Sie sind auf Seite 1von 442

MARKETING-LEHRGANG

01876/04

Impressum:

Hersteller: WIFI-Steiermark
© 2018, alle Rechte vorbehalten

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des WIFI-Steiermark ist unzulässig.

Das gilt insbesondere für Fotokopien, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

www.wifi.at WIFI Steiermark


Marketing-Lehrgang

Übersicht

Modul:
Einführung Marketing

Modul:
Umfeld Markt

Modul:
Strategisches Marketing

Modul:
Marktforschung

Modul:
Leistungspolitik

Modul:
Kontrahierungspolitik

Modul:
Kommunikationspolitik
Modul:
Distributionspolitik

Modul:
Kommunikation und Verkauf

Modul:
Online-Marketing

Modul:
Marketing-Budget und Controlling
Marketing-Lehrgang
Einführung Marketing
Autor: Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher
Überarbeitung: Ing. Mag. Helmut Weiß, MBA (2013)
Mag. Alfred Löscher, MBA (2018)
Einführung Marketing

Impressum:
Hersteller:
Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Steiermark
(WIFI Steiermark)
Für den Inhalt verantwortlich:
WIFI Steiermark
A-8021 Graz, Körblergasse 111-113
© 2018, alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ohne Zustimmung des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammer Steiermark ist
unzulässig.

Das gilt insbesondere für Fotokopien, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun-


gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2
Einführung Marketing

Inhalt Seite

1 DIE ENTWICKLUNG DES MARKETING VON 1950 BIS HEUTE ........... 5

2 SKIZZIERUNG DES MARKETING-KONZEPTES .................................. 10

3 MARKETINGINSTRUMENTE NACH KOTLER ..................................... 11

4 ANWENDUNGSFELDER DES MARKETING


UND DEREN BESONDERHEITEN ...................................................... 12

4.1 BESONDERHEITEN DES KONSUMGÜTERMARKETING ........................... 12


4.2 BESONDERHEITEN DES INDUSTRIEGÜTERMARKETING......................... 13
4.3 BESONDERHEITEN DES DIENSTLEISTUNGSMARKETING........................ 14

5 NEUERE ENTWICKLUNGEN IM MARKETING ................................... 15

5.1 CRM UND ONE-TO-ONE-MARKETING ................................................... 16


5.2 EFFICIENT CONSUMER RESPONSE (ECR)
UND CATEGORY MANAGEMENT ........................................................... 18
5.3 MARKETING IM INTERNET (ECOMMERCE) .............................................. 19

6 LERN- & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS ................................... 26

3
Einführung Marketing

Notizen

4
Einführung Marketing

1 DIE ENTWICKLUNG DES MARKETING


VON 1950 BIS HEUTE

Abb. 1: Entwicklung des Marketings

Die 1950-er Jahre


Der Begriff des Marketing, der anfänglich grob als marktorientierte Unternehmenspolitik
aufgefasst wurde, war schrittweise aus den USA kommend in den 50er Jahren in Öster-
reich noch weitgehend unbekannt. Hauptziel der damals vor allem produktionsorientiert
denkenden Unternehmen war in der Nachkriegszeit die Befriedigung der Nachfrage im
Sinne einer optimierten Massenproduktion. Man spricht daher von einem Verkäufermarkt.
Der Engpass war die Produktion und nicht der Markt.

Marketing war damals gleichzusetzen mit Distribution, zunehmend Printwerbung (Rekla-


me). Allerdings eroberten zu dieser Zeit bereits einzelne Marken die Märkte (z. B. Coca
Cola, Persil). Das Markenimage wird zum geflügelten Wort. Definierte Zielgruppen stan-
den aber zunehmend im Vordergrund der Marketingüberlegungen. Damit war der Ansatz
gegeben, die Unternehmen durch den Markt mit seinen Anforderungen auszugestalten.
Marktsegmentierung, Marketingkonzept und Marketing- Audit, d. s. bestimmte Control-
lingaufgaben des Marketings im Unternehmen, spielen verstärkt eine wichtige Rolle.

5
Einführung Marketing

Auf wissenschaftlicher Seite widmete sich Gutenberg dem Thema und verfasste die ersten
beiden Bände der „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“ unter „Die Produktion“
(1951) und „Der Absatz“ (1956). 1958 wurde in der Bundesrepublik Deutschland die Zeit-
schrift „Absatzwirtschaft“ gegründet, die heute noch ein zentrales Publikationsmedium der
Marketingwissenschaft ist.

Die 1960-er Jahre (The Roaring Sixties)


In den 60er Jahren wurde der Markt zunehmend zum Engpassfaktor. Es wandelt sich der
Verkäufermarkt zum Käufermarkt. Die Techniken im Marketing – und hier vor allem Ver-
trieb und Verkauf – standen im Vordergrund, um verloren gegangene Marktanteile wie-
derzugewinnen. Das Umsatzdenken dominierte. Der amerikanische Marketingspezialist
Mc Carty definiert die vier P's als Instrumente des Marketings (Product, Price, Promotion,
Place), also Produktpolitik, Distribution, Werbung und Preispolitik.

Die Konsumenten wurden allerdings zunehmend kritischer. Dies führte dazu, dass das
Agieren mit Marketinginstrumenten und -techniken durch Untersuchungen über das Kon-
sumentenverhalten vor allem in den USA auf eine breitere Verständnisbasis gestellt wurde
(z. B. Motivationsmodelle von Maslow, Referenzgruppenmodell von Festinger).
In der Bundesrepublik wurde von Prof. Heribert Meffert an der Universität Münster das
erste Marketinginstitut gegründet, in Österreich in Linz von Prof. Ernest Kulhavy.

Die 1970-er Jahre


Das Marketing etablierte sich allseits anerkannt als Erfolgskonzept für erfolgreiche Unter-
nehmen. Ein neues Zauberwort taucht im Marketing auf: Positionierung.
Damit ist die Notwendigkeit gemeint, einem Unternehmen ein unverwechselbares Profil
vorwiegend im Produkt- und Dienstleistungsbereich zu geben. In vielen, vor allem gro-
ßen, Unternehmen werden Marketing-Abteilungen installiert. Diese sind nur in wenigen
Fällen im gesamten Unternehmen integriert und müssen sich eine ganzheitliche Durch-
dringung des Unternehmens mit dem Marketinggedanken erst im Laufe der Jahre erkämp-
fen. Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass Umsatz nicht gleich Ertrag war. Da-
zu trug der sich langsam entwickelnde Bereich Marketing-Controlling maßgeblich bei. Im

6
Einführung Marketing

Marketing erlangte der Handel eine zunehmende Bedeutung und Marktmacht (Ziel der
Regaloptimierung, Einsatz von No-Name-Produkten).

Die Notwendigkeit eines Strategischen Marketings wurde zu dieser Zeit auch noch durch
den Ölpreisschock verstärkt. Dementsprechend wurden neue Tools für das Strategische
Marketing bzw. die Strategische Planung entwickelt, wie z. B. die Portfolioanalyse.

Die 1980-er Jahre


Verdrängungsmarketing war die Folge von gesättigten Märkten. Globales Marketing steht
im Vordergrund. Märkte sollen weltweit gesehen werden. Im Vordergrund der Überle-
gungen steht, dass große Konzerne in kleine flexible und schlagkräftige Markteinheiten
zerlegt werden sollen. Das Motto heißt: small is beautiful. Das lokale Marketing gewinnt
an Bedeutung nach dem Motto: Denke global - agiere lokal. Durch die neuen anwend-
baren Technologien Bildschirmtext, Telefax etc. beginnt sich ein neuer Erfolg verspre-
chender Trend herauszukristallisieren - Direkt Marketing. Nach Philip Kotler setzt Marke-
ting zum Sprung in Richtung Megamarketing an. Die 4 P's nach Mc Carty werden auf 6
P's ergänzt (+ PR (Öffentlichkeitsarbeit) und power (Marktmacht)).

Die 1990-er Jahre


Die 90-er Jahre sind nicht nur durch tief greifende Veränderungen im Marketing gekenn-
zeichnet, sondern auch durch Veränderungen im gesamten Management. Man spricht hier
von einem Paradigmenwechsel, d. h. grundlegende Veränderungen in den „Grunddenk-
mustern“ des Managements. Einige Beispiele für Veränderungen im Marketing sind:
• Das CIM-Marketing (Computer Integrated Manufacturing) wird sich in den 90er Jahren
stark entwickeln. Der Nutzen für den Kunden heißt, weg vom Massenartikel hin zum
individuell produzierten Produkt. Und das vom Fließband.
• Das neue Gebot der Stunde heißt Produktion von Flexibilität. Das Streben der Konsu-
menten nach Individualität und Produktmitbestimmung wird das Marketing der 90-er
nachhaltig verändern.
• Die Handelsmarken konkurrieren verstärkt den klassischen Markenartikel. Das neue
Marketing wird mehr Tempo und Variation erfordern.

7
Einführung Marketing

• Lean Management hinterlässt Spuren im Marketing. Schlanke Kosten werden auch im


Marketing verstärkt eingefordert.
• Das Informationszeitalter mit seinen neuen Medien wird die Kommunikation weiter
dynamisieren. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Internet/WWW (World
Wide Web) zu nennen.

Die 2000-er Jahre


Marketing ist heute vielmehr noch als in den vergangen Jahren/Jahrzehnten ein Manage-
mentansatz, d. h. eine Denkhaltung, ein Orientierungsmuster, das die wesentlichen Leit-
linien und Führungskorridore bestimmt. Es ist aber auch eine umfangreiche „Spielwiese“
für die Entwicklung und den Einsatz von Instrumenten zur Marktbearbeitung (Marketing-
Mix).

Dementsprechend ist Marketing nicht nur die Angelegenheit von einer Abteilung im Un-
ternehmen, es ist die konsequente und vernetzte Marktorientierung aller Unternehmens-
bereiche und aller Mitarbeiter.

Die 2010-er Jahre


Vor allem das Internet und social media Marketing haben in den letzten Jahren das Marke-
ting maßgebend verändert und werden dies auch weiterhin verändern. Schlagworte wie
mobile Marketing, social media Marketing finden Eingang in den Marketing-Alltag.
In der neueren Literatur werden diese 6 P´s auf 8 P´s (people und process) erweitert.
Weitere P´s finden sich fast jährlich, setzen sich aber dzt. noch nicht durch.
Marketingphilosophie (Marketing als Königsaufgabe im Unternehmen)

Nach Gälweiler hat das Marketing die Königsaufgabe, dem Management/ Unternehmer zu
signalisieren, wo die „optimalen Probleme“ liegen, die die Unternehmung für die Kunden
mit entsprechenden Vorteilen für beide Seiten lösen kann. Erfolgreiche Unternehmen
zeichnen sich heute im Bereich des Marketings durch folgende Merkmale aus:
• Kundenorientiertes Denken (Nutzen des Kunden)
• Dicht am Kunden

8
Einführung Marketing

• Flexible und schlagkräftige Organisation


• Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzustellen
(zur laufenden Organisationsentwicklung)
• Führung zugleich locker und fest
• Produktive Unternehmenskultur
• Aktives In-Frage-Stellen aller Themen
• Menschen als höchstes Kapital im Unternehmen
• Flache Hierarchie
• Teamarbeit
• Zukunfts- und Wachstumsorientierung
• Gewinnorientiert

Marketing wird als Unternehmensführung im vernetzten System (Mitarbeiter, Mitbewer-


ber, öffentliche Institutionen, Banken etc.) betrachtet. Dies bedeutet auch,

• dass ein gutes Image am Arbeitsmarkt zu entwickeln ist, um den Nachwuchs an


Fach-/Arbeitskräften und Führungskräften sicherzustellen,
• dass permanent gute Beziehungen zu unterschiedlichsten Interessensgruppen gepflegt
werden,
• über das Tagesgeschäft hinausgehend einen qualitativ guten Kontakt zu Lieferanten zu
halten und
• ein gutes Image bei Banken zu haben, um im Anlassfall problemlos Alternativen an-
wählen zu können.

Im Zentrum dieses Marketing-Netzwerkes steht der Kunde bzw. der Markt als Ausgangs-
punkt der Überlegungen. Damit wird das Denken von außen nach innen übergeführt. Der
Kunde ist nicht mehr König, sondern der Kunde ist Partner! Nur ein echtes partnerschaft-
liches Verhältnis zwischen dem Unternehmen und den Kunden, das auf einer langfristigen
Zwei-Gewinner-Strategie aufgebaut wird, hat zukunftsorientierte Erfolgschancen.

9
Einführung Marketing

2 SKIZZIERUNG DES MARKETING-KONZEPTES

Der Begriff des Marketing ist heute ein sehr schillernder. Wahrscheinlich einer der schil-
lerndsten im gesamten Bereich der Managementlehre. Es wird von Guerilla-Marketing,
Self-Marketing, New Marketing etc. gesprochen.

Marketing heißt zuerst einmal:


• die Bedürfnisse Ihrer Kunden ideal zu befriedigen (Kundennutzen erbringen)
• und dies bei gleichzeitiger Erwirtschaftung eines Gewinns für das Unternehmen
• in einer systematischen und marktorientierten Unternehmensführung.

Marketing kann als die Grundhaltung bezeichnet werden, „in die Schuhe des Kunden zu
schlüpfen“, d. h. sich zu fragen, was würde ich von meinem Unternehmen erwarten, wäre
ich der Kunde.

Definition von Marketing


Marketing ist eine umfassende Stoßrichtung für alle Unternehmenstätigkeiten, bei der das
Unternehmen konsequent vom Markt her so zu führen ist, dass über eine zufriedenstel-
lende Lösung von Kundenproblemen die Unternehmensziele in hohem Maße erfüllt wer-
den.
Fazit: Erfolgreiches Marketing bringt zufriedene Kunden und Profit für das Unternehmen.
Ein Markt ist mehr wert als eine Fabrik! Und: Wer den Markt hat, hat die Erträge,
und wer die Fabrik hat, hat die Kosten! Z. B. Adidas hat keine Produktionsstätte.

Das Marketing hat damit in den Unternehmen folgenden Stellenwert:


• Marketing ist ein Leitbild für das Management. Die Ausrichtung des Unternehmens
an den Kundenbedürfnissen ist die zentrale Führungsaufgabe.
• Marketing ist eine Unternehmensfunktion und Querschnittsfunktion.
Eine Marketing-Abteilung ist im Unternehmen neben den anderen Leistungsfunktio-
nen (Produktion, Lager etc.) gleichberechtigt und koordiniert die Marketingaktivitä-
ten des Unternehmens. Gleichzeitig ist aber Marketing nicht auf diese Abteilung be-

10
Einführung Marketing

schränkt, sondern Marketing umfasst im Sinne von markt- und kundenorientiertem


Denken alle Unternehmensbereiche und Mitarbeiter.
• Marketing ist ein zentrales Tool der Unternehmensführung.
Die Methoden und Mittel des Marketings bilden die Grundlage für eine zielgerich-
tete Marktbearbeitung und sollen ein Höchstmaß an Kundenzufriedenheit und Kun-
denbindung als wesentliche Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit des Unter-
nehmens liefern.

3 MARKETINGINSTRUMENTE NACH KOTLER

Damit das Marketing auch in der Praxis die Kraft entfalten kann, braucht es Instrumente
und Techniken. Nachfolgend die 6 P's im Marketing:
• Product = Produkt-, Sortimentspolitik
Damit ist Produktqualität, Sortiment, Marke, Kundendienst, die Innovations- und Profi-
lierungskraft innerhalb der Produkt- und Sortimentspolitik gemeint.
• Price = Preispolitik (Kontrahierungspolitik)
Hier geht Kotler von der Preisfestlegung, der Rabatt- und Skontopolitik, wie auch von
der Kreditierung bzw. von Zahlungszielen aus.
• Promotion = Kommunikationspolitik
Hier sind die Instrumente Werbung im klassischen Sinn, Direkt Marketing, Verkaufs-
förderung, Event und Sponsoring gemeint.
• Place = Distributionspolitik
Damit sind die einzelnen Absatzkanäle, aber auch die Logistik, Lagerung, Transport,
Lieferzeit und der persönliche Verkauf gemeint.
• Public Relation = Öffentlichkeitsarbeit
Ein Unternehmen sollte in dieser turbulenten Umwelt, in der es tätig ist, auf Öffent-
lichkeitsarbeit ein besonderes Augenmerk legen.
• Power = Marktmacht
Das ist die Forderung an das Unternehmen, gestalterisch im gesamten Marktgesche-
hen mitzuwirken.

11
Einführung Marketing

Diese 6 P`s nach Kotler und weitere Instrumente des Marketing werden als Instrumente
des Marketing-Mix nachfolgend näher erläutert. Allerdings hat sich im deutschsprachigen
Raum die Unterteilung in 4 Instrumentalbündel durchgesetzt:
• Leistungspolitik,
• Kontrahierungspolitik,
• Kommunikationspolitik,
• Distributionspolitik.

Im Folgenden werden zunächst die Anwendungsfelder des Marketings und deren Beson-
derheiten umrissen. Es geht um die Unterscheidung zwischen Konsumgütermarketing,
Investitionsgütermarketing, Dienstleistungsmarketing und das Marketing im Internet.

4 ANWENDUNGSFELDER DES MARKETING UND DEREN


BESONDERHEITEN

4.1 Besonderheiten des Konsumgütermarketing

Konsumgüter dienen Privatpersonen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Dies ist der auch
der Ausgangs- und Kernpunkt in der Entwicklung des Marketings. Man unterscheidet da-
bei auch zwischen Verbrauchsgütern (z. B. Lebensmittel) und Gebrauchsgütern (z. B. Pri-
vat-Pkws, Hifi-Anlagen etc.).

Das Konsumgütermarketing ist üblicherweise gekennzeichnet von individuellen Kaufent-


scheidungen, in selteneren Fällen von kollektiven Kaufentscheidungen (z. B. „Familien-
Rat“ beim Autokauf oder beim Hausbau). Dadurch steht auch das individuelle Kaufverhal-
ten im Vordergrund des Interesses, d. h. die Emotionen, Motivationen, Einstellungen und
Kaufprozesse des Einzelnen.

12
Einführung Marketing

Bei den Marketinginstrumenten sind es zunehmend individualisierte Instrumente, die zum


Einsatz kommen (Direct Mailings, Kundenkarten etc.). Ziel ist hier vor allem durch den
Einsatz neuer Informations- und Kommunikationsinstrumente (Internet, UMTS- Handy) das
One-to-One-Marketing (Zielgruppengröße = 1). Den Schwerpunkt von Marketing-
Aktivitäten bilden aber auch heute noch vor allem kundengruppenorientierte Instrumente
(Massenwerbung, Homepages), aber der Trend geht deutlich zur personalisierten Kommu-
nikation – vor allem unter Verwendung des Internet.

