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Physikpraktikum
für Minor Physik und Pharmazie
2016
2017
3
Ausgabe 2017
Skript übernommen im Januar 2016:
Änderungen:
2016
Titelseite
Fehlerrechnung (alt) in Anhang verschoben
Fehlerrechnung neu geschrieben
Beispiel zur Fehlerrechnung im Anhang ergänzt
Abschnitt zu Plagiaten und Täuschungsmanövern ergänzt.
Leitercharakteristiken ergänzt, zugehörige Aufgaben detaillierter beschrieben
Inhaltsverzeichnis pro Kapitel ergänzt.
Testat-Tabelle am Ende ergänzt
Einheit für Dichte im Kapitel Hydrodynamik korrigiert
Anleitung zum Einfüllen von Gasen in cp /cv an Versuchsaufbau angepasst.
2017
Reihenfolge der Versuche geändert (Mechanik, Thermodynamik, Elektrodyna-
mik, Atomphysik, Kernphysik)
Abschnitt zu Signifikanten Stellen ergänzt
Kleinere Fehlerkorrekturen
Testattabelle in Notenübersicht getauscht
4
Praktisch schon.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7
Fehlerrechnung 15
1 Trägheitsmoment 35
2 Erzwungene Schwingungen 43
5 Hydrodynamik 69
6 Leitercharakteristiken 81
7 Wechselstrom (entfällt) 99
9 Radioaktivität 143
Anhang 165
A Fehlerrechnung 165
Inhalt
Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Aufbau des Praktikumsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Beispiel eines Laborberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Plagiate und Täuschungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . 13
Vorbereitung
Die Theorie zu den Versuchen muss im Selbststudium vorbereitet werden. Dazu
dienen in erster Linie die zu den Versuchen gehörenden Skripte. Daneben sollen
aber auch die Skripte der Vorlesung Experimentalphysik und Lehrbücher (Biblio-
thek) verwendet werden. Bitte notieren Sie Unklarheiten und besprechen Sie sie
in der Arbeitsgruppe oder mit dem Assistenten. Die Ziele der Vorbereitung sind:
7
8
Experiment
• Mitbringen: Laborheft (A4 gebunden, keine losen Blätter), Rechner, Skript,
Formelsammlung, Millimeter-Papier, Massstab, Zeichenmaterial.
Es werden zwei Laborhefte benötigt, weil meistens eines der beiden bei
einem der Assistierenden zur Kontrolle verbleibt und erst in der nächsten
Woche zurück gegeben wird.
• Jede(r) Teilnehmer(in) führt ein eigenes Protokoll. Es ist in Ordnung, zu
zweit zusammen zu arbeiten. Grössere Gruppen sind nicht zweckmässig.
Tauschen Sie Ihre Ergebnisse und Auswertungen nicht mit anderen Teil-
nehmer(inne)n aus! Bei offensichtlichen Kopien müssen Sie mit Ausschluss
vom Praktikum rechnen.
9
• Verschaffen Sie sich einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Hilfs-
mittel.
• Notizen zum Messablauf (z.B. Nummerieren der Messwerte gemäss der zeit-
lichen Abfolge; Handgriffe: 1. Gaseinlass beim mittleren Ventil, 2. ...’; Ein-
stellung am Oszilloskop notieren). Diese Angaben sind unter Umständen
wichtig für die spätere Auswertung.
Auswertung
• Jede(r) Teilnehmer(in) führt ein eigenes Protokoll. Es ist in Ordnung, zu
zweit zusammen zu arbeiten. Grössere Gruppen sind nicht zweckmässig.
Wichtig: wenn Sie mit ihrem Partner Teile des Protokolls teilen, schreiben
Sie den Namen dieser Person deutlich mit in das Protokoll!
• Tauschen Sie Ihre Ergebnisse und Auswertungen nicht mit anderen Teil-
nehmer(inne)n bzw. Teams aus! Bei offensichtlichen Kopien müssen Sie mit
Ausschluss vom Praktikum rechnen. Ausnahme: innerhalb eines Zweier-
Teams können Sie sich zum Beispiel die Fehlerrechnung teilen (siehe im
Kapitel zur Fehlerrechnung den Abschnitt am Ende).
Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Absolute Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Relative Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Maximalfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Systematische Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Zufällige Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Precision vs accuracy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Statistischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Signifikante Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
15
16
Einleitung
Achtung:
Im Anhang auf Seite 165 findet sich eine ausführliche Einfüh-
rung in die Fehlerrechnung, die unbedingt studiert werden
sollte und zum Verständnis dieses Kapitels hilfreich, wenn
nicht sogar notwendig ist. In diesem Kapitel wird eine knap-
pe aber in vielen Fällen ausreichende Anleitung versucht, die
auf der Fehlerfortpflanzung basiert, aber auf einige wenige
leicht merkbare “Kochbuchregeln” reduziert.
Der Begriff Fehler ist sehr unglücklich gewählt, denn es geht in diesem Zusam-
menhang nicht darum, dass man etwas falsch gemacht hat. Man könnte versucht
sein, sich für einen grossen Fehler zu schämen, und darum versuchen, den Fehler
kleiner zu rechnen als er ist. Das wäre fatal und das Gegenteil dessen, was der
Begriff “Fehler” in diesem Zusammenhang eigentlich meint.
Wir sollten den “Fehler” vielmehr als ein Vertrauensintervall ansehen, dass jedem
Messwert mit auf den Weg zu geben ist. Gebräuchlich und ebenfalls sinnvoller als
“Fehler” ist auch der Ausdruck Messunsicherheit. Denken Sie zum Beispiel an ein
Schild an einer Autobahnbrücke, dass die lichte Höhe mit 4.2 m angibt. Der Bus,
in dem Sie sitzen, ist laut Busfahrer 4.19 m hoch. Wären Sie nicht froh, jetzt zu
wissen, wie genau die beiden Angaben denn sind?
Für das Praktikum und darüber hinaus gilt es also, den “Fehler” korrekt zu be-
stimmen, und ihn ehrlich anzugeben.
Einen korrekt bestimmten Fehler auch so anzugeben, ist korrekt. Diesen Fehler
aber unkritisch zu “akzeptieren” ist in aller Regel nicht sinnvoll. Insbesondere
dann, wenn der Fehler relativ gross ist. Man sollte vielmehr versuchen, bei gros-
sen Fehlern nach den Hauptfehlerquellen zu suchen und diese zu minimieren –
sei es durch verbesserte Messinstrumente oder eine verbesserte Verfahrensweise.
Wir werden im Folgenden sehen, wie man erkennen kann, an welcher Stelle man
möglicherweise ansetzen kann.
17
Relative Fehler
Relative Fehler sind dimensionslos bzw. werden in Prozent, Promille, ppm oder
ähnlichen Einheiten angeben. Der relative Fehler ergibt sich aus dem absoluten
Fehler, indem der absolute Fehler durch den Messwert dividiert wird. Der relati-
ve Fehler sagt etwas über die Qualität der Messung aus und wird deswegen oft
bevorzugt, wenn es weniger um einen konkreten Wert geht, der ja nur für eine
einzige konkrete Messung gültig wäre, sondern wenn es um eine von vielen ähn-
lichen Messungen geht, und deren Präzision im Vordergund steht. Im folgenden
Beispiel ist der absolute Fehler für X zwanzig plus/minus zwanzig Zentimeter,
und der relative Fehler ist demnach 0.2 m / 142.0 m = 0.1 %
X = 142 m ± 0.1 %
Maximalfehler
Der Maximalfehler ist der Fehler, der alle – auch extreme – Abweichungen des
Messwerts vom wahren Wert beinhaltet. Der Maximalfehler ist grösser als der
mittlere Fehler (siehe nächster Abschnitt), und ist häufig “unzweckmässig” gross.
Andererseits möchte man genau diesen Fehler angeben, wenn man ausschliessen
will, dass der wahre Messwert ausserhalb der Fehlerangabe liegt. Denken Sie an
das Beispiel mit dem Bus...
18
Der Maximalfehler muss auch dann angegeben werden, wenn sich einzelne Feh-
lerbeiträge nicht statistisch ausgleichen können. Wir werden weiter unten sehen,
dass diese Bedingung bedeutet, dass die Einzelfehler nicht linear unabhängig sind.
Zusammenfassung
Wir haben jetzt zwei Paare von Fehlerdefinitionen kennen gelernt: Absoluter Feh-
ler und relativer Fehler sind zwei alternative Arten, wie ein Fehler angegeben
werden kann. Der Maximalfehler und der mittlere Fehler schliessen sich gegen-
seitig aus, d.h. es ist nur jeweils eine der beiden Definitionen angemessen oder
erlaubt. Andererseits kann man den Maximalfehler sowohl als relativen Fehler als
auch als absoluten Fehler angeben. Das Gleiche gilt für den mittleren Fehler. Für
die konkrete Anwendung bedeutet das, dass zum Beispiel nach dem “mittleren
relativen Fehler” gefragt werden kann, oder nach dem “absoluten Maximalfeh-
ler”, oder auch nach dem relativen Maximalfehler oder dem absoluten mittleren
Fehler. Aber niemals nach dem mittleren Maximalfehler oder dem relativen Ab-
solutfehler.
Systematische Fehler
Um den Begriff des systematischen Fehlers zu verstehen, ist es nützlich, die
Abbildung auf Seite 20 anzuschauen. Ein systematischer Fehler beeinflusst al-
le Messwerte (meistens) in dieselbe Richtung (“Offset”). Systematische Fehler
entstehen unter anderem durch Unzulänglichkeiten der Messmethode (Vernach-
lässigen von Nebeneinflüssen wie Reibung und Luftwiderstand).
19
Eine weitere mögliche Quelle für systematische Fehler sind bauartbedingte Un-
genauigkeiten von Messinstrumenten. Bei Thermometern ist meist der absolute
Fehler (beispielsweise 0.1 K oder 0.5 K), bei elektrischen Messinstrumenten ein
Klassenzeichen angegeben. Das Klassenzeichen 1.5 bedeutet dann, dass der ma-
ximale systematische Fehler 1.5 % des Endausschlages des Instrumentes beträgt.
Solche instrument-spezifischen Ungenauigkeiten führen insbesondere bei falscher
Kalibration zu systematischen Fehlern. Denken Sie zum Beispiel an ein Lineal
mit Zentimetermass, das aus Holz gefertigt ist. Je nach Feuchtigkeitsgehalt kann
Holz schrumpfen oder sich ausdehnen...
Aber es ist nicht gesagt, dass ein ungenaues Messinstrument den Messwert tat-
sächlich systematisch, also immer im gleichen Sinne, verfälscht, oder ob es nicht
auch zu zufälligen Schwankungen kommen kann, die dann im nächsten Abschnitt
zu behandeln wären. Wenn Sie zuhause eine digitale Personenwaage verwenden,
können Sie sich ein paar mal unmittelbar hintereinander auf die Waage stellen
– sie werden zufällige Schwankungen in der Grössenordnung der Anzeigegenau-
igkeit (typischerweise Schwankungen von wenigen hundert Gramm bei 0.1 kg
Anzeigegenauigkeit) beobachten!
Im Praktikum werden Irrtümer und systematische Fehler oft erst am Schluss
bemerkt. Um zu vermeiden, dass ganze Messreihen wiederholt werden müssen,
ist es deshalb von grossem Vorteil, Messungen möglichst laufend auszuwerten.
Graphische Darstellungen sind dabei sehr hilfreich.
Systematische Fehler bestimmen die “accuracy” (siehe unten und die Abbildung
auf Seite 20).
Zufällige Fehler
In der Abbildung auf Seite 20 sind zufällige Fehler für die Streuung der Messwerte
verantwortlich.
Zufällige Fehler werden durch zum Beispiel die begrenzte Präzision der Mess-
instrumente (Achtung, Messinstrumente verursachen v.a. bei falscher Eichung
auch systematische Fehler, siehe oben!), aber auch durch den Beobachter selbst
verursacht (begrenztes Unterscheidungsvermögen des Auges, Unruhe der Hand,
Unsicherheit beim Drücken einer Stoppuhr usw.). Zufällige Fehler haben viele
unkontrollierbare Ursachen und schwanken in Grösse und Vorzeichen.
Zufällige Fehler von Einzelmessungen müssen manchmal vom Experimentator
geschätzt werden. Eine Längenmessung mit einem gewöhnlichen Massstab kann
beispielsweise kaum besser als auf 0.5 mm genau abgelesen werden. Eine Stoppuhr
ist wohl nicht genauer als mit 0.2 Sekunden Ungenauigkeit zu bedienen.
Besser sieht es aus mit der Ermittelung der zufälligen Fehler, die durch Mess-
instrumente verursacht werden können. Hier geben Handbücher, Etiketten auf
den Geräten, die Anzeigegenauigkeit oder andere bauart-bedingte Eigenheiten
ein Mass für den Fehlerbeitrag des betrachteten Geräts vor.
20
Precision vs accuracy
sprechen, aber beide Begriffe haben andere Bedeutungen oder werden anders
gebraucht und sind deswegen leider weniger gut geeignet, um den Unterschied
zwischen beiden Begriffen zu verdeutlichen.
Bei der precision geht es darum, mit welcher Auflösung ich einen Wert bestimmen
kann, und wie sehr Wiederholungsmessungen streuen können.
Bei der accuracy geht es darum, wie nahe man am wahren Wert liegt oder wie
nahe der Durchschnitt vieler Einzelmessungen am wahren Wert liegt. Es ist denk-
bar, eine sehr gute accuracy zu erreichen, aber eine sehr grosse Streuung der
Einzelmessungen zu beobachten.
Bei hoher precision ist die Streuung klein, aber der Mittelwert kann sehr weit
vom wahren Wert entfern sein!
Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man das Konzept des Systema-
tischen Fehlers verstanden hat. Kleiner systematischer Fehler = grosse accuracy.
Grosse precision = kleine Streuung, kleine Standardabweichung.
Die Distanz zwischen dem Mittelwert einer Messung und dem wahren Wert ent-
spricht dem systematischen Fehler. Offensichtlich findet man diesen nicht durch
Fehlerrechnung.
22
Statistischer Ansatz
Bei einer Messreihe, die mehrere mit der gleichen Methode gewonnene Messwerte
enthält, ist man versucht, den Fehler mit einem statistischen Ansatz zu ermit-
teln, und die Standardabweichung anzugeben. Dieser Ansatz ist zwar korrekt,
hat aber diverse fundamentale Nachteile, die anderswo selten erwähnt werden
und deswegen hier besonders hervorgehoben sind:
behandelt werden, und mit Hilfe der meisten Taschenrechner oder einer Tabel-
lenkalkulation wie Excel oder Numbers schnell zu erledigen ist. Im Anhang ab
Seite 165 findet sich eine ausreichend detaillierte Einführung in den statistischen
Ansatz.
Abschliessend wird daran erinnert, dass der statistische Ansatz nicht in der Lage
ist, systematische Fehler zu erfassen. Es kann also nur die Streuung der Werte,
also die precision, ermittelt werden.
Fehlerfortpflanzung
Nachdem im letzten Abschnitt der statistische Ansatz als wenig attraktiv dar-
gestellt wurde (auch wenn man manchmal keine andere Möglichkeit hat), geht
es im Folgenden um einen analytischen Ansatz, der in grossen Teilen mit der
Fehlerfortpflanzung nach Gauss identisch ist.
Diese Methode hat einige Vorteile, die der statistische Ansatz nicht bieten kann.
Insbesondere:
• Der (zu erwartende) Fehler kann und sollte bereits vor Messbeginn be-
stimmt werden!
• Ist der erwartete Fehler unbefriedigend gross, sucht man in den Beiträgen
der Einzelfehler nach Optimierungsmöglichkeiten.
• Für beliebig viele Messreihen oder Messungen, die nach der gleichen Metho-
de und mit den gleichen Instrumenten durchgeführt werden, gilt die gleiche
Fehlerrechnung.
ds
s(t) = s0 + · ∆t (1)
dt
Die Geschwindigkeit ist hier quasi der “Fehler” bei der Ortsbestimmung. Man
erkennt auch, dass hier stillschweigend die Annahme gemacht wurde, dass die
25
Geschwindigkeit konstant ist, denn ansonsten müsste man die zweite Ableitung
(Beschleunigung) und ggf. weitere Ableitungen höherer Ordnung in Betracht zie-
hen. Für die Gültigkeit und Anwendbarkeit dieses Konzepts bei der Fehlerbe-
stimmung gilt analog, dass innerhalb des Fehlerintervalls um den Messwert die
Funktion hinreichend linear ist. (An dieser Stelle sei wiederum auf das lange
Fehlerkapitel im Anhang verwiesen).
Dieses Konzept erkennen wir beim im Folgenden beschriebenen Ansatz wieder.
Tipp:
Ob man dem folgenden Ansatz folgen möchte oder lieber dem exak-
teren Weg im Anhang, spielt keine grosse Rolle. Wichtig ist lediglich,
zu verstehen, dass der Einfluss eines Einzelfehlers auf den berechneten
Endwert der partiellen Ableitung der für die Berechnung verwendeten
Funktion f (x) nach der fehlerbehafteten Grösse(n) entspricht.
Ansatz
Physikalische Grössen sind im allgemeinen durch Gesetze miteinander verknüpft.
Besteht ein funktioneller Zusammenhang zwischen zwei Grössen x und z mit
z = f (x) (2)
dann erhebt sich die Frage, wie gross der Fehler von z ist, wenn x mit dem
Fehler ∆x behaftet ist. Das heisst, es ist folgende Aufgabe zu lösen (x̄ sei hier
der fehlerbehaftete Messwert für x und z̄ der nun ebenfalls fehlerbehaftete weil
aus x̄ berechnete Wert für z):
z̄ = f (x̄) (3)
Zur Berechnung von ∆z gibt es ein einfaches Verfahren: Wir werten z an der
Stelle x = x̄ und x = x̄ + ∆x aus und bilden die Differenz der Funktionswerte.
Der Betrag der Differenz ist dann eine gute Schätzung des Fehlers von z:
An dieser Stelle sind die einzelnen Fehlerbeiträge jeder Messgrösse x, y etc. bei-
sammen, und es ist Zeit, sich zu überlegen, wie sich diese Einzelfehler summieren.
Für den Fall, dass die Einzelfehler sich gegenseitig beeinflussen, oder mathema-
tisch ausgedrückt die partielle und die totale Ableitung nach beispielsweise x
nicht gleich sind, müssen die Beträge der Einzelfehler einfach addiert werden,
und es ergibt sich der Maximalfehler (siehe oben zur Definition).
∆zmax = |f (x̄ + ∆x, ȳ, ...) − z̄| + |f (x̄, ȳ + ∆y, ...) − z̄| + ... (6)
Lässt man wiederum gedanklich die Intervalle ∆x etc. gegen null laufen,
entspricht dieser Ansatz der partiellen (!) Ableitung von f (x) nach x, y
etc.
Kann man davon ausgehen oder zeigen, dass die Einzelfehler sich nicht gegenseitig
beeinflussen, d.h. wenn mein Fehler für x grösser wird, wird nicht auch automa-
tisch der Fehler für y grösser, dann kann man auch davon ausgehen, dass sich
diese Fehler statistisch kompensieren können. Mathematisch ausgedrückt sind
die Einzelfehler “linear unabhängig”, was wiederum bedeutet, dass sie in einem x-
y-... Raum senkrecht aufeinander stehen. In zwei Dimensionen denkt man hier zu
Recht an Pythagoras: man betrachte die beiden Katheten als Einzelfehler, und die
Hypothenuse als Gesamtfehler. Offensichtlich ist der Gesamtfehler kleiner oder
maximal gleich gross wie der Maximalfehler (=Summe der beiden Katheten). Die
Länge der Hypothenuse ergibt sich aus der Wurzel der Quadrate der Katheten.
Ganz analog wird der mittlere Fehler bestimmt: man quadriere die Einzelfehler,
bilde die Summe und berechne dann die Wurzel aus der Summe:
∆z 2 = [f (x̄ + ∆x, ȳ, ...) − z̄]2 + [f (x̄, ȳ + ∆y, ...) − z̄]2 + ... (7)
In den eckigen Klammern stehen die Beiträge, mit denen jede einzelne Variable
zum Fehler beiträgt.
27
Tabelle
Tipp:
Im Folgenden finden sich sehr einfache konkrete Anwendungen des
oben geschilderten Ansatzes. Insbesondere Formeln 8 und 9 sind sehr
einfach zu merken und reichen aus, um 85.7% ± 14.3% dieses Prak-
tikums abzudecken. Merken Sie sich unbedingt diese einfach “Koch-
buchregeln”.
