seinem Vorhaben erzählt, nun doch als Schüler von Stormy Castle am
von dem Besuch seiner Eltern und vor allem nicht, dass sie als Lehrer getarnt
Stormy Castle zurückerobern wollten. Und damit Pia, ihre Mum und all die
„Wow, Eddie, du glaubst gar nicht, wie ich mich freue.“ Begeistert klatschte
Pia in die Hände und hüpfte wie ein Flummi – Plong! Plong! Plong! – auf der
Stelle herum. „Und gerade jetzt, wo ich aufgegeben habe, dich dazu überreden
zu wollen. Doch eigentlich hast du gar keine andere Wahl, denn immerhin
haben dich jetzt schon jede Menge Schüler gesehen.“
„Und nicht nur das“, warf Tilla ein und bedachte Eddie dabei mit einem
vielsagenden Blick: Los, jetzt sag es ihr endlich! Pia ist unsere Freundin. Wir
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Das hatte Eddie tatsächlich nicht vor. Er wusste nur einfach nicht, wie er Pia
möglichst schonend beibringen sollte, dass sie demnächst wieder von hier
fortgehen musste. Und Eddie wusste auch nicht, wie er das selbst fand. Er
hatte sich wirklich schon sehr an Pia gewöhnt, und sie zu verlieren –
sacrebleu –, der Gedanke tat weh. Auf der anderen Seite waren da aber seine
Eltern, die er schon viel länger kannte und natürlich auch sehr lieb hatte. Er
konnte ihnen doch nicht in den Rücken fallen, oder?
„Das Blöde ist nur, dass du natürlich nicht angemeldet bist und meine Mum
„Pia, also ehrlich gesagt … hm …“, begann Eddie stockend und entschied sich
dann für ein bisschen Wahrheit und ein bisschen Weglassen. „Tilla und ich
haben Besuch bekommen. Meine Eltern sind auf Stormy Castle und …“
„WAS? ECHT? Seit wann?“ Pia fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Ach so,
jetzt kapiere ich es, deshalb bist du so komisch und deshalb die Stimmen im
Turmzimmer.“
Suchend sah Pia sich um. „Wo sind sie denn jetzt? Hier im Turmzimmer …
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„Quatsch mit Bohnen!“, winkte Eddie ab. „So was machen meine Eltern nicht.
Sie … sie … na ja, sie haben sich überlegt, dass so untätig zu sein, langsam
langweilig wird, und weil mein Papa früher schon unterrichtet hat und meine
Maman auch, also mich, und hier gerade Lehrer fehlen …“
„Jetzt sag nicht, deine Eltern sind diese Neuen, die gestern plötzlich
sie unbedingt Lehrer braucht, hat sie die beiden trotzdem eingestellt.“
Eddie nickte.
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Pia schlug sich klatschend die Hand vor die Stirn, bevor sie lauthals loslachte.
Himmel, wenn Mum davon Wind kriegt, trifft sie der Schlag und sie wird
„Nur Französisch und Mathe“, erklärte Eddie, als würde es dadurch irgendwie
besser werden.
„Ich bin natürlich ihr Sohn und deshalb ab sofort wie du Schüler von Stormy
Castle“, sagte Eddie, auch wenn er genau wusste, dass Tilla etwas anderes
meinte.
Jubelnd fiel Pia Eddie um den Hals. „Das wird super. Genial, Eddie, ich freue
Eddie nickte, während ihm das schlechte Gewissen einen heißen Schauer
Ich sag es ihr noch … demnächst … ganz bestimmt, nahm er sich fest vor.
Sobald ich weiß, wie!
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Mrs Plumbelly begrüßte Eddie mit einem breiten Grinsen, als er einige Zeit
später mit seinem Koffer in ihr Büro kam. „Ach wie schön, dann ist ja nun die
ganze Familie Foxwood auf Stormy Castle versammelt. Du bist deinem Herrn
Vater übrigens wie aus dem Gesicht geschnitten.“ Sie zwinkerte und kicherte:
„Das habe ich schon öfters gehört“, gab Eddie wohlerzogen zurück – was
allerdings kein bisschen stimmte. So langsam entwickelte er sich immer
mehr zum Flunkergrafen. Sacrebleu!