Hinweis: Das vorliegende Skriptum behandelt insbesondere das Konsumgütermarketing.

4.2 Besonderheiten des Industriegütermarketing

Industriegüter werden von Unternehmen mit dem Ziel erworben, mit ihrer Hilfe Güter und
Dienstleistungen zu erstellen. Es handelt sich also um Potenzialfaktoren. Dadurch wird
vom Investitionsgütermarketing gesprochen. Neben den Investitionsgütern spricht man
dort auch von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen.

Das Industriegütermarketing weist u. a. folgende Besonderheiten auf:


• Es handelt sich meist um kollektive Kaufprozesse, d. h. es sind mehrere Personen am
Kaufprozess beteiligt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sog. Buying
Center (siehe Kapitel 2.4).
• Es gibt sog. individuelle Transaktionen (z. B. Anlagen, Systeme, OEM-Geschäfte
(Original Equipment Manufacturer = Erstausrüster/ Fremdmarkenproduktion) und Rou-
tinetransaktionen (Produktgeschäft mit weiter gehendem – zum Teil – anonymen
Markt; Rohstoffe …).
• Im Vordergrund stehen Marketinginstrumente, wie etwa: der persönliche Verkauf, die
Angebotspolitik, die auf spezielle Problemlösungen ausgerichtete Produktpolitik.

13
Einführung Marketing

4.3 Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing

Das Dienstleistungsmarketing, welches immaterielle Güter (Service, Rechte, Informatio-


nen) umfasst, betrifft entweder eine Kernleistung des Unternehmens (z. B. Banken, Unter-
nehmensberater, Friseure) oder Zusatzleistungen (z. B. Zustelldienste im Handel, Finanzie-
rungsleistungen beim Maschinenkauf).

Aufgrund der Tatsache, dass im Konsum- und Investitionsgütermarketing die Produkte oft
vergleichbar bzw. austauschbar sind, da Zertifikate, Normen und Standards eingehalten
werden müssen und Standardqualitäten von de facto allen Unternehmen angeboten wer-
den, bilden Dienstleistungen in vielen Fällen die zentrale und oft sogar einzige Möglich-
keit, sich bewusst vom Mitbewerb abzuheben. Dem kommt der Wunsch der Konsumen-
ten nach einer umfassenden Problemlösung entgegen, die bisweilen weit über ein Kern-
produkt hinausgeht. Im Extremfall wird das Kernprodukt sogar als notwendiges „Übel“
gesehen, tatsächlich wird aber die Dienstleistung zur Problemlösung nachgefragt.

14
Einführung Marketing

5 NEUERE ENTWICKLUNGEN IM MARKETING

Gerade das Marketing ist in seinem Bestreben, laufend und auf innovative Art die Proble-
me der Kunden zu lösen, auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, dies effizient und ef-
fektiv zu tun. Aus diesem Streben heraus haben sich in den letzten Jahren interessante Sys-
teme entwickelt, die im Folgenden beispielhaft dargestellt werden.

One-to-one- Die Marketingkonzepte und -gedanken werden verstärkt auf die Herausarbeitung
Marketing, von Kundennutzen konzentriert, d. h. die Unternehmen versuchen, ihre Kom-
CRM (Custo- munikation mit sowie ihre Leistung an den Kunden so weit wie möglich zu indi-
mer Relations- vidualisieren. Im Speziellen umfasst CRM alle Computer-Programme zur Unter-
hip Manage- stützung der Kundenbeziehungen in den Bereichen Marketing, Vertrieb, Service
ment) und Planung.
Efficient Con- ECR ist ein Konzept zur Optimierung der Wertschöpfungskette vom Hersteller
sumer Respon- über den Handel bis zum Endverbraucher. Hierbei wird jede Warengruppe als
se (ECR) strategische Einheit betrachtet. Jeder Einheit wird eine Rolle in der Beziehung/
Wirkung zum Kunden zugeschrieben. Alle Maßnahmen, Strategien und damit
auch Aufwände für diese Warengruppe oder Category müssen sich an der dieser
Rolle ausrichten.
Category Ma- CM ist ein Teilbereich des Efficient Consumer Response und bezeichnet auf Lie-
nagement feranten-, Distributoren- oder Handels-Ebene das integrierende Management
(CM) einer Gruppe verwandter Produkte von der Produktion bis zum Verbraucher.
Marketing im Unter E-Business versteht man jede Art von geschäftlicher Transaktion, bei der
Internet die Beteiligten auf elektronischem Wege miteinander verkehren. (Hoffmann/
Zilch) Electronic Commerce beschreibt die Verzahnung unterschiedlicher Wert-
schöpfungsketten auf der Grundlage des schnellen und plattformunabhängigen
Informationsaustausches über Informations- und Kommunikationstechnologien.
(Bliemel) Es geht also um ein Instrument im Supply Chain Management, dem
Management der Wertschöpfungskette(n).
Electronic Commerce ist die über Telekommunikationsnetzwerke elektronisch
realisierte Anbahnung, Aushandlung und Abwicklung von Geschäfts-
transaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten. (Universite Libre de Bruxelles)

15
Einführung Marketing

5.1 CRM und One-to-One-Marketing

Nachdem viele Unternehmen durch geeignete Maßnahmen auf der Kostenseite dauerhaft
massive Einsparungen erzielen konnten, unternehmen sie nunmehr Anstrengungen auf der
Kundenseite. Durch den gestiegenen Wettbewerb versuchen sie vor allem ein verbessertes
Kundenservice aufzubauen, um sich so vom Wettbewerb abzuheben und eine langfristige
und erfolgreiche Verbindung zu ihren loyalsten und profitabelsten Kunden zu knüpfen.
Dazu ist es notwendig, über seine Kunden und deren Vorlieben möglichst genau Bescheid
zu wissen und eine dauerhafte Kundenbeziehung aufzubauen. Die Marketingkonzepte
und -gedanken werden verstärkt auf die Herausarbeitung von Kundennutzen konzentriert,
d. h. die Unternehmen versuchen, ihre Kommunikation mit sowie ihre Leistung an den
Kunden so weit wie möglich zu individualisieren.

Die Entwicklung in Richtung Kundenbindung lässt sich jedoch auch aus kostenseitigen
Überlegungen erklären. Anstrengungen, neue Kunden zu gewinnen, sind mit wesentlich
höheren Ausgaben verbunden, als das Halten bestehender Kunden (ca. 10- 15 x höhere
Kosten). D. h. eine vermehrte Konzentration auf Aktivitäten, die darauf abzielen, beste-
hende Kunden zu behalten, kann auch noch kostengünstiger sein als die Maßnahmen für
eine ständige Neukundengewinnung. „The era of the one-night-stand is gone. Marriage is
both necessary und more convenient.“

Das Wort „Customer Relationship Management“ findet sich seit dem Jahr 1999 vermehrt
in einschlägigen Publikationen. Nach der Ermittlung der Kundenzufriedenheit steht im
CRM die Bindung wertvoller Kunden im Vordergrund. Allgemein wird CRM als Ge-
schäftsphilosophie oder Konzeption zur Optimierung der Kundenidentifizierung, Kunden-
bestandssicherung sowie des Kundenwerts definiert, wobei der Prozessgedanke stark be-
tont wird. CRM ist wie das Marketing an sich ein Ansatz zur Unternehmensführung. Er
integriert und optimiert auf der Grundlage einer Datenbank und Software zur Marktbear-
beitung sowie eines definierten Verkaufsprozesses abteilungsübergreifend alle kundenbe-
zogenen Prozesse in den Bereichen Marketing, Vertrieb, Kundendienst, F&E, Service und
Planung u. a.

16
Einführung Marketing

CRM gibt es als selbständige Softwarelösungen und als Bestandteil von ERP-Systemen. Die
zentralen Fragen des CRM sind allerdings nicht grundsätzlich neu:
• „Was kennzeichnet einen Kunden, mit dem zukünftig ein hoher Deckungsbeitrag er-
wirtschaftet werden kann?“
• „Wie segmentiere ich meinen Kundenstamm, um zielgerichtet Marketingaktionen
durchführen zu können? Wie vermeide ich Streuverluste?“
• „Wie kann ich in meinem Unternehmen sicherstellen, dass sich jeder meiner Kunden
fühlt, als würde sich alles um ihn drehen?“

Um diese Fragen befriedigend beantworten zu können, hilft nur die ganzheitliche Sicht
des Kunden. Zielsetzung von CRM ist die gemeinsame Schaffung von Mehrwerten auf
Kunden- und Lieferantenseite über die Lebenszyklen von Geschäftsbeziehungen.
CRM- Konzepte enthalten demnach Vorkehrungen zur permanenten Verbesserung der
Kundenprozesse und für ein berufslebenslanges Lernen der Mitarbeiter.

Das Ziel einer umfassenden CRM-Strategie ist vor allem, die Profitabilität des einzelnen
Kunden während dessen Lebenszyklus zu optimieren, d. h. der Kunde soll einerseits dazu
gebracht werden, möglichst viele Leistungen des Unternehmens in Anspruch zu nehmen,
also Zusatzkäufe zu tätigen und andererseits soll er keinen Anreiz haben, zu einem an-
deren Anbieter zu wechseln.

Eines der Kernelemente einer CRM-Strategie ist das individuelle Adressieren von Kunden-
wünschen und Bedürfnissen. Es kann nicht zielführend sein und würde zweifelsohne un-
nötig hohe Kosten verursachen, potentiellen Kunden oder Interessenten Informationsmate-
rial über sämtliche vorhandenen Produkte zukommen zu lassen, wenn sie sich nur für ein
bestimmtes Produktsortiment wirklich interessieren. Die Parfümeriekette Douglas bei-
spielsweise unterteilt seine Kundenkartenbesitzer (2012: ca. 1,9 Mio. in etwa 10.000 un-
terschiedliche Kategorien) und bearbeitet diese jeweils individuell unterschiedlich.

17
Einführung Marketing

5.2 Efficient Consumer Response (ECR) und Category Management

Efficient Consumer Response (ECR) ist ein Konzept/ Strategie zur Optimierung der Wert-
schöpfungskette vom Hersteller über den Handel bis zum Endverbraucher. Hierbei wird
jede Warengruppe als strategische Einheit betrachtet. Jeder Einheit wird eine Rolle in der
Beziehung/Wirkung zum Kunden zugeschrieben. Alle Maßnahmen, Strategien und damit
auch Aufwände für diese Warengruppe oder Category müssen sich an diesem Konzept
ausrichten.

Bei ECR erforschen Handels- und Industriepartner Methoden der engeren Zusammenar-
beit, um vermeidbare Kosten in der Distributionskette abzubauen und dem Konsumenten
besser zu dienen. Es geht um den kontinuierlichen Optimierungsprozess, der Wertschöp-
fungskette Industrie-Handel-Verbraucher mit dem Ziel, dem Wunsch des Verbrauchers
nach den richtigen Produkten, in der richtigen Qualität, in der richtigen Menge, am richti-
gen Ort, zur richtigen Zeit, im richtigen Preis-/Leistungsverhältnis zu erfüllen – unter be-
sonderer Berücksichtigung der Marketing-Strategien der Partner Industrie und Handel.

4-ECR-Basis-Strategien

CM SCM

Efficient Store Efficient Products Efficient Continous


Assortments Introductions Promotion Replenishment
Sortimentsoptimierung Optimierung der Totalsystem Zeit- und Kosten-
Bestandsoptimierung Produktentwicklung efficency von Han- optimierung
Regaloptimierung dels- und Konsu-
Optimierung der menten- Promotions - Automatisches
- Verbesserte Regal- Einführungsstrategie Bestellwesen
produktivität Minimierung der - Just in Time Lo-
- Erhöhte Um- Handlingkosten gistik
schlags- geschwin- (Administration, - Geringere Wa-
digkeit Lagerung, Trans- renverluste durch
port) Beschädigungen

Abb. 2: ECR- Basisstrategien

18
Einführung Marketing

Category Management (CM) ist ein Teilbereich des ECR und bezeichnet auf Lieferanten-,
Distributions- oder Handels-Ebene das integrierende Management einer Gruppe verwand-
ter Produkte von der Produktion bis zum Verbraucher. Der Handel betreibt aber das Cate-
gory Management in größeren Dimensionen, da er im Gegensatz zum Lieferanten mehr
Artikel pro Category zu betreuen hat. Dieser Unterschied in der Betrachtung führt oft zu
Spannungen in der Zusammenarbeit.

5.3 Marketing im Internet (eCommerce)

Man kann im Zusammenhang mit dem Marketing im Internet folgende Bereiche unter-
scheiden:

Online Business Prozess


E-Commerce
Marketing Integration
• Web-“Brochures“ • Waren • Einkauf
• Online Advertising • Dienstleistungen • Handel
• Web-Site-Promotion • Inhalte • Service
• Logistik

Online Auftritt E-Commerce-Site Shops, Plattformen,


Auktionshäuser Intra-, Extranet

Funktion Information Shopping / Handel Kom- Kommunikation


munikation Transaktion
Abb. 3: Bereiche des Marketings im Internet

Im Kern erwartet man sich durch das Marketing im Internet das technische Rüstzeug für
das sog. One-to-One-Marketing, also eine verstärkt individualisierte Kundenansprache.

• Massenmarketing • One-to-one-Marketing
- Durchschnittliche Kunden
- Kundenanonymität → - Individuelle Kunden
- Kundenprofile


- Standardprodukte - Kundenspezifische Lösungen
- Massenproduktion - Mass Customizing


- Massendistribution - Individueller Vertrieb
- Massenwerbung - Individuelle Incentives
- Einweg-Kommunikation - Zweiweg-Kommunikation
- Economies of Scale
- Marktanteil
→ - Economies of scope
- Kundenanteil
- Kundenzufriedenheit - Kundenbindung/-begeisterung
Abb. 4: Massenmarketing vs. One-to-One-Marketing

19
Einführung Marketing

Was im Marketing im Internet heute zählt ist:

• Gezielte Kundenansprache: nicht Durchsurfer und Schnäppchenjäger, sondern Kun-


den mit Zukunft sind gefragt;
Problem: Neukundengewinnung!
• Kundenbindung: eine Steigerung der Kundenbindung um 5 % bringt in manchen Be-
reichen > 25 % Gewinnsteigerung
• Vertrauensaufbau
• Flexibilität: es muss schnell und kundenspezifisch gehen
• Umfang/Struktur des Angebotes

Die konzeptionelle und technische Realisation des Marketings im Internet sollte auf jeden
Fall sorgfältig vorbereitet werden und auch sicherheitstechnische und rechtliche Aspekte
umfassend berücksichtigen. Insgesamt werden durch eCommerce eine Reihe von wettbe-
werbsentscheidenden Wirkungen erwartet bzw. sind bereits eingetreten.
In den letzten Jahren hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, dass zuerst einmal
die Grundregeln des Marketing beherrscht werden müssen, dann erst macht eine Ausei-
nandersetzung mit dem Marketing im Internet (= zusätzliches Medium) Sinn.

Das Internet ist zurzeit neben dem Kommunikationsmarkt das am schnellsten wachsende
Geschäftsfeld. Dies unterstreichen die stetig steigenden Nutzerzahlen. Es werden immer
mehr Zielgruppen über das Internet angesprochen, da durch technische Innovationen
auch solche Gruppen erreicht werden können, die nicht aus dem klassischen Computer-
umfeld stammen.

Der Begriff Electronic Commerce umfasst zahlreiche Tätigkeiten und Geschäftsfelder und
ist noch nicht eindeutig festgelegt: Für die einen fällt allein das "Homeshopping" darunter,
andere verstehen den Begriff viel weiter und fassen alle Formen der elektronischen Inter-
aktion im und zwischen Unternehmen darunter.

20
Einführung Marketing

Nachfolgend einige Definitionen zum eBusiness und zum eCommerce:

• Unter eBusiness versteht man jede Art von geschäftlicher Transaktion, bei der die Be-
teiligten auf elektronischem Wege miteinander verkehren. (Hoffmann/ Zilch)
• Electronic Commerce beschreibt die Verzahnung unterschiedlicher Wertschöpfungs-
ketten auf der Grundlage des schnellen und plattformunabhängigen Informationsaus-
tausches über Informations- und Kommunikationstechnologien. (Bliemel)
• Es geht also um ein Instrument im Supply Chain Management, dem Management der
Wertschöpfungskette(n).
• Electronic Commerce ist die über Telekommunikationsnetzwerke elektronisch reali-
sierte Anbahnung, Aushandlung und Abwicklung von Geschäftstransaktionen zwi-
schen Wirtschaftssubjekten. (Universite Libre de Bruxelles)

Lt. NTIA (National Telecommunications und Information Administration) ist Electronic


Commerce in seiner weitesten Begriffsfassung „jegliche Nutzung der elektronischen Tech-
nik in jeglicher kommerzieller Tätigkeit“. Darunter versteht sie vor allem die Nutzung des
Internet bzw. der National Information Infastructure (NII), um folgende Funktionen auszu-
führen:

• Produkte auf den Markt zu bringen (Forschung und Entwicklung per Telekommunika-
tion)
• Verkäufer und Konsumenten zusammenzuführen (z. B. in Electronic Malls)
• Verbindung und Kommunikationsmöglichkeiten mit der Regierung in Fragen der Un-
ternehmensaktivitäten herzustellen (z. B. elektronische Steuererklärung)
• Lieferung elektronischer Güter (z. B. Software oder Information)

21
Einführung Marketing

In der folgenden Abbildung werden die einzelnen Typen des eBusiness dargestellt.

Nachfrager
der
Leistung

Consumer Business Administration

Consumer-to- Consumer-to- Consumer-to-


Consumer

Consumer Business Administration

z. B. Internet- Kleinanzei- z. B. Jobbörsen mit Anzeigen z. B. Steuerabwicklung


genmarkt von Jobsuchenden von Privatpersonen

Business-to- Business-to- Business-to-


Consumer Business Administration
Business

Anbieter
z. B. Bestellung eines Kun- z. B. Bestellung eines Unter- z. B. Steuerabwicklung
der Leistung den in einer nehmens bei einem Zuliefe- von Unternehmen
Internet Shopping Mall rer per EDI

Administration-to- Administration-to- Administration-to-


Administration

Consumer Business Administration

z. B. Abwicklung von Unter- z. B. Beschaffungs- z. B. Transaktionen zwischen


stützungsleistungen maßnahmen öffentlicher öffentlichen Institutionen im
(Sozialhilfe etc.) Institutionen In- und Ausland

Abb. 5: Typen des eBusiness (Quelle: Hermanns/Sauter 1999, S. 23)

Der elektronische Handel hat sich als Revolution bei der Internet-Nutzung herausgestellt.
Die dargestellten Zahlen suggerieren, jeder könne hier Geld verdienen, einfacher und
leichter als je zuvor. Wer da den Anschluss verpasst, hat bald kein gesundes Geschäft
mehr - so die Stimmen der Hersteller der vermeintlich richtigen Software. In der Praxis hat
sich jedoch das Internet als ein zusätzlicher Vertriebskanal etabliert.