• z = xn
∆x
∆z = z̄ |n| (10)
x̄
• z = ln x
∆x
∆z = (11)
x̄
• z = ex
∆z = z̄∆x (12)
Fallstricke
Die beiden Kochbuchregeln aus dem letzten Abschnitt gelten für Summen bzw.
für Produkte. Was aber ist zu tun, wenn eine Gleichung zur Berechnung des
Messwerts sowohl Summen als auch Produkte enthält?
In diesen Fällen muss von Innen nach Aussen gerechnet werden. Innen meint hier
die kleinste Ebene in der Gleichung, in der zum Beispiel nur Summen/Differenzen
oder nur Produkte/Divisionen stehen. Aussen meint hier die vollständige Formel.
28
Bei der schrittweisen Berechnung muss dann jedesmal zwischen absoluten und
relativen Fehlern umgerechnet werden, wenn in der Formel Punktrechnung zu
Strichrechnung oder umgekehrt wechselt. Steht beispielsweise eine Summe im
Nenner einer Funktion, so ist zunächst der absolute Fehler der Summanden zu
addieren und dann in den relativen Fehler des Nenners umzurechnen. Danach
werden die relativen Fehler aus Zähler und Nenner addiert. Erst jetzt kann, wenn
verlangt oder gewünscht, der absolute Fehler des Messwerts aus dem gerade be-
rechneten relativen Fehler bestimmt werden.
Umgekehrt müssen bei einer Summe zunächst alle Einzelfehler der Summanden
in absolute Fehler umgerechnet werden, die dann addiert werden. Erst jetzt darf,
wenn verlangt oder gewünscht, der absolute Fehler der Summe in einen relativen
Fehler umgerechnet werden. Die manchmal lockende Abkürzung, doch gleich die
relativen Fehler der Summanden zu addieren, geht schief.
Im Anhang wird diese sukzessive und mühsame Bastelei an einem Beispiel vor-
geführt (siehe Seite 183).
Zusammenfassung
Zur Unterscheidung: Der Maximalfehler wird dann angegeben, wenn entweder
die Fehlerbeiträge nicht voneinander unabhängig sind oder wenn es “um Leben
und Tod” geht. Der Maximalfehler wird wie folgt ermittelt:
Dabei ist das Subskript i ein Platzhalter von allen beteiligten Messgrössen, und
nicht etwa ein Index der durchgeführten Messungen. (Zur Erinnerung: hier geht
es nicht um die statistische Auswertung von Messergebnissen, sondern um die
Ermittlung des Einflusses von Einzelfehlern auf den Gesamtfehlern.)
∆z X ∆zi
= für den relativen Fehler (14)
z i zi
Der Standardfehler oder auch mittlere Fehler wird angegeben, wenn sich die Feh-
lerquellen nicht beeinflussen und somit auch durch Zufall gegenseitig kompensie-
ren können. Das so erhaltene Fehler-Intervall enthält “fast alle” Einzelmessungen
bzw. ist “fast sicher” gross genug, um das wahre Ergebnis zu erhalten. Er wird be-
rechnet als Wurzel aus der Summe der Fehlerquadrate und ist kleiner oder gleich
dem Maximalfehler (man denke an den Satz des Pythagoras: die Hypotenuse ist
i.A. kleiner als die Summe der beiden Katheten).
sX
∆z = ∆zi2 für den absoluten Fehler (15)
i
29
v
2
∆z uX ∆zi
u
=t für den relativen Fehler (16)
z i zi
Meist gibt man in der Praxis den Standardfehler an. Die Kochbuchregeln:
• Bei Produkten und Divisionen addieren sich die relativen Fehler nach For-
mel (14) oder (16). Ist der absolute Fehler gefragt, muss zunächst der re-
lative Fehler ermittelt werden. Der absolute Fehler ergibt sich dann durch
Multiplikation mit dem Messwert. Der absolute Fehler kann dann nicht
nach Formel (13) oder (15) berechnet werden!
• Bei Summen und Differenzen addieren sich die absoluten Fehler nach Formel
(13) oder (15). Ist der relative Fehler gefragt, muss zunächst der absolute
Fehler ermittelt werden. Der relative Fehler ergibt sich dann durch Division
des absoluten Fehlers mit dem Messwert. Der relative Fehler kann dann
nicht nach Formel (14) oder (16) berechnet werden!
Die folgenden beiden Tabellen fassen die Kochbuchregeln jeweils für Standardfeh-
ler und Maximalfehler zusammen. Mit diesen beiden Tabellen kommt man durch
die Übungen, das Praktikum und das Leben.
Summe oder Differenz aus dem absoluten Fehler nach Formel (15)
Formel (15) und Division durch Messwert Quadratsumme der abs. Einzelfehler
nicht aus Formel (16)
Produkt oder Division Formel (16) aus dem relativen Fehler nach
Quadratsumme der rel. Einzelfehler Formel (16) mit Messwert multiplizieren
nicht aus Formel (15)
30
Summe oder Differenz aus dem absoluten Fehler nach Formel (13)
Formel (13) und Division durch Messwert Summe der abs. Einzelfehler
nicht aus Formel (14)
Produkt oder Division Formel (14) aus dem relativen Fehler nach
Summe der rel. Einzelfehler Formel (14) mit Messwert multiplizieren
nicht aus Formel (13)
31
Synthese
Bis hierher haben wir den statistischen Ansatz und die Fehlerfortpflanzung quasi
als sich ausschliessende Alternativen angesehen, und aus den weiter oben auf-
geführten Gründen den analytischen Ansatz der Fehlerrechnung höher bewertet.
Oft schliessen sich die beiden Ansätze aber gar nicht aus – im Gegenteil.
Es ist eine gute Idee, beide Ansätze zu verfolgen (sofern dem Versuch angemes-
sen). Da das Praktikum bevorzugt in Zweier-Teams absolviert werden soll, könnte
je ein Partner diesen und der andere jenen Ansatz verfolgen (und hinterher jeweils
vom Partner übernehmen). Anschliessend sollten beide Ergebnisse verglichen wer-
den. Stellt man dann fest, dass die Standardabweichung und der Standardfehler
(mittlerer Fehler) sehr unterschiedlich sind, so ist dies ein wichtiger Hinweis auf
ein Problem:
• Ist die Standardabweichung deutlich kleiner als der mittlere Fehler, so hat
man entweder Glück gehabt und wiegt sich zu unrecht auf der sicheren Seite,
oder die geschätzten bzw. angegebenen Einzelfehler sind sehr vorsichtig–
pessimistisch gewählt.
Versuchen Sie, aus den beiden Fehlern, die Sie bestimmt haben, konservativ einen
vernünftigen Wert zu wählen.
Signifikante Stellen
Taschenrechner verderben den Charakter.
Ganz automatisch wandert die Hand zum Taschenrechner, tippt schnell ein paar
Werte ein, drückt auf “=”, und das Display zeigt so etwas wie
4.083677902
an. Und da Taschenrechner sich nicht verrechnen, muss das ja stimmen, und
dieses Ergebnis wandert dann auch ins Messprotokoll. Tabellenkalkulationen wie
Excel oder Numbers sind da auch nicht besser, es sei denn, man bedient sie mit
Verstand und limitiert die Anzahl der signifikanten Stellen auf ein vertretbares
Mass.
Ein vertretbares Mass ist durch die Anzahl der signifikanten Stellen gegeben.
Wikipedia definiert Signifikante Stellen wie folgt:
32
Das bedeutet, man sollte nicht mehr signifikante Stellen verwenden und angeben,
als die ermittelte Messgenauigkeit (also zum Beispiel der ermittelte Standard-
fehler) erlaubt. Bei einem Standardfehler von 10% wären das also 2 signifikante
Stellen, bei 1% Fehler können wir 3 signifikante Stellen angeben.
Auch ohne bereits eine Fehleranalyse vorgenommen zu haben, kann man die
Anzahl der signifikanten Stellen gut abschätzen: sie sollte nicht grösser sein als
die der am wenigsten genau angegebenen beteiligten Grösse sein.
33
Literatur
Einführende Bücher Bibliothek
Frauenfelder/Huber Physik I, Basel, 1967. ODD 137
Gränicher, W.H. Messung beendet - was nun?, KSD 201
Stuttgart, 1994.
Leaver/Thomas Versuchsauswertung, PDA 136
Braunschweig, 1977. KVZ 150
Linder/Berchtold Elementare statistische Methoden, KAE 167
Basel, 1979.
Squires, G.L. Messergebnisse und ihre Auswertung, PDA 134
Berlin, 1971.
Walcher, W. Praktikum der Physik, PDA 133
Stuttgart, 1966.
Weiterführende Werke
Kreyszig, E. Statistische Methoden und ihre KAE 201
Anwendungen, Göttingen, 1968.
Bevington, P.R. Data Reduction and Error Analysis for KSD 139
the Physical Science, New York, 1969. KSD 140
Inhalt
1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1.2.1 Repetitionsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.2.2 Berechnung von Trägheitsmomenten . . . . . . . . . . 36
1.2.3 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
1.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1.4 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1.4.1 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1.4.2 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1.4.3 Aufgabe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.1 Einleitung
Der Versuch des Trägheitsmoments soll als Einstieg ins Physikpraktikum dienen.
Es wird das wichtige Konzept der Rotationsbewegung repetiert und vertieft. Die
elementaren Messprozesse des Experiments lassen dem Ausführenden genügend
Freiraum, um sich auf den Ablauf des Versuches und auf das Verfassen des La-
borberichtes zu konzentrieren. Ausserdem kann mit den gemessenen Daten eine
umfassende Fehlerrechnung durchgeführt werden.
35
36 1 Trägheitsmoment
Punktmechanik: - Winkelgeschwindigkeit ω
- Drehimpuls L
- Drehmoment M
1.2.1 Repetitionsfragen
1. Wie lautet der Drehimpulssatz (in Formel und Worten)? Welcher Gleichung
entspricht er formal bei der Translationsbewegung?
3. Ein Hohl- und ein Vollzylinder, beide mit Masse m und Radius R rollen
eine schiefe Ebene hinunter. Welcher ist zuerst unten? Berechnen Sie die
Geschwindigkeit als Funktion der Höhe. Der Neigungswinkel α sei gegeben.
4. Berechnen Sie das Trägheitsmoment eines dünnen Stabes bezüglich einer
Achse senkrecht zum Stab durch den Schwerpunkt. Vergleichen Sie das
Resultat mit den exakten Formeln (Formelsammlung) für einen runden und
einen quadratischen Querschnitt.
S
a y
h x
y
z
r
dm
x
b
dz
h
r
dr
z
y
dϕ
ϕ
Wir integrieren zuerst über r und φ, wobei wir die folgende Beziehung verwenden:
Z 2π
dφ · sin2 φ = π (1.9)
0
Die Integration in (1.10) kann damit so interpretiert werden, dass man sich einen
Zylinder aus unendlich vielen solcher dünnen Scheiben zusammengesetzt denkt
und deren Trägheitsmomente addiert. Als Resultat ergibt sich
h2 1 m
J = %πR2 + πR4 h = (h2 + 3R2 ). (1.12)
3−4 4 12
1.2.3 Übungsaufgaben
1. Trägheitsmoment J und Federkonstante k eines physikalischen Pendels (z.B.
Drehtisch) können bis auf 1% genau bestimmt werden. Mit welcher Genau-
igkeit kann die Schwingungsdauer des Pendels angegeben werden?
2. Das H2 O-Molekül schliesst einen Winkel von 105o ein. Der Abstand H-O
beträgt 0.096 · 10−9 m. Berechnen Sie die Hauptträgheitsmomente (Atome
= Massenpunkte).
4. Leiten Sie eine Formel zur Berechnung des Trägheitsmomentes einer Kugel
her. Benützen Sie dazu Kugelkoordinaten (r, φ, theta), wobei 0 ≤ r ≤ R,
0 ≤ φ ≤ 2π und 0 ≤ θ ≤ π und dV = r2 sinθ dr dφ dθ.
m2
1.3 Versuchsaufbau
Zur experimentellen Bestimmung von Trägheitsmomenten wird ein Drehtisch ver-
wendet, der als Drehpendel eingesetzt wird. Das rücktreibende Moment des Dreh-
0o
ϕ 4 5 6
2 3
0 1
Spiralfeder
M = −kφ. (1.13)
1.4 Praktische Aufgaben 41
Der Drehimpulssatz liefert für die Bewegung des Drehtisches folgende, bekannte
Differntialgleichung:
J φ̈ + kφ = 0. (1.14)
Sie kann durch den Ansatz φ(t) = A · cos(ωt + φ0 ) gelöst werden, wobei A und
φ0 Konstanten
q sind, die durch die Anfangsbedingungen festgelegt werden, und
ω = k/J beträgt. Ersetzt man ω durch T = 2π/ω erhält man
T 2k
. J= (1.15)
4π 2
Durch Messung der Federkonstanten k und der Periode T der Schwingung des
Systems kann das Trägheitsmoment bestimmt werden.
1.4.1 Aufgabe 1
Messen Sie die Periode der Schwingung (10 Messungen, Mittelwert) für
1. Tisch mit grossem Zylinder (m = 600 g) in Position 0
600g
JT isch + JZylinder
T02 = 4π 2
k
2. Tisch mit den zwei kleinen Zylindern (m = 300 g) in Position 6
300g
JT isch + 2JZylinder + 2md2
T62 = 4π 2
k
Bestimmen Sie aus diesen zwei Messungen unter Verwendung von JZylinder
600g
=
2JZylinder die Federkonstante k. Fehler? (Hinweis: Die Messung wird genauer,
300g
1.4.2 Aufgabe 2
Bestimmen Sie durch Messen der jeweiligen Schwingungsdauer das Trägheitsmo-
ment des Quaders und der Scheibe. Vergleichen Sie mit den Werten, die man aus
folgenden Formeln erhält:
m
JQuader = (a2 + b2 )
12
1
JScheibe = mR2
2
(Hinweis: Vergessen Sie JT isch nicht.)
42 1 Trägheitsmoment
1.4.3 Aufgabe 3
Verifizieren Sie den Satz von Steiner (kleiner Zylinder in Position 0 bis 6, T als
Mittelwert aus 5 Messungen). Fertigen Sie eine graphische Darstellung an und
berechnen Sie die Ausgleichsgerade nach der Methode der kleinsten Quadrate.
1.5 Literatur
Busch Anleitung zum physikalischen Praktikum an
der ETH (Versuch 2)
Gerthsen/Kneser/Vogel Physik, Kap. 2.2ff.
Halliday/Resnick Physics, chap. 11/12
Frauenfelder/Huber Physik, Band 1 (Anhang)
2 Erzwungene Schwingungen
Inhalt
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.2.1 Die freie, ungedämpfte Schwingung . . . . . . . . . . . 43
2.2.2 Die freie, gedämpfte Schwingung . . . . . . . . . . . . 44
2.2.3 Die erzwungene, gedämpfte Schwingung . . . . . . . . 48
2.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4.1 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4.2 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.4.3 Aufgabe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.1 Einleitung
Differentialgleichungen kommen in der Physik häufig vor. Dieser Versuch ver-
sucht, einen Überblick über das Gebiet zu verschaffen. In einem ersten Teil, wer-
den die verschiedenen Formen von Schwingungen und deren mathematische Be-
schreibung aufgezeigt. Im praktischen Teil sollen diese Gesetze praktisch erfahren
werden.
43
44 2 Erzwungene Schwingungen
Bei der freien, ungedämpften Schwingung wirkt nur ein einziges (z.B. von einer
Feder herrührendes) rücktreibendes Moment MF , dessen Betrag proportional zur
Auslenkung ist:
MF = −kϕ (2.2)
Setzen wir ω02 = k/J so lautet die Differentialgleichung für die freie, ungedämpfte
Schwingung
ϕ̈ + ω02 ϕ = 0. (2.3)
Ihre allgemeine Lösung hat die Form
Beispiel: Zur Zeit t = 0 sei ϕ(0) = ϕ0 und ϕ̇(0) = 0. In (2.4) eingesetzt ergibt
sich ϕ0 = A1 und A2 = 0, und somit für die spezielle Lösung der Schwingungs-
gleichung
ϕ(t) = ϕ0 cos(ω0 t). (2.5)
MR = −Rϕ̇. (2.6)
J ϕ̈ + Rϕ̇ + kϕ = 0, (2.7)
und daraus
R k
κ2 + κ + = 0. (2.9)
J J
2.2 Theoretische Grundlagen 45
Je nachdem wie sich der Term unter der Wurzel verhält (grösser, kleiner oder
gleich Null), erhalten wir verschiedene Arten von gedämpften Schwingungen. Im
Folgenden wollen wir diese drei Fälle (α2 < ω02 , α2 > ω02 und α2 = ω02 ) betrachten.
Die Aussage α2 − ω02 < 0 bedeutet, dass die Grössen κ1 und κ2 komplex werden.
Setzen wir in diesem Fall q
ω = ω02 − α2 (2.12)
so ist κ1,2 = −α ± iω und es folgt für die beiden Lösungen von (2.7)
ϕ1 = Ceκ1 t = Ce−αt+iωt
(2.13)
ϕ2 = Ceκ2 t = Ce−αt−iωt .
Die allgemeine Lösung von (2.7) ergibt sich wiederum als Linearkombination von
ϕ1 und ϕ2 :
ϕ(t) = A1 eiωt + A2 e−iωt e−αt (2.14)
Mit der Umformung
ϕ1 + ϕ2 eiωt + e−iωt
ϕ∗1 = = Ceαt = Ce−αt cos(ωt) (2.15)
2 2
ϕ1 − ϕ2 e iωt
− e−iωt
ϕ∗2 = = Ceαt = Ce−αt sin(ωt), (2.16)
2i 2i
lässt sich die allgemeine Lösung von 2.7
Beispiel: Zur Zeit t = 0 sei ϕ(0) = ϕ0 und ϕ̇(0) = 0. In (2.18) eingesetzt erhalten
wir
ϕ(0) = ϕ0 = A cos(−β)
˙ (2.19)
ϕ(0) = 0 = −αA cos(−β) − Aω sin(−β),
und daraus
α
tan β = (2.20)
ω s
ϕ0 α2
A = = ϕ0 1 + (2.21)
cos β ω2
Diskussion: α2 < ω02 bedeutet schwache Dämpfung. Der Körper führt harmo-
nische Schwingungen mit exponentiell abfallender Amplitude aus (s. Abbildung
2.1).
φ0
Ae-αt
φ(t)
Nun soll die Reibung grösser als das rücktreibende Moment sein, also soll α2 −
ω02 > 0 gelten. Somit sind die beiden Grössen κ1 und κ2 reell. Setzen wir
q
ω= α2 − ω02 (2.22)
2.2 Theoretische Grundlagen 47
ϕ1 = Ceκ1 t = Ce−αt+ωt
(2.23)
ϕ2 = Ceκ2 t = Ce−αt−ωt .
Die allgemeine Lösung von (2.7) stellt eine Linearkombination von ϕ1 und ϕ2
dar:
ϕ(t) = A1 eωt + A2 e−ωt e−αt (2.24)
Die Integrationskonstanten A1 und A2 werden wiederum durch die Anfangsbe-
dingungen festgelegt.
Aufgabe: Zur Zeit t = 0 sei ϕ(0) = ϕ0 und ϕ̇(0) = 0. Bestimmen Sie A1 und A2 .
Diskussion: Der Ausdruck α2 > ω02 bedeutet starke Dämpfung. Gelten die in der
Aufgabe genannten Anfangsbedingungen, so kehrt der Körper nach einer Auslen-
kung stark gedämpft in die Ruhelage zurück. Es kommt zu keiner Schwingung (s.
Abbildung 2.2).
Die Lösung für diesen Fall ergibt sich aus (2.18) für
q
ω= ω02 − α → 0, (2.25)
was bedeutet
ϕ(t) = lim (B10 cos(ωt) + B20 sin(ωt)) e−αt . (2.26)
ω→0
(ωt)2 (ωt)3
( " ! !# )
α −αt
ϕ(t) = lim ϕ0 1 − + ... + ωt − + ... e
ω→0 2! ω 3!
= ϕ0 [1 + αt] e−αt (2.28)
und daraus
ϕ(t) = (A1 + A2 t)e−αt (2.29)
Diskussion: Der aperiodische Grenzfall tritt ein, falls α2 = ω02 . Der Körper
kehrt gedämpft in die Ruhelage zurück. Es erfolgt ebenfalls keine Schwingung (s.
