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Kapitel 3:

Stoffe in der Umwelt


Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Umweltbelastungen

Industrie-
Wärme
anlagen

Belastungen
landwirt- stoffliche physikalische
durch
schaftliche Belastungen Belastungen Lärm
Verbrauch von
Nutzung der Umwelt der Umwelt
Lebensraum
Verkehr,
Wohnen, Strahlung
Freizeit

Luft Wasser Boden


Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Transport von Stoffen zwischen den Umweltkompartimenten

Luft

Boden Wasser
Desorption
Adsorption
Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Transport von Stoffen zwischen den Umweltkompartimenten

Luft

Mensch

Boden Wasser
Desorption
Adsorption
Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Anthropogener Eintrag von Stoffen in die Umwelt

Umwelt
Produktion • Lagerung, Umschlag und Transport
• Abfall, Abwasser und Abluft
(unbehandelt)

Verkauf und
• Lagerung, Umschlag und Transport
Verwendung (Konsum)
• bestimmungsgemäßer Gebrauch,
z. B. Pestizide, Düngemittel,
Lösungsmittel
Behandlung von Abfall,
• Reststoffe in Wasser, Boden und
Abwasser und Abluft
Luft nach Behandlung

Abfallverfestigung,
• Sickerwasser
Abfallverbrennung
• Abgas
Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Geographische Verbreitung von Umweltbelastungen
punktuell lokal regional global
(bis 0,1 km) (0,1 bis 100 km) (100 bis 1000 km) (weltweit)

Reichweite
Medium
lokal regional global
Luft Großstadt-Smog Saurer Regen stratosphärischer
(NOx, CO, O3, (SO2, NOx) Ozonabbau (FCKWs, CH4, …),
Kohlenwasserstoffe) Treibhauseffekt
(CO2, FCKWs, CH4, …)
Wasser Grundwasser- Ozeanverschmutzung ---
verunreinigung (Chemie- und
(Pestizide, Nitrate) Kommunalabfälle)
Boden immobile --- ---
Bodenverunreinigungen
(gebundene Rückstände,
Schwermetalle)
Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Gefahrstoffe
Gefahrstoffe oder gefährliche Zubereitungen – aus zwei oder mehreren Gefahrstoffen
bestehende Gemenge, Gemische oder Lösungen – sind Stoffe oder Zubereitungen, die
mindestens eine der folgenden 15 Eigenschaften aufweisen (§3a ChemG):
Gefährlichkeitsmerkmal Beispiele
explosionsgefährdend (NH4)2Cr2O7, Dinbenzoylperoxid, Pikrinsäure
brandfördernd KMnO4, NaClO3, HNO3 (> 60%), CrO3
hochentzündlich Acetaldehyd, Acetylen, Butan, Diethylether, Ethylenoxid, CO
leichtentzündlich Aceton, Acetonitril, Benzol, Ethylacetat, Pentan, Propanol, Toluol
entzündlich 1-Butanol, Styrol, Xylol
sehr giftig Br2, HCN, (CH3)2SO4, NaCN, Phosgen, CCl4, Uranylacetat
giftig Benzol, Cl2, Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Formaldehyd,
CH3OH, Phenol, Hg
gesundheitsschädlich PbO2, Chloroform, I2, Pyridin, Toluol, Trichlorethen, Xylol
ätzend Br2, CH3COOH (> 25%), HF (> 1%), Natronlauge (> 2%), NaOH
(fest), Salzsäure (> 25%), H2SO4 (> 15%)
Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Gefahrstoffe

