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Chinesische Astronomie
contra chinesische
Geschichtsschreibung
Die alte chinesische Kultur faszi- mittelalterliche) chinesische Chroniken achtung der Sonnenfinsternisse über
niert jeden, der mit ihr in Berührung behaupten, dass schon vor ca. 4000 Aufzeichnung der astronomischen
kommt. Auch ich verneige mich vor Jahren die chinesischen Astronomen Ereignisse nicht einmal erwähnt [1]
ihrer Originalität und dem Reichtum die Sonnenfinsternisse richtig voraus- (der Autor begrenzt die Beobachtun-
an den von ihr entwickelten Formen, sagen konnten. Vermutlich ging es die- gen der Sonne auf die Beschreibung
auch ich gehöre zu den echten Ver- ser chinesischen Fertigkeit genau so, der Sonnenflecken). Dafür [2] wer-
ehrern der chinesischen Zivilisation, wie auch allen anderen mythischen den die alten Autoren zitiert, die sol-
der chinesischen Kultur, des chinesi- Kenntnissen im Reich der Mitte: sie che tiefgreifende Entdeckungen
schen Altertums. gingen mit der Zeit verloren. machten, wie Liu Xiang, der im 1 Jh.
Eine ganz andere Frage ist damit Das vermeintliche „Vergessen“ ge- v.u.Z. folgendes feststellte: „Das ist
verbunden, dass im heutigen China die hört zu den Lieblingsmärchen der Ge- der Mond, der die Sonne bedeckt
falschen westlichen Vorstellungen von schichtler: so können sie alle unlogisch und die Sonnenfinsternisse verur-
der Länge der historischen Zeit zu ei- klingenden Behauptungen „erklären“. sacht“. Vermutlich dachten 2000 Jahre
ner ganz falschen Chronologie der Als die Jesuiten um 1600 nach Peking früher die chinesische Astronomen bei
chinesischen Zivilisation geführt ha- kamen, haben sie die chinesische As- ihren richtigen (und auch mal fal-
ben. Sie entstanden in der Kolonial- tronomie in desolatem Zustand vor- schen) Voraussagen, dass der Teufel
zeit als ein Versuch der Chinesen, der gefunden. Ihre chinesischen Kollegen höchstpersönlich die Sonne schluckt,
versuchten kulturellen Hegemonie der konnten keine der Sonnenfinsternisse um Finsternisse zu verursachen.
Europäer eine lange Geschichte ent- richtig voraussagen. Obwohl die Sonnenfinsternisse gut
gegen zu setzen. Die erwähnten chinesischen Chro- vorausgesagt wurden (vor ca. 2000
In diesem Artikel wollen wir über- niken behaupten, dass vor mehr als Jahren, also in den alten, nicht in den
prüfen, ob die chinesische Astrono- 4000 Jahren eine falsche Voraussage neueren Zeiten), hatte es für die chi-
mie Argumente zur Abschätzung der dieser Art zur Todesstrafe führte: Als nesischen Astronomen keinen Sinn
wirklicher Länge der chinesischen die Astronomen Chi und Cho die Son- mehr, die in Wirklichkeit stattgefun-
Geschichte liefern kann. Man erzählt nenfinsternis am 22. Oktober -2137 denen Sonnenfinsternisse zu beschrei-
viel über die Errungenschaften der nicht richtig vorausgesagt haben, wur- ben oder einfach zu notieren (Jeden-
chinesischen Astronomie. Leider wur- den ihnen auf Befehl des Kaisers falls sind solche Aufzeichnungen der
den dabei so viele Märchen der Be- Chung King die Köpfe abgeschlagen. heutigen Wissenschaft kaum be-
richterstattung beigemischt, dass wir Also sollte in dieser Zeit in China eine kannt). Und wenn sie das doch, in sehr
heute kaum mehr abschätzen können, Menge von Astronomen vorhanden seltenen Fällen, getan haben, dann so,
was die chinesischen Astronomen gewesen sein, damit man nach jeder dass diese Beobachtungen in keinem
wirklich geleistet haben. falschen Voraussage (und die Sonnen- Einklang mit den heutigen Retrokal-
Gerade der hervorragende Ruf der finsternisse kommen ziemlich oft vor) kulationen sind oder nur mit großer
chinesischen Astronomie, an dem wir die neuen Todeskandidaten einsetzen Mühe (bei zusätzlichen korrigierenden
keinesfalls zweifeln (nur sind wir si- konnte. Annahmen) identifiziert werden kön-
cher, dass die wirklichen Höhepunkte Andere Quellen behaupten, dass die nen.
der chinesischen Himmelsbeobach- chinesischen Astronomen etwa vor Der moderne chinesische Autor ist
tung heute kaum noch aus dem euro- 2000 Jahren angefangen hätten, die gezwungen zu schreiben: „Die alten
päischen geschichtlichen Müll auszu- Sonnenfinsternisse richtig vorauszusa- chinesischen Astronomen waren
graben möglich sind), lässt die Folge- gen. Zum Vergleich haben noch Ko- nicht mit der breiten Voraussage
rung zu, dass diese Wissenschaft kei- pernikus und Keppler Fehler bei sol- von Finsternissen vertraut“ [2], S.
nesfalls die falsche Geschichtsschrei- chen Voraussagen gemacht. Und im 44, obwohl: „Kenntnisse über Wie
bung unterstützt. Wir kommen eher 17. Jh. wurden die Köpfe der chinesi- und Warum für Sonnen- und Mond-
zum Schluss, dass all das, was wir schen Astronomen nicht mehr abge- finsternisse können bis in sehr frü-
über die chinesische Astronomie wis- schlagen, obwohl sie das alte Wissen he Zeiten verfolgt werden“ [2], S.