Abbildung 2.2).
48 2 Erzwungene Schwingungen
φ0
φ(t)
α2 > ω02
α2 = ω02
0
t
Abbildung 2.2: Verlauf der aperiodischen Bewegung (α2 > ω02 ) und des aperiodi-
schen Grenzfalls (α2 = ω02 )
2.2.2.5 Zusammenfassung
Aufgabe: Bestimmen Sie für jede der vier Kurven die explizite Funktionsglei-
chung ϕ(t).
0.5
α = 2π
φ(t)
α=1
-0.5
α=0
-1
0 1 2 3 4 5
t [s]
Satz: Die allgemeine Lösung von (2.31) erhält man, indem man zur allgemeinen
Lösung von (2.7) eine spezielle (partikuläre) Lösung von (2.31) addiert.
Man vermutet, dass nach einer gewissen Zeit die erzwungene Schwingung in ihrer
Frequenz mit der Störung übereinstimmt, jedoch gegenüber dieser eine Phasen-
verschienung aufweist. Daher wählen wir folgenden Ansatz:
A i(Ωt+δ)
(e
ϕ(t) = A sin(Ωt + δ) = + e−i(Ωt+δ) ) (2.32)
2i
Durch zweimaliges Ableiten und Einsetzen in (2.31) erhält man
JAΩ2 RAΩ kA
" ! #
M0
eiΩt eiδ − + + − = (2.33)
2i 2 2i 2i
JAΩ2 RAΩ kA
" ! #
M0
e−iΩt
e −iδ
− − + − , (2.34)
2i 2 2i 2i
was eine Gleichung mit zwei Unbekannten darstellt. Da die Gleichheit jedoch zu
jedem beliebigen Zeitpunkt erfüllt sein muss, folgt
M0 = eiδ A −JΩ2 + iRΩ + k und (2.35)
50 2 Erzwungene Schwingungen
M0 = e−iδ A −JΩ2 − iRΩ + k (2.36)
und
M0 1
A= q . (2.38)
J (Ω2 − ω 2 )2 + 4α2 Ω2
0
−JΩ2 + iRΩ + k 2 2
2iδ ω0 − Ω + 2αΩi
1 = e2iδ = e (2.39)
−JΩ2 − iRΩ + k ω02 − Ω2 − 2αΩi
und
2αΩ
tan δ = − . (2.40)
ω02− Ω2
Die allgemeine Lösung ergibt sich nach dem oben erwähnten Satz als Summe von
(2.32) und (2.24) bzw. (2.18) bzw. (2.29) zu
Sie stellt somit eine Superposition dar aus einer abklingenden, gedämpften Bewe-
gung (gemäss vorigem Kapitel) und einer harmonischen, ungedämpften Schwin-
gung der Frequenz Ω und der von Ω abhängigen Amplitude A.
2.2.3.4 Resonanz
α=0
α = ω0/10
α = ω0/8
A(Ω)
α = ω0/6
α = ω0/4
α = 3*ω0/8
α = ω0/2
α = ω0/1.41
α = ω0
M0/D
α = 2*ω0
α = 8*ω0
0
0 2 4 6 8 10 12 14
Ω
2.2.3.5 Resonanzbreite
2.3 Versuchsaufbau
Die Apparatur besteht aus eine Drehscheibe mit rücktreibender Spiralfeder. Mit
Hilfe einer elektrisch gespeisten Wirbelstrombremse lässt sich eine zusätzliche
Dämpfung erzeugen. Eine rotierende Scheibe mit kontinuierlich verstellbarer Dreh-
frequenz liefert ein periodisches, externes Moment. Die Drehfrequenz kann mit
einer Stoppuhr gemessen werden.
1. ohne Dämpfung
- Notieren Sie sich schriftlich wie der zeitliche Verlauf von ϕ(nT ) logarithmisch
aufgetragen erwartungsgemäss aussieht.
- Stellen Sie den gemessenen zeitlichen Verlauf von ϕ(nT ) graphisch auf logarith-
mischem Papier dar (mit Diskussion).
ϕ(nT )
- Tragen Sie ebenfalls die Verhältnisse graphisch auf. Kommentar?
ϕ((n + 1)T )
2.4.2 Aufgabe 2
Nehmen Sie die Resonanzkurve für die unter Aufgabe 1 erwähnten Fälle auf.
Wählen Sie vernünftige Messintervalle! Wo empfiehlt es sich, viele Messpunkte
zu erfassen, und in welchem Beriech genügen wenige Datenpunkte?
2.4.3 Aufgabe 3
Bestimmen Sie die Dämpfungskonstante α
1. aus ϕ(t) ≈ e−αt (logarithmische Darstellung; Ablesen der Steigung der Ge-
raden) und
Inhalt
3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.2 Theoretische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.2.1 Auftrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.2.2 Druckmessung mit dem U-Rohr-Manometer . . . . . . 56
3.2.3 Restgas im Kolben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.2.4 Vergleich mit Literaturwerten . . . . . . . . . . . . . . 56
3.3 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.3.1 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.3.2 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.1 Einleitung
In diesem Experiment soll eine Methode zur Bestimmung der Dichte von Gasen
erarbeitet werden. Da die Messungen im Allgemeinen wenig Zeit in Anspruch
nehmen, gönnen Sie sich die Musse, die Messungen unter Berücksichtigung der
nachfolgenden Hinweise genau zu überlegen.
FA = %gV (3.1)
55
56 3 Dichte von Gasen
wobei % für die Dichte und V für das Volumen der verdrängten Flüssigkeit bzw.
des Gases und g für die Gravitationsbeschleunigung stehen.
Erstellen Sie die Buchhaltung der Kräfte, die in den drei möglichen Fällen (eva-
kuierter Kolben, luftgefüllter Kolben, Kolben mit dem zu messenden Gas gefüllt)
auf den Glaskolben wirken (und mit der Waage gemessen werden) und leiten Sie
daraus eine Gleichung für die Dichte des zu messenden Gases ab.
pV = N RT (3.2)
wobei p der Druck in Pascal, V das Volumen in m3 , N die Anzahl Mol, R die
universelle Gaskonstante 8.314 J/(K mol) und T die Temperatur in Kelvin ist.
Durch Umstellen und Einsetzen erhält man ein Molvolumen von 22.4 l bei STP.
Einsetzen der Druck- und Temperaturwerte im Labor liefert die Anzahl Mol im
Glaskolben. Da das Gewicht eines idealen Gases proportional zur Anzahl Mol ist,
können damit die Literaturwerte umgerechnet werden.
Die aktuellen Luftdruckwerte im Labor werden Ihnen vom Assistenten mitgeteilt
(Barometer am Eingang zum grossen Hörsaal).
58 3 Dichte von Gasen
• Vakuumpumpe
• U-Rohr-Manometer
3.3.2 Aufgabe 2
Bestimmen Sie die Dichte von Stickstoff, Argon und Kohlendioxid und vergleichen
Sie sie mit den Literaturwerten.
dickwandige
Vakuumschläuche
Pumpe
Manometer
Glaskolben
Inhalt
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2.2 Thermodynamischer Zustand, Zustandsänderung . . . 60
4.2.3 Erster Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . . 60
4.2.4 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.2.5 Kinetische Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.4 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.4.1 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.4.2 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.1 Einleitung
Anhand eines einfachen Experiments sollen einige, thermodynamische Grund-
lagen repetiert und vertieft werden. Ziel ist es, die Grösse κ = cp /cV einiger
alltäglicher Gase zu bestimmen.
4.2.1 Definitionen
In ein Gas mit Masse m werde eine Wärmemenge δQ hineingesteckt (δQ ist posi-
tiv, wenn die Wärme dem Gas von aussen zugeführt wird); die dadurch bewirkte
59
60 4 Bestimmung von cp /cV
Temperaturänderung sei dT .
δQ ∝ mdT
δQ = CmdT
. 1 δQ
C = C = Spezifische Wärme
m dT
. δQ
c = c = Wärmekapazität
dT
Weitere Zustandsgrössen sind die innere Energie U und die Entropie S. Spezielle
Zustandsänderungen:
dV = 0: isochor
dT = 0: isotherm
dp = 0: isobar
δQ = 0: adiabatisch
F A
p, V
s
ds
Abbildung 4.1: Das sich ausdehnende Gas drückt einen beweglichen Kolben mit
Querschnittsfläche A gegen eine Kraft F~ nach aussen, leistet also Arbeit.
4.2.4 Anwendung
1. cp − cV
cp : Spezifische Wärme für p = const.
cV : Spezifische Wärme für V = const.
Führt man einem Gas Wärme zu, so erhöht sich seine Temperatur. Bei
konstantem Druck (dp = 0) muss nach der Zustandsgleichung (pV = nRT )
auch das Volumen zunehmen; das Gas leistet also gegen den Aussendruck
Arbeit. Das bedeutet, dass nur ein Bruchteil der Energie, die dem Gas
in Form von Wärme zugeführt wird, zur Erhöhung der inneren Energie
(oder gleichwertig: zur Erhöhung der Temperatur) verwendet wird. Den
Rest der Energie gibt das Gas als Arbeit wieder ab. Hält man andererseits
das Volumen konstant (dV = 0), wird die gesamte zugeführte Energie zur
Erhöhung der Temperatur verwendet. Will man die Temperatur eines Gases
um einen bestimmten Betrag erhöhen, einmal bei konstantem Druck und
einmal bei konstantem Volumen, muss man dem Gas im ersten Fall mehr
Wärme zuführen als im zweiten:
δQp δQV
cp = > = cV
dT dT
Für einen adiabatischen Prozess gilt δQ = 0. Somit reduziert sich der erste
Hauptsatz zu
dU + pdV = 0. (4.4)
Für ein Mol eines idealen Gases gilt für jeden Prozess
pV = RT
cp − cV = R
dU = cV dT (4.5)
(Zum Beweis der letzten Gleichung leite man den ersten Hauptsatz nach
der Zeit ab und halte das Volumen konstant (dV = 0). Man erhält also
dU
dT
= δQ
dT
V
, wobei aber die rechte Seite gerade gleich cV ist. Nun multipliziere
man die Gleichung noch mit dT .)
Jedes Molekül des Gases weist bestimmte Freiheitsgrade in seiner Bewegung auf:
• Ein Molekül, bestehend aus zwei oder mehr Atomen, weist Rotations-Frei-
heitsgrade auf; es kann sich um seine Hauptträgheitsachsen drehen.
• Ausserdem können sich bei mehratomigen Molekülen die Atome relativ zu-
einander schwingen. Man spricht dann von Schwingungs- oder Vibrations-
Freiheitsgraden.
Wir wollen nun im Folgenden ein einatomiges Gas mit nur drei Translations-Frei-
heitsgraden betrachten. Dazu treffen wir folgende Annahmen:
• Die Stösse der Moleküle mit den Gefässwänden erfolgen vollkommen ela-
stisch.
Der makroskopische Druck auf eine Gefässwand kommt zustande durch die Im-
pulsüberträge der Moleküle auf eben diese Wand, gemittelt über die Zeit. Beim
elastischen Stoss des Teilchens mit der Gefässwand geht der Impuls P~k = (Pkx , Pky , Pkz )
über in P~ 0 k = (−Pkx , Pky , Pkz ). Der Impulsübertrag auf die Wand beträgt also
2Pkx . Ein Molekül trifft in der Zeit T = 2l/vkx einmal auf die Gefässwand. Der
Beitrag des Moleküls k zum Druck auf die Wand errechnet sich aus
Fk 1 2Pkx m 2
pk = = = vkx , (4.8)
A A 2l/vkx V
64 4 Bestimmung von cp /cV
vk
x
l
wobei F k der zeitliche Mittelwert der Kraft ist, die das Molekül k auf die Ge-
fässwand ausübt. Für den Gesamtdruck p gilt nun
mX 2
(4.9)
X
p= pk = v .
k V k kx
und mit E kin für die mittlere kinetische Energie eines Moleküls folgt weiter
m X 2 2 X m~vk2 2 X 2 2N
p= ~vk = = Ek,kin = Ekin = E kin . (4.11)
3V k 3V k 2 3V k 3V 3V
Betrachtet man allgemeiner ein Gas mit f Freiheitsgraden der Bewegung, so gilt
der Gleichverteilungssatz: Die totale (innere) Energie verteilt sich gleichmässig
auf alle Freiheitsgrade der Bewegung.
4.3 Versuchsaufbau 65
Es gilt dann:
kT
E=f (4.14)
2
mit E als mittlerer Bewegungsenergie eines Moleküls. Für die innere Energie
erhalten wir
k
U = NE = Nf T ∼ =T
2
.
cp /cV = κ
und somit
f +2
κ= . (4.15)
f
4.3 Versuchsaufbau
Ziel des Versuches ist es, κ von verschiedenen Gasen zu bestimmen. Dazu steht
folgender Versuchsaufbau zur Verfügung:
x
x=0
pa
pi , V
Der Glasbehälter kann mit verschiedenen Gasen gefüllt werden. Durch Messen
der Schwingungsdauer T einer Kugel im dünnen Teil des Behälters und Lösen
66 4 Bestimmung von cp /cV
Für die folgenden Berechnungen gehen wir von adiabatischen Prozessen aus. Dies
stimmt gut für Prozesse, bei denen die Zeit nicht für einen Wärmeaustausch aus-
reicht und bei grossen Volumina, denn dann ist die zugefügte Wärme δQ gegen-
über der im System gespeicherten Energie verschwindend klein.
F = pi A − pa A − mg = (pi − pa )A − mg (4.16)
V = V0 + Ax
p0 V0κ = pi (V0 + Ax)κ Adiabatengleichung
κ
κ
V0 1
pi = p0 = p0
V0 + Ax 1 + Ax
V0
−κ
Ax
pi = p0 1+
V0
2
Einen Ausdruck der Form (1+ε)−κ lässt sich in eine Potenzreihe 1−εκ+ κ(κ+1)ε2
−
... entwickeln, falls ε 1, in unserem Fall falls Ax V0 . Näherungsweise erhält
man also für den Innendruck
Ax
pi ∼
= po 1 − κ (4.17)
V0
κAx
F = p0 − p0 − pa A − mg (4.18)
V0
Die Bewegungsgleichung F = mẍ für unser Problem lautet also
κA2 p0 A
ẍ + x = (p0 − pa ) − g. (4.19)
mV0 m
Die rechte Seite muss identisch Null sein, da p0 der Druck im Gleichgewicht ist.
Wir erhalten also eine Differentialgleichung für eine harmonische Schwingung
s
κpo A2
ẍ + ω 2 x = 0 mit ω= (4.20)
mV0
4.4 Praktische Aufgaben 67
Diese Gleichung lässt sich mit dem Ansatz x(t) = A cos(ωt) + B sin(ωt) mit ω als
Winkelgeschwindigkeit lösen. Aus der Beziehung
s
2π κpo A2
ω= = (4.21)
T mV0
erhält man κ in Abhängigkeit von T :
4π 2 mV0 mg
κ= mit p0 = pa + (4.22)
p0 A2 T 2 A
Ergänzung
Für eine schwache Dämpfung gilt λ < ω; ferner gilt T = 2π/ω > T = 2π/ω.
4.4.1 Aufgabe 1
Messen Sie für verschiedene Gase (CO2 , Ar, N2 oder Luft) die Schwingungsdau-
er T der Metallkugel, und bestimmen Sie daraus den Wert κ. Führen Sie jede
Messung fünf Mal durch.
4.4.2 Aufgabe 2
Vegleichen Sie die gemessenen Werte mit den Literaturangaben und diskutieren
Sie die Resultate (systematische Fehler, statistische Fehler, Genauigkeit).
68 4 Bestimmung von cp /cV
5 Hydrodynamik
Inhalt
5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5.1.1 Versuchsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5.1.2 Motivation für die Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . 70
5.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
5.2.1 Dynamik reibungsfreier, inkompressibler Flüssigkeiten 70
5.2.2 Laminare Strömung in Röhren bei Berücksichtigung der
inneren Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
5.2.3 Kirchhoff’sche Gesetze bei laminarer Flüssigkeitsström-
ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
5.2.4 Korrektur für den laminaren Strömungswiderstand . . 72
5.2.5 Turbulente Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.2.6 Der Regelkreis in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.4 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.4.1 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.4.2 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.4.3 Aufgabe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.4.4 Aufgabe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
5.4.5 Aufgabe 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
5.1 Einleitung
5.1.1 Versuchsziele
Das Praktikum soll von folgenden Erlebnissen geprägt sein:
69
70 5 Hydrodynamik
Ai · vi = Q = const. (5.1)
%i vi2
pi + + %i ghi = const. (5.2)
2
8ηl
R= (5.4)
πr4
Für sogenannte Newton’sche Flüssigkeiten ist die Viskosität η nicht vom Druck
abhängig, dagegen zeigt sie meistens eine ausgeprägte Temperaturabhängigkeit.
Auch bei Wasser gilt das Gesetz von Hagen-Poiseuille nur nährungsweise. Bei kur-
zen Kapillaren müssen ausserdem sogenannte Einlaufeffekte berücksichtigt wer-
den, indem ein Korrekturwiderstand zu R addiert wird. Diese Korrektur wird im
übernächsten Abschnitt behandelt.
72 5 Hydrodynamik
(5.5)
X X
Qi,zuf liessend = Qi,abf liessend
i i
(5.6)
X X
∆p = ∆pi = Ri Qi .
i i
Als Konsequenz erhalten wir (wiederum analog zur Elektrodynamik) für die Se-
rieschaltung von Kapillaren
(5.7)
X
Rtot = Ri ,
i
1 X 1
= . (5.8)
Rtot i Ri
∆p 1.14%
QE = , wobei RE = QE . (5.9)
R + RE π 2 r4
Aufgabe: Zeige durch Einsetzen von RE in Gleichung (5.9) und Auflösen nach
QE , dass gilt:
q
16π 2 η 2 l2 + 1.14%π 2 ∆pr4 − 4πηl
QE = . (5.10)
1.14%
kηπr
Qk = , (5.11)
2%
wobei k als Reynold’sche Zahl bezeichnet wird. Kritisch für den Strömungsum-
schlag im langen Rohr gilt k = 2300 (k: dimensionslos).
X
- Regelstrecke -
Z -
6
Y
Regler ?
(X-W) -W
Die Regelstrecke: Sie ist die zu regelnde Apparatur, in unserem Versuch die
Tauchpumpe und das Druckrohr mit dem Kapillarensystem.
Der Regler: Er soll die Regelstrecke so beeinflussen, dass die Abweichung von
Ist- und Soll-Wert minimal wird (Abweichung vom Ist- zum Soll-Wasserstand).
Eine Störung, die diese Abweichung vergrössert, soll vom Regler rasch und genau
kompensiert werden. Der Regler besteht in unserem Beispiel aus:
• einem Vergleicher, mit welchem die Differenz zwischen Ist- und Soll- Was-
serstand elektrisch gebildet wird,
Es gibt drei wichtige Reglertypen; sie reagieren auf ein sprunghaftes Eingangssi-
gnal xe (t) mit folgenden Sprungantworten xa (t):
Die drei Typen werden in unserem Regler als Signalform kombiniert eingesetzt,
um ein optimales Einwirken auf die Regelstrecke zu erreichen.
5.3 Versuchsaufbau 75
5.3 Versuchsaufbau
Der Versuchaufbau ist in den Figuren 5.3 und 5.4 schematisch dargestellt. Eine
kleine Wasserpumpe, welche mit einer kapazitiven Regelungsschaltung gekoppelt
ist, hält den Wasserstand im Vorratsbehälter konstant auf der eingestellten Höhe,
dem Sollwert. Der Sollwert, und damit der hydrostatische Druck am Eingang der
Kapillaren, kann am Regelgerät eingestellt werden gemäss
p1 = %w qh + Luftdruck, (5.12)
wobei h die Höhe der Wassersäule im Vorratszylinder bezogen auf das Niveau
des Kapillareingangs ist. Das Wasser fliesst durch die auswechselbaren Kapilla-
ren, entweder durch eine einzelne oder durch zwei parallel oder seriell geschaltete
Kapillaren. Es fliesst anschliessend über das Ventil V2 oder V3 in den Messzylin-
der. Der Ausfluss bei V2 und V3 ist auf der gleichen Höhe wie der Kapillareingang.