Gefährlichkeitsmerkmal Beispiele
reizend Adipinsäure, K2Cr2O7, NaCO3, Natronlauge (0,5 .. 2%)
sensibilisierend (NH4)2Cr2O7, CrO3, Ethylmetacrylat. Formaldehyd, K2CrO4,
Ni(CO)4
krebserzeugend (NH4)CrO4, Asbest als Feinststaub, Benzol, Benz[a]pyren, CdCl2,
(karzinogen) CrO3, (CH3)2SO4, Formaldehyd, 2-Naphthylamin, Ni(CO)4, CCl4,
Vinylchlorid
fortpflanzungsgefährdend Benz[a]pyren, (CH3)2Hg, Ni(CO)4, CS2
(teratogen)
erbgutverändernd Benz[a]pyren, 1,2-Dibrom-3-chlorpropan, (CH3)2SO4,
(mutagen) Ethylenoxid, Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPTA)
umweltgefährdend einige Schädlingsbekämpfungsmittel und halogenierte
organische Verbindungen, z. B. polychlorierte Biphenyle (PCB)
und DDT
Stoffe in der Umwelt
Grundbegriffe
Umweltchemikalien (Xenobiotika)
Umweltchemikalien (engl.: man made chemicals) wurden im Umweltprogramm der
Bundesregierung (1971) definiert als:
Stoffe, die durch menschliches Zutun in die Umwelt gebracht werden und in Mengen
oder Konzentrationen auftreten können, die geeignet sind, Lebewesen, insbesondere
den Menschen, zu gefährden.
Im Zusammenhang mit Umweltchemikalien wird auch häufig von „Umweltgiften“
gesprochen. Dieser Begriff ist allerdings irreführend, da unter Umweltgiften auch
natürlich vorkommende Gifte (z. B. Schlangengifte) verstanden werden.
Ob ein Gefahrstoff bei Eintrag in die Umwelt eine Schadwirkung hat und
somit als Umweltchemikalie zu bezeichnen ist, hängt ab von
• der Menge des produzierten oder emittierten Stoffes,
• der Anwendung des Stoffes,
• seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften,
• seiner Tendenz zur Dispersion in der Umwelt,
• seiner Persistenz bzw. Abbaubarkeit sowie
• seiner Anreicherung in Organismen und Sedimenten.
Stoffe in der Umwelt
Produktionsmengen
Produktionsmengen
Von der chemischen Industrie produzierte Chemikalien sind in der Welt weit
verbreitet. Immer mehr Chemikalien werden in immer größeren Mengen hergestellt
und verwendet.
Während vor 50 Jahren die Weltproduktion der chemischen Industrie bei etwa
1·106 t/a lag, beträgt sie heute ca. 400·106 t/a.
Die Zahl der in der Europäischen Union auf dem Markt befindlichen Chemikalien
liegt bei über 100.000:

Anwendungsgebiet Anzahl
Industrie- und Haushaltschemikalien 100.000
Lebensmittel-Zusatzstoffe 5.500
pharmazeutische Wirkstoffe 4.000
Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln 500
Stoffe in der Umwelt
Produktionsmengen
Produktionsmengen Deutschland
Substanz Produktion Substanz Produktion
in 1000 t in 1000 t
Grundchemikalien Kunststoffe
Ethylen (C2H2) 5200 Polypropylen (PP) 2000
Chlor (Cl2) 4800 Polyvinylchlorid (PVC) 1700
Natronlauge (NaOH) 4100 Fungizide
Schwefelsäure (H2SO4) 4000 anorg., z. B. Cu(OH)2· CaSO4 14
Ammoniak (NH3) 2700 Diazole, Triazole 7,4
Propen (C3H6) 3400 Dithiocarbamate 7,3
1,2-Dichlorethan (C2H4Cl2) 3000 Morpholine 1,5
Salzsäure (HCl) 2100 Pharmazeutische Wirkstoffe
Benzol (C6H6) 2100 Diclofenac 0,082
Methanol (CH3OH) 2100 Metoprolol 0,068
Vinylchlorid (C2H3Cl) 2000 Erythromycin 0,024
Stoffe in der Umwelt
Produktionsmengen
Produktionsmengen - Modellrechnung
Annahme: Von einer Chemikalie werde weltweit jährlich eine Menge von 10.000 t
produziert und dieser Stoff dringe vollständig in einen der Umweltbereiche
Luft, Wasser oder Boden ein und verteile sich dort gleichmäßig.
Umweltbereich Masse, Fläche oder Gehalt, Belegung
Volumen
Troposphäre 5620 · 106 km3 0,18 g/m3
Ozeane
– insgesamt 1370 · 106 km3 0,73 g/m3
– obere Schicht (1 m Tiefe) 361 · 103 km3 2,8 g/m3
Boden/Land
– insgesamt 149 · 106 km2 7 mg/m2
– obere Schicht (5 cm Dicke) 16 · 1012 t 0,06 mg/kg
Wenn von einer Verbindung nur geringe Mengen produziert werden, kann es zwar zu
einer punktuellen oder auch lokalen Anreicherung in der Nähe von Produktions-
und/oder Anwendungsorten kommen; aber global wird ein solcher Stoff „mangels
Masse“ eher unbedeutend und vielleicht nicht einmal nachweisbar bleiben.
Stoffe in der Umwelt
Anwendung
Anwendungsmuster
Das Anwendungsmuster (auch: Applikationsmuster) ist die Art, wie ein Stoff
angewendet und verwendet wird; es gibt Auskunft darüber, wo ein Stoff in der
Umwelt anfänglich vorkommt. Die Art der Anwendung bestimmt neben anderen
Einflussgrößen, wie sich ein Stoff weiter in der Umwelt verhält.
Bei offener Anwendung hat der Stoff Gelegenheit, sich unkontrolliert räumlich
auszubreiten. Beispiele für offene Anwendungen sind das Anstreichen oder Spritzen
von Farbe und das Streuen von Pestiziden sowie ihr Versprühen vom Flugzeug aus.
Bei geschlossener Anwendung ist eine vollständige Wiederverwendung des Stoffes
oder seine gezielte Vernichtung möglich. Typisches Beispiel ist die Verwendung von
Chemikalien in einem geschlossenen Prozess. Oftmals werden toxische Verbindungen,
z. B. Phosgen, als reaktive Zwischenprodukte eingesetzt, nicht in die Umwelt gelangen.
Beispiel: Herstellung von Polycarbonaten:

Bisphenol A
Stoffe in der Umwelt
Anwendung
Unfälle
Im Fall von Unfällen können allerdings auch toxische, reaktive Zwischenprodukte in die
Umwelt gelangen!
Bisher größte Chemie-Katastrophe in der Geschichte der Menschheit:
• Bhopal, Indien, 3. Dezember 1984, Union Carbide India Ltd.
• Produktion von Carbamat-Pflanzenschutzmitteln
• Eindringen von Wasser in einen Lagertank:
CH3-NCO + H2O CO2 + CH3-NH2
Methylisocyanat (MIC) Methylamin

• durch die Bildung der gasförmigen Reaktionsprodukte kam es zu einer starken


Druckerhöhung und schließlich zum Bersten des Tanks
• innerhalb von 2 Stunden Freisetzung von 24 t flüssigen und gasförmigen MICs
• 2000, möglicherweise auch 5000 Menschen starben schon kurze Zeit nach dem
Unfall, und in einem Umkreis von 10 bis 20 km gab es ca. 200.000 Personen, die an
Haut- und Schleimhautverletzungen erkrankten (Augenschäden, Lungenödeme)
Stoffe in der Umwelt
Physikalische und chemische Eigenschaften
Physikalische und chemische Eigenschaften: Bedeutung für die Umwelt
Es gibt zahlreiche physikalische und chemische Eigenschaften, die etwas darüber
aussagen, ob ein Stoff die Umwelt negativ beeinflussen kann oder nicht. Wichtig für
die Schadwirkung, die ein Stoff haben kann, ist seine Verteilung – im besonderen
zwischen den Umweltmedien Luft, Wasser und Boden sowie den Lebewesen. Die
Verteilung eines Stoffes zwischen diesen Umweltmedien wird bestimmt durch:
• stoffabhängige Größen, wie Wasserlöslichkeit oder Dampfdruck und durch
• medienabhängige Größen, wie Temperatur von Luft oder Wasser oder die
Zusammensetzung des Bodens.