sen, dafür spricht, dass auch die chi- total vergessen hatten und durch die 43. Solche Relikte der alten Vorstel-
nesische Geschichte um +1350 oder Jesuiten ersetzt werden mussten, die lungen von alten (und später verges-
sogar später beginnt und nicht vor schon gelernt hatten, die anfänglichen senen?) astronomischen Kenntnissen
fünf- bis siebentausend Jahren. Fehler von Kopernikus und Keppler sind auch im modernen China nicht
nicht zu wiederholen. ganz überwunden worden. So behaup-
Sonnenfinsternisse: leicht Aus unerklärlichen Gründen wer- tet Chen Jijin ([2], S. 33) im Artikel
vorhersagbar,, kaum beobachtet
vorhersagbar den die alten chinesischen Errungen- „Chinese Calendars“, ohne genaue
Alte (in Wirklichkeit vermutlich schaften bei Voraussage und Beob- Jahreszahlen zu nennen, dass die al-
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Chinesische Astronomie
ten chinesischen Kalender die Sonnen- menko und Nossovski (S.[4]) war fen für die westlichen Einflüsse und
wie auch Mondfinsternisse voraussag- dieses Kind ein Nachfolger der von die westliche Wissenschaft waren.
ten. den neuen russischen Zaren Ro- Erst ca. 100 Jahre später, als sich die
In Wirklichkeit konnten die chine- manows (ab 1613 an der Macht in kolonisatorischen Absichten der Eu-
sischen Wissenschaftler noch wäh- Moskau) abgesetzten alten Tata- ropäer immer deutlicher zeigten, ha-
rend der Regierungszeit des Kaisers ren-Chanen, die gleichzeitig auch ben die inzwischen chinesisch assimi-
Wanli (1573-1620) keine der mehr als die alten russischen Zaren waren. lierten „mandschurischen“ (tartari-
Dutzend Sonnenfinsternisse richtig 3. Ist vielleicht dadurch zu erklären, schen) Qing-Herrscher versucht, eine
voraussagen ([3], S. 237). Von abge- wieso die neuen Kaiser seit dem von den Europäern weniger abhängi-
schlagen Astronomenköpfen ist aus ersten Tag auf dem chinesischen ge Politik zu verwirklichen.
dieser Zeit nichts übermittelt worden. Thron sich als Herrscher der gan-
Auch 1629, beim letzten Ming-Kaiser Konjunktionen von Jupiter
zen Welt verstanden (kaum hätte
Chongzhen, haben die offiziellen Hof- sich bei einem wilden Stamm der und Saturn
astronomen versucht, die Sonnenfin- Mandschuren so eine Vorstellung Europäische Himmelsbeobachter
sternis voraus zu berechnen. Aber der herausbilden können!)? haben noch vor Kopernikus versucht
Erfolg wurde den kaiserlichen Astro- festzustellen, wie lange diese zwei
4. Wieso konnte Adam Schall die wil-
nomen nicht gegönnt. (Riesen-) Planeten brauchen, um am
Erst der Christ Xu Guangqi (1562- den Mandschuren so schnell über-
zeugen, den neuen westlichen Ka- Himmel (nach zeitgenössischen Vor-
1633), der 1603 in Nankin getauft stellungen: um die Erde) einen vollen
lender einzuführen? Dieser Kalen-
wurde und schon früher bei Jesuiten Kreis zu ziehen. Die genauesten ent-
die westliche Mathematik und Astro- der wurde schon 1645 von Dor-
don eingeführt. Im gleichen Jahr sprechenden Zeiten wurden mit 30
nomie studierte, konnte 1629 die er- Jahren für Saturn und 12 Jahren für
wurde Adam Schall zum Leiter
ste richtige Voraussage für eine Son- Jupiter errechnet. Seit Kopernikus
nenfinsternis machen. Seine Berech- des kaiserlichen astronomischen
Amtes ernannt (In Ming-China ein wissen wir etwas genauer, dass diese
nungen erlaubten richtig vorauszusa- Planeten um die Sonne kreisen und
Ding der Unmöglichkeit!). Viel-
gen, wann die Finsternis beginnen und dass Saturn 29 Jahre und 167 Tage
wie lange sie dauern wird. Übrigens leicht waren die Tartaren durch ihre
alte europäische Tradition schon (29,46 Jahre) und Jupiter 11 Jahre und
gilt Xu Guangqi als derjenige, der in 315 Tage (11,86 Jahre) dafür braucht,
längst mit der Entwicklung des Ka-
China solche westlichen Wissenschaf- um einen vollen Kreis um die Sonne
ten einführte wie Astronomie, Mathe- lenderwesens und Astronomie in
Westeuropa vertraut? abzuschließen.