Nur wenige Anbieter (z. B. Dell Computer) haben mit einer reinen Internet-Strategie Er-
folg. Heute sagt man vor allem jenen Unternehmen positive Zukunftschancen voraus, die
die Grundregeln der „Old Economy“ mit den Möglichkeiten der „New Economy“ verbin-
den können („Real Economy“). Eine entsprechende Prognose lieferte ebenfalls die Gartner
Group:

Zwar eröffnen sich enorme Möglichkeiten durch den elektronischen Handel,


aber eben nicht für jeden – oder zumindest nicht für jeden in gleicher Weise. Die
Euphorie verleitet einen da leicht, sich in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang
zu stürzen, ohne die richtigen Voraussetzungen dafür zu haben. Denn der tech-

22
Einführung Marketing

nische und personelle Aufwand ist zwar deutlich kleiner als bei einem Projekt mit
vergleichbarer Größe der Zielgruppe im konventionellen Markt, aber eben trotz-
dem nicht ganz unerheblich. Daher sollten die Methoden und Erkenntnisse des
traditionellen Marketings auch im eCommerce angewandt werden.

Insgesamt werden aber durch eCommerce eine Reihe von wettbewerbsentscheidenden


Wirkungen erwartet bzw. sind bereits eingetreten.

Kosten Zeit Absatz Wettbewerb Kunden


• Beschaffung • Entwicklungs- • Dauerhafte Markt- • Kooperationen • Kundenservice
• F&E zeiten präsenz • Differenzierung • Kundenbindung
• Produktion • Reaktionszeiten • Neue Kunden • ... • One-to-One-
• Lagerhaltung • Durchlaufzeiten • Neue Märkte Marketing
• Marketing/ • Abwicklungs- • Neue Produkte • Mass Customizing
Vertrieb zeiten • Internationale • Entertainment-
• Verwaltung • ... Markterschließung shopping
• Kundendienst • ... • ...
• ...

Kosten- Zeit- Absatzpotential- Verbesserung der Verbesserung der


einsparungen einsparungen steigerungen Wettbewerbssituation Kundenorientierung
Abb. 6: Erwartete Wettbewerbspotenziale des e-Commerce

Marketing im Internet stößt vor allem im B2C-Bereich auf folgende Akzeptanzbarrieren:

• Fehlende Benutzerfreundlichkeit
Viele Internetnutzer haben noch langsame Internetverbindungen, die komplexe Inter-
netseiten kaum in akzeptabler Zeit bewältigen können. Hinzu kommt auch noch, dass
der Kenntnisgrad im Umgang mit dem Medium in weiten Bevölkerungsteilen noch
nicht sehr hoch ist.

• Problemfeld Sicherheit und Vertrauen


Insb. bei Transaktionen, bei denen persönliche Daten wie z. B. Kreditkartennummern
etc. bekannt gegeben werden sollen; Zahlungs- und Liefersicherheit; Gewährleistung
und Garantien. In diesem Bereich sind in den letzten Jahren entscheidende Fort-
schritte erzielt worden (digitale Signatur).

23
Einführung Marketing

• Kompatibilität von Systemen, Standards


Das Internet ist ein sich rasch entwickelndes Medium. Nicht zuletzt aus diesem Grund
haben sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder vermeintliche Standards her-
ausgebildet, die sich dann doch nicht am Markt durchsetzen konnten. Dies führt mit-
unter zu Unsicherheiten oder sogar Ärgernissen bei den Usern.

Social Media Marketing


Social Media Marketing ist nicht nur ein Schlagwort: Es ist eine Lebensweise und Überle-
bensstrategie im modernen Lebensstil des Internets. Im früheren Internet drehte sich alles
nur um den Einzelnen, doch das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Un-
ter Social Media werden soziale Netzwerke verstanden, die als Plattform zum gegenseiti-
gen Austausch von Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen dienen. Es handelt sich um
soziale Netzwerke, Blogs, Online- und Video-Zusammenarbeit. Dazu zählt auch „User
Generated Content“, also Web-Inhalte, die von den Benutzern erstellt und geteilt werden.
Dies macht aus dem bisher passiven und konsumorientierten Web eine Plattform zur akti-
ven Teilnahme.

Social Media basiert auf den Web 2.0- Technologien, wodurch eine Reihe interaktiver
Elemente entstanden sind.
Verglichen mit den bisherigen, traditionellen Möglichkeiten der Medien wie Fernsehen,
Zeitungen, Zeitschriften und Radio, bieten Social Media beinahe unbegrenzte Möglichkei-
ten, die über die Grenzen klassischer Werbung weit hinausgehen.

Social Media eröffnen sich in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen, wobei die ein-
flussreichsten Plattformen nachfolgend angeführt sind. Dazu zählen soziale Netzwerke
wie Facebook und Xing, Blogs und Microblogs wie Twitter, Media Sharing Sites wie Y-
ouTube, und Foren, wobei sich letztere mittlerweile als älteste der Plattformen herausge-
stellt haben.
In Anbetracht des Anspruches, Kundenbeziehungen auf- und auszubauen, haben Social
Media Marketing und klassisches, traditionelles Marketing vieles gemeinsam.

24
Einführung Marketing

Es zeigt sich, dass unternehmensgesteuerte Kommunikation via Social Media bereits in


vielen unterschiedlichen Branchen wiederspiegelt und einen wesentlichen Teil der Mar-
kenkommunikation übernommen hat. So liegt der Ansatz vieler renommierter Marketing-
Fachleute nicht fern, die Wirkungsstärke der Social Media Kommunikation nicht außer
Acht zu lassen und als ein bedeutendes Kommunikationsinstrument in den Marketing-Mix
einzubauen, wobei vor allem virales Marketing immer wichtiger wird.

In den letzten Jahren hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass zuerst einmal die Grund-
regeln des Marketing beherrscht werden müssen, erst dann macht eine Auseinanderset-
zung mit dem Marketing im Internet (= zusätzliches Medium) Sinn.

25
Einführung Marketing

6 LERN- & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS

Nach diesem Kapitel sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

1. Was verstehen Sie unter Marketing?


2. Schildern Sie bitte die wesentlichen Entwicklungen im Marketing von 1950 bis zum
heute.
3. Geben Sie einen Überblick über die Instrumente im Marketing.
4. Welche Besonderheiten weist das Konsumgütermarketing auf?
5. Welche Besonderheiten weist das Industriegütermarketing auf?
6. Welche Besonderheiten weist das Dienstleistungsmarketing auf?
7. Was verstehen Sie unter eCommerce?
8. Welche Bereiche im eBusiness gibt es?
9. Welche Wettbewerbsentscheidenden Wirkungen werden durch eCommerce erwartet?
10. Was verstehen Sie unter CRM und welche Strategie steckt dahinter?
11. Was versteht man unter ECR und Category Management?

Literaturtipps
Backhaus K. : Investitionsgütermarketing, 4. Auflage, München 1995
Bauer, E.: Internationale Marketingforschung, München/Wien 1995
Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 5. Auflage,
München/Wien 1997
Kotler, Ph./ Armstrong, G./Saunders, J./Wong, V.: Grundlagen des Marketing, 2. Auflage,
München u.a., 1999
Meffert, H.: Lexikon der aktuellen Marketing-Begriffe, 1997
Meffert, H.: Marketing, 9. Auflage, Wiesbaden 2000
Meyer, A./ Davidson, J.H.: Offensives Marketing
Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H.: Marketing, 18. Auflage 1997
Weis, H. Chr.: Marketing, Kiehl 1999
Weis, H. Chr.: Verkauf, 5. Auflage, Kiehl, 2000
Winkelmann, P.: Marketing und Vertrieb, München u.a. 1999

26
Marketing-Lehrgang
Umfeld und
Marktbedingungen
Autor: Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher
Überarbeitung: Ing. Mag. Helmut Weiß, MBA (2013)
Mag. Alfred Löscher, MBA (2018)
Umfeld- und Marktbedingungen

Impressum:
Hersteller:
Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Steiermark
(WIFI Steiermark)
Für den Inhalt verantwortlich:
WIFI Steiermark
A-8021 Graz, Körblergasse 111-113
© 2018, alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ohne Zustimmung des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammer Steiermark ist
unzulässig.

Das gilt insbesondere für Fotokopien, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun-


gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2
Umfeld- und Marktbedingungen

Inhalt Seite

1 MÄRKTE UND VERÄNDERUNGEN DER MÄRKTE ............................... 5

2 MARKTBEZOGENE BEGRIFFE............................................................... 6

3 MARKTSEGMENTIERUNG (ZIELGRUPPE) ............................................ 9

4 KAUFVERHALTEN .............................................................................. 12

4.1 INDIVIDUELLES KAUFVERHALTEN .......................................................... 12


4.1.1 BILDER VOM MENSCHEN ALS KONSUMENT ......................................... 12
4.1.2 DIE HAUPTSTRÖMUNGEN AUS DER KONSUMFORSCHUNG ............... 14
4.1.3 ERKLÄRUNGSVERSUCHE ZUM KONSUMENTENVERHALTEN ................ 15
4.2 TRENDS IM KUNDENVERHALTEN ........................................................... 22
4.3 KAUFVERHALTEN VON ORGANISATIONEN .......................................... 25

5 UMWELT-, UMFELD- UND BRANCHENVERÄNDERUNGEN ............. 27

6 VERÄNDERUNGEN IN DEN TECHNOLOGIEN .................................. 28

7 VERÄNDERTE SICHTWEISEN IM MANAGEMENT .............................. 29

8 LERNZIELE & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS ............................ 35

3
Umfeld- und Marktbedingungen

Notizen

4
Umfeld- und Marktbedingungen

1 MÄRKTE UND VERÄNDERUNGEN DER MÄRKTE

Die Unternehmensumwelt ist heute von permanentem Wandel gekennzeichnet.


Man spricht von turbulenten und komplexen Umweltsituationen. Nahezu alle Rahmenbe-
dingungen haben sich in den letzten 20 bis 30 Jahren radikal verändert. Es kam zu Struk-
turverschiebungen, Krisen und Neuentwicklungen – und das alles mit zunehmender Ge-
schwindigkeit.

Wir haben es heute mit einer zunehmenden Freizeitorientierung, Hedonismus, techni-


schen Revolutionen, gestiegenen Anforderungen an Produkte, Marktveränderungen
u. v. a. m. zu tun. Wir befinden uns heute in einer Lebenssituation, die wir uns vor 20 Jah-
ren noch nicht vorstellen konnten oder die wir damals als „Hirngespinste“ oder „Science
Fiction“ bezeichnet haben. (Handy für Jeden, Internet überall, Lifestyle).

Die für das Marketing wesentliche Grundänderung der Märkte ist jene von den Verkäu-
fermärkten hin zu den Käufermärkten. In den 50er und den Anfängen der 60er Jahre war
z. B. in Österreich ein typischer Verkäufermarkt gegeben. Wer was produzieren konnte,
beherrschte den Markt. Der Handel als Machtfaktor spielte eine geringe Rolle.

Der produktionsorientierte Ansatz hieß:


Eine Fabrik war mehr wert als ein Markt.

In den späten 60er Jahren begann sich der Markt vom Verkäufer- zum Käufermarkt zu
wandeln und eine neue Marktmachtverteilung entwickelte sich. Die Industrie verlor, der
Handel gewann an Bedeutung.

Der marktorientierte Ansatz heißt:


Der Markt ist wichtiger als eine Fabrik.

5
Umfeld- und Marktbedingungen

Die folgende Tabelle zeigt die Unterschiede zwischen Verkäufermärken und Käufermärk-
ten:

Merkmal Verkäufermarkt Käufermarkt


wirtschaftliches Entwick- Knappheitswirtschaft Überflussgesellschaft
lungsstadium
Verhältnis Nachfrage größer Nachfrage ist kleiner
Angebot zu Nachfrage als das Angebot (Nachfrage- als das Angebot (Angebots-
überhang) Nachfrager aktiver überhang)
als Anbieter Anbieter ist aktiver als Nach-
frager
Engpass des Unterneh- Beschaffung und / oder Pro- Absatz bzw. Vertrieb
mens duktion
primäre Anstrengung rationelle Erweiterung Weckung von neuer Nachfra-
des Unternehmens der Beschaffungs- u. ge
Produktionskapazität Schaffung von Präferenzen
für das eigene Angebot
langfristige Gewichtung Art der Beschaffung, Produk- Primat des Absatzes
der betrieblichen Grund- tion
funktionen
Abb. 7: Unterschiede zwischen Verkäufermärkten und Käufermärkten

2 MARKTBEZOGENE BEGRIFFE

Im Marketing wird hinsichtlich der Marktgrößen unterschieden zwischen:


• Marktpotenzial
Das ist die maximale theoretische Absatzmenge innerhalb einer bestimmten Gesamt-
population/Markt pro Jahr.
• Marktvolumen
Darunter versteht man den/die tatsächliche Absatz/Umsatzmenge pro Jahr in einem
definierten Markt.
• Marktanteil
Dies ist der effektive Anteil eines bestimmten Unternehmens/Produktes am gesamten
Marktvolumen in %.

6
Umfeld- und Marktbedingungen

Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen den drei Größen:

Menge

Marktpotential
Mögliches Absatzpotential
potentieller Abnehmer

Marktvolumen
erzielter Absatz aller
Unternehmen im Markt

Marktanteil
erzielter Absatz eines Un-
Zeit ternehmens bezogen auf
das Marktvolumen
Abb. 8: Marktanteil/-volumen/-potenzial

Haushaltsausgaben in Österreich

Österreichische Haushalte geben laut Statistik Austria 2010 im Schnitt EUR 2.910 pro
Monat aus. Mit fast einem Viertel (23,8 %) entfällt der größte Teil dabei auf den Bereich
"Wohnen und Energie". Im Vergleich zur letzten Konsumerhebung aus dem Jahr 2004/05
sind die Haushaltsausgaben um 14,6 % gestiegen. Stärker als die gesamten Haushaltsaus-
gaben nahmen jene für den größten Posten "Wohnen und Energie" zu, nämlich um 22 %
gegenüber 2004/05. Im Jahr 2009/10 beträgt der Teilbereich Energie 4,7 % und ist somit
im Vergleich zu 2004/05 um 0,1 % angestiegen. Die Daten ändern sich somit in den letz-
ten Jahren nur marginal.

7
Umfeld- und Marktbedingungen

Abb. 9: Hauhaltsausgaben Österreich 2010

Aufgaben im Marketing:
• Abschätzung zukünftiger Marktentwicklungen
Eine zentrale Herausforderung im Marketing ist die vorausschauende Beurteilung von
Marktgrößen. Für z. B. eine Marktvolumensprognose dienen innerbetriebliche Kenn-
ziffern wie die Umsatzentwicklung der letzten Jahre; Lieferanten-/ Konkurrenzgesprä-
che, aber auch objektive externe Daten, wie Importstatistiken, Ziffern aus dem öster-
reichischen statistischen Handbuch, sowie Informationen von externen Marktfor-
schungsinstituten, wie Nielsen, market, GFK, IMAS und andere mehr.
• Bestimmung von Marktanteilen
Die Bestimmung von Marktanteilen, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen,
bereitet schon deshalb erhebliche Probleme, da die Bestimmung des Marktpotenziales
als Bezugsgröße schwierig ist (z. B. Marktanteil eines Bäckereibetriebes in einem Be-
zirk von Wien). Hier ist entweder eine Schätzung anzustellen bzw. der Markt so zu
wählen, dass der Marktanteil zumindest größenordnungsmäßig bestimmt werden
kann.
Im Gegenteil kann es sogar irreführend sein, den Marktanteil zu schätzen: Geht man

8
Umfeld- und Marktbedingungen

in einem bestimmten Markt von einem Marktpotenzial von z. B. 100 Mio. € aus, so
lassen sich gerade Gründungsunternehmen zur Aussage verleiten: „Wir wollen dabei
nur 1 % erreichen – das müsste doch drinnen sein!“ Hier wird scheinbar leicht Er-
reichbares vermittelt. Die Realität sieht dann oft gänzlich anders aus.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen sollten dennoch Überlegungen anstellen:


 In welchem Markt ist das Unternehmen tätig?
 Wie groß ist dieser Markt, welche Größenordnung weist er auf?
 Wer, wo und wie sind die Kunden definiert?
 Wer sind die Teilnehmer, die das Marktgeschehen bestimmen oder mit beeinflussen?
 Wie ist die Stellung des eigenen Unternehmens?
 Wie kann der Betrieb unter der derzeitigen Situation Profit erzielen?
 Wer sind die Konkurrenten?

3 MARKTSEGMENTIERUNG (ZIELGRUPPE)

Für die Marktbearbeitung ist es zielführend (Kosten, Ertrag), die Märkte in Segmente zu
teilen, wobei diese in Preis-, Produktsegmente, aber auch in Zielgruppen und andere mehr
zerlegt werden können. Marktsegmente sind Kundengruppen, die im Hinblick auf kauf-
verhaltensrelevante Kriterien in sich ähnlich sind, sich aber voneinander unterscheiden.
Als Kriterien werden herangezogen:

 Soziodemographische/-ökonomische Kriterien
Soziale Schicht
Einkommen
Schulbildung
Beruf
Familienzyklus
Geschlecht

9
Umfeld- und Marktbedingungen

Alter
Familienstand
Zahl und Alter der Kinder
Haushaltsgröße
Wohnsitz
etc.
 psychographische Kriterien
Aktivitäten
Interessen
Meinungen
Soziale Orientierung
Wagnisfreudigkeit
Wahrnehmung
Motive Einstellungen
Präferenzen
Kaufabsichten
Erfahrungen
 Kriterien des beobachtbaren Kaufverhaltens
Preisverhalten (Preisklasse – Kauf von Sonderangeboten)
Mediennutzung
Einkaufsstättenwahl
Einkaufszeitpunkte (täglich – wöchentlich)
Produktwahl (Käufer/ Nichtkäufer der Produktart, Markentreue, Markenwechsel,
Viel-/Wenigkäufer)

In den letzten Jahren kommen statt soziodemographischen Kriterien verstärkt psychogra-


phische Kriterien (z. B. Lifestyle-Typen) zum Einsatz.

