Definition des Begriffs „Kommunikation“ – Enger Begriff von interkulturellen Kommunikation – IKK und Sprache – Relevanz der Kenntnisse zu IKK für den Übersetzer – Ziel und Aufgaben der Lerndisziplin „Soziokulturelle Aspekte des Übersetzens“
Definition des Begriffs Kommunikation
Um das Phänomen der interkulturellen Kommunikation (IKK) und die dabei auftretenden Probleme differenziert besprechen zu können, ist es zunächst erforderlich, sich bewusst zu machen, was eigentlich unter Kommunikation zu verstehen ist bzw. was im Prozess der Kommunikation geschieht. Kommunikation (lat. communicatio, ‚Mitteilung‘, „Übertragung“) ist der Austausch oder die Übertragung von Informationen zwischen den Subjekten einer sozialen Gesellschaft. Die drei grundliegenden Bestandteile menschlicher Kommunikation sind: der Sender, der Empfänger und die Nachricht, die verbal oder nonverbal codiert ist. Die Rollen von Sender und Empfänger wechseln in der Regel im Verlauf der Kommunikation. Das klassische „Transportmodell“ der Kommunikation geht davon aus, dass in der Kommunikation eine Nachricht vom Sender zum Empfänger übermittelt wird. Dieses Model erklärt aber nicht, was im Prozess der Kommunikation abläuft. Das ermöglicht ein anderes Modell und zwar: das konstruktivistische Modell von Kommunikation. Dieses Modell verdeutlicht Folgendes: Bei der Kommunikation geht es nicht von einem einfachen Informationstransfer, sondern sowohl der Prozess des Sendens als auch der des Empfangs einer Nachricht sollen als Konstruktionsprozesse aufgefasst werden. Das bedeutet: der Sender baut seine Nachricht auf (konstruiert sie), der Empfänger nimmt diese Nachricht wahr und dabei deutet (rekonstruiert) er sie seinerseits. Beim Rekonstruieren einer Nachricht durch den Empfänger kann der Inhalt der Nachricht v om Empfänger ungewollt verändert werden. Eine solche konstruktivistische Auffassung von Kommunikation erklärt auch, weshalb es bei der Kommunikation zu Missverständnissen kommen kann. Das Missverstehen resultiert vor allem daraus, dass die Gesprächspartner bei der Konstruktion der Nachricht ihr eigenes kulturelles Wissen zugrunde legen. In dem Maße, in dem die Gesprächspartner jedoch interkulturelle Kompetenz erwerben, sinkt die Gefahr von Missverständnissen oder zumindest wird es unwahrscheinlicher, dass Missverständnisse unentdeckt bleiben und zu einem Konflikt führen. Mit der konstruktivistischen Auffassung von Kommunikation ist das Vier- Seiten-Modell (auch Nachrichtenquadrat, Kommunikationsquadrat oder Vier-Ohren- Modell) von Friedemann Schulz von Thun verbunden. Das ist ein Modell mit dem eine Nachricht unter vier Aspekten oder Ebenen gedeutet wird: Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell. Diese Ebenen werden auch als „vier Seiten einer Nachricht“ bezeichnet: 1. Sachaspekt: die beschriebene Sache („Sachinhalt“, „Worüber ich informiere“) 2. Selbstaussage: dasjenige, was anhand der Nachricht über den Sprecher deutlich wird („Selbstoffenbarung“, „Was ich von mir selbst kundgebe“) 3. Beziehungsaspekt: was an der Art der Nachricht über die Beziehung offenbart wird („Beziehung“, „Was ich von dir halte oder wie wir zueinanderstehen“) 4. Appell: dasjenige, zu dem der Empfänger veranlasst werden soll („Appell“, „Wozu ich dich veranlassen möchte“) Das Vier-Seiten-Modell dient zur Beschreibung von Kommunikation, die durch Missverständnisse gestört ist. Das Modell zeigt: Störungen und Konflikte kommen zustande, wenn Sender und Empfänger die vier Ebenen unterschiedlich deuten und gewichten. Das führt zu Missverständnissen und in der Folge zu Konflikten. Kommunikation ist ein Prozess, der eine verbale und eine nonverbale Ebene umfasst. Die Nachricht, die in einem Kommunikationsprozess übermittelt wird, kann vom Sender sowohl mittels Sprache als auch durch Gestik, Mimik sowie die Körpersprache zum Ausdruck gebracht werden. Obwohl für komplexere Nachrichten in der Regel verbale Mittel erforderlich sind, hat der nonverbale Code keineswegs eine untergeordnete Bedeutung in der Kommunikation, denn die nonverbale Kommunikation ist oft entscheidend dafür, wie die verbale Nachricht vom Empfänger interpretiert wird, z.B.: ein trauriges Gesicht zeugt uns davon, dass die Mitteilung nicht positiv sein wird. Obwohl verbale und nonverbale Kommunikation grundsätzlich unabhängig voneinander sein können, wirken sie doch in den meisten Kommunikationssituationen eng zusammen.
