.).
gunksle 'Knorren, Auswuchs’.
Ganz (1957), 113.
Kinkerlitzchen PL, ugs. Bezeugt seit dem 18.
Kimm /. 'Horizontlinie’, fachsprachl. Kimme Jh. (Ginkerlitzgen). Herkunft unklar.
/. 'Teil des Visiers, Kerbe in den Faßdauben, O. Weise ZDW 10(1908), 56-60; W. Seibicke MS
durch die der Faßboden gehalten wird’, fach¬ 85 (1975), 213-227.
sprachl. Ursprünglich das gleiche Wort, bezeugt
Kinn n. Mhd. kinne, ahd. as. kin(ni) aus g.
seit dem 16. Jh., regional auch als kieme und
*kinnu- f. 'Kinnbacken, Wange’, auch in gt.
keime. Älter in mndd. kimme 'Rand, Horizont’,
kinnus f. 'Wange’, anord. kinn f. 'Wange’, ae.
mndl. kimme 'Rand eines Fasses’, noch älter
cinn 'Kinn’, afr. in zin-bakka 'Kinnbacken’. Mit
ae. cimbing 'Fuge’ (sowie cimb- in Komposita,
nn aus -nw- in archaischen obliquen Formen
die semantisch nicht ganz durchsichtig sind);
des «-Stammes und mit späterer Umbildung zu
wohl auch anord. kimbi m. 'Bündel’. Herkunft
einem neutralen ja -Stamm aus ig. *genu- f.
unklar.
'Kinnlade (u. ä.)’ in gr. genys f 'Kinnlade’, 1.
Kimono m. (= ein japanisches, dem Morgen¬ gena f. 'Wange’, kymr. gen 'Kinnlade’, air. gin
mantel ähnliches Kleidungsstück), sonder- m. 'Mund’, toch. A. sanwem f. 'die beiden Kinn¬
sprachl. Entlehnt aus jap. kimono 'Gewand’. backen’; daneben lit. zändas m. 'Kinnbacke,
Kind n. Mhd. kint, ahd. kind (as. afr. kind Wange’ (von einer anderen Wurzelerweiterung)
sind aus dem Hochdeutschen entlehnt) aus und ai. hänu- f. 'Kinnbacke’ (mit Anlautvaria¬
vor-d. *kinpa- n. 'Kind’. Das Wort kann erklärt tion). Vielleicht ist das Wort für 'Knie’ urver¬
werden als 'Geborenes’ zu der Wurzel *gena- wandt, so daß eine Ausgangsbedeutung 'Win¬
'gebären’, doch ist die betonte Vollstufe dabei kel, Beugung o. ä.’ vorliegt. — Kinnlade ist zu
auffällig (diese erscheint zwar auch in 1. genitus, Lade mit der Bedeutung 'bewegliche Unterlage’
ist dort aber morphologisch besser gestützt). gebildet.
Die für das Germanische zu erwartende Form Nndl. kin, ne. chin, nschw. kind, nisl. kinn.
könnte vorliegen in anord. kundr m. 'Sohn, Kino n. 'Lichtspieltheater’. Im 20. Jh. gekürzt
Verwandter’ (nur dichterisch und selten). Die aus Kin-(emat)-o-graph (s. d.) mit met¬
Wurzel *gend- 'gebären, erzeugen’ ist vertreten onymischer Übertragung auf ein Gebäude, in
in ai. jänati 'erzeugt, gebiert’, gr. gignomai 'ich dem ein solches Gerät installiert ist. In den
werde geboren, entstehe’, 1. gignere '(er)zeugen, Nachbarsprachen wird anders gekürzt: frz. ei¬
gebären’, air. gainethar (neben zahlreichen an¬ ne (ma) m., e. cinema.
deren Formen). Etymologisch verwandt: s. Kinematograph. — H. Küg-
S. Genus ( + ), König. — H. Humbach MSS 7(1955), ler ZD 48 (1934), 738f.; P. Sparmberg ZD 48 (1934),
55; E. Hamp IF 87 (1982), 77. 737.
Kintopp 371 Kirsche

Kintopp m./n., s. Kinematograph. Kirchenlicht n., ugs. Ursprünglich ehrender


Kiosk m. 'kleine Verkaufsstelle für Zeitungen, Ausdruck; so heißt z. B. Augustinus im Mittel-
Zigaretten usw.\ Im 18. Jh. entlehnt aus frz. alter lümen ecclesiae 'Licht der Kirche’. Im An¬
kiosque 'offener Gartenpavillon’, dieses aus schluß an das spöttische lüx theologorum f.
türk. kö§k 'Gartenhäuschen’, das aus dem Persi¬ 'Licht der Theologen’ in den Briefen der Dun¬
schen übernommen ist. Die Schreibung ki- ist kelmänner (1517) wird das Wort in späterer Zeit
Wiedergabe des palatalen k. Die moderne Be¬ praktisch nur noch abschätzig verwendet.
deutung wird im 19. Jh. aus dem Französischen Kirchhof m. Mhd. kireh(h)of, mndd. kerkhof
entlehnt. bezeichnet zunächst den Hof vor der Kirche im
Littmann (1924), 110f.; Lokotsch (1975), 58. wörtlichen Sinn. In frühneuhochdeutscher Zeit
Kipf m. (= süddeutsche Brotform), südd. Be¬ regional (nord- und westdeutsch) zu 'Begräbnis¬
zeichnung nach der Form zu mhd. kipfe, ahd. stätte’ verengt.
kipf, kipp m./n. auch kipfa /., kipfo 'Wagen¬ Kretschmer (1969), 275-278.
runge’, das aus 1. cippus 'Pfahl’ entlehnt ist. Kirchspiel n. 'Bezirk, in dem ein Pfarrer predi¬
Hierzu Kipfel (oder mit sekundärer Nachdeu¬ gen und die kirchlichen Amtspflichten ausüben
tung Gipfel) für 'Hörnchen’ als Verkleinerungs¬ darf’, arch. Mhd. kir(ch)spil, kirchspel, mndd.
form (obwohl auch eine Umgestaltung des be¬ ker(k)spel, kar(k)spel u. a. mndl. kerspel. Das
legten kipfen vorliegen könnte). Bezeugt sind Wort geht im 13. Jh. vom rheinischen Nord¬
diese Ausdrücke für die Brotform seit dem 13. westen aus, wo auch ndl. (dial.) dingspei 'Ding¬
Jh. bezirk’ gilt. Vermutlich zu -spei (wie in Beispiel,
S. Kippe2 ( + ). - Heyne (1899/1903), II, 277. Anders: s. d.), doch ist der Bedeutungszusammenhang
Lühr (1988), 234f. nicht ausreichend klar ('Bezirk, in dem das
Kippe1 /. 'Gemeinschaft’ (in Kippe machen Wort, der Beschluß, gilt’?).
'gemeinsame Sache machen’), ugs. Aus ojidd. Kirchweih /., reg. Mhd. kirchwihe, ahd. ki-
kupe, küpe 'Haufen, gemeinsame Unterneh¬ rihwiha, kiliwiha bedeutet zunächst 'Einwei¬
mung’, das aus poln. kupa 'Haufe’ stammt. hung der Kirche’, dann 'Erinnerungsfest der
Anders: S. A. Wolf MS 72 (1962), 184f.; Wolf (1985), Einweihung der Kirche’ und davon ausgehend
165.
allgemein 'Fest, Jahrmarkt u. ä.’. Mundartlich
Kippe2 /. 'Zigarettenspitze (u. ä.)’, ugs. Nie¬ vielfach stark abgeschwächt (alem. kilbe zu kil-
derdeutsche Entsprechung zu fnhd. kipfe, bei¬ che, Nebenform von Kirche, b aus w nach Kon¬
des 'Spitze’. Vermutlich zu einer alten Entleh¬ sonant; entsprechend Kirbe)', vgl. auch Kirmes.
nung aus 1. cippus m. 'Pfahl’, die sich zunächst
Kirmes /., reg. Mhd. kir(ch)messe 'Gottes¬
in der nicht-literarischen Sprache gehalten und
dienst an Kirchweih’; vermutlich Klammerform
weiterentwickelt hat.
aus unbezeugtem * Kirchweihmesse.
S. Kipf, kippen. — Anders: Lühr (1988), 356f.
S. Kirchweih, Messe', Mission (+).
Kippe3 /., s. kippen.
kirnen swV. 'buttern’, ndd. Vgl. ndl. kernen,
kippen swV. 'stürzen’. Vermutlich mit nieder¬ kamen.
deutscher Lautform zu dem unter Kippe2 ge¬ S. Karn( + ). - Kluge (1926), 43f.
nannten Wort mit der Bedeutung 'Spitze’. Aus
kirre Adj., ugs. Mhd. kürre 'zahm, mild’,
. dem Verbum rückgebildet ist Kippe3 in auf der
mndd. quere aus g. *kwerru- Adj. 'ruhig, zahm’,
Kippe stehen oder in der Bedeutung 'Abraum¬
auch in gt. qairrus 'sanftmütig’, anord. kvirr,
halde’.
kyrr 'ruhig’. Herkunft unklar. In der Familie
Kirbe /. Regionale Form von Kirchweih von lit. gürti 'zerfallen’ treten ähnliche Bedeu¬
(s. d.). tungen auf (z. B. lit. gurlüs 'müde, matt’, doch
Kirche /. Mhd. kirche, ahd. kirihha, kilihha, sind die Gemeinsamkeiten für eine engere Ver¬
as. kirika, kerika zusammen mit afr. kerke, bindung zu schwach.
zerke, ae. cirice entlehnt aus vulgär-gr. *kyrike
kirren swV., s. girren.
(nur in ntl.-gr. kyriake 'Sonntag’), eigentlich
Kirsch m. Im 19. Jh. gekürzt aus Kirschgeist,
ntl.-gr. kyriakös 'zum Herrn gehörig’ (zu gr.
wie Korn aus Kornbranntwein.
kyriosm. 'Herr’), vgl. gleichzeitiges 1. dominicum
S. Kirsche.
(sacrificium) n. 'sonntäglicher Gottesdienst’ (zu
1. dominus m. 'Herr’). Das feminine Genus wohl Kirsche /. Mhd. kirs(ch)e, kerse, ahd.
aus dem Gebrauch als Verdeutlichung zu 1. basi- kirs(a), kirsa, as. kirs- sind wie ae. cirse entlehnt
lica (eigentlich 'Palast’, dann auch 'Kirche’). aus 1. ceras(i)um n. 'Kirsche’ (und 1. cerasus
Das Wort ist wohl zunächst ins Fränkische ent¬ 'Kirschbaum’); dieses aus gr. keräsion n. 'Kir¬
lehnt und dann mit der fränkischen Kirchen¬ sche’, gr. kerasia 'Kirschbaum’, das wohl aus
sprache verbreitet worden. einer nicht-indogermanischen Sprache stammt.
Masser (1966), 17-42; K. Schäferdieck BGDSL S. Kirsch, Kornelkirsche. — A. Götze NJKA 39 (1917),
106 (1984), 46-50. 67f.
Kirste 372 Kladderadatsch

Kirste f 'Brotrinde’, nordod. Eine Variante Kitz n., fachsprachl. Mhd. kiz, kitze, ahd.
von Kruste (s. d.). kizzi(n)', daneben anord. kitS (woraus ne. kid).
W. Mitzka ZM 23(1955), 39. Wohl als g. *kid- neben affektivem *kitt- (wie
Zicke neben Ziege) anzusetzen. Denkbar ist
Kismet n. '(das dem Menschen zugeteilte)
eine affektive Umgestaltung aus dem Wort Geiß
Schicksal’, sondersprachl. Entlehnt aus gleich¬
(s. d.).
bedeutend türk, kismet, dieses aus arab. qismah
S. kidnappen. — Ganz (1957), 113f.; K. Rein DWEB
(dass., wörtlich: 'Zugeteiltes’).
1 (1958), 253f.
Kissen n. Mhd. küsse(n), küssin, ahd.
kitzeln swV. Mhd. kitzeln, kützeln, ahd. kizzi-
kussT(n), küssi, mndd. küssen, mndl. cussen.
lön, kuzzilön, kitilön, mndd. ketteten aus g. *ki-
Entlehnt aus afrz. coissin, gallo-rom. culcinum
lil-ö-jkutil-ö- swV. 'kitzeln’, auch in anord. kitla,
neben 1. culcita f. 'Polster’, das seinerseits wohl
ae. citelian', daneben mit Konsonantenumstel¬
auf ein keltisches Wort zurückgeht (die Feder¬
lung me. tikelen, ne. tickte. Lautsymbolisches
kissen galten als gallische Erfindung). Die ent-
Wort.
rundete Form setzt sich im 18. Jh. durch; viel¬
leicht um die Homonymie mit küssen swV. zu Kiwi/. (= eine eiförmige Frucht mit saftigem
vermeiden. Fruchtfleisch). Entlehnt aus gleichbedeutend
ne. kiwi, das aus der Maori-Sprache stammt.
Kiste /. Mhd. kiste, ahd. kista, mndd. kiste,
klabastern swV. 'einhertrotten’, reg. Aus dem
keste, mndl. kiste ist wie ae. eist, cest und anord.
Rheinischen, seit dem 18. Jh. literarisch; in an¬
kista früh entlehnt aus 1. cista 'Kasten’, das
grenzenden Mundarten ähnliche Formen (west-
seinerseits aus gr. kiste 'Korb, Kiste’ stammt.
fäl. kladistern 'lai}fen’ u. ä.). Vermutlich ent¬
S. Zisterne. — Zur Bedeutung 'Sarg’ vgl.: Cox (1967),
74-78.
lehnt aus it. calpestare 'mit Füßen treten’, aus
1. calce pistäre 'mit der Ferse stampfen’.
Kitsch m. Um 1870 in Malerkreisen aufge-
F. Kluge ZDW 8 (1906), 368.
kommen. Herkunft unklar. Am ehesten zu kit¬
schen 'Straßenschlamm zusammenscharren, Klabautermann m. 'Schiffskobold’, nordd. Be¬
glattstreichen’ (zu Kitsche, dem Instrument, mit zeugt seit dem 19. Jh.; vermutlich zu kalfatern
dem man dies macht). 'die Planken eines Schiffes abdichten’, vgl. ndd.
Klafatermann. Dem Glauben der Seeleute nach
E. Koewel MS 52 (1937), 58f.; O. F. Best Monatshefte
70(1978), 45-57.
klopft der Klabautermann an die schadhaften
Stellen, um den Schiffszimmermann zur Aus¬
kitschen swV. 'tauschen, verkaufen’, reg. Aus
besserung aufzufordem.
dem Rotwelschen; dorthin wohl aus mhd. ver-
L. Radermacher AR 7 (1904), 445 — 452; Kluge (1911),
kiuten 'vertauschen’ mit expressivem Suffix. 450f.; Bächtold-Stäubli (1927/42), IV, 1437f.; W.
Kitt m. Mhd. kiit(e), ahd. quiti, cuti aus wg. Stammler (1954), 225f.; Lokotsch (1975), 82.
*kwedu- m. 'Leim, Kitt’, auch in ae. ewidu; klacken swV. (= Schallverb wie knacken),
weiter mit Dehnstufe (vielleicht Vriddhi) anord. ugs. Schallnachahmend wie nndl. klacken, ne.
kväöa f. 'Harz’. Auf der Normalstufe ist ver¬ clack, nschw. klakka. Dazu Klacks 'kleine Por¬
gleichbar ig. *guetu- in ai. jätu n. 'Lack, tion von etwas Schwerflüssigem’ ('was auf ein¬
Gummi’ und in Ableitungen mir. beithe 'Buchs¬ mal hingeklackt wird’).
baum’, kymr. bedw 'Birke’ (nach dem austreten¬ S. kleckern.
den Saft) und das aus dem Keltischen entlehnte
Kladde /. 'Schmierheft, Konzept’, reg. Aus
1. bitümen n. 'Erdpech’.
dem Niederdeutschen; gekürzt aus Kladdebuch
Nndl. kit, ne. cud (beim Wiederkäuen, wohl bildlich
'Buch zur vorläufigen Eintragung der täglichen
mit Bezug auf das Kauen von Harz). — Littmann
Geschäftsvorgänge’ (seit dem 17. Jh.) zu mndl.
(1924), 55.
cladde '(Schmutz)Fleck’, also eine Entspre¬
Kittchen n. 'Gefängnis’, ugs. Im Rotwelschen chung zu Schmierheft. Das Wort ist wie klat¬
bezeugt seit dem 18. Jh. Vermutlich eine Kreu¬ schen (s. unter klatsch) lautnachahmend.
zung aus fnhd. keiche, keuche, 'Gefängnis, Ker¬ S. klat(e)rig, klittern. — Schirmer (1911), 99; Lühr
ker’ und rotw. Kitt(e) 'Haus’, später auch 'Ge¬ (1988), 279-281.
fängnis’, das wohl zu Kate (s. d.) gehört.
Kladderadatsch m. 'Durcheinander, Aufre¬
Littmann (1924), 56; E. Weißbrodt ZDPh 64(1939),
gung’, ugs. Eigentlich Interjektion, die einen
307; Wolf (1985), 166f.
klirrenden Sturz begleitet oder beschreibt (wie
Kittel m. Ursprünglich Bezeichnung für ein klatsch, kladatsch). Weiter verbreitet durch den
hemdartiges Gewand: mhd. kit(t)el, mndd. ke- Titel der in Berlin 1848 gegründeten politisch¬
dele, mndl. kedel, bezeugt seit dem 13. Jh. Die satirischen Wochenschrift. (Nach der Überliefe¬
fnhd. Form kütel beruht auf Anlehnung an rung, festgehalten in Die Welt vom 23.4.1965,
Kutte. Herkunft unklar. ließ der Diener bei der Gründerversammlung
klaffen 373 Klappe

ein Tablett fallen, als die Anwesenden sich einen Klammer f. Mhd. klam(m)er, klamere. Wie
Namen für die geplante Zeitschrift überlegten. anord. klpmbr f. 'Klemme, Schraubstock’ eine
Der Redakteur Dohm rief dabei aus : Kladdera- Ableitung zu klemmen (s. d.).
d tsch — und dies wurde zum Namen der Zeit¬ S. auch Klampe.
schrift gemacht). klammheimlich Adj., ugs. Vielleicht zu klamm
S. klatsch ( + ). — Ladendorf (1906), 168. (s. d.) im Sinne von 'zusammengedrückt, ge¬
klaffen swV 'offenstehen’. Mhd. üfklaffen duckt’; aber wahrscheinlich liegt eine scherz¬
'sich öffnen’ ist neben mundartlichem Klapf hafte Anpassung von 1. clam 'heimlich’ zu¬
'Schlag’, mhd. klaffen, klapfen 'schallen’ und grunde.
dem ndd. Klapp (s. d.) auf ein Schallverb für Klamotten PI. 'wertloses Zeug’, meist 'Klei¬
kurze, laute Geräusche zurückzuführen. Klaffen dung’, ugs. Aus dem Rotwelschen. Weitere Her¬
ist eigentlich 'mit einem Krach aufspringen’, kunft unklar.
wie (zu)klappen 'mit Krach zuschlagen’ ist. Klampe/. 'Befestigungsteile auf Schiffen und
Deshalb vergleicht sich auch ahd. klaffön, klap- für Schiffe’, fachsprachl., ndd. Mndd. klampe
fön, ae. clappian 'schlagen, schwatzen’. 'Haken, hölzerner Steg’; entsprechend nndl.
kläffen swV. Lautmalende Bildung neben klamp 'Klammer, Holz’, ne. clamp 'Klammer’.
nndl. kleffen und nhd. klaffen 'bösartig Die hochdeutsche Entsprechung ist Klampfe
schwatzen’. (s. d.). Wohl Lautvariante zu der Grundlage
von Klammer (s. d.).
Klafter m.jn.Kf.) 'Maß der ausgespannten
S. klemmen (+).
Arme’, arch. Mhd. kläfter, ahd. kläftra /.,
Klampfe /., reg. Ursprünglich 'Klammer’
mndd. klachter n. Vergleichbar ist lit. glebys m.
(bair.) und als solches Entsprechung zu ndd.
'ausgebreitete Arme, Armvoll’, lit. glebti 'um¬
Klampe (s. d.). Daneben seit dem 19. Jh. Aus¬
armen, in die ausgebreiteten Arme nehmen’; auf
druck für 'Zither’, alsbald übertragen auf die
germanischer Seite paßt dazu ae. clyppan, afr.
Gitarre. Hierbei scheint ein lautmalender Aus¬
kleppa 'umarmen’, doch weicht der Vokalismus
druck klamp(f)ern (vgl. entsprechendes klim¬
ab.
pern) eine Rolle gespielt zu haben; aber die
Klage /. Mhd. klage, ahd. klaga aus vor-d. Einzelheiten sind unklar.
*klagö; ebenso klagen, mhd. klagen, ahd. kla¬ S. klemmen ( + ). — Relleke (1980), 194.
gern, klagen, mndd. klagen. Vielleicht bei abwei¬ klamüsern swV. 'überlegen’, nordd. Abgeleitet
chender Vokalisierung vergleichbar mit avest. von Kalmäuser 'Stubenhocker, Schulfuchs’,
gdrazä 'Klage’, ai. garhä 'Tadel, Vorwurf’, sowie dessen Herkunft unklar ist. Vielleicht Streck¬
ai. gärhati 'schmäht, beschuldigt, tadelt’, avest. form zu ndd. klüsern 'grübeln’. Die Formen mit
gardz- 'klagen’ und stärker abweichend mir. kal- und kla- stehen nebeneinander.
gläm 'Geschrei’. Das bloße Schallverb und der Schröder (1906), 145 — 149.
rechtserhebliche Ausdruck hängen insofern zu¬
Klan m. 'Stammesgruppe’, s. Clan.
sammen, als das Wehgeschrei nach einer Misse¬
tat rechtlich vorausgesetzt wurde. Klang m. Mhd. klanc, ahd. chlanch; Abstrak¬
tum zu klingen (s. d.). Daneben expressives
Klamauk m. 'Lärm’, ugs. Eine von Berlin
mhd. klanc (-kes) 'List, Kniff’; zu diesem s.
aus verbreitete lautmalende Bildung vom Typ
Klinke ( + ). Ähnliche Schallwörter außerhalb
Radau, pardautz u. ä. Ähnliche Bildungen sind des Germanischen sind 1. clangere 'schallen,
schon im 18. Jh. bezeugt. schreien’ und gr. kläzö 'ich erschalle, schreie’
Lasch (1928), 182. mit gr. klänge f. 'Klang, Geschrei’. Die An¬
klamm Adj. 'steifgefroren’, reg. Spmhd. klam nahme von Urverwandtschaft (und Ausbleiben
gehört zu klemmen (s. d.); bedeutet also zu¬ der Lautverschiebung im Schallwort) ist aber
nächst 'zusammengedrückt’; woraus durch Spe¬ kaum angemessen.
zialisierung auf die Wäsche die heutige Bedeu¬ Klapf m. 'Schlag, Ohrfeige’, südd. Oberdeut¬
tung (die weiter verallgemeinert wird), früher sche Form zu Klappe (s. d.).
auch für 'eng, dicht’ gebraucht, in Sonderfällen Klappe /. Ursprünglich niederdeutsche Laut¬
(clam gold) auch 'dicht, gediegen’. form, die sich wie in Klapp, Klaps, klappen
S. klammheimlich. durchgesetzt hat, weil sie den lautmalenden
Klamm/. 'Felsschlucht mit Wildwasser’, reg. Charakter dieser Wörter besser bewahrt als hd.
Das Wort gehört mit mhd. klam m. 'Krampf, klapf und klaff (s. Klapf und klaffen). Ebenso
Beklemmung, Fessel’, ae. clom m. 'fester Griff, Klapper und klappern (schon mittelhoch¬
Kralle, Klaue, Fessel’ zu klemmen (s. d.). Die deutsch). Die Bedeutungen gehen von 'schla¬
Ausgangsbedeutung ist also 'Klemme, Enge . gen, klatschen’ aus und führen zu 'zumachen.
klappen 374 Klatschmohn

aufeinanderpassen’ (klappen), andererseits zu nur die zweite Bedeutung). Dann übertragen


'angeschlagen, verrückt’ (einen Klaps haben). auf die führenden, vorbildlichen Schriftsteller.
S. klapperdürr, kläppern, Klapperschlange, Klappertopf, Die Bezeichnung bleibt z. T. eingeengt auf die
klipp, klippen. antiken klassischen Schriftsteller, teilweise wird
klappen swV, s. Klappe. sie übertragen auf die Vertreter klassischer Epo¬
klapperdürr Adj., ugs. Eigentlich 'so dürr, daß chen anderer Sprachen und Kulturen. Zusam¬
die Knochen klappern . men mit klassisch und dem eigens für diesen
Bereich gebildeten Wort Klassik auch als Ge¬
kläppern swV. 'Eier zerrühren u. ä.\ reg. Ab¬
gensatz zu Romantik und anderem. Klassiker
wandlung zu klappern (nach dem Geräusch).
ist im Deutschen seit dem 18. Jh. üblich.
Klapperrose/., s. Klatschmohn. S. Klasse ( + ). — W. Brandt: Das Wort ’Klassiker’
Klapperschlange/. Seit dem 17. Jh. als Lehn¬ (Wiesbaden 1976).
übersetzung von ne. rattlesnake. klassisch Adj. 'von hohem Standard, würdig,
Klappertopf m., fachsprachl. So heißt der Ra¬ die Kultur der griechisch-römischen Antike be¬
chenblütler 'Alectorolophus’, weil die reifen treffend’. Im 18. Jh. entlehnt aus ml. classicus
Früchte im trockenen Kelch rasseln. Schon im 'mustergültig, vorbildlich’, aus 1. classicus 'die
15. Jh. als Klapper bezeugt, im 16. Jh. als Rassel. römischen Bürgerklassen betreffend’, zu 1. clas¬
Vgl. ndd. Klöterpott. sis 'Klasse’. Ausgehend von der Bezeichnung
Klaps m., s. Klappe. einer hohen Bevölkerungschicht übernimmt das
Wort die Bedeutung 'vorbildlich’, die insbeson¬
klar Adj. Mhd. klär, clär. Über frz. clair und
dere auch in normativer Hinsicht gilt, so etwa
mndl. claer entlehnt aus 1. clärus 'hell’.
in scriptor classicus 'sehr guter — und damit
S. deklamieren ( + ).
vorbildlicher — Schriftsteller’. Die Bewunde¬
Klarinette /. (= ein Holzblasinstrument), rung der Leistungen der Antike führt in späterer
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Zeit sogar zu einer (partiellen) Gleichsetzung
deutend it. clarinetto m., einem Diminutivum
von 'antik’ und 'vorbildlich’ in dem Wort klas¬
zu it. clarino m. (= eine hohe Solotrompete, sisch.
wörtlich: 'die hell Tönende’), einer Ableitung
Morphologisch zugehörig: Klassik, Klassiker, Klassi¬
von it. claro 'hell tönend’, aus 1. clärus 'hell’.
zismus, Klassizität-, etymologisch verwandt: s. Klasse.
Morphologisch zugehörig: Klarinettist-, etymologisch - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 58f. Zu Klassizis¬
verwandt: s. deklamieren. — Relleke (1980), 153. mus vgl.: R. Wellek SM 45 (1965/66), 154-173.
Klasse /. 'Gruppe’. Im 16. Jh. entlehnt aus klat(e)rig Adj. 'unsauber’, ndd. Zu ndd. klater
gleichbedeutend 1. classis (wörtlich: 'Herbeiru- 'Schmutz’, entsprechend schwäb. Klatter 'Kot’;
fung’). Zunächst 'Herbeirufen, Ladung, Aufge¬ vermutlich eine Nebenform zu Kladde (s. d.)
bot’, dann im Sinne eines Nomen acti Bezeich¬ und letztlich lautmalend für das klatschende
nung der herbeigerufenen Menge bzw. einer Geräusch beim Auftreffen von schwerflüssigen
militärischen Abteilung; schließlich übertragen Massen.
auf die Einteilung des Volkes nach Tributklas¬ S. auch klittern.
sen; dann Verallgemeinerung. Die Bedeutung
'Schicht (des Volkes)’ entsteht im 18. Jh. in klatsch Interj. Für ein schallendes Geräusch
England, zunächst in lower classes 'untere gebraucht, ebenso als schwaches Verb klatschen,
Schichten’. das zuerst im 17. Jh. als klatzschen bezeugt
Morphologisch zugehörig: deklassieren, Klassem, Klas¬
ist, entsprechend nndl. kletsen 'mit der Peitsche
sement, Klassifikation-, etymologisch verwandt: klasse, knallen’ u. a. Spezielle Bedeutungsentwicklun¬
Klassiker, klassisch (usw). gen sind 'applaudieren’ (in die Hände klat¬
klasse Adj. 'hervorragend’, ugs. Entstanden schen) und 'schwätzen, ratschen’, letzteres wohl
aus dem Substantiv Klasse (s. d.) im Sinn von abschätzig als 'Geräusche machen’ aufgefaßt.
'erster Klasse, besonderer Klasse o. ä.’. Die S. Kladde, Kladderadatsch, Klatschmohn, klitsch.
Herkunft aus dem Substantiv zeigt sich noch Klatschmohn m., auch Klatschrose/., Klapper-
daran, daß das Wort in attributiver Verwen¬ rose/. u. ä. Nach einem Kräuterbuch des 16.
dung (ein klasse Spiel u. ä.) nicht flektiert wird. Jhs. bezieht sich der Name auf den knall, wel¬
Klassiker m. Entlehnung aus 1. (scriptor) chen die blätlin der rosen verursachen, wenn man
classicus (unter Einfluß von frz. auteur clas- sie auf sondre manier, so den jungen buben be¬
sique). Das 1. Adjektiv classicus bedeutet zu kam, zusammen legt und auf die hand oder Stirn
nächst 'in Klassen eingeteilt' (von den fünf römi¬ schlecht (d. h. schlägt). Die Bezeichnung Klap¬
schen Bürgerklassen), dann aber vor allem die per- könnte sich allerdings auch auf die reifen
erste der so eingeteilten Klassen, also 'führend, Mohnkapseln beziehen.
an der Spitze stehend’ (bezeugt ist überhaupt S. klatsch ( + ).
klauben 375 Klei

klauben swV, reg. Mhd. klüben, ahd. klübön 1. claudere (clausum) 'schließen, sperren’. Die
'klauben’, ahd. kläwa, klä 'Klaue’ setzt *kläwö Bedeutungsentwicklung zum Mittellateinischen
voraus; ebenso wohl afr. klawe, kle, ae. cläw erklärt sich aus einer funktionalen Betrachtung
PI. 'Klaue’; dagegen geht anord. klö 'Klaue’ der Griffstege dieses Instruments: die Klaven
ebenso wie die ahd. Nebenform für 'Klaue’ dienten dazu, die Windlade der Orgel zu öffnen
klö(a), wohl auf *klöwö zurück, mndd. klouwe, und zu schließen. Unter Verlust dieses Benen¬
klauwe, kla(we) auf *klaww-. Zu einem starken nungsmotivs dann in einer Pars-pro-toto-Über-
Verb mit der Bedeutung 'kratzen, reiben’, des¬ tragung übernommen als generelle Bezeichnung
sen Lautform ebenfalls unfest ist: anord. klä von Instrumenten, deren Saiten über Tasten
führt auf *klah- zurück, ae. clawan auf *kläw-; zum Schwingen gebracht werden; schließlich
schwache Verben sind anord. kleyja, klceja 'juk- Bezeichnung eines bestimmten Tasteninstru¬
ken’ und ahd. kläwen 'kratzen’. Außergerma¬ ments (des Pianoforte).
nisch gibt es keine sinnvolle Vergleichsmöglich¬ Morphologisch zugehörig: Klaviatur, Klavichord', ety¬
keit. Die Ausgangsbedeutung von Klaue wäre mologisch verwandt: s. Klausur. — J. W. Walz ZDW
demnach etwa 'Scharrer’. 12(1910), 187.

klauen swV. 'stehlen’, ugs. Anfang des 20. kleben swV. Mhd. kleben, ahd. kleben, as.
Jhs. von Mitteldeutschland ausgegangen und klibon aus wg. *klib-ä- sw V. 'kleben’, auch in
im ersten Weltkrieg verbreitet. Wohl eine ae. cleoßan. Durativbildung zu g. *kleib-a- stV.
umgangssprachliche Bildung zu Klaue (ugs.) 'haften’ in anord. klifa 'klimmen’, ae. clifan,
'Hand’ (vgl. den Ausdruck Diebs-Klauen afr. kltva, as. kliban, ahd. -kllban 'haften’. Die¬
'Diebshände’ schon im 18. Jh.). ses aus voreinzelsprachl. *gleibh- 'haften’, auch
Klauer m./n. 'mit Weiden besetzter Platz’
in lett. gliebties 'sich an jmd. klammern, an¬
(auch bei anderen Baumbeständen), wmd. Be¬ schmiegen’, akslav. u-glibljeti 'stecken bleiben’.
Ausgangsbedeutung für kleben ist also 'hängen
zeugt seit dem 14. Jh. Herkunft unklar.
bleiben, haften bleiben’. Zu einer Wurzel *glei-
Klause /. Mhd. klüs(e), ahd. klüsa. Entlehnt
'kleben, schmieren’ (s. unter Klei).
aus 1. clüsa 'eingehegtes Grundstück, Kloster’,
Nndl. kleven. S. Klei, kleiben, Kleiber, Kleister, Klette,
Nebenform zu 1. clausa, feminines Partizip Per¬ klettern, klitsch.
fekt Passiv zu 1. claudere 'schließen’, also 'das
klecken swV. 'ausreichen’, arch., reg. Mhd.
Abgeschlossene’.
ahd. klecken aus vor-d. *klakk-ija-. Die Bedeu¬
S. Klausur ( + ), Klus. Klüse. — W. Feldmann ZDW
8 (1906/07), 59.
tung ist ursprünglich die eines Schallverbs ('kra¬
chen, klatschen usw.’), dann auch 'ausreichen’,
Klausel /. Im 14. Jh. entlehnt aus 1. clausula
ähnlich wie bei klappen (s. d.); hierzu erklecklich
'Schlußsatz’ (zu 1. clausus 'abgeschlossen’, Parti¬
(s. d.).
zip Perfekt Passiv zu 1. claudere 'schließen’).
S. erklecklich, klacken, kleckern, Klecks.
Die ursprünglichere Form Klausul hält sich als
Variante bis ins 18. Jh. kleckern swV., ugs. Seit dem 17. Jh. bezeugt
S. Klausur ( + ). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), als Iterativbildung zu klecken und klacken in
59. der Bedeutung 'etwas Schwerflüssiges hinwer¬
Klaustrophobie /. 'krankhafte Angst, hervor¬ fen’ (so daß es klack! macht).
gerufen durch Aufenthalt in geschlossenen Räu¬ S. klecken ( + ).

men’, s. Klausur und Phobie. Klecks m. Seit dem 16. Jh. bezeugt als Kleck
Klausur /. 'abgeschlossenes, zurückgezogenes zu klecken in der Bedeutung 'etwas Schwerflüs¬
Leben; Prüfungsarbeit’. Entlehnt aus spl. clau- siges hinwerfen’ (so daß es klack\ macht). Das -s
süra 'Einschließung’, zu 1. clausüra 'Verschluß, gehört wohl zu den mittel- und norddeutschen
Türschloß, Fort’, einer Ableitung von 1. claudere Umgestaltungen auf -s, die häufig von Wörtern
(clausum) 'schließen, sperren, (wörtlich:) mit auf -k ausgehen; es kann aber auch aus dem
einem Riegel versperren’, zu 1. clävus m. 'Nagel, Verbum klecksen stammen, falls dies älter ist.
Pflock’. S. klecken (+).
Etymologisch verwandt: Cembalo, Clou, Enklave, Ex¬ Klee m. Mhd. kle, ahd. kle(o), as. kle aus
klave, exklusiv, inklusiv, Klause (usw.), Klausel, Klau¬ vor-d. *klaiwa-. Daneben wohl als *klaibrjön
strophobie, Klavier (usw.), Klosett, Kloster, Konklave,
(und nicht nur als *klaiw(a)rjön), mndd. klever,
Konklusion, Schleuse, schließen (usw.), [verklausu¬
klaveren, mndl. clavere, ae. clafre n.[f. Herkunft
lieren ].
unklar, zumal die Lautverhältnisse nicht ausrei¬
Klavier n. (= ein Tasteninstrument). Im 16.
chend aufgehellt sind.
Jh. entlehnt aus frz. clavier 'Tastenbrett, (älter:
Th. Baader NJ 76(1953), 39f.
Schlüsselbewahrer, Schlüsselring)’, dieses aus
ml. clavisf. (PI. claves) 'die Griffstege der Orgel’, Klei m. 'zäher Ton’, reg. Im 16. Jh. übernom¬
das zurückgeht auf 1. clävis f. 'Schlüssel , zu men aus dem Niederdeutschen: mndd. klei,
kleiben 376 Klepper

mndl. cleie 'Ton, Lehm’, wie ae. cläg aus wg. (s. d.), und entsprechend zu dessen Bedeu¬
*klaija- m. 'Lehm, Ton’ zu der Wurzel *klei-, tungen in verschiedenartiger Verwendung: 1)
die auch kleiben und kleben (s. d.) zugrundliegt. im Anschluß an klein 'zierlich’ bedeutet es
Diese zeigt sich mit Nasalpräsens in as. ahd. 'zierliche, kunstvolle Arbeit; Schmuck, Ge¬
klenan 'bestreichen’, anord. klina 'beschmieren’ schmeide, Schatz’, auch 'Geschenk’; hierzu
und der Ableitung *klaima- m. 'Lehm’ in ae. 'Reichskleinodien’ und die heutige Verwendung
cläm, ahd. kleim (auch anord. kleima swV. 'be¬ als 'Kostbarkeit’, meist im übertragenen Sinn.
schmieren’). Aus ig. *glei- 'schmieren, kleben’ 2) zu der heutigen Bedeutung von klein stellt
in 1. glitten n. 'Leim’, air. glenaid 'bleibt hängen’, sich 'Kleinigkeiten’ (besonders 'kleine Schlacht¬
lit. glieti 'bestreichen, beschmieren’, akslav. teile und Innereien; 'Habseligkeiten; Küchen¬
glinimt 'tönern, irden’, gr. gloiös 'klebriger Stoff, kräuter u. ä. aus dem Garten’, heute etwa noch
Harz, Gummi’. in obsächs. Kleint 'kleine Teile des Schlacht¬
Nndl. klei, ne. clay. S. kleben ( + ), klitsch. — Lüschen tiers’). Einzelheiten der Entstehung und Ent¬
(1968), 254; W. Kleiber in: FS de Smet (1986), wicklung sowie des Zusammenhangs mit ml.
261-268. clenodium sind unklar.
kleiben swV. 'kleben’, reg. Mhd. ahd. klei¬ S. auch Gänseklein.

ben aus vor-d. *klaib-eja-, Kausativum zu g. Kleister m. Seit dem 14. Jh. md. und ndd.
*kleib-a- stV. 'haften’ (s. unter kleben). klister 'Klebstoff, anhaftender Gegenstand’;
Kleiber m. 'Spechtmeise’, fachsprachl. Zu klei¬ parallel zu fmhd. klenster 'Kleister’ zu ahd.
ben 'verkleben, verschmieren’ (s. d.), weil die klenan 'kleben’. Es handelt sich also um eine
Spechtmeise den Eingang zu ihrer Bruthöhle instrumentale (s)tra- Bildung zu der Wurzel
mit Lehm verengt. *klei- 'kleben, haften’ (s. unter kleben [ + ]).

S. kleben ( + ). — Suolahti (1909), 161 f. klemmen swV. Mhd. klemmen, ahd. in biklem-
men wie ae. clemman 'mit den Klauen packen,
Kleid m. Mhd. kleit. Vergleichbar ist ae. cläfr
einzwängen, zusammendrücken’; formal ein
m., afr. kläth, kleth, mndl. cleet 'Tuch, Kleid’.
Kausativum zu klimmen (s. d.), z. T. mit diesem
Herkunft unklar.
vermischt (s. etwa unter beklommen). Theore¬
Nndl. kleed, ne. cloth.
tisch läßt sich unterscheiden klimmen '(sich)
Kleie /. Mhd. kli(w)e, ahd. klT(w)a, kllga, zusammenziehen, klimmen’ und klemmen 'zu¬
mndd. kli(g)e. Herkunft unklar. Der Anschluß sammenziehen machen, zusammendrücken,
an *glei- 'schmieren, kleben’ (unter Hinweis klemmen’, aber im einzelnen ergeben sich Ab¬
auf die in der Kleie enthaltenen Kleber-Reste) weichungen.
bringt kaum ein ausreichendes Benennungs¬ S. beklommen, klamm, Klamm, Klammer, Klemmer,
motiv. Klempner, klimmen, klimpern, Klinse und als Variante
Klampe und Klampfe.
klein Adj. Mhd. klein(e), ahd. klein(i), as.
kleni 'zierlich, fein’ (die heutige Bedeutung ist Klemmer m. 'Augenglas’, reg. Älter Nasen¬
jung, erst nach-mittelhochdeutsch) aus wg. klemmer. Wie nordd. Kneifer und südd. Zwicker
*klaini- Adj., auch in ae. cläne 'rein’. Daneben eine Lehnprägung zu frz. pince-nez gleicher Be¬
besteht regional (z. B. schweizerisch) eine Va¬ deutung.
S. klemmen ( + ).
riante klin-, die nicht ohne weiteres als Ablaut
erklärt werden kann. Herkunft unklar. klempern swV., s. Klempner.
Nndl. klein, ne. clean. S. kleinlich, Kleinod. — W. Klempner m. 'Installateur’, nordd. Im 18. Jh.
Mitzka BGDSL 58 (1934), 312-323; W. Mitzka in: umgestaltet aus älterem klemperer, klamperer,
FS E. Kranzmayer (Marburg 1967), 3 — 10.
südd. klampfer(er). Zu klempern 'Blech häm¬
kleinlich Adj. Mhd. kleinlich, zunächst mit mern’, das zu Klampe, Klampfe 'Klammer’ ge¬
der Bedeutung 'fein, zierlich usw.’ (s. unter hört (vgl. südd. Spengler zu Spange).
klein), dann seit dem 16. Jh. als Charakterisie¬ S. klemmen (+ ), klimpern. — Kretschmer (1969),
rung eines Verhaltens 'am Kleinen hängend’. 282-284.

Kleinod n., arch. Mhd. kleinöt, kleinste, klein- klengen swV., auch klenken swV. 'Zapfen von
aede, mndd. klenode, kleinode, kleinade 'zier¬ Nadelbäumen trocknen, damit die Samen aus-
liche, wertvolle Sache’. Die Erhaltung des 5 und fallen’, fachsprachl., reg. (omd.). Kausativum
der Plural Kleinodien weisen auf den Einfluß zu klingen (s. d.), also 'klingen machen’ (nach
der ml. Form clenodium', die normale Lautent¬ dem Geräusch des Aufspringens).
wicklung führt zu Kleinet, Kleint, das mundart¬ klenken swV., s. klengen.
lich noch erhalten ist. Ursprünglich eine Sub¬ Klepper m. 'geringes Pferd’, ugs. Seit dem
stantivbildung auf -ödi (wie in Heimat, Armut, 16. Jh. bezeugt, zunächst ohne herabsetzende
Zierat (s. d.) und umgebildet in Einöde) zu klein Bedeutung. Vermutlich Rückbildung zu klep-
Kleppermantel 377 klimmen

pe(r)n, klappern nach dem Geräusch des Huf¬ glübere 'entrinden, schälen, ein Tier abdecken’
schlags. und gr. glyphö 'ich meißle aus, graviere’.
Kleppermantel m. 'wasserdichter Mantel’, Nndl. klieven, ne. clave, nschw. klyva, nisl. kljüfa. S.
fachsprachl. Nach dem Hersteller J. Klepper; Glyptothek, Kloben, Kloben, Kluft', Kluppe, Knoblauch.
entsprechend Klepperboot. Klient m. 'Kunde’. Im 16. Jh. entlehnt aus
Kleptomanie /. 'zwanghafter Trieb zum Steh¬ gleichbedeutend 1. cliens (-entis) (älter 1. cluens,
len’, fachsprachl. Neubildung zu gr. kleptein wörtlich: 'der Hörige’), dem PPräs. von al.
'stehlen’ (s. auch Manie). cluere 'hören’, dieses aus gr. klyein (dass.). Der
Klient ist ursprünglich eine landlose oder land¬
Klerus m. 'Geistlichkeit’, fachsprachl. Ent¬
arme Person, die in einem Abhängigkeitsver¬
lehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. clerus, die¬
hältnis zu einem Patron steht. Er gehört dessen
ses aus gr. kleros (dass., wörtlich: 'Stand der
Auserwählten’). Geschlechterverband an und hat bestimmte, ge¬
nau festgelegte Rechte und Pflichten. Unter an¬
Morphologisch zugehörig: klerikal, Klerikale, Klerika¬
lismus, Kleriker, Klerisei. derem gehört dazu auch der Rechtsschutz durch
den Patron; mit der Veränderung der Sozialord¬
Klette /. Mhd. klette, ahd. kletto m., kletta,
nung in der Neuzeit und der Entwicklung ande¬
as. kleddo m., kledda. Gehört zusammen mit
rer Formen der Rechtsvertretung entsteht dann
einer Reihe von morphologisch schwer zu beur¬
die heutige Bedeutung.
teilenden Varianten (vielleicht bloßen lautlichen
Morphologisch zugehörig: Klientel. — E. Erämetsä
Abwandlungen) zu dem unter Klei dargestellten
NPhM 59 (1958), 36.
*klei- 'kleben’. Die Klette ist also nach ihren an
Mensch und Tier haftenden Blütenköpfen als Kliff n. 'schroffer Felsen’, nordd. Aus dem
'Kleber’ oder 'die Klebrige’ benannt. Vgl. etwa Niederdeutschen verbreitet (mndd. as. klif).
mndl. clisse, nndl. klis; dann ae. clite und ae. Entsprechend anord. klif ae. clif, Herkunft un¬
cläte. Durchsichtiger ist ahd. kliba zu ahd. klar, vgl. Klippe.
-kliban 'haften’ (s. kleben). Nach Lühr (s. u.) Klima n. 'Witterung, Atmosphäre’. Im 16. Jh.
mit pp aus *px- entlehnt aus gleichbedeutend spl. cllma (-atis),
S. auch klettern. — Teuchert (1944), 205f.; Lühr (1988), dieses aus gr. kllma (dass.) (wörtlich: 'die Nei¬
255. gung’), zu gr. klinein 'neigen, beugen, lehnen’.
klettern swV. Seit dem 15. Jh. bezeugt neben So bezeichnet nach dem witterungsbestimmen¬
klet(t)en, zu dem es formal ein Frequentativum den Faktor der geographischen Breite und der
ist. Da außerdem auch klebern in der gleichen damit verbundenen mittleren Neigung der Son¬
Bedeutung auftritt, liegt wohl die gleiche nenstrahlen.
Grundlage wie in Klette (s. d.) vor; das Klettern Morphologisch zugehörig: akklimatisieren; etymolo¬
ist also als ein am Baum oder Fels 'Anhaften’ gisch verwandt: s. deklinieren. — W. Feldmann ZDW
aufgefaßt. Wörter dieser Bedeutung sind aber 8 (1906/07), 59.
lautlich auffallend unfest, vgl. etwa nndl. klau- Klimax /. 'Höhepunkt, Steigerung’, faeh-
teren, ndd. klattern, mndd. klouwern u. a. sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cllmax,
S. kleben (+). dieses aus gr. klimax (dass., wörtlich: 'Treppe’),
Kietze /. 'getrocknete Birne’, österr. Zu mhd. zu gr. klinein 'neigen’.
klcezen 'spalten’ (mhd. kloz-bire 'gedörrte Etymologisch verwandt: s. deklinieren.
Birne’), vgl. schwäb. Schnitz für gedörrte Klimbim m./(n.) 'nutzloses Zeug’, ugs. Im
Birnen. 19. Jh. von Berlin ausgegangen; ursprünglich
klick Interj., klicken swV. Lautmalende Bil¬ Bezeichnung für anspruchslose (Blech)Musik
dungen (vgl. auch ne. click und Klicker, s. d.). und damit lautmalend.
Klicker m. 'Murmel’, wmd. Entsprechend klimmen st V, arch. Mhd. klimmen, ahd. klim-
nordd. Knicker, obd. Klucker; Varianten zu ban aus g. *klemb-a- 'klimmen’, auch in ae.
einem sicher lautmalenden Komplex, zu dem climban, wfr. klimme. Da zu *kleib-a- 'kleben,
auch Knäuel (s. d.) und Klüngel gehören. Am haften’ auch anord. klifa 'klimmen, klettern’
besten bezeugt ist also *klu-, von dem die ande¬ gehört, ist *klemb-a- 'klimmmen’ wohl ur¬
ren Formen ausgegangen sein können; das -k- sprünglich ein Nasalpräsens zu diesem (also
kann auf Teilreduplikation beruhen. *kli-m-b-) mit Ablautentgleisung. Die Bedeu¬
S. klick. — Kretschmer (1969), 344 — 346. tung 'klimmen’ kann von 'haften' ausgehen
klieben stV. 'spalten’, arch., südd. Mhd. kHe¬ (vgl. klettern), aber auch von 'sich zusammen¬
ben, ahd. klioban, as. klioban, mndd. kluven aus
ziehen’, wozu die ablautenden Formen (s. unter
g. *kleub-a- stV. 'spalten’, auch in anord. kljüfa, klemmen) besser passen.
ae. cleofan. Außergermanisch vergleicht sich 1. Nndl. klimmen, ne. climb. S. klemmen ( + ), Klumpen.
klimpern 378 klitsch

klimpern swV. Seit dem 17. Jh. bezeugt. Laut¬ Klappe), das vor allem 'passen, gelingen’ be¬
nachahmung, die vielleicht von klempern 'Blech deutet.
bearbeiten’ (s. unter Klempner) ausgegangen ist.
Klipp- Vorderglied in einer Reihe von ab¬
Lühr (1988), 127.
schätzigen Ausdrücken wie Klippschule, Klipp¬
Klinge1 /. 'Schwertklinge’. Mhd. klinge. Of¬ kram, Klippschenke u. a.; zuerst bezeugt ist klip-
fenbar zu klingen (s. d.) gebildet nach dem schole im 16. Jh. Vermutlich zu ndd. klippen
Klang des auf Helm oder Panzer treffenden hell tönen’ (s. d.) und zunächst für Kleinkram
Schwertes. aus Metall u. ä. verwendet.
Klinge2/. 'Gießbach, Talschlucht’, reg. Mhd. Zu Klippschule'. Nyström (1915), 52f.
klinge, ahd. klingo m., klinga. Herkunft unklar; Klippe /. Mhd. klippe, kliffe, im 14. Jh. ent¬
Anschluß an klingen nicht sehr wahrscheinlich. lehnt aus mndl. clippe. Herkunft unklar.
Klingelbeutel m. 'Beutel für die Kollekte im Vgl. Kliff.
Gottesdienst\ fachsprachl. Seit dem 17. Jh. be¬ klippen swV. 'hell tönen’, ndd. Lautmalend
zeugt, nach dem Glöckchen, das an dem Beutel wie klappen (s. unter Klappe).
hing, um auf ihn aufmerksam zu machen. S. auch Klipp-,
klingeln swV. Mhd. klingelen, ahd. klingilön. Klipper m., auch Clipper m., fachsprachl.
Frequentativum zu klingen (s. d.). Klingel f. ist Heute vor allem 'großes Verkehrsflugzeug’ und
eine Rückbildung des 17. Jhs. in dieser Bedeutung nach englischem Vorbild
klingen stV. Mhd. klingen, ahd. klingan, übertragen aus Clipper 'schnelles Schiff’; auch
mndd. klingen, mndl. clingen führt wie afr. in dieser Bedeutung entlehnt aus dem Engli¬
klinga auf vor-d. *kleng-a- stV. 'klingen’. Her¬ schen, wo es als Nomen agentis zu clip 'schnei¬
kunft unklar; Lautmalerei denkbar. den, scheren’ (auch von scharfen Schlägen ge¬
Nndl. klinken (Variante). S. Klang, klengen, KlingeI, sagt) gebildet ist. Ausgangsbedeutung also etwa
klingeln und als Variante Klinke ( + ). - Lühr (1988), 'schnittiges (Pferd, Schiff, Flugzeug)’.
125.
Klippfisch m. 'getrockneter Dorsch’, fach¬
Klinik /. 'Krankenhaus’. Im 13. Jh. entlehnt sprachl. Seit dem 16. Jh. bezeugt, entlehnt aus
aus 1. clinice 'Heilkunst für bettlägerige Kranke, nndl. klipvisch. Angeblich weil dieser Fisch auf
Krankenhaus’, dieses zu gr. klme 'Bett, Bahre, Klippen getrocknet wurde, doch ist dies kaum
Krankenlager’, zu gr. klinein 'neigen, beugen, das ursprüngliche Benennungsmotiv.
lehnen’. Im Deutschen zunächst auch verwen¬ Klippschule /., s. Klipp-,
det in der Bedeutung 'Einrichtung zur Unter¬
klirren swV. Seit dem 17. Jh. bezeugt. Laut¬
weisung in Heilkunde’.
malend.
Morphologisch zugehörig: Klinikum; etymologisch
verwandt: s. deklinieren. Klischee n. 'Bildstock, Druckstock, Abgegrif¬
fenes’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Klinke/. Mhd. mndl. klinke. Lautvariante zu
frz. cliche m., dem substantivierten PPrät. von
Klinge, wie auch neben klingen weithin (z. B.
frz. clicher 'nachbilden, (wörtlich: in Lehm
nndl.) klinken steht. Die Bezeichnung ist über¬
nachbilden)’, dieses aus d. Klitsch 'breiige
nommen von dem Fallriegel, der beim Fallen
Masse’.
auf den Klinkhaken einen Klang von sich gab.
Zum Etymon s. klitsch.
S. Klang, klingen ( + ), Klinker, Klunker. — Kretschmer
(1969), 289-291; Lühr (1988), 125. Klistier n. 'Einführen von Flüssigkeit in den
Dickdarm zur Darmreinigung usw.’, fach¬
Klinker m. 'hart gebrannter Ziegelstein’, fach¬
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. klister)
sprachl. Mit der Sache aus dem Niederländi¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. clysterium
schen übernommen (nndl. klinkerft]). Abgelei¬
(wörtlich: 'Reinigung, Spülung’), dieses aus gr.
tet von klinken 'klingen’ nach dem hellen Ton,
klysterion (dass.), einer Ableitung von gr. kly-
den dieser Stein von sich gibt, wenn er ange¬
zein 'spülen, reinigen’.
schlagen wird.
Zum Etymon s. lauter. - J. W. Walz ZDW 12 (1910)
S. Klinke ( + ). 188.
Klinse /., auch Klinze /. 'feiner Spalt’, reg. Klitoris/ Kitzler , fachsprachl. Entlehnt aus
Mhd. klimpse (seit dem 13. Jh.) neben mhd. gleichbedeutend gr. kleitoris (wörtlich: 'kleiner
klumse, klunse. Vermutlich mit einem .v-Suffix Hügel’).
zu klemmen (s. d.) und Klamm. Morphologisch zugehörig: klitoral.
klipp Adj. (nur in der Formel klipp und klar), klitsch Interj. für ein helles klatschendes Ge¬
ugs. Im 18. Jh. übernommen aus ndd. klipp und räusch (meist durch etwas Nasses verursacht)
klaar, wobei klipp 'passend’ zu dem Schallwort im Gegensatz zu klatsch (s. d.), ugs. Bezeugt
klippen gehört wie nhd. klappen (s. unter seit dem 18. Jh. Hierzu klitschen 'mit der flachen
klittern 379 Klotz

Hand schlagen, mit hellem Ton aufschlagen’, ahd. klockön, klohhön, mhd. klocken. Zur nie¬
seit dem 16. Jh., in der Bedeutung 'hinklatschen derdeutschen Form gehört Kloppe 'Schläge’.
(von einer schmierigen Masse)’ schon im 15. Jh. Nndl. kloppen. S. bekloppt, klöppeln, Klops, Knüppel.
in der Form (be)klitzen. Hierzu auch Klitsche — Anders: O. Haas Sprache 4(1958), 101 f.
'armseliger Betrieb u. ä.’, klitschig 'nicht durch¬ klöppeln swV.,fachsprachl. Im 16. Jh. im Erz¬
gebacken’ u. a. Vermutlich zu der unter kleben gebirge aufgekommen für die neue Kunst des
(s. d.) und Klei (s. d.) behandelten Wurzel ig. Spitzenwebens. Die dabei verwendeten End¬
*glei- 'schmieren’, die aber ersichtlich durch stücke haben die Form von Glockenschwengeln
Lautmalerei beeinflußt wurde. Der Auslaut (Klöppeln), was der Technik den Namen gibt.
könnte auf eine verbale -itjan- Bildung zurück¬ Die hochdeutsche Entsprechung klöpfeln hat
gehen. sich nicht durchgesetzt.
S. Klischee. — Zu Klitsche vgl.: Eichler (1965), 63f. S. klopfen ( + ).
klittern swV. 'schmieren, klecksen’, arch., reg. kloppen swV., s. klopfen.
Seit dem 16. Jh. bezeugt und wie klater (s. unter
Klops m. 'kugelförmiger Fleischkloß’, nordod.
klat[e]rig) lautmalend für das klatschende Ge¬
Im 18. Jh. in Ostpreußen aufgekommen, gehört
räusch beim Auftreffen von schwerflüssigen
vermutlich zu nschw. kalops, ne. collop 'gebra¬
Massen. Klitterbuch (16. Jh.) entspricht Kladde
tene Fleischscheibe’ unklarer Herkunft. Da mit
(s. d.).
Klops ursprünglich auch ein dünner, mürbe ge¬
klitzeklein Adj., ugs. Lautsymbolische Ver¬ klopfter Braten gemeint sein konnte, ist auch
stärkung von klein, bei der wohl klein und win¬ eine Ableitung aus kloppen (s. unter klopfen)
zig beteiligt sind. nicht ausgeschlossen.
Vgl. DWB, V, 1101 zu ähnlichen Verstärkungen. W. Foerste NW 5 (1965), 110-112.
Kloake /. 'Abwasserkanal, unsauberer Ort’. Klosett n. 'Toilette’. Im 19. Jh. entlehnt aus
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. cloäca gleichbedeutend ne. water-closet (wörtlich: 'ab¬
(cluäca), einer Ableitung von 1. cluere 'reini¬ geschlossener Raum mit Wasser’); im Deut¬
gen’. Wörtlich demnach der 'reinigende Kanal’; schen zunächst Wasserklosett (vgl. WC), dann
die übertragene Bedeutung 'unsauberer Ort’ Wegfall des Bestimmungsworts und häufige
dann, da ein solcher Kanal naturgemäß Unrat Kürzung zu Klo. Die Endbetonung von Klosett
führt. basiert auf einer Französisierung.
Zum Etymon s. lauter. Zum Etymon von e. water s. Wasser; zum Etymon von
e. closet s. Klausur. — G. Schoppe ZDW 15(1914),
Kloben m. Mhd. klobe 'gespaltener Stock zum
188; Ganz (1957), 114f.
Festhalten, Fessel’, ahd. klobo, as. fugalklobo
Kloß m. Mhd. klöz m./n., ahd. klöz, mndd.
'gespaltenes Holz zum Vogelfang’, as. klobo
klöt, mndl. cloot 'Klumpen usw.’ aus vor-d.
'Fußfessel’ aus g. *klubön m. 'Spalte’, auch in
*klauta-, das eine Entsprechung in russ. glüda
anord. klofi 'Felsspalte, Türfuge’, afr. klova
'Klumpen’ haben kann. Im weiteren zu den
'Kluft’; Substantivbildung zu klieben 'spalten’
Wörtern für 'Klumpen, Knäuel, Kugel usw.’,
(s. d.).
die voreinzelsprachl. *gleu- voraussetzen und zu
Kloben m. 'Kuchen mit Rosinen’, ndd. Zu klof denen auch Klotz, Knäuel und vielleicht Klüngel
'Spalte’ gebildet (weil dieser Kuchen zusam¬ gehören.
mengeklappt wird, so daß er auf halber Höhe
Nndl. kloot, ne. cleat. S. Klotz, Klöten, Klüngel, Klut,
eine Spalte hat). Weiter zu klieben 'spalten’ Knäuel, Kugel. — G. Florin: Die Verbreitung einiger
(s. d.). Mehlspeisen und Gebäcknamen im deutschen Sprachge¬
klönen swV. 'reden’, nordd. Seit dem 18. Jh. biet (Gießen 1922).

belegt; Herkunft unklar. Kloster n. Mhd. klöster, ahd. klöstar, mndd.


Kloot m. 'Kugel, Ball’, ndd. Entsprechung zu klöster-, mndl. clooster. Wie afr. kläster früh
entlehnt aus ml. *clöstrum 'das Abgeschlossene’
Kloß (s. d.).
(1. claustrum, zu 1. claudere 'schließen’); ne.
Klöpfelsnächte PI. 'die drei letzten Donners¬
cloister setzt eine Variante *clostrium voraus,
tage vor Weihnachten’, sonder spracht. An die¬
die dem afrz. cloistre entspricht.
sen Tagen klopften die armen Leute und Kinder
S. Klausur ( + ).
mit einem Klöpfel 'Hämmerchen’ an die Türen
und heischten Gaben. Deshalb auch im 15. Jh. Klöten PI. 'Hoden’, vulg., reg. Zu ndd. klöt
Klopfan für 'Neujahrsspruch’. 'Hode’, eigentlich 'Kloß’, Entsprechung zu Kloß
(s. d.).
klopfen sw V. Mhd. klopfen, ahd. klopfön,
mndd. kloppen, mndl. cloppen. Lautmalendes Klotz m. Mhd. kloz m./n.; vergleichbar mit
Wort, entsprechend zu klappen, klippen und ae. clott. Entsprechung zu Kloß (s. d.) mit em-
klotzen 380 Kluppe

phatischer Verstärkung des Auslauts und da¬ den Vergleich mit air. glicc 'erfahren, einfalls¬
durch bedingter Vokalkürzung. reich, schlau’ (das allerdings nur voreinzel-
S. Kloß( + ). sprachl. *glkk- oder *glgg- gegenüber *glögg-
klotzen swV 'im großen Stil ausgeben’, ugs. für das Germanische voraussetzt). Semantisch
Herkunft im einzelnen unklar; wohl zu älterem könnte weiter an gr. glöchis 'Spitze’ (gr. glöches
(studentischem und vulgärem) klotzen 'schwere 'Ähren’, gr. glössa 'Zunge’, eigentlich 'Zungen¬
Bußen zahlen müssen’ (von Klötze als umgangs¬ spitze’, neben gr. glässa) angeknüpft werden,
sprachlicher Bedeutung für große Geldstücke?). vgl. 1. acütus 'schlau, scharfsinnig’, eigentlich
'geschärft, gespitzt’; aber die lautlichen Zusam¬
Klub m. Im 18. Jh. als eines der ersten Gesell¬
menhänge sind unregelmäßig. Die Frage der
schaftswörter Englands entlehnt aus ne. club,
Herkunft muß deshalb offen bleiben.
der Bezeichnung für eine geschlossene (Män-
Nndl. kloek. - J. Trier ZD 46(1932), 625-635; F.
ner)Gesellschaft. Mit der Nachahmung solcher
Scheidweiler ZDA 78 (1941), 184-233. Anders: E.
Gesellschaften nach Norddeutschland über¬
Piirainen: Germ. ’*fröö-’ und germ. ’*klök- (Helsinki
nommen, während im Süden (mit etwas ande¬ 1971).
ren Voraussetzungen) Kasino (s. d.) üblich ist
Klumpatsch m. 'Zeug’, ugs., nordd. Wohl zu¬
(etwa: Offizierskasino). Das englische Wort be¬
sammengezogen aus Klump(en) und Quatsch.
deutet eigentlich Keule’ (me. clibbe aus anord.
Auffällig ist die Nähe zu Gelump (schwäb.
klubba /.); der Zusammenhang ist umstritten
Glump), das einer ähnlichen Stilhöhe angehört.
(vielleicht zurückgehend auf die Sitte, Ladun¬
gen zu geschlossenen Vereinigungen durch Her¬ Klumpen m., auch Klumpe m. und (nordd.)
umsenden eines Kerbstockes, der gegebenen¬ Klump m. Ursprünglich nur niederdeutsch, erst
falls auch eine Keule sein konnte, vorzu¬ in neuerer Zeit auch hochdeutsch üblich. Vgl.
nehmen). mndd. klump(e) (auch 'Holzschuh’), mndl.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 59; W. Feldmann clompe (nndl. klomp). Lautsymbolisches Wort,
ZDW 13 (1911), 266f.; Stiven (1936), 33, 37; Ganz das von der Sippe von klimmen (s. d.) ausgegan¬
(1957), 114 f. gen sein kann.
Klucke /., s. Glucke. Klüngel m. 'Knäuel’, übertragen auf den 'ge¬
Kluft1/. 'Spalt’. Mhd. kluft, ahd. kluft, kluht, sellschaftlichen Filz’ (zuerst besonders in Köln
mndd. kluft (mndd. auch klucht) aus wg. *kluf- gebräuchlich). Mhd. klüngelin, ahd. klungilin;
ti-f. 'Spalt’, auch in ae. geclyft, ein //-Abstrak¬ Diminutiv zu ahd. klunga f. (neben dem auch
tum zu dem unter klieben behandelten starken ein Maskulinum möglich war). Entsprechend
anord. klungr 'Hagebutte’. Die Wörter können
Verb. Althochdeutsch bedeutet das gleiche Wort
zurückgeführt werden auf eine Entsprechung zu
auch Zange’, afr. kleft(e) ist 'Unterabteilung
ae. clingan 'sich zusammenziehen, schrumpeln’
eines Geschlechts’ (ähnlich auch im Niederlän¬
(ahd. selten klingan 'sich kräuseln’). Da dieses
dischen), alle ausgehend von der Bedeutung
Wort aber nicht weiter vergleichbar ist und an¬
'spalten’; ebenso Kluft (deichsei) nach dem ge¬
dererseits eine Grundlage *kleu-, voreinzel-
spaltenen Ansatzstück. Die im Mittelhochdeut¬
sprachl. *gleu-, häufiger in Wörtern dieser Be¬
schen bezeugte Bedeutung 'Gruft’ beruht wohl
deutung auftritt (s. Knäuel und Kloß), wäre
auf Einmischung von Gruft (s. d.) und Krypta
*kleug- mit Nasalierung denkbar, aus dem dann
(s. unter Grotte).
erst das starke Verb *kleng-a- 'sich zusammen¬
Ne. cleft. S. klieben ( + ).
ziehen’ entwickelt worden wäre.
Kluft2/. 'Gewand’, ugs. Seit dem 18. Jh. in S. Kloß (-t-).
der Studentensprache üblich; in diese gelangt
Klunker m.jf 'Quaste, Metallgehänge,
es aus dem Rotwelschen, wo seit dem 17. Jh.
Klümpchen’, reg. Erst neuhochdeutsch, vgl.
Kluft, Klifft 'Anzug’ bezeugt ist. Dieses über¬
mhd. klungeier f. Troddel’, mhd. glunke f. 'bau¬
nimmt das Wort über das Westjiddische aus
melnde Locke, mhd. glunkern 'baumeln,
hebr. cflippä(h) 'Schale’. Damit ist zu verglei¬
schlenkern . Die Bedeutung Klümpchen’ ist
chen, daß auch rotwelsch und umgangssprach¬
wohl eine Abwandlung von Klump(en) o. ä.
lich Schale 'Anzug’ bedeutet.
Die Bedeutungen Quaste, Gehänge usw.’ gehen
Littmann (1924), 57; E. Weißbrodt ZDPh 64(1939), wohl wie baumeln auf ein Lautbild zurück, das
305; Lokotsch (1975), 92; Wolf (1985), 172.
zu klinken, einer Variante zu klingen, gehört
klug Adj. Mhd. kluoc, übernommen aus (s. Klinke). Das Lautbild geht aus vom Klang
mndd. klök, mndl. cloec im 12. Jh. (mit inlau¬ baumelnder Gegenstände aus Metall, Glas u. ä.
tendem g, da das Hochdeutsche zu dieser Zeit Kluppe /. Klammer, Zange’, reg. Mhd.
kein intervokalisches k mehr besaß). Vorauszu¬ kluppe. Zu klieben spalten’ (s. d.) zunächst vom
setzen ist *klöka-, das aus *klökka- vereinfacht Einklemmen in nur teilweise gespaltenes Holz.
sein könnte. Die Geminate legt sich nahe durch Lühr (1988), 295.
Klus 381 Knan

Klus/. 'Engpaß’, schwz. Mhd. klus(e), mndl. knacken swV. Mhd. knacken, mndd. knaken.
klüse. Späte Entlehnung aus ml. clus, Variante Entsprechend als Substantive me. cnak, ne.
zu 1. clausa 'Abgeschlossenes’ (s. unter Klause). knack, nisl. knakkr, nhd. Knack 'Bruch, Krach’.
Die Bedeutung 'Engpaß’ bereits im lateinischen Mit Lautabwandlung mhd. knochen, ae. cno-
Wort. cian, ne. knock, anord. knoka. Lautmalende Bil¬
S. auch Klüse. dungen wie das ähnliche knicken, das aber leich¬
Klüse /. 'Öffnung für die Ankerkette’, fach- ter Anschluß findet. Vielleicht liegt deshalb eine
sprachig ndd. Übernommen aus nndl. kluis Abwandlung von knicken vor.
'enge Öffnung’, mndl. klüse, das entlehnt ist S. Knäckebrot, Knacker, Knacki, knacks, Knackwurst,
aus ml. clusa 'Abgeschlossenes’ (s. Klus und Knochen, k.o., Nuß1, Nacken. — Sommer (1977),
Klause). Gemeint war mit dem Wort zunächst 11-13.
der abgesonderte Raum und erst durch Met¬ Knacker m. (meist alter Knacker 'alter Mann,
onymie die Öffnung, die zu ihm führt. Geizhals’), ugs. Benennungsmotiv unklar. Viel¬
Klut m., auch Klüten m. 'Klumpen, Kloß’, leicht 'bei dem man die Knochen knacken hört’,
nordd. Mndd. klüt(e). Lautvariante zu Klöten also eine vulgäre Bezeichnung im Sinne von
und Kloß. 'Skelett’.
S. Kloß ( + ). S. knacken ( + ), Kracke.
Klüten m., s. Klut. Knacki m. 'Gefängnisinsasse’, vulg. Rot¬
Klüver m. 'dreieckiges Segel\ fachsprachl. Seit welsch nach knacken 'verhaften’ (vulgär nach
dem 18. Jh. bezeugt. Aus älterem nndl. kluiver, Läuse knacken = 'zerquetschen, knacken ma¬
das zu nndl. kluif 'Klaue’ gehört (so heißt auch chen’).
der Leitring, an dem das Segel führt). S. knacken ( + ).
knabbern swV. Bezeugt seit dem 18. Jh., ur¬ knacks Interj., Knacks m. Lautmalende Bil¬
sprünglich niederdeutsch, wo knabbeln da¬ dung zu knacken (s. d.).
nebensteht. Lautmalendes Wort wie knappem, Knackwurst /. 'Wurst, deren Haut beim Hin¬
knuppern u. ä. (vgl. auch nschw. knapra, nnorw. einbeißen knackt’. Seit dem 16. Jh. bezeugt,
knupra u. ä.). Vielleicht ursprünglich 'Knospen zuerst in Nürnberg.
ab weiden’ zu Knopf und ähnlichen Wörtern mit S. knacken ( + ).
der Bedeutung 'Knospe’; doch sind in diesem
Knagge /., auch Knaggen m. 'Holzverstär¬
Fall expressive Lautveränderungen anzu¬
kung, Winkelstück’, fachsprachl., ndd. Zu
nehmen.
mndd. knagge 'Knorren, Pflock’, entsprechend
S. knaupeln. — J. Trier: Jacob Grimm als Etymologe
(Münster 1964), 14f. me. knagge. Vielleicht Parallelbildung zu den
unter Knebel behandelten Wörtern.
Knabe m. Mhd. knabe, spahd. knabo 'Knabe,
Bursche, Diener’. Daneben steht (mit Intensiv- Knäkente /. (= Entenart), fachsprachl. Wohl
Gemination oder Assimilation von bn zu pp) lautmalend nach dem Ruf des Männchens.
Knappe, mhd. knappe, ahd. knappo ursprünglich Knall m. Erst neuhochdeutsche Bildung aus
mit gleicher Bedeutung, dann spezialisiert einer¬ mhd. (er-, ver-)knellen stV. 'knallen’; vgl. ae.
seits auf 'Edelknabe’, andererseits auf 'Berg¬ cnyll 'Glockenschlag’ (u. ä.). Keine klare Her¬
knappe’ (seit dem 14. Jh.). Außerhalb des Deut¬ kunftsmöglichkeit, vermutlich lautmalend.
schen vergleichen sich einerseits ae. cnafa, ne. Knall und Fall 'plötzlich’ bezieht sich ursprüng¬
knave, andererseits ae. cnapa, andl. knapo. We¬ lich auf Jagd und Krieg: Mit dem Schuß fallt
gen der nicht ganz durchsichtigen Lautverhält¬ der Getroffene. Knalleffekt ist der bei Feuer¬
nisse wird teilweise ein Substratwort angesetzt. werk und Vorführung mit einem Knall beglei¬
Denkbar ist auch ein Rückgriff auf lautlich tete Überraschungseffekt. Dann übertragen auf
entsprechende mundartliche Wörter, die zu andere Bereiche, zunächst auf die Malerei. Das
Knebel (s. d.) gehören und eine entsprechende Wort Knall wird auch auf Farbeindrücke über¬
Bedeutung haben. In diesem Fall würde (wie tragen, daher knallrot u. ä. Einen Knall haben
bei Stift, Bengel u. a.) eine Bezeichnung nach für 'verrückt sein’ ist von Berlin ausgegangen
dem Geschlechtsglied vorliegen. Vgl. das einmal
und meint wohl zunächst den Sprung in einer
in einer Variante belegte anord. knafa 'Knaben¬
Scheibe (die mit einem Knall zerbrochen ist).
liebe ausüben’. Ähnlich Knabenkraut nach den
S. Knüller.
hodenförmigen Wurzelknollen.
Nndl. knaap, ne. knave. — E. E. Müller JIDS (1968), Knan m., Knän m. 'Vater’, arch., hess. (be¬
129 — 146. Zu Knappe'. Lühr (1988), 274f. kannt vor allem durch Grimmelshausen). Aus
Knäckebrot n. Im 20. Jh. entlehnt aus nschw. mhd. g(e)nanne, genam(n)e 'Gleichnamiger'
knäckebröd 'Knackbrot’ nach dem knackenden wie entsprechend anord. nafni (bei dem die Vor¬
Geräusch beim Brechen oder Abbeißen. silbe ga- ausgefallen ist); vor allem als Anrede
S. knacken ( + ). an den Vater und Großvater gebraucht.
knapp 382 Knebelbart

knapp Adj. Im 16. Jh. aus dem Niederdeut¬ Knäuel m./n. Mhd. kniuwel m., dissimiliert
schen übernommen. Die weitere Herkunft ist aus kliuwelin n., ahd. kliuwili(n) n., kliuwil n.,
unklar. Man vermutet *ge-hnapp zu anord. Diminutiv zu ahd. kliuwa f. u. ä. 'Kugel,
hneppr 'eng5; aber das nordische Wort hat auch Knäuel’. Daneben as. kliuwin m. 'Klumpen,
regionale Varianten mit dem Anlaut kn-, so daß Bissen’, ae. cleowen m., cliwen m. mit (wohl
dieser unter Umständen alt ist. Vielleicht zu ebenfalls diminutivem) «-Suffix, das im Deut¬
den Wörtern für 'zusammendrücken’, die einen schen ebenfalls -el ergeben konnte, so daß die
Anlaut kn- aufweisen (s. kneipen). genaue Vorform unklar ist. Auf jeden Fall zu
S. auch knapsen. einer Grundlage g. *kleu-, vor-g. *gleu-, die
Knappe m., s. Knabe. etwa auch in mir. gib, glau 'Ball’, gr. gloutös m.
'Hinterbacken’, ai. gläu- m. 'Klumpen, Aus¬
knappen swV. 'schnappen, essen (auch ande¬
wuchs’ und Verwandtem vertreten ist.
res)’, reg. Erst neuhochdeutsch aus dem Nieder¬
Nndl. kluwen, ne. clew. S. Klicker, Kloß( + ), Klüngel.
ländischen übernommen. Ursprünglich wohl
eine Lautgebärde. Hierzu Knappsack 'Vorrats- Knauf m. Mhd. knouf, mndd. mndl. cnoop\
beutel’ schon seit dem 16. Jh. vielleicht auch anord. knypr(i) n. Zu bedeu¬
tungsähnlichen Wörtern für verdickte Gegen¬
knapsen swV. 'wegschneiden’, ugs. Lautma¬
stände mit Anlaut kn- vgl. Knolle (s. d.) und
lend wie knipsen. Die Bedeutung 'sparen, knau¬
besonders Knopf, Knüppel.
sern’ steht unter dem Einfluß von knapp (mit
der Vorstellung, daß man sich das Nötige ab¬ knaupeln swV. 'an etwas nagen, einen Knoten
schneidet). Vgl. Knicker, knipsen. zu lösen suchen’, md. Eigentlich 'nagen, knab¬
Knarre /., s. knarren. bern’ und zu der Gruppe laumalender Wörter
um knabbern (s. d.) zu stellen.
knarren swV. Mhd. knarren, gnarren. Laut-
nachahmend wie knurren (u. a.). Die Ableitung Knaus m., Knäuschen n., s. Knust.
Knarre bezeichnet zunächst ein Lärminstrument Knauser m., ugs. Seit dem 18. Jh. bezeugt, zu
('Ratsche’) und wird dann üblich als saloppe fnhd. knaus, mhd. knüz 'hochfahrend (u. a.)’.
Bezeichnung für das Gewehr. Die neuhochdeutsche Bedeutung wohl aus
S. knarzen, knirschen. 'hochfahrend gegenüber den Armen’. Die Her¬
knarzen swV., reg. Fnhd. knarsen, ebenfalls kunft des Wortes ist unklar.
lautmalende Abwandlung von knarren (mit dem Knaust m., s. Knust.
bei solchen Verben häufigen Suffix -z-[en], vgl. knautschen swV. 'zusammendrücken’, ugs.
ächzen u. ä.). Bezeugt seit dem 18. Jh.; Lautvariante zu knut¬
Knast m. 'Gefängnis’, ugs. Kommt über das schen (s. d.), vielleicht Umsetzung ins Hoch¬
Rotwelsche aus dem Westjiddischen (knass deutsche von einer niederdeutschen Form mit
Geldstrafe’, wjidd. (ver)knassen 'bestrafen’ aus Langvokal. Weiter zu den Wörtern für 'zusam¬
hebr. cfnäs 'Geldstrafe’). mendrücken’ mit dem Anlaut kn- (s. kneipen).
Lokotsch (1975), 84. Knebel m. Mhd. knebel, ahd. knebil, as. kne-
Knaster m. 'übelriechender Tabak’, ugs. In vil, mndd. knevel für verschiedene Ausprägun¬
der Studentensprache abgesunken, ursprüng¬ gen von kurzen, schmalen Hölzern; entspre¬
lich (um 1700) ein Wort für feinen Tabak, der chend anord. kneßll 'Querstange’, so daß g.
in Rohrkörbchen (span, canastro aus gr. käna- *knabila- m. 'Knebel’ erschlossen werden kann.
stron n., zu gr. känna f. 'Rohr’, vermutlich se¬ Im Germanischen treten mehrere vergleichbare
mitischer Herkunft; das gleiche Wort in Kani¬ (aber regional beschränkte) Formen auf, s. etwa
ster, s. d.) versandt wurde. Deshalb K(a)naster- Knabe. Außergermanisch läßt sich allenfalls un¬
tobak und nach holländischem Vorbild gekürzt ter Annahme eines Schwebeablauts *genebh-
Knaster. und einer Variante *gombh- (aus *gon-bh-) Ver¬
S. Kanal ( + ). - Palmer (1939), 73-75. gleichbares finden in lit. gembe f. 'Haken, Wald¬
Knatsch m. 'Ärger’, reg. Auch knatschen 'nör¬ pflock’ und gr. gömphos 'hölzerner Pflock, Na¬
geln, weinerlich sein’, knatschig 'quengelig’. Re¬ gel , doch wird letzteres üblicherweise zu der
gional in vielfältigen Abwandlungen bezeugt, Sippe von Kamm (s. d.) gezogen. Das Ganze ist
die aul einen lautmalenden Ausgangspunkt hin- also reichlich unsicher.
weisen. Ursprünglich ist wohl der Laut gemeint, Nndl. knevel. S. Knabe, Knebelbart. Vgl. Knagge.
der beim Zerdrücken oder Zerteten von etwas Knebelbart m., arch. Bezeugt seit dem 16.
Weichem entsteht; damit zum weiteren Umfeld
Jh. In entsprechender Bedeutung afr. kanep,
von knutschen (s. d.).
k(e)nep, ae. cenep, anord. kampr 'Schnurrbart’.
knattern swV. Bezeugt seit dem 17. Jh., etwas Herkunft und Art des Zusammenhangs mit
früher Geknetter. Lautnachahmend wie knittern Knebel (s. d.) sind unklar.
(s. d.). Trier (1925), 86.
Knecht 383 Kniff

Knecht m. Mhd. ahd. as. kneht 'Jüngling kneten swV. Mhd. kneten stV., ahd. knetan,
(u. ä.) aus wg. *knehta- m. 'Jüngling (usw.)’, knedan, as. knedan aus wg. *kned-a- stV. 'kne¬
auch in afr. kniucht, kriecht, ae. cniht. Herkunft ten’, auch in ae. cnedan. Die ältere Stammbil¬
unklar. dung zeigt wohl das tiefstufige aschw. knodha.
Nndl. knecht, ne. knight. Außergermanisch vergleicht sich apreuß. gnode
Kneif m. 'kurzes gekrümmtes Messer’, arch., 'Knetmulde’, akslav. gnesti 'drücken, be¬
fachsprachl., reg. Fnhd. kneif, vergleichbar drücken’. Zu den lautsymbolischen Bildungen
anord. knifr, spae. criif (wohl aus dem Nordi¬ der Bedeutung 'zusammendrücken’ mit Anlaut
schen entlehnt). Daneben mit Ablautvariation kn- (s. unter kneipen).
Kneip aus mndd. knip, kmf. Herkunft unklar. Nndl. kneden, ne. knead, nschw. knäda.
Vielleicht als 'zusammengekrümmt’ zu den Knick m. 'Hecke, Zaun’, nordd. Die Hecken
Wörtern für 'zusammendrücken’ mit dem An¬ heißen danach, daß sie (ursprünglich) alle drei
laut kn- (vgl. kneipen). Jahre geknickt wurden, um sie in ihrer Form
und Dichte zu halten.
kneifen stV. Erst seit dem 16. Jh. hochsprach¬
S. knicken (+).
lich, um diese Zeit übernommen aus ndd. knipen
(s. unter kneipen). Die Bedeutung 'sich drücken’ knicken swV. In spätmittelhochdeutscher Zeit
wohl aus 'den Schwanz einkneifen’. übernommen aus ndd. knikken, das mit ne. knick
S. Kneifer, kneipen ( + ), Kniff. — Kretschmer (1969), vergleichbar ist. Weiter entfernt sind anord.
297-299. kneikja 'drücken, biegen u. ä.’. Offenbar also
eine der Bildungen mit der Bedeutung 'zusam¬
Kneifer m. 'Augenglas’. Älter Nasenkneifer
mendrücken’ und dem Anlaut kn-. Die jüngeren
(oder der Mundart entsprechend Kniper). Wie
Bedeutungen sind aber deutlich lautnach¬
Klemmer und südd. Zwicker eine Lehnprägung
ahmend und haben vielleicht zu einer Abwand¬
zu frz. pince-nez gleicher Bedeutung.
lung in knacken geführt.
S. kneifen (+).
S. Knick, Knicker, knickerig, Knicks. Vgl. knacken,
Kneip m., s. Kneif. kneipen.

Kneipe /., ugs. Seit dem 18. Jh. zunächst als Knicker m. 'Geizhals’, ugs. Dazu knickig,
Kneipschenke, dann in Studentenkreisen ver¬ knick(e)rig u. ä. Nach älterem knicken 'abzwak-
kürzt zu Kneipe. Vermutlich ist wie bei Quetsche ken, sparen’ (vgl. knapsen).
und ähnlichen Wörtern eine Schenke gemeint, Dazu auch knickerig.
in der man eng zusammengedrückt sitzen muß. Knickerbocker PI. (= eine Hose mit Bünd¬
Damit zu kneipen (s. d.). chen unterhalb des Knies). Entlehnt aus gleich¬
F. Kluge ZDW 3(1902), 114-121; O. Ladendorf bedeutend ne. knickerbockers, so benannt nach
ZDW 3 (1902), 362-366; Kluge (1912), 1-19; A. dem Eigennamen Knickerbocker aus dem Ro¬
Meiche MVSV 6(1912), 84-94, 173f. man History of New York von W. Irving.
kneipen stV./swV., reg. Im 15. Jh. aus mndd. Knicks m. Älter auch Knick, zu knicken (s. d.)
knipen stV. übernommen und dann weitgehend in der Bedeutung 'die Knie einknicken’, d. h.
durch die ins Hochdeutsche übertragene Form eine höfliche Verbeugung oder einen angedeute¬
kneifen ersetzt. Außergermanisch entspricht lit. ten Kniefall machen. Die Bildungen auf -s sind
gnyhti 'kneifen’, doch liegen letztlich lautsym¬ regional und umgangssprachlich.
bolische Folgen zugrunde; wie Ausdrücke für
Knie n. Mhd. knie, ahd. as. knio aus g. *kne-
'zusammendrücken u. ä.’ mehrfach mit der wa- n. 'Knie’, auch in anord. kne, ae. cneo,
Folge kn- beginnen (knapp, knautschen/knut¬ afr. km, kne; gotisch nur indirekt in knussjan
schen, kneten, knuddeln, knüllen sowie, stärker 'knien’. Dieses ist in die «-Deklination überge¬
lautnachahmend, knacken/knicken, knapsen führt aus ig. *genu- n. 'Knie’, auch in heth.
und vielleicht noch anderes). Ein weiterer Zu¬ genu-, ganu- 'Knie, Geschlechtsteil, Geschlecht’
sammenhang mit den Wörtern für verdickte ('Geschlechtsteil’ wie im Akkadischen, aber
Gegenstände (s. unter Knolle) ist denkbar. vielleicht ursprünglich als 'Schenkelbeuge’), ai.
S. kneifen, Kneif, Kneifer, Kneipe, kneten, Kniff. Vgl. jänu, toch. A. *kanwe, toch. B. keni, gr. göny
knicken. 'Knie, Gelenk’, 1. genu.
kneippen swV. 'eine Kur nach Kneipp ma¬ Nndl. knie, ne. knee, nschw. knä, nisl. knje. S. diagonal,
chen’, fachsprachl. Nach dem Begründer des Knochen (+).

Verfahrens, Pfarrer Sebastian Kneipp (19. Jh.). Kniekehle /. Mhd. kniekel gehört zu Kehle2
Knete /. 'Geld’, ugs. Eigentlich 'Knetmasse’; (s. d.) als 'Einbuchtung, Rinne am Knie’.
die Übertragung wohl deshalb, weil man Geld Kniff m. Die heutige Bedeutung 'Kunstgriff’
häufig längere Zeit in der Hand hält. Es ist aber stammt aus der Studentensprache; vorher ist
auch eine Variation von Kitt o. ä. denkbar. das Wort negativer ('Gaunertrick’) und bezeich-
Knigge 384 Knolle

net offenbar zunächst das Zinken von Spielkar¬ Schallnachahmende Bildung mit Vokalvaria¬
ten mittels Einkneifen (also von kneifen abgelei¬ tion zu knattern. Übertragen: 'kleine Falten be¬
tet); entsprechend mndd. knepe. kommen’ (bei Papier, Stoff usw.), vom Ge¬
S. kneipen ( + ). räusch der Behandlung, die diese Falten hervor¬
Knigge m. 'Buch mit Verhaltensregeln’, son- ruft.
dersprachl. Nach dem Buch Über den Umgang knobeln swV. 'würfeln’. Seit dem 19. Jh. be¬
mit Menschen von A. Freiherr von Knigge, das zeugt, älter knöcheln (vgl. auch mhd. würfelbein
vor allem als Zitat weithin bekannt wurde. 'Würfel’); offenbar von dem Würfeln mit Kno¬
Knilch m. '(unangenehmer) Kerl’, ugs. Her¬ chen (seit der Antike üblich und noch lange
kunft unklar. Zeit volkstümlich) zu Knobel u. ä., mundart¬
licher Ausdruck für 'Fingerknöchel’, mhd. knü-
knipsen swV, ugs. Seit dem 17. Jh. bezeugt,
bel, spahd. knobel, knovel, aus *knuwila- zu
zuerst in der Bedeutung 'zupfen, zausen’; zu
Knochen (s. d.) und Knöchel (s. d.).
Knips 'Schnippchen’ und der Interjektion knips.
S. auch Knopf.
Lautmalend, und in der heutigen Bedeutung
wohl von kneipen beeinflußt (vgl. knapsen). Die Knoblauch m. Mhd. knobelouch, älter klobe-
Bedeutung 'fotografieren’ geht von der lautma¬ louch, ahd. klobalouh u. ä., as. kluflök; Kompo¬
lenden Bedeutung aus und bezieht sich auf das situm aus Lauch (s. d.) und *klubö 'Zehe’ in ae.
Geräusch von Auslöser und Verschluß der Ka¬ clufe (ne. clove), das zu klieben 'spalten’ (s. d.)
mera. gehört. Der Knoblauch ist also 'der in Zehen
gespaltene Lauch’. Dabei wird das erste / gegen
Knirps m., ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh. Nach
das zweite zu n dissimiliert. Der neue Anlaut
mundartlichen Formen zu schließen ist wohl
zeigt sich zuerst im 11. Jh., der alte bleibt beste¬
von *knürbes(-z) auszugehen. Gehört wohl als
hen bis ins 18. Jh.
expressive Bildung zu dem Umfeld von Knorpel
(s. d.). Nndl. knoßook. S. klieben (+) und Lauch.

Vgl. Knolle. - H. J. W. Kroes GRM 40 (1959), 87. Knöchel m. Mhd. knochel, knöchel, knuchel,
mndd. knokel, mndl. cnokel und me. knokil.
knirschen swV Mhd. in dem Abstraktum
Alte Diminutivbildung zu Knochen.
knirsunge, mndd. knirsen, knarsen, knersen\ fer¬
Nndl. knokke, ne. knuckle. S. Knochen ( + ), knobeln.
ner mhd. zerknürsen 'zerquetschen’. Ähnliche
- Silfwerbrand (1958), 147-151.
Lautmalereien sind nndl. knarsen, knersen,
knarsetanden 'mit den Zähnen knirschen’, sowie Knochen m. Mhd. knoche, mndd. knoke,
auf einfacherer Grundlage knirren (seit dem 16. knake; daneben anord. knüi 'Fingerknöchel’ aus
Jh.). *knüwön, mit unerweitertem *knu- neben einer
S. knarren und knurren. ^-Erweiterung. Die Wörter können zu ig. *genu-
'Knie’ gehören, vgl. gr. göny n. 'Knie, Gelenk,
knispeln swV. '(mit Fingernägeln o. ä.) ein
Knoten an Halmen’; die Erweiterung vielleicht
leises, helles Geräusch machen’, reg. Lautma¬
auch in gr. gnyx 'auf den Knien’. Nach Sommer
lend. Dazu Knispel m. 'lästiger Mensch’.
(s. u.) zu einer Schallwurzel, die das Knacken
knistern swV, Frequentativum zu einem älte¬ der Gelenke wiedergibt (s. knacken).
ren *knisten, das in mhd. knistunge 'Knirschen’
Nndl. knook, schw. (dial.) knoka. S. Knie, knobeln,
bezeugt ist. Lautmalend. Knöchel, Knoten. — L. Weisgerber RV 9 (1939),
Knittel m., s. Knüttel. 32 — 43; Silfwerbrand (1958), 147 — 151; Kretschmer
(1969), 299; H. Schüwer NW 17(1977), 115-123;
Knittelvers m., fachsprachl. Bezeugt seit dem
Sommer (1977), 115-123; Lühr (1988), 219f.
frühen 16. Jh., auch in der Form Klüppelvers,
Knittelversgen, als abschätzige Bezeichnung zu¬ Knocke/. 'Flachsbündel’, arch., fachsprachl.
nächst von spruchartigen Reimpaaren (auch la¬ Im 17. Jh. aufgenommen aus ndd. knocke,
teinischen), dann von einfachen Reimen, auch mndd. knucke, knocke 'FachsbündeF. Ver¬
lconinischen Hexametern, Kehrreimen u. a. Seit gleichbar ist me. knucche 'HeubündeF, ne.
Beginn des 18. Jhs. technische Bezeichnung der knitch Holzbündel’; dazu ae. (ge)cnycc m.
vierhebigen Reimpaare, wie sie vor allem Hans 'Band’. Außergermanisch vergleicht sich lit.
Sachs benutzte; in dieser Bedeutung ist der Aus¬ gniuzis m. 'Bündel, Handvoll’, so daß *gneug-
druck aufgewertet worden. Mit Knittel oder zugrundeliegen kann.
Klüppel sind offenbar die Reime gemeint, die Knödel m. Mhd. knödel n. Gehört zu den
groß wie Knüppel wirken, aber im einzelnen ist Ausdrücken für verdickte Gegenstände mit An¬
das Benennungsmotiv unklar. laut kn-, vgl. Knolle ( + ).
W. Feldmann ZDW 4(1903), 277-297. S. auch Nudel. - Kretschmer (1969), 291 -296.
knittern swV. Seit dem 17. Jh. bezeugt, über¬ Knolle /., Knollen m., reg. Mhd. knolle m.
nommen aus ndd. knittern, mndd. kneteren. Gehört zu den Wörtern für verdickte Gegen-
Knopf 385 knüllen

stände mit Anlaut kn-, vgl. Knauf (Knopf, knüp¬ von Knoten (s. d.); das ältere Wort ist dagegen
fen, Knüppel, Knopper, Knospe), Knödel, Knor¬ die niederdeutsche Form des Wortes Genosse
ren (Knorz, Knirps, Knorpel), Knösel, Knubbe, (s. d.), das in bestimmten Bereichen abgesunken
Knust, Knüttel. Ein weiterer Zusammenhang ist.
mit den Wörtern für 'zusammendrücken’ und
Knoten m. Mhd. knote, knode, ahd. knoto,
Anlaut kn- (s. kneipen) ist denkbar.
knodo, mndd. (geminiert) knutte, as. knotto
Knopf m. Mhd. ahd. Av?o/?/'Knorren, Knospe, 'Knoten an Fäden usw., Verdickung an Halmen
Knoten’. Gehört zu den Ausdrücken für ver¬ usw.’. Ebenfalls die geminierte Form zeigt ae.
dickte Gegenstände mit Anlaut kn-, vgl. cnotta (ne. knot), zu dem ae. cnyttan 'stricken’
Knolle (+); besonders nahe stehen knüpfen (ne. knit), ndd. knütten 'Netze knüpfen’ gehört.
(s. d.) und Knospe (s. d.) Die Bedeutungsnähe Als dritte Variante gehört hierher anord. knütr
von Knopf/knüpfen zu Knoten ließe auch einen 'Knoten’, anord. knüta f. 'Knöchel’; also neben¬
Anschluß an die Gruppe knobeln/Knochen/Kno¬ einander *knup-/knud-, *knut(t)- und *knüt-.
ten zu (s. d.). Vermutlich Erweiterungen zu ig. *genu- 'Knie’,
Nndl. knoop, ne. knob. S. Knöpße, Knopper, Knospe, vgl. gr. göny n. 'Knie, Gelenk, Knoten an Hal¬
knüpfen, Knüppel, Noppe, vorknöpfen. — H. Schüwer men’; entsprechend knobeln und Knochen/Knö¬
NW 17 (1977), 115-123; Lühr (1988), 287. chel.
Knöpfle PL, reg. Diminutivform zu Knopf S. Knopf, Knüttel. - H. Schüwer NW 17(1977),
(s. d.) für eine besondere Form von Teigwaren. 115-123. Anders: Lühr (1988), 28lf.

Knopper /. 'Gallapfel am jungen Kelch der Knöterich m., fachsprachl. Bezeugt seit dem
Eichel’, österr. Weiterbildung zu Knopf (s. d.). 18. Jh. So benannt wegen der knotigen Stengel¬
gelenke.
knorke (= Ausruf) 'vorzüglich’, ugs., berlin.
Herkunft unsicher. Know-how n. 'Spezialwissen’, sonder spracht.
Lasch (1928), 204; H. Kügler ZD 48 (1934), 738f. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
know-how (wörtlich: 'Wissen wie’), aus e. know
Knorpel m. Bezeugt seit dem 15. Jh. mit ver¬
'wissen’ (aus ae. cnäwon) und e. how 'wie’ (aus
schiedenen Vokalisierungen. Gemeint ist in er¬
ae. hü).
ster Linie der härtere Teil der Ohrmuschel. Ge¬
Knubbe/., Knubben m. 'Knorren’, reg. Im 17.
hört zu den Ausdrücken für verdickte Gegen¬
Jh. aus ndd. knubbe, mndd. knobbe übernom¬
stände mit Anlaut kn-. Näher verwandt sind
men. Dieses gehört zu den Ausdrücken für ver¬
wohl Knirps (s. d.) und Knorren (s. d.).
dickte Gegenstände mit Anlaut kn-, die unter
Knorren m., reg. Mhd. mndd. knorre. Ver¬
Knolle zusammengestellt sind.
wandt sind ahd. chniurlg 'muskulös’; nndl. knor,
H. Schüwer NW 17 (1977), 115-123.
ne. knar. Alles Bildungen mit der Bedeutung
knuddeln swV. 'zusammendrücken, umar¬
'verdickter Gegenstand’ und Anlaut kn-, vgl.
men’, reg. Gehört zu den Ausdrücken für 'zu¬
Knolle.
sammendrücken’ mit einem Anlaut kn-; vgl.
S. auch Knorpel, Knorz.
kneipen.
Knorz m., südd. Mhd. ahd. knorz 'Auswuchs,
knuffen swV. 'stoßen’, ugs. Im 18. Jh. aus
Knoten’. Näher verwandt mit Knorren (s. d.);
dem Niederdeutschen übernommen. Wohl laut¬
im übrigen eine der Büdungen zur Bezeichnung
symbolisch.
verdickter Gegenstände mit Anlaut kn-, vgl.
Knolle. knüll Adj. 'betrunken’, ugs., nordd., md. Aus
der Studentensprache. Vermutlich eine Rückbil¬
Knösel m. 'kleine Pfeife’, ndd., md. Gehört zu
dung zu knüllen (s. d.), wobei das Benennungs¬
den Ausdrücken für verdickte Gegenstände und
motiv aber unklar bleibt. Vgl. fnhd. knollicht
Anlaut kn-, vgl. Knolle.
trinken 'viel, haufenweise trinken’.
Knospe /. Bezeugt seit dem 16. Jh. In der O. Weise ZDW 5(1903), 256; H. Schröder ZDPh
heutigen Bedeutung hat es älteres Knopf (s. d.) 38 (1906), 523f.
ersetzt, das heute noch regional (süddeutsch) knüllen swV., meist zerknüllen, zusammen¬
gilt. Knospe ist offenbar eine Ableitung auf -s- knüllen '(Papier, Stoff) zusammendrücken’.
zu Knopf (oder einer einfacheren Form dieses Mhd. knüllen 'zusammendrücken, drücken,
Wortes) mit Umsprung von Labial und 5. Es prügeln u. a.’. Gehört zu den Ausdrücken für
gehört damit wie dieses zu den Wörtern für 'zusammendrücken’ mit einem Anlaut kn- (s.
verdickte Gegenstände mit Anlaut kn- (vgl. unter kneipen), doch haben sich wohl auch an¬
Knolle). dere Sippen (etwa knallen u. ä.) eingemischt, so
Knote m. 'plumper Mensch’, arch. Älter daß die älteren Bedeutungen z. T. untypisch
nordod. gnöte 'Handlungsdiener’. Schreibung sind. Vielleicht hierher knüll (s. d.) und Knüller
und jüngere Bedeutung sind offenbar beeinflußt (s. d.).
Knüller 386 Koben

Knüller m. 'etwas, das einschlägt’ (ursprüng¬ knutschen swV. 'derb liebkosen’, ugs. Als
lich von Zeitungsartikeln), ugs. Herkunft un¬ Wort bezeugt seit dem 13. Jh., zuerst mit der
klar. Wohl zu knüllen (s. d.), aber der Bedeu¬ Bedeutung 'zusammendrücken, quetschen’. Der
tungszusammenhang ist unklar ('mit Nachrich¬ Bedeutungswandel tritt auch bei verwandten
ten geknüllt voll’?). Möglicherweise statt dessen Wörtern ein (knüllen, knutzen u. a.), bleibt dort
zu knallen (knellen, knillen, s. Knall), vielleicht aber regional beschränkt. Gehört mit dem un¬
über das Westjiddische. mittelbar zugehörigen knautschen (s. d.) zu den
S. A. Wolf MS (1955), 283; R. Glunk ZDW 17 (1961), Wörtern mit der Bedeutung 'zusammen¬
122-124; M. Dietrich SD 17 (1973), 145f. drücken’ und Anlaut kn- (vgl. kneipen).
knüpfen swV. Mhd. knüpfen, ahd. knüpfen, S. Knatsch. - H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968),
mndd. knüppen. Denominativ zu Knopf (s. d.), 99-104.
also 'einen Knopf (‘Knoten’) machen’. Zu wei¬ Knüttel m., auch Knittel m., reg. Mhd.
teren Wörtern für verdickte Gegenstände mit knüt(t)el, ahd. knutil. Das Wort geht wohl aus
Anlaut kn- s. unter Knolle. von Knoten (s. d.) als 'Knotenstock’, wird dann
Knüppel m. Seit dem 15. Jh. für älteres (mhd.) aber in den Bereich der Wörter für verdickte
knüpfet. Daneben md. ndd. klüppel, obd. klüpfel Gegenstände mit Anlaut kn- (vgl. Knolle) gezo¬
(das formal zu klopfen [s. d.] gestellt werden gen und wechselt mit Knüppel und Klüppel.
kann). Die beiden Formen gehen leicht ineinan¬ ko- Präfix, s. kon-,
der über (vgl. etwa Knittelvers). Knüppel gehört
k.o. 'niedergeschlagen, müde’, ugs. Im 20.
zu Knopf in der Bedeutung 'Astknorren’, ist
Jh. entlehnt aus ne. knock out 'kampfunfähig
also eigentlich ein 'Knotenstock’. Zum weiteren
schlagen’.
s. Knopf. In der Fachsprache der Forstwirt¬
Zum Etymon von e. knock s. knacken; zum Etymon
schaft ist Knüppel das auf bestimmte Länge
von e. out s. aus.
geschnittene Rundholz. Ein Knüppeldamm (seit
dem 16. Jh.) ist ein mit solchen Hölzern gelegter Koala m. (= ein Beuteltier mit wolligem
Weg (in einem Moor o. ä.). Pelz), fachsprachl. Entlehnt aus einer australi¬
schen Eingeborenensprache.
knurren swV. Seit dem 16. Jh. bezeugt. Laut¬
malend wie knarren (s. d.) und knirschen (s. d.). Koalition/. 'Verbindung, Vereinigung’. Im 18.
O. Hauschild ZDW 12 (1910), 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. coalition,
dieses aus ne. coalition (dass.), aus spl. coalitus
Knurrhahn m.,fachsprachl. Ein Nordseefisch,
m. 'Verbindung, Vereinigung’, zu 1. coalescere
der, wenn er an die Luft kommt, die Kiemen¬
(coalitum) 'sich vereinigen, zusammenwach¬
deckelknochen aneinander reibt und damit
knurrt ('Triglia hirundo’); auch ein anderer sen’, zu 1. alesco 'heranwachsen, gedeihen’ (s.
knurrender Fisch ('Cottus scorpius’); nachdeu¬ kon-), zu 1. alere 'nähren, ernähren’.
tend übertragen auf mürrische Menschen. Das Etymologisch verwandt: s. Alimente. - Ganz (1957),
117.
Wort ist bezeugt seit dem 18. Jh.
knuspern swV. Bezeugt seit dem 18. Jh., ur¬ Kobalt n.)(m.), fachsprachl. Bezeugt seit dem
sprünglich niederdeutsch. Lautmalend wie 16. Jh. als kobolt, kobelt, latinisiert cobaltum n.
knabbern und andere Wörter dieser Art (gnas- Es handelt sich eigentlich um das Wort Kobold
pern und die unter knabbern genannten). Viel¬ (s. d.), das die Bergleute dem für sie wertlosen
leicht ursprünglich zu Knospe als 'Knospen ab¬ Metall beilegten (nach der Sage wird dieses
weiden’; doch sind in diesem Fall expressive Material von dem Bergmännchen an die Stelle
Lautveränderungen anzunehmen. des von ihm gestohlenen Silbers gebracht).
Trier (1964), 14f. Vgl. zur Sache: Quarz. — E. Göpfert: Die Bergmanns¬
sprache in der Sarepta des Johann Mathesius (Stra߬
Knust m., auch Knaust m., Knaus m. (KMäus¬
burg 1902); K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 377;
chen n.) 'Brotende’, reg. Daneben die Bedeu¬
Lüschen (1968), 98f„ 104f„ 254.
tung 'Knorren, Astansatz’, gemeint ist ur¬
sprünglich das angebackene Brotende, wodurch Kobel m. 'Nest des Eichhörnchens, Kleintier¬
sich der Vergleich nahelegt. Zu den Ausdrücken stall’, südd. Gehört zu Koben (s. d.) als Diminu-
für verdickte Gegenstände mit Anlaut kn- (vgl. tivum oder mit Ersatz von -en durch -el.
Knolle). Koben m. 'Schweinestalf. Mhd. kobe; dane¬
D. Berger NJ 76(1953), 44-63; W. Mitzka ZM ben Kofen m. aus mndd. kove(n), kave(n). Zu¬
23 (1955), 43-45.
grunde liegt g. *kubön m. 'Gemach, Stall’, auch
Knute /. Im 17. Jh. entlehnt aus russ. knut in anord. kofi 'Hütte, Verschlag’, ae. cöfa 'Ge¬
m. 'Knotenpeitsche’, das seinerseits aus anord. mach ; eine abweichende Weiterbildung dersel¬
knütr m. 'Knoten’ entlehnt ist. Das Femininum ben Grundlage ist ahd. kubisi 'Hütte’. Lautlich
aus der Kürzung von Knutpeitsche. vergleichbar ist ein gr. Glossenwort gype f.
Wiek (1939), 33f. unterirdische Wohnung’; Zusammenhang und
Kober 387 Koffer

alles weitere unklar. Abweichende Erweiterun¬ gangspunkt hunn. *kukur derselben Bedeutung
gen derselben Grundlage könnten vorliegen in vermutet wird.
Wörter auf -t, wie ne. cot 'Hütte’ und Ver¬ S. auch Koker.
wandtem. Koda/. 'Schlußteil (eines musikalischen Sat¬
Ne. cove, nisl. kofl. S. Kobel, Kober, Kobold ( + ). — zes)’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend
J. Knobloch SW 5 (1980), 185-192.
it. coda (wörtlich: 'Schwanz’), dieses aus 1. cauda
Kober m. 'Korb, Fischreuse’, reg. Sprnhd. ko- 'Schwanz’.
ber 'Korb, Tasche’. Vergleichbar sind ohne r Koddcr1 m. 'Schleim, Auswurf’, nordd. Zu
nndl. kub(be) 'Fischreuse’, fnhd. koben 'Aal¬ mndd. koder 'Auswurf, Rotz’ unklarer Her¬
fan gkasten’. Vielleicht zur gleichen Grundlage kunft. Hierzu kodderig 'übel, vorlaut’ und
wie Koben (s. d.). Auch hier entsprechen Varian¬ mndd. kod(d)er(e)n 'sich übergeben’.
ten mit t, etwa ae. cyt-wer 'Fischreuse’.
Kodder2 m. 'Lappen, Scheuertuch’, nordd.
Kobold m. Mhd. kobold (mit Betonung auf Herkunft unklar. Hierzu koddern 'Wäsche wa¬
der ersten oder der zweiten Silbe); als Variante schen’.
mehrfach oppold. Im Altenglischen wird 1. Lares
Kode m. 'konventionalisiertes Verständi¬
PL, penätes (also 'Hausgeister’) mit cöf-godas
gungs-System’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt
wiedergegeben; deshalb wird der erste Bestand¬
aus gleichbedeutend ne. code und frz. code, die
teil wohl das unter Koben (s. d.) behandelte
zurückgehen auf 1. cödex 'Verzeichnis, Ur¬
Wort sein. Der zweite Bestandteil könnte -wald
kunde, Hausbuch’.
sein (vgl. Herold); wahrscheinlicher ist aber,
Morphologisch zugehörig: Kodifikation, Kodex. —
mit Rücksicht auf Unhold und mhd. die guoten
Schirmer (1911), 40.
holden 'Hausgeister’, die Annahme eines -hold
Koden m. 'Unterkinn, Wamme’, s. Koder.
(*-hulpa-). Das Wort bezeichnete früher auch
ein Metgetränk (wegen dessen heimtückischer Koder m., auch Köderl n. (österr.), Koden
Wirkung?). m. (ndd.) 'Unterkinn, Wamme’, reg. Mndd.
S. Kobalt, Koben (+) und Kobolz. - P. Kretschmer kod(d)er, kader. Im Prinzip vergleichbar sind 1.
ZVS 55 (1928), 87f. Anders: Schröder (1906), guttur n. 'Kehle’, heth. kuttar n. r/n-Stamm
157-169. 'Partie unter dem Hals und über der Brust beim
Kobolz m. 'Purzelbaum’, nordd. Gilt als Ent¬ Menschen’ (als *guetr/n [o. ä., der Vokalismus
wicklung aus Kobold (s. d.), doch ist nndl. kop- ist nicht klar]); doch ist die Übereinstimmung
je-buitelen, auch einfaches buitelen gleicher Be¬ kaum ausreichend, um eine so alte Vorform zu
deutung, zu beachten. Allerdings ist buitelen postulieren.
etymologisch unklar; so daß die Zusammen¬ R. Lühr in: Meid (1987), 71 —73.
hänge insgesamt undurchsichtig sind. Hat frz. Köder m. Mhd. querder, ahd. querdar (mit
culbuter (das allerdings wörtlich 'Hintern-Sto¬ dissimilatorischem Schwund der ersten r und
ßen’ bedeutet) eingewirkt? que- zu ko- im Neuhochdeutschen). Setzt vor-d.
Anders: Schröder (1906), 157—169. *kwer-pra- m. 'Köder’ voraus, das mit Instru¬
mentalsuffix von ig. *guerd- 'verschlingen’ ge¬
Koch1 m. Mhd. koch, ahd. koh, as. kok ist
bildet ist, also 'Mittel zum Verschlingen’. Das
früh entlehnt aus spl. coco (älter 1. coquus zu 1.
Grundwort im Germanischen nur in ae. acwor-
coquere 'kochen’) (s. unter kochen).
ren 'betrunken, übersättigt’, sonst in ai. giräti,
Koch2 n. 'Brei’, bair.-österr. Mhd. koch. Ablei¬ gr. (Perfekt) bebröka, akslav. pozreti, lit. gerti
tung aus kochen (s. d.). 'trinken’, I. voräre 'verschlingen’. Morpholo¬
kochem Adj. 'schlau’, vulg. Gaunersprachlich gisch entspricht gr. deletron n. 'Köder’ zu der
aus wjidd. kochem; dieses aus hebr. häkäm Parallelwurzel *gueh- 'verschlingen’.
'weise’. Kochemer Loschen 'die Sprache (zu S. Kragen, Kropf. — Kluge (1926), 49f.
hebr. läsön ‘Zunge’) der Schlauen, der Einge¬
Kodex m., s. Kode.
weihten’ ist die Gaunersprache.
Koeffizient m. 'konstanter Faktor vor einer
S. ausgekocht.
veränderlichen Größe, kennzeichnende Größe’,
kochen swV. Mhd. kochen, ahd. kohhön, s. Effekt und kon-,
mndd. koken, mndl. coken ist wie afr. kokia
Kofel m. 'mit Wald bedeckte Bergkuppe’,
früh entlehnt aus 1. coquere 'kochen’.
bair. Mhd. kofel. Herkunft unklar.
S. ausgekocht, Koch112, Küche, kulinarisch ( + ). -
J. Schatz in: FS Kluge (1926), 125f.
Kretschmer (1969), 300f.; Wolf (1985), 176f.
Koffein n., s. Kaffee.
Köcher m. Mhd. kocher, ahd. kohhar, kohhäri,
andl. cocar; entsprechend ae. cocer und außer¬ Koffer m. Seit dem 14. Jh. in der Bedeutung
germanisch mgr. koükouron n., ml. cucura f. 'Kiste, Truhe’ bezeugt. Entlehnt aus frz. coffre
u. a. Offenbar ein Lehnwort, als dessen Aus¬ 'Lade, Koffer’, das aus 1. cophinus 'Weiden-
Kog 388 Koinzidenz

korb’, dieses aus gr. köphinos unklarer Her¬ 'schwarz’ mit der übertragenen Bedeutung
kunft. 'Lüge’. Zu beachten ist rhein. Kappes reden
Lokotsch (1975), 98; Jones (1976), 210f 'dumm herausschwätzen’ zu Kappes 'Kohl’,
Kog m. 'hohes Land vor dem Deich’, dann wohl eine Bedeutungsentlehnung.
'eingedeichtes Land’, ndd. Entlehnt aus nndl. Vgl. verkohlen. - E. Weißbrodt ZDPh 64 (1939), 306;
kaag (mndl. cooch, afr. käch aus *kauga-) un¬ Wolf (1985), 178.
klarer Herkunft. Kohldampf m., ugs. Aus der Soldatensprache,
Kogel m. 'Berg’, siidd. Möglicherweise mit
in die es aus dem Rotwelschen gelangt ist. Dort
ist Kolldampf seit dem 19. Jh. bezeugt. Sowohl
Kugel (s. d.) zusammenzustellen. Sonst unklar.
Dampf wie auch Köhler bedeuten gaunersprach¬
J. Schatz in: FS Kluge (1926), 125f.; Valtavuo (1957),
88-90. lich 'Hunger’. Die Herkunft des Wortes Köhler
ist unklar.
Kogge /. 'dickbauchiges Schiff’, ndd. Mndd.
Günther (1919), 115f.; E. Weißbrodt ZDPh 64 (1939),
kogge m., ahd. kocko m. Entlehnt aus afrz. 305f.; S. A. Wolf MS (1954), 363; Wolf (1985), 178.
coque m. 'Schiff’.
Kohle/. Mhd. kol m./n., ahd. kolo m., kol n.,
Kognak m. 'Weinbrand’. Entlehnt aus gleich¬ mndd. kol(e), kale, mndl. cole aus g. *kula- n.
bedeutend frz. cognac, so benannt nach der (*kulön m.) 'Kohle’, auch in anord. kol«., ae.
französischen Stadt Cognac. cöl n., afr. kole. Im Gotischen dafür hauri (zu
Kognition /. 'Denken, Gedanken’, fach- anord. hyrr m. 'Feuer’). Dazu anord. kola
sprachl. Entlehnt aus 1. cögnitio (-önis) 'Ken¬ 'Tranlampe’, alem. cholle 'glimmen’. Das Wort
nenlernen, Erkennen, Kenntnis’, einer Ablei¬ bezeichnet ursprünglich, wie das air. güal m.
tung von 1. cögnöscere (cögnitum) 'kennenler¬ (*geu-lo-) die Holzkohle. Vielleicht gehört wei¬
nen, erkennen’, zu 1. (g)nöscere (dass.) (s. auch ter dazu arm. krak 'Feuer, glühende Kohlen’
kon-). (aus *gu-rä-). Weitere Herkunft unklar. Hierzu
Morphologisch zugehörig: kognitiv, kognitivistisch: Köhler, mhd. koler 'Kohlenbrenner’.
etymologisch verwandt: s. Notiz. Nndl. kool, ne. coal, nschw. nisl. kol. S. Kohlmeise. -
Löschen (1968), 255.
Kohabitation /. 'Geschlechtsverkehr’, fach-
spraclrl. Entlehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. Kohlensäure/. Hier steht Kohlen- wie in einer
cohabitätio (wörtlich: 'Zusammenwohnen’), zu Reihe anderer moderner Wörter für das Ele¬
1. habitäre 'bewohnen’ (s. auch kon-), einem ment Kohlenstoff. Kohlensäure ist in Wasser ge¬
Frequentativum zu 1. habere 'haben’. löstes Kohlendioxyd. Es ist bekannt als die Ursa¬
Morphologisch zugehörig: kohabitieren; etymologisch
che des Perlens im Mineralwasser.
verwandt: s. habilitieren. Köhler m., s. Kohle.
kohärent Adj. 'zusammenpassend, zusam¬ Kohlmeise /, Kohlrabe m. Aus Meise bzw.
menhängend’, sonder spracht. Entlehnt aus Rabe und Kohle (wegen der — teilweise —
gleichbedeutend 1. cohaerens (-entis), dem schwarzen Farbe).
PPräs. von 1. cohaerere (cohaesum) 'Zusammen¬ Kohlrabi m. Im 17. Jh. eingedeutscht aus it.
hängen, verbunden sein’, zu 1. haerere ‘kleben, cavolo rapa (PI. cavoli rape) (zu den Bestandtei¬
hangen, stecken) (s. auch kon-). len s. Kohl1 und Rübe): Die Eindeutschung ist
Morphologisch zugehörig: Kohärenz, kohärieren, Ko¬ noch stärker in südd. Kohlrabe. Die Form Kohl¬
häsion, kohäsiv; etymologisch verwandt: inhärent. rübe hat sich weitgehend in der Bedeutung ab¬
Kohäsion /., s. kohärent. gesetzt und bezeichnet die Steckrübe. Die
Pflanze war schon im Mittelalter in Deutsch¬
Kohl1 m. {= eine Gemüsepflanze). Mhd. ahd.
land angebaut worden — die 1. Bezeichnung
köl, auch köla f. ist wie ae. cawel, caul, anord.
räva caulis ist noch erhalten in nndl. raapkool,
käl n. früh entlehnt aus I. caulis, das eigentlich
sächs. Rübenkohl, schwz. Rüebechöl.
'Stengel’ bedeutet, in später Zeit aber auch eine Kretschmer (1969), 301 -303.
Kohlsorte ('Stengelkohl’) bezeichnet (die übli¬
Kohorte/, 'militärische Einheit, die dem zehn¬
che Bezeichnung für 'Kohl’ ist 1. brassica /.).
ten Teil einer Legion entspricht’, fachsprachl.
Die Nebenform as. köli, ahd. köli, kal, mhd.
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cohors (-ortis)
koel(e), obd. Köhl war früher eine gleichbedeu¬
(wörtlich: 'eingezäunter Ort, Hofraum’).
tende Variante, bezeichnet heute aber speziell
Etymologisch verwandt: s. Kurtisane.
den Krauskohl oder Wirsing.
S. Kohlrabi. — A. Teepe-Wurmbach WF 13 (1960), Koinzidenz / 'Zusammentreffen’, sonder-
151-168; B. Reitz DWEB 4 (1964), 471 —628. sprachl. Neubildung zu ml. coincidere 'Zusam¬
mentreffen, zusammenfallen’, zu 1. incidere
Kohl2 m. 'Unsinn’, ugs. Als Wort der Gauner¬
trelfen, stürzen (s. auch kon-), zu 1. cadere
sprache bezeugt seit dem 18. Jh., wie auch das
'fallen, sinken’ (s. auch in-).
Verbum kohlen 'lügen, beschwatzen’. Herkunft
Morphologisch zugehörig: koinzident; etymologisch
unklar; nach Wolf (s. u.) zu zigeuner. kälo verwandt: s. Chance.
Koitus 389 Kollaborateur

Koitus m. 'Beischlaf’, fachsprachl. Entlehnt Kokotte/. 'vornehme Prostituierte’, s. kokett.


aus gleichbedeutend 1. coitus (wörtlich: 'Zusam¬ Koks* m. 'kohlenstoffreicher Brennstoff’. Im
mengehen, Zusammentreffen’), zu 1. coTre 'Zu¬ 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. cokes,
sammengehen, Zusammentreffen’, zu 1. tre 'ge¬ der Pluralform von e. coke 'Kohle’, dessen wei¬
hen’ (s. auch kon-). tere Herkunft nicht mit letzter Sicherheit ge¬
Morphologisch zugehörig: kodieren’, etymologisch ver¬ klärt ist.
wandt: s. Abitur.
Ganz (1957), 118.
Koje/., ugs., fachsprachl. Mhd. kouwe, mndd.
Koks2 m. 'Kokain’, ugs., sondersprachl. Ver¬
koje. Wie Käfig (s. d.) und Kaue (s. d.) entlehnt
hüllende Abkürzung von Kokain, in der Gau¬
aus 1. cavea 'Verschlag’. Koje ist eine niederdeut¬
nersprache entstanden.
sche Form, die sich auf die Bezeichnung der
Kajüte spezialisiert hat. Koks3 m., auch Gocks m. u. ä. 'steifer Hut’,
ugs. Herkunft unklar. Vielleicht aus wjidd. gag
S. auch Kebse.
'Dach’ mit umgangssprachlicher Weiterbildung.
Kojote m. 'Präriewolf’. Entlehnt aus gleichbe¬
deutend span, coyote, dieses aus Aztekisch kol- Präfix, s. kon-.
coyotl (dass.). Kolben m. Mhd. kolbe, ahd. kolbo, mndd.
Kokain n. ( — ein Betäubungs- und Rausch¬ kolve; ähnlich anord. kylfa f. 'Keule’ (*kulbjön)
mittel). Neubildung zu Koka, der Bezeichnung neben anord. kölfr 'Pflanzenknollen, Glocken¬
des Strauchs, in dessen Blättern der Stoff ent¬ klöppel’. Wie die nordischen Wörter zeigen, ist
halten ist, dieses aus gleichbedeutend span, coca von 'mit einer Kugel, einem Klumpen, versehen’
/., dieses aus Ketschua cuca, coca (dass.). auszugehen, zu einem im Deutschen nicht be¬
wahrten Wort für 'Klumpen, Kugel’ (vgl. Keule
Kokarde/. 'Hoheitszeichen’, fachsprachl. Ent¬
und Kugel). Ursprünglich also eine Entspre¬
lehnt aus gleichbedeutend frz. cocarde (wört¬
chung zu Keule, dann auf verschiedene Anwen¬
lich: 'Bandschleife’), zu afrz. coquard 'eitel’, zu
dungsbereiche ausgeweitet.
afrz. coq m. 'Hahn’.
Kolchose/. 'landwirtschaftliche Produktions¬
kokeln swV, s. gokeln.
gemeinschaft’, sondersprachl. Entlehnt aus
Koker m. 'Öffnung im Schiffsdeck für die gleichbedeutend russ. kolchöz m., dieses aus
Ankerkette’, fachsprachl. Niederdeutsche Form russ. kol(lektivnoe)choz(jajstvo) n. 'Kollektiv¬
von Köcher (s. d.). wirtschaft’.
kokett Adj. 'gefallsüchtig’. Im 18. Jh. entlehnt Kolibri m. (= ein sehr kleiner, akrobatisch
aus gleichbedeutend frz. coquet (wörtlich: 'hah- fliegender Vogel), fachsprachl. Entlehnt aus
nenhaft’), einer Ableitung von frz. coq 'Hahn’, gleichbedeutend frz. colibri, das wohl aus der
das wohl lautnachahmenden Ursprungs ist. Karibik stammt.
Morphologisch zugehörig: Kokette, Koketterie’, etymo¬ R. Loewe ZVS 61 (1933), 77-83.
logisch verwandt: Cockpit, Cocktail, Kokotte. — W.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 61; Brunt (1983), 212f. Kolik /. 'krampfartige Leibschmerzen’, fach¬
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Kokolores m. 'Unsinn, Getue’, ugs. Das Wort
ml. colica, dieses aus gr. kolikös 'zum Leib gehö¬
stammt wohl aus der Überlieferung, in der zum
rig’, zu gr. kölon n. 'Glied, Leib’.
Anschein der Gelehrsamkeit pseudo-lateinische
Etymologisch verwandt: [Kolibakterie], [Kolon], Se¬
Wörter gebraucht werden; so etwa in engli¬
mikolon.
schem Kontext cockalorum für 'Hahn’, dann
für 'Feuer’ und anderes (ZW 27[1917], 136). Kolk m. 'Strudel im Wasser, Höhlung am
Vermutlich ist ein solches Wort (mit späterer Flußufer’, fachsprachl. Mndd. kolk, kulk, auch
Umgestaltung) stellvertretend für diese Form afr. kolk 'Grube, Loch’. In allgemeineren Be¬
des eitlen Prahlens geworden und dann verallge¬ deutungen ('Erdloch’) wohl zu Kuhle (s. d.) ge¬
hörig. Die Bedeutung 'Strudel’ ist wohl von
meinert worden.
dem lautmalenden kolken 'rülpsen, gurgeln
Kokon m. (= Gespinst von Insekten), fach¬
(u. ä.)’ beeinflußt. Die Einzelheiten bleiben un¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. co-
klar.
con, dieses aus prov. coucon 'Eierschale’. So
Kluge (1911), 471.
bezeichnet nach der entsprechenden Funktion
Kolkrabe m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Wohl
der Umhüllung.
nach dem Laut, den der Vogel von sich gibt
Kokosnuß /. (= Frucht der Kokospalme).
(kolk).
Entlehnt aus dem Plural von gleichbedeutend
S. Rabe( + ). — Suolahti (1909), 177; G. H. Mahlow
frz. coco m., dieses aus port. coco m. (dass.,
WS 12(1929), 47-56.
auch: 'Hirnschale’), vermutlich aus 1. coccum n.
'Kern, Beere’, aus gr. kökkos m. 'Kern von Kollaborateur m. 'jmd., der mit dem Gegner
zusammenarbeitet’, sondersprachl. Im 20. Jh.
Früchten’.
Kollaps 390 Koloratur

entlehnt aus gleichbedeutend frz. collaborateur, co/lum n. 'Hals’). Die Bedeutung geht über von
einem Nomen agentis zu frz. collaborer 'mitar- einem Teil der Rüstung zu einem Kleidungs¬
beiten’, dies über frühromanische Zwischenstu¬ stück, dessen Funktion und Aussehen sich im
fen zu 1. labor 'Mühe, Arbeit’ (s. auch kon-). Laufe der Zeit wandelt.
Morphologisch zugehörig: Kollaboration, Kollabora¬ S. dekolletiert (4-), Kollier.
tor,Kollaborator, kollaborieren', etymologisch ver¬
kollern1 swV. (= Laut des Truthahns). Seit
wandt: s. Labor.
dem 17. Jh. bezeugt und lautmalender Her¬
Kollaps m. 'Schwächeanfalf, fachsprachl. kunft.
Entlehnt aus gleichbedeutend ml. collapsus, die¬
kollern2 swV. 'kugeln’, s. Kuller.
ses zu 1. colläbi 'in sich zusammensinken, zu-
sammenbrechen’, zu 1. läbi 'sinken, gleiten’ (s. kollidieren swV. 'zusammenstoßen’, s. Kolli¬
auch kon-). sion.
Morphologisch zugehörig: kollabieren', etymologisch Kollier n. 'wertvolle Halskette’. Im 19. Jh.
verwandt: s. labil. entlehnt aus gleichbedeutend frz. collier m., die¬
Kollege m. 'Mitarbeiter’. Im 16. Jh. entlehnt ses aus 1. colläre 'Halsband’, einer Ableitung
aus gleichbedeutend 1. collega (wörtlich: 'Amts¬ von 1. collum 'Hals’.
genosse'), zu 1. legäre 'eine gesetzliche Verfü¬ Etymologisch verwandt: s. dekolletiert, Koller1.
gung treffen, jmd. zu jmd. schicken’ (s. kon-), Kollision /. 'Zusammenstoß’. Im 16. Jh. ent¬
einer Ableitung von 1. lex (-egis) f. 'Gesetzes¬ lehnt aus gleichbedeutend 1. collisio (-önis),
vorschlag, Antrag, Regel, Vorschrift’ (s. legal). einer Ableitung von 1. collidere 'zusammen¬
Die römische Republik hatte als Grundsatz der schlagen, Zusammenstößen’, zu 1. laedere 'ver¬
Verfassungsordnung, daß öffentliche Ämter mit letzen, versehren, beschädigen’ (s. kon-).
mehreren gleichberechtigten Personen zu beset¬ Morphologisch zugehörig: kollidieren', etymologisch
zen seien, wodurch man sich eine Beschränkung verwandt: lädieren. - W. Feldmann ZDW % (1906/
der Macht von Einzelpersonen versprach (z. B. 07), 59.
das kollegiale Doppelkonsulat). Später dann Kolloquium n. 'fachliches (Prüfungs)Ge-
Verallgemeinerung der Bedeutung. spräch’, sonder spracht. Entlehnt aus 1. Collo¬
Morphologisch zugehörig: Kolleg, kollegial, Kollegiali¬ quium 'Unterredung, Gespräch, Geplauder’,
tät, Kollegial, Kollegium', etymologisch verwandt: s.
einer Ableitung von 1. colloquVsich besprechen,
analog. - Zu Kollegium: W. Feldmann ZDIVH (1906/
unterhandeln’, zu 1. loquT 'sprechen’ (s. auch
07), 59; A. Götze (1929), 17.
kon-).
Kollekte/. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. co/lecta Morphologisch zugehörig: kolloquial, Kolloquialismus',
'Beisteuer, Geldsammlung’, gleicher Herkunft etymologisch verwandt: s. eloquent.
wie Kollektion (s. d.).
Kolonie/, 'auswärtige Ländereien (usw.)’. Im
Kollektion /. 'Sammlung, Zusammenstel¬ 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. colönia,
lung’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend einer Ableitung von I. colönus m. 'Ansiedler,
frz. collection, dieses aus 1. collectio (-önis) 'das Bebauer’, zu 1. colere (cultum) 'bebauen, pfle¬
Aufsammeln, die Ansammlung’, einer Ablei¬ gen , das mit 1. collum n. 'Hals’ verwandt ist.
tung von 1. colligere (collectum) 'zusammenle¬ Morphologisch zugehörig: kolonial, Kolonialismus, Ko¬
sen, sammeln, aufsammeln’, zu 1. legere 'aufle¬ lonialist, Kolonisation, Kolonisator, Kolonist', etymolo¬
sen, lesen, sammeln’ (s. kon-). gisch verwandt: s. dekolletiert. - W. Feldmann ZD W
Morphologisch zugehörig: Kollekte, Kollektiv (usw.), 8 (1906/07), 59; Ganz (1957), 118.
Kollektivismus, Kollektivist, Kollektivität, Kollektivum, Kolonne/, 'lange Anreihung (von Fahrzeugen
Kollektor; etymologisch verwandt: s. analog. - Schir¬
usw.). Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
mer (1911), 100.
frz. colonne (auch: 'Säule, senkrechte Reihe’),
Koller1 m. 'Wut’, ugs. Mhd. kolre, ahd. koloro dieses aus 1. columna 'Säule’.
Zorn, Bauchweh’. Entlehnt aus spl. cholera f Etymologisch verwandt: Kolumne. - Brunt (1983)
(vgl. frz. coleref. 'Wut’), das ursprünglich 'Gal¬ 198.
lenbrechruhr’ bedeutet (s. unter Cholera)', dann
Kolophonium n. (= ein Harz zum Bestreichen
aber nach der mittelalterlichen Medizin und
von Instrumentenbögen), fachsprachl. Im 17.
Temperamentenlehre (und Rückanschluß an gr.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Colophönius
chole f. Galle; Haß, Zorn’) umgedeutet wird
m., dieses aus gr. Kolophonios 'aus Kolophon’,
(s. auch Choleriker und Cholera).
dem Adjektiv zu gr. Kolophon, dem Namen
Heyne (1899/1903), III, 192.
einer Stadt in Kleinasien. Das Harz ist demnach
Koller2 n. 'Wams’, arch. Mhd. kotier, ahd. nach seiner Herkunft benannt.
kollärim.' daneben mhd. kollier, gollier, das von
Koloratur/ 'Verzierung einer Melodie’, fach¬
afrz. collier beeinflußt ist. Direkt und indirekt sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus it. coloratura
entlehnt aus spl. collärium n. 'Halsschutz’ (zu 1. Verzierung, Ausschmückung, Farbgebung’,
Kolorit 391 Komitee

einer Ableitung von it. colorare 'färben, aus¬ 'vereinigen, (wörtlich: je zwei zusammenbrin¬
schmücken’, aus 1. colöräre (dass.), zu 1. color gen)’, zu 1. bim 'je zwei’ (s. auch bi- und kon-).
m. 'Farbe’. Dazu die Kurzform Combo als eine Bezeich¬
Morphologisch zugehörig: Koloratursopran, kolorie¬ nung für eine Gruppe von Musikern.
ren, Kolorismus; etymologisch verwandt: s. Kolorit. Morphologisch zugehörig: Kombi, Kombinat, kombina¬
Kolorit n. 'Farbgebung, Farbe’. Im 18. Jh. tiv, Kombinatorik, Kombine. — W. Feldmann ZDW
entlehnt aus gleichbedeutend it. colorilo m., 8 (1906/07), 59.
einer Ableitung von it. colorire 'färben, aus¬ Kombüse /. 'Schiffsküche’, fachsprachl. Aus
schmücken’, dieses aus 1. colöräre (dass.), zu 1. ndd. kambüse, nndl. kombuis, seit dem 18. Jh.
color m. 'Farbe’. für älteres mndd. kabus(e), mndl. cabuse 'Vor¬
Morphologisch zugehörig: Koloratur, Kolorismus, Ko¬ ratskammer’ (seit dem 15. Jh.). Für ndd. kabuus
lorist; zum Etymon s. hehlen. — W. Feldmann ZDW wird auch die Bedeutung 'Kernhaus’ angege¬
8 (1906/07), 59. ben, so daß sich eine Zusammensetzung mit
Koloß m. 'etwas Gewaltiges, Großes’. Im 16. -haus nahelegt. Das Vorderglied bleibt unklar.
Jh. entlehnt aus 1. colossus 'Riesenstatue, (insbe¬ Kabüse wird im Deutschen mit der Bedeutung
sondere:) die dem Sonnengott geweihte Statue 'Bretterverschlag (auf dem Schiff)’ gebräuch¬
auf der Insel Rhodos’, dieses aus gr. kolossös lich.
(dass.). S. Kabäuschen. — Schröder (1906), 28 — 31.
Morphologisch zugehörig: kolossal. — Littmann Komet m. (= ein Himmelskörper mit schweif¬
(1924), 13. artigem Fortsatz). Im Mittelhochdeutschen
kolportieren swV. 'Waren feilbieten, hausie¬ (mhd. comete) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
ren, Gerüchte verbreiten’, sonder sprach!. Im 19. cometa m./f, cometes, dieses aus gr. komStes
Jh. entlehnt aus frz. colporter 'herumtragen, (dass., auch: 'langhaarig’), zu gr. körne f. 'Haar,
Zusammentragen’, dieses aus 1. comportäre 'Zu¬ Mähne’. Der Himmelskörper ist somit in einem
sammentragen’, zu 1. portäre 'tragen’ (s. auch Vergleich mit einer wallenden Mähne nach sei¬
kon-). Die Umbildung von m zu / unter dem ner charakteristischen Form bezeichnet.
Einfluß der Nachdeutung 1. collo portäre 'am W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 59.
Hals tragen’ (gewissermaßen als Bauchladen). Komfort m. 'Bequemlichkeit, Luxus’. Im 19.
Morphologisch zugehörig: Kolportage, Kolporteur; ety¬ Jh. entlehnt aus ne. comfort 'Bequemlichkeit,
mologisch verwandt: s. Porto. Angenehmheit, (auch: Trost, Stärkung)’, dieses
Kolster m., s. Qualster. aus afrz. confort 'Trost, Stärkung’, einer Ablei¬
Kolter1 m./f 'gefütterte Steppdecke’, arch., tung von afrz. conforter 'stärken, trösten’, aus
südd. Mhd. kulter m.jn.jf. Entlehnt aus gleich¬ 1. cönfortäre 'kräftig stärken’, zu 1 fortis 'stark,
bedeutendem afrz. co(u)ltre, das seinerseits aus fest’ (s. auch kon-). Der Bedeutungswandel im
1. culcita f. 'Polster, Matratze’ stammt. Englischen erklärt sich als Übergang von 'Trost,
Stärkung’ zu 'Zustand des Getröstet- und Ge¬
Kretschmer (1969), 165.
stärktseins, d. h. angenehmer Zustand ohne
Kolter2 n./(m.) 'Pflugmesser’, arch., ndd. Schwäche und Leid’.
Mndd. (15. Jh.) kolter. Früh entlehnt aus 1. Morphologisch zugehörig: komfortabel; etymologisch
culter m., wohl über afrz. coltre. verwandt: s. Fort. — A. Gombert ZDW 3 (1902),
Vgl. Sech. - Frings (1932), 153f.; Kratz (1966), 35-55. 171 f.; Ganz (1957), 119f.; H. Mühlemann: Luxus und
Komfort (Bonn 1975).
Kolumne /. 'Spalte, Kolonne’, s. Kolonne.
komisch Adj. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. cömi-
kom- Präfix, s. kon-.
cus, wohl unter Einfluß von frz. comique, zu¬
Köm m. 'Kümmelschnaps’, ndd. Verkürzt aus
nächst im Sinne von 'zur Komödie gehörig’.
kommel 'Kümmel’. Das lateinische Wort stammt aus gr. kömikös
Koma n. 'Bewußtlosigkeit’, fachsprachl. Ent¬ 'zu einer Komödie gehörig’; Komödie (aus 1.
lehnt aus gr. köma 'tiefer Schlaf’. cömoedia, dieses aus gr. kömöidia 'komisches
Kombattant m. 'Kriegsteilnehmer, Mitkämp¬ Schauspiel’) gehört zu gr. kömöidös 'Sänger bei
fer’, arch., sondersprachl. Entlehnt aus gleichbe¬ einem kömos', ein gr. kömos ist ein 'Umzug
deutend frz. combattant, dem substantivierten bezechter Jugend’. Für die späteren Volksspra¬
PPräs. von frz. combattre 'kämpfen’, dieses zu chen wird der Begriff Komödie (s. d.) 'Lustspiel’
1. battuere 'schlagen’ (s. auch kon-). bestimmend, die ganze Wortfamilie aber in gro¬
Morphologisch zugehörig: kombattant; etymologisch ßem Umfang auch mit verallgemeinerter Bedeu¬
verwandt: s. Bataillon. tung ('lustig, wunderlich’ usw.’) verwendet.
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 189.
Kombination f. 'Verbindung’. Im 17. Jh. ent¬
lehnt aus gleichbedeutend spl. comblnätio (-önis), Komitee n. 'Ausschuß’. Im 18. Jh. entlehnt
einer Ableitung von 1. comblnäre (combinätum) aus gleichbedeutend frz. comite m., dieses aus
Komma 392 kommod

ne. committee (dass.), einer Ableitung von e. zu 1. comminlscT 'sich auf etwas besinnen, ersin¬
commit 'übertragen, anvertrauen’, dieses aus 1. nen’, das mit 1. mens 'Sinn’ verwandt ist.
committere (dass., wörtlich: 'zusammenbringen, Morphologisch zugehörig: Kommentar, Kommentator,
zusammenfügen’), zu 1. mittere (missum) 'schik- etymologisch verwandt: s. mental. — K.-H. Weinmann
ken, senden’ (s. kon-). DWEB 2(1963), 395.

Etymologisch verwandt: s. Mission. — Ganz (1957), Kommers m. 'feierliche Kneipe’, fachsprachl.


120f. Umbildung der Studentensprache aus d. Kom¬
Komma n. 'Beistrich’. Im 17. Jh. entlehnt aus merz 'Handel, kaufmännischer Verkehr’; s.
1. comma 'Einschnitt, Abschnitt, Zäsur’, dieses kommerziell. Zunächst allgemeine Bezeichnung
aus gr. kömma 'Schlag, Einschnitt’, einer Ablei¬ für 'Umtrieb’, dann Bedeutungsspezialisierung.
tung von gr. köptein 'schlagen, stoßen, ab- kommerziell Adj. 'zu Wirtschaft und Handel
schlagen’. gehörig, gewinnorientiert’. Französisierende
Etymologisch verwandt: Hippe1, Synkope. — W. Feld¬ Bildung des 19. Jhs. zu d. Kommerz 'Handel
mann ZDW 8 (1906/07), 59; E. Leser ZDW 15 (1914), und kaufmännischer Verkehr’, dieses aus frz.
38f.
commerce (dass.), aus 1. commercium (dass.), zu
kommandieren swV. 'befehlen’. Im 17. Jh. ent¬ 1. merx (-reis) 'Ware, Preis der Ware’ (s. auch
lehnt aus gleichbedeutend frz. commander, die¬ kon-).
ses aus spl. *commandare (dass.), zu 1. commen- Morphologisch zugehörig: Kommers; etymologisch
däre 'anvertrauen, übergeben’, zu 1. mandäre verwandt: s. Markt. — Schirmer (1911), 101.
(mandätum) 'übergeben, anvertrauen, beauf¬
Kommilitone m. 'Studienkollege’, sonder¬
tragen, Weisung geben’ (s. auch kon-), dieses sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. commllito
aus 1. manus 'Hand’ und 1. dare 'geben’. Im (-önis) 'Mitsoldat, Waffenbruder, Kriegsge¬
Spätlateinischen übernimmt das Wort die Be¬ fährte’, zu 1. milito (-önis) 'Kämpfer, Streiter’
deutung 'Weisung geben’ vom lateinischen
(s. auch kon-), zu 1. mtles (-litis) 'Soldat’.
Stammwort mandäre.
Etymologisch verwandt: s. Militär.
Morphologisch zugehörig: Kommandant, Kommandan¬
tur, Kommandeur, Kommanditär, Kommanditist, Kom¬ Kommiß m. 'Militär’, fachsprachl. Bezeugt
mando, Kommodore-, etymologisch verwandt: s. ma¬ seit dem 16. Jh., zunächst in der Bedeutung
nuell und Datum. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 'Heeresvorräte’ (als Femininum). Das Wort ist
59; W. J. Jones SN 51 (1979), 250f. gekürzt aus Kommission, das seinerseits aus 1.
kommen stV. Mhd. körnen, ahd. kuman, que- commissio (-önis) f. entlehnt ist. So wird zu¬
man, as. kuman aus g. *kwem-a- stV. 'kommen’, nächst der Auftrag an die Bevölkerung bezeich¬
auch in gt. qiman, anord. koma, ae. cuman, afr. net, Unterhaltsmittel für die Armee beizubrin¬
kuma, koma. Dieses aus einer ursprünglich wohl gen, dann der Vorrat selbst; speziell der Vorrat
schwundstufigen Bildung zu ig. *guem- in ai. an Brot (daher Kommißbrot für das beim Mili¬
gäcchati 'geht’, toch. A. B. käm- 'kommen’, gr. tär ausgegebene Brot). Das Kommißbrot steht
batnö 'ich gehe’, lit. gimti 'geboren werden, ent¬ stellvertretend für den Militärdienst, deshalb
stehen’ ('auf die Welt kommen’?), 1. venio 'ich Übergang von Kommiß zu 'Militär’ (wie bei
komme’. Barras, s. d.).
Nndl. körnen, ne. come, nschw. komma, nisl. koma. S. S. Mission (+). - G. Schoppe ZDW 15(1914), 189.
Advent ( + ), Basis ( + ), Auskunft, bekommen, bequem,
Kommissar m., s. Kommission.
Comeback, Kunft, niederkommen, Zukunft.

kommensurabel Adj. 'vergleichbar’, sonder- Kommission /. 'Gremium mit bestimmter


sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend spl. com- Aufgabe . Im 15. Jh. entlehnt aus 1. commissio
mensüräbilis, zu 1. commetm 'vergleichen, aus¬ (-önis) 'Vereinigung, Verbindung’, einer Ablei¬
messen’, zu 1. metlrVmesssen’ (s. auch kon-). tung von 1. committere (commissum) 'zusam¬
Etymologisch verwandt: s. Dimension. menlassen, zusammenbringen, anvertrauen’, zu
1. mittere 'laufen lassen, senden, schicken’ (s.
Komment m. 'Brauch, Regel’, sondersprachl.
auch kon-). Der Kommissar ist bezeichnungs¬
Neubildung zu frz. comment 'wie’, aus afrz. com
motivisch demnach 'ein mit der Erfüllung einer
(dass.), dieses über spätlateinische Zwischenstu¬ Aufgabe betrauter’.
fen aus 1. quömodo (dass.), zu 1. quö 'irgendwie’
Morphologisch zugehörig: Kommissär, Kommissariat,
und 1. modus 'Art und Weise’.
Kommissionär, Kommittend; etymologisch verwandt:
Etymologisch verwandt: s. Modus. s. Mission. - W. Feldmann ZDW 8(1906/07), 59;
kommentieren swV. 'mit Bemerkungen verse¬ Schirmer (1911), 102.
hen, erläutern’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ kommod Adj. 'bequem, angenehm’, österr. Im
deutend 1. commentäri, einem Frequentativum 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. com-
Kommode 393 kompatibel

mode, dieses aus 1. commodus (dass.), zu 1. modus 'Freudengelage, Belustigung, Fest, ausgelasse¬
'Art und Weise’ (s. auch kon-). ner Umzug’ und gr. öide, aoide 'Gesang’.
Morphologisch zugehörig: akkomodieren, inkommodie¬ Morphologisch zugehörig: Komödiant', etymologisch
ren, kommod, Kommode, Kommodität; etymologisch verwandt: s. komisch und Ode. — W. Feldmann ZDW
verwandt: s. Modus. - W. J. Jones SN 51 (1979), 251. 8(1906/07), 59.
Kommode /. (= ein mit Schubladen versehe¬ Kompagnon m. 'Gesellschafter, Begleiter’,
nes Möbelstück). Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬ sonderspracht. Im 16. Jh. entlehnt aus frz. com-
bedeutend frz. commode, einer Substantivierung pagnon 'Geselle, Genosse’, dieses aus spl. com-
von frz. commode 'angenehm, zweckmäßig’, panio (-onis) (dass.), zu 1. compäginäre 'sich
dieses aus 1. commodus (dass.), zu 1. modus m. vereinigen, sich zusammenschließen’, zu 1. com-
'Art und Weise’ (s. auch kon-). Offenkundig päges f. 'Verbindung’.
handelt es sich bei dem Wort um ein verselb¬ Morphologisch zugehörig: akkompagnieren, Kompa¬
ständigtes Attribut (etwa: „das angenehme, nie', etymologisch verwandt: s. Kumpan. — W. Feld¬

praktische Möbelstück“). mann ZDW 8 (1906/07), 59; Schirmer (1911), 102f.; F.


Helbling ZDW 14(1912/13), 24f„ 42, 75; H. D. Bork
Etymologisch verwandt: s. Modus. — Kretschmer ASNSL 217(1980), 1-16; H. Meier ASNSL
(1969), 303f.; Brunt (1983), 199f. 217(1980), 17-25.
Kommodore m., s. kommandieren. kompakt Adj. 'knapp, bündig, gedrungen’.
Kommune/. 'Gemeinde’, fachsprachl. Im Mit¬ Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
telhochdeutschen (mhd. commün[e] f./n.) ent¬ compact, dieses aus 1. compäctus (dass.), dem
lehnt aus gleichbedeutend afrz. commune, dieses PPP. von 1. compingere 'zusammenschlagen, zu¬
aus ml. communia (dass.), einer Substantivie¬ sammenfügen, drängen’, zu 1. pangere 'befesti¬
rung von 1. commünis 'gemeinsam, gewöhnlich’. gen, einschlagen’ (s. auch kon-).
Morphologisch zugehörig: kommun, kommunal, Kom¬ Etymologisch verwandt: s. Palisade. — K.-H. Wein¬
munarde, Kommunikation, Kommunion, Kommunique,
mann DWEB 2 (1963), 395.
Kommunismus, Kommunist, Kommunität', etymologisch Kompanie /., s. Kompagnon.
verwandt: s. gemein. — R. F. Arnold ZDW 8(1906/ komparabel Adj. 'vergleichbar’, sonder-
07), 13.
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. com-
Kommunikation /. 'sprachliche Verständi¬ paräbilis, zu I. comparäre 'gegenüberstellen,
gung, Unterhaltung’. Entlehnt aus gleichbedeu¬ gleichstellen’, zu 1. compär 'gleich’, zu 1. pär
tend 1. commünicätio (-önis), zu 1. commünicäre (dass.) (s. auch kon-).
'mitteilen, teilen, gemeinschaftlich machen’, zu Morphologisch zugehörig: Komparation, Komparatisl,
l. commünis 'gemeinschaftlich, allgemein, ge¬ Komparatistik, komparativ, Komparativ, Komparator,
meinsam’. etymologisch verwandt: s. Paar.
Morphologisch zugehörig: Kommunikant, kommunika¬ Komparativ m. 'Steigerungsstufe’, s. kom¬
tiv, Kommunique, kommunizieren; etymologisch ver¬ parabel.
wandt: s. Kommune. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Komparse m. 'nicht sprechende Nebenrolle
07), 59. im Theater (usw.)’, fachsprachl. Im 18. Jh. ent¬
Kommunion /. ( = Bezeichnung des Abend¬ lehnt aus gleichbedeutend it. comparsaf. (wört¬
mahls als Gemeinschaftsmahl in der katholi¬ lich: 'Erscheinen’), einer Ableitung von it. com-
schen Kirche), fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt parire 'erscheinen’, dieses aus 1. compärere
aus kirchen-1. commünio, ursprünglich 'Gemein¬ (dass.), zu 1. pärere 'erscheinen, sich zeigen’ (s.
schaft’ (s. Kommune). auch kon-).
Morphologisch zugehörig: kommunizieren-, etymolo¬ Morphologisch zugehörig: Komparserie; etymologisch
gisch verwandt: s. Kommune. verwandt: s. transparent.

Kommunique n. 'amtliche Mitteilung’, fach¬ Kompaß m. (= ein Gerät, mit dem auf mag¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. communique netischer Basis die Himmelsrichtungen be¬
m. 'Mitteilung’, zu frz. communiquer aus 1. com¬ stimmt werden können). Im 15. Jh. entlehnt
münicäre (s. Kommunikation).
aus it. compasso 'Zirkel, Magnetnadel’, einer
Ableitung von it. compassare 'rundherum ab¬
Kommunismus m. Im 19. Jh. als Schlagwort
schreiten’, zu 1. passus 'Schritt’ (s. auch kon-).
für 'staatliche Gütergemeinschaft’ gebildet zu 1. So bezeichnet nach der beweglichen Nadel bzw.
commünis 'gemeinsam’ (s. Kommune). Scheibe, die sich entsprechend der Himmels¬
kommutieren swV. 'umstellen, vertauschen , s. richtung ausrichtet.
mutieren und kon-. Etymologisch verwandt: s. passieren. — E. Öhmann
NPhM 41 (1940), 148.
Komödie/. 'Lustspiel’. Im Frühneuhochdeut¬
schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. cömoedia, kompatibel Adj. 'zusammenpassend, verträg¬
dieses aus gr. kömöidia (dass.), zu gr. kömos m. lich’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend
Kompendium 394 komponieren

ne. compatible, dieses aus afrz. compatible 'über¬ oder Jacke aus dem gleichen Stoff’, so benannt
einstimmend’, zu afrz. compatir 'übereinstim¬ als 'vollständiges Gewand’ (aus dem Französi¬
men', aus spl. compatior 'zugleich leiden, mitlei¬ schen) und Komplet f. 'Abend- oder Schlafgebet
den’, zu 1. patior 'dulden, erdulden’ (s. auch des Stundengebets’, so bezeichnet als 'vervoll¬
kon-). ständigendes, beendendes Gebet’ (aus dem La¬
Morphologisch zugehörig: Kompatibilität. teinischen).
Kompendium n. 'Abriß, kurzgefaßtes Lehr¬ Morphologisch zugehörig: kompletiv, komplettieren-,
etymologisch verwandt: s. Plenum. — W. J. Jones SN
buch’, sonder sprach!. Im 16. Jh. entlehnt aus 1.
51 (1979), 251.
compendium 'Abkürzung, Ersparnis, Profit’, zu
1. compendere 'abwägen’, zu 1. pendere 'wägen, komplex Adj. 'vielschichtig, umfassend’, son-
beurteilen’. dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. com-
Morphologisch zugehörig: kompendiarisch, kompen- plexus, dem PPP. von 1. complectl 'umschlingen,
diös; etymologisch verwandt: s. Pensum. — W. Feld¬ umfassen’, zu 1. plectere 'flechten, ineinander
mann ZDW 8 (1906/07), 59; G. Schoppe ZDW flechten’ (s. auch kon-).
15(1914), 189. Morphologisch zugehörig: Komplex, Komplexion,
Komplexität; etymologisch verwandt: s. Komplikation.
kompensieren swV. 'ausg\eichen,fachsprachl.
Im 16. Jh. entlehnt aus I. compensäre 'auswie¬ Komplikation /. 'Erschwerung, Verschlimme¬
gen, abwägen’, zu 1. pensäre 'abwägen, ausglei- rung’. Im 19. Jh. entlehnt aus 1. complicätio
chen’ (s. auch kon-), einem Intensivum zu 1. (-önis) (wörtlich: 'das Zusammen wickeln’),
pendere 'abwägen, beurteilen’. einer Ableitung von 1. complicäre 'verwickeln,
Morphologisch zugehörig: Kompensation, Kompensa¬ zusammenfalten, verwirren’, zu 1. plicäre 'falten,
tor, Kompensatorik; etymologisch verwandt: s. Pensum. wickeln’ (s. auch kon-), einem Intensivum zu 1.
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 59. plectere (plexumf 'flechten, ineinander fügen’.
Morphologisch zugehörig: komplizieren, kompliziert;
kompetent Adj. 'sachverständig, kundig’, son-
etymologisch verwandt: komplex (usw.), Komplize,
dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
multiplizieren (usw.), perplex, Plexiglas, Pflicht2, Plis¬
tend 1. competens (-entis), dem PPräs. von 1. see, Replik (usw.); zum Etymon s. flechten.
competere 'Zusammentreffen, etwas gemeinsam
Kompliment n. 'lobende Äußerung’. Im 17.
erstreben, zuständig fordern’, zu 1. petere 'be¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. compli-
gehren, zu erlangen suchen’ (s. auch kon-). Bei
ment m., dieses aus span, cumplimiento (dass.,
der Bedeutungsentwicklung liegt wohl eine
wörtlich: 'Fülle, Überfluß, Überschwang’),
Übertragung vor von 'bewerben’ über 'fähig
einer Ableitung von span, cumplir 'auffüllen,
sein für das Angestrebte’ hin zu 'kundig sein’.
erfüllen’, zu 1. complere 'vollmachen, ausfüllen’,
Morphologisch zugehörig: Kompetenz; etymologisch
zu 1. plenus 'voll’ (s. auch kon-). So bezeichnet
verwandt: s. Appetit. - Jones (1976), 219; W. J. Jones
SN 51 (1979), 251.
nach der Umständlichkeit und Wortfülle sol¬
cher Äußerungen.
kompilieren swV 'zusammenstellen, zusam¬ Etymologisch verwandt: s. Plenum. - Jones (1976),
menstoppeln’, sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt 219-221.
aus 1. compTläre 'plündern, enthaaren’, einem
Komplize m. 'Verbündeter’. Im 17. Jh. ent¬
Intensivum zu 1. piläre 'plündern, enthaaren’
lehnt aus gleichbedeutend frz. complice m./f,
(s. auch kon-), das zu 1. pilus 'Haar’ gehört
dieses aus spl. complex (-licis) (dass.), zu 1.
(Beurteilung des Vokalismus problematisch).
plectere (plexum) 'flechten, ineinander fügen’
Morphologisch zugehörig: Kompilation, Kompilator, (s. auch kon-). -
etymologisch verwandt: [Compiler], Filz, Komplott,
Etymologisch verwandt: s. Komplikation.
Pelle, Pelz, pflücken, Pille, Plüsch.
Komplott n. 'Verschwörung’. Im 18. Jh. ent¬
komplementär Adj. 'ergänzend’, fachsprachl.
lehnt aus gleichbedeutend frz. complot m. (älter:
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
'Häufung, Ansammlung in der Schlacht’),
complementaire, einer Ableitung von frz. com-
einem postverbalen Substantiv zu *compeloter
plement 'Ergänzung, Vervollständigung’, dieses
'zusammenknäueln’, zu afrz. pelote 'Kugel,
aus 1. complementum (dass.), einer Ableitung
Spielball’ (und afrz. con- 'mit, zuammen’), aus
von 1. complere 'vollmachen, ausfüllen’.
1. pila f. 'Ball, Spielball’, zu 1. pilus m. 'Haar,
Morphologisch zugehörig: Komplement, komplemen¬
Haarwuchs . Ein Komplott ist bezeichnungsmo¬
tieren-, etymologisch verwandt: s. Plenum, Kosinus.
tivisch demnach 'eine geheime Verbindung/Ver¬
Komplet «.//., s. komplett. abredung zu etwas Bösem’.
komplett Adj. 'vollständig, als Ganzes vor¬ Etymologisch verwandt: s. kompilieren. — W. Feld¬
handen . Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ mann ZDW 8 (1906/07), 59; Brunt (1983), 201.
tend frz. complet, dieses aus 1. completus (dass.), Komponente f., s. komponieren.
dem adjektivischen PPP. von 1. complere 'füllen, komponieren swV. 'zusammenstellen, kreie¬
vollmachen’. Dazu Komplet n. 'Kleid, Mantel ren . Im 16. Jh. entlehnt aus 1. compönere 'zu-
Kompositum 395 kondolieren

sammenstellen’, zu 1. pönere (pösitum) 'setzen, kompromittieren swV., s. Kompromiß.


stellen, legen’ (und al. com 'mit, zusammen’),
Komteß /. 'unverheiratete Gräfin’, südd. Im
zu al. po 'ab, weg’ und 1. sinere (situm) 'nieder¬
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. com-
lassen, niederlegen’.
tesse, einer Movierung von frz. comte m. 'Graf’,
Morphologisch zugehörig: Komponente, Komponist,
dieses aus 1. comes (-mitis) m. 'einer aus dem
Komposite, Kompositeur, Komposition, Kompositum,
Gefolge, Begleiter’, aus 1. Ire 'gehen’ und 1. com
Kompost, Kompott', etymologisch verwandt: s. Position.
- A. Gombert ZD W 3 (1902), 315; G. Schoppe ZDW 'mit’ (vgl. auch kon-).
15(1914), 189f. Morphologisch zugehörig: Comte; etymologisch ver¬
wandt: s. Abitur.
Kompositum n., s. komponieren.
kon- Präfix. Wortbildungselement mit der
Kompost m. 'Zersetzungsprodukt aus pflanz¬
Bedeutung 'zusammen mit’ (z. B. Kontext). Es
lichen Abfallen’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleich¬
wurde vornehmlich in lateinischen Entlehnun¬
bedeutend frz. compost, das über das Englische
gen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung
und frühromanische Zwischenstufen zurück¬
ist 1. con- (dass.). — Die Assimilationsformen
geht auf 1. compositum n. 'das Zusammenge¬
lauten: vor Labialen: kom- (z. B. Kombattant,
setzte, Zusammengestellte’, dem substantivier¬
Kommiß, komplex), vor /l/: kol- (z. B. Kollekte),
ten PPP. von 1. compönere 'zusammenstellen’,
vor Vokalen und h: ko- (z. B. Koexistenz, Ko¬
zu 1. pönere 'setzen, stellen’ (s. auch kon-; vgl.
operation, Kohorte) und vor /r/: kor- (z. B. kor¬
auch Kumst und Kompott).
relativ).
Morphologisch zugehörig: kompostieren', etymologisch
verwandt: s. Position. Kondemnation /. 'Verdammung, Verurtei¬
lung’, arch., sonder spracht. Entlehnt aus gleich¬
Kompott n. (= eine Speise aus gekochtem
bedeutend 1. condemnätio (-önis), zu 1. condem-
Obst). Im 18. Jh. entlehnt aus frz. compote f.
näre 'verurteilen, verdammen’, zu 1. damnäre
'Eingemachtes’, das über frühromanische Zwi¬
'verdammen, verurteilen, büßen lassen, büßen’
schenstufen zurückgeht auf 1. compönere 'zu¬
(s. auch kon-), zu 1. damnum n. 'Schaden, Buße’.
sammenstellen’, zu 1. pönere 'setzen, stellen’ (s.
auch kon-; vgl. auch Kumst und Kompost). Kondensator m., s. kondensieren.
Etymologisch verwandt: s. Position. — W. Feldmann kondensieren swV. 'verflüssigen, verdichten’,
ZDW 8 (1906/07), 60. fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. conden-
Kompresse /. 'Verband, Umschlag’, s. Kom¬ säre 'verdichten, zusammenpressen’, zu 1. den-
pression. sere 'verdichten’ (s. auch kon-), zu 1. densus
Kompression /. 'Zusammendrücken’, fach- 'dicht’.
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. com- Morphologisch zugehörig: Kondensat, Kondensation,
Kondensator, Kondensor.
pressio (-önis), zu 1. comprimere (compressum)
'zusammendrücken, niederdrücken’, zu 1. pre- Kondition/. 'Bedingung, Verfassung’, sonder-
mere 'drücken’ (s. auch kon-). sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Morphologisch zugehörig: kompreß, Kompresse, kom- 1. condicio (-önis), einer Ableitung von 1. condt-
pressibel, Kompressibilität, Kompressor, komprimieren', cere 'Übereinkommen, bestimmen’, zu 1. dicere
etymologisch verwandt: s. Presse. — W. Feldmann 'sprechen, sagen’ (s. auch kon-).
ZDW 8 (1906/07), 60. Morphologisch zugehörig: konditional, Konditionalis,
komprimieren swV, s. Kompression. Konditionalismus, konditionell, konditionieren, Kondi¬
tionismus; etymologisch verwandt: s. diktieren. —
Kompromiß m. 'Übereinkunft nach beidersei¬
Schirmer (1911), 103; G. Schoppe ZDW 15(1914),
tigem Nachgeben’. Im 15. Jh. entlehnt aus
189.
gleichbedeutend 1. comprömissum n., dem sub¬
Konditor m. 'Feinbäcker’. Im 17. Jh. entlehnt
stantivierten PPP. von 1. comprömittere 'Zusa¬
gen, sich der Entscheidung eines Schlichters zu aus 1. conditor 'jmd., der etwas schmackhaft
beugen; sich ein Versprechen geben’, zu 1. pro¬ macht’, einem Nomen agentis zu 1. condtre 'ent¬
mptere 'hervorgehen lassen, Zusagen, verspre¬ legen, anmachen, würzen’.
chen’ (s. auch kon-), zu 1. mittere 'laufen lassen, Littmann (1924), 87; K.-H. Weinmann DWEB
2(1963), 395; Kretschmer (1969), 304; Lokotsch
senden’ (s. auch pro-). Die Bedeutung 'bloßstel¬
(1975), 85.
len’ des entlehnten Verbs kompromittieren ent¬
steht im Französischen; ausgehend vom ur¬ kondolieren swV. 'das Beileid audrücken’. Im
sprünglichen 'einer Entscheidung ausliefern’ 17. Jh. entlehnt aus 1. condolere 'Mitgefühl bei
entwickelt sich 'dem Urteil anderer überlassen’, anderer Leid haben’, zu 1. dolere 'Schmerz emp¬
dann 'etwas Negatives bekanntgeben, um jmd. finden’ (s. auch kon-).
dem negativen Urteil anderer auszusetzen’. Morphologisch zugehörig: Kondolenz. — G. Schoppe
Etymologisch verwandt: s. Mission. ZDW 15 (1914), 189; Jones (1976), 224.
Kondom 396 Kongreß

Kondom n./m. 'Präservativ’. Entlehnt aus tend frz. confiserie, zu frz. confire 'zubereiten’,
gleichbedeutend ne. condom, dessen weitere aus 1. cönficere (dass.), zu 1. facere 'machen’ (s.
Herkunft nicht sicher geklärt ist. auch kon-).
Kondominium n. 'Mehrfachherrschaft’, s. Do¬ Morphologisch zugehörig: Konfiseur, etymologisch
mäne und kon-, verwandt: s. Fazit.

Kondor m. (= ein sehr großer Geier), fach- konfiszieren swV. 'beschlagnahmen’, s. Fiskus
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend span. und kon-,
condor, dieses aus Ketschua cuntur (dass.). Konfitüre /. 'feine Marmelade’, s. Konfekt.
Kondukteur m. 'Schaffner’, arch., schwz. Ent¬ Konflikt m. 'Zusammentreffen verschiedener
lehnt aus gleichbedeutend frz. conducteur (wört¬ Interessen (usw.)’. Im 18. Jh. entlehnt aus
lich: 'Leiter, Aufseher’), dieses aus 1. conductor gleichbedeutend 1. cönflictus m., einer Ableitung
'Mieter, Pächter, Unternehmer’, zu 1. condücere von 1. cönfiTgere (cönfiTctum) 'zusammenschla¬
'zusammenführen, mieten, pachten’, zu 1. dücere gen, Zusammenstößen’, zu 1. fltgere 'schlagen,
'führen’ (s. auch kon-). anschlagen’ (s. auch kon-).
Morphologisch zugehörig: Kondottiere, Konduite, Kon¬ W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 60.
dukt, Konduktor, etymologisch verwandt: s. Dusche.
Konföderation /. 'Staatenbund’, fachsprachl.
Konfekt n. 'Süßwaren’. Im 15. Jh. entlehnt
Entlehnt aus 1. cönfoederätio (-önis) 'Bündnis’,
aus ml. confectum 'Zubereitetes’, dem substanti¬ zu 1. cönfoederäre 'verbinden, durch ein Bündnis
vierten PPP. von 1. cönficere (confectum) 'ver¬ vereinigen’, zu 1. foederäre 'verbünden, durch
fertigen, ausführen’, zu 1. facere 'verfertigen,
ein Bündnis herstellen’ (s. auch kon-), zu 1.
machen’ (s. kon-). Zunächst gebraucht in der
foedus n. 'Bündnis’, zu 1. fidere 'trauen, ver¬
Apothekersprache für zubereitete Früchte, die trauen’.
zu Heilzwecken verzehrt wurden. Dann Verall¬
Morphologisch zugehörig: konföderieren, Konföde-
gemeinerung zu 'Gezuckertes’ und 'Süßwaren’.
rierte; etymologisch verwandt: s Föderalismus.
Bei den Konfetti handelt es sich ursprünglich
konform Adj. 'übereinstimmend, nicht abwei¬
um im Karneval ausgeteilte Süßwaren, die dann
allmählich von Gipsklümpchen und Papier¬ chend’, s. Form und ko-.
schnipseln abgelöst wurden. Konfrontation /., s. Front und kon-.
Morphologisch zugehörig: Konfektion, Konfektionär, konfus Adj. 'durcheinander, verworren’. Im
Konfektioneuse; etymologisch verwandt: s. Fazit. — 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. cönfüsus
Zu Konfitüre: Brunt (1983), 206.
(wörtlich: 'ineinandergegossen’), dem PPP. von
Konfektion /. 'vorgefertigte Kleidung, Anfer¬ 1. cönfundere 'zusammengießen, vermischen’, zu
tigung’, s. Konfekt. 1. fundere (füsum) 'gießen, fließen lassen’ (s.
Konferenz /. 'Besprechung, Tagung’. Im 16. auch kon-).
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. conferen- Morphologisch zugehörig: Konfusion; etymologisch
tia, einer Ableitung von 1. cönferre 'zusammen¬ verwandt: s. Fondue. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
bringen, vereinigen, mitteilen, austauschen’, zu 07), 60; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 190.
I .ferre 'tragen, bringen’ (s. auch kon-). kongenial Adj. 'gleichrangig’, sonder spracht
Etymologisch verwandt: s. Differenz. - W. Feldmann Neubildung zu genial (s. Genie) (s. auch kon-).
ZDW 8 (1906/07), 60; Jones (1976), 225.
Konglomerat n. 'sehr heterogenes Gemisch’,
Konfession f. 'religiöse Gemeinschaft, Be¬ fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
kenntnisbuch’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. cönfes- deutend frz. conglomerat m., einer Ableitung
sio (-önis) 'Eingeständnis, Bekenntnis’, einer von frz. conglomerer 'zusammenhäufen’, aus 1.
Ableitung von 1. cönfiter! (cönfessus sum) 'ein¬ conglomeräre (dass.), zu 1. glomeräre (glomerä-
gestehen, offenbaren’, zu 1. fiter! 'bekennen, tum) 'zu einem Knäuel zusammenballen, auf¬
gestehen’ (s. auch kon-), zu 1. für! 'sagen’. Die wickeln’ (s. auch kon-), zu 1. glomus 'Kloß,
Konfession ist bezeichnungsmotivisch demnach
Knäuel’, einer Nebenform von 1. globus m. 'Ku¬
der Glaube, zu dem man sich bekennt’. gel, ein runder Körper’.
Morphologisch zugehörig: Konfessionalismus, konfes¬
Etymologisch verwandt: s. Globus.
sionell-, etymologisch verwandt: s. diffamieren. - G.
Schoppe ZDW 15(1914), 190. Kongregation /., s. Aggregat und kon-,
Konfetti n. (= bunte Papierschnipsel), s. Kon¬ Kongreß m. 'Fachtagung, Zusammenkunft
fekt. von Interessenvertretern’. Im 17. Jh. entlehnt
Konfiguration f. 'Anordnung, Stellung’, s. Fi¬ aus gleichbedeutend 1. congressus, dem substan¬
gur und kon-, tivierten PPP. von I. congredi'zusammentreten,
Zusammenkommen’, zu 1. gradi 'schreiten’ (s.
Konfirmation /., s. Firma und kon-.
auch kon-).
Konfiserie /. '(Betrieb zur Herstellung von) Etymologisch verwandt: s. Aggression. — W. J. Jones
Süßwaren’, schwz. Entlehnt aus gleichbedeu¬ SN 51 (1979), 252.
kongruent 397 Konkordat

kongruent Adj. 'übereinstimmend’, fach- konjugieren swV. 'Verben flektieren’, fach¬


sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
gleichbedeutend 1. congruens (-entis), dem 1. coniugäre (wörtlich: 'verbinden, zusammenjo¬
PPräs. von 1. congruere 'übereinstimmen, Zu¬ chen’), zu 1. iugum 'Joch’ (s. auch kon-).
sammentreffen’. Morphologisch zugehörig: Konjugation; etymologisch
Morphologisch zugehörig: Kongruenz. — Schirmer verwandt: s. Konjunktion. — W. J. Jones SN 51 (1979),
(1912), 37f. 254f.
König m. Mhd. künic, künec, ahd. kuni(n)g, Konjunktion /. 'Verbindung(swort)’, fach¬
as. kuning aus wg. *kuninga- m. 'König’, auch sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
in ae. cyning; dazu mit Suffixablaut anord. 1. coniünctio (-önis), einer Ableitung von 1. con-
konungr 'König’; einen alten Lautstand bezeugt iungere 'zusammenbinden, verbinden’, zu 1. iun-
die Entlehnung kuningas im Finnischen. Dane¬ gere 'verbinden, vereinigen’ (s. auch kon-).
ben ae. cyne- (*kuni-) im Vorderglied von Morphologisch zugehörig: konjunktional, Konjunktor,
Komposita für 'königlich’, auch ahd. in Konjunktiv, Konjunktur (usw.); etymologisch verwandt:
kuni(ng)rlhhi n. 'Staatswesen, Reich’. Die Bil¬ Adjunkt, konjugieren (usw.), Junktim, Junta. — E. Le¬
ser ZDW 15(1914), 67; K.-H. Weinmann DWEB
dung ist parallel zu Edeling — anord. gölingr
2(1963), 395.
(dem Lautstand nach genauer: -ungr) zu Adel;
es liegt also wohl ein Wort zugrunde, das von Konjunktiv m. 'Möglichkeitsform’, fach¬
ähnlicher Bedeutung ist. Spuren von diesem sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. (mo-
sind einerseits erhalten in anord. (alls-)konar dus) coniünctlvus (wörtlich: 'der zur Verbindung
(Gen.) '(aller) Art’ (a- oder n-Stamm) und an¬ Dienliche’), zu 1. coniünctus 'verbunden, zusam¬
dererseits gt. kuni, ahd. as. kunni n.. ae. cynn n. menhängend’, dem PPP. von 1. coniungere 'zu¬
'Geschlecht’ aus *kun-ja- n. Hierzu anord. konr sammenknüpfen, verbinden’, zu 1. iungere 'ver¬
'edler Mann, Geschlechtsgenosse’. Morpholo¬ binden’ (s. auch kon-).
gisch vorauszusetzen ist entweder ein «-Stamm Morphologisch zugehörig: Konjunktor; etymologisch
verwandt: s. Konjunktion. — E. Leser ZDW 15 (1914),
(*kunön mit *kunen-ga-/kunun-ga-) oder ein
62.
Konsonantstamm (*kun- mit Suffix -Inga/
unga-), keine dieser Formen ist bezeugt; *kunja- Konjunktur /. 'Lage der Wirtschaft’, fach¬
kann aus morphologischen Gründen nicht die sprachl. Neubildung zu 1. coniungere 'zusam¬
unmittelbare Grundlage sein. Auf jeden Fall menknüpfen, verbinden’, zu 1. iungere 'verbin¬
dürfte das Wort ursprünglich 'Mann von Fami¬ den’ (s. auch kon-). So benannt als 'das Ergebnis
lie, edler Mann’ bedeutet haben, vgl. das mögli¬ der Verbindung aller einflußnehmender Fak¬
cherweise verwandte gr. gennikös 'edel’ zu gr. toren’.
gennä f. 'Geburt, Geschlecht’. Das n im Suffix Morphologisch zugehörig: konjunkturell; etymologisch
verwandt: s. Konjunktion.
ist schon früh nach stammauslautendem n aus¬
gefallen. konkav Adj. 'nach innen gewölbt’, fach¬
Nndl. koning, ne. king, nschw. konung, kung, nisl. sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. conca-
kon(un)gur. S. Genus (+ ), Kind. — F. R. Schröder: vus, zu 1. cavus (dass.) (s. auch kon-).
Ingunar-Freyr (Tübingen 1941), 33 — 38; R. Ekblom W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 60.
SN 17(1944/45), 1—24; W. Meid Sprache 12(1966),
Konklave /. 'Versammlung(sraum)’, s. En¬
182-189.
klave und kon-.
Könighase m. 'Kaninchen’, südd. Verdeutlicht
Konklusion /. 'Folgerung’, fachsprachl. Ent¬
aus königlein, das seinerseits aus 1. cumculus
lehnt aus gleichbedeutend 1. conclüsio (-önis)
'Kaninchen’ entlehnt ist und offenbar auf König
(wörtlich: 'Abschließung, Einschließen’), einer
bezogen wurde.
Ableitung von 1. conclüdere (conclüsum) 'ver¬
Königskerze /., fachsprachl. Schon fmhd. ku- schließen, absperren, abschließen, zum Ab¬
ningeskerze. Wohl nach der hohen, geraden Ge¬ schluß bringen’, zu 1. clüdere, claudere 'schlie¬
stalt so bezeichnet. Die frühneuhochdeutsche ßen, sperren’ (s. auch kon-).
Angabe, diese Pflanzen seien mit Wachs verse¬ Morphologisch zugehörig: konkludent, konkludieren,
hen als Kerzen verwendet worden, dürfte auf konklusiv; etymologisch verwandt: s. Klausur.
einer Erklärung des Namens beruhen.
Konkomitanz /. 'gemeinsames Vorkommen’,
Konjektur /. 'verbessernder Eingriff eines fachsprachl. Neubildung zu 1. concomitäri 'be¬
Herausgebers’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. con- gleiten’, zu 1. comitäri (dass.) (s. auch kon-), zu
iectüra 'Mutmaßung, Schluß, Deutung’, zu 1. 1. comes m. 'Begleiter’.
con(i)icere 'hinwerfen, ermitteln, vermuten’, Etymologisch verwandt: Konstabler.
das zu 1. iacere (iactum) 'werfen, schleudern’
Konkordanz /., s. Konkordat.
gehört.
Morphologisch zugehörig: Konjektaneen, konjektural, Konkordat n. 'Vertrag zwischen dem Vatikan
konjizieren; etymologisch verwandt: s. Adjektiv. und einem Staat’, fachsprachl. Entlehnt aus
konkret 398 konservieren

gleichbedeutend ml. concordatum, dieses aus Ig. *gena/gnö- ist bezeugt in ai. jänäti 'kennt,
dem PPP. von I. concordäre (concordatum) weiß’, gr. gegöna 'verkündet’, lit. pa-zinti 'ken¬
'übereinstimmen, sich im Einklang befinden’, nen' und mit durchgeführter Vollstufe der zwei¬
zu 1. concors 'harmonierend, einträchtig’, zu 1. ten Silbe in ai. jnöyäte (Passiv zu 'wissen’, gr.
cor(-rdis) 'Herz’ (s. auch kon-). Die Konkordanz gignöskö 'ich erkenne’, akslav. znati 'kennen’,
ist bezeichnungsmotivisch eine '(Sammlung der) lit. zinöti 'wissen’, 1. (g)nöscö 'ich erkenne’;
Übereinstimmung(en) von Wörtern, Textstellen ferner toch. A. kna- 'kennen’ und vielleicht mit
usw.k sekundärer Abwandlung der Vokalstufe g.
Morphologisch zugehörig: konkordant', etymologisch *knä-a- 'kennen’ in anord. knä, ae. cnöw 'ich
verwandt: s. Akkord. kann, erkenne’, as. biknegan 'teilhaftig werden’.
konkret Adj. 'greifbar, klar, geordnet, an¬ Nndl. kunnen, ne. can, nschw. nisl. kunna. S.
Diagnose ( + ), kennen (+), kühn, kund( + ), Kunst,
schaulich’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Notiz (+). - E. Seebold ZVS 80(1966), 273-283;
tend 1. concretus (wörtlich: 'verdichtet, zusam¬ Th.L. Eichmann ABÄG 5(1973), 1 — 10.
mengewachsen’), dem PPP. von 1. concrescere
Konnexion /. 'Verbindung’, fachsprachl. Ent¬
'sich verdichten, sich bilden’, zu 1. crescere 'nach
lehnt aus gleichbedeutend frz. connexion, dieses
und nach hervorkommen, wachsen’ (s. auch
aus 1. cönexio (-önis) (dass.), zu 1. cönectere
kon-), einem Inchoativum zu 1. creäre 'schaffen,
'verknüpfen’, zu 1. nectere 'knüpfen, binden’ (s.
erschaffen’.
auch kon-).
Morphologisch zugehörig: Konkretion, konkretisieren,
Morphologisch zugehörig: Konnex', etymologisch ver¬
Konkretum; etymologisch verwandt: s. kreieren. — W.
wandt: s. Nexus.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 60.
Konnotation f. 'Nebenbedeutung’, fach¬
Konkubine /. 'Frau, die mit einem Mann in
sprachl.Neubildung zu 1. notätio (-önis) 'Be¬
„wilder Ehe“ lebt, Geliebte’, fachsprachl. Im
zeichnung’ (s. auch kon-), zu 1. notäre 'bezeich¬
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. con-
nen, kennzeichnen’.
cublna, der movierten Form zu 1. concubinus m.
Morphologisch zugehörig: Konnotat, konnotativ; ety¬
'der Beischläfer’, zu 1. concubäre 'zusammenlie¬ mologisch verwandt: s. notieren.
gen’, zu 1. cubäre 'ruhend liegen, schlafen’ (s.
Konsekration /. 'liturgische Weihe’, fach¬
auch kon-).
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cönse-
Morphologisch zugehörig: Konkubinat', etymologisch
crätio (-önis), zu 1. sacer 'heilig’ (s. auch kon-).
verwandt: Inkubationszeit.
Morphologisch zugehörig: konsekrierem, etymologisch
konkurrieren swV. 'wetteifern, sich um das¬ verwandt: s. Sakrament.
selbe bemühen’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. con- konsekutiv Adj. 'folgend, die Folge ange¬
currere (concursum) 'zusammenlaufen, zusam¬ bend’, sonder spracht.
menrennen, feindlich Zusammenstößen’, zu 1. S. konsequent.
currere (cursum) 'laufen, rennen’ (s. auch
Konsens m. 'Übereinstimmung’, sonder-
kon-). Zunächst in der Bedeutung 'Zusammen¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cönsen-
treffen’ entlehnt; die heutige Bedeutung beruht
sus, dem substantivierten PPP. von 1. cönsentire
auf einer erneuten Entlehnung im 18. Jh.
'übereinstimmen, einverstanden sein’, zu 1. sen-
Morphologisch zugehörig: Konkurrent, Konkurrenz', tire 'empfinden, wahrnehmen’ (s. auch kon-).
etymologisch verwandt: s. Kurier. — W. Feldmann
Morphologisch zugehörig: Konsensus, konsentieren;
ZDW 8(1906/07), 60; Schirmer (1911), 104; K.-H.
etymologisch verwandt: s. sensibel. - W. Feldmann
Weinmann DWEB 2 (1963), 395.
ZDW 8 (1906/07), 60.
können Prät.-Präs. Mhd. kunnen, können, konsequent Adj. 'unbeirrbar, folgerichtig’. Im
ahd. as. kunnan aus g. *kann (1. Sg.), auch in 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. cönse-
gt. kann, kunnun, anord. kunna, ae. can, cunnon, quens (-entis), dem PPräs. von 1. cönsequi 'mit¬
afr. kan, kunna (entsprechend as. can, kunnun', folgen, nachfolgen, die unmittelbare Folge
ahd. kann, kunnun', die Infinitivformen sind erst sein’, zu 1. sequi 'folgen, nachfolgen’ (s. auch
sekundär). Die Bedeutung ist neben 'kennen’ kon-).
auch 'können, vermögen’. Das Verb gehört zu Morphologisch zugehörig: Konsequenz', etymologisch
ig. *gena/gnö- 'kennen, wissen’, fällt aber auf verwandt: s. assoziieren. - W. Feldmann ZDW
durch seine Geminate und die sonst nicht be¬ 8(1906/07), 60.
zeugte Vollstufe der ersten Silbe im Ablaut des konservativ Adj., s. konservieren.
Präsens Singular. Die Geminate wird einerseits Konserve /., s. konservieren.
erklärt durch ein Nasalpräsens, was aber mi߬
konservieren swV. 'erhalten, haltbar machen’.
lich ist, weil die germanische Form auf ein Per¬
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. cön-
fekt zurückgeht ( es müßte also sekundäre Um¬
serväre, zu 1. serväre (dass.) (s. auch kon-).
gestaltung angenommen werden), andererseits
Morphologisch zugehörig: konservativ, Konservator,
durch Assimilation von -no- (E. Seebold, s. u.). Konservatorium, Konserve', etymologisch verwandt:
Konsilium 399 Konstitution

Dessert, Observatorium (usw.), Präservativ, reservieren


Konspekt m. 'Zusammenfassung’, s. Aspekt
(usw.), servieren (usw.), servil, Servus, Sorge. - K.-H.
und kon-,
Weinmann DWEB 2(1963), 395.
konspirieren swV. 'sich verschwören’, sonder-
Konsilium n. 'Beratung, Gruppe von Beraten¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cön-
den’, fachspraehl. Entlehnt aus gleichbedeutend
spträre (wörtlich: 'in Einklang stehen, zusam¬
1. cönsilium, zu 1. cönsulere 'sich beraten, über¬
legen’. men hauchen’), zu 1. spiräre 'blasen, wehen,
atmen’ (s. auch kon-).
Morphologisch zugehörig: Konsiliarius; etymologisch
verwandt: s. Konsul. Morphologisch zugehörig: Konspirant, Konspiration,
konspirativ; etymologisch verwandt: s. Spiritus. — W.
konsistent Adj. 'fest, in sich stimmig’, sonder- Feldmann ZDW 8 (1906/07), 60.
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cönsi-
Konstabler m. (= ein Soldat in gehobenem
stens (-entis), dem PPräs. von 1. cönsistere 'sich
Dienstrang), arch. Im 17. Jh. entlehnt aus ml.
hinstellen, hintreten, standhalten, fortdauern’,
con(e)stabularius 'Heerführer, Befehlshaber zur
zu 1. sistere 'stehen, stellen’ (s. auch kon-).
Lager- oder Festungsbewachung’, zu 1. comes
Morphologisch zugehörig: Konsistenz; etymologisch
stabulT 'für die Pferdeställe zuständiger Hofbe¬
verwandt: s. Arrest. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/
07), 60. amter’.
Etymologisch verwandt: Konkomitanz. — Ganz
Konsole f. 'Wandbord, Vorsprung’, fach- (1957), 122f.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
frz. console, dieses wohl zu frz. consoler 'trö¬ konstant Adj. 'gleichbleibend’. Im 18. Jh. ent¬
sten’, aus 1. cönsölärl 'trösten, erträglich ma¬ lehnt aus gleichbedeutend 1. cönstäns (-antis),
chen’, zu 1. sölärT (dass.) (s. auch kon-). Es liegt dem PPräs. von 1. cönstäre 'fest stehen, beiste¬
wohl eine Entwicklung von übertragen ge¬ hen’, zu 1. stäre 'stehen’ (s. auch kon-). Das
brauchtem 'stützen’ zu konkretem 'unterstüt¬ verwandte konstatieren heißt demnach 'bemer¬
zen, tragen’ vor. ken, daß etwas feststeht’.
Morphologisch zugehörig: Konstante, Konstanz; ety¬
konsolidieren swV 'festigen, sichern’, fach-
mologisch verwandt: s. Arrest. — W. J. Jones SN
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus 51 (1979), 252.
gleichbedeutend frz. consolider, dieses aus 1.
konstatieren swV., s. konstant.
cönsolidäre (dass.), zu 1. solidäre 'dicht machen,
festmachen, befestigen’ (s. auch kon-), zu 1. soli- Konstellation /. 'Lage, Stellung’, fachspraehl.
dus 'dicht, gedrungen, stark’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. cön-
Morphologisch zugehörig: Konsolidation; etymolo¬ stellätio (-önis), zu 1. stella 'Stern’ (s. auch
gisch verwandt: s. solide. — Schirmer (1911), 106; kon-). Das Wort meint ursprünglich 'die auf die
K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 396. Schicksale der Menschen einwirkende Stellung
Konsonant m. 'Mitlaut\ fachspraehl. Im 15. der Gestirne’; dann Verallgemeinerung zu 'Stel¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (littera) cön- lung und Anordnung bestimmter Faktoren’.
sonäns /., zu 1. cönsonäns (-antis) 'mittönend’, Etymologisch verwandt: s. Stern1. — Schirmer (1911),
dem PPräs. von 1. cönsonäre 'mittönen, zusam¬ 106.
mentönen’, zu 1. sonäre 'tönen’ (s. auch kon-). konsternieren swV. 'verblüffen, aus der Fas¬
Morphologisch zugehörig: konsonant, Konsonantis¬ sung bringen’, sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt
mus, Konsonanz; etymologisch verwandt: s. Sonate. — aus gleichbedeutend frz. consterner, dieses aus
E. Leser ZDW 15 (1914), 22f. 1. cönsternäre (dass.).
Konsorte m. 'Mitbeteiligter, Mitglied’, s. Kon¬ Morphologisch zugehörig: Konsternation. — W. J.
sortium. Jones SN 51 (1979), 252.
Konsortium n. 'Zusammenschluß von Unter¬ Konstituente /., s. Konstitution.
nehmen’, fachspraehl. Im 17. Jh. entlehnt aus Konstitution /. 'Staats-, Körper-Verfassung’,
gleichbedeutend 1. cönsortium, einer Ableitung
fachspraehl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
von 1. cönsors (-rtis) f!(m.) 'Teilhaber, Mitge¬
deutend frz. Constitution, dieses aus 1. cönstitütio
nosse’, zu 1. sors (-rtis) f. 'Los, Anteil, Ge¬ (-önis) (wörtlich: 'die feste Einrichtung’), einer
schick’ (s. auch kon-), das mit 1. serere 'fügen,
Ableitung von 1. cönstituere 'hinstellen, hinset¬
reihen’ verwandt ist. Das verwandte Konsorten
zen, beistellen’, zu 1. statuere (statütum) 'hin¬
hat die negative Nebenbedeutung wohl in der
stellen, aufstellen, stehenlassen’ (s. auch kon-),
frühen Gerichtssprache bekommen, als damit
zu 1. sistere (statum) 'stehen machen, hinstel¬
häufig die vermeintlichen Genossen eines Straf¬
len’, zu 1. stäre 'stehen’.
täters bezeichnet wurden.
Morphologisch zugehörig: Konstituente, konstituieren,
Etymologisch verwandt: s. Serie.
Konstitutionalismus, konstitutionell, konstitutiv; etymo¬
Konsoziatlon /. 'Zusammenhang’, s. assoziie¬ logisch verwandt: s. Arrest. — W. Feldmann ZDW
ren und kon-. 8 (1906/07), 60.
konstruieren 400 kontinuierlich

konstruieren swV. 'entwerfen, gestalten, her- Bekanntmachung’, häufig in der frz. Form
steilen’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend contrebande gebraucht. Die d. Entsprechung
1. cönstruere, zu 1. struere (strüctum) 'schichten, Bannware (seit Campe 1800) ist wie das Vorbild
errichten, aufbauen’ (s. auch Icon-). veraltet.
Morphologisch zugehörig: Konstrukt, Konstrukteur, Konterfei n. 'Abbild, Bildnis’, arch. Volksety¬
Konstruktion, konstruktiv, Konstruktivismus, Konstruk¬ mologische Bildung des 16. Jhs. zu frz. contre-
tivist; etymologisch verwandt: s. Struktur. — W. Feld¬
fait 'nachgebildet, nachgemacht’, dem PPrät. zu
mann ZDW 8 (1906/07), 60; E. Leser ZDW 15 (1914),
frz. contrefaire 'nachmachen’, aus spl. contrafa-
80; Schirmer (1912), 38.
cere (dass.), zu 1. facere 'machen’ (s. kontra-).
Konsul m. 'hoher Beamter der römischen Re¬
Älter (seit dem 13. Jh.) ist die Entlehnung gun-
publik, halbdiplomatischer Vertreter eines Staa¬ derfay 'Falschheit’.
tes im Ausland’. Im Frühneuhochdeutschen
Etymologisch verwandt: s. Fazit. — Suolahti (1929),
entlehnt aus 1. cönsul 'höchste Magistratsper¬ 138f.
son, (wörtlich: Berater des Volks oder Senates)’,
konterkarieren swV. 'hintertreiben’, sonder-
stammverwandt mit 1. cönsulere (consultum) 'zu
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. con-
Rate gehen, sich beraten’. Im Mittelmeerraum
trecarrer, einer Ableitung von frz. carre 'Seite’
nimmt das Wort in nach-römischer Zeit die
und frz. contre 'gegen’ (aus 1. contra [dass.]),
heute geläufige Bedeutung 'Auslandsvertreter’
aus frz. carre 'Viereck, Gesicht’, aus 1. quadrätus
an.
'viereckig’, zu 1. quat(t)uor 'vier’.
Morphologisch zugehörig: Konsulat, Konsulent, Kon¬
sultation, konsultativ, konsultieren; etymologisch ver¬
Etymologisch verwandt: s. kontra- und Quadrant.
wandt: Konsilium. kontern swV. 'einen Gegenschlag führen, ent¬
konsultieren swV. 'zu Rate ziehen’, s. Konsul. gegnen’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
tend ne. counter, zu e. counter 'gegen, entgegen’,
konsumieren swV. 'verzehren, verbrauchen’.
aus afrz. contre (dass.), aus 1. conträ (dass.) (s.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. consu¬
auch kontra-). Die Lautung wurde im Deut¬
mer e (cönsümptum), zu 1. sümere 'zu sich neh¬
schen den romanischen Vorbildern angeglichen.
men, nehmen’ (s. auch kon-), zu 1. emere 'neh¬
men, kaufen’ (s. sub-). Kontertanz m. (= ein alter Gesellschaftstanz),
Morphologisch zugehörig: Konsum, Konsumation, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Konsument, Konsumtion, konsumtiv; etymologisch ver¬ contredanse f. (wörtlich: „Gegentanz“) (s. Tanz
wandt: s. Exempel. — Schirmer (1911), 106. und kontra-).
Kontakt m. 'Berührung, Verbindung’. Im 17. Kontext m., s. Text und kon-.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. contäctus, Kontiguität /. 'Angrenzung, Zusammenkom¬
dem substantivierten PPR von 1. contingere 'be¬ men’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
rühren, anrühren’, zu 1. tangere (täctum) 'be¬ tend frz. contiguite, zu frz. contigu 'angrenzend’,
rühren, anrühren’ (s. auch kon-). aus 1. contiguus (dass.), zu 1. contingere 'berüh¬
Etymologisch verwandt: s. Tangente. ren’, zu 1. tangere (dass.) (s. auch kon-).
Kontamination /. 'Vermengung, Verunreini¬ Etymologisch verwandt: s. Tangente.
gung’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. conläminätio Kontinent m. 'Erdteil’. Im 17. Jh. entlehnt aus
(-önis) 'Befleckung, Verderbnis’, zu 1. contämi- gleichbedeutend 1. (terra) continens, dem PPräs.
näre 'berühren’, das verwandt ist mit 1. tangere von 1. continere 'eingeschlossen, umgrenzt wer¬
'berühren’. den’, zu 1. tenere (tentum) 'halten, besitzen’ (s.
Morphologisch zugehörig: kontaminieren; etymolo¬ auch kon-).
gisch verwandt: s. Tangente.
Morphologisch zugehörig: kontinental; etymologisch
Kontemplation /. 'Nachdenken, Versenkung’, verwandt: s. Tenor. — Ganz (1957), 123f.
sonder spracht.Entlehnt aus gleichbedeutend 1. Kontingent n. 'Zuteilung, Zuweisung’, fach¬
contemplätio (-önis), zu 1. contempläri’sein Au¬ sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
genmerk auf etwas richten, betrachten, berück¬ frz. contingent m.,einer Substantivierung von
sichtigen, bedenken’, zu 1. templum n. 'Beobach¬ frz.contingent 'zustehend, zufallend’, aus 1. con-
tungskreis, Tempel’ (s. auch kon-). tingens (-entis) (dass.), dem PPräs. von 1. con¬
Morphologisch zugehörig: kontemplativ, kontemplie- tingere (contäctum) 'jmd. zustehen, berühren’,
ren; etymologisch verwandt: Tempel.
zu 1. tangere 'berühren’ (s. auch kon-).
kontemporär Adj. 'zeitgenössisch’, sonder- Morphologisch zugehörig: kontingentieren; etymolo¬
sprachl. Neubildung zu temporär (s. Tempo; s. gisch verwandt: s. Tangente. - Schirmer (1911), 107.
auch kon-).
kontinuierlich Adj. 'andauernd, stetig, unun¬
Konterbande /. 'Schleichhandel, Schmuggel¬ terbrochen’, sondersprachl. Ableitung von d.
ware’, arch. Im 15. Jh. entlehnt aus it. contra- kontinuieren 'fortsetzen’, einer Entlehnung aus
bando m. 'Schmuggel’, wörtlich: 'entgegen der 1. continuäre 'zusammenhängend machen, un-
Konto 401 Kontroverse

mittelbar verbinden’, zu 1. continuus 'zusam¬ 'Gegner’ von der speziellen Verwendung 'sich
menhängend, unmittelbar aneinander liegend’, zu einem Zweikampf verabreden’ von kontra¬
zu 1. continere 'Zusammenhalten’, zu 1. teuere hieren in der Studentensprache.
halten (s. auch kon-), zu 1. tendere 'dehnen, Morphologisch zugehörig: Kontraktion; etymologisch
ausspannen’. verwandt: s. abstrakt.
Morphologisch zugehörig: Kontinuation, Kontinuität, Kontraindikation/. 'Gegenanzeige’, s. Indika¬
Kontinuum; etymologisch verwandt: s. Tenor.
tiv und kontra-,
Konto n. Guthaben zur Verrechnung von
Kontrakt m. 'Vertrag’, s. kontrahieren.
Einnahmen und Ausgaben’. Im 15. Jh. entlehnt
Kontraktion /. 'Zusammenziehen’, s. kontra¬
aus it. conto m. 'Rechnung’, dieses aus spl.
hieren.
computus m. 'Berechnung’, zu 1. computäre 'zu¬
sammenrechnen, ausrechnen, berechnen’, zu 1. Kontrapunkt m. 'Gegenpol, Nebeneinander¬
putäre 'rechnen, berechnen; reinigen’ (s. auch führen mehrerer Stimmen’, fachsprachl. Ent¬
kon-), zu 1. putus 'rein’. Zunächst entlehnt in lehnt aus gleichbedeutend ml. contrapunctum n.,
der Bedeutung Rechnung’; dann erweitert auf einer Zusammenrückung und Verkürzung aus
die Berechnung von Geldbewegungen bzw. auf ml. punctus contra punctum 'Note gegen Note’,
Guthaben. Kontor 'Niederlassung, Büro eines zu ml. punctus 'Note’, aus 1. pünctus 'Stechen,
Unternehmens’ ist entlehnt aus frz. comptoir m. Stich’, zu 1. pungere 'stechen’.
'Schreibstube, Zahltisch' desselben Ursprungs. Morphologisch zugehörig: Kontrapunktik; etymolo¬
gisch verwandt: s. Akupunktur, kunterbunt.
Morphologisch zugehörig: Diskont; etymologisch ver¬
wandt: s. amputieren. — Schirmer (1911), 107f. konträr Adj. 'gegensätzlich’, s. kontra-,
Kontor n., s. Konto. Kontrast m. 'Gegensatz’. Im 18. Jh. entlehnt
kontra- Präfix. Wortbildungselement mit den
aus gleichbedeutend it. contrasto, einer Ablei¬
Bedeutungen (a) 'gegen, entgegengesetzt’ (z. B. tung von it. contrastare 'entgegenstehen’, aus
kontradiktorisch) und (b) 'bezüglich der tiefsten
spl. contrastare (dass.), zu 1. contra 'gegen’ und
Lage’ (z. B. Kontrabaß). Es wurde vornehmlich 1. störe 'stehen’. Zunächst ein Fachwort der
Malerei.
in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche
Etymologisch verwandt: s. kontra- und Arrest. — W.
übernommen; sein Ursprung ist 1. conträ-
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 61.
(dass.), einer Weiterbildung von 1. com 'mit,
zusammen’. — In Entlehnungen aus anderen Kontrazeption /. 'Empfängnisverhütung’,
Sprachen oder nach starker Integration ins fachsprachl. Neubildung zu Konzeption 'Emp¬
Deutsche kann die Form contre- oder konter¬ fängnis’ (s. auch kontra-), dieses aus 1. conceptio
lauten. (-önis) (dass.), zu I. concipere (conceptum)
Etymologisch verwandt: konterkarieren, kontern, kon¬ 'empfangen, in sich aufnehmen’, zu 1. capere
trär, Kontrast, Kontrolle, Kontroverse. — Zu konträr: 'nehmen, in sich aufnehmen’ (s. auch kon-).
Brunt (1983), 210. Etymologisch verwandt: s. akzeptieren.
Kontrabaß m. (= ein großes, tiefes Streichin¬ Kontribution /. 'Beitrag, auferlegte Geldzah¬
strument). Entlehnt aus gleichbedeutend it. con- lung’, sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeu¬
trabasso, zu it. basso 'niedrig’ (s. auch kontra-), tend 1. contribütio (-önis), zu 1. contribuere 'zu-
dessen Elerkunft nicht sicher geklärt ist. teilen, zu etwas schlagen’, zu 1. tribuere 'zutei-
len, zuwenden, schenken’ (s. auch kon-), zu 1.
Kontradiktion /. 'Widerspruch’, fachsprachl.
tribus 'Volk, Bezirk’.
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. conträdictio
Etymologisch verwandt: s. Tribut.
(-önis), zu 1. conträdicere 'widersprechen’, zu 1.
dTcere 'sprechen, sagen’ (s. auch kontra-). Kontrolle /. 'Überwachung, Elerrschaft’. Im
Etymologisch verwandt: s. diktieren. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. con-
tröle m., dieses aus älterem frz. contre-röle m.
Kontrafaktur f. 'Umdichtung’, fachsprachl.
'Gegenrolle, Gegenregister’, zu 1. conträ 'gegen’
Neubildung zu 1. factüra 'Machen, Verarbei¬
bzw. ml. rotulus m. 'Rolle, Rädchen’, einem
tung’ (s. auch kontra-), zu 1. facere 'machen,
Diminutivum zu 1. rota 'Rad, Scheibe’. Bezeich¬
tun’.
nungsmotivisch meint das Wort demnach ein
Etymologisch verwandt: s. Fazit.
Gegenstück, das man zur Überwachung und
Kontrahent m. 'Widersacher’, s. kontrahieren. Überprüfung verwendet.
kontrahieren swV. 'zusammenziehen’, fach¬ Morphologisch zugehörig: Kontroller, Kontrolleur; ety¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend mologisch verwandt: s. kontra- und rotieren. — Jones
1. contrahere (contractum), zu 1. trahere 'ziehen’ (1976), 236f.
(s. auch kon-). Kontrakt ist bezeichnungsmoti¬ Kontroverse /. 'Auseinandersetzung’, sonder-
visch 'das Zusammenbringen von Interessen sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
(usw.)’; Kontrahent nimmt seine Bedeutung 1. contröversia (wörtlich: 'die entgegengesetzte
Kontur 402 Konvulsion

Richtung’), einer Ableitung von 1. contröversus versätio (-önis) (wörtlich: 'Umgang, Verkeh¬
'entgegengewandt, gegenüberliegend’, zu 1. con¬ ren’), einer Ableitung von 1. conversäri 'verkeh¬
tra 'gegen’ und 1. versus 'gewandt’, dem PPP. ren, Umgang haben’, zu 1. versäri 'sich hin und
von 1. vertere 'wenden, drehen’. her bewegen, etwas betreiben’ (s. auch kon-),
Morphologisch zugehörig: kontrovers; etymologisch einem Frequentativum zu 1. vertere 'drehen,
verwandt: s. kontra- und Vers. — G. Schoppe ZDW wenden’.
15(1914), 190. Etymologisch verwandt: s. Vers. — W. Feldmann
Kontur /. 'Linie, Umriß’. Im 18. Jh. entlehnt ZDW 8 (1906/07), 61.
aus gleichbedeutend frz. contour m., dieses aus Konversion/. 'Übertritt, Umdeutung, Umset¬
it. contorno m. (dass.), einer Ableitung von ml. zung, Umwandlung’, fachsprachl. Entlehnt aus
contornare 'einfassen, Umrisse zeichnen’, zu 1. gleichbedeutend 1. conversio (-önis), zu 1. con-
tornäre 'drechseln, mit dem Drechseleisen run¬ vertere 'umkehren, umdrehen, umwenden’, zu
den’ (s. auch kon-), aus gr. torneüein 'drehen, 1. vertere 'drehen’ (s. auch kon-).
drechseln’, zu gr. törnos m. 'Kreisstift, Zirkel, Morphologisch zugehörig: Konverter, konvertibel, Kon¬
Dreheisen’. vertibilität, konvertieren, Konvertit; etymologisch ver¬
Etymologisch verwandt: s. Tour. — W. Feldmann wandt: s. Vers. - G. Schoppe ZDW 15(1914), 190f.;
ZDW 8 (1906/07), 61. K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 396.

Konvektion /. 'vertikale Bewegung, Strö¬ Konverter m. 'Umwandler’, s. Konversion.


mungsbewegung’, fachsprachl. Entlehnt aus spl. konvertieren swV. 'umwandeln’, s. Konver¬
convectio (-önis) 'Zusammenbringen’, zu 1. con- sion.
vehere (convectum) 'zusammenschaffen, zusam¬
konvex Adj. 'nach außen gewölbt’, fach¬
menbringen’, zu 1. vehere 'führen, tragen, fah¬
sprachl. Entlehnt aus 1. convexus 'gewölbt, nach
ren’ (s. auch kon-).
oben oder unten zusammenstoßend’, zu 1. con-
Etymologisch verwandt: s. Vehikel. vehere 'zusammenschaffen, zusammenbringen’,
Konvenienz /. 'Erlaubtes, Schickliches, Be¬ zu 1. vehere 'führen, tragen, fahren’ (s. auch
quemlichkeit’, sondersprachl. Entlehnt aus 1. kon-).
convenientia 'Übereinstimmung, Elarmonie’, zu Morphologisch zugehörig: Konvektion, Konvexität;
1. conveniens 'zusammentreffend, harmonie¬ etymologisch verwandt: s. Vehikel. — W. Feldmann
rend’, dem PPräs. von 1. convenire 'Zusammen¬ ZDW 8 (1906/07), 61.
treffen, zusammenpassen’, zu 1. venire 'kom¬ Konvikt n. 'Wohngemeinschaft (für katholi¬
men’ (s. auch kon-). sche Theologiestudenten)’, fachsprachl. Im 18.
Etymologisch verwandt: s. Advent. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. convictus,
Konvent m. 'Zusammenkunft’, fachsprachl. dem PPP. von 1. convivere 'mit jmd. Zusammen¬
Im Mittelhochdeutschen (mhd. convent) ent¬ leben, miteinander speisen’, zu 1. vivere 'leben’
lehnt aus gleichbedeutend 1. conventus, zu 1. (s. auch kon-).
convenire 'sich einfinden, Zusammenkommen’, Etymologisch verwandt: s. vital.
zu 1. venire 'kommen’ (s. auch kon-). Konvoi m. 'Geleitzug’. Im 17. Jh. entlehnt aus
Morphologisch verwandt: Konventikel, Konventuale, frz. convoi 'Geleit’, einer Ableitung von frz.
Konventualin; etymologisch verwandt: s. Advent. convoyer 'begleiten’, aus spl. *conviare (dass.),
Konvention /. 'Übereinkunft, Festlegung’, zu 1. via f. 'Weg’ (s. auch kon-). Zunächst nur
sonder sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ in der Bedeutung 'Geleit’ verwendet; dann über¬
deutend frz. convention, dieses aus 1. conventio tragen auf 'Geleitzug’ (zunächst Bezeichnung
(-önis) (dass.) (wörtlich: 'Zusammenkunft’), der die Handelsflotte begleitenden Kriegs¬
einer Ableitung von I. convenire 'beikommen, schiffe); schließlich auch in allgemeiner Bedeu¬
eintreffen, Zusammenkommen’, zu 1. venire tung.
'kommen’ (s. auch kon-). Etymologisch verwandt: trivial (usw.). — Schirmer
Morphologisch zugehörig: konventional, konventionell; (1911), 110; Jones (1976), 238-240.
etymologisch verwandt: s. Advent. — W. Feldmann Konvolut n. 'Bündel, Sammlung, Sammel¬
ZDW 8 (1906/07), 61; Schirmer (1911), 109.
band’, sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
konvergent Adj. 'zulaufend, übereinstim¬ gleichbedeutend spl. convolütum, dem substan¬
mend’, sonder sprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬ tivierten PPP. von 1. convolvere 'fortrollen, zu¬
tend spl. convergens (-entis), dem PPräs. von 1. sammenrollen’, zu 1. volvere 'rollen, drehen,
convergere 'sich hinneigen’, zu 1. vergere 'sich winden’ (s. auch kon-).
neigen’ (s. auch kon-). Etymologisch verwandt: s. Volumen.
Etymologisch verwandt: s. divergent. Konvulsion /. 'Schüttelkrampf’, fachsprachl.
Konversation /. 'Unterhaltung’, sonder sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. convulsio (-önis),
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. con- zu 1. convellere (convulsum) 'herumzerren, aus-
konzentrieren 403 Köper

renken, einen Krampf bekommen’, zu 1. vellere konziliant Adj. 'verbindlich, umgänglich’,


'rupfen, raufen, zupfen’ (s. auch kon-). sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeutend
konzentrieren swV. 'seine Aufmerksamkeit frz. conciliant, dem PPräs. von frz. concilier
auf eine Sache richten, etwas auf das Gehalt¬ 'aussöhnen’, dieses aus 1. conciliäre 'verbinden,
volle reduzieren’. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. geneigt machen, gewinnen’, zu 1. concilium 'Ver¬
concentrer 'in einem Punkt vereinigen’, zu frz. einigung, Verbindung’.
centre 'Mittelpunkt’ (s. auch kon-), aus 1. cen- Morphologisch zugehörig: Konzil, Konzilianz-, etymo¬
trum (dass.), aus gr. kentron (dass., wörtlich: logisch verwandt: s. deklamieren.
'Stachel’), zu gr. kentern 'stechen’. konzipieren swV. 'planen, entwerfen’. Im
Morphologisch zugehörig: Konzentrat, Konzentration, Frühneuhochdeutschen entlehnt aus 1. conci-
konzentrisch', etymologisch verwandt: s. Zentrum. — pere (conceptum) 'erkennen, aufnehmen, auf¬
W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 60; G. Schoppe ZDXV fassen, schwanger werden’, zu 1. capere 'neh¬
15(1914), 191.
men, fassen, empfangen’ (s. auch kon-). Zu¬
konzentrisch Adj. 'einen gemeinsamen Mittel¬ nächst in der Bedeutung 'schwanger werden’ in
punkt habend’, s. konzentrieren. der Medizin verwendet; dann allgemein 'eine
Konzept n. 'Rohfassung, Plan’, s. konzipieren. Idee bekommen und einen Entwurf machen’.
Morphologisch zugehörig: Konzept, Konzeption, kon¬
Konzeption /. 'Programm, Lehre, Entwurf’,
zeptionell, konzeptualisieren, konzeptuell, Konzipient-,
s. konzipieren. etymologisch verwandt: s. akzeptieren.
Konzern m. 'Zusammenschluß von Unterneh¬ konzis Adj. 'knapp, gedrängt’, sonder spracht.
men’. Im 20. Jh. entlehnt aus ne. concern Entlehnt aus gleichbedeutend 1. concisus, dem
'Firma, Unternehmen; Interesse’, einer Ablei¬ PPP. von 1. concidere 'zerhauen, zerschneiden,
tung von e. concern 'betreffen, angehen’, dieses zerstückeln’, zu 1. caedere 'hauen, schlagen, prü¬
aus gleichbedeutend frz. concerner und ml. con- geln’ (s. auch kon-).
cernere (dass.), aus 1. concernere (dass.), zu 1. Etymologisch verwandt: s. Zäsur.
cernere 'sichten, unterscheiden, gewahren’ (s.
Koog m., s. Kog.
auch kon-).
Etymologisch verwandt: s. Dekret. — Schirmer (1911), Kookkurrenz /. 'gemeinsames Auftreten’,
110; W. J. Jones SN 51 (1979), 251. fachsprachl. Neubildung zu 1. occurrere 'entge¬
Konzert n. (= eine musikalische Darbietung,
gengehen, in den Weg kommen, begegnen’ (s.
eine aus mehreren Sätzen bestehende Komposi¬ auch kon-), zu 1. currere 'laufen, rennen’ (s. auch
ob-).
tion). Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
it. concerto rn. (wörtlich: 'Wettstreit’), einer Ab¬ Morphologisch zugehörig: kookkurrenf, etymologisch
verwandt: s. Kurier.
leitung von it. concertare 'wetteifern’, aus 1.
concertäre (dass.), zu 1. certäre 'kämpfen, strei¬ Kooperation/. 'Zusammenarbeit’, s. operieren
ten’ (s. auch kon-), zu 1. certus 'sicher, entschie¬ und kon-.
den’, zu 1. cernere 'scheiden, kämpfen’. Kooptation /., s. kooptieren.
Morphologisch zugehörig: konzertant, konzertiert-, ety¬ kooptieren swV. 'neu hinzuwählen’, s. Option
mologisch verwandt: s. Dekret. — W. Feldmann ZDW
und kon-.
8 (1906/07), 60.
Koordinate/. 'Lageangabe’, fachsprachl. Neu¬
konzertiert Adj. 'gemeinsam’, s. Konzert.
bildung zu Ordinate (s. d.) (s. auch kon-).
Konzession /. 'Zulassung, Zugeständnis’, son¬ Schirmer (1912), 38.
der spracht. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
koordinieren sw V. 'Verschiedenes aufeinander
tend 1. concessio (-önis), einer Ableitung von
abstimmen’, sonder spracht. Neubildung zu 1.
1. concedere (concessum) 'abtreten, sich fügen,
ordinäre 'ordnen’ (s. auch kon-), zu 1. ördo
zugestehen’, zu 1. cedere 'weichen, nachgeben’
(-dinis) 'Reihe, Ordnung’.
(s. auch kon-).
Morphologisch zugehörig: Koordinate, Koordination,
Morphologisch zugehörig: Konzessionär, konzessionie¬
Koordinator, etymologisch verwandt: s. ordinär.
ren, konzessiv, etymologisch verwandt: s. Abszeß. —
Schirmer (1911), 110. Köpenickiade /. 'naives Täuschungsmanöver,
über das man lacht’, sonder spracht. Nach der
Konzil n. 'Versammlung, Gremium’, fach-
Besetzung des Rathauses von Berlin-Köpenick
sprachl. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus
1906 durch einen Schuhmacher, der sich mit
gleichbedeutend 1. concilium, dessen weitere
Hilfe einer Hauptmannsuniform Autorität zu
Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist; mögli¬
verschaffen wußte.
cherweise zu 1. caläre 'zusammenrufen’, zu 1.
clärus 'laut, hell’. Köper m. 'Gewebe, bei denen sich die Fäden
Morphologisch zugehörig: konziliant, Konzilianz, Kon¬ des Einschlags mit denen der Kette schräg kreu¬
ziliarismus', etymologisch verwandt: s. deklamieren. zen’, fachsprachl. Ursprünglich für Schrägbai-
Kopf 404 Korinthe

ken im Dach und im Wappen. Bezeugt seit dem kopulieren swV. 'beschlafen, begatten’, auch
16. Jh. Zur Herkunft s. Käpfer, Kämpfe(r). 'trauen’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. copuläre
Kopf m. Mhd. köpf Trinkgefäß, Hirnschale’, 'verknüpfen, zusammenschließen, eng verbin¬
ahd. köpf, kupf 'Becher’, mndd. kop\ wie ae. den’, zu 1. cöpula 'das Verknüpfende’, zu 1. apere
cuppe f. 'Becher’, anord. koppr 'Geschirr in Be¬ 'anpassen’ (s. auch kon-).
cherform, kleines Schiff’ früh entlehnt aus 1. Morphologisch zugehörig: s. Kopula.
cüpa, cuppa f 'Becher’. Das Wort ersetzt als Koralle /. ( = [ein Hohltier mit] Kalkgerüst),
expressives Bild ('jmd. den Becher einschlagen’ fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. ko-
= 'den Kopf einschlagen’) das alte Wort Haupt ral[le] m.) entlehnt aus gleichbedeutend afrz.
(s. d.); ähnlich wie frz. tete f. (aus 1. testa f. 'aus coral, dieses aus 1. corallium n. (dass.), aus gr.
Ton gebranntes Gelaß, Scherbe’) das alte Wort korällion n. (dass.), dessen weitere Herkunft
1. caput n. ersetzt. nicht geklärt ist.
S. Kübel, Kufe1. - Anders: Lühr (1988), 275f. Zur Löschen (1968), 256.
Bedeutungsübertragung: R. Hildebrand DWEB
Korb m. Mhd. korp, ahd. korb, korf. Entlehnt
3 (1963), 360-362.
aus gleichbedeutendem 1. corbis f./m. — Einen
Kopfnuß/., s. Nuß2. Korb geben stammt von dem Brauch, einem
Kopie /. 'Nachbildung’. Im 14. Jh. entlehnt unerwünschten Liebhaber zum Heraufziehen
aus 1. cöpia 'Vorrat, Mittel, Fülle’, zu 1. ops einen Korb ohne Boden hinunterzuschicken
(-pis) 'Macht, Vermögen, Kraft’ (s. auch kon-). (vgl. durchfallen).
In der Kanzleisprache nimmt Kopie die Bedeu¬ Hoops (1911/19), III, 91; Schulze (1933), 497-508.
tung 'Vervielfältigung’ an, sodann 'Abschrift
Kord m. 'geripptes Gewebe’. Entlehnt aus
(usw.)’, schließlich 'Nachbildung eines Kunst¬
gleichbedeutendem ne. cord, eigentlich 'Schnur’
werks (usw.)’.
(s. Korde). Auch als Kürzung von Kordsamt
Morphologisch zugehörig: Kopierer, Kopist; etymolo¬
'Kordstoff, bei dem die aufgeschnittenen Rip¬
gisch verwandt: s. operieren. — W. Feldmann ZDW
pen eine samtige Oberfläche bilden’.
8 (1906/07), 61; Schirmer (1911), 110; E. Erämetsä
NPhM 59 (1958), 38. Korde /. 'schnurartiger Besatz’, arch. Aus
Koppe/., s. Kuppe. mhd. korde 'Seil, Schnur’, entlehnt aus 1.
c(h)orda (oder frz. corde) 'Darm, Darmsaite’,
Koppel1 n. 'Uniformgürtel’,faehsprachl. Mhd.
das auf gr. chörde 'Darmsaite, Fessel u. ä.’ zu¬
kop(p)eI, kup(p)el f.lm.ln. 'Band’ entlehnt aus
rückgeht.
1. cöpula f. 'Band’ (und afrz. couple).
S. Kord, Kordon, Kordel.
S. Kopula ( + ), kuppeln. — U. Scheuermann NJ
92(1969), 101 f. Kordel /. Ursprünglich niederdeutsch, mndd.
Koppel2/. 'Leine für mehrere Hunde, Hunde¬ kordel. Im 15. Jh. entlehnt aus frz. cordelette,
meute’, fachsprachl. Dasselbe Wort wie Koppel1 einer Weiterbildung zu frz. corde 'Schnur’, das
mit Bewahrung des alten Genus. unter Korde dargestellt ist.
S. Kopula ( + ). - U. Scheuermann NJ 92 (1969), lOlf. S. Korde ( + ). — Kretschmer (1969), 120.

Koppel3/ 'eingezäuntes Weideland’. Entlehnt Kordon m. 'Absperrung, kettenartige Grenz¬


aus frz. couple m. 'Joch Landes’, ursprünglich besatzung’, sonder sprach/. Im 18. Jh. entlehnt
'so viel, wie ein Paar (couple) Ochsen an einem aus gleichbedeutend frz. cordon (wörtlich:
Tag pflügen kann’; letztlich ursprungsgleich mit 'Schnur, Reihe’)., einer Ableitung von frz. corde
Koppel1 (und Koppel2). f. 'Schnur, Seil’, aus 1. c(h)orda f. 'Darm,
S. Kopula ( +). — U. Scheuermann NJ 92 (1969), lOlf. Darmsaite’, aus gr. chorde f. (dass.).
Etymologisch verwandt: s. Korde. - Brunt (1983),
koppen swV. 'aufstoßen’, ugs., reg. Mhd.
213.
koppe 'das Aufstoßen, Rülpsen’. Wohl lautma¬
lend. kören swV. 'männliche Haustiere zur Zucht
S. kotzen. auswählen’, fachsprachl. Niederdeutsche Form
von küren (s. d.).
koppheister Adv. 'kopfüber’, nordd. Auch hei-
sterkopp. Der Bestandteil heister ist unklar; viel¬ Koriander m. (= eine Gewürzpflanze), fach¬
leicht zu der unter Hast (s. d.) behandelten sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. corian-
Sippe. drum n., dieses aus gr. koriannon, koriandron n.
(dass.).
Kopula/. 'Verbindungsform’, fachsprachl. Im
Marzeil (1943/79), I, 1159-1162.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. cöpula,
zu 1. apere 'anpassen’ (s. auch kon-). Korinthe /, 'kleine, kernlose Rosine’. Neubil¬
Morphologisch zugehörig: Kopulation, kopulativ, Ko- dung zu frz. raisin de Corinthe (wörtlich: 'Ro¬
pulativum, kopulieren', etymologisch verwandt: Couplet, sine von Korinth’), zum Namen der Stadt Ko¬
Koppel'1213, kuppeln. — E. Leser ZDW 15 (1914), 67f. rinth.
Kork 405 korrelieren

Kork m. Seit dem 16. Jh. bezeugt als Bezeich¬ cornet m., einem Diminutivum zu frz. corne f.
nung für das Material (Rinde der Korkeiche); 'Horn’, dieses aus 1. cornü (dass.). Die Bedeu¬
später (Ende 17. Jh.) für den Flaschenstöpsel tung 'Fähnrich’ (ebenfalls aus dem Französi¬
aus Kork. Wohl über nndl. kurk, kork entlehnt schen) gehört zu frz. cornet m. 'Standarte’.
aus span, corcho, das auf 1. cortex m./f 'Rinde’, Zum Etymon s. Horn.
speziell 'Korkrinde’, auch 'Korkstöpsef zurück¬ Kornmutter /., s. Mutterkorn.
geht. Ebenfalls aus Kork hergestellt waren zu¬
nächst Pantoffeln mit Korksohle; deshalb heißt Korona /. 'Strahlenkranz, fröhliche Schar’,
sondersprachl. Entlehnt aus 1. coröna 'Kranz,
die Korkeiche im 16. Jh. auch Pantofflenbaum.
Krone’, dieses aus gr. koröne 'Bogenende,
S. Korken, verkorksen. — Kretschmer (1969),
368-370. Türgriff’, eigentlich 'Gekrümmtes’.
Morphologisch zugehörig: koronar, Koronis; etymolo¬
Korken m. Variante zu Kork (s. d.), die auf gisch verwandt: s. Krone.
die Bedeutung 'KorkstöpseE beschränkt ist.
Körper m. Mhd. kor per, kör per (der spätere
Kormoran m. (= ein schwarzgrüner Umlaut ist nicht ausreichend erklärt); fnhd.
Schwimmvogel), fachsprachl. Entlehnt aus auch körpel mit Dissimilierung des zweiten r.
gleichbedeutend frz. cormoran, dieses aus afrz. Entlehnt aus 1. corpus (-poris) n. 'Leib’. Ersetzt
cormareng, corp mareng (wörtlich: 'Meerrabe’), das ältere Wort Leiche (s. d.), dessen Bedeutung
aus spl. corvus marinus, zu 1. corvus 'Rabe’ und sich zu der heutigen verengte.
1. marinus 'zum Meer gehörig’ (zu 1. mare n.
Korporal m. 'Unteroffizier’, fachsprachl. Im
'Meer’).
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. corpo-
Etymologisch verwandt: s. Marine.
ral, caporal, dieses aus it. caporale (dass.), einer
Korn1 n. Mhd. ahd. as. körn aus g. *kurna- Ableitung von it. capo 'Kopf, Haupt’, aus 1.
n. 'Korn, Getreide’, auch in anord. körn, ae. caput n. (dass.).
com, afr. korn\ gt. kaum 'Getreide’, gt. kaurno Morphologisch zugehörig: Kapo', etymologisch ver¬
'einzelnes Korn’. Dieses aus voreinzelsprachl. wandt: s. Chef. — R. M. Meyer ZDW 12 (1910), 150;
*granö- 'Korn’, auch in 1. gränum, air. grän n./ Jones (1976), 175f.
(m.), akslav. zrino, apreuß. syrne f. ('Frucht¬ Korporation /. 'Körperschaft, Verbindung’, s.
kern’), lit. zirnis m. ('Erbse’). Obwohl es sich korpulent.
ersichtlich um ein no-Partizip zu einer schweren Korps n. 'Verbund, Verbindung’, s. korpulent.
Wurzel handelt, ist die weitere Analyse unklar.
korpulent Adj. 'beleibt’. Im 17. Jh. entlehnt
Man denkt entweder an 'Gewachsenes’ oder 'zu
aus gleichbedeutend 1. corpulentus, zu 1. corpus
Reibendes’ — in keinem Fall mit ausreichender
'Körper, Leib, Leichnam, Substanz, Fleisch,
semantischer Stütze.
Gesamtheit’.
Nndl. koren, ne. corn, nschw. nisl. körn. S. Granate,
Morphologisch zugehörig: Korpulenz', etymologisch
Kern, Popcorn.
verwandt: inkorporieren, Korporation, Korps, Korpus,
Korn2 m. 'Kornbranntwein’. Im 19. Jh. ge¬ [Korsage], Korpuskel, [Korselett], Korsett. — Zu Kor¬
kürzt aus Kornbranntwein. sett: Brunt (1983), 214.
Kornblume/. Wie nndl. korenbloem, ne. corn- Korpus n. 'Sammlung’, s. korpulent.
flower, nschw. kornblomma nach dem Standort Korpuskel n. 'kleinstes Teilchen’, fachsprachl.
der Blume in Kornfeldern benannt. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. corpusculum,
B. Reichert: Kornblume und Margerite in deutscher einem Diminutivum zu 1. corpus 'Körper, Sub¬
Synonymik (Diss. masch. Tübingen 1955). stanz’.
Kornelkirsche /., fachsprachl. Mhd. ahd. kur- Etymologisch verwandt: s. korpulent.
nilboum m. (u. ä.) für den Baum, ahd. kur- Korreferat n. 'zweiter Bericht’, s. referieren
ni(l)beri, kornilbere, quirnilberi n. oder ahd. und kon-,
kurnilo m. für die Beere; die Bezeichnung als korrekt Adj. 'richtig, entsprechend, ordent¬
Kirschen erst seit dem 18. Jh. Das Wort ist lich’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1.
entlehnt aus in dieser Bedeutung nicht bezeug¬ correctus (wörtlich: 'gebessert, verbessert’), dem
tem 1. corneolus, einer Diminutivform von 1. PPP. von 1. corrigere 'zurechtrichten, verbes¬
corneus 'zur Kornelkirsche gehörig’, dieses aus sern, in Ordnung bringen’, zu 1. regere (rectum)
1. cornus m. 'Komelkirschenbaum’ (das als ahd. 'gerade richten, lenken, leiten’ (s. auch kon-).
kurniboum entlehnt ist). Dieses mit gr. kränos Morphologisch zugehörig: Korrektion, korrektiv, Kor¬
'Kornelkirschbaum, Hartriegel’ aus einer mit rektiv, Korrektor, Korrektorat, Korrektur, korrigieren',
dem Wort für Kirsche (s. d.) letztlich verwand¬ etymologisch verwandt: s. Adresse. — W. Feldmann
ten, nicht-indogermanischen Grundlage. ZDW 8 (1906/07), 16.
Kornett n. (= ein kleines Horn mit Ventilen), korrelieren swV. 'entsprechen’, fachsprachl.
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. Neubildung zu 1. relätio (-önis) 'Zurücktragen,
korrepetieren 406 Kosten

Erwiderung, Beziehung, Verhältnis’ (s. auch Fleisch); aus wjidd. koscher, das auf hebr. käser
kon-), zu 1. referre 'zurücktragen’, zu 1. ferre 'in rechtem Zustand, tauglich’ zurückgeht.
'tragen’ (s. auch re-). Auch rotwelsch bezeugt, was aber höchstens
Morphologisch zugehörig: korrelat, Korrelat, Korrela¬ auf die übertragene Bedeutung eingewirkt hat.
tion, korrelativ. Korrelativ, etymologisch verwandt: s. Lokotsch (1975), 89; Wolf (1985), 181.
Differenz.
Kosel /. 'Mutterschwein’, arch., obd. Bezeugt
korrepetieren swV. 'einstudieren’, s. repetieren seit dem 15. Jh. Herkunft unklar.
und kon-.
kosen swV. Mhd. kosen, ahd. kösön 'verhan¬
korrespondieren swV. 'sich schreiben, in Über¬ deln’, zu ahd. kosa 'Gespräch, Erzählung,
einstimmung sein’. Im 17. Jh. entlehnt aus Rechtssache’, das aus 1. causa 'Rechtssache’ ent¬
gleichbedeutend frz. correspondre, einer Neubil¬ lehnt ist. Die Bedeutung entwickelte sich zu
dung zu 1. respondere (respönsum) 'versichern, 'plaudern’, hauptsächlich in erotischen Zusam¬
versprechen, antworten, entsprechen, überein¬ menhängen. Das Wort starb dann im 15./16.
stimmen’ (s. auch kon-) Jh. in der Schriftsprache aus, hielt sich aber in
Morphologisch zugehörig: Korrespondent, Korrespon¬ den Mundarten. Im 18. Jh. wurde es wiederbe¬
denz', etymologisch verwandt: [Response], — W. Feld¬
lebt, geriet aber unter den Einfluß des in der
mann ZDW 8 (1906/07), 61f.; Schirmer (1911), 111;
Schriftsprache bewahrten liebkosen (s. d.), des¬
Jones (1976), 246f.; W. J. Jones SN 51 (1979), 253.
sen Bedeutung es schließlich übernahm.
Korridor m. 'Gang, Flur’. Im 18. Jh. entlehnt
Kosinus m. 'im rechtwinkligen Dreieck das
aus it. corridore 'Läufer, Renner’, einer Ablei¬
Verhältnis von Ankathete zu Hypothenuse’,
tung von it. correre 'laufen’, aus 1. currere (cur-
fachsprachl. Kürzung aus neo-1. complementi si-
sum) (dass.).
nus, zu 1. complementum n.
Etymologisch verwandt: s. Kurier. — Kretschmer
(1969), 207; Jones (1976), 247. Etymologisch verwandt: s. komplementär und Sinus.
— Schirmer (1912), 39.
korrigieren swV. 'berichtigen’, s. korrekt.
kosmetisch Adj. 'die Schönheitspflege betref¬
Korrosion/. 'Zersetzung, Zerstörung’, s. Ero¬
fend’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
sion und kon-.
frz. cosmetique, dieses aus gr. kosmetikös 'zum
korrupt Adj. 'bestechlich, verdorben’. Im 15. Schmücken gehörig’, zu gr. kosmein 'ordnen,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. corruptus, schmücken’, zu gr. kösmos 'Anordnung, Ord¬
dem PPR von 1. corrumpere 'verderben, verfüh¬ nung, Schmuck’. Davon auch Kosmos, das 'die
ren, zuschanden machen, vernichten’, zu 1. rum- Weltordnung, das Weltall’ bezeichnet.
pere (ruptum) 'brechen, zerbrechen, stören’ (s. Morphologisch zugehörig: Kosmetik, Kosmetikum', ety¬
auch kon-). mologisch verwandt: Kosmos. - Zu Kosmos vgl.: W.
Morphologisch zugehörig: korrumpieren, Korruption', Kranz AB 2(1955), 5-282; C. Haebler AB 11 (1967),
etymologisch verwandt: s. abrupt. — G. Schoppe ZDW 101-118.
15 (1914), 191; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 396.
Kosmopolit m. 'Weltbürger’, s. kosmetisch
Korsar m. 'Seeräuber’, sondersprachl. Ent¬ und politisch.
lehnt aus gleichbedeutend it. corsaro, das über Kosmos m., s. kosmetisch.
eine mittellateinische Zwischenstufe zurückgeht
Kossat m., auch Kossäte m. 'Häusler’, ndd.
auf 1. cursus 'Fahrt (zur See)’, das mit 1. currere
Mndd. kotsete, koste 'der in einer Kate (s. d.)
'laufen, eilen’ verwandt ist.
sitzt, eine Kate besitzt’; vgl. ae. cot(e)-setla
Etymologisch verwandt: s. Kurier. - Kluge (1911),
482; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 191.
'Landmann’. Das Hinterglied wie bei Insasse
(s. d.).
Korsett n. 'Mieder’, s. korpulent.
Kost /. Frühneuhochdeutsch auch Maskuli¬
Kortex m. 'Rinde (eines Organs)’, fach-
num. Mhd. kost(e) f./m. 'Zehrung, Vorrat’. Ei¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cortex
gentlich der Singular des Wortes Kosten (s. d.)
m./f.
in der Bedeutung 'Aufwand für Lebensmittel’,
Koryphäe /. 'Fachmann, Fachfrau’, sonder- dann Lebensmittel’, ln dieser Bedeutung wohl
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. cory- beeinflußt von kosten2 'abschmecken, probie¬
phee m., dieses aus I. coryphaeus m. (dass.), aus ren’ (s. d.), das aus anderer Quelle stammt.
gr. koryphatos m. 'Anführer’, zu gr. koryphe S. auch kosten'.
'Gipfel’.
Kosten PI. Mhd. koste f./m., spahd. kosta f.
koscher Adj. 'rein, gemäß den Speisegesetzen’ Aufwand, Preis, Wert’. Entlehnt aus spätem,
(im Sinne der jüdischen Religion); übertragen aber auch durch die romanischen Sprachen vor¬
auf 'sauber, ehrlich, in Ordnung’ (aber meist ausgesetztem ml. *costus m., *costa f. 'Auf¬
als nicht koscher), ugs. Seit dem 18. Jh. auch wand’ zu 1. constäre 'zu stehen kommen’.
im Deutschen üblich (zunächst in bezug auf S. Arrest ( + ), Kost, kosten1.
kosten 407 kotzen

kosten1 swV. 'einen bestimmten Preis haben’. govnö n. 'Mist, Dreck, Kot’. Dabei ließe ein
Mhd. kosten. Entlehnt aus afrz. co(u)ster (frz. Ansatz *gewd- mit *gwe- für das Germanische,
coüter); dieses aus ml. costäre, aus 1. constäre *gU3- für das Indische, und *goua- für das Ar¬
'zu stehen kommen, kosten’. menische und Slavische die Formen miteinan¬
S. Arrest ( + ), Kost, Kosten. der verknüpfen. Die Einzelheiten sind aber un¬
sicher.
kosten2 swV. 'abschmecken, probieren’. Mhd.
Bahder (1925), 66f.
kosten, ahd. kostön, as. koston aus g. *kus-tö-
swV. 'ausprobieren’, auch in ae. costian 'kosten, Kotau m. 'übertriebene Höflichkeitsbezeu¬
versuchen’ und mit etwas anderer Bedeutung gung’, sondersprachl. Über das Englische ent¬
anord. kosta 'anwenden, einsetzen, sich bemü¬ lehnt aus chin. k'o-t'ou, wörtlich: 'Schlagen des
hen’. Intensivbildung zu kiesen (s. d.). Parallele Kopfes’, Bezeichnung der Begrüßung, die dem
Bildungen sind 1. güstus 'Geschmack’ und 1. Kaiser dargebracht wird, und die u. a. darin
güstäre 'versuchen’. besteht, daß der Boden mit der Stirn berührt
wird.
S. auch degoutieren ( + ), degustieren.
Kote /., s. Kate.
Köster m. 'Küster’, ndd. Mndd. koster, kuster,
mndl. coster, afr. kostere, kuster, as. kostaräri Köte /. 'hintere Seite der Zehe bei Pferden
'Küster’. Das Wort scheint vom gleichbedeuten¬ und Rindern’, fachsprachl. Mndd. kote, kute
den Küster (s. d.) zu trennen zu sein und ist 'Knöchel’, auch 'Würfel’ (vom Würfeln mit
möglicherweise auf ml. *costurarius 'Aufseher Knöcheln her); mndl. cote, nndl. koot, afr. kate.
der liturgischen Gewänder’ zurückzuführen, Herkunft unklar; vielleicht zu dem Komplex
das zu ml. *consutura f. 'Näherei’ gehört (frz. Kugel (s. d.).
Silfwerbrand (1958), 144 — 147.
couture /.).
Kotelett n. 'Rippenstück zum Braten’. Im 18.
köstlich Adj. Im 13. Jh. gebildet zu Kosten
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cötelette
(s. d.) mit der Bedeutung 'kostbar, prächtig’.
/., einem Diminutivum zu afrz. coste 'Rippe’,
Später (Luther usw.) auch 'entzückend, wun¬
aus 1. costa f. (dass.). Koteletten 'Backenbart’
dervoll’. Die Festlegung auf Speisen unter dem
ist eine scherzhafte Übertragung aus Berlin, wo
Einfluß von kosten2.
man mit Haarkoteletten die Form bestimmter
kostspielig Adj. Bezeugt seit dem 18. Jh. Es Backenbärte kommentierte.
gehört vermutlich zu mhd. spildec 'verschwen¬ Etymologisch verwandt: Küste. — W. Feldmann ZD W
derisch’ und ist sekundär an Spiel angeglichen 8 (1906/07), 62; Brunt (1983), 214f.
worden. Zu ahd. irspilden 'verschwenden, Koteletten Pi, s. Kotelett.
vertun’.
Köter m., ugs., ndd. Ursprünglich meist
Kostüm n. 'zweiteiliges Kleidungsstück für Bauernköter und Köterhund. Bezeugt seit dem
Frauen, historische Kleidung’. Im 18. Jh. ent¬ 16. Jh.; Herkunft unklar. Die niederdeutschen
lehnt aus it. costume m. 'ethnische Eigenart’, Mundarten weisen auf ö, so daß wohl ein
dieses aus 1. cönsuetüdo (-dinis) f. 'Gewöhnung, Schallwort auf der Grundlage von *kau- zu¬
Gewohnheit, Brauch’, einer Ableitung von 1. grundehegt (vgl. etwa rheinfrk. kauzen 'bellen,
cönsuescere die Gewohnheit annehmen , zu 1. kläffen’).
suescere 'etwas gewohnt werden, an etwas ge¬ Kottfleisch n. , s. Kutteln.
wöhnen’ (s. auch kon-). Zunächst in der darstel¬ Kotze /. 'grobes Wollzeug’, südd. Mhd. kotze
lenden Kunst als Bezeichnung ethnischer Eigen¬ m., ahd. koz(zo), kott m., hierzu auch ahd.
arten verwendet; dann unter französischem Ein¬ kuzzin n. 'Mantel’, as. kot m., kottos PI. 'wolle¬
fluß auf 'historische Bekleidung’ eingeengt; dar¬ ner Mantel, Rock’ (mit Entlehnungen in die
aus dann die weiteren Bedeutungen. romanischen Sprachen und ins Englische; s.
Morphologisch zugehörig: kostümieren. — W. Feld¬ Kutte). Westdeutsch auch übertragen für
mann ZDW 8 (1906/07), 62. 'Fleischabfälle, Innereien’, Herkunft unklar;
Kot m. (früher auch n.). Fnhd. auch Kat, kaum ein Erbwort. Nach J. Knobloch (s. u.)
Quat, mhd. quät, kät n., quöt, köt m./n., ahd. aus ml. cottus m., cotta 'Kutta’, das aus gr.
kötthybos m. (= Benennung eines militärischen
quät, köt n. aus vor-d. *kwäda- m./n. 'Kot,
Ausrüstungsstückes), gr. kosymbe 'Mantel von
Dung’, neben dem ae. cwead n., afr. kwäd
Hirten und Landleuten’ stammen soll.
'Dung’ mit unerklärtem Lautunterschied steht
S. Petticoat. — J. Knobloch SW 8 (1983), 77 — 80.
(*kwauda- ?). Hierzu, wohl durch Verwendung
des Substantivs als (prädikatives) Adjektiv Kötze /. 'Tragkorb’, s. Kietze.
mhd. mndd. quät, mndl. quaet, nndl. kwaad kotzen swV., vulg. Bezeugt seit dem 15. Jh.;
'schlecht, böse, eklig’. Außergermanisch verglei¬ auch als koptzen, also wohl eine Intensivbildung
chen sich wohl ai. gütha- m. 'Kot, Exkrement *koppetzen zu koppen (s. d.).
(ai. guväti 'scheißt’), arm. ku, koy 'Mist’, russ. Lokotsch (1975), 101.
Kraal 408 krakeelen

Kraal m., s. Kral. kraft Präp. Ursprünglich Dativ Singular des


Krabbe /. Ursprünglich niederdeutsch; (be¬ Wortes Kraft (s. d.), also 'mit der Kraft von’
zeugt seit dem 15. Jh.); mndl. crabbe, ae. crabba (konstruiert mit dem Genitiv des Substantiv-
m., anord. krabbi m. beruhen kaum auf einem Attributs).
Erbwort, sondern hängen wohl mit gt. kärabos, Kraftmeier m. 'Kraftprotz’, ugs. Zu Kraft
1. carabus m. 'Meerkrebs’ zusammen (die aus (s. d.) mit der Verwendung des häufigen Na¬
einer unbekannten Sprache stammen). mens Meier in appellativischer Funktion.
S. krabbeln. Kraut2, Krebs. — Lühr (1988), 296. Kragen m. Mhd. krage 'Hals, Halsbeklei¬
krabbein swV Ursprünglich niederdeutsch dung’, mndd. krage, mndl. crage. Trotz später
(umgangssprachlich), mndd. krabbeln, mhd. Bezeugung ein altes Wort, vgl. air. bräge 'Hals,
krappein. Ursprünglich wohl zu Krabbe (s. d.) Nacken’ (*gurögh-) und nasaliert gr. brönchos
als 'kriechen wie eine Krabbe’ und dann in der 'Luftröhre, Kehle’ neben gr. bröchthos 'Schluck,
Bedeutung verallgemeinert. Schlund’ und dem Aorist gr. bröxai 'verschluk-
S. auch kribbeln. ken’. Die unerweiterte Wurzel *guera- 'ver¬
Krach m. Mhd. krach, ahd. kräh, krac zu schlingen’ ist unter Köder dargestellt.
ahd. mhd. krachen, ahd. krahhön, mndd. mndl. Nndl. kraag, ne. craw. S. auch Kropf.
kraken, ae. cracian. Zu einer schallnachahmen- Kragstein m. 'aus einer Mauer hervorragen¬
den Interjektion Krack, Krach. Die übertragene der Stein’, fachsprachl. Mhd. kragstein. Ver¬
Bedeutung unter dem Einfluß von ne. crash. gleich mit dem Hals (Kragen) eines Tieres.
Ähnliche Schallwörter auch in anderen Spra¬
Krähe /. Vielfältige Formen in der früheren
chen (lit. girgzdeti 'krachen’ u. ä.).
Sprache: ahd. kräia, kräwa, kräha, kräa. Ein
Nndl. kraken, ne. crack. S. Crack, Kracke, Krakel.
«-stämmiges Norfien agentis zu krähen (s. d.)
Kracher m., s. Kracke. in der Bedeutung 'krächzen’ mit verschiedenen
krächzen swV. Fnhd. krachitzen wie ae. Übergangslauten. Die Krähe ist westgerma¬
cracettan und mit anderer Vokalstufe mhd. nisch als 'Krächzerin’ bezeichnet, vgl. ae. cräwe,
krochzen, ahd. krockezzen. Zu einer Erweite¬ as. kräia; die heutige umgelautete Form setzt
rung von krähen (s. d.), die auch in anord. kräka die Variante mit j voraus. Im Nordischen beruht
'Krähe’, anord. kräkr 'Rabe’, 1. graculus das Wort auf einer Erweiterung (s. unter
'Dohle’, russ.-kslav. krakati 'krächzen’ vorliegt. krächzen).
Ne. croak. S. Krähe, krähen. Nndl. kraai, ne. crow. S. krächzen, krähen.

Kracke /. 'hinfälliges Pferd’, md., ndd. Be¬ krähen swV. Mhd. krcejen, krcen, ahd. kräen,
zeugt seit dem 17. Jh.; schon früher nndl. kraak krägen, kräwen, as. kräia; voraus liegt ein star¬
gleicher Bedeutung. Gehört zu krachen (s. unter kes Verb, das in ae. cräwan bezeugt ist; die
Krach) wie obd. (alter) Kracher, wohl wie bei Bedeutung ist 'krähen, krächzen’. Außergerma¬
Knacker (s. d.) als 'jmd., bei dem man die Kno¬ nisch vergleicht sich lit. gröti, russ.-kslav. grajati
chen krachen hört’. krächzen’; zu einer ebenfalls alten Erweiterung
Kräcker m. (= ein Kleingebäck). Entlehnt s. unter krächzen.
aus gleichbedeutend ne. cracker, zu e. crack Nndl. kraaien, ne. crow. S. krächzen, Krähe.

'krachen’, aus ae. cracian (dass.). Krähl m., s. Kräuel.


Etymologisch verwandt: s. Crack. Krähwinkel (= typisierender Name einer
Krad n. Motorrad’, arch., fachsprachl. Ge¬ Kleinstadt), sonder spracht. Gebraucht von Jean
kürzt aus Kraftrad, der damals amtlichen Be¬ Paul, von Kotzebue 1803 für ein typisches
zeichnung für 'Motorrad’. Klatschnest verwendet (Die deutschen Klein¬
Kraft/. Mhd. ahd. kraft, as. kraft, kräht m.l städter). Seither häufig in dieser typisierenden
f. aus g. *krafti- f. 'Macht, Kraft’, auch in Bedeutung gebraucht.
anord. kraptr m., ae. crceft m., afr. kreft, kraft', S. auch Posemuckel. - E. Schröder GRM 17(1929)
29-35.
Spuren von «-Flexion (anord. krpptr m.) weisen
wohl auf einen parallelen maskulinen «-Stamm. Krail m., s. Kräuel.
Die Bedeutung ist ziemlich weitreichend und Krake m. 'großer Tintenfisch’. Im 18. Jh.
umfaßt auch Kunst, List u. ä.’ (vgl. ne. crafty übernommen aus nnorw. krakje, krake(n) 'Tin¬
'schlau’). Flierzu (dehnstufig) isl. (spät bezeugt) tenfisch’.
krcefr 'stark, tapfer’. Herkunft unklar. Am ehe¬
krakeelen swV. 'lärmen, schreien’, ugs., reg.
sten von der gleichen Grundlage wie Krieg
Bezeugt seit dem 16. Jh. Wie nndl. krakeelen
(s. d.), vgl. zu diesem air. brig 'Kraft, Macht’,
Streckform aus (nndl.) kreelen, das aus frz. que-
gr. hybris 'Übermut, Zügellosigkeit, Gewalttä¬ reller 'streiten’ entlehnt ist.
tigkeit’.
Schröder (1906), 126-128; Lasch (1928), 182; S. D.
Nndl. kracht, ne. craft, nschw. kraft, nisl. kraftur. S. Grave NPh 20(1937), 109; L. Spitzer NPh 20(1937),
kraft, Kraftmeier.
108f.; G. Weizenböck ZM 13(1937), 22f.
Krakel 409 krank

Krakel m. 'unregelmäßiger Schriftzug’, ugs. dem Adjektiv ahd. kramph 'gekrümmt’, anord.
In der Bedeutung 'dürrer Ast’ bezeugt seit dem krappr 'schmal, eingezwängt’ aus g. *krampa-,
16. Jh. (zunächst in der Form Gragel). Dann weiter zu g. *krimp-a- stV. 'zusammenkrampfen’
übertragen auf Schriftzüge usw.; bei krakelig in anord. kroppinn (PPrät.) 'verkrüppelt’,
'zerbrechlich’ tritt ein anderes Merkmal der mndd. krimpen, mndl. crempen, ahd.
dürren Äste in den Vordergrund. Wohl lautma¬ krim(p)fan 'reiben, zerreiben’, mhd. krimpfen.
lend zu krachen (s. unter Krach). Außergermanisch können verglichen werden
S. auch krickeln. lett. grumbt 'sich runzeln’, gr. grypainö, gryptö
Kral m., fachsprachl. Entlehnt aus nndl. kr aal 'ich werde krumm’, gr. grympainein 'sich run¬
'umzäuntes Negerdorf’; dieses aus port. curral. zeln’; gr. (Hesych) mit abweichendem Auslaut
akslav. sügrüzdati sp 'sich verkrampfen’.
Kralle /. Bezeugt seit dem 16. Jh., auch als
Nndl. kramp, ne. cramp. S. Grimmen, Krampe, Krempe,
Grolle, Krelle. Herkunft unklar; vielleicht zu
Krempel2, krimpen, krumm, krumpelig sowie
kratzen (s. d.). Krapfen ( + ). — Lühr (1988), 269.
K. J. Heinisch ZDS 20 (1964), 119f.
Krampus m. 'Knecht Ruprecht’, südd. Die
Kram m., ugs. Mhd. kräm 'Zeltdecke, Ware’, Herkunft ist nicht sicher geklärt.
mhd. kräm(e) f. 'Bude, Ware’, ahd. kräm 'Zelt,
Kran m. Spmhd. krane, mndd. krän, mndl.
Marktbude’, mndd. kram(e) 'Zeltdecke, Ware’,
crane, das alte Wort für den Kranich, das im
mndl. crame, craem 'Zeltsegel, Ware’. Das Wort
Anschluß an gr. geranos f./(m.), 1. grüs m./f
bedeutet also zunächst eine Stoffüberdachung;
'Kranich, Kran’ auf das Hebewerkzeug übertra¬
dann das unter ihr stattfmdende Marktgeschäft
gen wurde. So seit dem 14. Jh.
und die Waren selbst; heute verächtliches Wort
Nndl. kraan, ne. crane. S. Kranich ( + ).
für 'Kleinzeug’ (s. auch Krimskrams). Kaum
ein Erbwort (vgl. akslav. gramü 'Schenke’ und Kranbeere/., auch Kränbeere/. 'Preißelbeere’,
akslav. cremü 'Zelt’). arch., reg. Als 'Kranichsbeere’ bezeichnet zu
S. Krämer. — G. Richter in: Dückert (1976), 173 — 214. dem alten Wort für Kranich (s. Kranich).
S. Kronsbeere.
Krambambuli m., Student ensprachl. Ur¬
sprünglich Name eines Danziger Wacholder¬ Kranewitter m. 'Wacholderschnaps’, bair.-
branntweins, vermutlich in Anlehnung an mhd. österr. Zu mhd. kranewite 'Wacholder’ ('Kra¬
kranewite 'Wacholder’ gebildet (zu diesem s. nichholz’).
Krammetsvogel). Im 18. Jh. studentensprach¬ S. Kranich (+).
lich auch für andere alkoholische Getränke be¬ Krangel m. 'durch Verdrehen entstandene
nützt und vor allem in Liedern verbreitet. Schleife an einem Seil o. ä.’, fachsprachl., alem.
Schröder (1906), 208-210; M. Friedländer ZV Vokalvariante zu Kringel (s. d.).
40 (1930), 93 — 100; K. Treimer BGDSL 66 (1942), 356.
Kranich m. Mhd. kranech(e), kranch(e), ahd.
Krämer m., auch Kramer m., arch. Mhd. krä- kranuh, kranih aus wg. *kranuka- m. 'Kranich’,
mcere, krcemer, krämer, ahd. kramäri. Ursprüng¬ auch in ae. cornoch. Ohne das weiterbildende
lich jmd., der in einer Marktbude Waren ver¬ Suffix s. Kran und mhd. kran(e), ahd. as. krano,
kauft (s. Kram). ae. cran m.lf (*krana-/ön) und dehnstufig mhd.
Krammetsvogel m. 'Wacholderdrossel’, reg. kruon, mndd. krän, krön. Das Wort ist außer¬
Mhd. kranewitvogel zu regionalem mhd. krane- germanisch gut vergleichbar, doch lassen sich
wither/., kranewite 'Wacholder’, weil der Vogel die Formen nicht auf eine einheitliche Grund¬
dessen Beeren frißt. Das Bestimmungswort ist lage zurückführen: gr. geranos f./(m.), kymr.
ahd. kranawitu, kranwit m./n., aus ahd. krano garan (gall. -garanos); lit. garnys 'Reiher,
'Kranich’ (s. Kranich) und ahd. witu m./n. Storch’; mit k-Erweiterung wie im Germani¬
'Holz’ (s. Wiedehopf und vgl. ne. wood), also schen arm. krank; mit «-Erweiterung 1. grüs m.\
'Kranichholz’. /., lit. gerve /., russ.-kslav. zeravl. Lautnachah¬
S. auch Krambambuli. — Suolahti (1909), 62f.; J. mung ist nicht ausgeschlossen, doch paßt diese
Hoops (1911/19), III, 95f. Annahme eigentlich nur zur lateinischen Form
Krampe /., Krampen m., südd. 'Türhaken, (der Kranich-Schrei kann als gruu wiedergege¬
Klammer’. Aus dem Niederdeutschen in die ben werden). Im Altnordischen heißt der Kra¬
Hochsprache aufgenommen; oberdeutsch ent¬ nich trani, was wohl eine Umbildung desselben
spricht eigentlich Krampf (ahd. krampf(o) m. Wortes ist.
'Haken’); mndd. krampe, as. krampo. Zur glei¬ S. Krambambuli, Krammetsvogel, Kran, Kranbeere,
chen Grundlage wie Krampf (s. d.); vgl. noch Kranewitter, Kronsbeere. — Suolahti (1909), 292;
Kluge (1926), 32f.; Darms (1978), 134-138.
Krempe, KrempeP und krumm.
Krampf m. Mhd. krampf ahd. krampf(o), krank Adj. Mhd. kranc 'schmal, gering,
as. krampo 'Zusammenziehen der Muskeln’, zu schwach’, ahd. kranc hinfällig’, mndd. krank
kränken 410 Krause

'schwach'. Das Wort ersetzt im Laufe der deut¬ Kratten, Kretten 'Korb’, auch 'Korbwagen’. Aus
schen Sprachgeschichte das alte Wort siech der gleichen Grundlage wohl ae. cradel m.
(s. d.). Seine Herkunft ist unklar; vgl. anord. 'Wiege’ (ne. cradle). Ein Anschluß an ai. grath-
krangr 'hinfällig' und das lautlich unfeste ae. ndti 'windet, knüpft’ ist denkbar, aber unver¬
crinc(g)an 'fallen, verderben’. Die verschiede¬ bindlich.
nen Bedeutungen mit diesem Lautstand lassen Lühr (1988), 282f.
sich kaum in eine einheitliche Entwicklungslinie
Krätze2 / (= Krankheit), faehsprachl. Mhd.
einordnen.
kretze, kratz. Zu kratzen (s. d.), weil es sich um
Nndl. krank, ne. crank (?). S. kränken.
eine juckende Hautentzündung handelt, die den
kränken swV Mhd. kranken 'krank machen’ Befallenen zum Kratzen reizt.
in allen Bedeutungen des Grundworts. Die heu¬
kratzen swV. Mhd. kratzen, kretzen, ahd.
tige Bedeutung 'erniedrigen, demütigen’ ist von
krazzön, mndl. cretsen. Herkunft unklar. Mög¬
krank 'gering, niedrig’ abhängig.
licherweise lautmalend.
S. krank.
S. aufgekratzt, Kralle, Krätze2, Krätzenkraut, Krätzer,
Kranz m. Mhd. kranz, spahd. kranz 'Kopf¬ Kratzfuß ( + ), Kreis.
schmuck’. Das Wort kann entweder mit lit.
Krätzenkraut n. 'Skabiose’, reg. Die Skabiose
grandis Kettenglied, Armband’ verglichen wer¬
wurde früher als Heilmittel gegen Krätze ver¬
den (das aber ebenfalls isoliert ist), oder es wendet.
gehört zu einer Ablautvariante von Kring(el) S. kratzen ( + ).
mit verbaler z-Erweiterung (*krangzen) und
Rückbildung. Krätzer m. 'saurer Wein’, reg. Seit dem 17.
H.-F. Foltin DWEB 3 (1963), 1 -296.
Jh. Spottname wie Rachenputzer und travestie¬
rendes Kratzenberger.
Kränzchen n. (Kaffeekränzchen n., auch
S. kratzen ( + ).
Kränzlein n. u. ä.). Bezeugt seit dem 15. Jh.
für eine Gesellschaft, die sich reihum bei den Kratzfuß m. 'Verbeugung, bei der ein Fuß
Mitgliedern trifft; Kranz also im Sinn von nach hinten gezogen wird’, arch. Seit dem 18.
'Ring; Reihe, die sich wiederholt’. Jh. Nach dem kratzenden Geräusch, das dabei
verursacht wird.
Krapfen m. ( = Gebäck), reg. Mhd. krapfe,
S. abkratzen, kratzen ( + ).
ahd. krapfo, kraffo. Das Wort bedeutet in der
älteren Zeit vor allem 'Kralle, Haken’, das Ge¬ Krauche /., s. Krug1.
bäck ist also nach seiner gebogenen Form so krauchen swV., ugs., reg. Mitteldeutsche Va¬
benannt. Ein Zusammenhang mit Krampf (s. d.) riante des Präsens von kriechen (s. d.), alt krü-
legt sich nahe; es müßte eine frühe, unnasalierte chen nebst üblichem kriechen. Z. T. in der Be¬
Form vorliegen. deutung spezialisiert als 'sich (wegen Verletzung
S. Krampf ( + ), Krapp. - Heyne (1899/1903), II, 277; o. ä.) mühsam vorwärtsbewegen’ und schwach
Kretschmer (1969), 360; Lühr (1988), 288. flektiert.
Krapp m. 'Färberröte’, faehsprachl. Wird im Kräuel m., auch Krail m., Krähl m. u. ä. 'Gar¬
16. Jh. mit der Sache aus dem Niederländischen tengerät, reg. Mhd. kröu(we)l, krewel u. ä.,
entlehnt: mndl. in crapmede (auch nndl. mee- ahd. krewil, krouwil, as. krauwil, wie afr. kräwil,
krap). Es wird vermutet, daß das Wort mit kräul zu krauen (s. d.).
Krapfen (s. d.) zusammenhängt, wegen der ha¬
krauen swV. mit gekrümmten Fingern krat¬
kenförmigen Stacheln der Pflanze 'Rubia tinc-
zen , reg. Mhd. krouwen, ahd. krouwön, mndl.
torum’.
crauwen nebst afr. kräwia. Wohl über eine Be¬
kraß Adj. Im 18. Jh entlehnt aus 1. crassus zeichnung von Krallen zu krumm und ähnlichen
dick, grob’. Schon früher erscheint die 1. For¬ Wörtern.
mel Tgnörantia crassa in deutschen Texten; die S. Kräuel.
Schreibung graß beruht auf Vermischung mit
kraulen swV. Hand über Hand schwimmen’.
dem Grundwort von gräßlich (s. d.).
Vor 1930 entlehnt aus am.-e. crawl kriechen’
Krater m. Im 18. Jh. entlehnt aus I. eräter, ('im Kriechstoß schwimmen’). Dieses ist letzt¬
das seinerseits aus gr. krätdr stammt. Das grie¬ lich mit krabbeln verwandt.
chische Wort bedeutet ursprünglich 'Mischge¬
kraus Adj. Mhd. mndd. krüs. Herkunft un¬
fäß’; nach dessen Form sind die Vulkanöffnun¬
klar; vielleicht ist Gekröse damit verwandt
gen benannt.
(doch würde dies Ablaut voraussetzen, was für
Kratten m., s. Krätze1.
eine so späte Zeit nicht selbstverständlich ist).
Krätze1/. Rückenkorb’, reg. Mhd. kretze f./ S. kräuseln, Kreisel.
m-, ahd. krezzo m. 'Korb’; eine Variante ist ahd.
Krause/ 'Krug, irdenes Trinkgefäß u. ä.’, reg.
kratto m„ mhd. kratte, gratte m., nhd. (südd.)
Mhd. kruse, mndd. krüs; kaum ein Erbwort.
kräuseln 411 Kreisel

Ursprung ist aber unklar (evtl. gr. krossös m. Kredenz /. 'Anrichte5, arch. Rückbildung zu
'Krug). kredenzen '(Speisen) anbieten, darreichen5; die¬
kräuseln sh'F., meist refl. Bezeugt seit dem ses zu it. credenza f. 'Glauben5 (da es sich ur¬
16. Jh., mndl. bereits seit dem 15. Jh. (cruseln). sprünglich um ein Überreichen vorgekosteter
Abgeleitet von kraus (s. d.). Speisen handelte). Das italienische Wort zu 1.
credere 'Vertrauen schenken, glauben5,
Kraut1 n. Mhd. ahd. krüt, as. krüd; ursprüng¬
s. Kredit ( + ).
lich 'Blattpflanze5, dann im Süden zu 'Kohl5,
sonst 'Gemüse5, auch 'Latwerge5, 'Schießpulver Kredit m. 'Geldleihgabe5. Im 16. Jh. entlehnt
u. a.5; PL 'Küchen- und Heilkräuter5. Außerger¬ aus it. credito 'Leihwürdigkeit5, dieses aus 1.
manisch vergleicht sich vielleicht gr. bryö 'ich creditum n. 'das auf Vertrauen Anvertraute5,
sprosse5, dessen Sippe aber ebenfalls isoliert ist. dem substantivierten PPP. von 1. credere Ver¬
Vorauszusetzen wäre in diesem Fall *guruo-to-. trauen schenken, Glauben schenken5.
— Kraut 'Latwerge5 als ursprüngliche Bezeich¬ Morphologisch zugehörig: kreditieren, Kreditor, ety¬
mologisch verwandt: akkreditieren, [diskreditieren],
nung von Heilkräutersirup; in der Bedeutung
Kredenz, Kredo. — Schirmer (1911), 112; W. J. Jones
'Schießpulver5 Anlehnung an die Herstellung in
SN 51 (1979), 253.
der Alchimistenküche.
Kredo n. 'Apostolisches Glaubensbekennt¬
S. Kreude, Unkraut. — A. Teepe-Wurmbach WF
nis5, sonderspracht. Nach dem ersten Wort des
13(1960), 164-168.
lateinischen Textes: credo 'ich glaube’, zu 1. cre¬
Kraut2 (Krautfischer m.. Krautnetz n. u. a.),
dere 'glauben, vertrauen5.
reg. An der Unterelbe zu ndd. kraut aus *kravet
Etymologisch verwandt: s. Kredit.
'Krabbe, Garneele5; s. Krabbe und Krebs.
kregel Adj., krekel Adj. 'munter5, nordd. Wohl
Krawall m. 'Tumult, Aufruhr5. Die Herkunft zu Krieg (s. d.) gehörig, doch in den Einzelhei¬
ist nicht sicher geklärt. ten unklar. Zu beachten ist ahd. widarkregil
A. Gombert ZDW 3 (1902), 316; R. F. Arnold ZDW 'widerspenstig5.
8 (1906), 13f.; Ladendorf (1906), 181 f.; R. F. Arnold
ZDW 9 (1907), 157f.; F. Kainz in: Maurer/Rupp (1974/
Kreide /. Mhd. kride, spahd. as. krida; ent¬
78), II, 410.
lehnt aus 1. (terra) creta 'gesiebte Erde5. Das -d-
stammt aus der späteren Form creda, während
Krawatte/. 'Binder5. Im 17. Jh. entlehnt aus
mndl. crijt, mndd. krite das ursprünglichere -t-
gleichbedeutend frz. cravate, dieses aus d. Kra-
bewahren. In der Kreide stehen und ähnliche
wat 'die kroatische Halsbinde5, einer mundart¬
Wendungen gehen darauf zurück, daß die Zeche
lichen Nebenform von Kroate, nach einer be¬
ursprünglich mit Kreide angeschrieben wurde.
stimmten Halsbinde von kroatischen Reitern.
Löschen (1968), 257f.; L. Guinet EG 31 (1976), 251.
Brunt (1983), 221.
kreieren swV. 'schöpfen, schaffen5, sonder-
kraxeln swV. 'klettern5, ugs., südd. Bezeugt sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
seit dem 18. Jh. Erweiterung mit -5- zu bair.
1. creäre (creätum).
krägeln 'strampeln, klettern5 unbekannter Her¬ Morphologisch zugehörig: Kreation, kreativ, Kreativi¬
kunft. tät, Kreatur; etymologisch verwandt: konkret (usw.),
kreativ Adj. 'schöpferisch5, s. kreieren. Kreszenz, Rekrut (usw.); zum Etymon s. Hirse. - K.-
H. Weinmann DWEB 2 (1963), 396.
Kreatur /. 'Geschöpf, Schöpfung5. Mhd. crea-
Kreis m. Mhd. ahd. kreiz 'Umkreis, Bezirk5,
tiur(e), creatür(e). Entlehnt aus afrz. creature
mndd. kreit, kret(e) 'Kampfplatz, Kreis5 neben
unter Einfluß von 1. creätüra. Dieses zu 1. creare
ablautenden Formen in mndd. kriten, mhd.
'erschaffen5 (s. kreieren).
krlzen (vermutlich stV.) 'eine Kreislinie ziehen5.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 62.
Vermutlich zeigt ahd. krizzön 'einritzen5 die
Krebs m. Mhd. krebez(e), krebz(e), ahd. kre- Ausgangsbedeutung: Ein Kreis ist ursprünglich
baz, krebiz, as. krevit. Das Wort gehört sicher der auf dem Boden eingeritzte Platz (auf dem
mit Krabbe zusammen und ist wie dieses kaum z. B. gekämpft wird).
ein Erbwort. Krebs heißt auch der Brusthar¬ S. kratzen, kritzeln.
nisch nach seiner Form, die der Krebsschale
kreischen swV. (auch stV.). Mhd. krischen,
ähnlich ist; auf das Rückwärtsgehen des Kreb¬
mndl. criscen. Eine .r/c-Bildung zu dem unter
ses bezieht sich die Bezeichnung der Remitten-
kreißen (s. d.) behandelten Wort.
den bei den Buchhändlern als Krebs. Als Krank¬
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 117-123.
heitsbezeichnung ist das Wort eine Lehnbedeu¬
tung von gr. karkinos und 1. cancer (wohl nach Kreisel m. 'Kinderspielzeug5. Auch übertra¬
dem Aussehen solcher Geschwüre wie gesottene gen in den technischen Wortschatz; älter Kräu-
sel, das die ursprüngliche Form zu sein scheint;
Krebse).
Kreisel ist offenbar sekundär an Kreis angegli-
S. Krabbe ( + ), Kraut2.
kreißen 412 kreuzen

chen worden. Vermutlich zu kraus (s. d.) über Kresse1 /. (= Pflanze), fachsprachl. Mhd.
ein (nicht bezeugtes) *krausen (*krüsen) kr esse m./f, ahd. kresso, krasso m., kressa,
'drehen’. mndd. kerse m., mndl. kerse aus wg. *krasjö f
R. Hildebrandt ZM 31 (1964), 239-243. 'Kresse’, auch in ae. cressa. Vielleicht zu lett.
kreißen swV, arch. Mhd. krtzen stV. 'schreien, griesigs 'scharf, schneidig’ (wegen des scharfen
stöhnen’, speziell 'Wehen haben’ (vgl. Krei߬ Geschmacks’).
saal), mndd. kriten, mndl. criten, nwfr. krite. Kresse2/. (= Fisch), auch Kreßling m., fach¬
Schallverb zu der Sippe von schreien (s. d.); eine sprachl. Mhd. kresse m.('?), ahd. kresso, krasse
Weiterbildung ist kreischen (s. d.). m. Herkunft unklar; vielleicht zu ahd. kresan
Krematorium n. 'Anlage für Einäscherungen’. kriechen’, weil der Fisch am Wassergrund ent¬
lang schwimmt.
Neubildung des 19. Jhs. zu 1. cremäre 'ver¬
brennen’. Ö. Beke IF 52(1934), 137f.

Morphologisch zugehörig: Kremation, kremieren. Kreszenz/ 'Herkunft, Wachstum, Rebsorte’,


fachsprachl. Entlehnt aus 1. crescentia 'Wachs¬
Krempe /. 'Hutrand’, [m 17. Jh. aus dem
tum, Zunehmen’, zu 1. crescere 'wachsen, anfan¬
Niederdeutschen übernommen. Zu dem unter
gen hervorzukommen’, einem Inchoativum zu
Krampe entwickelten Wort, also eigentlich 'Auf¬
1. creäre 'schaffen, erschaffen’.
gebogenes’.
Etymologisch verwandt: s. kreieren.
S. Krampe, Krampf ( + ), Krempel2, krumm.
Krethi und Plethi, sondersprachl. König Da¬
Krempel1 m., ugs. Mhd. grempel 'Trödler¬ vids Leibwache bestand aus fremden Söldnern,
kram , Rückbildung aus gremp(e)ler 'Trödler’ wahrscheinlich Kretern und Philistern. Luther
zu grempeln, grempen 'Kleinhandel treiben’. übersetzt 2. Sam- 8,18 und öfters Crethi und
Dieses ist entlehnt aus it. comprare 'kaufen’ aus Plethi. In lutherischen Kreisen seit 1710 als ge¬
1. comparäre 'verschaffen’. flügeltes Wort für 'gemischte Gesellschaft’.
Krempel2/ 'Wollkamm\ fachsprachl. In mit¬ Kretin m. 'Schwachsinniger’, sondersprachl.
telhochdeutscher Zeit aus dem Niederdeutschen Entlehnt aus gleichbedeutend frz. cretin, einer
übernommen. Eine Verkleinerung zu Krampe mundartlichen Weiterentwicklung von afrz.
(s. d.), also als 'Hakeninstrument’ bezeichnet. crestien 'Christenmensch’, dieses aus 1. Chrlstiä-
S. Krampe, Krempe, krumm und Krampf ( + ). nus 'Christ, christlich’. Ursprünglich verhül¬
lende Bezeichnung (ausgehend von der Vorstel¬
Kremser m. 'Mietwagen’, arch. Benannt nach
lung, daß Schwachsinnige 'unschuldig’ sind).
dem Berliner Hofagenten Kremser, der 1825 als
Morphologisch zugehörig: Kretinismus, kretinoid; ety¬
erster die Erlaubnis zu einem solchen Betrieb
mologisch verwandt: s. Christ1.
erhielt.
kreuchen swV., arch. In der Regel nur noch
Kren m. 'Meerrettich’, südd. Mhd. kren(e).
in was kreucht und fleucht. Archaische (nicht
Entlehnt aus dem Slavischen (russ. ehren, cech. ausgeglichene) Form von kriechen (s. d.).
kren). Zumindest einer der Ausgangspunkte ist
Kreude/ 'Pflaumenmus’, nordd. Mndd. kru¬
das Sorbische (obsorb. ehren, ndsorb. Ksen).
de- 'Gewürz’. In Anlehnung an den Heilkräu¬
Wiek (1939), 89; Marzell (1943/79), I, 398f.; Bielfeldt
tersirup eine Ableitung von Kraut1 (zunächst
(1965), 45; Eichler (1965), 67f.; Kretschmer (1969)
333f.
im Sinne von 'Heilkraut’).
A. Teepe-Wurmbach WF 13 (1960), 164-168.
krepieren swV. 'elend sterben, zerplatzen’. Im
Kreuz n. Mhd. kriuz(e), kriuce, ahd. krüzi,
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. crepare,
kriuze, as. krüci; wie afr. krioze, kriose entlehnt
dieses aus 1. crepäre 'klappern, knattern, knal¬
aus 1. crux (-ucis) fl als c vor Palatal schon die
len’. Die Bedeutung 'elend sterben’ ist im Italie¬
Aussprache z hatte. Länge des Vokals durch
nischen wohl resultativ als 'Folge des Zerplat-
Wiedergabe des quantitativ ausgeglichenen
zens eines Geschosses’ entstanden.
spätlateinischen w-Lauts; Genuswechsel wohl
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07) 62. wegen der Stammklasse. Sonst wird in der frü¬
Krepp m. 'Krausflor’, fachsprachl. Im 18. Jh. hen Zeit des Christentums auch das Wort Gal¬
(zunächst als Crep) entlehnt aus frz. crepe nach¬ gen (s. d.) für 'Kreuz’ gebraucht.
dem älteres frz. cresp schon ein Jahrhundert S. Kruzifix und die nachfolgenden Ableitungen und
Zusammensetzungen.
früher als Kresp entlehnt wurde. Das französi¬
sche Wort geht auf 1. crispus 'kraus’ zurück. kreuzen swV. Im 17. Jh. übernommen aus
nndl. kruisen, zunächst als 'hin- und herfahren’.
kreß Acij. orange’, sondersprachl. Als Ersatz¬
Hierzu Kreuzer1 'Kriegsschiff, das hin- und her¬
wort für orange von dem Naturwissenschaftler
fahrend eine Küste schützt’, seit dem 17. Jh.
Ostwald in Anlehnung an die Farbe der Blüten
nach dem Vorbild von nndl. cruiser.
der Kapuzinerkresse im 20. Jh. eingeführt. Kluge (1911), 490-492.
Kreuzer 413 krimpen

Kreuzer1 m., s. kreuzen. Krickente /., fachsprachl. Bezeugt seit dem


16. Jh. Benannt nach dem Balzruf des Männ¬
Kreuzer2 m., arch. Seit dem 13. Jh. als Silber¬
chens (als krlik wiedergegeben).
pfennig in Verona und Meran geschlagen
Suolahti (1909), 428-432.
(Etschkreuzer) und nach dem aufgeprägten lie¬
genden Kreuz benannt (daher die Abkürzung Krieche/. 'Haferpflaume’, reg. Mhd. krieche,
xr). Mhd. kriuzerpfenninc nach 1. denärius cru- ahd. krihboum, krieh(hen)boum (für den
ciätus. Nachher verallgemeinert auf kupferne Baum), mndd. kreke. Zwar scheint es das Wort
Pfennigmünzen. für griechisch (1. graecus) zu sein, doch ist eine
entsprechende lateinische Benennung nicht be¬
Kreuzfahrer m. 'Teilnehmer an einem Kreuz¬
kannt; deshalb unklar.
zug’, s. Kreuzzug.
kriechen stV. Mhd. kriechen, ahd. kriohhan,
Kreuzgang m. 'Innenhof von Klöstern’, fach- vor-d. *kreuk-a-. Hierzu gibt es parallele Bil¬
sprachl. Mhd. kriuz(e)ganc, eigentlich 'Prozes¬ dungen (z. B. *kreup-a- in ae. creopan, ne. creep
sion (bei der ein Kreuz vorangetragen wird)’; u. a.), aber keine naheliegende Etymologie.
dann übertragen auf den Ort, in dem solche S. auch krauchen, kreuchen.
Prozessionen stattfinden. Krieg m. Mhd. kriec, ahd. kreg, krieg, mndd.
kreuzigen swV Mhd. kriuzigen, ahd. krüzi- krich, mndl. crijck, der Bedeutungsspielraum
gön. Entlehnt aus 1. cruciäre 'ans Kreuz heften, geht von 'Hartnäckigkeit’ und 'Anstrengung’
martern’ mit g als Übergangslaut zwischen i zu 'Streit’, vgl. afr. halskriga 'Halssteifheit’.
und ö (zunächst also j). Herkunft unklar; am ehesten zu einer Grund¬
lage *gurei-, wie sie auch in gr. brimef. 'Wucht,
Kreuzotter /. Bezeugt seit dem 19. Jh. Be¬
Gewalt, Ungestüm’, gr. hybris f. 'Übermut,
nannt nach dem dunklen Rückenband, das aus
Überheblichkeit, Gewalttätigkeit’ und vielleicht
Kreuzen zusammengesetzt zu sein scheint.
in air. brig f. 'Kraft, Macht, Wert’, lett. grins
S. Otter2. 'grausam, zornig’, lett. grinums 'Härte, Strenge’
Kreuzschnabel m., fachsprachl. Bezeugt seit vorliegt.
dem 16. Jh. Der Vogel ist nach dem auseinan¬ Nndl. krijg. S. Kraft (+), kregel, kriegen. - E. Karg-
dergekrümmten Schnabel benannt. Gasterstädt BGDSL 61 (1937), 257-259. Anders:
E. H. Sehrt MLN 42 (1927), 110.
Kreuzspinne f. Bezeugt seit dem 17. Jh. Be¬
kriegen swV. 'bekommen’, ugs. Mhd. kriegen,
nannt nach der Zeichnung auf dem Hinterleib,
mndd. krigen, mndl. crigen\ entsprechend afr.
die einem Kreuz ähnelt.
krlga, z. T. stark flektiert, wobei Bedeutungs¬
Kreuzverhör n. Lehnübersetzung von ne. unterschiede, die zum Flexionsunterschied par¬
cross-examination, der englischen Einrichtung, allel sind, nicht klar erfaßt werden können.
daß vor Gericht die Zeugen von Staatsanwalt Die Bedeutung 'bekommen’ scheint aus '(sich)
und Verteidiger nach allen Richtungen (ne. erkriegen’ (zu Krieg, s. d.) erklärbar zu sein, da
m«s!) befragt werden, um Widersprüche oder sie aus dem gleichen Gebiet stammt, in dem
Lücken in ihren Aussagen aufzudecken. auch erwerven 'erwerben’ zu werven gekürzt
wird. Die Einzelheiten der Entwicklung bleiben
Kreuzzug m. Seit dem 18. Jh. bezeugt, aber
wohl schon vorher geläufig. Die ältere Bezeich¬ unklar.
nung ist Kreuzfahrt, mhd. kriuzevart. So ge¬ Kriegsfuß m. (in mit jemandem auf Kriegsfuß
nannt nach dem (Teil)Ziel der Auffindung des stehenjleben). Lehnübersetzung aus frz. sur le
pied de guerre (im Französischen wird pied in
Kreuzes Christi.
größerem Umfang zu übertragenen Wendungen
kribbeln swV. So seit frühneuhochdeutscher
herangezogen als im Deutschen).
Zeit, mhd. kribeln 'kitzeln’. Expressives Wort
kriminell Adj. 'widerrechtlich, sträflich . Im
wie krabbeln (s. d.), von dem es abgewandelt
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. crimi-
ist.
nel, dieses aus 1. crlminälis (dass.), zu 1. crimen
krickeln swV, ugs. In der Bedeutung 'unleser¬ 'Beschuldigung, Anschuldigung, Vergehen, Ver¬
lich schreiben’ wohl Abwandlung von krakeln brechen’.
(s. unter Krakel), doch ist auch kritzeln und Morphologisch zugehörig: Krimi, kriminal, Kriminal,
Krücke zu beachten (gleichzeitiger Einfluß ver¬ kriminalisieren, Kriminalist, Kriminalistik, Kriminalität,
schiedener Quellen ist bei solchen, der Lautbe¬ Kriminologie-, etymologisch verwandt: inkriminieren,
schreien. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 62; G.
deutsamkeit unterliegenden Wörtern, durchaus
Schoppe ZDW 15 (1914), 191.
denkbar). Die Bedeutung 'nörgeln, zanken’
wohl als 'an Kleinigkeiten herummachen’ zur krimpen swV. 'einschrumpfen (in der Wä¬
gleichen Grundlage, eventuell unter dem Ein¬ sche)’, reg. Bezeugt seit dem 18. Jh., übernom¬
men aus dem Niederdeutschen, wo es ursprüng-
fluß von kritisieren.
Krimskrams 414 Krone

lieh stark flektiert (mndd. krimpen, mndl. crem- Kriterium n. 'unterscheidendes Merkmal’, s.
pen stV, ahd. Präsens krimfit). Eigentlich 'zu- kritisch.
sammenkrampfen’ und weiter zu Krampf zu
kritisch Adj. 'streng bewertend, genau prü¬
stellen (s. d.).
fend’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Krimskrams m. 'Durcheinander’, ugs. Be¬ frz. critique, dieses aus 1. criticus (dass.), aus gr.
zeugt seit dem 18. Jh. als Reduplikationsbil¬ kritikös (dass.), zu gr. krinein 'scheiden, tren¬
dung mit Vokalvariation. Älter (mit nicht ganz nen, entscheiden’.
gleicher Bedeutung) Kribskrabs (seit dem 16. Morphologisch zugehörig: Kritik, Kritikaster, Kritikus,
Jh.). Krimskrams geht wohl von Kram (s. d.) kritisieren, Kritizismus, Krittelei, Kriterium', etymolo¬
aus; Kribskrabs als ähnliche Bildung wie gisch verwandt: s. Dekret. - W. Feldmann ZDW
schnipp-schnapp von kribbeln und krabbeln. 8 (1906/07), 62. Zu Kritik: Brunt (1983), 222.
Kring m., auch Kringe/. 'Kissen unter Kopf¬ kritteln swV. Bezeugt seit dem 17. Jh., zu¬
lasten’, reg. Mhd. krinc, kringe 'Ring, Kreis’; nächst als grittelen, dessen Herkunft unklar ist.
entsprechend anord. kringr’Ring’. Lautlich ent¬ Es gerät dann unter den Einfluß von Kritik
spricht lit. grgzti 'drehen, wenden’; zu verglei¬ und wird als 'herumkritisieren, herumnörglen’
chen ist aber vor allem die Variante *hreng- (s. aufgefaßt.
unter Ring).
kritzeln swV. Iterativbildung des 15. Jhs. zu
S. Kringel.
mhd. kritzen, ahd. krizzön 'einritzen’. Offenbar
Kringel m., auch Krengel m. 'Gebäck’. Mhd. mit kratzen zusammenzustellen, sonst ohne Ver¬
kringel m./n., mndd. kringel; Diminutiv zu gleichsmöglichkeit.
Kring (s. d.). S. Kreis.
S. auch Krangel.
Krokant m. (=* eine Süßigkeit aus Mandeln
Krinoline /. 'weit abstehender Rock’, sonder- und karamelisiertem Zucker). Im 19. Jh. ent¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. crino- lehnt aus frz. croquant 'Knuspergebäck’, dem
line (wörtlich: 'Roßhaargewebe’), dieses aus it. substantivierten PPräs. von frz. croquer 'knus¬
crinolina (dass.), zu it. crine m. 'Pferdehaar’ (aus pern, krachen’, das wohl lautnachahmenden
1. crinis m. 'Haar’) und it. Uno m. 'Leinen’ (aus Ursprungs ist.
1. linum n. 'Leinen, Flachs, Schnur’). Benannt
Etymologisch verwandt: Krokette.
nach dem Gestell aus Fischbein und Roßhaa¬
ren, das später durch Stahlreifen ersetzt wurde. Krokette /. "Röllchen aus Kartoffel teig’. Ent¬
Etymologisch verwandt: s. Lein. lehnt aus gleichbedeutend frz. croquette, zu frz.
croquer 'knabbern’, das wohl lautnachahmen¬
Krippe/. Mhd. krippe, ahd. krippa, as. kribbia
den Ursprungs ist.
aus wg. *kribjön, auch in ae. cribb; Nebenform
Etymologisch verwandt: Krokant.
mit expressiv verstärktem Auslaut in ahd.
kripfa, mhd. kripfe, auch zeigen sich landschaft¬ Krokodil n. (= ein Reptil). Im 16. Jh. entlehnt
lich Formen mit u/ü. Vermutlich ist die Aus¬ aus gleichbedeutend 1. crocodilus m., dieses aus
gangsbedeutung 'Flechtwerk’, aus dem Krippen gr. kroködilos m. (dass., auch: 'Eidechse’), wohl
hergestellt werden konnten; vergleichbare For¬ zu gr. kröke f. 'Kies’ und gr. drtlos m. 'Wurm’;
men stehen unter Kring. Krippe im Sinn von zunächst wahrscheinlich Bezeichnung der Ei¬
'Kinderhort’ bezieht sich darauf, daß das neu¬ dechse, dann verallgemeinernd („Reptil“) auf
geborene Jesuskind in eine Krippe gelegt wurde. die Krokodile des Nils usw. übertragen.
Kranemann (1958); Lühr (1988), 250f.
Krokus m. (= ein Schwertliliengewächs).
Krise /. 'schwierige Lage, Situation (usw.)’. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. crocus, dieses
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. crisis, aus gr. krökos 'Safran’.
dieses aus gr. krisis (dass., wörtlich: 'Scheidung,
Kroilhaar n., auch Krolle f. Locke’, rhein.
Entscheidung’), zu gr. krtnein 'scheiden, tren¬
Mhd. krol, krul m., krolle, krülle/., mndl. crolle,
nen’. Zunächst ein Fachwort der Medizin, das
crulle 'Locke’. Daneben das Adjektiv mhd. krol,
den entscheidenden Punkt einer Krankheit be-
mndl. crul lockig’. Wohl als *kruzla- zu kraus,
zeichnete; dann Verallgemeinerung.
Etymologisch verwandt: s. Dekret. - Schirmer (1911),
das aber seinerseits nicht ausreichend klar ist.
113; E. Erämetsä NPhM 59 (1958), 37. Krone/. Mhd. krön(e), ahd. koröna, coröna,
Kristall m. (= eben flächiger Quarz, homoge¬ kröna, mndd. kröne f./m.; wie ae. coröna, afr.
ner Festkörper). Im Althochdeutschen (ahd. kröne entlehnt aus 1. coröna, das auf gr. korone
cristalla f, mhd. kristal[le] f./m.) entlehnt aus "Bogenende, Türgriff, Kranz’ zurückgeht. Das
gleichbedeutend 1. crystallus J'./m. dieses aus gr. griechische Wort bezeichnet ursprünglich die
krystallos 'Eis, Bergkristall’. Krähe und dann übertragen allerlei gekrümmte
Morphologisch zugehörig: kristallin, Kristallisation, Gegenstände, wobei das Motiv der Übertra¬
kristallisieren, Kristallit. - Suolahti (1929), 133- Lö¬ gung im einzelnen unklar ist.
schen (1968), 187f.
S. Korona, Kronleuchter, Kronzeuge.
Kronleuchter 415 krumm

Kronleuchter m. In den mittelalterlichen Kir¬ Kröte /. Mhd. krot(e), krotte, krete, ahd.
chen war der zentrale Beleuchtungskörper ein kreta, krota, mndd. krode. Kröte ist die Form
mit Lichtern besetzter Ring, ml. corona/., mhd. Luthers und wohl ursprünglich eine Mischung
krön(e) /., mndd. kröne f./m. Die Verdeutli¬ aus den beiden älteren Formen. Herkunft un¬
chung Kronleuchter ist seit dem 18. Jh. bezeugt klar.
und entwickelt bald allgemeinere Bedeutung. W. Foerste NW 1 (1960), 13 — 20.
Es handelt sich also um das gleiche Wort wie
Krücke/. Mhd. krucke, krücke, ahd. krucka,
Krone (s. d.), aber mit übertragener Bedeutung.
as. krukka aus wg. *krukjö- f. 'Krücke’ (Stab
Kretschmer (1969), 307f.
mit Krümmung oder Gabelung), auch in ae.
Kronsbeere /. 'Preißelbeere', nordwd. Wie ne. crycc; ferner nschw. krycka. Nächstverwandt
cranberry, nnorw. tranebcer als 'Kranichsbeere’ sind anord. krökr m. 'Haken, Bogen’, anord.
bezeichnet, zu der dehnstufigen Form des alten kraki m. 'Bootshaken’ (u. ä.). Herkunft unklar.
Wortes für 'Kranich’. Nndl. kruk, ne. crutch, nschw. krycka. — J. Trier ZDA
S. Kranbeere, Kranich ( + ). 76(1939), 17f.

Kronzeuge m. Im englischen Recht wird der krud Adj. 'roh’, sondersprach!. Wohl unter
Verbrecher, der sich in der Hoffnung auf Begna¬ Einfluß von ne. crude entlehnt aus 1. crüdus
digung als Zeuge gegen seine Genossen gebrau¬ 'roh’, das mit roh (s. d.) verwandt ist.
chen läßt, king’s evidence genannt. Dies wird Krug1 m. 'Gefäß’. Mhd. kruoc, ahd. kruog
übersetzt als Kronzeuge, das aber bald die Be¬ führt wie ae. crog auf wg. *krög- zurück; dane¬
deutung 'Hauptzeuge’ annimmt. ben wg. *krüg- in ae. cruce/., as. krüka (mndd.
Kropf in. Mhd. ahd. kröpf, mndl. crop, mndd. kruke, nhd. Kruke), mhd. krüche, nhd. Krauche.
krop aus g. *kruppa- m. 'Beule, Rumpf’, auch Die Verschiedenheit des Vokalismus weist auf
in anord. kroppr 'Buckel, Beule’, neuer 'Tier¬ Entlehnung; deren Quelle allerdings unbekannt
körper’, ae. crop(p) 'Kropf, Büschel, Wipfel’. ist. Auch gr. krössös 'Krug’ scheint aus dieser
Wohl eine lautsymbolische Bildung mit einer Quelle entlehnt zu sein.
bei solchen Bedeutungen häufigen Lautstruk¬ R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 395-397.
tur. Da die Bedeutung 'Kropf’ häufiger bei der Krug2 m. 'Schenke’, reg. Übernommen aus
Wurzel *guera- (s. unter Kragen, Köder) auftritt, dem Niederdeutschen, wo das Wort seit dem
hat vielleicht auch eine Bildung mit Anlaut 13. Jh. bezeugt ist (mndd. kroch, krüch). Die
*gur- mitgewirkt. Herkunft ist unklar. Um dasselbe Wort wie
Nndl. krop, ne. crop, nschw. kropp. S. Croupier, Kropp¬ Krug1 kann es sich kaum handeln, da im Ver¬
zeug, Kruppe, Krüppel. — Kranemann (1958), 96—106; breitungsgebiet von Krug2 zu dem Gefäß nicht
Lühr (1988), 235. Krug, sondern Kruke gesagt wird.
Kroppzeug n. 'kleine Kinder, Gesindel’, ugs. L. Mehlber JGGB (1982), 164-166.
Übernommen aus ndd. kröptüg. Das zweite Ele¬ Kruke /., s. Krug1.
ment hat kollektive Funktion, ndd. krop wird
Krüllschnitt m. 'mittelfein geschnittener Ta¬
auch in gleicher Bedeutung allein gebraucht.
bak’, fachsprachl. Zu mndd. krulle /., mndl. kr ul
Die älteste Bedeutung scheint 'kleines, schlech¬
'gelocktes, gekräuseltes Haar’.
tes Tier’ gewesen zu sein, schon früh häufig auf
Krume/. Aus dem Mitteldeutschen und Nie¬
Menschen übertragen. Das Wort hat also den
derdeutschen in die Hochsprache gelangt, md.
gleichen Gefühlswert wie Krüppel (und dem die¬
krume, mndd. krome, mndl. crome, das zusam¬
sem zugrundeliegenden Kropf) und hängt mit
men mit ae. cruma m. auf wg. *krumön f. 'das
diesem wohl etymologisch zusammen. Es ist
Innere des Brotes, Brosamen’ führt. Dazu auch
wegen seiner Isolierung aber meist mit anderen
nschw. inkram 'Krume, Eingeweide’. Herkunft
Wörtern in Zusammenhang gebracht worden;
unklar.
zunächst mit ndd. krupen 'kriechen’, dann mit
Nndl. kruim, ne. crumb.
grob (was auch durch die Schreibung Grobzeug
zum Ausdruck kommen konnte). krumm Adj. Mhd. krump, ahd. as. krumb, aus
wg. *krumba- (auch Nebenformen mit -mp-)
5. auch Krümper.
Adj. 'gekrümmt, verdreht’, auch in ae. crumb.
kroß Adj. 'knusprig’, ndd. Ursprünglich nie¬
Außergermanisch stimmt gr. grypös Adj.
derdeutsches Wort, das auch 'spröde, brüchig’ 'krummnasig, gekrümmt’ dazu, wenn ange¬
bedeutet und wohl lautmalender Herkunft ist. nommen wird, daß im Germanischen eine ex¬
Krösus m. 'ein (vorgeblich) sehr reicher pressive Nasalierung eintrat (was in diesem Fall
Mensch’, sonder spracht. Gattungsbezeichnung denkbar ist). Weiter wohl zu dem unter Krampf
nach 1. Croesus, gr. Krolsos, dem Namen eines behandelten Komplex.
außergewöhnlich reichen Königs in Lydien im Nndl. krom, ne. crump. S. auch Grimmen, Krampe,
6. Jh. v. Chr. Krempe, Krempel1. — Lühr (1988), 269.
krumpelig 416 Kuckuck

krumpelig Adj. 'zerknittert’, reg. Zu Krumpel Entlehnungen ins Deutsche übernommen und
'Knitterfalte’, das als niederdeutsche Form zu in neologischen Bildungen verwendet; sein Ur¬
dem Komplex Krampf (s. d.) gehört. sprung ist gr. kybos 'Würfel, Knochen’.
Krümper m. 'ausgebildeter Ersatzreservist’, Zum Etymon s. Hüfte.
fachsprachl.; Krümperpferd n. 'überzähliges Küche /. Mhd. küchen (u. a., z. B. bair. ku-
Pferd einer berittenen Truppe’, arch. Ähnlich chel), ahd. kuhhina, wie ae. cycene, mndl. co-
wie Krop (s. unter Kroppzeug) ein Scheltwort, kene, mndd. koke (ne) eine frühe Entlehnung
das mit Krüppel (s. d.) zusammenhängt. aus ml. cocina (zu 1. coquere 'kochen’).
Kruppe/. 'Kreuz des Pferdesfachsprachl. Im S. kochen ( + ).
17. Jh. entlehnt aus frz. croupe, das seinerseits Kuchen m. Mhd. kuoche, ahd. kuohho, mndd.
aus dem Germanischen stammt (afrk. *kruppa-). koke m./f, mndl. koke aus wg. *kökön- m. 'Ku¬
S. Kropf ( + ). — Kranemann (1958), 102f. chen’, ae. nur in der Verkleinerung cecil. Dies
Krüppel m. Mhd. krüp(p)el stammt über das ist dehnstufig zu me. cake, anord. kaka f. Sonst
Mitteldeutsche aus dem Niederdeutschen, ist die Herkunft dunkel. Mit Küche hat das
mndd. krop(p)el, krep(p)el, mndl. cropel, as. Wort offensichtlich nichts zu tun. Vielleicht ist
krupil\ entsprechend ae. crypel, anord. kryppill, es ein kindersprachliches (reduplizierendes)
so daß das Wort praktisch gemeingermanisch Wort. Nach Schuchardt (s. u.) entlehnt aus ro¬
ist. Neuhochdeutsch entsprechen mundartliche manischen Wörtern (sard. cocca 'Kuchen’, kat.
Wörter, etwa eis. Krüpek, auch Kropf Krapf und coca 'Milchbrot, Kuchen’, südfrz. coco 'ovales
bair. krüpfen 'sich krümmen’. Vermutlich zu Weißbrötchen’, räto-rom. cocca 'Kuchen’ u. a.),
Kropf in der Bedeutung 'Rumpf’, also eigentlich die auf *coca aus 1. cochlea f. 'Schnecke’ zurück¬
'Verstümmelter’, wie 1. truncus 'Rumpf’ und führen (als 'schneckenförmig gerundeter Ku¬
'verstümmelt’. chen’?).
Nndl. kreupel, ne. cripple. S. Kropf, Kroppzeug, Krüm¬ Nndl. koek, ne. cooky. S. Keks. — H. Schuchardt:
per. — Kranemann (1958), 96 — 106. Romanische Etymologien //(Wien 1899), 23 — 25, 129;
A. Wurmbach ZV 56(1960), 20 — 40; Darms (1978),
krüsch Adj. 'wählerisch’, nordd. Umgestellt 299-301.
aus kürsch (= kürisch, zu küren 'wählen, aus¬
Küchenlatein n. (= verächtliche Bezeichnung
probieren’, s. d.).
schlechten Lateins), sonder spracht. Bezeugt seit
Kruste /. Mhd. kruste, ahd. krusta, kroste, 1500, zunächst im Nordwesten. Vgl. nndl. pot-
mndd. korste, mndl. corste; entlehnt aus 1. jeslatijn.
erüsta 'Kruste’, ursprünglich das 'verkrustete
R. Pfeiffer Philologus 86 (1931), 455—459.
Blut’, zu 1. cruor m. 'Blut’.
Küchenschelle /., fachsprachl. Bezeugt seit
S. auch Kirste, Rufe. — W. Mitzka ZM 23 (1955), 39.
dem 16. Jh. Das Vorderglied ist vermutlich das
Kruzifix n. 'Kreuz mit gekreuzigtem Chri¬
Wort Gucke, Kucke 'halbe Eierschale’ (vgl. frz.
stus’. Im Mittelhochdeutschen (mhd. erüzifix)
coque 'Schale’ und frz. coquelourde 'Küchen¬
entlehnt aus gleichbedeutend ml. crucißxum
schelle’) nach der Form der Blüte, mit Anleh¬
(signum), zu 1. crucißgere (crucißxum) 'ans
nung des nicht mehr verstandenen Wortes an
Kreuz schlagen, kreuzigen’, zu 1. crux (-ucis) f.
Küche, Kuh und ähnliche Wörter. Vgl. österr.
'Marterholz, Kreuz’ und 1. ßgere (ßxum) 'hef¬
Aarstgucken 'Küchenschelle’ (zu erst- wegen des
ten, stecken’.
frühen Erscheinens dieser Frühjahrsblumen)
Etymologisch verwandt: s. Kreuz und fix.
und bair. Heugucken 'Herbstzeitlose’. Das Hin¬
Krypta /. 'unterirdische Grabanlage meist in terglied -schelle bezieht sich ebenfalls auf die
einem Gewölbe’, s. Grotte. Form der Blüte und ist vielleicht eine bloße
kryptisch Adj. 'unklar, unverständlich’, son¬ Verdeutlichung des Vorderglieds.
der spracht. Entlehnt aus 1. crypticus 'bedeckt, Marzeil (1943/79), I, 292-294.
verborgen’, dieses aus gr. kryptikös (dass.). Küchlein n. 'Küken', arch. Es ist die normale
Morphologisch zugehörig: Krypta, Krypte\ etymolo¬ hochdeutsche Form von Küken (s. d.) mit dem
gisch verwandt: s. Grotte. oberdeutschen Diminutiv-Suffix. In der frühen
Kübel m. Mhd. kübel, ahd. kubilo ist wie Sprache in hochdeutscher Form nicht bezeugt
ae. cyff. entlehnt aus 1. cüpella f. 'Trinkgefaß, (dafür Hühnlein u. ä.).
Getreidemaß’. Aus der Grundform 1. cüpa f. kucken swV, s. gucken.
stammen ae. cyf f. 'Faß’ und aus Varianten
Kuckuck m. Seit dem 13. Jh. bezeugt; Laut¬
davon Kopf (s. d.) und Kufe2 (s. d.).
nachahmung wie afrz. cucu, 1. cucülus, gr. kök-
kubik- Präfixoid. Wortbildungselement mit kyx u. a. Die ältere Bezeichnung des Kuckucks
der Bedeutung 'dritte Potenz (einer Maßein¬ ist mit Hochstufe aus dem Kuckucksruf gebil¬
heit)’ (z. B. Kubikmeter). Es wird in griechischen det: g. *gauka- in anord. gaukr, runen-nord.
Kuckucksblume 417 Küken

gaukaR, ae. geac, as. gok, ahd. gouh, mhd. ko, toch. B. ke~d, gr. boüs ffm., 1. bös m. (mit
gouch. unregelmäßigem Anlaut), air. bö, kymr. bu,
Nndl. koekoek, ne. cuckoo. S. Gauch. - Suolahti buw, buyn, lett. güovs. Das Wort kann lautma¬
(1909), 4-8; P. Kretschmer Glotta 13 (1924), 135. lend sein; zu beachten ist sumer. gu 'Stier,
Kuckucksblume/. (= Pechnelke), fachsprachl. Rind’. Im Germanischen ist die Bedeutung auf
Benannt nach dem weißen Schaum auf den das Femininum eingeschränkt worden.
Stengeln, der für den Speichel des Kuckucks Nndl. koe, ne. cow, nschw. ko, nisl. kyr. S. Büffel,
gehalten wurde. Cowboy. — Ch. Peeters ZVS 88(1974), 134 — 136.

Kuddelmuddel mfn. 'Durcheinander’, ugs. Kuhfuß m. 'Nagelzieher’, fachsprachl. Seit


Seit dem 19. Jh. bezeugt. Reimbildung zu ndd. dem 18. Jh. Nach dem klauenförmig gespalte¬
koddeln 'Sudelwäsche halten’. Dieses gehört zu nen Ende dieses Werkzeugs.
Kutteln (s. d.), wie auch der Kuttelwäscher Sud¬ Kuhhaut /. (in der Wendung das geht auf
ler hieß. keine Kuhhaut). Vermutlich bezogen auf das aus
Kuder m. 'männliche Wildkatze’, fachsprachl. Tierhäuten hergestellte Pergament. Da dieses
Alemannische Nebenform zu Kater1 (s. d.). eigentlich aus Schafsleder hergestellt wurde, er¬
Kufe1/. 'Laufschiene des Schüttens’. Das/ist bringt die Verarbeitung einer Kuhhaut ein be¬
dissimiliert aus ch: südd. kuechen, ahd. kuohho, sonders großes und grobes Stück.
mndd. koke 'Schlittenschnabef. Herkunft un¬ kühl Adj. Mhd. küele, ahd. kuoli, mndd. *coel
klar. Vermutlich ist die Ausgangsbedeutung in koelen 'kühlen’, aus wg. *kölja- Adj. 'kühl’,
'Stange o. ä.’, so daß eine Variante der in Kegel auch in ae. cöl (vgl. auch anord. kölna 'kalt
(s. d.) vertretenen Sippe vorliegen kann. werden’). Dehnstufiges Adjektiv zu g. *kal-a-
Anders: H. Sperber ILS 6(1914), 52f. stV. 'frieren’ (s. unter kalt).
Nndl. koel, ne. cool. S. Kühlte.
Kufe2/ 'Gefäß’, reg. Mhd. kuofe, ahd. kuofa,
kufa, kuopa, as. köpa. Entlehnt aus 1. cüpa, einer Kuhle/. 'Mulde’, ugs. Aus mndd. kule, ober¬
Nebenform von 1. cuppa. deutsch entspricht nicht mehr übliches kaule
S. Küfer, sowie zu dem ganzen Bereich Kopf und Kübel. 'Grube’. Herkunft unklar. Vielleicht zu gr. gya-
lon n. 'Höhlung, Wölbung’, auch 'Höhlung der
Küfer m., südd., schwz. Mhd. küefer, zu Kufe2
Hand’, 1. vola 'Höhlung der Hand’, so daß
(s. d.) wie 1. cüpärius zu 1. cüpa f. Also 'Hand¬
*guwl-/*gül- vorauszusetzen wäre.
werker, der Kufen (Fässer) herstellt’.
S. Kaute, Kolk, Kugel ( + ).
Kuff /. 'breit gebautes Handelsfahrzeug mit
zwei Masten’, fachsprachl., ndd. Ndd. kuff seit Kühlte / 'leichte Brise’, fachsprachl., ndd. Ei¬
gentlich als külde (andfrk. cuolotha) ein Ab¬
dem 18. Jh., älter (17. Jh.) nndl. kof kuf ebenso
straktum zu kühl (s. d.); das t beruht auf unety¬
ne. koff nschw. koff usw. Wie Brigg (s. d.) aus
mologischer Verhochdeutschung.
Brigantine, so ist Koff verkürzt aus köpfärdie
(nndl. für Kauffartei-Schiff mit Weglassung des kühn Adj. Mhd. küen(e), ahd. kuoni, mndd.
Grundworts). köne, mndl. coene aus g. *köni- Adj., auch in
A. Lindquist MASO 2 (1938), 47-50. anord. kann, ae. eene 'erfahren, kundig’ (so
noch anord.), dann wg. 'kühn’. Der Bedeu¬
Kugel/. Mhd. kugel(e), mndd. kog(g)el, ka-
tungsübergang wurde wohl begünstigt durch
gel ffm., mndl. cogele. Das Wort kann auf
Komposita wie anord. vigkeenn 'kampferfah¬
*kug- zurückgehen (dann ist das zugehörige
ren’. Deshalb zu kann, können (s. d.).
Keule aus *kugl- entstanden); etwas mehr Wahr¬
Nndl. koen, ne. keen, nisl. keenn. S. können (+). — H.
scheinlichkeit hat aber die Annahme für sich,
Schabram Anglia 74(1962), 181 — 187.
daß Kugel auf *kuwl- und Keule auf *kül- zu¬
rückgehen. Obwohl diese Lautform außerger¬ kujonieren swV. 'schikanieren, unwürdig be¬
manisch vergleichbar ist, muß erwogen werden, handeln’, sonder spracht. Neubildung zu d. Ku¬
ob dieses *kuw-l- mit Dissimilierung aus jon 'Schuft’, dieses aus frz. couillon (dass.), die¬
*kluw-l- entstanden und an die Sippe von Kloß ses aus it. coglione (dass., wörtlich; 'Entmann¬
(s. d.) anzuschließen ist. ter’), zu 1. cöleus 'Hodensack’.
Nndl. Kogel. S. Kaul(quappe) (+), Keule, Kogel, Kote, Küken n. Aus dem Niederdeutschen über¬
Kuhle, Kuller und zum weiteren Kloß (+). — Zum nommen, mndd. küken, mndl. euken. Dieses
Lautlichen: E. Seebold IF 87 (1982), 193. setzt wie ae. cicen 'Küken’ ein *kükina- voraus;
Kuh/ Mhd. ahd. kuo, as. ko; mit abweichen¬ vergleichbar sind anord. kjüklingr und md./obd.
dem Vokalismus afr. kü, ae. cü, anord. kyr. Aus Küchlein (s. d.). Offenbar ist *kuk- (evtl, ist auch
diesen ist (zusammmen mit dem außergermani¬ eine Hochstufe *keuk- beteiligt) eine Lautnach¬
schen Vergleichsmaterial) ein ursprüngliches g. ahmung, ähnlich *kok- (ae. cocc, anord. kokr)
*k(w)öu- f 'Kuh’ zu erschließen. Dieses aus ig. für den Hahn.
*guöu- m./f 'Rind’ in ai. gäu- m./f, toch. A. Nndl. kuiken, ne. chicken.
Kukumer 418 kümmern

Kukumer /., s. Gurke. Kultur/. 'Gesamtheit der geistigen und künst¬


Kukuruz m. 'Mais’, reg., österr. Entlehnt aus lerischen Leistungen (usw.)’. Entlehnt aus
serb. kukuruz (dass.). gleichbedeutend 1. cultüra, zu 1. colere 'pflegen,
Wiek (1939), 91; Kretschmer (1969), 330. bebauen’.
Etymologisch verwandt: s. dekolletiert. — W. Feld¬
kulant Adj. 'entgegenkommend’.Im 19. Jh.
mann ZDW 8 (1906/07), 62; I. Baur MS 71 (1961),
entlehnt aus gleichbedeutend frz. coulant (wört¬
220-229; M. Pflaum WW 15 (1965), 289-300; A.
lich: 'beweglich, flüssig’), dem PPräs. von frz.
Banuls EG 24 (1969), 171 -180; AB 15 (1971), 14f.; D.
couler 'gleiten lassen, fließen, durchseihen’, aus Sobriella: Der Ursprung des Kulturbegriffs, der Kultur¬
1. cöläre 'durchseihen, reinigen, läutern’, zu 1. philosophie und der Kulturkritik (Diss. masch. Tübin¬
cölum 'Seihkorb, Seihgefäß’. gen 1971).
Morphologisch zugehörig: Kulanz-, etymologisch ver¬ Kumet n., s. Kummet.
wandt: Kulisse. — Schirmer (1911), 113.
Kumme /., s. Kumpf.
Kille/, s. Kuhle.
Kümmel m. Mhd. kumin, ahd. kumT(n) «.,
Kuli1 m. 'billiger Arbeiter, Tagelöhner’. Im
kumih, kumil, mndd. komm, ebenso ae. cymen
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. cooly,
m./n.; entlehnt aus 1. cumlnum n. (wohl über
coolie, dieses aus i. kuli (dass.); dies ist mögli¬
eine romanische Sprache, etwa frz. comiri). Das
cherweise ursprünglich der Name eines westin¬
Wort geht über gr. kymlnon n. auf eine semi¬
dischen Stammes, dessen Mitglieder sich häufig
tische Bildung zurück (assyr. kamünu 'Mäuse¬
als Tagelöhner verdingten.
kraut’, arab. kammün, hebr. kammön). Neben
Littmann (1924), 120.
die Form mit n tritt später durch Suffix-Ersatz
Kuli2 m. 'Kugelschreiber’ (meist mit kurzem
eine /-Bildung, die sich auf dem Weg zur Hoch¬
u gesprochen). Kürzung aus Kugelschreiber,
sprache durchsetzt (ahd. kumil, mhd. kümel).
doch ist das Vorbild für die zweite Silbe nicht
Ein anderer Suffix-Ersatz in südd. kümmich.
klar.
S. verkümmeln. - Littmann (1924), 17; Lokotsch
kulinarisch Adj. 'die (feine) Kochkunst betref¬ (1975), 84.
fend’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Kümmelblättchen n. 'Kartenspiel (Dreiblatt)’,
gleichbedeutend 1. culinärius, zu 1. cultna 'Kü¬
fachsprachl. Bezeugt seit dem 19. Jh. Das Spiel
che’, zu 1. coquere 'kochen, reifen’.
ist benannt nach dem dritten Buchstaben des
Etymologisch verwandt: Aprikose, Biskuit, Biskotte\
hebräischen Alphabets (Gimel), der als Zahlzei¬
zum Etymon s. kochen.
chen 'drei’ bedeutet.
Kulisse/. 'Bühnenhintergrund, verschiebbare Littmann (1924), 57.
bemalte Seitenwand’. Im 18. Jh. entlehnt aus
Kümmeltürke m. (= abwertende Bezeich¬
gleichbedeutend frz. coulisse, aus afrz. coleice
nung), vulg. Ursprünglich 'Student aus der Um¬
'Fallgatter, Rinne, Schiebefenster’, einer Sub¬
stantivierung von afrz. coleiz 'zum Durchseihen gebung von Halle’ (18. Jh.), weil diese Gegend
bestimmt, geeignet’, zu afr. couler 'durchseihen, wegen ihres umfangreichen Kümmelanbaus
fließen’, aus I. cöläre 'durchseihen, reinigen, läu¬ scherzhaft Kü/nmeltürkei genannt wurde. Dann
tern’, zu 1. cölum n. 'Seihkorb, Seihgefäß’. Verallgemeinerung zu verschiedenen anderen
Etymologisch verwandt: kulant (usw.). — W. Feld¬ abschätzigen Bedeutungen; neuerdings auch
mann ZDW 8 (1906/07), 62; Schirmer (1911), 113. umgedeutet als Schimpfwort zu 'türkischer
Gastarbeiter’.
Kuller /. 'Kugel’, reg. Expressive Variante zu
Kugel (s. d.), kulle aus *kugle. Dazu kollern, Kummer m. Mhd. kumber, kummer (auch 'Be¬
kullern 'kugeln’ (zu einem anderen kollern1 s. lastung, Beschlagnahme u. a.’), daneben (so
unter diesem). noch nordwd. und md.) 'Schutt’. Die konkrete
kulminieren swV. 'seinen Höhepunkt errei¬ Bedeutung ist entlehnt aus gallo-rom. comboros
chen’, sonder sprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬ 'Zusammengetragenes’, die seelische Bedeutung
tend frz. culminer, dieses aus 1. culminäre (dass.), aus der französischen Weiterentwicklung des
zu 1. culmen 'höchster Punkt, Gipfel’. gleichen Wortes, vgl. afrz. encombrier 'Be¬
Morphologisch zugehörig: Kulmination-, etymologisch schwerde, Unglück (u. a.)’.
verwandt: exzellent. S. kümmern. - H. Götz ASAWL 49 (1957), 126 — 129.
Kult m. 'Verehrung’, s. kultivieren. kümmern swV. Abgeleitet von Kummer (s. d ),
kultivieren swV. 'pflegen, herrichten’. Im 17. und zwar 1) in der Bedeutung 'sich sorgen um
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cultiver, etwas’, refl. mit gleicher Bedeutungsentwick¬
dieses aus ml. cultivare (dass.), aus 1. colere lung wie bei sorgen-, 2) in der Bedeutung 'dahin¬
(cultum) (dass.), das mit 1. collum 'Hals’ ver¬ vegetieren’ wohl abhängig von kümmerlich, das
wandt ist. eine ähnliche Bedeutungsentwicklung durchge¬
Morphologisch zugehörig: Kult, Kultur, kulturell, Kul¬ macht hat wie erbärmlich. Das Verb erscheint
tus-, etymologisch verwandt: s. dekolletiert. in dieser Bedeutung zuerst jägersprachlich und
Kummet 419 kunterbunt

bezogen auf Pflanzen, so daß eine Vermenschli¬ cüf, afr. küth. Das gleiche Partizip in 1. nötus
chung ('bekümmert sein’) anzusetzen ist. 'bekannt’ (*gno-to-). Zu dem Stamm der in
Kummet n./(m.), omd.\ Kumet n., omdd. kennen (s. d.) und können (s. d. +) vorliegt —
'Halsjoch der Zugtiere’, ostmd. und ostndd. formal gehört das Wort näher zu können, se¬
Kumt n. Entlehnt aus poln. chom(ito oder ob- mantisch zu kennen.
sorb. chomot, deren Etymologie unklar ist; viel¬ Ne. in uncouth, nisl. kunnur. S. können ( + ), Kunde,
leicht handelt es sich um eine Entsprechung zu kündigen.
Hamen (3). Kunde m. Mhd. künde, künde, ahd. kund(e)o
Kumpan m. 'Kamerad, Mittäter’, ugs. Im Mit¬ 'Zeuge, Künder’; eigentlich 'der Bekannte’ zu
telhochdeutschen (mhd. kompän, kumpän) ent¬ kund (s. d.). Im Verlauf der frühneuhochdeut¬
lehnt aus gleichbedeutend afrz. compain, dieses schen Zeit entsteht die heutige Bedeutung, zu¬
aus ml. compania f. 'Gemeinschaft’, zu 1. compä- nächst 'Wirtshausgast’.
ginäre 'sich vereinigen, sich zusammenschlie¬ kündigen swF. In der heutigen Bedeutung be¬
ßen’, zu 1. compäges f 'Verbindung’. zeugt seit dem 19. Jh. Etwas älter aufkündigen.
S. Kompagnon, Kumpel. — Miettinen (1962), 180—189; Eigentlich 'kundig machen, mitteilen’ (vgl. an¬
H. D. Bork ASNSL 217 (1980), 1-16; H. Meier
kündigen) zu kundig und weiter zu kund (s. d.).
ASNSL 217(1980), 17-25.
Kunft f, arch. Abstraktum zu kommen in An-,
Kumpel m., ugs. Über die Soldatensprache
Ab-, Her-, Zu- Mhd. ahd. kunft, kumft mit
aus der Sprache der Bergleute. Für diese ist
Einschub von / zwischen altem m und xt-Suffix
schon seit dem 17. Jh. kumpe bezeugt, zu dem
es eine Weiterbildung sein kann; dieses weiter (//-Abstraktum mit weiterentwickelter westger¬
zu Kumpan (s. d.). Möglich ist auch ein Suffixer¬ manischer Form). Ohne solchen Einschub gt.
satz von «zu / aus einer abgeschwächten Form gaqumps, anord. samkund. Hierzu die Ableitung
*kumpen. künftig, mhd. künftic, kümftic, ahd. kumftig,
Wolf (1958), 33. künftig 'durch Kommen charakterisiert’, 'was
kommen wird’, daher 'zukünftig’.
kümpeln swV. (= ein bestimmtes Verfahren,
S. kommen ( + ). — W. Pijnenburg NW 18 (1978),
Blech zu biegen), fachsprachl. Eigentlich 'Blech
64 - 69.
in Napfform bringen’. Zu kump, der niederdeut¬
schen Form von Kumpf (s. d.). künftig Adj., s. Kunft.