Aufgrund der Kenntnis der Verteilung eines Stoffes in den verschiedenen


Umweltkompartimenten lassen sich Aussagen über seine Mobilität
folgern.
Dies gilt nicht nur für die Verteilung eines Stoffes zwischen z. B. Boden
und Wasser, welche sich am Ufer und am Boden eines Sees einstellt,
sondern auch für z. B. die Verteilung eines Stoffes zwischen dem Wasser
eines Sees und dem Fettgewebe eines Fisches, der darin lebt.
Stoffe in der Umwelt
Physikalische und chemische Eigenschaften
Dampfdruck
Stoffe in der Umwelt
Physikalische und chemische Eigenschaften
Wasserlöslichkeit
Stoffe in der Umwelt
Physikalische und chemische Eigenschaften
Wasserlöslichkeit
Stoffe in der Umwelt
Physikalische und chemische Eigenschaften
Fettlöslichkeit
Wasser ist aufgrund seiner molekularen Struktur ein polares
Lösungsmittel. In Wasser lösen sich vorzugsweise polare
Substanzen, wie Salze, Säuren und Basen, aber auch polare
organische Substanzen, wie z. B. Ethanol. Solche Stoffe werden
auch als „hydrophil“ (das Wasser liebend) bezeichnet.
Unpolare oder wenig polare Stoffe lösen sich nicht oder nur wenig in Wasser. Solche
Stoffe werden als „hydrophob“ (das Wasser fürchtend) bezeichnet. Zum Lösen
solcher Substanzen benötigt man unpolare oder wenig polare organische
Lösungsmittel, wie z. B. Benzin. Da auch flüssige Fette unpolare Lösungsmittel sind,
werden hydrophobe Substanzen auch als „lipophil“ (das Fett liebend) bezeichnet.

Gleiches löst sich in Gleichem!

„Similia similibus solvuntur“


Der Ausspruch wird bereits den Alchemisten im Mittelalter zugeschrieben
Stoffe in der Umwelt
Physikalische und chemische Eigenschaften
1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient
Der 1- Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient ist ein Maß für das Verhältnis der
Gleichgewichtskonzentrationen einer gelösten Substanz X in gleichen Volumina von
zwei miteinander in Kontakt stehenden unmischbaren Phasen des unpolaren
Lösungsmittels 1-Octanol und des polaren Lösungsmittels Wasser.