enger Begriff der interkulturellen Kommunikation
Wenn man sich mit der Forschung der interkulturellen Kommunikation (IKK) beschäftigt, dann fällt rasch auf, dass unterschiedlich weit gefasste Definitionen des Begriffs existieren. Gemäß einer engen Definition von IKK lässt sie sich auf solche Situationen beschränken, in denen zwei oder mehr Individuen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund mittels Sprache oder nonverbalen Ausdrucksmitteln unmittelbar (= Face- to-Face) miteinander kommunizieren. Die Forschung der IKK im engeren Sinne beschäftigt sich mit den Kommunikationsmustern, Strategien zur Verständnissicherung und interkulturellen Missverständnissen, die bei der Face-to-Face Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedenen Kulturen auftreten können. Durch die Analyse der Kommunikationsmuster und der Gründe für ein Missverstehen wird die Voraussetzung für die Entwicklung von Strategien zur Bewältigung von Kommunikationsproblemen geschaffen. Manche Wissenschaftler im Bereich der Fremdsprachendidaktik stellen fest, dass in einem Fremdsprachenunterricht interkulturelle Kommunikationsprozesse stattfinden, wenn Lernende mit dem authentischen Lernmaterial der Kultur der Zielsprache zu tun haben. Das ist sogenannte „vermittelte“ IKK. Wie ist der Begriff „intercultural communication“ entstanden? Er erschien in den 1960er Jahren und wurde seit einiger Zeit zum Gegenstand eines eigenständigen Forschungszweiges. Dieser Forschungsbereich wurde auf Druck der Praxis, vor allem seitens der international operierenden Wirtschaftsunternehmen eingerichtet. Sie berichteten, dass ihre MitarbeiterInnen zwar gute Fremdsprachenkenntnisse hätten, doch wichtige Interaktionen an dem Kulturellen scheiterten. Dann wurde die Idee geäußert „Fremdsprachen sind nicht genug“ und im Anschluss an die klassische Fremdsprachenvermittlung wird ein zusätzlicher Bedarf an interkulturelle Kompetenz gefordert.
IKK und Sprachen: Zusammenhänge zwischen Sprache und Kultur
Das Konzept über die Zusammenhänge zwischen Sprache und Kultur wurde in der Linguistik als Theorie der sprachlichen Relativität bezeichnet. Diese Theorie wurde von Linguisten Esward Sapir und Behjamin Lee Whorf entwickelt und wird noch als Sapir-Whorf-Hypothese genannt. Dabei geht es um die Frage, wie sich eine bestimmte Sprache mit ihren grammatischen und lexikalischen Strukturen auf die Welterfahrung der betreffenden Sprachgemeinschaft auswirkt. Die Grundannahme der Theorie der sprachlichen Relativität besteht darin, dass die Sprache einen erheblichen Einfluss auf der Wahrnehmung und Kategorisierung der Welt durch das Individuum ausübt. Die Sprache kategorisiert die Welt, das bedeutet die Sprache liefert Wörter/Benennungen, gemäß derer wir unsere Wahrnehmung der Welt strukturieren. Kategorien, die für eine Kultur besonders relevant sind, sollen auch durch ein Wort benannt werden können. Für Phänomene, die in einer Kultur keine Bedeutung haben, existieren hingegen oft keine sprachlichen Benennungen. Das könnte am folgenden Beispiel illustriert werden: es gibt in der Esskimo-Sprache enorm großen Anzahl von Wörtern für Schnee, dafür in vielen anderen Sprachen existiert nur ein Wort dafür. Ein anderes ähnliches Beispiel sind Lexeme für den Reis im Japanischen Wenn ein Esskimo-Kind zum ersten Mal die Wörter für Schnee hört, dann muss es gleichzeitig lernen, verschiedene Arten von Schnee voneinander zu unterscheiden. Das heißt; durch seine Muttersprache lernt es (das Esskimo-Kind) Objekte (Schnee-Arten) zu differenzieren. Folglich erschließt jede Sprache dem Individuum spezifische Zugänge zur Erfahrung und Kategorisierung der Welt. Damit begründet Sapir Existenz kulturspezifischer Bedeutungsunterscheidungen: das heißt dass zwischen den durch sprachliche Zeichen begründeten Kategorien oft keine 1:1 Entsprechungen in zwei Sprachen bestehen. Das Wort „Schnee“ im Deutschen und seine Übersetzung in der Esskimo-Sprache bezeichnen verschiedene Kategorien/ Objekte. Das Wort „Tisch“ im Deutschen und das Wort „Tisch“ im Japanischen bezeichnen auch verschiedene Kategorien. Die Theorie der sprachlichen Relativität wird heutzutage als sehr kontrovers angesehen und hat nur wenige Anhänger unter den renommierten Linguisten. Trotzdem kann sie relevant für die IKK sein, weil sie indirekt auf Ursachen von interkulturellen Missverständnissen deutet: Denn die Menschen selbst sind nicht bewusst, dass die (Mutter)Sprache die Wahrnehmung der Welt durch das Individuum in ganz erheblichem Maße strukturiert, ist es nicht auszuschließen, dass die Tatsache, dass die gleichen Wortbenennungen in verschiedener Sprachen sich hinsichtlich der bereitgestellten Kategorien unterschieden, manchmal zur Ursache von interkulturellen Missverständnissen wird.