matik, Hydraulik und Ballistik ([3], S. Weil sich Jupiter schneller als Sa-
237). 5. Und wieso konnten die alten in be- turn am Himmel um die Sonne be-
ster Tradition der chinesischen wegt, wird er für einen auf der Sonne
Die „tartarische“ Eroberung Hochkultur erzogenen Kaiser nicht
Chinas durch die Mandschu befindlichen Beobachter den Saturn
überzeugt werden, das zu tun, ob- nach etwa zwanzig Jahren „nachho-
Sogar 1644, im letzten Jahr der wohl sie von chinesischen Beam- len“, dann überholen und in ca. 20 Jah-
Ming Dynastie, konnten die mit tradi- ten und Wissenschaftlern, die mit ren (genauer, in 19,86 Jahren) wieder
tionellen chinesischen Vorstellungen Jesuiten eng zusammenarbeiteten, nachholen. Bei solchem Nachholen
lebenden chinesischen Astronomen seit 1610 gebeten wurden, ein eu- muss Jupiter selbstverständlich nicht
noch keine richtige Voraussage ma- ropäisches Kalendersystem einzu- unbedingt den Saturn bedecken, weil
chen. Und als der deutsche Jesuit führen? Konnten sie die Entwick- die Bahnebenen der Planeten nur an-
Jonnes Adam Schall von Bell die Son- lung in Europa noch nicht richtig nähernd gleich sind. Aber die beiden
nenfinsternis am ersten Tag des 8. einschätzen? größten Planeten unseres Sonnensy-
Mondmonats des Jahres 1644 (1. Sep- 6. Vielleicht waren die „wilden Man- stems würden für den Beobachter von
tember 1644 nach neuem westlichen dschuren“ (die Europäer nannten der Sonne als in einem gewissen
Kalender) richtig und sogar mit An- sie einfach Tartaren und schrieben Sternbild (nicht immer den gleichen)
gabe des Sonnenbedeckungsgrades in von einer Tartareneroberung Chi- sich annähernde und dann wieder aus-
Prozenten voraussagte, konnte er den nas) mehr mit der westlichen Wis- einandergehende beobachtet.
Regenten Dordon des neuen noch im senschaft vertraut, als die chinesi- Ähnlich empfindet das auch ein
zarten Alter sich befindenden ersten schen Kaiser, die erst seit ca. 1600 Beobachter von der Erde, nur dass für
Kaisers der neuen mandschurischen von Mateo Ricci langsam in die ihn, wegen der Eigenbewegung sei-
Dynastie überzeugen, endlich den un- westlichen wissenschaftlichen Er- nes Planeten um die Sonne, solche
genauen alten Kalender durch den rungenschaften eingeführt wur- „Treffen“ von Saturn und Jupiter in
neuen europäischen zu ersetzen. den? Das hätte für die Hypothese einem der Sternbilder etwa dreimal
In diesem Zusammenhang bleiben von Fomenko und Nossovsky ge- seltener entstehen: zwischen zwei sol-
viele Fragen offen: sprochen, die behaupten, dass die chen sogenannten Konjunktionen lie-
1. Wieso setzten die „wilden“ aber letzten chinesischen Kaiser (also gen ca. 60 Jahre (die Abweichung von
siegreichen mandschurischen Ar- die Kaiser der Qing Dynastie,
dieser Zahl kann einige Monate, aber
meen ein Kind auf den Kaiserthron 1644-1911) von tartarischen Herr-
schern Russlands abstammen, mal auch über ein Jahr erreichen). Die
und nicht einen der Generäle oder zeitlichen Abstände zwischen den auf-
der Stammesälteren? nicht die russischen Zaren der Ro-
manov-Dynastie. einanderfolgenden Konjunktionen von
2. Vielleicht führten sie ein Kind mit Saturn und Jupiter konnten in alten
sich, weil es zu einem alten Kai- Diese Hypothese erklärt sehr gut, Zeiten nicht berechnet (das war für
sergeschlecht gehörte? Lt. Fo- wieso die ersten Qing-Kaiser so of- die alten Astronomen zu kompliziert),
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Chinesische Astronomie
dafür aber beobachtet und empirisch weniger als ein Jahr ausmacht. Weil durchaus notwendig sein, um einen
fixiert werden. für die drei vorangegangenen Zyklen neuen Kalender vorzubereiten und
Die Tatsache, dass zwischen zwei Nr. 62-64 dieser Abstand ca. ein Jahr (probeweise?) einzuführen. Oder min-
Saturn-Jupiter-Konjunktionen (fast) war, könnte durchaus sein, dass die destens wurde im Jahr 1264 auf die
genau 60 Jahre liegen, sollte auf die entsprechenden früheren Beobach- Tatsache hingewiesen, dass zwischen
alten Himmelsbeobachter bei der er- tungen, wenn man um diese Zeit den zwei J-S Konjunktionen fast genau 60
sten Feststellung dieser Tatsache ei- Himmel beobachtete, schon die Idee Jahre liegen.
nen großen Eindruck gemacht haben. eines 60-jährigen Zyklus initiierten. Andererseits wird in der genann-
Man kann sich durchaus vorstellen, Folglich könnten die Jahre 1204, ten Tabelle vermerkt, dass der glei-
dass nach so einer Meldung ein Herr- 1264, 1324, 1384, 1444, 1504, 1564 als che Kalender noch einmal im Jahr
scher seinen Sternenguckern befoh- Beginn der neuen Jahreszählung ge- 1383 eingeführt wurde, fast zeitgleich
len haben konnte, den Himmel weiter- dient haben. Morosov meint, dass das mit dem Beginn des 68. Zyklus. Das
hin detailliert zu beobachten, um fest- Jahr 1504 zum ersten Mal für solche kann die Schwierigkeiten widerspie-
zustellen, wann wieder eine Konjunk- Jahreszählung benutzt wurde und dem geln, die die Einführung eines neuen
tion von Saturn und Jupiter passiert. entsprechenden Zyklus die „Glücks- Kalenders mit sich bringen (auch in
Sollte nach weiteren 60 Jahren (und nummer“ 70 zugeordnet wurde, was Europa wurde der Gregorianische
nicht nach 59 oder 61) wieder eine bei einer Rückzählung um 4140 Jahre Kalender erst hunderte von Jahren
Saturn-Jupiter-Konjunktionen stattfin- (69 Zyklen) den Anfang der Jahres- später nach und nach eingeführt). Wir
den, könnten die alten „Astronomen“ zählung auf das Jahr 4140 - 1504 + 1 plädieren trotzdem für das Jahr 1281
beginnen, den Verdacht zu schöpfen, = 2637 schiebt (+1 wegen des Feh- als das wirkliche der Legende ent-
dass sie eine Gesetzmäßigkeit ent- lens des Jahres „Null“ in unserer Jah- sprechende Jahr eines ersten Ver-
deckt haben. reszählung). Und den Legenden zu- suchs, ein neues Kalendersystem ein-
Vielleicht sollte der Himmel für alle folge hat gerade in diesem Jahr der zuführen, weil, wie wir später sehen
Fälle noch einmal sechzig Jahre lang legendäre Kaiser Huan Di (der Gel- werden, es sehr gut einer weiteren
beobachtet werden. Und bei der vier- be Kaiser) die 60-jährigen Zyklen ein- astronomischen Retrokalkulation auf-
ten Konjunktion von Jupiter und Sa- geführt. grund einer weiteren Überlieferung
turn sollte es schon möglich gewesen Übrigens kennt die chinesische Ge- aus chinesischen Quellen entspricht.