c1Octanol X 
p OW 
c Wasser X  1-Octanol

Der 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient ist damit


ein Maß für die Wasser- und Fettlöslichkeit eines Stoffes.
Je höher der Wert von pOW ist, desto besser ist der Stoff
in Fett und schlechter in Wasser löslich
Stoff lg pOW Stoff lg pOW
Ethanol -0,32 Benzol 2,1
Essigsäure -0,31 Chlorbenzol 2,8
Aceton -0,24 Hexachlorbenzol 6,2
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Eintrag und Dispersion von Stoffen in der Umwelt
Unter Dispersion versteht man die Tendenz von Stoffen, sich von dem Ort, an dem sie
zuerst in die Umwelt gelangen, in andere Bereiche der Umwelt auszubreiten. Es
handelt sich hierbei also um die Fähigkeit einer Substanz, andere Orte zu erreichen,
wo sie möglicherweise erst ihre Wirkungen entfaltet oder umgewandelt wird.
Die meisten Stoffe werden beim Eintrag in die Umwelt verdünnt, z. B. in die Luft über
dem Schornstein einer Produktionsanlage oder in das nächste Gewässer über das
Abwasser. Oftmals werden Stoffe auch diffus in die Umwelt eingetragen, d. h. sie
werden aus vielen Quellen emittiert, die sich im einzelnen nicht exakt ermitteln lassen
(z. B. Terpene aus Bäumen oder Platin aus Kraftfahrzeugen).
Wie weit Stoffe nach ihrem Eintrag transportiert werden, hängt von ihren
physikalischen Eigenschaften, aber auch von ihrer chemischen Stabilität ab, da
Transport Zeit voraussetzt. Stoffe mit kurzer Lebensdauer können sich also nur
begrenzt ausbreiten und umgekehrt setzt eine weite Verbreitung eines Stoffes eine
gewisse Stabilität voraus.
Auch maßgeblich für die Reichweite des Transports von Stoffen ist die Geschwindigkeit
des Transportmediums (z. B. die Fließgeschwindigkeit von Flüssen oder Wind).
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Persistenz
Persistenz ist die Eigenschaft von Stoffen, über lange Zeiträume hinweg in der Umwelt
bleiben zu können, ohne durch physikalische, chemische oder biologische Prozesse
verändert zu werden. Persistenz ist also die Beständigkeit von Stoffen in der Umwelt,
ihr Widerstand gegen einen Abbau oder Umbau in der Natur.
Man unterscheidet zwischen beabsichtigter und unerwünschter Persistent.
Eine beabsichtigte Persistenz eines Stoffes ist Voraussetzung für seine Nutzbarkeit
und liegt mindestens solange vor, wie die gewünschte Wirkungsdauer dieses Stoffes
ist. Idealerweise endet die beabsichtigte Persistenz mit Ende der Verwendung und der
Stoff wird danach vollständig abgebaut.
Beispiele:
Tenside sollen während der Lagerung stabil sein, sobald sie aber nach Verwendung ins
Abwasser gelangen, sollen sie abbaubar sein, um die Gewässer nicht zu gefährden.
Farben und Lacke hingegen sollen als Schutzschichten auf z. B. Häusern und Autos
lange persistent sein und Witterungseinflüssen und Sonneneinstrahlung widerstehen
können.
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Persistenz
Von unerwünschter Persistenz spricht man, wenn die Stabilität eines Stoffes den
Zeitraum übersteigt, in dem man von dem Stoff eine bestimmte Eigenschaft oder
Wirkung erwartet.
Typische unerwünscht persistente Stoffe sind zahlreiche chlororganische
Verbindungen, wie bspw. das Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan):

DDT DDE
DDT wird in der Natur zwar durch Mikroorganismen zu DDE (Dichlordiphenyl-
dichlorethen) umgesetzt, welches keine insektizide Wirkung mehr hat, aber als stark
wassergefährdend eingestuft wird und im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Auf
der Stufe des DDE bleibt der Abbau stehen. Man spricht in einem solchem Fall auch
von sekundärer Persistenz.
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Abbaubarkeit
Stoffe können in der Natur auf chemischem oder biologischem Wege abgebaut, also in
andere Stoffe umgewandelt, werden. Hierbei kann der Abbau aufgrund verschiedener
Ursachen geschehen:
• biotischer (biologischer) Abbau:
Veränderung einer Substanz durch natürlich vorkommende Enzyme bedingt durch
den Stoffwechsel von Lebewesen, z. B. von Bakterien
• abiotischer Abbau:
Veränderung einer Substanz ohne den Einfluss von Lebewesen, z. B. durch
• Hydrolyse – Reaktion mit Wasser
• Oxidation mit verschiedener Oxidationsmittel, z. B. molekularem
Sauerstoff, atomarem Sauerstoff, Ozon, OH-Radikalen
• photochemische Reaktionen
Werden organische Verbindungen zu vollständig anorganischen Produkten (CO2, H2O,
NH4+, NO3-, H2S, PO43-) umgesetzt, so spricht man auch von Mineralisierung.
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Anreicherung
Unter Anreicherung (auch Akkumulation) versteht man die Erscheinung, wenn
Substanzen in einem bestimmtem Kompartiment des Ökosystems in höheren
Konzentrationen auftreten als in einem anderen Umweltkompartiment. Der
gegenteilige Effekt wird auch als Abreicherung bezeichnet.
Man unterscheidet – ja nach betrachtetem Kompartiment – zwischen
Geoakkumulation und Bioakkumulation.
Verbindung Luft Wasser Boden bevorzugtes
Massenanteile in % Kompartiment

