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Sonderausstellung im Deutschen Museum Bonn 26. April 2012 - 13.

Januar 2013
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Inhalt
Inhalt 7
Grußwor te 9
Inhalt 15
Einleitung Von Michael Ecker t 17
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolf f 39
»Originale Kopien« Her t z' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althof f 59
Der lange Weg zu Her t z Von Jörg Bradenahl 83
Vom Funkensprung zur Radiowelle Von Ralph Burmester und Jörg Bradenahl 99
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UK W-Rundfunk kam Von Andreas Vogel 109
Bildnachweise 125
Anmerkungen 133
Autorenverzeichnis 143
Impressum 147

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Grußworte

Grußworte

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Grußworte
Der Beitrag, den der Grundlagenforscher Heinrich Hertz für unsere globalisierte Informationsgesellschaft
geleistet hat, kann heute kaum überschätzt werden. Das Bewusstsein für den bahnbrechenden Charakter seiner
Arbeiten über die elektromagnetischen Wellen sorgte auch schon bald nach der Gründung des Deutschen
Museums dafür, dass Hertz´ Apparate und ein großer Teil seines Nachlasses in das nationale Schatzhaus zur
Wissenschafts- und Technikgeschichte überführt wurden. Dort findet sich heute der apparative Nachlass von
Heinrich Hertz vollkommen zu Recht in der exklusiven Kategorie der Meisterwerke.
Für die aktuelle Sonderausstellung »Heinrich Hertz – vom Funkensprung zur Radiowelle«
brauchten wir die besten Stücke aber nicht auf die Reise zu schicken. Dem engagierten Team des Deutschen
Museums Bonn ist es in enger Kooperation mit der Universität Bonn gelungen, einen bisher weithin unbe-
kannten Schatz der Wissenschaftsgeschichte zu heben und erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ich
wünsche der Ausstellung viele Besucher und den vielen Besuchern noch mehr Freude am Bonner Vermächtnis
von Heinrich Hertz!

Professor Dr. Wolfgang M. Heckl


Generaldirektor des Deutschen Museums
Oskar von Miller Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation
an der Technischen Universität München

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Das Wesen des Deutschen Museums ist es, die technische Innovationskraft im Verlauf der Geschichte darzu-
stellen und dabei stets auch einen kleinen Schritt weiter in die Vision zu tun. Als Bonner Oberbürgermeister
freue ich mich natürlich immer besonders, wenn Visionen in Bonn Spuren hinterlassen!
Es war nicht Amerika oder Berlin, sondern die Rheinische Friedrich Wilhelms- Universität zu Bonn, für deren
Physik-Lehrstuhl sich Heinrich Hertz nach seiner bahnbrechenden Entdeckung der elektromagnetischen
Wellen entschied, bevor er 1894 mit nur 36 Jahren verstarb. Sein geistiges Erbe ist nicht nur in Bonn allgegen-
wärtig – denken Sie nur an das Radioprogramm oder Ihr Mobiltelefon!
Im Wissenschaftsjahr „ZukunftErde 2012“ ehrt das Deutsche Museum mit ihm einen der „Väter der Zukunft“,
einen mutigen Visionär und innovativen Denker, der unsere Kommunikation und Information von Grund auf
revolutionierte. Ich danke den Ausstellungsmachern und -partnern für diese ebenso informative wie gelungene
Ausstellung, deren Besuch ich nur empfehlen kann!
Jürgen Nimptsch
Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn

Die Angabe 89.1 MHz auf einigen Bussen der SWB ist wohl den meisten Mitbürgern weit geläufiger als die
Bedeutung der Einheit Hz. Sie quantifiziert die Zahl von Schwingungen pro Sekunde und erinnert an den großen
Physiker Heinrich Hertz, der die letzten Jahre seines Lebens in Bonn geforscht und gelehrt hat. Mit dem expe-
rimentellen Nachweis der zuvor nur theoretisch vermuteten Existenz elektromagnetischer Wellen brach er der
Physik neue Bahnen und revolutionierte unseren Alltag.
Es ist mir, als einer von Hertz´ Nachfahren im Physikalischen Institut der Universität Bonn, eine Ehre, daran
mitzuwirken, sein Vermächtnis zu bewahren und seine Apparaturen in der Lehre als Zeugen menschlicher Krea-
tivität erlebbar zu machen. Und es ist mir eine große Freude, eine Hertz-Ausstellung mit den Originalapparaturen
aus unserem Institut realisiert zu sehen. In Zeiten überhäufiger seichter Berieselung ist es eine große Aufgabe,
Zusammenhänge zwischen Forschung und gesellschaftlichen Entwicklungen authentisch, profund und begeis-
ternd zu vermitteln. Zur Erreichung dieses Ziels wünsche ich dem Deutschen Museum Bonn denkbar großen
Erfolg in Besucherzahl und Interesse und gebe daher gerne unsere Unterstützung.
Professor Dr. Friedrich Klein
Geschäftsführender Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bonn

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Grußworte
Das Deutsche Museum Bonn und die Universität Bonn freuen sich außerordentlich, Ihnen im Rahmen unserer
langjährigen Kooperation nach den gemeinsamen Sonderausstellungen zum Astronomen Friedrich Argelander
und dem Chemiker August Kekulé in den vergangenen Jahren nun den ‚Vater’ des Radios, den Physiker Heinrich
Hertz, mit der Sonderausstellung „Heinrich Hertz – Vom Funkensprung zur Radiowelle“ zu präsentieren.
Hertz, erst wenige Jahre vor seinem Tod an die Bonner Universität gekommen, hat während seiner Schaffensphase
der Universität ein sehr beachtenswertes Vermächtnis hinterlassen. Dieses Vermächtnis wird besonders greifbar im
so genannten Heinrich -Hertz-Zimmer, in welchem das Bonner Physikalische Institut die wichtigsten Stücke der
Hertz’schen Originalapparaturen liebevoll pflegt und der wissenschaftlichen Nachwelt erhält.
Mit dieser Ausstellung wird es nun dank des Deutschen Museums in Bonn möglich, einer breiteren Öffentlichkeit
dieses Kleinod zugänglich zu machen.Ich wünsche Ihnen beim Besuch dieser hochspannenden Ausstellung viel
Vergnügen und stets guten Empfang.
Professor Dr. Jürgen Fohrmann
Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Als lokaler Energieversorger sind die Stadtwerke Bonn in besonderem Maße Bonn und seinen Museen verpflichtet.
Wir freuen uns sehr, diese technische Ausstellung unterstützen zu können.
Heinrich Hertz hat nicht nur als Professor an der Universität Bonn Spuren hinterlassen, sondern beeinflusst
noch heute die tägliche Arbeit von SWB Energie und Wasser. Uns eint mit dem berühmten Physiker nicht nur
die Verbundenheit mit Bonn, sondern auch die Frequenz unserer Stromnetze. So weist das Wechselstromnetz in
Deutschland eine Frequenz von 50 Hz aus.
Trotz vieler Berufungen zur Professur in bekannte Städte Deutschlands oder gar ins Ausland ist Heinrich Hertz
Bonn treu geblieben. So auch wir, denn seit mehr als 130 Jahren ist SWB fest in der Region verwurzelt. Ob mit
dem ersten Gaswerk 1879 oder dem derzeitigen Ausbau des Heizkraftwerks Nord in der Karlstraße, seit jeher sind
wir ein vertrauensvoller Partner für Bonn und seine Bürger. Als Nachbarn nehmen wir uns daher gerne gesell-
schaftlich in die Verantwortung und engagieren uns für ein lebens- und liebenswertes Bonn.
Ich wünsche allen großen und kleinen Besuchern viel Spaß mit Heinrich Hertz im Deutschen Museum Bonn.
Peter Weckenbrock
Geschäftsführer von SWB Energie und Wasser

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Einleitung
»Es ist recht traurig, daß man so schnell älter wird, zugänglich machen möchte. 2009 stellten wir den Apparaten, die Hertz zum Teil selbst hergestellt hat
und so wenig in der kurzen Zeit fertig bringt.« Astronomen Friedrich Wilhelm Argelander (2009) und die bis heute in der Lehre eindrucksvoll zum
Heinrich Hertz und sein astrometrisches Großprojekt, die »Bonner Einsatz kommen. Diese nur wenig bekannten Schätze
Durchmusterung« vor. Er schuf damit 1859 erstmals nun im Rahmen einer Sonderausstellung öffentlich
»The brightest flame burns quickest« einen verlässlichen Positionskatalog des nördlichen zu präsentieren, ist eine Her(t)zensangelegenheit
James Hetfield Sternenhimmels mit nicht weniger als 324.198 aller Partner: der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-
Objekten. Ein Werk, das noch über hundert Jahre Universität Bonn, deren Physikalischem Institut,
Nur wenige Forschungsleistungen der letzten später dem NASA-Mondprojekt gute Dienste leistete. der Stadtwerke Bonn und des Deutschen Museums
150 Jahre haben unsere Welt so verändert, 2011 folgte mit August Kekulé ein überaus origineller Bonn.
wie die bahnbrechenden Untersuchungen der Chemiker, der 1865 mit der Entschlüsselung der
elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz. Ringstruktur des Benzolmoleküls zielgerichtete Ausstellungen werden von Institutionen ermöglicht
Von der drahtlosen Telegraphie, über Funktechnik, Synthesen und damit den kometenhaften Aufstieg aber von Individuen realisiert. Die unermüdliche
Radio und Fernsehen bis hin zum mittlerweile der chemischen Industrie ermöglichte. Begeisterung von Professor Dr. Karl-Heinz Althoff
allgegenwärtigen Mobiltelefon: ohne die von Hertz für Hertz´ Versuche und seine jahrzehntelange
beschriebenen »Strahlen elektrischer Kraft« ist unsere Wie seine beiden »Vorgänger« in der Reihe, legte auch Erfahrung im Umgang mit dessen Apparaten gab
heutige globale Kommunikationskultur undenkbar. Heinrich Hertz mit seinen Arbeiten Grundlagen die Initialzündung für dieses Ausstellungsprojekt.
Heinrich Hertz, der schon mit 36 Jahren in und eröffnete gänzliche neue Innovationspfade. Das Ohne ihn wäre diese Ausstellung nicht entstanden.
Bonn verstarb, hat den Prozess dieser technischen Deutsche Museum Bonn reizt an diesem Thema Ganz selbstverständlich fungierte er dann auch
Revolution, die bis heute andauert, nicht mehr neben der wissenschaftshistorischen Relevanz auch als wissenschaftlicher Berater und begleitete
miterleben können. Sein Beispiel zeigt jedoch der ganz besonders charmante Bezug zu Bonn. Ausstellung und Publikation mit kritischem Geist
in seltener Klarheit den »Nutzen« der rein Denn obwohl Heinrich Hertz nur etwa viereinhalb und notwendiger Geduld.
erkenntnisorientierten Grundlagenforschung. Jahre in unserer Stadt wirken konnte, hinterließ er Bei der Leitung des Physikalischen Instituts rannten
Heinrich Hertz passt somit hervorragend in die ein bedeutendes Vermächtnis, das noch heute im wir mit der Ausstellungsidee bereits offene Türen
Reihe von Sonderausstellungen, in denen das Physikalischen Institut der Universität gepflegt und ein. Der geschäftsführende Direktor, Professor Dr.
Deutsche Museum Bonn in enger Kooperation mit gelebt wird. Friedrich Klein, sorgte für eine reibungslose und
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Gemeint ist damit nicht nur der nach wie vor starke vertrauensvolle Zusammenarbeit. Unentbehrliche
herausragende Bonner Naturwissenschaftler Anteil an experimenteller Grundlagenforschung Stützen des Projektes waren von Institutsseite auch
und ihr Werk einer größeren Öffentlichkeit im Institut, sondern auch der große Bestand von Dr. Tobias Jungk und Michael Kortmann, die dem

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Museumsteam inhaltlich und technisch mit Rat und Ausstellung in das Stadtbild und in die digitale Welt
Tat zur Seite standen. hat Dr. Helge David angeregt und umgesetzt: die
Gewohnt engagierte Unterstützung erfuhren wir »HzCachingTour« durch Bonn mittels internetfähiger
auch bei diesem Projekt von vielen Kollegen in Mobiltelefone und die begleitende Internetseite
unserem Münchner Mutterhaus. Ein paar schöne »heinrichhertz.de«. Markus Kahlenberg verdanken
Ergänzungen zum Bonner Apparatebestand erhielten Publikation und Ausstellung ihre attraktive und
wir vom Kurator für Physik, Dr. Johannes-Geert dem Thema entsprechende grafische Gestaltung.
Hagmann. Im Archiv von Dr. Wilhelm Füßl durften Und wenn unsere Heinrich-Hertz-Ausstellung wie
wir nach Herzenslust im schriftlichen Nachlass von erhofft, komplexe naturwissenschaftliche Inhalte
Heinrich Hertz stöbern und aus der Bibliothek von informativ, unterhaltsam, anschaulich und interaktiv
Dr. Helmut Hilz einige seiner Werke ausleihen. vermittelt, dann hat der couragierte Einsatz und der
Bildstelle und das Fotoatelier unter Leitung von Ideenreichtum von Jörg Bradenahl großen Anteil
Hans-Joachim Becker sorgten auch diesmal wieder daran.
für eine reiche und ansprechende Bebilderung von Zum 125-jährigen Jubiläum der Untersuchungen
Publikation und Ausstellung. der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich
Hertz wünschen wir allen Lesern und Ausstellungs-
Die vorliegende Begleitpublikation verdankt ihre besuchern vor allem eins: Möge der Funke über-
Entstehung vor allem der Begeisterungsfähigkeit springen!
ihrer Autoren, die mit ihren Beiträgen die
Ausstellungsinhalte aufgreifen, vertiefen und auf Ralph Burmester
originelle Weise erweitern.

Für die Anschlussfähigkeit der Ausstellungsinhalte


an die schulischen Lehrpläne trug Richard
Herder Sorge. Heinz Stollenwerk mobilisierte eine
stattliche Gruppe begeisterter Amateurfunker, die
die Faszination ihres Hobbys in der Ausstellung
erlebbar machen. Eine spannende Erweiterung der

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Heinrich Hertz
Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

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[1] Heinrich Hertz mit seinen Eltern 1857.

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

Heinrich Hertz wurde am 22. Februar 1857 in Als Heins sieben Jahre alt war, gaben ihn seine Eltern in
Hamburg geboren. Heins, wie ihn die Eltern nannten, eine private Reformschule, die erst wenige Jahre zuvor
wuchs in wohlbehüteten Verhältnissen auf. Sein gegründet worden war. Er war in fast allen Fächern
Vater war Rechtsanwalt und später Justizsenator in ein sehr aufgeweckter Schüler und bewies auch großes
Hamburg. Seine Mutter stammte aus Frankfurt und handwerkliches Geschick. Nur in einem Fach zeigte er
war die Tochter eines Arztes. keinerlei Begabung: Musik. Alle Versuche, ihm Singen
oder Musizieren beizubringen, scheiterten kläglich.
»Heinrich gehört, was das theoretische Verständnis
betrifft, zu unsern besten Schülern, aber in Bezug auf
Gehörbildung stehen wir leider noch auf dem alten
Punkt«, schrieben ihm die Lehrer 1865 ins Zeugnis.

Das Abitur legte Heinrich Hertz nach zwei Jahren


häuslichen Privatunterrichts am Johanneum ab, einem
traditionsreichen Hamburger Gymnasium, wo schon
sein Vater die Schulbank gedrückt hatte. Danach stand
er vor der Wahl eines Studienfachs. »Ich gedenke«, [3] Heinrichs Elternhaus in Hamburg.

schrieb er in einem Lebenslauf über seine Pläne, »nach Die Briefe verraten nicht, warum Hertz Bauingenieur
Frankfurt am Main zu gehen und dort ein Jahr bei werden wollte. Vielleicht war es die rege Bautätigkeit
einem preußischen Baumeister zu arbeiten, wie es für Hamburgs während seiner Schulzeit, die ihn beein-
die spätere Ablegung vom Staatsexamen im Ingenieur- druckte? Nach einem großen Brand im Jahr 1842
fach erforderlich ist«. Das Hamburger Elternhaus blieb wurde die Stadt praktisch neu aufgebaut. Auch in
ihm aber zeitlebens ein Ort, an dem er sich geborgen Frankfurt, wo Hertz im Frühjahr 1875 sein Bauprak-
fühlte und wohin er zurückkehrte, wann immer es ihm tikum antrat, beeindruckten ihn die vielen Neubauten.
möglich war. Dieser engen Verbundenheit verdanken Doch das Praktikum ödete ihn bald an. »Unlust, aufs
wir auch unser Wissen über sein Innenleben, denn er Bureau zu gehen«, notierte er am 25. September 1875.
ließ die Eltern in langen Briefen an seinem Denken und Insgeheim scheint er schon mit einem Studienwechsel
[2] Heinrich Hertz als Schüler Dezember 1865. Fühlen teilhaben, und viele dieser Briefe sind erhalten. geliebäugelt zu haben, denn er brachte sich im Selbst-

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studium höhere Mathematik bei und las das Lehrbuch kennenlernen konnte. Am 1. November 1877 gestand
des englischen Physikers Tyndall »Die Wärme als Art er seinen Eltern, dass er »umsatteln und Naturwis-
der Bewegung«, das 1867 in deutscher Übersetzung senschaften studieren« wolle. Der Brief ist ein bewe-
herausgekommen war. gendes Zeugnis dafür, was den zwanzigjährigen
Noch-Ingenieurstudenten in seinem Inneren bewegte.
Das einjährige Praktikum im Frankfurter Baubüro Er habe sich, schrieb er, an das Schillerwort erinnert:
diente als Vorbereitung für das Studium des Baufachs. »Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch
Hertz entschied sich für Dresden als Studienort. das Leben gewonnen sein«. Es war ihm aber auch
Dresden galt als das »Elbflorenz des Ostens« und bot bewusst, dass er als Physikstudent dem Vater noch
mit seinem Polytechnikum für angehende Bauingeni- einige Zeit auf der Tasche liegen würde. »Und so bitte
eurstudenten ausgezeichnete Studienmöglichkeiten. ich Dich, lieber Papa, nicht sowohl um Deinen Rat,
Hertz fand die Vorlesungen aber bald »ziemlich lang- als um Deine Entscheidung, denn Rat brauche ich
weilig«, wie er nach Hause schrieb, und er scheint nicht mehr, und es ist auch nicht mehr Zeit, lange zu
immer weniger Neigung für das einmal gewählte beraten; aber wenn Du mir sagst, ich solle Naturwis-
Fach verspürt zu haben. senschaften studieren, so werde ich dies als ein großes
Geschenk von Dir annehmen... wenn Du es aber für
Am 1. Oktober 1876 meldete er sich bei einem Eisen- mein Bestes hältst, wenn ich den einmal eingeschla-
bahnregiment in Berlin zum Dienst als »Einjährig genen Weg verfolge (was ich jetzt nicht mehr glaube),
Freiwilliger«. Der Militärdienst ersparte ihm vorläufig so werde ich auch dies tun, und zwar ganz und voll,
die Entscheidung darüber, ob er wirklich Bauin- denn ich bin das Zweifeln und Zaudern jetzt satt,
genieur werden sollte, was ihm zwar einen sicheren und wenn ich so fortfahre wie bisher, so bleibe ich
Beruf verschafft, aber wenig intellektuelle Befriedi- ewig auf dem alten Fleck.«
gung bereitet hätte. Der Vater verstand die Nöte seines Sohnes, und so
Nach dem Militärdienst entschloss er sich, das begann Hertz noch im Wintersemester 1877/78 an
Studium nicht in Dresden, sondern in München der Münchener Universität mit dem Studium der
fortzusetzen. Dort gab es neben dem Polytechnikum Naturwissenschaften. Da er sich schon reichliches
auch noch eine Universität, so dass er neben den Vorwissen angeeignet hatte, hielt er sich nicht lange
Vorlesungen für Ingenieure auch noch andere Fächer [4] Hertz als Einjährig-Freiwilliger 1876/77. mit Anfängervorlesungen auf. Auch in Mathematik

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

sche Praktikum. »Im ganzen habe ich dies Semester


leichtere Arbeit wie im vorigen«, schrieb er den Eltern,
da er sich in der Physik schon besser auskannte als in
den anderen Naturwissenschaften.

Im Herbst 1878 wechselte Hertz erneut den Studi-


enort. Er fühlte sich mehr und mehr zur Physik hinge-
zogen und zog nach Berlin, denn mit dem physikali-
schen Institut der Universität Berlin konnte sich kein
anderes Physikinstitut in der ganzen Welt vergleichen.
Sein Direktor war Hermann Helmholtz, der »Reichs-
kanzler der Physik«, wie man ihn bald nannte. Helm-
holtz hatte bahnbrechende Leistungen in Physiologie,
Akustik, Elektrodynamik und anderen Teilgebieten
der Naturforschung aufzuweisen, er war Experimen-
tator und Theoretiker in einer Person, und er galt als
herausragender Lehrer und Organisator.
Den Lehrstuhl für theoretische Physik an der
Berliner Universität bekleidete Gustav Kirchhoff. An
den meisten anderen Universitäten gab es noch gar
[6] Robert Kirchhoff.
keine eigenen Lehrstühle für die theoretische Physik.
Kirchhoffs Vorlesungen bereiteten diesem Fach den und die üblichen Ableitungsweisen schon kenne, habe
Weg zu einer eigenständigen Disziplin. Er trage den ich vielleicht mehr Genuss davon.«
Stoff so vor, »dass es wirklich ein Genuss ist, ihn zu Hertz begnügte sich aber nicht mit dem Besuch
[5] Hermann von Helmholtz.
hören«, schwärmte Hertz von Kirchoffs Vorlesungen von Vorlesungen. Wie in Frankfurt, Dresden und
besuchte er gleich Vorlesungen, die eigentlich für zur Elektrodynamik, wo er sich aber schon aus dem München brachte er sich vieles im Selbststudium bei.
höhere Semester gedacht waren. Im darauffolgenden Studium von Lehrbüchern vieles selbst beigebracht Was ihn jedoch am meisten interessierte, das expe-
Sommersemester 1878 absolvierte er das physikali- hatte. Aber »gerade dadurch, dass ich die Resultate rimentelle Forschen, konnte er sich auf diesem Weg

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nicht aneignen. Hertz hoffte, dass er das bei Helm- rischen Ladung sehen, noch zwei Jahrzehnte in der
holtz im Praktikum lernen konnte. Er wollte aber Zukunft. Erst vor dem Hintergrund der recht verwi-
nicht irgendwelche Studentenversuche durchführen ckelten Vorstellungen vom Wesen der Elektrizität
- er hatte ja schon in München das Physikpraktikum in den 1870er Jahren erschließt sich die eigentliche
absolviert - sondern sich einer besonderen Herausfor- Problematik der Preisaufgabe. Sie sollte das elektro-
derung stellen, mit der er sich bei Helmholtz profi- dynamische Theoriengewirr lichten helfen, indem sie
lieren konnte. Die Gelegenheit dazu bot ihm eine von den Trägheitswirkungen auf den Grund ging, über
Helmholtz gestellte Preisaufgabe der Berliner Univer- die verschiedene dieser Theorien unterschiedliche
sität. Das Thema berührte ein Problem, das Helm- Vorhersagen machten.
holtz besonders am Herzen lag. Hertz beschrieb den Wenn es ihm gelang, diese Aufgabe zu lösen, würde
Eltern die Aufgabenstellung folgendermaßen: er mit einem Schlag zum Kreis der Auserwählten
vordringen, die unter der Anleitung des Meisters im
»Wenn sich die Elektrizität in den Körpern mit träger Physikinstitut experimentierten, so mag sich Hertz
Masse bewegte, so würde sich das in der Größe der gedacht haben. »Es ist mir sehr angenehm, über-
Extracurrents (der Ströme, welche beim Öffnen und haupt mich an einer derartigen Arbeit versuchen zu
Schließen eines Stromes nebenbei entstehen) unter können«, schrieb er den Eltern. Aber das Experiment
gewissen Umständen zeigen. Es sollen solche Versuche sei »nicht gerade sonderlich dankbar, da das mutmaß-
über die Größe der Extracurrents angestellt werden, liche Resultat ein negatives ist, d. h. gewisse Erschei-
aus welchen ein Schluss auf die bewegte träge Masse nungen werden nicht eintreten, was im ganzen weniger
gezogen werden kann.« Vergnügen als das Eintreten bereitet, indessen liegt
das in der Natur der Sache«. Helmholtz erwartete
Elektrischer Strom ist Transport von elektrischer nämlich, dass die mit den »Extracurrents« verbun-
Ladung, würden wir heute sagen; wenn diese denen Trägheitseffekte nicht existieren, weil er sich
Ladungsträger eine Masse haben, dann sollte bei ihrer die Elektrizität nicht als etwas Materielles vorstellte.
[7] Hertz als Student.
Beschleunigung oder beim Abbremsen die Massen-
trägheit eine Rolle spielen. Aber als diese Preisaufgabe Wie auch immer die Lösung der Preisaufgabe ausfallen ihn die Aufgabe, sich auch gründlich mit den theo-
formuliert wurde, lag die Entdeckung des Elektrons, mochte, Hertz lernte dabei den Alltag im Helmholtz- retischen Vorstellungen über das Wesen der Elek-
in dem wir heute den elementaren Träger der elekt- schen Institut gründlich kennen. Außerdem zwang trizität auseinanderzusetzen. Was er am Ende des

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Fern- und Nahwirkungstheorien
Im Wettstreit lagen vor allem zwei konträre Vorstellun- sondern auch von der Geschwindigkeit und der Be- Was versteht man unter dem »Entstehen und Verge-
gen, die als »Fernwirkungstheorie« beziehungsweise als schleunigung der Ladung. hen dielektrischer Polarisation in isolierenden Medi-
»Nahwirkungstheorie« in die Physikgeschichte eingin- Helmholtz war von den Nahwirkungstheorien stärker be- en«? In Leitern fließt bei Anlegen einer Spannung ein
gen. Die Fernwirkungstheorie postulierte elektrisch ge- eindruckt als von den Fernwirkungstheorien, wollte diese elektrischer Strom. In »isolierenden Medien« sollte es
ladene Teilchen, die Kräfte aufeinander ausübten, ohne aber nicht gänzlich ausschließen. Ging es ihm bei der nach der Maxwellschen Theorie auch eine Art Strom
dass es dazu einer vermittelnden Instanz zwischen den ersten Preisaufgabe darum zu entscheiden, ob es sich geben, wenn eine zeitlich veränderliche Spannung
Teilchen bedurfte. Die Nahwirkungstheorie setzte ein bei den Trägern der Elektrizität überhaupt um »Teilchen« angelegt wird: er kommt durch das Ausrichten (»Pola-
Medium voraus, das die Kräfte zwischen den Teilchen mit einer Masse handelte, so wollte er jetzt den Raum risation«) der entgegengesetzten Ladungen zustande
vermittelte. James Clerk Maxwell hatte in den 1860er zwischen den Elektrizitätsträgern unter die Lupe nehmen. und wird als »Verschiebungsstrom« bezeichnet.
Jahren die Nahwirkungstheorie in vier Grundgleichun- »Die von Faraday aufgestellte und von Hrn. Cl. Maxwell
gen gekleidet, die praktisch alle bekannten elektrischen mathematisch durchgeführte Theorie der Elektrodynamik Hertz gelang die Lösung der Preisaufgabe erst ein
und magnetischen Erscheinungen beschreiben konnten. setzt voraus, dass das Entstehen und Vergehen dielekt- Dutzend Jahre später mit dem Nachweis elektroma-
Für die Fernwirkungstheorie stand die NewtonschenGra- rischer Polarisation in isolierenden Medien, so wie auch gnetischer Wellen, die sich durch ein isolierendes
vitationstheorie Pate: Sonne und Planeten zogen einan- im Welträume, ein Vorgang sei, der die elektrodynami- Medium hindurch ausbreiten können. Diese Wellen
der nach einem ganz einfachen Kraftgesetz an, ohne schen Wirkungen eines elektrischen Stromes habe und beruhen auf dem von Maxwell postulierten Verschie-
dass es eines Mediums bedurfte, das die Wirkung der wie ein solcher durch elektrodynamisch induzierte Kräfte bungsstrom. Oder, um es in der Sprache der Helm-
Schwerkraft zwischen den Himmelskörpern vermittelte. erregt werden kann«, so formulierte Helmholtz den Aus- holtzschen Preisaufgabe auszudrücken: sie künden
In der Himmelsmechanik gingen nur die Massen der gangspunkt der neuen Preisaufgabe. »Die Akademie von dem »Entstehen und Vergehen dielektrischer Pola-
sich anziehenden Körper und ihr Abstand voneinander verlangt, dass entweder für oder gegen die Existenz risation in isolierenden Medien«. Nachdem Hertz vie-
in die Theorie ein. Bei der Elektrodynamik mussten die der elektrodynamischen Wirkungen entstehender oder le Jahre später solche Wellen erzeugt und ihr Verhal-
Fernwirkungstheoretiker aber ziemlich komplizierte An- vergehender dielektrischer Polarisation in der von Hrn. ten untersucht hat, erinnerte er sich der Preisaufgabe
nahmen machen, wenn sie den Phänomenen gerecht Maxwell vorausgesetzten Stärke oder für oder gegen als ersten Ansporn. Sie habe seine »Aufmerksamkeit
werden wollten. Eine dieser elektrodynamischen Fern- die Erregung dielektrischer Polarisation in isolierenden geschärft für Alles, was mit elektrischen Schwingun-
wirkungstheorien nahm zum Beispiel an, dass die von Medien durch magnetisch oder elektrodynamisch indu- gen zusammenhing«, schrieb er im ersten Band seiner
einer Ladung auf eine andere ausgeübte Kraft nicht nur zierte elektromotorische Kräfte entscheidende experi- 1892 veröffentlichten »Untersuchungen über die Aus-
von der Größe der Ladung und dem Abstand abhängt, mentelle Beweise gegeben werden.« breitung der elektrischen Kraft«.

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Wintersemesters 1878/79 als Lösung ablieferte, löste Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Hertz konnte
nicht wirklich die Frage nach der materiellen Natur die neue Preisaufgabe nicht lösen. »Die Aufgabe
der Elektrizität; aber Hertz hatte mit seinem Expe- wurde nicht bearbeitet«, heißt es 1882 in den Akten
riment eine neue Nachweisgrenze gesetzt - und sich der Akademie. Hertz hatte sich anfangs alle Mühe
als geschickter Experimentator präsentiert. Da keine gegeben, dem Problem mit einem geeigneten Experi-
bessere Lösung eingereicht wurde, erkannten ihm ment beizukommen; er musste jedoch feststellen, dass
Helmholtz und Kirchhoff den Preis zu. bei jeder von ihm zugrunde gelegten Anordnung das
gesuchte Phänomen durch andere Effekte, wie zum
Ermutigt durch diesen Erfolg wollte Hertz die Beispiel Reibungselektrizität, überlagert würde. Er
Preisschrift gleich zur Doktorarbeit ausbauen, doch übergab Helmholtz seine Rechnungen und gestand
Helmholtz bremste seinen Ehrgeiz und schlug ihm ihm, dass er eine experimentelle Bearbeitung der
eine andere Arbeit vor. Sie würde ihn »zwei bis drei Preisaufgabe für wenig aussichtsreich hielt.
Jahre vollständig in Anspruch nehmen«, schrieb
Hertz enttäuscht an seine Eltern. Allerdings signa- Bei seiner Auseinandersetzung mit den zeitgenös-
lisierte ihm »die Art, wie er mich aufforderte«, dass sischen Theorien der Elektrizität war ihm jedoch
Helmholtz ihm noch viel zutraute. Auch bei dieser einiges untergekommen, das sich ebenfalls als Thema
neuen Herausforderung handelte es sich um eine von einer Doktorarbeit eignete. Am Ende behandelte er
Helmholtz gestellte Preisarbeit, die diesmal aber nicht die Induktion von Strömen bei einer rotierenden
von der Universität, sondern von der Preußischen Metallkugel in einem Magnetfeld - nicht experimen-
Akademie der Wissenschaften ausgeschrieben wurde. tell, sondern theoretisch. Wenn sich Metall in einem
Auch dabei sollten wieder die rivalisierenden Theo- Magnetfeld bewegt, wird darin ein Stromfluss indu-
rien über die Elektrodynamik auf den Prüfstand des ziert. Für die rotierende Kugel war das aber noch
Experiments gestellt werden. nie im Detail berechnet worden. Nachdem er seine
Talente als Experimentalphysiker schon unter Beweis
gestellt hatte, sah Hertz bei diesem Problem die Gele-
[8] »Nun fehlte ihm die Fähigkeit, Tonhöhen zu unterscheiden, in einem genheit, sich auch als Theoretiker zu profilieren. Die
Maße, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Sein Gesang war
also nur eine Reihe absolut unreiner Töne (...)«, berichtete Heinrich Arbeit ging ihm leicht von der Hand, nur die bevor-
Kayser, sein geplagter Zimmernachbar und Assistentenkollege bei
Helmholtz. stehende Doktorprüfung machte ihm angesichts

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

seines unkonventionellen Studiums etwas Sorge. Er aber nicht zur Elektrodynamik, sondern aus dem
habe »kräftig repetiert«, schrieb er den Eltern vor der Bereich der Elastizitätstheorie. Wenn zwei elastische
Prüfung im Januar 1880. Aber er bestand die Prüfung Körper zusammenstoßen oder zusammengepresst
mit Auszeichnung (»magna cum laude«). »Doktoren werden, bilden sie eine gemeinsame Kontaktfläche
von hiesiger Universität mit meinem Prädikat sind aus. Hertz berechnete, wie diese von den Materialei-
gezählt«, erklärte er den Eltern, »und besonders bei genschaften abhängt. »Übrigens hat die Arbeit schon
Helmholtz und Kirchhoff soll es noch nicht vielen eine Anwendung gefunden«, schrieb er den Eltern im
widerfahren sein.« Mai 1881 über seine Abhandlung. Bei Vermessungen
wurden Stahlmaßstäbe zur Vermeidung von Verkan-
Hertz fühlte sich als Physiker aus Berufung, und um tungen nicht mit ihren Endflächen aneinandergefügt,
dieser Berufung weiter zu folgen, gab es nur einen sondern mit leichtem Druck an eine dazwischen einge-
Karriereweg: er musste Professor an einer Universität fügte Glaskugel gepresst. Mit der Hertzschen Theorie
werden. Der erste Schritt dazu war die Habilitation. konnte man die Verformung der Glaskugel berechnen
Sie bescherte dem Kandidaten den Titel eines Privat- und damit den Messfehler genau abschätzen.
dozenten und die Berechtigung, Vorlesungen abzu-
halten. Alles weitere hing dann von dem Ansehen Danach experimentierte er im Helmholtzschen Labo-
ab, das sich ein Privatdozent als Lehrer und Forscher ratorium eine Weile ohne rechtes Ziel »unordentlich
erwarb, und aufgrund dessen er zum Professor auf hin und her«, wie er den Eltern gestand, aber auch
einen Lehrstuhl an einer Universität berufen werden bei diesem planlosen Forschen kamen publikations-
würde. würdige Ergebnisse zustande, mit denen er sich in der
Fachwelt der Physiker einen Namen machte. Am Ende
Mit diesem Ziel vor Augen war Hertz überglücklich, seiner Berliner Assistentenzeit erhielt er das Angebot,
dass ihm Helmholtz im Sommer 1880 eine Assisten- seine Habilitation in Kiel abzuschließen und mit
tenstelle in seinem Laboratorium anbot. Die Assisten- einem Privatdozentenstipendium die unterste Sprosse
tentätigkeit bestand im wesentlichen in der Betreuung der akademischen Karriereleiter zu erklimmen. Mit
von Studenten bei Praktikumsversuchen und ließ ihm dem Angebot war die Anwartschaft auf eine außer-
Zeit für eigene Forschungen. Als erstes publizierte ordentliche Professur verbunden. Da Hertz in Kiel
Hertz noch einmal eine theoretische Arbeit, diesmal unverzüglich die Lehre in der mathematischen Physik