Kumpf m. 'Napf, Gefäß für den Wetzstein’, kungeln swV. 'etwas unter der Hand verabre¬
arch., südd. Mhd. kumpf mndd. kump aus den’, ugs. Eigentlich kunkeln. Bezeugt seit dem
vor-d. *kumpa-; daneben mit -b ae. cumb 'Ge¬ 19. Jh. Gemeint ist 'etwas im gemeinsamen Ge¬
treidemaß’, wohl auch nhd. (reg.) Kumme f. spräch abmachen’ nach dem Gespräch der
'tiefe Schale’, mndd. kumme f. 'rundes, tiefes Frauen untereinander in der Kunkel- oder
Gefäß’. Vergleichbar ist gr. kymbos m./(.n.) 'Ge¬ Spinnstube beim gemeinsamen Spinnen (s.
fäß, Becher’, ai. kumbhä- 'Gefäß, Topf’. Ver¬ Kunkel).
mutlich liegt überall Entlehnung aus einer un¬ Kunkel/. 'Spinnrocken’, arch., reg. Mhd. kun-
bekannten Substratsprache vor. kel, ahd. konacla, klonacla, kuncula; entlehnt
S. kümpeln. — R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), als Kompositum aus 1. cönus m. 'Kegel’ und aus
375 — 377. Anders: Lühr (1988), 117f.
1. colus 'Spinnrocken’, also eigentlich: 'kegelför¬
Kumst m. 'Eingemachtes’, besonders 'Sauer¬ miger Spinnstab’.
kraut’, nordd. Aus mhd. spahd. kumpost, kom- S. kungeln. — K. Maurer RJ 9(1958), 282 — 298.
post 'Eingemachtes’ aus 1. compositum 'zusam¬
Kunst/. Mhd. ahd. kunst, as. kunst, küsf, wie
mengelegt’ (zu 1. ponere 'legen’), das substanti¬
afr. kunst ein //-Abstraktum mit Übergangslaut
viert eine Reihe von Sonderbedeutungen hat
s zu können (s. d.). Die Einengung auf künstleri¬
(auch Kompott, [s. d.] und Kompost [s. d.] gehö¬
sche Betätigung und auf den Gegensatz zu Na¬
ren hierher).
tur erst seit dem 18. Jh. ausgeprägt.
S. Position ( + ).
S. künstlich. - J. Trier MUM 3 (1931), 33-40.
kumulieren swV. änhäufen’, sondersprach/.
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. cumuläre, zu 1. künstlich Adj. Mhd. künstlich bedeutet
cumulus 'Haufen’. 'kunstvoll’; die heutige Bedeutung entsteht mit
Morphologisch zugehörig: akkumulieren (usw.), Kumu¬ dem unter Kunst (s. d.) genannten Gegensatz.
lation, kumulativ, Kumulus. kunterbunt Adj. 'durcheinander’. Bezeugt seit
Kumulus m. 'Haufen, Wolke’, s. kumulieren. dem 18. Jh. Herkunft unklar; vielleicht aus älte¬
kund Adj., arch. Mhd. kunt, ahd. kund, as. rem kontrabund 'vielstimmig’ (dieses zu Kontra¬
küth aus g. *kunpa- Adj. (altes /o-Partizip) 'be¬ punkt, s. d.).
kannt’, auch in gt. kunps, anord. kunnr, ae. S. Akupunktur (+).
Kunz 420 kurios

Kunz Koseform des Namens Konrad (ahd. Kurare n. (= ein Pfeilgift), fachsprachl. Ent¬
Kuonräd), wie Hinz zu Heinrich. Wegen der lehnt aus gleichbedeutend span, curare m., die¬
Häufigkeit beider Namen wird Hinz und Kunz ses aus Tupi urari (dass., wörtlich: 'der Getrof¬
zu 'jeder beliebige’, bezeugt seit dem 16. Jh. fene stürzt’).
Meisinger (1924), 51—53. Küraß m. 'Brustharnisch’, fachsprachl. Mhd.
Kupfer n. Mhd. kupfer, köpf er, ahd. kupfar, currlt n. Seit dem 13. Jh. in verschiedenen Laut¬
kuffar, mndd. kopper neben anord. koparr m., formen entlehnt aus afrz. cuirace (dass.). Dieses
ae. copor, mndl. koper. Die Geminate beruht vermutlich zu 1. coriärius 'ledern’, also 'Leder¬
auf -pr- zu -ppr-, das einfache p auf p vor panzer’ (zu 1. corium n. 'Leder’). Dazu Kürassier
sonantischem r (oder vor Sproßvokal + r). 'Panzerträger’ (bestimmte Truppenart).
Entlehnt aus 1. cuprum, cyprum, älter aes cu- Miettinen (1962), 109 — 112.
prium, dieses aus gr. kyprios Adj. 'aus Kupfer’ Kuratel n. 'Vormundschaft, Bevormundung’,
(eigentlich 'zyprisch’) 'das Zyprische’, weil Zy¬ arch., fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
pern der Hauptlieferant für Kupfer war. tend ml. curatela f. 'Pflegschaft’, zu 1. cüra f.
Lüschen (1968), 260f.; E. Neu in: Meid (1987), 182. 'Sorge, Fürsorge, Augenmerk’.
Kupfernickel n./m., s. Nickel. Etymologisch verwandt: s. Kur.
kupieren swV, s. Coupon. Kuratorium n. 'beaufsichtigendes Gremium’,
Kuppe/., auch Koppe/. Dringt erst im 18. Jh. s. Kur.
aus dem Niederdeutschen in die Schriftsprache; Kurbel/. In dieser Form bezeugt seit dem 15.
hochdeutsche Entsprechungen sind ahd. kupfa Jh., vorher mhd. kurbe, ahd. kurba. Entlehnt
'Kopfbedeckung’, mhd. kupfe, gupfe. Die Wör¬ aus frz. courbe, das 1. *curva voraussetzt, zu 1.
ter sind sicher entlehnt; doch paßt 1. cuppa curvus 'gekrümmt’.
'Becher’ semantisch nicht recht (über 'Haube’ S. Kurve.
zu 'Hügel’?). Deshalb Herkunft unklar.
Kürbis m. Mhd. kürbiz m./n., ahd. kurbiz. Wie
S. auch Gipfel, Kuppel. — Wiek (1939), 70f. Anders:
ae. cyrfat entlehnt aus ml. (cu)curbita '(Fla¬
Lühr (1988), 275f.
schenkürbis’, das seinerseits wohl aus einer
Kuppel /. In neuhochdeutscher Zeit entlehnt unbekannten Sprache entlehnt ist.
aus it. cupola, das wohl aus 1. cuppula, cüpula,
küren swV. 'wählen’, arch. Späte Bildung zu
einem Diminutiv zu 1. cuppa 'Becher’ stammt.
Kür (s. d.), mit der das ältere kiesen (s. d.) abge¬
Der mögliche Einfluß von arab. al-qubba 'ge¬
löst wurde.
wölbtes Gebäude oder Gemach’ ist nicht ausrei¬
S. auch kören, krüsch.
chend bestimmbar.
S. auch Kuppe. — Littmann (1924), 89. Kurfürst m. Bezeugt seit dem 14. Jh. als Be¬
zeichnung der Fürsten, die den Kaiser wählen.
kuppeln swV., sonder spracht. Mhd. kuppeln,
Zu Kür (s. d.).
kupelen, koppeln, kopelen 'verbinden’. Kann
von mhd. kup(p)el, kop(p)el 'Band, Verbin¬ Kurie /. 'päpstliche Behörden, päpstlicher
dung’ (s. unter Koppel*) abgeleitet sein; ist aber Hof’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
eher schon als Verb von 1. copuläre 'verbinden’ tend ml. curia, dieses aus 1. cüria (= ein Amtsge¬
(wohl über das Französische) entlehnt. Die heu¬ bäude, ein Versammlungsort, eine Abteilung
tigen Bedeutungen (1. 'verbinden’ in der Tech¬ patrizischer Geschlechter).
nik, 2. 'zum Beischlaf zusammenbringen’) sind Morphologisch zugehörig: kurial, Kuriale, Kurialismus.
spätere Spezialisierungen. Kurier m. 'jmd., der berufsmäßig Nachrichten
S. Kopula (+ ). überbringt’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Kur/. 'Heilbehandlung’. Im 16. Jh. entlehnt deutend frz. courrier, dieses aus it. corriere,
aus 1. cüra 'Sorge, Fürsorge, Augenmerk’. Zu¬ einer Ableitung von it. correre 'laufen, eilen’,
nächst allgemein für 'medizinische Fürsorge’ aus 1. currere (dass.). Die Kursive 'Schrägschrift’
verwendet, dann Verengung der Bedeutung. ist eigentlich die zum fortlaufenden Schreiben
Morphologisch zugehörig: kurieren', etymologisch ver¬ passende Buchstabenform.
wandt: akkurat (usw.), Kuratel, Kuratorium, kurios Etymologisch verwandt: Curriculum, Diskurs, Exkurs
(usw.), Maniküre, Pediküre, Prokura (usw.), sicher. (usw.), konkurrieren (usw.), [Konkurs], Kookkurenz
Kür/. 'Wahl’ (heute meist bei Sportveranstal¬ (usw.), Korridor, Korsar, [Korso], Kurs, kursieren, kur¬
siv, kursorisch, Parcours, Rekurs, Rekursion. — W.
tungen als Gegensatz zur Pflicht ), fachsprachl.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 62; Jones (1976), 255f.
Mhd. kür(e), ahd. kuri 'Überlegung, Prüfung,
Wahl’, wg. Abstraktum *kuz-i- m./n. 'Wahl’ zu kurieren swV. 'heilen’, s. Kur.
*keus-a- stV. 'wählen’ (s. unter kiesen), auch in kurios Adj. 'merkwürdig, eigenartig, spaßig’,
ae. cyre m., afr. kere m.ff., as. in self-kuri m. sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. cu-
S. kiesen ( + ), küren ( + ), Kurfürst, Willkür. rieux und 1. cüriösus 'sorgfältig, interessiert,
Kurkuma 421 Kutte

wißbegierig’, zu 1. cüra 'Sorge’. Zunächst in der ter noch einmal als ahd. kurt, afr. kurt, kort,
Bedeutung 'wissenswert, merkwürdig’ über¬ anord. kortr, kurtr entlehnt.
nommen, dann Verengung auf 'merkwürdig’.
kusch Interj. 'hinlegen’. Im 17. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: Kuriosität, Kuriosum; ety¬ aus frz. couche 'leg dich’ (frz. coucher aus 1.
mologisch verwandt: s. Kur. - G. Schoppe ZDW
collocäre 'hinlegen’). Ursprünglich Zuruf an
15 (1914), 192; W. J. Jones SN 51 (1979), 253.
Jagdhunde; stärker verallgemeinert ist vor allem
Kurkuma //. 'Gelbwurzelgewürz’, fachsprachl. die Ableitung kuschen 'hinlegen, still sein’ (s.
Entlehnt aus gleichbedeutend it., span, cürcuma auch kuscheln).
/., dieses aus arab. kurkum 'Safran’. S. lokal ( + ).
Kurs m. Bezeugt seit dem 15. Jh.; entlehnt Kuschel /., s. Kussel.
aus 1. cursus 'Lauf, Gang’ unter Einwirkung der kuscheln swV. 'sich an etwas oder jmd. an¬
romanischen Sprachen. Die Bedeutung 'Wert¬ schmiegen’, ugs. Diminutiv-Form zu kuschen (s.
stand’ (Börsenkurs) ist seit dem 16. Jh. bezeugt unter kusch), zunächst von Tieren gesagt.
(als 'Preis’) und steht unter dem Einfluß von it. S. lokal ( + ).
corso. Gemeint ist der 'Verlauf der Transaktio¬
Kussel/., auch Kuschel /. 'verkümmerter Na¬
nen’ und der sich daraus ergebende Preis. —
delbaum’, ostndd. Entlehnt aus dem Baltischen,
Seit dem 16. Jh. unter dem Einfluß von frz.
vgl. lit. küslas 'schwächlich, kümmerlich’.
cours 'Ausfahrt, Fahrtroute’, zunächst in latei¬
Bielfeldt (1965), 50.
nischer Form als Kursus. — Seit dem 17. Jh
küssen swV. Mhd. küssen, ahd. küssen, as.
'Lehrgang’, unmittelbar aus dem lateinischen
kussian aus wg. und nordg. *kuss-ija- swV. 'küs¬
Wort entnommen.
sen’, auch in anord. kyssa, ae. cyssan, afr. kessa.
S. Kurier (+ ).
Daneben *kuk-ija- swV. 'küssen’ in gt. kukjan,
Kürschner m. Mhd. kürsencere, kürsner, No¬ ofr. kükken. Hierzu weiter Kuß m., mhd. kos n.,
men agentis zu mhd. kürsen, kursen f. 'Pelz¬ kus, ahd. kus, kos, as. kus(s) aus wg. und nordg.
rock’, ahd. kursin(n)a, krusina, kursen f., as. *kussu- m. 'Kuß’, auch in ae. cos(s), afr. koss,
kursina f Dieses ist wie gleichbedeutendes afr. anord. koss. Lautgebärde, bei der das u die für
kersna /., spae. crusene f. entlehnt aus einer den Kuß typisch gerundeten Lippen hervorruft;
slavischen Sprache (aslav. *kürzno 'Pelz’, russ. entsprechend gr. kynein (Aorist ekyssa), heth.
körzno 'mit Pelz verbrämter Mantel’). kuwas-, ai. cümbati 'küßt’, so daß bei diesem
Wiek (1939), 36f.; O. Hansen ZDPh 18 (1942), 331 — expressiven Wort offenbar die Lautverschie¬
337; B. Schier: Die Namen des Kürschners (Leipzig, bung ausgeblieben ist.
Berlin 1949), 194a; Bielfeldt (1965), 54f. Nndl. küssen, ne. kiss, nschw. nisl. kyssa.
kursieren swV, s. Kurier. Küste/. Im 17. Jh. über südndl. küste entlehnt
kursiv Adj. 'schräg, laufend’, s. Kurier. aus frz. coste (frz. cöte) 'Küste’. Das französi¬
sche Wort bedeutet eigentlich 'Rippe’, dann
kursorisch Adj. 'fortlaufend, beiläufig’, s. Ku¬
'Seite’, dann 'Küste’. Es gehört demgemäß zu
rier.
1. costa f. 'Rippe’. Die ältere Bedeutung 'Seite’
Kurtisane /. 'Geliebte eines Adeligen’, fach¬ zeigt sich auch in Kotelett (s. d.).
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Küster m. Mhd. kuster, guster, ahd. kustor,
frz. courtisane, dieses aus it. cortigiana (dass.),
koster. Entlehnt aus ml. custor 'Wächter’, älter
einer Movierung von it. cortigiano m. 'Höfling’,
1. cüstös, wohl über afrz. coustre. Der spätere
zu it. corte m. 'Hof, Fürstenhof’, aus 1. cörs Umlaut beruht auf der Angleichung an die Be¬
(-rtis) bzw. 1. cohors (-rtis) 'Hof, Gehege’, zu rufsbezeichnungen mit Suffix -er aus -äri. Zu
1. hortus m. 'Garten’. einem gleichbedeutenden, aber ursprungsver-
Etymologisch verwandt: Gardine, Kohorte; zum Ety¬ schiedenen Wort s. unter Köster.
mon s. Garten. — Jones (1976), 258.
H. Petersen ZDA 111 (1982), 1-8.
Kurve / 'Krümmung’. Im 18. Jh. entlehnt Kutsche /. 'vornehmes Pferdefuhrwerk’. Im
aus 1. curva (linea) 'gekrümmte Linie’, dem 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ung. kotsi,
Femininum von 1. curvus 'krumm, gekrümmt, so benannt nach dem Dorf Kocs bei Raab, wo
gebogen, gewölbt’. Zunächst ein Wort der Ma¬ solche — ursprünglich zweirädrige — Wagen
thematik. hergestellt wurden. Früher auch Gutsche u. ä.
Etymologisch verwandt: Kurbel; zum Etymon: Eine Etymologisch verwandt: [Coach].
Erweiterung der gleichen Wurzel (mit s mobile) kann Kutte /. 'Mönchsgewand’. Mhd. kutte; ent¬
vorliegen in schräg, schränken.
lehnt aus ml. cotta; dieses aus afrk. *kotta 'gro¬
kurz Adj. Mhd. kurz, ahd. kurz, kurt. Ent¬ bes Wollzeug’, s. unter Kotze.
lehnt aus 1. curtus 'kurz’ (eigentlich 'abgeschnit¬ Suolahti (1929), 141. Die umgekehrte Entlehnung ver¬
ten’ zu einer Wurzel *ker- 'abschneiden’). Spä¬ mutet J. Knobloch SW 8 (1983), 77-80.
Kutteln 422 Kybernetik

Kutteln PL, südd. Mhd. kutel f. (seit dem einer Ableitung von frz. couvrir 'bedecken, ein¬
13. Jh.), daneben kutelvlec m. (s. Fleck), fnhd. hüllen’, zu 1. cooperlre 'von allen Seiten bedek-
kotfleisch. Der Auslaut und die Abgrenzung ken’, zu I. operlre 'zudecken, bedecken’ (s. auch
gegenüber ndd. kut 'Eingeweide5 sind noch kon-).
nicht ausreichend bestimmt. Denkbar ist eine Etymologisch verwandt: Cover, zum Etymon s. weh¬
Verknüpfung mit einem Wort für 'Bauch’ (auch ren. — Schirmer (1911), 116; Brunt (1983), 220f.
'Mutterleib, Scham’): gt. qipus '(Mutter)Leib’, Kux m. 'börsenmäßig gehandelter Bergwerks-
anord. kviÖr m. 'Bauch’, ae. cwip m. 'Mutter¬ anteil', fachsprachl. Im 16. Jh. Kukus u. ä.; ent¬
leib’, ahd. quiti m. 'weibliche Scham’, die ihrer¬ sprechend cech. kukus\ Entlehnungsrichtung
seits mit 1. botulus m. 'Darm, Wurst’ (Anlaut unklar (evtl, zu vergleichen cech. kousek 'kleiner
unregelmäßig) Zusammenhängen.
Anteil’). Vielleicht aus ursprünglich kinder¬
S. Kuddelmuddel, kuttentoll.
sprachlichem Guggus, einer Reduplikations¬
kuttentoll Adj. 'mannstoll’, arch. Bezeugt seit form zu gucken (gucken 'spekulieren’, vgl. 1.
dem 18. Jh. Ein niederdeutsches Wort zu ndd. speculäri in beiden Bedeutungen.)
kutte 'weibliche Scham’ mit unklarem Zusam¬ Wolf (1958), 204f.; J. Mendels MLN 76(1961),
menhang zu dem unter Kutteln (s. d.) genannten 336-341; Bielfeldt (1965), 27; Eichler (1965), 77f.
Wort.
Kybernetik/. 'Lehre von den Regelungs- und
Lühr (1988), 256.
Steuerungsmechanismen’, fachsprachl. Entlehnt
Kutter m. Im 18. Jh. entlehnt aus ne. cutter, aus gleichbedeutend ne. cybernetics, dieses aus
eigentlich ein schnittiges, die Wogen durch¬ gr. kybernetike (techne) 'Kunst des Steuems,
schneidendes Schiff, zu ne. to cut 'schneiden’. Steuermannskunst’, zu gr. kybernetes m. 'Steu¬
Etymologisch verwandt: Cutter. — Ganz (1957), 126. ermann’.
Kuvert«. 'Briefumschlag, Gedeck’. Im 18. Jh. E. Lang: Zur Geschichte des Wortes 'Kybernetik'
entlehnt aus gleichbedeutend frz. couvert m.. (Quickborn 1968).
L
Lab n., fachsprachl. Mhd. lap, ahd. lab, Labkraut n., s. Lab.
mndd. lip, laff; daneben mit Schwundstufe ahd. Labmagen m., s. Lab.
käsilubba f, käsilubbi, ae. (cys-)lyb(b), mndl.
Laboratorium n. 'Arbeitsstätte für Versuche’.
lebbe, lib(be)', wieder anders ndd. slibber, Slip¬
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml.
per, hd. slipfer(milch), wozu (ohne s-) mhd.
laboratorium, zu 1. labor (-öris) m. 'Anstren¬
liberen 'gerinnen’, mndd. leveren, ahd. lebar-,
gung, Mühe, Arbeit, (wörtlich: Leiden unter
lebir-, libermeri '(sagenhaftes) geronnenes
einer Last)’, einer Ableitung von 1. labäre 'wan¬
Meer’, ae. lifrig 'geronnen’. Herkunft unklar. —
ken, schwanken’, zu 1. läbVgleiten, entrinnen’.
Der vierte Magen des Rindes heißt Labmagen,
Morphologisch zugehörig: Kollaborateur, Labor, La¬
weil hier das Lab gebildet wird, das die Milch
borant, laborieren', etymologisch verwandt: s. labil. —
gerinnen läßt und das deshalb bei der Käseher¬ E. Erämetsä NPhM 59 (1958), 38.
stellung verwendet wird. Auch Labkraut wird
laborieren swV. 'Laborarbeiten machen, lei¬
als Gerinnungsmittel benützt.
den, abmühen’, s. Laboratorium.
Nndl. leb. S. Glibber. — Zu Labkraut: Marzeil (1943/
79), II, 59lf. Labsal n./(f), südd. Mhd. labesaln. Abstrak¬
tum zu laben (s. d.).
labbern swV. 'schlaff werden’ (von Segeln
u. ä.), fachsprachl., ndd:, dazu labb(e)rig Adj. labsalben swV. '(Tauwerk) an teeren oder fet-
'fade’. Die Wörter sind wohl eine Variante zu ten’, fachsprachl., ndd. In hochdeutschen Texten
der Sippe von schlaff. Ein anderes labbern seit dem 19. Jh., übernommen aus nndl. lapzal-
ven (so seit dem 17. Jh.), eigentlich 'mit Lappen
'(schlürfend) essen oder trinken’ gehört als Va¬
salben’.
riante zu ahd. laff an stV. 'schlürfen, lecken’, ae.
lapian swV. 'schlürfen, lecken’ (s. unter Löffel1). Labskaus n. (= Seemannsgericht), nordd. Im
S. auch labern. 19. Jh. entlehnt aus ne. lobscouse, dessen Her¬
kunft unklar ist.
laben swV., sonderspracht. Mhd. laben, ahd.
J. Knobloch MS 96 (1986), 345.
labön, as. (gi)labon 'erquicken’ aus wg. *lab-ö-
swV. 'erfrischen, waschen’, auch in ae. lafian Labyrinth n. 'Irrgarten, etwas sehr Verwickel¬
'waschen’. Vermutlich früh entlehnt aus 1. laväre tes’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1.
'waschen’. labyrinthus m., dieses aus gr. labyrinthos m.
(dass., auch: 'Gebäude mit verwirrend vielen
S. Labsal, Lotion ( + )■
Zimmern und Gängen’), wohl zu vor-gr. *läbrys
Laberdan m. 'gepökelter Kabeljau’, arch.
'Axt’. So benannten in Kreta eingewanderte
(früher Fastenspeise). Bezeugt seit dem 17. Jh., Griechen den verwirrend aufgebauten und viel¬
über nndl. labberdaan entlehnt aus frz. laber-
fach gegliederten Palast von Knossos, der an
dan. Dieses zu frz. Labourdain, alt (1.) (tractus)
vielen Stellen mit dem Symbol der Doppelaxt,
Lapurdanus, Bezeichnung der baskischen Küste einer Königsinsignie, versehen war. Bezeich¬
an der Adour-Mündung, von wo aus der Kabel¬ nungsmotivisch ist es demnach zunächst 'das
jau gefangen wurde. Lapurdum ist der alte Doppelaxt-Haus’; dann verallgemeinert sich die
Name von Bayonne. Bedeutung unter Hervorhebung der bemerkens¬
labern swV. 'dummes Zeug reden’, ugs., reg. werten Struktur eines solchen Bauwerks.
Zu nordd. Labbe 'Lippe’, das zu labbern (s. d.) C. Müller ZDW 3 (1902), 256; W. Feldmann ZDW
im Sinn von 'schlapp herabhängen’ gehört. Ent¬ 8 (1906/07), 77; R. Eilmann: Labyrinthos (Diss. Halle
sprechende Bildungen sind schon alt, vgl. Lefze, 1931); H. Güntert SHAW (1932/33), I; P. Kretschmer
das ebenfalls zu dieser Sippe gehört. Sprache 2(1950), 72, 152; K.-H. Weinmann DWEB
2(1963), 396f.
labil Adj.' wenig festgefügt, wankend’. Im 20.
Lache1/. 'Pfütze’. Mhd. lache, ahd. lah(ha),
Jh. entlehnt aus spl. läbilis 'leicht gleitend, leicht
as. laca (in Ortsnamen), mndd. mndl. lake 'ste¬
verfallend’, zu 1. läbT (läpsus sum) 'gleiten,
hendes Wasser, Salzlake’. Wohl wie ae. lacu
schlüpfen, entrinnen, straucheln, fallen, fehlen’.
'Bach, Teich, See’ entlehnt aus 1. lacus m. 'Trog,
Morphologisch zugehörig: kollabieren, Kollaps, Labili¬
See (u. a.)’, zur Bedeutung vgl. auch 1. lacüna
tät, Lapsus', etymologisch verwandt: Laboratorium
'Vertiefung, Grube, Lache, Weiher . Auffällig
(usw.), Lawine.
Lache 424 laden

ist allerdings anord. Icekr m. 'langsam fließender Lack m. Bezeugt seit dem 14. Jh. Entlehnt
Bach’, das wegen seiner Dehnstufe nicht zu dem aus it. lacca /., das über arab. lakk und pers.
semantisch entsprechenden altenglischen Wort auf päli läkhä f. zurückgeht. Dieses aus ai. läksa
gehören würde, und andererseits akslav. loky f. 'Lack’, das wohl zu ai. räjyati 'färbt sich, rötet
'Wasserlache, Zisterne’, das semantisch besser sich’ gehört, also eigentlich '(rote) Färbung’.
zu dem germanischen Wort paßt. Die Einzelhei¬ Littmann (1924), 90; Mayrhofer GRM 3 (1953),
ten bleiben also unklar. 71-75; Lokotsch (1975), 103.
S. Lake. - J. U. Hubschmied VR 3 (1938), 52-58; J. Lackel m. 'Tölpel’, südd. Herkunft unklar.
Knobloch MS 88 (1978), 260. Zur Bedeutung vgl. E.
Seebold in: FS Matzel (1984), 128. Lackmus n./m., fachsprachl. Seit dem 16. Jh.
bezeugt und mit der Sache aus Flandern bezo¬
Lache2 /. 'Grenzmarke in Holz, Stein oder
gen. Nndl. lakmoes, älter lecmoes ist in seiner
Wasser’, fachsprachl. Mhd. lache (ne), ahd.
Herkunft unklar. Das seit 1500 bezeugte Wort
lah(ha), as. läc\ dazu mhd. lächboum m. 'Grenz¬
bezeichnet ursprünglich einen Farbstoff, der
baum mit Merkzeichen’ und mhd. lächenen 'mit
aus einem Materialbrei heraustropft, also viel¬
Grenzzeichen versehen’. Herkunft unklar. Vgl.
leicht 'Tropfbrei’ (zu Mus, s. d. und anord. leka
ai. läksma n. 'Marke, Kennzeichen’, ai. laksa-
'tröpfeln’, ae. leccan, mhd. lecken 'benetzen’).
n. 'Marke, Kennzeichen, Merkmal, Ziel’?
Der Anschluß an Lack (s. d.) ist sekundär.
J. Knobloch MS 88 (1978), 260; J. Knobloch SW
5 (1980), 176f. Lade /. 'Behälter’, arch. (vgl. Schublade).
lächeln swV, s. lachen. Mhd. mndd. lade, mndl. lade 'Truhe’; wie
anord. hlaöa 'Scheuer’ abgeleitet von laden1
lachen swV. Mhd. lachen, ahd. (h)lahhan stV.,
(s. d.), also 'Beladenes’.
lahhen, mndd. lachen', Ableitung oder Umbil¬
dung zu dem starken Verb g. *hlah-ja- 'lachen’ Laden m. Mhd. lade(n); ursprünglich 'Brett’
in gt. hlahjan, anord. hlceja, ae. hlehhan, as. und verwandt mit Latte (s. d.). In dieser Bedeu¬
Prät. PL hlogun, ahd. Prät. Sg. hlöc. Offenbar tung z. B. in Fensterladen. Das Wort bezeich-
ein Schallwort (vor-g. *klak-). Schon alt ist nete auch das zur Warenauflage dienende Brett
Gelächter, mhd. gelebter, älter lahter, ahd. und den Verkaufsstand überhaupt. Daraus die
(h)lahtar, ae. hleahtor, anord. hlätr. heutige Bedeutung 'Geschäft’.
Nndl. lachen, ne. laugh, nschw. le 'lächeln’, nisl. hlceja. laden1 stV. 'einfüllen’. Mhd. laden, ahd.
- H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 1 —266. (h)ladan, as. hladan, aus. g. *hlap-a- stV., auch
Lachs m. Mhd. lahs, ahd. la(h)s, as. lahs aus in gt. afhlafran, anord. hlaöa, ae. hladan, afr.
g. *lahsa- m. 'Lachs’, auch in anord. lax, ae. (PPrät.) hleden. Der Unterschied zwischen d
leax. Aus ig. *lakso- (oder -o-) m. 'Lachs’, auch (altenglisch, altsächsisch) und (gotisch, alt¬
in lit. lasisä f, läsis, russ. losösi und toch. B. hochdeutsch) beruht wohl auf unterschied¬
laks 'Fisch’, osset. Icesceg 'Lachs’. Zu Wörtern lichem Ausgleich des grammatischen Wechsels,
anderer Bedeutung im Altindischen, die auf das ln gleicher Lautform ist das Wort außergerma¬
Lachswort zurückgehen können, vgl. P. Thieme nisch nicht vergleichbar. Eine lautliche oder
ZVS 69 (1948), 209-216; AAWLM (1953), XI, morphologische Variante bietet akslav. klasti
535-613. (kladp) legen, laden’. Die Grundlage hierzu in
Nschw. nisl. lax. - W. Krause NAWG (1961), IV, lit. klöti (klöju) 'hinbreiten, überdecken’, das
83 — 98; A. R. Diebold in: Christie (1976), 341—388; weiter zu lit. kelti 'heben’ gehört. Ausgangsbe¬
D. Q. Adams IF 90 (1985), 72-78.
deutung also 'hinlegen, ausbreiten’. Das Laden
Lachter f/n./fm.) 'Klafter’, fachsprachl. von Schußwaffen bezog sich ursprünglich auf
Mhd. läfter, lächter. Das Wort ist vermutlich das Laden schwerer Geschütze, die tatsächlich
eine Instrumentalbildung auf (ig.) -tro-/trä- zu „beladen“ wurden.
dem Verb, das in ae. Iceccan 'fassen, ergreifen’ Nndl. laden, ne. lade, nschw. ladda, nisl. hlaöa. S. Lade,
vorliegt, also ursprünglich 'was man (auf ein¬ Last (+).
mal) umfassen kann’. Falls dieses Verb mit gr.
laden2 stV. 'zum Kommen auffordern’, arch.
läzomai 'ich nehme, fasse, ergreife’ und gr. lam-
Mhd. laden, ahd. ladön, as. ladoian, laöian, also
bänö 'ich ergreife’ zusammengehört, ist (ig.)
ursprünglich ein schwaches Verb, das durch den
*lagu- vorauszusetzen. In diesem Fall ist mhd.
lautlichen Zusammenfall mit laden1 zur starken
läfter in seiner Lautform von Klafter (s. d.) be¬
Flexion überging. Aus g. *laf>-ö- swV. 'einladen,
einflußt.
berufen , auch in gt. lapon, anord. laöa, ae.
lack Adj. 'abgestanden (vom Bier), fad, lau’, laöian, afr. lathia, ladia. Ableitung von einem
reg. Bezeugt seit dem 15. Jh.; auch als Substan¬ Nomen, das wohl auch in gt. lapa-leiko gern’
tiv (m.) 'warmer Dunst’. Hängt wohl mit lau (wohl eigentlich 'willig’) erscheint. Deshalb am
(s. d.) zusammen; sonst ist die Herkunft unklar. ehesten zu gr. lö 'ich will, wünsche’ (vgl. 1.
Ladenhüter 425 Laken

invitäre 'einladen’ und 1. invltus 'ungewollt, un¬ lomiti 'brechen’ und verwandten Wörtern für
gern’). Die Einzelheiten bleiben schwierig. 'brechen, drücken, knicken u. ä.’ aus einer
Anders: R. Meringer IF 16 (1904), 114—117 (zu Laden Grundlage *lem-. Zum Benennungsmotiv vgl.
nach dem herumgesandten Brett oder Kerbstock). gichtbrüchig.
Ladenhüter m. 'schlecht verkäufliche Ware’. Nndl. lam, ne. lame, nschw. lam. S. belemmern,
Im 17. .Th. gebildet nach frz. garde-boutique. Lümmel.

Ladenschwengel m. 'Verkäufer’, ugs. Studenti¬ Laib m. Mhd. leip, ahd. leib, älter hleib aus
sche Abwandlung von Galgenschwengel (s. d. g. *hlaiba- m. 'Brot’, auch in gt. hlaifs, anord.
und Schwengel). hleifr, ae. hläf afr. Idef Auffällig ähnlich ist gr.
klibanos 'Backofen’, gr. klibanites 'im Klibanos
lädieren swV. 'verletzen, beschädigen, (älter:
gebackenes Brot’. Da das griechische Wort
beleidigen)’, sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt
ziemlich sicher ein Fremdwort aus einer unbe¬
aus gleichbedeutend 1. laedere (laesum).
kannten Sprache ist, wird auch das germanische
Etymologisch verwandt: Kollision (usw.). — K.-H.
Wort aus dieser Sprache entlehnt sein. Einzel¬
Weinmann DWEB 2 (1963), 397.
heiten bleiben unklar. Mit Laib wurde außer
Lafette /. 'Untergestell eines Geschützes’, der Form vermutlich auch das auf ältere Weise
fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ zubereitete (ungesäuerte) Brot bezeichnet, wäh¬
deutend frz. l’affüt m. (älter: l’affust), zu frz. rend Brot das nach der neueren Zubereitungs¬
füt m. 'Schaft, Stange’, aus afrz. fust (dass.), weise gesäuerte Nahrungsmittel war. Die Wich¬
dieses aus 1. füstis m. 'Stock, Prügel’. tigkeit des Wortes zeigt sich daran, daß ne.
Laffe m. 'Geck’, arch. Bezeugt seit dem 15. Lord und Lady (aus ae. hläford und hlcefdige)
Jh. Vermutlich zu mhd. laffen 'lecken' (s. unter Kompositionen mit ihm sind ('Laibwart’ und
Löffel1), wie auch älteres lecker in diesem Sinn 'Laibkneterin’).
gebraucht wird. Ne. loaf schw. (dial.) lev, nisl. hleifur. S. Lebkuchen.

Lägel m./n-Kf), auch Legel flm./n., 'Fäß- Laich m.l(n.) Spmhd. leich m., mndd. leik,
chen, Hohlmaß’, arch., reg. Mhd. lägel(e), la- nschw. lek. Herkunft unklar. Die Berührung
gel(e) f, ahd. lägel(la) /., mndd. lechel(k)en, mit Leich (s. d.) ist sekundär.
legelen n.. mndl. lagel(e), legel(e). Entlehnt aus Laie m. Mhd. lei(g)e, ahd. laigo. Entlehnt
1. lagoena (u. ä.) /. 'Flasche mit engem Hals aus 1. läicus, afrz. lai, zunächst im kirchlichen
und weitem Bauch’; dieses aus gr. lägynos m./f Sinn ('Nichtgeistlicher’). Dieses aus gr. läikös
unbekannter Herkunft. Im Deutschen / für n 'zum Volk gehörig’, zu gr. läös m. 'Volk’.
im Rahmen des üblichen Suffixersatzes.
S. Liturgie.
Lager n. Mhd. leger, ahd. legar, as. legar Lakai m. 'herrschaftlicher Diener, unterwür¬
(-bed) 'Krankenlager’, aus g. *leg-ra- n. 'Lager’, figer Mensch’. Im 16. Jh. entlehnt aus frz.
auch in gt. ligrs m. 'Lager, Bett’, anord. legr laquais 'Hilfssoldaf, das möglicherweise aus
'Grabstätte, Beilager’, ae. leger. Ableitung auf dem Spanischen stammt. Zunächst in der Be¬
g *-ra- zu liegen (s. d.). Seit dem 14. Jh. er¬ deutung 'niederer Soldat’ übernommen.
scheint die mundartliche Variante mit a, die
Lake /. 'Salzwasser’. Ursprünglich nieder¬
durch Luther hochsprachlich wird.
deutsches Wort, das nhd. Lache entspricht und
E. Schröder ZDA 74(1937), 48; V. Moser ZM
in der speziellen Bedeutung 'Salzlake, Herings¬
14 (1938), 68-70; R. Schmidt-Wiegand in: FS de Smet
lake’ auch in die Hochsprache aufgenommen
(1986), 419-428.
wurde.
Lagune /. 'durch einen Landstreifen von der
S. Lache1. - Kretschmer (1969), 318f.
offenen See abgetrenntes Gewässer’. Im 16. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend it. laguna, dieses Laken n. Ursprünglich niederdeutsches Wort
aus 1. lacüna 'Teich, See, trogartige Vertiefung’, (mndd. mndl. laken, as. lakan), dem ahd.
zu 1. lacus m. 'See, trogartige Vertiefung’. Zu¬ lah(h)an, mhd. lachen entspricht. Zu g. *lak-na-
nächst vor allem eine Bezeichnung für die Ge¬ (oder *lakana-) Stück Gewebe , auch in anord.
wässer um Venedig. -lak, afr. leken, letzen, lezen. Eine genaue außer¬
Wis (1955), 177. germanische Entsprechung kann sein gr. läga-
non 'dünner Kuchen’, Ableitung aus einer
lahm Adj. Mhd. ahd. lam, as. lamo aus g.
Wurzel mit den Bedeutungen 'schlaff, dünn,
*lama-/ön Adj. 'lahm, verkrüppelt’, auch in
schmächtig u. ä.’, vgl. mit s-Suffix 1. laxus
anord. lami, ae. lama, loma, lame, afr. lam, lern.
'schlaff, weich usw.’, mit 5 mobile und Assi¬
Zu zugehörigen Wörtern mit Dehnstufe s. unter
Lümmel. Verwandte Krankheitsbezeichnungen milation des Anlauts ai. slaksnä- 'schlüpfrig,
schmächtig, dünn’. Das niederdeutsche Wort
sind russ. lomöta 'Gliederreißen’ und poln.
verbreitete sich im Süden im Zusammenhang
ufomny 'gebrechlich, siech, krüppelhaft’; diese
mit dem überlegenen westfalischen Tuchhandel.
gehören zu russ. lomiti, poln. tamac, akslav.
lakonisch 426 Land

Vielleicht hat auch die Homonymie des ererbten it. lama f. 'Metallblatt’, aus 1. läm(i)na f.
mhd. lachen mit dem Verb lachen das Vordrin¬ 'Platte, ßiatt, Scheibe’.
gen der niederdeutschen Form begünstigt. Etymologisch verwandt: Lamelle.
S. Iax( + ), Leilach(en). — R. Schützeichel in: FS
Lamm n. Mhd. lam(p), ahd. as. lamb aus g.
Quint (1964), 211-213.
*lambaz n. 'Lamm’, auch in gt. anord. ae. lamb.
lakonisch Adj. 'ohne weitere Erläuterung’, Der s-Stamm zeigt sich in entsprechenden Plu-
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ ralen und in Nebenformen wie ae. lamber. In
deutend 1. Lacönicus, dieses aus gr. Lakönikös dieser Form ist das Wort nur germanisch. Es
'spartanisch’, zu gr. Läkön 'Spartaner’. So be¬ zeigt das in Tiernamen häufiger auftretenden
nannt nach der sprichwörtlichen strengen Suffix (ig.) -bho-. Das davor stehende m ist
Lebensauffassung dieser Menschen (vgl. sparta¬ vermutlich durch Assimilation aus n entstan¬
nisch). den, so daß mit anderer Ablautstufe an Wörter
Morphologisch zugehörig: Lakonik, Lakonismus. für Horntiere in den verwandten Sprachen an¬
Lakritze f. (— eine Süßigkeit aus eingedick¬ geknüpft werden kann. Vgl. lit. elnis m., ailnis,
tem Süßholzsaft). Im Spätmittelhochdeutschen akslav. jeleni m. 'Hirsch’, gr. eilös (aus *elnos)
(mhd. lakerize, lekritz[e]) entlehnt aus gleich¬ m. 'Hirschkalb’, arm. etn 'Hirsch(kuh)’, kymr.
bedeutend ml. liquiridia, liquiritia, dieses aus I. elain 'Hirschkuh’, air. elit, ailit f. 'Reh’, toch. A.
g/ycyrriza 'Süßwurzel, Süßholz’, aus gr. glykys yäl m. 'Gazelle’.
'süß’ und gr. rhiza 'Wurzel’. Die mittellateini¬ Nndl. lam, ne. lamb, nschw. lamm, nisl. lamb. — M.
schen Formen ergeben sich aus einer volksety¬ Platschek: Lamm und Kalb (Gießen 1957), 4 — 6.
mologischen Anlehnung an 1. liquor m. 'Flüssig¬ Lampe1/. 'Beleuchtungskörper’. Mhd. mndd.
keit’. lampe, mndl. lamp(e). Im 13. Jh. entlehnt aus
Etymologisch verwandt: Glyzerin. — O. Kieser Orbis gleichbedeutendem frz. lampe, das aus spl. lam-
18 (1969), 92-96.
pada 'Leuchte’ entwickelt ist. Dieses aus gr.
lallen swV. Mhd. lallen, teilen. Lautnachah¬ lampäs, (-ädos) 'Fackel’, zu gr. lämpö 'ich
mung des Kinderlallens wie in nschw. lalla und leuchte’. Dazu auch Lampion.
außergermanisch 1. lalläre 'trällern’, gr. lälos S. Laterne. — Heyne (1899/1903), I, 283.
'geschwätzig’, gr. laleö 'ich schwatze’, ai. lalalla
Lampe2 m. (= Name des Hasen in der Tier¬
'Interjektion des Lailens’, lit. lalüoti 'lallen’,
sage), sonder spracht. Bezeugt seit dem 15. Jh. Es
russ. lala 'Schwätzer’. Vgl. auch lullen. Die Un¬
handelt sich um die Kurzform des Eigennamens
terscheidung von urverwandt und entlehnt ist
Lamprecht, ahd. Lantberaht. Auch andere Tier¬
hier müßig.
namen der Tierfabel sind von menschlichen
S. lamentieren.
Eigennamen übernommen.
Lama n. (= ein höckerloses Kamel). Im 17.
Lampenfieber n. 'Aufregung vor dem (ersten)
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span, lama m.,
öffentlichen Auftreten’. Seit dem 19. Jh. belegt.
dieses aus der südamerikanischen Indianerspra¬
Alter ist Kanonenfieber für die Aufregung vor
che Ketschua llama (dass.).
der Schlacht. Frz.fievre de la rampe (eigentlich
R. Loewe ZVS 60(1933), 149f.
'Rampenfieber’) hat vielleicht ebenfalls einge¬
Lambertsnuß/, 'große Haselnußart’ (aus Süd¬ wirkt.
osteuropa), fachsprachl. Seit dem 18. Jh., auch
Lampion m./fn.) 'Laterne aus Papier’, s.
lambertische Nuß. Eigentlich 'Nuß aus der Lom¬
Lampe1.
bardei’.
lancieren swV. 'eine Sache in die Wege leiten’,
Lambertusnuß /., s. Lambertsnuß.
sondersprach!. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. lancer
Lamelle /. 'dünner Streifen’, fachsprachl. Im 'schleudern, in Schwung bringen’, dieses aus
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. la- spl. lanceäre 'die Lanze schwingen’, zu 1. lancea
melle, dieses aus 1. lämella (dass.), einem Dimi- ein in der Mitte mit einem Riemen versehener
nutivum zu 1. läm(i)na 'Platte, Blatt, Scheibe’. Speer’.
Morphologisch zugehörig: lame, Lame, lamellar; ety¬
Morphologisch zugehörig: Lanfade, Lancier, etymolo¬
mologisch verwandt: Lametta.
gisch verwandt: s. Elan. - G. Schoppe ZDW
lamentieren swV. 'jammern, wehklagen’. Im 15(1914), 192.
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend I. lä- Land n. Mhd. ahd. lant, as. landaus g. *landa-
mentäri.
n. Land , auch in gt. anord. ae. land, afr. land,
Morphologisch zugehörig: lamentabel, lamentabile, La¬ lond. Hierzu im Ablaut steht schw. (dial.) linda
mentation, Lamento, lamentoso; zum Etymon s. lallen.
'Brachfeld’. Außergermanisch vergleichen sich
Lametta n. 'sehr dünne Metallstreifen’. Im air. ithlann, ithla 'Tenne’ (zu air. ith 'Getreide’),
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. lametta kymr. ydlan 'Scheuer’ (eigentlich *landh-, aber
f. auch 'Rasierklinge’, einem Diminutivum zu vielleicht als *londh- anzusetzen), apreuß. (Akk.
Landauer 427 längs

Sg.) lindan m. Tal’, russ. Ijadä f. 'Rodeland’, knecht. Kürzung dazu ist Lanz(t), das auch als
cech. lada PI. 'Brache’. Die Ausgangsbedeutung Schelte für deutsche Soldaten und Deutsche
könnte also 'freies Land’ gewesen sein, vielleicht überhaupt verwendet wird (vgl. it. lanzo, lanzi-
Brache’, ln letzterem Fall könnte an *lem- 'bre¬ chenecco). Hierzu im 20. Jh. Landser, umgangs¬
chen’ angeschlossen werden, vgl. kslav. lernest sprachlich für 'Soldat’.
m. 'Pflug’, lett. lemesis 'Pflugschar’, also J. Bolte ZDPh 17 (1885), 200.
*Iom-dh- 'auf Brache gesetzt’. Die Bedeutung Landstörzer m. 'Landstreicher’, arch. Zu
wandelt sich von 'freies, offenes Land’ schon mhd. sterzer 'Landstreicher’ zu mhd. sterzen
in germanischer Zeit zu 'Staatsgebiet’, dann 'herumziehen’ (vermutlich ursprünglich 'stel¬
Gegensatz zu Stadt, zu Wasser usw. zen’ und zur Sippe von starren gehörig, s. d.).
Nndl. ne. nschw. nisl. land. S. auch Gelände,
landen ( + ), Ländler und die Komposita mit Land- —
Landsturm m. '(spätes) Aufgebot der Wehrfä¬
J. Trier NAWG (1940/41), III, 88f.; O. Brunner: Land higen’, arch., schwz. Benannt nach dem Läuten
und Herrschaft (Wien 1942), 203 — 220. der Sturmglocke, das als Zeichen dieses Aufge¬
bots gilt. Bezeugt süddeutsch seit dem 17. Jh.
Landauer m. 'Viersitzer mit Verdeck’, fach-
sprachl. Älter Landau (wie englisch und franzö¬ Landwehr /., arch. Mhd. lantwer, ahd. lant-
sisch). Aus span, lando 'viersitziger Wagen’, die¬ weri, mndd. lantwere. Das Wort bedeutet von
ses aus arab. al-andul 'Sänfte’, das letztlich auf Anfang an 'Landesverteidigung’, anderes wie
ein indisches Wort (ai. hindola- m. 'Schaukel’, 'Befestigungswerk im Gelände’ ist sekundär.
verwandt mit ai. än-doldyati 'schaukelt’) zu¬ Die alte Bedeutung hält sich in der Schweiz
rückgeht. (heute für die Wehrpflichtigen vom 33. bis 42.
Lokotsch (1975), 8; Mayrhofer (1956/80), I, 36, 549; Altersjahr). Von dort im 19. Jh. nach Preußen
III, 628. übernommen.
Lände/. 'Landeplatz’, reg. Mhd. lende, ahd. lang Adj. Mhd. lanc, ahd. lang, lanc(h), as.
lenti, Abstraktum zu ahd. lenten, mhd. lenden, lang aus g. *langa- Adj. Tang’, auch in gt. laggs,
ebenso anord. lenda 'landen, an Land kom¬ anord. langr, ae. lang, afr. lang, long. Das Wort
men’, das später durch landen (s. d.) ersetzt ist zunächst nur mit 1. longus Tang’ zu verglei¬
wird. chen. Daneben stehen aber Wörter für Tang’
auf einer Grundlage *dohgh/dl3gh-, die beim
landen swV. Ursprünglich niederdeutsches
Ansatz einer Form *dlongh- vereinbar wären.
Wort (zu Land also: 'an Land kommen’), das
Das vermittelnde Element (mit Nasalierung von
seit dem 17. Jh. obd. länden aus der Hoch¬
der anderen Grundlage) könnte mpers. drang
sprache verdrängt (zu diesem s. Lände).
Tang’ sein. Die Annahme eines Zusammen¬
S. Land ( + ).
hangs ist aber nicht problemlos und deshalb
Länder m., ländern swV., s. Ländler. umstritten. Die andere Grundlage ist bezeugt
Landjäger m. 'Feldschütz, Polizist’, südwd. in gr. dolichös, ai. dirghä-, akslav. dligü, lit.
Zu Jäger in der allgemeinen Bedeutung 'Soldat, ilgas mit unerklärtem Wegfall des anlautenden
Uniformierter’. Danach Bezeichnung einer d (Zusammenhang mit den germanischen und
Dauerwurst. Benennungsmotiv unbekannt. lateinischen Wörtern?) aus *dld-ghö-.
Ländler nt. (= Volkstanz). Eigentlich 'Tanz Nndl. lang, ne. long, nschw. läng, nisl. langur. S. Chai¬
selongue, langmütig, längs, langsam, Langwiede, lang¬
aus dem Landl, d. h. Österreich ob der Enns’.
wierig, Lenz. — K. Strunk Glotta 47 (1969), 3f.
Älter auch Länderer und Oberländer. Daher
älteres ländern 'langsam drehend tanzen . Landl langen swV. Mhd. langen, ahd. (gi)langön
ist eigentlich Diminutiv zu Land (s. d.). 'reichen, erreichen’, vgl. gelangen. Das Wort
wird zu allen Zeiten von den Sprechern zu lang
Landpomeranze /., s. Pomeranze.
gezogen; es ist aber wohl damit nicht verwandt,
Landschaft /. Mhd. lantschaft, ahd. lant- sondern eine Ableitung zu dem in gelingen
scaf(t), as. landskepi. Schon früh Anwendung (s. d.) vorliegenden Verb.
auf Bilder und auf politische Vertreter eines S. auch erlangen, gelangen, Handlanger, verlangen.
Territoriums.
langmütig Adj. Mhd. in lancmüetecheit, ahd.
H. Gerhard: Die 'Landschaft’ der Sprache und die
langmuotig', Lehnübersetzung von 1. longanimis,
'Landschaft’ der Geographen (Bonn 1970); G. Müller
eigentlich 'jmd., dessen Seele(nkraft) lang an¬
in: A. H. v. Wallthor/H. Quirin (Hrsg.): Landschaft’
als interdisziplinäres Forschungsproblem (Münster hält, geduldig’. Im Deutschen rückgebildet ist
1977), 4-13. das Substantiv Langmut.

Landser m., s. Landsknecht. S. Iang( + ) und Mut( + ).

Landsknecht m. 'Söldner aus kaiserlichen längs Adv./Präp. Mhd. lenges, älter langes
Landen’ (im Gegensatz zu Schweizer). Seit dem 'der Länge nach’ zu lang (s. d.) wie mndd. lan¬
15. Jh. belegt. Schon früh Umdeutung zu Lanz- ges, mndl. langes, lancs u. ä. Adverbialer Geni-
langsam 428 lasch

tiv, der seinerseits einen Genitiv regieren kann, rem Vokal ae. Iceppa, anord. leppr. Die Art
woraus die Verwendung als Präposition ent¬ der Variation ist unklar. Entlehnung aus dem
steht. Niederdeutschen ist nicht wahrscheinlich. Eine
S. lang (+), längst. ziemlich genaue außergermanische Entspre¬
langsam Adj. Mhd. lancsam, ahd. as. langsam, chung findet sich in gr. lobös 'Lappen, Läpp¬
auch ae. langsam, also vielleicht schon westger¬ chen’; ähnliches in der Sippe von schlaff (s. d.).
manische Bildung. Die alte Bedeutung ist 'lange Weiteres ist unsicher.
dauernd’. Sie wird beeinflußt von dem daneben¬ Nndl. ne. lap, nschw. lapp. S. auch Lappalie, läppern,
läppisch, Lefze. — Lühr (1988), 278.
stehenden ahd. langseimi, mhd. lancseim 'zö¬
gernd’. Dieses zu anord. seinn 'spät’, mhd. seine läppern swV. 'schlürfen, verschütten’, ugs. Be¬
'träge’, vgl. gt. sainjan 'säumen’. zeugt seit dem 16. Jh. Iterativbildung zu mndd.
S. lang ( + ), Soiree. lapen 'lecken, schlürfen’ (s. unter Löffel1). Nie¬
derdeutsche Lautform oder eine ähnliche Varia¬
längst Adv. 'vor langer Zeit’. Fnhd. lenges(t).
tion wie bei Lappen (s. d.).
Das Wort ist identisch mit längs (s. d.), zeigt
aber das im Deutschen häufig angewachsene t läppisch Adj. Spmhd. leppisch, Ableitung von
nach Konsonant + 5. Lappen (s. d.) im Sinn von 'etwas Schlaffes,
Kraftloses’. Ebenso wird Lapp, Lappi u. ä. als
Languste/. (= ein scherenloser Krebs), fach-
Schimpfwort benützt.
sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
gleichbedeutend frz. langouste (auch: 'Heu¬ Lapsus m. 'Versehen, Ungeschicklichkeit’, s.
schrecke’), dieses aus 1. locusta (dass.). labil.
Langwiede fj(n.) 'Stange zwischen Vorder- Lärche /. Mhd. lerche, larche, ahd. lerihha.
und Hintergestell des Ackerwagens’, fach¬ Entlehnt aus 1. larix (-icis), das unbekannter
sprach/.. reg. Mhd. lancwit, ahd. langwid. Ei¬ Herkunft ist.
gentlich 'Langholz’ zu ahd. witu, mhd. wit(e) Larifari n. 'Unsinn’, ugs. Bezeugt seit dem 18.
'Holz’ (s. unter Wiedehopf). Jh. (auch als Name des Hanswursts), besonders
S. lang ( + ). süddeutsch. Geschrieben wird älter Lari farv,
langwierig Adj. Mhd. lancwiric, mndd. lank- noch älter ist la re fa re als Bezeichnung einer
warich, mndl. lancwarich. Rückbildung aus Messe (15. Jh.). Dies zeigt die Herkunft aus
spahd. langwirigi, langwerigi, das aus lang (s. d.) italienischen Notennamen; die heutige Bedeu¬
und weng, wirig 'dauernd’ gebildet ist. Zu ahd. tung gewissermaßen über 'Trallala’, d. h. Silben,
weren 'währen’ (s. unter währen). die lediglich zum Singen da sind, aber keinen
Sinn ergeben.
Lanze/. Mhd. lanze. Entlehnt aus afrz. lanee.
Dieses aus 1. lancea, ursprünglich Bezeichnung Lärm m. Fnhd. lerman, larman 'Ruf zu den
eines spanischen Speers (vermutlich ein ur¬ Waffen’. Wie Alarm (s. d.) entlehnt aus frz.
sprünglich keltisches Wort unklarer Herkunft). alarme (mit regionaler Variante alerme), vgl.
S. Elan ( + ). it. alle arme, wörtlich 'zu den Waffen’. Das
anlautende a- ist vor dem starken Hauptton
Lanzette /. 'kleines Operationsmesser’, s.
ausgefallen.
Lanze.
S. Heidenlärm.
lapidar Adj. 'kurz, prägnant’, sonder spracht.
larmoyant Adj. 'weinerlich, übermäßig ge¬
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
lapidaire, dieses aus 1. lapidärius 'zu den Steinen fühlvoll’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
gehörig, steinern’, zu 1. lapis (-idis) 'Stein’. Die gleichbedeutend frz. larmoyant, dem adjektivi¬
neuzeitliche Bedeutung geht aus von der Kürze schen PPräs. von frz. larmoyer 'weinen, jam¬
mern, tränen’, einer Ableitung von frz. lärme
und Bündigkeit von Inschriften auf Denk¬
steinen. 'Träne’, dieses aus 1. lacrima (dass.).
Morphologisch zugehörig: Larmoyanz.
Lapislazuli m. (= ein blauer Schmuckstein),
s. azur. Larve /. Spmhd. larve, larpha. Entlehnt aus
spl. lärva, älter lärua 'Maske’, zu 1. Lares PI.
Lapp m., Lappi m., s. läppisch.
Geister . Im 18. Jh. übertragen auf ein Ent¬
Lappalie /. 'unbedeutende Sache’. Im 17. Jh. wicklungsstadium der Insekten, unter der Vor¬
Kanzleiwörtern wie Personalie spöttisch nach¬ stellung, daß sich hinter der Larve das 'wahre’
gebildet; zu Lappen (s. d.) im Sinn von Insekt verbirgt.
'Lumpen’.
lasch Adj. Ursprünglich niederdeutsches
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 77.
Wort (ndd. las, lasich), vgl. gt. lasiws 'schwach’,
Lappen m. Mhd. lappe, ahd. lappo (auch ahd. mhd. erleswen 'schwach werden’, anord. lasinn
lappa/.). Das -pp- erscheint auch außerdeutsch: schwach , anord. Ipskr, laskr 'schlaff’. In wel¬
as. afr. lappa, ae. lappa (vereinzelt); mit ande¬ chem Umfang frz. lache 'schlaff, feige’ an der
Lasche 429 Latte

Ausbreitung des deutschen Wortes beteiligt war, m. 'Schuld, Gebrechen’. Ableitung von dem in
ist schwer abzuschätzen. g. *lah-a- stV. 'schelten, tadeln’ vorliegenden
S. Lasche, latsch. Verb (ae. lean, as. ahd. lahari).
Lasche/. Mhd. lasche, mndd. Ias(che), mndl. Nndl. laster. S. auch lästern. — F. Mezger ZVS
lassce, lasch u. ä. Gehört vermutlich als 'schlaf¬ 61 (1933), 289-291.

fer Lappen’ (d. h. 'herunterhängendes Stück lästern swV. Mhd. lästern, ahd. lastarön,
Tuch, in das etwas eingelegt werden kann’) zu last(e)rön, lahtrön. Ableitung zu Laster (s. d.)
lasch (s. d.). in dessen alter Bedeutung 'Schmähung’.
Laser m. 'gebündeltes Licht\ fachsprachl. Im lästig Adj. Spmhd. lestec, lestic. Ableitung zu
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. laser, Last (s. d.), zunächst in der Bedeutung 'be¬
einem Akronym aus den Anfangsbuchstaben schwerlich1, dann ‘unangenehm’.
von ne. light amplification (by) stimulated emis- Lasur / 'Schicht aus durchsichtiger Farbe’,
sion (of) radiation. fachsprachl. Mhd. läsür, läzür n., entlehnt aus
lasieren swV. 'mit durchsichtigen Farben ml. lazurium, lasurium n. 'Blaustein, daraus ge¬
übermalen’, s. Lasur. wonnene Farbe’. Gleicher Herkunft wie azur
laß Adj., arch. Mhd. ahd. laz 'matt’, mndd. (s. d.).
lat(e), mndl. lat aus g. *lata- Adj. 'träge, lässig’, lasziv Adj. 'durch gespielte Schläfrigkeit Sinn¬
auch in gt. lats, anord. latr, ae. lat, afr. let lichkeit hervorrufend’, sonder spracht. Im 19. Jh.
(auch 'spät’). Außergermanisch ist vergleichbar entlehnt aus 1. lascivus 'zügellos, wollüstig’.
1. lassus 'matt, müde’ (aus *hd-to-). Ableitung Morphologisch zugehörig: Laszivität.
von der Schwundstufe des in lassen (s. d.) vor¬ latent Adj. 'verborgen, nicht unmittelbar fa߬
liegenden Verbs. Die Erweiterung lässig, mhd. lich’, sondersprachlich. Im 18. Jh. entlehnt aus
lezzec, lezzic gehört zunächst auch in der Be¬ gleichbedeutend 1. latens (-entis), dem PPräs.
deutung näher zu laß, wird dann aber näher zu von 1. latere 'verborgen sein, versteckt sein’.
lassen gestellt. Morphologisch zugehörig: Latenz.
S. auch latsch (+), letzt, verletzen.
lateral Adj. 'seitlich, die Seite betreffend’,
lassen stV. Mhd. läzen, ahd. läz(z)an, as. fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. la-
lätan aus g. *lät-a- stV. (ursprünglich redupli¬ terälis, einer Ableitung von 1. latus (-teris)
zierend), auch in gt. letan, anord. lata, ae. 'Seite’.
lettan, afr. leta. Mit gleicher Lautform keine Morphologisch zugehörig: Lateral, bilateral, etymolo¬
genaue Entsprechung. Vgl. 1. lassus unter laß gisch verwandt: Adlatus.
und gr. ledern 'ermüden’ (unsicheres Glossen¬
Laterne/. 'Leuchte’. Im Mittelhochdeutschen
wort), alb. lodh 'ermüden’. Eine semantisch ge¬
(mhd. la[n]tern[e]) entlehnt aus gleichbedeu¬
nauere Entsprechung bietet lit. leisti (leidziu)
tend 1. lanterna, läterna dieses aus gr. lampter
'lassen, loslassen, freilassen’. Man versucht, die
(dass.), zu gr. lämpein 'leuchten, glänzen,
beiden Sippen unter Ansatz von *leid- (mit
strahlen’.
Langdiphthong) zu vereinen, doch ist diese An¬
Etymologisch verwandt: s. Lampe1, Latüchte.
nahme nicht unproblematisch.
Nndl. laten, ne. let, nschw. lata, nisl. lata. S. Anlaß,
Latrine /. '(behelfsmäßiger) Abort’. Im 16.
gelassen, Inlett, laß, lässig. — H. Suolahti NPhM Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. lätrlna, zu 1.
29 (1928), 45-57. laväre 'waschen, baden’. Wörtlich demnach —
verhüllend — ein 'Waschraum’.
lässig Adj., s. laß.
S. Lotion (+).
Lasso n./(m.) 'Wurfseil’. Im 18. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutend span, lazo m., dieses aus 1. latsch Adj. 'schlaff und nachlässig gehend’,
laqueus m. 'Schlinge, Fallstrick’, zu 1. lacere arch., reg. Wohl zusammenhängend mit lasch
(s. d.) und laß (s. d.), vielleicht aber auch laut¬
'locken’.
Etymologisch verwandt: Dilettant, Latz.
malend. Hierzu Latschen 'abgetretene Schuhe’
und latschen 'nachlässig herumlaufen’. Latsch,
Last/. Mhd. last, ahd. (h)last, mndd. last fl
Latsche ist ein 'schlaffer Mensch’, dazu wohl
n. aus wg. *hlasti- f. (vielleicht hat auch ein
Lulatsch mit unerklärtem ersten Bestandteil.
*hlastu- m. mitgewirkt) 'Last’, Abstraktum auf
S. auch letschert.
*-sti- zu ladenL
Nndl. ne. last. S. laden1, lästig. - Kluge (1926), 68f.
Latsche /. 'Legföhre’, bair. Herkunft unbe¬
kannt.
Laster n. Mhd. laster, ahd. as. lastar aus
vor-d. *lastra- n. 'Laster, Fehler, Schmähung ; Latte /. Mhd. lat(t)e, ahd. latto m., latta,
daneben mndd. mndl. lachter, ae. leahter m., so lazza, as. latta, ae. leett. Die Beurteilung der
daß als ältere Form wg. *Iah-stra- anzusetzen inlautenden Geminate (ohne hochdeutsche
ist. Außergermanisch vergleicht sich air. locht Lautverschiebung?) ist schwierig. Zu verglei-
Lattich 430 lauern

chen ist noch mc. latthe n. Außergermanisch schälen’, russ. lupiti 'schälen, enthülsen’. Eine
vergleicht sich vielleicht air. slat, kymr. Ilath Variante dazu ist lit. läpas m. 'Blatt’ neben gr.
'Rute u. ä.’, so daß *slatnä o. ä. anzusetzen lepö 'ich schäle (ab)’, gr. olöptö (dass.). 2)
wäre. Nach Lühr (s. u.) aus *lathä-, g. *Iaf?kön. *leubh- in gr. olouphö 'ich reiße ab, schäle ab,
Nndl. lat, ne. lath. S. Laden. — Lühr (1988), 251 f. rupfe’ (Hesych), 1. Uber m. 'Bast’, russ. lub m.
Lattich m., fachsprachl. Mhd. lat(t)ech(e), 'Rinde’.
lat(t)ich u. ä., ahd. lattuh(ha), latihha, lattih, Nndl. loof ne. leaf, nschw. löv, nisl. lauf. S. erlauben,
mndd. lattuke, lattike, mndl. lac(h)teke. Wie glauben, Laube, Laubfrosch, Laubsäge, lieb, Lob ( + ),
ae. lactuca f. entlehnt aus 1. lactüca f. 'Lattich, Locke, Lode, Lohe2. — Trier (1952), 126 — 131.
Kopfsalat’ zu 1. läc n. 'Milch’ (wegen seines Laube /. Mhd. loube, ahd. louba, mndd. lo-
milchigen Saftes). ve(ne), mndl. loive, loyfe(n) u. ä. aus vor-d.
S. auch Huflattich. - R. Loewe BGDSL 61 (1927), *laub-jön f 'Laubwerk’ zu dem Wort Laub
208-223. (s. d.). Gemeint ist also zunächst ein Schutz¬
Latüchte /. 'Licht, Leuchte’, ugs., ndd. Zu¬ dach aus Laub, dann verschiedene leichte Vor¬
sammengezogen aus Laterne (s. d.) und Lüchte bauten u. ä., die Schutz vor der Witterung bie¬
'Leuchte’. ten können. Schließlich für 'Vorhalle, Galerie
Anders: Schröder (1906), 46. u.ä’. Die heutige Bedeutung 'Gartenhaus’ be¬
ruht auf einer Kürzung aus Gartenlaube.
Latwerge/. 'Dicksaft’ (mundartlich auch an¬
dere Bedeutungen), arch. Mhd. latwärje (u. a.). Nndl. luifel 'Vordach, Wetterdach’. S. Loge (+).
Entlehnt aus 1. elect(u)ärium n. 'Heilsaft’ aus Laubfrosch m. Mhd. loupvrosch, ahd. loub-
gr. ekleiktön n. '(flüssige) Arznei’ (zu gr. frosc. Benannt nach seiner blattgrünen Farbe.
ekleichein 'auslecken’). Laubsäge /. Bezeugt seit dem 18. Jh. Eigent¬
Latz m. Mhd. laz (-tzes) 'Schnürstück am lich 'feine Säge zum Aussägen laubförmiger
Gewand’. Entlehnt aus it. laccio 'Schlinge, Zierstücke’.
Schnur’, das aus 1. laqueus 'Schlinge’ stammt. Lauch m. Mhd. louch, ahd. louh, as. lök n.
Heute für verschiedene angesetzte Gewandteile aus g. *lauka- m. 'Lauch’, auch in anord. laukr,
und den umgebundenen Kinderlatz.
ae. leac n. Herkunft unklar. Vielleicht verwandt
S. Lasso ( + ). mit Locke (s. d.) — dann wäre der Lauch nach
lau Adj. Mhd. lä (-wes), ahd. läo, mndd. law, seinen abwärts gebogenen Blättern benannt.
mndl. la(e)u aus vor-d. *hläwa-, daneben mit Nndl. look, ne. leek, nschw. lök, nisl. laukur. S. Knob¬
wohl sekundärem ya-Stamm anord. hlcer 'mild, lauch, Schnittlauch. — R. Loewe BGDSL 61 (1927),
lau’. Auf ein normalstufiges *hlewja- 'mild, 223f.
warm’ gehen zurück anord. hlyr, ae. hleowe Laue/., Lauene/. Regionale Nebenform von
und mndl. luw. Diese Wörter berühren sich Lawine (s. d.).
semantisch teilweise eng mit *hlewa- n. 'ge¬
schützter Ort, windabgekehrte Seite’ (s. unter Lauer m. 'Nachwein’, arch. Mhd. lüre, ahd.
Lee), besonders im Altenglischen, doch schei¬ lür(r)a f Entlehnt aus 1. löra f 'mit Wasser
nen die beiden Sippen nicht in etymologischem aufgegossener Wein’ (zu 1. laväre 'waschen, spü¬
Zusammenhang miteinander zu stehen. Mit der len’). Die regionale Variante Leier geht über
Bedeutung 'lau’ lassen sich semantisch verglei¬ mhd. liure, ahd. lürra f. 'Tresterwein’ auf die 1.
chen kymr. claear 'lau’ (aus *klei- ?) und als Nebenform lör(e)a f zurück.
Anlautvariante gr. chliarös 'lauwarm’ (aus S. Lotion ( + ). - Heyne (1899/1903), II, 363; W.
*ghlei- ?), aber die Vermittlung mit dem durch Stammler (1954), 200.
die germanischen Wörter vorausgesetzten lauern swV. Mhd. (seit dem 14. Jh.) lüren,
*kleu- ist schwierig. Vielleicht handelt es sich dazu mhd. lür(e) f 'Hinterhalt’, mhd. lüre m.
um verschiedene Erweiterungen einer Wurzel 'Betrüger’. Ähnlich me. lurken. Die Mundarten
*kel-, die in 1. calere 'warm sein, heiß sein’, lit. zeigen verschiedene Bedeutungen, die offenbar
silti 'warm werden, sich wärmen’ vorliegt. auf 'die Augen zusammenkneifen (um besser zu
Nndl. lauw. S.flau, Kalorie ( + ), lack. - Darms (1978), sehen)’ zurückgehen. Herkunft unklar. Bedeu¬
54-60. tungsmäßig lassen sich vergleichen spmhd. lü-
Laub n. Mhd. loup, ahd. loub, as. löf aus g. schen 'verborgen liegen’, mndd. tuschen 'auf
*lauba- n. 'Blatt’, auch in gt. anord. lauf, ae. Wild lauern’, mndl. luuschen (u. ä.) 'versteckt
leafl afr. läfl daneben gt. laufs m. 'Blatt’. Das sein’; ebenso ahd. lüzen, mhd. lüzen 'verborgen
Laub ist benannt als Futterlaub, das abgerissen liegen, aufpassen’; ahd. losken, mhd. loschen
wird, deshalb zu einem Verb mit der Bedeutung verborgen liegen . Die Art des Zusammenhangs
'abreißen, rupfen’ für das zwei Möglichkeiten in zwischen diesen Formen ist nicht klar.
Frage kommen: 1) *leup- in lit. lüpti 'abhäuten. Nndl. loeren, ne. lower. S. auch lauschen.
Läufel 431 Laute

Läufel /. 'äußere grüne Schale der Walnuß’, stimmung beeinflusse. Entsprechend it. luna,
südwd. Fnhd. läufel, vgl. ahd. lo(u)ft m. 'Bast, frz. les lunes PL, ne. lune, lunacy, lunatic.
Baumrinde’. Zu dem unter Laub behandelten Ganz (1957), 127f.; Strasser (1976).
Verb mit der Bedeutung 'schälen’, vgl. noch
Laus/. Mhd. ahd. mndd. lüs, mndl. luus, luse
poln. fupina 'äußere grüne Fruchtschale, Hülse,
u. ä. aus g. *lüs- f. auch in anord. lüs, ae.
Schote’, lit. lüpena 'Obstschale’, sowie von der
lüs', ^-Erweiterung zu einem *Iuw-, das auch in
Variante gr. lopös m. 'Schale, Rinde’.
kymr. Hau 'Läuse’ vorliegt. Die Entsprechung
laufen stV. Mhd. loufen, ahd. (h)louf(J)an, im Altindischen ist yükä (*jü-), die im Baltisch-
as. -hlöpan aus g. *hlaup-a- stV. (ehemals redu¬ Slavischen *ü-, vgl. lit. ute, (auch liule), russ.
plizierend) 'laufen’, auch in gt. -hlaupan, anord. vosi. Man denkt dabei an tabuisierende Ab¬
hlaupa, ae. hleapan, afr. hläpa. Herkunft unklar. wandlungen der gleichen Grundlage (auch ex¬
Es ist denkbar, daß es sich um eine Erweiterung pressive Entstellungen sind denkbar). Weitere
der Grundlage *keleu- in lit. keliäuti 'wandern, Herkunft unklar.
reisen’, gr. keleuthos 'Weg, Reise’ handelt.
Nndl. luis, ne. louse, nschw. Ins, nisl. lüs. S. Lausbub.
Nndl. lopen, ne. leap, nschw. löpa, nisl. hlaupa. S.
Braut lauf, Galopp, Lauffeuer, läufig (+), Laufpaß, Lausbub m. ugs., auch Lauser m., Lauskerl
Lauft, Loipe. m., Lausejunge m. Wohl mit Laus- als allgemein
pejorativem Kompositionsglied, etwa im Sinne
Lauffeuer n. Belegt seit dem 17. Jh. Ursprüng¬
von 'verlaust’.
lich die zur Fernzündung dienende Pulverauf¬
schüttung. Heute nur noch übertragen verwen¬ lauschen swV. Spmhd. lüschen gehört seman¬
det (für 'schnelle Verbreitung’). tisch zu dem unter losen behandelten Verb mit
S. laufen (+). der Bedeutung 'hören’, zeigt sich aber in der
Lautform eines Verbs mit anderer Bedeutung
läufig Adj. 'brünstig (von Hündinnen)’. In
(zu diesem s. unter lauern). Die Zusammen¬
dieser Bedeutung bezeugt seit dem 16. Jh., sonst
hänge sind unklar: Entweder sind zwei ur¬
mhd. löufec, löufic 'gangbar, weitläufig’. Die
sprungsverschiedene Bildungen lautlich zusam¬
Sonderbedeutung nach dem Aufsuchen des
mengefallen, oder das ältere lüschen ist seman¬
Männchens durch Hündinnen (und andere
tisch von losen beeinflußt worden.
weibliche Tiere).
S. geläufig, laufen ( + ). S. laut ( + ).

Laufpaß m. In der Wendung einem den Lauf¬ lauschig Adj. Seit dem 18. Jh. bezeugt, älter
paß geben. Seit dem frühen 19. Jh., ursprünglich lauschicht. Ein lauschiges Plätzchen ist eigent¬
der Paß, den ein entlassener Soldat bekommt, lich eines, von dem aus sich gut lauschen läßt,
um seine rechtmäßige Entlassung nachzu¬ also 'versteckt, heimlich’, danach ohne Rück¬
weisen. sicht auf die ursprüngliche Funktion 'traulich,
S. laufen ( + ). zurückgezogen, schattig u. ä.’

Lauft m. 'Lauf’, arch., aber noch enthalten Lausejunge m., s. Lausbub und Junge.
in Zeitläufte. Mhd. lauft, ahd. (h)louft, lauft. Lauser m., s. Lausbub.
Ein tw-Abstraktum zu laufen (s. d.). Vgl. noch
Lauskerl m., s. Lausbub und Kerl.
Brautlauf.
laut Adj. Mhd. lüt, ahd. (h)lüt, chlüd, as. hlüd
Lauge / Mhd. louge, ahd. touga, mndd.
aus wg. *hlüda- Adj. 'laut’, auch in ae. afr. hlüd.
log(g)e, mndl. löge aus wg. *Iaugö f. 'Lauge’,
Aus dem to-Partizip der Wurzel *kleuo- 'gehört,
auch im ae. leah. Auf die gleiche Grundform
hörbar’. Ein entsprechendes Partizip von der
geht anord. laug 'warmes Bad’ zurück, zu dem
einfacheren Wurzelform *kleu- liegt vor in ai.
semantisch ahd. I(i)uhhen 'waschen’ gehört.
srutä-, gr. klytös, 1. inclutus, die Bedeutung hat
Eine nur germanische Erweiterung zu *leus-
sich hier zu 'berühmt’ entwickelt).
'waschen, baden’ in 1. laväre, gr. louö 'ich bade’,
arm. loganam, die sich vermutlich mit der unter Nndl. luid, ne. loud. S. lauschen, Laut, läuten,
Leumund(-\-), losen, verlautbaren. — Zu den Bedeu¬
Lohe2 (s. d.) behandelten Sippe zur Bezeich¬
tungszusammenhängen vgl.: Frisk (1966), 63 — 82.
nung von Gerbstoffen semantisch berührt hat.
Nndl. loog, ne. lye, nisl. laug 'Bad’. S. auch Lohe2, Laut m. Mhd. lüt, ahd. (h)lüti, liutl, lütln f.
Lotion ( + ). 'Ton, Stimme, Wortlaut’, Abstraktum zu dem
Laum m. 'Wasserdampf’, arch., reg. Spmhd. Adjektiv laut (s. d. [ + ]). Aus der Angabe Laut
+ Text oder Urheber im Genitiv (= 'nach der
loum. Herkunft unklar.
Äußerung von’) entsteht die Präposition laut.
Laune/. Mhd. lüne 'Mondphase, Mondwech¬
sel, Gemütsstimmung’. Die heutige Bedeutung Laute /., fachsprachl. Spmhd. lüte; entlehnt
beruht auf der Auffassung der mittelalterlichen aus it. liuto m. (afrz. leut, lut, luc), das seinerseits
Astrologie, daß der Mondwechsel die Gemüts¬ über span, aus arab. al-üd, wörtlich das Holz ,
läuten 432 Leber

Bezeichnung eines Musikinstruments aus Holz, lax Adj. 'nachlässig’. Im 19. Jh. entlehnt aus
entlehnt ist. 1. laxus 'schlaff, lässig’.
Relleke (1980), 90-92, 194-197. Etymologisch verwandt: leasen (usw.), Relais; zum
Etymon s. Laken.
läuten swV. Mhd. Hüten, ahd. (h)lüten. Hüten
u. ä. aus wg. *hlüd-ija- swV. 'laut sein, lärmen, Layout n. 'Gestaltung, Entwurf, Entwurfsge¬
tönen’, auch in ae. hlydan. Faktitivum zu dem staltung’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
Adjektiv laut (s. d. [ + ]). gleichbedeutend ne. layout.
Zu den Etyma s. legen und aus.
lauter Adj., arch. Mhd. lüter, ahd.
(h)lüt(t)ar, as. hlüttar aus g. *hlütra- Adj. 'lau¬ Lazarett n. 'Militärkrankenhaus’. Im 16. Jh.
ter, rein’, auch in gt. hlütrs, ae. hlut(t)or, entlehnt aus gleichbedeutend frz. lazaret m. und
hlut(t)re, afr. hlutter. Ein Adjektiv auf (ig.) -ro- it. lazzaretto m.\ diese wohl aus „Santa Maria
zu *kleud- 'waschen, spülen’, auch in gr. klyzö di Nazareth“, dem Namen einer venezianischen
'ich spüle, reinige’, unerweitert in kymr. clir Kirche, die ein Krankenhaus für Aussätzige be¬
'hell, klar, heiter, rein’ und al. cluere 'reinigen’. treute. Der Anlaut /l/ in volksetymologischer
Abweichenden Vokalismus zeigt lit. slüoti 'fe¬ Anlehnung an den in der Bibel erwähnten aus¬
gen, wischen’, so daß vielleicht von *klöu-d- sätzigen Lazarus.
auszugehen ist. Littmann (1924), 41; Lokotsch (1975), 104; Jones
S. erläutern, Klistier, Kloake, läutern. (1976), 392.

läutern svV. Mhd. Hütern, ahd. (h)lütaren. leasen swV. 'mieten, pachten’, sonder spracht.
Wie ae. hluttrian Faktitivum zu lauter (s. d.), Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
also eigentlich 'lauter, rein machen’. lease, dieses aus> afrz. lesser (dass., auch: 'las¬
sen’), aus 1. laxäre 'lösen’, zu 1. laxus 'schlaff,
Lava /. 'bei Vulkanausbrüchen austretende
lose’.
Masse’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Morphologisch zugehörig: Leasing; etymologisch ver¬
gleichbedeutend it. lava, dessen Herkunft nicht
wandt: s. lax.
sicher geklärt ist.
leben swV. Mhd. ahd. leben, as. libbian aus g.
Littmann (1924), 100f.; Lüschen (1968), 264.
*lib-ä- swV. 'leben’, auch in gt. liban, anord.
Lavabo n. 'Waschbecken’, arch., reg. Entlehnt Ufa, ae. libban, lifian, leofian, afr. libba. Durativ
aus frz. lavabo m., dieses aus 1. lavabo 'ich werde zu dem unter bleiben behandelten starken Verb.
waschen’ (nach der Formel bei der liturgischen Ausgangsbedeutung ist also etwa 'fortbestehen,
Händewaschung in der Messe). bleiben’.
Etymologisch verwandt: s. Lotion. Nndl. leven, ne. live, nschw. leva, nisl. lifa. S.
Lavendel m. (= eine Mittelmeerpflanze mit bleiben ( + ), lebendig, Lebenslauf, lebhaft, Leib (+).
stark duftenden Blüten). Im Mittelhochdeut¬ lebendig Adj. Mhd. lebendec, lebendic, ahd.
schen (mhd. lavendelje] f./m.) entlehnt aus lebentig. Das Wort ist eine Erweiterung des prä-
gleichbedeutend it. lavandula/., einer Ableitung sentischen Partizips von leben (s. d.) und ist bis
von it. lavanda f. 'was zum Waschen gebraucht in die neuhochdeutsche Zeit normal anfangsbe¬
werden kann’, zu it. lavare 'waschen’, aus 1. tont. Seit spätmittelhochdeutscher Zeit wird der
laväre (dass.). So bezeichnet nach seiner Ver¬ Ton auch auf den Vokal vor der schweren Kon¬
wendung als Badezusatz. sonanz -nd- gezogen, im 18. Jh. hat sich diese
Morphologisch zugehörig: lavendel; etymologisch ver¬ Betonung durchgesetzt.
wandt: s. Lotion. — J. Knobloch in: Symbolae Lingui- O. Behaghel: Geschichte der deutschen Sprache (Berlin,
sticae in honorem Georgii Kurvtowicz (Warschau 1965), Leipzig 51928), 262.
51.
Lebenslauf m. Im 17. Jh. übersetzt aus dem
lavieren swV 'kreuzen, geschickt durchbrin¬ bis dahin üblichen 1. Curriculum vitae n.
gen’, s. Luv. S. leben (+).
Lavo(i)r n. 'Waschbecken’, arch., reg. Ent¬ Leber /. Mhd. leber(e), ahd. lebara, lebera,
lehnt aus frz. lävoir m. (dass.), zu frz. laver mndd. lever, mndl. lever(e) aus g. *librö(n) /.,
'waschen’ (1. laväre).
auch in anord. lifr, ae. Ufer, afr. livere. Das
Etymologisch verwandt: s. Lotion.
Wort bedeutet vermutlich ursprünglich 'die
Lawine /. 'große, an Abhängen abgehende Fette’ (vielleicht eigentlich 'die gemästete Le¬
Schneemasse’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ ber’, vgl. it. fegato m. 'Leber’ aus 1. iecurficätum
deutend schwz. Lawine, dieses aus räto-rom. n. 'gemästete Leber’). In diesem Fall vergleicht
lavina (dass.), aus ml. labina, lavina (dass.), zu sich gr. liparös 'fett’ zu gr. lipos n. 'Fett, Öl,
1. läbl 'gleiten, rinnen’. Salbe’ und weiter die unter bleiben angeführte
Etymologisch verwandt: s. labil. — W. Snyder ZDS Wortsippe. Es ist allerdings nicht völlig ausge¬
26(1970), 184-187. schlossen, daß das germanische Wort das indo-
Leberblume 433 leer

germanische Wort für 'Leber’ (*jekur, vgl. 1. likkon aus wg. *likk-ö- swV. 'lecken’, auch in
iecur n. usw.) fortsetzt, da bei diesem auch sonst ae. liccian. Das -kk- ist entweder expressiv oder
lautliche Entstellungen auftauchen (z. B. ein es stammt aus einer Assimiliaton an -n-. Die
Anlaut /- im Armenischen, falls das armenische einfache Wurzelform in gt. bilaigon 'belecken’.
Wort zugehörig ist). Aus ig. *leigh- 'lecken’ in ai. redhi, ledhi, gr.
Nndl. lever, ne. liver, nschw. lever, nisl. lifur. S. leichö, lit. liezti, akslav. lizati, 1. lingere, air.
bleiben ( + ). llgim. Eine Form mit s-Anlaut s. unter
Leberblume /. Bezeugt seit dem 14. Jh., etwas schlecken.
älter leberkrüt n. Name verschiedener Pflanzen, Nndl. likken, ne. lick. S. lecker.
vor allem der Frühlingsblume 'Anemone hepa- lecken2 swF., auch locken swV. 'mit den Fü¬
tica’, die wegen ihrer leberförmig gelappten ßen ausschlagen’, arch. Mhd. lecken. Herkunft
Blätter bei den alten Ärzten als Mittel gegen unklar. Vielleicht zu lit. lekti 'fliegen, laufen,
Leberleiden galt. rennen’ oder aber (semantisch ansprechend,
Marzeil (1943/79), 1, 271f. aber lautlich schwierig) zu gr. lax 'mit der Ferse,
Leberegel m., s. Egel. mit dem Fuß’, I. calx 'Ferse’.
Leberfleck m. 'leberbrauner Hautfleck’. S. frohlocken.
Lehnübersetzung von 1. macula hepatica f lecker Adj. Mhd. mndd. mndl. lecker. Zu
Leberkäse m., südd. Heute genauer Fleisch¬ lecken1 (s. d.) als 'was zum Lecken ist’. Im
käse, da die ursprünglich übliche Beimengung Nordwesten bedeutet lecker 'wählerisch im Es¬
von Leber meist nicht mehr erfolgt. Käse nach sen’, wie sonst leckerhaft. Dies zu mhd. lecker
der Form der Laibe. 'Tellerlecker, Schmarotzer’. Zu Lautstand und
Bedeutung vgl. noch 1. ligurrio 'leckerhaft sein,
lebhaft Adj. Mhd. lebehaft 'mit Leben be¬
naschen, lüstern sein’.
gabt’; später auch mit -ig erweitert (davon Leb¬
Nndl. lekker.
haftigkeit). Seit dem 17. Jh. in übertragener
Bedeutung. Lede /., s. Lehde.
S. leben (+). Leder n. Mhd. leder, ahd. ledar, leder, as.
Lebkuchen m. Mhd. lebekuoche, mndd. leve- leöar- aus g. *lepra- n. 'Leder’, auch in anord.
koke. Daneben mhd. lebezelte (s. unter Zel¬ leör, ae. leder, afr. lether. Zu vergleichen ist air.
te fn]). Herkunft umstritten. Einerseits kann lethar, kymr. lledr; doch ist unklar, ob die sonst
eine Entlehnung aus 1. libum n. 'Fladen’ vorlie¬ nicht anschließbaren Wörter urverwandt sind,
gen; andererseits wird an ein zu Laib (s. d.) im oder ob das germanische Wort aus dem Kelti¬
Ablaut stehendes Wort gedacht (das sich dann schen entlehnt ist. Im letzteren Fall könnte evtl,
auf die Backform beziehen würde). Beide An¬ an 1. pellis f. 'Haut, u. ä.’ angeschlossen werden.
nahmen machen Schwierigkeiten. Nndl. le(d)er, ne. leather, nschw. läder, nisl. ledur. -
Heyne (1899/1903), II, 275; H. Fincke MS 73(1963), J. Loewenthal BGDSL 53 (1929), 462.
180f.; DLR (1963), 159-167. ledig Adj. Mhd. ledec, ledic 'frei, ungehin¬
lechzen swV, arch. Mhd. lech(e)zen. Ver¬ dert’, mndd. led(d)ich, mndl. ledich, ledech 'mü¬
gleichbar mit russ. läkati 'lechzen’, akslav. la- ßig, unbeschäftigt’. Dazu anord. Iiöugr 'frei,
kati 'hungern’ neben akslav. alkati, lit. älkti ungehemmt’. Herkunft unklar.
'hungern, sehr verlangen’. Im Mittelhochdeut¬ Nndl. ledig, leeg. S. erledigen.
schen daneben ein lechen, zerlechen, zerlechzen Lee /./«. 'die vom Wind abgekehrte Seite
'vor Hitze Sprünge bekommen’ (zu leck, s. d.). des Schiffs\fachsprachl., ndd. In hochdeutschen
Durch den Zusammenfall der beiden Wörter Texten seit dem 17. Jh. Mndd. le(he) /., as. hleo
wohl die Festlegung auf'(nach Wasser) lechzen, f. 'Schutz, Decke’ aus g. *hlewa- n. 'schützender
dürsten’. Ort, Obdach’, auch in anord. hie n., ae. hleofw)
J. Knobloch SfV 5 (1980), 176f. n., ahd. liwa, lewin(n)a f. u. ä., mhd. lie(ve) f.
leck Adj. Ursprünglich niederdeutsches See¬ (die Bedeutung der hochdeutschen Wörter ist
mannswort, dessen hd. Entsprechung lech ver¬ nicht ausreichend klar). Herkunft unklar; falls
loren gegangen ist. Hierzu anord. lekr und wohl von *hliwa- auszugehen ist, kann an gt. hleipra
mit unechtem Anlaut ae. hlec, mndl. lec(ke), f. 'Hütte, Zelt’, gt. hlija f. 'Hütte, Zelt’, gr.
mndd. lak 'undicht’. Abgeleitet von dem star¬ (poet.) klisia f. 'Hütte, Zelt’ angeknüpft werden.
ken Verb *lek-a- 'undicht sein’ in anord. leka Nndl. lij, ne. lee, nisl. hie. S. auch lau, Luv. — Kluge
'leck sein, tropfen’, afr. bileka 'austrocknen’, (1911), 527-529; Darms (1978), 54-60.
ahd. -lehhan, -lehhen 'undicht sein’. leer Adj. Mhd. lcer(e), ahd. l(e)äre, as. läri
S. auch lechzen. — Kluge (1911), 524f. aus wg. *läzi-/ja- Adj. 'leer’, auch in ae. gelier.
lecken1 swV. 'mit der Zunge über etwas strei¬ Herkunft nicht ausreichend sicher; vermutlich
chen’. Mhd. lecken, ahd. leckön, lecc(h)ön, as. als 'was zu lesen ist’ ein dehnstufiges Adjektiv
Lefze 434 Lehm

der Notwendigkeit zu lesen (s. d.). Diese Bedeu¬ Legföhre /. 'Latsche’, fachsprachl., reg. Die
tung könnte ausgehen vom abgeernteten Ge¬ Herkunft des ersten Bestandteils ist unsicher.
treidefeld: es ist zur Nachlese bereit (kann abge¬ Kaum zu legem, vielleicht zusammenhängend
lesen werden) und vom Standpunkt des Ernten¬ mit Latsche (s. d.), dessen Herkunft unklar ist.
den aus abgeräumt, leer. Leghorn n., fachsprachl. Das in Amerika auf
A. Lindquist BGDSL 51 (1927), 99-103. Leistung gezüchtete weiße Italienerhuhn heißt
Lefze/. Mhd. lefs(e), ahd. lefs m. Weiterbil¬ nach dem Ausfuhrhafen Livorno in dessen engli¬
dung eines alten ^-Stammes, der in ahd. leffur scher Namensform Leghorn. Im Deutschen
m., as. lepor bezeugt ist. Außergermanisch ver¬ wird das Wort mit '(Eier) legen’ assoziiert.
gleicht sich 1. labium, labrum n. 'Lippe, Rand’ legieren swV. 'verschiedene Metalle zusam¬
(mit Schwierigkeiten im Vokalismus). Man menschmelzen’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt
knüpft weiter an (lautlich ziemlich unfeste) aus gleichbedeutend it. legare (allgemein: 'ver¬
Wörter mit der Bedeutung 'schlaff’ und 'herab¬ binden’), dieses aus 1. ligäre (dass.).
hängen’ an (s. unter Lappen und schlaff), wobei Etymologisch verwandt: Allianz, Alliierte, Liaison,
die Ausgangsbedeutung etwa 'Hautlappen’ Liga, Ligatur, liieren, obligat (usw.), Rallye.
wäre. Legion /. (= eine römische Heereseinheit).
S. labern, Lappen ( + ), Lippe, schlaff ( + ). — Bahder Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. legio
(1925), 34-36. (-önis), einer Ableitung von 1. legere 'sammeln,
legal Adj. 'gesetzlich’. Im 17. Jh. entlehnt aus aussuchen, wählen’, verwandt mit gr. legein 'le¬
gleichbedeutend 1. legälis, einer Ableitung von sen, zählen, berechnen’; bezeichnungsmotivisch
1. lex (-egis) 'Gesetzesvorschlag, Gesetz, Ver¬ demnach 'eine, zusammengesuchte Mann¬
ordnung, (wörtlich: eine Wortformel)’, zu 1. le¬ schaft’. Zunächst Bezeichnung der altrömischen
gere (lectum) 'lesen, ablesen, vorlesen’, ver¬ Heereseinheit, dann auch übertragen auf Söld¬
wandt mit gr. legein 'zählen, berechnen’. nertruppen und generell auf große Mengen von
Morphologisch zugehörig: Legalisation, Legalismus, Dingen und Personen angewendet.
Legalität-, Legat, Legislatur, legitim', etymologisch ver¬ Morphologisch zugehörig: Legionär, Legionär; etymo¬
wandt: s. analog. — K.-H. Weinmann DWEB2 (1963), logisch verwandt: s. analog.
397.
Legislatur /. '(Amtszeit der) gesetzgebende(n)
Legat n. 'Vermächtnis’, s. legal. Versammlung’, s. legal.
Legat m. 'Gesandter’, s. legal. legitim Adj. 'rechtmäßig’, s. legal.
Legel m./n.Kf), s. Läget. Leguan m. ( = eine Tropenechse), fachsprachl.
legen swV. Mhd. legen, ahd. leg(g)en, lecchen Entlehnt aus gleichbedeutend nndl. leguaan,
u. ä., as. leggian aus g. *lag-eja- swV. 'legen’, dieses aus span, iguana f. (dass.) und dem femi¬
auch in gt. lagjan, anord. leggja, ae. lecgan, afr. ninen Artikel span, la, aus der südamerikani¬
ledza, lega, leia, eigentlich 'liegen machen’, also schen Indianersprache Araua iuwana (dass.).
Kausativum zu liegen (s. d.). Außergermanisch R. Loewe ZVS 61 (1933), 70-72.
entspricht akslav. -loziti 'legen’. Lehde/. 'Niederung, Tal’, ndd. Übernommen
Nndl. leggen, ne. lay, nschw. lägga, nisl. leggja. S. aus nndl. leegte (vgl. mndd. legede). Wie hoogte
Filou, Inlay, Layout, liegen ( + ). zu hoch gehört leegte zu nndl. laag, 'niedrig’ (g.
Legende/. 'Heiligengeschichte, nicht der gesi¬ *lägi-, auch in anord. lägr, mhd. läge 'flach’,
cherten Wahrheit entsprechende Geschichte’. nhd. läg 'abschüssig’, Bergmannssprache). Ad¬
Im Mittelhochdeutschen (mhd. legende) ent¬ jektiv der Möglichkeit zu liegen (s. d. [ + ]).
lehnt aus ml. legenda 'Lesung eines Heiligen¬ Lehen n., arch. Mhd. le(he)n, ahd. le(ha)n,
lebens, (wörtlich: die zu lesenden [Texte])’, zu 1. as. lehan aus g. *laihwna- n. 'überlassenes Gut’,
legere 'lesen’, verwandt mit gr. legein 'lesen, auch in anord. län, ae. län, afr. len; Ableitung
zählen, berechnen’. Ausgehend von dem oft von leihen (s. d.). Eine auffällige Parallele ist ai.
wunderlichen Charakter solcher Geschichten rekna- 'Besitz, Eigentum, Habe’.
entsteht dann die Bedeutung 'nicht ganz glaub¬ Nndl. leen, ne. loan, nschw. län. nisl. län. S. Darlehen,
würdige Geschichte’. leihen.
Morphologisch zugehörig: legendär. Legendär, Legen-
Lehm m. Ostmitteldeutsche Lautform für
darium; etymologisch verwandt: s. analog.
heute nur noch mundartliches Leimen, mhd.
leger Adj. 'lässig, zwanglos’. Im 18. Jh. ent¬ leim(e), ahd. leim(o), as. lemo aus wg.
lehnt aus gleichbedeutend frz. leger, dieses aus *leima/ön m. 'Lehm’, auch in ae. läm n. Auf
gallo-rom. *leviarius (dass.), zu I. levis 'leicht, einem s-Stamm zu der einfacheren Wurzel be¬
leichtsinnig, unbeständig’. ruht anord. leir n. 'Lehm’. Außergermanisch
Etymologisch verwandt: [Eleve], [Levante], Lever, vergleicht sich zunächst 1. limus 'Schlamm’ und
relevant, Relief, zum Etymon s. leicht. von der einfacheren Wurzelstufe apreuß. layso
Lehne 435 Leiche

Ton’, apreuß. laydis 'Lehm’, alb. leth, ledhi Leib m. Mhd. lip, llb, ahd. 1Tb, lTp(h) u. ä.
'feuchter Ton, Schlamm’. Zu einer Wurzel *lei- m./n. aus g. *leiba- n./m. 'Leben’, auch in anord.
'streichen, schmieren’ in 1. linere, gr. alinö, lit. /// «., ae. llf n. Das Wort gehört zu der Hoch¬
laistyti 'verschmieren’. stufe derselben Wurzel g. *leib-, zu der auch
Nndl. leem, ne. loam. S. Leim(+). — Trier (1951), leben (s. d.) gehört. Die alte Bedeutung 'Leben’
10-16.
hält sich bis in mittelhochdeutscher Zeit und ist
Lehne1/. '(Rücken)Stütze’. Mhd. lene, lin(e), in Komposita wie Leibrente 'Rente auf Lebens¬
ahd. (h)lena, (h)lina, lin. Zu lehnen (s. d.); ver¬ zeit’ noch bewahrt. Neben der später üblichen
gleichbar ist gr. kline 'Lager, Polster’. Bedeutung 'Körper’ frühneuhochdeutsch auch
Lehne2 /., auch Lenne /., Löne /. und umge¬ 'Person’, etwa in Leibarzt bewahrt.
staltet Leinbauin m. (mhd. Itmboum, linboum, Nndl. lijf, ne. life, nschw. liv, nisl. lif. S. leben ( + ),
ahd. linboum, linboum, lintboum) 'Ahorn’, arch. Leibchen, leibeigen, Leibgedinge, live.
Aus *hluniz, das auch anord. hlvnr zugrunde¬ Leibchen n. (= Kleidungsstück). Im 17. Jh.
liegt. Außergermanisch vergleicht sich auf einfa¬ gebildet nach dem Muster der Bezeichnung von
cherer Stufe lit. klevas m., mit anderer Erweite¬ Kleidungsstücken nach dem Körperteil, den sie
rung russ. klen m., ml. clenus m., gr. (maked.) bedecken (hier also: der Leib, das Diminutiv hat
klinötrochon n. hier mehr differenzierende als diminuierende
lehnen swV. Mhd. lenen, linen, ahd. (h)linen Funktion). Vorbild war wohl frz. corset m. oder
aus wg. *hlinä- swV. 'sich stützen, lehnen’, auch corselet m. zu frz. corps m. 'Leib’.
in ae. hlinian, hleonian. Eingemischt hat sich S. Leib ( + ).
das Kausativum *hlain(-eja-) in mhd. leinen, leibeigen Adj. Spätmittelhochdeutsche Zu-
ahd. (h)leinen, ae. hlänan. Zu der ig. Wurzel sammenrückung aus der Wendung mit dem libe
*klei- 'neigen’, die schon in alter Zeit mehrere eigen 'mit seinem Leben jmd. zugehörig’.
«-Bildungen kannte. Vgl. avest. sri-nauu-, (ai.
S. Leib ( + ).
sräyate), lit. sli-n-ü 'ich lehne mich an’, 1. cllnäre,
gr. (umgestaltet) klinö. Leibgedinge n. 'Unterhalt auf Lebenszeit
(etwa für Witwen)’, arch. Mhd. lipgedinge 'Ein¬
Nndl. leunen, ne. lean. S. deklinieren ( + ), Lehne, Leite,
Leiter. — K. Bischoff: Germ. *hlaiw- 'Grabhügel, Grab, kommen auf Lebenszeit’, zu Leib (s. d.) in der
Hügel’ im Deutschen (Mainz, Wiesbaden 1979). Bedeutung 'Leben’ und gedinge 'Versprechen’
Lehre /. In der Bedeutung 'Unterricht, Aus¬ (s. unter dingen).
bildung’ ist das Wort eine alte Rückbildung Leich m. (= Gedichtform), fachsprachl. Er¬
zu lehren (s. d.). Die Sonderbedeutung 'Modell, neuert aus mhd. leich, ahd. leih, entsprechend
Vorbild’ in Meßlehre, Schieblehre usw. ist be¬ zu gt. laiks 'Tanz’, anord. leikr 'Spiel, Sport’
reits mittelhochdeutsch und geht über die Be¬ und als Neutrum ae. läc 'Spiel, Geschenk’. Es
deutung 'Anleitung, Vorbild’. handelt sich um a- und /-stämmige Ableitungen
lehren sw V. Mhd. leren, ahd. leren u. ä., as. zu g. *laik-a- stV. 'spielen’ in gt. laikan 'hüpfen,
lerian aus g. *lais-eja- swV. 'lehren’, auch in gt. springen’, anord. leika 'spielen’, ae. läcan 'auf¬
laisjan, ae. Id ran, afr. lera. Kausativum zu dem springen, spielen’, mhd. leichen (meist swV.)
Präterito-Präsens *lais in gt. lais 'ich weiß’, das ’hüpfen, foppen, betrügen’. Aus ig. *leig- hüp¬
nicht sicher zu vergleichen ist. Man geht von fen, springen’, auch in ai. rejate 'zittert, hüpft’,
einer Grundbedeutung 'gehen’ aus und ver¬ kurd. Hzirn 'spiele’, lit. läigyti 'mutwillig sein,
gleicht 1. llra 'Furche’, doch ist diese Annahme herumtollen’, air. lingid 'springt’ (mit Nasalie¬
in allen Punkten unsicher. rung), gr. elelizö 'ich erschüttere, drehe herum’.
Nndl. leren. S. Folklore, Lehre, lernen, List und mit der S. Wetterleuchten.
angeblichen Ausgangsbedeutung Geleise, Leist(en) —
Leichdorn m. 'Warze, Hühnerauge u. a.’, reg.
M. Boeters: Lehrer (Diss. masch. Hamburg 1962).
Spahd. mhd. Ithdorn. Eigentlich 'Dorn, Stachel
Lei fl(m.) 'Stein, Schiefer’, arch., rhein. und im Körper, Fleisch’ zu Leiche (s. d.) in der alten
in Ortsnamen. Mhd. lei(e) f, as. leia f. Regio¬ Bedeutung 'Körper’.
nale (rheinische) Entlehnung aus gall. *lei, vgl.
Leiche /. Mhd. lieh-, ahd. Ii(c)h n./f. u. ä.,
air. Ha, lie m./(f.) (aus kelt. *lTwank-), gr. läas
as. llk aus g. *llka- n. 'Körper, Fleisch, Leiche’,
m.Kf.) 'Stein’. Einzelheiten bleiben un¬
auch in gt. leik n., anord. Hk n., ae. lic n. Das
klar.
Femininum ist nur deutsch und wohl sekundär.
-lei Suffix. Um 1200 in genitivischen Formeln
Herkunft unklar. Die Weiterbildung gleich und
wie mhd. maneger leie, aller leie, zweier leie usw.
das Suffix -lieh setzen eine Bedeutung 'Gestalt
entlehnt aus afrz. loi 'Art, Verhalten’. Dieses
o. ä.’ voraus; die Bedeutung 'gleich’ findet sich
aus 1. lex (-egis) 'Gesetz’, das mit gr. legein
bei gleicher Lautform auch im Baltischen (lit.
'zählen, berechnen’ verwandt ist.
lygus 'gleich usw.’), doch steht sie in anderen
S. analog (+), zweierlei. — E. Schröder ZDA
75 (1938), 194f.; Miettinen (1962), 190-195. semantischen Zusammenhängen. Es ist nach
Leichenfledderei 436 Leier

diesem Vergleich denkbar, daß die Bedeutung auch die Bedeutungsentwicklung von erleiden
'gleich’ ursprünglicher ist. Die vorauszuset¬ 'erfahren’ eine Rolle gespielt haben. Substantiv
zende Bedeutung 'Gestalt’ müßte dann als und Adjektiv Leid, leid sind sonst nur schlecht
'Gleichnis, Bild o. ä.’ erklärt werden. Aber alles vergleichbar. Man zieht gr. aleites 'Frevler’, air.
dies bleibt vorläufig unsicher. Vgl. Körper. lius 'Abscheu’ heran. Das Nebeneinander von
Nndl. lijk, nschw. lik, nisl. lik. S. gleich, Leichdorn, toch. A. lit-, let- 'herabfallen’ und toch. A. B.
Leichnam, -lieh, mißlich, solch, welch. litk- 'abfallen, sich entfernen’ könnte darauf
Leichenfledderei /. 'Beraubung von Toten, hinweisen, daß letztlich doch eine Verwandt¬
(danach auch) von Schlafenden oder Betrunke¬ schaft zwischen den Vorformen von leiden (ur¬
nen’. fleddern ist rotwelsch für 'bestehlen’, ver¬ sprünglich 'weggehen’j und Leid (ursprünglich
mutlich zunächst 'waschen’ (zu rotw. Flauer 'Abwendung’) bestand.
'Wäsche’ = 'die im Wind flattert’). Nndl. leed, ne. loath, nschw. led. S. leiden (+). — F.
Maurer: Leid (Bern, München 1951). Zu slawischen
Leichnam m. Mhd. licham(e), ahd. li(c)h-
Entsprechungen (die vielleicht entlehnt sind) vgl.: V.
namo, lihhinamo, as. iTkhamo aus g. *llka-hamön
Machek ZSPh 23 (1954), 115f.
m. 'Körper’. Der erste Bestandteil ist
das gleiche Wort wie Leiche, mit dem Leichnam leiden stV. Mhd. liden, ahd. lidan u. ä., as.
die Bedeutungsentwicklung teilt; der zweite ist liöan 'gehen, Weggehen, vergehen’ aus g. *leip-a-
das unter Hemd (s. d.) dargestellte Wort für stV. 'weggehen’, auch in gt. -leißan, anord.
'Körperbedeckung, Körper’; entsprechend ae. liöa, ae. liöan, afr. litha. Die Bedeutung hat
fläsc-hama 'Körper’. Also eigentlich 'Körperbe¬ sich im Deutschen von 'weggehen’ zu 'leiden’
deckung’ und dann mit Übergang von der Be¬ gewandelt unter dem Einfluß des präfigierten
zeichnung des Kleidungsstücks auf den Körper¬ erleiden 'erfahren’ und des nicht unmittelbar
teil auch 'Körper’; das Wort ist aber wohl dich¬ verwandten Substantivs Leid (s. d. zu dessen
terischen Ursprungs. Das n in der neuhochdeut¬ Etymologie und dem möglichen mittelbaren
schen Form stammt aus einer Variante mit Zusammenhang mit leiden). Keine unmittelbare
«-stämmigem Vorderglied mhd. lichnam(e), Vergleichsmöglichkeit. Mit der weiterentwickel¬
ahd. lihhinamo. ten Bedeutung 'sterben’, die im Altnordischen
Nndl. lichaam, nschw. lekamen. S. Leiche (+), als Variante vorliegt (vgl. auch leiöi 'Grab¬
Hemd (+), Fronleichnam. stätte’) kann gr. loite 'Grab’ (Glossenwort),
leicht Adj. Mhd. liht(e), ahd. lihti, lieht, as. avest. rae9- 'sterben’ Zusammenhängen; mit
liht- aus g. *lenht- Adj., das vermutlich auf möglicherweise ursprünglicherer Bedeutung
einen alten Konsonantstamm *lenguhot-/lenuht- toch. A. lit-, let- 'herabfallen’.
zurückführt; ebenso gt. leihts, anord. lettr, ae. Nndl. lijden, nisl. liöa. S. leiten ( + ), Leid.
leoht, leht, liht, afr. lichte, liochte, liuchte. Auf leider Adv./Interj. Mhd. leider, ahd. leidör,
eine andere Stammform («-Stamm) führen zu¬ leidhör ist ursprünglich der Komparativ zu dem
rück ai. raghü- 'rasch, leicht, gering’, gr. elachys unter Leid behandelten Adjektiv leid. Anders
'gering’, lit. lengvas 'leicht’, 1. levis 'leicht’. Das die Formel leider Gottes, die offenbar aus der
Adjektiv kann im Prinzip auf die in gelingen
Beteuerung Bei dem Leiden Gottes entstanden
(s. d.) vorliegende Verbalwurzel zurückgehen,
ist.
doch spricht die Beschränkung dieser Wurzel
K. G. Andresen ZDA (1886), 417f.
auf das Deutsche nicht für eine solche An¬
nahme. leidlich Adj. Spmhd. lidelich 'erträglich’. Zu
Nndl. licht, ne. light, nschw. lätt, nisl. lettur. S. gelin¬ mhd. (er)liden 'ertragen’ mit anschließender
gen, leger ( + ), lichten2, Lunge. — Seebold (1981), Bedeutungsverallgemeinerung.
294-296.
Leier1/. Mhd. lire, ahd. lira. Entlehnt aus 1.
Leichter m. 'kleines Wasserfahrzeug zum Ent- lyra, das seinerseits auf gr. lyra zurückgeht (die¬
frachten größerer Schiffz J'achsprachl. Aus dem ses wohl eine Entlehnung aus einer unbekann¬
Niederländischen zu nndl. lichtem 'entladen’ ten Sprache). Im Mittelalter wurde unter Leier
(eigentlich 'erleichtern’). die mit einer Kurbel angetriebene Drehleier ver¬
Leid «. Mhd. leit, ahd. leid. Wie ae. läö 'Belei¬ standen. Danach Leier 'Kurbel’ (und ableiern,
digung, Unrecht’ eine Substantivierung des Ad¬ ausleiern, herleiern, herunterleiern). Unter dem
jektivs g. *laißa- 'betrüblich, widerwärtig’ in Einfluß der Humanisten wurde das Wort dann
anord. leiör 'feindlich, verhaßt’, ae. läö, afr. as. nur noch auf das antike (4- oder 7-saitige) In¬
leth, ahd. leid, mhd. leit. Durch nachträgliche strument angewandt, die Drehleier nannte man
Attraktion ist das starke Verb leiden im Deut¬ dann Leierkasten.
schen mit Leid verbunden worden und hat seine S. Lyrik. — J. Werner in: FS Mayer (1954), I, 9 — 15;
Bedeutung 'gehen’ zu 'leiden’ gewandelt (ur¬ Kretschmer (1969), 324f.; Relleke (1980), 88-90,
sprünglich ist es nicht verwandt). Dabei mag 197-200.
Leier 437 Leist(en)

Leier2 m. 'Nachwein’, s. Lauer. Vorkommen. Das zweite hat sich sekundär mit
leihen stV. Mhd. lihen, ahd. li(h)an, as. lihan dem Material- und Herkunftssuffix *ina- ver¬
aus g. *leihw-a- stV. 'leihen’, auch in gt. leihan, mischt, zeigt aber ursprünglich eine andere
anord. 1. Sg. Präs, le, ae. leon. Aus ig. *leiku- Form und Flexion. Das Suffix -lein ist in der
'überlassen’ in ai. rinäkti 'gibt auf, läßt frei’, gr. ältesten Sprache das vorherrschende Diminu¬
leipö 'ich gehe aus, schwinde’, medial 'ich bleibe tivsuffix, erst in nach-mittelhochdeutscher Zeit
zurück’, transitiv 'ich lasse zurück’, akslav. otü- setzt sich von Norden her -chen durch, das
lekü 'Rest’, lit. likti 'bleiben, übrig bleiben, zu¬ heute in der Hochsprache vorherrscht.
rück bleiben’, air. leicid 'läßt’, air. a(i)r-leici Leine /. Mhd. line, ahd. lina, mndd. line,
auch 'leihen’, 1. linquere 'zurücklassen, über¬ mndl. line, lijn aus g. *leinjön f. 'Leine’, auch
lassen’. in anord. lina, ae. afr. line. Herkunftsbildung
(Nndl. lenen, ne. lend, nisl. läna). S. Darlehen, zu Lein (s. d.) als 'die aus Flachs bestehende’.
Delikt ( + ), Ellipse, Lehen. Entsprechende Bildungen sind gr. (ion. att.)
Leikauf m. 'Gelöbnistrunk bei Vertragsab¬ linäia 'Seil, Strick’ und 1. linea (s. unter Linie);
schlüssen’, arch., bair. Eigentlich spmhd. vermutlich unabhängige Bildungen, die nicht
litkouf, mndd. li(t)köp 'Kauf beim Wein’ zu g. auf eine gemeinsame Grundlage zurückgehen.
*leipu- m. 'Obstwein’ in gt. leipu m., anord. liö Nndl. lijn, ne. line, nschw. lina. S. Lein ( + ). — Kluge
n., ae. Up m./n., afr. lith, as. liö, ahd. lid, mhd. (1926), 43f.
lit. Leinen n. Substantivierung des Materialad¬
S. auch Weinkauf. jektivs mhd. linen, liriin 'aus Leinen’ zu Lein
Leilach(en) n./m. 'Leintuch’, reg. Mhd. li- (s. d. und unter Linnen).
lach(en) n., ahd. lin-lahhan n. 'Laken aus Leinwand /. Neuhochdeutsche Umbildung
Leinen’. von mhd. linwät unter dem Einfluß von Ge¬
S. Lein und Laken. wand. Zu den Einzelheiten s. unter Gewand und
Leim m. Mhd. ahd. as. lim aus g. *leima- m. Lein (+).
'Leim, Kalk’, auch in anord. lim n., ae. lim. Leis m. 'geistliches Lied’, arch. Wiederbelebt
Das Wort gehört zur gleichen Sippe wie Lehm aus mhd. leis(e). Bestimmte geistliche Lieder
(s. d.) und bezeichnet offenbar zunächst einen wurden so benannt, weil sie mit Kyrieleis auf¬
Stoff zum Verschmieren (von Wänden u. ä.), hörten. Dieses aus dem liturgischen Kyrie elei¬
also Lehm, Mörtel usw. Eine einfach ablau¬ son 'Herr, erbarme dich’.
tende Bildung zu Lehm ist morphologisch
leise Adj. Mhd. lis(e), ahd. Adverb Uso,
nicht recht wahrscheinlich; denkbar ist — mit
mndd. mndl. lise. Die Etymologie ist unsicher.
Wechsel m/w — eine Anknüpfung an *leiwo-
Auf der gleichen Stufe können stehen gr. liarös
'glatt(verschmiert)’ in gr. leios, 1. levis.
'lau, mild’ (*lisro-) und lit. liesas 'mager’. Die
Nndl. lijm, ne. Urne, nschw. lim, nisl. lim. S. bleiben ( + ),
Lehm, Leimrute, Schleim.
Ausgangsbedeutung wäre dann 'abnehmend,
schwach’ zu einer als *lei- anzusetzenden Wur¬
Leimen m., s. Lehm.
zel, die z. B. (mit anderer Stammbildung) in gt.
Leimrute /. 'zum Vogelfang verwendete, mit qflinnan 'ablassen, fortgehen’ vorliegen könnte.
Leim bestrichene Rute’, arch. (Vgl. Wendungen Ch. Peters IF 84 (1979), 206.
wie 'auf den Leim gehen’). Mhd. limruote,
Leiste /. 'Rand, Saum, Borte’. Mhd. liste,
mndd. limrode. Zu Leim (s. d.) und Rute (s. d.).
ahd. lista, mndd. liste m./f/(n.?), mndl. lijst(e)
Leinm. 'Flachs, Leinwand’, arch., fach-
aus g. *leistö f. 'Leiste’, auch in anord. lista,
sprachl. Mhd. lin, ahd. lin-, as. lin aus g. *leina- ae. liste. Herkunft unklar; vielleicht von der
n. 'Flachs, Leinwand’, auch in gt. lein, anord.
Bedeutung 'Spur’ ausgehend zu Leist (en)
lin, ae. lin; das Maskulinum erst seit dem Mittel¬
(s. d.). Von der Bedeutung 'Rand, Saum’ geht
hochdeutschen (nach Flachsl). Gleichen Laut¬
die Bedeutung 'Übergang vom Rumpf zum
stand zeigen 1. linum n., gr. linon n., kymr. llin
Schenkel’ aus.
gleicher Bedeutung. Sicher liegen Entlehnungen
Nndl. lijst, ne. list. S. auch Liste.
vor, doch sind die Entlehnungswege unklar. Da
der Flachsbau bei Germanen und Kelten sehr Leist(en) m. Mhd. ahd. leist aus g. *laista- m.
alt ist, kann auch die Entlehnung sehr alt sein. 'Fuß, Spur’, auch in gt. laists, anord. leistr, ae.
Urverwandtschaft ist kaum wahrscheinlich. last. Die außergermanischen Vergleichsmöglich¬
Nschw. lin, nisl. lin. S. Krinoline, Leilach(en), Leine, keiten sind unsicher; verglichen wird vor allem
Leinen, Leinwand, Linie (+), Linnen, Linoleum. 1. lira f. 'Furche’; innerhalb des Deutschen ge¬
-lein Diminutivsuffix. Mhd. -elin, ahd. -ili(n). hört hierher Geleise (s. d.).
Eine nur deutsche Suffixkombination von -il- Nndl. leest, ne. last, nschw. (sko)läst, nisl. leistur. S.
und -i(n), die auch allein als Diminutivsuffixe lehren (+), Leiste (+), leisten.
leisten 438 Leopard

leisten swV. Mhd. ahd. Ieisten, as. lestian aus Lesen’ zu 1. legere 'lesen’, das verwandt ist mit
g. *laistija- swV. 'folgen5, auch in gt. laistjan, gr. legein 'lesen, zählen, berechnen’.
ae. lästan, afr. lästa, lesta. Eigentlich 'der Spur Etymologisch verwandt: s. analog. — W. Feldmann
folgen’ und damit Ableitung zu dem unter ZDW 8(1906/07), 78; G. Schoppe ZDW 15(1914),
Leist(en) behandelten Substantiv. Die neu¬ 192.
hochdeutsche Bedeutung aus 'ein Gebot o. ä. Lemming m. (= kleines Nagetier), sonder-
befolgen’. sprachl. Besonders genannt im Zusammenhang
Ne. last. S. Leist (en) ( + ). mit dem irrigen Volksglauben, daß sich die
Leitartikel m. Im 19. Jh. übertragen aus ne. Lemminge scharenweise ins Meer stürzen. Ent¬
leading article, nachdem zuvor Hauptartikel lehnt aus ndn. lemming, das auf anord. lamingi,
und leitender Artikel versucht worden waren. lämingr gleicher Bedeutung zurückgeht, das in
mehreren Varianten auftritt und dessen Her¬
Leite/. 'Berghang’, arch., reg. Mhd. Ute, ahd.
kunft unklar ist.
lita, mndd. lit(e) aus g. *hleidö f. 'Abhang’,
auch in anord. hliö, ae. hlib n. Außergermanisch Lemuren PI. 'gespenstische Geister von Ver¬
vergleichen sich gr. kleitys und lit. slaitas m. storbenen’, sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt
gleicher Bedeutung, zu *klei- 'lehnen’ (s. unter aus 1. lemures m. PI. 'Seelen der Abgeschie¬
lehnen). denen’.

leiten swV. Mhd. ahd. leiten, leitön u. ä., as. Lende f. Mhd. lende, lente, ahd. lenti(n) u. ä.,
ledian aus g. *laid-eja- swV. 'leiten’, auch in as. lendin aus g. *landi!jö f. 'Lende, Niere’,
anord. leiöa, ae. läda, afr. leda. Eigentlich 'ge¬ auch in anord. lend, ae. lendenu PI., afr. lenden.
hen machen’, Kausativ zu g. *leip-a- stV. AußergermaniscI; vergleicht sich mit entspre¬
'(weg)gehen’ (s. unter leiden). chender Ablautstufe 1. lumbus m. (aus *londhwo~),
Nndl. leiden, ne. lead, nschw. leda, nisl. leiöa. S. von der e-Stufe akslav. Igdvijg PI. Weitere Her¬
leiden (+), Lotse. kunft unklar.
Nndl. lende, nschw. länd, nisl. lend.
Leiter /. Mhd. leiter(e), ahd. (h)leitar,
leitara, mndd. ledder, mndl. ladere, leeddre u. ä. lenken swV. Mhd. lenken gehört als Denomi-
aus wg. *hlaidrjö f. 'Leiter’, auch in ae. nativum zu mhd. lanke, lanche, ahd. (h)lanca
hlced(d)er, afr. hladder, hledder, hledere. Instru¬ 'Hüfte, Gelenk’, dessen Herkunft unter Gelenk
mentalbildung zu *klei- 'lehnen’ (s. unter leh¬ behandelt ist. Die Ausgangsbedeutung ist ver¬
nen), als 'die Angelehnte’. mutlich 'biegen, hinbiegen’, woraus sich die
Leitfaden m., s. Ariadnefaden. heutige Bedeutung entwickelt hat.

Leitkauf m., s. Leihkauf. Lenz m., arch. Mhd. lenze, ahd. lenzo\ in den
Mundarten daneben Formen mit -ng-: schwz.
Leitmotiv n., s. leiten.
Langsi, bair. Längess, Längsing, ebenso mhd.
Lektion/. 1) In der Bedeutung 'Lesung in der ahd. langez (u. a.). Die längere Form vergleicht
Kirche’ schon ahd. lekza, lecz(i)a (u. ä.). Wie sich mit mndd. lenten, ae. lencten u. ä., so daß
gt. laiktjo (dass.) entlehnt aus 1. lectio 'Lesung, sich als Ausgangspunkt wg. *langa-tin(a)- er¬
Vorlesung’ (zu 1. legere 'lesen’, verwandt mit gibt. Daraus ist ahd. lenzo usw. wohl verkür¬
gr. legein 'lesen, zählen, berechnen’). In dieser zend umgestaltet. Der erste Bestandteil ist lang
Bedeutung heute speziell fachsprachlich. 2) Als (s. d.), der zweite ist ein Element, das 'Tag’
'Vorlesung’, dann auch 'Lerneinheit’ und über¬ bedeutet und häufig suffixartig verwendet wird:
tragen 'scharfe Zurechtweisung’ im 16. Jh. neu Die selbständige Form in ai. d'ma- (auch dieses
entlehnt aus der gleichen Grundlage. meist in Komposita), akslav. dini, lit. dienä f;
Etymologisch verwandt: s. analog. — W. Feldmann die gebundene Form in 1. nündinae f. 'der an
ZDW 8 (1906/07), 78; G. Schoppe ZDW 15(1914), jedem neunten Tag gehaltene Markt’, gt.
192. sinteins 'täglich’. Der Lenz ist also bezeichnet
Lektor m., fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt, als die Zeit der länger werdenden Tage.
zunächst als Bezeichnung für einen akademi¬ Nndl. lente, ne. lent. S. lang ( + ). - M. Tallen DWEB
schen Lehrer. Fleute spezialisiert zu einerseits 2(1963), 159-229.
'Lehrer in einer Fremdsprache (der diese als lenzen swV. 'Bodenwasser aus dem Schiffs¬
Muttersprache spricht)’, andererseits 'Gutach¬ körper pumpen’, fachsprachl., ndd. Entlehnt aus
ter eines Verlags’. Grundlage ist 1. lector 'Leser’ dem Niederländischen, wo es von lens 'leer’
zu 1. legere 'lesen’, das mit gr. legein 'lesen, abgeleitet ist und damit 'leeren’ bedeutet.
zählen, berechnen’ verwandt ist.
Leopard m. (= ein Raubtier). Im Althoch¬
Etymologisch verwandt: s. analog.
deutschen (ahd. lebarto, leopardo, liebarto) ent¬
Lektüre/. 'Lesestoff’. Im 18. Jh. entlehnt aus lehnt aus gleichbedeutend spl. leopardus, zu 1.
frz. lecture (dass.). Dieses aus I. leetüra 'das leo (-önis) 'Löwe’ (aus gr. leön [dass.]) und 1.
Lepra 439 letzen

pardus 'Panther’ (aus gr. pärdos [dass.]). Die entwickelt daraus die Bedeutung 'den Schrift¬
heutige Form entsteht in einer frühneuhoch¬ zeichen folgen, lesen’. Da die vermittelnde Be¬
deutschen Relatinisierung. deutung 'einer Spur folgen’ durchaus im Hinter¬
Etymologisch verwandt: s. Löwe und Panther, Gepard. grund steht, erschien die Bedeutung 'lesen’ als
abhängig von der Bedeutung 'auflesen’ und
Lepra /. 'Aussatz’, fachsprachl. Im 18. Jh.
wurde deshalb von dem deutschen Wort für
entlehnt aus gleichbedeutend 1. lepra, dieses aus
'auflesen’ übernommen. Durch das Auflesen
gr. lepra (dass.), zu bibel-gr. leprös 'aussätzig,
von Runenstäbchen kann die Bedeutung nicht
schuppig, uneben’, zu gr. lepein 'abschälen, die
erklärt werden, da für das Runenlesen praktisch
Flaut abziehen’.
nie das Wort lesen verwendet wird (statt dessen
Morphologisch zugehörig: leprös, Leprosorium.
vor allem raten, was in der Tat das englische
Lerche /. Mhd. lerche, lewer(i)ch u. ä., ahd. Wort für 'lesen’ ergeben hat, nämlich to read,
lerih(ha) u. a., as. lewerka aus g. *laiwazikön f. entsprechend to write für 'schreiben’ als ritzen,
'Lerche’, auch in anord. Icrvirki m., ae. läwerce, ebenfalls ein Wort aus der Runentechnik, wäh¬
läwerce, nordfr. läsk, liurk. Die auffällige Form rend das Deutsche mit schreiben wiederum aus
ist der Ausgangspunkt aller germanischen Na¬ dem Lateinischen entlehnt hat).
men für die Lerche — es gibt praktisch keine Nndl. lezen, nschw. läsa, nisl. lesa. S. analog ( + ), leer,
Konkurrenten. Trotz der Länge der Lautform lismen. — Ganz (1957), 129.
ist eine Deutung nicht möglich; man kann -ikön
Lethargie /. 'körperliche und seelische Träg¬
als Suffix ablösen, da Ähnliches in anderen
heit’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. lethargia 'Schlaf¬
Vogelbezeichnungen vorkommt (vgl. Belche,
sucht’, dieses zu gr. lethe 'Vergessen, Vergeßlich¬
Habicht, Kranich), doch bleibt das erste Ele¬
keit’ (zu gr. lanthänein 'vergessen, vergessen ma¬
ment dunkel. Lautlich anklingend sind finn. chen’) und gr. argiä 'Trägheit, Untätigkeit,
leivo 'Lerche’ und (weiter abliegend) 1. alauda
Ruhe’ (zu gr. argös 'untätig’).
'Haubenlerche’. G. Schoppe ZDW 15 (1914), 192.
Nndl. leeuwerik, ne. lark, nschw. lärka. nisl. leevirki.
— Kluge (1926), 32f.; J. Knobloch ZDPh 96(1977) letschert Adj. 'schlapp’, bair. Zu der unter
(= Sonderheft), 89f. latsch (s. d.) behandelten Sippe mit süddeut¬
schem Ableitungssuffix.
lernen swV. Mhd. lernen, li(e)rnen, ahd. ler¬
nen, Urnen, as. linon aus wg. *liz-nö- swV. 'ler¬ Letten m. 'Lehmboden’, obd. Mhd. leite, ahd.
nen’, auch in ae. leornian, afr. lernia, lirnia. letto, vergleichbar mit nisl. leöja f. 'Lehm,
Formal gehört das Verb zu dem besonders im Schmutz’ unter Ansatz von *laöjön. Außerger¬
Gotischen und Nordischen ausgebildeten Typ manisch vergleichen sich mir. laith 'Sumpf’,
der Intransitiva/Inchoativa, semantisch muß es kymr. llaid 'Schlamm’. Weiteres ist unklar.
der Grundbedeutung der betreffenden Wurzel Trier (1951), 36 — 44.
nahegestanden haben. Es gehört zu lehren Letter /. Im 17. Jh. in Anlehnung an frz.
(s. d ), das zu ihm die Funktion eines Kausati- lettre umgebildet aus älterem Litter, das in mit¬
vums hat. telhochdeutscher Zeit aus 1. littera 'Buchstabe’
Ne. learn. S. lehren (+). entlehnt ist (frz. lettre ist dessen lautgerechter
lesbisch Adj. 'homosexuell (von Frauen)’. Nachfolger). Die Herkunft des lateinischen
Neubildung zu Lesbos, dem Namen einer Insel Wortes ist nicht ausreichend klar.
im Ägäischen Meer, und bezogen auf die dort Etymologisch verwandt: Alliteration, Belletristik, Lite¬
ratur (usw.). - E. Leser ZDW 15 (1914), 21; L. Deroy
lebende Dichterin Sappho, die homosexuell ver¬
ECl 43 (1975), 45-58 (Erklärung als etruskisch).
anlagt gewesen sein soll.
Morphologisch zugehörig: Lesbe, Lesbier, Lesbierin. Lettner m. 'Querbühne zwischen Schiff und
Chor der Kirche’, arch., fachsprachl. Mhd. let-
lesen stV. Mhd. lesen, ahd. lesan, lesen, as.
t(en)er, lecter entlehnt aus ml. lectionarium n.
lesan aus g. *les-a- stV. 'auflesen, sammeln’,
'Buch mit den liturgisch notwendigen Lesun¬
auch in gt. lisan, anord. lesa, ae. lesan, afr. leset.
gen’, das die Bedeutung des älteren ahd. lector,
In dieser Ausgangsbedeutung läßt sich das Wort
lectar m./n., entlehnt aus ml. lectorium n. 'Lese¬
vergleichen mit lit. lesti 'picken, pickend fres¬
pult’, übernimmt. Die Bedeutung wird dann
sen’, heth. lessai- 'auflesen’ und vielleicht kymr. verallgemeinert auf den Raum, an dem die Le¬
llestr 'Gefäß’. Eine Variante *leg- 'auflesen’ liegt
sungen stattfanden (und an dem das Lesepult
vor in 1. legere, gr. (ana)legein und alb. mb-ledh stand). Vgl. die alte Bedeutung bei ne. ledern
(das den Palatal erweist). Die neuere deutsche
gleicher Herkunft.
Bedeutung '(ein Buch) lesen’ beruht auf einer
Bedeutungsentlehnung aus dem Lateinischen. 1. letzen swV. refl. 'sich laben, ergötzen’, arch.

legere bedeutet wie gr. (ana)legein zunächst


Älter sich mit jemandem letzen 'mit jmd. Ab¬
'auflesen’, dann auch 'einer Spur folgen’ und schied feiern’, das auf mhd. letzen 'Schluß mit
letzt 440 Levit

etwas machen’ beruht. Dieses zu mhd. letzen bietes/Landes’, ae. leod f. 'Leute, Volk’, afr.
'beschädigen’, das noch in verletzen (s. d.) erhal¬ liöde, Hüde m. (PI.) 'Volk’. Außergermanisch
ten ist. vergleichen sich Wörter für 'Volk u. ä.’ im Bal-
letzt Adj. Mhd. lest, lezzist, ahd. lezzist, laz- tisch-Slavischen: akslav. ljudü m. 'Volk’, akslav.
zöst ist der Superlativ zu dem unter laß behan¬ ljudije 'Leute’, lit. liäudis f. '(niederes, gewöhn¬
delten Adjektiv, also eigentlich 'der Matteste, liches) Volk’, lett. Jäudis 'Leute, Menschen’;
Säumigste’. In der Lautform hat sich die nieder¬ dazu die ro-Bildung mit der Bedeutung 'frei’
deutsche Form, die auf as. lazto, lasto zurück¬ in gr. eleütheros m. 'freier Mann’ und 1. liber.
geht (dieses mit früher Synkopierung aus *le- Vielleicht zu *(e)leu-dh- 'wachsen’ (zu diesem
tisto), durchgesetzt. Vgl. ne. last aus ae. latost. s. Lode).
Nndl. laatst, ne. last. S. laß ( + ). S. auch leutselig, liberal. — G. v. Olberg in: Schmidt-
Wiegand (1981), 91 -106.
Letzt /, (in zu guter Letzt). Zu fnhd. letze,
letzt 'Abschied, Abschiedsfeier’, das zu dem al¬ Leutnant m.(= untergeordneter Offizier). Im
ten letzen 'sich laben’ gehört, aber sekundär auf 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. lieute-
das Adjektiv letzt bezogen wurde (s. d.). nant, zu frz. Heu (aus 1. locus) 'Ort’ und frz. tenir
Leuchse /. 'hölzerne Außenstütze für die (aus 1. teuere) 'halten’. Das Bezeichnungsmotiv
Leitern des Wagens’, arch., fachsprachl. Mhd. „Statthalter, Stellvertreter“ ist übernommen
liuhse. Herkunft unklar. aus ml. locum tenens.
Etymologisch verwandt: s. lokal und Tenor. — R. M.
leuchten swV. Mhd. ahd. liuhten, as. liohtian,
Meyer ZDW 12(1910), 150-152; Jones (1976),
liuhtian aus g. *leuht-ija- swV. 'leuchten’, auch
393-397.
in gt. liuhtjan, ae. leohtan. Denominativum zu
dem Adjektiv *liuhta- 'licht’ (s. unter licht). leutselig Adj. Mhd. liutsalec, liutsalic, eigent¬
Nndl. lichten, ne. light. S. durchlaucht, erlaucht, lich 'den Menschen wohlgefällig’ (zu selig und
licht ( + ). Leute, s. d.), dann verschoben zu 'freundlich
leugnen swV Mhd. lougen(en), ahd. loug(a)nen gegenüber einfacheren Leuten’.
u. a., as. lögnian aus g. *lougnija- swV. 'leugnen, Leuwagen m. 'Schrubber’, nordd.; 'Stahlbü-
verneinen’, auch in gt. laugnjan, ae. lignian, gel’, ndd.,fachsprachl. Zu ndd. leu, loi, lei 'faul’
dazu anord. leyna 'verbergen’. Denominativ zu (oft zur Bezeichnung eines der Bequemlichkeit
*laugnö f. 'Leugnung’ in ahd. loug(u)na, lougan, dienenden Hilfsmittels) und einer Ableitung
anord. laun. Dieses zu lügen (s. d.). von wegen 'bewegen’, also etwa 'Leichtbe¬
Leukämie /. (= eine Erkrankung mit über¬ weger’.
mäßiger Produktion weißer Blutkörperchen), S. bewegen ( + ).
fachsprachl. Neubildung zu gr. leukös 'hell, klar,
Level m./(n.) 'Niveau, Rang’. Im 20. Jh. ent¬
weiß’ und gr. haima n. 'Blut’.
lehnt aus gleichbedeutend ne. level (älter: 'Gerät
Etymologisch verwandt: s. Anämie und licht.
zur Bestimmung der Lage bezüglich des Hori¬
leuko- Präfixoid, s. licht. zonts’), dieses aus afrz. livel (dass.), aus 1. libella
Leumund m. Mhd. liumunt, ahd. (h)liumunt f. 'kleine Waage’, einem Hypokoristikum zu 1.
'Ruf, Gerücht’ zeigt eine to-Erweiterung oder libra f. 'Waage’.
einen angewachsenen Dental zu g. *hleumön m. Etymologisch verwandt: s. nivellieren.
'Gehör, zu Hörendes’ in gt. hliuma, vermutlich
Lever n. 'Audienz während der Morgentoi¬
auch (mit Umbildung zu einem a-Stamm) in
lette’, arch. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
anord. hljömr 'Laut, Schall’. Außergermanisch
tend frz. lever m., einer Substantivierung von
entspricht als urverwandt oder parallele Bil¬
frz. lever 'aufheben, sich aufrichten, aufgehen’,
dung aus der gleichen Grundlage avest. srao-
man- n. 'Gehör’ und mit ro-Bildung ai. srömata-
dieses aus 1. leväre 'heben, aufrichten, erleich¬
'guter Ruf, Berühmtheit’. Weiter verbreitet ist tern’, zu 1. levis 'leicht’.
die Bildung ig. *klewos n. ‘Ruhm’ in ai. (ved.) Etymologisch verwandt: s. leger. - Brunt (1983), 353.
srävas-, gr. kleos, air. clü n., akslav. slovo n. Levit m. (vor allem jemandem die Leviten
Wort’, toch. A. klyu, toch. B. kälywe. Zu der lesen 'jmd. eine ausführliche Strafpredigt hal-
Grundlage ig. *kleu- 'hören’ (s. laut). ten’), ugs., sondersprachl. Die Redewendung ist
S. laut (+), verleumden. bezeugt seit dem 15. Jh. Sie bedeutete ursprüng¬
Leute PI. Mhd. Hute, ahd. liut(i) m.jn.jf., lich wohl 'das Gesetz lesend Vorhalten’, nach
as. liud(i) aus g. *leudi- m. 'dingberechtigtes der Vorschrift, daß die Leviten alle sieben Jahre
Mitglied des Volksverbandes’, PI. 'Volk’, auch das Gesetz vorlesen mußten. Bei den Leviten
in wgt. leudes 'Leute’, burgund. leudis 'Gemein¬ handelt es sich um Mitglieder des Stammes
freier’, anord. Ijöör m. 'Volk’, anord. lyör m. Levi, einem Priesterstamm des Volkes Israel.
'Leute’, ae. leod(a) 'Edler, Bewohner eines Ge¬ J. W. Walz ZDW 12 (1910), 189.
Levkoje 441 lichten

Levkoje /., Levkoie /. ( = eine Blume), arch. Libido/. 'Geschlechtstrieb’, fachsprachl. Ent¬
Im 18. Jh. entlehnt aus it. (arch.) leukojo m. lehnt aus gleichbedeutend 1. libido, einer Ablei¬
gleicher Bedeutung, das über 1. leucoion n. auf tung von 1. libet 'es beliebt’.
gr. (poet.) leuköion n. 'Weißveilchen’ (zu gr. Morphologisch zugehörig: libidinisieren, Libidinist, li-
leukös 'weiß’ und gr. ion n. 'Veilchen’) zurück¬ bidinös.
geht. Libretto n. 'Text(buch) von Gesangstücken’,
S. licht ( + ). fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Lexem n. 'Wortschatzeinheit’, Kunstwort zu deutend it. libretto m. (wörtlich: 'kleines Buch’),
Lexikon (s. d.). einem Diminutivum zu it. libro m. 'Buch’, dieses
aus 1. Über m. 'Buch, Schrift, (wörtlich: Bast)’.
Lexikon n. 'Wörterbuch’. Im 17. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: Librettist; etymologisch
aus gleichbedeutend gr. lexikön (biblion ), zu gr.
verwandt: Exlibris.
lexis f 'Wort, Ausdruck’, zu gr. legein 'spre¬
-lieh Suffix (zur Bildung von Adjektiven).
chen, auflesen’.
Mhd. -lieh, ahd. -lih, as. -lik, auch in ae. -lic
Morphologisch zugehörig: Lexem, Lexik, lexikal; ety¬
und (noch selten) in gt. -leiks. Gehört sicher zu
mologisch verwandt: s. analog.
dem Wort für 'Körper’, dessen problematische
Liaison / 'Verbindung, Liebesbeziehung’, s.
Etymologie unter Leiche (s. d.) dargestellt
liieren. wurde; die Adjektive waren also ursprünglich
Liane/. 'Schlingpflanze’. Im 18. Jh. entlehnt Bahuvrihi-Adjektive: *x-leika- 'einer dessen
aus gleichbedeutend frz. Hane, der normanni¬ Körper/Gestalt x ist’, dann bis zum bloßen Ad-
schen Entsprechung von frz. liseron m. 'Winde’, jektivierungs- und Modifizierungssuffix abge¬
aus 1. viburnum n. 'Schlingbaum’. Es liegt wohl schliffen.
eine volksetymologische Anlehnung von Spät¬ M. Schröder BGDSL-H 83 (1961), 151-194.
formen des lateinischen Wortes an frz. lier 'ver¬ licht Adj., arch. Mhd. lieht, ahd. lio(t)ht,
binden’ vor. leoht, as. lioht aus g. *leuhta- Adj. 'licht, hell’,
Libelle/. (= ein Insekt mit schillernden Flü¬ das zwar nur in den westgermanischen Spra¬
geln). Neubildung des 18. Jhs. mit 1. Ubella chen belegt ist, aber aus der Ableitung leuchten
(wörtlich: 'kleine Waage’), einem Hypokoristi- (s. d.) als gemeingermanisch zu erschließen ist.
kum zu 1. ITbra 'Gleichgewicht, (wörtlich: Daneben steht im Gotischen ein liuhap 'Licht’,
Waage)’. So bezeichnet nach der Fähigkeit die¬ so daß wohl von einem alten Konsonantstamm
ses Tieres, fliegend eine konstante Position zu vor-g. *leukot- auszugehen ist. Zu ig. *leuk-
halten. 'leuchten’ in heth. lukkizzi 'ist hell’, ai. röcate
'leuchtet’, toch. A. B. luk- 'leuchten’ und den
Etymologisch verwandt: s. nivellieren.
nominalen Bildungen gr. leukös 'glänzend
liberal Adj. 'freiheitlich’. Im 18. Jh. entlehnt
weiß’, 1. lüx 'Licht’, akslav. luca 'Strahl’, lit.
aus gleichbedeutend frz. liberal, dieses aus 1.
laükas 'mit einer Blesse versehen’ und vielen
liberälis (dass., auch: 'edel, freigebig’), zu 1. Uber anderen. Die Substantivierung wie in nhd. Licht
'frei, zwanglos, selbständig’. Das lateinische (auch konkret in der Bedeutung 'Kerze’) ist
Wort war zuvor bereits in der Bedeutung frei¬ schon alt. Die Kürzung des Diphthongs vor
gebig’ entlehnt worden. -cht taucht vereinzelt schon im Althochdeut¬
Morphologisch zugehörig: Liberale, Liberalismus, Li¬ schen auf und setzt sich in neuhochdeutscher
beralist, Liberalität, Libero, libertär, Libertät, Libertin,
Zeit durch.
Libertinismus-, etymologisch verwandt: liefern, Livree;
Nndl. licht, ne. light. S. illustrieren ( + ), leuchten( + ),
zum Etymon s. Leute. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
Leukämie, Levkoje, lichten', lichterloh, Lichtmeß, Lich¬
07), 78; W. Sucharowski: 'Liberal’ im gegenwärtigen
tung, Lohe', Luchs, Luzifer. - Kluge (1926), 109f.; H.
Sprachgebrauch (München 1975).
Schwarz in: FS Trier (1954), 434 — 455.
Libero m. 'Abwehrspieler ohne direkten Ge¬ lichten1 swV '(den Wald) lichten . Als hell
genspieler’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ machen’ zu licht (s. d.). Bezeugt seit dem 17.
tend it. libero (wörtlich: 'der Freie’), einer Sub¬ Jh.
stantivierung von it. libero frei’, dieses aus 1.
lichten2 swV. '(den Anker) heben’, fach¬
Uber (dass.). sprachl., ndd. Seit dem 15. Jh., in hochdeutschen
Etymologisch verwandt: s. liberal. Texten seit dem 17. Jh. bezeugt. Zu ndd. licht
Libertin m. 'Freigeist, zügellos lebender 'leicht’, also eigentlich 'leicht machen’ (vgl. 1.
Mensch’, sonder spracht. Entlehnt aus gleichbe¬ leväre 'heben’ zu 1. levis 'leicht’). Regional be¬
deutend frz. libertin(e) m./f., dieses aus 1. liber- rührt sich dieses Verb mit nhd. lüften, ndd.
tinus 'der Freigelassene (in bezug auf seinen lüften, luchten, das zu Luft (s. d.) gehört. Zum
Stand und seine Stellung im Staat), zu 1. llbertus Weiteren s. unter leicht.
(dass.), zu 1. Uber 'frei’. Kluge (1911), 539f. Zu Lichter 'Sarg vgl.: Cox (1967),

Etymologisch verwandt: s. liberal. 86f.


lichterloh 442 liegen

lichterloh Adj. Zusammengerückt aus dem Liebfrauenmantel m., s. Frauenmantel.


adverbialen Genitiv mhd. liehter lohe 'mit bren¬ liebkosen swV. Mhd. liepkösen, zusammenge¬
nender Lohe (Flamme)’. rückt aus einem ze liebe kosen 'zu jmd. in Liebe
S. licht und Lohe'. sprechen’ mit späterer Änderung der Konstruk¬
Lichtmeß /., fachsprachl. Mhd. liehtwlhe n., tion vom Dativ zum Akkusativ (17. Jh.). Die
liehtmesse, as. liohtmissa\ entsprechend ae. can- Bedeutung entwickelte sich zu 'schmeicheln’,
delnuesse, ne. candlemas. Der 2. Februar wurde von da aus zu 'Zärtlichkeiten austauschen’.
zum Gedächtnis der Darstellung Jesu im Tem¬ S. lieb( + ).
pel mit Lichterprozessionen begangen, ausge¬ Liebstöckel n./m., fachsprachl. Mhd. liebstok-
hend von dem Schriftwort vom Licht zur Er¬ kel, lübestecke u. ä. m., ahd. lub(b)istecho, lubi-
leuchtung der Heiden (Lk. 2,32). stuckil m. u. ä. Entlehnt aus 1. Levisticum n.
S. licht ( + ) und Mission ( + ). (o. ä.), Nebenform zu Ligusticum n. (angeblich
Lichtung/. Im 19. Jh. zu lichten1 (s. d.) gebil¬ nach Ligurien benannt), mit sekundärer Anpas¬
det nach dem Vorbild von frz. clairiere. sung an Heb und Stock.
J. Brüch Schlern-Schriften 57(1948), 15-21.
Lid n. Fnhd. auch Lied, mhd. lit, ahd. lid,
(h)lit, as hlid aus g. *hlida- n. 'Verschluß’, auch Lied n. Mhd. liet, ahd. liod, lioth, as. -lioth
in anord. hlid, as. hlid, afr. hlid. Die Augenlider aus g. *leuda- n. 'Liedstrophe’, PI. 'Lied’, auch
werden also als 'Deckel, Verschluß’ der Augen in anord. Ijöö, ae. leof ', die Existenz im Goti¬
bezeichnet. Zu g. *hleid-a- stV. 'schließen’ in ae. schen ist aus liufon 'lobsingen’ u. a. zu folgern.
-hltdan, afr. hllda, as. -hlidan. Außergermanische Herkunft unklar. Vielleicht gehört es zu 1. laus
Vergleiche auf gleicher Stufe sind unsicher, doch (-audis) f. 'Lob’. Zu weiteren möglichen Zu¬
geht die Bildung wohl letztlich auf *kel- 'verber¬ sammenhängen s. unter Lob, mit dem Lied wur¬
zelverwandt sein kann.
gen’ zurück (zu diesem s. hehlen), vgl. 1. superci-
lium 'Augenbraue’ zu dieser Wurzel. Nndl. lied, nisl. Ijöö. - H. Schwarz BGDSL 75 (1953),
321—365; H. Schwarz in: FS Trier (1954), 434—455.
Nndl. ne. lid. - M. Dolch ZM 20(1952), 157f.
Liederjan m., ugs. Seit dem 19. Jh. im Nord¬
Lidlohn m., auch Liedlohn m. 'bei Konkurs
osten und Ostmitteldeutschen bezeugt; gebildet
oder Zwangsversteigerung bevorzugt auszuzah¬
zu liederlich (s. d.) und dem Namen Jan, wohl
lender Lohn’, arch., fachsprachl. Mhd. litlön,
nicht ohne Einfluß der hybriden Bildungen vom
lidlön m./n. 'Dienstbotenlohn’. Das Vorderglied Typ Grobian.
ist nicht ausreichend eindeutig. Vielleicht zu ml.
liederlich Adj. Spmhd. liederlich 'liederlich,
litus, lidus 'höriger Diener’ oder zu ahd. -lit
schlecht, boshaft’; vgl. ae. leahter-lTce. Dieses
'Wegggang’ als 'der beim Weggang zu zahlende
scheint eine parallele Bildung zu Lotter- (s. d.)
Lohn’ erschlossen aus ahd. ab-lit 'Tod’, ahd.
zu sein. Der Anschluß an Luder (s. d.) ist se¬
uz-lit 'Fehler’ sowie ahd. Itdan 'Weggehen’.
kundär.
lieb Adj. Mhd. liep, ahd. liob, Hub u. ä., as. S. auch Liederjan, Loddel, schleudern.
liof- aus g. *leuba- Adj. 'lieb’, eigentlich passiv:
Liedlohn m., s. Lidlohn.
'geliebt’, auch in gt. Hufs, anord. Ijiifr, ae. leof
afr. liäf. Zu ig. *leubh- 'begehren, verlangen’, liefern swV. Im 15. Jh. übernommen aus
dessen Bezeugungen im einzelnen unterschied¬ mndd. lever(er)en, mndl. lev(e)ren, lieveren,
lich sicher sind. Verbal: ai. lübhyati 'ist gierig, einem Fachwort der Hanse, das aus frz. livrer
empfindet Verlangen’, 1. libet, älter 1. lubet 'es 'übersenden’, einer Bedeutungsspezialisierung
aus 1. llberäre 'befreien, entledigen’, entlehnt
beliebt’; nominal: akslav. ljubü 'lieb’, dazu russ.
wurde.
IjubitX 'lieben’, I. libldo 'Verlangen, Begierde’.
S. liberal ( + ). - Schirmer (1911), 120.
Ein Zusammenhang mit Laub (s. d.) ist nicht
ausgeschlossen, wenn von der Begierde der Her¬ liegen st V. Mhd. ligen, licken, ahd. Hg(g)en,
dentiere nach frischen Laubzweigen ausgegan¬ lig(g)an, as. liggian aus g. *leg-ja- stV. 'liegen’,
gen wird; Einzelheiten bleiben aber unsicher. auch in anord. liggja, ae. licgan, afr. lidza und
Nndl. lief, ne. (arch.) lief, nschw. ljuv, nisl. Ijüfur. gt. ligan, bei dem das /Präsens wohl sekundär
S. Laub( + ), Liebde, liebkosen. — H. Kuhn: Liebe beseitigt wurde. Zu der Wurzel *legh- 'liegen’,
(München 1975). mit gleicher Stammbildung in air. laigid, akslav.
loze Lager; sonst in heth. lagari 'neigt sich’,
Liebde/. (= Anrede an Höhergestellte: Euer
toch. A. lake 'Lager’, toch. B. leki (leke) 'La¬
Liebden), arch. Die alte Anrede Eiter Lieb, unter
ger , gr. lechetai (Glosse), und nominal 1. lectus
Höhergestellten gebräuchlich, wurde im 15. Jh.
'Bett’, lit. pa-legys 'Bettlägrigkeit’.
an den „flämischen“ Gebrauch angeglichen,
Nndl. liggen, ndn. He, nschw. ligga, nisl. liggja. S.
vgl. mndl. liefde, mndd. levede, lefte als Sub¬
Anliegen, Gelegenheit, Lager, legen (+), Lehde, lö¬
stantivierung des Adjektivs Heb (s. d.). schen', überlegen2, verlegen.
Liegenschaft 443 Linde

Liegenschaft /. 'Immobilie’, fachsprachl. Be¬ bestimmten Feiern Unsinnsgedichte zu extem¬


zeugt seit dem 19. Jh. als 'liegendes’, im Gegen¬ porieren, wobei der (gleichbleibende) Chorus
satz zu 'beweglichem’ Gut. gelautet haben soll: „Will you come up to Lime¬
Liesch n. 'Riedgras’, fachsprachl. Mhd. lie- rick'?“.
sche f.['?), mndd. lesch, lesk, liesk, mndl. liesche; Limette /., s. Limonade.
schon ahd. lisca und ahd. lese f. Wohl entlehnt Limit n. 'Grenze, Preisrahmen’, fachsprachl.
aus ml. lisca/., dessen Herkunft aber nicht klar Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
ist. Vielleicht ist die Entlehnung in umgekehrter limit, dieses aus frz. limite f. (dass.), aus 1. limes
Richtung verlaufen, wie auch bei anderen ro¬ (-mitis) m. (wörtlich: 'Querweg, Rain’), zu 1.
manischen Wörtern dieser Sippe vermutet wird limus 'schief’. (Verwandt damit ist 1. obliquus
(it. lisca f. 'Hanfspelze’, frz. laiche, laiche f.). 'seitwärts gerichtet’.)
Marzeil (1943/79), I, 827f.
Morphologisch zugehörig: Limitation; etymologisch
Lift m. 'Aufzug’. Im 19. Jh. entlehnt aus verwandt: eliminieren, [oblique], sublim. — Schirmer
gleichbedeutend ne. lift, einer Ableitung von e. (1911), 120; W. J. Jones SN 51 (1979), 264.
lift 'heben’, dieses aus anord. lypta 'in die Höhe Limonade /. 'Obstsaftgetränk, Zitronenwas¬
heben, lüften’, zu anord. lopt, loft n. 'Luft’. ser’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Zum Etymon s. Luft. frz. limonade, einer Ableitung von frz. limon m.
Liga /. 'Wettkampfklasse’, s. liieren. 'Zitrone’, dieses aus arab. laimün (dass.), aus
Ligatur/. 'Verbindung, Haltebogen, Buchsta¬ pers. limün (dass.).
benverbindung’, s. liieren. Morphologisch zugehörig: Limette, Limone; etymolo¬
gisch verwandt: Pampelmuse. — Littmann (1924), 81;
liieren svvK 'verbinden’, sondersprachl. Im 18. Lokotsch (1975), 105; Brunt (1983), 354.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Her, dieses
Limone /. 'Zitrone’, s. Limonade.
aus 1. ligäre (dass.). Liaison bezeichnet eine 'Ver¬
bindung von Verliebten’, Liga die 'Vereinigung Limousine /. 'geschlossenes Fahrzeug’, fach¬
in einer Wettkampfklasse’ und Ligatur eine sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. li-
'Buchstabenverbindung’. mousine m./(f) (ursprünglich: 'Mantel’), nach
Etymologisch verwandt: s. legieren. dem Namen der Landschaft Limousine. Zu¬
nächst Bezeichnung für den 'weiten Schutzman-
Likör m. 'süßes alkoholisches Getränk’. Im
tel’ der Fuhrmänner aus Limousine, dann über¬
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. liqueur
tragen auf'rundum abgeschlossene Fahrzeuge’.
f. (wörtlich: 'Flüssigkeit’), dieses aus 1. liquor
'Flüssigkeit, (wörtlich: das Flüssigsein)’, zu 1. lind Ad]., arch. Mhd. linde, ahd. lindi aus wg.
liquere 'flüssig sein’. *lenpja- Adj. 'geschmeidig, weich’, auch in ae.
Etmologisch verwandt: s. liquidieren. — K.-H. Wein¬ Ilde. Auf weitere Verbreitung weisen vielleicht
mann DWEB 2 (1963), 397; Brunt (1983), 354. ndn. lind 'biegsam, weich, mild’ und span. port.
Lila n. 'Fliederblütenfarbe’. Im 18. Jh. ent¬ lindo 'hübsch’, falls dieses aus dem Westgoti¬
lehnt aus gleichbedeutend frz. Mas m. (älter: schen stammt. Außergermanisch vergleichbar
lila; auch: 'Flieder’), dieses aus span, lila (dass.), ist 1. lentus 'biegsam, zäh, langsam’, das nicht
aus arab. lilak (dass.), zu pers. llläg usw. 'Indi¬ weiter vergleichbar ist. Deshalb fallt die einfa¬
gopflanze’, riilä 'Indigo, blau’, letztlich aus ai. chere Form anord. linr 'weich, nachgiebig’,
nila- 'Dunkel, dunkelblau’. mhd. lin. Im (Form wegen schlechter Bezeugung
Morphologisch zugehörig: lila. — Littmann (1924), unsicher: Länge? Genitiv linwesl) 'lau, matt’
81, 87, 124; Lokotsch (1975), 105. auf, die besser vergleichbar ist (z. B. hat ai.
Lilie /. (= ein Zwiebelgewächs mit trichter¬ linäti u. a. die Bedeutung 'sich anschmiegen’).
förmigen Blüten). Im Althochdeutschen (ahd. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß lind
lilia, mhd. lilje f./m.) entlehnt aus gleichbedeu¬ eine Erweiterung aus diesem einfacheren Wort
tend 1. lilia, dem Plural von 1. lilium n., dieses ist; 1. lentus muß bei dieser Annahme wohl aus
aus gr. leirion n. (dass.). semantischen Gründen abgetrennt werden.
Littmann (1924), 13. Nndl. gelinde, ne. lithe. S. gelinde, Linde ( + ), Lind¬
wurm.
Liliputaner m. 'Einwohner Liliputs, zwerg¬
wüchsiger Mensch’. Im 18. Jh. entlehnt aus Linde /. Mhd. linde, ahd. linta, as. lind(i)a
gleichbedeutend ne. Lilliputian, einer Wort¬ aus g. *lenpjö(n) f. 'Linde’, auch in anord. ae.
schöpfung von Jonathan Swift. lind. Das Wort bedeutet öfters auch 'Schild’,
Ganz (1957), 129f.; J. Söderlind SN 40 (1968), 75-79. da Schilde häufig aus dem leichten Lindenholz
Limerick m. (= eine Gedichtform), fach¬
gefertigt wurden; im Deutschen mundartlich
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend auch Lind 'Bast’ und anord. lindi m. 'Gürtel’
ne. limerick, nach dem Namen der Stadt Lime¬ (falls damit ein aus Bast geflochtener Gürtel
rick in Irland. Angeblich nach dem Brauch, bei gemeint war — hier sind aber auch andere
Lindwurm 444 liquidieren

Erklärungen denkbar). Außergermanisch steht bedeutet eigentlich 'ungeschickt’ (wie die Be¬
am nächsten russ. hat 'Bast, Lindenrinde’ (aus zeichnungen für 'links’ überhaupt immer wieder
*lont-). Dies legt die Annahme nahe, daß die aus diesem Bedeutungsbereich erneuert wer¬
Linde nach ihrem weichen Bast benannt ist; den); vgl. hierzu linkisch und weiter nschw. linka
dieser wiederum könnte als 'weich, biegsam’ 'hinken’ und weiter vielleicht zu dem allerdings
benannt sein und das Wort somit zu 1. lentus erst spät bezeugten ai. lahga- 'lahm’.
'biegsam’ gehören (s. unter lind zu den etwas linkisch Adj., s. link.
problematischen etymologischen Verhältnis¬
Linnen n., arch. Ursprünglich niederdeutsche
sen). Vermutlich gehört auch lit. lentä 'Brett,
Form von Leinen (s. d.), die sich seit dem 18.
Tafel’ hierher (wenn ursprünglich 'Brett aus
Jh. im Zusammenhang mit dem überlegenen
Lindenholz’).
westfälischen Tuchhandel durchsetzt und heute
Nndl. linde, ne. linden, nschw. lind, nisl. linditre. S.
vor allem in gehobener Sprache gebräuchlich
lind, Lindwurm, Geländer. — Ö. Beke IF 54(1936),
119-121. ist.

Lindwurm m., arch. Im 18. Jh. erneuert aus Linoleum n. (= ein Fußbodenbelag). Im 19.
inzwischen ausgestorbenen mhd. lintwurm Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. linoleum,
(auch mhd. lint(t)rache, lintdrache zu Drache, einer Neubildung zu 1. linum oleum 'Leinöl’,
s. d.), ahd. lindwurm, anord. linnormr. Dies ist einem wesentlichen Bestandteil dieses Mate¬
eine verdeutlichende Komposition zu anord. rials.
linnr 'Schlange, Drache’ (das Wort Wurm hat Etymologisch verwandt: s. Lein und Öl.
in der älteren Zeit eine weitere Bedeutung, die Linse/. (= Hülsenfrucht). Mhd. lins(e), ahd.
auch Schlangen und Drachen in sich schließt). linsa, lins(i), l ins in. Entlehnt aus einer unbe¬
Das einfache Wort ist wohl mit 1. lentus 'bieg¬ kannten Sprache, aus der auch 1. lens (-ntis)
sam’ zu vergleichen und gehört damit wohl zu und die entsprechenden baltisch-slavischen
dem Adjektiv lind (zur etwas problematischen Wörter kommen. Eine Entlehnung aus dem La¬
Etymologie s. d.). teinischen, die sachlich naheliegend wäre, ist
Nschw. lindorm. S. lind, Linde ( + ). wegen des Lautstands unwahrscheinlich (da
Lineal n. 'etwas Geradkantiges zum Ziehen normalerweise aus der Form des Obliquus
von Linien’, s. Linie. entlehnt wird, und das wäre hier *lent-). Die
Bedeutung 'Brennglas’ seit dem 18. Jh. nach
linear Ad), 'geradlinig, linienförmig’, s. Linie.
neolateinischem Vorbild (Bedeutungsübertra¬
-ling Suffix, s. -ing.
gung nach der Form).
-lings Suffix (zur Bildung von Adverbien).
Linsengericht n. 'etwas Wertloses, das man
Mhd. dingen, ahd. dingun. Die Form mit (geni-
für etwas Wertvolleres erhält’. Nach dem Lin¬
tivischem) -s ist ursprünglich niederdeutsch
sengericht, für das Esau dem Jakob sein Erstge¬
(mndd. dinges); sie greift im 16. Jh. auf das
burtsrecht hergab (l.Mose 25,34).
Mitteldeutsche, im 17. Jh. auf die Hochsprache
allgemein über (rücklings, blindlings usw.). Der Lippe /. Ursprünglich niederdeutsches Wort,
Herkunft nach handelt es sich um falsche Ablö¬ das als Sprachform Luthers das ältere obd.
sungen des Adverbialsuffixes -ing-, das zum No¬ Lefze (s. d.) verdrängt. Das Wort Lippe ist in
minalsuffix dng (s. d.) gehört. den kontinentalen germanischen Sprachen erst
Linguistik /. 'Sprachwissenschaft’, fach- spät bezeugt (zuerst bei Jeroschin, 14. Jh. mit¬
sprachl. Neubildung des 18. Jhs., zu 1. lingua teldeutsch), dann (15. Jh.) mittelniederdeutsch
'Zunge, Sprache’. und mittclniederländisch, jeweils als lippe. Älter
Morphologisch zugehörig: lingual. Lingual, Linguist; ae. (und afr.) lippa m. Diese setzen *lepjön vor¬
zum Etymon s. Zunge. aus, aschw. leepi ein *lepön. Die weitere Etymo¬
logie s. unter Lefze.
Linie /. 'gerader Strich (usw.)’. Im Althoch¬
deutschen (ahd. linna, mhd. linie) entlehnt aus S. auch Schlippe.
gleichbedeutend 1. linea (wörtlich: 'Leine, liquid Adj. 'zahlungsfähig, flüssig’, fach-
Schnur’, d. h. 'mit der Schnur gezogene, gerade sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. liquidus 'flüs¬
Linie’), zu 1. linum n. 'Faden, Schnur, (wörtlich: sig, fließend", zu 1. liquere 'flüssig sein’.
Flachs)’. Das Lineal ist ein 'Gerät zum Linien¬ Morphologisch zugehörig: Liquid, Liquida, Liquida¬
ziehen’, linear meint '(wie) in einer Linie’. tion, Liquidator, liquidieren, Liquidität, Liquor; etymo¬
Etymologisch verwandt: interlinear, Pipeline; zum Ety¬ logisch verwandt: s. liquidieren.
mon s. Lein.
liquidieren swV. 'Geschäft auflösen, zu Geld
link Adj., ugs. Mhd. linc, lene, ahd. lenca machen, hinrichten’, sondersprachl. Im 17. Jh.
'linke Hand’ (für 'links’ noch das alte Wort entlehnt aus gleichbedeutend spl. liquidäre und
win(i)star); regionale Varianten sind ndrhein. it. liquidäre, zu I. liquidus 'flüssig’, zu 1. liquere
slink und fnhd. glink (= gelink). Das Wort flüssig sein’. Ein Geschäft wird aufgelöst, in-
lismen 445 lobhudeln

dem es in 'flüssige Mittel’ verwandelt wird. Die Nach ihm wurden dann die Plakatsäulen allge¬
Bedeutung 'beseitigen, hinrichten’ ist aus 'auf- mein benannt.
lösen’ spezialisiert.
Liturgie /. 'festgelegte Form des christlichen
Morphologisch zugehörig: liquid. Liquid, Liquida, Li¬
Gottesdienstes’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt
quidation, Liquidator, Liquidität, Liquor, etymologisch
aus gleichbedeutend kirchen-1. liturgia, dieses
verwandt: Likör. — Schirmer (1912), 120f.; W. J. Jones
SN 51 (1979), 264.
aus gr. leitourgia 'Staats-, Dienstleistung, Litur¬
gie’, zu gr. (ion., poet.) litaneüein, litainein 'bit¬
lismen swV. 'stricken’, schwz. Mhd. lismen;
ten, flehen’ und gr. ergon n. 'Arbeit, Dienst’
gehört offenbar zu lesen (s. d.), da anord. lesa
(vgl. gr. leitör 'Priester’, verwandt mit gr. läös
'herstellen bunter Gewänder’ bedeutet (Ma¬
m. 'Volk’).
schen lesen = sticken?). Das m wohl unter
Morphologisch zugehörig: Liturgik; etymologisch ver¬
Einfluß des Wortes Faden, mhd. vadem, vaden.
wandt: s. Laie und Energie.
W. Mohr ZDA 75 (1938), 237.
Litze /. Mhd. litze. Entlehnt aus I. licium n.
lispeln swV. Mhd. lispeln, Erweiterung zu ahd. 'Faden’.
lispen; entsprechend ae. wlispian. Zu ae. wlisp,
live Adv. 'direkt, gegenwärtig’, fachsprachl.
wlips 'stammelnd’. Wohl ein Lautbild. Mit an¬
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. live,
derem Vokal (Ablaut?) nschw. läspa 'lispeln’.
zu e. life 'Leben’.
Nndl. lispen, ne. lisp.
Zum Etymon s. Leih.
List /. Mhd. ahd. list (auch m.) aus g. *listi-
f, auch in gt. lists, anord. list, ae. list f-tm. Livree /. 'uniformartige Bekleidung für Be¬
Verbalabstraktum zu dem unter lehren und ler¬ dienstete’, sonder spracht. Im 14. Jh. entlehnt
nen behandelten Verbalstamm *lais- 'wissen, aus gleichbedeutend frz. livree, zu frz. livrer
(lernen, erkennen)’. Das Wort bedeutet ur¬ Tiefem’, aus spl. liberäre 'ausliefern’, aus 1. libe-
räre Tosmachen, befreien’, zu 1. Uber 'frei’. So
sprünglich 'Geschicklichkeit’.
bezeichnet als 'die vom Dienstherrn gestellte
Nndl. nschw. nisl. list. S. lehren ( + ). — J. Trier MUM
3 (1931), 33 — 40; F. Scheidweiler ZDA 78 (1941), Kleidung’.
62 — 87; G. Hermans: List (Diss. masch. Freiburg Etymologisch verwandt: s. liberal. — E. Öhmann
1953). NPhM 41 (1940), 35f.; E. Öhmann NPhM 63 (1962),
228-230; Jones (1976), 399.
Liste /. Im 16. Jh. entlehnt aus it. lista, zu¬
nächst in der italienischen Form mit -a. Das Lizenz/. 'Genehmigung’. Im 15. Jh. entlehnt
italienische Wort stammt seinerseits aus ahd. aus gleichbedeutend 1. licentia, einer Ableitung
lista 'Leiste’ (s. Leiste) und bedeutet eigentlich von 1. licet 'es ist erlaubt, man darf’.
'streifenförmig, leistenförmig geschriebene Auf¬ Morphologisch zugehörig: Lizentiat. — Schirmer
zählung’. (1911), 121.

Jones (1976), 395. Lob n. Mhd. lop m./n., ahd. lob, as. lof aus
Litanei/. 'Bittgebet, monotone Aufzählung’. g. *luba- n. 'Lob’, auch in anord. ae. lof m./n.,
Im Mittelhochdeutschen (mhd. letanie) entlehnt afr. lof. Daneben das Verb g. *lub-ö- swV. To¬
aus kirchen-1. litania 'Bittgebet, Flehen’, dieses ben’ in ahd. loben, lobön, mhd. loben, as. lobon,
aus gr. litaneia (dass.), zu gr. lissesthai 'bitten, afr. lovia, ae. lofian, anord. lofa. Das Ablei¬
tungsverhältnis zwischen den beiden ist nicht
flehen’.
sicher zu bestimmen. Vermutlich zu der Sippe
Liter n./m. Im 19. Jh. mit dem Hohlmaß
von Laub (s. d.), wobei an Zweige als Zeichen
entlehnt aus frz. litre m., das über ml. litra f.
des Lobes und der Ehrung zu denken ist. Außer¬
aus gr. litra f. 'Pfund’ stammt. Dieses ist aus
germanisch entspricht semantisch ursprünglich
der gleichen Sprache entlehnt, die auch 1. libra
am genauesten lit. liaupse f. 'Loblied’, lit. liäup-
f 'Waage, Pfund’ geliefert hat.
sinti 'lobpreisen’ (die Annahme, daß diese Wör¬
S. nivellieren ( + ). — L. Deroy ECl 43 (1975), 45 — 58
ter aus d. lobsingen entlehnt und gekürzt sind,
(Erklärung als etruskisch).
ist weniger wahrscheinlich).
Literatur /. 'Schrifttum’. Im 16. Jh. entlehnt
Nndl. lof, loven, nschw. lov, lova, nisl. lof, lofa. S.
aus 1. litterätüra 'Schrift, Buchstabenschrift, geloben, Laub ( + ), Lied, lobhudeln, verloben. - D.
Sprachkunst, Sprachwissenschaft, Sprachunter¬ Wierscinski ZDPh 84(1965), 76 — 100.
richt’, zu 1. littera (PI. litterae) 'Buchstabe,
Lobby /. 'Wandelhalle, Interessengruppe’.
Schriftzüge, Aufgezeichnetes’, zu 1. linere (li-
Entlehnt aus gleichbedeutend ne. lobby, das
tum) 'bestreichen’.
über mittellateinische Vermittlung zurückgeht
Morphologisch zugehörig: Litera, Literat; etymolo¬
auf afrk. *laubja 'Häuschen’ (s. Laube).
gisch verwandt: s. Letter. - W. Feldmann ZDW
Etymologisch verwandt: s. Loge.
8 (1906/07), 78.
Litfaßsäule /. Der Buchdrucker Emst Litfaß lobhudeln swV. 'übertrieben loben’, ugs. Im
stellte im Jahr 1855 die erste Plakatsäule auf. 18. Jh. im Westmitteldeutschen aufgekommen.
Loch 446 Loge

Am ehesten ausgegangen von Lobhudelei im lage ist möglich, wenn nominales *(e)leu-
Sinne von 'ein liederliches Lob’, oder zu hudeln 'Zweig, Sprößling’ zugrunde gelegt wird. Dies
'plagen’ als 'durch Lob plagen’ im Anschluß an wäre einerseits 'das Abgerupfte’, andererseits
Bildungen wie lobsingen. S. Hudel zur weiteren der Wiederausschlag an den Pflanzen, und
Etymologie und Lob. *(e)leu-dh- wäre 'Ausschlag hervorbringen,
F. Kluge ZDW 7 (1906), 40-43. ausschlagen’. Zu weiterem s. Leute.
Loch n. Mhd. loch, ahd. loh 'Loch, Öffnung, S. auch ausladend, Loden, lodern. — J. Trier in: FS
Arnold (1955), 260f.; Trier (1963), 179-183.
Höhle’ aus g. *luk-a- n. 'Schluß, Verschluß’,
auch in afr. lok 'Schloß’, ae. loc 'Verschluß’, Loden m. 'grober Wollstoff’. Mhd. lode, ahd.
anord. lok 'Ende, Schluß’, gt. uslük 'Eröffnung’. lodo, ludo, as. lotho aus g. *lupön m. 'Loden’,
Abstraktum zu g. *lük-a- stV. 'verschließen’ in auch in anord. loöi, ae. loöa, afr. lotha. Wohl
gt. -lükan, anord. l(j)üka, ae. lücan, afr. lüka. dasselbe wie Lode(n) m. 'Zotte, Flocke’, bai¬
Außergermanisch besteht keine brauchbare risch und ostmitteldeutsch auch 'Haare’ und
Vergleichsmöglichkeit. Loch ist also ursprüng¬ letztlich wohl von der gleichen Grundlage wie
lich ein verschließbares Loch, dann hat es seine Lode (vielleicht Bedeutungsübertragung).
Bedeutung stark verallgemeinert. S. Lode ( + ).
Ne. lock, nisl. lok. S. Luke, Lücke. lodern swV. Seit dem 15. und 16. Jh. bei
Locke /. Mhd. ahd. loc m., as. lok aus g. niederdeutschen und mitteldeutschen Schrift¬
*lukka- m. 'Locke’ älter 'Laubbüschel, Büschel¬ stellern bezeugt. Vergleichbar ist westfäl. lodern
chen u. ä.’, auch in anord. lokkr, ae. locc, afr. 'üppig wachsen’, das zu Lode (s. d.) gehört. Der
lokk. Das Femininum ist erst neuhochdeutsch Verbreitung dieser Bedeutungsübertragung war
aus dem Plural zurückgebildet. Auszugehen ist vermutlich die Lautähnlichkeit des Wortes Lohe
von der Bedeutung '(Laub)Büschel’, die sich günstig.
ihrerseits als 'das Abgerupfte’ oder 'das Abzu¬ Löffel1 m. (= Teil des Bestecks). Mhd. leffel,
rupfende’ erklärt, wie in gr. lygos ff(m.) ahd. leffü, lepßl, as. lepil aus vor-d. *lapila- m.
'Zweig, Rute’, ae. lücan 'jäten’, ahd. arliohhan 'Löffel’. Instrumentalbildung zu g. *lap- 'lek-
'ausreißen’, lit. läuzti 'brechen’, ai. rujäti ken, schlürfen’ in ahd. laffan stV, ae. lapian
'bricht’. Wohl wurzelverwandt mit den unter swV., nisl. lepia swV. Außergermanisch verglei¬
Laub (s. d.) behandelten Zusammenhängen. chen sich 1. lambere 'lecken’ und akslav. lobüzati
Nndl. lok, ne. lock, nschw. (kär)lock, nisl. lokkur. S. 'küssen’. Das nhd. ö beruht auf sekundärer
Lauch, locken. — Trier (1981), 168 — 170. Rundung.
locken swV. 'anreizen’. Mhd. locken, ahd. lo- Nndl. lepel. S. labbern, Laffe, läppern, löffeln, schlab¬
kön, auch mhd. lücken, lucken, ahd. lucchen aus bern. - Lühr (1988), 370.
g. *lukk-ö- swV. 'locken’, auch in anord. lokka, Löffel2 m. 'Ohr des Hasen’, fachsprachl.
ae. loccian. Zu Locke, älter lock 'Laubbüschel’, Mhd. leffel. Wohl keine Bedeutungsübertra¬
so daß sich für locken als Ableitung aus diesem gung von Löffel1, sondern eine eigene Bildung,
die Ausgangsbedeutung '(das Vieh) mit einem die zu laff 'schlaff’, mhd. erlaffen 'erschlaffen’
Laubbüschel locken’ ergibt. gehört. Vgl. auch mndd. örlepel 'Ohrläppchen’.
Nndl. lokken, nschw. locka, nisl. lokka. S. Locke ( +).
löffeln swV. 'poussieren’, reg. Im 16. Jh. gebil¬
- Trier (1963), 154-160; (1981), 168-170.
det zu heute nicht mehr gebräuchlichem Löffel
locken swV., s. lecken2. 'verliebter Narr’, das zu Laffe (s. d.) gehört.
locker Adj. Erst frühneuhochdeutsch als lok- Vgl. noch Rotzlöffel (s. d.).
ker, lucker, luck. Herkunft unklar. Vielleicht zu Log n. 'Gerät zur Bestimmung der Geschwin¬
Lücke. digkeit eines Schiffs’, fachsprachl. Bezeugt seit
Loddel m. 'Zuhälter’, ugs. Wohl Rückbildung dem 18. Jh. Entlehnt aus ne. log, das eigentlich
aus loddein, loddern 'müßig gehen, schwanken, 'Stamm, Klotz’ bedeutet. Das Gerät besteht aus
wackeln’. Zu einer schwer abgrenzbaren Sippe, einer mit einem Klotz beschwerten Knoten¬
die unter Lotter-, liederlich und (mit s mobile) schnur, die man von einer Handrolle ablaufen
schleudern2 (s. d.) besprochen wird. ließ. Daher auch 'das Schiff läuft so und so viel
Knoten’.
Lode /. 'Schößling’, reg. Niederdeutsche
Form zu obd. Lote, mhd. sumerlate und unter Logarithmus m., fachsprachl. Neubildung zu
Einfluß von Latte (s. d.) sumerlatte, as. sumar- gr. lögos 'Vernunft’ (s. analog) und gr. arithmös
loda. Zu g. *leud-a- stV. 'wachsen’ in gt. liudan, 'Zahl’ (s. Arithmetik).
anord. PPrät. loöenn, ae. leodan, as. liodan, Loge/, 'kleiner abgeteilter Raum’. Im 17. Jh.
ahd. liotan; außergermanisch vergleicht sich vor entlehnt aus gleichbedeutend frz. löge (auch:
allem ai. rbdhati 'wächst’. Ein Zusammenhang 'Häuschen’), dieses aus afrz. löge (dass.), aus
mit der unter Laub (s. d.) behandelten Grund¬ afrk. *laubja 'Häuschen’. Die Bedeutung 'ge-
-löge 447 Lolch

heime Vereinigung’ nach e. lodge desselben Ur¬ laükas m. 'freies Feld’, 1. lücus m. 'Hain’. Wei¬
sprungs; so bezeichnet als 'Gruppe von Men¬ tere Herkunft unklar.
schen, die sich an einem geheimen Versamm¬ Trier (1952), 114-125.
lungsort treffen’. Schon im 13. Jh. als lotsche
Lohe1 /. 'Flamme’, arch. Mhd. lohe in.; häufi¬
in der Bedeutung 'Zelt, Heerlager, Tribüne’ ent¬
ger ist die Form mit grammatischem Wechsel
lehnt.
mhd. louc, ahd. loug, louc, laug, as. lögna, afr.
Morphologisch zugehörig: Loggia, logieren, Logis; ety¬ loga, ae. lig, leg, anord. leygr. Zu der unter licht
mologisch verwandt: Laube, Lobby. — W. Feldmann
(s. d.) entwickelten Wurzel *leuk- 'leuchten’.
ZDW 8 (1906/07), 78; Ganz (1957), 132f.; Brunt
S. licht ( + ), lichterloh, Waberlohe.
(1983), 335.
Lohe2 /. 'Gerbemitter, fachsprachl. Mhd. lö
-löge Suffix. Dient der Bildung von desub-
(-wes) n., ahd. lö n., mndd. lo(we), mndl. lo(o)
stantivischen Personenbezeichnungen ('Wissen¬
n. Ursprünglich 'abgelöste Baumrinde’ zu dem
schaftler, Kundiger’) (z. B. Ethnologe, Grapho¬
unter Laub (s. d.) behandelten Wort für 'abrei¬
loge). Es wurde vorwiegend in neologischen Bil¬
ßen, abschälen’. Eine Erweiterung hierzu ist
dungen, parallel zu den Wissenschaftsbezeich¬
Lauge (s. d.), bei dem sich allerdings eine Berüh¬
nungen auf -logie (s. d.), verwendet; sein Ur¬
rung mit der ursprungsverschiedenen Wurzel
sprung ist gr. -lögos, 1. -logus in Zusammenset¬ loua- 'waschen, baden’ zeigt.
zungen mit gr. lögos 'Vernunft, Rede, Wort’.
Trier (1952), 131-136.
Etymologisch verwandt: s. analog.
lohen swV, s. LoheL
Loggia /. 'offener, überdachter Raum’, s.
Lohn m., älter n. Mhd. ahd. as. lön aus g.
Loge.
*Iauna- n. 'Lohn’, auch in gt. laun, anord. laun
-logie Suffix. Dient der Bildung von desub- f./n., ae. lean, afr. län. Von einer entsprechenden
stantivischen Substantiven mit der Bedeutung Grundlage auch 1. lucrum n. 'Gewinn’, gr.
'Wissenschaft von, Lehre von’ (z. B. Biologie, (poet.) leis 'Jagd’, akslav. lovü 'Jagd’, air. log
Graphologie). Es wurde vorwiegend in neologi¬ 'Lohn, Preis’. Eine verbale Grundlage in gr.
schen Bildungen verwendet; sein Ursprung sind apolayein 'genießen’.
griechische Komposita auf gr. -logia. Diese sind Nndl. loon, nschw. lön, nisl. laun.
Zugehörigkeitsbildungen auf gr. -ia zu Täterbe¬ Loipe /. 'gespurte Bahn für Skilanglauf’,
zeichnungen auf gr. -logos (zu gr. legö 'ich sage, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
meine, berichte’), die lediglich komponiert auf- deutend nnorw. (nynorsk) loipe, das verwandt
treten (entlehnt als Biologe, Theologe usw.), ist mit laufen (s. d.).
z. B. gr. theolögos, ursprünglich 'der Mythen
lokal Adj. 'örtlich’. Im 18. Jh. entlehnt aus
(von den Göttern) berichtet’ (zu gr. theös
gleichbedeutend frz. local, dieses aus spl. localis
'Gott’), dann 'Philosoph, Theologe’. Bereits (dass.), zu 1. locus 'Ort, Platz, Stelle’.
griechische Bildungen sind (mit teilweise stark
Morphologisch zugehörig: Lokal, Lokalisation, Lokali¬
abweichender Bedeutung) Biologe, Archäologe tät, Lokation, Lokativ, Lokator, Lokus; etymologisch
(-ie), Theologe. Anders gebildet ist Philologe, verwandt: Couch, [Kollokation], kusch (usw.), ku¬
Philologie (s. d.). scheln, Leutnant, Lokomotive, Milieu.
Etymologisch verwandt: s. analog. Lokomotive /. 'selbstbewegendes Schienen¬
Logik /. 'Lehre vom formal gültigen Schlie¬ fahrzeug’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
ßen’. Im Mittelhochdeutschen (mhd. löicä, löic, tend ne. locomotive (engine), einer Neubildung
löike) entlehnt aus gleichbedeutend 1. logica, zu 1. locus m. 'Ort, Platz, Stelle’ und 1. movere
dieses aus gr. logike (techne) Dialektik’, einer (mötum) 'bewegen’.
flektierten Form von gr. logikös 'die Vernunft Etymologisch verwandt: s. lokal und mobil.

betreffend’, zu gr. lögos m. 'Vernunft, Wort, Lokus m. 'Ort, Abort’, s. lokal.


Reden (usw.)’, zu gr. legein 'sagen’. Lokution /. 'Äußerungsakt’, fachsprachl.
Morphologisch zugehörig: Logizismus, Logizistik, Lo- Neubildung zu 1. locütio (-önis) 'Sprache, Re¬
gizität, logo; etymologisch verwandt: s. analog. den, Rede’, zu 1. loqui 'sprechen’. Dazu die
Logis n. 'Unterkunft’, s. Loge. weiteren Neubildungen lllokution (s. auch in-)
Loh m./n. 'Hain’, arch., reg. und in Ortsna¬ und Perlokution (s. auch per-) für 'Gehalt des
men. Mhd. lö(ch), ahd. löh m., mndd. Io m. Sprechakts’ bzw. 'Wirkung eines Sprechakts’.
Morphologisch zugehörig: lokutiv; etymologisch ver¬
aus g. *lauha- m. Hain, Lichtung’, auch in
wandt: s. eloquent.
anord. lö f. 'Ebene’ (Oslo 'Asenhain’), ae. leah
m. 'Wald, Wiese’. Dieselbe Bedeutungsverschie¬ Lolch m. 'Schwindelhafer\ fachsprachl. Mhd.
denheit zeigt sich in dem vorausliegenden ig. lul(li)ch, lulche, ahd. lolli (mhd. ch ist aus j
*louko- m.: ai. lokä- m. 'freier Raum, Platz’, lit. entwickelt). Entlehnt aus 1. lolium n.
Lomber 448 Löß

Lomber n. (= ein Kartenspiel), fachsprachl. ist ein a-Stamm und teilweise Neutrum; das
Gebräuchlich seit dem 17. Jh. Die Bezeichnung Neutrum hat sich im Deutschen dann durchge¬
kommt aus dem Französischen ins Deutsche setzt. Los ist eine Ableitung von g. *hleut-a-
(l’ombre), stammt aber aus dem Spanischen stV. 'losen’ in anord. hljöta 'erlangen, zuteil
(,hombre m. 'Mensch’ — gemeint ist der Haupt¬ werden, erhalten’, ae. hleotan, as. hliotan 'erlö¬
spieler, der gegen die anderen spielt — aus 1. sen, erlangen’, ahd. liozan. Das Wort hat keine
homo m. 'Mensch’). klaren außergermanischen Entsprechungen.
Etymologisch verwandt: s. Humus. Vielleicht gehört es zu lit. kliudyti 'anstoßen,
Look m. 'Aussehen, Modeerscheinung’, son- treffen, hindern’, das ein Intensivum zu lit.
dersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ kliuti 'hängenbleiben, anstoßen, hindern’ ist
tend ne. look, zu e. look 'schauen, aussehen’. und akslav. kljuciti sg 'passen, zutreffen’, aber
Zum Etymon s. lugen.
die Bedeutungsverhältnisse sind nicht ausrei¬
chend klar.
Looping n. 'das vertikale Kreisen eines Flug¬
S. Lotterie.
körpers’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
gleichbedeutend ne. looping, zu e. loop 'kreisen’, los Adj. Mhd. ahd. as. lös aus g. *lausa- Adj.
zu e. loop 'Reifen, Ring’. 'los, frei’, auch in gt. laus, anord. lauss, ae.
leas. Im Deutschen und Englischen daneben die
Lorbaß m. 'Taugenichts’, arch., nordod. Ent¬
Bedeutung 'falsch, verworfen’. Es handelt sich
lehnt aus lit. liürba, liürbis, lett. Jurba, Jurbis
um eine Ableitung aus einem Verbum, das 'lö¬
'Tolpatsch’, dessen Herkunft umstritten ist.
sen’ bedeutet haben muß, das aber nur noch
Lorbeer m. Mhd. lörber n.lf., ahd. lörber(i) präfigiert als verlieren (s. d.) im Germanischen
n. Zusammengesetzt mit dem Wort Beere (s. d.) erhalten ist. Eine schon alte Ableitung ist lösen,
und ahd. lör wie in mhd. lörboum. Das Vorder¬ gt. lausjan, anord. leysa, ae. llsan, lysan, afr.
glied ist entlehnt aus 1. laurus/., das seinerseits lesa, as. lösian, ahd. lösen. Als zweiter Bestand¬
aus einer unbekannten Sprache entlehnt ist. teil von Kompositionen ist -los in der Gegen¬
Das neuhochdeutsche Genus aus mhd. lörboum, wartssprache zu einem Suffixoid (mit nahelie¬
lorberboum, danach Verdunkelung des Zusam¬ gender Funktion) geworden.
menhangs mit Beere.
Nndl. loos, ne. -less, nschw. lös, nisl. laus. S. löschen2,
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 193. Losung1/2, verlieren ( + ).
Lorch m., s. Lurch. löschen1 stV./swV. 1) stV. erlöschen. Mhd.
Lorchel /. 'schwarzer Pilz’, fachsprachl. Be¬ (er)leschen, ahd. (ir)lescan, (ir)lescan, as. le-
zeugt seit dem 18. Jh., zunächst als Lork. Dies skan, afr. bileska. Herkunft unklar. Vielleicht
ist eine Übertragung aus einem regionalen (ost- Weiterbildung zu liegen als 'sich legen’. 2) Kau-
fälischen) Wort für 'Kröte’ (wegen des Ausse¬ sativum zu diesem: löschen, mhd. leschen, ahd.
hens). Die Endung durch sekundäre Anglei¬ lesken, as. aleskian. Zusammenfall im Präsens
chung an Morchel. und unregelmäßige Rundung.
Lore/, 'offener Eisenbahngüterwagen’, fach¬ Nndl. lessen. S. gegebenenfalls liegen.
sprachl. Bezeugt seit 1900. Entlehnt aus ne. löschen2 swV. 'Frachtgüter ausladen’, fach¬
lorry, dessen Herkunft unklar ist. sprachl. Im 18. Jh. übernommen aus ndd./nndl.
Lorgnette /. 'mit Stiel versehene Brille’, fach¬ lossen 'lösen’ in einer regionalen Variante lessen,
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend deshalb Umsetzung gemäß dem gleichlautenden
frz. lorgnette (wörtlich: 'Augenglas zum Sehen löschen.
seitlich befindlicher Gegenstände’), zu frz. lor- S. los( + ). — Kluge (1911), 548f.
gner 'anschielen’, zu afrz. lorgne 'schielend’, zu losen swV. 'hören’, südd. Mhd. losen, ahd.
afrk. *lörni 'finster blickend, niedergeschlagen’. (h)losen. Hierzu g. *hlus-ti- f 'Gehör’ in anord.
Der Bedeutungswandel im Altfranzösischen hlust 'Ohr’, ae. hlyst, as. hlust. Außergermanisch
wohl durch volksetymologische Anlehnung an vergleichen sich akslav. slysati, toch. A. klyos-,
afrz. borgne 'schielend, blind’. toch. B. klyaus- und mit abweichendem Anlaut
Morphologisch zugehörig: Lorgnon. — W. Feldmann lit. klausyti, alle 'hören’, air. clüas, kymr. düst
ZDW 8 (1906/07), 78. 'Ohr’. Zu der unter Leumund (s. d.) dargestell¬
Los n. Mhd. löz n./(m.), ahd. (h)löz m./n., ten Wurzel ig. *kleu- 'hören’. Nach A. Bammes-
as. hlöt aus g. *hlauti- m. 'Losung, Los’, auch berger (s. u.) ist losen von ahd. hlos abgeleitet,
in gt. hlauts 'Los, Anteil, Erbschaft’, ae. hlyt das seinerseits aus g. *hlusti- abstrahiert wäre.
'Los, Schicksal’. Die anord. Entsprechung hlaut S. tauschen, laut ( + ). — A. Bammesberger ZVS
ist nur relikthaft belegt und offenbar mit einem 82(1968), 298-303.

anderen Wort, das '(Opfer)Blut’ bedeutet, zu¬ lösen swV, s. los.


sammengefallen. Es scheint ein Femininum zu Löß m. 'besondere, fruchtbare Erde’, fach¬
sein. Das althochdeutsche/altsächsische Wort sprachl. Die Bezeichnung wurde 1823 von dem
Losung 449 Lückenbüßer

Geologen K. C. v. Leonhard eingeführt. Er Lotterie /. 'Glücksspiel, Verlosung’. Im 16.


nennt als gleichbedeutend Lösch, das einem Jh. entlehnt aus gleichbedeutend nndl. loterij,
schweizerischen Mundartwort für 'locker (vom zu ndl. lot 'Los’.
Boden)’ entspricht. Der Grund für die Umfor¬ Etymologisch verwandt: Lotto-, zum Etymon s. Los.
mung zu Löß ist nicht klar.
Lotto n. (= ein Glücksspiel). Im 18. Jh. ent¬
H. Quiring ZDG 88 (1936), 250f.
lehnt aus it. lotto m. 'Glücksspiel’, zu frz. lot m.
Losung1 /. 'Erkennungswort’. Mhd. lozunge, 'Los’, das aus der altfränkischen Entsprechung
losunge (15. Jh.). Entsprechend mndd. lose, von ndl. lot stammt.
mndl. lose, loeze u. ä. Herkunft nicht ausrei¬ Etymologisch verwandt: s. Lotterie.
chend klar. Am ehesten zu lösen (s. los), etwa
Löwe m. Mhd. leu, lewe, louwe, ahd. lewo,
als 'Mittel, eine Sperre o. ä. zu lösen’.
louwo, leo u. ä., rnndl. leeuwe, lewe, le(e)u u. ä.
Losung2 /. 'Kot des Wildes’, fachsprachl. Zu Entlehnt aus 1. leo, (-eönis), das seinerseits aus
lösen im Sinn von '(den Kot) loslassen’. Die gr. leön entlehnt ist. Dieses könnte aus den
umlautlose mitteldeutsche Form hat sich gegen¬ semitischen Sprachen übernommen sein (vgl.
über dem ebenfalls bezeugten Lösung durchge¬ assyr. labbu, hebr. Lba im PL). Die heutige
setzt. Form scheint norddeutschen Ursprungs zu sein;
S. los ( + ). mhd. leu ist noch als dichterische Form be¬
Lot n. 'Lötmetall, Meßblei’, fachsprachl. wahrt.
Mhd. löt, mndd. löt, lode, mndl. loot aus wg. Nndl. leeuw. S. auch Chamäleon, Leopard. — Ganz
(1957), 133f.
*lauda- n. 'Blei’, auch in ae. lead, afr. läd. Die
Bedeutungsspezialisierung im Deutschen erst Löwenanteil m. 'der ungerechtfertigt große
mit der Verdrängung des Wortes durch Blei1 Anteil, den der Stärkere für sich beansprucht’.
(s. d.). Außergermanisch vergleicht sich mir. Nach der Äsop-Fabel vom Löwen, Esel und
lüaide m., das wohl auf *ploudjä 'fließendes Fuchs. Heute allgemein für den größten Anteil.
(Metall)’ zurückzuführen ist. Falls diese An¬ Löwenmaul n. 'Name einer Blume’, fach¬
nahme zutrifft, muß das germanische Wort aus sprachl. Bezeugt seit dem 16. Jh. Wenn auf die
dem Keltischen entlehnt sein. Seiten der Blüten gedrückt wird, öffnet sich die
Nndl. lood, ne. lead. S. auch löten. — Schirmer (1912), Blüte „wie ein Löwenmaul“.
45.
Löwenzahn m. (= Name einer Pflanze). Be¬
Lote /., s. Lode. zeugt seit dem 16. Jh. Benannt nach der starken
löten swV. Mhd. läten. Abgeleitet von Lot Zähnung der Blätter nach dem Vorbild von ml.
'Blei’ (s. d.), weil zunächst mit diesem Metall dens leonis.
gelötet wurde. loyal Adj. 'treu, redlich’. Französische Form
Lotion /. 'Reinigungs- und Pflegeflüssigkeit von legal (s. d.).
für die Haut’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt Luchs m. Mhd. ahd. luhs, as. lohs aus wg.
aus gleichbedeutend ne. lotion, dieses aus frz. *luhsu- m. 'Luchs’, auch in ae. lox. Wie bei
lotion (dass.), aus 1. lötio (-önis) 'Waschen, Ba¬ Fuchs eine .^-Bildung zur Bezeichnung des
den’, zu 1. laväre (lötus) 'waschen, baden’. männlichen Tiers; die unerweiterte Grundform
Etymologisch verwandt: laben, Latrine, Lauer, Lauge, *Iuha- ist bewahrt in aschw. nschw. Io. Außer¬
Lavabo, Lavendel, Lavo(i)r. germanisch vergleicht sich lit. lüsis m./f, serb.-
Lotos m. (= eine Seerosenpflanze), fach¬ kslav. (mit Anlautvariation) rysif, arm. lowsa-
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. lötos, nown, gr. (mit Nasalierung) lynx m.jf Der
lötus /., dieses aus gr. lötos (dass.). Luchs ist vermutlich nach seinen leuchtenden
Augen benannt, die bei diesem Nachttier auffäl¬
Lotse m. Im 17. Jh. gekürzt aus etwas älterem
lig sind. Deshalb zu *leuk- 'leuchten’, das unter
Lootsmann, das aus ne. loadsman entlehnt ist
licht (s. d.) dargestellt ist.
(parallel dazu ndd. nndl. loods). Ne. loadsman
Nndl. los. S. licht ( + ).
ist 'Steuermann’ (aus ae. läd 'Weg, Reise’ unter
Einwirkung von ae. lädan 'leiten’). Lucht /. 'Dachboden’, nordd. Entsprechung
zu Luft (s. d.).
S. leiten (+).
Lücke /. Mhd. lücke, lucke, obd. lucke, ahd.
Lotter- in Zusammensetzungen wie Lotter¬
lucka, luc(c)ha aus vor-d. *lukkjö(n). Gehört
bett n., Lotterbube m. Zu mhd. lot(t)er 'locker,
zu Loch (s. d. und s. Luke).
leichtsinnig’, ahd. lotar 'leer, eitel’, mndd.
S. auch locker.
lod(d)er, loderer 'Taugenichts, Gaukler’, vgl.
ae. loddere 'Bettler’. Gehört zu liederlich (s. d.), Lückenbüßer m. Nomen agentis zu dem Aus¬
sonst unklar. druck eine Lücke büßen, d. h. 'ausbessem’ (zu
S. Loddel, schleudern2. der alten Bedeutung von büßen, s. d.), ursprüng-
Lude 450 Lunge

lieh konkret, etwa von Mauern; heule meist Luke /. 'Öffnung im Schiffsdeck’. Ursprüng¬
übertragen, etwa in der Zeitungssprache. lich niederdeutsches Seemannswort, mndd.
luke. Gleicher Herkunft wie Loch (s. d.) und
Lude m. 'Zuhälter', ugs., sondersprachl. Kurz¬
Lücke.
form des Namens Ludwig, vgl. Louis in der
Kluge (1911), 556f.
selben Bedeutung.
lukrativ Adj. 'einträglich’, sondersprachl. Im
Luder n., ugs. Mhd. luoder, mndd. loder
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Iucratif
'Lockspeise’. Herkunft unklar. Vielleicht zu *lä-
und 1. lucrätlvus, zu 1. lucräri 'gewinnen, profi¬
'verborgen sein’, das etwa in 1. latere 'verborgen
tieren’, zu 1. lucrum 'Gewinn, Vorteil’.
sein, versteckt sein’ vorliegt. Der Übergang zum
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 78.
Schimpfwort wie bei Aas, Keib u. ä.
S. latent ( + ). lukullisch Adj. 'reichlich und wohlschmek-
kend’, sondersprachl. Seit dem 18. Jh. Adjektiv
lüderlich Adj., s. liederlich.
zum Namen des römischen Feldherm Lukullus,
Luft /. Mhd. ahd. as. luft m./f. aus g. *luftu¬ wörtlich also 'nach der Art des Lukullus', einem
rn. 'Luft’, auch in gt. luftus, ae. lyft m./f.In. der reichsten Römer seiner Zeit.
Herkunft unklar, aber wohl zusammenhängend
Morphologisch zugehörig: Lukullus.
mit Wörtern, die 'Oberstock u. ä.’ bedeuten,
vgl. anord. lopt, loft n. 'Luft, Obergeschoß’, Lulatsch m., s. latsch.
anord. ä lopti 'hoch, oben’ und anord. lypta, lullen swV. Erst neuhochdeutsch bezeugtes
mndd. luchten, lichten, mhd. lüften 'heben’ (vgl. Lallwort. Vgl. ne. lullaby 'Wiegenlied’.
noch Lucht, s. d.). Nach Sommer (s. u.) letztheh Lümmel m. 'Lendenstück’, südd. Mhd. lumb,
zu einer Lautgebärde *lup- für eine schnelle lumbel(e), ahd. iumbal. Entlehnt aus gleichbe¬
Bewegung von unten nach oben. deutend 1. lumbulus, Diminutiv zu 1. lumbus
Nndl. lucht. S. Lift, Luftikus, Lüftlmalerei, Luftschloß, 'Lende’.
lüpfen. — Sommer (1977), lOf.
Kretschmer (1969), 197f.
Luftikus m., ugs. Im 19. Jh. als scherzhaft
Lümmel m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Zu mhd.
latinisierende Bildung von luftig abgeleitet (Vor¬
lüemen 'erschlaffen’, das zu mhd. lüeme 'schlaff,
bild ist etwa Praktikus zu praktisch). Zu der
matt’ gehört. Weiteres s. unter lahm, zu dem
Bedeutungsvariante 'leichtsinnig’, die bei Luft
diese Wörter im Ablaut stehen. Die Verkürzung
(s. d.) und seinen Ableitungen mehrfach auf-
des Vokals im Neuhochdeutschen ist wohl em¬
tritt.
phatisch.
Lüftlmalerei/. 'Malerei an den Fassaden bay¬ Anders: A. Fröhlich MS (1958), 384; S. A. Wolf MS
rischer Häuser und Kirchen’, fachsprachl. Am (1958), 89f.
ehesten zu der Bedeutung 'Oberstock’ von Luft Lump m. (= ein Schimpfwort). Das Wort
(s. d.), wohl nicht, weil die Malerei im Freien hat sich von dem ursprungsgleichen Lumpen
ist. (s. d.) sekundär differenziert. Bedeutungsüber¬
Luftschloß n. Zu den Wendungen Schlösser tragung (wie etwa auch bei Waschlappen) im
in die Luft bauen (seit dem 16. Jh.), älter mhd. Sinn von 'zerlumpter Mensch’, aber auch
üf den regenbogen büwen. Wohl in Variation zu 'schlaffer Mensch, Weichling’. Sich nicht lumpen
auf Sand bauen, das auf dem biblischen Gleich¬ lassen gehört zu lumpen swV. 'jmd. einen Lump
nis beruht. schelten’.
lugen swV. 'schauen’, reg. Mhd. luogen, ahd. Vgl. auch Bazi.

luogen und mit Verschärfung oder Variation des Lumpen m. Fnhd. lumpe. Mit Vokalvariation
Auslauts as. lökon, ae. löcian. Hierzu vielleicht zu mhd. lampen 'schlaff herunterhängen’. Wei¬
kymr. llygad’Auge’; sonst keine Vergleichsmög- tere Herkunft unklar.
lichkeit. S. auch Lump, Lunte.
S. Look. Lunch m. 'kleineres Mittagessen’, sonder¬
lügen stV. Mhd. liegen, ahd. as. liogan aus g. sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
*leug-a- stV. 'lügen’, auch in gt. liugan, anord. ne. lunch, dessen Herkunft nicht mit Sicherheit
Ijüga, ae. leogan, afr. liäga. Die unregelmäßige geklärt ist.
Rundung der neuhochdeutschen Form beruht Lunge/. Mhd. lunge, ahd. lunga, lungin(n)a,
auf dem Einfluß der Ableitung Lüge und setzte lungun, PI. lungunne, as. lunga, lungannia, aus
sich wohl durch, um die Homonymie mit g. *lungumnijö f. 'Lunge’ (meist im Plural ge¬
liegen zu beseitigen. Außergermanisch ent¬ braucht und der Form nach wohl ein alter
spricht akslav. lügati 'lügen’, anderes ist unsi¬ Dual), auch in anord. lunga n. (im Plural ge¬
cher. braucht, später auch ein neutraler Singular), ae.
Nndl. liegen, ne. lie, nschw. ljuga, nisl. Ijüga. S. leugnen. lungen, lunnen. Abstraktbildung zu dem Adjek-
Lungenkraut 451 lütt

tiv leicht mit Unterdrückung von dessen Bil¬ sprünglich als Wölfin’ bezeichnet worden zu
dungssuffix. Die Lungen werden als 'die Leich¬ sein (zu 1. lupa 'Wölfin’). Im einzelnen unsicher.
ten’ bezeichnet, weil Lungen von Schlachttieren S. auch Luppe.
als einzige Innereien auf dem Wasser schwim¬
lüpfen swV., auch lupfen swV., obd. Mhd. lu¬
men. Lungen- als erstes Element von Pflanzen¬
pfen. Herkunft unklar. Wohl zusammenhän¬
namen bezieht sich normalerweise auf die Form
gend mit Luft (s. d.). Nach Sommer (s. u.) zu
der Blätter. Nach dem Grundsatz des Heilens
einer Lautgebärde *lup- für schnelle Bewegung
durch Ähnliches werden solche Pflanzen dann
von unten nach oben.
auch als Heilmittel gegen Lungenkrankheiten
Sommer (1977), lOf.
verwendet.
Nndl. long, ne. lung, nschw. nisl. lunga. S. leicht ( + ).
Luppe /. 'rohes, von Schlacken durchzogenes
- Seebold (1981), 293-296. Eisen\ fachsprachl. Entlehnt aus frz. loupe glei¬
cher Bedeutung, das mit dem unter Lupe (s. d.)
Lungenkraut n., s. Lunge.
besprochenen Wort identisch ist.
lungern swV Hochddeutsch erst im 18. Jh.,
Lurch m. Bezeugt seit dem 17. Jh. als Lorch.
zuerst mndd. lungerte 'müßiges Herumtreiben,
Ursprünglich niederdeutsches Wort (ndd. lork
Bettelei’. Herkunft unklar. Am ehesten zu der
'Kröte’), in der Wissenschaftssprache von Kröte
Sippe von gelingen (s. d.) — der Anschluß an
differenziert. Herkunft dunkel.
mhd. lunger, ahd. as. lungar, ae. lungre 'schnell’
läßt sich semantisch nicht ausreichend be¬ Lusche /. 'Niete, schlechte Karte, Schlampe’,
gründen. ugs., omd. Zuerst bezeugt in der Bedeutung
'Hündin’, woraus einerseits 'schlechte Karte’,
Lüning m. 'Sperling’, nordwd. As. hliuning.
andererseits 'Schlampe’ übertragen ist. ('Hund’
Herkunft unklar. Vielleicht zu anord. hljömr
als schlechter Wurf oder schlechte Karte ist eine
'starker Laut, Lärm’ als 'Lärmer’.
verbreitete Metapher, vgl. 1. canis m.). Weitere
Lunker m. 'Hohlraum in Gußteilen’, fach- Herkunft unklar.
sprachl. Zu regionalem lunken 'hohl werden’.
Lust f./m. (obd.). Mhd. ahd. tust mjf., as.
Lünse /. 'Achsnagef, fachsprachl. Spmhd. lust aus g. *lustu- m. (vielleicht daneben auch
luns(e), as. lunis m.\ das neuhochdeutsche Wort *lusti- f.), auch in gt. lustus m., anord. losti m.,
hat sich also vom Niederdeutschen aus verbrei¬ ly st /., ae. lust m., afr. lust f. Das Wort wird von
tet, das echt hochdeutsche Wort liegt vor in J. Trier (s. u.) zu *leus-a- (s. verlieren) gestellt
mhd. lun(e), lan, lüner, ahd. lun(a), luning. in der Annahme, daß mit ihm ursprünglich
Entsprechend ae. lynies m. und ae. lyni-bor. Das abgeschlagene Laubbüschel bezeichnet wurden.
Wort scheint eine Entsprechung in ai. äni- m. Die von Trier vorgebrachten Argumente sind
'Lünse, der unmittelbar über dem Knie liegende beachtlich, doch ist die Gedankenführung nicht
Teil des Beins’ zu haben: Dieses kann auf *elni- in allen Punkten ausreichend zu stützen. Vor¬
zurückgehen, das germanische Wort auf *lni-. läufig noch zu unsicher.
Weitere Zugehörigkeit zu der Sippe von Elle Nndl. ne. nschw. lust. S. lüstern, Wollust. — J. Trier
(s. d.) ist denkbar. Falls diese von 'biegen, (1963), 160-175.
krümmen’ ausgehen, könnte der Achsnagel als Lüster m. 'Kronleuchter’, arch. Im 18. Jh.
'der Krumme’ benannt sein (der Achsnagel wird entlehnt aus frz. lustre gleicher Bedeutung, das
umgebogen, damit er nicht herausfallt). aus it. lustro kommt und ursprünglich 'Glanz’
Lunte/. Bezeugt seit dem 16. Jh. als 'Lampen¬ bedeutet (zu 1. lüsträre 'erleuchten’).
docht, Zündschnur, Lumpen’. Die heutige Wen¬ S. illustrieren ( + ).
dung die Lunte riechen stammt von den stark lüstern Adj. Vereinfacht aus lüsternd zu dem
riechenden Zündschnüren, die damit schon vor heute nicht mehr gebräuchlichen schwachen
der Zündung wahrgenommen werden konnten. Verb lüstern 'Lust haben’.
Der waidmännische Gebrauch des Wortes für S. Lust ( + ).
den Schwanz des Fuchses bezieht sich wohl
Lustspiel 77., s. Komödie.
wegen der roten Farbe auf die brennende Lunte.
Herkunft unklar. Vielleicht weist die frühe lustwandeln swV. Von Zesen im 17. Jh. für
Nebenform lombte auf einen Zusammenhang Spazierengehen eingeführt. Formal müßte es
sich um eine Ableitung zu dem ebenfalls von
mit Lumpen (s. d.).
Zesen gebrauchten Lustwandel 'Spaziergang’
Lupe /. 'Vergrößerungsglas’. Im 19. Jh. ent¬
handeln.
lehnt aus frz. loupe und zunächst wie dieses
lutschen swV. Seit dem 18. Jh. bezeugt, älter
geschrieben. Die Bedeutung des französischen
nutschen. Beides wohl lautmalende Bildungen.
Wortes beruht wohl auf einer Übertragung, da
frz. loupe auch eine kreisförmige Geschwulst lütt Adj. 'klein’, nordd. Niederdeutsche Ent¬
unter der Haut bezeichnet. Diese scheint ur¬ sprechung zu mhd. lützel (s. d.), lütz.
lützel 452 Lyzeum

lützel Adj. 'klein’, arch., reg. und in Namen. kirchen-1. Lucifer, einer Substantivierung von 1.
Mhd. lützel, ahd. luz(z)il, as. luttil aus wg. lücifer 'Licht bringend’, zu 1. lüx (-ücis) f.
*l(e)utila- Adj. 'klein, gering’. Daneben eine 'Licht’ und 1. ferre 'tragen, bringen’.
Variante mit i, besonders in gt. leitils, anord. Etymologisch verwandt: s. licht und Differenz.
Hüll, afr. link, littik, mndl. luttel, li(t)el u. ä.
lynchen swV. 'jmd. töten, mißhandeln’. Im
Etymologisierungsversuche sind verfehlt, so
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. lynch,
lange nicht die Verschiedenheit des Vokalismus
dieser Varianten erklärt werden kann. das auf den Eigennamen Lynch zurückgeht,
S. lütt. - K. Matzel ZDW 19 (1963), 153-158. über dessen Träger die Meinungen allerdings
Luyf./n. 'die dem Wind zugewandte Seite des auseinandergehen.
Schiffs’, fachsprachl., ndd. Mndd. lof m. Die Lyrik/. ( = eine literarische Gattung). Im 19.
Luvseite heißt nach einem gegen den Wind aus¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. (poesie)
gesetzten flachen Hilfsruder, das als 'Ruder¬ lyrique, aus 1. lyricus (dass., wörtlich: 'zum Spiel
blatt’ benannt ist mit einem Wort, das sonst
der Lyra gehörig’), aus gr. lyrikös (dass.), zu gr.
'Handfläche’ bedeutet. Vgl. gt. lofa m., anord.
lyra 'Leier’.
löfi m. Vgl. außergermanisch lit. löpa f. 'Klaue’,
Etymologisch verwandt: Leier.
lit. lopetäf. 'Schaufel’, russ. lopäta f. 'Schaufel,
Schulterblatt’. Lyzeum n. 'höhere Lehranstalt für Mädchen’,
S. lavieren und das das Gegenteil bezeichnende See¬ arch. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. Lyceum, LycTum
mannswort Lee. — Kluge (1911), 558 — 560.
'Gymnasium, Lyzeum’, aus gr. Lykeion (= das
Luxus m. 'Pracht, Fülle’. Im 16. Jh. entlehnt Gymnasium bei einem dem Apöllön Lykeios
aus gleichbedeutend 1. lüxus (wörtlich: 'üppige geweihten Tempel, die Lehrstätte des Aristote¬
Fruchtbarkeit’).
les). Zunächst entlehnt als Ehrenname für Uni¬
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 78; K.-H. Weinmann
DWEB 2 (1963), 397; H. Mühlmann: Luxus und Kom¬
versitäten, dann allgemeine Bezeichnung für
fort (Bonn 1975). höhere Schulen, schließlich 'Mädchengymna¬
Luzifer m. 'abgefallener Engel’. Im Frühneu¬ sium’.
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend Nyström (1915), 26 — 28.
M
Maar n. 'Kratersee’, fachsprachl. Entlehnt machulle Adj. (nur in machulle sein 'er¬
aus spl. mara 'See’, das auf 1. mare 'Meer’ (s. schöpft/pleite/ verrückt sein’), ugs. Entlehnt aus
unter Meer) zurückgeht. dem Rotwelschen, wo die Bedeutung 'erschöpft’
Maat m. 'Marine-Unteroffizier’,/ac/rs/n-acTi/., seit 1812, 'bankrott’ seit 1840 (literarisch bereits
ndd. Aus ndd. mät 'Kamerad’, in hochdeutschen seit 1835) bezeugt ist. Wjidd. mechulle 'Bank¬
Texten seit dem 18. Jh. Mndd. mate hat das rott’ wird auf hebr. meküllä(h) 'zu Ende gegan¬
unbetonte Präfix verloren, es entspricht ahd. gen, erledigt’ zurückgeführt. Für die anderen
gimazzo 'Tischgenosse’, d. h. 'derjenige, der die Bedeutungen ist die Einmischung anderer Wör¬
Speise (g. *mati-, s. unter Messer) teilt’. ter (hebr. mahalä(h) 'Krankheit’ nicht ausge¬
schlossen.
Machandel m. 'Wacholder’, ndd. Aus der Vor¬
form von Wacholder (s. d.) durch Lautersatz an Macke f. 'Fehler, Tick’, ugs. Aus wjidd.
drei Stellen entstanden. macke 'Schlag, Fehler’, das auf hebr. makkä(h)
'Schlag, Plage’ zurückgeht.
machen swV. Mhd. machen, ahd. mahhön, as.
Macker m. 'Mitarbeiter’, nordd.', 'Freund,
makon aus wg. *mak-ö- swV. 'machen’, auch in
Kerl, Anführer’, sondersprachl. Zugrunde liegt
ae. macian, afr. makia. Aus voreinzelsprachl.
ndd. macker 'Mitarbeiter’, eigentlich 'Macher’
*mag- 'kneten’, das einzelsprachlich (besonders
zu machen (s. d.), aber wohl auf einer Soziativ-
im Griechischen) verschiedene Anwendungen
bildung 'der mit einem etwas macht’ beruhend.
auf handwerkliche Sonderbereiche zeigt. Die
Vgl. ae. gemaca, gemcecca 'Gefährte’.
allgemeine germanische Bedeutung (bei der
macklich Adj. 'bequem’, nordd. Niederdeut¬
'bauen’ eine beträchtliche Rolle spielt) könnte
sche Form von gemach (s. d.) mit -lieh erweitert.
auf '(Hauswände) mit Lehm verschmieren’ zu¬
rückgehen. Ig. *mag- ist bezeugt in gr. mässö Mädchen n. Wie Mädel u. a. eine Verkleine¬
'ich knete, presse, wische ab, bilde ab’, akslav. rungsform zu Magd (s. d.). Die zu erwartende
mazati 'bestreichen, beschmieren, salben’, bret. Form Mägdchen noch bei Lessing; die Vereinfa¬
meza 'kneten’, lett. iz-muözet 'anschmieren’. chung beginnt in der Mitte des 17. Jhs. in Thü¬
Hierzu eine Variante mit auslautender Tenuis ringen und Sachsen. Eine andere Vereinfachung
(und Nasalierung), die unter mengen dargestellt in ndd. Mäke (n), md. Mäche (n).
wird. S. auch Matjeshering.
Nndl. maken, ne. make. S. allmählich, gemach, Made /. Mhd. made m., ahd. mado m., as.
Machenschaften, Macker, Makler, Make-up, Match, matho m. aus g. *mapön f. 'Made, Wurm’, auch
Steinmetz. — E. Weiss: Tun-Machen (Stockholm in gt. mapa m., ae. maöa m., maöu, erweitert in
1956). anord. maökr m. Außergermanisch vergleicht
Machenschaften PL (f). Seit dem 18. Jh. be¬ sich russ. motyll m. 'Schmetterling’, dial. metyll
zeugt als schweizerisches Wort für 'Vergleich, 'Motte’, ukr. motyl 'Schmetterling, Falter’; im
Kontrakt’ (zu machen, s. d.). Offenbar unter Germanischen gehört wohl auch Motte (s. d.)
dem Einfluß des ähnlich klingenden Machina¬ hinzu. Weiteres ist unklar.
tionen hat sich die Bedeutung des Wortes zu S. auch Metten. - M. Dolch NJ 68 (1941), 184-191.
'üble Praktiken’ verschlechtert. Mädel n., reg. Wie die vollere Form Mägdlein
Machete /. (= ein Buschmesser), sonder- und wie Mädchen Verkleinerungsform von
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend span, ma- Magd (s. d.).
chete m. Mademoiselle /. 'Fräulein’, s. Mamsell.

Macht /. Mhd. ahd. as. mäht aus g. *mah-ti- Mädesüß n. (= Name verschiedener Pflan¬
f. 'Macht, Kraft’, auch in gt. mahts, anord. zen), fachsprachl. Übernommen aus ndd. mede-
mättr (maskuliner tw-Stamm), ae. meaht, mäht, soet. Der zweite Bestandteil ist süß (s. d.), der
miht u. ä., afr. mecht, macht. Verbalabstraktum erste ist ursprünglich wohl das Wort Met (s. d.),
auf-P- zu dem Präterito-Präsens g. *mag 'kann, weil die Pflanze als Würzkraut verwendet
wurde.
vermag’ (s. mögen).
Nndl. macht, ne. might, nisl. mättur. S. Gemächt, mö¬ Madonna /., '(Darstellung der) Gottesmut¬
gen. - G. H. Schmidt MS 90 (1980), 1-12. ter’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Mafia 454 Magnifizenz

gleichbedeutend it. madorma (wörtlich: meine auch in anord. magr, ae. mager. Aus ig. *makro-
Herrin’), dieses aus 1. mea domina 'meine Her¬ Adj. 'lang, mager’, auch in 1. macer 'mager’, gr.
rin’, zu 1. dominus m. 'Hausherr’, zu 1. domus makrös 'lang’, etwas abweichend heth. maklant-
'Haus’. (In früheren Entlehnungen hatte das 'dünn, mager’.
Wort die Bedeutung 'Frau, Dame, Geliebte’). Nndl. mager, ne. meagre (über das Französische),
Etymologisch verwandt: s. Dame1. nschw. mager, nisl. magur. S. makro-,

Mafia /. (= eine verbrecherische Geheimor¬ Magie /. 'Zauberkunst’. Im 16. Jh. entlehnt


ganisation). Entlehnt aus gleichbedeutend it. aus gleichbedeutend 1. magia, dieses aus gr.
maf(f)ia (wörtlich: 'Überheblichkeit, Anma¬ mageia (dass.), zu gr. mageyein 'zaubern’, zu gr.
ßung’). mägos m. 'Zauberer’, dieses aus dem Persischen,
Morphologisch zugehörig: Mafioso.
dort bezeichnet es ein Mitglied der Priester¬
klasse, das in den Wissenschaften ausgebildet
Magazin n. 'Vorratslager, Zeughaus’. Im 16.
war.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. magazzino
Morphologisch zugehörig: Magier. — W. Feldmann
m., dieses aus arab. mahzan, PI. mahäzin. Die
ZDW 8(1906/07), 79; K.-H. Weinmann DWEB
Bedeutung 'bebilderte Zeitschrift’ nach e. maga-
2(1963), 397.
zine; bezeichnungsmotivisch ist ein solches Ma¬
Magister m., s. Magistrat.
gazin 'eine Sammelstelle (von Information)’.
Morphologisch zugehörig: Magazineur. — Schirmer Magistrat m. 'hoher Beamter, Behörde,
(1911), 124; Littmann (1924), 88; Ganz (1957), 135; Stadtverwaltung’, fachsprachl. Im 15. Jh. ent¬
Lokotsch (1975), 108; Jones (1976), 405f. lehnt aus gleichbedeutend 1. magisträtus, einer
Magd /. Mhd. mag(e)t, ahd. magad, maged Ableitung von L magister 'Meister, Vorsteher,
u. ä., as. magad aus g. *magapi- f. 'Mädchen, Leiter’.
Dienerin, Jungfrau’, auch in gt. magaps, ae. Morphologisch zugehörig: Magister, Magistrale-, ety¬
mceg(e)p, afr. maged, megith. Das Wort hat eine mologisch verwandt: s. Magnat und Meister. — Zu
ziemlich genaue Entsprechung in den keltischen Magister: Götze (1929), 11.

Sprachen: mir. ingen mac(c)dacht 'junges, er¬ Magma n. 'glühende, flüssige Masse im Erd¬
wachsenes Mädchen’, bret. matez 'Dienstmäd¬ inneren’, fachsprachl. Neubildung zu 1. magma
chen’. Wörter dieser Bedeutung gehen ziemlich 'Bodensatz der Salbe’, dieses aus gr. mägma
regelmäßig entweder von 'junge Frau’ aus oder 'geknetete Masse, Bodensatz’.
von 'die (jetzt) eine Brust hat’. Aus diesem Magnat m. 'mächtige, einflußreiche Person’,
Grund scheint es möglich zu sein, an die Wörter sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
aus einer Grundlage *mä- und der Bedeutung deutend ml. magnas (-atis), zu 1. mägnus
'Mutter, Brust’ anzuknüpfen. Eine lautlich ge¬ (mäior, mäximus) 'groß, bedeutend’.
nau passende Grundlage ist freilich nicht nach¬
Etymologisch verwandt: Magister, Magistrat, Magnifi¬
weisbar. Eine neuhochdeutsche Nebenform ist zenz, Majestät, Major, [Majorität], [Majuskel], Mä¬
Maid, das von Magd semantisch differenziert tresse, Maxime, Maximum (usw.), /mega-], Meier. —
ist. Häufig sind Verkleinerungsformen, am älte¬ K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 397.
sten gt. magapein und seine Parallelen (ne. mai-
Magnesia /. (= ein beim Verbrennen von
den)\ jüngere Bildungen s. unter Mädchen und
Magnesium entstehendes Pulver). Benannt
Mädel. nach der Ähnlichkeit mit dem Magnetstein (s.
Nndl. maagd. S. Mädchen, Mädel, Metze2. — Kluge
Magnet).
(1918), 97.
Magnet m. 'Metall mit Anziehungskraft für
Mage m. 'Verwandter’, arch. (selten). Wieder¬
andere Metalle’. Im Mittelhochdeutschen (mhd.
belebt durch R. Wagner u. a. aus mhd. mäc,
magnetfe]) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
ahd. mäg, mäk, as. mag, afr. mech, meg, mei,
Mägnes (-etis), dieses aus gr. Magnesie (lithos)
ae. mäg, anord. mägr 'Heiratsverwandter’, gt.
(dass., wörtlich: 'Stein aus Magnesia’). So be¬
megs 'Schwiegersohn’. Das g. Wort *mäga-
nannt nach der natürlichen Herkunft aus Mag¬
'Verwandter’ hat keine sichere Vergleichsmög¬
netsteinvorkommen in der thessalischen Kü¬
lichkeit.
stenlandschaft.
Magen m. Mhd. mage, ahd. mago, mndl. Morphologisch zugehörig: Magnetik, Magnesia, Mag-
mage aus g. *magön m. 'Magen’, auch in anord. netisieur, Magnetismus, Magnetit. — K.-H. Weinmann
magi, ae. afr. maga. Zu einem voreinzelsprach¬ DWEB 2 (1963), 397; Luschen (1968), 268-270.
lichen Wort für 'Beutel’, das in kymr. megin Magnifizenz /. 'ehrende Anrede (besonders
'Blasebalg’, lit. mäkas, akslav. moslna f. 'Beutel’ an Universitätsrektoren)’. Im 16. Jh. entlehnt
vorliegt. aus 1. mägnificentia 'Großartigkeit’, dieses aus 1.
mager Adj. Mhd. mager, ahd. magar, mndd. mägnus 'groß’ und 1 .facere 'machen’ (s. Magnat
mager, mndl. mage aus g. *magra- Adj. 'mager’, und Fazit).
Magsamen 455 Mahr

Magsamen m., s. Mohn. len’, akslav. mleti 'mahlen’, gr. myle 'Mühle’,
Mahagoni n. (= ein rotbraunes Edelholz), ai. mrnati 'zermalmt, mahlt’, toch. A. malyw-,
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ toch. B. mely- 'zerreibt, bedrückt’, heth. malla-
deutend neo-1. mahagoni, dessen Herkunft nicht 'zermalmen, mahlen’.
sicher geklärt ist. Nndl. malen, nschw. nisl. mala. S. Mahlstrom, malmen,
Malter, Mehl, Milbe, mild, Mühle, Müll, Müller, Mulm,
R. Loewe ZVS 61 (1933), 72-76.
mulsch. Schmolle.
Maharadscha m. 'Großfürst (indisch)’, auch
mählich Adj., s. allmählich.
übertragen für 'großer Herr’, sondersprachl.
Über das Englische entlehnt aus hindl mahä- Mahlstrom m. 'gefährlicher Wirbel’, sonder¬
räjä, dessen Vorform ai. mahäräjä zu ai. mahä sprachl. Entlehnt aus nndl. maalstroom, das zu
'groß, ausgedehnt, mächtig’ und ai. rajä 'König’ Strom und mahlen (s. d.) im Sinne von 'drehen’
gehört (letzteres zu 1. rex [-egis] 'König’, zu 1. gebildet ist.
regere 'leiten’, s. Adresse). Kluge (1911), 564.
Etymologisch verwandt: Reneklode. Mähne /. Aus mhd. mene, Plural zu mhd.
man(e) f./m., ahd. man(a), mndd. man (m.),
Mahd /., reg. Mhd. mät f./n., ahd. mäda aus
mndl. manen aus g. *manö f. 'Mähne’, auch in
wg. *mapa-, to-Partizip der Wurzel *mä- 'mä¬
anord. mpn, ae. manu, afr. mana, mona. Außer¬
hen’ (s. mähen), auch in ae. mäh n-, afr. meth.
germanisch vergleicht sich semantisch am be¬
Ne. -math (aftermath 'Grummet’). S. auch Grummet,
sten die /r-Erweiterung in mir. mong, kymr.
Matte2, Öhmd.
mwng. Des weiteren entsprechen Wörter für
mähen swV. Mhd. mcejen, ahd. mäen, mndd. 'Hals’ und für 'Halsband’, bei denen aber dem
mei(g)en, mndl. maeyen aus wg. *mä-a- stV. semantischen Unterschied keine entsprechen¬
'mähen’, auch in ae. mäwan stV., afr. miä. den morphologischen Abhängigkeiten entspre¬
Außergermanisch vergleicht sich gr. amäö 'ich chen (etwa in der Art, daß die Wörter für 'Hals¬
schneide, mähe, ernte’ und von einer Variante band, Halsschmuck’ Zugehörigkeitsbildungen
*met-1. metere, kymr. medi 'schneiden, ernten’. zu den Wörtern für 'Hals’ wären). Man wird
Nndl. maaien, ne. mow. S. Mahd (+), Matte1, Öhmd. also von 'Hals’ ausgehen müssen, ohne daß
Mahl1 n. 'Essen’, sondersprachl. Mhd. mal, die Einzelheiten ausreichend klar sind. Vgl. ai.
ahd. mal 'Zeitpunkt’, mndd. mäl(tlt) f. aus g. mänyä 'Nacken’, air. muinel, kymr. mwn,
*mäla- n. 'Zeitpunkt’, auch in gt. mel, anord. mwnwgl 'Hals’; avest. minauu- 'Halsge¬
mal 'Zeitpunkt, Mahlzeit’, ae. mäl, mäl, mel n.l schmeide’, 1. moriile 'Halsband’, aisl. men, ae.
m.(?) 'Maß, Gelegenheit, Mahlzeit’, afr. mel mene, myne, ahd. menni 'Halsgeschmeide’,
'Mahlzeit’. Außergermanisch findet sich eine akslav. monisto n. 'Halsband’.
genaue Entsprechung in lit. (östl.) (tuo)mel 'in Nndl. manen, ne. mane, nschw. man.
einem fort’ (Variante zu lit. tuomet). Ableitung mahnen swV Mhd. manen, ahd. manön,
zu der Wurzel ig. *me- 'messen’, zu der auch mndd. mndl. manen aus wg. *man-ö- swV. 'mah¬
messen (s. d.) als formal nicht genau einzuord¬ nen’, auch in ae. (ge)monian. Intensivum (mit
nende Variante gehört. Die Wurzel *me- ist ver¬ kausativ-artiger Funktion) zu g. *man Prät-
treten durch ai. mäti 'mißt’, 1. metirl 'messen’, Präs. l./3.Sg. 'meinen, sich erinnern’ in gt. man,
akslav. mera f. 'Maß’, toch. A. me-, toch. B. anord. man 'ich erinnere mich’, anord. mun
mal- 'messen’; zu der Variante *met- gehören (Hilfsverb), ae. man, as. man 'ich verleugne’.
gr. metron 'Maß’, lit. metas m. Zeit, Maß , lit. Dieses zu ig. *men- 'denken, erinnern’ in 1.
metai PI. 'Jahr’. memini 'ich erinnere mich, erwähne’, gr.
Nnd. maal, ne. meal, nschw. mäl. S. Dimension ( + ), memona ich habe im Sinn , air. do-moinethar
Mal1, -mal, Modus ( + ), sintemal, zumal. 'glaubt, meint’, lit. mihti 'gedenken, sich erin¬
Mahl2 n. 'Versprechen, Verhandlung’, arch., nern’, akslav. rnlneti 'glauben, meinen’, ai.
nur in Zusammensetzungen: Mahlschatz m. mänyate 'denkt’. Semantisch entspricht wg.
'Gabe, die der Bräutigam der Braut bei der *man-ö-1. monere (dies ist aber eine echte Kau¬
Verlobung überreicht’, Mahlstatt /. 'Gerichts¬ sativ-Bildung).
stätte im Freien’. Zu ahd. mahal, das unter Nndl. manen. S. Automat, demonstrieren (+),
Gemahl (s. d.) behandelt ist. Manie (+), mental (+), Minne, munter.
Tiefenbach (1973), 71—74. Mahr m./f 'Alp(traum)’, arch. Mhd. mar(e)
mahlen swV. Mhd. mal(e)n stV, ahd. malan, m./f, ahd. mara f. aus g. *marö(n) f.
mal(e)n stV., as. malan stV. aus g. *mal-a- stV. '(Nacht)Mar’, auch in anord. mara, ae. mare,
'mahlen’, auch in gt. malan, anord. mala. Aus mare. In den verwandten Sprachen erscheint
ig. *mel- 'zermalmen, zerreiben’, besonders air. Mor-rigan (Name einer Schlacht- und Lei¬
'Korn mahlen’, häufig mit o-Vokalismus: 1. mo- chendämonin, zweiter Bestandteil 'Königin’),
lere 'mahlen’, air. melid 'mahlt’, lit. mälti mah¬ russ. kikimora f. 'Gespenst, das nachts spinnt,
Mähre 456 Makler

in den übrigen slavischen Sprachen z. B. ukr. unklar. Der Bedeutung nach würde für einen
möra f. 'Alp(traum)’. Frz. cauchemar m. hat Teil der Belege ein Anschluß an die Wortsippe
seinen zweiten Bestandteil aus dem Germani¬ von Mist (s. d.) passen, für einen anderen ein
schen entlehnt. Alles weitere ist unklar. Anschluß an die Sippe von mischen (s. d.), die
Nndl. nachtmerrie (nach Mähre umgestaltet), ne. night- auf *meik- und *meig- zurückführt.
mare. Majestät /. 'Erhabenheit, hochgestellte ade¬
Mähre/., arch. Mhd. merhe, ahd. mer(i)ha, lige Persönlichkeit’. Im Mittelhochdeutschen
as. meriha, meria, merge aus g. *marhl/jö- f. (mhd. majestät) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
'Stute’, movierte Form zu g. *marha- m. 'Pferd’ mäiestäs (-ätis), zu 1. mägnus 'groß’.
in anord. marr m., ae. mearh m., ahd. marah S. Magnat (+). - A. Keller ZDW 6 (1904/05), 162f.;
(scale) 'Pferdeknecht’. Dieses zu air. marc m., W. Seitz: Majestas (Diss. masch. 1974), besonders
4-10.
kymr. march 'Pferd'. Weitere Herkunft unklar.
Die heutige Bedeutung von Mähre als 'schlech¬ Majonnaise /., s. Mayonnaise.
tes Pferd’ beruht darauf, daß Stuten schneller Major m. ( = ein militärischer Dienstgrad).
altern. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span.
Nndl. merrie, ne. mare. S. Marschall, Marslall. mayor (auch: 'größer, erhabener’), aus 1. mäior,
dem Komparativ von 1. mägnus 'groß, bedeu¬
Mai m. (= der 5. Monat des Jahres). Mhd.
tend’.
mei(g)e, ahd. meio. Entlehnt aus 1. Mäius, der
Etymologisch verwandt: s. Magnat, Meier. — R. M.
nach dem Jupiter Maius, dem Wachstum brin¬
Meyer ZDW 12(1910), 151.
genden Gott, benannt ist. Das gleiche Wort mit
abweichender Entwicklung der Flexion und in Majoran m.(= eine Mittelmeerpflanze, deren
Blätter als Gewüri verwendet werden). Im Mit¬
besonderer Bedeutung ist Maien (s. d.) 'Blu¬
telhochdeutschen (mhd. majeron, majoran) ent¬
menstrauß’ .
lehnt; die Herkunft ist nicht sicher geklärt.
S. Maiensäß.
E. Björkman ZDW 6(1904/05), 188; E. Öhmann
Maid /. s. Mädchen und Mädel. NPhM 44 (1943), 3.
Maien m. (meist PL) 'Blumenstrauß’, schwz. makaber Adj. '(im Zusammenhang mit dem
Das gleiche Wort wie Mai (s. d.) in alter Sonder¬ Tod) unheimlich’, sondersprachl. Entlehnt aus
anwendung auf 'Maibaum, Baumschmuck im gleichbedeutend frz. macabre, vielleicht zu hebr.
Mai’, dann schließlich 'Strauß, Blumenstrauß’. m(e)qabber Partizip Picel 'begrabend’ oder
arab. maqäbir 'Gräber’.
Maiensäß n. 'unterste Stufe einer Alm’, schwz.
A. Fröhlich MS 71 (1961), 184f.; J. Stave MS
Zu schwz. Säß, anord. scetr n. 'Alp’. Dieses
71 (1961), 49-52.
gehört zu sitzen (s. d.), vielleicht ist es eine
Vriddhi-Ableitung zu *sedos- n. 'Wohnsitz’, Makel m., sonder sprachl. Mhd. makel. Ent¬
etwa in anord. setr, also 'das zum Wohnsitz lehnt aus 1. macula f. 'Fleck, Fehler’. Das Genus
hat sich an Fleck und Tadel angeglichen, die
Gehörige’. Auf das Maiensäß wird das Vieh im
Vokallänge ist vom niederdeutschen Sprachge¬
Mai gebracht; später wird es auf die höheren
brauch bestimmt.
Alpen getrieben.
S. auch Makulatur. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
S. Mai. — Darms (1978), 67 — 74.
07), 79.
Mais m. Das Wort wird im 16. Jh. mit der mäkeln swV. 'herumnörgeln’. Ndd. mäkeln,
Sache in Deutschland eingeführt, nachdem nndl. makelen bedeuten ursprünglich 'Ge¬
diese zunächst als Welschkorn und Türkisch schäfte machen’ (s. Makler)-, durch das Kritisie¬
Korn bezeichnet worden war (vgl. ne. Indian ren beim Handeln bekommt das Verb mäkeln
Com). Entgegen diesen frühen Bezeichnungen im 18. Jh. die spezielle Bedeutung, die es in der
stammt die Pflanze aus Amerika; Mais, älter Hochsprache hat (die Herkunft ist nicht mehr
auch mahis ist ein mexikanisches Wort, das erkennbar, wenn das Herumnörgeln am Essen
durch span, maiz vermittelt wurde. gemeint ist).
Littmann (1924), 146, 148; R. Loewe ZVS 61 (1933),
Make-up n. '(Mittel zur) kosmetische(n) Ver¬
67-70; B. Martin DWEB 2 (1963), 126-139.
schönerung des Gesichts’. Im 20. Jh. entlehnt
Maische /., auch Maisch m. 'eingelegte aus gleichbedeutend ne. make-up.
Früchte zur Alkoholherstellung’, fachsprachl. Zu den Etyma s. machen und auf.
Mhd. meisch, mndd. mesche. Wie ae. mäsc-, Makkaroni PI. (= lange, röhrenförmige Nu¬
mäxwyrt zeigt, liegt wg. *maiks-kö- f 'Maische’ deln), s. Makrone.
vor, das erste k kann dabei assimiliert sein.
Makler m. Im 17. Jh. aus dem Niederdeut¬
Außergermanisch vergleicht sich russ. mezgä f.
schen übernommen. Nomen agentis zu ndd.
'weicheres Holz zwischen Rinde und Kern, wei¬ maken 'machen’.
che Teile von roten Rüben und Kartoffeln,
S. machen(y). - Kluge (1911), 564; G. Richter in:
Mus’, serbo-kr. mezgra 'Baumsaft’. Herkunft Dückert (1976), 173-214.
Makrele 457 malträtieren

Makrele /. ( = ein Speisefisch). Im Mittel¬ 'Luft’, neben it. mala d’aria 'Luftkrankheit’. So
hochdeutschen (mhd. makrele) entlehnt aus bezeichnet nach der bis ins 19. Jh. vertretenen
gleichbedeutend mndl. maker, macreel; die wei¬ Auffassung, daß bestimmte angenommene Er¬
tere Herkunft ist nicht sicher geklärt. reger in der Luft diese Krankheit verursachen.
makro- Präfix. Wortbildungselement mit der Etymologisch verwandt: s. maliziös.
Bedeutung 'lang, groß’ (z. B. Makrostruktur, malen swV. Mhd. malen, ahd. mälön, malen.
makroskopisch). Es wurde vornehmlich in grie¬ Semantisch entsprechend gt. meljan, anord.
chischen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬ mcela. Ableitung von Map 'Zeichen, Fleck,
men; sein Ursprung ist gr. makrös (dass.). Markierung’ (s. d.) als 'Zeichen machen’. Ent¬
Zum Etymon s. mager. sprechend bedeutet das gotische Wort 'schrei¬
Makrone /. (= ein Gebäck). Im 17. Jh. ent¬ ben’; die übrigen germanischen Sprachen zeigen
lehnt aus gleichbedeutend frz. macaron m., die¬ 'malen'.
ses aus it. maccarone, maccherone m. 'Nudel’. S. auch Gemälde.
Etymologisch verwandt: Makkaroni. — E. Öhmann Malheur n. 'Ungeschick, Unglück’. Im 18. Jh.
RV (1955), 166f.; Brunt (1983), 358. entlehnt aus gleichbedeutend frz. malheur m.,
Makulatur /. 'Altpapier’, sondersprachl. Im zu frz. mal 'schlecht’ (aus 1. malus [dass.]) und
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. macu- frz. heur m. 'glücklicher Umstand’ (aus 1. augu-
latura (wörtlich: 'beflecktes Stück’), zu 1. macu- rium 'Anzeichen, Vorzeichen’). Die Lautform
läre 'fleckig machen, beflecken’, zu 1. macula des französischen Wortes ist vermutlich beein¬
'Fleck, Schandfleck, Lücke, Loch’. flußt von dem etymologisch nicht zugehörigen
Etymologisch verwandt: Makel. — W. Feldmann heure f. 'Stunde’ aus 1. höra f.
ZDW 8 (1906/07), 78f. Etymologisch verwandt: s. maliziös und Inauguration.
Mal1 n. 'Zeitpunkt’, s. -mal. — Brunt (1983), 359.

Mal2 n. 'Fleck, Markierung’. Mhd. ahd. mal, maliziös Adj. 'boshaft’, sondersprachl. Im 17.
as. höbid-mäl 'Kopfbild’ aus g. *mäla- n. 'Mal, Jh. entlehnt aus frz. malicieux 'schelmisch,
Zeichen’, auch in gt. mel, anord. mal, ae. mäl, leicht boshaft’, dieses aus 1. malitiösus (dass.),
afr. mel. Dehnstufige Bildung zu einer Farbwur- zu 1. malitia 'Schelmerei, Schurkerei, Arglist,
zel ig. *mel- in ai. mala- 'Schmutz’, gr. melas Bosheit’, zu 1. malus 'schlecht, böse’.
'schwarz’, lit. melynas 'blau’, apreuß. meine f. Morphologisch zugehörig: Malice; etymologisch ver¬
'blauer Fleck’. In einigen Bedeutungen scheint wandt: s. malade, Malaise, Malaria, Malheur, malträ¬
tieren, Malus, vermaledeien.
dieses Wort ein ursprungsverschiedenes mhd.
ahd. meil 'Flecken, Mal’ attrahiert zu haben. malmen swV., sondersprachl. Erst seit dem 16.
S. Denkmal, malen (+). Jh. bezeugt. Ableitung zu einer Entsprechung
von gt. malma 'Sand’, anord. malmr 'Erz’. Da¬
-mal Suffixoid (zur Bildung von Multiplika¬
neben mit Ablaut mhd. ahd. as. melm 'Sand’.
tivzahlwörtern u. ä.). Abgeschwächt aus Mal
Also 'zu Sand zermahlen’. Zugrunde liegt mah¬
'Zeitpunkt’ in Zusammenrückungen. Dieses in
len (s. d. [ + ]).
mhd. ahd. mäl, das mit Mahl1 (s. d.) identisch
ist. Maloche /. 'schwere Arbeit’, ugs. Entlehnt
aus dem Rotwelschen, wo es seit dem 18. Jh.
malade Adj. 'sich unwohl fühlend’, ugs. Im
bezeugt ist. Dorthin über wjidd. melöche, malo¬
Mittelhochdeutschen (mhd. malät, maläde, ma-
che 'Arbeit’ aus hebr. meläC)kä(h) 'Arbeit’.
lätes) entlehnt aus gleichbedeutend afrz. ma¬
lade, dieses zu 1. male habere 'sich unwohl füh¬ Malter m./n. 'Hohlmaß’, arch. Mhd. malter,
len’, einer verhüllenden Bezeichnung für 1. malder, ahd. maltar, as. maldar. Instrumental¬
aegrötus, aeger 'krank, leidend . Zunächst in ableitung zu mahlen (s. d.). Die Bedeutung war
der Bedeutung 'aussätzig’ verwendet, dann Ab¬ wohl ursprünglich wie bdi i dem ablautenden
schwächung. anord. rneldr 'Mahlgut’, also das Mahlgut für
Etymologisch verwandt: s. maliziös und habilitieren. eine Füllung der Mühle (o. ä.) . Weil das Malter
in seiner Größe stark schwankte, kam das Maß
Malaise/. 'Mißstimmung, Unbehagen’, son¬
im 19. Jh. außer Gebrauch.
dersprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
Kluge (1926), 49f.
gleichbedeutend frz. malaise m., einer substanti¬
vierten Zusammenrückung aus frz. (etre) mal malträtieren swV. 'mißhandeln’, sonder¬
ä l’aise 'mißgestimmt sein’, zu frz. aise 'behag¬ sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
lich’. frz. maltraiter, aus frz. mal 'schlecht’ (aus 1.
malus [dass.]) und frz. traiter 'behandeln’ (aus
Malaria /. (= eine tropische Infektions¬
krankheit). Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
1. traetäre [dass.], zu 1. trahere 'ziehen,
gleichbedeutend it. malaria, einer Zusammen¬ schleppen’).
rückung aus it. male 'schlecht' und it. aria Etymologisch verwandt: s. abstrakt und maliziös.
Malus 458 Mande

Malus m. 'Abzug’, sondersprachl. Gegensatz¬ lichen Pronomen. Entsprechend frz. on aus 1.


bildung zu Bonus (s. Bon). Vorbild ist 1. malus homo.
'schlecht’ (s. maliziös). L. H. Gray Word 1 (1945), 19-32.

Malve /. (= eine Pflanze mit rötlichen Blü¬ man2 Adv. 'nur’, nordd. Mndd. man, über
ten). Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend *neman, aus as. newan, entsprechend zu ahd.
,
it. malva dieses aus I. malva (dass.). mhd. ni-wan, zusammengerückt aus der Vernei¬
nung und mhd. mndd. wan Adv./Konj. 'nur,
Malz n. Mhd. ahd. malz, as. malt aus g.
außer’.
*malta- n. 'Malz’, auch in anord. malt, ae.
mealt, malt. Daneben steht ein schlecht bezeug¬ Manager m. 'leitende Persönlichkeit in Gro߬
tes Adjektiv, das etwa 'herb’ bedeutet haben unternehmen’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
kann (ahd. malz, vgl. malzihho u. ä. 'Holzapfel’, deutend ne. manager, einem Nomen agentis zu
nisl. mit schlechter Beleglage maltr 'bitter’), e. manage 'bewerkstelligen, leiten’, dieses aus it.
doch könnte das Adjektiv auch auf das Wort maneggiare (dass.), zu it. mano f. 'Hand’, aus 1.
Malz zurückgehen. Ein unmittelbarer Anschluß manus f. 'Hand’.
an g. *melt-a- 'schmelzen’ kommt der Sache Morphologisch zugehörig: Management, etymologisch
nach kaum in Betracht, doch könnte das ig. verwandt: s. manuell. — Ganz (1957), 136.

Adjektiv *mldu- 'weich, zart’, das im Slavischen manch Pron.-Adj. Mhd. manec, manic, ahd.
ein *moldo- voraussetzt und auf junge Pflanzen as. manag aus g. *managa- Adj. 'mancher, viel’,
und Tiere spezialisiert ist, verglichen werden — auch in gt. manags, spanord, mangr, ae. manig,
das Malz wäre dann nach den Keimlingen des mcenig u. ä., afr. manich, monich. Außergerma¬
gemälzten Getreides benannt. nisch vergleichen, sich akslav. münogü 'viel’, air.
Nndl. mout, ne. nschw. nisl. malt. - Heyne (1899/ menic 'oft’ und mit lautlich unklarem Zusam¬
1903), II, 339f. menhang 1. omnis 'ganz, jeder’. Weiteres ist noch
weniger klar (heth. humant- 'ganz, all, jeder’).
Mama/. In der heutigen Form steht das Wort
Der neuhochdeutsche Auslaut stammt aus
unter dem Einfluß von frz. maman, von dem
Mundarten, die auslautendes g als ch wiederge¬
aus es seit dem 17. Jh. bestimmt wird. Ein kin¬
ben. Der alte Auslaut ist noch in mannigfach
dersprachliches Wort entsprechender Lautung
und mannigfaltig belegt.
ist aber zweifellos schon vorher vorhanden ge¬
S. auch Menge. — O. Behaghel (1923/32), I, 401 —404.
wesen. S. hierzu die Artikel Memme und
Muhme. Die Lautung ma-, mam- ist als Lautge¬ Mandant m. 'Klient eines Rechtsanwalts’. Ei¬
bärde für 'Brust, Mutter’ weit verbreitet, so daß gentlich 'der Anvertrauende’, s. Mandat.
Rekonstruktionen im Einzelfall nur bedingten Mandarin m. ( = chinesischer Würdenträger),
Wert haben können. sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt, wohl aus
S. auch Papa. dem Portugiesischen. Das Wort ist eigentlich
Mammon m. 'Geld’, ugs. Im 16. Jh. entlehnt indisch (ai. mantrin- 'Ratgeber eines Fürsten’
aus gleichbedeutend kirchen-1. mammöna, zu ai. mäntra- 'Rede, Ratschlag’) und wurde
mam(m)önäs aus gr. mämönäs (dass.), aus von den Portugiesen in der Form mandarin auf
aram. mämönä 'Besitz, Habe’. chinesische Verhältnisse übertragen wobei wohl
1. mandäre 'beauftragen, befehlen’ mitgewirkt
Littmann (1924), 30; Lokotsch (1975), 110.
hat). Heute wird auch nach englischem Vorbild
mampfen swV, s. Pampe.
die klassische- chinesische Amtssprache Man¬
Mamsell /. 'Angestellte, Hausgehilfin’, son¬ darin genannt.
dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. mademoi- Mandarine /. (= eine Zitrusfrucht). Im 19.
selle 'Fräulein’, einer Zusammenrückung aus Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. mandarine,
frz. ma demoiselle 'mein Fräulein’. Frz. ma dieses aus span, (naranja) mandarina (dass.).
'mein’ aus 1. mea (dass.), frz. demoiselle wie frz. R. Loewe BGDSL 61 (1937), 228-230.
damoiselle 'Edelfräulein’ aus gallo-rom. *dömm-
Mandat n. 'Auftrag, Amt’, sondersprachl. Im
cella, einem Diminutivum zu 1. domina 'Herrin’,
14. Jh. entlehnt aus 1. mandätum 'Auftrag, Be¬
der Movierung von I. dominus m. 'Herr’, zu 1.
fehl’, dem substantivierten PPP. von 1. mandäre
domus 'Haus’. Im Deutschen zunächst ehren¬
'übergeben, anvertrauen’, zu 1. manus f. 'Hand’
volle Bezeichnung bürgerlicher Mädchen, dann
und 1. dare 'geben, reichen’.
verwendet für 'übergeordnetes Dienstmäd¬
Morphologisch zugehörig: Mandant, Mandatar, ety¬
chen’.
mologisch verwandt: s. manuell und Datum.
Etymologisch verwandt: s. Dame'.
Mande /. 'Korb ohne Henkel’, arch. Fnhd.
man1 Pron. Mhd. ahd. as. man. Wie in ae. mand, mndd. mndl. mande. Vergleichbar ist ae.
man, afr. ma, me Abschwächung des Wortes mand. Herkunft unklar.
Mann (s. d.) 'Mann, Mensch’ zum unpersön¬ Nndl. mand, ne. maund.
Mandel 459 Manko

Mandel1/. (= Frucht). Mhd. mandel, ahd. mangen 'ermangeln, entbehren’. Weitere Her¬
mandala, mandel, as. mandala. Entlehnt aus spl. kunft unklar.
amandula, das seinerseits aus gr. amygdäle Mangold m., fachsprachl. Mhd. man(e)golt.
stammt. Dieses ist wohl aus einer unbekannten Herkunft unklar.
Sprache entlehnt. Die Hals- und Rachenman¬ Marzell (1943/79), I, 583-585.
deln sind nach dem Vorbild des Lateinischen
Manie /. 'Besessenheit’, fachsprachl. Im 18.
so benannt (Bedeutungsübertragung nach der
Jh. entlehnt aus 1. mania 'Wut’, dieses aus gr.
Form); die gleiche Bedeutungsübertragung im
mania 'Raserei, Wahnsinn, Wut, Tollheit’, zu
Arabischen, das ein Vorbild für das Lateinische
gr. mainesthai 'rasend machen’, weiter zu ig.
gewesen sein kann.
*men- 'denken, erinnern’.
Hoops (1905), 555f.; W. Krogmann ZDPh 65 (1940),
Morphologisch zugehörig: manisch, Kleptomanie; ety¬
26f.; vgl. C. Tagliavini ZRPh 46 (1926), 46f.
mologisch verwandt: Pyromane; zum Etymon s. mah¬
Mandel2 fI(m./n.) 'Menge von 15 oder 16 nen. — Weinmann DWEB 2(1963), 398.
Stück', arch. Bezeugt seit dem 15. Jh., ursprüng¬ Manier /. 'Art und Weise’. Im Mittelhoch¬
lich auf Garben bezogen. Aus ml. (13. Jh.) man¬ deutschen (mhd. moniere) entlehnt aus gleichbe¬
dala f. Weitere Herkunft unklar, vielleicht zu deutend afrz. maniere, dieses aus gallo-rom.
einem keltischen Wort für 'Garbe' (körn, manal, *manuaria (dass., auch: 'Benehmen’), zu gallo-
nbret. malan aus *manatlo-). rom. manuarius 'handlich, geschickt’, aus 1. mä-
Mandoline /. (= ein Saiteninstrument), fach- nuärius 'zu den Händen gehörig’, zu 1. manus
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 'Hand’.
frz. mandoline, dieses aus it. mandolino m. Morphologisch zugehörig: Manieren, manieriert, Ma¬
(dass.), einem Diminutivum zu it. mandola (äl¬ nierismus, Manierist, manierlich', etymologisch ver¬
wandt: s. manuell. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
ter: mandora) 'Zupfinstrument’, das mit unkla¬
79; Miettinen (1962), 285 — 290. Zu Manierismus vgl.:
rer Formentwicklung zurückgeht auf 1. pandüra
H. Federhofer AB 17 (1973), 206-220.
(= ein dreisaitiges Instrument).
manieriert Adj. 'gekünstelt’, s. Manier.
Relleke (1980), 200f.
Manifest n. 'Programm einer Gruppierung’,
Manege/. 'Auftrittsfläche im Zirkus’. Im 18.
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Jh. entlehnt aus frz. manege 'Pferdedressur,
deutend ml. manifestum, einer Substantivierung
Reitbahn’, dieses aus it. maneggio m. (dass.,
von 1. manifestus 'offenbar, augenscheinlich,
wörtlich: 'Behandlung, Betrieb’), einer Ablei¬
handgreiflich, (wörtlich: mit der Hand gesto¬
tung von it. maneggiare 'mit etwas umgehen’,
ßen)’, zu 1. manus f. 'Hand’. Somit 'eine Schrift,
zu it. mano 'Hand’, aus 1. manus (dass.). in der etwas offenkundig gemacht wird’.
Etymologisch verwandt: s. manuell. — Jones (1976), Morphologisch zugehörig: manifest, Manifestant, Ma¬
413; W. J. Jones SN 51 (1979), 164; Brunt (1983), 362f. nifestation, manifestieren', etymologisch verwandt: s.
mang Präp. 'unter, zwischen’, ndd., berlin. manuell.
Aus as. an gimang wie ae. on gemong, eigentlich Maniküre /. 'Pflege der Hände’. Im 20. Jh.
'unter der Menge’ zu ae. gemong, as. gimang entlehnt aus gleichbedeutend frz. manucure, zu
'Menge, Schar’. Zu diesem s. Menge und frz. eure 'Sorgfalt’, aus 1. cüra 'Sorge, Fürsorge’
mengen. (und 1. manus 'Hand’).
Ne. among. Etymologisch verwandt: s. manuell und Kur.

Mangel /., auch Mange /. 'Glättrolle’, arch. Manipulation/. 'Eingriff, um etwas zum eige¬
Seit dem 15. Jh. bezeugt. Zuvor bezeichnete das nen Vorteil zu wenden’. Im 18. Jh. entlehnt aus
gleiche Wort eine Kriegsmaschine zum Schleu¬ gleichbedeutend frz. manipulation, einer Ablei¬
dern von Steinen, mhd. mange, entlehnt aus ml. tung von frz. manipuler 'zum eigenen Vorteil
manganum n., manga (u. ä.), dieses wiederum beeinflussen, (älter:) [chemische u. a. Substan¬
aus gr. mänganon n. 'Wurfmaschine’. Die zen] handhaben’, zu frz. manipule 'eine Hand¬
Kriegsmaschine wurde mit Steinkästen (deren voll (Kräuter), Bund’, aus 1. manipulus m.
Gewicht die Schleuderkraft hervorriefen) be¬ (dass.), zu 1. manus 'Hand’ und 1. plere 'füllen’
trieben, die Appreturmaschinen verwendeten (verwandt mit 1. plenus 'voll’).
entsprechende Steinkästen, um den notwendi¬ Morphologisch zugehörig: Manipulant, manipulativ,
Manipulator, manipulieren', etymologisch verwandt: s.
gen Druck zu erzeugen — daher die Übertra¬
manuell und Plenum.
gung der Bezeichnung.
Heyne (1899/1903), III, 95; Kretschmer (1969),
manisch Adj. 'krankhaft übersteigert’, s.
391 -395. Manie.

mangeln swV. 'fehlen’. Mhd. mangel(e)n, Manko n. 'Nachteil, Fehlendes’. Im 19. Jh.
ahd. mangolön, diminutive Formen zu mhd. entlehnt aus gleichbedeutend it. manco m. (äl-
Mann 460 Mantel

ter: a manco 'im Ausfall’), zu I. mancus 'unvoll¬ Mannsbild «. 'Mann (in bezug auf seine Kör¬
ständig, gebrechlich, verstümmelt’. perlichkeit)’, südd. Seit dem 15. Jh. als mannes
Schirmer (1911), 125. und wihes bilde 'Gestalt/Körper von Mann und
Frau’, das zu Mannsbild und Weibsbild (s. d.)
Mann m. Mhd. ahd. as. man aus g. *manön-
führt und im Laufe der Zeit auf regionale
m. 'Mann, Mensch’, auch in gt. manna, anord.
Sprachformen zurückgedrängt wird.
maör, mannr, ae. mann(a), monn(a), afr. monn.
S. Mann, Bild.
Der «-Stamm, der offenbar in bestimmten Fäl¬
len schwundstufig war, führte zu einer Flexion Mannstreu f/(n.), s. Männertreu.
auf der Grundlage von *mann-, die einfache Mannweib «. Die ältere Bedeutung (seit dem
Form aber z. B. noch in der gt. Kompositions¬ 17. Jh.) ist 'Zwitter’ als Lehnübersetzung von
form mana-, Weiterbildung von g. *gumön- gr. andrögynos m. Im 19. Jh. wird das Wort von
'Mann, Mensch’ (s. Bräutigam) von der Ab¬ Jean Paul verwendet für Frau von männlichem
lautsform *gman-ön mit Erleichterung der Kon¬ Gebaren, also eher für 'Amazone’. Der heutige
sonantengruppe im Anlaut. Parallele Bildungen Gebrauch folgt im allgemeinen dem von Jean
sind lit. zmönes 'Menschen’, apreuß. smunents Paul.
'Mensch’.
Manöver «. 'Truppenübung, Kunstgriff’. Im
Nndl. ne. nschw. man, nisl. maöur. S. manManne¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ma-
quin, Männertreu, männiglich, Mannsbild, Mensch. —
ncevre f. (wörtlich: 'Handarbeit, Handhabung’),
P. Ramat Sprache 9 (1963), 23 — 34; S. Levin in: J. P.
dieses aus spl. manuopera f. 'Handarbeit’, zu 1.
Maher/A. R. Bomhard/E. F. K. Koemer (Hrsg.): Pa¬
pers from the 3rd International Conference on Historical
manü operäre 'mit der Hand arbeiten’, zu 1.
Linguistics (Amsterdam 1982), 207 — 215. manus f. 'Hand’ .und 1. opera f 'Arbeit’ (zu 1.
operärl 'arbeiten’). Aus 'Handarbeit’ ergibt sich
Manna n. (= die wundersame Nahrung der
die zusätzliche Bedeutung 'Bewegung (der
Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten), son¬
Hand)’, die dann auf Heeres- und Flotten¬
der spracht. Im Mittelhochdeutschen (mhd. man-
schwenkungen übertragen wird. Daraus dann
nabröt) entlehnt aus gleichbedeutend spl.
einerseits verallgemeinernd 'Truppenübung’,
manna, dieses aus ntl.-gr. männa (dass.), aus
andererseits aus 'geschickte Wendung’ dann
hebr./aram. män, mannäC) (möglicherweise
'Kunstgriff’.
'Honigtau’).
Morphologisch zugehörig: manövrieren', etymologisch
Mannequin n. 'Modell; Frau, die Mode vor¬ verwandt: s. manuell und operieren.
führt’. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. mannequin
Mansarde /. 'ausgebautes Dachgeschoß’,
m. 'Modepuppe’, dieses aus mndl. mannekijn fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
'Männchen’, einem Diminutivum zu mndl. man deutend frz. mansarde, nach dem Namen des
m. 'Mann’. Zunächst Bezeichnung für Puppen, Architekten Mansart, den man als Erfinder die¬
die man zum Nähen und Ausstellen von Klei¬ ser Bauweise ansah.
dung verwendet; dann übertragen auf Frauen, Brunt (1983), 363f.
die einem Publikum Kleidung vorführen.
manschen swV., s. mantschen.
Etymologisch verwandt: s. Mann. — Schirmer (1911),
125. Manschette /. 'Abschluß des Ärmels’. Im 17.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. manchette,
Männertreu /./(«./, auch Mannstreu/./«. ( =
einem Hypokoristikum zu frz. manche 'Ärmel’,
Bezeichnung verschiedener Blumen), fach-
dieses aus 1. manica (dass., der lange Ärmel
sprachl. Bezeugt seit dem 15. Jh., wohl ironisch
der Tunica, der auch die Hand bedeckte und
nach der Vergänglichkeit der Blüten. Der Wur¬
zugleich als Handschuh verwendet werden
zelabsud der schon früh so benannten Veronica
konnte), zu 1. manus 'Hand’. Die Redensart
chamaedrys wurde zur Stärkung der Mannes¬
Manschetten haben 'Angst haben’ entsteht als
kraft empfohlen, doch geht der Name kaum
spöttischer Spruch über die „modischen Weich¬
auf diese Verwendung zurück. Zu Mann (s. d.)
linge“, die handfesten Auseinandersetzungen
und treu (s. d.).
aus dem Weg gingen.
mannigfach Adj., mannigfaltig Adj., s. manch. Etymologisch verwandt: s. manuell. — W. Feldmann
männiglich Pron. jeder’, arch., schwz. Mhd. ZDW 8 (1906/07), 79; Brunt (1983), 361f.
mannegellch, ahd. manno gihwiolTh, zusammen¬ Mantel m. Mhd. mantel, mandel, ahd. mantal,
gerückt mannogilxh 'jeglicher der Männer/Men¬ mndd. mantel m./f, mndl. mantel, wie anord.
schen’. Eine parallele Zusammenrückung in mptull entlehnt aus 1. mantellum, mantelum n.
mndd. manlik, malk, das auf mannogihwelic zu¬ Hülle, Decke’, das eine Erweiterung von 1. man-
rückgeführt wird. tum n. 'kurzer Mantel’ ist. Dieses scheint ibero-
S. Mann, jeglich, welch. Zur Bildungsweise vgl. täglich. keltischer Herkunft zu sein. Das Wort wird
- Behaghel (1923/32), I, 387f. auch übertragen für 'Verhüllung, Umhüllung’
mantschen 461 Margerite

verwendet, auch abstrakt wie Rahmen etwa in ahd. mär(r)en, märan, mhd. maren. Dieses ist
Manteltarif. ein Faktitivum zu dem Adjektiv g. *märja- 'be¬
mantschen swV. 'im Wasser plantschen, mi¬ rühmt’ in gt. wailamereis 'löblich’, anord. marr,
schen’, ugs. Bezeugt seit dem 16. Jh. Neben ae. märe, as. ahd. märi, mhd. mare. Dieses
matschen wie pan(t)schen (s. d.) und patschen. gehört wohl mit Ablaut zu einem keltischen
Wohl lautmalerischen Ursprungs. Adjektiv für 'groß’ (air. mör, kymr. mawr); dazu
S. auch Matsch. — J. Minor ZDW 1 (1901), 67f. mit abweichender Stammbildung mehr (s. d.).
Manual n. 'Handbuch, Tastatur’, s. manuell. J. Bolte/G. Polivka: Anmerkungen zu den Kinder- und
Hausmärchen der Brüder Grimm (Leipzig 1913/32), IV,
manuell Adj. 'von Hand’. Im 20. Jh. entlehnt
Kapitel 1.
aus gleichbedeutend frz. manuel, dieses aus 1.
Marder m. Mhd. marder, ahd. mardar, as.
manuälis (dass.), zu 1. manus 'Hand’.
marörin 'aus Marderfell’. Das auslautende -r
Etymologisch verwandt: Emanzipation (usw.), kom¬
mandieren (usw.), Kommodore, Manager, Mandant, beruht auf einer Erweiterung (wohl g. -z wie das
Mandat, Manege, Manier (usw.), Manifest (usw.), Ma¬ erweiternde -s in Fuchs und Luchs). Unerweitert
niküre, Manipulation (usw.), Manöver (usw.), Man¬ ahd. mard, afr. merth, ae. mearp, anord. mprör
schette, Manual, Manufaktur, Manuskript; zum Ety¬ aus g. *marpu-. Die Herkunft des Namens ist
mon s. Mund1. unklar. Auffällig sind die häufigen „Überna¬
Manufaktur /. 'gewerblicher Betrieb mit Fer¬ men“ für Wiesel und Marder, unter denen
tigung in Handarbeit’, s. manuell und Fazit. mehrfach 'junge Frau, Braut’ erscheint (so in
Manuskript n. 'schriftliche Aufzeichnung’, s. it. donnola /., ngr. ny(m)phitsa n., slav. nevesta
manuell und deskribieren. /.). Auf diese Weise könnte mit dem Wort Mar¬
der lit. marti 'Braut’ verknüpft werden. Das
Mappe /. Die heutige Bedeutung 'Umschlag,
Motiv für diese Bezeichnungen ist unklar. Wohl
Behälter’ entstand im 18. Jh. als 'Behälter für
kaum eine beschönigende Benennung (obwohl
Landkarten’, denn das Wort bedeutet älter
das Wiesel im Volksglauben mit dem Erscheinen
'Landkarte’. Mit dieser Bedeutung ist es im 15.
von Krankheiten zu tun hat), sondern ausge¬
Jh. entlehnt worden aus ml. mappa (mundi)
hend vom Hermelin eine Übertragung auf
'Weltkarte, Landkarte’. L. mappa bedeutet ur¬
sprünglich 'Tuch’, dann spezialisiert auf'bemal¬ Grund der schönen weißen Farbe.
tes Tuch’. Nndl. marter, ne. märten (über das Altfranzösische?),
nschw. märd, nisl. möröur. — O. Schräder BK IS
Mär /., s. Märchen. 15 (1889), 128-131.
Marabu m. ( = Storchenart), fachsprachl. Im
mären swV. 'herumwühlen, trödeln’, reg.
19. Jh. entlehnt aus frz. marabout. Dieses ist
Mhd. mer(e)n 'Brot eintauchen und so essen’.
eine Bedeutungsübertragung aus marabout
Vermutlich aus *merhen und vergleichbar mit
'(mohammedanischer) Einsiedler, Asket’ (aus
lit. merkti '(Flachs) einweichen’, gall. embrekton
port. marabuto, dieses aus arab. muräbit glei¬
'eingetunkter Bissen’ (das zu 1. imbractum wird).
cher Bedeutung) wegen des würdevollen Ausse¬
S. Märte.
hens und Verhaltens dieser Vögel.
Margarine /. (= ein Speisefett). Im 19. Jh.
Marathonlauf m. (= ein Lauf über 42 km).
entlehnt aus gleichbedeutend frz. margarine,
So benannt nach der Geschichte des Läufers
einer Neubildung zu frz. margarique (acide),
von Marathon (einem antiken Ort an der Ostkü¬
der Bezeichnung einer in der Magarine enthalte¬
ste Attikas), der nach dem Sieg über die Perser
nen Säure. Das französische Bestimmungswort
die 42 Kilometer nach Athen lief, um die Sieges¬
ist übernommen aus gr. märgaros m./f. (einer
nachricht zu überbringen.
Rückbildung zu gr. margarites m. 'Perle’) 'perl¬
March /. 'Flurgrenze’, schwz. Oberdeutsche
weiße Farbe, Perle’, einer orientalischen Entleh¬
Form von Mark1 (s. d.).
nung.
Märchen n. Wie obd. Märlein seit dem 15. Etymologisch verwandt: [Margarete], Margerite. —
Jh. bezeugt für kleine Erzählungen, meist in Littmann (1924), 23.
Versform; die heutige Bedeutung im wesent¬
Marge /. 'Differenz, Bereich’. Eigentlich
lichen festgelegt durch den Wortgebrauch der
'Rand’, s. marginal.
Gebrüder Grimm. Das Wort ist eine Verkleine¬
rungsform von fnhd. mare, mar, mhd. mare n./ Margerite /. (= eine zu den Korbblütlern
/., ahd. märi, märe 'Nachricht, Kunde’, ahd. gehörende Pflanze mit gelben Körbchen und
märif. 'Ruhm’, mndd. mere 'Kunde, Erzählung, weißen Blütenblättern). Über frz. marguerite
Bericht’ (vgl. gute, neue Mär im Weihnachtslied, entlehnt aus gr. margarites m. 'Perle’.
nach Luther). Dies ist ein Abstraktum zu g. S. Margarine ( + ). — Marzell (1943/79), I, 956-972;
*mär-ija- swV. 'verkünden, erzählen’ in gt. mer- B. Reichert: Kornblume und Margerite in der deutschen
jan, anord. mara, ae. (ge)märan, as. märian. Synonymik (Diss. masch. Tübingen 1955).
marginal 462 Markolf

marginal Adj. 'am Rand liegend’, sonder- Markise. — J. V. Hubschmid VR 3 (1938), 139 — 155;
Tiefenbach (1973), 74-78; R. Schmidt-Wiegand:
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Mark und Allmende (Marburg 1981).
neo-1. marginalis, zu 1. margo 'Rand’.
Morphologisch zugehörig: Marginalie, etymologisch Mark2/. 'Währung’. Mhd. marc(h), marke
verwandt: Marge', zum Etymon s. Mark'. — G. 'halbes Pfund Silber oder Gold’, eigentlich
Schoppe ZDW 15 (1914), 193. 'Edelmetallbarren mit Prägestempel’. Damit ist
Marienglas n. 'Gipskristall’, fachsprachl. Be¬ das Wort identisch mit dem unter Marke (s. d.)
zeugt seit dem 18. Jh., älter Frauenglas, noch behandelten Wort.
älter (17. Jh.) Fraueneis. Benennungsmotiv un¬ Mark3 n. 'Gewebe in Knochen und Pflanzen¬
klar; doch scheinen mehrfach Naturprodukte, stengeln’. Mhd. marc, ahd. marg, marc, as. marg
die Kunstprodukten ähnlich sind, nach der Got¬ aus g. *mazga- n. 'Mark’, auch in anord. mergr
tesmutter benannt zu sein. Vielleicht kommt m., ae. mearh, meerh m./n., afr. merch, merg.
die Bezeichnung daher, daß Marienglas zum Dieses aus ig. *mozgho- 'Mark’, auch in ai.
Schmücken von Marien- und Heiligenfiguren majjän- m. 'Mark’, toch. A. mässunt 'Mark’,
diente. akslav. mozgü m. 'Gehirn’, apreuß. muzgeno f.
Lüschen (1968), 221. und evtl, (falls auf unregelmäßiger Umstellung
Marienkäfer m. Bezeugt seit dem 18. Jh., beruhend) lit. smägenes f. PI. 'Gehirn, Mark’.
aber ein Benennungstyp, der über ganz Europa Weitere Herkunft unklar.
verbreitet ist (vgl. ne. lady-bird, frz. [dial.] bete Nndl. merg, ne. marrow, nschw. märg, nisl. mergur.
de la vierge usw.). Der Name geht wohl aus von markant Adj. 'deutlich, hervorstechend’, s.
dem Siebenpunkt, der als Symbol der sieben Marke.
Schmerzen Mariens angesehen wurde. Marke /. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. marque
Lokotsch (1975), 113.
gleicher Bedeutung. Das französische Wort ist
Marienmantel m., s. Frauenmantel. entlehnt aus g. *marka- n. 'Zeichen’ in anord.
Marille /. 'Aprikose’, reg. Im 17. Jh. über mark n., ae. mearc, afr. merke, mhd. marc n.,
italienische Vermittlung (it. armellino) wohl aus mndd. mark n. Dieses wiederum ist wohl ein
1. Armeniacum (pömum n.) (dass., wörtlich: 'ar¬ 'Grenzzeichen’ und hängt deshalb mit Mark1
menischer Apfel’) entlehnt. zusammen (das neutrale Genus wohl nach Zei¬
Marinade /., s. Marine. chen oder einem ähnlichen Wort. Im Deutschen
wird auch hier das Femininum beibehalten:
Marine /. 'Seeschiffe, Seestreitkäfte’, fach¬
ahd. marc(a)\ deshalb ist auch Mark2, das wohl
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
durch Bedeutungsverschiebung aus ihm gebil¬
frz. marine, zu frz. marin 'die See betreffend’,
det ist, ein Femininum).
aus 1. marinus (dass.), zu 1. mare n. 'Meer’.
S. Mark'12, markieren, merken. — W. Feldmann ZDW
Marinieren 'in Tunke einlegen’ heißt wörtlich
8 (1906/07), 79.
'in Salzwasser einlegen’.
Marketender m. 'die Truppe begleitender
Etymologisch verwandt: Kormoran, Marinade (usw.),
Rosmarin, Ultramarin; zum Etymon s. Meer. — Kluge Händler’, arch. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
(1911), 568; Brunt (1983), 366. deutend it. mercatante, zu it. mercato 'Handel,
Marionette /. 'an Fäden bewegliche Puppe’. Markt’, aus 1. mereätus (dass.), zu 1. mereärt
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. 'handeln’, zu 1. merx (-reis) f. 'Ware’.
marionnette, aus frz. *mariolette (dass.), einer Zum Etymon s. Markt.

Ableitung von mfrz. mariole 'Figürchen, (ur¬ Marketing n. 'Absatzstrategie usw.’, s. Markt.
sprünglich: Marienbildchen)’, einem Hypokori- markieren swV. 'kennzeichnen’, s. Marke.
stikum zu frz. Marie (= Maria).
Markise/. 'bewegliches Sonnendach’. Im 18.
Etymologisch verwandt: Marotte. — J. W. Walz ZDW
12(1910), 190; Kluge (1911), 568; Brunt (1983), 367.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. marquise,
der movierten Form von frz. marquis m.
Mark1 /. 'Grenzgebiet’, fachsprachl. Mhd.
'Markgraf’, aus gallo-rom. *markensis (dass.),
marke, ahd. marca, mar(c)ha u. ä., as. marka
einer Ableitung von gallo-rom. *marca 'Grenz¬
aus g. *markö f. 'Grenzgebiet’, auch in gt.
mark’. Die movierte Form wird von Soldaten
marka, anord. mprk, ae. mearc, afr. merke.
scherzhaft auf das besondere Zeltdach von Offi¬
Außergermanisch vergleicht sich zunächst 1.
zierszeiten übertragen; dann für andere Sonnen¬
margo 'Rand’ (auch das sonst ganz isolierte
dächer gebraucht.
pers. marz 'Landstrich, Mark’?), dann mit ab¬
Zum Etymon s. Mark'.
weichendem Vokalismus (*mrog-) air. mruig,
kymr. bro 'Bezirk’. Also *mereg 'Grenze, Markolf m. 'Häher’, nordwd. Bezeugt seit
Grenzgebiet’. dem 15. Jh. Übertragung des Männernamens
Nndl. mark, ne. march (über das Französische), nschw. auf das Tier, vermutlich zuerst in der Tierfabel.
mark. S. ausmarchen, March, marginal (usw.), Marke, Früher bezeugt ist die Bezeichnung als Name
Markt 463 Märte

eines Spötters (Murner: Geuchmatt), so daß der it. marrone m. (dass.), dessen Herkunft nicht
Häher, der die Stimmen anderer Vögel nachah¬ geklärt ist.
men kann, danach benannt sein könnte (der
Marotte /. 'seltsame Angewohnheit’. Im 18.
Spötter kann aber auch nach dem Häher hei¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. marotte
ßen — in diesem Fall ist das Benennungsmotiv
(auch: 'Narrenkappe, Narrenszepter mit
für den Häher unklar). Neben Markolf steht in
Puppenkopf’; ursprünglich: 'kleine Heiligenfi¬
gleicher Bedeutung auch Markwart.
gur’), einer Ableitung von mfrz. mariole 'Figür-
Markt m. Mhd. mark(e)t, ahd. marcät, as. chen, (ursprünglich: Marienbildchen)’, einem
markat. Wie ae. market n., anord. markaör ent¬ Hypokoristikum zu frz. Marie (= Maria).
lehnt aus spl. marcatus, Variante von 1. mercätus Etymologisch verwandt: Marionette. — G. Schoppe
'Kauf, Markt’. Dieses über 1. mercäri 'Handel ZDW 15 (1914), 193; Strasser (1976).
treiben’ zu 1. merx (-reis) f. 'Ware’.
Mars m.Kf.) 'Mastkorb’, fachsprachl., ndd.
S. kommerziell, Marketender, Marketing, Mars.
In hochdeutschen Texten bezeugt seit dem 15.
Markwart m., s. Markolf. Jh.; mndd. marse, merse f. 'Mastkorb, Schiffs¬
Marmel f./m., auch Murmel /. 'Spielkugef. mast’, mndl. merse f. 'Ware, Warenkorb, Korb’.
Mhd. marmel f, ahd. mannul, murmul f. sind Möglicherweise aus 1. merces PI. 'Kaufwaren’.
Eindeutschungen von Marmor (s. d.). Während S. Markt (+). - Kluge (1911), 569f.
die Bezeichnung für den Stein als Marmor er¬ Marsch1 m. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
neuert wird, hält sich die alte Form als Bezeich¬ deutendem frz. marche, das ursprünglich 'Gang,
nung für das Spielgerät (mit zahlreichen laut¬ Tritt’ bedeutet. Ebenso marschieren (aus frz.
lichen Variationen). marcher), das aber länger mit -ch- geschrieben
E. Kuhn in: Aufsätze zur Sprach- und Literaturge¬ wird. Desgleichen der Zuruf Marsch! aus dem
schichte, FS W. Braune (Dortmund 1920), 352 — 355; frz. Imperativ marche (früher eingedeutscht
Lasch (1928), 160; W. Mohr in: FS Trier (1964),
Marchiret).
47-68.
Jones (1976), 417f.
Marmelade /. 'Aufstrich aus eingekochten
Marsch2/. 'Niederung’, nordd. In hochdeut¬
Früchten’. Im 17. Jh. entlehnt aus port. marme-
schen Texten seit dem 17. Jh.; mndd. marsch,
lada 'Quittenmus’, einer Ableitung von port.
mersch, maschffn.) mndl. maersche. Entspre¬
marmelo m. 'Honigapfel, Quitte’, dieses aus 1.
chend ae. mer(i)sc m., das die Herkunft aus
melimelum n. (dass.), aus gr. melimelon n.
*mariska- Adj. 'zum Meer gehörig’ zeigt; weiter
(dass.), zu gr. meli n. 'Honig’ und gr. melon n.
zu Meer (s. d.).
'Apfel’.
Nndl. mars, ne. mar sh. S. Meer( + ), Morast. — P. v.
Etymologisch verwandt: Mehltau, Melasse, Melisse,
Polenz NJ 79 (1956), 59-66.
Melone. - G. Schoppe ZD W15 (1914), 193; F. Kuntze
NJKA 41 (1918), 77f.; Jones (1976), 425. Marschall m. Mhd. marschalc, ahd. mar(ah)-
Marmor m. ( = ein sehr hartes Kalkgestein). scalc. Bei der Lautentwicklung zum Neuhoch¬
Im Althochdeutschen (ahd. marmul, murmel, deutschen hat wohl frz. marechal (das selbst aus
mhd. marmel) entlehnt aus gleichbedeutend 1. dem Germanischen stammt) mitgewirkt. Das
marmor n., dieses aus gr. märmaros (dass., ur¬ Wort ist zusammengesetzt aus ahd. marah-
sprünglich 'Stein, Felsblock’). Die heutige 'Pferd’ (s. Mähre) und ahd. seale 'Diener’ (s.
Form durch eine Relatinisierung im 16. Jh. Schalk)-, gemeint war der Aufseher über den
S. auch Marmel. — Luschen (1968), 2121. fürstlichen Troß. Das Wort wird nicht nur in die
romanischen Sprachen entlehnt, sondern auch
marode Adj. 'leicht krank’, reg., s. Marodeur.
übersetzt als ml. comes stabuli, was zu frz. con-
Marodeur m. 'Plünderer’, fachsprachl. Im 17. netable, ne. constable 'Polizist’ führt.
Jh. gebildet zu frz. mar ander 'plündern’, zu frz. S. Marstall, Seneschall. — R. M. Meyer ZDW
maraud 'Bettler, Lump’, dessen weitere Her¬ 12 (1910), 153-155; Jones (1976), 421 -423.
kunft nicht sicher geklärt ist. Am ehesten liegt
marschieren swV, s. Marschl.
volkssprachliches frz. marauder 'nächtliches
Herumtollen der Katzen in der Brunstzeit’ zu¬ Marstall m. 'Gestüt’, arch. Mhd. marstal. Zu¬
grunde. Das Adjektiv marode meint eigentlich sammengesetzt aus ahd. marah- 'Pferd’ (s.
'marschunfähig’ und bezieht sich auf die der Mähre) und Stall (s. d.).
Truppe folgenden Nachzügler; deren Verbre¬ Vgl. Mar schall.
chen prägen die Bedeutungen des zugehörigen Märte /. 'Kaltschale aus Milch und Brot’,
Substantivs und Verbs. md. Mhd. meräte, mer(ö)t, ahd. meräta, merde,
Morphologisch zugehörig: marodieren. merö(d), meröt. Offenbar zu dem unter mären
Marone /. 'Eßkastanie’. Im 17. Jh. entlehnt (s. d.) behandelten Verb; das Suffix -ät steht
aus gleichbedeutend frz. marron m., dieses aus aber unter dem Verdacht romanischer Entleh-
Marter 464 Maskottchen

nung, so daß die Einzelheiten offen bleiben Kästchens) oder über das Maß (Münzwert —
müssen. Kornmaß — Füllgewicht — gewogene Masse).
Marter/. Mhd. marter(e), martel'Blutzeug¬ Als Herkunft des Wortes kann südarab.
nis’ neben mhd. marterare, martelare m. 'Mär¬ mathauban vermutet werden, das 'sitzender Kö¬
tyrer’, ahd. martyra, martira, mart(e)re neben nig’ bedeutet und eine byzantinische Münze
ahd. martiräri m. Entlehnt 1. (christlich) marty- mit dem thronenden Christus bezeichnet haben
rium n. und 1. martyr m. Dieses aus gr. märtyr könnte.
m. 'Zeuge’ (zu *mer- 'erinnern’), kirchlich 'Blut¬ A. Kluyver ZDW 6(1904/5), 59-68; H. Fincke ZUL
53(1927), 100-126; 56(1928), 335-340.
zeuge’ und davon abgeleitet gr. martyrion n.
'Blutzeugnis’. Das abgeleitete Verb martern, Masche1/. 'Schlinge’. Mhd. masche, masca,
mhd. marter(e)n martein, ahd. mart(i)rön ist ahd. as. maska aus g. *maskwö(n) /. 'Masche,
zunächst ausschließlich religiös gemeint und Schleife, Netz’, auch in anord. mpskvi m., mp-
wird erst später verallgemeinert. skum, ae. masc, max (mit j-Umsprung). Als
S. Marterl, Memoiren. Grundwort erweist sich lit. megzti, mezgü 'kno¬
Marterl n. 'Gedenkkreuz, Gedenksäule’, ten, knüpfen, stricken’. Sonst keine Vergleichs¬
bair.-österr. Zunächst aus Tirol bekannt, be¬ möglichkeit.
zeugt seit dem 19. Jh. Das Wort bezeichnet Masche2 /. 'Lösung, Kniff’, ugs. Übernom¬
ursprünglich eine Darstellung des Leidens Chri¬ men aus wjidd. mezio 'Gewinn, Lösung’.
sti (etwa an einem Kreuzweg), dann übertragen Maschine /. (= eine Vorrichtung zur Erledi¬
auf Gedenkstätten am Ort von Unfällen (u. ä.). gung bestimmter Arbeiten). Im 17. Jh. entlehnt
Zu Marter (s. d.). aus gleichbedeutend frz. machine, dieses aus 1.
martialisch Adj. 'kriegerisch, grimmig’, son¬ mächina (dass.), 'aus gr. mechanS (dass., auch:
der sprachl. Neubildung des 16. Jhs. zu 1. Mär- 'Werkzeug, künstliche Vorrichtung, Mittel’), zu
tiälis 'zum Kriegsgott Mars gehörig’, zu 1. Mars, gr. mechos n. 'Mittel, Hilfsmittel’. Zunächst ent¬
dem Namen des Kriegsgottes. Die Bildung ent¬ lehnt als Bezeichnung für Kriegs- und Belage¬
steht in der Astronomie, die damit eine Eigen¬ rungsmaschinen.
schaft des im Sternbild des Mars Geborenen Morphologisch zugehörig: maschinell, Maschinist; ety¬
bezeichnete. mologisch verwandt: s. Mechanik. — W. Feldmann
Ersatzwort ist kriegerisch. — K..-H. Weinmann DWEB ZDW 8 (1906/07), 79; A. Rehmann: Die Geschichte
2(1963), 398. der technischen Begriffe fabrica’ und 'machina’ in den
romanischen Sprachen (Diss. Münster 1935).
Martinsgans /., sonder sprachl. Bezeugt seit
dem 16. Jh., zuerst als die am Martinstag (11. Maser/. Mhd. maser m. 'knorriger Auswuchs
November) als Zins fällige Gans, dann die am an Bäumen, gemasertes Holz’. Ahd. masar m.,
Martinstag traditionellerweise als Festbraten as. masur m., vergleichbar ist anord. mpsurr m.
verzehrte Gans. 'Ahorn’. Hierzu Masern (s. d.). Herkunft des
Wortes und Zusammenhang mit Maßholder
Martin-Horn /?., auch Martinshorn n. 'Signal¬
(s. d.) sind ungeklärt.
horn der Polizei usw.’. Benannt nach der Her¬
stellerfirma Martin. Masern PI. 'Kinderkrankheit’. Ursprünglich
Märtyrer m., s. Marter. niederdeutsches Wort (mndd. mas(s)ele, mase-
len, mndl. maser, masel bezeugt seit dem 16. Jh.
Martyrium n., s. Marter.
[vgl. mhd. masel(e), ahd. masala 'Blutge¬
März m. (= der 3. Monat des Jahres). Mhd. schwulst’]), ist dann aber offenbar an Maser
merze, ahd. marzeo, merzo, mndd. merte. Ent¬ (s. d.) angeglichen worden.
lehnt aus 1. (mensem) märtium nach dem
Maske/. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Kriegsgott Mars. Der März war im römischen
tendem frz. masque, das auf ml. masca zu¬
Jahr der erste Monat des Jahres.
rückgeht. Dieses scheint auf arab. mashara
Marzipan n./(m.). Älter Marzapan. Im 16. 'Scherz, Maskerade, Gesichtsmaske’ zurückzu¬
Jh. entlehnt aus it. marzapane m. (dass.). Dies gehen. Aus der volleren Form it. maschera
bedeutet regional (sizilianisch, neapolitanisch, stammen Mundartwörter wie bair. maskara, aus
auch provenzalisch) 'Schachtel’, latinisiert mas- der span. Form mascarada unser Maskerade
sapanum n. 'Schmuckkästchen, Reliquien¬ (17. Jh.).
schrein’; der Zusammenhang ist durch die
Dazu auch maskieren. — Littmann (1924), 100; Lo-
Überlieferung gegeben, da Marzipanteig in kotsch (1975), 114; Jones (1976), 427f.
Holzschachteln aufbewahrt und exportiert
Maskerade /. 'Verkleidung’, s. Maske.
wurde. Schließlich bezeichnete das Wort auch
ein Korngewicht und eine Münze. Die Bedeu¬ maskieren swV. 'verkleiden’, s. Maske.
tungsübertragung geht entweder über das Bild Maskottchen n. 'Glückbringer’. Im 20. Jh.
(Münze — Schmuckkästchen — Inhalt des entlehnt aus gleichbedeutend frz. mascotte /.,
maskulin 465 Mast

dieses aus prov. mascotto (dass.), der weiblichen suffix“, das Vorderglied ist unklar. Solange der
Movierung zu prov. mascot 'kleiner Zauberer’ Zusammenhang mit dem nordischen Wort nicht
einem Diminutivum zu prov. masco 'Zauberin’. ausreichend geklärt ist, hat es wenig Sinn, einen
Die weitere Herkunft ist nicht sicher geklärt. etymologischen Anschluß zu versuchen.
maskulin Adj. 'männlich’. Entlehnt aus S. auch Maser. — H. Brockmann-Jerosch: Surampfele
gleichbedeutend 1. masculmus, zu 1. masculus und Surchrut (Zürich 1921), 25; W. Mitzka: Der Ahorn
(Gießen 1950), 27f.
(dass.), zu 1. mäs (dass.).
Morphologisch zugehörig: Maskulinum; etymologisch massieren1 swV. 'den Körper kneten und
verwandt: [Macho, Machismoj. klopfen’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
tend frz. masser, bei dem nicht sicher geklärt
Masochismus m. 'Befriedigung durch Erlei¬
ist, ob es zu den Vorstufen von massieren2 ge¬
den von Mißhandlungen (durch andere)’, fach-
hört oder arabischen Ursprungs ist.
sprachl. Im 19. Jh. gebildet zum Eigennamen
Morphologisch zugehörig: Massage, Masseur. — Litt-
von Sacher-Masoch, einem österreichischen
mann (1924), 100, 102; Lokotsch (1975), 114.
Schriftsteller.
Morphologisch zugehörig: Masochist.
massieren2 swV. '(Truppen) an einem Ort zu¬
sammenziehen, konzentrieren’, s. Masse, mas¬
Maß n. Spätmittelhochdeutsch entstanden
sieren1 .
aus einer Vermischung von mhd. mäze f. und
mäßig Adj. Mhd. merzee, mcezic, ahd. mäztg,
mez n. Das Femininum ist noch erhalten in bair.
mäzzlch, erweitert aus dem Adjektiv der Mög¬
Maß f. 'Liter Bier’; hochsprachlich in dermaßen,
lichkeit, das vorliegt in anord. meetr, ae. mäte,
dial. maßen, das verkürzt ist aus inmaßen. In
ahd. un-mäzi zu messen (s. d.).
ursprünglich genetivischen Fügungen wie eini¬
ger Maßen ist das Femininum zunächst zusam¬ -mäßig Suffixoid. Mhd. -meezee, erweitert aus
mengewachsen (einigermaßen) und dann zu ahd. Bildungen auf -mäzi, die auf Komposita
einem Suffixoid geworden. mit mäz (s. Maß) + Kompositionssuffix -ja-
S. -mäßig, maßregeln, messen (+). — Behaghel (1923/ zurückgehen (x-mäzi 'das Maß, die Größe von
32), 111,205-208; H. Rückert: 'Mäze'und ihre Wortfa¬ x habend’).
milie in der deutschen Literatur bis um 1220 (Göppingen G. Inghult: Die semantische Struktur desubstantivischer
1975). Bildungen auf '-mäßig’ (Stockholm 1975).