Damit kann der Druck im Vorratsgefäss (Gewichtskraft der Wassersäule der Höhe
Ventile
h
V1
Kapillaren
V3 V2
Messzylinder
Regelgerät Wasserpumpe
für Wasserpumpe
Bypass E4
rechts
E1 E2
Kapillare 1
V1
Vorrat Behälter 1
Bypass Kapillare 2
links
E5 Behälter 2
E3
Behälter 3
Kapillare 3
V3 V2
Luft in das System eintritt. Sollte durch Fehlmanipulation eine grössere Luftblase
im System auftreten, muss entlüftet werden. Dazu wird nach dem Öffnen von V1
auch das entsprechende Entlüftungsventil E1 , E2 oder E3 geöffnet, bis Wasser
austritt. Um die Entlüftung zu beschleunigen, können die Übergangswege (By-
passes) gebraucht werden. Während dieser Prozedur bleiben die Ventile V2 und
V3 geschlossen. Die Entlüftung muss insbesondere auch zu Beginn des Versuches
durchgeführt werden. Beim Einsetzen der Kapillare führe man ein Ende zuerst in
die linke Öffnung ein, da die rechte Öffnung einen Anschlag besitzt. Man achte
darauf, dass beim Wechseln der Kapillaren keine Querkräfte auftreten (Bruchge-
fahr).
Am Ende des Versuches sind die Kammern mit Wasser zu füllen und
zu entlüften.
5.4.2 Aufgabe 2
Überprüfen Sie experimentell die Druckabhängigkeit des Durchflusses für die Ka-
pillare mit d =1.01 mm. Messen Sie dafür die Durchflussmenge Q für fünf bis zehn
verschiedene Höheneinstellungen der Wassersäule und tragen Sie die Messwerte
in Abbildung 5.5 ein, in der bereits der erwartete Verlauf mit und ohne Einlaufs-
korrektur eingezeichnet ist.
30
mit Einlaufs-
korrektur
20
10
0
0 10 20 30 40 50 60
Höhe [cm]
5.4.3 Aufgabe 3
Verifizieren Sie die r4 -Abhängigkeit im Gesetz von Hagen-Poiseuille, indem Sie
die Durchflussmengen bei gegebener Höhe der Wassersäule (nur für eine Höhe)
für die Kapillaren d =0.60 mm, 0.95 mm, 1.01 mm und 1.17 mm messen und in
die Tabelle mit den Werten QH (nach Gleichung 5.3) und QE (nach Gleichung
5.10) eintragen.
h=
∆p =
0.300
0.465
0.505
0.585
5.4.4 Aufgabe 4
Verifizieren Sie experimentell die Gesetzmässigkeit für Parallel- und Seriell-Schaltung
von Kapillaren, indem Sie die Durchflussmenge für eine gegebene Höhe der Was-
sersäule für die beiden Kapillaren d = 1.01 mm je einzeln, in Serie und parallel
geschaltet messen.
R = ∆p/Qgemessen
Die Widerstände für Seriell- und Parallelschaltung sollen aus den Widerständen
der Kapillaren berechnet werden. Stimmen die Resultate mit den Erwartungen
überein?
5.4.5 Aufgabe 5
1. Messen Sie für die Kapillare d = 2.00 mm die Durchflussmenge in Abhän-
gigkeit des Druckes (Höhe der Wassersäule) und tragen Sie die Messwerte
in Abbildung 5.6 ein.
Durchfluss
[ml/min]
600
ohne Einlaufskorrektur
500
400
300
mit Einlaufs-
200 korrektur
100
0
0 10 20 30 40 50 60
Höhe [cm]
Abbildung 5.6: Durchfluss Q als Funktion der Wasserhöhe für laminare Strömung,
mit und ohne Einlaufskorrektur (Kapillarradius 0.9975 mm)
Was ist die physikalische Bedeutung der Abflachung der Kurve nach dem
Umschlagpunkt?
80 5 Hydrodynamik
6 Leitercharakteristiken
Inhalt
6.1 Versuch einer Motivation für Chemikerinnen und Che-
miker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.2 Eine Menge Definitionen, Konventionen und Beleh-
rungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.2.1 Ohmsches Gesetz – Widerstand – Leitfähigkeit . . . . 82
6.2.2 Schaltkreise – Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.2.3 Ideale und reale Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.2.4 Ampèremeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.2.5 Voltmeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.2.6 Kennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.3 Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.3.2 Das Halbleitermaterial – freie Ladungsträger . . . . . 86
6.3.3 Dotierung – der p- und n-Halbleiter . . . . . . . . . . 87
6.3.4 Der p-n-Übergang – die Halbleiterdiode . . . . . . . . 87
6.3.5 Sperrrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
6.3.6 Durchlassrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
6.3.7 Diodenkennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
6.4 Innenwiderstand von Quellen . . . . . . . . . . . . . . 93
6.5 Theoretische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
6.6 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
6.6.1 Bestimmung von Kennlinien (Charakteristik) . . . . . 96
6.6.2 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.6.3 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.6.4 Aufgabe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
81
82 6 Leitercharakteristiken
• Die elektrische Leitfähigkeit von Metallen (∼ 1/R) beruht auf den Elek-
tronen, die im metallischen Gitteraufbau frei beweglich sind. Bei konstan-
ter Temperatur (unter Kühlung, da sich der Leiter beim Durchgang der
Elektronen erwärmt!) ist der Widerstand tatsächlich unabhängig von der
angelegten Spannung und es gilt das ohmsche Gesetz. Bei höheren Span-
nungen nimmt die Zahl der Elektronenstösse im metallischen Gitter zu. Der
Durchgang der Elektronen wird erschwert, der Widerstand nimmt zu.
6.2 Eine Menge Definitionen, Konventionen und Belehrungen 83
• Isolatoren sind Materialien, die nicht leiten. Ihr Widerstand ist idealerweise
unendlich.
Eine elektrische Spannung zwischen den Punkten A und B wird mit UAB be-
zeichnet. UAB ist positiv, falls das Potential von A höher als dasjenige von B ist.
Die Richtung des Stromes wird in einer Schaltung durch Pfeile in den Leitungen
festgelegt. Wie man Spannungs- und Strompfeile einzeichnet ist prinzipiell belie-
big, vorausgesetzt, man versieht alle Spannungen und Ströme konsistent mit den
entsprechenden Vorzeichen. Aus historischen Gründen fliesst der Strom gemäss
technischer Stromrichtung vom höheren zum tieferen Potential.
• Ideale Elemente sind der ohmsche Widerstand, die Induktivität und die
Kapazität.
• Reale Elemente sind dementsprechend der Widerstand, die Spule und der
Kondensator.
Näherungsweise können reale Elemente durch ein aus idealen Elementen zusam-
men gesetztes Netzwerk (Ersatzschema) dargestellt werden.
6.2.4 Ampèremeter
Ein Ampèremeter misst den Strom. Bei Drehspulinstrumenten wird die Wirkung
auf einen Strom durchflossenen Leiter (Spule) im Magnetfeld ausgenützt (Lor-
entzkraft). Der Ausschlag des Zeigers ist dabei ein Mass für die Stromstärke.
Drehspulinstrumente sind für Gleichstrom konstruiert (Achtung! Polarität be-
achten). Für Wechselstrom können sie in Verbindung mit einem Gleichrichter
84 6 Leitercharakteristiken
6.2.5 Voltmeter
Ein Voltmeter ist ein umgeeichtes Ampèremeter (ein Drehspulinstrument mit
Widerstand in Serie, siehe Abb. 6.1). Gemessen wird also eine Stromstärke. Bei
allen Messbereichen ist der für Vollausschlag benötigte Strom gleich gross. Das
Instrument ist umso besser, je geringer dieser Strom ist (typisch 50 µA), Volt-
meter sind also hochohmig, damit sich der Laststrom aus der Quelle und damit
die zu messende Klemmenspannung möglichst wenig verändert (siehe Abb. 6.8).
Das Voltmeter wird PARALLEL zum zu messenden Bauteil geschal-
tet. Voltmeter wirken wie eine zusätzliche Last im Stromkreis. Die meisten in der
Praxis verwendeten Geräte sind sowohl als Ampère- wie auch als Voltmeter (oft
auch als Ohmmeter) verwendbar (Multimeter). Die gewünschte Funktion kann
am Gerät durch Umschalten eingestellt werden.
Achtung! Messgeräte richtig in den Stromkreis schalten (Ampèremeter
in Serie, Voltmeter parallel)! Zuerst immer den unempfindlichsten Be-
reich einstellen. Erst dann Messgerät mit dem Stromkreis verbinden
und Strom einschalten!
Neben den Zeigerinstrumenten, in denen magnetische Kräfte auf Strom durch-
flossene Leiter in Zeigerausschläge umgesetzt werden, gibt es auch Geräte mit Di-
gitalanzeige. Die Spannung wird dabei elektronisch gemessen. Die Eigenschaften
geeigneter Kombinationen von p- und n-Halbleitern (siehe Abschnitt 6.3) kön-
nen nämlich u. a. von der angelegten Spannung, der Temperatur, einem äusseren
Magnetfeld und sogar eineräusseren mechanischen Spannung abhängen.
6.2 Eine Menge Definitionen, Konventionen und Belehrungen 85
Voltmeter
R1 U = IV(Ri+Rx)
R2 Ri = Innenwiderstand
des Voltmeters
R3
R4 IV = Strom durch
Voltmeter
Ri
R5
Rx = geeichte Zusatz-
widerstände für
I 5 Messbereiche
Abbildung 6.1: Ein Voltmeter mit fünf Messbereichen, bestehend aus einem (um-
geeichten) Ampèremeter und einem in Reihe geschalteten, wählbaren Widerstand.
86 6 Leitercharakteristiken
6.2.6 Kennlinie
Der Strom, der in Abhängigkeit einer bestimmten angelegten Spannung durch
ein Bauteil fliesst, variiert beträchtlich für die verschiedenen Bauteile und ist für
diese charakteristisch. Die gemessenen Ströme, aufgetragen über der angelegten
Spannung, ergeben die charakterische Kennlinie eines Bauteils. Ist der Zusam-
menhang von U und I linear, so spricht man von einem linearen Schaltelement.
Bei der Berechnung von Strom und Spannung in komplexen Schaltkreisen füh-
ren lineare Elemente zu linearen Differentialgleichungen. Das bedeutet für die
Wechselstromelektronik, dass keine neuen Frequenzen entstehen. Weiterhin gilt
das Superpositionsprinzip: Die Wirkungen verschiedener Spannungs- und Strom-
quellen überlagern sich, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.
Gehorcht ein Bauteil dem ohmschen Gesetz, so ist die Kennlinie des Bauteils eine
Gerade, die durch den Ursprung des I-U -Diagramms geht und die Steigung R
aufweist. Die Kennlinie einer Diode wird in weiter unten im Detail diskutiert.
6.3 Halbleiter
6.3.1 Einleitung
Zwei wichtige elektronische Bauteile sind die Diode und der Transistor. Sie wer-
den aus Halbleitermaterial gefertigt. Elektronische Schaltungen, insbesondere in-
tegrierte Schaltkreise („IC“ von integrated circuit), in denen Tausende von Transi-
storen, Widerständen und anderen Bauteilen sehr kompakt auf kleinste Kristall-
plättchen aufgebracht sind, werden in vielen Bereichen der heutigen Technologie,
z. B. bei Computern, elektronischen Steuerungen, der Telekommunikation und
der Unterhaltungselektronik eingesetzt.
Potential ϕ0
dungsträgern beider Art verarmt ist und daher eine kleine Leitfähigkeit (oder
einen grossen Widerstand) aufweist. Die Grenzschicht bleibt auf einen sehr klei-
nen Bereich um die Grenzfläche herum beschränkt. Dies kann man durch den
folgenden Mechanismus erklären:
Durch die Rekombination der Elektronen, die in den p-Halbleiter hinein diffun-
diert sind, mit den dort vorhandenen Löchern, lädt sich der p-Halbleiter an der
Grenzfläche negativ auf. Umgekehrt lädt sich der n-Halbleiter durch Rekombinati-
on an der Grenzfläche positiv auf. Wegen der positiven und negativen Raumladun-
gen baut sich in der Grenzschicht ein elektrisches Feld mit dem entsprechenden
Potentialgefälle auf. Der weitere Ladungsaustausch und damit das Anwachsen der
Grenzschicht wird dadurch behindert. Er hört ganz auf, sobald das Sperrpotential
(ϕ0 ) gross genug ist.
6.3 Halbleiter 89
6.3.5 Sperrrichtung
Die Breite der Grenzschicht kann durch ein äusseres Feld verändert werden. Ist die
äussere angelegte Spannung so gepolt, dass der n-Halbleiter positiv ist gegenüber
dem p-Halbleiter (Abb. 6.3), so wird das Sperrpotential erhöht. Die „Löcher“
wandern in Richtung der negativen, die Elektronen in Richtung der positiven
Elektrode. In Folge werden das Raumladungsgebiet und damit die Grenzschicht
verbreitert und die Grenzschicht verarmt noch mehr an Ladungsträgern. Die Leit-
fähigkeit des p-n-Übergangs verringert sich und es kann nur ein kleiner Reststrom
fliessen. Der p-n-Übergang ist in Sperrrichtung gepolt.
+ + + _ _ _
_ + _ _ _ _
+ + + +
+ + + _ _ _
+ + + + _ _ _ _
Potential
Angelegte Spannung
Sperrpotential ϕ0 ohne
angelegte Spannung
6.3.6 Durchlassrichtung
Polt man die angelegte Spannung um, so dass der p-Halbleiter positiv wird gegen-
über dem n-Halbleiter (Abb. 6.4), so wird die Grenzschicht schmaler. Es gelangen
Elektronen in den p-Halbleiter und „Löcher“ in den n-Halbleiter und das Sperr-
potential verringert sich. Dies bedeutet, dass durch die Grenzfläche ein Strom
fliessen kann. Der p-n-Übergang ist in Durchlassrichtung gepolt.
Der Strom kann also nur in einer Richtung durch den p-n-Übergang fliessen.
Ein Bauteil mit einem solchen Übergang hat die Eigenschaft eines Gleichrichters
und wird Diode genannt. In einem Schaltungsschema wird eine Diode durch das
Symbol in Abb. 6.5 gekennzeichnet. Symbole anderer elektronischen Bauteile sind
zum Vergleich angegeben.
6.3 Halbleiter 91
+ + + + + _ _ _ _ _
_ _ _ _ _
+ + + + + _
+ + + + + + _ _ _ _
+ + + + _ _ _ _ _
Potential
angelegte Spannung
Sperrpotential ϕ0 ohne
angelegte Spannung
Spannungsquelle Schaltelement
Ampèremeter Voltmeter
I U
Diode
_ (Durchlassstrom)
+
6.3.7 Diodenkennlinie
Die Abhängigkeit des Stroms I, der bei angelegter Spannung U durch eine Diode
fliesst, d. h. also die Diodenkennlinie, ist in Abb. 6.6 aufgetragen. Die Span-
nung sei positiv, wenn die Diode in Durchlassrichtung betrieben wird. Schon
bei kleinen positiven Spannungen steigt der Durchlassstrom stark an. Achtung!
Der Durchlassstrom darf einen Maximalwert Imax nicht übersteigen, da
sonst die Struktur des Halbleiters thermisch zerstört wird.
Durchlassstrom
Imax
Sperrspannung
U
-U Ud
Usperr max Durchlassspannung
Sperrstrom
-I
Für negative Spannungen zwischen 0 V und einem bestimmten Wert Usperr max
fliesst nur ein kleiner, spannungsunabhängiger Reststrom. Erst bei negativen
Spannungen, die kleiner sind als Usperr max , steigt der Sperrstrom stark an. Dies
ist auf zwei Effekte zurückzuführen. Einerseits ist das elektrische Feld so gross,
dass kovalente Bindungen im Halbleitergitter aufgebrochen und freie Elektron-
„Loch“-Paare produziert werden. Andererseits werden die freien Elektronen im
grossen Potentialgefälle so stark beschleunigt, dass sie genug Energie haben, um
ein Atom bei einem Zusammenstoss stark zu ionisieren. Dieser Prozess wächst
für Sperrspannungen kleiner Usperr max lawinenartig an und bewirkt einen hohen
Sperrstrom. Achtung! Halbleiterdioden dürfen wegen der Gefahr ther-
mischer Zerstörung in diesem Bereich nicht betrieben werden.
6.4 Innenwiderstand von Quellen 93
Ri
+ A B
_
B U0
Werden die Klemmen A und B einer Quelle kurzgeschlossen (UAB = 0), so fliesst
der Kurzschlussstrom IK . Dieser wird lediglich durch den Innenwiderstand Ri
der Quelle bestimmt. Er ergibt sich aus Ri = U0 /Ri bei UAB = 0 V. Die Klem-
menspannung UAB einer Quelle ist am grössten im unbelasteten Zustand (Leer-
laufspannung): UAB (I = 0) = U0 . Jede zugeschaltete Last verringert diese Span-
nung: UAB = U0 − ILast Ri , wobei ILast der aus der Quelle fliessende Strom (Last-
strom) ist. Die lineare Abhängigkeit der Klemmenspannung vom Laststrom ist
in Abb. 6.8 dargestellt.
Gute Spannungsquellen haben einen kleinen Innenwiderstand Ri , um den Einfluss
des Laststroms zu verringern. Die im Praktikum verwendeten Labornetzgeräte
sind fast ideal. Sie sind allerdings zur Kurzschlusssicherung mit einer automati-
schen Strombegrenzung ausgestattet.
94 6 Leitercharakteristiken
UAB (Klemmenspannung)
U0 Leerlaufspannung
Kurzschlussstrom
Steigung: -Ri
ILast
IK
2. Erläutere die Regeln von Kirchhoff („Knoten“ und „Maschen“, Ladungs- und
Energieerhaltung).
2 kΩ 3 kΩ
4 kΩ
1 kΩ
1 kΩ
U0
U0
R2
U2
96 6 Leitercharakteristiken
Rä
n x Ri
n x U0
Achtung
Spannungen über 48V gelten als gefährlich.
Das Netzgerät daher erst dann einschalten,
wenn fertig aufgebaut und kontrolliert ist.
Für diesen Teil des Versuchs steht folgendes Material zur Verfügung:
1 Kasten mit verschiedenen el. Leitern
1 Gleichspannungsstromquelle 0 – 240 V/0.5 A
1 Universalmessinstrument (hier als Ampèremeter verwendet)
Verschiedene Verbindungskabel
Schaltzeichen:
6.6 Praktische Aufgaben 97
Amperemeter A
Voltmeter
V
A A R
U R V U V
6.6.2 Aufgabe 1
Nehmen Sie die Kennlinie von folgenden Elementen auf:
1. Messen Sie I(U) für einen schwach belasteten Ohmschen Widerstand (I soll
6 mA nicht überschreiten). Tragen Sie die Kennlinie graphisch auf.
2. Messen Sie I(U) für eine Metallfaden- und eine Kohlenfadenlampe (U zwi-
schen 0 und 230 V variieren). Tragen Sie die Kennlinie graphisch auf.
3. Messen Sie I(U) für eine Zenerdiode und eine Siliziumdiode in Durchlass-
und Sperrrichtung. Tragen Sie die Kennlinie graphisch auf.
6.6.3 Aufgabe 2
Diskutiere die beobachteten Abweichungen vom ohmschen Gesetz. Handelt es
sich beim ausgemessenen Bauteil um einen Halbleiter oder um einen metallischen
Leiter?
98 6 Leitercharakteristiken
6.6.4 Aufgabe 3
Zeichne die Kennlinien der ohmschen Widerstände R1 = 10 Ω und R2 = 200 Ω
in ein Diagramm. Wie würde die Kennlinie einen idealen Leiters (R = 0 Ω)
aussehen?
7 Wechselstrom (entfällt)
Achtung:
Dieser Versuch wird aus Zeitgründen nicht durchgeführt. Die
Beschreibung und die Theorie bleiben aber bewusst im Skript
und sollten als Gedankenexperiment nachvollzogen werden.