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übernehmen sollte, sorgte man für eine rasche Durch- zu leiden, so dass einige mal die Präsenzstärke auf mussten. Ist die Materie aus Atomen zusammen-
führung des Habilitationsverfahrens. Seine Abhand- zwei sank«, schrieb er enttäuscht über die geringe gesetzt? Im Manuskript zu dieser Vorlesung verriet
lung über die »Berührung fester elastischer Körper« Zahl seiner Hörer im Sommersemester 1883, seinem Hertz zum ersten Mal, wie sehr ihn die letzten Fragen
wurde als Habilitationsschrift angenommen, und ersten Semester als Hochschullehrer. Für das nächste seiner Wissenschaft bewegten. Das ganze 19. Jahr-
auch das Prüfungsgespräch war eher eine Formsache. Semester nahm er sich vor, die Theorievorlesung mit hundert hindurch blieb die Frage nach der atomaren
Er beschrieb es den Eltern als »ein einigermaßen förm- Experimenten zu begleiten, und richtete sich privat Konstitution der Materie unentschieden. Hertz arbei-
liches Gerede ohne Inhalt«, dann sei er hinaus- und eine kleine Experimentierstätte ein. Dabei wurde ihm tete heraus, wie man die Frage nach Atomen durch
gleich wieder hineingebeten worden, »worauf mir alle schmerzlich bewusst, was er in Berlin zurückgelassen konkrete physikalische Befunde in dem einen oder
anwesenden Professoren sehr freundlich gratulierten. hatte. Doch als er mit seiner Vorlesung begann, stellte anderen Sinn beantworten konnte. Aus der Tatsache,
Am folgenden Morgen konnte ich dann meine Vorle- er erfreut fest, dass sich die Zahl der Hörer gegenüber dass heiße Gase leuchten, folgerte er zum Beispiel, dass
sungen anschlagen«. dem Sommersemester mehr als verdoppelt hatte. Bei in den Atomen »sehr viele gegeneinander bewegliche
Doch ganz glücklich war der frischgebackene Privat- seiner Physikvorlesung für Medizinstudenten war der Massen« vorhanden sein mussten, um die Schwin-
dozent in Kiel nicht. »Die Kollegien hatten in den Hörsaal sogar voll besetzt. Aber mit fortschreitendem gungen zu erzeugen, die man in den Lichtwellen
letzten Wochen zu meiner nicht geringen Betrübnis Semester kam die Ernüchterung. »Ich bin wieder beobachten konnte. Die Atome konnten also keine
in mancher Richtung recht unzufrieden«, schrieb starren Kugeln sein; es musste sich um Gebilde mit
er nach Hause. »Meine eigene Arbeit kommt nicht einer inneren Struktur handeln, vergleichbar »etwa
weiter und kommt nicht weiter, mit dem Kolleg bin mit unserem Planetensystem, in welchem sich ja auch
ich auch unzufrieden«. eine Reihe von Kugeln in harmonischer Bewegung
befindet.«
Im Sommer 1884 hielt Hertz eine Vorlesung über die
»Konstitution der Materie«, von der er hoffte, dass sie Auch dem Äther, der Ursubstanz der Physik des 19.
allgemein verständlich sei und den Studenten etwas Jahrhunderts, widmete Hertz in dieser Vorlesung
von der Faszination vermittelte, die er selbst empfand. einige Betrachtungen. Wie man an den Lichtwellen
»28. Mai. An der Konstitution der Materie gearbeitet, sehen könne, die von der Sonne zur Erde gelangen,
das Kolleg findet keinen rechten Anklang,« notierte er müsse es auch im leeren Raum »etwas geben, das
jedoch enttäuscht in seinem Tagebuch. Dabei behan- Wellen schlägt, und wir können dasselbe Äther
delte er in dieser Vorlesung Themen, die eigentlich nennen.« Für Hertz, wie für die Begründer des
[9] Heinrich Hertz im Kreise seiner Kieler Kollegen. jeden naturwissenschaftlich Interessierten bewegen Elektromagnetismus, Faraday und Maxwell, diente

26
Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

Phänomene gehorchten denselben Grundgesetzen. schen und elektrischen Kräfte sind jetzt miteinander
Das konnte kein Zufall sein. vertauschbar.« Das war ein Indiz dafür, dass in der
Maxwellschen Theorie eine tiefere Wahrheit schlum-
Es war daher nicht verwunderlich, dass Hertz in seiner merte, aber keine zwingende Entscheidung über die
Vorlesung über die Konstitution der Materie auch auf letzten Fragen der Elektrodynamik.
die Maxwellsche Theorie einging. Dabei nahm er fast
schon vorweg, was ihn einige Jahre später zur Entde- Ende 1884 traten wieder Gedanken über die eigene
ckung der elektromagnetischen Wellen führte. In Karriere in den Vordergrund. Hertz stand auf der
seinem Tagebuch häuften sich in diesem Sommerse- Berufungsliste für eine Professur am Polytechnikum
mester 1884 abwechselnd »Konstitution der Materie« in Karlsruhe, die zuvor Ferdinand Braun inne hatte.
und »Elektrodynamik« als Einträge. »Mit Sorgen Braun wurde auf einen Lehrstuhl an der Universität
Elektrodynamik nachgedacht (20. Oktober), Wieder Tübingen berufen. Er sollte später als Erfinder der
zur Elektrodynamik gewendet (24. Oktober), Elek- Braunschen Röhre berühmt werden; 1884 war er wie
trodynamik nachgedacht (25. Oktober)«, so lauten Hertz noch am Beginn seiner Karriere. Eine Professur
auch die Einträge im Herbst 1884. »Sehr schlechte an einem Polytechnikum galt weniger als die an einer
Laune«, schrieb er jedoch ein paar Tage später. Dann Universität, so dass Hertz zunächst zögerte, den Ruf
verbannte er die Elektrodynamik für viele Monate anzunehmen. Er habe »große Abneigung gegen Karls-
aus seinem Denken. ruhe«, schrieb er am 28. Dezember in sein Tagebuch.
Als er sich bei einem Besuch in Karlsruhe aber von
Was wollte Hertz mit seinen Bemühungen um die den guten Experimentiermöglichkeiten am Polytech-
Elektrodynamik? Wollte er den Streit der Physiker nikum überzeugte, war sein »Wunsch nach Karlsruhe
um das richtige Verständnis der Elektrodynamik im sehr groß«. Er ging noch am selben Tag ins Badische
[10] James Clerk Maxwell.
Sinne Faradays und Maxwells entscheiden? In einer Kultusministerium, wo man ihn drängte, sich sofort
der Äther auch den elektrischen und magnetischen Arbeit in den Annalen der Physik, die man als ein zu entscheiden. »Ultimatum, abends sicher ange-
Erscheinungen als Medium. Nach den Gleichungen, Teilergebnis dieser Bemühungen ansehen kann, leitete nommen,« schrieb er am Ende dieses ereignisreichen
die Maxwell dafür ersonnen hatte, breiteten sich die er eine Darstellung der Maxwellschen Gleichungen 29. Dezember 1884 in sein Tagebuch.
Ätherschwingungen genau mit Lichtgeschwindig- ab, aus der die Symmetrie zwischen elektrischen und
keit aus. Lichterscheinungen und elektromagnetische magnetischen Kräften ins Auge stach: »Die magneti- Der Ruf nach Karlsruhe hätte Hertz eigentlich von

27
und menschenscheu. Der Skandal der überstürzten
Ver- und Entlobung nahm jedoch einen glimpflichen
Ausgang. Die gedemütigte Beinahe-Braut versicherte
ihm mit einem »Schwamm drüber«, dass er sich nicht
weiter grämen sollte. Auch die Professorenschaft zeigte
sich mitfühlend. Dennoch befreite ihn dies nicht von
seinen Seelenqualen. Am Sylvestertag 1885 schrieb er
in sein Tagebuch: »Froh, dass dieses Jahr herum, und
hoffend, dass kein solches folgt.«

Im März 1886 lernte Hertz Elisabeth Doll kennen.


Auch sie war die Tochter eines Kollegen, aber diesmal,
so schrieb Hertz seinen Eltern nach Hamburg, habe
sich die Verlobung »wie von selbst« ergeben. Am Ende
des Sommersemesters 1886 fand die Hochzeit statt.
Allen erhaltenen Quellen zufolge war es eine sehr
glückliche Ehe. In den Briefen an die Schwieger-
mutter sprach Elisabeth voll Zärtlichkeit von ihrem
[11] Das Polytechnikum in Karlsruhe. in einem Alter, in dem die Gründung einer Familie
lieben »Heins« oder ihrem »Bibie«, der sie fürsorg-
allen Karriereängsten befreien können - stattdessen wie selbstverständlich zu einem erfüllten Lebensent-
lich verwöhnte. Am 2. Oktober 1887 brachte sie ein
brachte er ihn an den Rand eines seelischen Zusam- wurf gehörte - noch dazu für einen Professor. Kurz
Mädchen zur Welt.
menbruchs. Anstatt Vorfreude auf sein neues Leben nach seiner Ankunft in Karlsruhe lernte Hertz die
als Herr über sein eigenes, gut ausgestattetes Physik- Tochter eines Kollegen kennen - und hielt ohne langes
Nach dem Fiasko mit der gescheiterten Verlobung war
institut zu empfinden, fühlte er sich »so trübselig und Zaudern um ihre Hand an. Drei Tage später folgte die
Hertz viele Monate lang zu keiner produktiven Arbeit
gottverlassen« wie nie zuvor. Offensichtlich hatte das Verlobung - und wieder drei Tage später die Entlo-
fähig, und auch nach seinem Krisenjahr 1885 war
Gefühl der Verlassenheit andere Gründe. In Kiel bung. Danach litt Hertz abwechselnd an nervöser
lange nicht erkennbar, was er zum Gegenstand neuer
scheint Hertz für kurze Zeit verliebt gewesen zu sein, Unruhe und apathischer Niedergeschlagenheit. Auch
Forschungen machen würde. Erst im Herbst 1886
doch darüber ist nichts Näheres bekannt. Mit 28 eine Kur in einer »Wasserheilanstalt« im Thüringer
zeichnete sich ab, dass er sich mit einer Sache gründ-
Jahren war Hertz bei seinem Amtsantritt in Karlsruhe Wald brachte keine Besserung. Er fühlte sich unsicher

28
Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

[12] Heinrich und Elisabeth nach der Verlobung.

licher zu beschäftigen begann: Funkenversuchen.


Dabei bezog er sogar seine Frau mit ein. »Elisabeth
bei mir im Laboratorium, Funken bei den Rühm-
korffentladungen untersucht«, schrieb er einmal ins
Tagebuch.
Mit »Rühmkorff« - benannt nach Heinrich Daniel
Rühmkorff - bezeichnete man so genannte Funken-
induktoren, Apparate, die mit einer Spule, einem
Kondensator und einem Unterbrecher aus dem Gleich-
strom einer Batterie kurzzeitige Stromentladungen in
Form von Funken erzeugen. Am 5. Dezember 1886
beschrieb Hertz seinem alten Lehrer Helmholtz diese
Funkenexperimente. Er übertrug die Funken des
»Rühmkorff« auf einen 3 m langen Kupferdraht, an
dessen Enden Messingkugeln mit einem Durchmesser [13] Rühmkorff-Induktor mit Funkenüberschlag.

29
[14] Funkenstrecke von Heinrich Hertz.

von 30 cm angebracht waren. Diesen Draht habe er Sender und Empfänger unverändert war. Wenn er die »ist eigentlich eine Lösung der Aufgabe, welche im
in der Mitte unterbrochen und zwei kleine Messing- direkte Sichtverbindung zwischen den auslösenden Jahr 1879 die Berliner Akademie gestellt hat, welche
kugeln an die losen Enden angebracht. »Rühmkorff«-Funken und den Empfängerfunken mit aber ohne Bearbeitung geblieben ist.« Damit spielte
Papier, Glas oder anderen Gegenständen störte, beein- er auf die Preisaufgabe an, die ihm Helmholtz als
Von dieser Anordnung - heute würden wir sagen: flusste das die Stärke des Empfängerfunkens. Im Mai Thema für die Doktorarbeit gestellt hatte, und die er
Antenne - gingen sehr starke Induktionswirkungen 1887 fasste er die Ergebnisse dieser Untersuchungen damals für unlösbar gehalten hatte. Jetzt sei ihm das
aus. Er habe in einem ähnlich geformten in der Mitte in einer Arbeit »Über einen Einfluss des ultravioletten »fast spielend geglückt, auf einem Wege, der damals
unterbrochenen Draht – also einer Empfangsantenne Lichtes auf die elektrische Entladung« zusammen. freilich nicht zu vermuten war. Darum ist auch die
- »noch in einer Entfernung von 2 m seitlich von der Sie beschrieb das Phänomen des Photoeffekts. Eine Arbeit für mich eine Art persönlichen Triumphes«. Er
induzierenden Bahn Funken erhalten«. Hertz bewies Erklärung konnte er nicht bieten - das gelang erst hatte seine Experimente mit Sende- und Empfangs-
mit diesem Experiment, dass durch den »Rühmkorff«- Einstein mit Hilfe der Quantentheorie: Die von dem drähten so weit verfeinert, dass zum Beispiel schon
Funken elektromagnetische »Rühmkorff«-Funken ausgesandten Lichtquanten ein dazwischen gehaltener Metalldraht die Funken
Induktionswirkungen in schlagen aus den Metallkugeln, zwischen denen der im Empfangsdraht zum Erlöschen brachte. Wenn
die Umgebung ausgestrahlt Funke im Empfangsdraht überspringt, Elektronen das auch mit isolierendem Material gelang, so wäre
werden. heraus; diese ionisieren die Luft und erleichtern so dies ein Nachweis dafür, dass die elektromagnetische
Dabei fiel ihm auf, dass den Funkenüberschlag. Induktion auch in nicht leitendem Material elektri-
die Funken im Empfangs- Die Funkenexperimente brachten Hertz auch noch sche Wirkungen (die so genannten »Maxwellschen
draht nicht immer gleich einen anderen Erfolg. »Die Arbeit, die ich in den Verschiebungsströme«) hervorrufen kann. »Großen
stark waren, auch wenn nächsten Tagen mit Gottes Hilfe beendigen werde«, Schwefelklotz von zwei Zentner gegossen«, notierte er
[15] Original Skizze von
Heinrich Hertz. sonst die Anordnung von schrieb er am 30. Oktober 1887 an seine Eltern, am 17. Oktober 1887 in sein Tagebuch. »Pechklotz

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

bestellt, Niederschrift der Arbeit überlegt«, heißt es am anderen Ende auf- und ab bewegt wird, stehende
eine Woche später. Er verbrauchte für diesen Nachweis Wellen mit Schwingungsbäuchen und Schwingungs-
riesige Mengen an Material, »16 Zentner Asphalt, 9 knoten ausbildeten. Mit dem auf einen Holzrahmen
Zentner Pech, 2 Zentner Schwefel«, wie er den Eltern gespannten Empfänger schritt Hertz den Draht ab,
schrieb. Am Ende konnte er aber »das Entstehen und um anhand der Funken die Schwingungsbäuche, also
Vergehen dielektrischer Polarisation in isolierenden die Orte maximaler elektrischer Erregung, aufzu-
Medien«, um im Wortlaut der Preisaufgabe von 1879 finden. Aus dem Abstand der Bäuche ergab sich die
zu bleiben, sicher nachweisen. Wellenlänge, und daraus konnte er die Geschwindig-
keit berechnen, mit der sich die elektrodynamischen
»Bravo!!« gratulierte ihm Helmholtz zu diesem Erfolg. Wirkungen im Draht ausbreiteten. Da sich die vom
Das Lob aus dem Munde seines Lehrers war für Sender ausgehende Erregung auch in der Umgebung
Hertz eine besondere Genugtuung und ein Ansporn, des Drahtes ausbreitete, kam es an verschiedenen
auf dem eingeschlagenen Weg weiter zu forschen. Stellen im Laboratorium zu Schwingungsbäuchen
Im Nachhinein hat es den Anschein, als ob Hertz und -knoten, so dass Hertz auch die Ausbreitungs-
mit diesen Versuchen elektromagnetische Wellen geschwindigkeit im Luftraum ermitteln konnte.
nachweisen wollte, die es der Theorie Maxwells »Versuche, Interferenzen zwischen den direkten und
zufolge geben sollte. Aber Hertz sprach noch nicht den durch Drähte fortgeleiteten Wirkungen herzu-
von elektromagnetischen Wellen, sondern nur von stellen, gelingen«, notierte er am 10. November 1887
»Wirkungen«. Es würde zu weit führen, die Experi- im Tagebuch.
mente im Einzelnen zu beschreiben, die Hertz am
Ende zu einem überzeugten »Maxwellian« machten. Am 21. Januar 1888 berichtete er Helmholtz über die
Einige Andeutungen müssen genügen. Er erzeugte Ergebnisse dieser Versuche. Er habe noch gar nicht
wieder mit dem »Rühmkorff« elektrische Schwin- versucht, »eine bestimmte Theorie auf die Erschei-
gungen in einem Sendedraht und untersuchte mit nungen anzuwenden«. Helmholtz war so beein-
den in einem Empfangsdraht erregten Funken deren druckt, dass er die Ergebnisse seines Meisterschülers
Ausbreitung. Er übertrug die Schwingungen an einen umgehend in der Berliner Physikalischen Gesellschaft
durch das Laboratorium gespannten Draht, wo sie vorstellte. Ein amerikanischer Physiker, der dieser
[16] Heinrich und Elisabeth bei gemeinsamen Experimenten im Karlsruher
Hörsaal. wie bei einem an einer Wand befestigten Seil, das Veranstaltung beiwohnte, berichtete, Helmholtz habe

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rimenten aufgedeckt hatte, reichte eigentlich schon mit Lichtstrahlen experimentieren. Wieder verraten
aus, um den Streit zwischen den verschiedenen elek- die Tagebucheinträge, wie rasch Hertz für seine
trodynamischen Theorien zugunsten Maxwells zu »Strahlen« neue Versuche ersann. Am 26. November
entscheiden. Hertz habe mit seinem »experimentum 1888 hatte er »für ein Prisma« Pech bestellt, am 1.
crucis« die Richtigkeit der Maxwellschen Theorie Dezember machte er »Versuche über Reflexion und
bewiesen, jubilierte ein »Maxwellian« in England. Polarisation des Strahles«.
Man werde später von »Hertz’s klassischem Expe- Zwei Wochen später schickte Hertz eine Abhandlung
riment« reden, und das Jahr 1888 werde »in die über diese Experimente an Helmholtz. Sie trug den
Geschichte eingehen als das Jahr, in dem diese große Titel »Über Strahlen elektrischer Kraft« und machte
Frage experimentell durch Hertz in Deutschland Hertz mehr als alle vorherigen Arbeiten zu einer
entschieden wurde und, so hoffe ich, durch andere in Berühmtheit. Das wirkte sich auch auf die Karriere
England.«
[17] Hertz fotografierte seine Apparate 1887 selbst.

dabei »ein triumphierendes Leuchten in seinen Augen« Nachdem es Hertz gelungen war, stehende elektro-
gehabt und den Vortrag »mit einer Lobrede auf seinen magnetische Wellen im Raum zu erzeugen, war der
geliebten Schüler Hertz und einem Glückwunsch an Gedanke naheliegend, mit einem metallenen Hohl-
die deutsche Wissenschaft« beendet. spiegel die elektromagnetischen Wellen zu bündeln.
Das konnte aber nur gelingen, wenn die Wellenlänge
Hertz wollte zuerst nur »drei kleine Abhandlungen« kleiner als der Spiegel war. Eher zufällig hatte Hertz
über seine Ausbreitungsversuche in den Annalen der beim Experimentieren mit »ganz kleinen Resona-
Physik veröffentlichen. Da sich seine Experimente toren« auch solche Wellen erzeugt, wie er er am 12.
jedoch als immer interessanter entpuppten, packte er November 1888 in seinem Tagebuch festhielt. Er
[18] Die von Hertz 1888 benutzten Parabolspiegel.
nach Ostern 1888 noch eine vierte dazu. Das Wich- konnte die Wellenlänge bis auf etwa 40 cm reduzieren.
tigste daran teilte er Helmholtz am 19. März 1888 in »Den großen Induktionsapparat mit dem kleinen aus. Wie sein Vorgänger Ferdinand Braun erwartete
einem Brief mit. Darin kündigte er auch seine Absicht vertauscht... Es gelingt ziemlich gut, die früheren auch Hertz, dass er nun an der Reihe sei, um auf
an, die »elektrodynamischen Wellen« in einer neuen Versuche im zehnfach kleineren Maßstabe zu wieder- einen ordentlichen Physiklehrstuhl an eine Univer-
Versuchsserie noch gründlicher zu erforschen. holen«. Diese kurzen Wellen konnte er mit einem sität berufen zu werden. Trotz der hervorragenden
Was Hertz bis zum Sommer 1888 mit seinen Expe- metallenen Hohlspiegel bündeln und damit fast wie Experimentiermöglichkeiten in Karlsruhe galten die

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

Polytechnika oder technischen Hochschulen, wie eine Zusammenfassung seiner Karlsruher Expe-
sie sich bald nannten, noch nicht als den Universi- rimente. Der Vortrag stieß auf so großes Interesse,
täten gleichrangige Stätten der Lehre und Forschung. dass die von einem Bonner Verleger als kleine
Hertz musste nicht lange warten, bis ihn ein Ruf an Broschüre verbreitete Vortragsfassung innerhalb von
eine Universität erreichte. In Bonn wollte man ihn drei Monaten sieben Auflagen erlebte.
als Nachfolger des berühmten Rudolf Clausius, der
im August 1888 verstorben war. »Bonn scheint jetzt Nach dem Heidelberger Kongress machte Hertz
sicher zu sein«, schrieb Hertz am 16. Dezember 1888 eine Weile einen Bogen um das Laboratorium, das
seinen Eltern nach Hamburg. Er zögerte nicht lange immer noch nicht seinen Anforderungen entsprach
und nahm den Ruf an. Er übernahm auch das Haus, und widmete sich den theoretischen Grundlagen
in dem Clausius gewohnt hatte. der Elektrodynamik. »In dieser Zeit ununterbrochen
gearbeitet an den Grundgleichungen für ruhende
Als Hertz zu Beginn des Sommersemesters 1889 seine Leiter«, notierte er im Oktober 1889 in sein Tage-
Bonner Stelle antrat, galt sein erstes Augenmerk dem buch. Was er dann 1890 in zwei Abhandlungen über
Laboratorium, das in großen, von dicken Mauern die Grundlagen der Elektrodynamik veröffentlichte,
umgebenen Kellerräumen untergebracht war. Die zählt zu den Klassikern der theoretischen Physik. Das
ersten Eindrücke, die er seinen Eltern mitteilte, Maxwellsche Formel- und Begriffssystem sei »in seiner
klingen nicht gerade nach heller Begeisterung. »Und möglichen Entwickelung reicher und umfassender,
alle die Keller und Gänge, wo das Wasser von der als ein anderes der zu gleichem Zwecke ersonnenen
Decke tropft und man Quellen rauschen hört - Systeme«, so rühmte Hertz darin die Maxwellsche
hu - hu -. Werden wir Leben in die Sache bringen, Theorie. Allerdings sei Maxwells eigene Darstellung
das frage ich mich mit großen Zweifeln.« In den sehr unklar, was die logischen Grundlagen angeht,
verwaisten Kellerräumen ein Laboratorium einzu- »sie schwankt häufig hin und her zwischen den
richten, das seinen Bedürfnissen entsprach, kostete Anschauungen, welche Maxwell vorfand, und denen,
[19] Wohnhaus von Heinrich Hertz in der Bonner Quantiusstraße
Hertz in seinem ersten Bonner Semester viel Kraft. (historische Aufnahme). zu welchen er gelangte«. Hier schaffte Hertz Klarheit.
Er fühlte sich bald ausgelaugt und sehnte das Semes- im September 1889 einen Vortrag »Über die Bezie- Erst in der von ihm bereinigten Form wurde das von
terende herbei. Doch Zeit für Entspannung blieb ihm hungen zwischen Licht und Elektrizität« vorzube- Maxwell geschaffene System von Gleichungen zur
kaum, denn er hatte für einen Kongress in Heidelberg reiten. Er bot darin in allgemeinverständlicher Form Grundlagentheorie der modernen Elektrodynamik.

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Doch zu einem unbeschwerten Experimentieren dass zwischen den Wirkungen der Schwerkraft und
kam er nicht. Am 1. Dezember 1890 verlieh ihm denen des Elektromagnetismus ein so fundamentaler
die Royal Society in London die Rumford-Medaille. Unterschied bestehen sollte.
Ausser Gustav Kirchhoff hatte vor ihm noch nie ein
deutscher Physiker diese höchste Auszeichnung der In der Mechanik gab es aber keine, mit der Maxwell-
Royal Society erhalten. Dann stellte sich Nachwuchs schen Theorie vergleichbare Grundlage, von der
ein. »Ein Töchterchen, Mutter und Kind sind wohl«, aus alle Erscheinungen abgeleitet werden konnten.
schrieb Hertz am 14. Januar 1891 in das Tagebuch. Hertz musste aus eigener Kraft leisten, was Faraday
Als er danach endlich zu experimentieren begann, und Maxwell in der Elektrodynamik auf den Weg
wollte ihm nichts Rechtes gelingen – und er wandte gebracht hatten. Für die Mechanik eine solche
sich wieder der theoretischen Physik zu. Im Sommer Grundlage zu schaffen muss ihm erhebliche Mühe
1891 notierte er immer wieder in sein Tagebuch, dass bereitet haben. »Ich stecke gerade etwas fest in theo-
er über die »mechanischen Prinzipien« nachdachte. retischem Nachdenken«, schrieb er zum Beispiel am
Die Mechanik, so empfand Hertz, bedurfte noch Tag vor Weihnachten 1891 an seine Eltern, »so dass
viel mehr als die Elektrodynamik der Klärung ihrer ich mich mit Gewalt herausreißen muss, um das Fest
Grundlagen. In der Mechanik beruhte zum Beispiel nicht zu verträumen.« Ein paar Tage danach notierte
das Gesetz der universellen Gravitation auf dem er in sein Tagebuch: »Alle diese Zeit fleißig an den
Konzept der Fernkraft. Während sich elektromag- Prinzipien der Mechanik gearbeitet.« Tatsächlich
netische Wirkungen mit einer sehr schnellen, aber dauerte es noch fast zwei Jahre, bis die »Prinzipien
[20] Heinrich Hertz zu seiner Bonner Zeit. endlichen Geschwindigkeit, der Lichtgeschwindig- der Mechanik« druckfertig waren. Sie seien ihm »eine
keit, durch den Raum ausbreiten, setzt das Fernwir- große Last« gewesen, schrieb er den Eltern am 10.
kungskonzept der Newtonschen Gravitationstheorie Oktober 1893, und er habe auch sogleich ein »hohes
Vielleicht war Hertz des vielen Theoretisierens über-
voraus, dass die Anziehungskraft einer Masse augen- Gelübde« abgelegt, »so bald nicht wieder auf eine
drüssig, dem er sich mit den beiden Abhandlungen
blicklich auf eine andere Masse einwirkt, unabhängig theoretische Arbeit einzugehen.« Abgesehen von einer
über die Grundgleichungen der Elektrodynamik so
davon, wie weit diese entfernt ist. Es musste jemanden philosophisch-wissenschaftstheoretischen Einleitung
intensiv gewidmet hatte, denn zu Beginn des Winter-
wie Hertz, der gerade die Fernkraft aus der Elektrody- handelt es sich bei der Hertzschen Mechanik nach
semesters 1890/91 schrieb er seinen Eltern, er wolle
namik verbannt und durch eine konsequente Nahwir- Form und Inhalt eher um ein Mathematik- als ein
sich in diesem Semester »ausschließlich mit dem Expe-
kungs- oder Feldphysik ersetzt hatte, sehr irritieren, Physikbuch. Hertz zwang seine Leser durch Hunderte
rimentalkolleg und dem Laboratorium« beschäftigen.

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

nicht auf meinen Lippen allein schweben.«

Auch wenn Hertz die meiste Zeit mit den »Prinzi-


pien der Mechanik« beschäftigt war, fühlte er sich
primär als Experimentalphysiker und erst in zweiter
Linie als Theoretiker. Im Herbst 1890 war Vilhelm
Bjerknes als Stipendiat aus Norwegen nach Bonn
gekommen, um unter seiner Anleitung das Expe-
rimentieren mit elektromagnetischen Wellen zu
erlernen. Bjerknes blieb nur ein Jahr, aber er hat Hertz
zeitlebens als seinen Lehrer betrachtet. Im Sommer
1891 wurde Philipp Lenard Assistent von Hertz. Es
sei »immer wunderbar« gewesen, schwärmte Lenard,
wie sehr sich Hertz ȟber Versuche freute, die etwas
Wesentliches, Neues lehrten.« Seit Hertz nach Bonn
gekommen war, hatte er zwar immer wieder das eine
oder andere Experiment in Angriff genommen, aber
es ist nicht klar, worauf er eigentlich hinaus wollte.
1892 experimentierte er mit Kathodenstrahlen, von
denen man damals noch nicht wusste, dass sie aus
Elektronen bestehen. Er prüfte dünne Metallfolien
auf ihre Durchlässigkeit für Kathodenstrahlen und
[21] Hertz und Lenard während der Experimente mit Kathodenstrahlen. derte, stand ihr am Ende etwas ratlos gegenüber: »Er für Licht - aber auch hier ließ er offen, was ihn dazu
von durchnummerierten Absätzen, gespickt mit schuf so ein frappierend einfaches, von ganz wenigen, motivierte. Am 15. Dezember 1892 schrieb Hertz
differentialgeometrischen Formeln, ohne auch nur gewissermaßen sich logisch von selbst darbietenden an Helmholtz, dass sein Assistent Lenard eine »sehr
ein einziges konkretes Beispiel. Selbst ein Kenner Prinzipien ausgehendes System der Mechanik. Leider merkwürdige Entdeckung« gemacht habe. Lenard
der Materie wie Ludwig Boltzmann, der die Hertz- schloss sich im gleichen Moment sein Mund auf ewig hatte in eine Kathodenstrahlröhre ein mit einem
sche Mechanik intensiv studierte und sehr bewun- den tausend Fragen um Erläuterungen, die gewiss hauchdünnen Aluminiumplättchen verschlossenes

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Fenster eingefügt, durch das die Strahlen aus dem weiteren Operation unterziehen. »Aufmeißelung
luftleeren Raum der Röhre ins Freie treten konnten. des mastoidus. Alles gut gegangen«, schrieb er am
29. Oktober in das Tagebuch. Vermutlich litt er an
Durch solche »Lenardfenster« - wie sie später genannt einer bakteriellen Nasen- und Nebenhöhleninfek-
wurden - konnte man nun viel umfassender mit Katho- tion, die sich zu einer Mittelohrentzündung auswei-
denstrahlen experimentieren als zuvor. Man konnte tete und dann eine Entzündung der Schleimhaut
ihre Ausbreitung in verschiedenen Gasen unter- in dem hinter dem Ohr gelegenen Warzenfortsatz
suchen und vieles andere, was innerhalb der Röhre (Mastoideus) zur Folge hatte.
nicht möglich gewesen wäre. Für Lenard markierte
diese Entdeckung den Beginn einer sehr erfolgreichen Die »Aufmeißelung« hinter dem Ohr brachte aber
Karriere als Experimentalphysiker. 1905 erhielt er für auch nur eine vorübergehende Besserung. Das Auf
seine Kathodenstrahlforschung den Nobelpreis für und Ab seines Zustands zehrte an seinen Nerven.
Physik. Der Sommer 1893 verging mit »Zittern und Zagen«,
aber er fühlte sich nicht gesund. Im September
Nach 1892 kamen keine Erfolgsmeldungen mehr dieses Jahres wurde ihm in einer weiteren Opera-
aus dem Bonner Physikinstitut. Stattdessen häuften tion wieder ein Eiterherd entfernt. Danach stellte
sich in den Tagebucheinträgen und in den Briefen sich eine Blutvergiftung ein. »Wenn mir wirklich
von Hertz an seine Eltern Berichte über seinen etwas geschieht«, schrieb er schon mit einer Todes-
Gesundheitszustand. Sein Leiden begann mit ahnung im Dezember 1893 an seine Eltern, »so
einem »ebenso hartnäckigen wie unangenehmen sollt Ihr nicht trauern, sondern sollt ein wenig stolz
Schnupfen«, wie Hertz im August 1892 nach sein und denken, dass ich dann zu den besonders
Hamburg schrieb. Er begab sich in die Behand- Auserwählten gehöre, die nur kurz leben und doch
lung eines Spezialisten, doch wenn eine Besserung genug leben. Dies Schicksal habe ich mir nicht
eintrat, war diese immer nur von kurzer Dauer. Im gewünscht und gewählt, aber wo es mich getroffen,
Oktober 1892 unterzog er sich einer Nasenope- muss ich zufrieden sein, und wenn mir die Wahl
ration. Danach litt er an einer Halsentzündung gelassen wäre, würde ich es vielleicht selbst gewählt
und an Ohrenschmerzen. Er verbrachte mehrere haben.« Am 1. Januar 1894 erlag er den Folgen der
[22] Philipp Lenard um 1905. Wochen fiebernd im Bett und musste sich einer Blutvergiftung.

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Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze Von Michael Eckert

Weiterführende Literatur:
Buchwald, Jed Z.: The Creation of Scientific Effects:
Heinrich Hertz and Electric Waves. Chicago: Univer-
sity of Chicago Press, 1994.

Fölsing, Albrecht: Heinrich Hertz: eine Biographie.


Hamburg: Hoffmann und Campe, 1997.

Hertz, Johanna (Hrsg.): Heinrich Hertz: Erinne-


rungen, Briefe, Tagebücher. Leipzig: Akademische
Verlagsgesellschaft, 1927; neu aufgelegt von Mathilde
Hertz und Charles Süsskind, Weinheim: Physik-
Verlag, 1977.

Lenard, Philipp (Hrsg.): Heinrich Hertz. Gesammelte


Werke. 3 Bände. Leipzig: Barth, 1894-1895.

Wolfschmidt, Gudrun (Hrsg.): Heinrich Hertz (1857-


1894) and the Development of Communication.
Norderstedt: Books on Demand, 2008.

[23] Heinrich Hertz’ Grabstein in Hamburg-Ohlsdorf.

