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Fußgängerbriicken

Wemer Sobek, Stuttgart

Brücken zum Anfassen


Fußgängerbriicken in Stuttgart - Konstruktion und Gestalt
Tragwerk und Fonn - Eine Herausforderu ng an Ingenieure

Fußgängerbrücken sind anders. Ver-


kehrsbrOcken beeinflußt der Verkehr
mit allen seinen rationalen Zwängen.
FußgangerbrUcken gehö ren alleine
dem Menschen_ Der menschli che Maß-
stab bestimmt Konstrukt ion und Ge-
stalt. Gehen und Stehen, Sehen und
Anfassen ve rmill ein das Erlebnis des
Oberganges , des Oberwindens von
Trenne ndem. FußgängerbrUcken fol-
Jen auch funktionalen Bedingungen .
Das ist mit Gewißheit nicht das Ent -
scheidende, sondern das Maß des
Schönen, des Angenehmen, des Wohl -
gefälligen vielleicht auch des Erfüh l-
len, was irgend nur den Weg des Men-
schen über eine BrUcke begleiten kann,
gehOren dazu.

So gesehen, sind Fußgangerbrücken eine


Herausforderu ng an Inge nieure . Die die
Anfo rderun gen an Fußgängerbrücken
Obersteigen die an Verkehrsbrocken um das
Maß des Menschlichen. Die konstruktiven
Bedingungen erweitern sich zur Gestaltun g.
Das Tragwerk bestimmt die Form: Form
Ki bt Gestalt; aus der Gestall entwickelt
ud!. wie der Mensch die BrOcke begehet.
Dtr Ingenieur fUh h sich meist unvorberei-
Itt und überrordert gegenüber einer solchen
Aufgabe. Er sucht den Architekten als
~artller. Ist der Architekt bereit, und ist er
111 der Lage, Panner l U sein?
. FußgAngerbrUcken begünstigt meist nur
~ne grobe Vorgabe der WegfUhrung. sie
Z~ngt nich t eine starre Nutzunssgcome-
tfle. Ein Drittes aus WegfOhrung und Nut-
ZUnl wird entscheidend . Der Ingenieur
lIluß seine Ausdrucksmiltel bei der GestaI-
tun, des BrUckenbauwerkes einbringen, er
lIIuß den .. Vorgangt< BrUcke in seine Vor-
steUu nlen einbeziehen, um Material, Kon- Du R(J.~1UUillsl~ I QIl.!' tkr Sicht dn Nt4~n tJdu
n~ BrlJdrr mir rhr M6,licMcrlt du A 'II<I$#.u
struktion und Form zu der Gestalt ung zu
Dtviliclllsr ...... ~fl Wkhrlltl" d~ ~lbn"f"l1lkr­
;Ul~. Er vereint also letztlich bcides , die nlfll :1/ rieflnlfl. Ihr Fllltrbltlt"t~ wird i" nMm
t!l:ax eit des In8enieun und des Architek· ltidttr" Bt:JfOf tQilltn, dir Tt'ltpri1r bmlhmt sich Itu!
fkrMllnspilu
I R()R1Uln.u,~ lI/nd 11
Dtr bei \Io'eitgespannten Verkehrsbrücken rrr''',irurr: J. ScA/tIicft, K. Ho",tO,trr, W. 8nc"r
:ta~bende Einfluß des Bauverfahrens Ardmrkrrrr: H . LII:" M. BIJcII"
kos die Gestaltung und die Herstellungs- 1 N«!cQrbrlJet, 11m Max·E,·th-$N
nrn ten des Bauwerks verliert bei den »klei- Itttrttirur:J. Sclrltlidt
Ardriltkt:B.~,triul1U
• IC Spannweiten von Fußglngerbrüclcen
J. BriJdr.t llt-Ikrr (llwirr·Ml1jrr·f)onav-KflNlI
. . Verbunden mit der Relati-
DipI.-' fll. Wmtft" Sobt... ~1I4ft1idwr M ugrb6
ostenraktors zugunsten der kr 11m IlIStilll/ /W M fD.'SiodItnI dft" U1II'OWlit" Sl'IItr,.n. l/Ilt1Iirure: J. SclrI4id! 6 Pl1rtnu. Sr""tltrf
erweiten sich damit die Lftlll"l ProJ_ 0,.-/ .., . J~ SeII/flöd! Ardlitrtu,,: K. AC'brm.,1IfI 6 Pam,n'. MiJftC'ltt'tl