Tetrachlorkohlenstoff 99,80 0,19 0,02 Luft


Pentachlorbenzol 48,10 2,10 49,81 Luft, Boden
Nitrobenzol 30,49 68,04 1,47 Luft, Wasser
Atrazin (Herbizid) 0,01 93,15 6,84 Wasser
Lindan (Insektizid) 0,28 50,67 49,05 Wasser, Boden
Di(2-ethylhexyl)-phthalat (Weichmacher) 1,62 4,74 93,65 Boden
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Biologische Anreicherung
Werden Stoffe in einem Organismus – ggf. nur in bestimmten Organen von Lebewesen
– angereichert, so spricht man von biologischer Anreicherung oder Bioakkumulation.
Die biologische Anreicherung von Stoffen ist abhängig von der Art des Organismus.
Beispielsweise reichern verschiedene Wasserpflanzen in derselben Umgebung
verschiedene Elemente in unterschiedlichem Maße an:
Veraschungsrückstände verschiedener Pflanzen aus derselben Umgebung
Pflanze K2O Na2O CaO SiO2
Massenanteile in %
Seerose (Nymphaea alba) 14,4 29,7 18,9 0,5
Schilf (Phragmites communis) 1,1 0,5 0,3 71,5

Es wird zwischen direkter und indirekter Anreicherung unterschieden. Bei der


direkten Anreicherung gelangen Stoffe direkt aus der Umgebung in einen Organismus,
bei der indirekten Anreicherung über die Nahrungskette, z. B.:
Algen Flohkrebse Kleinfische Raubfische
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Biologische Anreicherung
Um das Ausmaß der Anreicherung in einem bestimmten biologischen System zu
beschreiben, verwendet man den Bioakkumulationsfaktor (engl.: bioconcentration
factor, BCF):

Konzentration eines Stoffes in einem Lebewesen


BCF 
Konzentration des Stoffes im umgebenden Medium (z. B. Wasser oder Nahrung)

Element Meer- Ruderfuß- BCF Element Meer- Ruderfuß- BCF


wasser krebs wasser krebs
Massenanteile in % Massenanteile in %
O 85,97 79,99 0,93 K 0,039 0,29 7,4
H 10,77 10,21 0,95 C 0,003 6,10 2000
Cl 1,94 1,05 0,54 N 0,001 1,52 1500
Na 1,08 0,54 0,5 P < 0,0001 0,13 20000
Mg 0,13 0,03 0,23 Fe < 0,0001 0,007 1500
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Biologische Anreicherung
Organismen können Schadstoffe, die in einem umgebenden Medium wie Wasser nur
in sehr geringen Konzentrationen vorkommen, zum Teil in erheblichem – und in Bezug
auf ihre Verwendung als Nahrung für den Menschen gefährlichem – Ausmaß
anreichern.
Beispiel: Quecksilber
Lebewesen BCF Lebewesen BCF
Meerespflanzen 1000 Süßwasserpflanzen 1000
Meeresfische 10000 Süßwasserfische 63000
wirbellose Meereslebewesen 100000 wirbellose Süßwasserlebewesen 100000

Von besonderer Bedeutung ist die Anreicherung fettlöslicher Substanzen im


Fettgewebe von Organismen. Wegen des geringen Stoffwechsels in dieser Art von
Gewebe werden solche Stoffe kaum abgebaut und somit angereichert. Ein Indikator
für das Ausmaß der Anreicherung fettlöslicher Substanzen im Fettgewebe von
Organismen ist der 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient.
Stoffe in der Umwelt
Mobilität von Stoffen
Biologische Anreicherung
Beispiel: Polychlorierte Biphenyle (PCB) in der Nordsee
Gehalt, mg/kg
Meerwasser 2·10-6
Sediment 0,01
wirbellose Tiere 7,8
Phytoplankton 8,4
Zooplankton 10,3
Fische 19
Seevögel 110
Meeressäuger 160