sein, dem Kaiser mitzuteilen, dass eine schichte einen Gelben Kaiser in den Also nehmen wir an, dass der Gelbe
neue himmlische Gesetzmäßigkeit ent- Jahren +146 bis 168. Einige wenige Kaiser – wenn er je gelebt hat - im
deckt wurde und dass sie ganz be- Jahre vor Huan Di soll in seinem Jahr 1281 noch regierte.
stimmt nun immer stimmen wird. Und Reich (Östlicher Han) ein berühmter Warum nicht doch
wenn man um diese Zeit noch kein Astronom Zhang Heng (+78-139) ge-
lebt haben, der einen Himmelsglobus im Jahr -2637?
oder kein zufriedenstellendes Kalen-
konstruierte habe, der durch Wasser- Was spricht gegen das mythische
dersystem hatte, wäre diese vermeint-
kraft getrieben, die Bewegungen von Jahr -2637? Nicht nur unsere allge-
liche „Gesetzmäßigkeit“ ein Anlass für
Planeten am Sternenhimmel richtig de- meine Skepsis bezüglich der Länge der
eine Kalenderreform gewesen, die
monstrierte! Ist das noch ein Ergeb- chinesischen Geschichte, sondern
sich auf die 60-jährigen Saturn-Jupi-
nis des Verschicken der reellen Er- auch die Tatsache, dass im Jahr -2637
ter-Zyklen stützt.
eignisse aus dem 13.-14. Jh. in die keine S-J-Konjunktion stattfand.
Weil in China so ein Kalender tra-
Vergangenheit? Auch die Anfänge der nachfolgenden
ditionell benutzt wird (wir leben seit
Wir können nicht ausschließen, Zyklen liegen um Jahre von den Da-
1984 im 78. Zyklus dieses Kalenders,
dass der zyklische Kalender auch et- ten entfernt, in welchen die J-S-Kon-
der den Anfang seines ersten solchen
was früher als 1504 eingeführt wur- junktionen vorkamen. Noch mehr, im
Zyklus der mythischen Zeit von -2637
de und dass die Zählung der Zyklen Jahr -2637 erreicht der Abstand zwi-
zuschreibt) können wir die Frage stel-
erst später den Bedürfnissen der ent- schen diesen zwei Jahren seine ma-
len, wann in der Vergangenheit die
stehenden chinesischen Geschichts- ximale Größe nach -1600.
Saturn-Jupiter-Konjunktionen mehr
schreibung angepasst wurde. Die Die einzige Zeit, in welcher die
oder weniger genau dem Anfang ei-
Nummern wurden den Zyklen so zu- Anfangsjahre der Zyklen mit Jahren
nes der 60-jährigen Zyklen entspricht?
geordnet, dass die ganze vermeintlich der S-J-Konjunktionen gleich waren,
Gab es überhaupt solche Fälle in der
sehr lange Geschichte Chinas (ein- sind -1600 bis -1200. Es sind Zyklen
Vergangenheit?
schließlich solcher Kapitel, die heute mit Nummern um 20. Also konnte der
Einführung des chinesischen als legendär gelten) in die durch die chinesische Kalender rein theoretisch
Kalenders 60-jährigen Zyklen bedeckte Zeitpe- schon im Jahre -1437. (Ende des 20.
Dieser Frage ist Morosov in sei- riode passt. Zyklus) oder sechzig Jahre früher ein-
nem - leider nur in Russisch vorlie- Wir konsultieren die Tabelle „Some geführt werden. Aber all das, was wir
genden - „Christus“, Band. 6, nach- important calendars in ancient China“ inzwischen über die chinesische Ge-
gegangen. Er kam dabei zu den fol- ([2], S. 49), und stellen fest, dass dort schichte und die nächste himmelsme-
genden Ergebnissen. In den Jahren der letzte Kalender vor dem 1645 ein- chanische Retrokalkulation wissen,
1204, 1264, 1324, 1444, 1504, 1564, geführten westlichen, im Jahr 1281 spricht dagegen und bestätigt das Jahr
1624 begannen die Zyklen Nr. 65-72, eingeführt sein soll. 1281 liegt ca. 15 1264.