~{!J~{!Jn.'lI1lJIil 3/82 19
Fullgängerbrücken

Brdte des Spektrums rnö&!icher Tragwerke


c:rhebtich. Hierdurch wird Phantasie im
Entwurf gefördert. Innovationen geradezu
erzwuRJcn. Besonders schOn ist dies an
dem im folgenden beschriebenen Brßcken
erkennbar. Sie besitun als HIngebrUcken
in den durch Seile gebildeten Konstruktio-
nen eine lange Tradition : Die an hAngenden
Naturfaserseilen befestigten Stege stellen
sicherlich die altem~n und plausibelsten
wc:itgcspanntc:n Tragwerke dar. Mit ihren
flJigranc:n Bauteilc:n und interessante:n For-
men hallen sie: andc:rtT$c:its in der Form der
Hängebrücken auch heute: noch die: Weltre:-
korde: in den Spannweiten.
Leider wurden im Bereic h der Verkehrs-
brücken in letzter Zeit dIe: Hängebrücll:c:n
zunehmend von den SchrAgkabelbrtlckc:n
vc:rdringt. Aus Kostengründc:n. Dies ist
hauptsachlich darauf zurUckzufahren, daß
bci Schrllgkabelbrßcken ein Freivorbau
vom Pylon aus möglich ist, Die das Trag-
verhalten stark bestimmenden Druckkräfte
im überbau, die aus der Verankerung der
Schrllgkabd stammen, stellen sich zusam-
men mit dem Baufortschriu ein, Anders bei
den Hängebrücken: Werden die Tragseile
im Boden veranken, ist zwar eine gerßst-
freie Montage der Fahrbahn möglich, aber
riesige Fundamente fUr die Aufnahme der
großen Horizontalkräfte schrllnken die
Wirtschaftlichkeit ein. Die in sich ver-
ankene (unC(;hte) Hängebrücke hingegen
bedarf eines Gerüstes zur Herstellung der
Fahrbahn, dann erst nach deren Fenigstel-
lung kann diese die HorizontaikrAfte aus
den Tragseilen aufnehmen ,
H3ngebrücken kamen deshalb in der jOn-
geren Vergangenheit immer weniger zur
Ausführung, BedauerlicheN'eise, denn ge-
rade bei ihnen wird für den Laien Tragwerk
besonders klar bcgreifbar und verständlich.
Um so interessanter ist eine Entwicklung zu F~r'",.,..tJnki' llbtr"'Nft'k.,. ."'Mu.E.1tIl-SM l
beobachten, die das Erlebnis der Hänge- Stulltgn, "OM ~.....,. "'""~ FfJfOlllOllt.,,"'"
brtlcke im Bereich der Fußga.ngerbrtlcken
wi~er aufveift und mit den don geringe- ModrII/rJlo tkr N«hrlJrildt gM Mu-Eftll-S«. DM
ren zu beWältigenden Kräften zu einer ud ~lfddw .... iN< ~~b1OOrlw ~--"
Rgmptfl ur n-tnlM'1I,
neuen, überraschenden Vielfalt entwickelt.

Die Rosensttinsltgt der Bu ndesga rten-


schau
BereitS 1977 wurden im Rahmen der Bau-
ten zur Bundesganenschau in SlUngan die
heiden R~nsteinslcge errichtet . Hierbei
war ein vom Rost:nsteinpark kommender,
hangabwans fOhrender Weg Ober eine
kleine Schlucht zu leiten. durch die eine
Straßenbahnlinie fühn. danach eine kurze
StrC(;ke Ober einen Hügel und anschließend
über eine mehrspurige Bundesstraße und 3
Straßenbahngelcise zu fOhren .
Der Entwurfsgcdanke baute darauf auf,
die Bewegung des hangabwam führenden
Weges aufzunehmen, um sie danach in eine
bogenfönnig gekrümmte Gchbahn für die
große Spannweite umzulenken. Da bade
Brilcken eng aufeinander folgen, sollten sie
einem einheitlichen konstruktiven und ge-
stalterischen Konzept unterstellt werden.