Inhalt
7.1 Versuch einer Motivation für Chemikerinnen und Che-
miker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
7.2 Eine Menge Definitionen, Konventionen und Beleh-
rungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
7.2.1 Der Wechselstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
7.2.2 Spezialfall Sinusförmiger Wechselstrom . . . . . . . . . 100
7.2.3 Analytische Darstellung des sinusförmigen Wechselstroms...103
7.2.4 Wechselstromwiderstand (Impedanz) – Definition . . . 104
7.2.5 Kapazität – Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
7.2.6 Induktivität – Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 105
7.2.7 Kombination von Impedanzen, Rechenregeln . . . . . . 107
7.2.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.3 Messen von Wechselstromgrössen . . . . . . . . . . . . 108
7.3.1 Mittlere Leistung, Effektivwerte von Spannung und Strom-
stärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.4 Das Oszilloskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
7.4.1 Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.4.2 Normalbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.4.3 Trigger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
7.4.4 X-Y-Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.4.5 Kopplung der Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.4.6 Kurzbeschreibung Kathodenstrahloszilloskop Tektronix
TDS 220 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
7.5 R-C-Schaltkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
7.5.1 Tiefpass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
99
100 7 Wechselstrom (entfällt)
Achtung:
Dieser Versuch wird aus Zeitgründen nicht durchgeführt. Die
Beschreibung und die Theorie bleiben aber bewusst im Skript
und sollten als Gedankenexperiment nachvollzogen werden.
i(t) T i(t)
a b
dieses Stroms ändert sich in Abhängigkeit von der Zeit gemäss eines Sinusgeset-
zes. Jeder Wechselstrom kann durch eine Linearkombination von sinusförmigen
Wechselströmen dargestellt werden (Fourier-Entwicklung, Abb. 7.3, in der ein
rechteckiges Signal durch die Summe vieler sinusförmiger Funktionen unterschied-
licher Frequenzen und Amplituden dargestellt wird). In diesem Versuch befassen
wir uns ausschliesslich mit dem einfachen sinusförmigen Wechselstrom.
i(t)
i0
π 2π
ωt
ϕ ωT = π2
Abbildung 7.3: Jeder Wechselstrom, hier ein „Rechtecksignal“, kann durch ei-
ne Kombination von sinusförmigen Wechselströmen unterschiedlicher Amplitude
und Frequenz dargestellt werden.
7.2 Eine Menge Definitionen, Konventionen und Belehrungen 103
α Argument
√
j = −1, eigentlich i: verwendet, um Verwechslungen
mit der Stromstärke zu vermeiden
Wichtig: Mit dem Theorem von Euler
r sin(z) Im(z)
z = re jα
mit tan(α) = · = . (7.5)
r cos(z) Re(z)
Die momentane Stromstärke i = i0 cos (ωt + ϕ) ist der Realteil des komplexen
Stroms
I(t) = i0 ej(ωt+ϕ) = i0 [cos (ωt + ϕ) + j sin (ωt + ϕ)] = i0 ejϕ · ejωtz = I0 ejωt (7.6)
Ein komplexer Strom hat keine physikalische Bedeutung, aber es lassen sich damit
einige Berechnungen einfacher durchführen. Um eine reale physikalische Lösung
zu erhalten, betrachtet man entweder den realen oder den imaginären Teil der
Lösung. Mit der komplexen Darstellung kann man die Phase als Faktor abspalten
und in die komplexe Amplitude (I0 ) einbeziehen.
1 Kiloohm = 1 kΩ = 103 Ω
1 Megaohm = 1 MΩ = 106 Ω
Aus Gleichung 7.7 (nach U umgeformt) folgt, dass die Spannung U am ohmschen
Widerstand dieselbe Phase ϕ wie der Strom I aufweist. Achtung: Dies gilt nicht
für jedes elektronische Bauteil (siehe nächsten Abschnitt).
Da die Kapazität normaler Kondensatoren viel kleiner ist als 1 Farad, sind fol-
gende Einheiten gebräuchlich:
1 Mikrofarad = 1 µF = 10−6 F
1 Nanofarad = 1 nF = 10−9 F
1 Picofarad = 1 pF = 10−12 F
Gleichstromverhalten: Wird ein Kondensator über einen Gleichstrom aufgeladen,
so baut sich die Spannung
t
1 Z
U (t) = I(τ )dτ (7.11)
C
0
auf, denn für die Ladung Q gilt (unter der Annahme I = 0 für t < 0):
Zt
Q(t) = I(τ )dτ. (7.12)
0
a b
i(t) i(t)
u(t)
u(t)
t t
ϕ =π /2 ϕ =π /2
Abbildung 7.4: Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom bei (a) Kon-
densator und (b) Spule
wobei dI
dt für die zeitliche Änderung des Stroms und U für die Spannung an den
Klemmen steht.
1 Henry entspricht einer sehr grossen Induktivität. Gebräuchlich sind daher eher:
1 Millihenry = 1 mH = 10−3 F
1 Mikrohenry = 1 µH = 10−6 F
1 Nanohenry = 1 nH = 10−9 F
dI(t)
U (t) = L · = L · I0 jωejωt = jωL · I(t). (7.16)
dt
Wie bei der Kapazität erhalten wir eine zum ohmschen Gesetz analoge Beziehung
einer Verzögerung von einer Viertelperiode. Dies ist eine Folge der Selbstinduk-
tion der Spule. Im Falle eines Gleichstromes (ω = 0) verschwindet die Impedanz,
d. h. die Spule wirkt wie ein Kurzschluss. Wird die Wechselstromfrequenz sehr
gross (ω → ∞), so wird auch der Widerstand sehr hoch.
In den vorigen Abschnitten wird vom Begriff des ohmschen Widerstandes ausge-
gangen, wie er vom Gleichstrom her bekannt ist. Der Begriff „Widerstand“ kann
nun auch für Wechselströme verwendet werden. Durch die komplexwertige Dar-
stellung von Strömen und Spannungen können Widerstände, Kapazitäten und
Spulen mit Hilfe der Impedanz Z formal gleich behandelt werden:
U (t) = Z · I(t) mit U (t) = U0 ejωt = u0 ejϕt ejωt
und I(t) = I0 ejωt = i0 ej ϕ̃t ejωt (7.19)
Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Beziehung nichts mehr mit dem ohmschen
Gesetz zu tun hat. Dieses verlangt U ∼ I, d. h. Z = const., was im Falle der
Impedanz nicht mehr gilt.
Mit dem verallgemeinerten ohmschen Gesetz kann die Serienschaltung von ver-
schiedenen Impedanzen gerechnet werden. Die angelegte Spannung U entspricht
der Summe aller Spannungsabfälle über Z1 , Z2 , ..., Zn :
U (t) = Z1 · I(t) + Z2 · I(t) + · · · + Zn · I(t) = I(t) · (Z1 + Z2 + · · · + Zn ) , (7.20)
womit sich folgende Ersatzimpedanz ergibt:
Z = Z1 + Z2 + · · · + Zn . (7.21)
Z3
Z2
Z1
Zn
U~
7.2.8 Zusammenfassung
Widerstand Z = R (7.7)
Kapazität Z = 1 (7.13)
jωC
Induktivität Z = jωL (7.18)
Serienschaltung Z = Z1 + Z2 + · · · + Zn (7.21)
Parallelschaltung 1 = 1 1 1 (7.23)
Z Z + Z + ··· Z
1 2 n
a) Instrumente, die den Schwingungen des Stroms oder der Spannung folgen
können und jeweils den momentanen Wert anzeigen (z. B. Oszillatoren)
b) Instrumente, deren Reaktion unabhängig von der Richtung des Stroms ist
(z. B. Hitzdrahtinstrument)
I1 I2 I3 In
I Z1 Z2 Z3 Zn
U~
Diese Grösse gibt nicht den genauen zeitlichen Verlauf der Spannung wieder son-
dern einen über die Zeit gemittelten Wert.
Um einen Wechselstrom durch gemittelte Grössen charakterisieren zu können,
müssen zuerst sinnvolle Grössen gefunden werden. Für die mittlere Spannung pro
Zeit könnte man das Mittel über eine Periode T des Spannungsverlaufs ansetzen:
T
1Z u0
u= u0 cos(ωt + ϕ)dt = [sin(ωT + ϕ) − sin(ϕ)] = 0 (7.24)
T ωT
0
P(t)
√
Daraus folgt für die Scheitelspannung u0 = ueff 2 = 311 V . Der Momentanwert
der Spannung ist u(t) = u0 cos(2π · 50 Hzt) = 311 V cos(314 s−1 t).
Bis jetzt wurde angenommen, dass Strom und Spannung in Phase sind. Wenn
zwischen Strom und Spannung eine Phasendifferenz ϕ besteht, berechnet sich die
mittlere Leistung P mit Hilfe von
P (t) = u(t) · i(t) = u0 cos(ωt + ϕ) · i0 cos(ωt) (7.27)
und
2 cos(α) cos(β) = cos(α + β) + cos(α − β) (7.28)
zu
1ZT 1 Z T uo io
P = P dt = [cos(2ωt + ϕ) + cos(ϕ)] dt
T 0 T 0 2
T
1 uo io 1 uo io
= sin(2ωt + ϕ) + cos(ϕ)t = cos ϕ
T 2 2ω 0 2
= ueff · ieff cos ϕ. (7.29)
Die mittlere Leistung P hängt also ab von der relativen Phase ϕ zwischen Strom
und Spannung:
π π
− ≤ϕ≤ P ≥0 Leistungsaufnahme (RLC Kombination)
2 2
π 3π
≤ϕ≤ P ≤0 Leistungsabgabe (Generatoren) (7.30)
2 2
y Ablenkung
Kathode Anode
Heizspannung
- + x Ablenkung
Beschleunigungs- Leuchtschirm
spannung
7.4.1 Funktionsweise
Ein wesentlicher Bestandteil eines KO ist die Braun’sche Röhre. Diese besteht
aus einer Elektronenquelle, einer Beschleunigungs- und einer Ablenkvorrichtung
für die Elektronen und einem Leuchtschirm. Die Elektronen werden durch Hei-
zen eines Metalldrahtes (der negativ geladenen Kathode) freigesetzt und durch
eine Spannung zur Anode, einer positiv geladenen Metallplatte, hin beschleunigt.
Durch ein Loch in der Anode wird ein gebündelter Elektronenstrahl emittiert.
Zwei senkrecht zueinander stehende Plattenpaare lenken den Strahl elektrosta-
tisch in die horizontale (x) und vertikale (y) Richtung ab. Die Auslenkung ist
dabei proportional zur angelegten Spannung. Der Elektronenstrahl trifft schlies-
slich auf einen Leuchtschirm, wo die Elektronen als Lichtpunkte sichtbar werden.
7.4.2 Normalbetrieb
Das darzustellende Signal wird normalerweise auf die vertikale Ablenkung gege-
ben, während an der horizontalen Ablenkung eine interne Sägezahnspannung liegt
(Abb. 7.9). Dadurch wird der Elektronenstrahl von links nach rechts geführt und
kehrt dann sehr schnell wieder in die Ausgangslage zurück. Während des Rück-
laufs wird der Strahl gesperrt, so dass der Rücklauf auf dem Schirm nicht sichtbar
ist.
Ein KO hat zwei oder mehr sogenannte Kanäle („channels“). Im Normalbetrieb
wird das Signal eines oder mehrerer Kanäle auf dem Bildschirm dargestellt. Dabei
wird jedes Signal als eigene Kurve dargestellt. Die Empfindlichkeit der einzelnen
Kanäle kann separat eingestellt werden. Dabei wird die Empfindlichkeit mit Dreh-
schaltern in Einheiten von V/cm eingestellt. Die Gitterlinien auf dem Bildschirm
des KO haben einen Abstand von 1 cm. Damit ist das Ablesen der Spannung
leicht möglich. Die Zeitablenkung ist für alle Signale gleich und wird ebenfalls an
einem Drehknopf (in s/cm) eingestellt.
112 7 Wechselstrom (entfällt)
Signalspannung
(y Ablenkung)
Triggerniveau
t
(x Ablenkung)
Zeitablenkung
7.4.3 Trigger
Die Zeitablenkung muss immer beim gleichen Wert der Signalspannung begin-
nen, damit sich auf dem Bildschirm des KO ein stehendes Bild ergibt (Abb. 7.9)
Dies wird durch einen Trigger (engl. für Auslöser) bewirkt. Triggern ist also die
Auslösung der Zeitablenkung durch einen Impuls. Dieser Impuls wird meistens
dadurch erzeugt, dass die Signalspannung ein sogenanntes Triggerniveau erreicht.
Dieses Triggerniveau ist am KO einstellbar. Es wird dabei unterschieden, ob das
Signal von einem tieferen Wert kommend das Triggerniveau übersteigt (positive
Flanke), oder ob das Signal von einem höheren Wert unter das Triggerniveau
sinkt (negative Flanke).
Die Ablenkspannung schwingt nach dem Auslösen nur eine Periode lang, d. h. der
Elektronenstrahl läuft einmal über den Bildschirm und wieder zurück. Anschlies-
send bleibt er in Ruhe, bis er durch den nächsten Triggerimpuls wieder ausgelöst
wird.
Werden mehrere Signale gleichzeitig auf dem KO angezeigt, so kann eines der
7.4 Das Oszilloskop 113
Signale als Triggersignal ausgewählt werden. Die restlichen Signale werden dann
synchron dargestellt. Es besteht auch die Möglichkeit, den Trigger durch ein ex-
ternes Signal auszulösen. Dieses Signal wird nicht auf dem Bildschirm dargestellt,
doch hinsichtlich des Triggerniveaus und der Flanke wird es gleich behandelt wie
die darstellbaren Kanäle.
7.4.4 X-Y-Betrieb
Eine weitere Spielart ist der sogenannte X-Y-Betrieb. Dabei wird nicht das interne
Ablenksignal (die Sägezahnspannung) auf die horizontale Achse gegeben, sondern
der zweite Kanal. Dies erlaubt, einen Kanal gegenüber dem anderen darzustellen.
Da keine Zeitablenkung gebraucht wird, gibt es auch keinen Trigger. Der KO läuft
in einem sogenannten freilaufenden Modus.
• Ist der Schalter auf „Ground“, wird das KO-interne Nullsignal auf die Ab-
lenkplatte gegeben, d. h. wir sehen die Nullinie auf dem Bildschirm.
• In der Stellung „DC“ wird das angelegte Signal direkt auf die Ablenkplatte
gegeben.
• Bei „AC“ wird eine Kapazität dazwischen geschaltet. Die „AC Kopplung“
eines Signals ist sinnvoll, wenn dieses neben der Wechselstromkomponen-
te noch einen Gleichstromanteil enthält. Der Gleichstrom sorgt für eine
konstante Ablenkung des Strahls, so dass es unter Umständen nicht mög-
lich ist, das Signal auf dem Bildschirm darzustellen. Die Kapazität filtert
Gleichstromanteile und lässt nur die Wechselstromkomponente durch.
114 7 Wechselstrom (entfällt)
Inbetriebnahme:
7.5 R-C-Schaltkreise
(frequenzabhängige Spannungsteiler)
7.5.1 Tiefpass
Abbildung 7.10 zeigt die Schaltung eines Tiefpasses. Bei einer sinusförmigen Ein-
gangsspannung UE hat der Kondensator bei tiefen Frequenzen einen grossen Wi-
derstand (Gleichung 7.13). Der Widerstand R kann dagegen vernachlässigt wer-
den. Am Ausgang UA liegt praktisch die volle Eingangsspannung. Bei hohen Fre-
quenzen ist der Widerstand des Kondensators gering und die Eingangsspannung
fällt fast ganz über dem Widerstand ab. Mit Aufgabe 1.5.4 aus dem Versuch
Elektronik I („Spannungsteiler“) folgt für das Spannungsverhältnis:
1
UA jωC 1 1 − jωRC 1 ωRC
= = = = −j
UE 1
R + jωC 1 + jωRC 1 + (ωRC) 2 1 + (ωRC)2 1 + (ωRC)2
(7.31)
Für den Betrag folgt mit Gleichung 7.3
v
u !2 !2
UA 1 ωRC 1
u
= t
+ =q (7.32)
UE
1 + (ωRC)2 1 + (ωRC)2 1 + (ωRC)2
116 7 Wechselstrom (entfällt)
−ωRC
UA
Im U
1 + (ωRC)2
tanϕ = E = = −ωRC (7.33)
U 1
Re U A
1 + (ωRC)2
E
UE
C UA
7.5.2 Hochpass
Abbildung 7.11 zeigt die Schaltung eines Hochpasses (CR-Glied). Bei einer sinus-
förmigen Eingangsspannung UE hat der Kondensator bei tiefen Frequenzen einen
grossen Widerstand. Am Widerstand fällt fast keine Spannung ab. Bei hohen Fre-
quenzen ist der Widerstand des Kondensators gering und die Eingangsspannung
fällt fast nur über dem Widerstand ab. Am Ausgang liegt die volle Eingangsspan-
nung. Analog zu 7.5.1 berechnet sich das Spannungsverhältnis zu
(ωRC)2 ωRC
= 2
+j (7.34)
1 + (ωRC) 1 + (ωRC)2
7.6 Praktische Aufgaben 117
der Betrag zu
v
u !2 !2
UA (ωRC)2 ωRC ωRC
u
= t
+ =q (7.35)
UE
1 + (ωRC)2 1 + (ωRC)2 1 + (ωRC)2
UA ωRC
Im U
1 + (ωRC)2 1
tanϕ = E
= 2 = (7.36)
Re UUA (ωRC) ωRC
2
E 1 + (ωRC)
UE
R
UA
7.6.1 Aufgabe 1
7.6.2 Aufgabe 2
Speise am Kanal 1 mit einem Koaxialkabel ein Sinussignal vom Frequenzgenera-
tor ein. Stelle dieses Signal mit dem KO dar. Untersuche mit diesem Signal die
Wirkungsweise des Triggerniveaus und der Triggerflanke.
7.6.3 Aufgabe 3
Experimentelle Bestimmung der Impedanz eines RC-Glieds ZRC .
CH2
+
R
~U E CH1
C Erde von
Frequenz-
_ CH1 & CH2
generator
Baue obige Schaltung auf. Das Verhältnis der Spannungsamplituden ist in Glei-
chung 7.31 berechnet und kann verwendet werden, um die Impedanz des RC-
Glieds zu berechnen.
1
UA ZC UA UA 1
jωC
= = ⇒ |ZRC | = · |ZC | =
UE 1
R + jωC ZRC UE UE ωC
b) Vergleiche diese Werte mit dem aus der Formel gewonnenen theoretischen
Verlauf der Impedanz.
7.6.4 Aufgabe 4
Experimentelle Bestimmung der Phasenverschiebung ϕ eines RC-Glieds:
c
CH2
+
R Differenz-
verstärker
+
~U E CH1
b _
C
_ Erde von CH2
Frequenz-
generator
Da die Spannung über dem Widerstand R mit dem Strom I in Phase ist, kann die
Phasenverschiebung ϕ auch zwischen UR und URC gemessen werden. Wenn Punkt
b (im obigen Schaltbild) direkt mit der Erde des Kanals 1 verbunden wird, ist der
Kondensator über die Erde des KO kurzgeschlossen. Deshalb wird die Spannung
UR über einen Differenzverstärker, dessen Eingangsbuchsen erdfrei sind, gemes-
sen. Für diese Anwendung genügt es, den Differenzverstärker als „black box“ zu
betrachten, dessen Ausgangsspannung gegenüber der Masse gleich der Potenti-
aldifferenz der Eingangsbuchsen ist. (Beachte: wenn wir am Frequenzgenerator
die Anschlüsse + und − vertauschen, wird der Differenzverstärker nicht benö-
tigt; C ist dann die gemeinsame Erde der beiden Kanale des KOs.) Mit dem KO
messen wir nun die Phasenverschiebung der beiden Spannungen UR und URC als
Funktion der Frequenz.
Inhalt
8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
8.2 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
8.3 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
8.3.1 Optisches Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
8.3.2 Fraunhofer’sche Beugung am Gitter . . . . . . . . . . 127
8.3.3 Bohr’sches Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
8.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Zielsetzung
In diesem Versuch geht es darum, die Beugungseigenschaften eines optischen
Gitters zu untersuchen. Zu diesem Zwecke werden Gasentladungsröhren (mit
ein- und mehratomigen Gasen gefüllt) verwendet, welche spektrales Licht aus-
strahlen. Diese Strahlung, welche sich aus einigen genau bestimmten Frequenzen
zusammensetzt, lässt sich mit Hilfe des Atommodelles von Bohr verstehen.
121
122 8 Beugung und Atomspektren
8.1 Einleitung 123
8.1 Einleitung
Beugung versus geometrische Optik
Die geometrische Optik oder Strahlenoptik, welche anwendbar ist bei Linsen und
Spiegeln, geht davon aus, dass sich die Lichtstrahlen geradlinig ausbreiten. Diese
Annahme ist nur zutreffend, falls die Grösse der an- oder durchstrahlten Objekte
die Wellenlänge des Lichtes um ein Vielfaches übertrifft.