für welche der zeitliche Abstand zwi- Jahre später, als der zweite von uns Es geht dabei um die Konjunktion
schen dem Beginn der Zyklen und der genannte Kandidat für das Jahr 1264 von allen fünf unseren Vorfahren be-
entsprechenden Jupiter-Saturn-Kon- der ersten wirklich verwendeten Zy- kannten Planeten: Merkur, Venus,
junktion (weiter S-J-Konjunktion) viel klen (später wurde ihm die Nr. 66 zu- Mars, Jupiter und Saturn. Wir betrach-
geordnet). Diese 15 Jahre konnten ten diese Konjunktionen im nächsten
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Chinesische Astronomie
Abschnitt, hier aber möchte ich be- wahrscheinlicher: wieso sollten der Sonnenflecken
merken: wäre die chinesische Astro- Großvater und der Enkel beide so früh Bei den Chinesen soll die älteste
nomie in der Tat sehr alt und hoch anfangen zu regieren?). Beschreibung der Sonnenflecken in
entwickelt, wie die Geschichtler heu- Eine ganz andere Situation ent- der Welt zu finden sein. Die sollen im
te behaupten, wären in den chinesi- steht, wenn der Gelbe Kaiser 1281 an Jahr -140 beschrieben worden sein.
schen astronomischen Überlieferun- der Macht war und Chung 1345. Die Im Buch Han Shu (Geschichte der
gen viel mehr exakte Informationen dazwischen liegenden 64 Jahre kön- Dynastie Han, -206 bis +220) seien
zu finden, als in Wirklichkeit. Unter nen zwei Generationen leicht überbrü- mehrere Sonnenflecken beschrieben
dem anderen haben die chinesischen cken, insbesondere wenn Chung so worden. Im Jahr -28 soll die Sonne
Astronomen keine weiteren Horosko- lange regierte. Weil die Geschichtler beim Aufgang gelblich gewesen sein,
pe (Planetenpositionen am Himmel, selber heute die Regierungszeiten der und eine Menge vom dunklen Gas in
z.B. in den Sternbildern) beschrieben, beiden legendären Kaiser für vorge- ihrem Zentrum sei beobachtet wor-
als die Fünfer-Konjunktion, die wir schichtlich halten, zeigen diese unse- den. Die Jahre -43 und +188 sollen
nun analysieren werden. re Berechnungen, dass in China die mit anderen solchen Beobachtungen
ersten 3-4 Jahrhunderte des zweiten verbunden sein. Weitere Beobach-
Konjunktion von fünf Planeten nachchristlichen Millennium noch tungsdaten aus China:
Die Chroniken der Chinesen be- nicht zu geschichtlichen Zeiten gehö- 02.05.1112: In der Mitte der Son-
haupten (und das tun mehrere von ih- ren. Also beginnt die Geschichte die- ne wurden dunkle Flecken beobach-
nen, was verdächtig ist, weil es um ses Landes erst in der Zeit der Ming- tet, so groß wie eine Nuss, mal auch
sehr alte Zeiten dabei gegangen sein Dynastie (Ming = MNG = Mongo- 2-3 solche Flecken (an einem Tag?).
soll), dass in der Regierungszeit des len?) 12.03.1131: Flecken, die so groß
Kaisers Chung am Frühling, am ers- wie eine Pflaume waren, verschwan-
ten Tag des ersten Monats, alle fünf Wo sind die chinesischen
Horoskope geblieben? den in den folgenden drei Tagen nicht.
Planeten im Sternbild Wassermann Chen Xiaozhong in [1], bei dem
(genauer gesagt, unter den Sternen Ein Horoskop im astronomischen wir diese Angaben gefunden haben,
Alpha und Beta von Pegasus) eine Sinne des Wortes ist eine Beschrei- schreibt, dass die alten Chinesen alle
Konjunktion hatten. Kaiser Chung soll bung der zu beobachtenden Situation diese Beobachtungen mit dem bloßen
77 Jahre (von -2515 bis -2456) regiert am Himmel, bei der für jeden Plane- Auge gemacht hätten (als die Sonne
haben. Heute wird Kaiser Chung ten mitgeteilt wird, in welchem Stern- hinter den Wolken war oder gerade
nicht mehr zu den realen Herrschern bild er sich befindet. Aus dieser Sicht frisch aufstieg). Oder sie beobachte-
Chinas gezählt: er wird als legendär ist die Fünferkonjunktion, von der wir ten die Sonne in einer Ölwanne. Trotz-
bezeichnet. Sogar die viel spätere (ca. oben gesprochen haben, auch ein dem machten sie mehr als tausend
-2100 bis -1700) Dynastie Xia [1] wird Horoskop: alle fünf Planeten befan- Beobachtungen alleine in den Jahrhun-
heute nicht mehr als geschichtlich be- den sich im gleichen Sternbild. derten 2-17.
trachtet. Trotzdem war Anfang des Weil Horoskope sich sehr selten In Europa wurden die Sonnenfle-
20. Jh. Kaiser Chung für die Ge- wiederholen (durchschnittlich und sehr cken 1611 von Galilei entdeckt und nur
schichtler noch durchaus „koscher“. grob etwa einmal in tausend Jahren, im Teleskop beobachtet. Darum kann
Allein die Beobachtung einer Fün- können sie für die Retrokalkulationen man durch Vergleich mit alten euro-
fer-Konjunktion am Himmel zeugt benutzt werden, die uns erlauben, die päischen Quellen keine der chinesi-
vom hohen Niveau der chinesischen vorangegangenen historischen Ereig- schen Überlieferungen über die Son-
Astronomie in Vergangenheit. Eine nisse zu datieren. Auch das haben wir nenflecken überprüfen. Aber man
andere Frage ist, was die Geschicht- oben gesehen: das genannte Horos- kann sagen, dass 1772-80, als alle (ich
ler später aus dieser Beobachtung kop erlaubte eine Datierung in die Mit- wiederhole: ALLE) chinesischen Bü-
chronologisch gemacht haben: die Re- te des 14. Jh. vorzunehmen. cher durch die Zentralregierung an-
trokalkulationen haben gezeigt, dass Die Frage ist nun: wenn die chine- gesammelt wurden, die Kenntnis der
in der legendären Zeit von Chung so- sische Astronomie einen sehr hohen Existenz der Sonnenflecken schon ca.