10
Umfeld- und Marktbedingungen

Marktbearbeitung

Das Unternehmen hat die strategische Entscheidung zu treffen, in welcher Form die
Marktbearbeitung erfolgen soll, ob
• undifferenziert (alle Segmente, vollständiger Markt),
• konzentriert (undifferenziert, tlw. Abdeckung des Marktes),
• differenziert (unterschiedliche Segmente, vollständiger Markt) oder
• selektiv (ausgewählte Segmente, tlw. Abdeckung des Marktes).

Der Ansatz für die Entwicklung einer selektiven Marktbearbeitung ist die hochdifferenzier-
te Sicht der Kunden mit ihren verschiedenen, spezifischen Wünschen und Bedürfnissen.
Diese Klassifizierung ist eine Vorbedingung für die Erarbeitung der Strategischen Ge-
schäftsfelder (siehe Kapitel 4.4).

Weitere Klassifikationsmerkmale von Märkten

Zur Klassifikation von Märkten lassen sich weiters folgende Kriterien finden:

Transaktionsrichtung • Absatzmärkte
• Beschaffungsmärkte
Objekte • Konsumgütermärkte
• Industriegütermärkte
• Dienstleistungsmärkte
Räumliche Abgrenzung • lokale Märkte
• regionale Märkte
• nationale Märkte
• internationale Märkte
Zeitliche Abgrenzung • Vorsaisonmärkte
• Hauptsaisonmärkte
• Nachsaisonmärkte
Preisklassenbezogene Abgrenzung • Billigpreismärkte
• Mittelpreismärkte
• Hochpreismärkte
Wachstumsbezogene Abgrenzung • Gesättigte/stagnierende Märkte (0- 2 %)
(unterschiedlich nach Produkten) • Rückläufige Märkte (<0 %)
• Steigende Märkte (2- ca. 6 %)
• Explodierende/boomende Märkte (ca. > 6 %)

11
Umfeld- und Marktbedingungen

Strukturbezogene Abgrenzung • Homogene Märkte


• Heterogene, zersplitterte Märkte
Zahl der Marktteilnehmer • Monopol
• Oligopol
• Polypol
Abb. 10: Klassifikationen von Märkten

4 KAUFVERHALTEN

4.1 Individuelles Kaufverhalten

Das Verhalten von Kunden/Konsumenten steht seit vielen Jahren im Zentrum des Interes-
ses von Marketingforschern und Praktikern. Es geht dabei darum, herauszufinden, warum
Konsumenten wie handeln und wie dieses Handeln für die eigenen Unternehmensziele
beurteilt und gegebenenfalls gestaltet werden kann.

4.1.1 Bilder vom Menschen als Konsument

Menschenbildern kommt hier vor allem in Anwendungs- Handbüchern zum Marketing


eine besondere Rolle zu. So hat beispielsweise die bekannte österreichische Motivforsche-
rin Helene Karmasin in ihrem Buch "Produkte als Botschaften" folgende Menschenbilder
unterschieden:

Der „homo oeconomicus“


Dieser verhält sich absolut rational. Ihm liegt das volkswirtschaftliche Menschenbild zu-
grunde, wo der Konsument in nachvollziehbaren mathematischen Modellen das Marktge-
schehen ziemlich eindeutig prognostizierbar macht. Dieses Bild entspricht der mittlerwei-
le als veraltert geltenden mathematisch orientierten Absatztheorie. Zwar hat man auch
hier versucht, ansatzweise Handlungsspielräume vom Kunden „mitzuberechnen“, aller-
dings zeigte sich im Zuge der Marketingforschung recht bald, dass es neben rein rationa-

12
Umfeld- und Marktbedingungen

len Faktoren vor allem affektive (i. w. S. emotionale) Faktoren sind, die Kaufentscheidun-
gen beeinflussen. Provokant könnte man auch sagen „Der Homo Ökonomicus ist tot.“

Das „Konsumäffchen“
Der Mensch verhält sich hier passiv und reagiert automatisch aufgrund psychologischer
Gesetzmäßigkeiten. Er wird vor allem als emotional ansprechbares Wesen gesehen, das
triebgeschüttelt, hedonistisch etc. ist, und das durch Massenmedien fast unbegrenzt mani-
puliert werden kann. Es handelt sich hier um den oft zitierten Otto Normalverbraucher.
„... und der hat das Schicksal des Homo Oeconomicus geteilt“.

Der Konsument als „soziales Wesen“


Dieses Menschenbild geht davon aus, dass der Mensch sich vor allem von Vorbildern lei-
ten lässt. Das können einzelne Personen aber auch Referenzgruppen sein. Der Mensch
wird hier als Inhaber einer oder mehrerer sozialer Rollen gesehen. Solche Referenzgrup-
pen sind die Familie, Schulklassen, Jugendgruppen, Kollegen in den Unternehmen etc.
Jede dieser Referenzgruppen hat unterschiedliche Wahrnehmungen von und Erwartungen
an den Einzelnen in seiner Rolle. Gerade bei Jugendlichen wird versucht, sich dieses Refe-
renzgruppen-Ansatzes zu bedienen. In der Pubertät erfolgen diese Prägungen oft-
mals/meistens neu, weshalb z. B. Banken mit „Jugendkontos“ neue Kunden zu gewinnen
versuchen – da Untersuchungen zeigen, dass ein Wechsel der Bank nur bei Wohnort-
wechsel, gröberen Problemen, etc. erfolgt.
Man spricht in diesem Zusammenhang etwa vom sog. Szene-Marketing, wo für bestimmte
„Jugend-Szenen“ (Hip-Hopper, Biker, Skater, Snowboarder) Marketing-Konzepte (Produk-
te, Werbung, Events, Clubs etc.) geschnürt werden.

Der „psychoanalytische Konsument“


Hier agiert der Konsument, ohne dass er sich seiner eigentlichen Beweggründe seines
Handelns bewusst ist. Die Handlungsmotive und Wünsche sind in seinem Unterbewusst-
sein versteckt. Dahinter stehen komplexe psychologische Mechanismen, die von der For-
schung erst ansatzweise beleuchtet wurden.

13
Umfeld- und Marktbedingungen

Der „kognitive Konsument“


Der Konsument bedenkt sein Handeln und Tun in allen seinen Auswirkungen. Er bezieht
seine Erfahrungen und Erwartungen in seine Überlegungen mit ein und entscheidet be-
wusst und aktiv, was er kauft oder nicht kauft.

Der Konsument als „semiotisches Wesen“


Der Konsument entwickelt und benützt differenzierte Zeichensysteme zur Übermittlung
von Bedeutungen. Es geht ihm dabei nicht nur um den bloßen Austausch von funktionalen
Nachrichten. Er kommuniziert über diese Zeichensysteme seine Werte, Einstellungen, Le-
bensweisen und Gewohnheiten. Für diesen Konsumenten sind Produkte Träger solcher
Informationen; durch den Konsum bestimmter Produkte kommuniziert er ganz bestimmte
Botschaften.

Tatsächlich gibt es viele weitere Forschungsrichtungen und Ergebnisse zum Konsumen-


tenverhalten, wie die nachstehenden Ausführungen zeigen werden.

4.1.2 Die Hauptströmungen aus der Konsumforschung

Sozialwissenschafter und Psychologen haben in der Konsumforschung drei Hauptströ-


mungen herausgearbeitet, die das Konsumentenverhalten zu erklären versuchen.

1. Betonung des biologischen Denkens


Dieses geht davon aus, dass Erbanlagen vorprogrammiertes Verhalten verursachen
und diese langfristig auf die Entwicklungsgeschichte der Menschheit zurückgehen.
So gibt es demnach Schlüsselreize aus der Verhaltensbiologie, auf die Menschen auf-
grund ihrer genetischen Vorprogrammierung einheitlich reagieren.
2. Dominanz kognitiver Erklärung
Dabei handelt es sich vornehmlich um gedankliche Erklärungen, wobei eine Analogie
zwischen Mensch und Computer hergestellt wird. Man geht davon aus, dass das Kon-
sumentenverhalten nach festen Programmen abläuft. Dabei wird die kognitive Infor-
mationsverarbeitung als eigenständiger, nicht unmittelbar reizabhängiger Prozess be-

14
Umfeld- und Marktbedingungen

trachtet, d. h. es besteht ein aktiver gedanklicher Akt zwischen Aufnahme der Um-
weltreize und dem eigentlichen persönlichen Verhalten.
3. Dominant emotionaler Ansatz
Dieser unterstreicht das Phänomen, dass beim Kauf bestimmter Produkte, oder bei der
Inanspruchnahme einer bestimmten Dienstleistung, die Emotionen hauptverantwort-
lich für die Entscheidung sind. Beispielsweise geht man im viel zitierten erlebnisorien-
tierten Kauf von dieser emotionalen dominanten Einkaufsatmosphäre aus, die den
Kunden zum beabsichtigten Verhaltensmuster – sprich Kauf – bringen soll.

4.1.3 Erklärungsversuche zum Konsumentenverhalten

Die Bedürfnispyramide nach Maslow


Ein Klassiker unter den Theorien des Konsumentenverhaltens ist die Bedürfnishierar-
chiepyramide nach Maslow. Die Grundüberlegung ist, dass – wenn die unterste Stufe be-
friedigt ist – der Mensch die nächst höhere anstrebt. Voraussetzung für die Aktivierung der
nächst höheren Stufen ist damit stets die Befriedigung der darunter liegenden.

Bedürfnis nach
Selbstverwirklichung

Prestigebedürfnis

Soziale Bedürfnisse

Sicherheitsbedürfnisse

Physiologische Bedürfnisse

Abb. 11: Bedürfnishierarchiepyramide nach Maslow Quelle: nach Maslow 1975

15
Umfeld- und Marktbedingungen

Diese Sichtweise ist allerdings recht vereinfachend. In einer Folgeuntersuchung hat


Maslow festgestellt, dass nicht die vollständige, sondern die individuell ausreichende Er-
füllung jeder Stufe ausreicht um die nächst höhern Motive zu aktivieren.
Tatsächlich hat die Konsumforschung gezeigt, dass das Kauf- und Konsumverhalten ein
sehr viel komplexerer Prozess ist, in dem kognitive (rationale) und emotionale Prozesse
parallel ablaufen und Emotionen, Motivationen und Einstellungen begründen. Kaufent-
scheidungen laufen keineswegs ein- bzw. zweidimensional ab, sondern sind multidimen-
sional zu sehen und werden vom situativen Ansatz beeinflusst bzw. abgeleitet.

S-R-Modelle und SOR-Modelle


Zur Erklärung des individuellen Käuferverhaltens wurde lange Zeit einem klassisch- beha-
vioristischen Ansatz, dem S-R-Ansatz oder Black-Box-Ansatz, gefolgt. Dabei werden Wir-
kungen von bestimmten Marketingeinflüssen gemessen, allerdings werden die psychi-
schen Prozesse beim Konsumenten vernachlässigt und auch nicht näher erklärt. Ein Bei-
spiel für eine solche Analyse wäre beispielsweise die Messung der Veränderung des Ab-
satzes bei einer Preisänderung.

Abb. 12: Black-Box-Modell der Konsumentenforschung

Aufgrund der für viele Belange (z. B. Imageänderung durch Werbung) unzureichenden
Aussagekraft der SR-Modelle wurden dem neo-behavioristischen Ansatz folgend die
S-O-R-Modelle entwickelt.

Hier wird versucht, die Black-Box näher zu analysieren und die Gründe für ein bestimm-
tes Kaufverhalten zu erklären. Berücksichtigt wird dabei auch, dass nach Lewin das

16
Umfeld- und Marktbedingungen

menschliche Verhalten sowohl durch innere Bedingungen, durch die Persönlichkeit des
Menschen als auch durch äußere Parameter, Situations- und Umweltbedingungen beein-
flusst wird. Für das personale Verhalten gilt folgende Formel:

V = f (PU)

Das Verhalten (V) eines Menschen kann als Funktion (f) aus den Persönlichkeitsmerkma-
len (P) (=individuelle Aspekte) des Menschen und seiner Umwelt (U)
(=umgebungsbezogene Aspekte) aufgefasst werden.

Abb. 13: SOR-Modell der Konsumentenforschung

In dem skizzierten SOR-Modell wirken auf das Konsumentenverhalten vier Triebkräfte:

• Aktivierende Faktoren: Hier handelt es sich um emotionale Faktoren, die einen inne-
ren Erregungszustand beim Konsumenten hervorrufen. Sie sind verantwortlich dafür,
dass überhaupt Aufmerksamkeit entsteht.
• Kognitive Faktoren: darunter sind bewusste „Nachdenkprozesse“, also rationale Pro-
zesse beim Konsumenten zu verstehen (Informationsaufnahme, - verarbeitung,
-speicherung). Diese sind u. a. ausschlaggebend dafür, dass Emotionen bewusst erlebt
und gedeutet werden und mit einer bestimmten Motivation (etwas tun zu wollen) so-
wie Einstellung (man kann es mit dem Produkt X tun) versehen werden.

17
Umfeld- und Marktbedingungen

• Soziale Faktoren: Diese betreffen soziale Referenzgruppen, Kulturkreise, Soziale


Schichtung, demographische Faktoren etc.
• Situative Faktoren: Die Einbeziehung dieses Faktors ist insofern von Bedeutung, als
etwa ein bestimmtes Kaufverhalten nur in bestimmten Situationen auftritt. Dies betrifft
beispielsweise das sog. Involvement, d. h. ein besonderes Interesse an einem Produkt,
welches zu einer aktiveren Informationssuche führt: Spezialisten werden ihre Kaufent-
scheidungen anders treffen als Laien; oder wenn ein Problem und dessen Lösung akut
ist, werden andere Kaufkriterien gelten als wenn genügend Zeit zur Verfügung steht,
zu vergleichen, zu überlegen etc.

Betreffend aktivierender Faktoren kann man grundsätzlich zwischen angeborenen und


höheren Emotionen unterscheiden.
• Angeborene Emotionen sind beispielsweise Interesse, Freude, Überraschung, Kum-
mer, Schmerz, Zorn, Ekel, Geringschätzung, Furcht, Scham, Schuldgefühle etc.
• Höhere Emotionen: Kroeber-Riel unterscheidet besonders wirksame Antriebskräfte,
die zum Konsum oder Kauf eines Produktes führen: Das Streben nach besonderen Ge-
fühlen, Erlebnissen sind beispielsweise:
o Prestige
o Geselligkeit
o Geborgenheit
o Natürlichkeit
o Abwechslung
o Erfolg
o Überlegenheit
o Jugendlichkeit
o Individualität

Die Emotionen unterscheiden sich in Richtung (angenehm, unangenehm), Stärke/Intensität


und Erlebnisinhalten (Assoziationen durch die Reizaufnahme). Sie finden insbesondere in
der Kommunikationspolitik bzw. Werbung Einsatz, wenn die fünf Sinne des Menschen
(visuell, akustisch, haptisch, olfaktorisch, gustatorisch) angesprochen werden.

18
Umfeld- und Marktbedingungen

Auch nach dem bekannten amerikanischen Marketing-Professor Philip Kotler sind folgen-
de Faktoren für das Kundenverhalten von Bedeutung:
• Kulturelle Faktoren: wie z. B. Ideologien, Werte und Identität
• Soziale Faktoren: wie z. B. Schicht, Klasse, Bezugsgruppen, Rollen, Status etc.
• Personale Faktoren: dazu zählen Alter, Beruf, Bildung, Lebensstil, Einkommen u. a. m.
• Psychologische Faktoren: wie Motivation, Wahrnehmung, Einstellungen etc.

Im Marketing interessiert allerdings nicht nur die Analyse des Kaufverhaltens, sondern es
interessiert auch, inwieweit Kaufverhalten durch Marketing beeinflusst werden kann. Ein
Ansatz dafür ist die Theorie der klassischen Konditionierung. Nach deren Auffassung
ergibt sich das Verhalten durch ein System von Belohnungen und Bestrafungen.

Dabei gelten folgende Regeln:


• Positive Reize geben, also belohnen, hat zur Folge, dass das Verhalten gelernt und
beibehalten wird. Beispiel: Hungergefühl, Kauf einer Wurstsemmel, Sättigung und gu-
ter Geschmack, Wiederkauf folgt.
• Positive Reize nehmen, somit bestrafen, hat die Konsequenz, dass das Verhalten zu-
rückgenommen wird. Kind kommt spät nach Hause, Mutter ist wach, Hausarrest, Kind
kommt pünktlich heim.
• Negative Reize geben, also bestrafen, führt dazu, dass das Verhalten zurückgenom-
men wird. Falsches Parken, Polizist, Strafzettel, richtiges Parken folgt.
• Negative Reize nehmen, diese Art von Belohnung ergibt ein Verhalten, das gelernt
und beibehalten wird. Schmerzen, Einnahme einer Tablette, Schmerzfreiheit, Treue zu
diesem Mittel.

Die klassische Konditionierung ist durch den Versuch mit dem Pawlow'schen Hund als
klassische Theorie anerkannt. Die Koppelung von ursprünglich neutralen Produkten bzw.
Marken mit Zeichen oder Signalen wie z. B. die Milka "Lila- Kuh", auf die man automa-
tisch positiv reagiert, und die Übertragung der Reaktionen auf Produkte bzw. Marken, wie
z. B. der Esso- Tiger, lässt sich mit der klassischen Konditionierungstheorie erklären.

19
Umfeld- und Marktbedingungen

Ein wesentliches Resultat der Theorie der klassischen Konditionierung für das Marketing
ist auch, dass solche Prozesse über eine bestimmte Zeit hinweg mit ähnlichen Reizen er-
folgen müssen. Dies ist beispielsweise für die Werbeplanung relevant, da sich daraus ab-
leiten lässt, dass etwa Werbekampagnen eine bestimmte Laufzeit und Kontinuität benöti-
gen und dass sie im Sinne der Aktivierung, um wirksam sein zu können, über die untere
Wahrnehmungsgrenze hinausgehen müssen.