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Jüdische oder
nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

Vom öffentlichen Umgang mit


Heinrich Hertz und seiner Familie
im Nationalsozialismus

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Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

1. Die jüdische Herkunft von Heinrich Hertz Zugehörigkeit zum Konstrukt einer Gruppe mit der tablen Schwiegersohn. Im Jahr 1826 heiratete Hein-
Bis in die Gegenwart hinein ist Heinrich Hertz Bezeichnung »jüdische Wissenschaftler.«2 Die Familie rich David Hertz dessen Tochter Betty Oppenheim
(1857 – 1894) in Deutschland immer wieder als Hertz ist ein Beispiel dafür. (1802 – 1872), deren sechs Schwestern sonst mehr-
»jüdischer Wissenschaftler« bezeichnet worden.1 Mit Heinrich Hertz war nach allen gängigen Definiti- heitlich mit der europäischen Bankendynastie ehelich
diesem Begriff wird eine Gruppe umschrieben, deren onen kein Jude.3 Allein sein Vater stammte aus einer verbunden wurden. Der Gegensatz zwischen dem
Mitglieder einen nicht näher qualifizierten jüdischen jüdischen Familie. Dessen Eltern waren zusammen Aufstieg in die ökonomische Oberschicht und dem
Familienhintergrund besitzen. Insoweit gehören mit ihren Kindern 1834 zum Protestantismus über- Umstand, als Jude in einem Zustand minderen Rechts
sowohl Menschen dazu, die in ihrem Selbstverständnis getreten.4 Als Heinrich Hertz 1857 in Hamburg zur zu verbleiben, suchte geradezu nach einer Auflösung.
jüdisch sind als auch solche, bei denen einzelne Welt kam, lag dies bereits mehr als zwei Jahrzehnte Einen entsprechenden Ausweg bot eine kurzfristig
Vorfahren dem Judentum angehört hatten, sie selbst zurück. Sein Großvater Heinrich David Hertz (1797 arrangierbare Taufe, also der Übertritt zum Chris-
aber damit gar nichts mehr verbinden müssen. Daher – 1863) hatte es als Hamburger Kaufmann durch tentum. Nicht nur die Großeltern von Heinrich Hertz
ist es kaum möglich, den überdurchschnittlichen Handelsgeschäfte mit England, wo er außerdem eine wählten diesen Weg, sondern auch die meisten der
beruflichen Erfolg dieser heterogenen Gruppe auf die Firmenbeteiligung besaß, schon in jungen Jahren zu insgesamt zwölf Kinder von Salomon Oppenheim.
Vermittlung jüdischer Traditionen und Werte zurück- beträchtlichem Reichtum gebracht. Der damit einher- Ähnlich war es bei den Geschwistern seines Großva-
zuführen. Es handelt sich vielmehr um ein soziales gehende soziale Aufstieg machte ihn für den Bankier ters und dessen Nachkommen. So konnte Heinrich
Phänomen, das dazu noch eine spezifisch deutsche Salomon Oppenheim (1772 – 1828) zu einem akzep- Hertz dem Judentum auch in der eigenen Verwandt-
Komponente besitzt. So stammte der akademische schaft kaum noch begegnen. Diese Konversionen
Nachwuchs in Deutschland zu einem großen Teil stellten hier offenbar mehr als nur Formalien dar, die
aus einer wohlhabenden Schicht des Bildungsbürger- man lediglich erfüllte, um die vollen Bürgerrechte zu
tums, der im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhun- erhalten. Die alte Religion scheint vielmehr als ein nicht
dert auch zunehmend Juden angehörten, von denen mehr bedeutsames Relikt einer vergangenen Epoche
wiederum viele konvertierten. Die Attraktivität einer abgestreift worden zu sein. Bei der Familie Hertz in
Universitätslaufbahn für das Bürgertum im deutschen Hamburg treffen wir auch nicht auf das Phänomen
Sprachraum findet ihre Erklärung in einem beson- einer fortbestehenden sozialen Ab- oder Ausgren-
ders hohen Sozialprestige, das es in anderen Ländern zung, die sie in einer gesellschaftlichen Enklave
in dieser Form nicht gab. Kausal für die erfolgreiche gehalten hätte. So etwas ließ sich beispielsweise daran
Beteiligung am deutschen Wissenschaftssystem war [1] Heinrich (2. von rechts) mit seinen Eltern Gustav Ferdinand und Anna erkennen, wenn konvertierte Juden vornehmlich
Elisabeth Hertz sowie den Geschwistern Gustav, Otto und Rudolf (von
in erster Linie also die soziale Herkunft, nicht die links) im Jahre 1869. weiterhin unter sich heirateten. Aber sowohl Heinrich

41
Davids Sohn Gustav Ferdinand Hertz (1827 – 1914)
als auch dessen Kinder, darunter der älteste Sohn
Heinrich Hertz, wählten christliche Ehepartner, die
keinen jüdischen Familienhintergrund besaßen. Die
Taufe ermöglichte der Familie in der Tat auch den
gesellschaftlichen Aufstieg. Gustav Ferdinand Hertz,
der als erster in der Familie ein Universitätsstudium
absolvierte und 1849 mit dem Doktor der juristi-
schen Fakultät der Universität Göttingen abschloss,
führte bald eine der bedeutendsten Anwaltspraxen
in Hamburg. Seit 1857 gehörte er der Bürgerschaft
an und wurde später Senator und Leiter der Justizbe-
hörde, womit man ihn der Führungselite der Freien
und Hansestadt Hamburg zurechnen kann.5
Nach allen bekannten Quellen spielte die »jüdische
Herkunft« für Heinrich Hertz, wie man seine Famili-
enzusammenhänge etwas vage zu beschreiben pflegt,
keine Rolle in seiner Biographie. Sie war einzig noch
in seinem Namen präsent, der sich von Hirsch, dem
Symbol für einen der zwölf Stämme Israels ableitete.
Wie alle protestantischen Kinder ist er 1872 im Alter
von 15 Jahren konfirmiert worden.6 Während seines
Studiums schloss er sich mit den »Cheruskern« 1876
einer schlagenden Verbindung an.7 Die Ausgren-
zungen jüdischer Studenten im Verbindungswesen
setzten erst in den 1880er Jahren ein. So stellte eine
solche Mitgliedschaft damals noch kein Unterschei-
[2] Der Hamburger Rechtsanwalt und Senator Gustav Ferdinand Hertz,
Heinrichs Vater. dungsmerkmal gegenüber den jüdischen Deutschen [3] Heinrich Hertz´ Herme im Ehrensaal des Deutschen Museums.

42
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

dar.8 Anders verhielt es sich aber mit dem Status des Form zu gedenken. Unter künstlerischer Mitwirkung Nordischen Rundfunk AG war ein Heinrich-Hertz-
preußischen Reserveoffiziers, der Hertz offenbar der Tochter Mathilde Hertz (1891 – 1975) entstand Gedenkzimmer eingerichtet worden, in dem sich ein
sehr wichtig war. Sonst hätte er sich wohl nicht der 1916 eine Herme für den Ehrensaal des Deutschen Relief seines Kopfes sowie eine Inschrift befanden.
umständlichen bürokratischen Prozedur ausgesetzt, Museums in München, wo den bedeutendsten deut- Letztere wies auf seine Entdeckung der elektromag-
die ihn im Sommer 1881 schließlich sein Ziel errei- schen Erfindern und Forschern ein Denkmal gesetzt netischen Wellen hin.14
chen ließ. Dies gelang keinem der 25-30.000 jüdisch wurde.10 Zu ihrem 100jährigen Jubiläum errichtete Unter den jüdischen Deutschen gab es angesichts
Einjährig Freiwilligen, die nach 1880 in der preußi- die Technische Hochschule Karlsruhe, wo Hertz der von Ausgrenzungen und Zurücksetzungen, die durch
schen Armee dienten. Selbst unter den 1.200 bis 1.500 Nachweis der elektromagnetischen Wellen gelungen die rechtliche Gleichstellung seit der Reichsgrün-
zum Christentum Konvertierten lag die Erfolgsquote war, auf einem Ehrenhof einen Portikus, der eine dung nicht verschwunden waren, das Bedürfnis, auf
bei lediglich 20%.9 Im Verlauf seiner akademischen von Mathilde Hertz geschaffene überlebensgroße
Karriere stieß Hertz ebenfalls nicht auf die Hinder- Büste von ihm einrahmte. Die Einweihungsfeier fand
nisse, die Wissenschaftler in jener Zeit zu vergegen- im Beisein der Witwe und der beiden Töchter von
wärtigen hatten, die jüdischer Konfession waren oder Hertz am 30. Oktober 1925 statt.11 Im Jahr zuvor
ihr vor einer Konversion zum Christentum angehört war in Hamburg die »Heinrich-Hertz-Gesellschaft
hatten. So musste er nicht unverhältnismäßig lange zur Förderung des Funkwesens« gegründet worden.
auf seine erste Professur warten und befand sich 1888 Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, die Zusammenar-
sogar in der besonders komfortablen Lage, zwischen beit zwischen Wissenschaft und Technik zu koordi-
einem der Lehrstühle in Gießen, Berlin oder Bonn nieren sowie durch Bereitstellung von finanziellen
auswählen zu können. Heinrich Hertz war nie ein Mitteln zu unterstützen. Mit dem Namen wollte man
Außenseiter. Daher findet sich bei ihm nichts an »gleichzeitig unserm großen Physiker das Denkmal
Prägungen oder Problemen, die für die Lebensläufe setzen, das ihm die ganze Welt für seine Entde-
jüdischer Deutscher damals charakteristisch gewesen ckung schuldet.«12 Auf der Berliner Funkausstellung
sind. von 1928 war eine kleine Ehrenhalle dem Andenken
von Hertz gewidmet.13 Am 1. August 1927 wurde in
2. Ehrungen für Hertz und Vereinnahmung Berlin ein mit der Technischen Hochschule verbun-
Die große wissenschaftliche Bedeutung von Hertz führte denes »Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsfor-
in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dazu, schung« gegründet und 1930 eröffnet. Im 1931 einge-
seiner an vielen Orten in Deutschland in verschiedenster weihten neuen Hamburger Funkhaus der damaligen [4] Denkmal für Heinrich Hertz in Karlsruhe.

43
In einem Werk »Juden als Erfinder und Entdecker« Theorie. Dieser Bereich blieb von solchen Einschrän-
von 1913 ist von ihm als dem »zu früh verstorbene[n] kungen weitgehend unberührt.18 Problematisch
jüdische[n] Professor« die Rede.16 Ein Artikel aus dem wurde eine solche Aufteilung zwischen öffentlicher
gleichen Jahr, worin Hertz einmal korrekt als Enkel
eines Hamburger Juden bezeichnet wurde und auch
der Hinweis nicht fehlte, dass er selbst kein Jude
gewesen sei, führte ihn dennoch in diesen Kontext
ein. Dabei bediente sich der Autor der damals verbrei-
teten rassischen Terminologie, um der Herabsetzung
der Juden als vermeintliche Rasse entgegenzutreten.
Es sollte gezeigt werden, »was die Wissenschaft und
Zivilisation der gesamten Kulturwelt von Söhnen
unseres Volksstammes an Anregungen und Beiträgen
entgegengenommen haben, welche Summe von [6] Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky (am Rednerpult) bei der
Eröffnung des regelmäßigen Fernsehprogramms 1935.
Kulturwerten die Menschheit den Söhnen unserer,
angeblich inferioren Rasse zu danken hat.«17 und fachlicher Würdigung mitunter dann, wenn das
Ausland bzw. das internationale Ansehen Deutsch-
[5] Heinrich-Hertz-Gedenkzimmer im Gebäude der 3. Die Tilgung der öffentlichen Erinnerung an lands betroffen war. Bei Hertz trat noch eine gewisse
Nordischen Rundfunk AG.
Heinrich Hertz im NS-Staat Unsicherheit hinzu, weil er nach den rassischen Krite-
herausragende Leistungen aus ihren Reihen beson- Im NS-Staat wurde Hertz aus anderen Gründen auf rien der Nationalsozialisten als »Mischling« galt, für
ders hinzuweisen. Das schien ein Weg zu sein, die seine jüdischen Wurzeln reduziert. Der diskrimi- die es nicht immer eindeutige Regelungen gab.
bislang versagte gesellschaftliche Integration einzu- nierende Umgang mit »jüdischen Wissenschaftlern« Der ranghöchste NS-Rundfunkfunktionär Eugen
fordern. Auch Hertz wurde für diesen Zweck verein- bzw. denen, die man noch posthum dazu machte, Hadamovsky (1904 – 1945) versuchte 1934 die Repu-
nahmt. Dabei spielten die oben beschriebenen famili- erstreckte sich auch auf öffentliche Würdigungen, die tation von Hertz zu beschädigen, indem er ihm seine
ären Details zumeist keine Rolle. Eine Monographie nun als unerwünscht galten. Davon zu unterscheiden wissenschaftliche Bedeutung absprach. Er musste den
über »Berühmte israelitische Männer und Frauen war der fachinterne Gebrauch von Namen, sei es in Stellenwert von Grundlagenforschung ignorieren, um
in der Kulturgeschichte der Menschheit« von 1901 Zitaten oder als ehrende Bezeichnung für den Entde- feststellen zu können: »Nicht der Jude Heinrich Hertz,
führt Hertz in der Sparte Physik an erster Stelle an.15 cker eines Phänomens bzw. den Begründer einer der keinerlei Beziehungen zur Funktechnik hatte, und

44
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

änderten ihren Namen, wie das »Heinrich-Hertz-


Institut für Schwingungsforschung«, das ab 1936 nur
noch schlicht »Institut für Schwingungsforschung«
hieß. In Karlsruhe war die Büste von Hertz spätes-
tens 1939 aus dem Ehrenhof entfernt worden.21 Die
Herme im Ehrensaal des Deutschen Museums wurde
dagegen zu jener Zeit und auch später nicht bean-
standet.22
Bei allen Institutionen in Deutschland, die sich dazu
aufgerufen fühlten, des 50. Jahrestages der Entde-
ckung der elektromagnetischen Wellen durch Hertz
1938 zu gedenken, herrschte Unsicherheit darüber,
ob dies überhaupt opportun sei. Jonathan Zenneck
(1871 – 1959) als Leiter des Deutschen Museums,
in dem auch die Originalapparate von Hertz ausge-
stellt waren, verwarf seine Idee alsbald wieder, das
Jubiläum bei der Jahresversammlung am 7. Mai 1938
besonders zu betonen.23 Die Technische Hochschule
Karlsruhe, wo sich das Ereignis zugetragen hatte,
[7] Jonathan Zenneck. ging mit Einverständnis der Partei, d.h. formal des
der erst recht keinerlei Erfindungen auf dem Gebiete »Stellvertreter[s] des Führers« im Januar noch davon
[8] Der Vorsitzende der Gesellschaft für technische Physik, Karl Mey.
des Rundfunks gemacht hat, sondern der junge itali- aus, eine entsprechende Feier ausrichten zu können.24
enische Student und heutige faschistische Senator Das Reichserziehungsministerium erhob im Mai August eine Gedenkfeier auszurichten. Neben einer
Guglielmo Marconi und andere Erfinder schufen am jedoch Bedenken und sah sich zunächst nicht in Ausstellung waren zwei bis drei Vorträge lediglich vor
Ende des 19. Jahrhunderts die Unterlagen für Funkte- der Lage, einem solchen Vorhaben zuzustimmen.25 geladenen Gästen vorgesehen. Aufgrund von vielleicht
legraphie.«19 Die nach Hertz benannten Institutionen, Die Gesellschaft für technische Physik hatte inzwi- nur vorgeschobenen technischen Gründen wie einer
wie die »Heinrich-Hertz-Gesellschaft zur Förderung schen geplant, unter dem Titel »Elektrische Wellen«, zu geringen Vorbereitungszeit und Platzmangel wurde
des Funkwesens«, verschwanden um 193520 oder also ohne Bezug auf den Namen von Hertz, am 10. die Veranstaltung im Einverständnis mit dem Reich-

45
serziehungsministerium im Juli kurzfristig wieder ckung von Hertz doch erst die Grundlagen für
abgesagt.26 Zur gleichen Zeit erhielt die Technische seine eigene Forschung geschaffen. Der vorbereitete
Hochschule Karlsruhe vom Ministerium die Nach- Vortrag, zu dem einige Lichtbilder gehören sollten,
richt, dass ihr nur die Option einer Veranstaltung kam dann aber überraschend doch nicht zustande.
des Dozentenbundes offen stünde. Sie müsste jedoch Er wurde zwar nicht formal aus dem Programm
außerhalb der Hochschule stattfinden, da sie selbst genommen, der italienische Länderausschuss wusste
dafür keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen ihn jedoch durch eine Art von passivem Widerstand
dürfte.27 Offenbar ist es dann zu keiner Art von Feier zu verhindern. Zenneck hatte den Eindruck, dass ein
in Karlsruhe gekommen. So blieb mit Genehmigung solcher Vortrag, vielleicht angesichts der kurz zuvor
des Ministeriums in Deutschland allein die Jahres- veröffentlichten Verordnungen Mussolinis gegen
tagung der beiden physikalischen Gesellschaften die Juden, nicht mehr erwünscht gewesen wäre.33
in Baden-Baden als Forum für eine Erinnerung an Während einer Kommissionssitzung nützte er eine
dieses Jubiläum übrig.28 Dort sprach nur der Vorsit- passende Gelegenheit, um wenigstens noch in einer
zende der Gesellschaft für technische Physik Karl längeren Diskussionsbemerkung auf das Jubiläum der
Mey (1879 – 1945) das Thema in seiner Eröffnungs- Entdeckung hinzuweisen.34
rede am 12. September 1938 dazu noch eher beiläufig In Karlsruhe hatte Alfons Bühl (1900 – 1945) eine
an: »Herr Dr. Mey gedachte ferner der vor 50 Jahren Gruppe von Studenten veranlasst, sich 1937 im
erfolgten Entdeckung der elektrischen Wellen durch Rahmen des 3. Reichsberufswettkampfes in der
Heinrich Hertz in Karlsruhe i.B. und grüßte endlich« Sparte »Deutsche Naturerkenntnis« mit dem Werk
- die Sudetenkrise spitzte sich gerade zu - »die deut- [9] Philipp Lenard 1942. von Heinrich Hertz auseinanderzusetzen.35 Bühl war
schen Volksgenossen in der Tschechoslowakei.«29 Das galten offensichtlich etwas andere Kriterien. So ging NS-Dozentenführer und Schüler von Philipp Lenard
Ministerium hatte Zenneck inzwischen in seiner in diesem Fall die Initiative sogar vom Ministerium (1862 – 1947), dem Protagonisten einer »Deutschen
Funktion als Leiter der deutschen Delegation der im selbst aus.31 Zenneck war in der Lage, die Aufnahme Physik« im völkischen Sinn. Mit der Arbeit »Heinrich
September 1938 in Venedig und Rom stattfindenden eines solchen Vortrages in das offizielle Programm Hertz in seinem Wirken und Schaffen unter beson-
Generalversammlung der »Union Radio Scientifique kurzfristig zu arrangieren und erhielt vom Ministe- derer Berücksichtigung seiner rassischen Gebunden-
Internationale« noch angefragt, ob ein Vortrag aus rium den erforderlichen offiziellen Auftrag, ihn auch heit« wurde die Studentengruppe 1938 Reichssieger.
diesem Anlass dort »zweckmäßig« erscheine.30 Für selbst zu halten.32 Das korrespondierte mit einem Während die experimentellen Leistungen von Hertz
die Präsentation deutscher Wissenschaft im Ausland persönlichen Anliegen von ihm, hatte die Entde- Bewunderung hervorriefen, stießen seine theoreti-

46
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

schen Untersuchungen auf grundsätzliche Ableh- Juden oder »Mischlingen 1. Grades« trugen, korres-
nung, weil die Studenten sie als »artfremd« und »als pondierte mit solchen Bestrebungen.39 Es gab viele
eine Folge seines jüdischen Blutanteils« betrachteten.36 »Hertzstrassen« in Deutschland, und manche hatten
Heidelberger Kommilitonen hatten dies 1937 in einer wohl schon zuvor ihren Namen verloren, wie auch
Festschrift für Lenard ebenfalls schon in ähnlicher aus einem Brief von Max von Laue (1879 – 1960)
Weise skizziert: »Die bei ihm vorhandene Blutmi- an die Witwe von Hertz im September 1937 hervor-
schung der jüdischen und der nordischen Rasse spie- geht. Demnach überraschte ihn eine solche Straße
gelt sich wider in einer inneren Zwiespältigkeit, welche in Flensburg: »Ich muß mich wundern, dass sie der
auf der einen Seite Eigenschaften eines nordischen allgemeinen Umtaufung bisher entgangen ist.«40 Jener
Naturforschers, auf der anderen Seite eine uns fremde Erlass sorgte dann für ein systematischeres Vorgehen.
Denkweise erkennen läßt.«37 Lenard, der noch selbst So wurde in Kiel am 6. April 1939 aus der Hertz-
als Assistent bei Hertz gearbeitet hatte, veränderte in straße unter Beibehaltung der Fachrichtung die
der 1941 erschienenen vierten Auflage seines Buches Röntgenstrasse41, während Bonn 1938 Hertz gegen
»Große Naturforscher« gegenüber der dritten Auflage den Lehrer Beethovens, Christian Gottlob Neefe,
von 1937 die Bewertung von Hertz auch unter Bezug getauscht hatte.42 In Berlin-Siemensstadt wiederum
auf jene Reichssiegerarbeit. Da heißt es u.a. in einer erhielt die Hertzstraße am 17. September 1938 den
zusätzlich eingefügten Fußnote: »Arischer und jüdi- Namen des belgischen Elektroingenieurs Zénobe
scher Geist äußerten sich bei Hertz oft merkwürdig Théophile Gramme.43
unvermittelt nebeneinander.«38 Diese von der »Deut-
schen Physik« behaupteten Gegensätze konnten im [10] Max von Laue. 4. Der Streit um die Einheit der Frequenz
Fall des »halbjüdischen« Hertz in eine einzige Person zweideutigen Wertungen, die für die Behandlung Solche Maßnahmen waren sicherlich geeignet, all
projiziert werden. Aber die Anhänger jener Richtung der Person von Hertz im NS-Staat charakteristisch solche Bemühungen zu ermutigen, den Namen
um Lenard blieben im Wissenschaftsbetrieb nur eine gewesen sind. Dabei setzte sich die Position durch, von Hertz nunmehr gänzlich aus der Öffentlich-
kleine, sektiererische Gruppe, die sich allein durch Hertz in Deutschland möglichst keine öffentliche keit zu verbannen. Eine individuelle Aktion vom
ihre Übereinstimmung mit Teilen der nationalsozi- Würdigung mehr zuteil werden zu lassen. 19. September 1938 gab Anstoß zu einer Diskus-
alistischen Ideologie eine gewisse Zeit überproporti- Ein allgemeiner Erlass des Reichsinnenministeriums sion über die Bezeichnung Hertz für die Einheit der
onales Gehör verschaffen konnte. Der Beitrag jener vom 27. Juli 1938, der die Umbenennung von all Frequenz, die erst nach mehreren Jahren zu einem
»Deutschen Physik« gehört hier aber in die Reihe von jenen Straßen verpflichtend forderte, die Namen von Abschluss gelangte. Es handelte sich um einen Brief,

47
den der Berliner Elektroingenieur und »alte Kämpfer« und Unterstützung. Dazu konsultierte er am 21.
Hermann Gönningen (1894 – 1976) an den im Propa- Oktober 1938 die Fachgruppe »Elektrotechnik, Gas
gandaministerium für Wissenschaft zuständigen und Wasser« im NSBDT (Nationalsozialistischer
Referenten Wilhelm Ziegler (1891 – 1962) sandte.44 Bund Deutscher Techniker), der er mitteilte: »Es ist
Darin wandte er sich gegen den weiteren Gebrauch nach meiner Meinung mit unserer grundsätzlichen
des Namens von Hertz: »Da Heinrich Hertz ein Jude weltanschaulichen Einstellung unvereinbar, dass
war, so muß doch unbedingt verhindert werden, dass Deutschland weiterhin für den Namen des Juden
Deutschland für diesen Juden in der Welt den Spit- Hertz in der Welt Schrittmacher ist. Ich wäre dankbar,
zenreiter abgibt.«45 Sodann beklagte sich Gönningen wenn Sie baldmöglichst einmal überprüfen ließen, ob
über die bislang noch existierende breite Unter- und auf welche schnellste Art und Weise die genannte
stützung für diese Bezeichnung, wobei er in einem Bezeichnung aus dem deutschen technischen Sprach-
Reichsministerium »Freunde des Juden« ausmachte gebrauch verschwinden kann.«47 Der Verantwortliche
und dem Generaldirektor der Firma Lorenz46, in der Fachgruppe bat daraufhin den Verband Deutscher
der er selbst beschäftigt war, attestierte, »zum Juden Elektrotechniker (VDE) um eine Stellungnahme. Da
Hertz« zu stehen. Daher sollte nach seiner Ansicht das man dort sehr unterschiedliche Ansichten in Fach-
Propagandaministerium die »Dinge entscheidend in kreisen der Physik und Elektrotechnik wahrnahm,
die Hand« nehmen. Diese Initiative löste eine Kette bestand die Antwort vom 7. November 1938 in einer
von An- und Nachfragen aus, in der auch die Hierar- ausführlichen Schilderung der historischen Entwick-
chie der dafür zuständigen Stellen sichtbar wird. lung.48 So hatte sich Deutschland schon seit 1930
Das Propagandaministerium leitete die Frage zwecks international darum bemüht, den Namen von Hertz [11] Hermann von Helmholtz 1891.
fachlicher Klärung an das Hauptamt für Technik in für die Einheit der Frequenz festzulegen. Das führte
München weiter. Für den dort zuständigen Reichs- schließlich auf der Sitzung der Internationalen Elekt- 1933 sei laut VDE in Deutschland aber auch auf den
hauptstellenleiter gab es aufgrund einer klaren anti- rotechnischen Kommission im Oktober 1933 in Paris Umstand hingewiesen worden, dass »Heinrich Hertz
semitischen Position, die für seine Behörde gewiss auf Antrag von Italien zum Erfolg. Mit den Stimmen Halbjude gewesen sei« und es daher nicht angebracht
repräsentativ war, keine Zweifel, dass die Bezeichnung von Deutschland, Italien, Frankreich, Holland, Polen sei, die Frequenzbezeichnung nach ihm weiter zu
Hertz nicht mehr akzeptabel sei. Für die Umsetzung und Rumänien und gegen England, Japan und die betreiben. Der VDE wies außerdem darauf hin, dass
einer solchen Willenserklärung in eine konkrete USA, bei Stimmenthaltung von Schweden, war der die maßgebenden Stellen der deutschen Wissenschaft
Handlung benötigte er aber weitere Informationen Antrag angenommen worden. Seit dem Frühjahr und Technik wie die Physikalisch-Technische Reichs-

48
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

anstalt und die technischen Dienststellen der Reichs- schaft im Ausland befürchten zu müssen.«50 Während- Materialprüfungsamtes sowie die Wirtschaftsgruppe
post und Reichsbahn durch die weitere Verwendung dessen hatte es wegen der bis dahin ausgebliebenen Elektroindustrie waren mit einer solchen Regelung
der Bezeichnung Hertz jedoch Fakten geschaffen Antwort schon mehrfach mahnende Nachfragen des einverstanden, nicht zuletzt weil sie den Vorteil bot,
hätten. Insoweit würde der aktuelle Entwurf des Propagandaministeriums gegeben.51 Am 25. Januar bei der Abkürzung »Hz« bleiben zu können. In dieser
deutschen Ausschusses für Einheiten und Formel- 1939 sandte das Hauptamt für Technik die Ausfüh- daraufhin am 8. November 1939 dem Hauptamt
größen (AEF) vom 1. Oktober 1938 vorsehen, die rungen des VDE aber nicht direkt dorthin, sondern für Technik zugeleiteten Denkschrift des VDE
Frequenzbezeichnung Hertz aufzunehmen. Das zunächst an die Parteizentrale, d.h. an das »Braune wurden die positiven Reaktionen der vier erwähnten
dürfe aber nicht als Interesse an der Propagierung Haus« in München, mit der Bitte um Weiterleitung.52 Instanzen aufgeführt. Das Hauptamt für Technik
des Namens Hertz verstanden werden, sondern Auf Grundlage dieser ersten Denkschrift erhielt der übermittelte sie am 20. November 1939 schließlich
wäre lediglich »die Normung eines … bereits weit VDE dann gemeinsam vom Propagandaministerium der Parteizentrale mit der Bemerkung: »Wir halten
verbreiteten Gebrauchs.«49 In der nun als unglücklich und dem Hauptamt für Technik den Auftrag, heraus- diese Lösung für den besten Vorschlag, der bisher
empfundenen Situation, die es kaum empfehlenswert zufinden, »ob und auf welche Weise die genannte auf diesem Gebiet gemacht worden ist.«54 Den VDE
erscheinen ließ, einen offenen Propagandafeldzug Bezeichnung aus dem deutschen Sprachgebrauch wiederum lobte das Hauptamt für Technik mit den
gegen die Frequenzbezeichnung Hertz zu beginnen, zum Verschwinden gebracht werden kann.«53 Worten: »Wir halten die Lösung, welche gestattet die
andererseits aber auch nicht die allgemeine Einfüh- Abkürzung »Hz« beizubehalten, für sehr glücklich, da
rung durch die Normung zu unterstützen, machte der Im VDE glaubte man bald einen besonders eleganten gerade dieser Umstand die Einführung der Änderung
VDE einige Vorschläge, deren öffentliche Erörterung Ausweg gefunden zu haben. Mit Hermann Helm- der Bezeichnung sehr erleichtert.«55 Erst anschließend
jedoch nicht angebracht schien. So könnte dem AEF holtz (1821 – 1894) gab es einen deutschen Physiker, wurde auch der Berufsverband der Physiker vom VDE
empfohlen werden, von der Normung der Frequenz- der Hertz in der Bezeichnung der Frequenz adäquat dazu befragt. Von siebzehn in einem Rundschreiben
bezeichnung Hertz Abstand zu nehmen. Außerdem und fachlich begründet ersetzen konnte. Außerdem angesprochenen Vorstandsmitgliedern der Deutschen
sei den staatlichen Behörden nahezulegen, durch ließe sich in diesem Fall wegen der identischen Physikalischen Gesellschaft (DPG) antworteten elf.56
internen Erlass auf die erwünschte Vermeidung der Anfangs- und Endbuchstaben des Namens sogar die So betrachtete Zenneck eine solche Umbenennung
Bezeichnung hinzuweisen und die grossen Firmen Abkürzung »Hz« beibehalten. Ehe dieser Vorschlag einerseits als »eine besonders wirksame Methode, uns
durch nicht zur Veröffentlichung bestimmte Rund- offiziell zur Vorlage kam, ging es dem VDE darum, im Ausland lächerlich zu machen.« Schließlich wäre
schreiben ebenfalls entsprechend zu unterrichten. Der die Zustimmung der wichtigsten davon betroffenen das einmal von deutschen Organisationen nicht nur
Vertreter der Fachgruppe schloss sich dem an, weil Institutionen einzuholen. Das Reichspostministerium eingeführt, sondern anderen Ländern geradezu aufge-
hier ein Weg aufgezeigt werde, die Frage zu erledigen, begrüßte diese Idee »lebhaft«, und auch das Reichs- drängt worden. »Es wird niemand verstehen, warum
»ohne einen Prestigeverlust der deutschen Wissen- verkehrsministerium, der Präsident des Staatlichen wir das jetzt ohne jeden Anlass abändern wollen;

49
an der Abstammung von Hertz hat sich inzwischen In einer Zusammenfassung vom 26. März 1941
nichts geändert.« Andererseits hielt er einen Namen ging er irrtümlich davon aus, dass es anlässlich des
für die Einheit der Frequenz ohnehin für überflüssig. 50. Jahrestages der Entdeckung elektromagnetischer
Auch die meisten seiner anderen Kollegen wollten Wellen die Anordnung gegeben hätte, die Heinrich-
sich auf diese Diskussion eher nicht einlassen. Max Hertz-Feiern durchzuführen und Heinrich Hertz für
von Laue zog sich darauf zurück, dass die DPG Deutschland in Anspruch zu nehmen. Dabei bezog er
bislang nicht involviert gewesen war und sich deshalb sich auf eine Mitteilung des offensichtlich nicht gut
auch weiterhin jeder Stellungnahme enthalten sollte. informierten Propagandaministeriums, das dahinter
Nur von drei Mitgliedern kam vorbehaltlose Zustim- sogar eine Weisung des Führers selbst vermutete.58
mung, darunter befand sich der Freiburger Professor Die Intervention des Reichserziehungsministeriums
Eduard Steinke (1899 – 1963), der dies im völki- und die dadurch erwirkten Absagen der Feiern waren
schen Sinn zu begründen wusste: »Eine konsequente offenbar unbekannt geblieben. Es brauchte noch
Durchführung der heutigen Volkstumspolitik lässt mehrere Nachfragen, bis die Antwort am 15. August
es als selbstverständlich erscheinen, auch auf dem 1941 endlich vorlag: »…der Reichsleiter den Führer
Gebiete der Wissenschaft die Leistungen volksfremder befragt hat. Der Führer hat entschieden, dass die
Forscher nicht unnötigerweise in den Vordergrund zu Frequenzbezeichnung Herz [sic] beibehalten werden
schieben.«57 soll.«59 In dem totalitären Hitler-Staat war dies
absolut bindend und die Diskussion damit beendet.
Alles deutete nun eigentlich auf die vorgeschlagene Daraufhin beschloss der VDE, den Bereich, in dem [12] Mathilde Hertz.