„Dann wollen wir mal!“ Entschlossen erhob sich Mrs Plumbelly von ihrem
Stuhl und kam um den Schreibtisch herum. Erst strich sie sich den knallroten
Rock glatt, dann reichte sie Eddie ihre schmale Hand und lächelte ihn dabei
Stormy Castle. Ich hoffe sehr, dass du dich hier schnell einlebst und
wohlfühlst.“
„Ich fühle mich jetzt schon wie zu Hause“, rutschte es Eddie heraus – aber
„Wie schön“, fand Mrs Plumbelly. „Dann lass mich nur noch mal sehen, in
welchem Jungenzimmer noch Platz für dich ist. Ich meine, eines der
Sie nahm eine Liste vom Schreibtisch und fuhr mit dem Zeigefinger die
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Einträge darauf nach. „Genau. Hier ist es. Zimmer 4. Du teilst es dir mit Tom
„Du kannst gleich in Ruhe deinen Koffer auspacken und dich vielleicht noch
ein bisschen in der Burg umsehen. Um Punkt 19 Uhr wird bei uns das Dinner
serviert, dazu findest du dich bitte im großen Speisesaal ein. Außerdem eines
vorweg, Eddie, Pünktlichkeit ist etwas, das hier bei uns absolut
großgeschrieben wird! Und dann wäre da noch ein Punkt, den ich gleich
klarstellen möchte.“ Mrs Plumbelly blickte Eddie fest in die Augen. „Auch
für dich. Ich hoffe, das ist dir bewusst. Das Gleiche gilt übrigens auch für
Eddie nickte, woraufhin Mrs Plumbelly zufrieden lächelte und dann ohne
anzuklopfen die Tür mit der großen bronzefarbenen 4 in der Mitte aufdrückte.
Eddie hielt die Luft an, machte sich innerlich darauf gefasst, jeden Augenblick
wiedererkennen würde.
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„Das Bett hinten an der Wand ist noch frei“, erklärte Mrs Plumbelly. „Nun ja,
die Lage ist nicht die allerbeste. Dafür hast du einen schönen Schreibtisch
„Geht schon“, murmelte Eddie und legte seinen Koffer auf das Bett.
„Ich muss leider wieder zurück in mein Büro“, sagte Mrs Plumbelly und warf
dabei einen hektischen Blick auf ihre schicke Armbanduhr. „Ich hoffe, du
„Ja, natürlich, ich kenne mich hier ja au…“ Eddie biss sich auf die
Zunge. Sacrebleu, fast hätte er sich verplappert.
du sagen?“
Burgzauber, wie wollte er bitte schön all den anderen den ganz normalen
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„Oh, noch ein neuer Schüler“, rief Pia und drängte sich an ihrer Mum vorbei ins
Zimmer. „Ich bin Pia und wer bist du?“, fragte sie Eddie und reichte ihm die
Hand.
Eddie zögerte, doch als Pia ihm wie verrückt zuzwinkerte, ergriff er sie
„Pia, du hast in den Zimmern der Jungs nichts zu suchen!“, erklärte Mrs
„Wenn du die Internatsregeln richtig gelesen und nicht nur überflogen hättest,
Pia tat so, als würde sie gähnen. „Ach Mum, das sind doch total veraltete
Regeln.“
Doch Mrs Plumbelly blieb dabei. „Raus hier, Pia! Auf der Stelle!“
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Als Pia sich noch immer nicht in Bewegung setzte, umfasste sie den
Unterarm ihrer Tochter mit eisernem Griff und zog sie mit sich aus dem
Zimmer.
„Eddie, wir sehen uns später beim Dinner“, sagte Pia noch, dann fiel die Tür
„Und hier soll ich jetzt wohnen?“, fragte er sich selbst total ungläubig.
Völlig undenkbar und die absolut dümmste Idee, die er jemals gehabt hatte.
Wobei … eigentlich war es ja die Idee seiner Eltern gewesen, und das auch
„Nein! Da mache ich nicht mit. Ich habe es mir gerade anders überlegt!“
Entschlossen sprang Eddie wieder vom Bett auf. Er stampfte zur Tür, zog sie
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Grrrr… eiskalter Blick, noch frostigere Stimme: „Soso, und du bist also dieser
Lehrersohn Eddie Foxwood.“
„Wie schön“, behauptete Lewin und tat so, als hätten sie sich noch niemals
zuvor gesehen. „Dann lass uns gleich die Gelegenheit nutzen und dafür
sorgen, dass die anderen beiden Jungs, mit denen wir uns diese ziemlich
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Sacrebleu, Eddie wurde erst kalt, dann ganz heiß. Dieser Lewin hatte ihn also
doch erkannt!