Im Bezug auf die Aktivierung ist allerdings zu berücksichtigen, dass es auch zu einer
Überaktivierung kommen kann. Der Mensch kann nur bis zu einem gewissen Grad in sei-
ner Leistung durch Aktivierung gesteigert werden. Wird dieser Grad überschritten,
geht die Leistung zurück. Im Extremfall geht die Leistung gegen Null (z. B. in einer Panik-
situation)

Abb. 14: Zusammenhang zwischen Aktivierung und Leistung nach Kroeber-Riel 1990

Der Kaufprozess
Schließlich interessiert im Bereich der Konsumentenforschung auch noch der Kaufprozess.
Grundsätzlich können 5 Kaufphasen unterschieden werden:
1. Anregungsphase
2. Suchphase
3. Auswahlphase
4. Kaufphase
5. Bestätigungsphase

20
Umfeld- und Marktbedingungen

Nachfolgendes Modell zeigt die Problemschichten der verschiedenen Kaufphasen aus der
Sicht des Individuums und des Kollektivs, z. B. einer Familie mit der Empfehlung von
Marketingaktivitäten, die in den einzelnen Phasen schwerpunktmäßig eingesetzt werden
sollen.

Anregungs- Such- Auswahl- Kauf- Bestätigungs-


phase phase phase phase phase

Aktivierung Informations-Arten Alternativen Kaufort Zufriedenheit


Individuum

Impuls Info-Quellen Auswahl-Kriterien Kaufmenge Anspruchs-Niveau


Idee/Wunsch Info-Inhalte Bewertung Kaufzeit Kognitive Disso-
Bedürfnisniveau Info-Verarbeitung Konsequenzen Marke nanzen

Rollenaufteilung Aufteilung der Info- Interaktions-


Kollektiv

Zuständigkeiten Prozesse im Kollektiv verhalten in der


Bekannte, Freunde Kommunikation im Familie bzw. mit
Kollektiv Anderen

Kauf-Interessent Informations- Produktexperte Kaufentscheider Konsumierer


Kaufrollen

sucher Empfehler Beteiligter Prozessvalidator


Informations- Begleitperson
verarbeiter

Entscheidung Entscheidung Entscheidung Entscheidung Entscheidung


der Phase
Ergebnis

über Anschaffung über Produktgruppe über Produktart über Marke über Wiederkauf

Verfügbarkeit von Zeitdruck offensichtliche


Faktoren
Wichtige

Information Warenpräsenz Produktmängel


Kosten der Informati- Stimmung
on

Aufmerksamkeit Information Preis Erinnerung Nachbetreuung


Produkt- Distribution Verkaufsförderung Verkaufsförderung Service
Aktivitäten
Marketing-

innovation Kundendienst Persönlicher Ver-


Produkt- kauf
differenzierung Präsentation
Distribution Rabatte

Abb. 15: Kaufphasen

21
Umfeld- und Marktbedingungen

4.2 Trends im Kundenverhalten

Ch. Hehenberger hat 1995 im Buch „Die Zukunft fest im Griff“ die wesentlichen Trends,
die unser Leben und die Wirtschaft verändern, herausgearbeitet und in ein Modell gefasst,
welches in den Grundzügen auch aktuell noch Bestand hat.

Der Trend zur Polarität


Darunter versteht man, dass die Kunden sich in der Zukunft immer gegensätzlicher verhal-
ten werden. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom Verlust der Mitte.

Der Trend zur Individualität


Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet dieser Trend. Der Mensch möchte nicht als Masse
behandelt werden, je persönlicher, umso besser.

Der Trend zum Cocooning


Hier geht es darum, dass die Menschen sich tendenziell immer stärker in ihrem Kokon, in
ihre eigenen vier Wände, Haus oder Garten, zurückziehen.

Der Trend zum Convenience


Dienstleistungen und Produkte, die Convenience bzw. Komfortabilität bieten, werden in
der Zukunft noch stärker nachgefragt.

Der Trend zur Einsamkeit


Obwohl wir im Kommunikationszeitalter leben, wird der Anteil der Menschen, die sich
einsam fühlen, immer größer. Rund 40 % der Österreicher und Deutschen leiden unter
dem Gefühl der Einsamkeit.

Der Trend zu mehr Sicherheit


Produkte und Dienstleistungen, die ein Mehr an Sicherheit bieten, haben in der Zukunft
große Chancen.

22
Umfeld- und Marktbedingungen

Der Trend zu Genuss und Lust


Im Kundenverhalten wird in den gesättigten Märkten die Genuss- und Lustorientierung
weiter zu- nehmen.

Ähnliche Untersuchungen liefern beispielsweise die bekannten Trendforscher M. Horx, J.


Naisbitt und F. Popcorn. Horx schreibt Ende 2005 in seinem neuen Buch von der Weiter-
entwicklung des wellness-Trends als selfness.

In seinem Buch „Die Zukunft in unserer Hand“ 2003 hat Hehenberger diese Trends wie-
derum betrachtet und eine Trefferquote von ca. 80 % festgestellt. Nachfolgend einige wei-
tere beispielhafte Trends, die das Kundenverhalten in den nächsten Jahren stark beeinflus-
sen werden, entnommen aus dem 2005 von Christian Hehenberger veröffentlichtem Buch
„Den Gestaltern gehört die Zukunft“:

Der Trend zu Wellnessfood mit Gesundheitswert


Als Weiterentwicklung werden künftig Lebensmittel mit „Mehrwert“ (= Präventions-
ernährung) verstärkt Einzug in den Lebensmittelhandel halten (z. B. LC1 probiotisches Yo-
ghurt, Returnity-Getränke aus Mondsee seit 2005 im LEH).

Der Trend zu Hightech und Hightouch im Wohnbau


Mehr Technik an der Gebäudehülle, z. B. eigene Stromerzeugung, Sicherheitstechnik,
Plus-Energie-Haus und gleichzeitig mehr Naturbelassenes im Hausinneren, z. B. Voll-
holzmöbel.

Der Trend zur selektiven Luxese


Ca. 2/3 der Konsumenten werden sich bei ihnen weniger wichtigen Themen asketisch
verhalten und bei ihnen wichtigen Themen, z. B. Lifestyle in Luxus schwelgen.

Der Trend zur systematischen Stammkundenpflege und -rückgewinnung


Es gilt dabei B-Kunden zu A-Kunden zu entwickeln und verlorene Kunden zurückzuge-
winnen, da dies wesentlich kosteneffizienter ist als neue Kunden zu gewinnen.

23
Umfeld- und Marktbedingungen

Der Trend zum Empfehlungsmarketing


Referenzen und Empfehlungen sind die 2 tragenden Säulen dieser – immer wichtiger wer-
denden – Marktbearbeitungsmethode. Dies führt dann zum B2B-Folgegeschäft.

Der Trend zum Kauf von copyrights/Werknutzungsrechten


Anstelle von Produkten werden künftig Werknutzungsrechte in vielen Branchen das Big
Business sein.

Der Trend zur Lohnangleichung zwischen West und Ost


Bis 2015 wird der Lohnunterschied zw. West- und Osteuropa auf ca. 25 bis 35 % sinken.

In seinen zuletzt veröffentlichen Büchern werden diese Trends weiterentwickelt, es zeich-


nen sich aber nicht grundsätzlich neue Trends ab.
Aktuelle Trends findet man ebenfalls z. B. bei Hermann Simon, Mathias Horx, Zellmann,
u. a.:
• Beschleunigung der Globalisierung
• Verstärkte Einflussnahme durch die Politik
• Engere Verzahnung von Management und Kapital
• Tektonische Verschiebung in der Produktwelt
• Nachhaltig verändertes Kundenverhalten
o Vertrauensverlust
o Zukunftsangst
o Veränderung der Preiselastizität
o Höhere Bedeutung der Nutzen-/Kostenvorteile → Kommunikation harter Vorteile
o Gestauchte Zeitpräferenz
o Höherer Stellenwert der Finanzierung, Ausspielen der eigenen Finanzkraft
o Sicherheit steigt weiter an
o Ungewöhnliche Garantien, Neue Geschäfts- und Servicemodelle
o Verlängerte Probezeit für Produkte und Rücktrittsklauseln und Tauschgeschäfte
o Erfolgsabhängige Bezahlung steigt
o Vertiefung der Wertschöpfung durch angereicherte Serviceangebote

24
Umfeld- und Marktbedingungen

o Vom Produkt- zum Systemanbieter


o Bessere Ausschöpfung des „Aftermarket“
o Märkte ohne Margen meiden
• Totale Vernetzung

4.3 Kaufverhalten von Organisationen

Wie bereits im Kapitel 1.4.2 erwähnt wird im Investitionsgütermarketing das Kaufverhalten


von Organisationen von mehreren Personen/Rollen getragen. Dabei findet man dzt. vor-
wiegend das lead-buyer- und das Buying Center-Modell. Das Modell des sog. Buying Cen-
ter – ein gedankliches Konstrukt für eine „Einkaufsgruppe“ im Kundenunternehmen – un-
terschiedet sechs Rollen:
• Benutzer (User)
Das sind Organisationsmitglieder, die das gekaufte Produkt ver- bzw. anwenden. Ihre
Erfahrungen und Aussagen bestimmen im Wesentlichen, ob der Kauf als Erfolg oder
Misserfolg bewertet wird.
• Einkäufer (Buyer)
Die Einkäufer managen die Kontakte zu den Lieferanten und deren Auswahl. Sie sind
für die rechtliche und terminliche Abwicklung des Kaufes verantwortlich.
• Entscheider (Decider)
Sie wählen aufgrund ihrer Stellung und Autorisierung zwischen den alternativen Kauf-
optionen aus. Sie bestimmen schlussendlich, welches Produkt gekauft wird.
• Beeinflusser (Influencer)
Sie versuchen durch gezielte Informationspolitik den Verlauf der Kaufentscheidung in
ihrem Sinn zu beeinflussen.
• Gate-Keeper
Sie kontrollieren vor allem in der Phase der Entscheidungsvorbereitung den Zustrom
von neuen Informationen in das Einkaufsgremium.
• Initiator
Sie bringen den Kaufprozess aus den verschiedensten Gründen überhaupt erst in
Gang, d. h. sie machen auf einen bestimmten Bedarf aufmerksam.

25
Umfeld- und Marktbedingungen

Die Schwierigkeit ist die, dass oftmals der Anbieter eines Produktes oder einer Dienstleis-
tung nicht genau weiß, welche Personen im Einkaufgremium welche Rolle(n) spielen. Da-
her sind Menschen mit einem dementsprechenden Insider-Wissen für ein Unternehmen
sehr wertvoll. Dies sind auch wesentliche Informationen in einem CRM-System.

Beispiel: Ein Unternehmen möchte einen LKW anschaffen. Folgende Rollen, Personen und
mögliche Marketinginstrumente (Marketing-Mix) sind zu überlegen:

Rolle Person Marketing-Instrument

User (Verwen- LKW-Fahrer Trucker-Clubs,


der) Zeitschriften der Zielgruppe

Decider (Ent- Management, Einkauf Wirtschaftlichkeits-Kennzahlen, Be-


scheider) wertungsunterstützung, Vergleichsan-
gebote

Influencer (Be- Buchhalter, Finance Manager Unterstützung bei der Finanzierung,


einflusser) Zahlungsabwicklung,
Unkomplizierte Kaufabwicklung

Initiator LWK-Fahrer Zeitschriftenwerbung


Werkstätte Reparaturinfos
Buchhalter Mailings über Ersatzbedarf für abge-
schriebene LKWs

Gate-Keeper Sekretariat, das einkommen- Umgehung durch direkte Adressierung


(Türöffner) de Prospekte sichtet und wei- Einbeziehung durch persönliche An-
terleitet – oder auch nicht sprache, Telefonat
weiterleitet

Buyer Einkauf unkomplizierte Abwicklung des Kau-


(Käufer) fes, der Anmeldung etc.

Abb. 16: Rollen im Buying Center – Beispiel

26
Umfeld- und Marktbedingungen

Einzelne Personen können dabei verschiedene Rollen übernehmen. Wesentlich ist, dass
verschiedene Rollen verschiedene Informationsansprüche haben, die im Marketing be-
rücksichtigt werden sollten. Zentrale Herausforderung im Industriemarketing ist daher zu-
erst einmal herauszufinden, wer im Unternehmen welche Rolle innehat bzw. innehaben
könnte. Industriegütermarketing ist daher in hohem Maße Beziehungsmarketing.

5 UMWELT-, UMFELD- UND


BRANCHENVERÄNDERUNGEN

In den letzten Jahren können massive Veränderungen in den Wirtschaftssystemen, der In-
dustrieproduktion, der weltweiten Arbeitsteilung, den gesellschaftlichen Strukturen und
informationstechnologischen Rahmenbedingungen beobachtet werden, die veränderte
Sichtweisen und Schwerpunkte im Marketing erfordern. Veränderung ist heute der Nor-
malfall.

Zu berücksichtigende Veränderungen sind etwa:


• Werte- und Strukturwandel in der Gesellschaft
• Beschleunigung des Fortschritts
• Erhöhung der Ansprüche an Produkte und Leistungen
• Wandel in den Marktstrukturen
• Veränderungen in den Kommunikations- und Informationsstrukturen
etc.

Durch die „Globalisierung“ des Wettbewerbs – die in Europa beispielsweise in der euro-
päischen Integration ein deutlich sichtbares Zeichen findet – erhöht sich in fast allen Teil-
bereichen der Wirtschaft der Markt- und vor allem der Wettbewerbsdruck.
Geschützte Märkte brechen auf, hohe Gewinnspannen ziehen Konkurrenten an. Durch
die Bearbeitung bestehender Märkte mit existierenden Leistungen kann für viele Unter-
nehmen keine ausreichende langfristige Erfolgsbasis geschaffen und gesichert werden. Sie

27
Umfeld- und Marktbedingungen

sind deshalb gezwungen, neue Märkte zu erschließen und neue Produkte bzw. Leistungen
zu entwickeln.

So wird ein geschicktes Agieren in den relevanten Märkten für alle Unternehmen eine er-
folgsentscheidende Komponente ihres strategischen Verhaltens. Fehler in der Marke-
tingstrategie sind in diesem raschen Ablauf oft nicht mehr korrigierbar und können so
nicht nur den Erfolg einzelner Produkte, sondern sogar den des gesamten Unternehmens
gefährden. Ein erhöhtes Risiko ergibt sich dabei daraus, dass es beim Aufbau neuer Märkte
oft auch um den Einstieg in Auslandsmärkte geht. Dies gilt insbesondere für Unternehmen,
die in kleineren Ländern mit begrenzten lokalen und regionalen Märkten – wie etwa in
Österreich – beheimatet sind.

6 VERÄNDERUNGEN IN DEN TECHNOLOGIEN

Derzeit beschleunigt sich, nicht zuletzt bedingt durch die elektronische Revolution, der
technische Wandlungsprozess. Zeit im Sinne der möglichst raschen Eroberung des inter-
nationalen Marktes wird dabei wettbewerbsentscheidend. Neue Produkte, die von einem
Unternehmen entwickelt wurden, müssen möglichst auf breiter internationaler Basis auf
den Markt gebracht werden, da sich nur so die Entwicklungskosten amortisieren können.

Auch in vielen technologischen Bereichen ist es zu gravierenden Veränderungen und


Entwicklungen gekommen. Hier ist beispielsweise die Mikrosystemtechnik für extrem
kleine Apparaturen, die Bio- und Gentechnologie und die Nanotechnologie beispielhaft
zu nennen. Heute werden für bestimmte Anwendungen Technologien eingesetzt, die vor
einigen Jahren noch nicht denkbar oder leistbar waren (z. B. Bluetooth, z. B. Haushaltsge-
räten und PCs). Technologieführerschaft ist damit auch zu einer wesentlichen strategi-
schen Stoßrichtung für Unternehmen geworden, d. h. das Ziel, jeweils mit der neuesten
und besten Technologie die Probleme des Kunden zu lösen – und zwar zeitlich wesent-
lich vor dem Mitbewerb. Damit wird aber gleichzeitig die Fähigkeit zur Forschung und
Entwicklung (alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Forschungsein-

28
Umfeld- und Marktbedingungen

richtungen etc.) zu einer Schlüsselfähigkeit für den Erfolg. Diese technologischen Vor-
sprünge betreffen sowohl die Anwendungstechnologie (Technologie in den Produkten) als
auch die Prozesstechnologie (für die Herstellung der Produkte).

Betrachtet man beispielsweise die modernen Informations- und Kommunikationstechno-


logien, so muss man feststellen, dass sich in den letzten Jahren Hardware, Software, das
Angebot an international zugänglichen, externen Online-Datenbanken, Kommunikations-
netzen (insb. Internet) u. v. a. m. geradezu rasend schnell entwickelt haben. Vor allem im
Bereich der Anwendungssoftware, des Internet, der Online-Datenbanken und der Midd-
leware (im Wesentlichen Instrumente zur Erstellung von Anwendungssystemen) gibt es
enorme Entwicklungssprünge zu verzeichnen.

7 VERÄNDERTE SICHTWEISEN IM MANAGEMENT

Die zentralen Sichtweisen im Management und damit auch im Marketing haben sich in
den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder verändert. Bei großen Verände-
rungen spricht man bisweilen von einem völligen Paradigmenwechsel, d. h. die zentralen
Grundannahmen, Sichtweisen und Blickwinkel haben sich verändert.

Gerade im Bereich der veränderten Sichtweisen gilt es, unterschiedliche Blickwinkel und
die dahinter stehenden zentralen Annahmen zu erwähnen:

29
Umfeld- und Marktbedingungen

Abb. 17: Blickwinkel im Management

Marktorientierter Ansatz (market based view)


Das Erfordernis einer stärkeren Marktorientierung forderte in den 60er und 70er Jahren
eine Änderung der Konzeption der Unternehmensführung. In den Mittelpunkt rückten
theoretische und praktische Anstrengungen, um die Aufmerksamkeit des Managements
verstärkt auf eine sich verändernde, ständig neue und nicht selten unangenehme Überra-
schungen bergende Umwelt zu lenken. Kernüberlegung ist, dass der Unternehmenserfolg
im Wesentlichen durch den (externen) Markt bestimmt wird und somit der Markt in den
Mittelpunkt sämtlicher unternehmerischer Entscheidungen zu stellen sei.

Ausdruck der marktorientierten Betrachtungsweise ist es, dass man sich der Frage nach der
Performance im überwiegenden von der Absatz- bzw. Marktseite aus nähert. Der ameri-
kanische Professor Michael E. Porter veröffentlichte 1980 sein Buch „Competitive Strate-
gy“, das auf außerordentliche Zustimmung stieß und somit eine Welle von Aktivitäten –
sowohl in der Wissenschaft als auch in der praktischen Umsetzung – nach sich zog. Er
leistete auf diesem Gebiet Pionierarbeit und wurde zum Hauptvertreter des marktorientier-
ten Ansatzes. Den Keim seiner Arbeiten kann man darin sehen, dass er ein geschlossenes
System zur Analyse der Wettbewerbssituation eines Unternehmens und zur Formulierung
von Strategien entwirft. Den höchsten Bekanntheitsgrad erlangte sein Modell der Wettbe-

30
Umfeld- und Marktbedingungen

werbsanalyse (siehe Kapitel 4.5.1.4), seine generischen Wettbewerbsstrategien (siehe Ka-


pitel 4.9.3) und seine Definition der Wertkette (Systematik wertschöpfender Aktivitäten im
Unternehmen, siehe Kapitel 4.9.2).