gar die zwei größten Planeten Saturn Stand hatte, dann sollten zahlreiche 160 Jahre alt war. Also konnten durch-
und Jupiter keine Konjunktion im Horoskope in chinesischen Schriften aus auch solche „Beobachtungen“ in
Sternbild Wassermann hatten! Und vorkommen. Leider ist das nicht der den „alten“ Bücher gestreut werden,
die einzige Frühlings-Konjunktion von Fall. Außer der gerade betrachteten als sie frisiert oder neu geschrieben
fünf Planeten in den letzten mehr als Fünferkonjunktion kennen wir keine wurden. Und weil man die Wichtig-
viertausend Jahren fand am 9. Feb- Horoskope aus dem alten China. Und keit der Sonnenflecken für die Wis-
ruar 1345 statt. das ist sehr, sehr merkwürdig! senschaft schon gut erkannt hatte,
Kaiser Chung soll ein Enkel des Die einzige Folgerung, die das er- machte man das etwa tausendmal.
Gelben Kaisers gewesen sein. Zwi- klären kann: in Wirklichkeit haben die 1975 wurde herausgefunden, dass
schen den Jahren -2637 und -2515 lie- Chinesen kaum Planeten beobachtet die chinesischen Beobachtungen die
gen 122 Jahre. Ein bisschen zu viel und sie hatten keine alte Tradition der Existenz eines 11-jährigen (genauer
für zwei Generationen, auch wenn der astronomischen Beobachtungen. Die- gesagt, einen 10,2- bis 11-jährigen: 10,6
Gelbe Kaiser bei Einführung des 60- se Folgerung ist auch in guter Über- Jahre +/-0,43) Zyklus beweisen, den
Jahres-Zyklen-Kalenders noch ganz einstimmung mit dem miserablen Zu- H. S. Schwabe 1843 entdeckte.
jung war und Chung schon als Kind stand der chinesischen Astronomie Übrigens passen die hier genannten
regierte. Soll der erste -2650 und der und des chinesischen Kalenders, als Flecken nicht besonders gut in das
zweite -2520 geboren sein, hätten wir er von den Jesuiten im 17. Jh. vorge- Schema:
130 Jahre zwischen diesen zwei Ge- funden wurde.
burten (eine höhere Zahl wäre sogar Zwischen dem 12.03.1131 und dem
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Chinesische Astronomie
02.05.1112 liegen ca. 18 Jahre und Leider kann diesem Wunsch kei- Jahrtausende hatten - wieso haben
10 Monate, also 2 x (neun Jahre ner entsprechen, weil noch im 19. Jh. sie aufgehört, Kometenlisten zu
und 5 Monate). in China [5] traditionell am Himmel führen, als sie in Berührung mit der
Zwischen dem 3. Monat des Jah- keine 12, sondern um hundert Stern- modernen europäischen Astrono-
res -28 und dem 4. Monat des Jah- bilder benutzt wurden, die teilweise mie kamen?) lässt folgendes an-
res -43 liegen ca. 15 Jahre, also 2 schon europäische Namen übernom- nehmen: in Wirklichkeit führten
x (sieben Jahre und 6 Monate). men hatten, aber graphisch ganz an- Chinesen keine Kometenlisten,
dere Bilder als in Europa darstellten. sondern sie haben die entspre-
Trotzdem, weil die meisten alten Besonders gut ist das in beiden Po- chenden europäischen Bücher
chinesischen Bücher im 20. Jh. ent-
largebieten zu sehen, wo viele kleine (wie [7], die oft kurz „Kometogra-
deckt wurden, kann man annehmen,
Sternbilder der chinesischen Traditi- phie“ genannt wird, oder die frü-
dass diese Daten teilweise in der zwei- on entsprechend überhaupt oder fast heren Bücher, die für [7] als Quel-
ten Hälfte des 19. Jh. so korrigiert
überhaupt keine Entsprechung im eu- len dienten) im 17. Jh. übersetzt
worden sind, dass man heute auf die
ropäischen Kulturkreis hatten. und seitdem als chinesische Ko-
11-jährigen Zyklen schließen kann. Übrigens sind die Sternbilder allein metenannalen betrachtet.
Was aber zu einer skeptischen Hal-
für die Astronomie fast ohne Nutzen. 2) Drei chinesische Enzyklopädien,
tung animiert: für den Beweis der Güte
Wichtig sind genaue Himmelskoordi- die umfangreiche Kometenlisten
der chinesischen Sonnenflecken-Be- naten der Sterne, die zu dem einen
obachtungen wurden nicht alle tau- beinhalten, sollen schon im 13. Jh.
oder anderen Sternbild gehören. Dann geschrieben werden sein, wurden
send Beobachtungen, sondern nur 106
könnte z.B. bei Erscheinung eines klei- aber später bis 1644 weitergeführt.
benutzt. nen Kometen ein Vergleich unternom- Weil auch das Buch [7] beim Jahr
Chinesische und europäische men werden. Ohne die Koordinaten 1644 aufhört, Kometen aufzulisten,
Sternbilder
ternbilder,, chinesische der Sterne zu kennen, wird man nicht bekräftigt diese Tatsache den im
Sternbeobachtungen entscheiden können, ob sich das neue Punkt 1) geäußerten Verdacht.