„Ich … ich muss …“ Und weil Eddie einfach nichts Besseres einfiel, sagte er
„Wozu unnötig Zeit verschwenden“, erwiderte Lewin und rieb sich dabei
grinsend die Hände. „Das kannst du alles noch später machen, und was die
Regeln betrifft, am besten gar nicht. Jetzt ist erst mal ein genialer Zauber
angebracht.“
Schon hechtete Lewin zu seinem Schrank und nahm einen sehr geheimnisvoll
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War das etwa eine neue Art von Zauberstab? Das allerneuste Modell?!
„Pass auf, Eddie“, sagte Lewin, „über den Nächsten, der durch die Tür kommt,
werden wir uns köstlich amüsieren. Hoffentlich ist es diese Knalltüte Tom
Brodie.“
Knalltüte? Eddie verstand absolut nichts mehr. Und erst recht nicht, warum
Lewin nun eine dünne durchsichtige Schicht nach der anderen von der Rolle
abzog und sie Reihe für Reihe in den Türrahmen spannte. Das Ganze
dann ziemlich zufrieden: „Den Trick mit der Frischhaltefolie, die zur
unsichtbaren Tür wird, habe ich aus einem Scherzbuch für Schüler. Hat schon
an meiner alten Schule super hingehauen.“ Damit zog er die Tür weit auf und
stellte sich anschließend neben Eddie mitten ins Zimmer. „Hoffentlich ist es
Tom, hoffentlich ist es Tom … Er muss es einfach sein, weil er sich vorm
Dinner tausendprozentig noch mal die Hände waschen will. Weißt du, der
Eddie wollte etwas sagen, doch da hatte Lewin ihm schon seine Finger in den
Unterarm gekrallt.
„Schritte! Pssst, bloß nichts anmerken lassen!“, zischte er ihm aufgeregt zu.
Es dauerte auch nicht lange, da kam jemand um die Ecke und rannte –
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DOING! – mit Karacho gegen die durchsichtige „Tür“, die Lewin zwischen den
Rahmen gespannt hatte.
„Was … was ist da…das?“, japste Hausmeister Quitte und ließ vor Schreck den
Stapel Bettwäsche fallen, den er vor sich hergetragen hatte. Dabei machte er
ein Gesicht, als ob ihm gerade ein waschechtes Gespenst über den Weg
gelaufen sei.
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Spuk im Gange war, sondern nichts als ein dummer Schülerstreich. Mit
spitzen Fingern zerriss er die Folie und baute sich schnaufend wie ein Stier
Lewin zögerte keine Sekunde. „Der da!“, rief er und zeigte dabei auf Eddie.
nicht.“
Quitte musterte Eddie eindringlich. „Bist du der neue Schüler, der heute erst
„Komisch. Ich könnte wetten, dass ich dich neulich mit Pia Plumbelly im
„Ich? Ähm … nein, ich meine, das geht ja gar nicht, weil ich erst heute
Eddie.
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Prompt musterte Quitte ihn noch einen Zacken misstrauischer und auch
„Deshalb wundere ich mich ja. Ich könnte nämlich schwören, dass du
„Hausmeister Quitte, hier sind Sie ja!“, erklang mal wieder Pias rettende
„Warum das denn? Sie hat mich doch gerade eben gebeten, für den neuen
Pia zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Auf jeden Fall klang es sehr
dringend und sehr wichtig. Ich glaube, Sie sollten ganz schnell zu ihr ins Büro
flitzen.“
Quitte war sichtbar hin- und hergerissen. Das erkannte auch Pia und legte
eilen. „Seitdem wir hier auf dieser Burg sind, sehe ich überall Gespenster …
„Du schon wieder!“, knurrte Lewin genervt, kaum dass Quitte außer Sichtweite
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war.
Pia gab ein schnippisches „Was dagegen?!“ zurück und wandte sich dann an
Eddie. „Meine Mum hat mich gebeten, dir eine kurze Tour durch die Burg zu
geben und dich dann pünktlich zum Dinner in den großen Speisesaal zu
begleiten!“
„Wie süß!“, rief Lewin spöttisch. „Du bist also nicht nur der Spitzel von Mrs
„Das ist sehr freundlich“, rief Eddie, bevor Pia so richtig explodieren konnte.