Ressourcenorientierter Ansatz (resource based view)


Der Paradigmenwechsel im strategischen Management - von dem seit Anfang der neunzi-
ger Jahre gesprochen wird - gründet darauf, dass Unternehmen die verfügbaren Ressour-
cen ausdrücklich bei der Strategiewahl und -umsetzung in die Planung mit einbeziehen
müssen.
Folgende Ressourcen werden dabei betrachtet:

• Materielle Ressourcen (physische/ tangible Ressourcen)


Bei den physischen oder tangiblen Ressourcen handelt es sich um fast alle materiellen
Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens. Sie sind meist kapazitätsmäßig be-
grenzt und nutzen sich zum Teil stark ab. Ein zusätzliches Problem stellt die relativ
einfache Substituier- bzw. Imitierbarkeit dar.
 Immaterielle Ressourcen (intangible Ressourcen)
o Immaterielle Ressourcen können hinsichtlich der Verfügungsrechte in Vermögens-
werte und in Fähigkeiten oder Kompetenzen unterschieden werden.
o Verfügungsrechte: Zu diesen zählen "intellectual property rights" wie Patente, Co-
pyrights, Geschäftsgeheimnisse oder der Firmenruf.
o Fähigkeiten (skills) beinhalten das know-how der Mitarbeiter. Im Vergleich zu phy-
sischen sind intangible Ressourcen kapazitätsmäßig weniger begrenzt, da bspw. ein
Markenname auf verschiedenste Produkte angewandt werden kann, ohne die bis-
herige Verwendung stark zu tangieren. Ferner sind sie weniger unflexibel als physi-
sche Ressourcen, da von Fähigkeiten eine gewisse Flexibilität ausgeht. Teilweise
besteht auch ein umgekehrter Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und
Abnutzung, was bedeutet, dass sich Fähigkeiten bei intensivem Gebrauch oder in
Kombination mit anderen Fähigkeiten teilweise sogar anreichern.
• Finanzielle Ressourcen
Diese werden häufig hinsichtlich der Mittelherkunft differenziert. Als interne Mittel

31
Umfeld- und Marktbedingungen

werden hier freie Liquidität und nicht ausgenutzte Fremdkapitalkapazität bezeichnet.


Unter externen Mitteln werden Einlagenfinanzierung und Risikokapital zusammenge-
fasst. Finanzielle Ressourcen sind sehr flexibel einzusetzen, jedoch generell relativ
begrenzt vorhanden und gehen bei Gebrauch sofort vollständig unter. Neue Trends
sind dabei „venture capital und Mezzaninfinanzierung“.
• Organisationale Ressourcen
Diese bezeichnen im Wesentlichen die Managementsysteme eines Unternehmens,
wie Planungs- und Kontrollsysteme, Informationssysteme, Organisationsstruktur oder
auch die Unternehmenskultur.

Strategische Ressourcen und Fähigkeiten müssen die Nachhaltigkeit des Wettbewerbsvor-


teils gewährleisten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, werden in den Arbeiten
zum ressourcenorientierten Ansatz vier Eigenschaften genannt:
• die lang andauernde Dauerhaftigkeit bzw. geringe Abnutzbarkeit
• die geringe Übertragbarkeit
• die geringe Imitierbarkeit
• die Unersetzbarkeit

Der aus dem ressourcenorientierten Denken kommende Kernkompetenzenansatz lässt


sich als spezielle Ausformulierung des RBV interpretieren. Kernkompetenzen lassen sich
als einzigartige Ressourcenbündel definieren. Solche Bündel weisen die oben angeführten
Merkmale distinktiver Ressourcen auf, die jedoch weniger auf einzelne Ressourcen, die
Elemente der Kernkompetenz sind, zurückgeführt werden können, sondern sich aus der
Art und Weise ergeben, wie diese Ressourcen miteinander verknüpft sind und bei der
Leistungserstellung zusammenwirken. Ressourcen werden als etwas beschrieben, dass
eine Unternehmung besitzt, Kernkompetenzen hingegen beschreiben die Fähigkeit zur
Verwertung von Ressourcen. Die beiden Väter des Begriffs, Prahalad und Hamel, betrach-
ten eine Kernkompetenz als Folge von Lernprozessen.

32
Umfeld- und Marktbedingungen

Es gibt drei maßgebliche Kriterien, welche ein "Kernkompetenz" erfüllen muss:


• Leistung eines überdurchschnittlichen Beitrages zu den von Kunden wahrgenomme-
nen Vorzügen des Endproduktes,
• die Ermöglichung eines Zuganges zu einem weiten Spektrum von Märkten und
• die Abhebung von der Konkurrenz, wobei hier allerdings zwischen "notwendigen"
und "differenzierenden" Kompetenzen unterschieden werden muss.

Folge des Kernkompetenzdenkens ist, dass sich Unternehmen nur mehr auf jene Bereiche
konzentrieren, in denen Sie Kernkompetenzen haben. Alle anderen Bereiche werden ent-
weder aufgegeben oder nur mehr in Kooperation mit anderen Unternehmen bearbeitet
(z. B. als outsourcing).

Wertorientierter Ansatz (value based view)


Durch die zunehmende Globalisierung der Produkt- und Gütermärkte kommt es zu einer
stärkeren Nachfrage auf den Kapitalmärkten. Der Drang nach bzw. der Zwang zu Innova-
tion, Wachstum und Wettbewerbsvorteilen erfordern hohe Investitionen und führen zu
einer Verschärfung des Wettbewerbs der Unternehmen um Eigenkapital. Den größten Er-
folg bei der Suche nach Kapital haben diejenigen Unternehmen, welche die aussichts-
reichsten - im Sinne von höchsten - Dividenden und Wertsteigerungen für Investoren und
Eigentümer aufweisen, da ein Eigenkapitalgeber danach strebt, den Wert seines finanziel-
len Engagements in einem Unternehmen zu steigern. Man spricht in diesem Zusammen-
hang vom sog. Shareholder Value. Insbesondere das Standardwerk von Rappaport (Share-
holder Value - Ein Handbuch für Manager und Investoren) sowie die Weiterentwicklung
des Konzepts durch Copeland/Koller/Murrin (Unternehmenswert-Methoden und Strategien
für eine wertorientierte Unternehmensführung) sind hervorzuheben. Immer mehr Unter-
nehmen verwenden seitdem den Shareholder Value- Ansatz, um den Unternehmenswert
zu bestimmen, Investitions- und Strategiealternativen zu bewerten oder um die Vorteilhaf-
tigkeit von Akquisitionen zu beurteilen.

Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Schaffung von Wert für die Anteilseig-
ner (Shareholder) bzw. die Maximierung der Eigentümerrenditen als ein vorrangiges Ziel

33
Umfeld- und Marktbedingungen

des Unternehmens gesehen wird. Das wird am besten durch die Konzentration des gesam-
ten Unternehmens und jedes einzelnen Geschäftsbereichs auf die Schaffung von Wert
erreicht. Erst die Verankerung der Idee des Wertmanagement im gesamten Unternehmen
(in strategischen sowie operativen Aktivitäten) kann langfristig zur Maximierung der Ren-
diten führen. Der Shareholder Value-Ansatz – von den Börsen kommend - als "das" In-
strument des Wertmanagements konzentriert sich auf die Erhöhung des Unternehmens-
wertes und die Maximierung der Eigentümerrendite. Wert wird nur geschaffen, wenn die
Rendite der getätigten Investition oder der verfolgten Strategie größer als die Kapitalkosten
ist.

Genau diese scheinbar kompromisslose Orientierung stellt den zentralen Kritikpunkt in


der Auseinandersetzung um das Shareholder Value-Konzepts dar. Es wird vor allem re-
klamiert, dass andere Interessensgruppen (Stakeholder) zu Lasten der Eigentümer vernach-
lässigt werden. Insbesondere Vertreter der Arbeitnehmerseite setzen die wertorientierten
Rezepte mit dem kurzfristigen Streben nach Gewinn gleich. Die Forderung nach einem
Unternehmen, welches als Schnittstelle zwischen den einzelnen Anspruchsgruppen agiert
und deren Interessen koordiniert, wurde im Rahmen des Stakeholder-Ansatzes laut.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Unternehmen bei ihren Aktivitäten, auch im Marke-
ting, im Prinzip alle drei Sichtweisen berücksichtigen müssen. So stellen sich beispielswei-
se bei der Einführung eines neuen Produktes im Markt folgende Fragen:
• Gibt es einen Markt dafür? Lösen wir ein Problem eines Kunden dadurch besser als
der Mitbewerb?
• Haben wir die notwendigen Kernkompetenzen und Ressourcen, dass wir das Produkt
auch tatsächlich erfolgreich herstellen können? Trifft es unser Kerngeschäft?
• Können wir durch dieses Produkt langfristig Gewinne erwirtschaften und können wir
daher eine attraktive Rendite für die notwendigen Investitionen erzielen?

34
Umfeld- und Marktbedingungen

8 LERNZIELE & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS

Nach diesem Kapitel sollten Sie folgende Fragen beantworten können:


1. Was beschreibt der Begriff Markt?
2. Erklären Sie bitte die Begriffe Marktpotenzial, Markvolumen und Marktanteil!
3. Welche Überlegungen kann man zur Bestimmung der Marktgröße anstellen?
4. Was versteht man unter Marktsegmentierung und wofür ist diese wichtig?
5. Welche Kriterien werden bei einer soziodemografischen Marktsegmentierung einbe-
zogen?
6. Welche Kriterien werden bei einer psychografischen Marktsegmentierung einbezo-
gen?
7. Welche Kriterien werden bei einer Marktsegmentierung bzgl. des Kaufverhaltens ein-
bezogen?
8. Welche Kriterien kann man bei einer Marktsegmentierung im B2B Geschäft einbezie-
hen?
9. Beschreiben Sie drei Bilder von „Menschen als Konsument“!
10. Was beschreibt die Bedürfnis-Pyramide nach Maslow?

Literaturtipps
Hehenberger, Chr.: Die Zukunft fest im Griff; Wien 1995
Hehenberger, Chr.: Den Gestaltern gehört die Zukunft; Gutau 2005
Horx, M.: Megatrends 2, Düsseldorf 1996
Kotler, Ph./ Armstrong, G./Saunders, J./Wong, V.: Grundlagen des Marketing, 2. Auflage,
München u.a., 1999
Meffert, H.: Lexikon der aktuellen Marketing-Begriffe, 1997
Meffert, H.: Marketing, 9. Auflage, Wiesbaden 2000
Meyer, A./ Davidson, J.H.: Offensives Marketing
Naisbitt, J./Aburdene, P.: Megatrends 2000, Düsseldorf
Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H.: Markcheting, 18. Auflage 1997
Popcorn, F.: Der Popcorn-Report, Münen 1992
Weis, H. Chr.: Marketing, Kiehl 1999
Weis, H. Chr.: Verkauf, 5. Auflage, Kiehl, 2000
Winkelmann, P.: Marketing und Vertrieb, München u.a. 1999

35
Umfeld- und Marktbedingungen

Notizen

36
Marketing-Lehrgang
Strategisches Marketing
Autor: Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher
Überarbeitung: Ing. Mag. Helmut Weiß, MBA (2013)
Mag. Alfred Löscher, MBA (2018)
Strategisches Marketing

Impressum:
Hersteller:
Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Steiermark
(WIFI Steiermark)
Für den Inhalt verantwortlich:
WIFI Steiermark
A-8021 Graz, Körblergasse 111-113
© 2018, alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ohne Zustimmung des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammer Steiermark ist
unzulässig.

Das gilt insbesondere für Fotokopien, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun-


gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2
Strategisches Marketing

Inhalt Seite

1 STRATEGISCHES MARKETING ............................................................. 5

1.1 ZUSAMMENHANG ZWISCHEN STRATEGISCHER PLANUNG


UND MARKETING...................................................................................... 5
1.2 VON DER VISION ÜBER DIE STRATEGIE ZUM MARKETING-MIX ............. 9
1.3 LERNZIELE & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS .................................. 12

2 AUFBAU EINES STRATEGISCHEN MARKETINGKONZEPTES ............. 13

2.1 ARTEN DER PLANUNG ............................................................................ 13


2.2 PROZESS DER STRATEGISCHEN PLANUNG ............................................ 16
2.3 ERSTELLUNG EINES STRATEGISCHEN MARKETINGKONZEPTES ............ 18
2.4 STRATEGISCHE GESCHÄFTSFELDER ........................................................ 19
2.5 ANALYSEN ZUR UNTERSTÜTZUNG DES PLANUNGSPROZESSES .......... 22
2.5.1 EXTERNE ANALYSEN ................................................................................ 23
2.5.2 INTERNE ANALYSEN ................................................................................ 30
2.5.3 ZUKUNFTS- (TREND)ANALYSE ................................................................ 44
2.6 SWOT-ANALYSE ...................................................................................... 45
2.7 STRATEGISCHE ZIELBILDUNG ................................................................. 47
2.8 STRATEGIENSUCHE UND BEWERTUNG ................................................. 51
2.8.1 GRUNDSÄTZLICHES ZU STRATEGIEN..................................................... 51
2.8.2 EBENEN VON UNTERNEHMENSSTRATEGIEN ......................................... 52
2.9 BASISSTRATEGIEN.................................................................................... 54
2.9.1 WACHSTUMSSTRATEGIE BZW. PRODUKT/MARKT-MATRIX
VON ANSOFF .......................................................................................... 54
2.9.2 POSITIONIERUNG UND PROFILIERUNG ................................................ 56
2.9.3 FOKUS AUF STRATEGISCHE ERFOLGSFAKTOREN .................................. 58
2.9.4 STRATEGISCHE MARKENFÜHRUNG ....................................................... 60

3
Strategisches Marketing

2.10 STRATEGIEAUSWAHL UND STRATEGIEIMPLEMENTIERUNG ................. 64


2.11 STRATEGIEUMSETZUNG IM MARKETING – DER MARKETING-MIX ....... 67
2.12 KONTROLLE DER STRATEGIEUMSETZUNG ............................................ 69
2.13 LERN- & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS ......................................... 72

4
Strategisches Marketing

1 STRATEGISCHES MARKETING

1.1 Zusammenhang zwischen Strategischer Planung und Marketing

Dass Unternehmen auf Dauer gesehen nur dann erfolgreich wirtschaften können, wenn
ihre Handlungsweisen nicht kurzfristig und aktionistisch, sondern strategisch ausgerichtet
und angelegt sind, gilt mittlerweile als durchwegs akzeptierte Ansicht. Dies führt nahezu
zu einem Zwang zur konzeptionellen Entwicklung von Marketingaktivitäten. Marketing
erfordert heute, dass Veränderungen in der Umwelt aufgegriffen und auf deren Basis die
entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

Strategische Marketingentscheidungen sind langfristiger Natur, relativ schwer zu ändern


und daher immer mit Risiken behaftet. Diese Risiken lassen sich nur dann in Grenzen hal-
ten, wenn mit entsprechender Sorgfalt und Umsicht systematisch vorgegangen wird.
Nachdem das Marketing eine zentrale (aber nicht die einzige) strategische Unternehmens-
aufgabe darstellt, müssen die Unternehmen die Vernetzungen mit den anderen Aufgaben-
bereichen berücksichtigen. Dies betrifft beispielsweise die Entscheidungen über die Ge-
schäftsfelder, die bearbeitet werden sollen, den Standort/die Standorte, Kapazitäten, Inves-
titionen bzw. Desinvestitionen, die Rechtsform, die finanziellen Rahmenbedingungen und
die Unternehmensorganisation.

Alle diese strategischen Entscheidungen werden im Unternehmen allerdings nur dann


wirksam, wenn sie auch in konkrete Maßnahmenpakete übergeführt und damit auch um-
gesetzt werden. Dies bereitet den Unternehmen oft erhebliche Probleme, und zwar vor
allem dann, wenn die Unternehmensstrategie von der Führungsebene entwickelt, dann
aber nicht „in das Unternehmen hineingetragen“ wird bzw. wenn die Mitarbeiter nicht in
den Strategieentwicklungsprozess einbezogen werden. Es ist in so einem Fall nicht ver-
wunderlich, wenn Mitarbeiter über Unternehmensziele und -strategien nicht Bescheid
wissen und ihre Aktivitäten ungerichtet und ohne „gemeinsamen Nenner“ ablaufen.

5
Strategisches Marketing

Die Vision als Ausgangspunkt


Den „gemeinsamen Nenner“ eines Unternehmens, den Punkt, auf den das ganze Unter-
nehmen zusteuern will/soll und damit den Ausgangspunkt auch jeder strategischen Pla-
nung kann man als Vision bezeichnen.

Die Vision beantwortet die Frage: „Was wollen wir erreichen?“. Das Wort "video, -is, -ere,
visi, visum" aus dem Lateinischen 1:1 übersetzt heißt "ich sehe". Sie dient der Orientierung
aller im Unternehmen und ist damit sozusagen ein „Fixstern“, den alle erreichen wollen.
Sie kann als unternehmerischer Wunschtraum bezeichnet werden, durch den alle Aktivitä-
ten und Interessen in der Zukunft gebündelt werden sollen. Die Vision legt fest, wozu das
Unternehmen da ist und welchen Herausforderungen es sich in Zukunft stellen will.
Vision

ohne Vision mit Vision


Abb. 18: Die Vision als Ausgangspunkt

Die Wirkung von Visionen


• Visionen geben Sinn und Orientierung.
• Visionen motivieren.
• Visionen helfen, dass alle an einem Strang und in dieselbe Richtung ziehen.
• Visionen machen sensibel für wichtige Informationen.
• Visionen haben eine Magnetwirkung. In diesem Zusammenhang wird auch von self-
fullfilling-prophecy gesprochen.

6
Strategisches Marketing

• Visionen ändern das Verständnis vom Machbaren und Nichtmachbaren.


• Visionen verhelfen zu gezielteren Prioritäten und Maßnahmen.