Bei der Beugung gelangt Licht an Orte, wo es nach den Gesetzen der geometri-
schen Optik nicht hingelangen kann. Beugungsphänomene treten auf, wenn die
Grösse des „Hindernisses“ (z.B. Spalt oder Gitter) von der gleichen Grössenord-
nung ist wie die Wellenlänge des Lichtes (∼ 500 nm).
Der Ablenkungswinkel bei der Beugung eines Lichtstrahles ist abhängig von der
Wellenlänge des Lichtes. Trifft also Licht mit Strahlung verschiedener Wellenlän-
gen (resp. Frequenz) auf ein Gitter, so wird es in seine spektralen Komponenten
aufgespalten.
Licht von einer Gasentladungsröhre setzt sich aus einigen bestimmten Frequen-
zen zusammen (den Spektrallinien des entsprechenden Atoms oder Moleküls),
die nach dem Gitter einzeln sichtbar werden. Die Emission der entsprechenden
Lichtquanten wird bestimmten Übergängen der Elektronen im Atom zugeordnet.
124 8 Beugung und Atomspektren
8.2 Experiment
Versuchsanordnung
Hinter der vertikal montierten Spektralröhre ist ein horizontal montierter Massstab
aufgestellt. Davor wird das optische Gitter hingestellt (siehe Abb. 8.1). Die Strah-
len, die von der Lichtquelle ausgehen, fallen fast parallel auf das senkrecht zur
Ausbreitungsrichtung stehende Strichgitter. Das Auge glaubt, das zur Wellenlän-
ge gehörende Beugungsmaximum (Spektrallinie) in Y1 resp. Y2 zu sehen. Aus den
Strecken y1 oder y2 lässt sich sinϕ berechnen:
tan ϕ = y
x
(y = Mittelwert aus y1 und y2 )
y
sin ϕ = 1
(x2 +y 2 ) 2
8.2 Experiment 125
Lichtquelle
virtuelles Beugungsbild
y1 y2
Massstab
Y1 Y2
x
Gitter
Beobachter
Versuchsaufgaben
a) Bestimmung der Gitterkonstanten mit dem Mikroskop
Betrachten Sie ein optisches Gitter unter dem Mikroskop. Die Gitterkonstante
kann durch direktes Messen des Abstandes zweier Gitterfurchen grob abgeschätzt
werden.
Fällt Licht auf ein solches Gitter, so wird es gebeugt. Nach dem Huygens’schen
Prinzip gehen von jedem Punkt einer Furche Kugelwellen aus, die sich je nach
Richtung und Wellenlänge durch Interferenz verstärken oder schwächen. Die Rich-
tungen der Beugungsmaxima sind abhängig von der Wellenlänge des einfallenden
Lichtes. Setzt sich das einfallende Licht aus verschiedenen Wellenlängen zusam-
men, so entstehen in verschiedene Richtungen Beugungsmaxima. Eine Folge sol-
cher Maxima, die zu verschiedenen Wellenlängen, d.h. Farben, gehören, bezeich-
net man als Spektrum.
#$%&'(
)*+,-'
" ∆
Für den Winkel ϕ muss also bei einem Hauptmaximum gelten (siehe Abb. 8.2):
128 8 Beugung und Atomspektren
λ
sin ϕ = n · n = 0, 1, 2,. . . (Hauptmaxima) (8.1)
g
g bezeichnet die Gitterkonstante (Abstand zweier benachbarter Spalten). Die
Breite b der Spalten soll klein sein gegenüber g.
Die Rutherford’schen Streuversuche hatten als Modell des Atoms ein Planeten-
system im Kleinen ergeben: die Elektronen bewegen sich, durch die der Gravita-
tionskraft formal gleiche Coulombsche Kraft gehalten, um einen positiven Kern.
Dieses Modell ist aber instabil. Nach den Gesetzen der Elektrodynamik muss
nämlich eine beschleunigte Ladung elektromagnetische Wellen abstrahlen. Die
Elektronen würden also ständig Energie verlieren und schliesslich in den Kern
stürzen.
Das Rutherford’sche Atommodell genügt auch nicht den Beobachtungen bei Beu-
gungsversuchen mit Licht aus leuchtenden Wasserstoffgasen (angeregt z.B. durch
elektrische Spannung). Man findet dabei nämlich, dass nur Licht ganz bestimmter,
diskreter Frequenzen vorkommt, und nicht etwa ein kontinuierliches Spektrum.
Die vorkommenden Frequenzen genügen dabei der sog. Serienformel:
1 1
νmn = R · ( 2
− 2) m = 1,2, . . . ; n = m+1, m+2, . . . (8.2)
m n
mit R =3.288 · 1015 s−1 (Rydberg-Frequenz)
m = 1 : n = 2,3,... Lyman-Serie
m = 2 : n = 3,4,... Balmer-Serie
m = 3 : n = 4,5,... Paschen-Serie
m = 4 : n = 5,6,... Brackett-Serie
Ebenfalls nur diskrete Frequenzen treten beim Photoeffekt (vgl. Literatur) auf,
der sich mit dem korpuskularen Bild von Lichtquanten oder Photonen deuten
lässt, deren Energie
E = hν
beträgt. Dabei ist
2. Diese Bahnen werden durch die Forderung festgelegt, dass der Betrag ihres
Drehimpulses ein ganzzahliges Vielfaches der Einheit h̄ = 2π h
ist. Diese
Forderung heisst die Quantelung des Drehimpulses.
3. Die Bewegung auf diesen Bahnen erfolge strahlungslos. Die Emission von
Strahlung erfolgt in Form von Lichtquanten bei Übergängen von einer Bahn
höherer zu einer Bahn niedrigerer Energie. Es soll also sein:
hνmn = Wn − Wm (8.3)
• Der Atomkern bleibt in Ruhe, d.h. seine Masse wird, verglichen mit der des
Elektrons, als unendlich gross angesehen.
130 8 Beugung und Atomspektren
• Die Elektronenbahnen sind Kreise um den Kern. Das ist ein Spezialfall der
nach der klassischen Physik im Coulomb-Feld möglichen Ellipsenbahnen.
• Trotz der hohen Geschwindigkeit der Elektronen werden relativistische Ef-
fekte nicht berücksichtigt.
Ze2
2
= me rn ωn2 (8.4)
4πε0 rn
Dabei ist
ωn = Kreisfrequenz
Z = Kernladungszahl
rn = Radius der n-ten Bahn
e = Elektronenladung
me = Masse des Elektrons
Von den unendlich vielen dieser Bedingung genügenden Kreisen werden durch
die Drehimpulsquantelung die der folgenden zusätzlichen Bedingung genügenden
ausgesondert:
4πε0 h̄2 2 aH 2
rn = ·n = ·n (8.6)
me Ze2 Z
me Z 2 e 4 1
ωn = 2 3 · 3 (8.7)
(4πε0 ) h̄ n
Der kleinste Radius des H-Atoms (Z = 1, n = 1) hat den Wert
4πε0 h̄2
aH = = 0.53 · 10−10 m = 0.53Å (Bohr’scher Atomradius) (8.8)
me e2
Die potentielle Energie P(r) im Abstand r vom Kern ist gegeben durch
Ze2
Z r
Ze2
P (r) = dr = − (8.9)
∞ 4πε0 r 2 4πε0 r
Die gesamte Energie auf der n-ten Bahn beträgt demnach:
Wn − Wm 1 1
νmn = = RZ 2 ( 2 − 2 ) (8.12)
h m n
Setzt man in (8.11) die universellen Konstanten ein, so erhält man den in (8.2)
angegebenen, experimentell gefundenen Wert für die Rydbergkonstante. Die Fre-
quenzverteilung (Linienspektren) des Einelektronensystems ist damit erklärt:
Der Grundzustand des Wasserstoff-Atoms ist der Zustand tiefster Energie, also
der zur Hauptquantenzahl n = 1; die Energie dieses Zustandes beträgt E0 = W1
= 13.6 eV Die Energie, die notwendig ist, um ein Atom im Grundzustand zu
ionisieren, heisst Ionisierungsenergie. Sie beträgt für das H-Atom also 13.6 eV.
132 8 Beugung und Atomspektren
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25787-::-;8
> !
Mathematischer Anhang
a) Die Beugung am Spalt
r = r0 − x sin ϕ (8.14)
wobei stets r0 x · sin ϕ sein soll. Somit wird aus (8.13), wobei im Nenner der
Amplitude r mit r0 angenähert werden kann:
A
dΨ(ϕ, t) = dx cos(ωt − kr0 + kx sin ϕ) (8.15)
r0
Die totale Lichterregung in P wird durch Integration über alle Elemente dx des
Spaltes erhalten:
AZb
Ψ(ϕ, t) = cos(ωt − kr0 + kx sin ϕ)dx
r0 0
A
= [sin(ωt − kr0 + kb sin ϕ) − sin(ωt − kr0 )] (8.16)
r0 k sin ϕ
A sin( kb sin ϕ
) kb sin ϕ
Ψ(ϕ, t) = b kb sin2ϕ cos(ωt − kr0 + )
r0 2
2
134 8 Beugung und Atomspektren
kb sin ϕ
= Ψ1 (ϕ) cos(ωt − kr0 + )
2
Die Amplitude Ψ1 der von einem Spalt ausgehenden Lichterregung in P ist somit
(die letzten beiden Terme in der cos-Funktion beeinflussen nur die Phasenlage):
A sin( kb sin ϕ
)
Ψ1 (ϕ) = b kb sin ϕ2
(8.17)
r0 2
A2 2 sin2 ( kb sin ϕ
) π
I1 (ϕ) = 2 b 2
|ϕ| < (8.18)
r0 ( kb sin
2
ϕ 2
) 2
2
Dieser Ausdruck vom Typus sinx2 x stellt die Intensitätsverteilung des von einem
Spalt gebeugten Lichtes dar. Der Verlauf der Intensität ist in Abb. 8.5 darge-
stellt. Man erhält
Für ϕ = 0 erhält man trotz der Nullstelle des Zählers ein ausgeprägtes Maximum.
8.3 Theoretische Grundlagen 135
Ebene Kugelwelle
Welle x
P
r
b r0
x ϕ
x=0
x sin ϕ
λ
I1(ϕ)
Wir denken uns nun entsprechend Abb. 8.2 ein ebenes Strichgitter aus Z glei-
chen Spalten der Breite b im Abstand der Gitterkonstanten g voneinander durch
paralleles Licht beleuchtet. Für die von einem einzelnen Spalt im weit entfern-
ten Punkte P (Abstand r0 ) hervorgerufene Lichterregung Ψ(ϕ, t) gilt Gleichung
(8.16). Diesen Ausdruck können wir abgekürzt schreiben:
Für Z solcher Spalten im gegenseitigen Abstand g (Fig. 8.2) hat man die Beiträge
Ψ(ϕ) der einzelnen Spalten zu summieren. Dabei hat man den Phasenunterschied
δz zwischen dem nullten und dem z-ten Spalt zu berücksichtigen.
Für die weitere Rechnung ist es bequem, die cos-Funktion durch den Realteil
ihrer komplexen Darstellung zu ersetzen:
Z−1
Ψ1 (ϕ)Re{ei(ωt−kr(ϕ)−f (ϕ)z) } (8.22)
X
ΨZ (ϕ) =
z=0
Nun ist für komplexe Zahlen die Summe der Realteile gleich dem Realteil der
Summe dieser Zahlen, so dass man schreiben kann
Z−1
i(ωt−kr(ϕ))
e−if (ϕ)z) } (8.23)
X
ΨZ (ϕ) = Ψ1 (ϕ)Re{e
z=0
wobei G(ϕ) den Betrag und F (ϕ) die Phase der Summe bezeichnen.
Indem wir für die Summe den zuletzt geschriebenen Ausdruck setzen, (der natür-
lich explizit ausgerechnet werden könnte), können wir die Lichterregung formal
138 8 Beugung und Atomspektren
schreiben:
Der zeitunabhängige Faktor (Ψ1 (ϕ)G(ϕ)) stellt die Amplitude der Lichterregung
in der Richtung ϕ dar. Die Intensität I erhält man durch Quadrieren der Ampli-
tude:
sin2 ( f (ϕ)Z )
G2 (ϕ) = 2
(8.26)
sin2 ( f (ϕ)
2
)
Setzt man noch die Funktionen Ψ1 (ϕ) aus (8.17) und f (ϕ) aus (8.20) in die For-
meln (8.25) und (8.26) ein, so ergibt sich unter Berücksichtigung von k = 2π λ
endgültig für die Intensität:
A2 b2 sin2 (π b sin ϕ
) sin2 (π g sin ϕ
Z)
IZ (ϕ) = 2
λ
b sin ϕ 2 2
λ
g sin ϕ (8.27)
r0 (π λ ) sin (π λ )
Die Intensität ist also ein Produkt zweier Funktionen von ϕ, von denen die erste
Ψ21 (ϕ) bereits im Anschluss an Formel (8.18) diskutiert worden ist. Die zweite
Funktion G2 (ϕ) ist von der Form ( sin ) . Diese erzeugt Hauptmaxima der In-
Zx 2
sin x
tensität in jenen Richtungen ϕp , für die der Nenner Null wird, d.h. für
)
x = πg sin ϕ
= pπ
oder λ p = ganze Zahl = Ordnungszahl
g sin ϕp = pλ
8.3 Theoretische Grundlagen 139
Diese Formel ist identisch mit der elementar aufgestellten Beziehung (8.1). Die
Lage der Hauptmaxima ist somit unabhängig von der Zahl und Breite der Fur-
chen, sondern nur eine Funktion der Gitterkonstanten g; ihre Höhe wächst dage-
gen quadratisch mit der Furchenzahl z, wie sich leicht einsehen lässt:
Im Ausdruck ( sin ) werden Zähler und Nenner für x = pπ gleichzeitg Null; er
Zx 2
sin x
hat also hier die unbestimmte Form 00 . Mit der Regel von de l’Hôpital findet man
sofort:
( sin Zx
)2 = Z 2( cos Zx
)2 = Z2 (8.28)
sin x x=pπ cos x x=pπ
I( ) 0. Ordnung
1. Ordnung
Hauptmaxima
2. Ordnung
Nebenmaxima
Minima (Z-1 Nullstellen des Zählers) liegen. Mit steigender Furchenzahl nehmen
daher Helligkeit und Schärfe der Beugungsmaxima und damit das Auflösungsver-
mögen des Gitters zu. Der gesamte Intensitätsverlauf der Beugungserscheinung
eines Gitters ist in Abb. 8.6 dargestellt.
8.4 Literatur 141
8.4 Literatur
Bibliothek
Eichler/Kronfeldt/Sahm Das Neue Physikalische Grund- PDA 208
praktikum, Kap. 44, Berlin, 2001
Dicke/Wittke Introduction to Quantum Mechanics, OHA 154
p. 21 ff, Reading, Mass., 1960
Kneubühl Repetitorium der Physik, ODF 216/168
Stuttgart, 1994 ODF 135/136
142 8 Beugung und Atomspektren
9 Radioaktivität
Inhalt
9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
9.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
9.2.1 Aufbau von Atomkernen . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
9.2.2 In der Kernphysik häufig verwendete Begriffe . . . . . 144
9.2.3 Stabile Kerne, Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . 145
9.2.4 Das Zerfallsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
9.2.5 Aktivität, Zählratenmessung, Poissonverteilung . . . . 150
9.2.6 Wechselwirkung der Kernstrahlung mit Materie . . . . 151
9.2.7 Nachweis der Kernstrahlung mit Hilfe eines Zählrohres 154
9.3 Praktische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
9.3.1 Aufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
9.3.2 Aufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
9.3.3 Aufgabe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
9.3.4 Aufgabe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
9.4 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
9.4.1 Dosimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
9.4.2 Biologische Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
9.4.3 Strahlenschutz und natürliche Strahlenbelastung . . . 160
9.4.4 Auszüge aus der Isotopentabelle . . . . . . . . . . . . 162
9.4.5 Massenabsorptionskoeffizient, [µ/%] = cm2 g −1 . . . . . 163
9.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
9.1 Einleitung
In diesem Experiment soll die Absorption von β- oder γ-Strahlung durch Alu-
minium bzw. Blei gemessen werden. Es wird experimentell nachgewiesen, dass
das Absorptionsgesetz seine Berechtigung hat. Nach kurzer Interpretation der
Messresultate werden die Massenabsorptionskoeffizienten der jeweiligen Materia-
lien berechnet.
143
144 9 Radioaktivität
Da nach der Relativitätstheorie Masse eine Form von Energie ist, kann man nach
der Formel E = mc2 Massen auch in Energieeinheiten angeben. Eine in der Kern-
und Teilchenphysik gebräuchliche Energieeinheit ist das Elektronvolt (eV). Dabei
entspricht 1 eV = 1.6 · 10−19 Joule gerade der kinetischen Energie eines durch 1
Volt beschleunigten Elektrons. Für die Angabe der Nukleonenmasse wird häufig
die Einheit 1 MeV = 106 eV verwendet:
mp = 938.3 MeV/c2
mn = 939.6 MeV/c2
=Z
S
Isobare ste
N
ch
hö
60
Z konstant:
Isotope
40
20 N konstant:
Isotone
Z
0 20 40 60 80 100 120
N
Für kleines Z hat ein stabiler Kern ungefähr gleich viele Protonen wie Neutro-
nen. Ab Z ∼= 20 haben alle stabilen Kerne mehr Neutronen als Protonen. Diese
empirische Tatsache findet eine Erklärung im Rahmen des Tröpfchenmodells.
Stellt man sich vor, in Abbildung 9.2 wäre die Masse senkrecht zur N-Z-Ebene
aufgetragen, erhält man ein „Tal“, auf dessen Grund die stabilen Kerne liegen.
Kerne, die sich an den Hängen dieses Tales befinden, können sich durch Aus-
senden von α- oder β-Strahlen in andere Kerne umwandeln und sich so dem
Talgrund nähern. Aus dem Tröpfchenmodell folgt, dass der α-Zerfall energetisch
nur für Kerne mit A ≥ 150 möglich ist.
Meistens entsteht nach einem α- oder β-Zerfall ein angeregter Tochterkern, der
die Anregungsenergie in Form vom γ-Strahlung emittiert. Die Masse eines Kerns
setzt sich zusammen aus den Massen der Nukleonen und dem Massenäquivalent
der Bindungsenergie B.
B
m(Z, N ) = Zmp + N mn − (9.1)
c2
Die Bindungsenergie der Nukleonen ist in Abbildung 9.3 aufgetragen.
9.2.3.1 α-Zerfall
A
ZE
A-4
→ Z-2 X + α + Energie
146 9 Radioaktivität
100
β+ 2
α
Z
1
−
β
1
90 1
60 70
N
235
92 U
231
Beispiel: → 90 Th + α + 4.5 MeV
Ein α-Teilchen ist ein 42He-Kern. Die Energie der α-Strahlen verschiedener Isotope
variiert zwischen 2 und 10 MeV. Bei den α-Strahlen eines bestimmten Isotops ist
die Reichweite (einige cm in Luft) für alle α ungefähr gleich, d.h. alle haben
dieselbe Energie. Das diskrete Energiespektrum des α-Zerfalls ist in Abbildung
9.4 dargestellt.
9.2.3.2 β − -Zerfall
A
ZE Z+1 X
A
→ + β − + ν + Energie
23
10 Ne
23
Beispiel: → 11 Na + β − + ν + 4.5 MeV
Beim β − -Zerfall verwandelt sich im Kern ein Neutron n in ein Proton p, ein
Elektron (β − ) und ein Antineutrino (ν). Der β-Zerfall tritt also dann auf, wenn
der n-Überschuss in einem Kern allzu gross ist. Die Reichweite des neben dem
Antineutrino zugleich emittierten Elektrons kann in Luft einige Meter betragen.