Massage /., s. massieren1. massiv Adj. Entlehnt aus frz. massif 'dicht,
gediegen’ zu 1. mässa (s. Masse).
Massaker n. 'Massenvemichtung’. Im 17. Jh.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 79.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. massacre m.
(älter: 'Schlächterei’), einer postverbalen Ablei¬ Maßliebchen n. 'Gänseblümchen’, reg. Im 15.
tung von afrz. machacrer, macecrer 'hinschlach¬ Jh. übertragen aus mndl. matelieve gleicher Be¬
ten’, zu *mache-col 'Schlächter, (wörtlich: deutung. Dies scheint im Vorderglied das ger¬
schlag den Hals)’. manische Wort für 'Essen, Speise’ zu enthalten
Morphologisch zugehörig: massakrieren. — Jones (s. Messer), so daß das Wort 'Eßliebe, Eßlust’
(1976), 429. bedeutet haben könnte (die Blume galt als appe¬
titanregend, vgl. friaul. buinatsena 'gute Mahl¬
Masse/. Mhd. masse, spahd. massa. Entlehnt
zeit’ als entsprechender Name). Eine Umdeu-
aus 1. mässa 'Teig, Klumpen’, das seinerseits auf
tung aus ma(a)gdelief 'der (heiligen) Jungfrau
gr. mäza 'Brotteig’ (zu gr. mässein 'kneten’)
lieb’ ist aber nicht ausgeschlossen (vgl. nndl.
zurückgeht.
marienblompje).
S. auch Massel2, massieren2, Schlamassel.
P. Lessiak ZDA 53 (1912), 175; ADA 37 (1917), 64; R.
Massel1 m. 'unverdientes Glück’, ugs. Aus Loewe BGDSL 61 (1937), 236-241; Marzell (1943/
wjidd. massel aus hebr. mazzälot PL 'Geschick’, 79), 545-548; H. J. W. Kroes GRM 36 (1955), 79.
älter 'Sternbilder’. maßregeln swV. Erst seit dem 19. Jh. zu älte¬
Massel2 /. 'gegossenes Metallstück’, fach- rem Maßregel /., eigentlich 'Festsetzung des
sprachl. Entlehnt aus it. massello m., Diminutiv Maßes’, daher 'Richtlinie, Anordnung’. Zu
Maß und Regel (s. d.).
zu it. massa (s. Masse).
Mast1 m. 'Segelbaum’. Mhd. ahd. mndd.
maßen Konj., s. Maß.
mast(böm), mndl. mast aus g. *masta- m. 'Se¬
Masseur m., s. massierenL gelstange’, auch in anord. mastr, ae. mcest. Der
Maßholder m. 'Feldahorn’, arch., reg. Mhd. Vergleich mit 1. mälus 'Stange, Mast’ führt auf
mazalter, ahd. mazzo/tar, mazzaltra; ferner mit eine Grundform *mazdo-, an die auch air. mä-
Dissimilierung as. ae. mapulder. Anklingend tän 'Keule’ und akslav. mostü 'Brücke’ ('Knüp¬
anord. mgsurr 'Ahorn’, doch lautlich nicht ver¬ peldamm’) angeschlossen werden können. Wei¬
einbar. Der letzte Bestandteil ist offenbar das tere Herkunft unklar.
unter Holunder behandelte „Baumnamen¬ Nndl. ne. nschw. mast, nisl. mastur.
Mast 466 Matrose

Mast2/. 'Fütterung’. Mhd. ahd. mast aus wg. rung der ursprünglich allgemeineren Bedeutung
*mastö f. 'Mast’, auch in ae. mast 'Eicheln, 'Wissenschaft’ auf eine bestimmte Disziplin vor.
Schweinefutter’. Dieses kann zurückgeführt Zum Etymon s. munter. — Schirmer (1912), 44f.
werden auf ig. *madz-d-, d. h. dem Wort für Matinee /. 'Vormittagsveranstaltung’. Im 19.
'Essen, Speise’, das unter Messer dargestellt ist Jh. entlehnt aus frz. matinee '(Spät)Vormittag,
und einem faktitiven -4-, das die Schwundstufe Vormittagsveranstaltung’, zu frz. matin m.
der Wurzel *dö- 'geben’ sein kann, also 'Nah¬ 'Morgen’, aus 1. mätütinum (ternpus) n. (dass.),
rung geben’. Eine klare Parallele findet das das mit 1. mätürus 'reif, frühzeitig’ verwandt ist.
Wort in ai. medäyati 'macht fett’, ai. medana- Etymologisch verwandt: Matura, Mette.
n. 'Mästung’; vielleicht auch in khotan. mays- Matjeshering m. Im 18. Jh. entlehnt aus nndl.
dara-, gr. mazös m. 'Mutterbrust’ (als 'Nahrung maatjesharing, dieses aus mndl. medykens-,
gebende’?). meeckenshering, also eigentlich 'Mädchen-,
Nndl. ne. mast. S. Mastdarm, Messer ( + ), Mettwurst, Jungfern-Hering’. So wurde der noch nicht voll
Mus (+). ausgewachsene Fisch (der weder Rogen noch
Mastdarm m., fachsprachl. Spmhd. mas(t)- Milch enthält) genannt, das ausgewachsene Tier
darm, umgebildet aus mhd. ahd. arsdarm (aus hieß gegebenenfalls Vull-hering. Zum Bestim¬
Arsch und Darm, s. d.). Die Umbildung ist wohl mungswort s. Mädchen ( + ).
rein lautlich zu erklären: Zum Anlaut vgl. etwa Matratze /. 'Polsterunterlage’. Im Mittel¬
wjidd. morsch 'Arsch’ (etwa aus Wendungen hochdeutschen (mhd. mat[e]raz, matreiz m./n./
wie im/am Arsch falsch abgelöst), der Ausfall ff?]) entlehnt aus afrz. materas (dass.), aus it.
des r kann auf Erleichterung der schweren Kon¬ materasso m. (dass.), aus arab. matrah 'Kissen
sonanz beruhen, das t der späteren Form beruht oder Teppich, auf dem man schläft’.
sicher auf Verdeutlichung. Ein sekundärer An¬ Littmann (1924), 88f.; Lokotsch (1975), 115.
schluß an maz 'Essen’ (s. Messer) und Mast2 Mätresse /. 'Geliebte eines Fürsten’, sonder-
wird dadurch nicht ausgeschlossen. sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Matador m. 'Stierkämpfer, Hauptperson’, frz. maitresse (wörtlich: 'Gebieterin, Meiste¬
sonder sprach!. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ rin’), der movierten Form von frz. maitre m.
deutend span, matador, zu span, matar 'töten’, 'Gebieter, Herr, Meister’, aus 1. magister m.
aus 1. mactäre 'schlachten, opfern, morden’. 'Vorgesetzter, Lehrmeister’.
Match n. 'Wettkampfspief. Im 20. Jh. ent¬ Etymologisch verwandt: s. Magnat. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 79; Jones (1976), 409.
lehnt aus gleichbedeutend ne. match, einer Sub¬
stantivierung von e. match 'abgleichen, vereini¬ Matriarchat n. 'Gesellschaftsordnung mit
gen, gleich stark sein’, zu e. match 'Teil eines Dominanz der Frau’. Nachbildung zu Patriar¬
Paares, Gleichartiges’, aus ae. gemcecca f-lm. chat (s. Patriarch). Zum Bestimmungswort s.
'Gemahl(in), Teil eines Paares, Gleichaltriger Mutter.
(usw.)’. Die Bedeutung 'Wettkampfspief ergibt Matrikel /. 'öffentliches Verzeichnis’, fach¬
sich aus 'messen, ob die Kräfte gleich sind’. sprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Zum Etymon s. machen. 1. mätricula, einem Diminutivum zu 1. mätrlx
(-Tcis) (dass., wörtlich: 'Stamm-Mutter, Gebär¬
Material n., s. Materie.
mutter’), zu 1. mäter 'Mutter’. Die Bedeutung
Materie /. 'Stoff, Bestandteil, Gegenstand’. 'Verzeichnis’ zunächst als 'Verzeichnis der Zu¬
Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ sammengehörigkeit (d. h. übertragen: mit der¬
deutend 1. mäteria, zu 1. mäter 'Quelle einer selben Mutter)’.
Sache, Ursprung, Mutter’. Morphologisch zugehörig: exmatrikulieren (usw.), im¬
Morphologisch zugehörig: Material, Materialisation, matrikulieren (usw.), Matrix, Matrize, Matrone-, zum
Materialismus, Materialist, Materie, materiell. — W. Etymon s. Mutter. - A. Götze ZDW 12 (1910), 212.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 80; G. Schoppe ZDW Matrix /. 'Grundsubstanz, Kleinschicht,
15 (1914), 193; W. Krauss WZUH 19 (1970), 85f. Schema’, s. Matrikel.
materiell Adj., s. Materie. Matrize /. 'Formvorlage’. Als Ausdruck der
Mathematik /. 'Lehre von den Zahlen’. Im Druckersprache entlehnt aus frz. matrice, das
15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (ars) in dieser Bedeutung aus dem Wort für 'Gebär-
mathematica, dieses aus gr. mathematike muttbr’ (s. Matrikel) übertragen ist.
(techne), zu gr. mathematikös 'die Mathematik Matrone /. 'ältere, würdevolle Frau’, s. Ma-
betreffend, lernbegierig’, zu gr. mäthema n. 'das ' trikel.
Gelernte, Kenntnis, Wissenschaft, (Plural:) Ma¬ Matrose m. 'Seemann’. Im 17. Jh. entlehnt
thematik’, zu gr. manthänein 'lernen, erfahren, aus gleichbedeutend nndl. matroos, dieses aus
verstehen’. Es liegt demnach eine Spezialisie¬ frz. matelots, dem Plural von frz. matelot 'See-
Matsch 467 Maul

mann’, das möglicherweise auf mndl. mattenot Matze1/, meist PI. 'ungesäuertes Passahbrot
'Mattengenosse, Schlafgenosse’ zurückgeht. der Juden’, fachsprachlich. Bezeugt seit dem 15.
G. Baist ^£>^4 (1903), 274-276; Kluge (1911), 574f. Jh. Übernommen aus wjidd. ma(t)zo, das
Miatsch m. Bezeugt seit dem 18. Jh. zu mat¬ aus hebr. massä(h) 'ungesäuerte Brotfladen’
schen 'mischen, sudeln’, einer Variante von stammt.
mantschen (s. d.). Entsprechend auch Mantsch Matze2/. 'Bodenbelag’, s. Matte'.
für 'Schneewasser u. ä.\
mau Adj., ugs. In Wendungen wie mir ist
matt Adj. Mhd. mat. Die Bedeutung 'kraftlos’ mau. Seit dem 19. Jh. in Berlin bezeugt mit der
ungefähr seit dem 13. Jh.; sie ist gegenüber Bedeutung 'unwohl’, dann auch 'dürftig’. Wohl
dem Terminus des Schachspiels sekundär. Der eine Wortfabrikation, man denkt an eine Kreu¬
Ausdruck ist zunächst als mhd. schach unde mat zung aus matt und flau.
entlehnt aus frz. echec et mat, dieses aus span. maucheln swV, s. Meuchel- und mogeln.
jaque y mate. Der arab. Ausdruck as-säh mät
mauen swV. 'miauen’. Mhd. mäwen. Laut¬
kann gedeutet werden als 'der König ist ge¬
nachahmung.
storben’.
S. maunzen, miauen, Mieze, Möwe.
Littmann (1924), 115; Lokotsch (1975), 115.
Mauer /. Mhd. mür(e), ahd. as. müra. Wie
Matte1 /. 'Bodenbelag’. Mhd. matte, matze,
ae. mür m. und anord. murr m. entlehnt aus 1.
ahd. matta, mndd. mndl. matte. Wie ae. matt,
mürus m. Die Mauer ist mit dem Steinbau von
meatt entlehnt aus ml. matta, das seinerseits ein
den Römern zu den Germanen gekommen. Ihre
phönikisch-punisches Lehnwort ist (vgl. hebr.
Entsprechung war die geflochtene und lehmver¬
mitthä(h) 'Lager’, vor allem aus Binsen, Stroh
schmierte Wand (s. d.). Von dem Wort Wand ist
o. ä.). Offenbar schon vor der Lautverschie¬
dann auch das Genus auf Mauer übertragen
bung entlehnt ist obrhein. Matze, das aber erst
worden. Aus der gleichen Wurzel (*mei-/moi-
seit spätmittelhochdeutscher Zeit bezeugt ist.
'befestigen’) auch 1. moenia n. 'Mauer’, das un¬
S. Hängematte.
ter Munition erwähnt ist.
Matte2/. 'Bergwiese’, alem., auch arch. Mhd. S. Mauerblümchen, mauern.
matte, ahd. in matoscreg(h) 'Heuschrecke’, as.
Mauerblümchen n. 'unscheinbares Mädchen’,
matte aus wg. *madwö f 'Wiese (zum Mähen)’,
allgemein 'etwas Unscheinbares’. Ursprünglich
daneben mit Vokallänge ae. mäd, mädwe, afr.
von einem Mädchen, das beim Tanzen nicht
mede. Instrumentalableitung zu mähen (s. d.),
aufgefordert wurde, und das beim Tanzen an
so daß sich als Grundbedeutung ergibt 'Wiese,
der Wand saß wie ein vereinzeltes Blümchen
die gemäht wird’ (gegenüber der Wiese, die nur
auf einer Mauer.
abgeweidet wird’).
Maueresel m., s. Assel.
Nndl. (vloer)mat, ne. meadow. S. Mahd, mähen ( + ).
— E. Müller Teuthonista 7 (1930/31), 162—267, beson¬ mauern swV. 'beim Kartenspielen zurückhal¬
ders 174-177. tend sein’. Kann eine einfache Übertragung von
Matte3 / 'geronnene Milch, Quark’, wmd.; mauern 'eine (Abwehr) Mauer aufbauen’ sein,
auch Matz /., omd. Mit Rücksicht auf gleichbe¬ doch hat vielleicht rotw. maure 'Furcht’ (aus
deutendes frz. maton, katal. matö 'Quark’ ist an hebr. möra" 'Furcht’) mit eine Rolle gespielt.
1. matta 'Matte’ als Ausgangspunkt zu denken. S. Mauer ( + ). - Lasch (1928), 174.
Denkbar ist, daß das Tuch, in das der Quark maugeln swV, s. Meuchel- und mogeln.
zum Abtropfen geschüttet wurde, so hieß, und Mauke / 'Fußkrankheit der Pferde’, fach-
dann der Name vom Behälter auf den Inhalt sprachl. Übernommen aus mndd. muke\ die
verschoben wurde (so Kretschmer s. u.). hochdeutsche Form ist mhd. müche, noch in
Kretschmer (1969), 561 f. bair. Mauche. Vielleicht zu schwz. mauch
Matura/ 'Abitur’, österr., schwz. Neubildung 'morsch, matt, weich’ (vgl. gt. mükamodei
des 20. Jhs. zu 1. mätürus 'reif’. 'Sanftmut’). Sonst unklar.
Morphologisch zugehörig; Maturand, Maturant, Ma¬ Eichler (1965), 83f.; Kretschmer (1969), 384.
turität, Maturitätsexamen, Maturum; etymologisch
Maul n. Mhd. müle /., mül(e) n., ahd. müla
verwandt: s. Matinee. Ersatzwort ist Reifeprüfung.
/., mndd. mndl. mül n., mule f. aus g. *mü-
Matz1/. 'Quark’, s. Matte1 und Matte3. la-/ö(n) rnfffn. 'Mund, Maul’, auch in anord.
Matz2 m. ( = Kosewort, vgl. etwa Hosen¬ müli m., afr. müla m., gt. in faurmüljan 'das
matz), ugs. Ursprünglich Koseform des Namens Maul verbinden’. Entsprechende außergerma¬
Matthias (Mathes), dann in appellativischen nische Bildungen sind gr. myllon n. 'Lippe’ und
Gebrauch übergegangen. Häufig auch Rufname weiter entfernt lett. smaule 'Mauf. Die Laut¬
zahmer Vögel; daher wohl Mätzchen 'Narren¬ folge mu- ist eine Lautgebärde für die zusam¬
possen’ (für die Possen solcher Tiere). mengepreßten Lippen und von daher für ver-
Maulaffe 468 mausetot

schiedene Zustände und Tätigkeiten, für die ae. müwa, müha, müga 'Hügel, Haufen’ ent¬
diese eine Ausdrucksgebärde sind, vgl. etwa spricht. Dann eine Umdeutung zu mhd.
mucken, muffeln, auch schmollen und schmie¬ molt(e), ahd. molta 'Staub, Erde’, also 'Erdwer¬
ren2 u. ä. Hierzu offenbar auch die Wörter für fer’. Der Zusammenhang der neuhochdeut¬
'Lippe’ und 'Maul’. schen Form mit dem spät bezeugten Simplex
Nndl. muH, nschw. mule. — Zu Belegen von Mäulchen mndd. mul, mol, nndl. fr. mol, me. mol(l)e und
mit der Bedeutung 'Kuß’ vgl.: H. Gürtler ZDW sogar ml. mulus ist unklar.
11 (1909), 197. Teuchert (1944), 334 — 339.
Maulaffe m. Heute nur noch in Maulaffen maunzen swV. 'klägliche Laute von sich ge¬
feil halten 'gaffen’. Seit dem 17. Jh. wie mhd. ben’. Bezeugt seit dem 16. Jh. Nasalierung zu
tören veile vüeren, denn Maulaffe ist frühneu¬ mauzen, das seinerseits eine Erweiterung zu
hochdeutsch ein Gaffer (15. Jh.), 'einer, der mit mauen (s. d.), miauen ist. Das Wort wurde also
offenem Maul dasteht und gafft’; vermutlich zunächst in bezug auf Katzen gebraucht.
eine Nachdeutung eines älteren Wortes, das wie H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 179-181.
gleichbedeutendes Gähnaffe einen kopfförmi¬
Maus /. Mhd. ahd. as. müs aus g. *müs-f.
gen Kienspanhalter bezeichnet. Dazu feil halten
im Sinne von 'darbieten, zur Schau stellen’. 'Maus’, auch in anord. müs, ae. afr. müs. Aus
ig. *müs- 'Maus’, auch in ai. müh m./f, müsa-
Maulbeere/. Mhd. mülber, das dissimiliert ist
m., akslav. mysi, gr. mys m., 1. müs m. Weitere
aus mhd. in mürboum, ahd. mürberi, mörber(i),
Herkunft umstritten. Ansprechend ist eine Her¬
mndl. moerbeye. Wie ae. mörberige entlehnt aus
leitung aus *mus- 'stehlen’ in ai. musnad
1. mörum n. 'Maulbeere, Brombeere’, das ver¬
'stiehlt’ und vielleicht ahd. chreo-mosido 'Lei¬
mutlich aus gr. mbron n. gleicher Bedeutung
chenberaubung’. Zu beachten ist aber die alte
stammt.
Nebenbedeutung 'Muskel’ in ahd. mhd. ae. müs
Hoops (1911/19), III, 240f.
'Muskel am Daumenballen’, gr. mys m., 1. müs-
Maulesel m., Maultier n. Mhd. mülesel, mül culus m. 'Muskel’. Sie kann auf einer Übertra¬
(-der), verdeutlichende Zusammensetzung aus gung des Tiernamens beruhen oder als 'das
mhd. mül m./n., ahd. mül m., das wie ae. mül sich bewegende’ auf die gleiche Grundlage zu¬
und anord. müll entlehnt ist aus 1. mülus m.
rückgehen. In diesem Fall wäre von ig. *meud-
'Maultier’.
'schieben, bewegen’ (1. movere usw.) auszuge¬
Maulkorb m. Bezeugt seit dem 16. Jh., zu¬ hen. Eine Entscheidung ist vorläufig nicht mög¬
nächst als Futtersack für Pferde, dann als Be¬ lich.
hinderung für bissige Tiere. S. Misel, Murmeltier, Muschel, Muskel.
Maulschelle /. 'Ohrfeige’, arch., reg. Eigent¬ Mausaar m., s. Aar.
lich ‘schallender Schlag auf den Mund zu dem
mauscheln swV. 'reden wie ein Jude’, ugs.
starken Verb mhd. schellen, ahd. scellen (s.
Bezeugt seit dem 17. Jh. Abgeleitet von Man¬
Schall). Bezeugt seit dem 16. Jh.
sche, der jiddischen Form des biblischen Na¬
S. Schelle ( + ).
mens Mose (mösäfh]), die als Übername der
Maultasche /. Bezeugt seit dem 16. Jh. für
Handelsjuden gebraucht wurde (auch Mau-
'Ohrfeige’ (wohl zu tatschen, tatschen 'schla¬
schel), ebenfalls seit dem 17. Jh. bezeugt.
gen’); später für ein Gericht aus gefüllten Teig¬
Wolf (1985), 212.
waren, besonders schwäbisch. Die Bezeichnung
für die Speise kann aus der Bedeutung 'Ohr¬ mausen swV, ugs., reg. Mhd. müsen. Ur¬
feige’ kommen, da solche Wörter auch sonst sprünglich 'Mäuse fangen’ (von der Katze und
sekundär für Gebäcke u. ä. verwendet werden anderen Tieren), dann übertragen auf anderes
(das Benennungsmotiv ist wohl 'aufgeschwol¬ Fangen, und schließlich vulgäres Wort für
len’). Denkbar ist aber auch, daß etwa an die 'stehlen’.
gefüllten Taschen des Hamsters o. ä. gedacht Mauser /. 'Federwechsel der Vögel’, fach-
wurde; in diesem Fall wären die beiden Wörter sprachl. Mhd. müze, in Zusammensetzungen
ursprungsverschieden. auch müzer (woher das -r- kommt, ist unge¬
Maultier n., s. Maulesel. klärt). Ahd. nur müzön swV. 'mausern’. Ent¬
lehnt aus I. mütäre 'tauschen’, das im gleichen
Maulwurf m. Mhd. mülwurf mü(l)werf
(neben anderen Formen), ahd. mü(l)werf technischen Sinn gebraucht werden kann. Vgl.
frz. muer 'mausern’.
(u. a.), as. moldwerp. Das Wort erscheint in
zahlreichen Umgestaltungen, so daß die frühe¬ S. Mutterkrebs. - P. Wiesinger BEDS 6 (1986), 115f.

ste Form nicht mit Sicherheit festgestellt werden mausetot Adj., ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh.
kann. Vermutlich ist der Ausgangspunkt 'Hau¬ Vermutlich umgebildet aus ndd. mursdot zu
fenwerfer’ mit einem Wort im Vorderglied, das murs, mors 'gänzlich’.
mausig 469 Medizin

mausig Adj., ugs. Nur in sich mausig machen aus gr. mechanikö (techne) (dass.), zu gr. me¬
'übermütig oder vorlaut sein’. Bezeugt seit dem diane 'künstliche Vorrichtung, Werkzeug, Ma¬
16. Jh. Vermutlich ein Falkner-Ausdruck für schine’, zu gr. mechos n. 'Mittel, Hilfsmittel’.
einen Greifvögel, der die Mauser hinter sich Morphologisch zugehörig: Mechanismus, Mechanist',
hatte und deshalb als angriffslustig galt. Das etymologisch verwandt: Maschine. — K.-H. Wein¬
Wort ist aber fast nur in der übertragenen Be¬ mann DWEB 2 (1963), 398.
deutung belegt. Mechanismus m., s. Mechanik.
Mausoleum n. 'prächtiges Grabmal’, fach- meckern swV. Bezeugt seit dem 17. Jh., früher
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend mecken und meckatzen als lautnachahmende
1. Mausoleum, dieses aus gr. Maus(s) Öleion Bezeichnung des Ziegenlautes. Entsprechend
(dass.), zum Eigennamen gr. Maüs(s)ölos. Zu¬ mhd. mecke als Spottname des Ziegenbocks.
nächst Bezeichnung des prächtigen Grabmahls, Entsprechende Lautnachahmungen sind gr. me-
das die Witwe des Königs Mausolos ihrem ver¬ käomai, 1. miccire und als Substantive gr. mekäs
storbenen Gatten errichten ließ. 'meckernd, Ziege’ und ai. mekä- 'Bock’.
Littmann (1924), 23. S. auch Heckmeck. — H. Glombik-Hujer DWEB
Maut /. 'Zoll’, bair.-öster. Mhd. (bair.) maut, 5 (1968), 187f.
ahd. (bair.) müta. Zugrunde hegt g. *möta f. Medaille f. 'Auszeichnung in Form einer
'Abgabe, Entschädigung für Durchfahrt und Münze’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Hilfe’ in gt. mota 'Zoll’, ae. (nordh.) möt tend frz. medaille, dieses aus it. medaglia, aus
'Steuer’, spmhd. (bair.) muoze 'Mahllohn des spl. *metallia (moneta) 'metallene Münze’, zu
Müllers’, dessen genaue Herkunft unklar ist 1. metallum n. 'Metall’, aus gr. metallon n.
(wohl zu Muße und müssen [s. d.] als 'Zuteilung, (dass.). Bei Medaillon handelt es sich um eine
Gewährung’). Vermutlich ist das gotische Wort Augmentativbildung zu it. medaglia.
in späterer Form *müta Grundlage für die Ent¬ Morphologisch zugehörig: Medailleur, Medaillon', ety¬
lehnung von anord. müta 'Bestechungsgeld’, mologisch verwandt: Metall. — G. Schoppe ZDW
akslav. myto n. 'Lohn, Geschenk’, sloven. mito 15 (1914), 193f.; Jones (1976), 431.
n. 'Bestechungsgeld’, ebenso ahd. (bair.) müta, Medaillon n. 'ovales Bildnis, Kapsel einer
das dann aber die Bedeutung 'Zoll’ übernimmt Kette’, s. Medaille.
und diese an akslav. mytari m. 'Zöllner’, cech.
Media /. 'Mittellaut zwischen Tenuis und
myto 'Zoll’, sloven. muta 'Maut’, friaul. müde
Aspirata’, s. Medium.
'Maut’ weitergibt.
P. Wiesinger in: Beumann/Schröder (1985), 153 — 200;
Medien PL 'Information vermittelnde Ein¬
P. Wiesinger BEDS 6 (1986), 108-125. richtingen’, s. Medium.

mauzen swV., s. maunzen. Medikament n. 'Heilmittel’. Im 15. Jh. ent¬


lehnt aus gleichbedeutend 1. medicämentum, zu
maxi- Präfix, s. Maximum.
1. medicärt 'heilen’, zu 1. medicus m. 'Arzt’, zu 1.
Maxime /. 'Lehre, Motto’, s. Maximum. me den 'heilen, helfen’, das mit 1. metiri 'messen’
Maximum n. 'Höchstmaß’. Im 18. Jh. ent¬ verwandt ist.
lehnt aus gleichbedeutend 1. mäximum, dem Morphologisch zugehörig: medikamentös, Medikation,
Superlativ von 1. mägnus 'groß’. Bei der Maxime Medikus', etymologisch verwandt: s. Dimension.
handelt es sich um eine Kürzung aus ml. ma- meditieren swV. 'sinnen, sich konzentrieren’,
xima sententia 'oberster Grundsatz . sonder sprachl. Im 14. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: maxi-, maximal', etymolo¬ deutend 1. meditäri, das mit 1. metiri 'messen’
gisch verwandt: s. Magnat.
verwandt ist.
Mayonnaise /. 'Gewürzsoße’. Im 19. Jh. ent¬ Morphologisch zugehörig: Meditation, meditativ, ety¬
lehnt aus gleichbedeutend frz. mayonnaise, aus mologisch verwandt: s. Dimension.
frz. mahonnaise, dem französischen Adjektiv zu
Medium n. 'Vermittler, vermittelndes Element
Port Mahon, dem Namen einer Stadt auf Me¬ usw.’, sonder sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
norca. Die Bezeichnungsgeschichte ist nicht gleichbedeutend 1. medium, einer Substantivie¬
vollständig geklärt. rung von 1. medius 'in der Mitte von, vermit¬
Mäzen m. 'Förderer’, sondersprachl. Im 16. telnd (usw.)’.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Maecenäs, Morphologisch zugehörig: Media, medial, median, Me¬
nach dem Namen C. Cilnius Maecenas, einem diane, Mediante, mediat, Mediation, mediatisieren; ety¬
Gönner von Gelehrten und Dichtern (so auch mologisch verwandt: Intermezzo, [Meridian], Milieu',
von Vergil und Horaz). zum Etymon s. Mitte. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
07), 80.
Mechanik /. '(Lehre von der) Bewegung der
Körper’. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. (ars) mecha- Medizin /. 'Lehre von den Krankheiten’. Im
nica 'Wissenschaft von den Maschinen’, dieses 13. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (ars)
Medley 470 mehr

medicina, zu 1. medicus m. 'Arzt’, zu 1. mederl dann Pfeifenköpfe geschnitten werden. Auf die¬
'heilen, helfen’, das mit 1. metlrl 'messen’ ver¬ ses Mineral wird ohne besonderen Grund der
wandt ist. Name Meerschaum übertragen. Ein tat. myrsen,
Etymologisch verwandt: s. Dimension. mit dem in der Krim Lithomarga benannt wird,
ist nicht Quelle des deutschen Wortes, sondern
Medley n. 'Mischung, Gemisch’, sonder-
durch die deutschkundigen Juden der Krim dar¬
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
aus entstellt.
ne. medley, dieses aus afrz. medlee (dass.), einer
H. Schuchardt ZDW 1 (1901), 361; L. v. Patrubäny
Nebenform von afrz. meslee, einer Substantivie¬
ZDW 2(1901/02), 345; A. Kluyver ZDW 7(1906),
rung von afrz. mesler 'mischen’, aus spl. *miscu-
292-296; Löschen (1968), 273.
lare (dass.), aus 1. miscere (dass.).
Meerschweinchen n. Bezeugt seit dem 17. Jh.,
Etymologisch verwandt: s. Mixtur.
in dem das Tier in Europa heimisch wurde.
Meer n. Mhd. mer, ahd. mer(i) m./n., afr. Zuvor wurde das Stachelschwein so genannt
mere aus *marja- n. neben dem Maskulinum in (frühneuhochdeutsch), noch älter ist ahd. me-
anord. marr, ae. mere, mcere m.lf.(?) und das riswin, mhd. mer(e)swm 'Delphin’. Beim Del¬
Kompositionsglied in gt. mari-saiws 'See’. Ein phin ist das Benennungsmotiv der Speck, den
fn-Stamm in gt. marei/., as. meri/., ahd. mer(i) er liefert, er ist also 'das Schwein aus dem
m./n. Wie vor allem das Lateinische (mare) Meer’; beim Stachelschwein hat wohl der
zeigt, liegt ein neutraler /-Stamm zugrunde. Die¬ Schweinigel eine Rolle gespielt — zur Unter¬
ses Paradigma ist vor allem im Germanischen scheidung nannte man es nach seiner exotischen
beseitigt worden, deshalb die Vielfalt der Folge- Herkunft Memchwein(chen). Das heute so ge¬
Paradigmen. Außer den germanischen und la¬ nannte Tier ist ebenfalls exotischer Herkunft,
teinischen Formen zeigt sich *mari n. 'See, deshalb traf die Bezeichnung auf dieses eben¬
Meer’ in air. muir m.jn.j(f.), kymr. mor, akslav. falls zu; weiteres Benennungsmotiv unklar.
morje, lit. märes f. PL, osset. mal 'tiefes, stehen¬
Meeting n. 'Treffen’, sonder spracht. Im 20. Jh.
des Gewässer’. Zu beachten ist der Unterschied
entlehnt aus gleichbedeutend ne. meeting, einer
I. -a- — kelt. -o-. Eine dehnstufige Form ist
Substantivierung von e. meet 'treffen’, dieses
unter Moor dargestellt. Das Wort wird zu *mer-
aus ae. metan (dass.).
'glänzen’ gestellt ('das Glänzende’), doch ist
Ganz (1957), 140f.
diese Annahme unverbindlich.
Nndl. meer, ne. mere, nschw. mar-, S. Maar, Mehl n. Mhd. mel (-wes), ahd. mel(o), as.
Marine (+), Marsch2, Moor. — A. Nehring in: FS melo aus g. *melwa- n. 'Mehl’, auch in anord.
Schröder (1959), 122-138. mjpl, ae. melu, afr. mele. Ableitung aus der
Meerbusen m., s. Busen. unter mahlen (s. d.) behandelten Wurzel *mel-
'zerreiben, mahlen’. Die Bedeutung 'Mehl’
Meerhand /., s. Meerschaum.
haben auch andere Ableitungen aus dieser Wur¬
Meerkatze /. 'langgeschwänzter Affe’. Mhd. zel, nämlich alb. miell, kymr. blawd, lit. miltai
mer(e)katze, ahd. mer(i)kazza, mndd. mer- m. PI.
katte, mndl. meercatte. Offenbar als 'übers Nndl. meel, ne. meal, nschw. nisl. mjöl. S. auch Melde.
Meer gekommene Katze’ aufgefaßt; doch liegt
Mehltau m. (= eine Pflanzenkrankheit), fach-
die Bezeichnung so wenig nahe, daß ein Vorbild
sprachl. Mhd. miltou n., ahd. militou n., as.
wie ai. markäta- m. 'Affe’ zu vermuten ist (es
milidou n., vgk.ae. mel(e)deaw 'Nektar’. Da das
läßt sich allerdings keine Verbindungslinie
altenglische Wort, das 'Nektar, Honig’ bedeu¬
wahrscheinlich machen).
tet, kaum unabhängig von dem deutschen Wort
Meerrettich m. Mhd. merretich, ahd. mer- ist, liegt wohl eine Zusammensetzung mit dem
ratih, as. mer-redik. Lehnübersetzung von 1. ra- alten Wort für 'Honig’ vor (gt. milip n., 1. mel
phanus (mäior). Die Anknüpfung an Meer ist n. , gr. meli n„ air. mil/.), also 'Honigtau’. Das
aber schon früh erfolgt, wie die Formen auf Wort bezeichnete also wohl einen Pflanzenbe-
meri- zeigen. fall, der süß schmeckte, etwa 'Blattlaushonig’.
J. Schatz: Althochdeutsche Grammatik (Göttingen Dann wurden auch andere Arten des Pflanzen¬
1927), 84; Marzell (1943/79), I, 396-398; Steinhäuser befalls so benannt und im Falle von weißen
(1962), 37-39. Belägen das Wort auf Mehl bezogen. In der
Meerschaum m. Das Wort ist bezeugt seit Gegenwart wird eine orthographische Differen¬
dem 15. Jh. und bezeichnet nach dem Vorbild zierung von weißem Mehltau und süßem Meltau
von 1. spüma maris /., gr. lut lös ächne f. zunächst versucht.
'Alconium digitatum’ (nhd. Meerhand, Leder¬ S. Marmelade ( + ), Tau' ( + ).
koralle), weil man es für verdickten Schaum des mehr Adj. Mhd. ahd. mer, Komparativ zu
Meeres hielt. Im 18. Jh. wird aus Kleinasien viel, der entsprechende Superlativ ist meist
Lithomarga, ein Speckstein, eingeführt, aus dem (s. d.). G. *maizön, auch in gt. maiza, anord.
meiden 471 Meißel

meiri, ae. mära; das Adverb (endungslos, mit tion mit dem substantivierten Neutrum dieses
lautgesetzlichem Abfall des auslautenden Kon¬ Adjektivs (Determinativkomposita mit Adjek¬
sonanten) in ahd. me, ae. mä, nur. Die Form tiv im Vorderglied sind unüblich). Für die Zu¬
enthält das Komparativsuffix g. -iz- (mit schwa¬ sammenrückung spricht, daß noch mhd. auch
cher Flexion) zu dem unter Märchen (s. d.) dar¬ ein meiner eit gesagt werden kann. Das Adjektiv
gestellten Stamm *me- 'groß’. Entsprechende in anord. meinn, ae. man, afr. men, ahd. mein,
Komparativbildungen sind air. wo, kymr. mwy, mhd. mein(e). Entsprechend das Neutrum mit
vielleicht osk. mais und apreuß. muisieson. der Bedeutung 'Vergehen, Behinderung’ (auch
Nndl. meer, ne. more, nschw. mer(a), nisl. meir(a). S. as. men). Außergermanisch mit dem Vorderglied
meist, nimmer. vergleichbar sind Substantive mit der Bedeu¬
meiden stV. Mhd. mlden, ahd. midan, as. tung 'Tausch, Wechsel’ (vgl. das Nebeneinander
midan aus wg. *meiß-a- st V. 'meiden’, auch in von tauschen und täuschen): lit. mainas, akslav.
ae. midan, afr. formitha 'vermeiden’. Aus ig. mena /., ai. mena- 'Wechsel, Tausch’, (s. auch
*meit- 'wechseln, tauschen’, auch in 1. mütäre gemein und das dort angeführte 1. commünis).
'wechseln, weichen’, lett. mitet 'unterlassen’, Das germanische Adjektiv ist entweder ein par¬
akslav. mite 'abwechselnd’, ai. methati 'paart alleles no-Partizip oder aus dem Substantiv
durch prädikativen Gebrauch entstanden (in
sich, trifft’, in Ableitungen auch 'wechselt’ (die
diesem Fall wäre das Kompositum ursprüng¬
überwiegende Bedeutung ist allerdings 'zürnt,
lich). Weiter zu der Wurzel *mei- 'wechseln,
kommt in Streit’). Beim Partnerwechseln ist
tauschen’, zu der auch die Sippe von meiden
man nicht mehr mit dem ehemaligen Partner
(s. d.) gehört, sowie mit der Wurzelform ai.
zusammen, man meidet ihn also, daher der Be¬
mäyate 'tauscht’, lett. mit 'tauschen’.
deutungsübergang.
Nndl. meineed, nschw. mened. S. Amöbe ( + ), Eid,
S. Meineid ( + ), missen, miß- (+).
gemein (+), meiden, meinen1, Miete', Minne.
Meier m. Mhd. mei(g)er, ahd. meior, meiur,
meinen1 swV. 'äußern, der Meinung sein’.
meiger, as. meier 'Oberaufseher, Bewirtschafter,
Mhd. meinen, ahd. meinen, meinan, as. menian
Pächter eines Guts’. Entlehnt aus 1. mäiör(em).
'meinen, erwähnen, bezwecken’ aus wg. *main-ija-
Dieses ist verkürzt aus mäiör domüs 'Vorsteher
swV. 'meinen, erwähnen’, auch in ae. mänan,
der Dienerschaft eines Hauses’ (wörtlich 'der
afr. mena. Außergermanisch vergleicht sich
Größere des Hauses’). akslav. meniti 'gedenken, erwähnen’. Ableitung
S. Magnat ( + ), Major. zu dem unter Meineid und gemein dargestellten
Meile/. Mhd. mil(e), ahd. mil(l)a, mndd. Wort ig. *moino- 'Wechsel, Tausch’: meinen ist
mndl. mile. Wie ae. mil entlehnt aus 1. milk ursprünglich 'der Reihe nach, im Wechsel, seine
passuum 'tausend Doppelschritte, eine römische Meinung äußern’.
Meile (=1,5 km)’. Nndl. menen, ne. mean. S. gemein, meiden,
S. Million ( + ). Meineid( + ). - J. Trier AB 9 (1964),189 — 201; Trier
(1981), 143-147.
Meiler m., arch. Mhd. meiler, mndd. miler
'bestimmte Anzahl Holzstücke oder geschichte¬ meinen2 swV. 'lieben’, arch. Mhd. meinen. Ge¬
ter Eisenstangen’ ist offenbar (auf unbekann¬ hört vermutlich zu der unter Minne (s. d.) dar¬
tem Weg) entlehnt aus 1. miliärius 'tausend gestellten Sippe, ist aber schon früh durch mei¬
Stück’ oder einer ähnlichen Form. Erst später nen' beeinflußt worden.
zu 'Holzstoß des Köhlers’. meinethalben Adv. Mhd. von minen halben
S. Million ( + ). 'von meiner Seite aus’ (zu halbe 'Seite’, s. halb).
Dann zusammengerückt, Einschub eines -t- als
mein Fron. (= Genitiv von ich [s. d.], Posses¬
Übergangslaut und (wohl dissimilatorischer)
siv-Pronomen der 1. Person Singular). Mhd.
Schwund des zweiten -«-.
ahd. as. min aus g. *mina-, auch in gt. meins,
anord. minn, minn, ae. afr. min. Zugehörigkeits¬ Meise /. Mhd. meise, ahd. meisa, as. mesa,
bildung auf -no-, ausgehend vom Lokativsuffix mndd. mese, mndl. me(e)se, meise aus g. *mai-
ig. *-ne zu dem ursprünglich enklitischen Pro¬ sön f. 'Meise’, auch in ae. mäse, nschw. mes,
nominalstamm *-mei (auch in heth. -mi, al. erweitert in anord. meisingr m.. Herkunft un¬
klar.
mis).
Nndl. mees, ne. (tit)mouse, nschw. mes.
Nndl. mijn, ne. mine, nschw. min, nisl. minn. S. ich,
mich, mir. — Seebold (1984), 49 — 51. Meißel1 m. Mhd. meizel, ahd. meizil. Instru¬
Meineid m. Mhd. meineit, ahd. meineid, as. mentalbildung zu g. *mait-a- stV. 'schneiden,
hauen’ in gt. maitan, ahd. meizan. Entsprechend
mened. Die Fügung, die auch in anord. mein-
anord. meitill, das aber spärlich bezeugt und
eiör, ae. mänäß, afr. meneth auftritt, ist entwe¬
vielleicht dem deutschen Wort nachgebildet ist.
der eine Zusammenrückung mit dem Adjektiv
S. Ameise, Meißel2, Steinmetz. — Kluge (1926), 48.
g. *maina- 'falsch, gemein’ oder eine Komposi¬
Meißel 472 Membrane

Meißel2 'Scharpie’, fachsprachl. Mhd. leicht auch gr. blasphemeö 'ich schmähe, lästere,
meizel. Als 'Abgeschnittenes’ zu dem unter Mei¬ verleumde’, avest. mairiia- 'betrügerisch’, toch.
ßel1 behandelten Verbum ahd. meizan 'schnei¬ A. smale 'Lüge’.
den, hauen’. Nndl. melden.
meist Adj. Superlativ. Mhd. ahd. meist, as. meliert Adj. 'gemischt, leicht ergraut’. Adjek¬
mest aus g. *maista- Superlativ 'meist’, auch in tiv zu melieren 'sprenkeln, mischen’, das im 17.
gt. maists, anord. mestr, ae. meist, afr. mäst. Mit Jh. entlehnt ist aus gleichbedeutend frz. meler,
dem Superlativ-Suffix *-ista- zu der gleichen aus afz. mesler (dass.), aus spl. *miscülare
Grundlage wie mehr (s. d.). (dass.), aus 1. miscere (dass.).
Nndl. mest, ne. most, nschw. mest, nisl. mestur. S. Etymologisch verwandt: s. Mixtur.
mehr.
Melisse /. (= eine Pflanze, deren Blätter als
Meister m. Mhd. meister, ahd. meistar, as. Gewürz oder Heilmittel verwendet werden). Im
mestar. Wie ae. magister, mägister entlehnt aus 16. Jh. über mittellateinische Vermittlung ent¬
1. magister 'Meister, Vorstand, Anführer’. Eine lehnt aus gr. melissöphyllon n. 'Bienenkraut’,
spätere Entlehnung aus dem gleichen Wort ist aus gr. melissa 'Biene’, zu gr. meli n. 'Honig’.
Magister (s. d.). Etymologisch verwandt: s. Marmelade.
Melancholie /. 'Niedergeschlagenheit, melk Adj. 'milchgebend’, arch. Mhd. melch,
Schwermut’, sonder sprach!. Im 14. Jh. entlehnt ahd. melc, mndd. melk aus g. *melka-/i- Adj.
aus gleichbedeutend 1. melancholia, dieses aus 'milchgebend’, auch in ae. meol(u)c, milc,
gr. melancholia (wörtlich: 'Schwarzgalligkeit’), anord. mjolkr. Verbaladjektiv zu melken (s. d.),
zu gr. meläs 'schwarz’ und gr. chol$ 'Galle’. also 'melkbar’.
Nach der Vorstellung der älteren Medizin (sog.
melken stV. Mhd. melken, ahd. melchan,
Humoralpathologie) sind bestimmte menschli¬
mndl. melken aus g. *melk-a- stV. 'melken’,
che Regungen durch gewisse Mischungen der
auch in ae. melcan, afr. melka. Das Altnordi¬
vier wesentlichen Körperflüssigkeiten verur¬
sche hat molka swV. 'melken, milchen’. Das
sacht. Ein Zuviel an schwarzer Galle bewirkt
Verb geht zurück auf ig. *melg- 'melken’, älter
nach dieser Auffassung Niedergeschlagenheit
vermutlich 'abstreifen’ in 1. mulgere, mir. bligid,
und Schwermut.
lit. melzti, russ.-kslav. mlesti, gr. amelgö, toch.
Etymologisch verwandt: Cholera, Choleriker. - W.
A. mälk-. Die vermutlich ältere Bedeutung in
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 80.
ai. märsti 'reibt, wischt, reinigt’.
Melasse /. 'zähflüssiger Rückstand bei der Nndl. melken, (ne. milk). S. Melchter, melk, Molke.
Zuckergewinnung’, fachsprachl. Im 18. Jh. ent¬ {Milch ist vermutlich nicht verwandt).
lehnt aus gleichbedeutend frz. melasse, dieses
Melodie /. 'Tonfolge’. Im Mittelhochdeut¬
aus span, melaza (dass.), das über frühromani¬
schen (mhd. melodi) entlehnt aus gleichbedeu¬
sche Zwischenstufen zurückgeht auf 1. mel n.
tend 1. melödia, dieses aus gr. melöidta, zu gr.
'Honig’, aus gr. meli n. (dass.).
melos (dass.) und gr. aoide, (poet.) öids 'Gesang,
Etymologisch verwandt: s. Marmelade.
Singen, Lied’, zu gr. aeidein 'singen’.
Melchter /. 'hölzernes Milchgeschirr’, schwz. Morphologisch zugehörig: Melodei, Melodik, melo¬
Instrumentalableitung zu melken (s. d.). diös, Melodrama-, etymologisch verwandt: s. Ode.

Melde /., fachsprachl. Mhd. melde, ahd. Melodrama n. 'pathetisches Schauspiel mit
melda, malta, as. maldia, entsprechend ae. untermalender Musik’, s. Melodie und Drama.
melde, nschw. molla. Ein Pflanzenname mit Melone/. (= ein Kürbisgewächs). Im 15. Jh.
starker Vokalvariation. Sachlich wäre ein An¬ entlehnt aus gleichbedeutend it. melone m. und
schluß an Mehl (s. d.) denkbar, weil die Pflanze trz. melon m., diese aus 1. melo (-önis) m. (dass.),
weiß bestäubte Blätter hat; aber die lautlichen aus 1. melopepo m. (= eine apfelförmige Me¬
Zusammenhänge sind unklar. lone), aus gr. melopepön n. (dass., wörtlich: 'rei¬
Nndl. melde, e. dial. milds, nschw. molla. — Marzeil fer Apfel), zu gr. melon n. 'Apfel, Quitte’ und
(1943/79), I, 510f. gr. pepön 'reif’.
melden swV. Mhd. melden, ahd. melden, mel- Etymologisch verwandt: s. Marmelade. - E. Öhmann
dön, as. meldon aus wg. *meld-ö- swV. 'anzeigen, NPhM 43 (1942), 25f.

verraten, anklagen’, auch in ae. meldian, afr. Meltau m., s. Mehltau.


urmeldia. Ableitung zu wg. *meldö f. 'Anzeige,
Membrane/, 'dünnes Blättchen, feines Häut¬
Verrat’ in ae. meid, ahd. melda, as. maldia. For¬ chen , fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen
mal am nächsten steht heth. mald- 'rezitieren, entlehnt aus gleichbedeutend 1. membräna (ei¬
geloben’. Wohl wurzelverwandt mit air. mellaid gentlich: das die inneren Teile des tierischen
'betrügt’, lit. mälas 'Lüge’, cech. mylit 'täu¬ Körpers bedeckende Häutchen’, auch: 'Perga¬
schen, irreführen’, gr. meleos 'vergeblich’, viel¬ ment ), zu 1. membrum n. 'Glied (eines Kör-
Memme 473 mental

pers)5. Im Deutschen zunächst verwendet als bilde ab5 ist mehrdeutig, gehört aber eher zu
Bezeichnung für Pergament. mengen.
Memme/. Bezeugt seit dem 16. Jh. Die Bedeu¬ Nndl. mengen. S. mang, Menkenke.

tung 'Feigling5 aus 'Weib5, dieses wiederum aus Menhir m., s. Dolmen.
mhd. memrne, mamme 'Mutterbrust5. Zum Ur¬ Meniskus m. (= eine knorpelige Scheibe,
sprung dieses Wortes als Lautgebärde s. Mama. z. B. im Kniegelenk), fachsprachl. Entlehnt aus
Memoiren PI. 'aufgezeichnete Lebenserinne¬ gr. meniskos 'mondförmiger Körper’, einem Di-
rungen5. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ minutivum zu gr. mene f. 'Mond5. So bezeichnet
tend frz. memoires, der Pluralform von frz. me¬ nach der Form.
moire f. 'Gedächtnis, Erinnerung5, aus 1. memo¬ Etymologisch verwandt: s. Monat.

ria (dass.), zu 1. memor 'sich erinnernd5. Ein Menkenke /. 'Durcheinander5, md. Spieleri¬
Memorandum ist bezeichnungsmotivisch 'etwas, sche Umbildung von mengen (s. d.), Gemenge
womit bestimmte Dinge in Erinnerung gebracht o. ä.
werden sollen5. Mennige /., fachsprachl. Mhd. spahd. minig
Etymologisch verwandt: [Memorabilien], Memoran¬ m., ahd. minio m., mndd. minie, minye. Entlehnt
dum, [Memorial], memorieren; zum Etymon s. Marter. aus 1. minium n. 'Zinnober5 unklarer Herkunft.
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 80; Brunt (1983), Das -g- ist aus dem unsilbisch gewordenen -i-
372f. entwickelt.
Memorandum s. Memoiren. S. Miniatur.

memorieren swV, s. Memoiren. Mensa /. 'Verpflegungseinrichtung an Hoch¬


schulen5, sonder spracht. Entlehnt aus 1. mensa
Menagerie/. 'Tiergehegq , fachsprachl. Im 18.
(academica) 'akademischer Mittagstisch5 (1.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. menagerie,
mensa 'Tafel, Tisch5).
einer Ableitung von frz. menage m. 'Haushalt,
Wirtschaft5, aus afrz. maisnage (dass.), einem Mensch m. Mhd. mensch(e) m./n., ahd.
Kollektivum zu afrz. maison 'Haushalt, Ge¬ men(n)isco u. ä., as. mennisko. Wie afr.
mann(i)ska, menn(i)ska Substantivierung eines
sinde5, aus gallo-rom. *mansionata (dass.), aus
Zugehörigkeitsadjektivs zu Mann in der
1. mänsio 'Aufenthalt, Wohnung5, zu 1. manere
alten Bedeutung 'Mensch5. Das Adjektiv g.
'bleiben5.
*manniska- 'menschlich5 in gt. mannisks, anord.
Morphologisch zugehörig: Menage; etymologisch ver¬
mennskr, ae. mennisc, afr. mann(i)sklik,
wandt: s. permanent. — Brunt (1983), 377.
menn(i)sklik, as. mennisk, mannisk, ahd. men-
Menetekel n. 'geheimnisvolles Anzeichen nisc(in), mannaschin u. ä. Ebenso steht ai. ma-
eines bevorstehenden Unglücks5, sonder spracht. nusyä- Adj. 'menschlich5, ai. manu- m. 'Mensch5
Neubildung zum aramäischen Spruch meneC) neben ai. mänus- 'Mensch5. Das Wort tritt seit
meneC) fqel uparsin des Alten Testaments, dem 17. Jh. auch als Neutrum auf zur Bezeich¬
einer Geisterschrift für den babylonischen Kö¬ nung weiblicher Dienstboten; daraus regional
nig Belsazar, die ihm sein bevorstehendes (süddeutsch) einerseits 'Mädchen5, andererseits
Schicksal ankündigen sollte. Die Verwendung ein verächtlicher Ausdruck 'Weibsbild .
der Anfangswörter zur Bezeichnung des ganzen Nndl. mens. S. Mann ( + ).
Textes entspricht der von Vaterunser. Mensur /. 'Abstand von Fechtern, Zwei¬
Menge /. Mhd. menige, ahd. managt, menigi kampf in Studentenverbindungen5, sonder-
u. ä., as. menigi aus g. *managm- f. 'Menge5, sprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. mensüra 'Mes¬
auch in gt. managei, ae. men(i)gu, afr. menie. sen, Größe, Haltung5, zu 1. metiri 'messen, ab¬
Statt dessen ein neutraler ya-Stamm in anord. messen5. Zunächst in die Sprache der Musik
mengi n. Adjektiv-Abstraktum zu dem unter entlehnt in der Bedeutung 'Zeitmaß5, dann ver¬
manch (s. d.) dargestellten Wort. Außergerma¬ ändert sich die Bedeutung zu 'Abstand (der
Fechter im Zweikampf)’, schließlich 'studenti¬
nisch stimmen dazu akslav. münozistvo n.
und von der einfacheren Grundlage lit. miniä scher Zweikampf5.
Morphologisch zugehörig: mensurabel, Mensurabilität;
'Menge5. etymologisch verwandt: s. Dimension. - G. Schoppe
S. mang, mengen. ZDW 15 (1914), 194.
mengen swV. Mhd. mengen, ahd. mengan, mental Adj. 'geistig, den Verstand betreffend ,
mengen, as. mengian aus wg. *mang-eja- swV. fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
'mengen5, auch in ae. men(c)gan, mcengan, deutend ne. mental, dieses aus ml. mentalis
afr. mendza. Außergermanisch entspricht lit. (dass.), zu 1. mens (-ntis) 'Sinn, Denkart, Ver¬
minkyti 'kneten, durcharbeiten5, akslav. umgk- stand, Geist5.
ngti 'weich werden5 und vielleicht ai. mäcate Morphologisch zugehörig: Mentalität; etymologisch
'zermalmt5. Dazu als Variante das unter machen verwandt: Dementi, kommentieren, Reminiszenz; zum

(s. d.) genannte Verb. Gr. mässö 'ich knete. Etymon s. mahnen.
Menthol 474 Messer

Menthol n. (= eine kristalline Substanz aus merzen swV., s. ausmerzen.


dem Öl der Pfefferminze), s. Minze und Öl.
Mesalliance/. 'nicht standesgemäße Ehe; un¬
Mentor m. 'erfahrener Ratgeber’, sonder- glückliche, nicht ebenbürtige Verbindung’, s.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Allianz und miß-.
frz. mentor, dieses aus gr. Mentor (verwandt
meschugge Adj. 'verrückt’, ugs. Über das Rot¬
mit 1. monere 'ermahnen’), dem Namen eines welsche aus wjidd. meschugge. Dieses aus hebr.
Mannes, in dessen Gestalt Athene als Ratgeber malPggä, dem Hifil-Partizip bzw. Derivat
von Telemachos wirkte und Odysseus gegen die miißggä zu hebr. sagä 'irren, sich vergehen’.
Freier unterstützte.
Wolf (1985), 216.
Etymologisch verwandt: s. demonstrieren.
Mesner m., reg. Mhd. mes( se )nare, mesner,
Menü n. 'Speisenfolge’. Im 19. Jh. entlehnt ahd. mesinäri. Entlehnt aus ml. mansionarius
aus gleichbedeutend frz. menu m., einer Sub¬ 'Aufseher des Gotteshauses’ aus spl. (5. Jh.)
stantivierung von frz. menu 'klein’, aus I. minü- mänsiönärius 'zum Nachtlager gehörig’ zu 1.
tus 'winzig’, dem PPP. von 1. minuere 'kleiner mänsio (-önis) f. 'Aufenthaltsort, Nachtlager,
machen, vermindern’, zu 1. minus 'weniger’. Es Gebäude u. ä.’.
handelt sich bezeichnungsmotivisch demnach
Messe1 /. 'Gottesdienst’, daraus 'kirchliches
um 'eine Mahlzeit, die sich aus mehreren kleine¬
Fest, Jahrmarkt, Großausstellung’. Mhd.
ren Teilen zusammensetzt’. Die Bedeutung
messe, ahd. missa. Entlehnt aus spl. (4. Jh.)
'Auflistung von Optionen’ nach ne. menue
missa gleicher Bedeutung. Dieses ist entnom¬
(auch: 'Speisekarte’).
men aus den liturgischen Worten „Ite, missa
Etymologisch verwandt: s. minus. est“ 'Gehet, es ist entlassen!’, mit denen ur¬
Menuett n. (= ein Tanz, der dritte Satz einer sprünglich die zum Abendmahl nicht Berechtig¬
Sinfonie oder Sonate), fachsprachl. Im 17. Jh. ten bei Beginn der Abendmahlsfeier entlassen
entlehnt aus gleichbedeutend frz. menuet m., zu wurden. Ein Kompositum mit der weiterentwik-
frz. menuet 'klein, winzig’, einem Diminutivum kelten Bedeutung ist Kirmes (s. d.).
zu frz. menu 'klein’, aus 1. minütus 'winzig’, dem S. Mission ( + ).
PPP. von 1. minuere 'kleiner machen, vermin¬ Messe2/, 'gemeinsamer Speiseraum der Offi¬
dern’, zu 1. minus 'weniger’. So benannt nach ziere an Bord\ fachsprachl., ndd. In hochdeut¬
den kleinen Schritten dieses ursprünglich von schen Texten seit dem 19. Jh. Entlehnt aus ne.
einem Tänzerpaar aufgeführten Tanzes. mess, das ursprünglich 'Gericht, Mahlzeit’ be¬
Etymologisch verwandt: s. minus. - Brunt (1983) deutet und aus frz. mets m. gleicher Bedeutung
377f. stammt. Dieses aus 1. missa (Partizip zu mittere
Mergel m., fachsprachl. Mhd. mergel, spahd. 'schicken’, also 'geschickt’) in der spätlateini¬
mergil, mndd. mndl. mergel. Entlehnt aus ml. schen Bedeutung 'aus der Küche geschickt, Es¬
sen, Speise’.
margila, das vermutlich auf ein keltisches Wort
zurückgeht, wie sein Grundwort 1. marga/., das S. Mission ( + ). - Kluge (1911), 578.

von Plinius als gallisches Wort bezeichnet wird messen stV. Mhd. mezzen, ahd. mezzan, as.
{Naturalis historia 17,42). metan aus g. *met-a- stV. 'messen’, auch in gt.
S. ausgemergelt. - Heyne (1899/1903), II, 42f.; Lo¬ mitan, anord. meta, ae. metan. Außergerma¬
schen (1968), 274. nisch kann verglichen werden: 1) Eine Sippe
mergeln swV, s. ausgemergelt. *med- 'ermessen, bedacht sein auf’, die lautlich,
aber eigentlich nicht in der Bedeutung den ger¬
Meriten PI. 'Verdienste’, sonder spracht. Im
manischen Wörtern entspricht. 2) Eine Sippe
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. merite *met- 'messen’, die in der Bedeutung, aber nicht
m. Verdienst’, dieses aus 1. meritum n. (dass.), im Lautstand entspricht. Unter Umständen
zu 1. mereri 'sich verdient machen’.
handelt es sich um eine Erweiterung von 3), da
Morphologisch zugehörig: meritoriseh. mit dieser Lautform kein Primärverb belegt ist.
merken swV. Mhd. ahd. merken, mndd. mer¬ 3) Eine Sippe *me- 'messen’, die auch die
ken, marken, mndl. merken aus g. *mark-ija- Grundlage der beiden anderen sein kann, doch
swV. 'merken, kennzeichnen’, auch in anord. ist das Abhängigkeitsverhältnis unklar. Mit ein- ■
merkja, ae. mearcian, afr. merkia. Ableitung zu deutigem ig. -d- vergleichen sich nur gr. medim-
Marke (s. d.). nos Scheffel’, 1. modius 'Scheffel’.
Nndl. meten, ne. mete, nschw. mäta, nisl. meta. S.
Merkorn n., s. Emmer.
Dimension ( + ), gemäß, Mahl', Maß{ + ), mäßig,
Merle/. 'Amsel’, rhein. Mhd. merl(e), ahd. Metrik (+), Metze', Modus ( + ).
merla. Entlehnt aus 1. merula, dessen Etymolo¬ Messer n. Mhd. mezzer, ahd. mezzisahs, mez-
gie unter Amsel aufgeführt ist.
zirahs, mezzer(es) u. ä., as. mezas-, vgl. ae.
Messias 475 Methode

meteseax. Zu erschließen ist wg. *matiz-sahsa- n. Metall n. (= ein chemischer Grundstoff. Im


'Speise-Schwert’, zu dem Wort für 'Essen, Mittelhochdeutschen (mhd. metalle) entlehnt
Speise’ (s. Mast2) und einem Wort für Schwert, aus gleichbedeutend 1. metallum, dieses aus gr.
das in ahd. sahs, ae. seax erhalten ist. Dieses metallon (dass.).
zu 1. saxum 'Stein’, eigentlich 'der Schneidende’ Morphologisch zugehörig: metallic, Metallismus,
zu 1. secäre 'schneiden’. In der Kompositions¬ Metallogie', etymologisch verwandt: Medaille, Medail¬
fuge ist das -j- an das -z- assimiliert worden, lon. - K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 398; Lü-
deshalb der Übergang zu -r- und die folgende schen (1968), 274f.
starke Vereinfachung. Metamorphose /. 'Verwandlung, Umgestal¬
Nndl. mes. S. Maat, Maßliebchen, Mast2, Sachs ( + ). tung’, sondersprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
— F. Kluge ZVS 26 (1883), 82; O. Szemerenyi: Studies tend 1. metamorphösis, dieses aus gr. metamör-
in the Indo-European System of Numerals (Heidelberg phösis (dass.), zu gr. morphe 'Gestalt’ (s. auch
1960), 36. meta-).
Messias m. 'Heilbringer’, sondersprachl. Ent¬ Morphologisch zugehörig: metamorph, metamorphisie-
lehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. Messiäs, ren; etymologisch verwandt: Morphologie. — W. Feld¬
mann ZDW 8 (1906/07), 80.
dieses aus gr. Messias (dass., wörtlich: 'Gesalb¬
ter’), aus hebr. mäsTah 'Gesalbter’. Metapher/. (= eine Redefigur), fachsprachl.
Morphologisch zugehörig: Messiade, Messianismus. — Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. meta-
Littmann (1924), 32; Lokotsch (1975), 114. phora, dieses aus gr. metaphorä (dass., wörtlich:
'Übertragung’), zu gr. metapherein 'übertragen’,
Messing n. Mhd. messinc (seit 1100), vgl. ae.
zu gr. pherein 'tragen’ (s. meta-).
mas(t)ling, nueslen (seit 950), spanord, messing.
Morphologisch zugehörig: Metaphorik', etymologisch
Als Ausgangspunkt wird ein gr. mossynoikos
verwandt: s. Amphore. — E. Leser ZDW 15(1914),
(chalkös) vermutet, nach dem Namen der Mos-
92.
synoiken im Nordosten Kleinasiens, die nach
Metaphysik /. 'Wissenschaft des Übersinn¬
(Pseudo-)Aristoteles die Legierung zuerst her¬
lichen’, fachsprachl. In deutschen Texten seit
stellten. Der Weg der Übernahme ist aber un¬
dem 18. Jh. Entlehnt aus ml. metaphysica aus
klar.
gr. metaphysikä Neutrum Plural zu dem Adjek¬
messing(i)sch Adj. 'Mischsprache aus Nieder¬ tiv auf -os 'über die Natur hinausgehend’. Meta¬
deutsch und Hochdeutsch’, fachsprachl. Be¬ physikä war zunächst der Titel einer Schrift des
zeugt seit dem 18. Jh. Wohl eine Verballhornung Aristoteles und bedeutet vielleicht ursprünglich
aus ndd. misench 'meißnisch’ in Anlehnung an nur 'das Werk, das nach dem Werk Physika
das Mischmetall Messing (s. d.). kommt’; die Umdeutung ist aber schon früh
H. Teuchert BGDSL-H 82(1961) (= Sonderband FS erfolgt.
Karg-Gasterstädt), 245 — 261. Etymologisch verwandt: s. Physik.
Meßlehre/., s. messen und Lehre. Metastase /. 'Nebengeschwulst’, fachsprachl.
Met m., arch. Mhd. met(e), ahd. metu, meto, Neubildung zu gr. metästasis 'Wanderung, Um¬
met u. a., mndd. mede aus g. *medu- m. 'Met’, zug, Wegzug’, zu gr. methistänai, metistänai
auch in anord. mjpör, ae. me(o)du, afr. mede. 'umstellen, versetzen, sich entfernen’, zu gr. hi-
In der Kaiserzeit als 1. medus 'Honigwein’ ins stänai 'stellen, treten’ (s. auch meta-). So be¬
Lateinische entlehnt. Aus ig. *medhu- n. 'Honig, zeichnet als 'ein Tumor, der sich abseits vom
Honigwein’, auch in ai. mädhu- n. 'süßer Trank’, eigentlichen Zentrum bildet’.
toch. B. mit 'Honig’, gr. (poet.) methy, air. mid Etymologisch verwandt: s. System.

'Honigwein’, kymr. medd, lit. medüs 'Honig’, Meteor m. (= ein Himmelskörper), fach¬
akslav. medü 'Honig’. Ähnlich klingende Wör¬ sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gr. meteöron n.
ter für 'Honig’ und 'Met’ auch in außerindoger¬ 'eine Himmelserscheinung’, einer Substantivie¬
manischen Sprachen; die Art des Zusammen¬ rung von gr. meteoros 'in der Luft schwebend’,
hangs ist noch nicht ausreichend geklärt. zu gr. metairein 'wegheben’, zu gr. airein 'heben’
S. Amethyst, Mädesüß. — Hoops (1911/19), III, 217f.; (s. auch meta-).
L. Mehlber JGGB (1980/81), 17-22. Morphologisch zugehörig: Meteorologie, Meteorismus,
Meteorit. — G. Schoppe ZDW 15(1914), 194; K.-H.
meta- Präfix. Wortbildungselement mit der
Weinmann DWEB 2 (1963), 398; Löschen (1968), 275.
Bedeutung 'zwischen, nach, hinter’ bzw. zum
Ausdruck eines Wechsels (z. B. metaphysisch, Meter n./m. Im 18. Jh. mit dem neu festgeleg¬
ten Maß aus frz. metre m. übernommen. Dieses
Metamorphose, metonymisch, methodisch). Es
wurde vornehmlich in griechischen Entlehnun¬ aus gr. metron n. 'Maß’.
gen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung S. Metrik ( + ).

ist gr. meta (dass.). Methode/. 'bestimmtes, regelgeleitetes Vorge¬


Zum Etymon s. mit. hen’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Metier 476 Metzger

spl. methodus, methodos, dieses aus gr. methodos Mette oder Christmette genannt wurde. Diese
(dass., wörtlich: 'der Weg auf ein Ziel hin’), zu Bezeichnung wurde für die Mitternachtsmesse
gr. hodös 'Weg’ (s. auch meta-). auch beibehalten, als die eigentliche Mette nicht
Morphologisch zugehörig: Methodik, methodisieren, mehr gebetet wurde. Von da aus Verallgemeine¬
Methodismus, Methodist, Methodologie; etymologisch rung auf die Frühmesse an hohen Feiertagen.
verwandt: [Anode], Episode, Exodus, Kathode, Periode S. Matinee ( + ). - E. Adelberg FF 35 (1961),
(usw.), semperfrei, Svnode (usw.). — W. Feldmann 273-277; Wünschmann (1966), 24.
ZZ>IF 8(1906/07), 80; K.-H. Weinmann DWEB
2(1963), 398. Metten PI. 'Fäden des Altweibersommers’,
ndd. Aus ndd. summermetjen, mettken-, metjen-
Metier n. 'zugehöriger Bereich’, s. Minister.
somer. Wohl aufzufassen als Verkleinerungs¬
Metonymie /. 'Ersetzung des eigentlichen form von Made (s. d.): Die Fäden wurden mit
Ausdrucks durch einen anderen’, s. meta- und dem Gespinst von Raupen verglichen.
anonym.
Mettwurst /. Ursprünglich niederdeutsches
-metrie Suffix. Dient der Bildung von desub- Wort, in hochdeutschen Texten seit dem 16. Jh.
stantivischen Substantiven (besonders der Be¬ Mndd. mndl. metworst 'Fleischwurst’. Zu ndd.
zeichnung von Wissenschaften) mit der Bedeu¬ mett, der Entsprechung zu dem germanischen
tung 'Messung, Vermessung’ (z. B. Geometrie). Wort für 'Speise, Essen’ (s. Mast2), das wie in
Es wurde vornehmlich in neologischen Bildun¬ ne. meat auf die Bedeutung 'Fleisch’ verengt
gen verwendet; sein Ursprung ist gr. -metria wurde, speziell 'gehacktes Schweinefleisch ohne
in Zugehörigkeitsbildungen zu Adjektiven (gr. Speck’.
symmetria, zu gr. symmetros 'ebenmäßig, sym¬
Metze1 /. 'Kornmaß’, arch. Mhd. metze,
metrisch’) und Nomina agentis (gr. geömetria,
mezze m., ahd. mezza f, mezzo m., mndd. matte,
zu gr. geömetres 'Feldmesser, Geometer’) zu gr.
mette, vgl. ae. mitta m. Wie gt. mitaps 'Getreide¬
metron n. 'Maß’.
maß’ Ableitung zu messen (s. d.). Ausgangsform
Etymologisch verwandt: s. Metrik.
nicht ausreichend klar; vgl. noch 1. modius m.
Metrik /. 'VerslehrC, fachsprachl. Im 16. Jh. 'Scheffel’ von der gleichen Grundlage (das ent¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. (ars) metriea, lehnt mhd. müt(te), mut(te) m./n., ahd. mutti,
dieses aus gr. metrike (techne), zu gr. metron
mutte, as. muddi n. ergibt). Evtl, liegt bei Metze
n. 'Maß, Versfuß’.
eine sehr alte Entlehnung mit Ausweichung des
Morphologisch zugehörig: Metrum; etymologisch ver¬ Umlauts von o zu e vor.
wandt: Barometer, diametral, [Geometer], Hexameter,
Hoops (1911/19), III, 219.
Meter, -metrie, Metronom, Symmetrie (usw.), Tacho,
Thermometer, zum Etymon s. messen. — G. Schoppe Metze2/. 'Dirne’, arch. Bezeugt seit dem 15.
ZDW 15 (1914), 194. Jh. Die Form ist einerseits eine Koseform des
Metronom n. 'Gerät zum Taktschlagen’, s. verbreiteten Namens Mechthild, der zu 'Mäd¬
Metrik und -nom. chen’ verallgemeinert und dann abgesunken
Metropole /. 'Zentrum, Hauptstadt’, sonder- sein konnte, doch ist auch möglich, daß eine
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ^-Ableitung von Magd (s. d.), Maid vorliegt
1. metropolis (wörtlich: 'Mutterstadt’), dieses (parallel zu Mädchen und Mädel), vgl. nndl.
aus gr. metropolis (dass.), zu gr. meter 'Mutter, meisje (mndl. auch meidsen) und schwz. Meit-
Erzeugerin, Ursprung, Quelle’ und gr. pölis schi.
'Stadt’. Als Bezeichnungsmotiv fungiert das metzeln swV.- So seit dem 16. Jh. Im 15. Jh.
Bild, daß sich eine solche Stadt zu den anderen metzeln vom Schlachten des Viehs gesagt, dazu
Städten verhält wie eine Mutter zu ihren Kin¬ mrhein. metz(e)ler 'Metzger’. Entlehnt aus ml.
dern (z. B. durch Aussendung von Kolonisten). macellare 'töten’ aus 1. macellärius 'Fleischwa¬
Morphologisch zugehörig: Metropolis, Metropolit', ety¬ renhändler’.
mologisch verwandt: s. Mutter und politisch. — G.
Schoppe ZDW 15(1914), 194.
Metzger m. Mhd. metzjeere, metzjer, metziger,
vgl. mhd. metzje, metzige 'Fleischbank’. Dem
Metrum n. 'Schema, Taktart’, s. Metrik.
Lautstand nach kann es kaum etwas anderes
Mette /. 'Frühmesse’, arch. Mhd. metti, sein als eine Entlehnung, deren Vorbild aber
mettin(e), metten(e), ahd. mattina. Entlehnt nicht nachweisbar ist. Auffällig ist der unter
aus spl. mattina, das aus 1. (laudes) mätütmae metzeln dargestellte Bereich, der aber durchgän¬
'Morgenlob’ zusammengezogen ist. Das Wort gig -/- hat und die niederdeutsche/mittelengli¬
bedeutet ursprünglich und bis in die neuhoch¬ sche Spezialisierung von g. *mati(z)- 'Speise’
deutsche Zeit 'erste Höre des kirchlichen Stun¬ auf die Bedeutung 'Fleisch’. Vorläufig sind alle
dengebets’. Beim Mitternachtsgottesdienst an Einzelheiten unklar.
Weihnachten bildeten die (öffentliche) Mette, C. Karstien in: FS Behaghel (1924), 289-323; W.
Hochamt und Laudes eine Einheit, die ebenfalls Braun in: Dückert (1976), 55 — 119.
Meuchel- 477 Miete

Meuchel- (Erstes Glied in Zusammensetzun¬ Wort Mutter (s. d.) in der Bedeutung 'Mutter¬
gen). Mhd. miuchel- 'heimlich’, vgl. miucheler, leib’ als 'das Kleidungsstück, das den Leib be¬
mücheler, ahd. mühhiläri 'Meuchelmörder’, deckt’.
mhd. milchen 'verstecken, verbergen’, ahd. Heyne (1899/1903), III, 314; W. Mieder SD 23 (1979),
mühhön 'wegelagern, aus dem Hinterhalt anfal¬ 118-121.
len’. Offenbar aus vor-d. *mük-, das außerger¬
Mief m. 'schlechte Luft’, ugs. Bezeugt seit
manisch mit air. ru-mugsat 'sie haben versteckt’, dem späten 19. Jh. Herkunft unklar. Vermutlich
1. müger 'Falschspieler’ verglichen werden kann.
Abwandlung von muffig, müffeln o. ä. (s.
Alle Einzelheiten unklar.
Muff2), vielleicht unter Einfluß von mies (s. d.).
S. auch mogeln.
Verbreitet durch die Soldatensprache.
Meute /. Im 18. Jh. mit den Fachwörtern der Miene /. 'Gesichtsausdruck’. Im 17. Jh. ent¬
Parforce-Jagd entlehnt aus frz. meute 'Koppel, lehnt aus frz. mine gleicher Bedeutung, das sei¬
Jagdhunde’. Dieses aus afrz. muete 'Erhebung, nerseits im 15. Jh. aus bret. min 'Mund, Ge¬
Jagdzug’, das auf spl. *mövita Bewegung’ zu¬ sichtszüge’ entnommen ist.
rückgeht (zu 1. movere 'bewegen’).
Miere1 /. 'Ameise’, nordd. Aus ndd. mndd.
S. meutern, mobil (+).
mire, mndl. miere, krimgt. miera, dazu im Ab¬
meutern swV. Bezeugt seit dem 18. Jh., in laut anord. maurr m. Zugrunde liegt offenbar
dem es rückgebildet wurde aus Meuterei und *meur-/maur-. Die Bezeichnungen der Ameise
entsprechenden Wörtern, die schon seit Anfang in außergermanischen Sprachen klingen an,
des 16. Jhs. belegt sind (vgl. fnhd. meutmacher sind aber lautlich nicht auf eine einheitliche
'Aufrührer’, zu mhd. meuten 'sich empören’) Grundform zurückzuführen; vermutlich liegen
und auf eine Entlehnung aus frz. meute 'Bewe¬ sekundäre Umbildungen aus einer verhältnis¬
gung’, zu afrz. muete ursprünglich 'Aufruhr, mäßig einheitlichen Grundlage vor (etwa *mor-
Aufstand’ zurückgehen (mit anderer Bedeutung wi-). Vgl. gr. myrmex, avest. maoiraii-, air.
entlehnt in Meute, s. d.). moirb, aruss. morovij m.\ weiter ai. vamrä- m.
mezzo- Präfix. Wortbildungselement mit der 'Ameise’, ai. valmika- 'Ameisenhaufen’, gr.
Bedeutung 'mittel, halb ... halb’ (z. B. mezzo- (äol.) byrmax, börmax, 1. formlca.
forte, Mezzosopran). Es wurde vornehmlich in Miere2/. 'Hühnerdarm u. a.’ (Pflanzenname),
italienischen Entlehnungen ins Deutsche über¬ fachsprachl. Bezeugt seit dem 15. Jh. als myer,
nommen; sein Ursprung ist 1. medius (dass.). vgl. mndd. mir. Sonst Herkunft unklar.
Zum Etymon s. Mitte. S. Waldmeister.
miauen swV., wie mauen lautnachahmend. mies Adj. 'schäbig’, ugs. Im 19. Jh. von Berlin
mich Fron. Mhd. ahd. mih, as. (selten) mik aus verbreitet. Entlehnt über das Rotwelsche
aus g. *meki 'mich’, auch in gt. mik, anord. aus wjidd. mies(s), das vermutlich auf hebr.
mik, ae. (angl.) mec; dieses aus *(e)me-ge, einer *miüs 'Abscheu’ zurückgeht. Miesmacher, Mie¬
Verstärkung der normalen betonten Akkusativ¬ sepeter, Miesling können Übertragungen von
form *(e)me, so in gr. emege, mit unklarer Miesnik sein, das eine aus dem Slavischen stam¬
Lautvertretung in heth. ammuk und vielleicht mende jiddische Endung enthält.
in anderen Sprachen. Außerhalb des Germani¬ Wolf (1985), 218.
schen ist die Partikel -ge kasusindifferent, die
Mies(e)/., s. Mieze.
Festlegung auf den Akkusativ ist eine Beson¬
derheit des Germanischen. Die Form ae. me, Miesmuschel /. Bezeugt seit dem 18. Jh. Das
afr. as. mi beruht wohl auf einer weniger diffe¬ Bestimmungswort ist ein regionales Wort für
renzierten enklitischen Form *-(e)me. 'Moos’, das zu Moos1 (s. d.) im Ablaut steht.
S. mein, mir, dich. — Seebold (1984), 31 — 36. Miesnik m., s. mies.
mick(e)rig Adj. 'klein, kümmerlich’, ugs. Ur¬ Miete1 /. 'Entgelt für Wohnungen’. Mhd.
sprünglich ostniederdeutsch, zu mickern 'küm¬ miet(e), ahd. mieta, as. meda aus g. *mizdö f.
mern, Zurückbleiben’ unbekannter Herkunft. 'Lohn, Bezahlung’ mit Schwund des -z- unter
Midder n. 'Kalbsmilch’, ndd. Wohl zu Mitte Ersatzdehnung. Die gleiche Entwicklung in ae.
(s. d.) und dem unter Garn entwickelten Wort med, während gt. mizdo, ae. meord den Konso¬
für 'Darm’, vgl. ae. myegern, micgern, as. mid- nanten bewahren. Aus ig. *mizdho/ä f. 'Bezah¬
garni, ahd. mittigarni 'Eingeweidefett’. lung, Lohn’, auch in gr. misthös m., ai. midhä-
Mieder n. Bis ins 18. Jh. müder m., die Ent¬ n., akslav. mizda. Vermutlich zu einem
rundung aus mitteldeutschen oder oberdeut¬ schwundstufigen .s-Stamm *meios- 'Tausch’ (s.
schen Mundarten. Mhd. muoder, müeder 'Leib¬ Meineid) und *dhe- 'setzen’ (s. tun), also eigent¬
chen’ neben 'Bauch, Mutterleib . Es handelt lich Tausch-Setzung’.
sich also um eine Zugehörigkeitsbildung zu dem Ne. meed. — Hoops (1911/19), III, 222f.
Miete 478 Milchmädchenrechnung

Miete2 /. 'Einlagerungsmöglichkeit für Mikrophon n. 'Gerät zur Übertragung von


Früchtc , fachspraehl. Ursprünglich niederdeut¬ Schall’, s. Phonetik und mikro-.
sches Wort, das im 18. Jh. in die Hochsprache Mikroskop n. 'Gerät zur Betrachtung von
übernommen wurde. Mndl. mite. Entlehnt aus Kleinem’, s. Skepsis und mikro-.
1. meta 'kegelförmiger Heuschober’. Es handelt
Milan m. 'Gabelweihe, fachspraehl. Im 18.
sich um Vorratsbehälter im Freien, die gegen
Jh. entlehnt aus frz. milan, das über prov. milan
Regen (und Kälte) geschützt sind. Von den Heu¬
auf 1. milvus 'Gabelweihe’ zurückgeht.
schobern, die so aufgebaut sind, daß das Wasser
von ihnen abläuft, geht die Bedeutung auf die Milbe /., fachspraehl. Mhd. milwe, ahd. mi-
zum Schutz vor Kälte eingegrabenen Rüben l(iw)a, milwe, mndd. mele, mndl. milwe aus
usw. über. vor-d. *melwjö f. 'Staub hinterlassendes schädli¬
ches Kleintier (Milben oder Motten)’. Ähnlich
Mieze /., auch Mies(e) /. 'Katze’, ugs. Ur¬
(mit Ablaut) die Bedeutung 'Motte’ in gt. malo
sprünglich Kosenamen, der wohl ausgeht von
«., anord. mplr m. Außergermanisch vergleicht
lautmalendem ml, dem Lockruf der Katze für
ihre Jungen; der Wortausgang wie bei dem Suf¬ sich russ. mölt 'Motte, Schabe’. Vermutlich wei¬
ter zu mahlen (s. d.).
fix für Kosenamen (so ist Mieze auch Kosename
für Maria und Minna). Bezeugt seit dem 19. Milch/. Mhd. mil(i)ch, ahd. miluh, milih, as.
Jh. — Die vulgäre Verwendung für 'Mädchen, miluk aus g. *meluk- f. 'Milch’, auch in gt.
Bettgenossin’ geht auf die Übertragungsreihe miluks, anord. mjolk, ae. meol(u)c, milc, afr.
'Katze’ — 'weibliches Geschlechtsorgan’ — melok. Das Wort ist in dieser Form nicht ver¬
'Frau’ zurück. gleichbar und auch morphologisch nicht ver¬
S. mauen, miauen. — Seitz (1976), 217 — 222. ständlich. Auffällig ist die Nähe zu dem sachlich
verwandten melken. Lautlich aus diesem gut
Migräne /. 'starke Kopfschmerzen’. Im 18.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. migraine, bezeugten Verb herleitbar (aber andererseits
dieses aus 1. hemicränia (dass.), aus gr. hemi- auch mit dem Wort Milch verknüpfbar) sind
krania (dass., wörtlich: 'Schmerz in einer Kopf¬ mir. melg n., mlicht, kymr. blith, russ. molözivo
hälfte’), zu gr. kränion n. 'Schädel’ (s. hemi-). n. 'erste Milch, Biestmilch’, toch. A. malke,
Brunt (1983), 380f.
toch. B. malkwer m. Zumindest nicht unähnlich
sind 1. läc n., gr. gäla (gälaktos) n. 'Milch’.
Migration f. 'Wanderung’, s. emigrieren.
Dem lautlich und morphologisch ganz un¬
Mikado n. (= ein Geschicklichkeitsspiel mit durchsichtigen Befund nach zu urteilen, ist es
dünnen Holzstäbchen), sonder spracht. Über¬ nicht ausgeschlossen, daß sehr alte Entlehnun¬
nommen aus jap. mikado, einer älteren Bezeich¬ gen vorliegen, die im Fall des Germanischen,
nung für den japanischen Kaiser. Die neue Be¬ Keltischen, Slavischen und Tocharischen an das
deutung hat mit der alten (außer einem vagen Wort für 'melken’ lautlich angeschlossen wor¬
Bezug zu Japan) nichts zu tun. den sind.
mikro- Präfix. Wortbildungselement mit der Nndl. melk, ne. milk, nschw. mjölk, nisl. mjolk. S.
Bedeutung '(sehr) klein’ (z. B. Mikroskop). In Milchdieb, Milchner, Milken. — A. Mayer ZVS
73 (1956), 235-237.
Fachwörtern der Physik trägt es die Bedeutung
'ein Millionstel’ (z. B. Mikrofarad). Es wurde Milchdieb m. 'Kohlweißling’, frk. Bezeugt seit
vornehmlich in neologischen Bildungen ver¬ dem 18. Jh. Vermutlich weil die Schmetterlinge
wendet; sein Ursprung ist gr. mikrös 'klein, ge¬ allgemein von Milch angezogen werden. Der
ring’. Glaube, daß Hexen in Schmetterlingsgestalt den
Mikrobe /. 'Kleinstorganismus’, fachspraehl. Kühen die Milch entzögen, ist wohl unabhängig
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. davon aus dem gleichen Sachverhalt herausge¬
microbe, einer Neubildung zu gr. mikrös 'klein’ sponnen und kann kaum das weit verbreitete
(s. auch mikro-) und gr. bios m. 'Leben’ (s. auch Benennungsmotiv erklären (vgl. etwa ne. but-
bio-). terfly).
Morphologisch zugehörig: mikrobiell, etymologisch S. Milch ( + ), Molke. - B. Martin HBV 27(1929),
verwandt: s. Amphibie. 195-198.

Mikrofiche n./m. (= Mikrofilm mit aneinan¬ Milch(n)er m., auch Milchling m. 'männlicher
dergereihten Kopien), fachspraehl. Im 20. Jh. Fisch’, fachspraehl. Bezeugt seit dem 14. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. microfiche, zu (milcher) und 15. Jh. (milchener), milchling seit
e. micro- (s. auch mikro-) und frz.fiche f. 'Stück dem 16. Jh. Zu Milch (s. d.) in der übertragenen
Papier, Karteikarte’, einer postverbalen Ablei¬ Bedeutung 'Samen des männlichen Fischs’.
tung von frz. ficher 'festmachen, einrammen’, Milchmädchenrechnung /. 'unrealistische
aus \. figere (fixum) 'heften, stecken’. Überlegung’. Nach der Fabel von Lafontaine,
Etymologisch verwandt: s. fix. in der sich ein Milchmädchen überlegt, wie sie
Milchstraße 479 Minarett

das Geld für die Milch, die sie auf dem Markt gen verwendet; sein Ursprung ist 1. mtlle 'tau¬
verkaufen will, anlegen soll. In der Freude über send’.
den Gewinn aus dieser späteren Anlage beginnt Etymologisch verwandt: s. Million.
sie zu hüpfen und verschüttet dabei die Milch.
Milliarde/. (= eintausend Millionen). Im 18.
Milchstraße/. Bezeugt seit dem 17. Jh. Älter Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. milliard
(15. Jh.) milchweg. Lehnübersetzung von 1. via m., aus prov. milhar 'ein Tausend voll’, aus 1.
lactea. Himmelszone mit so dichter Besetzung mtl(l)iärium n. 'ein Tausend’, zu 1. mtlle 'tau¬
der Sterne, daß sie wie ausgegossene Milch aus¬ send’. Das provenzalische Wort wird im Fran¬
sieht. zösischen auf mille 'tausend’ bezogen und erhält
dann seine Bedeutung als 'großes Tausend’.
Milchzahn m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Die
ersten Milchzähne brechen durch, solange das Morphologisch zugehörig: Milliardär, etymologisch
verwandt: s. Million.
Kind noch gestillt wird (also Milch bekommt).
Million/. (= eintausend mal eintausend). Im
mild Adj. Mhd. milde, milte, ahd. milti, milte,
15. Jh. entlehnt aus it. milione m. 'sehr große
as. mildi aus g. *meldi- Adj. 'mild’, auch in gt.
Zahl’, einer Augmentativbildung zu it. mille
mildeis, anord. mildr, ae. afr. milde. Außerger¬
'tausend’, aus 1. mille (dass.). Zunächst ge¬
manisch vergleicht sich zunächst gr. malthakös
braucht als Bezeichnung sehr großer Geldsum¬
'weich, zart, mild’, vielleicht auch ai. märdhati men; die Festlegung auf einen bestimmten Zah¬
'vernachlässigt, gibt preis’. Daneben steht ig. lenwert erst im 17. Jh.
*mldu- 'weich’ (in 1. mollis usw.), das in einigen Morphologisch zugehörig: Millionär; etymologisch
Sprachen nicht klar getrennt werden kann. Viel¬ verwandt: Billion, Meile, Meiler, Mille, milli-, Milliarde
leicht gehen beide Bildungen zurück auf die (usw.), Promille.
unter mahlen behandelte Wurzel ('zerrieben’ = Milz /. Mhd. milz(e) n., ahd. milz(i) n.,
'weich, mild’?). milza, mndd. mndl. milte aus g. *meltja- n.
Nndl. ne. nschw. mild, nisl. mildur. S. auch Milz, 'Milz’, auch 'Milch der Fische’, auch in anord.
mulsch ( + ). milti (auch m.), milta n., mjalti m., ae. milte m.,
Milieu n. 'Umgebung, Umgang’. Im 19. Jh. afr. milte. Im Deutschen Femininum in Analogie
entlehnt aus gleichbedeutend frz. milieu m. zu anderen Bezeichnungen von inneren Orga¬
(wörtlich: 'Mitte’), aus frz. mi 'mittlerer, halb’ nen. Nordisch und englisch auch maskulinum.
(aus 1. medius [dass.]) und frz. Heu m. 'Ort’ (aus Da die Milz mehrfach als das Weiche, Feuchte
1. locus m. [dass.]). bezeichnet wird, kann das Wort zu schmelzen
(s. d.) oder zu mild (s. d.) gehören. Eine genaue
Etymologisch verwandt: s. Medium und lokal.
Grundlage ist aber nicht auszumachen.
Militär n. 'Streitkräfte’. Im 18. Jh. entlehnt
Nndl. ne. milt, nschw. mjälte, nisl. milti.
aus frz. militaire m. 'hoher Offizier’, zu 1. militä-
Mime m. 'Schauspieler’, s. Mimik.
ris 'soldatisch, den Kriegsdienst betreffend’, zu
1. mlles m. 'Soldat’. Bei der Entlehnung ins Mimik /. 'Mienenspief. Im 18. Jh. entlehnt
Deutsche wurde der Plural des Französischen aus gleichbedeutend 1. (ars) mlmica, aus gr.
in ein Kollektivum umgedeutet. mlmikös (dass.), zu gr. mlmelsthai 'nachahmen’.
Zunächst vor allem gebraucht vom Mienenspiel
Morphologisch zugehörig: militant, Militaria, Milita¬
rismus, Military, Miliz, Milizionär, etymologisch ver¬ des Schauspielers, der bezeichnungsmotivisch
wandt: Kommilitone. in seinen Gesichtsausdrücken andere Menschen
nachahmt. Dazu Mime 'Schauspieler’. Die neo¬
Miliz/. 'Bürgerwehr’. Im 17. Jh. entlehnt aus
griechische Bezeichnung Mimose 'hochemp¬
gleichbedeutend 1. militia, zu 1. mlles m. 'Soldat’.
findliche Pflanze/Person’ nach dem heftigen
Etymologisch verwandt: s. Militär. Verhalten bei (vermeintlicher) Bedrohung, das
Milken m. 'Kalbsmilch’, ndd. Nach der Zart¬ bildhaft mit dem übertriebenen Gebärdenspiel
heit als das Milchige benannt. von Schauspielern verglichen wird.
S. Milch ( + ). Morphologisch zugehörig: Mime, Mimesis, Mimikry,
Mimose; etymologisch verwandt: Pantomime.
Mille n., meist nur PI. 'Tausend (Mark,
Stück)’, ugs. Entlehnt aus 1. mille 'tausend’ Mimikry /. 'Anpassung’, sonder spracht. Im
(wohl nach dem Vorbild von pro mtlle 'je Tau¬ 20. Jh. entlehnt aus ne. mimicry, das eine hy¬
bride Bildung aus ne. mimic (s. Mimik) und
send, Tausendstel’).
dem Suffix -(e)ry ist.
Etymologisch verwandt: s. Million. — Schirmer (1911),
129. Mimose /. 'hochempfindliche Pflanze/Per¬
son’, s. Mimik.
milli- Präfix. Wortbildungselement mit der
Bedeutung 'ein Tausendstel’ (z. B. Millimeter). Minarett n. (= der Turm einer Moschee),
Es wurde vornehmlich in neologischen Bildun¬ sonder spracht. Im Neuhochdeutschen entlehnt
minder 480 Minute

aus gleichbedeutend frz. minaret m., dieses aus Minimum n. 'Mindestmaß’, s. minus.
türk, minare(t) (dass.), aus arab. manära (dass., Minister m. (= ein Mitglied der Regierung).
eigentlich: 'Leuchtturm’). Im 15. Jh. entlehnt aus 1. minister 'Diener’,
minder Adj. Komparativ, sonder sprach!. Mhd. zu 1. minor 'kleiner, geringer’. Die Bedeutung
minre, minner, ahd. minniro, as. minnero aus g. 'Regierungsmitglied’ im 17. Jh. aus frz. ministre
*minnizön 'weniger’, auch in gt. minniza, anord. desselben Ursprungs; in dieser Bedeutung dem¬
minnr, miör Adv., minni, afr. min(ne)ra. Der nach 'Diener des Staates’.
zugehörige Superlativ ist g. *minnista- in gt. Morphologisch zugehörig: ministerial, ministeriell, Mi¬
minnists, anord. minnstr, ahd. as. minnisto, nisterium, Ministrant, ministrieren; etymologisch ver¬
mhd. minnest, minst. Das -d- ist erst neuhoch¬ wandt: s. minus. — Jones (1976), 438; Brunt (1983),
381.
deutsch zwischen n und r des Komparativs ein¬
geschoben und später auf den Superlativ über¬ Mink m. 'Pelztier’, fachsprachl. Entlehnt aus
tragen worden. Außergermanisch vergleicht ne. mink (da dieser Marder hauptsächlich in
sich zunächst I. minor, minimus gleicher Bedeu¬ Nordamerika gezüchtet wurde). Das englische
tung und akslav. minijl 'kleiner’. Das -nn- des Wort vermutlich aus ndn. nnorw. mink, nschw.
Germanischen stammt offenbar aus -nw-, das menk unklarer Herkunft (da das Tier auch in
von einer Bildung wie 1. minuere, gr. meioün, Nordeuropa beheimatet war).
minythein, ai. minäti 'mindern’ abhängig ist. Minna /. 'Dienstmädchen’, arch., ugs. Nach
Auf einfacherer Grundlage gr. meiön 'kleiner, dem früher häufigen weiblichen Vornamen, der
geringer’. zeitweise offenbar bei Dienstmädchen öfter auf¬
Nndl. minder, minst, nschw. mindre, minst, nisl. minni, trat.
minnsta. S. minus ( + ). — Pfaff (1933), 41. Minne/., arch. Neu belebt durch die Roman¬
Mine/. Seit dem 16. Jh. bezeugt in der Bedeu¬ tik. Mhd. minne, ahd. minna, as. minnia, min-
tung 'Pulvergang, Sprenggrube’, danach als nea, auch afr. minne. Vergleichbar ist air. mian
'Erzgang, Erzgrube’. Entlehnt aus frz. mine, das m. /n. 'Verlangen’, kymr. mwyn 'lieb, freundlich,
auf ein keltisches Wort zurückgeht (vgl. mir. mild’ (*meino-) und auf einfacherer Grundlage
mein, kymr. mwyn 'Roherz’). Von 'Pulvergang’ ai. mäya- n. 'Genuß, Vergnügen’, avest. mayah-
hängt die junge Bedeutung 'Sprengkörper’ ab, n. 'Beischlaf’, lit. mielas 'lieb, liebenswürdig,
von 'Erzgang’ die junge Bedeutung 'Bleistift¬ zärtlich’, lit. meile 'Liebe’, russ. milyj 'lieb, lieb¬
mine’. lich, angenehm’. Das germanische Wort setzt
S. Mineral. - Littmann (1924), 19f.; Jones (1976), also *mi-n- fort, das Keltische zeigt *mei-n-,
436f.; Brunt (1983), 381. und *moi-n- wird vorausgesetzt durch ahd.
Mineral n. (= eine anorganische Substanz), mhd. fnhd. meinen 'lieben’ (s. meinen2). Ein
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus ml. (aes) Grund für diesen Ablaut ist nicht ersichtlich.
minerale 'Erzgestein’, einer Ableitung von ml. Die zugrundeliegende Wurzel *mei- 'begehren,
minarium n. 'Grubenerz, Erzgrube’, das wohl lieben’ könnte eine frühe Sonderentwicklung
auf ein keltisches Wort zurückgeht. der Wurzel *mei- 'tauschen, wechseln’ (s. Mein¬
eid) sein. In den germanischen Sprachen hat
Morphologisch zugehörig: Mineralisation; etymolo¬
gisch verwandt: Mine. - K.-H. Weinmann DWEB sich das Wort mit einem anderen berührt, das
2(1963), 399; Löschen (1968), 275f. vor allem in gt. gaminpi n. 'Gedächtnis’, anord.
minni n. 'Erinnerung’ greifbar wird. Dieses ge-,
mini- Präfix. Wortbildungselement mit der
hört zur Wurzel *men- 'denken’ (s. mahnen).
Bedeutung '(sehr) klein’ (z. B. Minicar). Es
Nndl. min. — Kuhberg (1933), 56; D. Wiercinski:
wurde vornehmlich in neologischen Bildungen
Minne (Köln, Graz 1964); Th. Frings BGDSL-H
verwendet; sein Ursprung ist 1. minimus 'klein¬ 91 (1969), 32-35.
ster’.
Minorität /. 'Minderheit’, s. minus.
Etymologisch verwandt: s. minus.
minus Adj. 'weniger’, fachsprachl. Im 14. Jh.
Miniatur /. 'kleines Bild, kleine Nachah¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. minus, der Neu¬
mung’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
trumform von 1. minor 'kleiner, geringer’.
it. miniatura (wörtlich: 'mit Zinoberrol Gemal¬
Morphologisch zugehörig: Minuend, Minus, Minuskel;
tes’), dieses über mittellateinische Vermittlung
etymologisch verwandt: Administration, Diminutiv,
zu 1. miniäre 'mit Zinnober malen’ zu 1. minium Menü, Menuett, Metier, mini-, Minimum (usw.), Mini¬
n. 'Zinnoberrot’. Die heutige Bedeutung durch ster (usw.), Minorität, Minute, minuziös; zum Etymon
Anlehnung an I. minor 'klein’. Dazu aus dem s. minder. — Schirmer (1912), 45.
Französischen en miniature 'im kleinen, in klei¬ Minute/, 'sechzigster Teil einer Stunde, Zeit¬
nerem Maßstab’. einheit von 60 Sekunden’. Im 15. Jh. entlehnt
Etymologisch verwandt: Mennige. - J. W. Walz ZDW aus gleichbedeutend spl. minüta, zu 1. minütus
12(1910), 190. 'vermindert, ganz klein’, dem PPP. von 1. mi-
minuziös 481 Mission

nuere 'kleiner machen’, zu 1. minus weniger’. mischpoche 'Familie’, das auf hebr. mispähä(h)
Die Bedeutung von spl. minüta aus der Fügung zurückgeht.
pars minüta prima 'kleinster Teil erster Ordnung Wolf (1985), 219.
einer durch 60 teilbaren (Zeit)Größe’ aus dem
Misel n. (Bei Goethe als Anrede junger Mäd¬
Sexagesimalsystem des Ptolemäus.
chen), sonder spracht. Eigentlich elsässisches Di¬
Etymologisch verwandt: s. minus. - Schirmer (1912),
minutiv zu Maus (s. d.).
45.
Littmann (1924), 101.
minuziös Adj. 'peinlich genau’. Im 18. Jh.
Miselsucht /. 'Lepra’, arch. Mhd. miselsuht,
entlehnt aus gleichbedeutend frz. minutieux,
ahd. misalsuhl. Entlehnt aus 1. misellus 'elend,
einer Ableitung von frz. minutie 'peinliche Ge¬
aussätzig’. Die Bedeutung 'Lepra’ ist offenbar
nauigkeit, Kleinigkeit’, aus 1. minütia 'Klein¬
eine Lehnbedeutung aus arab. miskin 'arm,
heit’, zu 1. minuere 'kleiner machen’, zu 1. minus
elend’.
'weniger’.
Littmann (1924), 101. Gegen Einfluß des Arabischen:
Etymologisch verwandt: s. minus. - W. Feldmann E. Polome JIES 11 (1983), 50.
ZDW 8 (1906/07), 80.
miserabel Adj. 'sehr schlecht’, s. Misere.
Minze/. Mhd. minz(e). ahd. minza, as. minta.
Misere /. 'bedauernswerte Lage’. Im 18. Jh.
Wie ae. minte entlehnt aus 1. ment(h)a, das
entlehnt aus gleichbedeutend frz. misere, dieses
wie gr. minthe aus einer unbekannten Sprache
aus 1. miseria, einer Ableitung von 1. miser
stammt. Die Nebenformen mit u und ü (Münze)
'elend, erbärmlich’.
sind nicht regelmäßig. Vielleicht beruhen sie auf
Morphologisch zugehörig: miserabel.
dem Einfluß von Münze.
miso- Präfix. Wortbildungselement mit der
mir Pron. Mhd. ahd. mir aus g. *me-z, auch
Bedeutung 'Haß, Feindschaft, Verachtung’
in gt. mis, anord. mer, möglicherweise gehen ae.
(z. B. Misogyn, misanthropisch). Es wurde in
me, afr. as. mi mit Schwund des auslautenden -z
griechischen Entlehnungen ins Deutsche über¬
auf die gleiche Grundform zurück. Dieses aus
nommen; sein Ursprung ist gr. misos n. 'Haß,
*(e)me- + einer ursprünglich numerus-indiffe¬
Groll’.
renten Kasusendung.
Mispel f,fachsprachl. Mhd. mispel, ahd. mes-
S. mein, mich, dir. — Seebold (1984), 44 — 46.
pila, mispel. Entlehnt aus 1. mespilum n., das
Mirabelle/. (= eine gelbe Steinfrucht). Im 18. auf gr. mespilon n. zurückgeht. Dieses ist aus
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. mirabelle, unbekannter Quelle entlehnt.
dieses aus it. mirabella (dass.), dessen weitere Hoops (1911/19), III, 228f.
Herkunft nicht völlig geklärt ist.
miß-, misse- Präfix (zum Ausdruck des Ver¬
Mirakel n. 'Wunder’, sonderspracht. Im 14. kehrten). Mhd. misse-, ahd. missa-, missi-, as.
Jh. entlehnt aus 1. mträculum 'Wunder’ (zu 1. mis- aus g. *missa- auch in gt. missa-, anord.
miräri 'sich wundem’), hauptsächlich als reli¬ (in Relikten) mis-, (ä)miss, ae. mis-. Selbständig
giöser Terminus. Deshalb auch als Bezeichnung in gt. misso 'wechselseitig’. Ursprünglich to-
für die frühen religiösen Schauspiele. Partizip zu dem unter meiden (s. d.) dargestell¬
Misanthrop m. 'Menschenfeind’, sonder- ten Verb für 'wechseln, tauschen’, hier (mit dem
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Bedeutungszusammenhang 'tauschen — täu¬
frz. misanthrope, dieses aus gr. misänthröpos schen’) als 'verkehrt’. Eine entsprechende Be¬
(dass.), zu gr. mTsein 'hassen’ und gr. änthröpos deutungsentwicklung in dieser Sippe bei ai.
'Mensch’. mit hü- 'verkehrt’.
Etymologisch verwandt: s. [Anthropologie], Philan¬ S. Mißpickel.
throp,; Ersatzwort ist Menschenfeind. missen swV. Mhd. mndd. missen aus g.
mischen swV. Mhd. mischen, ahd. miscen, mi- *miss-ija- swV. 'missen’, auch in anord. missa,
sken, miscan u. ä. Wie ae. miscian entlehnt aus ae. missan, afr. missa. Zu dem unter miß- behan¬
1. miscere 'mischen’, das seinerseits auf *meik- delten to-Partizip, dessen Bedeutung in diesem
'mischen, mengen’ (in gr. meignymi, mignymi Fall aber näher bei 'meiden’ stehen geblieben
'ich mische, verbinde’, lit. miesti, vielleicht auch ist. Also etwa 'vermieden haben’.
in ved. mimiksü- 'zu mischen, mischbedürftig’) Mißglaube m., s. Aberglaube.
zurückgeht. mißheilig Adj. Mhd. missehel, ahd. missahel
S. auch Maische, Mischmasch, Mixtur (+). 'nicht zusammenklingend’ (vgl. ahd. missihellan
Mischmasch m. Ablautbildung des 16. Jhs. zu 'mißtönen’ und einhellig, s. d.).
mischen (s. d.). Vielleicht von Paracelsus ge¬ S. einhellig und hallen ( + ).
bildet. missingsch Adj., s. messing(i)sch.
Mischpoche /. 'Familie, Gesellschaft, Bande’, Mission /. 'Entsendung, Auftrag’. Im 16. Jh.
ugs. Über das Rotwelsche entlehnt aus wjidd. entlehnt aus 1. missio (-önisJ 'Ziehenlassen, Ge-
mißlich 482 Mitternacht

henlassen, Absenden, Abschicken’, einer Ablei¬ nigstens des ersten Bestandteils mit Mitte (s. d.)
tung von 1. mittere (missum) 'gehen lassen, ist wahrscheinlich.
schicken’. Ein Missionar ist bezeichnungsmoti¬ S. meta-,
visch 'ein (zur Verbreitung des christlichen Mitesser m. 'Pickel’. Lehnübersetzung des 17.
Glaubens) Abgesandter’; davon übernimmt Jhs. aus 1. comedo 'Fresser, Schlemmer’ zu 1.
missionieren seine Bedeutung 'zum (christli¬ comedere 'aufessen, verzehren’. Man hielt die
chen) Glauben bekehren’. verstopften Poren für kleine Würmer, die von
Morphologisch zugehörig: Missionär; etymologisch der Nahrung „mitessen“ würden.
verwandt: Emission, emittieren, Kirmes, Komitee, Kom¬ Mitgift/. 'Heiratsgut’. Fnhd. mitegift, mndd.
miß, Kommissar, Kommission (usw.), Kompromiß, kom¬
medegift, eigentlich 'Mitgabe’ zu Gift (s. d.) in
promittieren, Lichtmeß, Messe';2, [permissiv], Prä¬
der alten Bedeutung 'Gabe’.
misse, remis, Remittende. — A. Gombert ZDW
3 (1902), 319f. Mitlaut m., s. Selbstlaut.
mißlich Adj. In der heutigen Bedeutung erst Mitleid n. Mhd. miteliden, mndd. medeliden.
seit dem 16. Jh. Zuvor g. *missa-lika- Adj. 'ver¬ Lehnübersetzung der Mystiker aus 1. compassio
schieden’ in gt. missaleiks, ae. mis(se)lic, mist- f 'Mitleiden, Mitempfinden’, das seinerseits
lic, afr. mislik, as. mis(si)lik, ahd. mis(si)lih, eine Lehnübersetzung aus gr. sympätheia f.
missalTh u. ä., mhd. mis(se)lich. Eigentlich 'was 'Mitempfinden’ ist. Der Wortausgang wird im
abwechselnde Gestalt hat’ (s. gleich), also 'ver¬ 17. Jh. im Ostmitteldeutschen gekürzt, und
schieden’. Die Bedeutungsveränderung im diese Form setzt sich in der Hochsprache durch.
Deutschen wohl unter dem Einfluß des Präfixes Die ältere Form noch in Mitleidenschaft.
miß-, misse-. W. Betz BGDSL 67 (1944), 302.

S. Leiche ( + ). Mittag m. Mhd. mitt(enJ tac, mittach(e), mit-


tertag, ahd. mittitag, auch ae. middxeg. Zusam¬
mißlingen stV. Gegenwort zu gelingen (s. d.).
mengerückt aus dem Adjektiv ahd. mitti 'in der
Mißpickel m. 'Arsenkies’, arch. Bezeugt seit Mitte befindlich’ (s. Mitte) und Tag (s.d). Das
dem 16. Jh. Herkunft unklar, vielleicht zu miß- Muster ist alt, vgl. 1. merldies f./m. ai. madhyäm-
(s. d.) und Buckel (s. d.) als 'falscher Knollen’? dina- 'Mittagszeit’.
Mist m. Mhd. mist n./m., ahd. as. mist aus g. Nndl. middag, ne. midday. — Wünschmann (1966),
*mihstu- m. 'Mist, Gülle’, auch in gt. maihstus 100-102, 111-113.
und unerweitert in as. mehs n., ae. meox, myx Mitte/. Mhd. mitte(l), ahd. mitti, as. middia
n., nordfr. mjuks. Ableitung aus g. *meig-a- stV. aus g. *medjön f. 'Mitte’, auch in anord. miöja,
'harnen’ in anord. miga, ae. mlgan. Dieses aus ae. midde(l). Abstraktbildung zu dem Adjektiv
ig. *meigh- 'harnen’ in 1. meiere, mingere, lit. g. *medja- 'mitten, in der Mitte befindlich’ in
myzti, serbo-kr. mizati, gr. omeichö, ai. mehati. gt. midjis, anord. miör, ae. midd, afr. midde, as.
Nndl. mest. S. auch Maische. — Kluge (1926), 70. middi, ahd. mitti, mhd. mitte. Dieses aus ig.
*medh-jo- in ai. mädhya-, 1. medius, gr. mesos,
Mistel /. Mhd. mistel m., ahd. as. mistil m.
russ. mezeni 'Mitte’.
aus g. *mistilö f. 'Mistel’, auch in anord. mistil-
Nndl. midden, nschw. mitt, nisl. miöja. S. Medium ( + ),
teinn m., ae. mistel m.(?). Wohl Lautvariante
mezzo-, Midder, mit. Mittag, mittel, mitten, Mitter¬
zu der 1. Entsprechung viscum n., auch gr. ixös nacht, Mittwoch.
m.\ also *mihs-t!o-.
mittel Adj.- Mhd. mittel, ahd. mittil, mndd.
Nndl. mistel, ne. mistle(-toe), nschw. mistel. — G. H.
middel aus g. *medlija- Adj. 'mittel’, auch in ae.
Mahlow: Neue Wege durch die griechische Sprache und
afr. middel-, as. middil- nur in Zusammenset¬
Dichtung (Berlin 1927), 356.
zungen. Ohne j und mit vollstufigem Sufiix
Miszellen PI. 'kleinere Aufsätze zu unter¬ anord. meöal 'Mitte’, ahd. metal. Substantiviert
schiedlichen Themen’, fachsprachl. Im 18. Jh. mhd. mittel, mndd. middel. Bedeutung zunächst
entlehnt aus 1. miscilla n. 'Gemischtes’, einer 'Mitte’, dann wie 1. medium 'Hilfsmittel’ ( =
Substantivierung von 1. miscillus, miscellus 'ge¬ 'das zwischen Täter und Objekt Liegende’).
mischt’, zu 1. miscere 'mischen, vermengen’. Nndl. middel-, ne. middle. S. Mitte ( + ), mittlerweile.
Etymologisch verwandt: s. Mixtur. mitten Adv. Erstarrt aus dem adverbial ge¬
mit Adv./Präp. Mhd. mit(e), ahd. mit(i), as. brauchten Dativ Plural von Mitte (s. d.), mhd.
mid(i), miö u. ä. aus g. *medi Adv./Präp., auch (in) mitten.
in gt. miß, anord. meö(r), ae. rnid, afr. rnith(i), S. auch inmitten. - Behaghel (1923/32), III, 193f.
mede, mei. Außergermanisch ist am ähnlichsten Mitternacht /. Mhd. mitt(e)naht, mitternaht,
gr. metä, meta Adv./Präp. 'inmitten, zwischen, zusammengerückt aus ze mitter nacht, ahd. ze
mit’, das germanische Wort könnte allerdings mitteru naht, also dem Adjektiv mitte (s. Mitte)
auch auf dh zurückgehen. Verwandtschaft we¬ und Nacht (s. d.). Auch als Kompositum in
mittlerweile 483 modern

anderer Form: mhd. mitnaht, ae. midniht, tion (usw.), Immobilien, Lokomotive, Meute, meutern
anord. miöncetti. (usw.), Mob, Möbel (usw.), Moment (usw.), Moped,
Motiv (usw.), Motor (usw.), Promotion (usw.).
mittlerweile Adv. Zusammengerückt aus mhd.
in mitler wile 'in der Zwischenzeit’. Zu dem Mobiliar n. 'Einrichtungsgegenstände’, s.
Adjektiv mittel (s. d.). mobil.
Behaghel (1923/32), III, 210f. mobilisieren swV. 'in Bewegung versetzen,
Mittwoch m. Mhd. mittewoche, spahd. mitta- zum Handeln anregen’, s. mobil.
wecha, mndd. middeweke. Bei der Übernahme modal Adj. 'die Art und Weise bezeichnend’,
der antiken Wochentagsnamen wurde der Tag s. Modus.
des Jupiter oder in der germanischen Übertra¬
Modalität/. 'Art und Weise’, s. Modus.
gung der Tag des Wotan (vgl. ne. Wednesdav)
weithin vermieden zugunsten der ursprünglich Mode/. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. mode mj
jüdisch-christlichen Bezeichnung 'Mitte der f. besonders in der Formel ä la mode 'nach der
Woche’. So ml. media hebdomas nach griechi¬ Art (der Gegenwart)’. Zunächst auf die Kleider
schem Vorbild und danach die deutschen bezogen, dann verallgemeinert. Das französi¬
Formen. sche Wort geht zurück auf 1. modus m. 'Maß,
S. Mitte ( + ). - G. BilsingerZi)IT4(1903), 253-256; Art und Weise’.
Th. Frings/ C. Niessen IF45 (1927), 276-306; Frings Etymologisch verwandt: s. Modus. - W. Feldmann
(1932), öfters. ZDW 8 (1906/07), 80; Jones (1976), 440 - 445.

mitunter Adv. Bezeugt seit dem 18. Jh. Die Model m. '(Back)Form’, reg. Mhd. model m./
beiden Bestandteile waren semantisch gleich¬ n., ahd. modul. Entlehnt aus 1. modulus, ur¬
wertig und wurden zur Verstärkung kombiniert. sprünglich 'Maß, Maßstab’ zu 1. modus 'Maß’.
mixen sw Fi 'mischen’. Im 20. Jh. entlehnt aus Etymologisch verwandt: s. Modus.
gleichbedeutend ne. mix, das rückgebildet ist Modell n. 'Vorbild’, s. modulieren.
aus e. mixed, mixt 'gemischt’, das auf afrz. Moder m. Spmhd. moder, übernommen aus
mixte (dass.) zurückgeht, aus 1. mixtus (dass.),
mndd. mod(d)er, vgl. mndl. mod(d)er, moeder
dem PPP. von 1. miscere 'mischen’.
u. ä. Vielleicht liegt eine hochdeutsche Entspre¬
Morphologisch zugehörig: Mixer; etymologisch ver¬ chung in Essigmutter, Weinmutter vor (diese
wandt: s. Mixtur.
vielleicht aber zu Mutter 'Eltemteil’). Die Ver¬
Mixtur /. 'Mischung, gemischte Arznei’. Im gleichsmöglichkeiten sind nicht sehr klar: Es
Mittelhochdeutschen (mhd. mixtüre) entlehnt gibt Wörter, die auf *meu- zurückgeführt wer¬
aus gleichbedeutend 1. mixtüra, zu 1. miscere den können, und die einerseits auf 'baden, wa¬
(mixtum) 'mischen’. schen’, andererseits auf 'Schimmel, Schmutz,
Etymologisch verwandt: Medley, [Melange], meliert, Schlamm’ zurückführen. Ein klarer Mittel¬
[Mestize], mischen, Miszellen, mixen, [Mixed punkt ist dabei nicht zu sehen. Formal kann
Pickles].
das germanische Wort eine Instrumentalbildung
Mob m. 'Pöbel’ (ursprünglich bezogen auf auf -tro- sein, dem entspräche (abgesehen von
Londoner Verhältnisse), sonderspracht. Im 18. der Vokallänge) ai. mütra- n. 'Ham’, avest. müS-
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. mob. Die¬ ra- n. 'Exkremente, Schmutz’, aber semantisch
ses ist gekürzt aus ne. mobile 'beweglich’, das liegt das nicht nahe. Semantisch näher steht
seinerseits zitiert ist aus 1. mobile vulgus 'die lett. mudet 'schimmlig werden’, aber es bleibt
aufgewiegelte Menge’ bei Claudian (De IV. vereinzelt. Zu anderen Bedeutungen des germa¬
cons. Honorii V,302). nischen Wortes paßt russ. mutiti '(Wasser)
Etymologisch verwandt: s. mobil. — Ganz (1957), 146. trüben’.
Möbel n. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. meuble Nndl. modder, moer. S. Moos1. — V. Machek ZSPh
m., das seinerseits auf ml. mobile n. 'bewegliches 23 (1954), 117f.
Gut’ zurückgeht (zu 1. möbilis 'beweglich’). moderat Adj. 'gemäßigt’, s. Modus.
Etymologisch verwandt: s. mobil. — J. W. Walz ZD W
moderieren swV. 'vorstellen, mit Überleitun¬
12 (1910), 191; Brunt (1983), 380.
gen versehen’.
mobil Adj. 'beweglich’. Im 18. Jh. entlehnt
Moderator m. 'Leiter von Fernsehveranstal¬
aus gleichbedeutend frz. mobile, dieses aus 1.
tungen’. Neubildung zu 1. moderäre 'ein Maß
möbilis, zu 1. movere (mötum) 'bewegen, in Be¬
setzen’ (s. Modus).
wegung setzen’. Mobiliar und Mobilien sind be¬
zeichnungsmotivisch 'bewegliches Hab und modern Adj. 'dem neuesten Stand entspre¬
Gut’. chend’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Morphologisch zugehörig: Automobil, Mobilisation, frz. moderne, dieses aus 1. modernus 'derzeitig,
mobilisieren, Mobilität; etymologisch verwandt: Emo¬ gegenwärtig, neu’, zu 1. modo 'nur, eben’, in
modifizieren 484 Mokka

späterer Zeit auch 'jetzt5, zu I. modus 'Maß, Art rung im Neuhochdeutschen ging von negierten
und Weise’. Sätzen aus: 'nicht können’ = 'nicht mögen’.
Morphologisch zugehörig: Moderne, modernisieren, Nndl. mögen, ne. may, nschw. mä, nisl. mega. S. Macht,
Modernismus, Modernist, Modernität', etymologisch vermöge, Vermögen.
verwandt: s. Modus. — W. Freund: Modernus (Köln Mohair m. 'Angorawolle’, fachsprachl. Ent¬
1957); K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 399.
lehnt aus gleichbedeutend ne. mohair, dieses aus
modifizieren swV. 'abändern’, fachsprachl. Im arab. muhaiyar 'Stoff aus Ziegenhaar’.
18. Jh. entlehnt aus 1. modifieäre 'gehörig ab¬ Mohn m. Mhd. ahd. mähen, as. mäho aus
messen, ein Maß setzen, mäßigen’, zu 1. modifi- vor-d. *mähön; daneben mit Ablaut und gram¬
cus 'abgemessen’, zu 1. modus 'Maß, Art und matischem Wechsel ahd. mago, as. magosämo
Weise’ und 1. facere (factum) 'machen’. aus *magön, ebenso aschw. valmoghe (*walha-
Morphologisch zugehörig: Modifikation, modisch, Mo¬ magön, zum Vorderglied vgl. norw. [dial.] vale
distin; etymologisch verwandt: s. Modus und Fazit. —
'tiefer Schlaf’ und schw. [dial.] valbjörk 'Schlaf¬
W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 80; G. Schoppe ZDW
dorn’). Außergermanisch vergleicht sich gr. me-
15(1914), 194.
kön und russ. mäk, mäka (Gen.), kslav. makü.
modulieren swV. 'in eine andere Lage oder Die slavischen und griechischen Wörter weisen
Tonart umsetzen’, fachsprachl. Im 16. Jh. ent¬ auf *mäko-/ön, die germanischen eigentlich auf
lehnt aus 1. moduläri 'messen, einrichten, re¬ e/a, doch wenn eine verhältnismäßig junge Ent¬
geln’, zu 1. modus 'Maß, Art und Weise’. lehnung vorliegt, könnte der dem Germani¬
Morphologisch zugehörig: Modul, modular, Modula¬ schen fremde Laut ä teilweise nach wg. ä aus
tion; etymologisch verwandt: s. Modus. ä, teilweise zu kurzem a ausgewichen sein. Für
Modus m. "Verfahrensweise, Art und Weise eine Entlehnung aus einer nicht-indogermani¬
(usw.)’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. modus schen Sprache (die mit einiger Wahrscheinlich¬
'Maß, Quantität, Größe, Takt, Weise, Melodie, keit anzunehmen ist), ist die Verbreitung etwas
Regel, Art und Weise’. Die grammatischen auffällig.
Modi sind bezeichnungsmotivisch 'Arten des Nndl. maankop, nschw. vallmo.
Sprechens’. Mohr m. Mhd. mör(e), ahd. Mör. Entlehnt
Etymologisch verwandt: inkommodieren, Komment, aus 1. Maurus 'Maure, Nordwestafrikaner’.
kommod, Kommode, Modalität (usw.), Mode (usw.),
S. Morelle. — Littmann (1924), 95.
Model, Modell (usw.), moderat, moderieren, modern
(usw.), modifizieren (usw.), modulieren; zum Etymon s. Möhre/. Mhd. mor(c)he, more, ahd. moraha,
Mahl1 und messen. Ersatzwort (der Grammatik) ist more, as. morha aus wg. *murhön f. 'Möhre’,
Redeweise. — E. Leser ZDW 15 (1914), 62. auch in ae. more, moru. Außergermanisch ver¬
Mofa n. (= ein Fahrrad mit Hilfsmotor). gleicht sich vielleicht das gr. Glossenwort brä-
Gekürzt aus Motorfahrrad, s. Motor und kana 'Wildgemüse’. Weitere Herkunft unklar.
Fahrrad. Eine umlautlose Form ist bewahrt in Mohrrübe,
s. auch Morchel.
mogeln swV., ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh.
Hoops (1905), 466f.; Hoops (1911/19), III, 234f.; Mar-
Herkunft unklar. Vielleicht liegt eine Variante
zell (1943/79), II, 52-57; E. Schräder DWEB4 (1964),
zu maucheln, auch maugeln 'heimlich tun, ver¬ 355—470. Anders: K. Knutsson LUÄ 24(1928), 9,
stecken’ (s. Meuchel-) vor. 31-36.
S. mucken. — S. A. Birnbaum ZDPh 74(1955),
Mokassin m. (= ein Wildlederschuh [nord-
225-248; S. A. Wolf A/572 (1962), 184f.; Wolf (1985),
amerikanischer Indianer]), sondersprachl. Im
220.
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. mocca¬
mögen Prät.-Präs. Mhd. mugen, mügen, ahd. sin, dieses aus der nordamerikanischen India¬
mugan, magan u. a., as. mugan 'können, vermö¬ nersprache Powhatan mockasin.
gen’ aus g. *mag Prät.-Präs. 'kann, vermag’,
Mokick n. (= ein Moped mit Kickstarter),
auch in gt. mag, anord. mä, ae. mag, afr. mei,
s. Motor und kicken.
(as. ahd. mag). Außergermanisch vergleicht sich
zunächst akslav. mosti 'können, vermögen’. mokieren swV. 'sich abfällig äußern, bemän¬
Weiteres ist unklar, besonders der Zusammen¬ geln, sich lustig machen über’, sondersprachl.
hang zu den (auch unter sich nicht zusammen¬ Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
stimmenden) langvokalischen Grundlagen lit. moquer, dessen Herkunft nicht geklärt ist.
megti 'lieben, mögen’, lett. megt 'vermögen’, gr. Morphologisch zugehörig: mokant. - Jones (1976),
(dor.) mächanä 'Mittel, Hilfsmittel’. Auch die 450; Brunl (1983), 384.
Bestimmung des Ablautverhältnisses der germa¬ Mokka m. 'sehr starker Kaffee (aus besonde¬
nischen Wörter macht Schwierigkeiten, da kein ren Bohnen)’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
a/ö-Ablaut vorliegt. Die Bedeutungsverände¬ deutend ne. mocha (coffee), nach arab. Muhä,
Molch 485 Monat

dem jemenitischen Hauptausfuhrplatz am Ro¬ durch die Propheten das Appellativum mit der
ten Meer. heutigen Bedeutung.
Molch m. Durch Luther in die Hochsprache Littmann (1924), 35; Lokotsch (1975), 109f.
gelangt. Sonst Formen ohne ch: mhd. mol, molle molsch Adj., auch mulsch Adj., reg. Aus mol¬
in., ahd. mol, molm, molt, as. mol. Weitere Her¬ lisch und damit ursprungsgleich mit mollig
kunft unklar. (s. d.).
S. Olm. - Lühr (1988), 201. P. Siegel MS 43 (1928), 245-247.
Mole /. 'Hafendamm’. Im 16. Jh. entlehnt molum Adj. 'angetrunken’, reg. Seit dem 18.
aus gleichbedeutendem it. molo m., zunächst in Jh. bezeugt. Aus rotw. Molum 'Rausch’, das
der Form Mola, dann eingedeutscht. Dieses aus mit rotwelscher Endung zu wjidd. mole 'voll’
1. möles Damm u. a.\ zu 1. mölTrVin Bewegung gehört (zu hebr. mäle* 'voll’).
setzen, sich abmühen’. Wolf (1985), 221.
Etymologisch verwandt: s. Molekül. - Kluge (1911) Mombotz m., s. Mumpitz.
580f.
Moment m. 'Augenblick’. Im Mittelhoch¬
Molekül n. kleinste Einheit einer chemischen
deutschen (mhd. mömente /.) entlehnt aus
Verbindung’, fachsprach!. Im 18. Jh. entlehnt
gleichbedeutend 1. mömentum n. (wörtlich: 'Be¬
aus gleichbedeutend frz. moleculef, einer Neu¬
wegung, Bewegungslänge in Raum und Zeit’),
bildung zu 1. möles f. 'Masse, Klumpen,
zu 1. movere 'bewegen’. Im Sinne von 'Beweg¬
Damm’.
kraft, ausschlaggebende Kraft’ daneben Mo¬
Morphologisch zugehörig: Molekel, molekular, etymo¬ ment n. Das maskuline Genus nach frz. moment
logisch verwandt: demolieren, Mole', zum Etymon s. (dass.).
mühen.
Morphologisch zugehörig: momentan', etymologisch
Molke f. Mhd. (obd.) molchen, molken, mul- verwandt: s. mobil. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/
chen, mulken n., md. mndd. molken n., mndl. 07), 80.
molken, mulken, as. molken n. aus wg. *mulknö Monarch m. 'gekrönter Herrscher’. Im 16.
f. 'Käsewasser’, auch 'Milch’, auch in ae. mol- Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. monarcha,
cen, afr. molken m.. Der Zusammenhang mit dieses aus gr. monärches, mönarchos (dass.,
melken (s. d.) hegt nahe, doch ist die Verbin¬ wörtlich: 'Alleinherrscher’), zu gr. ärchein 'herr¬
dung dunkel. Vermutlich ursprünglich ein Wort schen’ (s. mono-).
für 'Milch’, dann 'das von der Milch kom¬ Morphologisch zugehörig: Monarchie, Monarchismus,
mende’. Hierher auch Molkerei und Molkendieb Monarchist', etymologisch verwandt: s. Anarchie. — G.
in der Bedeutung 'Schmetterling’ (s. Milchdieb). Schoppe ZDW 15(1914), 194.
Moll n.,fachspraehl. Bezeugt seit dem 16. Jh., Monat m. Mhd. mänöt m./n., ahd. mänöd,
schon fnhd. be molle. Entlehnt aus 1. molle mänöth, as. mänuth aus g. *mänöp- m. 'Monat’,
(Neutrum zu 1. mollis 'weich’) Die kleine Terz auch in gt. menops, anord. mänaör, ae.
der Molltonarten wurde als 'weich’ empfunden. mön(a)p, afr. mönath. Das Wort bedeutete ur¬
S. auch mollig. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 80. sprünglich sowohl 'Mond’, wie 'Monat’ (da die
Monate nach den Mondumläufen angesetzt
Molle /. 'Glas Bier’, berlin. Niederdeutsche
wurden). Weil im Singular das auslautende p
Nebenform zu Mulde (s. d.).
des Konsonantstamms meist im absoluten Aus¬
mollig Adj. Im 19. Jh. aus der Studentenspra¬
laut stand, fiel es dort ab und ergab das Wort
che in die Hochsprache gelangt. Vorher regiona¬
Mon(d), dessen -dsekundär ist (s. d.). Im Plural
les fnhd. mollicht, mhd. molwic 'weich, staubar¬
blieb der Auslaut erhalten; da dies nur bei den
tig’, das offenbar zu ahd. molawen 'verfaulen’
Monaten der Fall war, konnte das Wort Monat
('weich werden’?) gehört. Urverwandtschaft mit
den alten Auslaut bewahren. Außergermanisch
1. mollis 'weich’ (aus *mldu-) ist nicht ausge¬
zeigt sich im Auslaut ein s. Man nimmt an, daß
schlossen.
die Flexion des ursprünglichen Wortes *menöt,
S. Moll, molsch. meneses war, und daß das ,v aus den Kasus
Moloch m. 'grausame Macht’, sondersprachi außerhalb des Nominativs stammte, doch ist
Im 17. Jh. entlehnt aus spl. Moloch, dieses aus dies nicht ausreichend zu sichern. Dem Germa¬
gr. Moloch, aus hebr. (ham)moläk 'der König’ nischen am nächsten steht lit. menuo 'Mond,
aus hebr. möläk, wohl in Anlehnung an hebr. Monat’. Auf einsilbigem *mens- beruhen ai. ma-
bösät 'Schämen, Schande, (Schand)Götze’ aus 'Mond, Monat’, ved. mäs- 'Mond, Monat’, 1.
der Gottesbezeichnung hebr. mäläk 'König’. mensis 'Monat’ und gr. men 'Monat, Mondsi¬
Zunächst Name eines semitischen Gottes, dem chel’, air. mi, kymr. mis, toch. A. man, toch. B.
Kinderopfer dargebracht wurden. Dann ent¬ mene 'Monat’, toch. A. man(h)kät Mond¬
steht aufgrund der Verurteilung dieser Riten gott’, toch. B. meh(h)äkk 'Mondgott’, erweitert
Mönch 486 Monstrum

akslav. mc.sfc/''Mond, Monat’. Vielleicht weiter mono- Präfix. Wortbildungselement mit der
zu ig. *me- 'messen’. Bedeutung 'einmalig, einzeln, allein’ (z. B. Mo¬
Nndl. maand, ne. month, nschw. m&nad, nisl. mänuöur. nokultur, Monolog, monoton, Monarchie). Es
S. Dimension (+), Meniskus, Semester. — R. S. P. wurde vornehmlich in griechischen Entlehnun¬
Beekes JIES 10(1982), 53-64; G. Ivänescu SCL gen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung
36(1985), 416-419. ist gr. mönos 'allein, einzig’.
Mönch m. Mhd. mün(e)ch, mün(i)ch u. a., Etymologisch verwandt: s. Mönch.
ahd. munih. Wie ae. munuc, munec, afr. munek, Monogramm n. 'Namenszeichen aus den An¬
monink, entlehnt aus ml. monicus, älter mo- fangsbuchstaben’, s. Grammatik und mono-.
nachus aus gr. monachös 'Einsiedler’ (eigentlich Monokel n. (= eine aus einem optischen Glas
'einzeln’, zu gr. mönos 'allein’ [s. mono-]). bestehende Sehhilfe). Im 19. Jh. entlehnt aus
Übertragen auf Tierbezeichnungen teils nach gleichbedeutend frz. monocle m., dieses aus spl.
der Tracht, teils nach der Tonsur; wegen des monoculus m. 'Einäugiger’, einer neologischen
Keuschheitsgelübdes auch auf verschnittene Bildung zu 1. oculus m. 'Auge’ (s. auch mono-).
(männliche) Tiere. Weiteres s. unter Nonne. Etymologisch verwandt: Binokel.
S. mono-, Münster. — E. A. Judge JAK 20 (1977),
Monolog m. 'Rede einer Person’, s. Logik und
72-89.
mono-.
Mond m. Mhd. män(e) m./f, ahd. as. mäno
Monophthong m. 'Einzellaut’, s. Diphthong
aus g. *mänön m. 'Mond’, auch in gt. mena,
und mono-.
anord. mäni, ae. afr. möna. Durch Auslautver¬
einfachung entstanden aus dem Wort, das unter Monopol n. 'Vorrecht, Vorrangstellung’. Im
16. Jh. entlehnt äus gleichbedeutend 1. monopö-
Monat (s. d.) behandelt ist. Das auslautende d
lium, dieses aus gr. monopölion (dass., wörtlich:
ist erst in neuhochdeutscher Zeit angewachsen.
'Alleinverkauf’), zu gr. pöletn 'verkaufen’ (s.
R. S. P. Beekes JIES 10(1982), 53-64; G. Ivänescu
auch mono-).
SCL 36(1985), 416-419.
Morphologisch zugehörig: Monopolismus, Monopolist,
mondän Adj. 'extravagant’, sonderspracht. zum Etymon s. feil. — W. Feldmann ZDW 8(1906/
Entlehnt aus gleichbedeutend frz. mondain 07), 80; Schirmer (1911), 131.
(wörtlich: 'weltlich’), dieses aus 1. mundänus 'zur monoton Adj. 'eintönig’. Im 18. Jh. entlehnt
Welt gehörig’, zu 1. mundus 'Welt, Weltall’. So aus gleichbedeutend frz. monotone, dieses aus
bezeichnet im Sinne von 'die weltlichen Dinge spl. monotonus (dass.), aus gr. monotönös (dass.,
überbetonend’. wörtlich: 'mit immer gleicher Spannung’), zu
Morphologisch zugehörig: Mondänität. gr. teinein 'spannen’ (s. auch mono-).
Mondkalb n. 'Mißgeburt’, ugs. Bezeugt seit Morphologisch zugehörig: Monotonie', etymologisch
dem 16. Jh. Die Fügung beruht auf der Vorstel¬ verwandt: s. Ton1. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
80.
lung, daß die Mondstellung an solchen Mißge¬
burten schuld sei. Monster n. 'Ungeheuer’, s. Monstrum.

Moneten PI. 'Geld’, s. Münze. Monstranz/. 'Gefäß zum Zeigen der heiligen
Hostie’, fachsprachl. Im 14. Jh. entlehnt aus
monieren swV. 'mahnen, bemängeln’, sonder-
gleichbedeutend ml. monstrantia, zu 1. mön-
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. monere 'jmd.
sträre 'zeigen’, zu 1. monere 'jmd. veranlassen,
veranlassen, an etwas zu denken, erinnern,
an etwas zu denken, erinnern, mahnen’.
mahnen’.
Etymologisch verwandt: s. demonstrieren.
Etymologisch verwandt: s. demonstrieren. — Schirmer
(1911), 131. monströs Adj. 'gewaltig, übergroß’, s. Mon¬
strum.
Monitor m. 'Bildschirm’, fachsprachl. Im 20.
Monstrum n. 'Ungeheuer’. Im 16. Jh. entlehnt
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. monitor
aus gleichbedeutend 1. mönstrum (wörtlich: 'das
(wörtlich: 'Warner, Aufseher, Mahner’), dieses
Wahrzeichen der Götter als furchterregende Er¬
aus 1. monitor 'Erinnerer, Aufseher’, einem No¬
scheinung’), zu 1. monere 'jmd. veranlassen, an
men agentis zu 1. monere 'jmd. veranlassen, an
etwas zu denken, erinnern, mahnen’. Die Be¬
etwas zu denken, erinnern, mahnen’. So be¬
deutung 'Ungeheuer’ im Lateinischen in Verall¬
zeichnet als 'ein Gerät, das die Qualität einer
gemeinerung des „Widernatürlichen“. Selben
Übertragung prüft, ohne selbst in die Übertra¬
Ursprungs sind das französische Lehnwort
gung einzugreifen’; dann als ne. monitor screen
monströs und die englische Entlehnung Mon¬
für das Gerät zum Sichtbarmachen übermittel¬
ster.
ter Daten verwendet (dabei auch heute vielfach
Etymologisch verwandt: s. demonstrieren. — W. Feld¬
in der Bedeutung 'Kontrollbildschirm’). mann ZDW 8 (1906/07), 80; K.-H. Weinmann DWEB
Etymologisch verwandt: s. demonstrieren. 2(1963), 399.
Monsun 487 Moräne

Monsun m. (= ein halbjährlich die Richtung mit Moos bewachsene Ort) aus g. *musa-/ön
wechselnder Wind), fachspraehl. Entlehnt aus m./n. 'Moos, Moor’, auch in anord. mosi m.,
gleichbedeutend ne. monsoon, dieses aus port. ae. mos. Im Ablaut hierzu anord. myrr f.
mongäo f. (dass.), aus arab. mausim '(für die 'Schlamm’, ae. meos m./n.(?), ahd. mios m./n.,
Seefahrt geeignete) Jahreszeit’. mhd. mies 'Moos’ (s. Miesmuschel). Außerger¬
Montag m. Mhd. mäntac. Wie ae. mönandag manisch vergleichen sich akslav. müchü m.
eine Lehnübersetzung von 1. dies lünae f 'Tag 'Moos’, lit. müsai m. PI. 'Schimmel, Kahm’, 1.
des Mondes’, das seinerseits aus gr. hemera müscus m. 'Moos’. Vermutlich ist die hochstu¬
selenes f. übersetzt ist. fige Form eine Vriddhi-Ableitung, doch legen
die bezeugten Bedeutungen diese Annahme
P. Wiesinger in: P. Wiesinger (Hrsg.): Studien zum
Frühneuhochdeutschen, FS E. Skala (Göppingen 1988), nicht nahe. Über eine einfachere Wurzel *meu-
361-397. 'feucht sein, schimmeln’ vergleicht sich Moder
(s. d.).
montan Adj. 'zum Bergbau gehörig’, s. mon¬
tieren. Moos2 n. 'Geld’, ugs. Aus dem Rotwelschen,
in dem es seit dem 18. Jh. bezeugt ist (in abwei¬
Monteur m., s. montieren.
chender Form schon im 15. Jh.). Dieses aus
montieren swV. 'zusammenbauen’. Im Mittel¬ wjidd. moes 'Geld’ aus hebr. mäböth PI. 'kleine
hochdeutschen (mhd. muntieren 'rüsten, ausrü¬ Münze, Pfennige, Kleingeld’. Wahrscheinlich ist
sten’) entlehnt aus einem für das späte Latein auch Mäuse umgangssprachlich für 'Geld’ eine
anzusetzenden *montare 'den Berg besteigen, Entstellung aus diesem Wort.
aufsteigen’, zu 1. möns (montis) 'Berg’. Zu¬
Wolf (1985), 222.
nächst verwendet in der Bedeutung 'ausrüsten,
Mop m. 'Staubbesen’. Im 20. Jh. entlehnt aus
einrichten’; seit dem 17. Jh. unter Einfluß von
ne. mop. Dieses letztlich zu dem unter Mappe
frz. monter 'aufstellen (usw.)’. Den modernen
behandelten lateinischen Wort mappa 'Tuch’.
Bedeutungen liegt eine Faktitivierung der spät¬
lateinischen Bedeutung zugrunde, die von 'auf¬ S. mopsen.
steigen’ über 'aufwärts bringen, nach oben rich¬ Moped n. 'Fahrrad mit Motor’. Im 20. Jh.
ten, erhöhen, befördern, beritten machen’ zu zusammengezogen aus Motor und Pedal.
'errichten, ausstatten, zusammenbauen’ führt. Etymologisch verwandt: s. mobil und Pedal. — E.
Montur ist bezeichnungsmotivisch die 'Ausstat¬ Oksaar in: Studier i modern Spräkvedenskap, FS O.
tung und Bekleidung (von Soldaten)’; später Heinertz (Uppsala 1956), 141 — 143.

dann 'Arbeitsbekleidung’. Mops m. Bezeugt seit dem 18. Jh. und über¬
Morphologisch zugehörig: Montage, montan, Monteur, nommen aus ndd. nndl. mop(s), das zu nndl.
etymologisch verwandt: s. eminent. — Jones (1976), moppen 'ein verdrießliches Gesicht machen’ ge¬
449f. hört (die mittelhochdeutsche Entsprechung ist
Montur /. 'Kleidung’, s. montieren. muff, mupf). Der Hund ist also nach seinem
verdrießlichen Gesichtsausdruck benannt. Die
Monument n. 'großes Denkmal’. Im 16. Jh.
Bedeutung 'Geldstück’ ist am ehesten eine spöt¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. monumentum
tische Bezeichnung für die auf der Münze abge¬
(wörtlich: 'Erinnerungszeichen, Denkzeichen’),
bildeten (dicken) Gesichter.
zu 1. monere jmd. veranlassen, an etwas zu
denken, erinnern, mahnen’. Ausgehend von der S. auch Mumps.
besonderen Größe vieler solcher Bauten dann mopsen swV. 'etwas Geringfügiges stehlen’,
die Bedeutung 'sehr groß’ von monumental. ugs. Herkunft unklar, am ehesten wie abstauben
Morphologisch zugehörig: monumental, Monumentali¬ aufzufassen und zu Mop (s. d.) zu stellen (vgl.
tät', etymologisch verwandt: s. demonstrieren. ne. to mop up). Diese Annahme setzt allerdings
einen früheren Einfluß des Englischen voraus,
Moor n. Im 17. Jh. in die Hochsprache ge¬
als er wirklich bezeugt ist.
langt aus ndd. mör. Dieses aus mndd. as. mör,
vgl. mndl. moor aus g. *möra- m./n. 'Moor’, Moral /. 'die verbindlichen Werte einer Ge¬
auch in ahd. muor m./n., ae. mör m., anord. meinschaft’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
matrr f. 'Sumpfland’. Das Wort ist wohl eine deutend frz. morale, zu 1. mörälis 'die Sitten
(morphologisch nicht ganz eindeutige) Vriddhi- betreffend, ethisch’, zu 1. mös (-öris) m. 'Sitte,
Bildung zu Meer (s. d.), also das, was zum See Gewohnheit, Brauch, Wille’.
gehört’. Morphologisch zugehörig: moralisieren, Moralismus,
Nndl. moer, ne. moor. - Darms (1978), 158-166. Moralist, Moralität', etymologisch verwandt: demorali¬
Lautliche Bedenken bei: E. Christmann ZM 31 (1964), sieren, Mores. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 81;
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 194.
197.
Moos1 n. (= Pflanze). Mhd. ahd. mos, mndl. Moräne/. 'Gletscherablagerung’, fachspraehl.
mose Moos, Moor, Sumpf (das Moor ist der Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Morast 488 Moritat

moraine, dieses aus einer südostfranzösischen morganatisch Adj., fachsprachl. Aus ml. ma-
Mundart. trimonium ad morganaticam, das zu ahd. mor-
Morast m. 'schlammiges Gelände, Sumpf¬ gan (wörtlich: 'Morgen’) gehört, hier in der
land'. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Bedeutung 'Morgengabe’. Rechtliche Bezeich¬
mndl. maras, marasch, dieses aus afrz. marois nung einer standesungleichen Ehe, bei der die
'Sumpf’, aus afrk. *marisk 'Sumpfland’. Das t Frau lediglich eine Morgengabe erhielt, anson¬
ist epithetisch, die Ersetzung von /a/ durch /o/ sten aber keine versorgungsrechtlichen Ansprü¬
dürfte auf eine volksetymologische Anlehnung che geltend machen konnte. Im Gegensatz zur
an Moor zurückgehen. einfachen unstandesgemäßen Heirat sind die
Zum Etymon s. Marsch2. nicht-ebenbürtige Frau und deren Kinder je¬
Moratorium n. 'Aufschub einer fälligen Zah¬ doch durch die Einräumung eines Ranges und
lung, Fristgewährung’,/ac/wpracW. Neubildung Titels besser gestellt. Diese Form der Ehe wurde
zu 1. morätörius 'säumend, verzögernd’, zu 1. vor allem im Hochadel praktiziert.
moräri 'in Verzug sein, säumen’, zu 1. mora f. Morgen m. Mhd. morgen, ahd. as. morgan
'Verzug, Verzögerung, Aufschub’. aus g. *murg(e)na- m. 'Morgen’, auch in gt.
morbid Adj. 'kränklich, im Verfall begriffen’, maurgins, anord. morginn, morgunn, myrginn,
sonder sprach]. Im Neuhochdeutschen entlehnt merginn, ae. morgen, merfijgen, afr. morgen,
aus gleichbedeutend frz. morbide, dieses aus 1. mergen, morn, mern. Das Wort bedeutet eigent¬
morbidus 'krank (machend)’, zu 1. morbus lich 'Dämmerung’ und vergleicht sich in dieser
'Krankheit’, zu 1. morT'sterben’. Bedeutung mit acech. mrknuti 'dämmern’ und
Morphologisch zugehörig: Morbidezza, Morbidität, anderen slavischen Wörtern. Aus einer Grund¬
Morosität, Morbus-, etymologisch verwandt: s. amorti¬
lage *merk- 'flimmern, funkeln’, auch in air.
sieren.
mrecht 'buntscheckig’, lit. merkti 'blinzeln’.
Morchel/. Mhd. mor(c)hel, ahd. mor(a)hila,
Evtl, steht auch ai. märici- 'Lichtstrahl’ dem
morhel, mndd. morke. Wohl nach dem Aussehen
germanischen Wort näher. Morgen als Flächen¬
benannt durch eine Weiterbildung zu Möhre
maß (schon althochdeutsch) ist soviel Land, wie
(s. d.), doch bleiben die oberdeutschen Formen
ein Gespann an einem Morgen pflügt.
mhd. maurache, mauroche u. ä. dadurch uner¬
klärt. Vgl. Juchart. S. morgen, Morgenland. - Wünschmann
(1966), 102-105.
Kluge (1926), 29.
Mord m. Mhd. mort n./m., ahd. mord m.ln., morgen Adv. Mhd. morgen, ahd. morgane,
as. morö n. aus g. *murpa- m., auch in anord. mndd. morge-, mndl. morgen. Eigentlich Dativ
morö n., ae. morp m./n., afr. morth. Daneben Singular zu Morgen (s.d), also 'bei Morgendäm¬
die /ro-Bildung in gt. maurpr n., ae. rnorpor n./ merung . Entsprechend gt. du maurgina, anord.
m. Eigentlich 'Mittel zum Sterben’, eine Instru¬ ä morgunn, ae. to morgene, as. an morgan.
mentalbildung zu ig. *mer- 'sterben’ (die nor¬ Morgenessen n„ s. Frühstück.
male /-Bildung bedeutet sonst einfach 'Tod’). S.
Morgenland n. 'Orient’. Eigentlich 'das im
ai. märate, mriyäte 'stirbt’, 1. mori 'sterben’,
Osten gelegene Land’. Lehnbildung zu gr. ana-
akslav. mreti, lit. mirti 'sterben’, air. marb,
kymr. marw 'tot’, gr. brotös 'sterblich’. tolef. durch Luther (vgl. auch 1. oriens m.). Mit
S. Ambrosia (+), amortisieren (+). Morgen (s. d.) im Sinne von 'Sonnenaufgang,
Osten’.
mordio (= Notschrei wie diebio, feurio), arch.
Bezeugt seit dem 16. Jh. Heute noch in der Morgenstern m. 1) Wie Abendstern Bezeich¬
Wendung Zeter und mordio schreien (s. zetern). nung des Planeten Venus (mhd. morgenstern[e],
F. Kluge ZDW 2 (1901/02), 47; J. Stosch ZDW morgensterre', ae. morgensteorra, anord. mor-
3 (1902), 361. gunstjarna). 2) 'Streitkolben’, im 16. Jh. ent¬
Morelle / 'Süßweichsel’. Im 17. Jh. wohl lehnt aus ndn. morgenstjerne (mit übertragener
entlehnt aus frz. morelle 'Nachtschatten', dieses Bedeutung: die hervorstehenden Stacheln sind
zu 1. Maurus m. 'Mauretanier, Mohr’. Benen¬ mit den Strahlen des Sterns verglichen), mhd.
nungsmotiv ist die dunkle Farbe. dafür nagelkolbe.
Etymologisch verwandt: Mohr.
Moritat/. Bezeugt seit der Mitte des 19. Jhs.
Mores PL, ugs. In der Wendung Mores lehren lür Bilder und Lieder der Bänkelsänger. Wie
aus 1. möres PI. 'Sitten’ (im 15. Jh. in der Latein¬ Varianten zeigen, ist das Wort vermutlich aus
schule übernommen). Dagegen scheint Mores Moralität umgeformt, wobei es zumindest spä¬
haben 'sich fürchten’ aus dem Rotwelschen zu ter als Verballhornung von Mordtat aufgefaßt
kommen (aus wjidd. mora, hebr. möröP wurde.
'Furcht’).
H. Naumann ZW (1921), 101; H. W. J. Kroes GRM
S. Moral( + ). - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 81. 40(1959), 87.
Morphium 489 Motiv

Morphium n. ( = ein Rauschgift), fachsprachl. Moschee/. 'islamisches Gotteshaus’. Entlehnt


Neubildung des 19. Jhs. zu gr. Morpheus, dem aus gleichbedeutend frz. mosquee, dieses aus it.
Namen des altgriechischen Gottes des Schlafs moschea (dass.), aus span, mezquita (dass.), aus
und der Träume. Bezeichnungsmotivisch dem¬ arab. masgid (dass.).
nach 'ein Stoff, der (schmerzstillenden) Schlaf M. Wis NPhM 66(1965), 621.
verschafft’.
Moschus m. (= Sekret männlicher Moschus¬
Morphologie /. 'Lehre von den Gestalten, tiere, daraus hergestellter Duftstoff), fach¬
Formenlehre’, fachsprachl. Neubildung zu gr. sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
morphs 'Form, Gestalt’ (s. auch -logie). Dazu spl. müscus, dieses aus gr. möschos (dass.), aus
isomorph 'von gleicher Gestalt’ zu gr. isos pers. tnusk (dass.), aus ai. muskä- 'Hode, Ho¬
'gleich’. densack’. So benannt, da der Moschusbeutel
Morphologisch zugehörig: Morph, Morphe, Morphem, mit Hoden verglichen bzw. gleichgesetzt wurde.
Morphomatik, morphomatisch, Morphologe. Etymologisch verwandt: Muskat.
morsch Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh., älter Möse /. 'weibliches Geschlechtsorgan’, vulg.
mursch, wozu mürsen 'zerstoßen’, nndl. mors In dieser Form erst in neuerer Zeit bezeugt.
'morsch’, vermorzelen 'zerreiben’. Keine klare Gehört aber sicher zu Müze, Musche, Muschi,
Vergleichsmöglichkeit; ai. masi- 'Ruß, Lampen¬ Mutze, Mutz u. ä. die alle für 'weibliches Ge¬
ruß’ kann übereinstimmen, liegt aber etwas weit schlechtsorgan’ und 'liederliches Weib, Hure’
ab. Weiter zu *mer- 'zerreiben’, etwa in ai. bezeugt sind. Frühester Beleg ist im 13. Jh.
mrnäti 'zermalmt’. mussensun m. 'Hurensohn’. Herkunft unklar.
S. Brackwasser, Bruch2, Mörser, Mörtel, mürb. Da Mutz im Bairischen auch 'Katze’, im
Schweizerdeutschen auch 'Bär’ bezeichnet,
morsen swV. 'mit einem bestimmten Alphabet
könnte das Wort sich auf die Schamhaare be¬
Nachrichten übermitteln’, fachsprachl. Im 19.
ziehen.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. morse,
einer Ableitung von Morse, dem Namen des mosern swV. 'nörgeln’, ugs., reg. Das Wort
geht wohl auf rotw. mosern, massern (bezeugt
Erfinders dieser Art, Nachrichten zu übermit¬
seit dem 18. Jh.) zurück; dessen Bedeutung ist
teln.
allerdings 'verraten, angeben, schwatzen’ (aus
Mörser m. Mhd. morsare, morser, ahd. mor- wjidd. massern 'verraten’, hebr. limsär (Qal-
säri, morsäti, as. morsari, offensichtlich im An¬ Infinitiv) 'übergehen, überliefern’ zu assyr.
schluß an die Sippe von morsch (s. d.) umge¬ mussuru 'wegschicken’, so daß die Einzelheiten
formt aus älterem ahd. mortäri, mortere, morter. noch klärungsbedürftig sind.
Dieses wie ae. mortere entlehnt aus 1. mortärium
Moskito m. (= eine tropische Stechmücke),
n. 'Mörser’. Dieses letztlich zur gleichen Wurzel
s. Muskete.
wie morsch, nämlich *mer- 'zerreiben’. Mörser
in der Bedeutung 'dicke Kanone’ nach der Most m. Mhd. ahd. most. Wie ae. must ent¬
lehnt aus 1. mustum n. 'junger Wein’ (wohl über
Form der frühen Kanonenrohre und der Form
eine romanische Sprache).
des Mörserkolbens.
S. Mostrich.
Mörtel m. Mhd. mortel, morter u. a., mndl.
Mostrich m. 'Senf’, nordod., Mostert n.,
mo(o)rter, mortel(e). Entlehnt aus 1. mortärium
nordwd. Mhd. mostert, musthart m. Entlehnt
n., dem gleichen Wort, das auch Mörser geliefert
über mndl. mostaert aus frz. moustarde/., einer
hat, hier in der Bedeutung 'was zerstoßen wird,
Ableitung zu 1. mustum n. (s. Most) — die
Kalk’.
Senfkörner wurden ursprünglich mit Most an¬
S. morsch ( + ).
gesetzt. Das Wort wurde umgedeutet zu
Mosaik n. 'Einlegearbeit, bunte Vielfalt’. Im Mosthard und dieses Namenelement durch ein
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. mo- anderes (-rieh) ersetzt.
saique /., dieses aus it. mosaico m. (dass.), aus Kretschmer (1969), 338f.
ml. musaicum (dass.), aus 1. müsivum (opus)
Motel n. 'Hotel an der Autostraße’, sonder-
(dass.), aus gr. mouseios 'künstlerisch, den Mu¬
sprachl. In den letzten Jahrzehnten entlehnt aus
sen geweiht’, zu gr. moüsa f. 'Kunst, Muse’,
am.-e. motel, das aus motor hotel zusammenge¬
nach den griechischen Göttinnen des Gesangs,
zogen ist.
der Künste und Wissenschaften. Bezeichnungs¬
Motion /. 'Antrag, Bewegung’, s. Motor.
motivisch handelt es sich demnach (allgemein)
um 'ein Kunstwerk’, wobei die Bedeutung dann Motiv n. 'Beweggrund, Thema’. Im 16. Jh.
eingeengt wird auf eine bestimmte Art von entlehnt aus ml. motivum 'Beweggrund, An¬
Kunstwerk. trieb’, einer Substantivierung 1. mötlvus 'zur Be¬
Etymologisch verwandt: s. Museum. wegung geeignet, beweglich’, zu 1. movere (mö-
Motor 490 muffeln

tum) 'bewegen’. Die künstlerische Bedeutung breiteten Wort für 'Mücke’, das auf *mek- be¬
'Thema (usw.)’ nach frz. motif m. desselben ruht (ai. masäka-, lit. mäsalafs], mäkatas m.).
Ursprungs. Th. Schumacher: Bedeutungsgeographie von Insekten¬
Morphologisch zugehörig: Motivation, motivieren, Mo- namen (Gießen 1955); E. Seebold IF 87(1982), 191 f.
tivik; etymologisch verwandt: s. mobil. — W. Feldmann
Muckefuck m. 'Ersatzkaffee’, ugs. Bezeugt
ZDW 8 (1906/07), 81; K.-H. Weinmann DWEB
seit dem 19. Jh., zunächst im Rheinland. Ver¬
2(1963), 399.
mutlich eingedeutscht aus frz. mocca faux 'fal¬
Motor m. 'Antriebsmaschine’. Im 19. Jh. ent¬ scher Mokka’.
lehnt aus 1. mötor 'Beweger’, zu 1. movere (mö-
mucken swV. 'kurz aufbegehren’, ugs. Bezeugt
tum) 'bewegen’.
seit dem 16. Jh. Wohl lautmalend aus muck für
Morphologisch zugehörig: Motorik; etymologisch ver¬
wandt: s. mobil. — Zu Mofa\ E. Oksaar in: Studier i einen kurzen unterdrückten Ton (vgl. nschw.
modern spräkvedenskap, FS O. Heinertz (Uppsala inte säga ett muck 'nicht ein muck sagen, still
1956), 143 sein’). Dagegen ist Mucker 'Scheinheiliger,
Motte f. Spmhd. matte, mutte, motte u. ä., Heuchler’ (zunächst als Spitzname der pietisti-
mndd. mutte, mndl. motte, mutte, vermutlich schen Anhänger von J. F. Budde im 18. Jh.
aus *muppön f. 'Motte’, auch in anord. motti bezeugt) wohl von dem Komplex meucheln/mo¬
m., ae. moööe. Dieses vermutlich mit Schwund¬ geln (s. d.) beeinflußt.
stufe und Gemination zu Made (s. d.), doch S. mucksen ( + ). — W. Feldmann ZDW 6(1904/05),
sind die lautlichen und morphologischen Zu¬ 110f.; Ladendorf (1906), 209f.
sammenhänge nicht ausreichend klar. Nach Mucker m., s. mucken.
Lühr (s. u.) aus g. *muphön. mucksen swV. ,'kurz aufbegehren’, ugs. Offen¬
Nndl. mot, ne. moth, nschw. mott. S. Made ( + ). — M. sichtlich wie mucken (s. d.) zu beurteilen, aber
Förster Anglia 67 (1944), 109f.; Lühr (1988), 252. viel früher bezeugt: mhd. muchzen, ahd. irmuk-
Motto n. 'Wahlspruch’. Im 18. Jh. entlehnt kezzen. Dazu die Interjektion mucks, besonders
aus gleichbedeutend it. motto m. Herkunft un¬ substantiviert in keinen Mucks machen.
klar. Vermutlich lautnachahmenden Ursprungs, S. auch motzen, Mumps.
vgl. 1. muttitio f. 'Muck(s)en’ zu 1. muttire
müde Adj. Mhd. müede, ahd. muodi, as. mööi
'mucksen, kleinlaut reden’ (vgl. Maul).
aus wg. *mödja- Adj. 'müde’, auch in ae. meöe.
Etymologisch verwandt: Bonmot.
Daneben als einfacher a-Stamm anord. möör.
motzen swV. 'schmollen, nörgeln’, ugs. Her¬ Vermutlich altes to-Partizip (oder ri-Adjektiv)
kunft unklar; vielleicht Bildung auf -ezzen zu zu g. *mö- 'sich mühen’ (s. mühen), also 'sich
mucken o. ä. (also abweichende Entwicklung gemüht habend’.
aus derselben Grundlage wie mucksen!). Nndl. moe(de).
movieren swV. 'bewegen, verändern’, s. Muff1 m. 'Handpelz’. Als Kürzung aus älte¬
Motor.
rem fnhd. mndl. muffe, moffe 'Pelzhandschuh’
Möwe /. In frühneuhochdeutscher Zeit aus erscheint im 16. Jh. nndl. mof im 17. Jh. nhd.
dem Niederdeutschen übernommen. Fnhd. Muffen PI. und Muffe f, später auch Muff m.
mew, mndd. meve, mndl. meeu(we), mewe aus Das Femininum hat sich als Übertragung in die
g. *mäwö f. 'Möwe’, auch in anord. mär, mör technische Sprache gehalten. Das niederländi¬
m., ae. mäw, meau, meu m., fr. meau. Wohl sche Wort ist entlehnt aus frz. moufle m., dem
lautmalerisch nach dem Schreien der Möwen; ein ml. muffula m. vorausgeht. In diesem wird
evtl, von dem Verbum mhd. mäwen, nndl. mau- ein g. *molfell 'weiches Fell’ vermutet.
wen, das in erster Linie das Miauen der Katzen
Muff2 m. 'modriger Geruch’, nordd. Wie auch
beschreibt.
mHffig, muffeln, muffelnx 'faulig riechen’ seit
S. mauen( + ). — Suolahti (1909), 397 — 403.
dem 17. Jh. bezeugt. Früher ndd. muffen 'muffig
Mücke/. Mhd. mücke, mucke, mügge, mugge, riechen’ (seit dem 15. Jh.) Sonst ist die Herkunft
ahd. mugga, muck, as. muggia aus g. *mugjön unklar.
f. 'Mücke’, auch in aschw. mugga, ae. mycg, S. auch Mief
mygg m. Das Wort ist vermutlich abgeleitet aus
Muffe /., s. Muffi.
einem *muh-ja- n. 'Mückenschwarm’ in anord.
my n. (aschw. myg wohl mit grammatischem muffeln1 swV, müffcln swV. 'faulig riechen’,
Wechsel), entsprechend bezeichnet ai. mäks- s. Muff2.
den Mückenschwarm und die Ableitung daraus muffeln2 swV. 'verdrießlich sein’, ugs. Zu
(ai. mäksä oder ai. mäksikä) die einzelne muff mupf 'Verziehen des Mundes’, ober¬
Mücke. Vermutlich nicht zu dem indogermani¬ deutsch seit dem 15. Jh. Lautgebärde nach dem
schen Wort für 'Fliege’, das auf *mus- zurück¬ Aussehen des Gesichtes, wenn man muff, mucks
geht, sondern schwundstufig zu zu einem ver¬ o. ä. sagt. Die alte Rückbildung Muffel 'ver-
muffig 491 Mumie

drießlicher Mensch’ wurde von der Werbeindu¬ mannssprache für 'Vertiefung in den Flözen’,
strie im 20. Jh. aufgegriffen (Krawattenmuffel) dann generell für 'Talabsenkung’.
und ist nach diesem Vorbild heute in Neubil¬ Mull m. 'feines Baumwollgewebe’. Im 18. Jh.
dungen wie Morgenmuffel beliebt. entlehnt aus ne. muH, das seinerseits aus ne.
H. -J. Kann SD 17 (1973), 69f.; H. J. Knobloch SD mulmull gekürzt ist. ln dieser Form ist es ent¬
17 (1973), 69f.
lehnt aus i. malmal 'Mousselin’.
muffig Adj., s. Muff2. Ganz (1957), 147; Lokotsch (1975), 110.
muhen swV. Spmhd. mühen, müwen, mügen Müll m. 'trockener Abfall’. Ursprünglich
'brüllen’. Lautmalend; vergleichbar mit gr. my- norddeutsch. Eigentlich ein Wort für 'Staub,
käomai 'ich brülle, dröhne’. feine Erde’ (in dieser Bedeutung, auch in der
mühen swV. Mhd. müejen, müewen, müen, Lautform Mull und auch mit der Bedeutung
ahd. muoen, muohen u. ä., mndd. möien, moigen 'Humus’ regional verbreitet, hochsprachlich in
u. ä., mndl. moeyen aus vor-d. *mö-ja-, während Torfmull). Vgl. mndd. mul, ae. myl 'Staub’;
gt. afmauips 'ermüdet’ auf *möw-ja- weist. Auf nndl. mul, nschw. muH 'Erde’. Zu mhd. müllen,
müln 'zerreiben’, anord. mylja 'zermalmen’ und
*mö- geht auch müde (s. d.) zurück, sowie
letztlich zu der Sippe von mahlen (s. d.).
außergermanisch russ. mäjati, mäju 'ermüden,
Bahder (1925), 71f.; Kretschmer (1969), 342f.
ermüde’ und von einer /-Ableitung gr. mölos
'Anstrengung, Kampf’, 1. möltri 'mit Anstren¬ Müller m. Mhd. mülnare, mülner, spahd. mu-
gung wegschaffen’. linäri, spas. mulineri. Wie anord. mylnari ver¬
Nndl. moeien. S. Molekül (+), müde. mutlich entlehnt aus 1. moltnärius 'Müller’; eine
erst germanische Ableitung zu dem Wort für
Mühle f. Mhd. mül(e), ahd. muH, mulin, as.
'Mühle’ ist aber nicht ganz ausgeschlossen (s.
muli, mulin (-sten). Wie ae. mylen m. und anord.
Mühle).
mylna früh entlehnt aus 1. moltnae aus älterem
Mulm m. 'Stauberde’, arch. Spät bezeugt,
mola (urverwandt mit mahlen, s. d., also 'Mah¬
aber wohl alt: ndd. molm, mhd. in zermülmen.
lende’). So bezeichnet wird die mit Wasserkraft
Vgl. ae. mealmstän 'Sandstein’, anord. malmr
betriebene Mühle, die die alte Handmühle (ahd.
'Erz’ und malmen, ahd. as. melm 'Staub’. Es
kurn, quirn usw.) verdrängt.
handelt sich um m-Bildungen von verschiede¬
S. auch Müller. - Heyne (1899/1903), I, 44f.; II,
nen Ablautstufen zu der unter mahlen (s. d.)
261-265.
behandelten Grundlage.
Muhme /. 'Tante’, arch. Mhd. muome, ahd. S. auch mulmig.
muoma; daneben mit Dissimilation ndd. möne,
mulmig Adj. 'unbehaglich1, ugs. Wohl über¬
anord. möna. Vriddhi-Bildung zu einem Kose¬
tragen aus mulmig ‘zerfallen, morsch’, das zu
wort für 'Mutter’ (*mame o. ä.), das in dieser
Mulm (s. d.) gehört.
frühen Zeit nicht bezeugt, aber sicher vorauszu¬
mulsch Adj. 'angefault, weich’, ndd., sächs.
setzen ist. S. das unter Mama Ausgeführte.
Obd. mölsch, molsch, melsch. Letztlich zu mah¬
Darms (1978), 239-241.
len (s. d.) als 'zerrieben, weich’ wie mild (s. d.)
Mulatte m. 'Mischling’, sondersprachl. Im 17. und etwa gr. malakös 'weich, zart’. Die Bedeu¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span, mulato, tung von mulmig 'bedenklich, gefahrtlich’ geht
einer Ableitung von span, mulo 'Maultier’, aus aus von 'faul’.
I. mülus (dass.). Als 'Mischling’ so bezeichnet S. auch Mulch.
nach einem pejorativen Vergleich mit Maultie¬
multi- Präfix. Wortbildungselement mit der
ren, die aus Pferden und Eseln gekreuzt sind.
Bedeutung 'viel, vielfältig’ (z. B. multifunktio¬
Mulch m. 'Bodenbedeckung zur Förderung nell). Es wurde vornehmlich in neologischen
der Gare’, fachsprachl. Entsprechend mulchen. Bildungen verwendet; sein Ursprung ist 1. mul-
Mit deutscher Aussprache im 20. Jh. entlehnt tus (dass.) Adj.
aus ne. mulch, das mit nhd. mulsch (s. d.) ver¬ multiplizieren swV. 'vervielfältigen, maineh¬
wandt ist. men’, fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus
P. Siegel MS 43 (1928), 245-247. gleichbedeutend 1. multiplicäre, einer Ableitung
Mulde /. Mhd. mulde, mu(o)lter, ahd. von 1. multiplex 'vielseitig, vielfach, mannigfal¬
muolt(e)ra, mulhtra, muolter, multa, mulde, tig’, zu 1. plicäre, plectere (plexum) 'falten,
mndd. molde, molle. Entlehnt aus 1. mulctra zuammenfalten, flechten’ (s. auch multi-).
'Melkfaß’ (zu 1. mulgere melken’). Da das alte Morphologisch zugehörig: Multiplikand, Multiplika¬
tion, Multiplikativum, Multiplikator, etymologisch ver¬
Melkgefaß länglich war, konnte seine Bezeich¬
wandt: s. Komplikation. — Schirmer (1912), 46f.
nung auf den Backtrog übertragen werden. Die
niederdeutsche Form ist erhalten in Molle Mumie /. 'einbalsamierte Leiche’. Im 16. Jh.
(s. d.). Im 18. Jh. aus dem Bereich der Berg¬ entlehnt aus gleichbedeutend it. mummia, dieses
Mumm 492 Münne

über arab. mümiyä (dass.), zu pers. müm Mund2 /. 'Schutz’, arch. Mhd. munt m./f,
'Wachs’. ahd. munt, as. mund 'Schutz, Vormundschaft’
Morphologisch zugehörig: Mumifikation. — Littmann aus g. *mundö f. 'Hand, Schutz’, auch in anord.
(1924), 100; Lokotsch (1975), 121. mund 'Hand’, ae. mund 'Hand, Schutz’; dane¬
Mumm m. 'Mut’, ugs. Vermutlich studenten¬ ben *munda- m. in anord. mundr 'Kaufpreis der
sprachliche Kürzung aus 1. (Akkusativ) animuni Frau, Vormundschaft’, afr. mund 'Vormund¬
'Mut u. a.’. schaft’. Zugrunde liegt ein r/n-Stamm mit der
Bedeutung 'Hand’, der im Germanischen (wie
Anders: Wolf (1985), 206.
auch in anderen Fällen) mit einem Dental er¬
Mumme /. 'Maske’, arch. Bezeugt seit dem
weitert ist. Der n-Stamm auch in 1. manus und
16., niederdeutsch seit dem 15. Jh. Entlehnt aus
mit übertragener Bedeutung in heth. manijahh-
afrz. momon 'Maske’, das zu span, momo m.
'einhändigen, verwalten’, mir. muntar 'Familie’;
'Grimasse’ gehört und wohl als Kinderwort auf¬
der r-Stamm in gr. märe. Die übertragene Be¬
zufassen ist. Ebenfalls seit dem 16. Jh. mumme-
deutung des Germanischen nach dem alten Bild
rei, über nndl. mommerij entlehnt aus frz. mo-
des 'sich in der Hand von jmd. befinden’ = 'in
merie. Entsprechend einmummen und ver¬
seiner Macht, unter seinem Schutz sein’.
mummen.
S. manuell (+), Mündel, mündig, Vormund. — Tiefen¬
S. auch Mummenschanz, Mumpitz.
bach (1973), 78-81.
mummeln swV, reg. Eher niederdeutsches
Mundart/., s. Dialekt.
Wort: mndd. mummelen, mndl. mommelen, vgl.
me. mömelen u. ä., ne. mumble 'in den Bart Mündel nffm./f.) Spmhd. mündel n., vgl. afr.
murmeln, unverständlich brummein’. Dazu mundele f. Dafür älter mhd. mundelinc m. Aus
Mund1 'Schutz’ (s. d.) mit der Bedeutung 'unter
Ausdrücke wie Mummelgreis.
S. auch munkeln. — F. Sommer IF 51 (1933), 241;
Vormundschaft stehend’. Mündelsichere Pa¬
Lühr (1988), 130. piere (seit 1900) 'Wertpapiere, in denen Mündel¬
gelder angelegt werden dürfen’ stehen unter be¬
Mummelputz m., s. Mummenschanz.
sonderen staatlichen Vorschriften und sind des¬
Mummenschanz m., früher/. Bezeugt seit dem halb besonders sicher.
16. Jh. als mum(men)schanz', schanz ist ein
münden swV. Erst neuhochdeutsch abgeleitet
Glückswurf beim Würfelspiel (s. Schanze2),
aus mndd. -munde, ahd. gimundi, as. gimüthi
mumman ist vom 14. bis 16. Jh. ein Glücksspiel.
'Mündung eines Flusses’. Bedeutungsübertra¬
Aus unklaren Gründen übertragen auf 'Fas¬
gung aus 'Mund’, formal ursprünglich ein Kol-
nachtstreiben u. ä.’, wohl im Anschluß an
lektivum.
Mumme (s. d.). Das Wort war im 18. Jh. ausge¬
storben und wurde in der übertragenen Bedeu¬ S. Mund1.
tung neu belebt. mündig Adj. 'volljährig’. Mhd. mündec,
Mumpitz m., ugs. Im 19. Jh. als Ausdruck der mndd. mundich. Abgeleitet von Mund2 'Schutz’
Börse im Sinn von 'Schwindel’ aufgekommen. (s. d.) im Sinne von 'Vormundschaft’, also 'wer
Es geht zurück auf volkstümliche Wörter für sich selbst gesetzlich vertreten darf’.
'Schreckgespenst, Vogelscheuche’, vgl. Mum¬ G. Ebersold: Mündigkeit (Frankfurt/M. 1980).
melputz 'Vogelscheuche’, hess. Mombotz Muni m. 'Zuchtstier’, schwz. Herkunft un¬
'Schreckgestalt, Gespenst’. klar.
S. Mumme. — G. Princi Braccini AION-G 27(1984),
Munition/. 'Sprengladungen, Geschosse’. Im
135-205.
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. muni-
Mumps m.//. 'Parotitis’, südd. auch Mumpf m. tion(s) (de guerre) (wörtlich: 'Kriegsmaterial’),
Das Benennungsmotiv ist sicher das bei dieser dieses aus 1. münltio (-önis) 'Befestigung, Befe¬
Krankheit stark entstellte Gesicht, so daß die stigungswerk’, einer Ableitung von 1. münlre
Wörter in den Bereich von Mops m. (s. d.), mauern, schanzen’, zu 1. moene n. (meist PL
mucks (s. mucksen) u. ä. gehören. Speziell als moenia) 'Mauer der Stadt’.
Krankheitsbezeichnung ist das Wort im 19. Jh.
Etymologisch verwandt: s. Mauer.
aus England übernommen worden.
U. Schröter BGDSL-H 98(1977), 303-311. munkeln swV, ugs. Im 16. Jh. aus ndd. mun-
kelen übernommen. Älter ist auch oberdeutsch
Mund1 m. Mhd. munt (-des), ahd. mund, as.
die einfache Form munken. Vielleicht eine Laut¬
müth aus g. *munpa- m. 'Mund’, auch in gt.
gebärde wie mummeln (s. d.) u. ä.
munps, anord. munnr, muör, ae. müp, afr. müth.
Lühr (1988), 130f.
Außergermanisch entspricht kymr. mant 'Kinn¬
lade, Mund’, 1. mentum n. 'Kinn’. Weitere Her- munken swV., s. munkeln.
kunft unklar. Münne /. (= eine Fischart), fachsprachl.
S. münden. Mhd. münwe, ahd. muniwa, munuwa, mndd.
Münster 493 Muselmann

mome, mone aus vor-d. *muniwö f Herkunft murken, morken (usw.) 'zerdrücken, zerbrök-
unklar. An sich könnte gr. maine 'kleiner, he¬ keln’ gehört. Entsprechend murk(e)lig 'ver¬
ringähnlicher Fisch’ verglichen werden, doch kümmert, zurückgeblieben’ und Murks für 'eine
sind fast alle Fischnamen sehr beschränkt ver¬ unsachgemäße Arbeit’, wozu murksen 'pfu¬
breitet, so daß der Vergleich nur wenig aussage¬ schen’ gehört. Dagegen gehört abmurksen (s. d.)
kräftig ist. zu einer Bildung unmittelbar aus der Grund¬
Münster n. Mhd. münster, munster 'Kloster- lage murken.
(stifts)kirche, Dom, Münster’, ahd. munistiri, murken swV., s. Murkel.
munster, monster m. 'Kloster’. Wie ae. mynster
murksen swV., s. Murkel und abmurksen.
'Kloster’, anord. mustari, musteri, mysteri 'Klo¬
ster, Stiftskirche entlehnt aus 1. monasterium. Murmel/., s. Marmel.
Dieses aus gr. monasterion 'Eremitenzelle, Klo¬ murmeln swV. Mhd. murmeln, murmern, ahd.
ster’, aus gr. monäzö 'ich sondere mich ab’, murmulön, murmurön. Lautmalend wie 1. mur-
das aus gr. mönos abgeleitet ist. Ursprünglich muräre 'murmeln, brummen’, gr. (ep.) mormyrö
'Einsiedelei’, aber schon lateinisch im 6. Jh. 'ich rausche, sprudle auf’ u. a.
gleichbedeutend mit 'Kloster’. Seit dem 13. Jh. S. auch murren.
gebraucht im Sinne von 'Klosterkirche’, dann Murmeltier n. Sekundär an Tier angeschlos¬
von 'Kathedrale’. Eine andere Ableitung aus gr. sen, aus mhd. mürmendm (mit zusätzlichem
mönos ist gr. monachös m. 'Einsiedler’, das unter Wandel von n zu /); ahd. murmunto, murmento
Mönch behandelt ist. m. Entlehnt aus einer romanischen Alpen¬
Masser (1966), 70-83. sprache. Das Wort entspricht 1. (Akkusativ) mü-
munter Adj. Mhd. munder, ahd. muntar, rem montis m. 'Bergmaus’.
munder 'leicht, lebhaft, wach’, aus vor-d. S. Maus{ + ). — Palander (1899), 67.
*mundra- Adj. 'wach, aufgeweckt’; hierzu viel¬ murren swV. Mhd. mndd. murren, mndl. mor-
leicht als Ableitung gt. mundrei 'Ziel’, vgl. ahd. ren, murren, mueren wie anord. murra. Lautma¬
munt(a)rT 'Eifer’ (also etwa 'das Erstrebte’ s. u. lend, vielleicht im Anschluß an murmeln (s. d.).
zu dem zugrundehegenden Verb). Außergerma¬
mursch Adj., s. morsch.
nisch vergleichen sich lit. mahdras 'munter, auf¬
geweckt’, akslav. mpdrü 'gescheit, klug’. Eine mürsen swV, s. morsch.
ro-Bildung zu *mendh- 'erstreben’ in gr. man- Mus n. Mhd. ahd. muos 'Essen, Speise, Mus’,
thänö 'ich lerne’, gt. mundon 'auf etwas sehen’, as. mös 'Speise, Essen’ aus wg. *mösa- n. 'Zu¬
anord. munda 'zielen’. Weiter zu *men- 'den¬ kost’, auch in ae. afr. mös 'Speise, Essen’. Of¬
ken’, das unter mahnen (s. d.) behandelt ist. fenbar eine Vriddhi-Bildung zu dem auch als
S. Mathematik. s-Stamm auftretenden Wort *mati-/ez 'Speise’
Münze /. Mhd. münze, ahd. muniz, mu- (s. Mast2). Das Grundwort hat die Tendenz,
niz(z)a, as. munita. Wie ae. mynet «., anord. 'Fleisch’ zu bedeuten (vgl. ne. meat), die Ablei¬
mynt entlehnt aus 1. moneta 'Münze’. Die Be¬ tung steht für 'Gemüse, Brei u. ä.’
zeichnung stammt daher, daß die römische Nndl. moes. S. Gemüse, Lackmus, Mast2 (+). —
Münzprägungsstätte im Tempel der Iüno Mo¬ Heyne (1899/1903), II, 266f.; Darms (1978), 219-231.
neta war. Musche /. 'Schönheitspflästerchen’, sonder-
S. Portemonnaie. sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. mouche
Mur(e) /. 'Schuttmasse’, bair. Herkunft un¬
'Fliege, Schönheitspflästerchen’ (vermutlich
klar. wegen des ähnlichen Aussehens).
W. Feldmann ZDW% (1906/07), 81; Brunt (1983), 384.
Vgl. Moräne.
Muschel/. Mhd. muschel, ahd. muscula, mu-
Muräne /. (= ein gelbbrauner Fisch), fach-
sprachl. Im 14. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend schel, as. muskula. Entlehnt aus einem rom.
*muscula zu 1. müsculus m. in der Bedeutung
1. mürena, dieses aus gr. myraina (dass.).
'Miesmuschel’ (wörtlich: 'Mäuschen, Muskel’).
Suolahti (1929), 153; Bielfeldt (1965), 38f.
Gemeint war die Muschel als Fastenspeise.
mürb Adj. Mhd. mürwe, mür(e), ahd. muruwi,
S. Maus ( + ).
mndd. morve, mndl. morw(e) u. ä. aus vor-d.
Muschi / 'Katze, weibliches Geschlechtsor¬
*murwja- Adj. 'mürbe’. Daneben mit anderer
Ablautstufe ahd. maro, mhd. mar(-wes), ae. gan’, auch Musche /. 'liederliches Frauenzim¬
mearu, mceru u. ä. Außergermanisch vergleicht mer’, vulg. Gehört zu dem unter Möse (s. d.)
sich am ehesten air. me(i)rb, kymr. merw behandelten Komplex.
'schlaff’. Wohl weiter zu morsch (s. d.). Muse /., s. Mosaik.
Murkel m. 'kleines Kind’, ugs., reg. Diminu¬ Muselmann m. 'Moslem, Mohammedaner’,
tiv zu Murk 'Brocken, Krümel, Knirps’, das zu sonder spracht. Im 17. Jh. mit sekundärer Anleh-
Museum 494 Mutter

nung an Mann entlehnt aus it. musulmano, frz. lichkeit’, deshalb zu müssen (s. d.) in dessen
musulman. Dieses aus türk, muslimän über pers. alter Bedeutung 'können’.
muslimän PL, zu arab. muslim 'der dem Islam müssen Prät.-Präs. Mhd. müezen, ahd. muo-
anhängt’. zan, as. mötan aus g. *möt Prät.-Präs. 'ich kann,
Museum n. 'Einrichtung für Ausstellungen’. finde die Möglichkeit’, auch in gt. -möt, ae. afr.
Im 16. Jh. entlehnt aus I. müseum 'Ort für as. möt, (ahd. muoz) l./3.Sg. Herkunft unklar.
gelehrte Beschäftigung’, dieses aus gr. mouseTon Nndl. moeten, ne. must. S. Maut, Muße.
(dass.), einer Ableitung von gr. moüsa f. 'Muse’. Mustang m. 'wildlebendes Präriepferd’, fach-
Zunächst entlehnt in der Bedeutung 'Studier¬ sprachl. Im Neuhochdeutschen entlehnt aus
zimmer’; im 17. Jh. dann 'Kunstsammlung gleichbedeutend ne. mustang, dieses eine Ver¬
(usw.)’. mengung aus mexikanisch-span. mestengo, mo-
Morphologisch zugehörig: museal; etymologisch ver¬ strenco (dass., wörtlich: 'herrenloses Pferd]’).
wandt: Mosaik, Muse, Musik. — W. Feldmann ZDW
Muster n. Bezeugt seit dem 15. Jh. als muster,
8 (1906/07), 81; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 195.
munstre u. ä. Entlehnt aus it. mostra f. 'Probe¬
Musical n. 'Theaterstück mit Musik’, s. stück’, das auf 1. mönsträre 'zeigen’ zurückgeht.
Musik. Aus der gleichen Grundlage auch die (militäri¬
Musik /. Im Althochdeutschen entlehnt aus sche) Musterung.
gleichbedeutend 1. (ars) müsica, dieses aus gr. Etymologisch verwandt: s. demonstrieren. — E. Öh-
mousike (techn£), zu gr. moüsa 'Muse’. Die mann NPhM 42 (1941), 85.
Endbetonung nach frz. musique. Musical im 20. muster Adj. 'frisch, kräftig’, reg. (bair. must-
Jh. aus ne. musical (comedy, play). berlich, schwäb. muschper, alem. buschper). Aus
Morphologisch zugehörig: Musikalität, Musikant, mhd. *munstbare 'Freude bringend’ zu mhd.
Musikus', etymologisch verwandt: s. Museum. — W. munst 'Freude’.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 81.
Mut m. Mhd. ahd. muot m./n. 'Seele, Geist
musisch Adj., s. Mosaik. usw.’, as. möd aus g. *möpa- m. 'Sinn, Mut,
Muskat m. ( = ein Gewürz). Im Mittelhoch¬ Zorn u. a.’, auch in gt. mops, anord. möör, ae.
deutschen (mhd. muscät/.) entlehnt aus gleich¬ afr. möd n. Herkunft unklar. Vielleicht zu 1. mös
bedeutend afrz. muscat, dieses aus ml. (nux) 'Sitte’, gr. mömai' ich strebe, trachte, begehre’.
muscata f. 'Muskatnuß, (wörtlich: nach Mo¬ Nndl. moed, ne. mood, nschw. mod. S. Anmut, Demut,
schus duftende Nuß)’, zu spl. müscus 'Mo¬ Gemüt, langmütig, muten, mutmaßen, Unmut. — E. M.
schus’, aus gr. möschos (dass.) (s. Moschus). Meyer: Die Bedeutungsentwicklung von germ. ’*mööa-’
Etymologisch verwandt: Moschus. — Lokotsch (1975), (Diss. Leipzig 1926); H. Beck in: FS Schützeichel
122. (1987), 985-999.
muten swV. 'begehren, nachsuchen’ in ver¬
Muskel m. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. müsculus
'Muskel’, wörtlich: 'Mäuschen’. Der entspre¬ schiedenen Sonderbedeutungen, arch., fach-
chende ältere deutsche Ausdruck ist Maus sprachl. Mhd. muoten, ahd. muotön. Zu Mut
(s. d.). (s. d.) in der Bedeutung 'Absicht’.
mutieren swV. 'verändern’, fachsprachl. Im
Muskelkater m. Etwa seit 1920. Zu Kater2
'Nachwehen eines Rausches’ (s. d.) übertragen 14. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. mütäre.
Morphologisch zugehörig: mutabel, Mutabilität, Mu¬
gebildet.
tagen, Mutant, Mutante, Mutation, mutatis mutandis.
Muskete /. (= eine große Handfeuerwaffe),
mutmaßen swV. Spmhd. muotmäzen zu muot-
sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
mäze 'Bemessung nach dem Sinn, nach der Ver¬
deutend span, mosquete m., frz. mousquet m.
mutung’.
und it. moschetto m. (fachsprachlich älter 'Sper¬
S. Mut (+).
ber’), einer Ableitung von it. mosca 'Fliege’, aus
1. musca 'Fliege’, aus gr. myisca (dass.), einem Mutt n./m. 'Scheffel’, arch., fachsprachl.
Diminutivum zu gr. myta 'Fliege’. Das Gewehr Mhd. mütt(e), mutt(e), ahd. mutti n., as. muddi
ist demnach nach einem Tiernamen bezeichnet. n. Wie ae. mydd n. entlehnt aus 1. modius m.
Die Bedeutungsentwicklung von 'Fliege’ zu 'Scheffel’.
'Sperber’ soll aufgrund der gesprenkelten Brust Hoops (1911/19), III, 288.
des Vogels erfolgt sein. Mutter /. Mhd. ahd. muoter, as. mödar aus
Lokotsch (1975), 122; Jones (1976), 452-455. g. *möder- f. 'Mutter’, auch in anord. mööir,
ae. mödor, afr. möder (gt. dafür aipei). Aus ig.
Müsli n., s. Mus.
*mäter f 'Mutter’, auch in ai. mätar-, toch. A.
Muslim m., s. Muselmann. mäcar, toch. B. mäcer, gr. meter, 1. mäter, air.
Muße/. Mhd. muoze, ahd. muoza, as. möta. mäthir, akslav. mati, lett. mäte, (lit. möte 'Ehe¬
Ursprüngliche Bedeutung 'Gelegenheit, Mög¬ frau’). Dem Wort liegt sicher die Lautgebärde
Muttergottesmantel 495 Mythos

mä- für 'Mutterbrust, Mutter’ zugrunde. Mut¬ u. ä. Entlehnt aus ml. almucia, das eine Art
ter in Essigmutter entweder hierher oder (eher) Kapuze bezeichnet. Vermutlich als 'abgeschnit¬
zu Moder (s. d.). Mutter im Sinn von 'Schrau¬ tenes, kurzes Kleidungsstück’ zu ml. *muttius
benmutter’ beruht auf einer sexuellen Metapher 'abgeschnitten’, geminiertes Kurzwort zu 1. mu-
('Gebärmutter, Geschlechtsteil’ so wie etwa tilus 'verstümmelt’ (u. ä.). Im Gegensatz zu der
auch von männlichen und weiblichen Stecker¬ Entwicklung in der Hochsprache bedeutet obd.
teilen gesprochen wird). Mutze in der Regel 'Wams, Jacke’.
Nndl. moeder, ne. mother, nschw. moder, nisl. mödir. Justi ZDA 45 (1901), 420-426; H. F. Foltin DWEB
S. Matriarchat, Matrikel ( + ), Metropole, Mieder. - 3 (1963), 1-296; Lokotsch (1975), 122; J. Knobloch
Trier (1981), 98f.
Diachronica 2(1985), 263 — 266.
Muttergottesmantel m., s. Frauenmantel.
Myriade /. 'unzählig große Menge’, sonder-
Mutterkorn n. 'Auswuchs an Roggenkör¬ sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
nern’, fachsprachl. Bezeugt seit dem 18. Jh., ne. myriad, dieses aus 1. myrias (-adis) (dass.),
wie auch Kornmutter. Lehnübersetzung aus 1. aus gr. myrias (-ädos) 'Zahl von 10 000’, zu gr.
secälis mäter. myrios 'unzählig’.
Mutterkrebs m. 'schalenloser Krebs’, fach¬ J. A. Walz ZDW 13 (1911/12), 30f.; P. F. Ganz (1957),
sprachl. Der erste Bestandteil ist ndd. muter 148f.
'Mauser’, die Ähnlichkeit mit Mutter ist nur Myrrhe /. (= ein wohlriechendes Gummi¬
äußerlich. harz), fachsprachl. Im Althochdeutschen (ahd.
S. Mauser. mirra, myrra, murra, mhd. mirr(e) m., mirre)
Mutterkuchen m. 'Nachgeburt’, fachsprachl. entlehnt aus gleichbedeutend 1. murra, myrrha,
Der zweite Bestandteil ist eine Übersetzung von murrha, dieses aus gr. myrra (dass.), das semiti¬
1. placenta f. gleicher Bedeutung. schen Ursprungs ist.
Muttermal n. Bezeugt seit dem 16. Jh. Nach Myrte /. (= ein Strauch mit ledrigen Blät¬
dem Volksglauben entstehen diese Veränderun¬ tern), fachsprachl. Im Althochdeutschen (ahd.
gen der Haut dadurch, daß die Mutter während mirtilboum, mirre(n)boum m., mhd. mirtelboum
der Schwangerschaft Gelüste hatte, die sie nicht m.) entlehnt aus gleichbedeutend 1. murtus, myr-
befriedigen konnte. Teilweise wird die Form tus m., dieses aus gr. myrtos m. (dass.), das
der Muttermale mit der Art der Gelüste in semitischen Ursprungs ist.
Zusammenhang gebracht. Littmann (1924), 17.
G. Rohlfs: Sprache und Kultur (Braunschweig 1928),
20. Mysterium n. 'Geheimnis, Unerklärliches’,
sonder sprach!. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
mutterseelenallein Adj. Bezeugt seit dem 18.
deutend 1. mysterium, dieses aus gr. mysterion
Jh. wie mutterallein, mutterseligallein u. a. Zu
(dass.), zu gr. mystes m. 'ein in die eleusinischen
Mutterseele, das früher in häufigerem Gebrauch
Geheimnissen (= Mysterien) Eingeweihter’, zu
war und offenbar als 'mutterlos, allein’ zu ver¬
gr. myein 'sich schließen’. Die Bewegung der
stehen ist.
Mystik ist so bezeichnet nach der Verschließung
O. Weise ZDW 3 (1902), 246-249; K. Heisig ZM
34(1967), 290-292; L. L. Albertsen ZDS 24(1968), nach außen und der Hinwendung zur Verinner¬
118-121. lichung.
Mutterwitz m. Bezeugt seit dem 17. Jh. Ge¬ Morphologisch zugehörig: mysteriös, Mystifikation,
mystifizieren, Mystizismus. — A. Gombert ZDW
meint ist der angeborene Verstand.
3 (1902), 149f.; W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 81;
Mutwille m. Mhd. muotwille, ahd. muotwillo, G. Schoppe ZDW 15 (1914), 195.
mndd. mötwille. Zu Wille und der alten Bedeu¬
Mythos m. 'Sage, Legende’, fachsprachl. Ent¬
tung von Mut (hier etwa; 'Gefühl, Lust’), also
lehnt aus gleichbedeutend 1. mythos, dieses aus
etwa 'Wille nach eigener Lust’ = 'freier Wille’,
gr. mythos (dass.).
aber auch 'Leichtfertigkeit’.
Morphologisch zugehörig: mythisch, Mythologie. —
Mutz(e) /., Musche /., s. Möse.
W. Betz in: FS Maurer (1978), 21 —31; W. Betz in: H.
Mütze /. Mhd. mutze, mütze, mndd. mutze, Koopmann (Hrsg.): Mythos und Mythologie in der
müsse, mndl. muts(e), mutsche, muts, auch Literatur des 19. Jhs. (Frankfurt 1979), 11 —24; A.
mhd. almutz, mndd. malmuse, mndl. a(l)mutse Horstmann AB 23 (1979), 7 — 54.
N
na Interj. (Ausdruck des Zögerns, des Un¬ nachäfTen swV. In dieser Form bezeugt seit
glaubens, der Ungeduld u. ä.). Schon althoch¬ dem 16. Jh. Etwas älter nachaffen. Eigentlich
deutsch in dieser Form. Vgl. als entsprechende 'wie ein Affe nachahmen’.
Interjektion gr. ne, 1. ne, russ. na, lit. nä. nachahmen swV. Das Grundwort aus mhd.
Nabe /., fachsprachl. Mhd. nabe, ahd. naba, ämen, amen 'ausmessen, visieren’, seit dem 16.
as. naba, nava aus g. *nabö f. 'Nabe’, auch Jh. zusammen mit nach- in der Bedeutung 'dem
in anord. npf, ae. nafa m., nafu. Aus einem Maß des Vorbilds entsprechend nachgestalten’
indogermanischen Wort, das 'Nabel’ und (auch -ohmen, ähmeri). Das mittelhochdeutsche
'Nabe’ bedeutet. Vermutlich ist die Körperteil¬ Wort ist abgeleitet von mhd. äme, öme 'ein
bezeichnung die ältere; doch liegt bei 'Nabe’ Flüssigkeitsmaß’ (s. Ohm1).
wohl keine unmittelbare Bedeutungsübertra¬ Nachbar m. Vereinfacht aus mhd. nächge-
gung vor, sondern beide Bedeutungen gehen bür(e), ahd. nähgibür(o) aus wg. *nähwa-ga-
zurück auf 'kleines Bäuchlein’. Vgl. ai. näbhi- bür(ön) m. 'Nachbar’, auch in ae. neahgebür,
'Nabel, Nabe’, ai. näbhya- n. 'Nabe des Rades’, neh(h)ebür u. ä..Das Grundwort ist ein Soziati-
lett. naba 'Nabel’, apreuß. nabis 'Nabel, Nabe’. vum: 'einer, der am gleichen Wohnort (s.
Dazu die /-Erweiterung, zu der auch Nabel Bauer') wohnt’; zusammen mit 'nahe’ als 'einer,
(s. d.) gehört in 1. umbilTcus m. 'Nabel’, I. umbo der in der Nähe (am gleichen Wohnort) wohnt’.
m. 'Schildbuckel’, air. im(b)liu 'Nabel’, gr. om- Nndl. nabuur, ne. neighbour. S. nah, Bauer1/2
phalös 'Nabel, Schildbuckel’. Lautlicher Zu¬
Nachen m., arch. Mhd. nache, ahd. nahho, as.
sammenhang im einzelnen unklar.
nako 'Schiff’ aus g. *nakwön m. 'Nachen’, auch
Nndl. naaf, ne. nave, nschw. (hjul)nav, nisl. hjölnöf. S.
in anord. ngkkvi 'Schiff, Boot’, ae. naca. Mit
Nabel, Näber.
falscher Ablösung des Anlauts (nach Akkusati-
Nabel m. Mhd. nabel(e), ahd. nabalo, nabulo,
ven, die auf -n ausgehen) auch fr. äk(e), mndl.
mndd. mndl. navel, naffel aus g. *nab(u)lön m. äke und entsprechend in deutschen Mundarten.
'Nabel’, auch in anord. nafli, ae. nafela, afr. Herkunft unklar.
navla. Zur Etymologie vgl. Nabe.
Nndl. aak.
Nndl. ne. navel, nschw. navel, anord. nafli. S.
Nabe( + ). Nachfahr(e) m., s. Vorfahr(e).

Näber m., auch Naber m. 'Bohrer’, arch. nachgerade Adv. 'schließlich’. Ursprünglich
Mhd. nabeger, ahd. nabager(o), nagaber, as. norddeutsches Wort, mndd. nagerade, älter na-
nabuger, navuger aus g. *naba-gaiza- m., auch rade, das sich wohl von anord. rpö 'Reihe’ her¬
in anord. nafarr, ae. nafugär, eigentlich der 'Na¬ leitet, wahrscheinlich weiter zu gerade1 (s. d.);
benspeer’ (zu Nabe und Ger, s. d.); der Bohrer also 'nach der Reihe, der Reihe nach’. Die Be¬
diente offenbar in erster Linie dem Zweck, Na¬ deutung 'schließlich’ seit dem 17. Jh.
ben zu bohren. nachhaltig Adj. Bezeugt seit dem 18. Jh. Über
Nabob m. 'reicher Mann’, sonder sprach!. Be¬ das Substantiv Nachhalt (eigentlich 'Rückhalt;,
zeugt seit dem 18. Jh. Entlehnt aus ne. nabob was man zurückbehält’) abgeleitet von nachhal¬
'jmd, der sich in Indien Reichtümer erworben ten 'andauern, wirken, anhalten’.
hat’. Dieses aus hindl nawwäb 'Befehlhaber Nachricht /. Im 17. Jh. gekürzt aus fnhd.
(im Reich des Großmoguls)’, dieses aus arab. nachrichtung. Wie 1. Tnstrüctio zunächst 'Unter¬
nuwwäb, Plural von arab. näfb 'Stellvertreter, weisung, Belehrung’, dann verallgemeinert zu
Statthalter’. 'Mitteilung’.
nach Adv./Präp. Mhd. nach, ahd. näh, mndd. Nachrichter m. 'Henker’, arch. Mhd. nächrih-
na, mndl. na aus g. *nähwö Adv. 'nahe, nach’, ter 'der nach dem Richter seines Amtes waltet’,
auch in gt. *neha, ae. neah, afr. nei. Ursprüng¬ ursprünglich Bezeichnung für eine untergeord¬
lich Adjektiv-Adverb zu nah (s. d.) mit der Be¬ nete Gerichtsperson, danach wie Scharfrichter
deutungsentwicklung 'nahe bei’ zu 'unmittelbar ein verhüllender Ausdruck für 'Henker’.
danach’. Angstmann (1928), 36 — 42.
J. Endzelin ZVS 62(1935), 23 — 28; Henzen (1969), nachschlagen stV. Spmhd. nächslahen. Schon
24-85. ahd. slalian, anord. slä bedeutet auch 'den Vor-
nachstellen 497 Nagel

fahren nachschlagen’, vermutlich ausgehend nacke, mndl. necke, nec, afr. hnekka, ae. hnecca,
von 'eine Richtung einschlagen’. s. auch Genick. Außergermanisch wird vergli¬
nachstellen swV. Mhd. mndd. stellen bedeutet chen air. cnocc, kymr. cnwch 'Buckel, Hügel’,
eigentlich 'Fallen (Netze, Schlingen) stellen für toch. A. khuk 'Hals, Nacken’. Weitere Herkunft
bestimmte Tiere’. Im 15. Jh. wird es verallge¬ unklar. Nach Sommer (s. u.) zu dem laulnach-
meinert zu 'auflauern’. ahmenden *knak- für das Knacken der Gelenke
Nacht/. Mhd. ahd. as. naht aus g. *naht-f. (s. knacken).
'Nacht’, auch in gt. nahts, anord. nätt, nött, ae. Nndl. nek, ne. neck, nschw. nacke, nisl. hnakki. S.
niht, naht u. ä., afr. nacht. Dieses aus ig. *nokt- Genick. — Sommer (1977), 11 —13.

/., auch in ai. näkt-, gr. nyx (-yktös), 1. nox nackt Adj. Mhd. nacke(n)t, ahd. nackot,
(-octis), air. nocht, kymr. nos, lit. naktis, akslav. mndd. naket, naken(t), mndl. naect, nake(n)t
nosti, toch. A. noktim 'abends’, toch. B. nekciye aus g. *nakwada- Adj. 'nackt’, auch in gt.
'abends’. Heth. nekuz mehur 'abends’ gehört zu naqaps, anord. npkviör, ae. nacod, ncecad, afr.
heth. neku-, 'es wird Abend, es dämmert’. Dies nakad, naked, naken(d). Die gleiche Form *no-
läßt die Vermutung zu, daß von 'Dämmerung, guot- oder -odh- setzen voraus air. nocht, kymr.
Abend’ auszugehen ist. Ein Ansatz *nekw- oder noeth mit -t- und 1. nüdus mit -d-. Daneben
*neku-, der ebenfalls aus dieser Form zu gewin¬ mit n-Suffix ai. nagnä-, anord. nakinn, mndd.
nen sein könnte, würde gestützt durch den Vo¬ naken(t), afr. naken(d). Wieder anders heth.
kalismus des Griechischen. nekumant-. Unerweitert in akslav. nagü, dehn-
Nndl. nacht, ne. night, nschw. natt, nisl. nött. S. Mitter¬ stufig in lit. nüogas, sowie in anord. nokkva
nacht, Nachtigall, nächten. — Ch. Peeters IF 79 (1974), 'entblößen’. Auch gr. gymnos wird mit unregel¬
31 f.; T. L. Markey in: S. N. Skomal/E. C. Polome
mäßiger Lautentwicklung hierhergestellt. Wei¬
(Hrsg.): Proto-Indo-European: The Archeology of a Lin-
tere Herkunft unklar.
guistic Problem, FS M. Gimbutas (Washington 1987),
299-321. Nndl. naakt, ne. naked, (nschw. naken, nisl. nakinn).
S. Gymnasium.
nächten Adv. 'gestern (abend)’, reg. Ent¬
spricht mhd. ahd. nahti, an das unter Einfluß Nadel /. Mhd. nädel(e), nälde, ahd. nädala,
von morgen die Endung -en antrat. Wörtlich nädel, nälda, as. näthla aus g. *näplö f. 'Nadel’,
'nachts’, im alten Sinn von 'Abend’, wobei beim auch in gt. nepla, anord. näl, ae. nädl, afr. nedl,
Sprechen im Präteritum nur der vergangene neide. Instrumentalbildung zu nähen (s. d.).
Abend gemeint sein kann. Außergermanisch entspricht air. snäthat, kymr.
S. Nacht (+).- H. Osthoff IF 20 (1906), 213-217. nodwydd.
Nndl. naald, ne. needle, nschw. näl, nisl. näl. S. nähen.
Nachtigall f. Mhd. nahtegal(e), ahd. naht(a)-
- Kluge (1926), 52.
gala, as. nahtagala, nahtigala aus wg. *nahti-
galön f. 'Nachtigall’, auch in ae. nihtegale m. nafzen swV. 'schlummern’, arch., dial. Mhd.
Der zweite Bestandteil gehört zu g. *gal-a- stV. nafzen, ahd. (h)naffezze. Intensivbildung zu
'singen’ in anord. gala, ae. galan, ahd. galan mhd. *napfen, ae. hnappian, hnceppian 'einnik-
'beschwören, Zaubergesänge singen’; also ei¬ ken, schlummern’. Weitere Herkunft unklar.
gentlich 'Nachtsängerin’. Entsprechend 1. lusci- Bahder (1925), 24.
nia 'Nachtigall’ (zu 1. canere 'singen’; Vorder¬ Nagel m. Mhd. nagel, ahd. as. nagal, negil
glied vielleicht *lusci- in der unbezeugten Be¬ aus g. *nagla- m. 'Nagel’, auch in anord. nagl
deutung 'Dämmerung’). Das i der Komposi¬ 'Fingernagel’, anord. nagli 'Eisennagel’, ae.
tionsfuge ist regional vor g entstanden (wie in nag(e)l, afr. neil, nll; gt. in ganagljan 'annageln’
Bräutigam und Rüdiger). (dieses wie anord. negla, ae. nceglian, as. neglian,
Nndl. nachtegaal, ne. nightingale. S. Nacht ( + ), gal- ahd. nagalen, negilen, mhd. nagelen, negelen).
stern, gellen, gelt*. — P. Schmidt ZDA 51 (1909), Die Bedeutung ist ursprünglich 'Nagel an Fin¬
280-287; H. Schwarz in: FS Trier (1954), 442-445.
ger und Zehe’, dann übertragen auf'Holz- oder
Nachtschatten m., fachsprachl. Mhd. naht- Drahtstift’ (möglicherweise nach dem verbreite¬
schate, ahd. nahtscato bezeichnet ursprünglich ten Ende, das mit einem Fingernagel verglichen
im Plural die Dunkelheit, im Singular verschie¬ wird). Außergermanisch entsprechen Wörter
dene Nachttiere. Die Übertragung auf Pflanzen ohne /-Erweiterung: air. ingen, kymr. eguin 'Na¬
ist unklar; vielleicht wegen der dunklen Beeren gel’, 1. unguis 'Nagel’, akslav. noga 'Fuß’ (lit.
(Tollkirsche) und Blüten. nagä f. 'Huf’, lett. nagas 'beide Hände, Hände
Nachttrut /., s. Drude. und Füße’), lit. nägas 'Nagel’, gr. önyx 'Nagel,
Nacken m. Mhd. nac(-ckes), nacke, ahd. nac, Kralle’. Vgl. ai. ähghri- 'Fuß’ und lautlich ab¬
nacko 'Hinterhaupt, Nacken’ aus *hnakka-/ön weichend nakhä- 'Nagel, Kralle’. Der Lautstand
m. 'Hinterhaupt, Nacken’, auch in anord. ist auffällig uneinheitlich; die Konsonanten sind
Imakkr, hnakki. Daneben mit Ablaut mndd. n und gh, aber der Vokalismus läßt sich kaum
Nägelchen 498 nämlich

auf einen Nenner bringen. Weitere Herkunft tungsentwicklung ist vermutlich 'zusammen¬
unklar. drehen — spinnen’ — nominal 'Faden’ und von
Nndl. nagel, ne. «a/7, nschw. naget, nisl. nagli. S. Nagel¬ dort aus 'nähen’.
fluh, Onyx. Nndl. naaien. S. Nadel, Naht, Natter, Schnur1.
Nägelehen n., Nägelein n. 'Nelke’, s. Nelke. nähren swV. Mhd. ner(e)n, ahd. nerien, ner-
Nagelfluh/. (= Gesteinsart, Felswand), fach- ren, as. nerian aus g. *naz-eja- swV. 'nähren’,
sprachl. In hochsprachlichen Texten seit dem auch in gt. nasjan, ae. nerian 'retten’, afr. nera.
18. Jh. Schweizer Wort für eine Felswand aus Kausativum zu dem in genesen (s. d.) erhaltenen
der die eingesprengten Kiesel wie Nagelköpfe starken Verb mit der ursprünglichen Bedeutung
hervorstehen; zu Fluh 'Wand’ (s. d.) und Nagel 'heimkommen, überstehen’. Die Ausgangsbe¬
(s. d.). deutung ist also etwa 'überstehen machen, am
Leben erhalten’.
nagelneu Adj., ugs. Bezeugt seit dem 15. Jh.
Naht f. Mhd. ahd. mndd. nät, mndl. naet,
und von Anfang an übertragen gebraucht. Viel¬
nayt aus vor-d. *nä-di- f. 'Naht’, Verbalabstrak¬
leicht ursprünglich 'neu genagelt’ (oder 'neu
genietet’), aber bei derartigen Verstärkungswör¬ tum zu nähen (s. d.).
Kluge (1926), 67.
tern können Erklärungen der Herkunft nur un¬
ter Vorbehalt gegeben werden. Vgl. funkelna¬ naiv Adj. 'unkritisch, wenig erfahren’. Im 18.
gelneu. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. na'if, dieses
aus 1. nätivus 'natürlich, ursprünglich, angebo¬
Nagelprobe/. 'Prüfstein’. Bezieht sich auf eine
ren’, zu 1. nätus 'Geburt’, zu 1. näsct 'gezeugt
seit dem 16. Jh. bezeugte Sitte (ursprünglich
werden, geboren werden’ (älter gnä-, zu *geno-
wohl aus Skandinavien): Man stülpt das Trink¬
'geboren werden”).
gefäß, mit dem man auf jemandes Gesundheit
Morphologisch zugehörig: Naive, Naivität', etymolo¬
getrunken hat, über den Daumen der linken gisch verwandt: s. Genus. — W. Feldmann ZDW
Hand, zum Zeichen, daß kein Tropfen zurück¬ 8 (1906/07), 81; Brunt (1983), 387.
geblieben ist, der den Nagel naß machen
Name m. Mhd. nam(e), ahd. as. namo aus g.
könnte.
*namön m. (mit Schwundstufe der Ableitungs¬
nagen swV. Mhd. nagen (älter stV.), ahd. -na- silbe in der Flexion) 'Name’, auch in gt. namo,
gan, älter -gnagan, as. gnagan, nagan, knagan anord. nafn n., ae. nama, afr. nama, noma.
aus g. *gnag-a- stV. 'nagen’, auch in anord. Außergermanisch vergleichen sich ai. nama n.,
gnaga, ae. gnagan. Außergermanisch entspre¬ toch. A. nom, toch. B. nem, gr. önoma n., 1.
chen zwei wenig verbindliche Formen: lett. nömen n., akslav. im§ n., apreuß. emnes, air.
gpega 'einer der mit langen Zähnen ißt’, avest. ainm(m) n., kymr. enw. Mit unregelmäßig ent¬
aißi.ynixta- 'angenagt, angefressen’. wickeltem Anlaut heth. laman- n. Das Wort ist
Nndl. knagen, ne. gnaw, nschw. gnaga, nisl. naga. S. nur im Konsonantismus einwandfrei vergleich¬
Gnagi, naschen, necken. bar, der Ablaut im Vokalismus ist undurch¬
nah Adj. Mhd. nach, näher, ahd. as. näh aus schaubar. Ähnliche Wörter auch im Finnisch-
g. *ncehwa- Adj. 'nah’, auch in gt. neh(a), Ugrischen, so daß hier wohl ein sehr altes Wort
anord. nä, ae. neah, afr. nei. Am ehesten eine vorliegt.
Adjektivbildung aus einer lokalen Partikel *ne, Nndl. naam, ne. name, nschw. namn, nisl. nafn. S.
anonym ( + ), namentlich, nämlich, nennen ( + ), Nomen.
die etwa als akslav. russ. na Präp. 'auf, an, zu’
— S. Gutenbrunner in: H. Drayl (Hrsg.): Proceedings
erscheint. Hierzu vielleicht auch akslav. vwz- of the 7'h International Congress of Onomastic Sciences
nakü 'zurückgeneigt, rücklings’, ai. näka- 'Fir¬ (Louvain 1966), 1—6.
mament, näherer Himmel’. Ausgangsbedeutung namentlich Adv. 'vornehmlich’. Mhd. na-
also etwa 'zugeneigt, in Richtung auf, da’. me(n)llche, nem(e)ltche(n), mndd. nemeliken.
Nndl. na, ne. near, nisl. nä-, S. nach, Nachbar. — P. Älter mit, blnamen. Ursprünglich 'ausdrücklich
Thieme ZDMG 101 (1951), 412, Anm. 4.; V. Pisani in: (mit Namen) genannt’; dann — wenn von meh¬
Shri Mahävtra Jaina Vidyälava, Golden Jubilee Volume
reren in Frage kommenden nur einige mit Na¬
I (Bombay 1968), 185f.
men genannt werden — im Sinne von 'vor¬
nähen swV. Mhd. neejen, ahd. näjan, mndd. nehmlich’.
neien, neigen u. ä., mndl. n(a)eyen aus vor-d. S. Name ( + ), nämlich.
*nä-ja-, das ursprünglich weiter verbreitet ge¬
nämlich Adv. Mhd. name(n)ltche, dasselbe
wesen sein muß, wie die Ableitung Nadel (s. d.) Wort wie unter namentlich angeführt. Die Be¬
zeigt. Außergermanisch vergleicht sich zunächst deutung ist also 'ausdrücklich (mit Namen) ge¬
kymr. nyddu 'nähen’; sonst bedeutet das Verb nannt’, deshalb heute zur Einführung einer ge¬
'spinnen’, so in 1. nere, gr. nein; vgl. air. snäthat naueren Bestimmung.
'Nadel’, mir. smid 'dreht, bindet’, lett. snät 'lok- S. Name( + ), namentlich. - Behaghel (1923/32), III,
ker zusammendrehen, spinnen’. Die Bedeu¬ 217f.
Napf 499 Nassauer

Napf m. Mhd. napf naph, ahd. (h)napf, as. Narzisse /. 'hochstielige Pflanze mit duften¬
hnapp aus g. *hnappa- m. 'Napf’, auch in anord. den weißen Blüten’. Im 16. Jh. entlehnt aus
hnappr Schale, Schüssel, ae. hntepf hncep(p). gleichbedeutend I. narcissus m., dieses aus gr.
Herkunft unklar. närkissos m./(f), wahrscheinlich volksetymolo¬
Nndl. nap, schw. dial. napp. - R. Hildebrandt DWEB gisch zu gr. närke 'Lähmung’ (s. Narkose).
3 (1963), 369f.; Lühr (1988), 233f.
Narzißmus m. (= krankhafte Eigenliebe),
Nappaleder n. (= ein weiches Leder). Im 20. fachsprachl. Nach der griechischen Sage von
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend e. nap(p)a Närkissos, einem schönen Jüngling, der sich
leather, das nach der kalifornischen Stadt Napa in sein Spiegelbild verliebte, an dieser Liebe
bezeichnet ist, wo das zugrundeliegende Bear¬ zugrunde ging und in eine Narzisse verwandelt
beitungsverfahren entwickelt wurde. wurde. Von Freud als Terminus der Tiefenpsy¬
Narbe /. Mhd. narwe, nar(e) m./f, mndd. chologie aufgenommen und von dort aus weiter
nare, narwe m./ff). Formal handelt es sich um verbreitet.
die Substantivierung eines Adjektivs wg. *nar- naschen swV. Mhd. naschen, ahd. nascön. Da¬
wa- 'eng’ in ae. nearu(-we) (ne. narrow), as. neben ndd. gnaschen, nschw. snaska. Das Wort
naru (nndl. naar). Semantisch muß auf ältere bedeutet eigentlich 'knabbern’ und gehört zu
Bedeutungen zurückgeschlossen werden, etwa nagen (s. d.).
(in bezug auf die Etymologie) 'verschnürt, ein¬ Nase /. Mhd. nase, ahd. nasa, mndd. nese,
gewickelt’ und 'Verschnürung, Verbindung’ nase, mndl. nose, neuse, nuese aus g. *nas(ö) f.
oder 'geschrumpft’ und 'Schrumpfung’ (in be¬ 'Nase’, auch in anord. nps, ae. n(e)osu, afr.
zug auf lautlich ähnliche Wortsippen wie ahd. nose. Aus ig. *nas- (der Ansatz von a ist etwas
snerfan stV. 'schrumpfen’). Man verknüpft vor unbequem, wird aber durch das Indische offen¬
allem (ohne große Sicherheit) lit. nerti 'einfa- bar erzwungen) 'Nase’. Da das Wort mehrfach
deln, einrenken, verschränken’, lett. nert 'die auf einen Plural oder Dual zurückführt, wird
Spitze des Bastschuhs zusammenziehen’. es wohl ursprünglich 'Nasenloch’ bedeutet
S. Nehrung. — A. Lindqvist MASO 4(1941), 159f. haben. Es könnte zu *ano- 'atmen’ gehören. Zu
Narde/. 'Duftstoff’, arch. Mhd. narde m./f.,
vergleichen sind ai. nas-, Dual näsä, 1. näris, lit.
nösis, russ.-kslav. nosü m. Der Fisch Nase heißt
ahd. nartha, narda u. ä., vgl. auch gt. nardus.
nach seinem vorstehenden Oberkiefer. Viel¬
Entlehnt aus 1. nardus, das seinerseits entlehnt
leicht entlehnt aus 1. näsus m. 'Nase’ (oder Be¬
ist, doch ist der Ursprung und der Entlehnungs¬
deutungsentlehnung, was in diesem Fall nicht
weg unklar (gr. ndrdos, ai. ndlada- n., hebr.
entscheidbar ist).
neFd).
Nndl. neus, ne. nose, nschw. näsa, nisl. nös 'Nasenloch’.
Narkose /. 'Betäubung’. Im 18. Jh. entlehnt S. nuscheln, Nüster.
aus gleichbedeutend gr. närkösis, einer Ablei¬ Nasenstieber m., s. Nasenstüber.
tung von gr. narkäein 'erstarren, lähmen, betäu¬
Nasenstüber m. 'Stoß an die Nase, Tadel’.
ben’, dazu gr. närke 'Lähmung’.
Bezeugt seit dem 17. Jh., zuerst in der Form
Morphologisch zugehörig: Narkotikum, Narkotiseur,
Nasenstieber. Zu stieben (s. d.) mit späterer um¬
Narkotismus.
gekehrter Schreibung.
Narr m. Mhd. narre, ahd. narro, mndd. nar¬
naseweis Adj. Ursprünglich vom Jagdhund
re-. Herkunft unklar.
gesagt. Bezeugt seit dem 13. Jh., mhd. nasewlse,
A. v. Blumenthal: Hesych-Studien (Stuttgart 1930), 43. mndd. nesewts, mndl. nosewijs, nueswijs. Zu
Narrenheil n., s. Gauchheil. weise (s. d.) in älterer allgemeinerer Bedeutung.

Narrenteiding n./f, s. Narretei und Teiding. Nashorn n. Bezeugt seit dem 16. Jh. Lehn¬
übersetzung aus 1. rhtnocerös m. zu gr. rhinö-
Narretei /., arch. Im 17. Jh. gekürzt aus
kerös m.
gleichbedeutendem Narrenteiding zu Teiding
'leeres Gerede’ (s. d.). naß Adj. Mhd. ahd. naz aus g. *nata- Adj.
'naß’, außerdeutsch nur indirekt bezeugt durch
Narrifex m., s. Fex.
gt. (ga)natjan 'benetzen’. Herkunft unklar.
Narwal m. (= Delphinart), fachsprachl. Im Nndl. nal. S. netzen. — A. Lindquist SMS 19(1956),
18. Jh. entlehnt aus nschw. narval, ndn. narhval, 69f. Nicht annehmbar: E. P. Hamp NWELE 3 (1984),
dieses zu anord. närhvalr. Der zweite Bestand¬ 49-51.
teil ist das Wort Wal (s. d.), der erste ist unklar Nassauer m. 'jmd., der ständig bei andern ißt
(zu dem Wort für Nase, da der Narwal ein oder sie sonst in Anspruch nimmt’, ugs. Dazu
Horn trägt?), man vergleicht anord. när 'Toter, nassauern. Herkunft unklar, obwohl zumindest
Leiche’ wegen der weißlichen Farbe, doch ist sekundär an den Städtenamen Nassau ange¬
dies nicht sehr wahrscheinlich. knüpft wurde. Erklärungsversuche, die von
Nation 500 Neffe

dem Namen ausgehen, lassen sich nicht durch 1. nävigätio (-önis) 'Schiffahrt’, zu 1. nävigäre
klare Bezeugungen stützen. Vielleicht zu rotw. 'schiffen, segeln, fahren’, zu 1. nävis 'Schiff’ und
nassenen 'schenken’ (aus wjidd. nossenen) mit 1. agere 'in Bewegung setzen’. Zunächst in sehr
nachträglicher Umformung. allgemeiner Bedeutung verwendet; dann Spezia¬
E. Schröder HBV 36(1938), 167f.; W. Stammler lisierung. Das Wort Nautik basiert auf der grie¬
(1954), 167-170; Wolf (1985), 228. chischen Entsprechung naüs zum lateinischen
Nation/. 'Staatsgemeinschaft’. Im 14. Jh. ent¬ nävis.
lehnt aus gleichbedeutend 1. nätio (-önis) (wört¬ Morphologisch zugehörig: Navigator; etymologisch
verwandt: s. Agenda. — W. J. Jones SN 51 (1979), 265.
lich: 'Geborenwerden, Geburt’), einer Ablei¬
tung von 1. näscl (nätus sum) 'geboren werden’, Nebbich m. 'unbedeutender Mensch’, auch
das mit 1. genus n. 'Geschlecht, Art, Gattung’ Interj., neuerdings auch für 'dummes Zeug’,
verwandt ist. Bezeichnungsmotivisch ist eine ugs. Aus wjidd. nebech 'armes Ding’, auch Aus¬
Nation demnach eine Gemeinschaft desselben ruf. Dieses aus poln. nieboga, niebozp 'armes
Ursprungs; daran anschließend dann die Be¬ Ding’.
deutungskomponenten 'gleiche Kultur, Sprache Nebel m. Mhd. nebel, ahd. nebul, as. nebal
usw.’. aus g. *nebula- m. 'Nebel, Dunkelheit’, auch in
Morphologisch zugehörig: national, Nationalismus, anord. njöl(a) f. 'Nebel, Nacht’, ae. neowol,
Nationalität; etymologisch verwandt: s. Genus. — A. nifol u. ä. 'dunkel’, afr. nevil 'Nebel’ (Vokalis¬
Gombert ZDW 3 (1902), 321f.; W. Feldmann ZDW mus und Zusammengehörigkeit im einzelnen
8 (1906/07), 81; H.-D. Kohl in: H. Beumann/W. Schrö¬
nicht ausreichend klar). Außergermanisch ste¬
der (Hrsg.): Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter
(Sigmaringen 1978), 63 — 108. hen am nächsten 1. nebula f. 'Dunst, Nebel’, gr.
nephele f. 'Wolke, Gewölk’. Diese weiter zu ai.
Natter/. Mhd. näter(e), ahd. nät(a)ra, näter,
näbhas- n. 'Nebel, Dunst, Gewölk’, akslav. nebo
as. nädra aus g. *nadra- m., *nadrö f. 'Natter’
n. 'Himmel’. Weitere Herkunft unklar. Ver¬
(Belege mit erwiesener Länge im Mittelhoch¬
wandt ist eventuell Nimbus (s. d.), doch die
deutschen erzwingen kaum den Ansatz einer
Lautverhältnisse sind unklar.
westgermanischen Form mit Länge; eher ist mit
Nndl. nevel. S. nibeln, Nimbus.
sekundärer Dehnung zu rechnen), auch in gt.
nadrs m., anord. naör m., naöra, ae. nced(d)re. neben Adv./Präp. Mhd. neben(t), ahd. neben,
Mit Verlust des anlautenden n durch falsche gekürzt aus mhd. eneben, ahd. ineben, as. an
Ablösung ne. adder, nhd. (aus dem Ostmittel¬ eban, ae. on efn. Zu in und eben (s. d.), die
deutschen) Otter. Außergermanisch vergleichen Ausgangsbedeutung ist also etwa 'in gleicher
sich air. nath(a)ir, kymr. neidr, I. natrix 'Was¬ Weise’, daraus die heutige Bedeutung.
serschlange’. Vielleicht weiter zu *(s)ne- 'dre¬ Behaghel (1923/32), II, 30.
hen, winden’ (zu diesem s. unter nähen). nebst Präp. Die Präposition neben wird nie¬
Natur /. 'Gesamtheit von Pflanzen, Tieren derdeutsch mit der adverbialen Genitiv-Endung
usw.’. Im Althochdeutschen (ahd. natüra, mhd. versehen (mndd. nevens[t], neven, neffen). Dies
natüre) entlehnt aus gleichbedeutend 1. nätüra zu fnhd. nebens, an das ein t anwächst, worauf
(wörtlich: 'Geburt’), zu 1. näscl (nätus sum) zu nebst gekürzt wird.
'geboren werden’, das mit 1. genus n. 'Ge¬ necken swV. Bezeugt seit dem 14. Jh., später
schlecht, Art, Gattung’ verwandt ist. Das Natu¬ neben hohnecken, dessen Herkunft unklar ist.
rell ist bezeichnungsmotivisch 'die Gesamtheit Das Wort scheint eine Intensiv-Bildung zu na¬
der naturgemäß gegebenen Eigenschaften’. gen (s. d.) zu sein.
Morphologisch zugehörig: Naturalien, Naturalisation,
Naturalismus, Naturalist, Naturismus, Naturist; etymo¬
Neffe m. Mhd. neve, ahd. nevo, as. nebo aus
logisch verwandt: s. Genus. — W. Feldmann ZDW g. *nefön m. 'Enkel, Neffe’, auch in anord.
8(1906/07), 81; K. Sallmann AB 7(1962), 140-284; nefi, ae. nefa. Die weiblichen Formen Nichte
A. Budde VWP 42(1966), 42-67; A. Pellicier: Natur und Niftel (s. Nichte) weisen auf den älteren
(Paris 1966); H. M. Nobis AB 11 (1967), 37-58; AB /-Auslaut. Zu ig. *nepöt- m. 'Enkel’, später auch
13 (1969), 34-57. 'Neffe’ in ai. näpät, lit. nepuotis, 1. nepös (-ötis),
Naturell n. 'Eigenschaften, Wesen’, s. Natur. air. nia(e) 'Schwestersohn’, gr. anepsiös 'Ge¬
Nauef/m., Nähef./m. 'Lastboot, Fährschiff’, schwisterkind’. Für 'Neffe’ schien die indoger¬
schwz. Mhd. näwe, ncewe. Entlehnt aus 1. nävis manische Sprache kein Wort zu haben. Als das
f 'Schiff’. Bedürfnis nach einer Bezeichnung entstand,
Kluge (1911), 377; E. Öhmann NPhM 41 (1940), 147.
wurde das Wort aufgenommen, das der Gro߬
vater (der ja in alter Zeit in der gleichen Familie
Nautik /. 'Schiffahrtskunde’, s. Navigation.
wohnte wie derjenige, der seinen 'Neffen’ be¬
Navigation /. 'Bestimmung und Einhaltung zeichnen wollte) zur Bezeichnung seiner Kin¬
des Kurses’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus deskinder benützte. Der entstehenden Mehr-
negativ 501 Nelke

deutigkeit wurde ausgewichen, indem für 'En¬ Neid m. Mhd. nit, ahd. nid(h), as. nith aus
kel neue Wörter eingeführt wurden. g. *neipa- n./m. 'Neid, Groll’, auch in gt. neih
Nndl. neef, S. Nichte. - F. Mezger ZVS 76(1960), n., anord. niön., ae. nid, afr. nith. Außergerma¬
296 - 302; Müller (1979); G. Ruiperez (1984); H. Hettrich
nisch vergleicht sich air. nith 'Kampf’. Weiteres
AnthL 27 (1985)[1987], 462-464.
ist unklar.
negativ Adj., s. negieren.
Neidnagel m., auch Niednagel m., Nietnagel
Neger m. Bezeugt seit dem 17. Jh. Entlehnt m. , Notnagel m.. Offensichtlich ausgegangen
aus frz. negre, das wie das vermittelnde span. von nndl. nijdnagel unter der Vorstellung, daß
negro eine Nachfolgeform von 1. niger 'schwarz’ ein solcher Ärger vom Neid eines anderen ver¬
ist. Ausgangsbedeutung also 'Schwarzer’. ursacht wird. Deshalb auch frz. les envies für
Negerkuß m. 'schokoladeüberzogenes Ge¬ die gleiche Erscheinung.
bäck’, nordd. Bezeugt seit der Mitte dieses Jahr¬ neigen swV. Mhd. nigen stV. 'sich neigen’,
hunderts für das wesentlich ältere, jetzt süd¬ mhd. neigen swV. 'neigen machen, beugen’, ent¬
deutsche Mohrenkopf, vielleicht entstanden in sprechend ahd. (h)nigan, -neigen, as. hnigan,
Anlehnung an Baiser (s. d.).
-hnegian aus g. *hneigw-a- stV. 'sich neigen’ in
J. Eichhoff in: FS Martin (1980), 170-173.
gt. hneiwan, anord. hniga, ae. hnigan, afr. hriiga.
negieren swV. 'ablehnen, verneinen’, sonder- Das Kausativum in gt. -hnaiwjan, anord.
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend hneigja, ae. hnägan. Außer germanisch ent¬
1. negäre (negäturn). Negativ hat ausgehend von spricht nur 1. cönivere 'die Augen schließen’.
'verneinen’ im Sinne von 'das Gegenteil be¬ Nndl. neigen, nschw. niga, nisl. hniga. S. nicken, reni¬
haupten’ dann die modernen Bedeutungen 'in¬ tent. — Schulze (1933), 599f.
verse Ladung’ bzw. 'inverses Bild’.
nein Part. Mhd. nein, ahd. nein, nain, as.
Morphologisch zugehörig: Negativität, Negativum.
nen, eigentlich 'nicht eines’, beschränkt auf die
Neglige n. 'leichter, meist durchsichtiger verneinende Antwort, vergleichbar etwa mit 1.
Überwurfmantel’. Im 18. Jh. entlehnt aus nön, al. noenum aus ne + oinom. In den übrigen
gleichbedeutend frz. (habillement) neglige m. germanischen Sprachen ist die Verbindung ein
(wörtlich: 'nachlässige, unwesentliche Klei¬ pronominales Adjektiv geblieben, so anord.
dung’), dem PPrät von frz. negliger 'vernachläs¬ neinn, ae., nän, afr. nän, nen 'kein’. Für 'nein’
sigen’, dieses aus 1. neglegere (dass., wörtlich: steht gt. ne, eine Dehnungsform der Vernei¬
'die Erscheinung einer Sache nicht in seinen nungspartikel; anord. nei, ae. afr. nä, nö ver¬
Geist aufnehmen’), zu 1. nec 'und nicht’ und 1. mutlich aus *ne aiwin 'niemals’ (zweiter Be¬
legere 'ins Auge fassen’, verwandt mit gr. legein standteil s. je).
'auflesen, sagen, zählen’.
Nndl. nee(n). S. ein1 (+), nicht, nie, nimmer, nur, un-,
Morphologisch zugehörig: negligeant, negligente; ety¬
mologisch verwandt: s. analog. Nekrolog m. 'Nachruf, Totenverzeichnis’,
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. necro-
nehmen stV. Mhd. nemen, ahd. neman, as.
loge 'Totenliste’, dieses aus ml. necrologium n.
niman, neman aus g. *nem-a- stV. 'nehmen’,
(dass.), zu gr. nekrös 'Leiche, Leichnam, der
auch in gt. niman, anord. nema, ae. niman, afr.
Tote’ und gr. lögos 'Rede, Mitteilung, Schrift’.
nima, nema. Außergermanisch vergleicht sich
zunächst eine Sippe, die 'nehmen, kaufen’ be¬ Etymologisch verwandt: s. analog.
deutet, aber allenfalls eine Reimvariante ist: 1. Nektar m. 'süße Flüssigkeit, der Unsterblich¬
emere 'nehmen, kaufen’, air. fo-eim, -foim, keit verleihende Trank der Götter’. Im 16. Jh.
-föem 'nimmt an’, lit. imti 'nehmen, ergreifen’, entlehnt aus gleichbedeutend 1. nectar n., dieses
akslav. jgti 'nehmen, fassen’. Daneben eine aus gr. nektar n. (dass.). Die weitere Herkunft
Sippe *nem-, die lautlich genau vergleichbar ist, ist nicht geklärt.
aber 'geben’ bedeutet; vor allem gr. nemö 'ich G. Schoppe ZDW 15 (1914), 195; P. Thieme BVSAW
teile aus, eigne mir an, besitze’, avest. ndmah- 98 (1952), 5 — 15; R. Schmitt in: M. Mayrhofer u. a.
'Darlehen’. Der Zusammenhang der beiden (Hrsg.): Antiquitates Indogermanicae, Gedenkschrift H.
Komplexe ist unklar. Günlert (Innsbruck 1974), 155—163.
Nndl. nemen, schw. dial. nimma, nisl. nema. S. genehm, Nelke /. Über neilke entstanden aus mndd.
Nomade (+), Nummer, Vernunft, vornehm. negelken, dessen hochdeutsche Entsprechung
Nehrung f, fachsprachl. Bezeugt seit dem 16. Nägelchen, Nägelein ist, so schon ahd. negilli(n)
Jh., älter nerge. Gehört zu dem unter Narbe n. Gemeint waren ursprünglich die Gewürznel¬
(s. d.) behandelten Adjektiv *narwa- 'eng’, ist ken, die wegen ihrer Form mit kleinen handge¬
also eigentlich die 'Enge’. Morphologisch un¬ schmiedeten Nägeln verglichen wurden (viel¬
klar. leicht nach dem Vorbild von 1. clävulus m. 'klei¬
T. E. Karsten: Die Germanen (Berlin 1928), 73. ner Nagel’). Im 15. Jh. wurde die Bezeichnung
Nell 502 netto

auf die Gartennelken wegen des Duftes über¬ Nessel f. Mhd. nezzel, ahd. nezzila, as. netila
tragen. u. ä. aus wg. *natilön f. 'Nessel’, auch in ae.
Marzell (1943/79), II, 101-103. net(e)le, netel. Dies ist eine Weiterbildung zu
Nell n. 'Trumpfneun beim Jaß’, schwz. Über¬ einem älteren *natön, das noch erhalten ist in
nommen aus nndl. nel gleicher Bedeutung. Die ahd. nazza, gotl. nata. Außergermanisch ver¬
Herkunft der Bezeichnung ist unklar. Vermut¬ gleichen sich mit *net- (statt wie vom Germani¬
lich aus älterem menel, das aus frz. manille f. schen vorausgesetzt *ned-) mir. nenaid, lit. nö-
'Trumpfkarte’ kommt. tere (u. ä.) 'Nessel’. Ganz unsicher ist der Ver¬
gleich mit gr. knide, kniza 'Nessel’ (aus *nd-l).
nennen swV. Mhd. nennen, nemmen, ahd.
Wegen der lautlichen Unklarheit ist weiterer
nemnen, nemmen, nennen, as. nemnian aus g.
Anschluß an *ned- 'knüpfen’ (s. unter Nestel)
*namn-ija- swV. 'nennen’, auch in gt. namnjan,
unsicher. Sachlich wäre die Möglichkeit gege¬
anord. nefna, ae. nemn(i)an, afr. namna, nemna,
ben, da aus der Nessel früher ein leichtes Ge¬
nanna, nenna. Ableitung von Name (s. d.) mit
webe hergestellt wurde (Nesseltuch oder Nessel
dem Suffix in der Schwundstufe. Entsprechend
m., später aus Baumwollgarnen hergestellt).
1. nöminäre zu 1. nömen und gr. onomäzein zu gr.
önoma. Ausgangsbedeutung also 'einen Namen Nndl. netel-, ne. nettle, nisl. netla. S. Netz. — Hoops
(1911/19), III, 309f.; 1. Nordstrandh: Quecke und
geben’.
Brennessel (Lund 1953).
Nschw. nämna, nisl. nefna. S. Name(+), Nenner.
Nest n. Mhd. ahd. mndd. mndl. nest aus wg.
Nenner m. (= Zahl unter dem Bruchstrich),
*nista- n. 'Nest’, auch in ae. nest. Dieses aus ig.
fachsprachl. Im 15. Jh. aus ml. denominator
*nizdo- in ai. riidä- m., arm. nist, air. net m., 1.
gleicher Bedeutung übersetzt. Nomen agentis
nidus m., und wohl daraus umgebildet lit. lizdas
zu nennen (s. d.).
m., akslav. gnezdo. Ableitung aus ni 'nieder’
neo- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
und der Schwundstufe von *sed- 'sitzen’, also
deutung 'neu-, neugebildet’ (z. B. Neologismus,
*ni-zd-o- 'Ort, an dem man niedersitzt, nistet’.
neolithisch). Es wurde vornehmlich in neologi¬
Ai. ni-sad- ist in der Bedeutung 'nisten’ bezeugt.
schen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist
Nndl. ne. nest. S. nieder, Nische, nisten, sitzen ( + ).
gr. neos (dass.).
Etymologisch verwandt: Neon; zum Etymon s. neu. Nestel f./(m.) 'Schuhband’, reg. Mhd. nestel
Neon n. (= ein Gas, das in Leuchtröhren
/., ahd. nestila, nestel/., nestilo m., as. nestila f.
verwendet wird), fachsprachl. Im 20. Jh. ent¬ 'Band’. Wie afr. nestla m. eine Weiterbildung
lehnt aus gleichbedeutend ne. neon, einer neolo¬ (vermutlich Verkleinerung) zu einem *nasta-,
gischen Bildung zu gr. neon, neos 'jung, neu’. das nur noch in agutn. nast 'Nestel’ und der
So benannt als 'das neuentdeckte (Gas)’. Entlehnung finn. nasta 'Stift, Zwecke’ faßbar
ist. Im Ablaut dazu anord. nist(i) n. 'Schnalle,
neppen swV. 'betrügen’, ugs. Aus rotw. Nep¬
Brosche’, ae. nos(t)le 'Band’. Morphologisch
per 'Gauner, der mit unechten Ringen oder
Uhren betrügt’, rotw. Neppsore 'Betrugsware‘ nicht recht durchsichtige Bildungen zu einer
u. ä. Vermutlich zu Neppe ‘Dirne’, das zu hebr. Grundlage *ned-, als deren Bedeutung 'binden,
näDop 'ehebrechen’ gehören kann. knüpfen’ angesetzt werden kann und zu der
E. Weißbrodt ZDPh 64(1939), 308. Anders: Wolf auch Netz (s. d.) und 1. nödus m. 'Knoten’ gehö¬
(1985), 230. ren. Hierzu auch nesteln 'knüpfen, aufknüpfen’.
Nerv m. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. nervus Nndl. nestel. S.-Nessel, Netz.
'Sehne, Flechse, Nerv’, zunächst in allgemeiner nesteln swV., s. Nestel.
Bedeutung (vgl. etwa nervig 'sehnig’), dann, Nesthäkchen n. 'zuletzt ausgebrütetes Vögel¬
wohl nach dem Vorbild des Englischen, speziali¬ chen eines Nests’, ugs. Meist übertragen 'jüng¬
siert auf die heutige Bedeutung. Das lateinische stes Kind’. Das Wort hat sich in ostmitteldeut¬
Wort ist verwandt mit gr. neüron n. 'Sehne’ und
scher Form durchgesetzt, es gehört zu hocken,
bedeutet ursprünglich 'Sehne, Band’.
wie Nesthocker und ähnliche Formen zeigen.
Morphologisch zugehörig: nervös, Nervosität; etymolo¬
Bezeugt seit dem 17. Jh.
gisch verwandt: Neurologie (usw.). — A. Gombert
ZDW 3 (1902), 322; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 196; nett Adj. Im 15. Jh. übernommen aus mndl.
Ganz (1957), 151f. net(t), das seinerseits aus frz. net, nette stammt.
nervös Adj. 'unruhig, leicht erregbar’, s. Nerv. Dieses aus 1. nitidus 'glänzend’.
Nerz m. Im 15. Jh. entlehnt aus obsorb. nörc S. netto.
(spmhd. nerz, nörz, norz, nurz, nürz). Das slavi- netto Adv. 'ohne Verpackung’. Im 15. Jh.
sche Wort (russ. nörka usw.) bedeutet eigentlich entlehnt aus gleichbedeutend it. (peso) netto
'Taucher’ (der Nerz ist ein Wassertier). (wörtlich: 'rein und genau, d. h. nach Abzug
Eichler (1965), 87f. alles Abzuziehenden’), dieses aus 1. nitidus
Netz 503 Nickel

'blank, schmuck, schön aussehend’, zu 1. nitere Neurose /. (= eine psychische Störung), s.


'glänzen’. Neurologie.
Etymologisch verwandt: nett. — Schirmer (1911), 134.
neutral Adj. 'unparteiisch, sächlich’. Im 15.
Netz n. Mhd. netze, ahd. nezzi, as. net(ti) Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. neuträlis,
aus g. *natja- n. 'Netz’, auch in gt. nati, anord. aus 1. neuter 'keiner von beiden’, aus 1. ne 'nicht’
net, afr. *net 'Netz’, afr. nette 'Netzhaut’, ae. und 1. uter 'einer von beiden’. Die Bedeutung
nett. Daneben mit Dehnstufe anord. not f. 'Zug¬ 'sächliches Genus’ geht bezeichnungsmotivisch
netz’. Als 'das Geknüpfte’ zu 1. nödus m. 'Kno¬ auf 'weder maskulin noch feminin’ zurück; aus
ten’ und ähnlichen Wörtern. 'keiner von beiden’ dann allgemeiner 'keiner
Nndl. ne. net, nschw. nät, nisl. net. S. Nessel, Nestel. Partei zugehörig’.
netzen wE, meist benetzen swV Mhd. netzen, Morphologisch zugehörig: Neutrale, Neutralisation,
ahd. nezzen, mndd. netten. Wie gt. natjan ein Neutralismus, Neutralist, Neutralität, Neutron, Neu¬
Faktitiv zu naß (s. d.), also 'naß machen’. trum. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 81; G.
Netzhaut /., fachsprachl. Bezeugt seit dem Schoppe ZDW 15 (1914), 196.
18. Jh. Lehnübertragung aus ml. retina gleicher Nexus m. 'Verbindung, Zusammensetzung’,
Bedeutung (zu 1. rete n. 'Fischnetz’): Seit dem sonder spracht. Entsteht aus gleichbedeutend 1.
3. vorchristlichen Jh. verglichen die antiken nexus, zu 1. nectere (nexus) 'anknüpfen,
Ärzte die Haut des Augenhintergrunds mit binden’.
einem Fischnetz. Etymologisch verwandt: annektieren, Konnexion
neu Adj. Mhd. n(i)uwe, ahd. as. niuwi aus g. (usw.).
*neu-ja- Adj. 'neu’, auch in gt. niujis, anord. nibbeln swV. 'durch Ausstanzen kleiner
nyr, ae. mwe, neowe, afr. nie. Dieses aus ig. Stücke Bleche trennen’, fachsprachl. In die Ge¬
*neu-jo- Adj. 'neu’ in ai. nävya-, gr. neiös, lit. genwartssprache entlehnt aus ne. to nibble
naüjas, air. nüa, naue, kymr. newydd. Daneben 'knabbern’.
ohne /Suffix heth. newa-, ai. näva-, toch. A. B.
hu, toch. B. fiuwe, nwe, gr. neos, akslav. novü, nibeln swV. 'fein regnen’, reg. Mhd. nibelen.
1. novus. Vielleicht eine Hochstufe zu *nu 'jetzt’ Zu Nebel (s. d.) gebildet.
(s. nun). nicht Part. Mhd. niht, ahd. niowiht, niwiht
Nndl. nieuw, ne. new, nschw. ny, nisl. nyr. S. neo- (+), u. ä., as. neowiht u. ä. Zusammengerückt aus
neun, Novum (+), nun. *ne aiwin wihtes (Negationspartikel + je +
neun Num. Mhd. ahd. niun, as. nigun aus g. Wicht, s. d.), also 'nie eines Wesens’, auch in
*newun 'neun’, auch in gt. niun (zweisilbig!), ae. näwiht, nöwiht u. ä. Einfacher gt. ni waihts.
anord. niu, ae. nigon, afr. nigun, niugun, niogen. Die Partikel tritt zur Verstärkung neben die
Aus ig. *(e)newn 'neun’, auch in ai. näva, toch. einfache Satzverneinung ni und verdrängt diese
A. nu, gr. ennea, 1. novem (Endung nach decem schließlich.
'zehn’), air. not, kymr. naw, lit. devyni, akslav. Nndl. niet, ne. not. S. nein, nichts, niemand, un-.
devgti (Anlaut nach dem Zahlwort für 'zehn’).
Nichte/. Ursprünglich niederdeutsche Form,
Man vermutet, daß das Wort ursprünglich 'neu’
bedeutete (s. neu), da man mit Hilfe der Finger die seit dem 16. Jh. das hd. Nift, Niftel zu
ohne Daumen zählte und mit 'acht’ beide verdrängen beginnt. Mndd. nichte(le), mndl.
Hände aufgebraucht waren (und somit neu be¬ nichte, nifte, mhd. niftel(e), ahd. nift(a), niftila,
gonnen werden mußte). niftel aus g. *nefti- f. 'Nichte’, auch in anord.
Nndl. negen, ne. nine, nschw. nio, nisl. niu. S. neu (+), nipt, ae. afr. nift. Dieses aus ig. *neptw-f. 'Enke¬
November. lin’, später auch 'Nichte’ in ai. naptt-, 1. neptis,
Neunauge n. 'Lamprete’, fachsprachl. Mhd. alit. neptä, air. necht. Mit Schwundstufe des
niunouge, ahd. niunouga, mndd. mndl. negen- Suffixes und zusätzlichem Motionssuffix gebil¬
oge. Der Fisch hat außer dem seitlich stehenden det aus dem Wort Neffe (s. d., auch zu den
Auge je ein Nasenloch und sieben Kiementa¬ Bedeutungsverhältnissen).
schen. nichts Fron. Ursprünglich (spätmittelhoch¬
Neuntöter m. (= Vogelname), fachsprachl. deutsch) ein Genitiv zu nicht (s. d.), der zu
Bezeugt seit dem 16. Jh. Das Benennungsmotiv einem Akkusativ umgedeutet wurde. Mit einge¬
ist unklar; die vorgebrachten Erklärungen sind wirkt hat vielleicht die Verstärkung nihtesniht
wohl aus dem Namen herausgesponnen. 'überhaupt nicht(s)’, bei der der zweite Bestand¬
Suolahti (1909), 151. teil weggelassen wurde.
Neurologie /. 'Wissenschaft vom Nerven¬ Behaghel (1923/32), I, 400f.
system’, fachsprachl. Neubildung des 18. Jhs.
Nickel n./m., arch. Im 18. Jh. entlehnt aus
zu gr. neüron n. 'Nerv’ (s. auch -logie).
nschw. nickel. Der schwedische Mineraloge v.
Morphologisch zugehörig: Neuritis, neurogen, Neuro¬
Cronstedt, der als erster das Metall rein dar¬
loge, Neurose, Neurotiker, etymologisch verwandt:
stellte, gab ihm 1754 die Bezeichnung nickel als
Nerv.
nicken 504 Niete

Kurzform von nschw. kopparnickel 'Kupfernik- niedlich Adj. Im 16. Jh. entnommen aus dem
kel\ aus dem es gewonnen wurde. Das Kupfer¬ Niederdeutschen (as. niudltko Adv. 'eifrig’), die
nickel hieß so nach einem Scheltwort der Berg¬ hochdeutsche Entsprechung in mhd. nietli-
leute, die vergeblich aus ihm Metall zu gewin¬ che(n) 'mit Verlangen, mit Eifer5. Im Nieder¬
nen suchten: So wie Kobalt (s. d.) eigentlich deutschen wird das Wort auf Speisen bezogen
Kobold ist, so ist Kupfernickel aus dem Schelt¬ und bedeutet dann 'appetitlich’. In dieser Form
wort Nickel gewonnen, das eine vermummte setzt es sich in der Hochsprache durch, wird
Schreckgestalt bezeichnet (nach den vermumm¬ dort aber wohl durch nieder bestimmt (etwa
ten Personen, die am Vorabend des Nikolaus¬ 'klein und fein5). Das niederdeutsche Wort ge¬
tages die Kinder besuchten). hört zu wg. *neuda- m. 'Wunsch, Verlangen5 in
Vgl. zur Sache Quarz. — Lüschen (1968), 105, 262. ae. neod, as. niud, ahd. niot. Dieses weiter zu
nicken swV. Mhd. mndd. mndl. nicken. Inten- einem Verbum, das in lit. (pa)nüsti 'große Lust
sivbildung zu neigen (s. d.). Dagegen ist einnik- bekommen, gelüsten’ bezeugt ist.
ken 'einschlafen’ ein anderes Wort: es beruht S. Not( + ).
auf mhd. nücken.
Niednagel m., s. Neidnagel.
nie Adv. Mhd. nie, ahd. nio, as. nio, neo zu¬
niemand Pron. Mhd. nieman, niemen, ahd.
sammengerückt aus der Negationspartikel *ne
nioman, as. neomann. Verneinte Form von je¬
und je (s. d.) aus *aiwin, wie auch ae. nä, nö.
mand (s. d.).
In gt. ni aiw sind die beiden Bestandteile noch
S. nicht ( + ). - Behaghel (1923/32), I, 399f.
getrennt.
S. ewig, nein, nimmer, un-, Niere / Mhd. nier(e) m., ahd. nioro, nier m.,
mndd. nere, mndl. ni(e)re aus g. *neurön m.
nieden Adv. 'unten5, arch. Mhd. niden(e),
Niere, Hode’, auch in anord. nyra n. Dieses
ahd. nidana, as. niöana aus g. *nipanö 'unten5
aus voreinzelsprachl. *neguh-ro- in gr. nephroi
(älter wohl 'von unten her5), auch in anord.
PI. 'Nieren’, pränestin. (ital.) nefrones PI. 'Nie¬
neöan 'von unten her5. Adverbialverbindung
ren’. Weitere Herkunft unklar.
aus der gleichen Grundlage wie nieder (s. d.)
Nndl. nier, nschw. njure, nisl. nyra.
Henzen (1969), 216f., 239f.
nieder Adj. Mhd. nider, ahd. nidar, as. nithar nieseln swV. 'schwach regnen’, südd. Herkunft
unklar.
aus g. *nipra- Adv. 'nieder5, auch in anord. niör,
ae. niper, afr. nither, nether u. ä. Adverbiale S. pieseln.
//•-Bildung (neben /-Bildungen) zu ni 'nieder, niesen swV/stV. Mhd. niesen, ahd. niosan aus
unten’ in ai. ni 'nieder5, ai. nitaräm 'abwärts5, g. *hneus-a- stV. 'niesen5, auch in anord. hnjösa.
akslav. nizü 'hinab, hinunter5. Daneben anord. fnysa, ae. fnesan und me.
Nndl. neder, ne. nether, nschw. ned-, nisl. nidar. S. snese(n), ne. sneeze. Gehört zu einer größeren
hienieden, Nest, nieden, Niederung. Zahl schallmalender Bildungen mit dieser Be¬
niederkommen stV. Mhd. (kindes) niderko- deutung, die einander zwar ähnlich, aber nicht
men 'gebären’ zu niderkomen 'herabkommen, auf eine Grundform zu vereinigen sind.
sich zu Bett legen, sich niederlegen’. Vielleicht Nndl. niezen, nschw. nysa. S. schnauben ( + ).
war frz. accoucher (d’un enfant) das Vorbild
Nieswurz f, fachsprachl. Mhd. nies(e)wurz.
für die verhüllende Ausdrucksweise (vgl. anord.
Wie as. hnioswurt benannt nach der zum Niesen
liggja ä golfi 'gebären5, ne. lie in the straw 'ge¬
reizenden Wirkung des aus der Wurzel gewon¬
bären’).
nenen Pulvers.
S. kommen ( + ).
Marzeil (1943/79), II, 799f.
niederträchtig Adj. Zuerst im 15. Jh. als nider-
trechtic 'herablassend’ zu mhd. sich tragen 'sich Nießbrauch m., fachsprachl. Im 17. Jh. über¬
benehmen’ (also 'sich nach unten benehmend5). setzt aus gleichbedeutendem 1. üsusfrüctus. Da¬
Im 16. Jh. dazu auch hochträchtig 'hochfah¬ bei betont Brauch das bestehende Recht, Nieß-
rend’. Im 18. Jh. verschlechtert sich die Bedeu¬ gehört zu genießen (s. d.).
tung zu 'sittlich gemein’, wozu dann als Rück¬ Niete1/ 'Metallbolzen’. Mhd. niet(e), mndd.
bildung das Substantiv Niedertracht. net-. Späte Ableitung zu ahd. pihniutit Präs. stV.
Niederung /. Mhd. niderung, ahd. nidarunga, befestigen , anord. *hnjööa hämmern, schmie¬
mndd. ned(d)eringe. Abstraktbildung zu dem den’. Weitere Herkunft unklar.
heute nicht mehr gebräuchlichen niedern, mhd. Niete2 /. 'Los, das nicht gewonnen hat5. Im
nider(e)n, ahd. nidaren 'niedrig machen, er¬ 18. Jh. entlehnt aus nndl. niet gleicher Bedeu¬
niedrigen’ (s. nieder). Dem entsprechend ist die tung, das wörtlich 'nichts’ bedeutet (ursprüng¬
Bedeutung in älterer Zeit meist 'Erniedrigung5; lich dagegen auch Wat 'Treffer5, eigentlich
'niedrig Liegendes5 erst seit dem 17. Jh. 'etwas5).
Nietnagel 505 Nix

Nietnagel m., s. Neidnagel. zeigt, daß es sich um -in-assu- handelt; letztlich


Nift(el) /., arch., s. Nichte und Neffe. vielleicht tu-Abstrakta zu Verben auf -at-.
Nikotin n.( = ein in der Tabakpflanze enthal¬ Nische / Im 17. Jh. entlehnt aus frz. niche
tener Giftstoff). Im 19. Jh. wie frz. nicotiane f. gleicher Bedeutung. Dieses gehört zu frz. nicher
'Tabakpflanze’ aus neo-1. nicotiana (herba) f 'ein Nest bauen’ (einer Ableitung von 1. nldus
(dass., wörtlich: 'Pflanze des Nicot’), gebildet m. 'Nest’).
zum Namen des Gesandten Nicot, der als fran¬ Etymologisch verwandt: s. Nest. — W. Feldmann
zösischer Gesandter in Portugal als erster diese ZDW 8 (1906/07), 81.
Pflanze an Katharina von Medici sandte und Niß/., Nisse f. 'Lausei’. Mhd. niz, nizze, ahd.
den Tabak in Frankreich einführte. (h)niz, mndd. nete, nit, mndl. nete aus g. *hnitö
f. 'Lausei’, auch in ae. hnitu, nnorw. gnit.
Nille /. 'männliches Geschlechtsglied’, vulg.
Herkunft unklar. Außergermanisch vergleichen sich zunächst gr.
konis, gewöhnlich im Plural konides 'Eier von
Nimbus m. 'besonderes Ansehen, Strahlen¬ Läusen, Flöhen, Wanzen’, alb. theni aus *knid-
glanz’, sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. mit unklarem Sproßvokal im Griechischen.
nimbus 'Heiligenschein, strahlender Glanz, der Dazu mehrere Varianten: *sknid- in mir. sned,
die Köpfe der Heiligen umgibt; Nebelhülle der kymr. nedd, *ghnid- in anord. gnit, russ. gnida,
Götter auf der Erde (wörtlich: Wolke, Regen¬ lett. gnlda\ *ghlid- in lit. glinda und vielleicht 1.
wolke, Nebel)’. Ausgehend von 'Wolke’ verwen¬ lens (-endis), alle mit gleicher Bedeutung. We¬
den die römischen Schriftsteller u. a. das Wort gen der lautlichen Vielfalt ist eine weitere Her¬
zur Bezeichnung der Nebelhülle, in der sie die leitung nicht möglich.
Götter auf der Erde erscheinen lassen; hiervon Nndl. neet, ne. nit.
dann übertragen auf die Darstellung der Heili¬
nisten swV. Mhd. ahd. nisten aus wg. *nist-ija-
gen mit einem ihre Köpfe umgebenden strahlen¬
swV. 'nisten, ein Nest bauen’, auch in ae.
den Glanz. Daraus dann übernommen für 'die
nist(i)an. Abgeleitet von Nest (s. d.).
Meinungen, die eine besondere Person umgeben
und ihr Ansehen ausmachen’. Niveau n. 'Ebene, Stufe, Qualität’. Im 17.
Etymologisch verwandt: s. Nebel. — G. Schoppe ZD W Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. niveau m.,
15(1914), 196. dieses aus afrz. livel 'Wasserwaage, gleiche
Höhe’, aus spl. *libellum 'Wasserwaage’, aus 1.
nimmer Adv. Mhd. niemer, nim(m)er, ahd.
llbella f. (dass.), einem Diminutivum zu 1. Ilbra
niomer, zusammengerückt aus den Entspre¬
f. 'Waage’. Der Wechsel von anlautend /l/ zu /n/
chungen von nie (s. d.) und mehr (s. d.). Die
im Französischen aufgrund einer Dissimilation
positive Entsprechung ist immer (s. d.).
mit dem /I/ des Artikels. Ins Deutsche zunächst
S. nein (+).
entlehnt in der Bedeutung 'Wasserwaage’.
nipfen swV, reg., s. nippen. Morphologisch zugehörig: Nivellement, nivellieren-, ety¬
Nippel m. 'kurzes Anschlußstück’, fach- mologisch verwandt: s. nivellieren. — Brunt (1983),
391 f.
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutendem ne.
nipple, das auf die Bedeutung 'Brustwarze’ zu¬ nivellieren swV. 'ausgleichen, ebnen’, sonder-
rückgeht (letzlich wohl zu nippen, s. d.). sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
frz. niveler (wörtlich: 'mit der Grundwaage ab¬
nippen swV Bezeugt seit dem 17. Jh., über¬
messen’), zu afrz. nivel 'Wasserwaage’, aus 1.
nommen aus ndd. nndl. nippen. Dieses ist viel¬
llbella (dass.) (mit Anlautdissimilation zum /l/
leicht eine Intensivbildung zu nipen 'kneifen’
des Artikels), einem Diminutivum zu 1. Ilbra
(als 'mit zusammengekniffenen Lippen trin¬
'Waage’.
ken’). Die hd. Entsprechung nipfen, nüpfen hat
Morphologisch zugehörig: Nivellement', etymologisch
sich nur mundartlich gehalten.
verwandt: Level, Libelle, Liter, Niveau.
S. Nippel.
Nix m. 'Wassergeist’. Mhd. nickes n., ahd.
Nippes PL, auch m. 'kleine wertlose Zierge¬ nihhus m./n. 'Krokodil’, mndd. necker, mndl.
genstände’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ nicker aus g. *nikwus m. 'Wassergeist’ (teilweise
tend frz. nippes, dessen Herkunft nicht sicher auch konkret 'Walroß, Flußpferd u. ä.’), auch
geklärt ist. in anord. nykr, ae. nicor. Das Wort ist morpho¬
-nis Suffix. Mhd. -nüsse, -nisse f./n., ahd. logisch und lautlich erklärbar als eine Partizi¬
-nissa f. und -nissi n., as. -nissi, -nussi f. Bildet pialbildung zu der Wurzel *neigu- 'waschen,
Adjektivabstrakta, auch zu Partizipien, von de¬ reinigen’ in ai. nenekti, gr. nizö, air. nigid, auch
nen aus neuhochdeutsch eine Umdeutung zu 1. noegeum n. 'Schweißtuch’. Die Bedeutung
Verbalabstrakta erfolgt. Vergleichbar sind ae. wäre dann 'der sich gewaschen hat‘ (‘rein’?);
-ness, -nyss und gt. -inassus. Die gotische Form doch findet sich kein Hinweis auf einen diesbe-
Nixe 506 None

züglichen sachlichen oder mythologischen Hin¬ dann auch für Werkzeuge (Metronom). Es
tergrund. wurde in lateinischen Entlehnungen ins Deut¬
Nndl. nikker, nschw. näck. S. Nixe. sche übernommen; sein Ursprung ist gr. -nömos
Nixe/. 'Wasserjungfrau’, heute meist übertra¬ (dass.), ein auf Hinterglieder von Komposita
gen verwendet ('Badende u. ä.’). Mhd. nickese, beschränktes Nomen agentis, zu gr. nemein 'zu-
wazzernixe, ahd. nicchessa. Femininum zu Nix teilen, bebauen, verwalten’. — Eine Weiterbil¬
(s. d.), das in der Romantik mit einer mehr dung davon ist das Abstraktsuffix -nomie (z. B.
spielerischen Vorstellung verbunden wurde. Ökonomie).
nobel Adj. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. noble Etymologisch verwandt: s. Nomade.

gleicher Bedeutung, zunächst mit französischer Nomade m. 'Angehöriger eines umherziehen¬


Schreibung. Das Wort stammt aus 1. nöbilis den Volkes’, sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt
'adelig, vornehm’ (eigentlich 'kenntlich, be¬ aus 1. Nomades PI. 'die Nomaden’, einer Sub¬
kannt’), zu 1. nöscere 'kennenlernen’. stantivierung von 1. nomas (-adis) 'weidend’,
Etymologisch verwandt: s. Notiz. — Jones (1976), aus gr. nomäs (dass., auch: 'umherziehend, zu
463f.; Brunt (1983), 392. einem wandernden Hirtenvolk gehörig’), zu gr.
Nobishaus n., reg., s. Nobiskrug. nome f. 'Weide’, zu gr. nemein '(als Weide) Zutei¬
Nobiskrug m. 'Hölle’, arch. Norddeutsch len, teilen, abweiden’.
auch 'schlechte, abgelegene Schenke’; süd¬ Etymologisch verwandt: -nom; zum Etymon s. nehmen.
deutsch entsprach ursprünglich Nobishaus Nomen n. 'Substantiv’, fachsprachl. Entlehnt
'Hölle’. Früheste Bezeugung im 15. Jh. Die aus gleichbedeutend 1. nömen (auch: 'Name,
Herkunft des ersten Bestandteils ist umstritten Benennung’).
und nicht ausreichend erklärbar. Eine Verbin¬
Morphologisch zugehörig: Nomenklatur, nominal, No¬
dung mit 1. nöbis 'uns’ (z. B. in öra pro nöbis
minalismus, Nominalist, Nomination, Nominativ, nomi¬
'bitte für uns’) läßt sich nicht ausreichend wahr¬ nell, nominieren; etymologisch verwandt: Pronomen,
scheinlich machen. Renommee (usw.), zum Etymon s. Name.
W. Krogmann JVNS 65/66 (1939/40), 55-77.
-nomie Suffix, s. -nom.
noch1 Adv. 'außerdem, bis jetzt’. Mhd. noch,
ahd. as. noh; ebenso in afr. noch, gt. nauh. Nominativ m., s. Nomen.
Zusammengerückt aus nu 'jetzt’ (s. nun) und g. nominieren swV 'nennen, aufstellen’, s.
*-h, das 1. -que, gr. te und ai. ca entspricht und Nomen.
etwa 'und, auch’ bedeutet. non- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
Nndl. nog. S. auch noch2. - R. Lühr MSS 34 (1976),
deutung 'nicht, ohne’ (z. B. Nonkonformismus).
80f.
Es wurde vornehmlich in neologischen Bildun¬
noch2 Konj. 'und nicht’. Mhd. noch, ahd. as. gen verwendet; sein Ursprung ist 1. nön (dass.).
noh. Wie afr. noch, nach zusammengerückt aus
Nonchalance /. 'liebenswürdige Ungezwun¬
der Negation ne, ni und -uh, einer Variante von
-h (s. noch1). Mit anderer Vokalisierung gt. nih. genheit, Unbekümmertheit’, sondersprachl. Im
Außergermanisch vergleicht sich 1. neque. Un¬ 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. non-
klar ist, in welchem Umfang auch (s. d.) bei den chalance (auch: 'Nachlässigkeit, Saumselig¬
deutschen Formen eine Rolle gespielt hat (vgl. keit’), einer Ableitung von frz. nonchalant
as. nec aus ne ocl oder nek aus ne ak'T). 'nachlässig, saumselig, unbekümmert’, zu afrz.
R. Lühr MSS 34 (1976), 80f. chalant 'angelegen’, dem PPräs. von afrz. cha-
loir 'angelegen sein’ und frz. non- 'nicht’, aus 1.
Nock m. 'knolliger Berg’, bair.-österr.; Nok-
kerl n. 'Klößchen, Suppeneinlage’, österr:, Nock calere 'warm sein, sich erwärmen, angelegen
n. 'Ende einer Rahe’, ndd.; Nocken m. 'Vor¬
sein’.
sprung an einer Welle’, fachsprachl. Wohl zu¬ Morphologisch zugehörig: nonchalant; etymologisch
sammengehörige Gruppe von Wörtern mit einer verwandt: s. Kalorie.

schwer abgrenzbaren Verwandtschaft. Auszuge¬ None /. 'Teil des Stundengebets’, fachsprachl.


hen ist wohl von Wörtern für etwas Kurzes, Schon mit ahd. nöna übernommen aus 1. (höra)
Gedrungenes ('Klotz, Klumpen, Knopf u. ä.’). nöna 'neunte Stunde’ und gelegentlich auch au¬
Vgl. etwa anord. hnykill 'Knoten, Geschwulst’, ßerhalb der speziellen Bedeutung verwendet.
nisl. hnjükur 'runde Bergspitze u. a.’. Bei der normalen Rechnung beginnt der Tag
Kluge (1911), 588f.; J. Schatz in: FS Kluge (1926), 126; um 6 Uhr in der Frühe, dann ist die None um
Kretschmer (1969), 294; Lühr (1988), 219.
3 Uhr nachmittags. Wird der Tag um 3 Uhr in
Nocke(n) m., s. Nock. der Frühe begonnen, so ist die None um Mittag,
Nockerl n., österr., s. Nock. daher ne. noon 'Mittag’. None bezeichnet auch
-nom Suffix. Dient der Bildung desubstantivi- den 9. Ton der diatonischen Tonleiter.
scher Personenbezeichnungen (z. B. Ökonom), Wünschmann (1966), 25 — 30.
Nonne 507 Notar

Nonne f. Mhd. nunne, ahd. nunna, mndd. der Opfernde dem Morgenlicht im Osten zu¬
nunne, mndl. nonne. Wie in andere Sprachen wendet, der Norden links.
übernommen aus spl. nonna (Anrede an eine H. Schröder GRM 17 (1929), 421 -427.
Klosterfrau, etwa im Sinn von 'ehrwürdige
nörgeln swV. Bezeugt seit dem 17. Jh., auch
Mutter’, dann allgemein Bezeichnung einer
nürgeln, nergeln, nirgeln, snörgeln. Zu einer
Klosterfrau). Das Wort ist ein kindersprach¬
Grundlage *sner-, die eine Reihe von Schallver¬
liches Lallwort, vgl. it. nonna 'Großmutter’, it.
ben liefert, vgl. etwa schnarren, schnurren und
nonno m. Großvater’. Wie entsprechend bei schnarchen.
Mönch (s. d.) wird das Wort übertragen auf
Norm/, ln mittelhochdeutscher Zeit entlehnt
verschnittene (weibliche) Tiere; wegen der
aus 1. nörma 'Richtschnur, Regel’, das unklarer
Farbe der Klostertracht gibt es auch Übertra¬
Herkunft ist.
gungen auf Tierbezeichnungen (einen Taucher,
Morphologisch zugehörig: normal, normativ, etymolo¬
einen Nachtschmetterling). Dann seit dem 16.
gisch verwandt: enorm. - H. Oppel: KANQN (Diss.
Jh. Benennung verschiedener hohler Werkzeuge Berlin 1937), 73-106.
und Gegenstände, deren einpassende Stücke
normal Adj., s. Norm.
häufig die Bezeichnung Mönch tragen. Bekannt
ist vor allem Nonne 'Hohlkreisef und Mönch normativ Adj. 'vorschreibend’, s. Norm.
und Nonne für 'Hohlziegel und daraufhegender Norne /. 'Schicksalsgöttin’, fachsprachl. Von
Ziegel’. Man verstand darunter zumindest in Klopstock und Herder entlehnt aus anord. norn
späterer Zeit Bezeichnungen für die Ge¬ 'Schicksalsgöttin’, dessen Herkunft unklar ist.
schlechtsteile (und damit verbunden eine An¬ Hoops (1911/19), III, 341 f.
spielung auf geschlechtlich ausschweifendes Le¬ Nörz m., s. Nerz.
ben von Mönchen und Nonnen); es ist aber Nößel m./n. 'kleines Hohlmaß’, arch. Mhd.
ziemlich unwahrscheinlich, daß damit das ur¬ nözzelln n. Herkunft unklar (Diminutiv zu
sprüngliche Benennungsmotiv getroffen ist. Nußl).
Eher handelt es sich um sekundäre Umdeu¬
Nostalgie /. 'Rückwendung zu Früherem’,
tungen.
sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus neo-1.
Nonsens m. 'Unsinn’, sonder spracht. Im 18. nostalgia (dass.), zu gr. nöstos m. 'Rückkehr’
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. nonsense, und gr. älgos n. 'Schmerz’. Die neolateinische
einer Zusammensetzung aus e. non 'nicht, un-’ Bildung wohl eine Lehnübersetzung von d.
(aus 1. nön 'nicht’) und e. sense 'Sinn’, dieses Heimweh, die von einem Schweizer Arzt zur
aus 1. sensus (dass., wörtlich: 'Wahrnehmung, Bezeichnung des psychosomatischen Phäno¬
Beobachtung’), zu 1. sentire (sensum) 'fühlen, mens des Heimwehs geprägt wurde. Dann beim
empfinden, wahrnehmen’. Übergang in die Gemeinsprache Verallgemeine¬
Etymologisch verwandt: s. sensibel. — W. Feldmann rung der Bedeutung.
ZDW 8 (1906/07), 81; Ganz (1957), 154. R. Oberle BFLM 2(1969), 63-65; M. Dietrich SD
18 (1974), 2-4; K.-H. Gerschmann AB 19(1975),
Noppe /. 'Wollflocke, Knötchen im Gewebe’.
83-88.
Spmhd. mndd. nop(pe). Wohl eine Lautva¬
Not /. Mhd. not, ahd. not m./f, as. nöd aus
riante zu dem unter Knopf genannten Komplex.
g. *naudi- f. 'Zwang, Not’, auch in gt. naups,
Nord m. (als Substantiv meist Norden m.). anord. nauö(r), ae. nid, nead u. ä., afr. ned,
Mhd. norden n., ahd. nord m./n., as. north aus näd. Wohl ein ti-Abstraktum, das unmittelbar
wg. *norpa-, auch in ae. norp, afr. north, teils verglichen werden kann mit apreuß. nautins
als Substantiv (althochdeutsch), teils als Adverb (Akk. Pt.) 'Not’ und der Ableitung cech. nutiti
(altenglisch, altsächsisch), teils beides (altfrie¬ 'zwingen, nötigen’. Daneben aber eine dentale
sisch). Morphologisch abweichend von der glei¬ Erweiterung der gleichen Grundlage in lit. pa-
chen Grundlage anord. norör n., wieder anders nüsti 'verlangen, gelüsten’, akslav. nuditi 'zwin¬
mhd. norden n., ahd. nordan n. Zu einem Wort, gen’ und g. *neudö f. 'Verlangen’ (s. unter nied¬
das 'unten’ und auch 'links’ bedeutet, vgl. gr. lich). Die Grundlage *näw- in lit. növe 'Bedrük-
eneroi PI. 'die Unteren, Unterirdischen’, gr. ner- kung, Qual, Tod’, lit. növyti 'bedrücken, ver¬
teros 'unterer, unterirdisch’, umbr. nertru nichten, quälen’, russ. onävitisja 'müde werden,
'links’, arm. nerk’in 'der untere’, und vielleicht sich abplagen’.
ai. naraka- 'Hölle’, vielleicht weiter zu lit. nerti Nndl. nood, ne. need, nschw. nöd, nisl. neyö. S. Not¬
'untertauchen’. Die Sonne steht bei ihrem durft, nötigen.

Höchststand im Mittag oder Süden; das Gegen¬ Notar m. (= ein Jurist, der Beglaubigungen
stück ist entsprechend Mitternacht oder Nor¬ vornimmt). Im Althochdeutschen (ahd. notäri,
den. Im Süden ist sie 'oben’, im Norden 'unten’. mhd. noder, notiere, notarje) entlehnt aus 1. notä-
Entsprechend ist, wenn sich der Seefahrer oder rius 'Schreiber, Sekretär, Geschwindschreiber’,
Notation 508 Nuance

einer Substantivierung von 1. notärius 'zum Notzucht/. Im 16. Jh. rückgebildet aus mhd.
Schreiben gehörig’, zu 1. notäre (notätum) nötzühten, gleichbedeutend mit mhd. nötzogen,
'kennzeichnen, aufzeichnen, bemerken, anmer¬ ahd. nötzogön 'einen „Notzug“ machen’, d. h.
ken’, zu 1. nota f 'Kennzeichen, Zeichen, Merk¬ eine Frau mit Gewalt, Zwang entführen (fort¬
mal, Schrift, Brief’. Die heutige Bedeutung aus¬ zerren). Im 16. Jh. wird die Sippe zum Fachaus¬
gehend von der mittellateinischen Bedeutung druck für 'Vergewaltigung’, für das zuvor mhd.
'durch kaiserliche Gewalt bestellter öffentlicher nötnumft, nötnunft das Nehmen mit Gewalt’
Schreiber’. gegolten hatte.
Morphologisch zugehörig: Notariat, notariell; etymo¬ G. Wahl ZDW 9 (1907), 7-18.
logisch verwandt: s. notieren. Nougat m./n. (= eine Süßspeise aus Nüssen).
Notation /. 'Schreibweise, Aufzeichnungs¬ Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
system’, s. notieren. nougat m., dieses aus prov. nogat 'Nußkuchen’,
einer Ableitung von prov. noga 'Nuß’, aus 1.
Notdurft /., sonder spracht. Mhd. nötdurft,
nux (-ucis) f. 'Nuß’.
ahd. nötdur(u)ft, nötthurf(t) u. ä., as. nöd-
Etymologisch verwandt: s. nuklear.
thurft. Wie gt. naudipaurfts, das auch Adjektiv
sein kann, ri-Abstraktum zu (be)dürfen (s. d.), Novelle /. (= eine Erzählung), fachsprachl.
wohl aus einer syntaktischen Fügung mit in¬ Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. no-
strumentalem Not (s. d.), also 'aus Not bedür¬ vella (wörtlich: 'kleine Neuigkeit’), dieses aus
fen’. Entsprechend ae. mdpearf Adj. 'bedürftig’. einer Substantivierung von 1. novellus 'neu,
Schon mittelhochdeutsch auch speziell sine nöt¬ jung’, einem Diminutivum zu 1. novus (dass.).
durft tuon 'seine Notdurft verrichten’. Die literarische Bedeutung im Italienischen als
'Erzählung einer 'neuen Begebenheit’. Die juri¬
Note/ Seit althochdeutscher Zeit bezeugt als
stische Bedeutung 'Nachtragsgesetz’ nach 1. No-
Entlehnung aus 1. nota 'Zeichen, Kennzeichen
vellae cönstitütiönes (= ein Teil des römischen
u. a.’, zunächst in gleicher Bedeutung, dann in
Rechts, der erst nach dem Codex herausgegeben
der mittellateinischen Bedeutung 'Musiknote’.
wurde).
Weitere Bedeutungen seit dem 16. Jh.
Morphologisch zugehörig: Novellette, novellieren, No¬
Etymologisch verwandt: s. notieren.
vellist; etymologisch verwandt: s. Novum. — W. Feld¬
notieren swV. 'aufschreiben’. Im 16. Jh. ent¬ mann ZDW 8 (1906/07), 82; A. Flirsch: Der Gattungs¬
lehnt aus gleichbedeutend 1. notäre, einer Ablei¬ begriff 'Novelle’ (Berlin 1928); W. Kraus ZRPh
tung von 1. nota 'Kennzeichen, Zeichen, Merk¬ 60(1940), 16-28.

mal, Schrift, typographische Zeichen’, zu 1. nös- November m. (= der 11. Monat des Jahres).
cere 'kennenlernen’. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Konnotation, Notation, deutend 1. (mensis) November, einer Ableitung
Notar, Note', etymologisch verwandt: s. Notiz. — W. von 1. novem 'neun’. So bezeichnet als der
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 81. neunte Monat des im März beginnenden altrö¬
nötigen swV Mhd. nötegen, nötigen, ahd. nö- mischen Kalenderjahres.
tegön. Entsprechend as. nödian, afr. neda, ae. Zum Etymon s. neun.
nidan, anord. neyöa, gt. naupjan 'zwingen’. Novize m. 'jmd., der eine Vorbereitungszeit
Außergermanische Vergleichsmöglichkeiten s. verbringt’, fachsprachl. Im Mittelhochdeut¬
unter Not. schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. novicius,
Notiz/. 'Bemerkung, Anmerkung’. Im 17. Jh. einer Ableitung von 1. novus 'neu’.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. nötitia (wört¬ Morphologisch zugehörig: Novität, Noviziat, Novizin,
lich: 'Bekanntsein, Kenntnishaben’), einer Ab¬ Novum; etymologisch verwandt: s. Novum.
leitung von 1. nötus 'bekannt’, dem PPP. von Novum n. 'Neuheit’, sondersprachl. Im 18. Jh.
1. nöscere 'kennenlernen’. In notorisch ist die entlehnt aus gleichbedeutend 1. novum, einer
Grundbedeutung im Sinne von 'allbekannt, be¬ Substantivierung von 1. novus 'neu’.
rüchtigt für’.
Etymologisch verwandt: Innovation, Novelle, Novize,
Etymologisch verwandt: Ignoranz (usw.), inkognito, renovieren; zum Etymon s. neu.
Kognition, notieren (usw.), nobel', zum Etymon s.
können.
Nu m./n., arch.; (nur noch in im Nu). Im 13.
Jh. substantiviert aus mhd. nü n./f. 'jetzt’ (s.
Notnagel m., s. Neidnagel. nun).
notorisch Adj. 'für etwas Negatives bekannt’,
Nuance /. 'Abstufung, feiner Unterschied’,
s. Notiz.
sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
notwendig Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh. für deutend frz. nuance, dessen Herkunft nicht ge¬
Maßnahmen, die eine Not abwenden und des¬ klärt ist.
halb unerläßlich sind. W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82.
nüchtern 509 Nüster

nüchtern Adj. Mhd. nüehter(n), ahd. nuoh- nun Adv. Mhd. nü, nu, ahd. nu, no, as. nu, nü
turn, mndd. nüchtern, nochtern, mndl. nuch- aus g. *nu Adv. jetzt’, auch in gt. nu, anord.
t(e)ren, nuechteren u. ä. Das Wort ist zunächst nü, ae. afr. nu. Dieses aus gleichbedeutendem
ein Wort der Klöster, und deshalb liegt die ig. *nu in heth. nu, ai. nü, nü, toch. A. nu, toch.
Annahme nahe, es sei aus 1. nocturnus 'nächt¬ B. no, gr. ny, nyn, akslav. nyne, lit. nü, erweitert
lich' entlehnt. Dem widerspricht allerdings der in 1. nunc und als Verbalpräfix in air. nü. Das
Langvokal; außerdem ist gr. nephö 'ich bin auslautende -n im Deutschen ist im 13. Jh. ange¬
nüchtern’, arm. nawt’i 'nüchtern’ möglicher¬ treten, wohl im Anschluß an andere Zeitadver¬
weise auf *näguh-t- zurückzuführen, das dem bien (dann, wann).
deutschen Wort lautlich genau entsprechen Nndl. nu, ne. now, nschw. nu, nisl. nü. S. neu (+),
könnte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß noch1, Nu. - Behaghel (1923/32), III, 224-232.
ein Erbwort sekundär an 1. nocturnus angegli¬ Nuntius m. (= Botschafter des Papstes), fach-
chen wurde.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. nüntius 'Bote,
Nücke /., auch Nucke / und Nück m. 'ver¬ Verkünder, Melder’, einer Substantivierung von
steckte Bosheit’, reg. Fnhd. nicke, nücke. Über¬ 1. nüntius 'verkündigend, meldend, hinterbrin¬
nommen aus mndd. nuck(e), mndl. nucke. Zu gend’.
nucken 'aufmucken, seine Unzufriedenheit Morphologisch zugehörig: Nuntiatur; etymologisch
durch Gesten äußern’. Vgl. mucken. verwandt: s. Annonce.

K. Brugmann IF 13 (1902/03), 153-155. nüpfen swV, reg., s. nippen.


nuckeln swV 'langsam saugen’, ugs. Wohl nur Adv. Alter nuer, nuwer, newer, die auf
lautbedeutsame Abwandlung von suckeln, das mhd. ne wäre zurückführen. Entsprechend ahd.
zu saugen (s. d.) gehört. Der Nasal bringt die as. ni wäri', auch afr. newere, nere, ae. ne wäre.
geschlossenen Lippen zum Ausdruck. Eigentlich 'wäre es nicht’ aus dem Irrealis von
sein und der Negation gebildet.
Nudel /. Bezeugt seit dem 16. Jh. Wohl eine
S. nein ( + ), un-, - Behaghel (1923/32), III, 232f.; A.
Lautvariante zu Knödel (s. d.), Knuddel u. ä.
Lindqvist (1961), 68 — 71.
Nudismus m. 'Freikörperkultur als Weltan¬
nuscheln swV. Fnhd. nuseln 'näseln’, also ei¬
schauung’, sonderspracht. Zu 1. nüdus 'nackt’
gentlich 'durch die Nase (und deshalb undeut¬
gebildet. Entsprechend Nudist 'Anhänger des
lich) sprechen’. S. Nase und Nüster.
Nudismus’ (gelegentlich auch mit allgemeiner
Bedeutung). Nuß1/. Mhd. nuz, ahd. (h)nuz, mndd. not(e),
mndl. not(t)e aus g. *hnut- f. 'Nuß’, auch in
nuklear Adj. 'den Atomkern betreffend’, fach-
anord. hnot, ae. hnutu. Semantisch entsprechen
sprachl. Neubildung des 20. Jhs. zu 1. nucleus
einerseits 1. nux (-ucis), andererseits mir. cnü,
'Kern, (wörtlich: der eßbare Kern der Nuß und
kymr. cneuen; die anzusetzende Lautform ist
ähnlicher Früchte)’, zu 1. nux (-ucis) 'Nuß’.
aber umstritten (entweder *kneu- mit verschie¬
Morphologisch zugehörig: Nukleus', etymologisch ver¬ denen Erweiterungen oder Umformungen einer
wandt: Nougat, Nuß1.
gemeinsamen Grundform, deren Ansatz unsi¬
Null/. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. nulla gleicher cher ist). Nach Sommer (s. u.) zu den Lautnach¬
Bedeutung, feminine Substantivierung von 1. ahmungen mit *kn-, die ein Knacken bezeich¬
nullus 'keiner’. Dieses ist eine Lehnübersetzung nen (s. knacken).
von arab. sifr, das ebenfalls 'Null’ und 'leer’ Nndl. noot, ne. nut, nschw. nöt, nisl. hnot. S. Haselnuß,
bedeutet und das seinerseits ai. sünya- 'Null, nuklear ( + ), Nuß2. — Sommer (1977), 13.
leer’ übersetzt (s. Ziffer). Als Adjektiv in null Nuß2/. 'Stoß’, besonders in Kopfnuß. Bezeugt
und nichtig ist das Wort im Rahmen der Rechts¬ seit dem 16. Jh. Entweder eine 'Übertragung
sprache im 16. Jh. aus dem gleichen Adjektiv 1. von Nuß1 (s. d., vgl. nussen ‘prügeln’) oder eine
nullus entlehnt worden. Ableitung von einem Verbum für 'schlagen’,
Morphologisch zugehörig: annullieren. — W. Feld¬ das allerdings nicht klar faßbar ist (ae. hneotan
mann ZDW 8 (1906/07), 82; Schirmer (1912), 48. 'schlagen’ ist eine unsichere Variante von üb¬
Numerale n. 'Zahlwort’, s. Nummer. lichem ae. hnitan; ahd. firniozan 'abreiben’ bei
Nummer/. Im 16. Jh. im Rahmen der Kauf¬ Notker liegt in der Bedeutung ab).
mannssprache entlehnt aus it. numero m. (das Nüster/., meist PI. Im 18. Jh. aus ndd. nüster
auch in dieser Form im Deutschen gebräuchlich übernommen. Mndd. noster, nuster(en), afr.
wurde und in der noch anzutreffenden Abkür¬ noster(n) u. ä. Eine (t)r-Ableitung wie lit.
zung No. erhalten ist). Das feminine Genus im nas(t)rai m. PI. 'Rachen, Schlund, Maul’, lit.
Anschluß an Zahl. Das italienische Wort aus apinas(t)ris m. 'Kopfstück am Pferdezaum,
1. numerus m. 'Zahlzeichen’, das letztlich mit Maulkorb’, akslav. nozdri PI. 'Nüstern’. Weiter¬
nehmen (s. d.) verwandt ist. bildung zu dem Wort Nase (s. d.). Das germani-
Nut(e) 510 Nymphe

sehe Wort würde dabei eine Schwundstufe zei¬ glied auch Nuß-, eine sichere Trennung (Nuß —
gen, was nicht ganz selbstverständlich ist. Ein Nutte) ist für diesen Bereich nicht möglich.
ähnlicher Lautstand in fnhd. nuseln 'durch die nütze Adj. Mhd. nütze, ahd. nuzzi, as. nutti
Nase sprechen’ (s. nuscheln). aus g. *nuti- Adj., wg. *nutja- Adj. 'nütze’, auch
Nut(e) /. 'Rinne’, fachsprachl. Mhd. ahd. in gt. unnuts, ae. nytt. Adjektiv der Möglichkeit
nuot, ti-Abstraktum zu mhd. nüejen, ahd. nuoen zu dem in genießen (s. d.) vorliegenden Verb,
'glätten’; hierzu weiter mhd. nüejel, nüegel, ahd. also 'was genossen werden kann’.
nu(o)il u. ä. 'Nuthobel’ und ahd.(h)nuoa,
Nutzen m. Mhd. nu(t)z, ahd. nuz aus vor-d.
nuoha, as. hnöa Tuge, Ritze’. Außergermanisch
*nut-i- ist neuhochdeutsch erweitert worden,
vergleicht sich gr. knen 'schaben, kratzen’, lit.
vielleicht unter Einfluß anderer Bildungen aus
kn(i)ötis 'sich abschälen, sich loslösen’. Die
der gleichen Wurzel. Abstraktum zu dem in
Nut wäre also ursprünglich wohl das 'Heraus¬
genießen (s. d.) bezeugten Verb, also 'das zu
gekratzte, Herausgescharrte’.
S. auch Nutte.
Genießende’. Die Kurzform noch in Nutz und
Frommen und in Eigennutz.
nutschen swV. 'lutschen’, reg. Bezeugt seit
dem 17. Jh.; nutschein seit dem 16. Lautgebärde Nymphe/. (= eine weibliche Naturgottheit),
wie lutschen. fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Nutte /. 'Dirne’, vulg. Ursprünglich berline¬ deutend 1. nympha, nymphe, dieses aus gr. nym-
risch, 20. Jh. Ursprünglich das gleiche Wort phe (dass., auch: 'Braut, Verlobte, heiratsfähiges
wie Nut(e) (s. d.), als vulgäre Bezeichnung des Mädchen’).
weiblichen Geschlechtsteils und dann übertra¬ Morphologisch zugehörig: nymphoman, Nymphoma¬
gen zu 'Hure’. Bei Tieren heißt das Geschlechts¬ nie. - K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 399.
o
o, oh Interj. (Anrede, Ausruf, Erinnerung). Obduktion /., 'Öffung einer Leiche zur Fest¬
Wohl zusammenhängend mit au mit abweichen¬ stellung der Todesursache’, fachsprachl. Im 18.
der Lautentwicklung, da hier das dort hinzutre¬ Jh. entlehnt aus 1. obductio (-önis) 'Verhüllen,
tende we fehlt. Bedecken’, einer Ableitung von 1. obdücere (ob-
Oase/, 'gut bewachsene Stelle inmitten einer ductum) 'etwas über einen Gegenstand ziehen,
Wüste'. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend verschließen, verhehlen’, zu 1. dücere 'ziehen’ (s.
1. Oasis, dieses aus gr. öasis (dass.), das selbst auch ob-). Bezeichnet ist also das Ende des
aus dem Ägyptischen entlehnt ist. Vorgangs.
Littmann (1924), 12; Lokotsch (1975), 168. Morphologisch zugehörig: obduzent; etymologisch ver¬
wandt: s. Dusche.
ob1 Konj. Mhd. ob(e), op, ahd. obe, ubi, ibu
u. ä., as. ef aus g. *eba- (mit verschiedenen Obelisk m. (= eine rechteckige Säule), fach¬
Kasusformen), auch in gt. ibai, anord. ef,\ ae. sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
of Wahrscheinlich zusammengerückt aus dem 1. obeliscus, dieses aus gr. obeliskos 'kleiner
Pronominalstamm *e- und *bho- 'beide', der Spieß, (auch: eine Münze)’, einem Diminutivum
unter beide behandelt ist. Ursprünglich hätte zu gr. obelös 'Obelisk, Spitzsäule, Bratspieß’.
das Wort also 'diese beiden' bedeutet, was als Etymologisch verwandt: Obolus.
Eingang einer Alternativfrage leicht zu der Be¬ oben Adv. Mhd. oben(e), ahd. oban(a), as.
deutung 'ob' hätte führen können. Bei ae. gif ovana aus g. *uban- (+ Endung), auch in anord.
(ne. if) und afr. jef jof scheint sich die Entspre¬ ofan, ae. ufan, afr. ova. S. auf, ob2 und ober1.
chung von gt. jabai eingemischt zu haben (aus
ober1 Adj. Mhd. ober, ahd. obaro. Wie gt.
dem Pronominalstamm *ja- und dem gleichen
ufaro Komparativbildung zu ob2. Vgl. ai. üpara-
zweiten Element). Nach Lühr (s. u.) Partikel
'der untere, hintere, spätere’, avest. upara- 'der
der Beteuerung *-bhe/-bho, die einerseits an die
obere’ und 1. superus.
Fragepartikel u, andererseits an den Pronomi¬
S. ob1, oben. Oberst, Obrigkeit.
nalstamm e- antritt.
Nndl. of, ne. if, nschw. om. S. auch oder. — Behaghel ober2 Präp., reg. Mittel- und niederdeutsche
(1923/32), III, 233-237; R. Lühr MSS 34 (1976), 81f. Entsprechung zu hd. über (s. d.). As. obar, ober,
ofer, afr. uver, ae. ofer.
ob2 Präp./Adv. 'oberhalb', arch. Mhd. ob(e),
ahd. oba aus g. *ub- mit nicht mehr feststellba¬ Ober m. 'Kellner’. Gekürzt aus Oberkellner.
rer Kasusendung, auch in gt. uf 'auf', anord. oberhalb Adv./Präp. Mhd. oberhalbe, ober-
ae. of 'ob-, über-’. Dieses aus ig. *up- 'hin’, halp, spahd. zuo ober halbe. Zu ober und dem
auch in ai. üpa 'gegen, hin, zu’, 1. superus 'der unter halb entwickelten mhd. halbe 'Seite’.
obere’ (Herkunft des s- unklar).
Oberhand/. Mhd. diu obere hant, mndd. overe
S. oben (+), Obacht, Obdach, ober1, Obst, oft, über.
hant rückt seit dem Ende des 12. Jhs. zusammen
ob- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬ zu Oberhant 'Übermacht’. Zu Hand im Sinne
deutung 'gegen, entgegen’ (z. B. Obstruktion). von 'Macht, Gewalt, Besitz’.
Es wurde vornehmlich in neologischen Bildun¬ S. überhandnehmen.
gen verwendet; sein Ursprung ist 1. ob 'gegen ...
Oberländer m. (= Volkstanz), s. Ländler.
hin, nach ... hin’. — Die Assimilationsformen
lauten: vor /k, ts/: oc- bzw. ok- (z. B. okkasio¬ Obers n. 'Sahne’, bair.-österr. Eigentlich das
nell, Okkupation), vor /f/: of- (z. B. offerieren, Obere der Milch, substantiviert in der Form
Offizier) und vor /p/: op- (z. B. opportun, Oppo¬ des Neutrums (wobei die Endung nicht mehr
sition). als Endung empfunden wird).
Zum Etymon s. After. Kretschmer (1969), 401 f.
Obacht/., südd. Bezeugt seit dem 17. Jh., aus Oberst m. Bezeugt seit dem 16. Jh., früher
ob2 und einer Substantivierung von achten (s. auch mit der Nebenform Obrist. Superlativ zu
Acht2), also 'das Achten auf (etwas)’. ob2 und ober1 (s. d.), also 'der Oberste’, früh
Obdach n., arch. Mhd. obedach, ahd. beschränkt auf das Heereswesen. Meist stark
ob(a)dah 'Überdach, schützendes Dach’. Zu flektiert.
Dach und ob2 (s. d.). R. M. Meyer ZDW 12 (1910), 151.
Oberwasser 512 obstruieren

Oberwasser n. Eigentlich fachsprachlich für Oboe /. (= ein Holzblasinstrument), fach-


das gestaute Wasser, das über das oberschläch- sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
tige Rad einer Mühle läuft (so seit dem 15. it. oboe m. und frz. hautbois m., einer Zusam¬
Jh. bezeugt); heute fast nur noch übertragen mensetzung aus frz. haut 'hoch klingend’ (aus
(Oberwasser bekommen oder haben) für 'Vorteil, 1. altus 'hoch’) und frz. bois m. 'Holz’ (vgl.
bessere Position’. Busch). So benannt nach dem obertonreichen
Klang.
Objekt n. 'Gegenstand’. Im 14. Jh. entlehnt
Morphologisch zugehörig: Oboist; etymologisch ver¬
aus ml. objectum 'das (dem Verstand) Vorge¬
wandt: s. alt. — Relleke (1980), 154.
setzte’, dem substantivierten PPP. von 1. obicere
(obiectum) 'entgegenwerfen, vorsetzen’, zu 1. Obolus m. 'kleine Geldspende’, sonderspracht.
iacere 'werfen’ (s. auch ob-). Diese in der mittel¬ Im 18. Jh. entlehnt aus 1. obolus (= eine kleine
alterlichen Philosophie geprägte Bedeutung griechische Münze), dieses aus gr. obolös
zeigt sich vor allem auch in objektiv, das '(von (dass.).
Subjekten unbeeinflußt) gegeben’ meint; der Etymologisch verwandt: Obelisk.
Gegensatz zu Subjekt liegt auch in der Gram¬ Obrigkeit /., sonder spracht. Bezeugt seit dem
matik vor, die damit ein Satzglied bezeichnet, 14. Jh. (auch Oberkeit). Zu einem nur regional
das vom Prädikat betroffen ist, im Gegensatz bezeugten oberig (zu ober1, s. d.). Die Bedeu¬
zum Subjekt, das als Träger der Handlung gese¬ tung ist zunächst 'Höherstehen, Herrschaft’,
hen wird. Das Objektiv ist bezeichnungsmoti¬ dann konkret im heutigen Sinn.
visch 'der Teil, über den der (photografisch zu
Obrist m., s. Oberst.
fixierende) Gegenstand erfaßt wird’.
Morphologisch zugehörig: Objektivation, objektivieren,
Observatoriunt n. 'Beobachtungsstation’,
Objektivismus, Objektivist, Objektivität', etymologisch fachsprachl. Neubildung des 17. Jhs. zu 1. obser-
verwandt: s. Adjektiv. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ väre 'beobachten, auf etwas achten’, zu 1. ser-
07), 82; E. Leser ZDW 15 (1914), 86. väre 'erhalten, beobachten’ (s. auch ob-).
Objektiv n. 'Linse’, s. Objekt. Morphologisch zugehörig: Observanz, Observation, ob¬
servieren; etymologisch verwandt: s. konservieren.
objektiv Adj. 'unabhängig, tatsächlich’, s. Ob¬
jekt. obskur Adj. 'fragwürdig, sonderbar’, sonder-
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. obscürus
Oblate /. 'dünne, aus Mehl und Wasser ge¬
'dunkel’.
backene Scheibe’. Im Althochdeutschen (ahd.
Morphologisch zugehörig: Obskurantismus, Obskuri¬
obläta, oveläta, mhd. oblätje ] fjn.) entlehnt aus
tät; zum Etymon s. Scheuer.
ml. ob lata (hostia) 'dargebrachtes Abendmahls¬
brot’, zu 1. oblätus, dem PPP. von 1. offerre obsolet Adj. 'veraltet’, sonder spracht. Entlehnt
'darreichen, entgegentragen’, zu X.ferre 'tragen’ aus 1. obsoletus 'unscheinbar, abgenutzt, abge¬
(s. auch ob-). Zunächst in der mittellateinischen tragen’, zu 1. obsolescere 'nach und nach verge¬
Bedeutung entlehnt, seit dem 13. Jh. auch 'fei¬ hen, sich abnutzen’.
nes Backwerk’. Obst n. Mhd. obez, ahd. obaz, mndd. ovet,
Etymologisch verwandt: s. Differenz. — G. Schoppe avet aus vor-d. *uba-ätaz n. 'Dazu-Essen’ zu
ZDW 15(1914), 197. dem unter Aas (s. d.) aufgeführten Wort für
obliegen swV, arch. Mhd. obligen, ahd. obali- 'Essen’ und ob2 in der alten Bedeutung
gan 'oben liegen, obsiegen’. Im 16. Jh. Bedeu¬ 'hin(zu)’. Die alte Bedeutung ist also 'Zukost,
tungsentlehnung mir liegt etwas ob 'es ist mein Beikost’ und umfaßt ursprünglich mehr als
Geschäft’ zu 1. incumbere. heute (z. B. auch Hülsenfrüchte). Das auslau¬
tende -t ist erst im 16. Jh. angetreten.
obligat Adj. 'erforderlich, verpflichtend’, son-
Nndl. ooft. S. Aas, esse« (+), ob2. — W. A. Benware
dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
BGDSL-T 101 (1979), 337. Anders: G. Kisch ZM
tend 1. obligätus, dem PPP. von 1. obligäre 'ver¬
14(1938), 107f.
binden, zusammenbinden, verpflichten’, zu 1.
ligäre 'zusammenbinden, verbinden’ (s. auch obstinat Adj. 'unbelehrbar, hartnäckig, starr¬
ob-). Die Bedeutungsentwicklung verläuft von sinnig’, sondersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
'verbinden’ zu 'erforderlich’, da alle Teile des gleichbedeutend 1. obstinätus, dem adjektivi¬
Verbundenen zu dem vollständigen Ganzen ge¬ schen PPP. von 1. obstinäre 'auf etwas bestehen,
hören; dann Verlust des ursprünglichen Be¬ sich etwas hartnäckig vornehmen’, zu 1. stäre
'sich behaupten, fest stehen’ (s. auch ob-).
zeichnungsmotivs.
Morphologisch zugehörig: Obstination; etymologisch
Morphologisch zugehörig: Obligation, obligatorisch,
verwandt: s. Arrest.
Obligatorium, Obligo', etymologisch verwandt: s. legie¬
ren. — Jones (1976), 465. Zu Obligation vgl.: H.-P. obstruieren swV. 'hemmen, zu verhindern su¬
Schramm AB 11 (1967), 119-147. chen’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
obszön 513 offenbar

gleichbedeutend 1. obstruere (obstructum), zu 1. auör, ae. in töan verwüsten’. Außergermanisch


struere 'Übereinanderschichten’ (s. auch ob-). kann entsprechen gr. aütös 'eitel, leer’ zu gr.
Morphologisch zugehörig: Obstruktion, obstruktiv, ety¬ autös 'selbst’ sowie air. üathad 'Einzelheit, Ver¬
mologisch verwandt: s. Struktur.
einzelung ; vielleicht weiter zu au- 'weg’ in dem
obszön Adj. 'unanständig, pornographisch’, 1. Präfix au-. Einöde (s. d.) gehört nicht hierher,
sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ ist aber sekundär angeglichen.
deutend 1. obseoenus, obscenus, zu 1. cenum,
Odem m., s. Atem.
caenum 'Schmutz, Unflat’ (s. auch ob-).
Morphologisch zugehörig: Obszönität. oder Konj. Mhd. oder, mndd. oder, häufiger
mhd. od(e), ahd. odo u. ä., das -r ist unter
Ochse m. Mhd. ohse, ahd. ohso aus g. *uhsön
Einfluß von aber und weder angefügt. Die älte¬
m. 'Ochse’ (mit schwundstufigem Suffix in der
sten Formen sind ahd. eddo, as. ettho\ entspre¬
Flexion), auch in gt. auhsa. anord. oxi, uxi, ae.
chend ae. oööa, gt. aippau. Der zweite Bestand¬
afr. oxa. Dieses aus ig. *uksön m. '(kastrierter)
Ochse. Mastochse’, auch in ai. uksä, toch. B. teil ist der Dual des Demonstrativums, also
okso Stier , kymr. ych Ochse’. Möglicherweise 'diese beiden’; der erste Bestandteil ist unklar.
aus einer (unbekannten) nicht-indogermani¬ As. eftha, afr. jeft(ha) u. ä. weisen auf ob1,
schen Sprache entlehnt. doch gilt dies kaum für alle genannten Formen.
Nndl. os, ne. ox, nschw. oxe, nisl. uxi. S. Auerhahn, Nndl. of ne. or. - Behaghel (1923/32), III, 237-242;
Auerochse, ochsen, Ochsenauge, Ochsenziemer, Wake. F. Cercignani JIES 12(1984), 329-334. Anders: R.
— C. Kiehnle: Vedisch ’uks’ und 'uks/vaks’ (Wiesbaden Lühr MSS 34(1976), 77-94.
1979), 42 — 94; S. Zimmer ZVS 95 (1981), 84 — 92.
Odermennig m. (= Pflanzenname), fach¬
ochsen swV. 'schwer arbeiten’, ugs. In der sprachl. Mhd. odermenie /., ahd. avermonia /.;
Studentensprache des 19. Jhs. dem älteren büf¬ unter lautlicher Entstellung entlehnt aus 1.
feln (s. Büffel) nachgebildet. agrimönia f, das auf gr. ärgemon n. zurückgeht.
Ochsenauge n.,fachsprachl. Mehrere übertra¬ Zahlreiche lautliche Anpassungen in den
gene Bedeutungen: 1) Seit dem 17. Jh. 'Dach¬ Mundarten.
fenster’ wie frz. ail-de-bauf m., vgl. ne. bull's eye Marzell (1943/79) I, 139-141.
für ‘Schiffsfenster’ und die d. Teilübersetzung
Ofen m. Mhd. oven, ahd. ovan, mndd. mndl.
Bullauge (s. d.). 2) 'Spiegelei’ seit frühneuhoch¬
oven aus spät-g. *ufna- m., auch in anord. ofn,
deutscher Zeit bezeugt. Übertragen nach der
ae. of(e)n, afr. oven. Daneben mit h gt. auhns
Form.
und mit g aschw. oghn. Außergermanisch
Ochsenziemer m. 'Klopfpeitsche’. Der Och¬ stimmt dazu in der Bedeutung gr. ipnös 'Ofen’;
senziemer besteht aus der getrockneten Rute
weiter entfernt steht ai. ukha /., ukhä- 'Topf,
des Stiers. Der zweite Bestandteil ist mhd.
Kochtopf, Feuerschüssel’. Man versucht einen
zim(b)ere, dann mundartlich zem, zim, zemmel,
gemeinsamen Ansatz *ukuh-, doch lassen sich
zimer und zahlreiche andere. Der Zusammen¬
nicht alle lautlichen Besonderheiten erklären.
hang des Wortes mit Ziemer 'Rückenstück des
Vermutlich liegt ein Lehnwort aus einer unbe¬
Wildes’ erklärt sich durch die Entlehnung aus
kannten Sprache vor. Gemeint war ursprüng¬
frz. cimier, das l)'Schwanz’ bedeutet, dann 2)
lich eine Art 'Backofen’, später ein 'Bade-Ofen’.
durch Übertragung 'männliches Glied’ und 3)
Daraus die heutige Bedeutung.
durch Verschiebung 'das Fleischstück unmittel¬
bar beim Schwanz des Hirsches’. Nndl. ne. oven, nschw. ugn, nisl. ofn. — Hoops (1911/
19), III, 360f.; Lühr (1988), 334.
G. Weitzenböck Teuthonista 7 (1930/32), 155 — 157; T.
Tilander SN 13 (1941), 1-10. offen Adj. Mhd. offen, ahd. offan, as. opan
Ocker m. 'Berggelb’. Entlehnt aus 1. öchra/., aus g. *upena- Adj. 'offen’, auch in anord. opinn,
das aus gr. öchrös 'gelblich’ unklarer Herkunft ae. open, afr. epe(r)n, open. Mit «-Suffix und
stammt. Bezeugt ist mhd. ocker, ogger m./n., Ablaut gebildet von der gleichen Grundlage wie
später (wohl unter Einfluß von it. ocra/.) ocher auf (s. d.); entfernter verwandt sind ob2, oben,
und ocker. ober1.
Löschen (1968), 285. Nndl. ne. open, nschw. öppen, nisl. opinn. S. auf( +),
Ode /. 'feierliches Gedicht’, fachsprachl. Im offenbar, öffentlich.

17. Jh. entlehnt aus 1. öde, dieses aus gr. (poet.) offenbar Adj. Mhd. offenbare, offenbär(e),
aoide, öide 'Gesang’ (zu gr. aeidein 'singen’). offenbar, ahd. offanbäri, mndd. openbar(e),
Etymologisch verwandt: Komödie, Melodie, Parodie, mndl. openbare. Weiterbildung zu offen (s. d.)
Prosodie, Rhapsodie, Tragödie. im Sinn von 'vor Augen stehend’, wobei -bäri
öde Adj. Mhd. ade, ahd. ödi, (un)ööi aus g. von Anfang an nur noch die Funktion eines
*aupja- Adj. 'öde’, auch in gt. aup(ei)s, anord. Suffixes hatte.
offensiv 514 ohne

offensiv Adj. 'angreifend’. Neubildung des 16. mndd. öm, mndl. oom, o(ojme aus wg. *awa-hai-
Jhs. zu 1. offendere (offensum) 'anstoßen, verlet¬ ma- m. 'Mutterbruder’, auch in ae. eam, afr.
zen, beschädigen’. em. Das Wort bedeutet eigentlich 'der im Haus
Morphologisch zugehörig: Offensive; etymologisch des Großvaters lebt’. Für die älteste Zeit ist
verwandt: defensiv. — Jones (1976), 467. anzunehmen, daß nur für die Sippe des Vaters
öffentlich Adj. Mhd. offenlich, ahd. offanlih, ausführlichere Verwandtschaftsbezeichnungen
as. opanITko Adv. Entsprechend ae. openllc. Wei¬ bestanden, für die Mutterseite dagegen nur für
terbildung zu offen (s. d.) im Sinn von 'vor den Großvater (der gleich bezeichnet wurde wie
Augen liegend’, erst spät im politischen Sinn der Großvater väterlicherseits). Noch in vorein¬
'der Öffentlichkeit zugänglich gemacht’. Hierzu zelsprachlicher Zeit (vermutlich im Zusammen¬
Öffentlichkeit seit dem 18. Jh. als Ersatzwort hang mit größerer Seßhaftigkeit) zeigte sich das
für Publizität. Der Übergangslaut -t- erscheint Bedürfnis, auch die Verwandtschaft der Mutter¬
seit 1300. seite spezieller zu bezeichnen. Dabei wurde der
Zu Öffentlichkeit: O. Ladendorf ZDW 5 (1903/04), Mutterbruder in mehreren Sprachen aus dem
118; Ladendorf (1906), 228f.; Pfaff (1933), 44. Wort für den Großvater gebildet (vgl. 1. avuncu-
offerieren swV. 'anbieten’, sonder spracht. Im lus zu 1. avus, entsprechend kymr. ewythr, lit.
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. offene, avynas). Zu 1. avus 'Großvater’ stimmen gt.
zu 1. ferre 'tragen’ (s. auch ob-). awo 'Großmutter’, anord. afi 'Großvater’. Im
Morphologisch zugehörig: Offerent, Offerte, Offerto¬ Neuhochdeutschen wurde die Unterscheidung
rium; etymologisch verwandt: s. Differenz. — Zu Of¬ zwischen Oheim und Vetter (ursprünglich 'Va¬
ferte $.: W. J. Jones SN 51 (1979), 265. terbruder’) aufgegeben und schließlich durch
Offerte /. 'Angebot’, s. offerieren. das undifferenzierte Onkel (s. d.), das aus dem
Französischen stammt, ersetzt.
offiziell Adj. 'amtlich’. Im 18. Jh. entlehnt
Nndl. oom. S. Heim. - R. Much ZDA 69(1932),
aus gleichbedeutend frz. officiel, dieses aus 1.
46-48; F. Mezger ZVS 76(1960), 296-302; Hoops
officiälis 'zum Amt gehörig’, zu I. officium
(19731T.), I, 525-527; Ruiperez (1984), 73-83; H.
'Pflicht, Amt’. Hettrich AnthL 27 (1985)[1987], 462f.
Morphologisch zugehörig: Offizial, Offizialat, Offi¬
Ohm2 n./m. 'Flüssigkeitsmaß’, arch. Mhd.
ziant, Offizier, Offizin, offizinal, offtzinell, offiziös, Offi¬
zium. äme, öme, m./f./n., mndd. am(e) n.jf, mndl.
ame. Wie afr. äm(e), ae. ome f.j(mff) entlehnt
Offizier m. (= ein militärischer Rang). Im 16.
aus spl. ama f. 'Gefäß, Weinmaß’ zu 1. (h)ama f.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. officier,
'Feuereimer’, das aus gr. äme f. 'Eimer’ stammt.
dieses aus ml. officiarius 'Inhaber eines Amtes’,
zu 1. officium n. 'Pflicht, Amt’. In der Bedeutung Vgl. nachahmen. — Lloyd/Springer (19881T.), I,
201-203.
'Beamter’ schon im 15. Jh. bezeugt.
W. Feldmann ZDIVS (1906/07), 82; Jones (1976), 467f. Ohm3 n. 'Maßeinheit des elektrischen Wider¬
Offsetdruck m. (= ein Flachdruckverfahren), stands’, fachsprachl. 1881 festgelegt durch
fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Reichsgesetz und benannt nach dem Physiker
deutend ne. offset (wörtlich: 'Abziehen’), zu e. Georg Simon Ohm.
set off 'abziehen, entfernen’, aus e. off'ab, weg’ Ohmd n. 'Grasschnitt nach der Heuernte,
und e. set 'legen, setzen’. So bezeichnet, da bei zweiter Heuschnitt’, südwd. Mhd. ämät, ahd.
diesem Verfahren das zu Druckende zunächst ämäd aus Mahd (s. d.) und ä-, etwa im Sinne
auf einen mit Gummi überzogenen Zylinder von 'übrig’. Daneben mhd. iiemet, zusammen¬
gebracht wird, von dem es dann auf Papier gesetzt aus Mahd und wo-, etwa im Sinn von
„abgezogen“ wird. 'nach’ (ahd. uoquemo 'Nachkomme’). Hieraus
Morphologisch zugehörig: Set; zu den Etyma s. ab wohl der Umlaut von Öhmd.
und setzen.
S. mähen ( + ). — Lloyd/Springer (1988fL), I, 2—4,
oft Adv. Mhd. oft(e), ahd. ofto, as. ofto, ohto 190.
aus g. *ufta- (mit verschiedenen Kasusformen) ohne Präp. Mhd. än(e), ahd. änu, äno u. ä.,
'off, auch in gt. ufta, anord. opt, ae. oft, afr. as. äno aus g. *ceneu (u. ä.) 'ohne’, auch in
ofta. Herkunft unklar. Vielleicht zu ob2 (s. d.) anord. an, on, afr. öne, daneben von *enu gt.
und seiner Sippe als 'übermäßig’. Vgl. anord. inu 'ohne’. Außergermanisch entspricht (mit ab¬
of n. 'große Menge’. weichendem Vokalismus) gr. äneu 'fern von,
Ne. often, nschw. ofta. — F. A. Wood JEGPh 2 (1899), ohne’ und vielleicht toch. A. B. änu 'Aufhören,
214.
Ruhe’. Die angesetzten Formen sehen aus wie
Oheim m., Ohm1 m. 'Onkel’, arch. (die Form endungslose Lokative von w-Stämmen; falls das
Ohm ist ursprünglich niederdeutsch). Mhd. tocharische Wort das zugehörige Grundwort
ceheime(e), ahd. öheim 'Bruder der Mutter’, zeigt, wäre von 'mit Aufhören, beim Aufhören’
Ohnmacht 515 Oktober

auszugehen. Vermischungen mit un- in ungefähr Bildungen verwendet nach dem Muster griechi¬
(s. d.) und unlängst (s. d.).
scher Komposita mit Fugenvokal -o- + -eides
E. P. Hamp JIES 10(1982), 189f.; Lloyd/Springer 'aussehend’ (s. Weise).
(19881T.), I, 289f.
okay Interj. 'in Ordnung’, ugs. Im 20. Jh.
Ohnmacht /. Mhd. ämaht, ahd. ämaht(-Tg).
entlehnt aus gleichbedeutend ne. okay, dessen
Gebildet aus Macht und dem Präfix ä-, das hier Herkunft nicht geklärt ist.
wie in Ameise (s. d.) 'fort, weg’ bedeutet (etwas
Morphologisch zugehörig: Okay. - W. Mieder SS
anders s. unter Öhmd). Ausgangsbedeutung 31 (1975), 132—135; F. A. Greco/M. Degges AmS
also etwa 'Machtlosigkeit, Kraftlosigkeit’. 50(1975)[1978], 333-335.
Nach dem regionalen Wandel von ä zu ö wurde
Ökelname m., s. Ekelname.
das erste Element mit ohne gleichgesetzt und
entsprechend geschrieben. okkasionell Adj. gelegentlich’, sonder spracht
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Lloyd/Springer (1988ff.), I, 2-4.
occasionnel, zu frz. occasion 'Gelegenheit’, die¬
Ohr n. Mhd. ör(e), ahd. as. öra aus g. *auzön ses aus 1. occäsio (-önis) (dass.), einer Ableitung
n. 'Ohr’, auch in gt. auso, anord. eyra, ae. eare, von 1. occäsum, dem Supinum von 1. occidere
afr. äre. Dieses aus ig. *aus- (mit verschiedenen fallen, sein Ende erreichen’, zu 1. cadere 'fallen,
Stammbildungen) in 1. auris /., air. ö, lit. ausis sinken’ (s. auch ob-).
/., akslav. ucho, gr. oüs (mit Vollstufe öul), Morphologisch zugehörig: Okkasion, Okkasionalis¬
avest. us- (Schwundstufe ul). Weitere Herkunft mus, Okkasionalist; etymologisch verwandt: s. Chance.
unklar.
okkult Adj. 'verborgen’, sonder spracht Im 18.
Nndl. oor, ne. ear, nschw. öra, nisl. eyra. S. Öhr,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. occultus,
Ohrfeige, Ohrwurm, Öse.
dem PPP. von 1. occulere 'verdecken, verbergen’.
Ohr n. Mhd. aer(e), ör(e), spahd. öri aus Morphologisch zugehörig: Okkultismus, Okkultist,
vor-d. *auzja-, Zugehörigkeitsbildung zu ahd. zum Etymon s. hehlen.
öra 'Ohr . 'Henkel, Öse’ bedeuten die Wörter
okkupieren swV. 'besetzen’, sonderspracht Im
für 'Ohr’ auch unmittelbar. So in nndl. oor, ne.
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. occupäre
ear, gr. oüs.
(wörtlich: einnehmen’), zu 1. capere 'nehmen,
S. Ohr( + ), Öse. - Kluge (1926), 42. fassen, ergreifen’ (s. auch ob-).
Ohrenschliefer m., s. Ohrwurm. Morphologisch zugehörig: Okkupant, Okkupation, Ok-
kupativ; etymologisch verwandt: s. akzeptieren. - W.
Ohrfeige /. Bezeugt seit dem 16. Jh., ebenso
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82.
mndd. örvige. Vermutlich ist an Feige übertra¬
gen im Sinne von 'unförmige Schwellung’ am Ökologie/. 'Lehre von den Wechselbeziehun¬
Ohr gedacht. Vgl. Dachtel und nndl. muilpeer gen zwischen Organismen und der Umwelt’,
'Ohrfeige’ ('Maulbirne’). fachspracht Neubildung des 19. Jhs. zu gr. oikos
m. 'Haus, Haushaltung, Wirtschaft’ (s. auch
Ohrwurm m. Zahlreiche verschiedene regio¬
-logie). Bezeichnungsmotivisch liegt demnach
nale Bildungen, die meistens das Wort Ohr ent¬
eine 'Lehre von der Haushaltung („dem Haus¬
halten; auch frz. perce-oreille und ne. earwig.
halt der Natur“)’ vor.
Die frühesten deutschen Belege etwa seit dem
Etymologisch verwandt: Diözese (usw.), Ökonomie,
14. Jh., am ältesten altenglische Belege etwa Ökumene.
aus dem 8. Jh. Letztlich geht die Bezeichnung
Ökonomie /. 'Wirtschaftlichkeit’, fachspracht
darauf zurück, daß in der Spätantike solche
Im 16. Jh. entlehnt aus 1. oeconomia 'die gehö¬
Tiere getrocknet und zerstoßen als Heilmittel
rige Einteilung’, dieses aus gr. oikonomta 'Haus¬
gegen Ohrenkrankheiten verwendet wurden;
haltung, Verwaltung, Naturordnung, Naturge¬
deshalb die Bezeichnung spl. auricula f, ver¬
setz’, zu gr. oikos m. 'Haus, Haushaltung, Ver¬
deutlicht in dem frz. Bezeichnungstyp cure-
mögen, Wirtschaft’ und gr. nemein 'teilen, ver¬
oreille f. Die Bezeichnung wurde (später und
teilen, zuteilen, bebauen’.
anderenorts) nicht mehr verstanden und mit
Morphologisch zugehörig: Ökonom, Ökonomik, Öko¬
den krankheitsverursachenden Ohrwürmern
nomismus; etymologisch verwandt: s. Ergonomie und
der antiken Medizin identifiziert. Daraus ent¬
Ökologie. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82.
stand der Volksglaube, die Ohrwürmer würden
Oktan n. (= eine leicht brennbare Flüssig¬
durch die Ohren ins Gehirn kriechen, und dar¬
keit, ein Kohlenwasserstoff), s. Oktober.
aus wiederum die verdeutlichenden Bezeichnun¬
gen frz. perce-oreille, d. Ohrenschliefer u. ä. Oktav n. (= ein Buchformat), s. Oktober.
Seebold (1981), 230-238. Oktave /. 'Intervall von acht diatonischen
-oid Suffix (zur Bildung von Bezeichnungen Tonstufen’, s. Oktober.
für untypische Exemplare, z. B. Suffixoid = Oktober m. (= der 10. Monat des Jahres).
'suffixähnliches Element’). In neoklassischen Im Mittelhochdeutchen entlehnt aus gleichbe-
oktroyieren 516 Omen

deutend 1. (mensis) Octöber, zu 1. octö 'acht’. Ölgötze m., ugs. Bezeugt seit Anfang des 16.
So bezeichnet als der achte Monat des im März Jhs. in Wendungen wie wie ein Ölgötze 'steif und
beginnenden altrömischen Kalenderjahres. Ok¬ stumm’, den Ölgötzen tragen die Dreckarbeit
tan ist so benannt, da im Molekül acht Kohlen¬ verrichten’. Der Ursprung der Wendung ist
stoffatome gebunden sind; Oktav ist so bezeich¬ nicht ausreichend klar, obwohl seit früher Zeit
net als Achtelbogengröße; die Oktave meint ein Erklärungen gegeben werden. Auch Götze allein
Intervall von acht Tönen. wird in dieser Zeit ungefähr gleichbedeutend
Zum Etymon s. acht. gebraucht; vgl. auch fnhd. Götzenträger, dessen
Bedeutung ebenfalls nicht ausreichend klar ist
oktroyieren swV. 'aufzwingen’, s. auf ok¬
(Beruf? Vergehen? Schimpfwort?).
troyieren.
K. Drescher in: FS zur Jahrhundertfeier der Universität
Ökumene /. 'Siedlungsraum des Menschen, Breslau (Breslau 1911), 453-463; Bächtold-Stäubli
Gesamtheit der Christen’, fachsprachl. Entlehnt (1927/42), VI, 1247f.
aus 1. oecümene 'bewohnte Erde’, dieses aus gr.
Oligarchie /. 'Gemeinwesen, in dem einige
oikoumene (ge) (dass.), dem PPP. von gr. oikein
wenige die Herrschaft ausüben\ fachsprachl. Im
'bewohnen’, einer Ableitung von gr. otkos m.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gr. oligar-
'Haus, Wohnung’.
chiä (wörtlich: 'Herrschaft von wenigen’), zu
Morphologisch zugehörig: Ökumenismus; etymolo¬ gr. oligos 'wenig’ und gr. ärchein 'herrschen’.
gisch verwandt: s. Ökologie.
Zunächst abwertende Bezeichnung eines Herr¬
Okzident m. 'Abendland’, sonder spracht. Im schaftszustands, bei dem die Macht in den Hän¬
Mittelhochdeutschen (mhd. occident[e]) ent¬ den einiger weniger liegt, die nicht aufgrund
lehnt aus 1. (söl) occidens (-entis) (wörtlich: staatsmännischer Fähigkeiten regieren, sondern
'untergehende Sonne’), dem PPräs. von 1. occi- wegen ihrer Abkunft, der Zugehörigkeit zu
dere 'niederfallen, untergehen’, zu 1. cadere 'fal¬ einer bestimmten Gruppierung usw.
len, sinken’ (s. auch ob-). Zunächst 'Richtung Morphologisch zugehörig: Oligarch; etymologisch ver¬
des Sonnenuntergangs’, dann 'Land in der wandt: s. Anarchie.
Richtung des Sonnenuntergangs, Abendland’.
Olive /. 'Frucht des Ölbaums’. Im 16. Jh.
Morphologisch zugehörig: okzidental; etymologisch
entlehnt aus gleichbedeutend 1. oltva (auch: 'Öl¬
verwandt: s. Chance. — Ersatzwort ist Abendland. —
baum, Olivenbaum’, verwandt mit 1. oleum n.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82.
'Öl’), dieses aus gr. elüä, elaiä (dass.).
Öl n. Mhd. öl(e), ol(e), ol(e)i, ahd. o/i, ole,
Morphologisch zugehörig: oliv; etymologisch ver¬
as. oli. Wie ae. cd entlehnt aus ml. olium aus wandt: s. Öl. — Littmann (1924), 21.
1. oleum, dieses aus gr. elaion, das aus einer
Olm m. 'Schwanzlurch’, fachsprachl. Mhd.
unbekannten Sprache entlehnt ist. Das Wort
ahd. mndl. olm. Herkunft unklar. Zusammen¬
bezeichnet ursprünglich auch die Olive und den
hang mit Molch (s. d.) bei falscher Ablösung
Ölbaum (s. Olive). Demgemäß war Öl zunächst
des Anlauts denkbar.
'Olivenöl’. Erst seit dem 12. Jh. werden auch
aus anderen Sämereien entsprechende Flüssig¬ Olympiade /. (= internationale Sportwett¬
keiten gewonnen, die nach dem (Oliven)Öl be¬ kämpfe, die alle vier Jahre durchgeführt wer¬
zeichnet werden. Die Lautform des gt. alew 'Öl’ den). Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
ist noch nicht ausreichend geklärt. frz. Olympiade, dieses aus gr. Olympiäs (-ädos)
S. Linoleum, Menthol, Olive (usw.), Petroleum. — J. (dass.), zu gr. Olympia, dem Namen des heiligen
Hoops: Geschichte des Ölbaums (Heidelberg 1944) = Bezirks, der dem Zeus geweiht und Austra¬
SHAW (1942/43), III. gungsort der antiken Sportwettkämpfe war.
Oldie m./(n.) 'etwas nach längerer Zeit noch Morphologisch zugehörig: Olymp, Olympia, Olympio¬
nike.
Aktuelles’, ugs. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutend ne. oldie, oldy, einer hypokoristischen Ölzweig m. Mhd. öl(e)zwt. Klammerform
Ableitung von e. old 'alt’. Oldtimer ist bezeich¬ aus Ölbaumzweig.
nungsmotivisch 'etwas/jmd., das/der zu einer Oma /., Bezeugt seit dem 19. Jh. Kinder¬
älteren Zeit gehört’. sprachliche Form von Großmama.
Zum Etymon s. alt. Omelett n. (= eine Eierspeise). Im 18. Jh.
Oldtimer m., s. Oldie. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Omelette /.,
Oleander m. (= eine strauchartige Pflanze dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
mit länglichen, ledrigen Blättern), fachsprachl. W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 82; Brunt (1983), 397.

Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. Omen n. 'Vorzeichen’, sondersprachl. (immer
oleandro und frz. oieandre, diese aus ml. loran- mit dem Zusatz gut oder böse). Im 16. Jh. ent¬
drum f. 'Lorbeerbaum’ unter Einfluß von 1. olea lehnt aus 1. ömen 'Vorzeichen’, dessen Herkunft
f 'Ölbaum, Olivenbaum’. unklar ist. Das zugehörige Adjektiv ominös aus
ominös 517 Optik

1. öminösus ist in seiner Bedeutung auf das Operette /., s. Oper.


schlechte Omen eingeschränkt.
operieren swV. 'wirken, einen medizinischen
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82.
Eingriff vornehmen’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1.
ominös Adj. 'unheilvoll, bedenklich', s. Omen. operärT 'arbeiten, verrichten, pflegen, bearbei¬
Omnibus m. (= ein Fahrzeug zur Beförde¬ ten’, zu 1. opus 'Werk, Arbeit, Beschäftigung’.
rung vieler Menschen). Im 19. Jh. entlehnt aus Die medizinische Bedeutung infolge einer Be¬
gleichbedeutend frz. (voiture) omnibus (wört¬ deutungsverengung, die das Wirken des Chirur¬
lich: 'Fahrzeug für alle5), dieses aus 1. omnibus gen meint. Im Lateinischen gehört zu opus 'Ar¬
für alle’, zu 1. omnes 'alle’. Die Kurzform Bus beit’ als Resultativum 1. ops (opis) 'Vermögen,
aus e. bus. Reichtum’; 1. optimus 'Bester’ dürfte auf
Onanie /. 'Selbstbefriedigung’, fachsprachl. Reichster, Vornehmster’ zurückgehen.
Im 18. Jh. aus dem Englischen übernommen. Morphologisch zugehörig: Oper, operabel, Operand,
Operateur, Operation, operational, operationalisieren,
Die Bezeichnung greift zurück auf den bibli¬
operationeil, Operations-Research, operativ, Operator,
schen Onan, der seinen Samen auf die Erde fallen
Operette, operieren; etymologisch verwandt: Koopera¬
ließ und dafür von Gott bestraft wurde. An der tion, Kopie (usw.), Manöver (usw.), opfern (usw.), Opti¬
betreffenden Stelle (1. Mose 38,9) ist allerdings mismus, Optimum, opulent, Opus; zum Etymon s. üben.
'Coitus interruptus’ gemeint, so daß der sach¬ - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82; K.-H. Wein¬
liche Anschluß nur sehr lose ist. mann DWEB 2(1963), 400.

ondulieren swV. 'Haare (mit einer Brenn¬ Opfer n. Mhd. opfer, opher, ahd. opfar, offar,
schere) lockig formen’, fachsprachl. Im 20. Jh. mndd. opper, offer. Frühe Rückbildung aus op¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. onduler, einer fern (s. d.).
Ableitung von frz. ondulation 'Wallen, Wogen’, opfern swV. Mhd. opfern, ahd. opfarön, offa-
einer neologischen Bildung zu 1. undula 'kleine rön, mndd. opperen, offeren, älter oppron. Der
Welle’, einem Diminutivum zu 1. unda 'Welle, Lautform nach stammt das Wort aus 1. operärT
Woge’. 'arbeiten, u. ä.’, auch 'Almosen geben’. Der Be¬
Morphologisch zugehörig: Ondulation; etymologisch deutung nach ist es aber sicher beeinflußt von
verwandt: redundant. 1. offene 'darbringen’, das gleichbedeutendes
Onkel m. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. oncle, ahd. offrön, afr. off(e)ria, ae. offrian, anord.
zunächst in französischer Form. Das Wort bür¬ offra ergeben hat.
gert sich ein im Zuge der Zusammenlegung S. operieren (+), Opfer.
von Oheim 'Mutterbruder’ (s. d.) und Vetter Opium n. (= ein Schmerzmittel und Rausch¬
'Vaterbruder’. gift). Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1.
Ruiperez (1984), 83 — 86; Brunt (1983), 398. opium (wörtlich: 'Mohnsaft’), zu gr. opös m.
Onyx m. (= ein als Schmuckstein verwende¬ 'Pflanzensaft’.
tes Mineral), fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬ Morphologisch zugehörig: Opiat.
deutend gr. önyx (auch: 'Kralle, Klaue, Nagel’); opponieren swV. 'entgegenarbeiten’, s. Oppo¬
das Bedeutungsmotiv ist nicht klar. sition.
Etymologisch verwandt: Nagel. — Luschen (1968), 33,
opportun Adj. 'nach den Umständen von Vor¬
286.
teil’, sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus
Opa m., ugs. Bezeugt seit dem 19. Jh. Kinder¬ gleichbedeutend 1. opportünus (wörtlich: 'zur
sprachliche Umbildung von Großpapa. Fahrt bequem’), zu 1. portus 'See-Einfahrt, Ha¬
Opal m. (= ein milchigweißes Mineral), fach¬ fen’ (s. auch ob-), das zu 1. porta 'Tor, Eingang’
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gehört.
1. opalus, dieses aus gr. opällios (dass.), aus ai. Morphologisch zugehörig: Opportunismus, Opportu¬
üpala- 'Stein’. Der Stein soll ursprünglich aus nist, Opportunität; etymologisch verwandt: s. Portier.
Indien gekommen sein. - O. Ladendorf ZDW 5 (1903/04), 118; W. J. Jones
Littmann (1924), 16; Lüschen (1968), 286f.; Lokotsch SN 51 (1979), 265.

(1975), 167. Opposition /. 'Widerstand, Gegenpartei’. Im


Oper /. Im 17. Jh. entlehnt aus it. opera (in 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. oppositio
musica) 'Musikwerk’ über frz. opera m. Die (-önis), einer Ableitung von 1. oppönere (opposi-
italienische Form Opera hält sich bis ins 18. Jh. tum) 'entgegenstellen’, zu 1. pönere 'stellen, le¬
und wird dann durch die eingedeutschte Form gen’ (s. auch ob-).
Oper ersetzt. Gleichermaßen wird it. operetta Morphologisch zugehörig: opponieren, oppositionell,
'Werkchen’ für eine kleine Oper meist komi¬ oppositiv; etymologisch verwandt: s. Position. — W.
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82; Ganz (1957), 158f.
schen Inhalts zunächst in dieser Form zu Be¬
ginn des 18. Jhs. entlehnt und dann zu Operette Optik /. 'Wissenschaft vom Licht’, fach¬
eingedeutscht. sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. (ars) optice
Optimismus 518 Orden

'die Lehre vom Sehen’, dieses aus gr. optike in volksetymologischer Anlehnung an frz. or m.
(techne) (dass.), zu gr. optikös 'das Sehen be¬ 'Gold’.
treffend, zum Sehen gehörig’. Morphologisch zugehörig: orange, Orangeade, Oran¬
Morphologisch zugehörig: Optiker, optisch; etymolo¬ geat, Orangerie', etymologisch verwandt: Pomeranze.
gisch verwandt: Panoptikum, Zyklop. - Littmann (1924), 81, 83, 132; Lokotsch (1975), 125;
Jones (1976), 470; Brunt (1983), 399f.
Optimismus m. 'lebensbejahende Grundhal¬
tung’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Orang-Utan m. (= ein Menschenaffe), fach-
frz. optimisme, einer neologischen Bildung zu 1. sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus malai. orang
optimus 'bester’. Zunächst Schlagwort für die utan 'wilder Waldmensch’ und von den Euro¬
Leibnizsche Lehre, wonach diese Welt die beste päern auf die Bezeichnung der Affenart über¬
aller möglichen Welten sei. Damit hängt die tragen.
Auffassung zusammen, daß sich die Welt weiter Oratorium n. (= ein opernartiges geistliches
zum Guten und Vernünftigen verändert. Dar¬ Musikwerk), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt
aus dann die heutige Bedeutung, die ein Ver¬ aus gleichbedeutend ml. Oratorium (auch: 'Bet¬
trauen auf Gutes bzw. Besseres meint, was eine haus’), einer Ableitung von 1. örätor m. 'Bitter,
fröhliche, lebensbejahende Einstellung mit sich Beter, Redner’, zu 1. öräre 'beten, reden (wört¬
bringt. lich: durch den Mund vernehmen lassen)’, zu 1.
Morphologisch zugehörig: Optimist, Optimum; etymo¬ ös (öris) 'Mund’. Wohl so bezeichnet nach den
logisch verwandt: s. operieren. musikalischen Andachten der Oratorianer, in
Optimum n. 'günstigster erreichbarer Wert’. denen hymnenartige Gesänge vorkamen und
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. Opti¬ allegorische Figuren auftraten. Man stellte bald
mum, einer Substantivierung von 1. optimus 'be¬ diese Form des geistlichen musikalischen Dra¬
ster’. mas der weltlichen Oper gegenüber.
Morphologisch zugehörig: optimal. Optimal, optimie¬ Morphologisch zugehörig: Oration; etymologisch ver¬
ren, Optimismus', etymologisch verwandt: s. operieren. wandt: Orakel. - W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 82.

Option /. 'Möglichkeit, Vorkaufsrecht’, son- Orchester n. (= eine Gruppe von Instrumen¬


dersprachl. Entlehnt aus 1. optio (-önis) 'freier talsten). Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Wille, freie Wahl, Belieben’. tend frz. orchestre m., dieses aus 1. orchestra f.
Etymologisch verwandt: kooptieren. 'Platz für Musiker, Tänzer und Pantomimen
optisch Adj., s. Optik. auf der Vorderbühne, (älter: der vornehmste
Platz vorn im Schauspielhaus, der für die Sena¬
opulent Adj. 'sehr reichlich’, sonder spracht.
toren bestimmt war)’, aus gr. orchestra f. 'Tanz¬
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. opu-
platz, Platz zwischen Bühne und Zuschauer-
lentus, zu 1. ops (-pis) 'Vermögen, Reichtum’.
raum’, zu gr. orcheisthai 'tanzen, springen’. Die
Morphologisch zugehörig: Opulenz', etymologisch ver¬
Gruppe von Instrumentalsten ist demnach
wandt: s. operieren.
nach dem Ort bezeichnet, an dem sie auftrat,
Opus n. 'Werk’, s. operieren.
d. h. 'die Musiker in der Orchestra’.
-or Suffix. Dient der Bildung von deverbati- Morphologisch zugehörig: orchestral, Orchestration,
ven Personen- und Sachbezeichnungen (z. B. Orchestrion.
Illustrator, Rotor). Es wurde vornehmlich in
Orchidee /. (= eine tropische Zierpflanze).
lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
nommen; sein Ursprung ist 1. -tor (dass.). — In
Orchidee, einer neologischen Bildung zu gr. ör-
einigen Wörtern lautet die Form -ator.
chis m. 'Hoden’. So bezeichnet aufgrund der
-ör Suffix, s. -eur. charakteristischen Form der Wurzelknollen.
Orakel n. 'Weissagung’, sonder sprach!. Im 16. Orden m. Mhd. orden 'Regel, Ordnung, Rei¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. öräculum henfolge’, dann 'christlicher Orden (der einer
(wörtlich: 'Sprechstätte’), einer Ableitung von Regel folgt)’ ist entlehnt aus 1. ördo (-dinis),
1. öräre 'reden, sprechen, (wörtlich: durch den das ursprünglich ein Fachwort der Weberei ist
Mund vernehmen lassen)’, zu 1. ös (öris) (das angezettelte Gewebe). Die alte Bedeutung
'Mund’. Zunächst Bezeichnung der 'Stätte’, an 'Ordnung' noch in ordentlich (s. d.), ordnen
der die Sprüche der Götter erteilt werden, dann (s. d.), Ordnung, sonst hat sich die Bedeutung
auch Bezeichnung dieser Sprüche selbst. verengt auf 'christlicher Orden’. Von den in
Etymologisch verwandt: Oratorium. — G. Schoppe stärker weltlich orientierten Orden üblichen
ZDW 15(1914), 197.
Ehrenzeichen kommt die heute vorherrschende
Orange/. 'Apfelsine’. Im 17. Jh. entlehnt aus Bedeutung (es geht dabei ursprünglich nicht
gleichbedeutend frz. (pomme dj orange, dieses um das Ehrenzeichen, sondern um die damit
aus span, naranja (dass.), aus arab. närang verbundene Aufnahme in einen 'Orden’).
(dass.), aus pers. närang (dass.). Der Vokal /o/ S. ordinär (+).
ordentlich 519 Original

ordentlich Adj. Mhd. ordenlich, ahd. orden- wie Herz und Niere, die Sprechwerkzeuge [„lau¬
lihho Adv. Weiterbildung zu einer frühen Ent¬ tes Organ“]); so etwa „Presseorgan“ als 'der
lehnung des unter Orden (s. d.) dargestellten Teil einer Vereinigung, der für die Öffentlich¬
Wortes für 'Ordnung’. Ausgangsbedeutung ist keitsarbeit zuständig ist’ (usw.).
in fester Reihenfolge’, heute stärker an Ord¬ Morphologisch zugehörig: organisch, Organismus', ety¬
nung angeschlossen. Das -t- ist im 16. Jh. ange¬ mologisch verwandt: organisieren, Orgel. — W. Feld¬
wachsen. mann ZDW 8 (1906/07), 82; G. Schoppe ZDW
15 (1914), 197; J. Hennig STZ 28 (1968), 376-383.
Order/. 'Anweisung, Befehl’, s. Orden.
ordinär Adj. 'gewöhnlich, sehr unfein’. Im 17. organisieren swV. 'regeln, zusammenschlie¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ordinaire ßen . Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
frz. organiser, einer Ableitung von frz. organe
(älter: 'gewohnt, normal, durchschnittlich, ge¬
Werkzeug, Organ’, aus 1. organum 'Werkzeug,
wöhnlich’), dieses aus 1. ördinärius 'ordentlich,
Instrument’, dieses aus gr. örganon (dass.). Das
der Gewohnheit entsprechend’, zu 1. ördo (-dinis)
französische Verb in Analogie zu ml. organizare
Reihe, Ordnung’. Die pejorative Bedeutung er¬
orgelspielen’ im Sinne von 'mit Werkzeugen
gibt sich durch häufige Gegenüberstellung mit
formen, gestalten, zurechtmachen’.
dem Feinen und „Äußer-Gewöhnlichen“.
Morphologisch zugehörig: Organisation, Organisator,
Etymologisch verwandt: Koordinate, koordinieren, Or¬
Organismus', etymologisch verwandt: s. Organ. — W.
den (usw.), Order, Ordinarius (usw.), Ordinate, Ordon¬
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82.
nanz, Ornament (usw.). — Jones (1976), 470f.
Orgasmus m. In der modernen Wissenschafts¬
Ordinarius m. 'ordentlicher Professor’, fach-
sprache entlehnt aus gr. orgasmös f. (dass.), zu
sprachl. Verselbständigtes Attribut aus Profes¬
gr. orgän '(vor Begierde) strotzen’, zu gr. orge
sor Ordinarius (dass.), zu 1. ördo (-dinis) 'Reihe,
f. 'Trieb, Gemütsbewegung’.
Ordnung’.
Morphologisch zugehörig: Ordinale, Ordinariat, Ordi- Orgel /. Mhd. organe, orgene, orgel(e), ahd.
narium, Ordinate, Ordination; etymologisch verwandt: organa. Entlehnt aus dem Plural von 1. organum
s. ordinär. n. 'Musikinstrument, Orgelpfeife’. Das n wurde
Ordinate /. 'Abstand von der horizontalen durch Suffixersatz oder Dissimilation im Plural
Achse in einem Koordinatensystem’, fach- zu / (Beginn der Belege schon in mittelhoch¬
sprachl. Entlehnt aus 1. (linea) ördinäta '(wört¬ deutscher Zeit).
lich:) geordnete Linie’, zu 1. ördinätus 'geordnet, S. Organ)-1-). - Relleke (1980), 128-130.
ordentlich’, dem adjektivischen PPP. von 1. ordi¬ Orgie f. 'wildes Fest’. Im 17. Jh. entlehnt aus
näre 'ordnen, in Reihen aufstellen’, zu 1. ördo gleichbedeutend 1. Orgia n. (wörtlich: 'nächt¬
(-dinis) m. 'Reihe, Ordnung’. licher Geheimkult zu Ehren des Bacchus’), aus
Etymologisch verwandt: s. ordinär. — Schirmer (1912), gr. orgia n. PI. (wörtlich: 'heilige Handlung,
49. religiöser Brauch, Mysterien’), das zu gr. ergon
ordnen swV. Mhd. ordenen, ahd. ordinön. Ent¬ n. 'Werk, Wirken’ gehört.
lehnt aus 1. ordinäre 'ordnen’. Elierher Ordnung Morphologisch zugehörig: Orgiasmus; etymologisch
(mhd. ordenunge, ahd. ordinunga). verwandt: s. Energie.

S. Orden, ordinär ( + ). Orient m., s. orientieren.


Ordonnanz /. 'Offiziersanwärter, der im Ka¬ orientieren swV. 'zurechtfinden’. Im 18. Jh.
sino Dienst tut\fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt entlehnt aus gleichbedeutend frz. orienter, einer
aus frz. ordonnance 'Befehl, Anordnung’, einer Ableitung von frz. Orient 'Sonnenaufgang,
Ableitung von frz. ordonner 'anordnen’, aus 1. Osten, Orient’, dieses aus 1. oriens (-entis) (söl)
ordinäre 'bestimmen, verordnen, ordnen’, zu 1. (dass.), dem PPräs. von 1. oriri 'sich erheben,
ördo (-dinis) m. 'Reihe, Ordnung’. Aus 'Befehl’ aufsteigen’. Die Bedeutung als Verallgemeine¬
wird 'der zur Ausführung von Befehlen Be¬ rung von 'die Position nach der [aufgehenden]
stimmte’. Sonne bestimmen’. Der Orient ist bezeichnungs¬
Etymologisch verwandt: s. ordinär. — Jones (1976), motivisch das Land des Sonnenaufgangs.
47 lf. Etymologisch verwandt: Original (usw.), Reise.

Organ n. 'Teil des Körpers mit bestimmter Original n. 'Echtes, Urschrift’. Im 14. Jh.
Funktion, Einrichtung, Stimme (usw.)’. Im 16. entlehnt aus gleichbedeutend 1. originäle (exem-
Jh. entlehnt aus 1. organum 'Werkzeug, Instru¬ plar), zu 1. originälis 'ursprünglich’, einer Ablei¬
ment’, dieses aus gr. örganon (dass.), einer ab¬ tung von 1. origo (-ginis) f. 'Ursprung’, einer
lautenden Bildung zu gr. ergon (s. Energie). Die Ableitung von 1. oriri 'sich erheben, sichtbar
heutigen Bedeutungen gehen im wesentlichen werden, entspringen, entstehen’.
von der Grundbedeutung eines Elements mit Morphologisch zugehörig: original, Originalität, origi¬
bestimmter Funktion aus (z. B. für Körperteile när, originell', etymologisch verwandt: orientieren. —
Orkan 520 Ostern

W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 82; Ganz (1957), lehnt aus gleichbedeutend ne. Oscar, angeblich
159-161. in einer scherzhaften Assoziation nach dem
Orkan m. (= ein heftiger Sturm). Im 16. männlichen Vornamen Oscar benannt.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend nndl. orkaan, -ose Suffix. Dient der Bildung von Substanti¬
dieses aus span, huracän. ven, vielfach mit der Bedeutung 'Erkrankung’
Kluge (1911), 598f.; Littmann (1924), 150; R. Loewe (z. B. Psychose, Tuberkulose), daneben aber
ZVS 61 (1933), 48-54; Palmer (1939), 103-105; H. auch 'Vorgang bzw. Ergebnis (der in der Basis
Plischke in: FS Mortensen (1954), 131. ausgedrückten Handlung)’ (z. B. Diagnose,
Ornament n. 'Verzierung’, sondersprachl. Im Hypnose, Narkose). Es wurde zum Teil in grie¬
14. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. örnämen- chischen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬
tum, einer Ableitung von 1. örnäre 'ausstatten, men, vor allem aber auch in neologischen Bil¬
schmücken, zieren’ (aus *ord[i]näre zu 1. ördo dungen verwendet. Sein Ursprung ist gr. -ösis
(-dinis) m. 'Reihe, Ordnung’). Dazu Ornat als (dass.).
'schmuckvolle Ausstattung’. Öse /. Spmhd. öse, mndd. os(s)e, ouse. Ge¬
Morphologisch zugehörig: ornamental, Ornamentik, hört wohl zu Öhr (s. d.) und damit zu Ohr (s. d.)
ornativ, Ornatir, etymologisch verwandt: s. ordinär.
mit Desonorisierung des stimmhaften -z-,
Ornat m. 'feierliche Amtstracht’, s. Orna¬
Ösen swV. 'in ein Boot eingedrungenes Wasser
ment.
ausschöpfen’, nordd. Sekundäre Verbalbildung
Ort m./n. Mhd. ort, ahd. as. ort, ord aus g. zu anord. ausastV. 'gießen, schöpfen’, verwandt
*uzda- m., auch in anord. oddr m., ae. ord mit 1. haurire 'schöpfen’.
m., afr. ord n. Die Bedeutung ist ursprünglich
Osten m. Mhd. ästen m./n., ahd. östan m./n.;
'Spitze’, besonders 'Waffenspitze’, dann 'äußer¬
die einfache Form ost ist im Deutschen erst
stes Ende’, und lokal betrachtet 'Gegend,
spätmittelhochdeutsch bezeugt, vgl. ae. easf,
Stelle’. Außergermanisch vergleichen sich mit
'von Osten’ mhd. östenän, ahd. as. östana, ae.
der Bedeutung 'Spitze’ lit. usnis f. 'Distel’ und
eastan, anord. aus tan. Der zugrunde liegende
vielleicht alb. usht, ushter 'Ähre’.
Stamm g. *austa- hängt zusammen mit ig.
Nndl. oord, nschw. udd 'Spitze’, nisl. oddur 'Spitze’.
*ausos 'Morgenröte’ in ai. usä-, 1. auröra, gr.
ortho- Präfix. Wortbildungselement mit der heös, eos, lit. ausrä /.; die Bedeutung 'Osten’
Bedeutung 'aufrecht, richtig, gerade’ (z. B. Or¬ auch in avest. usastara- 'gegen Morgen, östlich’,
thographie, Orthopädie). Es wurde vornehmlich lett. äustrums 'Osten’ und wohl auch ursprüng¬
in neologischen Bildungen verwendet; sein Ur¬ lich 1. auster, das aber nur mit der Bedeutung
sprung ist gr. orthös 'gerade, aufrecht’. 'Süden’ bezeugt ist offenbar auf Grund einer
Zu Orthographie s.: G. Schoppe ZDW 15 (1914), 197. Neu-Orientierung, bei der die als 'vorne’ be¬
orthodox Adj. 'rechtgläubig, konservativ’, trachtete Himmelsrichtung von 'Ost (Sonnen¬
sonder spr achl. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. ortho- aufgang)’ zu 'Süd’ (so tatsächlich bezeugt) über¬
doxus 'rechtgläubig’, zu gr. orthös 'richtig, ging-
recht, gerecht’ und zu gr. doxa 'Meinung, Nndl. oosten, ne. east, nschw. oster, nisl. austur. S.
Glaube’ (s. auch ortho-), zu gr. dokein 'glauben, Ostern. - H. Schröder GRM 17(1929), 421-427.
meinen’, das mit 1. docere 'lehren, unterrichten’ ostentativ Adj. 'herausfordernd, betont’, s.
verwandt ist. Tenor und ob-.
Morphologisch zugehörig: Orthodoxie; etymologisch
Osterluzei/. 'Aristolochia dematitis’ (= eine
verwandt: s. dekorieren.
Heilpflanze), fachsprachl. Mhd. ostirluzie,
Orthopädie /. 'medizinische Lehre von Stö¬ spahd. astriz(a), astrenza. Unter Anlehnung an
rungen des Bewegungsapparates’, fachsprachl. einheimische Formen entlehnt und weiterge¬
Entlehnt aus gleichbedeutend frz. orthopedie, bildet aus 1. aristolochia, das aus gr. aristolochia
einer Neubildung zu gr. orthös 'gerade, recht’ (s. stammt. Der griechische Pflanzenname bedeu¬
ortho-) und gr. paideia 'Erziehung, Ausbildung, tet 'bestes Gebären’, weil er den Wöchnerinnen
Übung’. beim Abgang der Nachgeburt helfen sollte.
Etymologisch verwandt: s. Pädagogik. Marzeil (1943/79), 1, 389-391.
-os, -ös Suffix. Dient der Bildung von desub- Ostern n. oder PI. Mhd. oster /., östern PL,
stantivischen Adjektiven mit der Bedeutung ahd. östara, östarü f, PL, vgl. ae. eastron Dat.
'versehen mit’ (z. B. trichinös, luxuriös, rigoros). PL Das Wort, das ein christliches Fest bezeich¬
Es wurde teils in lateinischen (-os), vor allem net, ist ersichtlich altgermanisch und hängt zu¬
aber in französischen Entlehnungen (-ös) über¬ sammen mit Osten, also der Morgenröte (und
nommen; sein Ursprung ist 1. -osus (dass.). gegebenenfalls einer Göttin der Morgenröte, die
Oscar m. (= ein Filmpreis in Form einer bei den Indogermanen gut bezeugt ist). Der
Männerstatue), sonder spr achl. Im 20. Jh. ent¬ Zusammenhang zwischen Name und Fest ist
oszillieren 521 Ozon

unklar. Eine germanische Frühlingsgöttin die¬ gleichbedeutend frz. ottomane, einer Substanti¬
ses Namens (die zur Erklärung vermutet wurde) vierung von frz. ottoman 'türkisch’, dieses aus
ist nicht sicher bezeugt; eine Bezeichnung nach arab. Utmän, dem Namen des Gründers des
dem Tagesanbruch, der bei dem christlichen türkischen Reiches.
Fest eine liturgische Rolle spielt, ist durchaus
Littmann (1924), 88f.
denkbar. Eine lateinische Bezeichnug cilbae (pa-
schalis) für 'Ostern’ ist vom 5. Jh. an bezeugt, Ouvertüre /, 'einleitendes Musikstück’, fach¬
meint allerdings die weißen Kleider der um sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
diese Zeit Getauften. Da 1. alba weiß’ im fran¬ frz. ouverture (wörtlich: 'Eröffnung’), aus 1.
zösischen Bereich ausstirbt, behält alba die spe¬ apertüra 'Öffnung, Eröffnung’, einer Ableitung
zielle Bedeutung 'Morgenlicht, Morgenröte’, von 1. apertre 'öffnen’.
was durch das germanische Wort wiedergege¬ Etymologisch verwandt: Aperitif. - Jones (1976), 475;
ben sein kann. Brunt (1983), 402.
Ne. Easter. S. Osten. - Th. Frings/J. Nießen 1F
oval Adj. 'elliptisch’. Im 17. Jh. entlehnt aus
45 (1927), 276-306; K. BischofT ZM 21 (1953),
28 — 33; J. Knobloch Sprache 5 (1959), 27—45; S. Gu¬ gleichbedeutend spl. övälis (wörtlich: 'eiför¬
tenbrunner in: FS Baetke (1966), 122-129. mig’), zu 1. övum 'Ei’.

oszillieren sh’L 'schwingen, in der Ausdeh¬ Morphologisch zugehörig: Oval-, zum Etymon s. Ei. —
Schirmer (1912), 50.
nung schwanken’, fachsprachl. Entlehnt aus 1.
oscilläre 'sich schaukeln’, einer Ableitung von Ovation/, 'heftiger Beifall’, sonder spracht. Im
l. oscillum 'Schaukel, Hängematte’, zu 1. eitlere 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. ovätio
'bewegen’ (s. auch ob-). (-önis) (zunächst: 'der kleine Triumph [im Ge¬
Morphologisch zugehörig: Oszillation, Oszillator, Os- gensatz zum feierlichen Siegeszug]’), einer Ab¬
zillogramm, Oszillograph.
leitung von I. oväre 'frohlocken, jubeln’.
Otter1 (= Wassertier). Mhd. ot(t)er
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 197.
m. , ahd. ottar m., mndl. Otter aus g. *utra-
m. 'Otter’, auch in anord. otr m., ae. oter m. Overall m. 'einteiliger Arbeitsanzug’. Im 20.
Altertümliche Ableitung zu dem Wort für 'Was¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. overall
ser’ (ig. *wedör) mit Schwundstufe beider Silben (wörtlich: 'über alles’), aus e. over 'über’ und e.
(*udr-o- m.) wie in ai. udrä- m. 'ein Wassertier’, all 'alles’.
gr. hydra f. 'Wasserschlange’, gr. enydris f. 'Ot¬ Zu den Etyma s. über und all.
ter’, und als 'Otter’ 1. lutra f. (mit unklarem
Ozean m. 'Meer’. Im Mittelhochdeutschen
Anlaut), air. odrän m., lit. üdra /., aruss. vydra
(mhd. Occene) entlehnt aus gleichbedeutend ml.
f. Der Wandel zum Femininum ist erst frühneu¬
occeanus, dieses aus 1. Öceanus (dass.), aus gr.
hochdeutsch.
ökeanös (dass., älter: 'der die Erdscheibe umflie¬
Nndl. ne. Otter, nschw. utter, nisl. otur. S. Wasser ( + ).
ßende Weltstrom’).
Otter2/. (= Schlange). Bezeugt seit dem 16.
Morphologisch zugehörig: Ozeanarium.
Jh. Variante zu Natter (s. d.) mit falscher Ablö¬
sung des anlautenden n. Fest geworden in Ozon m./n. (= eine besondere Form des
Kreuzotter (s. d.). Sauerstoffs), fachsprachl. Neubezeichnung mit
Nndl. ne. adder. gr. özon n. 'das Duftende’, zu gr. özein 'riechen,
Ottomane /. (= eine gepolsterte Liege ohne duften’. So benannt als Gas mit einem ausge¬
Rückenlehne), arch. Im 18. Jh. entlehnt aus prägten, charakteristischen Geruch.
p
Paar Mhd. pär, par, mndd. pär, mndl. paer Packeis n. 'übereinandergeschobene Eis¬
'zwei von gleicher Beschaffenheit’. Nach der schollen des Polarmeers’, fachsprachl. Bezeugt
hochdeutschen Lautverschiebung entlehnt aus seit dem 18. Jh. Wohl als 'Ballen von Eis’ aufzu¬
1. pär (-aris) 'Paar’ (als Adjektiv 'gleich’, als fassen (nach dem Vorbild anderer Sprachen,
Substantiv auch 'Geführte’). Mit Bedeutungs¬ z. B. Englisch?).
verallgemeinerung ein paar 'einige’. Die Erklä¬ packen swV. Im 16. Jh. mit dem Grundwort
rung der Wendung zu Paaren treiben ist umstrit¬ Pack (s. d.) übernommen aus mndd. pa(c)ken
ten; vermutlich liegt die Umdeutung eines ande¬ 'ein Bündel machen, packen’. Die Bedeutung
ren Wortes vor. Vor dem 18. Jh. zum barn 'fortgehen’ von sich packen geht auf mndd. sik
bringen. Dies wird erklärt als 'ins Netz treiben; paken 'sich bepacken (um fortzugehen)’ zurück
jmd. so einschließen, daß er keinen Ausweg (vgl. etwa seinen Hut nehmen).
mehr hat’ (Tappius 1539). Danach könnte ur¬ Pädagogik /. 'Lehre von Erziehung und Aus¬
sprünglich mhd. ber(e) 'sackförmiges Fischer¬ bildung’, fachsprachl. Neubildung des 18. Jhs.
netz’ gemeint gewesen sein (dieses zu 1. pera f. zu Pädagoge, dieses über das Lateinische zu gr.
'Beutel’) zu gr. p£rä f. 'Ranzen’. paidagögös m. 'Kinderführer’, zu gr. pais (-idös)
S. komparabel, paaren, Parität, Paroli. m./f. 'Kind, Knabe’ und gr. ägein 'führen’ (s.
paaren swV. Bezeugt seit dem 15. Jh. als Antagonismus). Der Pädagoge war ursprünglich
'Paare bilden, zwei und zwei zusammenstellen’ ein Sklave, der die Kinder führte und begleitete;
(zu Paar, s. d.). Heute überwiegend sich paaren, daraus entwickelt sich dann die Bedeutung 'Be¬
meist vom Geschlechtsverkehr bei Tieren ge¬ treuer, Lehrer’.
sagt. Morphologisch zugehörig: Pädagogikum, Pädagogium;
etymologisch verwandt: Enzyklopädie, Orthopädie, Pä¬
Pacht /. Mhd. pacht(en), packt, mitteldeut¬
derastie, [Pädiatrie], Page, Pedant (usw.), Propädeu¬
sche Form von üblicherem phaht(e) 'Vertrag, tik; zum Etymon s. Fohlen. — W. Feldmann 71) W
Steuer, Zins’, früh (schon vor der hochdeut¬ 8 (1906/07), 82.
schen Lautverschiebung) entlehnt aus spl. pacta
Päderastie/. 'Knabenliebe’, fachsprachl. Ent¬
'Vertrag, Steuer’ (Plural von 1. pactum 'das Ver¬
lehnt aus gleichbedeutend gr. paiderastia (zu gr.
einbarte’), das mit 1. pangere 'befestigen, ein-
pais [-idös] m./f. 'Knabe’ und gr. erastSs m.
schlagen’ verwandt ist. Die verschobene Form
'Liebhaber’).
erlischt in der Schriftsprache im 18. Jh., lebt
Morphologisch zugehörig: Päderast; etymologisch ver¬
aber mundartlich noch heute. Eine erneute Ent¬
wandt: s. Pädagogik.
lehnung desselben lateinischen Wortes ergibt im
15. Jh. Pakt. Padde /. 'Kröte, Frosch’, ndd. Bezeugt seit
dem 16. Jh. Vgl. mndd. padde, pedde, mndl.
Etymologisch verwandt: s. Palisade.
padde, nndl. pdd(de), me. pad(e), padde u. ä.,
Pack m./n., auch Packen m. 'Bündel, Ballen’. ne. paddock, aschw. padda. Auffällig ist die laut¬
Seit frühneuhochdeutscher Zeit aus mndl. pac, liche Nähe von gr. bätrachos m. 'Frosch’. An¬
mndd. pack(e) übernommen. Ursprünglich ein sonsten ist die Herkunft unklar.
Wort des flämischen Wollhandels. Seine Her¬
S. Schildpatt. - Lühr (1988), 299.
kunft ist trotz späterer (durch Entlehnung) wei¬
Paddel n. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. paddle,
ter Verbreitung unklar. Ähnliche Wörter kön¬
das seit dem 17. Jh. die entsprechenden Ruder
nen herangezogen werden, doch da sie ihrerseits
der Indianer und Malaien bezeichnet. Herkunft
etymologisch unklar sind, läßt sich über den
unklar.
Zusammenhang wenig aussagen (anord. baggi
Kluge (1911), 602.
'Packen, Bündel’, me. bagge 'Sack, Beutel’, afrz.
baga 'Bündel’; vgl. noch 1. bäiulus m. 'Lastträ¬ paffen swV. 'stark rauchen’, ugs. Bezeugt seit
ger’, gr. bästagma n. 'Last’, kymr. baich 'Last, dem 18. Jh. zunächst in der Studentensprache.
Bündel’). Aus der Bedeutung 'Gepäck, Troß’ Lautmalend zum starken Ziehen an der Pfeife.
stammt die Bedeutung 'Gesindel’ (wie auch bei F. Sommer /F51 (1933), 231.
Bagage, s. d.); dabei neutrales Genus. Page m. 'junger Diener, junger Adliger’. Im
S. auch Gepäck, packen, Paket. 17. Jh. entlehnt aus frz. page 'Edelknabe’, dieses
paginieren 523 Palisander
aus it. paggio (dass., älter 'junger Diener’), die¬ Palaver n. 'endloses Gerede’, ugs. Im 19. Jh.
ses aus gr. paidion n. 'Knäbchen, kleiner entlehnt aus ne. palaver 'langwierige, wortreiche
Diener’.
Verhandlungen; langes Gerede’, dieses aus port.
Etymologisch verwandt: s. Pädagogik.
palavreado m. (dass.) und port. palavra f.
paginieren swV 'mit Seitenzahlen versehen’, 'Wort’, aus 1. parabole f. 'Gleichnis, Parabel’,
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. päginäre aus gr. parabotff. (dass., wörtlich: 'das Neben¬
abfassen, schreiben’, zu 1. pägina 'Seite, Blatt einanderwerfen’), zu gr. parabällein 'verglei¬
Papier, Kolumne, Schrift, Geschriebenes’. Das chen, danebenwerfen’, zu gr. bällein 'treffen,
Verb nimmt im Deutschen die engere Bedeu¬ werfen’ (s. auch para-). Man geht davon aus,
tung 'Seiten(zahlen) schreiben’ an, die sich an daß sich die Bedeutung im Portugiesischen als
das lateinische Substantiv anlehnt. Bezeichnung der Seeleute für die langwierigen
Morphologisch zugehörig: Pagina. Verhandlungen mit den Eingeborenen Afrikas
Pagode/. (= ein ostasiatischer Tempel), son- entwickelte.
dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus port. pagode Etymologisch verwandt: s. Parabel.
Götzenbild, Götzentempel’, das auf ein indi¬ Pale/. 'Erbsenschote’, ndd. Bezeugt seit dem
sches Wort zurückgeht. Allerdings ist die Ent¬ 19. Jh., Herkunft ungeklärt. Hierzu pa(h)len
stellung durch die portugiesischen Handelsrei¬ 'Erbsen entschoten’.
senden so groß, daß das indische Vorbild nicht Vgl. pulen.
mit Sicherheit angegeben werden kann.
pa(h)len swV., s. Pale.
Littmann (1924), 128.
Paletot m. (= ein dreiviertellanger Mantel),
Paillette /. (= glänzendes Metallplättchen,
arch. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
ein feiner [Seidenstoff), fachsprachl. Im 19. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. pailette, einem frz. paletot (älter: 'spanischer Bauernkittel’),
Diminutivum zu frz. paille 'Stroh’, dieses aus 1. dieses aus span. pal(e)tö 'Überrock’.
palea 'Spreu'. Das Diminutivum im Französi¬ Palette /. 'Malertafel, Vielfalt, Stapelunter¬
schen bezieht sich auf die helle Farbe von Stroh. lage’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
In der Bedeutung 'Stroh’ ist frz. paille bereits im frz. palette (auch: 'kleine Schaufel’), einem Di¬
Mittelhochdeutschen entlehnt; die Bedeutung minutivum zu 1. päla 'Spaten, Wurfschaufel’.
'feiner Stoff’ seit dem 18. Jh. Die Übertragung von 'Schaufel’ zu 'Malertafel’
Paket n. (= eine größere, verschlossene Pak- wohl nach der Form; die Bedeutung 'Vielfalt’
kung). Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend sekundär nach den vielen verschiedenen Farben
frz. paquet m., einer Ableitung von frz. baque auf einer Malerpalette.
'Bündel, Packen’, dieses aus mndl. pac (dass.). Palimpsest m./n. 'nach Abkratzen wieder be¬
Etymologisch verwandt: s. Pack. - Jones (1976), 480f. schriebene Pergamenthandschrift’, fachsprachl.
Pakt m. 'Vertrag, Abmachung’, s. Pacht. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. pa-
limpsestos m., dieses aus gr. palimpsestos m.
Paladin m. 'Palastritter’, arch. Im 18. Jh. über
frz. paladin entlehnt aus gleichbedeutend it. pa- (dass., wörtlich: 'wieder abgerieben’), zu gr. pä-
lin 'wieder, neuerdings’ und gr. psäein 'reiben’.
ladino; dieses aus 1. palätinus 'zum (kaiserlichen)
Palast gehörig’, zu 1. palätium n. 'Palast’. Palindrom n. (= eine Buchstabenfolge, die
Etymologisch verwandt: s. Palast. vorwärts und rückwärts gelesen sinnvoll ist),
Palais n., s. Palast. fachsprachl. Neubildung zu gr. palindromos 'zu¬
rücklaufend’, zu gr. pälin 'zurück, wieder u. ä.’
Palast m. 'herrschaftlicher Bau’. Im Mittel¬
und gr. dramein 'laufen’.
hochdeutschen (mhd. palas m./n.) entlehnt aus
gleichbedeutend afrz. palais, dieses aus 1. Palä¬ Palisade/. 'Pfahl, Wand aus Pfählen’. Im 16.
tium n., ursprünglich Name des palatinischen Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. palissade,
Berges in Rom, einem der sieben Hügel, auf dieses aus prov. palissada (dass.), einem Kollek-
denen die Stadt erbaut wurde. Danach zunächst tivum zu prov. palissa 'Pfahlzaun’, aus gallo-
der dort von Romulus errichtete Stadtteil, dann rom. *paltcea (dass.), einem Kollektivum zu
Bezeichnung der dort gelegenen Wohnung von 1. pälus m. 'Pfahl’ (zu 1. pangere 'befestigen,
Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern. einschlagen’).
Schließlich Übergang vom Proprium zum Ap- Etymologisch verwandt: kompakt, Pacht, Pakt, Pazi¬
pellativum. Das auslautende /t/ ist nachträglich fik, Pazifismus, Pfahl, pfropfen, Propaganda (usw.);
angewachsen. Palais ist eine spätere Entlehnung zum Etymon s. Fach. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
07), 83; Jones (1976), 479f.
aus derselben Quelle; Pfalz dagegen ist so früh
übernommen, daß es noch von der Lautver¬ Palisander m. (= ein Edelholz), fachsprachl.
schiebung betroffen wurde. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Morphologisch zugehörig: Palas; etymologisch ver¬ pa/issandre, das aus einer Mundart Guyanas
wandt: Paladin. stammt.
Pall 524 Panne

Pall m./n. 'Sperrklinke’, fachsprachl., ndd. sprachl. Entlehnt aus frz. panacher, eigentlich
Vgl. nndl. pal. Vermutlich eine niederdeutsche/ 'eine panache machen’. Dies ist ein (mehrfar¬
niederländische Variante zu dem Wort Pfahl biger) Federbusch (zu 1. penna 'Feder’), wobei
(s. d.), ausgehend von einfacheren Rädern und vor allem der Gedanke der Mischung im Vor¬
Räderwerken, bei denen mit Pfählen gesperrt dergrund steht.
und gebremst wurde. S. Pennal.

Palme / Mhd. palme, bahne m./f. ahd. as. Pandämonium n. 'Aufenthaltsort aller Dämo¬
palma. Wie ae. anord. palma entlehnt aus 1. nen, Gesamtheit der Dämonen’, s. Dämon und
palma, das eigentlich 'flache Hand’ bedeutet pan-.
(die Blätter der Palme lassen sich mit Fingern Pandur m. 'Fußsoldat’, arch. Im 18. Jh. ent¬
vergleichen). Das lateinische Wort ist urver¬ lehnt aus gleichbedeutend ung. pandür, angeb¬
wandt mit ahd. folma, ae. folm 'Hand’, as. fol- lich so benannt nach der ungarischen Stadt
mos m. PI. 'Hände’. Pandür, die die Heimat der ersten Panduren
Pampe/., auch Pamps m. 'Brei’, ugs., nordd.\ gewesen sein soll.
Pampf m., bair. Mit der Ableitung pampen, Paneel n., s. Panel.
pampfen, pampsen 'den Mund vollstopfen’ be¬ Panel n. (= eine repräsentative Personen¬
zeugt seit dem 16. Jh. Wie entsprechendes gruppe, Diskussionsrunde), fachsprachl. Im 20.
mampfen lautmalend für das Essen (und Spre¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. panel (dis-
chen) mit vollem Mund. cussion), dieses aus afrz. panel 'Stück Stoff’.
S. pampig, pap, Pappe. Ausgehend von der Bedeutung 'Stück Stoff,
Pampelmuse /. Im 20. Jh. über nndl. pompel- Stück Pergament’ entwickelt sich die Bedeutung
moes entlehnt aus tamil. pampalimäs(u), dessen 'Liste’, dann spezieller 'Liste von Juroren’; dar¬
zweiter Bestandteil malay. limoes 'Limone’ ist aus dann metonymisch 'Gruppe von Juroren’.
(s. Limonade). Die Deutung des ersten Bestand¬ Dies wird dann wohl verallgemeinert zu 'ausge¬
teils ist umstritten. zeichnete Personengruppe’, das der heutigen
Littmann (1924), 123. Bedeutung zugrundeliegt. Gleichen Ursprungs
ist Paneel, das zunächst 'Stoff oder Holz in
pampein swV, s. Bammel.
einem Rahmen (als Wandverkleidung)’ bedeu¬
Pamphlet n. 'Streitschrift, Flugschrift’, son- tet; daraus dann 'Wandverkleidung, Täfelung’.
dersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Panier1 n., s. Banner.
tend frz. pamphlet m. (älter: 'kleine Abhand¬
lung’), dieses aus e. pamphlet 'kleine Abhand¬ Panier2/., s. panieren.
lung’, das wohl eine appellativische Ableitung panieren swV. 'in einer Mischung aus Sem¬
mit -et ist von Pamphilus, dem Namen einer im melbröseln und Ei wenden’. Im 18. Jh. entlehnt
13. Jh. sehr populären kleinen Dichtung. aus frz. paner 'mit Brotbröseln bestreuen’, einer
Morphologisch zugehörig: Pamphletist. — Palmer Ableitung von frz. pain 'Brot’, dieses aus 1. pänis
(1960), 59. (dass.).
pampig Adj. 'frech, unverschämt’, auch Morphologisch zugehörig: Panier (mehl), Panade; ety¬
'klumpig’, ugs., nordd. In diesem Jahrhundert mologisch verwandt: Apanage, Pastille.

übernommen aus ndd. pampig, eigentlich panisch Adj. 'kopflos, übergroß (in Furcht)’.
'breiig’ zu Pampe (s. d.). Der Bedeutungsüber¬ Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
gang ist wohl entsprechend zu patzig (s. d.), panique, dieses aus gr. pänikös 'durch Pan be¬
batzig ausgegangen von 'klumpig’, dann 'gro߬ wirkt’. So benannt, da die Griechen das Auftre¬
tuerisch, aufgeblasen’. ten des mit Ziegenhörnern und Ziegenfüßen
Pamps m., s. Pappe. ausgestatteten (Fruchtbarkeits)Gottes Pan für
Schreckensreaktionen bei Menschen (insbeson¬
pan- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
dere bei Heeren) und Tieren verantwortlich
deutung 'gesamt, ganz, völlig’ (z. B. panara-
machten, wenn es keinen offenkundigen Grund
bisch, pandemisch). Es wurde in griechischen
für sie gab.
Entlehnungen ins Deutsche übernommen und
auch in neologischen Bildungen verwendet; es Panne /. Um die Jahrhundertwende entlehnt
geht auf gr. pan, päs 'all, jeder, ganz’. — Dane¬ aus frz. panne gleicher Bedeutung. Das französi¬
ben steht die Variante panto- (z. B. Panto- sche Wort war zunächst in der Sprache der
mimik).
Schiffahrt (und von dort aus übertragen auf
die Bühnensprache) ein Ausdruck für 'stecken
Panade /. 'Brei aus Semmelbröseln und Ei¬ bleiben’; vermutlich ausgehend von frz. rester
gelb’, s. panieren. en panne u. ä. 'stilliegen, stecken bleiben’, wobei
panaschieren swV 'beim Wählen Kandidaten frz. panne eigentlich eine Stellung der Segel
verschiedener Parteien zusammenstellen’, fach¬ ohne Fahrtwind bezeichnet.
Panoptikum 525 Pappel

Panoptikum n. 'Kuriositätenkabinett’, sonder- Papa m. Im 17. Jh. unter Einfluß des frz.
sprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu gr. pan Kinderworts papa gebräuchlich geworden. Wie
alles’ und gr. optikös 'mit dem Sehen zusam¬ bei Mama (s. d.) ist es nicht ausgeschlossen,
menhängend’, wörtlich also 'etwas, wo es alles daß ein davon unabhängiges deutsches Lallwort
Interessante zu sehen gibt’. entsprechender Gestalt ebenfalls vorhanden
Etymologisch verwandt: s. Optik. war, doch ist diese Annahme bei Papa weniger
Panorama n. 'Ausblick, Rundschau’. Neubil¬ wahrscheinlich, da die germanischen Kinder¬
dung des 18. Jhs. zu gr. pan alles’ und gr. wörter eher einen Dental verwenden (vgl. e.
höräma 'Sehen, Erscheinung’, zu gr. horäein daddy, gt. atta u. a.).
'sehen’. W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 83.
A. Gombert ZDW 3 (1902), 323f. Papagallo m., s. Papagei.
Pansen m. 'Tiermagen’, fachsprachl. Im 17. Papagei nt. (= ein buntgefiederter tropischer
Jh. entlehnt aus frz. panse f 'Wanst, Bauch, Vogel). Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Pansen’. Dieses letztlich zu 1. pantex (-ticis) frz. papegai, dieses aus span, papagayo (dass.),
'Wanst’. dieses aus arab. habbagS (dass.), letztlich unbe¬
S. Panzer. kannter Herkunft. Von it. pappagallo desselben
Panther m. Mhd. spahd. pantel, pant(i)er.
Ursprungs stammt Papagallo 'Südländer, der
Entlehnt aus 1. panther (a) m./f, zu gr. panther, auf erotische Abenteuer mit Touristinnen aus
dessen weitere Herkunft unklar ist. Vermutlich ist’; so bezeichnet nach der auffälligen Klei¬
Entlehnung, die Zusammenhängen könnte mit dung, die mit dem farbenprächtigen Gefieder
Pardel (s. d.) und Leopard (s. d.).
von Papageien verglichen wird.
Littmann (1924), 79, 152.
Pantoffel m. 'leichter Hausschuh’. Im 15. Jh.
Papier n. (= ein Schreibmaterial). Im Mittel¬
entlehnt aus gleichbedeutend it. pantofola /.,
hochdeutschen (mhd. papier) entlehnt aus
dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. — In
gleichbedeutend 1. papyrum, einer Nebenform
den Bildungen unter dem Pantoffel stehen, Pan¬
von 1. papyrus f. 'Papyrus, daraus hergestelltes
toffelheld usw. ist Pantoffel zum einen Sinnbild
Papier’, dieses aus gr. päpyros m./f. (dass.), des¬
für den häuslichen Bereich, zum anderen — wie
sen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
allgemein 'Schuh’ und 'Fuß’ — Zeichen der
Littmann (1924), 10; H. G. Christensen OLZ 41 (1938),
Macht.
204f.
W. Creizenach ZDW 12(1910), 133; E. Öhmann
papp Interj., ugs. Meist in der Wendung nicht
NPhM 43 (1942), 28; H.-E. Keller in FS Wartburg
(1958), 441-454. mehr papp sagen können. Wenn man den Mund
voll hat, können nur noch Nasale ordentlich
Pantomime m. ( = ein Künstler, der mit Kör¬
artikuliert werden — bei Verschlußlauten
perbewegungen Geschichten erzählt; eine derart
(hauptsächlich Labialen) würde das Essen aus
erzählte Geschichte [f]), fachsprachl. Im 17. dem Mund fallen. Daher auch Papp, Pampe
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. pantomlmus 'Brei’ und Verben wie pampen, mampfen usw.
m., dieses zu gr. pän 'alles’ (s. auch pan-) und (s. Pampe).
gr. mimeisthai 'nachahmen’.
Pappe /. Zunächst mhd. pappe, peppe 'Brei’,
Morphologisch zugehörig: Pantomimik; etymologisch
ein lautmalerisches Kinderwort, das auch in
verwandt: s. Mimik. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
07), 83.
anderen Sprachen (1. pappa m., päpa 'Brei’ u. a.)
und in ähnlichen Formen (s. Pampe) auftritt.
pan(t)schen sw V. 'Wein oder Bier verfälschen’.
Das gleiche Wort ist obd. Papp '(Mehl)Kleister’.
Vermutlich aus 'im Wasser herumstampfen’ (als Hierzu Pappendeckel als Material des Buchbin¬
verächtliche Ausdrucksweise für unangemesse¬ ders (Deckel), das aus zusammengeklebten
nen Umgang mit alkoholischen Flüssigkeiten). Papierschichten besteht. Aus diesem verkürzt
Dieses zu pantschen, patschen 'klatschen, schla¬ ist Pappe in entsprechender Bedeutung.
gen’ (auf Wasser, auf den nackten Hintern S. Pappel1.
usw.). Lautmalend. Die spezielle Bedeutung ist
Pappel1/. (= Baumname). Mhd. papel(e),
zuerst in (Über)Namen bezeugt; Panschenwein
ahd. popilboum, papilboum m., mndd. poppele.
(15. Jh.). Entlehnt aus 1. pöpulus m. und spl. papulus m.
S. auch mantschen. Eine einheimische Entsprechung liegt vielleicht
Panzer m. Mhd. panz(i)er n. Entlehnt aus in Vielbaum 'Schwarzpappel’ vor.
frz. pancier 'Rüstung für den Leib’, das von frz. Hoops (1905), 230-232; M. Bathe ZM 23 (1955),
panse f. 'Leib’ abgeleitet ist (s. Pansen). Das 1-13.
maskuline Genus erst in neuhochdeutscher Zeit Pappel2 /. 'Malve’, fachsprachl. Mhd. pa-
unter Einfluß der Gerätenamen auf -er, die pel(e), as. pappilla. Vermutlich gehört das
Maskulina sind. Wort als Weiterbildung zu Pappe '(Kinder) Brei’
pappein 526 Paradiesapfel

(s. d.), weil aus den gekochten Malvenblättern Papyrus m., s. Papier.
ein Brei zubereitet wird. para- Präfix. Wortbildungselement mit der
J. Schnetz ZO 9(1933), 225-231. Anders: W. Krog- Bedeutung 'bei, entlang, abweichend, halb’
mann ES 69 (1934/35), 176f. (z. B. parataktisch, Paragraph, parallel, Parodie,
pappein swV, auch babbeln swV. 'schwatzen’, paramilitärisch). Es wurde in griechischen Ent¬
reg. Bezeugt seit dem 16. Jh. Lautmalend wie lehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ur¬
nndl. babbelen, ne. babble, frz. babiller. sprung ist gr. para 'bei, neben’. — Vor Vokalen
päppeln swV., ugs. Meist aufpäppeln, eigent¬ lautet die Form par- (z. B. parallel).
lich 'mit Brei (Papp) aufziehen’. Schon mhd. Zum Etymon s. vor.

pepelen (mit etwas abweichender Stammbil¬ Parabel /. 'Gleichnis, eine Kurve des Kegel¬
dung). schnitts’, fachsprachl. Im Althochdeutschen in
der Bedeutung 'Beispiel, Gleichnis’ entlehnt aus
Pappelstiel m., s. Pappenstiel.
gleichbedeutend I. parabole, parabola, aus gr.
Pappenblume /., s. Pappenstiel. parabole (dass., auch 'eine Kurve des Kegel¬
Pappendeckel m., s. Pappe. schnitts’; wörtlich: 'das Nebeneinanderwerfen’),
Pappenstiel m., ugs. In der Wendung keinen zu gr. parabällein 'vergleichen, danebenwerfen’
Pappenstiel (wert). Seit dem 16. Jh., zuerst als zu gr. bällein 'werfen’ (s. auch para-). Die ma¬
Pappelstiel. Pappenstiel, Pappenblume u. ä. sind thematische Bedeutung nach dem gleichen Ab¬
niederdeutsche Bezeichnungen des Löwenzahns stand, den die Punkte einer solchen Kurve von
(hd. Pfaffenplatte, Pfaffenröhrlein, Pfaffen¬ dem Brennpunkt und der Leitlinie haben.
stiel). Gemeint sind die abgeblasenen Blüten¬ Etymologisch verwandt: Armbrust, [ballistisch], diabo¬
lisch, Emblem, Palaver, Parlament (usw.), Parole, Po¬
stände des Löwenzahns, die kahl sind wie der
lier, Problem, Symbol, Teufel. — W. Feldmann ZDW
Schädel eines Pfaffen (mit der Tonsur). Der
8 (1906/07), 83; Schirmer (1912), 50; G. Schoppe ZDW
Samenstand des Löwenzahns gilt lange als Bild 15(1914), 198.
der Vergänglichkeit (weil er so leicht abzublasen
Parade /. 'festlicher Aufzug’. Im 17. Jh. ent¬
ist). Der abgeblasene Stiel gilt als schlechthin
lehnt aus gleichbedeutend frz. parade, dieses
wertlos. Entsprechend Pfifferling (wegen der
aus span, parada (dass.), einer Ableitung von
Häufigkeit, s. d.) und Pfiff er stiel.
span, parär 'zieren, schmücken’ (eigentlich 'zu¬
H. Dittrich MS 72 (1962), 25.
bereiten’, s. parat). Paradebett ist so benannt
papperlapapp Interj. 'nichts da’. Nachbildung als ursprüngliche Bezeichnung des 'Bettes, in
sinnloser Silben; vgl. pappen, pappein u. ä. Be¬ dem der Leichnam fürstlicher Personen aufge¬
zeugt zuerst im 18. Jh. als päperlepäp; (vgl. 1. bettet war’; dann verallgemeinernd übertragen
papae 'ei, potztausend u. ä.’). auf 'Prunkbetten’.
Paprika m. (= ein scharfes Gewürz). Im 19. Morphologisch zugehörig: paradieren; etymologisch
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend serb. päprika, verwandt: s. parat. — Jones (1976), 481 f.

dieses ist eine Weiterbildung zu serb. päpar Paradeiser m., s. Paradiesapfel.


'Pfeffer’, aus 1. piper n. 'Pfeffer’, aus gr. peperi Paradies n. 'wundersamer Ort, der kein Un¬
n. (dass.), aus ai. pippalT'Pfefferkorn’. glück kennt; Garten Eden’. Im Althochdeut¬
Etymologisch verwandt: s. Pfeffer. — Bielfeldt (1965), schen (ahd. paradis, mhd. paradtsfe],
20. pardlsfe]) entlehnt aus gleichbedeutend spl.
Papst m. Mhd. bäbes(t), bäbst, ahd. bäbes. paradisus m„ dieses aus gr. parädeisos m. (dass.,
Entlehnt aus einer spl. Form päpes (auch in auch: 'Park’), das auf ein iranisches Wort zu¬
afrz. papes neben afrz. pape), einer gräzisieren- rückgeht (avest. pairi-daeza- m. PL 'Umwal¬
den Form zu I. päpa 'Vater’, das zur ehrenden lung’, apers. paridaida- m. 'Lustgarten, Wild¬
Anrede von Bischöfen, Partiarchen und Äbten park’, npers. pälez 'Garten’, eigentlich 'der Um¬
geworden war. Zu der Gräzisierung vgl. gr. mauerte, Umwallte’).
prophetes neben gr. propheta u. a. Die Form J. W. Walz ZDW 12 (1910), 192; Littmann (1924), 16;
kommt im Nordwesten in die germanischen K. -H. Weinmann DWEB 2(1963), 400; Lokotsch
(1975), 131.
Sprachen, vgl. mndl. päus, nndl. paus, mndd.
päwes(t), pauwst, as. pävos, afr. päus, päves Paradiesapfel m. Mhd. par(a)dtsapfel 'schö¬
u. a. Das auslautende -t ist seit dem 13. Jh. ner Apfel, Granatapfel’ (mit dem Gedanken an
angewachsen. Das b für p wie häufig in frühen den verführerischen Apfel im Paradies). Nach
Entlehnungen; das p der Hochsprache durch Einführung der Tomate wird die Bezeichnung
Neu-Anschluß an 1. päpa. im bairisch-österreichischen Raum auf die neue
S. auch Pfaffe. — E. öhmann: Neuhochdeutsch 'Papst' Frucht übertragen. Deshalb heute noch österr.
(Helsinki 1969); W. A. Benware BGDSL-T 101 (1979), Paradeiser.
334f.; Lloyd/Springer (1988fT.), I, 412-415. Littmann (1924), 16.
Paradigma 527 Pardel

Paradigma n. 'Muster, Klasse, Schule’, fach- gr. paränoia 'Torheit, Wahnsinn’, zu gr. para-
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. para- noeein 'wahnsinnig sein’, zu gr. noeein 'denken,
digma, dieses aus gr. parädeigma (dass.), zu gr. ersinnen’ (s. auch para-), zu gr. nöos, noüs m.
paradeiknynai 'als Beispiel hinstellen’, zu gr. 'Sinn, Verstand, Vernunft’.
deiknynai 'zeigen’ (s. auch para-).
Morphologisch zugehörig: paranoid, Paranoiker, para¬
Morphologisch zugehörig: paradigmatisch; etymolo¬ noisch.
gisch verwandt: apodiktisch. - E. Leser ZDW
15(1914), 14. Paraphrase/. 'Umschreibung’, s. Phrase und
para-.
paradox Adj. 'seltsam, widersprüchlich’, son-
Parapluie m./n. 'Regenschirm’, arch. Im 18.
dersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. parapluie
tend 1. paradoxos, dieses aus gr. parädoxos
m., einer Neubildung nach Vorbild von frz.
(dass.), zu gr. döxa 'Meinung’ (s. auch para-),
parasol m. 'Sonnenschirm’ (s. d.) mit frz. pluie
also 'gegen die Meinung’.
f. 'Regen’ statt frz. sol m. 'Sonne’.
Morphologisch zugehörig: Paradox, Paradoxie, Para¬
doxon; etymologisch verwandt: s. dekorieren. Parasit m. 'Schmarotzer’, fachsprachl. Im 15.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend I. parasitus
Paraffin n. (= eine wachsartige Masse zur
(auch: 'Tischgenosse’), dieses aus gr. paräsitos
Herstellung von Kerzen usw.), fachsprachl.
(dass., wörtlich: 'mit einem anderen essend’),
Neubildung des 19. Jhs. zu 1. parum 'wenig’ und
zu gr. sitos 'Speise’ (s. auch para-). Die wertfreie
1. affinis 'angrenzend, vertraut, verwandt’, aus
Bedeutung 'Tischgenosse’ erhält die pejorative
1. finis mj(f.) 'Grenze’ (s. auch ad-), demnach
Komponente durch solche Tischgenossen, die
so bezeichnet als 'ein mit anderen Stoffen kaum
sich als Schmeichler oder Possenreißer eine freie
Verwandtes’.
Mahlzeit zu erringen suchen.
Etymologisch verwandt: s. definieren.
Morphologisch zugehörig: parasitär, Parasitismus,
Paragraph m. 'Abschnitt’. Im Mittelhoch¬ Parasitologie. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 83.
deutschen (mhd.paragraf 'Zeichen, Buchstabe’) Parasol m. 'Sonnenschirm’, arch. Im 18. Jh.
entlehnt aus spl. paragraphus f. 'Zeichen, das entlehnt aus gleichbedeutend frz. parasol, dieses
die Trennung des Stoffes markiert’, dieses aus aus it. parasole, dieses eine Zusammenrückung
gr. parägraphos (grammS) f. 'Linie, Start- und aus it. para il sole „halte die Sonne ab“ (s. parat
Ziellinie’, gr. grämma 'Linie, Schreibzeichen’, und solar).
gr. paragräphein 'danebenschreiben’, zu gr. grä- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 83.
phein 'schreiben’ (s. auch para-). Ursprünglich
parat Adj. 'bereit’. Im 17. Jh. entlehnt aus
eine Markierung für die vom Chor vorzutragen¬
gleichbedeutend 1. parätus, dem adjektivischen
den Passagen, dann metonymisch übertragen
PPP. von 1. paräre 'bereiten, einrichten’.
auf solche Abschnitte (mit und ohne Kennzeich¬
Etymologisch verwandt: Apparat (usw.), disparat
nung).
(usw.), Imperativ, Imperium, Parade, Parasol, parie¬
Etymologisch verwandt: s. Grammatik. ren112, präparieren (usw.), reparieren (usw.), separat
parallel Adj. 'ähnlich, in gleichbleibendem (usw.). — G. Schoppe ZDW 15 (1914), 198.
Abstand verlaufend’. Im 16. Jh. entlehnt aus Parataxe /. 'Gleichordnung’, s. Syntax und
gleichbedeutend 1. parallelos, parallelus, dieses para-,
aus gr. parällelos (dass.), zu gr. allslön 'einan¬ Parcours m. 'festgelegte Hindernisstrecke’,
der’ (s. auch para-). fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Parallele, Parallelismus, deutend frz. parcours, dieses aus spl. percursus
Parallelität; etymologisch verwandt: s. allo-, — W. 'das Durchlaufen’, zu 1. percurrere (percursum)
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 83; Schirmer (1912), 50f.
'durchlaufen, durcheilen’, zu I. currere 'laufen,
Paralyse /. 'Lähmung’, fachsprachl. Im rennen’ (s. auch per-).
Mittelhochdeutschen (par[a]lis) entlehnt aus Etymologisch verwandt: s. Kurier.
gleichbedeutend 1. paralysis, dieses aus gr. para- pardauz Interj. Gebraucht für einen dröhnen¬
lysis 'Lähmung’, zu gr. paralyein wegnehmen,
den Fall. Bezeugt als ndd. pardues im 17. Jh.
auflösen, lähmen’, aus gr. lyein 'lösen’ und gr. Schallwort wie bauz, pauz und potz.
para, parä 'daneben, dabei, neben u. a.’ (s. auch Schröder (1906), 54 — 57.
para-).
Pardel m. 'Raubtier’, arch. Entlehnt aus I.
Morphologisch zugehörig: paralysieren, Paralytiker;
pardalis f. wie ahd. pardo, mhd. part (-des),
etymologisch verwandt: s. absolut.
parde (Pard bei Luther, vgl. Leopard) aus dem
Parameter m. 'veränderliche Größe’, s. Meter Grundwort 1. pardus. Diese über gr. pardalis/.,
und para-, pärdos entlehnt aus einer Gruppe von Bezeich¬
Paranoia /. 'Geistesgestörtheit, die zu Wahn¬ nungen für große Raubkatzen, die am besten in
vorstellungen führt’, fachsprachl. Entlehnt aus den iranischen Sprachen bezeugt, aber letztlich
Pardon 528 Parodie

wohl aus einer unbekannten Sprache entlehnt Wort geht zurück auf ml. parricus 'Gehege’, das
ist. in einer früheren Entlehnung Pferch ergeben
S. Leopard, Panther. hat (s. d.).
S. parken, Parkett. - W. Feldmann ZDW 8(1906/
Pardon m./n. 'Verzeihung, Entschuldigung’.
07), 83; Ganz (1957), 165; Brunt (1983), 404f.
Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
pardon m., einer postverbalen Ableitung von Parka m. '(gefütterter) Anorak’. Im 20. Jh.
frz. pardonner 'verzeihen’, dieses aus spl. perdo- entlehnt aus gleichbedeutend ne. parka, dieses
nare 'vergeben (wörtlich: gänzlich schenken)’, aus russ. parka 'Pelz aus Schaffellen o. ä.’.
zu 1. dönäre 'geben, schenken’ (s. auch per-), zu parken swV. Im 20. Jh. entlehnt aus ne. to
l. dönum n. 'Geschenk, Gabe’, zu 1. dare 'geben’. park 'ein Fahrzeug auf einem park = Abstell¬
Morphologisch zugehörig: pardonieren; etymologisch platz abstellen’, also zur Nebenbedeutung von
verwandt: s. Datum. — G. Schoppe ZDW 15(1914), Park (s. d.).
198; Jones (1976), 482f.
Parkett n. 'getäfelter Fußboden, ebenerdiger
Parenthese /. 'Einschub\ fachsprachl. Im 16. Raum im Theater’. Im 18. Jh. entlehnt aus
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. parenthesis, gleichbedeutend frz. parquet m., einer Ableitung
dieses aus gr. parenthesis (dass., wörtlich: 'das von frz. parc m. 'abgeschlossener Raum’ (s.
Dazwischenstellen’), einer Ableitung zu gr. Park). Von der Bedeutung 'abgeteilter Raum’
*parentithenai 'einschieben’, aus gr. entithenai erfolgt eine metonymische Übertragung auf
und gr. parä 'neben’, gr. en 'in’ und gr. tithenai Fußböden, die kassettenartig aufgebaut sind;
'setzen, stellen’. vgl. auch sich sicher auf dem Parkett der hohen
Etymologisch verwandt: s. Theke. Politik bewegen).
Parfüm n. (= eine duftende Flüssigkeit). Im Etymologisch verwändt: s. Park. — Brunt (1983), 406.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. parfum Parlament n. 'gewählte Volksvertretung’. Im
m. (wörtlich: 'Wohlgeruch’), einer postverbalen 13. Jh. mit der Bedeutung 'Unterredung’ ent¬
Ableitung von frz. parfumer 'mit Duft erfüllen’, lehnt aus frz. parlement m. 'Unterredung, Ver¬
dieses aus it. profumare (dass.), aus spl. *perfu- sammlung, Gerichtshof’, einer Ableitung von
mare 'stark duften’, zu 1. Jumäre 'rauchen, afrz. parier 'sprechen’, aus spl. paraulare (dass.),
dampfen, qualmen’, zu 1. fümus m. 'Rauch, zu afrz. parole, ml. parabole f. 'Wort, Spruch,
Dampf, Qualm’. Gerede’, aus 1. parabole f. 'Gleichnis’. Nach
Morphologisch zugehörig: Parfümerie, Parfümeur. — dem 15. Jh. wird das Wort seltener und dann
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 83. im 17. Jh. erneut aus ne. parliament, das aus
parieren1 swV. 'Angriff abwehren’. Im 15. Jh. der gleichen Quelle stammt, mit der weiterent¬
entlehnt aus gleichbedeutend it. parare (wört¬ wickelten Bedeutung 'Ständevertretung’ ent¬
lich: 'sich vorbereiten, Vorkehrungen treffen’), lehnt. Parlamentär 'Unterhändler’ wurde aus
dieses aus 1. paräre (dass.). gleichbedeutend frz. parlementaire übernom¬
Morphologisch zugehörig: Parade; etymologisch ver¬ men, das die alte Bedeutung 'Gespräch, Ver¬
wandt: parat. handlung’ fortsetzt; so auch parlieren 'reden,
parieren2 swV. 'ein Pferd mäßigen, anhalten’, plaudern’.
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Morphologisch zugehörig: Parlamentarier, Parlamen¬
deutend frz. parer, dieses aus span, parar (dass., tarismus; etymologisch verwandt: s. Parabel. — W. J.
Jones SN 51 (1979), 266.
wörtlich: 'Vorkehrung treffen’), aus 1. paräre
(dass.). Parmesan m. (= ein vollfetter Käse). Im 16.
Morphologisch zugehörig: Parade; etymologisch ver¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. parmesan,
wandt: s. parat. dieses aus it. parmigiano (dass.), so benannt
parieren3 swV 'gehorchen’, ugs. Im 16. Jh.
nach der italienischen Stadt Parma.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. pärere (wörtlich: Parodie /, 'komische, überzeichnende Nach¬
'erscheinen, sichtbar sein’). ahmung’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Etymologisch verwandt: s. transparent. tend frz. parodie, dieses aus 1. parödia 'Gegen¬
rede (bei der man sich der Worte des Vorredners
Parität /. 'Gleichsetzung, Gleichstellung’,
bedient)’, dieses zu gr. paröidetn 'ein Lied ko¬
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. paritas
misch nachahmen, verspotten’, zu gr. (poet.)
(dass.) zu 1. pär (s. Paar).
öide 'Lied, Gesang, Gedicht’ (s. auch para-).
Park m. In der heutigen Bedeutung im 18. Die Bedeutung 'überzeichnende Nachahmung’
Jh. entlehnt aus frz. parc unter zusätzlichem der neuzeitlichen Substantive nach dem griechi¬
Einfluß von dem (ebenfalls aus diesem entlehn¬ schen Verb.
ten) ne. park ('Grünanlage’ und 'Fahrzeug¬ Morphologisch zugehörig: Parodist, Parodislik; ety¬
park’). In der Bedeutung 'Gehege’ war das Wort mologisch verwandt: s. Ode. - E. Pöhlmann Glotta
schon früher entlehnt worden. Das französische 50(1972), 144-156; Jones (1976), 486.
Parodontose 529 partout

Parodontose /. (= eine Erkrankung des 'Teilchen’, einem Diminutiv zu 1. pars (-rtis) f.


Zahnbettes), fachsprachl. Neubildung zu gr. 'Teil’.
odoüs, odon (-öntos) m. 'Zahn’ mit dem Suffix
Etymologisch verwandt: s. Partei. - E. Leser ZDW
-ose 'Erkrankung’ (s. auch para-). Es ist bezeich¬ 15(1914), 65.
nungsmotivisch demnach 'eine Erkrankung des
partikulär Adj. 'eine Minderheit betreffend’,
neben den Zähnen Gelegenen’.
s. Partikel.
Parole /. 'Leitspruch, Kennwort, Behaup¬
tung’, s. Parlament. Partisan m. 'Untergrundkämpfer’, sonder-
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Paroli n. (in der Wendung jemandem Paroli
frz. partisan (wörtlich: 'Anhänger’), dieses aus
bieten), sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt aus
it. partigiano (dass.), einer Ableitung von it.
trz. paroli f. das Doppelte des ersten Einsatzes
parte f. 'Teil’, aus 1. pars (-rtis) f. (dass.). Be¬
im Kartenspiel’, dieses aus it. paroli PI. (dass.),
zeichnungsmotivisch ist der Partisan demnach
einem Diminutivum zu it. paro 'gleich’, aus 1.
'ein Anhänger einer kleinen Gruppe’; ausge¬
pär (dass.); frz.jouer ä paroli bedeutet demnach
hend von militanten Splittergruppen verengt
zunächst um den gleichen Einsatz, der zu einem
Spieleinsatz hinzugefügt wird, spielen’. Die sich die Bedeutung dann auf 'Untergrund¬
kämpfer’.
Wendung im Deutschen heißt also 'Gleiches
entgegenstellen’. Etymologisch verwandt: s. Partei. - E. Öhmann
NPhM 42(1941), 81 f.
Etymologisch verwandt: s. Paar.
Part m. 'Anteil, Rolle , fachsprachl. Seit mit¬ Partition /. 'Einteilung, Zerlegung’, s. Par¬
titur.
telhochdeutscher Zeit in verschiedenen Bedeu¬
tungen übernommen aus frz. part f. 'Teil, An¬ Partitiv m. 'Kasus, der anzeigt, daß nur ein
teil’, das auf 1. pars (-rtis) f. 'Teil’ zurückgeht. Teil der Sache gemeint ist’, s. Partitur.
Etymologisch verwandt: s. Partei. - W. Feldmann Partitur /. 'Zusammenstellung aller Stimmen
ZDW 8 (1906/07), 83; Schirmer (1911), 140.
eines mehrstimmigen Musikwerks’, fachsprachl.
Parte /. 'Todesanzeige’, österr. Gekürzt aus Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. parti-
Partezettel gleicher Bedeutung, das aus frz. don- tura, dieses aus ml. partitura 'Verteilung, Eintei¬
ner part 'Nachricht geben’ entlehnt ist. lung’, aus 1. pars (-rtis) 'Teil’. Bezeichnungsmo¬
Partei/. 'Gruppierung, Seite’. Im Mittelhoch¬ tivisch ist die Partitur demnach 'eine Übersicht
deutschen (mhd. partTe) entlehnt aus gleichbe¬ über die Einteilung des Musikwerks in die ein¬
deutend afrz. partie, einem substantivierten zelnen Stimmen’.
Partizip von afrz. partir 'teilen’, aus 1. partire Etymologisch verwandt: s. Partei.
(dass.), zu 1. pars (-rtis) 'Teil’. Partie hat als
Partizip n. (= eine infinite Form des Verbs),
spätere Entlehnung keinen Diphthong; in Land¬
fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
partie, Jagdpartie usw. liegt eine metonymische
Übertragung vor von 'Abteilung von Personen deutend 1. participium (wörtlich: 'das Teilneh¬
als Gesellschaft’ hin zu den Aktivitäten, die von men’), einer Substantivierung von 1. particeps
(-cipis) 'Anteil habend, beteiligt sein an’, zu
solchen Gruppen unternommen werden.
Etymologisch verwandt: apart, Apartheit, Apparte¬ 1. pars (-rtis) f. 'Teil’ und 1. capere 'nehmen,
ment, Part, [partial], Partie, partiell, Partikel, Parti¬ ergreifen’. Das Partizip ist eine Verbform, die
san, Partitur, Partizip, Partner, Party, Parzelle, Por¬ an der Nominalflexion teilnimmt.
tion, Proportion, Widerpart. Morphologisch zugehörig: partizipial, partizipieren-,
Parterre n. 'Erdgeschoß’. Im 19. Jh. im Deut¬ etymologisch verwandt: s. Partei und akzeptieren. Er¬
schen mit dieser Bedeutung versehen, zu älter satzwort ist Mittelwort. — E. Leser ZDW 15(1914),
63f.
'Gartenbeet, ebenerdiger Theaterraum’, das
entlehnt ist aus frz. parterre m. (dass.), einer partizipieren swV. 'teilhaben’, s. Partizip.
Zusammenrückung aus frz. par terre 'in der Partner m. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. partner,
Höhe der Erde’, aus 1. terra f. 'Erde’. Die Be¬ das von ne. part 'Teil’ abhängig ist. Umbildung
deutungsentwicklung im Deutschen geht aus aus me. parcener n., das auf afrz. parconier
von Verwendungen wie sie wohnen parterre zurückgeht. Dieses aus 1. partiönärius 'Teilha¬
'ebenerdig’. ber’ (zu 1. partltio f. 'Teilung’, über 1. partire
Etymologisch verwandt: s. Terrasse. — Jones (1976), 'teilen’ zu 1. pars [-rtis] f. 'Teil’).
488; Brunt (1983), 407f.
Etymologisch verwandt: s. Partei. — Schirmer (1911),
Partezettel m., s. Parte. 141; Ganz (1957), 167.
Partie f. 'Teil, Runde, Ausflug’, s. Partei. partout Adv. 'durchaus, unter allen Umstän¬
partiell Adj. 'teilweise’, s. Partei. den’, ugs. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. partout
Partikel n. 'Teilchen’; /. 'unflektierbares 'überall’, aus frz. tout 'ganz’ (s. auch per-), aus
Wort’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. particula f. I. tötus (dass.). Demnach eine metaphorische
Party 530 passieren

Übertragung einer lokalen Bezeichnung in den gen, die in der heutigen Sprache keine Rolle
Bereich einer modalen Gesamtheit. mehr spielen.
Morphologisch zugehörig: Passepartout; etymologisch S. passieren ( + ), Paßglas, zupaß.
verwandt: s. total. — Jones (1976), 491; Brunt (1983), Paß2 m. 'Ausweis’. So seit dem 17. Jh. im
408. Einklang mit nndl. pas. Gekürzt aus paßbrif
Party /. 'gesellige Feier’, s. Partei. und paßport, die seit dem 15. Jh. bezeugt sind.
Parvenü m. 'Aufsteiger, Neureicher’, sonder- Letzteres ist entlehnt aus frz. passeport (wie it.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend passaporto 'das Mitgeführte für den Durch¬
frz. parvenu(e), einer Substantivierung von frz. gang, die Durchreiseerlaubnis’); ersteres ist eine
parvenir 'hinkommen, gelangen’, aus 1. pervenire Teilübersetzung.
(dass.), zu 1. venire 'kommen’ (s. auch per-). Etymologisch verwandt: s. passieren. — G. Schoppe
Bezeichnungsmotivisch ist der Parvenü dem¬ ZDW 15(1914), 198.
nach 'jmd., der (zu den Wohlhabenden) hinzu¬ passabel Adj. 'annehmbar’, s. passieren.
gekommen ist’. Passage/. 'Durchfahrt, Durchgang, Reise’, s.
Etymologisch verwandt: s. Advent. Ersatzwort ist Em¬ passieren.
porkömmling. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 84.
Passagier m. 'Reisender, Fahrgast’, s. pas¬
Parze /. 'Schicksalsgöttin’, fachspraehl. Im sieren.
15. Jh. entlehnt aus 1. Parca und noch lange in
Passant m. 'Fußgänger, Durchreisender’, s.
lateinischer Form verwendet. Im 17. Jh. Plural
passieren.
Parzen und daraus rückgebildet der heutige Sin¬
gular. Die Herkunft des Namens ist ungesi¬ Passat m. (= ein tropischer Ostwind), fach-
chert. sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
mndl. passaat, desssen weitere Herkunft nicht
Parzelle /. 'kleines Stück Land’, s. Partei.
sicher geklärt ist.
Pasch m. Im 17. Jh. über das Niederländische Kluge (1911), 608; E. Öhmann NPhM 41 (1940), 39.
in regionaler Aussprache übernommen aus frz.
passe Adj. 'vorbei’, s. passieren.
passe-dix, wörtlich 'überschreite zehn’, einem
Spiel mit drei Würfeln, bei dem nur gewinnen passen swV. Im 13. Jh. nordwd. (ge)passen
kann, wer mehr als 10 Augen und auf zwei 'zum Ziel kommen, erreichen’, entlehnt aus frz.
Würfeln gleiche Augenzahl wirft. Dazu paschen passer 'vorübergehen, hingehen’. Daraus zu¬
'würfeln’. nächst die neuhochdeutsche Bedeutung 'gut sit¬
zen, angemessen sein’, wie auch in anpassen und
Pascha m. 'herrischer Mann, der sich gerne jemandem etwas verpassen (eigentlich 'anpro¬
bedienen läßt’. Im 18. Jh. entlehnt aus türk. bieren’); ebenso unpäßlich (s. d.) und in Fremd¬
pasa (= ein hoher türkischer Titel), aus pers. wortform passabel. Ein zweiter, ebenfalls im
pädisäh 'Oberkönig’. Die Bedeutung im Deut¬ Mittelniederdeutschen / Mittelniederländischen
schen aufgrund eines Vergleichs „Mann, der vorgegebener Bedeutungsbereich ist 'sich hin¬
sich wie ein (türkischer) Pascha benimmt“. wenden zu’, das zu aufpassen und etwas verpas¬
S. Schach. - A. Gombert ZDW 3 (1902), 324; G. sen führt. Spät (17. Jh.) ist die Bedeutung 'ver¬
Schoppe ZDW 15 (1914), 198; Littmann (1924), 106. zichten’ beim Kartenspiel ('an etwas vorüber¬
paschen swV. 'schmuggeln’, ugs. Aus dem gehen’).
Rotwelschen, in dem seit dem 18. Jh. passen, S. passieren ( + ). — G. Schoppe ZDW 15 (1914), 199.
baaschen 'kaufen’ bezeugt ist. Herkunft unklar; Passepartout n./(m.) 'überall geltender Paß’,
man vermutet zigeuner. päs f. 'Teil’ als Grund¬ dann auch 'auswechselbarer Rahmen’ und
lage. Ein anderes paschen unter Pasch (s. d.). 'HauptschlüsseF, s. Paß1 und partout.
Kluge (1901), 240, 341; Wolf (1985), 238f.
Paßglas n. 'Meßglas’, fachspraehl. Zu Paß1
Paspel fl(m.) 'Litze’, fachspraehl. Entlehnt in der Bedeutung 'rechtes Maß’ (s. d.). Bezeugt
aus frz. passepoil m. gleicher Bedeutung und seit dem 17. Jh.
dem deutschen Lautstand angepaßt. Das fran¬
passieren swV. 'geschehen, Vorbeigehen,
zösische Wort bedeutet eigentlich 'über das
durchgehen’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Haar/Gewebe hinausgehend’.
deutend frz. passer, aus spl. *passare 'schreiten’,
Paß1 m. (= Übergang im Gebirge u. a.). Ent¬ zu 1. passus 'Schritt, (wörtlich: das Ausspreizen
lehnt aus frz. pas 'Schritt, Gang’, das auf gleich¬ der Beine beim Gehen)’, zu I. pandere (passum)
bedeutendem 1. passus beruht. Entlehnt wird 'auseinanderbreiten, ausspreizen’, einem Kau-
zunächst die Bedeutung 'Durchgang’ (15. Jh.), sativum zu 1. patere 'offen sein, offenstehen’.
im 16. Jh. die Bedeutung 'Gang (des Pferdes)’; Dazu passabel 'gangbar, annehmbar’, Passage
eine Bedeutung 'rechtes Maß’ hängt zusammen 'Reise, Durchgang’, Passagier 'Reisender, Fahr¬
mit passen (s. d.); dann auch weitere Bedeutun¬ gast’, Passant 'Fußgänger, Durchreisender’,
passim 531 Pater

passe vorbei’, passim 'im Vorübergehen, an ver¬ pasta 'Teig’, das vermutlich aus dem Griechi¬
schiedenen Stellen’, Passus 'Abschnitt, Abge¬ schen stammt.
messenes’.
Etymologisch verwandt: s. Pastell.
Morphologisch zugehörig: en passant: etymologisch
pasteurisieren swV. 'durch Erhitzen keimfrei
verwandt: Expansion (usw.), Fauxpas, Kompaß, Paß'!1,
passen, Passus, Patent, pesen, Spaß; zum Etymon s' machen’, fachsprachl. Bildung zum Eigennamen
Faden. - J. W. Walz ZDW 12 (1910), 192; G. Schoppe Louis Pasteur, einem französischen Biologen
ZDW 15 (1914), 199; Ganz (1957), 167f.; K.-H. Wein¬ und Chemiker, der im 19. Jh. die Grundlagen
mann DWEB 2 (1963), 400; Jones (1976), 499-501. der praktischen Sterilisationsmaßnahmen
schuf.
passim Adv. im Vorübergehen, an verschiede¬
nen Stellen’, s. passieren. Morphologisch zugehörig: Pasteurisation.
Pastille/. (= ein mit Wirkstoffen versetztes
Passion/. 'Leidenschaft, Darstellung der Lei¬
Kügelchen), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
densgeschichte Christi’. Im Mittelhochdeut¬
gleichbedeutend 1. pästillus m. 'Kügelchen aus
schen (mhd. passiön m., passie) entlehnt aus
Mehlteig’ (wörtlich: 'kleines Brötchen’), einem
kirchen-1. passio (-önis) 'Leiden Christi’, aus
Diminutivum zu 1. pänis m. 'Brot’.
spl. passio (-önis) 'Leiden, Erdulden, Krank¬
Etymologisch verwandt: s. panieren. - W. Feldmann
heit’, einer Ableitung von 1. patT (passus sum)
ZDW 8 (1906/07), 84.
'erdulden, hinnehmen, sich in einer Stimmung
Pastor m. 'Geistlicher’. Im Frühneuhoch¬
befinden’. Die Bedeutung 'Leidenschaft’ wird
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend ml. pa-
aus dem Französischen übernommen, wo sie
stor „Seelenhirte“, aus 1. pästor 'Hirte’, zu 1.
sich als Spezialisierung und Intensivierung von
päscere (pästum) 'fressen lassen, weiden lassen,
'sich in einer Stimmung befinden’ herausbildet.
weiden’. Seit der Reformation ist Pastor die
Das Passiv wird verstanden als die Diathese des
Bezeichnung für protestantische Geistliche.
Erleidens; Passiva 'Verbindlichkeiten’ ist Ge¬
Morphologisch zugehörig: pastoral, Pastoral, Pasto¬
genwort zu Aktiva.
rale, Pastorat, Pastorelle.
Morphologisch zugehörig: passioniert; etymologisch
verwandt: [passiv], [Passivität], Patience, [Patiens], Pate m. Mhd. bäte, pate, mndd. pade. Ur¬
Patient. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 84; W. J. sprünglich norddeutsche Entlehnung aus 1. pa¬
Jones SN 51 (1979), 266f. ter (spirituälis) 'geistiger Vater, Pate’ mit Abfall
des auslautenden r und schwacher Flexion. Ver¬
passioniert Adj. 'leidenschaftlich’, s. Passion.
wandt ist mhd. pfetter, hd. (dial.) Pfetter glei¬
Passiv n. (= eine Diathese des Verbs), s. cher Bedeutung aus der ml. Weiterbildungpatri-
Passion. nus. Im Neutrum (häufig auch Diminutiv Pat¬
Passiva /. 'Verbindlichkeiten’, s. Passion. chen u. ä.) bedeutet das Wort Patenkind.
Passus m. 'Abschnitt’, s. passieren. S. Patrizier (+). — R. Hildebrandt in: FS Schmitt
(1988), 667-670.
Pasta /. ( = Gericht aus Spaghetti und einer
Patent n. (= eine Urkunde über bestimmte
Tomaten-EIackfleisch-Sauße), s. Paste.
Rechte). Im 17. Jh. entlehnt aus frz. patente f.
Paste/. Im 15. Jh. entlehnt aus it. pasta, zu it. 'Bestallungsbrief, Gewerbeschein’, dieses eine
pasta asciutta 'Teigwaren’ (wörtlich: 'trockener gekürzte Substantivierung aus frz. lettre patente
Teig’, aus ml. pasta 'Teig’, das vermutlich aus f. 'offener Brief’, nach 1. (littera) patensf. 'offe¬
dem Griechischen stammt); so häufig noch in ner (Beglaubigungs)Brief des Landesherm’, zu
Zahnpasta, sonst Paste. Eine neue Entlehnung 1. patens (-entis) 'offen’, dem PPräs. von 1.
desselben Wortes ist Pasta 'Nudelgericht’. patere 'offen sein, offenstehen’. (Das moderne
Etymologisch verwandt: s. Pastell. Patentwesen besteht seit dem 19. Jh.). Das Ad¬
Pastell n. (= ein mit sehr zarten Farben jektiv patent ist neugebildet nach Zusammenset¬
gemaltes Bild), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt zungen wie Patentstrümpfe, Patentknöpfe
'Strümpfe, Knöpfe, die nicht nachgeahmt wer¬
aus it. pastello m. 'Malerstift’ (und frz. pastel
den dürfen’; es erhält die Bedeutungen 'mo¬
m. [dass.]), einem Diminutivum zu it. pasta f.
disch’ und 'praktisch, nützlich; geschickt,
'Teig, Brei’, aus ml. pasta f. (dass.), das vermut¬
selbstbewußt’.
lich aus dem Griechischen stammt. Die Stifte
Etymologisch verwandt: s. passieren. — Ä. Gombert
sind so bezeichnet, weil sie durch Trocknen und
ZDW 3 (1902), 324; Schirmer (1911), 141; G. Schoppe
Formen einer bestimmten Farbpaste hergestellt ZDW 15 (1914), 199; Ganz (1957), 168f.
werden.
Pater m. 'Klostergeistlicher’. Zu verschiede¬
Etymologisch verwandt: Paste, Pastete.
nen Zeiten der lateinischen Anrede Pater (ei¬
Pastete /. (= ein Teiggericht mit Fleisch gentlich 'Vater’) für Klostergeistliche (zunächst
u. ä.). Im Mittelhochdeutschen (mhd. pastede, nur für den Abt) entnommen.
pastete, bastede) entlehnt aus gleichbedeutend S. Patrizier ( + ). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
ml. *pastatum, pastata, einer Ableitung von ml. 84.
Paternoster 532 patschen

Paternoster m. 'umlaufender, offener Auf¬ tend frz. patriote (auch: 'Landsmann’), dieses
zug’. Bildung zu Paternoster 'Vaterunser’, zu 1. aus 1. patriöta 'Landsmann’, dieses aus gr. pa-
pater noster 'Vater unser’, den Anfangsworten triötes f. (dass.), zu gr. pätrios 'vaterländisch,
des Gebets. Kurzform von Paternosterwerk, väterlich’, zu gr. patriä f. 'Volk, Abstammung’,
nach einem Vergleich der Zug- und Hebeketten zu gr. pater 'Stammvater, Urvater, Vater’. Die
mit den aufgerichteten Ketten der sogenannten Bedeutung 'Person mit großer Vaterlandsliebe’
Paternosterschnur (= der Rosenkranz). entsteht aus Fügungen wie guter Patriot 'guter
pathetisch Adj. 'feierlich, übertrieben, zu ge¬ Landsmann’, deren Attribute 'gut’ usw. in das
fühlvoll’, s. Pathos. Substantiv inkorporiert werden.
Morphologisch zugehörig: Patriotismus; etymologisch
pathologisch Adj. 'krankhaft’, s. Pathos. verwandt: Patriarch (usw.), [Patristik]; zum Etymon
Pathos n. 'Leidenschaft, überzogener Gefühls¬ s. Vater. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 84; W.
ausdruck’, sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt Krauss WZUH 19 (1970), 79-83; Jones (1976), 502f.
aus gr. päthos 'Leiden, Leidenschaft’, zu gr. Patrizier m. 'vornehmer, wohlhabender Bür¬
päschein 'leiden, erleiden, erdulden’. ger’, fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen
Morphologisch zugehörig: Pathetik, pathetisch, patho¬ entlehnt aus 1. patricii PI. 'die bevorrechteten
gen, pathologisch; etymologisch verwandt: Antipathie, Bürger (des alten Roms)’, einer pluralischen
Apathie (usw.), Homöopathie, Psychopath, Sympathie Substantivierung von 1. patricius 'zum Stande
(usw.), Telepathie. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
der 1. patres gehörig’, zu 1. pater 'Vater’. Ge¬
84.
meint sind damit die Angehörigen des Geburt¬
Patience /. (= ein Kartenspiel), fachsprachl. sadels aus der Frühzeit Roms.
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Morphologisch zugehörig: Patriziat; etymologisch ver¬
patience (wörtlich: 'Geduld’), dieses aus 1. pa- wandt: Pate, Pater, Patron, Patrone; zum Etymon s.
tientia 'Geduld, Erleiden, Erdulden’, zu 1. pa- Vater.
tiens 'erdulden, geduldig’, dem adjektivischen
Patron m. 'Schutzherr’, besonders Schutzpa¬
PPräs. von 1. patt (passus sum) 'erdulden, hin¬
tron 'Schutzheiliger’. Mhd. patrön(e) 'Schutz¬
nehmen’.
herr’, entlehnt aus 1. patrönus 'Schutzherr’, auch
Etymologisch verwandt: s. Passion.
'Verteidiger vor Gericht’, zu 1. pater 'Vater’. Das
Patient m. 'pflegebedürftige, kranke Person’. Patronat ist im 18. Jh. das Recht des Grundher¬
Neubildung des 16. Jhs. zu 1. patiens (-entis) ren, eine Stelle zu besetzen (iüs patrönätus); in
'duldend, leiden’, dem PPräs. von 1. patT (passus neuerer Zeit die 'Schirmherrschaft’.
sum) 'erdulden, hinnehmen, sich in einer Stim¬ Morphologisch zugehörig: Patrone; etymologisch ver¬
mung befinden’. wandt: s. Patrizier. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
Etymologisch verwandt: s. Passion. — W. Feldmann 07), 84.
ZDW 8 (1906/07), 84. Patrone/. 'Metallhülse mit Geschoß’. Im 16.
Patina /. (= grünliche Schicht auf Kupfer), Jh. entlehnt aus frz. patron m. 'Form, Muster,
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Modell’, einer französischen Sonderbedeutung
deutend it. patina (älter: 'Firniß, Lackierung’), von Patron (s. d.). Zunächst Bezeichnung der
aus 1. patina 'Pfanne, Pfannengericht’. Wohl aus Papier, Leinwand u. ä. hergestellten Form
metonymisch so bezeichnet als Besatz auf Pfan¬ für die Treibladung von Feuerwaffen; dann Be¬
nen und weiterem metallenen Kochgeschirr. zeichnung für Geschoß, Treibladung und Zünd¬
Übertragen in Wendungen wie etwas setzt Pa¬ hütchen in einer Metallhülle.
tina an 'ist veraltet, überholt’. Etymologisch verwandt: s. Patrizier.
Morphologisch zugehörig: patinieren; etymologisch Patrouille/. 'Erkundung, Erkundungstrupp’.
verwandt: Pfanne. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Patriarch m. 'Bischof, hoher Geistlicher’, Patrouille, einer postverbalen Ableitung von frz.
fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. pa- patrouiller, patouiller 'herumstapfen’, zu frz.
triarcjhe], patriarke) entlehnt aus gleichbedeu¬ patte 'Pfote’.
tend kirchen-1. patriarcha, patriarches dieses aus Ersatzwort ist Streifwache. - Jones (1976), 504; Brunt
gr. patriarches (dass., wörtlich: 'Oberhaupt der (1983), 41 lf.
Sippe, Stammvater’), zu gr. patriä f. 'Volk, Ab¬ patschen swV. Lautmalend für 'ins Wasser
stammung’ (zu gr. pater 'Stammvater, Urvater, schlagen u. ä.’, ugs. Bezeugt seit dem 15. Jh.
Vater’) und gr. drehe in 'herrschen, Führer sein’. Dazu Patsch m., Patsche f. 'klatschender
Morphologisch zugehörig: patriarchal, Patriarchat, pa- Schlag, (klatschende) Hand, Straßenschmutz
trimonial, Patrimonium; etymologisch verwandt: s. Pa¬
(in den gepatscht wird)’. Zu letzterem seit dem
triot und Anarchie.
17. Jh. in der Patsche sitzen (u. ä.) 'in Verlegen¬
Patriot m. 'jmd., der sehr vaterländisch einge¬ heit sein’, eigentlich 'im Straßenschlamm festsit¬
stellt ist’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ zen’ (von einem Wagen o. ä.).
patt 533 Pedell

patt Adj., auch neutrales Substantiv. Im 19. durchpausen’ (zu frz. ponce 'Bimsstein’). Die
Jh. entlehnt aus frz. pat m. 'Stellung im Schach¬ Einzelheiten bleiben aber unklar.
spiel, bei der nicht mehr gezogen werden kann,
Pavian m. (= eine Affenart), fachsprachl. Im
ohne daß der König angegriffen ist’. Die Stel¬
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend nndl. ba-
lung gilt als unentschieden, daher die übertra¬
viaan, dieses aus frz. babouin (dass., wörtlich:
gene Bedeutung 'Handlungsunfähigkeit zweier
'Dummkopf, groteskes kleines Tier’), aus ml.
Parteien, ohne daß eine im Vorteil wäre’. Wei¬
babewynus (dass.). Die weitere Herkunft ist
tere Herkunft unklar.
nicht sicher geklärt.
patzen swV. 'mangelhaft arbeiten’, ugs. Wohl
Pavillon m. 'runder, freistehender Bau, fach¬
aus regionalem Patzen m. 'Klecks’ (österr.), der
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. pavillon
beim Schreiben als Mangel empfunden wird.
Zelt’, dieses aus 1. päpilio (-önis) (dass., älter:
Vielleicht dasselbe Wort wie Batzen (s. d.). Dar¬
Schmetterling’). Von 'Zelt’ dann übertragen
aus Patzer '(grober) Fehler’; auch 'jmd., der
auf weitere, festere kleine Bauten.
grobe Fehler macht’.
Jones (1976), 505.
S. patzig.
Pazifik m.(= Ozean zwischen Amerika, Aus¬
patzig Adj. 'schroff’, ugs. Fnhd. patzig, batzig
tralien und nordöstlichem Asien). Im 19. Jh.
gehört zu Batzen, Patzen 'Klumpen, Fleck’. Wie
entlehnt aus gleichbedeutend ne. Pacific
bei pampig (s. d.) wird 'klumpig’ übertragen zu
(Ocean), dieses aus 1. päcijicus 'friedlich, Frie¬
'aufgeblasen’ und weiter zu 'schroff, unfreund¬
den stiftend’, zu 1. päx (-äcis) f. 'Friede’ und
lich’.
1. facere 'machen’. So benannt von Magellan,
S. patzen.
nachdem er auf seiner Durchquerung keine hef¬
Pauke /. Mhd. püke, bouke unklarer Her¬ tigen Stürme zu meistern hatte.
kunft, vermutlich lautmalend (vgl. päng u. ä.). Etymologisch verwandt: s. Palisade.
Das Verbum pauken als Kraftwort für 'schlagen’
Pazifismus m. 'Weltanschauung, die den Ver¬
hat eine Reihe von Sonderbedeutungen entwic¬
zicht auf jegliche militärische Handlungen ver¬
kelt: 'Mensur schlagen’ in der Studentenspra¬
folgt’. Neubildung zu 1. päcificus 'friedlich’ (s.
che; einpauken ist wie einbläuen ein Kraftwort Pazifik).
für zwangsweises Lernen und Lehren (dazu
Pech n. Mhd. pech, bech, ahd. peh, beh, as.
Pauker 'Lehrer’). Rückbildung ist Pauke 'schal¬
pik. Wie ae. pic, anord. bik entlehnt aus 1. pix
lende Rede’, wozu Standpauke 'Strafpredigt’
f-icis) /.; schon alt auch als Bild für die Hölle
{aus dem Stand gehalten, wie die Standrede der
gebraucht. Pech haben und Pechvogel stammt
älteren Sprache).
wohl vom Vogelfang mit Pechruten, doch kann
Relleke (1980), 111, 245-247. Zu Pauker: Nyström
(1915), 135. auch das Bild für die Hölle mitgewirkt haben.
S. pichen ( + ), Pick2.
Pauker m., s. Pauke.
pecken swV. 'stark trinken’, s. picheln.
Pausbacken PI. 'dicke Backen’, ugs. Bezeugt
seit dem 18. Jh. Älter ist das Bahuvrlhi-Kompo- Pedal n. 'Hebel, Tretkurbel’. Neubildung des
situm Pausback (Bausback, Pfausback) 'jmd. 16. Jhs. zu 1. pedälis 'zum Fuß gehörig’, zu 1.
mit dicken Backen’, auch als Übername. Zu pes (-edis) m. 'Fuß’.
pausen, pfausen, bausen 'blasen, aufblasen’, das Etymologisch verwandt: Depesche, Expedition, Moped,
Pediküre, Pionier, Spedition (usw.), Veloziped; zum
zu der unter Bausch behandelten Lautgebärde
Etymon s. Fuß.
gehört.
Pedant m. 'übertrieben exakter, kleinlicher
pauschal Adj. 'im ganzen, undifferenziert’. Im
Mensch’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend neo-1. pau¬
tend frz. pedant (auch: 'Schulmeister’), dieses
schale, einer Ableitung von d. Pausch (-quan-
aus it. pedante (dass.), vielleicht zu gr. paideüein
tum) 'Gesamtabfindung (an Stelle von Einzel¬
'erziehen, bilden, unterrichten, (wörtlich: ein
gebühren)’, zu d. Bausch (s. d.).
Kind erziehen)’, zu gr. paTs (-idös) mjf 'Kind,
Morphologisch zugehörig: Pauschale, pauschalieren,
Knabe’. Die Bezeichnung für Schulmeister wird
pauschalisieren, Pauschalität.
mit abwertendem Nebenton übertragen auf eine
Pause /. Mhd. püse. Wie mndl. pose entlehnt ihnen zugeschriebene Eigenschaft.
aus afrz. pause (aus 1. pausa, dieses aus gr. paüsis Morphologisch zugehörig: Pedanterie, Pedantismus\
'Ruhe, Rast’ [nur mit Präfixen häufiger], zu gr. etymologisch verwandt: s. Pädagogik. — G. Schoppe
päuein 'aufhören machen, beenden’). ZDW 15 (1914), 199; W. J. Jones SN 51 (1979), 267.
Miettinen (1962), 296-314. Pedell m. 'Hausmeister einer Schule’, arch.
pausen swV. 'durchzeichnen’. Bezeugt seit Im 14. Jh. entleht aus ml. pedellus, bedellus
dem 18. Jh., auch als bausen. Vermutlich ent¬ 'Diener, Bote’, dieses aus ahd. bitil ('Freier,
lehnt aus frz. poncer 'mit Bimsstein abreiben, Werber’, wörtlich: 'Bittender’), zu ahd. bit(t)en
Pediküre 534 Pendel

'bitten’ (s. bitten), vielleicht vermischt mit Büttel Anschluß an Steinbeißer, der sich an Steinen
(s. d.). Die allgemeine Bezeichnung für 'Diener, ansaugt).
Dienstbote’ wird hier eingeschränkt auf einen Bielfeldt (1965), 48; Eichler (1965), 92.
bestimmten Bediensteten. pejorativ Adj. 'abwertend’, fachsprachl. Ent¬
Pediküre /. 'Fußpflege’, fachsprachl. Im 20. lehnt aus gleichbedeutend 1. peioratus, dem ad¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. pedicure, jektivischen PPP. von 1. peiorare 'verschlech¬
einer Neubildung zu 1. pes (-edis) m. 'Fuß’ und tern’.
frz. eure 'Pflege, Sorge’ (aus 1. cüra [dass.]). Morphologisch zugehörig: Pejoration, Pejorativum.
Etymologisch verwandt: s. Pedal und Kur. Pelerine /. 'Umhang’, arch. Entlehnt aus
Peep-Show/. (= Kabinen mit einer durch ein gleichbedeutend frz. pelerine (wörtlich: 'von Pil¬
kleines Fenster gegen Entgelt zu betrachtenden gern getragener Umhang, Kragen des Pilger¬
nackten Frau), sonder spracht. Im 20. Jh. ent¬ mantels’), zu frz. pelerin m. 'Pilger’, dissimiliert
lehnt aus gleichbedeutend ne. peep-show, zu e. aus kirchen-1. pelegrinus m. (dass.) (s. Pilger).
peep 'durch eine kleine Öffnung sehen’, dessen Pelikan m. (= ein großer Schwimmvogel).
weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist (s. Im Mittelhochdeutschen (mhd. pellicän) ent¬
Show). lehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. pelicänus,
Pegel m. 'Wasserstand\ fachsprachl. Im 18. dieses aus gr. pelekän (dass.), zu gr. pelekys
Jh. übernommen aus ndd. mndd. pegel, peil, 'Beil, Doppelaxt’. Angeblich so bezeichnet nach
mndl. pegel 'Wasserstandsmarke’, das aus ml. der Schnabelform.
pagella f. 'Maßstab’ entlehnt ist. Dieses bedeu¬ Suolahti (1909), 388-393.
tet ursprünglich 'Spalte’ und ist Diminutiv zu Pelle /. 'Schale’, ndd., besonders bei Kartof¬
1. pagina f. 'Seite’. feln, deshalb Pellkartoffeln. Entlehnt aus mndd.
S. peilen. mndl. pelle (dass.), das zu mndd. mndl. pellen
peilen swV. 'den Standort bestimmen’, fach¬ 'schälen’ gebildet ist (im 15. Jh. als fnhd. pellen
sprachl., ndd. Ursprünglich 'die Wassertiefe auch ins Deutsche entlehnt). Dieses aus afrz.
messen’. Aus dem Niederdeutschen/Niederlän¬ peler 'schälen’, das aus dem Lateinischen
dischen übernommen als Ableitung zu Pegel stammt. Es kommen aber zwei Wörter als Aus¬
(s. d.) in einer Lautvariante. gangspunkt in Frage, die sich möglicherweise
Kluge (1911), 610. vermischt haben, nämlich 1. pellis 'Haut’ und
Pein /., arch. Mhd. pin m., pln(e), ahd. as. frz. peler 'enthaaren, schälen’ aus 1. piläre 'ent¬
plna. Wie afr. pme, ae. *pin, in ae. pmian 'peini¬ haaren’.
gen’ entlehnt aus spl. pena 'Höllenstrafe’; dar¬ S. Pelz, kompilieren ( + ). — Frings (1932), 180.
aus über 'Höllenqualen’ die heutige Bedeutung. Pelz m. Mhd. bel(ll)z, bellez, ahd. pelliz,
Das spätlateinische Wort aus 1. poena 'Buße, mndd. mndl. pels. Wie spae. pilece f. entlehnt
Strafe u. ä.’, das seinerseits aus gr. poine gleicher aus spl. pellicia 'Pelz’, einer Ableitung von 1.
Bedeutung entlehnt ist. pellis f. 'Haut’, vielleicht unter Einfluß von 1.
S. peinlich, penibel, verpönt. — HofTmann (1956), pilus 'Haar’.
30-33. S. Pelle, kompilieren ( + ).
peinlich Adj. Mhd. plnlich, eigentlich 'Pein pelzen swV. 'pfropfen, veredeln’, arch., südd.
verursachend, schmerzlich’, daraus die heutige Mhd. beizen, pelzen, phelzen, ahd. pelzön. Ent¬
Bedeutung 'unangenehm’. Eine rheinische Va¬ lehnt aus gallo-rom. *impeltäre 'einpropfen’
riante ist pingelig 'zimperlich, leicht gekränkt, (prov. empeltar) zu 1. pelta 'kleiner leichter
pedantisch’. Schild’ (so wird übertragen das Auge des Edel¬
S. Pein ( + ). reises genannt).
Peitsche/. Spmhd. pitsche. Im 14. Jh. aus den Lloyd/Springer (1988ff.), I, 537f.
damals noch lebenden westslavischen Mundar¬ Pendant n. 'passendes Gegenstück’, sonder-
ten ins Ostmitteldeutsche entlehnt. Vgl. obsorb. sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
bic, vorauszusetzen ist akslav. bici 'Geißel’ zu frz. pendant m., einem substantivierten Gerun¬
akslav. biti 'schlagen’. dium von frz. pendre 'herabhängen’, aus gallo-
Peitzker m. (= Süßwasserfisch), fachsprachl. rom. pendere (dass.), aus 1. pendere (dass.),
Im 14. Jh. entlehnt aus dem Slavischen (poln. einem Intensivum zu 1. pendere (pensum) 'wä¬
piskorz, obsorb. piskor, zu poln. pisk 'Pfeifen, gen, beurteilen, (wörtlich: herabhängen lassen)’.
Quietschen u. ä.’ als 'Pfeifer’, weil der Fisch Etymologisch verwandt: s. Pensum. Ersatzwort ist Ge¬
beim Ergreifen einen pfeifenden Ton von sich genstück. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 84f.
gibt, indem er Luft aus der Schwimmblase Pendel n./(m.) Im 18. Jh. entlehnt aus ml.
preßt). Auch Beitscher, Beißker, Bißgurre u. ä. pendulum n. 'Schwinggewicht’ (zu 1. pendulus
Auch umgeformt zu Schlammbeißer (s. d., im 'herabhängend’, das zu 1. pendere '(herab)hän-
penetrant 535 Pep

gen’ gehört), zunächst in der Form Pendul, die pennen swV. 'schlafen’, ugs. Übernommen aus
sich noch lange hält. Davon pendeln und Pend¬ rotw. pennen gleicher Bedeutung. Dessen Her¬
ler mit modernen Sonderbedeutungen (pendeln kunft ist nicht ausreichend klar. Man vermutet
als Verfahren der Wahrsagerei und für den Ver¬ wjidd. pannai 'müßig’ als Ausgangspunkt. Vgl.
kehr zwischen Wohnort und Arbeitsplatz). die Einwirkung auf Penne (s. d.).
Etymologisch verwandt: s. Pensum. J. Knobloch ZDPh 96(1977) ( = Sonderheft), 87f.
penetrant Adj. 'durchdringend, hartnäckig’. Pension /. 'Ruhestand(sgeld), Fremdenunter¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. kunft’. Im 15. Jh. entlehnt aus frz. pension 'Ge¬
penetrant, dem PPräs. von frz. penetrer 'durch¬ halt, Ruhegehalt’, dieses aus 1. pensio (-önis)
dringen’, dieses aus 1. peneträre (dass.), zu 1. 'Zahlung, Auszahlung, (wörtlich: Wägen, Ab¬
penitus 'innerlich’. wägen)’, zu 1. pendere (pensum) 'wägen, abwä¬
Morphologisch zugehörig: Penetranz, Penetration. — gen, (wörtlich: herabhängen lassen)’. Seit dem
W. Feldmann ZDIVS (1906/07), 85; Brunt (1983), 414.
18. Jh. wird die Bezeichnung der Bezahlung für
penibel Adj. 'übertrieben genau, kleinlich’. Im Kost und Logis metonymisch übertragen auf
18. Jh. entlehnt aus frz. penible 'mühsam, 'Unterkünfte, in denen man gegen Bezahlung
schmerzlich’, einer Ableitung von afrz. peine wohnen und essen kann’ (auch in Erziehungs¬
'Strafe, Schmerz’, dieses aus 1. poena 'Genugtu¬ anstalten: Pensionat). Pensionieren bedeutet
ung, Buße, Strafe’, aus gr. poine (dass.). Die demnach eigentlich 'Ruhestandsgeld ausbezah¬
Bedeutungsentwicklung im Deutschen geht aus len’; dann 'in den Status versetzen, der zu Ruhe¬
von 'mühsam arbeiten’, d. h. 'sich Mühe ma¬ standsbezügen berechtigt’.
chen’; daraus dann 'mit großer Sorgfalt bear¬ Morphologisch zugehörig: Pensionär, Pensionist; ety¬
beiten’, dann 'übertrieben genau’. mologisch verwandt: s. Pensum. — W. Feldmann
Morphologisch zugehörig: Penibilität; etymologisch ZDW 8(1906/07), 85; G. Schoppe ZDW 15(1914),
verwandt: s. Pein. — Brunt (1983), 414. 199; Brunt (1983), 415.
Penicillin n. (= ein Antibiotikum), fach- Pensum n. 'zu erbringende Leistung’. Im 17.
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. pensum (ur¬
ne. penicillin, dieses aus 1. Penicillium notatum, sprünglich: 'die den Sklavinnen als Tagesarbeit
dem Namen eines Schimmelpilzes, aus 1. penicil¬ abgewogene Wolle’), dem substantivierten PPP.
lium 'Pinsel, Wundfäden, gezupfte Leinwand’, von 1. pendere (pensum) 'wägen, abwägen,
einem Diminutivum zu 1. peniculus m. 'Pinsel, (wörtlich: herabhängen lassen)’.
Bürste, Schwamm’, einem Diminutivum zu 1. Etymologisch verwandt: [Appendix], Dispens, [Impon¬
penis m. 'Schwanz, männliches Glied’. Der so derabilien], Kompendium, kompensieren (usw.), Pen¬
benannte Schimmelpilz ist der natürliche Pro¬ dant, Pendel, Pension (usw.), Penthaus, Perpendikel,
duzent des nach ihm benannten Antibiotikums. Pfand, Pfennig, Pfund, Speise, spenden (usw.), Spesen,
Er hat seinen Namen wegen seiner pinselförmi¬ Spind, Stipendium, suspendieren (usw.).
gen Sporenträger. Penthaus n. 'exklusive Wohnung auf dem
Etymologisch verwandt: Fasel, Penis, Pinsel1. Flachdach eines Hauses’, fachsprachl. Im 20.
Penis m. (= ein Teil der äußeren Geschlechts¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. penthouse,
organe des Mannes), s. Penicillin. dieses aus me. pentis 'kleiner Anbau’, aus afrz.
Pennal n. 1) 'Federbüchse’, areh., österr. Im apentis 'Anhang’, aus 1. appendicium (dass.), zu
15. Jh. entlehnt aus ml. pennale 'Federbüchse’ 1. appendix (-icis) f (dass.), zu 1. appendere
(zu 1. penna f. 'Feder’). 2) Seit dem 17. Jh. 'an etwas aufhängen, zuwägen’, zu 1. pendere
'Student im ersten Semester, Gymnasiast’, arch. (pensum) 'wägen, abwägen, (wörtlich: herab¬
Daraus später (wohl unter dem Einfluß des hängen lassen)’ (s. auch ad-). Die heutige engli¬
Plurals) Pennäler. 3) Seit dem 19. Jh. auch sche Form in volksetymologischem Anschluß
'Gymnasium’, wohl ausgehend von Penne des mittelenglischen Wortes an frz. pente
(s. d.). 'schräg’ (da diese Anbauten nur eine einzige
S. panaschieren. Dachschräge hatten). Die Bedeutung im Deut¬
Penne/. 1) 'Herberge’, rotw. Wohl aus wjidd. schen ist eingeschränkt auf Anbauten auf Haus¬
binjan 'Gebäude’; zuerst bezeugt im 17. Jh. als dächern und ihren gewöhnlich sehr exklusiven
bonne, dann benne. 2) Dann wird das Wort auf Charakter.
ebenfalls rotw. pennen 'schlafen’ (s. d.) bezogen Etymologisch verwandt: s. Pensum.
und als Penne 'behelfsmäßiges Nachtquartier’ Penunze /. 'Geld’, ugs. Entlehnt aus gleichbe¬
aufgefaßt. 3) In der Schülersprache wird älteres deutend poln. pienipdze PI.
Pennal (s. d.) im Anschluß an pennen und Penne
Pep m. 'Schwung, Pfiff’, ugs. Entlehnt aus
ebenfalls zu Penne umgeformt.
gleichbedeutend ne. pep, einer Kürzung von e.
Wolf (1985), 242. Anders: J. Knobloch ZDPh 96 (1977)
(= Sonderheft), 87f. pepper 'Pfeffer’ (s. Pfeffer).
Peperoni 536 permutieren

Peperoni /. 'kleine scharfe Paprikaschote’. 'Vordringen, fortsetzen’, zu I. regere 'richten,


Entlehnt aus gleichbedeutend it. peperone m., lenken, leiten’ (s. auch per-).
zu it. pepe m. 'Pfeffer’ (s. Pfeffer). Etymologisch verwandt: s. Adresse.
per- Präfix. Wortbildungselcment mit der Be¬ peri- Präfix. Wortbildungselement mit der
deutung 'hindurch, völlig, während’ (z. B. Per¬ Bedeutung 'umher, über ... hinaus, um ...
version, perkutan). Es wurde vornehmlich in herum’ (z. B. Peripherie, periodisch). Es wurde
lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬ in griechischen Entlehnungen ins Deutsche
nommen; sein Ursprung ist 1. per 'durch’ Präp. übernommen; sein Ursprung ist gr. peri (dass.).
Zum Etymon s. ver-, Zum Etymon s. ver-,

Perchten PL 'Volkstümliche Masken an Fa¬ Periode/. 'Abschnitt, sich zyklisch Wiederho¬


sching und Neujahr’, bair. In mittelhochdeut¬ lendes’, sonder spracht. Im 16. Jh. entlehnt aus
schen Schwänken tritt ein Kobold Berhte in der 1. periodus 'Gliedersatz’, dieses aus gr. periodos
Zeit nach Weihnachten auf; hierzu vielleicht (dass., wörtlich: 'Umgehen, Herumgehen,
auch Berht(en)tac 'Epiphanie’. Alles weitere ist Umlauf’), zu gr. hodös 'Weg, Gang’ (s. auch
unklar. peri-).
perfekt Adj. 'vollkommen’. Im 16. Jh. ent¬ Morphologisch zugehörig: Periodik, Periodikum, Pe¬
lehnt aus gleichbedeutend 1. perfectus, dem PPP. riodizität', etymologisch verwandt: s. Methode. — W.
Feldmann ZDW 8(1906/07), 85; K.-H. Weinmann
von 1. perficere (perfectum) 'fertigmachen, voll¬
DWEB 2 (1963), 402.
enden’, zu 1. faeere 'machen’ (s. auch per-).
Peripherie/. 'Randgebiet, Randzone’, sonder-
Morphologisch zugehörig: Perfekt, perfektibel, Perfek¬
tibilismus, Perfektibilist, Perfektibilität, Perfektion, per¬ sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. peripheria
fektionieren, Perfektionismus, Perfektionist, perfektiv, 'Kreislinie’, dieses aus gr. periphereia, zu gr.
perfektivieren, Perfektum, Plusquamperfekt; etymolo¬ peripherein 'im Kreis bewegen, herumdrehen,
gisch verwandt: s. Fazit. — Zum Grammatikterminus: herumtragen’, zu gr. pherein 'tragen’ (s. auch
E. Leser ZDW 15 (1914), 61f. peri-). Von 'Kreislinie’ wird die Bedeutung me¬
perfide Adj. 'treulos, heimtückisch’, sonder- tonymisch übertragen auf Jenseits der Linie
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Liegendes“.
frz. perfide, dieses aus 1. perfidus (dass.), zu 1. Morphologisch zugehörig: peripher, etymologisch ver¬
fides 'Vertrauen, Glauben’, zu 1. fidere 'trauen, wandt: s. Amphore.

vertrauen, glauben’ (s. auch per-). Periphrase /. 'Umschreibung’, s. Phrase und


Morphologisch zugehörig: Perfidie, Perfidität; etymo¬ peri-.
logisch verwandt: s. Föderalismus. — W. Feldmann
Periskop n. 'Fernrohr für Unterwasserfahr¬
ZDW 8 (1906/07), 85.
zeuge’, s. Skopus und peri-.
Perforation/. 'Reiß-, Trennlinie’, fachsprachl.
Perle f. Mhd. perle, ahd. perala, as. perula.
Entlehnt aus 1. perforätio (-önis) 'die Durch¬
Entlehnt aus einem spl. *perula, das vermutlich
bohrung’, zu 1. perforäre 'durchlöchern, durch¬
zu 1. perna 'eine Art Muschel’ gehört. Einzelhei¬
bohren’, zu 1. foräre 'bohren, durchbohren’ (s.
ten bleiben unklar.
auch per-).
Löschen (1968), 290f.
performativ Adj. 'ausführend’, fachsprachl.
Perlmutter /.„ auch Perlmutt /. Mhd. berlin-
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
muoter. Lehnübersetzung von ml. mater perla-
performative, zu e. perform 'ausführen’; dieses
rum. Das Wort bezeichnet ursprünglich die Mu¬
im Mittelenglischen wohl aus afrz. parfournir
schel, die eine Perle enthält, sie also gewisserma¬
'erlangen, vollenden’ entlehnt, dieses zu afrz.
ßen geboren hat. Erst nachträglich ist es auf die
fournir 'versehen, ausstatten’ (s. auch per-), aus
Muschelschale beschränkt, deren Innenseite aus
frk. *frummjan 'vollbringen, fördern’.
dem gleichen Stoff ist wie die Perle und das
Pergament n. (= eine zum Beschreiben herge¬ Material für verschiedene Gebrauchs- und
richtete Tierhaut). Im Mittelhochdeutschen Schmuckgegenstände abgibt.
(mhd. pergamente) entlehnt aus gleichbedeu¬
permanent Adj. 'ständig, anhaltend’, sonder-
tend ml. pergamen(t)um, zu 1. (charta) Perga¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
me na f. (dass.), aus gr. Pergamon, einer klein¬
frz. permanent, dieses aus 1. permanens (dass.),
asiatischen Stadt, die eine sehr große Bibliothek
dem PPräs. von 1. permanere 'ausharren, ver¬
besaß und als der Erfindungsort des Pergaments bleiben’, zu 1. manere 'bleiben’ (s. auch per-).
angesehen wurde.
Morphologisch zugehörig: Permanenz', etymologisch
Pergola /. 'Vorbau, Laubengang’, fach¬ verwandt: immanent, Menagerie (usw.).
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend it. per- permutieren swV. "umstellen’, s. mutieren und
gola, dieses aus 1. pergula (dass.), zu 1. pergere per-.
Perpendikel 537 Petarde

Perpendikel m./n. 'UhrpendeP, arch. Im 16. Perücke /, 'unechtes Haar’. Im 17. Jh. ent¬
Jh. entlehnt aus 1. perpendiculum n. 'Senkblei, lehnt aus gleichbedeutend frz. perruque (wört¬
Richtblei', zu 1. perpcndere 'genau abwägen’, zu lich: 'Haarschopf’), dessen Herkunft nicht mit
1. pendere 'wägen, abwägen’ (s. auch per-). Mit letzter Sicherheit geklärt ist.
Erfindung der Pendeluhr dann auf die dort Jones (1976), 507.
verwendeten Uhrpendel übertragen.
pervers Adj. 'abartig, abstoßend’. Im 16. Jh.
Morphologisch zugehörig: perpendikulär, perpendiku¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. pervers, dieses
lär, etymologisch verwandt: s. Pensum. — Schirmer
(1912), 52; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 200. aus 1. perversus 'umgedreht, verkehrt, unrecht,
schlecht, böse’, dem PPP. von 1. pervertere 'Um¬
perplex Adj. 'verblüfft’, ugs. Im 17. Jh. ent¬
stürzen, völlig umwerfen’, zu 1. vertere 'wenden,
lehnt aus gleichbedeutend frz. perplexe, dieses
drehen, umkehren’ (s. auch per-).
aus 1. perplexus 'wirr durcheinander, verfloch¬
Morphologisch zugehörig: Perversion, Perversität, per¬
ten, verschlungen’, zu 1. plectere 'flechten’.
vertieren-, etymologisch verwandt: s. Vers.
Morphologisch zugehörig: Perplexilät; etymologisch
verwandt: s. Komplikation. — W. J. Jones SN Perzeption /. 'Wahrnehmung’, s. akzeptieren
51 (1979), 267. und per-.
Perron m. 'Bahnsteig, Plattform’, arch., Pese /. 'Treibriemen, Spiralfeder in entspre¬
österr., schwz. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. perron chender Funktion’, fachsprachl. Die Herkunft
'Freitreppe’, aus afrz. perron 'großer Stein’, die¬ dieses ganz neuen Wortes ist unklar (zu nndl.
ses aus 1. petra f. (dass.), dieses aus gr. petra/., pees 'Sehne’?).
gr. petros m./ff.) (dass.). Zuvor im 18. Jh. be¬
Pesel m. 'heizbarer Wohnraum’, ndd. Mndd.
reits in der Bedeutung 'Freitreppe’ entlehnt; die
pisel, pesel, mndl. pijsel. Die hochdeutsche Ent¬
deutschen Bedeutungen sind Neubildungen des
sprechung war ahd. pfiesal, mhd. pfiesel m./n.,
Deutschen.
hd. (dial.) Pfiesel 'heizbare Stube’ (steir.). Vgl.
Etymologisch verwandt: Petersilie, Petroleum, Pier1.
afr. pisel, ae. pisle f. Entlehnt aus ml. balneum
Persianer m. (= ein Pelz aus dem kleinge¬ pensile, spl. pesalis, das eine auf gemauerten
lockten Fell von Fämmern des Karakulschafes). Bögen ruhende Badestube bezeichnet, die mit
Bildung zu Persien, dem ursprünglichen Her¬ warmer Luft geheizt ist, eigentlich 'das hän¬
kunftsland. gende, schwebende Bad’. Die Bedeutungen
Littmann (1924), 103. 'Bad’ und 'heizbarer Raum’ hängen auch sonst
persiflieren swV. 'ironisierend nachahmen’, zusammen (vgl. etwa Stube).
sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Heyne (1899/1913), I, 166.
deutend frz. persißer, dieses wohl zu frz. siffler
pesen swV. 'rennen’, ugs., reg. Entlehnt aus
'auspfeifen’ (s. auch per-), aus 1. slbiläre 'zi¬
ne. to pace 'im Paßschritt reiten’. Für einen
schen, pfeifen’.
Beleg, der die Entlehnung deutlich macht, vgl.
Morphologisch zugehörig: Persiflage. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 85.
Stiven (s. u.).
S. passieren ( + ). — Stiven (1936), 78.
Person /. (= der Mensch als Einzelwesen).
Im Mittelhochdeutschen (mhd. persön[e]) ent¬ Pessimismus m. 'schwarzseherische Lebens¬
lehnt aus gleichbedeutend 1. persona (auch: einstellung’. Neubildung des 18. Jhs. zu 1. pessi-
'Charakter, Rolle’, wörtlich: 'Maske [des mus 'der Schlechteste’, dem suppletiven Super¬
Schauspielers]’), dessen Herkunft umstritten ist. lativ von 1. malus 'schlecht’. Gebildet als Gegen¬
Morphologisch zugehörig: personal, Personal, Perso¬ begriff zu Optimismus.
nale, Personalien, personalisieren, Personalismus, Per¬ Morphologisch zugehörig: Pessimist, Pessimum.
sonalist, Personalität, personaliter, personell, Personifi¬
kation, personifizieren. — W. Feldmann ZDW8 (1906/
Pest /. In dieser Kurzform seit dem 16. Jh.
07), 85; Littmann (1924), 11; H. Rheinfelder: Das (wie in anderen europäischen Sprachen), zuvor
Wort 'Persona’ (Halle 1928); F. Altheim: Terra Mater mhd. pestilenz, pestilencie f./m. Entlehnt aus 1.
(Gießen 1931), 49f. pestilentia, das auf 1. pestis 'Seuche, Unglück’
Perspektive /. 'Blickwinkel, Eindruck des zurückgeht.
Räumlichen, Aussichten’. Im 16. Jh. entlehnt K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 400.
aus frz. perspective 'Sehkunst, Fernsicht’, zu spl. Petarde /. (= ein mit Sprengpulver gefülltes
perspectivus 'durchschauend’, zu 1. perspectus Metallgefäß), fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt
'durchschaut, völlig bekannt, bewährt’, dem
aus gleichbedeutend frz. petard m., einer Ablei¬
PPP. von 1. perspicere mit dem Blick durchdrin¬
tung von frz. peter 'knallen, furzen’, dies abge¬
gen, hineinsehen, durchschauen’, zu 1. specere
leitet von frz. pet m. 'Furz, Blähung’, aus 1.
'sehen’ (s. auch per-).
peditum n. (dass.), dem substantivierten PPP.
Morphologisch zugehörig: Perspektiv, Perspektivis¬
von 1. pedere 'eine Blähung entweichen lassen’.
mus-, etymologisch verwandt: s. Spektakel. — W. Feld¬
mann ZDW 8 (1906/07), 85. Ein scherzhafter Soldatenausdruck.
Petersilie 538 Pfalz

Petersilie /. Mhd. petersilie, ahd. petrasile n. bar Petze f. gesagt wurde, dürfte am ehesten
u. ä. Entlehnt aus ml. petrosilium n. aus gr. eine Übertragung von Petze 'Hündin’ (s. d.) als
petroselTnon n. 'Steineppich’, zu gr. petros m./ Schimpfwort für den Angeber vorhegen, daraus
(f) 'Stein’ und gr. selmon n. 'Eppich’. erst das Verbum. Ein petzen, pfetzen (s. d.)
S. Perron ( + ). 'kneifen’ scheint ein davon unabhängiges Wort
Petition /. 'Bittschrift, Gesuch, Eingabe’, zu sein.
fachsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬ Anders: W. Foerste NW 4(1964), 77 — 79.
lehnt aus gleichbedeutend 1. petitio (-önis) Pfad m. Mhd. pfat m./n., ahd. pfad m./n.,
(wörtlich: 'das Greifen nach etwas/jmd.’), zu 1. mndd. pat m./n., mndl. pad, pat aus wg. *papa-
petere 'greifen, langen, reichen’ (usw.). m. 'Pfad’, auch in ae. pap, afr. path. Die Her¬
Morphologisch zugehörig: Petent, Petitor, Petitum-, kunft des Wortes ist unklar; zumal anlautendes
etymologisch verwandt: s. Appetit. ig. b-, das durch g. p- vorausgesetzt wird, sehr
Petroleum n. 'Erdöl, eine daraus gewonnene selten war (vielleicht gar nicht vorkam). Auffäl¬
Flüssigkeit’. Neubildung des 16. Jhs. zu gr. lig ist die lautliche Nähe zu iranischen Wörtern
petros m.Kf) 'Fels, Stein’, gr. petra f. (dass.), (avest. pad-, pa&-), die auf*pent(h)- zurückfüh¬
und 1. oleum 'Öl, Baumöl’ (aus gr. elaion ren. Eine Entlehnung ist jedoch sachlich kaum
[dass.]). Bezeichnungsmotivisch demnach „das wahrscheinlich. Ein Versuch der Erklärung aus
Öl, das aus der Erde kommt“. dem Keltischen macht lautliche Schwierigkei¬
Etymologisch verwandt: s. Perron und Öl. ten. Nach Sommer (s. u.) eigentlich 'Fußspur’
Petschaft n. 'Stempel zum Versiegeln’, arch. und letztlich lautnachahmend für schwerfälliges
Bezeugt seit dem 13. Jh. in verpetschaten 'versie¬ Auftreten.
geln’. Entlehnt aus sloven. pecät 'Siegel, Stem¬ Nndl. pad, ne. path. — H. W. Bailey/A. S. C. Ross
77W(1961), 107-142; Th. Bynon 77*5 (1966), 67-87,
pel’ mit nachträglicher Anlehnung an Schaft.
Sommer (1977), 13-15; A. Greule ZVS 94(1980),
Petticoat m. 'weiter, versteifter Unterrock’. 208-219.
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
Pfaffe m. Mhd. pfaffe, ahd. pfaffo, mndd.
petticoat (wörtlich: 'kleiner Mantel/Umhang’),
mndl. pape. Das Wort spiegelt letztlich eine
einer Zusammensetzung aus me. pety 'klein’
Unterscheidung des Griechischen in päppas
(aus frz. petit 'klein’, dieses über verschiedene
'ehrwürdiger Vater, Papst’ und gr. papäs 'Kleri¬
Zwischenstufen aus 1. pisinnus 'ganz klein’) und
ker’, die sich in ahd. bäbes (s. Papst) und Pfaffe
me. coote 'Umhang, Mantel’ (aus afrz. cote
wiederspiegelt. Entlehnung vor der hochdeut¬
[dass.], das wohl verwandt ist mit d. Kotze
schen Lautverschiebung. Entsprechend gt. papa
[s. d.]). Zunächst Bezeichnung eines leichten
'Geistlicher’.
Umhangs, der z. T. unter dem Wams getragen
F. Sommer IF 51 (1933), 231.
wurde. Dann übertragen auf 'weites Wollzeug’,
schließlich auch 'Unterrock’. Pfaffenplatte /., PfafTenröhrlein n., Pfaffen¬
stiel m., s. Pappenstiel.
petto, s. in petto.
Pfahl m. Mhd. ahd. pfäl, as. päl. Wie anord.
Petunie /. (= eine Pflanze mit trichterförmi¬
päll 'Spaten, Hacke’, ae. päl, afr. päl, pel früh
gen Blüten), fachsprachl. Entlehnt aus gleichbe¬
entlehnt aus 1. pälus gleicher Bedeutung (haupt¬
deutend frz. petunia, einer Neubildung des 19.
sächlich als Bestandteil von Befestigungswer¬
Jhs. zu frz. petun m./n. 'Tabak’, das wohl über
ken, vgl. Palisade, zu 1. pangere 'befestigen’).
portugiesische Vermittlung aus den südameri¬
S. Palisade ( + ), Pall.
kanischen Indianersprachen Guarani und Tupi
petume (dass.) übernommen ist. Die Pflanze Pfahlbürger m. 'Höriger, der das Stadtrecht
ähnelt der Tabakpflanze. in Anspruch nimmt, ohne in der Stadt zu woh¬
nen’, arch. Bezeugt seit dem 13. Jh. als mhd.
Petz m. (= Übername des Bären), ugs. Ur¬
phalburgere, pfälburger, mndd. palburgan. Ver¬
sprünglich Koseform zu Bernhard, die auf das
mutlich weil er nicht in den Mauern der Stadt
Tier übertragen wird, meist in der Fügung Mei¬
wohnt, sondern zwischen seinen Pfählen. Er¬
ster Petz. So seit dem 16. Jh.
klärt wird das Wort schon früh als 'falscher
Petze/. 'Hündin’, arch., reg. Bezeugt seit dem
Bürger’. Eine ähnliche Bezeichnung war Gras¬
15. Jh. Herkunft unklar; ein Zusammenhang
bürger, vgl. auch Spießbürger, Schildbürger.
mit gleichbedeutendem anord. bikkja, ae. hicce,
M. G. Schmidt ZK 9(1902), 241—321; E. Schröder
ne. bitch ist lautlich zwar nicht wahrscheinlich, in: FS E. Heymann (Weimar 1940), 52-60. Anders:
aber von der Bedeutung her kaum abzuweisen. K. Zeumer ZSSR-GA 23 (1902), 87-101.
Auch übertragen mit der Bedeutung 'Dirne’.
Pfalz f., fachsprachl. Mhd. pfalenze, pfalz(e),
S. petzen.
ahd. pfalanza, pfalinza, falanza, as. palancea.
petzen swV. 'verraten’, schülerspracht. Her¬ Erüh entlehnt aus spl. palantia, einer Neben¬
kunft umstritten. Da statt Petzer früher offen¬ form von palätia PI. L. Palätium bezeichnete in
Pfand 539 Pferch

der Kaiserzeit die kaiserliche oder sonst fürstli¬ Pfefferminze /. Die Pflanze wurde Ende des
che Wohnung nach dem Haus des Augustus auf 18. Jhs. in Deutschland eingeführt. Welche Ein¬
dem römischen Hügel Palatin. Die Pluralform zelsprache das Vorbild für den Namen abgege¬
für die Gesamtheit der Bauten der alten Kaiser¬ ben hat, ist unklar (1. mentfhja peperiäta).
pfalzen.
Pfeidler m. 'Hemdenmacher, Hemdenhänd¬
E. Norden: Alt-Germanien (Leipzig, Berlin 1934), ler’, österr. Eine Bildung zu ahd. pfeit /., mhd.
104-120, 304.
pfeit/., as. peda/., ae. päd/., gt. paida f. 'Rock,
Pfand n. Mhd. pfant (-des), ahd. pfant, as. Hemd’, das wie gr. baite f. aus einer unbekann¬
pant. Vermutlich früh entlehnt aus 1. pondus (zu ten Sprache entlehnt ist. Entsprechend wohl
1. pendere 'wägen’), das außer 'Gewicht’ auch me. pedlere, ne. pedlar 'ambulanter Händler’.
'Gleichgewicht u. ä.’ bedeuten konnte. Das A. Thumb ZDW 7 (1906), 261 -267.
Pfand wurde also als 'Gegengewicht o. ä.’ auf¬
Pfeife /. Mhd. pfif(e), ahd. pßfa, as. plpa.
gefaßt.
Wie ae. afr. ptpe früh entlehnt aus spl. *plpa
S. Pensum (+).
'Schalmei’, das rückgebildet ist aus I. plpäre
Pfanne f. Mhd. pfanne, ahd. pfanna, as. 'piepen, pfeifen’. Die Tabakspfeife ist nach ihrer
panna. Wie anord. panna, ae. panne, afr. panne, Ähnlichkeit mit dem Musikinstrument be¬
ponne früh entlehnt aus spl. panna, das aus 1. nannt.
patina 'Schüssel’ verkürzt ist Das lateinische S. Pipeline, Pipette. — Relleke (1980), 154 — 158.
Wort ist seinerseits entlehnt aus gr. patäne pfeifen stV Mhd. pftfen, mndd. mndl. pipen,
'Schüssel’. nschw. pipa 'piepsen’. Älter sind schwache Ver¬
S. Patina. ben dieser Bedeutung: ahd. pßfön, ae. ptpian.
Pfarre /., reg. Mhd. pfarre, ahd. pfarra, Entlehnung aus 1. pipäre gleicher Bedeutung
mndd. parre. Herkunft umstritten; vielleicht zu ist denkbar; doch kann es auch sein, daß die
einem mit Pferch (s. d.) verwandten Wort, auf lautmalende Bezeichnung immer wieder neu ge¬
das spl. parrochia, älter paroecia, aus gr. paroikiä bildet wird und sich somit den Lautgesetzen zu
'Nachbarschaft, Gemeinde’, zu gr. päroikos m. entziehen scheint (vgl. nhd. piepen und pfeifen).
'Nachbar’ eingewirkt hat. Hierzu Pfarrer, mhd. Pfeil m. Mhd. ahd. pfil, as. pil. Wie ae. ptl
pfarrcere, eigentlich 'der zur Gemeinde Gehö¬ früh entlehnt aus 1. pllum n. 'Wurfspieß mit
rige’. Eisenspitze’.
Zu Pfarrer. Trier (1951), 63; K. Kunze in: P. Kesting Hoops (1973ff.), III, 165-175.
(Hrsg.): Würzburger Prosastudien II, FS K. Ruh (Mün¬
Pfeiler m. Mhd. pßlcere, ahd. pßläri, as. ptliri.
chen 1975), 35-76.
Vor der hochdeutschen Lautverschiebung ent¬
Pfau m. Mhd. pfä(we), ahd. pfäwo, pfä(h)ö,
lehnt aus spl. ptläre n., einer Weiterbildung von
as. pao. Wie anord. päi, ae. päwa, pea früh
I. pila f. 'Pfeiler’.
entlehnt aus 1. pävo, das seinerseits auf eine
Pfennig m. Mhd. pfenni(n)c, ahd. pfending
andere Sprache zurückgeht (Entlehnungsweg
u. a., as. penning-, vgl. anord. pengr, penningr,
unsicher; der Vogel ist aus Indien nach Europa
ae. pen(d)ing, penig, afr. panni(n)g, penning
gekommen).
u. a. Mit dem -mg-Suffix, das auch in anderen
Suolahti (1909), 224-226; Littmann (1924), 15.
Münzbezeichnungen auftritt (vgl. etwa Schil¬
pfauchen swV., s. fauchen. ling)-, sonst ist die Herkunft unklar. Unerklärt
Pfausback m., s. Pausbacken. ist vor allem das Nebeneinander von Formen
Pfebe /. 'Melonenart’, arch. Mhd. pfedem(e) mit und ohne d. Am ehesten frühe Entlehnung
f./m.(?), beben u. ä. ahd. pepano m., pfedema, aus 1. pondus n. 'Gewicht’ (zu 1. pendere 'wä¬
pedema u. a. In der Pluralform früh entlehnt gen’), wobei aber verschiedene Fragen offen
aus 1. pepo m. aus gr. pepön, eigentlich 'Weich¬ bleiben.
ling’, weil die Frucht nur ganz reif gegessen S. Pensum ( + ). — E. Schröder ZDA 37(1893),
124-127; B. Schier BGDSL-H 72(1950), 311-314;
wird (im Gegensatz etwa zu den Gurken).
J. Knobloch BJ (1965), 143f.
Marzeil (1943/79), 1,1264; Lloyd/Springer (1988ff.), I,
506. Pfennigfuchser m. 'Geizhals’, ugs. Bezeugt seit
dem 18. Jh., eigentlich 'wer wegen Pfennigen
Pfeffer m. Mhd. pfeffer, ahd. pfeffar, mndd.
die Leute fuchst, d. h. plagt’.
mndl. peper. Wie ae. pipor, afr. piper früh ent¬
lehnt aus 1. piper n. gleicher Bedeutung. Dieses Pferch m. Mhd. pferrich, ahd. pferrih, pfarrih,
aus gr. peperi n. aus ai. pippaltf. 'Beere, Pfeffer¬ mndd. perk, mndl. par(ri)c, per(ri)c. Wie ae.
korn’. pearroc früh entlehnt aus ml. parricus, das für
S. Paprika, Pep, Peperoni, Pfifferling. - Hoops (1911/
die frühe Zeit nur indirekt bezeugt ist. Es han¬
19), III, 406; Littmann (1924), 16f.
delt sich um eine gallo-romanische Ableitung
Pferd 540 Pflaster

zu einem iberischen *parra 'Spalier’ (span, parra Lautverschiebung kaum die Quelle der Wörter
f 'Weinlaube’. in den germanischen Sprachen gewesen sein
S. Park ( + ). kann). Das griechische Wort bedeutet 'fünfzig¬
Pferd n. Mhd. pfert, phärit, pherfrit u. ä., ster (Tag nach Ostern)’; in der Festbezeichnung
spahd. pfarifrit, mndd. perde- zunächst 'Kurier¬ der germanischen Sprachen ist es als (Dativ)
pferd, Postpferd’, in neuerer Zeit verallgemei¬ Plural aufgefaßt worden. Wegen der weiten Ver¬
nert. Früh entlehnt aus ml. paraveredus, eigent¬ breitung des Wortes ist (wie bei Pfaffe, Samstag
lich 'Beipferd zum Postpferd (ml. veredus) auf u. a.) ein früher Einfluß des griechischsprachi¬
Nebenlinien’. Ml. veredus m. ist eigentlich ein gen Christentums auf die wohl noch heidni¬
keltisches Wort, vgl. kymr. gorwydd 'Pferd’ schen Germanen anzunehmen.
(wohl als *wo/we 'unter, bei’ und kymr. reda, Behaghel (1923/32), 1, 66.
raeda, reda 'Reisewagen’ aufzufassen), ver¬ Pfinztag m. 'Donnerstag’, südod. Mhd. pfinz-
wandt mit reiten (s. d.). tac. Aus gr. pempte hemerä 'der fünfte Tag’.
Pfette /. 'Längsbalken im Dachstuhl’, fach- Eine sekundäre Nebenform ist österr. Pfingst-
sprachl. Fnhd. pfette. Trotz der späten Bezeu¬ tag mit Anlehnung an Pfingsten. Gehört mit
gung frühe Entlehnung aus ml. patena 'First¬ Ergetag (s. d.) und dem nur ahd. belegten pfe-
baum’. Das lateinische Wort bedeutet ursprüng¬ rintag 'Freitag’ zu den ostgermanischen Einflüs¬
lich 'Krippe’; aber so, wie bei der einfachen sen auf das Bairische.
Krippe der Futtertrog auf Scherhölzern auf¬ Vgl. Donnerstag. — P. Wiesinger in: Beumann/Schrö-
liegt, liegt die ursprüngliche Pfette auf gegabel¬ der (1985), 153-200.
ten Balken.
Pfirsche /., s. Pfirsich.
Pfetter m., s. Pate.
Pfirsich m. Mhd. pfersich, mndd. persik. Wie
pfetzen swV.,frk.\ petzen swV, md. 'zwicken, ae. persoc entlehnt aus ml. persica (und zwar
kneifen’. Mhd. pfetzen, zunächst 'kitzeln’, dann trotz der späten Bezeugung schon vor der hoch¬
die neuere Bedeutung. Flerkunft unklar; petzen deutschen Lautverschiebung). Das Wort bedeu¬
(s. d.) ist wohl nicht verwandt.
tet eigentlich 'die persische (Frucht)’, weil der
Pfiesel m., s. Pesel. Baum über Persien in Europa eingeführt wurde.
Pfifferling m. Mhd. pfefferlinc, Pfifferling, Im Lateinischen auch Neutrum (indem 1. mälum
mndd. mndl. pep(p)erlink, älter ahd. pfifff)ra n. 'Apfel’ ergänzt wird). Im Deutschen zunächst
f. Benannt als 'Pfefferpilz’ nach seinem Pfeffer¬ meist Femininum (Pfirsiche, Pfirsche), dann
geschmack. Vermutlich galt der Name ur¬ Maskulinum im Anschluß an Apfel.
sprünglich dem Pfeffermilchling, der noch Pfister m. 'Bäcker’, arch., obd. Mhd. pfister,
schärfer nach Pfeffer schmeckt. Die Wendung ahd. pfistur, mndl. pister. Früh entlehnt aus
keinen Pfifferling für 'nichts’ bezieht sich auf gleichbedeutendem 1. pistor.
das früher massenweise Auftreten des Pfiffer¬
E. Öhmann ZM 20(1952), 99-101; W. Braun in:
lings (s. auch Pappenstiel). Dückert (1976), 55 — 119.
S. Pfeffer ( + ). - Marzeil, (1943/79), I, 781-783.
Pflanze/. Mhd. pflanze, ahd. pflanza, mndl.
Pfifferstiel m., s. Pappenstiel. plante. Wie ae. plante, anord. planta 'pflanzen’
pfiffig Adj. Bezeugt seit dem 18. Jh. Pfiffe früh entlehnt aus 1. planta 'Setzling, Sohle’.
verstehen und anwenden ist etwas, das über Dieses ist Rückbildung aus 1. plantare 'die Erde
Sprachverstehen hinausgeht, was nicht jeder um den Setzling (mit der Sohle) festtreten’.
kann. Deshalb gilt in dieser Zeit Pfiff als 'List, S. Plan2, Plantage ( + ). - J. Trier in: FS Arnold (1955),
Kniff’, pfiffig als 'schlau, raffiniert’. Flierzu 253f.; Trier (1981), 37-39; R. Hiersche BN 18 (1983),
auch Pfiffikus als pseudo-lateinische Bildung 267f.
(wohl der Studentensprache). Von welchem An¬ Pflaster n. Mhd. pflaster m., ahd. pflastar, as.
wendungsbereich der Pfiffe als besonderer Zei¬ plästar. Wie ae. plaster, anord. plästr m./n. in
chen die Wendungen ausgegangen sind, läßt beiden Bedeutungen ('Heilpfiaster’, 'Fu߬
sich nicht bestimmen. boden ) früh entlehnt aus 1. emplastrum 'Wund-
Pfingsten n./Pl. Mhd. pfingeste(n) /., ahd. pfiaster’ und übertragen 'Bindemittel für Stein¬
mit gelehrter Teilübersetzung und Umdeutung bau (in alter Zeit ist das Pflaster mehr etwas
fimfchusti f. PL, as. pinkoston f. PI. Wie afr. aufgestrichenes als etwas aufgeklebtes). Dieses
pinkostra, pinxtera, pinster PL, anord. pikisdagr, aus gr. emplastron gleicher Bedeutung (zu gr.
pikkisdagr m. und unabhängig von diesen gt. emplässein 'aufschmieren’), einer Ableitung von
paintekusten f. früh entlehnt aus gr. pentekoste gr. plässein 'aus weicher Masse formen, bilden,
f (unter weiterem Einfluß von 1. pentecoste /., gestalten’.
das aber wegen der frühen Entlehnung vor der S. Plastik (+).
Pflastertreter 541 Pförtner

Pflastertreter m., s. Gassenhauer. plicht, mndl. plecht. Die Bedeutungen betreffen


pflatsch Interjals m. 'starker Regenguß verschiedene Besonderheiten auf Schiffen. Of¬
(u. ä.)’, südd. Lautmalende Bildung wie klatsch fenbar entlehnt aus I. plecta 'Flechtwerk’, zu 1.
und patsch. plectere 'flechten’.
Pflaume /. Mhd. pßüme, ahd. pßüma S. Komplikation ( + ). - Kluge (1911), 620f.; P. Mel¬
chers in: H. Derwein (Hrsg.): FS E. Fehrle (Karlsruhe
'Pflaume’, entsprechend ae. plüme, plyme,
1940), 159f.
anord. plöma. Daneben steht mit älterem r ahd.
pfrüma, mhd. pfrume, noch fnhd. pflaume, Pflock m. Mhd. pfloc, pflocke, mndd. pluck,
mndd. mndl. prüme. Früh entlehnt aus gr. plugge. Ausgangsbedeutung offenbar 'Holzna¬
proümne 'Pflaumenbaum’, gr. proümnon n. ger. Herkunft unklar.
'Pflaume’, das auch 1. prünus gleicher Bedeu¬ Nndl. ne. plug. - Lühr (1988), 271 f.
tung geliefert hat und selbst wohl auf der Ent¬ pflücken swV. Mhd. pflücken, mndd. plucken,
lehnung aus einer kleinasiatischen Sprache be¬ mndl. plocken. Wie ae. pluccian, ploccan, anord.
ruht. Das Vorbild ist 1. prünum n., doch hat sich plokka, plukka früh entlehnt aus ml. piluccare
auf dem Weg der Entlehnung auch der Nasal 'pflücken’ (vgl. it. piluccare 'Trauben abbee¬
verändert. ren’). Dieses wohl eine Erweiterung zu 1. piläre
S. Priem. 'die Haare ausrupfen’.
pflaumen swV, anpflaumen swV 'spöttische S. kompilieren ( + ), - Frings (1932), 202; J. Brüch
Bemerkungen machen’, ugs. Bezeugt seit der ZRPh 58(1938), 331—343; E. Nörrenberg NJ
71 (1948/50), 329.
Jahrhundertwende, wie Pflaume ’spöttische Be¬
merkung’. Herkunft unklar: Entweder zu Pflug m. Mhd. ahd. pfluoc, mndd. ploch. Be¬
Pflaume (Matsch-) als Schimpfwort oder als zeugung und Beleglage für dieses Ackergerät
'mit (überreifen) Pflaumen bewerfen (vgl. veräp¬ sind widersprüchlich. Zu beachten ist langob.
peln) oder umgedeutet aus ndd. plumen ‘rupfen’. plovum und die Angabe bei Plinius, daß im
pflegen swV. Mhd. pflegen stV, ahd. pflegan rätischen Gallien eine neue Form des Pflugs mit
stV, ahd. flegan, plegan aus wg. *pleg-a- stV. zwei Rädern angetroffen worden sei — sie heiße
'sich für etwas einsetzen’, auch in ae. pleon, afr. plaumorätum. Die Erklärungen zur Herkunft
plega. Die Ausgangsbedeutung ist am ehesten des Wortes reichen trotz aller Bemühungen
'einsetzen’, woraus einerseits 'sich einsetzen für nicht aus.
etwas, sorgen für, pflegen’, andererseits 'spielen’ S. Pflugschar. — J. Trier BGDSL 67 (1944), 122 — 126,
131-136; W. Mitzka ZAgAs 6(1958), 113-118; H.
(ae. plegian 'spielen’, Zugehörigkeit allerdings
Wagner in: FS Wartburg (1958), 835 — 838; B. Kratz
nicht ausreichend sicher) und 'sich der Gefahr NPhM 66 (1965), 217-229; Kratz (1966); R. Schmidt-
aussetzen’ (ae. pleoh, pliht 'Gefahr’). Lautlich Wiegand in: Schmidt-Wiegand (1981), 1—41. Anders
kommt eine Herleitung aus ig. *bl- kaum in (vorgermanisches Substrat): W. P. Schmid in: Beck/
Frage, da ein solcher Anlaut nicht wahrschein¬ Denecke/Jankuhn (1980), 77 — 81. Zur Etymologie von
lich ist. Andererseits ist eine Entlehnungsmög¬ Typen und Teilen des Pflugs vgl.: H. Beck in: Beck/
lichkeit nicht festzustellen (und liegt auch bei Denecke/Jankuhn (1980), 82-98.
einem starken Verb nicht unbedingt nahe). Man Pflugschar/. Mhd. pfluocschar, ahd. plöhscar.
hat deshalb Erklärungen aus anderen Anlaut¬ Zusammensetzung aus Pflug (s. d.) und einer
gruppen gesucht, vor allem aus ig. *dl- doch Ableitung von ahd. sceran 'schneiden’ (s.
konnten die vorgebrachten Etymologien nicht scheren1).
ausreichend überzeugen. Herkunft also unklar. Pfnüsel m. 'Schnupfen’, alem. Mhd.
An die alte starke Flexion erinnert noch Gepflo¬ pf(n)iusel. Zu einem Verb, das in nfrk. fniezen
genheit. 'niesen’, abgewandelt in mhd. pfnäsen 'schnau¬
Nndl. plegen. S. Pflicht1. - N. van Wijk IF 23 (1908/ ben’ bezeugt ist. Der ursprüngliche Anlaut ist
09), 372; 7F28 (1911), 125f.; J. Trier BGDSL 67 (1944),
fn-, das p ist angewachsen. Wörter dieser Bedeu¬
143-150.
tung zeigen eine Reihe von einander ähnlichen
Pflicht1/. Mhd. pfliht(e), ahd. pfliht, fliht, lautmalenden Lautformen, vgl. niesen.
mndd. mndl. plicht aus wg. *pleh-ti-f, auch in K.-H. Weimann ZM 23 (1955), 156f.
ae. pliht m. 'Gefahr, Wagnis, Schaden’, afr.
plicht 'Obhut, Fürsorge, Sorgfalt’. Ein //-Ab¬ Pforte/. Mhd. pforte, ahd. pforta, porza. Ent¬
straktum zu pflegen (s. d.) in verschiedenen Be¬ lehnt aus 1. porta 'Tor’, und zwar so früh, daß
deutungen dieses Wortes. Die heutige Bedeu¬ der Anlaut noch verschoben wurde, nicht mehr
tung geht über 'Pflege’ zu 'Dienst, Obliegenheit’ dagegen das -/-.
(so schon mittelhochdeutsch). S. Portier (+).

J. Trier BGDSL 67(1944), 136-143. Pförtner m. Mhd. pfortencere, pfortener. Ent¬


Pflicht2 /. 'Schutzdach im Vorschiff’, arch., lehnt aus ml. portenarius 'Türhüter’ (zu 1. porta
fachsprachl. Mhd. pflihte, ahd. pflihta, mndd. f. 'Durchgang, Pforte’). Das seltene Wort wird
Pfosten 542 Phallus

im 18. Jh. durch die Entlehnung aus dem Fran¬ Pfuhl m. Mhd. ahd. pfuol, mndd. pöl, pül,
zösischen (Portier) verdrängt und danach wie¬ mndl. poel aus wg. *pöla- m. 'Sumpf, Morast’
der eingeführt. In der Medizin steht das Wort unklarer Herkunft. Bei Annahme eines Erb¬
für 'unterer Magenmund, d. h. Eingang des worts würde lit. bald 'Bruch, Sumpf’ entspre¬
Darms, von seinem hinteren Ende aus gesehen’. chen; doch spricht wenig für diesen Ansatz.
S. Portier ( + ). Vermutlich entlehnt aus einer unbekannten Vor¬
lage.
Pfosten m. Mhd. pfost(e), ahd. pfost, mndd.
S. Swimmingpool.
mndl. post. Wie ae. post früh entlehnt aus 1.
postis '(Tür)Pfosten’. Pfühl m./n. 'Kissen’, arch. Mhd. pfülwe,
S. Poster. - H. Schüwer NW 19(1979), 177-120;
pfulwe, ahd. pfuluwo rn., pfuluwi(n) n., pfuluwi
Trier (1981), 126-131. n., as. puli(wi). Wie ae. pyle früh entlehnt aus 1.
pulvinus m. 'Polster, Kissen’ unklarer Herkunft.
Pfote /. Im 16. Jh. aus dem Niederdeutschen
S. auch Pfulmen.
übernommen und verhochdeutscht, mndd.
pote, mndl. poot. Entsprechend afrz. poue, prov. pfui Interj. Lautgebärde zum Ausdruck des
pauta, so daß ein älteres (wohl auf einer Sub¬ Abscheus. Ähnlich 1. fü, frz. fi, ne. fie, nndl.
stratsprache beruhendes) *pauta 'Pfote’ er¬ foei. Hd. ndd. pfui sind seit etwa 1200 bezeugt,
schlossen werden kann. Nach Sommer (s. u.) daneben mhd. ß(a), pft, pfiu.
Lautnachahmung für das schwerfällige Auf¬ Schwentner (1924), 25f.

treten. Pfulmen m. 'Kopfkissen’, alem. Nebenform


S. Tappe ( + ). - Frings (1932), 179f.; J. Brüch WSt zu Pfühl (s. d.) mit m für altes w.
54(1936), 173-180; Th. Frings ZRPh 56(1936), Pfund n. Mhd. ahd. pfunt, as. pund. Wie gt.
371-374; Silfwerbrand (1958), 152f.; Sommer (1977),
anord. ae. afr. pund früh entlehnt aus 1. pondö
13-15.
'Pfund’ (zu 1. pondus 'Gewicht’, das mit 1. pen-
Pfriem(en) m., fachsprachl. Mhd. pfriem(e), dere 'wägen’ verwandt ist).
mndd. preme, mndl. prieme. Daneben (als par¬ S. Pensum ( + ). - J. W. Walz ZDW 12 (1910), 192.
allele oder ursprünglichere Bildung) mndd.
pfundig Adj. 'prima’, ugs. Ursprünglich 'voll
prene, ae. preon 'Eisengerät zum Entfernen von
gewichtig’, daraus verallgemeinert zu der heuti¬
Tuchflocken’, nisl. prjönn 'Stricknadel’. Die wei¬ gen Bedeutung. Davon abhängig das Komposi¬
tere Herkunft ist unklar. tionsglied Pfunds- (Kerl usw.).
S. prünen.
pfuschen swV. 'schlecht arbeiten’. Bezeugt seit
Pfropfen m. 'Stöpsel’. Im 18. Jh. übernom¬ dem 16. Jh. (Pfuscher). Am ehesten zu der
men aus dem Niederdeutschen (mndd. prop, Interjektion (p)futsch 'kaputt’ (s. unter futsch),
mndl. proppe). Wohl eine lautmalerische Ab¬ die etwa das Abbrennen einer Rakete oder das
wandlung von stopfen (s. d.). (Die Lautmalerei Zerreißen von schlechtem Stoff wiedergibt.
bezieht sich wohl auf das beim Entfernen des C. Walther ZDW 8 (1906), 194-199.
Pfropfens entstehende Geräusch.)
pfusen swV. 'schwer atmen’; schwz. 'schlafen’.
S. Proppen. — Kretschmer (1969), 368f.
Lautgebärde des unter Bausch (s. d.) behandel¬
pfropfen swV. 'ein Edelreis aufsetzen’, fach¬ ten Typs.
sprachl. Mhd. pfropfen, Faktitivum zu ahd. S. auch pusten. — H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968),
pfropfa 'Ableger’, das aus 1. propägo 'Ableger’ 209-212.
entlehnt ist. Dieses zu 1. propägäre 'ausdehnen, Pfütze /. Mhd. pjütze, ahd. pfuzza, puzza,
fortpflanzen’, das zu 1. pangere 'befestigen, ein- mndd. mndl. put(te) m.\f 'Grube mit Wasser’.
schlagen’ gebildet ist. Wie anord. pyttr m., ae. pytt m., afr. pett m.
Etymologisch verwandt: s. Palisade. — Frings (1932), früh entlehnt aus 1. puteus m. 'Brunnen’ (das
70f. regional auch 'Lache u. ä.’ bedeuten kann).
Pfründe /., fachsprachl. Mhd. pfrüende, Phalanx/, 'geschlossene Schlachtreihe’, fach¬
pfruonde, ahd. pfruonta, siehe auch die ur¬ sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
sprünglichere Form as. provenda u. ä. Entlehnt 1. phalanx, dieses aus gr. phälanx (dass., wört¬
aus ml. provenda 'was einem Geistlichen als lich: 'Baumstamm, Block’).
Gegenleistung für seine Dienste zusteht’. Dieses Etymologisch verwandt: Bohle, Planke; zum Etymon
ist offenbar verschmolzen aus 1. praebenda s.Balken.
'Darzureichendes’ und 1. prövidere 'versorgen’. Phallus m. 'das erigierte männliche Glied’,
Heute wird das Wort meist übertragen verwen¬ sondersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1.
det für 'bequemes Einkommen’. phallus, dieses aus gr. phallös (dass.).
S. Proviant, Visage (+). - U. Stutz ZDW 1 (1901), Morphologisch zugehörig: phallisch, Phallokrat, Phal-
361-363. lokratie; zum Etymon s. Bulle1.
Phänomen 543 Philister

Phänomen n. 'Erscheinung, etwas Ungewöhn¬ -phil- Affix. Wortbildungselement, das als


liches, außergewöhnlicher Mensch’. Im 17. Jh. Präfixoid (philo-) und als Suffix verwendet
entlehnt aus 1. phaenomenon 'Erscheinung, Luft¬ wird und die Bedeutung 'schätzend, liebend,
erscheinung’, dieses aus gr. phainömenon Liebe zu (usw.)’ trägt (z. B. bibliophil, franko¬
(dass.), zu gr. phainein 'sichtbar machen, sehen phil, philosophisch, Philologie, philanthropisch,
lassen’. Philharmoniker). Es wurde in griechischen Ent¬
Morphologisch zugehörig: phänomenal, Phänomenalis¬ lehnungen ins Deutsche übernommen und häu¬
mus, Phänomenologie; etymologisch verwandt: Em¬ fig in neologischen Bildungen verwendet. Es
phase, [Fanal], foto- (usw.), Phantasie (usw.), Phan¬
geht zurück auf gr. philetn 'lieben’.
tom, Phase, Phosphor. — W. Feldmann ZDIV 8 (1906/
Etymologisch verwandt: s. Philatelie.
07), 86.
Philanthrop m. 'Menschenfreund’, sonder-
Phantasie /. 'Vorstellungskraft, Einfallsreich¬
sprachl. Neubildung zu gr. philetn 'lieben’ und
tum’. Im Mittelhochdeutschen (mhd. fantasle)
gr. änthröpos 'Mensch’.
entlehnt aus 1. phantasia 'Gedanke, Einfall’, die¬
ses aus gr. phantasia 'Vorstellung, Einbildung, Morphologisch zugehörig: Philanthropie, Philanthropi¬
nismus, Philanthropist, Philanthropismus; etymologisch
Erscheinung’, zu gr. phantäzesthai 'erscheinen,
verwandt: s. Philatelie und Misanthrop.
sichtbar werden’ (zu gr. phainein 'sichtbar ma¬
chen, sehen lassen’). Philatelie/. 'Briefmarkenkunde’,/ac/ispracW.
Morphologisch zugehörig: phantasieren, Phantasma, Entlehnt aus gleichbedeutend frz. philatelie,
Phantast, Phantastik; etymologisch verwandt: s. Phä¬ einer Neubildung zu gr. philetn 'lieben’ und gr.
nomen. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86; J. W. ateleia 'Abgabenfreiheit’, im weiteren 'Frei¬
Walz ZDW 12(1910), 192; K.-H. Weinmann DWEB marke, Briefmarke’.
2(1963), 400. Morphologisch zugehörig: Phlilatelist; etymologisch
Phantom n. 'Trugbild’. Im 18. Jh. entlehnt verwandt: -phil, Philanthrop (usw.), philharmonisch.
aus gleichbedeutend frz. fantöme m., dieses mit philharmonisch Adj. (= ein großes Orchester
unregelmäßiger Formentwicklung aus gr. phän- betreffend), fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus
tasma (dass.), zu gr. phantäzesthai 'erscheinen, frz. philharmonique 'musikliebend’, einer Neu¬
sichtbar werden’ (zu gr. phainein 'sichtbar ma¬ bildung des 19. Jhs. zu gr. philetn 'lieben’ und
chen, sehen lassen’). gr. harmonia 'Wohlklang, Musik’. Zunächst als
Etymologisch verwandt: s. Phänomen. — W. Feldmann Attribut 'musikliebend’ verwendet für Kunst¬
ZDW 8 (1906/07), 86. akademien, Gesellschaften und Konzerte; dann
Pharisäer m. 'selbstgerechter, heuchlerischer wird vor allem das Substantiv Philharmonie in
Mensch’, sondersprachl. Im Neuhochdeutschen Eigennamen aufgenommen und auf große Or¬
entlehnt aus spl. Pharisaet Pl. (= Angehörige chester eingeschränkt.
einer strengen, altjüdischen religiös-politischen Morphologisch zugehörig: Philharmoniker; etymolo¬
Partei), dieses aus gr. PharisaTos (dass.), aus gisch verwandt: s. Philatelie und Harmonie.
hebr. perüsim PI. (dass., wörtlich: 'die Abgeson¬ Philippika/, 'leidenschaftliche Rede’, sonder-
derten’). Im Neuen Testament wird den angeb¬ sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend gr. tä
lich besonders gesetzestreuen Pharisäern Äußer¬ Philippika, der Bezeichnung für die von Demo-
lichkeit und Heuchelei vorgeworfen; daraus die stenes gegen Philipp von Macedonien gehalte¬
heutige Bedeutung. nen Kampfreden.
Morphologisch zugehörig: Pharisäismus. — Littmann Philister m. 'Spießbürger, alter Herr’, sonder-
(1924), 32.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. Philistmi ( =
Pharmazie /. 'Lehre von den Arzneimitteln’, der Name eines nichtsemitischen Volkes an der
fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Küste Palästinas), aus hebr. pelistlm, plistim
deutend ml. pharmacia, dieses aus gr. pharmakia Pl. (dass.). Studentenverbindungen benützen
'Heilmittel’, zu gr. phärmakon n. 'Heilmittel, diesen Namen des die Israeliten bekämpfenden
Zaubermittel, Gift’. Volkes, um Nicht-Studenten zu bezeichnen;
Morphologisch zugehörig: Pharmazeut, pharmazeu¬ daraus dann die Bedeutungen 'Spießbürger, un¬
tisch. gebildeter Mensch’ bzw. 'im Berufsleben ste¬
Phase /. 'Abschnitt, Stufe’. Im 18. Jh. ent¬ hender alter Herr’. Bei der übertragenen Bedeu¬
lehnt aus gleichbedeutend frz. phase, dieses aus tung hat wohl eine Streckform aus Fister mitge¬
gr. phäsis 'Anzeige, Gerücht’, zu gr. phainein wirkt (s. Fist), die an den Völkernamen an ge¬
'sichtbar machen, sehen lassen’. So benannt in paßt wurde.
astronomischen Zusammenhängen, wo es die Morphologisch zugehörig: Philisterium, philiströs. —
wechselnde Lichtgestalt von Himmelskörpern A. Gombert ZDW 3 (1902), 166f.; Schröder (1906),
bezeichnet, die nicht selbst leuchten; von hier 20f.; G. Schoppe GRM 10(1922), 193-203; G.
dann Verallgemeinerung. Schoppe GRM 11 (1923), 183f.; Littmann (1924), 32;
Etymologisch verwandt: s. Phänomen. K. Heisig ZDPh 83 (1964), 345-350.
philo- 544 Piano

philo- Präfix, s. -phil. Phosphor m. (= ein nichtmetallisches chemi¬


sches Element). Neubildung des 17. Jhs. zu gr.
Philologie/. 'sprachliche Untersuchung (älte¬
phösphöros 'lichttragend’, zu gr. (ep., poet.)
rer) Texte, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
phäos, gr. (att.) phös n. 'Licht’ (zu gr. phainein
1. philologia, das seinerseits aus gr. philologia
'sichtbar machen, sehen lassen’) und gr. pherein
entlehnt ist (s. -phil und -logie). Schon älter
'tragen’. So bezeichnet wegen der Leuchteigen¬
(16. Jh.) ist Philologie) aus I. philologus m. und
gr. philolögos m., wörtlich 'Freund des logos, schaften.
Etymologisch verwandt: s. Phänomen und Amphore.
der Rede’.
- Löschen (1968), 292f.
G. Schuppe ZDW 15 (1914), 200; H. Kuch: Philologus
(Diss. Berlin/Ost 1965); M. Landfester: Das griechische photo- Präßxoid, s.folo-.
Nomen 'philos’ (Diss. Tübingen 1966). photogen Adj., s. foto-.
Philosophie/. 'Lehre, die sich mit den Grund¬ Photographie /., s. foto- und Graphik.
fragen des menschlichen Daseins beschäftigt’.
Phrase /. 'abgegriffene, inhaltlich leere For¬
Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. philo-
mel’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. phrasis 'redneri¬
sophia. dieses aus gr. philosophiä, zu gr. philöso-
sche Ausdrucksweise, Diktion, Stil’, dieses aus
phos m., wörtlich: 'Freund der Weisheit’, zu
gr. phrasis 'das Reden, Ausdrucksweise’, zu gr.
gr. philos m. 'Freund’ (s. -phil) und gr. sophös
phräzein 'deutlich machen, kundtun, sagen,
'geschickt, weise’. Zunächst allgemeine Bezeich¬
sprechen’. Zunächst wertfrei 'Redewendung,
nung für das Streben nach Wissen (auf jedem
Redeweise’; im 18. Jh. dann unter französi¬
Gebiet), dann eingeengt auf Fragen des Seins
schem Einfluß dje abwertende Bedeutung. Im
usw.
20. Jh. wiederentlehnt aus ne. phrase 'Wort¬
Morphologisch zugehörig: Philosoph, Philosophikum.
gruppe, Konstituente’. Paraphrase ist eine 'ver¬
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86; E. Öhmann
NPhM 64(1963), 340; K.-H. Weinmann DWEB
deutlichende Umschreibung’ (s. auch para-).
2(1963), 400. Morphologisch zugehörig: Phraseologie, phrasieren. —
E. Leser ZDW 15(1914), 88; G. Schoppe ZDW
Phiole /. (= eine bauchige Glasflasche mit 15(1914), 200.
langem Hals), arch. Im Althochdeutschen (ahd.
Physik /. 'Lehre von den Naturgesetzlichkei¬
fiala, mhd. viole) entlehnt aus gleichbedeutend
ten’. Im Mittelhochdeutschen (mhd.ßsike) ent¬
ml. fiola, dieses aus 1. phiala 'Trinkgefäß mit
lehnt aus 1. physica 'Naturlehre’, dieses aus gr.
breitem Boden, Schale’, aus gr. phiäle 'Trink¬
physike (techne) 'Untersuchung der Natur’, zu
schale, flache Schale, Kessel’.
gr. physikös 'die Natur betreffend, von Natur,
phlegmatisch Adj. 'träge, schwerfällig’. Im 16. natürlich’, zu gr. physis 'Natur, Erzeugung, Ge¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. phlegmaticus burt’, zu gr. phyein 'erzeugen, wachsen lassen,
(wörtlich: 'voll Schleim, schleimig’), dieses aus hervorbringen’.
gr. phlegmatikös (dass.), zu gr. phlegma 'Schleim
Morphologisch zugehörig: Metaphysik, physisch, Phy¬
(als Ursache der katarrhischen Krankheiten), sikum, Physikus; etymologisch verwandt: Physiogno¬
Entzündung, Brand, Flamme’, zu gr. phlegein mie', zum Etymon s. bauen. — W. Feldmann ZDW
'entzünden, entflammen, verbrennen’. So be¬ 8(1906/07), 86; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963),
zeichnet nach der antiken Temperamentenlehre, 400.
die Körperflüssigkeiten für seelische Stimmun¬ Physiognomie /. 'Gesichtszüge, Aussehen’,
gen verantwortlich machte. sonder spracht. Im 14. Jh. entlehnt aus ml. phisio-
Morphologisch zugehörig: Phlegma, Phlegmatikus; nomia 'Gesichtszüge, Beurteilung nach den Ge¬
zum Etymon s. blaken. — G. Schoppe ZDW 15 (1914), sichtszügen’, dieses aus gr. physiognömiä 'Beur¬
200.
teilung nach den Gesichtszügen’. Zu gr. physiogno-
Phobie /. 'krankhafte Angst’, fachsprachl. mön 'den Charakter nach den Gesichtszügen
Neubildung zu gr. phöbos m. 'Furcht’. beurteilend’, komponiert aus gr. physis 'Natur,
Etymologisch verwandt: Klaustrophobie. Naturell’ (zu gr. phyein 'erzeugen, hervorbrin¬
Phonetik /. 'Lautlehre’, fachsprachl. Neubil¬ gen’) und einer Ableitung von gr. gnome 'Er¬
dung des 19. Jhs. zu gr. phöne 'Stimme, Ton, kenntnisvermögen, Sinn, Beurteilung’, zu gr.
Laut, Rede, Sprache’. gignoskein 'erkennen, wahrnehmen, einsehen’.
Etymologisch verwandt: Grammophon, homophon, Morphologisch zugehörig: Physiognom, Physiognomik,
Mikrophon, Phon, Phonation, Phonem, Phonematik, etymologisch verwandt: s. Physik.
Phonemik, Phoniater, Phoniatrie; Saxophon, Sinfonie Piano n. 'Klavier’. Im 19. Jh. entlehnt aus
(usw.), Telefon (usw.), Xylophon. — E. F. K. Koerner gleichbedeutend frz. piano-forte (wörtlich:
in: Sprache in Gegenwart und Geschichte, FS H. M. 'leise — laut’), dieses aus it. pianoforte (dass.),
Heinrichs (Köln 1978), 82-93.
zu it. piano 'leise, schwach’, aus 1. plänus 'flach’,
Phosphat n. (= ein Salz der Phosphorsäure), und it. forte 'stark’ aus 1. fortis (dass., s. Fort).
s. Phosphor. Das Instrument wurde so benannt, da es auf-
picheln 545 Pier

grund der Tonerzeugung durch Anschlag der picken1 swV. Mhd. bicken, ahd. (ana)bicken,
Saiten die Möglichkeit zur Lautstärkevariation mndd. mndl. pecken', vgl. me. picchen, anord.
bot — im Gegensatz zum Spinett, bei dem die pikka. Wie unter Pickel1 (s. d.) erwähnt, kom¬
Saiten mit Federkielen angerissen wurden. men hier wohl eine lautmalende Bildung und
Morphologisch zugehörig: Pianino,pianissimo, Pianist, eine Entlehnung, die 'stechen, picken’ bedeutet,
piano, Pianoforte, Pianola; etymologisch verwandt: s. zusammen. Eine eindeutige Scheidung dürfte
Plan1. - Relleke (1980), 276f.
nicht möglich sein.
picheln swV, auch picken swV., pecken swV. S. pikant (+).
'stark trinken’, ugs., rhein. Zu rhein. Pick 'Tre¬
picken2 swV. 'kleben’, ugs., österr. Nebenform
sterwein, Schnaps’. Vgl. ofrz. pique 'Tresterwein,
zu pichen (s. d. und Pick2).
Nachwein’, frz. (Argot) picter 'lange trinken’.
Zu frz. piquer 'stechen usw.’ (da der Nachwein picken3 swV. 'stark trinken’, s. picheln.
meist sauer ist), vgl. frz. piquette 'Tresterwein, Picknick n. 'Mahlzeit mit mitgebrachtem Es¬
Rachenputzer’. sen und Trinken unter freiem Himmel’. Im 18.
W. Foerste NW 1 (1960),12. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. piquenique
m., wohl einer partiellen Reduplikationsbildung
pichen swV. 'mit Pech bestreichen, kleben’,
zu frz. piquer 'aufspießen’.
reg. Mhd. bichen, pichen, mndd. peken. Abgelei¬
tet von Pech (s. d.). Etymologisch verwandt: s. pikant.
S. picken2. Pick2. picobello Adj., ugs. Scherzhafte Italianisie-
rung von piekfein (s. d.). Das Vorderglied hat
Pick1 m., auch Piek m. 'heimlicher Groll’,
keine Entsprechung im Italienischen.
ugs. Im 17. Jh. über das Niederdeutsche ent¬
A. Carli StG 10 (1972), 243-246.
lehnt aus frz. pique /., das neben 'Spitze’ auch
'Groll’ bedeutete. Pidgin n. 'Mischsprache’, fachsprachl. Im 20.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. pidgin, das
Pick2 m. 'Klebstoff’, ugs., österr. Rückbil¬
aus der Bezeichnung der chinesisch-englischen
dung aus picken 'kleben’, das eine Nebenform
Verkehrssprache übernommen ist und auf an¬
von pichen (s. d.) ist.
dere Verkehrssprachen dieser Art übertragen
S. Pech, picken2.
wurde. Die Herkunft des Wortes ist unklar (ver¬
Pickel1 m., auch Bickel m. 'Spitzhacke’. Mhd. mutet wird eine Entstellung von e. business).
bickel zu bicken 'stechen, stoßen’ (s. picken1).
Piek m. 'heimlicher Groll’, s. Pick1.
Bei den Wörtern mit dieser Lautform und Be¬
deutungen wie 'Spitze, Schnabel, spitzes Werk¬ piekfein Adj., ugs. Im 19. Jh. vom Niederdeut¬
zeug u. ä.’ ist sowohl mit Lautmalerei wie auch schen her eingedrungen. Dort als mndl. puik
mit Entlehnung zu rechnen, da entsprechende eine alte Qualitätsbezeichnung (die bei dem
Wörter in den romanischen Sprachen erschei¬ hochsprachlichen Wort durch fein erweitert ist).
nen (vgl. etwa it. beccare 'hacken’, frz. beche f. Zu ndl. (dial.) püken 'pflücken’ im Sinn von
'Grabscheit’). Die geringe lautliche Festigkeit 'ausgesucht’.
des deutschen Wortes spricht eher für Entleh¬ S. picobello. — Lasch (1928), 207.
nung (entweder des Verbs oder eines einfache¬ piepen swV. Die Nachahmung des Lautes jun¬
ren Substantivs). ger Vögel ist weit verbreitet, ohne daß Urver¬
S. pikant ( + ). — Kretschmer (1969), 371. wandtschaft angenommen zu werden braucht.
Pickel2 m. 'Eiterpustel’, nordd. Bezeugt seit Vgl. pfeifen.
dem 17. Jh. Zu Pocke (s. d.). S. Piepmatz.

Pickelhaube/. 'Flelm’, arch. Mhd. beckelhübe, Piephahn m. 'männliches Geschlechtsglied’,


bickenhübe, bickelhübe, mndd. pekelhuve. Be¬ kinderspracht. Meint eigentlich den Hahn und
zeichnet ursprünglich eine unter dem Flelm ge¬ gehört zu der Gruppe kindersprachlicher Aus¬
tragene Blechhaube, die dann zu einer eigenen drücke, die das männliche Geschlechtsglied als
Helmform entwickelt wird. Entsprechend it. ba- 'Schnabel’ bezeichnen.
cinetto m., frz. bassinet m. 'flacher Helm’. Diese Piepmatz m. 'junger Vogel’, kinderspracht. Zu
sind Weiterbildungen aus dem Wort Becken piepen (s. d.) und dem Kosenamen Matz (für
(s. d.), das als Grundlage des deutschen Wortes Matthias u. a.).
unmittelbar entlehnt wurde. Der Suffixwechsel Pier1 rnff. 'Landungsbrücke’, fachsprachl.,
(Lautveränderung?) erst im Deutschen. ndd. In hochdeutschen Texten seit dem 19. Jh.,
Pickelhering m. 'marinierter Hering’, ndd. Be¬ zuerst in der Schreibung Peer. Entlehnt aus
zeugt seit dem 15. Jh. als mndd. pickelherink, gleichbedeutendem ne. pier, das im 14. Jh. aus
pekelherink. Zu ne. pickte 'Salzbrühe’ und ndd. ml. pera/., afrz. piera 'Brückenpfeiler’, vermut¬
Pökel (s. d.). lich zu 1. petra f. 'Stein’.
S. pikant (+). S. Perron (+).
Pier 546 pimpern

Pier2 m., auch Pieraas m. 'Wurm als Köder’, Pikkolo m./n.lf 'Kellner, eine Flöte, eine
fachsprachl., ndd. Mndd. piräs, mndl. pier. Viel¬ kleine Sektflasche’. In allen Beutungen entlehnt
leicht weiter dazu norw. (dial.) piren 'dünn, aus Fügungen mit it. piccolo 'klein’.
schmal, schwach’, norw. (dial.) pir 'kleine Ma¬ Piktogramm n. (= eine stilisierte symbolische
krele’. Weitere Herkunft unklar. Der zweite Be¬ Darstellung), s. Pigment und -gramm.
standteil von Pieraas ist Aas (s. d.).
Pilger m. So seit dem 15. Jh., verkürzt aus
Pieraas m. 'Köderwurm’, s. Pier2. mhd. bilgerlm, pilgerin, ahd. piligrim (das noch
piesacken swV. 'plagen’, nordd. Bezeugt seit in der Form Pilgrim in der gehobenen Sprache
dem 18. Jh. Zu ndd. (ossen)pesek 'Ochsenzie¬ fortbesteht). Dieses ist wie mndl. pelgrijm, afr.
mer’ (zu ndd. pese 'Sehne’, ndd. peserik 'Ge¬ pilegrim, pilugrim, me. pilgrim, anord. pilagrimr,
schlechtsglied’, vgl. ne. pizzle 'Geschlechtsglied pelagrimr entlehnt aus ml. pelegrinus mit An¬
der Tiere’. Weitere Herkunft unklar). passung des Auslauts an die germanischen
Wiek (1939), 42. Männernamen auf -grim. Das lateinische Wort
pieseln swV. 'schwach, aber anhaltend regnen; bezeichnet ursprünglich die nach Rom wallfah¬
urinieren’, ugs., nordd. Gekreuzt aus pissen renden Ausländer und bedeutet eigentlich 'der
(s. d.) und nieseln (s. d.). Fremde’. Es ist dissimiliert aus 1. peregrtnus
'fremd’ (zu 1. per und 1. ager im Sinne des 1.
Pietät /. 'Respekt, Rücksichtnahme’, sonder-
ager Romänus, des römischen Stadtgebiets).
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
1. pietäs (-ätis), zu 1. pius 'fromm, pflicht¬ S. Pelerine. — A. Semler ZDW 11 (1909), 36 — 46; J.
Schatz BGDSL 49 (1925), 125-132.
gemäß’.
Morphologisch zugehörig: Pietismus, Pietist. — W. Pille/. Mit Silbenschichtung aus fnhd. pillele,
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86. spmhd. pillule. Dieses entlehnt aus 1. pilula, das
Pigment n. (= ein Farbstoff), fachsprachl. Im eigentlich 'Kügelchen, Bällchen’ bedeutet, ein
18. Jh. entlehnt aus 1. pigmentum 'Färbestoff, Diminutiv zu 1. pila 'Ball’ (eigentlich 'mit Haa¬
Farbe, (wörtlich: Mittel zum Bemalen)’, zu 1. ren gefüllt’ zu 1. pilus m. 'Haar’).
pingere (pictum) 'malen, bestreichen’. S. kompilieren ( + ). — G. Schoppe ZDW 15(1914),
Morphologisch zugehörig: Pigmentation; etymologisch 200.
verwandt: Pinte, pittoresk. Pilot m. 'Flugzeugführer’. Im 16. Jh. entlehnt
Pik n. (= eine Kartenfarbe), fachsprachl. aus ndl. piloot 'Steuermann, Lotse’, aus frz.
Im 18. Jh. entlehnt aus frz. pique m., das eigent¬ pilote (dass.), aus it. pilota mjf. (dass.), älter
lich 'Spieß’ bedeutet (nach dem Spieß mit pedota, dieses über mittelgriechische Zwischen¬
schwarzem Blatt). Das gleiche Wort ist Pike stufen zu gr. pedön n. 'Steuerruder, Ruderblatt’.
(s. d.). Die heutige Bedeutung als „Flugzeugsteuer¬
S. pikant ( + ). mann“ kommt im 20. Jh. auf.
pikant Adj. 'schmackhaft’. Im 17. Jh. entlehnt W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86; E. Öhmann
aus frz. piquant, Partizip zu frz. piquer 'stechen’, NPhM 41 (1940), 151.
das übertragen von raffiniert gewürzten Speisen Pils n. ( = ein Bier). Gekürzt aus Pilsener
gesagt wird. Bier, nach der Stadt Pilsen in der Tschechoslo¬
Morphologisch zugehörig: Pikanterie; etymologisch wakei.
verwandt: Pickell, Pickelhering, picken1, Picknick, Pik,
Morphologisch zugehörig: Pilsener, Pilsner.
Pike, pikiert, Pökel, prickeln. — A. Gombert ZDW
2(1902), 267f.; W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86; Pilz m. Mhd. bülz, bülez, ahd. buliz, ndd.
Brunt (1983), 419. bülte. Vor der hochdeutschen Lautverschiebung
Pike /. 'Spieß, Lanze’, arch., ugs. Wie Pik entlehnt aus 1. boletus, das seinerseits aus gr.
(s. d.) entlehnt aus frz. pique gleicher Bedeu¬ böletes stammt (oder umgekehrt? Weitere Her¬
tung. Im Deutschen fest geworden in der Wen¬ kunft unklar).
dung von der Pike auf'von Anfang an’ (schon Pimmel m. 'männliches Geschlechtsglied’,
seit dem 17. Jh.). Gemeint ist, vom einfachen
ugs., nordd. Wohl übertragen als '(Glocken)
Kriegsdienst an, alle militärischen Chargen bis
Schwengel’ oder 'Stößel beim Mörser’ (der auch
zum höchsten Rang zu durchlaufen. Das fran¬
bimm macht) zu pimmeln 'bimmeln’.
zösische Wort gehört zu der Gruppe von piquer
'stechen’ (s. pikant). pimpeln swV. 'wehleidig sein’, nordd., md. An¬
gelehnt an pimpeln, bimmeln, pimmeln (vom
pikiert Adj. 'beleidigt, verstimmt’, sonder-
Läuten kleiner Glocken). Sonst lautmalend.
sprachl. Im 17. Jh. lexikalisiertes PPrät. von d.
pikieren 'reizen, verstimmen, (wörtlich: ste¬ pimpern swV. 'Geschlechtsverkehr haben’,
chen)’, dieses aus gleichbedeutend frz. piquer. vulg., nordd. Ähnlich wie Pimmel zu beurteilen,
Etymologisch verwandt: s. pikant. — Jones (1976), wohl über 'mit dem Stößel im Mörser bear¬
518; Brunt (1983), 420. beiten’.
Pimperneile 547 Pipi

Pimperneile /., auch Bibernelle /. u. ä. Pinscher m. Bezeugt seit dem 19. Jh. Die
'Wiesenknopf’, fachsprachl. Bezeugt seit dem Hunderasse kommt aus England und wird an
16. Jh. Entlehnt aus frz. pimprenelle, dieses aus Ohren und Schwanz gestutzt, deshalb zu ne.
ml. pimpinella, älter pipinella. Aus diesem ahd. pinch '(ab)kneifen’.
bibinella, mhd. bibenelle und mhd. bibernelle
Pinsel1 m. Mhd. bensel, pensel. Entlehnt aus
(mit Anlehnung an Biberg Vgl. das französische
afrz. pincel, das aus ml. penicellus 'Pinsel, Bür¬
Wort), die ältere Nebenform des Pflanzen¬
namens. ste’, eigentlich 'Schwänzchen’ stammt. Dieses
zu 1. penis 'Schwanz, männliches Glied’.
L. Spitzer Word 7 (1951), 211-218.
S. Penicillin (+).
Pimpf m. Halbwüchsiger', ugs. Ursprünglich
Pinsel2 m. 'einfältiger Mensch’, ugs. (beson¬
Schimpfwort, eigentlich 'Furz’ (lautmalend für
ders in Einfaltspinsel). Eigentlich 'Knauser’, so
'kleiner Furz’ im Gegensatz zu Pumpf, Pumps
bezeugt seit dem 17. Jh. als pinsule. Dies wie¬
u. ä.). Die ursprüngliche Bedeutung bezeugt seit
derum bedeutet eigentlich 'Pfriem’ und ist zu¬
dem 19. Jh., die übertragene wenig später. Um
sammengesetzt aus Pinne und dem unter Säule2
1920 ist die Ausgangsbedeutung nicht mehr be¬
behandelten Wort für 'Pfriem’. Der Bedeu¬
kannt, das Wort kann deshalb in der Jugendbe¬
tungsübergang ist nicht ganz klar. Vielleicht
wegung mit nur noch wenig verächtlichem Bei¬
daher, weil das Wort auch als Berufsschelte der
klang verwendet werden.
Schuhmacher benützt wurde.
A. Götze MS 50(1935), 7-11.
Pinte/. 'Flüssigkeitsmaß, Kanne’, arch.; 'Lo¬
Pinakothek /. 'Gemäldesammlung’, fach¬
kal’ (nach der Kanne als Wirtshausschild), ugs.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Im 15. Jh. entlehnt aus frz. pinte 'geeichtes
1. pinacotheca, dieses aus gr. pinakotheke (dass.),
Gefäß’. Für dieses wird Herkunft aus 1. pincta
zu gr. pinax (-akos) 'Schreibtafel, Gemälde’
markiert’ (zu 1. pingere 'malen, schmücken
und gr. theke 'Behältnis, Aufbewahrungsort’,
usw.’) angenommen.
zu gr. tithenai 'setzen, legen’.
S. Pigment (F).
Etymologisch verwandt: s. Theke.
pingelig Adj., s. peinlich. Pinzette f. (= ein Instrument zum Fassen
zierlicher Gegenstände). Im 18. Jh. entlehnt aus
Pingpong n. 'Tischtennis’. Im 20. Jh. entlehnt
gleichbedeutend frz. pincette, einem Diminuti-
aus gleichbedeutend ne. pingpong, einer lautma¬
vum zu frz. pince 'Zange’, einer postverbalen
lerischen Reduplikationsbildung.
Ableitung von frz. pincer 'kneifen’.
Pinguin m. (= ein flugunfähiger Vogel). Im
Pionier m. 'Bahnbrecher, Vorkämpfer, Weg¬
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend e. penguin,
bereiter’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
dessen Herkunft nicht geklärt ist.
tend frz. pionnier (wörtlich: 'Fußsoldat’), zu
Pinke /. 'Geld’, ugs. (meist in der Verdoppe¬ afrz. peon 'Fußsoldat’, aus spl. pedo (-önis)
lung Pinkepinke). Aus dem Rotwelschen, wo es (dass.), zu 1. pes (-edis) 'Fuß’.
offenbar als lautmalend nach dem Klang der Etymologisch verwandt: s. Pedal. — Jones (1976),
Münzen gebildet ist. 513f.
Anders: Wolf (1985), 242 (unter Penunge).
Pipapo n. 'Drum und Dran’, ugs. Moderne
Pinkel m. 'unbedeutender Mann’, ugs., nordd. Bildung unklarer Herkunft. Vielleicht aus p.p.
Aus ofr. pink 'kleiner Finger, Geschlechtsglied’. herausgesponnen (vgl. das spielerische etcetera
Hier sicher aus der Bedeutung 'kleiner Finger’ p.p. mit schnörkelhaftem p.p. = praemissis
übertragen. Zu der anderen Bedeutung gehört praemittendis, bezeugt seit der Mitte des 19.
pinkeln 'harnen’, das seit dem 16. Jh. bezeugt Jhs.).
ist. Im einzelnen ist der Zusammenhang der
Pipeline /. 'lange Rohrleitung’. Im 20. Jh.
Bedeutungen nicht klar.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. pipeline, einer
S. Fink. — Wolf (1985), 246 (unter Pink); Lühr (1988),
Zusammensetzung aus e. pipe 'Röhre’ (s. Pfeife)
131f.
und e. line 'Strecke, Linie’ (s. Linie).
pinkeln swV, s. Pinkel.
Etymologisch verwandt: Pipette.
Pinne f. 'Holznagel’, ndd. Aus mndd. pin(ne),
Pipette /. (= ein kleines Röhrchen zur Ent¬
dessen hochdeutsche Entsprechung ahd. pfin,
nahme kleiner Flüssigkeitsmengen), fach¬
mhd. pfinne, vinne, fnhd. pfinne sich nicht hält.
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Aus g. *pennön f. 'Nagel u. ä.’, auch in anord.
frz. pipette, einem Diminutivum zu frz. pipe
pinni m., ae. as. pinn. Entlehnt aus ml. penna,
'Röhre, Rohrpfeife’ (s. Pfeife).
das ursprünglich 'Feder’ bedeutet, dann über
'gefiedert’ auch 'Pfeif und andere spitze Gegen¬ Etymologisch verwandt: Pfeife, Pipeline.
stände, auch 'Nagel’. Pipi n. 'Urin’, kinderspracht. Nach dem Laut,
S. Pinsel2. - Kluge (1911), 617f. mit dem den Kindern das Wasserlassen nahege-
Pips 548 Plage

legt werden soll, und der in ähnlicher Form in pittoresk Adj. 'malerisch’, sonder spracht. Im
verschiedenen Sprachen erscheint. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. pitto-
S. auch pissen. resque, dieses aus it. pittoresco (dass.), einer
Ableitung von it. pittore 'Maler’, aus 1. pictor
Pips m. (= Hühnerkrankheit), fachspraehl.
(dass.), zu 1. pingere (pictum) 'malen, abmalen’.
Niederrheinische Form neben obd. pfipfes u. ä.,
mhd. ahd. pfipjiz , das auf 1. pltuita f. 'Verschlei¬ Etymologisch verwandt: s. Pigment.

mung’ zurückgeht. Pizza /. (= ein Gericht aus mit Käse, Toma¬


W. Kurrelmeyer JEGPh 19(1920), 513f. ten usw. belegtem Hefeteig). Im 20. Jh. entlehnt
Piranha m. (= ein kleiner Raubfisch mit aus gleichbedeutend it. pizza, dessen weitere
scharfen Zähnen), fachspraehl. Entlehnt aus Herkunft nicht sicher geklärt ist.
port. piranha /., dieses aus der südamerikani¬ Morphologisch zugehörig: Pizzeria.
schen Indianersprache Tupi piranha (dass.). Placebo n. 'wirkstofflose Imitation eines Me¬
Pirat m. 'Seeräuber’. Im 15. Jh. entlehnt aus dikaments’, fachspraehl. Neubildung des 14.
gleichbedeutend it. pirata, dieses aus 1. piräta Jhs. zu 1. placebo 'ich werde gefallen’, zu 1.
(dass.), aus gr. peirätes (dass.), zu gr. peirän placere 'gefallen, gefällig sein’. Zunächst nach
'wagen, unternehmen’, zu gr. peira f. 'Versuch, der Wendung placebö Domino in regiöne vivö-
Wagnis’. rum als „das Placebo singen“ 'jmd. nach dem
Morphologisch zugehörig: Piraterie; etymologisch ver¬ Mund reden’ verwendet. Die heutige Bedeutung
wandt: empirisch (usw.). — W. Feldmann ZDW entstand unabhängig davon nach englischem
8 (1906/07), 86; E. Öhmann NPhM 41 (1940), 151. Vorbild.
Pirol m., fachspraehl. Mhd. (bruoder) piro Etymologisch verwandt: s. Plazet.
und (später) eine Menge von Spielformen, die
Placken m. 'Flecken’, nordd. Mndd. plack(e),
offenbar den Paarungsruf des Vogels mit Wör¬
mndl. plac(ke), plecke, mhd. placke, mhd. auch
tern und Namen unterlegen. Damit lautmalend.
pflacke. Herkunft unklar. Vermutlich hierher
Suolahti (1909), 169-174.
auch obd. bletz 'Flicken’, bei dem vor dem z
Pirouette /. (= eine schnelle Drehung um die ein k geschwunden sein kann. Nach Sommer
eigene Achse), fachspraehl. Im 19. Jh. entlehnt (s. u.) lautmalend für 'hinklatschen’, vgl. lett.
aus gleichbedeutend frz. pirouette, dessen wei¬ plaks 'Schall, wenn man mit der flachen Hand
tere Herkunft nicht geklärt ist. aufs Wasser schlägt’, lett. plaka 'Kuhfladen’
Brunt (1983), 421.
usw.
pirschen swV, auch birschen swV. 'anschlei¬ S. Fleck (+). — Sommer (1977), 15.
chen’, fachspraehl. Mhd. birsen, pirsen. Entlehnt
placken swV. ref. 'sich abplagen’, ugs. Bezeugt
aus afrz. berser (ml. bersare) 'mit dem Pfeil
seit dem 15. Jh. Intensivbildung zu plagen (s.
jagen’, dessen Ursprung dunkel ist.
Plage).
S. preschen.
pissen sw V, vulg. Im 14. Jh. zunächst im plädieren swV. 'beantragen, (vor Gericht) ein-
Niederdeutschen entlehnt aus frz. pisser, das treten für’, fachspraehl. Im 18. Jh. entlehnt aus
ähnlich wie Pipi (s. d.) auf ein Wort und eine gleichbedeutend frz. plaider, zu frz. plaid 'Streit¬
Interjektion der Ammensprache zurückgeht. fall, Gerichtshof’, dieses aus 1. placitum 'Wil¬
S. pieseln. lensmeinung, Meinung, Lehrsatz’, einer Sub¬
stantivierung von 1. placitus 'was einem gefällt’,
Pissoir n. 'Ort zum Pissen’. Entlehnt aus frz.
dem PPP. von 1. placere 'gefallen, gefällig sein’.
pissoir m. (dass.), s. pissen.
Morphologisch zugehörig: Plädoyer; etymologisch ver¬
Pistazie /. (= ein Strauch aus dem Mittel¬
wandt: s. Plazet.
meerraum mit eßbaren Samenkernen). Die Be¬
zeichnung für den Strauch und die Frucht wer¬ Plafond m. 'Decke, Grenze’, reg., österr. Im
den beide im 16. Jh. entlehnt, und zwar der 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. pla-
Pistazienbaum aus 1. pistacia (dass.), dieses aus fond, einer Zusammensetzung aus frz. plat
gr. pistäke (dass.), der zugehörige eßbare Sa¬ 'eben’ (aus gr. platys [dass.], zu gr. plätos n.
menkern aus 1. pistacium n. (dass.), aus gr. pistä- 'Breite, Fläche’) und frz. fond 'Hintergrund,
kion n. (dass.). Gewölbe, Grund’ (aus 1. fundus 'Grund, Bo¬
Littmann (1924), 15; Jones (1976), 518. den’). So bezeichnet, um die glatten Decken
Piste /. 'Rennbahn’, fachspraehl. Im 19. Jh. begrifflich zu unterscheiden von frz. fond 'Ge¬
entlehnt aus frz. piste, das auf it. pesta 'Weg, wölbe’.
Fährte’ zurückgeht. Etymologisch verwandt: s. Plateau und fundieren.

Pistole / (= eine kleine Faustfeuerwaffe). Plage /., plagen swV. Mhd. plage, pßäge,
Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend cech. vläge, mndd. mndl. plage, die vorauszusetzende
plst’ala (wörtlich: 'Pfeife, Rohr’). ältere Form *pläga ist entlehnt aus 1. pläga
Jones (1976), 519f. 'Schlag’ (auch in übertragener Bedeutung).
Plagiat 549 Pläsier

Ebenso mhd. plagen, mndd. plagen, mndl. pla¬ Planet m. (= ein Himmelskörper, der sich
gen wohl unmittelbar aus 1. plägäre 'schla¬ um eine Sonne dreht). Im Mittelhochdeutschen
gen — es kann aber auch aus dem Substantiv (mhd. plänete) entlehnt aus gleichbedeutend 1.
abgeleitet sein. Beides sind ursprünglich reli¬ planetae, planetes PL, diese aus gr. planes
giöse Wörter, die erst im 16. Jh. verweltlicht '(wörtlich: umherschweifend), Wanderer, Irr¬
werden.
stem, Planet’. Siehe Wandelstern.
S. auch placken. - Hoffmann (1956), 33f. Morphologisch zugehörig: planetar, Planetarium, Pla¬
Plagiat n. 'Fälschung, unrechtmäßige Nach¬ netoid: zum Etymon s. Feld.

ahmung’, sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus planieren swV. 'ebnen, glätten’, s. Plan1.
gleichbedeutend frz. plagiat m.. zu 1. plagiärius Planke /. Mhd. blanke, planke, mndd. mndl.
m. 'gelehrter Dieb, (wörtlich: Menschendieb, planke. Entlehnt aus einer romanischen Nach¬
Seelenverkäufer)’, zu 1. plagium 'Menschendieb¬ folgeform von 1. planca 'Bohle, Brett’ (afrz.
stahl, Seelenverkauf’, zu gr. plägios 'unredlich, planche). Dieses ist entlehnt aus gr. phälanx
hinterlistig, versteckt’. gleicher Bedeutung (das urverwandt ist mit
Morphologisch zugehörig: Plagiar, Plagiarius, Pla¬ Bohle [s. d.] und weiter eventuell zu Balken
giator. [s. d.]).
Plaid n./m. 'Decke, Umhängetuch aus Wolle’, S. Phalanx. - H. Schüwer NW 19 (1979), 120-132.
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ plänkeln swV. Mhd. blenkeln 'herumklopfen,
deutend ne. plaid, dessen weitere Herkunft nicht schallen machen’ 'südd. Plänkel ‘Glocken¬
sicher geklärt ist. schwengel, eine Art Dreschflegel’. Bei Geplänkel
Plakat n. 'großes Stück Papier, das zur Wei¬ handelt es sich um eine Übertragung auf klei¬
tergabe von Information öffentlich ausgehängt nere Schießereien nach dem lautlichen Ein¬
druck.
wird . Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
nndl. plakkaat, dieses aus frz. placard (dass.), Plankton n. 'kleine Meereslebewesen’, fach¬
zu prov. placa 'Platte, Täfelchen’, einer postver¬ sprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu gr. planktös
balen Ableitung von frz. plaquer 'mörteln, fur¬ 'umhergetrieben’, zu gr. pläzein 'umherirren,
nieren’. aus mndl. placken 'ankleben, flicken’. verschlagen werden’.
Dazu das Diminutivum Plakette 'Schildchen, Plantage/. (= eine Großpflanzung). Im 17.
kleine Tafel’. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. plantage,
Morphologisch zugehörig: plakatieren, plakativ, Pla¬ einer Ableitung von frz. planier 'pflanzen’, aus
kette. 1. plantare (dass.), zu 1. planta 'Gewächs’.
Plakette f. 'Schildchen, kleine Tafel’, s. Etymologisch verwandt: [implantieren]. Plan2,
Pflanze, transplantieren. — Jones (1976), 523.
Plakat.
plantschen swV. Bezeugt seit dem 18. Jh.
Plampe /. 'Seitengewehr’, s. Plempe.
Lautmalend.
Plan1 m. 'Fläche’, arch., sonder sprach!. Mhd.
Planwagen m. Eine Zusammensetzung aus
plän(e) /., plan. Entlehnt aus ml. planum n.
Wagen (s. d.) und Plane (s. d.).
'Ebene’, Substantivierung zum Adjektiv 1.
plappern swV., ugs. Bezeugt seit dem 16. Jh.
plänus 'flach, eben’. Auch das Adjektiv ist als
Lautmalende Bildung wie ahd. blabbezon, mhd.
plan im 16. Jh. entlehnt, bleibt aber fachsprach¬
blepzen u. ä.
lich.
S. Pianoforte. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 86. Plappert m. 'Münze von acht Pfennig’, arch.
Mhd. (obd.) plappert ist übernommen aus
Plan2 m. 'Grundriß, Vorhaben’. Im 18. Jh.
mndd. blaff er t (mit Anlehnung an das Schall¬
entlehnt aus frz. plan gleicher Bedeutung (und
wort Plapp). Dieses über mndl. blaffaert 'Wei߬
noch lange französisch ausgesprochen). Das
pfennig’ aus frz. blafard 'bleich, fahl, bleifar¬
französische Wort geht auf 1. planta f. 'Fu߬
ben’, wfrk. * blaffardus, das wohl aus einem
sohle’ zurück (s. Pflanze): Der Plan ist eigent¬ ahd. (wfränk.) bleihvaro 'bleichfarbig’ stammt.
lich ein Grundriß. Ausgangsbedeutung ist also 'Weißpfennig’.
Etymologisch verwandt: s. Plantage. — W. Feldmann
plärren swV. Mhd. blerren, bleren. Lautma¬
ZDW 8 (1906/07), 86.
lend wie mndl. bleren 'blöken’.
Plane /. 'grobes Leintuch’, fachsprachl. Ei¬ O. Hauschild ZDW 12(1910), 35, 39; H. Glombik-
gentlich Plahene, daneben regional Blache, Hujer DWEB 5 (1968), 137-141.
Plahe u. ä. Mhd. plahe, blähe, ahd. blaha. Dane¬ Pläsier n. 'besonderes Vergnügen’, reg. Im 16.
ben anord. blcegja 'Tuch, Laken’. Vielleicht ur¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. plaisir m.,
verwandt mit 1. floccus m. 'Wollflocke’, aber zu afrz. plaisir 'gefallen’, aus 1. placere (dass.).
alle Einzelheiten bleiben unklar. Morphologisch zugehörig: Pläsanterie: etymologisch
S. Flocke, Planwagen. verwandt: s. Plazet.
Plasma 550 platzen

Plasma n. 'Blutflüssigkeit; Substanz, in der ständlich, rund heraus’, negativ ist 'unterlegen,
sich Stoff- und Energiewechsel vollzieht’, s. Pla¬ minderwertig, grob’.
stik. A. Lasch BGDSL 42(1917), 134-156; E. Seebold
ZDL 52(1985), 381.
Plastik f 'bildhauerisches Kunstwerk, Kunst¬
stoff’. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. plastique Platte/. Mhd. plate, blate 'Platte, Brusthar¬
'Bildhauerkunst’, dieses aus 1. plastice (dass., nisch, Tonsur’, ahd. platta 'Platte, Glatze’. Ent¬
auch: 'bildhauerisches Kunstwerk’), aus gr. plas- lehnt aus ml. platta 'Platte’, Substantivierung
tiki (techne) (dass.), zu gr. plastikös 'zur For¬ aus spl. *plättus (s. platt).
mung geeignet; plastisch’, zu gr. plästes m. S. Plateau (+).
'Bildner, Bildhauer, Former, Schöpfer’, zu gr. Platteise /. 'Scholle’, fachsprachl. Mndl.
plässein 'aus weicher Masse bilden, formen, ge¬ plad(d)ijs, mhd. blatise, pletse. Entlehnt aus
stalten’. Die Bedeutung 'Kunststoff’ aus ne. einer romanischen Nachfolgeform von gleich¬
plastics selben Ursprungs, das bezeichnungsmo¬ bedeutendem ml. platessa, das zu der Sippe von
tivisch 'eine formbare Masse’ meint. Die plasti¬ platt (s. d.) gehört.
sche Chirurgie dient der Wiederherstellung plätten swV. 'bügeln’, nordd. Spezialisierung
(„Formung“) nach Verbrennungen usw. Damit von mndd. pletten 'platt machen’. Abgeleitet
verwandt: Plasma 'weiche Masse’. von platt (s. d.).
Morphologisch zugehörig: Plastilin, Plastilina, pla¬ S. Plateau (-f). — Kretschmer (1969), 373 — 376.
stisch., Plastizität; etymologisch verwandt: Pflaster,
Plattform/. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. plate¬
Plasma. - J. Eichhoff in: FS Martin (1980), 163 — 166.
forme, ursprünglich 'Geschützdamm’ als Teil
Plastilin n. 'formbare Knetmasse’, s. Plastik. des Festungsbaus. Zu den Grundwörtern s.
Platane /. (= ein hochwachsender Laub¬ platt und Form.
baum), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus Jones (1976), 524f.
gleichbedeutend 1. platanus, dieses aus gr. pläta- Platz1 m. Mhd. plaz, blaz. Entlehnt aus ml.
nos (dass.), zu gr. platys 'weit, eben’, zu gr. placea f. und frz. place fl, dieses aus gr. plateia
plätos n. 'Breite, Fläche’. So bezeichnet als f. 'breiter Weg, Straße, freie öffentliche Fläche
'Baum mit den weit ausgebreiteten Ästen’.
in der Stadt’ (zu gr. platys 'flach, breit’).
Etymologisch verwandt: s. Plateau.
S. Plateau ( + ).
Plateau n. 'Hochebene’. Im 19. Jh. entlehnt Platz2 m., reg. Mundartlich für verschiedene
aus gleichbedeutend frz. plateau (auch: 'flacher Gebäckarten, heute vor allem in der Diminutiv¬
Gegenstand’), zu frz. plat 'flach’, aus spl. *plat- form Plätzchen bekannt. Bezeugt ist im 14. Jh.
tus (dass.), aus gr. platys 'flach, eben, weit, pla(t)zbecke 'Kuchenbäcker’. Zu platzen (s. d.)
ausgedehnt’. mit verschiedenen Möglichkeiten des Benen¬
Etymologisch verwandt: [deplaziert], Plafond, Pla¬ nungsmotivs. Der nordwestdeutsche Platz wird
tane, Platin, [Platitüde], platt, plätten, [Platt], Platte,
kreuzweise eingeschnitten, so daß er aufplatzt,
Platzplazieren; zum Etymon s. Fladen.
der Kartoffelplatz prasselt beim Backen usw.
Platin n. (= ein Edelmetall). Im 18. Jh. ent¬ Genauere Zuweisungen und Abgrenzungen sind
lehnt aus gleichbedeutend span, platina f. (wört¬ praktisch nicht möglich. Auch ein Einfluß von
lich: 'kleines Silberkörnchen’), einem Diminuti- Platz (s. d.) ist nicht ausgeschlossen.
vum zu span, platina f. (de ariento) 'Silber S. Plätz, platzen. — Wiek (1939), 72; W. Kaspers
(-platte)’, aus spl. *platta 'Metallplatte’, zu spl. BGDSL-H 80 (1958), 179-189.
*plattus 'flach’, aus gr. platys (dass.). Plätz m. 'Fleck, Flicken’, reg. Mhd. plez, blez
Etymologisch verwandt: s. Plateau. — Löschen (1968), 'Flicken, Stück, Tuch, Untergrund’, seit dem
293.
14. Jh. auch übertragen 'Eingeweide’ (vgl.
plätschern swV. Bezeugt seit dem 17. Jh. Wie Kuttelfleck u. ä.). Da gegenüber gt. plat n.,
die Interjektion platsch lautnachahmend. (oder plats m.) 'Flicken’ keine Lautverschie¬
platt Adj. Mndd.plat, mndl. plat(t). Entlehnt bung erscheint, wohl entlehnt aus akslav. platü
aus frz. plat 'flach’, das auf spl. *plättus zurück¬ 'Tuch, Leinwand’ (unklarer Herkunft).
geht. Dieses aus gr. platys 'dach, eben, weit, S. Platz2 ( + ).
ausgedehnt’. Plätzchen /., s. Platz2.
S. Plateau ( + ), Platte, plätten. platzen swV. Mhd. platzen, blatzen. Lautma¬
plattdeutsch Adj. Gebraucht seit dem 16. Jh. lend wie platschen, plantschen usw., die alle ein
Gemeint ist zunächst wie bei Schlechtdeutsch schallendes Geräusch bezeichnen. Hierzu auch
und Bauerndeutsch die einfache, nicht-stilisierte Platzregen, bezeugt seit dem 15. Jh. Übertragen
und nicht gehobene Sprache. Diese Bezeichnun¬ ist platzen vor Wut mit verschiedenen Erweite¬
gen enthalten von Anfang an eine positive und rungen.
eine negative Nebenbedeutung. Positiv ist 'ver¬ S. Platz2 ( + ).
Platzhirsch 551 plotzen

Platzhirsch m., sonderspracht. Zunächst jäger¬ Plempe /., auch Plampe /. 'Seitengewehr’,
sprachlich für den stärksten Hirsch am Platz, arch. Bezeugt seit dem 17. Jh. Zu plampen 'bau¬
dann übertragen auf gesellschaftlich dominie¬ meln’, weil das Seitengewehr am Koppel bau¬
rende (männliche) Personen. melt. Auch 'fades Getränk’ (als hin- und herge¬
plaudern swV. Mhd. plüdern, Nebenform zu schütteltes), dazu verplempern, eigentlich 'ver¬
mhd. blödem u. ä. Schallwort wie mndd. plade- schütten’.
ren 'schwatzen5,1. blateräre 'dumm daherreden’, plentern swV. 'die lichtraubenden Bäume aus¬
gr. phledön 'Schwätzer’. hauen’, fachsprachl. Bezeugt seit dem 18. Jh.
S. plauschen. Zu Blender 'lichtraubender Baum’ in bairischer
plauschen swV. 'vertraulich plaudern’, reg., Lautform.
südd., österr. Abwandlung von plaudern (s. d.). Plenum n. 'Vollversammlung’, sondersprachl.
plausibel Adj. 'einleuchtend, begreiflich’, son- Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
dersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ plenum, einer Neubildung zu 1. plenum cönsilium
tend frz. plausible, dieses aus 1. plausibilis (dass., 'vollzählige Versammlung’, zu 1. plenus 'voll’.
wörtlich: 'Beifall verdienend’), zu 1. plaudere Etymologisch verwandt: komplementär (usw.), kom¬
plett, Kompliment, Manipulation, Supplement.
(plausum) 'klatschen, Beifall spenden’. So be¬
zeichnet als Übertragung einer Wirkung auf Pleuelstange /. 'Schubstange’, fachsprachl.
den Grund: eine Beifall verdienende Darlegung Seit dem 19. Jh. mit oberdeutschem Lautstand
(usw.) ist eine Darlegung, die den Zuhörern zu Bleuel (s. bleuen) 'Stampfer’. Die Umset¬
einen Sachverhalt als klar und begreiflich er¬ zung von Drehbewegungen zu Stoßbewegun¬
scheinen läßt. gen erfolgte zuerst bei den wassergetriebenen
Morphologisch zugehörig: Plausibilität', etymologisch Stampfmühlen.
verwandt: s. applaudieren. — W. Feldmann ZDW Plexiglas n. 'glasartiger Kunststoff’, fach¬
8 (1906/07), 87; Brunt (1983), 423. sprachl. Im 20. Jh. als Markenname gebildet zu
Plauze /. 'Eingeweide’, besonders 'Lunge’, 1. plexus 'geflochten’ (unter Bezugnahme auf
omd. Entlehnt aus sorb. ptuco n. 'Lungenflügel’, die Molekülstruktur).
sorb. ptuca PI. 'Lunge’. Etymologisch verwandt: s. Komplikation.
Bielfeldt (1965), 43; Eichler (1965), 97f.
plietsch Adj. 'schlau’, ugs., nordd. Zusammen¬
Playback n. 'Musikkonserve’, fachsprachl. Im gezogen aus mndd. polietsch 'politisch’.
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. play- Plinse /. 'Pfannkuchen, Kartoffelpuffer’, od.
back (wörtlich: „Wiederspielen, Zurückspie¬
Im 16. Jh. entlehnt aus sorb. blinc 'dünner
len“), zu e. play 'spielen’ (s. pflegen) und e. back
Buchweizenkuchen’.
'wieder, zurück’ (s. Backbord).
Eichler (1965), 98f.
Playboy m. Entlehnt aus ne. playboy 'junger
Plissee n. 'Gewebe mit vielen, schmalen Fal¬
Mann, der nur ans Spielen (d. h. an sein Ver¬
ten’, fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu
gnügen, vor allem erotischer Art) denkt’. Zu
frz. plisse 'gefaltet’, dem PPrät. von frz. plisser
ne. play 'spielen’ und ne. boy 'Junge’. 'in Falten legen’, zu frz. pli m. 'Falte’, einer
Plazet n. 'Einwilligung’, sonder spracht. Neu¬ Ableitung von frz. plier 'falten’, dieses aus 1.
bildung des 16. Jhs. zu 1. placet 'es gefällt, ich plicäre (dass.).
stimme zu’, zu 1. placere 'gefallen, gefällig sein, Morphologisch zugehörig: plissieren', etymologisch
dafür sein, beschließen’. verwandt: s. Komplikation.
Etymologisch verwandt: Placebo, plädieren (usw.), Plä¬ Plombe /. Rückbildung aus plombieren, das
sier (usw.), [Plazenta], Supplikant (usw.).
im 18. Jh. aus frz. plomber entlehnt wurde.
plazieren swV. an eine Position bringen, Dieses bedeutet eigentlich 'mit Blei verschlie¬
einen Platz zuweisen’, s. PlatzE ßen’ (zu frz. plomb m„ aus 1. plumbum n.).
Pleite/. 'Bankrott’, ugs. Im 19. Jh. aus dem Plötze /. 'Karpfenart’, fachsprachl. Bezeugt
Rotwelschen übernommen (dort ist im 18. Jh. seit dem 15. Jh. Entlehnt aus einer westslawi¬
belegt Blede machen für 'durchgehen, entflie¬ schen Sprache, vermutlich obsorb. plocica,
hen’). Aus wjidd. pleite 'Bankrott; fort, weg’ aus wörtlich 'Plattfisch’.
hebr. fletä(h) 'Rest, Überbleibsel, wörtlich: Wiek (1939), 43f.
Rettung, Entrinnen’, spät auch Bankrott .
plotzen swV. 'aufprallen’, reg. Zu lautnachah-
Dazu Pleitegeier mit verschiedenen Anwendun¬
mendem Plotz Aufprall, das seit dem 17. Jh.
gen (z. B. auf das Pfändungssiegel mit dem Ad¬
bezeugt ist. Auch in Formeln wie auf den Plotz
ler), angeregt durch wjidd. Pleite-geier 'Pleite-
'Knall und Fall’, nordd. Plutz. Auch als Adjek¬
Geher’.
tiv und Adverb gebraucht.
S. auch flötengehen. - Lokotsch (1975), 132; Wolf
S. plötzlich.
(1985), 249f.
plötzlich 552 Pocke

plötzlich Adv. Bezeugt seit dem 14. Jh. Es plus Konj./Präp. m. Gen.IAdv., s. Plural.
gehört zu Plotz 'Aufprall’ (s. plotzen), das aller¬
Plüsch m. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. peluche,
dings erst später bezeugt ist. Die Bedeutungs¬
einer Rückbildung zu afrz. peluchier 'zupfen’,
entwicklung geht aus von der Schnelligkeit (und
das aus einem spl. *ptluccare stammt. Dieses
auch Unerwartetheit) solcher Vorgänge (vgl. auf
aus 1. piläre 'enthaaren’ erweitert.
einen Schlag u. ä., auch — mit spezieller Her¬
S. kompilieren ( + )■ — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
kunft — Knall und Fall). 07), 87.
Bahder (1925), 126f.; E. Oksaar: Semantische Studien
im Sinnbereich der Schnelligkeit (Stockholm 1958). Plusquamperfekt n. 'Vorvergangenheit’, s.
perfekt.
Pluderhose /. Bezeugt seit dem 15. Jh. in
verschiedenen Lautformen (Fluderhose, Bloder- plustern swV. Im 17. Jh. übernommen aus
hose). Zu einem lautmalenden Verb wie flattern-, dem Niederdeutschen: Mndd. plusteren, mndl.
im konkreten Fall steht am nächsten das unter pluusteren, pluysteren, eine Weiterbildung zu
plaudern dargestellte Wort, doch lassen sich die mndl. pluysen 'zupfen’ (die Bedeutung von plu¬
näheren Zusammenhänge bei lautlich (und se¬ steren ist zunächst 'zerzausen’). Weitere Her¬
mantisch) so instabilen Wörtern schwer be¬ kunft unklar.
stimmen. Pneu m. 'Reifen’, schwz., österr. Gekürzt aus
plump Adj. Im 16. Jh. übernommen aus ndd. Pneumatik 'Luftreifen’ (arch.), das zu gr.
nndl. plomp, plump 'dick, grob, stumpf’, das zu pneüma n. 'Wind, Atem, Luft’ gebildet ist. Vgl.
einem Schallwort für einen dumpfen Fall gehört frz. pneu.
(vgl. plumps u. ä.). Pöbel m. Mhd. pqvel, bovel. Entlehnt aus afrz.
S. Plumpsack.
poble in der Bedeutung 'Dienerschaft, gemeine
Plumpe /. 'Pumpe’, omd. Lautmalende (wohl Leute’. Dieses ist eine regionale Form zu afrz.
von plumps u. ä. abhängige) Umgestaltung von pueble, pueple, frz. peuple 'Volk’, das auf 1. popu-
Pumpe (s. d.). lus 'Volk’ zurückgeht. Die anderen germani¬
Plumpsack m. 'Kinderspiel’, sonder spracht. schen Sprachen (auch mndd. mndl. popel) ge¬
Bezeugt seit dem 18. Jh. Ursprünglich wohl hen auf das normale französische oder lateini¬
ein Kinderwort für 'schwerer Sack’ (der beim sche Wort zurück und zeigen im allgemeinen
Abstellen plump macht), dann übertragen auf nicht die gleiche Bedeutungsverschlechterung.
'plumper Mensch’ und auf das Spiel. Diese beginnt im Mittelhochdeutschen, setzt
plumpsen swV. Seit dem 18. Jh. bezeugt, ei¬ sich aber erst in neuhochdeutscher Zeit durch.
gentlich in niederdeutscher Form, doch spielt S. populär (+). - Jones (1976), 511.
in diesem Fall sicher auch die Lautmalerei eine pochen swV. Mhd. bochen, puchen, mndd. bo-
Rolle, so daß dieses oder ein ähnliches Wort ken, puchen, puggen, mndl. boken, bueken. Laut¬
auch oberdeutsch heimisch gewesen sein kann. malend (vgl. die Interjektion poch, die kaum
Plunder m., ugs. Im hochdeutschen Bereich ein Imperativ des Verbs ist). Frühneuhoch¬
bezeugt seit dem 14. Jh. Schon früher mndd. deutsch aus dem Zusammenhang des ans Tor
plunderware m./f 'kleines Hausgerät, Kleider’, oder auf den Tisch Pochens auch die Bedeutung
mndd. mndl. plunder, plonder f. 'gebrauchter 'wagen, herausfordern’. Daher der Name des
Hausrat, Bettzeug, Kleider’. Auch ohne r in Pochspiels, bei dem der Spieler mit seinem Ein¬
mndd. plunne, plunde 'Kram’, mndl. plundware satz den Vergleich herausfordert.
f/(m.?ykleiner Hausrat’. Herkunft unklar. S. puckern.
Dazu plündern (s. d.) und Plünnen (s. d.). pochieren swV. '(Eier) in siedendem Wasser
Lühr (1988), 132f.
kochen’, fachsprachl. Entlehnt aus frz. pocher
plündern swV. Bezeugt seit 14. Jh., zunächst gleicher Bedeutung. Dieses zu frz. poche 'Ta¬
wohl in mndd. mndl. plünderen, plondern, fr. sche , weil dabei das Eigelb von dem festwer¬
plunderje. Zu Plunder (s. d.) in wertfreier Bedeu¬ denden Eiweiß wie von einer Tasche umschlos¬
tung, also 'Plunder wegnehmen’. sen wird.
Plünnen PL 'Kleider’, ugs., nordd. Zu der Pocke /., Pocken PI. Im 16. Jh. aus dem
Gruppe von Plunder (s. d.) gehöriges Wort. Niederdeutschen übernommen (lautgesetzliche
Herkunft wie bei diesem unbekannt. Entsprechungen sind wmd. poche und fnhd.
Plural m. 'Mehrzahl’, fachsprachl. Im 17. Jh. pfoche). Mndd. pocke, poche, mndl. pocke, ver¬
entlehnt aus gleichbedeutend I. plürälis (nume- gleichbar mit ae. pocc m. Vermutlich sind bei
rus), zu 1. plüs (-üris) 'mehr’, dem suppletiven diesen Wörtern für verschiedene Krankheitser¬
Komparativ zu 1. multus 'viel’. scheinungen die 'Bläschen’ im Vordergrund.
Morphologisch zugehörig: Pluralismus, Pluralist, Plu¬ Deshalb kann an ae. pocca m. 'Tasche, Sack’
ralität-, etymologisch verwandt: plus. - W. Feldmann angeknüpft werden, ebenso ahd. pohha m.,
ZDW 8 (1906/07), 87.
mhd. in pfochsriiden n. 'Beutelschneiden’. Zu
Podest 553 polieren

der zugrundeliegenden Lautgebärde vgl. Pol m. 'Drehpunkt, Endpunkt, Zielpunkt’.


Bausch. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. polus,
S. Pickel2. — Kretschmer (1969), 377f.; Lühr (1988), dieses aus gr. pölos (dass., wörtlich: 'Dreh¬
270f. punkt, Achse’, zu gr. pelesthai 'sich bewegen’.
Podest n. 'kleine erhöhte Plattform’, s. Po¬ Morphologisch zugehörig: polar, Polarität; zum Ety¬
dium. mon s. Hals.

Podex m., s. Popo. polar Adj. 'die Pole betreffend, gegensätzlich’,


Podium n. 'erhöhte Plattform’. Im 19. Jh. s. Pol.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. podium (wört¬ Polarität /. 'Gegensätzlichkeit’, s. Pol.
lich: 'Tritt, trittartige Erhöhung’), aus gr. pödion Polder m. 'eingedeichtes Land’, nordd. Im 18.
(dass., wörtlich: 'Füßchen’), einem Diminuti- Jh. übernommen aus nndl. polder, das seit dem
vum zu gr. poüs (podös) m. 'Fuß’. Dazu wohl 16. Jh. bezeugt ist. Das Wort (oder ein gleich¬
Podest 'kleines Podium’. lautendes?) bedeutet auch 'HühnerstalE und
Etymologisch verwandt: Antipode, Kaliber, Polyp', zum stammt in dieser Bedeutung aus ml. pullarium
Etymon s. Fuß.
n. (zu 1. pullus 'Hühnchen’) über frz. poulailler
Poesie /. 'Dichtkunst’. Im 16. Jh. entlehnt 'Geflügelhof’. Eine Bedeutungsbrücke ist aber
aus gleichbedeutend frz. poesie, dieses aus 1. nicht zu ersehen. Herkunft also unklar.
poesis (dass.), aus gr. poiesis (dass., wörtlich: U. Seelmann NJ 47 (1921), 41 —44.
'Tun, Herstellung, Schöpfung’), zu gr. poiein
Polemik /. 'scharfer, verunglimpfender
'dichten, (wörtlich: machen, schaffen)’. Poet
Angriff’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
'Dichter’ wurde schon im 13. Jh. entlehnt, ver¬
tend frz. polemique, einer Substantivierung von
mutlich aus afrz. poete (oder 1. poeta m.).
frz. polemique 'kriegerisch, den Krieg betref¬
Morphologisch zugehörig: Poem, Poetaster, Poetik. —
fend’, dieses aus gr. polemikbs (dass.), zu gr.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 87.
pölemos m. 'Krieg, Schlacht, Kampf’.
Pogge /. 'Frosch’, ndd. Mndd. pogge f./m.
Polente /. 'Polizei’, ugs. Gaunersprachliche
Herkunft unklar.
Abwandlung des Wortes Polizei, bezeugt seit
Pogrom m./n. 'Ausschreitungen gegen Min¬
dem 19. Jh.
derheiten, Judenverfolgung’, sonder spracht. Im
Police/. 'Versicherungsurkunde’, fachsprachl.
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend russ. po-
gröm (wörtlich: 'Verwüstung, Unwetter’).
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. po-
lizza, dieses aus ml. apodixa 'Nachweis’, aus gr.
Pointe /. 'geistreicher Schlußeffekt’, sonder-
apbdeixis (dass., auch: 'Aufweisung, Darle¬
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
gung’), zu gr. apodeiknynai 'vorzeigen, aufwei¬
frz. pointe (wörtlich: Stich’), dieses aus 1.
sen, beweisen’, zu gr. deiknynai 'zeigen, begreif¬
pünctum n. 'Stich’, dem substantivierten PPP.
lich machen, beweisen’ (s. auch apo-). In der
von 1. pungere (pünctum) 'stechen’.
Form angeglichen an frz. police selben Ur¬
Morphologisch zugehörig: pointieren, Pointillismus,
sprungs.
Pointillist; etymologisch verwandt: s. Akupunktur. -
Etymologisch verwandt: s. apodiktisch. — Schirmer
Brunt (1983), 425.
(1911), 144; Jones (1976), 527f.
Pokal m. (= ein kelchartiges Trinkgefäß, eine
Polier m. 'Vorarbeiter, Bauführer’. Im Mittel¬
so geformte Siegesprämie). Im 16. Jh. entlehnt
aus it. boccale 'Krug, Becher’, dieses aus spl. hochdeutschen (mhd. parlier, parlierer 'Spre¬
baucalis f. 'tönernes Kühlgefäß’, aus gr. baükalis cher, Wortführer’) gebildet zu mhd. parlieren
f. 'enghalsiges Kühlgefäß’. Das anlautende /p/ 'sprechen’, dieses aus afrz. parier (dass.), aus
wohl in volksetymologischer Anlehnung an 1. spl. *paraulare (dass.), zu ml. parabolef. 'Wort,
pöculum n. 'Trinkgeschirr, Becher’. Spruch, Gerede’, aus 1. parabole f. 'Gleichnis’.
Das /o/ im 19. Jh. in volksetymologischer An¬
Pökel m. 'Salzlake’, nordd. Mndd. pekel /.,
lehnung an polieren 'glänzend machen, glätten’.
mndl. pekel(e), peeckel; vgl. ne. pickle; im 15.
Etymologisch verwandt: s. Parabel. — Schirmer
Jh. auch pec 'Salzhering’. Entlehnt aus einem
(1911), 144.
romanischen Nachfolger von ml. *piccare 'ste¬
chen’ (vgl. den Umkreis von pikant) und mit polieren swV. 'glänzend machen, reiben’. Im
deutscher Endung versehen. Mittelhochdeutschen (mhd. polieren) entlehnt
S. Pickelhering, pikant ( + ). - W. Foerste NW aus gleichbedeutend afrz. polir, dieses aus 1.
1 (1960), 11 — 13; H. Dittmaier in: FS Foerste (1970), pollre (dass., auch: 'feilen’).
205-207; W. Seibicke MS 89 (1979), 33-44. Morphologisch zugehörig: Politur; etymologisch ver¬
Poker m./n. (= ein Glücksspiel). Im 20. Jh. wandt: extrapolieren (usw.), [Interpolation]. — W.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. poker, dessen Feldmann ZDW 8 (1906/07), 87; W. J. Jones SN

Herkunft nicht sicher geklärt ist. 51 (1979), 267.


Poliklinik 554 Pommes frites

Poliklinik /. 'Krankenhausabteilung für am¬ anord. boiginn 'angeschwollen’. Die Bedeutung


bulante Behandlung (wörtlich: Stadtkranken¬ 'Kissen’ auch in apreuß. balsinis m., serbo-kr.
haus)’, s. politisch und Klinik. bläzina /., avest. barazis-. Die Frage, ob nicht
Politesse/. 'Hilfspolizistin’. Neubildung nach in Wirklichkeit Entlehnungen aus einer unbe¬
Mustern wie Komtesse zu einer rekonstruierten kannten Sprache vorliegen, muß offen bleiben.
Vorform von Polizei (s. d.). S. Ball1 ( + ).

politisch Adj. 'öffentliche Angelegenheiten Polterabend m. 'Vorabend der Hochzeit, an


betreffend’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ dem von den Freunden des Brautpaars Geschirr
tend frz. politique, dieses aus 1. politicus (dass.), u. ä. zerschlagen wird’. Bezeugt seit dem 16.
aus gr. polTtikös (dass.), zu gr. polttes 'Bürger, Jh., auch als pulternacht. Wahrscheinlich um
Staatsbürger, (wörtlich: Städter)’, zu gr. pölis Poltergeister o. ä. von dem jungen Paar femzu-
'Stadt, Staat’. halten; deshalb vielleicht Klammerform aus
Morphologisch zugehörig: Politik, Politikaster, Politi¬ Poltergeistabend. Zu poltern (s. d.).
kum, Politikus, politisieren, Politologie', etymologisch poltern swV. Bezeugt seit dem 15. Jh. als
verwandt: Kosmopolit (usw.), Metropole (usw.), Poli¬
buldern, boldern. Lautnachahmend. Ähnlich
klinik, Polizei (usw.). - C. Müller ZDW 3 (1902),
nndl. balderen.
257f.; W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 87; G. Schoppe
ZDW 15(1914), 201; A. Stegmann CL 13 (1968), S. Polterabend.
33 — 47; D. Sternberger: Drei Wurzeln der Politik poly- Präfix. Wortbildungselement mit der
(Frankfurt 1978); L. M. Eichinger in: FS Matzel Bedeutung 'viel, mehr’ (z. B. polygam, Polyhi¬
(1984), 201-214.
stor). Es wurde ip griechischen Entlehnungen
Politur /. '(Mittel für) schützende Glanz¬ ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist
schicht’, s. polieren. gr. poly (dass.).
Polizei /. 'öffentliches Sicherheitsorgan’. Im polyglott Adj. 'mehrsprachig’, sonder spracht.
14. Jh. entlehnt aus ml. policia 'Staatsverwal¬ Entlehnt aus gleichbedeutend gr. polyglöttos,
tung’, dieses aus spl. polltla (dass.), aus gr. zu gr. glössa, glötta 'Sprache, Zunge’ (s. auch
politeta (dass.), zu gr. polttes m. 'Bürger, Staats¬ poly-).
bürger, (wörtlich: Städter)’, zu gr. pölis 'Stadt, Morphologisch zugehörig: Polyglotte, polyglottisch;
Staat’. Die heutige Bedeutung seit dem 18. Jh., etymologisch verwandt: s. Glosse. - W. Feldmann
metonymisch übertragen von 'Staatsverwal¬ ZDW 8 (1906/07), 87.
tung’ auf 'ausführendes Organ der Staatsver¬ Polyp m. 'Krake, Nesseltier, Geschwulst der
waltung’, besonders unter dem Einfluß von Schleimhäute’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Komposita wie Polizei-Ordnung, eigentlich deutend 1. polypus, dieses aus gr. polypous
'staatliche Ordnung’, dann 'durch die Polizei (dass.), einer Substantivierung von gr. polypous
gewährleistete Ordnung’. 'vielfüßig’, zu gr. poüs 'Fuß’ (s. auch poly-). Die
Morphologisch zugehörig: Politesse, Polizist', etymolo¬ Bedeutung 'Polizist’ entsteht in Übertragung
gisch verwandt: s. politisch. - K. Zobel: Polizei (Diss.
der Tätigkeit der Fangarme auf die Arbeit der
masch. München 1952) (mit einem Wörterbuch der
Polizei (und gaunersprachlich polipee).
Komposita); P. Preu: Polizeibegriff und Staatszweck¬
lehre (Göttingen 1983). Etymologisch verwandt: s. Podium.

Pollen m. 'Blütenstaub’, fachsprachl. Im 14. Pomade /. 'Creme zum Glätten des Haares’.
Jh. entlehnt mit der Bedeutung 'feines Mehl, Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Staubmehf aus 1. pollen n. gleicher Bedeutung. pommade (auch: 'Salbe’), dieses aus it. pomata
Die Bedeutung 'Blütenstaub’ ist neuzeitlich und (dass.), aus spl. *pomata (dass.), zu spl. pömum
n. Frucht, Apfel’, aus I. pömum n. 'Obstfrucht’.
international. Das lateinische Wort gehört zu
Angeblich so bezeichnet, da Pomade zunächst
einer Wortfamilie, in der die Bedeutungen
als Hauptbestandteil Äpfel hatte.
Mehl’ und Pulver’ (s. Pulver) vorherrschen.
S. Pomeranze, Pommes frites. - W. Feldmann ZDW
Polonaise /. (= ein festlicher Schreittanz), 8(1906/07), 87; Eichler (1965), 101 f.; Jones (1976),
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ 528; Brunt (1983), 426.
deutend frz. polonaise (danse) (wörtlich: 'pol¬
Pomeranze / (= eine Zitrusfrucht). Im 15.
nisch’).
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. pomarancia,
Polster m./n. Mhd. polster m., holster m., ahd. einer Zusammensetzung aus it. pomo m. 'Apfel’
polstar m./n., aus g. *bulstra-, älter vermutlich (aus I. pömum n. [dass.]) und it. arancia 'bittere
*bulhstra- n. 'Polster’, auch in anord. bolstr m., Apfelsine’ (aus pers. närang [dass.]).
bulstr m., ae. bolster n. Vermutlich zu einem g. Etymologisch verwandt: s. Orange und Pomade. —
*belg-a- stP. 'aufschwellen’, das aber nur in der Littmann (1924), 81, 83; Lokotsch (1975), 125.
Bedeutung 'zürnen’ bezeugt ist, vgl. ae. as. ahd. Pommes frites PI. (= in Fett schwimmend
belgan 'zürnen’, afr. ovirbulgen 'erzürnt’, aber gebratene Kartoffelstäbchen). Im 20. Jh. ent-
Pomp 555 Porst

lehnt aus gleichbedeutend frz. pommes frites, ähnlicher Bedeutungsvielfalt wie Butzen (s. d.).
aus frz. pomme (de lerre) 'Kartoffel’ (aus 1. Abgrenzung und Ausgangsbedeutung unklar.
pömum n. 'Obstfrucht’ und 1. terra f. 'Erde5, Popelin m. (= ein Stoff). Im 18. Jh. entlehnt
also 'Erdapfel’) und frz. frire (frit) 'backen, aus gleichbedeutend frz. popeline/., dieses wohl
braten’ (s. Frikadelle). aus frz. (drap de) Poperingue 'Stoff aus Pope-
Etymologisch verwandt: s. Frikadelle und Pomade. ringues’, dem Namen einer flämischen Stadt.
Pomp m. Mhd. pomp(e) f./m. Entlehnt aus Die jüngere Bedeutung ist dabei abhängig von
1. pompa f. unter Einfluß von dessen Fortsetzer e. poplin aus der gleichen Quelle.
frz. pompe f. Das Maskulinum erst spät (unter Popmusik/., s. populär und Musik.
Einfluß von Prunk!). Das lateinische Wort ist
Popo m., kindersprachl. Das im 17. Jh. einge¬
entlehnt aus gr. pompe f. 'feierlicher Aufzug’.
bürgerte Podex 'Hintern’ (aus gleichbedeutend
S. Pumphose. — K.-H. Weinmann DWEB 2(1963),
l. pödex) wird zu einer kindersprachlichen Re¬
401.
duplikation umgestaltet. Bezeugt zuerst im 18.
pompös Adj. 'überladen, schwülstig’, s. Pomp. Jh. im Nordosten.
Poncho m. 'Umhang’. Im 19. Jh. entlehnt aus H. Schulz ZDW 10(1908), 145-147.
gleichbedeutend span, poncho, dieses aus der Popper m. 'modisch-bewußt gekleidete(r)
südamerikanischen Indianersprache Arauka Jugendliche(r)’, s. populär.
poncho 'Wollgewebe’.
populär swV. 'beliebt, bekannt, volkstümlich’.
Pontifikat n. 'Amt, Würde hoher Geistlicher’, Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ populaire, dieses aus 1. populäris (dass., wörtlich:
deutend 1. pontificätus m., zu 1. pontifex m. 'zum [selben] Volk gehörig’), zu 1. populus
'Oberpriester, (wörtlich vermutlich: ‘Brücken¬ 'Volk’. Dazu die Abkürzung pop in Popmusik
bauer’), zu 1. pöns (-ntis) m. 'Brücke, Steg’ und (usw.) und Popper 'modisch gekleidete(r) Ju¬
1. facere 'machen’. gendliche! r)’. Bei den Abkürzungen (nach engli¬
Morphologisch zugehörig: pontißkal; etymologisch schem Vorbild) hat wohl auch e. pop 'Knall’
verwandt: s. Fazit und Ponton. mitgewirkt.
Ponton m. 'Brückenschiff’, fachsprachl. Im Morphologisch zugehörig: Popularität, Population;
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ponton, etymologisch verwandt: Pöbel, [poppig], publik (usw.),
Republik (usw.). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07),
dieses aus 1. ponto (-önis) (dass.), zu 1. pöns
87.
(-ntis) 'Brücke, Steg’.
Etymologisch verwandt: Pontifikat. — Jones (1976), Pore /. 'kleine (Haut)Öffnung’. Im 15. Jh.
529f. entlehnt aus 1. porus m. (dass.), dieses aus gr.
pöros m. (dass., wörtlich: 'Durchgang’), zu gr.
Pony n. (= ein kleines Pferd). Im 19. Jh.
porein 'auf dem Weg bringen, hinüberbringen,
entlehnt aus gleichbedeutend ne. pony, dessen
schicken u. ä.’, gr. perän 'drüben, hinter, jen¬
weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Dazu
seits’.
im Vergleich mit der Mähne dieser Tiere Pony
Morphologisch zugehörig: porös; zum Etymon s. fah¬
(-schnitt) m., die Bezeichnung einer Frisur, bei ren. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 87; G.
der die Haare in kleinen Fransen in die Stirn Schoppe ZDW 15(1914), 201; K.-H. Weinmann
hängen. DWEB 2(1963), 401.
Ganz (1957), 175f. Pornographie /. 'obszöne Darstellungen se¬
Popanz m. 'Schreckgestalt, Wichtigtuer’, son- xueller Akte’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
dersprachl. Im 16. Jh. im ostmitteldeutschen deutend frz. pornographie, zu frz. pornographe
Sprachraum aus einem nicht sicher zu bestim¬ m. 'Autor erotischer Schriften, (älter: Autor von
menden slavischen Wort entlehnt. Büchern über Huren)’, aus gr. pörne 'Hure’
und gr. gräphos m. 'Schreiber’, zu gr. gräphein
Popcorn n. (= ein Knuspergebäck aus gerö¬
'schreiben’.
stetem Mais). Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Etymologisch verwandt: s. Grammatik.
deutend ne. popcorn, einer Zusammensetzung
aus ne. pop 'knallen, knallend aufplatzen (das porös Adj. 'mit kleinen Löchern versehen,
wohl lautnachahmenden Ursprungs ist) und ne. brüchig’, s. Pore.
com 'Mais’ (selben Ursprungs wie d. Korn Porree m. 'Lauch’. Im Neuhochdeutschen
[s. d.]). So bezeichnet, da die Maiskörner beim entlehnt aus gleichbedeutend frz. porree, dieses
Rösten aufplatzen, wodurch Popcorn die cha¬ aus 1. porrum n. (dass.).
rakteristische Form erhält. E. Öhmann NPhM 44(1943), 18 - 22; Marzeil (1943/
Etymologisch verwandt: s. Korn1. 79), I, 202f.
Popel m. 'verhärteter Nasenschleim’, ugs., Porst m. 'wilder Rosmarin’, reg. Mhd. bor-
reg. Ursprünglich mitteldeutsches Wort mit se(r), mndd. anord. pors. Herkunft unklar.
Port 556 Posse

Port m. 'Ort der Sicherheit, Hafen’, poet. keit des chinesischen Porzellans mit der gelb¬
Mhd. port(e), horte. Entlehnt aus afrz. port, lichweißen Schale der Schnecke annahmen, es
das auf 1. portus 'Hafen’ zurückgeht. sei daraus hergestellt.
portabel Adj. 'tragbar’, s. Porto. S. auch Ferkel. - W. Feldmann ZDW8 (1906/07), 87.

Portal n. 'repräsentativ gestalteter Eingang’, Posaune /. (= ein Blechblasinstrument). Im


s. Portier. Mittelhochdeutschen (mhd. busüne, pusüne,
busine, püslne u. ä.) entlehnt aus gleichbedeu¬
Portemonnaie n. 'Geldbörse’. Im 19. Jh. ent¬
tend afrz. buisine, boisine, dieses aus 1. bücina
lehnt aus gleichbedeutend frz. portemonnaie m.,
'gewundenes Horn, Signalhorn’, aus 1. *bovi-
dieses zusammengesetzt aus frz. porte 'trage’,
cina, zu 1. bös f-ovis) ffm. 'Rind’ (verwandt mit
zu frz. porter 'tragen’, aus 1. portäre (dass.), und
gleichbedeutend gr. boüs) und 1. canere 'singen,
frz. inonnaie f. 'Geld, Münze’, aus 1. moneta f.
tönen’. Wohl so bezeichnet als ein Instrument,
(dass.).
das der Form des Rinderhorns ähnelt.
Etymologisch verwandt: s. Porto und Münze. — G.
Morphologisch zugehörig: Posaunist; etymologisch
Schoppe ZDW 15 (1914), 201; Brunt (1983), 428.
verwandt: s. Büffel und Chanson. — Suolahti (1929),
Portier m. 'Angestellter am Empfang von 74f.; Relleke (1980), 49-54, 162-165.
Hotels’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Pose /. 'künstliche Haltung’. Im 19. Jh. im
frz. portier, dieses aus 1. portärius 'Türhüter,
Rahmen der Künstlersprache entlehnt aus frz.
Pförtner’, zu 1. porta f. 'Tor, Eingang’.
pose 'Stellung’, zu frz. poser 'legen, stellen’, das
Etymologisch verwandt: opportun, Pforte, Pförtner,
auf gleichbedeutend 1. pönere zurückgeht.
Portal, [Portiere]', zum Etymon s. Furt.
Etymologisch verwa'ndt: s. Position.
Portion /. 'abgemessene Menge’. Im 16. Jh.
Posemuckel (beispielhaft für irgendeinen klei¬
entlehnt aus gleichbedeutend 1. portio (-önis)
nen abgelegenen Ort verwendet, wie etwa Kräh¬
(wörtlich: 'zugemessener Teil’), verwandt mit 1.
winkel, s. d.), ugs. Der Name Groß und Klein
pars (-rtis) 'Teil’.
Posemuckel existiert in der Mark Brandenburg.
Etymologisch verwandt: s. Partei.
Wie er zu seiner typisierenden Verwendung
Porto n. 'Versendungsgebühr für Postsachen’. kam, ist unbekannt.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. porto
posieren swV. 'ein Pose einnehmen’, s. Pose.
m. (wörtlich: 'das Tragen’), einer postverbalen
Ableitung von it. portare 'tragen’, aus 1. portäre Position /. 'Stellung, Lage’. Im 16. Jh. ent¬
(dass.). Es liegt demnach eine metonymische lehnt aus gleichbedeutend 1. positio (-önis), zu
Übertragung von der Tätigkeit auf das Entgelt 1. pönere (positum) 'setzen, stellen, legen’.
für die Tätigkeit vor. Morphologisch zugehörig: positioneil, positionieren,
Positur; etymologisch verwandt: Apposition, apropos,
Etymologisch verwandt: [apportieren], [deportieren],
deponieren (usw.), Diapositiv, disponieren (usw.), expo¬
Export (usw.), Import (usw.), kolportieren (usw.),
nieren (usw.), Expose, imponieren (usw.), imposant,
Portemonnaie, Rapport, Reporter (usw.), Sport, trans¬
komponieren (usw.), Kompost, Kompott, Kumst, Oppo¬
portieren (usw.); zum Etymon s. fahren. — Schirmer
sition (usw.), Pose (usw.), positiv (usw.), Positur, Post,
(1911), 145.
Postament, Posten, Postillion, Präposition, Präsupposi-
Porträt n. 'Bildnis’. Im 17. Jh. entlehnt aus tion, Proponent, Proposition, Propst. - E. Leser ZD W
gleichbedeutend frz. portrait m., das zurückgeht 15(1914), 27.
auf das substantivierte PPrät. von afrz. por- positiv Adj. -'zustimmend, bejahend (usw.)’.
traire 'bilden, entwerfen, darstellen’, aus 1. prö- Im 18. Jh. entlehnt aus frz. positif'als sicher
trahere 'ans Licht bringen, (wörtlich: hervorzie¬ feststehend, gesetzt’, dieses aus 1. positivus
hen)’, zu 1. trahere 'ziehen’ (s. auch pro-). (dass.), zu 1. pönere (positum) 'setzen, stellen,
Morphologisch zugehörig: Porträtist; etymologisch legen’. Der Positiv nach spl. gradus positivus.
verwandt: s. abstrakt. - W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Morphologisch zugehörig: Positivismus, Positivist; ety¬
07), 87; Brunt (1983), 428. mologisch verwandt: s. Position. - Schirmer (1912),
Porzellan n. (= eine gebrannte Masse, aus der 53; Ganz (1957), 177; Schalk (1966), 96-118.

Geschirr usw. hergestellt wird). Im 15. Jh. entlehnt Positur f. Stellung, Haltung’, s. Position.
aus gleichbedeutend it. porcellana f. (ursprüng¬
Posse/., auch Possen m. Bezeugt seit dem 16.
lich: 'Kaurischnecke, Porzellanschnecke’). Diese Jh. in der heutigen Bedeutung als Maskulinum
heißt so nach it. porzellano m. 'weibliches Ge¬ (das Femininum ist aus dem häufigen Plural
schlechtsorgan’ (eigentlich 'Schweinchen’, zu it. rückgebildet). Daneben besteht die wohl ur¬
porco m. 'Schwein’), weil sie so ähnlich wie das sprünglichere Bedeutung 'in Stein gemeißelte
weibliche Geschlechtsorgan geformt ist (vgl. die Figur’ (die häufig Fratzen waren). Deshalb of¬
Bezeichnung concha Veneris 'Venusmuschel’). fenbar aus frz. bosse 'Erhabenheit’ (frz. ouvrage
Die Übertragung auf das Porzellan erfolgte, ä bosse 'erhabenes Bild’), it. bozzo m. 'Höcker,
weil die Europäer wegen der äußeren Ähnlich¬ Beule’. Auf den ursprünglichen Bereich der
possessiv 557 Pottharst

Steinhauerei weisen auch noch die Wendungen zu it. posta f. 'Post’, aus 1. posita f. (wörtlich:
Possen reißen, schneiden. Hierher auch possier¬ 'fest Eingerichtetes’), dem substantivierten PPP.
lich. von 1. pönere (positum) 'setzen, stellen, legen’.
G. Princi Braccini AION-G 27 (1984), 135-205. Etymologisch verwandt: s. Position.
possessiv Adj. 'besitzanzeigend’, fachsprachl. postulieren swV. 'fordern’, sondersprach/. Im
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. possessTvus, zu 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. postu-
1. possidere 'besitzen’, zu 1. potis 'vermögend, läre, zu 1. poscere 'haben, wollen, verlangen,
mächtig’ und 1. sedere 'verbleiben, sitzen’. fordern’.
Morphologisch zugehörig: Possession, Possessiv, Pos- Morphologisch zugehörig: Postulat; zum Etymon s.
sessivum; etymologisch verwandt: s. potent und As¬ forschen. — Schirmer (1912), 53.
sessor.
postwendend Adv. Bezeugt seit dem 19. Jh.,
possierlich Adj. 'drollig’, s. Posse.
bezogen auf die alte Post mit Pferden: die Ant¬
post- Präfix. Wortbildungselememt mit der wort wird der zurückkehrenden Postkutsche
Bedeutung 'nach, hinter’ (z. B. postdatieren, mitgegeben.
Postposition). Es wurde in lateinischen Entleh¬ Vgl. umgehend.
nungen ins Deutsche übernommen, sein Ur¬
potent Adj. 'stark, mächtig, zeugungsfähig’.
sprung ist 1. post (dass.) Präp./Adv.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. potens
Post /. Im 16. Jh. entlehnt aus it. posta, das (-entis), dem PPräs. von 1. *potere 'mächtig
eigentlich einen 'festgelegten Ort’ meint (1. po- sein’, zu 1. potis 'vermögend, mächtig’. Die Be¬
sita 'festgelegt’). So wurden die Wechselstatio¬ deutung 'zeugungsfähig’ ist rückgebildet aus
nen des frühen Postwesens genannt, an denen impotent.
Boten und Pferde gewechselt wurden. Mit der Morphologisch zugehörig: Potentat, potential, Poten¬
Sache hat sich die heutige Bedeutung entwik- tial, Potentialis, Potentialität, potentiell, Potenz, poten¬
kelt. zieren:; etymologisch verwandt: Despot, possessiv (usw).
Etymologisch verwandt: s. Position. - K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 401; R. Ris
NPhM 71 (1970), 357-372.
Postament n. 'Unterbau, Sockel’, sonder-
sprachl. Neubildung des 16. Jhs. zu it. postare Potentat m. 'Machthaber, Herrscher’, s. po¬
'hinstellen’, dieses aus 1. pönere (positum) 'stel¬ tent.
len, hinlegen’. potenzieren swV. 'vervielfältigen’, s. potent.
Etymologisch verwandt: s. Position. — Ersatzwort ist Potpourri n. 'Zusammenstellung’. Im 18. Jh.
Fußgestell.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. potpourri m.
Posten m. In zwei Schüben entlehnt aus it. (speziell: 'Eintopf’, wörtlich: 'Topf mit Verfaul¬
posta 'festgesetzt’ (vgl. Post): 1) im 15. Jh. als tem’), zu frz. pot m. 'Topf’ und frz. pourrir
kaufmännischer Terminus (.Posten auf einer 'faulen’. Es ist Lehnübersetzung zu span, olla
Rechnung usw.), eigentlich 1. posita summa f. podrida /., der Bezeichnung eines Eintopfes.
'festgesetzte Summe’. 2) im 18. Jh. für 'militäri¬ Etymologisch verwandt: s. Pott. — W. Feldmann ZD W
sche Wache’ aus der Bedeutung '(festgesetzter) 8 (1906/07), 88.
Standort, Position’. Pott m., ugs. Aus dem Niederdeutschen:
Etymologisch verwandt: s. Position. — Schirmer
mndd. pot, put, mndl. pot(t); entsprechend in
(1911), 145; Schirmer (1912), 53; W. J. Jones SN
mehreren Nachbarsprachen, ae. pott, anord.
51 (1979), 268.
pottr. Aller Wahrscheinlichkeit nach ein Lehn¬
Poster n. 'ein Druck zur Verschönerung von wort aus einer unbekannten Sprache.
Wänden’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
S. Potpourri, Pottharst. — Th. Frings ZRPh 56 (1936),
tend ne. poster, zu e. post '(an einem Pfosten) 371-374; E. Nörrenberg NJ 71 (1948/50), 329f.; R.
anschlagen’, zu e. post 'Pfosten, Pfahl’, aus 1. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 333-337.
postis m. (dass.).
Pottasche/. 'Laugensalz\ fachsprachl. Im 18.
Etymologisch verwandt: Pfosten.
Jh. entlehnt aus nndl. potasch (jetzt potas), das
postieren swV. 'aufstellen’, s. Posten. seit dem 16. Jh. bezeugt ist. Das Laugensalz
Postille /. 'Predigtbuch, Erbauungsbuch’, wurde gewonnen, indem gebrannte Pflanzen¬
arch. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend teile in einem Topf gekocht wurden.
ml. postilla, univerbiert aus post illa verba sacrae Löschen (1968), 296.
scripturae 'nach diesen Worten der Heiligen Pottharst m. 'gedämpftes Rindfleisch u. ä.’,
Schrift’, dem üblichen Anfang der Predigt nach ndd. Mndd. mndl. potha(r)st 'im Topf gebrate¬
dem zuvor verlesenen Text. nes Fleisch’. Zu Pott (s. d.) und har st in der
Postillion m. 'Kutscher einer Postkutsche’, Bedeutung 'Braten’ (eigentlich bedeutet es
arch. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 'Rost, Herd’ und gehört etymologisch zu der
frz. postillon, dieses aus it. postiglione (dass.), Sippe von Herd, s. d.).
Pottwal 558 prägnant

Pottwal m. Bezeugt seit dem 18. Jh., älter 'zustimmender Lärm, Akklamation’ auszuge¬
nndl. potswal (16. Jh.), ebenso potvisch und hen ist. Die junge Bedeutungsentwicklung wohl
potshoofd. Letzteres ist im Flämischen die Aal¬ unter Einfluß von prangen (s. d.).
quappe, und diese heißt auf ae. (u. a.) älepüta, S. auch prahlen, Prunk.
ne. eelpout, vgl. nndl. puitaal. Es ist deshalb prädestinieren swV. 'vorherbestimmen’, s. De¬
nicht wahrscheinlich, daß der erste Bestandteil
stination und prä-.
Pott 'Topf’ ist; es muß sich um ein Wort han¬
Prädikat n. (= [auszeichnende] Bewertung;
deln, das 'groß, aufgeschwollen o. ä.’ bedeutet.
Satzteil, der die Satzaussage enthält). Im 17. Jh.
Hierzu gibt es einiges Denkbare, aber ohne
entlehnt aus ml. praedicatum 'Rangbezeich¬
ausreichende Sicherheit.
nung’, dem substantivierten PPP. von 1. praedi-
potz Interj. Bezeugt seit dem 15. Jh. in Flü¬
cäre (praedicatum) 'öffentlich ausrufen, be¬
chen als Entstellung von Gottes (Potz marter =
kanntmachen, äußern, erklären, behaupten,
Gottes Marter, gemeint ist das Leiden Christi).
Vorhersagen’, zu 1. dicäre 'feierlich sprechen’
Potztausend ist eine Steigerung von potz-sieben-
(s. auch prä-), einem Intensivum zu 1. dicere
schlapperment (bezogen auf die Sakramente).
'sprechen’. Die grammatische Bedeutung aus
Vgl. frz. parbleu für par dieu, ne. good gracious
'Aussage’.
für god gracious.
Morphologisch zugehörig: Prädikation, prädikatisie-
H. Schulz ZDW 10 (1909), 154-157. ren, prädikativ, Prädikativ, Prädikativum, Prädikator;
Poularde /. 'junges Masthuhn, Masthähn¬ etymologisch verwandt: s. diktieren. — E. Leser ZDW
chen’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬ 15(1914), 85f.
tend frz. poularde, zu frz. poule 'Huhn’, dieses Präfekt m. 'hoher Verwaltungsbeamter, Vor¬
aus 1. pullus m. 'Jungtier, junges Huhn’. steher’, arch. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Poulet. deutend 1. praefectus, dem substantivierten PPP.
poussieren swV. 'den Hof machen, flirten’, von 1. praeficere 'vorsetzen’, zu 1. facere 'ma¬
ugs., reg. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. pousser chen’ (s. auch prä-).
'stoßen, vorantreiben’, aus 1. pulsäre (dass.), Morphologisch zugehörig: Präfektur, etymologisch
einem Intensivum zu 1. pellere (pulsum) 'stoßen, verwandt: Fazit.

schlagen’. Die Bedeutung 'den Hof machen’ ist Präferenz /. 'Vorliebe’, sonder spracht. Ent¬
eine Sonderentwicklung der Studentensprache lehnt aus gleichbedeutend frz. preference, zu
und geht wohl zurück auf 'eine Affäre voran¬ frz. preferer 'vorziehen’, dieses aus 1. praeferre
treiben’. (dass., wörtlich: 'vortragen, vorantragen’), zu 1.
Morphologisch zugehörig: Poussade, Pousseur, etymo¬ ferre 'tragen’ (s. auch prä-).
logisch verwandt: s. Puls. — W. Feldmann ZDW Morphologisch zugehörig: präferentiell, präferieren;
8 (1906/07), 88; Brunt (1983), 430. etymologisch verwandt: s. Differenz.
prä- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬ Präfix n. (= ein vorangestelltes Wortbil¬
deutung 'vor, voraus, voran’ (z. B. prädisponie¬ dungselement), s. Affix und prä-.
ren, Prädetermination, Präludium). Es wurde in
prägen swV. Mhd. prach(en), brachen, ahd.
lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬
brähhen. Vergleichbar ist ae. abracian 'einpres¬
nommen; sein Ursprung ist 1. prae (dass.) Präp.
sen’, ostfr. prakken 'pressen’. Lautlich kann an
Zum Etymon s. ver-,
brechen (s. d.) angeschlossen werden, doch las¬
Präambel /. 'feierliche Erklärung als Einlei¬ sen sich die Bedeutungen nicht ohne weiteres
tung einer Urkunde’, fachsprachl. Im Frühneu¬ verknüpfen, so daß die Anschlußmöglichkeit
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend für dieses Wort besser offen bleibt.
ml. praeambulum n., zu spl. praeambulus 'voran¬
Pragmatik /. 'Ausrichtung auf Nützliches,
gehend’ zu 1. ambuläre 'gehen’ (s. auch prä-).
Lehre vom sprachlichen Handeln’, fachsprachl.
Etymologisch verwandt: s. Allee.
Entlehnt aus gr. prägmatike (techne) 'Wissen
Pracher m. 'zudringlicher Bettler’, nordd.
um das richtige Handeln’, zu gr. prägmatikös
Mndd. pracher aus mndl. prachen 'zudringlich
'tüchtig, in Staatsgeschäften erfahren’, zu gr.
betteln’. Bezeugt seit dem 16. Jh. Vermutlich
prägtna n. Handeln, Tun’, zu gr. prässein 'tun,
entlehnt aus poln. (dial.) procha 'das Betteln’,
vollbringen’. Die linguistische Bedeutung im 20.
das mit fragen (s. u. Frage) urverwandt ist.
Jh. aus ne. pragmatics.
Wiek (1939), 45f.; Eichler (1965), 104.
Morphologisch zugehörig: pragmatisch, Pragmatis¬
Pracht/. Mhd. braht m./f 'Lärm, Geschrei’, mus, Pragmatiker, etymologisch verwandt s. Praktik.
ahd. as. braht m. aus vor-d. *brahta-, neben — A. Kuhn in: FS Wartburg (1958), 478 — 481; G.
dem ae. bearhtm m., as. brahtum m. 'Lärm, Kühne-Bertram AB 27 (1983), 158 — 186.
Menge’ stehen. Offenbar urverwandtes 1. suffrä- prägnant Adj. 'knapp, treffend, gehaltvoll’.
gium n. 'Abstimmung, Beifall’ zeigt, daß von Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
prahlen 559
präparieren

pregnant (älter: trächtig), aus 1. praegnäns prall Adj. Im 18. Jh. entnommen aus dem
(-antis) 'voll, strotzend, schwanger, trächtig’, Niederdeutschen. Mit der Bedeutung 'so, daß es
zu 1. (g)näsd 'geboren werden’, das mit 1. genus zurückfedern kann’ gebildet aus prallen (s. d.).
'Geschlecht, Art’ verwandt ist (s. auch prä-).
prallen swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. Mhd.
Die Bedeutung 'knapp, treffend’ entsteht aus
prellen ist abweichend gebildet. Herkunft un¬
'gehaltvoll' in Abgrenzung von Weitschweifi¬
klar, vielleicht Schallwort.
gem, Inhaltsleerem.
S. prall, prellen.
Morphologisch zugehörig: Prägnanz; etymologisch
verwandt: s. Genus. Präludium n. (= eine Instrumentalkomposi¬
tion), fachsprachl. Neubildung des 15. Jhs. zu
prahlen swV Bezeugt seit dem 16. Jh., auch
l. praelüdere 'Vorspielen, ein Vorspiel machen’,
als prölen. Älter mndd. pralen 'viel sprechen’ zu
zu 1. lüdere 'spielen’ (s. auch prä-), zu 1. lüdus
mndd. präl 'Lärm, Prunk’. Herkunft unklar.
m. 'Spiel’.
Wahrscheinlich liegt ein Schallwort zugrunde,
Etymologisch verwandt: Illusion (usw.).
das über 'brüllen, grölen’ zu der heutigen Be¬
deutung gekommen ist. Prämie/. 'zusätzliche Vergütung’. Im 16. ent¬
lehnt aus gleichbedeutend I. praemia PL, zu 1.
Vgl. auch Pracht. - Bahder (1925), 112-114.
praemium n. 'Belohnung, Auszeichnung, (wört¬
Prahlhans m. Bezeugt seit dem 17. Jh. Mit lich: das Vorausgenommene)’, zu 1. emere (emp-
dem typisierend verwendeten Personennamen tum) 'nehmen, kaufen, erstehen’ (s. auch prä-).
Hans gebildet.
Morphologisch zugehörig: prämieren', etymologisch
Kluge (1913), 32f. verwandt: s. Exempel. - Schirmer (1911), 146.
Prahm m., Prähme /. 'Fährkahn’, fach- Prämisse /. 'Voraussetzung’, sonder spracht.
sprachl., ndd. Mndd. präm m. Entlehnt aus cech. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. praemissio
präm m. 'Fahrzeug, SchifT’, einer Weiterbildung (-önis) (wörtlich: 'das Vorausgeschickte’), zu 1.
zu der unter fahren behandelten Wurzel. praemittere (praemissum) 'vorausschicken’, zu
S. fahren ( + ). - Kluge (1911), 623f.; Eichler (1965), 1. mittere 'schicken, senden’ (s. auch prä-).
105. Etymologisch verwandt: s. Mission.

Praktik/. 'Verfahrensweise, Methode’. Im 15. prangen swV. Mhd. drangen, prangen, mndd.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. practica, prangen. Zu mhd. branc, pranc, mndd. prank
dieses aus spl. practice (dass.), aus gr. präktiki 'Prahlerei, Prunk’. Ursprünglich niederdeutsche
(techne) 'Wissen um praktisches Handeln und Sippe unklarer Herkunft. Vielleicht über eine
Tun’, zu gr. präktikös 'tätig, zu Geschäften Bedeutung 'drängen’ zu der unter Pranger dar¬
tauglich, wirksam’, zu gr. prassein 'tun, voll¬ gestellten Sippe.
bringen’. Das Praktikum ist demnach eine S. auch Pracht, Prunk. — Lühr (1988), 97 — 99.
'Übung in einer bestimmten Betätigung’; prakti¬ Pranger m. 'Schandsäule mit Halseisen, an
zieren ist im wesentlichen auf die Berufsausü¬ die der Schuldige geschlossen und zur Schau
bung des Arztes eingeschränkt. gestellt wird’, heute nur noch übertragen. Be¬
Morphologisch zugehörig: praktikabel, Praktikabilität, zeugt seit dem 14. Jh. als mndd. pranger, seit
Praktikant, praktisch; etymologisch verwandt: Prag¬ dem 16. als spmhd. pranger, branger, z. T. auch
matik (usw.), Praxis (usw.). — K.-H. Weinmann fnhd. pfranger. Zu einer Grundlage, die in gt.
DWEB 2(1963), 401; E. Miettinen NPhM 65(1964), anapraggans 'bedrängt’, mhd. pfrengen 'be¬
1-43.
drücken, bedrängen’, mndd. prangen 'drücken,
Prälat m. 'kirchlicher Amtsträger’, fach- klemmen’. Der Pranger ist also gewissermaßen
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. pre- als 'Einspannung’ bezeichnet. Außergermanisch
lätf e]) entlehnt aus gleichbedeutend ml. praela- vergleicht sich am ehesten fit. sprehgti 'pressen,
tus (wörtlich: 'Vorgesetzter, Vorzüglicher’), dem drängen, drücken’ unter der Annahme des se¬
substantivierten PPP. von 1. praeferre (praelä- kundären Abfalls von anlautendem 5 im Ger¬
tus) 'vorziehen, (wörtlich: vortragen)’, zu 1. manischen.
ferre 'tragen’ (s. auch prä-). S. prangen. — U. Schröter in: Dückert (1976),
Morphologisch zugehörig: Prälatur, etymologisch ver¬ 215-261.
wandt: s. Differenz. Pranke/. Im 15. Jh. entlehnt aus einer roma¬
Praline/. (= eine Süßigkeit). Im 19. Jh. ent¬ nischen Sprache als Nachfolger von ml. branca
lehnt aus frz. praline 'gebrannte Mandel’, an¬ gleicher Bedeutung, das wohl keltischen Ur¬
geblich so benannt nach dem französischen sprungs ist. Falls *wr- vorausliegt, kann lit.
Marschall Plessis-Praslin, für den sein Koch rankä, akslav. rpka 'Hand’ verglichen werden.
diese Süßigkeit herstellte; dann Verallgemeine¬ präparieren swV. 'haltbar machen, vorberei¬
rung auf weitere Süßigkeiten mit Füllung und ten, herrichten’, sonder spracht. Im 16. Jh. ent¬
Schokoladenüberzug. lehnt aus 1. praeparäre 'vorbereiten, bereithal-
Präposition 560 Praxis

ten, im voraus zubereiten’, zu 1. paräre 'bereiten, eine Konsonantenfolge erleichtert worden. Das
zubereiten’ (s. auch prä-). Die Bedeutung 'halt¬ Wort ist wie ae. brastlian ein Intensivum zu
bar machen’ entsteht in medizinisch-naturwis¬ ahd. brastön, mhd. brasten 'krachen’, das wohl
senschaftlichem Zusammenhang, wo präparie¬ weiter zu dem unter bersten (s. d.) behandelten
ren das Vorbereiten von pflanzlichen (usw.) Verb gehört. Der Anlaut p- erscheint erst im
Körpern für Unterrichts- und Untersuchungs¬ Neuhochdeutschen.
zwecke meint. Hierzu Präparat. S. backen.
Morphologisch zugehörig: Präparand, Präparation,
Präparator, etymologisch verwandt: s. parat. — G.
prassen swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. als
Schoppe ZDW 15(1914), 201 f.; K.-H. Weinmann brassen, älter mndd. brassen-, weitere Herkunft
DWEB 2(1963), 401. unsicher. Eine Entlehnung aus frz. brasser
Präposition /. 'Verhältniswort’, s. Position 'brauen, vermengen’ ist nicht ausgeschlossen,
und prä-. doch liegt vermutlich auch eine Vermischung
mit einer Schallwurzel vor. Einzelheiten bleiben
Prärie/. 'Grassteppe’. Im 19. Jh. entlehnt aus
unklar.
gleichbedeutend frz. prairie, einem Kollektivum
zu frz. pre m. 'Wiese’, dieses aus I. prätum n. Präsupposition/. 'Voraussetzung, Mitverstan¬
(dass.). denes’, s. Position, sub- und prä-.
Präsens n. (= Zeitform der „Gegenwart“), prätentiös Adj. 'anmaßend, Ansprüche stel¬
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. lend’, sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt aus
(tempus) praesens (wörtlich: 'gegenwärtige gleichbedeutend frz. pretentieux, zu frz. preten-
Zeit’), zu 1. praesens 'gegenwärtig, jetzig, offen¬ tion 'Anspruch’, einer Ableitung von frz. pre-
bar’, zu 1. prae 'da, bei der Hand’ (s. auch prä-) tendre 'behaupten, Anspruch erheben’, aus 1.
und 1. -sens 'seiend’, dem (archaischen) PPräs. praetendere 'vormachen, vorschützen, vorge¬
von 1. esse 'sein, vorhanden sein’. Präsentieren ben, (wörtlich: hervorstrecken, hervorragen las¬
ist demnach 'gegenwärtig machen, vorzeigen, sen)’, zu 1. tendere (tensum, tentum) 'spannen,
darbieten’; dazu Präsent (ursprünglich: 'aus
ausspannen, ausdehnen’ (s. auch prä-).
Ehrerbietung dargebrachte Gabe’). Die Präsenz
Morphologisch zugehörig: Prätendent, prätendieren,
ist das 'Zugegensein’.
Prätention-, etymologisch verwandt: s. Tenor.
Morphologisch zugehörig: präsent, präsentabel, Prä¬
sentant, Präsentation, Präsentator, etymologisch ver¬ Präteritum n. (= Zeitform der Vergangen¬
wandt: s. Essenz. — E. Leser ZDW 15 (1914), 61. heit), fachsprachl. Entlehnt aus 1. (tempus)
präsentieren swV. 'überreichen, anbieten’, s. praeteritum (wörtlich: 'vergangene Zeit’), dem
Präsens. PPP. von 1. praeterire (praeteritum) 'Vorbeige¬
hen, vorübergehen’, zu 1. praeter 'vorbei, vor,
Präsenz /. 'Anwesenheit’, s. Präsens.
(wörtlich: vor etwas anderem befindlich)’ (s.
Präservativ n. 'Kondom’. Entlehnt aus gleich¬
auch prä-) und 1. Ire 'gehen’.
bedeutend frz. preservatif m., einer Ableitung
Etymologisch verwandt: s. Abitur.
von frz. preserver 'schützen, bewahren’, dieses
aus spl. praeserväre 'vorher beobachten’, zu 1. Pratze /. Bezeugt seit dem 17. Jh. Entlehnt
serväre 'achtgeben, aufpassen, verhüten, be¬ aus it. braccio m. 'Arm’, das 1. bra(c)chium n.
wahren’ (s. auch prä-). 'Unterarm’ fortsetzt.
Morphologisch zugehörig: Präser, präservativ, Prä- S. brachial ( + ). -
serve, präservieren; etymologisch verwandt: s. konser¬
vieren. — G. Schoppe ZDW 15 (1914), 202; K.-H.
präventiv Adj. 'vorbeugend’, sonder spracht.
Weinmann DWEB 2 (1963), 402. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. preventif
Präsident m. 'Vorsitzender, Staatsoberhaupt’. einer Neubildung zu 1. praevenlre (praeventus)
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. 'zuvorkommen’, zu 1. venire 'kommen’ (s. auch
prä-).
President, dieses substantiviert aus 1. praesidens
(-entis) 'voranstehend, befehligend’, dem Morphologisch zugehörig: Prävention; etymologisch
PPräs. von 1. praesidere 'den Vorsitz haben, verwandt: s. Advent.

leiten, befehligen, (wörtlich: vorn sitzen, voran¬ Praxis/. 'Erfahrung, Arbeitsräume eines Arz¬
sitzen)’, zu 1. sedere 'sitzen’ (s. auch prä-). tes oder Anwalts’. Im 17. Jh. entlehnt aus 1.
Morphologisch zugehörig: Präses, Präside, präsidial, präxis 'Verfahren’, dieses aus gr. präxis (dass.,
präsidieren, Präsidium, etymologisch verwandt: s. As¬ auch: 'Handeln, Tun, Beschäftigung’), zu gr.
sessor.
prässein 'tun, vollbringen’. Zunächst entlehnt
präskriptiv Adj. 'vorschreibend’, s. deskri- in der Bedeutung 'Tätigkeit, Verfahren’; im 18.
bieren und prä-. Jh. dann als Gegenbegriff zu Theorie 'Erfah¬
prasseln swV. In dieser Form bezeugt seit dem rung, tatsächliche Betätigung’. Dazu dann auch
15. Jh.; zuvor mhd. brasteln, prasteln, es ist also die Bedeutungsspezifizierung auf 'Tätigkeit
Präzedenzfall 561 pressen

bzw. Tätigkeitsräume von Ärzten und An¬ preisgeben swV. Bezeugt seil dem 16. Jh. Es
wälten’.
übersetzt frz. donner (en) prise und gehört des¬
Etymologisch verwandt: s. Praktik. - W. Feldmann halb zu Prise (s. d.). Eigentliche Bedeutung also
ZDW 8 (1906/07), 88; K.-H. Weinmann DWEB 'zur Beute geben’.
2(1963), 402.
S. Repressalie ( + ).
Präzedenzfall m. 'beispielhaftes Vorkomm¬
prekär Adj. 'sehr schwierig, heikel’, sonder¬
nis’, sondersprachl. Im 19. Jh. gebildet mit 1.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
praecedens 'vorangehend’, dem PPräs. von 1.
frz. precaire (auch: 'bittend erlangt, unsicher’),
praecedere 'vorangehen’, zu 1. cedere 'gehen,
dieses aus 1. preeärius (dass., insbesondere: 'bitt¬
weichen’ (s. auch prä-).
weise auf willkürlichen Widerruf gewährt’,
Morphologisch zugehörig: Präzedens, Präzedenz; ety¬
wörtlich: 'zum Bitten gehörig’), zu 1. preeärt
mologisch verwandt: s. Abszeß.
bitten, beten’, zu 1. prex (-ecis) 'Bitte’. Die
präzise Adj. 'sehr genau, knapp und bündig’. Bedeutung 'heikel, schwierig’ als zusätzliche
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Charakterisierung und Verallgemeinerung von
precis, dieses aus 1. praecTsus 'kurz gefaßt’, dem Situationen, in denen etwas auf Bitten hin nur
PPP. von 1. praecidere (praectsum) 'vorn ab¬ auf Widerruf gewährt wurde.
schneiden, kurz fassen abkürzen’, zu 1. caedere Zum Etymon s. Frage.
'hauen, schlagen, anschneiden’ (s. auch prä-).
prellen swV Mhd. prellen, eigentlich 'einen
Morphologisch zugehörig: Präzision; etymologisch
Prall machen’ (zu Prall und prallen, s. d.). Die
verwandt: s. Zäsur.
älteste Bedeutung ist 'mit einem gespannten
predigen jh’F. Mhd. predi(g)en, ahd. pre- Tuch immer wieder hochwerfen’ (als Strafe oder
di(g)on, bredigon, mndd. predeken. Entlehnt zur Belustigung). Dasselbe wurde auch mit ge¬
aus 1. praedicäre 'öffentlich verkünden’, zu 1. fangenen Füchsen getan und mit der Wendung
dicere 'sagen’. die Füchse prellen (studentensprachlich) wird
S. Predigt, diktieren (+). das Wort zu einem Ausdruck für 'betrügen’
Predigt /. Älter (obd.) Predig, mhd. predige, (vgl. die Zeche prellen). Die Einzelheiten des
bredige, ahd. prediga, brediga, entlehnt aus ml. Bedeutungsübergangs sind unklar.
predica 'öffentlicher Vortrag, Predigt’. Daneben H. Schulz ZDW 9 (1907), 102-118.

mit Dental mhd. predigät, das ein ml. *predicäta Premiere /. 'Erstaufführung’. Im 19. Jh. ent¬
vorraussetzt. lehnt aus gleichbedeutend frz. premiere (repre-
S. predigen, diktieren (+). — W. A. Benware BGDSL-T sentation), zu frz. premier 'erster’, aus gallo-
101 (1979), 346. rom. prlmarius 'erste von mehreren Personen’,
Preis m. In allen Bedeutungen entlehnt aus aus 1. primärius 'einer der ersten, vornehm, an¬
frz. prix, das auf 1. pretium n. 'Kaufpreis’ zu¬ sehnlich’, zu 1. primus, dem Superlativ von 1.
rückgeht. Zuerst mittelhochdeutsch als 'Wert’, prior 'der erstere, vordere’.
dann auch 'Lob’ als Terminus des höfischen Morphologisch zugehörig: Premier, etymologisch ver¬
wandt: s. Primus.
Lebens; dann im 15. Jh. nach dem Vorbild
des Niederländischen auch 'Kaufpreis’. Hierzu preschen swV. Ursprünglich niederdeutsches
auch preisen (s. d.). Wort zu mndd. bersen, barsen 'jagen’. Dies
S. Pretiosen. — E. Lerch RF 55(1941), 57 — 82; E. scheint aus pirschen (s. d.) entwickelt zu sein.
Öhmann ZDM 26/27 (1958/60), 72 — 75; Miettinen pressant Adj. 'eilig, dringend’, s. Presse.
(1962), 196-204.
Presse /. Mhd. presse, ahd. p(f)ressa. Die
Preiselbeere /. (neben vielen mundartlichen älteste Bedeutung ist 'Kelter, Weinpresse’ und
Varianten). Bezeugt seit dem 16. Jh. Entlehnt in dieser ist das Wort entlehnt aus ml. pressa
aus obsorb. bruslica gleicher Bedeutung, das zu (zu 1. premere 'drücken, pressen’). Die Buch¬
russ.-kslav. (o)brusiti 'abstreichen’ gehört. Die druckerpresse wird nach dem Vorbild von frz.
Preißelbeeren wurden früher durch Abkämmen presse so genannt (dieses ebenfalls aus ml.
mit einem besonderen Gerät geerntet. pressa), ebenso die 'Gesamtheit der Druck¬
Eichler (1965), 105 — 107; B. Peters: Onomasiologie und schriften’ (später eingeengt auf die Gesamtheit
Semasiologie der Preiselbeere (Marburg 1967). der Zeitungen und Zeitschriften). Auf der Be¬
preisen stV Mhd. mndd. mndl. prisen, zu¬ deutung 'drückend, drängend, dringend’ basie¬
nächst swV., dann seit dem 13. Jh. starke For¬ ren pressant und pressieren usw.
men. Wie Preis (s. d.) aus frz. prix ist preisen Etymologisch verwandt: Depression (usw.), Espresso,
aus frz. preisier 'schätzen, hochschätzen’, auch expreß (usw.), Impression, Impressum, Imprimatur,
Kompression (usw.), pressen, Printe.
'rühmen’ entlehnt.
Miettinen (1962), 196f.; E. Öhmann NPhM 64(1963), pressen swV. Mhd. pressen, ahd. pressön. Ent¬
78. lehnt aus 1. pressäre, einer Intensivbildung zu 1.
pressieren 562 Prinzip

premere 'drücken, pressen’. Presse (s. d.) ist eine dem Superlativ von 1. prior 'der erstere, vor¬
davon zunächst unabhängige Entlehnung. dere’.
Etymologisch verwandt: s. Primus.
pressieren swV. 'eilig sein’, s. Presse.
Primadonna fl 'erste Sängerin, hochempfind¬
Preßkopf m., auch Preßwurst /. 'das von
licher Mensch’, s. Primus und Dame1.
Rinds- und Schweinskopf abgelöste, gehackte,
gekochte und dann gepreßte Fleisch’. Bezeugt primär Adj. 'vorrangig’, s. Primus.
seit dem 18. Jh. Primas m. 'Erzbischof, erster Geiger’, s.
Prestige n. 'Ansehen, Geltung’, sonder spracht. Primus.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Primel fl. Im 18. Jh. eingedeutscht aus ml.
prestige m. (wörtlich: 'Blendwerk, Nimbus’), primula veris 'Erste des Frühlings’ (zu 1. primus
dieses aus 1. praestlgia f. 'Blendwerke, Gauke¬ 'erster’).
leien’. S. Primus ( + ).
Pretiosen Pi 'Kostbarkeiten’, sonder spracht primitiv Adj. 'sehr einfach, urtümlich, dürf¬
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. pretiösa n. PI., tig’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
zu 1. pretiösus 'kostbar’, zu 1. pretium n. 'Preis’. frz. primitif, dieses aus 1. prlmitlvus 'das erste in
Etymologisch verwandt: Preis. — W. Feldmann ZDW seiner Art’, zu 1. primus, dem Superlativ von
8 (1906/07), 88. 1. prior 'der erstere, vordere’. Das Erste wird
preziös Adj. 'geziert, gekünstelt’, s. Pretiosen. verstanden als das Urtümliche, insbesondere als
etwas, das noch nicht durch weitere Bearbei¬
prickeln swV. Im 18. Jh. aus dem Niederdeut¬
tung und Entwicklung kultiviert worden ist.
schen übernommen. Die hd. Entsprechung
Etymologisch verwandt: s. Primus. — W. Feldmann
pfrecken begegnet vereinzelt im 15. Jh. Mndl.
ZDW 8 (1906/07), 88.
prikkelen, diminutiv zu prikken 'stechen’ oder
denominativ zu prikkel 'Stachel, Reiz’. Mit -kk- Primiz fl. 'erste Messe eines Priesters’, fach-
auch mndd. pricken 'stechen’, mndd. pricke sprachl. Bezeugt seit dem 19. Jh. Übertragen
'Stachel, Spitze’; sonst mit -k-\ Mndd. mndl. und entlehnt aus 1. prlmitiae f. PI. 'den Göttern
prekel, ae. pricel 'Stachel, Spitze’ anord. prika dargebrachte Erstlinge der Früchte’. Dieses zu
'Stange mit Spitze’; ae. prician 'stechen’. Her¬ I. primus 'erster’ (s. Primus).
kunft unklar. Vielleicht Variante zu *pik-, für Primus m. 'Erster, Bester’. Im 16. Jh. entlehnt
das aber Entlehnung anzusetzen ist (s. etwa aus 1. primus, dem Superlativ von 1. prior 'der
pikant). Der Übergang von 'stechen’ zu 'reizen, erstere, vordere’.
prickeln u. ä.’ beruht teilweise auf einer meta¬ Morphologisch zugehörig: prima, Prima, Primadonna,
phorischen Erfassung des Sinnesreizes, teilweise Primaballerina, Primaner, primär, Primas, Primat, Pri¬
auf dem Brauch, Zugtiere mit einem Stachel miz-, etymologisch verwandt: Premiere (usw.), Primel,
primitiv, Prinz, Prinzip (usw.), Priorität.
'anzustacheln’.
Printe/. Kommt im 19. Jh. mit der Sache aus
Priel m.Kf.) 'kleiner Wasserlauf am Watt’,
den Niederlanden. Nndl. prent bedeutet eigent¬
nordd. Bezeugt seit dem 18. Jh. Auch nndl. priel.
lich 'Abdruck’; die Bezeichnung geht wohl dar¬
Herkunft unklar.
auf zurück, daß diese Pfefferkuchen als Heili¬
E. Schwentner NKB 46 (1933), 56-58.
genfiguren gepreßt waren. Das Wort selbst
Priem m. 'Stück Kautabak’, arch., ndd. Im stammt wie ne. print aus afrz. preindre, das auf
18. Jh. aufgekommen, eigentlich 'Pflaume’, weil 1. premere 'drücken, pressen’ (s. Presse) zurück¬
der Kautabak im Mund wie eine Backpflaume geht.
aussieht. Die Bezeichnung kam zunächst im
Prinz m. Im 13. Jh. entlehnt aus frz. prince
Niederländischen auf (ndd., nndl. pruim
'Fürst’, das auf 1. prlnceps 'Erster, Vornehmster,
'Pflaume’; s. Pflaume).
Fürst’ zurückgeht (vgl. Prinzip). Die Bedeutung
Priester m. Mhd. priester, ahd. priester, pre- 'Fürstensohn’ kommt erst im Laufe des 17. Jhs.
star, as. prestar. Wie afr. prester (e) entlehnt aus auf.
einem dem frz. pretre vorausgehenden prestre. Etymologisch verwandt: s. Primus und akzeptieren.
Dieses ist über 1. presbyter entlehnt aus gr. pres-
Prinzip n. 'feste Regel, Grundsatz’. Im 18. Jh.
byteros 'der Ältere’ (zu gr. presbys 'alt’). So
entlehnt aus 1. prlncipium 'Grund, Grundlage,
bezeichnet werden zunächst die Gemeindevor¬
Anfang, Ursprung’, zu 1. prlnceps m. 'der Erste,
steher in der Anrede; mit der Stellung der so
der Vornehmste’, zu 1. primus, dem Superlativ
Bezeichneten entwickelt sich die Bedeutung.
von 1. prior 'der erstere, vordere’ und 1. capere
prima Adj. 'großartig’, ugs. Im 19. Jh. ent¬ 'besetzen, ergreifen’.
lehnt aus Fügungen wie it. prima sorte 'beste Morphologisch zugehörig: Prinzipal, prinzipiell-, ety¬
Warensorte’, zu it. primo 'erster’, aus I. primus. mologisch verwandt: s. Primus und akzeptieren. - W.
Priorität 563 Professor

Feldmann ZDW 8 (1906/07), 88; G. Schoppe ZDW


Probabilität/. 'Wahrscheinlichkeit’, s. probat.
15 (1914), 202.
Proband m. 'Versuchsperson, zu Testender’,
Priorität f. 'Vorrang, Stellenwert’, s. Primus.
s. probat.
Prise /. Entlehnt aus frz. prise, im 16. Jh. in
probat Adj. 'angemessen, tauglich, wirksam’,
der Bedeutung 'von einem Freibeuter aufge¬
sonder sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
brachtes Schiff’, im 18. Jh. als 'kleiner Griff
deutend 1. probätus, dem PPP. von 1. probäre
Schnupftabak (und danach auch Salz u. ä.)\
(probätum) 'prüfen, untersuchen’, zu 1. probus
Das französische Wort ist Verbalabstraktum zu 'gut, tüchtig, brav’ (s. auch pro-).
frz. prendre 'nehmen, ergreifen’ (aus 1. prehen-
Etymologisch verwandt: approbieren, Probabilität,
dere).
Proband, Probe, probieren-, zum Etymon s. prüfen.
Etymologisch verwandt: s. preisgeben, Repressalie. —
Probe f. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. proba
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 88; Kluge (1911),
628f. 'Prüfung, Versuch’, einer Rückbildung zu 1. pro¬
bäre 'prüfen’.
Prisma n. (= ein lichtbrechender Körper),
S. probat ( + ), prüfen.
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutend 1. prisma, dieses aus gr. prisma (dass., probieren swV. 'versuchen’. Im 12. Jh. ent¬
wörtlich: 'das Zerschnittene’), zu gr. priem 'sä¬ lehnt aus 1. probäre 'prüfen, versuchen’ mit dem
gen, zersägen’. (frz.) Lehnsuffix -ier-en.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 88; Schirmer (1912), S. probat ( + ), prüfen. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
54. 07), 89; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 203.
Problem n. 'Schwierigkeit, Aufgabe’. Im 16.
Pritsche/. Mhd. britze, brütsche, ahd. britissa.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. problema,
Kollektivbildung zu Brett (s. d.), sowohl in der
dieses aus gr. problema (dass., wörtlich: 'das
Bedeutung 'einfache Liegestatt u. ä.\ nämlich
Vorgelegte’), zu gr. probällein 'vorwerfen, Vor¬
ein Rost und darübergelegte Bretter, wie auch
halten’, zu gr. bällein 'werfen’ (s. auch pro-).
'Narrenpritsche’ (die aus mehreren Lagen dün¬
ner Brettchen besteht). Morphologisch zugehörig: Problematik, problematisie¬
ren-, etymologisch verwandt: s. Parabel. — W. Feld¬
Kluge (1926), 45f.
mann ZDW 8 (1906/07), 89.
privat Adj. 'persönlich, intim’. Im 16. Jh. ent¬
Produkt n. 'Erzeugnis’, s. produzieren.
lehnt aus gleichbedeutend 1. prlvätus (wörtlich:
produzieren swV. 'herstellen, hervorbringen’.
'abgesondert [vom Staat]’), dem PPP. von 1.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. prö-
prlväre (privatum) 'berauben, (wörtlich: von et¬
dücere (pröductum) (wörtlich: 'vorwärtsführen,
was absondern)’, zu 1. prlvus 'eigentümlich, ei¬
vorführen’), zu 1. dücere 'ziehen’ (s. auch pro-).
gen, einer Sache beraubt, für sich bestehend’.
Morphologisch zugehörig: Producer, Produkt, Produk¬
Morphologisch zugehörig: Privatier, privatim, Priva¬
tion, produktiv, Produktivität, Produzent-, etymologisch
tion, privatisieren, privatissime, Privatissimum, Priva¬
verwandt: s. Dusche. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/
tist, privativ. Privativ, etymologisch verwandt: Privileg.
07), 89; Schirmer (1911), 148f.
- W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 89.
profan Adj. 'weltlich, alltäglich’, sonder-
Privileg n. 'Vorrecht’, sondersprachl. Im Mit¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
telhochdeutschen (mhd. prlvilegje, privilei[g]e)
1. profänus (wörtlich: 'vor dem heiligen Bezirk
entlehnt aus gleichbedeutend 1. prlvilegium
liegend’), zu 1. fänurn 'ein heiliger, der Gottheit
(wörtlich: 'die Verordnung, die nur eine einzelne
geweihter Ort’ (s. auch pro-).
Person betrifft’), zu 1. prlvus 'eigen, besonders’
Morphologisch zugehörig: Profanation, Profanität;
und 1. lex (-egis) f. 'Gesetz, Verordnung’, zu 1.
etymologisch verwandt: s. Ferien. — W. Feldmann
legere 'lesen’, verwandt mit gr. legein 'auflesen’. ZDW 8 (1906/07), 89; P. Weichering AB 28 (1984),
Morphologisch zugehörig: privilegieren, Privilegium-, 63-99.
etymologisch verwandt: s. analog und privat. — W.
professionell Adj. 'berufsmäßig, gekonnt’, s.
Feldmann ZDW8 (1906/07), 89; Schirmer (1911), 148.
Professor.
pro- Präfix. Wortbildungselement mit den
Profession /. 'Beruf’, s. Professor.
Bedeutungen 'vor’ (z. B. Prognose, progressiv),
'zu jemandes Gunsten’ (z. B. proiranisch), 'an Professor m. 'Hochschullehrer’. Im 16. Jh.
Stelle von’ (z. B. Pronomen) und 'in Verhältnis entlehnt aus gleichbedeutend 1. professor (auch:
zu’ (z. B. Proportion). Es wurde in lateinischen 'der öffentliche Lehrer’), zu 1. profiterl 'öffentli¬
und in griechischen Entlehnungen ins Deutsche cher Lehrer sein, öffentlich lehren, laut und
übernommen; sein Ursprung ist 1. pro 'vor, für, öffentlich erklären’, zu 1. faterl 'bekennen, ge¬
zugunsten’ Präp., Adv. bzw. entsprechendes gr. stehen, an den Tag legen’, zu 1. färl 'sprechen,
pro. kundtun’ (s. auch pro-). Profession ist im 16.
Zum Etymon s. ver-, — W. Feldmann ZDW 8 (1906/ Jh. entlehnt aus frz. profession f. 'Beruf’, dieses
07), 89. aus 1. professio f. 'Bekenntnis, Gewerbe’. Profi
Profi 564 Prokura

ist hypokoristische Kürzung von Professional progressiv Adj. 'fortschrittlich5. Im 18. Jh.
'Berufssportler’. entlehnt aus gleichbedeutend frz. progressif
Morphologisch zugehörig: professionalisieren, Profes¬ einer Neubildung zu 1. prögredt 'vorwärtsschrei¬
sionalismus, professionell, professoral, Professur, ety¬ ten, fortschreiten5, zu 1. gracfi'schreiten5 (s. auch
mologisch verwandt: s. diffamieren. — Nyström pro-).
(1915), 121-124; Götze (1929), llf.
Morphologisch zugehörig: Progreß, Progression, Pro¬
Profi m. 'Berufssportler, Fachmann5, s. Pro¬ gressismus, Progressist, Progressivismus, Progressivist;
fessor. etymologisch verwandt: s. Aggression. — W. Feldmann
ZDW 8 (1906/07), 89; G. Schoppe ZDW 15(1914),
Profil n. 'Seitenansicht5. Im 17. Jh. entlehnt
203; W. J. Jones SN 51 (1979), 269.
aus gleichbedeutend frz. profil m., dieses aus it.
profilo m. (dass.), einer Ableitung von it. profi- prohibieren nvK 'verbieten5, arch., sonder-
lare 'umreißen, den Umriß zeichnen5, zu it. filo sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. prohi-
m. 'Strich, Linie, Faden5, aus 1. ßlum 'Faden5. bere (wörtlich: 'fernhalten, abhalten5), zu 1. ha¬
Profiliert heißt 'scharf Umrissen, deutlich ge¬ bere 'haben, halten, handhaben5 (s. auch pro-).
kennzeichnet5. Morphologisch zugehörig: Prohibition, Prohibitionist,
prohibitiv, Prohibitiv; etymologisch verwandt: s. habili¬
Morphologisch zugehörig: profilieren; etymologisch
tieren.
verwandt: s. Filet. — W. J. Jones SN 51 (1979), 268f.
Profit m. 'Nutzen, Gewinn5. Im 15. Jh. ent¬ Projekt n. 'Vorhaben5. Im 17. Jh. entlehnt aus
lehnt aus gleichbedeutend mndl. profijt, dieses gleichbedeutend neo-1. proiectum, dieses latini¬
aus frz. profit (dass.), dieses aus 1. pröfectus siert aus frz. projet m. (dass.), einer postverbalen
'Zunahme, Wachstum, Vorteil5, dem PPP. von Ableitung von frz. projeter 'entwerfen, (wört¬
1. pröficere (pröfectum) 'gewinnen, bewirken, lich: nach vorn werfen)5, aus 1. pröiectäre 'fort¬
vorwärts kommen5, zu 1. facere 'machen5 (s. treiben, hinaustreiben5, einem Intensivum zu 1.
auch pro-). pröicere (proiectum) 'vorwärtswerfen, vorstrek-
ken5, zu 1. iacere 'werfen5 (s. auch pro-).
Morphologisch zugehörig: profitabel, Profiteur, profi¬
tieren:; etymologisch verwandt: s. Fazit. — W. Feld¬ Morphologisch zugehörig: Projektant, projektieren,
mann ZDW 8 (1906/07), 89; Schirmer (1911), 149; Projektil, Projektion, projizieren; etymologisch ver¬
Miettinen (1962), 269-273. wandt: s. Adjektiv. — W. Feldmann ZDW8 (1906/07),
89; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 402.
pro forma Adv. 'nur der äußeren Form we¬
gen5, s. Form und pro-, Projektil n. 'Geschoß’, fachsprachl. Im 19. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. projectile m.,
Profos m. 'Verwalter der Militärgerichtsbar¬
dieses aus neo-1. projectilis (dass.), zu 1. pröicere
keit5, s. Propst.
(proiectum) 'vorwärtswerfen5, zu 1. iacere 'wer¬
profund Adj. 'gründlich5, sonder spracht. Im fen5 (s. auch pro-).
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. pro-
Etymologisch verwandt: s. Adjektiv.
fond, dieses aus 1. profundus 'geistig tief einge¬
hend, tief, bodenlos5, zu 1. fundus 'Grund, Bo¬ projizieren swV. 'auf etwas (z. B. eine Lein¬
den5. Das /u/ in Anlehnung an das lateinische wand) abbilden5, s. Projekt.
Adjektiv. proklamieren swV. 'öffentlich erklären5, son-
Morphologisch zugehörig: Profundität; etymologisch dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
verwandt: s. fundieren. tend frz. proclamer, dieses aus 1. pröclämäre
Prognose /. 'Vorhersage5. Im 18. Jh. entlehnt 'laut rufen, heftig rufen, schreien5, zu 1. clämäre
aus gleichbedeutend gr. prögnösis (wörtlich; 'laut rufen, schreien5 (s. auch pro-).
'Vorherwissen5), zu gr. progignöskein 'vorher er¬ Morphologisch zugehörig: Proklamation; etymolo¬
kennen5, zu gr. gignoskein 'erkennen5 (s. auch gisch verwandt: s. deklamieren. - G. Schoppe ZDW
15 (1914), 203.
pro-), zu gr. gnösis 'Erkenntnis5.
Morphologisch zugehörig: Prognostik, Prognostikum, Prokrustesbett n. 'Schema, in das man etwas
prognostizieren; etymologisch verwandt: s. Diagnose. zwängt5, sondersprachl. Nach einem bösartigen
Programm n. 'Gesamtheit von Veranstaltun¬ Riesen der griechischen Mythologie, der Men¬
gen usw., Ablauf, Grundsätze usw.5. Im 18. schen zu Tode marterte, indem er ihre Glieder
Jh. entlehnt aus 1. programma 'die schriftliche mit einem Hammer einem zu großen oder zu
Bekanntmachung, Aufruf, Erlaß5, aus gr. prö- kleinen Bett anpaßte.
gramma (dass.), zu gr. progräphein 'öffentlich Prokura /. 'handelsrechtliche Geschäftsvoll¬
hinschreiben, öffentlich anordnen, vorschrei¬ macht5, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
ben5, zu gr. gräphein 'schreiben5 (s. auch pro-). gleichbedeutend it. procura, zu it. procurare 'ge¬
Morphologisch zugehörig: Programmatik, program¬ schäftsführend tätig ein, Sorge tragen5, aus 1.
mieren; etymologisch verwandt: s. Grammatik. pröcüräre (dass.), zu 1. cüräre 'sorgen, sich ange-
Proletarier 565 Prophet

legen sein lassen , zu 1. cura Sorge, Vorsorge, prompt Adj. Im 17. Jh. entlehnt aus frz.
Interesse’ (s. auch pro-). prompt (e), das auf gleichbedeutendes 1. prömp-
Morphologisch zugehörig: Prokuralion, Prokurator, tus zurückgeht (zu 1. prömere 'hervornehmen’,
Prokurist; etymologisch verwandt: s. Kur. — Schirmer das zu 1. emere 'nehmen’ gebildet ist).
(1911), 149; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 203.
Etymologisch verwandt: s. Exempel. — W. Feldmann
Proletarier m. 'besitzloser Lohnarbeiter, un¬ ZDW 8 (1906/07), 89; Schirmer (1911), 150; W. J.
gebildeter Mensch’, sonderspraclil. Im 18. Jh. Jones SN 51 (1979), 269.
entlehnt aus 1. pröletärius (= der Bürger der Pronomen n. 'Fürwort’, s. Nomen und pro-.
untersten Klasse), zu 1. pröles f. 'Nachkomme’, prononciert Adj. 'entschieden, eindeutig’, son¬
zu 1. alere 'nähren, aufziehen’. Die neuzeitlichen dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Wirtschaftstheorien übernehmen ein lateini¬ prononce, dem adjektivischen PPrät. von frz.
sches Wort, das nach einer Volkseinteilung den prononcer 'aussprechen’, aus 1. prönüntiäre
Bürger der untersten Klasse bezeichnet, der (dass.), zu 1. nüntiäre 'verkünden, melden’ (s.
dem Staat nicht mit seinem Vermögen diente, auch pro-), zu I. nüntius 'verkündigend, mel¬
sondern nur mit seiner Nachkommenschaft. dend’.
Morphologisch zugehörig: Prolet, Proletariat; etymo¬ Etymologisch verwandt: s. Annonce.
logisch verwandt: s. Alimente. - R. F. Arnold ZD W
8 (1906/07), 17f.; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 203f. Propädeutik /. 'Einführung, einführendes
Buch’, s. Pädagogik und pro-,
Prolog m. 'Vorrede’, sonderspracht. Im Mittel¬
Propaganda /. 'gezielte Verbreitung von Mei¬
hochdeutschen (mhd. prologe, prologus) ent¬
nungen, um andere in einer bestimmten Rich¬
lehnt aus gleichbedeutend 1. prologus, dieses aus
tung zu beeinflussen’. Neubildung des 19. Jhs.
gr. prölogos (dass.), zu gr. lögos 'Rede, das
zu 1. propägäre 'weiter ausbreiten, erweitern’,
Sprechen, Wort, Erzählung’, zu gr. legein
zu 1. pangere (pactum) 'befestigen, aneinander¬
'(auf)lesen, reden, sprechen’ (s. auch pro-).
fügen, unternehmen’ (s. auch pro-). Gebildet
Etymologisch verwandt: s. analog.
nach Congregatio de Propaganda fide, dem Na¬
Promenade f. 'Spaziergang’, s. promenieren. men einer päpstlichen Gesellschaft zur Verbrei¬
promenieren swV. 'schlendernd Spazierenge¬ tung des Glaubens.
hen’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus Morphologisch zugehörig: Propagandist, Propagator,
propagieren; etymologisch verwandt: s. Palisade. —
gleichbedeutend frz. se promener, zu frz. prome-
Schirmer (1911), 150.
ner 'spazieren führen’, zu frz. mener 'führen’,
aus 1. pröminäre 'forttreiben, vor sich hertrei¬ Propan n. (= ein gasförmiger Kohlenwasser¬
ben’ zu 1. minäre 'treiben, antreiben’ und 1. pro- stoff), fachsprachl. Das Wort ist mit dem Rei¬
(s. d.). Dieses Verb ist zur Sippe von 1. möns hensuffix -an der Alkane gebildet zu einer
'Berg’ gehörig. Grundlage, die auf Propion zurückgeht (dieses
als 'in der Zahl der Kohlenstoffatome der Fett¬
Morphologisch zugehörig: Promenade; etymologisch
säure vorausgehend’ zu gr. pro Adv. 'voran,
verwandt: s. eminent.
vorher’ und gr. piön 'Fett’). Zur gleichen
Promille n. 'tausendster Teil’, s. Million und Grundlage auch Propylen u. a.
pro-,
Propeller m. 'Antriebsschraube’. Im 19. Jh.
prominent Adj. 'herausragend, bedeutend’. entlehnt aus gleichbedeutend ne. propeller,
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. pro¬ einem Nomen instrumenti zu e. propel 'antrei¬
minens (-entis), dem PPräs. von 1. pröminere ben, vorwärts treiben’, aus 1. pröpellere (dass.),
'hervorragen, hervortreten’, zu 1. minere 'ragen’ zu 1. pellere (pulsum) 'treiben’ (s. auch pro-).
bzw. 1. minoräri 'hinausragen, emporragen’ (s. Zunächst entlehnt als Bezeichnung für eine
auch pro-), die zur Sippe von 1. möns 'Berg’ Schiffsschraube.
gehörig sind. Etymologisch verwandt: s. Puls.
Morphologisch zugehörig: Prominenz; etymologisch proper Adj., ugs. Im 17. Jh. entlehnt aus frz.
verwandt: s. eminent. propre, das auf 1. proprius 'eigen, eigentümlich’
Promotion /. 'Verleihung der Doktorwürde, zurückgeht.
Absatzförderung’, sondersprachl. Im 17. Jh. ent¬ Jones (1976), 543.
lehnt aus 1. prömötio (-önis) 'Beförderung (zu Prophet m. 'religiöser Mahner, Weissager’.
Ehrenstellen)’, zu 1. prömovere 'vorwärts bewe¬ Im Mittelhochdeutschen (mhd. prophet[e])
gen, fortschieben’, zu 1. movere 'bewegen’ (s. entlehnt aus gleichbedeutend 1. propheta, pro-
pro-). In der Bedeutung 'Absatzförderung’ nach phetes, dieses aus gr. prophetes (dass., zunächst:
ne. sales promotion. 'Ausleger und Verkündiger der Orakelsprüche’),
Morphologisch zugehörig: Promoter, Promotor, Pro- zu gr. phänai 'sagen, erklären’ (s. auch pro-).
movend, promovieren; etymologisch verwandt: s. mobil. Morphologisch zugehörig: Prophetie, prophezeien; ety¬
- Götze (1929), 8. mologisch verwandt: s. Aphasie.
prophezeien 566 protestieren

prophezeien swV. Im 14. Jh. abgeleitet von dia, dieses aus gr. prosöidia (wörtlich: 'Zuge¬
prophezle 'Prophezeiung’, das im 12. Jh. aus sang’), zu gr. (poet.) öide 'Gesang’, zu gr. aei-
kirchen-1. prophetia (und afrz. prophetie) ent¬ dein 'singen’, und gr. prös- 'hinzu’.
lehnt wurde, aber im 18. Jh. durch Prophezeiung Morphologisch zugehörig: Prosodik; etymologisch ver¬
verdrängt wurde. wandt: s. Ode. Vgl. Akzent. — E. Leser ZDW
S. Prophet (-I-). 15 (1914), 32f.; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 204.

Prophylaxe /. 'Vorbeugung’, fachsprachl. Im Prospekt m. 'Informationsschrift’. Im 17. Jh.


18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend neo-1. pro- entlehnt aus 1. pröspectus 'Fernsicht, Aussicht,
phylaeticum n., dieses aus gr. prophylax m. 'Vor¬ Hinsehen’, dem PPP. von 1. pröspicere 'aus der
wächter, Vorposten’, zu gr. prophylässein 'auf Ferne herabsehen, hinsehen, von fern erblik-
dem Vorposten stehen, heilkundlich vorbauen’, ken’, zu 1. specere 'schauen’ (s. auch pro-).
zu gr. phylässein 'vor etwas Wache halten, sich Morphologisch zugehörig: prospektieren, Prospektion,
prospektiv, Prospektor; etymologisch verwandt: s.
vorsehen’ (s. auch pro-).
Spektakel. — W. Feldmann ZDW 8(1906/07), 89;
Proponent m. 'Antragsteller, Vorschlagender’, Schirmer (1911), 150.
s. Position und pro-,
prosperieren swV. 'gedeihen, gut vorankom¬
Proportion/. 'Verhältnis’, s. Portion und pro-, men’, sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeu¬
Proporz m. 'Verteilung nach Verhältnissen’, tend frz. prosperer, dieses aus 1. prösperäre 'et¬
fachsprachl. Kurzwort von Proportionalwahl. was gedeihen lassen’, zu 1. prösper 'günstig’.
Proposition /. 'Vorschlag, Inhalt’, s. Position Morphologisch zugehörig: Prosperität.
und pro-, Prostata/. 'Vorsteherdrüse’, fachsprachl. Ent¬
Proppen m., ndd. Niederdeutsche Form von lehnt aus gr. prostätes m. 'Vorsteher’, einer Ab¬
Pfropfen (s. d.). Das Adjektiv proppenvoll be¬ leitung von gr. pristänai 'vorstellen’.
deutet wie südd. gepfropft voll eigentlich 'vollge¬ Prostitution/. 'gewerbsmäßige Preisgabe’. Im
stopft’ und geht auf die Grundbedeutung 'Stöp¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Prosti¬
sel’ zurück. tution, dieses aus 1. pröstitütio (-önis) 'Preisge-
Propst m., fachsprachl. Mhd. prob(e)st, bro- bung zu sexuellen Handlungen’, zu 1. pröstituere
best, ahd. probost, probist, provost, mndd. pra- 'für sexuelle Handlungen öffentlich preisgeben’,
west, mndl. provest, provoost, proofst; wie ae. zu 1. statuere 'hinstellen’, zu 1. sistere (statum)
präfost, profost, afr. provest, progost, provost 'stellen, hinstellen’, zu 1. störe 'stehen’.
entlehnt aus afrz. provost aus ml. propositus, Morphologisch zugehörig: prostituieren, Prostituierte;
umgeformt aus älterem praepositus 'Vorgesetz¬ etymologisch verwandt: s. Arrest.
ter’ (zu 1. praepönere 'voransetzen’). Die christli¬ Protagonist m. 'Befürworter, zentrale Gestalt,
che Bedeutung ist vor allem 'Leiter eines Stifts Vorkämpfer’, s. Antagonismus und pro-,
oder Klosters’. Eine spätere Entlehnung des protegieren swV. 'fördern, begünstigen’, son-
gleichen Wortes (frz. provost), das inzwischen dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
zu 'Zuchtmeister’ geworden war, ist fnhd. Pro- tend frz. proteger, dieses aus 1. protegere (pro-
fos 'Zuchtmeister, Vorsitzender des Militärge¬ tectum) 'beschützen, bedecken, (wörtlich: vom
richts’. bedecken)’, zu 1. tegere 'schützen, decken, be¬
S. Position ly). - Kluge (1911), 629f. decken’ (s. auch pro-).
Prosa /. 'fortlaufender Text’. Im Althoch¬ Morphologisch zugehörig: Protege, Protektion, Pro¬
deutschen (ahd. prösa, mhd. pröse) entlehnt aus tektionismus, Protektionist, Protektor, Protektorat; ety¬
gleichbedeutend 1. (örätiö) prösa (wörtlich: mologisch verwandt: s. Detektiv. - W. Feldmann
'schlichte, gerade gerichtete Rede’), zu 1. prörsus ZDW 8 (1906/07), 89.