Himmelsobjekt bewegt oder nicht 3) Die europäischen und die chinesi-
Sternbilder sind Phantasiegebilde, (also, ob es ein schwacher Stern ist schen Kometenlisten für die ersten
die die menschliche Phantasie auf den oder einen Kometen darstellt). ca. tausend Jahre widersprechen
reellen Himmel projiziert hat. Darum Und noch eine Höchstleistung bei einander: wenn die chinesischen Li-
sollten unterschiedliche Kulturkreise chinesischen Sternbeobachtungen sten einen Kometen beschreiben,
auch ganz unterschiedliche Sternbil- möchten wir hier betonen: in den 32 findet man in den europäischen Lis-
der entwickelt und benutzt haben. So- Jahrhunderten von vor 1700 sollen die ten für das Jahr und seine engste
gar die Anzahl der Sternbilder ist nicht Chinesen etwa 90 Novae beobachtet Umgebung keine Kometen, und
etwa objektiv bestimmt. Darum sollte haben, die sie Gaststerne nannten. umgekehrt. Für N. Morosov ist das
auch die Anzahl der Sternbilder in un- Das bedeutet, dass durchschnittlich ein Beweis dafür, dass, wie in Eu-
terschiedlichen Kulturen unterschied- einmal in 37 Jahren eine Nova be- ropa, so auch in China alle frühen
lich sein. schrieben wurde. Konkret nennt man „Beobachtungen von Kometen“
Und nun plötzlich lesen wir in ei- [1] aber nur die Novae in den Jahren später ausgedacht wurden oder, wie
nem der ältesten chinesischen Bücher, 1054 (Supernova), 1572 und 1604. In er sagt, reine Apokryphen sind.
dass Kaiser Yao, der im Jahr 41 des den früheren Zeiten wird nur eine Besonders spektakulär ist die fol-
5. Kalenderzyklus angefangen habe Nova im Jahre -134 genannt [1]. gende Tatsache: zwischen 220 und
zu regieren (also vor ca. 4000 gelebt 300 haben Europäer keine Kome-
haben soll), seinen Astronomen fol- Die Kometenlisten
ten beobachtet; in der gleichen Zeit
gendes befohlen hat: „Beobachtet Fast ein Drittel des Buchs [6] ist haben die Chinesen 27 Kometen
den Himmel, berechnet den Kalen- der chinesischen Astronomie gewid- aufgezeichnet, mehr, als in ande-
der, baut ein Gerät, auf welchem 12 met, etwa 180 Seiten. Und hauptsäch- ren 80 Jahren.
Sternkreis-Symbole und die Bewe- lich werden dabei die chinesischen
gungen von Sonne und Mond 4) N. Morosov bemerkte, dass die Lis-
Kometenlisten analysiert. N. Morosov ten der ältesten Kometen so auf-
durch diese aufgezeigt werden“. hat eine umfangreiche Vergleichsana-
Und weiter betonte der Kaiser, dass gebaut sind (und das nicht nur in
lyse der chinesischen und europäi- China, sondern auch in Europa),
ein Jahr 366 Tage hat (so einen Ka- schen Kometenlisten unternommen.
lender haben die Chinesen erst im Jahr dass für jeden Kometen nach ge-
Auch in [4] sind ca. 20 Seiten diesen nau 540 Jahren in der Liste ein
1645 eingeführt). Listen gewidmet. Schon aus Platz-
Also wusste der chinesische Kai- weiterer Komet beschrieben wird.
mangel können wir uns hier eine so Es gibt ganze Reihen zeitlich nach-
ser schon vor 4000 Jahren, dass man detaillierte Analyse nicht leisten und
etwa zu Dürers Zeiten die 12 Stern- einander liegender Kometen, die
sind gezwungen, eine kurze Zusam- sogar zwei Abbilder haben: nach
kreissymbole auf die astronomischen menfassung dieser Recherche abzu-
Geräte eingravieren wird. Keine 36, 540 und nach 1080 Jahren. Beide
geben. Zahlen (540 Jahre und 1080 Jah-
24 oder 18, sondern exakt 12! Bei so 1) Die chinesischen Listen präsentie-
einer überlangen Tradition mit 12 re) liegen sehr nah an bekannten
ren hunderte von Kometen zwi- Verschiebungen in der Theorie von
Sternzeichen sollten selbstverständlich schen den Jahren -840 und +1540.
die Chinesen auch die entsprechen- A. Fomenko. Also wurden hier
Keine Listen sind bekannt, die für nicht extra die Listen von Kome-
den Sternbilder schon längst vor Dü- spätere Zeiten Kometen aufzeich-
rer erzeugt haben. Interessant wäre ten von den späteren abgeschrie-
nen. Diese unerklärliche Tatsache ben, sondern die ganze Geschich-
zu sehen, wie weit diese übereinstim- (wenn die Chinesen so eine ent-
men oder sich unterscheiden. te wurde verschoben und somit
wickelte Astronomie im Laufe der
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Chinesische Astronomie
verdoppelt oder verdreifacht. Und 19. Jh.) folgendermaßen: Man hat Technology and Science, Foreign
zusammen mit der Geschichte ha- für die Erscheinungen des Kome- Languagea Press, Beijing, 1987 (Se-
ben sich auch die Kometenlisten ten eine sinusoidale Abhängigkeit cond printing), S. 5-14.
um die Verschiebung (also um 540 in den Jahrhunderten 15.-19. fest- 2. Chen Jiujin, Chinese Calendars, in.
oder 1080 Jahre) verschoben und gestellt und entsprechend dieser Ancient China’s Technology and Sci-
so verdoppelt und verdreifacht. Funktion alte „Erscheinungen“ apo- ence, Foreign Languagea Press, Bei-
jing, 1987 (Second printing), S. 33-49.