IKK und Sprachen: Verbindung IKK und Fremdsprachen
Die Verwendung von Fremdsprachen ist charakteristisch für die IKK, d.h. bei IKK werden sehr häufig Fremdsprachen verwendet. Doch bei IKK kommen nicht immer Fremdsprachen zum Einsatz. So handelt sich bei der Kommunikation zwischen einem Australier und einem Amerikaner, die beide Englisch als Muttersprache sprechen oder einem Portugiesen und einem Brasilianer, die beide Portugiesisch sprechen, ohne Zweifel um IKK. Manchmal bedient sich nur einer der Kommunikanten einer Fremdsprache, während andere Gesprächspartner ihre Muttersprache sprechen. Jene Gesprächspartner, die von ihrer Muttersprache Gebrauch machen, verfügen aufgrund ihrer größeren sprachlichen Kompetenz über eine vorteilhafte Position in der Kommunnikationssituation.
IKK und Sprachen: Spracherwerb und Kultur
Der Prozess des Erstsprachenerwerbs (des Erlernens der Muttersprache), ist mit dem Prozess der Enkulturation verknüpft. Unter Enkulturation versteht man den Teil des Sozialisationsprozesses, während dessen der zunächst neutrale und kulturfreie Neugeborene unmerklich in die jeweilige eigene Kultur hereinwächst und bis er zum kulturell integrierten Erwachsenen wird. Enkulturation beinhaltet die automatische, nicht durch die Erziehung gesteuerte Verinnerlichung einer Kultur und das bewusste geplante Hineinwachsen in Form der Erziehung. Beide Prozesse verlaufen gleichzeitig, greifen ineinander und sind nicht unabhängig voneinander denkbar. Im Erstsprachenerwerb eignen sich Individuen aber auch, größtenteils unbewusst, die Kommunikationsstile an, die für diejenige Kultur, in der sie aufwachsen, charakteristisch sind. So lernt man z.B. je nach kulturellen Normen, eigene Wünsche oder Kritik eher direkt oder indirekt zum Ausdruck zu bringen und eignet sich die in der Kultur üblichen Begrüßungsrituale an.
IKK und Sprachen: Interkulturelle Pragmatik
Interkulturelle Pragmatik ist eine Lehre vom Gebrauch von Sprache in unterschiedlichen Situationen. Pragmalinguistik versteht Sprache als eine besondere Form menschlichen Handelns. Der Grundgedanke der Sprechakttheorie besagt, dass beim Sprechen Handlungen ausgeführt werden. Es werden etwa Befehle erteilt, Fragen gestellt oder Wünsche geäußert, und zwar nach bestimmten Regeln. Zwei der wichtigen Vertreter der linguistischen Sprechakttheorie sind J.L. Austin und J.Searle. Zum Beispiel: Eine Äußerung wie „Feuer!“ kann je nach Situation, in der sie gemacht wird, Unterschiedliches bedeuten: eine Warnung vor einer Gefahr; eine Bitte eines Rauchers, ein Angebot an einen Raucher usw.