'vorwärts gekehrt, geradezu’, zu 1. versus, dem Protein n. 'Eiweißkörper’, fachsprachl. Neu¬


PPP. von 1. vertere (versum) 'drehen, wenden’ bildung zu gr. prötos 'erster’ (s. auch proto-).
(s. auch pro-). So bezeichnet, da man der Meinung war, alle
Morphologisch zugehörig: prosaisch (Gegensatz zu Eiweißkörper würden aus einer Grundsubstanz
'dichterisch’), Prosaist', etymologisch verwandt: s. Vers. bestehen.
prosit Interj. 'zum Wohl!’. Im 16. Jh. entlehnt Protektion f. 'Schutz’, s. protegieren.
aus 1. prosit 'es möge nützlich sein’, zu 1. prödesse
protestieren mF. 'Mißfallen ausdrücken, Ein¬
'nützen’. Daraus gekürzt Prost.
spruch erheben’. Im 15. Jh. entlehnt aus gleich¬
Morphologisch zugehörig: Prosit; etymologisch ver¬ bedeutend frz. protester, dieses aus 1. prötestäri
wandt: s. Essenz. — Kluge (1895), 116.
'öffentlich bezeugen, öffentlich dartun’, zu 1.
Prosodie/. 'Lehre von intonatorischen Eigen¬ testäri 'bezeugen’ (s. auch pro-), zu 1. testis
schaften von Versen und Sätzen’, fachsprachl. 'Zeuge’. Die Bedeutung von protestantisch
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. prosö- 'evangelisch’ geht zurück auf die Ablehnung
Protestant 567 Prozeß

der kaiserlichen Religionspolitik im 16. Jh. und dere 'Vorsorge tragen, im voraus besorgen’. Die
wurde schließlich zur allgemeinen Bezeichnung Einzelheiten bleiben aber unklar.
dieser Konfession. Etymologisch verwandt: s. habilitieren, Pfründe. — G.
Morphologisch zugehörig: Protest, Protestant, Prote¬ Schoppe ZDW 15(1914), 204; E. Öhmann NPhM
stantismus-, etymologisch verwandt: s. Attest. — G. 42(1941), 83f.
Schoppe ZDW 15 (1914), 204. Provinz /. 'Verwaltungseinheit’. Im 14. Jh.
Protestant m., s. protestieren. entlehnt aus gleichbedeutend 1. prövincia (wört¬
Prothese / 'künstlicher Ersatz’. Im 19. Jh. lich: 'Geschäftskreis, Aufgabe, Auftrag’).
entlehnt aus gr. prösthesis 'Zusatz, Vermeh¬ Morphologisch zugehörig: Provinzial, Provinziale, Pro¬
vinzialismus, Provinzialitäl, provinziell. — Jones (1976),
rung’, zu gr. thesis 'setzen, aufstellen’ und gr.
543 f.
prös 'hinzu’. Das fehlende /s/ erklärt sich aus
einer Vermengung mit gr. pröthesis 'Ausstel¬ Provision /. 'Umsatzbeteiligung, Vermittlungs¬
lung; Vorsatz’. gebühr’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Morphologisch zugehörig: Prothetik-, etymologisch tend it. prov(v)isione, prov(vjigione, dieses aus
verwandt: s. These. 1. prövtsio (-önis) 'Vorsorge, Vorkehrung’, zu 1.
proto- Präfix. Wortbildungselement mit der prövidere (prövlsum) 'Vorsorge tragen, im vor¬
Bedeutung 'vorderster, erster, bedeutsamster’ aus besorgen’, zu 1. videre 'sehen’ (s. auch pro-).
(z. B. Prototyp, Protagonist, Protoplasma). Da¬ Die Bedeutung 'Vermittlungsgebühr’ entsteht
im kaufmännischen Bereich ausgehend von der
neben vor Vokalen meist die Form prot-. Es
wurde vornehmlich in neologischen Bildungen Bedeutung 'Bezahlung, Unterhalt’, die das
verwendet; sein Ursprung ist gr. prötos (dass.). Wort in Anlehnung an Proviant angenommen
hat (vgl. die Vermengung von 1. praebere und 1.
Protokoll n. 'Niederschrift’. Im 16. Jh. ent¬
prövidere in Proviant). Es meint die hier übliche
lehnt aus gleichbedeutend ml. protocollum, die¬
Form der Bezahlung, die sich nach der Ver¬
ses aus mgr. prötökollon (wörtlich: 'vorgeleimtes
kaufsleistung richtet. Provisor trägt die alte Be¬
Blatt’), zu gr. köllä 'Leim’ (s. auch proto-).
deutung 'Vorsorge treffen, sich kümmern’; pro¬
Zunächst Bezeichnung der vom an Papyrusrol¬
visorisch 'einstweilen, behelfsmäßig’ (entspre¬
len angeklebten Blätter mit den Daten über die
chend Provisorium) übernimmt die Bedeutung
Entstehung dieser Schriftrolle. Dann übertra¬
aus 'vorsorglich’, wobei die „sprichwörtliche“
gen auf andere chronologische Aufzeichnungen.
Notdürftigkeit vieler Vorsorgemaßnahmen den
Morphologisch zugehörig: protokollarisch, protokollie¬
Wandel zu 'behelfsmäßig’ bewirkt hat.
ren. - G. Schoppe ZDW 15(1914), 204.
Morphologisch zugehörig: Provisorium-, etymologisch
Prototyp m. 'Modell, ideale Ausprägung’, s. verwandt: s. Visage. — Schirmer (1911), 151; G.
Typ und proto-. Schoppe ZDW 15 (1914), 204.
Protz m. 'Wichtigtuer’, ugs. In dieser Bedeu¬ Provisorium n. 'Behelfslösung’, s. Provision.
tung seit dem 19. Jh. Sonst mundartlich (bai¬
Provokation /. 'Herausforderung’, s. provo¬
risch) für 'Kröte’ (bezeugt seit dem 16. Jh.).
zieren.
Wahrscheinlich Bedeutungsverschiebung aus
dem Tiernamen, dessen Herkunft nicht klar ist. provozieren swV. 'herausfordern’. Im 16. Jh.
Hierzu protzen und protzig (das aus älterem entlehnt aus gleichbedeutend 1. prövocäre (wört¬
protz erweitert ist). lich: 'hervorrufen’), zu 1. vocäre 'rufen’ (s. auch

Protze/. 'Vorderwagen des Geschützes’, arch. pro-).


Morphologisch zugehörig: provokant, Provokateur,
Im Bairischen seit dem 15. Jh. als protz, protzen
Provokation, provokativ; etymologisch verwandt: s. Vo¬
m. 'Karren’ bezeugt; dieses aus ober-it. birozzo
kal. — K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 402.
m., it. biroccio m. 'Wagen’ entlehnt. Im 16. Jh.
in mehreren Zusammensetzungen (Protzkasten, Prozedur /. 'Vorgang’, s. Prozeß.
Protzwagen, Protzräder usw.) üblich, aus denen Prozent n. 'Hundertstel’. Im 15. Jh. gebildet
sekundär das Femininum abstrahiert wird. zu it. per cento 'pro Hundert’, zu 1. centum
E. Öhmann NPhM 42 (1941), 83. 'hundert’.
Provenienz /. 'Herkunft’, s. Advent und pro-. Morphologisch zugehörig: prozentual, prozentuell; ety¬
mologisch verwandt: s. Zentner. — Schirmer (1911),
Proviant m. auf eine Reise mitgenommene
151.
Lebensmittel’. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Prozeß m. 'Vorgang, gerichtlicher Rechts¬
deutend it. provianda/., dieses vielleicht wie frz.
streit’. Im Mittelhochdeutschen (mhd. process
provende aus 1. praebenda f. 'das jmd. von Staats
'Erlaß, gerichtliche Entscheidung’) entlehnt aus
wegen zukommende Nahrungsgeld’, zu 1. prae-
bere 'hinhalten, hinreichen, darreichen’, zu 1. 1. pröcessus 'Fortgang, Fortschreiten’, dem sub¬
habere 'haben, halten, tragen’. Der Wechsel von stantivierten PPP. von 1. pröcedere (pröcessum)
'vorwärtsgehen, vorrücken, vortreten’, zu 1. ce-
prae- zu pro- wohl durch Anlehnung an 1. provi-
Prozession 568 Psychologie

dere 'gehen, treten’ (s. auch pro-). Dazu die Psalm m., Psalmen PL (= im Alten Testa¬
neoklassische Bildung Prozedur. ment gesammelte religiöse Lieder des jüdischen
Morphologisch zugehörig: prozessieren, Prozessor, Volkes), fachsprachl. Im Althochdeutschen
prozessual: etymologisch verwandt: s. Abszeß. — W. (ahd. psalmjo], salm[o], mhd. psalmje],
Feldmann ZDW 8 (1906/07), 89; G. Schoppe ZDW salmfe]) entlehnt aus gleichbedeutend 1. psal-
15 (1914), 204f.; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963),
mus m., dieses aus gr. psalmös m. (dass., auch:
402; W. J. Jones SN 51 (1979), 268.
'Lied, Gesang, Harfenspiel’, wörtlich: 'das
Prozession /, 'feierlicher Umzug’. Im 13. Jh. Zupfen an den Saiten des Instruments’), zu gr.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. pröcessio (-önis) psällein 'zupfen, die Saiten der Lyra schlagen,
(wörtlich: 'Vorrücken’), zu 1. pröcedere (pröces- ein Harfeninstrument spielen’.
sum) 'vorwärtsgehen, vorrücken, vortreten’, zu
Morphologisch zugehörig: Psalmist, Psalmodie,
1. cedere 'gehen, treten’ (s. auch pro-). Psalter.
Etymologisch verwandt: s. Abszeß.
Psalter m. 'Buch der Psalmen, mittelalter¬
prüde Adj. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ liches liturgisches Textbuch, mittelalterliche Zi¬
deutendem frz. prüde. Dieses bedeutet ur¬ ther’, fachsprachl. Im Althochdeutschen (ahd.
sprünglich 'wacker, ehrenhaft’ und ist vermut¬ [pjsalteri, saltäri u. ä., mhd. psalter) entlehnt
lich in bestimmten Wendungen (wie frz. prüde aus gleichbedeutend (kirchen)-l. psalterium n.,
femme 'ehrenhafte Frau’?) unter Einwirkung dieses aus gr. psalterion n. 'Saiteninstrument’,
von frz. prudent 'vorsichtig’ zu seiner speziellen zu gr. psällein 'zupfen, die Saiten schlagen’.
Bedeutung gekommen. S. Psalm ( + ). - Relleke (1980), 201f.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 90.
pseudo- Präfix. Wortbildungselement mit der
prudeln swV. 'sich suhlen’, reg. Nebenform zu Bedeutung 'unecht, vorgetäuscht’ (z. B. pseudo-
brodeln (s. d.). Hierzu reg. prude/ig 'unordent¬
juristisch). Es wird vornehmlich in neologischen
lich’, Prudel 'Fehler’.
Bildungen verwendet; sein Ursprung ist das
prüfen swV. Mhd. prüeven, brüeven, pruoven, Vorderglied pseudo- 'Lügen-’ in griechischen
mndl. pro(e)ven, pru(e)ven u. a. Im 12. Jh. Komposita, zu gr. pseüdein 'täuschen’. — Vor
entlehnt aus afrz. prover (dass.), das aus 1. pro- Vokalen lautet die Form meist pseud- (z. B.
bäre (s. probieren) stammt. Schon im 13. Jh. Pseudonym).
wird das Verbalabstraktum mhd. priiefunge ge¬ W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 90; K.-H. Weinmann
bildet. DWEB 2(1963), 402.
S. Probe, probat ( + ), probieren. - Öhmann (1918),
Pseudonym n. 'angenommener Name’, s. an¬
95f., 124.
onym und pseudo-.
Prügel m. Spmhd. brügel, aber ahd. prugilon
pst Interj. Bezeugt seit dem 17. Jh. Das j, das
abdecken mit Prügeln(?)’. Diminutivum zu
hier an die Stelle eines Vokals gesetzt ist, ist ein
einem vorauszusetzenden *bruga- 'Stämmchen,
typischer Flüsterlaut, d. h. beim Flüstern (dem
Prügel’, zu dem schwz. Brügi 'Prügeldamm,
Sprechen mit tonlosen Vokalen) ist das j ver¬
Plattform, Bühne usw.’ ein Kollektivum ist.
hältnismäßig schallstark und deshalb auffal¬
Außergermanisch vergleicht sich vielleicht lit.
lend.
brüklys 'Stock, Prügel’. Entfernter verwandt ist
Schwentner (1924), 16.
das Wort Brücke (s. d.).
Psyche/. 'Seele, Seelenleben, Gemütsverfas¬
Prügelknabe m., Prügeljunge m. Bezeugt seit
sung, Gemüt’, sonderspracht. Im 19. Jh. entlehnt
dem 19. Jh. Offenbar zurückgehend auf eine
aus gleichbedeutend gr. psyche (dass., wörtlich:
für das 17. Jh. bezeugte Sitte, Fürstensöhne
[LebensjHauch), zu gr. psychein ‘hauchen, at¬
mit Kindern einfacherer Leute zusammen zu
men, blasen, leben’.
erziehen, wobei die anderen Kinder die Prügel
bekamen, die der Prinz verdient hätte. Entspre¬ Morphologisch zugehörig: Psychagoge, Psvchagogik,
psychedelisch, Psychiatrie, Psychoanalyse, Psychologie,
chend e. whipping boys.
Psychologismus, Psychopath, Psychose, Psychothera¬
prünen swV. 'schlecht nähen’, ndd. Zu ndd. peut.
Prün 'Pfriem’ (s. Pfriem).
psychedelisch Adj. 'das Bewußtsein verän¬
Prunk m. Im 17. Jh. aufgenommen aus ndd. dernd, in Trance versetzend’, sonder spracht. Im
pronk, dieses zu mndl. bronc. Gehört zu prangen 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. psyche-
(s. d.) und mindestens indirekt zu Pracht (s. d.). delic, einer Neubildung zu gr. psyche und gr.
Herkunft im übrigen unklar. deloün 'offenbaren, klarmachen’, zu gr. delos
Lühr (1988), 363. 'offenkundig, sichtbar’.
prusten swV. Im 15. Jh. übernommen aus ndd. Etymologisch verwandt: s. Psyche.
prusten. Dieses ist wohl eine Schallnachahmung Psychoanalyse /., s. Analyse und Psyche.
wie anord. frysa, frusa 'schnauben’.
Psychologie /. Im 17. Jh. festgelegt als Be¬
H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 212.
zeichnung der 'Seelenlehre’, die vorher zu der
Psychopath 569 Puffbohne

Metaphysik gerechnet wurde. Das Wort er¬ eine Süßspeise, im Englischen ist diese Bedeu¬
scheint zuerst im 16. Jh. und ist zu gr. psyche tung (und Sache) jung (16. Jh.), älter ist die
'Seele, Lebenshauch5 gebildet (s. auch -logie). Bedeutung 'Wurst5 (so heute noch in ne. black
Etymologisch verwandt: s. Psyche. — F. M. Lapointe pudding 'Blutwurst’). In dieser Bedeutung ist
RCSF 28 (1973), 138-160. das englische Wort entlehnt aus frz. boudin
Psychopath m. 'krankhaft verhaltensgestörter 'Blutwurst5, das zu 1. botulus 'Wurst5 gehört.
Mensch5, sonder spracht. Neubildung des 20. Die Übertragung auf die Süßspeise offenbar
Jhs. zu gr. psyche f. 'Verstand, Herz5 und gr. nach der gestockten Konsistenz, die sowohl der
päthos n. 'Leid, Leiden5. Blutwurst wie auch dem Pudding eigen ist.
Etymologisch verwandt: s. Psyche und Pathos. R. F. Arnold ZDW 9 (1907), 158; Ganz (1957), 180f.
Psychose /. 'schwere geistig-seelische Stö¬ Pudel m. Im 18. Jh. gekürzt aus Pudelhund,
rung5, s. Psyche. das seit dem 17. Jh. bezeugt ist und sich auf
Psychotherapeut m., s. Therapie und Psyche. das pudeln 'plätschern im Wasser5 bei dieser
Hunderasse bezieht (die Pudel waren zur Was¬
Pub nfm. 'Bierlokal, Stehausschank5, s. pu¬
serjagd abgerichtet). Das Verb gehört zu ndd.
blik.
püdel, hd. pfüdel, ne. puddle 'Pfütze5. Pudel
Pubertät/. 'Geschlechtsreife5. Im 16. Jh. ent¬ 'Fehler5 vermutlich sekundär aus Prudel (s. d.).
lehnt aus gleichbedeutend 1. pübertäs (-ätis)
S. Pudelmütze.
(wörtlich: 'Mannbarkeit5), zu 1. pübes (-eris)
Pudelmütze /. 'gestrickte Wollmütze5. Ur¬
'mannbar, männlich, erwachsen5.
sprünglich nach dem Aussehen wie das Fell
Morphologisch zugehörig: pubertär, pubertieren.
eines Pudels (s. d.).
Publicity/. 'Bekanntsein, Propaganda5, s. pu¬
Puder m./(n.) Entlehnt im 15. Jh. aus frz.
blik.
poudre m., zunächst in französischer Form und
publik Adj. 'öffentlich, allgemein bekannt5,
der Bedeutung 'Haarmehr (zum Pudern der
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Haare), dann auf andere Kosmetika ausge¬
deutend frz. public, dieses aus 1. püblicus (dass.),
weitet. Die heutige Lautform seit dem 17. Jh.
zu 1. populus 'Volk, Gemeinde, Staat5. Das Pub
Das französische Wort bedeutet 'Staub, Pulver,
ist wörtlich ein 'öffentliches Haus5 (aus ne.
Puder5 und geht über 1. pulveräre (s. Pulver) auf
pub[lic housej), Publicity meint 'die öffentliche
1. pulvis (-veris) m. 'Staub5 zurück.
Bekanntheit5, die Publikation ist die „Öffent-
lichmachung“ und das Publikum bezeichnet ei¬ Puff1 m., ugs. Nach der Interjektion puff zu¬
gentlich 'die Öffentlichkeit, das Volk5. nächst die Bedeutung 'Stoß5, dann, offenbar
Morphologisch zugehörig: publizieren, Publizist, Publi¬ vom Fallen der Würfel aus, auch Bezeichnung
zistik, Publizität, etymologisch verwandt: s. populär. für ein Brettspiel mit Würfeln. Da solche Spiele
— Jones (1976), 544. in den alten Badehäusern zwischen Männern
Publikation /. 'Veröffentlichung5, s. publik. und Frauen gespielt wurden und das Spiel dann
zwanglos in mehr erotische Spiele übergehen
Publikum n. 'Zuhörerschaft, Öffentlichkeit5,
konnte, galten die Badehäuser bald als eine Art
s. publik. Bordell, und Puff stand häufig als Teil für das
publizieren swV. 'veröffentlichen, bekanntma¬ Ganze; daraus Puff 'Bordell5; puffen 'stoßen5,
chen5, s. publik. dann 'beschlafen5 mag mitgewirkt haben.
Puck m. 'Spielscheibe beim Eishockey5, fach- Puff2 m., auch Püffchen n., Puffe f. 'Wäsche¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. puck, puff5. Gehört zu einer anderen Ausprägung der
dessen Herkunft unklar ist. Interjektion puff, die das Aufgeblasene u. ä. be¬
puckern swV. 'pulsieren5, nordd. Iterativbil¬ zeichnet. Ursprünglich also 'etwas zum Hinein¬
dung zu ndd. pucken, das eine Intensivbildung stopfen5. Vgl. Puffer, Puffärmel, Puffbohne u. ä.
zu pochen (s. d.) ist. und die unter Bausch genannte Lautgebärde.
Puckel m., s. Buckel. Puffärmel m. (= im oberen Teil aufge-
puddeln1 swV. 'Roheisen durch Mischen mit bauschte Ärmel). Der Ausdruck Puff für solche
Eisenoxyd im Hochofen entkohlen, fach- Kleiderteile seit dem 15. Jh. Das Wort kann zu
sprachl. Das im 18. Jh. in England erfundene dem unter Puff2 genannten Komplex gehören;
Verfahren ist nach ne. puddle 'mischen, herum¬ da aber im Romanischen eine entsprechende
rühren (in einer Pfütze)5 benannt und so ent¬ Wortsippe besteht, ist Entlehnung nicht ausge¬
lehnt worden. schlossen.
puddeln2 swV, s. buddeln. Puffbohne/. 'Saubohne5. Bezeugt seit dem 18.

Pudding m. Im 17. Jh. entlehnt aus ne. pud-


Jh. nach der prallen Form bezeichnet.
ding. Im Deutschen bezeichnet das Wort nur S. Puff( + ).
Puffer 570 Punk

Puffer m. Bezeugt seit dem 17. Jh. in verschie¬ Puma m. (= Raubtier mit dichtem braunem
denen Bedeutungen. Zunächst für 'TerzeroP Fell), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus der
(lautnachahmend nach dem Knall); im 19. Jh. südamerikanischen Indianersprache Ketschua
entsprechend zu ne. buffer für die Stoßfänger puma.
an Bahnwagen (zu puffen 'stoßen’). Regional
Pummel m. 'dicke Person, besonders Mäd¬
für 'Eierkuchen, Kartoffelkuchen’ (vom Aufge¬
chen’, ndd. Ebenso Pumpel, schwz. Bumpel.
hen beim Backen, also zu Puff2). In der ersten
Wohl zu der Sippe von baumeln und ihrem
und dritten Bedeutung auch Puffert.
Umkreis (s. d.).
pulen swV. 'herausklauben’, ndd. Mndd. pu¬
len, mndl. pul(l)en zu mndd. pule 'Schale, Pumpe/. Bezeugt seit dem 16. Jh., älter mndl.
Hülse’, also eigentlich 'schälen, enthülsen’. Wei¬ (15. Jh.) pompe. Dieses entlehnt aus span. port.
tere Herkunft unklar. bomba 'Schiffspumpe’, das wohl lautmalenden
H. Schlemmer: Semantische Untersuchungen (Göppin¬ Ursprungs ist.
gen 1971), 180-182. S. Plumpe, pumpern.
Pulk m. 'zusammengehörige Gruppe von pumpen swV. 'borgen’, auf Pump 'geborgt’,
Fahrzeugen’. Älter Polk 'Truppenteil’. Entlehnt ugs. Sie stammen aus dem Rotwelschen und
aus poln. polk und russ. polk 'Heer, Truppe, sind über die Studentensprache allgemein üb¬
Schar u. ä.’, das aus dem germanischen Wort lich geworden. Herkunft des seit dem 17. Jh.
für Volk (s. d.) früh entlehnt ist.
bezeugten rotwelschen Wortes unklar; nach
Pulle /. 'Flasche’, ugs. Im 18. Jh. aus dem Wolf (s. u.) Bedeutungsentlehnung aus rotw.
Niederdeutschen übernommen. Das nieder¬ stechen 1) '(stoßen), stechen’, 2) 'geben, schen¬
deutsche Wort ist entlehnt aus 1. ampulla 'Fla¬ ken’ (= 'etwas zustecken’); da die Ausgangsbe¬
sche’ (s. Ampulle).
deutung von rotw. pumpen = 'stechen, (sto¬
pullen sw V. 'rudern\ fachsprachl., ndd. Ent¬ ßen)’ ist.
lehnt aus ne. to pull 'ziehen’. Wolf (1985), 257.
S. Pullover, Pullunder.
pumpern swV. 'klopfen’, ugs. Wohl lautma¬
Pullover m. (= ein gestricktes Kleidungsstück
lend wie die unter Pumpe genannten Wörter. In
für den Oberkörper). Im 20. Jh. entlehnt aus
der Bedeutung 'furzen’ zu pupen (s. d.).
gleichbedeutend ne. pullover (wörtlich: 'Über¬
zieher’), zu e. pull 'ziehen’ (aus ae. pullian, des¬ Pumpernickel m. 'Schwarzbrotsorte’. Bezeugt
sen Herkunft nicht sicher geklärt ist) und e. seit dem 17. Jh., zunächst für 'Kommißbrot’,
over 'über’. dann eingeschränkt auf das nord-westfälische
Morphologisch zugehörig: (als Gegensatzbildung) Pull¬ Roggenschrotbrot (als spöttische Bezeichnung
under, etymologisch verwandt: pullen und über. von außen, die einheimische ist Schwarzbrot
Pullunder m. 'ärmelloser Pullover’. Anglisie¬ oder grobes Brot). Als Spottname ist das Wort
rende Bildung zu ne. pull 'ziehen’ (aus ae. pul¬ schon älter (als Bezeichnung eines groben Fle¬
lian, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist) gels?); die Übertragung auf das Brot ähnlich
und ne. under 'unter’ (s. unter). Gebildet in wie bei Armer Ritter u. ä. Nickel ist Kurzform
Analogie zu Pullover (s. d.); das 'unter’ soll von Nikolaus; Pumper wohl ein regionales Wort
dabei kennzeichnen, daß es sich um ein unter für 'Furz’.
der Jacke zu tragendes Kleidungsstück handelt.
L. Weiser NZV 4(1926), 14; W. Benary ASNL
Etymologisch verwandt: pullen.
154(1928), 271 f.; I. Goldbeck MS (1951), 50-52; R.
Puls m. 'an den Schlagadern spürbarer Herz¬ Möller: NW 1 (1960), 4-7; C. Gentner JAWG
schlag’. Im Mittelhochdeutschen (mhd. puls m.j 3 (1987), 56-66.
f.) entlehnt aus gleichbedeutend 1. pulsus (wört¬ Pumphose /., arch. Im 16. Jh. übernommen
lich: 'Stoßen, Stampfen, Schlagen’), dem sub¬
aus dem Niederdeutschen (zu pump 'Gepränge’
stantivierten PPP. von 1. pellere (pulsum) 'schla¬ aus 1. pompa, s. Pomp).
gen, stoßen’.
Morphologisch zugehörig: pulsieren; etymologisch ver¬ Pumps m./PI. (= ein Damenschuh mit höhe¬
wandt: bugsieren, Impuls (usw.), poussieren, Propeller, rem Absatz), fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt
puschen. aus gleichbedeutend ne. pumps, dessen Her¬
Pult n. Im 16. Jh. vereinfacht aus mhd. pulpit, kunft nicht sicher geklärt ist.
pulpet, das entlehnt ist aus 1. pulpitum 'Kanzel, Punk m. (= Angehöriger einer Jugendbewe¬
Pult’ (eigentlich 'Brettergerüst’). gung, die mit Abstoßendem Aufsehen erregt),
Pulver n. Mhd. pulver. Entlehnt aus ml. pul¬ sondersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
vere, aus 1. pulveräre zu 1. pulvis (-veris) m. deutend ne. punk (auch: 'Kerl, Halbstarker,
'Staub, Pulver’. Mist’), dessen weitere Herkunft nicht sicher ge¬
S. Pollen, Puder. klärt ist.
Punkt 571 Putsch

Punkt m. Mhd. punct, pun(k)t. Entlehnt aus 'durchsieben, reinigen’, aus 1. püräre 'reinigen’,
l. punctum n., punctus 'Punkt’, eigentlich 'Spitze’ zu 1. pürus 'rein’. Demnach so bezeichnet als
(zu 1. pungere 'stechen’). 'durch ein Sieb Gedrücktes’.
Morphologisch zugehörig: punktieren, punktuell, Etymologisch verwandt: pur, Purismus, Puritaner.
Punktur; etymologisch verwandt: s. Akupunktur.
Purismus m. '(Streben nach) Reinheit’, s.
pünktlich Adj. Bezeugt seit dem 15. Jh. Aus¬ Püree.
gangsbedeutung 'auf den Zeitpunkt (genau)
Puritaner m. 'auf sittliche Reinheit bedachte
kommend’.
Person’, s. Püree.
S. Akupunktur (+).
Purpur m.l(n.) (= Farbton zwischen rot und
Punsch m., fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt
violett). Im Althochdeutschen (ahd. purpur[a]
aus e. punch, zunächst in englischer Schreibung.
/., mhd. purper, purpur m.) entlehnt aus gleich¬
Das englische Wort aus hindl pantsch 'fünf’
bedeutend 1. purpura /., dieses aus gr. porphyrä
(verwandt mit unserem Wort für 'fünf’), weil
das Getränk aus fünf Grundstoffen besteht /.(dass.). Die weitere Herkunft ist nicht sicher
(Arrak, Zucker, Limonensaft, Gewürze und geklärt.
Wasser). Morphologisch zugehörig: purpur.
W. Feldmann ZDW 8(1906/07), 90: R. F. Arnold purren swV. 'sfochern, anstacheln, wecken’,
ZDW 9 (1907), 158; G. Baist ZDW 12 (1910), 300. ndd. Mndd. purren; vgl. nschw. purra 'das Feuer
Punze /., auch Punzen m., Bunzen m. 'Stahl- schüren, antreiben, wecken’. Weitere Herkunft
stempel’, arch. Mhd. punze m. 'Stichel’. Ent¬ unklar.
lehnt aus it. punzone m. 'Stoß, Stempel’, das pürschen swV., s. pirschen.
aus 1. punctio (-önis) 'das Stechen, der Stich’ Purzelbaum m. Bezeugt seit dem 16. Jh. als
(zu 1. pungere 'stechen’) entlehnt ist.
burzelbaum. Zu sich aufbäumen und dann pur¬
S. Akupunktur ( + ).
zeln (s. d.).
Pup m. 'Furz’, s. pupen.
purzeln swV. Fnhd. auchpürzeln, burzeln. Zu
Pupe/ 'nicht schäumendes Bier’, m. 'Homo¬ spmhd. burzen 'stürzen’, weiter zu Bürzel (s. d.).
sexueller’, pupig Adj. 'wertlos’, ugs., berlin. Her¬ S. Purzelbaum.
kunft unklar.
Puschel mjf., Püschel m.jf. 'Quaste, Stecken¬
pupen swV. 'furzen’, ugs., nordd. Lautmalend. pferd’, ugs., omd. Nebenform zu Büschel (s.
Hierzu pumpern (s. d.), Pup, Pups, Pupser Busch).
'Furz’.
puschen swV. 'antreiben’, sondersprachl. Im
Pupille /. 'Sehloch im Auge’. Im 18. Jh. ent¬ 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. push,
lehnt aus gleichbedeutend 1. püpilla (wörtlich: dieses aus frz. pousser (dass.), aus afrz. polser,
'unmündiges Mädchen, Waise’), zu 1. püpa poulser (dass.), aus 1. pulsäre 'stoßen, stampfen,
'Mädchen’, der movierten Form von 1. püpus schlagen’, einem Intensivum zu 1. pellere 'sto¬
m. 'Knabe, Kind’. Die Bedeutungsübertragung
ßen, schlagen’.
spielt darauf an, daß man im Augapfel seines
Etymologisch verwandt: s. Puls.
Gegenübers sein eigenes Spiegelbild sieht.
pusseln swV. 'an etwas herum werken’, ndd.
Etymologisch verwandt: Puppe.
Herkunft unklar.
Puppe /. Mhd. puppe, boppe, mndl. puppe,
pop(pe). Entlehnt aus 1. puppa, einer Variante Pustel /. Im 19. Jh. entlehnt aus 1. püstula
von 1. püpa 'kleines Mädchen, Puppe, Larve’. 'Hautbläschen’.
Entlehnt wird zunächst die Bedeutung 'Spiel¬ pusten swV. Im 18. Jh. entnommen aus dem
zeug’, später auch 'Larve’. Niederdeutschen. Die hochdeutsche Entspre¬
S. Pupille. — Zu der Redensart bis in die Puppen vgl.: chung ist pfausten (17. Jh.). S. pfusen 'stark
H. Kügler MVGB 49(1932), 97-103. atmen’. Letztlich zu der unter Bausch (s. d.)
puppern swV. 'zittern’, nordd. Lautsymboli¬ besprochenen Lautgebärde.
sche Bildung wie bibbern (s. d.). Pute/. 'Truthenne’, Puter m. 'Truthahn’. Ent¬
Pups m., Pupser m. 'Furz’, s. pupen. lehnt aus dem Niederländischen, wo die Wörter
pur Adj. Im 14. Jh. entlehnt aus 1. pürus 'rein, als Lautmalereien zum Ruf dieser Vögel ent¬
lauter’ (zu *peua- 'reinigen’ in ai. pütä- 'rein, standen sind.
geläutert’ zu ai. pävate 'wird rein u. a.). Littmann (1924), 122.
S. Püree ( + ). — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 90. Putsch m. Ursprünglich schweizerisches Wort
Püree n. (= eine breiartige Speise). Im 18. mit der Bedeutung 'Stoß, ZusammenpraH’. Im
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. puree /., 19. Jh. übertragen auf einen plötzlichen Volks¬
dem substantivierten PPrät. von afrz. purer aufstand (Zürcher Putsch 1839).
Pütt 572 Python

Pütt m. 'Bergwerksgrube’, rhein. Wohl früh mas, dieses aus hindlpäjämä, päyjämä aus pers.
entlehnt aus 1. puteus 'Brunnen, Brunnen¬ päjämä 'Beinkleid’. Die Europäer übernehmen
schacht’. diese Bekleidung vor allem als Nachtgewand;
Putte /., auch Putto m. 'barocke Gipsfigur’, das /s/ im Englischen in Analogie zu breeches,
fachsprachl. Entlehnt aus it. putto m. 'Knäblein’. trousers (usw.).
putzen swV. Fnhd. butzen 'schmücken’, älter Littmann (1924), 124f.; Lokotsch (1975), 129.
'sauber machen’ zu butz 'Unreinigkeit’, also
Fyramide f. (= Bezeichnung ägyptischer Mo¬
'Unreines entfernen’. Putz 'OberBächenmörtel’
numentalbauten; entsprechend geformter geo¬
geht dagegen von 'schmücken’ aus.
metrischer Körper). Im 15. Jh. entlehnt aus
S. Butzen ( + ). - A. Bach ZDS 22 (1966), 76.
gleichbedeutend 1. pyramis (-idis) dieses aus
putzig Adj., ugs. Ursprünglich 'sonderbar’.
gr. pyramis (dass.), das aus dem Ägyptischen
Übernommen aus nndl. potsig, das zu afrz.
übernommen ist. Als Bezeichnung der geome¬
bocer 'die Rohform eines Bildwerks herausar¬
trischen Figur bereits im Lateinischen ge¬
beiten, weiche Massen formen’ gehört.
W. Foerste NW 2 (1961), 74f. bräuchlich.
Schirmer (1912), 57; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 205;
Puzzle n. (= ein aus Einzelteilen zusammen¬
Littmann (1924), 13; Lokotsch (1975), 116.
zusetzendes Bild). Im 20. Jh. entlehnt aus
gleichbedeutend ne. (jigsaw) puzzle (wörtlich: Pyromane m. 'Person mit der krankhaften
'Verwirrung’), dessen Herkunft nicht sicher ge¬ Veranlagung zur Brandstiftung’, fachsprachl.
klärt ist. Neubildung zu gr. pyr, pyrös n. 'Feuer, Hitze,
Pygmäe m. 'Angehöriger einer sehr klein¬ Wärme’ und gr. ,maniä f. 'Wahnsinn’, zu gr.
wüchsigen Rasse in Afrika’. Im 16. Jh. entlehnt mainesthai 'von Sinnen sein’.
aus gleichbedeutend 1. Pygmaei PI. (wörtlich: Etymologisch verwandt: s. Bertram und Manie.
'die Däumlinge’), gr. Pygmaloi PL = Angehö¬
Pyrrhussieg m. 'sehr teuer bezahlter Erfolg’,
rige eines sagenhaften Volkes in der Ilias, zu gr.
pygmaios 'eine Faust groß’, zu gr. pygmS f sonder spracht. Bezeichnung nach dem Namen
'Faust’; dieses vielleicht weiter zu *peug- in 1. des Königs Pyrrhus, der einen sehr verlustrei¬
pungere 'stechen’. chen Sieg über die Römer errang.
Etymologisch verwandt: s. Akupunktur. Python /. ( = eine Riesenschlange). Nach gr.
Pyjama m. (= zweiteiliger Schlafanzug). Im Python, dem Namen der von Apollo getöteten
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. pyja¬ Schlange, die das Orakel in Delphi hütete.
quabbeln swV. 'schwabbeln’, ugs., nordd. Be¬ Quai m./n., s. Kai.
zeugt seit dem 18. Jh. Zu ndd. quabbel 'Fett¬ quaken swV. Fnhd. auch quacken. Junge laut¬
schicht, Wamme’, unerweitert nndl. kwab(be), malende Bildung wie nndl. kwaken. Entspre¬
vgl. nisl. kvap(i) 'Gallert, gallertartige, fettige chend 1. coaxäre 'quaken’.
Masse’. Hierzu quabbelig 'weich, schwammig’ S. quackeln.
und Quebbe 'schwankender Moorboden’. Laut¬
quäken swV. 'mit gepreßter Stimme weinen’.
malend wie schwabbeln und wabbeln.
Lautmalerisch. Dazu Quäke, Instrument, mit
S. auch Quappe.
dem das Klagegeschrei des Hasen nachgeahmt
quackeln swV. 'schwatzen, dummes Zeug trei¬ wird. Dazu Quäker als Bezeichnung von Berg¬
ben’, ugs., nordd. Mndl. quackelen, Iterativum fink und Rabe.
zu quacken, mndl. kwakken, letztlich wohl laut¬ S. quackeln. — H. Glombik-Hujer DIVEB 5(1968),
malend als quaken, quäken (s. d.). Nicht ganz 203f.
klar ist die Nebenbedeutung 'prahlen’, die zu Quäker m., sonder spracht. Im 17. Jh. als Be¬
Quacksalber 'ungelernter Heilpraktiker, der zeichnung für den Angehörigen der 'Society of
seine Künste anpreist’ geführt hat. Dieses zuerst Friends’ entlehnt. Diese werden im Englischen
im Niederländischen bezeugt. mit dem Übernamen quaker 'Zitterer’ bedacht,
quacken swV., s. quaken. weil sie nach dem Willen von G. Fox, dem
Quacksalber m., s. quackeln.
Gründer der Sekte, vor dem Wort des Herrn
zittern sollen.
Quaddel /. 'Hautbläschen’. Bezeugt seit dem
Qual/. Mhd. quäl(e), käl(e), ahd. as. quäla;
17. Jh., zuvor aber auch schon ahd. quedilla.
von anderer Ablautstufe anord. kvgl, ae. ewalu.
Weitere Herkunft unklar.
Ableitung von dem nur westgermanisch bezeug¬
Quader m. Mhd. quäder (stein). Entlehnt aus ten *kwel-a- stV 'leiden’ in ae. cwelan, as. ahd.
1. quadrus (lapis) 'vierseitiger (Stein)’ zu 1. quat- quelan. Dieses aus *guel- 'sterben’, vermutlich
tuor 'vier’. älter 'stechen’ in air. at-bai(l) 'stirbt’, lit. gelti
S. Quadrant ( + ). 'stechen, wehtun’, arm. ketel 'quälen’.
Quadrant m. 'Geviert, viereckiges Stück in Nndl. kwaal. S. Kilt. — Hoffmann (1956), 37f.
einem mit Koordinaten versehenen Bereich’, Qualifikation /. 'Eignung, Befähigung, Aus¬
fachsprachl. Neubildung des 16. Jhs. zu 1. qua- scheidung’, s. Qualität.
dräns (-antis) 'Viertel, der vierte Teil’, dem sub¬ Qualität/. 'Güte, Beschaffenheit’. Im 16. Jh.
stantivierten PPräs. von 1. quadräre 'viereckig entlehnt aus gleichbedeutend 1. quälitäs (-ätis),
machen, viereckig zurichten’, zu 1. quadrus 'vier¬ einer Ableitung von 1. quälis 'wie beschaffen,
eckig’, zu 1. quattuor 'vier’. Dazu quadrieren welcherlei, was für ein’, einer Adjektivbildung
'mit sich selbst multiplizieren’ im Sinne von 'ins zu 1. qut 'welcher, was für ein’. Aus 'Eigenschaft,
Quadrat erheben’. Beschaffenheit’ dann in einigen Ableitungen die
Morphologisch zugehörig: Quader, Quadrat, Quadra¬ Bedeutung 'besondere Eigenschaft, besonders
tur, Quadriga, Quadrille, quadro; etymologisch ver¬ gute Eigenschaft, Leistung’: Qualifikation, qua¬
wandt: Geschwader, Kader, kariert, Karo, Karree, Ka¬ lifizieren.
serne, konterkarieren, Quarantäne, Quart, [Quarta],
Etymologisch verwandt: Quantität (usw.). — Schirmer
Quartal, [Quartett], Quartier, Schwadron-, zum Ety¬
(1911), 151f.
mon s. vier. — Schirmer (1912), 58; G. Schoppe ZDW
15 (1914), 205. Qualle /. Aus dem Niederdeutschen: ndd.
qualle, nndl. kwal. Abgeleitet von quellen (s. d.)
Quadrat n. 'gleichseitiges Viereck’, s. Qua¬
im Sinn von 'aufquellen’. Oder besteht ein Zu¬
drant.
sammenhang mit 1. coägulum n. 'das gerinnen¬
quadrieren swV. 'mit sich selbst multiplizie¬ machende Mittel, Lab’, das altsächsisch als qua-
ren’, s. Quadrant. gul entlehnt wurde? Dazu aondfrk. quählian
Quadrille/. '(Musik für) von vier Paaren ge¬ 'gerinnen machen’.
tanzter Contretanz’, s. Quader. S. auch Qualster.
Qualm 574 Quast

Qualm m. Im Hochdeutschen erst seit dem Quargel m./n. 'Sauermilchkäse’, österr. Zu


16. Jh. bezeugt. Die nächstliegende Erklärung Quark (s. d.).
ist ein Anschluß an quellen (s. d.), also 'das Quark m. Spmhd. twarc, quarc, zwarg. Ent¬
Hervorquellende’; es ist aber zu beachten, daß lehnt aus ndsorb. twarog, das zu avest. türaii n.
Wörter dieser Bedeutung in den indogermani¬ 'käsig gewordene Milch, Molke’, gr. tyrös
schen Sprachen häufig von der Wurzel *dheua- 'Käse’, ae. gepweor n. 'Käsestoff’ gehört.
'stieben, wirbeln’ gebildet werden, die eine Er¬ S. Quargel. - H. H. Bielfeldt FF 39(1965), 84;
weiterung *dhwel- zeigt. Diese liegt vor in ahd. Kretschmer (1969), 559 — 565; Lokotsch (1975), 164.
twalm 'Betäubung, Verwirrung’, mhd. twalm
quarren swV. 'kläglich weinen’, ndd.; Quarre
'betäubender Dunst, Betäubung’ (as. dwalm, ae.
/. 'weinerliches Kind, zänkische Frau’, ndd.
dwolma), das lautgesetzlich zu qualm geworden
Mndd. quarren. Lautnachahmend; es steht dem
sein kann. Allerdings stimmen die bezeugten
ahd. queran 'seufzen’ verhältnismäßig nahe.
Bedeutungen nicht recht zu diesem Ansatz.
Quart n. 'vierter Ton einer diatonischen Ton¬
Kretschmer (1969), 382f.
leiter; eine Haltung der Klinge beim Fechten,
Qualster m., auch Kolster m. 'zäher Schleim’, ein Buchformat’, s. Quadrant.
ugs., nordd. Bezeugt seit dem 15. Jh. Zur glei¬
Quartal n. 'Viertel eines Kalenderjahrs’, s.
chen Grundlage wie Qualle (s. d.) mit den glei¬
Quadrant.
chen Entscheidungsschwierigkeiten.
Quartier n. 'Unterkunft’. Im 16. Jh. entlehnt
Quant n. 'kleinstmöglicher Wert einer physi¬
aus gleichbedeutend frz. quartier m., dieses aus
kalischen Größe’, s. Quantität.
1. quärtärius m. 'das Viertel’, zu 1. quärtus m.
quantifizieren swV. 'die Menge/das Ausmaß 'Viertel, der vierte Teil’, zu 1. quattuor 'vier’. Die
bestimmen’, s. Quantität. Bedeutungsentwicklung geht von 'Viertel’ zu
Quantität /. 'Menge’, sondersprachl. Im 16. 'Stadtviertel’, dann allgemein 'Stadtteil’ und
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. quantitäs 'Teil’, speziell 'Teil des Heereslagers, der Solda¬
(-ätis), einem Abstraktum zu 1. quantus 'von ten zur Unterkunft dient’. Schließlich Verallge¬
welcher Größe, wie groß’, einer Adjektivbil¬ meinerung zu 'Unterkunft’.
dung zu 1. quam 'wie, in welchem Grade’, der Etymologisch verwandt: s. Quadrant. — Jones (1976),
545f.
Akkusativform von 1. qui 'welcher, was für ein’.
Morphologisch zugehörig: Quant, Quantelung, quanti¬ Quarz m. Bezeugt seit dem 14. Jh. als Fach¬
fizieren, quantitativ, Quantor, Quantum', etymologisch wort des böhmischen Bergbaus. Herkunft un¬
verwandt: Qualität. - Schirmer (1911), 152; Schirmer klar. Vielleicht Abwandlung zu Zwerg, mhd.
(1912), 59; E. Leser ZDW 15 (1914), 32; K.-H. Wein¬ auch querh mit einem Suffix, aus dem Kurzna¬
mann DWEB 2 (1963), 402. men gebildet werden. Vgl. zur Sache Kobalt
Quantum n. 'Menge’, s. Quantität. (s. d.) und Nickel (s. d.), sowie nnorw. dverg-
stein 'Bergkristall, Quarz’.
Quappe /. Mhd. quappa, ahd. quappa, kape,
Löschen (1968), 300. Anders: F. Sommer /F31 (1912),
mndd. quabbe, quobbe, mndl. quabbe, quappe.
373-376.
In der Bedeutung 'Kaulquappe’ zu vergleichen
quaseln swV., quasseln.
mit apreuß. gabawo 'Kröte’, bulg. zäba 'Kröte’.
Zu nndl. kwab 'Quappe’, schlesw.-holst. Quabb quasen swV., s. quasseln.
'dicker, pausbackiger Junge’. Also 'weiche quasi Part, 'gewissermaßen’. Im 18. Jh. ent¬
Masse’. Sekundär wohl mit quabbeln (s. d.) u. ä. lehnt aus gleichbedeutend 1. quasi, zu 1. quam
identifiziert. In der Bedeutung 'Aalquappe u. ä.’ 'wie’, zu 1. qui 'welcher, was für ein’ und 1. si
wohl aus 1. capito m. 'Döbel, Dickkopf’ ent¬ 'wenn’.
lehnt und an das andere Quappe angeglichen. Etymologisch verwandt: s. Quantität.
Nndl. kwab. S. auch Kaulquappe. — Lühr (1988), quasseln swV., ugs. Aus dem Niederdeut¬
276-278.
schen; bezeugt seit dem 19. Jh. neben quasen
Quarantäne /. 'Isolierung von Personen mit und quaasken. Zu ndd. dwas 'töricht’, mndd.
ansteckenden Krankheiten’, fachsprachl. Im 17. dwäs, das zu dösig, Dusel gehört und mit Dunst
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. quaran- verwandt ist (s. d.).
taine, einer Ableitung von frz. quarante 'vierzig’, Lasch (1928), 210.
dieses aus spl. quarranta, aus 1. quadrägintä Quast m., auch Quaste /. Mhd. quast(e),
(dass.), zu 1. quattuor 'vier’. So benannt nach kost(e), mndd. quest, quast, mndl. quast m.
der Dauer der Hafensperre, der seuchenver¬ (Ast)Knoten’ aus g. *kwastu-/-a- m. 'Bade¬
dächtige Schiffe unterlagen. quast’, eigentlich 'Laubbüschel’, auch in anord.
Etymologisch verwandt: s. Quadrant. - G. Schoppe kvpstr; im Ablaut dazu mhd. queste m./f, ahd.
ZDW \ 5 (1914), 205. questaf. 'Laubschürze’, as. quest 'Laubbüschel’.
Quatsch 575 Quintessenz

Läßt sich als *gwozdo- vergleichen mit aserb. Quertreiber in., ugs. Im 18. Jh. übernommen
*gvozdd '(Holz)Nagel’, serbo.-kr. gvozd 'Nagel, aus nndl. dwarsdrijver 'ein Schiffer, der sein
Wald’, alb. gjethe 'Laub, Zweig’. Weitere Her¬ Schiff schlecht steuert und so in der Fahrrinne
kunft unklar. quer liegt’; übertragen auf einen Querkopf, vor
Quatsch m., ugs. Im 19. Jh. von Berlin aus allem in Quertreiberei.
verbreitet. Abgeleitet von quatschen 'dummes S. quer ( + ).
Zeug reden’, dessen Herkunft umstritten ist (Be¬ Querulant m. 'jmd., der sich häufig (unnötig)
zeugt seit dem 16. Jh.). entgegenstellt’. Neolateinische Bildung zu 1.
Lasch (1928), 209. queri 'klagen, sich beschweren’.
Quecke /., fachsprachl. Bezeugt seit dem 15. Morphologisch zugehörig: querulieren; etymologisch
Jh., älter mndd. quecke; entsprechend ae. cwice verwandt: s. quer.
f. Wird zu *kwikwa- 'lebendig, schnell’ (s. keck) Quese /. 'Blutblase, Schwiele’, ndd. Mndd.
gestellt, da dieses Gras fast unverwüstlich ist. quese. Ursprünglich 'Quetschstelle’, deshalb zu
Es passen aber nicht alle Verwendungsweisen quetschen (s. d.).
zu dieser Annahme, die auch als solche nicht Quetsche /., s. Zwetschge.
völlig wahrscheinlich ist.
quetschen swV. Mhd. quetzen, quetschen,
I. Nordstrand: Quecke und Brennessel (Lund 1953);
mndd. quetten, quessen, mndl. que(e)tsen, quet-
K. Heeroma ZM 26(1958), 193—199; I. Reiffenstein
DWEB 2(1963), 317-346.
sc(h)en, quessen. Herkunft umstritten, da keine
semantisch naheliegende Vergleichsmöglichkeit
Quecksilber n. Mhd. quecsilber, kecsilber,
vorliegt.
ahd. quecsilabar, mndl. quicsilver, quicselver.
S. Quese.
Wie ae. cwicseolfor frühe Lehnübersetzung aus
1. argentum vTvum (weil das Metall wie Silber Quickborn m., arch. Niederdeutsche Form
aussieht und beim Aufschlag in kleine, sehr von obd. Queckbrunnen, mhd. queebrunne,
bewegliche Tröpfchen zerfällt). Zum Bestim¬ keckbrunne, ahd. quecbrunno. Die Bedeutung ist
mungswort s. keck ( + ). eigentlich 'Quelle’ ('springender Brunnen’ zu
mhd. ahd. quec 'lebendig’, s. keck), dann 'Jung¬
Queder m., s. Keder.
brunnen’ und in übertragenen Bedeutungen.
Quehle /., s. Zwehle.
quicklebendig Adj., ugs. Altes quick 'lebendig’
quellen stV. Mhd. quellen, ahd. quellan, as. (s. keck) erhielt sich in der verdeutlichenden
quellian; vielleicht hierzu auch ae. collenferhl) Zusammensetzung mit lebendig.
'kühn’ ('mit geschwollenem Mut’?). Außerger¬
quieken swV. Lautmalende Form, bezeugt seit
manisch vergleicht sich vielleicht als Erweite¬
dem 16. Jh. Ähnlich quieksen (quixen 16. Jh.)
rung gr. blyzö 'ich lasse hervorquellen, sprudle
und quietschen aus quikezen.
hervor’.
quietschen swV, s. quieken.
S. Qualle, Qualm, Qualster.
quinkelieren swV., reg. Aus dem Niederdeut¬
Quendel m. 'wilder Thymian’, fachsprachl.
schen; mndd. quinkeleren, lautlich assimiliert
Mhd. quendel, quenel f, ahd. quenela, konila,
aus quinteliren zu quinteren aus ml. quintare
kunil f, as. quenela f. Wie ae. cunnele entlehnt
'in Quinten singen’. Bei der Entwicklung der
aus 1. cunTla, conlla f, das auf gr. konile f.
deutschen Formen haben aber sicher auch laut-
'Majoran’ zurückgeht.
nachahmende Ansätze eine Rolle gespielt.
quengeln swV, ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh.,
S. Quentchen (+).
eigentlich zwängein (s. zwingen [ + ] und zwän¬
Quintessenz/, 'der wesentliche Kern’, sonder-
gen) in ostmitteldeutscher Lautform.
spracht. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
Quentchen n., arch. Mhd. quintin, mndd.
aus ml. quinta essentia (wörtlich: 'das fünfte
quentin, quintln mit erneuerter Verkleinerung. Seiende’), zu 1. quintus 'fünfter’ und 1. esse 'sein’.
Entlehnt aus ml. *quintinus m. 'Fünftel’ zu 1. Zunächst Bezeichnung der von Aristoteles den
quintus 'der fünfte’. Ein Quentchen ist ursprüng¬ vier Elementen der griechischen Naturlehre zu¬
lich der vierte Teil eines Lots; es ist unklar, gefügten Äther. Bei den Alchimisten Bezeich¬
wie die Vertauschung von ein Viertel und ein nung des 'Spiritus’, der Leben erzeugt und er¬
Fünftel zu erklären ist. hält. Er wurde von ihnen aus verschiedenen
S. quinkelieren, Quintessenz. Stoffen gewonnen. Von der Bezeichnung sol¬
quer Adj. Mitteldeutsche Form von hd. cher Extrakte dann Verallgemeinerung zu 'We¬
zwerch (s. d.) mit qu aus tw und Abfall des sentliches) einer Sache’.
auslautenden -h. Etymologisch verwandt: s. Quentchen und Essenz. —
S. Quertreiber, Querulant, überzwerch, zwerch. H. Weinmann DWEB 2 (1963), 402.
Quirl 576 Quotient

Quirl m. Mit ursprünglich mitteldeutscher unbekannten Sprache an das Wort für Apfel
Lautentwicklung aus mhd. twir(e)I, ahd. dwiril und den Namen der kleinasiatischen Stadt Ky-
aus g. *f>werila- m. 'Quirl’, auch in nisl. pyrill, dönia angeglichen hat. Der Baum selbst wurde
ae. pwirel. Instrumentalbildung zu g. *pwer-a- von Transkaukasien, Iran und Turkestan nach
stV. 'rühren’ in ae. pweran, ahd. (gi)thweran. Griechenland gebracht.
Dieses aus einer semantisch schwer faßbaren
Littmann (1924), 16; Marzell (1943/79), I, 1289-1292.
Wurzel ig. *twer-, die etwa in ai. tvärate 'eilt’
und gr. torynö 'ich rühre auf’ vorliegt. Der Quiz n. 'ein Frage-Antwort-Spiel’. Im 20. Jh.
weitere Zusammenhang mit gr. tyrbe f. 'Ge¬ entlehnt aus gleichbedeutend ne. quiz, wohl zu
wühl’ (s. turbulent) ist lautlich unklar. ne. to quiz 'neugierig betrachten’, dessen Her¬
S. drillen, Sturm, turbulent ( + ). kunft nicht sicher geklärt ist.
quitt Adj., ugs. Mhd. quit, quit 'ledig, frei’. Quote /. 'Anteil’, sonder spracht. Im 17. Jh.
Entlehnt aus afrz. quite gleicher Bedeutung (aus zunächst in italienischer Form entlehnt aus it.
1. quietus 'ruhig’). Dazu im 15. Jh. quittieren quota 'Anteil’ (das zu 1. quotus 'der wievielte’
aus frz. quitter 'einen Ort, eine Person verlassen gehört).
u. ä.’.
Etymologisch verwandt: Quotient. — Schirmer (1911),
Schirmer (1911), 152; E. Öhmann ZDW 17(1961),
153.
183f.; B. Löfstedt NPhM 80(1979), 385f.
Quitte /. Mhd. quiten, küten, ahd. quitina, Quotient m. 'Ergebnis einer Division, aus
quodana neben mhd. kütten, ahd. kutina, kuten. Zähler und Nenner bestehender Zahlenaus¬
Entlehnt aus 1. (mäla) cydönia (f. Sg.) 'Quit¬ druck’, fachsprachl. Umbildung von 1. quotiens
tenbaum’, n. PI. 'Quittenfrüchte’) , dieses nach 'wie oft’ als das 'so und so oft Teilbare’.
gr. kydönion melon n., das wohl ein Wort einer Etymologisch verwandt: Quote.
R
Rabatt m. 'Nachlaß’. Im 17. Jh. entlehnt aus Rache /. Mhd. rach(e), ahd. rahha, as. wraka
gleichbedeutend it. (älter) rabatto, einer post- aus g. *wrcek-ö f. (u. ä.) 'Rache’, auch in gt.
verbalen Ableitung von (älter) it. rabattere wrekei, afr. wreke, wreze\ ae. wräc 'Verfolgung,
'einen Preisnachlaß gewähren, (wörtlich: ab- Bedrängnis’. Verbalabstraktum zu dem unter
schlagen)’, zu 1. battuere 'schlagen, klopfen’ (s. rächen besprochenen starken Verb.
re-). Rabatte ist bezeichnungsmotivisch zu¬ Ruppel (1911), 33; Hoops (1973ff.), III, 81-101.
nächst „etwas Zurückgeschlagenes“ (vom Hals¬
Rachen m. Mhd. rache, ahd. (h)rahho, mndd.
kragen), von hier dann übertragen auf 'Einfas¬
rak 'Gaumen’ aus vor-d. *hrakön, entsprechend
sungsbeet’.
ae. hrace f. 'Kehle’. Vermutlich zu einer Schall¬
Etymologisch verwandt: s. Bataillon. - Schirmer
(1911), 153; V. Orioles 1L 4(1978), 83-87.
wurzel, die 'röcheln u. ä.’ bedeutet, vgl. z. B. gr.
kräktes 'Schreier’ zu gr. kräzö 'ich schreie’.
Rabatte /. 'Einfassungsbeet’, s. Rabatt.
Dann wäre der Rachen als 'Rochier o. ä.’ be¬
Rabatz m. 'lärmendes Treiben’, ugs. Zu rabat- nannt, aber dies ist kaum ausreichend gesichert.
zen (neben rabanzen u. a.) 'lärmen, toben’, auch
rächen swV. Mhd. rechen stV, ahd. rehhan,
einfach 'geschäftig sein’. Streckform aus ratzen
as. wrekan aus g. *wrek-a- stV. 'verfolgen, rä¬
(ranzen) 'herumtoben’.
chen’, auch in gt. wrikan, anord. reka, ae. wre-
Schröder (1906), 63f.
can, as. wrekan. Damit vergleicht sich am besten
Rabauke m. 'Rüpel’, ugs. Niederdeutsche Di¬ 1. urgere 'pressen, drängen, treiben, nieder-
minutivform (auf -ke) zu Rabau 'Schurke’, das drücken’. Weitere Vergleichsmöglichkeiten sind
aus nndl. rabauw gleicher Bedeutung entlehnt unsicher.
ist. Dieses aus frz. ribaud (aus ml. ribaldus) Nndl. wreken, ne. wreak, nschw. vräka, nisl. reka. S.
'Lotterbube’. Also etwa 'kleiner Schurke’. Rache, Recke, schiffreich, Wrack.
Rabbi m. 'geistliche Autorität einer jüdischen Rack m. Kurzform von Arrak (s. d.).
Gemeinde’, sonderspracht. In bezug auf jiddi¬
Racker m. 'Schlingel’, ugs. Altes Wort für
sche Verhältnisse häufig in der jiddischen Form
'Abdecker, Schinder, Henker’. Bezeugt seit dem
Rebbe verwendet. Ursprünglich Anrede für
15. Jh., ursprünglich niederdeutsch, vgl. mndd.
Lehrer und Gelehrte (aus hebr. rabbVmein Leh¬
racker, racher 'Abdecker, Totengräber u. ä.’.
rer’), dann allgemeiner Titel für ordinierten Ver¬
Vermutlich zu ndd. racke 'Kot, Unflat’ und
treter der jüdischen religiösen Lehre.
weiter zu racken 'fegen, scharren’ (weiter ent¬
Rabe m. Mhd. raben, ahd. (h)raban, mndd. fernt: Rechen, s. d.). Der Racker ist also eigent¬
raven aus g. *hrabna- m. 'Rabe’, auch in anord. lich der, der den Unrat fortschafft. Sich abrak-
hrafn, ae. hrcefn. Nebenformen sind ahd. kern ähnlich wie sich schinden.
(h)ram, rappo, rabo, mhd. rab(e), rapp(e), Angstmann (1928), 44.
mndd. rave. Der Vogel heißt nach seinem Schrei
Racket n. 'Tennisschläger’, fachsprachl. Im
vor-g. *kra-p-no- 'der kra (macht)’. Ähnlich gr.
körax, 1. corax, corvus 'Rabe’.
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. racket,
Nndl. raaf, ne. raven, nschw. ram(svart) 'kohlraben¬
dieses aus frz. raquette f. (wörtlich: 'Handflä¬
schwarz’, nisl. hrafn. S. Kolkrabe, Rappe1, Scharbe. — che’), über mittellateinische Vermittlung wohl
Suolahti (1909), 174-179; G. Kisch ZM 14(1938), aus arab. räha (dass.).
109; M. Fraenkel ASNSL 202(1966), 178-182. Raclette /./«. (= Käsegericht), sonder spr acht.
Rabenvater m., Rabenmutter /. Bezeugt seit Ein Wort der französischen Schweiz (Unterwal¬
dem 16. Jh. nach der Auffassung, daß die Raben lis), zu frz. racler 'abschaben’, also eigentlich
ihre Jungen aus dem Nest werfen, wenn sie sie 'Abschabung’. In der ursprünglichen Form wird
nicht mehr ernähren wollen. die Schnittfläche eines halbierten Käselaibs am
Räbheu n., s. Efeu. Feuer zum Schmelzen gebracht, abgeschabt und
rabiat Adj. 'wütend, gewalttätig’. Im 17. Jh.
über Pellkartoffeln verteilt.
entlehnt aus gleichbedeutend ml. rabiatus, dem Rad n. Mhd. rat, ahd. (h)rad, as. rath, wie
PPP. von ml. rabiare 'wüten’, aus 1. rabere 'toll afr. reth aus vor-d. *rapa- n. 'Rad’. Aus ig.
sein, wüten, toben’, zu 1. rabies 'Wut, Tollheit’. *roto- (und andere Stammbildungen) 'Rad, Wa¬
Etymologisch verwandt: Rage, rappeln. gen’, auch in air. roth, 1. rota, lit. rätas (Sg.
Radar 578 Radler

'Rad’, PI. 'Wagen’), ai. rätha- m. ('Streit¬ Räder m., auch Rätter m. 'Sieb’, arch. Bezeugt
wagen’). Vermutlich zu einem *ret- 'laufen’, das seit dem 16. Jh. Zu mhd. reden, ahd. redan stV.
in air. reilhid, rethid 'rennt, läuft’ bezeugt ist. 'sieben’. Außergermanisch vergleichen sich mir.
Entfernt verwandt sind gerade2 und rasch. Die crotha(i)d 'schüttelt’, lit. krästi 'schütteln, rüt¬
Bedeutung 'Taler’ ist rotwelsch und vermutlich teln’.
ausgelöst durch die Abkürzung R(eichs) rädern swV. Mhd. reder(e)n. Abgeleitet von
T ( aler ). Rad (s. d.). Zur Sache s. radebrechen.
Nndl. rad. S. gerade2, Rade, Radeberge, radebrechen,
Radi m., s. Radieschen.
rädern, rasch, rotieren ( + ). — W. Putschke in: J. Kruij-
sen (Hrsg.): FS A. Weijnen (Assen 1980), 337 — 352. Radiator m. 'Wärme abstrahlender Heizkör¬
Zur Bedeutung 'Taler’: Lasch (1928), 177. per’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend
Radar m./n. 'Verfahren zur Lokalisierung von ne. radiator, einer Ableitung von e. radiate
metallenen Objekten mittels elektromagneti¬ 'Licht/Wärme abstrahlen’, dieses zum PPP. von
scher Wellen’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt I. radiäre (radiätum) 'strahlen’, zu 1. radius
aus gleichbedeutend ne. radar, einem Initial¬ 'Strahl, Stab, Spindel’.
wort aus e. Radio Detecting And Ranging. Etymologisch verwandt: s. Radius.
Etymologisch verwandt: s. Radius. radieren swV. 'entfernen, tilgen’. Im 15. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. rädere (räsum)
Radau m., ugs. Bezeugt seit dem 19. Jh.; aus¬
'scharren, schaben, kratzen, reinigen, rasieren’.
gehend von Berlin. Offenbar Lautmalerei. Er¬
scheint auch im Rotwelschen. Morphologisch zugehörig: Radierung-, etymologisch
verwandt: rasant (usw.), rasieren (usw.), räß, Raster.
Lasch (1928), 181f.
Radieschen n., selten auch Radies m. Bezeich¬
Rade/. 'Getreideunkraut’, fachsprachl. Mhd.
net die kleinen Monatsrettiche, während bair.
rat(t)e(n) m., ahd. rat(t)o m., as. rado. Her¬
Radi den großen Rettich meint. Im 17. Jh. ent¬
kunft unklar. Vielleicht eine Zugehörigkeitsbil¬
lehnt aus (nord-)frz. radis m., woraus schon im
dung zu Rad (s. d.), indem die Pflanze als Rad¬
16. Jh. nndl. radijs. Das Diminutiv wird seit
träger aufgefaßt und die Blüten mit Rädern
dem 18. Jh. fest. Das französische Wort kommt
verglichen worden wären.
von 1. rädix (-leis) f. 'Wurzel’, das auch Rettich
R. Loewe BGDSL 62(1938), 43-52; Marzeil (1943/ (s. d.) ergeben hat.
79), I, 153-155; Lühr (1988), 300.
S. radikal ( + ).
Radeberge/., Radebere/. u. ä. 'Schubkarren’,
radikal Adj. 'rücksichtslos, extrem’. Im 18.
orrtd. Mhd. radeber. Entsprechend zu ne. wheel-
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. radical,
barrow, eine Zusammensetzung aus Rad (s. d.)
zu 1. rädicäliter Adv. 'gründlich, an die Wurzel
und einer Ableitung zu mhd. bern 'tragen,
gehend’, zu 1. rädix (-leis) 'Wurzel, Ursprung,
führen’.
Stamm, Quelle’. Die heutige Bedeutung ist eine
S. Rad (+) und gebären ( + ).
Intensivierung der alten Bedeutung 'von Grund
radebrechen swV. 'eine Sprache schlecht spre¬ auf’.
chen’. In dieser Bedeutung bezeugt seit dem Morphologisch zugehörig: Radikal, Radikale, radikali-
16. Jh., auch mndd. mndl. radebrakerr, ähnlich sieren, Radikalismus, Radikalist, Radikalität-, etymolo¬
gebrochen sprechen (zu dem der Zusammenhang gisch verwandt: Radieschen, Rasse, ratzekahl, Rettich.
nicht ganz klar ist). Die ältere Bedeutung von Radio n. 'Rundfunkempfänger’. Im 20. Jh.
radebrechen ist die Bezeichnung einer Hinrich¬ entlehnt aus gleichbedeutend ne. radio, einer
tungsart, des Röderns, bei der dem Verbrecher Kurzform von e. radiotelegraphy 'Übermittlung
(mit einem Rad) die Gliedmaßen gebrochen durch Ausstrahlung elektromagnetischer Wel¬
wurden, worauf er in die Speichen des Rades len’, zu 1. radius m. 'Strahl, Stab’.
geflochten wurde. Die Bildung des Wortes ist Etymologisch verwandt: s. Radius.
nicht ganz eindeutig. Möglich wäre ein *rad- Radius m. 'Halbmesser’, fachsprachl. Ent¬
brehhon, das aus der Fügung mit deme rade lehnt aus gleichbedeutend 1. radius (wörtlich:
brehhan gebildet worden wäre. 'Stab, Strahl’).
S. Rad( + ). — N. O. Heinertz MoS 48 (1954), Etymologisch verwandt: Radar, Radiator, Radio. -
252-260. Schirmer (1912), 59.
Rädelsführer m. Älter Rädleinsführer. Ein Radler n., Radlermaß n. 'Mischgetränk aus
Rädlein bilden die im Ring stehenden Lands¬ Bier und Limonade’, südd. Ursprünglich bai¬
knechte. Das Wort erscheint dann frühneu¬ risch. Getränk derjenigen, die mit dem Fahrrad
hochdeutsch als Ausdruck für 'Zusammenrot¬ in die Ausflugslokale gefahren sind und nicht
tung’; deshalb wird der Rädelsführer zum 'An¬ zu viel Alkohol trinken wollen. Bezeugt seit
stifter’. 1920.
B. Peperkorn ZDPh 60(1935), 207-211. J. Eichhoff in: FS Martin (1980), 159 — 163.
Raffel 579 Rakete

Raffel1 /. 'Klatschmaul’ ugs., reg. Zu mhd. rahe. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht
raffel m./n. 'Lärm’, das zu rappeln (s. d.) gehört lit. rieklas m., riekles f. PI. 'Stangengerüst zum
und lautmalend ist. Trocknen und Räuchern’.
Raffel2/. 'Gerät zum Abstreifen von Beeren’, S. auch Reck. — Trier (1952), 76.
reg. Bezeugt seit dem 18. Jh. Abgeleitet von Rahm1 m. 'Sahne’, reg. Mhd. roum, mndd.
raffen (s. d.). In der Bedeutung 'Gerät zum Ge¬ röm(e) aus wg. *rauma- m. 'Rahm’, auch in ae.
müseraspeln ist das Wort von raffeln abhängig, ream; im Ablaut dazu anord. rjümi. Falls von
das wohl eine Intensivbildung zu raffen ist. *raugma- auszugehen ist, vergleicht sich avest.
raffen swV. Mhd. raffen, reffen, mndd. rapen; raoyna- n., raoyniiäf. 'Butter’. Weitere Herkunft
anders gebildet anord. hreppa 'erlangen’. Inten¬ unklar. Die neuhochdeutsche Form beruht auf
sivbildung zu einem Stamm *hrap-, der außer¬ einer Mundart, die mhd. ou zu ä entwickelt
germanisch nicht vergleichbar ist (vielleicht mit hat. Wo Rahm gegen Sahne (s. d.) semantisch
abweichender Wurzelstufe oder Metathese, so¬ differenziert wird, ist es die allgemeine Bezeich¬
wie abweichendem Auslaut 1. carpere 'rupfen, nung und bezieht sich eher auf den sauren
ernten’). Hierzu noch Raspel und RaffeP. Rahm.
Nndl. rapen, ne. rap. S. RaffeP, Raffke, rapsen, Raspel. Nndl. room.
- Trier (1952), 76; Trier (1981), 93. Rahm2 m. 'Ruß’, reg. Mhd. räm, rän, ahd.
raffiniert Adj. 'geschickt’. Im 17. Jh. entlehnt räm 'Schmutz’ aus wg. *räma-, auch enthalten
aus gleichbedeutend frz. raffine, dem PPrät. von in ae. römig 'geschwärzt, rußig’. Außergerma¬
frz. raffmer 'verfeinern, läutern; listig auf etwas nisch vergleichen sich ai. rämä- 'dunkel,
aus sein’, zu frz. fm 'fein’ (mit 1. re- [s. d.] und schwarz’ und mit anderer Ableitungssilbe 1. rä-
1. ad- [s. d.]), dieses wohl aus gallo-rom. *fmus vus 'grau’.
(dass.), zu 1. finis 'Grenze’ (in superlativischen Kretschmer (1969), 384f.
Fügungen wie „das ist das Beste“). Raffinieren, Rahmen m. Mhd. ram(e) f. 'Stütze, Gestell,
Raffinerie (usw.) tragen die Bedeutung 'reini¬ Webrahmen’, ahd. ram m./f, rama f. 'Stütze’,
gen, veredeln’, Raffinesse (usw.) demgegenüber mndd. rame(n), mndl. raem, rame 'Rahmen’.
'Geschick, Durchtriebenheit’. Vermutlich zu der Sippe von Rand, doch bleibt
Morphologisch zugehörig: Raffinade, Raffmage, Raffi¬ verschiedenes unklar, besonders die Frage, ob
nat, Raffination, Raffinement; etymologisch verwandt: eventuell (gut vergleichbares) hr- vorausliegt.
s. definieren. — G. Schoppe ZDW 15(1914), 205; Nndl. raam. S. Rand, Ranft, Rumpf, rümpfen, Rump¬
Brunt (1983), 438. steak. - N. O. Heinertz MoS 48 (1954), 229-252; H.
Raffke m. (= Spottname für den Neurei¬ Schüwer NJ 104(1981), 82-88.
chen), ugs. Ausgehend von raffen (s. d.) und rahn Adj. 'schlank’, reg. Mhd. ran. Dazu wohl
angelehnt an die Familiennamen auf -ke. Rahne f. Tange rote Rübe’. Herkunft unklar.

Rage /. 'Wut, Empörung’, ugs. Entlehnt aus Rain m. Mhd. rein, ahd. rein, mndd. rein
gleichbedeutend frz. rage, dieses sicher zu einer 'Rain, Grenze’, mndl. reen. Mit anderem Genus
spätlateinischen Zwischenstufe von 1. rabies vergleicht sich anord. rein(a) f. Außergerma¬
(dass.). Dazu enragiert 'leidenschaftlich erregt’ nisch kann dazugehören air. röen, räen 'Weg,
aus gleichbedeutend frz. enrage (wörtlich: 'toll, Durchbruch’. Weitere Herkunft unklar.
S. auch Anrainer. — E. Christmann ZM 31 (1964),
wütend’).
195.
Etymologisch verwandt: s. rabiat.
Rainfarn m., fachsprachl. Umgedeutet aus
ragen swV. Mhd. ragen, mndl. ragen. Mit
mhd. reinevan(e), ahd. reinfano 'Grenzfahne’
abweichendem Vokalismus ae. ofer-hrägan
zu Rain (s. d.) und Fahne (s. d.). Der auch auf
'überragen’. Herkunft unklar. anspruchslosem Boden in weithin sichtbaren
S. auch regen. Gruppen wachsende Rainfarn kann durchaus
Ragout n. (= ein Gericht aus Fleisch- bzw. mit einer Grenzmarkierung verglichen oder als
Fischstückchen). Im 17. Jh. entlehnt aus frz. solche benutzt werden.
ragoüt m. 'Tunke, Würzfleisch, gaumenreizen¬ Rakel m., räkeln swV, s. Rekel.
des Gericht’, einer Ableitung von frz. ragoüter
Rakete /. 'zylinderförmiges Hochgeschwin-
'Appetit machen, den Gaumen reizen’, dieses
digkeits-Flugobjekt’. Im 16. Jh. entlehnt aus
abgeleitet von frz. goüt m. 'Geschmack’, aus 1. gleichbedeutend it. rocchetto m. 'Spule’, einem
güstus m. (dass.). Diminutivum zu it. rocca 'Spinnstab’, aus ahd.
Etymologisch verwandt: s. degoutieren. — Jones roc, rocko m. 'Spinnrocken’. So bezeichnet nach
(1976), 549; Brunt (1983), 439. der Form der frühen Raketen, die der Gestalt
Rahe f., fachsprachl. Mndd. rä, mndl. ra(a), von Spinnstäben ähnelten.
rae, re(e). Besonderung aus einem allgemeinen Etymologisch verwandt: Rocken. — Lokotsch (1975),
Wort für 'Stange’ g. *rahö f. in anord. rä, mhd. 134; Jones (1976), 554.
Ralle 580 Ranft

Ralle f. "Wachtelkönig’, fachsprachl. Im 16. Ramsch m., ugs. Im 18. Jh. von Norddeutsch¬
Jh. entlehnt aus frz. räle gleicher Bedeutung. land ausgehend üblich geworden. Herkunft um¬
Rallye /. "Motorsport-Wettbewerb’, fach¬ stritten. In Frage kommen: 1) Mndd. im rampe
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend köpen 'in Bausch und Bogen kaufen’, mndd.
ne. rally und frz. rallye m., zu frz. rallier (wört¬ ramp 'zusammengewürfelte Menge verschiede¬
lich: 'verstreute Truppen sammeln’), zu frz. al- ner Gegenstände’ (aber woher kommt das sl). 2)
frz. ramas(sis) 'Durcheinander’ zu frz. ramasser
lier 'vereinen’ (s. auch re-), aus 1. alligäre 'bin¬
den, verbinden’, zu 1. ligäre 'binden’ (s. auch 'zusammenraffen, auflesen’. 3) (höchstens als
ad-). zusätzlicher Einfluß) rotw. ramschen 'betrügen’
zu hebr. f'mijah Täuschung, Trug’. Als Bezeich¬
Etymologisch verwandt: s. legieren.
nung eines Kartenspiels geht das Wort auf jeden
ram(m)dösig Adj., ugs. Mit dem Verstär¬ Fall auf frz. ramas und frz. ramser (aus frz.
kungswort ndd. ramm 'ganz’ zu dösig (s. d.). ramasser) zurück (ursprünglich ein Spiel, bei
A. Gebhardt ZDU 20 (1906), 659f. dem 'eingesammelt’ wurde).
Ramme /., fachsprachl. Bezeugt seit dem 14. Wolf (1985), 261 (unter Ramme).
Jh. Umbildung aus dem Wort für den unver- Ranch /. 'nordamerikanische Farm’, sonder-
schnittenen Schafbock mhd. ahd. mndd. ram sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
m., ae. ramm m. Dieses ist vermutlich eine Sub¬ ne. ranch, dieses aus mex.-span. rancho m. 'ver¬
stantivierung von anord. ram(m)r 'kräftig, einzelt gelegene Hütte; Gruppe von Personen,
scharf, bitter’ (Benennung nach dem Geruch?). die zusammen essen’, zu span. ranch(e)ar 'sich
Weitere Herkunft unklar. Die gleiche Übertra¬ niederlassen, (über Nacht) lagern, Hütten
gung vom Tiemamen auf das Gerät bei 1. aries bauen’.
m. Morphologisch zugehörig: Rancher.
Nndl. ram, ne. ram. S. gerammelt, rammeln.
Rand m. Mhd. ahd. rant, as. rand aus g.
rammeln swV. 'bespringen\ fachsprachl., auch *randa-/ö 'Rand’, auch in ae. rand, afr. rand,
vulg. Mhd. rammeln, ahd. rammilön, rammalön. rond; anord. rpnd f. Vermutlich eine Dental¬
Zu ahd. rammo 'Bock’, das eine Erweiterung ableitung zu einer Grundlage mit m, die in
des unter Ramme (s. d.) genannten ram ist (das ae. rima 'Rand, Grenze, Küste’ und Rahmen
Verb kann auch unmittelbar auf ram zurückge¬ vorliegt. Auch Ranft gehört hierher. Man ver¬
hen). Grundbedeutung ist also etwa 'bocken’. gleicht Wörter wie lit. remti 'stützen’, aber die
Dazu wieder Rammler für das Männchen von Bedeutungszusammenhänge innerhalb der zu¬
Hase und Kaninchen, mhd. rammeler 'Widder sammengestellten Sippe sind nicht ausreichend
während der Brunstzeit’. aufgehellt. Umgangssprachlich (norddeutsch)
S. gerammelt. wird Rand auch als Metapher für 'Mund’ ver¬
Rampe /. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. rampe wendet (indem an die Lippenumrandung ge¬
'Auffahrt’, im 19. Jh. dann noch einmal als dacht wird). Außer Rand und Band bezieht sich
bühnentechnischer Ausdruck. Das französische auf das Faß mit seinen eisernen Bändern; zu
Wort ist eine Ableitung zu frz. ramper 'schlei¬ Rande kommen ist eigentlich 'bis zum Ende
chen, kriechen’, das vielleicht aus einem mit kommen’, älter zu Rand und Land kommen (16.
rümpfen (s. d.) verwandten germanischen Wort Jh. — hier bedeutet es 'Küste’); am Rande be¬
stammt. merkt u. ä. bezieht sich auf den Brauch der
Randbemerkungen in Büchern und Manu¬
ramponieren swV 'stark beschädigen und un¬ skripten.
ansehnlich machen’, ugs. Entlehnt aus gleichbe¬
Nndl. nschw. rand, nisl. rönd. S. Rahmen, rändeln,
deutend mndd. ramponeren, dieses aus afrz. Ranft, Strand.
ramposner 'hart anfassen’.
randalieren swV. Im 19. Jh. gebildet zu einem
Schirmer (1911), 153.
heute nicht mehr üblichen studentensprach¬
Rams m. (= Name verschiedener laucharti¬ lichen Randal, das gekreuzt ist aus dial. Rand
ger Gewächse), reg. Hochdeutsch in alter Zeit 'Lärm, Tumult’ und Skandal (s. d.).
nicht bezeugt. Mndd. ramese, remese aus g.
Rande f. 'rote Rübe’, schwz. Nebenform zu
*hramesön, auch in ae. hramsan. Aus voreinzel-
Rahne (s. rahn).
sprachl. *kromus-, auch in gr. kröm(m)yon
'Zwiebel’, mir. crem, crim, kymr. cra(f) 'Knob¬ rändeln swV. 'einem Metallstück durch Ein¬
lauch’ und mit abweichendem Vokalismus lit. pressen einen aufgerauhten Rand geben’, fach¬
kermüse f. "wilder Knoblauch’, russ. ceremsä f. sprachl. Zu Rand (s. d.); rückgebildet ist Rändel
'Bärlauch’. Weitere Herkunft unklar. als Bezeichnung für das Werkzeug.
E. Wallner: Gissübel und Ramsau (München/Berlin Ranft m. Brotrinde’, reg. Mhd. ranft, ramft,
1940), 38-45; Marzeil (1943/79), I, 21 Of. ahd. ramft 'Einfassung’. Späte to-Ableitung zu
Rang 581 Rappe

der in Rahmen dargestellten Grundlage. Die tragen als 'grober Kerl’ und 'großer Hund’ ge¬
Bildung setzt eigentlich ein Verb als Grundlage braucht wird. Herkunft unklar.
voraus. S. auch Runks.
S. Rand ( + ) und Rahmen ( + ).
Rankkorn n. 'Halskrankheit, besonders der
Rang m. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. rang, Schweine’, arch. In zahlreichen Formen überlie¬
das ursprünglich den Kreis der zu Gericht Gela¬ fert, auch als Rank und Rang. Das Grundwort
denen bezeichnet, dann die Zuschauerreihen bei wohl, weil sich am Hals der betroffenen Tiere
Kampfspielen. Es ist entlehnt aus einer Entspre¬ kornförmige Flecken zeigen; das Bestimmungs¬
chung zu unserem Ring (s. d.). Zu einem den wort ist unklar. Vgl. nndl. wrong 'Wulst, eine
Rang ab laufen, s. Rank. Krankheit der Kühe’.
Etymologisch verwandt: s. arrangieren.
Ranküne /. 'Groll, Haß’, sonder spracht. Im
Range/. Wildfang’, reg. Mndd. ränge bedeu¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ran-
tet eigentlich 'läufiges Schwein’ (zu rangen 'sich cune, dieses mit unregelmäßiger Formentwick¬
hin- und herwenden’, nach der Unruhe des lung aus 1. rancor m. (dass., wörtlich: 'das Ran¬
Schweins in dieser Zeit, s. ringen), wird dann zige’), zu 1. rancere 'ranzig sein’.
aber schon früh als grobes Schimpfwort ver¬ Etymologisch verwandt: ranzig.
wendet. In der heutigen Verwendung wird die Ranzen m. 'Reisesack’, ugs. für 'Rücken,
Ausgangsbedeutung nicht mehr mitverstanden. Leib’. Bezeugt seit dem 17. Jh., älter (15. Jh.)
S. auch ranzen1. in der Gaunersprache. Daneben Ranzel, mndd.
rangeln swV., ugs. Intensivbildung zu rangen rensel, auch renzer und rotw. ranz 'Sack’. Her¬
(s. Range), das zu ringen (s. d.) gehört. kunft unklar.

rangieren swV, s. arrangieren. ranzen1 swV. 'brünstig sein\ fachsprachl. Be¬


zeugt seit dem 17. Jh. Älter spmhd. ranzen
Rank m., meist Ränke PL, sonderspracht.
'ungestüm springen’. Intensivbildung auf -zen
Mhd. ranc 'Kniff, Dreh’, ae. wrenc 'Kniff Be¬
zu rangen, ranken 'sich hin- und herwenden’
trug’, ursprünglich 'Krümmung’, zu renken
nach den Bewegungsspielen der Paarungszeit.
(s. d.), vielleicht mit intensivierender Auslautva¬
S. auch Range.
riation zu ringen und wringen. Die Ausgangsbe¬
deutung vielleicht noch in einem den Rang ab¬ ranzen2 swV., s. anranzen.
laufen (seit dem 16. Jh.), das heißt 'die Krüm¬ ranzig Adj. Im 18. Jh. übernommen aus nndl.
mung des Wegs abschneiden und so dem Vor¬ ranzig. Dieses aus gleichbedeutend frz. rance,
dermann zuvorkommen’. das auf 1. rancidus 'nach Fäulnis riechend’ zu¬
rank Adj. 'schlank’, sonder spracht. Mndd. rückgeht.
rank, mndl. ranc, vgl. ae. ranc 'gerade, stolz, S. Ranküne.

tapfer’, anord. rakkr 'gerade, aufrecht’. Aus¬ Rapfen m. 'Raubfisch’, fachsprachl. Im 16.
gangsbedeutung ist 'aufgerichtet, ausgestreckt’ Jh. als rape bezeugt; sonst ist die Herkunft
zu einer Nasalierung von ig. *reg- 'richten, ge¬ dunkel.
rade u. ä.’. Die Nasaüerung auch in lit. rgzyti rapide Adj. 'schnell’. Im 18. Jh. entlehnt aus
'straffen, sich recken’, ai. rjyati, rnjäti 'streckt gleichbedeutend frz. rapide, dieses aus 1. rapidus
sich, eilt’, die einfache Wurzel s. unter recht, wo (dass., wörtlich: 'reißend, raubgierig’), dem
auch die weiteren Verwandten genannt sind. PPP. von I. rapere 'raffen’.
Nndl. nschw. rank. S. recht ( + ). — Bahder (1925), Rapier n. (= eine Fechtwaffe), arch. Im 16.
39f„ 44; Lühr (1988), 136f. Jh. entlehnt aus frz. rapiere f. 'langer spanischer
Ranke f. Spmhd. ranc, mndd. rank(e), mndl. Degen’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt
ran(c)ke. Bedeutungsmäßig gehört das Wort zu ist.
Rank und renken als 'Windung, sich Winden¬ Rappe1 m. 'schwarzes Pferd’. Übertragen aus
des’; allerdings ist in mittellateinischen Glossa¬ der älteren Bedeutung 'Rabe’. Die Form ist eine
ren des 7./8. Jhs. ein hranca 'Weinrebe’ bezeugt, geminierte Variante zu Rabe (s. d.).
das germanisch sein müßte. Falls dessen hr- S. auch Rappen.
begründet ist und das Wort als Vorform von
Rappe2 m., auch Rapp m. 'Traubenkamm’,
Ranke anzusehen ist, muß es von Rank getrennt
fachsprachl., westmd., südd. Mhd. rappe. Ent¬
werden, da dessen Sippe altes wr- hat. Eine
lehnt aus gleichbedeutendem frz. räpe /., ver¬
sichere Entscheidung ist nicht möglich.
gleiche it. raspo.
W. Meyer-Lübke WuS 6 (1914), 230.
Rappe3 /., früher auch m. 'Gelenkausschlag
Ränke /., s. Rank. der Pferde’, fachsprachl. Mhd. rappe, rapfe. Zu
Ranken m. 'großes Stück Brot’, reg. Omd. ahd. rapfen 'verharschen’. Weitere Herkunft un¬
dagegen Runke(n), auch Runks, das auch über¬ klar.
Rappe 582 räß

Rappe4/. 'Reibeisen’, weslmd. Im 18. Jh. ent¬ Arras in den Niederlanden (heute Nordfrank¬
lehnt aus frz. räpe gleicher Bedeutung, das reich).
selbst germanischen Ursprungs ist (s. Raspel). rasch Adj. Mhd. rasch, ahd. rasco, mndd.
rappeln swV, ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh. rasch, mndl. ras(s)ch, ras aus g. *raska-, älter
Mit Intensivgemination zu ndd. rapen 'klopfen’, *raf-ska- Adj. 'rasch’, auch in anord. rgskr (mit
mhd. entspricht raffeln (s. Raffel1). Die Bedeu¬ n-Umlaut) 'tüchtig, tapfer’, me. rash. Der vor
tung 'nicht recht bei Verstand sein’ (es rappelt dem .sfcö-Suffix geschwundene Auslaut ergibt
bei jemandem) ist möglicherweise ausgelöst von sich aus ahd. rad(o), hrad, mndd. rat, rade
md. reben, frz. rever 'träumen, phantasieren’ Adv., ae. -räd(e), retde 'schnell’, gt. rafs 'leicht’.
(zu 1. rabere 'irre sein, wüten, toben’). Vermutlich abgeleitet aus dem Verb, das in air.
S. rabiat ( + ). reithid, rethid 'läuft, rennt’ bezeugt ist (s. Rad).
Rappen m. 'kleine Münze’, heute schwz. Wäh¬ Nndl. ras, ne. rash. S. gerade2, Rad ( + ), überraschen.
rungseinheit des Rappenmünzbundes (aleman¬ rascheln swV. Bezeugt seit dem 17. Jh. Laut-
nisch) im 15./16. Jh. Zuerst bezeugt Kolmar- nachahmend wie ebenfalls bezeugtes rischein,
Rappen vom 14. Jh. Vielleicht ursprünglich ruschein und raschen.
scherzhafte Bezeichnung der schlechten Pfen¬
Rasen m. Mhd. rase, mndd. wrase. Ursprüng¬
nig-Prägungen eines Herrn von Rappoltstein
lich mitteldeutsch. Herkunft unklar.
mit Anspielung auf den Adler des Münz¬
S. Wasen, Wrasen.
bildes — Rappen ist Nebenform zu Rappe1
(s. d.) in dessen ursprünglicher Bedeutung rasen swV. Mhd. mndd. räsen, mndl. rasen,
'Rabe’. razen 'toben’; mit anderer Stammbildung ae.
Rapport m. 'Bericht, Berichterstattung; sich rcesan 'stürzen, eilen’, anord. rasa 'sich schnell
auf Geweben u. ä. stets wiederholendes bewegen’. Wohl denominativ zu anord. räs, ae.
Muster’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ räs 'Lauf, Ansturm’, mndd. räs 'heftige Strö¬
tend frz. rapport (wörtlich: 'das Wiederbrin¬ mung’. Außergermanisch entspricht gr. eröS
gen’), zu frz. apporter 'herbeibringen’ (s. auch 'Schwung’, gr. eröeö 'ich fließe, ströme’ und
re-), aus 1. apportäre (dass.), zu 1. portäre 'beför¬ vielleicht 1. röräril 'Leichtbewaffnete, die mit
dern, tragen’ (s. auch ad-). Schleudern den Kampf einleiteten’. Zugrunde
Morphologisch zugehörig: rapportieren-, etymologisch liegt *rös/ras- oder *ras/rös-, das mit dem durch
verwandt: s. Porto. — Jones (1976), 553. irre (s. d.) vorausgesetzten *er(e)s- Zusammen¬
Raps m. Erscheint im 18. Jh. über Rapst hängen kann (lautlich unklar).
verkürzt aus Rapp-Saat, ndd. rapsäd, nndl. Nndl. razen. S. irre ( + ). — Trier (1981), 24.
raapzaad, ne. rape-seed (der Raps wird wegen rasieren swV. 'Barthaare abschneiden’. Im 17.
der ölhaltigen Samen angebaut). Lehnüberset¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. raser, die¬
zung aus 1. semen räpicium n. 'Rübsamen’, zu 1. ses aus 1. rädere (räsum) (dass., auch: 'darüber
räpum n., räpa f. 'Rübe’. streichen, scharren, schaben, kratzen, rei¬
S. auch Rübe. nigen’).
rapsen, rapschen swV. 'grapschen’, ndd. Inten¬ Morphologisch zugehörig: Rasierer, Rasur; etymolo¬
sivbildungen zu ndd. rapen 'raffen’ (s. raffen). gisch verwandt: s. radieren. — Jones (1976), 555.

rar Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh. Entlehnt Räson/. 'Vernunft’, sondersprachl. Im 17. Jh.
über mndl. raer aus frz. rare 'selten’, das auf 1. entlehnt aus gleichbedeutend frz. raison, dieses
rärus 'locker, zerstreut, selten’ zurückgeht. aus 1. ratio (-önis) (dass., wörtlich: 'Rechnung,
Rarität /. 'Seltenheit’, s. rar. Berechnung’), zu 1. reri (ratus sum) 'meinen,
glauben, urteilen’.
rasant Adj. 'schnittig, schnell’. Im 19. Jh.
Morphologisch zugehörig: Räsoneur, räsonieren, Rä¬
entlehnt aus frz. rasant 'streifend’, dem PPräs.
sonnement, rational, rationalisieren, rationell; etymolo¬
von frz. raser 'kahl scheren, rasieren, streifen’,
gisch verwandt: Rate, ratifizieren, Ration, Rede (usw.).
aus 1. rädere (räsum) 'darüber streichen, schar¬
ren, schaben, kratzen, reinigen, rasieren’. Die Raspel/. Bezeugt seit dem 16. Jh. Zu raspeln,
Bedeutung im Deutschen durch eine volksety¬ das schon etwas früher nachweisbar ist und
mologische Anlehnung an d. rasen. deshalb wohl als Iterativum zu raspen, ahd.
Morphologisch zugehörig: Rasanz-, etymologisch ver¬ raspön 'sammeln, zusammensuchen’ aufzufas¬
wandt: s. radieren. — Trier (1981), 24. sen ist. Dieses zu wg. *hresp-a- stV. 'reißen’
in afr. hrespa, ahd. (h)respan, ae. gehrespan.
Rasch m. 'leichtes Wollenzeug’, arch. Bezeugt
Weitere Herkunft unklar.
seit dem 17. Jh., älter mndd. ras, mndl. ras(s).
Gekürzt aus arraz, arras, arreis, das auch spät¬ S. auch Raffel2, Rappe*.

mittelhochdeutsch auftritt. Der Stoff wurde be¬ räß Adj. 'scharf’, südd. Mhd. rceze, ahd. räzi.
zeichnet nach seinem Herstellungsort, der Stadt Herkunft unklar. Verwandtschaft mit 1. rädere
Rasse 583 Ratz

(räsum) 'scharren’ oder 1. rädere (rösum) 'na¬ ratifizieren swV. 'einen völkerrechtlichen Ver¬
gen’ ist denkbar. trag in Kraft setzen\ fachsprachl. Im 15. Jh.
S. radieren ( + ), Erosion ( + ). entlehnt aus ml. ratificare, zu 1. ratus 'gültig,
Rasse /. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. race. rechtskräftig, ausgerechnet’, dem PPP. von 1.
Dieses gehört zusammen mit it. razza, span. reri (ratus sum) 'meinen, glauben, urteilen’, und
raza, port. razäo. Weitere Herkunft umstritten l. facere 'machen’.
(1. ratio 'Vernunft’ oder arab. rä’s 'Kopf, Ur¬ Morphologisch zugehörig: Ratifikation; etymologisch
verwandt: s. Räson und Fazit.
sprung’). Nach D. Ader (s. u.) vermutlich zu 1.
rädtx (-leis) f. 'Wurzel’ als Bezeichnung für Ration/. 'Zuteilung’. Im 17. Jh. entlehnt aus
einen Ausschlag-Stamm. gleichbedeutend frz. ration, dieses aus ml. ratio
S. radikal ( + ). — Littmann (1924), 100f.; L. Spitzer (-onis) 'berechneter Anteil’, aus 1. ratio (-önis)
AJPh 62 (1941), 129 — 143; L. Spitzer: Essays in histori- 'Berechnung, Vernunft’, zu 1. reri (ratus sum)
calsernantics (New York 1948), 147—169; Ader (1958), 'meinen, glauben, urteilen’. Rational (usw.) tra¬
34. gen die Bedeutung 'Vernunft’ (vgl. Räson), ra¬
rasseln .sh’F. Mhd. razzeln, Weiterbildung zu tionell dagegen 'gut berechnet’.
razzen 'toben’. Zusätzlich beeinflußt durch Morphologisch zugehörig: Ratio, (ir)rational, rationa¬
mndd. ratein 'klappern’, das schallnachahmend lisieren, Rationalismus, Rationalist, Rationalität, ratio¬
nell; etymologisch verwandt: s. Räson. — K.-H. Wein¬
ist (vgl. ae. hratele 'Rasseltopf’).
mann DWEB 2 (1963), 403.
Nndl. ratelen, ne. rattle.
rational Adj. 'vernunftgemäß’, s. Ration.
Rassismus m., s. Rasse.
rationalisieren swV. 'mengenmäßig einschrän¬
Rast /. Mhd. rast(e), ahd. rasta; letzteres
ken’, s. Ration.
auch für ein Wegmaß (Weg zwischen zwei Ruhe¬
rationell Adj. 'wirtschaftlich’, s. Ration.
pausen?), was für gt. rasta, anord. rgst aus¬
schließlich gilt. Außerdem as. rasta, resta 'Ru¬ Ratsche/., auch Rätsche/. 'Rassel’, reg. Erst
helager, Totenlager’, ae. rast, rest 'Ruhe’. Be¬ neuhochdeutsch gebildet zu mhd. ratzen, fnhd.
ruht offenbar auf einer nur germanischen ratschen 'klappern’.
s-Bildung zu der Wurzel, die in Ruhe (s. d.) Rätsel n. Mhd. rätisla, rädisla/., rätsal, ratsei,
vorliegt. as. rädisli, rädislo m. wie ae. rädels m. eine
Ne. rest. S. auch Rüste. Bildung auf isl-ja- zu raten (s. d.). Daneben
Raster m. 'Gitternetz auf Glas oder Folie’; n. bestehen mit gleicher Bedeutung auch andere
'Gesamtheit der Punkte eines TV-Bilds’. Im 19. Bildungen: ahd. rätissa /., me. redel(s).
Jh. entlehnt aus 1. rästrum n. 'Instrument zum Nndl. raadsel, ne. riddle.
Ziehen paralleler Linien, eigentlich: Rechen, äl¬ Ratte /. Mhd. ratte, ahd. as. ratta (neben
ter: Karst, Hacke’ (zu 1. rädere 'kratzen, scha¬ maskulinen Formen). Wie ae. rat entlehnt aus
ben’). Die Bedeutung im Deutschen ist resulta- den romanischen Sprachen (frz. rat m., it. ratto
tiv: 'ein wie mit einem Rechen Geschaffenes’. m. usw.). Weitere Herkunft unklar. Unklar ist
Etymologisch verwandt: s. radieren. auch, warum neben Ratte auch Ratze auftaucht
und warum dieses auch Marder’ und ‘Iltis’
Rat m. Mhd. ahd. rät, as. räd aus wg. *rädi-
m. 'Rat, Vorrat’, auch in ae. räd, afr. red. Dane¬ bedeuten kann.
S. auch Ratz. - Palander (1899), 74f.; J. Knobloch
ben anord. räd neutraler a-Stamm. Verbalab¬
KRhM 115 (1972), 291f. Anders: Lühr (1988),
straktum zu g. *räd-a- stV. 'raten’ (s. raten).
283-285.
Nndl. raad, nschw. räd, nisl. räd. S. Unrat, Vorrat.
Rattenkönig m. 'Wust’, sondersprachl. Nach
Rate/. Im 19. Jh. entlehnt aus 1. (pars) rata der seit dem 16. Jh. bezeugten Vorstellung von
'berechneter Teil’ (zu 1. reri 'urteilen, be¬ Ratten, die mit ihren Schwänzen ineinander
rechnen’). verwirrt sind. In der älteren Sprache bezeichnet
Etymologisch verwandt: s. Räson. das Wort offenbar eine besonders große Ratte,
raten stV. Mhd. räten, ahd. rätan, as. rädan die sich von anderen Ratten ernähren läßt. Das
aus g. *räd-a- stV. 'raten’, auch in gt. -redan, Bindeglied scheint das 'sich ernähren lassen’ zu
anord. räöa, ae. rädan, afr. reda. Dieses aus ig. sein.
*redh- 'zurechtmachen, beraten’, in air. räd das Rätter m.// 'Siebvorrichtung’. Das gleiche
Sprechen, Sagen’, akslav. (ne)raditi, roditi 'sor¬ Wort wie Räder (s. d.).
gen für, sich kümmern um’, ai. rädhnöti 'wird
rattern swV. Bezeugt seit dem 17. Jh. Lautma¬
fertig, gedeiht, bringt fertig’. Vermutlich Erwei¬
lend.
terung der Wurzel ig. *ard- 'fügen’, die unter
Ratz m. 'Ratte’, aber auch 'Siebenschläfer’
Art1 behandelt ist.
und 'Iltis’, reg. (bair. auch Ratze /.). Seit dem
Nndl. raden, ne. read, nschw. räda, nisl. räöa. S. Gerät,
14. Jh. bezeugte hochdeutsche Form des Wortes
Rat ( + ), Rätsel, verraten.
ratzekahl 584 Rauhreif

Ratte (s. d.). Schlafen wie ein Ratz bezieht sich Rauchschwalbe /., fachsprachl. Bezeugt seit
auf die Bedeutung 'Siebenschläfer’; ebenso rat¬ dem 16. Jh. Sie heißt so, weil sie gerne in den
zen (ugs.) 'fest schlafen’. alten großen Räucherkaminen nistete.
ratzekahl Adj., ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh. Rauchwerk n. 'feines Pelzwerk’, fachsprachl.
Umdeutung von radikal (s. d.), vielleicht mit Bezeugt seit dem 16. Jh.; schon in mittelhoch¬
dem Gedanken an den kahlen Schwanz der deutscher Zeit in der Bedeutung 'Kürschner¬
Ratte. handwerk’. Zu dem Adjektiv rauch 'behaart,
Rätzel n. 'zusammengewachsene Augen¬ zottig’, das eine Variante von rauh ist (s. d.)
brauen’, reg. Dann auch 'Mensch mit solchen B. Schier: Zur Geschichte des Wortes 'Rauchware’
(Leipzig, Berlin 1950).
Augenbrauen’ und, da dies als Zeichen von
Dämonen galt, 'Nachtgeist’. Herkunft unklar. Räude /. Mhd. riude, rüde, ahd. (h)riufi,
Zu Ratz 'Ratte’? rüda, as. hrütho m. aus g. *hrüpön m. (und
Raub m. Mhd. roub, roup, ahd. roub, as. röf ähnliche Stammbildungen) 'Räude, Schorf’,
aus wg. *rauba- m. 'Raub, erbeutete Rüstung’, auch in anord. hrüör m. 'Schorf’, ae. (h)rüöe
auch in ae. reaf n., afr. räf n.; mit abweichender 'Räude’. Herkunft unklar; vermutlich mit
Stammbildung anord. reyfi n. 'abgerupfte einem Suffix, das auch in anderen Krankheits¬
Schafwolle’. Ableitung von g. *reuf-a- stV. 'rei¬ namen auftaucht, zu ig. *krewa- 'rohes Fleisch
ßen, rupfen’ in anord. rjüfa, rjöfa, ae. rofen u. ä.’ in ai. kravis n. 'rohes Fleisch’, ai. krürä-
zerbrochen’, ae. berofen 'beraubt’. Außerger¬ wund, roh, blutig’, 1. cruor m. 'rohes, dickes
manisch vergleichen sich 1. rumpere 'zerbrechen, Blut’, 1. erüdus 'blutig, roh’, mir. erü n. 'Blut’,
reißen’, ai. rüpyati 'schmerzt stark’, kausativ mir. crüaid 'hart, ’fest’, lit. kraüjas 'Blut’.
'verursacht Schmerz, bricht ab’; erweitert aus raufen swV. Mhd. roufen, ahd. roufen, as.
*reu- 'reißen, rupfen’ in anord. ryja 'den Scha¬ (bi)röpian aus g. *raup-ija- swV. (und andere
fen die Wolle ausrupfen’, lit. räuti 'reißen, aus¬ Stammbildungen) 'raufen, rupfen’, auch in gt.
rupfen’, akslav. urüvati sg 'sich losreißen’. raupjan 'ausrupfen’, ae. rlpan 'reißen’. Eine Aus¬
Nndl. roof. S. abrupt ( + ), rauben, raufen, rauh, lautvariante (verschiedene Erweiterungen der
Robe ( + ). - E. Wadstein IF 14 (1903), 402-406; W. gleichen Wurzel?) zu der unter Raub dargestell¬
Kaspers BGDSL-H 8 (1958), 177f.; Trier (1963), 83. ten Grundlage. Eine Rückbildung dazu ist
Raubbau m. Bezeugt seit dem 18. Jh. als ur¬ Raufe 'Futterleiter’, mhd. roufe, mndd. repe(l),
sprünglich bergmännisches Wort ('Abbau, bei eine Intensivbildung ist rupfen (s. d.).
dem nur auf schnellen Ertrag Rücksicht genom¬ rauh Adj. Mhd. räch, ahd. rüh, mndd. ruf we),
men wird’). Verbales auf den Raub bauen ist räch, rüge, mndl. ru(w) aus wg. *rühwa- Adj.
heute nicht mehr gebräuchlich. 'rauh’, auch in ae. rüh, rüwes. Außergermanisch
rauben swV. Mhd. rouben, ahd. roubön, as. vergleicht sich ai. rüksä- 'rauh, trocken, dürr’;
röbon aus g. *raub-ö- swV, auch in gt. biraubon weiterer Anschluß an die Wurzel *reu- 'reißen’
'ausziehen’, anord. raufa 'zerreißen’, ae. reafian, ist denkbar (s. Raub). Die Bedeutung 'bewaldet’
afr. rävia 'rauben’. Wohl deverbativ zu dem (in älterer Zeit noch häufiger) ist erhalten in
unter Raub genannten starken Verb (und nicht Rauhe Alb, eigentlich 'bewaldetes Weideland’.
denominativ zu Raub, was ebenfalls möglich Nndl. ruig, ne. rough. S. Rauchwerk, Roche(n). —
wäre). Ader (1958), 86-97; Trier (1981), 27.

Rauch m. Mhd. rouch, ahd. rouh m./n., as. Rauhbauz m. 'Grobian’, ugs. Junges Wort;
rök aus g. *rauki- m. 'Rauch’, auch in anord. wohl zu dem Schallwort bauz für einen plötzli¬
reykr, ae. rec, afr. rek. Das Wort ist abgeleitet chen Fall.
aus dem in riechen (s. d.) vorliegenden starken Rauhbein n. 'Grobian’, ugs. Im 19. Jh. rückge¬
Verb, dessen ursprüngliche Bedeutung aber bildet aus rauhbeinig, was das gleiche meint.
'rauchen’ war. Für diese Bezeichnung im eigentlichen Sinn gibt
Nndl. rook, ne. reek, nschw. rök, nisl. reykur. S. rie¬ es verschiedene Ansatzpunkte, z. B. war das
chen. - E. Richter ZVS 55 (1928), 138-149. Wort Spottname verschiedener Polizei- und
Rauchnächtc PI. 'die Zeit zwischen Heilig¬ Militärtruppen wegen der rauhen Gamaschen.
abend und Dreikönig’, reg. Zu den verschiede¬ Wie das Wort aber zu seiner heutigen Bedeu¬
nen Zeiten, die so benannt werden können, und tung kam, ist unklar.
zu den damit verbundenen Volksbräuchen s. Rauhnächte PI., s. Rauchnächte.
Bächthold-Stäubli (1927/42), VII, 529-532. Ei¬ Rauhreif m., auch Rauhfrost m. Bezeugt seit
gentlich Vorabend eines Feiertags, an dem das dem 18. Jh., in den Mundarten weithin üblich.
Haus und besonders der Stall mit Weihrauch Gemeint ist der rauhe, gefrorene Niederschlag,
ausgeräuchert wird. Sekundär auch Rauh¬ der sich bei Frost auf den Oberflächen bildet.
nächte, Raubnächte, Raunächte u. ä. S. Reif.
Rauke 585 Reaktor

Rauke /. 'SenfkohF, fachsprachl. Im 16. Jh. aus arab. rahg al-gär 'Höhlenstaub’, welches
entlehnt aus it. *ruca, belegt ist jedoch nur it. eventuell entstellt ist aus marokkan.-arab. rahg
rucola, ruchetta, das auf 1. erüca 'wilde Rauke, al-fär 'Rattenpulver (Rattengift)’. Der erste Be¬
Senfkohl’ zurückgeht. standteil an it. rosso 'rot’ angeglichen.
Raum m. Mhd. rüm, roum, ahd. as. rüm aus J. J. Hess VR 2 (1937), 475f.; Lüschen (1968), 302.
g. *rüma- m. 'Raum, Platz, Lagerstätte’, auch räuspern swV. Mhd. riuspern, rüspern. Weiter¬
in gt. rüm, anord. rüm n., ae. rüm. Substantivie¬ bildung zu mhd. riuspen, ndd. rüspen gleicher
rung des Adjektivs g. *rüma- 'geräumig’ in gt. Bedeutung. Das Wort bedeutet eigentlich
rüms, anord. rümr, ae. afr. mndd. rüm, ahd. 'scharren, kratzen’. Vielleicht läßt sich it. rus-
rümi, mhd. (ge)rüm(e), nhd. geraum (und wei¬ pare 'scharren’ vergleichen, das auf I. rüspäri
tergebildet geräumig). Auch räumen, vor allem 'suchen’ (eigentlich 'durchwühlen’) zurückgeht.
im Sinn von 'roden’ ist schon eine alte Bildung.
Raute1 /. 'geometrische Figur’, fachsprachl.
Die dem Adjektiv zugrundeliegende Wurzel
Mhd. rüte, mndd. mndl. rute. Herkunft dunkel.
*reu- mit schlecht faßbarer Ausgangsbedeutung
Schirmer (1912), 63 unter Rhombus; Götze (1919), 143;
ist bezeugt in avest. rauuah- n. 'freier Raum, R. Loewe ZDPIi 60(1935), 330-362.
Freiheit’, toch. A. B. ru- 'öffnen’, 1. rüs n. 'Land’
Raute2 /. 'Pflanze’, fachsprachl. Mhd. rüte,
und akslav. ravinü 'eben, gleich’.
ahd. rüta, mndd. rüde, mndl. rute. Wie ae. rüde
Nndl. ruim, ne. room, nschw. rum, nisl. rüm. S. geraum.
entlehnt aus 1. rüta, das seinerseits aus gr. rhyte
Räumte.
stammt.
Räumte /. 'Schiffsladung, offene See’, fach¬
Ravioli PI. 'gefüllte Teigwaren’, sonder-
sprachl., ndd. Im 18. Jh. übernommen aus
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend it. raviolo
mndd. rümte, mndl. ruum(p)te, rumt, einer Wei¬
m. (wörtlich: 'kleine Rüben’), dieses aus 1. räpa
terbildung von Raum (s. d.), etwa im Sinn von
'Weite’. f, räpum n. 'Rübe’.
Etymologisch verwandt: s. Rübe.
Raun(e) m. 'verschnittenes Pferd’, arch. Be¬
zeugt seit dem 14. Jh. Auch mndd. rune, mndl. Razzia /. 'polizeiliche Fahndungs- und
ruun, ruyn. Herkunft unklar, vgl. auch Hahnrei. Durchsuchungsaktion’. Im 19. Jh. entlehnt aus
gleichbedeutend frz. razzia (ursprünglich:
raunen swV. Mhd. rünen, ahd. rünen, rünön,
'Raub- und Beutezug’), dieses aus arab. gäziya
as. rünon. Wie ae. rünian mit verschiedenen
'Angriff, militärische Unternehmung’.
Stammbildungen abgeleitet von dem unter
Littmann (1924), 67; Lokotsch (1975), 55.
Rune (s. d.) behandelten Wort für 'Geheimnis’.
re- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
raunzen swV. 'weinerlich klagen’, südd. Ahd.
deutung 'wieder, zurück’ (z. B. Regeneration,
rünezzen, rünezzon, rünizzon 'murren’. Wohl zu
reagieren, reparieren). Es wurde vornehmlich in
raunen (s. d.).
lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬
Raupe/. Mhd. rüpe, mndd. rupe, mndl. rupe, nommen; sein Ursprung ist 1. re- (dass.).
ruyp(p)e, weitergebildet nndl. rups. Auch mit
Re n. Kürzung aus Rekontra, s. re- und
anderen Vokalisierungen. Herkunft unklar.
kontra.
S. auch Robbe.
Reagenz n. 'Stoff, der Reaktionen bewirkt’,
Rausch1 m. Trunkenheit’. Im 16. Jh. übertra¬
s. reagieren.
gen aus rüsch 'Rauschen, Ungestüm’ (zu rau¬
schen, s. d.). Vgl. Schädelbrummen u. ä. reagieren swV. 'ansprechen auf etwas, auf et¬
was einwirken’. Neubildung des 18. Jhs. zu 1.
Rausch2 m. (= Name verschiedener Pflan¬
agere (äctum) 'treiben, führen, leiten, tun’ (s.
zen), fachsprachl. Mhd. rusch(e), mndd. rusch,
risch, risk. Vermutlich entlehnt aus 1. rüscum n. re-).
Morphologisch zugehörig: Reagens, Reagenz, Reak¬
'Mäusedorn’. Einzelheiten sind noch aufklä¬
tion, reaktionär, Reaktionär, reaktiv, Reaktivität, Reak¬
rungsbedürftig.
tor, etymologisch verwandt: s. Agenda. — Zu Reaktion
Vgl. Almrausch. s.: J. Starobinski MLR 70(1975), XXI-XXXI.
rauschen swV. Mhd. rüschen, riuschen, mndd. Reaktion /. 'Umwandlung; Gegenhandlung’,
rüschen, rüsken, mndl. ruuschen, ruysschen. Wie
s. reagieren.
ae. hryscan 'krachen, sausen, schwirren’ lautma¬
reaktionär Adj. 'an nicht mehr Zeitgemäßem
lende Bildung.
festhaltend’, s. reagieren.
Nndl. ruisen, ne. rush. S. Geräusch1, Rausch1.
Reaktivität/. 'Maß der Abweichung vom kri¬
Rauschgelb n. 'gelbes Mineral’, fachsprachl.
tischen Zustand’, s. reagieren.
Bezeugt seit dem 16. Jh. Entlehnt aus it. risigallo
gleicher Bedeutung (span, rejalgar m., vgl. port. Reaktor m. 'Vorrichtung, in der Reaktionen
rosalgar 'Wurm, giftige gelbe Pflanze ). Dies ablaufen’, s. reagieren.
real 586 Reck

real Adj. 'wirklich’. Im 17. Jh. entlehnt aus Rechenschaft /. Bezeugt seit dem 14. Jh. als
ml. realis 'wesentlich’, dieses zu 1. res 'Sache, rechinschaft 'Rechnungslegung’, dann bald
Wesen’. auch übertragen verwendet. Zu rechnen (s. d.).
Morphologisch zugehörig: Realgymnasium, Realien, Recherche /. 'Nachforschung’, sonder spracht.
Realisation, Realisator, realisieren, Realismus, Realist, Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Realistik, Realität, realiter, reell', etymologisch ver¬
recherche, einer postverbalen Ableitung von frz.
wandt: s. Rebus, Republik. — G. Schoppe ZDW
rechercher 'aufsuchen, erforschen’, zu frz. cher-
15 (1914), 204. Zu Realität: J. Kleinstück: Wirklichkeit
und Realität (Stuttgart 1971).
cher 'suchen’, aus spl. circäre 'rings um etwas
herumgehen, etwas umkreisen, durchsuchen’,
Realität /. 'Wirklichkeit’, s. real.
zu 1. circum 'ringsumher, in der Umgebung , zu
Rebbach m., s. Reibach. 1. circus m. 'Kreislinie, Kreis’ (s. auch re-).
Rebbe m„ s. Rabbi. Morphologisch zugehörig: Rechercheur, recherchieren',
Rebe /. Mhd. rebe f./m., ahd. reba, rceba. etymologisch verwandt: s. Zirkus. — Brunt (1983),
Dazu im Ablaut mndd. winrave(n) m. 'Wein¬ 443.
stock’. Vgl. nschw. reva 'Ausläufer von Pflan¬ rechnen swV. Mhd. rechen(en), ahd. rehhanön
zen’. Herkunft unklar. Vielleicht zu 1. repere 'ordnen’, mndd. mndl. reken(en) aus wg. *rek-
'kriechen, schleichen’, lit. repliöti 'kriechen, nö- .vwV. 'rechnen’, auch in ae. (ge)recenian,
klettern’. afr. rek(e)nia. Faktitivum zu dem Adjektiv
Rebell m. 'Aufständischer’. Im 16. Jh. ent¬ (Partizip) *rekna- 'gerichtet’ in ae. recenian, afr.
lehnt aus gleichbedeutend frz. rebelle m./f, rekon, mndd. reken zu dem unter recht (s. d.)
einer postverbalen Ableitung von frz. rebeller dargestellten Verb). Rechnen ist also 'gerichtet
'sich auflehnen’, aus 1. rebelläre 'sich auflehnen, machen, in Ordnung bringen’. Gt. rahnjan wohl
den Krieg gegen seinen Überwinder erneuern’, zu einer Variante der gleichen Wurzel.
zu 1. bellum n. 'Krieg’ (s. auch re-). Nndl. rekenen, ne. reckon. S. Rechenschaft, recht (+).
Morphologisch zugehörig: rebellieren, Rebellion, rebel¬
Recht n. Mhd. ahd. as. reht, wie ae. riht, afr.
lisch; etymologisch verwandt: Duell (usw.). — G.
Schoppe ZDW 15 (1914), 205f. riucht, riocht eine Substantivierung des Adjek¬
tivs recht (s. d.). Daneben eine selbständige
rebeln swV. 'zerreiben’, südd. Regionale Bil¬
Substantivbildung aus der gleichen Wurzel
dung zu der Schwundstufe von reiben (s. d.).
(*rehtu-) in anord. rettr m. und air. recht m.,
Rebhuhn n. Mhd. rephuon, ahd. rebahuon;
kymr. rhaith.
anders mndd. raphön. Wie der Sprachvergleich
E. W. Böckenförde AB 12 (1968), 7 — 29; R. Schmidt-
zeigt, handelt es sich hier um sekundäre Anpas¬
Wiegand in: FS Schützeichel (1987), 937 — 958.
sungen an Rebe und mndd. rap 'schnell’. Außer¬
germanisch sind vergleichbar mbulg. jerpbi f. recht Adj. Mhd. ahd. as. reht aus g. *rehta-
'Rebhuhn’, lett. irbe 'Rebhuhn’; dazu weiter Adj. 'recht, gerade, richtig’, auch in gt. raihts,
anord. jarpi m. 'Haselhuhn’. Diese wahrschein¬ anord. rettr, ae. riht, afr. riucht, riocht. Wie
lich zu ahd. erp/'dunkelbraun’, ae. earp, anord. gleichbedeutendes 1. rectus, gr. orektös /«-Parti¬
jarpr 'braun’, vielleicht auch gr. orphnaios, orph- zip zu ig. *reg- 'lenken, richten, leiten’ in 1.
nös 'dunkelbraun’). Semantisch ist die Erklä¬ regere, gr. oregö ' ich recke mich’, ai. irajyäti
rung einleuchtend, aber der sehr starke (und 'ordnet an, lenkt’, ai. rjyati, rhjäti 'streckt sich,
nicht ohne Zusatzannahmen erklärbare) Ablaut eilt’, air. reraig 'lenkte’, lit. rqzyti 'straffen,
ist auffällig. recken’.
Rebus m./n. 'Bilderrätsel’, sonder spracht. Im Nndl. recht, ne. right, nschw. rätt, nisl. rettur. S.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. rebus Adresse ( + ), gerecht, rank, Rechen, rechnen. Recht,
(de Picarde) m., dieses aus 1. (de) rebus (quae richten ( + ), und weiter entfernt recken.
geruntur) 'von Sachen, die sich ereignen’, zu 1. rechtfertigen swV. Mhd. rechtvertegen, reht-
res/. 'Sache, Ding’. So benannt nach scherzhaf¬ vertigen; Ableitung zu dem Adjektiv mhd. reht-
ten Bilderrätseln von Studenten in der Picardie vertec, rehtvertic 'gerecht, rechtmäßig’ (zu recht
über Stadtereignisse.
und fertig, s. d.).
Etymologisch verwandt: s. real.
rechtschaffen Adj. (PPrät.). Fnhd. recht¬
Rechen m. Mhd. reche, ahd. rehho, rech,
schaffen zum Partizip von schaffen (s. d.).
mndl. reke, reecke; mit anord. reka f. eine Ablei¬
tung *rek-ön m. 'Rechen’ (neben *rakön in Reck n., fachsprachl. Von Jahn 1816 als nie¬
nschw. raka, ae. raca, mndd. rake /.) zu g. derdeutsches Mundartwort aufgenommen und
*rek-a- stV. 'rechen’ in gt. rikan, me. reken, afr. als Bezeichnung eines Turngeräts durchgesetzt.
reka, mndd. reken, ahd. berechen, mhd. rechen. Mndd. rick, reck, mndl. rec(ke), ric, mhd.
Weiter wohl zu recken (s. d.) als 'ausstrecken’. ric(ke) m. 'waagrecht aufgelegte oder aufge¬
S. auch Racker, recht ( + ). hängte Stange(n)’ (s. auch Rick). Ohne Gemina-
Recke 587 Reep

tion (aus *rihöri) norw. (dial.) rjaa, schw. (dial.) tung 'Zahl’ in gerade1 (s. d.) und hundert (s. d.).
ri. Ein ähnliches Wort s. unter Rahe. Letztlich zu ig. *aro- 'fügen’ (s. Reim).
Recke m., areh. Im 18. Jh. wiederbelebt aus Nndl. rede. S. Räson, reden, redlich.
inzwischen ausgestorbenem mhd. re(c)ke 'Krie¬ reden swV. Mhd. reden, ahd. red(i)5n, as.
ger, Held’. Diese Bedeutung bekommt das Wort reöiön, afr. rethia. Ableitung von Rede (s. d.)
in literarischen Darstellungen; die ältere Bedeu¬ oder einem verwandten Wort, ursprünglich mit
tung ist 'Flüchtling’ (ahd. reck(e)o, recch(e)o, der Bedeutung 'Zahl’, so daß die Ausgangsbe¬
as. wrekkio, ae. wrecca, wrcecca, zu dem unter deutung von reden 'zählen’ ist, das über 'erzäh¬
rächen behandelten g. *wrek-a- 'verfolgen’, also len’ zu der heutigen Bedeutung kommt (vgl.
'der Verfolgte’). gt. garapjan 'zählen’). Eine Nebenform ist ahd.
Ne. wretch. redinön, wozu Redner (mhd. redencere, ahd. redi-
näri).
recken swV. Mhd. recken, ahd. rec(c)hen,
recken, as. rekkian aus g. *rak-eja- swV. 'aus¬ redigieren swV. 'für die Veröffentlichung be¬
strecken, ausdehnen’, auch in gt. ufrakjan, arbeiten’, s. Redaktion.
anord. rekja, ae. reccan. Als Kausativum oder redlich Adj. Mhd. red(e)lih, ahd. redilih. Ab¬
ähnliche Formation zu dem unter recht (s. d.) geleitet von ahd. redia 'Rechenschaft’ (s. Rede),
behandelten Verb für 'lenken, richten, leiten’. also etwa 'wie man es verantworten kann’.
Die Bedeutung 'recken’ ist wohl als 'gerade Redoute/. 'Saal für Feste, Feldschanze, Mas¬
machen, aufrecht machen’ zu verstehen. kenball’, arch. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Nndl. rekken, nschw. räcka. S. strecken (+), Rechen, deutend frz. redoute, dieses aus it. ridotto m.
recht ( + ), verrecken. (dass., wörtlich: 'Zufluchtsort’), aus 1. reductum,
Reckholder m. 'Wacholder’, alem. Mhd. reck- dem substantivierten PPP. von 1. redücere (re¬
holter, reghoher, ahd. reckaltar. Zum zweiten ductum) 'zurückziehen’, zu 1. dücere 'ziehen,
Element s. Holunder, das erste ist unklar. Es schleppen’ (s. auch re-). Zunächst Bezeichnung
kann zu recken gehören im Hinblick auf die eines Zufluchtsorts auf Burgen, dann 'abgeson¬
aufgeschossenen Jungtriebe des Strauchs. dertes Zimmer, Ballsaal’, schließlich metony¬
misch übertragen auf dort abgehaltene Masken¬
Recorder m. (= ein Aufzeichnungsgerät), s.
bälle.
Rekord.
Etymologisch verwandt: s. Dusche. — Jones (1976),
Recycling n. 'Wiederverwertung von Abfall¬ 558-560; Brunt (1983), 445.
produkten’, s. Zyklus und re-. Reduktion /. 'Verringerung’, s. reduzieren.
Redakteur m. 'verantwortlicher Angestellter redundant Adj. 'mehrfach, mehr als nötig’,
bei Zeitschriften usw.’, s. Redaktion. fachsprachl. Entlehnt aus 1. redundäns (-antis)
Redaktion /. 'Herausgebertätigkeit, Gesamt¬ 'überströmend, überflüssig’, dem PPräs. von 1.
heit der Redakteure’. Im 19. Jh. entlehnt aus redundäre 'übertreten, überströmen, sich ergie¬
gleichbedeutend frz. redaction, dieses zu 1. re- ßen’, zu 1. unda 'Welle, Woge’ (s. auch re-).
däctum, dem PPR von 1. redigere 'in Ordnung Morphologisch zugehörig: Redundanz-, etymologisch
verwandt: ondulieren.
bringen, eintreiben, wieder zurückbringen’, zu
1. agere 'tun’ (s. auch re-). Das französische Reduplikation /. 'Verdoppelung’, s. Duplikat
Substantiv in Anlehnung an frz. action 'Han¬ und re-.
deln, Tun’. reduzieren swV. 'verringern, vermindern’. Im
Morphologisch zugehörig: Redakteur, redaktionell, Re¬ 16. Jh. entlehnt aus 1. redücere (reductum) 'zu¬
daktor, redigieren-, etymologisch verwandt: s. Agenda. rückziehen, zurückführen’, zu 1. dücere 'ziehen,
— Zu redigieren s.: K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), schleppen’ (s. auch re-).
403. Morphologisch zugehörig: Redoute, Reduktion-, etymo¬
Rede/. Mhd. rede, ahd. reda, redi, redia, radia logisch verwandt: s. Dusche. — K.-H. Weinmann
DWEB 2 (1963), 403.
u. ä., mndd. rede f./m., mndl. rede aus g. * raffln
f. 'Rechenschaft’, auch in gt. rapjo, afr. rethe. Reede /. 'Ankerplatz’, fachsprachl. In hoch¬
Das Wort stimmt genau überein mit 1. ratio, so deutschen Texten seit dem 17. Jh. Ursprüngliche
Bedeutung ist 'Ort, an dem Schiffe bereit ge¬
daß der Gedanke an eine Entlehnung naheliegt.
macht werden’ zu der niederdeutschen Entspre¬
Aus lautlichen Gründen und wegen des weiteren
chung von bereit (s. unter bereiten). Hierzu Ree¬
Zusammenhangs ist aber Urverwandtschaft
der und Reederei.
wahrscheinlicher, wobei sekundäre Beeinflus¬
Kluge (1911), 654.
sung durch das lateinische Wort anzunehmen
ist. Die Weiterentwicklung der Bedeutung steht reell Adj. 'anständig, ehrlich’, s. real.
unter dem Einfluß der Weiterentwicklung von Reep n. 'Seil\ fachsprachl., ndd. Niederdeut¬
reden (s. d.). Ein ähnliches Wort mit der Bedeu¬ sche Entsprechung zu Reif, das auch 'Seif
Reet 588 Regenbogen

bedeutet. Reeper ist 'Seiler’ und die Reeperbahn mologisch verwandt: s. flektieren. - Zu Reflex s.:
die (Arbeits)Bahn des Seilers — als Ortsname K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 403.

übergegangen auf das Dimenviertel in Ham¬ Reflex m. 'Reaktion auf einen Reiz, Wider¬
burg. schein’, s. reflektieren.
S. Fallreep, Reif1. Reflexion /. 'Zurückwerfen, Nachdenken’, s.
Reet n. 'Schilf, das auch zum Hausdecken reflektieren.
benützt wurde’, ndd. Niederdeutsche Entspre¬
reformieren swV. 'neugestalten, verbessern’.
chung zu Ried1 (s. d.).
Im 14. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. reför-
Refektorium n. 'Speisesaal in einem Kloster’, märe, zu 1. förmäre 'gestalten, bilden’, zu 1.
J'achsprachl. Im Frühneuhochdeutschen ent¬ förma 'Gestalt, Figur’ (s. auch re-).
lehnt aus gleichbedeutend kirchen-1. refecto- Morphologisch zugehörig: Reform, Reformation, Re¬
rium, dieses zu 1. reßcere 'erquicken, (wörtlich: formator, Reformer, reformieren, Reformismus, Refor¬
wieder hersteilen)’, zu 1 .facere 'machen’ (s. auch mist', etymologisch verwandt: s. Form.
re-).
Refrain m. 'Kehrreim’, fachsprachl. Im 18.
Etymologisch verwandt: s. Fazit.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. refrain
Referendar m. 'Beamtenanwärter’, s. refe¬ (wörtlich: 'Rückprall der Wogen von den Klip¬
rieren. pen’), einer postverbalen Ableitung von afrz.
Referendum n. "Volksentscheid’, s. referieren. refraindre 'brechen’, aus 1. refringere (refräc-
Referenz /. 'Verweis, Empfehlung’, s. refe¬ tum) 'aufbrechen, zerbrechen’, zu 1. frangere
rieren. 'brechen, zerbreqhen’.
referieren sw V. 'vortragen, berichten’, sonder- Etymologisch verwandt: s. Fragment.

sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Refugium n. 'Zufluchtsort’, sonder spracht. Im
frz. referer, dieses aus 1. referre (relätum) (dass., 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. refugium,
wörtlich: 'wiederbringen, zurücktragen’), zu 1. einer Ableitung von 1. refugere 'sich flüchten,
ferre 'tragen’ (s. auch re-). Der Referendar ist seine Zuflucht nehmen’, zu 1 .fugere 'fliehen’ (s.
wörtlich 'ein Berichterstatter aus den Akten’, auch re-).
eine Referenz 'Auskunft über jmd.’. Morphologisch zugehörig: Refuge, refugieren; etymo¬
Morphologisch zugehörig: Referat, Referendariat, Re¬ logisch verwandt: s. biegen.
ferendum, Referent, referentiell', etymologisch ver¬
Regal n. 'Gestell’. In deutschen Texten seit
wandt: s. Differenz. — G. Schoppe ZDW 15(1914),
206; K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 403. dem 17. Jh.; die Herkunft ist nicht geklärt.

Reff1 n. 'Holzgestell’, reg. Mhd. ahd. ref. Regatta /. 'Wettfahrt für Boote’, fachsprachl.
Vergleichbar ist zunächst anord. hrip 'Holzge¬ Im 18. Jh. entlehnt aus it. regata 'Gondelwett¬
stell zum Tragen von Holz und Torf’; außerger¬ fahrt’, dessen Herkunft nicht geklärt ist.
manisch vielleicht lett. kribas 'zusammengebun¬ Regel /. Mhd. regel(e), ahd. regula, regile.
dene Stäbe als Boden des Bauernschlittens’ und Entlehnt aus 1. regula 'Maßstab, Richtschnur,
evtl, weiter 1. corbis m. 'Korb’. Reff als Schimpf¬ Regel’ (zu 1. regere 'leiten’ gehörig), dessen Vo¬
name für ein altes Weib ist wohl aus der Bedeu¬ kal schon mittellateinisch gekürzt worden war.
tung 'Gestell’ übertragen und meint 'Knochen¬
S. Adresse (+). — H. Oppel: KANÜN (Diss. Berlin
gerüst’.
1937), 73 — 106.
Reff2 n. 'Vorrichtung zur Verkürzung der Se¬
Regen m. Mhd. regen, ahd. regan, as. regan-,
gel’, fachsprachl., ndd. Mndd. ref, mndl. reef
regin aus g. *regna- m.jn. 'Regen’, auch in gt.
ebenso anord. riß dazu reffen 'Segel verkürzen’.
rign n., anord. regn n., ae. regn, ren, afr. rein.
Vermutlich zu fläm. reef 'Streifen, Striemen’
Herkunft unklar.
und ähnliche Wörter. Die Einzelheiten bleiben
aber unklar. Nndl. regen, ne. rain, nschw. nisl. regn. — Lühr (1988),
333.
Kluge (1911), 656f.

reffen swV. 'Flachs hecheln’, reg. Bezeugt seit regen swV. Mhd. regen, mndd. rogen, regen
dem 16. Jh., auch als reffein. Dazu mndl. repen, 'aufrichten, erregen, bewegen’. Vermutlich als
reepen, reypen. Herkunft unklar. Kausativum zu ragen (s. d.), also eigentlich 'ra¬
S. Riffel.
gen machen’.

reflektieren swV. 'zurückwerfen, zurückstrah¬ Regenbogen m. Mhd. regenboge, ahd. regan-


len, nachdenken’. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. bogo, mndd. regen(s)boge, mndl. regenboge aus
re fledere (reflexum) 'zurückdrehen, umwen¬ g. *regna-bogön rn. 'Regenbogen’, auch in anord.
den, sich zurückbeugen’, zu 1. fledere 'biegen, regnbogi, ae. regnboga, afr. reinboga. Zu Regen
beugen, krümmen’ (s. auch re-). (s. d.) und Bogen (s. d.).
Morphologisch zugehörig: Reflektor, Reflex, Refle¬ Nndl. regenboog, ne. rainbow, nschw. regnbäge, nisl.
xion, reflexiv, Reflexiv, Reflexivität, Reflexivum', ety¬ regnbogi.
regenerieren 589 reiben

regenerieren swV. 'wiederherstellen, sich erho¬ 'Schritte machen, schreiten5 (s. auch re-). Be¬
len5, s. generieren und re-,
zeichnungsmotivisch demnach 'Zurückkom¬
Regenpfeifer m., fachsprachl. Bezeugt seit men auf jmd.5.
dem 18. Jh. Der Vogel heißt so, weil er angeblich Morphologisch zugehörig: Regressat, Regression, re¬
vor Regen besonders laut pfeift und deshalb als gressiv, Regressivität, Regressor; etymologisch ver¬
Wetterprophet gilt. Vgl. frz. pluvier zu 1. pluvia wandt: s. Aggression.
f. 'Regen5. Regression/. Rückgang, Zurückgehen5, son-
A. H. Krappe IF 50 (1932), 65f. dersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Regent m. 'Herrscher5, s. regieren. tend 1. regressio (-önis), einer Ableitung von
l. regredi 'zurückschreiten, zurückgehen5, zu 1.
Regenwurm m. Mhd. regenwurm, ahd. regan¬
gradi 'schreiten5 (s. auch re-).
wurm. Der Wurm heißt so, weil er nach Regen
Morphologisch zugehörig: Regreß, regressiv, Regressi¬
besonders häufig an der Erdoberfläche anzu¬ vität, Regressor; etymologisch verwandt: s. Aggression.
treffen ist.
Regulator m. 'steuernde Kraft/Einrichtung5,
M. Dolch NJ 67/68 (1941/42), 184-191.
s. regulieren.
Regie/. 'Leitung5, s. regieren.
regulieren swV. 'regeln, gestalten5. Im Mittel¬
regieren swV. 'herrschen5. Im Mittelhochdeut¬ hochdeutschen (mhd. regulieren) entlehnt aus
schen (mhd. regieren) entlehnt aus gleichbedeu¬ gleichbedeutend 1. reguläre, zu 1. regula 'Ma߬
tend afrz. reger, dieses aus 1. regere (rectum) stab, Regel, Grundsatz, (wörtlich: Leiste, Latte,
(dass., auch: richten, lenken5). Regie meint 'das Stab, Schiene)5, zu 1. regere 'gerade richten,
Leiten des Schauspiels5, Regiment hat neben lenken5.
'Leitung5 auch metonymisch die Bedeutung 'un¬ Morphologisch zugehörig: Regel, Regular, (ir-)regu-
ter der Leitung (eines Obersten) stehende Trup¬ lär, Regularien, Regularität, Regulation, regulativ. Re¬
peneinheit . Rektor ist der 'Lenker5 einer Schule. gulativ, Regulator; etymologisch verwandt: s. Adresse.
In der grammatischen Terminologie ist regieren - Schirmer (1911), 158; G. Schoppe ZDW 15 (1914),
206; Brunt (1983), 448.
und Rektion die Forderung eines Verbs nach
einem bestimmten Kasus. Reh n. Mhd. re(ch), ahd. as. reho m. aus g.
Morphologisch zugehörig: Regent, Regime, Regisseur; *raiha- n. 'Reh5, auch in anord. rä/., ae. rä(ha)
etymologisch verwandt: s. Adresse. m. Dazu mit grammatischem Wechsel ahd. reia
/., reiga /., ae. rage f. 'weibliches Reh5 (*raig-
Regime n. 'Herrschaft5, s. regieren.
jön). S. auch Ricke. Vermutlich zu einem Farb-
Regiment n. 'Leitung; eine Truppeneinheit5, s. wort für 'bunt, scheckig5, das in air. riabach
regieren. 'bunt, gefleckt5, lit. ratbas, russ. rjaböj 'bunt,
Region /. 'Gebiet, Gegend5. Im 15. Jh. ent¬ fleckig5 bezeugt ist.
lehnt aus gleichbedeutend 1. regio (-önis), zu 1. Nndl. ree, ne. roe, nschw. rädjur, nisl. rädyr. S. Ricke.
regere 'die Grenzen abstecken, lenken, leiten5. - Palander (1899), 109-112.
Morphologisch zugehörig: regional, Regionalismus, rehabilitieren swV. 'wiederherstellen, einglie-
Regionalist, regionär; etymologisch verwandt: s. dem5, s. habilitieren und re-.
Adresse.
Rehe /. 'Gliedersteifheit bei Tieren5, fach¬
Regisseur m. 'Schauspielleiter5, s. regieren. sprachl. Zu reh 'steif auf den Beinen5, mhd.
Register n. 'Verzeichnis5. Im Frühneuhoch¬ rahe. Weitere Herkunft unklar.
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend ml. re- Rehling m. 'Pfifferling5, südod. Bezeugt seit
gistrum, aus 1. regesta /., regestum (dass.), dem dem 16. Jh. Die Bezeichnung soll kaum mehr
substantivierten PPP. von 1. regerere (regestum) besagen, als daß dieser Pilz dort häufig wächst,
'eintragen, einschreiben, zurücktragen, aufwer¬ wo Rehe anzutreffen sind.
fen5, zu 1. gerere 'tragen5 (s. auch re-). Reibach m., auch Rebbach m. 'unverhältnis¬
Morphologisch zugehörig: Registrator, Registratur; mäßig großer Gewinn5, ugs. Aus dem Rotwel¬
etymologisch verwandt: Gerundium, Gerundivum, Ge¬ schen, wo das Wort seit dem 19. Jh. bezeugt
ste, [gestikulieren], suggerieren (usw.). — Schirmer
ist. Dieses aus wjidd. rebach, reibach u. ä., das
(1911), 157f.; G. Schoppe ZDW 15(1914), 206.
aus hebr. räwah 'Verdienst, Gewinn5 stammt.
Reglement n. 'Richtlinien, Bestimmungen5, s.
reiben stV. Mhd. rlben, ahd. rlban, mndd.
regulieren.
(w)riven, mndl. wriven, nwfr. wriuwe führen auf
Regreß m. 'Rückgriff auf, Zurückgehen5, vor-d. (und fr.) *wreib-a- stV. 'reiben5. Außer¬
fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ germanisch entspricht gr. rhiptö 'ich (drehe),
deutend 1. regressus (wörtlich: 'Rückkehr, werfe5. Andere Wörter für 'drehen5, die auf
Rückgang, Rückzug5), dem substantivierten einer Grundlage ig. *wer- beruhen, s. unter
PPP. von 1. regredi 'an jmd. Ersatzansprüche werden.
stellen, (wörtlich: zurückgehen)5, zu 1. gradi S. auch rebeln, ribbeln, rubbeln.
590 Reiher
Reich

Reich n. Mhd. rTch(e), ahd. rThhi, as. riki aus hrimi, ae. hrim, nndl. rijm gleicher Bedeutung
g. *rikja- n. 'Königreich u. ä.\ auch in gt. reiki, (*hreipön neben *hreipna- oder *hrei[p]ma-l).
ae. rice. Entlehnt aus kelt. *rlgjo- aus ig. *regjo- Gehört vermutlich zu g. *hrei-na- stV. 'berüh¬
zu *reg- 'König’. Vielleicht weisen einige unpoli¬ ren’ (aus 'streifen’?) in anord. hrina, ae. as.
tische Verwendungen des Wortes darauf hin, hrinan, ahd. (h)rinan, etwa als das Überge¬
daß ein zumindest ähnliches Erbwort schon zu¬ streifte’ oder 'was abgestreift werden kann’.
vor in den germanischen Sprachen bestanden Außergermanisch vergleicht sich lett. kriet ab¬
hat (s. hierzu reichen). Aber an der Übernahme rahmen’.
des keltischen Wortes als solcher kann kein Nndl. rijp, rijm. S. Rauhreif.
Zweifel bestehen. reif Adj. Mhd. rif(e), ahd. rif(i), as. rlpi aus
S. reich, reichen ( + ). - J. Trier NA WG (1943), wg. * reip ja- Adj. 'reif’, auch in ae. rlpe. Adjektiv
535-538; DLZ 65 (1944), 283-286; P. v. Polenz der Möglichkeit zu wg. *reip-a- stV. 'ernten’ in
ZDPh 76(1957), 80-94. ae. rlpan. Ausgangsbedeutung also 'was geern¬
reich Adj. Mhd. rich(e), rieh, ahd. rlhhi, as. tet werden kann’. Keine sichere außergermani¬
riki; ferner ae. rlce, gt. reikeis 'mächtig'. Eigen¬ sche Vergleichsmöglichkeit. Man schließt an
schaftsadjektiv zu gt. reiks 'Herrscher’, das aus *rei- 'reißen’ an, das erweitert vorliegt in anord.
kelt. *rlg- 'König’ (air. ri usw.) entlehnt ist. Die rifa 'zerreißen’, afr. riva 'reißen’, gr. ereipö 'ich
Ausgangsbedeutung ist also 'herrscherlich’. reiße nieder’ u. a.
S. Reich, reichen, reichhaltig, -(e)rich. — R. Ris: Das Nndl. rijp, ne. ripe.
Adjektiv 'reich' (Berlin 1971).
Reifen m. Im l’8. Jh. als Nebenform zu Reif
reichen swV. Mhd. reichen, ahd. reihhön, (s. d.) gebildet. Es bezeichnet ursprünglich den
reihhen, mndd. re(c)ken, mndl. reiken, Faßreifen, dann Wagenreifen und schließlich
re(e)ken, aus wg. *reik-ija- swV. 'reichen’, auch die heutige Fahrzeugbereifung.
in ae. räcan, afr. reka, retza. Da keine naheste¬
Reigen m. In dieser Form von Jahn in die
henden Formen vorhanden sind, lassen sich
Turnersprache eingeführt für einen rhythmi¬
Morphologie und Lautstand der vorliegenden
schen Reihentanz. Die früher vorherrschende
Sippe schwer beurteilen. Dies wäre aber von
Form ist Reihen, mhd. rei(g)e, mndd. reife),
einiger Bedeutung, auch für die Beurteilung des
refijge (das g ist Übergangslaut). Zu Beginn
Lehnwort-Charakters von Reich (s. d.) und
des 13. Jhs. vermutlich entlehnt aus afrz. raie,
reich (s. d.). Semantisch könnte von der Wurzel
dessen Bedeutung aber unsicher ist ('eine Art
*reg- 'lenken, richten, leiten’ ausgegangen wer¬
Spiel’, 'Tanz’?).
den, in der auch die Bedeutungen 'recken’ und
'reichen’ bezeugt sind. Eine Variante *reig- Reihe /. Mhd. rfhe(n). Daneben mhd. rige,
scheint zu bestehen (oder ist es eine davon un¬ ahd. riga 'Linie’, mndd. rige, mndl. rie, rye, rij
abhängige Wurzel?), vgl. lit. reizti 'recken’ (aber 'Reihe’. Vermutlich aus einem starken Verb, das
mit anderer Bedeutungsentfaltung). Gr. oregö aber erst spät bezeugt ist: mhd. rThen, mndd.
hat eine Variante orig-, die aber vermutlich in¬ rigen, mndl. rien, rijen, rigen, nwfr. riuwe 'auf¬
nergriechisch zu erklären ist (E. Schwyzer: Grie¬ reihen’. Herkunft unklar. Wenn von 'Spalt,
chische Grammatik I, München, 4. Au fl. 1968, Strich’ auszugehen ist, dann kann ai. rikhäti
S. 695). Weiter vielleicht air. riag 'Folter’ ('jmd. 'ritzt’, ai. rekha 'Streifen, Linie’, gr. ereikö 'ich
strecken’?); evtl. 1. rigere 'starren, strotzen’. We¬ zerbreche’, lit. riekti 'Brot schneiden’, kymr.
gen der weitreichenden Schlußfolgerungen, die rhwyg, rhwygiad 'Bruch, Spalte’ verglichen
mit einer Entscheidung verknüpft sind, emp¬ werden.
fiehlt sich Zurückhaltung bei der Beurteilung Nndl. rij. S. Riege.
dieser Sachlage. Reihen1 m. 'Tanz’, s. Reigen.
Nndl. reiken, ne. reach. S. Bereich, Reich, reich. Reihen2 m. 'Rücken des Fußes’, südd. Mhd.
reichhaltig Adj. Seit dem 17. Jh. in der Berg¬ rThe, ahd. rlho 'Kniekehle, Wade’; offenbar auch
mannssprache für Fundstätten mit guter Aus¬ (mit Einfluß von werven 'drehen’ oder wrijven
beute. Dann übertragen auf andere Bereiche. 'reiben’?) nndl. uree/'Rist’. Dazu Rist und seine
Zu reich (s. d.) und halten (s. d.). Verwandtschaft und mit ähnlicher Bedeutung
Reif1 m. 'Ring’, arch. Mhd. ahd. reif, mndd. lit. riesa(s) 'Handgelenk, Fußgelenk’. Vermut¬
rep aus g. *raipa- m./n. 'Band, Reif, Seil’, auch lich als 'Gelenk’ zu ae. *wrlgian 'sich wenden,
in gt. skauda-raip n. 'Schuhriemen’, anord. reip beugen’, afr. wrigia 'sich beugen’; außergerma¬
n., ae. afr. räp. Herkunft unklar. nisch avest. uruuisiieiti 'wendet sich, dreht sich’.
Nndl. reep, ne. rope, nschw. rep, nisl. reipi. S. Fallreep, Nndl. wreef. S. Rist.
Reep, Reifen, Stegreif. Reiher m. Mhd. reiger, reigel, ahd. reigar(o),
Reif2 m. 'gefrorener Tau’. Mhd. rif(e), ahd. reiger, mndd. reger, mndl. refijger aus vor-d.
(h)rjfo, rif as. hrlpo. Daneben anord. hrim n.. *hraigrön, woraus durch Dissimilierung *haiga-
reihern 591 reiten

ron in ahd. heigar(o), heigro mhd. heiger. Das Reise/ Mhd. reis(e), ahd. reisa, mndd. reise,
Wort ist eine Teilreduplikation des Tierschreis mndl. re(i)se aus vor-d. *raisö f. 'Aufbruch,
(*krai-kr-). Vgl. unredupliziert kymr. creyr, Reise ; abgeleitet von g. *reis-a- stV. 'aufgehen,
crehyr (u. ä.). Ähnliche Schallwörter in lit. kryk- sich erheben’ in gt. -reisan, anord. risa, ae. risan,
sti kreischen' u. a. Die neuhochdeutsche Form
afr. risa, as. risan, ahd. risan 'niederfallen, stür¬
beruht auf regionalem Schwund des intervoka-
zen’. Bei der Bedeutung ist vor allem der Ein¬
lischen g.
fluß der Präfixe zu beachten. Dieses ist eine nur
Nndl. reiger, nschw. hager, nisl. hegri. - Suolahti
germanische Erweiterung der Grundlage *rei-
(1909), 377-379.
(vgl. lett. tet 'hervorbrechen, aufgehen’), die zu
reihern swV. 'sich heftig übergeben, Durchfall ig. *or- 'sich erheben’ gehört. Dieses in 1. oriri
haben , ugs., reg. Nach dem dünnflüssigen Kot sich erheben’, gr. örnymai 'ich erhebe mich’,
des Reihers.
avest. avi ar- 'aufgehen, sich erheben’.
Reim m. Mhd. rim. Im 12. Jh. aus dem Fran¬ Nndl. reis. S. Orient (+), Reisiger, Reisläufer, Riese2,
zösischen entlehnt, das rime aus dem Verb rimer rieseln.
in Reihen ordnen, reimen’ rückgebildet hat. Reisig n. Mhd. risach, risech, riseht, ahd.
Das Verb stammt aus g. *rima- m./n. 'Zahl, risahi. Kollektivbildung zu Reis2 (s. d.).
Reihenfolge’ in anord. rim n. 'Rechnung, Kalen¬
Reisiger m., arch. Substantivierung des Ad¬
der’, ae. rim n., as. ahd. mhd. rim 'Zahl, Reihen¬
jektivs mhd. reisec, reisic, mndd. mndl. reisich
folge’. Dieses zu *arei- in air. rim f. 'Zahl’, gr.
beritten’, einer Ableitung von Reise im Sinn
arithmös 'Zahl’, erweitert aus der unter Arm
von 'Kriegszug’ (s. d.).
(s. d.) behandelten Wurzel *ara- 'fügen’.
S. auch gerade1, hundert, Rede (+ ). - Braune (1916); Reisläufer m., arch. Bezeugt seit dem 16. Jh.
A. Götze NJKA 39(1917), 141; L. WolfT ZDA Gemeint ist 'Landsknecht in fremden Diensten’,
67(1930), 263 — 271; N. Tömquist ÄHVL (1934), zu Reise (s. d.) im Sinn von 'Kriegszug’.
67-131; J. Trier BGDSL 66(1942), 254-264.
Reißblei n. Bleistift’, arch. Bezeugt seit dem
rein Adj. Mhd. reine, ahd. reini, as. hreni 17. Jh. Eigentlich 'Blei zum Reißen = Zeich¬
aus g. *hreini/ja- Adj. 'rein’, auch in gt. hrains, nen’; obwohl die färbenden Stifte schon früh
anord. hreinn, afr. hrene. Eigentlich 'gesiebt, aus Eisenkohle und später aus Graphit be¬
gesäubert’ zu *krei- 'scheiden, sichten’ in gr. standen.
krinö, 1. cernere; vgl. vor allem die Wörter für
Reißbrett n. 'Zeichenbrett’. Bezeugt seit dem
'Sieb’ in 1. cribrum, air. criathar, nhd. Reiter
17. Jh. Eigentlich 'Brett zum Reißen =
(s. d.).
Zeichnen’.
Nndl. rein, nschw. ren, nisl. hreinn. S. Dekret (+). —
O. Gaupp: Zur Geschichte des Wortes 'rein (Diss. reißen st V. Mhd. rizen, ahd. rizan, as. writan
Tübingen 1920); L. WolfT ZDA 67(1930), 263-271; aus g. *wreit-a- stV. 'reißen, ritzen’, auch in
PfafT (1933), 45f.; Trier (1952), 61. anord. rita, ae. writan, afr. PPrät. writen (gt. in
Reineke m. ( = Bezeichnung des Fuchses in writs 'Strich’). Die Herkunft dieser Sippe ist
der Tierfabel, Weidmannssprache u. ä.), sonder- unsicher, zumal nicht klar ist, ob nicht eine
sprachl. Aus dem niederdeutschen Tierepos (15. Wurzelmischung .('reißen’ — 'ritzen’) vorliegt.
Jh.); eigentlich Personenname, Koseform zu hd. Die von der Schreibtechnik bei Runen ausge¬
Reinhart, ahd. reginhart, eigentlich 'der im Rat gangene Bedeutung 'schreiben’, auch 'zeichnen’
fest ist’ mit Bezug auf die dem Fuchs nachge¬ ist auch im Deutschen noch bezeugt (s. zu letz¬
sagte List. terem Abriß, Reißblei und Reißbrett). Mit der
Reis1 m. {= Körnerfrucht). Mhd. ris. Ent¬ Bedeutung 'ritzen’ vergleicht sich außergerma¬
lehnt aus ml. risum n., risus. Dieses aus 1. oriza nisch vielleicht gr. rhine 'Feile, Raspel’.
/., aus gr. öryza f. Das griechische Wort aus Nndl. rijten, ne. write. S. auch Grätzel, Riß, ritzen.
den iranischen Sprachen (pers. wrizey), die es Reißer m. 'spannendes Stück; Artikel, der sich
aus ai. vrihi- entnommen haben. Dessen Her¬ gut verkauft’, ugs. Zu der Bedeutung von rei¬
kunft ist unklar. ßend, die zunächst in reißender Strom vorliegt
S. auch Roggen. — Littmann (1924), 15. und von dort auf den Verkauf übertragen wird.
Reis2 n. 'Zweig’, arch. Mhd. ris, ahd. (h)ris, Reitel m. 'Knebel, Drehstange’, reg. Mhd.
mndd. ris, mndl. rijs aus g. *hreisa- n. 'Reis, reitel, mndd. wre(ijdel; abgeleitet aus g. *wreip-a-
Büschel, Lode’, auch in anord. hris, ae. afr.
stV. 'drehen, winden’ in anord. riöa, ae. wripan,
hris. Außergermanisch vergleicht sich 1. crinis
ahd. ridan. Außergermanisch vergleicht sich lit.
m. 'Haar, Locken’ und die /^-Erweiterung in 1.
riesti 'aufbiegen, zusammenrollen’. Weiterbil¬
crispus 'kraus’ und Rispe (s. d.). Die weitere
dung der Wurzel *wer- 'drehen’ (s. werden).
Herkunft ist unklar.
S. unter Wisch. Nndl. rijs, nschw. ris, nisl. hris. S. reiten st V. Mhd. riten, ahd. ritan, as.
Reisig, Rispe. — Trier (1952), 58 — 62; Schmidt-Wie¬ (umbi)ridan aus g. *reid-a- stV. 'reiten’, auch
gand (1978). in anord. riöa, ae. ridan, afr. rida. Außergerma-
Reiter 592 relativ

nisch ist unmittelbar zu vergleichen air. reidid rekonstruieren swV. 'wiederherstellen, nach¬
'reitet, fährt’, vielleicht auch lit. riedeti 'rollen’. bilden’, s. konstruieren und re-.
Weitere Anknüpfungen sind möglich, aber er¬ Rekonvaleszent m. 'jmd., der sich von einer
heblich weniger sicher. schweren Krankheit erholt’, fachsprachl. Neu¬
Nndl. rijden, ne. ride, nschw. rida, nisl. riöa. S. Pferd, bildung des 18. Jhs. zu 1. convalescere 'erstar¬
Ritter. ken’ (s. auch re-), zu 1. valescere (dass.) (s.
Reiter /. 'Sieb’, reg. Mhd. riter, ahd. ritera, auch kon-), einem Inchoativum zu I. valere 'bei
as. hrldra aus wg. *hreidrö f. 'Sieb’, auch in Kräften sein’.
ae. hridder n. Außergermanisch vergleichen sich Morphologisch zugehörig: rekonvaleszent, Rekonvales¬
(mit verschiedenen Dentalen) air. criathar, 1. zenz-, etymologisch verwandt: s. ambivalent. — G.
cnbrum (aus -dh-) n. 'Sieb’. Zu der unter rein Schoppe ZDW 15 (1914), 206.
(s. d.) behandelten Sippe für 'sieben, sichten’. Rekord m. 'Höchstleistung’. Im 19. Jh. ent¬
M. Förster Anglia 61 (1937), 341—350; Trier (1952), lehnt aus gleichbedeutend ne. record (wörtlich:
61. 'Aufzeichnung’), zu e. record 'aufzeichnen, auf¬
reizen swV. Mhd. reizen, ahd. reizen. Zu einer schreiben’, aus afrz. recorder 'erinnern, verge¬
Grundlage voreinzelsprachl. *rei-d- 'reizen’. genwärtigen’, aus 1. recordärl (dass.), zu 1. cor
Vielleicht ist unmittelbar zu vergleichen lett. (-rdis) n. 'Gesinnung, Herz’ (s. auch re-). Die
ridit 'hetzen, aufwiegeln’; mit anderen Erweite¬ heutige Bedeutung in metonymischer Übertra¬
rungen 1. irritäre 'erregen, reizen’, gr. or'mö 'ich gung von der Aufzeichnung zum Aufgezeichne¬
setze in Bewegung, errege, reize’, sowie gr. eris ten. In Recorder ikt die alte Bedeutung bewahrt.
'Streit’. Etymologisch verwandt: s. Akkord.
S. irritieren, trotzen. — Reuter (1906), 44 — 46. Rekrut m. 'Soldat in der Grundausbildung’,
Reizker m. (= eine Pilzart), fachsprachl. Im fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
16. Jh. entlehnt aus einer slavischen Sprache, deutend frz. recrue f. (wörtlich: 'Nachwuchs’),
vgl. cech. ryzec. Dieses zu einem slavischen zu frz. recroitre 'nachwachsen’, zu frz. croitre
Wort für 'rot’ (aruss. rudü usw.) wegen des 'wachsen’ (s. auch re-), aus 1. crescere (dass.),
roten Saftes. einem Inchoativum zu 1. creäre 'schaffen’.
Morphologisch zugehörig: rekrutieren-, etymologisch
rekapitulieren swV. 'wiederholen, zusammen¬
verwandt: s. kreieren.
fassen’, eigentlich 'neu verhandeln’, s. kapitulie¬
ren und re-, Rektion/. 'Kasusbestimmung’, s. regieren.

Rekel m., auch Räkel m. 'großer Rüde uned¬ Rektor m. 'Schulleiter, Hochschulrepräsen¬
ler Rasse’, nordd. Ursprünglich niederdeutsches tant’, s. regieren.
Wort, das in übertragener Bedeutung 'fauler rekurrieren swV 'auf Früheres Bezug neh¬
Mensch, aufgeschossener Bursche’ seit frühneu¬ men’, s. Kurs und re-.
hochdeutscher Zeit übernommen wird. Hierzu
Rekurs m. 'Bezug auf Früheres’, s. Kurs und
sich rekeln. Das Grundwort ist zu vergleichen
re-.
mit alem. rache 'Spürhund’, ae. rcecc 'Hühner¬
hund’, anord. rakki 'Rüde’. Weitere Herkunft Rekursion /. 'Nennung einer Größe in einer
unklar. Vgl. Bracke (?). Definition ihrer selbst’, s. Kurs und re-.

Lühr (1988), 220f. Relais n. 'automatische Schalteinrichtung, bei


der mit schwächerem Strom ein stärkerer
rekeln swV., s. Rekel.
Stromkreis geschaltet wird’, fachsprachl. Im 17.
Reklamation /. 'Beanstandung’, s. rekla¬ Jh. entlehnt aus frz. relais m. 'Vorspann, Pferde-
mieren. wechsel’, einer postverbalen Ableitung von afrz.
Reklame /. 'Werbung’, s. reklamieren. relaissier 'zurücklassen’, zu frz. laisser Tassen,
reklamieren sw V. 'beanstanden, sich beschwe¬ nachlassen’ (s. auch re-), aus 1. laxäre (dass.,
ren’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. wörtlich: 'lockern, lösen, schlaff machen’), zu 1.
reclämäre (wörtlich: 'entgegenrufen, dagegen¬ laxus 'locker, schlaff’. Als Bezeichnung einer
schreien’, auch: 'laut rufen, widerhallen’), zu Pferdewechselstation demnach benannt als
I. clämäre Taut rufen’ (s. auch re-). Reklame 'Ort, an dem man die alten Pferde zurückläßt’.
'Werbung’ geht zurück auf die Bedeutung Taut Die Bedeutungskomponente des Wechselns ist
dann Ausgangspunkt für die moderne Bedeu¬
rufen’ und meint das laute Anpreisen von
tung.
Waren und ihren Vorzügen.
Etymologisch verwandt: s. lax.
Morphologisch zugehörig: Reklamant, Reklamation;
etymologisch verwandt: s. deklamieren. Relation /. 'Beziehung’, s. relativ.
rekommandieren swV. 'empfehlen, einschrei- relativ Adj. 'in der Gültigkeit abhängig’. Im
ben lassen’, s. kommandieren und re-. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. relatif
relevant
593 renitent

dieses aus 1. relätivus 'sich beziehend auf, bezüg¬


Remoulade f. ( — verfeinerte Mayonnaise).
lich’, zu 1. referre (relätum) 'zurückführen, zu¬
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
rückwenden , zu 1. ferre tragen’ (s. auch re-).
remoulade, dessen Herkunft nicht sicher geklärt
Morphologisch zugehörig: Relation, Relativ, relativie¬ ist.
ren, Relativismus, Relativist, Relativität, Relativprono¬
men, Relativum; etymologisch verwandt: s. Differenz. rempeln swV. Über die Studentensprache aus
relevant Adj. 'bedeutsam’, s. Relief. obsächs. rämpel 'Klotz, Flößholz’. Weitere Her¬
kunft unklar.
Relief n. 'Abbildung mit erhabener bzw. ver¬
tiefter Oberfläche’, fachsprachl. Im 18. Jh. ent¬ Remter m. 'Speisesaal eines Klosters’, arch.
lehnt aus gleichbedeutend frz. relief m. (wört¬ Mhd. revent(er) m./n. Entstellende Entlehnung
lich: 'Hervorheben’), zu frz. relever 'hochheben, aus kirchen-1. refectorium n., dieses zu 1. reficere
aufheben’. dieses aus 1. releväre (dass.), zu 1. (sich) wiederherstellen’, zu 1. facere machen,
tun’.
leväre 'heben, wegheben, erleichtern’ (s. auch
S. Fazit ( + ).
re-), zu 1. levis 'leicht’.
Etymologisch verwandt: s. leger. Ren n., fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
Religion /. 'Glaubenslehre’. Im Frühneuhoch¬ schw. ren, das auf anord. hreinn m. zurückgeht.
Dieses vermutlich zu einer Gruppe von Bezeich¬
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1. reli¬
gio (-onis) (auch: 'gewissenhafte Berücksichti¬
nungen für horntragende Tiere, zu denen Rind,
gung, Sorgfalt). Die weiteren etymologischen Hirsch und Horn gehören. Am nächsten ver¬
wandt kann sein gr. kriös m. 'Widder’, das aber
Zusammenhänge sind nicht sicher geklärt.
auch anders erklärt werden kann.
Morphologisch zugehörig: religiös, Religiosität. - G
S. auch Rentier.
Lieberg RFIC 102(1974), 34-57 (vgl. auch AB
20[1976], 139f.). Renaissance /. 'Rückbesinnung, Wiederbele¬
Relikt n. 'Überrest’, s. Reliquie. bung’, fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeu¬
Reling /., fachsprachl. In dieser Form nach tend frz. renaissance (wörtlich: 'Wiedergeburt’),
ne. railing; im 18. Jh. auch regeling nach mittel¬ zu frz. renaitre 'wiedergeboren werden, aufle¬
ben’, zu frz. naitre 'geboren werden’, aus 1.
niederdeutschem/mittelniederländischem Vor¬
bild. Dieses zu mndd. regel m„ mndl. regel(e) näsci (dass.). Die ursprüngliche Bedeutung des
m. 'Querholz, Latte’ (s. Riegel). Wortes scheint Wiederausschlag’ gewesen zu
sein; doch geht die Bezeichnung der Epoche
Reliquie /. 'Überliefertes eines Verehrten’,
ersichtlich von der Bedeutung 'Wiedergeburt’
fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. re- aus.
liquie) entlehnt aus gleichbedeutend kirchen-1.
Etymologisch verwandt: s. Genus. - A. Buck (Hrsg.):
reliquiae, dieses aus 1. reliquiae 'Überrest, Zu¬ Zu Begriff und Problem der Renaissance (Darmstadt
rückgebliebenes’, zu 1. reliquus 'zurückgelassen, 1969); Trier (1981), 108-117; R. Hiersche BN
übriggeblieben’, zu 1. relinquere (relictum) 'zu¬ 18 (1983), 275-277.
rücklassen’, zu 1. linquere 'lassen, zurücklassen’
Rendezvous n. 'Stelldichein’. Im 18. Jh. ent¬
(s. auch re-). Daraus auch Relikt.
lehnt aus gleichbedeutend frz. rendez-vous m.,
Morphologisch zugehörig: Reliquiar; etymologisch substantiviert aus frz. rendez vous 'begebt euch
verwandt: s. Delikt.
wohin’, zu frz. se rendre 'sich irgendwohin bege¬
Reminiszenz f. 'Erinnerung’, sonder spracht. ben’. So benannt aufgrund der gleichlautenden
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. re- Aufforderung an Soldaten, sich zu versammeln.
mimscentia, zu 1. reminiscT 'an etwas zurück¬ Dann allgemeiner 'Versammlung, Verabre¬
denken, sich erinnern’, das mit 1. mens 'Sinn’ dung’, schließlich die speziellere Bedeutung.
verwandt ist. Ersatzwort ist Stelldichein. - Jones (1976), 565-567'
Etymologisch verwandt: s. mental. Brunt (1983), 450f.

remis Adj. 'unentschieden’, fachsprachl. Im Rendite/, jährlicher Ertrag einer Kapitalan¬


19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. remis lage’, s. Rente.
(wörtlich: 'zurückgestellt’), dem PPrät. von frz.
Reneklode /. (= eine Pflaumensorte), fach¬
remettre 'wieder hinbringen, übergeben’, zu frz.
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. reine-
mettre 'stellen, setzen’, aus 1. mittere (missum)
claude (wörtlich: 'Königin Claude’), so bezeich¬
'laufen lassen, übergeben, senden’.
net zu Ehren der Gemahlin des französischen
Etymologisch verwandt: s. Mission. Königs Franz I.
Remittende /. 'an den Verlag zurückgeschick¬ Etymologisch verwandt: Maharadscha.
tes, fehlerhaftes Druckerzeugnis’, s. Mission
renitent Adj. 'sich widersetzend’, sonder-
und re-,
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Remmidemmi n. 'Trubel’, ugs. Herkunft frz. renitent, dieses aus 1. remtens (-entis)
dunkel. I (dass.), dem PPräs. von 1. renitJ 'sich widerset-
594 Repressalie
Renke

zen, sich entgegenstemmen’, zu 1. nitl sich stem¬ 1. reparäre, zu 1. paräre 'bereiten, gehörig ein¬
men, sich stützen’ (s. auch re-). richten’ (s. auch re-).
Morphologisch zugehörig: Renitente, Renitenz; zum Morphologisch zugehörig: (ir-)reparabel, Reparateur,
Reparation, Reparatur, etymologisch verwandt: s.
Etymon s. neigen.
parat.
Renke /., fachsprachl. Vermutlich das gleiche
Repertoire n. 'das einstudierte Programm’,
Wort wie mhd. rinanke, ahd. rmanco zu dem
sonder sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Flußnamen Rhein (es gibt auch Inn-, Isar- und
deutend frz. repertoire m., dieses aus 1. repertö-
Illanken). Der zweite Bestandteil scheint das
rium 'Verzeichnis’, zu 1. reperlre 'wiederfinden,
alte Wort für Butter zu sein (vgl. ahd. anko m.
auffinden’, zu 1. perlre 'ganz Weggehen, verlo¬
'Butter’), weil der Fisch verhältnismäßig fett ist.
rengehen’, zu 1. Ire 'gehen’ (s. auch per-). Dem¬
renken swV., arch. Heute in der Regel ein-, nach eine metonymische Übertragung vom Ver¬
aus-, verrenken. Mhd. renken, ahd. (bi)renken zeichnis auf das in einem Verzeichnis aufge¬
aus wg. *wrankija- swV. 'renken’, auch in ae.
führte Programm.
wrencan. Nasalierung einer Tektalerweiterung
Morphologisch zugehörig: Repertorium; etymologisch
von *wer- 'drehen’, wie ringen/wringen; zu
verwandt: s. Abitur.
*wer-, vgl. werden, werfen u. a.
repetieren swV. 'wiederholen’, sonder sprachl.
Ne. wrench. S. divergent (+), Rank, verrenken.
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. repe-
rennen swV. Mhd. ahd. rennen, as. rennian tere (wörtlich: 'wieder auf etwas losgehen’), zu
aus g. *rann-eja- swV. 'laufen machen, rinnen 1 .petere (petltum) 'langen, greifen’ (s. auch re-).
machen’, auch in gt. urrannjan 'aufgehen las¬ Morphologisch zugehörig: Repetent, Repetition, Repe¬
sen’, anord. renna, ae. gerennan, afr. renna, titor, Repetitorium; etymologisch verwandt: s. Appetit.
rinna. Kausativum zu dem unter rinnen (s. d.) - G. Schoppe ZDW 15 (1914), 206f.
dargestellten Verb. Replik /. 'Erwiderung’, sonder sprachl. Im
Wolf (1958), 196. Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
Renommee n. 'Ansehen, Ruf’, sondersprachl. deutend 1. replicätio (-önis) (wörtlich: Zurück¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. falten, Wiederaufrollen’), zu 1. replicäre 'zu¬
renommee /., dem substantivierten PPrät. von rückbeugen, Zurückschlagen’, zu 1. plicäre 'fal¬
frz. renommer 'loben, rühmen, wieder ernen¬ ten, zusammenfalten’ (s. auch re-).
nen’, zu frz. nommer 'nennen, bezeichnen’ (s. Morphologisch zugehörig: Replikat, replizieren; ety¬
auch re-), aus 1. nöminäre 'benennen, nennen, mologisch verwandt: s. Komplikation. — Jones (1976),
rühmen’, zu 1. nömen 'Name, Benennung’. 570.
Morphologisch zugehörig: Renommage, renommiert, Reporter m. 'Berichterstatter’. Im 19. Jh. ent¬
Renommist' etymologisch verwandt: s. Nomen. - lehnt aus gleichbedeutend ne. reporter, einer
Jones (1976), 569. postverbalen Ableitung von e. report 'berich¬
renovieren swV. 'wieder herrichten’. Im 16. ten’, aus afrz. reporter 'überbringen’, aus 1. re-
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. renoväre, zu portäre 'zurücktragen, zurückbringen’, zu 1. por-
1. noväre 'erneuern’ (s. auch re-), zu 1. novus täre 'tragen’ (s. auch re-). Der Reporter ist dem¬
'neu’. nach bezeichnungsmotivisch 'jmd., der Nach¬
Morphologisch zugehörig: Renovation-, etymologisch richten überbringt’.
verwandt: s. Novum. - K.-H. Weinmann DWEB Morphologisch zugehörig: Report, Reportage; etymo¬
2 (1963), 403. logisch verwandt: s. Porto.
rentabel Adj. 'lohnend, einträglich’, s. Rente. repräsentieren swV. 'vertreten, darstellen’,
Rente /. Mhd. rent(e) 'Zinsertrag’. Entlehnt sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
aus afrz. rente, ursprünglich Partizip zu rendere, deutend frz. representer, dieses aus 1. repraesen-
einer romanischen Nebenform zu 1. reddere 'zu¬ täre (wörtlich: 'vergegenwärtigen’), zu 1. prae-
rückgeben’. Dazu auch Rendite, rentabel, ren¬ sentäre 'gegenwärtig machen, zeigen’ (s. auch
tieren. re-), zu 1. praesens (-entis) 'gegenwärtig’, zu 1.
Schirmer (1911), 160.
praes 'da, bei der Hand’, zu 1. prae (s. auch
prä-), und I. esse 'sein’.
Rentier n., fachsprachl. Verdeutlichende Zu¬
Morphologisch zugehörig: repräsentabel, Repräsen¬
sammensetzung zu Ren (s. d.); bereits vorgege¬
tant, Repräsentanz, Repräsentation, repräsentativ; ety¬
ben in anord. hreindyri, schw. rendjur. mologisch verwandt: s. Essenz. — H. Hoffmann: Re¬
rentieren .swV. 'sich lohnen’. Französisierende präsentation (Berlin 1974).
Bildung zu d. renten 'Gewinn bringen’ (s. Repressalie /. 'Strafmaßnahme’, sonder¬
Rente). sprachl. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
reparieren swV 'wieder funktionstüchtig ma¬ aus ml. represalia 'Recht, sich wiederzunehmen,
chen’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend I was einem geraubt wurde’, mit unregelmäßiger
Reprise 595 resolut

Formentwicklung aus 1. reprendere, reprehen- resch Adj. Bairische Nebenform zu rösch


dere (reprehensum) 'fassen, packen, festhalten’, (s. d.).
zu 1. prehendere 'fassen, anfassen, ergreifen’ (s.
auch re-). Resede/., auch Reseda f. 'Färber-Wau’ ( =
eine krautige [Heilpflanze), arch. Im 18. Jh.
Etymologisch verwandt: Impresario, preisgeben, Prise,
Reprise. S. auch beginnen. entlehnt aus dem lateinischen Namen reseda,
der aut den Imperativ reseda (morbös) 'stille
Reprise /. 'Wiederaufnahme’. Entlehnt aus
(die Krankheiten)’ zurückgeführt wird; doch
frz. reprise, dem Partizip von frz. reprendre 'wie¬
beruht diese Erklärung (die schon bei Plinius
deraufnehmen . Dieses aus 1. reprehendere (s.
Naturalis historia 27,106 steht) wohl auf einer
Repressalie).
Volksetymologie.
reproduzieren swV. 'wiederherstellen, verviel¬
Reservat n. 'Schutzgebiet, zugewiesenes Ge¬
fältigen’, s. produzieren und re-.
biet’, s. reservieren.
Reps m. Oberdeutsche Nebenform zu Raps
reservieren swV. 'freihalten, aufbewahren’. Im
(s. d.).
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. reserväre
Reptil n. 'Kriechtier’, fachsprachl. Im 19. Jh. (reservätum), zu 1. serväre 'halten, erhalten, un¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. reptile m., die¬ versehrt bewahren’ (s. auch re-).
ses aus kirchen-1. reptile (dass.), einer Substanti¬
Morphologisch zugehörig: Reservat, Reservation, Re¬
vierung von 1. reptilis 'was kriechen kann, krie¬ serve, Reservist, Reservoir, etymologisch verwandt: s.
chend’, zu 1. repere 'kriechen, schleichen’. konservieren.
Republik /. (= eine Staatsform mit gewählter Reservoir n. 'großes Speicherbehältnis’, s. re¬
Regierung). Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ servieren.
tend frz. republique, dieses aus 1. res publica
Residenz /. 'Wohnsitz eines Staatsober¬
dass, (wörtlich: 'öffentliche Sache’), zu 1. res
hauptes’. Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
'Sache’ und 1. püblicus 'öffentlich’, zu 1. populus
aus ml. residentia 'Wohnsitz’, zu 1. residere 'sit¬
m. Gemeinde, Staat’. Demnach eine Staats¬
zen, sitzen bleiben, verweilen’, zu 1. sedere 'sit¬
form, deren Gewaltenverteilung „öffentlich“,
zen’ (s. auch re-).
d. h. in Wahlen, festgelegt wird.
Morphologisch zugehörig: Resident, residieren, Resi¬
Morphologisch zugehörig: Republikanismus', etymolo¬
duum' etymologisch verwandt: s. Assessor.
gisch verwandt: s. real und populär. Ersatzwort ist
Freistaat. - G. Schoppe ZDW 15 (1914), 207; Jones resignieren swV. 'sich abfinden, verzichten’,
(1976), 572. sonder spracht. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Reputation /. 'guter RuF, sonderspracht. Im deutend 1. restgnäre (auch: 'lösen, befreien, un¬
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ gültig machen, entsiegeln’), zu 1. signäre 'mit
deutend frz. reputation, dieses aus 1. reputätio einem Zeichen versehen, bezeichnen’ (s. auch
(-önis) 'Betrachtung, Berechnung’, zu 1. re-), zu 1. slgnum 'Zeichen’, zu 1. secäre 'schnei¬
reputäre 'anrechnen, erwägen, überdenken’, zu den’.
1. putäre 'berechnen, reinigen’ (s. auch re-), zu Morphologisch zugehörig: Resignation, resignativ, ety¬
1. putus 'gereinigt, blank’. mologisch verwandt: s. sezieren. — G. Schoppe ZD W
Etymologisch verwandt: s. amputieren. — W. J. Jones 15 (1914), 207.
SN 51 (1979), 270.
resistent Adj. 'widerstandsfähig’, fachsprachl.
Requiem n. 'Totenmesse , fachsprachl. Neubil¬ Entlehnt aus gleichbedeutend 1. resistens
dung des 18. Jhs. zu 1. requies f. 'Ruhe, Todes¬ (-entis), dem PPräs. von 1. resistere (restiti)
ruhe’, zu 1. quies f. 'Ruhe, Rast, Erholung’, (s. 'sich widersetzen, verharren, stehen bleiben’, zu
auch re-). Gebildet aus dem ersten Wort der 1. sistere 'hinbringen’ (s. auch re-), zu 1. störe
Fügung requiem aeternam döna eis 'ewige Ruhe 'stehen’.
gib ihnen’. Morphologisch zugehörig: Resistance, Resistenz, resi-
requirieren swV. 'beschlagnahmen’, sonder- stierem, etymologisch verwandt: s. Arrest.
sprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. requlrere resolut Adj. 'bestimmt, entschlossen’. Im 17.
(requisltum) 'fordern, verlangen, suchen, nach¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. resolu, die¬
forschen’, zu 1. quaerere 'suchen, aufsuchen’ (s. ses aus 1. resolütus 'ungebunden, ausgelassen’,
auch re-). Die Requisiten sind so benannt als die dem PPP. von 1. resolvere (resolütum) 'öffnen,
'Erfordernisse’ (z. B. einer Theateraufführung). auflösen’, zu 1. solvere (solütus) 'lösen’ (s. auch
Morphologisch zugehörig: Requisit, Requisiten, Requi¬ re-).
siteur, Requisition', etymologisch verwandt: s. Inquisi¬
Morphologisch zugehörig: Resolution', etymologisch
tion.
verwandt: s. absolut. — W. J. Jones SN 51 (1979), 271.
Requisiten PI. 'Zubehör für eine Aufführung’, — Zu Resolution s.: K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963),
s. requirieren. 403.
Resolution 596 Retorte

Resolution/, 'schriftliche Erklärung zu einem Restaurant n. 'Gaststätte’, s. restaurieren.


Beschluß’, s. resolut. Restaurateur m. 'Gastwirt’, s. restaurieren.
Resonanz /. 'Mitschwingen, Mittönen, Reak¬ Restaurator m. 'Ausbesserer’, s. restaurieren.
tion’, sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus restaurieren sw V. 'wiederherstellen, sich erho¬
gleichbedeutend frz. resonance, dieses aus 1. len’, sonder spracht. Im 16. Jh. entlehnt aus
resonantia 'Widerhall’, zu 1. resonäre 'widerhal¬ gleichbedeutend 1. restauräre (restaurätum)
len, ertönen’, zu 1. sonäre 'tönen, schallen’ (s. (dass.). Restaurant 'Gaststätte’ ist im Französi¬
auch re-), zu 1. sonus m. 'Schall, Ton, Klang’. schen zunächst Bezeichnung stärkender Kost;
Morphologisch zugehörig: Resonator; etymologisch dann metonymisch auf Einrichtungen übertra¬
verwandt: s. Sonate. gen, in denen man Nahrung zu sich nehmen
Respekt m. 'Achtung, Anerkennung’. Im 17. kann. Auf die konkretere Bedeutung 'wieder¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. respect, herstellen’ gehen Restauration 'Wiederherstel¬
dieses aus 1. respectus 'Rücksicht, Zurück¬ lung’ und Restaurator 'Ausbesserer und Bewah¬
blicken’, dem substantivierten PPR von 1. respi- rer von Kunstwerken’ zurück.
cere (respectum) 'Rücksicht nehmen, sich nach Morphologisch zugehörig: Restaurateur, Restauration,
restaurativ, Restaurator. — K.-H. Weinmann DWEB
etwas umsehen, zurücksehen’, zu 1. specere 'se¬
2(1963), 403.
hen’ (s. auch re-).
Morphologisch zugehörig: respektabel, Respektabili-
Restriktion /. 'Einschränkung’, s. restrin¬
tät, respektieren, respektive; etymologisch verwandt: s. gieren.
Spektakel. restringieren swV. 'beschränken, einschrän¬
respektive Konj. 'beziehungsweise’, sonder- ken’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. restringere (re-
sprachl. Im 17. Jh. ml. respectivus 'beachtens¬ strictum) (dass.), zu 1. stringere 'straff anziehen,
wert’, zu 1. respectäre 'zurücksehen, sich umse¬ zusammenziehen’ (s. auch re-).
hen’, einem Intensivum zu 1. respieere 'zurückse¬ Morphologisch zugehörig: Restriktion, restriktiv; ety¬
mologisch verwandt: s. strikt.
hen, hinter sich sehen’, zu 1. specere 'sehen’ (s.
auch re-). Resultat n. 'Ergebnis’, s. resultieren.
Etymologisch verwandt: s. Spektakel. resultieren swV. 'sich ergeben’, sonder spracht.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Ressentiment n. 'gefühlsmäßige Abneigung’,
resulter (dass.), dieses aus ml. resultare (resulta-
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
tum) (dass.), aus 1. resultäre 'zurückprallen’,
deutend frz. ressentiment m., einer Ableitung
einem Intensivum zu 1. resiltre (resultum) 'zu¬
von frz. ressentir 'lebhaft empfinden, Nachwir¬
rückspringen, zurückprallen’, zu 1. saltre 'sprin¬
kungen spüren’, zu (älter) frz. sentir 'empfinden’
gen, hüpfen’ (s. auch re-).
(s. auch re-), aus 1. sentire (dass.).
Morphologisch zugehörig: Resultante, Resultat, resul-
Etymologisch verwandt: s. sensibel.
tativ; zum Etymon s. Salto. — W. J. Jones SN
Ressort n. 'Zuständigkeitsbereich’. Im 17. Jh. 51 (1979), 271.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. ressort m., Resümee n. 'Zusammenfassung, Fazit’, s. re¬
einer postverbalen Ableitung von frz. ressortir sümieren.
'hervorgehen, angehören’, zu (älter) frz. sortir resümieren swV 'das Wichtigste abschließend
'erlangen’ (s. auch re-), aus 1. sortlrt (dass., zusammenfassen’, sondersprachl. Im 18. Jh. ent¬
wörtlich: 'durch das Los erlangen’), zu 1. sors lehnt aus gleichbedeutend frz. resumer, dieses
(-rtis) f. 'Los’, zu 1. serere 'reihen, knüpfen’. aus 1. resümere (resümptum) (dass., wörtlich:
Etymologisch verwandt: s. Serie. - Schirmer (1911), 'wieder nehmen’), zu 1. sümere 'nehmen’ (s. auch
161; Jones (1976), 575; Brunt (1983), 453. re-), zu 1. emere (dass.) (s. auch sub-).
Ressourcen PI. 'Bestand an Naturprodukten, Morphologisch zugehörig: Resümee; etymologisch ver¬
Geldmitteln usw.’, sonder spracht. Im 18. Jh. ent¬ wandt: s. Exempel.

lehnt aus gleichbedeutend frz. ressource/., dem Retorte /. 'kugelförmiges Glasgefäß mit sich
substantivierten PPrät. von afrz. resourdre 'sich verjüngendem Hals\ fachsprachl. Im 16. Jh. ent¬
erheben, erholen’, aus 1. resurgere (dass.), zu 1. lehnt aus gleichbedeutend (älter) frz. retorte,
surgere 'erheben’ (s. auch re-), zu 1. regere 'len¬ dieses aus ml. retorta (dass.), zu 1. retorquere
ken, richten, leiten’ (s. auch sub-). (retortum) 'verdrehen, zurückdrehen’, zu 1. tor¬
Etymologisch verwandt: s. Adresse.
quere (tortum) 'drehen’ (s. auch re-). So be¬
zeichnet nach dem nach abwärts geneigten, sich
Rest m. Im 15. Jh. entlehnt aus frz. reste verjüngenden Hals. Die Fügung aus der Retorte
'Rückstand’. Dieses aus ml. restum n., einer übernimmt die Bedeutung 'künstlich geschaf¬
Rückbildung zu 1. restäre 'Zurückbleiben) (zu 1. fen’ metonymisch nach den Vorgängen, die in
stäre ‘stehen’). solchen Glasgefäßen vor sich gehen.
Etymologisch verwandt: s. Arrest. — Schirmer (1912), Etymologisch verwandt: s. Tortur. - K.-H. Weinmann
62f.; Götze (1919), 146f. DWEB 2 (1963), 403.
retour 597 revidieren
retour Adv. zurück’, s. Tour und re-,
Reuß m. 'verschnittenes Pferd’, arch. Bezeugt
Retourkutsche /. 'zurückfahrender Wagen, seit dem 16. Jh. Bedeutet eigentlich 'Russe’
Erwiderung gleicher Art ohne neuen Inhalt’, s’ (mhd. Riuze), wie auch Wallach und frz. hongre
retour. Stammesbezeichnungen sind. Die Sitte des Ver¬
retro- Präfix. Wortbildungselement mit der schneidens von Hengsten kam aus dem Osten.
Bedeutung 'zurück, hinter, rückwärts’ (z. B. re- reuten swV. 'roden’, südd. Mhd. ahd. riuten,
troaktiv, retrospektiv). Es wurde vornehmlich in mndd. rüden', dazu Reute, mhd. riute und
lateinischen Entlehnungen ins Deutsche über¬ geriuti, ahd. riuti 'urbar gemachtes Land’. Das
nommen; sein Ursprung ist 1. retro 'rückwärts’ damit vergleichbare anord. rjöör n. 'Lichtung’
Präp., Adv. weist auf einen s-Stamm als gemeinsame Her¬
Retrospektive /. 'Rückblick’, s. Perspektive kunft; von diesem kann auch das Verb abgelei¬
und retro-, tet sein. Außergermanisch findet sich eine ver¬
einzelte Entsprechung in avest. rao(i)öiia- 'ur¬
retten swV. Mhd. ahd. retten aus wg.
bar zu machend . Zu ig. *reu- 'reißen, rupfen’,
*hrad-eja- swV. 'retten’, auch in ae. hreddan,
vgl. etwa lit. räuti 'ausreißen, jäten usw.’ und
afr. hredda. Vielleicht ein Kausativum, entspre¬
Weiteres unter raufen, rupfen. Evtl, liegt *reu-dh-
chend zu ai. srathäyati 'macht locker, löst’ zu
'Jätung setzen’ zugrunde, was das allgemeine
ai. srathnäti 'wird lose, wird locker, gibt nach’.
Fehlen eines zugehörigen primären Verbs erklä¬
Nndl. redden.
ren würde.
Rettich m. Mhd. rat ich, retich, ahd. ratih, S. Ried2, Riester1, roden.
retih, mndd. redik, re dich, mndl. radic, redic.
Reuter m. 'Reiter, Bewaffneter zu Pferd’,
Wie ae. rädic entlehnt aus 1. rädix (-icis) f.
arch. Bezeugt seit dem 15. Jh., anfänglich auch
'Wurzel’.
in der Bedeutung 'Wegelagerer’. Übernommen
S. Radieschen, radikal ( + ).
aus dem Niederländischen, wo mndl. rut(t)er,
retuschieren swV. 'nachträglich verändern’, ruyter 'Freibeuter, Wegelagerer’ bedeutet und
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ in Zusammenhängen wie ruiter te peerde 'Wege¬
deutend frz. retoucher (wörtlich: 'nochmals be¬ lagerer zu Pferde’ mit Reiter assoziiert wird.
rühren’), zu frz. toucher 'berühren’ (s. auch re-). Das niederländische Wort ist entlehnt aus ml.
Morphologisch zugehörig: Retusche, Retuscheur', ety¬ (frz.) rutarii, das zunächst die Angehörigen
mologisch verwandt: s. Tusche. einer ml. rupta 'Abteilung’ (s. Rotte) bezeichnet
Reue/. Mhd. ri(u)we f./m., ahd. (h)riuwa, und dann zu 'Wegelagerer’ wird.
mndd. r(o)uwe, ruwen m.lfi, mndl. rouw(e), Revanche/. 'Vergeltung, Rückkampf’. Im 17.
raüwe aus wg. *hreuwö f. 'Reue, seelischer Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. revanche,
Schmerz’, auch in ae. hreow. Abgeleitet von wg. einer postverbalen Ableitung von (älter) frz.
*hreww-a- stV. 'schmerzen’ in ae. hreowan, afr. (se) revancher 'rächen, sich Genugtuung ver¬
hriöwa, as. hreuwan, ahd. riuwan. Außergerma¬ schaffen’, zu afrz. venchier, vengier 'rächen,
nisch vergleicht sich zunächst ai. karuna- 'kläg¬ ahnden’ (s. auch re-), aus 1. vindicäre 'strafend
lich, mitleidig’ und vielleicht als Weiterbildung einschreiten, gerichtlich in Anspruch nehmen’.
mit ursprünglicherer Bedeutung *kreus- 'zersto¬ Morphologisch zugehörig: revanchieren, Revanchis¬
ßen, zerstampfen’ in lit. krüsti, akslav. sükrusiti mus, Revanchist. — Jones (1976), 580f.
'zerreiben, zerbrechen’, gr. kroüö 'ich stoße, Reverenz /. 'Ehrerbietung’, sonder spracht. Im
schlage, stampfe’; vgl. akslav. sükrusenije n. 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. reve-
'Verletzung, Zerstörung, Riß, Bruch’. rentia (wörtlich: 'Scheu’), zu 1. revererT 'etwas
Nndl. rouw, ne. rue. — W. Wißmann DLZ 54(1933), scheuen, befürchten’, zu 1. vereri (dass.).
1, 204f.; H. Götz ASAWL 49 (1957), 106-118. Morphologisch zugehörig: Reverend. - Jones (1976),
Reuse /. 'Korb zum Fischfang’. Mhd. riuse, 582.
ahd. rüsa, riusa, mndd. ruse; in den Mundarten Revers n. 'Mantel-, Jackenaufschlag’. Im 19.
werden auch andere Arten von Körben so be¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. revers m.
zeichnet. Das Wort taucht in der älteren Zeit (wörtlich: 'Umgedrehtes’), einer Substantivie¬
in verschiedenen Lautvarianten auf. Der Voka¬ rung zu 1. reversus 'umgedreht’, dem PPP. von
lismus verbietet den üblicherweise vertretenen 1. revertere (reversus) 'umdrehen’, zu 1. vertere
Anschluß an Rohr (s. d.) im Sinne von 'Rohrge- 'drehen’ (s. auch re-).
flecht’; ein Zusammenhang mit afrz. rüsche, frz. Morphologisch zugehörig: Reverse, reversibel, Reversi¬
ruche 'Korb, Bienenkorb’, das auf ml. rusca bilität, Reversible, reversieren, Reversion', etymologisch
zurückgeht und vielleicht aus dem Keltischen verwandt: s. Vers. — W. J. Jones SN 51 (1979), 271.
stammt, liegt sachlich nahe, erklärt aber den revidieren swV. 'richtigstellen, auf Korrektheit
Konsonantismus nicht einwandfrei. überprüfen’, sonder spracht. Im 19. Jh. entlehnt
Kluge (1926), 43f. aus gleichbedeutend ml. revidere, dieses aus 1.
Rick 600 Riester

von 'ausrichten’ (s. Richtscheit, Richtschnur Riege /. Von Jahn 1816 aus dem Niederdeut¬
usw.). Entsprechende Wörter sind schon we¬ schen in die Turnersprache aufgenommen für
sentlich früher bezeugt, sind aber Abstrakta zu eine 'Reihe von Turnern’. Mndd. rige, wie mhd.
anderen Bedeutungen von richten, die heute rige, ahd. riga. Mit grammatischem Wechsel
keine Rolle mehr spielen. (und, falls Kürze anzusetzen ist, auch Ablaut)
Rick n. 'Latte, Lattengestell’, reg. 'Hindernis zu Reihe (s. d.).
beim Pferderennen’, fachsprachl. Das gleiche Riegel m. Mhd. rigel 'Querholz’, ahd. rigil,
Wort wie Reck (s. d.). mndd. regel. Herkunft unklar. Vgl. lit. räkti
Ricke /. 'Rehgeifachsprachl. Erst im 18. 'sich schließen’, lit. räktas 'Schlüssel’ und mit
Jh. im Niederdeutschen bezeugt und von dort Vollstufe der ersten Silbe gr. arkeö 'ich wehre
aus verbreitet. Im 16. Jh. reche (= Rehin)). Bei ab, helfe’, 1. arcere 'verschließen’, heth. har(k)-
einem so spät bezeugten Wort ist es mißlich, 'haben, halten’. Vielleicht mit Auslautvariation
eine uralte Ablautbildung anzunehmen. Des¬ ai. argala- m. 'Riegel, Bolzen’.
halb setzt man im allgemeinen lieber an, das S. auch Reling.
Wort sei gekreuzt aus Reh (s. d.) und Ziege
Riegelhaube/, 'kleine gestickte Haube’, bair.-
(s. d.), zumal das Tier sonst Rehgeiß, Rehziege
österr. Zu mhd. rigel m. 'um den Kopf gewunde¬
heißt.
nes Tuch’, ahd. rickula 'Band’. Entlehnt aus 1.
Palander (1899), 110.
ricula 'kleines Kopftuch römischer Frauen’ zu
riechen stV. Mhd. riechen, ahd. riohhan, 1. rica 'Kopftuch’.*
mndd. ruken, mndl. ruken, rie(c)ken (die For¬
Riemen1 m. 'Lederstreifen’. Mhd. rieme, ahd.
men mit ü sind entweder regionale Sonderent¬
as. riomo aus wg. *reumön m. 'Riemen’, auch
wicklungen oder beruhen auf dem in der II.
in ae. reoma. Herkunft unklar.
Ablautreihe auch sonst auftretenden besonde¬
Nndl. riem. — Kluge (1926), 46f.
ren Ablaut im Präsens) aus g. *reuk-a- stV.
'rauchen’, auch in anord. rjüka, ae. reocan, afr. Riemen2 m. 'Ruder\ fachsprachl. Mhd. rieme,
riäka. Außergermanisch vergleicht sich viel¬ ahd. riemo, mndl. riem(e), reme. Früh entlehnt
leicht lett. rügt 'säuern, aufgehen, gären’, lit. aus 1. remus 'Ruder’.
räugti 'säuern, etwas dem Gären aussetzen, et¬ Nndl. riem. S. rojen, Ruder. — Kluge (1911), 662.
was Übelriechendes rauchen’. In den germani¬ Ries n. 'Papiermaß’, arch. Bezeugt seit dem
schen Sprachen ist 'einen Geruch ausströmen’ 14. Jh. als ris, rist, riz nff/m. Mit unklarer
eine vereinzelte Nebenbedeutung. Im Deut¬ Kürzung entlehnt aus ml. it. risma f. (vgl. mndd.
schen wird diese vorherrschend, und seit mittel¬ reseme /.). Dieses aus span. port. resma f. aus
hochdeutscher Zeit bedeutet riechen auch 'einen arab. rizma. Das arabische Wort bedeutet ei¬
Geruch wahrnehmen’.
gentlich 'Paket, Ballen’ und bezeichnet daneben
Nndl. ruiken, rieken, ne. reek, nschw. ryka, nisl. rjüka. auch das Papiermaß.
S. Rauch.
Littmann (1924), 98; E. Öhmann NPhM 57(1956),
Ried1 n. 'Schilfrohr, Schilfgebiet’. Mhd. riet, 112; Lokotsch (1975), 137.
ahd. (hr)riot, riod, as. hriod aus wg. *hreuda-
Riese1 m. Mhd. rise, ahd. risi, riso, as. in
n. (vielleicht daneben auch -p-), auch in ae.
wrisilik 'riesig’ aus g. *wrisja- m. 'Riese’, auch
hreod, afr. hriäd, hreid. Hiermit vergleicht sich
in anord. risi. Herkunft unklar.
vielleicht toch. A. kru, toch. B. kärwats (Gen.
Nndl. reus, nschw. rese, nisl. risi.
PI.) 'Rohr’. Weiter wohl zu der wenig verbreite¬
ten Sippe von rütteln (s. d.) als 'das (vom Wind) Riese2/ 'Holzrutsche’, arch. Mhd. rise; abge¬
Bewegte’. leitet von dem unter Reise (s. d.) aufgeführten
Nndl. riet, ne. reed. S. Reet. ahd. risan 'abfallen, niederfallen, stürzen’.

Ried2 n. 'Rodungsstelle’, obd. (vor allem in rieseln swV. Spmhd. riselen. Wohl Iterativbil¬
Namen). Mhd. riet, ahd. -riod, -(h)riot (in Na¬ dung zu dem unter Reise (s. d.) behandelten
men). Nebenform zu Reute (s. unter reuten und ahd. risan 'abfallen, niederfallen, stürzen’;
roden). denkbar ist aber auch ein Denominativum zu
mhd. risel 'Niederschlag’ (von der gleichen
Riefe/, 'vertiefter Streifen’, md„ ndd. Zusam¬
Grundlage).
men mit ndd. riffel kleine Furche’ zu ae. gerif-
led, geriflod 'mit Riefen versehen’ und anord. Riesling m. Rebsorte’, fachsprachl. Bezeugt
rifa 'Ritz, Schlitz, Spalte’. Die Nomina sind seit dem 15. Jh., zuerst als rüßling. Herkunft
abgeleitet von dem starken Verb, das in anord. unklar.
rifa, afr. rlva 'reißen’ bezeugt ist. Dieses zu gr. Riester1 m. 'aufgesetzter Fleck, besonders am
ereipö 'ich reiße nieder’ zu einer Wurzel *rei- Schuh’, arch. Bezeugt seit dem 17. Jh.; offenbar
'reißen’. zu Altreiß, mhd. altriuze 'Flickschuster’. Wei-
Riester 601 rinnen

tere Herkunft unklar. Vielleicht zu dem unter Rinde, Gerberlohe’. Vermutlich als 'das Ris¬
rüsten behandelten g. *hreud-a- 'bedecken’. sige’ zu ae. -rindan, afr. renda 'zerreißen’ oder
Riester2 m. 'Streichbrett am Pflug’, arch. 'das Abzureißende, (Gerberlohe)’. Außergerma¬
Mhd. riester f/n., ahd. riostra /., auch riostar nisch vergleicht sich vielleicht ai. rändhra- n.
mndl. riester, reester, reister aus wg. *reusta- 'Öffnung, Spalt, Höhle’.
(mit verschiedenen Stammbildungen) 'Streich¬ Ne. rind. - Trier (1981), 42f.
brett’, älter wohl das Brett, an dem die Pflug¬
Ring m. Mhd. rinc, ahd. (h)ring, as. hring
schar befestigt war (so noch niederdeutsch re¬
aus g. *hrenga- m. 'Ring’, auch in anord. hringr,
gional). Vermutlich mit dem Instrumentalsuffix
ae. afr. hring. Außergermanisch vergleichen sich
-tro- gebildet zu dem unter reuten (s. d.) behan¬
akslav. krpgü 'Kreis’ und vielleicht umbr.
delten j-Stamm mit der Bedeutung 'Rodung’,
cringatro 'Schulterband’. Weitere Herkunft un¬
also 'Mittel zur Rodung’.
klar.
Nndl. rister. - B. Kratz ZM 32 (1965), 296-310.
Nndl. ne. nschw. ring, nisl. hringur. S. arrangieren (+),
Riet n., s. Ried1. Kring, Ringel, Rinken. — Trier (1952), 80.
Riff n. Im 17. Jh. übernommen aus mndd. Ringel m./n.Kf.) Mhd. ringel(e) /., ahd. rin-
rif, ref, das schon seit dem 13. Jh. bezeugt ist. gila /., ringel f. mndd. ringele f. Diminutiv zu
Falls dieses aus dem Altnordischen entlehnt ist, Ring (s. d.); besonders Name verschiedener Blu¬
kann es sich ursprünglich um das Wort Rippe men, besonders der Ringelblume, wegen der
handeln, das als Geländebezeichnung verwen¬ runden Blüten (oder wegen der stark gekrümm¬
det worden wäre. ten Samen?).
Kluge (1911), 663. Marzeil (1943/79), I, 716f.
Riffel/. 'Werkzeug zum Riffeln des Flachses’, Ringelnatter /. Bezeugt seit dem 18. Jh. Be¬
arch. Spmhd. riffel, älter in der Bedeutung nannt nach den an ihrem Körper sichtbaren
'Säge, Rechen’, mndd. repe(l), mndl. re(e)pel, Ringen.
reipel. Abgeleitet von dem unter reffen bespro¬
Ringelpietz m. 'geselliges Beisammensein’,
chenen Verb. Dazu riffeln, mhd. rifelen, riffeln,
ugs. Ausgegangen von Berlin. Zweiter Bestand¬
älter in der Bedeutung 'sägen’, mndd. repe(le)n.
teil wohl slavisch (poln. piec 'singen’).
rigide Adj. 'starr, unnachgiebig’, sonder-
ringen st V. Mhd. ringen, ahd. ringan, as. utgi-
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. rigidus,
wrungana aus g. *wreng-a- stV. 'wringen, rin¬
zu 1. rigere 'starren, steif sein, strotzen’.
gen’, auch in ae. wringan (gt. in wruggo
Morphologisch zugehörig: Rigidität; etymologisch ver¬
wandt: rigoros. 'Schlinge’, anord. in rengja 'verdrehen, verfäl¬
schen’). Außergermanisch vergleicht sich lit.
rigoros Adj. 'rücksichtslos, hart’. Im 17. Jh.
rehgtis 'sich bücken, krümmen’; Nasalierung zu
entlehnt aus gleichbedeutend frz. rigoureux und
dem unter würgen dargestellten Verb.
ml. rigorosus, zu 1. rigor 'Unbeugsamkeit,
Nndl. wringen, ne. wring. S. Range, rangeln, wringen.
Härte’, zu 1. rigere 'starren, steif sein’.
- W. Pfeiffer BGDSL-H 79 (1957) (= Sonderband FS
Morphologisch zugehörig: Rigorosität, Rigorosum;
Frings), 94 — 110; L. Schmidt: wringen — dweran —
etymologisch verwandt: rigide. — Jones (1976), 582f.;
torquere (Diss. Münster 1961), 3 — 32; W. Mitzka ZM
Brunt (1983), 457f.
34(1967), 137-141.
Rille /. Im 18. Jh. übernommen aus dem
rings Adv. Erst frühneuhochdeutsch. Wohl
Niederdeutschen. Das Wort ist erst spät be¬
kein ursprünglicher adverbialer Genitiv, son¬
zeugt. Man vermutet eine Ableitung aus der
dern aus ähnlichen Adverbien analogisch über¬
Wurzel *rei- 'fließen’ (*ri-dlö), evtl, ein Dimi-
tragen.
nutivum zu ae. rip m. 'Strom’, mndd. ride
'Bach’, afr. rid in Flußnamen, also 'Rinnsal’. Rinken m. 'Schnalle’, südd. Mhd. rinke, ringge
m./f, ahd. ringa /., as. hringa, rinka f. aus g.
Rind n. Mhd. rint, ahd. (h)rind, as. hrlth aus
*hrengjön f. 'großer Ring, Schnalle’, auch in
wg. *hrendaz- n. 'Rind’, auch in ae. hrlöer, afr.
anord. hringja/., ae. hringe f. Weiterbildung zu
hrether, hrither. Daneben mit Schwundstufe ae.
Ring (s. d.).
hryöer, mndl. mndd. runt, ront. Vermutlich als
Reuter (1906), 46—48.
'Hornträger’ zu dem Wort Horn (s. d.) und sei¬
ner Sippe. Die Vokalisierung ist aber unklar. rinnen stV. Mhd. rinnen, ahd. as. rinnan aus
Ähnliche Bedeutung haben als Ableitungen von g. *renn-a- stV. 'rinnen, laufen’, auch in gt.
einer anderen Erweiterung der gleichen Grund¬ rinnan, anord. rinna (später renna), ae. rinnan,
lage lit. kärve/., russ. koröva, bulg. kräva 'Kuh’. afr. renna, rinna. Die Etymologie ist wegen zahl¬
Rinde /. Mhd. rinde, rinte, ahd. rinta, rinda, reicher konkurrierender Entstehungsmöglich¬
as. rinda aus wg. *rendön f. 'Rinde’, auch in keiten unsicher. Vermutlich mit Ablautentglei¬
ae. rind(e). Im Ablaut dazu mndl. runde, rinde sung aus *ri-nw-a- zu ai. rinati 'läßt fließen’.
Rippe 602 Robbe

russ. rinuti 'schnell fließen’, I. rivus 'Bach, sich air. crith 'das Zittern’ und vielleicht weiter
Strom’, ae. rip 'Strom’. die unter Reiter aufgeführten Wörter für 'Sieb’.
Ne. run, nschw. rinne, nisl. renna. S. blutrünstig, Ritter m. Mhd. rit(t)er, riter, ritcere. Entlehnt
derivieren ( + ), entrinnen, gerinnen, Gerinnsel, rennen, aus mndl. riddere, reddere u. a., das seinerseits
Rivale, Runse.
eine Lehnübersetzung von frz. chevalier ist.
Rippe/. Mhd. rippe, rib(b)e, rieb, ahd. ribbi S. reiten ( + ). — K. O. Brogsitter in: H. Kolb/H. Lauf-
n. , rippi rippa, as. ribbi n. aus g. *rebja- fer (Hrsg.): Sprachliche Interferenz, FS W. Betz (Tübin¬
(mit verschiedenen Stammbildungen), auch in gen 1977), 421-435.
anord. rif n„ ae. ribb n., afr. ribb, rebb n. Außer¬ Rittersporn m., fachsprachl. Der Pflanzen¬
germanisch vergleicht sich mit anderem Suffix name ist seit althochdeutscher Zeit bezeugt,
akslav. rebro n. 'Rippe, Seite’. Zu *erebh- 'be¬ doch ist unklar, welche Blume ursprünglich da¬
decken’ in gr. erephö 'ich überdache’, außerdem mit gemeint war (der heutige Rittersporn ist
noch ahd. hirnireba 'Schädeldecke’. erst im 16. Jh. aus fremden Grundlagen hochge¬
S. auch Gerippe. züchtet worden). Gemeint ist sicher die Ähn¬
Rippe(n)speer «., reg. Bezeugt seit dem 15. lichkeit der Blüte mit einem Sporn, doch läßt
Jh. als mndd. ribbesper. Zu Rippe (s. d.) und sich Näheres wegen der Unsicherheit der Aus¬
wohl einem Wort, das zu Sparren (s. d.) gehört. gangslage nicht sagen.
Vermutlich sind die parallelen Rippenenden mit H. Marzell (1943/79), II, 66f.
dem Sparrenwerk eines Daches verglichen wor¬ Rittmeister m., arch. Bezeugt seit dem 15. Jh.
den. Sekundär als 'Rippchen am Bratspieß Zu Ritt in der Bedeutung 'Reiterschar’, die
(Speer)’ aufgefaßt. heute nicht mehr üblich ist.
Kretschmer (1969), 266f.
Ritual n. 'fixierter Ablauf, Brauch’, s. rituell.
Rips m. 'geripptes Gewebe’, fachsprachl. Im rituell Adj. 'feierlich, einem Brauch entspre¬
18. Jh. entlehnt aus ne. ribs 'Rippen’ (so nannte chend5. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
man übertragen die starken Einschlagfäden die¬ frz. rituel, dieses aus 1. rituälis 'den religiösen
ses Gewebes). Brauch betreffend5, zu 1. ritus 'der religiöse
Risiko n. 'Wagnis’. Im 16. Jh. entlehnt aus Brauch, die Zeremonien5, das letztlich zu der
gleichbedeutend it. rischio m., dessen weitere unter Arm dargestellten Grundlage *ara- 'fügen5
Herkunft nicht sicher geklärt ist. gehört.
Morphologisch zugehörig: riskant, riskieren. — Schir¬ Morphologisch zugehörig: Ritual, ritualisieren, Ritua¬
mer (1911), 163; Littmann (1924), 98, 100; Lokotsch lismus, Ritualist, Ritus.
(1975), 137; Jones (1976), 583.
ritzen swV. Mhd. riz(z)en, ahd. rizzen, rizzön.
riskant Adj. 'gefährlich’, s. Risiko. Intensivbildung zu reißen (s. d.).
riskieren swV. 'wagen5, s. Risiko. Rivale m. 'Mitbewerber, Konkurrent’. Im 17.
Rispe /., fachsprachl. Mhd. rispe, in ahd. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. rivälis (wört¬
(h)rispahi 'Gebüsch’. Außergermanisch ver¬ lich: 'der an einer Wasserzufuhr Mitberech¬
gleicht sich 1. crispus 'kraus5. Ein Wort für Nie¬ tigte’), einer Substantivierung von 1. rTvälis 'zum
derwaldgebüsch wie Reis2 n. (s. d.). Kanal gehörig’, zu 1. rivus 'Bach, Kanal’.
Trier (1952), 58-62. Morphologisch zugehörig: rivalisieren, Rivalität; ety¬
mologisch verwandt: derivieren (usw.); zum Etymon s.
Riß m. Mhd. ahd. riz. Verbalabstraktum zu rinnen. - W. J. Jones SN 51 (1979), 271f.
reißen (s. d.), das außerdem noch die alte Be¬
Rizinus m. (= Pflanze, aus deren Samen ein
deutung von reißen bewahrt, nämlich 'schrei¬
Abführmittel gewonnen wird). Entlehnt aus
ben, zeichnen’ (eigentlich 'ritzen’), besonders in
gleichbedeutend 1. ricinus 'Wunderbaum’.
Wörtern wie Grundriß, Umriß usw., aber auch
beim Simplex als Kurzform dieser Wörter. Robe /., sonder spracht. Im 18. Jh. entlehnt
aus gleichbedeutendem frz. robe. Dieses geht
Rist m. Mhd. rist m./n., riste n.jf. 'Hand-,
zurück auf eine Entsprechung zu Raub (s. d.)
Fußgelenk’, fachsprachl. Mndd. wrist f. 'Hand¬
und bedeutet ursprünglich 'erbeutetes Klei¬
wurzel’ aus g. *wrih-sti- f, auch in anord. rist dungsstück’.
/., ae. afr. wrist f. Wie Reihen2 (s. d.) Ableitung S. Garderobe.
zu einem Verb mit der Bedeutung 'drehen5, also
Robbe/., früher auch m. Im 17. Jh. übernom¬
ursprünglich 'Gelenk5.
men aus mndd. robbe. Offenbar nach den
H. Krähe BGDSL 71 (1949), 242.
Schnauzhaaren so genannt, denn mittelnieder¬
Ritten m. 'Fieber’, arch. Mhd. rit(t)e, ahd. ländisch heißt auch das Kaninchen robbe(ken).
rit(t)o, as. hrido; mit anderer Stammbildung Das zugrundeliegende Wort für 'Borste’ ist al¬
ae. hriö. Zu ahd. ridön, riden, mhd. rtden, ae. lerdings praktisch unbelegt, und wird nur noch
hriöian 'zittern’. Außergermanisch vergleicht in dem Wort Raupe (s. d.) vermutet.
Roboter 603 Roggen

Roboter m. (= ein computergesteuerter Auto¬ lich entlehnt aus einem aus romanischen Wör¬
mat). Im 20.,Jh. entlehnt aus gleichbedeutend tern (span, rueca f. usw.) zu erschließenden *ro-
ne. robot, dieses aus cech. robot (dass., wörtlich: tica 'Rocken; Stange, um die etwas gewunden
'[Fron-]Arbeiter’). Zugrunde liegt cech. robota wird’. Dieses zu 1. rotäre 'drehen, schwingen’
'Arbeit’, aus dem von Karel Capek (R. U. R. und 1. rota f. 'Rad’. Eine entsprechende Entleh¬
1920) robot als Bezeichnung eines Maschinen¬ nung in anord. rokkr. Die niederdeutsche Ent¬
menschen gebildet wurde. sprechung Wocken (s. d.) scheint ganz abzutren¬
Eichler (1965), 112f. nen zu sein.
robust Adj. 'kräftig, stabil’. Im 18. Jh. ent¬ S. auch Rakete. — K. Maurer RJ 9(1958), 282 — 298;
lehnt aus gleichbedeutend 1. röbustus (wörtlich: G. Rolfs ZRPh 75 (1959), 509-520.
'aus Hartholz, aus Eiche’), zu 1. röbur 'Hartholz, Rodel m./f 'Urkunde’, südwd., schwz. Spmhd.
Eichenholz, Eiche’. rodel m./f Entlehnt aus ml. rotulus m., rotula f.
W. J. Jones SN 51 (1979), 272. 'Schriftrolle’, aus 1. rotula f, rotulus m. 'Räd¬
Rochade /. 'Doppelzug, Bewegung von Turm chen, Röllchen’ zu 1. rota f. 'Rad’. Die gleiche
und König’, s. rochieren. Entwicklung in Rolle (s. d.).
S. rotieren ( + ).
röcheln swV. Mhd. rücheln, rühelen. Iterativ¬
bildung zu mhd. r(u)ohen, ahd. rohön 'brüllen’, rodeln swV. 'Schlitten fahren’. Ursprünglich
wie nndl. rochelen 'röcheln’, mndl. 'brüllen’. bairisches Wort, bezeugt seit dem 19. Jh. Her¬
Auch nisl. hrygla 'Rasseln in der Kehle’, lett. kunft unbekannt.
kraükät 'husten, Schleim auswerfen’ bezeugen roden swV. In dieser Lautform niederdeut¬
ein ähnliches Schallwort. Offenbar *kruk- für scher Herkunft. Mhd. riuten, roten, mndd. ro¬
'schnarchen, röcheln, grunzen u. ä.’. den, raden, afr. rothia. Wohl abgeleitet von ahd.
Roche(n) m., fachsprachl. Im 15. Jh. über¬ rod n., anord. ruö, afr. rothe, ae. rod 'Rodung’,
nommen aus mndd. roche(n), ruche(n), das mit zu dem auch anord. ryöja 'frei machen, roden’
mndl. rochge, roch (che), ae. reohhe f. zusam¬ gehört. Schwundstufige Bildung neben dem un¬
mengehört. Das Wort kann an rauh (s. d.) ange¬ ter reuten (s. d.) aufgeführten Verb und dessen
schlossen werden, da der Rochen eine dornige Grundlage. Die hochdeutsche Form des Verbs
Haut hat. Bedeutungsgleiches 1. räia f. unbe¬ ist bewahrt in ausrotten (s. d.).
kannter Herkunft mahnt aber zur Vorsicht — S. auch Ried1.
vielleicht liegt eine Entlehnung aus einer unbe¬ Rodeo n. 'Geschicklichkeitswettkämpfe von
kannten Sprache vor. Cowboys’, sonder spracht. Im 20. Jh. entlehnt
rochieren swV. 'Plätze tauschen’, fachsprachl. aus gleichbedeutend ne. rodeo (wörtlich: 'Zu¬
Terminus des Schachspiels, vielfach übertragen sammentreiben des Viehs’), dieses aus span, ro¬
verwendet. Die Rochade wurde im 16. Jh. einge¬ deo m. 'Zusammentreiben’, zu span, rodear 'zu¬
führt und hieß so nach der Bezeichnung des sammentreiben’.
Turms (mhd. roch), umgesetzt aus mndl. roc,
Rogen m. 'Fischeier vor dem Ablaichen’,
das aus afrz. roc entlehnt ist. Dieses aus span.
fachsprachl. Mhd. roge(n), ahd. rogan, rogo,
roque, das auf arab. ruhh zurückgeht. Dieses
mndd. roge(n), rogel, rogge aus g. *hrugön m.
aus pers. ruh, zu mpers. rahv 'Aufbau, Karosse¬
(«-Stamm neben «a-Bildung, vermutlich ur¬
rie (des Kriegswagens)’ (in einem zusammenge¬
sprünglich «-Stamm mit schwundstufigem Suf¬
setzten Wort, das ai. ratha '(Kriegs)Wagen’, im
Schachspiel 'Turm’ wiedergab). Das Verb ro¬ fix in einigen Kasus), auch in anord. hrogn n.
chieren wie frz. roquer, span, enrocar, it. arro-
Außergermanisch vergleicht sich lit. kurkulai
PL, russ. krjak 'Froschlaich’, die an lautma¬
care.
lende Wörter für 'quaken’ angeschlossen wer¬
G. Bossong ZRPh 94(1978), 48-68, besonders 57f.;
Littmann (1924), 115; Lokotsch (1975), 137. den können. Im einzelnen nicht ausreichend
sicher.
Rock m. Mhd. roc, rok, ahd. (h)roc, as. rok
Nschw. rom, nisl. hrogn.
aus wg. *rukka- m. 'Rock’, auch in ae. rocc,
afr. rokk. Außergermanisch vergleicht sich air. Roggen m. Mhd. rocke, rogge, ahd. as. roggo
rucht 'Tunika’, kymr. rhuchen 'Mantel’. Alles aus *rugön mit Geminate aus Formen mit
weitere ist unklar. Es besteht auch eine Variante schwundstufigem Suffix, wie auch durch afr.
mit Anlaut hr- in ahd. hroc, as. hroc, afr. hrokk, rogga vorausgesetzt; daneben *rugi- m. in
die vermutlich über das Französische zu Frack anord. rugr, ae. ryge. Außergermanisch verglei¬
(s. d.) geführt hat. chen sich lit. rugys 'Roggenkorn’, PL 'Roggen’,
Nndl. rok. aruss. rüzi f. 'Roggen’. Vielleicht auch thrak.
Rocken m. 'Spinnstab’, arch. Mhd. rocke, briza 'Roggen’. Weitere Herkunft unklar; die
ahd. roc(ko), mndd. mndl. rock(en). Vermut¬ lautliche Nähe von gr. öryza f. 'Reis’ (s. Reis1)
roh 604 Roman

ist auffällig. Die Schreibung mit gg wurde zur Röhricht n. Mhd. rörach, raerach, ahd. rö-
Unterscheidung von Rocken eingeführt. rah(i). Mit anderem Suffix, vielleicht in ae.
Nndl. rogge, ne. rye, nschw. rag, nisl. rügur. — Hoops sce-ryric 'Röhricht’. Das -t im Deutschen ist
(1905), 447-449, 461f.; Hoops (1911/19), III, sekundär angewachsen. Kollektivbildung zu
508-514; J. Charpentier ANF 46 (1930), 63-73; H. Rohr (s. d.).
Höing DWEB 1 (1958), 117-190; H.-F. Rosenfeld
rojen swV. 'rudern’, fachsprachl., ndd. Seit
NM 28 (1972), 61—69, besonders 67; Lühr (1988), 291.
Zur Schreibung vgl.: Bahder (1925), 52. dem 17. Jh. auch in hochdeutschen Texten.
Mndd. roien, rojen, roen, die mhd. Entspre¬
roh Adj. Mhd. rö, rou, ahd. rö, as. hrä(o) aus
chung ist rüejen, rüegen. Schwaches Verb (se¬
g. *hrawa- Adj. 'roh’, auch in anord. hrär, ae.
kundär schwach geworden?) zu g. *rö-a- stV.
hreaw, hräw. Aus einer Sippe, in der Wörter für
'rudern’ in anord. röa, ae. röwan. Auf *re-/rö-
'Blut’, 'Fleisch’ und 'roh’ auftreten; die Bedeu¬
'rudern’ gehen auch zurück 1. remus 'Ruder’
tung geht also von 'blutendes, rohes Fleisch’
und air. raid 'rudert’. Diese sind erweitert aus
aus. Vgl. 1. cruor 'Blut’, 1. crüdus 'rauh, roh,
*er3- 'rudern’ in ai. aritä 'Ruderer’, gr. eretes
hart’, mir. crü, kymr. crau 'Blut’, air. crüaid
'Ruderer’, lit. irti 'rudern’.
'hart, fest’, lit. kraüjas, akslav. krüvi 'Blut’, gr.
Nndl. roeien, ne. row, nschw. ro, nisl. röa. S. Riemen2,
kreas, ai. kravls- 'Fleisch’, auszugehen ist also Ruder.
von *krow3-o- 'blutig, roh’.
Rokoko n. (= ein Baustil), fachsprachl. Im
Nndl. rauw, ne. raw, nschw. rä, nisl. hrär. S. auch krud,
Rufe.
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. rococo
m., zu frz. rocailte f. 'steiniger Boden, Geröll’,
Rohr n. Mhd. ahd. mndd. rör aus g. *rauza- zu frz. roc m. 'Fels’, zu frz. röche f. (dass.). So
(älter wohl ein s-Stamm) n. '(Schilf)Rohr’, auch benannt in scherzhaft abwertender Charakteri¬
in gt. raus (mit Beseitigung des grammatischen sierung des Leitmotivs dieser Kunstrichtung,
Wechsels), anord. reyrr m. Herkunft unklar. das auf Einlegearbeiten mit Steinchen und Mu¬
Vielleicht als das 'Rauschende, Raschelnde’ zu scheln zurückgeht.
einer Schallwurzel wie die von rauschen (s. d.).
Rolle f. Mhd. mndd. rolle, rulle, mndl.
Vom Schilfrohr aus ist die Bedeutung auf an¬
rol(le), rulle. Entlehnt aus frz. röle m., das aus
dere längliche, innen hohle Gegenstände über¬
1. rotulus m., rotula 'Rädchen’ (zu 1. rota 'Rad’)
tragen worden.
stammt. Wie bei dem unmittelbar aus dem La¬
Nndl. roer, nschw. rör, nisl. reyr. S. Röhre, Röhricht.
teinischen entlehnten Rodel (s. d.) ist zunächst
Rohrdommel/. 'eine im Schilf nistende Reiher¬ ein zusammengerolltes Schriftstück gemeint,
art, fachsprachl. Mhd. rörtumel, rörtrumel m., dann geht die Bedeutung (unter Einfluß des
ahd. röratumbil, hor(o)tübil, hor(o)trugil m., Verbs rollen) auf andere zylinderförmige Gegen¬
hor(o)tum(b)il m., mndd. rördum, rördump(t); stände über. Die Rolle des Schauspielers geht
vgl. ae. räredumle m./f Der Vogelname ist viel¬ auf den im 16. Jh. aufgekommenen Brauch zu¬
fach entstellt und sekundär an andere Wörter rück, den eigenen Anteil am Spiel auf Rollen
angeglichen worden, so daß auch der Ausgangs¬ zu schreiben, von denen bei den Proben nur
punkt nicht sicher bestimmbar ist. Man vermu¬ die gerade benötigte Stelle sichtbar, der Rest
tet ein den Schrei des Vogels nachahmendes aufgerollt ist.
dum/dom im Hinterglied (evtl, ein Wort für S. rotieren (+).
Trommel) und das Wort Rohr nach dem Nist¬
rollen swV. Mhd. mndl. rollen. Entlehnt aus
platz im Vorderglied. Die Angleichung an ahd.
frz. rouler, das teils auf ein Verbum zu 1. rotella
hor(o) 'Schlamm’ wohl ebenfalls nach dem
'Rädchen’, teils auf eines zu 1. rotula 'Rädchen’
Aufenthaltsort, ahd. -tühhil 'Taucher’ nach den
zurückgeht (zu diesem s. Rolle).
Freßgewohnheiten.
S. auch Geröll, rotieren ( + ).
Nndl. roerdomp. - Suolahti (1909), 383-388.
Rollmops m. 'marinierter Hering’. Im 19. Jh.
Röhre/. Mhd. röre, roere, ahd. röra, rör(r)ea
von Berlin aus verbreitet. Übertragen aus der
Schilfstengel, Röhre’. Zugehörigkeitsbildung
Bezeichnung der Hunderasse wegen deren ge¬
zu Rohr (s. d.).
drungener Gestalt.
röhren swV. Mhd. ahd. reren, mndd. raren,
Roman m. (= umfangreiches Erzählwerk).
reren aus wg. *raiz-ija- oder *rair- swV. 'brül¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
len’, auch in ae. rärian. Für -z- spricht, falls
roman, dieses aus afrz. romanz (wörtlich: 'fran¬
zugehörig, ahd. lütreisti 'laut schreiend’. Ent¬
zösisch geschriebenes Buch’), aus spl. *romani-
sprechende Schallverben (ohne s) in ai. räyati
cus romanisch , aus 1. Römänicus 'römisch’, zu
'bellt’, lit. rieti 'anbellen, laut schelten’, russ.
1. Römaj. Rom’. Zunächst Bezeichnung der aus
räjatl 'lärmen, (er)schallen’.
dem Lateinischen ins Französische übersetzten
Ne. roar.
Bücher; dann auch für französische Bücher. Seit
Romantik 605 Rost

dem 15. Jh. für epische Werke zu abenteuer¬ betsschnüre. Der Name nach kirchen-1. rösä-
lichen Stoffen in der Vergangenheit verwendet; rium n., wohl weil die aufgereihten Gebete die
seit dem 17. Jh. die heutige Bedeutung. Roman¬ Gottesmutter wie ein Kranz von Rosen schmük-
tisch ist zunächst 'romanhaft’; daraus 'phanta¬ ken sollten.
stisch, stimmungvoir, dann 'schwärmerisch, H.-G. Richert ZDS 21 (1966), 153-159.
stimmungsvoll’ (entsprechend Romantik, Ro¬
Rosenmontag m. Der Montag vor Fasnacht
manze).
heißt mit einem rheinischen Wort rosen(d)mon-
Morphologisch zugehörig: Romancier, Romanik
tag zu rasen im Sinn von 'tollen’.
(usw.), Romantik, Romanze. - J. W. Walz ZDW
12 (1910), 193-195; R. Ullmann/H. Gotthard: Ge¬ Rosette /., s. Rose.
schichte des Begriffs 'Romantisch’ (Berlin 1927); Ganz
Rosine /, 'getrocknete Weinbeere’. Im Früh¬
(1957), 192f.; G. Colon ZRPh 77 (1961), 75-80; H.
neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
Eichner (Hrsg.): Romantic and its cognates (Manche¬
ster 1972); F. Kainz in: Maurer/Rupp (1974/78), II,
tend afrz. raisin (sec) m., aus 1. racemus m.
245-491; Jones (1976), 585f. 'Weinbeere’.
Littmann (1924), 15.
Romantik /. 'gefühlvolle Stimmung’, s. Ro¬
man. Rosmarin m. ( = ein immergrüner Strauch;
Küchen- und Heilkraut). Im Frühneuhochdeut¬
Romanze/. 'gefühlvolles Gedicht oder Musik¬
schen entlehnt aus gleichbedeutend 1. rös mari-
stück; inniges Liebesverhältnis’, s. Roman.
nus, rösmarinus (wörtlich: 'Meertau’), zu 1. rös
Römer m. 'grünes bauchiges Weinglas’. Be¬ (-öris) 'Tau’ und 1. marlnus 'zum Meer gehörig’,
zeugt seit dem 16. Jh. im Rheinland. Dorthin zu 1. mare n. 'Meer’.
aus nndl. roemer. Das Wort hat keine sichere Etymologisch verwandt: s. Marine.
Erklärung. Vermutlich war die Bedeutung ur¬
Roß n. Mhd. ros, ors, ahd. (h)ros, as. hros
sprünglich 'Gefäß aus römischem Glas’.
aus g. *hrussa- n. 'Roß’ (bei Gegenüberstellun¬
Rondell n. 'rundes Beet, kreisförmiger Gar¬ gen eher 'Stute’), auch in anord. hross, ae. hors,
tenweg’, s. rund. afr. hors, hars, hers. Herkunft unklar.
röntgen swV Die von Röntgen entdeckten Nndl. ros, ne. horse, nisl. hross. — G. Must GeL
Strahlen werden von ihm selbst X-Strahlen ge¬ 4(1959), 73-76.
nannt, weil er sie zunächst nicht erklären Roße /., auch Roß m./n. 'Wabe’, md. Mhd.
konnte. Danach werden die Strahlen nach ihm räz n., räze /., ahd. rtiza /., mndl. rate, raet.
Röntgenstrahlen genannt, das Durchleuchten Der Bedeutung nach am ehesten als 'Gewebe,
(mit Uminterpretation des Namensausgangs zu Geflecht’ aufzufassen und zu der Sippe von
einem Infmitivzeichen) röntgen. Hürde (s. d.) zu stellen, doch gibt es dort nichts
rosa Adj. Im 18. Jh. entlehnt aus dem lateini¬ mit entsprechender Vokalisierung. Vielleicht ist
schen Namen der Rose, vielleicht zuerst in Zu¬ auch mhd. räze 'Scheiterhaufen’ hierherzustel¬
sammensetzungen (Rosaband u. ä.). len. Dieses läßt sich mit akslav. krada 'Scheiter¬
haufen, Holzstoß’ vergleichen.
rösch Adj. 'knusprig, munter, spröde’, südd.
Nndl. raat. — Trier (1952), 77.
Mhd. rösch(e), rosch 'schnell, frisch, spröde’,
ahd. rose, rosg 'rasch’. Herkunft dunkel. Roßkamm m. 'Pferdehändler’, arch. Seit dem
16. Jh. üblicher Übername; mhd. roskamp ist
Rose /. Mhd. rose mff., ahd. rosa. mndd.
'Pferdestriegel’.
mndl. rose. Wie ae. rose entlehnt aus 1. rosa
(mit Länge in offener Silbe). Dieses aus gr. Roßkastanie/. Bezeugt seit dem 16. Jh., wobei
(dial.) rhöson n. Dieses mit unklarem Laut¬ für die Bezeichnung türkisches Vorbild angege¬
übergang zu gr. rhödon n. Dieses aus einer irani¬ ben wird (als Heilmittel für Pferdekrankheiten).
schen Sprache — die weitere Vorgeschichte ist Auch die Bezeichnung als Kastanie (mit der
strittig. Rose als Krankheitsbezeichnung ist der Baum sonst nichts zu tun hat) beruht auf
übertragen wegen der Farbe des betreffenden türkischem Vorbild.
Ausschlags. R. Loewe BGDSL 62(1938), 52-54; Marzeil (1943/
Hoops (1911/19), III, 530 — 532; M. Mayrhofer in: FS 79), I, 132-134.
Hrozny (1949/50), V, 74 — 77. Roßtäuscher m. 'Pferdehändler’, arch., son-
Rosenkohl m. Bezeugt seit dem 19. Jh. Be¬ dersprachl. Mhd. rostüscher. Zu tauschen (s. d.),
zeichnet nach den Knospen in den Blattachsen, das von täuschen erst sekundär getrennt wurde.
die mit Rosen verglichen werden. Rost1 m. 'Gitter’. Mhd. ahd. as. röst. Der
Rosenkranz m., fachsprachl. Mhd. rosen- Rost ist ursprünglich ein Gatter oder Gitter,
kranz. Die Sache wurde im 13. Jh. aus Spanien zunächst aus Holz. Schon früh spezialisiert sich
eingeführt, wohl in Nachahmung der moham¬ dann das Wort zu einem Eisengitter, das vor
medanischen, ursprünglich buddhistischen Ge¬ allem in der Küche Verwendung findet; hierzu
Rost 606 Roulette

rösten, mhd. rasten, ahd. rösten, mndd. rosten, las 'Hautrose, Rotlauf; eigentlich: das die Haut
rosteren 'auf dem Rost braten’. Herkunft un¬ Rötende’ aus rot (s. d.) und ahd. louft f.fm.
klar. 'Schale, Rinde’, erst sekundär an Lauf angegli¬
Heinertz (1927), 85-119; Trier (1952), 77, 85. chen.
Rost2 m. 'Eisenoxyd’. Mhd. ahd. as. rost aus Rotor m. 'strahlenförmig um eine Achse an¬
wg. *rusta-, aus *ruds-ta- m. 'Rost’, auch in ae. geordnete Blätter’, s. rotieren.
rust m./n.; fo-Bildung zu einem j-Stamm, der Rotspo(h)n m. 'Rotwein vom Faß’, ndd. Zu
zu rot (s. d.) gehört, also 'mit Röte versehen’. mndd. span 'hölzernes Gefäß’, also eigentlich
Entsprechend mit anderem Suffix ahd. rosomo 'roter Faßwein’.
'Rost’. Entsprechend in verwandten Sprachen: H. Teuchert NM 23 (1967), 5-9.
lett. rüsa, akslav. rüzda f. 'Rost’.
Rottanne /. Bezeugt seit dem 16. Jh. Der
Nndl. roest, ne. rust, nschw. rost.
Baum heißt so nach seiner rötlichen Rinde.
rösten1 swV. 'braten’, s. Rost1.
Rotte/. Mhd. rot(te). Entlehnt aus afrz. rote
rösten2 swV. 'Flachs oder Hanf mürbe ma¬ 'Schar’ aus ml. rupta, rutta 'Abteilung’ (zu 1.
chen’, fachsprachl., mundartlich auch rossen. rumpere 'brechen’).
Mhd. razen, mndd. röten. Wie nnorw. royta Morphologisch zugehörig: rotten3; etymologisch ver¬
Faktitivum (*raut-eja~) zu einem starken Verb wandt: s. abrupt.
*reut-a- 'faulen’, das nur noch in anord. rotinn rotten1 swV. 'ausrotten’, s. roden und aus¬
'verfault’ bezeugt ist. Sonst hierzu ahd. rözen, rotten.
rozzen, mhd. razen, rözen, rozzen, as. roton, afr.
rotten2 swV. 'verfaulen’. Aus ndd. nndl. rot¬
rotia, ae. rotian, alle 'faulen’, auch mhd. röz
ten. Zu diesem s. rösten2.
'mürbe’. Der neuhochdeutsche Lautstand ist
S. verrotten.
von rösten1 beeinflußt.
S. verrotten. rotten3 swV. 'sich zusammenscharen’, (meist
zusammenrotten). Bezeugt seit dem 16. Jh. als
rot Adj. Mhd. ahd. röt, as. röd aus g. *rauda-
zusamenroten, das Simplex seit dem 13. Jh. zu
Adj. 'rot’, auch in gt. raups, anord. rauör, ae.
Rotte (s. d.).
read, afr. räd. Die Sippe lautet im Germani¬
schen wie auch außergermanisch stark ab. Auf rotwelsch Adj., sonder spracht. Bezeugt seit
gleicher Ablautstufe stehen (oder können ste¬ 1300. Zu welsch (s. d.) in der Bedeutung 'unver¬
hen) 1. rüfus, air. rüad, lit. raüdas, aruss. rudüu ständliche Sprache’ und gaunersprachlichem
und erweitert ai. röhita- 'rotes Roß’. Das nor¬ rot 'Bettler’ unklarer Herkunft. Schon im 13.
male lateinische Wort für 'rot’ ist (ablautendes) Jh. als Substantiv bezeugt rotwalsch 'bezüg¬
ruber, wozu Rubrik (s. d.). liche Rede’, deshalb vielleicht zu der Bedeutung
Nndl. rood, ne. red, nschw. röd, nisl. rauöur. S. Rost2, 'falsch, untreu’, die rot ebenfalls hat.
Rötel, Rubin, Rubrik und die folgenden Zusammenset¬ S. welsch ( + ). - Wolf (1985), 270.
zungen. — Schwentner (1915), 44 —54.
Rotz m., vulg. Mhd. ro(t)z m./n., ahd. roz
Rotation/. 'Drehung, Wechsel’, s. rotieren. mjn., as. hrot m./n. aus wg. *hruta- m. 'Rotz’,
Rötel m., fachsprachl. Mhd. ratel(stein). Ro¬ auch in ae. hrot n., as. in hrot(t)ag 'rotzig’.
ter Eisenkalk zum Zeichnen und Färben. Nach Das Wort kann an sich aus ahd. rüzan stV.
der Farbe wie ne. ruddle gleicher Bedeutung. 'schnarchen' abgeleitet werden und wäre dann
Die Kinderkrankheit Röteln PI. (seit dem 16. 'das Herausgeschnarchte’; aber es kann kaum
Jh.) heißt so wegen der roten Hautflecken, die ein Zufall sein, daß eine genaue lautliche Ent¬
sie bewirkt. sprechung im Griechischen vorliegt: köryza f.
S. rot ( + ). 'Nasenschleim’. Dieses ist nicht weiter ver¬
Rotgießer m. 'Kupfergießer’, fachsprachl.
gleichbar, so daß die weitere Etymologie offen
bleiben muß.
Nach der Farbe des Metalls, im Gegensatz zu
Zinngießer. Bezeugt seit dem 15. Jh. Rotzlöffel m., vulg. Als Schimpfwort bezeugt
rotieren swV. 'drehen’. Im 19. Jh. entlehnt seit dem 16. Jh. Wohl zu Laffe und löffeln
aus gleichbedeutend 1. rotäre (rotätum), zu 1. (s. d.), also 'einer, der seinen Rotz ableckt’.
rota 'Rad'. Dazu die neolateinische Instrumen¬ Roulade /. (= eine gerolle, gefüllte Fleisch¬
talbildung Rotor. scheibe). Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
Morphologisch zugehörig: Rotation', etymologisch ver¬ tend frz. roulade, zu frz. rouler 'rollen’, zu 1.
wandt: Kontrolle, Rodel, rollen, Rondell, Roulade, Rou¬ rotula 'Rädchen’, einem Diminutivum zu 1. rota
lette, rund; zum Etymon s. Rad. 'Rad’.
Rotlauf m., fachsprachl. Bezeugt seit dem 15. Etymologisch verwandt: s. rotieren.
Jh. zunächst von Krankheiten des Menschen, Roulette n. (= ein Glücksspiel). Im 19. Jh.
erst später auch der Schweine. Nach gr. erysipe- entlehnt aus gleichbedeutend frz. roulette f.
Route 607 Rücken

(wörtlich: Rollrädchen’), einem Diminutivum Platz, den ein Gesetz einnimmt (bis zur näch¬
zu afrz. roele 'Rädchen’, aus 1. rotella f (dass.), sten Überschrift).
einem Diminutivum zu 1. rota f 'Rad’. So be¬ Morphologisch zugehörig: rubrizieren', zum Etymon s.
zeichnet nach der sich drehenden, mit Zahlen rot. — G. Schoppe ZDW 15(1914), 208.
versehenen Scheibe, auf der eine rollende Kugel Rübsen m. Ölpflanze’, fachsprachl. Gekürzt
in einem Zahlenfeld zum Stillstand kommt. aus Rübsamen, mhd. ruob(e)säme, vgl. mndd.
Etymologisch verwandt: s. rotieren. rovesät n. 'Rübensaat’. Die Verkürzung seit dem
Route/. 'Strecke, Weg’. Im 17. Jh. entlehnt 18. Jh. Zu Rübe (s. d.) und Same (s. d.).
aus gleichbedeutend frz. route, dieses aus spl. ruchbar Adj., arch. Älter ruchtbar, aus mndd.
(via) rupta (dass., wörtlich: 'freigebrochener ruchte, rochte 'Leumund’, das mhd. ruoft ent¬
Weg’), zu 1. rumpere (ruptum) 'brechen, zertei¬ spricht, also von rufen (s. d.) abgeleitet ist. Ver¬
len, gewaltsam trennen’. So bezeichnet als ein mutlich aus der sächsischen Kanzleisprache zu
Weg, der von Menschenhand in die Wildnis Luther gekommen, von dem aus es in die Hoch¬
gelegt wurde. Dazu Routine, das die Erfahrung sprache gelangt. Das Wort bedeutet eigentlich
meint, die durch mehrmalige Ausführung be¬ 'durch umlaufendes Gerede bekannt’.
stimmter Tätigkeiten erlangt wird — in Analo¬ S. rufen ( + ). — Bahder (1925), 53.
gie zum fixierten Weg, der öfters beschritten ruchlos Adj., arch. Mhd. ruochelös, ahd. ruo-
wird. holöso, arch. ruahehalös, mndd. rökelös 'sorg¬
Etymologisch verwandt: s. abrupt. - Jones (1976), los’, seit Luther 'gottlos, frevelhaft’ (als 'sich
589.
um nichts kümmernd, unverantwortlich’). Wie
Routine f. 'durch Erfahrung gewonnene Ge¬ ae. receleas 'nachlässig’ zu einem Substantiv
schicklichkeit’, s. Route. gebildet, das in ahd. ruohha /., auch ruoh m.
Rowdy m. 'gewalttätige Person’. Im 19. Jh. 'Sorge’ vorliegt. Weitere Anknüpfungsmöglich¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. rowdy, dessen keiten s. unter geruhen.
weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Ne. reckless. S. geruhen, verrucht.
Ruck m. Mhd. ahd. ruc, mndd. ruck, mndl.
rubbeln swV. 'intensiv reiben’. Eher eine Va¬
ruc, rock aus g. *rukki- m. 'Ruck’, auch in
riation zu ribben und ribbeln (s. d.). Vgl. ne. to
anord. rykkr. Eine Intensivbildung, die offen¬
rub.
bar von dem Verbum rücken ausgeht (es ist
Rübe/. Mhd. ruobe, rüebe, ahd. ruoba, mndd. aber auch das umgekehrte Ableitungsverhältnis
rove. Das Wort hängt sicher zusammen mit 1. möglich). Zum Verbum vgl. mhd. rücken, obd.
räpa, gr. rhäphys, rhäpys, lit. röpe, russ-kslav. rucken, ahd. rucchen, mndd. mndl. rucken,
repa entsprechender Bedeutung, doch ist nur anord. rykkja 'reißen, rücken, werfen’ und mit
Rapp, Raps (s. d.) deutlich aus dem lateinischen anderer Stammbildung spae. roccian 'wiegen,
Wort entlehnt. Vermutlich Entlehnung aus einer schaukeln’. Außergermanisch vergleicht sich
unbekannten Sprache. sinngemäß am ehesten 1. runeäre 'jäten, ausrei¬
S. auch Kohlrabi, Ravioli, Rübsen. ßen’, das zu gr. oryssö 'ich grabe, scharre’, lett.
Rübezahl m. 'Berggeist im Riesengebirge’. Be¬ rü^et 'wühlen, scharren’ gehört. Wieder näher
zeugt seit dem 17. Jh., auch in der Form Ruben- an der germanischen Bedeutung vielleicht ai.
zagel, was 'Rübenschwanz’ bezeichnet. (Dieses lüheati 'rauft aus, rupft’. Zu der Bedeutung
Wort schon im 13. Jh. als Spott- und Beiname). 'graben, wühlen’ auch air. rucht 'Schwein’.
Es ist allerdings fraglich, ob diese Bezeichnung Nndl. ruk, ne. rock, nschw. ryck, nisl. rykkur.
ursprünglich ist, oder ob sie nicht aus einem rück-. Rück- Präfix. In jungen Zusammenset¬
älteren Wort umgedeutet wurde. zungen verkürzt aus zurück (s. d.).
A. Götze LGRP 50(1929), 411-413; H. Dittrich Henzen (1969), 86-132.
MBV 8 (1933), 131 -136; JDR 22 (1933), 61 -65. rucken1 swV., rücken swV, s. Ruck.
Rubin m. Mhd. rubin, rübin. Entlehnt aus ml. rucken2 swV. (vom Laut der Tauben, der als
rubinus 'rot’ (zu 1. rubeus 'rot’), wohl über afrz. rucku u. ä. wiedergegeben wird). Fnhd. ruckein,
rubin (u. ä.). rukzen u. ä., mhd. ruckezen. Vgl. ndd. rüküken,
Zum Etymon s. rot. nndl. roekoeken und frz. roucouler 'girren’.
Rubrik /. 'Spalte, Kategori€, fachsprachl. Im Rücken m. Mhd. ruck(e), rück(e), ahd.
Mittelhochdeutschen (mhd. rubrikjef) entlehnt hrucci, ruggi, rucke, as. hruggi aus g. *hrugja-
aus gleichbedeutend 1. rubrica (terra) 'rote m. 'Rücken’, auch in anord. hryggr, ae. hrycg,
(Erde), Rötel’), zu 1. rubricus 'rot’, zu 1. ruber afr. hregg. Herkunft unklar. Am genauesten
'rot’. Zunächst Bezeichnung des rot geschriebe¬ würde air. crocenn 'Rücken’ entsprechen (in die¬
nen Titels eines Gesetzes; dann metonymisch sem Fall vielleicht aus *krkn-), doch ist dieses
übertragen auf das Gesetz selbst bzw. auf den Wort nur einmal in einer Glosse belegt (die
Rückfall 608 Rüge

entsprechende Lautung hat sonst die Bedeutung bildung zu dem Wort für 'rudern’, das unter
'Haut’). Möglicherweise die gleiche Grundlage rojen dargestellt ist. Eine abweichende Instru¬
*keru- mit einem /r-Suffix bieten ai. karükara- mentalbildung von der gleichen Wurzelform ist
'Wirbel des Halses und des Rückgrats’ und 1. 1. remus m. 'Ruder’, parallel gebildet von der
cervix 'Nacken, Halswirbel’, doch ist der prä¬ Wurzelstufe sind ai. aritra- m., lit. irklas m.
suffixale Teil unklar. 'Ruder’. Das einfache Ruder war in alter Zeit
Nndl. rüg, ne. ridge, nschw. rygg, nisl. hryggur. S. auf der rechten Seite des Schiffs und diente vor
zurück und die folgenden Komposita. — Trier (1952), allem zum Steuern (deshalb Steuerruder und
73. steuerbord 'rechts’). In der Seemannssprache ist
Rückfall m., rückfällig Adj. Lehnübersetzun¬ deshalb Ruder das Steuer, während das Mittel
gen aus frz. recidive f. oder 1. recidiva und zu zum Rudern Riemen heißt (s. d.).
dem Adjektiv 1. recidivus 'zurückfallend’ (zu 1. Nndl. roer, ne. rudder. S. Riemen2, rojen. — Kluge
cadere 'fallen’). Das Wort wird zunächst nach (1926), 49f.
antikem Vorbild vom Rückfall bei einer Krank¬ rudimentär Adj. 'andeutungsweise, unvoll¬
heit benützt, danach übertragen von der Straf¬ ständig’, s. rüde.
fälligkeit.
Rufe /. 'Wundschorf’, reg. Mhd. ruf(e), ahd.
Rückgrat n. Bezeugt seit dem 15. Jh. Vermut¬ ruf, mndd. röf ruf. Zu anord. hrjüfr, ae. hreof
lich ist 1. spina dorsT f. 'Rückgrat’, eigentlich ahd. riob 'schorfig’. Außergermanisch verglei¬
'Spitze des Rückens’ Vorbild für die Ausdrucks¬ chen sich kymr. crawen, crafen, crofen 'Kruste’
weise. Zu Grat, Gräte (s. d.). und lit. nukrüpps 'Schorfig’. Zu ig. *krew9- 'stok-
rücklings Adv. Mhd. rückelinges, rückelingen, kendes Blut usw.’ (s. roh) und den Ableitungen
mndd. ruggelinges, ruggelink; entsprechend vom Typ des aus dem Lateinischen stammenden
mndl. ruggelinge, mit anderer Kasusform (Dativ Kruste (s. d.).
Plural) ahd. ruggilingün. Zu Rücken mit dem Trier (1952), 78.
Adverbialsuffix -lings, das in dieser Form aus
rufen st V. Mhd. ruofen, ahd. ruofan, as. hrö-
dem niederdeutschen Gebrauch stammt (ober¬
pan aus g. *hröp-a- stV. 'rufen’, auch in ae.
deutsch eher -lingeri). Es ist eine erweiterte
hröpan, afr. hröpa (gt. in hrops 'Ruf’, anord.
Form des auch im Gotischen bezeugten Adver¬
in hröp 'Verleumdung, Gericht’). Neben dem
bialsuffixes -ing-.
starken Verb steht ein schwaches in gt. hropjan,
Rucksack m. Im 19. Jh. aus den Alpenmund¬ anord. hrcepa, ahd. ruofen, mhd. rüefen. Keine
arten aufgenommen; deshalb die umlautlose
außergermanische Vergleichsmöglichkeit. Viel¬
(oberdeutsche) Form von Rücken. Zuerst be¬
leicht zu dem unter Ruhm (s. d.) dargestellten
zeugt in der Schweiz im 16. Jh.
Zusammenhang.
Rücksicht /. Lehnübersetzung und Ersatz¬ Nndl. roepen, nschw. ropa, nisl. hröpa. S. anrüchig,
wort für 1. respectus (wörtlich: 'das Zurück¬ berüchtigt, Gerücht, ruchbar, Ruhm. — Lühr (1988),
blicken, Sich-Umsehen’) aus dem 18. Jh. (von 369.
Lessing eingeführt).
Rüffel m., ugs. Im 19. Jh. rückgebildet aus
Rüde m. 'männlicher Hund’, früher allgemei¬ dem heute selteneren rüffeln 'derb tadeln’, das
ner 'großer Hund, Jagdhund’. Mhd. rüde, ahd. seit dem 18. Jh. bezeugt ist. Zu ndd. ruffel
rudio, mndl. roede 'Rute, Penis’. Daneben ohne 'RauhhobeP (vgl. ungehobelt und ähnliche Be¬
Umlaut mhd. rüde, ahd. rudo, as. ruthio, mndd. deutungsübertragungen), doch mögen auch
mndl. rode sowie ae. roöhund 'Dogge’; und mit mhd. reffen, refsen 'tadeln, schelten’ und obd.
Gemination ae. ryööa, mndd. rodde und deut¬ riffeln durch die Riffel ziehen, durchhecheln’
sche Mundartformen (hess. rütte, alem. rütt). bei Bildung und Verbreitung mitgewirkt haben.
Herkunft dunkel.
Rugby n. (= ein Mannschaftswettkampf¬
Nndl. reu.
spiel), sondersprach/. Entlehnt aus gleichbedeu¬
rüde Adj. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ tend ne. rugby, so benannt nach einer Schule
tendem frz. rüde, das aus 1. rudis 'roh’ stammt. in der Ortschaft Rugby in England, der Ge¬
Dazu auch rudimentär. burtsstätte dieses Spiels.
Rudel n. Bezeugt seit dem 17. Jh. Herkunft
Rüge/. Mhd. rüege, mndd. wroge, wröch aus
unklar.
g. *wrögi/jö f. 'Anklage, Tadel’, auch in gt.
Ruder n. Mhd. ruoder, ruodel, ahd. ruodar, wrohs, anord. rög n. 'Streit, Zank’, afr. wrö-
mndd. roder, rör, mndl. ro(e)der, roider u. a. ginge, wrögene. Daneben das Verb rügen, mhd.
aus wg. *röj>ra- n. 'Ruder’, auch in ae. rööer, rüegen, ahd. ruogen, as. wrögian, ae. wrägan,
afr. röther. Anord. röör m., das formal ent¬ afr. wrögia, anord. ratgja, gt. wröhjan. Herkunft
spricht, bedeutet 'das Rudern’; anord. rteöi 'Ru¬ unsicher. Es kann angeschlossen werden an lit.
der’ ist abweichend gebildet. Alte lnstrumental- rekti 'schreien, schelten’, akslav. resti 'sagen,
Ruhe 609 rund

reden , doch sind die Ablautverhältnisse unge¬ älterem rumbullion gekürzt wurde. Dieses ist
wöhnlich. unklarer Herkunft.
Ruhe /. Mhd. ruo(we), ahd. röa, ruowa, Littmann (1924), 130f.; R. Loewe ZVS 61 (1933)- 76f •
mndd. röwe, mndl. roe aus g. *röwö f 'Ruhe’, Ganz (1957), 194.
auch in anord. rö, ae. röw. Dazu wohl im Ablaut rummeln swV. 'lärmen, toben’, ugs., reg. Mhd.
ahd. räwa, räwi, mhd. mndd. räwe. Zu ig. rummel(e)n, nndl. rommelen. Lautmalenden
*ero-/re- 'ruhen’, in gr. erös 'Nachlassen, Rast, Ursprungs wie das parallele rumpeln (s. d.). Aus
Ruhe (vom KampO , avest. airime Adv. 'ruhig’, dem Verbum rückgebildet ist Rummel m., be¬
kymr. araf 'ruhig, langsam’. zeugt seit dem 18. Jh.
Nschw. ro, nisl. rö. S. Rast (+).
rumoren swV. 'laut hantieren, einen dumpfen
Ruhm in. Mhd. ruom, ahd. (h)ruom, as. hröm; Lärm verursachen’, ugs. Im 15. Jh. gebildet zu
dazu ae. hremig, hreamig 'frohlockend’. Erwei¬ d. Rumor 'Lärm, Unruhe’, dieses aus 1. rümor
terung zu der in ai. carkarti 'erwähnt rühmend’, 'Geräusch, Gerede, Lärm’.
gr. kiryx 'Herold’ vorliegenden Wurzel. G. Schoppe ZDW 15 (1914), 208.
S. auch rufen ( + ). rumpeln swV., ugs. Mhd. rumpeln. Schall¬
ruhmredig Adj., arch. Vermutlich umgedeutet nachahmung wie rummeln (s. d.) und me. rum-
aus mhd. ruomreiten 'sich Ruhm bereiten’, das belen, rombien, ne. rumble. Nicht ganz klar sind
bezeugt ist in ruomreiticheit 'Prahlerei’ und md. die zugehörigen Bildungen Gerümpel (s. d.) und
rümereden 'sich rühmen’. Zu Ruhm (s. d.) und Rumpelkammer.
bereit (s. unter bereiten) mit sekundärem An¬ V. Pisani AION-N 22 (1979), 255f.
schluß an reden, als das zweite Glied nicht mehr Rumpf m. Mhd. rumph, mndd. rump, mndl.
verstanden wurde. romp(e), rump. Herkunft unklar. Falls von
Ruhr /., fachsprachl. Mhd. ruor(e), ahd. Korb auszugehen ist, kann an rimpfen (zu
*hremp-a- stV.) über eine Bedeutung 'flechten’
ruora, rüra, as. hröra ist eigentlich eine Rückbil¬
angeknüpft werden.
dung zu rühren (s. d.) und zeigt deshalb auch
S. Rahmen (+), Schütterumpf. — H. Schüwer NJ
verschiedene Bedeutungen, die diesem entspre¬
104(1981), 88-106; Trier (1981), 81.
chen, ausgehend etwa von 'heftige Bewegung’
(vgl. Aufruhr), konkret 'Hundehatz’ und rümpfen swV. Mhd. rümpfen. Abgeleitet von
'Bauchfluß’. Nur die zuletzt genannte Bedeu¬ wg. *(h)remp-a- stV. 'schrumpfen’ in ahd. rimp-
tung ist heute noch üblich. fan, mndd. rimpen, ae. gehrumpan 'ge¬
schrumpft’. Außergermanisch vergleicht sich
Nndl. roer.
vielleicht lit. kremblys 'Eierschwamm’ und gr.
rühren swV. Mhd. rüeren, ruoren, ahd. krämbos 'Schrumpfkrankheit der Trauben’, gr.
(h)ruoren, as. hrörian aus g. *hröz-eja- swV. krämbe 'Kohl’.
'rühren’, auch in anord. hraera, ae. hreran, afr. S. Rahmen, Rampe. — H. Schüwer NJ 104 (1981),
hrera. Vermutlich eine Weiterbildung zu ig. *ke- 96-106.
rd-'mischen’ in ai. srinati 'mengt, mischt’ und Rumpsteak n. 'Rückenstück’. Entlehnt aus
gr. kerännymi 'ich vermische’. ne. rumpsteak, das aus ne. rump 'Rücken, Hin¬
Nndl. roeren, nschw. röra, nisl. hrcera. S. Ruhr. terteil’ und ne. Steak 'Braten’ gebildet ist (s.
Ruin m. 'Zustand der Vernichtung’, s. Ruine. Rumpf und Steak).

Ruine /. (= Reste eines Bauwerks). Im 18. rund Adj. Mhd. runt. Im 13. Jh. entlehnt aus
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ruine frz. ronde (das in tavelrunde und runt[t]avel[e]
(wörtlich: 'Einsturz, Verfall’), aus 1. ruina 'Tafelrunde’, einem Fachausdruck der ritter¬
(dass.), zu 1. ruere 'stürzen’. Die Ruine ist dem¬ lichen Kultur, bereits wesentlich früher ge¬
braucht wird). Das französische Wort aus 1.
nach 'etwas Eingestürztes’; der Ruin ist 'der
rotundus zu 1. rota 'Rad’. Runde f. ist ein Ab¬
Verfall’.
straktum zu diesem Adjektiv, in der speziellen
Morphologisch zugehörig: ruinieren, ruinös-, etymolo¬
Bedeutung 'Wache, Gang der Wache, Rund¬
gisch verwandt: eruieren. — W. J. Jones SN 51 (1979),
gang’ ist es im 17. Jh. aus dem Französischen
272.
(zuerst in der Form Ronde) entlehnt und hat
rülpsen swV, ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh. ursprünglich eine andere Herkunft (span, ronda
Wohl ausgehend von lautmalendem Rülp 'Rülp¬ aus arab. arobt 'fünf oder mehr Soldaten, die
ser’ und vom Verbum rückgebildet rülps 'unge¬ eine Wache bilden’). Rondell 'rundes Beet’ ist
sitteter Mensch’, wie auch schon früher bezeug¬ aus afrz. rondele (roondele) entlehnt und seit
tes mhd. rülz in dieser Bedeutung (zu rülzen). dem 15. Jh. bezeugt. Die Form (stein)rodell
Rum m. Im 17. Jh. vermutlich über nndl. wohl über das Niederdeutsche).
rum entlehnt aus ne. rum, das in Barbados aus S. rotieren ( + ).
Rune 610 Rüster

Rune /., fachsprachl. Im 17. Jh. als Bezeich¬ der groben Gestalt des Knechts Rupprecht bei
nung der alten germanischen Schriftzeichen den Nikolaus-Bräuchen.
wiederbelebt aus anord. rün, ae. rün 'Rune’. S. A. Wolf MS (1955), 475-477.
Dieses wird üblicherweise verknüpft mit mhd. Rupfen m. 'Sackleinwand’, südd. Mhd. rupfin,
rün m., rüne /., ahd. as. gt. rüna und anord. rupfen (Adj. / fjn.) ist ein Stoff-Adjektiv, das
rün, ae. rün in der Bedeutung 'Geheimnis’ (s. später substantiviert wird. Wohl zu rupfen
raunen). Diesem entspricht genau air. rün, (s. d.); aber der Bedeutungsübergang ist nicht
kymr. rhin 'Geheimnis’ — ob durch Urver¬ ganz klar (weil der Stoff aus dem Flachs- und
wandtschaft oder Entlehnung läßt sich nicht Hanfabfall besteht, der von der Hechel abge¬
entscheiden (als Bezeichnung der keltischen rupft wird?).
Schriftzeichen ist das Wort auf jeden Fall nicht
rupfen sw V. Mhd. rupfen, rupfen, ahd. ropfön,
bezeugt). Außerdem steht 1. rümor m. 'Ge¬
mndd. rop(p)en, rofen. Intensivbildung zu rau¬
räusch, Gerücht’ semantisch nahe — es wird
fen (s. d.).
sich also wohl letztlich um ein schallnachah-
mendes *rü- handeln. Anders mit beachtlichen S. auch reuten, Rupfen, ruppig.
Gründen R. L. Morris (s. u.): Zu *reus- 'graben’ ruppig Adj. Ursprünglich niederdeutsches
in akslav. ryti 'graben’, vgl. mit Erweiterung lit. Wort, das im 18. Jh. in der Hochsprache auf¬
ruöbti (roubti) 'einritzen’. Mit weiterentwickel¬ taucht. Ursprünglich 'zerlumpt’ zu rupfen (wohl
ter Bedeutung mndd. rüne 'verschnittener 'wie ein Schaf, dem die Wolle ausgerauft ist’?),
Hengst’, hd. (dial.) raunen 'schneiden’. dann über 'grob’- zu der heutigen Bedeutung.
S. Hahnrei, raunen. — R. L. Morris BGDSL S. rupfen ( + ).
107(1985), 344-358.
Rüsche /. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. ruche
Runge/. 'Stützstrebe am Wagen’, fachsprachl. m. gleicher Bedeutung. Das Wort ist eine Zuge¬
Mhd. runge, ahd. runga, mndd. runge, mndl. hörigkeitsbildung zu frz. ruche 'Bienenkorb’.
rung(e), ronge aus g. *hrungön f. 'Stab, Leiter¬ Die Bedeutungsübertragung erfolgte nach dem
sprosse, Runge’, auch in gt. hrugga 'Stab’, ae. Aussehen einer stark gefältelten Halskrause, die
hrung 'Leitersprosse, Querstange’. Außergerma¬ zuerst so bezeichnet wurde.
nisch vergleicht sich vielleicht poln. krpzel m.
Ruß m. Mhd. ahd. ruoz, as. hrot. Herkunft
'Rockenstab’; sonst ist die Herkunft unklar.
unklar.
Nndl. rong, ne. rung. — Trier (1952), 80.
Nndl. roet.
Runkelrübe f. Bezeugt seit dem 18. Jh.; viel¬
Rüssel m. Mhd. rüezel. Weiterbildung zu
leicht entsprechend zu beurteilen rungeisen
einem Wort, das in ae. wröt, ndd. wröte bezeugt
'Mangold’ (16. Jh.). Am ehesten zu Runks
ist. Dieses zu wg. *wröt-a- stV. 'wühlen’ in ae.
(s. d.), Runken als 'unförmig große Rübe’, aber
wrötan, ahd. ruozen. Weitere Herkunft unklar.
im einzelnen ist die Beurteilung strittig (eher zu
Runke 'Runzel’, vielleicht nach dem Aussehen Vielleicht zu 1. rädere 'nagen’, 1. röstrum n. 'Rüs¬
des Samenkorns). sel, Schnauze, Maul’.
O. Hauschild GRM 27 (1939), 234; H. Marzeil (1943/ Kluge (1926), 48.
79), I, 585. Rüste /. 'Rast’, arch. Mndd. rüste, roste,
Runks m. 'grober Mensch, großes Stück mndl. rust(e)-, rost, mhd. rust. Nebenform zu
Brot’, reg. Die zweite Bedeutung auch bei Run¬ Rast (s. d.).
ke (n). S. auch Ranken, sonst ist die Herkunft rüsten swV. Mhd. rüsten, rüsten, ahd. (hfru¬
unklar.
sten, mndd. rüsten, mndl. rüsten, rosten aus wg.
A. Lindquist BGDSL 76(1954), 238f.
*hrust-ija- swV. 'ausrüsten, schmücken’; abge¬
Runse /., auch Runs m. 'Rinne, Bachbett, leitet von ahd. (h)rust 'Pferdeschmuck’, ae.
Wassergraben in der Grube’, reg. Mhd. runs(t) hyrst 'Schmuck, Schatz’. Dieses aus g. *hreud-a-
m.lf., runse, ahd. runsa. Wie gt. garuns 'Markt’ stV. 'bedecken, schmücken’ in ae. hrodan, hreo-
eine auffällige s-Bildung zu rinnen (s. d.). dan, anord. hroöinn 'mit Gold überzogen’. Dies
S. auch blutrünstig. ist wohl eine Erweiterung zu der Grundlage, die
rünstig Adj., s. blutrünstig. in lit. kräuti 'aufeinanderlegen, laden’, akslav.
Runzel/. Mhd. runzel, ahd. runzil(a). Weiter¬ kryti 'bedecken, verbergen’ vorliegt.
bildung zu gleichbedeutendem mhd. runze, ahd. S. auch Armbrust, entrüsten, Gerüst, Riester1, rüstig,
runza. Vermutlich eine Ableitung mit -z- zu dem Rüstung.
Verbum, das in anord. hrokkva 'zusammenfah¬ Rüster mjf., fachsprachl. Bezeugt seit dem
ren, sich krümmen’ vorliegt. 16. Jh. Das Wort enthält das 'Baumnamensuf¬
Rüpel m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Eigentlich fix’ (hier -ter), s. Holunder, das Vorderglied ist
Koseform von Namen wie Ruodpreht 'Ru¬ auch selbständig bezeugt als mhd. rust. Weitere
precht’. Die appellative Bedeutung wohl nach Herkunft unklar.
rüstig 611 rütteln

rüstig Adj. Mhd. rüstec, rüstic, ahd. rustih, Rute/. Mhd. ruote, ahd. ruota, as. röda 'Rute,
rüstig 'bereit, gerüstet’. Zu dem unter rüsten Stab, Stange’ aus g. *rödö(n) f. 'Rute, Stange,
und Rüstung dargestellten ahd. hrust in der Be¬ Balken’, auch in anord. rööa, ae. röd, afr.
deutung 'Rüstung’, also 'mit Rüstung versehen’. röd(e). Vergleichbar ist vielleicht 1. retae PI.
Daraus in frühneuhochdeutscher Zeit die heu¬ 'Bäume am Lluß’.
tige Bedeutung.
Nndl. roe(de), ne. rood. S. Leimrute.
rustikal Adj. 'ländlich, bäuerlich’. Entlehnt
rutschen swV. Spmhd. rütschen neben älterem
aus ml. rusticalis, dieses aus 1. rüsticus (dass.),
rützen, rutzen. Weitere Herkunft unklar.
zu 1. rüs (-üris) 'Land’.
Ratte f, fachsprachl. 'Aalquappe’ nordd. Be¬
Rüstung f. Im Sinne von 'Aufrüstung’ Ver¬
zeugt seit dem 16. Jh., auch als ruppe. Weitere
balabstraktum zu rüsten (s. d.), bereits ahd. ru-
Herkunft unklar.
stunga im Sinne von 'Werkzeug’, aber erst in
neuerer Zeit wirklich üblich. Im Sinn von 'Rit¬ rütteln swV. Mhd. rütteln, rüt(e)len. Iterativ¬
terrüstung’ seit dem 16. Jh. Älter ahd. hrust, bildung zu gleichbedeutendem rütten. Ver¬
aber auch dieses nur vereinzelt. gleichbar ist ae. hreaöemüs 'Liedermaus’ und
S. rüsten ( + )■ außergermanisch lit. kruteti 'sich regen, sich
Rüstzeug n. Offenbar von Luther gebildetes bewegen, rühren’.
Wort für 'Werkzeug’ im übertragenen Sinn. S. zerrütten.
s
Saal m. Mhd. sal, ahd. sal n., as. seli- aus g. sabotieren swV. 'hintertreiben, vereiteln’. Im
*sali- m., älter wohl *salaz- n. 'Saal', auch in 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. saboter
anord. salr, ae. sal n., salor, sele, gt. in saljan (wörtlich: 'schludern, pfuschen’, wie frz. faire
'Herberge finden, bleiben’, gt. salipwos f. PI. quelquechose comme un sabot. Sabotieren ist
'Herberge, Speisezimmer’. Das Wort bezeichnet also zunächst 'die eigene Arbeit durch Schlude¬
ursprünglich den Innenraum des Einraum¬ rei in Frage stellen’, dann erst 'etwas Fremdes,
hauses. Außergermanisch vergleichen sich 1. so- meist Militärisches oder Politisches, stören und
lum n. 'Boden’, lit. salä f. 'Dorf’, akslav. selo zu vereiteln suchen’), zu frz. sabot 'Holzschuh,
'Acker, Dorf’ (in den slavischen Sprachen von Huf, Fußbeschlag’.
einem *sedlo- 'Siedlung’, das zu sitzen und sie¬ Morphologisch zugehörig: Sabotage, Saboteur.
deln gehört, nicht überall deutlich zu scheiden). Sache/. Mhd. sach(e), ahd. sahha, as. saka
Weitere Herkunft unklar.
aus g. *sakö f. 'Gerichtssache, Streit, Ursache’,
Nndl. zaal, nschw. sal, nisl. salur. S. Geselle, Salon, auch in anord. sgk, ae. saeu, afr. seke\ mit einer
Saloon. — K. Rhamm: Altgermanische Bauernhöfe im
morphologischen Variante *sakjö(n) f. in gt.
Übergang von Saal zu Fletz und Stube (Braunschweig
1908). sakjo, ae. sac(c), ahd. secka. Die heutige Be¬
deutung beruht auf einer Verallgemeinerung,
Saat/. Mhd. ahd. sät, as. säd n. aus g. *sädi-
die in gleicher Weise auch bei Ding (s. d.) und
f. 'Saat’, auch in anord. säd n., ae. säd n., afr.
frz. chose aus 1. causa eingetreten ist. Abgeleitet
sed; gt. in manaseps 'Menschheit’, eigentlich
von g. *sak-a- stV. 'rechten’, in gt. sakan, ae.
'Menschensaat’. Offenbar hat sich ein neutraler
sacan, afr. seka, as. sakan, ahd. sahhan. Die
/«-Stamm eingemischt, vermutlich das Neutrum
Sippe kann weiter zu suchen (s. d.) gestellt wer¬
des alten /«-Partizips ('das Gesäte’). Abstrak¬
den, da sich die Bedeutungen bei den Ableitun¬
tum auf -ti- und Partizip zu der unter säen
gen der beiden Sippen teilweise überschneiden.
behandelten Wurzel. Eine entsprechende /«-Bil¬
Nndl. zaak, ne. sake, nschw. sak, nisl. sök. S.
dung auch in kymr. had 'Saat’, ein erweitertes
suchen (+), Ursache, Widersacher.
//-Abstraktum in 1. satio 'Säen, Saat’.
Sachs m., älter n. 'Waffe’, arch. Mhd. ahd.
Nndl. zaad, ne. seed, nschw. sädd, nisl. säö. S. säen (+).
as. sahs aus g. *sahsa- n. 'Messer, Kurzschwert’,
Sabbat m. jüdischer Ruhetag der Woche’, auch in anord. sax n., ae. seax n., afr. sax n.
sondersprachl. Entlehnt aus 1. sabbatum, sabbata Zu der Wurzel *sek- 'schneiden’, zu der auch
n., das über ntl.-gr. säbbaton n. auf hebr. sabbät Säge (s. d.), Sense (s. d.) und Sichel (s. d.) gehö¬
'Ruhetag’ zurückgeht. Die echt jiddische Form
ren. Formell entspricht 1. saxum n. 'Fels’ als 'das
ist als Schabbes (s. d.) 'Samstag’ ins Deutsche Schneidende, Kantige’. Der zugrundeliegende
gelangt; eine alte Variante hat zu Samstag (s. d.) s-Stamm ist auch in 1. s(a)cena f 'Haue des
geführt. Der Hexensabbat ist eine Pervertierung Pontifex’ und vermutlich in Sense verbaut. Ver¬
des religiösen Ruhetags; deshalb bekommt das
dunkelt ist Sachs als zweiter Bestandteil von
Wort die Bedeutung 'Durcheinander’, die teil¬ Messer (s. d.).
weise auf das Simplex zurückwirkt.
sacht Adj. Niederdeutsche Form von sanft
sabbeln swV Variante zu sabbern (s. d.). (s. d.) durch Ausfall des Nasals vor Spirant und
sabbern swV, ugs. Ursprünglich nieder¬ Übergang von ft zu cht. Die Form dringt seit
deutsch, bezeugt seit dem 18. Jh. Vgl. mndd. dem 15. Jh. nach Süden vor und wird dann
sabben 'geifern’, mndl. sabbern, zabbelen, zabbe- auch hochsprachlich.
ren. Die Gruppe kann zu Saft (s. d.) gehören, Sack m. Mhd. sac m./n., ahd. sac, as. sakk,
möglich ist aber auch eine unregelmäßige Ab¬ wie gt. sakkus, ae. sacc früh entlehnt aus 1.
wandlung aus schlabbern (s. d.). saccus, das über gr. säkkos auf assyr. sakku
Säbel m. Bezeugt seit dem 15. Jh., auch sabel, 'Sack, Büßergewand’ zurückgeht. Auf eine
das sich südwestdeutsch noch lange gehalten Nebenform mit j führen anord. sekkr, ae. sacc.
hat. Entlehnt aus ungar. szablya gleicher Bedeu¬ S. Säckel, Sakko.
tung (zu ungar. szabni 'schneiden'), teilweise Säckel m., reg. Mhd. seckel, ahd. seckil m./
über die polnische Entlehnung szabla. n. Entlehnt aus 1. sac(c)ellus, Diminutiv zu 1.
Wiek (1939), 50f.; Bielfeldt (1965), 33. saccus 'Sack’ (s. Sack).
sacken 613 Saibling

sacken swV. 'sinken’ (meist absacken, wegsak- sen kein lautlicher Weg. Andererseits könnte
ken). Niederdeutsches Wort, vgl. nndl. zakken, eine Auslautvariante zu 1. sapere 'schmecken’,
me. saggen, ne. sag, nschw. sacka. Eine Ablei¬ 1. sapa f. 'Saft’ vorliegen. Dies könnte allerdings
tung von Sack ist kaum wahrscheinlich, obwohl auch auf *swop- zurückzuführen und damit an
semantisch plausibel (vgl. etwa Umfallen wie ein die oben genannte Wurzel anzuschließen sein,
Sack). Andererseits ist die Erklärung als eine was für das germanische Wort nicht gilt. Das
Intensivbildung zu der unnasalierten Grundlage -t der neuhochdeutschen Form ist erst im 14.
von sinken (s. d.) wegen der späten Beleglage Jh. angetreten.
kaum zu vertreten. Vorläufig nicht ausreichend Nndl. ne. sap. S. sabbern. — Lühr (1988), 249.
klar.
Sage/. Mhd. sag(e), ahd. sag(a) aus g. *sa-
sackerlot Interj., arch. Im 17. Jh. entlehnt aus gö(n) f 'Erzählung, Aussage’, auch in anord.
frz. sacrelot, das eine Entstellung von frz. sacre saga, ae. sagu. Abgeleitet von sagen (s. d.). Eine
nom (de Dieu) ist. Noch weiter geht die Entstel¬ außergermanische Entsprechung ist lit. päsaka
lung zu Sapperlot. Ähnlich Sackerment und 'Erzählung, Märchen’. Die heutige einge¬
Sapperment zu Sakrament. schränkte Bedeutung entwickelt sich im 14. Jh.
sackerment Interj., s. sackerlot. und setzt sich im 18. Jh. durch.
Sadebaum m., s. Sebenbaum. Nndl. sage, ne. saw, nisl. saga. S. sagen.

Sadismus m. 'Lust am Quälen anderer’. Im Säge /. Mhd. sege, sage, ahd. sega, saga,
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. sa- mndl. sege aus vor-d. *segö(n) f. Daneben mit
disme, so benannt nach Marquis de Sade, der Ablaut *sagö/., anord. spg, ae. sagu, ahd. saga,
in seinen literarischen Werken die Lust an mndd. mndl. sage. Zu nord-ig. *sek- 'schneiden’
Grausamkeit dargestellt hat. in 1. seeäre, mir. tescaid (*to-eks-sk-), lit. isekti,
Morphologisch zugehörig: Sadist. akslav. sesti 'hauen’ (auch 'schneiden’). Viel¬
leicht weiter hierher alb. shate, shat 'Hacke,
säen swV. Mhd. sce(j)en, ahd. säen, säwen,
Karst’.
sähen, as. säian (altsächsisch einmal ein starkes
Nndl. zaag, ne. saw, nschw. säg, nisl. sög. S. Sachs
Präteritum, althochdeutsch einmal ein starkes
(Messer), schinden, Sech, Segel, Segge, Sense,
Partizip) aus g. *sä-(j)a- stV. 'säen’, auch in gt. sezieren (+), Sichel.
saian, anord. sä, ae. säwan, afr. esen 'gesät’. Aus
sagen swV. Mhd. sagen, ahd. sagen, as. seg-
ig. *se- 'säen’, auch in 1. sero, air. sil 'Same’,
gian aus g. *sag-ä- swV. 'sagen’, auch in anord.
lit. seti, akslav. seti, toch. A. B. säry-. Weitere
segja, ae. seegan, afr. sedza, sidza. Aus eur.
Verknüpfungen, etwa zu Verben mit der Bedeu¬
*sequ- 'sagen’, auch in 1. inquit, air. incoisig
tung 'werfen’ sind unsicher.
'bezeichnete’, kymr. heb(r), lit. sakyti, aruss.
Nndl. zaaien, ne. sow, nschw. sä, nisl. sä. S. Saat,
sociti 'anzeigen’, gr. en(n)epö 'ich sage an, er¬
Saison, Same(n), Seminar.
zähle, verkünde’. Die Wurzel *seku- bedeutet
Safari /. 'Fahrt zur Beobachtung von Tieren’,
sonst 'folgen’, so daß (ähnlich wie bei erzählen
sondersprach! Im 20. Jh. entlehnt aus Suaheli
zu Zahl) von einer Ausgangsbedeutung 'einer
safari, dieses aus arab. safar 'Reise’. Reihe folgen’ und dann 'erzählen’ ausgegangen
Lokotsch (1975), 149. werden kann.
Safe m. 'Panzerschrank, Schließfach’. Im 19. Nndl. zeggen, ne. say, nschw. säga, nisl. segja. S. Sage,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. safe, einer Skalde und zu der allgemeinen Wurzel sehen.
Substantivierung von e. safe 'sicher, unver¬ Sahne/. Spmhd. mndd. mndl. sane. Vermut¬
sehrt’, dieses aus afrz. sauf 'heil, unverletzt’, lich entlehnt aus afrz. sain 'Fett’, das auf 1.
aus 1. salvus (dass.). sagina zurückgeht. Das Wort tritt in älterer Zeit
Etymologisch verwandt: s. salutieren. — Schirmer im Südniederländischen und im Ostmitteldeut¬
(1911), 165. schen und Niederdeutschen auf; ist also offen¬
Safran m. (= eine Gewürz- und Heilpflanze), bar in und um Brabant in seiner Bedeutung
fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. festgelegt und durch die Ostkolonisation nach
saflfjrän) entlehnt aus gleichbedeutend afrz. Deutschland gebracht worden. Dort ist es im
safran, dieses aus span, azafrän (dass.), aus Zuge der Auseinandersetzung mit anderen Wör¬
arab. zafarän (dass.). tern dieser Bedeutung als vorwiegend städti¬
Littmann (1924), 81, 83; Lokotsch (1975), 139. scher Ausdruck vor allem für die verarbeitete
Saft m. Mhd. saft n., älter saf n., ahd. sa(p)f und die süße Sahne durchgesetzt worden.
n. , mndd. mndl. sap aus wg. *sapi- m., auch in S. auch Rahm1. — Teuchert (1944), 374f.; N. Törnqvist
NM 5 (1949), 178-197.
ae. step n. Hierzu als n-Stamm mit Auslautvaria¬
tion anord. saft 'Baumsaft’. Herkunft unklar. Saibling m., reg. Bairische Lautform für
Einerseits existieren Wörter für Saft von der Sälbling und Sälmling. Eine Ableitung zu Salm1
Wurzel *sew3- 'auspressen’, doch führt zu die¬ (s. d.) mit Anpassung der Konsonantengruppe.
Saison 614 Salband

Saison /. 'geschäftlich oder gesellschaftlich etymologisch verwandt: Konsekration, Sankt, sanktio¬


bedeutendster Jahresabschnitt, günstige Jahres¬ nieren (usw.).
zeit’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Sakristei /. 'Nebenraum in der Kirche zur
frz. saison, dieses aus 1. satio (-önis) 'Säen, Aufbewahrung der Gegenstände des Gottes¬
Pflanzen’, zu 1. serere (satum) 'säen, pflanzen’. dienstes’, faehsprachl. Im Mittelhochdeutschen
Die Bedeutungsentwicklung verläuft von 'Säen’ (mhd. sacristle) entlehnt aus gleichbedeutend
über 'Zeit des Säens, Frühling’ hin zu 'Jahres¬ ml. sacristia, zu 1. sacer 'geweiht, heilig’.
zeit’ bzw. '(zum Säen günstige) Jahreszeit’. Etymologisch verwandt: s. Sakrament. — Masser
Morphologisch zugehörig: saisonal; etymologisch ver¬ (1966), 154f.
wandt: s. säen. — Schirmer (1911), 165f.; Brunt(1983),
säkularisieren swV. 'kirchlichen Besitz ver¬
461.
staatlichen’, faehsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
Saite/. Mhd. Seite m./f., ahd. seita. Daneben gleichbedeutend frz. seculariser, zu 1. saeculärius
ahd. seit n., seito m., ae. säda m. Die Bedeutun¬ 'weltlich, heidnisch’, aus 1. saeculum 'Welt, irdi¬
gen sind 'Strick, Schlinge, Fessel usw.’, auch sches Leben, Zeitlichkeit, Zeit, Geschlecht’.
'feiner Darm’; so besonders Saitling, vgl. Sai¬ Morphologisch zugehörig: säkular, Säkularisation, Sä-
tenwurst; die Einengung auf die Instrumenten¬ kulum. — A. Baruzzi PhJ 85 (1978), 301—316.
saite im Deutschen bei diesem Wort seit mittel¬
-sal, -sei Suffix (zur Bildung von Abstrakta).
hochdeutscher Zeit; Varianten mit anderer Be¬ Variante auf g. -sla-/ö des Instrumentalsuffixes
deutung sterben aus. Ableitungen mit /-Suffixen ig. -tlo-,
zu einer Grundlage *sei- (u. ä.), deren Verbrei¬
Salamander m. (= ein Schwanzlurch). Im
tung und Grundform umstritten ist, da das
Mittelhochdeutschen (mhd. Salamander m./f.)
Material des Indischen und des Hethitischen
entlehnt aus gleichbedeutend 1. salamandra /.,
jeweils in sich unstimmig ist. Im Indischen ist
dieses aus gr. salamandra f. (dass.).
sowohl eine langvokalische Wurzelform be¬
Kluge (1895), 52-54, 119f.; Kluge (1912), 117-124;
zeugt, wie auch eine mit ei-Diphthong; im He¬
K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 378.
thitischen ist die Verbindung des laryngalhalti-
gen ishiya- 'binden’ mit der übrigen indogerma¬ Salami /. (= eine Dauerwurst). Im 19. Jh.
nischen Sippe und mit luv. hishija- gleicher Be¬ entlehnt aus gleichbedeutend it. salame m., zu
deutung unklar. Vielleicht ist auszukommen mit it. sale m. 'Salz’, aus 1. säl (-alis) m./n. (dass.).
*seh-, das sowohl unerweitert, wie auch als Selben Ursprungs ist Saline 'Anlage zur Gewin¬
nung von Kochsalz’.
*s(e)hei- auftritt. Vgl. außer heth. ishiya-, ai.
syäti und ai. sinäti noch lit. sied und zahlreiche Etymologisch verwandt: Salär, Salat, Salmiak, Salpe¬
ter, Salz, Sole, Solper, Soße.
Ableitungen in den verschiedenen indogermani¬
schen Sprachen. Dem hier behandelten Wort Salär n. 'Gehalt, Lohn’, arch., südd. Entlehnt
entsprechende /-Bildungen etwa in ai. setu- m. aus gleichbedeutend frz. salaire m., dieses aus
'Fessel, Band’, lit. saTtas m. 'Tragkette, Strick’, 1. salärium 'Sold’, zu 1. säl m./n. 'Salz’. So be¬
akslav. seti f. 'Strick’. nannt, da es sich ursprünglich um eine Salzra¬
S. Sehne, Seil. — Relleke (1980), 44 — 46, 96 — 98, tion für Soldaten und Beamte handelte; dann
203-208; E. Hamp 7F 87 (1982), 72-75. verallgemeinert auf 'Entlohnung’.
Etymologisch verwandt: s. Salami. - Nyström (1915),
Sakko m./n. 'Jacke’. Im 19. Jh. entlehnt aus
175.
gleichbedeutend it. sacco m. (wörtlich: 'Sack’),
dieses aus I. saccus m. 'Sack’, aus gr. säkkos m. Salat m. Im 16. Jh. entlehnt aus it. salata f.
(dass., auch: 'grobes Gewand’), dieses aus dem gleicher Bedeutung, eigentlich insalata f. 'das
Semitischen. So benannt als ein gerade — nicht Eingelegte, Marinierte’ (wörtlich 'das Eingesal¬
auf Taille — geschnittenes Kleidungsstück. zene’). Das Wort bezeichnet also zunächst die
Speise und dann erst die Pflanze.
Etymologisch verwandt: s. Sack. - W. Fischer in:
Maurer/Stroh (1943), II, 364f. S. Salami ( + ).

Sakrament n. 'Gnadenbezeugung Gottes’, Salbader m. 'Schwätzer’, ugs. Bezeugt seit


faehsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. dem 17. Jh., zunächst in der Bedeutung 'Salba¬
sagkermente, sacrament} entlehnt aus gleichbe¬ derei’. Herkunft unklar.
deutend kirchen-1. sacrämentum (wörtlich: 'reli¬ Schröder (1906), 178 — 180.

giöse Weihe’), dieses aus 1. sacrämentum 'Weihe, Salband n. 'Webkante’, faehsprachl. Fnhd.
Verpflichtung, Strafsumme’, zu I. sacräre 'der seihende, also 'eigenes Ende’, ebenso mndd.
Gottheit weihen’, zu 1. sacer 'heilig, einem Gott mndl. seifende (vgl. nndl. zelfkant, fr. seifkant,
gewidmet’. ne. selvedge u. a.). Die heutige Lautform ist
Morphologisch zugehörig: sakra, sakral, sakramental. ostmitteldeutsch im 16. Jh. entstanden und hat
Sakramentalen, Sakramenter, sukrieren, Sakrifizium, zu einer Anknüpfung an Band (und sogar zu
Sakrileg, Sakrilegium, sakrisch, Sakristei, sakrosankt; einer Nachbildung Sal-Leiste) geführt.
Salbe 615 Salve

Salbe /. Mhd. salbe, ahd. as. salba aus wg. niacum n. (wörtlich: 'armenisches Salz’), einer
*salbö f. 'Salbe’. Da das zugehörige schwache Bezeichnung nach dem Herkunftsland.
Verb weiter verbreitet ist, handelt es sich bei Etymologisch verwandt: s. Salami. - E. Ploß ASNSL
Salbe vielleicht um eine Rückbildung. Vgl. gt. 195 (1958), 321-324; K.-H. Weinmann DWEB
salbon, ae. sealfian, afr. salva, as. salhon, ahd. 2(1963), 404; Lüschen (1968), 306f.
salbön, mhd. salben, ln diesem Fall ist von Sälmling m., s. Salm' und Saibling.
'schmieren’ auszugehen, das denominativ wäre Salmonelle/. 'Bakterie, die Darminfektionen
zu einem indogermanischen Wort für 'Fett, Öl’, hervorruft’, fachsprachl. Neubildung des 20.
vgl. ai. sarpi- 'zerlassene Butter, Schmalz’, Jhs. zu Salmon, dem Namen eines amerikani¬
toch. A. sälyp, toch. B. salype 'Salbe, Fett’, gr. schen Bakteriologen und Pathologen.
elpos 'Öl, Fett’. Weitere Herkunft unklar.
Salon m. 'repräsentativer Raum, Zusammen¬
Nndl. zalf, ne. salve.
kunft, elegantes Geschäft’. Im 18. Jh. entlehnt
Salbebaum m., s. Sebenbaum. aus gleichbedeutend frz. salon, dieses aus it.
Salbei m./f, fachsprachl. Mhd. salb eie, sal- salone 'Großer Saal’, einem Augmentativum zu
veie, ahd. salbeia, salveia, salveghe f. Entlehnt it. sala f. 'Saal’, frz. solle f. 'Saal’, das aus
aus 1. salvia/., vermutlich abgeleitet von 1. salvus der fränkischen Entsprechung von Saal (s. d.)
'gesund’. stammt. Selben Ursprungs ist das aus dem Eng¬
lischen übernommene Saloon.
S. salutieren (+).
Etymologisch verwandt: s. Saal. — E. Öhmann NPhM
Saibling m., s. Salm1 und Saibling. 44(1943), 14.
Salbuch n. 'Urkundenbuch’, arch. Mhd. sal- Saloon m.{= ein Lokal im Stil der Wildwest¬
buoch, zu mhd. sal(e) /., ahd. sala f. 'rechtliche filme), s. Salon.
Übergabe eines Guts’ aus g. *salö f. 'Übergabe’, salopp Adj. 'locker, leger’. Im 19. Jh. entlehnt
auch in anord. sala f. 'Verkauf’, ae. sala m. Zu aus gleichbedeutend frz. salope, dessen weitere
einer Wurzel *sel- 'nehmen’, die im Germani¬ Herkunft nicht sicher geklärt ist.
schen sonst nur noch durch das Kausativum Brunt (1983), 461.
*sal-eja- swV. 'übergeben’ (evtl, primäres jo- Salpeter m. (= ein Salz der Salpetersäure),
Verb mit einem auch sonst nachweisbaren fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. Sal¬
Wechsel der Bedeutung zwischen 'nehmen’ und peter) wohl umgebildet aus mhd. salniter
'geben’) bezeugt ist, vgl. gt. saljan 'opfern’, (dass.), dieses aus 1. säl nitrum (dass., wörtlich:
anord. sei ja, ae. sellan, afr. sella, as. sellian, 'Natronsalz’), aus 1. säl m./n. 'Salz’ und 1. nitrum
ahd. seilen, mhd. seilen, sein. Eur. *sel- in gr. n. 'Natron’, dieses aus gr. nitron n. (dass.), das
(Aorist) helein 'nehmen’ und air. selb f. 'Besitz’. ägyptischen Ursprungs ist. Die Formverände¬
Weiteres ist unsicher. rung wohl in Anlehnung an 1. säl petrae 'Stein¬
Saldo m. 'Differenzbetrag’, fachsprachl. Im salz’.
Etymologisch verwandt: s. Salami. — P. Forchheimer
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. saldo
MLN 67 (1952), 103-106; Lüschen (1968), 307.
(wörtlich: 'fester Bestandteil [bei der Kontofüh¬
rung]’), einer Ableitung von it. saldare 'festma- Salto m. 'Überschlag’. Im 19. Jh. entlehnt aus
chen, ausgleichen’, zu it. saldo 'fest’, dieses über it. salto 'Sprung’, dieses aus 1. saltus 'Springen,
Hüpfen, Sprung’, dem substantivierten PPP.
spätlateinische Zwischenstufen zu 1. solidus
von 1. salire (saltum) 'springen, hüpfen’.
(dass.).
Etymologisch verwandt: Halma, resultieren (usw.).
Etymologisch verwandt: s. solide.
salutieren swV. 'militärisch grüßen’, fach¬
Saline /. 'Anlage zur Gewinnung von Salz’, sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. salütäre 'grü¬
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ ßen, begrüßen’, zu 1. salüs (-ütis) 'Gesundheit’,
deutend 1. salinae, einer Ableitung von 1. salinus vgl. den Gruß 1. salve. Dieses zu 1. salvus 'heil’.
'zum Salz gehörig’, zu 1. säl m./n. 'Salz’. Morphologisch zugehörig: Salut, Salutation; etymolo¬
Etymologisch verwandt: s. Salami. gisch verwandt: Safe, Salbei, [Salvator], Salve.

Salm1 m. 'Lachs\ fachsprachl. Mhd. salm(e), Salve /. 'gleichzeitig abgefeuerte Anzahl von
ahd. salm(o), as. salmo. Entlehnt aus 1. salmo Schüssen’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
gleicher Bedeutung. tend frz. salve, dieses aus it. salva (dass.), zu 1.
salvere (in flektierten Formen: 'sei gegrüßt,
S. auch Saibling.
bleib gesund, guten Tag’), zu 1. salvus 'heil’.
Salm2 m. Nebenform zu Psalm (s. d.). Zunächst Bezeichnung von gleichzeitig abge¬
Salmiak m. ( = eine Verbindung von Salzsäure feuerten Schüssen als Gruß und Ehrenbezeu¬
und Ammoniak), fachsprachl. Im Frühneu¬ gung (vgl. Salut); dann übertragen auf scharfes
hochdeutschen über mittellateinische Vermitt¬ Schießen.
lung entlehnt aus gleichbedeutend 1. säl arme- Etymologisch verwandt: s. salutieren.
Salweide 616 Samstag

Salweide /., fachsprachl. Mhd. salewtde, von Samaria\ der Hauptstadt des israelitischen
mndd. salwide. Verdeutlichende Zusammenset¬ Nordreiches in Mittelpalästina).
zung für gleichbedeutendes mhd. salhe, ahd. Littmann (1924), 34.
salaha aus g. *salhö, älter *salihö /., auch in Same(n) m. Mhd. säm(e), ahd. as. sämo.
anord. selja, ae. sealh. Aus west-ig. *salik- Konkretbildung zu säen (s. d.), wie in 1. semen
'Weide’, auch in 1. salix, mir. sail, kymr. n., lit. semenys m. PL, akslav. semg n.
helyg(os). Da der Baum häufig zusammen mit S. Rübsen, säen ( + ). — Kluge (1926), 46f.
Farbwörtern genannt wird (vgl. 1. salix cäna
sämig Adj. 'dickflüssig’. Niederdeutsche
'die graue Weide’, lit. zil-vitis m. 'Grauweide’)
Nebenform (ndd. semig) zu seimig (s. Seim).
ist ein Zusammenhang mit air. salach 'schmut¬
zig’, g. *salwa- 'dunkel’ möglich. Dieses in Sämischleder n., fachsprachl. Bezeugt seit dem
anord. splr, ae. salu, ahd. salo. 15. Jh. Sicher ein Fremdwort, doch ist die Her¬
Ne. sallow, nschw. sä lg. kunft umstritten. Am ehesten aus frz. chamois
m. 'Gemse, Gamsleder, Sämischleder’.
Salz n. Mhd. ahd. salz, as. salt aus g. *salta-
n. 'Salz’, auch in gt. anord. salt, ae. sealt. Abge¬ sammeln swV. Mhd. mndd. samelen, dissimi¬
leitet von g. *salt-a- stV. 'salzen’ in gt. saltan, liert aus mhd. sam(e)nen, samen, ahd. samanön,
ae. sealtan, mndd. sollen, mndl. souten, ahd. as. samnon, samnoion aus g. *samen-ö- swV.
salzan. Auszugehen ist von ig. *sol- 'Salz’ in gr. 'sammeln’, auch in anord. samna, safna, ae.
hals m., 1. säl m./n., als /-Stamm 1. sal(e), lett. samnian, afr. samnia, somnia; Faktitivum zu g.
säls, akslav. soll/., arm. ufund vielleicht kymr. *samena- Adv. in gt. samana-, anord. as. saman,
häl. Andere Bildungen in toch. A. säle, toch. ahd. samant. S. zusammen für die weitere Ety¬
B. salyiye und air. salann, kymr. halen. Das mologie.
germanische Verb geht auf ein Faktitivum Nndl. zamelen. S. gesamt, zusammen ( + ).
*sdl-d- 'Salz geben, würzen’ zurück, das viel¬ Sammelsurium n. Bezeugt seit dem 17. Jh.
leicht auch in 1. sal(l)ire und air. saillid vorliegt. für Sprachmischung, zusammengetragene Texte
Von diesem aus wurde im Germanischen der u. ä., dann in der Bedeutung verallgemeinert.
Dental auf das Substantiv übertragen. Über die Das Wort ist übernommen aus ndd. sammelsür
Bedeutung 'Würze’, dann 'Malz’ ('Bierwürze’) 'saures Gericht aus gesammelten Speiseresten’,
beim Grundwort führte eine ähnliche Bildung wie swartsür 'Gänseklein mit Essig und Blut’,
*sdl-d-u- 'Malzgeschmack gebend’ im Balti¬ also zu sauer (s. d.). Das Wort hat dann eine
schen und Slavischen zum allgemeinen Adjektiv pseudo-lateinische Endung bekommen; deshalb
für 'süß’. Die ursprüngliche Bedeutung von stammt es in dieser Form vermutlich aus der
*sdl- ist 'Bodensatz’. Das durch Verdunsten Studentensprache.
oder Verdampfen gewonnene Meersalz konnte J. Knobloch SW 1 (1976), 479f.
so bezeichnet werden, weil sprachlich zwischen
Samowar m. (= eine russische Teemaschine),
'sich setzen — beim Verdunsten/Verdampfen
sondersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend
Zurückbleiben — ausgeschmolzen werden —
russ. samovar (vermutlich als 'Selbstkocher’ zu
gefiltert/geseiht werden u. ä.’ vielfach kein Un¬
russ. sam 'selbst’ und russ. variti 'kochen’,
terschied gemacht wird. Deshalb bedeuten Bil¬
doch ist volksetymologische Anlehnung an ein
dungen aus der gleichen Grundlage auch viel¬
fremdes Wort nicht ausgeschlossen).
fach 'Sediment, Schlamm’. Zugrunde liegt ein
/-Stamm zu einem Verb *se-/so- 'sich setzen, Samstag m., südd., wmd. Mhd. sam(e)ztac,
herausträufeln’, erweitert belegt in gr. etheö 'ich ahd. samhaztag, samiztag. Entlehnt aus 1. sabba-
siebe, seihe’, anord. säld 'Sieb’, kymr. hüll tum n., zu ntl.-gr. säbbaton n. Dieses gehört zur
'Sieb’, mir. sithlad, sithlöd 'filtern, schmelzen jüdisch-griechischen Wochentagszählung und
usw.’. beruht auf hebr. sabbät 'Ruhetag’. Das Wort
gehört zu den frühen Entlehnungen aus dem
Nndl. zout, ne. nschw. nisl. salt. S. Salami ( + ), Sole,
Sülze. — Schulze (1933), 118f.; Lüschen (1968), 307f.; antiken und christlichen Kulturkreis, die schon
E. Seebold in: FS Matzel (1984), 125-130. vor der Christianisierung der Germanen aufge¬
nommen wurden. Es ist wesentlich weiter ver¬
-sam Suffix. Schon in ahd. -sam, gt. -sama.
breitet als etwa Ergetag (s. d.), das einen speziel¬
Ursprünglich selbständiges Wort mit der Be¬
len Einfluß auf den südostdeutschen Raum
deutung 'von gleicher Beschaffenheit’, vgl. gt.
zeigt und deshalb wesentlich später entlehnt
sama, anord. samr, ae. same, as. sama, ahd.
worden ist. Der Samstag ist der einzige Wochen¬
samo und weiter (sammeln, samt und) zusam¬
tag, unter dessen Bezeichnungen in keiner ger¬
men (s. d.) für die Etymologie.
manischen Sprache ein germanischer Götter¬
Samariter m. 'helfender Mensch’. So benannt name auftaucht. Vielmehr ist mit Satertag
nach der Erzählung vom barmherzigen Samari¬ (mndd. sater(s)dach, afr. säterdei, ae. satern-
ter im Neuen Testament (wörtlich: 'Bewohner dceg) 1. Säturni dies entlehnt (was sonst — außer
Samt 617 Saphir

in dem südöstlichen Ergetag — nicht vor¬ Spiel mitnahm, um es nicht durch Mahlzeiten
kommt) und — neben Samstag — eine germani¬ unterbrechen zu müssen.
sche Bezeichnung, nämlich Sonnabend (s. d.) Ganz (1957), 195f.
eingeführt.
sanft Adj. Mhd. senfte, semfte (sanfte, samfte
S. auch Sabbat. - Th. Frings IF 45 (1930), 276-306;
Adv.), ahd. samfti, aondfrk. senifti aus g.
Schulze (1933), 281-296, 514f.; E. Schwyzer ZVS
62(1934), 1-16; A D. Avedisian DWEB 2(1963) *samftja-, wobei das/offenbar auf einem Über¬
231-264. gangslaut vor der Lautverschiebung beruht,
also *som-tjo-, dann *somptjo- Adj. 'sanft,
Samt m., Früher auch Sammet, mhd. samit,
weich, angenehm’, auch in ae. softe. Ig. *sem-
mndd. sammit, nmdl. samijt. Entlehnt aus afrz.
'eins’, zu dem auch ig. *somo-, g. *sama- 'gleich’
samit oder aus einem diesem zugrunde liegen¬
gehört (s. zusammen), entwickelt auch Bedeu¬
den ml. sametum, samitum n., älter examitum
tungen wie 'sich vereinigen, passen, gefallen
n., das aus mgr. exämiton, xämetos stammt.
u. ä.’, vgl. etwa gt. samjan 'gefallen’, anord.
Dieses aus gr. hex 'sechs5 und gr. mitos 'Faden’
sama 'passen, sich schicken’. Hierzu offensicht¬
für ein ursprünglich in Ostrom hergestelltes
lich als frühe Ableitung aus der Grundlage
sechsfadiges Seidengewebe.
*sem- auch das hier genannte Adjektiv.
Heyne (1899/1903), III, 230.
Nndl. zacht, ne. soft. S. sacht, Sänfte, zusammen (+).
samt Adv./Präp. Mhd. samt, älter sament,
Sänfte /. 'bequemer Tragstuhl’. Im 16. Jh.
ahd. samant, samit 'zusammen (mit)’, as. samad,
aufgekommen, Übertragung des Abstraktums
samod aus g. *samap- Adv. 'zusammen, zu¬
zu sanft (s. d.) auf den konkreten Gegenstand.
gleich , auch in gt. samap, ae. samod. Adverbial¬
bildung zu *sama- 'gleich' (s. -sam, zusammen), sanguinisch Adj. leichtblütig’, sondersprachl.
im Deutschen angeglichen an (zu)sammen. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. sanguineus zu 1. sanguis
'Blut’. Das Wort bezeichnet eines der vier Tem¬
Sanatorium n. 'Heilanstalt’, s. sanieren.
peramente nach der mittelalterlichen Säftelehre
Sand m., früher auch n. Mhd. sant, ahd. sant (zu dieser s. unter Humor).
m.jn., as. sand aus g. *sanda- m.(/n.), auch in
sanieren swV. 'wiederherstellen’, sonder¬
anord. sandr, ae. sand n., afr. *sand, sond n. Mit
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Rücksicht auf gr. ämathos f. 'Sand’ und die
1. sänäre (sänätum) 'heilen, gesund machen’, zu
Nebenformen mhd. sampt, bair. samp kann
1. sänus 'gesund, heil’. Dazu die neoklassische
ein älteres g. *samad- erschlossen werden, aus
Bildung Sanatorium 'Heilstätte’. Sanka 'Kran¬
dem das normale Wort durch Assimilation ent¬
kenwagen’ ist gekürzt aus Sanitätskraftwagen.
standen wäre. Das griechische Wort hat eine
Etymologisch verwandt: sanitär, [Sanität], Sanitäter.
Reimvariante psämathos /., die vermutlich zu
— Schirmer (1911), 166f.
gr. psen 'reiben, schaben’ gehört. Der Zusam¬
menhang ist umstritten (Vereinfachung von ps-, sanitär Adj. 'Hygiene und Körperpflege be¬
Kreuzung zweier ursprungsverschiedener Wör¬ treffend’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
ter?). Hierher auch 1. sabulum n. 'Sand, Kies’ tend frz. sanitaire, einer Neubildung zu 1. sänitäs
als *psa-dhlo-l Die Zusammenhänge sind zu¬ 'Gesundheit’, einer Ableitung von 1. sänus 'ge¬
mindest morphologisch undurchsichtig. sund, heil’.