Wenige Augenblicke später liefen die beiden den langen Gang entlang bis in
eine der kleinen Nischen, wo Pia Eddie vorwurfsvoll anzischte: „Eddie, was
soll das denn? Klaro, du sollst dich wie ein normaler Schüler verhalten. Aber
mitmachst. Gleich am ersten Tag auffallen, na ja, das muss echt nicht sein.
„Aber so war es nicht. Ich kann nichts dafür“, verteidigte sich Eddie. „Dieser
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Pia sah Eddie nachdenklich an. „Der will es also wissen. Mal gucken, wie er
reagiert, wenn wir den Spieß umdrehen. Schließlich kenne ich mich auch mit
Schülerstreichen aus und du, Eddie, mit Zauberei. Als Team sind wir also
unschlagbar!“
„Dinner! Komisch, es ist eigentlich noch zu früh, aber wenn es gongt, dann
wird gegessen!“, sagte Pia, umfasste Eddies Hand und zog ihn mit sich.
Trotzdem betrat er dicht an Pias Seite den großen Speisesaal durch die hohe
Doppeltür.
Die bärtigen Handwerker hatten ganze Arbeit geleistet und hier unten fast
alles umgebaut und modernisiert. An den Wänden, die nun dreiviertelhoch mit
denen weiße Kerzen flackerten und den großen Raum in ein sonderbares
Licht tauchten.
Der größte Teil der Schüler von Stormy Castle saß bereits an drei langen
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Ein weiterer, etwas kürzerer Tisch war an der Stirnseite der Dreiergruppe
platziert und noch festlicher eingedeckt als die langen Tafeln der Schüler.
Hier hatten Mrs Plumbelly und die Lehrer von Stormy Castle Platz
erkannte ihn sofort, auch wenn er im Gegensatz zu früher nicht mehr staubig
und matt war, sondern prächtig funkelte: der Kronleuchter, der normalerweise
Aber die Sache mit dem Kronleuchter war wahrlich nicht das Einzige, was
Herrjemine!
„Pia“, flüsterte er seiner Freundin leise zu. „Ich … ich habe es mir doch anders
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Pia ahnte, was in ihm vorging, und redete ihm leise Mut zu. „Die beißen nicht.
Glaub es mir. Die sind doch selbst alle total aufgeregt, weil auch die Lehrer
beim Dinner dabei sind. Außerdem wundern sich alle, weil es viel zu früh
gegongt hat.“
Hinter ihnen wurden Schritte laut. Eine Gruppe von Kindern drängte in den
großen Speisesaal – der Fluchtweg war somit versperrt. Und da Eddie nicht
daran gedacht hatte, Fidelius mitzubringen, mit dem er sich hätte
wegzaubern können – falls ihm so aus dem Stegreif der richtige
Zauberspruch dafür einfiel –, blieb ihm keine andere Wahl, als an Pias Seite
weiterzugehen.
Als sie durch die Tischreihen liefen, begannen die Schüler leise miteinander
zu tuscheln.
„Das ist er …“
Die reden über mich, begriff Eddie und dachte erneut über augenblickliche
Flucht nach. Doch Pia hatte wohl mal wieder seine Gedanken erraten – oder
ebenfalls mitbekommen, was für ein zischelndes Geflüster um sie herum
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entflammt war.
„Komm, Eddie!“, sagte sie extra laut und sehr entschlossen. „Am linken Tisch
Keine zwei Wimpernschläge später sank Pia auf einen freien Stuhl ganz vorne
am Tisch und Eddie setzte sich ihr gegenüber. Von hier aus hatten sie eine
gute Sicht auf den Lehrertisch – andersherum war das natürlich genauso.
Eddie spürte viele Lehreraugenpaare auf sich gerichtet und bekam prompt
rote Ohren. Mrs Plumbelly lächelte ihm aufmunternd zu, wandte sich dann
„Das ist Mr Dolphin“, raunte Pia Eddie leise zu. „Er sieht zwar wie ein
Stinkstiefel aus, ist aber total nett. Im Gegensatz zu der rundlichen blonden
Frau an seiner anderen Seite. Mrs Candellight macht zwar auf den ersten
Blick einen echt netten Eindruck, doch in Wirklichkeit ist sie eine richtige Kuh.“
Ein Junge mit freundlichen Augen und lockigem Haar trat neben Eddie an den
„Ist da schon besetzt?“, fragte er Eddie, der ihn natürlich sofort erkannt hatte.