BCFMeeressäuger/Meerwasser  108
BCFSediment/Meerwasser  5000 (Geoakkumulation)
Stoffe in der Umwelt
Schadwirkungen
Schadstoffe
Stoffe können in der Umwelt vielfältig wirken. Bei negativen ökologischen Wirkungen
spricht man auch von Ökotoxizität.
Man unterscheidet direkte und indirekte Schadwirkungen:
• direkt: giftig, ätzend, mutagen, karzinogen, …
• indirekt: entzündlich, brandfördernd, pH-Wert verändernd, …
In den Organismus können Schadstoffe auf verschiedenen Wegen gelangen:
• oral: Schlucken; die Wirkung erfolgt in der Regel über den Magen-Darm-Trakt
• dermal: Aufnahme über die Haut
• inhalativ: Einatmen, die Wirkung erfolgt über die Lunge
Je nach Zeitpunkt der Schadwirkung nach der Aufnahme spricht man von:
• akuter Wirkung: nach kurzer Zeit nach einmaliger Aufnahme
• subchronisch/subakut: nach begrenztem Zeitraum (bis 90 Tage) nach Aufnahme
• chronisch: nach mehr als 6 Monaten, ggf. nach mehrmaliger Aufnahme von
Kleinstmengen
Stoffe in der Umwelt
Schadwirkungen
Schadstoffe
Die Wirkung eines Schadstoffes kann reversibel sein, d. h. der Organismus regeneriert
sich, wenn die Aufnahme des Schadstoffes beendet wird. Bleibt die Veränderung des
Organismus durch einen Schadstoff allerdings auch nach Beendigung der Aufnahme
bestehen, so ist die Wirkung irreversibel.
Die Wirkungen verschiedener Schadstoffe auf einen Organismus können sich addieren
(additive Wirkung) oder sogar potenzieren (Wirkungsakkumulation). Auch heute
noch weiß man über solche Kombinationswirkungen recht wenig.
Tausende von körperfremden Substanzen durchlaufen regelmäßig den menschlichen
Organismus, ohne eine Schadwirkung auszulösen. Zu einem biologischen Effekt
kommt es nur, wenn die Substanzen ihren Wirkort in einer ausreichend großen
Konzentration erreichen.
• lineare Dosis-Wirkung-Beziehung: geringste Konzentrationen reichen aus, um
eine Schadwirkung zu erzielen
• Schwellenwertbeziehung: für eine Schadwirkung muss erst eine Schwellendosis
erreicht sein, da der Körper bspw. in der Lage ist, solche Stoffe mit einer
bestimmten Geschwindigkeit abzubauen (z. B. Ethanol)
Stoffe in der Umwelt
Schadwirkungen
Schadstoffe
Stoffe können in unterschiedlichen Organismen unterschiedliche Wirkungen oder
unterschiedliche Dosis-Wirkung-Beziehungen aufweisen.
Beispiel: Thalidomid (Contergan)

niedrigste wirksame
Tagesdosis, mg/kg
Mensch 1
Affe 10
Maus 31
Hund 100
Thalidomid
Hamster 350

begrenze Aussagekraft von Tierversuchen!


Stoffe in der Umwelt
Schadwirkungen
Geruchsbelästigung
Von Schadstoffen kann auch ein Geruch ausgehen. Hierbei liegt die Geruchsschwelle
nicht selten unterhalb der Wirkungsschwelle, so dass die Tatsache, dass man eine
Substanz bei einer bestimmten, niedrigen Konzentration riechen kann nicht heißen
muss, dass sie auch eine physiologische Wirkung hat (außer dass man sie riechen
kann).