J. Koivulehto in: FS Schmitt (1988), 250. Morphologisch zugehörig: Sanität; etymologisch ver¬
wandt: s. sanieren.
Sandale/. 'Schuh mit durchbrochenem Ober¬
Sanitäter m. 'Krankenpfleger für Erste Hilfe’,
leder’. Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
s. sanieren.
1. sandalium /?., dieses aus gr. sändalon n. (dass.),
das persischen Ursprungs ist. Sanka m. 'Krankenwagen’, s. sanieren.
Morphologisch zugehörig: Sandalette. — Littmann Sankt 'der heilige’, s. sanktionieren.
(1924), 20f.
sanktionieren swV. 'gutheißen, bestrafen’,
Sandelholz n., fachsprachl. Bezeugt seit dem sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
15. Jh. Entlehnt aus it. sandalo m.; dieses aus deutend frz. sanctionner, zu frz. sanction 'Be¬
arab. sandal, das über pers. candal auf ai. canda- kräftigung’, aus 1. sänctio (-önis) 'Vorbehalt,
na- m. zurückführt. Dorthin aus den dravidi- geschärfte Verordnung’, zu 1. sancire (sänctum)
schen Sprachen ohne klare Etymologie. 'verbieten, bekräftigen, etwas als heilig festset¬
Littmann (1924), 16. zen, heiligen’, zu 1. sacer 'heilig’. Aus dem PPR
Sander m., s. Zander. sänctus auch Sankt 'der heilige’.
Sandwich n. 'belegtes Brötchen’. Im 19. Jh. Morphologisch zugehörig: Sanktion; etymologisch ver¬
wandt: s. Sakrament.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. Sandwich, so
benannt nach dem Grafen von Sandwich, der Saphir m. (= ein Edelstein), fachsprachl. Im
als leidenschaftlicher Spieler belegte Brote zum Mittelhochdeutschen (mhd. saphir[e]) entlehnt
Sappe 618 Sattel

aus gleichbedeutend 1. sapp(h)lrus/., dieses aus Im 17. Jh. entlehnt aus 1. satelles (-itis) 'Tra¬
gr. säppheiros f. (dass.), das aus einer semi¬ bant, Gefolge, Anhänger, Begleiter, Helfershel¬
tischen Sprache übernommen ist. fer’, das wohl etruskischer Herkunft ist.
Littmann (1924), 16; Lüschen (1968), 31 Of. Satin m. ( = ein Gewebe), fachsprachl. Im
Sappe/. 'Unterminierung’, arch., fachsprachl. Mittelhochdeutschen (mhd. satin) entlehnt aus
Im 16. Jh. entlehnt aus frz. sape, schon zuvor gleichbedeutend afrz. satin, dieses über spani¬
frz. sappiren aus frz. saper. Weitere Herkunft sche Vermittlung aus arab. zaitüni (dass., wört¬
unklar. lich: '[Seide] aus Zaitün’); so bezeichnet nach
sapperlot Interj., sapperment Interj., s. sak- dem arabischen Namen der chinesischen Stadt
kerlot. Tseutung, wo der Stoff hergestellt wurde.
Morphologisch zugehörig: Satinage. - G. Schoppe
Sardelle /. (= ein dem Hering verwandter
ZDW 15(1914), 208; Littmann (1924), 94; Lokotsch
Fisch), s. Sardine.
(1975), 171.
Sardine /. ( = ein dem Hering verwandter
Satire /. 'kritisch ironisierendes Kunstwerk’.
Fisch). Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. satira
gleichbedeutend it. sardina, dieses zu 1. sarda
(älter: satura), zu 1. satura (lanx) 'Allerlei, Ge-
'Hering’. Dazu das Diminutivum Sardelle.
mengsel, Fruchtschüssel’, zu 1. satur 'satt, gesät¬
Sarg m. Mhd. sarc(h), ahd. sarc, as. sark. tigt, reichlich, fruchtbar’ (verwandt mit 1. satis
Entlehnt aus einem vorauszusetzenden ml. *sar- 'genug’). So bezeichnet als Stegreifreden bzw.
cus, das auch afrz. sarcou ergeben hat. Das volle
Gedichte, die sich’ mit den verschiedensten all¬
lateinische Wort ist sarcophagus, das aus gr.
täglichen, historischen (usw.) Gegenständen
sarkophägos entlehnt ist (s. Sarkophag).
ironisierend auseinandersetzten.
S. Sarkasmus. — K. Gernaud: Die Bezeichnungen des
Morphologisch zugehörig: Satiriker, etymologisch ver¬
Sarges im Galloromanischen (Gießen 1928); H. Lamer
wandt: satt, [saturieren], Satisfaktion.
UWT 36(1932), 598; Cox (1967), 27-50.
Sarkasmus m. 'beißender, verletzender Satisfaktion /. 'Genugtuung’, sondersprachl.
Spott’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus Entlehnt aus 1. satisfactio (dass.) zu 1. satis 'ge¬
gleichbedeutend 1. sarcasmos, dieses aus gr. sar- nug’ und 1. facere 'machen’.
kasmös (dass.), zu gr. sarkäzein 'verhöhnen, Etymologisch verwandt: s. Satire und Fazit.
(wörtlich: zerfleischen)’, zu gr. särx (-rkös) f. satt Adj. Mhd. ahd. sat, as. sad aus g. *sada-
'Fleisch’. Adj. 'satt’, auch in gt. saps, anord. saör, ae.
Etymologisch verwandt; Sarg, Sarkophag. — G. sad. Aus einer verbreiteten Erweiterung (evtl,
Schoppe ZDW 15 (1914), 202. ursprünglich to-Partizip o. ä.) *sät, sot-, auch
Sarkophag m. 'Steinsarg’, fachsprachl. Ent¬ in 1. satur, air. säith 'Sattheit’, lit. sotüs, akslav.
lehnt aus gleichbedeutend (kirchen-)l. sarcopha¬ sytü 'satt’, gr. äatos 'unersättlich’; die Vollstufe
gus, dieses aus gr. sakophägos (dass., wörtlich: auch in gt. sops, afr. sed(e) 'Sättigung’ u. a.
'Fleischfressendes’), zu gr. sarkophägos 'fleisch¬ Die zugrundeliegende Wurzel in ai. asinvä- 'un¬
fressend’, zu gr. särx (-rkös) f. 'Fleisch’ und gr. ersättlich’, toch. A. B. si- 'zufriedengestellt
phagein 'essen, fressen’. So bezeichnet, da der sein’, gr. äsai Aor. 'sich sättigen’.
auch für Särge verwendete Kalkstein von Assos Nndl. zad, ne. sad 'traurig’. S. Satire (-f).
das Fleisch der in ihm beigesetzten Toten in
Satte /. 'Milchgefaß für Rahmansatz und
kurzer Zeit zerfallen ließ.
Etymologisch verwandt: s. Sarkasmus.
Sauerwerden’, nordod.; Sette/., nordwd. In die¬
ser Bedeutung bezeugt seit dem 18. Jh. Her¬
Saß m. 'Ansässiger’, arch. Ursprünglich nur
kunft unklar; vielleicht zu verbinden mit ahd.
in Komposita (s. Beisasse, Insasse, Hintersasse),
satta 'Speisekorb’, das aus 1. satum n., ntl.-gr.
da das Wort ursprünglich ein Verbalabstraktum
säton n. 'Mehlmaß’ entlehnt ist. Ursprünglich
ist ('dessen Sitz dabei usw. ist’). Zum weiteren
ist Satum ein hebräisches Maß (= 1 1/2 römi¬
s. Insasse.
sche Scheffel = 88 Liter), aus aram. sata.
Satan m. 'Teufel’. Im Althochdeutschen (ahd.
S. auch Sattel2. — Kretschmer (1969), 352.
Satanäs, mhd. satanäs, satän, satanät) entlehnt
aus gleichbedeutend kirchen-1. satan, satanäs, Sattel1 m. Mhd. satel, ahd. satul, satil, mndd.
dieses aus ntl.-gr. satän, satanäs (dass.), aus sadel, sedel, mndl. sadel, zu vergleichen mit
hebr. sätän (dass., wörtlich: 'Widersacher, anord. sqöuII, ae. sadol, afr. sadel. Naheliegend
Feind [Gottes]’). ist eine Verbindung mit sitzen (s. d.), doch ist
Behaghel (1923/32), I, 51; Littmann (1924), 31; K.-H. ein Zusammenhang aus lautlichen Gründen
Weinmann DWEB2 (1963), 404; Lokotsch (1975), 148. mindestens nicht ohne Zusatzannahmen mög¬
Satel f. 'Getreidemaß, Ackerstück’, s. Sattel2. lich. Vorgezogen wird deshalb die Annahme
Satellit m. 'auf eine Erdumlaufbahn gebrach¬ der Entlehnung aus slav. *sedülo (akslav. sedlo
ter, künstlicher Himmelskörper; Außenstelle’. 'Sattel’) aus dem entsprechenden slavischen
Sattel 619 Säule

Verb; doch ist auch diese Annahme wegen des sich in ahd. sürougi, ae. sürige, anord. süreygr
Vokals nicht ganz unbedenklich. Da die Germa¬ 'triefäugig’. Entsprechend akslav. syrü 'naß,
nen in früher Zeit nicht auf Sätteln ritten, ist feucht’ (als Substantiv 'Käse’), akslav. usyriti
Entlehnung wahrscheinlich, die Ausgangsspra¬ 'gerinnen’, lit. süras 'salzig’, lit. suris 'Käse’.
che muß aber offen bleiben. Auszugehen ist offenbar von *suo-ro- 'saftend,
Sattel2/., auch Satel/. 'Getreidemaß’, danach saftig’ zu ae. seaw, ahd. sou 'Saft’ (erweitert in 1.
'Ackermaß’ (soviel Land, wie man mit einer sücus 'Saft’), frühzeitig verengt auf das Wasser¬
Sattel Getreide besäen kann), arch., reg. Mhd. ziehen bei Milchprodukten. Der Übergang zu
sätel(e) m./n., ahd. sätila, sätala. Vermutlich 'salzig' im Litauischen hängt vielleicht mit einer
aus einem ml. *satellum n., Diminutiv zu 1. Veränderung in der Produktionsweise zusam¬
satum n. (s. unter Satte). Falls die regionale men, indem von einem vorwiegend sauren
Bedeutung 'längliches Ackerbeet’ auf eine Ent¬ Quarkkäse zu einem stärker gesalzenen Hart¬
sprechung von luxemb. sadil 'die Breite, die käse übergegangen wurde.
der Sämann beim Säen mit der Hand erreicht’ Nndl. zuur, ne. sour, nschw. sür, nisl. sür. S. Sammelsu¬
zurückführt, hegt dabei wohl ein anderes Wort rium, Saurach, Säure. — E. Seebold in: FS Matzel
(1984), 124f.
(ein Ableitung zu säen) vor.
Savanne /. 'tropisches Grasland\fachsprachl. Sauerampfer m., s. Ampfer.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span. Sauerstoff m. Bezeugt seit dem 18. Jh. Lehn¬
sabana, dieses aus der karibischen Indianerspra¬ bildung zu frz. oxygene, zu gr. oxys 'scharf,
che Taino zabana (dass.). stechend, sauer’ und gr. -genos 'erzeugend’ nach
Satyr m. 'lüsterner Waldgeist’. Im 17. Jh. dem sauren Geschmack vieler Oxyde.
entlehnt aus gleichbedeutend 1. Satyrus, dieses Sauertopf m. 'mürrischer Mensch’. Bezeugt
aus gr. Sätyros. seit dem 16. Jh. Übertragung wie Essigkrug
Satz m. Mhd. saz. Rückbildung zu setzen gleicher Bedeutung (17. Jh.). Die Übertragung
(s. d.) als 'das Gesetzte’. geht von saures Gesicht 'ein Gesicht, wie wenn
man etwas Saures gegessen hat’ aus und läuft
Sau /. Mhd. ahd. as. sü aus g. *sü- /., auch
über 'Behälter für Saures’.
in anord. syr, ae. sü. Dieses aus ig. *sü- f. 'Sau’,
auch in 1. süs, lett. suvens 'Ferkel’, gr. hys m./ Saufeder/. 'Jagdspieß’, fachsprachl., arch. Be¬
/., toch. B. suwo, avest. hü- 'Schwein, Eber’, ai. zeugt seit dem 18. Jh. Offenbar zunächst scherz¬
sükära- m. 'Schwein, Eber’ (umgedeutet als ’su- haft, indem das Abtun des Wildschweins mit
Macher’). Man sieht in dem Wort eine Nachah¬ dem Kitzeln (mit einer Feder) verglichen wird.
mung des Schweinegrunzens, da suk (u. ä.) im Saufedern für 'Borsten’ und danach für 'Bett¬
Germanischen und Slavischen auch als Lockruf stroh’ ist ein entsprechender Scherz.
für Schweine verwendet wird. Eine ^-Erweite¬ saufen stV. Mhd. süfen, ahd. süfan, mndd.
rung in der Bezeichnung für das Schwein mndl. supen aus g. *süp-a- stV. 'saufen’, auch
kommt auch vor in ae. sugu, as. suga, air. soc(c) in anord. süpa, ae. süpan. Die Sippe hat keine
'Pflugschar, Schnauze’, kymr. hwch. brauchbare Vergleichsmöglichkeit, gehört aber
S. Schwein. — P. Kretschmer Glotta 13 (1924), wohl zu den Wörtern für 'saugen’ (s. saugen).
132-138; H.-F. Rosenfeld NM 3 (1947), 54-81. Zu Nndl. zuipen, ne. sup, nschw. supa, nisl. süpa. S. seuf¬
Sau als Spielkarte: H. Rosenfeld AK 52 (1970), 66f. zen, supfen, Suppe.
sauber Adj. Mhd. süber, süver, süfer, ahd. saugen stV Mhd. sügen, ahd. as. sügan aus
sübar, as. sübri. Wie ae. syfre 'makellos’ vermut¬ g. *süg-a- stV. 'saugen’, auch in anord. suga,
lich entlehnt aus 1. söbrius 'nüchtern’ über eine ae. sügan. Eine nur germanische Erweiterung
Zwischenstufe ml. *subrius, *suber. zu der gut bezeugten Wurzel *seuo- 'saugen’.
J. Hennig MS 82(1972), 45-51 Die unerweiterte Wurzel in ai. sunoti 'preßt aus’
Saubohne /. Für die groben Bohnen (vicia und in den Wörtern für 'Saft’ ae. seaw, ahd. sou
faba) bezeugt seit dem 18. Jh., weil sie als (s. sauer)-, sonst Weiterbildungen wie in saufen
Viehfutter verwendet wurden. Vorher dienten (s. d.), ae. sücan, akslav. süsati usw. Falls das g
sie auch als menschliche Nahrung, und unter in saugen auf grammatischen Wechsel zurück¬
Saubohne wurden (seit dem 16. Jh.) das Bilsen¬ geht, kann unmittelbar verglichen werden lett.
kraut (vgl. die gleichbedeutende Bezeichnung sükt 'saugen’.
hyos-cyamos) und andere Pflanzen verstanden. Nndl. zuigen. S. nuckeln, säugen, Sog, suckeln.

Hoops (1905), 464f. säugen swV. Mhd. säugen, sougen, ahd. sau¬
Sauce /., s. Soße. gen, as. sögian aus vor-d. *saug-eja- swV. 'säu¬
gen’, Kausativum zu saugen (s. d.).
sauer Adj. Mhd. ahd. mndd. sür, mndl. suur
aus g. *süra- Adj. 'sauer’, auch in anord. surr, Säule1 /. 'Pfeiler’. Mhd. sül, ahd. sül, siule,
ae. sür. Eine ältere Bedeutung 'feucht’ zeigt as. sül aus g. *süli- f. 'Säule’, auch in anord.
Säule 620 schaben

sül, ae. syl, afr. sele. Offenbar dazu im Ablaut säuseln swV. Bezeugt seit dem 17. Jh. Diminu-
gt. sauls f. Herkunft unklar. Die neuhochdeut¬ tivum zu sausen (s. Sauser). Dazu auch angesäu¬
sche Form ist aus dem Plural rückgebildet. selt für 'leicht betrunken’.
Nndl. zuil. Sauser m. 'junger Wein’, südwd. Zu sausen (s.
Säule2 /. 'Ahle’, md., wndd. Mhd. siu(we)le, Saus) in der besonderen Bedeutung 'gären’.
ahd. siu(wi)la, suila. Instrumentalbildung zu Saxophon n. (= ein Blasinstrument). Neubil¬
der unter Saum1 (s. d.) dargestellten Wurzel dung des 19. Jhs. zu Sax, dem Namen des
*sjeu- 'nähen’. belgischen Erfinders und gr. phöne f 'Ton,
S. auch Pinsel2. Stimme’.
Etymologisch verwandt: s. Phonetik.
Saum1 m. 'genähter Rand’. Mhd. ahd. soum,
as. mndd. söm, mndl. soom aus g. *sauma- m., Schaar «., auch Schar n. 'Seegebiet, so weit
älter *sjauma- 'Saum’, auch in anord. saumr, man waten kann’, fachsprachl. Mndd. schare.
ae. seam, afr. säm. Abgeleitet von der Wurzel Vgl. ndd. schoor, ne. shore. Sonst Herkunft un¬
*sjeu- 'nähen’ in mhd. siuwen, süwen, ahd. siu- klar.
wen, siuwian, mndd. suwen, afr. sla, ae. seowian, Kluge (1911), 703 (unter Schore).

anord. syja, gt. siujarv, außergermanisch 1. suere, Schabbes m. 'Sabbat’, wjidd. Bezeugt seit dem
lit. sisvü, akslav. sijg, ai. stvyati. 18. Jh. Mit jiddischer Lautentwicklung aus
Nndl. zoom, ne. seam, nschw. söm, nisl. saumur. S. hebr. sabbät (s. Sabbat).
Säule2 ( + ). - Kluge (1926), 46f. Schabe1 /. 'Schadinsekt’. Mhd. schabe. Vgl.
Saum2 m. 'Last’, arch. Besonders in Saumtier. ae. mcelsceafa m. 'Raupe’. Vermutlich zu scha¬
Mhd. ahd. soum. Wie ae. seam entlehnt aus ml. ben (s. d.) als 'schabendes, zermahlendes In¬
sauma f./n. 'Packsattel’, das über 1. sagma f.ln. sekt’. So wird eigentlich die Motte bezeichnet,
aus gr. sagma n. entlehnt ist. die Übertragung auf 'Kakerlak’ unter dem Ein¬
fluß von it. (dial.) sciavo, das eigentlich 'Slave’
Palander (1899), 95f.
bedeutet (wie überhaupt derartige Schadinsek¬
säumen swV, meist versäumen swV, auch säu¬
ten gern mit fremden Stammesnamen bezeich¬
men swV 'nicht kommen’. Mhd. sümen, soumen, net werden).
ahd. sümen, mndd. sumen. Herkunft unklar. H. Lüdtke ZDW 17 (1961), 187f.
Nndl. verzuimen.
Schabe2 /. 'Schabeisen’, arch. Mhd. schabe,
Sauna /. 'stark geheizter, dampfender Holz¬ ahd. scaba, mndd. schave, mndl. sc(h)ave. Wie
raum’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ae. sceafa m. und anord. skafa Ableitung zu
finn. sauna. schaben (s. d.), ohne daß eine bereits urgermani-
E. Kunze NM 71 (1970), 53-66. sche Bildung vorliegen müßte.
Saurach m. 'Berberitze’, arch. Bezeugt seit Schabe3 /., auch Schäbe /. 'Räude, Krätze’,
dem 15. Jh. Abgeleitet von sauer (s. d.), da die reg. Bezeugt seit dem 18. Jh., aber schon ahd.
Beeren sauer schmecken. scaba, scabado, skebido m., as. skabatho m., vgl.
ae. sceabb m., anord. skabb n. Wohl von schaben
Säure/. Mhd. siure, ahd. sürv, Abstraktum zu
(s. d.) abgeleitet, wegen des mit der Krankheit
sauer (s. d.), das allmählich auf die Bezeichnung
verbundenen Juckreizes und seinen Folgen. Zu
saurer Flüssigkeit (z. B. Essig) spezialisiert und
beachten ist aber 1. scabies gleicher Bedeutung,
dann zum Fachausdruck der Chemie wird.
das eingewirkt haben mag (wohl nicht als
Sauregurkenzeit/. 'Zeit, in der wenig los ist’. Quelle einer Entlehnung).
Ursprünglich kaufmännisch. Nach Zeiten be¬ S. schäbig.
nannt, in denen die Lebensmittel spärlich sind,
schaben swV., früher stV. Mhd. schaben, ahd.
vgl. ne. season of the very smallest potatoes,
as. scaban, scavan aus g. *skab-a- stV. 'schaben’,
cucumbertime. Im einzelnen bleibt das Benen¬ auch in gt. skaban '(Haare) scheren’ (vgl. den
nungsmotiv aber unklar. Bart schaben, ne. shave), anord. skafa, ae. scea-
Kluge (1912), 115f. fan. Unmittelbar zu vergleichen sind 1. scabere
Saurier m. 'urzeilliches Reptil’. Neubildung 'schaben, kratzen’, lit. sköbti 'aushöhlen’, russ.-
zu gr. saüra /., saüros 'Eidechse, Salamander’. kslav. skobli 'Schabeisen’. Die Beurteilung ist
aber wegen Varianten mit abweichendem Aus¬
Saus m., ugs. Mhd. süs, in dem süse leben 'in
laut nicht ganz sicher. In gr. skäptö 'ich grabe’
Saus und Braus leben’ zu dem schallnachah-
und 'ich schleife, zerstöre’ scheinen mehrere
menden mhd. süsen, siusen, ahd. süsen, mndd.
solche Ansätze zusammengefallen zu sein. Eine
mndl. susen. Die übertragene Bedeutung wohl
germanische Variante s. unter Schaft.
von der positiven Bewertung der schnellen Be¬
Nndl. schaven, ne. shave, nschw. skava, nisl. skafa. S.
wegung.
Schabe11213, Schachtelhalm, Schaft, Schubbejack,
S. säuseln, Sauser. Schuft, Schuppe.
Schabernack 621 Schädel

Schabernack m. 'neckischer Streich’. Bezeugt dann 'Flächenmaß’ und vermutlich von diesem
seit dem 14. Jh., md. schabirnack, mndd. scha- ausgehend 'Grube’, wobei der zweite Bedeu¬
vernack, mhd. schabernac, schavernac in der Be¬ tungsübergang nicht ganz klar ist. In den Be¬
deutung 'grober Winterhut (der den Nacken deutungen 'Meßstange’ und 'Flächenmaß’ auf
bedeckt?)’, auch ein Weingut heißt 1200 ze
das niederdeutsch-niederländische Gebiet be¬
Schabernakken und später wird ein italienischer schränkt (bezeugt seit dem 16. Jh., mhd. dage¬
Wein (aus Chiavenna?) so genannt. Herkunft gen schaff), in der Bedeutung Grube’ offenbar
und Einzelheiten unklar. Zu beachten sind: nek- vom Harzer Bergbau aus weiter verbreitet,
ken, der Schalk im Nacken, Rübchen schaben. schon im 13. Jh. auch mitteldeutsch.
A. Kluyver ZDW 9 (1907), 3-7.
Wolf (1958), 104.
schäbig Adj. Mhd. schebic, mndd. schabbe,
Schachtel /. Bezeugt seit dem 15. Jh., zu¬
mndl. se(h)ebbich\ vgl. ne. shabby, sowie als
nächst als scatel, dann mit einem nicht ausrei¬
Lehnwort aus dem Nordischen scabby 'räudig’.
chend klaren bairischen Lautwandel bei italie¬
Das Wort bedeutet ursprünglich 'räudig, von nischen Wörtern (s. auch Spachtel) Schachtel.
der Krätze befallen’ und bezog sich in erster Zugrunde liegt it. scatola 'Schachtel’ aus ml.
Linie auf Schafe; vom jämmerlichen Aussehen scatula '(Geld)Schrein’, das unklarer Herkunft
der räudigen Schafe die übertragene Bedeutung. ist (s. Schatulle). Das Schimpfwort alte Schach¬
Das Wort selbst gehört zu Schabe3 'Räude, tel geht auf die schon frühe Bedeutungsübertra¬
Krätze’ (s. d.).
gung zu 'weibliches Geschlechtsorgan’ zurück.
Schablone /. 'Lorm, Schema’. Im 18. Jh. V. Moser ZM 14(1938), 70-73; E. Öhmann NPhM
entlehnt aus gleichbedeutend mndd. schampe- 42(1941), 115-117.
lün, dieses aus frz. echantillon m. 'Muster’. Schachtelhalm m., fachsprachl. Bezeugt seit
Schabracke /. 'Pferdedecke, Verkleidung’, dem 18. Jh. und verbreitet durch die nahelie¬
fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus türk, gaprak gende Verknüpfung mit den verschachtelten
'Satteldecke’. Die Entlehnung wohl über unga¬ Pflanzenteilen. Das Wort ist aber eine nieder¬
rische Vermittlung. deutsche Entsprechung zu Schaft, wie vor allem
Lokotsch (1975), 32. oberdeutsche Entsprechungen (Schafthalm,
Schach n. Mhd. schach. Mit Lautersatz über¬ Schaftheu) zeigen, vgl. auch mndd. schaffrisch,
nommen aus mndl. sc(h)aec, das aus afrz. schaffrusch (u. ä.), mhd. schaftel n., auch ne.
eschac entlehnt ist. Das Wort geht über das shavegrass, ndn. skavgras. Die Erklärung ist
Arabische auf pers. säh 'König, Schah’ zurück. nicht eindeutig. Da auch Binsen und ähnliche
Gewächse entsprechende Namen haben, ist
Das Spiel ist nach dem Zuruf beim Angreifen
wohl an die röhrenartigen Stengel (also Schaft)
des Königs benannt; zunächst Schachmatt beim
gedacht; eine Verknüpfung mit schaben (weil
Gewinnzug, wörtlich 'der König ist tot’ (s.
matt). einige Schachtelhalme, wie etwa Zinnkraut,
zum Reinigen verwendet werden) ist aber zu¬
S. checken, Schah. — Littmann (1924), 115; Lokotsch
(1975), 140. mindest als sekundäre Motivation nicht ausge¬
schlossen.
Schachen m. 'Waldstück’, südd. Mhd.
H. Marzeil (1943/79), II, 233-236.
schache, ahd. scahho. Dazu als Variante mit
abweichendem Auslaut ae. sceaga 'Gebüsch’, Schächten swV. 'rituell schlachten’, sonder-
anord. skögr 'Wald’. Herkunft unklar. sprachl. In deutschen Texten bezeugt seit dem
17. Jh., Nebenform schachten. Zugrunde liegt
Schächer m. 'Räuber’, arch. Mhd. schächare,
die hebr. Wurzel sht 'schlachten’, wobei der
schachare, Schacher, ahd. scähhäri. Wie afr.
Gleichklang von Schlächter und Schächter im
skäkere, ae. sceacere zu wg. *skäka- m. 'Raub’
Deutschen wohl die Umlautform Schächten
in mhd. schach, ahd. scäh, mndd. schäk, afr.
durchgesetzt hat.
skäk. Weitere Herkunft unklar.
Schadchen n./(m.) 'Heiratsvermittler, Kupp¬
schachern swV, ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh.
ler’, sonder spracht. In deutschen Texten seit dem
Aus dem Rotwelschen (bezeugt ist socher 'her¬
19. Jh. Aus nachtalmud.-hebr. sadkän gleicher
umziehender Kaufmann’); dieses über wjidd.
Bedeutung, mit Umdeutung in die Diminutiv¬
sachern 'Handel treiben’ aus der hebr. Wurzel
form.
shr 'Handel treiben’. Die lautliche Entwicklung
wurde beeinflußt von Schächer, mit dem das schade Adj., s. Schaden.
Wort in Verbindung gebracht wurde. Schädel m. Mhd. schedel, hirnschedel, mndl.
Wolf (1985), 276f. sc(h)edel 'Deckel, Augenlid’. Herkunft so un¬
Schacht m. 'Grube, Flächenmaß’. Nieder- klar wie bei dem lautlich ähnlichen ne. skull
deutsch-niederländische Form von Schaft 'Schädel’.
(s. d.), zunächst in der Bedeutung 'Meßstange’, Lühr (1988), 202.
Schaden 622 -schaft

Schaden m. (in festen Wendungen auch schwachen Verb. Dieses bedeutet heute süd¬
Schade /«.). Mhd. schade, ahd. scado, as. skatho westdeutsch 'arbeiten’, südostdeutsch 'befehlen,
'Schaden, Nachteil, Räuber’ aus g. *skapön m. bestellen’. Die Herkunft der Wortfamilie ist un¬
'Schaden’, auch in anord. skaöi, ae. sceafa sicher. Da die Bedeutung erschaffen’ häufiger
'Schädiger’, afr. skatha 'Schaden, Nachteil, auf Ausdrücke der Holzbearbeitung zurückgeht
Frevler’. Abstraktum zu g. *skaf-ja- stV. scha¬ (gr. tektön 'Zimmermann, Künstler’), kann von
den’ in gt. skafjan, ae. sceaf>ian. Außergerma¬ einer Variante der im Auslaut unfesten Sippe
nisch vergleicht sich allenfalls gr. askethes 'un¬ *skap/skabh- mit entsprechenden Bedeutungen
versehrt’. Aus dem Gebrauch in Ausrufen und ausgegangen werden. Vgl. etwa lit. sköpti 'aus¬
in prädikativer Stellung ist schade entstanden, höhlen’ (auch lit. sköbti), gr. skeparnon 'Zim¬
das wir heute als Adjektiv auffassen. meraxt’.
S. beschäftigen, Geschäft, rechtschaffen, Schaffner,
Schaf n. Mhd. schäf, ahd. scäf, as. scäp aus
-schaft, Schöffe, schöpfen.
wg. *skäpa- n. 'Schaf’, auch in ae. sceap, afr.
skep. Herkunft unklar. Schäffler m. 'Böttcher’, bair. Mhd. scheffe-
Nndl. schaap, ne. sheep. — Palander (1899), 121 —124; Icere, scheffeler. Abgeleitet von Schaff (s. d.).
Hoops (1911/19), IV, 88-90; J. Knobloch SW Kretschmer (1969), 145 — 147.
12(1987), 475-477. Schaffner m. Mhd. schaffencere, schaffener
Schäferstündchen n. Lehnübersetzung aus frz. 'Anordner, Aufseher, Verwalter’, im 19. Jh. Be¬
heure du berger im 18. Jh. Nach der idyllischen amtenbezeichnung bei Bahn und Post. Zu dem
Stilisierung der Schäfer als Naturmenschen, die schwachen Verb schaffen im Sinn von einrich¬
sich vor allem der Liebe widmen. ten, ordnen’ (s. d.).
Schaff n. 'Gefäß’, südd. Mhd. schaf, ahd. Schafgarbe /., fachsprachl. So seit dem 15.
sca(p)f, as. skap. Herkunft unklar und mögli¬ Jh., weil die Schafe die Pflanze gern fressen.
cherweise nicht einheitlich. Das Wort bezeich¬ Zuvor wg. *garwön f. 'Schafgarbe’ in ae.
net in erster Linie Wassergefaße und Schöpfge¬ gearwe, mndl. garve, garwe, mndd. garve ffm.,
fäße, daneben auch 'Boot’, wie umgekehrt ahd. garawa, mhd. garwe. Herkunft unklar; mit
Schiff (s. d.) in erster Linie 'Boot’ und daneben Garbe nicht verwandt, da dieses altes b hat.
auch 'Wassergefäß’ bedeutet. Der Zusammen¬ Nndl. gerwe, ne. yarrow. — Marzeil (1943/79), I,
hang mit dem starken Verb schaffen, schöpfen 81-83.
ist wohl sekundär, indem das starke Verb die Schafkälte /. 'Kälteeinbruch im Frühsom¬
Bedeutung 'schöpfen’ aus Wörtern übernom¬ mer’, reg. So benannt, weil um diese Zeit die
men hat, die wie Ableitungen aus ihm aussahen. Schafe bereits geschoren und damit der Kälte
Wenigstens ist eine Bedeutungsentwicklung von ausgesetzt sind.
'erschaffen’ zu 'ausschöpfen’ schlecht vorstell¬
Schafott n. (= ein Hinrichtungsmechanis¬
bar. Entlehnung aus 1. scapha f. 'Nachen,
mus), sondersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
Kahn’, 1. scaphium 'Becken, Schale, Geschirr’
nndl. schavot 'Schaugerüst, Blutgerüst’, dieses
ist nur unter Zusatzannahmen denkbar, da ab¬
aus mndl. sc(h)avot u. ä. (dass.), aus afrz. cha-
lautende Bildungen (s. Schoppen) vorliegen.
faud, chafaut (dass.), aus spl. *catafalcium, die¬
Auch die Bedeutung 'Regal, Schrank’ (in der
ses wohl zu L fala f. 'hohes Gerüst’ (s. auch
Regel mit angewachsenem t als Schaft) ist kei¬
kata-). Die Bedeutung 'Hinrichtungsgerüst’
neswegs ohne weiteres mit 'Gefäß’ in Einklang
demnach in einer Spezifizierung der allgemei¬
zu bringen. Eine zureichende Klärung steht
neren Bedeutung 'Gerüst’.
noch aus.
Etymologisch verwandt: [KatafalkJ.
S. Schäffler, Schapp, Scheffel, schöpfen, Schoppen. —
Kretschmer (1969), 74f., 474. Schaft m. Mhd. schaft, ahd. scaft, as. skaft
schaffen stV./swV. Zunächst sind zu unter¬ aus g. *skafta- m. 'Schaft, Stange’, auch 'Speer,
scheiden: 1) g. *skap-ja- stV. 'erschaffen, bewir¬ Pfeil’, auch in anord. skapt n., ae. sceaft, afr.
ken’ in gt. -skapjan, anord. skepja, ae. scippan, skeft. Zu der niederdeutsch-niederländischen
afr. skeppa, as. skeppian, ahd. skepfen und 2) Nebenform s. Schacht. Bedeutungsmäßig ver¬
das denominative anord. skapa, ahd. scaffön gleicht sich gr. skeptron n. 'Stab, Zepter’, 1.
'einrichten, ordnen’. Darüber hinaus bekommt scäpus 'Schaff; eine weitere Verbindung mit der
3) das y«n-Präsens im Deutschen ein schwaches lautlich unfesten Sippe von schaben (s. d.) als
Präteritum (schöpfen, schöpfte) und das starke 'Geschabtes’ ist denkbar, aber ganz unsicher.
Präteritum ein regelmäßiges Präsens schaffen. Nndl. schacht, ne. shaft, nschw. nisl. skaft. S. Schacht,
Im einzelnen lassen sich diese drei Ansätze viel¬ schaben ( + ), Zepter. — Lühr (1988), 236 — 238.

fach nicht voneinander trennen. Von den Ablei¬ -schaft Suffix. Mhd. -schaft, ahd. -scaf(t), as.
tungen gehören Schöpfer und Geschöpf zum -skap, nndl. -schap; wie anord. -skapr, neben as.
alten /««-Präsens, Schaffner und Geschäft zum -scepi, afr. -skipi, ae. -sciepe, ne. -ship. Ur-
Schah 623 Scham

sprünglich Komposita mit ahd. scaf m./n., mhd. gt. skalks, anord. skalkr, ae. scealc, afr. skalk.
schaft f, ae. gesceap 'Geschöpf, Beschaffenheit’ Die Bedeutung wird im Mittelhochdeutschen
(zu schaffen, s. d.). Aus der Bedeutung 'Beschaf¬ zu 'gemeiner Mensch’ (im übertragenen Sinn),
fenheit eines X’ entwickelt sich die Funktion später abgeschwächt, indem das Wort auf er¬
von Sammelbegriffen (Ritterschaft 'Verhalten kennbar harmlosere Übeltäter, vor allem Spöt¬
eines Ritters’ — 'Gesamtheit der Ritter’). ter, angewandt wurde. Herkunft unklar.
W. A. Benware BGDSL-T 101 (1979), 346.
Nndl. schalk. S. auch Marschall, Seneschall. - K.
Schah m. 'Kaiser von Persien’, sonder spracht Brugmann 1F 19 (1906), 385f.; Güntert (1932), 40f.
Entlehnt aus dem unter Schach (s. d.) aufge¬ Anders: J. Knobloch MS 89 (1979), 45f.
führten persischen Wort. Schall m. Mhd. schal, ahd. scal. Abgeleitet
Schakal m. 'Goldwolf’, fachsprachl. Im 17. von g. *skell-a- stV. 'schallen’ in anord. skjalla,
Jh. entlehnt aus frz. chacal, das über türk, fakal, ae. scellan, ahd. skellan, mhd. schellen, neu¬
§akal auf pers. sagäl und weiter auf ai. srgälä- hochdeutsch noch starke Formen wie erscholl.
(alle gleicher Bedeutung) zurückgeht. Wander¬ Schallwort ohne genaue Vergleichsmöglichkeit.
wort unbekannten Ursprungs. S. Schelle ( + ), schelten.

schäkern swV, ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh. Schalmei / 'Hirtenpfeife’, arch. Mhd.
Vielleicht zu wjidd. chek 'Busen, Schoß’, doch schal(e)mie, schal(e)mlen, mndd. schalmeide,
ist im Jiddischen kein Verb bezeugt. Das Wort mndl. sc(h)almeye u. ä., entlehnt aus älterem
zu hebr. he(i)q 'Schoß’. frz. chalemie, neben afr. chalemel m. (vgl. nfrz.
Schal m. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. shawl, chalumeau m. 'Rohrpfeife’) aus 1. calamus m.
das auf pers. säl 'Umschlagtuch’ zurückgeht. 'Rohr, Rohrpfeife’.
Littmann (1924), 113. Relleke (1980), 70, 167.

schal Adj. Spmhd. mndd. schal (auch 'trok- Schalotte /. (= ein Lauchgewächs, dessen
ken, dürr’), me. shalowe 'seicht, matt’, nschw. Zwiebel), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
skäll 'mager, dünn, fade, säuerlich’. Vielleicht gleichbedeutend frz. echalote, dieses mit unre¬
zu lett. kälss 'mager’, gr. skellomai 'ich ver¬ gelmäßiger Formentwicklung aus afrz. escha-
trockne, verdorre’. loigne (dass.), aus 1. Ascalönia (cepa) (dass.,
S. behelligen ( + ). wörtlich: 'askalonische Zwiebel’), zu 1. Ascalön,
Schale1/. 'Hülse’. Mhd. schal(e), ahd. scala, aus gr. Askälön, dem Namen der Stadt der
mndd. schale, mndl. sc(h)ale aus wg. *skalö(n) Philister in Palästina.
f 'Schale’, auch in ae. scealu. Mit entsprechen¬ Littmann (1924), 36; Marzeil (1943/79), I, 195f.
der Bedeutung, aber abweichender Bildung gt. schalten swV., früher st V. Mhd. schalten, ahd.
skalja f. 'Ziegel’ (ursprünglich wohl 'Schuppe’), scaltan 'fortschieben, fortführen’, as. skaldan
anord. skel, ae. scill, scell 'Muschel’. Außerger¬ aus vor-d. *skald-a- stV. 'stoßen’. Das Wort hat
manisch vergleichen sich zunächst russ. skalä keine genaue Vergleichsmöglichkeit.
'Birkenrinde’, russ. sköltka 'Muschel’. Ob wei¬ S. Schalter, Scheich. - Trier (1963), 178f.; Trier (1981),
ter an die Wurzel *skel- 'spalten, trennen’ anzu¬ 186.
knüpfen ist, muß offen bleiben.
Schalter m. Spmhd. Schalter, schelter 'Riegel’,
S. Schale2, Schelfe, Schellack, Schellfisch, Schild,
zu schalten (s. d.). So bezeichnet werden einige
Skalp. - Güntert (1932), 40f.; R. Hildebrandt DWEB
technische Vorrichtungen, die hin- und herge¬
3 (1963), 370f.
schoben bzw. geöffnet und geschlossen werden
Schale2/. 'Trinkschale’. Mhd. schäl(e), ahd.
können, so Schiebetüren und -fenster (hieraus
scäla, as. skäla aus g. *skälö f. 'Trinkschale,
Postschalter u. ä.) und aufstauende Schieber in
Waagschale’, auch in anord. skäl. Wohl zu der
der Wasserwirtschaft, (hieraus wohl der Schal¬
gleichen Sippe wie Schale1 (s. d.), aber von an¬
ter der Elektrotechnik).
derer Ablautstufe.
Trier (1963), 178f.; Trier (1981), 186.
Nndl. schaal, nschw. skäl. — Güntert (1932), 40f.; R.
Hildebrandt DWEB 3 (1963), 370f. Schaluppe /. (= ein kleineres Boot), arch.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
Schälhengst m., fachsprachl. Bezeugt seit dem
16. Jh. Verdeutlichendes Kompositum zu mhd. chaloupe, dieses aus span, chalupa (dass.), aus
schel(e), ahd. skelo, schel'Zuchthengst’ (s. auch ndl. sloep(e) 'Ruderkahn’.
beschälen). Zu ae. sceallan PL, afr. skall, hd. Kluge (1911), 678f.
(dial.) Schellen 'Hoden’ (auch kymr. caill Scham / Mhd. scham(e), ahd. scama, as.
'Hoden’). skama aus g. *skamö(n) /., auch in ae. sceamu,
Palander (1899), 88f.; Lühr (1988), 203. afr. skame, skome (gt. in skaman re fl. 'sich schä¬
Schalk m. Mhd. schale(h), schalk, ahd. seale, men’; im Altnordischen hat die Entsprechung
as. scalk aus g. *skalka- m. 'Knecht’, auch in zu Schande und ihre Ableitungen die Bedeutung
Schamott 624 Schäre

'Scham, sich schämen’ mit übernommen). Her¬ Schapel n., s. Schappel.


kunft unklar. Schapf n. Nebenform von Schaff (s. d.).
Ne. shame. S. Schande.
Schapp m./n. 'Spind, Schubfach’, fach-
Schamott m. (= ein feuerfester Ton). Her¬ sprachl., ndd. Niederdeutsche Form von Schaff
kunft unbekannt. (s. d.) in der (unklaren) Bedeutung 'Regal,
Schampon n., s. Shampoo. Schrank’.
Schampus m. 'Champagner’, ugs. Aus Cham¬ Schappel n. 'Mittelalterlicher Kopfputz der
pagner mit pseudo-lateinischer Endung scherz¬ Frauen; weiblicher Kopfschmuck bei bestimm¬
haft umgestaltet. ten Volkstrachten’, arch., reg. Mhd. schapfp)el.
Kretschmer (1969), 458. Entlehnt aus afrz. chapel 'Kopfbedeckung’ (frz.
Schande/. Mhd. schände, ahd. scanta, mndd. chapeau m.).
schände, mndl. sc(h)ande aus g. *skam-dö /., Miettinen (1962), 160 — 167.
auch in gt. skanda, ae. sceand, afr. skande, Schar1 /. 'Menge’. Mhd. schar 'Heeresteil,
skonde. Auf eine Variante mit stimmlosem Den¬ Menge’, ahd. scar(a), mndd. schare, mndl.
tal geht anord. skpmm zurück. Zu der Grund¬ sc(h)are aus g. *skarö f. 'Abteilung’, auch in
lage von Scham (s. d.) gebildet (kein Vokal vor anord. skgr 'Trupp’. Wahrscheinlich wie umbr.
dem Suffix!). karu 'Teil’ zu *sker- 'schneiden, teilen’ (s.
Nndl. schände, nschw. skam, nisl. skömm. scheren1).
Schank1 m., arch. Rückbildung zu schenken S. auch Scharwerk,-Scherge. — Tiefenbach (1973), 85f.
(s. d.) in der Bedeutung 'ausschenken’. So schon Schar2/ 'Pflugeisen’, s. Pflugschar.
mhd. schanc 'Schenkgefäß’, neuhochdeutsch in
Schar3 n. 'Abhang im Ufergewässer’, s.
Bildungen wie Ausschank, Schankwirt, Schank¬
Schaar.
gerechtigkeit u. ä.
Scharade /. ( = ein Rätsel), sonder spracht. Im
Schank2 m. 'Schrank’, md. Bezeugt seit dem
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. cha-
12. Jh. Durch r-Verlust aus Schrank (s. d.) ent¬
rade, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist.
standen; vielleicht unter dem Einfluß von
Schaff und Schaft. Scharbe / 'Kormoran’, fachsprachl. Mhd.
Kretschmer (1969), 474f.; Lühr (1988), 143. scharbe m./fl, ahd. scarbo m., scarba aus g.
Schanker m. 'Geschlechtskrankheit’, fach- *skarba- m., *skarbö- f. 'Scharbe’, auch in
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. chancre anord. skarfr m., ae. sercef m. Mit r erweitert in
'Krebs (als Geschwür)’, zunächst mit französi¬ nordfr. skoarwer, dasselbe mit Dissimilierung
scher Schreibweise. Dieses aus 1. cancer 'Krebs in ae. scealfra m., scealfor. Wie Kormoran ei¬
(Tier und Geschwür)’. gentlich 1. corvus marinus m. 'Meeresrabe’ be¬
deutet, so ist auch Scharbe auf die gleiche Laut¬
Schanze1/. 'Wehrbau’. Bezeugt seit dem Ende
gruppe wie Rabe (s. d.) nur mit zusätzlichem s-
des 15. Jhs., etwas früher in der Bedeutung
zurückführbar und wie dieses Wort vermutlich
'Reisigbündel’. Zu dieser paßt hess. schanze
lautmalend.
'Reisigbündel, grober Korb’, westfäl. schantse
Suolahti (1909), 393-397.
'Holzbündel, Reiswelle’. Da die Schanzen ur¬
sprünglich mit Faschinen, Reisigbündeln herge¬ Scharbockskraut n., fachsprachl. Bezeugt seit
stellt wurden, ist diese Bedeutung wohl die ur¬ dem 16. Jh. Wurde als Heilmittel gegen Schar¬
sprüngliche. Woher das Wort kommt, ist dage¬ bock 'Skorbut’ gebraucht (da die Pflanze früh
gen unklar. Entlehnung aus dem Italienischen im Jahr erscheint und sehr vitaminhaltig ist).
ist denkbar, aber die vorgeschlagenen Ur¬ Zu Scharbock (u. ä.), das nicht viel früher be¬
sprungswörter (it. scanso m. 'Abwehr’, it. scan- zeugt und aus ml. (spät) scorbutus entlehnt (und
sia 'Gestell’) sind nicht überzeugend. Die umgedeutet) ist. Die Umdeutung mit Anpas¬
Sprungschanzen im Wintersport des 20. Jhs. sung niederdeutsch/niederländischer Vorbilder,
werden nach ihrer Form, die einem Typ der etwa nndl. scheurbuyck (zu nndl. scheur 'Riß,
alten Schanzen ähnelt (ebener Zugang, dann Bruch’ und nndl. buik 'Bauch’), wiedergegeben
senkrecht abfallend) so genannt. durch hd. Scharbock.
Schanze2 / 'Glückswurf’, arch. Mhd. Schäre /. 'Klippe’, sondersprachl. Für die
schanz(e). Entlehnt aus afrz. cheance 'Glücks¬ Klippen um die skandinavische Küste, haupt¬
wurf, Einsatz’, übertragen 'Wechselfalf; dies sächlich um Stockholm herum, wurde im 17.
entspricht einem ml. *cadentia 'Fallen der Wür¬ Jh. die schwedische Bezeichnung skär n. über¬
fel’ (zu 1. cadere 'fallen’). Hierzu etwas in die nommen; schon früher mndd. schere. Die neu¬
Schanze schlagen 'aufs Spiel setzen’. hochdeutsche Form ist rückgebildet aus dem
S. Chance ( + ), Mummenschanz, zuschanzen. — Mietti¬ Plural, das Genus vielleicht in Anlehnung an
nen (1962), 141-159. Schere1. Das Wort geht auf anord. sker n. glei-
scharf 625 Scharwenzel

eher Bedeutung zurück. Dazu mit Ablaut ahd. skirmen, mhd. schirmen, schermen zurückgeht.
scorro m., mhd. schor(re) m. 'Felsvorsprung5, Das Wort ist zunächst als scharmutz im Ober¬
mndd. schore, schare n. 'Gestade, Küste’, me. deutschen entlehnt und dann mit dem Diminu-
scör(e) n. 'Küste, Markierung’. Vielleicht als tivsuffix versehen worden. Ungefähr gleichzei¬
das Abgeschnittene, Scharfkantige’ zu scheren1 tig entlehnt das Englische aus dem Französi¬
(s. d.).
schen skarmuch, später skirmish.
scharf Adj. Mhd. schar(p)f, ahd. scarpf as. E. Öhmann in: FS Maurer (1963), 77-83.
skarp aus g. *skarpa- Adj. 'scharf’, auch in Scharnier n. (= eine gelcnkartige Vorrich¬
anord. skarpr, ae. scearp, afr. skerp, skarp. tung). Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Außergermanisch vergleichen sich zunächst lett. frz. charniere/., dessen weitere Herkunft nicht
skarbs, mir. cerb 'schneidend’, das zu mir. cer- sicher geklärt ist.
baim 'schneide’ gehört. Weiter zu der Grundlage
Schärpe/. Im 17. Jh. als Scharp(e), Schärpe
*sker- schneiden (s. scheren). Die Abgrenzung
entlehnt aus frz. echarpe 'Armbinde, Schärpe’.
ist im einzelnen wegen weit auseinanderfallen¬
Dieses geht zurück auf afrz. escherpe 'Pilgerta¬
der Bedeutungen unklar (so z. B. die Beurtei¬
sche’, das in dieser Bedeutung als mhd. schirpe
lung von ae. sceorpan 'schmerzen, schaben,
entlehnt wurde. Dieses aus ml. scerpa, scrippa
schneiden’).
aus 1. scirpea 'Binsentasche’. Der Zusammen¬
Nndl. scherp, ne. sharp, nschw. skarp, nisl. skarpur. S.
hang zwischen 'Tasche’ und 'Schärpe’ beruht
scheren1 (+), Scharfrichter, schrappen (+), schürfen.
— H. Kuhn in: Volk — Sprache — Dichtung, FS K.
auf dem Brauch, kleinere und wichtigere Ge¬
Wagner (Gießen 1960), 107-113; Lühr (1988), 266. genstände (wie Geld) in gürtelartigen Behältern
mit sich zu führen.
Scharfrichter m. Bezeugt seit dem 14. Jh.,
zunächst als Wort des Nordwestens und in der scharren swV. Mhd. mndd. scharren. Zu
Bedeutung 'Richter, der Todesurteile verhängen vor-d. *skerr-a-, älter vermutlich *skers-a- stV.
kann’ (vermutlich nach der Schärfe des (mit Ausbreitung des grammatischen Wechsels)
Schwerts oder Beils beim Enthaupten). Im 16. 'scharren, kratzen’ in ahd. skerran, as. scerran,
Jh. wird das Wort zu einer Bezeichnung für den mhd. scherren. Außergermanisch sind zumin¬
'Henker’. dest ähnlich 1. cärere 'Wolle krempeln’ und lit.
S. scharf ( + ). — Angstmann (1928), 45 — 50.
karsti 'Wolle krempeln, Flachs hecheln, ein
Pferd striegeln’ und vielleicht auch ai. kasati
Scharlach m./n. (= ein intensives Rot, eine
'schabt, kratzt’, das allerdings auch fremden
ansteckende Infektionskrankheit), fachsprachl. Ursprungs sein kann.
Im Mittelhochdeutschen (mhd. Scharlach[en],
scharlät n.) entlehnt aus ml. scarlatum n. 'hoch¬ Scharte /. Mhd. schart(e), mndd. schart n.,
mndl. sc(h)aerde. Wie afr. skerd 'Schnitt,
rote Farbe, hochrotes Tuch’, dieses aus pers.
Stück’, ae. sceard n., anord. skarö n. Substanti¬
saqirlät (dass.). Das /ch/ durch volksetymologi¬
vierung des Adjektivs g. *skar-öa- 'zerhauen,
sche Anlehnung an mhd. lachen n. 'Mantel,
beschädigt, schartig’ in mhd. schart, ahd. -scart,
Tuch’. Als Bezeichnung der Krankheit nach
as. skard, afr. skerd, ae. sceard, anord. skarör.
gleichbedeutend ml. (spät) febris scarlatina f.
Dieses ist vermutlich eine morphologisch nicht
(wörtlich: 'rotes Fieber’), nach dem intensiv ro¬
ganz klare Bildung zu *sker-a- 'schneiden’ (s.
ten Hautausschlag, den diese Krankheit verur¬
scheren1).
sacht.
Littmann (1924), 113f.; Suolahti (1929), 228f„ 237; Scharteke /. 'Schmöker, schlechtes Theater¬
Lokotsch (1975), 142. stück’, arch. Das Wort ist seit dem 16. Jh.
Scharlatan m. 'jmd., der Können und Wissen ungefähr in der heutigen Bedeutung bezeugt.
nur vortäuscht’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleich¬ Es gehört wahrscheinlich zu mndd. scarte,
bedeutend frz. charlatan, dieses aus it. ciarla- scharteke 'Urkunde’ (das aus frz. charte ent¬
tano (dass.), aus it. cerretano 'Kurpfuscher, lehnt ist) und könnte dessen niederdeutsches
Marktschreier, (wörtlich: Mann aus Cerretof, Diminutivum sein, bei dem der Ton scherzhaft
das volksetymologisch mit it. ciar/are 'schwat¬ nach lateinischem Muster umgesetzt wurde (vgl.
zen’ vermengt wurde. So bezeichnet nach den das entsprechende Problem bei Parteke 'Stück
berühmt berüchtigten Händlern aus dieser Brot, irdisches Gut’). Die Einzelheiten bleiben
Stadt. unklar.
Morphologisch zugehörig: Scharlatanerie, Scharlata¬ Scharwenzel m., auch Scherwenzel m., reg. In
nismus. — W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 58; Jones der Bedeutung 'Bube’ (im Kartenspiel), auch
(1976), 202; Brunt (1983), 189. das Kartenspiel selbst, wohl entlehnt aus cech.
Scharmützel n. 'Gefecht’, arch. Im späten 14. cervenec 'Herzbube’ (eigentlich 'Roter’) unter
Jh. entlehnt aus it. scaramuccia /., das über Einfluß von Wenzel 'Bube im Kartenspiel’
frz. escarmouche f. auf eine Ableitung aus ahd. (s. d.), das eine Übertragung des (vorwiegend
Scharwerk 626 Schaufel

böhmischen) Vornamens ist. In der weiter ver¬ Schaube /. 'spätmittelalterliches Kleidungs¬


breiteten Bedeutung 'dienstbeflissener Mensch’ stück’, arch. Bezeugt seit dem 14. Jh. Vermutlich
rückgebildet aus scharwenzeln 'schweifwedeln’, aus der gleichen Grundlage wie Joppe (s. d.)
einer Streckform von schwänzeln. entlehnt.
Schröder (1906), 1-3, 199-201; A. Kluyver ZDW Schaubrot n., fachsprachl. Von Luther gebil¬
13(1912), 90f. det zur Übersetzung von hebr. lächäm hap-
Scharwerk n., arch. Bezeugt seit dem 14. Jh. päntm, wörtlich 'Brot des Antlitzes’ (in der
als 'in geordneter Verteilung umgehende Fron¬ Stiftshütte aufgelegtes Brot aus feinem Mehl).
arbeit’; entsprechend mhd. scharwahte 'reihum Im Deutschen übertragen auf Gebildebrote, die
gehender Wachdienst’. Mit dem Aufhören der hauptsächlich an Weihnachten gebacken
Fronarbeit geht Scharwerker in die Bedeutung werden.
'unzünftiger Handwerker’ über. Zu Schar1 schaudern swV. Erst neuhochdeutsch aus ndd.
(s. d.) in der Bedeutung 'Abteilung, (Eintei¬ schuddern aufgenommen. Mndd. schoderen,
lung)’. schaderen zu mndd. schoden 'schütteln, schüt¬
Schaschlik m./n. (= ein Spieß mit Fleisch ten’ der Bedeutung nach vergleichbar mit schüt¬
und Gemüse). Im 20. Jh. entlehnt aus dem teln.
Turkotatarischen (vgl. russ. saslyk [dass.]). Ne. shudder.

schassen swV. 'fortjagen’, ugs. Im 18. Jh. ent¬ schauen swV. Mhd. schouwen, ahd. scouwön,
lehnt aus frz. chasser 'jagen’, das auf ml. cap- as. skawon, skawoian aus g. *skauw-ö- swV.
tiare 'fangen, jagen’ (zu 1. capere 'fangen’) zu¬ 'schauen’, auch in ae. sceawian, afr. skäwia,
skö(w)ia. Außergermanisch vergleicht sich gr.
rückgeht.
thyosköos 'Opferschauer’ und ohne anlautendes
Schatten m., älter Schatte m. Mhd. scha-
s- gr. koeö 'ich bemerke, fasse auf’, 1. cavere
te(we), ahd. scato, mndd. schade(we), scha-
und evtl. ai. äkuvate 'beabsichtigt’.
duwe, mndl. sc(h)ade aus g. *skapwa- m.
Nndl. schouwen, ne. show. S. hören (+), scheu (+),
'Schatten’, auch in gt. skadus, ae. sceadu f. schön (+), Show.
Außergermanisch vergleichen sich zunächst air.
Schauer1 m. 'Unwetter’. Mhd. schür (e),
scäth, kymr. cysgod. Vermutlich weiter zu gr.
schour(e), ahd. scür, skür aus wg. *sküra- m.
skötos 'Dunkelheit’. Weitere Herkunft unklar.
'Schauer’, auch in ae. scür m.\f. Dazu anord.
Die dehnstufigen keltischen Wörter gehören un¬
skür /., gt. sküra f. 'Sturmwind’. Vielleicht ist
ter Umständen zu einem anderen Wort für
unmittelbar zu vergleichen arm. c urt 'kalt,
'Schatten’ (*skäi-) und sind deshalb mehr¬
Kälte, Schauer’ und ohne anlautendes 5- 1. cau-
deutig.
rus, cörus 'Nordwind’, lit. siäure f. 'Norden’,
S. beschatten.
akslav. severü 'Norden’. Im Falle der Zusam¬
Schatulle /. (= ein geschmücktes Kästchen mengehörigkeit wäre * (s)kewero- anzusetzen.
zum Aufbewahren von Wertsachen). Im Früh¬ Die übertragene Bedeutung 'Schauder’ ist wohl
neuhochdeutschen entlehnt aus ml. scatula von dem unverwandten Schauder beeinflußt.
'Schrank’ und it. scatola 'Schachtel, Dose’, des¬ Ne. shower, nschw. skur, nisl. skür.
sen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
Schauer2 m. 'Wetterdach’, reg. Mhd. schür,
Etymologisch verwandt: Schachtel. — W. Feldmann
ahd. scüra/., as. skür aus g. *sküra- m. 'Schutz¬
ZDW 8 (1906/07), 58.
dach’, auch in nisl. skürr, nschw. skur. Zu
Schatz m. Mhd. scha(t)z, ahd. scaz, as. skatt Scheuer (s. d.) und Scheune (s. d.).
'Geld, Vermögen, Vieh’ aus g. *skatta- m. 'Be¬
Schauerleute PL, auch Schauermann nt. und
sitz, Vieh’, auch in gt. skatts 'Geld(stück)’,
früher einfaches Schauer m. 'Tagelöhner, die
anord. skattr 'Abgabe, Reichtum, Geld’, ae.
beim Löschen und Laden des Schiffes helfen’,
sceatt, afr. skett. Herkunft unklar. Entlehnung fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus nndl. sjou-
aus einer unbekannten Sprache nicht ausge¬ wer(man) zu nndl. sjouwen 'schleppen, hart ar¬
schlossen. beiten’. Dieses offenbar ein ursprünglich friesi¬
Nndl. schal, nschw. skatt, nisl. skattur. S. Brandschat¬ sches Wort, das von der Entsprechung zu See
zung. (s. d.) abgeleitet ist und ursprünglich bedeutet
Schaub m. 'Garbe’, südd. Mhd. schoup, 'Lasten an oder von Bord tragen, indem man
schouh, ahd. scoub, as. sköf aus wg. *skaufa- m. durch die See watet’.
'Garbe’, auch in ae. sceaj; entsprechend anord. Kluge (1911), 683f.
skaufn. 'Fuchsschwanz’. Vermutlich zu der un¬ Schaufel/. Mhd. schüvel(e), schüfel(e), ahd.
ter Schopf dargestellten Gruppe mit der ur¬ scüvala, schüvel, as. sküfla aus vor-d. *sküflö
sprünglichen Bedeutung 'Büschel’. f. Daneben mit Vokalkürze ae. scofl, mndd.
Nndl. schoof, ne. sheaf. S. Schopf { + ). schuf(f)el, mndl. schuffel. Instrumentalbildung
Schaukel 627 scheiden

zu schieben (s. d.); Ausgangsbedeutung also mhd. schiben 'rollen’, z. B. bair. Kegel scheiben,
Mittel zum (Ver)Schieben’.
in der Hochsprache falsch umgesetzt zu Kegel
Nndl. schoffel, ne. shovel, nschw. skovel, nisl. skößa. schieben.
S. Schippe, schieben (+).
Nndl. schijf ne. shive, nschw. skiva, nisl. skifa. S.
Schaukel/., schaukeln swV. Bezeugt seit dem Scheibtruhe, scheiden (y), Schicht, Schiefer.
17. Jh. Älter schuckel, schocke u. ä., vgl. mhd.
Scheibe2 Interj. Als Hüllwort für Scheiße (s.
schocken, schucken 'stoßen, schaukeln’, ahd.
scheißen) verwendet, wie auch Scheibenhonig,
skokka das Schaukeln . Die Vokallänge und Scheibenkleister u. ä.
der Diphthong wohl durch unangemessene Um¬
Scheibtruhe/ 'Schubkarren’, bair.-österr. Zu
setzung einer niederdeutschen Form ins Hoch¬
scheiben 'rollen’ (s. Scheibe’) und Truhe (s. d.).
deutsche. Wohl zur gleichen Grundlage wie
schieben (s. d.), sonst unklar. Scheich m. Fremdbegriff des 19. Jhs. Zu arab.
S. auch schunkeln. saih 'Stammesoberhaupt’, eigentlich 'Ältester’.
Littmann (1924), 85; Lokotsch (1975), 141.
Schaum m. Mhd. schüm, schoum, ahd. scüm,
mndd. schüm, mndl. sc(h)ume. Herkunft un¬ Scheide /. (im Sinne von 'Schwertscheide’).
klar. Mhd. scheide, ahd. skeida, as. skeöia aus g.
Nndl. schuim, nschw. skum. - Kluge (1926), 46f. *skaip(j)ö f. 'Scheide’, auch in anord. skeiöar
PL, ae. sceap, afr. skethe. Der altnordische Ge¬
Schaute m. 'lächerlicher Narr’, wmd. Aus dem
brauch im Plural zeigt, daß ursprünglich die
Westjiddischen im 16. Jh. übernommen, ebenso
beiden Schutzplatten der Scheide gemeint gewe¬
nndl. schudde. Aus hebr. schöteh 'Narr’.
sen sein müssen. Im Singular bedeutet das nor¬
Wolf (1985), 280.
dische Wort 'Weberkamm’ und '(Silber-) Löffel’
Scheck m. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. cheque, (im Gegensatz zum Holzlöffel, der als sleif be¬
dessen Herkunft umstritten ist. zeichnet wird). Formal wohl zu scheiden (s. d.)
Schirmer (1911), 167f.; Littmann (1924), 116; Lokotsch gehörig, aber die Bedeutungszusammenhänge
(1975), 140 .
sind unklar. Die Bedeutung 'weibliches Ge¬
scheckig Adj. Mhd. schecke. Entlehnt aus schlechtsorgan’ beruht auf einer Lehnbedeu¬
afrz. eschiec 'Schach’, also 'schachbrettartig’. tung aus 1. vägina im 17. Jh.
scheel Adj., ugs. Mhd. schelch, ahd. skelah, Nndl. schede, ne. sheath, nschw. sked, nisl. skeiö. S.
mndd. schele aus wg. *skelhwa- (o. ä.) Adj. scheiden (+ ).
schief, schräg’, auch in ae. sceolh 'scheu, ängst¬ Scheidemünze /., arch. Bezeugt seit dem 17.
lich, schräg’. Im Deutschen ist die Bedeutung Jh., auch als Schiedmünze. Die Münze, mit der
auf eine Stellung der Augen übergegangen, und feinere Unterschiede gemacht werden können,
aus scheel blicken ist 'mißgünstig, neidisch’ ge¬ zu scheiden (s. d.).
worden. Varianten sind bair. schelh und alem.
scheiden stV. Mhd. scheiden, ahd. skeidan,
scheib (aus schelw-, bei unklarem Schwund von
as. skedan, skeöan aus g. *skaid-a- stV. (gt.
h). Mit grammatischem Wechsel steht daneben
reduplizierend) 'scheiden’, auch in gt. skaidan,
anord. skjalgr 'schief, scheeläugig’. Mit nur ger¬
ae. sceadan, afr. sketha, skeda, skatta. Der
manischer Erweiterung zu *skel- 'krumm’ in gr.
grammatische Wechsel ist teilweise durch das
skoliös 'krumm’, arm. set 'krumm’, 1. scelus
ganze Paradigma durchgeführt, teilweise besei¬
'Bosheit’, lit. kelys 'Knie’.
tigt. Mhd. Schäden gleicher Bedeutung ist erst
Nndl. scheel, nisl. skjälgur. S. schielen, schillern,
seit dem 13. Jh. belegt und damit wohl sekun¬
Schulter.
där (s. hierzu gescheit). Der Lautstand der
Scheffel m. 'Hohlmaß’, arch. Mhd. scheffel, Sippe ist uneinheitlich. Auszugehen ist wohl
ahd. skeffil, as. skepil ist eine Weiterbildung von einer Grundlage ig. *skei-, zu der im Ger¬
(Diminutiv?) zu Schaff (s. d.), also 'kleines manischen ein schwundstuFiges Präsens mit
Schaff’. Da es sich aber dennoch um ein ver¬ t-Erweiterung und grammatischem Wechsel ge¬
hältnismäßig großes Maß handelte (zwischen bildet wurde. Bildungen mit e-Vokalismus sind
50 und 250 Liter), bedeutet scheffeln 'in großen wohl ursprüngliche Bildungen aus der Wurzel
Mengen (Scheffeln) an sich nehmen’. (s. Scheit). Auch außergermanisch ist die Sippe
Nndl. schepel. S. Schaff ( + ). uneinheitlich. Der Anlaut ist i.-iran. sk-, balt.
Scheibe1/. Mhd. schibe, ahd. skiba, as. skJva sk-, gr. skh-. Die übliche Präsensbildung geht
aus g. *skibö(n) f. 'Scheibe’ (ursprünglich wohl von *skeid- aus, dem im Germanischen scheißen
eine von einem Baumstamm abgeschnittene (s. d.) entspricht, das durch seine anstößige
Scheibe), auch in anord. skifa, me. schife, afr. (Neben)Bedeutung wohl den Ersatz durch die
sklve. Das Wort ist (ähnlich wie Schiefer, s. d.) vorliegende Formation bewirkt hat. Vgl. hierzu
eine Labialerweiterung zu *skei- 'schneiden, 1. scindere, lit. skiesti, gr. schizein, ai. chinätti
spalten’ (zu diesem s. scheiden). Hierzu auch 'spalten’. Die Wurzelstufe *skei- kann gesehen
scheinen 628 Schelm

werden in mir. scian 'Messer’, gr. schäzö 'ich Scheich m./n. 'Boot’, md. Bezeugt seit dem
ritze, schnitze’, ai. chyäti 'schneidet ab . Viel¬ 15. Jh. für Main und Werra. Vermutlich aus
leicht weiter zu *sek- 'schneiden' (s. Säge). älterem (spahd.) scaltih m. 'Rennschiff , zu ahd.
Nndl. scheiden. S. Abszisse, bescheiden, entscheiden, scaltaf. 'Ruderstange, Stoßstange’ (zu schalten,
Scheibe1, Scheide, Scheidemünze, scheißen, Scheitel, s. d.), also ein durch ein Schaltruder gelenkter
schütter, gescheit, Scheit, Schiedsrichter, Schiene. Kahn.
scheinen st V. Mhd. schlnen, ahd. as. sklnan Kluge (1911), 685.
aus g. *skei-na- stV. 'scheinen’, auch in gt. Schelf m./n. 'Festlandsockef, fachsprachl.
skeinan, anord. skina, ae. scinan, afr. sklna. Entlehnt aus ne. shelf 'Aufsatz’ unklarer Her¬
Außergermanisch vergleicht sich akslav. sijati kunft.
'leuchten, glänzen’ und vielleicht 1. scintilla E. Rooth FA 5 (1959), 18-45; O. Mäkeläinen NPhM
'Funke’. Im Deutschen entwickelt sich früh die 80(1979), 352-357.
Bedeutung 'zeigen, vorzeigen’, zu der einerseits Schelfe /. 'Schale’, reg. Mhd. schelve, ahd.
erscheinen, andererseits Schein im Sinne von skeliva', entsprechend mndd. schelver 'abgeblät¬
'Dokument’ gehört. Auf die Möglichkeit des tertes Stück, Schädelstück’, mndl. schelffe
bloßen Vorspiegelns ohne realen Hintergrund 'Schuppe’. Labialerweiterung der gleichen
zielt die einschränkende Verwendung in wahr¬ Grundlage wie der von Schale1 (s. d.).
scheinlich, anscheinend, scheinheilig und schein¬ Götze (1919), 157f.
bar, auch beim Verbum selbst (es scheint nur
Schellack m. 'Lack in dünnen Blättern’, fach¬
so).
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus nndl. schellak.
Nndl. schijnen, ne. shine, nschw. skina, nisl. skina. S.
Dieses zu Lack und schel 'Schuppe’ (das zu
Schemen, schier2, schimmern.
Schale1 [s. d.] gehört).
scheißen stV., vulg. Mhd. schizen, ahd. nur
Lokotsch (1975), 103.
Partizip piscizzano, mndd. schiten, mndl.
Schelle /. 'Glöckchen’. Mhd. schelle, ahd.
sc(h)iten aus g. *skeit-a- stV. 'scheißen’, auch
skella. Ableitung zu g. *skell-a- stV. 'schallen,
in anord. skita, ae. bescitan (Prät. PL), me.
klingen’ in anord. skjalla, ae. scillan, ahd. skel-
schiten, nwfr. skite. Eine nur im europäischen
lan, mhd. schellen (dann untergegangen oder zu
Bereich faßbare und deshalb wohl sekundäre
schallen [s. Schall] gezogen; das heutige schellen
Bedeutungsspezialisierung von *skei-d- 'spal¬
swV. ist denominal). Hierzu mit abstrakterer
ten, trennen’ (s. scheiden). Den Ausgangspunkt
Bedeutung auch Maulschelle (s. d.), woraus ein¬
zeigt gr. schistös gäla 'geronnene Milch’, dann
faches Schelle gleicher Bedeutung gekürzt ist.
lit. skysti 'sich teilen, zerfließen, Durchfall be¬
Schellen 'Hoden’ ist eine Übertragung nach der
kommen’, lit. skiesti 'verdünnen, Durchfall be¬
Form; der Vergleich mit kymr. caill 'Hoden,
kommen’, von der unerweiterten Grundlage
Samengehäuse’ legt nahe, daß ursprünglich
mir. sceid, sceithid (u. a.), kymr. chwydaf,
Früchte so bezeichnet wurden, in denen beim
chwydu 'sich erbrechen, speien’.
Schütteln die reifen Kerne klapperten.
Nndl. schijten, ne. shit, nschw. skita, nisl. skita. S.
Scheibe2, scheiden ( + ), Schiet, Schiß, schütter, Ver¬ Nndl. schel. S. Schall, schelten, verschollen, zerschellen.
schiß. - Palander (1899), 88f.; Relleke (1980), 114f„ 248f.

Scheit n., südd. Mhd. schTt, ahd. sklt aus g. Schellfisch in., fachsprachl. Übernommen aus
*skida- n. 'Scheit’, auch in anord. skiö, ae. seid, dem Niederdeutschen. Mndd. schellevisch zu
afr. skld. Wörtlich 'das Gespaltene’ zu der unter schelle 'Schale, Hülse’ (s. Schale1), weil das
scheiden (s. d.) dargestellten Wurzel *skei- 'spal¬ Fleisch dieses Fisches blätterig ist.
ten, trennen’. O. Böthlingk IF 7 (1897), 273f.

S. scheitern. Schellhengst m„ s. Schälhengst.


Scheitel m. Mhd. scheitel(e) /., ahd. skeitila Schellkraut n., auch Schöllkraut n., fach¬
/., mndd. schedel. Am ehesten mit Instrumental¬ sprachl. Mhd. schelkrüt, schel(le)wurz, ahd.
suffix *tlä zu der Grundlage von scheiden (s. d.); skelliwurz, mndd. schel(le)wort, mndl. schei¬
nicht ausgeschlossen ist aber eine /-Bildung zu tle) worte(l). Mit Anlehnung an Schelle ent¬
dem Verb scheiden selbst (mit grammatischem lehnt aus ml. *celidonia, gr. chelidönion 'Schwal¬
Wechsel, der im Deutschen sonst fast durchge¬ benkraut’ (zu gr. chelidon f 'Schwalbe’, Benen¬
hend beseitigt ist). Auf jeden Fall ist die Aus¬ nungsmotiv unklar).
gangsbedeutung 'Scheidestelle’. Schelm m. Mhd. schelm(e) 'Bösewichf, met¬
scheitern swV Im 16. Jh. aus dem früheren onymisch auch für 'Abdecker, Schinder’ und
zu scheitern werden gebildet; von Fahrzeugen danach ‘Henker’, ahd. skelmo 'Todeswürdiger’.
und Schiffen gesagt, die in Stücke (Scheiter, s. Zugehörigkeitsbildung zu mhd. schalm(e), ahd.
Scheit) brechen. skalmo 'Pest, Seuche’. Entsprechende Wörter
Kluge (1911), 685. ohne anlautendes s- und mit anderen Suffixen
schelten 629 Schere
sind anord. hold n. 'Fleisch5, ae. hold 'Leiche’,
Dazu hinken in ai. khähjati, gr. skäzo und
air. colainn f. Körper, Leiche’, kymr. celain
ohne anlautcndes 5- hinken (s. d.). Die Schenkel
Leiche . Durch scherzhafte Übertreibung wird
sind demnach als spreizbare, zueinander
das Wort später abgeschwächt zu 'neckischer
schräge Glieder bezeichnet. Das gleiche Bild bei
Mensch’, vgl. schelmisch.
Schenkel in der Bedeutung 'Winkelseiten’ (die
Angstmann (1928), 50.
auf einer Lehnbedeutung des 18. Jhs. aus 1. erüs
schelten stV. Mhd. schelten, scheiden, ahd. anguli beruht).
skeltan, mndd. scheiden, mndl. sc(h)elden; so¬ Nndl. schenket. S. schenken, Schinken. - F. Sommer
wie afr. skelda, aondfrk. skeldan. Keine sichere in: FS Debrunner (1954), 425-430; Silfwerbrand
Vergleichsmöglichkeit, vielleicht zu ahd. skellan (1958), 130-137.
(s. Schall und Schelle). schenken swV. Mhd. schenken, ahd. skenken,
Nndl. scheiden. - P. Seidensticker ZM 24(1956) as. skenkian aus wg. *skankija- swV. 'einschen¬
160-184. ken , auch in afr. skenka, ae. scencan. Faktiti-
Schema n. 'Konzept, Muster’. Im 17. Jh. ent¬ vum zu *skanka- 'schräg’ in anord. skakkr
lehnt aus gleichbedeutend 1. Schema, dieses aus 'schräg, hinkend’, also eigentlich 'ein Gefäß
gr. Schema (dass., wörtlich: 'Haltung, Gestalt, schräg halten (damit der Inhalt ausläuft)’.
Form’), zu gr. echein 'haben, halten’. Hierzu als Nomen agentis Schenk (ahd. skenco,
Morphologisch zugehörig: schematisieren, Schematis¬ as. skenkio) und als Rückbildung des 15. Jhs.
mus; etymologisch verwandt: Epoche, Eunuch, hektisch Schenke 'Wirtshaus’. Die neuhochdeutsche Be¬
(usw.). Schule (usw.); zum Etymon s. Sieg. deutung 'Geschenke geben’ stammt aus dem
Schembart m. 'Maske mit Bart’, arch. Mhd. Brauch, bei ehrenden Empfangen sowohl Ge¬
schein(e)bart zu Schemen (s. d.) und Bart tränke auszuschenken, als auch Geschenke aus¬
(s. d.). zuteilen. Solche Gelegenheiten hießen wegen
des Getränks schenke, und schenken 'eine
Schemel m. Mhd. Schemel, schamel, ahd. sca-
schenke veranstalten, Geschenke überreichen’
mel, scamal, scamil, mndd. Schemel, mndl. scha¬
ist streng genommen eine Ableitung aus diesem
mel, schemel. Wie ae. sceamul, anord. skemill
Wort.
entlehnt aus 1. scamillus 'Bänkchen’ (zu 1. scam-
Nndl. schenken. S. Schank1, Schenkel (+).
num n. 'Bank’).
Ne. shamble(s). schepp Adj. 'schief’, auch scheps Ad)., reg.
Fnhd. schepp (es) ist eine Intensivbildung zu
Schemen mfn. 'Schattenbild’. Mhd. schem(e),
schief (s. d.).
schim(e) m., mndd. schem(e) mndl.
sc(h)eme m., as. skimo m., wie ae. scima m. scheppern swV. 'klappern’, ugs. Lautmalend.
'Schatten’. Außergermanisch vergleichen sich Scher m., s. Schermaus.
mit einfacherer Wurzelstufe gr. skia/., alb. hije, Scherbe /. Mhd. scherbe, schirbe, ahd. scirbi
toch. B. skiyo f. 'Schatten’, mit Dehnstufe ai. «., as. in havan-scervin 'Topfscherbe’. Zu ahd.
chäya /., unklar lett. sejs; mit «-Suffix akslav. scarbön, mndd. scarven, scherven, ae. scearfian
senif. Ob diese weiter zu *skei- 'leuchten’ gehö¬ 'zerschneiden’ (wohl als 'das Scharfkantige,
ren (s. scheinen) bleibt besser offen, obwohl zu Schneidende’). Vgl. außergermanisch kslav.
dieser Wurzel parallele «i-Bildungen existieren crepü, lett. skirpta 'Scharte’, lett. skerpele 'Holz¬
(gt. skeima 'Fackel’ usw.). splitter’. Zu einer labialen Erweiterung von
Nndl. schim. S. Schembart. *sker- 'schneiden’ (s. scheren1).
-sch(en) Suffix zur Bildung von Verben aus Nndl. scherf. S. scheren1 ( + ), schürfen. — R. Flilde-
Nomina (z. B. feilschen zu feil, herrschen zu brandt DWEB 3 (1963), 354 — 356.
Herr), heute nicht mehr produktiv. Das Suffix scherbein swV. 'ausgelassen tanzen’, reg.
geht auf ein in allen germanischen Sprachen Wohl zu ahd. skeron '(springen) jauchzen’ mit
vorhandenes *-isö- zurück, das auf einer fal¬ unklarer Erweiterung.
schen Ablösung von *-ö- hinter s-Stämmen be¬
Schere1/. Mhd. scharfe), ahd. -scäri PI. Mit
ruht.
gleicher Bedeutung anord. skeeri Pin., afr. skere;
Schenke /., s. schenken. ae. scear, ahd. scär(a) (auch 'Zange’). Vermut¬
Schenkel m. Mhd. schenket, mndd. schinkel, lich liegt ein alter Dual einer dehnstufigen Ab¬
mndl. sc(h)enkel; Diminutivum zu ae. sceanca, leitung von scheren1 (s. d.) zugrunde. Hiervon
mndd. schinke 'Schenkel’ (es kann auch ein abgeleitet ist scheren in der Turnersprache
Diminutivum zu Schinken [s. d.] mitgewirkt 'einen Sprung ausführen, bei dem die Beine die
haben). Hierzu vielleicht mit dissimiliertem An¬ Bewegung einer Schere ausführen’; danach wird
laut ai. säkthi n. 'Schenkel’. Vermutlich zu einer Schere auch zur Bezeichnung eines solchen
Grundlage mit der Bedeutung 'schräg’, die in Sprungs.
anord. skakkr 'hinkend, schief’ erhalten wäre. Nndl. schaar, ne. shears, nisl. skeeri. S. scheren' (+).
630 Scheune
Schere
Scherz2 yyi. dicke Brotschnitte, besonders An-
Schere2/. 'Klippe’, s. Schäre.
fangs- und Endstück’, südd. Mhd. scherzel n.
scheren1 stV. Mhd. schern, ahd. skeran, as.
'Schnittchen’. Wie ahd. scurz, scurt, ae. scort,
skerian aus g. *sker-a- stV. 'scheren’, auch in
ne. short kurz, eigentlich abgeschnitten (s.
anord. skera, ae. sceran, afr. skera. Zu Ver¬
auch Schurz). Zu einer Weiterbildung von
schneiden’, das schlecht von ähnlichen Grund¬
*sker- 'schneiden’ (s. scheren').
lagen abzutrennen ist. Am nächsten stehen air.
scaraid 'trennt, teilt, schneidet ab , lit. skirti scheu Adj. Mhd. schic he, schiech (dann sekun¬
'trennen, teilen, schneiden’ und ohne anlauten¬ där an scheuen [s. u.] angeglichen) aus wg.
des s- umbr. kartu 'er soll schneiden’, gr. keirö *skeuha- Adj. vorsichtig, scheu , auch in ae.
'ich schneide ab, schere’. Vielleicht weiter zu sceoh, lautlich umgeformt oder von abweichen¬
der Ausgangsform mndl. sc(h)u, sc(o)uw,
*sek- 'schneiden’ (s. Säge).
Nndl. scheren, ne. shear, nschw. skära, nisl. skera. S.
mndd. schu(we), norw. [dial.] nschw. skygg.
herb, Pflugschar, Schar1 ( + ), scharf, Scharte, Scherbe, Hierzu scheuen, mhd. schiuhen, schiuwen, ahd.
Schere1, Scherflein, Schermaus, Scherz2, schrappen (+), skiuhen und Scheu aus mhd. schiuhe. Vermutlich
schroff, Schrot, Schur, schürfen, Schurz. eine ^-Erweiterung der unter schauen dargestell¬
scheren2 swV. refl., ugs. Mhd. schern, spmndd. ten Sippe. Vgl. zu den dort aufgeführten Ver¬
scheren. Sowohl die Bedeutung sich fortma¬ gleichsmöglichkeiten noch 1. cautus 'vorsichtig .
chen’ wie auch die Bedeutung sich um etwas Die Einzelheiten sind aber noch klärungsbe¬
kümmern’ sind in ihrer Herkunft unklar. dürftig.
Nndl. schuw, ne. shy. S. scheuchen, Scheusal, scheu߬
Scherflein n. 'kleiner Beitrag (nach Mk.
lich, schiech, schüchtern.
12,42), sonder spracht. Ursprünglich ist der
Scherf eine Münze, und zwar dort, wo sie ge¬ scheuchen swV. Mhd. schiuhen, schiuwen. Ge¬
prägt wird, die kleinste. Ahd. sker(p)f, mhd. hört zu scheuen und sollte eigentlich ein Kausa-
scher (p)f, mndd. scharf, scherf. Zu den unter tivum (oder ein Faktitivum zu scheu, s. d.) sein,
scheren' (s. d.) aufgeführten Wörtern für 'ab¬ doch hat es nicht die dafür vorauszusetzende
schneiden’ mit gleichem Benennungsmotiv wie Form. Vielleicht hat das Verbum mit transiti¬
bei Deut (s. d.). vem Gebrauch die Funktion des Kausativums
S. schroff, schürfen. — W. Bruckner ZDW 13(1912), übernommen. Hierzu Vogelscheuche u. dgl.
152-154. S. Scheusal.
Scherge m. 'Gerichtsperson, Henker’, sonder- Scheuer /., reg. Mhd. schiur(e), schiuwer,
sprachl. Mhd. scherge, scherje, ahd. scerio, sca- ahd. sciura, scüra, die niederdeutschen Ent¬
rio 'Scharmeister, Hauptmann’; Nomen agentis sprechungen s. unter Schauer. Fortsetzer eines
zu Schar' (s. d.). rjn-Stamms, dessen Variante mit n in Scheune
Angstmann (1925), 50 — 53; Kluge (1926), 8. (s. d.) erhalten ist. Die Bedeutung war zunächst
Schermaus /. 'Maulwurf’, südd.; Schär m., 'Schutz, Schirm’, vgl. von derselben Wurzel
obd. Mhd. schermüs; eine verdeutlichende Kom¬ anord. skjöl n. 'Zuflucht’, afr. skül(e) 'Ver¬
position zu ahd. skero, scher, mhd. scher steck’. Die weiteren Vergleichsmöglichkeiten
'Maulwurf’. Formal ein Nomen agentis zu sche¬ sind unsicher, da eine entsprechende Wurzel
ren1 (s. d.) oder einem davon abgeleiteten No¬ unerweitert nicht vorliegt und mögliche Ver¬
men; aber das Benennungsmotiv ist unklar, da knüpfungen etymologisch mehrdeutig sind.
der Maulwurf ja nicht in erster Linie S. Hode, obskur, Schote'. — E. Seebold IF 87 (1982),
'schneidet’. 186-188.

Scherwenzel m., s. Scharwenzel. scheuern swV. Im 18. Jh. aus dem Niederdeut¬
Scherz1 m. 'Spaß’. Spmhd. scherz; aus scher¬ schen in die Hochsprache übernommen. Mndd.
zen 'fröhlich springen, sich vergnügen’ (viel¬ schüren, mndl. sc(h)uren. Herkunft unklar. Ver¬
leicht starkes Verb). Herkunft (auch wegen der mutlich über das Niederländische entlehnt aus
späten Bezeugung) unsicher. Wohl eine Erweite¬ frz. escurer 'reinigen’ (dieses aus 1. *ex-cüräre
rung zu der in ahd. skerön 'jauchzen’, ae. secge- 'sorgen’).
sceara 'Heuschrecke’, gr. skairö 'ich hüpfe, S. bescheuert. — Kretschmer (1969), 404 — 406.
springe, tanze’, lit. skerys 'Heuschrecke’, aksl. Scheuklappe /., früher Scheuleder n. Dieses
skorü 'schnell, flink’ vorliegenden Grundlage.
bezeugt seit dem 16. Jh. Gemeint sind ursprüng¬
Mit der Erweiterung, aber ohne das anlautende
lich die Lederklappen, die den Pferden neben
s- vergleichen sich ai. kürdati 'springt, hüpft’,
die Augen gehängt wurden, damit sie nicht
gr. kördäx 'Name eines Tanzes’, gr. kradäö 'ich
scheuen. Heute bildlich für einseitiges Sehen.
schwinge’ (beides unsicher). Die Herkunft von
A. Lindquist MASO 5 (1943), 76.
1. scurra 'Spaßmacher, Witzbold’ ist umstritten
(etruskisch?). Scheune/. Mhd. schiun(e), mndd. schune; die
S. schrecken. eigentliche oberdeutsche Form zeigt sich aber
Scheurebe 631 Schieber

in ahd. scugina, die Form ohne g stammt aus seit dem 14. Jh. bezeugt, vor allem nieder¬
dem Niederdeutschen. Aus dem Wort, das mit deutsch.
dem Vorläufer von Scheuer (s. d.) und Schauer2 S. Schick*, schicken ( + ).
(s. d.) einen r/n-Stamm bildete.
Schick2 m. 'Kautabak’, reg. Entlehnt aus frz.
Scheurebe f, fachsprachl. Rebsorte, die nach chique f. gleicher Bedeutung. Dieses zu frz. chi-
dem deutschen Züchter G. Scheu (1879—1949) quer '(Tabak) kauen’.
benannt ist.
schicken swV. Mhd. schicken 'bereiten, ord¬
Scheusal n. Spmhd. schüsel 'Vogelscheuche, nen’. Bezeugt seit dem 12. Jh. und wohl ur¬
Popanz’. Instrumentalbildung zu scheuen (s. sprünglich aus dem Niederdeutschen stam¬
scheu) und scheuchen (s. d.), also 'Mittel zum mend. Vermutlich eine Intensivbildung zu ge¬
Scheuchen’ oder 'etwas, vor dem man zurück¬ schehen (s. d.). Aus 'abordnen’ entsteht die Be¬
scheut’. deutung 'senden’, dazu reflexiv 'sich beeilen’.
scheußlich Adj. Mhd. schiuzlich (sekundär an S. geschehen, Geschick, geschickt, Schicht, Schick1,
Scheusal angeglichen). Dieses zu mhd. schiuzen Schicksal. Vgl. verfügen.

'Abscheu empfinden’, einer Intensivbildung zu schicker Adj. 'betrunken’, ugs. Ein westjid¬
scheuen (s. scheu), also eigentlich 'abscheulich’. disches und rotwelsches Wort, das auf hebr.
Schi m. Im 19. Jh. entlehnt aus nnorw. ski sikkör 'betrunken’ zurückgeht. Wohl unmittel¬
(aus anord. skiö n. 'Scheit’). Das Wort war aber bar aus dem Jiddischen in die Mundarten ge¬
schon im 18. Jh. in deutschsprachigen Texten langt, wie auch schickem 'Alkohol trinken’.
in Norwegen verwendet worden. Wolf (1985), 283.
E. Mehl JDA (1958), 147 — 150. Zur Sachgeschichte Schicksal n. Im 16. Jh. als niederdeutsche
vgl.: J. J. Hess VR 2 (1937), 170-172, 477. Entsprechung zu Geschick in hochdeutsche
Schicht f. Mhd. schiht, mndd. Schicht. Die Texte aufgenommen, zunächst als schicksei (so
Herkunft des Wortes ist unklar und kaum ein¬ auch niederdeutsch/niederländisch), dann an
heitlich. Abzutrennen sind zunächst die Bedeu¬ die Normalform des Suffixes -sal angepaßt. Zu
tungen, die zu geschehen und Geschichte, Ge¬ schicken (s. d.).
schick gehören und die heute beim Simplex Schickse /., vulg. Ursprünglich der westjiddi¬
nicht mehr üblich sind. Von den noch belegten sche Ausdruck für ein Christenmädchen, und
Bedeutungen ist 'Wechsel in der Arbeitsgruppe im Gegenzug dazu wohl in Sprachformen mit
usw.’ wohl auf eine niederdeutsche oder nieder¬ Kontakt zum Jiddischen 'Judenmädchen’. An¬
ländische Variante von schift zurückzuführen dererseits ist das Wort im Rotwelschen zu 'Mäd¬
(vgl. ne. shift in dieser Bedeutung). Dieses ge¬ chen, Frauenzimmer’ verallgemeinert worden,
hört zu einer Ableitung oder Weiterbildung der daraus wohl das abwertende Schickse 'Flitt¬
unter Scheibe1 (s. d.) genannten Sippe. Die Be¬ chen’, zuerst in der Studentensprache. Das jid¬
deutung 'Lage usw.’ ist dagegen in ihrer Her¬ dische Wort ist eine Femininbildung zu wjidd.
kunft unklar. Es kommt sowohl ein Zusammen¬ schegez 'Christenbursche’, auch 'Schimpfname
hang mit schicken (s. d,)/Geschick wie auch mit für einen jüdischen Burschen’ (zu hebr. säqäs
der vorhergenannten Sippe in Frage. Da das 'Abscheuliches’). Das Femininum hat aber we¬
Wort erst im 14. Jh. auftaucht, ist seine Her¬ gen der christlichen Dienstmädchen in jüdi¬
kunft nicht mit Sicherheit zu beurteilen. Zu schen Familien eine erheblich größere Rolle ge¬
beachten ist auf jeden Fall, daß in den verwand¬ spielt.
ten Sprachen die Bedeutung 'Lage’ nicht in der Wolf (1985), 280f. (unter Scheeks).
Lautform schift auftaucht. Beide Wörter sind schieben stV. Mhd. schieben, ahd. skioban,
ursprünglich Fachwörter des Bergbaus; das mndd. schuven, mndl. sc(h)uven aus g. *skeub-a-
zweite ist aber auch früh in Kochrezepten be¬ mit der Variante *sküb-a- stV. 'schieben’, auch
zeugt. in gt. -skiuban, aschw. skiuva, ae. scüfan, sceo-
Wolf (1958), 104. fan, afr. sküva. Herkunft unklar.
Schick1 m. 'Eleganz’. Zusammen mit dem Nndl. schuiven, ne. shove. S. Schaufel, Schaukel, Schie¬
Adjektiv schick im 19. Jh. entlehnt aus frz. ber, Schippe, schoppen, Schubs, schuften. — E. Weiß-
chic, das seinerseits eine Entlehnung aus der brodt ZDPh 64(1939), 306.
niederdeutschen Form von Schick2 (s. d.) ist. Schieber m. Bezeugt seit dem 19. Jh., wie
Schick2 m. 'Richtigkeit, Angemessenheit’, auch schieben (s. d.) im Sinn von 'unlautere
reg. (vor allem in Wendungen wie seinen Schick Geschäfte betreiben’. Zunächst mit Objekt
haben, bekommen). Alte Ableitung zu schicken (Wechsel, Hypotheken schieben im Sinn von
(s. d.) in der Bedeutung 'in Ordnung bringen’. 'verschieben’; gemeint sind Geschäfte, bei de¬
Dazu schicklich 'angemessen, passend , beides nen Transaktionen vorgetäuscht oder verheim-
schiech 632 Schikane

licht werden). Entsprechend Schiebung für die schier2 Adj. 'rein, lauter’, reg. Mhd. schir,
Geschäfte selbst. übernommen aus mndd. schir, as. skir(i) aus
W. Feldmann ZDW 13 (1912), 296; Wolf (1985), 283f. g. *skeira- Adj. 'rein, lauter’, auch in gt. skeirs,
schiech Adj. 'verwachsen, zornig’, südd. Mhd. anord. skirr, ae. scir, afr. skire. Ein Adjektiv-
schiech, schiebe. Lautlich entspricht die Sippe Ableitung auf -ro- zu scheinen (s. d.).
von scheu (s. d.), semantisch gehört das Wort Ne. sheer, nschw. skir, nisl. skir. S. scheinen ( + ).
zu schief. Die Einzelheiten sind unklar. Schierling m., fachsprachl. Mhd. scherlinc,
S. schiegen. ahd. skerning, skeriling, mndd. scherlink, mndl.
Schiedsrichter m. Erst neuhochdeutsch für äl¬ sc(h)eerlinc. Zugehörigkeitsbildung zu *skarna-
teres mhd. schid(e)man. Zu mhd. schi(e)t 'Ent¬ n. 'Mist’ in anord. skarn n., ae. scearn n., afr.
scheidung’, also 'der Mann (Richter), der die skern, mndd. schäm. Dieses kontaminiert aus
Entscheidung fallt’. Zu ahd. skidön 'entschei¬ den Stämmen des r/n-Stammes heth. sakkar, gr.
den’ und weiter zu scheiden (s. d.). skör n. 'Kot’. Der Schierling wächst gern auf
schief Adj. Mhd. schief, doch aus dem Nieder¬ Düngerhaufen und Geilstellen der Äcker, daher
deutschen übernommen, mndd. schef die der Name. Die Form mit / ist dissimiliert aus
eigentliche oberdeutsche Form ist scheif die der älteren mit n.
im 17. Jh. noch bezeugt ist. Außerhalb des V. Moser BGDSL 41 (1916), 477; Marzeil (1943/79),
Deutschen entspricht anord. skeifr aus *skaiba- I, 1118-1120.
oder *skaifa-. Eine andere Form ist schepp, schießen stV. Mhd.'schiezen, ahd. skiozan, as.
scheps, die auf *skibb- zurückführt, mhd. auch skiotan aus g. *skeut-a- stV. 'schießen’, auch in
schipfes 'quer’. Auslautvariante zu *skeib-, das anord. skjöta, ae. sceotan, afr. skiäta, krimgt.
bezeugt ist in lett. sljtibs 'schief’ und gr. skimbös schieten. Außergermanisch vergleicht sich allen¬
'lahm’, unerweitert in gr. skaiös, 1. scaevus falls lit. säuti 'schießen, schnell laufen’; sonst
'links’.
keine klare Vergleichsmöglichkeit.
S. schepp.
Nndl. schieten, ne. shoot, nschw. skjula, nisl. skjöta.
Schiefer m. Mhd. schiver(e), schever, ahd. S. Geschoß, Geschütz, SchoßI/2^3, schusseln, Schute1,
skiverro, mndd. schever, schiver 'Splitter’. Die Schütze, schützen.
Bedeutung 'geblätterter Stein’ ist sekundär. Ver¬
Schiet m., ugs., nordd. Niederdeutsche Ent¬
mutlich zur gleichen Grundlage wie Scheibe1
sprechung zu Scheiße (s. scheißen), die als Hüll¬
(s. d.).
wort weitere Verbreitung gefunden hat.
schiegen swV 'schief gehen’, südd. Zu schiech
Schiff n. Mhd. schif schef, ahd. skif skef as.
(s. d.).
skip aus g. *skipa- n. 'Schiff (auch ein Gefäß)’,
schielen swV. Mhd. schilhen, ahd. skilihen\ auch in gt. anord. skip, ae. scip m., afr. skip.
entsprechend ae. bescylian. Ableitung zu dem Herkunft unklar.
unter scheel behandelten Adjektiv, also 'schief
Nndl. schip, ne. ship, nschw. skepp, nisl. skip. S. Equi¬
blicken’.
page, schiffen, schiff reich. -J. Trier ZDPh 70(1947/
S. auch schillern. 49), 348f.; Lühr (1988), 249f.
Schienbein n. Mhd. schin(e)bein. Wie nndl. schiffen swV., ugs. Die alte Bedeutung 'zu
scheenbeen, ae. scinbän. ne. shinbone verdeut¬
Schiff fahren’ (noch archaisch in sich einschif¬
lichende Komposition zu mhd. schine, ahd.
fen) ist verdrängt worden durch eine störende
scina, nndl. scheen, ae. scinu f. 'Schienbein’. S.
neue; Von Schiff 'Gefäß’ stammt die studenti¬
Schiene und Bein (in der Bedeutung 'Knochen’).
sche Bezeichnung für den Nachttopf, daher
Schiene /. Mhd. schin(e), ahd. skina, skena, schiffen 'harnen’ (so seit dem 18. Jh.). Daher
mndd. scheue, mndl. sc(h)ene aus wg. *skinö f. auch umgangssprachlich es schifft 'es regnet’.
'Schiene’, vorwiegend 'Schienbein’, auch in ae.
S. Schiff ( + ). - H. T. Betteridge GLL 14(1961), 299f.
scinu. Ableitung zu der unter scheiden behandel¬
ten Wurzel *skei- 'schneiden’; also eigentlich schiffreich Adj. 'schiffbar’, arch. Mhd. schif-
zunächst 'Abgespaltenes, Splitter’, dann 'läng¬ rcech, schifrcehe aus einer Bildung zu *wrek-a-
liches Stück Holz oder Metall (oder Schien¬ stV. 'treiben, verfolgen’ (s. rächen), also 'der
bein)’, dann die heutige Bedeutung 'Eisenbahn¬ Schiffe treiben kann’. Später wurde das isolierte
schiene’ usw. Wort an reich angeglichen.
S. scheiden (+), Schienbein. S. Schiff ( + ), rächen ( + ).
schier1 Adv. 'fast’. Mhd. schier(e) 'schnell, Schikane/. 'Böswilligkeit’. Im 17. Jh. entlehnt
fast’, ahd. skiari Adj. 'scharf, schnell’, ahd. aus gleichbedeutend frz. chicane m. (auch:
skiaro Adv. 'schnell, sofort’, mndd. schere, 'Rechtsverdrehung’), einer postverbalen Ablei¬
mndl. sc(h)ier 'schnell, bald’. Herkunft unklar. tung von frz. chicaner 'böswillig Schwierigkei-
Schild 633 schinden

ten bereiten, das Recht verdrehen’, dessen wei¬ Schiller, Schilher m. einerseits für einen schil¬
tere Herkunft nicht sicher geklärt ist. lernden Taft, andererseits für einen zwischen
Morphologisch zugehörig: Schikaneur, schikanös. — Weiß und Rot spielenden Wein.
W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 58; Lokotsch (1975), S. auch scheel.
35; Brunt (1983), 192f.
Schilling m. 'Münze’. Mhd. schillinc, ahd. as.
Schild m. Mhd. schilt, ahd. skilt, as. skild skilling aus g. *skillinga- m. 'Schilling’, auch in
aus g. *skeldu- m. 'Schild’, auch in gt. skildus, gt. skilliggs, anord. skillingr, ae. scilling. Das
anord. skjgldr, ae. scild, afr. skeld. Die Differen¬ Wort wird auf *skild-ling zurückgeführt, doch
zierung der Bedeutungen nach dem Genus ist ist dies schon lautlich nicht ohne Bedenken.
erst neuhochdeutsch. Die Ausgangsbedeutung Etwas anders (mit beachtlichen Gründen): Hei-
war offenbar 'Brett’, so daß ein Anschluß an nertz (1927), 56 — 62.
*skel- 'spalten’ wahrscheinlich ist. Zu diesem Ne. Shilling, nschw. skilling. — E. Schröder ZVS
vgl. lit. skelti 'spalten’, lit. skiltis f. 'Scheibe’ und 48 (1918), 254-266.
die unter Schale1 genannten weiter abliegenden Schimäre /. 'Hirngespinst’, sondersprachl. Im
Wörter. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. chi-
Nndl. schild, ne. shield, nschw. sköld, nisl. skjöldur. S. mere, dieses aus 1. Chimaera (= ein fabelhaftes
Schale1 (+), Skalpell ( + ). — Hüpper-Dröge (1983),
feuerspeiendes Ungeheuer, vorn Löwe, in der
205-289.
Mitte Ziege und hinten Drache), aus gr.
Schildbürger m. (vorwiegend in Schildbürger¬ chimaira (dass., wörtlich: 'Ziege’). Die Entwick¬
streich). Die Bezeichnung stammt von Hans lung zu 'Hirngespinst’ durch Vergleiche wie
Kremer: Geschichten und Thaten der Schiltbür¬ „das ist — so unwirklich — wie eine Schimäre“.
ger (1598), wobei so die Einwohner des Städt¬ W. Feldmann ZDW 8 (1906/07), 58; Brunt (1983),
chens Schilda bezeichnet werden. Vermutlich 194f.
hat das Wort vorher schon bestanden in einer Schimmel m. 'Kahm’. Mhd. schimel, ahd.
ähnlichen Bedeutung wie Spießbürger (s. d.); es skimbal, mndd. Schimmel. Herkunft unklar. Die
ist aber nicht nachzuweisen. Bezeichnung für ein weißes Pferd ist zunächst
Schilddrüse /., fachsprachl. Bezeugt seit dem adjektivisch, also ein Pferd, das wie Schimmel
18. Jh. So benannt, weil sie beim Schildknorpel aussieht. Vereinzelt schon mittelhochdeutsch.
des Kehlkopfes hegt. schimmern swV. Im 15. Jh. übernommen aus
schildern swV. Übernommen aus mndd. schil¬ dem Niederdeutschen ndd./ndl. schemeren. Par¬
deren, mndl. sc(h)ilderen 'malen’ (nndl. schilde- allel ist ae. scimrian. Gehört sicher zu einer
rij 'Gemälde’). Mhd. schildere ist der 'Wappen¬ /«-Ableitung von scheinen (s. d.), doch sind die
maler’, der die Schilde mit den Wappen bemalt; lautlichen und morphologischen Verhältnisse
von dieser oder einer ähnlichen Verwendung nicht ausreichend klar.
muß die niederdeutsch-niederländische Verall¬ S. Schummer.
gemeinerung ausgegangen sein. Schimpanse m. (= ein Menschenaffe), fach¬
Schildpatt n., fachsprachl. Übernommen aus sprachl. Entlehnt aus einer afrikanischen Einge¬
ndd./nndl. schildpad 'Schildkröte, Schildkröten¬ borenensprache.
schale’ (entsprechend Schildkrot). Zu Padde Schimpf m. Mhd. schim(p)f ahd. skimpf
'Kröte, Frosch’ (s. d.). 'Scherz, Spaß, Kampfspiel’, nndl. scimp 'Hohn,
Kretschmer (1969), 409f. Spott’. Ebenso schimpfen, mhd. schimpfen, ahd.
Schildwache /., sondersprachl. Mhd. schiit¬ skimpfen 'Scherz treiben, spielen, verspotten’,
wache neben mhd. schiltwaht(e), mndd. schild¬ ndd./nndl. schimpen. Herkunft unklar.
wachte, mndl. schiitwachte 'Wache mit voller schimpfieren swV., arch. Aus mhd. schumphie-
Rüstung, also auch mit dem Schild’. ren (13./14. Jh.), seit dem 15. Jh. an Schimpf
Schilf n. Mhd. schilf m./n.(?), ahd. skiluf, (s. d.) angeglichen. Das Wort hat mit diesem
ursprünglich nichts zu tun, sondern ist entlehnt
schelpf m./n., ndd. schelp. Mit Wechsel des Li-
quids entlehnt aus 1. scirpus m. 'Schilf’. Das aus afrz. (d)esconßre 'besiegen, des Ansehens
Wort ist zunächst wie das lateinische Vorbild berauben’.
ein Maskulinum (so etwa bei Luther), wird Schindel/. Mhd. schindel, ahd. scintala, Schin¬
dann aber vom Niederdeutschen ausgehend del, as. skindula. Entlehnt aus 1. scindula, einer
zum Neutrum (im Anschluß an Rohrl). Nebenform von 1. scandula (dass.).
O. Mäkeläinen NPhM 80 (1979), 355. schinden stV./swV. Mhd. schinden, schinten
schillern swV. Erst frühneuhochdeutsche Wei¬ stV-lswV., ahd. skinten, skinden swV. 'enthäuten,
terbildung zu schielen, schillen (s. schielen). schälen, mißhandeln’, as. biskindian 'abrinden’.
Beide Wörter bedeuten zunächst 'schielen, blin¬ Abgeleitet von mhd. schint 'Obstschale’, anord.
zeln’, dann 'spielen (von den Farben)’. Hierzu skinn 'abgezogene Haut’. Vergleichbare Wörter
Schinken 634 Schlack

gibt es nur im Keltischen, z. B. air. ceinn, cenn Schizophrenie f. 'Bewußtseinsspaltung’, fach-


'Schuppe, Schale’, kymr. cen 'Häutchen, Haut’. sprachl. Neubildung des 20. Jhs. zu gr. schizein
Vielleicht handelt es sich um Erweiterungen der 'spalten’ und gr. phren 'Geist, Gemüt’ (eigent¬
Wurzel *sek- 'schneiden’ (s. Säge). Schinden ist lich 'Zwerchfell’).
also eigentlich 'die Haut abziehen’, der Schinder Morphologisch zugehörig: schizophren.
ist der 'Abdecker’, Schindanger 'der Ort, an dem schlabbern swV. 'geräuschvoll essen und trin¬
abgedeckt wird’, Schindluder 'das abzudek- ken’, ugs. Bezeugt seit dem 16. Jh., ursprünglich
kende Tier’. Schon früh übertragen zu 'mißhan¬ niederdeutsch. Ndd. slabberen 'sich beim Essen
deln, quälen’. Hieraus 'erpressen’, aus dem wei¬ beschmutzen’, sonst slabben 'trinken wie ein
ter in der Studentensprache 'nicht bezahlen’. Hund’, obd. schlappen. Wie ne. slabber, slobber,
S. auch Schinn, Schund, Skinhead. — Angstmann nndl. slobberen lautmalend, bzw. eine expressive
(1928), 54.
Variante zu dem unter Löffel1 behandelten g.
Schinken m. Mhd. schinke, ahd. skinco, as. *lap- 'schlürfen, trinken’.
skinka 'Schenkel, Schinken’; sonst nur verein¬ S. Löffel1 ( + ), sabbern. — Bahder (1925), 118f.
zeltes afr. berskinze 'nacktschenklig’. Im Ablaut
Schlacht/. Mhd. slaht(e), ahd. slahta, as. in
zu Schenkel (s. d.). Die Übertragung alter
man-slahta 'Tötung’; so auch afr. mann-slahta,
Schinken für 'altes Buch’ bezieht sich wie alte
monnslahta m./ff?); daneben als /-Stamm ahd.
Schwarte auf den Ledereinband (seit dem 18.
man-slaht, ae. monsliht. Dental-Ableitungen
Jh., studentisch); danach auch für Ölbilder und
von g. *slah-a- stV. 'schlagen, töten’ (s. schla¬
Filme.
gen), zunächst in systematischer Bedeutung, auf
Silfwerbrand (1958), 130 — 137.
die auch das Verb schlachten, mhd. slahten, ahd.
Schinn m., meist Schinnen PI. 'Schuppen’, slahtön zurückgeht. Die heutige Bedeutung
reg. Eigentlich niederdeutsches Wort (mndd. 'Kampf zwischen Heeren’ ist erst frühneuhoch¬
schin in dieser Bedeutung). Gehört zu den unter deutsch daraus entwickelt. Die veraltete Bedeu¬
schinden (s. d.) behandelten Wörtern. Zu der tung 'Art’ (wie bei Schlag, Geschlecht, jeman¬
Bedeutung 'Schuppen’ vgl. noch bret. skant dem nachschlagen) beruht auf einer Ausgangs¬
'Schuppen’. bedeutung 'Gesamtheit der Loden eines Aus¬
Schippe/., auch Schüppe/. Bezeugt seit dem schlagstammes’. Ob und in welchem Umfang
16. Jh., zuerst als schopp, dann schuppe, diese Bedeutung von der Bedeutung 'Tötung’
schüppe. Mit Intensiv-Gemination zu schieben auch morphologisch verschieden war, läßt sich
(s. d., wie vermutlich auch Schaufel, s. d.), also nicht mehr sicher feststellen. Fachsprachlich ist
'Gerät zum Wegschieben, Verschieben’. Bei die Bedeutung 'Uferbefestigung’, vor allem nie¬
Schippen als Kartenfarbe handelt es sich um das derdeutsch seit dem 13. Jh. (von Schlacht 'Fa¬
gleiche Wort (stilisierte Schaufeln oder Spieße). schine, Reisigbündel’).
Lühr (1988), 244f. S. schlagen ( + ), Unschlitt. - M. Pokrowsky IF
49(1931), 107f.; Ader (1958), 61-73. Zu Schlachter
Schipper m. 'Kapitän’, ndd. Mndd. schipper, s.: W. Braun in: Dückert (1976), 55 — 119.
schiphere 'Schiffsherr’. Bezeichnet dann einen
Schlachtenbummler m. 'Neugieriger bei einem
Schiffseigner für Gelegenheitsfahrten. Daher
Ereignis’. Ursprünglich ein Spottwort der Sol¬
nhd. ugs. schippern 'eine Reise zu Wasser ma¬
daten des Kriegs von 1870 für Zivilisten, die
chen, auf dem Seeweg transportieren’.
die Front besuchten. Sowohl Schlacht wie auch
Schirm m. Mhd. schirm, scherm, ahd. skirm,
bummeln beruhen dabei auf Übertreibungen,
mndd. scherm, scharm, mndl. sc(h)erm. Her¬ wie sie lür diese Sprachform typisch sind.
kunft unklar. Im Prinzip entspricht ai. särman-
O. Ladendorf ZDW 6(1904/05), 57.
n. 'Schirm, Schutz’ und seine Sippe, doch wird
schlack Adj. 'schlaff’, bair., schwäb. Mhd.
im allgemeinen vorgezogen, diese zu *kel- (s.
hehlen) zu stellen. slach, ahd. slah, as. slak aus g. *slaka- Adj.
schlaft (zum Teil mit Intensiv-Gemination),
Nndl. scherm.
auch in anord. slakr, ae. sltec. Außergermanisch
schirren swV. Bezeugt seit dem 17. Jh., meist vergleichen sich als Adjektive lett. legpns, air.
als an-, ausschirren. Mit Unterdrückung des lac, 1. laxus 'schlaff’; verbal gr. legö 'ich höre
Präfixes gebildet aus Geschirr (s. d.) im Sinne auf’, I. languere 'matt sein’.
von 'Pferdegeschirr’.
Ne. slack, nschw. slak, nisl. slakur. S. schlackern2,
Schiß m. 'Angst’, ugs. Bezeugt seit dem 16. Schlaks. - Lühr (1988), 229.
Jh. zunächst in der Bedeutung 'Scheißen, Furz Schlack m. Brei, Matsch’, nordd. Intensiv-
u. ä.’, abgeleitet von scheißen (s. d.). Seit dem Form zu mndd. slagge; vgl. anord. slag n.
19. Jh., zunächst in der Studentensprache auch 'Nässe’, e. (dial.) slag(g) 'feucht, Matsch’.
'Angst’ (vgl. vor Angst in die Hosen scheißen Außergermanisch vergleichen sich unter *sklak-
u. dgl.). lit. släkas 'Tropfen, Fleck’, lit. slaketi 'tröpfeln,
Schlacke 635 Schlagfluß

triefen’, lit. slekti 'spritzen’, russ. sljäkot' f (s. d.) vorliegenden starken Verb, jedoch von
'Schlackerwetter’. der älteren Bedeutung 'schwach’ ausgehend.
S. schlackern1. Nndl. slap. S. Lappen ( + ), Lefze ( + ), Schläfe, schla¬
Schlacke/. Bezeugt seit dem 14. Jh. als mndd. fen, Schlampe, schlapp. Schlappen, Schlaraffe, Slap¬
stick.
slagge. Die Ausgangsbedeutung ist 'beim
Schmieden abspringender verglühter Metall¬ Schlafittich m., ugs. Seit dem 18. Jh. in
rest’, dann 'Reste beim Verbrennen von Kohle Redensarten. Voraus geht sicher ein nicht be¬
und beim Gießen von Metall’, modern auch für zeugtes Schlagfittich 'Flügel’ (bei dem man
Rückstände des Stoffwechsels’. Es wird ange¬ Enten und Gänse faßt) mit Vereinfachung der
nommen, daß eine Ableitung von schlagen Konsonantenfolge.
(s. d.) vorhegt, wozu das Synonym Hammer¬ S. schlagen ( + ). — Anders (Streckform zu slitje
schlag paßt. 'Schoß, Zipfel’): Schröder (1906), 189 — 192.

Lühr (1988), 222f„ 291 f. Schlagbaum m. 'Sperre an der Grenze’. Be¬


zeugt seit dem 16. Jh. als 'zur Sperre auf- und
schlackern1 svrF. 'regnen und schneien zu¬
niedergehender Balken’. Zu schlagen (s. d.) in
gleich’, nordd. Schlackerwetter usw. sind Weiter¬
dem Sinn einer zuschlagenden Tür und Baum
bildungen zu der unter Schlack (s. d.) bespro¬
in allgemeiner Bedeutung 'Pfahl, Balken’ (s. d.).
chenen Sippe.
schlagen stV. Mhd. slahen, ahd. as. slahan aus
schlackern2 sw V. 'schlenkern, wackeln’ (in mit
g. *slah-a- stV. 'schlagen’, auch in gt. slahan,
den Ohren schlackern), ugs. Zu schlack 'schlaff’
anord. slä, ae. slean, afr. slä. Das g im Neuhoch¬
(s. d.), also eigentlich 'baumeln lassen o. ä.’.
deutschen durch Verallgemeinerung des gram¬
Schläfe /. Mhd. ahd. släf m., mndl. slaep matischen Wechsels. Außergermanisch schlecht
m., afr. sliep. Das Benennungsmotiv ist unklar. zu vergleichen. Lautlich entspricht air. slacc
Einerseits ist das Wort identisch mit Schlaf (die 'Schwert’, air. slachta 'geschlagen’; mit abwei¬
neuhochdeutsche Form ist aus dem Plural rück¬ chendem Vokalismus mir. sligid 'schlägt’, vgl.
gebildet) und vergleicht sich mit sizil. sonnu ae. sliccan 'schlagen’. Vielleicht mit abwei¬
'Schläfe’ (zu 1. somnus m. 'Schlaf’), doch läßt chender Erweiterung und s mobile zu gr. kläö
sich der Grund für diesen Zusammenhang nicht 'ich breche’ und der Erweiterung gr. klädos
ersehen. Daß man beim Schlaf auf dieser Stelle 'Ast, Zweig’. S. zu diesen unter Holz. Nicht
liegt, ist nicht typisch genug für eine Benen¬ ausgeschlossen ist auch ein Zusammenhang mit
nung; daß die Schläfe als Sitz des Schlafes galt, gr. läx 'mit der Ferse’, 1. calx 'Ferse’ aus
ist nicht hinlänglich erwiesen. Ein Anschluß an *(s)klak/g, vgl. gr. läktis 'Mörserkeule’. Zum
schlaff (s. d.) mit dem Hinweis darauf, daß die starken Verb als Abstraktum g. *slag-i- m.
Schläfe vielfach als dünne Stelle des Schädels 'Schlag’ in gt. slahs, anord. slagr, ae. siege, afr.
bezeichnet wird, liegt von den vorliegenden slei, as. slegi, ahd. slag, mhd. slac, slag mit
Formen aus nicht nahe. Auffällig ist die laut¬ zahlreichen Sonderbedeutungen. Vgl. Schlag
'Art’ (s. Geschlecht, Schlacht), 'zusammen zu
liche Ähnlichkeit zu serbo-kr. sljepdoc(n)ica,
fallende Bäume’, 'Käfig’ (Taubenschlag, da mit
bulg. sljapo okö 'Schläfe’, wörtlich 'blindes
einer Falltür verschließbar), 'Blitzschlag’,
Auge’ (eigentlich 'verstecktes Auge’ oder gar
'Schlaganfall’ (in dieser Bedeutung Lehnüber¬
'Versteck der Augen’ zu lit. slepti 'verstecken’?).
tragung von gr.-l. apoplexia).
Die Etymologie bleibt deshalb unklar.
Nndl. slaan, ne. slay, nschw. slä, nisl. slä. S. Geschlecht,
Nndl. slaap. S. schlafen, schlaff. — Frisk (1966),
Schlacht, Schlacke, Schlafittich, Schlagbaum, Schlager,
83 — 101, besonders 92f. Schlegel, Schlucht, ungeschlacht, verschlagen. — N.
schlafen stV. Mhd. släfen, ahd. släf an, Svanberg APhS 3 (1928/29), 234-263; Ader (1958).
aondfrk. släpan aus g. *slcep-a- stV. 'schlafen’, Schlager m. Ende des 19. Jhs. in Wien aufge-
auch in gt. slepan, ae. släpan, afr. slepa. Dazu kommen für zündende Melodien und von dort
Schlaf, mhd. ahd. släf, as. släp, afr. slep, ae. aus auf andere Gebiete übertragen. Wohl als
släp, gt. sleps. Vergleichbar mit lit. slöhti 'Melodien, die einschlagen’ aufzufassen (dieses
'schwach, schlaff werden’, akslav. slabü Bild vom Einschlagen des Blitzes).
'schwach’, und ohne anlautendes s- air. lobur, S. schlagen ( + ). — Ladendorf (1906), 279.
lobor 'schwach’. Auszugehen ist also von *släb- Schlagfluß m., arch. Bezeugt seit dem 17. Jh.
'schwach werden’. Eine parallele Grundlage ist Fluß als Krankheitsbezeichnung ist Lehnbedeu¬
unter schlack (s. d.) behandelt. tung von gr. rheüma n.\ Schlag als Krankheits¬
Nndl. slapen, ne. sleep. S. schlaff, Schläfe. — W. S. name gibt 1. apoplexia, apoplexis f. aus gr. apö-
Jamison ZVS 96 (1982/83), 6—16. plektos 'von Schlage gerührt, betäubt’ wieder;
schlaff Adj. Mhd. ahd. slaf mndd. mndl. slap. Schlagfluß ist der plötzlich und heftig auftre¬
Schwundstufiges Adjektiv zu dem in schlafen tende Anfall von Fluß.
Schlagschatten 636 Schlaraffe

Schlagschatten m., fachsprachl. Bezeugt seit Schlampe /. 'unordentliches Frauenzimmer’,


dem 18. Jh. als Fachwort der Malersprache: ugs. Seit dem 17. Jh.; schlampig Adj. (16. Jh.)
'Schatten, den ein Körper auf den anderen zu schlampen 'schlottrig herunterhängen, nach¬
wirft’ im Gegensatz zum Eigenschatten, der auf lässig sein’ (15. Jh.). Weitergebildet Schlam¬
der dem Licht abgekehrten Seite eines Körpers pampe (17. Jh.). Vermutlich nasalierte Form
entsteht. zu den unter schlaff und Lappen behandelten
Schlagseite /. bei einem Schiff die durch Sippen.
schlechte Ladung, Beschädigung o. ä. nach un¬ S. schlaff (+), Schlamp.

ten neigende Seite’. Bezeugt seit dem 17. Jh. Schlange /. Mhd. slange m., ahd. as. slango
Benennungsmotiv unklar. m. Nomen agentis zu schlingen1 (s. d.) als das
Kluge (1911), 691 f. 'sich Windende’. Das Femininum setzt sich in
Schlagwort n. Bezeugt seit dem 18. Jh. in nachmittelhochdeutscher Zeit wegen der En¬
verschiedenen Bedeutungen: 'schmerzlich tref¬ dung durch.
fendes Wort’, dann 'Wort, das einem Schauspie¬ schlank Adj. Mhd. (md.) slanc, mndd. slank,
ler die Losung zum Auftreten gibt’ und schlie߬ mndl. slanc. Die Ausgangsbedeutung ist 'bieg¬
lich das heute übliche 'Wort, das eine Lage sam’ oder 'mager’, denn das Wort gehört zu g.
schlagartig erhellt’, heute meist abgeschwächt *slenk-a- stV. 'kriechen, sich krümmen’ in
zu 'Modewort’. Es ist wohl an das Einschlagen aschw. slinka, ae. slincan, wobei nwfr. slinke,
des Blitzes gedacht, wobei Schlag am ehesten mndd. mndl. slinken über 'einschrumpfen’ die
die Schnelligkeit charakterisieren soll. Bedeutung 'abnehmen’ angenommen haben.
Schlaks m. 'ungelenker, junger Mensch’, ugs.; S. schlingenL
schlaksig Adj. 'ungelenk’, ugs. Weiterbildung zu Schlankel m. 'Schlingel’, österr. Verschärfte
schlack (s. d.). Form mit Vokalwechsel zu Schlingel (s. d.).
Schlamassel m./n., ugs. Über das Rotwelsche schlapp Adj. Niederdeutsche Entsprechung zu
entlehnt aus dem Westjiddischen. Rotwelsch be¬
schlaff (s. d.). Breitet sich seit dem 17. Jh. auch
zeugt seit dem 18. Jh. Die Herkunft ist nicht
in hochdeutschen Gebieten aus; begünstigt
ausreichend klar. Das zweite Element ist wohl
durch die Sprache des Militärs.
wjidd. massel 'Glück, Geschick’ (s. Massel1),
Lühr (1988), 240.
das erste Glied könnte zu nhd. schlimm oder zu
hebr. sälöC) als Verneinungspartikel gehören. Schlappe /. Fnhd. schlappe 'leichter Schlag
L. Spitzer ASNSL 138 (1918), 234-236; Wolf (1985), mit der Hand’ (lautmalend wie ne. slap) zeigt
286. seit dem 16. Jh. (zunächst in der Schweiz) die
Schlamm m. Bezeugt seit dem 14. Jh. Her¬ Bedeutung 'leichte Niederlage’.
kunft unklar; früheste Bezeugung im nieder¬ Schlappen PL 'bequeme Hausschuhe’, ugs. In
deutschen Gebiet. Falls das Wort alt ist, kommt dieser Form niederdeutsch zu schlaff (s. d.), also
vielleicht gr. lampe f. 'Schaum, Schleim, Rotz’, etwa 'das lose an den Füßen Hängende’; auch
gr. lemphos 'Rotz, Schleim’ zum Vergleich in oberdeutsch etwa in kämt, slapfn.
Frage.
schlappen swV, s. schlabbern.
S. Schlotter. — Lühr (1988), 148—150.
Schlappschwanz m., ugs. Ursprünglich nieder¬
Schlammbeißer m., fachsprachl. Das Grund¬
deutsch; eigentlich eine sexuelle Metapher, die
wort ist entlehnt aus obsorb. piskor (zu obsorb.
aber nicht mehr gefühlt wird.
pisk 'Pfiff’, weil der Fisch einen pfeifenden Ton
von sich gibt, wenn er ergriffen wird) mit ver¬ Schlaraffe m., arch. Vorwiegend in Schlaraf¬
schiedenartigen Umdeutungen (s. Peitzker). fenland n. Seit dem 14. Jh. slü(de)raffe 'üppig
Wiek (1939), 18; Bielfeldt (1965), 48. lebender Müßiggänger’ zu Affe (s. d.) und mhd.
Schlamp m. 'Gelage’, reg. Bezeugt seit dem slur 'Faulenzer’ (s. schlummern). Das Vorder¬
16. Jh.; auch in der Streckform Schlampamp, glied wird verstümmelt, da es nicht mehr ver¬
davon schlampampen 'schlemmen’. Hierher standen wird; das schwere Hinterglied zieht den
wohl auch schlampen 'geräuschvoll schlürfen’, Ton auf sich. Seit dem 15. wird die alte Vorstel¬
selten hd. schlampfen 'sich gütlich tun’; auch lung von dem Phantasieland voll guter Speise
Schlempe 'flüssiger Rückstand der Maische’(?). im Deutschen mit Schlaraffenland erfaßt. An¬
Herkunft und Zusammenhang mit der Sippe ders nach Schröder (s. u.): Streckform aus
von Schlampe (s. d.) unklar. (Falls von einer schlaff (was die Betonung besser erklären
Bedeutung 'schlabbern’, d. h. 'mit herunterhän¬ würde). Vielleicht ist eine solche Streckform
gender Zunge saufen’, auszugehen ist, würde erst nachträglich an mhd. slür und mhd. affe
dies das Verbindungsglied abgeben können). angeglichen worden.
Zugehörig ist schlemmen (s. d.). S. schlaff ( + ), schleudern2 ( + ). — Schröder (1906),
Lühr (1988), 148. 195f.
schlau 637 Schleim

schlau Adj. Im 16. Jh. übernommen aus ndd. Schlehe /. Mhd. siehe, ahd. sic ha, mndd.
slü, nndl. sluw; daneben steht bair. schlauch. sle(n), mndl. sie er, vgl. ae. slä, släg, släh. Die
Herkunft unklar.
Etymologie verlangt eigentlich einen Ansatz
Schlaube f 'Schale’, reg. Mndd. slu. Vgl. *slaiwa- (vgl. akslav. sliva 'Pflaume’, 1. lividus
mschw. slo 'Hülse um den empfindlichsten Teil 'blauschwarz’ und vielleicht air. li, kymr. lliw
von Horn und Huf’. Weitere Herkunft unklar, 'Farbe’ (wenn ursprünglich 'Bläue’). Der Laut¬
vgl. Schlauch. Herkunft unklar. stand im Germanischen ist aber unklar. Ange¬
Schlauberger m., Schlaumeier m., ugs. Seit sichts der verschiedenen Übergänge von w in
dem 19. Jh. bezeugt. In Analogie zu Einwohner¬ Tektale im Germanischen könnte auch hier ein
bezeichnungen und Namen gebildete Scherz¬ (untypischer) Übergang aus w vorliegen.
wörter (vgl. Drückeberger, Kraftmeier u. ä.). schleichen stV. Mhd. slichen, ahd. slihhan,
Schlauch m. Mhd. slüch, sluoch 'Schlangen¬ mndd. sliken. Außergermanisch vergleichen sich
haut, Röhre, Rüssel, Schlauch’; hierzu me. au.fo-slig 'überschmiert’ und die unter schlecht
slughe. Am besten würde ein Ansatz *slühwa- (s. d.) genannten Adjektive. 'Schleichen’ wäre
die Formen erklären, und es könnte dann auch also eigentlich 'gleiten, rutschen’.
Schlaube und seine Sippe hinzugenommen wer¬ S. Schleim ( + ).
den; es müßte dann aber ein nur einmal bezeug¬ Schleie/., auch Schlei m. (= ein Fisch), fach-
tes as. slük 'Schlangenhaut’ (Gl. 4,288,27) nicht sprachl. Mhd. slle, slTg(e), slihe m., ahd. slio,
echt altsächsisch, sondern hyperkorrekt umge¬ slTge m., mndd. sli(ge), mndl. slie, sly aus wg.
setztes Althochdeutsch sein. Herkunft somit *sleiwa-/ö f. 'Schleie’, auch in ae. sliw m. Außer¬
unklar. germanisch vergleichen sich lit. lynas m., russ.
Schlaufe /. Mhd. sloufe, auch slouf m. Zu lini m. 'Schleie’ und wohl auch gr. lineüs m.
sliefen 'schlüpfen’ (s. schliefen). 'Schleimfisch’ (falls der Fisch nach seiner schlei¬
S. auch Schleife. migen Oberfläche benannt ist).
Schlaumeier m., s. Schlauberger. Nndl. slij. S. Schleim ( + ).

Schlawiner m. 'Gauner, Schlingel’, ugs. Ei¬ Schleier m. Mhd. slei(g)er, slo(i)ger u. ä.,
gentlich Slawonier (Slovene). Gemeint sind ur¬ mndd. sloi(g)er u. ä. Wohl entlehnt, doch ist
sprünglich die slovenischen Hausierer, die als die Ursprungssprache nicht klar.
besonders gerissen galten. Schleiereule /. Bezeugt seit dem 16. Jh. Be¬
schlecht Adj. Mhd. sieht, ahd. sieht, sliht, as. nannt nach dem Federkranz um die Augen, der
sliht aus g. * sliht a- Adj. 'eben, geglättet’, auch als Schleier bezeichnet wird.
in gt. slaihts, anord. slettr, ae. sliht, afr. sliuht. Schleife /. Neuere Form für fnhd. Schläufe
Adjektiv in der Form eines to-Partizips zu und Schlaufe, von Luther durchgesetzt.
schleichen (s. d.), zu dem auch die Bedeutungen S. Schlaufe und schliefen. — Kretschmer (1969), 419f.
'gleiten, glatt’ gehören. Vgl. ae. sllc 'glatt’,
schleifen1 stV. 'schärfen’. Mhd. slifen, ahd.
akslav. slüzükü 'schlüpfrig, glatt’, gr. ligden
slifan, mndd. mndl. slipen. Vermutlich zu den
'streifend’ und die unter schleichen (s. d.) ge¬
Wörtern auf einer Grundlage *slei- 'gleiten’
nannten Wörter. Genauer vergleicht sich viel¬
('reiben usw.’). Vgl. besonders gr. olibrön
leicht air. sliachtaid 'reibt, streichelt’, doch ist
'schlüpfrig’ (Glossenwort).
dieses vielleicht aus dem Germanischen ent¬
lehnt. Die Bedeutung im Deutschen ist im über¬ Nndl. slijpen. S. schleifen2, Schleim ( + ), Schlief,
schlimm, Schlipf, schlüpfrig.
tragenen Sinn 'einfach’, im Gegensatz zum Vor¬
züglichen sinkt diese Bedeutung (wie bei gemein schleifen2 swV. 'schleppen’. Mhd. sleifen,
u. a.) zu 'minderwertig’, doch ist die alte Bedeu¬ sleipfen, ahd. sleifen. Kausativum zu schleifen1
tung (die sonst auf schlicht [s. d.] übergegangen (s. d.).
ist) in bestimmten Wendungen bewahrt (recht S. schleifen1 (+), schleppen.
und schlecht, schlechthin, schlechterdings u. ä.). Schleim m. Mhd. ahd. slim, mndd. slim m./
S. Schleim (+). n., mndl. slim aus g. *slima- m./n. 'Schleim’,
schlecken swV. Mhd. slecken, mndd. sticken. auch in anord. slim, ae. slim. Außergermanisch
Mit einem wohl expressiven s-Vorschlag zu lek- vergleichen sich zunächst einige Wörter für
ken1 (s. d.); entsprechend etwa anord. sleikja 'Schnecke’ (= 'die Schleimige’) in russ. slimäk,
'lecken’. gr. (Hesych) leimax. Weiter zu *slei- 'gleiten,
Schlegel m. Mhd. sieget, ahd. slegil. Instru¬ Schleim, glatt usw.’, zu denen als Erweiterung
mentalbildung zu schlagen (s. d.). Nach der auch das unter schleichen (s. d.) genannte Verb
Form solcher Schlagwerkzeuge die Übertra¬ gehört.
gung auf die Hinterkeulen von Schlachttieren. Nndl. slijm, ne. slime. S. Leim (+), schlecht, schleichen,
Kluge (1926), 48; Kretschmer (1969), 271. Schleie, schleifen1 (+), Schlitten.
schleißen 638 schlicht

schleißen stV. 'zerreißen’, arch. Mhd. sitzen, schlenzen swV. 'schlendern’, s. schlendern.
ahd. slTzan, as. slltan aus g. *sleit-a- stV. 'zerrei¬ Schleppe /. Im 17. Jh. übernommen aus
ßen’, auch in anord. slita, ae. slltan, afr. slita. gleichbedeutendem mndd. slepe, das von schlep¬
Die Sippe hat keine sichere Vergleichsmöglich¬ pen (s. d.) rückgebildet ist. Vorher sprach man
keit. vom Schweif oder Schwanz von Kleidern.
Nndl. slijten, ne. slit, nschw. slita, nisl. slita. S. Schlitz, schleppen swV In mittelhochdeutscher Zeit
verschleißen.
übernommen aus mndd. slepen, das die nieder¬
Schlemihl m. 'Pechvogel’, sondersprach!. deutsche Entsprechung zu schleifen2 ist (s. d.).
Wahrscheinlich aus der Gaunersprache ent¬ S. schleifen2, Schleppe.
nommen, doch ist die Herkunft ungesichert.
schletzen swV. 'eine Tür zuschlagen’, schwz.
Man vermutet hebr. sälöf) mödl 'der nichts
Entspricht einer Intensivbildung mhd. *slahe-
taugt’. zen oder *slagezen, die aber so nicht bezeugt
Wolf (1985), 287.
ist.
schlemmen swV. Spmhd. stemmen zu mndd. Schleuder /., schleudern1 swV. Mhd. slüder,
slampampen 'geräuschvoll und üppig essen’, hd. slüderm, die neuhochdeutsche Form beruht auf
schlampfen 'sich gütlich tun’ und weiter zu den einer Bildung mit Umlaut, die von Luther ver¬
unter Schlamp (s. d.) genannten Zusammen¬ breitet wird. Herkunft unklar. Vielleicht zu gr.
hängen. leüö 'ich steinige’.
schlendern swV. Im 17. Jh. in der Studenten¬ schleudern2 swV., schludern swV. 'schlecht ar¬
sprache übernommen aus ndd. slendern. Letzt¬ beiten’, ugs. Mhd. slüderer 'nachlässiger Arbei¬
lich liegt (wie bei schlenkern, das frühneuhoch¬ ter’, mhd. slüdern 'schlenkern’; die für das Neu¬
deutsch die gleiche Bedeutung haben kann) ein hochdeutsche zu erwartende Form liegt in bair.
Verbum für 'gleiten, kriechen’ zugrunde (hier schlaudern vor; eu beruht auf einer mitteldeut¬
das unter schlingen2 [s. d.] aufgeführte starke schen Umlautbildung, u auf Einfluß nicht di¬
Verb, das sonst die Bedeutung 'verschlingen’ phthongierender Mundarten (beim Verbum of¬
angenommen hat. Hd. schlenzen in gleicher Be¬ fenbar das Alemannische, bei schludrig offenbar
deutung ist wohl am ehesten *schlenkezen zu das Niederdeutsche). Hierzu mhd. slü(de)raffe
schlenkern (s. d.). (s. Schlaraffe). Ohne 5- sind vergleichbar russ.
S. Schlendrian. lytäti’ 'sich um eine Arbeit drücken, müßig um¬
Schlendrian m., ugs. In der Bedeutung 'nach¬ hergehen’ und liederlich (s. d.), Loddel (s. d.),
lässiger Kerl’ bezeugt seit dem 17. Jh. und gebil¬ Lotter- (s. d.). Sonst unklar.
det aus schlendern und dem Kurznamen Jan schleunig Adj. Mhd. sliunec, sliunic. Weiterbil¬
(Johann), vielleicht nach andersartigem Vor¬ dung zu mhd. sliune, sliume Adv. 'eilig’, auch
bild. In der Bedeutung 'Schlamperei’, besonders Substantiv mhd. sliune, slüne 'Eile’, mhd.
'eingefahrener Trott’ auffällig früh bezeugt: Se¬ sliunen 'beeilen’. Voraus liegt ahd. sliumi Adv.
bastian Brant 1495 (Narrenschiff 110a, 163) den 'schnell', dessen m (wohl vor unsilbischem j) zu
schient trianum triben ungefähr 'den alten n wurde. Dieses wiederum ist dissimiliert aus
Brauch ausführen’ (negativ gemeint), entspre¬ ahd. sniumo Adv., as. sniomo Adv., ae. sneome
chend später auch Schlender und Schlender¬ Adv., anord. snimnia Adv.; ähnlich gt. sniumundo.
gang. Es ist nicht ausgeschlossen, daß hier altes Es handelt sich um eine im einzelnen nicht ganz
Jahn 'Arbeitsgang’ (s. d.) vorliegt, obwohl das klare Ableitung zu g. *snew-a- stV. 'eilen’ in gt.
Wort bei Brant eine lateinische Endung hat. sniwan, ae. sneowan. Weitere Herkunft unklar.
Offenbar ist jeweils das gedankenlose, ziellose Schleuse /. Im 16. Jh. übernommen aus
Weitermachen gemeint; aber eine klarere Fas¬ mndd. slüse, mndl. sluse, sluyse, die aus afrz.
sung (auch im Verhältnis zu schlendern, s. d.) escluse entlehnt sind. Dieses aus 1. exclüsa
verbietet die schlechte Beleglage. 'Schleuse, Wehr’, dem substantivierten Partizip
schlenkern swV. Zu der Bedeutung 'schlen¬ zu 1. exclüdere 'ausschließen’, gebildet zu 1. clau-
dern’ s. schlendern; in der Bedeutung 'nachlässig dere 'schließen’. Nicht durchgesetzt hat sich die
hin- und zurückschwingen’, spmhd. slenkern hochdeutsche Entlehnung alem. klüs, bair.
wohl zu mhd. slenger, slenker 'Schleuder’, ahd. klaus aus 1. clüsa.
slengira, slingira; dieses zu g. *slengw-a- stV. S. Klausur ( + ).
'gleiten, werfen’ in anord. slyngja, slyngva, ahd. schlicht Adj. Im 17. Jh. rückgebildet aus
inslingen 'entgleiten’, mndd. slingen, slengen. schlichten, mhd. ahd. slihten, das von schlecht
Die semantischen Einzelheiten dieser nach (s. d.) in dessen alter Bedeutung 'eben, geglättet’
einem Muster für expressive Wörter aufgebau¬ abgeleitet ist. Mitteldeutsch-niederdeutsche Va¬
ten Bildungen sind aber nicht ausreichend klar. rianten von schlecht, die ein i enthielten, mögen
S. schlendern, Schlinge, Schlingel, schlingern. mitgewirkt haben. Als die Bedeutung von
Schlick 639 schlittern

schlecht sich änderte, rückte schlicht in die alte wären. Auszugehen ist wohl von 'Faulpelz,
Bedeutung nach. Nichtsnutz’.
Schlick m. 'Schlamm’. Seit dem 17. Jh. auch S. Schlanke!.
in hochdeutschen Texten bezeugt. Mndd. sltk, schlingen1 stV. Mhd. slingen 'winden, flechten
slick m./(n.), mndl. slic(k); die mittelhochdeut¬ u. ä.’, ahd. slingen 'vergehen’, mndd. slingen,
sche Entsprechung ist slich, slich. Weitere Her¬ slengen 'winden, kriechen’ aus g. *slengw-a- stV.
kunft unklar.
mit ganz unklarer und auseinanderfallender Be¬
S. Schlotter. deutung, auch in anord. slyngja, slyngva
Schlief m., Schliff m. 'unausgebackene Stelle 'schwingen, schleudern’. Herkunft unklar. Zu
im Brot’, reg. Bezeugt seit dem 17. Jh. Zu schlei¬ einer passenden Parallelwurzel s. schlank. Ablei¬
fen1, weil diese Stellen wie ein angeschliffener tungen sind Schlange (s. d.), Schlinge (s. d.).
Stein aussehen (vgl. wd. wetzsteinig in gleicher Bahder (1925), 55; Lühr (1988), 167-170.
Bedeutung). schlingen2 stV. 'schlucken’. Mit mitteldeut¬
schliefen st V 'schlüpfen’, südd. Mhd. sliefen, scher Lautform fortgesetzt aus mhd. slinden,
ahd. -sliofan, mndd. mndl. slupen (Variante mit ahd. slintan, as. -slindan aus g. *slend-a- stV.
ü) aus g. *sleup-a- stV. 'schlüpfen’, auch in gt. 'verschlingen’, auch in gt. (fra)slindan. Außer¬
sliupan. ae. slüpan. Außergermanisch läßt sich germanisch vergleicht sich vielleicht lit. listi
vergleichen (ohne anlautendes s-) 1. lübricus 'kriechen’.
'schlüpfrig’. Eine Auslautvariante ist lit. sliaükti Nndl. verslinden. S. schlendern ( + ), Schlund ( + ). —
'kriechen’. Bahder (1925), 55.

Nndl. sluipen. S. Schlaufe, Schleife, schlüpfen. Unter¬ schlingern swV. 'hin- und herschleudern’.
schleif. Mndd. slingeren, slengerem, entsprechend zu
schlenkern (s. d.).
Schliere /. 'streifige Materialabweichung’,
fachsprachl. Rückgebildet aus dem Plural von Kluge (1911), 694f.
mhd. slier(e) 'Geschwür u. ä.’, ahd. scliero Schlipf m. 'Erdrutsch’, schwz. Mhd. schlipf(e),
'Brocken’. Weitere Herkunft unklar. slipfine f. Zu mhd. schlipfen 'rutschen’, einer
schließen stV. Mhd. sliezen, ahd. sliozan, Intensivbildung zu schleifen1 (s. d.).
mndd. mndl. sluten\ sonst nur noch in afr. slüta Schlippe/. 'Rockschoß’, reg. Mndd. slippe ff
'schließen’. Als Variante ohne s- läßt sich ver¬ (m.). Wohl als 'herabhängender Lappen’ ähnli¬
gleichen 1. claudere 'schließen’. Dieses zu 1. clä- cher Herkunft wie Lippe (s. d.).
vis 'Schlüssel, Riegel’, air. clö 'Nagel’, gr. kleis S. Schlips.
'Riegel, Haken, Schlüssel’. 'Schließen’ ist also Schlips m. Bezeugt seit dem 19. Jh. als nord¬
offenbar 'einen Riegel geben’. deutsche Variante von Schlippe (s. d.). Wird
Nndl. sluiten. S. beschließen, Klausur (+), Schloß, dann spezialisiert auf Halstücher und schlie߬
Schlosser, Schlüssel.
lich auf den von England eingeführten Selbst¬
schlimm Adj. Die heutige Bedeutung erst neu¬ binder. Auf den Schlips treten meint aber die
hochdeutsch. Zuvor mhd. slim(p) 'schief, Röckschöße, greift also auf die alte Bedeutung
schräg’, ahd. slimb 'schräg, schief’. Vielleicht zurück.
als nasalierte Variante zu schleifen1 (s. d.) in der W. Horn ASNSL 182 (1943), 53f.; Kretschmer (1969),
alten Bedeutung 'rutschen’. Da sowohl Glätte 421.
wie auch schiefe Neigung das Rutschen begün¬ Schlitten m. Mhd. slite, ahd. slito (auch slita
stigen, kann z. B. ae. slipor 'glatt’, ahd. sleffar /.), as. slido aus g. *slidön m. 'Schlitten’, auch
'schlüpfrig, steil’ entsprechen und damit auch in anord. sleöi. Instrumentalbildung zu dem nur
schlimm zu dieser Sippe gehören. Vgl. noch lett. im Westgermanischen bezeugten *sleid-a- stV.
slips 'schräg, steil’, lett. slipt 'gleiten, sich 'gleiten’ in ae. slidan, mhd. sliten. Außergerma¬
senken’. nisch vergleichen sich lit. slysti 'gleiten, rut¬
Lühr (1988), 148-150. schen’, akslav. sledü 'Spur’, gr. (mit unklarem
Schlinge /. 'Schleife’. Zu schlingen1 (s. d.); in Lautstand) olisthänö 'ich gleite’ und vielleicht
der veralteten Bedeutung 'Schleuder’ setzt es ai. sredhati 'macht einen Fehler’. Erweiterungen
mhd. slinge, ahd. slinga fort und gehört zu der zu der unter Schleim (s. d.) dargestellten
unter schlenkern genannten Sippe. Wurzel.
S. Schleim (+), schlittern.
Schlingel m., ugs. Bezeugt seit dem 15. Jh.,
zunächst als schlüngel. Mndd. nndl. slungel. schlittern swV. 'auf dem Eis rutschen’. Wie ae.
Auch mit verschärftem Konsonanten Schiunk, sliderian Intensivbildung zu dem unter Schlitten
Schiunk (u)s. Gehört zu der Gruppe schlendernI (s. d.) dargestellten Verb.
schlenkern (s. d.), ohne daß die Einzelheiten klar Kretschmer (1969), 422.
Schlittschuh 640 schlüpfen

Schlittschuh m. Bezeugt seit dem 17. Jh.; nach mangels klarer Bedeutungsübergänge ganz un¬
Schlitten umgeformt aus älterem Schrittschuh. sicher.
Dieses in der heutigen Bedeutung ebenfalls seit schlotzen swV. 'im Mund zergehen lassen’,
dem 17. Jh., zuvor mhd. schrit(e)schuoch, ahd. schwäb. Herkunft unklar.
scritiscuoh, as. scridsköh bezeichnet einfach Schlucht /. Aus älterem sluoht, das (außer in
einen Schuh, mit dem man weit ausschreiten den Mundarten) nur in mhd. sluoche, wazzer-
kann. sluoht 'Wassergraben’ bezeugt ist. Ausgangsbe¬
Schlitz m. Mhd. sli(t)z, ahd. sliz, ae. slit. deutung ist 'Wasserrinne’, wie etwa bei am.-
Verbalabstraktum zu schleißen (s. d.). span. (mex.) cahon m. 'tiefe Schlucht’ zu 1. canna
'Rohr’. Noch älter ist die Bedeutung 'Ast,
Schlitzohr m. 'durchtriebener Mensch’, schlitz¬
Zweig’ (mundartlich oberdeutsch), vgl. mndd.
ohrig Adj. 'durchtrieben’, ugs. Bezeugt seit dem
sluchter PI. 'junge Schößlinge’, die wohl auf
19. Jh. Die Herkunft des Bildes ist unklar —
schlagen (s. d.) zurückführt (als 'das, was abge¬
das frühere Abschneiden der Ohren bei Betrü¬
schlagen werden kann’). Der Übergang zu
gern ist sachlich nicht das Gleiche und erklärt
'Wasserrinne’ entweder nach aus Ästen gefertig¬
zudem die Bedeutung nicht.
ten Röhren oder weil solche Rinnen Zweige
schlohweiß Adj., älter schloßweiß, s. Schloße. eines Hauptgrabens waren.
schlorren swV, auch schlurren swV. 'schlur¬ Bahder (1925), 54; Ader (1958), 74-81; C.-P. Herber¬
fen’, nordd. Lautmalend wie schlürfen (s. d.). mann in: H. Beckers/H. Schwarz (Hrsg.): Gedenk¬
Hierzu Schlorren 'Hausschuhe’. schrift J. Trier (Köln, Wien 1975), 85 — 115.

Schloß n. Mhd. ahd. slöz, sloz, Ableitung zu schluchzen swV. Spmhd. (15. Jh.) slüchzem,
schließen (s. d.) bedeutet zunächst 'Türver¬ mit dem für Schallwörter typischen Suffix abge¬
schluß’ und als Lehnbedeutung von 1. conclüsio leitet von slüchen 'schlucken, schlingen’.
f. auch 'Schlußfolgerung’. Seit dem 13. Jh. wird S. schlucken.
auch eine Burg so bezeichnet, weil sie das Land, schlucken swV. Mhd. mndd. sluken, mndl.
einen Wasserlauf u. ä. sperrt. Daraus die heu¬ slocken. Mit Intensivgemination zu mhd. slü¬
tige Bedeutung 'Palast’. chen 'schlingen, schlucken’, mndd. sluken.
Außergermanisch vergleicht sich ohne anlau¬
Schloße/., reg. Mhd. slöz(e) m./n.(?), mndd.
tendes s- gr. lüzö 'ich schlucke, schluchze’,
sloten PL Gehört in einen ähnlichen Bedeu¬
wruss. hlytäci 'schlucken’ und mit Auslautva-
tungsbereich wie Schlacker-1 Schlickerwetter
riantion air. sluicid, slocaid 'schluckt’, mit Nasa¬
u. dgl. Entsprechend ne. sleet (seit dem 14. Jh.).
lierung kymr. llyncu.
Einzelheiten unklar. Hierzu schloßweiß 'weiß
S. schluchzen, Schlucker.
wie Hagel’, ndd. slötewlt, bei dem nachträglich
der Auslaut des ersten Elements gegen den des Schlucker m., ugs. Das Wort bezeichnet früh¬
zweiten durch Dissimilierung schwand. neuhochdeutsch einen Schlemmer; danach ab¬
geschwächt; ein armer Schlucker ist einer, der
Schlosser m. Bezeugt seit dem 13. Jh. für
an einem Essen teilnehmen darf und alles essen
den Handwerker, der (unter anderem) Schlösser
muß, was ihm vorgesetzt wird. Heute meist für
herstellt. Auffällig ist das Fehlen des Umlauts. 'armer Mensch’ verwendet.
S. schließen ( + ). S. schlucken ( + ).
Schlot m. 'Kamin’, reg. Mhd. slät, slöt, ahd. schludern sn’K, schludrig Adj., s. schleudern.
slät. Wohl zu mhd. släte f. 'Schilfrohr’ (hd.
schlummern swV. Spmhd. slummern. Wie
[dial.] Schlotte), also als 'Röhre’ bezeichnet.
nndl. sluimeren, ne. slumber Intensivbildung zu
Ebenso die Bedeutung 'nichtsnutziger Kerl’
mhd. stummen', vgl. ae. slüma 'Schlaf’. Norw.
(von 'Röhre, hohl’ ausgehend). Weitere Her¬ (dial.) slum 'schlaff’ weist darauf hin, daß hier
kunft unklar. das gleiche Benennungsmotiv vorliegt wie bei
G. Schilling: Die Bezeichnung für den Rauchabzug im schlafen.
deutschen Sprachgebiet (Diss. Marburg 1963). S. Schlaraffe. — Bahder (1925), 24 — 26, 43f.
Schlotter m. 'Schlamm’, reg. Mhd. slöte Schlund m. Mhd. ahd. slunt, as. slund. Ablei¬
(u. ä.). Ähnlich ne. slud 'Schlamm’. Zu dem tung von mhd. slinden, das unter schlingen2
Bereich Schlamm (s. d.) und Schlick (s. d.) ohne dargestellt ist.
nähere Verwandte. S. auch Geschlinge. — Bahder (1925), 137.
schlottern swV. Mhd. slot(t)ern (u. ä.), ndd. schlunzen swV. 'nachlässig gehen’, md. Zu
sluddern. Bedeutungsmäßig auffällig ähnlich schlenzen (s. unter schlendern).
sind gt. afslaußjan 'in Angst versetzen’ und gt. schlüpfen swV. Mhd. slüpfen, slupfen, ahd.
afslaußnan 'sich entsetzen’. Formal kann noch inslupfen. Mit Intensivgemination zu schliefen
Weiteres angeschlossen werden, doch bleibt es (s. d.).
schlüpfrig 641 Schmarre

schlüpfrig Adj. glatt’. Seit dem 16. Jh. in schmächtig Adj., s. Schmach.
dieser Form bezeugt, die auf Anschluß an
Schmackes PI. 'Hiebe, Wucht’, wmd. Zu re¬
schlüpfen (s. d.) zurückzuführen ist, vorher
gionalem smacken 'schlagen’ (mndd. smacken
schlipferig, noch älter schlipßg, mhd. slupferic,
schlagen, werfen’), das unter schmatzen behan¬
slipfec, slipfic zu mhd. slipfen 'ausgleiten, fallen,
delt ist.
rutschen’.
S. schleifen1 ( + ). schmaddern swV. 'schmieren’, nordd. Ebenso
Schmadder 'Matsch, Brei’. Wie schmettern
schlurfen swV., s. schlürfen. (s. d.) eine lautmalende Bildung, die vielleicht
schlürfen swV, auch schlurfen sn-F. Die Be¬ von schmeißen (s. d.) abhängig ist. (Dort auch
deutung ist zunächst 'geräuschvoll trinken’, die zum Zusammenhang der Bedeutungen 'werfen,
älteste Form ist mhd. sürfeln, sürpfeln (zu gr. klatschen’ und 'schmieren’).
rhopheö 'ich schlucke, schlürfe’, 1. sorbere, lit. schmähen swV, sonder spracht. Mhd. smcehen,
srebti 'Schlürfen’, verwandt mit akslav. snbanije smähen. Faktitivum zu dem unter Schmach dar¬
n. 'Suppe, Brühe’). Vermutlich nach dem Vor¬ gestellten Adjektiv mit der Bedeutung 'klein,
bild von schlucken wird ihm später ein / einge¬ verächtlich’, also 'verächtlich machen’; ähnlich
fügt: mndd. slorpen, fnhd. schürfen, schlurfen, anord. smä 'höhnen’. Dazu (oder zum Adjektiv)
schlürfen. Das Wort wird auch lautmalend ver¬ schmählich, mhd. smceh(e)lich, ahd. smähllh.
wendet für 'mit schleifenden Füßen gehen’. schmal Adj. Mhd. ahd. as. smal aus g. *smala-
S. auch schlorren. 'schmal, gering’, auch in gt. smalista (Superla¬
schlurren swV., s. schlorren. tiv), spanord, smalr. Außergermanisch ver¬
gleicht sich ohne anlautendes s- 1. malus
Schlüssel m. Mhd. slüzzel, ahd. sluzzil, as.
'schlecht’ und akslav. malü 'klein’. Vermutlich
slutil, auch afr. sletel. Instrumentalbildung zu
dasselbe Wort in anord. smali 'Schmalvieh’,
schließen (s. d.).
nhd. Schmaltier 'Ricke’. Es ist vergleichbar mit
Kluge (1926), 48.
air. mH, kymr. mil 'Schmalvieh’, gr. melon
Schlüsselbein n.,fachsprachl. Bezeugt seit dem 'Schaf’.
17. Jh. Lehnbildung zu 1. clävicula f. 'Schlüssel- S. schmälen, Schmiele.
chen, Schlüsselbein’, das seinerseits gr. kleis f. schmälen swV. 'lästern’, arch. Mhd. smeln,
'Schlüssel, Schlüsselbein’ wiedergibt. Ältere mndd. smalen, smelen; zu schmal (s. d.) als 'klein
Schlüssel waren krumme Haken, mit denen der machen’ (vgl. schmähen).
Riegel aufgehoben werden konnte.
Schmalhans m., ugs. Da ist Schmalhans Kü¬
Schlüsselblume /. Bezeugt seit dem 15. Jh. chenmeister sagt man seit dem 17. Jh. mit einer
Benannt nach der Form des Blütenstengels, der Personifikation wie Prahlhans usw. Vgl. mit
(wie Schlüsselbein) an die Form der alten einem ähnlichen Bild den Gürtel enger schnallen.
Schlüssel erinnert. Schmaltier n., s. schmal.
E. Diedrichs: Die Schlüsselblume (Gießen 1952). Schmalz n. Mhd. ahd. smalz, mndd. smalt,
Schmach /., sonder spracht. Mhd. smäch, smolt, mndl. smout. Als 'ausgelassenes Fett’ zu
smcehe, ahd. smähi 'Kleinheit, Niedrigkeit’. Ab¬ schmelzen (s. d.).
straktum zu dem Adjektiv mhd. smcehe, ahd. Schmankerl n. 'Leckerbissen’, bair.-österr.
smähi 'klein, gering, verächtlich’. Dazu mit an¬ Herkunft unklar.
derer Stammbildung anord. smär 'klein’. Viel¬
Schmant m. '(saure) Sahne’, reg. Bezeugt seit
leicht zu gr. mikrös, smikrös 'klein’ (obwohl der
dem 15. Jh. Wie Schmetten (s. d.) entlehnt aus
Vokalismus nicht stimmt). Zu einer t-Ableitung cech. (usw.) smetana f. 'Milchrahm’.
gehört schmächtig, mhd. smahtec, smahtic; zum
Anders: Lühr (1988), 154f.
einfachen Wort schmähen (s. d.) und schmäh¬
schmarotzen swV. Bezeugt seit dem 15. Jh.,
lich.
zuerst in der Bedeutung 'betteln’. Intensivbil¬
S. auch schmachten.
dung zu einer nicht bestimmbaren Grundlage.
schmachten swV, sonder spracht. Mhd. ver- Schröder (1906), 83-87; O. F. Best SN 42(1970),
smahten, vielleicht auch ahd. gismähtön, gi- 451-458.
smähteön 'schwach werden’, mndd. smachten Schmarre/. 'Wunde, Narbe’, ugs. Bezeugt seit
'hungern’. Offenbar haben sich Verben, die zu dem 16. Jh. neben mndd. smarre, dem mhd.
Schmach (s. d.) gehören, vermischt mit einer smurre 'Hieb, Streich’ entspricht. Herkunft un¬
i-Ableitung zu *smog- in russ. smäga 'Hitze’, klar. Da das Wort als Spottwort bezeichnet
russ. smjagnuti 'trocken werden, sich sehnen wird, kann es mit Rücksicht auf Wendungen wie
nach, schmachten’. jemandem eine schmieren zu schmieren1 (s. d.)
V. Machek ZSPh 23 (1954), 119f. gestellt werden, doch ist der Ablaut auffällig.
Schlittschuh 640 schlüpfen

Schlittschuh m. Bezeugt seit dem 17. Jh.; nach mangels klarer Bedeutungsübergänge ganz un¬
Schlitten umgeformt aus älterem Schrittschuh. sicher.
Dieses in der heutigen Bedeutung ebenfalls seit schlotzen swV. 'im Mund zergehen lassen’,
dem 17. Jh., zuvor mhd. schrit(e)schuoch, ahd. schwäb. Herkunft unklar.
scritiscuoh, as. scridsköh bezeichnet einfach Schlucht /. Aus älterem sluoht, das (außer in
einen Schuh, mit dem man weit ausschreiten den Mundarten) nur in mhd. sluoche, wazzer-
kann. sluoht 'Wassergraben’ bezeugt ist. Ausgangsbe¬
Schlitz m. Mhd. sli(t)z, ahd. sliz, ae. slit. deutung ist 'Wasserrinne’, wie etwa bei am.-
Verbalabstraktum zu schleißen (s. d.). span. (mex.) canon m. 'tiefe Schlucht’ zu 1. canna
'Rohr’. Noch älter ist die Bedeutung 'Ast,
Schlitzohr m. 'durchtriebener Mensch', schlitz¬
Zweig’ (mundartlich oberdeutsch), vgl. mndd.
ohrig Adj. 'durchtrieben’, ugs. Bezeugt seit dem
sluchter PL 'junge Schößlinge’, die wohl auf
19. Jh. Die Herkunft des Bildes ist unklar —
schlagen (s. d.) zurückführt (als 'das, was abge¬
das frühere Abschneiden der Ohren bei Betrü¬
schlagen werden kann’). Der Übergang zu
gern ist sachlich nicht das Gleiche und erklärt
'Wasserrinne’ entweder nach aus Ästen gefertig¬
zudem die Bedeutung nicht.
ten Röhren oder weil solche Rinnen Zweige
schlohweiß Adj., älter schloßweiß, s. Schloße. eines Hauptgrabens waren.
schlorren swV., auch schlurren swV. 'schlur¬ Bahder (1925), 54; Ader (1958), 74-81; C.-P. Herber¬
fen’, nordd. Lautmalend wie schlürfen (s. d.). mann in: H. Beckers/H. Schwarz (Hrsg.): Gedenk¬
Hierzu Schlorren 'Hausschuhe’. schrift J. Trier (Köln, Wien 1975), 85 — 115.

Schloß n. Mhd. ahd. slöz, sloz, Ableitung zu schluchzen swV. Spmhd. (15. Jh.) slüchzen;
schließen (s. d.) bedeutet zunächst 'Türver¬ mit dem für Schallwörter typischen Suffix abge¬
schluß’ und als Lehnbedeutung von 1. conclüsio leitet von slüchen 'schlucken, schlingen’.
f. auch 'Schlußfolgerung’. Seit dem 13. Jh. wird S. schlucken.
auch eine Burg so bezeichnet, weil sie das Land, schlucken swV. Mhd. mndd. sluken, mndl.
einen Wasserlauf u. ä. sperrt. Daraus die heu¬ stocken. Mit Intensivgemination zu mhd. slü¬
tige Bedeutung 'Palast’. chen 'schlingen, schlucken’, mndd. sluken.
Außergermanisch vergleicht sich ohne anlau¬
Schloße/., reg. Mhd. slöz(e) m./n.(?), mndd.
tendes s- gr. lüzö 'ich schlucke, schluchze’,
sloten PI. Gehört in einen ähnlichen Bedeu¬
wruss. hlytäci 'schlucken’ und mit Auslautva-
tungsbereich wie Schlacker-/Schlickerwetter
riantion air. sluicid, slocaid 'schluckt’, mit Nasa¬
u. dgl. Entsprechend ne. sleet (seit dem 14. Jh.).
lierung kymr. llyncu.
Einzelheiten unklar. Hierzu schloßweiß 'weiß
S. schluchzen, Schlucker.
wie Hagel’, ndd. slötewit, bei dem nachträglich
der Auslaut des ersten Elements gegen den des Schlucker m., ugs. Das Wort bezeichnet früh¬
zweiten durch Dissimilierung schwand. neuhochdeutsch einen Schlemmer; danach ab¬
geschwächt; ein armer Schlucker ist einer, der
Schlosser m. Bezeugt seit dem 13. Jh. für
an einem Essen teilnehmen darf und alles essen
den Handwerker, der (unter anderem) Schlösser
muß, was ihm vorgesetzt wird. Heute meist für
herstellt. Auffällig ist das Fehlen des Umlauts. 'armer Mensch’ verwendet.
S. schließen ( + ). S. schlucken ( + ).
Schlot m. 'Kamin’, reg. Mhd. slät, slöt, ahd. schludern sw K., schludrig Adj., s. schleudern.
slät. Wohl zu mhd. släte f. 'Schilfrohr’ (hd.
schlummern swV. Spmhd. slummern. Wie
[dial.] Schlotte), also als 'Röhre’ bezeichnet.
nndl. sluimeren, ne. slumber Intensivbildung zu
Ebenso die Bedeutung 'nichtsnutziger Kerl’
mhd. slummern, vgl. ae. slüma 'Schlaf’. Norw.
(von 'Röhre, hohl’ ausgehend). Weitere Her¬ (dial.) slum 'schlaff’ weist darauf hin, daß hier
kunft unklar. das gleiche Benennungsmotiv vorliegt wie bei
G. Schilling: Die Bezeichnung Jür den Rauchabzug im schlafen.
deutschen Sprachgebiet (Diss. Marburg 1963). S. Schlaraffe. - Bahder (1925), 24-26, 43f.
Schlotter m. 'Schlamm’, reg. Mhd. slöte Schlund m. Mhd. ahd. slunt, as. slund. Ablei¬
(u. ä.). Ähnlich ne. slud 'Schlamm’. Zu dem tung von mhd. slinden, das unter schlingen2
Bereich Schlamm (s. d.) und Schlick (s. d.) ohne dargestellt ist.
nähere Verwandte. S. auch Geschlinge. — Bahder (1925), 137.
schlottern swV. Mhd. slot(t)ern (u. ä.), ndd. schlunzcn swV. 'nachlässig gehen’, md. Zu
sluddern. Bedeutungsmäßig auffällig ähnlich schlenzen (s. unter schlendern).
sind gt. afslaußjan 'in Angst versetzen’ und gt. schlüpfen swV. Mhd. slüpfen, slupfen, ahd.
afslaujnan 'sich entsetzen’. Formal kann noch inslupfen. Mit Intensivgemination zu schliefen
Weiteres angeschlossen werden, doch bleibt es (s.d.).
schlüpfrig 641 Schmarre

schlüpfrig Adj. glatt’. Seit dem 16. Jh. in schmächtig Adj., s. Schmach.
dieser Form bezeugt, die auf Anschluß an
Schmackes PI. 'Hiebe, Wucht’, wmd. Zu re¬
schlüpfen (s. d.) zurückzuführen ist, vorher
gionalem smacken 'schlagen’ (mndd. smacken
schlipferig, noch älter schlipßg, mhd. slupferic,
schlagen, werfen’), das unter schmatzen behan¬
slipfec, slipfic zu mhd. slipfen 'ausgleiten, fallen,
delt ist.
rutschen’.
S. schleifen1 ( + ). schmaddern swV. 'schmieren’, nordd. Ebenso
Schmadder 'Matsch, Brei’. Wie schmettern
schlurfen swV., s. schlürfen. (s. d.) eine lautmalende Bildung, die vielleicht
schlürfen swV, auch schlurfen swV. Die Be¬ von schmeißen (s. d.) abhängig ist. (Dort auch
deutung ist zunächst 'geräuschvoll trinken’, die zum Zusammenhang der Bedeutungen 'werfen,
älteste Form ist mhd. sürfeln, sürpfeln (zu gr. klatschen’ und 'schmieren’).
rhopheö 'ich schlucke, schlürfe’, 1. sorbere, lit. schmähen swV, sondersprachl. Mhd. smähen,
srebti 'Schlürfen’, verwandt mit akslav. srfbanije smähen. Faktitivum zu dem unter Schmach dar¬
n. 'Suppe, Brühe’). Vermutlich nach dem Vor¬ gestellten Adjektiv mit der Bedeutung 'klein,
bild von schlucken wird ihm später ein / einge¬ verächtlich’, also 'verächtlich machen’; ähnlich
fügt: mndd. slorpen, fnhd. schürfen, schlurfen, anord. smä 'höhnen’. Dazu (oder zum Adjektiv)
schlürfen. Das Wort wird auch lautmalend ver¬ schmählich, mhd. smceh(e)lich, ahd. smählih.
wendet tür 'mit schleifenden Füßen gehen’. schmal Adj. Mhd. ahd. as. smalaus g. *smala-
S. auch schlorren. 'schmal, gering’, auch in gt. smalista (Superla¬
schlurren swV., s. schlorren. tiv), spanord, smalr. Außergermanisch ver¬
gleicht sich ohne anlautendes s- 1. malus
Schlüssel m. Mhd. slüzzel, ahd. sluzzil, as.
'schlecht’ und akslav. malü 'klein’. Vermutlich
slutil, auch afr. sletel. Instrumentalbildung zu
dasselbe Wort in anord. smali 'Schmalvieh’,
schließen (s. d.).
nhd. Schmaltier 'Ricke’. Es ist vergleichbar mit
Kluge (1926), 48.
air. mil, kymr. mil 'Schmalvieh’, gr. melon
Schlüsselbein n.,fachsprachl. Bezeugt seit dem 'Schaf’.
17. Jh. Lehnbildung zu 1. clävicu/a f. 'Schlüssel- S. schmälen, Schmiele.
chen, Schlüsselbein’, das seinerseits gr. kleis f. schmälen swV. 'lästern’, arch. Mhd. smeln,
'Schlüssel, Schlüsselbein’ wiedergibt. Ältere mndd. smalen, smelen\ zu schmal (s. d.) als 'klein
Schlüssel waren krumme Haken, mit denen der machen’ (vgl. schmähen).
Riegel aufgehoben werden konnte.
Schmalhans m., ugs. Da ist Schmalhans Kü¬
Schlüsselblume /. Bezeugt seit dem 15. Jh. chenmeister sagt man seit dem 17. Jh. mit einer
Benannt nach der Form des Blütenstengels, der Personifikation wie Prahlhans usw. Vgl. mit
(wie Schlüsselbein) an die Form der alten einem ähnlichen Bild den Gürtel enger schnallen.
Schlüssel erinnert. Schmaltier n., s. schmal.
E. Diedrichs: Die Schlüsselblume (Gießen 1952). Schmalz n. Mhd. ahd. smalz, mndd. smalt,
Schmach /., sonder spracht. Mhd. smäch, smolt, mndl. smout. Als 'ausgelassenes Fett’ zu
smcehe, ahd. smähi 'Kleinheit, Niedrigkeit’. Ab¬ schmelzen (s. d.).
straktum zu dem Adjektiv mhd. smahe, ahd. Schmankerl n. 'Leckerbissen’, bair.-österr.
smähi 'klein, gering, verächtlich’. Dazu mit an¬ Herkunft unklar.
derer Stammbildung anord. smär 'klein’. Viel¬
Schmant m. '(saure) Sahne’, reg. Bezeugt seit
leicht zu gr. mTkrös, smikrös 'klein’ (obwohl der
dem 15. Jh. Wie Schmetten (s. d.) entlehnt aus
Vokalismus nicht stimmt). Zu einer /-Ableitung cech. (usw.) smetana f. 'Milchrahm’.
gehört schmächtig, mhd. smahtec, smahtic; zum Anders: Lühr (1988), 154f.
einfachen Wort schmähen (s. d.) und schmäh¬
schmarotzen swV. Bezeugt seit dem 15. Jh.,
lich.
zuerst in der Bedeutung 'betteln’. Intensivbil¬
S. auch schmachten.
dung zu einer nicht bestimmbaren Grundlage.
schmachten swV., sondersprachl. Mhd. ver- Schröder (1906), 83-87; O. F. Best SN 42(1970),
smahten, vielleicht auch ahd. gismähtön, gi- 451-458.
smähteön 'schwach werden’, mndd. smachten Schmarre/. 'Wunde, Narbe’, ugs. Bezeugt seit
'hungern’. Offenbar haben sich Verben, die zu dem 16. Jh. neben mndd. smarre, dem mhd.
Schmach (s. d.) gehören, vermischt mit einer smurre 'Hieb, Streich’ entspricht. Herkunft un¬
/-Ableitung zu *smog- in russ. smäga 'Hitze’, klar. Da das Wort als Spottwort bezeichnet
russ. smjagnutf 'trocken werden, sich sehnen wird, kann es mit Rücksicht auf Wendungen wie
nach, schmachten’. jemandem eine schmieren zu schmieren1 (s. d.)
V. Machek ZSPh 23 (1954), 119f. gestellt werden, doch ist der Ablaut auffällig.
Schmarren 642 schmelzen

Schmarren m. 'Süßspeise’, bair.-österr. Be¬ diglich lit. smaguriai m. PI. 'Leckerbissen’, lit.
zeugt seit dem 16. Jh. Da es sich um ein nahr¬ smäginti 'versuchen, probieren’.
haftes, weiches Essen handelt, zu Schmer (s. d.) Nndl. smaken, ne. smack. S. Geschmack, schmatzen.
und schmieren1 (s. d.). Übertragen verwendet - Lühr (1988), 353f.
für etwas, das gut aussehen soll, aber in Wirk¬ schmeicheln swV. Bezeugt seit dem 15. Jh.
lichkeit nicht viel wert ist (zunächst auf Ge¬ Iterativbildung zu mhd. spahd. smeichen,
mälde u. ä. angewendet). Heute im Bairischen mndd. smeken\ entsprechend ae. smäcian
allgemeiner Ausdruck der Geringschätzigkeit. 'schmeicheln, streicheln’. Die Ausgangsbedeu¬
schmatzen swV. Mhd. smatzen, älter smacke- tung ist 'streichen’, noch erkennbar in den
zen\ Intensivbildung zu mhd. smacken 'schla¬ Fachwörtern schmeichen 'den Aufzug eines Ge¬
gen’ (regionales, vor allem niederdeutsch-nie¬ webes mit Schlichte glätten’, Schmeiche 'Klei¬
derländisches Wort, vgl. mndd. smacken 'schla¬ ster zum Schlichten’; mit Gemination Schmicke
gen, werfen’). Das Wort ist lautmalend und 'Schmiere, Brei’ (s. Schminke). Weitere Her¬
bezeichnet das Geräusch eines harten Schlags, kunft unklar; vielleicht als andere Erweiterung
eines lauten Kusses, des Schmatzens u. ä. Vgl. der gleichen Wurzel gr. smöchö 'ich reibe, zer¬
Schmatz, Schmutz 'Kuß’, ne. (entlehnt) smack reibe’, vielleicht auch 1. macula 'Fleck’ und mit
'schlagen, laut küssen’ u. a. Ein Zusammenhang Auslautvariation schmeißen (s. d.).
mit schmecken (s. d.) besteht allenfalls se¬ schmeißen st V. Mhd. smizen 'streichen,
kundär. schmieren’, ahd. smizan, as. -smltan (PPrät.),
S. Schmackes. mndd. mndl. smiten aus g. *smeit-a- stV.
schmauchen swV. 'stark rauchen’, arch. Fnhd. 'schmeißen’, auch in gt. -smeitan, ae. smltan,
schmauchen, mndd. smoken, mndl. smoken, afr. smlta. Die Bedeutung läßt sich schwer fest¬
Faktitivum zu Schmauch 'Rauch’, mhd. stellen, da das Verb in den frühen Sprachen
smouch, mndd. smök, ae. smic (oder duratives überwiegend präfigiert auftritt. Erkennbar ist
Verb); Kausativum zum starken Verb ist fnhd. einerseits 'werfen’, andererseits 'schmieren, ver¬
schmäuchen, mndl. smieken, ae. smicen. Das streichen u. ä.’. Dies vereinigt sich bei der Tätig¬
zugrundeliegende starke Verb in ae. smeocan keit des Bewerfens von Hauswänden u. ä. mit
'rauchen’. Außergermanisch vergleicht sich am Lehm (später Putz) und anschließendem Ver¬
nächsten mit Auslautvariation gr. smychö 'ich streichen; solche Tätigkeiten wird das Verb also
lasse verschwelen’, und ohne anlautendes s- ursprünglich bezeichnet haben. Außergerma¬
arm. mux 'Rauch’, air. müch, kymr. mwg nisch sind die Vergleiche entsprechend unsicher.
'Rauch’. Mit der einen Bedeutung läßt sich in Zusam¬
Ne. smoke. S. Schmöker, Smoking ( + ). menhang bringen 1. mittere 'werfen’, mit der
Schmaus m., schmausen swV, sonder spracht. anderen vielleicht die unter schmeicheln genann¬
Bezeugt seit dem 16. Jh. In der heutigen Bedeu¬ ten Wörter für 'reiben, schmieren’. Die seit mit¬
tung ein Wort der Studenten, die so ein reich¬ telhochdeutscher Zeit anzutreffende Bedeutung
haltiges Essen bezeichneten. Nächstverwandt 'scheißen’ (s. Schmeißfliege) beruht sicher auf
ist mndl. smunsteringe 'beschmieren, schmau¬ Verhüllung von scheißen (vgl. nhd. Scheibenklei¬
sen’ neben mndl. -smodderen 'beschmutzen’, das ster u. ä.), beim Kausativum smeizen scheint sie
früher auch 'schmausen’ bedeuten konnte. Wei¬ aber fest geworden zu sein.
ter zu schmuddelig (s. d.) und als Auslautva¬ Nndl. smijten, ne. smite. S. Geschmeiß, schmaddern ( + ),
Schmeißfliege, Schmiß, schmitzen2.
riante zu Schmutz (s. d.). Ursprünglich also eine
Bezeichnung des unsauberen Essens (vermutlich Schmeißfliege /. Verdeutlichende Zusammen¬
zunächst von Schweinen gesagt), dann im Ge¬ setzung, seit dem 17. Jh., für älteres und mund¬
brauchswert gestiegen. artliches Schmeiße, Schmeitze. Vermutlich zu
schmecken swV. Mhd. smecken, smacken 'ko¬ schmeißen (s. d.) im Sinn von 'scheißen’ (allen¬
sten, versuchen, Geschmack wahrnehmen’, ahd. falls in der älteren Bedeutung 'schmieren’), da
smecken 'Geschmack wahrnehmen’, ahd. smak- die Eier dieser Fliegen als Kot aufgefaßt werden
ken 'Geschmack von sich geben’. Westgermani¬ (vielleicht auch, weil sie sich häufig auf Kot
sches Denominativ (ae. smceccan, afr. smekka, niederlassen).
smetza) zu wg. *smakka- m. 'Geschmack’ in S. auch Geschmeiß. — Reuter (1906), 66.
mhd. smac(h), ahd. smac, ae. smac(c). Dieses schmelzen stV. Mhd. smeizen, as. smeitan aus
weist offenbar eine Intensiv-Gemination auf ge¬ g. *smelt-a- stV. 'schmelzen’, auch in aschw.
genüber einfachem mhd. smachen, smache, smcelta, nwfr. smelte\ neben *melt-a- in ae. mel-
mndd. smaken, smak, mndl. smaken, smac, afr. tan. Nur die Form ohne s- ist außergermanisch
smakia, smaka (die niederdeutschen/niederlän¬ vergleichbar in gr. meldomai 'ich schmelze, ko¬
dischen Formen sind allerdings mehrdeutig). che weich’. Wohl dennoch zu *sem- 'gießen’
Außerhalb des Germanischen vergleicht sich le¬ (in lit. semti 'schöpfen’ usw., vgl. lett. smett
Schmer 643 schmieren
schöpfen ). Vom starken Verb wird heute nor¬
mndl. smacken 'schlagen’. Weitere Herkunft un¬
malerweise nicht mehr das Kausativum 'schmel¬ klar; vielleicht lautmalend.
zen machen in ahd. mhd. smelzen swV. ge¬ Lühr (1988), 223f.
trennt.
Nndl. smelten. S. Email, Milz, Schmalz. Schmied m. Mhd. smit, ahd. smid, as. smith
aus g. *smipa-/ön m. 'Schmied’, auch in gt. aiza-
Schmer m./n. 'rohes Schweinefett’, reg. Mhd.
smif?a, anord. smiör, ae. smip, afr. smith. Die
smer(-wes), ahd. smer(o) n., as. smero n. aus
Bedeutung war ursprünglich wohl allgemeiner;
g. smerwa- m. Fett, auch in anord. smjpr,
vgl. ahd. smeidar 'Künstler, Bildner’ und Ge¬
smor n. 'Butter, Fett’, ae. sme(o)ru n. 'Schmer i
schmeide (s. d.). Außergermanisch vergleicht
Fett, Talg, afr. smere m. 'Eiter, Schmiere’.
sich allenfalls gr. smile f. 'Schnitzmesser’. Wei¬
Außergermanisch entspricht air. smifujr m.
tere Herkunft unklar.
'Mark’ und vielleicht 1. medullaf 'Mark’. Auch
Anders: M. Gysseling in: FS de Smet (1986), 183f.
gr. myron n. 'wohlriechendes Öl, Salbe, Parfüm’
mit seiner Verwandtschaft kann hier ange¬ Schmiege /. 'aufklappbare Meßlehre zum
schlossen werden, doch ist Entlehnung aus einer Messen stumpfer Winkel, zusammenklappbarer
alten Kultursprache nicht ausgeschlossen. Maßstab’, fachsprachl. Mhd. smiuge 'Winkel’
Nndl. smeer, ne. smear, nschw. smör, nisl. smjör. S. (in den man sich schmiegen kann?), seit dem
Schmarren, schmieren1 ( + ), Schmirgel'. 18. Jh. 'Winkelmaß’, dann (von der Möglichkeit
Schmerl m., auch Schmerlin m. 'Zwergfalke’, des Zusammenklappens her) 'zusammenklapp¬
arch. Mhd. smirl(e), ahd. smerle (u. ä.), mndl. barer Maßstab’. Zu schmiegen (s. d.).
sme(e)rle, smerel, smarel, vergleichbar anord. schmiegen swV, früher stV. Mhd. smiegen,
smyrill. Flerkunft unklar. ahd. gismogen (PPrät.). Aus g. *smeug-a- stV.
Suolahti (1909), 338f. schmiegen’, auch in anord. smjüga und mit
Schmerle/. 'Gründling’, fachsprachl. Spmhd. langem u ae. smügan. Außergermanisch ver¬
(15. Jh.) smerle, auch smirlinc m. Rein lautlich gleicht sich am ehesten (mit grammatischem
ist eine Anknüpfung an gr. smaris f. 'ein kleiner Wechsel?) lit. smükti 'gleiten, rutschen, schlüp¬
Fisch’ möglich, doch gilt dies als Lehnwort. fen’, akslav. smykati s§ 'sich dahinschleppen’
Weitere Flerkunft unklar. und als Variante ohne anlautendes s- lett. mukt
überstreifen, abstreifen’, ai. prati-muhcati 'zieht
Schmerz m. Mhd. smerze, ahd. smerza f,
ein Kleid an’.
mndd. smerte, smarte /., mndl. smarte. Vermut¬
Nndl. smuigen, nschw. smyga. S. Grasmücke, Schmiege,
lich Abstraktum zu wg. *smert-a- stV. 'schmer¬
Schmuck, schmuggeln.
zen’, doch ist dessen starke Flexion für die
frühe Zeit nicht gesichert (ahd. smerzan nur im Schmiele/. 'Grasart’, fachsprachl. Mhd. sme-
Präsens belegt, mhd. smerzen stV, nhd. schmer¬ lehe, ahd. smelha. Herkunft unklar. Der An¬
zen swV.; mndl. smarten stV.lswV., mndd. smer- schluß an schmal (s. d.) bedürfte der morpholo¬
ten, smarten swV.; ae. smeortan nur im Präsens gischen Aufhellung.
belegt, me. smerten stV). Herkunft unklar. Se¬ Schmiere* /., ugs. (in Schmiere stehen 'bei
mantisch steht am nächsten lit. smelkti 'schmer¬ einem Einbruch usw. Wache stehen, aufpas¬
zen’, so daß vielleicht von *smer-lsmel- 'schwe¬ sen’). Aus dem Rotwelschen, wo es seit dem
len, brennen’ auszugehen ist (s. schwelen). 18. Jh. bezeugt ist. Dieses aus wjidd. schmiere
Nndl. ne. smart (s. d.). — Hoffmann (1956), 6 — 17. 'Bewachung’ aus gleichbedeutendem hebr.
Schmetten m. 'Rahm’, ostd. Bezeugt seit dem ^mirä(h).
17. Jh. Wie Schmant (s. d.) entlehnt aus cech. Wolf (1985), 291.
(usw.) smetana 'Milchrahm’. Schmiere2 /. 'schlechte Wanderbühne’, ugs.
S. Schmetterling. — Bielfeldt (1965), 23; Eichler (1965), Rückbildung des 19. Jhs. zu schmieren1 (s. d.)
120f. zunächst im Sinn von 'schlampig schreiben’,
Schmetterling m. Bezeugt seit dem 16. Jh. dann 'schlechte, kitschige Stücke schreiben’,
zunächst in Sachsen. Das Wort gehört zu dann 'solche Stücke (schlecht) aufführen’.
Schmetten 'Rahm’ (s. d.) wie Buttervogel, ne. Anders: Wolf (1985), 291.
butterfly usw. (weil sich Schmetterlinge gerne
schmieren* swV. 'salben’. Mhd. smirfwejn,
auf Milchgefaße setzen).
smern, ahd. smirwen, mndd. mndl. smeren aus
H. C. Bierwirth BGDSL 15 (1891), 387-389.
g. *smerw-ija- swV. 'schmieren’, auch in anord.
schmettern swV. Mhd. smetern. Vermutlich smyrja, smyrva, ae. smirwan. Denominativ zu
lautmalende Bildung, vgl. schmaddern. Schmer (s. d.), also 'mit Fett o. ä. versehen’.
Schmicke /. 'Peitschenende’, reg. Bezeugt seit Jemandem eine schmieren wie kleben von der
dem 15. Jh., ebenso (16. Jh.) schmicken 'mit Vorstellung ausgehend, daß der Schlag an der
der Peitsche schlagen’. Im Ablaut dazu mndd. Backe kleben bleibt wie ein Fleck. Seit dem 14.
schmieren
644 schmuggeln

Jh. auch für 'bestechen’, von der naheliegenden bus’ (vgl. Lindquist, s. u.)? Dazu schmökern
Vorstellung 'gleitend machen’ ausgehend. 'herumlesen’.
Nndl. smeren, ne. smear, nschw. smörja, nisl. smyrja. A. Lindquist BGDSL 66(1942), 343 — 345.
S. Schmarre, Schmarren, Schmiere2, Schmirgel2. Schmolle/., auch Mollen/. u. a. 'Brotkrume’,
schmieren2 swV. 'lächeln’, reg. Mhd. smieren bair.-österr. Mhd. smole Brosam ; vgl. schw.
(auch smielen), ahd. smieren, smierön. Vergleich¬ smula 'Brosam, Stückchen’, anord. moli m.
bar ist die Form mit /, zunächst in schmollen 'Stückchen’. Letztlich wohl zu der weitläufigen
(s. d.), dann in nndl. smuylen, weiter in russ. Sippe von mahlen (s. d.), in der auch s- im
uchmyljätisja 'lächeln’. Paralleles *smei- (statt Anlaut vorkommt.
*smeu-) in ne. smile (usw.), ai. smäyate 'lächelt’. Kretschmer (1969), 308.
S. auch Maul, schmunzeln. — H. Glombik-Hujer schmollen swV. Lnhd. smollen lächeln . Die
DWEB 5 (1968), 35-37. heutige Bedeutung über 'die Lippen aufwerfen’.
Schminke /. Bezeugt seit dem 15. Jh., etwas Zu den Verwandten s. unter schmieren2.
älter smicke, ursprünglich 'Brei, Salbe’ (s. H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), 37.
schmeicheln). Die Nasalierung ist auffällig; hat Schmonzes m. (auch n.) 'Geschwätz, jüdischer
1. smegma, smigma n. 'Reinigungsmittel’ aus gr. Witz’, ugs. Bezeugt seit der Jahrhundertwende.
smegma n. 'Salbe, Seife’ eingewirkt? Entlehnt aus wjidd. schmonze (-s PI.) 'alberne
Heyne (1899/1903), III, 86f.; Lühr (1988), 155f. Geschichte’, dessen Herkunft umstritten ist
Schmirgel1 m. Fnhd. smergel, smirgel. Ent¬ (vielleicht zu dem unter schmusen genannten
lehnt aus it. smeriglio, das über ein ml. *smeri- hebräischen Wort, vielleicht zu schmunzeln, viel¬
lium aufl. smyrisf. 'Schmirgel’ zu gr. smyris f. leicht eine Mischung).
zurückgeht. Dieses ist vielleicht (als 'Mittel zum schmoren swV. Im 17. Jh. übernommen aus
Reiben, Polieren’) mit Schmer (s. d.) verwandt. dem Niederdeutschen. Mndd. mndl. smoren
Hierzu schmirgeln 'mit Schmirgel abreiben’. 'dämpfen, ersticken’, so auch ae. smorian. Wei¬
Lüschen (1968), 314f. tere Herkunft unklar.
Schmirgel2 m., auch Schmurgel m. 'klebriger schmorgen swV. 'darben’, wmd. Lnhd. auch
Rückstand in der Tabakspfeife’, omd. Zu schmorren, schmorchen 'Hunger leiden’, mndd.
schmieren1 (s. d.). Auf einen ähnlich unappetit¬ geldsmörker 'Geizhals’. Herkunft unklar.
lichen Bereich verweist schmirgeln im Sinn von Schmu m. 'etwas, das nicht ganz korrekt ist’,
'nach ranzigem Fett riechen’. ugs. Aus dem Rotwelschen, wohin es wohl aus
Lüschen (1968), 314f. dem Westjiddischen gelangt ist. Das genaue
Schmiß m. 'durch die Mensur entstandene Vorbild ist aber unklar; Schmus (s. schmusen)
Narbe’, sondersprachl. Dem Lautstand nach ge¬ ist ein möglicher Ausgangspunkt.
hört das Wort zu schmeißen (s. d.), doch ist die M. Fraenkel MS 70(1960), 18f.; S. A. Wolf MS
Bedeutung 'Schwung, Schlag’, die hier und in 70(1960), 128; Wolf (1985), 291f.
einigen anderen Bildungen auftritt (Schmiß Schmuck m. In neuhochdeutscher Zeit über¬
'Schwung’, etwa bei Marschmusik, schmissig nommen aus dem Niederdeutschen. Mndd.
'flott’) eher zu schmitzen1 (s. d.) zu stellen. Viel¬ smuck (entsprechend mhd. gesmuc). Rückbil¬
leicht haben sich die beiden Sippen gegenseitig dung aus schmucken, das eigentlich ein Intensi-
beeinflußt. vum zu schmiegen (s. d.) ist. Im Niederdeut¬
schmitzen1 swV. '(mit Ruten) schlagen’, reg. schen hat die ganze Sippe (schmücken, schmuck,
Schmuck) wohl über 'eng anliegen’ zu 'hübsch
Mhd. smitzen, aus *smikezen zu Schmicke 'Peit¬
schenende’ (älter auch 'Rute’). aussehend’ die heutige Bedeutung entwickelt,
die vor allem durch den Gebrauch Luthers in
S. noch verschmitzt und Schmiß. Zu dem verwandten
schmackostern s.: V. Schmelzeisen JOV 16(1973), die Hochsprache übernommen wurde.
104-136. Lühr (1988), 224.
schmitzen2 swV. 'beschmutzen’, reg. Mhd. schmuddelig Adj. Ursprünglich nieder¬
ahd. smitzen, Intensivbildung zu schmeißen deutsch. Zu schmuddeln 'sudeln, beschmutzen’,
(s. d.). das vermutlich zu Schmutz (s. d.) gehört.
Schmöker m., ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh., S. auch Schmaus.
auch in der Form Schmaucher. Zu schmauchen schmuggeln sw’K. Im 18. Jh. übernommen aus
(s. d.), doch ist das Benennungsmotiv nicht dem Niederdeutschen. Dorthin wohl aus nndl.
klar. Im Hinblick auf die entsprechende Ver¬ smokkelen. Die Sippe ist durch Entlehnung in
wendung von Schwarte, Scharteke, Schinken am den Nordseesprachen verbreitet worden, aber
ehesten als 'Räucherschinken’ zu verstehen (be¬ kaum älter als das 17. Jh. Wohl letztlich zu
zogen auf den Ledereinband). Oder als 'Fidi¬ schmiegen (s. d.) im Sinne von 'schleichen’.
schmunzeln 645 schnarchen

schmunzeln m’K Bezeugt seit dem 15. Jh., lichen Wörtern wie norw. (dial.) snag (daraus
auch als smonzelen, schmünzeln; iterativ zu wohl ne. snag) 'hervorstehende Spitze, Ecke’.
schmuntzen, das durch Nasaleinschub aus Also wohl 'die Spitze, Stechende’, obwohl die
schmutzen entstanden ist. Aus dem zugehörigen weitere Herkunft unklar ist.
mhd. Schmutzelachen ist durch Umdeutung Th. Schumacher: Studien zur Bedeutungsgeographie
schmutzig lachen entstanden, das mit Bedcu- deutschmundartlicher Insektennamen (Gießen 1955)-
tungsabwandlung zu dreckig lachen variiert Lühr (1988), 301.
worden ist. Zu entsprechenden Wörtern vgl. Schnake2/. 'Ringelnatter’, arch., ndd. Mndd.
schmieren2.
snake, wie ae. snaca m. 'Schlange’ und dehnstu¬
S. auch verschmitzt. - H. Glombik-Hujer DWEB
fig anord. snäkr m. 'Schlange’ zu dem in ahd.
5(1968), 37 — 41. Anders: Lühr (1988), 156.
snahhan 'gleiten, kriechen’ vorliegenden starken
schmurgeln swV 'brutzeln’, nordd. Lautma¬ Verb. Also 'Kriecherin’. Außergermanisch ver¬
lendes Wort, das an Schmer oder schmoren an¬ gleicht sich air. snäigech, snäidech 'kriechend’;
knüpft. vergleichbar sind weiter einige germanische
schmusen swV, Schmus m. 'Gerede’, ugs. Aus Wörter für Schnecke (s. d.).
rotw. schmuoß und schmußen 'schwatzen’. Die Ne. snake. S. Schnecke.
heutige Bedeutung des Verbs wie bei kosen Schnalle/. Mhd. snalle. Ein snal m. ist mittel¬
durch verhüllende Bezeichnung des Kosens von hochdeutsch eine rasche Bewegung, das Schnal¬
Liebespaaren. Die rotwelschen Wörter gehen zen mit den Fingern, das Zuklappen einer Falle
zurück auf wjidd. schmues 'Gerüchte’, aus hebr. u. ä. Danach snalle für einen Mechanismus mit
Fmü öt Pl. 'Gerüchte’. Vielleicht ist der Singular einer solchen Bewegung. Damit zu schnell und
des Wortes in Schmu (s. d.) übernommen. seiner Sippe zu stellen (s. d.). In der Jägerspra¬
Wolf (1985), 292. che übertragen auf das Geschlechtsglied weib¬
Schmutz m. Mhd. smu(t)z aus smutzen be¬ licher Tiere (nach der Form eines bestimmten
flecken’. Zu den unter Moder (s. d.) aufgeführ¬ Typs von Schnallen), von da aus (oder einer
ten Wörtern für Feuchtigkeiten mit im einzel¬ noch allgemeiner gefaßten Übertragung) 'Hure,
nen schwieriger Abgrenzung. Semantisch am Dirne’ als Teil für das Ganze.
nächsten steht ohne anlautendes s- gr. mydäö S. schnalzen.
'ich bin feucht, verderbe von der Nässe, ver¬ schnalzen swV. Bezeugt seit dem 15. Jh. für
wese’. verschiedene Arten des Schneilens (von
S. Schmaus, schmuddelig. Fischen, mit den Fingern, mit der Zunge usw.).
Schnabel m. Mhd. snabel, ahd. snabul, mndd. Zu schnell (s. d.) und Schnalle (s. d.) als Inten¬
mndl. snavel, ebenso afr. snavel. Einfachere sivbildung zu einem heute nicht mehr üblichen
Formen sind mndl. sneb und ohne anlautendes schnallen 'schnellen’.
s- neb, ae. nebb n., und vielleicht übertragen schnappen swV. Mhd. snappen. Ebenso nndl.
anord. nef n. 'Nase’. Außergermanisch ver¬ snappen, anord. snapa neben mhd. snaben und
gleicht sich lit. snäpas 'Schnabel’. Wohl zu einer Schnabel (s. d.). Lautgebärde für eine zuschnap¬
Lautgebärde für 'schnappen’ (s. schnappen). pende Bewegung.
S. Schnepfe (-f). S. Schnapphahn, Schnaps, Schnepfe, Schnippchen. —
Schnack m. 'Gerede’, nordd. Im 18. Jh. über¬ Lühr (1988), 370f.
nommen aus dem Niederdeutschen. Zu ndd. Schnapphahn m. 'Wegelagerer’, arch. Bezeugt
nndl. snaken 'reden’, das ursprünglich ein seit dem 15. Jh. als snaphan. Auch mndd. snap-
Schallwort ist. hän. Zu schnappen (s. d.) und besonders mhd.
schnackein swV. 'krachen’ (von ganz be¬ snap in der Bedeutung 'Straßenraub’ und Hahn,
stimmten Geräuschen), bair. Lautmalend. Es wohl in der Bedeutung 'kecker Kerl’, vgl. auch
hat geschnackelt für 'es hat geklappt’ oder 'er mhd. strüchhuon n., strüchhan n. 'Strauchdieb’.
hat es begriffen’ bezieht sich auf das Geräusch Im einzelnen ist das Benennungsmotiv aber
des Einrastens von Deckeln u. ä. (vgl. es hat nicht klar.
geklappt). Schnaps m. In der heutigen Bedeutung be¬
Schnaderhüpferl n. 'aus dem Stegreif gesunge¬ zeugt seit dem 18. Jh. Eigentlich niederdeut¬
ner Vierzeiler’, bair.-österr. Vermutlich 'Schnit- sches Wort für 'Schluck’ (zu schnappen).
ter-Hüpferl’, d. h. ein Tanzlied (zu hupfen 'tan¬ S. schnappen (+). — E. Müller-Graupa Glotta
zen’) das die Schnitter (etwa beim Erntedank) 19 (1931), 70.
singen. schnarchen swV. Mhd. snarchen, snarcheln.
A. Webinger MS (1952), 169f. Entsprechend nschw. snarka, mit Vokalwechsel
Schnake1 /. 'Stechmücke’. Mhd. snäke m./f. ndd. snorken, nndl. snurken. Mit /c-Erweiterung
Vergleicht sich mit verschiedenen mundart¬ (wie horchen zu hören) zu schnarren (s. d.), in
schnarren 646 Schneid

dessen Sippe ne. snore die gleiche Bedeutung Neben g. *sneu-, zu dem auch anschnauzen,
hat. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht schnäubig, Schnauze, schnaufen, schniefen,
lit. snarglys 'Rotz’ (vom Geräusch des Räumens schnippisch, schnüffeln, Schnupfen, schnupfen,
der Nasenhöhle). Letztlich also ein Schallwort. Schnuppe, schneuzen, schnobern, Schnodder,
S. schnarren ( + ), Schnorchel. schnökern, schnuppern u. a. gehören, steht
*hneus in niesen (s. d.), *fneh-, *fneus- in ahd.
schnarren swV. Mhd. snarren, mndd. snarren,
fnehan, anord. fnysa, fnaesa, nhd. Pfnüsel usw.
snurren, snorren, mndl. nndl. snarren, ne. snarl
'knurren'. Lautmalende Wörter mit verschiede¬ mit ebenso auseinanderfallenden Vergleichs¬
nen Anwendungsgebieten. Vgl. auch schnurren, möglichkeiten in den außergermanischen Spra¬
schnarchen und nörgeln. Außergermanisch zeigt chen.
sich als ähnliche Bildung lit. niurneti 'brummen, K.-H. Weimann ZM 23 (1955), 151 —153.
knurren’. schnäubig Adj. 'wählerisch beim Essen’, reg.
Schnat(e)1 /. 'Grenze einer Flur, eines Wal¬ Zu dem Komplex von schnauben, speziell
des’, reg. Offensichtlich ein niederdeutsches schnuppern, wobei das sehn- wohl als Lautge¬
Wort, vgl. mndd. snät m. 'Grenze, Grenzlinie’, bärde für die kritisch emporgezogene Oberlippe
mndd. snätböm m. 'Grenzbaum (in den ein Zei¬ steht.
chen geschnitten wurde)’. Herkunft unklar. schnaufen swV, s. schnauben.
S. Schnatte. Schnauze /. Bezeugt seit dem 16. Jh., auch
Schnat(e)2/. 'junges Reis’, auch 'Pfropfreis’, als schnaufe (was die lautlich zu erwartende
reg. Bezeugt seit dem 16. Jh. Wohl zu mhd. Form wäre). Mndd. snüt, nndl. snuit, me.
mndd. snatelen 'junge Zweige abschneiden’ snoute, ne. snout. Zu dem unter schnauben (s. d.)
(entsprechend zu schneiteln, s. d.). Wenn der dargestellten Zusammenhang. Bedeutungsmä¬
Vokalismus ursprünglich ist, dann zu mir. snaid- ßig wird von 'Schnüffler (o. ä.)’ auszugehen
did 'schneidet ab’, kymr. naddu 'schneiden’ (zu
sein.
schneiden, s. d.).
S. auch Schnute.
S. Schnatte, schnatzen, schneiden ( + ), schneiteln.
Schnecke /.; Schneck m., obd. Mhd. snecke,
Schnatte /. 'Wunde, Wundmal’, arch. Mhd.
snegge m., ahd. sneggo, sleggo m. Den ungemi-
snat(t)e. Wohl als 'Schnitt’ zu dem unter
nierten Laut zeigen ae. snegel m., as. snegil m.,
Schnat(e)2 behandelten Zusammenhang. Falls
mhd. snegel m.\ dazu im Ablaut anord. snigill
die Bedeutung 'Mal’ im Vordergrund steht, ist
m. 'Schnecke’. Gehört wohl mit Auslautvaria¬
auch an das unklare Schnat(e)1 (s. d.) zu
tion zu ahd. snahhan 'kriechen’ (s. Schnake2).
denken.
S. auch Schneckerl, schniegeln, Schnörkel.
schnattern swV. Mhd. mndd. snateren, vgl.
nndl. snater 'Schnabel’. Lautmalend. Schneckerl n. 'Ringellocke’, österr. Zu
Schnecke (s. d.) im Sinn von 'Schneckenhaus’.
schnatzen swV. 'mit Haarputz schmücken’,
wmd. Mhd. snatzen. Schnatz m. 'Haarschmuck Schnee m. Mhd. sne, ahd. as. sne(o) aus g.
der Braut bei der Hochzeit’ ist erst seit dem 18. *snaiwa- m. 'Schnee’, auch in gt. snaiws, anord.
Jh. bezeugt. Vielleicht zu dem unter Schnat(e)2 snjär, sneer, snjör, ae. snäw. Verbalabstraktum zu
aufgeführten Zusammenhang (mit einem Kon¬ schneien (s. d.). Außergermanisch entsprechen
sonantismus wie schnitzen neben schneiden). Se¬ (kein gemeinsamer Ausgangspunkt) lit. sniegas,
mantisch wäre wohl auszugehen vom Putzen akslav. snegü, gr. niphäs f, 1. nix (-ivis) f, mir.
der Ausschlagbäume; von dort übertragen auf snechta, kymr. nyf Da die Ausgangsbedeutung
das Richten der Haare. des Verbs wohl 'kleben, pappen’ war, ist Schnee
schnauben swV. Mhd. snüben 'schnarchen, eigentlich 'der Pappige, Klebrige’ (und die Be¬
schnauben’, vgl. nndl. snuiven. Gehört zu deutung 'schneien’ beim Verb davon abhängig).
schnaufen, mhd. snüfen, wobei wegen der Nndl. sneeuw, ne. snow, nschw. snö, nisl. snjör. S.
schlechten Bezeugung unklar ist, ob es sich um schneien.
regionale Varianten oder ursprünglich verschie¬ Schneegans/. Mhd. snegans. Sie heißt so, weil
dene Auslaute handelt. Schnauben kann seit sie im Winter, mit dem Schnee, nach Süden
frühneuhochdeutscher Zeit auch stark flektie¬ kommt.
ren, was aber nicht ursprünglich sein muß. Die
Schneekönig in. 'Zaunkönig’, omd. Bezeugt
Wörter gehören zu einer großen Gruppe von
seit dem 16. Jh. Heute noch in der Wendung
Bildungen, die die mit der Nase hervorgebrach¬
sich freuen wie ein Schneekönig, was auf das
ten Laute, den Nasenschleim, das Niesen usw.
bezeichnen. Sie hängen lautlich vielfach mitein¬ muntere Verhalten des Zaunkönigs zielt.
ander zusammen, sind aber nicht auf einen Schneid nt., fbair.-österr.: f.) 'Mut’, ugs., reg.
einheitlichen Ausgangspunkt zurückführbar. Dasselbe Wort wie Schneide. Übertragen be-
schneiden 647 Schneppe

zeugt seit dem 18. Jh. Auch schneidig Adj. Ver¬ deutung auf das Verb. Oder nach HofTmann
mutlich aus der Sprache des Militärs. [s. u.] als 'liegen bleiben, kleben bleiben’). Wur¬
S. schneiden ( + ). zelform *sneiguh-,
schneiden stV. Mhd. sniden, ahd. smdan, as. Nndl. sneeuwen, ne. snow. S. Schnee. — K. Hoffmann
snithan aus g. *sneip-a- stV. 'schneiden’, auch MSS 18 (1965), 13-28.

in gt. sneipan, anord. sniöa, ae. smdan, afr. Schneise /. Zuerst bezeugt als md. sneußle
snitha. Keine unmittelbare Vergleichsmöglich¬ im 14. Jh. Mittelhochdeutsch stattdessen sneite.
keit. Am nächsten stehen keltische Wörter mit Gehört wohl zu schneiden (s. d.), evtl, zu einer
abweichendem Vokalismus (der aber auch im alten .«-Bildung. Da in den Schneisen die Vogel¬
Germanischen erscheint, s. Schnat[e]2). Die ruten und -schlingen aufgestellt wurden, konnte
Bedeutung 'sich irren’ für das reflexiv ge¬ in bestimmten Wendungen Schneise (und
brauchte Verb aus Situationen wie 'sich (verse¬ Schneite) als 'Vogelschlinge’ aufgefaßt werden
hentlich) in den Finger schneiden’. Jemanden (etwa ich gehe zu der Schneise). So auch mehr¬
schneiden 'ihn links liegen lassen’ ist eine Lehn¬ fach bezeugt.
übersetzung von ne. to cut someone, im Deut¬ schneiteln swV. 'entästen’, fachsprachl.
schen seit dem 19. Jh. (dieses der Beleglage nach Spmhd. sneiteln. Iterativ zu mhd. sneiten, ahd.
vom Nomen abhängig; der Sinn ist also 'jmd. gisneitön 'abschneiden’, Intensivum zu schnei¬
eine Verletzung zufügen’). den (s. d.).
Nndl. snijden, nschw. snida, nisl. sniöa. S. Schnat(e)2, S. auch Schnat(e)2.
Schneid, schneidig, Schneise, schneiteln, schnittig,
Schnittlauch, Schnitz, schnitzen ( + ). — A. Gombert schnell Adj. Mhd. ahd. as. snel 'behend’ aus
ZDW 8 (1906), 133f. g. *snella- Adj. 'behend, schnell’, auch in anord.
snjallr, ae. snel(l). Herkunft unklar.
Schneider m. Mhd. snldare, snlder, setzt sich
Nndl. snel, nschw. snäll, nisl. snjallur. S. Schnalle,
gegen seine Konkurrenten im Anschluß an frz.
schnalzen. Schnelle, schnellen. — E. Oksaar: Semanti¬
tailleur (zu frz. tailler 'schneiden’) durch. Als sche Studien im Sinnbereich der Schnelligkeit (Stock¬
die schwierigste Arbeit des Schneiders hat das holm 1958).
Zuschneiden zu gelten (nicht das Nähen), daher
Schnelle/. 'Stelle mit rascher Strömung’. Erst
die Berufsbezeichnung.
neuhochdeutsch zu schnell (s. d.) in dessen heu¬
Schneidersitz m. Nach dem Brauch der tiger Bedeutung.
Schneider, beim Nähen mit gekreuzten Beinen
schnellen swV. Mhd. snellen, snallen. Zu
auf dem Tisch zu sitzen. schnell (s. d.) in dessen heutiger Bedeutung.
Schneidezähne PL Bezeugt seit dem 16. Jh. Schnepfe /. Mhd. snepfe m., ahd. snepfa, as.
Lehnübersetzung von 1. (dentes) inclsöres. sneppa. Der Vogel heißt vermutlich so nach
schneidig Adj. 'mutig’. Mhd. snldec, snldic seinem langen Schnabel, obwohl ein eindeutiges
'schneidend, scharf’, wohl als 'eine Schneide Grundwort nicht festzustellen ist (zu Schnabel
habend’ zu erklären. Eine spätere Rückbildung [s. d.] und schnappen [s. d.] sowie Schneppe).
ist Schneid m. 'Mut’. Letztlich zu schneiden Nicht ganz gleich, aber parallel dazu mndd.
(s. d.). snippe, me. sriipe, anord. snipa. Die Übertra¬
schneien stV. Mhd. snlen, smwen, ahd. sniwan, gung auf 'Dime’ (besonders in der Form
sntgan. Althochdeutsch nur Präsens und ein Schneppe) im Anschluß an auf den Schnepfen¬
starkes Partizip (wie anord. snivinn 'beschneit’), strich gehen u. ä. (eigentlich das abendliche An¬
mittelhochdeutsch keine sicher starken Formen, fliegen der Schnepfen', übertragen wurde so die
aber neuhochdeutsch ist das Wort zumindest in abendliche Kontaktaufnahme der Jugendli¬
den oberdeutschen Mundarten stark flektiert. chen, und dann auch das Auftreten von Dirnen
Sonst anord. snyr 'es schneit’, ae. sniwan, mndd. bezeichnet). Vielleicht geht die Übertragung
snien, snigen swV., mndl. sneeuwen (häufiger aber auf ältere Vorstellungen zurück (so galt
snuwen, sniffen). Außergermanisch mit gleicher das Rebhuhn den Griechen fälschlicherweise als
Bedeutung 1. ning(u)ere, air. snigid (auch mit sexuell ausschweifend).
anderen Bedeutungen, zu denen der Zusam¬ Vgl. Schniepel. — Anders (zu der Bedeutung 'Dirne’):
Wolf (1985), 294.
menhang unklar ist), alit. sniegti, gr. neiphei 'es
schneit’, avest. snaeg- 'schneien’. Ai. snihyati Schneppe /. 'Schnauze an der Kanne, ver¬
bedeutet dagegen 'ist feucht, haftet, ist anhäng¬ schiedene spitze Teile an der Frauenkleidung’,
lich’. Obwohl diese Bedeutung der Beleglage arch. Mitteldeutsche Form von Schnepfe (s. d.,
nach sekundär sein müßte, ist sie wahrschein¬ in hochdeutschen Quellen teilweise so geschrie¬
licher als Ausgangsbedeutung aufzufassen (etwa ben) in einer von dem Vogelnamen unabhängi¬
'kleben’, dann Schnee als 'das Pappige, Zusam¬ gen Übertragung aus dem gleichen Wort für
menklebende’, dann Rückwirkung in der Be¬ 'Schnabel’.
schnetzeln 648 schnöde

schnetzeln swV. 'Fleisch in kleine Stücke den lautnachahmenden Charakter des Wortes
schneiden’, reg. Nebenform zu schnitzen (s. d.). zurücktreten.
schneuzen swV. Mhd. sniuzen, ahd. snüzen, schnippisch Adj. In ähnlicher Form seit dem
mndd. mndl. snuten aus g. *snütija- swV. 16. Jh. bezeugt (aufschnüppich). Zu schnüppen,
'schneuzen’, auch in anord. snyta 'Stümper, das eine Intensivbildung zu schnaufen/schnau¬
Schnauze’, ae. snytan. Wohl denominativ zu ben (s. d.) ist. Gemeint ist das Aufwerfen der
einem Wort für 'Rotz’, obwohl dieses in der Oberlippe und das verächtliche Einziehen der
Vokallänge abweicht: Mhd. ahd. snuz, mndd. Luft.
snot(te), afr. snotta, vgl. ae. gesnot 'Katarrh'. schnittig Adj. Bezeugt seit dem 19. Jh. Wohl
Zu dem unter schnauben dargestellten Komplex zunächst von Schiffen (als das Wasser leicht
für Lautäußerungen mit der Nase. (Ein An¬ durchschneidend) gebraucht, später auf andere
schluß an ig. *sneu- 'fließen’ ist nicht vorzu¬ Fahrzeuge verallgemeinert.
ziehen). S. auch schneiden ( + ).
K.-H. Weimann ZM 23 (1955), 155f. Schnittlauch m. Mhd. snit(e)louch, ahd. sni-
Schnickschnack m. 'dummes Zeug’, ugs. Be¬ talouh, mndd. snedelök. Das Benennungsmotiv
zeugt seit dem 18. Jh. Norddeutsche Ablautbil¬ ist wohl, daß der Schnittlauch immer wieder
dung zu ndd. snaken 'reden’. vom gleichen Stock geschnitten werden kann
O. Weise ZDW 2 (1901/02), 13. (obwohl auch denkbar wäre, daß das Klein¬
schneiden als Speisezutat für die Benennung
schniefen swV. 'die Luft durch die Nase ein¬
maßgebend gewesen wäre).
ziehen’, reg. Variante zu schnaufen und schnau¬
S. Lauch und schneidenj+). — Marzell (1943/79), I,
ben (s. d.).
206f.
schniegeln swV. 'sich herausputzen’, ugs. Schnitz m., Schnitzel n. Beides bedeutet ur¬
Ursprünglich ostmitteldeutsche Ableitung zu sprünglich 'abgeschnittenes Stück’, mhd.
schnichl 'Ringellöckchen’ (eigentlich 'Schnek- sni(t)z (zu schneiden, s. d.). Daraus süddeutsch
kenhaus’ zu dem unter Schnecke angeführten die Spezialisierung zu Schnitz 'Dörrobst’ und
mhd. snegel). Entsprechend bair. schneckin seit dem 19. Jh. von Österreich ausgehend
'putzen’ zu bair. schneckl 'Schneckenhaus, Rin¬ Schnitzel 'von einem Kalbsschlegel geschnitte¬
gellocke’. nes und gebratenes Stück Fleisch’ (später noch
S. auch schnieke. stärker verallgemeinert).
schnieke Adj. 'schmuck’, berlin. Vermutlich schnitzen swV. Mhd. snitzen. Intensivbildung
aus ndd. snicker 'hübsch’ (mit Umlaut zu nndl. zu schneiden (s. d.).
snugger 'klug’, ofr. snugge 'glatt, nett’, ne. snug S. auch schnetzeln, Schnitzer.
'behaglich’) unter Einfluß der Wertadjektive auf Schnitzer m. 'grober Fehler’, ugs. Bezeugt seit
-e und vielleicht unter Einmischung von ge¬ dem 17. Jh. Vermutlich 'ein Ausrutscher beim
schniegelt (s. schniegeln) umgeformt. Schnitzen’, aber das eigentliche Benennungs¬
Lasch (1928), 210. motiv ist unklar.
Schniepel m. 'Frack’, auch 'Stutzer’, reg. Be¬ schnobern swV., reg. Bezeugt seit dem 18. Jh.
zeugt seit dem 19. Jh., wohl zunächst studenten¬ Zu schnoben, einer Variante zu schnauben (s. d.).
sprachlich. Nach den spitz zulaufenden Schö¬ Schnodder m. 'Nasenschleim’, vulg., reg.
ßen als 'Schnabel’ benannt; bereits übertragen Mhd. snuder, mndd. snoderen 'Schnupfen
auf Teile von Kleidungsstücken obersächs. haben’. Zu schneuzen und dem unter schnauben
Schniepe. Vgl. Schnabel, Schnepfe, Schneppe. dargestellten Komplex. Dazu schnodderig als
schnipfeln swV. Hochdeutsche Form von Schelte von Vorlauten (die bezeichnet werden
schnippeln (s. d.). als solche, denen noch der Rotz von der Nase
hängt; vgl. etwa rotzfrech).
Schnippchen n., ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh.
S. Schnösel, Schnuddel. — A. Gombert ZDW 2 (1901/
Gemeint ist das Schnellen der Finger; deshalb
02), 308; Lasch (1928), 210; K.-H. Weimann ZM
einerseits kein Schnippchen 'gar nichts’, anderer¬ 23 (1955), 154f.
seits ein Schnippchen schlagen wegen der situa¬
schnöde Adj., arch. Mhd. sncede, mndd. snode,
tionsbedingten Verwendung dieser Gebärde
mndl. snode. Im Niederdeutsch/Niederländi¬
(zum Spott u. ä.). Lautmalend, vielleicht Ab¬
schen ist die Bedeutung zunächst 'ärmlich, ge¬
wandlung von schnappen (s. d.).
ring’, was anschließt an anord. snauör 'arm,
schnippeln swV., ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh. kahl’; dort auch in der Form eines Partizips
Lautmalend; vgl. daß die Bewegung der Schere Präteritum snoöinn 'dünnhaarig’, was aber wohl
mit schnipp, schnapp (s. d.) wiedergegeben wird. nicht zum Ansatz eines starken Verbs ausreicht.
Die hochdeutsche Form ist schnipfeln — sie läßt Mit Ablaut ae. besnyöian 'berauben’. Wegen
schnökern 649 Schnur

der schlecht faßbaren Ausgangsbedeutung ist ndd. snulten 'gefühlvoll tun’, ndd. schnulle 'nett,
die Herkunft unklar. Falls ursprünglich 'abge¬ lieb’.
schabt o. ä.\ kann 1. noväcula 'Schermesser’, ai. S. A. Wolf MS (1955), 283; J. Stave MS (1958), 305f.
ksnäuti 'schleift, wetzt, reibt’ verglichen werden.
Schnupfen m. Spmhd. snupfe, snüpfe m./f,
schnökern swV. 'schnüffeln, naschen’, ndd. mndd. snoppe 'Rotz’. Mit Expressiv-Gemina-
Seit dem 18. Jh. auch in der Hochsprache be¬ tion zu schnaufen, schnüffeln und dem unter
zeugt. Iterativ zu mhd. snöuken 'schnüffeln, schnauben dargestellten Komplex. Die ndd.
heimlich naschen’. Auslautvariante zu dem un¬ Form Schnuppen war und ist weiter verbreitet
ter schnauben dargestellten Komplex; Aus¬ als der Lautstand erwarten läßt.
gangsbedeutung ist 'schnüffeln’. K.-H. Weimann ZM 23 (1955), 148-156.
Schnorchel m. 'Tauchgerät’, davor 'Teil von schnupfen swV. 'laut die Luft einziehen’,
Unterseebooten’. Zu einem regionalen Wort, auch 'schluchzen’ und seit dem 17. Jh. 'Tabak
das einen röchelnden Ton (auch bei der Tabaks¬ schnupfen’. Mhd. snupfen. Mit Schnupfen,
pfeife) bezeichnet; danach auch 'Schnauze, Nase’, schnaufen, schnüffeln zu dem unter schnauben
letztlich verwandt mit schnarchen (s. d.) und behandelten Komplex. Dazu Schnupftabak.
ähnlichen lautmalenden Bildungen. Die Über¬ S. auch Schnuppe, schnuppern, Sternschnuppe.
tragung auf die technischen Geräte nach dem Schnuppe /. 'abgebrannter Kerzendocht, der
Laut, der beim Einziehen von Luft dicht über noch glüht’, nordd., md.\ danach auch für 'Me¬
der Wasserfläche entsteht. teor’. Rückbildung aus md. ndd. schnuppen
Schnörkel m. In der heutigen Bedeutung zu¬ 'schneuzen’, wie auch obd. schneuzen zum Ab¬
nächst als Ausdruck der Architektur bezeugt nehmen des verbrannten Dochtes gesagt wurde.
seit dem 16. Jh. (daneben Schnörken, Schnirkel, Entsprechend nndl. snuiten, ne. snuff Zum
Schnerkel). Die Herkunft ist unklar. Im 17. Wort s. schnupfen und der unter schnauben be¬
Jh. ist Schnögel 'Schneckenlinie’ (zu dem unter handelte Komplex.
Schnecke besprochenen mhd. snegil) bezeugt, S. schnuppe. — Lasch (1928), 207; Lühr (1988), 245.
das unter Einfluß von Zirkel eine entsprechende schnuppe Adj. 'gleichgültig’, ugs. Bezeugt seit
Bedeutung ergeben haben könnte. Zu beachten dem 19. Jh. in Berlin. Gemeint ist 'so viel wert
ist auch ein ae. snercan 'einschrumpfen’ (Ha- wie eine abgebrannte Kerzenschnuppe’; aber
pax), dessen Sippe aber sonst nur im Englischen vielleicht hat der Vergleich einen anderen laut¬
und Nordischen bezeugt ist. lichen Anhaltspunkt gehabt. Zu Schnuppe
H. Schuchardt ZDW 1 (1901), 77f. (s. d.).
Lasch (1928), 207; S. A. Wolf MS (1956), 29.
schnorren swV, auch schnurren swV 'betteln’,
ugs. Ursprünglich ein Gaunerwort, das sich im schnuppern swV. 'schnüffeln’. Bezeugt seit
18. Jh. weiter verbreitet. Herkunft unklar. Ver¬ dem 17. Jh. Wie schnupfen eine Intensivbildung
mutlich zunächst Bezeichnung der Tätigkeit des zu schnauben, schnaufen', vgl. noch Schnuppe,
Bettelmusikanten, der die Schnorrpfeife spielt Schnaupe 'Rüssel, Schnauze’ und den unter
schnauben dargestellten Komplex.
(schwäb. arch. schnurren 'mit Musik betteln’, im
18. Jh. Schnurrant 'Bettelmusikant’ mit fremder Schnur1 /. 'Faden’. Mhd. ahd. snuor, snör,
Endung)). mndd. snör, mndl. snoer. Dazu die Ableitungen
S. schnurren. — Wolf (1985), 295. ae. sner 'Harfensaite’, anord. sneeri n. 'gedrehtes
Seil’ und vielleicht gt. snorjo 'Korb, Netz’. Viel¬
Schnösel m. junger arroganter Mensch’, ugs.
leicht vergleicht sich ohne anlautendes s- lit.
Wohl als 'Rotznase’ aufzufassen (zu der unter nerti 'einfadeln, stricken usw.’; wahrscheinlicher
Schnodder behandelten Sippe). Lautlich im ein¬ ist aber eine Ableitung mit r zu *sne- 'spinnen’
zelnen unklar. (s. nähen), vgl. agutn. snöf 'Schnur’, air. snäth
Schnucke /., s. Heidschnucke. 'Faden’ mit anderer Ableitung. Noch näher
Schnuddel m. Variante zu Schnodder (s. d.).
steht ein r/n-Stamm *snewer/n n. 'Sehne, Band’
in avest. snäuuar 'Sehne, Schnur’, ai. snäva-
schnüffeln swV. Im 17. Jh. übernommen aus 'Band, Sehne’ usw., doch müßte bei der
ndd./nndl. snuffelen, vgl. ne. snuff, sniff. Zu Annahme einer Zusammengehörigkeit der
schnaufen, Schnupfen und dem unter schnauben Schwund des w erklärt werden.
dargestellten Komplex. Nndl. snoer. S. nähen ( + ), schnüren. - B. Martin
Schnuller m. 'Sauger’. Weit verbreitet, aber Teuthonista 4 (1927), 282.
in der älteren Sprache nicht bezeugt; schnullen Schnur2 /. 'Schwiegertochter’, arch. Mhd.
'saugen’ seit dem 17. Jh. Vielleicht lautmalend. snu(o)r, ahd. snur(a), snora, mndd. snore,
Schnulze /., ugs. In der Mitte des 20. Jhs. mndl. snoere aus g. *snuzö f. 'Schwiegertochter’,
aufgekommen. Herkunft unklar. Vielleicht zu auch in krimgt. schnos, anord. snor, snor, ae.
schnüren 650 Scholle

snoru, afr. snore, mit verschiedenen Abwand¬ Schober m. 'Feldscheuer’. Mhd. schober, ahd.
lungen, außerdem die Erweiterung mhd. snur- scobar, eigentlich 'zu einem Haufen zusammen¬
che, snorche. Aus ig. *snusö- J'. 'Schwiegertoch¬ getragene Garben, Heu o. ä.’; deshalb wohl zu
ter’, auch in gr. nyös, 1. nurus, serb.-kslav. snü- ahd. scubil 'Büschel’. Außergermanisch nur
cha, ai. snusd. Weitere Herkunft unklar. geringe Vergleichsmöglichkeiten: serb. cupa
J. M. Korinek LE 59 (1932), 125-144, 316; F. Debus 'Büschel’, cech. cub 'Schopf’. Weitere Herkunft
DWEB 1 (1958), 24-31. unklar (kaum zu schieben, s. d.).
schnüren swV. Die heute üblichen Bedeutun¬ S. Schopf. — Anders: Lühr (1988), 238f.
gen sind leicht aus 'mit einer Schnur umwinden’ Schock1 n. 'Anzahl von 60’, arch. Mhd.
erklärbar (zu Schnur1), jägersprachliches schnü¬ schoc(h), scho(c)k m., as. scok. Herkunft un¬
ren (von Füchsen usw.) 'so gehen, daß der Hin¬ klar. Vielleicht zu mhd. schocken 'Korn in Hau¬
terlauf in die Spur des Vorderlaufs kommt’ be¬ fen setzen’ (also 'ein Haufen von 60 Garben’?)
deutet ursprünglich 'schnurgerade laufen’. und verwandt mit Hocke1 (?).
F. Sommer SBAW 7 (1950), 78-80; H.-F. Rosenfeld
Schnurrant m., s. schnorren.
WZUG 6(1956), 207.
Schnurrbart m. Im 18. Jh. vor allem in der Schock2 m. In neuerer Zeit entlehnt aus frz.
Sprache des Heeres übernommen aus ndd. snur- choquer 'jmd. mißfallen, Anstoß erregen’; auch
baard zu snurre 'Schnauze’, also eine Entspre¬ in den übertragenen Bedeutungen. Hierzu
chung zu obd. Schnauzbart (von den Tieren schockieren, eigentlich 'jmd. einen Stoß ver¬
wie der Katze, die einen Bart an der Schnauze setzen’.
haben). Die Erklärung des weit verbreiteten Brunt (1983), 196f.
Schnurre für 'Schnauze’ und vulgär für 'Mund’
schofel Adj., ugs. Über das Rotwelsche ent¬
ist unsicher; vielleicht ausgehend von der Katze, lehnt aus wjidd. schophol 'lumpig’ aus hebr.
weil diese schnurrt? säfel gleicher Bedeutung. In der Hochsprache
S. schnurren ( + ). bezeugt seit dem 18. Jh.
Schnurre /., arch. Abgeleitet von schnurren Wolf (1985), 296f.
(s. d.). Bedeutet zunächst eine Reihe von Lärm¬ Schöffe m., fachsprachl. Mhd. scheffe(ne),
instrumenten, so in älterer Zeit die Knarre des schepfe(ne), ahd. skeffino, aondfrk. skepeno.
Nachtwächters, dann den Nachtwächter selbst Das Wort gehört wohl zu schaffen/schöpfen und
und übertragen auch andere Amtspersonen könnte 'der Anordnende’ bedeuten; die mor¬
(studentisch auch den Pedell). Zu Schnurre phologischen und semantischen Einzelheiten
'Schnauze’ s. Schnurrbart. Schließlich heißen so sind aber unklar.
allerhand bei Kindern und Straßenmusikanten Nndl. schepen. S. schaffen, schöpfen. — Tiefenbach
beliebte Instrumente. Daher Schnurre für (1973), 81-84.
'Posse’ und Schnurrpfeifereien 'Spielereien, läp¬ Schokolade /. (= ein Produkt aus Kakao,
pische Kleinigkeiten’ (vgl. nndl. snurrpiperijen, Milch usw.). Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
zu Schnurrpfeife, ein derartiges Instrument). deutend nndl. chocolade (älter: chocolate), die¬
Schon mhd. snurrcere m. 'Possenreißer’. ses aus span, chocolate m. (dass.), aus dem
mexikanischen (Nahuatl) Eingeborenenwort
schnurren swV. Heute im allgemeinen von der
chocolatl 'Kakaotrank’, aus Nahuatl choco 'Ka¬
Katze gesagt; mhd. snurren allgemeiner 'rau¬
kao’ Nahuatl und lall 'Wasser’.
schen, sausen’. Wichtiger sind die Ableitungen
Littmann (1924), 146, 150; R. Loewe ZVS 61 (1933),
s. Schnurre, Schnurrbart und schnorren. 93-95.
S. auch schnarren.
Scholle1 /. 'Erdstück’. Mhd. schölle m., ahd.
Schnürsenkel m., s. Senkel. scollo m., scolla, mndd. schulle, mndl. sc(h)olle
schnurstracks Adv. 'geradewegs’, ugs. Mhd. aus vor-d. *skullön f. (auch m.) 'Scholle’, dazu
strac (zu strecken, s. d.) bedeutet eigentlich 'ge¬ schw. skolla 'Stück Blech’. Herkunft unklar; ein
rade’, entwickelt in stracks (s. unter strack) aber Zusammenhang mit der Wurzel *skel- 'spalten,
die Bedeutung 'sofort’; schnurstrack ist 'schnur¬ trennen’ ist denkbar, aber ohne Verbindlichkeit.
gerade’, heute auch schon in der Bedeutung Nndl. schol. S. Scholle2 ( + ). — Lühr (1988), 202.
'sofort’ verwendet. Scholle2/. (= eine Fischart), fachsprachl. Be¬
zeugt seit dem 16. Jh., älter mndd. schulle, mndl.
schnurz(egal) Adj. 'gleichgültig’, ugs. Wird
sc(h)olla. Vielleicht das gleiche Wort wie
entsprechend zu schnuppe (s. d.) verwendet, hat
Scholle1 (s. d.), indem der Plattfisch an trei¬
aber keine weitere Anknüpfungsmöglichkeit.
bende '(Eis)Schollen’ erinnern konnte. Zu be¬
Schnute/., ugs. Niederdeutsche Entsprechung achten ist immerhin die Lautähnlichkeit von 1.
zu Schnauze (s. d.); in der Hochsprache für den solea 'Zungenfisch’.
beleidigt verzogenen Mund verwendet. Nndl. schol.
Scholli 651 Schoß

Scholli Ausruf (nur in mein lieber Scholli), Schoppen m. 'Getränkemaß’. Bezeugt seit
ugs. Aus frz. joli 'hübsch', also in der Anrede dem 16. Jh. In den Mundarten des Südwestens
'mein Hübscher'. entlehnt aus frz. chopine f, das seinerseits auf
Schöllkraut n., s. Schellkraut. mndd. schope f. 'Schöpfkelle’ (zu schöpfen) zu¬
schon Adv. Eigentlich Adverb zu schön (s. d.), rückgeht. Zu diesem s. Schaff ( + ).
das sich seit dem 13. Jh. verselbständigt. Das schoppen swV. 'vollstopfen’, südd. Mhd.
Adverb, das Wörter wie bereit, fertig u. ä. näher schoppen, schöpfen. Intensivbildung zu schieben
bestimmen kann, wandelt bei diesen seine Be¬ (s. d.).
deutung von 'schön bereit’ zu 'schon bereit’; Schöps m., omd., österr. Mhd. schopz, schöpz
ähnlich bei der näheren Bestimmung verschie¬ (omd., bair.). Entlehnt aus cech. (usw.) skopec
dener Verben. Die gleiche Entwicklung in nndl. 'verschnittener Schafbock’ (zu cech. skopiti
schoon. 'verschneiden’).
schön Adj. Mhd. schten(e), ahd. scöni, as. Bielfeldt (1965), 23; Eichler (1965), 121f.
sköni aus g. *skauni- Adj. 'schön, anmutig’,
Schorf m. Mhd. schorf ahd. scorf scurf
auch in gt. skauns, ae. seine, afr. skene. Verbal¬
mndd. schorf, mndl. sc(h)orf vgl. ae. gesceorf
adjektiv zu schauen (s. d.), also eigentlich 'an¬
n. 'Grind’. Das Wort gehört zu dem starken
sehnlich’.
Verb, das in ae. sceorfan 'abnagen, beißen’ be¬
Nndl. schoon, ne. sheen. S. schauen (y), schon, scho¬
zeugt ist (auch ae. scearfian 'abkratzen’) und
nen. — P. Weinacht: Zur Geschichte des Begriffs 'schön’
benennt wohl den Juckreiz, der zum Kratzen
im Altdeutschen (Heidelberg 1929); A. Kress: Wortge¬
schichtliches zu Inhalt und Umfeld von 'schön (Bonn
führt (vgl. Krätze u. ä.).
1972). Schorlemorle/./«., heute meist Schorle f. Be¬
Schönbart m., s. Schembart. zeugt seit dem 18. Jh. in verschiedenen Abwand¬
lungen. Zugrunde liegt wohl mundartliches
schonen swV. Mhd. schönen, ahd. scönen. Ei¬
(südwd.) schüren 'sprudeln’ mit Anpassungen
gentlich eine Ableitung zu schön (s. d.), also
nach allen Seiten. So ist z. B. Schorlemorle als
'schön behandeln o.ä’. Das althochdeutsche
Familienname schon im 13. Jh. bezeugt, aber
Verb bedeutet 'schmücken’, die Bedeutungsent¬
es ist nicht ersichtlich, wie dieser Name mit der
wicklung kann also über 'schmücken’, 'pflegen’
Bezeichnung des Getränks Zusammenhängen
zu 'schonen’ gekommen sein. Auffällig ist aber
soll, wenn nicht die Getränkebezeichnung nach¬
die frühe Anwendung auf Personen.
träglich an ähnliche bestehende Wörter angegli¬
Schoner m. 'zweimastiges Segelschiff’, fach- chen wurde.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus nndl. schooner,
O. Weise ZDW 2(1901/02), 10; L. Spitzer ZVS
schoener, das seinerseits aus ne. schooner ent¬ 54(1927), 213-223.
lehnt wurde, dieses als frühes amerikanisches
Wort zu einem scoon 'Steine über das Wasser Schornstein m., reg. Mhd. schor(n)stein,
gleiten lassen’. mndd. schorsten, mndl. sc(h)oorsteen. Zu
Ganz (1957), 198. mndd. schare, schore n. 'festes Land, Stütze’?
Vgl. ahd. scorren 'emporragen’.
Schopf m. 'Haar auf dem Kopf’. Mhd. schöpf
G. Schilling: Die Bezeichnungen für den Rauchabzug im
und die Weiterbildungen gt. skuft, anord. skopt
deutschen Sprachgebiet (Diss. Marburg 1963), 52 — 59.
n. Außer dem unter Schober (s. d.) genannten
keine Vergleichsmöglichkeit. Obd. Schopf Schoß1 m. Mhd. schöz m./n., schöz(e) /., ahd.
'Schuppen’ ist wohl das gleiche Wort, unter der scöz, mndd. schöt, mndl. sc(h)oot aus g. *skau-
Annahme, daß damit ursprünglich zusammen¬ ta-, meist maskulinum, aber auch neutrum und
getragene Heu- oder Strohhaufen gemeint femininum kommen vor, im Gotischen ist das
waren. Vgl. noch Schuppen (s. d.). Genus nicht erkennbar; auch in gt. skaut(s),
S. Schaub, Schober, Schuppen. — Lühr (1988), 239f. anord. skaut n., ae. sceat, afr. skät. Die Bedeu¬
schöpfen stV./swV. Zu der Bedeutung 'er¬ tungsverhältnisse sind unklar. Zugrunde liegt
schaffen’ s. schaffen. Die Bedeutung '(Wasser) am ehesten 'Winkel, Zipfel’ (ae. pri-scyte
schöpfen’ ist mit dieser nicht ohne weiteres ver¬ 'dreieckig’, anord. pri-skeyta 'Dreieck’, ahd.
einbar. Es ist zu erwägen, ob nicht Wörter der driseöz 'dreieckig’), womit ein Anschluß an
Familie (Wasser)Schaff (s. d.), die wie Ablei¬ schießen (s. d.) im Sinne von 'vorschießen’
tungen zu schöpfen/schaffen aussahen, auf die denkbar wird. Sonst ist mit dem Wort ein Klei¬
vermeintlichen Grundwörter zurückgewirkt dungsstück bezeichnet (gt. 'Saum’, sonst ein
und so deren Bedeutung beeinflußt haben (bzw. den Leib bedeckendes Kleidungsstück, auch
daß eine Ableitung von Schaff [s. d.] in dem 'Schürze’, 'Kopftuch u. ä.’). Schließlich bedeu¬
starken Verb schaffen/schöpfen aufgegangen tet das Wort im Deutschen auch 'eine Schürze
ist). voll’ und den Schoß des Sitzenden. Es ist mög¬
S. auch Schöffe. — Lühr (1988), 236 — 238. lich, daß hierbei die Bezeichnung des Klei-
Schoß 652 schränken

dungsstücks auf den darunter liegenden Kör¬ Schrägen, mhd. mndd. schräge 'kreuzweis ste¬
perteil übergegangen ist (zumal dieser zu ver¬ hende Holzfüße unter Tischen u. ä.’ eine Va¬
hüllenden Ausdrucksweisen Anlaß geben riante zu schränken (s. d.) usw. Außergerma¬
konnte), doch läßt die Besonderheit der Bedeu¬ nisch auf dieser Erweiterungsstufe nicht ver¬
tung die Möglichkeit offen, daß eigentlich 'Win¬ gleichbar.
kel (o. ä.)’ gemeint ist. Die Einzelheiten müssen Lühr (1988), 143.
also offen bleiben. Nach Trier (s. u.) ist die Schramme /. Mhd. schram(me), mndd.
Ausgangsbedeutung 'Wurzelstock’, daraus schräm m., schramme, mndl. sc(h)ramme. Da¬
'weiblicher Schoß’, daraus 'Winkel’ und die Be¬ neben ohne Geminalion mit Dehnstufe des Vo¬
zeichnungen für Kleidungsstücke. Die An¬ kals anord. skräma 'Schramme’. Herkunft un¬
nahme ist sehr beachtenswert, setzt aber als klar. Lautlich bestehen Anknüpfungsmöglich¬
Bedeutung von schießen das Aufschießen der keiten, doch bleiben sie semantisch unverbind¬
Pflanzen voraus. lich.
Nndl. schoot, nschw. sköt, nisl. skaut. S. schießen, Nndl. schräm.
Schot(e)2 . - J. Trier (1981), 99-104.
Schrammelmusik/., ugs. Volkstümliche (Wie¬
Schoß2 m. 'Schößling’, fachsprachl. Mhd. ner) Musik, ursprünglich für zwei Geigen, Gi¬
schoz n., ahd. scoz. Zu schießen (s. d.) im Sinne tarre und Ziehharmonika (oder Klarinette), be¬
des Aufschießens von Pflanzen. nannt nach den Wiener Musikern Johann und
Trier (1981), 99-104. Josef Schrammel (19. Jh.), die 1877 ein Quartett
Schoß3 m. 'Steuer, Abgabe’, arch. Die gleiche D'Schrammeln gründeten.
Bedeutung in mhd. schoz, nndl. schot, ae. -scot. Schrank m. Bedeutet wie Schranke (s. d.) ur¬
Zu schießen (s. d.) im Sinn von 'zuschießen, sprünglich eine Absperrung, ein Gitter (so noch
einschießen’. mittelhochdeutsch). Damit erweist sich das
Trier (1981), 99-104. Wort als Rückbildung zu schränken (s. d.). Seit
Schote1 /. 'Samenhülle’. Mhd. schöte, ahd. spätmittelhochdeutscher Zeit (wie die Mose Va¬
scöta, mndd. schode. Hierzu wohl gt. skauda- riante Schank2, s. d.) ein abschließbarer, auf¬
'Schuh’, so daß von 'Umhüllung o. ä.’ auszuge¬ recht stehender Behälter (gegebenenfalls durch
hen ist. Vermutlich zu der unter Scheuer (s. d.) Gitter verschlossen).
behandelten Grundlage. E. Bauer ZM 24 (1956), 246-248.
Trier (1981), 101. Schranke /.; bair. auch Schranken m. Mhd.
Schot(e)2/. 'Tau, mit dem ein Segel herange¬ schranke m./f 'Absperrung, Gitter’. Rückbil¬
holt wird’, fachsprachl., ndd. Mndd. schöte, ae. dung zu schränken (s. d.). In Redewendungen
sceata m., anord. skaut n. Dies ist die Entspre¬ wird auf die Abschrankungen bei Turnieren (in
chung zu Schoß1 (s. d.): Die Bezeichnung ist die Schranken treten), vor Gericht (in seine
vom Zipfel des Segels auf das Tau überge¬ Schranken weisen) u. ä. Bezug genommen.
gangen. S. beschränken, einschränken, schränken.
Kluge (1911), 703.
schränken swV, heute meist verschränken
Schott n. 'Scheidewand im Schiff’, fach¬ swV, einschränken swV. u. ä. Mhd. schrenken
sprachl. Bezeugt seit dem 18. Jh. Entspricht 'verschränken, flechten’, ahd. screnken 'ein Bein
nhd. Schuß im Sinne von 'Eingeschossenes’. stellen u. ä.\ mndd. schrenken 'verschränken,
Kluge (1911), 704. beschränken’, mndl. sc(h)renken 'zu Fall brin¬
Schotte /. 'Käsewasser’, südd. Mhd. schotte gen’ aus wg. *skrank-ija- swV. 'verschränken,
m., ahd. scotto m. Entlehnt aus 1. (oder rom.) ein Bein stellen’, auch in ae. screncan 'ein Hin¬
excocta (mäteria) 'ausgekochte Substanz’. dernis in den Weg legen’. Gehört offenbar zu
J. Hubschmied VR 1 (1936), 92f. einem (nicht bezeugten) Adjektiv, das etwa die
Schotter m. 'Geröll’. Regionale Variante von
Bedeutung 'schräg, quer’ gehabt haben muß.
Schutt (s. d.), die im 19. Jh. mit dem Vordringen
Des weiteren wohl mit Auslautvariation zu
schräg. Weitere Herkunft unklar. Zu schränken
des Straßenbaus allgemein üblich wird.
gehören Schrank (s. d.), ursprünglich 'Absper¬
schraffieren swV. 'eine Fläche mit Parallelstri¬
rung, Gitter’, und Schranke (s. d.) 'Absper¬
chen markieren’. Im 16. Jh. über niederdeutsche rung’, eigentlich 'das Quergelegte’ und 'das
Vermittlung entlehnt aus it. sgraffiare 'kratzen, Querstehende’ (= 'Gitter’). Unter dem Einfluß
stricheln’, dessen weitere Herkunft nicht zwei¬
von Schranke 'Absperrung’ stehen beschränkt,
felsfrei geklärt ist. eigentlich 'auf engen Raum begrenzt’ und ein¬
Morphologisch zugehörig: Schraffur. schränken, eigentlich 'eingrenzen’.
schräg Adj. Erst seit dem 16. Jh. bezeugt, S. beschränken, einschränken, schräg. — Lühr (1988),
doch schon ahd. scregibant. Zusammen mit 143.
Schranne 653 Schrein

Schranne /. 'Verkaufsstand’, arch., südd.\ Schraube f. Spmhd. schrübe, mndd. schruve.


Schar(re)n m., md., ndd. Mhd. schranne f (auch Entlehnt aus afrz. escrou 'Schraubenmutter’ (äl¬
'Gerichtsbank’), ahd. scranna f Herkunft un¬ ter scrofa, was wohl das / im Deutschen er¬
klar. Anknüpfungen ergeben sich zu Schrägen bracht hat). Dieses ist eine Bedeutungsübertra¬
und Schranke, doch ist der lautliche Zusam¬ gung von ml. scrobis 'weibliches Geschlechtsor¬
menhang unklar (skrangn-?). Zu beachten ist gan’, beruht also auf dem gleichen Bild wie nhd.
it. scranna f 'Bank’, das wie frz. ecran m. als aus (Schrauben)Mutter. Die Verallgemeinerung zu
dem Deutschen entlehnt gilt. Die umgekehrte Schraube wohl über das Verb schrauben (be¬
Entlehnungsrichtung ist aber nicht ausge¬ zeugt seit dem 15. Jh.).
schlossen. S. verschroben.
Schranz m. 'Schlitz’, südd. Mhd. schranz, Schrebergarten m. 'Kleingarten’. Benannt
auch 'Gewand mit Schlitzen’ und 'jmd. der ein nach dem Arzt und Pädagogen D. G. M. Schre-
solches Gewand trägt’ (s. Hofschranze). Es liegt ber (19. Jh.), der solche Anlagen ins Leben rief.
am ehesten eine ^-Bildung zu ahd. scrintan 'ber¬ schrecken swV., sonder spracht Mhd. schrek-
sten, sich spalten’, mhd. schrinden vor (vgl. ahd. ken, ahd. screckön, daneben mhd. ahd. schrik-
scruntissa, scruntussa f. 'Spalt’ und mndl. ken. Das Wort bedeutet eigentlich 'springen,
schran(t)se 'Riß’). Die weitere Herkunft dieses aufspringen’, übertragen 'auffahren, erschrek-
Verbs ist unklar. ken’, und ist zunächst ein schwaches Verb.
S. Schrunde. - Bahder (1925), 132; Kretschmer (1969), Sekundär bildet sich nach dem Muster von
329; Lühr (1988), 145-147. Kausativen zu starken Verben das Paar schrik-
Schrapnell n. 'Kartätsche’, arch. Im 19. Jh. ken stV. intransitiv, neben schrecken swV. tran¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. shrapnel, nach sitiv (kausativ) — so seit dem 11. Jh. Schreck
dem Namen des Erfinders Oberst Shrapnel. ist eine Rückbildung zu der späteren Bedeu¬
tung; die ältere noch in Heuschreck(e). In der
schrappen swV, auch schrapen swV. 'abras¬
Bedeutung weiter entfernt sind mndd. schricken
peln’, reg. Nach dem 14. Jh. übernommen
'springen, tanzen’, mndl. scricken 'mit großen
aus mndd. schrapen (die Form mit -pp- ist viel¬
Schritten laufen’. Auf gleicher Erweiterungs¬
leicht intensivierend, aber vielleicht auch bloße
stufe keine außergermanische Vergleichsmög¬
Lautvariante), die hochdeutsche Entsprechung lichkeit; im übrigen zu der unter Scherz1 behan¬
ist fnhd. schrapfen, bair. schrafen. Aus g. delten Wurzel *sker- 'springen’.
*skrap-ö- swV. 'raspeln, kratzen’, auch in anord.
S. auch Heuschrecke.
skrapa, ae. scrapian. Intensivbildung zu wg.
schreiben st V. Mhd. schriben, ahd. scriban, as.
*skrep-a- stV. 'schaben, kratzen’ in ae. screpan,
skriban. Wie aschw. skriva, ae. scrlfan ('bestim¬
mndl. schrepelen. Außergermanisch vergleichen
men, vorschreiben’), afr. skriva entlehnt aus 1.
sich lett. skrabt, russ. skresti und ohne anlauten¬
scrlbere 'schreiben’ (aus 'ritzen, kratzen’). Die
des s- kymr. crafu, lit. krapstyti, alle 'kratzen’.
starke Stammbildung ist aber immerhin so auf¬
Vielleicht Erweiterungen zu der unter scheren1
fällig, daß die Annahme eines germanischen
(s. d.) behandelten Wurzel. Eine parallele Er¬
Erbwortes, das sekundär von I. scrlbere beein¬
weiterung mit abweichender Vokalisierung flußt worden wäre, nicht von der Hand zu wei¬
(oder Metathese?) s. unter scharf. sen ist. Vgl. hierzu Trier (s. u.).
Nndl. schrapen, ne. scrape, nschw. nisl. skrapa. S. S. deskribieren ( + ). — H. Zimmer ZDA 36(1892),
scharf, Schrippe, schröpfen, schrubben. — Lühr (1988), 145-150; Trier (1951), 74f.
358f.
schreien st V. Mhd. schri(e)n, ahd. as. scrian
Schrat m. 'Waldgeisf, reg. Mhd. schrat(e), zu wg. *skrei-a- stV. 'schreien’, auch in afr.
ahd. scrato. Dazu als Verkleinerung Schrätel, skria. Hierzu eine Erweiterung in nschw. skrika
Schretel, mhd. schretel(ln) n. Als Variante auch st V. Weiter hierher me. scrä man 'schreien’. Das
obd. Schretz, mhd. schraz, schräwaz(e), ahd. Wort hat keine unmittelbare außergermanische
screz mfn., screzzo, scraz. Außerhalb des Deut¬ Vergleichsmöglichkeit. Ähnlich gebildet sind
schen vergleicht sich anord. skrat(t)i 'Troll’. air. screchach 'schreiend’, air. scretaid 'schreit
Angesichts der Bedeutung und der lautlichen auf und akslav. skrlgütati 'knirschen’. Viel¬
Unfestigkeit ist eine Etymologie aussichtslos. leicht hierher auch ohne anlautendes s- anord.
Nach Lecouteux (s. u.) ursprünglich ein Toten¬ hrina 'schreien’ und 1. crimen 'Anklage, Be¬
geist, der im Haus wohnt. Sein Vorschlag, für schuldigung’.
die Etymologie an ein Schallwort wie nschw. S. kreißen, kriminell ( + ). — H. GlombikTIujer DWEB
skratla 'laut lachen’, ndn. skrade 'rasseln’ anzu¬ 5(1968), 106-111.
knüpfen, ist unverbindlich. Schrein m., früher n., arch. Mhd. schrln mf
C. Lecouteux Euphorion 79 (1985), 95 — 108; Lühr n., ahd. scrln(i) mfn., mndl. sc(h)rijn. Wie ae.
(1988), 252-254. scrin n., afr. skrin entlehnt aus 1. scrinium n.
Schreiner 654 schüchtern

'rundes Behältnis’. Im Deutschen bezeichnet Schrot m. Mhd. schröt, ahd. scröt, mndd.
das Wort sowohl religiöse Schreine wie auch schröt. Die Bedeutung ist eigentlich 'abgeschnit¬
weltliche Behälter, deshalb auch Schreiner als tenes Stück’ zu ahd. scrötan, mndd. schroden,
Ableitung dazu (s. d.); das englische Wort, das schraden stV. 'schneiden’. Aus der Ausgangsbe¬
auch in der Stammbildung abweicht, bleibt der deutung erklärt sich 'grobgemahlenes Getreide’;
religiösen Sphäre verhaftet. ferner 'kleine Bleikugeln’, weil es sich ursprüng¬
Zu der Bedeutung 'Sarg’ vgl.: Cox (1967), 88 — 95. lich um gehacktes Blei handelte. Aus echtem
Schrot und Korn bezieht sich auf das Münzge¬
Schreiner m. Mhd. schrlncere, schrlner, zu¬
wicht: Schrot ist das Rauhgewicht (eigentlich
nächst ein Handwerker für feinere Holzarbeiten
das von einem Stab für die Prägung abgeschnit¬
(während die gröberen vom Zimmermann aus¬
tene Stück), Korn das Feingewicht. Eine Neben¬
geführt wurden), s. Schrein.
form ist Schrott (s. d.). Die Sippe hat keine
schreiten stV. Mhd. sehnten, ahd. -scritan, as. genaue außergermanische Vergleichsmöglich¬
skrldan, skrlöan aus g. *skreip-a- stV. 'schrei¬ keit. Es handelt sich sicher um eine Erweiterung
ten’, auch in anord. skriöa, ae. scriöan, afr. von *sker- 'schneiden’ (s. scheren1), doch stehen
skrfda. Der Auslaut ist nicht völlig eindeutig, andere «-Erweiterungen dieser Sippe in der Be¬
doch dürfte g. f> zugrundeliegen, dessen gram¬ deutung zu weit ab, um einen Vergleich zu er¬
matischer Wechsel weitgehend ausgeglichen möglichen.
worden ist. Das Wort hat keine klare Ver¬ S. Schrott, scheren' ( + ), vierschrötig.
gleichsmöglichkeit. Im Englischen ist die Be¬
Schrott m. Niederrheinische Variante von
deutung auf stridan übergegangen. Zu diesem
Schrot (s. d.). Hochsprachlich bezeugt erst An¬
s. streiten.
fang dieses Jahrhunderts. Zunächst 'Metallab¬
Schriftsteller m. Seit dem 17. Jh. (wie Brief¬
fälle’, dann verallgemeinert.
steller) 'jmd., der für andere Schriften verfaßt’,
schrubben swV., ugs. Im 17. Jh. aus dem Nie¬
erst danach 'jmd., der berufsmäßig Schriften
derdeutschen entnommen, vgl. mndd. mndl.
verfaßt’. Zu jemandem etwas (zur Verjügung)
schrobben, ebenso me. scrobben 'striegeln’. Ge¬
stellen.
hört zum weiteren Umkreis von schrappen
H. Wunderlich ZDW 3 (1902), 202-218.
(s. d.).
schrill Adj. Bezeugt erst seit dem 19. Jh., wohl
Schrulle/. 'Laune’. In hochdeutschen Texten
im Anschluß an ne. shrill. Nur wenig früher das
seit dem 18. Jh. Zu mndd. schrul 'Laune, Groll’.
Verb schrillen, das wohl aus älterem schreiten,
Weitere Herkunft unklar.
schrallen umgebildet ist. Das Wort ist deutlich
lautmalend, deshalb sind etymologische An¬ schrumpfen swV. Seit dem 17. Jh. für älteres
klänge ohne Bedeutung. mhd. schrimpfen stV., mndl. mndd. schrimpen.
Außergermanisch vergleichen sich ohne Nasal
Schrippe /. 'längliches Weißbrot’, berlin. Be¬
lit. skirbti 'schrumpfen’, russ. skörbnutVwelken,
zeugt seit dem 18. Jh. Wegen seiner aufgerisse¬
schrumpfen’.
nen Rinde zu schripfen 'aufreißen’, das wohl mit
Lühr (1988), 144f„ 366f.
Vokalabwandlung zu schrappen (s. d.) gehört.
Schrunde/. 'Riß, Spalte’, reg. Mhd. schrunde,
Schrittmacher m. Im 19. Jh. übersetzt aus ne.
pacemaker in gleicher Bedeutung. Das englische
ahd. scrunta, mndl. schronde, schrunde. Mit
ähnlichen Bildungen zu mhd. schrinden, ahd.
Wort hat eine allgemeinere Bedeutung als nhd.
scrintan 'bersten, .aufreißen’ (s. Schranz).
Schritt, so daß die im Deutschen für einen Vor¬
gang beim Radfahren etwas ungewöhnliche Be¬ Lühr (1988), 145-147.
zeichnung erklärt wird. Schubbejack m., Schubiak m. 'Lumpenkerl’,
nordd. Bezeugt seit dem 17. Jh. Herkunft un¬
schroff Adj. Frühneuhochdeutsche Rückbil¬
dung zu mhd. schroffe 'schneidender Stein’. klar. Norddeutsch ist Schubjack ein 'Pfahl, den
Dieses zu einer in verschiedenen Ablautvarian¬ man in baumarmen Gegenden auf der Weide
ten auftretenden Sippe, vgl. mhd. schruffen einschlägt, damit sich das Vieh daran reiben
'spalten’, ahd. giscrevön 'einschneiden’, nschw. kann’, vermutlich zu ndd. schubben 'reiben,
kreva 'Kluft’, s. auch scheren'( +), Scherflein,
kratzen’ (zu schaben und Schuppe, s. d.) und
Jack als Kurzform zu Jakob. Die Übertragung
schürfen.
wäre also ähnlich wie 'Vogelscheuche’ gemeint.
schröpfen swV. 'Blut absaugen’, heute meist
nur übertragen ('Geld abnehmen’). Mhd. Schubs m., schubsen swV., ugs. Junge nord¬
schreffen, schrepfen. Zu der unter schrappen be¬
deutsche Intensivformen zu schub und schieben
handelten Sippe mit besonderer Bedeutungsspe¬ (s. d.) für älteres schupf und schupfen.
zialisierung. Lühr (1988), 359 (zu Schupf).
Heyne (1899/1903), III, 112f.; Hoops (1911/19), IV, schüchtern Adj. Im 16. Jh. übernommen aus
139f.; Lühr (1988), 358. ndd. schüchter, schochter, das zu schüchteren
Schuft 655 Schuppen

'scheuchen’, einer Weiterbildung zu scheu(ch) stalt — Ort der Muße — Muße’, das mit gr.
(s. d.), scheuchen gehört. Es wird ursprünglich echein haben, halten’ entfernt verwandt ist.
von Tieren gesagt und dann auf Menschen S. Schema ( + ).
übertragen. Ausgangsbedeutung also etwa 'ver¬
Schulfuchs m.. s. Fuchs2.
scheucht’.
Schulter /. Mhd. Schulter, Schulder, ahd.
Schuft m. Seit dem 17. Jh. Schelte armer
scult(ir)ra, mndd. Schulder, mndl. sc(h)uder,
Edelleute und dann auch der lichtscheuen
scolder aus wg. *skuldrö f 'Schulter’, auch in
Raubritter. Das Wort, mndd. schüvüt, schüvöt,
ae. sculdor m. Die Etymologie ist mehrdeutig:
mndl. sc(h)ovunt u. a. ist eigentlich eine Be¬
Das Wort kann zu Bezeichnungen von krum¬
zeichnung des Uhus, dessen Ruf als 'schieb aus’
men Körperteilen gehören (und damit zu der
nachgedeutet wird. Möglicherweise ist diese
Sippe von scheel, s. d.), bei denen aber kein in
(alte) Erklärung aber selbst eine Nachdeutung
der Bedeutung ähnliches Wort auftaucht. Oder
eines Wortes, das zu schaben (s. d.) gehört und
es ist (formal) eine Instrumentalbildung zu
dann 'abgeschabt, ärmlich’ bedeuten würde.
*skel- 'graben’ (gr. skällein 'hacken, graben’). In
Aus dem Niederdeutschen in die Hochsprache
diesem Fall muß eine Bedeutungsübertragung
übernommen.
zugrundeliegen: 'Schaufelblatt’ zu 'Schulter¬
Suolahti (1909), 311.
blatt’.
schuften sw V. 'hart arbeiten’, ugs. So seit dem Nndl. schouder, ne. shoulder. — V. Machek LP
19. Jh. ursprünglich studentisch. Am ehesten zu 7 (1959), 77f.
mndd. ndd. schüft, nndl. schuft 'Vierteltagwerk’ Schultheiß m., arch. Mhd. schultheize, ahd.
zu schieben (s. d.) und Schub (etwa 'in einem sculdheizo, as. skuldhetio aus wg. *skuldi-
Schub arbeiten’). hait(j)ön m. 'Schultheiß’, auch in ae. scyldhceta
Schuh m. Mhd. schuo(ch), ahd. scuo(h), as. /., afr. skeltä(ta); mit vielen Vereinfachungen,
sköh aus g. *sköha- m. 'Schuh’, auch in gt. z. B. nhd. Schulze. Ein alter Amtstitel (zu
skohs, anord. skör, ae. scöh, afr. sköch. Her¬ Schuld und heißen, s. d.), vermutlich mit der
kunft unklar. Falls die ähnlich klingenden gr. Ausgangsbedeutung 'der die Schuld (Leistung)
sykchis /., 1. soccus, avest. haxa- n. 'Fußsohle’ anordnet, der die Pflichten festsetzt’.
zugehörig sind, handelt es sich kaum um ein Hoops (1911/19), IV, 144.
indogermanisches Wort. Schulze m., s. Schultheiß.
Nndl. schoen, ne. shoe, nschw. sko, nisl. skör. S. Schu¬
schummeln swV, s. beschummeln.
ster.
Schummer m. 'Dämmerung’, reg. Im 18. Jh.
Schuhu m., s. Uhu.
aus dem Niederdeutschen übernommen (mndd.
Schuko m. 'elektrische Steckverbindung’. Ini¬ schummer). Wohl mit Vokalabwandlung zu
tialwort aus Schutzkontakt. schimmern (s. d.).
Schuld/. Mhd. schulde, schult, ahd. sculd(a), A. Bretschneider in: Maurer/Stroh (1943), III, 121.
as. skuld aus g. *skuldi- f 'Schuld’, auch in Schund m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Die älteste
anord. skyld , ae. scyld, afr. skelde. Verbalab¬ Bedeutung ist 'Unrat, Kot’, so daß das Wort
straktum zu dem in sollen (s. d.) vorliegenden mit schinden (s. d.) 'abdecken’ in der Weise in
Verb. Dessen Ausgangsbedeutung ist 'schul¬ Verbindung gebracht werden kann, daß der Ab¬
den’, so daß das Nomen ursprünglich 'das Ge¬ decker zugleich Kloakenreiniger war. Also:
schuldete’ bedeutet. Außergermanisch ent¬ 'Abfall beim Abdecken’, 'Kot’, und dann die
spricht lit. skolä 'Schuld’. heutige Bedeutung.
Nndl. schuld, nschw. nisl. skyld. S. Schultheiß, sollen.
schunkeln swV. Bezeugt seit dem 18. Jh. Nasa¬
- Behaghel (1923/32), I, 6; Kluge (1926), 66f.
lierte Variante zu schaukeln (s. Schaukel).
schuld Adj. Aus dem Substantiv in prädikati¬
Schupf m., s. Schubs.
ver Stellung hervorgegangen. Dabei ist schwz.
tschuld (u. ä.) wohl nicht Rest des Artikels oder Schupo m. 'Polizist’, arch. Abkürzung von
falsche Ablösung aus ist schuld, sondern Rest Schutzpolizist.
der Präposition ze 'zu’. Schuppe /. Mhd. schuop(e), ahd. scuoba,
Schuldbrief m., s. Brief. mndd. schove. Ursprünglich von den Schuppen
des Fischs, die abgeschabt werden, also eine
Schule f. Mhd. schuol(e), ahd. scuola, mndd.
dehnstufige Ableitung zu schaben (s. d.).
schole(n), mndl. sc(h)ole, scool. Wie ae. scolu,
S. auch Schubbejack. — Lühr (1988), 301 f.
anord. sköli entlehnt aus 1. schola, als dessen
Vokal bereits gedehnt war. Spätlateinisch be¬ Schüppe /., s. Schippe.
deutet das Wort auch 'Kriegerhaufe’, worauf Schuppen m. Im 17. Jh. aus mittel- und nie¬
unser Schule 'Schwarm’ zurückgeht. Das latei¬ derdeutschen Mundarten übernommen. Die
nische Wort geht zurück auf gr. schole 'Lehran¬ hochdeutsche Entsprechung ist Schopf (s. d.).
Schur 656 Schütterumpf

auch Schupfen (bair.). Vgl. ae. scypen f. 'Stall’ früh entlehnt aus 1. scutela 'Trinkschale’, einer
und Schober zur weiteren Verwandtschaft. Verkleinerung zu 1. scutra 'flache Schüssel .
Lühr (1988), 238f. R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 367f.

Schur /., fachsprachl. Mhd. schuor m. Ab¬ schusseln swV. 'hastig rennen, gleiten’, ugs.
straktum zu scheren1 (s. d.) mit Veränderung Wie Schusser 'Schnellkügelchen’ Intensivbil¬
der Vokals vor r. dungen zu schießen (s. d.) bzw. zu Schuß.

schüren swV. Mhd. schürn 'das Feuer durch Schusser m., s. schusseln.
stochern zum Auflodern bringen’. Herkunft un¬ Schuster m. Vereinfacht aus mhd. schuohsü-
klar. Vielleicht zu mhd. schürgen, schurgen, ahd. tcere, schuohsüter, aus Schuh (s. d.) und dem
scurgen, scurgan 'anstoßen, stoßen’ (das formal Lehnwort mhd. sü(s)ter, ahd. sütäri, süter, ae.
eine Erweiterung mit g sein müßte), vgl. ae. sütere, anord. sütari aus 1. sütor 'Flickschuster’.
scorian 'zurückweisen’, mhd. schorn 'fortschie¬ Auf Schusters Rappen für 'zu Fuß’ ist ein altes
ben, zusammenschieben’. Weitere Herkunft un¬ Scherzwort (17. Jh.), schon früher der zwelfbo-
klar. ten pfert riten 'das Pferd der Apostel reiten’
S. schurigeln, Schurke. u. ä.
schürfen swV Mhd. schür(p)fen, ahd. scurfen Schute1 /. 'Schiff, fachsprachl., ndd. Ndd.
'aufschneiden, ausweiden’. Wohl zu ae. sceor- schüte, mndl. sc(h)ute. Der Schiffstyp ist be¬
pan stV. 'schaben, schneiden, schmerzen’. Da zeugt seit dem 13. Jh. Herkunft unklar. Kaum
die Bedeutungen weit auseinanderfallen, ist eine zu schießen (s. d.).
etymologische Beurteilung unsicher. Letztlich Schute2/. 'Spaten’, wndd. Mndd. schüte. Her¬
wohl zu *sker- 'schneiden’ (s. scheren1)-, auf kunft unklar.
gleicher Wurzelstufe vielleicht mir. cerbaim 'ich Schutt m. Bezeugt seit dem 15. Jh. Rückbil¬
schneide’. dung zu schütten (s. d.). Zunächst für Aufschüt¬
S. auch scharf ( + ), Scherbe, Scherflein, schroff. — tungen bei Befestigungen, Anschwemmungen
Lühr (1988), 362f. u. dgl., erst nachträglich für 'Trümmer, Abfall’.
schurigeln swV. 'quälen’, ugs. Bezeugt seit S. Schotter.
dem 17. Jh. Vermutlich umgestaltet aus schur-
schütteln swV. Mhd. schütelen, schütteln, ahd.
geln, das als Iterativ zu schürgen 'stoßen’ (s.
scutilon. Iterativbildung zu schütten (s. d.).
schüren) gehört.
schütten swV. Mhd. schüt(t)en, ahd. scutten,
Bahder (1925), 77.
as. skuddian, wie afr. skedda ein Ausdruck für
Schurke m. Bezeugt seit dem 15. Jh. Herkunft heftige Bewegungen, wie 'stoßen, mit Schwung
unklar; doch läßt sich vielleicht ahd. fiur-scurgo ausschütten u.ä’. Eine Intensivbildung dazu ist
'Feuerschürer’ (s. schüren) als Bezeichnung des (er)schüttern, eine Iterativbildung schütteln.
Teufels damit in Verbindung bringen. Die Ent¬ Herkunft unklar. Semantisch kann einerseits
wicklung des Auslauts wäre in diesem Fall un¬ eine Auslautvariante zu schieben und schießen
gewöhnlich, aber im Rahmen des Erklärbaren. vorliegen; andererseits steht 1. quatere 'schüt¬
Schurz m., Schürze /. Mhd. schürz-, weiter teln, erschüttern, stoßen’ sehr nahe (lautlich
verbreitet ist das Femininum (hochdeutsch erst müssen hier aber bei einem Vergleich Zusatzan¬
seit dem 17. Jh.): mndd. schorte, mndl. nahmen gemacht werden).
sc(h)orte, ae. scyrte f. 'Hemd’, anord. skyrta f. S. diskutieren ( + ), Schutt, Schütterumpf, schützen.
(vielleicht aus dem Englischen entlehnt, sicher schütter Adj. Mit Rundung aus mhd. schi-
aber Ausgangspunkt für me. skirt 'Rock’). Sub¬ ter(e), ahd. sketari, skiteri 'dünn’. Außergerma¬
stantivierungen zu dem Adjektiv g. *skurta- nisch vergleichen sich ai. chidrä- 'durchlöchert’,
'kurz’, bezeugt in ahd. scurz, scurt, ae. scort; gr. skidarös 'dünn, gebrechlich’ (Glossenwort)
hierzu auch schürzen, mhd. schürzen, mndd. und vielleicht lett. skidrs 'undicht’ (der altindi¬
schorten, afr. skerta, ae. scyrtan 'kürzen’, spe¬ sche und der lettische Anlaut passen nicht zu¬
ziell 'das Unterteil des Gewands in den Gürtel einander). Weitere Herkunft unklar. Vielleicht
stecken, um es zu kürzen’. Sicher eine Erweite¬ zu *skei-d- 'scheiden, trennen’ (s. scheißen und
rung zu ig. *sker- 'schneiden’; es gibt außerger¬ scheiden).
manische Vergleichsmöglichkeiten auf gleicher
Schüttcrumpf m. 'Komtrichter in der Mühle’,
Wurzelstufe, doch liegen sie in der Bedeutung
arch. Zu schütten (s. d.) und Rumpf (s. d.), das
so weit ab, daß ein Zusammenhang nicht nahe¬
niederdeutsch die Bedeutung 'Korntrichter’
liegt.
haben konnte. Im 17. Jh. (niederdeutsch) für
S. scheren' ( + ), Shorts. eine Bahre, aus der Pestleichen ohne berührt zu
Schüssel /. Mhd. schüzzel(e), ahd. scuzzila, werden, ins Grab geworfen werden konnten.
as. skutala. Wie ae. scutel, anord. skutill m. Von Raabe in seinem Roman Schüdderump
Schütz 657 Schwalch

nach Vorbild italienischer Pestkarren als Lei¬ Schwadron/. (= die kleinste Einheit der Ka¬
chenkarren aufgefaßt.
vallerie), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
Schütz n., s. schützen. gleichbedeutend it. squadrone (dass., wörtlich:
Schütze m. Mhd. schütze, ahd. scuzzo, mndd. 'großes Viereck’), einer Augmentativbildung zu
schütte aus wg. *skut-jön m. 'Schütze’, auch in it. squadra 'Viereck’, aus 1. quadrum n. (dass.),
ae. scytta, afr. sketta\ anders gebildet ist anord. zu 1. quattuor 'vier’. Ursprünglich so bezeichnet
skyti (n-Stamm). Zu schießen (s. d.). Zu der als 'im Viereck aufgestellle Mannschaft’. Davon
Sonderbedeutung in ABC-Schütze (s. d.). schwadronieren 'planlos um sich schlagen’. In
der Bedeutung 'lebhaft und wortreich erzäh¬
schützen swV. Mhd. schützen 'dämmen,
len unter Einfluß von d. schwaderen 'viel
stauen, hindern’, daraus sekundär die heutige schwatzen’.
Bedeutung. Zusammen mit mndd. schütten, ae.
Etymologisch verwandt: s. Quadrant.
scyttan Intensivbildung zu schießen (s. d.). Die
schwadronieren swV. 'lebhaft und wortreich
Bedeutungen dieser Untergruppe fallen stark
erzählen, mit dem Degen wild, planlos um sich
auseinander. Eine Gruppe bildet mit Schütz 'be¬
hauen, eine Schar bilden, umherziehen’, s.
wegliches Mühlenwehr’, ndd. Schott (sowie mit
Schwadron.
einlachem Auslaut Schoßgatter 'Fallgatter,
Schutzgatter in einem Gewässer u. ä.’) Bezeich¬ Schwager m. Mhd. swäger, ahd. swägur, swä-
nungen für Absperrungen, hauptsächlich von ger, mndd. swager. Zugehörigkeitsbildung mit
Wasser. Eine andere führt zu 'schützen’ und Vriddhi (Dehnstufe) zu Schwäher (s. d.), Bedeu¬
(ebenfalls sehr früh) 'vorschützen’. Einwirkung tung also 'Sohn des Schwiegervaters’. Die vor¬
von schütten (s. d.) und evtl, einer Bildung *scu- wiegend studentische Bedeutungsausweitung
tison im Sinne von 'einen Schutzwall aufschüt- beginnt mit 'Bruder der Geliebten’, wird dann
ten’ sind nicht ausgeschlossen. Außerdem zur Anrede für Nichtstudenten, speziell zur Be¬
zeichnung des Postillons.
schützen 'hochwerfen’, ndd. schütten 'pfänden
u. ä.’. Die Einzelheiten bedürfen noch der Auf¬ F. Debus DWEB 1 (1958), 52-57; Darms (1978),
7-12.
klärung.
S. schütten ( + ), verschütt gehen. — Lühr (1988), 259f. schwafeln swV., ugs. Zunächst mundartliches
Wort in verschiedenen Varianten. Herkunft un¬
schwabbeln swV., ugs. Auch in hochdeutscher klar.
Form als schwappein. Iterativbildung zu
Schwäher m. 'Schwiegervater’, arch. Mhd.
schwappen (s. d.).
sweher, ahd. swehur, sweger, swer, mndl. sweer
Schwabe /. 'Küchenschabe’, reg. Bezeugt seit aus g. *swehura- m. 'Schwiegervater’, auch in
dem 17. Jh. Entsprechend venez. sciavo 'Slave’ gt. swaihra (das allerdings von der femininen
(wohl älteste Bezeichnung dieser Art), sonst Entsprechung beeinflußt ist), aschw. sver, ae.
nhd. auch Russe, russ. prusäk 'Preuße’, poln. sweor m.lf., afr. in swiäring 'Schwiegersohn
francuz 'Franzose’, poln. prusak 'Preuße’. Wo¬ u. a.’. Dieses aus ig. *swekuro- m. 'Schwiegerva¬
her der Anstoß für diese spöttische Bezeichnung ter’, auch in ai. sväsura-, gr. hekyrös, 1. socer,
mit Völkernamen kommt, ist unklar. kymr. chwegrwn (vom Femininum beeinflußt),
schwach Adj. Mhd. swach, mndd. swack, lit. sesuras, akslav. svekrü. Das entsprechende
Femininum siehe unter Schwieger. Weitere Her¬
mndl. swac. Vgl. mndd. swaken, sweken
kunft unklar. Durch den Zusammenfall von
'schwach werden, schwanken’, norw. (dial.) sva-
Schwäher und Schwieger in einigen Mundarten
g(r)a 'schwanken, schlenkern’, also eigentlich
werden Verdeutlichungen üblich, die dann als
'biegsam, schwankend u.ä’. Ähnlich schwanken
Schwiegervater und Schwiegermutter die alten
(s. d.) und schwingen (s. d.), sonst keine genaue
Formen verdrängen.
Vergleichsmöglichkeit.
S. auch Schwager, Schwieger. — F. Debus DWEB
Nndl. zwak. — Lühr (1988), 167. 1 (1958), 18-24; Müller (1979), 121 -179.
Schwade /., reg. Mhd. swade m.lf., mndd. Schwaige /. 'Viehhof, bair.-österr. Mhd.
mndl. swade. In der Bedeutung abweichend afr. sweig(e), ahd. sweig(a). Herkunft unklar.
swethe, swithe 'Grenze’, ae. swapu 'Stapfe, Spur, Schwalbe /. Mhd. swalwe, sw albe, ahd. swa-
Pfad’, anord. svpöusär 'Streifwunde’, anord. lawa, swalbe, as. swala (mndd. swale m.jf,
svaö n. 'schlüpfrige Stelle’. Herkunft unklar. mndl. swaluwe, zwaluwe u. ä.) aus g. *swalwön
Nndl. zwade. f. 'Schwalbe’, auch in anord. svala, ae. swealwe,
Schwaden m. Mhd. mndd. swadem, swaden\ afr. svala. Weitere Herkunft unklar.
vgl. ae. swapul 'Flamme, Glut’. Zu ahd. sweden Nndl. zwaluw, ne. swallow, nschw. nisl. svala.
'wärmen’ und ahd. swedan stV. 'verbrennen’ Schwalch m. 'Öffnung des Schmelzofens’,
(das aber ganz unsicher bezeugt ist). Vielleicht arch. Aus mhd. swalc(h) 'Schlund’ zu schwelgen
weiter zu anord. sviöa 'brennen, braten’. (s. d.).
schwalken 658 Schwarm

schwalken swV. dampfen, rauchen’, wndd. schwerfällig’, auch in ae. swangor 'schwer,
Weiterbildung zu schwelen (s. d.). schwerfällig’. Außergermanisch vergleicht sich
wohl lit. sunküs 'beschwerlich’ zu lit. suhkti
Schwall m. Mhd. swal. Die Ausgangsbedeu¬
'schwer werden’. Die morphologischen und se¬
tung ist 'Höhe’, dann 'hohes Wasser (u. ä.)\
mantischen Einzelheiten sind aber nicht ausrei¬
Damit zu schwellen (s. d.).
chend geklärt.
Schwamm m. Mhd. ahd. swam(p), swamme,
Schwank m. S. Schwang. Die Bedeutung ist
mndd. swam(p)\ vgl. gt. swamm, anord. sopper,
zunächst 'Schwung, Hieb’, dann entsprechend
svpppr (Auslaut untypisch) 'Ball’, ae. swamm.
zu Streich 'Possen’ und schließlich 'Erzählung
Lautlich genau ließe sich vergleichen gr. som-
eines Streichs’ und allgemein 'lustige Ge¬
phös 'schwammig, locker’; doch ist in Anbe¬
schichte’.
tracht des lautlich ähnlichen gr. spöngos
'Schwamm’, 1. fungus 'Pilz’, die als Lehnwörter schwank Adj. 'schwankend, beweglich, dünn’,
aus einer unbekannten Sprache gelten, nicht arch. Mhd. swanc, mndd. swank, vgl. ae.
mit einem Erbwort zu rechnen. swancor 'geschmeidig’ und mit Auslautvariation
S. aufschwemmen, Schwammerl. anord. svangr 'dünn, schmal, verhungert’.
Außergermanisch vergleicht sich vielleicht air.
Schwammerl n. 'Pilz’, bair. Diminutivform zu
seng 'eng, schlank’. Weiter zu schwach, schwin¬
Schwamm (s. d.), in der die alte Nebenbedeu¬
gen, schwanken mit unterschiedlichem Wahr¬
tung 'Pilz’ sich gehalten hat.
scheinlichkeitsgrad .
Schwan m. Mhd. swan(e), ahd. swan(o), as.
schwanken swV. Spmhd. mndl. swanken. Wie
swan aus g. *swana- m. 'Schwan’, auch in anord.
schwenken (s. d.) abgeleitet von schwank (s. d.).
svanr, ae. swan. Vermutlich benannt nach sei¬
Heute ist schwanken intransitiv, schwenken
nem Geschrei (evtl, zunächst nur auf den Sing¬
transitiv, doch hat sich dieser Unterschied erst
schwan bezogen) zu ig. *swen- 'tönen’ in ai.
allmählich herausgebildet.
svan- 'tönen’, 1. sonus 'Schall’, air. sennim 'Spie¬
S. auch schwach, Schwanz, Sumpf.
len, Tönen’, air. senn- 'ein Instrument spielen,
Musik machen’, ae. swin(n) 'Musik, Gesang’. Schwanz m. Mhd. swanz. Rückbildung zu
Nndl. zwan, ne. swan, nschw. svan, nisl. svanur. mhd. swanzen, das (als swankezeri) eine Inten-
sivbildung zu schwanken (oder evtl, schwingen)
schwanen swV., ugs. Bezeugt seit dem 16. Jh.,
ist. Ausgangsbedeutung ist also 'was sich hin-
zunächst vor allem bei lateinkundigen Schrift¬
und herbewegt’ (zunächst etwa auch von der
stellern. Deshalb ist die naheliegende Erklärung
Schleppe eines Kleides u. ä. gesagt).
einer falschen Ablösung von es wänet mir (es
S. schwanken (+), schwänzen.
Genitiv) zu wähnen (s. Wahn) wohl nicht zutref¬
fend, sondern mit einem Humanistenscherz (1. schwänzen swV. 'dem Unterricht u. ä. fem-
olor 'Schwan’ — 1. olere 'riechen’, auch 'etwas bleiben’, ugs. Im 18. Jh. in der Studentenspra¬
wittern, vorausahnen’) zu rechnen. Die Wen¬ che aufgekommen durch Spezialisierung aus
dung Schwansfedern bekommen in gleicher Be¬ schwänzen 'bummeln’. Dieses stammt aus dem
deutung baut wohl nur das Bild aus. Rotwelschen, in dem mhd. swanzen, swenzen (s.
S. Singer ZDW 3(1902), 234; A. Lindquist BGDSL Schwanz) aus 'hin- und herbewegen’ zu 'schlen¬
38 (1913), 329-333; A. Lindquist BGDSL 39(1914), dern, gehen, über Land gehen’ geworden war.
398 — 402; W. Krogmann IF 64 (1958), 34 — 38. Wolf (1985), 304.
Schwanengesang m. 'letzte Dichtung eines schwappen swV-, Bezeugt seit dem 16. Jh. zu¬
Dichters’, sonder spracht. Bezeugt seit dem 16. sammen mit der Interjektion schwapp-, vermut¬
Jh. Der Ausdruck beruht auf dem seit der An¬ lich beeinflußt von schweben (s. d.).
tike bezeugten Glauben, der Schwan singe bei S. auch schwabbeln.
seinem Tod. schwären swV., früher stV, arch. Mhd. swern,
Schwang m. Mhd. swanc, ahd. (hina-)swanch, ahd. sweran, mndl. sweren. Außergermanisch
mndd. swank, mndl. swanc aus wg. *swangwi- vergleichen sich vereinzelte Bildungen, die hier
m. 'Schwung’, auch in ae. sweng, afr. swang, angeschlossen werden können: avest. x'ara-
sweng. Abstraktbildung zu schwingen (s. d.). 'Wunde, Körperverletzung’, kslav. chyra 'Ge¬
Heute nur noch in festen Wendungen (im brechlichkeit, Krankheit’, air. serb, kymr.
Schwang(e) sein usw.). Die Form mit Auslaut¬ chwerw 'bitter, scharf.
verhärtung hat sich in Schwank durchgesetzt, Nndl. zweren. S. Geschwür, schwierig.
dessen Bedeutung sich ähnlich wie Streich ver¬ Schwarm m. Mhd. ahd. as. swarm, aus g.
schoben hat.
*swarma- m. 'Bienenschwarm, Taumel u. ä.’,
S. schwingen ( + ). auch in anord. svarmr, ae. swearm. Abgeleitet
schwanger Adj. Mhd. swanger, ahd. swangar, von einer zu schwirren (s. d.) ähnlichen Schall¬
mndd. swanger aus wg. *swangra- Adj. 'schwer. wurzel. In der Bedeutung 'Idol, Angebetete(r)’
schwärmen
659 schweigen

ist Schwann eine Rückbildung zu schwärmen


schweifen’, afr. swivia 'schweifen, schwanken’.
(s. d.).
Ähnliche Bedeutungen auf einer Grundlage
schwärmen swV. Mhd. swarmen, swermen, zu¬ *swei- sind auch sonst zu Finden. Vgl. im Deut¬
nächst vor allem von den Bienen gesagt (und schen Schweif, schweifen.
damit zu Schwarm [s. d.] gehörig). In der Refor¬ Nndl. zweven. S. auch schwappen.
mationszeit wird so das Auftreten der überhand Schwede/. 'Wundpflaster’, arch. Mhd. swede
nehmenden und aufdringlichen Sektierer ge¬ f/n.(?), mndd. swede', daneben ahd. swedil
nannt, ebenso werden diese als Schwärmer, m.(?), ae. swepel m. 'Binde, Wickel’, zu ae.
Schwarmgeister u. ä. bezeichnet. Aus diesem sweöian 'binden, einwickeln’. Weitere Herkunft
Zusammenhang bekommt das Verb die Bedeu¬ unklar.
tung sich auf wirklichkeitsferne Weise für etwas
Schwefel m. Mhd. swebel, swevel, ahd. swebal,
begeistern’, im heutigen Sinn etwa seit dem 18.
sweval, as. swebal, entsprechend ae. swef(e)l,
Jh. Noch jünger die Übertragung auf Personen gt. swibls. Gehört ersichtlich zu 1. sulphur n.
('schwärmerisch verehren’). gleicher Bedeutung, doch ist es wohl müßig,
Schwarte /. Mhd. swart(e), mndd. swarde, eine voreinzelsprachliche Ausgangsform zu re¬
swarte, mndl. swaerde aus g. *swardu- m. konstruieren (*swelplos o. ä.). Die Wörter dürf¬
Schwarte , auch in anord. svprör, ae. sweard, ten aus einer unbekannten Sprache entlehnt
atr. swarde f. Die Bedeutung ist zunächst 'be¬ sein.
haarte Kopfhaut, dann auch die Schwarte am Schwefelbande /., ugs. Im 18. Jh. in Leipzig
Speck u. ä. . Seit dem 17. Jh. auch für alte und Halle Name einer als roh berüchtigten Stu¬
Bücher (nach dem ursprünglichen Lederein¬ dentenverbindung. Auch Spottwort für nicht¬
band). Das Femininum nur kontinental, wohl schlagende Verbindungen. Benennungsmotiv un¬
durch Umbildung der Flexionsklasse. Weitere klar.
Herkunft unklar. A. Götze ZDW8 (1906), 102f.; Ladendorf (1906), 283f.
Nndl. zwoord, ne. sward, nisl. svöröur. Schwegel/ Flöte’, arch. Mhd. swegel(e), ahd.
schwarz Adj. Mhd. ahd. swarz, as. swart aus swegala, swegel. Vergleichbar sind ae. swegelhorn
g. *swarta- Adj. 'schwarz’, auch in gt. swarts und gt. swiglon 'pfeifen’, gt. swiglja 'Pfeifer’. Her¬
kunft unklar.
(in swartizl 'Tinte’), anord. svartr, ae. sweart.
Eine schwundstufige Bildung liegt wohl vor in Schweif m., sonder spracht. Mhd. sweif
anord. sortna 'schwarz werden u. ä.’. Außerger¬ 'Schwingen, Schwung’ (Verbalabstraktum zu
manisch vergleicht sich vielleicht 1. sordes schweifen, s. d.) mit verschiedenen Sonderbedeu¬
'Schmutz’, 1. sordidus 'schmutzig u. ä.’. Weitere tungen, von denen sich 'Schwanz’ durchgesetzt
Herkunft unklar. Zu schwarz 'heimlich, illegal’ hat. Die omd. Form Schwof hat sich im 19.
s. schwärzen. Jh. durch Leipziger und Haller Studenten als
salopper Ausdruck für 'Tanz’ durchgesetzt. Vgl.
Nndl. zwart, ne. swart, nschw. svart, nisl. svartur. —
auch ohne Umschweife 'geradeaus, geradenwegs’
Schwentner (1915), 4—14.
(ohne Hin- und Herbewegen).
schwärzen swV. 'schmuggeln’, obd. Offenbar S. schweben.
aus dem Rotwelschen, in dem im 18. Jh. To-
schweifen swV., früher stV, sondersprachl.
backsschwarzer 'Tabakschmuggler’ bezeugt ist.
Mhd. ahd. sweifen, as. swepan aus g. *swaip-a-
Gemeint ist mit schwarzen, schwerzen offen¬ stV. (reduplizierend) 'schwingen’, auch in anord.
bar 'etwas bei Nacht tun’ (zu swerze 'Nacht’ sveipa (mit verschiedenen Nebenformen), ae.
im Rotwelschen des 14. Jhs.). Auf neuere swäpan, afr. swepene 'das Fegen’. Neben anderen
Verhältnisse übertragen erscheint das Adjek¬ Wörtern mit ähnlicher Bedeutung auf einer
tiv in schwarzer Markt, Schwarzschlachtung, Grundlage *swei- (avest. xsuuaeßa- 'schnellend,
Schwarzarbeit u. ä. auch allgemein schwarz schwingend’, lett. sväipit 'peitschen’), aber ohne
(s. d.) für 'illegal erstanden’ u. ä. genauere Vergleichsmöglichkeit.
schwatzen swV., schwätzen swV. Bezeugt seit Ne. swoop. S. schweben, Schweif.
1400. Herkunft unklar. Ähnlich sind mhd. schweigen stV, früher swV. Mhd. swigen, ahd.
swateren 'rauschen, klappern’ und spmhd. swet- swigen, as. swigon aus wg. *swigä- swV. 'schwei¬
zen, swatzen 'plaudern’. gen’, auch in ae. swigian. Altes Durativum, neben
dem in ahd. gisweigen, mhd. sweigen 'zum
schweben swV. Mhd. sweben, ahd. sweben,
Schweigen bringen’ ein Kausativum bezeugt ist.
mndd. mndl. sweven aus wg. *swib- swV. 'schwe¬
Vermutlich zu ahd. swinan 'verschwinden, abneh¬
ben’, auch in ae. forpswebbian, forpswefian
men’, aber ohne weitere Vergleichsmöglichkeit
'Glück haben’. Wohl Durativum zu einem Verb, (gr. sige 'Schweigen’ ist lautlich auf jeden Fall
das sich weder lautlich noch semantisch genau unklar).
fassen läßt. Vgl. ahd. swebön 'wogen, bewegen, Nndl. zwijgen. — J. Knobloch in: FS Ölberg (1987),
rollen’, anord. svifa, ae. swifan stV. 'umher¬ 11-14.
660 Schwengel
Schwein

Schwein n. Mhd. ahd. as. swln aus g. *swlna- schwelen swV. Im 18. Jh. ins Hochdeutsche
n. 'Schwein’, auch in gt. swein, anord. svin, ae. übernommen aus ndd. mndd. swelen. Vergleich¬
afr. swln. Eine Erweiterung (Zugehörigkeits¬ bar sind ae. swelan (stV?) 'schwären’, ahd.
bildung) zu Sau (s. d.), vergleichbar mit 1. süs erswelan (stV. ?) warm werden, ahd. swilizon
(-ids) m.jf, gr. sys f-yös) m./f, akslav. svinü 'brennen’, ae. swälon 'versengen, verbrennen ,
'schweinern’. Die Bedeutungsentwicklung ist anord. svcda durch Rauch ersticken . Außerger¬
über 'zum Schwein gehörig’ — 'Ferkel’ — manisch vergleichen sich lit. svelti sengen,
'Schwein’ gegangen. Schwein haben 'Glück schwelen’, gr. helios 'Sonne(nhitze). Weiter viel¬
haben’ geht vielleicht auf den Brauch zurück, leicht zu dem /-Stamm von Sonne (s. d.). Als
dem Schlechtesten bei einem Schützenfest oder Erweiterung vgl. schwalken.
Wettrennen ein Schwein als Trostpreis zu geben. S. auch Schmerz, schwalken, schwül.
Nndl. zwijn, ne. swine, nschw. svin, nisl. svin. S. Sau. — schwelgen swV, früher stV. Mhd. swelgen,
Kluge (1926), 30f.; H. Rosenfeld AK 52(1970), 66f. swelhen, ahd. swelgan, swelahan, mndd. swelgen,
Schweinigel m., ugs. Volkstümliche Bezeich¬ swelligen, mndl. swelgen aus g. *swelg-a- stV.
nung mancher Igel nach der Form der Schnauze 'verschlingen’, auch in anord. svelga, ae. swelgan.
(gegenüber Hundsigel); bezeugt seit dem 17. Jh.; Falls die deutschen Nebenformen mit Ih alt sind,
heute vorwiegend als Schimpfwort gebraucht. ist allgemein der grammatische Wechsel verallge¬
meinert worden. Es kann aber auch sein, daß
Schweiß1 m. 'Ausdünstung’. Mhd. ahd. sweiz,
allgemein lg zugrundeliegt und die deutschen
as. swet aus wg. *swaita- m. 'Schweiß’, auch in
Formen mit Ih auf unregelmäßiger Variation be¬
ae. swät n., afr. swet; daneben als «-Stamm an¬
ruhen. Keine genauep Vergleichsmöglichkeiten.
ord. sveita 'schwitzen’. Aus ig. *swoid-/sweid- in
Eine unerweiterte Grundlage könnte vorliegen
ai. sveda-, gr. hidos n„ 1. südor, kymr. chwys, lett.
in avest. xvaraiti 'genießt, verzehrt, ißt, trinkt’.
sviedri. Zu dem unter schwitzen (s. d.) behandel¬
Die heutige Bedeutung entstand im Frühneu¬
ten Primärverb.
hochdeutschen aus 'unmäßig essen und trinken’.
Nndl. zweet, ne. sweat, nschw. svett, nisl. sveita. S.
schwitzen, Sweater (+). Nndl. zweigen, ne. swallow, nschw. svälja, nisl. svelgja.
S. Schwalch.
Schweiß2 m. fachsprachl. In den Formen
Schwelle f. Mhd. swelle, auch «., ahd. swelli n.,
gleich wie Schweiß1 (s. d.), bezeugt im Nordi¬
swella als Bezeichnung verschieden verwendeter
schen, Englischen und der deutschen Weid¬
mannssprache. Hierzu Schweißwurst 'Blutwurst’, Balken. Daneben mit anderer Ablautstufe anord.
Schweißhund 'Jagdhund’. Ein Bedeutungsüber¬ svill, ae. syll, mndd. sul(le), sille m., auch anord.
gang läßt sich nicht ohne weiteres ansetzen; des¬ svalar PI. 'Balkon’. Herkunft unklar. Bezeich¬
halb ist es beachtlich, daß auch das Griechische nungen für 'Balken u. ä.’ beruhen mehrfach auf
ein zweites Wort für 'Blut’ hat, das mit dem einer Grundlage *sel-, zu der das germanische
germanischen Wort teilweise übereinstimmen Wort reimen würde. Gr. selma n. PI. 'Balken’ ist
könnte, nämlich gr. hatma n., das auf *swai-men- lautlich unklar.
zurückgehen könnte (es gibt allerdings keine po¬ schwellen st V. Mhd. swellen, ahd. as. swellan
sitiven Hinweise für diesen Anlaut). Auch die aus g. *swell-a- st V. 'schwellen’, auch in anord.
weitere Herkunft wäre unklar. svella, ae. swellan, afr. swella; gt. in ufswalleins
S. Anämie (+). — Silfwerbrand (1958), 90 — 94. 'Aufgeblasenheit, Hochmut’. Herkunft unklar.
Ansprechend wäre ein Vergleich mit 1. insolescere
schweißen swV. 'Metallstücke in Weißglut ver¬
binden’. Mhd. sweizen, ahd. sweizen 'braten, rö¬ 'schwellen, unverschämt werden’.
sten’. Hierzu vielleicht mit Auslautvariation an¬ Nndl. zwellen, ne. swell, nschw. svälla, nisl. svella. S.
Geschwulst, Schwall, Schwiele, Schwulst.
ord. sviöa stV. 'brennen, braten’; ferner avest.
xvaena- 'glühend (von Metall)’. Ein weiterer An¬ schwemmen swV. Mhd. mndd. swemmen,
schluß an Schweiß' und schwitzen ist denkbar, swommen, swummen stV./swV, mndl. swemmen.
hegt aber nicht nahe. Wie ae. swemman ein Kausativum zu schwimmen
(s. d.); Ausgangsbedeutung also 'schwimmen
Schweizer m. Seit dem 14. Jh. (swizer), zu¬
lassen’.
nächst als Einwohner der Schweiz, dann für ver¬
schiedene Berufe, für die die Schweizer bekannt Schwende/. 'Rodung’, obd. Mhd. swende, ahd.
waren 'Türhüter (beim Papst)’ (16. Jh.), 'Beauf- swendi. Rückbildung zu mhd. 'durch Absterben¬
sichtiger der Kühe’ (17. Jh.), vgl. Stallschweizer lassen der Bäume roden’, ahd. -swenten 'vernich¬
u. ä. Zum Ländernamen Schweiz. ten’. Kausativum zu schwinden (s. d.).

Schweizerdegen m., fachsprachl. Im 16. Jh. Schwengel m. Mhd. swenkel, mndd. mndl.
'zweihändiges Schwert der Schweizer Söldner’, swengel. Instrumentalbildung zu mhd. swengen
danach im 18. Jh. übertragen auf einen 'Schrift¬ (dafür in der Regel swenken, s. schwenken),
setzer, der zugleich drucken kann’. Kausativum zu schwingen (s. d.). Also 'etwas.
schwenken 661 schwindeln

das zum Schwingen gebracht wird, oder das


sweostor. Mit /-Einschub zwischen j und r aus
schwingt’.
ig. *swesor-, auch in ai. sväsar-, toch. A. sar,
Nndl. zwengel. S. Galgenschwengel, Ladenschwengel, toch. B. ser, gr. heor 'Tochter, Verwandte’ (Glos-
schwenken, schwingen ( + ).
senwort), 1. soror, air. siur, kymr. chwaer, lit.
schwenken swV Mhd. ahd. mndl. swenken sesuö, akslav. sestra. Weitere Herkunft unsicher.
schwanken’, mndd. swengen. Wie ae. töswengan Nndl. zuster, ne. sister (entlehnt), nschw. syster, nisl.
zerstreuen , afr. swanga, swinga, swenga begie¬ systir. S. Cousin, Geschwister.
ßen’, gt. afswaggjan 'verzweifeln’ Kausativum Schwibbogen m. 'bogenförmige Wölbung’,
zu schwingen (s. d.) mit unregelmäßiger Auslau¬ fachsprachl. Mhd. swiboge, ahd. swibogo. Ver¬
tentwicklung. Vermutlich ist ein Faktitivum zu mutlich mit Silbenschichtung auf *swibi-bogo
dem Adjektiv mndd. swanc (s. schwanken) mit 'Schwebe-Bogen’.
dem Wort vermischt worden.
Schwieger /., arch. Mhd. swiger, ahd. swigar,
Nndl. zwenken. S. Schwengel ( + ), schwingen ( + ).
mndd. sweger-, mndl. sweger aus g. *swegrö f.
schwer Adj. Mhd. swäre, swcere, ahd. swäri, as. (Stammbildung unsicher), auch in gt. swaihro,
swär aus g. * swäri/ja- Adj. 'schwer, gewichtig’, anord. svara, ae. sweger. Dieses aus ig. *swekrü-
auch in gt. swers 'geachtet’, anord. svär, ae. f. 'Schwiegermutter’, auch in ai. sväsura- m.
swäre, afr. swer 'schwer’. Außergermanisch ver¬ 'Schwiegervater’, gr. hekyrä, 1. socrus, kymr.
gleicht sich lit. svarüs 'schwer' zu lit. sverti 'wä¬ chwegr, akslav. svekry. Femininum zu Schwäher
gen, wiegen’ und evtl. russ. osver 'Hebel’. Weitere (s. d.), wobei unklar ist, welches der beiden Wör¬
Herkunft unklar. ter als das primäre anzusehen ist. Im 14. Jh.
Nndl. zwaar, nschw. svär. S. schwierig. fallen swiger und sweher regional zusammen und
Schwerenöter m., ugs. Als Schimpfwort be¬ werden darauf differenziert mit swegerherre, swe-
zeugt seit dem 18. Jh. Die schwere Not ist zu¬ gerfrouwe. Darauf, wohl im Anschluß an sweger¬
nächst wörtlich zu nehmen (etwa als Geburtswe¬ herre und vater, swegerfrouwe und mueter entste¬
hen), wird dann aber zu einer Bezeichnung der hen Schwiegervater und Schwiegermutter, die für
Fallsucht (Epilepsie). Da man dieses Leiden nach die Bezeichnungen der Heiratsverwandtschaft
der Volksmeinung anwünschen konnte, sind Ver¬ ausschlaggebend werden (vgl. Schwiegersohn,
wünschungen, die die schwere Not über jeman¬ Sch wiegert och ter).
den bringen (oder sie nur nennen) verhältnismä¬ F. Debus DWEB 1 (1958), 10-18; Müller 1 (1979),
ßig häufig. Deshalb Schwerenötern 'fluchen’ und 121-179.
Schwerenöter am ehesten 'jmd., der die ganze Schwiele/. Mhd. swil m.jn., ahd. swil n., swilo
Zeit flucht’. Als Schimpfwort wird das Wort m., as. swil n. aus wg. *swelaz- n. (o. ä.), auch
aber ganz gleichwertig verwendet wie Schwerenot in ae. swyle m. Verbalabstraktum zu *swel- in
(also etwa 'daß dich die Schwerenot treffe’). Wie schwellen (s. d.). Das Femininum aus der Zweisü-
viele extreme Schimpfwörter verliert auch dieses bigkeit und nach dem Plural.
seine Kraft und wird heute in der Regel als Schwiemel m. 'Schwindel’, ndd. Bezeugt seit
Bezeichnung für jemanden verwendet, der gerne dem 15. Jh. zu mndd. swimen 'schwindlig sein’.
mit dem weiblichen Geschlecht anbändelt. Zu ahd. swlnan 'schwinden, abnehmen’.
Ladendorf (1906), 284.
schwierig Adj. Mhd. swcerec, swceric, mndd.
Schwert n. Mhd. ahd. swert, as. swerd aus g. swerich bedeutet eigentlich 'schwärend’ (zu
*swerda- n. 'Schwert’, auch in anord. sverö, ae. schwären, s. d.). Im 17. Jh. wird das Wort bildlich
sweord, afr. swerd (gt. statt dessen hairus). Her¬ für 'aufrührerisch u. ä.’ verwendet, worauf es
kunft unklar. Vielleicht zu avest. xvara- m. 'mit seinen Zusammenhang mit dem Grundwort ver¬
einer Waffe zugefügte Wunde’. liert und zu schwer (s. d.) gezogen wird. Dement¬
Nndl. zwaard, ne. sword, nschw. svärd, nisl. sverö. — sprechend wird die Bedeutung umgestaltet.
W. Krogmann ZVS 59 (1932), 204.
schwimmen st V. Mhd. swimmen, ahd. swim-
Schwertel m., fachsprachl. Mhd. swertel(e) /., man, mndd. swemmen, swommen, swummen
ahd. swertala, swertella, swertil/., as. swerdula f. swV./stV, mndl. swemmen aus g. *swemm-a- stV.
(= Name verschiedener Pflanzen mit schmalen 'schwimmen’, auch in anord. svim(m)a, symja,
spitzen Blättern). Bezeichnung wohl in Anleh¬ ae. swimman, afr. swumma, swommia. Herkunft
nung an 1. gladiolus 'Schwertchen, Pflanzen¬ unklar.
name’. Nndl. zwemmen, ne. swim, nschw. simma. S. schwem¬
H. Marzell (1943/79), II, 691 f. men, schwummerig, Swimmingpool.