5) Auch die weiteren ca. tausend Jah- kryphiert. Diese Abhängigkeit hat
sich aber schon im Jahr 1910 nicht 3. Shen Fuwel, Cultural Flow Between
re der Kometenbeobachtungen China and Outside World Throughout
sind unglaubwürdig. Weil hier die bewährt (der Fehler erreichte ca. History, Foreign languages press, Bei-
Beschreibungen von Kometen viel 3,5 Jahre). jing, 1996.
zahlreicher geworden sind, gibt es Schlusswort 4. A.T. Fomenko und G.V. Nossovski,
auch gewisse übereinstimmende Fast alles, was wir über die chine- Imperium, Faktorial, Moskau, 1996
„Beobachtungen“. Sie sind aber bis (Russ.).
sische Astronomie wissen oder zu 5. John Williams, Observations of Co-
zum 12. Jh. durch Zufallsüberein- wissen glauben, muss mit Skepsis ge-
stimmungen zu erklären. mets from B.C. 611 A.D. till 1640,
nossen werden. Die allgemeine Ten- extracted from Chineses Annaly,
6) Insgesamt haben die Kometenlisten denz, die chinesische Geschichte mit 1871.
wie in Europa, so auch in China zu „zusätzlichem Material“ zu füllen (s. 6. N.A.Morosov, Christus, Band. VI,
viele Eintragungen. Bei so einer [8,9]), ist auch in der Geschichte der Kraft & Lean, Moskau, 1998 (Russ.).
Anzahl sollten die meisten der Ko- chinesischen Astronomie ausschlag- 7. Stanislai de Lubieniezki, Historia uni-
meten sehr kleine und schwer zu gebend. Bei einer sorgfältigen Ana- versalis omnium Cometarum a Diluvio
beobachtende Objekte darstellen. lyse dieser „Überlieferungen“ (die oft usquae praesente Annum 1665.
Wie wir schon oben betont haben, Phantasiegebilde und Fälschungen 8. Eugen Gabowitsch, China: wie ent-
waren die chinesischen Sternbilder darstellen und fast immer falsch in- stand und wie richtig ist die Chrono-
für solche Beobachtungen nicht terpretiert und datiert wurden) sieht logie des Altertums?, Zeitensprünge,
geeignet. man, dass die alte chinesische Ge- 1999, Heft 1, 118-129.
7) Chinesische Beobachtungen von schichte erst im +14. Jh. ihre mythi- 9. Eugen Gabowitsch, Überzeugen oder
Kometen sind oft detaillierter als schen Anfänge hat. informieren? Noch einmal zu Moro-
Für diese „späte“ Datierung haben zows HYPO-Thesen, Zeitensprünge,
die europäischen. Die Chinesen 1999, Heft 1, 130-137.
beschreiben den Weg eines Kome- wir zwei unabhängige Überlieferungen
benutzt, so dass hier kaum noch Zwei- 10.Eugen Gabowitsch, Die Große Mauer
ten am Himmel auch in den Fäl- als ein Mythos: Errichtungsgeschich-
len, in welchen die Europäer nur fel existieren kann: die beschriebene te der Chinesischen Mauer und deren
vom Unheil schreiben, das ein Ko- chinesische Geschichte beginnt, wie Mythologisiereng , EFODON-SYNE-
met hervorgerufen oder angekün- auch die europäische, im 14. Jh. Also SIS, Nr. 36, 1999, Heft 6 (November/
digt habe soll. Das zeugt von einer ist sie nicht viel älter als die europäi- Dezember), 11-14.
gewissen und eigenständigen
astronomischen Kultur, die nicht
sche, aber auch nicht viel jünger (oder
vielleicht doch etwas jünger).
unbedingt der europäischen Tradi- Weil Geschichtsschreibung in
tion folgt. Ob sie vor dem 15. Jh. Wirklichkeit eine europäische Ange-
schon existierte, ist kaum anzuneh- legenheit war, der europäischen (und
men. Übrigens bezeugt nicht jede nicht ostasiatischen) Mentalität ent-
detaillierte Beschreibung die eige- sprach und erst im Zuge der Koloni-
ne Echtheit: beim Phantasieren hat sierungsversuche nach China impor-
man auch mit der der chinesischen tiert und zuerst von aus Europa ein-
Tradition entsprechenden Detail- gereisten Jesuiten betrieben wurde, ist
liertheit die Beschreibungen ange- die wirkliche Geschichtsschreibung in
fertigt. China relativ jung und von der einge-
8) Für Datierung historischer Ereig- pflanzten westlichen Mentalität ge-
nisse sind Kometenlisten nicht ge- prägt. Die Analyse der Geschichte der
bräuchlich: die entsprechenden chinesischen Astronomie liefert uns
Beschreibungen enthalten zu viel noch einen Beweis für diese Tatsa-
Ungewissheit und sind selten che, die wir schon im Zusammenhang
glaubwürdig (in Europa ist die mit der Entstehung des europäisch
Lage dieselbe). Die einzigen Ko- geprägten Mythos von der Großen
meten, die für die Datierung im Chinesischen Mauer [10] kennenge-
Prinzip in Frage kämen, sind die lernt haben: die Chinesen erzählten
sogenannten periodischen Kome- den Jesuiten wahre Geschichten, die
ten. Aber auch für solche ist die Jesuiten (und später auch europäisch
Situation nicht in Ordnung, wie das gebildeten Chinesen) machten aus die-
Beispiel des bekanntesten dieser sen Geschichte, die oft falsch und fast
Kometen – des Halley-Kometen immer völlig falsch datiert wurde.
– zeigt. Literatur
9) Angaben zum Halley-Kometen vor 1. Chen Xiaozhong, Records of Astro-
dem 15. Jh. sind falsifiziert wor- nomical Events, in: Ancient China’s
den. Das geschah (vermutlich im
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