Hilfestellungen für Visionäre


• Denken Sie gesamtunternehmerisch, Visionen müssen sich vom Detail lösen.
• Lassen Sie Wenn und Aber weg.
• Man sollte in Zeitperspektiven von 10 bis 12 Jahren denken und in diesen Abständen
neu erarbeiten - abhängig von der Branche.
• Visionen funktionieren nur dann, wenn man selbst daran glaubt und auch die Ande-
ren dafür gewinnen kann.
• Visionen sind meist bildhaft und sprechen viele Sinne an.
• Visionen sind einfach und daher auch leicht verständlich.
• Visionen haben symbolhafte Wirkung.
• Man sollte von der Metaebene Visionen entwickeln.

Visionen zeichnen sich nach Buchner weiters durch Folgendes aus:


• sie müssen realisierbar sein
• sie müssen glaubwürdig sein
• sie müssen einen gegebenen Zustand nachhaltig verändern wollen
• sie müssen griffig und plastisch sein
• sie müssen dem Wettbewerbsumfeld angepasst sein.

Visionen sind relativ weit entfernt liegende, noch unscharfe Zielvorstellungen. Sie werden
jedoch im Unternehmen als erreichbar und anstrebbar gesehen. Dies entscheidet sie von
Utopien und Wünschen. Wenn man die Biographien erfolgreicher Unternehmer liest,
wird man feststellen, dass am Beginn Ihrer Success-Story eine klare Vision gestanden ist.
Als Beispiele können die Unternehmen Aldi, 3M, Boeing, Ford, Apple, Microsoft, SAP,
Hewlett Packard, Walt Disney, IBM etc. genannt werden, die von „charismatischen Un-
ternehmerpersönlichkeiten mit großen Visionen“ gegründet wurden.

7
Strategisches Marketing

Ausgehend von dieser Vision, diesem Bild des Unternehmens in der Zukunft, sollen/ kön-
nen die weiteren Elemente einer Unternehmensstrategie bzw. einer Marketingstrategie
abgeleitet werden.

Das Leitbild
Das Leitbild (oder: Unternehmensgrundsätze) stellt eine kurze und prägnante Formulie-
rung der unternehmenspolitischen Grundsätze dar. Das Leitbild wird allen Mitarbeitern,
aber häufig auch der Öffentlichkeit (speziell in Unternehmensbroschüren und im Internet)
bekannt gegeben. Folgende Inhalte könnten in einem solchen Unternehmensleitbild be-
handelt werden:
• Zweck und Existenzgrund des Unternehmens bzw. der Organisation
• Tätigkeitsbereich des Unternehmens bzw. der Organisation
• Zu bearbeitender Markt, erbrachte Leistungen und eingesetzte Technologien
• Stellung in der Gesellschaft
• Einstellung und Verhalten gegenüber Mitarbeitern
• Einstellung und Verhalten gegenüber Kunden
• Einstellung und Verhalten gegenüber Mitbewerbern
• Einstellung und Verhalten gegenüber Lieferanten
• Umweltgrundsätze
• Entscheidungsgrundsätze

Das Leitbild ist die Verfassung des Unternehmens bzw. der Organisation. So wie eine
Rechtsverfassung schriftlich manifestierter Spiegel der Gesellschaft bzw. Kultur ist, ist das
Leitbild der schriftlich festgehaltene Teil der Unternehmenskultur (Corporate Cultur).
Ein geschriebenes Leitbild, das nicht gelebt wird, ist wertlos. Daher sollen möglichst viele
Mitarbeiter in den Prozess der Leitbilderstellung miteinbezogen werden. Dadurch entsteht
Kommunikation und Reflexion über die Kultur des Unternehmens.
Die Mitarbeit an der Leitbilderstellung ist als Instrument der Motivation und als Ausdruck
des Interesses vom Mitarbeiter zu sehen. Werden jedoch große Fehler bei der Mitarbeit an
der Leitbilderstellung gemacht, kann genau der umgekehrte Effekt eintreten, die Demotiva-
tion.

8
Strategisches Marketing

Dem Kunden gibt das Leitbild Sicherheit. Grundsätzlich kann er sich daran orientieren,
was das jeweilige Unternehmen in den nächsten Jahren als Zielkatalog definiert.

Das Leitbild kann auch auf einzelne Funktionsbereiche hinunter gebrochen werden und
geht dann in die Zielformulierung über. Nachfolgend ein praxisorientiertes Beispiel:

Grundlegende Marke- Marketing (-Ziel) Leitbild eines Unternehmens


ting-Ziel-Größen (für eine konkrete Produktgruppe und ein konkretes Jahr)
Marktanteil Es wird ein Marktanteil von 20 % wertmäßig und 18 % men-
genmäßig angestrebt.
Distribution Die Distribution soll sich numerisch/gewichtet auf 50/80 ein-
pendeln.
Preis (Position) Die Produktgruppe X soll im Konsummarkenbereich innerhalb
des Preisbandes von € 10,- und 15,- (EVP) angesiedelt werden.
Bekanntheitsgrad Für die Produktgruppe (Marke) X soll ein ungestützter Be-
kanntheitsgrad von 40 % erreicht werden
Image Das Produkt-/Markenprofil soll auf folgenden „Säulen“ aufge-
baut werden: natürliche Rohstoffe, neue Wirkstoff-
kombinationen K14, Unternehmen Y ist ein Spezialist.
Abb. 19: Operationalisierung eines Funktionsbereichs Marketing-Leitbildes

1.2 Von der Vision über die Strategie zum Marketing-Mix

Die Vision stellt die oberste Zielebene, die „Business Mission“, d. h. den Unterneh-
mensauftrag dar. Es geht letztendlich um die Frage, warum ein Unternehmen überhaupt
existiert, welchen Sinn es erfüllt. Dies schlägt sich im Unternehmensleitbild bzw. den Un-
ternehmensgrundsätzen nieder. Z. B. AVIS – we try harder (= besser sein als die Mitbe-
werber), Mercedes – Ihr guter Stern auf aller Straßen (= Verlässlichkeit durch Qualität),
Nivea – Ideen fürs Leben (= die kleinen Problemlösungen für das tägliche Leben).

9
Strategisches Marketing

In weiterer Folge wird dadurch das zum Unternehmensauftrag passende Geschäftsfeld und
Leistungsangebot bestimmt. Es geht hier um die Kernfähigkeiten und Kernkompetenzen
des Unternehmens und die Frage, wodurch und wie sich das Unternehmen vom Mitbe-
werb unterscheiden möchte und so langfristig erfolgreich sein kann. Es geht aber auch um
die Frage, welches Image und welche Corporate Identity (Unternehmens-„Persönlichkeit“)
ein Unternehmen nach innen und außen aufbauen möchte.

In weiterer Folge sind die Unternehmensoberziele zu bestimmen. Diese betreffen Bereiche


wie Rentabilität des Unternehmens, Umsatzziele, Gewinnziele, angestrebte Marktanteile,
Marktpositionen etc., um dann daraus die Ziele für die einzelnen Unternehmensfunktio-
nen (Marketing, Produktion, Beschaffung, Materialwirtschaft, Finanzen etc.) und die dazu-
gehörenden Maßnahmen und Instrumente festlegen zu können.

Abb. 20: Zielsystem von Unternehmen

10
Strategisches Marketing

Abb. 21: Beispiel eines Unternehmenszielsystems

Im folgenden Kapitel werden ausgehend von diesen grundsätzlichen Überlegungen der


Weg zur Entwicklung eines Marketing-Konzeptes skizziert und auch die bisher genannten
Ebenen im Zielsystem von Unternehmen weiter vertieft.

Ab dem Kapitel 6 werden die einzelnen Bereiche des Marketing-Mix dargestellt, also jene
Maßnahmenbündel, die im Marketing zur Verfügung stehen.

11
Strategisches Marketing

1.3 Lernziele & Wissensfragen, Literaturtipps

Nach diesem Kapitel sollten Sie folgende Fragen beantworten können:


1. Beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Strategischer Planung und Strategi-
schem Marketing.
2. Was sind Visionen und welche Wirkung haben sie?
3. Skizzieren Sie das Zielsystem in Unternehmen?

Literaturtipps
Becker, J.: Das Marketingkonzept, München 2005
Bea, F. X./ Haas, J.: Strategisches Management, Stuttgart 1997
Kotler, Ph./ Armstrong, G./Saunders, J./Wong, V.: Grundlagen des Marketing, 2. Auflage,
München u.a., 1999
Kropfberger, D.: Erfolgsmanagement statt Krisenmanagement, Linz 1986
Meffert, H.: Lexikon der aktuellen Marketing-Begriffe, 1997
Meffert, H.: Marketing, 9. Auflage, Wiesbaden 2000
Meyer, A./ Davidson, J.H.: Offensives Marketing
Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H.: Marketing, 18. Auflage 1997
Porter, M. E.: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten,
3. Auflage, Frankfurt/Main, New York 1992
Porter, M. E. Wettbewerb und Strategie, München 1999
Porter, M. E.: Wettbewerbsstrategie – Methoden zur Analyse von Branchen und Konkur-
renten, 7. Auflage, Frankfurt/Main 1992
Weis, H. Chr.: Marketing, Kiehl 1999
Weis, H. Chr.: Verkauf, 5. Auflage, Kiehl, 2000
Winkelmann, P.: Marketing und Vertrieb, München u.a. 1999

12
Strategisches Marketing

2 AUFBAU EINES STRATEGISCHEN


MARKETINGKONZEPTES

2.1 Arten der Planung

Planung bedeutet aktive Auseinandersetzung mit der Zukunft und ist damit eine geistige
Vorwegnahme zukünftiger Entscheidungen auf Basis einer intensiven und systematischen
Beschäftigung mit der Zukunft. Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

• Planung ist zukunftsorientiert


• Planung erfolgt systematisch
• Planen setzt das Denken vor das Handeln
• Planen beinhaltet Zielbildung
• Zur Zielerreichung werden Alternativen erarbeitet
• Die am besten geeignete Alternative wird ausgewählt – dadurch wird aus einem Plan-
vorschlag ein verbindlicher Plan
• Es werden Anweisungen zur Durchsetzung des gewählten Plans erarbeitet
• Die Pläne werden schriftlich niedergelegt und laufend kontrolliert

Inhaltlich ist zuerst zwischen strategischer und operativer Planung zu unterscheiden


• Strategische Planung = „Die richtigen Dinge tun“
Bei der strategischen Unternehmensplanung geht es um den Aufbau und den Erhalt
von Erfolgspotenzialen für die Zukunft und den Abbau sowie die Verhinderung von
Misserfolgsfaktoren. Es geht also beim Marketing um Strategisches Denken. Aufbau-
end auf den vorhandenen Stärken des Unternehmens werden Prognosen über die At-
traktivität verschiedener Teilmärkte erstellt. Schwächen sollen abgebaut werden.
Den Ausgangspunkt der strategischen Planung bilden die „Vision“ und die Grobziele
des Unternehmens bzw. des Unternehmers. Der strategische Planungsprozess bein-
haltet dann folgende Teilaufgaben:
o Abgrenzung der strategischen Geschäftsfelder
o Bestimmung der strategischen Erfolgsfaktoren

13
Strategisches Marketing

o Festlegung des Planungshorizonts


o Formulierung von Strategien
• Operative Planung – „Die Dinge richtig tun“
Aufbauend auf den Ergebnissen der Strategischen Planung befasst sich die operative
Planung mit den Steuerungsgrößen Liquidität und Erfolg, welche kurz- bzw. mittelfris-
tig zu planen sind. Im Marketing geht es dabei um den zielgerichteten Einsatz der In-
strumente des Marketing-Mix und die entsprechenden Wirkungskontrollen.

Weiters lässt sich die Planung nach dem Zeithorizont unterscheiden (unterschiedlich nach
Produkten):
• Die kurzfristige Planung erstreckt sich im Regelfall auf die Dauer von maximal bis zu
einem Jahr. Üblicherweise betrifft sie die operative Planung. Die Ziele sind dabei eher
quantitativer Natur und die Planung beschäftigt sich mit den Steuerungsgrößen Erfolg
und Liquidität. Im Bereich des Marketings geht es um den Einsatz der Instrumente im
Marketing-Mix (Mediaplanung, Streuplanung, Preisaktionen, Mailings etc.).
• Eine Abgrenzung hin in Richtung einer oftmals vorgebrachten sog. mittelfristigen Pla-
nung ist schwierig. Bisweilen wird von einer Mittelfristplanung bei einem Planungsho-
rizont von bis zu einem Jahr ausgegangen, wobei dann die Kurzfristplanung nur einige
Wochen und Monate umfasst (z. B. 6 Monate im klassischen consumer-Bereich). Im
Wesentlichen betrifft auch die Mittelfristplanung die Steuerungsgrößen Erfolg und Li-
quidität.
• Die langfristige Planung ist i. d. R. eine strategische Planung und hat damit die Aufga-
be der Wahrung und Sicherung der Erfolgspotentiale. Das Ziel ist, die Existenz des
Unternehmens auch in Zukunft zu gewährleisten. Eine Technik der langfristigen Pla-
nung ist beispielsweise die Szenariotechnik. Hierbei wird über Planungszeit- räume
von zehn Jahren und mehr über mögliche Trends, die sich schon in der Gegenwart
abzeichnen, weitergesponnen. Für jedes Szenario wird eine eigene Grobstrategie
entwickelt (inkl. Best-Case- [sunshine], Worst-Case- [sunset] und Trend-Szenario), und
aus der Summe der Strategien werden jene Maßnahmen ausgewählt, welche bei allen
Szenarien Erfolg versprechend sind. Dabei verfolgt man üblicherweise das Trend-
Szenario. Siehe dazu Kapitel 4.6.

14
Strategisches Marketing

Viele Unternehmen legen die Planung als eine sog. rollende Planung mit einem Zeithori-
zont von z. B. fünf Jahren an. Das Konzept der rollenden Planung ist eine Mischform aus
kurz- und langfristiger Planung.
• Im ersten Jahr wird ein Feinplan aufgestellt, sowie ein Grobplan für die zwei bis vier
darauf folgenden Jahre. Das strategische Ziel steht als Vision am Ende der Planungs-
reihe.
• Nach dem ersten Jahr ändert sich der erste Grobplan zu einem Feinplan, der zweite
Grobplan wird überarbeitet, und man erstellt einen Grobplan für die darauf folgende
Periode u. s. w.

Planungsverfahren
Abhängig von welcher Ebene im Unternehmen die Planung ausgeht und weitergeleitet
wird, kann man zwischen retrograder oder top-down-Planung, progressiver oder bottom-
up-Planung und der Gegenstromplanung unterscheiden.

• Bei der retrograden oder top-down-Planung wird ein globaler Rahmenplan von der
Geschäftsleitung ausgearbeitet, und von oben nach unten weiter in Teilpläne zerlegt,
welche wiederum als Rahmenpläne für die nachgelagerten Stellen gelten. Der Hierar-
chie folgend entstehen aus den Rahmenbedingungen der ersten Ebene immer konkre-
tere Pläne. Der Vorteil dieser Methode liegt in dem hohen Maß der Zielerreichung der
Gesamtunternehmung. Allerdings besteht die Gefahr, dass die nachgeordneten Stellen
aufgrund fehlender Beteiligung zu wenig Information sowie unrealistische Vorgaben
erhalten, und daraus beispielsweise Demotivation der Mitarbeiter entsteht.

• Im Gegensatz zur retrograden, verläuft die Richtung der progressiven Planung von den
untersten Hierarchieebenen aufwärts. Bei diesem Verfahren erfolgt auf den unteren
und mittleren Managementebenen die Bildung operativer Pläne. Der Aggregations-
grad nimmt umso stärker zu, je höher die Planung wandert. Das heißt, zuerst werden
operative Pläne entwickelt, welche sich zunehmend in strategische wandeln. Vorteile
dieses Ansatzes liegen vor allem in der Motivation der Mitarbeiter, welche bei der
Planerstellung maßgeblich beteiligt sind – es setzt allerdings flache Hierarchien und

15
Strategisches Marketing

hohe Delegationsbereitschaft voraus. Schwierigkeiten können sich besonders bei der


Einreichung der Teilpläne bei der übergeordneten Ebene ergeben, da es zu mangeln-
der inhaltlicher Konsistenz kommen kann, bzw. die gleichzeitige Realisation der ein-
zelnen Teilpläne nicht möglich ist.

• Das Gegenstromverfahren der Planung stellt eine Mischform der beiden oben genann-
ten Methoden dar und hat sich in den letzten Jahren als das gebräuchlichste etabliert.
Zuerst wird von der Geschäftsleitung ein Rahmenplan ausgegeben, welcher sukzessi-
ve nach unten verfeinert wird (retrograd), um von der untersten Planungsebene aus
gemäß der progressiven Planung zur obersten Hierarchie zurückzulaufen. Die Kombi-
nation der oben genannten Verfahren hat den Vorteil, dass auf Grund des Rücklaufs
der Pläne eine Kontrolle hinsichtlich Erreichbarkeit der Ziele erfolgt. Sofern das
Hauptziel der Planung nicht gefährdet wird, kann auf den jeweils nachgelagerten Stu-
fen eine Korrektur der Pläne vorgenommen werden. Ein weiterer Vorteil des Gegen-
stromverfahrens liegt, wie schon beim progressiven Verfahren, in der hohen Motivati-
on der Mitarbeiter. Der einzige Nachteil besteht in dem großen Zeitaufwand, welcher
zum Erstellen solcher Pläne benötigt wird.

2.2 Prozess der strategischen Planung

Die strategische Planung stellt einen informationsverarbeitenden Prozess dar, welcher sich
wiederum in Teilprozesse gliedert. Was einerseits den Prozess- und somit auch den Pha-
sencharakter der – gewollten – strategischen Planung anbelangt, ist anzumerken, dass es
kein eindeutiges Ablaufschema solch eines Prozesses gibt.

Im Allgemeinen ist sogar davor zu warnen, Strategien faktisch „nach dem Lehrbuch“ zu
entwerfen, da es kein allgemeingültiges Rezept gibt, welches das Finden optimaler lang-
fristiger Entscheidungen garantiert. Vielmehr ist – sowohl was den Ablauf als auch die ein-
gesetzten Instrumente betrifft – auf die konkrete Situation des einzelnen Unternehmens
einzugehen.

16
Strategisches Marketing

Folgende Aufzählung der einzelnen Schritte soll keine Norm, sondern lediglich eine Rah-
menvorgabe für einen Planungsprozess darstellen.