Schwester f. Mhd. swester, ahd. swester, soster, schwindeln swV. Mhd. swindeln, ahd. swintilön
as. swestar aus g. *swester- f. 'Schwester’, auch 'bewußtlos werden’, Weiterbildungen zu schwin¬
in gt. swistar, anord. systir (Umlaut aus dem den (s. d.). Daraus rückgebildet spmhd. swindel
Plural und Formen mit e in der Folgesilbe), ae. 'Taumel’. Im 16. Jh. entwickelt sich diese Bedeu-
662 sechs
schwinden

tung (über 'Verwirrung’) zu 'Betrug’, danach schwul Adj. 'homosexuell’. Ältere Variante von
übernimmt auch das Verb die Bedeutung betrü¬ schwül (s. d.). Die Bedeutungsübertragung wie in
gen’. Ein Einfluß von e. swindle ist dabei warmer Bruder.
denkbar. schwül Adj. Im 17. Jh. aus ndd. swül in die
Kluge (1908), 142- 144; Schirmer (1911), 173; F. Mentz Hochsprache übernommen. Die Umformung zu
BGDSL 51 (1927), 300-302; K. Wagner in: Maurer/ schwül im 18. Jh. vermutlich unter Einfluß von
Rupp (1974/78), II, 336. kühl. Das niederdeutsche Adjektiv vermutlich zu
schwinden st V, sonderspracht. Mhd. swinden, schwelen (s. d.), also in bezug auf die drückende
ahd. swintan, as. -swindan aus wg. *swend-a- stV. Sonnenhitze.
'schwinden’, auch in ae. swindan. Keine sichere S. schwelen ( + ), schwul, Schwulität.
Vergleichsmöglichkeit; zu beachten ist ahd. Schwulität /. 'Schwierigkeit, Bange’, ugs. Stu¬
swrnan stV. 'schwinden’. Die nächsten Verwand¬ dentische Scherzbildung des 18. Jh. zu schwul,
ten sind schwindeln und verschwenden (s. d.). schwül (s. d.). Der Bedeutungsübergang wie in
S. Schwende, Sund. mir wird ganz heiß.
schwingen stV. Mhd. swingen, ahd. as. swingan Kluge (1895), 38.
aus g. *swengw-a- stV. 'schwingen’, auch in ae. Schwulst m. Mhd. swulst f. ist eigentlich gleich¬
swingan, afr. swanga, swinga. Gt. in afswaggwjan bedeutend mit Geschwulst, von dem es im 16.
'verzweifeln’. Keine klare Vergleichsmöglichkeit. Jh. in seiner eigentlichen Bedeutung abgelöst
Vgl. noch schwach, Schwang, schwank, schwan¬ wird. Es bleibt in übertragenem Sinn (und taucht
ken, schwenken, Überschwang. später als Maskulinum auf), besonders für 'über¬
S. erschwingen, Schwengel, Swing. — Lühr (1988), ladene Fülle des Ausdrucks’ (deutlich bezeugt
167-170. seit dem 18. Jh.).
Schwips m., ugs. Bezeugt seit dem 19. Jh. in S. schwellen.
Österreich. Zu schwippen 'schwanken’, also ei¬ schwummerig Adj. 'schwindlig’, ugs. In neuerer
gentlich 'das Schwanken’. Zeit zu schwimmen gebildet (s. d.).
Schwippschwager m., ugs. Das Element Science-fiction f. 'Literatur, die von Phanta¬
Schwipp- bedeutet 'entfernt verschwägert’, z. B. stischem, Zukünftigem handelt’. Im 20. Jh. ent¬
sind der Bruder der Frau und der Bruder des lehnt aus gleichbedeutend ne. Science fiction,
Mannes 'Schwippschwäger’; so auch bei anderen zu e. Science 'Wissenschaft’, aus afrz. Science
Schwägerverhältnissen. Schwipp ist hier wie bei (dass.), aus 1. scientia (dass., wörtlich: 'Wissen,
schwipp-schwapp, schwippen usw. aufzufassen als Kenntnis’), zu 1. sciens 'wissend, kundig’, dem
'einmal so herum — einmal anders herum be¬ PPräs. von 1. scire 'wissen, erfahren’ (s. auch
trachtet’ (d. h. z. B. Schwager der Frau und Fiktion). So bezeichnet als eine Literatur, die
Schwager des Mannes). sich mit einer zukünftigen, von Technik und
Naturwissenschaft geprägten Welt auseinander¬
Schwirre m.lf. 'Pfahl’, arch., obd. Mhd. swir
setzt.
m.; vgl. ae. sweor m. Außergermanisch verglei¬
Etymologisch verwandt: s. Figur.
chen sich ai. sväru- m. 'Pfahl’ und vielleicht 1.
sürus m. 'Zweig, Sproß, Pfahl’. Sebenbaum m. juniperus sabina’, arch. Mhd.
sevenboum, ahd. sevina /., sevinboum, sabin-
schwirren swV Im 17. Jh. übernommen aus
boum. Wie ae. safine f. entlehnt aus 1. *savtna
mndd. swirren. Ähnliche Lautmalereien auch in
/., eigentlich 1. (herba) Sabina f. 'sabinischer
anderen Sprachen: anord. sverra 'wirbeln’, 1. su-
(Baum)’. Die Pflanze wurde in vorkarolingi¬
surrus 'Zischen’ usw.
scher Zeit als Heilpflanze eingeführt. Da das
S. absurd, Schwarm.
Wort nicht verstanden wurde, erlitt es viele
schwitzen swV. Mhd. switzen, ahd. swizzen. volkstümliche Umgestaltungen (Sade-, Salbe-,
Vergleichbare Primärverben sind ai. svidyate, Segel-, Siegel-, Siebenbaum usw.).
lett. svist und weiter Abliegendes. Besser ver¬ Hoops (1905), 271.
gleichbar ist das Wort für Schweiß1 (s. d.).
Sech n. 'Pflugmesser’, arch. Mhd. sech(e),
Schwof m., s. Schweif. ahd. seh. Entlehnt aus einem in lateinischer
schwören stV. Mhd. swern, ahd. swerien, swer- Form nicht bezeugten, aber durch die romani¬
ren, as. swerian aus g. *swar-ja- stV. 'schwören’, schen Sprachen vorausgesetzten 1. *secum, *seca
auch in anord. sverja, ae. swerian, afr. swera, gleicher Bedeutung (einer Rückbildung aus 1.
swara und ohne /-Präsens gt. swaran. Am ehesten secäre 'schneiden’, s. Säge). Die nördliche Ent¬
mit s mobile apreuß. wertemmai 'wir schwören’, sprechung ist Kolter2 (s. d.).
akslav. rotiti sg 'sich verschwören’, ai. vratä- Kratz (1966), 55-63.
'Gelübde’. sechs Num. Mhd. ahd. as. sehs aus g. *sehs,
Nndl. zweren, ne. swear, nschw. svära, nisl. sverja. auch in gt. saihs, anord. sex, ae. si(e)x, afr.
Sechter 663 Sehne

sex. Dieses aus ig. *seks 'sechs’, auch in ai. sas, Segel n. Mhd. segel m., ahd. segal m., as.
toch. A. säk, toch. B. skas, 1. sex, lit. sesi, segel aus g. *segla- n. 'Segel’, auch in anord.
akslav. sesti. Daneben ist *sweks vorausgesetzt segl, ae. segl m./n., afr. seil. Die gleichbedeuten¬
durch avest. xsuuas, gr. hex (dor. usw. wex), den mir. söol und kymr. hwyl sind vielleicht aus
air. se, kymr. chwe(ch), arm. vec. Da sich diese dem Germanischen entlehnt. Herkunft unklar.
beiden Formen nicht aufeinander zurückführen Denkbar ist ein Anschluß an *sek- 'schneiden’
lassen, ist der Grundansatz umstritten (*sweks (s. Säge) als 'abgeschnittenes Stück Tuch’, doch
mit Vereinfachung? *weks neben *seks mit Kon¬ ist dies kaum mehr als eine Vermutung.
tamination, *ksweks mit verschiedenen Verein¬ Nndl. zeil, ne. sail, nschw. segel, nisl. segl.
fachungen u. a.). Wegen dieser lautlichen Unsi¬
Segelbaum m., s. Sehenbaum.
cherheit ist auch eine weitergehende Etymologie
nicht möglich. Segen m. Mhd. segen, ahd. segan\ wie ae. segn
m. /n. Rückbildung aus mhd. segen(en), ahd.
Nndl. zes, ne. six, nschw. nisl. sex. — A. Nehring
Sprache 8 (1962), 129-131. seganön, as. segnon, ae. segnian, anord. signa
'segnen, (mit dem Kreuz) bezeichnen’. Dieses
Sechter m. 'Hohlmaß, Melkeimer’, arch.
ist entlehnt aus 1. slgnäre 'bezeichnen’ (zu 1.
Mhd. sehte(r), ahd. sehtäri. Entlehnt aus 1.
signum n. 'Zeichen’, ursprünglich 'eingeschnit¬
sextärius 'Hohlmaß (sechster Teil des römischen
tene Marke’, gehört zu 1. secäre 'schneiden’),
congius)\ vielleicht über eine französische
als dessen i bereits zu e geworden war.
Mundart; daneben steht nämlich (wohl unmit¬
S. sezieren (+).
telbar entlehntes) ahd. sehstäri, sester, mhd. seh-
ster, sester. Segge /. 'Riedgras’, nordd. Aus ndd. segg,
mndd. segge, mndl. zegge, das mit ae. secg mj
Sediment n. 'Ablagerung’, fachsprachl. Im 19.
n. zusammengehört; oberdeutsch entsprechen
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend spl. sedimen-
(morphologisch abweichend) mhd. saher m.,
tum, zu 1. sedere 'setzen’.
ahd. sahar m. Vermutlich nach den schneiden¬
Morphologisch zugehörig: sedimentär, Sedimentation,
den Blatträndern benannt, also zu sek- 'schnei¬
sedimentären-, etymologisch verwandt: s. Assessor.
den’ (s. Säge). Vermutlich gehen auf eine sk-
See m. Mhd. se, ahd. se(o), as. seo, seu aus Bildung der gleichen Grundlage zurück mir.
g. *saiwi- m. 'See’, auch 'Meer’, auch in gt. seisc, kymr. hesg 'Schilf, Binsen’.
saiws, anord. scer, sjör, sjär, ae. sä m./f, afr. Marzell (1943/79), I, 825-827; E. Rooth NM
se. Herkunft unklar. Vielleicht als *saigwi- zu 19 (1963), 52.
seihen (s. d.), doch ist ein klares Benennungs¬
Segment n. 'Teil, Abschnitt’, sonder spracht.
motiv nicht erkennbar. Sekundär tritt im Engli¬
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. segmentum, zu
schen und Deutschen auch ein Femininum auf,
1. secäre (sectum) 'schneiden, abtrennen’.
worauf im Deutschen (seit dem 16. Jh.) die
Morphologisch zugehörig: segmental, segmentär, Seg¬
Differenzierung der Bedeutungen in 'Meer’ /.
mentation', etymologisch verwandt: s. sezieren.
und 'See’ m. durchgeführt wird.
sehen st V. Mhd. sehen, ahd. as. sehan aus g.
Nndl. zee, ne. sea, nschw. sjö, nisl. sjör. S. Schauerleute.
— Kluge (1911), 711—716; W. Meid in: FS H. Kronas- *sehw-a- stV. 'sehen’, auch in gt. saihan, anord.
ser (Wiesbaden 1982), 91 —96. sjä, ae. seon, afr. siä. Außergermanisch entspre¬
chen bedeutungsmäßig air. rose 'Auge’ (*pro-
Seehund m. Gegen 1500 übernommen aus
seku-l), alb. shoh 'sehen’, heth. sakuwa PI.
dem Niederdeutschen und Niederländischen.
'Augen’, heth. sakuwai- 'sehen, blicken’. Der
Das Wort kann eine Neubildung sein, vielleicht
Zusammenhang mit den lautlich entsprechen¬
ist es aber nur eine Umdeutung von ebenfalls
den, aber semantisch abweichenden Wurzeln ist
bezeugtem Seelhund, das eine verdeutlichende
schwer zu beurteilen: Zu ig. *seku- 'folgen’ (1.
Komposition zu seel 'Seehund’ ist. Dieses aus
sequi usw.) als 'mit den Augen folgen’? Evtl, zu
mhd. sele, ahd. selah m., seloha f, selaho m.,
*seku- 'sagen’ (1. inquit usw.) als Grundbedeu¬
mndd. sei aus g. *selha- m. 'Seehund’, auch in
tung ('sehen’ — 'zeigen’ — 'sagen’?). Sind die
anord. selr, ae. seolh. Die Herkunft des Wortes
ist unklar. Nach Schindler (s. u.) ein Lehnwort lautlichen Anklänge an *oku- 'sehen’ (1. oculus
aus dem Ostseefinnischen (*sülke in Finn. [dial.] 'Auge’) und *skou- (s. schauen) nur zufällig?

hylki usw.). Nndl. zien, ne. see, nschw. se, nisl. sjä. S. Ansehen,
Gesicht, sagen ( + ), seltsam.
J. Schindler Sprache 12 (1966), 65f.; J. Koivulehto Vi-
rittäjä 86 (1982), 271f„ Anm. 20. Sehne/. Mhd. sen(e)we, sene, ahd. sena(wa),
Seele /. Mhd. sele, ahd. se(u)la, as. se(o)la as. sinewa aus g. *sinwö f. 'Sehne’, auch in
aus g. *saiwalö f. 'Seele’, auch in gt. saiwala, anord. sin, ae. seonu, afr. sine, sin(i). Außerger¬
ae. säwel. Herkunft unklar. manisch vergleicht sich am genauesten avest.
Nndl. ziel, ne. soul. - J. Weisweiler IF 57 (1940), hinauu- m. 'Band, Fessel’ (*si-nauu-, g. *si-nw-ä)
25 — 55; G. Becker: Geist und Seele (Heidelberg 1964). zu der Wurzel für 'binden’, die unter Saite (s. d.)
sehnen 664 seihen

behandelt ist. Ähnliche Bildungen sind mir. sin mit s- (bezeugt seit dem 16. Jh.) ist wohl an
'Kette, Halsband’, lett. pasainis 'Schnur’. Seide angelehnt (vielleicht mit Rücksicht auf
Nndl. zenuw, zeen, ne. sinew, nschw. sena, nisl. sin. S. das glänzende Bastgewebe); mhd. zidel- kann
Hachse, Saite, Seil. sich auf die Bienenweide beziehen (s. Zeidler),
sehnen swV. Mhd. senen, ahd. senen 'kraftlos, die anderen Formen sind unklar (-lant wohl zu
unlustig sein’. Alemannisch steht daneben auch ahd. linta 'Bast’).
sanen. Herkunft unklar. Dazu Sehnsucht, mhd. H. Marzell BHV 3(1916), 110-119; Marzeil (1943/
sensuht. 79), II, 35.

sehr Adv. Mhd. sere, ahd. sero, sere, as. sero; Seife/. Mhd. seife, ahd. seiffa, mndd. mndl.
wie ae. säre Adverb zum Adjektiv g. *saira- sepe, entsprechend ae. säpe. Ae. säp, ahd. seifa
'schmerzlich, wund’ in anord. särr, ae. sär, afr. bedeuten 'Harz’, das Wort Seife kann eine Zu¬
sera, ahd. as. ser, gt. in sair 'Wunde, Schmerz’. gehörigkeitsbildung dazu sein. Das Harz wie¬
Die Bedeutung des Adverbs ist also 'schmerz¬ derum kann als 'das Tröpfelnde’ bezeichnet
lich’; es wird seit mittelhochdeutscher Zeit viel¬ sein, vgl. ae. sipian, mhd. sifen 'tröpfeln’. Die
fach als Steigerungsadverb gebraucht und wird Seife (1. säpo m.) ist nach römischer Überliefe¬
dabei über seinen eigentlichen Anwendungsbe¬ rung von den Galliern erfunden und von den
reich hinaus verallgemeinert. Die alte Bedeu¬ Germanen viel gebraucht worden. Gemeint ist
tung ist noch erhalten in der Ableitung verseh- aber zunächst ein Mittel zum Rotfarben der
ren 'verwunden’ (s. d.). Das Adjektiv selbst läßt Haare, dann erst ein Reinigungsmittel. L. säpo
sich anknüpfen an eine Wurzel *sai-, von der ist sicher ein Lehnwort, vermutlich aus dem
mit anderen Bildungsmitteln ausgehen: air. Germanischen (obwohl der Lautstand nicht da¬
saeth 'Mühe, Leid, Krankheit’, 1. saevus 'wü¬ für spricht); eine ererbte Entsprechung zu dem
tend’, lett. sivs 'scharf, beißend, grausam’. germanischen Wort könnte in 1. sebum 'Talg’
Nndl. zeer, ne. sore, nisl. särur. S. versehren. — Hoff- vorliegen, zu dem auch toch. A. sip-, sep- 'sal¬
mann (1956), 29f. ben’ gestellt wird. Die Zusammenhänge sind
Sehrohr n., s. Fernglas. weder sachlich noch lautlich ausreichend klar.
seichen swV. 'harnen’, vulg., reg. Mhd. sei¬ Nndl. zeep, ne. soap. S. Sieb ( + ). — Reuter (1906),
chen, ahd. seihhen, mndl. seihen. Kausativum 56f.
zu seihen (s. d.), die Ausgangsbedeutung ist also Seige /. 'Abflußrinne’, fachsprachl. Mhd.
'rinnen lassen, tröpfeln lassen’ (ahd. bedeutet seige 'Senkung, Neigung’, Rückbildung zu sei-
das Wort auch 'schmelzen’). Der Bedeutungs¬ gen 'senken, neigen’, Kausativum zu ahd. sigan
übergang ist bei der gleichen Wurzel auch sonst 'sinken, fallen, tropfen’, as. sigan 'sinken’;
zu beobachten, vgl. auf gleicher Wurzelstufe ebenso afr. siga, ae. sigan, anord. siga (weiter
serb. -kslav. sicati 'harnen’ und auf einfacherer zu seihen [s. d.], ohne genauere Vergleichsmög¬
Wurzelstufe 1. siat 'harnt’ und vielleicht heth. lichkeit). Vgl. noch Seiger, seiger.
sehur 'Urin’.
Seiger m. 'Turmuhr’, arch., reg. Spmhd.
Nndl. zeiken. S. seihen ( + ).
mndd. seiger 'Waage’, dann 'Turmuhr, deren
seicht Adj. Mhd. sihte 'Untiefe’, alem. sicht Unruh aus einem waagrecht schwingenden Bal¬
'sehr feucht, naß’. Herkunft unklar. Vermutlich ken mit verschiebbaren Gewichten besteht’, die
zu sinken oder seihen (lautlich ist beides mög¬ Uhr heißt nach dieser Unruh. Weniger wahr¬
lich) als 'wo das Wasser versickert’ (oder 'aus¬ scheinlich ist die Annahme, daß ursprünglich
sickert’). eine Sanduhr gemeint war, in der der Sand seigt
Seide /. Mhd. side, ahd. sida, wie ae. side ('fallt’). Zu seigen 'sinken’ (s. Seige).
entlehnt aus ml. seta, wohl über eine romani¬ seiger Adj. 'senkrecht\ fachsprachl. Eine Bil¬
sche Sprache. Vermutlich aus 1. saeta Serica dung zu seigen 'sinken’ (s. Seige). Mhd. ist nur
'serisches Haar’ zu 1. saeta, seta 'Borste, Haar’ seiger 'zähflüssig, verdorben (von Flüssigkei¬
und dem Volksnamen der Serer, die wegen ihrer ten), langsam’ bezeugt, das vom gleichen
Stoffe berühmt waren. Grundwort stammt.
Littmann (1924), 22, 134; Lokotsch (1975), 149.
seihen swV., früher stV. Mhd. sihen, ahd.
Seidel n. 'Bierglas, Flüssigkeitsmaß’, reg.
sihan, mndl. sien aus g. *seihw-a- stV. 'seihen,
Mhd. sidel(in). Entlehnt aus 1. situla f. 'Eimer’,
tröpfeln’, auch in ae. seon, afr. sia; anord. sia ist
nachdem dessen Vokal gelängt worden war. Aus
wohl sekundär schwach geworden. Mit gleicher
einer romanischen Nebenform stammen schwz.
Bedeutung vergleichen sich außerhalb des Ger¬
sigel und sickel 'Eimer’.
manischen, ai. sihcäti 'gießt aus, befeuchtet,
L. Guinet EG 31 (1976), 254.
bespritzt’ und von der einfacheren Wurzelstufe
Seidelbast m., fachsprachl. Umgeformt nach lit. sijöti 'durchsieben’, akslav. seti 'sieben’, gr.
mhd. zidelbast, auch zitzelbast, zilant. Die Form etheö ich seihe’. Vgl. noch seichen zu den Bele-
Seil 665 sekundär

gen mit spezialisierter Bedeutung und Seige zu hören' vor, die (wohl über Lokativbildungen
einer Auslautvariante. mit der Bedeutung 'beim Aufhören’) zu 'spät’
S. auch See, seichen, seicht, Seige ( + ), Seim (+), sik- geführt haben, wobei der Langdiphthong im
kern, Sieb, Siel, versiegen. Indischen erhalten sein kann, im Lateinischen
Seil n. Mhd. ahd. seil, as. sei aus g. *saila- n. zu e, im Germanischen zu ei verkürzt wurde.
Seil’, auch in anord. seil/., ae. säl m.//.(?), afr. S. Seite ( + ), sintemal. — J. Franck ZDA 46(1902),
sei; gt. in insailjan 'an Seile binden’. Zu der 168-175; Behaghel (1923/32), III, 244-250; R. Lühr
MSS 37(1978), 121-130.
Wurzel für 'binden’, die unter Saite (s. d.) be¬
handelt worden ist. Eine ähnliche /-Bildung in Seite/. Mhd. sit(e), ahd. sita, as. sida aus g.
akslav. silo 'Seil’. *seidön f. 'Flanke, Seite’, auch in anord. sida,
Nndl. zeel. S. Saite, Sehne, Siele. ae. afr. side (gt. dafür fera). Vermutlich mit
unklarem Benennungsmotiv zu dem Adjektiv
Seim m. 'klebrige Flüssigkeit’, arch. Mhd.
anord. stör 'herabhängend’, mndd. sit, side, afr.
ahd. seim, as. sem aus g. *saima- m. 'klebrige
side 'niedrig, weit’, ahd. sito Adv. 'schlaff’ (im
Flüssigkeit (besonders Honig)’, auch in anord.
weiteren wohl zu dem unter seit [s. d.] behandel¬
seimr. Zu der Gruppe seihen, ahd. slgan, sickern
ten Adjektiv). Die Zusammenhänge sind klä¬
usw. (vgl. etwa mhd. seiger 'zähflüssig’).
rungsbedürftig.
Nndl. zeem, nisl. seimur. S. sämig, seihen ( + ). — N.
Nndl. zij(de), ne. side, nschw. sida, nisl. sida. S. beseiti¬
Tömqvist SN 17 (1945), 166 — 182; N. O. Heinertz SN
gen, Insider, seit.
20 (1947/48), 142-159; N. Tömqvist BGDSL 75 (1953),
433-441. Sekret n. 'Absonderung’, fachsprachl. Im 19.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. secretum,
sein jFron. Mhd. ahd. as. sin aus g. *sina-
dem substantivierten PPP. von 1. secernere 'ab¬
'sein’, auch in gt. seins, anord. sinn, ae. afr. sin.
sondern, ausscheiden’, zu 1. cernere (crevi, cre-
Zugehörigkeitsbildung auf -no-, ausgehend vom
tum) 'scheiden’.
Lokativ-Suffix *ne zu dem ursprünglich enkliti¬
Morphologisch zugehörig: sezernieren; etymologisch
schen Pronominalstamm *sei (auch in heth. -si).
verwandt: s. Dekret.
Nndl. zijn, nschw. sin, nisl. sinn. — Seebold (1984),
49-51. Sekretär m. 'Schreibkraft’. Im Frühneuhoch¬
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend ml. se-
sein unr. V. Mhd. ahd. sin. Die Form beruht
cretarius (wörtlich: 'Geheimschreiber; der das
auf der Umänderung der 1./2. Person Plural
Geheimsiegel führt’), zu 1. secretus 'geheim, ab¬
Präsens, die ursprünglich wurzelvokallos war
gesondert, besonders, getrennt’, dem PPP. von 1.
und sekundär nach der 3. Person Plural und
secernere (secretum) 'absondern, ausscheiden,
dem Optativ umgestaltet wurde. Danach auch
trennen’.
Bildung eines Infinitivs, der in den anderen
Morphologisch zugehörig: Sekretariat; etymologisch
Sprachen von *wes-a- (s. Wesen) genommen
verwandt: s. Dekret.
wird. Die Wurzel *es- 'sein’ (in voller Form
Sekt m. (= ein Schaumweingetränk). Im 17.
erhalten in ist, s. d.) erscheint auch in 1. est (PI.
Jh. mit unregelmäßiger Formentwicklung ent¬
sunt), air. is, lit. esmi, akslav. jesmi, gr. eimi,
lehnt aus frz. vin sec 'trockener Wein’, dieses
ai. ästi (PI. santi), heth. eszi (3. PI. asanzi).
aus it. vino secco (dass.), zu 1. siccus 'trocken’.
Eine ursprünglichere Bedeutung ist wohl erhal¬
Die Bedeutung 'Schaumwein’ seit dem 19. Jh.,
ten in ai. äste 'sitzt’ (wohl kontrahiert mit einem
angeblich weil die englische Entsprechung sack
Präverb).
auch zur Bezeichnung von Champagner ver¬
Nndl. zijn. S. bin, Essenz (+), ist, Wesen (+) und
wendet wurde.
sitzen (+), Sünde. — Seebold (1970), 176—179.
Sekte /. (= eine kleinere Glaubensgemein¬
seit Prüp./Konj. Mhd. sit, ahd. sid, as. siö aus
schaft). Im Mittelhochdeutschen (mhd. secte)
g. *seipiz Adv. (Komparativ), eigentlich 'später’,
entlehnt aus gleichbedeutend 1. secta (auch:
auch in ae. sip Adv., anord. stör Adv. 'weniger,
'unterscheidende Denk- und Handlungsweise’),
kaum’, gt. pana-seips 'weiter, noch, sonst’ (spä¬
dem substantivierten PPP. von 1. seeäre (sec-
ter als 1900 = seit 1900). Zu einem Positiv
tum) 'schneiden, abtrennen’. Dazu Sektion und
unklarer Stammbildung (alter Konsonant¬
Sektor; Sektierer beruht auf der ideologisch
stamm?) in anord. siö Adv., ae. sip Adv. spät wertenden Sonderbedeutung 'Irrlehre, Ket¬
und gt. seipu warp 'es wurde Abend und den
zerei’.
Komparativen ahd. sidor 'seitdem, weil’, as. ae. Etymologisch verwandt: s. sezieren. — W. A. Benware
siöor, anord. siöarr. Außergermanisch ver¬ BGDSL-T 101 (1979), 338.
gleicht sich zunächst gt. seipu warp 'es wurde
Sektion /. 'Abteilung’, s. sezieren.
Abend’ mit 1. serus 'spät’ (substantiviert
Sektor m. 'Bereich, Ausschnitt’, s. sezieren.
'Abend’, wie frz. soir usw.), ai. säyäm abhavat
'es wurde Abend’. Es liegen offenbar verschie¬ sekundär Adj. 'nachgeordnet, zweitrangig’, s.
dene Adjektivbildungen zu *sei- 'ablassen, auf¬ Sekunde.
Sekunde 666 seltsam

Sekunde/. (= sechzigster Teil einer Minute). Grundlage *sel(a)-, und dies scheint vorzulie¬
Neubildung des 17. Jhs. zu I. secundus 'folgend, gen in gr. hiläskomai 'ich stimme günstig, gnä¬
an zweiter Stelle’, zu 1. sequi 'folgen’. Die mo¬ dig, versöhne’ (redupliziertes Präsens *si-sh-)
derne Bedeutung nach gleichbedeutend 1. se- mit gr. hilaos 'gnädig, gütig’, auch 'gesühnt’,
cunda pars (wörtlich: 'Teil zweiter Ordnung’), gr. hilarbs 'heiter, fröhlich’. Mit anderer Ablaut¬
das ist die der Minute nachgeordnete Teilungs¬ stufe und formal unklar 1. sölärl 'trösten’. We¬
einheit in einem Sechzigersystem (Sexagesimal- gen der bruchstückartigen Bezeugung lassen
system, das die Griechen von den Babyloniern sich die Bedeutungsverhältnisse nicht genau re¬
übernahmen). Die Bedeutung 'nachfolgend, konstruieren. Die heutige Bedeutung ist vom
nachgeordnet’ in sekundär (usw.). Sekundant Christentum bestimmt (Entsprechung zu 1. beä-
nach 1. secundäre 'folgen, begünstigen’. tus). Die Verwendung von selig für 'verstorben’
Morphologisch zugehörig: Sekunda, sekundieren; ety¬ beruht auf der Formel seliger Gedächtnis 'seli¬
mologisch verwandt: s. assoziieren. — Schirmer (1912), gen Angedenkens’, übersetzt aus beätae memo-
66. riae.
selbander Pron. 'zu zweit’, arch. Gemeint ist Nndl. zalig, ne. silly. S. auch leutselig. — R. Strümpell:
'so, daß ich selbst der andere = der zweite bin’. Über Gebrauch und Bedeutung von 'saelde, saelic’ und
Ebenso selbdritt 'zu dritt’ = 'er/sie selbst als Verwandten bei mhd. Dichtern (Leipzig 1917); H. Götz
ASAWL 49 (1957), 1-21.
dritte(r)’.
Selbend m., s. Salband. -selig Sufßxoid. Nur teilweise (wie in glückse¬
lig, gottselig, leutselig) eine Zusammensetzung
selber Pron., selbst Pron. Mhd. selp, ahd. selb,
mit selig (die aber nicht mehr recht durchschaut
as. seif aus g. *selba-, auch in gt. silba, anord.
werden kann). In Fällen wie trübselig, mühselig
själfr, ae. seolf afr. seif. Außergermanisch ver¬
usw. liegen dagegen Ableitungen zu Trübsal,
gleicht sich lediglich venet. sselboisselboi (mit
Mühsal usw. vor, also Ableitungen aus Bildun¬
einer Verdoppelung, die auch in ahd. selbselbo
gen mit einem Suffix -sal (s. d.).
bezeugt ist). Weitere Herkunft unklar. Die
Form selber ist der flektierte Nominativ, selbst Sellerie mjf. (= Pflanze mit eßbaren Wurzel¬
ist der adverbiale Genetiv, an den ein -t angetre¬ knollen). Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
ten ist. tend it. selleri PL, einer norditalienischen Form
Nndl. zelf ne. seif nschw. själv, nisl. själfur. — Beha¬
von it. selano m. (dass.), aus 1. selinon n. (dass.),
ghel (1923/32), I, 330-341; H. Krahe'/F 47 (1929), aus gr. selinon n. (dass.).
325; W. Fleischhauer ZDS 22 (1966), 92-95; Schmidt S. Zeller. — Kretschmer (1969), 458f.; Brunt (1983),
(1978), 162f.; Th. Markey SW 7 (1982), 348-358. 184.
selbst Pron., s. selber. selten Adv. Mhd. selten, ahd. seltan, mndd.
Selbstlaut m. Kontrastbildung des 16. Jhs. zu seiden(e), mndl. seiden aus g. *selda- mit Adver¬
Mitlaut, das eine Lehnübersetzung von Konso¬ bialendung, auch in anord. sjaldan, ae. seldan;
nant ist. gt. als erstes Glied von silda-leiks 'selten, wun¬
derbar’. Herkunft unklar. Das Adverb wird seit
M. H. Jellinek ZDW 13 (1911/12), 88f.; Pfaff (1933),
41 f. dem 15. Jh. im Deutschen auch als Adjektiv
gebraucht.
selchen swV. 'einpökeln, räuchern’, bair. Mit
Nndl. zelden, ne. seldom, nschw. sällan, nisl. sjaldan.
dieser Bedeutung bezeugt seit dem 16. Jh. Zu S. seltsam.
vereinzeltem ahd. arselchen 'getrocknet’, neben
Selters n./f 'Mineralwasser’. Mineralwasser
dem ae. äseolcan 'erschlaffen’ steht. Etymologie
unklar. wird sehr häufig nach der Quelle benannt, deren
Wasser in der betreffenden Gegend vorwiegend
Selektion /. 'Auswahl, Auslese’, sonder- getrunken wird. Das Wasser aus (Nieder)Sel¬
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. selectio ters im Taunus ist dafür ein vergleichsweise weit
(-önis), zu 1. seligere (selectum) 'auslesen, aus¬ bekanntes und früh bezeugtes Beispiel.
wählen’, zu 1. legere 'auflesen, sammeln’ (ver¬
seltsam Adj. Mhd. seit seine, ahd. seltsäni,
wandt mit gr. legein 'zählen’) und 1. se 'beiseite,
mndd. selsen, selsem, mndl. sel(t)siene aus g.
besonders’.
*selda-sägw-ni- 'selten zu sehen’, auch in anord.
Morphologisch zugehörig: selektiv, Selektivität', ety¬
sjald-senn, ae. seldsiene mit einem dehnstufigen
mologisch verwandt: s. analog.
Adjektiv der Möglichkeit von sehen (s. d.). Die
selig Adj. Mhd. scelec, scelic, ahd. sällg, as. Lautformen stimmen nicht überein, und vor
sälig. Wie ae. sälig, afr. selich, stlich. Weiterbil¬ allem in der späteren Zeit sind verschiedene
dung zu g. *sceli- Adj. 'glücklich’ in gt. sels Anpassungen vorgekommen (z. B. im Deut¬
'gütig’, anord. scell, ae. unsäle 'boshaft’. Das schen die Angleichung an -sam). Darüber hin¬
Adjektiv sieht aus wie ein dehnstufiges Adjektiv aus weist eigentlich nur das Deutsche deutlich
der Möglichkeit zu einem Verbum auf der auf eine Dehnstufe; aber die Formen der ande-
Semantik 667 Senf

ren Sprachen könnten eine Kürzung in der un¬ dieses aus gr. synodos 'Zusammenkunft’ (zu gr.
gewöhnlichen Lautfolge aufweisen. hodös 'Weg’). S. weiteres unter Sendgericht.
S. selten. S. Methode ( + ).
Semantik /. 'Bedeutungslehre’, fachsprachl. Senat m. 'Staatsrat, Magistrat, usw.’, sonder¬
Neubildung des 20. Jhs. zu gr. semantikös 'be¬ sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. senät
zeichnend’, zu gr. semainein 'bezeichnen’, zu gr. 'Staatsrat’) entlehnt aus gleichbedeutend 1. se-
sema n. 'Zeichen, Merkmal’. Von gr. semeion n. nätus (wörtlich: 'Rat der Alten’), zu I. senex
Zeichen ist abgeleitet Semiologie 'Zeichen¬ (-nis) 'Alter, Greis’, zu 1. senex (-nis) 'alt, be¬
lehre’.
jahrt’. Dazu Senior zum Komparativ senior des
Morphologisch zugehörig: Sem, Semantem, Semasiolo¬ lateinischen Adjektivs.
gie, Semiotik, Semem.
Morphologisch zugehörig: Senator; etymologisch ver¬
Semester n. 'Studienhalbjahr’, sondersprachl. wandt: [Monsignore], senil (usw.), [Sir],
Neubildung des 16. Jhs. zu 1. semestris 'halb¬ Sendbrief m., s. Brief.
jährlich , zu 1. sex (s. sechs) und 1. mensis m.
'Monat’. senden swV. Mhd. senden, ahd. senten, as.
sendian aus g. *sand-eja- swV. 'senden’, auch in
Morphologisch zugehörig: semestral; etymologisch
verwandt: s. Monat.
gt. sandjan, anord. senda, ae. sendan, afr. senda.
Kausativum zu einem schwer abgrenzbaren
semi- Präfix. Wortbildungselement mit der Verb, das vorliegt in ae. sinnan 'wandeln’, ahd.
Bedeutung halb’ (z. B. Semikolon, Semifinale). sinnan 'sich begeben, trachten nach’ (*senp-na-?),
Es wurde in lateinischen Entlehnungen ins dazu das Wort für 'Gang, Weg, Mal’ gt. sinps,
Deutsche übernommen und geht auf funktional ae. as. sTö, ahd. sint. Außergermanisch ver¬
entsprechendes 1. semi- zurück (lautlich ent¬ gleicht sich air. set 'Weg’, kymr. hynt 'Weg’,
spricht gr. hemi 'halb’). lit. siytsti 'schicken, senden’ (Präsens alit. suntü,
Etymologisch verwandt: hemi-. lautlich unregelmäßig). Weitere Herkunft un¬
Semikolon n. 'Strichpunkt’, fachsprachl. Neu¬ klar
bildung zu 1. cölon, cölum, aus gr. kölon 'Glied Nndl. zenden, ne. send, nschw. sända, nisl. senda. S.
(einer Satzperiode)’ (s. auch semi-). So bezeich¬ Gesinde, Gesindel und vielleicht Sinn.
net als ein Satzzeichen, mit ähnlicher, aber nicht Sendgericht n., arch. Das geistliche Gericht,
so stark trennender Funktion wie ein Kolon ( = das im 8. Jh. aus bischöflichen Visitationen
Punkt). hervorgeht, heißt ahd. senod m., mhd. sent m.,
Etymologisch verwandt: s. Kolik. wie afr. sineth, sinuth, send, sind m./n., ae. senop
Seminar n. 'Lehrveranstaltung, Institut’, son¬ aus einer Nebenform *senodus zu 1. synodus /.,
dersprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. seminärium aus gr. synodos f. 'Zusammenkunft’. Hierzu ist
'Pfanzschule, Baumschule’, zu 1. seminärius Sendgericht eine verdeutlichende Zusammenset¬
'zum Samen gehörig’, zu 1. semen (-minis) zung. Vgl. semperfrei.
'Same, Setzling’. Die moderne Bedeutung durch Hoops (1911/19), III, 167-169.
metaphorische Übertragung von 'Anstalt zur Senesbaum m., s. Sennesbaum.
(Heran)Bildung’ auf den Bereich schulisch-uni¬ Seneschall m. 'hoher Hofbeamter’, arch.
versitärer Ausbildung. Mhd. seneschalt (u. ä.) ist entlehnt aus frz. sene-
Morphologisch zugehörig: Seminarist; etymologisch chal, das seinerseits auf ahd. (ml.) sinescalcus,
verwandt: s. säen.
seniscalcus (oder seine westfränkische Entspre¬
Semiologie /. 'Zeichentheorie’, s. Semantik. chung) zurückgeht. Von diesem ist das Grund¬
Semmel/. 'Brötchen’, bair.-österr., omd. Mhd. wort der Vorläufer von Schalk (s. d.), der auch
semel(e), simel(e), ahd. semala, simila, mndd. in anderen Amtsbezeichnungen (s. Marschall)
semel. Entlehnt aus 1. simila 'feinstes Weizen¬ auftritt. Das Bestimmungswort ist offenbar das
mehl’ und später auch 'aus diesem Mehl gebak- frühere Wort für 'alt’, das im Gotischen als
kene Brötchen’. Dieses wie gr. semidälis 'feinstes sineigs bezeugt ist. Außergermanisch verglei¬
Weizenmehl’ aus einer orientalischen Sprache chen sich mit diesem 1. senior 'älter’, 1. senex
entlehnt, vgl. syr. smidä, assyr. samidu 'feines (-nis) 'Greis’, air. sen, kymr. hen, lit. senas, gr.
Mehl’. henos, ai. säna- 'alt’.
Littmann (1924), 20f. G. Schoppe ZDW15 (1914), 209. Anders: J. Knobloch
MS 89 (1979), 45f.
semperfrei Adj. 'reichsunmittelbar’, arch.
Mhd. sempervrT, älter sentbcere vri, eigentlich Senf m. Mhd. ahd. sen(e)f as. senap. Wie
'frei und zur Teilnahme am Reichstag berech¬ ae. senep und gt. sinap(is) entlehnt aus 1. sinäpi
tigt’. Zu mhd. sent 'Reichstag, Landtag’, eigent¬ n., das aus gr. sinapi entlehnt ist. Auch dieses
lich 'geistliche Versammlung’ aus 1. synodus. ist (aus einer unbekannten Sprache) entlehnt.
Senge 668 serbeln

Mit dem Wort wird seit alter Zeit nicht nur das Sense /. Mhd. segens(e), ahd. segansa, se-
Gewürz, sondern auch die Pflanze bezeichnet. gensa und mit einer Suffixvariante as. segisna.
Littmann (1924), 12f.; M. Mayrhofer Sprache 1 (1961), Instrumentalbildung zu der Wurzel sek- 'schnei¬
185f. den’ (s. Säge). Eine abweichende Entwicklung
in schwäb. Säges. Die anderen germanischen
Senge/. 'Hiebe’, nordd., md. Zu sengen (s. d.),
Sprachen haben abweichende Bildungen aus
wobei das Tertium comparationis wohl 'die
der gleichen Wurzel (ne. scythe aus ae. sigdi, siöe
Oberfläche von etwas bearbeiten, brennen ma¬
usw.). Eine genaue Entsprechung der deutschen
chen’ ist.
Bildung kann vorliegen in 1. scena, sacena 'Haue
sengen swV. Mhd. sengen, ahd. bisengen, des Pontifex’ (aus *sakes-nä).
mndd. sengen aus wg. *sangeja- swV. 'versen¬ Nndl. zeis(en). S. Sachs, Säge ( + ). — E. Specht:
gen’, auch in ae. sengan, afr. sendza, sandza, Altdeutsches Wort und Wortkunstwerk (Halle 1941),
senga. Außergermanisch vergleicht sich viel¬ 109-123.
leicht akslav. prespcati 'trocknen’. Weitere Her¬ sensibel Adj. 'feinfühlig’. Im 18. Jh. entlehnt
kunft unklar. aus gleichbedeutend frz. sensible, dieses aus 1.
Nndl. zengen, ne. singe. S. Senge. sensibilis 'empfinden könnend, sinnlich’, zu 1.
senil Adj. 'greisenhaft’, s. Senat. sentlre (sensum) 'fühlen, empfinden, wahrneh¬
Senior m. 'älterer Geschäftspartner, älterer men, erfahren, einsehen, verstehen, urteilen,
Mensch’, s. Senat. denken’. Sensation intensiviert die ursprüngli¬
che Bedeutung 'Sinneseindruck’ zu 'etwas, das
Senkel m., arch. Mhd. senket, ahd. senkil n., einen ganz besonderen Eindruck erweckt’; die
eine Instrumentalbildung zu senken (s. d.), also Sentenz ist ein 'Sinnspruch, Denkspruch’; senti¬
'Mittel zum Senken’. So werden in alter Zeit mental meint 'mit übermäßiger Empfindsam¬
Anker und Zugnetz benannt, dann auch das keit’.
'Lot’ zur Kontrolle einer senkrechten Linie. Morphologisch zugehörig: Sensibilisator, Sensibilität,
Hieraus einerseits die Redensart in den Senkel sensitiv, Sensitivität; etymologisch verwandt: Dissens,
stellen, die von einer ähnlichen Bedeutung aus¬ Konsens, Nonsens, Ressentiment, [sensationell], Sen¬
geht wie ins Lot bringen, andererseits der Senkel sor, [Sensualismus], [Sentiment], [Sentimentalität]',
an Kleidungsstücken, besonders der Schnürsen¬ zum Etymon s. Sinn. — E. Erämetsä NPhM 57 (1956),
kel an den Schuhen, wohl weil er an seinem 121 f.; BGDSL-H 93 (1972), 346-354.
Ende mit einem Stück Metall versehen war wie sensitiv Adj. '(über)empfindlich’, s. sensibel.
das Lot. Sensor m. 'Meßfühler’, s. sensibel.
S. auch senkrecht. — Kluge (1926), 48; Kretschmer
Sentenz /. 'Sinnspruch’, s. sensibel.
(1969), 434.
sentimental Adj. 'mit übermäßiger Empfind¬
senken swV. Mhd. ahd. senken, as. -senkian,
samkeit’, s. sensibel.
-sinkon aus g. *sankweja- swV. 'senken’, auch
in gt. sagqjan, anord. sokkva, ae. sencan, afr. separat Adj. 'getrennt, gesondert’. Im 17. Jh.
sanza, senza. Kausativum zu sinken (s. d.), also entlehnt aus gleichbedeutend 1. separätus, dem
'sinken machen’. PPP. von 1. separäre (separätum) 'absondern,
Nschw. sänka, nisl. sökkva. S. Senkel, sinken. trennen’, zu 1. paräre 'bereiten, verschaffen’ und
1. se 'beiseite, besonders’.
senkrecht Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh., älter
Morphologisch zugehörig: Separee, Separate, Separa¬
auch senkelrecht. Zu Senkel 'Lot’ (s. d.), also tion, Separatismus, Separatist, Separativ, Separator,
'lotrecht’. separieren; etymologisch verwandt: s. parat.
Schirmer (1912), 66f.
September m. (— der 9. Monat des Jahres).
Senn m. 'Albhirt’, obd. Mhd. senncere, ahd. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
senno. Ein entsprechendes Wort ist auch im deutend 1. (mensis) September, zu 1. septem
Rätoromanischen bezeugt (oberengad. sah 'sieben’. So bezeichnet als der siebente Monat
usw.); vermutet wird die Herkunft aus einem des altrömischen Kalenderjahres, das im März
keltischen Wort für 'Melker’ (vgl. air. sine beginnt.
'Zitze’, das mit mhd. spun(n)e, spün(n)e f.\n. Etymologisch verwandt: [Septett], [Septime].
'Zitze’ verwandt ist, s. Spanferkel). septisch Adj. 'mit Keimen behaftet’, fach-
J. V. Hubschmied VR 1 (1936), 88-92. sprachl. Entlehnt aus gr. septikös 'Fäulnis erre¬
Senncsbaum m., Senncsblätter PL, fach- gend’, zu gr. sepsis 'Fäulnis’.
sprachl. Mhd. sen(e) /., entlehnt aus ml. sene, Sequenz /. 'Folge’, s. konsequent.
das aus arab. sanä stammt.
serbeln swV. 'kränkeln’, alem. Mhd. serbeln
Sensation /. 'aufsehenerregendes Ereignis’, s. zu Serben, serwen, ahd. serawen 'abnehmen, hin¬
sensibel. welken’. Herkunft unklar.
Serenade 669 setzen

Serenade /. '(Konzertveranstaltung mit) Sinne von 'das, in dem serviert wird’; ähnlich
Komposition(en) aus etwa fünf Sätzen für klei¬ Serviette (etwa als Tuch, das beim Servieren
nes Orchester’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt gereicht wird’).
aus gleichbedeutend frz. Serenade, dieses aus it. Morphologisch zugehörig: Serviererin, servil, Servilis¬
serenata (dass.), einer Ableitung von it. sereno mus, Servilität, Servis, Servitium, servo-\ etymologisch
'heiter’, aus 1. serenus (dass.). Zum Teil auch verwandt: s. konservieren.
Anlehnung an it. sera 'Abend'; daraus die Be¬ servil Adj. 'untertänig, kriecherisch’, sonder-
deutung 'Abendständchen’.
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. servtlis 'zu
Sergeant m. (= Dienstgrad eines Unteroffi¬ den Sklaven gehörig, sklavisch’, zu 1. servus
ziers), s. servieren. 'Diener, Sklave (ursprl. ‘Bewacher des Viehs)’,
Serie/. 'Reihe von Gleichartigem’. Im Mittel¬ zu 1. serväre 'beobachten, beachten’.
hochdeutschen (mhd. serje) entlehnt aus gleich¬ Morphologisch zugehörig: Servilismus, Servilität', ety¬
mologisch verwandt: s. konservieren.
bedeutend 1. series, zu 1. serere (sertum) 'fügen,
reihen, knüpfen’. Servus (= ein Gruß), südd. Gebildet zu 1.
Morphologisch zugehörig: seriell; etymologisch ver¬ servus 'Diener, Sklave (ursprünglich ‘Bewacher
wandt: desertieren (usw.), Dissertation (usw.), inserie¬ des Viehs)’, zu 1. serväre 'beobachten, beachten’.
ren (usw.), Konsorte, Konsortium, Ressort, Sermon, Grundbedeutung ist 'ich bin Dein/Ihr Diener’.
Sorte (usw.). Etymologisch verwandt: s. konservieren.
seriös Adj. 'gediegen, ordentlich’. Im 18. Jh. Sesam m. (= eine krautige Pflanze, deren
entlehnt aus gleichbedeutend frz. serieux, dieses Samen). Im Frühneuhochdeutschen entlehnt
aus ml. seriosus (dass.), aus 1. serius 'ernsthaft, aus gleichbedeutend 1. sesamum, sesamon, slsa-
ernstlich, ernst’. mum n., dieses aus gr. sesamon n. (dass.), das
Morphologisch zugehörig: Seriosität. - Schirmer wohl semitischen Ursprungs ist. Die Wendung
(1911), 175. Sesam öffne dich nach einer entprechenden Zau¬
Sermon m. 'langatmiges Gerede’, ugs. Im berformel aus dem Märchen Ali Baba und die
Mittelhochdeutschen (mhd. sermöri) entlehnt vierzig Räuber.
aus 1. sermo (-önis) 'Rede, Gerede, Äußerung, Littmann (1924), 17.
Unterredung, Dialog, (wörtlich: die zwischen Sessel m. Mhd. sezzel, ahd. sezzal, mndd.
mehreren gewechselte Rede)’, zu 1. serere (ser¬ mndl. setel aus g. *set-la- m. 'Sitz’, auch in gt.
tum) 'reihen, anreihen, anknüpfen’. Aus ur¬ sitls, ae. setl n./m.(?). Instrumentalbildung zu
sprünglich 'aneinandergereihte Wechselrede’ sitzen (s. d.). Eine entsprechende außergermani¬
wird lange Rede, Predigt’, schließlich 'langes, sche Bildung ist 1. sella /., gr. hellä f. 'Sitz’,
langatmiges Gerede’. akslav. sedlo 'Sattel’.
Etymologisch verwandt: s. Serie. S. sitzen ( + ). — Kluge (1926), 47f.
Serpentine/. 'schlangenförmiger Weg an Ber¬ Session /. 'lange Tagung, Sitzungsperiode’,
gen’. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. serpentinus sondersprachl. Entlehnt aus 1. sessiö (-önis) 'Sit¬
'Schlangen betreffend, wie Schlangen’, zu 1. ser- zung’, zu 1. sedere (sessum) 'sitzen’. Dazu ver¬
pens (-entis) 'Schlange, (wörtlich: kriechendes wandt das aus dem Englischen entlehnte Session
Geschöpf)’, dem substantivierten PPräs. von 1. 'Musikveranstaltung mit viel improvisierter
serpere 'kriechen, schleichen’. Musik’.
Serum n. 'Wirkstoff, wäßriger Bestandteil des Etymologisch verwandt: s. Assessor. — G. Schoppe
ZDW 15 (1914), 209.
Blutes’. Im 19. Jh. entlehnt aus 1. serum 'wäßri¬
ger Bestandteil von etwas, Molke’. Sester m., s. Sechter.
Etymologisch verwandt: s. Strom. — K.-H. Weinmann Set mjn. 'Satz, Deckchen’. Im 20. Jh. ent¬
DWEB 2(1963), 404. lehnt aus ne. set 'Satz, Kollektion, Sammlung’,
Service m./n. 'Helfen, Bedienung; Tafelge¬ zu e. set 'setzen, an eine Position bringen, in
schirr’, s. servieren. eine bestimmte Ordnung bringen’.
Zum Etymon s. setzen.
servieren swV. 'auftragen, bedienen’. Im 18.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. servir Setter m. 'Vorstehhund’, fachsprachl. Zu ne.
(wörtlich: 'dienen’), dieses aus 1. servlre 'dienen, set 'setzen’ in der fachsprachlichen Sonderbe¬
dienstbar sein, Sklave sein’, zu 1. servus 'Diener, deutung 'vorstehen’, demnach „Vorstehhund“.
(wörtlich: Hüter des Viehs)’, zu 1. serväre 'un¬ setzen swV. Mhd. setzen, ahd. sezzen, as. set-
versehrt bewahren’. In Sergeant ist die Bedeu¬ tian aus g. *sateja- swV. 'setzen’, auch in gt.
tung 'dienen’ in 'untergeordnet’ übergegangen. satjan, anord. setja, ae. settan, afr. setta. Kausa-
Der Service bezeichnet die Tätigkeit des Hel- tivum zu sitzen (s. d.), Ausgangsbedeutung also
fens, Betreuens und Wartens; das Service 'Tafel¬ 'sitzen machen, sitzen lassen’. Entsprechende
geschirr’ ist metonymische Übertragung im Kausativbildungen zu gleichen Wurzel sind ai.
Seuche 670 Sichel

sädäyati, akslav. saditi, air. saidit 'er sitzt, setzt Shanty n./(m.) 'Seemannslied’, fachsprachl.
sich’. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. shanty, das
Nndl. zetten, ne. set, nschw. sätta, nisl. setja. S. Gesetz, zurückgeführt wird auf frz. chanter 'singen’,
gesetzt, Offsetdruck, Satz, Set, sitzen ( + ). dieses aus 1. cantäre (dass.), einem Intensivum
Seuche/. Mhd. siuche, ahd. siuhht(n), mndd. zu 1. canere 'singen, tönen’.
mndl. suke. Wie gt. siukei ein Abstraktum zu Etymologisch verwandt: s. Chanson.
siech (s. d. und Sucht). Die Bedeutung ist dem¬ Sheriff m. (= ein hoher Verwaltungs- bzw.
gemäß ursprünglich Krankheit’ und hat sich Vollzugsbeamter). Im 20. Jh. entlehnt aus
mit dem Rückgang des Adjektivs siech auf die gleichbedeutend ne. sheriff, dieses aus ae. scir-
heutige Bedeutung spezialisiert. gerefa 'Grafschaftsvogt’, zu ae. sctr f. 'Verwal¬
N. Lid NTS 7(1934), 170-177; B. de Rudder DMW tungsbezirk’ und ae. gerefa 'hoher Verwaltungs¬
86(1961), 1719-1721. beamter’.
seufzen swV. Mhd. siufzen, älter siuften, ahd. Sherry m. (= ein spanischer Dessertwein),
süftön, sufteön. Abgeleitet aus dem in mhd. süft sonder spracht. Entlehnt aus gleichbedeutend
'Seufzer’ bezeugten Nomen. Dieses ist Abstrak¬ ne. sherry, dieses aus span, jerez (dass.), nach
tum zu ahd. süffan 'trinken’ (s. saufen) — das span. Jerez de la Frontera, dem Namen des
tiefe Einholen der Luft beim Seufzer wird mit Herkunftsortes in Andalusien.
dem 'Trinken, Schlürfen’ verglichen. Das neu¬ Ganz (1957), 205f.
hochdeutsche Suffix im Anschluß an entspre¬ Shop m. 'Laden, Geschäft’. Im 20. Jh. ent¬
chende Schallverben (vgl. ächzen usw.). lehnt aus gleichbedeutend ne. shop, dessen Her¬
Sex m. '(Darstellung von) Geschlechtsver¬ kunft nicht sicher geklärt ist.
kehr’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Morphologisch zugehörig: Shopping.
ne. sex (auch: 'Geschlecht’), dieses aus frz. sexe
Shorts PI. 'kurze Hose’. Im 20. Jh. entlehnt
(dass.), aus 1. sexus '(das männliche und das
aus gleichbedeutend ne. shorts (wörtlich: 'die
weibliche) Geschlecht’, zu 1. secäre (sectum)
Kurzen’), zu e. short 'kurz’, aus ae. scort (dass.).
'scheiden’. Zunächst demnach bezeichnet als
Zum Etymon s. Schurz.
'das die Menschen Unterscheidende’; die mo¬
derne Bedeutung in metonymischer Übertra¬ Show /. 'größeres Unterhaltungsprogramm,
gung. Schau’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Morphologisch zugehörig: Sexismus, Sexologe, Sexo- ne. show, einer Ableitung von e. show 'zeigen,
logie, sexual, sexualisieren, Sexualität, sexuell, Sexus, darbieten’, aus ae. sceawian (dass.).
sexy; etymologisch verwandt: s. sezieren. Morphologisch zugehörig: Showdown; zum Etymon s.
Sextant m. (= ein Winkelmeßinstrument), schauen. — M. Scheler ASNSL 209 (1972), 357 — 360.
fachsprachl. Neubildung zu 1. sextäns (-antis) Showdown m./n. 'Entscheidungskampf’, son-
'ein Sechstel’, zu 1. sex 'sechs’. Das Instrument dersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
umfaßt einen Sechstelkreis, d. h. 60 Grad. tend ne. showdown (wörtlich: 'das Aufdecken
Etymologisch verwandt: s. Siesta. der Karten beim Pokern’), einer Zuammenset-
sexuell Adj. 'geschlechtlich’, s. Sex. zung aus e. show 'zeigen’ (s. Show) und e. down
'hinunter, unten’ (aus ae. düne, dün [dass.], aus
Sezession /. 'Absonderung, Verselbständi¬
ae. of düne 'von dem Hügel bzw. der Höhe’,
gung’, s. Abszeß.
zu ae. dün f. 'Hügel’, für das man keltischen
sezieren swV. 'eine Leiche öffnen und zerle¬ Ursprung vermutet; s. Düne). Zunächst Be¬
gen’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus 1. zeichnung des spielentscheidenden Offenlegens
secäre (sectum) 'schneiden, zerschneiden, zerle¬ der Karten; dann verallgemeinernd übertragen
gen, operieren, amputieren’, (zu dem etymolo¬ auf Entscheidungssituationen (z. B. in Westem-
gisch auch 1. signum 'Zeichen’ [eigentlich: 'ein¬ filmen).
geschnitzte Marke’] gehört).
sich Pron. Mhd sich, ahd. sih, mndl. sik aus
Etymologisch verwandt: Design (usw.), Dessin, Insekt
g. *sek(e), auch in gt. anord. afr. sik. Das
(usw.), Insignien, resignieren (usw.), Segen, Segment
(usw.), Sekte, Sektion, Sektor, Sex (usw.), Sichel, Sie¬ Pronomen ist zunächst der Akkusativ, der par¬
gel, Signal (usw.), signifikant (usw.), signieren (usw.); allel zu mich und dich gebaut ist aus dem ig.
zum Etymon s. Säge. Pronomen *se; vgl. 1. se, lit. -si, akslav. sg.
Shampoo n. 'Haarwaschmittel’. Im 19. Jh. S. Sippe, Sitte. - Seebold (1984), 57f., 73-79.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. shampoo, zu e. Sichel /. Mhd. sichel, ahd. sihhila, sichel,
shampoo 'Haare waschen, (wörtlich: waschend mndd. mndl. sekele. Wie ae. sicol m. entlehnt
massieren)’, wohl aus einer Flexionsform von aus 1. sicilis 'Sichel’. Dieses zu 1. secäre
hindl cämpnä 'drücken’. 'schneiden’.
Littmann (1924), 125f. S. Sachs, Säge, sezieren (+).
sicher 671 Siegel

sicher Adj. Mhd. sicher, ahd. sihhur(i), as. Himmel ist über den Talmud in den Koran
sikor. Wie afr. sikur, ae. sicor entlehnt aus 1. gelangt und uns hauptsächlich von dorther be¬
secürus, wörtlich 'ohne Sorge’ (zu 1. cüra 'Sorge, kannt.
Pflege’), dann 'schuld- und straffrei’. Die Be¬ Nndl. zeven, ne. seven, nschw. sju, nisl. sjö. — F. Kluge
deutungsentwicklung ist im einzelnen aber ZDW 1 (1901), 363-365; K. Kant ZDW 6 (1904/05),
kompliziert und nicht immer durchsichtig. 98f.; H. Ullrich ZDW 6 (1904/05), 379.
S. Kur ( + ). Siebenbaum m., s. Sebenhaum.
sichten swV. 'mustern, auswählen’, ln diesem Siebensachen PL, ugs. Seit dem 17. Jh. für
Verb haben sich wohl zwei Quellen getroffen: 'Kram, Plunder’. Schon früh auch für 'Ge¬
einmal sichten 'erblicken’ als Ableitung von schlechtsteile' und 'Geschlechtsverkehr’. Ein
Sicht und zum anderen mndd. sichten 'sieben' spezielles Benennungsmotiv ist bei dieser ver¬
(mit cht für ft zu ae. siftan, schwz. siften). Zu hüllenden Bezeichnung nicht erkennbar.
den Vergleichsmöglichkeiten s. Sieb.
Siebenschläfer m. Die alte Legende von den
Sicke /. 'Vogelweibchen’, fachsprachl. Seit sieben Schläfern, den Heiligen des 27. Juni (be¬
dem 18. Jh. bezeugt als Diminutivum zum femi¬ zeugt seit Gregor von Tours) ist im Mittelhoch¬
ninen Pronomen sie und sekundärer Durchfüh¬ deutschen unter der Bezeichnung die siben slä-
rung des natürlichen Geschlechts. Bezeugt sind fare bekannt; diese Bezeichnung wird verein¬
auch Siechen und Sielein, die sich aber nicht heitlicht, so daß auch ein Singular Siebenschlä¬
durchgesetzt haben. fer möglich wird. So bezeichnet man einen
V. Kruppa-Kusch/F. Wortmann AHM (1964), 32-34. Langschläfer, und seit dem 18. Jh. die Hasel¬
sickern swV Im 18. Jh. übernommen aus ndd. maus wegen ihres langen Winterschlafs.
sikern, vgl. ae. sicerian. Wohl mit lautlich nicht siech Adj., arch. Mhd. siech, ahd. sioh, as.
ganz durchsichtiger Intensivgemination zu sei¬ siok aus g. *seuka- Adj. 'krank’, auch in gt.
hen (s. d.), also 'langsam und anhaltend tröp¬ siuks, anord. sjükr, ae. seoc, afr. siäk. Das Ver¬
feln’. bum siechen zeigt im Gotischen starke Präsens¬
sie Pron. Mhd. si usw., ahd. si usw., as. siu formen (siukan), allerdings ein umschriebenes
usw. Entsprechend gt. si (nur Nominativ Singu¬ Präteritum, so daß unsicher ist, ob es als
lar). Die gleiche Form *sia tritt auch im Kelti¬ Grundlage des Adjektivs aufzufassen ist.
schen (air. si) und relikthaft im Griechischen Außergermanisch vergleicht sich allenfalls arm.
(hi) auf. Motionsbildung aus dem Reflexiv¬ hiucil 'hinsiechen, erschöpfen’.
stamm *se, der durch eine anaphorische Parti¬ Nndl. ziek, ne. sich, nschw. sjuk, nisl. sjükur. S. Seuche,
Sucht. - N. Lid NTS 1 (1934), 170-177.
kel erweitert oder mit dem weiter verbreiteten
*w kontaminiert ist. Siechen n. 'Vogelweibchen’, s. Sicke.
Seebold (1984), 58-64, 82. siedeln swV. Mhd. sidelen, ahd. sidalen, vgl.
Sieb n. Mhd. sip, ahd. sib, sipf mndd. mndl. ahd. sidilo 'Ansäßiger’. Zu ahd. sidil, as. seöal
seve aus wg. *sibi- n. (o. ä.) 'Trockensieb’, auch 'Sitz’, das offenkundig zu sitzen (s. d.) gehört,
in ae. sife. Zu einer Auslautvariante von seihen dessen Konsonantismus aber unklar ist.
(s. d.). Außergermanisch vergleichbar ist allen¬ sieden st V. Mhd. sieden, ahd. siodan, mndd.
falls serb. siupiti 'rieseln’. Ein zugehöriges Verb seden, mndl. sieden aus g. *seup-a- stV. 'sieden,
ist sichten (s. d.). kochen’, auch in anord. sjö da, ae. seopan, afr.
Nndl. zeef ne. sieve. S. sichten, Seife, seihen (+). — siätha. Außergermanisch entspricht am ehesten
Hoops (1911/19), IV, 171f. lit. siaüsti 'herumtollen, wüten, rasen, branden,
sieben Num. Mhd. siben, ahd. sibun, as. sibun wogen’. Dem entspricht das germanische Verb
aus g. *sebun 'sieben’, auch in gt. sibun, anord. mit Bedeutungsverengung auf Flüssigkeiten.
sjau, ae. seofon, afr. sigun. Lautlich nicht ganz Nndl. zieden, ne. seethe, nschw. sjuda, nisl. sjö da. S.
Sodbrennen, sudeln.
klare Fortsetzung von ig. *septm (*septmt mit
Verlust des ersten t?) in ai. saptä, toch. A. spät, Sieg m. Mhd. sige, sic, ahd. sigu, as. sigi- aus
toch. B. suk(t), gr. heptä, 1. septem, air. secht, g. *segez- n., *segu- m. 'Sieg’, auch in gt. sigis,
kymr. saith, lit. septyni, akslav. sedmi. Weitere anord. sigr, ae. sige, afr. si. Außergermanisch
Herkunft unklar. Die böse Sieben bezieht sich vergleicht sich vor allem ai. sähas- n. 'Sieg’ zu
ursprünglich auf ein Kartenspiel, in dem die ai. sähate 'überwältigt’ und allgemeiner mir.
Sieben die höchste Karte ist. Auf ihr ist das sed, seg 'Stärke’, gr. echö 'ich habe, halte, be¬
Bild des Teufels, dann eines alten Weibs. Der sitze’.
siebte Himmel stammt letztlich aus dem apokry¬ Nndl. zege, nschw. seger, nisl. sigur. S. geschwind,
phen Testament der zwölf Patriarchen, während Schema ( + ).

der Kanon der Neuen Testaments (2. Kor. 12,2) Siegel n. Mhd. sigel, mndd. seg(g)el, mndl.
nur einen dritten Himmel kennt. Der siebte segel; wie afr. sigel m./n., me. seel entlehnt aus
Siegelbaum 672 simpel

l. sigillum 'Siegelabdruck’, einer Verkleinerung significäre 'Zeichen geben, äußern, hindeuten’,


von 1. signum 'Zeichen, Kennzeichen, Bild im zu 1. signum 'Zeichen, Abzeichen, Merkmal und
Petschaft’. Älter ist Insiegel (ahd. insigil(i), ae. l. facere 'machen, tun’.
insegel, anord. innsigli), das auf einer Kreuzung Morphologisch zugehörig: Signifikant, Signifikanz,
von 1. sigillum und 1. insigne 'Kennzeichen’ be¬ Signifikat, signifikativ, signifizieren; etymologisch ver¬

ruht. Gt. sigljo /. 'Siegel’ hat ein ml. *sigillo wandt: s. sezieren und Fazit.
zum Vorbild. Silbe/. Mhd. silbe, früher sillabe, ahd. sillaba.
S. sezieren ( + ). Entlehnt aus 1. syllaba. Gr. syllabe bedeutet
Siegelbaum m., s. Sebenbaum. eigentlich 'Zusammenfassung’ (zu gr. syn 'zu¬
sammen’ und gr. lambänö 'ich fasse’).
Siel m./n. 'Schleuse, bei der Wasser nach au¬
ßen fließen kann, aber nicht umgekehrt’, fach- Silber n. Mhd. silber, ahd. silabar, as. silubar,
sprachl., ndd. Mndd. sil m., in Ortsnamen seit siluvar. Wie gt. silubr, anord. silfr, ae. seolfor,
dem 10. Jh. bezeugt; mndl. sile, sijl 'Abzugska- afr. sel(o)ver, silver und außergermanisch lit.
nal’, afr. sil m. Das Wort und die Sache scheinen sidäbras m., akslav. sirebro entlehnt aus einer
friesischen Ursprungs zu sein. Vermutlich eine Sprache des vorderen Orients (vgl. etwa assyr.
/-Bildung zu seihen (s. d.), etwa mit der Aus¬ sarpu 'Silber’). Ein älteres indogermanisches
gangsbedeutung 'Stelle, an der etwas ausfließen Wort für 'Silber’ liegt in 1. argentum und seinen
kann’ (vgl. nnorw. nschw. sil 'Seihe’). Entsprechungen vor.
Siele/., auch Sille/., Sill n. 'Riemenwerk der Silberblick m. 'der beim Läutern des Silbers
Zugtiere’, ndd. Mhd. sil(e) m./n./f, ahd. silo plötzlich hervorbrechende Glanz’, fachsprachl.
m. , mndd. sele; vgl. anord. seli m. und afr. silräp Bezeugt seit dem 18. Jh. Zu blicken 'aufblitzen’
m. 'Geschirrseil’. Zu Seil (s. d.) gehörig, aber (s. blecken). Danach scherzhaft in der Um¬
auf der Schwundstufe beruhend (vielleicht alter gangssprache für 'leichtes Schielen’ (da durch
/-Stamm oder ablautende Zugehörigkeitsbil¬ die unsymmetrische Pupillenstellung das Weiße
dung). der Augen immer wieder auffällt).
Sielein n. 'Vogelweibchen’, s. Sicke. Silhouette/. 'Umriß’. Im 18. Jh. entlehnt aus
sielen swV. Eigentlich sühlen, Nebenform zu frz. Silhouette 'Schattenriß’, zu Etienne de Sil¬
houette, einem französischen Generalkontrol¬
suhlen (s. Suhle).
leur und Minister. (Scherzhaft) so benannt als
Siesta /. 'Ruhepause, Mittagsruhe’, sonder-
kostengünstige Variante von gemalten Por-
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend span.
traits, d. h. Portraits ä la Silhouette, nach der
siesta, diese aus 1. (hora) sexta 'die sechste
sprichwörtlichen Sparsamkeit von Silhouette.
(Stunde des Tages)’, zu 1. sextus 'sechster’, zu 1.
Dann von 'Umrißzeichnung’ verallgemeinert zu
sex 'sechs’. Demnach so bezeichnet als „die zur
'Umriß’.
Sechsten stattfindende (Ruhepause)“.
Etymologisch verwandt: Sextant, [Sextett], Sill n., Sille /. 'Riemenwerk der Zugtiere’, s.
Siele.
siezen swV., s. duzen.
Silo m./n. 'Grube, Behälter (zum Einsäuem
Signal n. 'Zeichen’. Im 17. Jh. entlehnt aus
von Futter)’. Im 19. Jh. entlehnt aus span, silo
gleichbedeutend frz. Signal m., zu 1. signälis 'be¬
m. 'Getreidebehältnis’. Dieses aus 1. sinus m.,
stimmt, ein Zeichen zu geben’, zu 1. signum
sinum n. 'Grube zum Aufbewahren von Ge¬
'Zeichen, Kennzeichen, Merkmal’. Die Bedeu¬
treide’.
tung 'Kennzeichen’ auch in Signatur, signieren;
als 'besonders kennzeichnend, wichtig’ in signi¬ Silvester m./n. (= der letzte Tag des Jahres).
fikant (usw.); die Bedeutung 'Bezeichnung’ in Benannt nach Papst Silvester I., dem Tageshei¬
Signifikat (usw.). ligen des 31. Dezembers.
Morphologisch zugehörig: signalisieren, Signatar, Simmer n./(m.) 'Hohlmaß für feste Stoffe’,
Signum', etymologisch verwandt: s. sezieren. arch. Mhd. sümmer, summer; das vorausge¬
signieren swV. 'unterzeichnen, mit einer Un¬ hende mhd. sumber, ahd. sumb(a)ri, sumbarin,
terschrift versehen’, sonder spracht. Im 15. Jh. sumbar bedeutet 'Korb’. Weitere Herkunft un¬
entlehnt aus 1. signäre 'mit einem Zeichen ver¬ klar.
sehen’, zu 1. signum 'Zeichen, Abzeichen, simpel Adj. Spmhd. mndd. mndl. simpel (wie
Merkmal’. obd. Simpel 'Schwachkopf’), entlehnt aus frz.
Morphologisch zugehörig: Signatar, Signatur, Signet; simple, das auf 1. simplex 'einfach’ (verwandt
etymologisch verwandt: s. sezieren. — Zu Signatur s.:
mit 1. similis 'ähnlich’) zurückgeht.
K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 404.
Morphologisch zugehörig: fachsimpeln, Simpel, Sim¬
signifikant Adj. 'bedeutsam’, sonder spracht. plex, simpliciter, Simplifikation, simplifizieren, Simpli-
Im 19. Jh. entlehnt aus 1. significäns (-antis) ziade, Simplizität, Simplum; etymologisch verwandt: s.
'bezeichnend, anschaulich’, dem PPräs. von 1. assimilieren. — G. Schoppe ZDW 15(1914), 209.
Sims 673 sinnieren

Sims m./n. Mhd. sim(e)z, ahd. simizstein m. 'immergrün’. Zu grün (s. d.) und der heute aus¬
Entlehnt aus ml. *sTmätus 'plattgedrückt’, das gestorbenen Vorsilbe gt. sin-, anord. si-, ae.
auch als Terminus der Architektur verwendet afr. as. sin-, ahd. sina- 'immer’, auch einfach
wurde. Dieses zu 1. slma f. 'Rinnleiste als Glied verstärkend (vgl. Sintflut). Zu ig. *sem- 'eins’,
des Säulenkranzes’ (vgl. 1. sTmus 'plattnasig’). das (etwa im Sinn von 'in einem fort’) auch
Simse /., auch Semse /. 'Riedgras’, fach- 'immer’ bedeuten kann (vgl. 1. semper 'immer’).
sprachl. Bezeugt seit dem 15. Jh. Ähnlich das Der Pflanzenname wohl im Anschluß an 1. sem-
schon früher bezeugte Semde, Sende, mhd. pervlva.
sem(e)de f/n., ahd. semid(a), mndd. semende S. Sin(n)au. — E. Björkman ZDW 2(1901/02), 229f.
neben mndd. sem 'Binse’. Weitere Herkunft un¬ Singular m. 'Einzahl\ fachsprachl. Im 18. Jh.
klar. entlehnt aus gleichbedeutend 1. (numerus) sin¬
simulieren swV. 'vortäuschen, nachahmen’. gulär is (wörtlich: 'Numerus des Einzelnen’), zu
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. simu- 1. singuläris 'zum einzelnen gehörig, einzeln, ver¬
läre (simulätum), zu 1. similis 'ähnlich’. Dazu einzelt’, zu 1. singulus 'einzeln, ein einziger, einer
simultan 'gleichzeitig’ (usw.) nach 1. simul 'zur allein’. Dazu Single in den Bedeutungen 'Platte
gleichen Zeit’. mit einem Lied pro Seite’, 'alleinstehende Per¬
Morphologisch zugehörig: Simulant, Simulation, Simu¬ son’ und 'Einzelspiel (z. B. im Tennis)’.
lator, etymologisch verwandt: s. assimilieren. Morphologisch zugehörig: singulär, Singularetantum,
Singularismus, Singularität. — W. J. Jones SN
simultan Adj. 'gleichzeitig’, s. simulieren.
51 (1979), 272.
Sin(n)au m. 'Frauenmantel’, fachsprachl. sinken stV. Mhd. sinken, ahd. sincan, as. sin-
Fnhd. sindau(we), mndd. sindouwe; also offen¬ kan aus g. *senkw-a- stV. 'sinken’, auch in gt.
bar sin 'immer’ (s. Singrün) und Tau1 (s. d.), sigqan, anord. sekkva, ae. sincan, afr. sinka.
Tmmertau’, weü sich im Blattansatz des Außergermanisch besteht keine sichere Ver¬
Frauenmantels ein Tautropfen sammelt, der gleichsmöglichkeit. In Frage kommen arm. an-
lange erhalten bleibt. Entsprechende Namen kanim 'ich falle’ und gr. heäphthe 'fiel, sank’,
der Pflanze sind Taubehalt, Tauschüssel u. ä. beides formal mehrdeutig und in der Bedeutung
sind unr. V, s. ist und sein. unsicher. Eine Auslautvariante könnte sein lit.
Sinfonie /. (= ein großes Musikstück für sekti (senkü) 'sich senken, fallen, versiegen’.
Orchester), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus Nndl. zinken, ne. sink, nschw. sjunka, nisl. sökkva. S.
gleichbedeutend it. sinfonia, dieses aus 1. sym- sacken, seicht, senken.

phönia 'Harmoniemusik, Konzert, Einklang, Sinn m. Mhd. ahd. mndd. mndl. sin, ebenso
gemeinschaftliches Tönen’, aus ntl.-gr. sym- afr. sin. Die etymologischen Verhältnisse sind
phönia (dass.), zu gr. symphönos, zu gr. phönS unklar. Einerseits steht das Substantiv neben
'Ton, Stimme’ und gr. syn 'zugleich, zu¬ dem starken Verb ahd. sinnan 'reisen, sich bege¬
sammen’. ben, trachten nach’, afr. sinna 'sinnen, beabsich¬
Morphologisch zugehörig: Sinfonietta, Sinfonik, Sinfo¬ tigen’, ae. sinnan 'wandeln, beachten’, anderer¬
niker; etymologisch verwandt: s. Phonetik. — C. A. seits ist die Bedeutung 'Sinn’ früher bezeugt,
Keys CM 30(1969(1974]), 578-594; W. Richter in: als nach einer Entwicklung aus 'trachten nach’
H. Hüschen/D.-R. Moser (Hrsg.): FS W. Boetticher zu erwarten wäre. Auch außergermanisch schei¬
(Berlin 1974), 264-290. den sich die Möglichkeiten in einerseits 1. senüre
singen stV Mhd. singen, ahd. as. singan aus 'empfinden, wahmehmen’, andererseits air. sei,
g. *sengw-a- stV. 'singen’, auch in gt. siggwan, kymr. hynt 'Weg’ (vgl. auch senden). Die Einzel¬
anord. syngja, syngva, ae. singan, afr. siunga, heiten sind klärungsbedürftig — vielleicht liegt
sionga. Auf *senguh- führen auch zurück Wurzelmischung vor.
kymr. dehongli 'aussagen, erklären, übersetzen , S. sensibel (+).
akslav. sgtü 'er sagt’, gr. omphe 'Stimme (der Sinnbild n. Im 17. Jh. gebildet als Ersatzwort
Götter), melodiöse Stimme’. Die Ausgangsbe¬ für gr. emblema, dann auch verwendet lür 1.
deutung scheint also 'rezitieren’ gewesen zu
symbolum.
sein. H. Stegmeier in: W. D. Hand/G. O. Arlt (Hrsg ): Hu-
Nndl. zingen, ne. sing, nschw. sjunga, nisl. syngja. S. manoria, FS A. Taylor (Locust Valley 1960), 115-120.
Song.
sinnen stV., s. Sinn.
Single /./m./n. 'Alleinstehende(r), Schall¬
Sinngedicht n. Im 17. Jh. gebildet als Ersatz¬
platte, Einzelspiel’, s. Singular.
wort für gr. eplgramma.
Singrün n. 'Immergrün’, reg. Mhd. singrüene,
sinnieren swV. 'nachdenken , reg. Zunächst
spahd. sin(t)gruoni, mndd. singrone, mndl. sin-
degroen. Wie ae. singrene f. Substantivierung mundartliche Erweiterung von sinnen (um das
des Adjektivs anord. sigrcenn, mhd. singrüene Grüblerische auszudrücken), s. Sinn.
674 Sittich
sintemal

sintemal Kon]., arch. Seit mittelhochdeutscher pus, siruppus dickflüssiger Heiltrank, dieses
Zeit erscheint sTt/sint dem mäle 'seit dieser Zeit’ aus arab. saräb 'Trank’, zu arab. sariba
zu Mal' 'Zeitpunkt’ (s. -mal und Mahl') und 'trinken’.
einer nasalierten Variante von seit (s. d.), die Etymologisch verwandt: Sorbet(t). — Littmann
sich nur in dieser Fügung hält. (1924), 81, 85; Lokotsch (1975), 146.
Behaghel (1923/32), III, 245. Sisal m. (= Fasern zur Herstellung von
Sinter m. 'mineralischer Niederschlag, Tropf¬ Schnüren usw.), fachsprachl. Benannt nach der
stein, Metallschlacke’, fachsprachl. Mhd. sinter, mexikanischen Stadt Sisal.
sinder m./n., ahd. sintar, as. sinder aus g. *sen- Sisyphusarbeit /. 'sinnlose, endlose Arbeit,
dra- n./m. 'Schlacke, mineralischer Nieder¬ sonder sprach!. So benannt nach der griechi¬
schlag’, auch in anord. sindr n., ae. sinder. schen Sagengestalt Sisyphos, der wegen seiner
Außergermanisch vergleicht sich russ.-kslav. Frevel dazu verurteilt war, einen Stein den Berg
und serb.-kslav. sgdra f. 'Tropfstein u. ä.’ (cech. hinaufzurollen, der kurz vor Erreichen des
sädra f. 'Gips’). Weitere Flerkunft unklar. Gipfels wieder nach unten rollte und wieder
Nschw. sinder. — Lüschen (1968), 320. nach oben gerollt werden mußte.
Sintflut/. Mhd. sin(t)vluot, ahd. sin(t)ßuot Sit-in n. 'demonstrativer Sitzstreik’, sonder-
zu ahd. sina- 'immer’ (s. Singrün), hier im Sinn sprachl. In den sechziger Jahren neben anderen
von 'andauernd, umfassend’ und Flut. Das Bildungen dieser Art durch die Studentenbewe¬
nicht mehr verstandene Erstglied wird seit dem gung bekannt geworden; diese wiederum hat
13. Jh. umgedeutet zu Sünd(en)flut, die Strafe die Ausdrücke von ihren amerikanischen Ent¬
für die sündige Menschheit. sprechungen übernorpmen. In Amerika gehen
Sinus m. (= eine trigonometrische Funk¬ diese studentischen Ausdrücke (und Hand¬
tion), fachsprachl. Entlehnt aus 1. sinus 'Krüm¬ lungsweisen) auf Vorbilder im Kampf gegen die
mung’. Rassendiskriminierung zurück. Ein Sit-in war
Etymologisch verwandt: [insinuieren], Kosinus. ursprünglich das Platznehmen in einem für
Siphon m. 'Gerät zur Erzeugung kohlesäure¬ Weiße vorbehaltenen Lokal durch Schwarze,
haltiger Getränke’. Im 19. Jh. entlehnt aus entsprechend Walk-in für das Betreten von Be¬
gleichbedeutend frz. siphon, dieses aus 1. sTpho zirken, die für Weiße Vorbehalten waren usw.
(-önis) 'Spritze, Röhre, Heber’, aus gr. siphön Entsprechende Bildungen der Studentenzeit
(dass.). sind Go-in 'Eindringen in eine Vorlesung oder
Sitzung’, Teach-in 'öffentliche Diskussion’ (be¬
Sippe /. Mhd. sippe, ahd. sippa, sipbea, as.
reits mit Verblassen der Konstruktionsbedeu¬
sibbia aus g. *sebjö f. 'Sippe’, auch in gt. sibja
'Verwandtschaft’, anord. sifjar PI. 'Verwandt¬ tung) u. a.
schaft’, ae. sib(b), afr. sibbe. Außergermanisch F. Tschirch ZDS 26 (1970), 37-41.
vergleichen sich apreuß. subs 'eigen, selbst’, Sitte /. Mhd. site m., ahd. situ, as. sidu aus
russ. osöba 'Person’, russ.-kslav. sobi 'Eigenart, g. *sedu- m. 'Sitte’, auch in gt. sidus m., anord.
Charakter’. Weiter zu dem anaphorischen und siör m., ae. sidu, afr. side. Vermutlich genau
dann auch reflexiven Pronomen (s. sich). Die entspricht gr. ethos n. 'Gewohnheit, Sitte,
Zusammenstellung ist in allen Teilen wenig si¬ Brauch’. Das griechische Wort kann aber auch
cher. Das Wort ist in allen germanischen Spra¬ auf *sw- zurückgehen und mit ai. svadha 'Eigen¬
chen geschwunden; im Deutschen wurde es im art, Neigung, Gewohnheit’ verglichen werden.
18. Jh. wiederbelebt. Im Englischen vgl. gossip Letzteres stellt sich zu ai. svä- 'sein(es)’, so daß
'Gevatterin’, eigentlich 'gute Verwandte’, auch für Sitte an einen Anschluß an das ana-
S. sich, Sitte. — C. L. Gottzmann SW 2 (1977), phorische und später reflexive Pronomen (s.
217-258. sich) gedacht wird. Ferner wird 1. sodälis m.
Sirene /. '(Gerät zur Erzeugung von) Signal¬ 'Kamerad’ hierhergestellt. Wie bei Sippe (s. d.)
töne^)’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ sind die Zusammenhänge im einzelnen wenig
tend frz. sirene, dieses aus 1. Siren, aus gr. Sei- sicher. Das Wort ist ursprünglich Maskulinum
ren. Die Sirenen sind nach der griechischen Sage und ändert sein Genus im Deutschen seit dem
junge Frauen (oft halb Vögel), die durch ihren 14. Jh.
bezaubernden Gesang vorbeifahrende Seeleute Nndl. zede, nschw. sed, nisl. sidur. S. Ethik. — E.
anlocken und dann töten. Schiefer MSS 20 (1967), 45-57.
sirren swV. 'hell tönen’. Lautmalend wie Sittich m. Mhd. sitich, sitech, ahd. sitih,
surren. mndd. sidik. Entlehnt aus 1. psittacus, zu gr.
Sirup m. 'dickflüssiger (Frucht)Saft’. Im Mit¬ psittakos 'Papagei’, das aus einer unbekannten
telhochdeutschen (mhd. sirup(e), syrup(e), sj- Sprache entlehnt ist.
rop(e), siropel, syropel) entlehnt aus ml. sirop- S. Wellensittich. — Littmann (1924), 15, 79.
Situation 675 Sketch

Situation f. 'Umstände, Verhältnisse’. Im 17. aber die Bedeutungsverhältnisse sind im einzel¬


Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Situation, nen unklar.
zu frz. situer 'in die richtige Lage bringen’, aus Zum Etymon s. Schale'.
ml. situare (dass.), zu 1. situs m. 'Lage, Stellung’,
Skalpell n. 'chirurgisches Messer’, fach¬
dem PPP. von 1. sinere (situm) 'niederlassen, sprachl. Im Althochdeutschen (ahd. scalpellm
niederlegen, hinlegen’.
n.[?J) entlehnt aus gleichbedeutend 1. scalpel-
Morphologisch zugehörig: Situationen, situativ, situie¬ lum, einem Diminutivum zu 1. scalprum 'schar¬
ren, situiert. - W. J. Jones SN 51 (1979), 272.
fes Schneideinstrument’, zu 1. scalpere (scalp-
situieren swV., s. Situation. tum) 'schneiden, kratzen, ritzen, scharren’.
situiert Adj. (PPrät.) 'in (günstiger) Lage, Etymologisch verwandt: Skulptur; zum Etymon s.
Schild.
besonders finanziell’, sondersprachl. Bezeugt
seit dem 18. Jh. Entlehnt als Partizip zu situie¬ skalpieren swV., s. Skalp.
ren, das auf frz. situer 'in die richtige Lage Skandal m. 'Ärger erzeugendes Geschehnis’.
bringen’ zurückgeht. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
S. Situation. scandale, dieses aus kirchen-1. scandalum n.
(dass.), aus gr. skändalon n. 'Ärgernis, Verfüh¬
sitzen stV. Mhd. sitzen, ahd. sizzen, as. sittian
rung, Fallstrick’.
aus g. *set-ja- stV. 'sitzen’, auch in anord. sitja,
Morphologisch zugehörig: skandalieren, skandalisie-
ae. sittan, afr. sitta; in gt. sitan ist das y-Präsens
ren, skandalös; etymologisch verwandt: randalieren. —
wohl sekundär aufgegeben worden. Die gleiche
G. Stählin: Skandalon (Gütersloh 1930); E. Öhmann
Bildung in air. saidid 'er sitzt, setzt sich’, gr. NPhM 44(1943), 13; Brunt (1983), 463.
hezomai 'ich sitze, setze mich’; die Wurzel *sed-
skandieren swV. 'Lyrik unter starker Beto¬
'sitzen’ außerdem in 1. sldere (*si-sd-), lit. sesti,
nung der Metrik vortragen’, fachsprachl. Im
akslav. sesti, ai. sidati (si-sd-). Erweiterung zu
16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. scandere
einer Wurzel 'sitzen’, zu der wohl auch das
(wörtlich: 'steigen, sich erheben’). So bezeichnet
unregelmäßige Verb sein (s. d.) gehört.
'den Hebungen und Senkungen entprechend
Nndl. zitten, ne. sit, nschw. sitta, nisl. sitja. S. an¬ vortragen’.
sässig, Assessor (+ ), Ast, aufsässig, besitzen, Einsiedler,
Etymologisch verwandt: s. Skala.
Insasse ( + ), Katheder ( + ), Nest, Sattel', Sessel,
setzen (+), siedeln, Subsidien. Skat m. (= ein Kartenspiel). Neubildung des
19. Jhs. zu it. scarto 'die weggelegten Karten’,
Six /., sondersprachl. In der seit dem 18. Jh.
zu it. scartare 'Karten ablegen’, zu it. carta f.
bezeugten Beteuerung meiner Six steht das
'Spielkarte, Karte’, aus 1. charta f. 'Blatt, Papier,
Wort verhüllend für das weit ältere und weiter
Schrift, Brief’. So bezeichnet nach den beiden
verbreitete meiner Seel(e). Karten, die der Solospieler aufnehmen und aus-
H. Schulz ZDW 10 (1908), 152. tauschen kann.
Skala/. 'Maßeinteilung, Reihenfolge’. Im 18. Etymologisch verwandt: s. chartern. — K. Bachmann
Jh. entlehnt aus it. scäla 'Treppe, Leiter’, dieses in: K. F. Müller (Hrsg.): Beiträge zur Sprachwissen¬
schaft und Volkskunde, FS E. Ochs (Lahr/Schwarzwald
aus 1. scälae (ärum) (dass.), zu 1. scandere (scän-
1951), 347f.; W. Stammler (1954), 173.
sum) 'steigen, besteigen, ersteigen’.
Morphologisch zugehörig: skalar, Skalar, skalieren; Skelett n. 'Gerüst, Gerippe’. Im 17. Jh. ent¬
etymologisch verwandt: Aszendent (usw.), Eskalation lehnt aus gr. skeletön (söma) 'Mumie, (wört¬
(usw.), skandieren, transzendent (usw.). lich: ausgetrockneter Körper)’, zu gr. skeletös
'ausgetrocknet’, zu gr. skellesthai 'austrocknen,
Skalde m. 'nordischer Dichter’, fachsprachl.
ausdörren’.
Bei uns seit dem 17. Jh. Entlehnt aus anord.
Morphologisch zugehörig: Skelet, Skeleton, skelettie-
skäld «.(!) 'Dichter’. Vermutlich bedeutet das
ren; zum Etymon s. behelligen.
Wort ursprünglich 'Dichtung’ oder 'Gedicht’
Skepsis /. 'Zweifel, Bedenken’. Im 19. Jh.
und ist zu vergleichen mit air. scel n., kymr.
entlehnt aus gleichbedeutend gr. skepsis, zu gr.
chwed(d)l 'Erzählung’ zu *sequ- 'sprechen’ (s.
skeptesthai 'betrachten, schauen’. Morpholo¬
sagen). In diesem Fall müßte aus dem nordi¬
gisch zugehörig ist das abgelautete gr. skopein
schen Wort ein v geschwunden sein.
(dass.) (vgl. Horoskop usw.).
S. Singer IF 51 (1933), 164f. Morphologisch zugehörig: Skeptiker, Skeptizismus;
Skalp m. 'Kopfhaut des erschlagenen Fein¬ etymologisch verwandt: Bischof, Horoskop, Kaleido¬
des’, sondersprachl. Im 18. Jh. nach Berichten skop, Mikroskop, Skopus, Stethoskop, Teichoskopie;

aus Amerika entlehnt aus ne. scalp, das aus zum Etymon s. spähen.
me. scalp 'Schädel’ stammt. Dieses aus einem Sketch m. 'Darbietung einer pointierten
nordischen Wort (anord. skalpr 'Schwert¬ Kurzszene’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
scheide, Schiff’, im Dänischen 'Schale, Hülse’), tend ne. sketch (wörtlich: 'Entwurf, Studie ),
676 Smaragd
Ski

dieses wohl aus nndl. schets 'Entwurf , aus it. tend 1. scrupulus (wörtlich: 'spitzes Steinchen ),
schizzo (dass., wörtlich: 'Spritzer’), lür das man einem Diminutivum zu 1. scrüpus 'spitzer Stein’.
lautnachahmenden Ursprung annimmt. So be¬ Vgl. 'Stein des Anstoßes’.
nannt in metonymischer Übertragung von Tin¬ Morphologisch zugehörig: skrupulös, Skrupulosität. —
tenspritzer’ zu kleiner Entwurl ’, dann kurze — G. Schoppe ZDW 15 (1914), 209.
pointierte — Bühnenszene’. Dazu aus dem Ita¬ Skulptur/, 'bildhauerisches Kunstwerk’, fach¬
lienischen Skizze 'Entwurl ’. sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
1. sculptüra (auch: Bilden durch Graben, Ste¬
Ski m., s. Schi.
chen, Schnitzen’), zu 1. sculpere (sculptum) 'bil¬
Skinhead m. (= Angehöriger einer Gruppe
den, schnitzen, meißeln’, das mit 1. scalpere
von Jugendlichen, die als charakteristisches Äu¬
'schneiden, kratzen (usw.)’ verwandt ist.
ßeres den kahlgeschorenen Kopf haben), son-
Morphologisch zugehörig: Skulpteur, skulptieren,
dersprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ skulptural, skulpturieren; etymologisch verwandt: s.
tend ne. skinhead (wörtlich: 'Hautkop! ), einer Skalpell.
Zusammensetzung aus e. skin 'Haut’ (aus skurril Adj. 'absonderlich, befremdend’, son¬
anord. skinn n. 'abgezogene Haut, s. schinden)
der spracht. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬
und e. head 'Kopf’ (aus ae. heafod [dass.], s.
tend 1. scurrilis, zu 1. scurra Spaßmacher, Pos¬
Haupt).
senreißer’.
Skipper m., s. Schiff. Morphologisch zugehörig: Skurrilität.
Skizze/. 'Skizze’, s. Sketch. Slalom m. 'Rennen durch einen ausgesteckten
Sklave m. Spmhd. sklafe, slave. Aus ml. scla- Kurs, der kurvenförmig zu durchfahren ist’. Im
vus, das über *scylavus zu gr. skyleüo, skyläö 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend nnorw.
'ich mache Kriegsbeute’ (zu gr. skylon n. slaläm.
'Kriegsbeute’) gehört. Damit fiel die griechische Slang m. 'saloppe Umgangssprache (be¬
Bezeichnung der Slaven, mgr. Sklabenoi, später stimmter Gruppen)’. Im 19. Jh. entlehnt aus
zusammen, was zu verfehlten etymologischen gleichbedeutend ne. slang, dessen Herkunft
Vermutungen Anlaß gab. nicht sicher geklärt ist.
G. Korth Glotta 48 (1970), 145-153. Slapstick m. 'Burleske’, sonder spracht. Im 20.
Skonto n./m. 'Preisnachlaß bei Barzahlung’, Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. slapstick
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend it. (wörtlich: 'Pritsche’), einer Zusammensetzung
sconto in., dieses aus 1. absconditum n. 'Wegge¬ aus e. slap 'schlagen’ (zu e. slap 'Schlag’, aus
schafftes ’, dem substantivierten PPP. von 1. ab- ndd. slapp [dass.], s. schlaff) und e. stick 'Stock’
scondere 'verschwinden lassen, verbergen’, zu (aus ae. sticca [dass.], s. Stecken). Zunächst
1. condere 'zusammenfügen, gründen’ (s. auch Bezeichnung der Pritsche von Harlekinen in
ab-). burlesken Komödien; dann übertragen auf die
Skopus m. 'zentrale Aussage, Wirkungsbe¬ Gattung von solchen oder ähnlichen Lust¬
reich’, fachsprachl. Entlehnt aus 1. scopus 'Ziel’, spielen.
dieses aus gr. skopös (dass.), zu gr. skopein Slibowitz m. (= ein Pflaumenschnaps), son-
'sehen, schauen’. dersprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend serbo-
Etymologisch verwandt: s. Skepsis. kr. sljivovica, zu serbo-kr. sljiva 'Pflaume’.
Skorbut in. (= eine Vitamin-C-Mangel- Slip m. 'kleinerer Schlüpfer’. Im 20. Jh. ent¬
krankheit), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus lehnt aus gleichbedeutend ne. slip, einer Ablei¬
gleichbedeutend ml. scorbutus, dessen weitere tung von e. slip 'gleiten, schlüpfen’, dieses wohl
Herkunft nicht sicher geklärt ist. Unter Um¬ aus mndd. slippen (dass.).
ständen ist es germanischer Herkunft, so daß Morphologisch zugehörig: Slipon, slippen, Slipper.
die deutsche Form Scharbock nicht aus dem Slogan in. 'Wahlspruch'. Im 20. Jh. entlehnt
Lateinischen umgestaltet ist, sondern aus dem aus gleichbedeutend ne. slogan, dieses aus gäl.
Niederländischen stammt. sluaghghairm 'Kampfruf’, zu gäl. sluagh 'Heer’
Skorpion m. (= ein Spinnentier mit Giftsta¬ und gäl. gairm 'schreien, rufen’.
chel). Im Althochdeutschen (ahd. scorpiön Slums PI. 'Elendsviertel’, sondersprachl. Im
[Akk.], mhd. sc[h]orpe, scorpiön) entlehnt aus 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. slums,
gleichbedeutend 1. scorpio (-önis), dieses aus gr. zu e. slum 'enge Gasse in Armeleuteviertel’,
skorpios (dass.). dessen weitere Herkunft nicht geklärt ist.
Skriptum n. 'Drehbuch, Mitschrift, Hand¬ Smaragd m. (— ein grüner Edelstein), fach¬
schrift, Urfassung’, s. deskribieren. sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. sma-
Skrupel m. 'Hemmung, Besorgnis, Gewis¬ rac(t), sinaragt, smarät) entlehnt aus gleichbe¬
sensbisse’. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ deutend 1. smaragdus m.jf., dieses aus gr. sind-
smart 677 Sohn

ragdos f/(m.) (dass.). Die weitere Herkunft ist süddeutsch teilweise), geht dann aber zum Fe¬
nicht bekannt. mininum über.
Littmann (1924), 16; Lüschen (1968), 320-322. S. Sockel. - Heyne (1899/1903), III, 265f.; J. Koivu-
lehto in: Meid (1987), 65.
smart Adj. 'gewitzt, modisch chic’. Im 19. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. smart, dieses Sockel m. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. socle,
aus ae. smeart 'schmerzvoll’ (s. Schmerz). Die das auf 1. socculus gleicher Bedeutung, eigent¬
Bedeutungsentwicklung im Englischen geht aus lich 'kleiner Schuh’, Diminutiv zu 1. soccus (s.
von der Übertragung auf 'scharfe Worte, bei¬ Socke), zurückgeht.
ßende Kritik’, dann auch 'kraftvoll, aktiv’ und Sod m., s. Sodbrennen.
'schlau, auf den eigenen Vorteil bedacht’. Die Soda f.jn. (= Natriumsalz der Kohlensäure).
Bedeutung 'modisch chic’ ausgehend von 'cle¬ Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span.
ver, wachsam, auf das Äußere achtend’. soda /., dessen Herkunft nicht geklärt ist.
Smog m. 'Dunst aus giftigen Abgasen’. Im Lüschen (1968), 322.
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. smog, Sodbrennen n. Bezeugt seit dem 16. Jh. als
einer neologischen Bildung aus e. smoke sötbrennen zu älterem mhd. söt m./n., mndd.
'Rauch’ und e. fog 'Dunst, Nebel’. sode, ae. seaöa m., eigentlich 'das Sieden’, mit
Etymologisch verwandt; s. Smoking. Ablaut zu sieden (s. d.).
Smoking m. 'vornehmer Abendanzug'. Neu¬ Sode/. 'Rasenstück, Torfscholle’, ndd. Mndd.
bildung des 20. Jhs. zu ne. smoking-jacket, Smo¬ mndl. sode, afr. sätha m. Herkunft unklar.
king- suit (wörtlich: 'Jacke bzw. Anzug zum Nndl. zode, ne. sod.
Rauchen’), zu e. smoke 'rauchen’. Sofa n. (= ein gepolstertes Sitzmöbel). Im
Etymologisch verwandt: Smog; zum Etymon s. 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. sofa
schmauchen. m. und it. sofa m., diese aus arab. suffa 'Ruhe¬
Smutje m. 'Schiffskoch’, sondersprachl., ndd.
bank’.
J. W. Walz ZDW 12 (1910), 197; Littmann (1924), 88f;
Bezeugt seit der Jahrhundertwende, auch als
Lokotsch (1975), 153.
Kökensmud (Küchen-), in der Seemanns- und
dann der Marinesprache. Wohl zu smud 'große sofort Adv. Im 16. Jh. zusammengerückt aus
Hitze’ (smuddig 'feuchtwarm’, ne. smother), das so (und) fort, das aus der Situation heraus die
aber seinerseits eine dunkle Herkunft hat. Ein Bedeutung 'alsbald’ bekommt, wie auch mndd.
vort allein.
Anschluß an schmoren u. ä. wäre semantisch
denkbar, doch sind die lautlichen Unterschiede soft Adj. 'weich, sanft’. Entlehnt aus ne. soft,
bei einem so spät bezeugten Wort nicht zu er¬ das mit sanft (s. d.) verwandt ist.
klären. Sog m. Im 18. Jh. übernommen aus dem
Snack m. 'Imbiß’. Im 20. Jh. entlehnt aus Niederdeutschen. Ableitung zu saugen (s. d.).
gleichbedeutend ne. snack, einer Ableitung von Auch nndl. zog.
e. snack 'schnappen, beißen’, dessen Herkunft Kluge (1911), 731.
nicht sicher geklärt ist. sogleich Adv. Seit dem 17. Jh. entwickelt
gleich (s. d.) und verstärktes sogleich die Bedeu¬
Snob m. 'arrogante, sich übertrieben exklusiv
tung 'alsbald’, die semantisch naheliegt.
gebende Person’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleich¬
S. Kallos BGDSL 55(1931), 76-80.
bedeutend ne. snob, dessen Herkunft nicht si¬
cher geklärt ist. Sohle/. Mhd. sol(e), ahd. sol(a), as. sola.
Entlehnt aus 1. sola, das in dieser Bedeutung
Morphologisch zugehörig: Snobiety, Snobismus.
Plural zu 1. solum n. 'Boden’ ist. Der Plural wird
so Adv. Mhd. ahd. as. sö aus g. *swä, auch im Deutschen zum Femininum umgedeutet. Die
in gt. swa, swe, anord. svä, so, ae. swä, swce. bergmännische Bedeutung von Sohle kann un¬
Außergermanisch vergleichen sich gr. hös 'wie’ mittelbar auf den lateinischen Singular zurück¬
(nachgestellt) und al. suad 'so’. Weitere Her¬ gehen. Auch die frühneuhochdeutsche und re¬
kunft unklar. gional auftauchende Bedeutung 'Plattfisch’
Nndl. zo, ne. so, nschw. sä, nisl. svo. S. also, solch. folgt der Übertragung im Lateinischen.
Socke /. Mhd. soc(ke) m., ahd. soc m., as. Nndl. zool. - Heyne (1899/1903), III, 264f.; Wolf
sokk m. Wie ae. socc m. entlehnt aus 1. soccus (1958), Ulf.
m. 'niedriger Schuh’. Da diese Schuhe vielfach Sohn m. Mhd. sun, ahd. sun(u), as. sunu aus
aus Stoff hergestellt wurden, konnte sich die g. *sunu- m. 'Sohn’, auch in gt. sunus, anord.
Bedeutung 'kurzer Strumpf’ entwickeln. Das sonr, sunr, ae. afr. sunu. Aus ig. *suonu- m.
Wort ist bei der Entlehnung zunächst nach sei¬ 'Sohn’, eigentlich 'Geborener’, auch in ai. sünü-,
nem Vorbild ein Maskulinum (wie heute noch akslav. synü, lit. sünüs und mit anderen Suffixen
sohr 678 Söller

gr. hyiös, toch. A. se, toch. B. soy; zu *seua- chend stehen neben dem jeweiligen Wort für
' gebären’ in ai. süte 'gebiert’, air. suth 'Frucht, Salz Wörter mit der Bedeutung 'Morast u. ä.
Geburt’. Die Vokalkürze im Germanischen ist in air. säl m. 'Schmutz, Schlacke, Fleck’, kymr.
unregelmäßig. häl 'Schmutz, Dung, Moor’, gr. hyle 'Sediment,
Nndl. zoo«, ne. nschw. son, nisl. sonur. Schlamm, körperliche Ausscheidung’, lit. sültis
'Salzlake, Saft’, akslav. slatina 'Salzwasser,
sohr Adj. 'ausgedörrt’, nordd.; Sohr in. 'Sod¬
Meer’, russ. söloti 'Morast, Sumpf . Es handelt
brennen’, nordd. Mndd. sör, mndl. soor aus wg.
sich um Wörter der Bedeutung 'Salzwasser,
*sauza- Adj. 'trocken’, auch in ae. sear. Dieses
Schlamm, Sediment’, zu denen das Wort Salz
aus ig. *sausö- 'trocken’, auch in gr. aüos, (att.)
(s. d.) als Ableitung ('Sediment’) gehört. Da
haüos, lit. saüsas, akslav. suchü 'trocken, dürr’.
Schwundstufen neben a/o/a-Vokalismus stehen,
Dieses aus dem in ai. susyati, lett. sust 'trocken
ist wohl von *sa-l auszugehen, in dem einerseits
werden’ vorliegenden Verbum.
d vor / ausfallen, andererseits das / unsilbisch
Nndl. zoor.
werden kann.
Soiree /. (= eine exklusive Abendveranstal¬
S. Salami ( + ). - Bielfeldt (1965), 19; E. Seebold in:
tung), sondersprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus FS Matzel (1984), 127-130.
gleichbedeutend frz. soiree, zu frz. soir m.
solidarisch Adj. zu jmd. haltend, für jmd.
'Abend’, aus 1. sera (dass.), zu 1. serus 'spät’.
einstehend’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Dieses gehört (lautlich unregelmäßig) zu dem
deutend frz. solidaire (wörtlich: 'jeder für den
unter langsam behandelten g. *saina- 'spät’
anderen haftend’), zu 1. in solido 'im ganzen’,
(anord. seuin usw.).
zu 1. solidus 'ganz, völlig, vollständig’. Die mo¬
Soja/. (= eine Pflanze). Über das Niederlän¬ derne Bedeutung errtsteht in der juristischen
dische entlehnt aus gleichbedeutend jap. shöyu, Fachsprache.
dieses aus dem Chinesischen. Morphologisch zugehörig: solidarisieren, Solidarismus,
Littmann (1924), 135. Solidarität; etymologisch verwandt: s. solide.
solar Adj. 'zur Sonne gehörend\ fachsprachl. solide Adj. 'massiv, gediegen, haltbar’. Im
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. sölärius, zu 1. 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. solide,
söl 'Sonne’. dieses aus 1. solidus (dass., auch: 'ganz, völlig’),
Morphologisch zugehörig: Solarisation, Solarium; ety¬ das mit 1. salvus 'heil’ verwandt ist (s. unter
mologisch verwandt: Parasol, Söller, Sonne.
salutieren).
solch Pron. Mhd. solch, ahd. su/ih, as. sulik Morphologisch zugehörig: solidieren, Solidität; etymo¬
aus *swä-leika-, auch in afr. selik, während auf logisch verwandt: konsolidieren, Saldo, Sold, Söldner,
*swa-leika- gt. swaleiks, anord. slikr, ae. swilc, Soldat, [Soldo], solidarisch (usw.). — Schirmer (1911),
swelc, mndl. sulc, swilc, swelc u. ä. zurückgehen. 177.
Zu so (s. d.) und der Grundlage von -lieh (s. Solist m. 'jmd., der einen Einzelpart über¬
Leiche), also 'so geartet’. nimmt/vorträgt’, s. solo.
Nndl. zulk, ne. such, nschw. slik, nisl. sliukur. Soll «., auch Solle/. 'kreisrunde Bodensenke,
Sold m. Mhd. solt. Entlehnt aus afrz. solde, mit stehendem Wasser gefüllt’, fachsprachl. Ur¬
it. soldo (frz. soü) 'Münze’, auch 'Entlohnung’ sprünglich niederdeutsch (mndd. sol). Zu dem
aus 1. (nummus) solidus 'Goldmünze’ (aus ge¬ Wort Sole/Suhle (s. d.) als 'Wasserloch, aus dem
diegenem Gold, deshalb zu 1. solidus 'gediegen, ein Sediment ausfällt’.
echt’). sollen Prät.-Präs. Mhd. suln, soln, ahd. (3.
S. Soldat, Söldner, solide ( + ). Sg.) skal, as. scal aus g. *skal Prät.Präs. (3. Sg.)
Soldat m. 'Krieger’. Im 16. Jh. entlehnt aus 'schulden, sollen’, auch in gt. skal, anord. skal,
gleichbedeutend it. soldato (wörtlich: 'der in ae. sceal, afr. skel, skil. Die Ausgangsbedeutung
Sold Genommene’), dem substantivierten PPP. ist 'schulden’, womit sich lit. skeleti 'schulden’
von it. soldare 'in Sold nehmen’ (s. auch Sold). vergleichen läßt. Die Bedeutung 'schulden’ hält
Morphologisch zugehörig: Soldateska; etymologisch sich in der Kaufmannssprache noch lange; auf
verwandt: s. solide. — G. Schoppe ZDW 15(1914), ihr beruht kaufmännisches Soll in der Buchhal¬
210. tung (eigentlich 'Schuld’). Weitere Herkunft un¬
Söldner m. Mhd. soldencere, soldner. Ablei¬ klar. Der neuhochdeutsche Anlaut beruht auf
tung von Sold (s. d.) bald nach dessen Entleh¬ einer (wohl im Satztiefton erfolgten) Konsonan¬
nung. tenvereinfachung (die teilweise auch im Engli¬
Sole/. 'Salzwasser’. Bezeugt seit der 2. Hälfte schen auftritt).
des 14. Jhs., älter ist das Wort in der Bedeutung Nndl. zullen, ne. shall, nschw. skola, nisl. skulu. S.
'Suhle’ (ahd. sol, sul m./n., ae. sol n., solu, s. Schuld ( + ).

Soll, Suhle). Das Nebeneinander der Bedeutun¬ Söller m. 'Erker’, fachsprachl.; 'Dachboden’,
gen wie bei Lache/Lake und Sülze. Entspre¬ reg. Mhd. sölre, solre, ahd. soläri, soleri, solre.
solo 679 Sonne

as. solari; wie ae. solor entlehnt aus 1. Solarium 1. unda 'Woge’). Hierzu sondieren, eigentlich 'mit
n. 'flaches Dach, Terrasse’. einer Sonde untersuchen’.
S. solar ( + ). — Kuhberg (1933), 60.
sonderbar Adj. Mhd. sunderbcere, sunderbar,
solo Adj. 'allein’, ugs., fachsprachl. Im 18. Jh. spahd. suntarbäro Adv. (?) 'abseits’, mndd.
entlehnt aus gleichbedeutend it. solo, dieses aus mndl. sunderbar. Weiterbildung zu sonder (s.
1. sölus (dass.), zu 1. se 'ohne, beiseite, beson¬ sondern2) in den Bedeutungen 'abseits, merk¬
ders’. würdig’ und 'besonders’; letzteres ist heute zu¬
Morphologisch zugehörig: Solist, solitär, Solitär, Soli- rückgetreten.
tüde; etymologisch verwandt: desolat. Nndl. zonderbaar.
Solper m., auch Sulper m. 'Salzlake für Pökel¬ Sonderling m. Seit fnhd. sunderling, zu sonder
fleisch’, wmd., mndd. Das gleiche Wort wie Sal¬ (s. sondern2) in der Bedeutung 'jmd., der sich
peter, der früher zum Einsolpern diente. absondert’.
S. Salami ( + ).
sondern1 Konj. Frühe Spezialisierung des Ad¬
Sommer m. Mhd. sumer, ahd. as. sumar aus verbs mhd. sunder, ahd. suntar, as. sundar (afr.
g. * sumer a- m. 'Sommer’, auch in anord. sumar sunder, ae. sundor, anord. sundr, mit abweichen¬
n., sumarr, ae. sumer, afr. sumur. Außergerma- der Endung gt. sundro) 'abseits, gesondert, für
nisch scheint die gleiche Bildung in arm. amarn sich’; die im Deutschen noch als archaische
'Sommer’ (zu arm. am 'Jahr’) vorzuliegen. Ohne Präposition (sonder Zahl u. ä.) erhalten ist. Die
dieses Suffix avest. ham- 'Sommer’ (ai. sämäf heutige Lautform ist ostmitteldeutsch und von
'Halbjahr, Jahreszeit’), air. sam, kymr. haf. Luther durchgesetzt worden. Außergermanisch
Nndl. lomer. ne. summer, nschw. sommar, nisl. sumar. vergleichen sich ai. sanutä- 'weg, abseits’ (in der
— O. Szemerenyi Glotta 38 (1960), 109; M. Tallen
Stammform abweichend) und gr. äter 'ohne’;
DWEB 2 (1963), 159-229.
ohne das /-Suffix 1. sine 'ohne’, air. sain 'beson¬
Sommerfrische /. Ursprünglich ein Tiroler ders, verschieden’, toch. A. sne, toch. B. snai
Wort, bezeugt seit dem 15. Jh. für 'sommer¬ 'ohne’.
licher Erholungsaufenthalt auf dem Lande’, zu¬ Behaghel (1923/32), III, 293-295.
nächst nur als Frische, dann durch Sommer
sondern2 swV. Mhd. sundern, ahd. suntarön,
verdeutlicht. Gleichbedeutend it. frescura 'fri¬
sche Luft, angenehme Kühle’, das vielleicht das mndd. sunderen, mndl. sonderen. Wie ae. gesun-
drian, anord. sundra abgeleitet von dem Adverb
Vorbild gewesen ist.
F. Wrede ZDW 1 (1901), 78; Ladendorf (1906), 289f.; sonder.
A. Götze ZDW 13(1912), 154f.; Kretschmer (1969), Nndl. afzonderen, ne. sunder, nschw. söndra. S. beson¬
44, 599. ders, sonderbar, Sonderling.

Sommersprosse/. So bezeugt seit dem 17. Jh. sondieren swV 'erkunden, erforschen’, s.
Älter ist das einfache Wort fnhd. sprusse, mndd. Sonde.
sprotele, sprutele, mndl. sproete (der Vokalismus Sonett n. (= ein gereimtes Gedicht mit cha¬
ist nicht ganz einheitlich und nicht überall klar rakteristischem Aufbau), s. Sonate.
zu beurteilen). Zu spritzen, das seinerseits zu
Song m. 'Lied’. Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
sprießen (s. d.) gehört, also 'Spritzer’, wie sonst
bedeutend ne. song, aus ae. sang (dass.).
auch Sommerflecken.
Zum Etymon s. singen.
S. Sprosser.
Sonnabend m. 'Samstag’, nordd., md. Mhd.
Sommervogel m. 'Schmetterling’, reg. Bezeugt
sun(nen)äbent, ahd. sunnünäband, sunnünäbund,
seit dem 15. Jh. und heute noch mundartlich.
Vogel hier allgemein für 'fliegendes Tier’.
eigentlich 'Vorabend des Sonntags’. Zu Abend
in dieser Bedeutung s. Abend.
Sonate/. (= ein zyklisch aufgebautes Musik¬
S. auch Samstag. - A. D. Avedisian DWEB 2 (1963),
stück), fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus
231-264.
gleichbedeutend it. sonata, zu it. sonare 'tönen,
klingen’, aus 1. sonäre, zu 1. sonus m. 'Schall, Sonne /. Mhd. sunne, ahd. as. sunna aus g.
Ton, Klang’. So bezeichnet als instrumentales *sunnö f. 'Sonne’, auch in gt. sunno, anord.
Vorspiel vor einer Singstimme. Das Sonett ist sunna, ae. sunne, afr. sunne, senne, sinne. Da das
demnach wörtlich ein 'kleiner Tonsatz . Wort auch mit /-Suffix auftritt (gt. sauil, anord.
Morphologisch zugehörig: Sonant, Sonar, Sonata, So¬ söl, ae. sygil), wird angenommen, daß es einen
natine; etymologisch verwandt: Dissonanz, Konsonant, alten //«-Stamm fortsetzt. Die «-Bildung auch
Resonanz (usw.), sonor, Sound. in avest. xvang (Gen.), die /-Bildung ist üblicher:
Sonde/., fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
ai. süvar, sürya- m., gr. helios m., 1. söl m., kymr.
frz. sonde, das ursprünglich 'Senkblei’ bedeu¬ haul, lit. säule, akslav. slünlce n.
tete. Dieses zu 1. subundäre 'untertauchen (zu Nndl. zon, ne. sun. S. Helium, schwelen, solar ( + ).
Sonnenblume 680 sotan

Sonnenblume /. Bezeugt seit dem 16. Jh. als Sore /. 'Diebesgut’, vulg. Übernommen aus
Bezeichnung verschiedener Pflanzen. Ursprüng¬ dem Rotwelschen, in dem es seit dem 17. Jh.
lich benannt, weil sich die Blüten nach der bezeugt ist. Aus wjidd. sechore 'Ware’, das auf
Sonne drehen (vgl. it. girasole m.), später allge¬ hebr. sehörä(h) 'Ware’ zurückgeht.
mein als Vergleich der gelben Blütenkörbe mit Sorge/. Mhd. sorge, ahd. sorga, as. sor(a)ga
einer Sonne verstanden. aus g. *surgö f. 'Sorge’, auch in gt. saurga,
Sonnenwende/. Mhd. sunne(n) wende, sunnen- anord. sorg, ae. sorh, sorg', afränk. sworga mit
wandel m., entsprechend mndd., abweichend abweichendem Anlaut ist wohl sekundär.
anord. söl(ar)hvarf. Der Begriff ist weit verbrei¬ Außergermanisch vergleichen sich ai. sürksati
tet, etwa gr. (ep.) trope eelioio 'Westen’, 1. sölsti- 'kümmert sich um etwas’, lit. sergeti 'hüten,
tium n., wird aber als einzelsprachlich bewahren’, akslav. stresti 'hüten, bewahren’
bezeichnet. (*serogh-); von der unerweiterten Wurzel avest.
Bächtold-Stäubli (1927/42), VIII, 87f. haraite 'gibt acht’, mit abweichender Erweite¬
Sonntag m. Mhd. sunne(n)tac, suntac, ahd. rung 1. serväre 'bewahren, erretten’, avest. nis-
sunnüntag, as. sunnondag. Wie ae. sunnandag, hauruuaiti 'gibt acht, behütet’.
afr. sunnandei, anord. sunnudagr übersetzt aus Nndl. zorg, ne. sorrow, nschw. nisl. sorg. S.
1. dies sölis f/m., dieses wiederum aus gr. hemera konservieren ( + ). — H. Götz ASAfVL 49 (1957),
heliou f (zum Bezeichnungssystem s. Dienstag). 93-105.
Die Entlehnung ist alt (4. Jh.), weil in dieser Zeit Sorgfalt /. Bezeugt seit dem 17. Jh. Rückbil¬
1. dominicus dies Tag des Herrn’ (frz. dimanche dung aus mhd. sorcveltic, sorcveldic, mndd.
usw.) eingeführt wurde. sorchvoldich, sorchveldich, sorchvaldich, mndl.
sonor Adj. 'volltönend, klangvoll’, s. Sonate. sorchvoudich. Dieses vermutlich als 'mit Sorgen¬
sonst Adv. Mhd. su(n)st, älter sus, ahd. as. falten versehen’ zu erklären.
sus bedeutet eigentlich 'so’. Neben ihm steht Sorte /. Bezeugt seit dem 14. Jh., teils über
mit abweichendem Anlaut ae. pus, afr. as. thus. das Mittelniederländische aus dem Französi¬
Herkunft und Zusammenhang sind unklar, schen, teils aus dem Italienischen (sorta) ins
wenn auch sicher die Pronominalstämme, die Oberdeutsche entlehnt. Beiden zugrunde liegt 1.
unter so und der aufgeführt sind, an der Ent¬ sors (-rtis) 'Los’ in der kaufmännischen Son¬
wicklung beteiligt waren. Das -t ist nachträglich derbedeutung, nach der die Ware in verschie¬
angetreten; das -n- beruht auf unregelmäßiger dene Güteklassen aufgeteilt wird, die Lose (1.
Nasalierung seit dem 14. Jh. (eine ähnliche Na¬ sortes) heißen. Dieses zu 1. serere 'fügen, reihen,
salierung bei seit, s. sintemal). Die Bedeutungs¬ knüpfen’.
entwicklung wohl in elliptischen Drohungen: Morphologisch zugehörig: sortieren, Sortiment', etymo¬
Tu A, so (wie es jetzt ist) mache ich B, verstan¬ logisch verwandt: s. Serie.
den als Tu A, sonst mache ich B’.
sortieren swV. 'in eine (alphabetische) Reihen¬
Nndl. zus. S. umsonst. — W. A. Benware BGDSL-T
folge bringen’, s. Sorte.
101 (1979), 345.
Sortiment n. 'Auswahl’, s. Sorte.
Soor m. 'Pilzinfektion mit grauweißem Belag
der Mundschleimhaut’, fachsprachl. Herkunft SOS n. (= internationales Notsignal). Ini¬
unklar; ein regional weit verbreitetes sohren be¬ tialwort zu ne. Save Our Ship 'rettet unser
deutet 'kränkeln, siech sein u. ä.’, steht aber Schiff’ oder Save Our Souls 'rettet unsere See¬
semantisch nicht nahe genug. len’. Das Signal wurde wegen der Form der
Sopran m. (= die höchste weibliche Stimm¬ Morsebuchstaben gewählt (S = 3 Kürzen, O
lage), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus = 3 Längen); der Text ist eine nachträgliche
gleichbedeutend it. soprano, zu it. soprano 'obe¬ Deutung.
rer, darüber liegend’, zu 1. super 'darüber, oben’. Soße /. Im 16. Jh. entlehnt aus frz. sauce
So bezeichnet als die am weitesten oben lie¬ (und teilweise heute noch so geschrieben). Das
gende weibliche Singstimme. französische Wort geht auf 1. salsa 'gesalzene
Morphologisch zugehörig: Sopranist; etymologisch (gewürzte) Brühe’ zurück, das eine Substanti¬
verwandt: s. super-, vierung des Adjektivs 1. salsus 'gesalzen’ ist (zu
Sorbet(t) m./n. (= ein eisgekühltes Getränk, 1. säl m./n. 'Salz’).
Halbgefrorenes). Im 17. Jh. entlehnt aus gleich¬ S. Salami ( + ).
bedeutend frz. sorbet m., it. sorbetto m. und
span, sorbete m., diese aus türk, serbet 'süßer, sotan Adj. 'so beschaffen’, arch. Fnhd. sötän,
kühlender Trunk’, zu arab. sariba 'trinken’. mhd. sögetän. Später wird das Präfix ge- im
Etymologisch verwandt: Sirup. — G. Schoppe 7,1)W zusammengesetzten Wort unterdrückt; also =
15(1914), 210; Littmann (1924), 81, 85; Lokotsch so getan mit der allgemeinen Bedeutung von
(1975), 146. getan 'beschaffen’.
Soubrette 681 spähen

Soubrette/. ( = komisches Rollenfach für So¬ gleichbedeutend frz. souverain, dieses über mit¬
pran), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus tellateinische Vermittlung zu 1. super 'über5.
gleichbedeutend frz. Soubrette, zu prov. soubret, Morphologisch zugehörig: Souverän, Souveränität', ety¬
soubreto 'geziert5, zu prov. soubrä 'drüber hin¬ mologisch verwandt: s. super-.
aus sein’, aus 1. superäre 'die Oberhand haben, sowieso Adv. Eigentlich 'es ist so oder so das¬
übersteigen’, zu 1. super 'oben, darüber’. Zu¬ selbe’. Auch wie Soundso als Ersatz für unbe¬
nächst Bezeichnung der spitzbübischen, ge¬ stimmte Namen gebraucht (Herr Sowieso).
scheiten Magd in Theaterstücken; dann über¬
sozial Adj. 'die Gesellschaft betreffend, gesel¬
tragen auf eine Gesangsrolle.
lig5. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Etymologisch verwandt: s. super-,
frz. social, dieses aus 1. sociälis (dass.), zu 1.
Souffle u. 'Auflauf’, s. soufflieren. socius 'teilnehmend, in Verbindung stehend, zu¬
Souffleur m. 'jmd., der Schauspielern den gesellt’.
Text zuspricht5, s. soufflieren. Morphologisch zugehörig: soziabel, Soziabilität, So¬
zialisation, sozialisieren, Sozialismus, Sozialist, Sozial¬
soufflieren jn?K 'flüsternd vorsprechen’, fach¬
ität, Sozietät, soziieren, Soziolekt, Soziologie, Sozius;
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend etymologisch verwandt: s. assoziieren. — G. Schoppe
frz. soufflier (wörtlich: 'blasen, hauchen’), dieses ZDW 15(1914), 210; L. H. A. Geck MS 71(1961),
aus 1. suffläre (sufflätum) 'blasen, anblasen’, zu 294 — 308; El. Müller: Ursprung und Geschichte des
1. fläre 'blasen’ (s. auch sub-). Dazu als Resulta- Wortes 'Sozialismus' und seiner Verwandten (Elannover
tivum Souffle 'Auflauf5 („Aufgeblasenes“). 1967); J. Gans CL 14(1969), 45-58; Bartholmes
(1970), 223—239; J. Thiele in: R. Große/A. Neubert
Morphologisch zugehörig: Souffleur, Souffleuse; ety¬
(Hrsg.): Beiträge zur Soziolinguistik (Halle/S. 1974),
mologisch verwandt: s. Inflation.
171 —186; W. Schieder in: FS R. Brinkmann (Tübingen
Sound m. 'Klang5. Im 20. Jh. entlehnt aus 1981), 474-488.
gleichbedeutend ne. sound, dieses aus afrz. son Sozius m. 'Teilhaber, Beifahrersitz am Motor¬
(dass.), aus 1. sonus 'Schall’. rad’. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. socius 'Gesell¬
Etymologisch verwandt: s. Sonate. schafter, Teilnehmer’, zu 1. sequi 'folgen, be¬
soupieren swV 'festlich zu Abend essen’, son¬ gleiten’.
der spracht. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ Etymologisch verwandt: s. assoziieren.
tend frz. souper, zu frz. soupe 'in die Suppe Spachtel m.//. Bezeugt seit dem 16. Jh. Mit
getunktes Brot, Fleischbrühe, Suppe5, aus gallo- unregelmäßiger Lautentwicklung aus älterem
rom. *suppa (dass.), zu gallo-rom. *suppare spat(t)el (vgl. die Entwicklung von Schachtel,
'würzen5, vergleichbar mit gt. supön (dass.). s. d.). Die beiden Formen sind dann semantisch
Soutane /. (= Talar von katholischen Geistli¬ differenziert worden — Spachtel ist ein Werk¬
chen), fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus zeug der Flandwerker, Spatel eines der Ärzte
gleichbedeutend frz. soutane, dieses aus it. sot- und Apotheker. Das Wort wurde im 15. Jh.
tana (dass., wörtlich: 'Untergewand’), zu it. sot- entlehnt aus it. spatola /., aus 1. spatula f.
tano 'unter5, zu it. sotto 'unten5, aus 1. subtus 'Schäufelchen5, Diminutiv zu 1. spatha f. 'Rühr¬
(dass.) (s. auch sub-). Die Soutane wird von den löffel’ (aus gr. späthe f. 'flaches Werkzeug’).
katholischen Geistlichen unter den liturgischen S. Epaulett, Spalier, Spaten. — V. Moser ZM

Gewändern getragen. 14(1938), 70-73.

Morphologisch zugehörig: Soutanelle. spack Adj. 'trocken, dürr5 (hauptsächlich von


Holz), ndd. Mndd. spaken 'dürre Äste’, ahd.
Souterrain n./(m.) 'Kellergeschoß . Im 18. Jh.
spahha 'Reisig, dünne Scheite’. Wohl lautma¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. Souterrain m.
lend nach dem Knacken und Brennen.
(wörtlich: 'Unterirdisches’), zu frz. souterrain
S. Specke.
'unterirdisch5, aus 1. subterräneus (dass.), zu 1.
terra fl 'Erde5 (s. auch sub-). Spagat1 m. (= eine turnerische Spreizfigur),
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend it.
Etymologisch verwandt: s. Terrasse. — Brunt (1983),
spaccata fl., zu it. spaccare 'spalten’.
468.
Souvenir n. 'Mitbringsel, Andenken5. Ent¬ Spagat2 m. 'Schnur’, südd., s. Spaghetti.
lehnt aus gleichbedeutend frz. souvenir m., zu Spaghetti PI. 'lange, dünne Nudeln’. Im 20.
frz. souvenir 'erinnern’, aus 1. subvenire 'einfal¬ Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. Spaghetti,
len. in die Gedanken kommen’, zu 1. venire einem Diminutivum zu it. spago m. 'Schnur5,
'kommen’ (s. auch sub-). So bezeichnet als 'Er¬ dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
innerungsstück5. Daraus auch Spagat2 'Schnur5.
Etymologisch verwandt: s. Advent. spähen swV. Mhd. spehen, ahd. spehön, spio-
souverän Adj. unabhängig, unumschränkt, hön, mndd. speen, spei(g)en, mndl. spien; im
sicher, überlegen’. Im 17. Jh. entlehnt aus Ablaut dazu anord. spä 'wahrsagen . Außerger-
Spake 682 Sparkalk

manisch vergleichen sich ai. päsyati 'er sieht’, Spaniel m. (= eine Hunderasse), fachsprachl.
l. specere 'erblicken’, und mit Umstellung gr. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
skeptomai 'ich schaue’. spaniel, dieses aus afrz. espagneul (dass.), aus
Nndl. spieden. S. Skepsis ( + ), Spektakel (+), spicken, span, espahol 'spanisch’, aus 1. hispänus (dass.),
Spiegel, Spion. zu 1. Hispänia 'Spanien’.
Spake/. 'die über das Steuerrad hinausgehen¬ Ganz (1957), 209.
den Speichengriffe’, ndd. Ursprünglich friesi¬ Spanne /. Mhd. spanne, ahd. spanna, mndd.
sche Form des Wortes Speiche (s. d.). mndl. spanne aus g. *spannö f. 'Spanne’, auch
spakig Adj. 'stockfleckig’, ndd. Herkunft un¬ in anord. sppnn, ae. spann, afr. spönne. Verbal¬
klar. abstraktum zu spannen (s. d.), spezialisiert auf
die Strecke zwischen den Fingern der ausge¬
Spalier n. (= ein gitterartiges Gestell, eine
spannten Hand als Längenmaß, entweder zwi¬
von Menschenschlangen eingesäumte Gasse).
schen Daumen und kleinem Finger oder zwi¬
Im Mittelhochdeutschen (mhd. spalier, spalde-
schen Daumen und Zeigefinger.
nier) entlehnt aus it. spalliera f 'Schulterhar¬
Nndl. span(ne), ne. span, nschw. spann, nisl. spönn. S.
nisch, bunter wollener Wandteppich, Rücken¬
spannen (+).
lehne, Baumgeländer’, zu it. spalla f. 'Schulter’,
aus 1. spatula f. 'Schulterblatt, Spatel, Rührlöf¬ spannen swV, früher stV. Mhd. spannen, ahd.
fel’, einem Diminutivum zu 1. spatha f. 'Rührlöf¬ as. spannan aus g. *spann-a- stV. 'spannen’,
fel’, aus gr. späthef. ('Rührlöffel, flaches Werk¬ auch in ae. spannan; anord. nur in Ableitungen
zeug’). Das Bilden eines Spaliers aus Menschen wie spgnn 'Spanne’. Außergermanisch vergleicht
geht bezeichnungsmotivisch darauf zurück, daß sich lit. sppsti 'spannen, Fallen legen’ und ohne
man Soldaten usw. auf zwei Seiten so aufstellte, anlautendes 5- akslav’. ppdi 'Spanne’. Auf eine
daß sie mit ihrem Rücken das Volk abhielten. einfachere Form *pen- gehen zurück lit. pinti
Etymologisch verwandt: s. Spachtel. 'flechten, winden’, akslav. propqti 'ausspannen,
kreuzigen’, arm. henurn 'ich webe, nähe zu¬
spalten stV. Mhd. spalten, ahd. spaltan,
sammen’.
mndd. spalden. Sonst im Germanischen nur
Nndl. spannen, ne. span, nschw. spänna, nisl. spenna.
möglicherweise zugehörige Ableitungen, etwa
S. Spange, Spanne, Spant, spinnen ( + ).
gt. spilda 'Tafel’, anord. spjald, speld 'Brett’.
Keine genaue Vergleichsmöglichkeit. Vielleicht Spant n./m. 'Schiffsrippe’, fachsprachl., ndd.
vergleicht sich ai. sphätati 'birst’ (Grammatiker¬ In hochdeutschen Texten seit dem 18. Jh. Wohl
wort), dann beruht das germanische -d- auf eine Ableitung zu spannen (s. d.). Vgl. mndd.
grammatischem Wechsel. Ohne anlautendes s- span n. 'Dachsparren, Schiffsrippen’.
könnten die einfachere Wurzelstufe zeigen Kluge (1911), 734.
kslav. rasplatiti 'trennen’, kslav. patati 'birst’, sparen swV. Mhd. spar(e)n, ahd. sparen, as.
älter ai. pätäyati 'spaltet, reißt auf’ und viel¬ sparon aus g. *sparä- swV 'sparen’, auch in
leicht air. altan 'Rasiermesser’. anord. spara, ae. sparian, afr. sparia. Die alte
Nndl. spouwen. S. spleißen ( + ), Splitter, Zwiespalt. Bedeutung ist 'bewahren, sicher behalten’ (vgl.
Span m. Mhd. ahd. mndd. span, mndl. spaen ne. to spare)-, vergleichbar ist ai. sprnöti 'macht
aus g. *spänu- m. 'Span’, auch in anord. spann, los, befreit, bringt in Sicherheit’ und vielleicht
ae. spön m.tf., afr. spon. Herkunft unklar. (ohne anlautendes s-, mit Erweiterung) 1. par-
Nndl. spaan, ne. spoon, nschw. span, nisl. spönn. S. cere 'sparen’. Die Einzelheiten sind aber sowohl
Spat'. — Zu Rotspon 'Rotwein’ s.: H. Teuchert NM in bezug auf die Vergleichsmöglichkeiten als
22(1966), 4-9. auch auf die Semantik unklar.
Spanferkel n. Mhd. spenvarch (u. ä.), ahd. Nndl. sparen, ne. spare, nschw. nisl. spara. S. spärlich.
spunnifarah, spunnifarhill(n) (u. ä.), mndd.
Spargel m. Bezeugt seit dem 16. Jh., etwas
spenverken. Zusammengesetzt aus einem Wort
älter sparge(n). Entlehnt aus it. asparago, aus
für 'Ferkel’ und einem heute ausgestorbenen
1. asparagus, gr. aspäragos, das wohl mit avest.
Wort für 'Zitze’, mhd. spen /., spun(n)e,
sparaya- 'Sproß’, ai. sphürjati 'donnert, grollt,
spün(n)e n./f, ahd. spunna, mndd. spene, spone
bricht hervor’ zusammengehört.
/., ae. spanu J'., anord. speni m. Außergerma¬
S. Spörgel (+).
nisch vergleichen sich lit. spenys und air. sine
m. 'Zitze’. Spark m. 'Spörgel’, fachsprachl., ndd. Eine
S. auch Senn. niederdeutsche Variante von Spörgel (s. d.).
Spange /. Mhd. spange, ahd. spanga, mndd. Sparkalk m. 'aus Gips gebrannter Kalk’,
span n., mndl. spange aus g. *spangö f. 'Spange’, arch. Fnhd. sparekalk (u. ä.). Der erste Bestand¬
auch in anord. sppng, ae. spang. Vermutlich eine teil erscheint auch in sperglas 'Marienglas’ und
k-Ableitung zu spannen (s. d.). ae. sparstän 'Gips, Kalk’, ae. sparen 'aus Kalk’.
Nndl. spang, nisl. spöng. S. spannen ( + ), Spengler. Herkunft unklar.
spärlich 683 Speck

spärlich Adj. Ursprünglich Adverb zu mhd. spät Adj. Mhd. spate, ahd. späti, mndd. spa-
ahd. spar, ae. spar, anord. sparr 'karg’, einer de(n) Adv., mndl. spade aus g. *spädi- Adj.
Rückbildung aus sparen (s. d.). 'spät’, auch in gl. spediza 'später’. Außergerma¬
Sparren m. Mhd. sparre, ahd. as. sparro aus nisch vergleichen sich lit. spetas 'Muße’, 1. spa-
g. *spar(r)ön m. 'Sparren, Balken’, auch in tium 'Raum, Ausdehnung, Dauer’. Das litaui¬
anord. spar(r)i. Außergermanisch vergleicht sche Wort gehört zu lit. speti 'Muße haben
sich lit. spyris 'Leitersprosse’, lit. ätspyris 'Stre¬ usw.’, akslav. speti 'fortschreiten, gedeihen’ und
bepfeiler’. Weiteres s. unter sperren und Speer. somit zu einer Sippe, zu der auch sputen (s. d.)
Nndl. ne. spar, nschw. sparre. S. Speer, sperren. gehört. Die Bedeutungsverhältnisse sind aber
im einzelnen nicht klar, und auch der lautliche
spartanisch Adj. 'sehr einfach, streng, an¬
Zusammenhang ist nicht ohne Probleme. Auf
spruchslos’. Im 19. Jh. gebildet zu gr. Sparte,
jeden Fall scheint das 'gedeihen, wachsen’ auf
dem Namen der Stadt Sparta, die ihre Kinder
die zeitliche Sphäre übertragen zu sein.
sehr streng zu einfachem Leben, Zucht und
Nndl. spa(de). S. sputen.
Gehorsam erzog.
S. Sparte. Spatel mjf., s. Spachtel.

Sparte/. Heute in der Bedeutung 'Abteilung, Spaten m. Spmhd. spade, as. spado, aus g.
Aufgabe’, früher spezieller 'Amt, Aufgabe, Auf¬ *spadön m. 'Spaten’, auch in spanord, spaöi,
trag’, ein Ausdruck der Lateiner und vor allem ae. spadu /., afr. spada. Außergermanisch ver¬
der Studenten, z. B. (18. Jh.) spartam et Mar- gleichbar ist gr. späthe f. (= Bezeichnung ver¬
tham 'die Pfarre und die Quarre’ (das Amt und schiedener flacher Gegenstände, vor allem
die Familie). Die Ausdrucksweise beruht auf Werkzeuge), doch ist bei dieser Vereinzelung
einem Zitat aus dem Telephos des Euripides, in der Beleglage und der wenig präzisen Bedeu¬
dem Agamemnon zu Menelaos sagt: „Du hast tung nicht viel auf den Vergleich zu geben.
Sparta erhalten: das verwalte. Wir aber verwal¬ Nndl. ne. spade. S. auch Spachtel ( + ).

ten Mykene von uns aus.“ Dieser Vers wurde Spatz m. 'Sperling’. Mhd. spaz, spatze, ver¬
sprichwörtlich für 'erfülle die Aufgabe, die dir mutlich zu mhd. sparwe, sperwe 'Sperling’ gebil¬
zugefallen ist’, besonders in der auf Erasmus det mit einem Suffix, das sonst auch in Kosena¬
zurückgehenden lateinischen Form Spartam men auftaucht (eigentlich *sparzl), vgl. die
ftactus, hanc adorna (gr. hen elaches Sparten funktionell parallelen Bildungen mit anderen
kösmei). Es handelt sich also eigentlich um den Suffixen Sperk und Sperling (s. d.) und Petz
Städtenamen Sparta in übertragener Verwen¬ (s. d.) zu Bär. Der Plural Spatzen, meist mit
dung. schwäbischem Diminutiv Spätzle für eine Mehl¬
S. spartanisch. - F. Kluge ZDW 1 (1901), 365f. speise seit dem 18. Jh.
Spaß m. Bezeugt seit dem 17. Jh., zunächst spazieren swV. 'ohne Hast gehen’. Im Mittel¬
in der Form spasso, da das Wort aus it. spasso hochdeutschen (mhd. spacieren, spa(t)zieren)
'Vergnügen’ entlehnt ist. Dieses zu it. spassare entlehnt aus gleichbedeutend it. spaziare, aus 1.
'zerstreuen, unterhalten’, das ein 1. *espassare spatiärl (dass., wörtlich: 'sich im Raum erge¬
(zu 1. expandere 'ausbreiten’) voraussetzt. hen’), zu 1. spatium 'Spaziergang, Gang, Raum,
S. passieren ( + ). Strecke, Weite’.

Spat1 m. 'blättrig brechende Gesteinsart’, Specht m. Mhd. ahd. speht, mndd. specht aus
fachsprachl. Mndd. spät, sonst nicht bezeugt. g. *spihta- m. 'Specht’, auch in anord. spatr.
Es könnte auf die gleiche Grundlage wie Span Daneben Formen ohne auslautendes -t in mhd.
(s. d.) zurückgehen (das ebenfalls etymologisch spech, ahd. speh, nschw. hackspick. Außerger¬
unklar ist). manisch vergleichen sich ohne anlautendes s-1.
Lüschen (1968), 217, 220f., 323. picus 'Specht’ (1. pica f. 'Elster’) und mit ande¬
ren Bedeutungen apreuß. picle 'Krammetsvo-
Spat2 m. 'Geschwulst am Pferdefuß’, fach¬
gel’, ai. pikä- 'Kuckuck’. Das Wort könnte laut¬
sprachl. Mhd. spat/., mndd. spat n., mndl. spat
malend sein — von 'Specht’ aus wäre 'hacken,
m. Vergleichbar ist zunächst mit abweichender
picken’ zu erwarten, aber die anderen Vogelna¬
Bedeutung mndl. nndl. spat 'Krampf’, nndl.
men lassen eher auf 'bunt o. ä.’ schließen. Eine
aderspat 'Krampfader’. Außergermanisch ist
genauere Festlegung ist nicht möglich.
vergleichbar gr. spadön f. 'Zucken, Krampf’ (zu
Nndl. specht (vielleicht entlehnt), nschw. hackspett,
gr. späö 'ich ziehe, zucke’ und vielleicht ai.
nisl. spata.
spandate 'zuckt, schlägt aus’. Die späte Bezeu¬
gung der germanischen Sippe spricht natürlich Speck m. Mhd. ahd. spec, as. spekk aus g.
nicht für hohes Alter, doch kann sich in einem *spiku- m. 'Speck’, auch in anord. spik n. 'See¬
Fachwort ein sonst nicht mehr bezeugtes altes hundsspeck, Walspeck’, ae. spie n. Außergerma¬
Wort gehalten haben. nisch vergleicht sich ohne anlautendes s- und
684 Spektakel
Specke

mit unklarer Nasalierung 1. pinguis 'fett’, sub¬ spekle. Vorgermanische /-Bildung zu g. *speiw-a-
stantiviert auch 'Fett, Fleisch, Speck’, vielleicht stV. (s. speien), also *spaiw-l- mit Übergang des
auch 1. spectile n. 'Bauchspeck , das aber nur in w zu g, germanisch k vor sonantischem /.
einer unsicher überlieferten Glosse vorkommt. Nndl. speeksel. S. speien ( + )• — E. Seebold 1F 87
Weitere Herkunft unklar. Wohl zu der gleichen (1982), 175.

Wurzel wie gr. plar n., ai. ptva- n. 'Fett usw. Speicher m. Mhd. spicher, ahd. spihhari, spi-
Nndl. spek, nisl. spik. S. spicken. - Hoops (1911/19), char, as. splkari n. 'Kornspeicher . Vor der zwei¬
IV, 204f. ten Lautverschiebung entlehnt aus ml. spica-
Specke /. 'Knüppelbrücke’, nordwd. Mndd. rium 'Kornspeicher’ (zu 1. spica f. Ähre ).
spe(c)ke, aus *spakjön f. zu mndd. spake 'Stek- Speidel m. 'Keil’, obd. Mhd. spidel, spedel
ken, dürres Holz’, ahd. spahha 'trockener 'Splitter’. Wohl mit Speil (s. d.) zusammen ein
Zweig, dünnes Scheit, dürres Holz , ae. spac entfernter Verwandter von spitz (s. d.).
m. (?)/n.(?) 'Zweig, Ranke’ (s. spack). Das Wort speien stV. Mhd. spl(w)en, ahd. spi(w)an, as.
ist also eine Zugehörigkeitsbildung zu einem splwan aus g. *speiw-a- stV. 'speien’, auch in gt.
Wort, dessen Bedeutung nicht genau zu erfassen
speiwan, anord. spyja, ae. splwan, afr. spla. Die
ist. War dessen Bedeutung etwa 'Reisigbün¬ vergleichbaren Wörter fallen lautlich auseinan¬
del)’, dann kann sich Specke auf den Unterbau
der, lassen sich aber auf *spei-w-, spjeu- zurück¬
mit Faschinen beziehen. Wahrscheinlicher ist
führen: 1. spuere, kymr. poer(i), poeryn 'Spei¬
aber, daß das Grundwort auch dünne Stämme
chel’ (lautlich unklar), lit. spiäuti, akslav.
und Knüppel bezeichnen konnte, so daß Specke
pljlvati, gr. ptyö, ai. (ni-)sthlvati. Vielleicht wei¬
'das aus Knüppeln Gemachte’ wäre.
ter zu der unter Beim (s. d.) besprochenen
Schröder (1938), 268 — 270. Grundlage *spoi- 'Schaum, Speichel’.
Spedition /. 'Beförderung; Unternehmen, das Nndl. spuwen, ne. spew, nschw. spy. S. Speichel, Spei¬
gewerbsmäßig Güter befördert’. Im 17. Jh. ent¬ gatt, speuzen, spirzen, spucken. — E. Christmann ZM
lehnt aus gleichbedeutend it. spedizione, dieses 24(1956), 51-54.
aus 1. expeditio (-önis) 'Abfertigung, Erledi¬ Speierling m., s. Spierling.
gung’, zu 1. expedlre 'zurechtmachen, in Bereit¬
Speigatt n. 'Öffnung in den Schiffswänden
schaft setzen, ausführen, entfesseln, befreien,
zum Abfließen des Wassers’, fachsprachl. Zu
(wörtlich: den Fuß aus der Fessel befreien)’, zu
Gat(t) 'Loch’ (s. d.) und speien (s. d.). Von au¬
1. pes (-edis) m. 'Fuß’ (s. auch ex-).
ßen gesehen läßt sich das herausschießende
Morphologisch zugehörig: spedieren, Spediteur, spedi¬
Wasser mit dem Speien vergleichen.
tiv, etymologisch verwandt: s. Pedal. — Schirmer
(1911), 178f. Speil m. 'Span, Keil, zugespitzter Gegen¬
Speer m. Mhd. sper, spar n., ahd. as. sper n. stand’, nordd. Mndd. splle f. Wohl mit Assimi-
aus g. *speru- n. 'Speer’, auch in anord. spjpr lierung des Dentals das gleiche Wort wie Speidel
n. PL, ae. speru n., afr. sper(e), spiri. Außerger¬ (s. d.) und wie dieses zu beurteilen. Eine Erwei¬
manisch vergleicht sich 1. sparum n., sparus 'kur¬ terung ist Speiler 'dünnes Stäbchen zum Ver¬
zer Speer’. Vermutlich weiter zu der Sippe von schließen und Aufhängen der Würste’.
Sparren (s. d.) und sperren (s. d.). S. Speidel, spitz ( + ).
Nndl. speer, ne. spear. S. Sparren, sperren. — Hüpper- Speise/. Mhd. splse, ahd. splsa, mndd. mndl.
Dröge (1983), 290-293. .syri.se, auch afr. splse. Entlehnt aus ml. spesa,
Speiche /. Mhd. speiche, ahd. speihha, as. älter spensa zu 1. expensa (pecünia) 'das ausge¬
speka aus wg. *spaikön f. 'Speiche’, auch in ae. gebene Geld, der Aufwand’ (s. Spesen und spen¬
späca m., afr. *späke (in nigunspetze 'neunspei- den), zu 1. expendere 'gegeneinander aufwägen,
chig’, dazu Spake, s. d.). Verwandt ist Speicher¬ ausgeben’. Die Bedeutung 'Nahrung’ hat das
nagel, eine Verdeutlichung zu mhd. (md.) spi- Wort schon im klösterlichen Latein ange¬
cher, mndd. mndl. spiker, anord. spik 'Splitter’, nommen.
anord. spikr m. Außergermanisch keine klare S. Pensum ( + ).
Vergleichsmöglichkeit. Ähnliche Wörter für Spektakel n. 'Lärm, aufsehenerregende Ereig¬
spitze Gegenstände sind 1. spica 'Ähre’ (nach nisse’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. spectäculum
den Grannen), 1. splna 'Dorn u. a.’. Entfernter 'Schauspiel, Wunderwerk, Anblick’, zu 1. spec-
verwandt mit spitz (s. d.). Die Übertragung auf täre 'schauen, anschauen, ansehen’, einem Fre-
den Unterarmknochen seit dem 18. Jh. quentativum zu 1. specere (spectum) 'sehen’.
Nndl. spaak, ne. spoke. S. Spake, spitz ( + ), Spieker, Zunächst entlehnt als '(lärmendes) Schauspiel’.
Spikes, Spinett.
Morphologisch zugehörig: spektakulär, spektakulös,
Speichel m. Mhd. Speichel/., ahd. speihhilla Spektakulum; etymologisch verwandt: Aspekt, despek¬
/., erweitert ahd. speihhaltra /., as. spekaldra f. tierlich, Frontispiz, inspizieren (usw.), Perspektive, Pro¬
aus g. *spaikl-, auch in gt. spaiskuldra, afr. spekt (usw.), Respekt (usw.), respektive, Spektrum, spe-
Spektrum 685 Sperling

kulieren (usw.), speziell (usw.), Spiegel, suspekf, zum


spendieren swV., s. spenden.
Etymon s. spähen.
Spengler m., südd. Mhd. speng(e)ler ist ei¬
Spektrum n. 'Gesamtheit, Aufeinanderfolge
gentlich derjenige, der Spangen und Beschläge
der Regenbogenfarben’, s. Spektakel.
herstellt (also abgeleitet von Spange). Die Ver¬
Spekulatius m. 'flaches Gebäck aus gewürz¬ schiedenheit der Bezeichnungen des heutigen
tem Mürbeteig in Figurenform’. Entlehnung Berufszweigs rührt daher, daß hier eine ganze
von nndl. speculaties, das ab Mitte des 18. Jhs. Reihe verschiedener Spezialhandwerke bestand,
belegt ist. Die lateinische Herkunft ist unge¬ die erst später zu einer einheitlichen Zunft (und
klärt. dann zu einem modernen Handwerkerberuf)
F. de Tollensre NPhM 84 (1983), 522-530. zusammengefaßt wurden.
spekulieren sw V. 'mutmaßen, zu erlangen hof¬ S. Spange ( + ). — Kretschmer (1969), 282 — 284.
fen, auf Gewinn ausgehen'. Im Mittelhochdeut¬ Spenzer m., fachsprachl. Name verschiedener
schen entlehnt aus 1. speculäri 'ins Auge fassen, Kleidungsstücke für Männer und Frauen, be¬
sich nach etwas umsehen, spähen’, zu 1. spectäre sonders kurz geschnittene. Die Bezeichnung
schauen, anschauen, ansehen’, einem Frequen- geht (vielleicht über das Französische) auf e.
tativum zu 1. specere (spectum) 'sehen’. spencer zurück, das seit dem 18. Jh. bezeugt ist
Morphologisch zugehörig: Spekulant. Spekulation, spe¬ und angeblich auf den 2. Grafen George John
kulativ, Spekulum, etymologisch verwandt: s. Spekta¬ Spencer (1758 — 1834) zurückgeht, dem auf
kel. - Schirmer (1911), 179f.; G. Schoppe ZDW der Jagd ein Rockschoß abgerissen sein soll
15(1914), 211.
(was dann nachgeahmt wurde).
Spelt m., Spelz m. 'Dinkel’, fachsprachl. Mhd. Ganz (1957), 209.
spelte, spelze/., ahd. spelta, spelza/., as. spelta
Sperber m., fachsprachl. Mhd. sperweere, sper-
f. Wie ae. speit entlehnt aus 1. spelta f. Dieses wer, sparwccre, sparwer, ahd. sparwäri, sperwer,
scheint seinerseits ein Lehnwort aus dem Vor¬
mndd. sparwer, sperwer, mndl. sperware. Das
gänger von Spelze 'Getreidehülse’ zu sein (über¬
Vorderglied ist offenbar das Wort für 'Sperling’
liefert ist eine Entlehnung aus dem Pannoni-
wie in ae. spear-hafoc 'Sperlingshabicht’; sach¬
schen — in deren Gebiet saßen aber um das 5.
lich begründet ist dies dadurch, daß der Sperber
Jh., das für die Entlehnung in Frage kommt,
vorwiegend Kleinvögel von Sperlingsgröße jagt.
Sueben und Langobarden). Das Benennungs¬
Das Hinterglied kann Aar (s. d.) sein, wie auch
motiv hätte in diesem Fall der Umstand abgege¬
müs-aro bezeugt ist, doch verweist die frühe
ben, daß beim Dinkel die Spelzen nicht durch
Bezeugung auf einen Wortausgang -ärius-, das
das Dreschen abfallen, sondern an den Körnern
Wort müßte also nach dem Vorbild der romani¬
bleiben. Aber die Einzelheiten bleiben unklar
schen Falkennamen auf -ärius (frz. -ier) umge¬
und eine Entlehnung des lateinischen Wortes
staltet worden sein.
aus einer unbekannten Sprache ist nicht ausge¬
Nndl. sperwer. S. Aar, Sperling. — Suolahti (1909),
schlossen.
362-364.
Nndl. speit. — Hoops (1905), 420.
Sperenzchen PI. 'Umstände’, ugs. Hypokori-
Spelunke /. 'zwielichtige Gaststätte’. Im 15.
stische Bildung zu gleichbedeutend Sperenzien,
Jh. entlehnt aus 1. spelunca 'Höhle, Grotte’,
einer Bildung zu 1. speräns (-antis) 'Ungünstiges
aus gr. spelynx (dass.). Die Bedeutung wird
erwartend’, dem adjektivischen PPräs. von 1.
metaphorisch übertragen als pejorative Be¬
speräre 'hoffen, erwarten, Ungünstiges erwar¬
zeichnung solcher Lokalitäten.
ten’. Die heutige Bedeutung (Sperenzchen ma¬
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 211. chen 'sich wehren gegen, sich winden, widerstre¬
Spelz m., s. Spelt. ben’) in volksetymologischer Anlehnung an sich
spendabel Adj. 'großzügig, freigebig’, s. sperren.
spenden. Spergel m., s. Spörgel.
spenden swV. Mhd. spenden, ahd. spentön, as. Sperling m. Bezeugt seit dem 11. Jh., auch
in spendunga, mndd. mndl. spenden-, wie ae. mndd. sperlink, spar link. Dies ist eine Weiterbil¬
äspendan, forspendan entlehnt aus ml. spendete dung zu g. *sparwa-/ön m. 'Sperling’, auch in gt.
aus 1. expendere 'abwägen, ausgeben’ (s. Speise, sparwa, anord. spprr, ae. spearwa, ahd. sparf o),
Spesen), zu 1. pendere 'wägen; schätzen, zahlen’. mhd. spar(e). Außergermanisch vergleichen
Die spezielle Bedeutung geht in diesem Fall sich apreuß. spurglis 'Sperling’, gr. (Glosse)
vom Almosengeben aus. Eine studentische Wei¬ spergoulos 'kleiner Vogel’ und vielleicht toch.
terbildung des 17. Jhs. ist spendieren (sicher kein A. spar PI. 'ein Vogelname’. Weiter vielleicht
Reflex der ursprünglichen Entlehnung). zu gr. spairein 'zappeln’, ai. sphuräti 'schnellt,
S. Pensum ( +). schleudert, zuckt’, also etwa 'Zappler’. Andere
686 Spiegelfechten
Sperma

Weiterbildungen zu dieser Grundlage sind facere 'machen’: spezifisch 'charakteristisch,


Spatz (s. d.) und Sperk. (wörtlich: mit einer eigenen Art versehen)’.
Ne. sparrow, nschw. sparv, nisl. spör(fugl). S. Spatz, Spezi 'besonderer Freund’ und 'Mischgetränk
Sperber, Sporn ( + )• - L. Müller: Die deutsche Syn¬ aus Coca Cola und Limonade’, beides gekürzt
onymik des Sperlings (Diss. Marburg 1949). aus speziell oder spezial.
Sperma n. 'Samen’, s. Spore. Morphologisch zugehörig: spezialisieren, Spezialist,
Spezialität, Spezifikum, Spezifität, spezifizieren, Spezi-
sperrangelweit Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh.,
men\ etymologisch verwandt: s. Spektakel.
älter sperrweit 'weit aufgesperrt’ neben angel¬
Spezies /. 'Art’, s. speziell.
weit 'so weit aufgesperrt, wie die Angel es zu¬
läßt’, danach expressive Verbindung der beiden Spezifikation /. 'Verzeichnis, Liste, genaue
verstärkenden Vorwörter. Auch sperrwagenweit, Angaben’, s. speziell.
sperrangelbreit u. ä. spezifisch Adj. 'besonders’, s. speziell.
sperren swV. Mhd. sperren, ahd. -sperren, Sphäre/. 'Raum, Bereich’, s. Atmosphäre.
mndd. speren, mndl. sperren', entsprechend ae.
Sphinx /. 'rätselhaftes, undurchschaubares
gesparrian 'schließen’, anord. sperra 'Balken
Wesen’, sonder spracht. So benannt nach der
aufrichten, Beine spreizen (wie die Sparren auf
Sphinx der griechischen Mythologie, einem Fa¬
dem Dach)’. Vermutlich parallele Bildungen aus
belwesen (halb geflügelter Löwe, halb Frau),
der gleichen Grundlage, nämlich Sparren (s. d.)
das jedem Vorbeikommenden ein Rätsel aufgab
oder einem verwandten Wort. Die Bedeutung
und ihn tötete, wenn er es nicht lösen konnte.
ist einerseits 'mit einem Balken, Querriegel usw.
sperren’, andererseits 'Sparren, Balken usw. Spick-Aal m., Spick-Gans f. (usw.) geräu¬
aufrichten’. Das Wort Sparren scheint aber cherter Aal, geräucherte Gans (usw.)’, ndd.
auch von einer entsprechenden Bedeutung ab¬ Mndd. spikhering 'geräucherter Hering’ zu
geleitet zu sein, vgl. lit. spirti 'sich stemmen, mndd. spik 'trocken geräuchert’. Das Element
Stützen’. kann aus dem Nordischen entlehnt sein, vgl.
Nndl. sperren, nschw. spärra. S. Sparren, Speer. anord. spikihvalr 'geräucherter Walspeck’,
anord. spikilax 'gedörrter Lachs’ usw.; aber
Sperrsitz m. 'guter Sitzplatz im Theater usw.’.
auch das nordische Wort läßt sich nicht befrie¬
Bezeugt seit dem 19. Jh. Die Bezeichnung geht
digend erklären.
offensichtlich von Österreich aus und meinte
Kretschmer (1969), 471.
ursprünglich die gemieteten Sitze, die von den
Mietern abgeschlossen (österr. gesperrt) werden spicken swV. Spmhd. spicken, mndd. mndl.
konnten. specken 'mit Speck durchflechten’ zu Speck
Spesen PI. Bezeugt seit dem 15. Jh. in ver¬ (s. d.). Das Wort wird schon früh übertragen
schiedenen Anpassungsformen. Entlehnt aus it. zu 'gut ausstatten, füllen’, besonders auch im
spese, Plural von it. spesa f. 'Aufwand’ zu der negativen Sinn 'sich mit fremden Federn und
unter Speise (s. d.) behandelten Grundlage. gestohlenen Weisheiten schmücken’. Die Her¬
kunft der Bedeutung 'abschreiben’ (zuerst vom
S. spenden, Pensum ( + ). — Schirmer (1911), 180.
verbotenen Nachdruck, dann in Schülerkreisen)
speuzen swV. 'speien’, arch. Mhd. spiutzen,
ist nicht ausreichend klar. Sie kann sich aus
spützen. Wohl wie mndl. spien, spij(h)en, me.
dem eben erwähnten entwickelt haben, kann
sputen, anord. spyta eine Intensivbildung auf
aber auch etwa eine Intensivbildung zu spähen
-itja-, mhd. -ezzen zu speien (s. d.).
(s. d.) sein, dann könnte die erwähnte Bedeu¬
Spezerei /. 'Gewürzwaren’, arch. Mhd. spe- tung auf Mischung der beiden Verben beruhen.
cerle, spezerie aus it. spezierie PI. zu ml. specia- E. Öhmann NPhM 31 (1930), 234f.
ria 'GewürzhandeT zu 1. species 'Gestalt’, das
Spiegel m. Mhd. Spiegel, ahd. spiegal, spegal,
im Plural auch 'Gewürze’ bedeuten kann (der
Bedeutungsübergang geht über 'Arten’ — mndd. spe(i)gel m./n., mndl. Spiegel. Wie afr.
spegel entlehnt aus 1. speculum n. (zu 1. specere
'Waren’). Vgl. ne. spiee.
'sehen’, verwandt mit spähen, s. d.) über eine
Spezi m. 'Freund; Mischgetränk’, s. speziell.
ml. Variante speglum n.
speziell Adj. 'besonders’. Französisierende S. spähen ( + ), Spektakel ( + ).
Bildung des 18. Jhs. zu d. spezial (dass.), dieses
Spiegelei n. Bezeugt seit dem 18. Jh. Benen¬
aus 1. specialis (dass.), zu 1. species 'Vorstellung,
nungsmotiv unklar (das Eiweiß in Form eines
Begriff, Erscheinung, Anblick, Ansehen’, zu 1.
Spiegels und der Dotter wie das heraus¬
specere (spectum) 'sehen’. Zunächst das „Gese¬
schauende Gesicht?).
hene“, dann aktivisch 'Anblick, Aussehen’,
dann eingeengt auf 'die jmd. bzw. einer Sache Spiegelfechten n. Bezeugt seit dem 16. Jh.
eigene Erscheinung’, daraus schließlich 'beson¬ zunächst für Schau- und Scheinfechten, dann
ders’. Zu dem lateinischen Substantiv und 1. für Fechten vor dem Spiegel; übertragen • für
Spieker 687 Spinal

Heuchelei und Täuschungsmanöver. Das Be¬ Spieß2 m. 'Bratspieß’. Mhd. spiz, ahd. spiz
nennungsmotiv ist unklar, da bei der frühesten m./n. Wie ae. spituf. eine Substantivierung zu
Bedeutung nicht klar ist, was sie mit einem spitz (s. d.), also eigentlich 'Spitze’. Das gleiche
Spiegel zu tun hat (kaum vom Spiegeln der Wort ist Spieß 'Geweihende des Hirsches’,
blanken Waffen). schon ahd. vorausgesetzt durch spizzo 'junger
Spieker m. 'Nagel’, fachsprachl., ndd. Ent¬ Hirsch’.
sprechung zu Speichernagel (zu diesem s. S. Spießrute. - Hoops (1973ff.), III, 414-417.
Speiche). Spieß3 m. 'Feldwebel’, fachsprachl. Seit der
Spiel n. Mhd. ahd. spil, mndd. spel(e), spil, Jahrhundertwende. Entweder nach dem Offi¬
spol(e), mndl. spel\ dazu das Verb mhd. ziersdegen so benannt oder gaunersprachlich
spil(e)n, ahd. spilön, as. spilon; entsprechend für 'Wirt’ (gekürzt aus I. ospis, zugrunde liegt
1. hospes 'Wirt’).
afr. spil, spei und spilia. Die Ausgangsbedeu¬
tung scheint Tanz, tanzen’ zu sein — alles wei¬ Spießbürger m. Bezeugt seit dem 17. Jh. als
tere ist unklar. Schelte auf die Städter. Vermutlich ein nieder¬
Nndl. spei. — E. Schröder ZDA 74(1937), 45f.; J. deutsches Wort, das, wenn es alt ist, die mit
Trier BGDSL-H 69 (1947), 419-462; R. Zeller: Spiel Spießen bewaffneten Bürger meint. Daraus ge¬
und Konversation im Barock (Berlin 1974). kürzt Spießer seit dem 19. Jh.
Spielbein n. 'das erhobene Bein, im Gegensatz S. auch Schildbürger. - K. Heisig ZDPh 83 (1964),
345-350.
zu Standbein’, fachsprachl. Heute meist in der
Sprache von Turnen und Sport gebraucht, ur¬ Spießgeselle m. Das Wort bedeutet bis zur
sprünglich Ausdruck der bildenden Kunst für Mitte des 18. Jhs. 'Waffengefährte’; danach fast
'das in Bewegung dargestellte (spielende) Bein’. nur noch spöttisch, und dann allgemein abwer¬
tend gebraucht.
Spielhahn m. 'Birkhahn’, fachsprachl., südd.
Bezeugt seit dem 16. Jh. Vermutlich nach dem Spießrute /. 'spitz auslaufende Rute zur Be¬
Spiel, den Schwanzfedern (die regional als Hut¬ strafung von Landsknechten im Dienst’, arch.
schmuck verwendet werden), benannt. Mögüch Bezeugt seit dem 16. Jh.; zu Spieß2 (s. d.). Das
ist aber auch eine Benennung nach dem Balz¬ Spießrutenlaufen war ursprünglich eine schwere
spiel. Strafe, bei der die Straffälligen durch eine von
anderen Landsknechten gebildete Gasse laufen
Suolahti (1909), 252.
mußten, wobei diese auf sie mit Spießruten ein¬
Spielraum m. Bezeugt seit dem 18. Jh., zu¬ stachen und einschlugen. Heute übertragen ge¬
nächst für die Streuung abgeschossener Kugeln. braucht für 'sich vor einer feindseligen Öffent¬
Zu spielen in der weiteren Bedeutung 'sich um lichkeit bloßstellen müssen’.
etwas herumbewegen’.
Spikes PI. 'nagelartige Stifte (auf Schuhen,
Spiere /. 'Rundholz’, fachsprachl., ndd. Zu Reifen)’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus
anord. spira 'lange Stange’. Vermutlich weiter gleichbedeutend ne. spikes PL, aus me. spyke
zu Spier, spmhd. spir, ae. spir 'Spitze’ (von da 'Nagel, spitzes Metall’, dessen weitere Herkunft
aus zu 'Stange mit einer Spitze’ zu 'Stange’?). nicht sicher geklärt ist (vgl. Speiche).
Letztlich wohl zu Spitze (s. spitz).
Spill n., Spillbaum m., s. Spindel.
S. auch Spierschwalbe. — Kluge (1911), 736f.
Spilling m. 'gelbe Pflaume’, reg. Mhd. spillinc,
Spierling m. 'Vogelbeerbaum’, reg. Mhd. älter spenelinc, mndd. spelling, Spilling. Her¬
sperboum, spirboum, ahd. splrboum, auch (14./ kunft unklar. Da das Wort regional und alt
15. Jh.) Sperberboum (d. h. Spier-Beeren-Baum) auch die Schlehe bezeichnet kann ahd. spenula,
zu ahd. sperawa f, spi(e)re f. 'Arlesbeere, Vo¬ spenala u. a. /. 'Nadel’ zugrundeliegen (der
gelbeere’. Herkunft unklar. Kaum ein Erbwort. Schwarzdorn hat lange, spitze Dornen).
Spierschwalbe /. 'Mauersegler’, reg. Spmhd. R. Loewe BGDSL 62(1938), 390-418.
spierswalbe, mndd. spirswale, älter spmhd. splre. Spinat m. (= eine Gemüsepflanze). Im Mit¬
Vermutlich zu Spier 'Spitze’ (s. Spiere), doch ist telhochdeutschen (mhd. spinät) entlehnt aus
das Benennungsmotiv nicht recht klar (wegen gleichbedeutend span, espinaca /., dieses aus
der spitzen Flügel?). span.-arab. ispinäg (dass.), aus arab. isfinäg,
Suolahti (1909), 20f. isfänäh, aus pers. ispanäg, ispänäh (dass.). Das
Spieß1 m. 'Jagdspieß’. Mhd. spiez, ahd. spioz, auslautende /t/ wegen volksetymologischer An¬
aondfrk. spiet. Wie anord. spjöt n. vermutlich lehnung an 1. splnetum n. 'Dorngebüsch’ (wohl
vereinfacht aus *spreuta- (s. Spriet). aufgrund der spitz zulaufenden Blätter vergli¬

Nschw. spjut, nisl. spjöt. - Hüpper-Dröge (1983), chen).


342-360. Littmann (1924), 81, 84; Lokotsch (1975), 11.
688 spirzen
Spind

Spind n./tn. 'Schrank’, fachsprachl., wndd. daß in alten Strafanstalten teilweise gesponnen
Mndd. spinde f./n., mndl. spende, ursprünglich werden mußte.
'vertiefte, kühle Vorratskammer’. Entlehnt aus Nndl. spinnen, ne. spin, nschw. nisl. spinna. S.
ml. spendetf. 'Vorratsraum, Speisekammer’ (aus spannen ( + ), Spindel ( + ), Spinne. — H. E. Müller MS
70(1960), 161-168.
1. expendaf. zu 1. expendere 'ausgeben’ (zu des¬
sen Bedeutungsbereich vgl. Speise, Spesen, Spinnwebe /. Mhd. spinneweppe n., ahd.
spenden). spinnawebbi, spinnünwebbi n., mndd. spinne-
S. Pensum ( + ). — Kretschmer (1969), 471 —478. webbe, spinnewobbe, mndl. spinnewebbe. Das
Netz der Spinne wird als Gewebe aufgefaßt
Spindel/. Mhd. spinnet, spinele, spindel, ahd.
(wg. *wab-ja- n. 'Gewebe’).
spinnil(a), spindel, as. spinnila aus wg. *spennilö
S. weben (+).
f. 'Spindel’, auch in ae. spinel, afr. spindel', In¬
strumentalbildung zu spinnen (s. d.), das -d- ist spinös Adj. 'heikel, schwierig’, sonder spracht.
ein Gleitlaut zwischen n und /. Aus einer zwi¬ Entlehnt aus 1. spinösus 'spitzfindig (wörtlich:
schenvokallosen oder früh synkopierten Form ‘stechend’), zu 1. spina 'Dorn’.
entsteht durch Assimilation ahd. spilla, mndd. spintisieren swV. 'grübeln’, arch. Bezeugt seit
spille, noch erhalten in Spillbaum, auch Spindel¬ dem 16. Jh. Vielleicht zu spinnen 'nicht ganz
baum 'Pfaffenhütchen’, ahd. spilboum, spinnil- richtig im Kopf sein’, aber formal und seman¬
boum, spin(d)elboum m„ weil man aus seinem tisch nicht ausreichend klar.
(harten) Holz Spindeln schnitt. Gleicher Her¬
Spion m. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. espion,
kunft ist ndd. Spill 'Winde’, mndd. mndl. spille. span, espion, it. spione. Dies ist eine Weiterbil¬
Nndl. spil, ne. spindle. S. spinnen ( + ), Zaspel. dung zu it. spia f. 'Späher’, das aus einem ger¬
Spinett n. (= ein Tasteninstrument), fach¬ manischen Nomen agentis zu spähen (s. d.) ent¬
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend lehnt ist (vermutlich aus dem Gotischen).
it. spinetta/., zu it. spina f. 'Dorn, Stachel’, aus Morphologisch zugehörig: Spionage; etymologisch
1. spina f. (dass.). So benannt nach dem Prinzip verwandt: s. spähen.
der Tonerzeugung, bei dem Federkielspitzen die Spirale /. (= eine sich verengende, kreisför¬
Saiten anreißen. mige Linie). Neubildung des 18. Jhs. zu ml.
Etymologisch verwandt: s. Speiche. spiralis 'schneckenförmig’, zu 1. spira 'Windung,
Spinne /. Mhd. spinne, ahd. spinna, mndd. gewundener Körper’, aus gr. speira (dass.).
mndl. spinne aus vor-d. *spennön f. 'Spinne’; Schirmer (1912), 68.

ähnlich aschw. spinnil 'Spinne’, wieder anders Spiritismus m. 'Glaube an Geister, Geisterbe¬
(mit *tra) ae. *splöra; alle zu spinnen (s. d.). Die schwörung’, s. Spiritus.
Spinne ist also nach dem Spinnen des Fadens, Spiritual n./m. 'geistliches Lied amerikani¬
nicht nach dem Weben des Netzes benannt. scher Schwarzer’, s. Spiritus.
Nndl. spin, ne. spider, nschw. spindel. S. spinnen (+).
Spirituosen PI. 'alkoholische Getränke’, s.
spinnefeind Adj, ugs. Bezeugt seit dem 16. Jh. Spiritus.
Die Bezeichnung geht aus von der Beobach¬
Spiritus m. '(vergällter) Alkohol, Weingeist’.
tung, daß manche Spinnen ihre Artgenossen
Im 16. Jh. entlehnt aus 1. spiritus 'Hauch’, zu
(z. B. die Weibchen die Männchen) aussaugen 1. spiräre 'blasen* wehen’. In die Sprache der
oder auffressen. Alchimisten entlehnt, die darunter die 'wesen¬
spinnen stV. Mhd. spinnen, ahd. spinnan, hafte Flüssigkeit von Körpern’ verstanden, die
mndd. mndl. spinnen aus g. *spenn-a- stV. 'spin¬ sie durch Destillation gewannen. Dann speziell
nen’, auch in gt. spinnan, anord. spinna, ae. auf das Wesenhafte von alkoholischen Flüssig¬
spinnan, afr. spinna. Das Wort ist offenbar von keiten bezogen (Spirituosen). Die Bedeutung
der Bedeutung 'spannen’ ausgegangen und 'Geist’ findet sich in Spiritismus (usw.). L. spiri-
führt deshalb auf das gleiche etymologische tuälis ist 'geistig, geistlich’, daher (Negro)Spiri¬
Material zurück (s. spannen). Belege für die tual für das geistliche Lied der Schwarzen in
einfache Wurzelform könnten in anord. spuni den amerikanischen Südstaaten.
'Gespinst’ (und evtl, der Vorform von Spindel, Etymologisch verwandt: Aspirant, Esprit, Inspiration
s. d.) vorliegen. Da Spinnen und Weben vielfach (usw.), konspirieren, Sprit, transpirieren. — K.-H.
für das Verfertigen von Gedanken als Bild die¬ Weinmann DWEB 2 (1963), 405.

nen, heißt auch spinnen vielfach 'nachsinnen’, spirzen swV. 'spucken’, südd. Mhd. spirzen,
im Südwesten auch 'nicht recht im Kopf sein’. spürzen. Weiterbildungen mit -ezzen zu speien
Vgl. auch nordd. ein Garn spinnen. Die Bedeu¬ (s. d.) mit einem r, das ursprünglich als Hiat-
tung 'im Zuchthaus sitzen’ bezieht sich darauf. trenner in Präteritalformen aufgetreten ist.
Spital 689 Spondeus

Spital n., s. Hospital. spitzen, mndd. mndl. spliten aus wg. *spleit-a-
Spitz m. Als 'Hunderasse mit spitzer stV. wie afr. spllta 'spalten, spleißen’. Hierzu
Schnauze und spitzen Ohren’ bezeugt seit dem auch Splitter (s. d.) mit der regional nasalierten
18. Jh. Die Rasse stammt aus Pommern, das Variante Splinter. Eine erst spät auftretetende
Wort muß aber hochdeutsch sein. — ln der Erweiterung von spalten (s. d.).
Bedeutung 'kleiner Rausch’, die seit dem 16. Nndl. splijten. S. spalten, Spleiße, Splint, Splitter, Sprei¬
Jh. bezeugt ist, wird wohl Spitze im Sinn von ßel. - Lühr (1988), 105f.
'Anfang’ gebraucht. — Rotwelsch ist Spitz der Splint m. 'das Holz zwischen Rinde und
Polizei-Agent (bezeugt seit dem 19. Jh., s. Spit¬ Kern’, fachsprachl. Bezeugt seit dem 18. Jh. Da
zel). Zu mhd. spitzen 'lauern, erwarten’ (seine dieses Holz leicht splittert, gehört das Wort
Sinne auf einen Punkt richten). wohl zu spleißen (s. d.) mit Nasalierung. Es ist
spitz Adj. Mhd. spiz, spitz(e), ahd. spizzi. aber auffällig, daß mit gleicher Bedeutung
Das Wort gehört mit Spieß2 (s. d.) zusammen, schon früher spint vorkommt, das auf mhd.
der Konsonantismus ist nicht eindeutig — of¬ ahd. spint 'Fett, Speck im Backwerk, Mehlstoff
fenbar haben in früherer Zeit zwischen Formen im Korn’ zurückgeführt wird. Die Einzelheiten
mit -tz- und -ss- Verschiebungen stattgefunden. bleiben deshalb unklar.
Etymologisch gehören diese Wörter zu einer Splinter m., s. spleißen.
schwer abgrenzbaren Gruppe auf einer Grund¬
splitten swV, s. Splitter.
lage *spei- mit Bedeutungen, die mit 'spitzig’
Zusammenhängen können (etwa 1. spina Splitter m. Im 15. Jh. aus dem Niederdeut¬
'Dorn’). schen übernommen. Mndd. splittere (zu splei¬
S. Speiche (4-), Speidel, Speil, Spiere, Spieß2. ßen, s. d.). Ältere oberdeutsche Formen sind
spelter, das näher bei spalten (s. d.) steht und
Spitzbube m. Bezeugt seit dem 16. Jh. zu
Spreißel (s. d.).
spitz in der Bedeutung 'scharfsinnig, auf etwas
Bahder (1925), 44-46.
(seinen Vorteil) aus’. Das Wort hat häufig einen
freundlichen Unterton, vgl. spitzbübisch. splitternackt Adj, ugs. Bezeugt seit dem 15.
Jh. Vermutlich übertragen von dem Baum, von
Spitzel m. Bezeugt seit dem 19. Jh. und ur¬
dem die Rinde (für Gerberlohe) abgeschält wor¬
sprünglich österreichisch. Voraus geht rotw.
den ist.
Spitz (s. d.) 'Polizeiagent’.
Trier (1981), 63.
Ladendorf (1906), 195; Günther (1919), 84.
Splitterrichter m. 'selbstgerechter Tadler,
spitzfindig Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh. auch
als spitzfündig. Aus spitz im Sinne von 'fein, kleinlicher Beurteiler’, arch. Vermutlich von Lu¬
listig’ und dem Plural vünde von mhd. vunt ther geprägt im Anschluß an Mt. 7,3 (von den¬
'Kunstgriff, Kniff’ (Erfindung). Also 'einer, der jenigen, die über den Splitter im Auge ihres
feine Kunstgriffe kennt’. Das i durch Entrun¬ Bruders sprechen und nicht sehen, daß sie selbst
dung und gleichzeitigen Anschluß an das Prä¬ einen Balken im Auge haben).
sens finden. Spoiler m. 'Vorrichtung zur Beeinflussung der
Spitzname m. Bezeugt seit dem 17. Jh. Eigent¬ Luftströmung’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt
lich 'Spottname’ zu spitz mit dem gleichen Bild aus gleichbedeutend ne. spoiler (wörtlich: 'Ver¬
wie in sticheln. derber’), zu e. spoil 'verderben, wegnehmen’,
dieses aus afrz. espoillier, espollier 'wegnehmen’,
Spleen m. 'Marotte’, sondersprachl. Im 18. Jh.
aus 1. spoliäre 'wegnehmen, berauben, auszie-
entlehnt aus ne. spieen 'Gemütsverstimmung,
hen’, zu 1. spolium n. 'Beute, erbeutete Rüstung,
Mißlaune, (wörtlich: Milz)’, dieses aus 1. spien
abgezogene Haut eines Tieres’. So bezeichnet
'Milz’, aus gr. spien (dass.). Im Englischen so
als Vorrichtungen, die den Luftwiderstand be¬
bezeichnet, da man Erkrankungen der Milz für
einflussen (z. B. wegnehmen).
bestimmte Gemütsverfassungen verantwortlich
machte. Bei der Entlehnung ins Deutsche wird Spöke /. 'Seedrachen’. Zu Spuk (s. d.).
es verwendet als Bezeichnung typisch englischer Spökenkieker m. 'einer, der das zweite Ge¬
Launen; da man damit allerlei Absonderlichkei¬ sicht hat’, scherzhaft auch 'Spintisierer’, nordd.
ten meinte, dann die Entwicklung zu 'Marotte’. Zu der niederdeutschen Mundartform von Spuk
Ganz (1957), 210. (s. d.) und kieken 'schauen’ (s. d.).
Spleiße /., Spließ m. 'Span, Dachschindel’, Spondeus m. (= ein Versfuß), fachsprachl.
reg. Regional verschiedene Ableitungen zu splei¬ Entlehnt aus gleichbedeutend 1. spondeus (pes),
ßen (s. d.). S. auch Spreißel. dieses aus gr. spondeios (poüs) (dass.), zu gr.
spleißen stV. 'fein spalten’, reg.; 'Tauenden sponde f. 'Opfer’. Der aus zwei langen Silben
ineinanderflechten’, fachsprachl., ndd. Mhd. bestehende Versfuß ist wegen der Getragenheit
690 sprechen
Sponsor

nach den langsamen Gesängen bei Opferfeiern seir 'Fußknöchel, Ferse’, 1. spernere 'zurücksto¬
bezeichnet. ßen, verschmähen, verachten’. Die Form des
Etymologisch verwandt: [Spondiakus]. Neuhochdeutschen wohl unter dem Einfluß von
Ableitungen usw. mit angewachsenem -n (vgl.
Sponsor m. 'Geldgeber, Gönner, sonder-
aber den Plural Sporen). — Die Sporen waren
sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
früher Vorrecht des Ritters und mußten auf
ne. Sponsor (wörtlich: jmd., der sich zu etwas
dem Weg der Erziehung zum Ritter erst verdient
verpflichtet; Bürge’), dieses aus 1. Sponsor
werden, deshalb sich seine Sporen verdienen für
(dass.), zu 1. spondere (spönsum) 'versprechen,
eine erste bedeutende Leistung.
verpflichten’.
Nndl. spoor, ne. spur, nschw. sporre. S. Heißsporn,
Morphologisch zugehörig: Sponsalien, sponsieren,
Sperling (+), Spur, spüren.
Sponsierer, etymologisch verwandt: s. Gespons.
spornstreichs Adv. Fnhd. sporenstraichs, ad¬
spontan Adj. 'sofort, ohne Nachdenken’. Im
verbialer Genitiv zu sporenstraich 'Strich mit
18. entlehnt aus 1. spontäneus 'freiwillig, frei’,
dem Sporn’ (zu streichen, s. d.). Die Bedeutung
zu 1. spöns (-ontis) 'freier Wille, Trieb, Willkür’.
ist also 'das Pferd mit den Sporen antreibend’.
Morphologisch zugehörig: Spontaneität, Spontanität,
Sponti.
Sport m. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. sport.
Dort gekürzt aus disport 'Vergnügen’, das ent¬
Spor m. 'Schimmel’ (besonders an Kleidern,
lehnt ist aus mfrz. desporter. Dieses wiederum
Büchern, Holz usw.), reg. Zu mhd. spör(e)
ist umgebildet aus ml. deportare 'sich betragen,
'trocken, rauh’, ahd. spöri 'mürb, faul’. Weitere
sich vergnügen’, das zu 1. portäre 'tragen’ gebil¬
Herkunft unklar.
det ist.
sporadisch Adj. 'vereinzelt’. Im 18. Jh. ent¬ Etymologisch verwandtes. Porto. — Ladendorf (1906),
lehnt aus gleichbedeutend frz. sporadique, dieses 29 5f.
aus gr. sporadikös (dass., wörtlich: 'verstreut’),
Sportel /. 'Gebühr’, arch., fachsprachl. Im
zu gr. speirein 'säen, ausstreuen, verbreiten’.
15. Jh. als sportul entlehnt aus 1. sportula, das
Etymologisch verwandt: Diaspora, Sperma, Spore,
eigentlich 'Körbchen’ bedeutet (zu 1. sporta 'ge¬
Spray, Sprenkel2, Spreu', zum Etymon s. sprühen.
flochtener Korb’, das aus gr. spyris 'Korb’ ent¬
Spore /. 'ungeschlechtliche Fortpflanzungs¬ lehnt ist), aber über 'Speisekörbchen’ die Be¬
zelle von Farnen usw.\ fachsprachl. Im 19. Jh. deutung 'Gegenwert einer Mahlzeit, Geldge¬
zunächst in der Form Spora entlehnt aus gr. schenk’ entwickelt hat.
sporn 'Saat’, zu gr. speirö 'ich säe’ (zu dem auch
Spot m. 'kurze Werbesendung’. Im 20. Jh.
1. sperma n. 'Same’ zu gr. sperma n. [dass.]
entlehnt aus gleichbedeutend ne. spot (wörtlich:
gehört).
'Fleck, Ort’), dieses wohl aus mndl. spotte
S. sporadisch ( + ).
(dass.). Die Bedeutungsentwicklung im Engli¬
Spörgel m., auch Spergel m., Spark m. 'Fut¬ schen geht von 'Fleck’ zu 'etwas mit begrenzter
terkraut’, fachsprachl. Aus ml. *spergula unbe¬ Ausdehnung’, dann zu 'kurzer Auftritt, kurze
kannter Herkunft. Vielleicht zu der Vorform Einblendung’.
von Spargel (s. d.), da sich die Grünteile der
Spott m. Mhd. ahd. spot, as. spott aus g.
beiden Pflanzen ähnlich sehen.
*spußßa- m. 'Spott, Hohn’, auch in anord. spott
S. Spargel, Spark.
n., spottr, afr. spott. Entsprechend verbreitet ist
Sporkei m. 'Februar’, wndd. Mndd. sporkel das Verbum spotten. Herkunft unklar.
(-mänt), sperkel, mndl. sporkel. Vermutlich aus
Sprache /. Mhd. spräche, ahd. sprähha, as.
ml. spurcalia f. 'ein im Februar begangenes Fest
spräka aus wg. *spräkö f. 'Sprache’, auch in ae.
der Ausgelassenheit (wohl Fasnacht)’, das aber
sprcec, afr. spreke, spre(t)ze f./n. Abstraktbil¬
kaum zu 1. spurcus 'unflätig’ gehört.
dung zu sprechen (s. d.). Wie beim Grundwort
Frings (1932), 114—120. Anders: G. Ehrismann
ist im Englischen (zunächst als Variante ae.
BGDSL 20 (1894), 64; G. Bilsinger ZDW 5 (1903/04),
späc) das r verloren gegangen.
263-269.
Nndl. spraak, ne. speech. S. sprechen ( + ).
Sporn m. Mhd. spor(e), ahd. spor(o), mndd.
Spray m./n. 'Sprühflüssigkeit’. Im 20. Jh. ent¬
spore, spare, mndl. spore aus g. *spurön m.
lehnt aus gleichbedeutend ne. spray, einer Ablei¬
'Sporn’, auch in anord. spori, ae. spora, spura.
tung von e. spray 'sprühen, verbreiten’, aus
Instrumentalbildung zu g. *spur-an- stV. 'mit
mndl. sprayen, spraeyen (dass.).
den Füßen (besonders mit der Ferse) treten’ in
Etymologisch verwandt: s. sporadisch.
anord. sporna, sperna, spenna, ae. spornan, afr.
spurna, as. ahd. spurnan. Außergermanisch ver¬ sprechen stV. Mhd. sprechen, ahd. sp(r)eh-
gleicht sich ai. sphuräti 'stößt (zurück)’, gr. han, as. sprekan aus wg. *sprek-a- stV. 'spre¬
aspairö 'ich zucke, zapple’, lit. spirti 'nach hin¬ chen’, auch in ae. sprecan (daneben mit unregel¬
ten ausschlagen, trotzen, sich widersetzen’, air. mäßigem Ausfall von r auch specan), afr.
Sprehe 691 springen

spreka. Außergermanisch könnten verglichen f, mhd. sprinke m.(?)If.(?) 'Falle’ zu springen


werden kymr.ffraeth 'witzig, scharfzüngig’, alb. (s. d.).
shpreh 'ausdrücken, lehren’, doch stehen sich Lühr (1988), 157f.
die Bedeutungen nicht ausreichend nahe. Sonst
Sprenkel2 m. 'Fleck’. Mit vermutlich nach¬
kann das Wort allenfalls als Kraftausdruck zu
träglicher Nasalierung zu mhd. spreckel (vgl.
anord. spraka 'knistern, prasseln’ (und ähnli¬
spreckeleht, sprickeleht, sprinkelehl 'gespren¬
chen Wörtern in den verwandten Sprachen) er¬
kelt’). Zu einer schwer abgrenzbaren Sippe mit
klärt werden.
Wörtern für 'ausstreuen’, am klarsten gr. spetrö
Nndl. spreken, ne. speak. S. Sprache, Sprichwort.
'ich säe’.
Sprehe / 'Star5, ndd., md. Mndd. spre(n). S. sporadisch ( + ), Spreu, Sprinkler. — Lühr (1988),
Auch ahd. spräa, sprea f. Zu mhd. sprcewen, 158f.
sprajen 'spritzen’ (nach dem gesprenkelten Ge¬
sprenzen swV. 'mit Wasser besprenge, leicht
fieder).
regnen’, südd. Intensivbildung auf -ezzen zu
Spreißel m./(n.) 'Splitter im Finger’, südd. sprengen (s. d.).
Mhd. sprizel m. 'Lanzensplitter’, auch mhd.
Spreu f. Mhd. ahd. spriu n. Neben dem Verb
sprize m., fnhd. Spreiß; ahd. nur in sprizzalön
mhd. sprcewen, sprcejen, mndl. sprayen, spraeyen
'Späne machen’. Dissimilationsform zu einer 'sprühen, stieben, streuen’ und weiter zu *sper-
Ableitung von spleißen (s. d. und Spleiße,
'streuen’ wie Sprenkel} (s. d.), sprühen (s. d.).
Spließ). Die Dissimilation ursprünglich wohl Vermutlich heißt die Spreu so, weil sie beim
nur in der /-Ableitung.
Worfeln wegstiebt.
S. Splitter.
S. sporadisch (+), Sprenkel2, sprühen ( + ), sprießen (+).
spreiten swV, arch. Mhd. ahd. spreiten, Sprichwort n. Bezeugt seit dem 13. Jh.; es
mndd. spre(i)den, mndl. spreiden aus g. ersetzt älteres altez (gemeinez) wort, gemeiner
*spraid-eja- swV. 'ausbreiten’, auch in aschw. spruch. Gehört deutlich zu sprechen (s. d.), aber
spreda, ae. sprädan. Ein Grundwort ahd. das Benennungsmotiv ist im einzelnen unklar.
spritan, mhd. spriten ist sehr schwach bezeugt
Spriegel m., auch Sprügel m. 'Bügel, der eine
und keine ausreichende Stütze für eine genauere
Plane trägt\ fachsprachl. Bezeugt seit dem 14.
Etymologie. Auch die weitere Herkunft ist un¬
Jh. Herkunft unklar.
klar.
Nndl. spreiden, ne. spread. sprießen stV. Mhd. spriezen, ahd. spriozan
(Bezeugung unsicher), as. *sprütan 'strotzen’
spreizen swV. So seit dem 16. Jh. (mit Entrun¬
aus wg. *spreut-a-jsprüt-a- stV. 'sprießen’, auch
dung), zuvor mhd. ahd. spriuzen 'sich ausbrei¬
in ae. sprütan, spreotan, afr. sprüta; anord. in
ten, stützen, stemmen’ (die Bedeutung 'stützen’
sproti 'Zweig, Stab’, gt. vielleicht in sprauto
ist wohl abhängig von der Ableitung mhd.
'schnell’. Außergermanisch ist vergleichbar lit.
spriuz(e) 'Stützbalken’). Im übrigen eine Ablei¬
spräusti 'in einen engen Raum pressen, einklem-
tung von sprießen (s. d.), also wie nachwach¬
men’. Offenbar ist das Hervorsprießen der Saat
sende Pflanzen sich ausbreiten (und wie Äste
verglichen mit dem Herausspritzen einer Flüs¬
sich spreizen). Einzelheiten der Laut- und Be¬
sigkeit, wenn auf ihren Behälter gedrückt wird.
deutungsentwicklung bleiben offen.
Zu diesem Bedeutungsverhältnis vgl. lett. sprägt
Reuter (1906), 67 — 72.
'bersten, platzen’ und 'sprießen’.
Sprengel m. 'Diözese’, fachsprachl. In dieser Nndl. spruiten, ne. sprout. S. Sommersprosse, spreizen,
Bedeutung bezeugt seit dem 16. Jh. Älter ist Spreu (+), Spriet, spritzen, Sproß, Sprosse, Sprotte,
mhd. mndd. Sprengel 'Weihwassersprengel’ (zu sprühen, strotzen ( + ).
sprengen, s. d.). Die neuere Bedeutung ist ent¬ Spriet n. 'Stange’, fachsprachl., ndd. Mndd.
standen aus Redeweisen und Vorstellungen wie spret, mndl. spriet; vgl. ae. spreot m. Daneben
'so weit sein Sprengel reicht’ mit Bezug auf das vermutlich mit unregelmäßigem Ausfall von r
Besprengen der Gläubigen mit Weihwasser (vor Spieß1 (s. d.). Zu sprießen (s. d.) offenbar zu¬
allem) durch den Bischof. nächst als Bezeichnung der aufschießenden Lo¬
sprengen swV. Mhd. ahd. mndd. mndl. spren¬ den eines Wurzelstocks.
gen aus g. *sprang-eja- swV. 'sprengen’, auch springen st V. Mhd. springen, ahd. as. springan
in anord. sprengja, ae. sprengan, afr. sprendza. aus g. *spreng-a- stV. 'springen’, auch in anord.
Kausativum zu springen (s. d.), also '(ein Pferd, springa, ae. springan, afr. springa. Außergerma¬
Wasser usw.) springen lassen’. nisch vergleichen sich ohne Nasal gr. spercho-
S. Sprengel, sprenzen, springen (+). mai 'ich setze in rasche Bewegung’ und vielleicht
Sprenkel1 m. 'Vogelstrick, Fangschlinge’, ai. sprhayati 'sehnt sich nach, verlangt, be¬
arch. Im 17. Jh. entlehnt aus mndd. sprinkel. neidet’.
Mit verschärftem Auslaut wie in ahd. springa S. sprengen ( + ), Sprenkel'. — Lühr (1988), 159 — 161.
692 spuren
Springwurz

Springwurz /., fachsprachl. Mhd. sprincwurz, Spruch m., s. sprechen.


springwurz wie ae. springwyrt, weil die reifen sprudeln swV. Bezeugt seit dem 18. Jh.; Wei¬
Samen aus der Kapsel springen. Aus dem Na¬ terbildung zu sprühen, vgl. brodeln.
men herausgesponnen ist die Vorstellung, daß Sprügel m., s. Spriegel.
die Pflanze Schlösser sprengen und Dornen her¬ sprühen swV. Bezeugt erst seit dem 16. Jh.,
ausziehen kann. doch wohl schon älter, da frz. esproher 'be¬
Bächtold-Stäubli (1927/42), VIII, 314-320. sprengen’ daraus entlehnt ist. Im Ablaut steht
Sprinkler m. 'Anlage zum Versprühen von mhd. sprcewen, sprajen, mndl. sprayen, spraeyen
Wasser’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus 'sprühen, stieben, streuen’ (s. Spreu, sprießen).
gleichbedeutend ne. Sprinkler, zu e. sprinkle S. sporadisch ( + ), sprudeln.
'sprenkeln, besprühen, bespritzen’. Sprung m., s. springen.
Zum Etymon s. Sprenkel2. spucken swV. Bezeugt seit dem 17. Jh. Ur¬
Sprint m. 'Kurzstreckenlauf, sehr schnelles sprünglich norddeutsch. Vergleichbar ist pfälz.
Laufen’, fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus spauchen. Wohl mit Vokalassimilation von iu zu
gleichbedeutend ne. sprint, zu e. sprint 'schnell ü und niederdeutschem Übergang von uw zu
laufen’, das aus einer nordgermanischen Spra¬ ug, uch zu speien (ein ererbtes ü und Erweite¬
che stammt. rung mit -ch- ist aber nicht ausgeschlossen).
Morphologisch zugehörig: Sprinter. S. speien ( + ) — F. Kluge ZDW 9 (1907), 317f.

Sprit m. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. esprit Spuk m. Im 17. Jh. übernommen aus dem
'Geist’, das aus 1. spiritus kommt. Niederdeutschen (mndd. spök, spük n., mndl.
spoke); anfänglich auch in verhochdeutschter
Etymologisch verwandt: s. Spiritus.
Form als spuch bezeugt. Herkunft unklar. Vgl.
spritzen swV. Mhd. sprützen. Zu sprießen mit
noch ae. püca 'Kobold’.
einer Bedeutung, die der Ausgangsbedeutung
Nndl. spook. S. Spöke, Spökenkieker.
dieses Verbs nahekommt.
Spule /. Mhd. spuol(e) m., ahd. spuolo m.,
S. sprießen ( + ), Spurt.
spuola, mndd. spole, mndl. spoele aus vor-d.
spröde Adj. Bezeugt seit dem 15. Jh., Her¬ *spölön m./f 'Spule’ (ursprünglich der Weber),
kunft dunkel. Vergleichbar sind fläm. sprooi, dann auch 'Federkiel’ (als 'Röhre’ wie eine
me. sprepe. Spule). Herkunft unklar.
Sproß m. Mhd. sproz(ze), spruz(ze). Wie ae. Nndl. spoel.
sprot n. zu sprießen (s. d.). spülen swV. Mhd. spüelen, ahd. (ir-)spuolen,
S. auch Sprotte. mndd. spolen. Herkunft unklar.
Sprosse /. Mhd. sprozze m./f, ahd. sprozzo Nndl. spoelen.

m., mndd. sprute, sprote, mndl. sporte. Entspre¬ Spulwurm m„ fachsprachl. Bezeugt seit dem
chend mit der Bedeutung 'Sproß, Schößling’ 15. Jh. Nach der Form einer (alten) Spule be¬
anord. sproti m., ae. sprota m. Die Bedeutung nannt.
ist offenbar zunächst 'Seitenast’, und da die Spund m. 'Stöpsel, Zapfen’. Mhd. spunt,
primitive Leiter aus einem Baumstamm besteht, mndd. spunt-, mndl. sponde. Im 11. Jh. entlehnt
an dem man die Aststümpfe hat stehen lassen, aus it. (s)punto aus 1. (ex)pünctum n. 'Heraus¬
kann das Wort auf 'Leitersprosse’ übertragen gestochenes’, also offenbar eine Übertragung
werden. Zu sprießen (s. d.). nach der Form von aus Erde usw. ausgestoche¬
Nndl. sport. nen Teilen auf den Faßverschluß.
S. Akupunktur ( + ). — Heyne (1899/1903), II, 365.
Sprosser m. 'Singvogel’, omd. Der Sprosser
unterscheidet sich von der Nachtigall durch eine Spur /. Mhd. spür, spur n./f, ahd. spur n.,
muschelfleckige Zeichnung auf der Brust; daher mndd. mndl. spor n. aus g. *spur-a- n. 'Spur’,
auch in anord. ae. spor n. Ableitung aus dem
der Name, der zu Sprosse (wie in Sommer¬
unter Sporn (s. d.) behandelten g. *spur-an- stV.
sprosse, s. d.) gehört. Einen entsprechenden Na¬
'treten’, also eigentlich 'Tritt’.
men hat der (gesprenkelte) Star in ndd. Sprut-
Nndl. spoor, nschw. spar, nisl. spor. S. Sporn ( + ),
ter, mndd. sprote, sprute.
spüren.
Suolahti (1909), 38f.
spüren swV. Mhd. spür(e)n, ahd. gispurren,
Sprotte /., fachsprachl. Bezeugt seit dem 16. spurien aus g. *spur-ija- swV. 'nachspüren’, auch
Jh., ae. sprott m. schon seit dem 11. Jh. Her¬ in anord. spyrja, ae. spyrian. Eigentlich 'die
kunft unklar. Da es sich um einen kleinen He¬ Spur verfolgen’ (zu Spur), dann auf andere
ringsfisch handelt, kann er als Sproß (s. d.), also Wahrnehmungsarten übertragen.
als 'Jungfisch’ benannt worden sein. Nndl. speuren, nschw. spörja, nisl. spyrja. S. Sporn ( + ),
S. sprießen ( + ). - F. Richters ZDW 5 (1903/04), 276. Spur.
Spürkel 693 Stafel

Spürkel m., s. Sporkei. stabil Adj. 'fest, solide’. Im 18. Jh. entlehnt
Spurt m. In neuerer Zeit entlehnt aus ne. aus gleichbedeutend 1. stabilis, zu I. stäre (sta-
spurt zu spirt 'spritzen, herausschießen’. Ver¬ tum) 'stehen, verweilen, sich aufhalten’.
mutlich zu spritzen (s. d.), aber die Einzelheiten Morphologisch zugehörig: Stabilisation, Stabilisator,
des spät bezeugten Wortes sind unklar. Stabilität', etymologisch verwandt: s. Arrest.
spürzen swV., s. spirzen. Stabreim m., fachsprachl. Im 19. Jh. einge¬
sputen swV., arch., reg. Mhd. spuot Adj. führter Ausdruck für das ältere Alliteration (16.
leicht, beförderlich’, ahd. gispuoten 'gedeihen Jh.). Vorbild für die Bezeichnung ist die Termi¬
lassen’, as. spödian 'fördern’. Wie ae. spedan nologie in der Verslehre von Snorri Sturluson
Erfolg haben’ denominativ zu wg. *spödi-f. in (13. Jh.). Dieser verwendet anord. stafr 'Buch¬
ae. spcßTEile, Erfolg, Fülle’, as. spöd 'Gelingen’, stabe, Laut’ (zu diesem s. Buchstabe) auch für
ahd. spuot 'Erfolg, Fortgang’. Dieses wiederum 'alliterierender Laut’, etwa in anord. hpfudstafr
ist ein ti-Abstraktum zu ae. spöwan stV., ahd. 'Hauptstab’, anord. hljööstafr 'stabender An¬
spuon swV. 'vonstatten gehen, gelingen’. Außer¬ laut’.
germanisch vergleichen sich 1. spes 'Hoffnung, Hoops (1911/19), IV, 231-240.
Erwartung , lit. speti 'Muße haben, zurecht
Stachel m., auch /. Mhd. Stachel m., ahd.
kommen’, akslav. speti 'fortschreiten, gedei¬
stackulla f. Wie Stake (s. d.) eine Instrumental¬
hen’, ai. sphäyate 'wird fett, gedeiht’.
bildung zu stechen (s. d.).
Nndl. spoeden, ne. speed. S. spät. — P. Seidensticker
ZM 24(1956), 160-184. stad Adj. 'still, ruhig’, bair.-österr. Regionale
Variante zu stet (s. d.).
spützen jw’K, s. speuzen.
Squash n. (= eine Sportart), fachsprachl. Im Stadel m. 'Feldscheune’, südd. Mhd. stadel,
20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. squash, ahd. stadal. Instrumentalbildung zu stehen
zu e. squash 'kräftig schlagen, zerquetschen, (s. d.), so wie 1. stabulum n. 'Stall’ zu 1. stäre
auspressen’, dieses aus afrz. esquasser, esquacer 'stehen’ gehört.
(dass.), aus spl. *exquassare, zu 1. quassäre 'hef¬ Kluge (1926), 74.
tig erschüttern, heftig schütteln’, einem Intensi- Staden m. 'Ufer’, reg. Regionaler Fortsetzer
vum zu 1. quatere (quassum) 'schütteln’. So des unter Gestade (s. d.) genannten einfachen
bezeichnet als ein Schlagspiel, bei dem ein klei¬ Wortes.
ner Ball mit einem Schläger gegen eine Wand
Stadion n., s. Stadium.
geschmettert wird.
Stadium n. 'Lage, Entwicklungsabschnitt’. Im
Staat m. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. Status
18. Jh. entlehnt aus 1. Stadium 'Laufbahn, Renn¬
'Stand’ (zu 1. stäre 'stehen’). Der auffällige Plu¬
bahn, Sportstätte’, dieses aus gr. Stadion (dass.,
ral nach niederländischem Vorbild. Die Bedeu¬
wörtlich: ein Längenmaß von 185 m). Die Be¬
tung ist zunächst 'Stand, Rang’ und 'Zustand
deutung 'Laufbahn’ nach der Länge der Renn¬
(des Vermögens u. ä.)’, aus dem zweiten entwik-
kelt sich 'Pracht’ (Staat mit etwas machen, Sonn¬ bahn in Olympia; danach dann auch die Bedeu¬
tagsstaat; dann auch Hofstaat). Die heutige tung 'Sportstätte’ (Stadion). 'Laufbahn’ wird
Bedeutung ist übernommen aus frz. etat, nndl. dann übertragen auf den 'Verlauf von etwas’
Staat. bzw. dann auf 'Entwicklungsabschnitte im Ver¬
Etymologisch verwandt: s. Arrest, stattlich. — P.-L. lauf von etwas’. So zunächst ins Deutsche ent¬
Weinacht: Staat (Berlin 1968); W. Suerbaum: Vom lehnt als 'Entwicklungsstand einer Krankheit’.
antiken zum mittelalterlichen Staatsbegriff (Münster Stadt f. Mhd. ahd. stat, as. stedi mff 'Ort,
31977).
Stätte’, während in ae. stede m., gt. staps und
Stab m. Mhd. stap, stab, ahd. stab, as. staf anord. staör Maskulina vorliegen. Die heutige
aus g. *stabi-/a- m. 'Stab’, auch in gt. stabeis Bedeutung hat das Wort erst nach 1200 von
(PI.) 'Elemente’, anord. stafr, ae. staf, afr. stef.
älterem Burg übernommen. Dabei hat es sich
Außergermanisch vergleicht sich zunächst lit.
gegenüber Statt (s. d.) und Stätte differenziert.
stäbas 'Pfosten, Säule, Götzenbild’ und ai. na¬
Konkretbildung auf -ti- zu stehen (s. d.), paral¬
saliert stambha- 'Pfosten, Pfeiler, Säule’. Ein
lel etwa zu gr. stäsis 'Stellung’, also eigentlich
zugrundeliegendes Verbum liegt vor in ai. stabh-
'Stand’.
nati 'befestigt, stützt’, so daß die Ausgangsbe¬
S. stehen ( + ). — W. Schlesinger in: FS Mayer (1954),
deutung offenbar 'Stütze’ ist. Der 'Mitarbeiter¬
97-150; M. Pfütze BGDSL-H 80(1958), 272-320;
stab u. ä.’ der neueren Zeit geht auf den 'Gene¬
W. Schlesinger SG (1963), 443f.; E. E. Metzner BN
ralsstab’ im Militär zurück und ist übertragen
14(1979), 412-463.
aus dem Stab als Zeichen der Führungsgewalt
Stafel m. 'Alphütte’, schwz. Mhd. stavel,
(so seit dem 17. Jh.).
Nndl. staf, ne. staff nschw. stav, nisl. stafur. S. Buch¬ stapfel. Wohl entlehnt aus 1. stabulum n. 'Stall’
stabe, Stapel (+), Steven. oder einer romanischen Tochterform dazu.
694 stammeln
Stafette

Stafette /. (= eine Gruppe von Fahrzeugen stakeins 'Laubhüttenfest’ ('Zeltaufsteckung’?).


oder Personen). Im 17. Jh. entlehnt aus it. sta- Zu stechen (s. d.) und Stecken (s. d.).
fetta 'reitender Eilbote’, einem Diminutivum zu Ne. stäke. S. staksen, stechen, Stecken, Stachel.
it. staffa f. 'Steigbügel’, aus ahd. stapf(e)o m. staksen swV. ungelenk gehen , ugs. Zu Stake
'Tritt, Stufe’. Im Deutschen von 'Eilbote’ über (s. d.) gebildet, etwa im Sinn von 'stelzen’.
'Kette von Eilboten’ bzw. 'Kette von Stationen’
Stall m. Mhd. ahd. stal m./n., mndd. mndl.
zu 'Eskorte’. stal aus g. *stalla- m. 'Stand’, auch in anord.
Zum Etymon s. Stapf. stallr 'Sockel, Krippe’, ae. steall 'Stand, Stel¬
Staffage /. 'Ausstattung, Aufmachung’, son- lung, Stall’, afr. stall 'Stall’. Das Wort, das mit
dersprachl. Französisierende Bildung des 18. stellen (s. d.) zusammengehört, paßt am besten
Jhs. zu d. staffieren 'ausstatten’, dieses aus zu einer Grundlage mit der Bedeutung 'stehen ,
mndl. stofferen, stoffeeren (dass.) und mndd. wie sie in stehen (s. d.) tatsächlich vorliegt. Der
stofferen, staffieren (dass.), aus afrz. estoffer Versuch von einer instrumentalen r/o-Bildung
(dass.), zu afrz. estoffe 'Stoff, Zeug, Material’, (*std-tlo-) auszugehen, ist aber lautlich umstrit¬
dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. ten. Der Anschluß an gr. stellö 'ich setze in¬
Etymologisch verwandt: ausstaffieren, Stoff. stand’ wäre lautlich einwandfrei, befriedigt aber
Staffel f./m. 'Stufe’, südd. Mhd. Staffel, stapfel semantisch nicht. L. locus, al. *stlocus würde
m./f, ahd. staff al, stapfal m. Wie Stufe (s. d.) ebenfalls für eine Wurzelform *stel- sprechen.
zu dem unter Stapf (s. d.) aufgeführten Verb für Nndl. stal, ne. nschw. stall. S. Installation, Marstall,
stellen ( + ), Stollen.
'treten’, also eigentlich 'Tritt’.
Tiefenbach (1973), 86 — 88; Lühr (1988), 246. stallen swV. 'harnen (vom Pferd)’, arch., reg.
Mhd. mndd. stallen bezeugt seit dem 14. Jh.
Staffelei /., fachsprachl. Bezeugt seit dem 17.
Vielleicht zu einer Wurzel *stel- 'tröpfeln, har¬
Jh. Eigentlich 'Treppenleiter’, dann übertragen
nen’, die erweitert in gr. stalässein 'tröpfeln’ (gr.
auf verschiedene Arbeitsgestelle (s. Staffel).
stälagma 'Tropfen’) und ohne anlautendes s- in
staffieren swV, s. Staffage. lit. teTzti 'harnen, naß machen’ vorliegt; uner¬
Stag n. 'starkes Tau zur Befestigung von Ma¬ weitert vielleicht in mbret. staut (*stal-to-)
sten’, fachsprachl., ndd. Seit dem 17. Jh. auch 'Harn’.
in hochdeutschen Texten. Mndd. stach, wie ae. Stamm m. Mhd. ahd. stam, as. stamn aus wg.
stceg, anord. stag. Herkunft unklar. *stamna- m. 'Stamm, Steven’, auch in ae. stefn,
Kluge (1911), 742-744. stemn. Ableitung zu stehen (s. d.), also etwa
stagnieren swV. 'stillstehen’, sonder spracht Im 'Ständer’; unmittelbar zu vergleichen ist viel¬
18. Jh. entlehnt aus 1. stägnäre 'unter Wasser leicht (ohne anlautendes s- und deshalb mehr¬
stehen, überschwemmt sein’, zu 1. stägnum 'ste¬ deutig) air. taman 'Stamm’; mit anderen Bedeu¬
hendes Gewässer, Lache, Tümpel’, zu 1. stäre tungen gr. stämnos m.lf 'stehendes Gelaß,
'stehen’. Die Bedeutung im Deutschen in meta¬ Krug’, ai. sthäna- n. 'Standort’. Vgl. noch toch. A.
phorischer Übertragung von stillstehenden Ge¬ stäm, toch. B. stäm 'Baum’. Die Abgrenzung
wässern (im Gegensatz zu Flüssen usw.) auf gegenüber Steven (s. d.) ist nicht überall mög¬
andere Gebiete, in denen etwas stillsteht (statt lich, weil bei diesem mit Entlehnungen gerech¬
sich zu bewegen). net werden muß.
Morphologisch zugehörig: Stagnation; etymologisch Nndl. stam, ne. Stern. S. stammen, stehen ( +), Steven.
verwandt: s. Arrest. stammeln swV. Mhd. stam(e)len, stammeln,
Stahl m. Mhd. ahd. stahel, stäl m./n., mndd. ahd. stamalön, mndd. mndl. s tarne len, abgeleitet
stäl, mndl. stael, entsprechend anord. stäl n. von dem in ahd. stamal, stamul 'stammelnd’
Daneben die /Bildung as. stehli n. 'Axt’, ae. bezeugten Adjektiv. Daneben stammern, as. sta-
stTle n. Herkunft unklar. Vielleicht zu avest. maron, ae. stamerian zu dem in mndd. stamere,
staxta-, staxra- 'stark, fest’ und weiter zu ai. ae. stamer vorliegenden Adjektiv. Noch einfa¬
stäkati 'widerstrebt’, doch ist das germanische cher ist das Adjektiv ahd. ae. stam, anord.
Wort in nicht-technischer Bedeutung nicht be¬ stammr, gt. Stamms 'stammelnd’ und weiter
zeugt und die Verknüpfung mit dem Arischen stumm (s. d.). Zugrunde liegen die Wurzeln von
bei einer solchen Metallbezeichnung wenig stemmen (s. d.), die einerseits über 'anstoßen,
überzeugend. stolpern’, andererseits über 'hemmen, aufhal¬
Stake/. 'Pfahl, Stocherstange’, ndd. Seit dem ten’ zu Ausgangspunkten für die übertragene
15. Jh. auch in hochdeutschen Texten bezeugt. Bezeichnung von Sprachstörungen führen. Bei
Mndd. mndl. stäke m., in hochdeutscher Form stammeln ist offenbar von 'stolpern’ auszu¬
ahd. stah 'Spießhirsch’. Ferner ae. staca m. gehen.
'Stange’ und wohl auch verbaut in gt. hleipra- Nndl. stamelen. S. stemmen, stumm.
stammen 695 Stapf

stammen swV. 'abstammen’. Mhd. stammen Standpauke /. 'Rügerede’, ugs. Studentische


'von einem bestimmten Stamm kommend’. S. Verschärfung des älteren Standrede (bezeugt seit
Stamm. dem 18. Jh. zunächst für 'kurze Rede im Ste¬
Stampe /. 'Lokal’, ugs., berlin. Zu der nieder¬ hen’, besonders bei Beerdigungen, dann über¬
deutschen Form von stampfen (s. d.), also 'pri¬ tragen auf Scheltreden).
mitives Tanzlokal’. Standrecht n. Das Wort ist wie Standgericht,
Stamper m., Stamperl n. 'Schnapsglas ohne von dem es im Gebrauch nicht einheitlich ge¬
Stiel’, bair.-österr.; gelegentlich auch nordd. trennt wird, seit dem 16. Jh. bezeugt für ein
Stampe /. Zu (ndd.) Stampen, österr. Stampfern sofort ('im Stehen’) abgehaltenes und meist
'stampfen’, also 'Glas, mit dem man auf den strenges Gericht. Im einzelnen ist das Benen¬
Tisch stampfen kann’ oder (wahrscheinlicher) nungsmotiv nicht klar.
'das aussieht wie eine Stampfe (Mörser)’, vgl. Stange/. Mhd. Stange, ahd. as. stanga aus g.
mndd. stamp m. 'Mörser’ und das entlehnte *stangö f. 'Stange’, auch in anord. stpng; dane¬
anord. stampr m. 'Kübel’. ben als /-Stamm ae. steng m.; abgeleitet aus g.
stampfen sw V. Mhd. stampfen, ahd. stampfön, *steng-a- stV. 'stechen’ in gt. usstigg (emen-
mndd. mndl. stampen aus g. *stamp-ö- swV. diert), anord. stinga, ae. stingan, ahd. stingen.
'stampfen’, auch in anord. stappa; daneben als Außergermanisch vergleichen sich vielleicht mit
_/-Verb mhd. stempfen, mndl. stempen, ae. stem- lautlichen Abweichungen 1. instlgäre 'anspor¬
pan. Außergermanisch vergleicht sich gr. stembö nen’, gr. stizö 'ich tätowiere, kennzeichne’ und
'ich schüttele, stampfe’. ohne anlautendes s- ai. tigmä- 'scharf, spitzig’.
S. auch Stampe, stanzen. Stapf, Stempel. — Lühr Nndl. ne. stang, nschw. stäng, nisl. stöng. S. Stengel.
(1988), 367. - Anders: Lühr (1988), 162f.

Stand m. Mhd. stant, ahd. -stand, mndd. stant stänkern swV., ugs. Bezeugt seit dem 17. Jh.
m./n., mndl. stant; wie ae. stand Verbalabstrak¬ Eigentlich 'Gestank machen’, vgl. heutiges
tum vom Präsensstamm von gt. standan, anord. Stunk. S. stinken.
standa, ae. standan, afr. standa, stonda, as. Stanniol n. (= eine Folie aus Zinn oder Alu¬
standan, ahd. stantan. Dieses ist ein Nasalprä¬ minium). Neubildung des 17. Jhs. zu 1. stägnum,
sens zu einer dentalen Erweiterung der Wurzel stännum (= eine Mischung aus Silber und Blei).
von stehen (s. d.), die es auch suppletiv ergänzt. E. Ploß ZDW 17 (1961), 76-82.
Falls heth. istantai- 'zögern, zaudern’ dazuge¬ Stanze f.,fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
hört, muß die Bildung schon sehr alt sein. it. stanza, das allgemein eine 'Strophe’, dann
Nndl. ne. stand. S. Ständchen, Ständer, ständig, auch eine bestimmte Strophenform bezeichnet.
stehen (+), stet. Stunde. Im Deutschen nur für das zweite üblich. Das
Standard m. 'Maßstab, Norm, Regel’. Im 19. italienische Wort bedeutet wörtlich 'Standort,
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Standard Wohnung’, weil die abgeschlossene Strophe ein
(wörtlich: 'Standarte, Fahne’, s. Standarte). Der zusammengehöriges Ganzes ist wie eine Woh¬
Bedeutungswandel im Englischen von 'Stan¬ nung. Dies scheint aber auf einer Lehnüberset¬
darte’ zu 'Norm’ ist nicht sicher gedeutet. zung von arab. bait zu beruhen, das sowohl
Morphologisch zugehörig: Standardisation. — Schir¬ 'Zimmer’ wie auch 'Vers’ bedeutet.
mer (1911), 181f.; Ganz (1957), 212. W. Seibicke MS (1958), 375-377.
Standarte /. 'Sturmfahne, Hoheitszeichen’. stanzen swV. Bezeugt seit dem 18. Jh. Her¬
Mhd. (13. Jh.) standert, stanthart m. Entlehnt kunft unklar. Vgl. dn. (dial). stunte 'stoßen’.
aus afrz. estandart (dass.), dessen Herkunft un¬ (Oder zu stampfen [s. d.] etwa als * stampfezzenl)
klar ist (vielleicht aus g. *standhart 'standfest’). S. auch Stenz. — W. Seibicke MS (1958), 375 — 377.
S. Standard. Stapel m. Im 17. Jh. übernommen aus dem
Ständchen n. 'Huldigungsmusik’, auch als Er¬ Niederdeutschen. Mndd. mndl. Stapel, afr. sta-
satzwort für Serenade gebraucht. Im 17. Jh. in pul, Stapel, ae. stapol, anord. stgpull führen auf
Studentenkreisen aufgekommen. Verkleinerung *stapula- 'Stamm, Pfosten’, dann über 'Haufe’
zu Stand (s. d.) 'das Zusammenstehen’. zu 'Umschlagplatz, Markt’. In der niederdeut¬
Ständer m. Spahd. stanter, mndd. stender. schen Seemannssprache bezeichnet das Wort
Nomen agentis zu dem unter Stand (s. d.) dar¬ die Balken, auf denen ein Schiff gebaut wird
gestellten Verb für 'stehen’, also eigentlich (deshalb vom Stapel laufen). Etymologisch han¬
delt es sich um eine Lautvariante zu Stab (s. d.).
'Steher’.
S. Etappe, Stab( + ). — Kluge (1911), 746.
ständig Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh., eigent¬
lich 'den Stand behaltend, am gleichen Ort blei¬ Stapf m., Stapfe/. 'Fußspur’. Mhd. stapf m.,
bend’, dann übertragen 'fortwährend’. Zu stapfe f./m., ahd. stapf, stapf(e)o, mndd. stoppe,
mndl. stap; wie afr. stap, ae. stcepe Verbalab-
Stand (s. d.) und stehen (s. d.).
Star 696 Statistik

straktum zu wg. *stap-ja- stV. 'treten, stapfen’ Starlet n., s. Star*.


in ae. stceppan, afr. stapa, steppa, as. stöp starr Adj. In dieser Form erst neuhoch¬
(Prät.), mndl. stoppen, steppen, ahd. stöptun deutsch (wohl unter dem Einfluß von starren).
(Hildebrandslied). Weiter vergleicht sich wohl Zuvor mhd. sterre. Weiter zu starren (s. d.).
die Sippe von stampfen (s. d.) und akslav. stopa
starren swV. In der Bedeutung 'steif sein oder
f. 'Spur, Fährte, Schritt’.
werden’ mhd. Staren, älter storren, ahd. Storren,
Nndl. stap, ne. Step. S. Fußstapfe, Hochstapler, Staffel,
Stafette, stampfen, Stufe. — Lühr (1988), 241, 359f.
vgl. gt. and-staurran 'widerspenstig sein’. Außer¬
germanisch entspricht zunächst gr. stereös 'steif,
Star1 m. (= eine Vogelart). Mhd. star, ahd.
hart, fest’ (aus *sterewo-) und lit. sterti 'erstar¬
stara/., mndd. stör, mndl. sterre aus g. *starön
ren, den Mund aufsperren’, lautlich mehrdeutig
m. 'Star’, auch in anord. stari, ae. stcer. Teilweise
toch. B. scire 'hart, starr, steif’; im Germani¬
scheint im Deutschen ein Langvokal (also
schen offenbar mit expressiver Geminierung. —
*stär-) vorzuliegen. Außergermanisch ver¬
Die Bedeutung 'starr blicken’ geht von der glei¬
gleicht sich vor allem 1. sturnus 'Star’. Ähnliche
chen Grundlage ohne Geminate aus und fallt
Lautungen in anderen Vogelnamen sind weni¬
neuhochdeutsch mit dem geminierten Verb zu¬
ger sicher zu vergleichen.
sammen. Zuvor mhd. starn, ahd. Staren, starön,
Ne. Stare, starling, nschw. Stare, nisl. stari. S. Drossel*,
Star\ - Suolahti (1909), 165-169. mndd. Staren, ae. starian, anord. stara; hierzu
stieren (s. stier) und stur (s. d.).
Star2 m. 'Augenkrankheit’, fachsprachl. In
S. Landstörzer, stark, starr, staunen, sterben, Sterke,
frühneuhochdeutscher Zeit rückgebildet aus
Sterz, Storch, Storren ( + ), straff, Strahl ( + ), stramm,
dem Adjektiv starblint, ahd. starablint, mndd.
streben ( + ), stürzen ( + ).,
starblint, mndl. staerblint aus wg. *stara-blen-
da-, auch in ae. starblind, afr. starublind, stare¬ Start m. Wie das Verb starten im 19. Jh. aus
blind, zu ahd. Staren, starön 'starren’. Die Betrof¬ ne. Start entlehnt. Dieses ist entfernt mit stürzen
fenen sehen wenig oder nichts bei geöffneten (s. d.) verwandt.
Augen, während Blinde die Augen geschlossen stätig Adj., reg. Regionale Variante von stetig
halten. (s. stet), teilweise mit der zusätzlichen Bedeu¬
Nndl. staar. tung 'störrisch (von Pferden)’, die aus der glei¬
Star3 m. 'Film- oder Theatergröße’. Im 19. chen Ausgangsbedeutung zu erklären ist.
Jh. entlehnt aus ne. star gleicher Bedeutung, Statik/. (= Lehre von den Kräften an ruhen¬
eigentlich 'Stern’ (s. Stern1), entsprechend ne. den Körpern), fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt
Starlet 'Sternchen’. aus gleichbedeutend neo-1. statica, dieses aus
Stär m. 'Widder’, reg. Mhd. ster(e), ahd. gr. statiki (techne) 'Lehre vom Wägen/Gleich¬
stero. Herkunft unklar. Lautlich entspricht gt. gewicht’, zu gr. statikös 'stellend, wägend’, zu
stairo 'unfruchtbar’ (s. Sterke), also eigentlich gr. statös 'stillstehend’.
'keine Jungen bringend’? Morphologisch zugehörig: Statiker, statisch; etymolo¬
stark Adj. Mhd. Stare, ahd. starc, starah, as. gisch verwandt: Thermostat; zum Etymon s. stehen.
stark aus g. *starku- Adj. 'stark’, auch in anord. Station /. 'Haltestelle, Aufenthaltsort’. Im
sterkr, starkr, ae. stearc, afr. sterk. Die Aus¬ Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
gangsbedeutung scheint 'starr’ zu sein, daraus deutend 1. statio (-önis) (wörtlich: 'Stehen, Still¬
über 'unbeugsam, nicht nachgebend’ jüngeres stehen, Feststehen’), zu 1. störe 'stehen’.
'fest, kraftvoll’ und schließlich die heutige Be¬ Morphologisch zugehörig: stationär, stationieren; ety¬
deutung. Grundlage ist möglicherweise ein star¬ mologisch verwandt: s. Arrest.
kes Verb, von dem aber nur Partizipien belegt
Statist m. 'stumme Figur, Randfigur’. Neu¬
sind (anord. blööstorkinn 'erstarrt’, ahd. gistor-
bildung des 18. Jhs. zu 1. störe (statum). So
canen 'erstarren’), hierzu auch gt. gastaurknan
bezeichnet als 'Schauspieler, der in stehenden
'vertrocknen’, anord. storkna 'steif werden, ver¬
Personengruppen usw. im Hintergrund mit-
trocknen’, sowie ahd. sterki(n) 'Stärke’, anord.
wirkt’.
styrkr 'Stärke’. Stärke im Sinn von 'Wäsche¬
stärke’ ist kein Abstraktum zum Adjektiv, son¬ Etymologisch verwandt: s. Arrest.
dern eine Rückbildung aus dem Verbum stärken Statistik f. 'zahlenmäßige Auswertung von
(bezeugt seit dem 17. Jh.). — Zu der unter Massenerscheinungen’, fachsprachl. Im 18. Jh.
starren (s. d.) dargestellten Wurzel *ster- 'steif, entlehnt aus frz. statistique '(Staats)Wissen-
starr’. schaff, zu 1. Status m. 'Stand, Verfassung, Um¬
Nndl. sterk, ne. nschw. stark, nisl. sterkur. S. stände’, zu 1. störe 'stehen’. Zunächst systemati¬
starren (+).
sche Beschreibung von Staaten und den Lebens¬
Stärke /. 'Kuh, die noch nicht gekalbt hat’, bedingungen der Bevölkerung, insbesondere de¬
s. Sterke. ren zahlenmäßige Erfassung. Dann durch Ver-
Stativ 697 Staupe

bindung mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung tungsverhältnisse und Etymologie kaum zu ent¬


die heutige Bedeutung. wirren.
Etymologisch verwandt: s. Arrest. stauchen swV 'stoßen, verstauchen’, reg. Of¬
Stativ n. 'Untergestell’. Neubildung des 18. fenbar aus dem niederdeutsch-niederländischen
Jhs. zu 1. stativus 'stehend, stillstehend’, zu 1. Bereich übernommen, mndl. stuken. Vielleicht
stäre (statum) 'stehen’. ohne anlautendes s- zu ai. tujäti 'bewegt sich
Etymologisch verwandt: s. Arrest. heftig, treibt an’; aber die Abgrenzung gegen¬
über laut- und bedeutungsähnlichen Formen ist
Statt/., arch. Dasselbe Wort wie Stadt (s. d.)
im einzelnen an keiner Stelle klar.
und erst neuhochdeutsch aus diesem differen¬
S. Stock (+), verstauchen.
ziert. Aus den flektierten Formen des Wortes
hat sich Stätte verselbständigt. Hierzu auch die Staude /. Mhd. stüde, ahd. stüda; daneben
Präposition statt, älter anstatt, die aus dem mndd. stude n. 'Gesträuch, Gebüsch’. Vermut¬
lich zunächst ein Ausschlagbusch, dann über¬
Dativ des Wortes entstanden ist ('an Stelle
tragen auf perennierende Gartenpflanzen. Her¬
von’). S. auch die nicht hierher gehörigen zu¬
kunft unklar.
statten und vonstatten.
Trier (1963), 91.
S. ausstatten, bestatten. — Behaghel (1923/32), III, 72f.
stauen swV. Im 17. Jh. aus dem Niederdeut¬
Statthalter m. Bezeugt seit dem 15. Jh. als
schen übernommen, nachdem die hochdeutsche
Lehnübersetzung von 1. locum tenens (frz. lieute-
Entsprechung ausgestorben war. Mndd. Mndl.
nant). Die eigentliche Bedeutung ist 'Stellver¬
stouwen, vergleichbar mit ahd. stouwen 'Einhalt
treter’.
gebieten’, ae. stöwian 'zurückhalten’. Zugrunde
stattlich Adj. Im 16. Jh. aus dem Niederdeut¬ liegt offenbar eine denominative Bildung zu
schen übernommen. Mndd. statelik 'ansehn¬ einem mit w abgeleiteten Nomen zu stehen
lich’, zu Staat (s. d.) in der Bedeutung 'Auf¬ (s. d.). Bedeutung also etwa 'zum Stillstand
wand, Prunk’. bringen, zur Stelle bringen’. Außergermanisch
Statue/. 'bildhauerisches Kunstwerk’. Im 17. ist vielleicht genauer vergleichbar lit. stoveti
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. statua, zu 1. 'stillstehen’, akslav. staviti 'stellen, zum Stehen
statuere (statütum) 'hinstellen, aufstellen’, zu 1. bringen, verhindern, beenden’.
sistere (statum) 'hinstellen, hinbringen’, zu 1. Nndl. stouwen, ne. stow. S. stehen (+).
stäre 'stellen’. Stauf m. 'Becher ohne Fuß’, arch., reg. Mhd.
Morphologisch zugehörig: Statuette, Statur; etymolo¬ stouf f.jm., ahd. stouf, as. mndd. stöp, mndl.
gisch verwandt: s. Arrest. stoop aus g. *staupa- m./n. 'Becher ohne Fuß’
Statur /. 'Gestalt’. Im 16. Jh. entlehnt aus (und Formübertragungen), auch in anord. stäup
gleichbedeutend 1. statüra, zu 1. stäre 'stehen’. n., ae. steap. Wohl ursprünglich 'Baumstumpf’
und damit eine nasallose Form von Stump(en)
Etymologisch verwandt: s. Arrest.
(s. d.).
Status m. 'Stand, Zustand, Befinden’, s. Stati¬
staunen swV. Im 18. Jh. als Schweizer Mund¬
stik.
artwort in die Hochsprache übernommen. Es
Statut n. 'Satzung, Festgesetztes’. Im Mittel¬ bedeutet eigentlich '(vor sich hin) träumen, vor
hochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend 1. sich hin starren’. Schon davor (16. Jh.) wurde
statütum, dem substantivierten PPP. von 1. sta¬ erstaunen übernommen. Vergleichbar ist mndd.
tuere 'hinstellen, festsetzen’, zu 1. sistere (sta¬ mndl. stunen 'sich widersetzen’, auch 'starren’.
tum) 'hinstellen, hinbringen’, zu 1. stäre Es gehört wohl zu der Sippe von gr. styö 'ich
'stellen’. werde steif’ (also *steu- 'starr sein, steif sein’)
Etymologisch verwandt: s. Arrest. und ist ähnlich zu beurteilen wie starren (s. d.).
Staub m. Mhd. stoup, stoub, ahd. stoub; dazu S. starren ( + ), Staupe2. - Kuhberg (1933), 61.
von anderer Ablautstufe mndd. mndl. stof, hd. Staupe1/• 'öffentliche Züchtigung mit Ruten’,
(dial.) Gestüpp, mhd. gestüppe, ahd. stubbi n., arch. Ursprünglich 'Pfahl, an den der Delin¬
mndd. stubbe n., gt. stubjus. Sämtlich Ableitun¬ quent gebunden wird’. Mndd. mndl. stupe, auch
gen zu stieben (s. d.). afr. stüpe. Offenbar entlehnt aus dem Polabi-
schen, für das stäup 'Altar, Opferpfosten be¬
Stauche /. 'weiter, offener Ärmel, Kopftuch,
Schürze’, reg. Mhd. stäche f-lm., ahd. stühha, zeugt ist.
N. Trubetzkoy ZSPh 1 (1925), 153-155; E. v. Künß-
mndd. stuke; ebenso anord. stuka, sowie mit
berg: Rechtsgeographie (Heidelberg 1926), 33.
Ablaut ae. handstoc m. 'langer Ärmel . Die Aus¬
gangsbedeutung ist wohl 'Baumstumpf’, wie in Staupe2/- 'Hundekrankheit’, fachsprachl. Im
mndd. stuke bezeugt und durch das verwandte 17. Jh. aus mitteldeutschen Mundarten aufge-
Stock (s. d.) nahegelegt. Im übrigen sind Bedeu¬ nommen; vgl. mndd. mndl. stupe Krampf, Zuk-
Steak 698 Steig

kung’. Daneben steht gleichbedeutend Stauche, Steg m., arch. Mhd. stec, steg, ahd. steg. Zu
ndd. stäke. Vielleicht verschiedene Erweiterun¬ steigen (s. d.).
gen zu der unter staunen behandelten Wurzel Hoops (1973ff.), III, 556.
*steu- 'starr, steif sein’. Stegreif m. 'Steigbügel’, heute nur noch aus
Nndl. stuip. S. staunen ( + ). dem Stegreif 'unvorbereitet’. Mhd. steg(e)reif
Steak n. (= eine Fleischscheibe, hauptsäch¬ ahd. stegareif, stiegereif, entsprechend ae. stig-
lich von der Lende). Im 20. Jh. entlehnt aus räp, anord. stigreip, eigentlich 'Steigreif’, mit
gleichbedeutend ne. Steak, dieses aus anord. einem Verbalnomen von steigen (s. d.) im Vor¬
steik 'Braten’, zu anord. steikja 'braten’. derglied. Die Sache wird erst im 8. Jh. von
Morphologisch zugehörig: Beefsteak, Rumpsteak; zum Byzanz aus verbreitet, deshalb müssen die par¬
Etymon s. stechen. allelen germanischen Wörter auf Weitergabe in¬
Stechbeitel m., s. Beitel. nerhalb des Germanischen beruhen und können
stechen stV. Mhd. stechen, ahd. stehhan, as. nicht auf eine gemeinsame Vorform zurückge¬
stekan; wie afr. steka aus wg. *stek-a- stV., älter hen. Aus dem Stegreif ist entweder 'ohne abzu¬
*stik-a-, vgl. anord. steikja 'am Spieß braten’, steigen’ oder 'unmittelbar nach dem Absteigen’.
gt. stiks 'Punkt’. Außergermanisch können ent¬ S. Reif ( + ).
sprechen 1. mstigäre 'anspornen’, gr. stizö 'ich
stehen stV. Mhd. ahd. sten, stän, as. stän;
tätowiere, kennzeichne’ und als Variante ohne
auch afr. stän, schw. stä. Die Formen mit ä
anlautendes s- ai. tigmä- 'scharf, spitzig’. Ver¬
führen zurück auf *stä-, dessen Vokalismus
schiedene Bedeutungserweiterungen von ste¬
nicht geklärt ist. Die Variante *ste- kann auf
chen (Jemanden ausstechen u. ä.) gehen aus vom
Turnierkampf, bei dem der Gegner mit der Angleichung an das parallele gehen (s. d.) zu¬
Lanze aus dem Sattel gestochen wurde. rückgehen oder ein >Präsens fortsetzen (*sta-jo-
Nndl. steken. S. bestechen, Distel, Etikett ( + ), In¬ o. ä.). Daneben steht *stand-a- (s. Stand), das
stinkt ( + ), Stachel, Stake, Steak, Stecken, stecken (+), das einfache Verb teils verdrängt, teils suppletiv
Stich, Stichprobe, Stichwahl, Stichwort, Stichel, sticken. ergänzt. Außergermanisch vergleichen sich vor
Steckbrief m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Ver¬ allem die reduplizierenden Präsentien in 1. si-
mutlich nach dem Rechtsbrauch, die Ladung stere 'sich hinstellen, anhalten’, air. air-siss-
vor Gericht in den Torriegel zu stecken, wenn 'feststehen, stehen bleiben’, gr. histemi 'ich stelle
der Angeklagte nicht anzutreffen war (oder mich, halte an’, ai. tisthati 'stellt sich hin’; dazu
wenn die Ladung vor ein Femgericht nachts lit. stöti 'sich hinstellen’, akslav. stojati 'stehen’.
erfolgte). Nndl. staan, nschw. stä. S. Abstand, Arrest ( + ), bestä¬
Stecken m. Mhd. stecke, ahd. stecko, stehho, tigen, Gestade, gestanden, gestatten, Stadel, Stadt,
mndd. sticke(n)\ wie ae. in ae. sticca, anord. Stall ( + ), Stamm, Stand ( + ), ständig, Statik ( + ),
stikka f. ist die Geminate in schwundstufigen Statt ( + ), stauen, stet, Stuhl, stur, Stute, System ( + ),
Formen eines «-Stammes entstanden; dieser in Umstand, ungestüm, verstehen, zustatten. — W. Man-

mhd. steche, ahd. stehho, anord. stika f. 'Stab’. czak KN 34(1987), 3-10.
Vergleichbar ist Stake (s. d.) und außergerma¬ stehlen stV. Mhd. stel(e)n, ahd. as. stelan
nisch lit. stdgaras 'Stengel’, lett. stiga 'Stange’, aus g. *stel-a- stV. 'stehlen’, auch in gt. stilan,
russ. stozä, stozarä, stozerä 'Stützpfahl eines anord. stela, ae. stelan, afr. stela. Keine genaue
Heuschobers, Stock’. Die Sippe von stechen Vergleichsmöglichkeit. Entweder umgeformt
(s. d.) hat aber sicher mitgewirkt; vielleicht aus einer Entsprechung zu gr. stereö 'ich be¬
stammen die Formen mit *steg- überhaupt aus raube’ (das seinerseits isoliert ist), oder mit
Ablautentgleisungen von steig- (s. steigen).
s mobile zu *tel- 'aufheben’ (1. tollo usw.). Zu
S. auch Slapstick. — Lühr (1988), 228f.
diesem würde passen mir. tlenaid 'stiehlt’.
stecken swV. Mhd. stecken, ahd. 1) stehhön,
Nndl. Stelen, ne. steal, nschw. stjäla, nisl. stela.
steckön (*stek-, älter *stik-), 2) stehhan (*stak-).
Abzweigungen von stechen (s. d.) mit verallge¬ Stehr /«. 'Widder’, s. Stär.
meinerter (ursprünglich vielleicht intensivieren¬ steif Adj. Mhd. stif ein vor allem nördliches
der) Geminate. Das Grundverb stechen (s. d.) Wort, mndd. stif, stire, mndl. stijf vgl. ae. stif
hat seit dem 16. Jh. teilweise starke Formen anord. stifla 'Damm’. Außergermanisch verglei¬
bewirkt (das Geld stak in der Tasche). chen sich lit. stipti 'erstarren’, al. stipulus 'fest’,
S. Besteck, ersticken, Stickstoff. 1. stipes 'Stamm’.
Steckenpferd «. Bezeugt seit dem 17. Jh. als Nnd. stijf ne. stijf S. Stiefel2, Stift'.
Kinderspielzeug. Die Bedeutung 'Liebhaberei’
Steig m. Mhd. stic, stlg, ahd. stieg. Wie ae.
ist übernommen aus ne. hohhy-horse (seit dem
stigf, anord. stigr 'Pfad’ abgeleitet von steigen
18. Jh.).
J. A. Walz ZDW 13 (1912), 124-128; Ganz (1957), (s. d.).
213f. S. auch Bahnsteig, Bürgersteig.
Steige 699 stellen

Steige1/, steiler Weg’, obd. Mhd. steige, ahd. Steinbeißer m., fachsprachl. Als Vogelname
steiga aus g. *staigö f 'steiler Weg’, auch in gt. bezeugt seit dem 16. Jh. (weil er Obstkerne, z.
staiga, anord. steig (in Ortsnamen). Zu steigen B. Kirschkerne aufbeißt); als Fischname schon
(s. d.) im Sinn von 'steil werden’. spätmittelhochdeutsch (weil er sich an Steinen
Steige2 /. 'flache Lattenkiste’, reg. Wohl festsaugt).
Übertragung aus einer Nebenform zu Stiege, so Steinbock m. Mhd. steinboc, das Weibchen
daß Leiter’ als Ausgangsbedeutung anzusetzen steingeiz/.; weil sich das Tier auf Felsen aufhält.
ist. Vgl. aber Steige3. Palander (1899), 113f.
Steige3 /. 'Lattenverschlag, Kleintierstall’, Steinbrech m., fachsprachl. Mhd. steinbreche
südd. Mhd. stige, ahd. sti(g)a. Das g scheint /., ahd. steinbrehha, Steinbrech/.; Lehnüberset¬
auf einen Übergangslaut zurückzugehen, vgl. zung aus 1. saxifraga/.; die Pflanze wurde gegen
anord. stia '(Hunde)StaH’, ae. stig n. (ne. sty); Blasen- und Nierenstein angewandt, den sie zer¬
in deutschen Mundarten auch Steie u. ä. Wohl brechen sollte.
zu einer Wurzel *stei-, die Wörter für 'Zusam¬ Steinbutt m., s. Butt.
mendrängen, Getümmel u. ä.’ liefert, aber im Steinmetz m. Mhd. steinmetze, ahd. stein-
einzelnen schwer faßbar ist. mez(zo) u. a. Wohl nicht zu dem unter Meißel1
Steige4/, auch Stiege/. 'Anzahl von zwanzig (s. d.) genannten Verb maitan, sondern Entleh¬
Stück’, arch. Ursprünglich in nördlichen Mund¬ nung eines gallo-rom. *matsjo, das seinerseits
aus g. *mak-jön 'Macher’ (s. machen) in einer
arten beheimatet, vgl. as. stiga, mndd. stige,
ursprünglicheren Bedeutung entlehnt ist.
afr. stige; mit -ei- in oberdeutschen Mundarten
(bair. steig usw.). Außerhalb nur krimgt. stega Steinpilz m. Bezeugt seit dem 18. Jh. Vermut¬
und vielleicht gotl. stäig. Herkunft dunkel, viel¬ lich danach benannt, daß er von den Pilzen das
leicht als 'Leiter’ zu verstehen. festeste Fleisch hat (oder nach dem steinähn¬
lichen Aussehen der jungen Pilze?).
steigen stV. Mhd. stigen, ahd. as. stigan aus
Marzeil (1943/79), I, 612.
g. *steig-a- stV. 'steigen’, auch in gt. steigan,
steinreich Adj. Verstärkungsform mit unkla¬
anord. stiga. ae. stigan, afr. stiga. Außergerma¬
rem Benennungsmotiv. Wohl kaum Teich an
nisch vergleichen sich air. tiagu 'gehe’, akslav.
Edelsteinen’, weil dies ein anderes Betonungs¬
postigngti 'hingelangen, erreichen’, gr. steichö
muster voraussetzt.
'ich gehe, marschiere’, ai. stighnoti 'schreitet,
Steiper m. 'Stütze’, reg. Bezeugt seit dem 15.
steigt’; vielleicht auch 1. vestigäre 'der Spur fol¬
Jh. Dazu afr. stipe f. 'Pfahl’, ae. stipere 'Stütze’.
gen, entdecken’, lett. staigät 'gehen, wandeln’.
Dazu Steipern 'stützen’, ebenfalls seit dem 15.
Nndl. stijgen, nschw. stiga, nisl. stiga. S. Distichon, Jh.
Stecken, Steg, Stegreif, Steig, Steige1, steigern, steil,
Steiß m. Mhd. stiuz n., ahd. stiuz, mndd. stüt
Stiege1, verstiegen. — J. Knobloch ZVS 88 (1974),
126. 'dicker Teil des Oberschenkels’. Das Wort ist
wohl zu beurteilen wie Stutzen 'kurzer Baum¬
steigern swV. Bezeugt seit dem 14. Jh. Offen¬
stamm’ und gehört damit zu stutzen 'abschnei¬
bar eine Erweiterung von älterem ahd. steigen
den’ (s. d.).
'steigen machen, erhöhen’, Kausativum zu stei¬ Nndl. stuit. S. Stotzen, Stuten, stutzen ( + ).
gen (s. d.).
Stek m. 'Knoten’, fachsprachl. Niederdeut¬
steil Adj. Mhd. steigel, ahd. Steigal, mndd. sche Form von Stich, also 'Einstich, das Durch¬
mndl. steil. Adjektiv-Ableitung zu steigen (s. d.), gesteckte’.
also etwa 'ansteigend’. Ähnlich ae. stägel und Stellage /. 'Gestell’. Im 16. Jh. entlehnt aus
mit intensivierender Gemination stickel, mhd. nndl. Stellage, das aus der Entsprechung zu
steckel, ahd. *steckal (steccheli 'Steilheit’ bei stellen (s. d.) und dem romanischen Suffix -age
Notker). gebildet ist.
Stein m. Mhd. ahd. stein, as. sten aus g. Stelldichein n., arch. Im 18. Jh. als Ersatzwort
*staina- m. 'Stein’, auch in gt. stains, anord. für Rendezvous gebildet.
steinn, ae. stän, afr. sten. Außergermanisch ver¬ Pfaff (1933), 49f.
gleicht sich akslav. stena f. 'Wand, Felswand’. stellen swV. Mhd. stellen, stallen, ahd. stellen.
Weiterbildung zu dem in gr. stia f. 'Sternchen, Denominativ zu Stall in der alten Bedeutung
Kiesel’ vorliegenden Wort. Vielleicht weiter zu 'Standort’ (oder Kausativum zu einer Wurzel
einem Verbum für 'gerinnen, fest werden’, das *stel-, die allerdings im Germanischen sonst
in ai. styayate bezeugt ist. nicht bezeugt ist). Hierzu rückgebildet Stelle,
Nndl. steen, ne. stone, nschw. sten, nisl. steinn. S. mhd. stal 'Standort’.
destillieren. - J. P. Mäher in: McCormack/Wurm S. Anstalt, Gestalt, Stall (+), Stellage, Stelze (+), Stol¬
(1978), 85-106. len, Stulpe.
700 Stereotyp
Stellmacher

Stellmacher m., reg. Spmhd. stellemacher. Zu sonst 'treiben’. Herkunft unklar; vgl. rotw. sten¬
Stelle in der Bedeutung 'Gestell’ (wie in Bett¬ zen 'schlagen’ und stanzen (s. d.).
stelle), also eigentlich 'Handwerker, der die Steppe f. '(russisches) Heideland’. Im 18. Jh.
Wagengestelle macht’. übernommen aus russ. stepl, das unklarer Her¬
E. Jäger: Synonymik der Berufsnamen für den Wagen¬ kunft ist.
bauer (Diss. masch. Marburg 1948). O. Ladendorf ZDW 7(1905), 48; Wiek (1939), 56f.;
Stellwagen m. 'Fuhrwerk’, arch. Eigentlich Bielfeldt (1965), 16.
Gestell- Wagen (so als regionale und fachsprach¬ steppen swV. 'durchnähen’. Mhd. steppen,
liche Variante bezeugt), wie Stellmacher ein übernommen aus mndd. steppen, stippen stik-
'(Wagen)Gestell-Macher’ ist. ken, stechen’ mit verschiedenen Sonderbedeu¬
Stelze /. Mhd. stelze, ahd. stelza, mndd. tungen (as. steppon dem Vieh Besitzerzeichen
mndl. stelte', neben me. stilte, das wohl auf eine einstechen’); zu mndd. stip 'Punkt, Tupf’. Wei¬
/-Bildung zurückgeht, und schw. stylta von der tere Herkunft unklar, wohl lautsymbolisch.
Schwundstufe. Die ursprüngliche Bedeutung ist S. auch stippen, stupfen. — Heyne (1899/1903), III,
'Holzbein, Krücke’. Herkunft unsicher, vermut¬ 248; Lühr (1988), 359.
lich eine Erweiterung zu der in gr. stellö 'ich Steppke m. 'Knirps’, ugs. Niederdeutsche
bringe in Ordnung, rüste aus, stelle fertig’ vor¬ Verkleinerung zu der Entsprechung von Stopfen
liegenden Wurzel (die auch als Quelle von stel¬ (s. d.), also etwa 'Stöpsel’.
len [s. d.] in Frage kommt).
Ster1 m. 'Schafbock’, s. Stär.
Nndl. stelt, ne. stilt, nschw. stylta. S. Bachstelze,
stolz ( + ). Ster2 m. 'RaummaW, fachsprachl. Im 18. Jh.
entlehnt aus frz. sterte, das aus gr. stereös 'fest,
stemmen swV. Mhd. stemmen aus g.
räumlich’ künstlich gebildet ist (also gewisser¬
*stam(m)-eja- swV., auch in anord. stemma,
ae. (fre)stemman. Die Herkunft ist unklar, da maßen 'Festmeter’).
mehrere Vergleichsmöglichkeiten vorliegen. In Etymologisch verwandt: s. Stereo. — E. Öhmann
NPhM 42(1941), 147-149.
der Bedeutung 'stauen’ scheint mhd. stemen,
ahd. stemen 'Einhalt gebieten, bezähmen’ ver¬ sterben swV. Mhd. sterben, ahd. sterban, as.
gleichbar zu sein; die Bedeutung 'etwas gewalt¬ stervan aus wg. *sterb-a- stV. 'sterben’, auch in
sam auf- oder wegdrücken’ paßt am besten zu afr. sterva, ae. steorfan. Eine weitere Bedeutung
lit. stümti 'stoßen, schieben, drängen’; die laut¬ zeigt sich in anord. stjarfi 'Starrkrampf’, anord.
lich zugehörigen Wörter stammeln und stumm starfa 'sich abmühen’. Die Ausgangsbedeutung
können an beides angeschlossen werden ('hem¬ ist also wohl 'starr werden’. Damit lassen sich
men’ — 'anstoßen’). Vgl. hierzu noch lett. bei gleichem Lautstand verknüpfen mir.
stuömities 'stottern, stammeln’. Die Einzelhei¬ us(s)arb 'Tod’, russ. sterbnuti 'hart werden, er¬
ten und die Art des Zusammenhangs mit stehen starren, absterben’ und vielleicht gr. sterphos
(s. d.) sind unklar. 'Haut, Fell’. Besser bezeugt ist eine Grundlage
Nschw. stämma 'hemmen’. S. stammeln, stumm, unge¬ mit Auslaut -p ohne anlautendes 5-: 1. torpere
stüm. 'steif sein, betäubt sein’, lit. tirpti 'erstarren,
Stempel m. Im 17. Jh. übernommen aus dem gefühllos werden, einschlafen’, russ. terpnürf'er¬
Niederdeutschen (mndd. stempeflj). Die hoch¬ starren’. Ein weiterer Anschluß an die Sippe
deutsche Entsprechung ist mhd. stempfel. In¬ von starr (s. d.) ist möglich.
strumentalbildung zu stampfen (s. d.), also Nndl. sterven, ne. starve. S. starren ( + ), Sterbenswört¬
'Stampfer’. chen.

Stengel m. Mhd. Stengel, ahd. stengil, stingil, Sterbenswörtchen n. (in der Wendung kein
as. stengil. Diminutiv zu Stange (s. d.). Sterbenswörtchen sagen). Im 19. Jh. verkürzt
Stenographie/. 'Kurzschrift’. Im 18. Jh. ent¬ aus kein sterbendes Wörtchen, wobei sterben
lehnt aus gleichbedeutend ne. stenography, einer (s. d.) in der Bedeutung 'ersterben, sich verlie¬
Neubildung zu gr. stenös 'eng, schmal’ und gr. ren’ verwendet ist (so seit dem 18. Jh.).
gräphein 'schreiben’. Stereo Adj. 'durch Zweikanaltechnik räum¬
Morphologisch zugehörig: Stenogramm, Stenograph; lichen Klang habend’, fachsprachl. Im 20. Jh.
etymologisch verwandt: s. Grammatik. — Ganz (1957), entlehnt aus gleichbedeutend ne. Stereophonie,
214; H. Boge FF 39 (1965), 44-50. einer Neubildung zu gr. stereös 'fest, räumlich’
Stenotypistin f. 'Angestellte für Kurzschrift und gr. phöne 'Klang’ (s. Phonetik).
und Maschineschreiben’, s. Stenographie und Morphologisch zugehörig: Stereophonie; etymologisch
Typ. verwandt: Ster2, Stereotyp.

Stenz m. 'Geck, Zuhälter’, ugs. Zu regiona¬ Stereotyp n. 'Formelhaftes, vorgefertigte An¬


lem stenzen im Sinn von 'bummeln, flanieren’. sicht’, fachsprachl. Neubildung zu gr. stereös
steril 701 Steuerbord

starr, fest, standhaft und gr. tipos m. 'Gestalt, Sternschnuppen allgemein verglichen wurden
(wörtlich: Schlag)’, zu gr. typtein 'schlagen’. (auch Butzen, Sternschneuze). Die Form ist nie¬
Etymologisch verwandt: s. Stereo und Typ. derdeutsch für schnupfen (s. d.) im Sinn von 'die
steril Adj. 'keimfrei, unfruchtbar’. Im 18. Jh. Nase schneuzen’.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. sterile, dieses Sternwarte /. Gebildet im 18. Jh. für einen
aus 1. sterilis (dass.). Die Bedeutung 'keimfrei’ Turm (Warte), von dem aus man die Sterne
ist jung. beobachten kann; dann übertragen auf die
Morphologisch zugehörig: Sterilisation, Sterilisator, eigens zu diesem Zweck gebauten Einrich¬
Sterilität; etymologisch verwandt: s. Sterke. - K.-H. tungen.
Weinmann DWEB 2 (1963), 405.
Sterz m. 'Schwanz’, sonder sprach!. In der all¬
Sterke /. 'Kuh, die noch nicht gekalbt hat’,
gemeinen Bedeutung nur als ndd. Stert üblich;
ndd. Mndd. Sterke, starke; in hochdeutscher
hochdeutsch als Pflugsterz und sondersprach¬
Form in bair. sterch 'Zuchteber’, alem. sterchi
lich. Mhd. ahd. sterz, mndd. stert, Start, mndl.
Zuchtstier , vgl. ae. stirc 'Kalb’. Der Ausgangs¬
stert aus g. *sterta- m. 'Schwanz’, auch in
punkt scheint die Bedeutung 'unfruchtbare
anord. stertr, ae. steort, afr. stert. Vermutlich
Kuh’ zu sein, die in gt. stairo 'Unfruchtbare’,
zu der Sippe von starr (s. d.) als 'aufgerichtet,
nisl. stirtla 'unfruchtbare Kuh’ vorliegt, außer¬ steif’. Darauf weist auch mundartliches Sterzen
germanisch in 1. sterilis, gr. steriphos, ai. stari- 'steif sein’, wozu wohl österr. Sterz 'Mehlspeise
'Kuh, die keine Milch hat und nicht trächtig aus festem Grießteig’.
ist’. Die Bedeutung 'unfruchtbar’ scheint sich
Nndl. staart, ne. Start, nschw. stjärt, nisl. stertur. S.
dabei von 'starr, steif’ abgezweigt zu haben (zu starren (+).
diesem s. starr). Von 'unfruchtbar’ aus gehen
stet Adj., sonderspracht. Mhd. stert(e), ahd.
die Bedeutungen 'noch nicht fruchtbar’ und
stäte. Verbaladjektiv, wohl zu standan (s.
merkwürdigerweise 'männliches (Zucht)Tier’
Stand), obwohl der Vokal nicht paßt; sonst zu
(zu diesem s. Stär).
stehen (s. d.) mit ti/(/o-Suffix. Hierzu als Erwei¬
S. steril.
terung stetig (s. auch stätig) und stets mit adver¬
Sterling m. 'englische Münze’, fachsprachl. bialem Genitiv.
Mhd. sterling, wie das englische Wort selbst S. bestätigen, stad.
entlehnt aus afrz. esterlin mit seiner latinisierten
Stethoskop n. 'Hörrohr des Arztes’, fach¬
Form sterlingus. Das französische Wort geht
sprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu gr. stethos
zurück auf gr. stater, 1. stater, Name einer gro¬
'Brust’ und gr. skopein 'betrachten’.
ßen Münze, erweitert mit wfrk. -ling (entspre¬
Etymologisch verwandt: s. Skepsis.
chend zu Schilling, Pfenning usw.).
E. Schröder HG 23 (1917), 1—22; Littmann (1924), Steuer1/. Mhd. stiur(e), ahd. stiura. Die Be¬
98-100. deutung ist zunächst 'Stütze, Unterstützung’,
daneben 'Steuerruder’ (zu dieser Bedeutung s.
Stern1 m. 'Himmelskörper’. Mhd. Sterne,
Steuer2); seit mittelhochdeutscher Zeit auch
sterre, ahd. stern(o), ster(ro), mndd. Sterne aus
'Steuer’ im heutigen Sinn. As. in heristiuria
g. *sternön m. 'Stern’, auch in gt. stairno, anord.
'Sold’. Die etymologischen Zusammenhänge
stjarnafl; während sonst eine auffällige Assimi¬
sind nicht ausreichend klar. Altere Bedeutun¬
lationsform auftritt: ae. steorra, afr. stera, ahd.
gen sind bewahrt in Aussteuer und beisteuern.
as. sterro, mhd. sterre. Aus ig. *hster, Genetiv
*hstr-os in heth. haster-, ai. tärah PL, ai. trbhih Steuer2 n. Bezeugt seit spätmittelhochdeut¬
(Instr.), avest. star-, toch. B. scirye, gr. aster, scher Zeit, ausgehend von Norddeutschland;
1. stella fl, kymr. seren. Weitere Herleitung aus die ältere hochdeutsche Form ist ein Femini¬
*ster- 'ausbreiten’ ist denkbar, aber kaum wahr¬ num, ebenso mndl. stüre, afr. stiure fl; das
scheinlich. Neutrum dagegen in mndl. mndd. stur(e) und
Nndl. ster, ne. star, nschw. stiärna, nisl. stjarna. S. anord. styri; ae. nur steor-rööor. Dazu steuern,
Aster (A), Gestirn, Konstellation, Star3, streuen. — W. mhd. stiuren, ahd. stiuren, mndd. mndl. sturen,
Krogmann ZVS 63 (1936), 256-259; M. Mayrhofer ae. steoran, anord. styra. Die etymologischen
BGDSL-H 74 (1952), 316-318; A. R. Bomhard JIES Zusammenhänge und die Art der Verknüpfung
14(1986), 191 f. mit Steuer1 (s. d.) sind nicht ausreichend klar.
Stern2 m. 'Schiffsheck’, fachsprachl., ndd. Im Vermutlich hat sich die besondere Bedeutung
19. Jh. entlehnt aus ne. stern gleicher Bedeu¬ beim Verbum entwickelt.
tung, das seinerseits auf anord. stjörn f. 'Schiffs¬ Nndl. stuur, ne. io steer, nschw. styre, nisl. styri. S.
steuer’ beruht, das zu Steuer2 (s. d.) gehört. Stern2.
Kluge (1911), 751. Steuerbord n. 'rechte Seite des Schiffs’, fach¬
Sternschnuppe /. Bezeugt seit dem 18. Jh. Zu sprachl. Mndd. stürbort, mndl. stuurbort, wie
Schnuppe 'glühender Dochtabfall’, mit dem die ae. steorbord, anord. stjörnboröi. An der rechten
Stieglitz
Steven
702

gen’. Die ältere Bedeutung 'verletzendes Wort’


Seite war bei allen germanischen Seeschiffen
ist dagegen von Stich 'verletzende Rede’ ab¬
das Steuerruder befestigt.
hängig.
Vgl. Backbord. — Kluge (1911), 753.
S. stechen ( + ). — A. Gombert ZDW 3 (1902), 153f.
Steven m. 'Verlängerung des Kiels nach
sticken swV. Mhd. ahd. sticken. Das Wort
oben’, fachsprachl., ndd. Mndd. Steven f., mndl.
kann ein Intensivum zu stechen (s. d.) sein, oder
stevene', ebenso anord. stafn, ae. stefn, afr. ste-
es ist abgeleitet von Stich in der Bedeutung
vene f. Das Wort gehört offensichtlich mit Stab
'(Zier)Stich’.
(s. d.) zusammen; doch bestehen lautliche Be¬
rührungen zu der Sippe von Stamm (s. d.), zu¬ Stickstoff m. Im 18. Jh. isoliert und so be¬
mal bei diesem technischen Wort Entlehnungen nannt, weil dieses Gas Flammen erstickt.
von einer Sprache zur anderen nicht ausge¬ S. stecken ( + ).
schlossen sind. stieben stV. Mhd. stieben, stiuben, ahd. stio-
Kluge (1911), 757f. - Lühr (1988), 341f. ban, mndd. mndl. stüven. Etwas weiter verbrei¬
Steward m. 'Betreuer der Passagiere’, fach¬ tet ist die Ableitung Staub (s. d.). Herkunft un¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend klar. Lautlich entspricht ohne anlautendes s-
ne. Steward, dieses aus ae. stigweard 'Hauswart’, gr. typhös 'Rauch, Qualm .
zu ae. stig n. 'Stall, Verschlag, Vorraum und S. auch Gestöber, Nasenstüber, Staub, stöbern. — R.
Much ZDW 2 (1901/02), 286.
ae. weard 'Hüter’.
Morphologisch zugehörig: Stewardeß; zum Etymon s. Stief- Präfixoid (in Zusammensetzungen mit
Wart. — Ganz (1957), 214f. Verwandtschaftsnamen). Mhd. stief-, ahd.
stiof-, mndd. stef-; entsprechend afr. stiäp-, ae.
stibitzen swV. 'stehlen’, ugs. Bezeugt seit dem
steop-, anord. stjüp-. Selbständig in anord.
18. Jh. als Wort der Studentensprache. Es ist
stjüpr 'Stiefsohn’; dazu ahd. irstiufen, bistiufen
offenbar ein Wort der '^(-Sprache’, indem in
'der Kinder oder Eltern berauben’, ae. (ajstipan
das regionale stitzen hinter den Vokal die Silbe
'berauben’. Weitere Herkunft unklar; vielleicht
bi eingeschoben wurde.
im Bild des Baumstumpfs zu einer unnasalierten
Etwas anders: Schröder (1906), 79f.
vollstufigen Form von Stumpf Stumpfen)
Stich m., s. stechen.
(s. d.).
Stichel m. 'Gerät zum Stechen’. Mhd. Stichel, Nndl. stief, ne. Step-, nisl. stjüp-,
ahd. stihhil, stickil, mndd. st ekel, wie anord. Stiefel1 m. 'Schuh’. Mhd. stival, stiväl, stivel,
stikill, ae. sticel Instrumentalbildung zu stechen mndd. stevel, stavel, mndl. stevel. Entlehnt aus
(s. d.). Hierzu sticheln 'Stiche versetzen’. afrz. estival, das einen über die Knöchel rei¬
S. Stichling. chenden Sommerschuh bezeichnet (zu 1. aestas
Stichling m. (= Fischart), fachsprachl. Mhd. f 'Sommer’).
stichelinc, mndd. stekelink, stickelink, mndl. ste- Stiefel2 m. 'Stange zum Stützen von Ranken¬
keling. Abgeleitet von Stichel (s. d.) in der allge¬ gewächsen’, fachsprachl. Mhd. stivel, ndd. sti-
meinen Bedeutung 'Stachel’; Der Fisch hat Sta¬ pel; ferner afr. stipe f. ’Pfahl’ und ahd. stivulen
cheln vor seiner Rückenflosse. In früherer Zeit 'stützen’, nhd. stiefeln. Weitere Herkunft un¬
werden auch andere Tiere und Pflanzen mit klar, wohl zu steif (s. d.); lautlich würde 1. sti-
Stacheln so bezeichnet. pulaf 'Halm’ entsprechen.
Stichprobe /. Bezeugt seit dem 16. Jh. als S. steif, Stift1. .
Ausdruck der Metallgießerei: Ein Stich ist dort Stiefmütterchen n., fachsprachl. Im 17. Jh.
ein Ausfließen des flüssigen Materials, von dem übersetzt aus it. viola con viso di matrigna 'Veil¬
jeweils eine Stichprobe entnommen wird. Der chen mit Stiefmuttergesicht’, indem die Farbge-
übertragene Gebrauch seit dem 19. Jh. gensätze als Ausdruck eines bösartigen Gesich¬
S. stechen ( + ). tes gedeutet werden.
Stichwahl /. Bezeugt seit dem 19. Jh. Schon L. Hermodsson: Studier i modern spräkvetenskap (Upp¬
zuvor wurde bei Wettkämpfen bei gleicher sala 1956), 42 — 60.

Punktzahl gestochen. Das genaue Benennungs¬ Stiege1/. 'Treppe’, südd. Mhd. stieg(e), ahd.
motiv ist nicht klar. stiega. Zu steigen (s. d.) mit auffälligem Vokalis¬
S. stechen (4-). mus (e2).

Stichwort n. 1) 'Wort, auf das hin ein anderer Stiege2/., s. Steige4.


Schauspieler einsetzen muß’; 2) 'Lemma in Stieglitz m„ fachsprachl. Bezeugt seit dem
einem Nachschlagewerk’; 3) 'Leitwörter lür den 14. Jh. (stig(e)liz, stiglitze). Entlehnt aus cech.
Aufbau einer Rede o. ä.’. Alle diese Bedeutun¬ stehlec. Dieses ist wohl lautmalenden Ur¬
gen beruhen wohl auf der Wendung auf etwas sprungs.
(mit dem Finger) stechen, d. h.'auf etwas zei¬ Suolahti (1909), U7f.; Bielfeldt (1965), 22.
stiekum 703 stimmen

stiekum Adv. 'heimlich, leise’, ugs. Übernom¬ Stil m. Bezeugt seit dem 15. Jh. Entlehnt aus
men aus rotw. stiekum 'ruhig, leis’, das aus l. stilus 'Griffel’ mit ähnlicher Bedeutungsver¬
wjidd. schtieke 'ruhig’ kommt. Dieses aus hebr. schiebung wie heute bei Feder. Von der 'Art zu
Ftiqäfh) 'Schweigen’. schreiben’ verallgemeinert zu 'Art etwas zu tun’
Stiel m. Mhd. ahd. as. Stil. Offenbar entlehnt auch in anderen Bereichen.
aus 1. stilus, das ebenfalls sowohl den Pflanzen¬ Etymologisch verwandt: Stiel, Stilett. - A. Müller:
stiel wie auch einen Teil von Gartengeräten Stil (Diss. Erlangen-Nürnberg 1981).
bezeichnen kann. Auffällig ist allerdings die Stilett n. 'kleiner, spitzer Dolch’, fachsprachl.
lautliche Nähe von ae. steola 'Stengel’, aschw. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
sticrlke 'Stengel’, die nicht aus dieser Quelle stilet m. und it. stiletto m., einem Diminutivum
entlehnt sein können (vgl. gr. steleä f 'Stiel’). zu it. stilo m. 'Dolch, Schreibgriffel’, aus 1. stilus
S. Stil(+). - Frings (1932), 180f. m. 'Stiel, Stichel, Schreibart’.
Stier m. Mhd. stier, ahd. stior aus g. *steura- Etymologisch verwandt: s. Stil.
m. 'Stier(kalb)’, auch in gt. stiur, anord. stjörr still Adj. Mhd. stille, ahd. as. stilli aus wg.
(unsicher), ae. steor. Daneben als Variante ohne *stellja- Adj. 'still’, auch in ae. afr. stille; im
anlautendes 5- anord. fjörr. Diese vergleicht Altnordischen vorausgesetzt durch stilla 'stil¬
sich mit 1. taurus, gr. taüros, akslav. turü 'Stier’, len’. Außergermanisch vergleichen sich air.
lit. taüras 'Auerochse’, ir. tarb, kymr. tarw (un¬ tuilid 'schläft’, lit. tilti 'verstummen’, akslav.
klares *tarw- statt *taur-). Die Form mit j- utoliti 'überreden, besänftigen’. Weitere Her¬
könnte mit avest. staora- 'Großvieh’ Zusam¬ kunft unklar.
menhängen. Wegen lautähnlichem assyr. süru, Nndl. stil, ne. still. S. stillen.
hebr. sör, phön. thör 'Stier’, aram. töra' hegt
Stilleben n. In dieser Form seit dem 19. Jh.,
wohl ein altes Lehnwort zugrunde, zu dem eine älter Stilles Leben, beides entlehnt aus nndl.
Variante mit s- unter Einfluß von einheimischen stilleven, eigentlich 'Leben ohne Bewegung’ als
Wörtern gebildet wurde (ahd. stiuri 'stark, statt¬ Ausdruck der Maler für einen Tisch mit Früch¬
lich’, ai. sthävira- 'dick, derb’). ten o. ä. ohne menschliche Figuren.
Nndl. stier, ne. steer. S. Torero.
stillen swV. 'zum Schweigen bringen’. Mhd.
stier Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh. Regionale ahd. stillen, as. (gi)stillian, wie ae. stillan,
Form von sterr, mhd. sterre zu starr (s. unter anord. stilla abgeleitet von still (es ist allerdings
starren). Dazu erst im 18. Jh. stieren. nicht ausgeschlossen, daß dieses eine Rückbil¬
Stift1 m. 'dünner Gegenstand’. Mhd. Stift, dung aus dem Verb ist, da sich das Verb außer¬
steft, mndd. Stift. Wohl zu steif (s. d.) und Stie¬ germanisch besser vergleichen läßt, s. still). Die
fel2 (s. d.). Die Bedeutung 'Halbwüchsiger’ ist Bedeutung 'einem Kind die Brust geben’ beruht
zunächst im Rotwelschen bezeugt (17. Jh.) und auf der Bedeutungsverschiebung aus 'es zum
ist deshalb wohl eine sexuelle Metonymie. Schweigen bringen’, vielleicht als Hüllwort.
Nndl. stillen, ne. still, nschw. nisl. stilla. S. still.
Stift2 n. Mhd. Stift f./m./ri. 'Stiftung, Grün¬
dung, Bau, Einrichtung’. Rückbildung zu stif¬ Stimme/. Mhd. stimme, ahd. stimma, stimna,
ten1 (s. d.). as. stemnfija aus g. *stemnö f. 'Stimme’ auch
in gt. stibna, ae. stefn, stemn, afr. stifne, stemme.
Masser (1966), 83 — 87.
Obwohl die lautlichen Entwicklungen im ein¬
stiften1 swV. 'begründen, spenden’. Mhd. stif¬ zelnen nicht klar sind, ist am ehesten von
ten, ahd. stiften, stihten, mndd. stiften; mndd. *stemn-ä auszugehen, der Weiterbildung eines
mndl. stiebten; wie afr. stifta zunächst mit der Wortes für 'Mund’ in gr. stöma n., avest.
Bedeutung 'erbauen, gründen’. Herkunft un¬ staman- m. 'Maul’, kymr. safn 'Mund’. Die
klar. Im niederdeutsch-niederländischen Be¬ Übertragung etwa wie bei uns in Kehle; ähnlich
reich kann Wurzelmischung vorliegen (vgl. ae. in gr. eüstomos 'schön redend’, eigentlich 'des¬
stihtian 'ordnen, begründen’). sen Mund schön ist’, was leicht verstanden wer¬
S. Stift2. den kann als 'dessen Stimme schön ist’. Weitere
stiften2 swV. in stiften gehen 'sich unauffällig Herkunft unklar. Vgl. auch heth. istaman- 'Ohr’
entfernen’, ugs. Herkunft unklar. (?)•
J. Knobloch MS 88 (1978), 261f. Nndl. stem. S. stimmen.

Stigma n. 'Mal, entehrendes Kennzeichen’, stimmen swV. In diesem Wort sind zwei ver¬
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ schiedene Ableitungen von Stimme (s. d.) zu¬
deutend gr. stigma (wörtlich: 'Stich, Punkt’), zu sammengefallen. Jung ist die Bedeutung 'seine
gr. stizein 'stechen, einstechen’. Stimme abgeben’ als Lehnübersetzung von vo¬
Morphologisch zugehörig: Stigmatisation, stigmati¬ tieren (wie Stimme zu 1. vötum). Ebenfalls hier¬
sieren. her gehörige Bedeutungen wie 'rufen’ sind heute
704 Stoffel
stimulieren

stochern swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. als


nicht mehr üblich, vgl. aber anstimmen und
Intensivum zu stochen 'schüren’. Dieses ist wohl
bestimmen (s. d.). Die zweite Quelle ist ahd.
übernommen aus ndd. stoken, vgl. nndl. stoken,
(gi)stimnen, abgeleitet von ahd. gistimmi har¬
monisch (die gleiche Stimme habend) . Hierher ne. to stoke. Zu dem unter Stock behandelten
'zusammenstimmen’ und 'ein Instrument Verb.
stimmen’. Stock m. Mhd. ahd. stoc, as. stokk aus g.
*stukka- m. 'Stock, Balken, Baumstumpf u. a.’,
stimulieren swV. 'anregen, in Stimmung brin¬
auch in anord. stokkr, ae. stocc, afr. stokk.
gen’, sondersprachl. Im Frühneuhochdeutschen
Zusammen mit stauchen (s. d.) und stochern
entlehnt aus gleichbedeutend 1. stimuläre (wört¬
(s. d.) zu einer Grundlage, die ohne anlautendes
lich: 'mit dem Stachel stechen’), zu 1. Stimulus
j- bezeugt ist in ai. tujäti 'drängt, stößt’, aus
'Stachel’, das mit 1. *stinguere 'stechen’ ver¬
einer Wurzel *steu- 'stoßen’, die auch in stoßen
wandt ist.
(s. d.) vorliegt. Vermutlich ist die Ausgangsbe¬
Morphologisch zugehörig: Stimulans, Stimulation, Sti¬
mulus; etymologisch verwandt: s. Instinkt. — K.-H. deutung 'das Abgeschlagene’. Zu Stock 'Etage’
Weinmann DWEB 2 (1963), 405. s. Stockwerk.
Nndl. stok, ne. nschw. stock. S. Stauche, Stöckelschuh,
stinken stV. Mhd. stinken, ahd. stincan,
stocken, Stück. - J. Trier in: Hofmann (1970),
mndd. mndl. stinken, aus g. *stenkw-a- stV.
100-108; Lühr (1988), 231.
'stoßen’, auch in gt. stigqan, anord. stekkva, ae.
Stöckelschuh m. Bezeugt seit dem 18. Jh. Zu
stincan. Aus 'stoßen’ die Bedeutung 'riechen’
einem Diminutiv von Stock (s. d.), also 'Schuhe
(vgl. zu diesem Bild etwa etwas stößt mir auf,
ein Geruch schlägt mir entgegen usw.). Daraus mit Stöckchen als Absätze’.
durch ständige Bedeutungsverschlechterung stocken swV. 'gerinnen, steif werden, Stillste¬
durch verhüllende Anwendung auf schlechte hen’. Mhd. stocken. Wohl als 'stocksteif werden’
Gerüche die heutige Bedeutung. Weitere Her¬ zu Stock (s. d.), aber die Bedeutungsverhält¬
kunft unklar. nisse sind im einzelnen nicht ausreichend klar.
Nndl. stinken, ne. stink, schw. (dial.) stinka. S. stän¬ S. Stockfleck.
kern. - Lühr (1988), 162f. Stockente/. Danach benannt, daß sie in Wur¬
Stint m. 'kleiner Fisch’, ndd. Mndd. Stint, ins zelstöcken nistet.
Hochdeutsche übernommen seit dem 16. Jh., J. Trier in: FS Foerste (1970), 100-108.
teilweise in der verhochdeutschten Form Stinz. Stöcker m. 'Gefangenenwärter’, arch. Zu
Wohl zu mhd. stunz 'kurz, stumpf’, ae. stunt mhd. stoc in der Bedeutung 'hölzernes Strafge¬
'einfältig, dumm’, anord. stuttr 'kurz’. Vermut¬ rät, in das Gefangene geschlossen werden’,
lich Nasalierung zu der Sippe von stutzen (s. d.). dann auch übertragen auf 'Gefängnis’.
Anders (nach dem unangenehmen Geruch): A. Kutzel- Angstmann (1928), 57f.
nigg MS 88 (1978), 183f.
Stockfisch m. Mhd. stocvisch. Danach be¬
Stipendium n. 'finanzielle Unterstützung’, nannt, daß er zum Trocknen auf Stöcke aufge-
fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. Stipendium spießt wurde.
'Unterstützung, (auch: Steuer, Tribut)’, zu 1. H.-F. Rosenfeld JVNS 81 (1958), 89.
stips (-pis) f. 'Geldbeitrag, Gabe, Spende, Ge¬
Stockfleck m. Zu stocken (s. d.) im Sinn von
bühr’, zu 1. stipäre 'füllen’, und 1. pendere (pen-
'stehen bleiben (besonders von stehender
sum) 'zahlen, wägen’.
Feuchtigkeit)’. •
Morphologisch zugehörig: Stipendiat; etymologisch
verwandt: s. Pensum. — K.-H. Weinmann DWEB
Stockwerk n. Bezeugt seit dem 16. Jh., be¬
2(1963), 405. zeichnet zunächst das Ständerwerk des Hauses,
das auf dem gemauerten Fundament aufruht
stippen swV., nordd. Ndd. Nebenform von
(in dieser Bedeutung auch einfaches stock, das
steppen (s. d.); hochsprachlich üblich geworden
schon früher bezeugt ist). Danach Bezeichnung
in der Bedeutung 'eintunken (einstechen)’.
der einzelnen Etagen.
Stirn /. Mhd. stirne, ahd. stirn(a), mndd.
Stoff m. Im 17. Jh. aus mndl. Stoffe übernom¬
Sterne. Vermutlich zu ig. *stera- 'ausbreiten’ in men, das seinerseits aus afrz. estoffe entlehnt
air. sernad, 1. sternere, akslav. prostreti, gr. stör- ist. Dessen Herkunft ist nicht ausreichend klar.
nymi 'ich bestreue’, ai. strnäti 'streut’. Aus¬ S. ausstaffieren, Staffage.
gangsbedeutung ist wohl 'breite Fläche’.
Stoffel m., ugs. Als Schimpfwort bezeugt seit
S. streuen ( + ).
dem 16. Jh. Eigentlich Koseform zu Christoph,
stöbern swV. Erst neuhochdeutsch zu Stöber und da der (heilige) Christopherus als gutmüti¬
'Jagdhund’, mhd. stöuber, das zu mhd. stäuben, ger Riese aufgefaßt wurde, Bezeichnung für
stouben 'aufscheuchen, auljagen’ gehört. Dieses einen solchen, später für einen dummen Tölpel.
ist Kausativum zu stieben (s. d.). Meisinger (1924), 14f.
stöhnen 705 stören

stöhnen swV. Mit sekundärer Rundung aus Stoppel m., mndl. stoppele, die hochdeutsche
mhd. mndd. mndl. stenen, das eine Kausativ- Entsprechung war mhd. stupfe(l), ahd. stupfala,
Iterativbildung ist zu wg. *sten-a- stV. 'brüllen, stupjila, stupfel. Entlehnt aus ml. *stup(u)la aus 1.
stöhnen’ in ae. stenan, mndd. stenen (stV./ stipula 'Halm, Stroh’. Vgl. immerhin steppen
swV.). In hochdeutsche Texte wohl aus dem und stupfen.
Niederdeutschen gelangt. Mit Ablaut ae. stu- Anders: Lühr (1988), 246f.
nian, anord. stynja. Außergermanisch verglei¬
chen sich lit. steneti 'stöhnen, ächzen’, akslav. stoppeln swV., zusammcnstoppeln swV. In die¬
stenati 'stöhnen’, gr. stenö 'ich stöhne, beklage’ ser Form seit dem 17. Jh., älter mhd. stupfein,
und vielleicht ai. stänati 'donnert, brüllt’. stüpfeln. Eigentlich '(in den Stoppeln) Ähren
S. Donner (+). nachlesen’.

stoisch Adj. 'unerschütterlich, ruhig’, sonder- stoppen swV. Im 18. Jh. zunächst in der See¬
sprachl. So bezeichnet nach dem Namen der mannssprache übernommen aus mndd. stoppen,
Stoa, einer philosophischen Richtung, die uner¬ mndl. stoppen '(ver)stopfen’, weiter zu ne. stop;
schütterliche Ruhe in allen Lebenslagen zum der Entsprechung zu stopfen (durch Zustopfen
obersten Prinzip hatte. Benannt nach dem wird das Auslaufen von Flüssigkeiten ange¬
Gründungsplatz, der stoä poikile, einer Säulen¬ halten).
halle in Athen (zu gr. stoä 'Säulenhalle’). Stöpsel m. Im 17. Jh. übernommen aus ndd.
Morphologisch zugehörig: Stoa, Stoiker, Stoizismus. Stöpsel; zu der niederdeutschen Entsprechung
- K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 405. von Stopfen (s. d.).
Stola f (= eine Art Schal, Teil des Meßge¬ Stör1 m. (= ein Fisch), fachsprachl. Mhd.
wands), sonder spracht. Im Althochdeutschen stör(e), stür(e), ahd. stur(i)o, stür(e), as. stu-
(ahd. stöla, mhd. stöl[e]) entlehnt aus gleichbe¬ rio aus g. *sturjön m. 'Stör’, auch in anord.
deutend 1. stola, dieses aus gr. stole (dass., wört¬ styrja f, ae. styria. Ähnlich sind russ. osetr, lit.
lich: 'Ausrüstung’), zu gr. stellein 'ausrüsten, ersketas 'Stör’. Entlehnung aus einer unbekann¬
bestellen, fertigmachen (usw.)’. ten Sprache?
Etymologisch verwandt: Apostel.
Stör2 /. 'Arbeit von Handwerkern im Haus
Stollen m. Mhd. st olle, ahd. stollo 'Stütze, von Kunden’, reg. Bezeugt seit dem 16. Jh.,
Pfosten’. Vermutlich zu stellen (s. noch Stall). vor allem in auf der Stör (arbeiten). Herkunft
Stollen als Gebäck ist nach der Form so be¬ unklar. Vielleicht zu stören (im Sinne einer Stö¬
nannt; das Benennungsmotiv für 'Gang im rung der Zunftordnung).
Bergwerk’ ist unklar.
Storch m. Mhd. storch(e), störe, storke, ahd.
S. stellen (+). — Lühr (1988), 202.
storah, mndd. stork, mndl. storke aus g. *sturka-
stolpern swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. neben m. 'Storch’, auch in anord. storkr, ae. störe. Zu
stolpen u. ä. Mit mndd. stülpen 'umkehren’ (s.
starr, Sterke usw. Der Vogel ist nach seinem
Stulpe) zu aschw. stjälpa stV. 'umfaßen, stürzen’
stelzenden Gang benannt. Es liegt also wohl
(dessen starke Flexion aber sekundär sein
eine Verbalbedeutung 'stelzen’ zugrunde, die
kann).
zwar nicht belegbar, aber aus den verwandten
stolz Adj. Mhd. stolz, bezeugt seit dem 11. Wörtern ohne weiteres zu erschließen ist.
Jh., mndd. stolt, auch afr. stult. Herkunft un¬ Nnd. ne. nschw. stork, nisl. storkur. S. starren (+). —
klar — vielleicht zu Stelze (s. d.) im Sinn von Suolahti (1909), 368-371.
'hochtrabend’.
Storchschnabel m., fachsprachl. Mhd. storch¬
S. stolzieren.
snabel, ahd. storahessnabel, mndd. storkessna-
stolzieren swV. Mhd. stolziren. Bezeugt seit vel. Lehnprägung nach gr. geränion n., zu gr.
dem 13. Jh. als Hybridbildung zu stolz (s. d.). geranos f.j(m.) 'Kranich’. Die Pflanze heißt so
Stopfen m., obd. Variante zu Stöpsel (s. d.). nach den schnabelförmig verlängerten Frucht¬
S. auch Steppke. grannen. Die Bedeutung 'Zeichenwerkzeug’ be¬
ruht auf einer Neubildung des 18. Jhs. (wegen
stopfen swV. Mhd. stopfen, ahd. stophön,
der langen, starren Schienen, die dabei verwen¬
mndd. stoppen, entsprechend ae. forstoppian
'zustopfen, schließen’. Vermutlich entlehnt aus det werden).
ml. stuppare 'mit Werg zustopfen’, zu 1. stuppa, Store m. 'gardinenartiger Vorhang’. Im 18.
stüpa 'Werg’, das seinerseits aus gr. styppe Jh. entlehnt aus frz. störe 'Vorhang’, dieses aus
'Werg’ entlehnt ist. it. (dial.) stora f (dass.), aus 1. storea, storia f.
S. auch Pfropfen. 'geflochtene Decke, Matte’.
Stoppel /. Im 16. Jh. aus dem Mitteldeut¬ stören swV. Mhd. starren, ahd. stören 'zer¬
schen/Niederdeutschen übernommen, mndd. streuen, vernichten’ (vgl. zerstören). Dazu mit
strangulieren
Störenfried 706
Strafe /. Mhd. sträfe, etwas früher das Verb
Ablaut ae. styrian, mhd. stür(e)n 'bewegen, stö¬
s träfen. Die ursprüngliche Bedeutung ist
ren’. Verwandt ist wohl Sturm (s. d.).
'Schelte, Tadel’. Herkunft unklar.
Nndl. stören. S. Stör2, Sturm.
U. Schröter in: Dückert (1976), 215-261.
Störenfried m. Bezeugt seit dem 16. Jh. als
straff Adj. Bezeugt seit dem 17. Jh. Herkunft
Satzname 'Störe den Frieden’.
unklar. Wohl irgendwie zu stramm (s. d.) und
stornieren swV. 'rückgängig machen , fach-
weiter zu starren (s. d.).
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
S. auch streben.
it. stornare, dieses aus spl. *extornare 'ausdre¬
Strahl m. Mhd. sträl(e) f.\m., ahd. as. sträla
hen’, zu 1. tornäre 'drehen, drechseln (s. auch
f. 'Pfeil, Blitzstrahl’ aus wg. *strälö f. 'Pfeif,
ex-), aus gr. torneüein 'drehen, drechseln .
auch in ae. sträl. Außergermanisch entspricht
Morphologisch zugehörig: Storno; etymologisch ver¬
akslav. strela 'Geschoß, Pfeil. Weitere Her¬
wandt: s. Tour.
kunft unklar, wohl letztlich zu starren (s. d.).
Storren m. 'Baumstumpf’, obd. Mhd. storre,
Nndl. straal. S. starren (+), Strähl, streifen, Strieme.
ahd. storro. Zu ahd. storren, mhd. storren, gt.
andstaurran 'anstarren, Unwillen zeigen’, weiter Strähl m. 'Kamm’, arch. Mhd. strcel, as. sträl,
sowie ahd. strälen 'kämmen’, arch., südwd.,
zu starren (s. d.).
schwz. Vermutlich das gleiche Wort wie Strahl
S. auch Gestör, starren (+), störrisch.
(s. d.), wenn es ähnlich wie Kamm (s. d.) auf die
störrisch Adj. Bezeugt seit dem 16. Jh. Zu
Bedeutung 'Zahn’ zurückgeht.
Storren (s. d.) als 'widerspenstig, im Weg lie¬
Strähne /. Mhd. stren(e) m., mndl. strene.
gend’.
Herkunft unklar. Vermutlich «-Bildung zur glei¬
Story /. 'Geschichte, Bericht’, sondersprachl. chen Grundlage wie die von Strieme (s. d.).
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
stramm Adj. Bis ins 19. Jh. nur mundartlich:
story, dieses aus afrz. estoire (dass.), aus 1. histo-
nndl. stram, schwz. stramm. Gehört letztlich
ria (dass., wörtlich: 'Kunde, Kenntnis’), aus gr.
wohl zu starr (s. d.), aber ohne sichere Zwi¬
historia (dass.), zu gr. historem 'nachforschen,
schenglieder. Außergermanisch entspricht gr.
berichten, erzählen’, zu gr. histör 'wissend,
steremnios 'hart, fest’, doch mag dies zufällig
kundig’.
sein.
Etymologisch verwandt: s. Historie.
S. starren (+), straff, streben.
stoßen stV. Mhd. stözen, ahd. stözan, as. stö-
strampeln swV. Im 16. Jh. aus dem Nieder¬
tan aus g. *staut-a- stV. (reduplizierend), auch
deutschen übernommen, die hochdeutsche Ent¬
in gt. stautan, afr. steta. Zu ig. *steu-d- 'stoßen’,
sprechung ist strampfein. (Iterativbildung zu
ohne anlautendes 5- auch in ai. tudäti 'stößt’,
mndd. strampen). Herkunft unklar. Variante zu
air. do-tuit 'fällt’, 1. tundere 'schlagen, stoßen’;
trampeln (s. d.)?
vielleicht gehören hierher auch 1. studere 'eifrig
S. Hampelmann. — Lühr (1988), 172—174.
sein, begehren’ und alb. shtynj 'stoßen’.
Strand m. In spätmittelhochdeutscher Zeit
Nndl. stoten. S. Stock (+), stottern, Stotzen, Stupfen,
aufgenommen aus mndd. strant, mndl. strande,
stupid, stutzen.
entsprechend ae. Strand n., anord. strpnd f. Die
stottern swV. Bezeugt seit dem 15. Jh. Itera¬
deutschen Wörter stammen wohl aus dem Eng¬
tivbildung zu stoßen (s. d.), vgl. anstoßen.
lischen, das englische vielleicht aus dem Nordi¬
Nndl. stotteren, ne. stutter. — Bahder (1925), 47f.
schen. Am ehesten eine Variante mit anlauten¬
Stotzen m. 'Baumstumpf, Schenkel’, südd. Zu dem s- zu Rand (s. d.).
stutzen (s. d.) und damit weiter zu stoßen (s. d.).
Strang m. Mhd. stranc m., Strange f.\m., ahd.
S. Steiß, Stutzen, stutzen, stoßen (+). — Lühr (1988),
sträng, mndd. strank, mndl. strenge aus g.
257.
*strengi- m. 'Strang’, auch in anord. strengr,
Stövchen n. 'kleiner Untersatz zum Warmhal¬ ae. streng. Außergermanisch vergleichen sich
ten meist von Getränken’, nordd. Verkleine¬ (Auslaut unklar) 1. stringere 'schnüren’, air.
rungsform zu Stove, das ursprünglich die (be¬ srengaid 'zieht, schleppt’, air. sreng f. 'Strick’,
heizte) Badestube bezeichnet und zu Stube gr. strangös 'gedreht’, gr. strangäle f. 'Strang,
(s. d.) gehört. Strick’. Da auch gr. stränx f 'Ausgepreßtes,
strack Adj. 'gerade, straff’, arch., südd., md. Tropfen’ hierhergehört, ist die Bedeutung un¬
Gebräuchlich mit dem adverbialen Genitiv klar: 'winden, wringen’ oder 'zusammen¬
stracks 'sofort’ und schnurstracks 'geradewegs, schnüren’?
sofort’. Zu strecken (s. d.). Außergermanisch Nndl. streng, ne. string, nschw. sträng, nisl. strengur.
vergleicht sich vielleicht russ. strogy 'streng, S. strangulieren, streng, strikt ( + ).
hart, starr’. strangulieren swV. 'erdrosseln, erhängen’, son¬
V. Machek ZSPh 23 (1954), 115; Lühr (1988), 230f. dersprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu-
Strapaze 707 streicheln

tend 1. stranguläre, dieses aus gr. strangaläein


Wie mir. troit f 'Streit, Kampf’ (aus *truds-d-
(dass.), zu gr. strangäle 'Strang, Strick’.
o. ä.) und akslav. trudü 'Mühe’, auch 'Kampf’
Morphologisch zugehörig: Strangulation; zum Etymon zu der unter verdrießen (s. d.) behandelten
s. Strang.
Grundlage *treud- stoßen’ — drängen, trei¬
Strapaze/. 'Anstrengung’. Im 17. Jh. entlehnt ben’, deren Bedeutung besonders auch im Balti¬
aus gleichbedeutend it. strapazzo m., zu it. schen und Slavischen zu 'sich aufreiben, abmü¬
strappazare 'überanstrengen’, dessen weitere hen, kämpfen’ weiterentwickelt wird.
Herkunft nicht sicher geklärt ist. Etwas anders: Herbermann (1974), 43-68.
Morphologisch zugehörig: strapazieren, strapaziös.
Strauß2 m. 'Blumenstrauß’, älter 'Büschel’.
Straps m. Strumpfhalter’, sondersprachl. Im Bezeugt seit dem 16. Jh., schon älter mhd. ge-
19. Jh. entlehnt aus dem Plural von ne. strap striuze n. und striuzach, strüzach n. 'Buschwerk’.
'Riemen’. Da das Wort auch 'Federbusch’ bedeutet, hängt
Straß m. 'Material für unechten Schmuck’, es wohl mit strotzen (s. d.) zusammen und meint
sondersprachl. Benannt nach dem Erfinder, dem zunächst die austreibenden Loden eines Aus¬
französischen Juwelier Stras (18. Jh.). schlag-Baums und die aufgestellten Federn von
Vögeln beim Balzen.
Straße/. Mhd. sträze, ahd. sträza, as. sträta.
Wie afr. strete, ae. strät früh entlehnt aus 1. Herbermann (1974), 32 — 42.
(via) sträta 'gepflasterter Weg (als Heeres¬ Strauß3 m. 'Vogel’, fachsprachl. Mhd.
straße)’ zu 1. sternere (strätum) 'ausbreiten, strüz(e), ahd. strüz. Wie ae. stryta, strüta ent¬
glätten usw.’. lehnt aus 1. strüthio, das seinerseits aus gr. stroü-
S. streuen ( + ). theios entlehnt ist.
Strategie /. 'Plan für das Vorgehen’. Im 19. Suolahti (1909), 223f.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Strategie, streben swV. Mhd. streben, mndd. streven 'ra¬
dieses aus gr. strategia 'Heerführung’, zu gr. gen, sich strecken’, wohl abgeleitet aus dem
strategikös 'in der Feldhermkunst erfahren’, zu Adjektiv, das in mndd. stref 'straff, steif’ vor¬
gr. (ion. att.) strategös m. 'Feldherr, Heerfüh¬ liegt. Weiter zu der im einzelnen unklaren
rer’, zu gr. stratös m. 'Heer, Lager’ und gr. Gruppe straff (s. d.), stramm (s. d.), die letztlich
ägein 'führen’. auf die Grundlage von starren (s. d.) zurück¬
Morphologisch zugehörig: Stratege; etymologisch ver¬ geht. Die Bedeutung des Verbs ist ursprünglich
wandt: s. Antagonismus. 'ragen, emporstreben u. ä.’, erst neuhoch¬
sträuben swV. Ahd. strüben, as. strüvian neben deutsch gewinnt die übertragene Bedeutung an
mhd. strüben, ahd. strüben 'starr stehen, empor¬ Gewicht.
starren’. Dazu die unter struppig (s. d.) behan¬ S. Streber.
delten Adjektive. Außergermanisch vergleichen Streber m. In systematischer Bedeutung
sich vielleicht gr. stryphnös 'herb, sauer, streng’, schon früher bezeugt, aber im 19. Jh. zur Kenn¬
kslav. strüpütü 'Rauheit, Härte’, cech. ko-strba zeichnung von karrieresüchtigen Beamten ver¬
'zottiger, haariger Mensch’ (usw.). Ausgangsbe¬ wendet. Von dort aus in die Studentensprache
deutung wäre etwa 'rauh, widerstrebend o. ä.’ übernommen, von der aus es in die Sprache der
S. Gestrüpp, strubbelig, struppig. — V. Machek ZSPh Schule übergeht. Zu streben (s. d.).
(1955), 118f. A. Gombert ZDW 2 (1901/02), 310.
Strauch m. Mhd. strüch, mndd. strük, mndl. strecken swV. Mhd. ahd. mndd. mndl. strek-
struuc. Herkunft unklar. Vielleicht wie Strunk ken. Wie afr. strekka, strikka, ae. streccan am
(s. d.), das eine nasalierte Variante sein könnte, ehesten eine Ableitung zu dem unter strack auf¬
zu einem Wort für 'kurz, gestutzt’, vgl. lit. geführten Adjektiv (s. d.). Die Parallelität zu
strfijügas, strüngas 'kurz, gestutzt’ (und weiter dem besser vergleichbaren recken ist aber unver¬
zu akslav. strügati 'hobeln, schaben’?). kennbar, so daß an eine Variante mit anlauten¬
S. straucheln, Strunk. dem s- zu recken gedacht werden kann.
straucheln swV. Mhd. strücheln, mndd. mndl. Nndl. strekken, ne. Stretch. S. recken (+), schnur¬
strukelen neben gleichbedeutendem ahd. strüh- stracks, strack.
hen. Mit gleicher Bedeutung auch mhd. Strün¬ Streich m. Mhd. streich 'Hieb’ ist eine Ablei¬
ken, so daß wohl von Strauch/Strunk auszuge¬ tung zu streichen (s. d.). Im 17. Jh. bekommt es
hen ist (wohl in einer Bedeutung wie 'herausste¬ die Bedeutung 'unerwarteter Schlag, Hand¬
hende Wurzel’), also 'über Wurzeln o. ä. stol¬ streich, Schelmenstück’ (unter Einfluß von frz.
pern’. coupT) und wird heute hauptsächlich in dieser
Nndl. struikelen. S. Strauch, Strunk. Bedeutung gebraucht.
Strauß1 m. 'Gefecht’, arch. Mhd. struz, me. streicheln swV. Im 16. Jh. als Intensivbildung
strout, vgl. obd. Sträußen, ae. strütian 'streiten’. entstanden zu streichen, ahd. streihhön, ae. strä-
strikt
streichen
708

streuen swV. Mhd. ströu(we)n, ahd. strewen,


cian, das eine Intensivbildung mit Ablaut zu
strouwen, as. streuwian, ströian aus g. *strau-eja-
streichen (s. d.) ist.
swV streuen’, auch in anord. strä, ae. streowian.
streichen st V. Mhd. strichen, ahd. strihhan,
Außergermanisch vergleicht sich 1. struere auf¬
mndd. striken, mndl. striken, stricken aus g.
schichten’, erweitert aus 1. sternere 'streuen’ (s.
* streik (w)-a- stV. 'streichen’, auch in anord.
Stern1).
strvkja, strykva, ae. strican, afr. strika. Außer¬
Nndl. strooien, ne. strew, nschw. stro, nisl. strä. S.
germanisch vergleichen sich vielleicht 1. strin-
Estrade, Stern1 ( + ), Stirn, Straße, Stroh, Struktur ( + ).
gere 'berühren, wegreißen und akslav. stristi
- E. Rooth in: FS Öhmann (1954), 37-52.
scheren, abschneiden’, doch sind die Bedeu¬
tungszusammenhänge nicht ausreichend klar. streunen swV. 'umherstreifen, nach guten Bis¬
Nndl. strijken, ne. strike. S. spornstreichs, Streich, strei¬ sen suchen’. Mhd. striunen 'neugierig nach et¬
cheln, Streik, Strich, strikt (+). was forschen’. Weitere Herkunft unklar.
streifen sw V. Mhd. streifen, dazu ablautend Strich m. Mhd. strich, ahd. strih\ wie gt. striks
mhd. strife 'Streifen’, mndd. stripe. Außerger¬ ein Abstraktum zu streichen (s. d.). Die Wen¬
manisch vergleicht sich air. sriab Streifen, dung auf dem Strich usw. (für Prostitution) ist
Strahl’. Weiterbildung zu der unter Strahl (s. d.) eine Übertragung aus dem Schnepfenstrich, dem
behandelten Grundlage. In der Bedeutung 'ab¬ Anfliegen der Schnepfen, auf das Herumziehen
streifen' hat sich eine parallele Sippe einge¬ der Jugendlichen am Abend und dann auf die
mischt: mhd. Striefen, ahd. stroufen, ae. stripan, Freiersuche der Dirnen (s. Schnepfe). Gegen den
ne. strip. Strich bezieht sich auf das Streicheln oder Bür¬
S. Strahl, Strieme, Striptease, Stropp. sten des Fells von Tieren — dort muß man mit
Streik m. 'Ausstand’. Im 19. Jh. entlehnt aus dem Strich streicheln.
gleichbedeutend ne. strike, zu e. strike 'die Ar¬ Strick m. Mhd. ahd. stric, stri(c)k; dazu strik-
beit einstellen, (wörtlich: schlagen)’, aus ae. ken, mhd. ahd. stricken, vgl. ae. strician 'strik-
strican 'schlagen’. Die moderne Bedeutung u. a. ken, Netze ausbessem’. Herkunft unklar. Eine
aus dem nautischen Gebrauch e. strike sail
parallele Bildung ist Want (s. d.).
'Segel einholen (z. B. um das Auslaufen zu ver¬
S. bestricken. — Lühr (1988), 231f.
hindern)’.
Etymologisch verwandt: s. streichen. - Ladendorf Striegel m. Mhd. strigel, ahd. strigil. Entlehnt
(1906), 305f.; R. F. Arnold ZDW 8 (1906/07), 22. aus 1. strigilis 'Schabeisen’ (zu 1. stringere 'strei¬
streiten stV. Mhd. striten, ahd. stritan, mndd. chen usw.’).
mndl. striden, aus g. *streid-a- stV. 'streiten, S. strikt ( + ).
schreiten, spreizen’, auch in aschw. striöa, ae. Strieme f/m. Mhd. Strieme m., streim(e) m.,
stridan 'schreiten, spreizen’, afr. strida. Die eng¬ strim(e) mjf, ahd. strimo m., mndd. streme,
lische Bedeutung entstammt wohl einer Kreu¬ mndl. Strieme. Vermutlich mit schwankendem
zung mit schreiten (s. d.), sonst in dieser Form Vokalismus auf einer Grundlage strei- gebildet,
nicht vergleichbar, doch kann die Grundlage
wie 1. stria 'Rippung von Säulen, Gewandfalte’.
gesehen werden in ae. strimendi 'widerstrebend’,
Zu der unter Strahl (s. d.) behandelten Grund¬
lit. strainüs 'rüstig, widerspenstig’. Weitere Her¬
lage.
kunft unklar.
Nndl. striem. S. Strahl (+), Strähne, streifen.
Nndl. strijden, ne. stride, nisl. striöa.
Striezel m. (= ein Hefegebäck), südod. Ent-
streng Adj. Mhd. strenge, ahd. strengi 'stark,
rundet aus mhd. strutzel, strützel, ahd. struzzil.
tapfer, unfreundlich’, as. sträng 'stark’ aus g.
*stranga- Adj. 'stark’, auch in anord. strangr, Herkunft unklar.
ae. strong. Zu der unter Strang (s. d.) behandel¬ striezen swV. 'etwas wegnehmen’, reg. Viel¬
ten Sippe, offenbar ausgehend von 'straff’, vgl. leicht wie alem. üs-strötzeln 'ausschneiteln, ent¬
anstrengen (s. d.). ästen’ als 'abreißen, abpflücken’ zu erklären
Nndl. streng, ne. strong, nschw. sträng, nisl. strangur. (eigentlich 'die Strotzen [Loden] wegnehmen’,
S. strikt ( + ). vgl. Strauß2).
Streß m. 'Hektik, Anstrengung’. Im 20. Jh. Herbermann (1974), 198.
entlehnt aus gleichbedeutend ne. stress (wört¬
strikt Adj. 'sehr streng, ausnahmslos’. Im 17.
lich: 'Druck, Anspannung’), zu e. stress 'unter
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. strictus
Druck setzen, zwingen’, wohl aus afrz. estrecier
(wörtlich: 'straff, eng’), dem PPP. von 1. strin¬
(dass.), aus spl. *strictiare (dass.), zu 1. strictus
gere (strictum) 'straff anziehen, zusammenzie¬
'streng, straff, eng’, dem PPP. von 1. stringere
hen’. Dazu das Partizip stringent 'zusammen¬
(strictum) 'straff anziehen, zusammenziehen’.
passend, schlüssig’.
Etymologisch verwandt: s. strikt. — W. Baranowsky
SD 18(1974), 90L; N. Ärhammar in: FS de Smet Etymologisch verwandt: Distrikt, Strang, streng. Streß,
(1986), 19-28. Striegel; zum Etymon s. streichen.
stringent 709 Strudel

stringent Adj. 'zusammenpassend, schlüssig’, den elekt rischen Strom beruht auf einer nahelie¬
s. strikt.
genden Übertragung.
Strippe /. Band’, ugs., reg. Von Berlin aus Nndl. stroom, ne. stream, nschw. ström, nisl. straumur.
verbreitet, eigentlich strüppe, niederdeutsche S. Rhythmus (+), Serum. - Kluge (1926), 46f.
Form neben mhd. strupfe, mndd. mndl. strop; Stromer m. 'Vagabund’, ugs. Aus dem Rot¬
wie ae. strop(p) entlehnt aus 1. struppus, strop- welschen, in dem es bereits im 14. Jh. als stromer
pus m. Schnur, Riemen', das seinerseits aus gr. = kelsnyder bezeugt ist. Später verharmlost
ströphos m. 'Seil, Band’ entlehnt ist (zu diesem und über die Studentensprache in die Umgangs¬
s. Strophe).
sprache gedrungen. Wohl zu einem strömen
S. Strophe ( + ), Strupfe. - Lasch (1928), 211. hin- und herziehen' (= strömen), doch paßt
Striptease m./n. 'Entkleidungstanz’. Im 20. die frühe Bedeutung nicht recht zu dieser An¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Striptease, nahme.
zu e. strip 'ausziehen’, aus ae. strlpan (dass.), Wolf (1985), 322.
und e. tease 'aufreizen; (wörtlich: Wolle zup¬
Strophe/. 'Abschnitt eines Gedichts’. Im 17.
fen)’, aus ae. täsan 'in Stücke reißen’.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. stropha, Stro¬
Morphologisch zugehörig: Strip, Stripper, Stripperin, phe, dieses aus gr. Strophe (dass., wörtlich: 'Dre¬
Stripteuse; zum Etymon s. streifen und zeisen.
hung, Wendung’), zu gr. strephein 'drehen, wen¬
Stroh n. Mhd. strö, ahd. strö, strou, aus g. den’. So bezeichnet nach der Wendung, die der
*strawa- (oder *strdwa-l) n. 'Stroh’, auch in Chor beim Vortragen von Liedern vollführte,
anord. strä, ae. streaw, afr. stre. Offenbar abge¬ um den Abschluß eines Liedteils zu signalisie¬
leitet von streuen (s. d.), also 'Streu’ (im Stall ren, dem ein gleichgebauter folgen sollte; dann
oder als Schlafstätte). Entsprechend 1. strämen übertragen auf die Abschnitte selbst. Zu dem
'Streu, Stroh’ zu 1. sternere 'hinstreuen’. Verb gehört auch gr. ströphos m. 'Seil, Band’ in
Nndl. stro, ne. straw, nschw. strä, nisl. strä. S. der resultativen Bedeutung 'Gewundenes’, auf
streuen ( + ). das d. Strippe (s. d.) zurückgeht.
Strohwitwe /., ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh. Etymologisch verwandt: Apostroph, Katastrophe.
Zuvor Graswitwe (niederdeutsch/niederlän¬ Stropp m. 'Tau mit Schlinge oder Haken’,
disch), vermutlich nach dem Vorbild von Gras¬ fachsprachl:, 'Aufhänger’, rhein. Zu dem unter
bürger 'außerhalb der Stadt wohnender Bürger, streifen (s. d.) dargestellten mhd. strupfen 'ab¬
nicht vollwertiger Bürger’ gebildet und nndl. streifen’, das mit Intensivgemmiation zu dem
Hagwitwe nach entsprechendem Vorbild. Der unter streifen behandelten ahd. stroufen gehört.
Übergang zu Strohwitwe ist unklar. Als Stroh¬
Strosse /., s. DrosseP.
braut wurde ein Mädchen mit einem unehe¬
lichen Kind bezeichnet — doch ist der Zusam¬ strotzen swV. Mhd. strozzen, strotzen, me.
menhang nicht ersichtlich. strut 'strotzen, stolzieren’, ndn. strutte 'strot¬
Th. v. Grienberger ZDW 4(1903), 298-308; P. zen’, nschw. strutta 'stolzieren’. Hierzu mit Vo¬
Kretschmer AÖAW (1942), IV, 26-32; H. Dittrich kallänge und ohne s mobile ae. prütian 'schwel¬
MS 78 (1968), 278-282. len, strotzen’, anord. prütna 'schwellen’. Zu der
Strolch m. Bezeugt seit dem 17. Jh. Entlehnt unter verdrießen (s. d.) behandelten Grundlage
w/oeur. *treud- 'stoßen — drängen, treiben’
aus it. (lombard.) strolegh, strolch. Dieses wird
mit der Bedeutungsspezialisierung 'austreiben,
auf astrologo zurückgeführt und als 'Charlatan
sprießen’ und 'schwellen, strotzen’. Parallel zu
(Astrolog)’ erklärt, was durch Landsknechte ins
Deutsche gebracht worden sei. Im einzelnen *streut- ist *spreut- (s. sprießen)', vielleicht hat
nicht ausreichend klar. dieses einen zusätzlichen Einfluß ausgeübt.

C. J. Gutkind ZRPh 52 (1932), 730. S. Drossel2, sprießen, Strauß2, verdrießen (+). — Her¬
bermann (1974), 13-31; Lühr (1988), 256f.
Strom m. Mhd. stroum, ström, ahd. stroum,
strubbelig Adj. Bezeugt seit dem 15. Jh., auch
as. ström aus g. *strauma- m. 'Strom’, auch in
in der Form strobelig. Zu mhd. strobelen 'ver¬
anord. straumr, ae. stream, afr. sträm. Außer¬
strubbeln, struppig machen’, ahd. (ir)strobälon
germanisch vergleichen sich lett. strauma
'sich sträuben’ und der Rückbildung Strobel
'Strom’ und poln. strumien 'Bach’ und ohne
'Strubbelkopf, Kopf mit ungekämmtem Haar’.
den (-Einschub air. srüaim n., lit. sriaumuö. Ab¬
Vgl. das Kinderbuch Struwwelpeter mit rhein¬
straktbildung zu ig. *sreu- 'fließen’ in ai. srävati,
fränkischen Lautform. Zur Etymologie s.
gr. rhetn, sowie lit. sraveti 'sickern’. Dieses ist
eine Erweiterung zu *ser- 'fließen’ in 1. serum sträuben.
n. 'Flüssigkeit’ u. a. Der Vokalismus im Neu¬ Strudel m. Bezeugt seit dem 15. Jh. Abgeleitet
hochdeutschen beruht auf regionaler Mono- von ahd. stredan stV. 'wallen, strudeln’ ohne
phthongierung. Der Bedeutungsübergang auf klare Vergleichsmöglichkeit. Die Mehlspeise
Struktur 710 Stulpe

gleichen Namens war ursprünglich schnecken¬ (s. u.), der mit guten Gründen von Ableitungen
förmig, daher die Bedeutungsübertragung. von 1. aestuäre 'heizen’ ausgeht.
S. Stövchen. — V. Machek Slavia 21 (1953), 275 — 286.
S. auch strullen.
Struktur /. 'innere Gliederung, Aufbau . Im Stüber m. 'Scheidemünze’, arch. Mndd. stu-
18. Jh. entlehnt aus 1. strüctüra 'Bauart, Zu¬ ver. Über die mndl. Form stu(y)ver im 15.
sammenfügung, Ordnung’, zu 1. struere (strüc- Jh. ins Hochdeutsche gedrungen. Vielleicht zu
tum) 'aneinanderfügen, schichten, zubereiten, mndd. stuf 'stumpf, abgehackt’ (vgl. Deut).
ordnen’. Stuck m. 'Geformter Gips an Wänden und
Morphologisch zugehörig: struktiv, struktural, Struk¬ Decken’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus it.
turalismus, Strukturalist, strukturell', etymologisch ver¬ stucco gleicher Bedeutung, das auf ahd. stucki
wandt: destruktiv, Industrie (usw.), instruieren (usw.), n. 'Rinde’ (zu Stück, s. d.) zurückgeht.
konstruieren (usw.), obstruieren (usw.), rekonstruieren',
zum Etymon s. streuen. — G. Schoppe ZDW
Stück n. Mhd. stück(e), stuck(e), ahd.
15(1914), 212; G. Liebig LS 2(1967), 199-211; R. stucki, as. stukki aus g. *stukkja- n. 'Stück’,
Boudon: A quoi sert la notion de ’structure’ (Paris auch in anord. stykki, ae. stycce. Zu Stock
1968); G. Scholtz AB 13 (1969), 73-75; H. v. Einem/ und damit von der Bedeutung 'abgeschnittenes
K. E. Born/F. Schalk/W. P. Schmid: Der Strukturbe¬ (Stück)’ ausgehend.
griff in den Geisteswissenschaften (Mainz 1973) =
Nndl. stuk, nschw. stycke, nisl. stykki. S. Stock (+),
AAWLM 1973,2.
Stuck. - Behaghel (1923/32), I, 49.
strullen sw V. 'geräuschvoll herauslassen, har¬ studieren swV. 'lernen, untersuchen’. Im Mit¬
nen’, nordd. Bezeugt seit dem 18. Jh. Herkunft
telhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeutend
unklar, vielleicht zu Strudel (s. d.). 1. studere. Dazu Studio (wörtlich: 'Studierzim¬
Strumpf m. Mhd. Strumpf, mndd. strump. Die mer, Arbeitszimmer’, insbesondere für Künstler
Bedeutung ist ursprünglich 'Baumstumpf, bzw. Ton- und Filmaufnahmen).
Stummel’, dann 'Halbhose’ (gewissermaßen mit Morphologisch zugehörig: Student, Studie, Studium',
Beinstummeln), wohl verkürzt aus Hosen¬ etymologisch verwandt: Etüde.
strumpf. Das Wort gehört zu dem Komplex Studio n. 'Studierzimmer, Arbeitszimmer’, s.
von stumpf (s. d.), vergleichbar ist allenfalls lit. studieren.
strampas 'Knüttel, Stumpf’.
Studium n. 'Hochschulausbildung’, s. stu¬
S. stumpf ( + ). — Lühr (1988), 163 — 166.
dieren.
Strunk m. Spmhd. strunc, vgl. nndl. stronk.
Stufe /. Mhd. stuofe, ahd. stuofa, mndd.
Außergermanisch vergleicht sich vielleicht lit.
stöpe, mndl. stoep. Mit Dehnstufe zu der unter
strüngas 'gestutzt’. Weitere Herkunft unklar.
Stapf (s. d.) dargestellten Grundlage *stap-ja-
S. Strauch, straucheln. — Frings (1932), 135; Lühr
stV. 'gehen, stapfen’. Außergermanisch ver¬
(1988), 163-166.
gleicht sich näher akslav. stepeni m. 'Stufe’.
Strupfe /. 'Schnur’, arch., obd. Oberdeutsche Nndl. stoep. S. Stapf, Staffel.
Variante von Strippe (s. d.).
Stuhl m. Mhd. ahd. stuol, as. stöl aus g.
struppig Adj. Erweiterung von mhd. strübe, *stöla- m. 'Stuhl’, auch in gt. stols, anord. stöll,
strüp, as. strüf (vgl. nndl. stroef) 'struppig’. Zu ae. afr. stöl. Ableitung zu stehen (s. d.) wie
der unter sträuben (s. d.) behandelten Grund¬ (nicht notwendigerweise urverwandt) lit. pastö-
lage. las 'Gestell’, akslav. stolü 'Stuhl’, gr. stele f.
Lühr (1988), 278f. 'Säule’.
Stubben m. 'Stumpf’, nordd. Mndd. Stubbe, Nndl. stoel, ne. stool, nschw. stol, nisl. stöll. S. Fauteuil,
wie ae. stybb, anord. stubbr. Ohne Nasalierung stehen ( + ). - Hoops (1911/19), IV, 296.

und mit abweichender Auslautentwicklung zu Stukkatur /. 'Stückarbeit’, s. Stuck.


stumpf (s. d.). Stulle /, '(bestrichene) Brotscheibe’, ndd. Be¬
Trier (1952), 57. zeugt seit dem 18. Jh. Vermutlich zu nndl. stul
Stübchen n. 'Flüssigkeitsmaß’, arch. Mhd. 'Brocken, Stück’, also ursprünglich wohl 'Stück
stübechm zu mhd. stübich, stubich m. 'Packfaß’ (Brot)’.
aus ml. *stupa, *stopa. Lasch (1928), 21 lf.; Teuchert (1944), 297f.

Stube /. Mhd. Stube, ahd. stuba, mndd. Sto¬ Stulpe /. 'Krempe, Schaft’. Ursprünglich nie¬
ve (n) m., mndl. stove 'heizbarer Raum, Bade¬ derdeutsch; in hochdeutschen Texten seit dem
raum’. Wie ae. anord. stofa entlehnt aus ml. 17. Jh. Das Zeitwort stülpen schon etwas früher
*stufa, zu ml. *extufare 'ausdünsten’ (zu I. *tüfus (16. Jh.). Zu anord. stolpi m. 'Pfosten’, wie auch
'Dampf’ aus gr. typhös m. 'Dampf, Qual’); vgl. lett. stulbs sowohl 'Pfosten’ wie auch 'Stiefel¬
it. stufa, frz. etuve 'Badestube’. Anders Machek schaft’ bedeutet. Entsprechend aruss. stülbü, lit.
stumm 711 Sturzacker

stulbas 'Pfosten’ und weiter zu dem unter stellen Schwundstufe hat keinen Platz in dem zu erwar¬
behandelten problematischen Komplex. tenden Ablaut. Zumindest die Morphologie
S. stellen ( + ), stolpern. muß deshalb als ungeklärt angesehen werden.
stumm Adj. Mhd. stum(p), ahd. stum(b), as. Nndl. stond(e), nschw. nisl. stund. S. Stand(+),
stumm, ebenso afr. stumm. Zu der unter stem¬ stunden.

men und stammeln (s. d.) behandelten Grund¬ stunden swV. 'Zahlungsaufschub gewähren’,
lage mit der Bedeutung 'anhalten’. Also eigent¬ fachsprachlich. Bezeugt seit dem 17. Jh. Zu
lich gehalten’, wohl ein Hüllwort für älteres Stunde (s. d.) in der allgemeinen Bedeutung
dumm (s. d.). 'Zeitabschnitt’, hier verwendet als 'Aufschub’.
Nndl. stom. S. stammeln, stemmen. — Lühr (1988) Stunk m. 'Ärger’, ugs. Ausgehend von Berlin
101-103.
seit dem 19. Jh. bezeugt. Zu stinken in Wendun¬
Stummel m. Mhd. Stummel, stumbel, ahd. gen wie es stinkt mir 'ich habe es satt, es ist mir
stumbal, Substantivierung zu dem gleichlauten¬ unangenehm’.
den Adjektiv mit der Bedeutung 'verstümmelt’.
Stunt m. 'gefährliche, akrobatische Aktion’,
Außergermanisch vergleicht sich lit. stimburys
fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
'SchwanzstummeF, dessen weitere Sippe darauf
deutend ne. stunt, dessen Herkunft nicht sicher
hinweist, daß als Benennungsmotiv nicht von geklärt ist.
'verkürzen’ auszugehen ist, sondern von 'Sten¬
Morphologisch zugehörig: Stuntman, Stuntwoman.
gel, Pfosten u. ä.’, so daß sich weiter ai.
stambha- 'Pfosten, Pfeiler’, ai. stabhnati 'stützt, Stupfen swV, südd. Mhd. Stupfen, stüpfen,
wird steif’ und vielleicht gr. (poet.) astemphes ahd. stupfen. Wie ndd. stupsen und steppen
(s. d.) zu einer schlecht faßbaren Sippe mit der
'unerschütterlich’ vergleichen. Hierzu Stump(en)
Bedeutung 'stechen’. Vielleicht weiter zu *steu-p-
und mit Auslautvariation Stumpf.
'stoßen’, einer Variante zu dem unter stoßen
S. verstümmeln.
(s. d.) behandelten *steu-d-.
Stump(en) m. 'Baumstumpf’, übertragen S. steppen (+), stoßen (+), tupfen. — Lühr (1988),
'Rohform eines Filzhuts, abgeschnittene Zi¬ 241 f.
garre’. Könnte an sich die niederdeutsche Ent¬
stupid Adj. 'dumm, geistlos’, sondersprach!.
sprechung zu stumpf (s. d.) sein, ist aber auch
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
schon oberdeutsch alt, deshalb wohl eher näher
stupide, dieses aus 1. stupidus, zu 1. stupere 'stau¬
zu Stummel gehörig, stumpf ist eine Auslautva¬
nen, verblüfft sein, betäubt sein’.
riante.
Morphologisch zugehörig: Stupidität; zum Etymon s.
S. auch Stauf, Stief-, Stümper, stumpf (+).
stoßen.
Stümper m. Bezeugt seit dem 14. Jh. Die
stupsen swV, s. stupfen.
Bedeutung ist zunächst 'einer, der ein verstüm¬
meltes Glied hat’ (zu dem Komplex Stumpen/ stur Adj. Im 19. Jh. aus dem Niederdeutschen
stumpf)-, danach einerseits 'Schwächling’, ande¬ übernommen. Mndd. stür 'störrig, grimmig’,
rerseits 'Pfuscher’ (seit dem 17. Jh.). Eine ältere mndl. stuur. Außergermanisch könnte sich ai.
Variante ist Stümpler. sthürä- 'groß, stark, dick’ vergleichen; ein An¬
schluß an *stä- 'stehen’ ist denkbar (s. stehen).
stumpf Adj. Mhd. ahd. stumpf, mndd. stump,
Die Lautverhältnisse sind aber nicht ausrei¬
mndl. Stomp, nndl. Stomp(e). Die Ausgangsbe¬
chend klar.
deutung ist 'verstümmelt, (abgenutzt)’ (zu
Vgl. auch starren.
Stummel, Stumpen), danach die verschiedenen
Anwendungsbereiche des Wortes; stumpfer Sturm m. Mhd. sturm, ahd. sturm, storm, as.
Winkel ist wohl eine Lehnübersetzung von 1. storm aus g. *sturma- m. 'Sturm’, auch in anord.
angulus obtüsus. Als Substantiv ist das Wort stormr, ae. storm. Ersichtlich eine m-Ableitung
eine Variante zu Stump(en). einer Grundlage, die am ehesten als *stwer-
S. auch Strumpf, Stubben, Stummel, Stump(en) ( + ), anzusetzen ist. Dieses ist wohl mit s mobile zu
Stümper. — Lühr (1988), 163 — 166. *pwer-a- 'drehen, rühren’ zu stellen (s. Quirl).
Vgl. auch anord. styrr 'Tumult, Kampf’ und —
Stunde /. Mhd. stunde, stunt, ahd. stunta, as.
wohl mit sekundärer Hochstufe — stören (s. d.).
stunda aus g. *stundö f. 'Zeitabschnitt, Zeit¬
Sturm und Drang als Leitwort einer Generation
punkt, Mal, Stunde’, auch in anord. ae. stund,
und als Bezeichnung einer literarischen Epoche
afr. stunde. Der Bedeutung nach wäre eine Ab¬
stammt aus dem Titel von Klingers Schauspiel
leitung zu g. *stanß-a- stV. 'stehen’ denkbar
von 1776.
(vgl. Weile und 1. quies Ruhe’), doch ist der
Nndl. ne. nschw. storm, nisl. stormur. S. stören.
Anschluß formal bedenklich: Die frühen Ablei¬
tungen aus dieser Sippe sind sonst (wie zu er¬ Sturzacker m. 'gepflügter Acker’, arch. Be¬
warten) nasallos, und die vorauszusetzende zeugt seit dem 18. Jh. Zu stürzen in der Bedeu-
stürzen 712 Subsidien

tung 'umwenden’, speziell 'das Feld nach der stützen swV. Mhd. -stützen, ahd. -stuzzen
Brache umpflügen’. neben Stütze /., mhd. stütze, wohl Formen
mit Intensivgemination zu ae. studu 'Pfosten’,
stürzen swV. Mhd. stürzen, stürzen, ahd. Stur¬
anord. jtod'Stab, Stütze’, wozu ahd. (gi)studen
zen, mndd. mndl. störten aus wg. *sturt-ija-
'errichten’, anord. styöja 'feststellen, stützen’.
swV. 'stürzen’, auch in ae. sturtan, afr. sterta.
Offenbar ausgehend von einem *stud- 'stehen,
Zunächst wie Ster: zu einer dentalen Erweite¬
stützen’, zu dessen Herkunftsproblematik das
rung der unter starr (s. d.) vorliegenden Grund¬
zu Stunde und stur Gesagte zu vergleichen ist.
lage. Auszugehen ist also von 'steif sein, star¬
Nndl. stutten. S. Stunde, stur.
ren’, das sich noch in den Bedeutungen 'etwas
Stutzer m. 'Modegeck’, arch. Zu dem seit dem
Überhängendes ( Türsturz f und 'Baumstumpf,
15. Jh. bezeugten stutzen 'prunken, prangen’,
Wurzel’ zeigt. Die Bedeutung 'fallen’ kann über
dessen Herkunft unklar ist (vermutlich bezogen
Ster: 'Schwanz’ gegangen sein (vgl. purzeln und
auf irgendwelche gestutzten Kleidungsstücke).
Bürzel), doch ist dies nicht sehr wahrscheinlich.
Das Substantiv erst seit dem 17. Jh. Es wird
Auch 'stolpern’ von der Bedeutung 'Wurzel’ aus¬
erklärt als 'wer einen gestutzten Bart trägt’,
gehend, liegt nicht nahe. Damit ist die Entstehung
doch ist dies kaum unabhängig von dem Ver¬
der Bedeutung noch nicht ausreichend klar.
bum für 'prunken’ von Bedeutung geworden.
Nndl. störten. S. starren { + ), Start.
Styling n. 'Formgebung’, s. Stil.
Stuß m. 'dummes Zeug’, ugs. Im 18. Jh. über
sub- Präfix. Wortbildungselement mit den
das Rotwelsche entlehnt aus wjidd. stuß gleicher
Bedeutungen 'unter’ (z. B. Subordination) und
Bedeutung; dieses aus hebr. s?füt 'Irrsinn, Narr¬
'ein wenig’ (z. B. subakut). Es wurde in lateini¬
heit’.
schen Entlehnungen’ ins Deutsche übernom¬
Stute /. Mhd. ahd. stuot, mndd. stöt aus g. men; sein Ursprung ist 1. sub 'unter’ Präp. —
*stöda- n. 'Pferdeherde’, auch in anord. stöö, Die Assimilationsformen lauten: vor /f/: suf-
ae. stöd n. Außergermanisch entspricht akslav. (z. B. Suffragan), vor /g/: sug- (z. B. suggerie¬
stado n. 'Herde’. Ausgangsbedeutung ist ver¬ ren), vor /k/: suk- (z. B. Sukkubus), vor /p/: sup-
mutlich 'Stand’, zu einer Erweiterung von ste¬ (z. B. Supplement), vor /r/: sur- (z. B. Surrogat)
hen (s. d.). Eine Pferdeherde besteht aus einem und vor /ts/ (<z*): suk- (z. B. sukzessiv).
Hengst und mehreren Stuten, so daß seit der Zum Etymon s. auf.
mittelhochdeutschen Zeit das Wort die heutige subaltern Adj. 'untergeordnet, unselbständig,
Bedeutung haben kann. Später setzt sich diese untertänig’, sonderspracht. Im 17. Jh. entlehnt aus
Bedeutung durch, die ältere noch in der Neubil¬ spl. subalternus 'untergeordnet’, zu 1. alternus 'ab¬
dung Gestüt (16. Jh.). Auch das feminine Genus wechselnd, einer um den anderen’ (s. auch sub-).
ist erst deutsch und hängt vielleicht mit der Etymologisch verwandt: s. Alternative.
gleichen Entwicklung zusammen. Subjekt n. (= eine syntaktische Funktion,
Ne. stud. S. stehen ( + ). — Palander (1899), 85 — 87. usw.), fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
Stuten m. 'Weißbrot’, reg. Bezeugt seit dem gleichbedeutend 1. subiectum, dem PPP. von 1.
subicere (subiectum) 'unterlegen, unterstellen,
15. Jh. Das Wort bedeutet eigentlich 'Ober¬
darreichen’, zu 1. iacere 'werfen’ (s. auch sub-).
schenkel’ und ist eine Variante zu Steiß (s. d.).
Morphologisch zugehörig: subjektiv, subjektivieren,
Daraus übertragen auf das Gebäck nach der
Subjektivismus, Subjektivität; etymologisch verwandt:
Form. Stutenmond für 'Flitterwochen’ ist be¬ s. Adjektiv. - E. Leser ZDW 15(1914), 85f.; K.-H.
zeugt seit dem 19. Jh. und beruht auf einem Weinmann DWEB 2(1963), 405; K. Homann AB
ähnlichen Motiv wie ne. honeymoon. 11 (1967), 184-205; A. Pronay AB 28(1984), 7-48.