Es war Archie.
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Pia zuckte mit den Schultern. „Nein, wir wundern uns selbst. Zumal meine
Mum eigentlich immer großen Wert auf die strikte Einhaltung des Zeitplans
legt.“
Kurz darauf gesellte sich Tom zu ihnen und dann – LEIDER – auch noch
Lewin Lewondur, der sofort damit anfing, Pia anzustänkern: „Du schon
„Das Gleiche könnte ich von dir behaupten“, gab Pia knurrend zurück.
Lewin grinste übertrieben. „Ich finde ja, es ist nur selbstverständlich, dass ich
eigentlich bei den Mädchen sein. Also, mal scharf überlegt, wer von uns ist an
„Das sind also deine Eltern“, raunte sie Eddie leise zu. „Irgendwie habe ich mir
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Eddie zuckte kurz mit den Schultern, sagte aber nichts, denn vorne erhob sich
Mrs Plumbelly von ihrem Stuhl. Sie lächelte strahlend und breitete die Arme
weit zur Seite aus, als ob ihr nichts mehr Freude machen könnte, als die
eine geraume Weile vor der festgelegten Dinnerzeit gegongt hat, das war …
Ein leises Murmeln ging durch die Reihen der Schüler. Augenblicklich gefror
„Das kann sie auf den Tod nicht ausstehen“, flüsterte Pia Eddie zu.
Eddie hingegen beschlich das seltsame Gefühl, dass seine gräflichen Eltern
bereits mit ihrem Vorhaben begonnen hatten, Stormy Castle recht bald
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schüler- und lehrerfrei zu machen. Da ging dann auch der Gong mal viel zu
früh.
„Regel Nummer 1!“, fuhr Mrs Plumbelly mit strenger Stimme fort, „wenn ich
rede, dann seid ihr bitte ruhig. Getuschel, gedämpftes Murmeln, leise
Unterhaltungen, nennt es, wie ihr wollt. Auf keinen Fall dulde ich es.“
Prompt ging ein erneutes Murmeln durch den Saal, obwohl sich bei keinem
Die Schüler sahen sich fragend an – und schwiegen. Dennoch wurde aus dem
Eddie blickte zum Lehrertisch und sah seine Eltern zufrieden lächeln. Die
zauberten, das war sicher. Sacrebleu, es ging also direkt los …
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„Danke“, stöhnte Mrs Plumbelly und fasste sich wieder. „Bevor wir mit dem
Essen beginnen, möchte ich uns allen eine lehrreiche und stets glückliche Zeit
auf Stormy Castle wünschen. Und nun, liebe Schülerinnen und Schüler, lasst
es euch schmecken! Unsere Köchin Mrs Jeffrey hat anlässlich dieses ganz
Sie nahm wieder Platz. Alle klatschten, und weil es eben alle so machten,
Die Suppe wurde serviert. Doch was war das? Statt feinen Klößchen
Schon kreischten die ersten Mädchen angewidert und die Jungen lachten
unsicher.
Lewin schüttelte grinsend den Kopf. „Leider nein. Aber der Scherz ist echt
Einlage. Doch am meisten war die arme Mrs Jeffrey geschockt. Wie ein
aufgescheuchtes Huhn rannte sie zwischen den Tischen herum und konnte
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„Ich weiß nicht … ich weiß wirklich nicht, wie das geschehen konnte“,
versicherte sie Mrs Plumbelly verzweifelt und ließ dann ihre Küchenhilfen
Der nächste Gang bestand aus grünen Nudeln mit krabbelnder Spinnen-
Einlage.
Das Gekreische der Mädchen wurde lauter und auch einige der Jungen
stimmten nun mit ein. Am Lehrertisch waren natürlich alle außer sich. Mrs
Plumbelly bekam vor lauter Schnappatmung kein Wort heraus. Die Köchin
fing an zu heulen und selbst Lewin verzog angewidert das Gesicht. Nur das
beneidenswerter Gelassenheit.
gab es kein Halten mehr: Panisch verließen die Schüler den Speisesaal.