Probleme bei der Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlichen
Kulturen können aus der mangelnden Beherrschung einer Sprache im Hinblick auf Aussprache, Wortschatz und Grammatik (bei einem oder allen Kommunikationspartnern) resultieren. Zumindest ebenso häufig jedoch sind interkulturelle Verständigungsprobleme und Missverständnisse die Folge eines kulturspezifischen Umgangs mit Sprache als Handlungsinstrument. Sie sind also im Bereich der Pragmatik angesiedelt. Zum Beispiel: Verwendet man etwa beim Formulieren einer Bitte unabsichtlich - d.h. aufgrund von mangelnder pragmatisch-kommunikativen Kompetenz – eine Konstruktion, die vom Gegenüber als unhöflich aufgefasst wird, so kann dies manchmal Folgen haben, die sehr viel weitreichender sind als fehlerhafte Aussprache eines Wortes. Während eine falsche Aussprache tendenziell (korrekt) als Folge mangelnder sprachlicher Kompetenz interpretiert wird, kann ein (vermeintlich) unhöfliches Verhalten als Beleidigung gewertet werden. „Fehler im Pragmatischen Bereich stellen im Alltag der IKK eine größere Bedrohung des kommunikativen Gleichgewichts dar, als phonetische, morphologische, syntaktische oder Lexikalische Fehler.“ (Ehrhard 2003:156).
Relevanz der Kenntnisse zu IKK für den Übersetzer
Das Übersetzen hat mit einer fremden Kultur zu tun. Zwei oder mehrere Kulturen kommen miteinander (mündlich oder schriftlich) in Kontakt und der Übersetzer ist ein Kulturmittler, der Sachverhalte, die für die Mitglieder einer Kultur zum Alltag gehören, für Mitglieder einer anderen Kultur vermitteln muss. Da sich ein Übersetzer stets zwischen Kulturen bewegt, benötigt er kulturelle und interkulturelle Kompetenzen. Kulturelle Kompetenz bedeutet, dass ein Übersetzer sich in den Kulturen seiner Arbeitssprachen auskennt. Dazu gehört das Wissen um kulturspezifische Gegebenheiten, Regeln, Werte und Verhaltensweisen in der Kultur der Arbeitssprachen des Übersetzers und in seiner Muttersprache. Unter interkultureller Kompetenz versteh man die Fähigkeit eines Übersetzers, Gesprächspartner verschiedener Kulturkreise erfolgreich zusammenzuführen. Dafür muss er Einsichten in die Mechanismen der Wahrnehmung und Interpretation von Realität sowie Mechanismen der IKK gewinnen und seine Fähigkeit zur Reflektion des eigenen und fremden Verhaltens zu entwickeln.
Ziel und Aufgaben der Lerndisziplin „Soziokulturelle Aspekte des
Übersetzens“ Das Ziel der Disziplin „Soziokulturelle Aspekte des Übersetzens“ ist: die Studierenden auf die IKK und auf die Vermittlung (z.B.: auf das Übersetzen) bei der IKK vorzubereiten. Im Laufe des Semesters werden folgende Themen behandelt: 1 Kulturbegriff 2 Unterschiede zwischen Kulturen 3 Wie die Wahrnehmung funktioniert 4 Der Umgang mit Fremden und Fremdheit 5 Identität und Interkulturalität. Verlaufsformen des Kulturkontakts 6 Gleiches Wort –unterschiedliche Bedeutungen. Bedeutungserschließung 7 Kulturvergleich. Funktionale Äquivalenz 8 Voraussetzungen für erfolgreiche Kommunikation Gleiche Absicht – unterschiedliche Realisierungen. Gleicher Gesprächstyp 9 – unterschiedliche Abläufe und Themen Gleiche Gesprächssituation – unterschiedliche Register. Gleiche 10 Gesprächssituation – unterschiedliche Etikette Gleiche Sprechweise, gleiche Zeichen – unterschiedliche Bedeutungen. 11 Unterschiedliche Werte, unterschiedliche Einstellungen Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Wege zur erfolgreichen 12 Zusammenarbeit 13 Interkulturelle Kommunikation und Übersetzung 14 Interkulturelles Lernen • Fragen zum Thema 1 „Grundbegriffe der IKK“ Finden Sie in der Vorlesung Antworten auf diese Fragen. Beantworten Sie die Fragen auf Deutsch oder Ukrainisch. 1. Was ist die Kommunikation? Welche sind drei Bestandteile der Kommunikation? 2. Warum ist die Kommunikation keine einfache Übertragung der Information vom Sender zum Empfänger? 3. Was ist wichtiger verbale oder nonverbale Kommunikation? 4. Was ist die IKK? 5. Was heißt „vermittelte interkulturelle Kommunikation“ beim Fremdsprachenlernen? 6. Was bedeutet die Aussage: Die Sprache kategorisiert die Welt (Theorie der sprachlichen Relativität)? 7. Werden bei der IKK immer Fremdsprachen verwendet? 8. Was macht einen pragmatischen Sprachfehler aus? 9. Welche Fehler sind oft schlimmer grammatische oder pragmatische? Warum? 10.Wie/warum entstand die IKK als Wissenschaft?