Umbenennung hin. Dennoch gelang es offenbar die Bezeichnung »Hertz« gelten sollte, sogar noch auf Konvention, die einmal dem Ansehen Deutschlands
zunächst nicht, eine verbindliche Regelung zu finden. die Starkstromtechnik auszudehnen. Bis dahin war hatte dienen sollen, an ihre Grenze gestoßen.
Das Propagandaministerium wollte deshalb nach über sie allein in der Fernmeldetechnik üblich gewesen.
einem Jahr eine Entscheidung des »Stellvertreter[s] Dies, so teilte der VDE dem Hauptamt für Technik 5. Die Wirkung auf die nächste
des Führers« einholen. Walter Tießler (1903-?), dem im Dezember 1941 mit, sei »in einer Entscheidung Generation der Familie Hertz
Verbindungsmann zwischen beiden Institutionen in des Führers über die Beibehaltung der Frequenzbe- 5.1 Mathilde Hertz
der Parteikanzlei (bzw. im Stab des »Stellvertreter[s] zeichnung Hertz begründet.«60 Nachdem der Umgang mit der Erinnerung an Hein-
des Führers«), fiel die Aufgabe zu, dies angesichts Die Bemühungen um die Tilgung des Namens Hertz rich Hertz im Nationalsozialismus untersucht worden
einer ausbleibenden Antwort wiederholt anzumahnen. waren hier nicht zuletzt wegen einer internationalen ist, stellt sich die Frage nach dem Schicksal seiner

50
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

Familie in jener Zeit. Das betrifft in erster Linie seine weil der väterliche Großvater Gustav Ferdinand Hertz
Witwe und die beiden Töchter, die erst drei bzw. bereits als Kind getauft worden war. So schrieb sie
sechs Jahre alt gewesen waren, als ihr Vater so jung am 19.  Juli 1933 noch ergänzend zu ihrem Frage-
verstarb. Sie schlugen ganz unterschiedliche Berufs- bogen: »Alle 8 Urgroßelternteile waren evangelisch
wege ein. Johanna, die ältere von beiden, wurde getauft, bei der vätermütterlichen und der müttervä-
Kinderärztin. Über sie ist sonst wenig bekannt. terlichen Seite handelt es sich um Pastorenfamilien.
Mathilde wählte zunächst eine künstlerische Ausbil- Mein Urgroßvater Heinrich D. Hertz gehörte zum
dung und war, wie schon erwähnt, an der Gestaltung Vorstand seiner Hamburger Kirchengemeinde. Mein
der Herme ihres Vaters für das Deutsche Museum Großvater Dr. jur. Gustav F. Hertz, als Kind getauft,
beteiligt, wo sie selbst zwischen 1918 und 1923 in der war als Senator (seit 1866) und Chef der Hamburger
Bibliothek arbeitete. Ab 1921 ging sie parallel an der Justizbehörde zugleich Kirchenspielherr (Kirchenauf-
Münchener Universität einem Studium der Zoologie sichtsbehörde).«62
und Paläontologie nach, das sie 1925 mit der Promo- Max Planck (1858 – 1947) teilte dem Reichsminis-
tion abschloss. Ein Forschungsstipendium der Notge- terium des Innern in seiner Eigenschaft als Präsident
meinschaft ermöglichte ihr zunächst eine Tätigkeit in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am 21. Juli 1933
der Zoologischen Staatssammlung in München, ehe daraufhin noch ergänzend mit, dass die Assistentin
sie 1927 als selbständige Gastwissenschaftlerin an die und Privatdozentin Mathilde Hertz Arierin sei, da
Abteilung für Vererbungslehre und Biologie der Tiere alle acht Urgroßeltern evangelisch getauft gewesen
am Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) in Berlin wech- seien. Aus Plancks Sicht schien die drohende Entlas-
selte. Im April 1929 erhielt sie schließlich eine feste sung damit abgewendet, und er vergaß nicht auf ihren
Stelle am KWI für Biologie. In demselben Jahr habi- Vater hinzuweisen, »weil eine Entlassung der Tochter
[13] Max Planck.
litierte sie sich an der Berliner Universität mit einer des berühmten Physikers im In- und Ausland einen
Abhandlung über »Die Organisation des optischen digen Ministerium Auskunft über die eigene Abstam- sehr ungünstigen Eindruck hervorgerufen haben
Feldes bei der Biene« und erhielt im Mai 1930 die mung zu erteilen. Dabei war die Religionszugehö- würde.«63 Aber aufgrund des Gutachtens eines Sach-
Lehrbefugnis.61 rigkeit von Eltern wie Großeltern anzugeben. Ein verständigen für Rasseforschung stufte das Ministe-
Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam- jüdischer Großelternteil war hinreichend dafür, als rium Mathilde Hertz schließlich doch als »nichtarisch«
tentums zwang alle Lehrkräfte der Universität wie sogenannter Nichtarier klassifiziert und entlassen zu ein und forderte Planck am 27. Oktober 1933 auf, den
auch die Mitarbeiter der KWIs 1933 dem zustän- werden. Mathilde Hertz fühlte sich nicht betroffen, Vertrag mit ihr zu kündigen. Ihre Venia Legendi an

51
der Universität hatte sie bereits aufgrund des Berufs- anderen, so argumentierte Planck, »würde es auch im
beamtengesetzes verloren. Daraufhin kündigte Planck Inlande wie im Auslande dankbar anerkannt werden,
ihr nun pflichtgemäß, versuchte aber dennoch gleich- wenn die Tochter von Heinrich Hertz, dem allein
zeitig eine Ausnahmeregelung für sie zu erreichen. wir die Entdeckung der drahtlosen Welle verdanken,
Zum einen würde das von ihr vertretene Forschungs- ihre wissenschaftliche Arbeit fortsetzen könnte.«64 Im
gebiet sonst in Deutschland nicht gepflegt, zum Januar 1934 kam es daraufhin tatsächlich zu einer
der ganz seltenen Ausnahmeregelungen durch das
Ministerium des Innern, das damit die Belassung von
Mathilde Hertz auf ihrer Stelle genehmigte.65
Dennoch glaubte sie offenbar nicht mehr an eine
berufliche Zukunft in Deutschland. Während eines
Aufenthaltes in England im November 1935 sondierte
sie dort ihre Arbeitsmöglichkeiten. Dabei profi-
tierte sie von der freundschaftlichen Sympathie, die
es unter den älteren englischen Physikern für ihren
Vater gegeben hatte. Sie zeigten sich schockiert über
die »German authorities who make it impossible for
a member of the Hertz family to continue her work
in Germany.”66 Ernest Rutherford (1871 – 1937) sah
in der Aufnahme von Mathilde Hertz auch einen
symbolischen Akt, »when we consider the enormous
prestige Germany of the old days gained from the [15] Gustav Hertz.

discoveries of her father.«67 Im Januar 1936 siedelte damit.«68 Allerdings gelang es Mathilde Hertz länger-
Mathilde Hertz nach Cambridge über und holte fristig nicht mehr, ihre Karriere erfolgreich fortzu-
ein halbes Jahr später sowohl ihre ältere Schwester setzen. Spätestens seit 1940 war sie ernsthaft krank
als auch ihre Mutter nach, die Max von Laue etwas und zu weiterer wissenschaftlicher Arbeit offenbar
[14] Ernest Rutherford gehörte 1933 zu den Unterzeichnern des später von ihrer Emigration berichtete: »Wir leben nicht mehr imstande. Auch in politisch-menschlicher
Gründungsaufrufs einer Organisation (Academic Assistence Council), die
Wissenschaftsemigranten bei der Vermittlung von Stellen helfen sollte. hier sehr still und zurückgezogen, sind aber sehr froh Hinsicht scheint sie sich in England nicht adaptiert

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Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

zu haben. Im Unterschied zu anderen Emigranten prinzipiell in gleicher Weise wie seine Cousine, aber
bemühte sie sich nie um die englische Staatsbürger- die Ausnahmeregelung für Frontkämpfer bewahrte
schaft und erweckte offenbar den Eindruck, sich trotz ihn zunächst vor der Entlassung. Im Jahr 1934 entzog
ihrer schlechten persönlichen Erfahrungen stärker mit man ihm als »Nichtarier« jedoch die Prüfungsberech-
Deutschland als mit ihrem Aufnahmeland zu identi- tigung. In dieser Situation setzte sich sogar der natio-
fizieren.69 In ihren letzten Lebensjahren beteiligte sie nalsozialistische Kollege Johannes Stark (1874 – 1957)
sich noch an den Arbeiten zu der zweiten, nunmehr engagiert für sein Verbleiben an der Hochschule ein:
doppelsprachigen Auflage der »Erinnerungen, Briefe »Hertz … hat in seinem Äußeren, in seinem Auftreten
und Tagebücher« ihres Vaters.70 und in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit nichts
Jüdisches. Er gehört zu den wenigen erstklassigen
5.2 Gustav Hertz Physikern, die wir haben, ist auch Nobelpreisträger.
Als Sohn des ein Jahr nach Heinrich Hertz geborenen Er ist zudem der Neffe des großen Physikers Heinrich
Bruders Gustav Theodor war Gustav Hertz (1887 Hertz, also der Träger dieses berühmten Namens. Es
– 1975) ein Cousin von Mathilde.71 Gustav Hertz wäre eine Dummheit sondergleichen, diesem Mann
promovierte 1911 mit einer spektroskopischen Arbeit deswegen die Prüfungserlaubnis zu entziehen, weil
in Berlin. Nach der Kriegsteilnahme an der Ostfront, sein Grossvater Jude war.«73 Es gibt Hinweise, dass
von der er schwer verwundet zurückkehrte, wurde er Hertz die Prüfungsberechtigung möglicherweise
1917 Privatdozent an der Berliner Universität. Im Jahr doch noch hätte behalten können. Da sich ihm aber
1920 ließ er sich von dieser Funktion beurlauben, um inzwischen eine andere, attraktivere Option bot, trat
in dem neugegründeten Forschungslaboratorium der er am 30. Juni 1935 von seiner Professur zurück.
Philips Glühlampenfabriken in Holland zu arbeiten. Unmittelbar anschließend übernahm er die hoch
[16] Johannes Stark
Für das Jahr 1925 erhielt er gemeinsam mit James dotierte Leitung eines eigens für ihn geschaffenen
Franck (1882 – 1964) den Physiknobelpreis. Seine keine Rolle gespielt zu haben. Im Dezember 1927 Forschungslaboratoriums bei der Firma Siemens,
Berufung als Hochschullehrer zurück nach Deutsch- erhielt er den Ruf an die Technische Hochschule wo ihm ca. zwanzig wissenschaftliche Mitarbeiter
land, zunächst 1926 auf einen Lehrstuhl nach Halle, Berlin, wo er fortan als Ordinarius und Direktor des zur Verfügung standen.74 Mit seiner Fakultät fand
führten Kollegen wie Zenneck auf »unerwünschte physikalischen Instituts wirkte. er ein Arrangement, das ihm durch die Verleihung
jüdische Kräfte« zurück.72 Solche Unterstellungen Das schon erwähnte Berufsbeamtengesetz von 1933 einer Honorarprofessur die Möglichkeit beließ, auch
scheinen aber ansonsten für die Karriere von Hertz betraf Hertz aufgrund seiner Abstammung zwar weiterhin Studenten zu promovieren.75

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Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

Cambridge 3.X.37
3 St. Margaret´s Road

Hochgeehrter Herr Professor!

Ich möchte doch nicht versäumen, Ihnen einmal Grüße von hier zu senden. Ich hoffe, dass es
Ihnen gut geht. Von uns kann ich nur gutes berichten. Wir leben hier sehr still und zurückgezogen,
sind aber sehr froh damit. Meine Tochter Mathilde ist vorübergehend in der Schweiz, sie arbeitet
in Bern am Zool. Institut. Eine besonders grosse Freude wurde mir kürzlich zu Teil durch einen
Brief aus Amerika, der mir zeigt, dass die physikalische Wissenschaft sich erinnert, dass vor nun
gerade 50 Jahren meinem Mann die entscheidenden Versuche über den Nachweis der elektri-
schen Schwingungen im freien Raum gelungen sind. Ich gedenke natürlich lebhaft jener Zeit und
erinnere genau, wie mein Mann in diesen Oktobertagen nach Hause kam mit strahlend glück-
lichen Augen: Jetzt seien ihm Versuche geglückt, so schön, dass er gerne alle seine bisherigen
Arbeiten dafür hergäbe. Und kurze Zeit danach sah ich in seinem ganz verdunkelten Hörsaal,
im Physik. Laboratorium in Karlsruhe die ersten winzig kleinen Fünkchen, als Beweise der Wellen
in der freien Luft. Ich glaube, er konnte zuerst in dem so beschränkten Raum nur 3-4 Wellenlän-
gen nachweisen. Damals dachte mein Mann nur an einen rein wissenschaftlichen Wert dieser
Versuche. Aber ich freue mich, dass ihm in seinem so kurz bemessenen Leben doch noch so viel
Anerkennung zu Teil wurde, wie er sie nie erwartet hatte.
Ihre sehr ergebene
Elisabeth Hertz

Brief von Elisabeth Hertz an Max von Laue vom 3. Oktober 1937.

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Etwa in der Mitte des Jahres 1938 wollte das Reich- nung zum Honorarprofessor die Tatsache anerkannt 6. Schlussbetrachtungen
serziehungsministerium auch alle noch im Dienst worden, dass eine rein formale Behandlung der Die zahlreichen Ehrungen von Heinrich Hertz und
befindlichen Hochschullehrer ihres Amtes entheben, Abstammungsfrage der Beurteilung meiner Persön- deren überwiegende Tilgung im nationalsozialisti-
die »Mischlinge« oder »jüdisch versippt« bzw. mit lichkeit nicht gerecht wird. … Ich bitte daher, mir schen Deutschland wie auch seine Vereinnahmungen
»Mischlingen« verheiratet waren. Die weitere Tätig- das durch meine Ernennung zum Honorarpro- für Deutschland, die deutsche Wissenschaft und die
keit von »Vierteljuden« im öffentlichen Dienst fessor zum Ausdruck gebrachte Vertrauen auch jüdischen Deutschen hatten sich teilweise recht weit
wurde ausdrücklich als unerwünscht bezeichnet.76 weiterhin entgegen zu bringen und mir dadurch für von seiner Person entfernt. Hertz eignete sich ohne
Im Fall von Gustav Hertz konnten jedoch beamten- die Zukunft die Möglichkeit zu geben, mit vollen Zweifel dazu, die Bedeutung der deutschen Wissen-
rechtliche Regelungen nicht greifen, da er nur noch Einsatz meiner Kräfte an der Lösung der dringenden schaft des 19. und 20. Jahrhunderts zu repräsentieren.
eine Honorarprofessur innehatte. Das Ministerium Aufgaben der gegenwärtigen Zeit mit zu arbeiten. Mit seinem frühen Tod umgab ihn dazu noch eine
versuchte daher, Hertz zunächst über den Rektor Heil Hitler!«77 Da auch die Hochschule stark daran Tragik, die es der Nachwelt beinahe verpflichtend
der Technischen Hochschule zu einer freiwilligen interessiert war, Hertz zu halten, lenkte schließlich aufgab, an ihn zu erinnern. Die jüdische Herkunft
Niederlegung seiner akademischen Funktion zu sogar das Ministerium ein. Hertz wurde als »ein von Hertz besaß erst für die Nachwelt eine Bedeu-
bewegen. Aber Hertz war keineswegs gewillt, dies einzig dastehender Sonderfall« betrachtet, den man tung, die sie für ihn selbst nie gehabt hatte. Weder
zu tun. Dabei distanzierte er sich in gewisser Weise aufgrund seines großen Verständnisses für die nati- gab es soziale Prägungen durch die Familie, noch
von seinem »nichtarischen« Viertel: »Der Herr onalsozialistischen Belange im Amt beließ.78 Damit erfuhr Hertz Benachteiligungen oder Ausgrenzungen
Dekan der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften hatte es Hertz im Juli 1939 definitiv erreicht, als in seinem gesellschaftlichen oder beruflichen Umfeld.
hat mir die Frage vorgelegt, ob ich bereit sei, mit besondere Ausnahme in seiner Nische verbleiben zu Erst durch die Annahme »rassischer« Eigenschaften,
Rücksicht auf meine zu einem Viertel nicht arische können. Aber selbst dies reichte nicht aus, um jede die für das Judentum charakteristisch wären, exis-
Abstammung auf meine Honorarprofessur an der Unsicherheit im Umgang mit ihm auszuräumen. tierte scheinbar eine Möglichkeit dieser jüdischen
Technischen Hochschule Berlin zu verzichten. … Als die Reichsstudentenführung 1942 im Rahmen Herkunft eine Qualität zuzuordnen. Zum einen sollte
bin ich jedoch der Ueberzeugung, dass ich in allen der wissenschaftlichen Auslandspropaganda eine die Person von Hertz einigen jüdischen Autoren dazu
wesentlichen Erbanlagen durch meine arischen Studienmappe über »Geometrische Elektronen- dienen, der Behauptung von der Minderwertigkeit
Vorfahren bestimmt bin, was nach den Vererbungs- optik« vorbereitete, holte das Propagandaministe- des Judentums entgegenzutreten. Zum anderen galt
gesetzen durchaus möglich ist. Auch die Art meiner rium zuvor noch die Erlaubnis der Parteikanzlei er in der Zeit des Nationalsozialismus als nicht mehr
Amtsführung als ordentlicher Professor in den ein, dabei den Namen von Gustav Hertz nennen zu deutsch genug, um weiterhin in prominenter Weise
Jahren 1925 bis 1935 dürfte dies beweisen. Nicht dürfen.79 öffentlich gewürdigt zu werden. Angesichts internati-
zuletzt ist durch meine im Jahr 1935 erfolgte Ernen- onaler Verflechtungen musste aber selbst in jener Zeit

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Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff

in der Wissenschaft des 19. und 20. Jahrhundert nicht Sonderbriefmarke heraus, und der Minister für Post-
mehr voneinander zu trennen waren. und Fernmeldewesen telegrafierte an die Töchter:
Heinrich Hertz steht für die Verbindung desjenigen »Nach einer eindrucksvollen Feier in der Technischen
Teils eines ökonomisch aufstrebenden Judentums Hochschule in Karlsruhe ist es mir ein Herzensbe-
in Deutschland, der sich von seiner alten Religion dürfnis, Ihnen mitzuteilen, daß wir Ihres großen
abgewandt hatte, mit einer christlichen Mittel- und Vaters an seinem 100. Geburtstag in Verehrung und
Oberschicht. Während Hertz mit diesem Hinter- Dankbarkeit gedacht haben.«80 In der Zeitschrift der
grund noch unbestritten zur deutschen Gesellschaft jüdischen Emigranten in England erschien ein Artikel
gehörte, sollte dies für die folgende Generation unter des emigrierten Physikers Herbert Fröhlich (1905 –
den Bedingungen des Nationalsozialismus nicht mehr 1991) zu diesem Anlass. Die von der Redaktion abge-
gelten. Deren Angehörige waren nun sogenannte fasste Einleitung erwähnte die beiden in Cambridge
Mischlinge, die ebenso wie die Juden bzw. diejenigen, lebenden Töchter.81 Deren Emigration hatte im
die per Gesetz als solche galten, aus dem wissenschaft- Verständnis von Rutherford symbolische Bedeutung
lichen und kulturellen Leben im Deutschen Reich gehabt. So erinnerte auch ihr Exil weiter daran, dass
weitgehend ausgeschlossen wurden. Diese Gruppe in der Heimat von Hertz ein Stück Wissenschafts-
umfasst also nicht nur Juden und darf für statistische kultur verloren gegangen war.
Betrachtungen daher nicht auf den jüdischen Bevöl-
kerungsanteil von einem Prozent bezogen werden.
[17] Heinrich-Hertz-Sondermarke, herausgegeben von der Bundespost Der Neffe von Heinrich Hertz konnte als Ausnahme-
zum 100. Geburtstag des Physikers.
fall in einer Nische in Deutschland verbleiben, weil
davon Abstand genommen werden, die auf seinen er neben seiner Honorarprofessur eine wichtige Posi-
Namen lautende Frequenzbezeichnung zu verändern. tion in der Industrie bekleidete und außerdem bereit
Die kleine Minderheit völkisch denkender Physiker war, dem NS-Staat seine Loyalität zu versichern. Die
um Lenard versuchte, die experimentelle Forschung Witwe und die beiden Töchter emigrierten dagegen
von Hertz einem positiven arischen, seine theoreti- nach England.
schen Arbeiten dagegen einem negativen jüdischen Zum 100. Geburtstag von Heinrich Hertz im Jahr
Anteil seiner Persönlichkeit zuzuordnen. Tatsächlich 1957 fanden in Deutschland zahlreiche Veranstal-
zeigten sie damit eher, dass Jüdisches und Deutsches tungen zu seinen Ehren statt. Die Post brachte eine

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»Originale Kopien«
Hertz' Bonner Vermächtnis
Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

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»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

Einleitung
Die Apparaturen, mit denen Heinrich Hertz in
Karlsruhe zwischen 1886 und 1888 seine berühmten
Versuche zum Nachweis elektromagnetischer Wellen
unternahm, stehen im nationalen Schatzhaus für
Wissenschafts- und Technikgeschichte, dem Deut-
schen Museum in München. Dort, in Vitrinen
geschützt und doch sichtbar, verströmen sie die Aura
des Einmaligen und gehören zweifellos zur Klasse der
»Meisterwerke« in der Sammlung auf der Isarinsel.

[2] Der »Buen-Retiro«-Flügel des ehemaligen Kurfürstlichen Schlosses und jetzigen Universitätshauptgebäudes

Stücke hergestellt. Zudem existieren noch weitere sität Bonn in seinem Tagebuch. Das Institut, das er
Apparaturen und Objekte aus Hertz´ Bonner Zeit. Im von nun an leiten sollte, befand sich im Südwest-
[1] Die originalen Apparaturen von Heinrich Hertz in der Dauerausstellung Folgenden sollen die Voraussetzungen und Umstände flügel des Universitätshauptgebäudes, dem ehema-
des Deutschen Museums.
für die Entstehung dieses bis heute im Institut gehü- ligen Kurfürstlichen Schloss. Dieser Flügel des
Während die originalen Apparate in München teten materiellen Vermächtnisses nachgezeichnet Schlosses, der an der Ecke Hofgarten und Kaiser-
sind, gibt es in Bonn jedoch »originale Kopien« der werden. platz gelegen ist, diente seit seiner Errichtung 1715
berühmten Parabolspiegel, mit denen Hertz die licht- als »Buen-Retiro«, also Ruhe – und Zufluchtsort der
ähnlichen Eigenschaften der elektromagnetischen I. Hertz´ neue Wirkungsstätte – Das Physikali- Kurfürsten. Vor allem Joseph Clemens (1671 – 1723)
Strahlen nachgewiesen hat. Heinrich Hertz hat sie im sche Institut der Universität Bonn und Clemens August (1700 – 1761) richteten sich im
Laufe seiner – wenn auch kurzen – Zeit als Direktor »3. April 1889. Nach Bonn.«1 So lakonisch doku- Obergeschoss ihre Privatgemächer ein.2 Nach der
des physikalischen Instituts der Universität Bonn mentiert Hertz seinen Wechsel von Karlsruhe auf Errichtung der preußischen Rheinprovinz, in Folge
nach dem Vorbild der in Karlsruhe verbliebenen den Lehrstuhl für Experimentalphysik der Univer- der Beschlüsse des Wiener Kongresses 1815, wurde

61
Bonn 1818 Sitz der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-
Universität. Das ehemals kurfürstliche Schloss
wurde zum Hauptgebäude der neuen Hochschule.
Die kurfürstliche Zufluchtsstätte im »Buen-Retiro«-
Flügel wurde profaniert und war bis 1885 noch Sitz
der medizinischen Kliniken. Nach ihrem Auszug bot
man Rudolf Clausius (1822 – 1888), dem Vorgänger
von Heinrich Hertz in der Institutsleitung, die zahl-
reichen freigewordenen Räume an. Die Physik musste
sich bis dahin mit zwei Räumen und einem Hörsaal
im Mitteltrakt des Schlosses bescheiden. Für den

[4] Das Eckzimmer im Obergeschoss diente Heinrich Hertz als Büro.

eher theoretisch orientierten Clausius mag das auch sius die ehemaligen Zimmer des Kurfürsten Clemens
genügt haben. Die nun für das Physikalische Institut August (1700 – 1761) als eigenes Domizil. Von dort
recht üppig zur Verfügung stehenden Räumlich- hatte er einen schönen Ausblick auf das Poppelsdorfer
keiten kamen ihm aber dennoch zupass. Da Clausius Schloss und den Hofgarten. Ein weiterer Vorzug für
seit seiner Teilnahme als Führer eines studentischen ihn, wenn auch nicht für sein Institut, war ein begeh-
Sanitätscorps am Deutsch-Französischen Krieg in der barer Garten im extra dazu aufgeschütteten Innenhof
Schlacht bei Gravelotte am 18. August 1870 am Knie des Schlossflügels. Ursprünglich gedacht, um dem
verwundet worden war,3 war er schlecht zu Fuß und Kurfürsten den direkten Gang von seinen Gemächern
nutzte die Gelegenheit um seinen Wohnsitz direkt ins in einen privaten Garten zu ermöglichen, erwies sich
[3] Rudolf Clausius.
Institut zu verlegen. Geschmackssicher wählte Clau- dieses gartenbauliche Kleinod als schwere Hypothek

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»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

einsam ist es in diesen Räumen; wenn ich hier sechs


Praktikanten denke, wo fünfzig bequem arbeiten
könnten, wird mir angst, und einstweilen irre ich
allein nicht ohne Beklemmung in denselben herum.
Und alle die Keller und Gänge, wo das Wasser von
der Decke tropft und man Quellen rauschen hört –
hu– hu– hu.«5 Das warme Zimmer, das Hertz hier
erwähnt, war einst das kurfürstliche Schlafgemach.
Schon während eines Ortstermins im Zuge der
Berufungsverhandlungen hatte Hertz noch Ende
Dezember 1888 die Raumsituation im Physikalischen
Institut geprüft und gemeinsam mit der Universi-
tätsleitung und dem maßgeblichen Referenten im
preußischen Kultusministerium Friedrich Althoff6
erörtert. Hertz beschrieb die Dienstwohnung seinen
Eltern als »eine lange Reihe von Zimmern von fürstli-
chen Dimensionen«. Für das eigentliche Physikalische
Institut blieb daher nur noch vergleichsweise wenig
Platz übrig. Da keine Mittel
für einen Neubau bereit-
standen, schlug die Fakultät
Hertz vor, die Dienstwoh-
[5] Grundriss des Universitätshauptgebäudes etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Im »Buen-Retiro«-Flügel ist noch die Universitätsklinik untergebracht.
nung für den Institutsbetrieb
für spätere Nutzer. In Ermangelung einer Drainage Vor diesem Hintergrund ist auch die schon im Beitrag zu nutzen. Zugleich legte sie
sogen sich die inneren Mauern des Erdgeschosses von Michael Eckert erwähnte Passage aus Hertz´ ihm nahe, sich andernorts
zunehmend mit Wasser voll. Dessen ungemütlicher Tagebuch vom 5. April 1889 zu lesen: einzuquartieren. Entschei-
Charakter wurde noch durch die dicken Mauern des »Nachdem ich ein warmes Zimmer habe, gefällt es dungshilfe gab es sowohl
einst als Bastion angelegten Schlossflügels verstärkt.4 mir recht gut im Institut, nur so entsetzlich leer und von einem Mediziner, der die [6] Friedrich Althoff.

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Besonderheiten des Gebäudes ja noch bestens aus den
Kliniktagen kannte und die Wohnung ȟberhaupt
für ungesund«7 hielt, als auch von Althoff, der Hertz
einen Wohngeldzuschuss bewilligte8. Hertz kaufte
daraufhin das ehemalige Wohnhaus seines Vorgängers
Clausius in der Quantiusstraße. »Daß das Haus von
einem in meiner Wissenschaft hochberühmten Mann
bewohnt wurde, ist natürlich noch ein weiterer Reiz
für mich und alle Physiker, welche mich etwa besu-
chen«, gestand er seinen Eltern. Zwar lag das Haus
auch schon damals genau an der Bahnlinie, doch der
Verkehr hielt sich noch in Grenzen, und die Familie
Hertz fühlte sich nach eigenen Aussagen recht wohl
darin. Weniger kommod blieb das feuchte und dunkle
Institut. Doch auch eine ungeschminkte Zustandsbe-
schreibung, die Hertz gemeinsam mit dem Kurator
der Universität und deren Bauinspekteur an Althoff
abschickte, brachte keine substantiellen Verbesse-
rungen. Trotz des »wegen Feuchtigkeit und mangel-
hafter Beleuchtung«9 als »völlig unbrauchbar«10 einge-
schätzten Erdgeschosses und erheblicher Nässe auch
in manchen der oberen Räume, blieb es bei einer
eher kosmetischen Renovierung. Hertz richtete sich
nun darin ein. Ihm standen auf den beiden Etagen
etwa 20, zum Teil recht große Räume zur Verfügung.
Dazu kamen noch ein großer und ein kleiner Hörsaal.
Die Laboratorien wurden in das besonders ungemüt-
[7] Hertz begutachtet das feuchte Untergeschoss. Wie er später berichtete, brauchte man nach starken Regenfällen beim Experimentieren noch tagelang
einen Regenschirm. liche und düstere Erdgeschoss verlegt, wo heute die

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»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis
Skandinavisten residieren. In den helleren und etwas
trockeneren Räumen der einstigen Clausius´schen
Dienstwohnung richtete Hertz sein Arbeitszimmer [8] Inventar das Physikalischen Instituts der Universität Bonn.
Heinrich Hertz hat es im November 1889 eigenhändig
und die Bibliothek ein. Heute befindet sich dort das angelegt.
Kunsthistorische Institut.

II. Die apparative Ausstattung


Die Ausstattung des Instituts hielt der kritischen
Überprüfung durch den neuen Direktor nicht stand.
»An Apparaten fehlt viel.«11 Das verwunderte nicht
weiter, denn Clausius war an experimenteller Arbeit
nur wenig interessiert. Hertz verschaffte sich zunächst
mühsam einen Überblick. »Im Laboratorium mache
ich mir viel Arbeit mit Neuordnungen der Sammlung,
und ich will auch ein ganz neues Inventar aufstellen.
Ob´s mir jemand dankt, ist wohl fraglich, aber einmal
muß doch wenigstens alle zwanzig Jahre Ordnung
gemacht werden, und da ich lange bleiben möchte,
tue ich´s lieber zu Anfang. Hoffentlich hält der Eifer,
bis alles in Ordnung ist.«12 Das Resultat seiner Bemü-
hungen, ein von Hertz ab November 1889 hand-
schriftlich verfasstes Inventar aller vorhandenen Inst-
rumente, wird noch heute im Physikalischen Institut
der Universität Bonn in Ehren gehalten.
Da Hertz viele Apparate in Bonn vermisste, mit denen
er in seinem gut sortierten Karlsruher Laboratorium
gearbeitet hatte, begann er schon recht bald mit der
[9] Vorwort zum Inventar von 1889. Die Abschnitte 1 – 3
Ergänzung des Bestandes. Eine überaus faszinierende hat Heinrich Hertz selbst verfasst.

65
Dokumentation dieser Aktivitäten findet sich im
sogenannten »Copirbuch«, das er im August 1889
anlegte. Darin ist die gesamte Korrespondenz mit
den jeweiligen Geschäftspartnern bis 1893 enthalten.
Hertz drückte bei dieser damals weit verbreiteten
Methode der Duplikation seine mit Tinte geschrie-
benen und noch feuchten Briefe auf dünnes Trans-
parentpapier. Bei der Lektüre lernt man den jungen
Institutsdirektor als freundlichen und höflichen
Zeitgenossen kennen, der es aber auch nicht an der
notwendigen Deutlichkeit fehlen ließ, wenn er mit
seinen Geschäftspartnern einmal unzufrieden war.
Einer der ersten, dem Hertz aus Bonn schrieb war sein
ehemaliger Institutsmechaniker in Karlsruhe, Julius
Amman. »Erlaubt es Ihre Zeit, mir für das hiesige
Institut eine genaue Copie der in Karlsruhe vorhan-
denen sog. Knochenhauerschen Spiralen zu machen?
Es sind das die beiden sich gegenüberstehenden Holz-
scheiben, mit spiralig eingelassenen Drähten, (...).«13
Derartige Spiralen inspirierten Hertz 1886 zu den
Versuchen, die ihn in der Folge auf die Spur der [10] Aus dem »Copirbuch«: Brief von Heinrich Hertz an Julius Amman vom 28. Oktober 1889.
damals unbekannten elektromagnetischen Wellen
führten. Früheren Physikergenerationen dienten diese Vorlesungsvorbereitungen mit diesen Spiralen expe- Schlag eines kleinen Induktionsapparates, sobald nur
Spiralen, die jeweils durch eine Funkenstrecke unter- rimentierte, machte er eine ungewöhnliche Beob- die Entladung eine Funkenstrecke zu überspringen
brochen waren, zur Demonstration der Induktion. achtung. »Es hat mich überrascht, daß es nicht nötig hatte.«14
Als Induktion bezeichnet man das Auftreten einer war, große Batterien durch eine Spirale zu entladen, Nach Erhalt der beiden gewünschten Spiralen einige
elektrischen Spannung bei einer zeitlichen Änderung um in der anderen Funken zu erhalten, daß vielmehr Wochen später,15 kommt es aber nicht zu einem
eines Magnetfeldes. Als Hertz in Karlsruhe bei den hierzu auch kleine Leydener Flaschen genügten, ja der systematischen Aufbau einer Apparatesammlung für

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»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

Experimente mit elektromagnetischen Wellen und


speziell zur weiteren Bestätigung der Ergebnisse seiner
Karlsruher Hörsaal-Experimente. Das hätte eigent-
lich nahe gelegen, denn in Karlsruhe erschienen ihm
weitere Wiederholungen nutzlos, weil »ich ganz sicher
war, unter gleichen Umständen mit gleichen Appa-
raten, das Gleiche wieder zu finden«.16 In Bonn hätte
er ja nun zumindest neue Räume und damit neue
Bedingungen gehabt, doch noch im Mai 1890 war
das verblieben. »Denn ich habe mir die nötigen Appa-
rate noch gar nicht machen lassen, auch fehlt mir eine
tüchtige Hilfe, wie ich sie in Karlsruhe an meinem
Mechaniker hatte. Sie wundern sich vielleicht, aber die
viele andere Arbeit, die ich vorfand, die Notwendig-
keit, meine Augen zu schonen, und auch ein gewisser
Überdruß an den elektromagnetischen Wellen, mit
denen ich mich zwei Jahre ausschließlich beschäftigt
hatte und die mich nun nicht wieder loslassen wollen, [11] Die Bonner Parabolspiegel. Links ist der Sende-Spiegel, rechts der Empfänger-Spiegel abgebildet.

macht doch die Sache erklärlich.«17


Die Lage, die Hertz hier seinem Schweizer Kollegen baute, nach Vorschlag von Hertz, einen neuen Dipol- in der Vorlesung demonstrierte.19 Im Unterschied
Édouard Sarasin schilderte, änderte sich erst im Herbst sender mit zwei quadratischen Zinkblechplatten (40 zur ersten Karlsruher Ausführung, die zwei Meter
1890 mit der Ankunft des Norwegers Vilhelm Bjer- x 40 cm2) an den Enden, den er in seinen Veröffent- hoch war, bei einer Öffnung von 120 cm, sind die
knes im Bonner Institut. Bjerknes wollte das Winter- lichungen auch ausführlich beschrieb.18 Es ist nicht Bonner Spiegel nur einen Meter hoch. Ansonsten ist
semester nutzen, um bei Hertz das Experimentieren abwegig zu vermuten, dass Hertz in dieser Zeit wieder der Aufbau identisch mit dem Original. Das dünne
mit elektromagnetischen Wellen zu erlernen. Hertz Geschmack an der Beschäftigung mit »seinen Wellen« Zinkblech wurde auf einem gewölbten Holzrahmen
wurde somit durch die Betreuung seines Gastes trotz fand. Ende Januar beschreibt er in seinem Tagebuch zur parabolischen Form gebogen. Um die Spiegel
des zuvor geäußerten Überdrusses nolens volens den Bau der beiden Parabolspiegel und eines Polari- besser handhaben zu können, wurden sie auf ein fahr-
wieder mit der Thematik konfrontiert. Bjerknes sationsgitters, die er schon Anfang Februar erstmals bares Holzgestell gesetzt.

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In der Sammlung des Physikalischen Instituts
befindet sich noch ein Dipolsender, der aus zwei
Zinkblechplatten (31 x 31 cm2) besteht und mit zwei
Anschlüssen für eine Doppelleitung versehen ist. Mit
einer ähnlichen Anordnung hatte Hertz in Karlsruhe
die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen entlang
von Drähten bestimmt. Ihm unterlief dabei allerdings
bei der Berechnung der Frequenz ein Fehler. Messen
konnte man diese hohen Frequenzen damals noch [13], [14] Keisförmige Detektoren mit Funkenstrecken zum Nachweis der magnetischen Komponente der elektromagnetischen Wellen.
[15] Detailaufnahme der verstellbaren Funkenstrecke.
nicht. Statt des Wertes von 300.000 km/sek., also der
Lichtgeschwindigkeit, erhielt er einen Wert, der um war 1,5 Hundertmillionstel Secunde, darnach wäre schen Komponente der elektromagnetischen Wellen. Sie
den Faktor 1,4 kleiner war. Doch dieses Ergebnis war die Fortpflanzungsgeschwindigkeit 200.000 Kilo- haben einen Durchmesser von 65 und 86 cm. Obwohl
ihm selbst nicht ganz geheuer, wie ein Brief an seinen meter/Secunde. Vielleicht rechnet man aber besser noch aus Clausius´ Zeiten ein recht großer Rühmkorff-
verehrten Lehrer Helmholtz zeigt: »Die Schwin- die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den Drähten Funkeninduktor21 vorhanden war, entschied sich Hertz
gungsdauer aus Potential und Capacität berechnet, gleich Lichtgeschwindigkeit (...).«20 zu einer Neuanschaffung. Schon im Oktober 1889 hatte
er die Firma Keiser & Schmidt in Berlin gebeten, ihm
Nach der Veröffentlichung haben mehrere seiner Kollegen »an die Adresse und die Rechnung des physikalischen
versucht, den Fehler zu finden. Schließlich gelang es dem Instituts der Universität« einen »Funkeninduktor No. 11,
französischen Mathematiker Henri Poincaré (1854 – Funkenlänge 8 cm, liefern zu wollen«.22 Mit einem ähnli-
1912). Hertz´ Versuche hatten aber trotz der anfänglich chen Fabrikat dieses Herstellers, dessen Funkenlänge 4,5
nicht korrekt berechneten Ausbreitungsgeschwindigkeit cm betrug, hatte er 1888 in Karlsruhe die Versuche mit
ihren wissenschaftlichen Wert, denn er hatte immerhin den dortigen Parabolspiegeln durchgeführt.23 Der nach
herausgefunden, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit Bonn gelieferte Induktor existiert ebenfalls noch heute.
endlich war.
Zu den Schmuckstücken der Sammlung des Physikali- III. Der Einsatz im Vorlesungsbetrieb
schen Instituts gehören auch zwei kreisförmige Detek- Gemeinsam mit den Parabolspiegeln, den Detektoren
[12] Dipolsender zur Untersuchung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der
Wellen entlang von Drähten. toren mit Funkenstrecken zum Nachweis der magneti- und dem Polarisationsgitter bilden die Induktoren

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»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

[16] Funkeninduktor von Keiser & Schmidt.