Einzig Mrs Plumbelly saß noch immer wie gelähmt am Tisch, als alle längst
„Lewin, ich weiß nicht, wie du das angestellt hast, aber ich warne dich“,
knurrte Pia den blonden Jungen in der großen Halle an, „das kriegst du
zurück!“
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Lewin hob die Schultern. „Ich schwöre, damit habe ich nichts zu tun. Echt
nicht!“
Nur glauben wollte ihm das keiner so recht. Bis auf Eddie, denn er wusste
Aufregung im Viererzimmer
Während sich unten noch alle aufgeregt über das seltsame Menü
„Erzähl, erzähl, erzähl!“, verlangte sie neugierig von ihm. „Wie war dein erster
eigentlich beginnt erst morgen das richtige Schülerleben. Heute war noch
kein Unterricht.“ Eddie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Aber eins
ist sicher, Tilla, meine Eltern machen ernst. Nur glaubt bisher niemand an
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Eddie schüttelte den Kopf. „Nö. Der ist ein richtiger Stinksack, so oder so.
Aber Pia tut mir leid, weil … na ja, weil ihre Mum ihr so leidtut.“
Tilla atmete tief durch. „Du musst es ihr unbedingt sagen, Eddie! Es sei denn,
du möchtest, dass die Schüler, die Lehrer, Mrs Plumbelly und Pia von hier
verschwinden.“
Eddie seufzte kummervoll, während er sich nun wieder aus dem Sessel erhob
Tilla sah ihn mit großen Augen an. „Was hast du denn jetzt vor, Eddie?“
Der junge Graf wandte sich zu seiner Fledermaus-Freundin um. „Um 21 Uhr ist
„WAS???“ Vor Schreck fiel Tilla fast vom Baldachin. „Du … du schläfst unten
und nicht hier bei mir im Turmzimmer? Soll das heißen, ich bin hier oben
allein?“
Eddie winkte ab. „Niemals! Ich bin gleich wieder zurück. Sobald die anderen
eingeschlafen sind, schleiche ich mich wieder aus dem Zimmer“, versprach
Eddie.
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den Jungs hinein. Natürlich war Lewin Lewondur mal wieder der Übeltäter.
„Lächerlich“, regte sich Archie auf. „Einfach nur lächerlich, nasse Tücher unter
die Bettlaken seiner Mitbewohner zu legen, Lewin. Und das, nachdem du uns
allen schon das Dinner so widerlich vermiest hast.“ Er starrte Lewin böse an,
„Jetzt seid doch nicht solche Spaßbremsen, ein paar Scherze gehören nun
mal zum Internatsleben dazu. Wobei, mit dem Dinner hab ich echt nichts zu
tun.“
Eine Weile ging es zwischen Archie und Lewin noch lautstark hin und her.
Tom sagte nichts dazu, dabei war er derjenige, der mit pitschnassem
Schlafanzug-Hosenboden dastand.
Spontan fühlte sich Eddie zu Tom hingezogen, denn der dunkelhaarige blasse
Junge erinnerte ihn nur allzu gut an seine eigene, zwar sehr kurze, aber nicht
„Is ja schon gut“, brummte Lewin schließlich und stampfte zur Tür. „Ich
„Danke, das ist nicht nötig!“, rief Tom, doch Lewin war schon zur Tür hinaus.
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„Was für ein Blödmann!“, knurrte Archie ärgerlich. Als Lewin kurze Zeit später
zurück ins Zimmer kam, lag ein breites Grinsen um seine Mundwinkel.
Tom, der sich schon eine andere Schlafhose angezogen hatte, winkte nur
genervt ab.
Eddie mimte ebenfalls den Gähnenden und kroch in sein Bett. Dass seine
Zimmergenossen sich gleich hinlegen und schlafen wollten, kam Eddie
natürlich mehr als gelegen. Er hatte sich zwar bereits den Kopf über einen
passenden Alles-schläft-tief-und-fest-Zauber gemacht und sicherheitshalber
auch Fidelius eingesteckt, aber sosehr er sich auch das Hirn zermarterte, der
Zauberspruch dazu wollte ihm einfach nicht einfallen. Nur Lewin schien
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seine Armbanduhr. „… um zehn nach neun die Flügel strecken und euch ins
„Du kannst ja durchmachen“, schlug Archie ihm genervt vor. „Ich muss
Lewin lachte höhnisch auf. „Super Idee! Ich mach alleine durch. Wie genial!