Man findet, dass im Gegensatz zum α-Zerfall das β − -Spektrum kontinuierlich ist,
wie dies in Abbildung 9.5 dargestellt ist. Diese Tatsache kann nur dann mit dem
Energieerhaltungssatz in Einklang gebracht werden, wenn man annimmt, dass
die für den Zerfall zur Verfügung stehende Energie Emax auf das Elektron und
das Antineutrino verteilt wird:
Emax = Ee + Eν (9.2)
9.2 Theoretische Grundlagen 147
8
B/A (in MeV pro Nukleon)
2
0 8 16 24 30 60 90 120 150 180 210 240
Nukleonenzahl A
Das Antineutrino trägt also Energie weg; es besitzt aber keine Ruhemasse und
keine elektrische Ladung und es tritt mit Materie sehr viel weniger in Wechsel-
wirkung als etwa γ-Strahlung, d.h. es kann dickste Materialschichten ungehindert
durchdringen. Damit hat es aber auch keine Wirkung auf den menschlichen Kör-
per.
9.2.3.3 β + -Zerfall
A
ZE Z-1 X
A
→ + β + + ν + Energie
23
12 Mg
23
Beispiel: → 11 Na + β + + ν + 3.1 MeV
Im Kern verwandelt sich ein Proton p in ein Neutron n, ein Positron (β + oder e+ )
und ein Neutrino ν. Obwohl die Ruhemasse eines Protons etwas kleiner ist als die
Ruhemasse eines Neutrons, kann in einem Kern diese Umwandlung stattfinden,
weil dabei für den gesamten Kern ein energetisch tieferer Zustand erreicht wird.
Das Energiespektrum ist ähnlich wie beim β − -Zerfall. Sobald das Positron seine
kinetische Energie (v.a. durch Ionisation) verloren hat, zerstrahlt es mit einem
Elektron der Umgebung zu zwei γ-Quanten von je 0.51 MeV Energie (Ruhemasse
des Elektrons = Ruhemasse des Positrons = 0.51 MeV).
148 9 Radioaktivität
dW(E)
dE
Eα E
9.2.3.4 Elektronen-Einfang
A
ZE Z-1 X
A
+ e−
k → + ν + Energie
Aus einem Kern entsteht der gleiche Endkern wie beim β + -Zerfall, wenn ein
Elektron aus der Hülle eingefangen wird, meist aus der K-Schale. Dabei entsteht
aus einem Proton des Kerns und dem Elektron ein Neutron, und allfällige Anre-
gungsenergie des Kerns wird als γ-Strahlung ausgesandt. Nach dem Einfang des
K-Elektrons bleibt ein Loch in der Hülle, welches durch ein Elektron aus einer
äusseren Schale aufgefüllt wird. Dabei wird Röntgenstrahlung ausgesandt, deren
Wellenlänge λ für das betreffende Element charakteristisch ist.
9.2.3.5 γ-Zerfall
dW(E)
dE
E
E max
Die Zahl der Teilchen, die pro Zeiteinheit zerfällt, ist proportional der Anzahl vor-
handener radioaktiver Kerne. (Temperatur- oder Druckänderungen haben keinen
Einfluss; auch das Alter der einzelnen Kerne nicht.)
N(t)
N0
N0
2
N0
4
Τ1/2 2Τ1/2 t
Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen eines Ereignisses bei einem Zufalls-
experiment sei p. Die Frage, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass bei N
Versuchen das Ereignis genau k-mal eintrifft, führt auf die Binominalverteilung
(Bernoulli-Verteilung, vgl. Skript über Statistik). Eine Quelle von N instabilen
Kernen entspricht dem Bernoulli-Experiment: Man kennt die Wahrscheinlichkeit
für das Zerfallen des einzelnen Kerns im Intervall ∆t. Die N Versuche führt man
jetzt nicht nacheinander, sondern gleichzeitig mit N identischen Kernen aus. Vor-
aussetzung: ∆t T1/2 . Damit ändern N und p praktisch nicht mit der Zeit, und
9.2 Theoretische Grundlagen 151
p 1 ist erfüllt.
Die zufällige Grösse k = „Anzahl Zerfälle im Intervall ∆t“ ist also binomial ver-
teilt: !
N k
p(k) = p (1 − p)N −k (9.6)
k
Für den Grenzfall N → ∞, p → 0 (Mittelwert µ = N · p = konst.) geht die
Binomialverteilung in die Poissonverteilung über:
µk −µ
pµ = e , (9.7)
k!
wobei µ der Mittelwert ist.
Beim Ausmessen einer radioaktiven Quelle besteht das Problem darin, aus der
gemessenen Anzahl Impulse k im Intervall ∆t den unbekannten Mittelwert µ
zu „schätzen“. Es lässt sich zeigen, dass der unbekannte
√ √ Mittelwert mit einer
Wahrscheinlichkeit von 68% im Intervall [k − k, k + k] liegt. Diese Aussage
gilt exakt für µ → ∞.
In der Materie verliert ein γ-Quant seine Energie durch Photoeffekt, Compton-
streuung und Paarbildung.
e- (Ekin)
E γ = h ν = hω
hν’
β
hν α
e- (Ekin)
• Paarbildung: Eγ ≥ 1 MeV
Aus elektromagnetischer Strahlung entsteht in der Nähe eines schweren
Kernes Materie: ein Elektron und ein Positron. Eγ muss grösser sein als die
Ruheenergie von e+ und e− . Das abgebremste e+ zerstrahlt mit einem e−
zu zwei γ von je 0.51 MeV.
Absorptionsgesetz
Haben wir ein dünnes Blättchen der Dicke d eines bestimmten Materials, so sagt
der Absorptionskoeffizient µ, welcher Bruchteil der auftreffenden Photonen dar-
in absorbiert wird. Der Absorptionskoeffizient µ hängt neben der γ-Energie auch
vom Absorbermaterial ab. µ ist proportional zur Dichte des Materials, da die Ab-
sorption sicher von der Menge des Materials abhängt, das durchdrungen werden
muss. Eine wirkliche Materialkonstante (unabhängig von der gerade vorliegenden
Dichte) ist µm . Die „Dicke“ eines Absorbers wird dann als d·% [g/cm2 ] angegeben.
9.2 Theoretische Grundlagen 153
-
e
γ
(E = 0.51 MeV)
hν
e+ γ
(E = 0.51 MeV)
Absorber
Detektor
hν
hν
dx
x
9.2.6.2 β-Strahlung
Im Unterschied zum Photon verursacht das Elektron beim Durchgang durch Ma-
terie sehr viele Reaktionen. In inelastischen Stössen mit Hüllenelektronen verliert
es seine Energie in vielen kleinen Portionen. Da die Reaktionswahrscheinlich-
keit von der Energie abhängt, ist sie in jeder Schicht ein wenig anders. Da die
von einer Quelle beim Absorber eintreffenden Elektronen nicht monoenergetisch
sind, sondern ein kontinuierliches Energiespektrum haben, ist ein kompliziertes
Absorptionsgesetz zu erwarten. Bemerkenswerterweise gilt für nicht zu grosse
Absorberdicken immer noch das Exponentialgesetz
J = J0 · e−µx (9.12)
9.2.6.3 α-Strahlung
Auch α-Strahlen verlieren ihre Energie durch viele Stösse mit Hüllenelektronen.
α-Strahlen sind monoenergetisch und werden kaum gestreut (mα me ). Deshalb
haben sie in Materie eine einheitliche Reichweite.
154 9 Radioaktivität
C
Uout
Draht
I+
U
e-
Uout
R
HV
Beim Durchgang von α-, β- und γ-Strahlen wird das Füllgas (meistens ein Edel-
gas) ionisiert. Die Elektronen wandern im angelegten Feld zum Draht und die
positiven Ionen zur Wand.
Das Zählrohr kann als geladener Kondensator aufgefasst werden. Die Ladungs-
verschiebung durch die wandernden Elektronen und Ionen erzeugt einen Span-
nungsimpuls, der verstärkt und registriert wird.
Unter der Charakteristik eines Zählrohres versteht man das Verhältnis von Elek-
tronen, die auf den Anodendraht gelangen und die eintreffenden ionisierenden
Teilchen in Abhängigkeit der am Zählrohr angelegten Spannung. Die Graphen 1,
2 und 3 in Abbildung 9.12 gehören zu ionisierenden Teilchen mit unterschiedlicher
Energie. Die Elektronik eines Geiger-Müller-Zählrohres registriert nur Stromstös-
se, die oberhalb des Diskriminationsniveaus liegen.
Arbeitsbereiche:
Je nach der angelegten Spannung arbeitet das Zählrohr verschieden: Die ver-
schiedenen Arbeitsbereiche eines Zählrohres werden in 9.12 dargestellt. Die ioni-
sierenden Teilchen erzeugen entsprechend ihrer unterschiedlichen Energien eine
unterschiedliche Anzahl Elektronen. Im Bereich A erreichen nicht alle erzeugten
9.2 Theoretische Grundlagen 155
A B C D E F
#e -, die auf Anodendraht gelangen
Diskri-
minator-
niveau
U (Zählrohrspannung)
I
Plateau
3 2 1
US (1) UE UB
U (Zählrohrspannung)
9.3.2 Aufgabe 2
Aufnehmen einer Poisson-Verteilung: ca. 100 Messungen der Impulszahl pro Zei-
tintervall (z.B. 10 sec), wobei pro Zeitintervall etwa 5 bis 10 Impulse gemessen
werden sollen (stark abgeschirmtes Präparat). Berechnen Sie aus den Messungen
den Mittelwert und daraus die theoretische Verteilung. (Graphische Darstellung
der experimentellen und der theoretischen Verteilung.)
9.3.3 Aufgabe 3
Bestimmen Sie mit der Nuklidkarte die Zerfallsreihe von 238
U. Was bedeuten die
Farben und Angaben in den Feldern?
9.3.4 Aufgabe 4
Abschirmung von radioaktiver Strahlung (die Zerfallsschemata von 60Co und 90Sr
sind im Anhang zu finden):
9.4 Anhang 157
3. 60
Co-Präparat ohne Abschirmung, mit 2, 4, 6, 8 und 10 mm Blei-Abschirmung
(jeweils 1000 Impulse messen). Nulleffekt abziehen und Impulsrate (mit
Fehler) berechnen. Graphische Darstellung auf halblogarithmischem Papier.
Interpretation?
9.4 Anhang
9.4.1 Dosimetrie
Im Folgenden werden einige Artikel aus dem schweizerischen „Bundesgesetz über
das Messwesen“ vom 9. Juni 1977 wiedergegeben:
1 Bq = 1 Zerfall/s
1 Gy = 1 J/kg
Eine besondere Einheit für die Energiedosis ist das Rad (rd).
1 rd = 0.01 Gy
Eine besondere Einheit für die Ionendosis ist das Röntgen (R).
1 R = 0.000258 C/kg
9.4 Anhang 159
Man definiert dann die biologische Einheit der Strahlendosis so, dass sich nähe-
rungsweise für gleiche Dosis gleiche Wirkung ergibt:
Die effektive Aequivalentdosis ist als Summe von gewichteten Organdosen defi-
niert; sie stimmt mit der Ganzkörperdosis überein, wenn alle Organe gleichmässig
bestrahlt werden.
Schäden
Einzelpersonen der Bevölkerung: 0.5 rem pro Jahr. (In der Schweiz gilt ferner
die Richtlinie, dass keine Einzelpersonen der Bevölkerung durch Emission eines
Kernkraftwerks mit mehr als 0.02 rem pro Jahr belastet werden dürfen.)
Künstliche Quellen
Röntgendiagnostik 49 (1978, mittlere Gonadendosis)
Nuklearmedizin 10 (1976, mittlere Gonadendosis)
Fallout Kernwaffenversuche (1982) ≤4
Leuchtziffern, TV, Rauchen ∼ 1 (bis einige mrem/Jahr)
berufl. Strahlenexponierte (1982) 0.3
Nuklearindustrie und Kernkraftwerke 1 (nur Normalbetrieb)
Total Gonadendosis ca. 60
9.4 Anhang 161
Beim Vergleich zwischen den medizinisch bedingten und den natürlichen Strah-
lenbelastungen muss berücksichtigt werden, dass in der Medizin wesentlich höhere
Dosisleistungen zur Anwendung kommen, so dass deren Wirksamkeit im Vergleich
zur Wirkung der natürlichen Strahlung grösser sein kann.
162 9 Radioaktivität
5.27 y
60
27 Co
1.17323 2.5057
2.286
0.7 ps
1.33248 1.3325
60
28 Ni
29.1 y
90
38 Sr
90
39 Y
62 ns
1.75
90
40 Zr
9.4 Anhang 163
hν Ar K Ca Fe Cu Mo Sn I W Pb U H2 0
keV
10 64.5 80.9 96.5 173. 224. 86.2 141. 161. 95.5 133. 178. 5.18
15 19.9 25.0 30.1 56.4 74.2 28.2 47.0 55.2 142. 115. 63.9 1.58
20 8.53 10.8 13.0 25.5 33.5 81.7 21.3 26.0 67.0 85.7 71.0 0.775
30 2.62 3.30 3.99 8.13 10.9 28.8 41.3 8.67 23.0 29.7 41.0 .370
40 1.20 1.49 1.78 3.62 4.89 13.3 19.4 22.7 10.7 14.0 19.7 .267
50 0.687 0.843 0.998 1.94 2.62 7.20 10.7 12.6 5.91 7.81 11.1 .227
60 .460 .560 .648 1.20 1.62 4.41 6.53 7.78 3.65 4.87 6.46 .206
80 .275 .324 .365 0.595 0.772 2.02 3.02 3.65 7.89 2.33 3.35 .114
100 .204 .233 .256 .370 .461 1.11 1.68 2.00 4.43 5.40 1.91 .171
150 .143 .158 .168 .196 .223 0.428 0.614 0.714 1.57 1.97 2.56 .151
200 .121 .132 .138 .146 .157 .245 .328 .372 0.777 0.991 1.28 .137
300 .0996 .108 .112 .110 .112 .139 .164 .178 .320 .404 0.509 .119
400 .0878 .0949 .0979 .0940 .0941 .105 .116 .122 .190 .231 .286 .106
500 .0795 .0859 .0885 .0840 .0836 .0883 .0946 .0976 .136 .161 .193 .0968
600 .0733 .0792 .0814 .0769 .0762 .0788 .0816 .0835 .108 .125 .146 .0896
800 .0641 .0692 .0712 .0669 .0660 .0661 .0669 .0676 .0799 .0885 .0997 .0786
MeV
1 .0576 .0621 .0639 .0599 .0589 .0583 .0578 .0581 .0654 .0708 .0776 .0707
1.5 .0470 .0506 .0520 .0488 .0480 .0470 .0463 .0464 .0497 .0517 .0548 .0575
2 .0407 .0439 .0453 .0425 .0420 .0415 .0410 .0411 .0437 .0455 .0475 .0494
3 .0338 .0366 .0378 .0362 .0360 .0366 .0367 .0370 .0402 .0418 .0438 .0397
4 .0302 .0328 .0340 .0331 .0332 .0349 .0355 .0359 .0400 .0416 .0435 .0340
5 .0280 .0306 .0317 .0314 .0318 .0344 .0354 .0359 .0407 .0424 .0445 .0303
6 .0267 .0291 .0303 .0305 .0310 .0343 .0357 .0364 .0416 .0435 .0455 .0277
8 .0251 .0276 .0289 .0298 .0306 .0350 .0369 .0378 .0439 .0459 .0480 .0243
10 .0244 .0270 .0283 .0298 .0308 .0362 .0385 .0395 .0464 .0484 .0506 .0222
15 .0244 .0268 .0283 .0307 .0323 .0393 .0425 .0438 .0524 .0548 .0573 .0194
20 .0244 .0273 .0289 .0321 .0339 .0470 .0461 .0476 .0577 .0606 .0636 .0181
30 .0255 .0286 .0305 .0345 .0368 .0470 .0517 .0536 .0659 .0696 .0733 .0171
40 .0266 .0299 .0319 .0365 .0391 .0505 .0557 .0578 .0716 .0757 .0799 .0167
50 .0275 .0310 .0331 .0382 .0410 .0532 .0588 .0611 .0760 .0804 .0850 .0167
60 .0284 .0319 .0342 .0394 .0425 .0553 .0613 .0637 .0794 .0841 .0889 .0167
80 .0296 .0334 .0358 .0416 .0448 .0586 .0651 .0676 .0845 .0896 .0948 .0170
100 .0306 .0345 .0370 .0432 .0465 .0609 .0677 .0704 .0881 .0934 .0984 .0172
150 .0325 .0368 .0394 .0458 .0494 .0648 .0721 .0750 .0939 .0996 .106 .0178
200 .0334 .0377 .0005 .0475 .0511 .0672 .0748 .0778 .0976 .103 .110 .0182
300 .0348 .0393 .0422 .0494 .0532 .0700 .0780 .0811 .102 .108 .115 .0188
400 .0356 .0402 .0432 .0506 .0544 .0716 .0798 .0830 .104 .111 .117 .0192
500 .0361 .0408 .0438 .0514 .0552 .0727 .0810 .0842 .106 .112 .119 .0195
600 .0365 .0412 .0443 .0519 .0558 .0735 .0819 .0851 .107 .113 .121 .0197
800 .0371 .0419 .0450 .0427 .0566 .0745 .0831 .0864 .108 .115 .122 .0200
GeV
1 .0375 .0423 .0455 .0532 .0572 .0753 .0838 .0871 .109 .116 .123 .0202
1.5 .0380 .0429 .0461 .0539 .0579 .0762 .0849 .0884 .111 .118 .125 .0205
2 .0382 .0432 .0464 .0543 .0583 .0767 .0856 .0890 .111 .118 .126 .0206
3 .0386 .0436 .0468 .0548 .0588 .0773 .0862 .0896 .112 .119 .127 .0208
4 .0387 .0438 .0470 .0550 .0590 .0777 .0864 .0900 .113 .120 .127 .0210
5 .0389 .0439 .0472 .0551 .0591 .0779 .0867 .0902 .113 .120 .128 .0210
6 .0389 .0440 .0473 .0552 .0593 .0780 .0868 .0904 .113 .120 .128 .0211
8 .0391 .0441 .0474 .0554 .0594 .0781 .0870 .0905 .113 .120 .128 .0211
10 .0391 .0442 .0475 .0555 .0595 .0783 .0871 .0906 .114 .121 .128 .0212
15 .0392 .0443 .0476 .0556 .0596 .0785 .0873 .0908 .114 .121 .129 .0213
20 .0393 .0443 .0477 .0556 .0596 .0785 .0874 .0910 .114 .121 .129 .0213
30 .0393 .0444 .0477 .0557 .0598 .0786 .0875 .0911 .114 .121 .129 .0213
40 .0393 .0445 .0477 .0557 .0598 .0786 .0876 .0911 .114 .121 .129 .0213
50 .0393 .0445 .0478 .0558 .0598 .0786 .0877 .0911 .114 .121 .129 .0213
60 .0394 .0445 .0478 .0558 .0598 .0787 .0877 .0912 .114 .121 .129 .0214
80 .0394 .0445 .0478 .0558 .0598 .0788 .0877 .0912 .114 .121 .129 .0214
100 .0394 .0445 .0478 .0555 .0598 .0788 .0877 .0912 .114 .121 .129 .0214
164 9 Radioaktivität
9.5 Literatur
Evans The Atomic Nucleus
Gerthsen/Kneser/Vogel Physik, Kapitel 13 (18. Auflage)
Marmier Kernphysik I
Mayer/Kuckuck Kernphysik
Segrè Nuclei and Particles
Einleitung
Diese Anleitung zur Fehlerrechnung soll den Studierenden als Einführung und als
Nachschlagewerk zum ständigen Gebrauch während des Praktikums dienen.
Voraussetzungen
Beim Messen physikalischer Grössen nehmen wir immer gewisse Voraussetzungen
als gegeben an, die nicht selbstverständlich sind.
• Es gibt Messeinheiten, die weder vom Ort noch von der Zeit abhängig sind.
Mit derartigen Fragen und dem Problem, wie weit der Mensch überhaupt fähig
ist, Dinge wirklich sicher wahrzunehmen, beschäftigt sich die Erkenntnistheorie,
ein Zweig der Philosophie.
165
166 A Fehlerrechnung
Einerseits hat wohl sogar Albert Einstein hin und wieder einen Fehler gemacht.
Anderseits wird hier das Wort „Fehler“ in einem ganz anderen Sinn verwendet.
„Fehler“ steht hier für „geschätzte Abweichung vom wahren Wert“.
Den wahren Wert kennen wir nie genau. Die Fehlerrechnung soll ein Mass für die
zu erwartende Abweichung der Messergebnisse vom „wahren Wert“ liefern. Die
Abweichungen sind eine Folge der beschränkten Genauigkeit jeder Messung.