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ein Ensemble, das noch heute regelmäßige Auftritte bekommen. Auch wenn eine Beschreibung der Funk-
vor großem Publikum erlebt. Denn die »originalen tion nicht die Faszination einer realen Demonstration
Kopien« verschwanden im Laufe der Zeit nicht im ersetzen kann, sollen die wesentlichen Bestandteile
Abstellkeller oder wanderten gar in den Müll. Sie und ihr Zusammenwirken hier vorgestellt werden.
sind bis heute fester Bestandteil der Einführungsvor-
lesung in die Experimentalphysik. Ihren historischen Zwei Komponenten, die schon bei Hertz im Dauerbe-
Wert hatte 1957 anlässlich des 100. Geburtstages von trieb Probleme bereiteten, sind bei der heute im Vorle-
Heinrich Hertz schon der damalige Institutsdirektor sungsbetrieb verwendeten Anordnung etwas modifi-
und spätere Physiknobelpreisträger Wolfgang Paul ziert worden: Die Stromversorgung des Induktors und
(1913 – 1993) herausgestellt: »Als Hertz den Physi- der Funkennachweis am Empfänger-Spiegel.
kalischen Lehrstuhl unserer Universität übernahm, Der Induktor hat einen Kern aus Eisendrähten, der
blieben bei seinem Umzug die Instrumente in Karls- von einer Primärspule mit wenigen Windungen aus
ruhe und kamen später in das Deutsche Museum nach dickerem Kupferdraht und einer Sekundärspule mit
München. Was lag aber näher, als daß Hertz sich hier sehr vielen Windungen aus dünnem Draht umgeben
in Bonn neue Geräte für eigene Untersuchungen und ist. Als Spannungsquelle für den Induktor nutzte
für die Vorlesungen aufbaute? (...) Unsere Inventar- Hertz Bleiakkumulatoren, wie sie auch heute noch in
Bücher zeigen, daß neben großen Funken-Induk- unseren Autos zum Einsatz kommen. Sie können bei
torien Holz- und Blech-Tafeln gekauft wurden, aus niedrigen Spannungen große Ströme liefern. Wie bei
denen die großen Parabolspiegel (...) gebaut wurden jedem Transformator erzeugt ein zeitlich veränderter
(...). So glaube ich, daß wir, obwohl die Apparate Strom in der Primärspule ein zeitlich veränderliches
nicht die alleroriginalsten sind, doch sagen können, Magnetfeld in der Sekundärspule, das dort eine Span-
es sind Originalapparate von Heinrich Hertz, denn nung induziert. Um hohe Spannungen zu erzeugen,
er hat sie bei seiner handwerklichen Geschicklichkeit muss neben einem hohen Windungsverhältnis der
teils selbst gebaut und damit gearbeitet.«24 Primärstrom groß sein und periodisch unterbrochen
Seitdem haben Generationen von Bonner Physikstu- werden. Bei den damals üblichen Induktoren wurde
dierenden das Privileg genossen, die Eigenschaften der dazu ein mechanischer Magnetschalter benutzt (ein
elektromagnetischen Wellen anhand originaler Appa- so genannter »Wagnerscher Hammer«). Die Unterbre-
raturen alljährlich in der Vorlesung demonstriert zu chung der hohen Ströme führt schnell zu Verbren- [17] Funkenentladung am Dipol des Sende-Spiegels.

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»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

nungen an den Kontakten. Eine wesentliche Verbesse- die Kugel gewählt: ohne diese Vorsicht drückt sich
rung konnte mit einem rotierenden Quecksilberstrahl leicht die Spitze in die Kugel ein und die winzigen
als Stromschalter erreicht werden. Ein solches Gerät, Fünkchen entziehen sich in dem entstehenden Grüb-
das Bjerknes 1891 bei seinen Experimenten benutzt chen der Betrachtung.«26 Was Hertz hier in seiner
hat25, befindet sich noch im Bonner Institut. Versuchsbeschreibung schon als mögliches Problem
Im heutigen Betrieb wird ein einfaches elektronisches andeutet, hat sich bei den Bonner Apparaten als
Gerät als Stromquelle benutzt, das den Induktor Hindernis für einen reibungslosen Demonstrations-
mit Rechteckimpulsen betreibt. Stromstärke und betrieb erwiesen. Nach einigen Versuchen wurde statt
die Frequenz lassen sich so leicht verändern. Die so der filigranen Kupferspitze eine robustere, keilartige
erzeugten Hochspannungspulse werden nun über Schneide verwendet, die sich seitdem bestens in der
Drähte an einen Dipol geleitet. Dort im Zentrum des Praxis bewährt. Wie die Abbildung zeigt, entstehen
Sende-Spiegels führen sie zu Funkenüberschlägen. auf der gesamten Fläche Funken, was den Demonst-
Um zunächst einmal überhaupt den Nachweis zu rationswert natürlich deutlich erhöht.
führen, dass die Wellen auch beim Empfänger-Spiegel Als Nachweis der elektromagnetischen Wellen
ankommen, wird dieser in einigen Metern Entfer- benutzte Hertz ausschließlich den Funkenüberschlag
nung gegenüber dem Sende-Spiegel positioniert. an den Detektoren: einen linearen Dipol für den
Die emittierten elektromagnetischen Wellen werden elektrischen und einen kreisförmigen für den magne-
nun im Brennpunkt des Empfänger-Spiegels gebün- tischen Anteil der Wellen. Die Helligkeit des Funkens
delt, wo sie auf einen weiteren Dipol als Empfänger war für ihn der Maßstab für deren Amplitude. Zu
treffen und mittels zweier Drähte auf die Rück- Demonstrationszwecken vor einem großen Publikum
seite des Empfänger-Spiegels geleitet werden. Dort sind diese kleinen Funken aber schlecht geeignet.
befindet sich eine überaus sensible Funkenstrecke Empfindliche elektronische Hilfsmittel gab es damals
als Nachweisinstrument. Eine weitere, geringfügige noch nicht. Heute kann man mit einer handelsübli-
Veränderung wurde an der Funkenstrecke an dem chen Hochfrequenzdiode die Empfangsfunkenstrecke
Empfängerspiegel vorgenommen. Im ursprünglichen überbrücken und den gleichgerichteten Strom einem
Aufbau von Heinrich Hertz stand eine feine Kupfer- Spiegelgalvanometer zuführen. Ein Laserstrahl wird
spitze in geringem Abstand über einer Messingkugel. am Spiegel reflektiert und erzeugt an der Hörsaal-
»Es ist absichtlich die Spitze aus weicherem Metall als [18] Funkenstrecke als Nachweisinstrument am Empfänger-Spiegel. wand einen hellen Lichtpunkt. Selbst kleine Ampli-

71
Aber warum sollte es den Nachfolgern mit den origi-
nalen Kopien auch besser ergehen als Heinrich Hertz
selbst: »Denn die Apparate, mit welchen ich arbeite,
sind gar nicht von einem geschickten Mechaniker
nach guten Zeichnungen in eleganter Weise ausge-
führt, sondern teils von mir selbst, teils vom Mecha-
niker des physikalischen Kabinetts in Karlsruhe in
roher und provisorischer Weise aus Holzstücken,
Drähten, Siegellack zusammengeklebt und dann
beständig abgeändert worden.«27
Hertz wollte 1888 mit dieser Versuchsanordnung
den Nachweis führen, dass die elektromagnetischen
Wellen die gleichen Eigenschaften wie Lichtwellen
haben. Daher ersann er für die elektromagnetischen
Wellen Nachweismethoden der schon in der Optik
bekannten Phänomene der Polarisation, Reflexion und
Brechung. Über die Polarisation schreibt Hertz: »Dass
der Strahl durch Transversalschwingungen gebildet
[19] Funkenüberschlag an der keilartigen Schneide des Empfänger- wird und gradlinig polarisiert im Sinne der Optik
Spiegels.
ist, daran haben wir freilich schon nach der Art, in
tudenänderungen sind für das Publikum so deutlich welcher wir ihn erzeugen, keinen Zweifel. Wir können
zu erkennen. Trotz dieser Veränderungen ist jeder die Tatsache aber auch durch den Versuch erweisen.«28
Betrieb mit den Originalgeräten ein neues Abenteuer Bei seinen Versuchen stand der Sendedipol senkrecht.
und glückt nicht immer auf Anhieb. Die Oberfläche Folglich wird der elektrische Anteil der Welle auch
des kugelförmigen Sendedipols spielt eine große in einer senkrechten Ebene emittiert. Alle anderen
Rolle, sowie die Luftfeuchtigkeit und Temperatur im Richtungen kommen nicht vor! Die Welle ist linear
Hörsaal. Manchmal hilft das Putzen der Dipole mit polarisiert. Um dies experimentell nachzuweisen, hat
einem Taschentuch. Hertz den Empfängerspiegel um 900 gedreht, so dass [20] Drahtgitter zum Nachweis der Polarisation der elektromagnetischen
Wellen in waagerechter Position...

72
»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

der Empfängerdipol waagerecht stand. Die Funken Drähten, und die nur einen Millimeter dünnen Drähte
verschwanden. Hertz stellte daraufhin fest: »Die tragen nur unwesentlich zur Reflexion bei. Die Welle
beiden Spiegel verhalten sich wie Polarisator und kann fast ungehindert den Empfänger erreichen und
Analysator einer Polarisationsapparatur«.29 Er erzeugt dort Funken.
hat dann noch eine weitere Methode zum Nach-
weis der Polarisation erdacht. Dabei benutzte er Mit den Parabolspiegeln konnte Hertz auch über-
ein Drahtgitter. Solch ein Gitter hat Hertz auch prüfen, ob die elektromagnetischen Wellen sich
in Bonn gebaut. Es besteht aus Kupferdrähten ebenso wie das Licht spiegeln und reflektieren lassen.
von etwa einem Millimeter Durchmesser, die im Dazu werden die beiden Spiegel mit etwas Abstand
Abstand von zwei Zentimetern parallel auf einen nebeneinander vor einer metallenen Wand aufgestellt.
achteckigen Holzrahmen gespannt sind. Zum Die Öffnung der Spiegel zeigt in Richtung der Wand,
Zwecke einer einfacheren Handhabung wurde das und beide Spiegel sind einander mit einem Winkel
Gitter auf einen Ständer montiert und ist in der von 45 Grad zugeneigt. Wenn nun der Funkenin-
Mittelachse drehbar. Für den Einsatz dieses Polari- duktor eingeschaltet wird und es die ersten Funken-
sationsgitters werden die beiden Parabolspiegel mit überschläge am Sende-Dipol gibt, lassen sich auch an
der geöffneten Seite einander gegenüber gestellt. der Rückseite des Empfängerspiegels kleine Funken
Der Abstand kann einige Meter betragen. Das erkennen. Wie in der Optik gilt somit auch für die
Gitter wird nun ungefähr in der Mitte zwischen elektromagnetischen Wellen: Einfallswinkel gleich
beiden Spiegeln positioniert. Ausfallswinkel!
Da der Sendedipol senkrecht steht, werden auch
die elektrischen Wellen in einer senkrechten Das Prisma dient in der
Ebene emittiert. Dreht man das Gitter so, dass die Optik allgemein als Spek-
Drähte ebenfalls senkrecht stehen, tragen sie auf tralapparatur zur Auffä-
ihrer ganzen Länge zur Reflexion bei. Das Gitter cherung des Lichts in
wirkt fast wie eine metallische Wand. Die Welle seine Farbkomponenten.
erreicht den Empfänger nicht mehr. Die Funken Die Lichtgeschwindigkeit [22] Grafische Darstellung des
Reflexionsexperiments.
verschwinden. Dreht man das Gitter um 900, stehen in Glas ist abhängig von
[21] ...und in senkrechter Position. die elektrischen Feldlinien jetzt senkrecht auf den der Wellenlänge (Farbe)

73
des Lichts. Bei der keilförmigen Form des Prismas führt. Nachträglich dürfen wir dieselben vielleicht
führt dies zu verschiedenen Ablenkungswinkeln. Das auch als Lichtstrahlen von sehr großer Wellenlänge
Prisma kann auch zur Ablenkung benutzt werden. bezeichnen. Mir wenigstens erscheinen die beschrie-
Das hat Hertz bei seinem Versuch ausgenutzt. Der benen Versuche in hohem Grad geeignet, Zweifel an
Ablenkungswinkel ist abhängig von der Geometrie der Identität von Licht, strahlender Wärme und elek-
und der Dielektrizitätskonstante. Hertz ließ in Karls- trodynamischer Wellenbewegung zu beseitigen.«30
ruhe dazu ein großes Prisma anfertigen. Es bestand
allerdings nicht aus Glas, sondern aus »Hartpech«, IV. Hertz´ Bonner Vermächtnis jenseits der elekt-
einer teerartigen Substanz, und wog bei einer Höhe romagnetischen Wellen
von 150 cm etwa 600 kg. Im Bonner Vorlesungs- Ein neues Institut
[24] Das »neue« Physikalische Institut der Universität Bonn in der Nußallee
betrieb kommt stattdessen ein Paraffinprisma zum Sicherlich nicht ausschließlich, aber wohl doch zu vor dem Zweiten Weltkrieg.

Einsatz. Der experimentelle Aufbau ist denkbar einem gewissen Grade gehört das heutige Physi- Institut gestorben«32. Die Nasennebenhöhlenentzün-
einfach. Der Empfängerspiegel wird so aufgestellt, kalische Institut in der Nußallee auch zum Bonner dung, an der Hertz 1892 erkrankte, sollte nicht die
dass der »Strahl« des Primärspiegels den Empfänger Vermächtnis von Heinrich Hertz. Zwar steht der einzige Folge der ungesunden Arbeitsbedingungen
gerade verfehlt. Wird das Prisma in geeigneter Form Neubau auch mit dem Wunsch der Physiker nach im feuchten Schloss bleiben. Auch August Hage-
dazwischen positioniert, werden die Wellen in den einem erschütterungsfreien Arbeitsplatz in Zusam- bach, der Assistent von Hertz´ Nachfolger Heinrich
Empfänger gelenkt. menhang – denn schließlich nahm der damals nur Kayser (1853 – 1940) zeigte schon nach wenigen
knapp hundert Meter am alten Institut vorbeirol- Monaten ähnliche Symptome und zog daraufhin
Diese drei grundlegenden lende Bahnverkehr stetig zu – aber er ist auch eine aus seiner Dienstwohnung im Schlossflügel aus.
Demonstrationen bestä- Folge des tragischen Schicksals von Heinrich Hertz. Nachdem Kayser daraufhin dem preußischen Kultus-
tigen auch heute noch Die eingangs erwähnten Zustände im alten Institut ministerium vorwarf, am Tode von Heinrich Hertz
die Schlussfolgerung, die »trugen zu einer schweren chronischen Erkrankung Mitschuld zu sein und einen Institutsneubau forderte,
Hertz am Ende seiner von Heinrich Hertz und zu seinem frühen Tod«31 bei. erhielt er eine zynische Abfuhr. »Nein lieber Professor,
Versuchsreihe in Karlsruhe Diese Folgerung eines seiner Biographen ist zumindest so schnell geht das nicht. Da müssen noch ein paar
[23] Grafische Darstellung niederschrieb: »Wir haben schlüssig, denn auf die Dauer wirkt sich der Aufent- Herren draufgehen.«33 Zum Glück für alle Beteiligten
des Experiments
zur Ablenkung
die von uns untersuchten halt in nassen und kalten Räumen nicht gut auf die musste es dann doch nicht zum Äußersten kommen.
elektromagnetischer Gebilde als Strahlen Schleimhäute aus. Auch der Hertz behandelnde Arzt Zwar dauerte es noch viele Jahre, doch Kaysers Beharr-
Wellen durch ein Prisma.
elektrischer Kraft einge- »behauptete mit aller Bestimmtheit, Hertz sei am lichkeit sollte von Erfolg gekrönt werden. Nach zwei-

74
»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

jähriger Bauzeit konnte 1913 ein großzügiger Neubau lichkeit muß ich nur allzu auf die vorhandenen Mittel
an der Nußalle von den Physikern bezogen werden.34 sehen.«35 Schon Anfang November erreicht Dr. König
Der schönste Raum in diesem Institut ist zweifellos die enthusiastische Reaktion des Bonner Instituts-
das »Heinrich-Hertz-Zimmer«. Dort stehen nicht nur direktors. »Ihre Sendung ist heute in meine Hände
die wertvollsten Bände der Bibliothek (viele davon aus gekommen und hat mir die größte Freude gemacht.
Hertz´ Zeiten), der Raum dient auch der Erinnerung Sie kam auch frühzeitig, da ich gar nicht erwartet
an prägende Figuren der Institutsgeschichte. Vitrinen hatte, daß ich sie noch in meinem diesjährigen Colleg
bewahren Schätze aus fast zwei Jahrhunderten. benutzen kann, und diese wenigen Gabeln werden
Neben den virtuosen Gasentladungsröhren von Hein- in einer ganzen Reihe von Vorlesungen erscheinen.
rich Geissler (1814 – 1879) finden sich hier auch die Wir haben verschiedene Gabeln, die den Ihren äußer-
Nobelpreisurkunde von Wolfgang Paul (1913 – 1993) lich ganz ähnlich sind, aber wenn sie neben einander
und eben Stücke aus der Zeit von Heinrich Hertz. klingen, so sieht man den Unterschied, es ist einfach
Den Raum ziert zudem sein Ölporträt, vor dem eine kein Vergleich. Hoffentlich gelingt es mir nun auch,
von Albert Küppers (1842 – 1929) geschaffene Büste die Gabeln zu vertheidigen gegen die vielen Schänd-
des Physikers steht. lichkeiten von Seiten ungeschickter Menschen, welche
sie bedrohen, daß sie sich lange halten. Ich habe heute
Stimmgabeln
Eine auch aus ästhetischer Perspektive schöne Ergän-
zung der apparativen Ausstattung des Bonner Insti-
tuts hatte ebenfalls mit Wellen zu tun. Allerdings ging
es diesmal nicht um »elektrodynamische Wellen«,
sondern um Schallwellen. Am 20. Oktober 1889
schrieb Hertz an den renommierten Feinmechaniker
und Spezialisten für akustische Präzisionsinstrumente
Dr. Rudolph König in Paris: »Ich möchte gern für unser
Institut einige Ihrer schönen Stimmgabeln haben, die
leider ganz fehlen. Ginge es nach meinem Wunsche,
[26] Im Inneren des »Heinrich-Hertz-Zimmers«. Links im Hintergrund die
[25] Blick durch die Tür in das »Heinrich-Hertz-Zimmer«. so könnte ich nicht genug davon bekommen, in Wirk- Vitrine mit einigen Institutsschätzen.

75
den ganzen Nachmittag mit ihnen experimentiert,
immer war ich wieder erfreut.«36 Offenbar ist es
Hertz und seinen Nachfolgern gelungen, diese feinen
Stücke vor Misshandlungen zu schützen. Wenn man
sie anschlägt, erschließt sich Hertz´ Begeisterung auch
heute noch.

Kathodenstrahlröhre
Während das Parabolspiegel-Ensemble zumindest die
Physik-Studierenden regelmäßig bewundern durften,
blieb ein weiterer Bonner Schatz aus der Zeit von
Heinrich Hertz weitgehend im Verborgenen.
Schon 1860 hatte der Bonner Physiker Julius Plücker
(1801 – 1868)37 herausgefunden, dass in einem Glas-
gefäß mit verdünnten Gasen, in die zwei metallische
Elektroden (Kathode und Anode) eingeschmolzen
waren, beim Anlegen einer Spannung von der nega-
tiven Kathode farbige Strahlen ausgingen, die er
Kathodenstrahlen nannte. Sie ließen sich magnetisch,
aber nicht mit elektrischen Feldern ablenken. Daraus
schloss man, dass es sich nicht um geladene Teilchen
handeln konnte.
Als Hertz die 1882 in Berlin begonnenen Experimente
mit Kathodenstrahlen in Bonn wieder aufnahm,
war auch er dieser Meinung. Hertz machte aber
eine entscheidende Entdeckung: Kathodenstrahlen
können dünne Metallfolien durchdringen. Seinem
[27] Ein Ölporträt von Heinrich
Hertz schmückt den Raum. Assistenten Philipp Lenard (1862 – 1947) schlug er

76
»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

[28] Die von Heinrich Hertz so geliebten Stimmgabeln von Dr. König aus Paris. Daneben der zitierte Brief aus dem »Copirbuch«.

77
[29] Kathodenstrahlröhre von Heinrich Hertz. Mit dieser Röhre gelang es seinem Assistenten Philipp Lenard erstmals, die Kathodenstrahlen [30] Kathodenstrahlröhre von der Firma Müller-Unkel aus Braunschweig,
unabhängig vom Entladungsvorgang zu untersuchen. darunter Eintrag von Philipp Lenard im Inventar zur Anschaffung der
abgebildeten Röhre.

78
»Originale Kopien« Hertz' Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff

vor, in die Anode ein Loch zu bohren und es mit Besucher der Sonderausstellung »Heinrich Hertz –
einer dünnen Metallfolie abzuschließen. Damit war Vom Funkensprung zur Radiowelle« im Deutschen
es nun möglich die Kathodenstrahlen vom Plasma in Museum Bonn können sich an den schönsten Stücken
der Röhre zu trennen und mit ihnen zu experimen- aus Hertz´ Bonner Vermächtnis erfreuen, ohne
tieren. Jetzt ließen sich auch die Kathodenstrahlen extra ins Münchner Mutterhaus fahren oder gar ein
elektrisch ablenken und man konnte nachweisen, Studium der Physik in Bonn beginnen zu müssen.
dass Kathodenstrahlen Elektronen sind. Der Grund
für das Versagen der Ablenkung innerhalb der Röhre
fand damit seine Erklärung: das Plasma in der Röhre
besteht auch aus geladenen Teilchen. Ein angelegtes
elektrisches Feld erreicht die Kathodenstrahlen nicht
ungehindert.

Hertz überließ Lenard dieses vielversprechende


Arbeitsfeld, weil er zugleich an der Abfassung seines
theoretischen Hauptwerkes, den »Prinzipien der
Mechanik« saß, deren Fertigstellung ihm letztlich
wichtiger war.38 Lenard erhielt 1905 für seine Arbeiten
über Elektronenstrahlen und seine Beiträge zur Elekt-
ronentheorie den Nobelpreis für Physik. In Bonn ist
noch eine zweite Kathodenstrahlröhre vorhanden, die
Lenard anfertigen ließ.
Diese alten Röhren wieder zum Leben zu erwecken
ist ein langwieriges und riskantes Unternehmen. Es
ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie bisher nur
dreimal in den Jahren 1973, 2003 und 2007 öffent-
lich im großen Wolfgang-Paul-Hörsaal der Univer-
sität vorgeführt wurden. [31] Beide Röhren im Betrieb.

79
Jeder Körper sendet ele
ktrom agnet
ische W
ellen aus.

Alles strahlt
Elektromagnetische Wellen bestehen aus elektrischen und magnetischen Feldern Diese Felder liegen um 90° verschränkt
ineinander. Sie schwingen wellenförmig in die
Ausbreitungsrichtung mit Lichtgeschwindigkeit:
ca. 300000 km/s
ca. 300000 km/s

Nanometer Mikrometer Millimeter Meter Kilometer


Wellenlänge (Meter) 1 nm 1 m 1 mm 1m 1 km

10-14 10-13 10-12 10-11 10-10 10-9 10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 1 101 102 103 104 105

1022 1021 1020 1019 1018 1017 1016 1015 1014 1013 1012 1011 1010 109 108 107 106 105 104 103
Frequenz Hz (pro Sekunde) EHz PHz THz GHz MHz kHz
Exahertz Petahertz Terahertz Gigahertz Megahertz Kilohertz

Kosmische Gamma- Röntgenstrahlung Ultra- Infrarot Tera- Mikrowellen Radiostrahlung Wechsel-


Strahlung strahlung weiche- mittlere- harte- Violett sicht - (IR) hertz- Radar MW-Herd UKW Mittelwelle ströme
(UV) bares strahlung Kurzwelle Langwelle
Licht

Die unterschiedlichen Wellen werden im elektromagnetischen Spektrum zusammengefasst. Von der extrem energiereichen kurzwelligen Gammastrahlung, wie sie bei radioaktiven
Zerfall entsteht, bis zur langwelligen energiearmen Radiostrahlung sind die unterschiedlichste Wellenbereiche aufgezeigt. Das menschliche Auge kann nur einen sehr kleinen Teil des
elektromagnetischen Spektrums sehen. Trotzdem nutzt der Mensch die ganze Bandbreite der Strahlung zu ganz unterschiedlichen Zwecken.

n können unterschiedlichste W
gn et ische Welle ellenlä
le ktr o ma ngen h
E aben.
80
ullpunkt von −273,15 °C gibt Wä
de r absolute N rmestr
ahlung r.
wä r m e r is t als ab, also au ode r F ahrräde
Alles wa s ch Menschen, Stein e

Die Häufigkeit der Schwing- 7 Hz


ungen pro Sekunde ist von 7 Wellen
der Wellenlänge unabhängig:
Je kürzer die Wellenlänge,
desto mehr Wellen schwingen 1 Sekunde
pro Sekunde.
Wellen definieren und ihre Länge
sich durch ihre (Wellenlänge) Dieser Schwingungswert
Höhe (Amplitude) Wellen/Sekunde nennt
14 Wellen 14 Hz
sich Frequenz und hat
die Einheit Hz (Hertz).

Neben unterschiedlichen Eigenschaften haben die elektromagnetischen Wellen eines gemeinsam, ihre Geschwindigkeit. Sie ist
nach dem Licht benannt, den Wellen die wir sehen können. Diese Lichtgeschwindigkeit beträgt 299 792,458 km/s im Vakuum.
und kann mit der Wellenlänge und der Frequenz in einer Formel dargestellt werden:
Lichtgeschwindigkeit Lichtgeschwindigkeit
Wellenlänge = oder Frequenz =
Frequenz Wellenlänge

Um den Zusammenhang besser zu verstehen, hier zwei kleine Welche Frequenz haben Schwingungen, deren Wellenlänge
Rechenbeispiele: 1 Meter beträgt? Die Wellengeschwindigkeit beträgt 300000 km/s.
Welche Wellenlänge hat die Schwingung mit einer Frequenz von Die Welle von 1 Meter wird sich also in einer Sekunde
1 Hz? Da die Schwingungen sich mit Lichtgeschwindigkeit 300000 x 1000 mal wiederholen = 300000000 Hz;
bewegen, hat die 1 Hz-Welle eine Wellenlänge von 300000 km. kürzer ausgedrückt 3 x 108 Hz

300000 km/s 300000000 m/s


Wellenlänge = = 300000 km Frequenz = = 3 x 108 Hz
1 s-1 1m

kurzen Wellen mit Längen


e l le n bis zu ganz i m at o
g en W maren
r lan Bereich.
Von kilomete
81
Es ist viel leichter “unsichtbare
Engel” zu verstehen, als eine
elektromagnetische Welle.
Richard Feynman 1963, Quantenphysiker und Nobelpreisträger

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Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

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Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

Auf vielerlei Art wird jedes Unbekannte untersucht, Die Batterie – der Strom
dem sich Forscher nähern. Die Hilfsmittel, die sie Bedauernswerte Frösche und zwei Italiener stehen im
dabei anwenden, sind oft erst vor kurzem dem Reich Mittelpunkt der Erfindung der Batterie. In Bologna
des Unbekannten abgerungen worden. Das Neue ist experimentierte Luigi Galvani mit Froschschen-
so immer das letzte Glied einer Kette von Vorausset- keln, als er am 6. November 1780 bemerkte, dass
zungen. bei der Berührung von
Eine solche Kette aus Erkenntnissen über Strom, Kupfer und Eisen die
Magnetismus und Licht war es, welche Hertz die Muskeln eines Frosch-
Entdeckung der elektromagnetischen Wellen ermög- beines zuckten. Es
lichte. Sie einmal genauer zu betrachten, könnte ein war durch die Metalle
lohnendes Unterfangen sein: und das Elektrolyt
»Körper f lü ssig keit«
elektrochemisch Strom
entstanden, der durch
die Muskelkontrak-
tion angezeigt wurde.
Zwölf Jahre später [3] Alessandro Volta (1745 – 1827).

erfuhr der Physik- in der Konstruktion der voltaischen Säule, der ersten
professor Alessandro funktionierenden Batterie der Welt. Sie bestand aus
Volta, der an der 1361 abwechselnd aufeinander geschichteten Kupfer-
gegründeten lombar- und Zinkplättchen, zwischen denen sich jeweils
dischen Universität elektrolytgetränkte, also stromleitende Pappstücke
von Pavia lehrte, befanden. Damit stand erstmals eine Stromquelle
von Galvanis Expe- mit einem kontinuierlichen Strom zur Verfügung,
rimenten. Seine mit der sich die Elektrizität wissenschaftlich erfor-
daraufhin einset- schen ließ. Die Nachfolger Voltas beschlossen 1897
zenden Forschungsar- ihm zu Ehren die Einheit der elektrischen Spannung
[1] Luigi Galvani (1737 – 1798). beiten mündeten 1800 [2] Die Voltaische Säule. Volt zu nennen.

85
Io

Jupiter

[4] Ole Rømer (1644 – 1710).

Die endliche Lichtgeschwindigkeit


Ist Licht unendlich schnell? Diese Frage wurde noch im den Jupiter umrundet. Schon 1668 hatte Giovanni Tabellen. Wenn die Erde sich auf ihrer jährlichen
17. Jahrhundert meist bejaht. Der dänische Astronom Domenico Cassini in Bologna Tabellen erstellt, die Bahn um die Sonne dem Jupiter näherte, verdunkelte
Ole Rømer begann im Jahr 1672 in Paris den Grund- genau zeigten, wann der Io vor dem Planeten zu Io sich früher als vorausgesagt. Entfernte sich die Erde
stein zur Klärung dieser Wissenslücke zu legen. sehen ist und wann er sich hinter ihm wieder verdun- wieder, verdunkelte er sich später. Nachdem Rømer
Es gibt einen Mond namens Io, der etwa alle 1,8 Tage kelt. Rømer bemerkte Ungenauigkeiten in diesen sich seiner Daten vergewissert hatte, veröffentlichte

86
Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

holländische Astronom und Physiker Christiaan


Huygens, der ebenfalls in Paris lebte. Dazu verknüpfte
Erde dieser die 22 Minuten von Rømer mit den Berech-
nungen Cassinis zum Erdbahndurchmesser. Die so
von ihm ermittelte Geschwindigkeit des Lichts kam
dem heute gültigen Wert von 299792,458 km/s sehr
nahe. Berühmt wurde Christiaan Huygens besonders
Erdba
hn- Sonne als Erneuerer des Uhren- und Fernrohrbaus. Kaum
beachtet wurde hingegen seine Wellentheorie des
Lichts aus dem gleichen Jahr 1678.
durch
mess
er

[5] Schematische Darstellung der Verdunkelung des Jupitermondes Io und der Bahn der Erde um die Sonne.

er 1676 seine Ergebnisse und die dazugehörige Erklä- den Zeitraum fest, den das Licht benötigt, um von
rung. Die Lichtgeschwindigkeit ist endlich! Je geringer einem Ende des Erdbahndurchmessers um die Sonne
die Entfernung zum Jupiter, desto eher erreicht uns zum anderen zu gelangen.
sein Licht. Deshalb die Abweichungen der errech- Es war aber nicht Rømer, der als erster die Geschwin-
neten Verdunkelungen. Rømer legte 22 Minuten als digkeit des Lichts berechnete, sondern 1678 der [6] Christiaan Huygens (1629 – 1695).

87
Das Licht als Welle dahinter liegenden Wand bilden sich nun keine zwei
Grundlagen zur Entzifferung der ägyptischen Hiero- Lichtstreifen, sondern ein Muster aus vielen Linien
glyphen legte der englische Augenarzt und Physiker ab. Dieses so genannte Interferenzmuster war schon
Thomas Young im Jahre 1814. Viel wichtiger für den von den Wasserwellen bekannt. Young bewies damit
Fortschritt der Physik war, was er 12 Jahre vorher über nicht nur die Wellennatur des Lichtes, sondern maß
das Licht herausfand. 1802 konnte er als Professor in später auch die ersten Wellenlängen.
London die seit 125 Jahren bestehende Wellentheorie Der französische Physiker und Ingenieur Augustin
des Lichtes bestätigten. In dem von ihm entworfenen Jean Fresnel beschäftigte sich seit 1814 in Paris mit
Doppelspaltexperiment wird Licht durch zwei senk- der Optik. Er verhalf der Wellentheorie des Lichtes
rechte Spalten einer Wand geschickt. An einer zweiten, endgültig zum Durchbruch. Durch vielfältige Expe-
rimente und insbesondere aufgrund seines mathema-
tischen Talents gelang ihm die überzeugende Darstel-
lung der Youngschen Hypothesen.

[8] Augustin Jean Fresnel (1788 − 1828).

Teilchen-
eigenschaften

Wellen-
eigenschaften

[7] Thomas Young (1773 – 1829). [9a, 9b] Doppelspaltversuch zur Klärung der Teilchen- oder Welleneigenschaften von zum Beispiel Licht.

88
Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

Der elektrische Strom und der Magnetismus Kompass. Als er nun eine Batterie an die Leitung
Es war an einem Abend im April 1820, als der däni- anschloss, veränderte der einsetzende Stromfluss
sche Physiker und Philosoph Hans Christian Ørsted die Stellung der vorher längs zur Leitung stehenden
für Freunde und Studenten eine physikalische Kompassnadel. Zum ersten Mal wurde der Zusam-
Vorführung vorbereitete. In seinem Kopenhagener menhang zwischen elektrischem Strom und
Haus spannte er dabei eine Stromleitung über einen Magnetismus deutlich. Ørsteds Veröffentli-
chung im Juli 1820 über diesen »elektrischen
Conflict«, wie er die Ursache des Magne-
tismus bezeichnete, eröffnete ein neues
Forschungsgebiet.
Der Franzose André-Marie Ampère war
der erste, der diese Erkenntnisse im glei-
chen Jahr aufnahm. Er begründete mit
einer Vielzahl von Experimenten die
Elektrodynamik. Diese neue physika-
lische Disziplin beschäftigte sich mit
bewegten elektrischen Ladungen und
zeitlich veränderlichen elektrischen und
magnetischen Ereignissen. Ampère defi-
nierte die Begriffe »elektrischen Spannung«
und »elektrischer Strom« und behauptete, dass
Strom eine Richtung hat. Sein Name wurde in
einer Maßeinheit verewigt. Seit 1948 steht das
Ampère (A) für die elektrische Stromstärke. Sie ist
heute die elektrische SI-Basiseinheit. Übrigens regte
Ampère schon Ende 1820 einen Telegrafenapparat
an, der auf der Ablenkung einer Magnetnadel durch [11] André-Marie Ampère (1775 – 1836).

[10] Hans Christian Ørsted (1777 – 1851). elektrischen Strom basiert.