Stutzen m. 'Klotz’, 'Wadenstrumpf’, 'kurzes Subjunktiv m. 'Konjunktiv’, s. Konjunktion


Gewehr’. Mit diesen und anderen Bedeutungen und sub-,
seit frühneuhochdeutscher Zeit belegt, als Va¬ sublim Adj. 'nur großem Feinsinn zugänglich,
riante von Stotzen (s. d.), zusammen mit stutzen von Feinsinn zeugend’, sondersprachl. Im 17.
'kurzschneiden’ (s. d.). Jh. entlehnt aus I. subltmis 'erhaben, in die Höhe
gehoben’, zu 1. limen 'Schwelle, Grenze’, das
stutzen swV. Mhd. stutzen, ahd. erstuzzen,
mit 1. limes 'Querweg, Rain, Grenze’ verwandt
mndd. stutten ist eine Intensivbildung zu stoßen
ist (s. auch sub-).
(s. d.). Dabei sind die Bedeutungsstränge 'auf¬
Morphologisch zugehörig: Sublimat, Sublimation, sub-
merken’ und 'kurzschneiden’ wohl auf selbstän¬ limieren, Sublimität; etymologisch verwandt: s. Limit.
dige Bildungen nach gleichem Muster zurück¬ - K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 405.
zuführen. Zu der zweiten gehören noch Stotzen subordinieren swV. 'unterordnen’, s. ordnen
(s. d.) und Stutzen (s. d.). In der älteren Sprache und sub-.
ist die Bedeutungsvielfalt noch reicher.
Subsidien PI. 'Hilfsgelder’, fachsprachl. Im 17.
S. Steiß, Stint, stoßen ( + ), Stutzen. Jh. entlehnt aus 1. subsidium n. 'Hilfsmittel’ (ei-
subskribieren 713 süffisant

gentlich 'Unterlage, Grundlage’, wörtlich 'Un¬ Wittern des Hundes, das einerseits zu 'suchen’,
tersatz’, zu 1. sedere 'sitzen’), vgl. sub- und zum andererseits zu 'führen’ werden kann.
Etymon sitzen. Nndl. zoeken, ne. seek, nschw. söka, nisl. scekja. S.
subskribieren swV. 'sich zum Kauf verpflich¬ besuchen, Exegese)-f), Sache ( + ).
ten’, s. deskribieren und sub-. Sucht /. Mhd. suht, ahd. suht, suft, as. suhl
Substantiv n. 'Hauptwort’, s. Substanz. aus g. *suhti- f. 'Krankheit’, auch in gt. sauhts,
Substanz /. Im Mittelhochdeutschen (mhd. anord. sott, ae. -siht, afr. sechte. Das Wort ge¬
substanz[je]) entlehnt aus gleichbedeutend 1. hört zu der unter siech behandelten Grundlage.
substantia, zu 1. substäre 'darin vorhanden sein’, Nndl. zucht, nschw. sot. S. Seuche, siech.
zu 1. störe 'stehen’ (s. auch sub-). Dazu Substan¬ suckeln swV. Erst neuhochdeutsche Intensiv¬
tiv (wörtlich: 'Wort mit Inhalt’). bildung zu saugen (s. d.).
Morphologisch zugehörig: substantial, Substantialität, Süd m., s. Süden.
substantiell; etymologisch verwandt: s. Arrest.
sudeln swV. Mhd. sudelen. Bei der Sippe die¬
substituieren swV. 'ersetzen', fachsprachl. Im
ses Wortes haben sich offenbar zwei Wurzeln
17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. substi- vermischt. Zum einen führt eine Bedeutung
tuere (substitütum) (wörtlich: 'unter etwas stel¬
'Koch’, vgl. spmhd. sudeier 'Garkoch’, ebenso
len’), zu 1. statuere 'hinstellen, aufstellen’ (s.
mhd. sudel 'Koch’ und mhd. sudelen 'kochen’
auch sub-), zu 1. sistere 'stellen’, zu 1. stäre
offensichtlich zu einer Ableitung von sieden
'stehen’.
(s. d.). Zum anderen dürfte mhd. sudel 'Lache,
Morphologisch zugehörig: Substituent, Substitut, Sub¬ Pfütze’, ae. gesyd 'Suhle’ und sudeln 'schmieren,
stitution:; etymologisch verwandt: s. Arrest.
unsaubere Arbeit machen’ wohl zu einer schwer
subsumieren swV. 'unter einem Oberbegriff abgrenzbaren Wurzel *seu- mit entsprechenden
zusammenfassen’, s. konsumieren und sub-. Bedeutungen gehören, vgl. etwa gr. hyle 'Mate¬
subtil Adj. 'fein, differenziert’, sondersprachl. rie, Bodensatz, Schlamm’. Wenn Sudel später
Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬ als 'Schmutzkoch’ erklärt wird, dann hat offen¬
deutend 1. subtTlis (wörtlich: 'untergewebt, fein¬ bar der Einfluß der zweiten Sippe gewirkt, was
gewebt’), zu 1. tela 'Gewebe’, zu 1. texere sicher zum Untergang des Wortes geführt hat.
(textum) 'weben, flechten’. S. Sutter.
Morphologisch zugehörig: Subtilität; etymologisch Süden m. Das Substantiv ist wie die zugehöri¬
verwandt: s. Text. gen Adverbien früh von den (seefahrenden)
subtrahieren swV. 'abziehen’, s. abstrakt und Niederländern entlehnt (in der ndd. Form sud
sub-. seit dem 12. Jh., in der ndl. Form süd seit dem
Subvention /. 'Unterstützung aus öffentlicher 15. Jh.). Auszugehen ist von g. *sunpa- (usw.)
Hand’, fachsprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus in anord. süör n., ae. (Adv.) süp, afr. süth, as.
gleichbedeutend 1. subventio (-önis), zu 1. sub- süth Adv., dann ndd. weiter süd, nndl. zuid.
venire (subventum) 'zu Hilfe kommen, beiste¬ Das Substantiv 'Süden’ ist überall jünger als die
hen, (wörtlich: unten an etwas hinzukommen)’, Adverbien ('südwärts, von Süden’). Herkunft um¬
zu 1. venire 'kommen’ (s. auch sub-). stritten. Da Osten als 'Morgenröte’, Westen wohl
Etymologisch verwandt: s. Advent. als 'Abend, (Sonnenuntergang)’ zu erklären ist,
leuchtet eine Verbindung mit dem Wort für Sonne
subversiv Adj. 'umstürzlerisch’, sonder sprachl.
am ehesten ein (adverbial: zur Sonne — beim
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
Höchststand — hin, von der Sonne her). Wohl
subversive, einer Neubildung zu 1. subvertere
kaum als Gegensatz zu Norden (eigentlich 'links/
(subversus) 'umkehren, Umstürzen’, zul. vertere
unten’) zu *sup- 'oben’ (1. super, gr. hyper, hyper),
'drehen, wenden, umkehren’ (s. auch sub-).
da dieses in dieser Form im Germanischen sonst
Morphologisch zugehörig: Subversion', etymologisch
nicht bezeugt ist, und da die abstrakte Bezeich¬
verwandt: s. Vers.
nung für Norden wohl eher davon rührt, daß
suchen swV. Mhd. suochen, ahd. suohhen, as.
'Mitternacht’ nicht nach einem konkreten Son¬
sökian aus g. *sök-eja- swV. 'suchen’, auch in
nenstand (oder einer anderen am Tage sichtbaren
gt. sökjan, anord. scekja, ae. secan, afr. seka,
Erscheinung) benannt werden kann.
seza. Im germanischen Verbalsystem sieht das
H. Schröder GRM 17 (1929), 421 -427.
Verb aus wie ein Faktitivum zu g. *sak-a- stV.
Südwester m. 'Ölhut’, fachsprachl., ndd. In
'rechten, streiten’ (s. Sache), doch ist es außer¬
hochdeutschen Texten bezeugt seit dem 19. Jh.
germanisch besser vergleichbar als dieses, so
Benannt ist das Kleidungsstück danach, daß es
daß die morphologische Analyse offen bleiben
vor den Südweststürmen schützen soll.
muß. Vgl. 1. sägire 'spüren, wittern’, air. saigid
Kluge (1911), 770.
'sucht, erstrebt’, gr. hegeomai 'ich gehe voran,
führe’, heth. sak(k)-, sek(k)- 'wissen, erfahren, süffisant Adj. 'selbstgefällig, spöttisch’, son-
merken’. Ausgangsbedeutung ist also wohl das dersprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu-
Suffix 714 Sünde

tend frz. süffisant, dem PPräs. von frz. suffire Morphologisch zugehörig: sukzedieren, Sukzession;
'genügen’, dieses aus I. sufficere (dass., auch: etymologisch verwandt: s. Abszeß.
'hinlänglich darreichen’, wörtlich: 'unterbauen, Sultanine /. (= eine große Rosine), fach¬
den Grund legen’), zu 1. facere 'machen’ (s. sprachl. Neubildung des 20. Jhs. zu d. Sultan
auch sub-). (= ein Titel mohammedanischer Herrscher),
Morphologisch zugehörig: Süffisance, Süffisanz, suffi¬ dieses aus it. sultano m. (dass.), aus arab. sultän
zient; etymologisch verwandt: s. Fazit. — Brunt (1983), (dass., wörtlich: 'Herrschaft’). Gebildet in Ana¬
470. logie zu Rosine, wohl als Bezeichnung einer
Suffix n. 'am Ende angefügtes Wortbildungs¬ großen, besonders wohlschmeckenden Frucht.
element’, s. Affix und sub-, Morphologisch zugehörig: Sultanat. — Littmann
suffizient Adj. 'ausreichend’, s. süffisant. (1924), 70.

Suffragette /. 'Frauenrechtlerin’, fachsprachl. Sülze/.; obd. auch Sulz/. Mhd. sulz(e), sülze,
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ahd. sulza, as. sulta 'Salzwasser’. Die älteste
Suffragette, dieses aus ne. Suffragette (wörtlich: Bedeutung ist 'Salzwasser’, dann (aus sach¬
'Wahlrechtskämpferin’), zu e. suffrage 'Wahl¬ lichen Gründen) Übergang zur Bezeichnung
stimme’, dieses aus 1. suffrägium n. 'Stimme, gallertartiger Gerichte. Ableitung zu Salz (s. d.)
Abstimmung’. mit Ablaut.
Nndl. zult. - Heyne (1899/1903), II, 297; E. Seebold
suggerieren swV. '(beeinflussend) nahelegen’,
in: FS Matzel (1984), 127.
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Summe /. Im 13. Jh. entlehnt aus 1. summa
deutend 1. suggerere (suggestum) (wörtlich:
'unterlegen, von unten heranbringen’), zu 1. ge- 'Gesamtzahl’, ursprünglich 'die oberste (Zahl)’,
rere (gestum) 'tragen’ (s. auch sub-). da früher von unten nach oben addiert wurde.
Morphologisch zugehörig: suggestibel, Suggestibilität, Morphologisch zugehörig: Summa, Summand, summa¬
Suggestion, suggestiv; etymologisch verwandt: s. Regi¬ risch, Summarium, Summation.
ster. summen swV. Bezeugt seit spätmittelhoch¬
Suhle /. 'Sumpf, in dem sich Wild zur Küh¬ deutscher Zeit. Wohl lautmalende Bildung.
lung wälzt’, fachsprachl. Ursprungsgleich mit Dazu auch Gesums (s. d.).
Sole (s. d.) und Soll (s. d.), in dieser Form wohl Sumpf m. Mhd. sumpf aus *swump- wie das
unter dem Einfluß des Verbs suhlen (mhd. süln, ablautende ne. swamp zeigt. Herkunft unklar,
suln, ahd. bisulen, ae. sylian 'beschmutzen’) fest vgl. mit Rücksicht auf westfal. swampen 'auf-
geworden. und niedergehen’ die Sippe von schwanken.
S. auch sielen.
Sums m. 'unnötiges Gerede, Aufhebens’, ugs.
Sühne /. Mhd. süene, suone, ahd. suona, as. Ursprünglich aus Berlin, wohin es aus dem Jid¬
söna, mndd. sone, sune; dazu sühnen, mhd. süe- dischen gekommen ist (aus zumuss 'Speise aus
nen, ahd. suonen, as. (gi)sönian; ebenso afr. Obst oder Gemüse’, aus mhd. zuomüese, zuo-
söne und sena. Vergleichbar ist anord. söa 'op¬ muose n. 'Zukost’, eigentlich 'Zu-Mus’).
fern, töten’, so daß von 'Sühneopfer o. ä.’ aus¬
S. A. Wolf MS 72 (1962), 184f.
zugehen wäre. Da mittelniederdeutsch auch
Sund m. 'Meerenge’, sondersprachl. In früh¬
swone belegt ist, wird *swö- als Ausgangsform
neuhochdeutscher Zeit aus mndd. sunt aufge¬
angesetzt. Da weder Lautform noch Bedeutung
nommen, vgl. ae. anord. sund n. 'enger Zugang,
ausreichend gesichert werden können und auch
Zwischenraum’. Herkunft unklar, vielleicht eine
außergermanisch keine klare Anschlußmöglich¬
schwundstufige Bildung zu schwinden (s. d.).
keit besteht, ist die Etymologie unklar.
E. Schröder in: FS A. Bezzenberger(Göttingen 1921), 136.
Nndl. zoen. S. versöhnen.
Sünde /. Mhd. sünde, ahd. sunta, as. sundia.
Suite /. 'Zimmerflucht, Komposition aus nur
Die christliche Bedeutung 'Sünde’ auch in afr.
lose gefügten Sätzen’, sonder spracht. Im 17. Jh.
entlehnt aus gleichbedeutend frz. suite (wört¬ sende, ae. syn(n); sie ist abgeleitet von einem
lich: 'Folge’), dieses aus gallo-rom. *sequita germanischen Rechtswort für 'Schuld an einer
(dass.), zu 1. sequi 'folgen’. Tat’, das bezeugt ist in anord. syn 'Leugnung’,
ae. syn(n), afr. sinne und as. sundea. Es ist
Morphologisch zugehörig: Suitier; etymologisch ver¬
wandt: s. assoziieren. — Brunt (1983), 470f. eigentlich ein Abstraktum zu g. *sanf>-/sund-
'wahr, seiend’, einem alten Partizip zu sein
Sujet n. 'Thema’, s. Subjekt.
(s. d.). Das Wort bedeutet also eigentlich 'der
sukzessiv Adj. 'allmählich, nach und nach’,
es (gewesen) ist’ und das Abstraktum 'das Ge¬
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
wesensein’. In der Bedeutung 'Wahrheit’ ist es
deutend spl. *successivus, zu 1. succedere (suc- auch in gt. sunja, anord. syn bezeugt.
cessum) 'folgen, nachfolgen, (wörtlich: von un¬
Nndl. zonde, ne. sin. S. sein (+). — E. Schöder ZVS
ten hervorgehen, hinaufsteigen)’, zu I. cedere 56(1928), 106-116; Th. Frings BGDSL-H 81 (1959)
'treten’ (s. auch sub-). 416 — 427; E. Seebold Sprache 15(1969), 14 — 45.
Sündenbock 715 suspekt

Sündenbock/. Üblich seit dem 18. Jh. Nach supplieren; etymologisch verwandt: s. Plenum. - Schir¬
dem Bock, den Aaron mit allen Sünden Israels mer (1912), 71.
beladen in die Wüste jagt (3. Mose 16,21 ff.). Supplikant m. 'Bittsteller’, arch. Im 16. Jh.
Übertragen für den Unschuldigen, der für die entlehnt aus gleichbedeutend 1. supplicätor, zu
Vergehen anderer herhalten muß. 1. supplicäre 'bitten, vor jmd. auf die Knie fal¬
Sündflut /., s. Sintflut. len’, zu 1. supplex 'demütig bittend’, zu 1. pläcäre
super- Präfix. Wortbildungselement mit den 'versöhnen, beschwichtigen, beruhigen’ (s. auch
Bedeutungen übergeordnet’ (z. B. Superordina¬ sub-), einem Kausativum zu 1. placere 'gefallen,
tion), 'sehr groß’ (z. B. Superlativ) und 'großar¬ gefällig sein’. Die Form im Deutschen ist ange¬
tig, fantastisch’ (z. B. superklug). Es wurde vor¬ glichen an Entlehnungen aus dem lateinischen
nehmlich in lateinischen Entlehnungen ins PPräs. (auf -ans, -antis).
Deutsche übernommen; sein Ursprung ist das Morphologisch zugehörig: Supplik, supplizieren; ety¬
mologisch verwandt: s. Plazet.
lateinische Adverb super 'oben, darüber, von
oben herab, über sich, über ... hinaus, jenseits’. supponicren swV. 'voraussetzen, annehmen’,
Etymologisch verwandt: hyper-, Sopran, Soubrette, s. Position und sub-.
souverän, superb, supra-\ zum Etymon s. über. supra- Präfix. Wortbildungselement mit der
superb Adj. 'vorzüglich’, sonder sprach!. Im 17. Bedeutung 'über, oberhalb’ (z. B. supranatio¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. superbe, nal). Es wurde vornehmlich in neologischen
dieses aus 1. superbus (dass.), zu 1. super 'oben, Bildungen verwendet; sein Ursprung ist 1. suprä
darüber, obenauf’. Adv., Präp. (dass.), zu 1. superus 'oben befind¬
Etymologisch verwandt: s. super-, lich, von oben herab’, zu 1. super 'oben heraus,
Superlativ m. 'Höchststufe’, fachsprachl. Im darüber heraus, oberhalb, jenseits’.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. super läti- Etymologisch verwandt: s. super-.

vus, dem PPP. von 1. superferre (superlätum) surfen sw V. (= eine Art zu segeln, wellenrei-
'darübertragen, darüberlegen’, zu 1. ferre 'tra¬ ten), fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleich¬
gen’ (s. auch super-). bedeutend ne. surf, zu e. .sur/ 'Brandung’, dessen
Morphologisch zugehörig: Superlativ, Superlativismus', weitere Herkunft nicht geklärt ist. Zunächst
etymologisch verwandt: s. Differenz. Bezeichnung für das Wellenreiten mit einem
Supermarkt m. 'großer Selbstbedienungsla¬ Brett; dann auch übertragen auf das Segeln mit
den’, s. super- und Markt. besonderen Sportgeräten in Binnengewässern.
supfen swV. 'schlürfend trinken’, reg. Mhd. Morphologisch zugehörig: Surfer, Surfing.

supfen. Intensivum zu dem unter saufen (s. d.) Surrealismus m. fachsprachl. Im 20. Jh. ent¬
dargestellten starken Verb. lehnt aus frz. surrealisme, dieses aus frz. rea-
Bahder (1925), 116. lisme 'Realismus’ (s. real) und frz. sur 'über’.
Supinum n. ( = eine Verbalsubstantivform), Dazu dann rückgebildet surreal, das im Franzö¬
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. sischen kein Vorbild hat.
supinum (verbum), zu 1. suplnus 'rücklings, surren swV. Bezeugt seit dem 17. Jh. und
rückwärts gebogen’. So bezeichnet nach ent¬ sicher lautmalend. Ähnliche Schallwörter auf
sprechend gr. hyptios 'zurückgebogen’, dessen einer Grundlage *sur- oder *swer- sind weit
Bezeichnungsmotiv nicht zweifelsfrei geklärt ist. verbreitet, ohne besonders naheliegende Ver¬
Suppe/. Ursprünglich niederdeutsches Wort, gleichsmöglichkeiten zu bieten. Vgl. sirren.
das unter zusätzlichem Einfluß von frz. soupe Surrogat n. 'nicht vollwertiger Ersatz’, fach¬
(das aus dem Niederdeutschen entlehnt ist) in sprachl. Neubildung des 18. Jhs. zu 1. surrogäre,
die Hochsprache übernommen wurde. Zu subrogäre (subrogätum) 'jmd. an die Stelle eines
mndd. supen, der Entsprechung zu saufen (s. d.) anderen wählen lassen’, zu 1. rogäre 'etwas ho¬
in der Bedeutung 'etwas Flüssiges mit dem Löf¬ len, jmd. fragen, vorschlagen’ (s. auch sub-),
fel essen’. Die echt hochdeutsche Form in ahd. das mit 1. regere 'leiten’ verwandt ist.
süfilTn n. 'Süppchen’. Morphologisch zugehörig: Surrogation', etymologisch
Eine Herleitung von frz. soupe aus 1. suppedare 'eintau- verwandt: s. Adresse.
chen’ versucht mit beachtlichen Gründen H. Meier RF
Surtaxe /. 'zusätzliche Steuer’, s. Taxe und
98 (1986), 245 — 249. Die kulturgeschichtlichen Zusam¬
menhänge sind noch nicht ausreichend geklärt. super-.

Supplement n. 'Ergänzungsband’, fach¬ suspekt Adj. 'verdächtig, fragwürdig’, sonder-


sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend 1. suspec¬
1. supplementum, zu 1. supplere 'ergänzen, wieder tus, dem PPP. von 1. suspicere (suspectum) 'be¬
vollmachen’, zu 1. plenus 'voll’. argwöhnen, aufwärts sehen’, zu 1. specere 'se¬
Morphologisch zugehörig: Suppleant, supplementär, hen’ (s. auch sub-).
Supplent, Suppletion, Suppletivismus, supplelorisch. Etymologisch verwandt: s. Spektakel.
716 Synagoge
suspendieren

suspendieren swV. 'vom Dienst vorüberge¬ da man einen Ring usw. zerbrach und die Teile
hend beurlauben’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. als Erkennungszeichen vergab; bei einem späte¬
suspendere (suspensum ) 'in der Schwebe halten, ren Treffen fügte man die Teile zusammen, wo¬
aufheben, aufhängen’, zu 1. pendere herunter¬ bei sich zeigte, ob sie vom selben Ganzen
hängen lassen, wägen, abwägen’ (s. auch sub-). stammten oder nicht.
Morphologisch zugehörig: Symbolik, symbolisieren,
Morphologisch zugehörig: Suspension, suspensiv, Sus¬
Symbolismus, Symbolist', etymologisch verwandt, s.
pensorium', etymologisch verwandt: s. Pensum.
Parabel.
süß Adj. Mhd. süeze, suoze, ahd. s(w)uozi,
Symmetrie /. 'spiegelbildliche Gleichheit’,
as. swöti aus g. *swötu- Adj. 'süß', auch in
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
anord. scetr, ae. swöt. Außergermanisch verglei¬
deutend 1. symmetria, dieses aus gr. symmetria
chen sich 1. suävis 'süß’ (übertragen), gr. hedys,
(wörtlich: 'richtiges Verhältnis’), zu gr. symme-
ai. svädit-, Vermutlich als *swä-d-u- 'Saftge¬
tros 'abgemessen, verhältnismäßig, ebenmäßig’,
schmack gebend’ zu einem Wort für 'Saft’ (ae.
zu gr. metron n. 'Maß, Maßstab (s. auch syn-).
seaw, ahd. sou) und der Wurzel *dö 'geben’.
Morphologisch zugehörig: symmetrisch; etymologisch
Nndl. zoet, ne. sweet, nschw. söt, nisl. scetur. S. Mäde¬
verwandt: s. Metrik. — G. Schoppe ZDW 15(1914),
süß.— W. Armknecht: Geschichte des Wortes 'süß’
(Berlin 1936); E. Seebold in: FS Matzel (1984),
212.
121-123. Sympathie /. 'freundliche, positive Einstel¬
lung zu etwas bzw. jmd.’. Im 17. Jh. entlehnt
Sutane /., s. Soutane.
aus gleichbedeutend 1. sympathia (wörtlich: die
Sutter m. 'Sumpf, Tabakjauche’, arch. Erwei¬
natürliche Übereinstimmung mehrerer Dinge’),
tert aus mhd. sut(t)e f. 'Lache, Pfütze’, das
dieses aus gr. sympqtheia (dass.), zu gr. sympa-
wohl zur gleichen Grundlage wie Sudel gehört
thes 'mitleidend, mitfühlend’, zu gr. päthos n.
(s. sudeln). 'Erleiden, Erdulden, Gemütsbewegung, Affekt,
Sweater m. 'Pullover’. Im 19. Jh. entlehnt Leidenschaft’ (s. auch syn-).
aus gleichbedeutend ne. sweater, zu e. sweat Morphologisch zugehörig: Antipathie, sympathetisch,
'schwitzen’, aus ae. swätan (dass.), zu ae. swät Sympathikus, Sympathisant, sympathisieren; etymolo¬
n. 'Schweiß’. Ursprünglich ein Kleidungsstück, gisch verwandt: s. Pathos. — G. Schoppe ZDW
das bei körperlicher Betätigung getragen wurde, 15(1914), 212.
damit man schwitzt und Gewicht verliert; dann Symphonie /., s. Sinfonie.
übertragen auf solche Kleidungsstücke, die vor
Symposion n. 'Zusammenkunft zur fachlichen
oder nach dem Sport angezogen werden, um
Diskussion’, sonder spracht. Im 20. Jh. entlehnt
Erkältungen vorzubeugen. Schließlich allge¬
aus gleichbedeutend ne. Symposium, dieses aus
mein 'Pullover’.
1. Symposium, Symposion 'Gastmahl’, aus gr.
Morphologisch zugehörig: Sweatshirt; zum Etymon s.
sympösion (dass., wörtlich: 'zusammentrinken’),
Schweiß1.
zu gr. sympinein 'mittrinken, zusammen trin¬
Swimmingpool m. 'Schwimmbecken’. Im 20. ken, an einem Gelage teilnehmen’, zu gr. pinein
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. swimming 'trinken’ (s. auch syn-).
pool, aus e. swim 'schwimmen’ (s. schwimmen) Morphologisch zugehörig: Symposium.
und e. pool 'Teich, Pfütze’ (s. Pfuhl).
Symptom n. 'Anzeichen’. Im 18. Jh. entlehnt
Swing m. (= ein Tanz, dann ein Jazzstil), aus gr. symptöma 'Begebenheit, Eigenschaft,
fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ Zufall’, zu gr. symptptein 'sich ereignen, Zusam¬
deutend ne. swing (wörtlich: 'das Schwingen’), mentreffen, zusammenfallen’, zu gr. pfptein 'ge¬
einer Ableitung von e. swing 'schwingen’ (s. raten, herabfallen, stürzen’ (s. auch syn-).
schwingen). Morphologisch zugehörig: Symptomatik; zum Etymon
Symbiose /. 'für alle Beteiligten vorteilhafte s. Feder.
Verbindung’, fachsprachl. Entlehnt aus gr. sym- syn- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
blösis 'Zusammenleben’, zu gr. symbios 'zusam¬ deutung 'gemeinsam, mit zusammen’ (z. B. syn¬
menlebend’, zu gr. bios m. 'Leben’ (s. auch syn-). onym, Synthese). Es wurde vornehmlich in grie¬
Morphologisch zugehörig: Symbiont; etymologisch chischen Entlehnungen ins Deutsche übernom¬
verwandt: s. Amphibie. men; sein Ursprung ist gr. syn, xyn. — Die
Symbol n. 'Sinnbild, Zeichen’. Im 16. Jh. ent¬ Assimilationsformen lauten: vor Labialen: sym-
lehnt aus gleichbedeutend 1. symbolum, dieses (z. B. Symbol, symmetrisch, Sympathie); vor /l/:
aus gr. symbolon (dass., eigentlich: 'Erken¬ syl- (z. B. syllogistisch); vor /s/: sy(s) (z. B. Sy-
nungszeichen zwischen Gastfreunden zur späte¬ stem).
ren Wiedererkennung’), zu gr. symbällein 'zu¬ Synagoge /. (= das jüdische Gebetshaus),
sammenbringen, zusammenwerfen’, zu gr. bäl- sondersprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd.
lein 'treffen, werfen’ (s. auch syn-). So benannt. sinagöge) entlehnt aus gleichbedeutend kirchen-
Synästhesie 717 Szepter

1. synagöga, dieses aus ntl.-gr. synagögt (dass., synonymique, dieses aus 1. synönymus (dass.),
auch: 'Versammlungsort, Versammlung’), zu gr. aus gr. synönymos (dass.), zu gr. önoma 'Name,
synägein 'zusammenführen’, zu gr. ägein 'füh¬ Benennung, Wort’ (s. auch syn-).
ren' (s. auch syn-)
Morphologisch zugehörig: Synonym, Synonymie, Syn¬
Morphologisch zugehörig: synagogal; etymologisch onymik; etymologisch verwandt: s. anonym. Ersatzwör¬
verwandt: s. Antagonismus. ter sind gleichbedeutend und sinnverwandt.
Synästhesie /. 'Vermischung von Sinnesein¬ Synopse /. 'vergleichende Gegenüberstel¬
drücken’, fachsprachl. Entlehnt aus gr. syn- lung’, sondersprachl. Entlehnt aus 1. synopsis
aisthesis 'Mitempfinden, gleichzeitige Wahrneh¬ kurzes Verzeichnis, Entwurf, Abriß’, aus gr.
mung’, zu gr. synaisthänesthai 'zugleich wahr¬ synopsis 'Übersicht, Überblick’, zu gr. öpsis 'Se¬
nehmen, mit jmd. fühlen’, zu gr. aisthänesthai hen, Erblicken’ (s. auch syn-), zu gr. öpöpa Perf.
'fühlen, wahrnehmen, empfinden’ (s. auch syn-). 'ich beobachte, nehme wahr, sehe’.
Morphologisch zugehörig: synästhetisch; etymologisch Morphologisch zugehörig: Synoptik.
verwandt: Ästhetik.
Syntagma n. 'Wortverbindung’, s. Syntax.
synchron Adj. 'gleichzeitig’, sondersprachl.
Neubildung zu gr. syn 'zusammen’ und gr. chrö- Syntax /. '(Lehre vom) Aufbau von Sätzen’,
nos 'Zeit’. fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Morphologisch zugehörig: Synchronie, Synchronisa¬ deutend gr. syntaxis (wörtlich: 'Zusammenord¬
tion, Synchronismus, Synchrotron; etymologisch ver¬ nung’), zu gr. täxis 'Ordnung’ (s. auch syn-), zu
wandt: s. Chronik. gr. tässein 'ordnen’.
Syndikat n. 'Verkaufskartell’, fachsprachl. Im Morphologisch zugehörig: Syntagma, Syntaktik; ety¬
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. syndi- mologisch verwandt: Hypotaxe, Parataxe, Taktik, Ta¬
xonomie. — E. Leser ZDW 15 (1914), 82f.; G. Schoppe
cate, dieses aus frz. syndicat m. (wörtlich:
ZDW 15 (1914), 213.
'Rechtsbeistand’), dieses aus 1. syndicus m.
'Rechtsbeistand’, aus gr. syndikos m. (dass.), zu Synthese f. 'Vereinigung, Verbindung’, fach¬
gr. deiknynai 'zeigen, vorzeigen’ (s. auch syn-). sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Morphologisch zugehörig: Syndikalismus, Syndikalist, 1. synthesis, dieses aus gr. synthesis (dass.), zu
Syndikat, Syndikus; etymologisch verwandt: s. apodik¬ gr. syntithenai 'zusammenstellen’, zu gr. tithenai
tisch. — Schirmer (1912), 187. 'setzen, stellen, legen’ (s. auch syn-).
Syndrom n. 'komplexes (Krankheits)Bild’, Morphologisch zugehörig: Synthesizer, Synthetik, syn¬
fachsprachl. Entlehnt aus gr. syndrome f. 'An¬ thetisieren, Syntheton; etymologisch verwandt: s. These.
häufung, Zusammenlauf, Zusammenströmen’, Syphilis/. (= eine chronisch verlaufende Ge¬
zum Suppletivstamm von gr. syntrechein 'sich schlechtskrankheit), fachsprachl. Nach dem Ti¬
vereinigen, zusammenlaufen, mitlaufen’, zu gr. tel eines lateinischen Lehrgedichts des 16. Jhs.,
trechein 'laufen, eilen, rennen’ (suppletiv in dem die Geschichte des geschlechtskranken
edramon usw., s. auch syn-). Hirten Syphilus erzählt wird. 1530 von dem
G. Preiser MJ 1 (1966), 235-239.
Veroneser Arzt Fracostoro eingeführt.
synergetisch Adj. 'mitwirkend’, s. Energie und F. Burg ZDW 12(1910), 302.
syn-.
System n. 'Schema, Gefüge, Form’. Im Früh¬
Synkope /. 'rhythmische Verschiebung, Aus¬ neuhochdeutschen entlehnt aus gleichbedeu¬
fall eines unbetonten Vokals’, fachsprachl. Ent¬ tend 1. systema, dieses aus gr. systema (dass.,
lehnt aus spl. syncope, syncopa 'Verkürzung wörtlich: 'gegliedertes Ganzes’), zu gr. synistä-
eines Wortes in der Mitte’, zu gr. synköptein nai 'zusammenstellen’, zu gr. histänai 'stellen,
'zusammenschlagen’, zu gr. köptein 'schlagen, aufstellen’ (s. auch syn-).
stoßen, hauen’ (s. auch syn-).
Morphologisch zugehörig: Systematik, systematisieren,
Etymologisch verwandt: s. Komma.
systemisch, Systemoid; etymologisch verwandt: Ek¬
Synode /. 'beschließende Versammlung von stase, Metastase; zum Etymon s. stehen.
Klerikern’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Szene /. 'kleine Handlungseinheit, Schau¬
gleichbedeutend 1. synodus, dieses aus gr. syn-
platz’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
odos (dass., wörtlich: 'Zusammenkunft’), zu gr.
frz. scene, dieses aus 1. scena, scaena (dass.,
hodös 'Weg, Gang’ (s. auch syn-).
wörtlich: 'die Bühne des Theaters’), aus gr.
Morphologisch zugehörig: synodal. Synodale, syn-
odisch; etymologisch verwandt: s. Methode. — G.
skene (dass., wörtlich: 'Zelt, Hütte’).
Schoppe ZDW 15 (1914), 212. Morphologisch zugehörig: Szenar, Szenario, Szenarist,
Szenarium, Szenerie; etymologisch verwandt: inszenieren.
synonym Adj. 'gleichbedeutend', fachsprachl.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Szepter n., s. Zepter.
T
Tabak m. (= eine nikotinhaltige Pflanze). Tacho m. 'Geschwindigkeitsmesser’, ugs.
Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span. Kurzform von Tachometer, einer Neubildung
tabaco, das wohl aus einer nicht näher festste¬ des 20. Jhs. zu gr. tachys 'schnell’ und gr. metron
henden Indianersprache stammt. Die Form To¬ n. 'Maß’. Das Wort wird häufig im Sinn von
bak nach ne. tobacco (dass.). 'Kilometerzähler’ verwendet, weil Geschwin¬
Morphologisch zugehörig: Tabatiere. — Littmann digkeitsmesser und Kilometerzähler ein kombi¬
(1924), 146, 149; R. Loewe ZVS 61 (1933), 61 -67; E. niertes Gerät bilden.
Öhmann NPhM 41 (1940), 36. Etymologisch verwandt: s. Metrik. — Trier (1981), 81.

Tabelle /. 'Auflistung in Spalten’. Im 17. Jh. Tadel m. Mhd. tadel m./n., übernommen aus
entlehnt aus 1. tabella 'Niederschrift, Gedächt¬ dem Niederdeutschen, die hochdeutsche Ent¬
nistäfelchen, Brettchen’, einem Diminutivum zu sprechung dazu in ahd. zädal, mhd. zadel, zädel
1. tabula 'Brett, Tafel, Verzeichnis’. 'Mangel’. Hierzu ae. tcelf. 'Tadel, Verleumdung,
Morphologisch zugehörig: tabellarisch, Tabellarium, Spott’. Herkunft unklar.
tabellieren, Tabellierer, etymologisch verwandt: Ta¬ Tafel /. Mhd. tavel(e), ahd. tavala, tabela.
bleau, Tablett, Tablette, Tabulator, Tabulatur, Tafel.
Entlehnt aus rom. tavola (it. tavola, frz. table)
Tabernakel n./m. 'Schrein für die geweihten aus 1. tabula 'Brett’. Eine schon früher erfolgte
Hostien’, fachsprachl. Im Mittelhochdeutschen Entlehnung aus dem gleichen Wort ergibt ahd.
(mhd. tabernakel m. 'Zelt’) entlehnt aus 1. taber- zabal n., mhd. zabel n., vor allem in schachzabel
näculum rt. 'Schauhütte, Bude, Hütte’, zu 1. ta- 'Schachbrett’.
berna f. 'Bretterhütte, Bude, Laden’, zu 1. trabs S. Tabelle ( + ).
f 'Balken’ (mit Dissimilierung aus *traberna).
Taft m. (= ein Stoff aus Seide), fachsprachl.
Tableau n. 'Gemälde, Schilderung, Über¬ Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. taf-
sicht’, s. Tablett. feta, dieses aus pers. täftä 'eine Art Gewand’,
Tablett n. 'Servierbrett’. Im 18. Jh. entlehnt wörtlich 'gewebt’, zu pers. täftän 'drehen, wen¬
aus gleichbedeutend frz. tablette f, zu frz. table den, weben’.
f. 'Brett, Diele’, aus 1. tabula f. (dass., auch: Tag m. Mhd. tac, tag, ahd. tag, as. dag aus
'Tafel’). Dazu Tablette 'scheibchenförmige Arz¬ g. *daga- m. 'Tag’, auch in gt. dags, anord. dagr,
nei’, so benannt als „Arznei-Täfelchen“; ur¬ ae. dag, afr. dev, in der alten Zeit ist damit nur
sprünglich ein Diminutiv, wie auch Tableau, das die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnen¬
in der Bedeutung 'Gemälde’ seinen diminutiven untergang gemeint, erst später der Tag von 24
Charakter verliert. Stunden. Lautlich läßt sich das Wort an die
Morphologisch zugehörig: Tablar, etymologisch ver¬ Wurzel ig. *dheguh- 'brennen’ anschließen, vgl.
wandt: s. Tabelle. ai. dähati, toch. A. B. tsärk-, \.fo\ere 'wärmen’,
Tablette /., s. Tablett. 1. foculum n. 'Feuerpfanne’, 1. favtlla f. 'Asche’,
Tabu rt. 'Verbot’, sonder spracht. Im 19. Jh. lit. degti, vermutlich auch akslav. zesti (mit As¬
emtlehnt aus gleichbedeutend frz. tabou m. und similation des Anlauts) und gr. tephrä f.
ne. taboo, diese aus einer Eingeborenensprache 'Asche’. Zu beachten ist aber auch das rei¬
Polynesiens. Zunächst Bezeichnung für ge¬ mende ai. ähar- n. 'Tag’, das keine weitere Ver¬
weihte Dinge, die dem weltlichen Zugriff entzo¬ gleichsmöglichkeit hat. Falls unmittelbar zu
gen waren. brennen’ gehörig kann die Bedeutung des ger¬
manischen Wortes auf 'helle, heiße Tageszeit’
Morphologisch zugehörig: tabu, tabuieren, tabuisieren.
- G. Kahlo MS (1961), 32; Lokotsch (1975), 156. zurückgeführt werden (vgl. lit. dägas 'Sommer¬
hitze’); denkbar ist auch, daß ursprünglich der
Tabulator m. 'Vorrichtung für das Vorrücken
Tagesanbruch so genannt wurde (vgl. es tagt)
auf bestimmte Spaltenpositionen’, s. Tabelle.
und die spätere Bedeutung durch Verallgemei¬
Tacheles in der Wendung Tacheles reden 'un¬ nerung entstand.
verblümt seine Meinung sagen’, ugs. Entlehnt Nndl. dag, ne. day, nschw. dag, nisl. dagur. S. auch
aus wjidd. tachles 'Zweck’, wjidd. tachles reden Mittag, Teiding. — Wünschmann (1966), 15f.
'zur Sache kommen’. Dieses aus hebr. takllt Tagebuch n. Im 17. Jh. übersetzt aus ml.
'Ende, Äußerstes’, dann auch 'Zweck’. diurnalis (s. Journal) oder 1. diurnum (commen-
tagen 719 Talg

tariolum) zu 1. dies f,Im. 'Tag'. Dies ist seiner¬ Taktik / 'geplantes Vorgehen’. Im 18. Jh.
seits eine Lehnübersetzung von gr. ephemeris f. entlehnt aus gleichbedeutend frz. tactique, die¬
Tagebuch' zu gr. hemeräf. 'Tag'.
ses aus gr. taktike (techne) (dass., wörtlich:
tagen swV. In der Bedeutung 'eine Tagung Lehre von der Anordnung’), zu gr. taktikös
halten' kommt das Wort im 14. Jh. im aleman¬ die Aufstellung eines Heeres betreffend’, zu gr.
nischen Gebiet aut. Die Bedeutung ist abhängig tättein, tässein 'anordnen, aufstcllen’. Zunächst
von Tag im Sinne von 'Termin'. In der Bedeu¬ beschränkt auf den militärischen Bereich; dann
tung 'Tag werden’ liegt eine ältere Bildung Verallgemeinerung.
vor (mhd. tagen, tegen, ahd. tagen, ae. dagian, Etymologisch verwandt: s. Syntax.
anord. daga).
Tal n., regional auch m. Mhd. ahd. tal m./n.,
Tagesordnung/. Im 18. Jh. übersetzt aus frz. as. dal aus g. *tlala- m./n. 'Tal’, auch in gt.
ordre dujour m., das seinerseits auf ne. order of dal, anord. dalr in., ae. diel. Außergermanisch
the day zurückgeht. vergleichen sich akslav. dolü m. 'Grube’ (russ.
W. Feldmann ZDW 13 (1912), 279f. dol m. 'Tal’), kymr. döl 'Wiese, Tal’ und viel¬
täglich Ad], Mhd. tegelich, tagelich, ahd. taga- leicht, falls von 'Krümmung’ auszugehen ist, gr.
lih, tagolTh. Die Bildung ist vermutlich nicht thölos f. 'Rundbau, Kuppelbau’. Weitere Her¬
eine einfache Ableitung auf -lieh, sondern ver¬ kunft unklar.
kürzt aus (allero) tago gihwilih. Zu dieser Bil¬ Nndl. dal, ne. dale, nschw. dal, nisl. dalur. S. Delle.
dung vgl. männiglich (s. d.). Eine Steigerungs¬ Talar m. 'weite Amtstracht von Geistlichen
form ist tagtäglich, das seit dem 18. Jh. er¬ usw.’, fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus
scheint. gleichbedeutend it. talare f, dieses aus 1. täläris
Tagwerk n. 'Flächenmaß', bair. Mhd. f. 'langes, bis an die Knöchel gehendes Beklei¬
tagewerc, ahd. tagawerc, as. dagwerk', wie ae. dungsstück’, zu 1. täläris 'zu den Knöcheln ge¬
deegweorc eigentlich 'Arbeit des Tages’, übertra¬ hörig’, zu 1. tälus 'Fesselknochen, Sprungbein’.
gen: 'so viel Land, wie man an einem Tag bear¬ Etymologisch verwandt: Talon.
beiten kann’. Talent n. 'Begabung’. Im 17. Jh. entlehnt aus
Taifun m. (= ein tropischer Wirbelsturm), gleichbedeutend frz. talent m., dieses aus 1. ta-
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ lentum (= eine griechische Gewichtseinheit),
deutend ne. typhoon, typhon, dieses aus chin. aus gr. tälanton (dass., wörtlich: 'Waage’), zu
tai fang (dass., wörtlich: 'großer Wind’). gr. tlenai 'aufheben, tragen, wägen’. Die heutige
Kluge (1911), 771; H. Kahane/R. Kahane in: FS Wart¬ Bedeutung durch Übertragung der Bedeutung
burg (1958), 417-428; Lokotsch (1975), 157. 'anvertrautes Gut, übergebenes Vermögen’, die
Taille/. 'Gürtellinie’. Im 17. Jh. entlehnt aus das Wort im Neuen Testament hatte; somit ei¬
gleichbedeutend frz. taille, zu frz. tailler '(nach gentlich 'von Gott übergebene Fähigkeiten’.
einer Form) schneiden’, dieses aus 1. taliäre Zuvor im Deutschen bereits die ursprüngliche
'spalten’. Bedeutung.
Morphologisch zugehörig: Tailleur, taillieren; etymolo¬ K.-H. Weinmann DWEB 2 (1963), 406.
gisch verwandt: Detail (usw.), Teller. — Kluge (1911),
Taler m. Im 16. Jh. gekürzt aus Joachimstaler,
775f.; G. Schoppe ZDW 15 (1914), 213; Jones (1976),
gemeint ist eine Münze aus Joachimstaler Silber
615; Brunt (1983), 474.
(in Sankt Joachimsthal im Erzgebirge wird seit
Takel n. 'Tauwerk und Hebezeug des Schiffs’,
dem 16. Jh. Silber abgebaut). Als Münzname
fachsprachl., ndd. In hochdeutschen Texten seit
hat das Wort weite Verbreitung erfahren, am
dem 16. Jh. Mndd. mndl. takel. Zu me. takken
wichtigsten ist am. e. dollar, das über ndd. daler
'lose befestigen, heften’, das vielleicht weiter zu
entlehnt ist.
der Sippe von Zacken (s. d.) gehört.
Kluge (1911), 771 f. Talg m. Niederdeutsches Wort, das seit dem
16. Jh. auch in hochdeutschen Texten erscheint.
Takt m. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. täctus
Mndd. mndl. talch, entsprechend me. talgh,
'Berührung’ (zu 1. tangere 'berühren’), zunächst
anord. ablautend tolg f. Ae. teig, tcelg ist als
mit der gleichen Bedeutung. Daraus entwickelt
'Farbe, Beize’ überliefert, was sich vielleicht aus
sich im Deutschen die musikalische Sonderbe¬
Plinius (Naturalis historia 28,191) erklärt, der
deutung, zunächst im Sinn von 'Taktschlag’.
berichtet, daß Germanen und Kelten sich mit
Die Bedeutung 'Feingefühl’ geht letztlich auf
das gleiche Wort zurück, steht aber unter dem einer seifenartigen Mischung aus Talg und
Einfluß der französischen Bedeutungsentwick¬ Asche die Haare färben würden. Herkunft un¬
lung, die über 'tasten’ zu der übertragenen Be¬ klar, ein Zusammenhang mit gt. tulgus 'fest’
deutung kommt. ist denkbar, die Ausgangsbedeutung wäre dann
Etymologisch verwandt: s. Tangente. — G. Schoppe etwa 'steife Masse’.
ZDW 15 (1914), 213; Eggebrecht (1955), 50-55. Nndl. talk, ne. tallow, nisl. tölg.
Talisman 720 Tann

Talisman m. 'Glücksbringer’. Im 17. Jh. ent¬ Die übertragene Bedeutung schon im Französi¬
lehnt aus gleichbedeutend it. talismano, dieses schen.
aus arab. tilasm 'Zauberbild’, dieses über das Littmann (1924), 130f.; Lokotsch (1975), 158f.
Mittelgriechische aus gr. teletn 'in die Mysterien Tand m. Mhd. mndd. tant 'leeres Geschwätz,
einweihen, vollenden’, zu gr. telos n. 'Ende, Possen, Spielzeug’. Herkunft unklar, wohl ent¬
Zweck, Ziel’, zu gr. tellein 'vollenden’. lehnt (span, tanto 'Spielgeld’?). Hierzu tändeln
Etymologisch verwandt: [Teleologie], — Lokotsch und Tändelei seit dem 17. Jh.
(1975), 162.
Lühr (1988), 174f.
Talk m. (= ein weißes Mineral). Im 16. Jh.
tändeln swV, s. Tand.
zunächst als Neutrum übernommen aus frz.
talc, span, talco, die aus arab. talq gleicher Tandem n. 'Gefährt oder Maschine mit zwei
Bedeutung mit der Sache in Spanien entlehnt Komponenten’. Entlehnt aus gleichbedeutend
wurden. Seit dem 17. Jh. auch die latinisierte ne. tandem, dieses wohl aus 1. tandem 'endlich,
Form Talkum (talcum) n. zuletzt, doch endlich einmal’. Die Bedeutungs¬
Littmann (1924), 90; K.-H. Weinmann DWEB
entwicklung ist nicht ganz klar. Zunächst wohl
2 (1963), 406; Lüschen (1968), 330. verwendet im Sinne von 'hintereinander an¬
geordnet’ (z. B. für eine Kutsche mit zwei hin¬
Talk-Show /. 'Unterhaltungssendung mit
tereinander gespannten Pferden). Dann umin¬
mehreren Gesprächspartnern’. Im 20. Jh. ent¬
terpretiert als 'Zweier-’.
lehnt aus gleichbedeutend ne. talk show, zu e.
S. Thiemann SD 28 (1984), 75-78.
talk 'reden’, aus me. talkien, talken (dass.), zu
me. tale 'Erzählen, Erzählung, Geschichte’, aus Tang m. Im 18. Jh. entlehnt aus den nordi¬
ae. talu (dass.) (s. Show). schen Sprachen (ndn. lang, nschw. läng), in
Zum Etymon s. Zahl. denen es mit ostnordischem Übergang von ]>
Talmi n. 'Schmuck ohne besonderen Wert’, zu t aus anord. pang n. entstanden ist. Dieses
sonderspracht. Gekürzt aus nhd. Talmigold, ur¬ vermutlich zu der gleichen Grundlage */>enh-
sprünglich eine mit Gold plattierte Kupferlegie¬ wie dicht (s. d.).
rung, dann mit allgemeinerer Bedeutung ge¬ Tangente/. 'eine Kurve in einem Punkt berüh¬
braucht. Herkunft umstritten. rende Gerade’, fachsprachl. Neubildung des 18.
W. Seibicke MS 98 (1979), 33-44; J. Knobloch MS Jhs. zu 1. tangens (-entis) 'berührend’, dem
99 (1980), 179f. PPräs. von 1. tangere (täctum) 'berühren’.
Talon m. 'Kontrollabschnitt, Kartenrest’, Morphologisch zugehörig: tangential, tangieren; ety¬
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. mologisch verwandt: intakt, integer, integrieren (usw.),
talon (wörtlich: 'Rest’), dieses aus 1. tälus 'Fes¬ Kontakt, Kontamination, Kontiguität, Kontingent
(usw.), Takt, tasten (usw.), Taxe, Taxi, taxieren (usw.).
selknochen, Sprungbein, Ferse’. 'Ferse’ gilt in
— Schirmer (1911), 71.
Wendungen wie 'vom Scheitel bis zur Sohle/
Ferse’ als 'Ende’. Tango m. (= ein lateinamerikanischer Tanz).
Etymologisch verwandt: Talar. Entlehnt aus span, tango (dass.), das in Süd¬
amerika aufkam.
Tamburin n. 'Schellentrommel’, fachsprachl.
Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus gleich¬ Tank m. Im 18. Jh. in der Bedeutung 'Flüssig¬
bedeutend frz. tambourin m., einem Diminuti- keitsbehälter’ entlehnt aus ne. tank, das mit
vum zu frz. tambour m. 'Trommel’, dieses aus port. tanque auf hindl tänkh 'Wasserbehälter’
pers. tabu (dass.), in der Lautung angelehnt an zurückgeht. Es war zuvor schon im 17. Jh. in
arab. tunbür 'arabische Laute’. deutschen Reisebeschreibungen erwähnt wor¬
Morphologisch zugehörig: Tambour, Tambur. — Lo¬ den. Die Übertragung auf gepanzerte Kraft¬
kotsch (1975), 90f.; Jones (1976), 616; Relleke (1980), wagen erfolgte 1915 in England, wo aus Ge¬
120-123, 251 f. heimhaltungsgründen den Arbeitern, die die
Tampon m. 'Wattebausch o. ä. zum Aufsau¬ Teile herstellten, gesagt wurde, sie gehörten zu
gen von Flüssigkeiten’. Entlehnt aus gleichbe¬ Benzinbehältern. Das Wort ist später durch
deutend frz. tampon, einer Nebenform von frz. Panzer ersetzt worden.
tapon 'zusammengeknüllter Stoffklumpen, klei¬ Ganz (1957), 216; Lokotsch (1975), 159. Zur Bedeu¬
ner Pfropfen’, aus fränk. *tappo 'Zapfen’. tung 'Panzer’: W. Horn ASNSL 182(1943), 54.
Morphologisch zugehörig: Tamponade, Tamponage, Tann m. 'Wald', arch. Mhd. tan(n), ahd. in
tamponieren; etymologisch verwandt: s. Zapfen. — Rel¬ tan-esel Waldesel’, mndd. dan 'Wald’, entspre¬
leke (1980), 120-123, 25lf.
chend mndd. denne f. 'Lagerstätte, Niederung,
Tamtam n. 'Betriebsamkeit, Marktschreierei’, Waldtal', ae. denn n. 'Wildlager’. Außergerma¬
ugs. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. tamtam m. nisch entspricht vielleicht ai. dhänu- f. 'Sand¬
Gemeint ist eigentlich eine Art Gong, der in bank, Insel’, ai. dhänvan- n. 'dürres, trockenes
Indien lautmalend als tamtam bezeichnet wird. Land, Wüste’. Es kann also eine Bezeichnung
Tanne 721 tarnen

tür unzugängliches Gebiet vorliegen, deren wei¬ Tapezierer m., s. Tapete.


tere Herkunft unklar ist. Die Abgrenzung von
tapfer Adj. Mhd. tapfer, dapfer, ahd. tapfar
den Sippen von Tanne (s. d.) und Tenne (s. d.)
'schwer, gewichtig’, mndd. mndl. dapper aus g.
(und weiterem) ist aber keineswegs klar.
*dapra- Adj. 'schwer, gewichtig’, auch in anord.
Tanne /. Mhd. tanne, ahd. tanna, as. danna dapr 'traurig, betrübt’, ne. dapper 'gewandt’.
neben der/Bildung as. dennia. Vielleicht eine Die Ausgangsbedeutung ist schwer faßbar (die
Zugehörigkeitsbildung zu Tann (s. d.), also 'der heutige deutsche Bedeutung eigentlich erst seit
im Tann stehende Baum', während in der Neu¬ dem 15. Jh.), und die Bcleglage ist merkwürdig.
zeit Tann umgekehrt als 'Tannenwald' aufgefaßt Deshalb sind auch außergermanische Vergleiche
werden kann. Die nähere Verknüpfung mit ai. unsicher. Man zieht heran akslav. debelit 'dick’,
dhanvana- m. (ein Baumname) und ai. dhänu- apreuß. debtkan 'groß’, toch. A. tpcir, toch. B.
'Bogen’ (aus dem Holz des betreffenden Bau¬ tapre 'hoch’ (der Bedeutung nach paßt auch
mes gefertigt) ist kaum ausreichend zu stützen. akslav. dobrü gut’, cech. dobry auch in der
Tantalusqualen PL 'heftige Begierde nach et¬ Bedeutung 'tapfer’, doch wird dieses in der Re¬
was, das nahe, aber nicht erreichbar ist’, sonder- gel zu 1. faber 'Schmied’ gestellt, was von der
sprachl. So benannt nach Tantalus, einer Figur germanischen Sippe wegführt). Die Zusammen¬
der griechischen Sage, dessen Strafe für Frevel¬ hänge sind im einzelnen klärungsbedürftig.
taten es war, in der Unterwelt weder essen noch Nndl. ne. dapper, nisl. dapur.
trinken zu können, obwohl genügend vorhan¬
Tappe /. 'Pfote, Schlag mit der Pfote’, reg.
den war, da sich Wasser und Früchte zurückzo¬
Mhd. täpe. Lautmalend wie mit umgekehrter
gen, wenn er sich näherte.
Stellung it. patta, frz. patte, s. auch Pfote.
Tante /. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. tante, Hierzu das folgende. Abgeleitet ist fnhd. tappen
wodurch die alte Unterscheidung zwischen Base 'tastend oder ungeschickt gehen’.
'Vaterschwester’ und Muhme 'Mutterschwester’ S. Pfote, täppisch, Tatze.
endgültig aufgehoben wird. Das französische
täppisch Adj. Mhd. tcepisch; abgeleitet von
Wort ist eine kindersprachliche Spielform zu
mhd. täpe 'Pfote’ (s. Tappe), also eigentlich 'wie
afrz. ante (vgl. ne. aunt), das auf 1. amita 'Vater¬
mit der Pfote (statt mit der geschickten Hand)
schwester’ zurückgeht.
vorgehend’.
S. Tunte. - Brunt (1983), 474f.
S. Depp, Tappe (+).
Tantieme /. 'Gewinnbeteiligung, Vergütung
Tara /. '(Gewicht der) Verpackung einer
für die Verwertung von Kunstwerken’, fach-
Warejfachsprachl. Im 14. Jh. it. tara (wörtlich:
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
'Abzug für Verpackung’, arab. tarh 'Abzug’ zu
frz. tantieme m., zu frz. tant 'soviel’, aus 1. tantus
arab. taraha 'entfernen, wegwerfen’.
(dass.), zu 1. tarn 'so sehr, in dem Grade’.
Morphologisch zugehörig: tarieren.
Schirmer (1912), 188.
Tarantel /. 'große, giftige Spinne’, fach-
Tanz m. Mhd. tanz. Entlehnt aus afrz. danse
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
(wie tanzen aus danser). Das t- für d- legt die
it. tarantola, tarantella, angeblich so bezeichnet
Annahme nahe, daß die Entlehnung zunächst
nach Taranto (= Tarent).
ins Flämische erfolgte und von dort aus weiter
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 213.
verbreitet (und ins Hochdeutsche umgesetzt)
wurde. Die Herkunft des französischen Wortes Tarif m. 'Preis, Gebühr, festgesetzte Entloh¬
ist unsicher. nung’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
S. Kontertanz. — H. Meier/G. de Pefia ASNSL frz. tarif, dieses aus it. tariffa f. (dass.), aus
118 (1967), 321-344. arab. mV/‘Bekanntmachung’, zu arab. carrafa
‘bekanntmachen’.
Tapete /. 'papierene Wandverkleidung’. Im
Schirmer (1912), 188; Littmann (1924), 98f.; Lokotsch
15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ml. tapetia,
(1975), 160.
dieses aus 1. tapetum, tapete n. 'Wandteppich,
Teppich’, aus gr. täpes m. (dass.). Daraus auch tarnen swV. Nach dem ersten Weltkrieg wie¬
Tapet 'Teppich, Decke des Konferenztisches’, derbelebt, um im Krieg entlehntes frz. camoufler
heute noch in etwas aufs Tapet bringen 'zur zu ersetzen (ebenso Tarnung für Camouflage).
Sprache bringen’ (eigentlich: 'auf den Konfe¬ Voraus ging ahd. mhd. tarnen, ternen, as. der-
renztisch bringen’). Das /ts/<z> in tapezieren nian 'verbergen’ zu wg. *darnja- Adj. 'verbor¬
(usw.), ist darauf zurückzuführen, daß diese gen’ in ae. dyrne, afr. in dernfia 'verheimlichtes
Formen über das Italienische (it. tappezzare Gut’, as. darno, ahd. tarni 'verborgen’. Weiter
usw.) übernommen wurden. zu ae. darian 'verbergen’, dessen Herkunft un¬
Morphologisch zugehörig: Tapezierer, etymologisch klar ist.
verwandt: Teppich. S. Tarnkappe.
Tarnkappe 722 Tatzelwurm

Tarnkappe/. Mhd. tarnkappe zu wg. *darn-(j)a- afr. ded(e), h-Abstraktum zu tun (s. d.) mit
'verborgen’ (s. tarnen) und Kappe in der alten Ablaut.
Bedeutung 'Mantel’. Nach germanischem Nndl. daad, ne. deed, nschw. däd, nisl. däd. S. tun ( + ).
Volksglauben konnten sich elfische Wesen -tät Suffix. Dient vornehmlich der Bildung
durch das Überwerfen eines solchen Mantels substantivischer Eigenschaftsbezeichnungen aus
unsichtbar machen. Adjektiven (z. B. Aggresivität, Humanität), da¬
Hoops (1911/19), IV, 306; Kuhberg (1933), 62. neben finden sich auch Sach- und Gegenstand¬
Tarock m./n. (= ein Kartenspiel), fach- sbezeichnungen (z. B. Spezialität, Lokalität). Es
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend wurde in romanischen Entlehnungen (vornehm¬
it. tarocco m., dessen weitere Herkunft nicht lich frz. -te) ins Deutsche übernommen; sein
sicher geklärt ist. Beim Gebrauch als Orakel Ursprung ist 1. -tas (-tatis) (dass.).
wird auch die französische Form Tarot benützt. E. Öhmann NPhM 24(1923), 157 — 164; J. Holmberg
Lokotsch (1975), 159. BGDSL 61 (1937), 116-151; E. Öhmann NPhM
68(1967), 242-249; 72(1971), 540.
Tarot m./n. (= Spiel zum Kartenlegen), s.
Tarock. Tatarennachricht /. 'unverbürgte Schreckens¬
nachricht’, sonder sprach/. Seit dem 19. Jh. nach
Tartsche /. 'kleiner Rundschild’, arch. Im 13.
der 1854 in Bukarest ausgesprengten falschen
Jh. entlehnt aus afrz. targe, das seinerseits aus
Nachricht vom Fall Sebastopols, die an der
g. *targö entlehnt ist, vgl. ae. targe, anord. targa
Börse und in den Zeitungen die Runde machte.
'Rundschild, Schildrand’, ursprünglich 'Einfas¬
Ausgelöst wurde sie angeblich von einem tatari¬
sung’ (s. Zarge).
schen Postreiter.
Tasche /. Mhd. lasche, tesche, ahd. tasca,
tätowieren swV. 'die Haut dauerhaft mit Ver¬
zasca, as. dasga. Herkunft unklar. Gehört
zierungen versehen’. Im 18. Jh. entlehnt aus
wohl zusammen mit gleichbedeutendem it.
gleichbedeutend ne. tattou, tattoo, dieses aus
tasca, doch ist die Entlehnungsrichtung nicht
polyn. ta tatau, zu polyn. ta 'schlagen’ und
klar. Falls Erbwort, dann vielleicht mit Pisani
polyn. tatau 'Zeichen, Hautverzierung’.
(s. u.) als *dh3-skä zu *dhe 'legen, stellen’ (wie
Littmann (1924), 135f.; G. Kahlo MS (1961), 32; Lo¬
*ph-skä 'Flasche’ zu *ple- 'füllen’), doch gibt
kotsch (1975), 161.
es für diese Annahme keine ausreichende
Stütze. Tatsache f Bezeugt seit dem 18. Jh. Lehn¬
Nndl. tas. - E. Schröder ADA 23 (1897), 157; V. übersetzung aus ne. matter of fact, das seiner¬
Pisani ZVS 90 (1976), 18f. seits 1. res facti wiedergibt.
J. . Walz ZDW14 (1913), 9-16; PfafT(1933), 52; Ganz
Taß m. 'Scheunenfach für Getreide’, fach-
(1957), 217f.; R. Staats AB 17(1973), 145f.
sprachl., ndd. Aus mndd. tas n., mndl. tas 'Hau¬
fen, Schober’, dessen Herkunft nicht klar ist. tätscheln swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. als
H. Teuchert ZDM 18 (1923), 182f. Iterativbildung zu mhd. tetschen 'einen Schlag
geben’, das mit Tatsch, patsch u. ä. lautmalen¬
Tasse /. Im 16. Jh. zunächst als obd. tatse
der Herkunft ist.
entlehnt aus it. tazza 'Trinkschale’, später an
frz. fasse angeglichen. Ausgangspunkt ist arab. Tatterich m. 'Zittern der Hände’, ugs. (Behan¬
täs 'Schälchen’, das auf pers. täst 'Becken, delt wie ein Krankheitsname). Eigentlich Sub¬
Schale’ zurückgeht. stantivierung des Adjektivs tatterig 'zitterig’,
Lokotsch (1975), 160f. das zu regionalem tattern 'zittern, stottern’ ge¬
hört. Dieses ist eine lautsymbolische Bildung.
Tastatur /., s. Taste.
S. verdattert.
Taste /. Entlehnt im 18. Jh. aus it. tasto m.,
Tatze /. Mhd. tatze. Dem Lautstand nach
das zunächst den Griffsteg bei Saiteninstrumen¬
wohl zu einer verbalen Intensivbildung, die zu
ten bezeichnet. Dieses zu it. tastare 'fühlen,
Tappe (s. d.) oder zu mndd. tacken 'berühren,
greifen’ (s. tasten).
betasten’ gehören kann, ln beiden Fällen liegt
tasten swV. Mhd. tasten', über mndd. mndl. eine Lautmalerei für einen dumpfen Schlag oder
tasten entlehnt aus frz. taster, das wie it. tastare Tritt zugrunde.
auf ein erschlossenes lateinisches Verb *tastäre
A. Bach: Deutsche Mundartforschung (Heidelberg
zurückgeht, einem Intensivum zu 1. täxäre 'be¬ 21950), 319f.,ZDS 22(1966), 74-83, 179-191.
rühren, antasten’, das wiederum eine Iterativbil¬
Tatzelwurm m. 'Drache (im Volksglauben)’,
dung zu 1. tangere 'berühren’ ist.
arch. Wohl zu Tatze mit besonderer Komposi¬
S. Tangente ( + ), Taste.
tionsform (oder mit Diminutiv), evtl, auch
Tat/. Mhd. ahd. tät, as. däd aus g. *dädi- f. Übergang von n zu /, als 'ein Wurm ( =
'Tat’, auch in gt. gadefrs, anord. däd, ae. däd. Schlange) mit Tatzen’.
Tau
723 tauschen
Tau1 m. Mhd. ahd. tou n., md. auch m., as.
tauen swV. 'zu schmelzen anfangen’. Mhd.
in milidou aus g. *dauwa- n. 'Tau\ auch in
touwen, ahd. touwön u. ä., mndd. do(u)wen,
anord. dggg f, ae. deaw m./n., afr. däw n. Her¬
mndl. dauwen aus g. *pau-ja- swV. 'tauen’, auch
kunft unklar, am ehesten zu ahd. t(h)oum
in anord. peyja, ae. päwian. In dieser Form
Dampf, Dunst’, as. dömian 'dämpfen’ (mit an¬
nicht vergleichbar; entsprechende Bedeutungen
derer Vokalisierung zu 1. fümus 'Rauch, Dampf
auf einer Grundlage ig. *tä- in osset. thayun
usw. , mit unklarer Abgrenzung).
tauen, schmelzen’, akslav. tajati 'schmelzen’,
Nndl. dauw, ne. dew, nschw. dagg, nisl. dögg. S. Mehl¬
kymr. tawdd 'schmelzen’ und erweitert 1. täbes
tau, Sin(n)nau, tauen, taumeln ( + ).
Schmelzen, Fäulnis’, gr. tekö 'ich schmelze’.
Tau2 n. Im 16. Jh. aus dem Niederdeutschen Demnach ist für das Germanische wohl von
übernommen, mndd. touwe, tow, tau, as. tou *täu- auszugehen, entsprechend für anord. pida
Docht , afr. tow, tauw Tau’. Die weitere Ver¬ schmelzen, auftauen von *täi-7 Die lautlichen
knüpfung ist unklar. Gleichlautend ist ein Wort und morphologischen Einzelheiten sind aber
für 'Werkzeug, Gerät’, das zu g. *tau-ja- swV. dunkel. Die im Deutschen eigentlich zu erwar¬
machen, tun" (gt. taujan usw.) gehört, die Be¬ tende Lautform ist dauen, wie sie in verdauen
deutung von 'Tau’ müßte über 'Schiffsgerät (s. d.) tatsächlich vorliegt. Beim einfachen Verb
o. ä.’ gegangen sein, doch paßt dies schlecht zu hat offenbar die Assoziation mit Tau1 (s. d.) zu
den Einzelbedeutungen. Andererseits paßt in einer Umdeutung bei der Schreibung geführt.
der Bedeutung ae. teah, teag f 'Schnur’, anord. Nndl. dooien, ne. thaw, nschw. töa, nisl. peyja. - M.
taug f 'Strick’, die aber ein zusätzliches -g- Förster (1941), 728.
aufweisen. Vor weiteren Etymologisierungsver-
taufen swV. Im christlichen Sinn mhd. toufen,
suchen müssen die Zusammenhänge im einzel¬
töufen, ahd. toufen, as. döpian, afr. depa, deppa\
nen besser geklärt werden.
wozu Taufe, mhd. touf(e), ahd. toufi. Die Aus¬
S. auch Tüder.
gangsbedeutung 'eintauchen’ bieten gt. daupjan
taub Adj. Mhd. toub, toup, ahd. toub, mndd. (meist 'taufen’) und anord. deypa und die Inten¬
döf, mndl. doof aus g. *dauba- Adj. 'taub, gehör¬ sivbildung ae. dyppan, beide im Ablaut zu tief
los’, auch in gt. daufs, anord. daufr, ae. deaf (s. d.). Die Bedeutungsübertragung kann ent¬
afr. däf. Außergermanisch vergleicht sich gr. weder unmittelbar als Beschreibung des Vor¬
typhlös 'blind’ (und vielleicht air. dub gangs erfolgt sein oder (was wahrscheinlicher
schwarz), ausgehend von einer Bedeutung ist) den Zusammenhang von gr. baptizein 'tau¬
umnebelt, verwirrt’ (gr. typhomai 'ich rauche, fen’ und gr. bäptein 'untertauchen’ nachgebildet
qualme’). haben. Es ist deshalb möglich, daß der christli¬
Nndl. doof ne. deaf, nschw. döv, nisl. daufur. S. doof che Terminus vom Gotischen ausgegangen ist.
dumm, Taube, toben. Nndl. dopen, nschw. döpa. S. tauchen ( + ), tief(+). —
Taube f. Mhd. tübe, ahd. tüba, as. duba aus Frings (1932), 26.

g. *dübön f. 'Taube’, auch in gt. -dübo, anord. taugen swV., älter Prät.-Präs. Mhd. lugen,
düfa, me. douve (ae. das Lehnwort culfre). Das tilgen, ahd. tugan, as. dög (3. Sg.) aus g. *daug
Wort wird als 'die Dunkle’ erklärt, vgl. gr. peleia Prät.-Präs. 'taugt’, auch in gt. daug, ae. de ah,
'Waldtaube’ zu gr. peliös 'grau-schwarz’, doch afr. duga Prät.-Präs. Lautlich entsprechen fol¬
steht das vergleichbare Farbwort (air. dub) ei¬ gende Wörter, die meist verglichen werden,
gentlich in anderen Zusammenhängen (s. taub). ohne daß der Bedeutungszusammenhang aus¬
Nndl. ne. dove, nschw. duva, nisl. düfa. — Suolahti reichend klar wäre: ai. dögdhi 'melkt, milcht’,
(1909), 206-212. auch 'zieht Nutzen aus’, gr. teüchö 'ich bringe
Taubehalt m. 'Frauenmantel’, s. Sin(n)au. hervor’, lett. padügt ‘können, vermögen’, air.
dual 'angeboren, passend’.
Täubling m., fachsprachl. Dieser Blätterpilz
Nndl. deugen, nschw. nisl. duga (aus einem schwachen
ist nach seiner taubengrauen Färbung benannt.
Verb). S. tüchtig, Tugend.
H. Marzeil Der Biologe 12(1943), 180.
taumeln swV. Mhd. tümeln, ahd. tümilön; In-
tauchen swV. Mhd. tüchen swV. mit starkem
tensivbildung zu mhd. tümen, ahd. tümön 'sich
Partizip, ahd. intühhan stV, Part, gitohhan
drehen’; eine Nebenform der /-Bildung in tum¬
(PPrät.), also stV; sonst ist das Wort im Ober¬
meln (s. d.). Das Wort gehört zu der schlecht
deutschen ausgestorben und später wieder aus
abgrenzbaren Sippe von ai. dhünöti 'schüttelt,
dem Mittel- und Niederdeutschen eingeführt
erschüttert’, gr. thyö 'ich brause’ usw., vielleicht
worden. Mndd. mndl. duken, afr. düka; aus dem
gehört hierher auch Tau1 (s. d.).
Englischen gehört hierher die Bezeichnung der
Ente, ae. duce. Herkunft unklar. Wohl eine Aus¬ tauschen swV. Wie das Substantiv Tausch erst
lautvariante zu dem unter taufen und tief be¬ spät bezeugt; eine Variante dazu ist täuschen,
handelten Komplex. von dem es erst neuhochdeutsch klar getrennt
Nndl. duiken. S. ducken, taufen, tief( + ). wird (Roßtäuscher ist eigentlich 'Roßhändler’).
täuschen 724 Tee

Die Herkunft ist völlig unklar. Typologisch Taxe/. 'Gebühr, Wert’, s. taxieren.
muß die Bedeutung Tauschen’ die ältere sein, Taxi n. 'Mietauto mit Fahrer’, s. taxieren.
obwohl 'betrügen, verspotten u. ä.’ früher be¬ taxieren swV 'schätzen, den Wert ermitteln’.
zeugt ist. Das Wort stammt aus dem nieder- Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
deutsch-niederländischen Bereich. taxer, dieses aus 1. täxäre (dass., wörtlich: 'be¬
Zu täuschen s.: Bahder (1925), 42f. rühren’), einem Iterativum zu 1. tangere 'berüh¬
täuschen swV, s. tauschen. ren’. Dazu 7a.ve'festgesetzter Preis’; Taxi 'Miet¬
auto mit Fahrer’ ist gekürzt aus Taxameter
tausend Num. Mhd. tüsent, ahd. düsunt, as.
(wörtlich: 'Fahrzeug mit Preisanzeiger’) nach
thüsundig aus g. *püsundi-, auch in gt. /iüsundi,
Vorbild von frz. taxi (dass.), zu frz. taximetre.
anord. püsund, ae. püsend, afr. thüsend. Außer¬
Etymologisch verwandt: s. Tangente. — Schirmer
germanisch vergleichen sich, wenn auch in laut¬
(1911), 188f.
lichen Einzelheiten abweichend lit. tükstantis,
Taxonomie f. 'Klassifizierung’, fachsprachl.
akslav. tysgsti. Wie auch sonst bei großen Zah¬
Neubildung zu gr. täxis 'Anordnen’ (zu gr. tät-
len liegt ein Wort für 'groß, gewaltig’ zugrunde,
tein, tässein 'ordnen’) und gr. nömos m. 'Gesetz’.
das am deutlichsten in ai. tavisä- 'stark’, ai.
Etymologisch verwandt: s. Syntax und autonom.
tävisi 'Kraft, Macht’ zu fassen ist (*teuds-, wohl
Teach-in «., s. Sit-in.
s-Stamm, aber auch mit Primärsuffixen auftre¬
tend). Hierzu sind die germanisch-baltisch-sla- Teak n. (= ein Edelholz), fachsprachl. Ent¬
vischen Wörter wohl ursprünglich partizipähn¬ lehnt aus gleichbedeutend ne. teak, dieses aus
liche Bildungen. Vgl. von einer m-Bildung der¬ port. teca (dass.), dieses aus malay. tekka
selben Wurzel toch. B. tmäne, tumane TO 000’. (dass.).
Dagegen sind anord. püshundraö T000’, salfrk. Littmann (1924), 123f.

püs-chunde T200’ mit Anschluß an das Wort Team n. 'Gruppe, Mannschaft’. Im 20. Jh.
hundert (s. d.) sekundäre Umbildungen, kaum entlehnt aus gleichbedeutend ne. team, aus ae.
Relikte der früheren Bildung. Lautlich zu er¬ team m. 'Gespann’.
warten wäre nhd. d-, Zum Etymon s. Zaum.

Nndl. duizend, ne. thousand, nschw. tusen, nisl. püsund. Techer m., s. Decher.
- A. Jensen ZVPh 6(1952), 50-57. Technik /. 'Verfahren, Vorgehensweise, Um¬
Tausendgüldenkraut fachsprachl. Bezeugt setzung naturwissenschaftlicher Erkenntnise
seit dem 15. Jh., auch als Hundertguldenkraut. usw.’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Lehnübersetzung aus 1. centaureum, centaurium, frz. technique, dieses substantiviert aus frz. tech-
das als Zusammensetzung von 1. centum 'hun¬ nique 'kunstfertig, handwerksmäßig’, aus gr.
dert’ und 1. aurum 'Gold' aufgefaßt wurde, ln technikbs (dass.), zu gr. techn5 'Handwerk,
Kunst, Fertigkeit. Wissenschaft’.
Wirklichkeit geht das lateinische Wort auf gr.
Morphologisch zugehörig: Technikum, Technizismus,
kentaüreion zurück, das von Zentaur (s. d.) ab¬
Technokral, Technokratie, Technologe, Technologie', ety¬
geleitet ist. Nach der griechischen Überlieferung
mologisch verwandt: s. Text. — W. Seibicke: Technik
hat sich der Zentaur Chiron eine Wunde mit (Düsseldorf 1968).
diesem Kraut geheilt.
Techtelmechtel n., ugs. Bezeugt seit dem 18.
Tausendsassa m., ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh., zuerst in Österreich als Dechtlmechtl. Her¬
Jh. Es ist eine Substantivierung des Zurufs tau¬ kunft unklar.
send sa sa!, einer übertriebenen Steigerung von H. Schuchardt ZRPh 31 (1907), 30f.
sa sa!, das als Hetzruf für Hunde verwendet Teckel m. 'Dachshund’, fachsprachl. Bezeugt
wurde (vermutlich aus frz. (a 'da’). Ein Tausend¬ seit dem 18. Jh. Herkunft unklar.
sassa 'Schwerenöter’ ist deshalb wohl 'einer, der S. Dackel.
tausend sa sa ruft’. Teddybär m. (= ein Stofftier in Form eines
Tautologie /. 'Ausdruck, in dem derselbe kleinen Bären). Im 20. Jh. entlehnt ausgleichbe¬
Sachverhalt mehrfach bezeichnet ist’, fach¬ deutend ne. teddy bear, so benannt nach e.
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Teddy, der Kurzform des Vornamens von Theo¬
1. tautologia, dieses aus gr. tautologia (dass.), dore Roosevelt (einem amerikanischen Präsi¬
denten).
zusammengezogen aus gr. tö autön 'dasselbe’
(s. auto-) und gr. logia 'Lehre, Satz’ (s. -logie). Tee m. Im 17. Jh. etwa gleichzeitig in die
europäischen Sprachen entlehnt aus malay. te,
Taverne/. 'Schenke, Weinwirtschaft’. Im Mit¬
das auf eine gleichlautende südchinesische
telhochdeutschen entlehnt aus it. taverna
Form von chin. tschhä zurückgeht.
(dass.), aus 1. taberna 'Bretterhütte, Bude’ (s. Littmann (1924), 133; W. Horn ASNSL 79(1941),
Tabernakel). 102f.; Lokotsch (1975), 33, 415.
Teenager 725 Telefon

Teenager m. 'Jugendliche(r)’. Im 20. Jh. ent¬ einer Episode der Ilias, in der Helena von Trojas
lehnt aus gleichbedeutend ne. teenager, zu e. Mauern aus dem Priamos die Helden der
teens 'Alter von 13 bis 19’, dieses gelöst aus Achäer zeigt.
den englischen Zahlnamen auf -teen '-zehn’ (e. Etymologisch verwandt: s. Skepsis. Ersatzwort ist
thirteen — nineteen), aus ae. -lene (dass.) zu d. Mauerschau.
(-)zehn. E. age aus afrz. aage, eage (dass.),
Feiding n. 'leeres Gerede’, arch. Bezeugt bei
dieses aus spl. *aetaticum, aus 1. aetäs f. (dass.),
Luther, später in Narrenteiding, das zu Narretei
zu 1. aevum n. (dass.).
wird (s. d.). Aus mhd. tageding, teidinc n./m.,
Morphologisch zugehörig: Teen, Teenie.
tegeding, ahd. tagadinc, tagoding, tegiding 'Ver¬
Teer m. In hochdeutschen Texten bezeugt seit handlung, Übereinkunft’, zu Tag '(Gerichts)
dem 16. Jh.; übernommen aus mndd. ter(e); Termin’ (s. d.) und Ding in der alten Bedeutung
hierzu mndl. terre, tar aus g. *terwja-/jön n. Verhandlung’ (s. d. und verteidigen).
'Teer’, auch in anord. tjara /., ae. teoru n., afr. Teig m. Mhd. teic, ahd. teig, mndd. dich,
tera. Gemeint ist das durch Schwelung aus Holz mndl. deech aus g. *daiga- m. Teig’, auch in
gewonnene Schweröl; im Süden wird dafür das gt. daigs, anord. deig n., deigr, ae. däg n.(?).
Lehnwort Pech (s. d.) verwendet, das sonst nur Abstraktum zu dem in gt. digan 'kneten, bilden’
tür die gesottene und geläuterte Form des Teers vorliegenden Verb; dieses aus ig. *dheigh- 'kne¬
verwendet wird. Die an der Lautverschiebungs¬ ten , auch in 1. fingere, air. com-od-ding 'bauen,
grenze belegte Form Zehr kann entweder die errichten’, gr. thingänö 'ich berühre, rühre um’,
altererbte Entsprechung oder eine sekundäre ai. degdhi 'verstreicht, beschmiert’, toch. A. B.
Verhochdeutschung sein. Das Wort ist eine Zu¬ tsik- 'formen, bilden’, aruss. deza 'Teigmulde’.
gehörigkeitsbildung zu dem alten Wort g. *tre- Nndl. deeg, ne. dough, nschw. deg, nisl. deig. S.
wa- n. 'Holz, Baum’, das in gt. triu, anord. tre, Figur ( + ), teig.
ae. treöw n., afr. tre n., as. treo, trio n. und in
teig Adj. 'überreif’, südd., md. Mhd. teic,
dem deutschen 'Baumsuffix’ -der (s. Holunder)
mndd. dich, mndl. deech, auch anord. deigr
vorliegt. Ig. *deru- (mit starkem Ablaut) ist
'weich’. Entwickelt aus dem prädikativ verwen¬
bezeugt in ai. däru 'Holz’, gr. döry n. 'Baum,
deten Substantiv Teig (s. d.), vgl. im Kräuter¬
Holz’, akslav. drevo n. 'Baum’ u. a. Der e-Voka¬
buch von Tabernomontanus (1588), 1426: die
lismus des germanischen Wortes für Teer kann früchte ... werden auf Stroh ... gelegt, bis sie teig
deshalb auf alten e-Vokalismus in der Grund¬ werden.
lage zurückgehen (vgl. etwa lit. dervä f 'Teer’);
Teil m./n. Mhd. ahd. teil, as. del m. aus g.
wahrscheinlicher ist aber eine (altertümliche)
*daili- m. 'Teil’, auch in gt. dails, ae. däl m.;
Vriddhi-Bildung zu dem belegten *trewa-,
afr. dil m. Semantisch lassen sich einige außer¬
Nndl. teer, ne. tar, nschw. tjära, nisl. tjara. S. Ho¬
germanische Formen vergleichen, doch stimmt
lunder (+), treu{ + ), Trog (+). - Trier (1981),
69-71. die Lautform nur bei akslav. delü m. 'Teil’ zum
Germanischen, und dieses Wort könnte aus dem
Teerjacke /., fachsprachl., ndd. In der Bedeu¬
Germanischen entlehnt sein. Ohne Diphthong
tung 'teergetränkte Jacke’ seit dem frühen 19.
lit. dalis f. 'Teil’, mit abweichendem Anlaut ai.
Jh. bezeugt. Später wird das Wort zur Bezeich¬
däyate 'teilt’, gr. daiomai 'ich (ver)teile’.
nung des Matrosen, offenbar in Anlehnung an
Nndl. deel, ne. deal, nschw. del.
ne. Jack Tar 'Hans Teer’, das mit Jacke gar
Teint m. 'Gesichtsfarbe’. Im 18. Jh. entlehnt
nichts zu tun hat.
aus gleichbedeutend frz. teint (wörtlich: 'Ge¬
F. Kluge ZDW 1 (1905), 43f.; Kluge (1911), 78lf.
färbtes, Färbung’), dem substantivierten PPrät.
Teich m. Mhd. tich, seit 1200 bezeugt als von frz. teindre 'färben’, aus 1. ting(u)ere
Bezeichnung für kleinere Trockentäler (ohne (tinctum) (dass., wörtlich: 'tränken, benetzen’).
Wasserlauf); die niederdeutsche Entsprechung
Etymologisch verwandt: Tinktur, Tinte (usw.); zum
ist Deich (s. d. mit Etymologie). Die Bedeu¬ Etymon s. tunken. — Brunt (1983), 475.
tungsverhältnisse sind im einzelnen noch nicht
tele- Präfix. Wortbildungselement mit der Be¬
ausreichend klar. Falls gr. tiphos n. 'Sumpf,
deutung 'fern, weit’ (z. B. Teleobjektiv, Telefon).
Teich’ unter Ansatz eines *dhiagu(h)- vergleich¬
Es wird vornehmlich in neologischen Bildungen
bar ist, gehören Deich und Teich nicht ur¬
verwendet und geht zurück auf gr. tele 'fern,
sprünglich zusammen, sondern haben sich se¬
weit’ Adv.
kundär aneinander angenähert.
Telefon n. 'Fernsprecher’. Neubildung des 19.
E. Christmann ZM 31 (1964), 191 —193.
Jhs. zu gr. phöni f. 'Stimme, Klang’ (s. auch
Teichoskopie /. 'Mauerschau’, fachsprachl. tele-).
Entlehnt aus gleichbedeutend gr. teichoskopia, Morphologisch zugehörig: Telefonat, Telefonie, Telefo¬
zu gr. teichos n. 'Mauer’ und gr. skopein nist; etymologisch verwandt: s. Phonetik. Ersatzwort
'schauen’. Der Begriff ist übernommen aus ist Fernsprecher.
726 tentativ
Telegramm

Telegramm n. 'fernschriftlich übermittelte Tempus n. 'Zeit, Zeitstufe’, s. Tempo.


Nachricht’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ Tendenz /. 'Richtung, Neigung, Trend’. Im
tend frz. telegramme m. und ne. telegram, diese 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. ten-
sind Neubildungen zu gr. grämma 'Schreiben’ dance, zu fr. tendre 'strecken, hinstrecken , aus 1.
(s. auch tele-), zu gr. gräphein 'schreiben’. tendere (tensum, tentum) 'spannen, ausdehnen,
Morphologisch zugehörig: Telegraphie; etymologisch ausstrecken’.
verwandt: s. Grammatik. Morphologisch zugehörig: tendenziell, tendenziös, ten¬
Telegraphie /. 'fernschriftliche Übermittlung dieren; etymologisch verwandt: s. Tenor. — Schirmer
von Nachrichten’, s. Telegramm. (1911), 189; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 406;
W.J. Jones SN 51 (1979), 273.
Telepathie /. 'Gedankenlesen, Fähigkeit zur
Wahrnehmung von Gefühlen usw. anderer, Tender m. 'Kohlewagen bei der Lokomotive’,
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. arch. Entlehnt aus ne. tender gleicher Bedeu¬
telepathy, einer Neubildung zu gr. tele 'fern, tung. Dieses ist übertragen aus 'Begleitboot’
weit’ (s. auch tele-) und gr. päthos n. 'Gefühl, und gekürzt aus ne. attender 'Begleiter’ (zu ne.
Leiden’. attend 'beachten, aufwarten, begleiten’).
Etymologisch verwandt: s. Pathos. tendieren swV. 'neigen zu etwas’, s. Tendenz.
Teleskop n. 'stark vergrößerndes Fernrohr’, Tenne /. Mhd. tenne m.jn.lf, ahd. tenni n.,
s. tele- und Skopus. früh bezeugt als ml. danea (6,/7. Jh.), fläm. den
Telex n. 'Fernschreiben’. Kurzwort aus ne. 'Dreschplatz auf freiem Feld’. Vergleichbar ist
teleprinter exchange (wörtlich: 'Fernschreiber- gr. thenar n. 'Fläche, Handfläche’ (zu dem ahd.
Austausch’). tenar m. 'flache Hand’ auffällig stimmt). Wei¬
Telle /., s. Delle. tere Herkunft sowie der mögliche Zusammen¬
Teller m. Mhd. tel(l)er. Im 13. Jh. entlehnt
hang mit der Sippe von Tann (s. d.) unklar.
aus afrz. tailleor 'Vorlegeteller’. Dieses (wie it. R. Lühr in: Meid (1987), 67 — 71.

tagliere 'Hackbrett, Schneidebrett’) zu frz. tail- Tennis n. (= eine Sportart). Im 19. Jh. ent¬
ler, it. tagliare 'zerschneiden’ (zu 1. taliäre lehnt aus gleichbedeutend ne. (lawn) tennis,
'spalten’). dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.
S. Taille ( + ). - Suolahti (1929), 250f. E. Mehl MS 77 (1967), 308-311.
Tempel m. Mhd. tempel n./m., ahd. tempal n. Tenor m. 'hohe Männersingstimme, Grund¬
Entlehnt teils aus 1. templum n., teils aus dem haltung’, fachsprachl. Im 15. Jh. entlehnt aus it.
daraus entwickelten afrz. temple m. (Genus!) tenore 'hohe männliche Singstimme, Melodie’,
gleicher Bedeutung. dieses aus 1. tenor (-öris) 'Stimmhöhe, Ton,
S. Kontemplation. Zusammenhang, Sinn, Inhalt, ununterbroche¬
Temperament n. 'Wesensart’, s. temperieren. ner Lauf’, zu 1. teuere 'halten, anlangen, inneha¬
Temperatur /. 'Wärmegrad’, s. temperieren. ben’, zu 1. tendere 'spannen, ausdehnen, aus¬
temperieren swV. 'mäßigen, auf gut passende strecken’. Die Bedeutung 'hohe männliche Sing¬
Wärme bringen’. Im 15. Jh. entlehnt aus 1. tem- stimme’ ist wohl übertragen aus der Bedeutung
peräre (temperätum) 'das rechte Maß beachten, 'Melodie’ (d. h. eigentlich: 'Melodiestimme’).
mischen, in das richtige Verhältnis setzen, len¬ Ab dem 17. Jh. direkt aus dem lateinischen
ken, regieren, sich mäßigen, beherrschen’, zu 1. Substantiv die Bedeutung 'Inhalt, Grundhal¬
tempus 'Abschnitt, Zeitteil’. Dazu Temperatur tung’.
'Wärmegrad’ und Temperament 'Wesensart’. Morphologisch zugehörig: tenoral, Tenorist; etymolo¬
Etymologisch verwandt: s. Tempo. — K.-H. Weinmann gisch verwandt: Abstinenz (usw.), Container, Entente,
DWEB 2 (1963), 406. Entertainer, Extension (usw.), impertinent (usw.), Inten¬
tion (usw.), Kontinent, kontinuierlich (usw.), Leutnant,
Tempo n. 'Geschwindigkeit’. Im 17. Jh. ent¬
prätentiös, Tendenz (usw.); zum Etymon s. dehnen.
lehnt aus it. tempo m. 'Zeit, Zeitabschnitt’, die¬
ses aus 1. tempus (dass.), zu *ten-p- 'dehnen’. Tentakel m./n. 'Fangarm’, fachsprachl. Neu¬
Die moderne Bedeutung entwickelt sich aus bildung zu 1. tentäre 'betasten’, einer Neben¬
'Zeitmaß, Zeitabschnitt’ zu 'was in einen be¬ form von 1. temptäre (dass.).
stimmten Zeitabschnitt erledigt wird’, dann Etymologisch verwandt: s. tentativ.
'Geschwindigkeit, mit der etwas erledigt wird’. tentativ Adj. 'versuchsweise’, sondersprachl.
Morphologisch zugehörig: tempo, temporal,(kon)tem- Entlehnt aus gleichbedeutend ne. tentative, die¬
porär, temporell, Tempus; etymologisch verwandt: Ex¬
ses über das Mittellateinische aus 1. tentäre,
temporale, Temperament, Temperatur, temperieren; zum
Etymon s. dehnen. — P. Kretschmer ZVS 36(1900),
einer Nebenform von 1. temptäre 'versuchen’.
264-267; K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 406; Morphologisch zugehörig: Tentamen, tentieren; etymo¬
W. J. Jones SA 51 (1979), 273. logisch verwandt: Attentat, Tentakel.
Teppich 727 Teufe

Teppich m. (= ein gewebter [usw.] Fußboden¬ Souterrain, [Terrakotta], [Terrarium], Terrier, Terrine,
belag). Im Althochdeutschen (ahd. teppih m./ Territorium (usw.), Traß\ zum Etymon s. dürr.
n., teppi n., mhd. tep[p]ich u. a.) entlehnt aus Terrier m. (= eine Hunderasse), s. Terrasse.
gleichbedeutend ml. tapetia/., dieses aus 1. tape- Terrine/. 'Schüssel aus feuerfestem Steingut’.
tum, tapete n. 'Wandteppich, Teppich’, aus gr.
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
täpes f. (dass.).
terrine, einer Substantivierung von afrz. terrin
Etymologisch verwandt: Tapete (usw.). 'irden’, aus spl. *terrinus (dass.), zu 1. terra
Term m. 'Zeichen, Symbol, Zahlenwert, 'Erde’.
Fachbegriff’, s. Termin. Etymologisch verwandt: s. Terrasse. — E. Öhmann
NPhM 58(1957), 5f.
Termin m. 'festgesetzter Zeitpunkt’. Im
16. Jh. entlehnt aus 1. terminus 'festgelegter Territorium n. 'Gebiet’, s. Terrain.
(Grenz)Punkt, Grenze, Grenzlinie, Endpunkt’. terrorisieren swV. 'Gewalt antun, in Schrek-
Dazu Terminus „abgegrenztes Wort“ und Termi¬ ken versetzen’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
nologie 'festgelegter Wortschatz’. deutend frz. terroriser, dieses aus 1. terrere (ter-
Morphologisch zugehörig: Term, terminal, Terminal, ritum) (dass.).
terminativ, Terminator, terminieren', etymologisch ver¬ Morphologisch zugehörig: Terror, Terrorismus, Terro¬
wandt: determinieren (usw.). — Schirmer (1911), 190; rist.
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 213. — K.-H. Weinmann
Tesching n. 'kleinkalibriges Gewehr’, fach-
DWEB 2 (1963), 406.
sprachl. Bezeugt seit dem 19. Jh. Zunächst Te-
Terminal m./n. 'Abfertigungshalle, Sichtgerät schinen 'gezogene Büchsenröhre von Teschen
einer Datenverarbeitungsanlage’, sondersprachl. (Ort in Österreichisch Schlesien).
Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Test m. Spmhd. test ist unter anderem ein
terminal (Station), zu e. terminal 'das Ende bil¬
Probiertiegel (entlehnt aus 1. testa f. 'Scherbe,
dend’, dieses aus 1. terminälis 'zur Grenze gehö¬ Geschirr’). Über die Fachsprachen wird daraus
rend’, zu 1. terminus m. 'Grenze, Grenzlinie’. ein Wort für 'Prüfung, Probe’.
Etymologisch verwandt: s. Termin.
Testament n. 'Niederschrift des letzten Wil¬
Terminologie /. 'festgelegter Wortschatz’, s. lens’. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus
Termin. gleichbedeutend 1. testämentum, zu 1. testäri
Terminus m. 'festgelegter Fachbegriff’, s. (testätus sum), zu 1. testis m. 'Zeuge’, zu 1. tri-
Termin. 'dritter’ (so bezeichnet als der Dritte neben den
beiden Kontrahenten).
Termite /. (= ein staatenbildendes Insekt).
Etymologisch verwandt: s. Attest.
Entlehnt aus 1. tarmes (-itis) m., termes (-itis)
'Holzwurm’. Testat n. 'Bescheinigung, Beglaubigung’, s.
testieren.
Terpentin n. (= das Harz verschiedener Na¬
delbäume). Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ testieren swV. 'bestätigen, bezeugen’, fach-
tend ml. terebintina (resina) f. (wörtlich: 'Ter¬ sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
pentinharz’), dieses aus gr. terminthinos, terebin- 1. testäri (testätus sum), zu 1. testis 'Zeuge’, zu
1. tri- 'dritter’ (so bezeichnet als der Dritte neben
thios 'vom Terpentinbaum’, zu gr. terminthos,
terebinthos f. 'Terpentinbaum’, das wohl arme¬ den beiden Kontrahenten).
Morphologisch zugehörig: Testament, Testat, Testator',
nischen Ursprungs ist.
etymologisch verwandt: s. Attest.
Terrain n. 'Gelände, Gebiet’, sonder sprachl.
Tetanus m. 'Starrkrampf’, fachsprachl. Ent¬
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
lehnt aus gleichbedeutend 1. tetanus, dieses aus
terrain m., dieses aus 1. terrenum 'Erde, Acker’,
gr. tetanos 'Spannung’.
einer Substantivierung von 1. terrenus 'erdig,
irden’, zu 1. terra f. Erde’ (wörtlich: die Trok- Teuchel m., auch /. 'Wasserleitungsröhre’,
kene’). Dazu auch Territorium 'Hoheitsgebiet’. arch., südd. Mhd. Hüchel. Herkunft unklar.

Etymologisch verwandt: s. Terrasse. teuer Adj. Mhd. tiur(e), ahd. tiuri, as. diuri

Terrasse/. 'Sitzfläche vor Häusern, Absatz’.


aus g. *deurja- oder *deuzja-, auch in anord.
dyrr, ae. deore, afr. diöre, diüre. Vielleicht zu
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
dauern2 (s. d.), im übrigen unklar.
terrasse (ursprünglich: 'Erdaufhäufung ), dieses
Nndl. duur, ne. dear, nschw. dyr. S. beteuern, dauern2.
aus gallo-rom. terracea (dass.), einem Kollekti-
- H. Götz: Leitwörter des Minnesangs (Berlin 1957),
vum zu 1. terra Erde (wörtlich: Trockenes) .
53-64.
Der englische Terrier ist als Hund für die Jagd
Teufe/ 'Tiefe, fachsprachl. Variante zu Tiefe,
auf Höhlentiere wörtlich ein 'Erdhund’.
spmhd. auch teufete.
Morphologisch zugehörig: Terrain, Terrakotta, Terra¬
rium, terrestrisch', etymologisch verwandt: Parterre, S. tief.
Teufel 728 Thriller

Teufel m. Mhd. tiufel, tiuvel, tievel, ahd. tiuval, fassend’, entsprechend und daraus übersetzt 1.
tiuval, as. diubal. Wie afr. diövel, ae. deofol, vlta contemplätiva).
anord. djpfull entlehnt aus ml. *diuvalus, Va¬ Morphologisch zugehörig: Theorem; etymologisch ver¬
riante von 1. diabolus, aus gr. diäbolos 'Verleum¬ wandt: Theater. — F. Boll: Vita contemplativa (Heidel¬
der’ (gr. diabällö 'ich werfe um, verleumde’). berg 21922); K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 406;
H.-G. Beck: Theöria (München 1983).
S. Deixel, Parabel ( + ). - J. Knobloch in: FS K. Pivec
(Innsbruck 1966), 221 f. Therapie/.'Heilbehandlung’,/ac/tsprac/i/. Im
Text m. In spätmittelhochdeutscher Zeit ent¬ 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gr. thera-
lehnt aus 1. textus 'Text’, eigentlich 'Gewebe’ zu peia (wörtlich: 'Dienen, Dienst’), aus gr. therä-
1. texere 'weben’, das mit gr. techne f 'Hand¬ pön m. 'Diener, Gelahrte’.
werk, Kunst, Fertigkeit’ verwandt ist (s. Morphologisch zugehörig: Therapeut, Therapeutik.
Technik). Therme /. 'warme Quellen, warme Bäder’,
Morphologisch zugehörig: textieren, textil. Textil, Tex¬ fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
tilien, Textur, etymologisch verwandt: s. Dechsel, deutend 1. thermae PL, dieses aus gr. thermai
Docht, Kontext, subtil (usw.), Toilette.
PI. (dass.), zu gr. thermös 'warm’.
Textilien PI. 'Gewebe, Stoffwaren’, s. Text. Morphologisch zugehörig: thermal, Thermik, ther¬
Theater n. 'Gebäude für Schauspielauffüh¬ misch; etymologisch verwandt: Thermometer, Thermo¬
rungen’. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ stat. — K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 407.
tend frz. theätre m., dieses aus 1. theätrum Thermometer n. (= ein Gerät zum Messen
(dass.), aus gr. theätron (dass.), zu gr. theästhai von Wärme). Neubildung des 18. Jhs. zu gr.
'schauen, anschauen’. Das Grundwort ist gr. thermös 'warm’ und gr. metron 'Maß’.
theäf. 'Anschauen, Schau, Schauspiel’. Etymologisch verwandt: s. Therme und Metrik.
Morphologisch zugehörig: Theatralik; etymologisch
Thermostat m. (= ein Gerät zur Wärmeregu¬
verwandt: Theorie (usw.).
lierung), fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs.
Theke /. Entlehnt aus I. theca 'Kästchen, zu gr. thermös 'warm’ und gr. statös 'stehend,
Decke usw.’ aus gr. theke 'Behältnis, Kiste usw.’ feststehend’. So benannt als ein Gerät, das die
zu gr. tithenai 'setzen, stellen, legen’ (zu diesem Temperatur auf einer bestimmten Höhe hält.
s. tun).
Etymologisch verwandt: s. Therme und Statik.
Etymologisch verwandt: Apotheke, Bibliothek, Bottich,
Boutique, Diskothek, Glyptothek (usw.), Hypothek, Thesaurus m. 'Schatzhaus, systematische
Hypothese, Parenthese, Pinakothek, Thema, These; Wortschatzsammlung’, fachsprachl. Entlehnt
zum Etymon s. tun. aus gleichbedeutend 1. thesaurus (wörtlich: 'Vor¬
Thema n. 'Gegenstand, Leitmotiv’. Im 16. Jh. rat, Schatz’), aus gr. thesaurös (dass.).
entlehnt aus gleichbedeutend 1. thema, dieses Etymologisch verwandt: Tresor.
aus gr. thema (dass., wörtlich: 'Gegebenes, Auf¬ These /. 'Behauptung’. Im 18. Jh. entlehnt
gestelltes’), zu gr. tithenai 'setzen, stellen, legen’. aus gleichbedeutend frz. these, dieses aus 1.
Morphologisch zugehörig: Thematik; etymologisch thesis (dass.), aus gr. thesis (dass., wörtlich: 'das
verwandt: s. Theke. Aufgestellte’), zu gr. tithenai 'setzen, stellen,
Theologie /. 'Glaubenslehre’. Im 16. Jh. ent¬ legen’.
lehnt aus gleichbedeutend I. theologia, dieses Morphologisch zugehörig: Prothese, Synthese; etymo¬
aus gr. theologia (dass.), zu gr. theolögos 'mit logisch verwandt: s. Theke.
göttlichen Dingen vertraut, von Gott redend’, Thing n. 'Volks- und Gerichtsversammlung
zu gr. theös m./f. 'Gott’ und gr. legein 'sagen, der Germanen’, sonder spracht. Die Volksver¬
erklären’ (s. -logie). sammlung hieß ahd. ding, as. thing, das in nor¬
Morphologisch zugehörig: Theologe; etymologisch
maler Entwicklung mit Bedeutungsveränderung
verwandt: s. Atheismus. — K.-H. Weinmann DWEB
nhd. Ding (s. d.) ergeben hat. Vermutlich wegen
2(1963), 406; V. Goldschmidt: Questions Platoni-
ciennes (Paris 1970), 141 — 172. dieser Bedeutungsveränderung wurde in neue¬
ren historischen Darstellungen (u. ä.) für die
Theorie /. 'System von wissenschaftlichen
Versammlung die alte Schreibform Thing ge¬
Aussagen, abstrakte Betrachtungweise’. Im 18.
wählt und dieses Wort dann auch mit [t] ausge¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. theöria, die¬
sprochen, obwohl die Schreibung th wie heute
ses aus gr. theöria (dass., wörtlich: 'Anschauen,
noch im Englischen ein 0 wiedergeben sollte.
Betrachtung’), zu gr. theörös m. 'Zuschauer’,
besonders einer, der als Gesandter einer griechi¬ Thriller m. 'spannender Kriminalfilm’. Im 20.
schen Stadt zum Tempel, Orakel oder Festspiel Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. thriller, zu
eines Gottes ging. Später, besonders beim Ad¬ e. thrill 'durchdringen, zittern machen’, zu e.
jektiv theöretikös (bios) Ausdruck für eine thirl 'durchbohren, durchdringen’, aus ae. pyrel
Lebenshaltung (etwa 'reflektiert, gedanklich er¬ n. 'Loch, Durchgang’, zu ae. purh 'ganz durch’.
Thron 729 Tilde

Thron m. Spmhd. t(h)ron. Entlehnt aus afrz. Tide /. 'Gezeiten’, fachsprachl., ndd. Aus
t(h)rone, das über 1. thronus auf gr. thrönos mndd. getide n., ti(d)e, das in hochdeutscher
'Stuhl, Herrschersitz' zurückgeht. Dieses zu der Form zu Gezeiten wird (s. d. und Zeit).
in ai. dadhdra Perf. 'hält, stützt, trägt’ vorlie¬ tief Adj. Mhd. tief.\ ahd. tiof as. diop aus g.
genden Verbalwurzel. *deup-a- Adj. 'tief’, auch in gt. diups, anord.
Thunfisch m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Ver¬ djüpr, ae. deop, afr. diäp. Zusammen mit taufen
deutlichende Komposition zu dem entlehnten (s. d.) zu lit. dühti 'sich senken, einsinken’ und
Thurm- aus 1. thynnus, thunnus (it. tonno, frz. air. domain, kymr. dwfn, dyfn 'tief’, akslav. be-
thon); dieses aus gr. thynnos, ein Mittelmeer¬ zdüna 'Tiefe, Abgrund’. Der Auslaut ist in allen
wort, das wohl aus dem Semitischen stammt Fällen mehrdeutig und wohl auch von Anfang
(arab. tinmn, hebr. tannin 'großer Fisch’, die an unterschiedlich gewesen, vgl. noch anord.
gebende Sprache wäre aber wohl das Phönizi- düfa 'tauchen, ins Wasser drücken’, ae. düfan
sche gewesen). 'tauchen’, mndd. beduven 'bedeckt werden’.
Thusnelda f. Abwertende Bezeichnung für Nndl. diep, ne. deep, nschw. djup, nisl. djüpur. S. tau¬
'Freundin’ oder allgemein für 'Frau’, ugs. Ur¬ chen, taufen, Teufe, Tümpel, tupfen.
sprünglich ein weiblicher Vorname, der zurück¬ Tiegel m. 'Schmelzpfanne’. Mhd. tegel, tigel,
geht auf die Gattin des Arminius (in griechi¬ ahd. tegel. Wie mndl. tegel, ae. tigele/., anord.
scher Überheferung Thousnelda). tigl n. 'Ziegel, Mauerstein’ entlehnt aus ml. *te-
gula, Variante zu 1. tegula/., das entlehnt ist aus
Thymian m. (= eine Gewürzpflanze), fach-
sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. thy-
gr. tägenon, teganon n. 'Bratpfanne’. Daneben,
offenbar durch Umsetzung hochdeutscher For¬
tniama /., thimeam) entlehnt aus 1. thymiäma
men in niederdeutsche mndd. degel, anord. di-
n. 'Räucherwerk’, dieses aus gr. thymiama n.
(dass.), zu gr. thymiäein 'räuchern, verbrennen’. gull.
S. decken ( + ). — R. Hildebrandt DWEB 3 (1963),
Tiara f. (= Bezeichnung der Kopfbedeckung 351 — 354. Anders (als Erbwort zu 1. ßgulus 'Töpfer’):
von Königen bzw. des Papstes),fachsprachl. Im Frisk (1966), 53f.
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend gr. tiärä
Tier n. Mhd. der, ahd. tior, as. dior aus g.
(wörtlich: 'Turban, die kegelförmige Kopfbe¬
*deuza- n. 'Tier’, auch in gt. dius, anord. dyr,
deckung der Perser’), das aus dem Persischen
ae. deor, afr. diär. Gemeint sind wilde Tiere, im
übernommen ist. Gegensatz zu den Haustieren (Vieh). Seman¬
Littmann (1924), 20f. tisch am nächsten steht 1. bestia (und 1. belud)
Tichter m. 'Enkel’, ofrk. Mhd. tihter, tihter, f 'Tier’, besonders 'wildes Tier, großes Tier’
diehter; entstanden als Diminutivbildung auf -F (*dhwes- neben dem für das Germanische vor¬
zu Tochter (s. d.) mit regionalem Umlaut -e-, auszusetzenden *dheus-, die Lautentwicklung
der weiter entwickelt wird zu -ie- und -/-. Die im Lateinischen ist aber nicht klar). Weiter viel¬
Bedeutung war wohl ursprünglich 'Tochter¬ leicht dazu air. däsacht f. 'Tollwut, Besessenheit’
kind’, ist aber seit Beginn der Überlieferung (vgl. ae. deor 'kühn’, ahd. tiorln 'wild’). Auf
verallgemeinert zu 'Enkel . Semantische Paral¬ eine andere Bedeutung weisen akslav. duchü m.
lelen sind ai. dauhitra- und gr. thygatridoys 'Atem, Seele’ und lit. düsti 'keuchen’. Vermut¬
'Erbtochtersohn’ (nach Scharfe, s. u.). lich liegt ein Wort für 'atmen’ zugrunde, das
Scharfe ZVS 79 (1965), 274-284; Darms (1978), Nomina mit der Bedeutung 'Leben’ bildet.
406 - 411; Müller (1979), 86-89; Seebold (1981), Hierzu Zugehörigkeitsbildungen mit der Bedeu¬
268 — 274; Ruiperez (1984), 33 — 35. tung 'Lebewesen, Tier’. Vgl. 1. animal 'Tier’ und
Tick m. 'Schrulle’, ugs. Entlehnt aus frz. tic 1. anima f 'Seele, Leben’.
'das Zucken’, in dieser Bedeutung auch als me¬ Nndl. dier, ne. deer, nschw. djur, nisl. dyr. S. Tod ( + ).
dizinischer Fachausdruck üblich. - H. Güntert OZV (1932), 102-104.
G. Schoppe ZDW 15 (1914), 213; Strasser (1976). Tiger m. Im 17. Jh. gekürzt aus älterem tiger-
ticken swV. Bezeugt seit dem 18. Jh. Zu dem tier, mhd. tigertier n., ahd. tigirtior, tigritior n.,
lautmalenden tick (ticktack für das Uhrge¬ das entlehnt ist aus 1. tigris m./f, das über gr.
räusch). tigris f. auf ein iranisches Wort (avest. tigraii-
Ticket n. 'Fahrkarte, Eintrittskarte’. Im 20. 'Pfeil’) zurückgeht.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. ticket Palander (1899), 50; Littmann (1924), 15.
(wörtlich: Zettel), dieses aus afrz. esticpuet Tilde /.(= ein schlangenförmiges diakriti¬
(dass.), zu afrz. estiquier, estequier 'hineinstek- sches Zeichen), fachsprachl. Entlehnt aus gleich¬
ken’, das germanischer Herkunft ist. bedeutend span, tilde, dieses mit unregelmäßi¬
Etymologisch verwandt: s. Etikett. ger Formentwicklung aus 1. titulus m. Zeichen,
Kennzeichen, Ehrenname, Überschrift’.
Ticktack fl(n.) 'Uhr’, kinderspracht. Laut¬
Etymologisch verwandt: s. Titel.
malend (s. ticken).
tilgen 730 Tobel

tilgen swV, fachsprachl. Mhd. tiligen, tilgen, Tirade /. 'Wortschwall’, sonder spracht. Im 18.
ahd. tiligön. Vermutlich ausgehend von ae. dile- Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. tirade
gian entlehnt aus 1. delere 'zerstören’ in der (wörtlich: 'anhaltendes Ziehen’), dieses aus it.
Sonderbedeutung 'etwas Geschriebenes auslö¬ tirata (dass.), zu it. tirare 'ziehen’, aus spl. *ti-
schen’. Dies ist auch die Bedeutung der entlehn¬ rare (dass.). So benannt als 'langgezogenes
ten Wörter, erst im 14. Jh. wird die Bedeutung Reden’.
stärker ausgeweitet. Tisch m. Mhd. tisch, ahd. tisc, as. disk; wie
E. Schröder ZDA 60(1923), 246-248. ae. disc 'Schüssel’, anord. diskr 'Teller, Schüssel
Timbre n. 'charakteristische Klangfarbe’, zum Aufträgen’ entlehnt aus 1. discus 'Schüssel’,
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬ das aus gr. diskos 'Scheibe, Wurfscheibe’ ent¬
lehnt ist. Der Sache nach handelte es sich um
deutend frz. timbre m. (älter: 'Schellentrom¬
kleine hölzerne Platten, die vor jeden einzelnen
mel’), dieses über das Mittelgriechische aus gr.
gestellt wurden und (von den heutigen Funktio¬
tympanon 'Handtrommel, Tamburin’, zu gr.
nen her gesehen) zugleich als Tisch und Schüs¬
typtein 'schlagen, stoßen’.
sel, Vorlegebrett dienten.
Etymologisch verwandt: Tympanon, Tympanum; ety¬
S. Diskette ( + ). — R. Meringer SÖAW 144,6(1901),
mologisch verwandt: s. Typ.
84-88; Hoops (1911/19), IV, 327f.
Tingeltangel n./m. 'billige Unterhaltungs¬
Tischler m., reg. So erst seit spätmittelhoch¬
musik, Ort, wo diese geboten wird’, ugs. Laut¬
deutscher Zeit, davor Tischer, mhd. tisch(l)er.
malende Bezeichnung für Blechmusik mit Bek- Bezeichnung für den Holzhandwerker, der die
ken und Schellen; aufgekommen in Berlin im feineren Möbel herstellt (hier die Tische, bei
19. Jh., wobei mit dem Wort zweifelhafte Sing¬ Schreiner die Truhen).
hallen bezeichnet wurden (Cafes chantants).
Titel m. Mhd. tit(t)el, ahd. titul(o). Entlehnt
Ladendorf (1906), 313f.
aus 1. titulus 'Aufschrift, Titel’, dessen Herkunft
Tinktur/. 'Auszug aus pflanzlichen oder tieri¬ unklar ist.
schen Stoffen’. Im 16. Jh. entlehnt aus 1. tinctüra Morphologisch zugehörig: Titular, Titulatur, titulieren;
'Färben’, zu 1. ting(u)ere (tinctum) 'mit einer etymologisch verwandt: Tilde.
Flüssigkeit tränken, benetzen’. Titte /. 'weibliche Brust’, vulg. Niederdeut¬
Etymologisch verwandt: s. Teint. — K.-H. Weinmann sche Entsprechung zu Zitze (s. d.).
DWEB 2(1963), 407.
titulieren swV. 'mit Titel anreden, bezeich¬
Tinnef m./(n.) 'wertloses Zeug’, ugs. Im 19. nen’, s. Titel.
Jh. in Kaufmannskreisen aufgekommen. Über
Toast m. 'geröstetes Weißbrot, Trinkspruch’.
das Rotwelsche übernommen aus wjidd. tinnef
Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
'Dreck, schlechte Qualität’. Dieses aus hebr.
toast, zu e. toast 'rösten’, aus afrz. toster (dass.),
tinnüf 'Schmutz, Verschmutzung’.
zu 1. töstus 'getrocknet’, dem PPP. von 1. torrere
Tinte/. Mhd. tin(c)te, vereinfacht aus tinkte, (töstum) 'dörren, rösten, versengen’. Die Be¬
ahd. tincta, tinte, timpte. Entlehnt aus ml. deutung 'geröstetes Weißbrot’ im 19. Jh. aus
(aqua) tincta 'gefärbtes Wasser’ (zu 1. tin- derselben Quelle. Die Bedeutungsentwicklung
g[uJere [tinctum] 'benetzen, färben’). zu 'Trinkspruch’ aus der Gewohnheit, geröste¬
S. Teint (+). - E. Müller-Graupa PhW 54(1934), tes Brot in Wein usw. einzutunken. Dann meh¬
1356- 1360. rere metonymische Übertragungen, zunächst
Tintenfaß n. Bezeugt seit dem 15. Jh. Mit Faß auf ein solches 'Getränk mit eingetunktem
in der alten Bedeutung 'Gefäß’. Älter ist das Brot’; dann 'eine Person, auf die man trinkt’
Tintenhorn, das in der Hand gehalten und dann und schließlich 'das Trinken auf eine Person’
an das Pult gehängt wurde. und den dabei geäußerten Spruch.
Morphologisch zugehörig: Toaster, etymologisch ver¬
Tip m. Im 19. Jh. als 'Hinweis auf eine Ge¬
wandt: s. Durst. — Ganz (1957), 219f.; E. Erämetsä
winnmöglichkeit’ entlehnt aus ne. tip, das ei¬ NPhM 59 (1958), 40.
gentlich 'Spitze’ bedeutet.
Tobak m., s. Tabak.
tippen swV, meist antippen. Bezeugt seit dem
Tobel m./n. 'Waldschlucht’, südd. Mhd. tobel
16. Jh., zuerst im niederdeutschen Bereich. Of¬
m. Keine eindeutige Vergleichsmöglichkeit. An¬
fenbar lautmalend.
klingend sind akslav. dupina f. 'Loch’ und ande¬
tipptopp Adj., ugs. Im 19. Jh. über Hamburg rerseits lit. daubä f 'Schlucht’. Vielleicht ist das
in die Hochsprache (und die Mundarten) ge¬ Wort entlehnt, da es nur in Gebieten vor¬
drungen. Entlehnt aus ne. tiptop (zu ne. tip kommt, die unter römischem (und keltischem?)
'Spitze’ und ne. top 'Oberteil’, also gewisserma¬ Einfluß standen.
ßen 'Spitze der Spitze’). J. U. Hubschmied ZRPh 62 (1942), 123f.
toben 731 Tolpatsch

toben swV. Mhd. toben, ahd. toben, as. dohon nung eines Tuches, auf dem man Kosmetika
aus wg. *dub-ä- swV. 'toben’, auch in ae. dofian. usw. ausbreitete; dann metonymisch übertragen
Zu dem unter taub behandelten Wort, also 'ver¬ auf die Tätigkeiten des Ankleidens usw. (vgl.
wirrt sein’. Toilettenartikel) bzw. die Kleidungsstücke usw.;
Tochter f. Mhd. ahd. tohter, as. dohtar aus g. schließlich verhüllend für Abort (vgl. „Wasch¬
*duhter-f. 'Tochter’, auch in gt. dauhtar, anord. raum“). Die älteren Bedeutungen seit dem 16.
döttir, ae. döhtar, döhter. Dieses aus ig. *dhugdter Jh. gelegentlich im Deutschen.
'Tochter’, auch in ai. duhitär-, toch. A. ckäcar, Etymologisch verwandt: s. Text. — Brunt (1983), 479.
toch. B. tkäcer, gr. thygäter, akslav. düsti, lit. Tolde /., s. Dolde.
dukte. Weitere Herkunft unklar. Vermutlich un¬
tolerieren swV. 'dulden’. Im 16. Jh. entlehnt
ter dem Einfluß von frz. fdle bedeutet Tochter
aus gleichbedeutend 1. toleräre.
regional auch 'Mädchen’ (vor allem in der
Morphologisch zugehörig: tolerabel, tolerant, Toleranz;
Schweiz), so in Saaltochter 'Serviermädchen’
zum Etymon s. dulden.
und Töchterschule 'Mädchenschule’.
Nndl. dochter, ne. daughter, nschw. dotier, nisl. döttir. Töle /. 'Hündin’, ndd. Offenbar eine Weiter¬
S. Tichter. — H. Schmeja in: FS A. Issatschenko (Kla- bildung mit -/- zu einer Entsprechung von ahd.
genfurt 1976), 393-400. zöha 'Hündin’ (s. Zohe).
Tod m. Mhd. tot, ahd. tod, as. doth aus g. toll Adj. Mhd. toi, dol, ahd. toi, as. dol aus
*daupu- m. 'Tod’, auch in gt. daupus, anord. wg. *dula- Adj. 'toll’, auch in ae. dol, afr. doll,
dauör, ae. deap, afr. däth. Verbalabstraktum zu dull; eine entsprechende Lautform in nisl. dulinn
*dau-ja- stV. 'sterben’ in anord. deyja (unklar 'eingebildet’. Daneben steht eine Hochstufe in
ist die morphologische Beurteilung von gt. pata gt. dwals, mndd. dwal 'töricht’ (und anderes).
diwano 'das Sterbliche’). Außergermanisch ver¬ Ableitungen aus g. *dwel-a- stV. 'verwirrt sein’,
gleicht sich mit diesem Verb der Bedeutung älter vermutlich 'verharren’ in ae. dwolian 'sich
nach zunächst die Erweiterung gr. apo-thnSiskö verirren’, mndd. dwalen, dwelen, mndl. dwelen,
'ich sterbe’ (*dhwend-), vielleicht auch 1. fünus ahd. -twelan, mhd. lwel(e)n. Außergermanisch
n. 'Leichenbegängnis’ und air. duine 'Mensch’ lassen sich zwar einige Wörter vergleichen, doch
('Sterblicher’). Das weitere ist semantisch un¬ sind sie meist lautlich mehrdeutig und seman¬
klar; die Wörter gehören offenbar zu *dheu- tisch nicht genau entsprechend, so daß der Ver¬
'atmen, leben usw.’ (s. Tier), doch ist der Über¬ gleich unsicher bleibt: air. kymr. dall 'blind’,
gang zu 'sterben’ nicht recht klar. Er zeigt sich lit. dulineti 'herumlaufen, herumlungern’, gr.
in lit. dvesti 'verenden’ neben lit. dvesüoti tholerös 'verwirrt’.
'schwer atmen, keuchen’ und in akslav. daviti
Nndl. dol, ne. dull. S. auch Dult.
'würgen, erwürgen’. Die Einzelheiten bleiben
tolldreist Adj., s. dummdreist.
klärungsbedürftig.
Nndl. dood, ne. death, nschw. död, nisl. dauöur. S. tot. Tolle /. 'Haarschopf’. Niederdeutsche Ent¬
— D. Rosenthal: Tod (Göteborg 1974). sprechung zu Dolde (s. d.), von der Pflanzen¬
Tohuwabohu n. 'Durcheinander, Chaos . Im krone auf das menschliche Haar übertragen.
Frühneuhochdeutschen entlehnt aus hebr. töhü Lasch (1928), 214; Kretschmer (1969), 529f.
wäböhü 'wüst und leer’, der Bezeichnung des Tollkirsche /. Bezeugt seit dem 17. Jh. Be¬
Alten Testaments für den Zustand der Erde vor nannt nach der Wirkung der giftigen Beeren,
dem schaffend-ordnenden Eingreifen Gottes falls sie gegessen werden.
(vgl. 1. Mose 1,2); dann interpretierend übertra¬
Marzeil (1943/79), I, 516-520.
gen auf 'Chaos’.
tollkühn Adj., s. dummdreist.
Littmann (1924), 27.
Tolpatsch m. 'ungeschickter Mensch’. In der
toi, toi, toi Interj. Zunächst norddeutsch, jetzt
heutigen Bedeutung bezeugt seit dem 18. Jh.
weiter verbreitet. Lautliche Begleitung oder
lautlicher Ersatz für eine dreifache abergläubi¬ (von den Sprechern wohl mit Tölpel und pat¬
sche Handlung (Ausspucken, auf Holz klopfen schen in Verbindung gebracht). Älter (17. Jh.)
o. ä.). Der Sinn ist, bei Erzählen eines Erfolgs ist die Bedeutung 'ungarischer Fußsoldat’ (ung.
oder beim Glückwünschen, den Neid böser Gei¬ talpas, eigentlich 'breitfüßig’ zu ung. talp
ster (die dann den Erfolg zunichte machen 'Sohle’, da die Soldaten statt Schuhen mit
könnten) zu verhindern. Schnüren befestigte Sohlen trugen). Daraus
'Soldat (in Österreich), der eine unverständliche
Toilette/. 'Ankleiden, Abort’. Im 19. Jh. ent¬
Sprache spricht’ und durch die oben angege¬
lehnt aus frz. (cabinet de) toilette Abort (wört¬
bene sekundäre Motivation die heutige Bedeu¬
lich: 'Tüchlein’), einem Diminutivum zu frz.
toile 'Tuch’, aus 1. tela (dass.), zu 1. texere tung.
(textum) 'weben, flechten’. Zunächst Bezeich¬ Anders: J. Knobloch MS 99 (1980), 179.
732 Topp
Tölpel

Tölpel m. Zuerst bezeugt im Anfang des 16. Tonikum n. 'stärkendes Mittel’, fachsprachl.
Jhs. in der Form tulpel. Zu einer Gruppe ab¬ Neubildung zu gr. tonikös 'gespannt, Spann¬
schätziger mundartlicher Wörter lür Klotz, kraft gebend’, zu gr. tönos m. 'Spannung, Ton,
grober Mensch u. ä.’, wie älteres Tölp, südd. Strick’, zu gr. teinein 'strecken, spannen, deh¬
Tolpe(n), schlesw.-holst. Tülp u. a. Über ein nen’. Entsprechend ist Tonic bezeichnungsmoti¬
paralleles dörpel, das (wie Dupel u. ä.) ebenfalls visch ein 'stärkendes, anregendes Wasser’.
lautmalend ist, berührte sich das Wort in der Etymologisch verwandt: s. Ton2.

Überlieferung mit mhd. dörper 'unhöflicher Tonne /. Mhd. tunne, tonne, ahd. tunna,
Mensch’ (vermutlich zurückgebildet aus häufi¬ mndd. mndl. tunne, tonne', wie ae. tunne, afr.
gerem dörperheit). Dieses entlehnt aus mndd. tonne entlehnt aus ml. tunna, frz. tonne, das auf
dorper, das seinerseits eine Lehnübersetzung ein keltisches Wort zurückgeht (vgl. mir. tunna
von frz. vdain ist. m.).
S. übertölpeln. — H.-G. Maak ZDA 105(1976), S. Tunnel. - T. Capelle in; Schmidt-Wiegand (1981),
318-333. Zu entsprechenden romanischen Wörtern 52-57.
vgl.: H. Schuchardt ZRPh 15(1891), llOfi; ZRPh Tonsur /. 'kahlgeschorene, runde Fläche des
24 (1900), 420. Kopfes von Geistlichen’, fachsprachl. Im 17.
Tomahawk m. 'Kriegsbeil’, sondersprachl. Jh. entlehnt aus ml. tonsura (dass.), eigentlich
Entlehnt aus gleichbedeutend ne. tomahawk, 'Scheren, Beschneiden’, zu 1. tondere (tönsum)
dieses aus der nordamerikanischen Indianer¬ 'scheren’.
sprache Algonkin tomahak (dass.). Topas m. (= ein Edelstein), fachsprachl. Im
Littmann (1924), 143. Mittelhochdeutschen (mhd. topäz(j)e) entlehnt
aus gleichbedeutend I. topäzus, topäzos/., dieses
Tomate /. (= eine Gemüsepflanze). Im 17.
aus gr. topäzion n., töpazos (dass.).
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. tomate,
Littmann (1924), 20f.; Löschen (1968), 333f.
dieses aus span, tomate m. (dass.), aus der mexi¬
kanischen Indianersprache Nahuatl tomatl Topf1 m. 'Gefäß’. Mhd. (omd.) topf neben
westlichem (ahd.) dupfen, duppen usw. Die Be¬
(dass.).
deutung ist sehr allgemein, das Wort kann z. B.
Littmann (1924), 146, 149; R. Loewe ZVS 61 (1933),
auch Eierschalen bezeichnen. Seine Herkunft
95f.; B. Martin DWEB 2 (1963), 139-146.
ist unklar; vielleicht zu ae. dyppan 'eintauchen’.
Tombola /. 'Verlosung (zu wohltätigem S. Topfen. - J. Trier ZDPh 70(1950), 357-365; R.
Zweck)’. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ Hildebrandt DWEB 3 (1963), 297-441; Löhr (1988),
tend it. tombola, zu it. tombolare 'purzeln’. So 232f.
bezeichnet nach den purzelnden Losen in der Topf2 m. 'Kreisel’, arch. Mhd. topf(e), ahd.
Lostrommel. topf(o). In alter Zeit entlehnt aus afrz. topet
R. Beyer / J.-Ch. Pellat BELM 11 (1980), 29f. 'Kreisel’, das seinerseits auf germanisches
Ton1 m. 'Lehm’. Mhd. dahe, tahe /., ahd. *topp- 'Spitze’ (s. Topp) zurückgeht.
däha, as. in thähln 'tönern’ aus g. *pähön, älter S. Topfen, Topp.

*panhön /. 'Ton, Lehm’, auch in gt. fäho, ae. Topfen m. 'Quark’, bair.-österr. Bezeugt seit
pö(he). Die neuhochdeutsche Form aus tähen dem 13. Jh. Vergleichbar ist fränk. Topfkäse
kontrahiert mit nachträglicher Verdumpfung und damit hängt das Wort wohl mit Topf1 (s. d.)
des ä zu ö. Der Genuswechsel vielleicht im oder Topf- (s. d.) zusammen. Die Art des Zu¬
Anschluß an Lehm. Vermutlich ist auszugehen sammenhangs und damit die Frage, von wel¬
von einer Bedeutung 'dicht’ und damit anzu¬ chem Topf auszugehen ist, bleiben allerdings
schließen an dicht (s. d.). Gemeint ist entweder, umstritten.
J. Trier ZDPh 70 (1950), 361; Kretschmer (1969), 562f.
daß das Material dicht ist, oder (wahrschein¬
licher), daß es zum Dichten verwendet wurde Topik /. 'Lehre von den Topoi’, s. Topos.
(vgl. die Technik der lehmverschmierten Flecht¬ Topos m. 'feste Wendung, Bild’, fachsprachl.
wände). Entlehnt aus gleichbedeutend gr. topos (wört¬
R. Hildebrandt DWEB 3 (1963), 297-441; Löschen lich: 'Ort, Stelle’). Zunächst so bezeichnet als
(1968), 332f. 'die Orte, an denen man bestimmten Rede¬
schmuck finden kann’; dann metonymisch
Ton2 m. Mhd. dön, ton, ahd. noch in lateini¬
übertragen auf die Redefiguren selbst.
scher Form tonus. Entlehnt aus 1. tonus, tonos
Morphologisch zugehörig: Topik, Topographie (usw.);
'Saitenton, Spannung der Saite’, das seinerseits
etymologisch verwandt: [Isotopie], Utopie (usw.). —
aus gr. tönos 'Anspannung’ (zu gr. teinö 'ich E. Erämetsä NPhM 59 (1958), 40.
spanne’ s. dehnen) stammt.
Topp m. 'Mastspitze’, fachsprachl., ndd. Ent¬
S. Bariton, monoton, Tonic, Tonikum. sprechung zu Zopf (s. d.). Die Ausgangsbedeu¬
Tonic n. (= ein alkoholfreies Getränk mit tung ist 'Spitze, Ende’.
Kohlensäure und Chinin), s. Tonikum. S. Topf2 (-t-). - Kluge (1911), 785f.
topp 733 tosen

topp Interj. (zur Bekräftigung, besonders Tornado m. (= ein Wirbelsturm), fachsprachl.


beim Handschlag zur Bekräftigung eines Ver¬ Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span.
trags oder einer Übereinkunft). Das Wort tornado, zu span, tornar 'drehen5, dieses aus 1.
kommt aus dem Niederdeutschen; seine Her¬ tornäre 'drehen, drechseln5.
kunft ist umstritten. Zusammenhang mit frz. Etymologisch verwandt: s. Tour. — Jones (1976), 623.
toper 'einwilligen, beim Spiel mithalten5 ist
Tornister m. 'rucksackähnliches Tragebehält¬
sicher, doch ist die Entlehnungsrichtung unklar.
nis von Soldaten5. Im 17. Jh. über osteuropä¬
Tor1 m. Mhd. tör(e), mndd. dore, mndl. door. ische Sprachen entlehnt aus mgr. tägislron n.
Eigentlich Substantivierung eines Adjektivs, 'Hafersack (für Reiter)5 unter Einfluß von gr.
dessen Herkunft aus *dauz- durch ahd. tusTg, (Hesych.) känistron n. 'Brotkorb5 (aus 1. cani-
ae. dysig 'töricht5 erwiesen wird. Eine Ableitung strum n. [dass.]). Das /or/ wohl als hyperkor¬
ist töricht, mhd. töreht, tareht, töroht, tceroht. rekte Form für /a/, da umgekehrt in den ostmit¬
Mit dösig (s. d.), Dusel (s. d.) zu einer Verbal¬ teldeutschen Dialekten /or/ zu /a/ wurde (z. B.
wurzel, die 'verwirrt sein, umnebelt sein5 bedeu¬ Hanisse für Hornisse).
tet (hierzu weiter entfernt auch toll, taub u. a.) G. Meyer IF 2(1892), 441-445; G. Schoppe ZDW
und mit Dunst (s. d.) verwandt ist. 15(1914), 214; Wiek (1939), 58; Steinhäuser (1962),
S. betören, Dunst ( + ). 55f.; Bielfeldt (1965), 26.

Tor2 n. Mhd. ahd. tor, as. dor aus g. *dura- Torpedo m./n. 'Schiffsgeschoß mit eigenem
n. 'Tor5, vielleicht ursprünglich zunächst in Zu¬ Antrieb5, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus
sammensetzungen oder im Plural, auch in gt. span, torpedo m., dieses aus 1. torpedo f. 'Zitter¬
daur, ae. dör. Zur gleichen Grundlage wie Tür rochen, Krampffisch, (wörtlich: Lähmung,
(s. d.). Stumpfheit)5, zu 1. torpere 'starr sein, regungslos
Ne. door. S. Tür. sein5. So benannt in metaphorischer (euphemi¬
stischer) Übertragung als 'Geschoß, das läh¬
Torero m. 'Stierkämpfer5, sonder spracht. Im
mende Schläge austeilt5.
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend span, to¬
rero, zu span, toro 'Stier5, dieses aus 1. taurus Torso m. 'Statue mit fehlenden Gliedmaßen5,
fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
(dass.), aus gr. taüros (dass.).
deutend it. torso (wörtlich: 'Strunk, Frucht¬
Zum Etymon s. Stier.
kern5), dieses über spätlateinische Zwischenstu¬
Torf m. Im 16. Jh. in niederdeutscher Form fen aus 1. thyrsus 'Stengel, Strunk5, aus gr.
ausgebreitet, während die hochdeutsche Ent¬ (poet.) thyrsos (= mit Weinlaub und Efeu um¬
sprechung ahd. *zurb 'Rasen5 untergegangen wundener Stab mit einem Pinien- oder Fichten¬
ist. As. afr. turf, ae. turf/., anord. torf n. 'Rasen, zapfen als Krone). Bis in die frühe Neuzeit
Torf5, anord. torfa f. bedeutet 'Rasenscholle, wurde der Torso nicht als Kunstwerk aner¬
behaarte Haut, Boden5. Außergermanisch ver¬ kannt; deshalb auch die Bezeichnung, die ihn
gleicht sich russ. dem 'Rasenstück5; wahrschein¬ mit einem Stiel ohne Früchte vergleicht.
lich weiter zu *der- 'spalten, reißen5, die vor
Torte /. Bezeugt seit dem 15. Jh., im nieder¬
allem in zerren (s. d.) auftritt. Zum zweiten Be¬
deutsch-niederländischen Bereich als tarte (im
standteil von Torfmull s. Müll.
Einklang mit frz. tarte 'Obstkuchen5). Aus ml.
Nndl. ne. turf nschw. torv. — G. Drosdowski FF
torta 'Gebäck5, zu 1. torquere 'drehen5. Vermut¬
31 (1957), 341 f.; Trier (1981), 72-74.
lich bezeichnete das Wort zunächst eine ge¬
Torkel /./m. 'Weinkelter5, südd. Mhd. torkel, drehte (Ton)Scheibe und wurde dann auf ein
ahd. torcul m./n., torcula f. Entlehnt aus ml. flaches, scheibenartiges Gebäck übertragen.
*torcula (1. torcular, torculum n., torculus m. Etymologisch verwandt: s. Tortur. — G. Schoppe
'Presse5 zu 1. torquere 'drehen5). ZDW 15(1914), 214; A. Wurmbach ZV 56(1960),
S. Tortur ( + ). 20-40.
torkeln swV, ugs. Mhd. torkeln. Zu Torkel Tortur /. 'Quälerei, Folter5. Im 16. Jh. ent¬
'Kelter5 bzw. 1. torculäre 'keltern5, und zwar von lehnt aus gleichbedeutend ml. tortura, dieses
dem konkreten 'die Kelter drehen5 ausgehend. aus 1. tortüra 'Krümmung, Verrenkung5, zu 1.
Auf die Bedeutung haben wohl taumeln, mhd. torquere (tortum) 'drehen, verzerren, ver¬
turmleht 'schwindlig5 und ähnliche Wörter ein¬ renken5.
gewirkt. Etymologisch verwandt: Intrige, Retorte, Torkel, Torte,
Troß, zwerch', zum Etymon s. drechseln.
Törn m. 'Fahrt mit einem Segelboot5, sonder-
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. turn, tosen swV. Mhd. dösen, ahd. dösön\ vergleich¬
dieses aus afrz. to(u)rn 'Drehung, Wendung, bar sind anord. pausn 'Lärm5, ae. pys 'Sturm5.
aus 1. tornus Drehscheibe, Drechseleisen , aus Zu ig. *dheus- 'stieben, brausen5, das etwa in
gr. törnos (dass.). gr. thyö 'ich stürme5 und 1 .furere 'rasen, wüten’
Etymologisch verwandt: s. Tour.
bezeugt ist — die Abgrenzung dieser Sippe ist
734 träge
tot

tour, Retourkutsche, stornieren, Törn, Tornado, Turnier,


im übrigen schwierig, da die Bedeutung leicht
Turnus: zum Etymon s. drehen. — Schirmer (1911),
mit anderem verknüpft werden kann.
191; Brunt (1983), 480f.
tot Adj. Mhd. ahd. töt, as. död aus g. *dauda-
Tourismus m. 'Fremdenverkehr , s. Tour.
Adj. 'tot’, auch in gt. dau/>s, anord. dauör, ae.
de ad, afr. däd. Ursprünglich Partizip zu der Tournee /. 'Gastspielreise’, s. Tour.
unter Tod (s. d.) behandelten Verbalwurzel für Trabant m. 'unselbständiger Begleiter, Satel¬
'sterben', also eigentlich 'gestorben'. lit’, sondersprachl. Im 15. Jh. im ostmitteldeut¬
schen Raum belegt; die weitere Herkunft ist
Nndl. dood, ne. dead, nschw. död, nisl. dauöur. S.
Tod (+).
nicht geklärt. Wohl irgendwie zu traben (s. d.),
da auch die Bedeutungen 'Läufer als Leibwäch¬
total Adj. 'vollständig'. Im 17. Jh. entlehnt
ter’ und 'Fußsoldat’ auftreten.
aus gleichbedeutend frz. total, dieses über das
Mittellateinische aus 1. tötus (dass.). Aus Totali¬ traben swV. Mhd. draben, draven. Als Fach¬
sator (eigentlich: 'Buchung sämtlicher Welten’) wort der Ritter entlehnt aus mndd. mndl. dra¬
in Anlehnung an Lotto die Neubildung Toto. ven, as. thrabon, afr. thravia. Diese Sippe ist
Totalitär ist eigentlich 'alles erfassend und bean¬ sicher lautmalend, wie auch trappen u. ä.
spruchend’ und meint die völlige Unterwerfung S. Trabant, Trappe1)+ ), Treppe, treten, trippeln.
des einzelnen unter ein Regime. Tracht/. Mhd. traht(e), ahd. traht(a), mndd.
Morphologisch zugehörig: Total, Totale, Totalitaris¬ mndl. dracht. Verbalabstraktum zu tragen (s. d.)
mus, Totalität, totaliter; etymologisch verwandt: Fakto¬ in verschiedenen Sonderbedeutungen. Allge¬
tum, partout. mein 'das, was auf einmal getragen wird’, be¬
Tote m.jf 'Taufpate, Taufpatin’, reg. Mhd. sonders 'das zu Tisch getragene’ (daraus über¬
totftje m., ahd. toto m., tota f. Kindliche Lall¬ tragen Tracht Prügelj und 'Leibesfrucht’ (hierzu
formen für ahd. gota f (s. Gote). trächtig, s. d.); dann auch die Art sich zu beneh¬
R. Hildebrandt in: FS Schmitt (1988), 667. men und und kleiden, woraus Tracht im Sinne
Totem n. 'von Naturvölkern verehrtes Bild¬ von 'herkömmliche Kleidung’. Morphologisch
nis’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬ entsprechend sind Eintracht, Zwietracht, Nie¬
bedeutend ne. totem aus einer nordamerikani¬ dertracht.
schen Indianersprache der Algonkin-Famlie trachten swV. Mhd. trahten, ahd. trahtön, as.
ototeman 'Stammeszeichen’, zu ote 'Sippe’. Ge¬ trahton. Wie ae trahtian, afr. trachtia entlehnt
genstand, der als Verkörperung eines Verwand¬ aus 1. tractäre 'behandeln’, dann speziell 'die
ten (usw.) angesehen wird und als Familien- Antwort auf eine Frage überlegen’ (s. auch be¬
bzw. Stammeszeichen gilt. trachten).
Toto M./m. (= ein Glücksspiel), s. total. trächtig Adj. Zu Tracht (s. d.) in dessen Son¬
Touch m. 'Anflug, Flair’. Im 20. Jh. entlehnt derbedeutung 'Leibesfrucht, Schwangerschaft’.
aus gleichbedeutend ne. touch (wörtlich: 'Be¬ M. Bues MS 83 (1973), 283-285.
rührung’), dieses aus afrz. touche 'Berührung’, Tradition /. 'Brauchtum, Überlieferung’. Im
einer Ableitung von afrz. toucher 'berühren’, 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. träditio
das wohl zurückgeht auf ein frühromanisches (-önis), zu 1. trädere (träditum) 'übergeben,
*toccare 'die Glocke anschlagen’. Die Bedeu¬ überreichen’, zu 1. dare 'geben’ (s. auch trans-).
tung 'berühren’ noch in touchieren. Morphologisch zugehörig: tradieren, traditional, Tradi-
S. Tusche ( + ). tionalismus, Traditionalist, traditionell: etymologisch
touchieren swV., s. Touch. verwandt: s. Datum.

Toupet n. 'FlaarteiF. Im 18. Jh. entlehnt aus Trafo m. Abgekürzt aus Transformator (s. d.).
gleichbedeutend frz. faux toupet m. (wörtlich: träge Adj. Mhd. träge Adv., trcege, ahd. trägi,
'falsches Haarbüschel’), einem Diminutivum zu as. trag-, hierzu mit abweichender Bedeutung
afrz. top, toup 'Haarbüschel, Ende’, aus frk. ae. träg 'schlecht’. Im Ablaut zu anord. tregr
*top (dass.). 'unwillig, langsam’, neben dem wiederum in der
Morphologisch zugehörig: toupieren: zum Etymon s. Bedeutung abweichend gt. trigo 'Trauer’ steht.
Zopf. Außergermanisch steht am nächsten (mit abwei¬
Tour/. 'Fahrt, Ausflug, Manöver’. Im 17. Jh. chender Vokalisierung) lit. dirzti 'zäh, hart, un¬
entlehnt aus gleichbedeutend frz. tour (wörtlich: zerbrechlich werden’ und vielleicht weiter avest.
'Drehung, Wendung, Dreheisen’), dieses aus 1. dorozra-, drozra- 'stark, fest, tüchtig’, ai. drhyati
tornus m. 'Dreheisen’, aus gr. törnos m. (dass., 'ist fest, ist stark'. Ausgangsbedeutung für das
wörtlich: 'etwas Umlaufendes’), zu gr. teirein Germanische ist also offenbar 'zäh’ aus älterem
'reiben, aufreiben’. 'fest, stark’. Der Ablaut läßt eine nicht mehr
Morphologisch zugehörig: touren, Tourismus, Tourist, vorhandene verbale Grundlage vermuten.
Touristik, Tournee; etymologisch verwandt: Kontur, re¬ Nndl. traag.
tragen 735 Trance

tragen stV. Mhd. tragen, ahd. tragan, as. dra- schen Musik stammenden Kehrreim tralla(la);
gan aus g. *drag-a- stV. 'schleppen’, auch in gt. also singen ohne den Gebrauch sinntragender
dragan, anord. draga, ae. dragan, afr. drega, Wörter’.
draga (im Englischen und Nordischen ist die
Trambahn /., kürzer Tram f.jn., südd. Im 19.
Bedeutung eher 'ziehen’ als 'tragen'). Keine si¬
Jh. umgeformt aus älterem Tramway, das aus
chere Vergleichsmöglichkeit. Semantisch ent¬
dem Englischen entlehnt ist. Die Herkunft ist
spricht 1. trahere 'ziehen, schleppen’, das laut¬
nicht ausreichend klar; vermutlich ist der erste
lich nicht übereinstimmt; lautlich Vergleichba¬
Bestandteil das mndd. trame, treme, mndl.
res läßt sich in der Bedeutung nicht vereinen.
trame 'Balken'.
S. abstrakt ( + ), Getreide, Tracht, Zwietracht.
trampeln swV. Spmhd. trampeln, ursprünglich
tragisch Adj. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. tragi-
norddeutsche Iterativbildung zu trampen 'tre¬
cus, aus gr. tragikös 'zur Tragödie gehörig’ (s.
Tragödie). ten, stampfen’, das wohl eine Nasalierung zu
einem lautmalenden trappen ist.
Tragödie /. 'Trauerspiel’. Im 16. Jh. entlehnt
S. strampeln, trampen ( + ), Trampolin, Trappe2, Treppe,
aus gleichbedeutend 1. tragoedia, dieses aus gr.
treten, trippeln. - Lühr (1988), 172-174, 360f.
tragöidiä (dass., auch: 'schlimmes Ereignis,
schreckhafte Vorstellungen’), zu gr. trägos m. Trampeltier n., sonder sprachl. Bezeugt seit
Bock’ und gr. öide 'Gesang’, demnach wörtlich dem 16. Jh. für 'Kamel’, dann festgelegt auf das
'Bocksgesang’. Zunächst wohl ein Lied beim zweihöckrige Kamel gegenüber dem Dromedar.
Opfer eines Bockes am Dionysosfest; dann Zu trampeln und Tier, aber sicher ausgelöst
übertragen auf größere Werke mit Chor usw. durch Dromedar, aus dem es vielleicht entstellt
ist.
Morphologisch zugehörig: Tragik, tragisch', etymolo¬
gischverwandt: s. Ode. - G. Schoppe ZT) tTl 5 (1914), trampen swV. 'per Anhalter fahren’, ugs. Im
214. 20. Jh. entlehnt aus ne. tramp 'herumwandern,
Tragweite /. Heute meist übertragen ge¬ vagabundieren, mit schwerem Schritt laufen’,
braucht, die ursprüngliche Bedeutung ist aus me. trampen 'mit schwerem Schritt laufen’.
'Reichweite eines Schusses’ als Übersetzung von Die Bedeutung 'per Anhalter fahren’ ist nur
frz. portee. Bezeugt seit dem 19. Jh. deutsch, ursprünglich 'wie ein Tramp (‘Vaga¬
O. Ladendorf ZDW 5 (1903/04), 123f.; Pfaff (1933), bund’) herumreisen’ (ne. hitchhike).
52f. Morphologisch zugehörig: Tramp, Tramper, zum Ety¬
trainieren swV. 'üben, sportlich vorbereiten’. mon s. trampeln.
Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. Trampolin n. (= ein gefedertes Sportgerät zur
train (wörtlich: 'ziehen, aufziehen’), dieses aus Ausführung von Sprüngen), fachsprachl. Ent¬
frz. trainer 'ziehen’, aus 1. trahere (tractum) lehnt aus gleichbedeutend it. trampolino m., zu
(dass.). Die Bedeutungentwicklung im Engli¬ it. tramplo m. 'Stelze’, dieses aus dem Stamm
schen von 'ziehen’ über 'auf-, großziehen’ zu von d. trampeln (s. d.). Wohl so benannt als ein
'abrichten, ausbilden’; dann auch übertragen Sprungtuch, das in ein Rahmengestell einge¬
auf 'sich selbst üben’. spannt ist.
Morphologisch zugehörig: Train, Trainee, Training',
Tran m. Gekürzt aus fnhd. fischtran, das seit
etymologisch verwandt: s. abstrakt.
dem 16. Jh. bezeugt ist. Das Wort ist nieder¬
Trakt m. 'seitlicher Gebäudeteil’, fachsprachl.
deutsch, und mndd. trän, as. trahni PI. ist die
Im 15. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. trac-
Entsprechung zu Träne (s. d.), hier in der Be¬
tus 'Ausdehnung, (wörtlich: Ziehen)’, dem PPR
deutung 'Tropfen’. Der Tran ist also benannt
von 1. trahere (tractum) 'ziehen’.
nach dem Vorgang der Gewinnung aus Fischle¬
Etymologisch verwandt: s. abstrakt.
ber usw. Die vulgäre Redensart im Tran sein
Traktat n./m. 'Abhandlung’, sondersprachl. kann an dasselbe Wort angeknüpft werden, in¬
Im Mittelhochdeutschen (mhd. tractät m.) ent¬ dem von 'Tropfen Alkohol’ ausgegangen wird
lehnt aus gleichbedeutend 1. tractätus m., zu (vgl. preuß. tränen 'dem Alkohol zusprechen’),
1. tractäre (tractätum) 'behandeln, handhaben,
doch hat in diesem Fall wohl Trance (s. d.) mit
untersuchen, (wörtlich: ziehen, schleppen)’,
eingewirkt.
einem Frequentativum zu 1. trahere 'ziehen’.
Morphologisch zugehörig: Trakt, traktabel, Trakta¬ Trance /. 'Betäubung, Geistesabwesenheit’,
ment, Traktandum, traktieren, Traktion, Traktor, Trak¬ fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
tor, Traktus', etymologisch verwandt: s. abstrakt. — Zu deutend ne. trance (dass.) aus afrz. transe 'Ver¬
Traktors.'. J. Eichhoff in: FS Martin (1980). 156 — 159. scheiden, Angstzustand’; dieses zu afrz. transir
Traktor m., s. Traktat. 'verscheiden, vor Kälte starr sein usw.’, aus 1.
trällern swV. Bezeugt seit dem 18. Jh. Eigent¬ tränsire 'hinübergehen’.
lich 'tralla(la) singen’ zu dem aus der spani¬ Etymologisch verwandt: s. Abitur.
736 transzendent
tranchieren

tranchieren swV. 'Geflügel (usw.) zerlegen . zu 1. sistere stellen, hinstellen (s. auch re-). So
bezeichnet als ein Verstärkerelement, bei dem
Im 17. Jh. entlehnt aus frz. trancher 'abschnei¬
ein bestimmter Stromfluß ein Halbleiter-Ele¬
den, zerlegen’, dieses wohl aus 1. truncäre ab¬
ment für einen anderen Strom leitend macht
schneiden, stutzen, verstümmeln’. Dazu Tran¬
(d. h. den Leitwiderstand abbaut).
che 'Schnitte’ bzw. Teil’.
Etymologisch verwandt: s. Arrest.
Jones (1976), 631.
Transit m. 'Durchfuhr, Durchreise’, sonder-
Träne /. Spmhd. trahen, trene m. ist der kon¬
sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
trahierte Plural von trahen, ahd. trahen, trän
it. transito, dieses aus 1. tränsitus (dass.), dem
m., as. trahni PL, aus dem ein Singular rückge¬
substantivierten PPP. von 1. tränsTre (tränsitum)
bildet ist. Mit r- statt «-Suffix steht daneben
das besser vergleichbare Zähre (s. d.). An sich 'hinübergehen’, zu 1. Ire gehen (s. auch trans-).
Morphologisch zugehörig: transitieren, transitiv, Tran-
wäre bei einem solchen Suffixverhältnis ein alter
sitivum, Transitorium', etymologisch verwandt: s. Ab¬
/•/«-Stamm als Quelle zu erwarten, doch scheint
itur. — Schirmer (1911), 192f.
in diesem Fall wegen der ausschließlichen Ver¬
gleichbarkeit der / -Bildung eher eine sekundäre transkribieren swV. in eine andere Schrift
Umformung vorzuliegen. Weitere Herkunft un¬ übertragen’, s. deskrihieren und trans-,
klar. Transliteration /. 'Übertragung in eine andere
S. Tran, Zähre. - H. Glombik-Hujer DWEB 5 (1968), Schrift’, s. Literatur und trans-,
52-54. transparent Adj. durchsichtig, durchschei¬
Trank m. Mhd. ahd. träne m.\n., aondfrk. nend’. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
dranc m./n. aus wg. *drank-i- m. 'Trank’ auch frz. transparent, dieses aus mittellateinischen
in ae. drenc, afr. drank, dronk. Daneben ein Bildungen zu 1. pärere 'erscheinen, sichtbar sein
neutraler tr-Stamm in gt. dragk. Verbalabstrak¬ und 1. trans-.
tum zu trinken (s. d.). Morphologisch zugehörig: Transparent, Transparenz-,
Nndl. drank, ne. drench. S. tränken, trinken ( + ). etymologisch verwandt: Komparse, parieren3.

tränken swV. Mhd. ahd. trenken, as. (or)dren- transpirieren swV. 'schwitzen’, sondersprachl.
kian aus g. *drank-eja- swV. 'tränken , auch in Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
gt. dragkjan, anord. drekkja, ae. drencan, afr. transpirer, dieses aus ml. transspirare (dass.), zu
drentza 'ertränken’. Kausativum zu trinken 1. spiräre 'hauchen, duften, aushauchen’ (s. auch
(s. d.), also eigentlich 'zu trinken geben, trinken trans-).
machen’. Morphologisch zugehörig: Transpiration-, etymologisch
Nndl. drenken, ne. drench, nschw. dränka, nisl. drekkja. verwandt: s. Spiritus.
S. trinken ( + ). transplantieren swV. 'verpflanzen’, s. Plantage
trans- Präfix. Wortbildungselement mit der und trans-,
Bedeutung 'hinüber, jenseits, extrem’ (z. B. transponieren swV. 'in eine andere Tonart
Transport, transalpin). Es wurde vornehmlich in übertragen’, s. Position und trans-.
neologischen Bildungen verwendet; sein Ur¬
transportieren swV. 'befördern’. Im 17. Jh.
sprung ist 1. träns Präp. (dass.).
entlehnt aus gleichbedeutend frz. transporter,
Zum Etymon s. durch.
dieses aus 1. tränsportäre 'überführen, hinüber¬
Transaktion /., s. Aktion und trans-, setzen’, zu 1. portäre 'tragen, führen, befördern’
transferieren swV. 'übertragen’, s. Differenz (s. auch trans-).
und trans-. Morphologisch zugehörig: Transport, transportabel,
Transportation, Transporter, Transporteur, etymolo¬
Transformator m. 'Umwandler von Strom¬
gisch verwandt: s. Porto. — W. J. Jones SN 51 (1979),
spannungen’, fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt
273f.
aus gleichbedeutend frz. transformateur, zu frz.
Transposition /. 'Übertragen in eine andere
transformer 'umformen’, aus 1. tränsförmäre
Tonart’, s. Position und trans-.
(dass.), zu 1. förmäre 'gestalten, bilden’ (s. auch
trans-), zu 1. förma f. 'Gestalt, Figur’. Transvestit m. 'Mann, der sich wie eine Frau
Morphologisch zugehörig: Transformation, transfor¬ kleidet’, fachsprachl. Neubildung zu 1. vestis f
mationeil, transformieren; etymologisch verwandt: s. 'Bekleidung’ (s. auch trans-).
Form. Morphologisch zugehörig: transvestieren, Transvestis¬
Transistor m. (= ein Halbleiter-Bauteil), mus, Transvestitismus-, etymologisch verwandt: trave¬
stieren, Weste.
fachsprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
deutend ne. transistor, dieses eine Neubildung transzendent Adj. 'übernatürlich, übersinn-
zu e. Transfer 'Übertragung’ (vgl. transferieren) lich’, fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleich¬
und e. resistor 'Widerstand’, zu e. resist 'wider¬ bedeutend ml. transcendens (-entis), dieses aus
stehen, sich widersetzen’, aus 1. resistere (dass.), 1. tränscendens (-entis) 'übersteigend, übertref-
Trapez 737 Trauma

tend , dem PPräs. von 1. transcendere 'überstei¬ Traube/ Mhd. frühe m./f, ahd. drübo m., as.
gen, hinübersteigen, zu I. scandere (scänsum) thrüho m./f Dazu entsprechende Wörter, die
'steigen, besteigen’ (s. auch trans-).
Büschel, Haufe u. ä.’ bedeuten ofr. drüvel 'Bü¬
Morphologisch zugehörig: transzendental, Transzen¬ schel von Früchten oder Beeren’, ofr. drüf
denz, transzendieren; etymologisch verwandt: s. Skala.
Klumpen, Haufe, ndd. druhbel 'Menschen¬
Trapez n. (= eine geometrische Figur), fach- haufe’, schwz. truppele 'Haufen Vieh, Menge
sprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend Haselnüsse’, bair. trauppen 'Haufen von Einzel¬
1. trapeziam, dieses aus gr. trapezion (dass., sachen’. Weitere Herkunft unklar.
wörtlich: Tischchen’), einem Diminutivum zu Nndl. druif.
gr. träpeza f 'Tisch, Speisetisch, Tafel, (ur¬
trauen swV. Mhd. trüwen, ahd. (gi)trüen,
sprünglich: Vierfuß)’.
-trüwen, as. trüon\ ebenso anord. trüa; Gleichbe¬
Schirmer (1912), 72f.
deutend mit abweichendem Vokalismus gt.
Trappe1 f./(m.), auch Trappgans /., omd., trauan; wieder anders anord. tryggja, tryggva,
ondd. Mhd. trapgans/., mndd. trappe/., mndl. ae. treowian, afr. triüwa, as. triuwian, mhd. triu-
trap(gans). Entlehnt aus poln. cech. drop. wen. Auszugehen ist von der Sippe von treu
V. Machek Slavia 21 (1953), 261-264. (s. d.), doch sind die Lautverhältnisse im einzel¬
Trappe2 /. 'Fußspur’, trappen swV nen nicht geklärt. Ausgangsbedeutung ist 'fest,
S. traben (+), trampeln, trippeln. sicher sein, vertrauen’, dann auch 'hoffen, glau¬
ben u. ä.’. Reflexiv konstruiert bedeutet es im
Trapper m. 'Pelztierjäger’, sondersprachl. Ent¬
Deutschen auch 'wagen’ ('zu sich Vertrauen
lehnt aus gleichbedeutend ne. trapper (wörtlich:
haben’) und mit Dativ 'ehelich verbinden’ (vgl.
'Fallensteller’), zu e. trap 'Falle’, aus ae. treppe, dem Sinn nach anvertrauen).
trappe f. (dass.), dessen weitere etymologische
Nndl. (ver)trouwen, ne. trow, nschw. tro, nisl. trüa. S.
Zusammenhänge nicht sicher geklärt sind. treu ( + ), Trost.
trapsen swV. 'trampeln’, reg. Üblich in der trauern swV. Mhd. trüren, ahd. trüren. Mit
Wendung Nachtigall, ich hör dir trapsen (wenn anderer Vokalisierung ae. dreorig 'trübsinnig’.
man glaubt, eine verborgene Absicht durch¬ Da ahd. trüren auch 'die Augen niederschlagen’
schaut zu haben). Dies ist eine Vergröberung bedeutet, liegt der Bedeutung 'trauern’ wohl
von Fritz Reuters Nachtigall ich hör dir laufen die Bezeichnung einer Trauergebärde (den Kopf
(Stromtid 2, 26) in gleicher Funktion; dieses senken o. ä.) zugrunde. Der Anschluß an g.
wiederum parodiert Nachtigall, ich hör dich sin¬ *dreus-a- stV. 'fallen’ (gt. driusan usw.) ist aber
gen aus dem Wunderhorn. schon wegen des Vokalismus nicht ratsam.
Traß m. 'Bimssteintuff’, fachsprachl. Eigent¬ U. Pretzel VIDS 1 (1954), 112f.
lich der aus diesem gewonnene Staub, der zu Traufe/ Mhd. trouf(e), wie ahd. trouf m./n.
Mörtel verwendet wird. Im 18. Jh. entlehnt aus Zu triefen (s. d.).
nndl. terras, tras, eigentlich 'Terrasse, Zement¬
träufeln swV. Iterativbildung zu mhd. troufen,
estrich’, über frz. terrasse f, zu it. terrazza f,
tröufen, ahd. troufen, das ein Kausativum zu
das zu 1. terra f. 'Erde’ gehört.
triefen (s. d.) ist, also 'machen, daß es immer
Etymologisch verwandt: s. Terrasse.
wieder trieft’.
Trasse f 'geplante Wegführung, Bahnkörper’,
traulich Adj. Im 18. Jh. gekürzt aus vertrau¬
fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
lich', dieses zu vertrauen.
deutend frz. trace, zu frz. tracer 'die Richtung
Nichtenhauser (1920), 29.
anzeichnen, vorzeichnen’, aus spl. *tractiare
'durchziehen’, zu 1. tractum 'gezogen’, dem PPP. Traum m. Mhd. ahd. troum, as. dröm aus g.
von 1. trahere 'ziehen, schleppen, schleifen’. *drauma- m. 'Traum’, auch in anord. draumr,
Etymologisch verwandt: s. abstrakt. me. dream, afr. dränr, daneben ae. dream, as.
dröm 'Freude, Jubel’, das vielleicht ein anderes
tratschen swV. 'schwatzen’, ugs. Wie ratschen
Wort ist. Herkunft unklar.
u. ä. wohl lautmalend.
Nndl. droom, ne. dream, nschw. dröm, nisl. draumur.
Tratte/, 'gezogener Wechsel\ fachsprachl. Im - F. R. Schröder GRM 16(1928), 163f.; U. Pretzel
16. Jh. zunächst in der Form tratto (eigentlich VI DS 1 (1954), 113f.; M. Fraenkel Sprachwart
ein Partizip). Entlehnt aus dem Italienischen, 18 (1968), 232-234.
in dem das Wort ein Partizip zu it. trarre (1. Trauma n. 'Verletzung, Ereignis, das die Psy¬
trahere) 'ziehen’ ist. che sehr lange belastet’, fachsprachl. Entlehnt
S. abstrakt)-f). — Schirmer (1911), 193. aus gr. traüma (traümatos) 'Wunde, Verlet¬
tratzen sw V. 'necken’, reg. Wohl eine Ab¬ zung’, zu gr. titröskein 'verwunden, durch¬
wandlung zu reizen (trotzen hat dabei kaum bohren’.
eine Rolle gespielt). Morphologisch zugehörig: traumatisch, Traumatologie.
Treppe
traun
738

trefflich Adj., sondersprachl. Im 15. Jh. gebil¬


traun Interj., arch. In unbetonter Stellung ent¬
det aus mhd. trefich, treffe(n)lieh, zu dem Par¬
standen aus mhd. entriuwen in Treuen (s. treu).
tizip treffent. Über nachdrücklich wird die
Der Vokalismus entspricht der mitteldeutschen
heutige Bedeutung erreicht.
Lautentwicklung.
treiben stV. Mhd. triben, ahd. triban, as.
traut Adj. "lieb’, arch. Mhd. ahd. tritt. Da
driban aus g. *dreib-a- stV. 'treiben, auch in
ahd. auch drüt bezeugt ist, kommt ein Anschluß
gt. dreiban, anord. drifa, ae. drifan, afr. drtva.
an trauen, der sich semantisch nahelegen würde,
Außergermanisch läßt sich nur in der sehr ein¬
nicht in Frage; allenfalls ist an eine sekundäre
geengten Bedeutung Schneetreiben , die vor al¬
Beeinflussung der Bedeutung zu denken. Her¬
lem im Nordischen hervortritt, etwas verglei¬
kunft unklar. Vielleicht zu air. drüth 'lüstern’,
chen, nämlich lit. dribti'in Flocken niederfallen,
air. druth 'Dirne’. plumpsen’. Ausgangspunkt wäre also der stür¬
travestieren swV. durch Veränderung der mische Niederschlag, das weitere, besonders die
Form lächerlich machen’, fachsprachl. Im 18. Übertragung auf Personen, wäre sekundär.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. travester, Falls dies zutrifft, kann weiter an *dher- 'mat¬
dieses aus it. travestire 'verkleiden’, zu 1. vestire schig sein, ausfallen aus Flüssigkeiten usw. an¬
'bekleiden’ (s. auch trans-), zu 1. vestis 'Beklei¬ geknüpft werden (zu diesem s. Trester).
dung’. Nndl. drijven, ne. drive, nschw. driva, nisl. drifa. S.
Morphologisch zugehörig: Travestie-, etymologisch ver¬ Drift, durchtrieben, Getriebe, Trift, Trester ( + ).
wandt: s. Transvestit. — Ganz (1957), 222. treideln swV. ein Schiff am Schlepptau zie¬
Trawler m. 'Fangschiff mit Grundnetz’, fach¬ hen’, fachsprachl. Aus dem Niederdeutschen im
sprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend ne. traw- 18. Jh. in die Hochsprache übernommen. Ndd.
ler, einer Instrumentalbildung zu e. trawl mit treideln, treilen (usw.) ist wie me. trailen, mndl.
einem Schleppnetz fischen’, dessen weitere Her¬ treilen entlehnt aus frz. tradier, das ml. *tragu-
kunft nicht sicher geklärt ist. lare (zu 1. trägula 'Schleppnetz ) voraussetzt.
Treber PI. 'Rückstand beim Keltern’, fach¬ Tremolo n., fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt
sprachl. Mhd. treber /., ahd. trebir, mndd. dre- aus gleichbedeutend it. tremolo m. (wörtlich:
ver, Plural zu mndd. mndl. draf vgl. anord. 'Zittern’), aus 1. tremulus 'zitternd’, zu 1. tremere
draf n. 'Abfall’. Außergermanisch vergleicht 'zittern’.
sich russ. (dial.) drob Bodensatz, Bierhefe ; zu Morphologisch zugehörig: tremolando, tremolieren,
der gleichen Grundlage wie Trester (s. d.) und Tremor, Tremulant, tremulieren.

Drusen (s. d.). Tremse/., auch Tremisse/. 'Kornblume’, ndd.


Nndl. draf, ne. draff, nschw. drav. S. Drusen, Bezeugt seit dem 15. Jh. als tremisse, tremfe)se.
Trester (+), trübe (-1-). - E. Alanne MSN 18 (1956), Vielleicht zu mhd. tremen 'leuchten’, mhd. trimz
14-16. m. 'Glanz’, die aber selbst ohne Anschluß
trecken swV 'ziehen’, fachsprachl. Mhd. fre¬ bleiben.
chen stV, mndd. mndl. (Intensivbildung) trek- Trend m. 'Richtung, Tendenz’. Im 20. Jh.
ken, afr. trekka 'ziehen, zücken’. Bewahrt in den entlehnt aus gleichbedeutend ne. trend, einer
speziellen Bedeutungen des Schiffe-Schleppens Ableitung von e. trend 'drehen, wenden’, dieses
und der Wanderung großer Volksteile. Herkunft aus ae. trendan (dass.).
unklar. Vgl. daß bei dem semantisch vergleich¬ trennen swV. Mhd. trennen, ahd. (in)trennen,
baren tragen verschiedenartige lautliche Varian¬ mndl. trennen. Formal an entrinnen (s. d.) anzu¬
ten auftreten. schließen, doch ergeben sich im einzelnen Ab¬
Nndl. trekken. S. vertrackt. grenzungsschwierigkeiten. Denkbar wäre ein
Treff n. 'Eichel im Kartenspiel’, fachsprachl. Anschluß an die Wurzel *der- 'spalten, schin¬
Im 18. Jh. als treffe entlehnt aus frz. trefle m. den’ (s. zerren), doch muß dann entrinnen wohl
'Klee’, das auf 1. trifolium 'Dreiblatt’ zurück¬ abgetrennt werden.
geht. Da treffe als ein Diminutiv aufgefaßt Trier (1952), 122f.; (1981), 67-69.
werden konnte, kam noch im 18. Jh. das ver¬ Trense /. 'Schnur, Litze, Pferdezaum’, fach¬
meintliche Grundwort Treff in Gebrauch. sprachl. Im 16. Jh. mit dem Brauch des Zäu-
treffen stV. Mhd. treffen, ahd. treffan, as. mens mit der Trense aus den Niederlanden ein¬
-drepan aus g. *drep-a- stV. 'schlagen’, auch geführt. Dorthin aus span, trenza 'Flechte, Seil’.
in anord. drepa, ae. drepan. Ohne brauchbare Treppe /. Ursprünglich nieder- und mittel¬
Vergleichsmöglichkeit. Der substantivierte Infi¬ deutsches Wort, im Westen trappe, im Osten
nitiv seit dem 15. Jh. in der Bedeutung treppe. Die Bedeutung ist ursprünglich 'Trep¬
'Schlacht’. penstufe’, erst seit dem 17. Jh. wie heute. Voraus
S. triftig. - A. Götze ZDW 8 (1907), 313-329. geht mndd. treppe, trappe, troppe, mndl. trappe,
Treppenwitz 739 Trichine

afr. treppe. Zu einem ursprünglich lautmalen¬ triöwe, ahd. triuwa, as. treuwa, afr. triüwe,
den Wort für 'treten’, vgl. traben (s. d.) und triöwe, ae. treow, gt. triggwa (neben anord. trü
trampeln (s. d.). mit abweichender Vokalisierung). Daneben das
Nndl. trap. S. traben (+), trampeln, trippeln. — Lühr einfache Adjektiv in gt. triggws, ae. treowe, afr.
(1988), 242f.
triüwe, triöwe, as. triuwi. Der Vokalismus ist
Treppenwitz m. 'Vorfall, der einen größeren im einzelnen unklar, vgl. hierzu auch trauen.
Zusammenhang auf groteske Weise beleuchtet’, Außergermanisch vergleichen sich zunächst air.
sondersprachl. In der heutigen Bedeutung ab¬ derb 'sicher’, kymr. drud 'teuer, tapfer’, lit. drü-
hängig vom Titel des Buches Treppenwitz der tas Test’, gr. (Glosse) droön 'stark’. Es ist nicht
Weltgeschichte von W. L. Hertslet (1882). Älter ausgeschlossen, daß dieses Wort mit dem we¬
ist das Wort als Lehnübersetzung von frz. esprit sentlich besser bezeugten indogermanischen
d'escalier in der Bedeutung 'das, was dem Wort für 'Baum, Holz’ (s. Teer) zusammenge¬
Bittsteller erst auf der Treppe (auf dem Heim¬ hört als '(fest) wie Holz’.
weg) einfällt’ (nämlich: was er hätte antworten Nndl. trouw, ne. true, nschw. trygg, nisl. tryggur. S.
sollen). Männertreu, trauen, traun, Trost. — El. Osthoff Par-
Tresen m., auch Dresen m. 'Schanktisch, La¬ erga 1 (1901), 98-180; Tiefenbach (1973), 108f.

dentisch’. Eigentlich 'Geldkasten’, vgl. mhd. Triade /. 'Gruppe von drei Gottheiten/Stro¬
trese(n), tresem 'Schatz’. Zu diesem s. Tresor. phen usw.’, s. Trio.
Tresor m. 'Panzerschrank’. Im 19. Jh. ent¬ Triangel m./n. (= ein dreiecksförmiges Schlag¬
lehnt aus gleichbedeutend frz. tresor, dieses aus instrument), fachsprachl. Im 16. Jh. entlehnt
1. thesaurus 'Geldkasten, Schatz’, aus gr. thesau- aus l. triangulum n. 'Dreieck’, zu 1. triangulus
rös (dass.). 'dreieckig’, zu 1. angulus m. 'Winkel’ und 1. tres
Etymologisch verwandt: Thesaurus. — Schirmer 'drei’.
(1911), 193; G. Schoppe ZDW 15(1914), 214; Jones
Etymologisch verwandt: s. Trio. — G. Schoppe ZDW
(1976), 635f.
15 (1914), 214; Relleke (1980), 253.
Trespe/. 'Schwindelhafer\ fachsprachl. Mhd.
Tribunal n. 'Gericht, Gerichtshof’, sonder¬
trefs(e) m., mndd. drespe, ^-Ableitung zu nndl.
sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
dreh, drep, alem. dräff nnorw. drap 'Raigras’.
frz. tribunal m., dieses aus 1. tribünal (dass.,
Weitere Herkunft unklar.
wörtlich: 'Bühne für den Tribun’), zu 1. tribünus
E. H. Sehrt MLN 42 (1927), 38f.; Marzeil (1943/79), I,
m. 'Oberster’, zu 1. tribus f. 'Bezirk, Volk, (wört¬
677-679.
lich: einer der drei Stämme)’.
Tresse /., fachsprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus Etymologisch verwandt: s. Tribut.
frz. tresse 'Schnur, Borte’, das zu it. treccia
Tribüne /. 'großes Podium’. Im 18. Jh. ent¬
'Flechte’ gehört.
lehnt aus gleichbedeutend frz. tribune, dieses
Trester PI. 'Rückstand beim Bierbrauen und
aus it. tribuna (dass.), aus 1. tribünal n. (dass.,
Keltern’, fachsprachl. Mhd. trester ff ?), ahd.
wörtlich: 'Bühne für den Tribun’), zu 1. tribünus
trestir, Plural zu ae. drcest, dcerst m. Daneben
m. 'Oberster’, zu 1. tribus 'Bezirk, Volk, (wört¬
stehen anord. dregg f. 'Hefe’, so daß mit *drajö
lich: einer der drei Stämme)’.
neben *drahsta- zu rechnen ist. Außergerma¬
Morphologisch zugehörig: Tribun, Tribunal, Tribunal,
nisch vergleichen sich alit. drages, akslav. droz-
Tribut', etymologisch verwandt: s. Tribut.
dijp 'Hefe’, alb. dra 'Bodensatz des Öls, ausge¬
lassene Butter’; von der unerweiterten Wurzel Tribut m. 'Abgabe, Beitrag’, sondersprachl.
ist 1. foria f. 'Schweinekrankheit, Durchlauf’, Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus gleichbe¬
und 1. foria n. 'Exkremente’ gebildet. deutend 1. tribütum n., dem substantivierten
S. Treber, treiben ( + ), trübe { + ). — H. Krahl BGDSL PPP. von 1. tribuere (tribütum) 'zugestehen, ge¬
71 (1949), 242; E. Alanne MSN 18 (1956), 16f. währen’, zu 1. tribus f. '(Steuer)Bezirk, Volk,
treten stV. Mhd. tret(t)en, ahd. tretan, mndd. (wörtlich: einer der drei Stämme)’. Zunächst
tred(d)en, mndl. treden aus wg. *tred-a- stV.
übernommen in der konkreten Bedeutung von
'treten’, auch in ae. tredan, afr. treda; daneben 'Abgabe’; dann übertragen auf 'Opfer’.
*trud-a- stV. in gt. trudan, anord. troöa. Keine Etymologisch verwandt: Attribut, distribuieren, Kontri¬

genaue Vergleichsmöglichkeit, deshalb wohl ur¬ bution, Tribunal, Tribüne (usw.).

sprünglich lautmalend wie auch trappen (s. Trichine/. (= ein parasitischer Fadenwurm),
Trappe2), trampeln (s. d.), traben (s. d.) usw. fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbe¬
Nndl. treden, ne. tread. S. betreten, trollen ( + ), deutend ne. trichine (wörtlich: 'Haarwurm’),
Trott (+). einer Neubildung zu gr. trichinös 'aus Haaren
treu Adj. Spmhd. triuwe, älter getriuwe, ahd. bestehend’, zu gr. thrix (trichös) 'Haar’.
getriuwi. Abgeleitet von Treue, mhd. triüwe. Morphologisch zugehörig: trichinös, Trichinose.
740 Trittschäuflein
Trichter

Trichter m. Seit dem 13. Jh. als trahter, treh- ausmachende Trauerspiele’, zu gr. treis drei,
ter, tri(e)hter, mit regionaler Sonderentwick¬ als Vorderglied gr. tri- (s. auch -logie).
lung (Nürnberg) aus ahd. trahtäri, trehteri, trih- S. Trio (+).
tere, entsprechend mndd. trechter, mndl. trach- trimmen swV. 'in Ordnung bringen . Junge
ter, ae. trachter. Entlehnt aus ml. *trajectorium Entlehnung aus dem Englischen, zunächst in
n. 'Trichter’ (zu 1. träicere 'hinübergießen’ zu 1. der Seemannssprache, dann an verschiedene
iacere 'werfen’). neuere Entwicklungen des Englischen angepaßt
S. Adjektiv ( + ). — E. Alanne MSN 18 (1956), 47f. {Trimm-dich-fit usw.). Ne. trim aus ae. trymman

Trick m. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. trick,


'fest machen, stark machen’, zu ae. trum 'fest,
zunächst als Ausdruck des Kartenspiels. Dieses stark’.
ist entlehnt aus frz. (pikard.) trique f. 'Kniff, Kluge (1911), 795f.

Streich’, zu frz. (pikard.) trikier, frz. tricher Trine/. (= Schimpfwort für eine Frau), ugs.
'beim Spiel betrügen’. Dessen Herkunft ist un¬ In dieser Bedeutung bezeugt seit dem 18. Jh.
klar. Eigentlich Kurzform des Namens Katharina.
S. Hattrick. Trinität /. 'Dreieinigkeit’, fachsprachl. Mhd.
tricksen swV, s. Trick. trinität, entlehnt aus kirchen-1. trinitäs (dass.),
aus 1. trinitäs 'Dreiheit, Dreizahl’, zu 1. trinus
triefen stV/swV Mhd. triefen, ahd. triofan,
'je drei’, zu 1. tres 'drei’ (s. Trio), aus gr. treis
as. driopan aus g. *dreup-a- stV. 'triefen’, auch
'drei’.
in anord. drjüpa, ae. dreopan, afr. driapa mit
vokalischer Variation in mndl. drupen. Außer¬ trinken stV. Mhd. trinken, ahd. trincan, as.
germanisch vergleicht sich lediglich mir. drückt drinkan aus g. *drenk-a- stV. 'trinken’, auch
'Tau u. ä.\ in gt. drigkan, anord. drekka, ae. drincan, afr.
Nndl. druipen, nschw. drypa, nisl. drjüpa. S. drib¬
drinka. Herkunft unklar. Vielleicht mit Nasalie¬
beln (+), Traufe, träufeln, Tripper, Tropfen. — Lühr rung zu einem *dhreg- 'ziehen’, das aber nicht
(1988), 355. ausreichend sicher nachweisbar ist (ai. dhräjati
Triel m. 'Regenpfeifer’, fachsprachl. Bezeugt
'gleitet dahin, zieht’ steht semantisch fern).
Nndl. drinken, ne. drink, nschw. dricka, nisl. drekka.
seit dem 16. Jh. Wohl Nachahmung des Rufs
S. Drank, Drink, Trank, tränken, trunken.
dieser Vögel.
Trio n. 'Komposition für drei Instrumente,
triezen swV. 'quälen, foppen’, ndd., md. Wohl
Gruppe von drei’. Im 18. Jh. entlehnt aus
als 'aufziehen’ eine Ableitung von Trieze
gleichbedeutend it. trio, aus 1. tres 'drei’.
'Winde’, mndd. tritse 'Tau um eine Dreh¬
Morphologisch zugehörig: Triole; etymologisch ver¬
scheibe’. Weitere Herkunft unklar. Vgl. noch
wandt: Triade, Triangel, Trigonometrie, Trilogie, Trini¬
tratzen, retzen und ähnliche Wörter dieser Be¬ tät, trivial (usw.); zum Etymon s. drei.
deutung.
Trip m. 'Ausflug, Reise’, ugs. Im 20. Jh. ent¬
Lasch (1928), 158; Kretschmer (1969), 539.
lehnt aus gleichbedeutend ne. trip, einer Ablei¬
Trift/. 'Weide’, arch. Mhd. trift f.\m., Verbal¬ tung von e. trip 'trippeln’ (s. trippeln).
abstraktum zu treiben (s. d.), ursprünglich mit
trippeln swV. Bezeugt seit dem 15. Jh., außer¬
weiterer Bedeutung, vgl. anord. drift, dript
halb entsprechen nndl. trippelen und wfr. trip-
'Schneetreiben’, mndd. mndl. me. fr. drift 'Strö¬
pelje. Zu trappen (s. traben, trampeln, Trappe2,
mung’. Treppe) mit Vokalvariation gebildet.
Kluge (1911), 795.
S. auch Trip.
triftig Adj. Spmhd. triftic. Offenbar abgeleitet Tripper m. 'Geschlechtskrankheit, Harnröh¬
zu einem sonst nicht bezeugten trift als Verbal¬ renkatarrh’, fachsprachl. In dieser Form be¬
abstraktum zu treffen (s. d.), also 'treffend’. zeugt seit dem 17. Jh. Voraus gehen verschie¬
Trikot m./n. (= eine hemdartige Oberbeklei¬ dene Varianten, die alle zu md. ndd. trippen
dung für Sportler/innen). Im 18. Jh. entlehnt 'tropfen’ gehören (s. triefen und Tropfen).
aus gleichbedeutend frz. tricot m., zu frz. trico- trist Adj. 'traurig’, sondersprachl. Bereits im
ter 'stricken’, dessen weitere Herkunft nicht si¬ 13. Jh. entlehnt aus frz. triste 'traurig’, aber im
cher geklärt ist. 19. Jh. erneut aus der gleichen Quelle übernom¬
Morphologisch zugehörig: Trikotage. men. Das französische Wort aus 1. tristis
Triller m. Im 17. Jh. entlehnt und umgeformt 'traurig’.
aus it. trillo 'Triller’, das lautmalenden Ur¬ Jones (1976), 637.
sprungs ist. Trittschäuflein n. 'Schwelle’, reg. Mhd. dri-
Trilogie /. 'Folge von drei Werken’. Im 19. schüvel n./m., ahd. clriscufli, driscubli, mndd.
Jh. entlehnt aus gr. trilogia 'drei ein Ganzes dreskeleff f. aus g. *f>reskubla-/ja- n. 'Schwelle’,
Triumph 741 Tropfen

auch in anord. presk(j)pldr, proskpldr, prep- also etwa 'zu einem Baum gehörig’, evtl, als
skjpldr m., ae. perscold m. Formal kann das Diminutiv 'kleiner BaunT; vermutlich deshalb,
Wort zu dreschen (s. d.) gehören (mit Umdeu¬ weil die alten Tröge aus großen Stücken von
tung im Deutschen), doch ist die Ausgangsbe¬ Baumstämmen geschnitten werden konnten. Zu
deutung und die Morphologie unklar. einer ähnlichen /r-Bildung mir. drohta 'Faß,
Ne. threshold, nschw. tröskel, nisl. pröskuldur. S. dre¬ Tonne, Kufe’.
schen. - Bahder (1925), 70f.; Kluge (1926), 52.
Nndl. troch, ne. trough, nschw. trag, nisl. trog. S. auch
Triumph m. 'großer Erfolg’. Im 15. Jh. ent¬ Truhe. — A. Schilling-Thöne DWEB 4 (1964), 1 —200.
lehnt aus gleichbedeutend 1. iriumphus (auch: Troika /. 'Dreigespann’, sonder spracht. Ent¬
'feierlicher Einzug, Siegeszug’). Herkunft um¬ lehnt aus gleichbedeutend russ. troika, zu russ.
stritten. troe 'drei’.
Morphologisch zugehörig: triumphal, Triumphator;
Troll m. Im 17. Jh. entlehnt aus den nordi¬
etymologisch verwandt: Trumpf.
schen Sprachen (nschw. troll). Dieses aus an¬
trivial Adj. 'unbedeutend, platt’, sonder- ord. troll, trpll n. unklarer Herkunft. Das nordi¬
sprachl. Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend sche Wort fällt im Deutschen zusammen mit
frz. trivial, dieses aus 1. triviälis (dass., auch: älterem trol 'Tölpel, ungeschlachter Mensch’,
'allgemein zugänglich, allbekannt’), zu 1. trivium das gleicher Herkunft wie das nordische Wort
die öffentliche Straße, Wegkreuzung, Komplex sein könnte.
von drei Wissenschaften’, zu 1. ter 'dreimal’ und L. Motz IF 89 (1984), 180-185.
l. via 'Weg’.
trollen swV. refl. 'in kurzen Schritten laufen’,
Morphologisch zugehörig: Trivialität, Trivium; etymo¬
ugs. Mhd. trollen. Herkunft unklar. Vielleicht
logisch verwandt: s. Trio und Konvoi. — R. Hoberg in:
H. de la Motte-Haber (Hrsg.): Das Triviale in Literatur,
zu treten (s. d.) als 'trappeln’?
Musik und bildender Kunst (Frankfurt 1972), 9—20; E. S. treten (4-), Trulle.
Zöfgen in: H. de la Motte-Haber (Hrsg.): Das Triviale Trommel f. Spmhd. trum(b)el, älter trum(m)e,
in Literatur, Musik und bildender Kirnst (Frankfurt
trumbe. Entsprechend frz. trompe 'Horn’, it.
1972), 21-41; F. Schalk RF 8 (1972), 564-579; H.-J.
tromba 'Trompete, Röhre’. Entlehnungsrich¬
Althof AB 22 (1978), 175-201.
tung unklar, ebenso die Herkunft. Vielleicht
Trochäus m. (= ein Versfuß aus einer langen lautmalend.
und einer kurzen Silbe), fachsprachl. Entlehnt Nndl. trommel, trom, ne. drum. S. Trompete. — Relleke
aus gleichbedeutend gr. trochaios (poüs) (wört¬ (1980), 124f., 254-259.
lich: 'der Laufende’), zu gr. trechein 'laufen’.
Trommelfell n. Seit dem 18. Jh. bezeugt als
trocken Adj. Mhd. trocken, trucken, ahd. truk- Teil des inneren Ohrs. Übertragen aus der Be¬
kan, neben mndd. droge, drüge, mndl. droge, zeichnung der über die Trommel gespannten
druge, ae. dry ge und mndd. dröge, mndl. droog. Membran.
Weitere Herkunft unklar. Semantisch ist ein
Trompete /. (= ein Blechblasinstrument). Im
Anschluß an anord. drjügr 'dauernd, reichlich’, Mittelhochdeutschen (mhd. trumbe, trumpe,
nordfr. drich lange vorhaltend’ möglich, doch trumjmje) entlehnt aus gleichbedeutend afrz.
bleibt die Vokalverschiedenheit unerklärt. trompette, zu afrz. trompe (dass.), dessen weitere
Nndl. droog, ne. dry. S. drainieren ( + ), Droge (+), Herkunft nicht sicher geklärt ist.
dröge. — Kluge (1926), 110f.; W. Krogmann NKR
S. Trommel. - Relleke (1980), 73, 169-173.
47(1934), 54-57; Th. Frings BGDSL 59(1935),
455 — 458; F. G. Jung: Das Wort 'trocken' (Diss. Berlin Trope /., s. Tropus.
1938); E. Rooth NM 12(1956), 81; J. Koivulehto Tropen PI. 'Gebiete zwischen den Wendekrei¬
NPhM 84 (1983), 73-75; Lühr (1988), 336f. sen’. Neubildung des 19. Jhs. zu gr. trope f
Troddel /. 'Quaste’. Bezeugt seit dem 15. Jh. (tropai PI.) 'Wende’, zu gr. trepein 'wenden’.
Weiterbildung zu mhd. träde mff. 'Saum, Fran¬ Etymologisch verwandt: s. Trophäe.
sen am Saum’, ahd. trado m. Weitere Herkunft Tropf m. 'einfältiger Mensch’, arch. Spmhd.
unklar. tropfe, mndd. trop. Bezeugt seit dem 15. Jh.
Trödel m. 'Kram’, ugs. Mit Trödler und trö¬ Vermutlich ursprünglich 'einer, der an Schlag-
deln bezeugt seit frühneuhochdeutscher Zeit. fluß oder Fallsucht leidet’, und dieses met¬
Herkunft unklar. onymisch nach der Bezeichnung entsprechender
Lühr (1988), 174f. Krankheiten als Tropf (nach der Vorstellung,
daß sie von einem ins Gehirn oder Rückenmark
Trog m. Mhd. troc, ahd. as. trog aus g. *truga-
gefallenen Tropfen herrühren).
m. 'Trog’, auch in anord. trog n., ae. trog. Das
A. Törnquist BGDSL-H 75 (1953), 430-432.
Wort kann auf *dru-kö- zurückgeführt werden,
das eine Zugehörigkeitsbildung zu dem alten Tropfen m. Mhd. trop(fe), ahd. tropf(o),
Wort für Baum (s. Teer, Holunder) sein könnte. troffo, as. drop aus g. *drupön m. 'Tropfen’,
742 Trübsal
Trophäe

auch in anord. dropi, ae. dropa. Ableitung aus tiges trotten ererbt ist oder zu dem entlehnten
triefen (s. d.), also 'Triefer, Triefendes’. Die For¬ Wort gehört, läßt sich im einzelnen nicht mehr
men mit geminiertem p entstanden in Flexions¬ feststellen.
formen mit unmittelbarer Aufeinanderfolge von S. Foxtrott, Globetrotter, treten ( + ), Trottel, Trottoir.
- Jones (1976), 638; H. Meier RJ 31 (1980), 23-34;
p und n.
Lühr (1988), 373f.
Nndl. ne. drop, nschw. droppe, nisl. dropi. S. triefen (+),
Tripper. — Lühr (1988), 243, 355. Trotte /. 'Kelter’, südwd., schwz. Mhd.
trot(t)e, ahd. trota, truta, wie ae. trodu 'Wein¬
Trophäe/. 'Siegeszeichen’. Im 17. Jh. entlehnt
kelter’ gebildet zu ahd. trotön 'keltern, treten’
aus gleichbedeutend frz. trophee, dieses aus 1.
als Lehnübersetzung von 1. calcätüra, zu 1. cal-
trophaeum, tropheum, tropaeum n. (dass.), aus
cäre '(mit der Ferse) treten’ (das als Entlehnung
gr. tropaion n. (dass.), zu gr. trepein wenden .
So bezeichnet nach dem Zeüs Tropäios m., ein zu Kelter führt, s. d.).
'dem Wender’ am Ort des Sieges aus den Waffen Trottel m. 'Schwachsinniger’, ugs. Im 19. Jh.
der Besiegten errichtetes Monument. aus Österreich übernommen. Herkunft unklar.
Etymologisch verwandt: Tropen, Tropus. — W. J. Jones Vielleicht zu trotteln 'planlos herumlaufen , das
SN 51 (1979), 274. zu dem Komplex treten/trotten/Trott gehört (s.
Tropus m. 'bildlicher Ausdruck’, fachsprachl. Trott).
Entlehnt aus gleichbedeutend 1. tropus, tropos, Trottoir n. 'Bürgersteig’, sonder spracht. Im 18.
dieses aus gr. tropos (dass., wörtlich: 'Wendung, Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. trottoir
Richtung’), zu gr. trepein 'kehren, wenden, um¬ m., zu frz. trotter 'in Trab gehen, trippeln’, aus
wenden’. So bezeichnet als eine Ausdrucksver¬ mhd. trot(t)en 'laufen’ (s. Trott).
änderung, bei der ein eigentlicher Ausdruck Trotz m. Mhd. trotz, trutz, trotz (teilweise
durch einen uneigentlichen ersetzt wird. miteinander verbunden: trotz und trutz), mndd.
Etymologisch verwandt: s. Trophäe. — E. Leser ZDW trot; auch als Adjektiv trotz 'trotzig’ und Verb
15(1914), 87. trotzen, tretzen 'trotzen’. Herkunft unklar. Viel¬
Troß m. Spmhd. mndd. trosse 'Gepäck’, wor¬ leicht als *nrot- zu lit. nirsti (nirtaü) 'heftig
aus 'Heergepäck’ und dann der dem Heer nach¬ zürnen, aufgebracht sein’. Als Lautform hat
folgende Zug. Das Wort ist entlehnt aus frz. sich heute Trotz durchgesetzt, Trutz bleibt in
troussef 'Bündel’ (zu frz. trousser 'zusammen¬ Formeln bestehen. Aus formelhaften Wendun¬
drehen’, letztlich zu 1. torquere 'drehen’). gen entstand auch die Präposition trotz.
S. Tortur ( + ). Troubadour m. 'Sänger’, sonder spracht. Im 18.
Trosse /. 'starkes Schiffstau’, fachsprachl., Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. trouba-
ndd. In hochdeutschen Texten seit dem 19. Jh. dour, dieses aus prov. trobador (dass.), zu prov.
Mndd. trosse, trotze ist entlehnt aus frz. trousse, trobar, afrz. trover 'dichten’, eigentlich 'finden’.
hier in der Bedeutung 'Seil’ (zu 'Bündel’ vgl. trübe Adj. Mhd. trüebe, ahd. truobi, as. dröbi
Troß, dort auch die weitere Herkunft). aus g. *dröba-/ja- Adj. 'trübe, verwirrt’, auch in
Kluge (1911), 796f. ae. dröf afr. dreve, gt. in drobjan 'verwirren’.
Trost m. Mhd. ahd. mndd. tröst, mndl. troost Das Adjektiv ist ein Adjektiv der Möglichkeit
aus g. *trausta- m./n. 'Trost, Zuversicht’, auch zu einem im Germanischen nicht mehr erhalte¬
in anord. traust n., afr. träst, neben anord. nen Verb, zu dem auch Treber (s. d./gehört.
traustr 'zuverlässig, stark’ und gt. trausti "Ver¬ Gr. trephö 'ich gerinne u. a.’, lit. drebti 'mit
trag, Bündnis’. Es handelt sich um eine mor¬ Dickflüssigem werfen’ weisen auf *dhrebh-, das
phologisch nicht recht durchsichtige Bildung zu mit dem Ausfällen von festen Stoffen aus trüben
treu (s. d.) und trauen (s. d.), also etwa '(innere) Flüssigkeiten zu tun haben muß. Das germani¬
Festigkeit’ (und entsprechend). sche Adjektiv bedeutete deshalb wohl 'was aus¬
zufallen, zu klären ist’. Weiter zu *dher(a)- mit
Nndl. troost, nschw. tröst, nisl. traust. S. trauen,
treu (+). - H. Götz ASAWL 49(1957), 147-155.
entsprechender Bedeutung (s. Trester).
Nndl. droef. S. Treber, Trester, Trübsal.
Trott m. Im 16. Jh. entlehnt aus it. trotto
'Trab’ (als Bezeichnung einer Gangart des Trubel m. Im 17. Jh. entlehnt aus frz. trouble,
Pferds). Das romanische Wort ist ursprünglich das aus frz. troubler rückgebildet ist. Dieses aus
als Verbum (frz. trotter, it. trottare) entlehnt ml. *turbuläre zu 1. turbäre 'verwirren’.
aus ahd. trotton, das zu treten (s. d.) gehört. Jones (1976), 639.
Das romanische Wort geht auf die Verben it. Trübsal /., arch. Mhd. trüebesal m.jf.jn. Mit
trottare, frz. trotter zurück, die wohl aus einem dem Suffix -sal (s. d.) abgeleitet von trübe
spl. *tolutare 'im Paßschritt gehen’ (bezeugt ist (s. d.). Die Ableitung trübselig verdankt ihr e
tolütim Ire u. ä.) stammen (kaum entlehnt aus dem Anschluß an selig (das etymologisch nichts
einer Ableitung von treten, s. d.). Inwieweit heu¬ damit zu tun hat).
Truchseß 743 Tücke

Truchseß m. 'Hofverwalter’, arch. Mhd. Trumpf m. Älter (fnhd.) Triumpf (s. d.), ent¬
truh (t)sceze, ahd. truh(t)säzo, truh (t)sezzo, lehnt aus 1. triumphus in der speziellen und
mndd. droste, drotsete (u. ä., s. auch Drost, In¬ späten Bedeutung 'siegende, stechende Farbe
ste), mndl. drossote, afr. drusta. Zusammenge¬ beim Kartenspiel’. Entsprechend nndl. tromp,
setzt aus g. *druhti- f 'Schar (hauptsächlich das ne. trump.
Gefolge eines Fürsten)’ in gt. drauhts, anord. trunken Adj. 'betrunken’, sondersprach!.
drött/., ae. dryht/., afr. drecht, as. druht-, ahd. Mhd. trunken, ahd. -truncan, mndd. drunken,
truht /., mhd. truht, druht f. (zu *dreug-a- stV. mndl. dronken. Ursprünglich Partizip zu trinken
'Gefolgschaft leisten’ in gt. driugan, ae. dreogan) (s. d.), wie auch in gleicher Bedeutung gt. drug-
und dem auch in Insasse (usw.) auftretenden kans, anord. drukkinn, ae. druncen.
Element. Die Bedeutung ist also jmd., der in
Trupp m., Truppe /. Im 17. Jh. entlehnt aus
der Gefolgschaft sitzt’, möglicherweise schon
frz. troupe f. Dieses aus gallo-rom. troppus
ursprünglich 'der der Gefolgschaft vorsteht’.
'Herde’.
Die weitere Bedeutungsentwicklung dann ent¬
S. Dorf. — Jones (1976), 640f.
sprechend der Entwicklung der Hofämter.
Truthahn m. Bezeugt seit dem 17. Jh. Vermut¬
Nndl. drossaard. S. Insasse ( + ).
lich zu mndd. droten 'drohen’ (anord. prütna
Trude /., s. Drude. 'anschwellen’, ae. prütian 'vor Zorn oder Stolz
trudeln swV 'sich langsam (drehend) bewe¬ schwellen’) nach der typischen Drohgebärde des
gen’, ugs. Vielleicht Nebenform von trödeln Truthahns. Früher heißt das Tier indianischer
'langsam arbeiten’. Sonst ist die Herkunft un¬ Hahn (nach der Herkunft aus Westindien), wo¬
klar. bei die Herkunftsbezeichnung teilweise durch
Trüffel /. Im 18. Jh. entlehnt aus der Neben¬ welsch, türkisch u. a. ersetzt wird. Vgl. Pute.
Suolahti (1909), 242-247; G. Weitzenböck ZM 12
form truffle zu frz. truffe, das gleichzeitig als
(1936), 83-89; Palmer (1939), 50-52.
Truffe übernommen wird, aber sich nicht durch¬
setzt. Das französische Wort gehört letztlich zu Trutz m., s. Trotz.
l. tüber n. 'Knollen, Erdschwamm, Trüffel’. tschilpen swV., auch schilpen swV. (vom Laut
S. Kartoffel. der Sperlinge). Erst in neuerer Zeit bezeugt.
trügen stV. Mhd. triegen, ahd. triogan, as. Lautmalend.
driogan aus vor-d. *dreug-a- stV. 'trügen’, auch tschüs Part. (= ein Abschiedsgruß), s. adieu.
in afr. -driäga. Außergermanisch vergleicht sich Tuba /. (= ein Blasinstrument). Im 18. Jh.
ai. drühyati 'beschädigt, sucht zu schaden’; viel¬ entlehnt aus 1. tuba 'Blasinstrument, Trompete,
leicht auch mir. airdrech 'Gespenst’ (vgl. anord. Röhre’.
draugr 'Toter, Gespenst, Maske’). Mit Auslaut¬ Etymologisch verwandt: Tube. — Relleke (1980), 175.
variation Lfraus 'Schaden, Betrug’. Der heutige Tube /. Im 19. Jh. entlehnt aus ne. tube,
Vokalismus im Anschluß an lügen, wo der Ho¬ das über frz. tube m. auf 1. tubus m. Röhre
monymie mit liegen ausgewichen werden zurückgeht.
mußte. Etymologisch verwandt: Tuba.
S. auch Zwerg. Tuberkulose /. (= eine Infektionskrankheit),
Truhe /. Mhd. truhe, ahd. truha; daneben fachsprachl. Neubildung des 19. Jhs. zu 1. tüber-
schwz. Trucke. Herkunft unsicher. Ein Zusam¬ culum n. 'kleine Geschwulst, kleiner Höcker’,
menhang mit Trog (s. d.) ist nicht auszuschlie¬ einem Diminutivum zu 1. tüber n. 'Höcker, Ge¬
ßen, wahrscheinlicher ist aber ein Vergleich mit schwulst’, zu 1. tumere 'geschwollen sein’. So
ae. früh 'Röhre, Kasten, Sarg’, anord. pro bezeichnet nach der knötchenförmigen Zellwu¬
'Rinne, Sarg’ (vielleicht auch ahd. drüh, as. cherung dieser Krankheit.
thrüh 'Falle’), lit. traukai m. PI. 'Gefäße’, aber Morphologisch zugehörig: Tuberkel, tuberkulös', ety¬
die Einzelheiten bleiben unklar. mologisch verwandt: Tumor, Tumult.
Zu der Bedeutung 'Sarg’ vgl. Cox (1967), 95-100. Tuch n. Mhd. tuoch, ahd. tuoh, as. dök. Her¬
Trulle/., auch Trolle /. (= Schimpfwort für kunft unklar.
'unordentliche Frau’), ugs. Wohl zu trollen Nndl. doek.
(s. d.) und mhd. trol(le) m. Tölpel’, kaum zu tüchtig Adj. Mhd. tühtec, tühtic, mndd. mndl.
dem nordischen Troll 'Kobold'. duchtich, ae. dyhtig. Zu mhd. tuht, duht, mndd.
ducht, tz-Abstraktum zu laugen (s. d.), also etwa
Trumm n., s. Trümmer.
'tauglich, erprobt’.
Trümmer PI. Zu mhd. drum, trum n., ahd.
Nndl. duchtig, ne. doughty. S. laugen, Tugend.
drum n. 'Endstück, Splitter’, hd. (bair.) Trumm
Tücke /. Rückgebildet aus dem Plural von
'(großes) Stück, Endstück’, dazu anord. prpmr
Tuck m., mhd. tue, duc m. 'schnelle Bewegung,
m. 'Kante, Rand’. Herkunft unklar.
tuckern 744 tun

böser Streich’, mndd. tuk, mndl. tue, tuk. Her¬ als 'Turban’ benannt (ml. tulipa, it. tulipano m.),
kunft unklar. seit dem 17. Jh. meist gekürzt zu Tulpe.
tuckern swV. (= Motorgeräusch). Erst in S. Turban. — Littmann (1924), 43, 544; Loewe (1939),
3-15.
neuerer Zeit bezeugt. Lautmalend.
-tum Abstraktsuffix. Mhd. ahd. -tuom, ent¬
Tüder m., auch Tüder m. 'Strick zum Anbin¬
sprechend as. ae. -döm. Ursprünglich selbstän¬
den von Vieh auf der Weide’, arch., ndd. Mndd.
diges Wort, das in Komposita immer stärker
tud(d)er aus g. *teudra- m/n., auch in anord.
abgeschwächt wird. Vgl. g. *döma- m. 'Setzung,
tjöör n., me. tedir, afr. tiäder, in hochdeutscher
Zustand’, in gt. doms 'Urteil, Ruhm’, anord.
Form ahd. ziotar m./n., mhd. zieter m./n.
dömr 'Urteil, Gericht’, ae. afr. as. döm 'Urteil,
'Deichsel’. Herkunft unklar. Vielleicht zu Tau2
Gericht, Ruhm’, ahd. tuom 'Verhältnis, Zu¬
(s. d.).
stand’. Zu der Wurzel *dhe- 'setzen’ (s. tun).
Ne. tether, nschw. tjuder.
Entsprechende Bildungen (die nicht notwendi¬
Tufffstein) m., fachsprachl. Mhd. tuftstein, gerweise ein entsprechendes voreinzelsprach¬
tupfstein, ahd. tufstein, tubstein, tuhstein. Mit liches Wort fortsetzen) sind gr. thömös 'Stapel,
verdeutlichender Komposition entlehnt aus it. Haufe’, lit. dorne 'Aufmerksamkeit’, ai. dhama
tufo, zu I. töfus (dass.). Die einfache Form be¬ 'Sitz, Gesetz’.
ruht auf erneutem Anschluß an das fremde S. tun( + ), Ungetüm, verdammen.
Wort in neuhochdeutscher Zeit. tumb Adj. 'arglos’, sonder spracht. Zitiert aus
Lüschen (1968), 336f.
der Bezeichnung Parzivals als tumben toren
tüfteln swV 'sorgfältige Kleinarbeit machen’, ('unerfahrener, junger Tor’) und damit 'gut ge¬
ugs. Bezeugt seit dem 18. Jh. Mhd. tüfteln ge¬ meint, aber einfältig’. Das Wort ist die mittel¬
hört zu tupfen (s. d.) und bedeutet 'klopfen’; hochdeutsche Lautform von dumm (s. d.).
von der gleichen Grundlage kommt später ein tummeln swV. Mhd. tumel(e)n, ahd. tümilön.
studentisches Wort für 'necken’ (vgl. sticheln) Variante zu taumeln (s. d.). Die Bedeutung wird
und schließlich die heutige Bedeutung, mit der durch den Gebrauch für die Tätigkeiten auf
bohren, grübeln im Sinn von 'überlegen’ zu ver¬ Spiel- und Kampfplätzen bestimmt. Vgl. Tum¬
gleichen ist. melplatz und (mit anderer Bedeutung) Ge¬
S. tupfen ( + ). - K. Konrad ZDW 12 (1910), 292. tümmel.
Tugend /. Mhd. tugent, tugende, ahd. tu- Tümmler m. 'Delphin\ fachsprachl. Im 18. Jh.
gund(i), tuged, mndd. doge(n)t, mndl. doget übernommen aus ndd. tumler, nndl. tuimelaar,
aus g. *dugunpi- f. 'Tugend’, auch in anord. vgl. ne tumbler. Eigentlich 'Taumler’, aber das
dygö, ae. dugup, afr. dugethe. Schon seit alters Benennungsmotiv ist unklar.
an taugen (s. d.) angeschlossen, was wohl die Tumor m. 'Geschwulst’, fachsprachl. Entlehnt
Bedeutungsentwicklung mit beeinflußt hat; spä¬ aus 1. tumor 'Geschwulst’, zu 1. tumere 'ge¬
ter dann vor allem durch den christlichen Tu¬ schwollen sein’.
gendbegriff geprägt. Ursprünglich ist das Wort Etymologisch verwandt: s. Tuberkulose.
aber wohl abgeleitet aus dem in anord. dyggr
Tümpel m. Dringt im 16. Jh. aus dem Nieder¬
'aufrecht, zuverlässig’ vorliegenden Adjektiv, so
deutschen vor gegen das hd. (mhd.) tümpfel,
daß von *duwnpi- auszugehen ist. Die Herkunft
ahd. tumpfilo 'Strudel’; vgl. noch mndd. dum¬
des nordischen Adjektivs ist unklar.
pein 'tauchen’. Vermutlich Nasalierung zu der
Nndl. deugd, nschw. dygd, nisl. dyg(g)ö. S. taugen,
in tief (s. d.) und taufen vorliegenden Sippe.
tüchtig. — Kluge (1926), 69; W. Bopp: Geschichte des
Wortes 'Tugend’ (Diss. Heidelberg 1934); E. Aumann
Lühr (1988), 103f.
BGDSL 63 (1939), 143 — 161; H. Rupp Saeculum Tumult m. 'Durcheinander, Aufruhr’. Im 16.
2(1951), 465-472; E. Seebold IF 87 (1982), 188. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. tumultus, zu
Tüll m. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. tulle, das 1. tumere 'aufbrausen, aufgebracht sein, ge¬
den Namen des ursprünglichen Herstellungsor¬ schwollen sein’.
tes Tulle (Departement Correze) fortführt. Morphologisch zugehörig: Tumultuant, tumultuös; ety¬
mologisch verwandt: s. Tuberkulose. - G. Schoppe
Tülle/. 'Ausgußmündung von Gefäßen’, ndd.
ZDW 15(1914), 214.
Mhd. tülle n., ahd. tulli n. 'Röhre an der Pfeil¬
spitze’, ndd. dölle 'Röhre’. Hängt wohl mit Dole tun unr. V. Mhd. ahd. tuon, as. dön aus wg.
*dö- 'tun’, auch in ae. dön, afr. duä. Vermutlich
(s. d.) zusammen, doch sind die Einzelheiten
unklar. sind auch die Präteritalformen des schwachen
Verbs teilweise mit tun gebildet, so daß vor
S. auch Delle. — Kretschmer (1969), 540 — 542.
allem die reduplizierten Pluralformen des Goti¬
Tulpe /. Im 16. Jh. mit der Einführung der schen zusätzlichen Aufschluß über das Formen¬
Pflanze aus der Türkei nach türkischem Vorbild system geben. Aus ig. *dhe- 'setzen’ in heth. dai-
tünchen 745 turnen

'setzen, stellen’, ai. dädhäti 'setzt’, mit ai. vi- Turbine /. (= eine energieumwandelnde
(Präfix) 'richtet ein, tut’, toch. A. B. tä- 'legen, Kraftmaschine), fachsprachl. Im 19. Jh. entlehnt
stellen’, gr. tithemi 'ich setze, tue’, 1. facere 'ma¬ aus gleichbedeutend frz. turbine, einer Neubil¬
chen, tun’ (erweitert mit -k-), 1. condere 'grün¬ dung zu 1. turbo (-inis) m. 'Wirbel; alles, was
den’, lit. deti, akslav. deti. sich im Kreis dreht’.
Nndl. doeti, ne. do. S. betulich, Fazit (+), Miete\ Tat, Etymologisch verwandt: s. turbulent.
Theke ( + ), -tum, untertan, Widerton. — E. Weiss: Tun-
turbulent Adj. 'lebhaft, unruhig, stürmisch’.
Machen (Stockholm 1956).
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. turbu-
tünchen swV. Mhd. tünchen, ahd. tunihha 'das lentus, zu 1. turba 'lärmende Unordnung, Ge¬
Tünchen’, mndd. don(ne)ken, denneken (mit wühl, Gedränge’, aus gr. tyrbe (dass.).
Umsetzung des Lautstandes). Das Wort ist ent¬ Morphologisch zugehörig: Turbulenz; etymologisch
lehnt aus einer Ableitung von 1. tunica 'Ge¬ verwandt: Turbine; zum Etymon s. Quirl.
wand’, entsprechend zu it. intonacare 'verput¬ Türke m. 'Vorspiegelung falscher Tatsachen’,
zen. tünchen’, also etwa 'bedecken, bekleiden’. ugs., besonders einen Türken bauen/stellen oder
tunken swV. Mhd. tunken, dünken, ahd. dun- kurz türken swV. Eigentlich: 'etwas lange Ge¬
cön, thuncön. Außergermanisch vergleicht sich probtes als spontan hinstellen, etwas Nachge¬
1. ting(u)ere 'benetzen’ und gr. tengö 'ich er¬ machtes als dokumentarisch erscheinen lassen’.
weiche’. Ausgegangen wird offenbar von der Militär¬
S. Teint (+). sprache, in der seit der Jahrhundertwende spe¬
zielle Gefechtsübungen oder Paradeteile, die
Tunnel m. 'röhrenförmiges Bauwerk’. Im 19.
eine Überraschung bieten sollten, Türken ge¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne. tunnel, die¬
nannt wurden. (Vgl. auch schwz. Türgg 'Manö¬
ses aus afrz. tonneI 'Tonnengewölbe, Faß’, aus
ver’). Die Herkunft dieses Ausdrucks ist unklar.
galt, tunna (dass.).
Vielleicht zu frz. tete de turc 'Zielscheibe (des
Etymologisch verwandt: Tonne.
Spotts), Prügelknabe’, wörtlich 'Kopf des
Tunte /. 'Tante, zimperliche Person’, reg.; Türken’.
'Homosexueller’, vulg. Vermutlich eine mund¬ Türkenbund m., arch. Eigentlich Bezeichnung
artliche Variante (oder Entstellung) aus Tante für den Turban (und wohl von diesem Wort
(s. d.). angeregt). In der Regel aber Bezeichnung für
Tüpfel n./m. Verkleinerungsform zu fnhd. Pflanzen, deren Blüte oder Frucht einem Tur¬
tupf. Sonst älter mhd. topfe m., ahd. topfo m. ban ähnlich sieht.
'Punkt’. Zu tupfen (s. d.). Türkis m. (= ein blaugrüner Edelstein), fach¬
tupfen swV. 'leicht anstoßen, berühren’. Mhd. sprachl. Im Mittelhochdeutschen (mhd. türkis,
ahd. tupfen. Der Form nach gehört das Wort turkoys) entlehnt aus gleichbedeutend frz. tur-
zu ae. dyppan 'eintauchen’ (weiter zu taufen und quoise f (wörtlich: 'türkischer Edelstein’), zu
tief s. d.), der Bedeutung nach eher zu stupfen frz. turquoise 'türkisch’. So benannt, weil der
(s. d.). Vermutlich hat eine Berührung zwischen Edelstein angeblich zuerst aus der Türkei kam.
den beiden Ansätzen stattgefunden, so daß tup¬ Morphologisch zugehörig: türkis. — Littmann (1924),
fen als eine Kreuzung aufzufassen ist. 103; Lüschen (1968), 337; Lokotsch (1975), 165.

S. stupfen ( + ), tief (+), tüfteln, Tüpfel. Turm m. Mhd. turn, torn, tor(e)n, tarn, mndl.
toren. Entlehnt aus afrz. torz, für das eine Va¬
Tür/. Mhd. tür(e), ahd. turi, tür, as. duri aus
riante *torn durch die Verkleinerung afrz. tour-
g. *dur- 'Tür’, das meist im Dual, später im
nellef. vorauszusetzen ist. Dieses aus 1. turrisf.
Plural erscheint, der dann im Deutschen in
'Turm’, das wohl die Grundlage von ahd. turri
einen neuen Singular umgedeutet wird. Auch in
n., turra f. und ae. torr ist (ae. tür, ne. tower aus
gt. daurons (PL), anord. dyrr n. PL, ae. düru
frz. tour). Die Form auf -m ist unregelmäßig,
PL, afr. dore. Aus ablautendem ig. *dhwer-
ein Rückgriff auf den lateinischen Akkusativ
'Tür’, auch in gr. thyra, 1. fores (PL), kymr.
kommt kaum in Frage. Liegt ein Einfluß von
dör, lit. dürys PL, akslav. dviri Pl. und mit
slav. tremü 'Turm’ vor?
abweichendem Anlaut ai. dvärah (PL).
G. Baist ZRPh 18 (1894), 280.
Nndl. deur, ne. door, nschw. dörr, nisl. dyr. S. Tor2.
Turmalin m. (= ein Edelstein), fachsprachl.
Turban m. (= eine Kopfbedeckung aus ge¬
Entlehnt aus gleichbedeutend frz. tourmaline
wundenem Tuch), sondersprachl. Im 17. Jh. ent¬
/., ne. tourmaline, dieses aus singhal. turamalli
lehnt aus gleichbedeutend it. turbante, dieses
(dass.).
aus türk, tülbent (dass.), aus pers. dulbänd
turnen swV. Durch F. L. Jahn (19. Jh.) einge¬
(dass.).
führt im Rückgriff auf ahd. turnen 'lenken, wen¬
Etymologisch verwandt: Tulpe. — Littmann (1924),
den’, das aus 1. tornäre 'drehen’ entlehnt ist.
113.
Turnier 746 Tyrann

Mitgewirkt hat woh! die Kenntnis von fnhd. Tutor m. 'Betreuer, Mentor’, fachsprachl.
Turner junger Kämpfer’, das zu Turnier (s. d.) Entlehnt aus gleichbedeutend ne. tutor, dieses
hinzugebildet worden war. aus 1. tütor 'Vormund, Beschützer’, zu 1. tuen
E. Mehl MS (1952), 143-148. (tuitus sum) 'Sorge tragen, ins Auge fassen’.
Turnier n. 'Wettkampf’. Im Mittelhochdeut¬ Morphologisch zugehörig: Tutorium. — E. Erämetsä
schen (mhd. turnier, turnir m.) gebildet zu mhd. NPhM 59 (1958), 40.
turnieren 'am ritterlichen Kampfspiel teilneh¬ Tüttel m. 'Pünktchen’, arch., reg. Bezeugt seit
men’, dieses aus afrz. tornier (dass., wörtlich: dem 15. Jh. Aus I. titulus, das auch 'Spitze,
'Bewegungen machen’), aus 1. tornäre 'runden, Abkürzungszeichen’ u. ä. bedeuten kann.
drechseln’, aus gr. torneuein (dass.), zu gr. tör-
nos m. 'Zirkel, Dreheisen, Achse, (wörtlich: Twen m. 'junger Mensch in den Zwanzigern’,
Umlaufendes)’, zu gr. teirein 'reiben’. sonder spracht. Anglisierende Neubildung des
Etymologisch verwandt: s. Tour. 20. Jhs. zu ne. twenty 'zwanzig’ (aus ae. twentig
Türnitz m., s. Dönse. [dass.], aus ae. twen- 'zwei’ und ae. -tig 'zehn’;
s. zwanzig); gebildet in Anlehnung an ne. teen
Turnus m. 'festgelegte Abfolge, Wiederkehr’,
'Jugendlicher unter zwanzig’ (zu ne. -teen 'zehn’
sonder spracht. Im 17. Jh. entlehnt aus ml. *tur-
nus 'Wechsel, Reihenfolge’, aus 1. tornus 'Dreh¬ in thirteen bis nineteen).
eisen, Drechseleisen’, aus gr. törnoss 'Zirkel, Twist m. (= ein Modetanz), sonder spracht.
Dreheisen, Achse, (wörtlich: Umlaufendes)’, zu Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend ne.
gr. teirein 'aufreiben’. twist (wörtlich: 'Drehung’), dessen weitere Her¬
Etymologisch verwandt: s. Tour. kunft nicht sicher geklärt ist. Der Tanz ist be¬
Turteltaube /. Mhd. türteltübe, turteltübe, nannt nach den charakteristischen Drehbewe¬
ahd. turtul(a)tüba, turtiltüba. Mit verdeut¬ gungen.
lichender Koposition entlehnt aus ml. tortella,
turtella, das ein Diminutiv zu 1. turtur m. (dieses
Typ m. 'bestimmte Kategorie’. Im 18. Jh.
lautmalend). Vom lateinischen Grundwort ent¬ entlehnt aus 1. typus 'Figur, Bild, Muster’, dieses
lehnt sind ahd. turtur m., ae. turture, anord. aus gr. typos (dass., wörtlich: 'Schlag, Stoß’),
turturi m. zu gr. typtein 'schlagen, hauen’. Die Bedeutung
Suolahti (1909), 215-218. 'Muster, Eindruck (usw.)’ demnach metony¬
Tusch m. Im 18. Jh. übernommen aus Öster¬ misch zu 'das durch Schläge bzw. Druck Her¬
reich, wo dieses Wort 'Schlag, Lärm, Trompe¬ vorgebrachte’.
ten- und Paukenschall’ bedeutet (ursprünglich Morphologisch zugehörig: Type, Typologie, Typus; ety¬
lautmalend). mologisch verwandt: Prototyp, Stenotypistin, Stereo¬
Tusche/. Im 18. Jh. rückgebildet aus tuschen typ, Timbre. — G. Roux REA 63 (1961), 5 — 14.
'schwarze Farbe auftragen’, das entlehnt ist aus Type/., s. Typ.
frz. toucher 'berühren’, das die gleiche Sonder¬
Typhus m. (= eine Infektionskrankheit),
bedeutung haben kann.
S. retuschieren, Touch.
fachsprachl. Als Typhus abdominali Neubildung
zu gr. typhös 'Rauch, Qualm, Schwindel’, zu
tuscheln sw V. 'flüstern’. Zu einer Interjektion
gr. typhesthai 'dampfen, qualmen, rauchen’. So
tusch! 'still’, letztlich eine Lautgebärde.
bezeichnet, da die Erkrankten zunehmend
Tusnelda /., s. Thusnelda.
schläfrig werden und in Delirium verfallen
Tüte /. Seit dem 16. Jh. bezeugt für 'Papier¬ („Umnebelung der Sinne“).
tüte’. Ursprünglich mndd. mndl. tute 'Instru¬
ment zum Blasen’ (zu dem lautmalenden tut). Tyrann m. 'Alleinherrscher, Gewaltherr¬
Möglicherweise war frz. cornet m., ne. cornet scher’. Im Mittelhochdeutschen entlehnt aus
'Blashorn, Tüte’ ein Vorbild für die Bildung. gleichbedeutend 1. tyrannus, dieses aus gr. tyran-
S. tuten. — Kretschmer (1969), 542 — 545; Relleke nos (dass.), dessen weitere Herkunft nicht sicher
(1980), 175. geklärt ist.
tuten swV. Lautmalende Bildung, zuerst in W. Stammler (1954), 67 — 72; A. J. van Windekens
mndd. tuten. Vgl. Tüte. ZVS 74 (1956), 123-126.
u
übel Adj. Mhd. übel, ahd. ubil, as. ubil aus g. überhaupt Adv. Ursprünglich ein Ausdruck
*ubila- Adj. 'übel5, auch in gt. ubils, ae. yfel, des Viehhandels: über houbet kaufen oder ver¬
afr. evel. Außergermanisch vergleicht sich air. kaufen war hier 'pauschal, ohne die einzelnen
fei 'schlecht’ (was auf g. *ubela- weist). Weitere Stücke (Häupter) zu zählen5, dann verallge¬
Herkunft unklar; kaum zu oben usw. meinert zu verschiedenen rechtlichen Verhält¬
Nndl. euvel, ne. evil. nissen, bei denen eine pauschale Behandlung
einer Einzelabrechnung gegenüberstand. Die
üben swV. Mhd. üeben, uoben, ahd. uoben, as.
heutige Bedeutung wurde ursprünglich durch
öbian 'einen Festtag begehen’ aus *öb-ija- sw V.
überall vertreten, das im 18. Jh. durch eine noch
'üben, begehen’. Außergermanisch vergleichen
weiter gehende Verallgemeinerung von über¬
sich ai. äps- 'Werk, religiöse Handlung’, dehn-
haupt in dieser Funktion verdrängt wurde.
stufig zu ai. äpas- 'Werk, Handlung’, 1. opus
'Arbeit, Werk’. Hierzu stimmt mindestens der überholen swV. 'gründlich nachprüfen und
Bedeutung nach auch anord. efna, ae. efnan nachbessern5. Im 19. Jh. in der Seemannsspra¬
'ausüben, ausführen’, mit gleichem Suffix, aber che als Lehnbedeutung zu ne. overhaul gebildet
Dehnstufe mndl. oefenen. Abgrenzung und wei¬ und dann verallgemeinert.
tere Herkunft unklar. Kluge (1911), 800.
S. operieren (+). — E. Karg-Gasterstädt BGDSL überkandidelt Adj. 'überspannt5, ugs. Zu
63 (1939), 126-129. nordd. kandidel 'frisch, munter’, das letztlich zu
über Adv./Präp. Mhd. über, ahd. über, ubar 1. candidus, eigentlich 'weiß’, aber auch 'heiter,
Präp., ubari, ubiri Adv., as. obar, ubar aus g. fröhlich’ gehört.
*uber- 'über’, auch in gt. ufar, anord. yfir, ae.
überlegen1 swV. 'nachdenken5. Mhd. überle¬
ofer, afr. uver, over. Dieses aus ig. *uperi, auch gen bedeutet 'etwas überziehen, bedecken’,
in ai. upäri, gr. hyper, hyper, 1. super (*eks- dann auch 'zusammenrechnen, überschlagen’.
uper), air. for. Von diesem geht die heutige Bedeutung aus.
Nndl. ne. over, nschw. över, nisl. yfir. S. auf(+), ob2,
ober2 (+), Overall, Pullover, super- (+), übrig, üppig.
überlegen2 Adj. (PPrät.). Zu Überligen, wört¬
— Henzen (1969), 179 — 217. lich 'auf etwas liegen, belagern’, dann (etwa
von der Situation des Ringkampfs ausgehend)
überantworten swV. 'übergeben’, arch. Die
Zusammensetzung bewahrt eine ältere und 'stärker sein, überwinden’.
nicht recht erklärbare Bedeutung von antwor¬ S. liegen ( + ).
ten, nämlich 'übergeben5, überraschen swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. als
Ableitung zu rasch (s. d.) im Sinn von rascher
überbürden swV., s. Bürde.
als jmd. sein, rasch über jmd. herfallen’.
Überdruß m. Bezeugt seit dem 16. Jh. für
S. rasch ( + ), überrumpeln.
älteres überdröz f. Wie Verdruß zu verdrießen
überrumpeln swV. Bezeugt seit dem 16. Jh.,
(s. d.) gebildet.
ursprünglich in der Bedeutung 'mit Gepolter
überflüssig Adj. Zu Überfluß in der Bedeutung
(Rumpeln) über etwas herfallen’, dann in ähn¬
'Reichhaltigkeit, Überfließen’ gebildet. Dem¬
lichem Sinn wie überraschen (s. d.).
nach ist die Bedeutung zunächst reichhaltig .
Erst frühneuhochdeutsch entwickelt sich diese Überschuß m. Bezeugt seit dem 14. Jh. als
zu 'mehr als nötig, nutzlos . Abstraktum zu mhd. überschiezen im Sinn von
'über etwas hinausragen, über etwas hinausge¬
übergeschnappt Adj. (PPrät.), ugs. Das Verb
hen’. Dann spezialisiert auf'das über das erwar¬
überschnappen ist bezeugt seit dem 17. Jh. für
tete Maß Hinausgehende’ und schließlich zu
das mangelhafte Funktionieren von Türschlös¬
sern. Früh gebraucht für in Gedanken zu weit 'Rest’.
gehen’ und schließlich im Partizip geradezu für Überschwang m. Spmhd. überswanc (zu
schwingen, s. d.) wird gebildet um Ekstase, Ver¬
'verrückt’.
zückung’ auszudrücken. Heute meist von zu
überhandnehmen swV. Mhd. überhant nemen
weit gehenden Gefühlen gesagt. Dazu über¬
(gewinnen, später auch haben, kriegen), eigent¬
schwenglich (danken usw.).
lich 'die Oberhand (s. d.) gewinnen .
übertölpeln 748 um

übertölpeln swV. 'jmd. zum Tölpel machen, geht. Dieses wiederum ist entlehnt aus gr. höra
indem man ihn überlistet’. Zu einer Gruppe 'Zeit, Stunde’ (im Ablaut zu Jahr, s. d.).
mundartlicher Wörter gleicher Bedeutung, de¬ Wünschmann (1966), 38 — 44.
nen ein entsprechendes Substantiv zugrunde¬ Uhu m. Zerdehnt aus u, mhd. uve, ufe, huwe.
liegt, wie schwäb. übertörle(n) zu Torle/Tor (s. Lautmalend für den Ruf des Vogels, wie
Tor1), rhein. überdürpeln zu Dörpel, südd. über-
Schuhu, Buhu, Huhu, 1. bübo usw.
hieseln zu Hiesel (eigentlich Matthias).
S. Eule ( + ). - E. Karg-Gasterstädt BGDSL 57 (1957)
S. Tölpel. - H.-G. Maak ZDA 105(1976), 330-332. (= Sonderband FS Frings), 93.
Überwerfen stV. refl. 'uneins werden’, sonder- Ukas m. 'kaiserlicher Befehl’, sondersprachl.
sprachl. Eigentlich 'übereinander herfallen’ im Gebraucht seit dem 18. Jh. mit Bezug auf russi¬
konkreten Sinn, auch (im Spiel u. ä.) 'sich auf¬ sche Verhältnisse (unter dem Zaren). Zu russ.
einander stürzen’. Die zugrundeliegende nicht¬ ukäz 'Befehl, Gesetz’ aus russ. u-kazätl 'verord¬
reflexive Bedeutung ist 'jmd. niederwerfen, sich nen’ (russ. -kazäti 'zeigen’).
auf ihn stürzen’, also 'sich über ihn werfen’.
Ulk in. 'harmloser Scherz’. Mndd. ulk. Be¬
überwinden stV. Mhd. überwinden, ahd. ubar- zeugt seit dem 17. Jh., auch in den Bedeutungen
wintan. In derselben Bedeutung mhd. überwin- 'Unglück’ und 'Lärm, Unruhe’. Herkunft un¬
nen, ahd. ubarwinnan, das zu gewinnen (s. d.) klar. Ein Zusammenhang mit Eule (s. d., vgl.
gehört, und bei dem die Bedeutung verständlich Eulenspiegel) ist denkbar, entbehrt aber bis jetzt
ist. Vermutlich von einer Sonderverwendung des genauen Nachweises.
von winden (die uns heute nicht mehr bekannt A. Lindquist SN 15 (1943), 173-178.
ist) ausgegangen, und sekundär von überwinnen
beeinflußt. Ulme /. In dieser Form bezeugt seit dem 15.
Jh. (ulmboum m. 12. Jh.), und zwar entlehnt
überzeugen swV. Bezeugt seit dem 13. Jh. in
aus 1. ulmus oder unter dessen Einfluß umge¬
der Bedeutung 'durch Zeugen überführen’. formt aus dem älteren mhd. elmboum m.,
Hieraus im 18. Jh. die heutige Bedeutung (die elm(e), ilmboum m.. Um, ahd. elm(o) m., elm¬
schon seit dem 16. Jh. in theologischen Schrif¬ boum, ilmboum m. Entsprechend ae. mndd. elm,
ten zu finden ist).
olm und mit Ablaut anord. almr m. Außerger¬
überzwerch Adj. 'quer’, südd. Bezeugt seit manisch vergleichen sich air. lern m., kymr.
spätmittelhochdeutscher Zeit. Zu zwerch (s. d.), llwyf(en). Vielleicht gehört das Wort zu ahd.
einer Variante zu quer (s. d.). elo 'gelb’ und bezieht sich auf die rötliche Farbe
übrig Adj. Mhd. überic, überec, mndd. mndl. des Ulmenholzes.
overich. Gebildet zu über (s. d.) in der Bedeu¬ S. Erle{ + ). - S. Krause NKB 12 (1887), 67-69; NKB
tung 'über das Maß hinausgehend’, dann 'als 13 (1890), 59f.
Rest geblieben’. Ultimatum n. 'Zeitpunkt für eine endgültige
Ufer n. Spmhd. uover, mndd. over, mndl. Entscheidung’, sondersprachl. Neubildung des
oever aus wg. *öbera- n. 'Ufer’, auch in ae. öfer 18. Jhs. zu 1. ultimus 'letzter, äußerster’, dem
m. Außergermanisch vergleicht sich gr. epeiros Superlativ von 1. ulträ jenseits, darüber hinaus’
f. (*äperjo-) 'Küste’. Ähnlich ist arm. ap’n (s. auch ultra-), zu 1. ulter 'jenseitig, drüben
‘Ufer’, das aber lautlich nicht genau dazu befindlich’.
stimmt. Vielleicht zu ai. äpara- 'hinterer, späte¬ Morphologisch zugehörig: Ultima, ultimativ, ultimo,
rer’ als 'Dahinterliegendes’, doch liegt diese An¬ Ultimo.

nahme semantisch nicht nahe. ultra- Präfix. Wortbildungselement mit der


Nndl. oever. - N. O. Heinertz SN 20 (1947/48), Bedeutung 'jenseits von, über ... hinaus’ (z. B.
102-142. ultraviolett, ultrakonservativ). Es wurde vor¬
Ufo n. 'unbekanntes (außerirdisches) Flugob- nehmlich in neologischen Bildungen verwendet;
jekf, sondersprachl. Initialwort aus ne. Uniden- sein Ursprung ist 1. ulträ Adv. (dass.).
tified Flying Object (wörtlich: '[von der Flug¬ Ultramarin n. 'Kornblumenblau’, fach-
überwachung] nicht identifiziertes, fliegendes sprachl. Im 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
Objekt’). ml. ultramarinum (azurum) (wörtlich: 'übersee¬
Morphologisch zugehörig: Ufologe, Ufologie. ischer Lasurstein’), zu 1. ulträ 'jenseits’ (s. auch
Uhr /. Bezeugt seit dem 14. Jh. als ur(r), ultra-) und 1. mare 'Meer’ (vgl. azur). Die Farbe
ausgehend von mndd. ür(e), mndl. ure. Die ist bezeichnet nach dem Stein, der zerrieben die
heutige Bedeutung zunächst in orglucke ('Uhr¬ Grundlage für die Farbe bot; als 'überseeisch’
glocke’), die ältere Bedeutung 'Stunde’ noch in bezeichnet wegen seiner Herkunft aus Asien.
zwei Uhr, wieviel Uhr ist esl usw. Das nieder¬ Etymologisch verwandt: s. Marine.
deutsch-niederländische Wort ist entlehnt aus um Adv./Präp. Mhd. umbe, ahd. as. umbi;
afrz. (h)ore, das auf 1. höra 'Stunde’ zurück¬ entsprechend ae. ymb(e), anord. um(b); der
umbringen 749 Unfall

Bedeutung nach entspricht gt. bi, das aus dem unbedarft Adj. 'unerfahren’. Ndd. unbederve,
zweiten Bestandteil des Wortes stammen kann. Negation zu der Entsprechung von bieder
Vergleichbar sind außergermanisch ai. abhi 'um, (s. d.).
zu beiden Seiten von’, air. imm, imb (gall. ambi- unbenommen Adj. (PPrät.). Mhd. unbeno-
in Namen). Mit nicht genau übereinstimmen¬ men. Zu benehmen (s. d.) mit Dativ der Person
dem Vokalismus auch gr. amphi, 1. amb(i). Wei¬ und Akkusativ der Sache in der Bedeutung
tere Herkunft unklar; eine zugehörige oder par¬ 'wegnehmen, behindern, abhalten’.
allele Bildung s. unter beide. unberufen Adj. (PPrät.), s. Beruf.
Nndl. nschw. om, nisl. um. S. bei, beide.
Unbilden PL, arch. Nur in Unbilden der Witte¬
umbringen unr. V. Mhd. umbebringen 'um et¬ rung. Mhd. unbilde n. 'das Maßlose, das Un¬
was bringen’. 'Um etwas herum — an etwas recht’, ahd. unbilidi n. 'Unförmigkeit’. Negation
vorbei bringen’ kann heißen 'es versäumen’, zu Bild in einer älteren Bedeutung von diesem.
dann verallgemeinert zu 'verlieren’. Die heutige Zur (nicht ausreichend klaren) Etymologie und
Bedeutung vereinfacht aus ums Leben bringen. zur weiteren Verwandtschaft s. Bild.
umgehend Adv. Seit dem 19. Jh., gewonnen Unbill /. 'Unrecht’, arch. Bezeugt seit dem
aus der Formel mit umgehender Post, gleichbe¬ 16. Jh. Substantivierung zu mhd. unbil Adj.IAdv.
deutend mit mit wendender Post, postwendend 'unrecht’. Zur (nicht ausreichend klaren) Ety¬
(s. d.). mologie und zur weiteren Verwandtschaft s.
S. Kallös BGDSL 55(1931), 76-80. Bild.

umkommen stV. Zu der Bedeutung 'sterben’ unbillig Adj., s. billig.


vgl. das unter umbringen Ausgeführte. unbotmäßig Adj., arch. Spmhd. botmcezec be¬
umsonst Adv. Mhd. umbe sus bedeutet eigent¬ deutet 'verpflichtet, sich nach den Geboten zu
lich 'um dieses, um so’. Im Situationszusam¬ richten, untertan’ zu mhd. bot 'Befehl’ (s. bieten,
Gebiet). Von der stärker verallgemeinerten Be¬
menhang (vor allem wenn begleitet durch eine
deutung 'untertan’ geht unbotmäßig 'widersetz¬
entsprechende Gebärde) kann es die Bedeutung
'für Nichts’ bekommen. lich’ aus.
S. sonst. — Behaghel (1923/32), II, 54; S. Kallös und Konj. Mhd. und(e), unt, ahd. unta, unte,
BGDSL 55 (1931), 76-80. und, int(i), as. endi, anda aus g. *unbilanf>i
Konj. 'und’, auch in anord. enn 'und, aber’, ae.
Umstand m. Mhd. umbestant ist zunächst 'die
and, afr. and(a), ande, end(a), ende. Vermutlich
Gesamtheit der um etwas Herumstehenden’
entstanden aus einem adversativen 'dagegen,
(wie auch 1. circumstantia /., gr. peristasis /.,
gegenüber’, das als Bedeutung im Nordischen
aber wohl von diesen unabhängig). Die weite¬
und Deutschen noch erweislich ist. Dann zu ig.
ren Bedeutungen als Lehnbedeutungen von frz.
*hand 'auf der Vorderseite, gegenüber’, auch in
circonstance /., 1. circumstantia f.
heth. hanti Adv. 'getrennt, gesondert’, ai. and,
S. stehen ( + ). gr. and, 1. ante zu einem wegen des Ablauts als
umzingeln swV. Verdeutlichende Präfigierung Wurzelnomen vorauszusetzenden *hant 'Vor¬
zu mhd. zingeln 'eine Stadt mit Schanzen umge¬ derseite, Stirn’ (vgl. heth. hanza Adv. 'vorn’, ai.
ben’. Dieses zu mhd. zingel 'äußere Umschan- änta- 'Ende, Grenze’ und das unter Ende [s. d.]
zung’, das aus 1. cingulus, cingulum gleicher Be¬ Aufgeführte).
deutung entlehnt ist. Die ursprüngliche Bedeu¬ Nndl. en, ne. and. S. Ende (+). - E. Sehrt: Zur Ge¬
tung von 1. cingulum ist 'Gürtel’ (zu 1. cingere schichte der westgermanischen Konjunktion 'und' (Göt¬
tingen 1916); G. Schubert WW 5 (1954), 257—265; R.
'umgürten’).
Lühr MSS 38 (1979), 117-154.
un- negierendes Präfix. Mhd. ahd. as. un- aus
Unding n. Schon mhd. undinc in der Bedeu¬
g. *un-, auch in gt. un-, anord. ü-, ö-, ae. afr.
tung 'schlechte Sache, Unrecht’. Die heutige
un-. Dieses aus ig. *n-, der Schwundstufe des
Bedeutung setzt 'nur vorgestelltes, nicht wirk¬
satzvemeinenden *ne\ vgl. ai. a(n)-, gr. a(n)-,
lich existierendes Ding’ voraus, wird aber meist
1. in-, en-, air. in-, an-, e-, kymr. an-,
sehr allgemein eingesetzt.
Nndl. on-, ne. un-, nschw. o-, nisl. 6-. S. a-1, nicht, nein,
unentwegt Adj. Seit dem 19. Jh. übliches, ur¬
nie, nur. - W. Brandenstein Sprachforum 2 (1957),
sprünglich schweizerisches Wort zu entwegt un¬
23 l’f.
ruhig’, Partizip von entwegen vom Fleck
unbändig Adj. Mhd. unbendec, mndl. onban-
rücken’, mhd. entwegen 'auseinander bewegen’
dich negiert das heute nicht mehr gebräuchliche
(zu wegen in bewegen, s. d.).
mhd. bendec an die Leine (Band) gewöhnt
O. Ladendorf ZDU 17 (1903), 236.
(von Hunden gesagt), s. bändigen. Unbändig
Unfall m. Bezeugt seit dem 15. Jh. für älteres
ist also eigentlich '(noch) nicht an die Leine
mhd. ungeval m./n., mndd. ungeval, ungevel(le)
gewöhnt’.
Unflat 750 Union

n., mndl. ongeval, Negation zu mndd. geval, Ungetüm n. Bezeugt seit dem 16. Jh. Eine
gevelle n. 'Glück’ (vgl. mir fällt etwas zu). Die Entsprechung ist anord. ödcemi 'beispiellose Be¬
ursprüngliche Bedeutung ist also 'Unglück’. gebenheit’. Offenbar zu der nur noch in dem
Unflat m., areh. Mhd. unvlat m./n., unvlat(e)
Suffix -tum (s. d.) erhaltenen Bildung g. *dömi-
/., mndd. unvlät m./n., unvlede f Negation zu ’Setzung’, also etwa 'was außer seiner richtigen
mhd. vlät f. 'Sauberkeit’. Dieses ist ein f/-Ab- Setzung ist’. Einzelheiten sind, besonders wegen
straktum zu mhd. vlce(je)n 'säubern’. des späten Auftretens, unklar.
H. Kuhn: Das Füllwort of-um im Altwestnordischen
L. Berthold in: FS Helm (1951), 24lf.
(Göttingen 1929), 28.
Unfug m. Mhd. unvuoc. Verneinung von dem
Ungewitter n., arch. Mhd. ungewitere, unge-
heute nur noch in Redewendungen vorkom¬
wit(t)er, ahd. ungiwitiri. Negativbildung zu Ge¬
menden Fug (s. d.). witter (s. d.), das ursprünglich in der Bedeutung
-ung Suffix. Heute ausschließlich zur Bildung so neutral war wie Wetter.
von Verbalabstrakta gebraucht (bestrafen — Ungeziefer n. Spmhd. ungezibere, auch unge-
Bestrafung), früher auch zur Bildung von No¬ zibele 'unreines Tier’, vielleicht 'nicht zum Opfer
mina (Stallung zu Stall). Mhd. -unge, ahd. geeignetes Tier’ zu ahd. zebar, ae. tiber, anord.
-unga neben -ing-, das in den anderen Sprachen tivurr m. vielleicht 'Opfer’. Herkunft unklar.
überwiegt (ae. -ing, anord. -ing.). Letztlich he¬ Nach Hamp (s. u.) als * (a)ti-bher- zu g. *ber-a-
gen (ig.) k- Erweiterungen zu n- Stämmen vor, 'tragen’ (s. gebären) in der Sonderbedeutung
so daß das Suffix ursprünglich denominal gewe¬ 'opfern’.
sen sein muß. S. gebären ( + ), Ziefer. — E. Hamp JIES 1 (1973),
ungebärdig Adj., arch. Bezeugt seit dem 15. 322.
Jh. Zu mhd. ungebaerde 'übles Betragen’, Nega¬ ungezogen Adj. Mhd. ungezogen, ahd. ungizo-
tivbildung zu Gebärde (s. d.). gan, mndd. untogen. Wie ae. ungelogen, aschw.
S. gebären ( + ). otughin verneintes Partizip zu ziehen (s. d.) im
ungefähr Adv. So seit dem 15. Jh. Umgedeutet Sinn von 'erziehen’.
aus mhd. äne gevcer(d)e 'ohne Gefahr, ohne Unhold m. Mhd. unholde, ahd. un(a)holda f.
böse Absicht’. Zusammen mit der lautlichen 'Dämonin, Teufelin’, as. unholdo aus g. *unhul-
Veränderung verschiebt sich die Bedeutung zu t>ön m./f. 'Unhold, Teufel’, auch in gt. unhulpa
'mehr oder weniger’. Der Übergang ergibt sich m., unhulpo fi, ae. unholda. Substantivierung
aus der Versicherung, daß eine etwaige Unge¬ des Adjektivs mhd. unholt, ahd. as. ae. unhold;
nauigkeit 'ohne böse Absicht’ angegeben sei. Negation zu hold (s. d.).
S. ohne. uni- Präfixoid. Wortbildungselement mit der
Ungeheuer n. Mhd. ungehiure njmjf, ahd. Bedeutung 'ein, einzig, einheitlich’ (z. B. unila¬
ungihiuri, mndd. ungehür, mndl. ongehier(e), teral, Uniform). Es wird vornehmlich in neologi¬
ongehure. Substantiverung des gleichlautenden schen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist
Adjektivs, zu dem geheuer (s. d.) zu vergleichen die Kompositionsform von 1. ünus 'ein, eine,
ist. einer’.
Etymologisch verwandt: s. Union.
Ungemach n., s. gemach.
Uniform/, 'gleich gestaltete Dienstkleidung’.
ungeschlacht Adj., arch. Mhd. ungeslaht, ahd. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz.
ungislaht. Negation von mhd. geslaht, ahd. gi- uniforme, einer Substantivierung von frz. uni¬
slaht '(wohl) geartet’. Zu ahd. slaht in der Be¬ forme 'einheitlich, einförmig’, dieses aus 1. üni-
deutung 'Art’, also 'mit Art’ (un- 'ohne Art’). förmis (dass.), zu 1. ünus 'ein’ und 1. forma
Die Ausgangsbedeutung des Grundwortes ist 'Gestalt, Figur’.
Gesamtheit der Loden eines Ausschlagstam¬ Morphologisch zugehörig: uni, uni-, unieren, Unifika¬
mes’, danach 'Generation, Art’ (s. Geschlecht). tion, uniform, Uniformität, Unikat', etymologisch ver¬
S. schlagen ( + ). wandt: s. Union und Form.

ungestalt Adj., arch. Mhd. ungestalt, nebst der


Unikum n. 'Einzelstück, einzigartiger
Mensch’, fachsprachl., ugs. Neubildung zu 1.
Substantivierung mhd. ungestalt 'Mißgestalt’,
ünicus 'der einzige, alleinige, außerordentlich,
Partizip von stellen in der Bedeutung 'gestalten’
außergewöhnlich’, zu 1. ünus 'ein’.
(s. Gestalt).
Etymologisch verwandt: s. Union.
ungestüm Adj., arch. Mhd. ungestüeme, ahd.
Union /. 'Einheit, Verbindung’. Im 17. Jh.
ungistuomi, mndd. ungestüme. Negation zu
entlehnt aus gleichbedeutend 1. ünio (-önis), zu
mhd. gestüeme, ahd. gistuomi 'ruhig, sanft’. I. ünus 'ein, in eins’.
Weitere Herkunft umstritten, entweder zu ste¬ Morphologisch zugehörig: Unionisf, etymologisch ver¬
hen (s. d.) oder zu stemmen (s. d.). wandt: uni-, Uniform (usw.), Unikum, universal, Uni-
universal 751 unter

versität, Universum, Unze1. - W. J. Jones SN


adverbialem Genitiv und sekundär angetrete¬
51 (1979), 274.
nem -t.
universal Adj. 'allumfassend’, sondersprachl. S. ohne.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. üni-
Unmut m. Mhd. unmuot, ahd. unmuot n.,
versälis, zu 1. üniversus 'ganz, sämtlich, (wört¬
mndd. unmöt m./n.,mndl. onmceV, auch ae. un-
lich: in eins gekehrt, in eine Einheit zusammen¬
möd n. Negativbildung zu Mut (s. d.).
gefaßt)’, zu 1. ünus 'ein’ und 1. versus 'gewendet’,
dem PPP. von 1. vertere (versum) 'wenden, dre¬ Unne f. 'Zwiebel’, wndd. Entlehnt aus 1. ünio
hen, umkehren’. m. 'Zwiebel’, wie ae. ynne(leac) n.
Morphologisch zugehörig: Universalie, Universalismus, unpäßlich Adj. Aus ndd. to passe sin, das zu
Universalität, universell, Universiade, universitär, Uni¬ passen (s. d.) 'angemessen, gelegen sein’ gehört,
versität, Universum; etymologisch verwandt: s. Union als negierte Zusammenbildung.
und Vers. - K.-H. Weinmann DWEB 2(1963), 407;
Brunt (1983), 487. Unrat m., areh. Mhd. ahd. unrät. Wie ae.
unräd in verschiedenen Bedeutungen zu Rat
Universität /. 'Hochschule’. Im 14. Jh. (uni-
(s. d.) in dessen zweiter Bedeutung (die z. B. in
versitet) entlehnt aus 1. üniversitäs (-ätis) 'Ge¬
Hausrat vorliegt).
samtheit, Ganzes’, zu 1. üniversus 'ganz, sämt¬
lich, (wörtlich: in eins gekehrt, in eine Einheit uns Pron. Mhd. ahd. uns, as. üs aus g. *unsaz,
zusammengefaßt)’, zu 1. ünus 'ein’ und 1. versus auch in gt. uns, anord. oss, ae. üs. Außergerma¬
'gewendet’, dem PPP. von 1. vertere (versum) nisch stimmt hierzu genau heth. anzas. Mor¬
'wenden, drehen, umkehren’. Es bezeichnet zu¬ phologisch abweichend sind ai. nas, gr. hemels,
nächst 'die Gesamtheit der Lehrenden und Ler¬ 1. nös.
nenden’. Nndl. ons, ne. us, nschw. oss. — Seebold (1984),
39f.
Etymologisch verwandt: s. Union und Vers.
Universum n. 'Weltall’. Im 18. Jh. entlehnt unscheinbar Adj. Bezeugt seit dem 15. Jh.
aus gleichbedeutend 1. üniversum (wörtlich: Gegensatzbildung zu scheinbar in dessen alter
'Ganzes, Inbegriff aller Teile’), einer Substanti¬ Bedeutung 'wahrnehmbar, auffällig’.
vierung von 1. üniversus 'ganz, sämtlich, (wört¬ Unschlitt n./(m.), reg. Mhd. unslit n. u. a.,
lich: in eins gekehrt, in eine Einheit zusammen¬ ahd. unsli(h)t n. 'Unschlitt, Fett’ 'Innereien’
gefaßt)’, zu 1. ünus 'ein’ und 1. versus 'gewendet’, und ein vorauszusetzendes *ungislahti 'Schlacht¬
dem PPP. von 1. vertere (versum) 'wenden, dre¬ abfälle’, also zu schlachten (s. Schlacht) mit
hen, umkehren’. starker lautlicher Vereinfachung und Speziali¬
Etymologisch verwandt: s. Union und Vers. sierung der Bedeutung.
Unke /. Mhd. ahd. mndl. unc m. Die Bedeu¬ S. Schlacht ( + ). — Kretschmer (1969), 512f.

tung ist zunächst 'Ringelnatter’, mit dem Selte¬ Unstern m., arch. Bezeugt seit dem 16. Jh.
nerwerden dieses Tiers übernimmt das Wort die als Lehnübersetzung von frz. desastre, neben
Bedeutung von mhd. üche, ahd. ühha, ae. yce Unglücksstern, aus dem es vielleicht gekürzt ist.
'Kröte’. Die Lautform Unke gehört vielleicht Das deutsche Wort wird aber nicht wie das
zu 1. anguis m.f(f) 'Aal, Schlange’ usw. (der französische einfach für 'Katastrophe’ verwen¬
Lautstand stimmt nicht überein, doch ergeben det, sondern stärker an die systematische Be¬
sich bei dieser Sippe verschiedene Unklarhei¬ deutung angeglichen, also für 'unheilbringendes
ten). Nicht ausgeschlossen ist, daß Unke 'Kröte’ Gestirn’.
eine lautmalende Neubildung ist, weil das Tier unten Adv. Mhd. unden, ahd. untan(a). Ad¬
klagende Töne von sich gibt. Hierzu vermutlich verbialbildung zu unter (s. d.).
auch unken swV S. unter (+). - H. Wagner Celtica 3 (1956), 300-305.
H. Claus ZPhAS 9 (1956), 169-178.
unter Präp. Mhd. under, ahd. untar, as. undar
Unkosten PI. Bezeugt seit dem 14. Jh., zuerst
aus g. *under, auch in gt. undar, anord. undir,
im Norden. Das Wort gehört zu den Zusam¬
ae. afr. under. In der Bedeutung 'unterhalb’
mensetzungen mit un-, die keine Negation aus-
liegt voraus ig. *ndher in ai. adhä 'unten’, ai.
drücken, sondern etwas Schlimmes, Unvorteil¬ ädhara- 'der untere’, toch. A. ähc 'unten’, 1.
haftes (wie Unwetter).
infrä 'unterhalb’, gr. in atherizö 'ich verachte’.
Schirmer (1911), 198. In der Bedeutung 'zwischen’ liegt voraus ig.
Unkraut n. Mhd. ahd. mndd. unkrüt, mndl. *nter in ai. antäh 'innen, zwischen’, akslav.
oncruut. Negativbildung zu Kraut1 (s. d.) im Qtri, air. et er, etir, 1. inter, gr. in entera 'Einge¬
Sinne von 'unter den Nutzpflanzen wachsende, weide’.
unerwünschte Pflanzen’. Nndl. onder, ne. nschw. under, nisl. undir. S. infra-,
unlängst Adv. Mhd. mndd. unlanges, mndl. unten, Unterkauf und die folgenden Zusammensetzun¬
onlanges. Eigentlich 'vor nicht langer Zeit’ mit gen. — Henzen (1969), 179—217.
unterbuttern 752 üPPig

unterbuttern swV. 'unterkriegen’, ugs. Bezeugt untertan Adj., Untertan m. Mhd. undertän,
seit dem 19. Jh. in verschiedenen Bedeutungs- ahd. in untartäni 'Unterwürfigkeit’, eigentlich
spielartcn. Die Herkunft des Bildes ist unklar. aus einem Partizip von tun (s. d.) und unter in
Vermutlich ist an den Vorgang des Butterma- der Bedeutung 'unterhalb’.
chens gedacht, doch gibt es dabei nichts, das unterwegs Adv. Älter unterwegen, mhd. unter-
'untergebuttert’ würde. Deshalb allenfalls ein wegen, mndd. underwege(n), mndl. onderwe-
loser Vergleich: so lange schlagen und zurück¬ ge(n). Eigentlich 'zwischen den Wegen, in/auf
stoßen, bis das herauskommt, was man will. den Wegen’, nachträglich mit adverbialem Ge¬
unterfangen stV. reflz,Unterfangen n. als nitiv.
substantivierter Infinitiv, arch. Die Bildung unverblümt Adj. (PPrät.). Verneinte Form
(ursprünglich unterfaheri) ist schon alt, aber in von verblümt, das unter Blume besprochen wird.
der Bedeutung nicht einheitlich (mhd. under- unverfroren Adj. (PPrät.). Bezeugt seit dem
vä(he)n, ahd. untarfähan, mndd. undervän, mndl.
19. Jh., zunächst in Berlin. Das Wort scheint
ondervaen, ondervangerv, ae. underfön). Die heu¬ eine Umbildung von älterem ndd. unververt 'un¬
tige Bedeutung zeigt sich erst nachmittelhoch¬ erschrocken’ zu sein (ndd. ververen 'erschrek-
deutsch als 'etwas auf sich nehmen’ (= 'unter ken’ zu mndd. väre 'Gefahr’, s. Gefahr).
etwas fassen’). Das Verbum wird dann nach
W. Stammler NKB 51 (1938), 65f.; Stammler (1954),
dem Vorbild von sich unterwinden, sich unterzie¬
170-172.
hen u. a. reflexiv gebraucht. Später wird der
Unwesen n. Schon mhd. unwesen in ver¬
Gebrauch eingeengt auf 'sich etwas heraus¬
schiedenen Bedeutungen. Die heute übliche
nehmen’.
('Unfug, verwerfliche Handlungsweise’) als Ne¬
Unterkauf m. 'Maklergebühr’, arch. Mhd. un- gativbildung zu Wesen (s. d.) ungefähr seit dem
derkouf, mndd. underköp, mndl. ondercoop. Zu¬
16. Jh.
sammensetzung mit unter (s. d.) in der Bedeu¬
Unwetter n., s. un-, Wetter und Unkosten.
tung 'zwischen’. Das Wort bedeutet zunächst
'Kaufvermittlung’, dann 'Maklergebühr’. unwirsch Adj. Mhd. unwirdesch, unwirdisch,
Untern m., auch Unternbrot n. 'Zwischen¬
mndl. onwertsch zu mhd. wirde, werde 'Wert,
mahlzeit’, arch., reg. Mhd. undern, untern, ahd. Würde’, also eigentlich 'unwürdig, nichtswür¬
untorn, untarn 'Mittag’, as. undorn 'Vormittag’
dig’. Nach Ausfall des Endsilbenvokals verein¬
aus g. *undurni- m. 'Vormittag, Mittag’, auch facht und semantisch in der Blickrichtung ver¬
in gt. undaurni-(mats) 'Mittagsmahl’, anord. ändert.
undorn, undarn 'Vormittag’, ae. undern 'Vormit¬ S. wert ( + ), wirsch.

tag’. Das Wort ist abgeleitet von unter 'zwi¬ Unze1/. (= Gewichtseinheit), sondersprachl.
schen ’ mit Schwundstufe der zweiten Silbe Mhd. unz(e), ahd. unza, mndd. unse. Wie
(*ntrni-). Die Bedeutung ist also ursprünglich anord. unzia entlehnt aus 1. üncia. Dieses ist als
'Zwischenzeit’. Ableitung zu 1. ünus 'eins’ ursprünglich ein Wort
H. Wagner Celtica 3 (1956), 300-305; Wünschmann für 'Einheit’.
(1966), 71—87; Kretschmer (1969), 550f. S. Union ( + ).
unterrichten swV. Mhd. underrihten 'einrich¬ Unze2 f. 'Jaguar’, arch. Im 18. Jh. entlehnt
ten, anweisen, zurechtweisen’ zu richten (s. d.), aus frz. once, das durch falsche Abtrennung
mit unter in der Bedeutung 'zwischen’, die nahe eines anlautenden, als Artikel aufgefaßten /- (it.
an ein- steht. lonza, ml. luncea, zu 1. lynx) entstanden ist. Das
Unterschleif m. 'Unterschlagung’, arch., reg. Wort bedeutet zunächst 'Luchs’ und wird dann
Im 16. Jh. gebildet aus mhd. undersleipfen auf die fremde Raubkatze übertragen. Unzenfell
'heimlich zur Seite bringen’, eigentlich zu schlie¬ im 16. Jh. bedeutet noch 'Luchsfell’, ist also
fen (s. d.), also etwa im Sinn von 'wegschlüpfen wohl eine unabhängige frühere Entlehnung aus
machen’. derselben Quelle.
untersetzt Adj. (PPrät.). Bezeugt seit dem Unziale /. (= eine abgerundete Schrift, wört¬
16. Jh. Ursprünglich Partizip zu untersetzen im lich 'Schrift mit zoll-langen Buchstaben’), s.
Sinn von 'unterstützen’, dann verallgemeinert Unze1.
zu 'kräftigen’. Untersetzt bedeutet deshalb zu¬ üppig Adj. Mhd. üppec, üppic, ahd. ubbig,
nächst 'kräftig, muskulös’, dann erst (durch ubplg, üppig. Das Wort wird meist zu über (s. d.)
euphemistischen Gebrauch?) 'kurz und eher gestellt, was der Bedeutung nach passen würde,
dick’. aber unbezeugte Zwischenglieder voraussetzt.
unterstellen swV. Im Sinn von 'unterschieben’ Denkbar wäre immerhin auch ein Vergleich mit
im 18./19. Jh. gebraucht als Lehnbedeutung von nisl. ubbi 'dichtbehaart’, was von einer ganz
I. suppönere, frz. supposer. anderen Vorstellung ausgehen würde.
Ur
753 Utensilien

Ur m., arch. Die alte Lautform für Auer urig Adj. 'urwüchsig’, ugs. Spmhd. urich, das
(-ochse) (s. Auerhahn), die im 18. Jh. wiederbe¬ aus dem alem. urchig durch zusätzliche Suffigie-
lebt wird.
rung entstanden ist. Wohl aus Bildungen wie
ur-, Ur- Präfix. Die betonte Form des Präfi¬ uralt abgelöst. Im einzelnen unklar.
xes in Nominalbildungen, während die unbe¬ Urin m. 'Harn’, fachsprachl. Im 17. Jh. ent¬
tonte Form von Verbalpräfigierungen er- ist, lehnt aus gleichbedeutend 1. ürma f.
vgl. nominales, präfixbetontes Urlaub gegen¬ Morphologisch zugehörig: urinal, Urinal.
über dem verbalen, stammbetonten erlauben.
Urkunde/ Mhd. urkunde, urkunde m., ahd.
Mhd. ahd. as. ur-, afr. ae. or-. Selbständig in
urkundi n., mndd. orkunde n./f, mndl. orconde.
gt. us, anord. or, ahd. ur 'aus, heraus’, als Präfix
auch 'anfänglich, ursprünglich’. Alte Nominalbildung zu erkennen (s. d.). Die
Ausgangsbedeutung ist 'Bekundung’.
S. er-. - Johannisson (1939), 65-125; W. Wegstein
Nndl. oorkonde.
in: FS Schützeichel (1987), 1222-1230.

-ur Suffix. Dient der Bildung von desub- Urlaub m. Mhd. urloup m./n., ahd. urloub m./
n., as. orlöf m./n. Wie afr. orlof orlef n. alte
stantivischen oder deverbativen Substantiven,
die häutig die Bedeutung 'Einrichtung’ (z. B. Nominalbildung zu erlauben (s. d.). In alter Zeit
Agentur, Kommandantur) oder 'Ergebnis (der
wird das Wort spezialisiert auf 'Erlaubnis, sich
zu entfernen’, in der Neuzeit angepaßt zu 'zeit¬
in der Basis ausgedrückten Handlung)’ (z. B.
weilige Freistellung vom Dienst oder von der
Ligatur, Reparatur) tragen. Es wurde in romani¬
Arbeit’.
schen Entlehnungen (häufig frz. -ure) ins Deut¬
Johannisson (1939), 65 — 125.
sche übernommen; sein Ursprung ist 1. -ura.
(dass.). Urne/. Im 17. Jh. entlehnt aus 1. ürna gleicher
Bedeutung.
Urahn m. Mhd. urane, urene, ahd. urano. Zu
Ahn (s. d.) mit Ur- (s. d.) in der Bedeutung Ursache /. Spmhd. Ursache, gebildet aus Sa¬
'anfänglich’, bei Verwandtschaftsnamen 'eine che (s. d.) 'Rechtsstreit’ und Ur- (s. d.) in der
Generation weiter’. Bedeutung 'anfänglich’, also 'Anfang eines
Johannisson (1939), 65 — 125. Rechtsstreits’, von da aus verallgemeinert.

uralt Adj. Mhd. ahd. uralt. Durch ur- (s. d.) Ursprung m. Mhd. ursprunc m./n., mndd.
gesteigertes alt (s. d.). Das Präfix hat hier den or(t/sprunc, mit anderem Ablaut ahd. urspring,
Wert von 'in die Anfänge zurückreichend’. mhd. ursprinc m./n., mndd. ortsprunk. Das Wort
bedeutet zunächst 'Quelle’ (im eigentlichen
S. alt ( + ). — Johannisson (1939), 65—125.
Sinn) und gehört als alte Nominalbildung zu
Uran n. (= ein radioaktives Schwermetall), erspringen, für das wir heute entspringen sagen.
fachsprachl. Neubildung des 18. Jhs. zu Uranus, Die mndd. Variante zu ort 'Spitze’.
dem Namen eines im selben Jahrhundert ent¬
Urstände /. 'Auferstehung’, arch., reg. Seit
deckten Planeten.
Notker (ahd. urstenti n., urstenti, auch mittel¬
Lüschen (1968), 289 (Pechblende).
hochdeutsch) von der christlichen Auferstehung
urbar Adj. 'kultiviert (von Ackerland)’. Im gebraucht, als nominale Ableitung von erstehen
17. Jh. übernommen aus ndd. orbar. Dieses (ahd. irstantan).
in prädikativer Stellung entstanden aus dem Ürte /. 'Zeche’, arch. Mhd. ürte, urte. Her¬
Substantiv mndd. orbar, orber, orbor, mndl. kunft unklar.
orbare, mhd. urbor, urbar 'Nutzen, Ertrag’,
Urteil n. Mhd. urteil(e) n./f, ahd. urteil m./f./
dann 'ertragbringendes Grundstück’, neuhoch¬
n., as. urdeli. Alte Nominalbildung zu erteilen,
deutsch erhalten in Urbar n. 'Verzeichnis der
spezialisiert aus ahd. tuome irteilen, as. dömos
Grundstücke und Einkünfte’. Das Wort ist eine
ädelian 'Urteil erteilen’. Wie das Substantiv
alte Substantivbildung aus *uz- (s. ur-) und
kann auch das Verb (ahd. irteilen) speziell 'ein
heran 'tragen’ (s. gebären).
Urteil sprechen’ bedeuten.
-üre Suffix, s. -ur. K. F. Freudenthal: Arnulfmgisch-karolingische Rechts¬
Urfehde /. 'Beendigung der Fehde’, arch. wörter (Göteborg 1949), 71, 200.

Mhd. urvehe(de). Aus *uz (s. ur-) in der alten Usus m. 'Brauch, Sitte’, s. Utensilien.
Bedeutung 'aus’ und Fehde (s. d.). Die Ur¬ Utensilien PI. 'Gerätschaften, Dinge’. Im 18.
fehde wird von beiden Parteien feierlich ge¬ Jh. entlehnt aus 1. ütensilia n. 'brauchbare
schworen. Dinge’, einer Substantivierung von 1. ütensilis
Urheber m. Erst neuhochdeutsche Ableitung 'brauchbar’, zu 1. ütl (Usus sum) 'von etwas
zu mhd. urhap m./n. 'Anfang’ zu ur- (s. d.) und Gebrauch machen, anwenden’. Dazu üsus m.
heben (s. d., vgl. anheben). 'Brauch, Sitte’.
754 uzen
Utopie
Morphologisch zugehörig: Utopia, utopisch, Utopis¬
Utopie f. 'Ideal, Undurchführbares’. Im 19.
mus, Utopist', etymologisch verwandt: s. Topos. — E.
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. Utopie, die¬
F.rämetsä NPhM 59 (1958), 40.
ses aus ne. utopia (dass.), einer Neubildung zu
uzen swV. 'necken’, ugs. Bezeugt seit dem
gr. ou(ch), ouk 'nicht’ und gr. töpos m. 'Ort’. Die
Neubildung durch Th. Moore als Bezeichnung 16. Jh. Herkunft unklar. Vielleicht zu Uz, der
des — nicht existierenden — Ortes, an dem sich Kurzform des Namens Ulrich (nachdem hänseln
der von ihm beschriebene ideale Staat befindet. auf Hans bezogen wurde?).
Dann übertragen auf alles Ideale. Anders: Wolf (1985), 336f.
V
Vabanquespiel n. 'Wagnis, Unternehmung mit der Chemie und daran sich anlehnend in der
großem Risiko’, sondersprachl. Zusammenrük- Sprachwissenschaft ist Valenz eingeengt auf 'die
kung aus va banque spielen 'um die gesamte Kraft, eine bestimmte Anzahl von Elementen
Bank spielen’, zu frz. va banque 'es geht um die zu binden’.
Bank’, zu einer suppletiven Form von frz. aller Morphologisch zugehörig: valent', etymologisch ver¬
'gehen’ und frz. banque f 'Bank’. Aus dem wandt: s. ambivalent.
Bereich des Glückspiels dann verallgemeinert.
Valuta f 'Währung, Wert’, fachsprachl. Im
Vademekum n. 'Lehrbuch, Ratgeber’, sonder¬ 16. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend it. Valuta,
sprachl. Neubildung des Frühneuhochdeut¬ zu it. valere (valuto) 'gelten, wert sein’, aus 1.
schen zu 1. väde mecum (wörtlich: 'geh mit mir’), valere 'die Kraft haben, wert sein’.
zu 1. vädere 'wandern, gehen, schreiten’. Etymologisch verwandt: s. ambivalent. — Schirmer
Zum Etymon s. waten. (1911), 200f.
Vagabund m. 'Landstreicher, Strolch’. Im 17. Vamp m. 'kühle, verführerische Frau’, sonder¬
Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. vagabond, sprachl. Im 20. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend
dieses aus ml. vagabundus (dass.), aus 1. vagä- ne. vamp, dieses eine Kurzform von e. vampire
bundus 'umherstreifend, unstet’, zu 1. vagäri 'Vampir’ (s. d.). Die Bezeichnung entsteht im
'umherstreifen, unstet sein’, zu 1. vagus 'umher¬ amerikanischen Stummfilm zu Beginn des 20.
streifend, unstet’. Jhs.; Ausgangspunkt ist die Verfilmung der Er¬
Morphologisch zugehörig: Vagabondage, vagabundie¬ zählung The Vampire von R. Kipling, wo das
ren-, etymologisch verwandt: extravagant (usw.), [Va¬ Wort metaphorisch auf die weibliche Hauptper¬
gant], vage, [vagieren], — Zu Vagant s.: K.-H. Wein¬
son angewendet wird.
mann DWEB 2 (1963), 407.
Vampir m. 'Wesen, das Menschen das Blut
vage Adj. 'unbestimmt’, sondersprachl. Im 18.
aussaugt’, sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus
Jh. entlehnt aus frz. vage 'umherstreifend, un¬
gleichbedeutend serbo-kr. vämpir. Nach dem
stet’, dieses aus 1. vagus (dass.). Aus der konkre¬
auf dem Balkan verbreiteten Volksglauben von
ten Bedeutung 'ohne festen Standort’ dann die
blutsaugenden Gespenstern.
übertragene Bedeutung 'ohne feste Position, im
Etymologisch verwandt: Vamp. — K. M. Wilson JHI
Status nicht festgelegt’.
46(1985), 577-583.
Etymologisch verwandt: s. Vagabund.
Vandale m. 'zerstörungswütiger Mensch’, son¬
Vagina/. 'weibliches Geschlechtsorgan’, fach-
dersprachl. Nach dem germanischen Volks¬
sprachl. Entlehnt aus 1. väglna 'Scheide’ (des
stamm der Vandalen, der Rom eroberte und es
Schwertes und übertragen), 'Ährenhülse’. Die¬
geplündert haben soll.
ses ist im Lateinischen isoliert und gehört wohl
J. Miedel ZSV 20(1905), 305-310; ZSV 21 (1906),
zu (langvokalischem) lit. vözti 'stülpen, decken’.
81-83; W. Feldmann ZDW 9(1907), 301f.; ZVS
Etymologisch verwandt: Vanille (usw.) 25 (1910), 345-347; ZDW 13(1912), 281; J. Miedel
vakant Adj. 'frei, leer’, s. Vakuum. ZDW 13 (1912), 336.
Vakuum n. 'Leere, Luftleere’, sondersprachl. Vanille /. (= eine tropische Orchideenpflanze
Im 18. Jh. entlehnt aus 1. vacuum 'Leere, leerer bzw. ein daraus gewonnenes Gewürz). Im 17.
Raum’, einer Substantivierung von 1. vacuus Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. vanille und
'leer, ledig, entblößt, frei’. Die Bedeutung 'frei’ span, vainilla (wörtlich: 'kleine Schote, kleine
in Vakanz 'Ferien (= unterrichtsfreie Zeit), freie Scheide’), einem Diminutivum zu span, vaina
Stelle’ usw. 'Schote, Hülse, Scheide’, aus 1. väglna (dass.).
Morphologisch zugehörig: vakant, Vakat; etymolo¬ Benannt nach der Schotenform der Früchte.
gisch verwandt: evakuieren. Morphologisch zugehörig: vanille, Vanillin-, etymolo¬
Valand m., s. Voland. gisch verwandt: Vagina.

Valenz /. 'Wertigkeit’, fachsprachl. Entlehnt Variante/. 'Spielart, Version’. Im 18. Jh. ent¬
aus spl. valentia 'Stärke, Kraft’, zu 1. valere 'die lehnt aus gleichbedeutend frz. Variante, dem
Kraft haben, bei Kräften sein, kräftig sein’. In substantivierten PPräs. von frz. varier 'wech-
Variete 756 Vene

sein, verschieden sein’, aus I. variäre (dass.), zu tus 'belebt, rüstig’, zu 1. vegere 'munter sein,
1. varius 'mannigfaltig, wechselnd’. leben’.
Morphologisch zugehörig: variabel, Variabilität, Varia¬ Morphologisch zugehörig: Vegetarismus, Vegetation,
ble, variant, Varianz, Variation, Varietät, Variete, variie¬ vegetativ, vegetieren', zum Etymon s. wachen.
ren', etymologisch verwandt: [Varia],
vegetieren swV. 'kärglich leben’, s. Vegetarier.
Variete n. Theater mit musikalisch-tänze¬
vehement Adj. 'heftig’, sonder spracht. Im
rischen und akrobatischen Darbietungen’. Im
18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend 1. vehemens
19. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. (theätre
(-entis), zu 1. vehere (vectum) 'führen, bringen,
des) Varietes m., zu frz. variete /. 'Abwechslung,
fliegen’.
Vielfalt’, aus 1. varietäs f (dass.), zu 1. varius
Morphologisch zugehörig: Vehemenz', etymologisch
'mannigfaltig, wechselnd’.
verwandt: s. Vehikel. — Brunt (1983), 488.
Etymologisch verwandt: Variante (usw.).
Vehikel n. 'sonderbares Fahrzeug’. Im 18. Jh.
Vasall m. 'Gefolgsmann’, fachsprachl. Im
entlehnt aus 1. vehiculum 'Transportmittel,
Mittelhochdeutschen (mhd. vassal) entlehnt aus
Fahrzeug, Fuhrwerk’, zu 1. vehere (vectum)
gleichbedeutend afrz. vassal, dieses aus ml. va-
sallus (dass.), aus gallo-rom. vassus 'Mann im
'führen, bringen, fliegen’.
Etymologisch verwandt: Konvektion, konvex, vehe¬
Dienstgefolge’.
ment, [Vektor], Vene, Veterinär, Vexierbild', zum Ety¬
Vase /. 'Gefäß für Blumen’. Im 18. Jh. ent¬
mon s. wägen.
lehnt aus gleichbedeutend frz. vase m., dieses
Veilchen n. Verkleinerungsform (die auch in
aus 1. väs (-sis) n. 'Gefäß, Geschirr, Gerät’.
anderen Lautungen auftaucht) zu fnhd. feil,
Vater m. Mhd. vater, ahd.fater, as.fadar aus
mhd. viel m. zu mhd.-vfo/ m., viole f, ahd. fiol,
g. * fader m. 'Vater’, auch in gt. fadar (Einzelbe¬
vToI m., das entlehnt ist aus 1. viola /., dieses
leg, sonst atta), anord. faöir, ae. fader, afr.
wiederum eine Verkleinerung zu dem aus dem
feder, fader. Dieses aus ig. *pdter m. 'Vater’,
Griechischen entlehnten ion 'Veilchen’. Möglich
auch in ai. pita, toch. A. päcar, toch. B. päcer,
ist auch, daß beide Sprachen aus einer dritten
gr. pater, 1. pater, air. athir. Das Wort bezieht
sich offenbar auf die gesellschaftliche Stellung entlehnt haben.
des Vaters (als Hausherr), ohne daß eine weitere S. violett. Zum griechischen Wort vgl. Jod.

Etymologie sicher wäre. Daneben steht in den Veitsbohne /. 'Saubohne’, reg. Bezeugt seit
meisten Sprachen ein familiäres Wort, ein Lall¬ dem 18. Jh. Offenbar so benannt, weil sie am
wort (wohl der Kindersprache) vom Typ gt. Tag des Hl. Veit (15. Juni) zu blühen beginnt
atta, ne. daddy, frz. nhd. Pappa usw. (oder weil sie bis dahin noch gesteckt werden
Nndl. vader, ne. father, nschw. fader, nisl. faöir. S. können?).
Patriot (+), Patrizier (+), Vetter. — E. Risch MH
1 (1944), 121 f.; J. Trier ZSSR-GA 65 (1947), 232-260; Veitstanz m. (= eine Krankheit), fachsprachl.
G. Bonfante AANL 39 (1984), 259f. Bezeugt seit dem 16. Jh., ml. chorea sancti Viti.
Vatermörder m. 'steifer Stehkragen’, arch. Be¬ Die Krankheit wird mit Tanz in Verbindung
zeugt seit dem 19. Jh. Herkunft nicht ganz gebracht, weil sie sich in Muskelzerrungen äu¬
gesichert. Vermutlich beruht das Wort auf ßert, die an verzückte Tänzer erinnert haben
einem Mißverständnis oder einer scherzhaften mögen. Der Hl. Veit wird gegen die Krankheit
Fehlübersetzung, indem ähnliche Kleidungs¬ angerufen, in welcher Verbindung er zu ihr
stücke auf Französisch auch parasite 'Mitesser’ steht, ist aber unklar.
genannt werden konnten (an den vorstehenden G. Bilfinger ZDW 3 (1902), 238-241.
Ecken blieb beim Essen leicht etwas hängen). Velours m. (= ein Gewebe, Samtleder), fach¬
Dieses Wort wurde offenbar mit frz. parricide sprachl. Im 19. Jh. entlehnt aus frz. velours
'Vatermörder’ verwechselt. (älter: velous) 'Samt’, dieses aus prov. velos
Vatikan m. 'Residenz des Papstes, der Kir¬ (dass., wörtlich: 'zottig’), aus 1. villösus 'zottig,
chenstaat’, sonder sprach!. So bezeichnet nach 1. haarig’, zu 1. villus 'zottiges Haar der Tiere’.
möns Väticänus 'der vatikanische Hügel auf der S. Flor'.
Westseite des Tiber’, wo die Residenz erbaut ist.
Veloziped n. 'Fahrrad’, arch. Im 19. Jh. ent¬
Vegetarier m. 'jmd., der kein Fleisch ißt’. Mit
lehnt aus gleichbedeutend frz. velocipede m.,
Suffixwechsel und lautlicher Angleichung an
dieses zu 1. velöx 'schnell’ und 1. pes (-edis) m.
die lateinische Ausgangssippe entlehnt aus ne.
'Fuß’. Die Abkürzung Velo ist in der Schweiz
vegetarian (vielleicht über frz. vegetarien). Die¬
ses ist eine Neubildung zu ne. Vegetation 'Pflan¬ heute noch üblich.
zenwelt’ (aus frz. Vegetation /., dieses aus 1. Morphologisch zugehörig: Velozipedist', etymologisch
verwandt: s. Pedal.
vegetätio /.) unter Einfluß anderer Wörter wie
ne. vegetable 'Gemüse’. Ausgangspunkt ist 1. Vene /. 'Blutader’, fachsprachl. Entlehnt aus
vegetäre 'beleben, leben (als Pflanze)’, zu 1. vege- gleichbedeutend 1. vena, zu 1. vehere 'führen.
Venn 757 verdammen

tragen, bringen’; so bezeichnet als 'blutführende verarzten swV, s. Arzt.


Ader’.
Verb n. ‘Zeitwort’, fachsprachl. Im Neuhoch¬
Morphologisch zugehörig: venös; etymologisch ver¬
deutschen entlehnt aus gleichbedeutend I. ver-
wandt: s. Vehikel. - K.-H. Weinmann DWEB
2(1963), 407. hum (auch: 'Wort, Audruck, Rede’).
Morphologisch zugehörig: verbal, verbalisieren, Verba¬
Venn n., s. Fenn.
lismus, Verbalist, Verbum; etymologisch verwandt: Ad¬
Venner m., s. Fähnrich. verb, [Deverbativum]; zum Etymon s. Wort.
Ventil n. 'Vorrichtung, die den Durchsatz von verballhornen swV., sonder spracht. Bezeugt
Gasen usw. regelt’. Im 16. Jh. angeblich ent¬ seit dem 19. Jh., auch in der Form balhorni-
lehnt aus ml. * ventile 'Schleuse eines Wasserka¬ sieren. Offenbar liegt ein Name zugrunde — in
nals’, für das aber keine Belege angegeben wer¬ Frage kommt der Buchdrucker Johann Balhorn
den, zu 1. ventiläre 'lüften, Kühlung zufächeln, d. J. in Lübeck, bei dem 1586 das alte lübische
hin und her bewegen’, zu 1. ventus m. 'Wind’. Recht von einem ungenannten Bearbeiter stark
Ausgehend von 'hin und her bewegen, um fri¬ verschlimmbessert erschienen war. Die Ausgabe
sche Luft zuzuführen’ dann übertragen auf hieß danach Editio Balhorniana und wurde als
'Vorrichtungen, die hin und her bewegt werden, Beispiel für wohlgemeinte Verstümmelungen
um Zustrom von etwas zu ermöglichen (oder zum Anlaß für halhornisieren und verballhornen.
zu verhindern)’.
verblüffen swV. Im 18. Jh. aus den niederdeut¬
Morphologisch zugehörig: Ventilation, Ventilator, ven¬
tilieren; zum Etymon s. wehen. — K.-H. Weinmann schen Mundarten übernommen, mndd. vorbluf¬
DWEB 2 (1963), 407. fen 'betäuben, bestürzt machen’. Daneben ste¬
ver- Präfix. Mhd. ver-, &hd.fir-,far-, as. far-. hen nndl. verblüffen 'einschüchtern’ und ne.
Entsprechend einheitlich ae./or-, afr.für- (auch bluff 'prahlen’ (s. Bluff). Man nimmt lautmale¬
for-), während im Gotischen noch entsprechend rischen Ursprung (etwa im Sinn von 'platzen,
den außergermanischen Sprachen zwischen knallen’) an.
faur,fra- und fair- unterschieden wird. Außer¬ verblümt Adj. (PPrät.), s. Blume.
germanisch vergleichen sich ai. purä, prä und verbocken swV. 'etwas falsch behandeln’, ugs.
pari, gr. parä, pro und perl, 1. (por-), pro und
Zu einen Bock schießen (u. ä.), das unter Bock
per, air. stärker vereinheitlicht ro, er, lit. pro,
behandelt ist.
per-, akslav. pro-, pre; dazu heth. para, das
am ehesten zu *pro gehört. Vermutlich gehören verbrämen swV. 'ein Kleidungsstück mit
diese Präfixe zusammen und hängen von *per- einem Rand, besonders einem Pelz, verzieren’.
'hinübergehen’ (s. fahren) ab. Die alte Dreiheit Spmhd. verbremen, mndd. vorbremen. Zu mhd.
ist in den Funktionen des außergotischen Präfi¬ brem 'Einfassung’, das zu nndl. braam 'Grat’,
xes kaum noch zu erkennen, besonders zeigt nndl. berm 'Seitenlinie’, ne. brim 'Rand’ gehört.
sich für gt. fair- keine klare funktionelle Ent¬ Neuhochdeutsch fachsprachlich noch Bräme
sprechung. Zu faur gehören die Funktionen, die 'Pelzbesatz’. Weitere Herkunft unklar.
auf stärker räumlich geprägte Ausgangspunkte S. Brink.
zurückgeführt werden können ('über etwas hin¬ verbraten swV. 'verbrauchen (meist von Geld
aus, an eine andere Stelle usw.’, vgl. verschlafen, gesagt)’, ugs. Eigentlich 'zum Braten verwen¬
versetzen; zu fra gehören Wörter für 'verarbei¬ den’, wobei braten für 'in Saus und Braus leben,
ten, verbrauchen, verschwinden’ und zum Aus¬ gut leben’ steht (also 'für üppige Lebensführung
druck des Gegenteils (verspielen, vergehen, ver¬ verwenden’).
lernen). Da der Zusammenfall aber schon alt
Verbrechen n. Als Substantiv erst spätmittel¬
ist, hat eine Aufgliederung für das Neuhoch¬
hochdeutsch; Substantivierung des Infinitivs
deutsche wenig Sinn.
Nndl. ver-, ne. for-. S. die Zusammenstellung unter
von verbrechen 'das Recht brechen’; spezialisiert
fahren und als unmittelbar zugehörig die Sippe von aus der intensivierenden Präfigierung von bre¬
frei. S. auch per-, peri-, prä-, vor (+). — Johannisson chen (s. d.).
(1939), 126-287; E. Öhmann in: FS Pretzel (1963), verbumfeien swV., verbumfiedeln swV., s. ver-
327-337.
fumfeien.
Veranda f. 'überdachter Vorbau’. Im 19. Jh.
Verdacht m. Bezeugt seit dem 16. Jh. Verbal¬
entlehnt aus gleichbedeutend ne. veranda, dieses
abstraktum zu verdenken in der alten Bedeutung
aus port. varanda (dass.), dessen weitere Her¬
'schlecht von jmd. denken, übelnehmen, ver¬
kunft nicht sicher geklärt ist.
dächtigen’.
Littmann (1924), 121.
veräppeln swV. 'aufziehen’, ugs. Bezeugt seit verdammen swV. Mhd. verdammen, ver-
der Jahrhundertwende, wohl ausgehend von dam(p)nen, ahd. ftrdamnon. Entlehnt aus 1.
Berlin. Vermutlich 'mit Äpfeln (faulen?, Pferde¬ damnäre 'verurteilen’ (zu 1. damnum 'Buße, Ver¬
äpfeln?) bewerfen’. lust’), eingeengt auf die christliche Bedeutung.
verdattert 758 verfumfeien

Die Vorsilbe vermutlich nach dem bedeutungs- Verein m. Spmhd. vereine f. 'Vereinigung,
ähnlichen ahd. firtuomen, mhd. vertüemen 'ver¬ Übereinkommen’ zu mhd. (sich) vereinen ('eins
urteilen’ (zu ahd. tuorn 'Urteil’, s. -tum). werden’). Im 18. Jh. entsteht daneben oder dar¬
aus ein Maskulinum, später mit der Bedeutung
verdattert Adj. (PPrät.), ugs. Partizip zu tat¬
'die durch Übereinkommen Verbundenen’ (vgl.
tern 'zittern, stottern, aus der Fassung gebracht
die entsprechende Doppeldeutigkeit von Verei¬
sein’ (s. Tatterich).
nigung).
verdauen swV. Mhd. verdöufw)en, ahd. firde- G. G. Schmalz Monatshefte IVisc. (Wisconsin 1955),
wen, as. farthewian, eigentlich 'verschmelzen’ 295-301.
zu tauen (s. d.). Vgl. nschw. smälta 'schmelzen, vereinbaren swV. Mhd. vereinbeeren zu mhd.
verdauen’. einbeere 'einhellig, einträchtig’, also etwa 'eines
Verdeck n. Im 16. Jh. übersetzt aus it. coperta Sinnes werden’.
/., frz. couverte f. vereiteln swV. Mhd. veritelen. Zu eitel (s. d.)
S. Deck ( + ). in der alten Bedeutung 'leer, nichtig’, also 'zu¬
verderben st V. Mhd. verderben (intransitiv nichte machen’.
stV, transitiv swV), entsprechend mndd. vor¬ verfahren stV. Im rechtlich-technischen Sinne
deren, afr. forderva, urderva. In der älteren tritt das Wort zuerst im Mittelniederdeutschen
Sprache nicht bezeugt und deshalb unklar. Ver¬ auf, entsprechend zu Vorgehen, also übertragen
mutlich zu ae. deorfan 'arbeiten, sich mühen, aus der räumlichen Bedeutung 'nach vorne,
zugrunde gehen’. Dieses weiter zu lit. dirbti vorwärts gehen/fahren’.
'arbeiten, machen’. Im einzelnen unklar. Verfasser m. Fnhd. verfassen teilt die verschie¬
Verdikt n. 'Urteil, Verdammungsurteil’, son¬ denen Bedeutungen von fassen, wird aber spe¬
dersprach/. Im 19. Jh. entlehnt aus gleichbedeu¬ ziell auch gebraucht in der Bedeutung 'einem
tend ne. verdict, dieses aus afrz. voirdit (dass.), Text eine Fassung, einen Rahmen geben, ihn
aus 1. vere dictum (wörtlich: 'wahrhaft gespro¬ ausführen’. Deshalb auch die Wendung in
Schriften verfassen, zu der im 17. Jh. Schriftver¬
chen’), zu 1. verus 'wahr, wirklich, treffend’ und
fasser (als Ersatzwort für Autor) gebildet wird,
1. dicere 'sprechen’. Die heutige Form nach ml.
bald gekürzt zu Verfasser. Von dem gleichbe¬
verdictum (dass.).
deutenden Schriftsteller ist Verfasser nachträg¬
Etymologisch verwandt: s. veritabel und diktieren.
lich dadurch abgegrenzt worden, daß der Ver¬
verdonnern swV. 'verurteilen’, ugs. Ursprüng¬ fasser im Zusammenhang mit einem (im Genitiv
lich regional (niederdeutsch) und studenten¬ genannten) Werk genannt wird, Schriftsteller
sprachlich. Vermutlich zu beziehen auf Juppiter dagegen für 'Autor’ allgemein.
Tonans, den Gott, der im Donner spricht. Vgl. verfitzen swV. 'verwirren (von Fäden)’, ugs.
auch donnern 'lautstark reden’. Zu Fitze 'Garnsträhne’ (s. d.).
verdrießen stV. Mhd. verdriezen neben erdrie- verflixt Adj. (PPrät.), ugs. Euphemistische
zen, ahd. irdriozan, as. äthrotan 'abgestumpft’ Entstellung von verflucht.
aus g. *preut-a- stV. 'müde werden’, auch in verfranzen swV. 'sich verirren, sich verfliegen’,
gt. uspriutan 'verdrießen’, anord. prjöta 'müde ugs. Ursprünglich aus der Fliegersprache. Dort
werden’, ae. äpreotan (vermutlich gibt es in hatte der Beobachtungsoffizier den Übernamen
keiner germanischen Sprache einen echten Sim¬ Franz.
plexbeleg, da im Nordischen die Präfixe abge¬ R. Mothes ZDV 29 (1915), 464f„ 544.
fallen sind). Vergleichbar sind unter w/oeur.
verfügen swV. Mhd. verfliegen, mndd. vorvo-
*trend-, kymr. cythrudd 'Niedergeschlagenheit’,
gen (zu Fuge1 und fügen, s. d.) hat unter ande¬
akslav. truditi sg 'sich mühen, bemühen, arbei¬
rem die Bedeutung 'einrichten’, daraus übertra¬
ten’, lit. triusas 'mühevolle Arbeit’ (*treuds-o-)
gen 'veranlassen’, das zu einem typischen Be¬
und wohl 1. trüdere 'stoßen, drängen’, das wohl
hördenwort wird. Sich verfugen im Sinn von
die Ausgangsbedeutung zeigt.
'sich begeben’ weist den gleichen Bedeutungs¬
Nndl. verdrieten, nschw. tryta, nisl. prjöta. S. abstrus, wandel auf wie schicken (s. d.).
Driesch, drücken ( + ), Strauß', strotzen ( + ), Überdruß.
— Herbermann (1974), 124—158. verfumfeien swV, auch verbumfeien swV., ver¬
bumfiedeln swV, verbubanzen swV., u. ä. 'leicht¬
verdutzt Adj. (PPrät.). Bezeugt seit dem 18.
fertig vertun u. ä.’, ndd. Ausgangspunkt ist of¬
Jh. Ursprünglich niederdeutsch, zu mndd. vor- fenbar verfumfeien 'beim Tanzen vertun’ (be¬
dutten 'verwirren’. Im Oberdeutschen vermischt zeugt seit dem 16. Jh.) zu fiedelfumfei 'Schall¬
sich das Wort mit vertutzen 'vor den Kopf sto¬ wort für den Klang der Bierfiedel’, danach auch
ßen’, zu einem älteren tuz 'Stoß’. Vermutlich ist 'Tanz’.
beides lautmalend. O. Weise ZDW 3 (1902), 241 -243; R. Sprenger ZDW
Lühr (1988), 371f. 6(1904/05), 227.
vergällen 759 verheißen

vergällen swV. Mhd. vergelten 'mit Galle ver¬ vergrätzen ,vw V. 'vergrämen’, ugs. Zu regiona¬
setzen, bitter machen’. Zu Galle1 (s. d.). lem grätzen, gretzen 'reizen’, besonders ndd.
vergattern swV. 'bei Antritt der Wache zur gretten. Dieses ist Faktitivum zu dem unter
Einhaltung der Vorschriften verpflichten’, dann gräßlich behandelten Wort, das auch 'zornig’
übertragen 'verdonnern’, fachsprachl. Spmhd. bedeuten kann.
vergatern, mndd. vorgadf d)eren, mndl. vergade- verhalten stV. Mhd. verhalten, ahd. firhaltam,
ren 'versammeln’. Mit ne. gather zu der Sippe vgl. ae. forhealdan. Zu der älteren Bedeutung
von Gatte (s. d.). 'zurückhalten’ gehört das Partizip verhalten 'zu¬
rückhaltend’. Erst nachmittelhochdeutsch ist
vergebens Adv. Mhd. vergeben(e)s, wie mndd.
die Bedeutung 'sich betragen’ bei reflexivem
vorgeves, mndl. vergeves zum Partizip von ver¬
Gebrauch, ausgehend vom substantivierten In¬
geben im Sinn von 'wegschenken’. Vergebens
finitiv Verhalten n. (semantisch offenbar: 'sich
ist also zunächst 'geschenkt’, dann allgemein
zurückhalten, um auf andere eingehen zu kön¬
'umsonst’.
nen’, dann stark verallgemeinert). Dann auch
vergelten stV. Mhd. vergelten, ahd. fargeltan, Verhältnis im Sinne von 'Beziehung’ (zur Wie¬
as. fargeldam, entsprechend ae. forgeldan, gt. dergabe von 1. pröportio).
fragildan. Zu gelten (s. d.); das Präfix hat dabei
Verhängnis n. Mhd. verhencnisse, verhancnisse
etwa die Bedeutung von 'zurück-’.
f./n. 'Einwilligung’ zu ahd. firhengen 'zulassen,
vergessen stV. Mhd. vergezzen, ahd. firgezzan, gestatten’ (zu hängen in der Bedeutung in der
as. fargetan aus g. *-get-a- stV. 'erlangen’, das Schwebe lassen’, die althochdeutsch und go¬
auch mit anderen Präfixen, aber nicht von alters tisch bezeugt ist). In der Reformationszeit be¬
her unpräfigiert bezeugt ist. Die Präfigierung kommt das Wort die Bedeutung 'Fügung Got¬
mit ver- mit der Bedeutung 'vergessen’ ist west¬ tes’; die religiöse Komponente geht in der Auf¬
germanisch (ae. forgitan, afr. forjeta, urjeta), in klärung verloren, so daß das Wort heute allge¬
der älteren Bedeutung gt. bigitan, anord. geta, mein '(ungünstiges) Schicksal’ bedeutet.
ae. bigitan. as. begetan, ahd. bigezzan 'erlangen, S. hängen ( + )■ - L. Hemodsson NM 29(1973),
finden, erfassen’. Vergessen ist seiner Bedeutung 104-107.
nach also eigentlich 'verlieren’. Vermutlich zu verharschen swV. Bezeugt seit dem 15. Jh. Zu
der Verbalwurzel, die nasaliert in beginnen Harsch 'Kruste’ (s. d.).
(s. d.) vorliegt.
verhaspeln swV. refl., ugs. Bezeugt seit dem
Nndl. vergeten, ne. forget. S. ergötzen, gissen.
16. Jh. Haspeln ist 'Garn auf die Haspel (Garn¬
vergeuden swV. Mhd. vergiuden (unsicher), zu winde) wickeln’ (s. Haspel). Das Versprechen
mhd. giuden 'groß tun’, weiter zu mhd. giude wird also im Bild des aus der Haspel laufenden
'Freude, Jubel’. Einzelheiten und Herkunft un¬ Garns gesehen.
klar. Verhau m./n. Bezeugt seit dem 18. Jh. Eigent¬
Vergißmeinnicht n. Bezeugt seit dem 15. Jh., lich eine Sperre durch umgehauene ('ver¬
älter ist der Name Mausohr (ahd. müsöra, wohl hauene’) Bäume; dann auf Drahtverhau u. ä.
übersetzt aus gr. myosöüs /.). Als Vergißmein¬ ausgedehnt.
nicht werden verschiedene Pflanzen benannt, die verheddern swV. rej7. Bezeugt seit dem 18. Jh.
auch als Katzen-, Hennen-, Gans- und Frosch¬ zunächst niederdeutsch. Zu Hede 'Werg’ (s. d.)
äuglein bezeichnet werden. Offenbar hat die oder einer daraus übertragenen Bedeutung
Form der Blüten an Augen erinnert; dann wei¬ (etwa 'Haar’). Also 'verwirrt werden wie Werg
ter an die Augen des/der Geliebten (vgl. ahd. (in der Hechel)’.
friudilesouga 'Sumpfvergißmeinnicht’). Daraus
verheeren swV. Mhd. verhern, ahd. firheriön
wohl der Brauch, Vergißmeinnicht zur Erinne¬
'mit einem Heer überziehen’, wie einfaches
rung zu schenken. Aber Sicherheit ist bei sol¬
mhd. hem, ahd. heriön, as. herion, afr. urheria,
chen Zusammenhängen naturgemäß nicht zu
ae. herigan, anord. herja. Zu Heer (s. d.).
gewinnen.
Ne. harry, nschw. härja, nisl. herja. S. Heer(+).
Loewe (1939), 15 — 30.
verheilen swV. kastrieren , obd. Bezeugt seit
Vergnügen n. Substantivierter Infinitiv des
dem 16. Jh. S. heilen2.
Verbs mhd. vergenüegen 'zufriedenstellen’, ab¬
verheißen stV, arch. Bezeugt seit dem 15. Jh.
geleitet von genug (s. d.). Im 15. Jh. zunächst
Vorher kann einfaches heißen diese Bedeutung
für 'Befriedigung’; aus der Weiterbildung Ver¬
haben. Die Bedeutungsentwicklung zu 'verspre¬
gnügungen und dem Partizip vergnügt 'zufrie¬
chen’ ist verständlich, wenn man etwa von 'be¬
den’, auch 'fröhlich, heiter’, dann die heutige
fehlen’ ausgeht (das ebenfalls ein Reden über
Bedeutung.
ein gewünschtes zukünftiges Ereignis ist).
H. O. Burger in: Studi in onore di Lorenzo Bianchi
S. heißen ( + ) — D. Hofmann NW 20 (1980), 85 —110.
(Bologna 1960), 11—28.
verhunzen 760 vermachen

verhunzen swV, s. hunzen. Verlaub m., arch. Seit dem 16. Jh. in der
veritabel Adj. 'echt, wirklich’, sonder spracht. Formel mit Verlaub, vgl. mndd. verlöfjt), mndl.
Im 17. Jh. entlehnt aus gleichbedeutend frz. verlof 'Erlaubnis, Urlaub’. Zu verlauben, einer
veritable, einer Ableitung von frz. verite 'Wahr¬ seltenen (hauptsächlich nördlichen) Variante
heit’, dieses aus 1. veritäs (dass.), zu 1. verus von erlauben (s. d.).
'wahr, wirklich’. verlautbaren swV, arch. Mhd. verlütbceren.
Etymologisch verwandt: Verdikt; zum Etymon s. wahr. Zu mhd. liutcere, lütbcere 'öffentlich, laut’, also
eigentlich 'veröffentlichen’ (zu laut, s. d.).
Verkappen swV. Bezeugt seit dem 16. Jh. Zu
Kappe (s. d.) in der alten Bedeutung 'Kapuze’, verlegen Adj. (PPrät.). Partizip zu mhd. verli-
also etwa 'vermummt, eingehüllt’. Heute nur gen 'durch Untätigkeit faul werden’. Aus den
noch übertragen verwendet. Situationen, in denen das Wort gebraucht
wurde, entwickelte es die heutige Bedeutung,
Verkehr m. Bezeugt seit dem 18. Jh., zunächst
in der Bedeutung 'Warenaustausch, Handels¬ die seit dem 18. Jh. bezeugt ist.
verkehr’, dann auf andere Gebiete übertragen. S. liegen ( + ). — Schirmer (1911), 202f.

Zu verkehren im Sinn von 'miteinander umge¬ Verleger m. Bezeugt seit dem 15. Jh., zunächst
hen’, wobei kehren1 (s. d.) wohl die Gegenseitig¬ mit der Bedeutung 'Unternehmer’, seit dem 17.
keit zum Ausdruck bringt. Jh. spezialisiert auf den Hersteller von Büchern.
verknacken swV, auch verknacksen swV. 'be¬ Das Wort gehört zu spmhd. verlegen 'Geld aus¬
strafen’, ugs. Das Wort wird ursprünglich ge¬ legen, etwas auf seine Rechnung nehmen’.
braucht für 'verrenken’ (besonders den Knö¬ verletzen swV. Mhd. verletzen neben letzen,
chel), nach dem Knacks, den man dabei hört. ahd. lezzen, as. lettian aus g. *lat-ija- sw V. 'hem¬
Das Wort tritt dann aber für älteres verknassen men, aufhalten’, auch in gt. latjan, anord. letja,
ein (hauptsächlich in der Studentensprache), ae. lettan, afr. letta; Faktitivum zu g. *lata- Adj.
das zu wjidd. Knas 'Geldstafe’ gehört. Dieses 'lässig’ (s. laß). Die heutige Bedeutung hat sich
zu hebr. qenas 'bestrafen’. erst im Laufe der deutschen Sprachgeschichte
Wolf (1985), 173 (unter Knast). entwickelt.
verknallt Adj. (PPrät.) 'verliebt’, ugs. Wie S. laß ( + ), letzen.

verschossen zunächst von der verschossenen Pa¬ verleumden swV. Mhd. verlium(un)den 'in
trone gesagt, die nicht mehr verwendet werden einen schlechten Leumund bringen’ zu mhd.
kann. Dann übertragen auf jemanden, der ver¬ liumde, das aus mhd. liumunt gekürzt ist.
liebt, und somit nicht mehr frei ist — er/sie ist S. Leumund ( + ).
gewissermaßen 'aus dem Spiel’. Erst nachträg¬
verlieren stV. Mhd. v(er)liesen, ahd.firliosan,
lich sich verknallen 'sich verlieben’.
as. farliosan aus g. *Ieus-a- stV. 'verlieren’ (als
verknusen swV. in jemanden nicht verknusen Simplex nicht alt bezeugt), auch in gt.fraliusan,
können 'nicht leiden können’, ndd. Von Berlin ae. forleosan, afr. forliäsa, urliäsa. Das Verb ist
her in die Umgangssprache gedrungen. Ndd. eine nur germanische ^-Erweiterung von ig.
verknusen 'zermalmen’ bedeutet auch 'ver¬ *leu- 'lösen’ in ai. lunäti 'schneidet’, toch. B.
dauen’ und ist in dieser Bedeutung übertragen. lau 'fort, weg’, gr. lyö 'ich löse, befreie’, 1. lue re
verkohlen swV. 'veralbern’. Zu KohP (s. d.). 'bezahlen, erlassen’, 1. solvere 'auflösen’.
Nndl. verliezen, ne. forlorn. S. absolut ( + ), los (+),
verkorksen swV. 'sich den Magen verderben,
Lust ( + ), Verlies, Verlust.
pfuschen’, ugs. Vermutlich zu Kork (s. d.) im
Bild der schlecht verkorkten Flasche, deren In¬ Verlies n„ arch. Bezeugt seit dem 18. Jh. ur¬
halt deshalb zu gären beginnt. sprünglich niederdeutsch. Vermutlich als 'der
Etwas anders: W. Seibicke MS 72 (1962), 22 — 25. Ort, an dem man verloren geht, unsichtbar
wird’ zu verlieren (s. d.), doch sind die Bedeu¬
verkümmeln swV. 'verkaufen’, ugs. Vermut¬
tungszusammenhänge nicht ausreichend klar.
lich im Anschluß an Kümmel (s. d.) aus rotw.
F. Kluge ZDW 9 (1907), 125-127.
verkimmern 'verkaufen’, ausgehend von der
Studentensprache. Vielleicht aus wjidd. kinjen verloben swV. Mhd. verloben ist wie geloben
'verkaufen’. eigentlich 'versprechen’. Daraus durch Bedeu¬
Wolf (1985), 164f. (unter kinjeneri). tungsspezialisierung die heutige Bedeutung.
S. Lob ( + ).
verlangen swV. Mhd. verlangen neben belan¬
gen, ahd. belangen, kelangen, as. langön aus g. Verlust m. Mhd. v(er)lust/., ahd. as.farlust.
*lang-ä- swV. 'sich sehnen’, auch in anord. Wie gt. fralusts //-Abstraktum zu verlieren
langa, ae. longian. Das Wort wird häufig an lang (s. d.).
angeschlossen, doch gehört es etymologisch mit vermachen jwV. Mhd. vermachen, mndd. vor-
einfachem langen (s. d.) zu gelingen. maken bekommt seit dem 14. Jh. (wie überma-
vermählen 761 verrückt

chen) die Bedeutung 'in den Besitz eines anderen von 'bestraft, mit Strafe belegt’ zu 'strafbar’
übertragen’. Hieraus speziell 'durch letztwillige und dann 'öffentlich geächtet’.
Verfügung übertragen’. S. Pein ( + ).
vermählen swV, arch. Bezeugt seit dem 15. verquasen swV 'vergeuden’, ndd. (Sp)mndd.
Jh. für älteres (gejmahelen, gemehelen, ahd. vorquasen, mhd. verqucezen. Zu mhd. quäzen
(gi)mahalen zu Gemahl (s. d.). 'schlemmen’, dieses zu Quas 'Gasterei, Schlem¬
vermaledeien swV, arch. Mhd. vermal(e)dien. merei’; entlehnt aus sorb. kvas 'Schmaus, Hoch¬
Über romanische Vermittlung entlehnt aus 1. zeit’, eigentlich ein Getränk (vgl. russ. kvas),
maledicere 'verfluchen’ ('böse reden’ zu 1. malus das bei solchen Gelegenheiten in beträchtlichen
'böse’ und 1. dicere 'reden’). Mengen genossen wird.
S. maliziös ( + ) und diktieren ( + ). verquicken swV. Bezeugt seit dem 16. Jh.,
vermessen Adj. (PPrät.) 'überheblich, verwe¬ zunächst in der Fachsprache der Alchimisten
gen’, arch. Schon in ahd. firmezzan ist das Parti¬ für 'mit Quecksilber legieren (amalgamieren)’.
zip von firmezzan, mhd. vermezzen 'sich beim Schon bald übertragen gebraucht.
Messen verschätzen’ im Sinn von 'verwegen, S. keck ( + ).
kühn’ verwendet. verquisten swV. 'vergeuden’, ndd. Mndd. vor-
vermöbeln swV. 'prügeln’, ugs. Bezeugt seit qisten; ahd. quisten, gt. qistjan 'verderben, erlö¬
dem 19. Jh. Vermutlich über die Bedeutung schen’.
'polieren’, vgl. aufmöbeln 'herrichten, polieren’. Nndl. (ver)kwisten. - E. Seebold ZFS 96 (1982/83),
vermöge Präp., arch. Mndd. in Formeln wie 36-38.

in vermöge zu Vermögen (im Sinne von 'Kraft’), verraten stV. Mhd. verraten, ahd. firrätan,
ähnlich wie kraft zu Kraft. mndd. vorraden; wie afr. forreda, urreda, ae.
S. mögen ( + ), Vermögen. forrcedan. Zu raten (s. d.) ursprünglich in der
Vermögen n. Mhd. vermögen, substantivierter Bedeutung 'zu jemandes Verderben raten, einen
Infinitiv zu vermögen, vermugen, ahd. furimugan Entschluß zu jemandes Verderben fassen’. Die
'imstande sein’ (s. mögen). Aus 'Können, Kraft’ Festlegung auf die Preisgabe von Geheimnissen
ist die heutige Bedeutung 'Geldmittel’ speziali¬ ist erst neuhochdeutsch.
siert. verrecken sw V. 'sterben’, vulg. Mhd. verrecken
S. mögen (+), vermöge. zu recken (s. d.) im Sinne von 'alle Viere von
vermummen swV. Ursprünglich nieder¬ sich strecken, sterben’. Später auf Tiere be¬
deutsch, mndd. mummen. Zu Mumme (s. d.). schränkt; dann als Kraftausdruck für das Ster¬
ben von Menschen verwendet.
Vernissage /. 'Eröffnung einer Ausstellung’,
fachsprachl. Entlehnt aus gleichbedeutend frz. verreißen stV., arch. Wird im 19. Jh. üblich
vernissage m., zu frz. vernir 'firnissen’, zu frz. für 'eine vernichtende Rezension schreiben’.
vernis m. 'Firnis’, dessen weitere Herkunft nicht Wörtlich 'Papier zerreißen’, also eigentlich: 'das
sicher geklärt ist. Zunächst so bezeichnet als Papier, auf dem das Werk gedruckt ist, zer¬
'das Betrachten von Gemälden vor dem Firnis¬ reißen’.
sen’; von einem solchen frühen Betrachten dann verrenken swV. 'ein Gelenk aus der Normal¬
übertragen auf das erste offizielle Vorstellen der lage bringen’. Mhd. verrenken. Intensivierende
Bilder. Präfigierung zu renken (s. d.).
Etymologisch verwandt: Firnis. verrotten swV. Im 17. Jh. aus dem Nieder¬
Vernunft/. Mhd. vernu(n)ft f, ahd. firnumft, deutschen übernommen, mndd. vorroten, vorra¬
firnunst, fi-Abstraktum zu vernehmen, mhd. ver¬ ten, eigentlich 'verfaulen’. Zu diesem s. rösten2
nemen, ahd. firneman (s. nehmen). Zur Laut¬ und rotten2.
form s. Kunft. verrucht Adj. (PPrät.), arch. Mhd. verruochet
Vernunftkraut n., s. Gauchheil. 'sorglos, jmd., der aufgehört hat, sich um etwas
verpassen swV., s. passen. zu kümmern’, Partizip zu mhd. verruochen 'auf¬
hören, sich um etwas zu kümmern’; dieses eine
verplempern swV, ugs. Zu ndd. plempern ver¬
Präfigierung zum Ausdruck des Gegensatzes zu
schütten’, das (trotz des nicht passenden An¬
mhd. ruochen 'sich kümmern’ (s. geruhen). Un¬
lauts) zu plampen, plempen hängen, hängend
ter dem Einfluß des zur gleichen Sippe gehöri¬
schwanken’ gehört. Verplempert werden also
gen ruchlos (s. d.) hat sich die Bedeutung stark
zunächst

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