Und noch mal, und zwar zum MITSCHREIBEN: Mit den tierischen
Essenseinlagen hab ich nichts zu tun!“ Er regte sich noch eine Weile auf. Aber
als ihm keiner mehr antwortete, verzog er sich schließlich in sein Bett.
später eingeschlafen. Eddie wartete noch so lange, bis die drei Jungs im Takt
GESCHAFFT! ENDLICH!
Blitzschnell huschte er den langen Gang entlang und war schon fast an der
Absperrung vor der Treppe angekommen, da wurde hinter ihm eine Tür
Erschrocken fuhr Eddie herum und sah sich Mrs Candellight gegenüber. Sie
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Sacrebleu, ist sie etwa hinter mein Geheimnis gekommen? Eddie schwante
Schreckliches.
Er öffnete den Mund und klappte ihn sofort wieder zu. Plötzlich verstand er,
warum Mrs Candellight ihn mit ihren zornigen Blicken regelrecht aufspießte.
puderweiß.
„Ich … ich weiß von nichts …“, versuchte Eddie sich zu verteidigen.
zum Schweigen. „Kein Wort will ich mehr von dir hören!“ Im nächsten Moment
hatte sie Eddie am Kragen gepackt und zu sich herangezogen. So nah, dass
Eddie ihren feurigen Atem spüren konnte, als sie knurrte: „Ob nun Lehrersohn
oder nicht, eines garantiere ich dir: Für diese hinterhältige Mehl-Attacke wirst
du dich verantworten müssen. Und bestimmt bist du das auch mit dem
von dir. Und zwar in Anwesenheit von Mrs Plumbelly und deinen Eltern!“
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„Was ist passiert?“, wollten zwei Mädchen wissen, deren Haare in alle
Himmelsrichtungen abstanden.
„War das gerade ein Erdbeben?“, rätselte ein dicklicher Junge. „Meine Eltern
Auch Mrs Plumbelly war auf den Gang getreten. „Kein Erdbeben, Jonathan“,
beruhigte sie den ängstlichen Jungen. „Es war nur eine Tür, die besonders
laut zugefallen ist. Wahrscheinlich ist der Wind daran schuld.“ Mrs Plumbelly
lächelte bemüht beruhigend in die Runde der Kinder und Lehrer. Und die
ließen sich davon auch tatsächlich besänftigen und kehrten in ihre Zimmer
zurück.
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Nur Eddie stand noch immer da. Irgendwie hatte er die Chance verpasst, sich
„Was ist hier gerade passiert, Eddie?“, wollte Mrs Plumbelly jetzt natürlich von
ihm wissen.
Im nächsten Moment öffnete sich weiter unten im Gang noch eine Zimmertür
„Mrs Plumbelly, bitte entschuldigen Sie, aber kann es sein, dass unten in der
„Grrrrr, ich werde noch verrückt“, keuchte Mrs Plumbelly, raufte sich die Haare
„Geh in dein Zimmer, Edward … Eddie wollte ich sagen“, zischelte Gräfin
Tilla, sie würde bestimmt kein Auge zubekommen und sich vielleicht sogar
schrecklich ängstigen.
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Als Eddie leise die Tür öffnete und sich in das dunkle Zimmer schleichen
wollte, prallte er mit Lewin zusammen. Er hatte hinter der Tür gestanden und
schadenfroh an.
„Genialer Mehl-im-Föhn-Scherz“, ätzte er. „Denk bloß nicht, Graf Eddie, dass
der schreckliche Ritter ein rostiges Gedächtnis hätte. Seine Rache ist mehlig
…“
Lewin lachte höhnisch und krabbelte zurück in sein Bett. „Süße Träume, Eddie
…“ Lewin kicherte leise in sich hinein und fing dann sofort an zu schnarchen.
„Lass dich von dem nicht ärgern, Eddie“, erklang da ganz leise Toms Stimme.
„Ich kenne solche Mitschüler, denn normalerweise bin ich immer derjenige,
der geärgert wird. Aber wenn wir fest zusammenhalten, dann kann er uns gar
nichts …“
„Und mit mir“, flüsterte nun auch Archie, „sind wir schon zu dritt.“ Nun konnte
Eddie erst recht nicht schlafen. War das gerade so etwas Ähnliches wie ein
Freude zu kribbeln. Wir halten zusammen … Wow, was für ein verrücktes und
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Und irgendwann fielen dann auch Eddie die Augen zu. Zum ersten Mal seit
fast 300 Jahren schlief der junge Graf Eddie von Fox und Wood nicht in
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