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Fußgäng('rbrücken

Dies fuhne bei der größ<'ren Spannweite Di e Brücke über den 1\eck:u am M:u:- in Kelheim an Stelle der jetzigen Straßen-
für den Rosenstei~steg I zu~ Entwu~f einer E~- lh ·See in S[ UlIg3 rt brücke auf ei ner geforderten Höhe \'on 8 m
I-Iänll:ebrücke, dIe aus emem leichten, über dem HOhennivenu de r angrenzenden
bOge~nf()rrmg geführten S,ahlbetontrfiger Der 1979 fertigg este ll te Entwurf stellt ti- Straßen llberbrüc\..('1\ und damit Stndtkl.""rn
i;)fSttht, der mll schrfigen ~-H!.ng~sellcn an ne Hä ngebrücke fiber den Nec kar I'or, dIe und Neustadt I erbinden. Da nIlein die
z.... ei Tragseilen aufge~ängt 1St. DIese Trag- das Erhol ungsg('bie! in den Flußa ul.""n 3m Kanal"andung 5 m hodl ist, brachte ein
seil~ smd in d<'ll vIer ~ c kpunkl:n .des 1I1ax-Erth-Set mit dem am WesIUfer des geradeliniger Sieg SielS die Not\\endig"eil
ungstragers verankert. SIe rufen In Ihm Flusses au f einer Anhöhe gelegenen Wohn- treppenartiger r\u fga nge an den Brüc kcn-
$Iso eine Normalkr.aftbl.""an sp ruchung her- ge bitt Freiberg \'erbinden soll. Der Weg enden mit sic h. Dies führt leicht z.u ungün-
,.or, di e Sic h hir seme Bemessung von eil- dorthin mußte au s SteigungsgrUnden an der stige n Propo r31ionen zwischen leichtem
haft auswirkt. Durch ~ie Selbstl'eranke- Seit!.' eines im Hang gelegenen Einsehnines Steg lind massigen T reppentü rmen _ Um
runS wurde es notwendig den Betonträger nach oben führen. Andererseit s erlauble dem durch das Stad nOT " ommenden Fuß-
auf Schalung herzustellen, :vas allerdmgs die \'öJ!ig~ Symmetrieachse_ gleichzeitig nur gängern eine n ungestörten Blid auf die
~ den önhchen Gegebenhenen kem Pro- am Ufer. da der Flu ß mit Sdllffcn befahren Uferpr01l1 enade zu ermöglichen, wurde die
~Iem darstellte. Die Trag~cilc trcffl.""n Sich wird. So entst;lfld eine den Neckar rechl- Ach se der jt'tzigt'tl Straßenbrücke nicht
aufdenl Um!enksat tel am Ko pf des ;'\"Iastes, I\inklig überquerende echle Htingebnlcke. wieder aufgenommt'n. sondern ein davon
der seinerseits dl~ Gehw~gp!:l.IIe millig deren zwei Tragst'ile über je einen Pylon u-itlich versetz.ler, im Grundriß U- förmiger
durchstößt. ohne sIe zu beruhren. Der Sat- auf jeder Uferseite laufen, bevor sie dann Steg gep lan t. Die not\\endigell Rampen
te! \\'Urdc mit einer Blechl.l311be abgedeckt im Boden ,"emnkert "erdl'n. Der Gehbahn- st eigt'!1 parallel zur Kanah. andun g hoch
und mit einer nUT gestalterISch begründeten träger ist mit schrägen Hängern abgehtingt. Anschließend übe rquert die Gcltbahn den
MaslSpille I'ersehen _ Da t'r jedOCh nicht durch eine Längskraft Kanal in eintl!! \leiten Boge n . Sie is t dabei
Das gesamte Tragllerk befindet sich infolge einer Tragseiherankerung bdustet nur an der Innenseite des gekrümmten T ra-
$Omit oberhalb der Gehwegplalle, abo im wird, kann er auf der Üstse ite aus der gers dureh I-Hlnger an ein~m Tmgseil be-
Wahrnthmungsbereich des Benutzers . Den Brückenlängsachse herau sge5Ch\\cnkt "er- festigt. das übl~r jl- einen an den Ufern 51<'-
, rinldne n TraS'H'rksteikn "'urden je nach den, so den in der .-\ ehse steh enden Pyl on henden ~la5 t \"trank en wird .
ihrer Beanspruchungsart umerschiedliche "umgehen« , und mit elllern Bogen harm o- Die Gesamt " onstruktion erkl ~ rt ~ieh aus
Materialien zugewiesen: der :-'la5t au s nisch in die den Hang hinauf1auf<'nde We- dem Tfagle rhalten des einseitig gelagerten