89
Die elektrische Telegrafie und die Maßeinheiten dieser Draht der zentrale Bestandteil des ersten elekt-
Im Frühjahr des Jahres 1833 konnten die Göttinger, romagnetischen Telegrafen war. Carl Friedrich Gauß,
wenn sie nach oben schauten, einen Draht sehen, der der »Fürst der Mathematik«, wie er später genannt
sich neuerdings über ihre Dächer spannte. Mit dem wurde, und der junge Physikprofessor Wilhelm Weber
Draht war die Sternwarte mit dem etwa einen Kilo- hatten sich in Göttingen etwas Besonderes ausgedacht.
meter entfernt liegenden physikalischen Kabinett Neben dem Doppeldraht gehörten eine Sender- und
verbunden worden. Die Einwohner ahnten nicht, dass eine Empfangsapparatur zu der Anlage. Als Sender

[13] Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855).

diente eine Spule, die über einen Magneten gezogen


wurde und so Stromstöße erzeugte. Diese führten
beim Empfänger zur Bewegung einer Magnetnadel.
Je nachdem in welche Richtung die Spule über den
Magneten gezogen wurde, zeigte die Empfangsma-
gnetnadel nach rechts oder links. Ein binärer Code
ermöglichte die Übersetzung der Rechtslinksbewe-
gung in Buchstaben und Zahlen. Ob die ersten Worte
wirklich der Ankunft des Institutsdieners galten: »Der
Michelmann kommt«, bleibt indess ungewiss, ist aber
eine schöne Anekdote. Eine praktische Anwendung
hatten die Forscher weniger im Blick, so dass es letzt-
lich Samuel Morse war, dessen System sich ab 1850
auch in Deutschland durchsetzte.
Am treffendsten charakterisiert ein Zitat des engli-
[12] Der erste elektromagnetische Telegraph der Welt in Göttingen.

90
Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

von Genauigkeit in diesen Einheiten zu messen.«


Gauß und Weber schufen ein physikalisches Einhei-
tensystem, das später, 1881, auf einem internationalen
Kongress in Paris, zur Grundlage der elektrotechni-
schen Maßeinheiten wurde.
Die elektromagnetischen Felder in Praxis und
Theorie
Ein Weicheisenring bildete den Kern eines wegwei-
senden Versuchs des englischen Naturforschers
und begnadeten Experimentalphysikers Michael
Faraday. Am 29. August 1831 wurde dieser Ring
in seinem Londoner Laboratorium auf zwei Seiten
mit isoliertem Kupferdraht umwickelt. Der Draht
der einen Wicklung führte zu einer Batterie, der
[14] Wilhelm Eduard Weber (1804 – 1891). der anderen zu einer Magnetnadel. Wurde nun die [15] Michael Faraday (1791 – 1867).
schen Physikers James Clerk Maxwell aus dem Jahre Batterie angeschlossen, zuckte die Magnetnadel am
1873 die Leistungen von Weber und Gauß: »Wir gegenüberliegenden Ende. Der Batteriestrom floss festgehalten: »In einer Spule wird eine Spannung
haben dem großen Weber unendlich viel auf dem dabei durch die erste Wicklung und induzierte dort induziert, wenn sich das von ihr umfasste Magnet-
Gebiete der Elektrizitätslehre zu verdanken. Er hat ein Magnetfeld im Weicheisenring. Dieses induzierte feld ändert.«. Er war es auch, der als erster den Begriff
unsere Wissenschaft mächtig gefördert, als er die abso- wiederum einen Strom in der zweiten Wicklung, des magnetischen Feldes verwendete.
luten Einheiten zur Messung der elektrischen Größen der dann das Magnet-
Schalter
einführte. Er hat im Verein mit Gauß die Messung feld an der Magnetnadel
der magnetischen Größen auf die höchste Stufe der beeinflusste. Kurzum,
Weich- Magnetnadel
Präzision gebracht, dann gab er in seinen Elektrody- das Prinzip der elektro- Batterie eisen-
namischen Maßbestimmungen die Grundlage zur magnetischen Induktion kern
Spule Spule
Fixierung der Maßeinheiten, die eine Anwendung war entdeckt worden und
finden sollten, und schließlich lehrte er die einzelnen wurde von Faraday in
elektrischen Größen mit einem nie geahnten Grade einem Induktionsgesetz [16] Aufbau des Faradayschen Versuchs zur elektromagnetischen Induktion.

91
Der Wiener Physiker Ludwig Boltzmann – der selbst sich elektrische und magnetische Felder als elekt-
viel zur Einführung der sogenannten »Maxwell- romagnetische Wellen durch den Raum bewegen.
schen Gleichungen« beitrug – stellte mit Bewunde- Maxwell berechnete auch deren Geschwindigkeit
rung ob deren Schönheit und Symmetrie fest: und prognostizierte: »Diese Geschwindigkeit ist so
»War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, nahe an der Lichtgeschwindigkeit, dass wir einen
Die mit geheimnisvoll verborg´nen Trieb starken Grund zu der Annahme haben, dass das
Die Kräfte der Natur um mich enthüllen, Licht selbst (einschließlich Wärmestrahlung und
Und mir das Herz mit stiller Freud erfüllen?« anderer Strahlung, falls es sie gibt), eine elektroma-
frei nach Goethe: gnetische Welle ist, die sich durch elektromagne-
Faust – Der Tragödie erster Teil – Nacht tische Felder ausbreitet nach elektromagnetischen
Maxwell legte dar, dass elektrische und magneti- Gesetzen.« Diese Wellentheorie musste noch 22
sche Kräfte sich ergänzende Erscheinungen des Jahre warten, bis ihre Gültigkeit in einem Karls-
Elektromagnetismus seien. Er behauptete, dass ruher Hörsaal bewiesen wurde.

[17] James Clerk Maxwell (1831 – 1879).

Während Faraday in seinem Leben fast 30000 Expe-


rimente durchführte, war der schottische Physiker
James Clerk Maxwell ganz der Theoretischen Physik
verhaftet. Seit Ørsteds Versuch von 1820 hatte sich
die Vorstellung über die Natur des Lichtes, der Elek-
trizität und des Magnetismus dramatisch erweitert.
Maxwell gelang es 1864 dieses neue Wissen in einem
System von Gleichungen zusammenzufassen. Ein
Geniestreich, wie sich später erweisen sollte. [18] Die Maxwellschen Gleichungen.

92
Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

Die elektrischen Schwingungen


Der britische Physiker William Thomson, der spätere Der Schwingkreis
Lord Kelvin, hat sich neben vielen anderen Forschungs- Ein Schwingkreis besteht aus einer
gebieten auch mit dem sogenannten Schwingkreis Spule und einem Kondensator, die
beschäftigt. Im Jahr 1853 gelang es ihm, die nach mit einer Leitung ringförmig zusam-
ihm benannte Schwingungsgleichung aufzustellen. mengeschlossen sind. Ein Kondensa-
Diese Formel beschreibt die Zusammenhänge, die tor ist eine Art elektrischer Ladungs-
einen Schwingkreis kennzeichnen. speicher, dessen Speichergröße als Kondensator Spule
Kapazität bezeichnet wird. Er be- Kapazität (C) Induktivität (L)
steht aus zwei gegenüberliegenden
Platten, die durch nicht leitendes
Material voneinander getrennt sind. Frequenz (f)
In einer Spule erzeugt ein sich än-
dernder Stromfluss ein Magnetfeld.
Die elektrische Energie wird in magnetische umgewandelt, die sich dann wieder in die elektrische Form zu-
rückverwandelt. Die Induktivität einer Spule bezeichnet die Stärke dieses Effekts. Sie kann durch die Größe
der Spule und die Zahl der Windungen verändert werden.

Wird nun der Kondensator geladen, also eine Spannung angelegt, fließt der Strom über die Spule von
einer Kondensatorhälfte zur anderen und wieder zurück. Der Strom schwingt also in einer bestimmten Fre-
quenz hin und her. Diese Frequenz ist bauartbedingt und abhängig von der Kapazität und Induktivität der
Bauteile.

Dies drückt die Thomsonsche Schwingungsgleichung aus:

[19 ] William Thomson, 1. Baron Kelvin, oft auch Lord Kelvin genannt
(1824 – 1907).

93
nun eine Spannung angelegt wurde, bildeten Funken Sein raffinierter Versuchsaufbau wurde belohnt: Er
die kurzzeitige elektrische Verbindung zwischen den konnte nachweisen, dass der Stromfluss wirklich
beiden Seiten der Lücke. Genau dieser überspringende oszilliert, also sich zwischen den Kondensatorhälften
Funke sollte ihm Details über die Frequenz verraten in einer bestimmten Frequenz hin und her bewegt.
und Thomsons Gleichung auf ihre Gültigkeit hin Der Funke sprang also im Takt dieser Frequenz hin
überprüfen. Mit einem sich drehenden Spiegel konnte und her. Feddersen konnte durch Veränderung des
er letztlich 1862 den Funkensprung in viele Bilder Versuchsaufbaus auch die Frequenz modulieren, wie
pro Sekunde zerlegen und auf eine Fotoplatte bannen. Thomson es vorausgesagt hatte.

[20 ] Berend Wilhelm Feddersen (1832 – 1918).

Mit einer Speziellen Variante des Schwingkreises


beschäftigte sich der deutsche Physiker Berend
Wilhelm Feddersen in Leipzig Ende der 1850er Jahre.
Statt der Spule verwendete er einen Widerstand und
baute eine Funkenstrecke in die Leitung ein. Das heißt
er schnitt ein kurzes Stück Leitung heraus. Wenn [21] Meßapparatur mit Drehspiegel zur Bestimmung des Funkensprungs.

94
Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

Die elektromagnetische Welle


Das Feld war bereitet, und das Phänomen der elek-
tromagnetischen Welle wartete auf seine Entde-
ckung. Viele Forscher hätten in dieser Zeit die
Indizien richtig deuten können – taten es aber
nicht. Es war Heinrich Hertz, der in Karlsruhe am
4. Oktober 1886 einen kleinen Nebenfunken an
Knochenhauerschen Spiralen beobachtete. Er expe-
rimentierte während einer Vorlesungsvorbereitung
mit diesen zwei übereinanderliegenden Spiralen
mit Funkenstrecke, als er auf dieses unerwartete
Funkenverhalten stieß.
Was Andere wohl als induktive Randerscheinung
abgetan hätten, warf bei Hertz Fragen auf, die
ihn nicht mehr losließen. Er kannte natürlich die
Erkenntnisse seiner Physikerkollegen, die Fragestel-
lungen der Zeit, und plötzlich muß es eine Verbin-
dung gegeben haben zwischen diesem Wissen, den
Funken und seiner Vorstellungskraft.
Er begann weitere Versuche. Er ersetzte die
Spiralen durch gerade Drähte, der »Hertzsche
Dipol« entstand; dieser Draht mit der Funken-
strecke funktionierte als »offener Schwingkreis«.
Ein Resonanzrechteck aus Draht mit eingebauter
Funkenstrecke diente als Empfänger. Die Funken
wurden in vielerlei Versuchsanordnungen zum
Übersprung gebracht und die Resonanz der elekt-
[22] Heinrich Hertz auf der Suche nach elektromagnetischen Wellen. In der Hand hält er den Resonator, mit dessen Lupe er, im Falle
rischen Erscheinungen protokolliert. elektromagnetischer Einwirkungen, sehr kleine Funken erkennen kann.

95
entstammten.« (Heinrich Hertz, «Untersuchungen
über die Ausbreitung der elektrischen Kraft” Leipzig
1892, S. 5.). Langsamwurde ihm klar, was an seinem
Dipol geschah: Wellen, die sich dort abschnüren um
in den Raum zu wirken. Und dieser Raum wurde
jetzt untersucht, die Erscheinungen ausgemessen und
die Wellen identifiziert und katalogisiert. Die Glei-
chungen des acht Jahre vorher verstorbenen Maxwell
drängten nach vorne und wurden in ihrer Gültigkeit
bestätigt. Wieder war es das praktische Experiment,
das die durch Überlegung gewonnenen Erkenntnisse
eines Theoretikers von einer unbestätigten Theorie
zu einer wissenschaftlichen Realität werden ließ. Die
elektromagnetischen Wellen waren entdeckt und
konnten nun weiter untersucht werden.
[23] Orginalzeichnung von Heinrich Hertz zu seinem Versuchsaufbau.
(A = Induktor, C = Kondensator, Was mit einem, kleinen unscheinbaren Funken in
1+2 = Funkenstrecke im Resonanzrechteck 1 (a,b,c,d),
3+4 = Funkenstrecke im Resonanzrechteck 2 (e,f,g,h) Karlsruhe begann, ermöglichte später drahtlose Über-
In der zweiten Hälfte 1887 wurde Hertz bewusst, tragungen rund um den Globus und darüber hinaus.
dass er sich von den alten Vorstellungen lösen müsste,
um noch weiter zu kommen. »Erst ganz allmählich
gelang es mir, mir klar zu machen, dass jener Satz,
welcher die Voraussetzung meines Versuches bildete, hier
keine Anwendung fände; dass bei der Schnelligkeit der
Bewegung auch Kräfte, welche ein Potential besassen,
in der fast geschlossenen Leitung Funken erregen
könnten; dass überhaupt die grösste Vorsicht zu beob-
achten sei bei Anwendung der allgemeinen Begriffe und
Lehrsätze, welche der gewöhnlichen Elektricitätslehre [24] Stilisierung der Hertzschen Orginalzeichnung in grafischer Form.
[24] Stilisierung der Hertzschen Orginalzeichnung in grafischer Form.

96
Der lange Weg zu Hertz Von Jörg Bradenahl

97
98
Vom Funkensprung zur Radiowelle
Von Ralph Burmester und Jörg Bradenahl

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100
Vom Funkensprung zur Radiowelle Von Ralph Burmester und Jörg Bradenahl

tischen Verwertung seiner Erkenntnisse; dies schien


außerhalb seines Interesses zu liegen. Nachdem er
seine Arbeiten über die elektromagnetischen Wellen
1888 beendet hatte, bauten viele Physiker weltweit
seinen Versuchsaufbau nach und wiederholten seine
Experimente. Das Ensemble aus Dipolsender und
-empfänger wurde dabei weiter optimiert.
Der französische Physiker Édouard Branly (1844 –
1940) entdeckte 1890 eine Art Schalter, der durch
elektromagnetische Wellen aktiviert wurde, den
»Kohärer«. Dieser ersetzte den Funken am Empfänger.
Sein russischer Kollege Alexander Stepanowitsch
Popow (1859 – 1906) ergänzte das Ensemble mit einer
geerdeten Antenne, welche die Reichweite der Anlage
deutlich erhöhte. Im Jahre 1897 gelang ihm sogar die
Übertragung des ersten drahtlosen Telegramms über
fünf Kilometer mit dem schönen Wortlaut »Heinrich
[1] Guglielmo Marconi vor seinem Funkapparat (Holzschnitt von 1897). Hertz«. Popow fand aber in seinem Land keine Unter-
Heinrich Hertz hat weder das Radio noch das Mobil- Fall, dass Hertz »seine« Wellen vor allem unter dem stützung und wurde offenbar ein tragisches Opfer
telefon erfunden. Aber indem er in mühevollen Expe- Aspekt der Naturerkenntnis betrachtete. Er hatte institutioneller Ignoranz. 1906 soll er nach einem
rimenten die Eigenschaften der »Strahlen elektri- sich, als Idealtypus des exakten Naturwissenschaft- weiteren sinnlosen Gespräch mit dem zuständigen
scher Kraft« ermittelte, legte er den Grundstein für lers, der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung Minister an einem Gehirnschlag gestorben sein.2
drahtlose, länderübergreifende Kommunikation, die verschrieben. Sein auffälliges Talent als Handwerker Doch nicht diese Wissenschaftler sollten später
unmittelbar nach seinem Tod einsetzte. Es gehört zu und Tüftler nutzte er zur Konstruktion und Planung mit der Erfindung der Funktechnik in Erinnerung
den gut gepflegten Mythen der Wissenschafts- und seiner Versuchsapparaturen. Der von Hertz dabei bleiben, sondern ein Autodidakt aus der Nähe von
Technikgeschichte, dass Hertz nicht an die Möglich- gezeigte Erfindungsreichtum galt aber nicht der prak- Bologna. Auf dem väterlichen Anwesen Villa Grif-
keit der Informationsübertragung mittels elektroma- fone begann 1894 der erst zwanzigjährige Guglielmo
gnetischer Wellen geglaubt hat.1 Richtig ist in jedem Marconi (1874 – 1937) mit Versuchen zur Funk-

101
technik. Schon früh interessierte Marconi sich für
Elektrizität. Der Tod von Heinrich Hertz 1894 sorgte
noch einmal für eine erhöhte Publizität seiner Entde-
ckungen und weckte wohl auch Marconis Interesse
an Hertz´ »Strahlen elektrischer Kraft«. Außerdem
war er Schüler des italienischen Physikers Augusto
Righi (1850 – 1920), der mit Marconis Familie
befreundet war und selbst über elektromagnetische
Wellen forschte. Righi stellte Marconi auch die erste
technische Funkausstattung zur Verfügung. Bereits
im August 1895 konnte Marconi Signale über drei
Kilometer senden. Der Durchbruch gelang ihm
aber nicht im heimatlichen Italien, sondern in der
Handelsmetropole London. Dorthin ging er mit
seiner Mutter, die schottisch-irischer Herkunft war
und auf die Förderung ihrer Familie rechnen konnte,
nachdem er in Italien kein Interesse an seiner Technik
wecken konnte. Mit Unterstützung der englischen
Post glückte 1897 eine Aufsehen erregende Signal-
übertragung über einen fünf Kilometer breiten Teil
des Bristolkanals. Um die kommerzielle Dimension
seiner Erfindung voranzutreiben, gründete Marconi
mit dem Kapital von Freunden und seiner Familie
im gleichen Jahr die private »Wireless Telegraph and
Signal Company«.
Marconi hatte nie Probleme, die Forschungsergeb-
nisse anderer für sich zu nutzen und dann als Teil
seiner Anlage patentieren zu lassen. Mit dem Kohärer [2] Erster gekoppelter Versuchssender von Guglielmo Marconi von 1899 (Nachbildung).

102
Vom Funkensprung zur Radiowelle Von Ralph Burmester und Jörg Bradenahl

von Branly und der geerdeten Antenne von Popow


startete er 1894 seine Versuche. Marconi fand heraus,
dass sich die Reichweite mit Erdung einer Seite der
Sendefunkenstrecke stark erweitern ließ. So gelang
1899 die Übertragung über den Ärmelkanal und
1901 über den Atlantik.
Da die leitungsgebundene Telegrafie schon lange
etablierte Technik war, musste sich Marconis Gesell-
schaft eine Marktnische suchen. Diese fand sich beim
Militär. Kriegsschiffe und sich bewegende Heeresab-
[4] Geschlossener Schwingungskreis und Lufttransformator nach
teilungen konnten nicht oder nur schlecht über Kabel Ferdinand Braun von 1898.

erreicht werden. Hier konnte die drahtlose Telegrafie Funkversuche aufmerksam. Durch seine Bekannt-
ihre Stärken ausspielen. Diese Nutzung leuchtete schaft mit dem Chef der englischen Telegrafenverwal-
damals allen führenden Industriestaaten ein. Rasch tung, Sir William Henry Preece, konnte Slaby im Mai
wurden auf nationaler Ebene Forschungsgruppen 1897 zusammen mit seinem Assistenten Georg Graf
gebildet, deren primäres Ziel die Erhöhung der Reich- von Arco an Marconi-Versuchen mit der drahtlosen
weite war. Erste Ergebnisse ließen so nicht lange auf Telegrafie vor der englischen Kanalküste teilnehmen.
sich warten. Slaby und Arco erkannten sofort die militärische
Der deutsche Physiker Ferdinand Braun (1850 – 1918) Bedeutung dieser neuen Technik und gewannen
ließ sich 1898 ein System patentieren, das sowohl die rasch die Unterstützung Kaiser Wilhelms II.4 Umge-
Sende- als auch die Empfangsqualität deutlich verbes- hend begannen sie nun ihrerseits mit der Untersu-
serte.3 chung der physikalisch-technischen Grundlagen der
Zwar erhielten Marconi und Braun für ihre Pionier- Funktechnik. Schon im Sommer 1898 konnten sie
leistungen auf dem Gebiet der Funktechnik 1909 den mit einer Übertragung über 60 Kilometer von Berlin
Nobelpreis für Physik, doch es gab durchaus noch nach Jüterbog beeindruckende Resultate vorweisen.
weitere Protagonisten mit substantiellen Beiträgen. In Dabei führten entscheidende Verbesserungen zum
Deutschland wurde der Charlottenburger Elektrotech- Erfolg. Anders als bei Marconi lag die Funken-
[3] Guglielmo Marconi in der Pose des erfolgreichen Geschäftsmanns. nikprofessor Adolf Slaby (1849 – 1913) auf Marconis strecke nicht in der Sendeantenne sondern in einem

103
mit dem Antennenkreis induktiv gekoppelten Kreis.
Während Ferdinand Braun im Dienste der AEG
für das Heer tätig war, arbeiteten Slaby und Graf
von Arco im Auftrag von Siemens & Halske für die
Kaiserliche Marine. Um die nationalen Forschungs-
anstrengungen zu bündeln und ein Gegengewicht
zur britischen Marconi-Gesellschaft zu bilden, kam
es 1903 zur Gründung der »Telefunken, Gesellschaft
für drahtlose Telegraphie« zu gleichen Teilen durch
die AEG und Siemens & Halske.5 Bereits 1910 wurde
der Telegrafenverkehr von Europa nach Nordame-
rika durch Funkübertragung abgewickelt. Im Ersten
Weltkrieg erwies sich die Funktelegrafie dann auch,
wie erwartet, als Kommunikationsmittel von strate-
gischer Bedeutung.

Noch während des Krieges entwickelte sich vor allem


in den USA aus dem drahtlosen Funk der Rund-
funk. Nach anfänglichen Musikübertragungen
durch Radioamateure etablierten sich um 1920 erste
Radiostationen mit regelmäßiger Programmausstrah-
lung. Kommerziell gefertigte Radiogeräte wurden
bald auch für den privaten Gebrauch angeboten und
erfreuten sich eines rasanten Absatzes. Bereits 1924
besaßen 34,4 % der amerikanischen Haushalte ein
Radio. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so dynamisch,
verlief die Entwicklung in den meisten europäischen
[5] Slabys Empfangsstation mit Kohärer, Klopfer und Relais um 1900. Staaten einschließlich der Sowjetunion. In Deutsch-

104
Vom Funkensprung zur Radiowelle Von Ralph Burmester und Jörg Bradenahl

einen Rundfunkempfänger.6
Neben dem Aufstieg des Radio-Rundfunks in den
1930er Jahren begannen auch schon erste Versuche
der Bildübertragung, der nächsten vielversprechenden
Anwendung der elektromagnetischen Wellen. Im
Laufe der 1960er Jahre stieg das Fernsehen neben
Zeitungen und Radio zu einem gesellschaftlichen
Leitmedium auf. Diesen Status hat es auch in Zeiten
der digitalen Revolution durch das Internet noch
nicht gänzlich verloren.
Ohne hochfrequente, elektromagnetische Funkwellen
[7] Antenne und erstes Betriebsgebäude der Funkstelle Nauen bei Berlin wäre auch die heute allgegenwärtige Kommunikation
im Jahre 1906.
mit Mobiltelefonen nicht möglich. Insofern bleiben
land begannen die ersten regelmäßigen Rundfunk- Heinrich Hertz und seine »Strahlen elektrischer
sendungen am 23. Oktober 1923. In wenigen Jahren Kraft« auch 125 Jahre nach den wegweisenden Expe-
entwickelte sich der Rundfunk zu einem überaus rimenten im Karlsruher Hörsaal hochaktuell.
beliebten Informations- und Unterhaltungsmedium.
Ende der 1930er Jahre besaßen beispielsweise etwa
80% der amerikanischen Haushalte ein Radiogerät.
In Deutschland förderten seit 1933 die nationalsozi-
alistischen Machthaber die Verbreitung des Radios
durch den massenhaft vertriebenen und günstigen
»Volksempfänger« und später den noch preiswerteren
»Deutschen Kleinempfänger«. Ähnlich wie in der
Sowjetunion stand dabei vor allem die Verbesserung
des propagandistischen Zugriffs auf die Bevölkerung
im Mittelpunkt. Bei Kriegsbeginn 1939 hatten über [8] Die zeitgenössische Zeichnung »Die Funkensender« stellt die beiden
Verfahren von Marconi und Braun mit ihren jeweiligen Komponenten
50% der Haushalte im Gebiet des Deutschen Reiches gegenüber.

105
Rundfunk WDR5
WDR5

WDR5
WDR5 DLF

Sendeantenne WDR5
BFBS

WDR5

Um dieses Nutzsignale per Funk weiterleiten zu können bedarf es der kurzwelligeren


Radiowellen als Träger. Sie transportieren die im Nutzsignal enthaltenen Toninformationen
quasi Huckepack. Die Nutzsignale modulieren dabei die Trägerwellen. Sowohl die Amplitude,
als auch die Frequenz der Trägerwelle kann dabei vom Nutzsignal in einer Reihe von Schritten
Sender
verändert werden, bevor sie über eine Antenne gesendet werden. Am Zielort werden die
Studio Radiowellen wieder demoduliert und so die Toninformation isoliert.
in Köln Modulation
elektrisches Ausgangssignal (Nutzsignal)
Trägerwellen
analog digital

Mikrofon
AM = Amplitudenmoduliert
Schall-
Töne
wellen
Radiowellen
elektrisches
Nutzsignal Trägerwellen
Trägerwellen FM = Frequenzmoduliert + Nutzsignal

Radiowellen

106
1live
1live Empfangsantenne
SWF3
WDR5

DLF
Anschließend wird das Signal demoduliert. Das Nutzsignal wird aus der
SWF3
WDR5
DLF hochfrequenten Trägerwelle technisch extrahiert und an den Lautsprecher
weitergeleitet. Dort entstehen wieder die gleichen Schallwellen, die zu Beginn
im Studio auf das Mikrofon trafen.
BFBS

Emfänger

Nach 10 oder 1000 Kilometern empfängt eine


Antenne das Signal. Besser gesagt, sie empfängt 1live Radio
DLF
in Bonn
eine Unmenge von Radiowellen unterschiedlicher SWF
3
BFBS
Frequenz. Sie werden dort alle in elektrische
Signale umgewandelt. Diese Signale werden
5
im Radio durch einen elektrischen Schwingkreis WDR

mit Spule und Kondensator geleitet, der als


1live
Filter wirkt. Mit dem Senderauswahldrehknopf, DLF
WDR 5

WDR 5
einem Drehkondensator, kann der Schwingkreis BFBS
so eingestellt werde, dass nur Trägerwellen mit SWF3
einer definierten Signalfrequenz duchgelassen
werden. Zum Beispiel in Bonn der WDR 5 bei
88 Mhz. Senderauswahldrehknopf

107
108
Die Welle der Freude
Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam
Von Andreas Vogel

109
110
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

Warum dieses Thema? entwicklung nicht nur in Deutschland ausging. Das entwicklung erlauben würde. Die Darstellung der
Der Rundfunk ist wohl ein Bereich der Technik, in genauere Hinsehen auf diesen Prozess zeigt Verallge- UKW-Einführung beleuchtet deren rundfunkpoliti-
dem viele Menschen unmittelbar mit einem Anwen- meinerbares für die Rundfunkgeschichte als Ganzes sche und technische Hintergründe und skizziert den
dungsbereich elektromagnetischer Wellen in Berüh- auf, mehr als es eine Zusammenfassung der Gesamt- Ausbau der Sender-Netze sowie die Entwicklung der
rung kommen, und das nun schon seit fast 90 Jahren, Akzeptanz für die neue Technik bei den Hörern.
nimmt man den Beginn des Rundfunksendebetriebs Funkhaus

durch die Funkstunde AG in Berlin als Startpunkt. Studio


Wie verlief die Neuordnung der Rundfunkland-
Es ist also naheliegend, sich in diesem Band auch mit schaft in Deutschland nach 1945?
der Rundfunkgeschichte zu befassen. Allein, es ist Bremer-
haven Nach dem Ende der NS-Diktatur wurde der Sende-
Hamburg

ein schwieriges Unterfangen, auf den zur Verfügung Bremen


betrieb unter der Regie der Besatzungsmächte neu
Oldenburg
stehenden Zeilen einen Abriss der Rundfunkentwick- RB aufgebaut. Eigentlich sollte eine gemeinsame Rund-
lung allein in Deutschland darstellen zu wollen, wenn NWDR Hannover NWDR funkpolitik aller vier Mächte entwickelt und umge-
man nicht in der bloßen Auflistung von Ereignissen RIAS setzt werden. Da es dazu aus verschiedenen Gründen
stehen bleiben möchte. Dafür ist die Thematik aber nicht kam, orientierte sich jede Besatzungsmacht am
zu vielschichtig, abwechslungsreich und spannend. Düsseldorf
Dortmund
Rundfunkmodell des eigenen Landes.1
Kassel

Neben der technischen Entwicklung bei den Sende- Köln


In der Britischen Besatzungszone wurde mit dem
anlagen, den Rundfunkempfängern und der Studio- Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg ein
HR
Bonn

technik waren es immer wieder Ereignisse, Hand- Koblenz zentral gestaltetes Rundfunkprogramm für die ganze
lungen von Personen und andere Randbedingungen, Zone aufgebaut. Das Funkhaus Köln lieferte Regio-
Frankfurt/Main
SWF Wiesbaden

die der Rundfunkentwicklung die Richtung gegeben Kaisers-


nalbeiträge aus dem Land Nordrhein-Westfalen zu.
lautern
haben, die zum heutigen Rundfunk in seiner Vielfalt Nürnberg Ähnliche Lösungen fand die Militärregierung der
Heidelberg

geführt haben. Mannheim


SDR Französischen Besatzungszone. Das Programm des
Karlsruhe

Einen Blick auf diese Randsetzungen der Technik Stuttgart Südwestfunks wurde in Baden-Baden produziert;
Baden-Baden BR
zu werfen, ist das Motiv dieses Textes, der sich mit SWF Tübingen Studios in Koblenz und Kaiserslautern produzierten
einer Episode der Rundfunkgeschichte beschäftigt, Baden-Baden München
regionale Beiträge. In der Amerikanischen Besat-
von der unter den ganz spezifischen Bedingungen zungszone wurden hingegen mehrere Programme,
in Deutschland Ende der 1940er, Anfang der 1950er jeweils für die einzelnen Länder der Zone, einge-
Jahre ein sehr wesentlicher Impuls für die Rundfunk- [1] Die Rundfunksender in den drei westlichen Besatzungszonen. richtet.

111
An dieser Grundkonstellation in den Westzonen
änderte sich auch später nichts mehr. Bis 1948
blieben alle Programme unter Kontrolle der Besat-
zungsmächte. Dann begannen zuerst die Briten und
Amerikaner mit Vorbereitungen, den Rundfunk in
deutsche Verantwortung abzugeben. Als Reaktion
auf die Instrumentalisierung des Rundfunks durch
die Nationalsozialisten bestimmten die Besatzungs-
mächte als zentrales Prinzip einen möglichst geringen
Einfluss des Staates auf die Tätigkeit des Rundfunks zu
sichern. So entstand in Westdeutschland ab 1948 der
öffentlich-rechtliche Rundfunk, dessen Programm-
auftrag mit Information, Bildung und Unterhaltung
für alle Bevölkerungsgruppen festgelegt wurde. Als
erstes wurde der NWDR in eine öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalt umgewandelt.
In der Folge entstanden auch aus den Programmen
in den beiden anderen Westzonen öffentlich-recht-
liche Anstalten: der Bayrische Rundfunk, der Hessi-
sche Rundfunk, Radio Bremen und der Süddeutsche
Rundfunk aus den Sendern der Amerikanischen
Besatzungszone und der Südwestfunk im Gebiet der
Französischen Zone.2
Mit dem Ausbau des Berliner NWDR-Studios zum
Sender Freies Berlin 1953, der Gründung des Saar-
ländischen Rundfunk 1955 und der Aufspaltung des
NWDR in den Norddeutschen Rundfunk und den
Westdeutschen Rundfunk 1956 war die öffentlich- [2] Der Kopenhagener Wellenplan.

112
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

rechtliche Rundfunklandschaft der Bundesrepublik funkstruktur bestehen. Erst mit der Bildung des Besonders ungeordnete Verhältnisse waren in Folge
in ihren wesentlichen Zügen ausgestaltet.3 Staatlichen Rundfunkkomitees im Jahre 1952 wurde des Zweiten Weltkrieges entstanden, da in dessen
auch eine Neuorganisation des DDR-Rundfunks in Verlauf praktisch alle europäischen Staaten die Sende-
Für die Sowjetische Besatzungszone begann der Angriff genommen. frequenzen und Strahlungsleistungen ihrer Rund-
Sendebetrieb auf Anweisung der Sowjetischen Mili- Die bis dahin im Wesentlichen regionalisierte funkanstalten nach ihren eigenen Vorstellungen fest-
täradministration für Deutschland (SMAD) bereits Programmstruktur wurde abgeschafft.7 Sie wurde legten und so die formal noch gültigen Wellenpläne
wenige Tage nach Ende der Kämpfe in Berlin. Die durch die Programme Berlin I, II und III ersetzt, von 1933 bzw. 1939 faktisch außer Kraft setzten.12
Militärverwaltungen der Länder und Provinzen deren Namensgebung schon auf ein ausgeprägt zent- Das führte dazu, dass die Kanalbreite nicht mehr,
erteilten bald darauf ebenfalls Befehle, Rundfunkan- ralisiertes Programmkonzept hinwies.8 Bei dieser wie ursprünglich vereinbart, 9MHz betrug, sondern
lagen instand zu setzen und einen Programmbetrieb Reorganisation gingen die spezifischen Profile der effektiv »im Durchschnitt nur etwas über 7kHz«.13
aufzubauen.4 Praktisch entstanden zwei Sendebezirke: bisherigen Programme völlig verloren, die neuen Damit verschlechterte sich die Empfangsqualität, da
ein südlicher, der die Länder Sachsen und Thüringen konnten aber kein eigenständiges entwickeln.9 der eigentlich eingestellte Sender gestört war. Zudem
sowie die frühere preußische Provinz Sachsen (später Ab 1954 wurde die Reform daher schrittweise wieder arbeiteten eine Reihe von Sendern mit sehr instabilen
das Land Sachsen-Anhalt) umfasste und ein nörd- zurückgenommen. Dieser Prozess zog sich bis zum Frequenzen, so dass sich mitunter sehr große Abwei-
licher mit Brandenburg, Mecklenburg und Berlin. September 1955 hin. Von dieser Zeit an gab es die chungen von der Nennfrequenz ergaben.
Hinzu kam das Programm des Deutschlandsenders.5 Programme Deutschlandsender (Berlin I), Berliner Vor diesem Hintergrund gab es neue Bemühungen,
Für die Programmgestaltung war seit Dezember 1945 Rundfunk (Berlin II) und Radio DDR (Berlin III).10 für Europa eine brauchbare Wellenverteilung zu
die Zentralverwaltung für Volksbildung zuständig. finden. Im Sommer 1948 fand in Kopenhagen eine
Im Sommer 1946 wurde eine Generalintendanz für Welche Gründe führten zur Einführung des europäische Wellenkonferenz statt, auf der Deutsch-
den Rundfunk eingerichtet, der fortan die Landes- UKW-Rundfunks in Deutschland? land aber nur durch die Delegationen der Besatzungs-
funkhäuser unterstellt waren. Zumindest formal ging Die außerordentlich rasche Entwicklung des Rund- mächte vertreten war, von denen die der USA nur
damit die Verantwortung für den Rundfunk in der funks im Europa der 1920er Jahre machte bald inter- einen Beobachterstatus hatte.14 Infolgedessen ermög-
SBZ wesentlich früher wieder auf Deutsche über, als nationale Vereinbarungen über die Verteilung der lichten die den vier Besatzungszonen in Deutschland
in den Westzonen. Die starke Präsenz kommunisti- Frequenzen für die verschiedenen Sender notwendig, auf dieser Konferenz zugewiesenen Mittelwellenfre-
scher Funktionäre gerade in den politisch und ideo- um gegenseitige Störungen weitgehend zu vermeiden. quenzen nur eine Rundfunkversorgung, die sehr in
logisch brisanten Bereichen der Verwaltung sicherte Die ersten Bemühungen dieser Art datieren aus dem die Nähe des von einigen Ländern für Deutschland
aber prinzipiell eine Tätigkeit im Sinne der SMAD.6 Jahre 1926, als in Genf ein erster Wellenplan für geforderten »technischen Minimums« kam.15
Nach der Gründung der DDR blieb diese Rund- Europa erarbeitet wurde.11

113
Zwar trat der Kopenhagener Wellenplan, wie vorge- praktisch die Situation vor Inkrafttreten des Wellen-
sehen, am 15. März 1950 in Kraft, doch wurden sehr plans erhalten blieb bzw. wiederhergestellt wurde.
rasch von verschiedenen Rundfunkstationen auch
andere als die zugewiesenen Frequenzen benutzt, da Wie verlief der Aufbau des UKW-Rundfunks in
der Plan doch nicht alle Erwartungen und Anforde- der Bundesrepublik?
rungen der Länder erfüllte. Formalen Anlass bot dazu Zur Aufrechterhaltung der Rundfunkversorgung
die Ignorierung des Wellenplans durch Luxemburg, in Deutschland standen verschiedene Varianten
das jedoch den Vertrag nicht unterzeichnet hatte.16 zur Debatte. Eine davon war der hochfrequente
Die Schuld an der Verletzung der Vereinbarungen Drahtfunk. Die Programme wurden bei diesem
von Kopenhagen schoben sich die Länder der beiden Verfahren auf einer Frequenz im Langwellenbereich
Machtblöcke wechselseitig zu. Recht bald sendeten in das Telefonnetz eingespeist und konnten vom
die Rundfunkanstalten in Deutschland zusätzlich zu Hörer empfangen werden, wenn er über einen Tele-
den von ihnen regulär zu nutzenden acht Frequenzen fonanschluss verfügte. Das Signal wurde dazu am
noch auf zehn weiteren. Ein Jahr später benutzten Empfänger über eine Frequenzweiche ausgekoppelt
allein die Rundfunkanstalten in der Bundesrepu- und in den Antenneneingang des Rundfunkempfän-
blik insgesamt 18 außerplanmäßige Mittelwellen- gers eingespeist. Eine abgewandelte Variante sah vor,
frequenzen.17 Die Rundfunkversorgung in diesem die Sendungen nicht über das Telefonnetz, sondern
Frequenzbereich konnte auch damit nicht verbes- über die des Lichtnetzes zu übertragen und dazu
sert werden. Sie blieb unzureichend, »insbesondere das Rundfunksignal in den Umspannwerken einzu-
abends, wenn die Wirkung der Raumwellen einsetzte speisen. Zwar wären damit, im Gegensatz zum Draht-
und weit entfernte Gleichkanalsender den Empfang funk über das Telefonnetz, prinzipiell alle Haushalte
des eigenen Programms störten«.18 Schließlich kam zu erreichen gewesen, ungelöst blieb aber die Frage,
es so weit, dass 1954 schon wieder »in Europa 45% wie die Sendungen von den Funkhäusern an die
aller Mittelwellen in Abweichung vom Wellenplan Einspeisepunkte hätten übertragen werden sollen.20
genutzt« wurden.19 Ein weiteres Konzept sah vor, die Sendegebiete mit
Mit der Neuverteilung der Mittel- und Langwellenfre- einem Netz von »Mittelwellenkleinstsendern unter
quenzen konnte also keine dauerhafte Lösung für die 20kW« zu versorgen.21 Bei dieser geringen Leistung [3] Professor Werner Nestel gehörte in den Jahren von 1947 bis 1956 als
technischer Direktor der Leitung des Nordwestdeutschen Rundfunks
Rundfunkversorgung in Europa gefunden werden, da waren zwar kaum Störungen anderer Stationen zu (NWDR) an.