Substanz Geruchs- Substanz Geruchs-


schwelle, mg/m3 schwelle, mg/m3
Butan 6000 Stickstoffdioxid 0,1
Aceton 1500 Chlor 0,1
Ammoniak 30 Ozon 0,04
Benzol 10 Schwefelwasserstoff 0,01
Methanol 5 Buttersäure 0,004
Essigsäure <4 Triethylamin 0,0005
Kapitel 4:

Umweltschutz
Umweltschutz
Vorbemerkungen
Umweltschutz
Unter Umweltschutz versteht man alle Maßnahmen im privaten sowie im industriellen
und gewerblichen Bereich, die zum Schutz der Umwelt ergriffen werden müssen
und/oder ergriffen werden. Dazu gehören:
• vorsorgende Maßnahmen, die die Belastung von Menschen, Tieren, Pflanzen und
Sachgütern durch Abluft, Abwasser und Abfall reduzieren helfen sollen
• Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Bereiche der Umwelt

• Klimaschutz
• Waldschutz
• Gewässerschutz
• Schutz der menschlichen Gesundheit

• Maßnahmen zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs


• Maßnahmen zur Verringerung des Energieverbrauchs
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Produktionsspezifischer und produktspezifischer Umweltschutz
Für den industriellen und gewerblichen Sektor wird unterschieden zwischen:
• produktionsbezogener Umweltschutz:
Bei Produktionsprozessen in der Industrie bleiben Emissionen in Luft oder Wasser
unvermeidbar. Für diese Emissionen muss größtmögliche Naturverträglichkeit
gefordert werden: Stoffe, die als Abfälle oder Emission anfallen, müssen soweit
wie möglich
• in unbedenklicher Form anfallen,
• sich leicht und vollständig vom Produkt abtrennen lassen,
• als Rohstoffe in weiteren Prozessen verwendet oder zumindest
• unter Gewinnung von thermischer Energie umgesetzt werden können.
• produktbezogener Umweltschutz:
Herstellung langlebiger und verwertungs-
freundlicher Produkte
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Produktionsintegrierter und additiver Umweltschutz
Umweltschutzmaßnahmen in der Industrie können unterschieden werden zwischen:
• produktionsintegrierter Umweltschutz (primäre Maßnahmen):
Bereits bei der Herstellung eines Produkts werden alle Maßnahmen getroffen, um
umweltschonend zu produzieren (umweltschonende Technik). Eine
vorausschauende Produktionsplanung soll Umweltbelastungen verringern durch:
• Einsatz von Rohstoffen mit höherem Reinheitsgrad
• Prozessoptimierung
• Recycling / Abfallverwertung
• alternative Prozesse
• additiver Umweltschutz (sekundäre Maßnahmen):
Unter additivem Umweltschutz fasst man alle technische Maßnahmen
zusammen, die einer existierenden Anlage „nachgeschaltet“ werden. Beispiele
hierfür sind Kläranlagen für Abwasser und Abgasreinigungssysteme, wie bspw.
der Katalysator in Kraftfahrzeugen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch
von „end of pipe-Technologien“.
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Produktionsintegrierter und additiver Umweltschutz
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Recyclisierung von Hilfsstoffen
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Alternative Verfahren zur Silikon-Herstellung
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Anstieg der Produktion und Verminderung von Emissionen in den letzten 25 Jahren
(Stand: 1993, alte Bundesländer)
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz
Umweltschutz
Maßnahmen in Gewerbe und Industrie
Umweltschutzausgaben des öffentlichen Sektors und der Industrie (1999)
Land Öffentlicher Sektor Industrie
(Anteil am BIP, %) (Anteil am BIP, %)
Australien 0,5 0,3
Deutschland 0,6 0,4
Frankreich 0,8 0,8
Großbritannien 0,4 0,5
Japan 0,9 0,1
Niederlande 1,5 0,4
Österreich 1,5 0,6
Polen 0,9 1,5
Schweden 0,9 0,5
Schweiz 1,0 0,6
USA 0,7 0,9

Triebkraft für Umweltschutzmaßnahmen? Umweltrecht

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