gefUhrung zur Siedlung Freiberg ('int1ießen. Kre i~fl n g lr:lgers . der unte r Eigenge\l icht
-Stahl, die Bet onplalle als Gehweg, Stahl-
seile [ur die Zugkr<ifte. Die Erfaßbarkeit Dadurch bekommt d('r hangabwärts ge- und GleidllaSl keilll' ßiegt'tllo 1l1cnte ('rh üll.
dieser Aufteilung wird durch die unter- hende Fußgänger das gesamte Trag\\erk Dies ('rlaubt eine seh r dann<.' Spannbl-t On-
schiedliche Farbgebung noc h erhöht. tnt in einer Sch rtigansicht zu sdlen, bevo r platte als Gehbahn.
Das gleiche Repertoire der konstruktiven er dann den Neckar tlberquert. und es an - Der Wil1l."" zu menschengerl-..:ll1er G e~ta l ­
und g~tJlteri5chen i\ lille! wurde auch beim sc hlkßend auf zwei wiederum noch vor tuns ve rl."" inigl sich hier besonders ghlcldich
Rosellstein"eg 11 ,crwendet: Auf zwei lwi- dem Pylon aus der Uin gsa.:hse her:lUsge- mit idealem Trag\erhalten des Bauwer" ~.
lChen die Widerlager aus Stahlbeton gc- schwen kten Rampen wieder verltißt. Diese Dies erlaubt fil igrane Bauteik, deren jewei-
spann te Seile wurden Beton fert igteilplat ten Rampen sind im Gegensatz zur Ostrampe ligc Tragfu nktion du rch die Wahl l erschie-
mit offenen Fugen untcreinandt:r befestigt. an den vom Pylon zum Fundament laufen - dener i\laterial ien mit untersc hiedlicher
Das hangende Band stellt so einen Teil des den zwei Tragseilen aufgehangt. Die Pylo- Farbgebung betont wi rd
~u1denförmigt:n Wegabschnittcs dar. ne haben gle iche Höhe 1\ ie der vorhandene Der 1981 preisgl.""krönte Entwurf verl!l.ßt
Um die fur hängende Seile charakterisli- Baumbestand. die Anordnun g da Rampen durch di e r:lumliche Entwic kl ung de r ge-
II::hen großen Verformungen unter ver:tn- erlaubl . daß alle Btiume der Uferbepllan- samten Konstruktion die Vorbilder l..Ibli-
denen lasten zu beschränken. wurde die zung erhalten bleiben. cher Entwürfe für Hängebrilcken . Er er-
Bl1leh durch ein Spannseil ull!erspannt, Die Brücke über den Rhein·Main- weitert es wesen tlich und zeigt dabei die un-
da! mit den diagonal angeordneten H ~n­ D o nau-Kanal in Kelh eirn endliche Vielfalt noch unbenUtzter Mög-
Ifrn, die Trag- und Spannsei! verkfllip fen. lirhkt:itcn auf, die gerade bei den Sei ltrag-
einen räum lichen. vorgespannten Seilbin- Wiederum eine H ~ngebrnc k e. Sie so ll werken als Fußg!l ngerbrUcken noc h \'or un s
der mit \'er:!nder!ichem Dreitd;quersc hnit ! den zukünfllgen Rhtin-i\lain-DonJ u-KJnJI liegen . •
~et.
" ",deI/fOTO dr.- lJr;J ck~ ubrr 'ü'" R!t~", .II~", {)onu .. - In ,'nU IIlJh, "On J m ubrr drm ,\'"_,, drt
,Irn Kan.:J1
Natürl ich läßt sich der Steg trotzdem in KumTI in h ~lhm" V., Im Gr;J~drifJ /..·-!(),m,p' G~hbohn "ng,~n~'nd'n Sl,a~n v" ,,1IHII'II' A"P.angunt dfi

: er
~wingungen versetzen_ wobei es immer
eine Freude ist . zu beobachten. wie
Fußganger den gllnstigsten Anregungs-
S l ~'tlrMI.:Jng d~, K{1n(1/1."(1~d"1!g !t(Kh und ube'f/urrl """n,n TrlIrtrl laß, lu.-It buOndtrs gu t rrktn"rn

c: ;r:~a~~~nl;r~;:e :~~~~nk~~e~~sc:~~:
Rr Eröffnung den Namen »schwingende

sind standani sien, den ver-


je nach Beanspru-
unterschiedliche Mmeria!ien zuge-
. Belde Bnlcken bilden so eine Ein-
.t.n;U~h im Trag:'erhalten, denn au.eh
er .Untersc hled nur graduell: Beim
~eg hegt die. Gchbahn auf dem Trag-
diru Zur Stabilisierung nötige Spannseil
nter ange ord ne\. Bei der Hang e-
~ROSens!elllsteg I is t die Geh bahn
d' Stabilisierenden Bauelement iden-
. -- le Tragseile befi nden sich oberhalb

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