114
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

erwarten, die Reichweite wäre aber so gering gewesen, Der Aufbau von UKW-Sendern wurde vor allem beim
»daß Tausende dieser kleinen Sender hätten aufgestellt Nordwestdeutschen Rundfunk und beim Bayrischen
werden müssen, wenn man sich nicht auf die Versor- Rundfunk forciert. Beide Rundfunkanstalten hatten
gung der Bevölkerungsschwerpunkte beschränken sehr große Sendegebiete zu versorgen, die entweder teil-
wollte. Auch bei diesem Vorschlag war die Frage der weise geographisch komplizierte Bedingungen aufwiesen
Programmzubringung zu den einzelnen Kleinstsen- (BR) oder politisch und demographisch sehr inhomogen
dern noch ungeklärt«.22 waren, so dass Forderungen nach einer Regionalisierung
Aus funktechnischer Sicht bot der Aufbau eines der Programme bestanden (NWDR).27
UKW-Rundfunknetzes die beste Aussicht, die durch Die ersten zwei Sender mit Leistungen von 250W
den Kopenhagener Wellenplan entstandenen Prob- auf 90,1MHz (München) sowie 100W auf 88,9MHz
[4] Auf dem Dach der Pädagogischen Hochschule in Hannover wurde
leme zu lösen und sogar Verbesserungen gegenüber 1949 die Antenne des ersten UKW-Senders im Bereich des NWDR (Hannover) begannen im Februar/März 1949 zu
errichtet.
den bisher üblichen Übertragungen zu erreichen, arbeiten, es folgten bis zum Juni 1949 noch vier
erst recht, wenn man statt der Amplitudenmodula- des Krieges der UKW-Sprechfunk durch das Militär weitere. Je ein zweiter strahlte das Programm des BR
tion (AM) die Frequenzmodulation (FM) verwen- stark genutzt wurde. Vor allem die relativ kurze Reich-
dete. Damit wurde eine Verbesserung der Klangqua- weite von UKW-Sendern stellte sich für die notwen-
lität möglich, weil ein breitbandigeres Niederfre- digen Versorgungsaufgaben als Vorteil dar. Damit
quenz-Signal gesendet werden konnte. Zudem ist war es nämlich möglich, vergleichsweise viele Sender
ein frequenzmoduliertes Signal weniger anfällig zu betreiben, ohne dass die Gefahr bestand, dass sie
gegen atmosphärische Störungen, die hauptsäch- sich gegenseitig störten.25
lich amplitudenmodulierend wirken.23 Der UKW- Eine besondere Rolle bei der Entscheidung, ein
Bereich wurde in Deutschland schon vor dem Krieg, UKW-Netz in Deutschland aufzubauen, spielte
vor allem bei den Fernsehversuchssendungen, benutzt, Professor Werner Nestel, der zu dieser Zeit als tech-
[5] Eröffnung des ersten UKW-Senders des NWDR am 1.3.1949 in
ohne dass ihm für die Rundfunkversorgung eine nischer Direktor des Nordwestdeutschen Rundfunks Hannover. Werner Nestel bei der Pressevorführung.

Perspektive eingeräumt wurde, nicht zuletzt, weil »die tätig war. Er war einer der engagiertesten Verfechter (Nürnberg 88,1MHz) und des NWDR (Hamburg
Rundfunkversorgung der Hörer [...] damals durch die dieser Idee, die er schon sehr früh verfolgte, und ohne 89,6MHz) aus. Beim Hessischen Rundfunk arbeitete
Sender auf Mittel- und Langwelle gesichert« schien.24 Zweifel ist es zu einem großen Teil sein Verdienst, ein Sender in Frankfurt/M. auf 94,1MHz und bei
Dennoch war der Bereich hinsichtlich seiner Ausbrei- dass es überhaupt zur Einführung des UKW-Rund- Radio Stuttgart, dem späteren SDR, ein Sender auf
tungseigenschaften weitgehend erforscht, da während funks kam.26 89,1MHz. Die Leistungen der neuen Sender betrugen

115
100W (Hamburg), 160W (Frankfurt/M.) bzw. 250W tender mit ihren Plänen, die sich vorerst auch nicht auf voranzutreiben.31 Dieser Senderaufbau erfolgte ziemlich
(Nürnberg und Stuttgart).28 ein baldiges zweites Programm orientierten.30 stetig. Gleichzeitig verlängerten sich die Sendezeiten. So
Allerdings konnten die Probesendungen vorerst von In dem Maße, wie sich die Empfangsmöglichkeiten erweiterte ab Anfang 1951 der NWDR die Sendezeit
den Hörern kaum empfangen werden, da praktisch im Mittelwellen-Band nach Inkrafttreten des Kopen- seines UKW-Programms auf täglich zwölf Stunden.
noch keine UKW-fähigen Empfänger Das hatte für den Handel den Vorteil, daß nun
zu kaufen waren. Diese Übertragungen »UKW während der Hauptgeschäftszeit« in den
dienten vor allem den Entwicklungs- Läden vorgeführt werden konnte.32 Auch die
abteilungen der Hersteller als praxis- Rundfunkanstalten im Süden Deutschlands
nahe Hilfsmittel, um neukonstruierte bereiteten ein zweites Rundfunkprogramm vor.
UKW-Empfänger zu testen. So konnten Anfang 1951 konnten etwa 600.000 Hörer mit
die vom Sender in Hannover ausge- UKW-Sendungen versorgt werden. Von diesen
strahlten Programme von den TELE- potentiellen Hörern waren aber die wenigsten
FUNKEN und der C. LORENZ AG, wirklich im Besitz eines entsprechenden
die in Hannover ansässig waren und Empfängers, da die Radioindustrie erst in der
von den BLAUPUNKT-Werken in zweiten Jahreshälfte 1950 begonnen hatte, in
Hildesheim genutzt werden.29 Ebenso größerem Umfang FM-Empfänger auf den
war im Raum Nürnberg eine Reihe von Markt zu bringen.
Rundfunkunternehmen ansässig, wie
GRUNDIG in Fürth und LOEWE- Wie verlief die Entwicklung der Rundfunk-
OPTA in Kronach. Besonders intensiv empfängertechnik?
wurde der weitere Sendernetzaufbau Auf die von den Rundfunkanstalten in der
im Gebiet des NWDR betrieben. So Bundesrepublik sehr früh getroffene Entschei-
[6] 10 kW-FM-UKW-Rundfunksender von Telefunken.
wurde die Errichtung von insgesamt fünf Sendern mit dung zum Aufbau eines UKW-Rundfunknetzes
je 10kW Leistung in Hamburg, Langenberg, Hannover, hagener Wellenplanes nicht besserten, wurde für die reagierten die Rundfunkgerätehersteller anfangs mit
Oldenburg und Detmold sowie eines Senders in Köln Rundfunkanstalten die Alternative UKW immer mehr großer Skepsis. Die Ursachen für die abwartende bis
mit 1kW Leistung vorbereitet. Starttermin des zweiten zur einzig sinnvollen Lösung des Problems. ablehnende Haltung der Unternehmen lagen in der
Programms war der 30. April 1950. Zur gleichen Zeit Daher begannen die Rundfunkanstalten in der Bundes- wirtschaftlichen Lage der Branche im Jahr 1949.
waren die süddeutschen Stationen noch zurückhal- republik ab 1951 den »Ausbau des UKW-Netzes« Infolge der Währungsreform hatte der Absatz an

116
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

Rundfunkempfängern zwischen Juli und November Werbung für den UKW-Rundfunk unter anderem
1948 stark zugenommen. Alles in allem entsprach die mit einem an die Radiobastler gerichteten Wettbewerb
Produktionsmenge von rund 80.000 Geräten Ende des für UKW-Empfänger.36 Zugleich begann eine syste-
Jahres bereits wieder der Monatsproduktion von 1936 matische Informationsarbeit der Rundfunkanstalten,
in ganz Deutschland. Solche Stückzahlen waren aber um in Zusammenarbeit mit der Presse die Hörer über
vor dem Hintergrund der Erwerbs- und Einkommens- die Vorteile des UKW-Rundfunks und Neuerungen
situation der privaten Haushalte nicht zu verkaufen, bei den Empfängern zu informieren. Vorreiter war die
und es entstand ab Januar 1949 eine bis Mitte des Programmzeitschrift »Hör zu«, deren Chefredakteur
Jahres anhaltende Absatzkrise.33 Hauptsächlich waren Eduard Rhein den Begriff »Welle der Freude« für den
die Preise für Rundfunkgeräte vor dem Hintergrund UKW-Rundfunk prägte.37
eines großen Bedarfs an nahezu allen langlebigen Bei der Markteinführung von UKW-Empfängern
Konsumgütern deutlich zu hoch. Sie lagen Anfang durch die Unternehmen wurden zwei verschiedene
1949 noch bei etwa 200% des Niveaus von 1936, Wege beschritten. Es wurden sowohl kombinierte
während die Löhne nur auf etwa 120% gegenüber 1936 AM/FM-Empfänger als auch spezielle Vorschaltgeräte
gestiegen waren. Da in den Jahren 1949/50 nur ca. 6% und Module angeboten, die vorhandene AM-Geräte
des Budgets von privaten Haushalten zur Anschaffung für den UKW-Empfang erweitern konnten. Vorschalt-
von Hausrat und Ähnlichem zur Verfügung standen, geräte waren im Prinzip universal anzuwenden, da
waren für eine Mehrheit von Haushalten die Kosten sie über den Tonabnehmeranschluss des Empfängers
von bis zu 500,- DM für einen Rundfunkempfänger mit diesem verbunden wurden, während die Module
kaum aufzubringen.34 zur Nachrüstung speziell dafür vorgesehener Geräte
Der Beginn der UKW-Einführung fiel genau in diesen dienten. Damit war es den Kunden möglich, zuerst,
Zeitraum der krisenhaften Situation in der Branche und solange in ihrer Nähe noch kein UKW-Sender arbei-
wurde deshalb von den Herstellern und den Händlern [7] Karte der UKW-Sender in beiden deutschen Staaten 1959. tete, einen herkömmlichen Empfänger zu erwerben
zuerst eher abgelehnt als begrüßt. In dieser Situation nehmen Vorschaltgeräte in ihr Produktionsprogramm und diesen später bei Bedarf zu erweitern.
boten die Hersteller 1949 noch keine UKW-Empfänger auf, mit denen herkömmliche Rundfunkgeräte für den Während das Sendernetz ausgebaut wurde, konnten
an, obwohl in einigen Gebieten bereits Empfangs- UKW-Empfang erweitert werden konnten.35 Ange- die Rundfunkgerätehersteller den anfänglichen Rück-
möglichkeiten für UKW-Sendungen bestanden. Erst sichts der anfänglichen Zurückhaltung der Rundfunk- stand bei der Empfängerproduktion aufholen. Ab
um die Jahreswende 1949/50 nahmen einige Unter- gerätehersteller forcierten die Rundfunkanstalten die dem Jahrgang 1951/52 hatte sich der UKW-Bereich

117
im Angebot an Heimempfängern vornehmlich für den Süddeut-
weitgehend durchgesetzt, wobei die schen Rundfunk (SDR) ange-
Preise der kombinierten Geräte nur stellt wurden.42
geringfügig über denen für Nur- Die über den Zeitraum von 1951
AM-Empfänger lagen.38 bis 1959 durchgeführten Befra-
gungen belegen eine relativ große
Wie nahmen die Hörer den Bereitschaft, sich einen UKW-
UKW-Rundfunk und die zweiten Empfänger anzuschaffen und
Programme an? ein stetiges Anwachsen der Zahl
Der UKW-Rundfunk konnte nur der UKW-Empfänger in den
dann erfolgreich eingeführt werden, Haushalten. Zwischen 1951 und
wenn sich die Hörer UKW-fähige 1954 planten jährlich 12 bis 14%
Empfänger anschafften und die der Haushalte, sich innerhalb
Geräte auch auf die zusätzlichen eines Jahres ein solches Gerät
Programme abstimmten. In den zu kaufen.43 Andererseits zeigte
Jahren 1950/51 verlief der Absatz sich, dass anfänglich, obwohl das
von UKW-Geräten relativ zöger- UKW-Programm zu empfangen
lich, was in erster Linie auf die noch nicht flächen- [8] Grundig Radioempfänger 298W von 1950/1951. Der Apparat war, ein relativ großer Teil der Hörer, die einen UKW-
besitzt einen nachgerüsteten UKW-Empfänger.
deckende Senderdichte zurückzuführen ist. Konnten fähigen Empfänger besaßen, den SDR »nur auf Mittel-
die Händler aber die Geräte bei guten Empfangsbe- Kunden, sich schon sehr früh einen UKW-Empfänger welle« hörten.44 Zwischen März 1951 und Dezember
dingungen vorführen, beschleunigte dies den Absatz anzuschaffen. »Es gibt Kunden, für die das zweite 1952 waren das bei insgesamt drei Befragungen
wesentlich39. Programm so wichtig ist, daß es den Kauf eines jeweils zusammen 60%, 47% beziehungsweise 41%.45
Vor allem war aber in der Anfangszeit »das Programm Empfängers mit UKW entscheidet«.41 Das war umso In dem Maße, wie sich die Empfangsbedingungen im
der UKW-Sender [...] nicht anziehend genug«40, mehr der Fall, wenn sowohl UKW- als auch Mittel- UKW-Bereich verbesserten, die Hörer mit der Bedie-
solange im Grunde nur das Mittelwellenprogramm, wellensendungen gut empfangen werden konnten. nung der neuen Geräte vertrauter wurden und sich
zum Teil zeitversetzt, gesendet wurde. Die Ausstrah- Das belegen demoskopische Untersuchungen, die zur an das durch die größere NF-Bandbreite veränderte
lung eines eigenständigen zweiten Programms bildete Rezeptionsentwicklung bei den UKW-Programmen Klangbild gewöhnten, wurde es ab 1956 kaum noch
daher oft einen entscheidenden Grund für die vom Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach registriert, »daß die Besitzer von UKW-Geräten nur

118
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

auf Mittelwelle« hörten.46 1953 durchgeführt hatte. Zu dieser Zeit »hatten im


Da es bei der UKW-Einführung den Rundfunkan- Bereich des Nordwestdeutschen Rundfunks zwei
stalten nicht nur darum gegangen war, das bisherige Drittel und im Bereich des Bayerischen Rundfunks
Programm besser zu verbreiten, sondern auch noch und des Südwestfunks rund drei Fünftel aller Hörer
ein zusätzliches anzubieten, war es für die Anstalten mit UKW-Empfangsmöglichkeit auch UKW gehört.
von Interesse, zu erfahren, wie dieses Angebot ange- Im Bereich des Hessischen Rundfunks hatte jeder
nommen wurde. Die Umfrageergebnisse zeigten, daß zweite Besitzer eines Apparates mit UKW-Empfang
dies gleichfalls sehr zögernd begann. Für 1952 ermit- sein Gerät irgendwann auf UKW eingestellt. Im
telte das IfD, dass nur 5% der Hörer auch das Zweite Bereich des Süddeutschen Rundfunks aber hatte sich
Programm des SDR einschalteten. Danach erhöhte nur weniger als ein Drittel derjenigen Hörer, die dazu
sich der Prozentsatz aber stetig, und 1954 hörten die Möglichkeit hatten, zum Empfang entschlossen«.49
69% der Hörer mit einem UKW-Empfänger irgend- Zu diesem Zeitpunkt strahlten der NWDR und das
wann am Tage auch einmal das Zweite SWF ihr zweites Programm bereits tagsüber aus.
[9] Kaiser UKW-Spezial W1131. Kompakter Radioempfänger der
Programm. 42% nutzen es täglich oder Der BR, der SDR und der HR sendeten ausschließlich für den UKW-Empfang konzipiert wurde.

fast täglich.47 nur abends ein spezielles zweites Programm. Bedingungen ab, die dazu führten, dass die Hörbetei-
Im Zuge dieser Befragungen wurde Des Weiteren wurde deutlich, dass die ligung am Zweiten gegenüber dem Ersten Programm
deutlich, dass ein erheblicher Teil der zweiten Programme nur als attraktiv wahr- überwog:
Hörer des SDR anfänglich das Zweite genommen wurden, wenn sie unterhaltenden »1. Die erfolgreichen Sendungen sind leicht und unter-
Programm für zweitklassig, also weniger Charakter hatten. Ihre anfängliche Ausrich- haltend gewesen.
gut gehalten hat. Daraufhin änderte die tung als Kulturprogramme »(nach Art des 2. Sie kontrastierten mit dem Ersten Programm des
Rundfunkanstalt die Bezeichnungen Dritten Programms der BBC)« entsprach dem Süddeutschen Rundfunks.
»Erstes Programm« und »Zweites Publikumsinteresse weniger.50 3. Programme anderer Sender waren für Hörer
Programm« in »Mittelwellenprogramm« und »UKW- Diese Erkenntnisse wurden von späteren Untersu- anscheinend nicht sehr verlockend.
Programm«.48 Hier wurde deutlich, dass eine wesent- chungen im Jahr 1955 untermauert, nach denen von 4. Diese Sendungen waren alle von längerer Dauer
liche Voraussetzung für die UKW-Akzeptanz die den Hörern des Zweiten Programms des SDR beson- (mindestens eine Stunde). Andere Programme, die
Existenz eines (für die Hörer ansprechend gestal- ders in den Abendstunden die leichte Musik bevor- lediglich diese letzte Bediengungen nicht erfüllen,
teten) zweiten Programms war. Dies unterstreicht zugt wurde. Aus verschiedenen Stichtagsbefragungen scheinen in der Regel geringeres Publikum zu
eine bundesweite Stichtagbefragung, die das IfD in jenem Jahr leitete das Institut eine Reihe von haben.«51

119
ging man in der DDR? Rundfunks. Mitte 1953, als in der Bundesrepublik
In der DDR wurde nach Ende der Kopenhagener bereits eine weitgehend flächendeckende Versorgung
Wellenkonferenz in allen zuständigen Gremien, mit UKW-Sendungen möglich war, arbeiteten in der
zumindest offiziell, die These vertreten, die neue DDR erst fünf Sender mit jeweils einer Sendeleistung
Frequenzverteilung würde nicht in Kraft treten. Anlass von 250Watt. Vom Brocken wurde auf 94,5MHz, vom
zu dieser Annahme boten sowohl die Position der Inselsberg auf 94,0MHz, in Berlin auf 92,5MHz, in
UdSSR zum Kopenhagener Wellenplan, als auch die Schwerin auf 89,2MHz und in Leipzig auf 88,0MHz
in mehreren Ländern geführten Diskussionen über die gesendet.55 Auch in den folgenden Jahren änderte
Umsetzung des Planes.52 Folglich wurden in der DDR sich an dieser Situation wenig, nicht zuletzt, weil die
auch keine Vorkehrungen getroffen, um ab März 1950 begonnenen Bauprojekte immer wieder durch tech-
eine Unterversorgung des Landes im Rundfunkbe- nische Schwierigkeiten und Produktionsrückstände
reich zu vermeiden, sieht man von der Bitte der DDR- der bauausführenden und Liefer-Betriebe verzögert
Regierung an die der UdSSR ab, eine Langwellenfre- wurden.56
quenz zur Verfügung zu stellen. Die damit verfolgte Eine vorübergehende Intensivierung des UKW-
Absicht war es, die Ausstrahlung des Programms des Aufbaus trat ein, nachdem im Mai 1952 im Ministe-
Deutschlandsenders in die BRD sicherzustellen.53 Alle rium für Post- und Fernmeldewesen eine Hauptver-
[10] UKW ULEI 52/IV W: Nachrüstmodul für den UKW-Empfang übrigen Maßnahmen zum Auf- und Ausbau waltung Funkwesen gebildet worden
Für den Erfolg der neuen Programmangebote, die mit von Sendeanlagen des Rundfunks waren in war, der die gesamte Planung, Koordi-
dem UKW-Rundfunk entstanden, war der Umstand, der DDR Anfang der 1950er Jahre in erster nierung und Realisierung der Sender-
dass die Programme möglichst flächendeckend ausge- Linie auf das Ziel ausgerichtet, die Empfangs- bauprogramme übertragen wurde.57 Bis
strahlt wurden und die Hörer einen UKW-fähigen möglichkeiten westdeutscher Sender und 1956 wurden acht zusätzliche Sender in
Empfänger besaßen, nicht allein ausschlaggebend. besonders des RIAS, auszuschließen oder Betrieb genommen, danach stagnierte der
Entscheidend war, dass die neuen Programme den wenigstens zu minimieren. Dafür wurden Aufbau erneut und wurde erst ab 1958
inhaltlichen Erwartungen der Hörer gerecht wurden. erhebliche Produktionskapazitäten sowie wieder forciert. Die Verzögerungen der
Das von Eduard Rhein formulierte Motto »Die Welle materielle und finanzielle Mittel verbraucht, Jahre 1956/57 fielen zusammen mit einer
der Freude« wollten die Hörer in den Programmbei- die für andere Projekte fehlten.54 neuerlichen Umstrukturierung im Minis-
trägen bestätigt finden. Dadurch verzögerte sich der Aufbau von terium für Post- und Fernmeldewesen,
Welchen Weg der Einführung des UKW-Rundfunks UKW-Sendernetzen für die Programme des DDR- die auf einem Ministerratsbeschluss vom 23. Februar

120
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

punkten erfolgt. Lediglich die beiden Anlagen auf dem


Brocken und dem Inselsberg hatten eine Lage, von der
aus ein relativ großes Gebiet versorgt werden konnte.
Insbesondere die Aufstellung von Sendeanlagen in
Berlin und Leipzig erfolgte hingegen mehr anhand
politischer Prämissen. Ein Gesamtplan für den Netz-
aufbau wurde erst nach Bildung des Bereiches Rund-
funk und Fernsehen ausgearbeitet.59 Vor allem auf
Grund der an funktechnischen Kriterien ausgerichteten
Senderaufstellung verbesserte sich die Versorgung mit
UKW-Programmen erheblich, wenngleich auch 1960
noch immer kein flächendeckendes Angebot sicherge-
stellt werden konnte. Der Deutschlandsender war auf
65% der Fläche der DDR auf UKW zu empfangen, das
Programm Radio DDR I auf nur 15%, Radio DDR
II auf 50% und der Berliner Rundfunk auf 60% der
Fläche, vor allem aber im Berliner Umland. Ergänzt
wurde diese Abdeckung noch durch Mittelwellen-
sender.60
Die Verzögerungen beim Bau der Sender waren häufig
auf Lieferprobleme bei Technik und Material zurück-
[12] Radioempfänger »Türkis« vom VEB Stern Radio Rochlitz (1961/1962). zuführen. Durch die Einbindung der Betriebe aller
Wirtschaftszweige in das Plansystem war es nur
1956 beruhte. Das Ziel dieser Reorganisation war die spezieller Bereich Rundfunk und Fernsehen formiert, schwer möglich, auf solche Störungen zu reagieren.
»schnelle Überwindung der technischen Rückständig- der aber einige Zeit benötigte, um wirksam handeln Zwar entstand mit den Jahren in der DDR ein ausge-
keit auf dem Gebiete des Hörrundfunks und Fernse- zu können. prägtes informelles System der Kompensation von
hens ... und [die] Koordinierung aller Maßnahmen Die Standortwahl für die bis 1956 aufgestellten Sender Engpässen; bei solch komplexen Investitionsobjekten
auf diesem Gebiet«.58 Dazu wurde unter anderem ein war nur teilweise nach funktechnischen Gesichts- wie dem Aufbau eines flächendeckenden Sendernetztes

121
war es aber kaum wirksam, da damit nur punktuelle diesem. Schon 1951 wurden einige UKW-Empfänger die Kunden auf der anderen Seite auftat, weil die
Schwierigkeiten zu lösen waren. Eine Alternative für auf der Leipziger Messe ausgestellt. Zwischen 1951 Produktion nicht wie vorgesehen anlief. Die Ursache
den Verlauf der Entwicklung hätte nur bestanden, und 1955 nahm der Anteil UKW-fähiger Empfänger dafür lag häufig in Lieferschwierigkeiten der Zulie-
wenn die Einführung des UKW-Rundfunks mit stetig zu, zugleich wurden auch Vorschaltgeräte und ferbetriebe. In der Rundfunkgeräteindustrie traten
einer hohen Priorität von Seiten der Führung der Einbaumodule entwickelt. Waren 1951 nur 10% der solche Krisensituationen nahezu permanent bei
SED betrieben worden wäre. Das war aber nicht der im Handel angebotenen Modelle in der Lage, UKW- Röhren, Lautsprechern und Gehäusen auf.66
Fall. Die Aufmerksamkeit der Parteispitze lag weitaus Programme zu empfangen, machten diese Geräte ein Die Aufstellung von UKW-Sendern und die Umstel-
stärker zum einen bei den Projekten zur Einschrän- Jahr später 38% des Modellangebotes aus, 1953 sogar lung der Rundfunkempfängerproduktion auf UKW-
kung der Empfangsmöglichkeiten westdeutscher schon 70%.63 fähige Geräte verliefen also in der DDR im umge-
Sender und zum anderen bei der inhaltlichen Gestal- Der Anteil der vom Handel bei den Herstellern geor- kehrten Verhältnis zueinander als in der Bundesrepu-
tung der Rundfunkprogramme der DDR.61 derten Mengen an AM/FM-Empfängern war indes blik. Während im Westen Deutschlands der Senderbau
Erst als Ende der fünfziger Jahre immer deutlicher in diesem Zeitraum etwa gleich groß wie der Anteil und damit das Programmangebot im UKW-Bereich
wurde, dass die Rundfunktechnik in der DDR an reinen AM-Empfängern.64 Dieser Widerspruch der Empfängerproduktion voraus liefen, blieb der
weit hinter der internationalen Entwicklung (den zwischen dem Modellspektrum und den georderten Aufbau von UKW-Sendern in derDDR in der
Vergleichsmaßstab lieferte hier in erster Linie die Mengen deutet auf eine geringere Nachfrage nach Einführungsphase des UKW-Rundfunks bis Mitte
Bundesrepublik) zurückgeblieben war, beschäftigte UKW-Empfängern hin. Diese muss als Folge der der 1950er Jahre hinter den Veränderungen im
sich auch die Parteiführung intensiver mit der Rund- unzureichenden und langsamen Verbreitung des Angebot an Rundfunkempfängern zurück.
funktechnik. Frühere Berichte aus dem Ministerium UKW-Rundfunks angesehen werden. Gleichwohl
für Post- und Fernmeldewesen und dem für die kann die Einführung der UKW-Technik bei Rund- Was ist an der Einführung des UKW-Rundfunks
Rundfunkempfängerproduktion zuständigen Minis- funkempfängen in der DDR im Jahr 1955 als abge- verallgemeinerbar?
terium für Maschinenbau waren weitgehend folgenlos schlossen angesehen werden. Ab diesem Zeitpunkt Die hier skizzierte Einführung des UKW-Rundfunks
geblieben.62 waren 90% der angebotenen Empfänger mit einem in Deutschland zeigt recht deutlich, dass die Entwick-
UKW-Teil ausgestattet.65 lung des Rundfunks sehr häufig nicht in erster Linie
Wie wurde die Produktion von Rundfunkemp- Allerdings stellte sich der für die DDR-Wirtschaft durch Impulse aus Naturwissenschaft und Technik
fängern in der DDR umgestellt? häufig festzustellende Umstand ein, dass sich eine beeinflusst wurde. Politische Gegebenheiten, wirt-
Demgegenüber verlief die Umstellung der Produk- Schere zwischen der Entwicklung und Produktions- schaftliche und soziokulturelle Faktoren bildeten
tionspalette auf UKW-Empfänger rascher als der planung neuer Erzeugnisse auf der einen Seite und stattdessen oft die prägenden Randsetzungen.
Senderaufbau und damit fast unabhängig von ihrer tatsächlichen Fertigung und Verfügbarkeit für Es war eine Folge der politischen Verhältnisse

122
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

in Deutschland und Europa nach dem Ende der


NS-Diktatur, dass einerseits ein stark ausdifferen-
ziertes Rundfunksystem mit vielen Programmen in
Deutschland entstanden war und andererseits im
Kopenhagener Wellenplan diesen Gegebenheiten
nicht Rechnung getragen wurde. Den Ausweg aus
dem damit entstandenen Dilemma bot die UKW-
Funktechnik, die zu etablieren aber erhebliche wirt-
schaftliche Probleme für die Programmanbieter, die
Rundfunkgerätehersteller und die Käufer nach sich
zogen. Konnten diese nicht bewältigt werden, verzö-
gerte sich die UKW-Einführung, wie Mitte der
1950er Jahre in der DDR. Und schließlich mussten
die Hörer das neue Angebot auch akzeptieren, sollte
es ein Erfolg werden.
Erfindungen und Entdeckungen, wie die von Hein-
rich Hertz allein sind keine Garant dafür, dass aus
ihnen etwas Nützliches entsteht. Andererseits gäbe es
ohne Hertz und alle, die seine Forschungsergebnisse
weiter entwickelten, auch keinen Rundfunk.

[13] Senderskala des Kaiser UKW-Spezial W1131.

123
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Bildnachweise

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Bildnachweise
Umschlag außen:
Titelbild: magoodesign – markus kahlenberg
Übrige Bilder: Deutsches Museum

Umschlag innen:
Karten – Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn

Heinrich Hertz – Eine biographische Skizze


Titelbild: Deutsches Museum (Heinrich Hertz) und Karl-Heinz Althoff (Briefmotiv)
Deutsches Museum: Abb. 1 – 7, 9, 10, 11 – 14 – 20, 22, 23.
Zeichnung von Torsten Klockenbring: Abb. 8, 16, 21.
Zeichnung von Heinrich Hertz: Abb. 15.

Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Vom öffentlichen Umgang mit Heinrich Hertz und seiner Familie
im Nationalsozialismus
Titelbild: Deutsches Museum (Heinrich Hertz) und Markus Kahlenberg
Deutsches Museum: Abb. 1 – 4, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 15, 16.
Das neue Noraghaus Hamburg, Berlin u. a. 1930, nicht paginiert: Abb. 5.
Dr. Karl Mey zum 60. Geburtstage, in: Zeitschrift für technische Physik 20 (1939): Abb. 8.
Deutsches Rundfunk Archiv: Abb. 6.
Eve, A. und Cedwick, J.: Orbituary Notice: Lord Rutherford, in: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal
Society, 1938: Abb. 14.

»Originale Kopien« Hertz‘ Bonner Vermächtnis


Titelbild: Deutsches Museum
Deutsches Museum: Abb. 1, 3, 8, 9, 11, 13 – 16, 18, 20, 21, 27, 28, 29, 30.
Ralph Syttkus: Abb. 2 und 4.
Karl-Heinz Althoff: Abb. 10, 12, 25, 26, 31.

127
Michael Kortmann: Abb. 17, 19.
Marc Jumpers: Abb. 5.
Fritz Milkau: Abb. 6.
Zeichnung von Torsten Klockenbring: Abb. 7.
Jörg Bradenahl: Abb. 22 und 23.
Physikalisches Institut der Universität Bonn: Abb. 24.

Exkurs: Alles Strahlt


Grafiken von Jörg Bradenahl

Der lange Weg zu Hertz


Titelbild: Jörg Bradenahl
Deutsches Museum: 1 – 4, 6 – 8, 10 – 15, 20, 21.
Jörg Bradenahl: Abb. 5, 9a und 9b, 16, Schwingkreis-Grafik und Grafik des Versuchsaufbaus von Heinrich Hertz.
Karl-Heinz Althoff: Abb. 18.
Markus Kahlenberg: Thomsonsche Schwingungsgleichung.
Zeichnung von Torsten Klockenbring: Abb. 22.
Zeichnung von Heinrich Hertz: Abb. 23.

Vom Funkensprung zur Radiowelle


Titelbild: Deutsches Museum
Deutsches Museum: Abb. 1 – 7.
Jörg Bradenahl: Radio-Grafik

128
Bildnachweise
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam
Titelbild: Markus Kahlenberg
Markus Kahlenberg: Abb. 1.
Deutsches Museum: Abb. 6
Heinz Schulz: Abb. 7
NDR: Abb. 3, 4, 5.
Funktechnik Nr. 24 (1948): Abb. 2 .
Eddy Nußbaum, Privates Radiomuseum Bonn: Abb. 8 – 13.