Der Ausdruck „Fehlerrechnung“ ist zwar allgemein üblich, aber teilweise irrefüh-
rend: Einerseits geht es nicht um Fehler im üblichen Sinn, anderseits findet man
mit Rechnen allein die Antwort auf die oben aufgeführten Fragen nicht.
Wollen wir die mittlere Fallgeschwindigkeit eines Apfels vom Ast auf den Boden
bestimmen, müssen wir die Höhe des Astes und die Fallzeit messen und die mitt-
lere Fallgeschwindigkeit aus den Messergebnissen ausrechnen. Die Bestimmung
der Fallgeschwindigkeit ist eine indirekte Messung.
Würden nur die Resultate indirekter Messungen notiert, wäre es später unmög-
lich, allfällige Rechen- oder Programmierfehler zu finden. Schon die Umrechnung
A Fehlerrechnung 167
Zum Einen werden wir die Amplitude nie ganz genau ablesen können. Wieder-
holen wir die Messung, werden wir jedesmal ein etwas anderes Resultat erhalten.
Je häufiger wir die Messung wiederholen, desto genauere Aussagen über die Am-
plitude können wir machen.
Zum Andern lässt sich nicht vermeiden, dass nach dem Anstossen das Pendel be-
reits während des ersten Ausschlags einen Teil seiner kinetischen Energie durch
Luftreibung verliert. Dieser Einfluss wird nicht kleiner, auch wenn wir noch so
oft messen.
Die erste Art Fehler nennen wir statistische Fehler, die zweite systematische Feh-
ler.
Statistische Fehler
Statistische Fehler sind auf eine Vielzahl kleiner Störeinflüsse zurückzuführen, die
die Messergebnisse in von Messung zu Messung wechselnder Weise verändern. Sie
lassen sich mit Methoden der Statistik abschätzen und durch Vergrösserung der
Anzahl Messungen reduzieren.
Systematische Fehler
Systematische Fehler sind Abweichungen, die die Ergebnisse aller Messungen ei-
ner Grösse, die mit einer bestimmten Messmethode ausgeführt werden, im glei-
chen Sinn verfälschen. Sie sind schwieriger zu beurteilen. Oft sind sie nur schwer
zu erkennen. Zu ihrer Abschätzung gibt es keine allgemeinen Regeln, und ihre
Ursachen sind vielfältig.
168 A Fehlerrechnung
Vermutlich läuft das Grammophon regelmässig; aber wir starten und stoppen
die Zeit nur auf etwas weniger als eine Zehntelsekunde genau, weshalb wir fast
jedes Mal einen anderen Wert ablesen. Als zusammenfassendes Resultat unserer
zwanzig Messungen sollten wir aber einen Schätzwert für die wahre Umlaufszeit
angeben. Mit einer weiteren Zahl sollte das Streuen der Messwerte quantitativ
beschreiben werden.
Ein Mass für die Streuung der einzelnen Messwerte ist die Standardabweichung:
v
u N
1 X
(A.2)
u
sx = t (xi − x)2 .
N − 1 i=1
Neben der Standardabweichung sx spricht man such von der Varianz s2x . Die
Standardabweichung, auch Streuung der Einzelmessungen genannt, ist nicht von
der Anzahl Messungen abhängig, weil alle unsere Messungen nach der gleichen
Messmethode ausgeführt werden.
Aufgabe: Berechne den Mittelwert und die Standardabweichung für das Beispiel
in A. [Lösung: x = 1.817s, sx = 0.053s]
Aufgabe: Zeige, dass die Summe (xi − c)2 am kleinsten wird für c = x. Was
P
bedeutet das?
Spezialfälle
Beispiele:
• Digitale Messgeräte, die nur so viele Stellen anzeigen, wie ihrer Eichgenau-
igkeit entspricht.
Der Raster der möglichen Anzeigewerte ist bei diesen Geräten so grob, dass klei-
ne Schwankungen der Messwerte gar nicht bemerkt werden. Meistens kann aus
der Feinheit des Rasters ungefähr auf die Genauigkeit eines Gerätes geschlossen
werden.
Beachte: Wir haben einen Mittelwert bestimmt. Wir können nur voraussagen,
dass die aus vielen weiteren Sätzen von N Messungen gewonnenen Mittelwerte
mit sx streuen würden.
Beispiel:
Bemerkung: Als „Messung“ können wir statt jeder einzelnen der N Beobach-
tungen auch die Gruppe von N Beobachtungen ansehen, die das Resultat T für
die Grösse T liefert. Darum ist es logisch, als Fehler des Resultats immer die
Streuung der Mittelwerte anzugeben.
A Fehlerrechnung 171
Wir haben in einer Serie von N Messungen von einer Beobachtungsgrösse den
Mittelwert x und seinen Fehler sx bestimmt. Es stellt sich nun die Frage, welchen
Wert wir für eine von x abhängige Grösse f (x) (indirekte Messung) angeben
sollen.
Wir könnten natürlich die fi = f (xi ) berechnen und den Mittelwert f dieser N
Funktionswerte angeben. sf , der Fehler von f , könnte dann aus den fi bestimmt
werden.
Gesucht ist aber eine Methode, die es erlaubt, f und sf näherungsweise direkt
aus x und sx zu berechnen. Man kennt nämlich nicht immer alle Messwerte xi ,
aus welchen x und sx berechnet worden sind.
Die ersten zwei Terme der Entwicklung von f (x) in eine Taylorreihe erfüllen für
kleine dx die Näherung:
f (x + dx) ∼
= f (x) + f 0 (x) · dx (A.4)
Das heisst: Sind an einer Stelle x die Werte der Funktion f (x) und ihrer Ablei-
tung f 0 (x) ≡ dfdx
(x)
bekannt, so lässt sich der Funktionswert an einer Nachbarstelle
x + dx nach obiger Formel annähern. Die Näherung wird besser, je kleiner der
Abstand dx ist.
Da wir (hoffentlich) in den meisten Fällen nicht mit grossen Fehlern zu arbeiten
172 A Fehlerrechnung
f(x+dx)
df=f’(x)dx
f(x)
dx
x x+dx
fi ≡ f (xi ) ∼
= f (x) + dfi (A.5)
Näherung für f : Bei der Mittelbildung f = N1 fi verschwindet die Summe
PN
i=1
der Abweichungen (xi − x) und daher gilt:
f∼= f (x) (A.6)
Näherung für sf :
N
1 1 X
s2f ∼
= (fi − f )2
N N − 1 i=1
N
∼ 1 1 X
= df 2
N N − 1 i=1 i
!2 N
∼ 1 1 df (x)
(dxi )2 (A.7)
X
=
N N −1 dx x=x i=1
Dies bedeutet:
!2 !
∼ df (x) df
sf2 = sx2 oder sf ∼
= sx (A.8)
dx x=x
dx x=x
Wird einmal nur der zahlenmässige Wert von sf gesucht, kann die Formel von
Taylor wie folgt verwendet werden:
!
df
sf ∼
=
sx
∼
= |f (x + sx ) − f (x)| (sx anstelle von dx) (A.9)
dx x=x
Hat man einen programmierbaren Taschenrechner, braucht man dann nur die
Formel für f (x) einzugeben und f 0 (x) braucht gar nicht ausgerechnet zu werden.
A Fehlerrechnung 173
1. Lineare Funktion
f (x) = ax (a = const.)
!
df
= a
dx x=x
sf2 ∼
= a2 s2x oder
sf ∼
= |a|sx
Dieser Ausdruck wird einfacher, wenn mit dem relativen statt dem absoluten
Fehler gerechnet wird:
sf sx
∼
=
f x
2. Hyperbel
1
f (x) =
! x
df 1
= −
dx x=x
x2
1 2
s2f ∼
= s oder
x4 x
∼ 1
sf = 2 sx
x
3. Potenzfunktion
f (x) = xb
f ∼
= xb
!
df
= bxb−1
dx x=x
s2f ∼
= (bxb−1 )2 sx2 oder
sf ∼
=
b−1
bx sx
sf sx
∼
= |b|
f x
4. Berechnen Sie sf selber für:
f (x) = sin x
f (x) = cos x
f (x) = ex
f (x) = 5x2 + k (k konstant)
f (x) = ax2 − bx (a, b konstant)
174 A Fehlerrechnung
Etwas schwieriger wird es, wenn die zu berechnende Grösse f von zwei mit Fehlern
behafteten Beobachtungsgrössen x und y abhängt: f = f (x, y). Die Formel von
Taylor lautet hier
fi ≡ f (xi , yi ) ∼
= f (x, y) + dfi (A.10)
für kleine dxi und dyi und mit
! !
∂f ∂f
dfi = dxi + dyi . (A.11)
∂x x,y
∂y x,y
Dabei steht der Ausdruck ∂f
∂x y,...,z
für eine partielle Ableitung der Funktion
f (x, y, ..., z) von mehreren Variablen nach der Variablen x. Darunter versteht
man eine herkömmliche Ableitung, bei der jedoch die anderen Variablen (hier
y, ..., z) als Konstanten betrachtet werden. Die Funktion f kann natürlich nach
jeder ihrer Variablen partiell abgeleitet werden.
Wäre sy = 0, so hätten wir den früher behandelten Fall der Abhängigkeit von
nur einer Variablen !2
∂f
s2f ∼
= s2 (A.13)
∂x x,y x
Für sx > 0, sy > 0 könnte man also auch schreiben:
stehen. Dies ist das Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauss für f (x, y). In Worten
ausgedrückt lautet es: Die von sx herrührenden Fehler sf (x) und die von sy her-
rührenden Fehler sf (y) werden quadratisch addiert.
Die Erweiterung auf eine mehrdimensionale Funktion lässt sich leicht erraten:
sf2 (x,y,z,...) = s2f (x) + s2f (y) + s2f (z) + ... (A.16)
A Fehlerrechnung 175
1. Summe:
f = x+y
f ∼
= x+y
! !
∂f ∂f
= 1 =1
∂x ∂y
s2f = s2x + s2y quadratische Addition der absoluten Fehler
2. Aufgabe: f = x − y
3. Produkt:
f = x·y
f ∼
= x·y
! !
∂f ∂f
= y =x
∂x ∂y
s2f = y 2 · s2x + x2 · s2y oder
s2f s2x s2y
2 = + quadratische Addition der relativen Fehler
f x2 y 2
4. Aufgabe: f = x
y
5. Konkretes Beispiel: Wir wollen mit Hilfe eines mathematischen Pendels die
Erdbeschleunigung g bestimmen. Wie genau können wir das?
Wenn L die Länge des Pendels ist und T seine Schwingungsdauer, so gilt
L 1/2
!
T = 2π
g
Bemerkung: Die Schätzwerte für L und T sowie ihre Fehler haben wir
zwar aus einer Mittelwertbildung erhalten, aber für die Fehlerfortpflanzung
spielt das keine Rolle. Wir schreiben deshalb L, T , sL und sT statt L, T ,
sL und sT .
176 A Fehlerrechnung
∂g 4π 2
sg(L) = s = sL
∂L L T2
∂g −8π 2 L
sg(T ) =
s
=
s
∂T T T3 T
Aufgabe: Wie schreibt man das Resultat für g für T = (2.0 ± 0.02) s und
L = (99.8 ± 0.3) cm?
• Die Streuung des Endresultats ist kleiner als die Summe der Streuungen
der einzelnen Messgrössen (quadratische Addition): sf < sf (x) + sf (y) .
• Die partielle Ableitung gibt das Gewicht an, das die Streuung einer einzel-
nen Messgrösse im Endresultat hat.
• Oft wirkt sich die Streuung einer Beobachtungsgrösse viel stärker auf das
Endresultat aus als die Streuung der übrigen Grössen, so dass diese ver-
nachlässigt werden können. Eine grobe Abschätzung erspart oft mühsames
Rechnen.
Systematische Fehler
Systematische Fehler der Beobachtungsgrösse
Ursachen systematischer Fehler: Beispiele
1. Kleine Einflüsse, die oft nur schwer zu erfassen sind, werden vernachlässigt:
• Luftreibung
• Widerstand elektrischer Leitungen
• Reibungskräfte in Lagern
A Fehlerrechnung 177
• Abbrechen lassen von Reihen nach wenigen Gliedern: z.B. β statt sin β
für kleine Winkel
• Anwenden von linearen und beschränkt gültigen Gesetzen an Stelle
von allgemeineren, komplizierteren Gesetzen
3. Fehler an Messgeräten:
4. Grobfahrlässige Fehler:
1. Solche Fehler sind grundsätzlich nie ganz zu vermeiden. Man sollte aber im-
mer versuchen, die Grössenordnung eines störenden Einflusses abzuschät-
zen. Was immer möglich ist und stets gemacht werden muss: Im Versuchs-
bericht auf mögliche Fehlerquellen hinweisen.
4. Besteht der Verdacht auf ein Missgeschick dieser Art, hilft nur eines: Über-
prüfen und eventuelles Wiederholen der Messung.
178 A Fehlerrechnung
Es gibt keine allgemin gültige Regel, wie sich systematische Fehler fortpflanzen.
Ein Fall, wo ein systematischer Fehler wie ein statistischer Fehler quadratisch
zu den übrigen Fehlern addiert werden kann, ist der Eichfehler eines Voltmeters
(z.B. 1%), wenn man ihn als Standardabweichung der Messungen auffasst, die
man mit vielen Geräten desselben Typs ausführen könnte. Man schaut also das
Voltmeter als Stichprobe mit N = 1 an, wobei sx bekannt ist.
Es ist ein wesentliches Ziel des Praktikums, die Suche nach systematischen Feh-
lern und den Umgang mit ihnen zu üben.
Formelsammlung
Direkte Beobachtung
Arithmetischer Mittelwert
Streuungen
Spezialfälle
Potenz (f = xa ):
sf sx
= |a| (A.25)
f x
Lineare Regression
Auch wenn zwischen zwei Grössen eine lineare Beziehung besteht (y = ax+b), lie-
gen die Messwerte P (x, y) im Allgemeinen nicht auf der Geraden. Infolge Messfeh-
ler werden die beobachteten Werte um den wahren Wert streuen. Deshalb muss
man ein Verfahren entwickeln, um aus vorgegebenen Werten x und den dazuge-
hörigen mit Messfehlern behafteten y(x) den genauen Zusammenhang ŷ = ax + b
rekonstruieren zu können. Oder anders gesagt, man muss die Gerade bestimmen,
die am besten durch die gemessenen P (x, y) gelegt werden kann.
Man setzt eine Gerade mit den Parametern a und b an und berechnet jeweils für
alle x die Differenz r von gemessenem y und dem aus ŷ = ax + b gerechneten.
Diese Differenz wird herangezogen um die Güte der Anpassung der Geraden zu
bestimmen.
180 A Fehlerrechnung
y
P(x
i i , y)
i
ri = yi - y^i
^ , y)
P(x ^
i i i
Man nimmt als Mass für die Güte der Anpassung die Summe
N N N
ri2 = (yi − ŷi )2 = (yi − axi − b)2 (A.26)
X X X
Q=
i=1 i=1 i=1
und bestimmt a und b so, dass Q möglichst klein wird. Dies wird als Methode
der kleinsten Quadrate bezeichnet. Die Herleitung der nachfolgend aufgeführten
Formeln zum Bestimmen dieses Minimums können in der angegebenen Literatur
nachgelesen werden.
Literatur
Einführende Bücher Bibliothek
Frauenfelder/Huber Physik I, Basel, 1967. ODD 137
Gränicher, W.H. Messung beendet - was nun?, KSD 201
Stuttgart, 1994.
Leaver/Thomas Versuchsauswertung, PDA 136
Braunschweig, 1977. KVZ 150
Linder/Berchtold Elementare statistische Methoden, KAE 167
Basel, 1979.
Squires, G.L. Messergebnisse und ihre Auswertung, PDA 134
Berlin, 1971.
Walcher, W. Praktikum der Physik, PDA 133
Stuttgart, 1966.
Weiterführende Werke
Kreyszig, E. Statistische Methoden und ihre KAE 201
Anwendungen, Göttingen, 1968.
Bevington, P.R. Data Reduction and Error Analysis for KSD 139
the Physical Science, New York, 1969. KSD 140
Vorbemerkungen
Achtung: in diesem Beispiel werden wir jeweils die Maximalfehler ermitteln und nicht
die häufiger verwendeten Standardfehler. Der Grund ist einfach eine bessere Lesbarkeit
des Beispiels.
Um dem Beispiel folgen zu können, sollten Sie das Kapitel zur Fehlerrechnung ab Seite
15 kennen und ggf. als Referenz heranziehen. Insbesondere die “Kochbuchregeln” auf
Seite 27 und die beiden Tabellen auf/ab Seite 29 sollten Sie zur Hand haben.
Beispiel
Die folgende Formel taucht bei einer Bestimmung des Trägheitsmoments mit einem ganz
ähnlichen Aufbau wie dem in diesem Praktikum verwendeten Drehpendel auf. Für die an
diesem Beispiel durchgeführte Fehlerrechnung ist es nicht wichtig, den Ursprung dieser
Formel zu verstehen. Sie dient einfach nur als Beispiel für eine etwas komplexere Formel
mit Produkten/Divisionen sowie Summen/Differenzen. Wie im Kapitel zur Fehlerrech-
nung beschrieben, muss in solchen Fällen der Fehler quasi von “Innen” nach “Aussen”
berechnet werden, und dabei kommt es bei jedem Wechsel von “Punktrechnung” zu
“Strichrechnung” dazu, dass relative in absolute Fehler bzw. umgekehrt umgewandelt
werden müssen. Der im Folgenden eingeschlagene Weg und die eingeführte Nomenla-
tur ist für dieses Beispiel zweckmässig und sollte nicht als allgemeingültige Vorschrift
verstanden werden.
Wir möchten den Fehler in JT ermitteln:
Der Ausdruck hinter dem ersten Gleichheitszeichen eignet sich besser für diese Beispiel.
Deswegen sehen wir uns diesen Teil an:
183
184 B Beispiel zur Fehlerrechnung
TT2 2π 2 mR2
JT = (B.2)
4π 2 T 2 − TT2
∆JT = J · JT , (B.3)
∆JT
J = (B.4)
JT
Mit der Kochbuchregel 2 (siehe Kochbuchregeln auf Seite 27) für Produkte gilt dann
Im Nenner steht eine Addition. Hier addieren sich nach der Kochbuchregel 1 die abso-
luten Fehler:
∆N enner
N enner = (B.7)
N enner
∆N enner = ∆ T 2 + ∆ TT2 (B.8)
∆ T 2 + ∆ TT2
N enner = (B.9)
4π 2 T 2 − TT2
Nun gilt
∆ T 2 = 2 · T · T 2 (B.10)
mit
∆T
T = (B.11)
T
und analog
∆ TT2 = 2 · TT · TT2 (B.12)
mit
B Beispiel zur Fehlerrechnung 185
∆TT
TT = (B.13)
TT
Damit wird der relative Fehler des Nenners N enner zu
∆T ∆TT
2· T · T2 + 2 · TT · TT2
N enner = (B.14)
TT2
4π 2 T 2 −
was sich vereinfachen lässt zu zu
2 · (∆T · T + ∆TT · TT )
N enner = (B.15)
4π 2 T 2 − TT2
Nun sind alle benötigten Fehler beisammen. Wir müssen nur noch die beiden relativen
Fehler von Nenner und Zähler addieren.
Wir rekapitulieren noch einmal, wie wir zu dieser Lösung gekommen sind: wir haben nur
zwei oder drei einfache Formeln (Faustregeln) aus dem Anhang des Praktikumsskripts
verwendet, und danach unsere Ausgangsformel schrittweise in kleine Elemente zerlegt,
deren Fehler wir jeweils mit diesen einfachen Formeln berechnen können. Am Ende
fügen wir alles wieder zusammen.
Diese Vorgehensweise ist manchmal etwas mühsam, aber führt mit einfachsten Rechen-
regeln zum Ergebnis.
186 B Beispiel zur Fehlerrechnung
C Testate und Noten
Name:
Schlusstestat
Die Vorbereitung und Versuchsdurchführung wird separat vom Report benotet; die Gesamt-
note für den Versuch ergibt sich zu einem Drittel aus der Praxis-Note und zwei Drittel aus
der Note für den Report. Für eine erfolgreichen Abschluss des Praktikums müssen alle 8
Versuche absolviert werden. Dabei darf höchstens ein Versuch schlechter sein als 3.0, und
die Durchschnittsnote muss mindestens 4.0 sein.
187