129
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Anmerkungen

131
132
Anmerkungen
Jüdische oder nichtjüdische Deutsche? Von Stefan L. Wolff
1 So beispielsweise noch das ZDF 2007 auf der inzwischen nicht
mehr abrufbaren Internetseite http://www.zdf.de/ZDFde/ 10 Oskar von Miller (Deutsches Museum) an Reichsrat Ferdinand 17 G runwald, Max: Juden als Erfinder und Entdecker, Ost und
inhalt/20/0,1872,7000468,00.html-26. Dazu auch: Wenkel, Freiherr v. Miller, Direktor der Akademie der bildenden Künste, West, 13 (1913), Nr. 9 Sp. 703-712 und 743-758; Nr. 10, Sp.
Simone: Jewish Scientists in German Speaking Academia in 23.3.1916; Blohm an Deutsches Museum, 11.5.1916. Blohm hatte 809-812; Nr. 11, Sp. 875-884, hier: Nr. 11, Sp. 877.
Charpa, Ullrich und Deichmann, Ute (Hg.): Jews and Sciences in als Spender anonym bleiben wollen und war aber, wie er selbst 18 Das ist mitunter als Akt des „Widerstands“ missverstanden
German Contexts, Tübingen 2007, S. 265-295, hier: S. 280. erwähnt, von Edmund Siemers als solcher genannt worden, worden. Hoepke, S. 65, beispielsweise würdigt in diesem Sinn
2
Volkov vertrat die gegenteilige These: Volkov, Shulamit: Soziale beide DMA VA 2165. zwei Autoren von entsprechenden Zeitschriftenbeiträgen über
Ursachen des Erfolgs in der Wissenschaft. Juden im Kaiserreich, 11 H oepke, Klaus-Peter: Die Universität Fridericiana Karlsruhe Hertz.
Historische Zeitschrift, 245 (1987), S. 315-342 bzw. in Idem, und Hertz, Fridericiana Zeitschrift der Universität Karlsruhe 41 19 H adamovsky, Eugen: Dein Rundfunk. Das Rundfunkbuch für alle
Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert, (1988), S. 59-79, hier: S. 61-62. Volksgenossen. München 1934, S. 111.
München 1990, S. 146-165. Später hat die Autorin dies wieder 12 B redow, Strecker und Wolff (Gründungsausschuss), 20 D ie Gesellschaftsberichte wurden in der Zeitschrift für
relativiert: Volkov, Shulamit: Juden als wissenschaftliche Mandarine Gründungsaufruf, 15.5.1924, DMA VA 144/2, siehe auch Elektrische Nachrichtentechnik abgedruckt. Zuletzt in 11 (1934),
in der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik, Archiv für Bredow (Staatssekretär im Reichspostministerium) an Oskar von S. 67-73 vom November 1933. Danach gab es nur noch eine
Sozialgeschichte, 37 (1997), S. 1-18. Miller, 6.5.1924, ebd. kurze Vorstandsnotiz in 12 (1935), S. 36, wobei der Name von
3 Laut jüdischem Religionsgesetz ist das Kind einer jüdischen Mutter 13 B urstyn, W.: Aus der Großen Deutschen Funkausstellung 1928 Heinrich Hertz fortgefallen war: „Gesellschaft zur Förderung
Jude. Das traf zuletzt auf den Vater von Heinrich Hertz bis zu in Elektrotechnische Zeitschrift 49 (1928), S. 1504-1507, hier: S. der Funkwesens e. V.“ Aber in den folgenden Jahresbänden
dessen Taufe zu. Die später erwähnten Nürnberger Gesetze 1504. taucht sie gar nicht mehr auf.
als Ausdruck des staatlichen Antisemitismus hätten ihn zu einem 14 A bbildung des Raumes in Puls und Richter: Das neue Noraghaus 21 H oepke, S. 76.
„Mischling“ gemacht. Hamburg. Berlin u. a. 1930., nicht paginiert. Der Künstler 22 Das wird durch Erwähnungen in den Katalogen belegt. So z. B in:
4 Siehe zu der Familiengeschichte mit Angabe von Quellen: war Ludwig Kunstmann. Hinweis aus Wagner, Hans-Ulrich: Rundgang durch die Sammlungen, 7. Auflage 1942, S. 115. Der
Wolff, Stefan L.: Die Familie Hertz – eine nichtjüdische Gehirn einer Stadt. Vor 80 Jahren wurde das neue Funkhaus Direktor des Museums Bäßler antwortete Laue auf die Anfrage
Wissenschaftlerfamilie mit jüdischem Namen, in G. Wolfschmidt in Hamburg seiner Bestimmung übergeben in Rundfunk und vom 7.2.1956, ob die Büste noch existiere, am 10.2.1956, sie
(Hg.), Heinrich Hertz (1857-1894) – Life an Impact, Norderstedt Geschichte 37.1-2 (2011), S. 53-55. Siehe auch Puls und Richter sei unversehrt durch den Bombenkrieg gekommen, DMA VA
2008, S. 252-273. an das Deutsche Museum, 18.12.1929, DMA VA 0144/1. 2165.
5 Fölsing, Albrecht: Heinrich Hertz. Hamburg 1997, S. 21-22. 15 Kohut, Adolph: Berühmte Israelitische Männer und Frauen in der 23 Zenneck an Matschoß, 3.2.1938, DMA VA 959/2.
6 Ebd., S. 33. Kulturgeschichte der Menschheit. Lebens- und Charakterbilder 24 P hysikalisches Institut der TH Karlsruhe an die Bibliothek des
7 Ebd., S. 55-57. aus Vergangenheit und Gegenwart. Ein Handbuch f. Haus u. Deutschen Museums, 24.1.1938, DMA VA 959/2.
8 „ Jüdische Deutsche“ als Begriff des Selbstverständnisses von Familie. Zwei Bände. Leipzig-Reudnitz 1900/1901, Band 2, S. 25 H oepke, S. 73-74.
Deutschen, die dem Judentum angehörten. Ende des 19. 234. 26 M ey an Debye zur Kenntnisnahme, 6.7.1938, MPGA, III. Abt., Rep.
Jahrhunderts kam es vor diesem Hintergrund zu der Gründung 16 H eppner, Ernst: Juden als Erfinder und Entdecker. Berlin- 19, NL Debye, Nr. 1006, Bl. 13. REM an Deutsche Gesellschaft
einer Interessenvertretung unter der Bezeichnung „Centralverein Wilmersdorf 1913, S. 46. Auch Wininger, Salomon: Große jüdische für technische Physik, Abschrift für Zenneck, 19.7.1938, DMA NL
deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.“ National-Biographie mit mehr als 8000 Lebensbeschreibungen Zenneck 013/7.
9 M esserschmidt, Manfred: Juden im preußisch-deutschen namhafter jüdischer Männer und Frauen aller Zeiten und 27 H oepke, S. 75. Bei dem (NS-)Dozentenbund handelte es sich
Heer, in: Nägler, Frank (Hg.): Deutsche jüdische Länder. Ein Nachschlagewerk für das jüdische Volk und dessen um eine offizielle Parteigliederung an den Hochschulen und
Soldaten. Hamburg u. a. 1996, S. 39- 62, hier: S. 47. Freunde, 7 Bände. Czernowitz 1925-1936, Band 3, S. 70. Universitäten.

133
28 amit sind die „Deutsche Physikalische Gesellschaft“ und die
D 44 Zu der Person Gönningen siehe Schlitzer Bote vom 2.1.2007, 60 DE an Hauptamt für Technik, 17.12.1941, BA NS 14/51 Nr.
V
„Deutsche Gesellschaft für technische Physik“ gemeint. Gegen das große Vergessen. Eine Nachbetrachtung zum Jahre 81.
29 Zeitschrift für technische Physik 19 (1938), S. 614. 2006. Der Beitrag beruht auf Unterlagen aus dem Nachlass von 61 J aeger, S. 240.
30 Zusatz für Zenneck in Anschrift von REM an Deutsche Gesellschaft Gönningen. 62 M . Hertz an ihren unmittelbaren Vorgesetzten R. Goldschmidt,
für technische Physik, Abschrift für Zenneck, 19.7.1938, DMA NL 45 Gönningen an Reichspropagandaministerium zu Händen Dr. 19.7.1933, MPGA, KWI für Biologie. Abt. R. Goldschmidt, I. Abt.
Zenneck 013/7. Ziegler, 19.9.1938, BA NS 14/51 Nr. 81. Rep 1A, Nr. 534; nach Jaeger, S. 243.
31 Zenneck vermutete, das Ministerium sei dabei einer Empfehlung von 46 H inweis auf die Firma Lorenz verdanke ich F. Kumpf, Schlitz, 63 Planck an den Reichsminister des Inneren, 21.7.1933, nach
Dr. Claus Hubmann, dem technischen Direktor der Reichs-Rundfunk- auch: Gönningen, Der Papier-Kondensator, 1956. Jaeger, S. 244, auch Schüring, Michael: Minervas verstoßene
Gesellschaft, gefolgt: Zenneck an Esau, 22.8.1938, DMA NL Zenneck 47 Köhns, Reichshauptstellenleiter des Hauptamts für Technik, an Kinder. Göttingen 2006, S. 56.
012/14. Dr. Lühr von der Fachgruppe „Elektrotechnik, Gas und Wasser“, 64 Planck an den Reichsminister des Inneren, 21.11.1933, MPGA,,
32 REM (Dames) an Zenneck, 18.8.1938, DMA NL Zenneck 013/7. Später 21.10.1938, BA NS 14/51 Nr. 81. nach Jaeger S. 244-245.
erwähnte Zenneck noch, dass er dies mit ausdrücklichem Auftrag des 48 V DE an Dr. Lühr, 7.11.1938, ebd. 65 Jaeger, S. 245.
REM tun sollte: Zenneck an Matschoß, 16.9.1940, DMA VA 959/3. 49 E bd. 66 Adams (Academic Assistance Council) an Whitehall, 22.1.1936,
33 Zenneck, Bericht über die 6. Generalversammlung der Union Radio- 50 D r. Lühr an Hauptamt für Technik, 15.11.1938, ebd. Archive SPSL Bodleian Library Oxford, 432/2, 329; nach Jaeger,
Scientifique Internationale, DMA NL Zenneck 013/7. 51 P ropagandaministerium an Hauptamt für Technik, 26.10.1938 S. 250-251.
34 Ebd., vgl auch Schmucker, Georg: Jonathan Zenneck 1871-1959, und 11.1.1939, ebd. 67 Rutherford an Adams, 15.11.1935, nach Jaeger, S. 250.
Stuttgart 1999, S. 454-455. 52 Streck vom Hauptamt für Technik an den Stellvertreter des 68 Elisabeth Hertz an Laue, 3.10.1937, DMA HS 1937/12. Elisabeth
35 Hoepke S. 68-71. Führers im Braunen Haus, 25.1.1939, ebd. Hertz schildert darin noch ihre Erinnerung an die Entdeckung ihres
36 Hublow, W.: Heinrich Hertz in seinem Wirken und Schaffen unter 53 Ü bernahme der Anfrage im Antwortschreiben: VDE an Mannes. Laue betrachtete dies als ein wichtiges „tiefergreifendes“
besonderer Berücksichtigung seiner rassischen Gebundenheit, Hauptamt für Technik, 8.11.1939, ebd. Dokument und überantwortete es bald darauf dem Deutschen
Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft, 4.1 (1938), S. 386-388, 54 Streck vom Hauptamt für Technik an den Stab des Stellvertreters Museum. Wegen der Erwähnung der Emigration betrachtete
hier: S. 387. des Führers im Braunen Haus, 20.11.1939, ebd. Laue diesen Brief – anders als Zenneck – als problematisch und
37 Kubach, Fritz: Philipp Lenard der deutsche Naturforscher. Sein Kampf 55 E bd. vergewisserte sich, dass er erst nach Ablauf einer 30jährigen
um nordische Forschung, München/Berlin Lehmanns 1937, S. 26-28. 56 D ebye an die Vorstandsmitglieder der DPG (17 Anfragen), Sperrfrist der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfte.
38 Lenard, Philipp: Große Naturforscher, München 1941, S. 330. 29.11.1939, MPGA, III. Abt., Rep. 19, NL Debye, Nr. 1017, Laue an Zenneck, 17.10.37; Zenneck an Laue, 26.10.1937; beide
39 Walk, Joseph (Hg.): Das Sonderrecht für Juden im NS-Staat, Bl. 35; Zusammenstellung von Auszügen aus elf Antworten, DMA NL Zenneck 40/3.
Heidelberg 1981, S. 235. ebd., Bl. 36-39, undatiert. Auf Blatt 37 steht dagegen, dass nur 69 Jaeger, S. 251-253.
40 Laue an Elisabeth Hertz, September 1937, Privatarchiv Christa vier Anfragen unbeantwortet geblieben seien. Vollständige 70 Hertz, Mathilde und Susskind, Charles (Hg.): Erinnerungen,
Hertz, nach Jaeger, Siegfried: Vom erklärbaren, doch ungeklärten Antwort von Zenneck: Zenneck an Debye, 7. 12. 1939, DMA NL Briefe, Tagebücher, 2. Auflage. Weinheim 1977.
Abbruch einer Karriere – Die Tierpsychologin und Sinnesphysiologin Zenneck 12/29. 71 Es existiert eine Biographie: Kuczera, Josef: Gustav Hertz.
Mathilde Hertz (1891-1975), in: Gundlach, Horst: Untersuchungen zur 57 M PGA, III. Abt., Rep. 19, NL Debye, Nr. 1017, Bl. 37. Leipzig 1985.
Geschichte der Psychologie und der Psychotechnik. München 1996, S. 58 T ießler an Stab der Stellvertreter des Führers, 26.3.1941, BA 72 Zenneck an Himstedt am 4.4.1927, DMA, NL Zenneck, Kasten
229-262, hier: S. 255. NS 18 alt/776. 38.
41 H ilscher, Hans-G.: Kieler Straßenlexikon, Kiel 2011, S. 83. 59 W itt an Tießler, 15.8.1941, BA NS 18 alt/776. Vorherige 73 Stark an Deutsche Dozentenschaft, 8.11.1934 nach Schröder,
42 h t t p : // s t a d t p l a n . b o n n . d e / s t r a s s e n _ a u s k u n f t . Anfragen: Tießler an Witt, 24.4, 28.5. 26.6., und 26.7.1941; Reinald: Die schöne deutsche Physik von Gustav Hertz und
php?strasse=1010736. Tießler an Bühler, 10.7.1941, Aktenvermerk, 11.7. 1941; Notiz der weiße Jude Heisenberg – Johannes Starks ideologischer
43 http://w3.siemens.de/siemens-stadt/grammst0.htm für Tießler, 5.8.1941; ebd. Antisemitismus, in Albrecht, Helmut (Hg.): Naturwissenschaft

134
Anmerkungen
und Technik in der Geschichte. Stuttgart 1993, S. 327-342, hier:
S. 333 und Swinne, Edgar: Richard Gans. Hochschullehrer in
Deutschland und Argentinien. Berlin 1992, S. 93.
74 Vertragsunterlagen, Siemens Archiv. Für die Einsicht in diese von
ihm selbst zusammengetragenen Materialien danke ich Dieter
Hoffmann, Berlin.
75 Entlassungsschreiben vom 11.6.1935, Hoover Institutions;
das Dokument wurde mir dankenswerter Weise von Dieter
Hoffmann, Berlin, zur Verfügung gestellt. Vgl. auch Cassidy,
David: Gustav Hertz, Hans Geiger und das Physikalische Institut
der Technischen Hochschule Berlin in den Jahren 1933-1945, in:
Rürup, Reinhard (Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge
zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879-1979.
Berlin 1979, S. 373-387, hier: S. 378.
76 Durchschlag mit Hinweis auf ein Verzeichnis der am 1. Januar
1938 noch im Dienst befindlichen Hochschullehrer, die Mischlinge
oder jüdisch versippt oder mit Mischlingen verheiratet sind. Mit
Vermerk vom 11.6.1938 über sechs unklare Fälle, darunter Hertz.
Notiz für den Referenten vom 11.7.1938, BA R 4901 13306, Akte
Hertz.
77 G. Hertz an REM, 30.4.1939, ebd.
78 Rektor der TH Berlin an REM, 6.7.1939; Regierungsrat Dames an
Oberregierungsrat Kasper, 19.7.1939, ebd.
79 Vorlage „Nennung des Namens von Professor Hertz“ für die
Parteikanzlei, 15.6.1942, Notiz für Dr. Rosemarie Fritz, „Nennung
des Namens von Professor Hertz“, 3.8.1942; beide BA NS 18
alt/776.
80 Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung,
1957, S. 366.
81 Herbert Fröhlich, Heinrich Hertz Centenary, in AJR Information
12 (1957) Nr. 4, April 1957, S. 5.

135
»Originale Kopien« – Hertz Bonner Vermächtnis Von Ralph Burmester und Karl-Heinz Althoff
1 Hertz, Heinrich: Erinnerungen, Briefe, Tagebücher, hrsg. von electrischer Schwingungen, In: Annalen der Physik und Chemie 35 Hertz am Dr. Rudolph König vom 20. Oktober 1889, Copirbuch
Johanna Hertz, 2. erw. Aufl., Weinheim und San Francisco 1977, Nr. 280 (1891), S. 76f.. von Heinrich Hertz im Physikalischen Institut der Universität
S. 288. Weiterhin zitiert als Hertz, Erinnerungen. 19 Vgl. Fölsing, Hertz, S. 464. Bonn, S. 19.
2 Siehe: Möller, Sarah: Neuplanungen und Weiterbau unter 20 Hertz an Hermann von Helmholtz vom 8. Dezember 1887, NL 36 Ebd, S. 39.
Kurfürst Joseph Clemens und Robert de Cotte 1713 – 23, in: Hertz, Archiv des Deutschen Museums, HS-Nr. 3119. 37 Sein Grab befindet sich auf dem »Alten Friedhof« zu Bonn.
Satzinger, Georg (Hg.): Das Kurfürstliche Schloss in Bonn, 21 Zum Funktionsprinzip siehe auch den Beitrag von Michael 38 Vgl. Fölsing: Hertz, S. 485.
München und Berlin 2007, S. 54. Eckert.
3 Reinganum, Maximilian: Rudolf Clausius, in ADB, Band 55 (1910), 22 Hertz an Keiser & Schmidt vom 4. Oktober 1890, Copirbuch von
S. 720. Heinrich Hertz im Physikalischen Institut der Universität Bonn,
4 Vgl. Herz, Erinnerungen, S. 272ff. S. 117.
5 Ebd., S. 288. 23 »Als Induktorium verwandte ich nicht mehr den großen
6 Siehe auch Schnabel, Franz: Friedrich Theodor Althoff, in NDB, Rühmkorffschen Apparat, sondern mit Vorteil einen kleineren
Band 1 (1953), S. 222. Funkengeber von Keiser und Schmidt (...)«. Hertz, Heinrich: Über
7 Hertz, Erinnerungen, S. 274. Strahlen elektrischer Kraft, in: Annalen der Physik und Chemie
8 Ebd., S. 276. Nr. 272 (1889), S. 770«.
9 Der Kurator der Universität Bonn an Althoff vom 30. Juni 1889. 24 Paul, Wolfgang: Experimentelle Vorführungen über die
Zitiert nach: Fölsing, Albrecht: Heinrich Hertz – Eine Biographie, Ausbreitung elektromagnetischer Wellen mit Originalapparaten
Hamburg 1997, S. 408. Weiterhin zitiert als: Fölsing, Hertz. von Heinrich Hertz, in: In Memoriam Heinrich Hertz (= Beiträge
10 Ebd. zur Geschichte der Universität Bonn, Nr. 7), Bonn 1958, S. 39f.
11 Hertz, Erinnerungen, S. 274. Brief an die Eltern vom 16. 25 Siehe Bjerknes, Vilhelm: Über die Dämpfung schneller
Dezember 1888. electrischer Schwingungen, In: Annalen der Physik und Chemie
12 Ebd., S. 288. Brief an die Eltern vom 14. April 1889. Nr. 280 (1891), S. 76f.
13 Hertz an Amman vom 28. Oktober 1889, Copirbuch von Heinrich 26 Hertz, Heinrich: Über Strahlen elektrischer Kraft, in: Annalen
Hertz im Physikalischen Institut der Universität Bonn. der Physik 272 (1889).
14 Hertz, Heinrich: Untersuchungen über die Ausbreitung der 27 Zitiert nach Fölsing, Hertz, S. 440.
elektrischen Kraft, Leipzig 1892, S. 2. 28 Hertz, Heinrich: Über Strahlen elektrischer Kraft, in: Annalen
15 »Lieber Ammann, die übersandten Spiralen sind hier gut und der Physik 272 (1889).
auch glücklich angekommen und ganz in Ordnung.« Hertz an 29 Ebd.
Amman vom 19. Dezember 1889, Copirbuch von Heinrich Hertz 30 Ebd.
im Physikalischen Institut der Universität Bonn. 31 Fölsing: Hertz, S. 406.
16 Hertz an Édouard Sarasin vom 16. September 1889, NL Hertz, 32 Ebd., S. 492.
Archiv des Deutschen Museums, HS-Nr. 03138. 33 Kayser, Heinrich: Erinnerungen, zitiert nach Fölsing, Hertz, S.
17 Hertz an Édouard Sarasin vom 2. Mai 1890, NL Hertz, Archiv 493.
des Deutschen Museums, HS-Nr. 03134. 34 Siehe Nägelke; Hans-Dieter: Hochschulbauten im Kaiserreich,
18 Siehe dazu: Bjerknes, Vilhelm: Über die Dämpfung schneller Kiel 2000, S. 258 f.

136
Anmerkungen
Vom Funkensprung zur Radiowelle Von Ralph Burmester und Jörg Bradenahl
1 Dazu ausführlich: Fölsing, Albrecht: Heinrich Hertz, Hamburg
1997, S. 469ff.
2 Gorokhov, Vitaly G.: Die Entstehung der Radiotechnik als eine
technikwissenschaftliche Disziplin, in: Wolfschmidt, Gudrun:
Heinrich Hertz (1857 – 1894) and the Development of
Communication, Hamburg 2008, S. 360.
3 Siehe: König, Wolfgang: Massenproduktion und Technikkonsum,
Entwicklungslinien und Triebkräfte der Technik zwischen 1880
und 1914, in: Propyläen Technikgeschichte, hrsg. von Wolfgang
König, Band 4, Netzwerke, Stahl und Strom 1840 – 1914, Berlin
1997, S. 511 – 513.
4 Wolfschmidt, Gudrun: Von Hertz zum Handy –
Elektromagnetismus, Hertzsche Wellen und die Entwicklung
der Telekommunikation, in: dies. (Hg.): Von Hertz zum Handy –
Entwicklung der Kommunikation, Hamburg 2007, S. 33.
5 Gorokhov, Vitaly G.: Die Entstehung der Radiotechnik als eine
technikwissenschaftliche Disziplin, in: Wolfschmidt, Gudrun:
Heinrich Hertz (1857 – 1894) and the Development of
Communication, Hamburg 2008, S. 362.
6 Siehe: Braun, Hans-Joachim: Konstruktion, Destruktion und
der Ausbau technischer Systeme zwischen 1914 und 1945, in:
Propyläen Technikgeschichte, hrsg. von Wolfgang König, Band
5, Energiewirtschaft, Automatisierung, Information seit 1914,
Berlin 1997, S. 154 – 158.

137
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel
1 Bausch, H.: Rundfunkpolitik nach 1945, Erster Teil 1945 – 1962, Folge 5/6, S. 19 - 20. Der Kopenhagener Wellenplan. In: Funk- (Rundfunk in Deutschland, Hg. von H. Bausch, Bd. 3.) München 1980,
(Rundfunk in Deutschland, Hg. von H. Bausch, Bd. 3.) München 1980, Technik 3 (1948), H. 24, S. 604 S. 204 - 212
S. 15 - 17 16 Schuster, F.; Pressler, H.: Deutschland und der Kopenhagener 28 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des
2 a.a.O., S. 13 - 148 Wellenplan. In: Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 10 (1954), UKW-Rundfunks, Berlin, 1989, S. 60 - 79
3 a.a.O., S. 187 - 238 S. 670 29 a.a.O., S. 65 - 66
4 Mosgraber, K.-H: Chronik der Regionalsender (Landessender) 17 Senderverzeichnis ab dem 15. März 1950. In: Funk-Technik 5 (1950), 30 Tetzner, K.: Ultra-Kurz-Wellen. In: Funktechnik 5 (1950), H. 3, S. 67
1945   1949. In: Spielhagen, E. (Hrsg.): So durften wir glauben zu H. 6, S. 162 31 Tetzner, K.: Nachträgliche Rechtfertigung. In: Funktechnik 5 (1950),
kämpfen... Erfahrungen mit DDR-Medien. Berlin, 1993, S. 69 – 71 18 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des H. 21, S. 635
5 Lieberwirth, St.; Pfau, H.: Mitteldeutscher Rundfunk. Radiogeschichte(n). UKW-Rundfunks, Berlin, 1989, S. 20 32 Tetzner, K.: Rundfunktechnik und -wirtschaft. In: Funktechnik 7 (1952),
Altenburg, 2000: S. 210 – 211 19 Glowczewski, G. v.: Der Kopenhagener Wellenplan von 1948. Seine H. 9, S. 231
6 Mosgraber, K.-H.: Chronik der Regionalsender (Landessender) politischen, rechtlichen und technischen Folgen für die ARD. In: 33 Tetzner, K.: Rundfunkwirtschaft im Fegefeuer. Funktechnik 4(1949) H.
1945   1949. In: Spielhagen, E. (Hrsg.): So durften wir glauben zu Lerg, W. B.; Steiniger, R. (Hrsg.): Rundfunk und Politik 1923 bis 1973 9, S. 247 f.
kämpfen... Erfahrungen mit DDR-Medien. Berlin, 1993, S. 69 – 71 (Rundfunkforschung Bd. 3). Berlin, 1973, S. 390 34 Wildt, M.: Am Beginn der Konsumgesellschaft. Mangelerfahrung,
Dussel, K.: Deutsche Rundfunkgeschichte. Eine Einführung. Konstanz, 20 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des Lebenshaltung, Wohlstandshoffnung in Westdeutschland in den
1999, S. 128 – 129 UKW-Rundfunks. Berlin, 1989, S. 35 - 40. Deutsch, K. H.: Das fünfziger Jahren (Forum Zeitgeschichte Bd. 3). Hamburg 1994, S.
7 Dussel, K.: Deutsche Rundfunkgeschichte. Eine Einführung. Konstanz, Drahtfunknetz in Berlin und seine technische Ausrüstung. Funk- 394
1999, S. 129 - 132 Technik 3(1948) H. 5, S. 106 u. 109 - 110 Was ist bei Benutzung des 35 Brauns, H.: Radioschau in Hannover. Bericht von der technischen
8 Hermann, S.; Kahle, W.; Kniestedt, J.: Der deutsche Rundfunk. Drahtfunks zu hören? Funk-Technik 4(1949) H. 2, S. 50 Exportmesse. Funkschau 21(1949), H.7, S. 119 - 120 Tetzner, K.:
Faszination einer technischen Entwicklung. Heidelberg, 1994, S. 208 21 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des Gedämpfter Optimismus in Hannover. Funktechnik 4(1949) H. 11,
9 Dussel, K.: Deutsche Rundfunkgeschichte. Eine Einführung. Konstanz, UKW-Rundfunks. Berlin, 1989, S. 21 S. 309 Tetzner, K.: Rundgang durch die Messehallen. Funktechnik 4
1999, S. 134 – 135 22 a.a.O., S. 22 (1949) H. 11, S. 310 - 319
10 Hermann, S.; Kahle, W.; Kniestedt, J.: Der deutsche Rundfunk. 23 Deutsch, k. H.: UKW – Ausweg aus Deutschlands Wellennot? In: 36 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des
Faszination einer technischen Entwicklung. Heidelberg, 1994, S. 208 Funk-Technik 4 (1949), H. 2, S. 33 UKW-Rundfunks. Berlin, 1989. S. 45 - 49
11 Bredow, H. (Hrsg.): Aus meinem Archiv. Heidelberg, 1950 24 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des 37 Eberhardt, F.: Der Rundfunkhörer und sein Programm. Ein Beitrag
12 Büscher, G.: Wellenchaos im Äthermeer, In: Funk-Technik 3 (1948), UKW-Rundfunks. Berlin, 1989, S. 23 zur empirischen Sozialforschung, Berlin, 1962, S. 36- 37. Rhein, E.: Die
H. 10, S. 233 Hermann, S.: Kahle, W.: Kniestedt, J.: Der deutsche 25 Schneider, R.: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des Welle der Freude. In: Hör zu 5 (1950), H. 18, S. 3
Rundfunk. Faszination einer technischen Entwicklung. Heidelberg, UKW-Rundfunks. Berlin, 1989, S. 42 38 Tetzner, K.: Neue UKW-Geräte. Teil 2. Funktechnik 5(1950) H. 13, S.
1994, S. 78 26 Glowczewski, G. v.: Der Kopenhagener Wellenplan von 1948. 386. Reuber, C.: Die deutschen Empfänger 1950/51. Radiomentor
13 Büscher, G.: Wellenchaos im Äthermeer, In: Funk-Technik 3 (1948), H. Seine politischen, rechtlichen und technischen Folgen für die ARD. 16(1950) H. 8, S. 419 - 422d. Rundfunkempfänger 1951/52.
10, S. 233 In: Lerg, W. B.; Steiniger, R. (Hg.): Rundfunk und Politik 1923 - 1973 Funktechnik 6(1951) H. 14, S. 372 – 377. Höchste Eisenbahn. In:
14 Schuster, F.; Pressler, H.: Deutschland und der Kopenhagener (Rundfunkforschung Band 3). Berlin, 1973, S. 391 Schneider, R.: Die Radiohändler 1950, Nr. 23 + 24, S. 536
Wellenplan. In: Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 10 (1954), UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des UKW-Rundfunks. Berlin, 39 Kappelmeyer, O.: Die deutsche Radioindustrie hat wieder Weltgeltung
S. 683 1989, S. 68 - 69. Was bedeutet die ultrakurze Welle? In: epd - Kirche erreicht. In: Radiohändler 1951, Nr. 8, S. 304 - 318
15 Kommentare zum Kopenhagener Plan. Bericht der Sachverständigen und Rundfunk. Nr. 1 vom 21.1.1949 40 Weinrebe, K.: UKW – Neue Aufgaben für den Radiohandel. In:
der UIR. Übersetzt in: Rundfunk und Fernsehen (Hamburg) 1949, 27 Bausch, H.: Rundfunkpolitik nach 1945, Erster Teil 1945 – 1962, Funkschau 22 (1950), H. 9, S. 135

138
Anmerkungen
Die Welle der Freude – Wie Deutschland zum UKW-Rundfunk kam Von Andreas Vogel

41 Höchste Eisenbahn. In: Radiohändler 1950, Nr. 23 + 24, S. 536 63 Tetzner, K.: Verbesserte Qualität in Leipzig. Funktechnik 6(1951) H.
42 Eberhardt, F.: Der Rundfunkhörer und sein Programm. Ein Beitrag zur 7, S. 174 - 177. Leipziger Messe 1952 - Radio. Deutsche Funktechnik
empirischen Sozialforschung, Berlin, 1962, S. 64 1(1952) H. 4, S. 101 -107. Leipziger Messenotizen. Funktechnik 8(1953)
43 a.a.O., S. 35 - 36 H. 18, S. 577 Technische Messe Leipzig 1954. Funktechnik 9(1954) H.
44 a.a.O., S. 37 20, S. 559 – 566
45 a.a.O., S. 37 64 Bundesarchiv, G 3, Nr. 5416
46 a.a.O., S. 38 65 Rundfunk auf der Leipziger Messe. Funktechnik 10(1955) H. 19, S.
47 a.a.O., S. 90 554 – 555 Bundesarchiv, G 3, Nr. 5416
48 a.a.O., S. 89 - 90 66 Bundesarchiv, G 3, Nr. 4993
49 a.a.O., S. 41
50 a.a.O., S. 41
51 a.a.O., S. 94 - 95
52 Brief des Ministers für Post- und Fernmeldewesen an den
Staatspräsidenten der DDR vom 15. Februar 1950. Bundesarchiv,
DM 3, BRF II/1306
53 Brief des Staatspräsidenten der DDR an die Sowjetische
Kontrollkommission vom 9. Februar 1950. Bundesarchiv, DM 3, BRF
II/1306
54 Bundesarchiv, DM 3, BRF II/58
55 a.a.O.
56 Situationsbericht zur Technik beim Rundfunk und Fernsehen.
Bundesarchiv, DM 3, BRF I/128 (rot)
57 Bundesarchiv, DM 3, BRF II/58
58 Einschätzung der Entwicklung des Funkwesens der Deutschen Post
auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates
vom 23.02.1956 und des dazu ergangenen Ergänzungsbeschlusses v.
28.09.1961. Bundesarchiv Berlin, DM 3, 14050
59 a.a.O.
60 Herrmann, S.; Kahle, W.; Kniestedt, J.: Der deutsche Rundfunk.
Faszination einer technischen Entwicklung. Heidelberg, 1994, S. 78
61 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im
Bundesarchiv, DY 30/IV 2/2/319
62 Situationsbericht zur Technik beim Rundfunk und Fernsehen.
Bundesarchiv, DM 3, BRF I/128 (rot)

139
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Autorenverzeichnis

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142
Autorenverzeichnis
Prof. em. Dr. Karl-Heinz Althoff – Physiker.
1965 Professor für Physik an der Universität Bonn. Forschungsschwerpunkt: Elementarteilchenphysik. Passio-
nierter Experimentalphysiker und Wissenschaftsvermittler.

Ralph Burmester M.A. – Historiker.


Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Museum Bonn. Arbeitsschwerpunkte: Konzeption und Reali-
sierung von Vortragsveranstaltungen und Sonderausstellungen, sowie Forschungen und Publikationen zur
Wissenschaftsgeschichte.

Jörg Bradenahl – Dipl. Biologe.


Führt seit 2011 gemeinsam mit Dr. Torsten Klockenbring »Kapierkonzept«. Arbeitsschwerpunkte: Wissen-
schaftsvermittlung und Ausstellungsgestaltung, im Besonderen Textredaktion, Grafikdesign und die Konzep-
tion interaktiver Ausstellungsmodule.

Dr. Michael Eckert – Physikhistoriker.


Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsinstitut des Deutschen Museums in München.
Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der theoretischen Physik; Geschichte der Strömungsforschung.

Dr. Andreas Vogel – Technikhistoriker.


Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Bildung der TU Ilmenau.
Arbeitsschwerpunkte: Konzeption und Organisation des Studium generale, Lehrtätigkeit in den Gebieten
Medien- und Innovationsgeschichte sowie Wissenschaftstheorie und –methodik.

Dr. Stefan L. Wolff – Wissenschaftshistoriker.


Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut des Deutschen Museums München, Lehrbeauftragter
für Physikgeschichte an der Universität München. Forschungsschwerpunkte: Physikgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts, Wissenschaftsemigration in der Zeit des Nationalsozialismus.

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Impressum

Impressum

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Impressum
Begleitpublikation zur Sonderausstellung
»Heinrich Hertz – vom Funkensprung zur Radiowelle«.
Die Ausstellung ist vom 26. April 2012 bis zum 13. Januar 2013 im Deutschen Museum Bonn zu sehen.

Herausgegeben von Ralph Burmester und Andrea Niehaus


©2012 Deutsches Museum Bonn, Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-940396-33-4

Gestaltung und Realisation: magoodesign, Markus Kahlenberg

Lektorat: Yorck Bertrams

Die Ausstellung Die Ausstellung wird bereichert


durch Demonstrationen von:
Idee: Ralph Burmester

Konzeption: Ralph Burmester und Jörg Bradenahl

Inhaltliche Mitarbeit: Karl-Heinz Althoff, Tobias Jungk, Michael Kortmann


(Physikalisches Institut der Universität Bonn)
Richard Herder

Illustrationen: Torsten Klockenbring

Ausstellungstechnik: Thomas Weiß

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Bildnachweise

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in Kooperation mit: mit Unterstützung von:

Energie und Wasser


Starke Partner. Bonn/Rhein-Sieg.
PHYSIKALISCHES
INSTITUT

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