Abb. 22: Prozess der strategischen Planung

17
Strategisches Marketing

2.3 Erstellung eines strategischen Marketingkonzeptes

Projektstrukturplan (am besten in Form eines Struktogramms)

1. Ist-Analyse
1.1 Externe Analyse
1.1.1 Marktanalyse
1.1.2 Kundenanalyse
1.1.3 Konkurrenzanalyse
1.1.4 Branchenanalyse
1.1.5 Umweltanalyse
1.1.6 Chancen/ Risken Katalog
1.2 Interne Analyse
ABC- Analyse, Lebenszyklus, Altersstruktur … Finanzsituation, 6 Ps, Innovationen,
Mitarbeiter … Organigramm,
1.2.1 Stärken/Schwächen Katalog
1.3 Marktforschung

2. Zukunfts-Analyse
2.1 Trendanalyse
2.2 Szenarien
Sunset-/Sunshine-/Trendszenario/Einflussfaktoren + Abhängigkeiten
2.3 erweiterte SWOT-Analyse
2.4 Portfolio

3. Zielplanung
Visionen/SGF + Kernkompetenzen/Leitbild/CI/Ober-/Detailziele

4. Strategien
4.1 Grundstrategien für
- Unternehmen
- SGF
- Funktionsbereiche
4.2 Positionierung
4.3 Zielgruppe(n)festlegung (= Zielmarkt)
4.4 Organisation

5. Marketing-Mix (= 6 Ps CI)
5.1 Budget
5.2 Spezialthemen (bei Bedarf, abh. von der Projektzielsetzung)

6. Umsetzung

7. Kontrolle der Umsetzung

18
Strategisches Marketing

2.4 Strategische Geschäftsfelder

= „Defining the Business“


Diese Bestimmung der Art des Geschäftes, in dem man tätig sein möchte, stellt den Aus-
gangspunkt jeder strategischen Tätigkeit dar. Man spricht dabei auch von der Positionie-
rung eines Strategischen Geschäftsfeldes (SGF). Unter einem SGF wird eine bestimmte
Produkt-Markt-Kombination verstanden, die alle Geschäftsaktivitäten zusammenfasst, die
in ihren Produkt- und/oder Markt-Kombinationen voneinander abhängig sind; dies können
z. B. Produkte, Vertriebswege, Kunden, Sparten, etc. sein. Hinter der Produkt-Markt-
Kombination steckt die Kernüberlegung, dass ein Produkt selbst keinen Wert hat, da es
seinen Wert erst durch die Nutzenstiftung beim Kunden gewinnt. In der Literatur findet
man fallweise den Begriff Strategische Geschäftseinheit (SGE). Darunter kann die entspre-
chende interne Organisationseinheit verstanden werden, aber auch die Bezeichnung SGF
findet sich in manchen Unternehmen für diese interne Organisationseinheit.

Weitere Merkmale von Strategischen Geschäftsfeldern sind:

• Eine unabhängige Marktaufgabe


• Es können geschäftsfeldspezifische Strategien ausgearbeitet werden
• Die Implementierung eines eigenständigen operativen Handlungsplans ist möglich
• Sie leisten einen eigenständigen Beitrag zur Steigerung des Erfolgspotenzials der ge-
samten Unternehmung und werden häufig als Profit-Center geführt

Im Zuge der Bestimmung der Strategischen Geschäftsfelder bewährt sich folgender Be-
zugsrahmen (SGF-Würfel) nach Abell. In diesem wird der Möglichkeitsbereich von Strate-
gischen Geschäftsfeldern anhand dreier Kriterien beschrieben, z. B. die Kunden-/ Ziel-
gruppen, die Bedürfnisse/Probleme von Kundengruppen und die einsetzbaren Technolo-
gien.

19
Strategisches Marketing

Abb. 23: Geschäftsfeldabgrenzung nach Abell

Beispiele:
 Ein Junges aufstrebendes Unternehmen im EDV-Consulting Bereich könnte sich bei den
möglichen Zielgruppen auf öffentliche Verwaltungen spezialisieren, die eine technolo-
gische Lösung für Netzwerke (Technologie) und darauf aufsetzende Dokumentenarchi-
vierungssysteme (Bedürfnis) benötigen.
 Ein anderes könnte auch auf Schulung und Support von Graphikbearbeitung (Bedürfnis)
von Werbeagenturen (Zielgruppe) mit Apple-Systemen (Technologie) spezialisieren.

Der „Suchweg“ kann dabei aus allen drei Richtungen erfolgen. Dabei könnten/sollten fol-
gende Fragen zuerst gestellt werden:
• „Welche Technologie beherrschen wir und wer könnte das wofür brauchen?“
• „Welche Kundengruppe kenne ich gut und möchte ich bedienen. Was braucht diese
Kundengruppe und wie?“
• „Bei welcher Funktion (Problemlösung) kennen wir uns aus, welche Technologien
gibt es dafür und wer braucht das?“

Auf der Grundlage der Strategischen Geschäftsfelder können dann Strategische Geschäfts-
einheiten als konkrete Produkt-Markt-Kombinationen bestimmt werden (SGE). Zudem

20
Strategisches Marketing

kann innerhalb der SGF eine weitere Aufteilung der Unternehmensaktivitäten in einzelne
Planungseinheiten (Strategische Geschäftseinheiten SGE) vorgenommen werden, für die
dann in Folge einheitliche strategische Konzepte entwickelt werden können.

Ablauf der Zielmarktauswahl


1. Alle Marktsegmente, die mit den Unternehmenszielen nicht kompatibel sind, werden
von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen.
2. Die verbleibenden Marktsegmente werden nach Wirtschaftlichkeit, Ansprechbarkeit
und zeitlicher Stabilität analysiert.
3. Bestimmung der Anzahl der Segmente und deren Auswahl anhand unternehmensin-
terner und externer Beurteilungsfaktoren.

Für diese weiteren Schritte im Planungsprozess ist eine Reihe von Informationen notwen-
dig. Die entsprechenden Analysesysteme und Planungsschritte werden nachfolgend be-
schrieben. Diese sind eingebunden in die o. a. exemplarische Anführung des Aufbaus ei-
nes strategischen Marketingkonzeptes. Anschließend werden die weiteren Planungsschrit-
te beschrieben.

Zur Differenzierung des Angebotes bieten sich u. a. fünf grundlegende Möglichkeiten an:
• Produkt
• Service
• Identität/Image
• Distribution
• Mitarbeiter

21
Strategisches Marketing

2.5 Analysen zur Unterstützung des Planungsprozesses

Unternehmen sind heute in ein komplexes und dynamisches Umweltsystem eingebunden,


welches im Rahmen der Planung und den dabei notwendigen Informationsanalysen ent-
sprechend Berücksichtigung finden muss. Dülfer hat die Unternehmensumwelt wie folgt
systematisiert:

Abb. 24: Umwelten des Unternehmens

Im Weiteren werden ausgewählte Analysebereiche dargestellt.

22
Strategisches Marketing

2.5.1 Externe Analysen

Im Rahmen der externen Analyse lassen sich folgende Bereiche unterscheiden:


• Marktanalysen
• Kundenanalysen
• Konkurrenzanalyse
• Branchenanalyse
• Weitere Umweltanalysen (Politik/Recht, Soziales, Kultur, Technik …)

2.5.1.1 Marktanalyse

Folgende Fragen sind im Rahmen einer Marktanalyse von besonderer Bedeutung:


• Um welchen Markttyp handelt es sich? – Boomender Markt (> + 10 %) – Wachsender
Markt (> + 1 %) – Stagnierender Markt (+/- 1 %) – Rückläufiger Markt (> - 1 %)
→ je Markt unterschiedlich
• Wie groß ist der Markt (Marktpotential und Marktvolumen) wertmäßig und mengen-
mäßig?
• Wie hoch ist die Marktpenetration, -sättigung?
• Welche saisonalen Schwankungen gibt es in diesem Markt?
• Wie sind die Marktanteile des eigenen Unternehmens und die der wesentlichen Mit-
bewerber?
• Welche Zukunftsperspektive hat dieser Markt?

Hinweis: Der Bereich Marktforschung wird im Kapitel 5 als Special Topic gesondert
behandelt.

23
Strategisches Marketing

2.5.1.2 Kundenanalyse

Hier ist im Besonderen die Kundenstruktur zu unterscheiden und auch bestmöglich zu


definieren. Bei der Kundenanalyse werden gleichermaßen quantitative wie auch qualitati-
ve Daten berücksichtigt.
• Welche Zielgruppen spricht das Unternehmen an?
• Wie viele Kunden gibt es im Zielmarkt in den relevanten Zielgruppen (Marktsegmen-
tation)?
• Gibt es regionale Schwerpunkte?
• Ist es primär im Business-to-Customer- (B2C) oder im Business-to-Business-Bereich
(B2B) tätig?
• Welche Kaufmotive und welche Bedürfnisstruktur liegen bei den Kunden vor?
• Wie laufen die Kaufprozesse ab? Welches Informationsverhalten haben die Kunden?
• Welche Machtpotentiale haben die Kunden?

2.5.1.3 Konkurrenzanalyse

Im Rahmen der Konkurrenzanalyse ist jeder wichtige Mitbewerber einer sorgfältigen Ana-
lyse zu unterziehen. Im Sinne einer pragmatischen Vorgehensweise könnten die Mitbe-
werber z. B. nach 3 Kategorien sortiert werden:
• der stärkste Mitbewerb
• der aggressivste Mitbewerb
• der Newcomer im Mitbewerb, der am meisten aufhorchen lässt.

In einem eigenen Mitbewerberanalysemodell sollen mindestens die 3 wichtigsten Konkur-


renten bewertet und mit dem eigenen Unternehmen verglichen werden:

24
Strategisches Marketing

Mitbewerber Mitbewerber Mitbewerber Unser


Kriterien
A B C Unternehmen
Hauptstärken
Hauptschwächen
Gegenwärtige Marktstellung
Erkennbare Wettbewerbsvorteile
Erkennbare Strategie
Wissen/Können der Mitarbeiter
Beschaffungspolitik
Produktpolitik
Preispolitik
Kommunikationspolitik
Distributionspolitik
Kostenstruktur
Gewinnsituation
Finanzkraft
Internationalisierungsgrad
Weitere Erfolgskriterien im Detail

Die dazu erforderlichen Informationen können aus öffentlich zugängigen Quellen (Medi-
enberichten, WK, Wiener Zeitung, Internet …), von ehemaligen Mitarbeitern, eigenem
Wissen, Beobachtungen etc. gewonnen werden.
Die Darstellung kann dabei auch als Profil dargestellt werden (mit/ ohne Bewertung der
Wichtigkeit), siehe Stärken-Schwächen-Analyse.

2.5.1.4 Branchenanalyse

Folgende Kriterien sind für die Branchenanalyse von Bedeutung:


• Branchenstruktur mit Anzahl der Anbieter, Art der Anbieterfirmen, Organisationsgrad
der Branche, Innovationsgrad der Branche
• Kundenstruktur: Anzahl der Kunden und Kundentypen
• Beschäftigungslage und Wettbewerbssituation, wie auch Auslastung der Kapazität und
Mitbewerbsdichte

25
Strategisches Marketing

• Der Internationalisierungsgrad wie Quasimonopol, freier Wettbewerb, Verdrängungs-


wettbewerb etc.
• Weitere Branchenspezifika: Hier handelt es sich um die Fragestellungen:
Ist die Branche bis dato in einem Marketingtiefschlaf gelegen, oder ist sie sehr innova-
tiv gewesen? Welche Margen sind in der Branche zu erzielen? Wie hoch ist das Insol-
venz- bzw. Konkursrisiko? Gibt es Sicherheiten wie Eintrittsbarrieren für neue Konkur-
renten oder Substituierbarkeiten der Leistungen als Unsicherheitsfaktor?

Porter definiert Branche als subjektive Grenzziehung zwischen einem Wettbewerber und
den fünf Wettbewerbskräften, wobei er hervorhebt, dass eine genaue Definition für die
Strategieformulierung unerheblich ist. Bedrohung können gegeben sein durch
• Neue Konkurrenten
• Wettbewerber in der Branche
• Verhandlungsmacht der Lieferanten
• Verhandlungsstärke der Abnehmer
• Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
• Ersatzprodukte und –dienste

Abb. 25: Branchenanalyse nach Porter

26
Strategisches Marketing

Bedrohung durch potentielle Konkurrenten


Das Auftreten neuer Unternehmen in einer Branche kann für die bereits vorhandenen
Wettbewerber negative Auswirkungen haben. Es kann durch neue Konkurrenten zu Preis-
senkungen am Markt kommen. Weiters ist es möglich, dass den bestehenden Unterneh-
men Mehrkosten erwachsen. In vielen Fällen sinkt somit durch das Eintreten eines neuen
Wettbewerbers die Rentabilität der etablierten Unternehmen.
Die Gefahr des Markteintritts neuer Konkurrenten hängt von den Barrieren ab, die dem
Neueintretenden entgegenstehen. Je höher die Eintrittsbarrieren sind, desto kleiner ist die
Chance eines erfolgreichen Markteintritts. Ursachen solcher Barrieren sind "Economies of
Scale", hoher Kapitalbedarf für einen Eintritt, etc.

Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste


Ist ein Produkt von seiner Beschaffenheit her geeignet, ein anderes zu ersetzen, und weist
es ein günstigeres Preis-/Leistungsverhältnis auf, kann es zu einer Bedrohung für das ur-
sprüngliche Produkt werden. Für ein Unternehmen ist es essentiell, Substitute als Wettbe-
werbskraft zu erkennen und sie in ihrer Strategie mit zu berücksichtigen. Diese kann etwa
auf die Ausschaltung des Substituts oder eine weitergehende Differenzierung der eigenen
Produkte abzielen.

Verhandlungsstärke von Abnehmern und Lieferanten


Sind Abnehmer bzw. Lieferanten aufgrund einer Machtposition in der Lage, Preise in ih-
rem Interesse zu beeinflussen, so sinkt die Rentabilität eines Unternehmens. Gründe für
eine derartige Machtposition sind:

• hoher Konzentrationsgrad,
• hoher Anteil an den Gesamtumsätzen des unterlegenen Unternehmens, oder
• die glaubwürdige Drohung der Rückwärts-/Vorwärtsintegration.

27
Strategisches Marketing

Ein Unternehmen kann einer Machtausweitung seiner Marktpartner entgegenwirken, in-


dem es beispielsweise:
• die Produktdifferenzierung vorantreibt. Eine fortgeschrittene Produktdifferenzierung
erschwert es Lieferanten und Abnehmern, in den Markt einzutreten, und verhindert
ein einfaches Überwechseln auf Alternativprodukte.
• die Umstellungskosten in einer Branche erhöht (der Wechsel zu Alternativprodukten
und damit die schnelle Auslastung neuer Anlagen wird damit für einen neu eintreten-
den Wettbewerber erschwert).

Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern


Porter betont die intensive wechselseitige Abhängigkeit der Unternehmen einer Branche,
und zwar im Sinne von Rivalität als Folge von einander bedingenden Reaktionsmustern.
Der Grad der Rivalität lässt sich anhand von Faktoren messen, wie beispielsweise:
• Anzahl der Wettbewerber,
• Geschwindigkeit des Branchenwachstums,
• Fix- oder Lagerkostenanteil,
• Differenzierungsgrad.

Im Sinne der Branchentypologie ist zu unterscheiden zwischen einer wachsenden, einer


stagnierenden und einer rückläufigen Branchenentwicklung. Für Unternehmen empfiehlt
es sich, einen Zeithorizont von 5 Jahren anzuvisieren.

2.5.1.5 Umweltanalyse

Hier sind die über die Branche hinausgehenden Rahmenbedingungen im Fokus der Be-
obachtung, die für das Unternehmen im weitesten Sinn relevant sein können.
• Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen, z. B.
Entwicklungstendenzen des Volkseinkommens
Konjunkturschwankungen
Währungsparitäten
Inflationsrate
Entwicklung des internationalen Handels

28
Strategisches Marketing

Arbeitslosenquote
Investitionsneigung
Entwicklungsspezifisch relevanter Wirtschaftssektor etc.
• Technologie, z. B.
Produktionstechnologie
Substitutionstechnologie
Produktinnovation
• Ökologische Umwelt, z. B.
Verfügbarkeit von Energie
Umweltauflagen
Verfügbarkeit von Rohstoff
Recyclingquote
Strömungen im Umweltschutz
• Demographisch und sozialpsychologische Entwicklungstendenzen, z. B.
Bevölkerungsentwicklung
Bevölkerungswanderung
A- B- C- D- E - Schichtverteilung
Arbeitsmentalität
Streikquote
Sparneigung
Freizeitverhalten
Einstellung gegenüber der Wirtschaft
• Politik und Recht, z. B.
Globalpolitische Entwicklungstendenzen
Sozialgesetzgebung und Arbeitsrecht
Flexible Arbeitszeiten
Parteipolitische Entwicklung
Handlungsfreiheit der Unternehmen etc.

Diese Ergebnisse werden in einer Chancen-Risken-Liste/Tabelle in Stichworten zusam-


mengefasst und können dabei (für die SWOT) nach C1 … gereiht werden.

29
Strategisches Marketing

2.5.2 Interne Analysen

Zur Erstellung eines Marketingkonzeptes ist es auch notwendig, die Ist-Situation des Un-
ternehmens in einer internen Analyse zu durchleuchten.
Folgende Punkte sind dabei zusätzlich zum Vergleich in der Konkurrenzanalyse (siehe
Kapitel 4.5.1.3) empfehlenswert:

Analysebereich Inhalte der Analyse


Profil des Unternehmenstyp
Unternehmens Unternehmensgröße
Branchenzugehörigkeit
Standort
Bearbeiteter Marktraum
Eventuelle Konzerneinbindung
Kooperationen/franchising
Leistungsprofil Hauptproduktgruppen/-leistungen
Angesprochene Märkte/Hauptkundengruppen
Strategische Geschäftsfelder
(und deren strategische Geschäftseinheiten)
Potenziale Kapazitäten, Auslastung, Produktivität
Anlagen und technische Potenziale
Know-how und Fähigkeiten
Organisations- und Führungsstruktur
Strategien Bisherige strategische Stoßrichtung
Marketingstrategie
Produktionsstrategie
Forschungs- und Entwicklungsstrategie
Finanzstrategie
Personalstrategie
Wirtschaftliche Bilanzielle Entwicklung und finanzielle Situation
Situation Umsatz-, Kosten- und Ertragsentwicklung
Umsatz-, Kosten- und Ertragsstruktur
Kennzahlen
Geschäftspolitische Grundsätze und Verhaltensspielregeln
Grundsätze Wirtschaftliche Vorgaben
Bestehende Visionen und Leitbilder
Abb. 26: Interne Unternehmensanalyse

30
Strategisches Marketing

Zu diesem Zwecke gibt es im Nachfolgenden einzelne unterstützende Analyseinstrumente


im Marketing (siehe auch Marketingcontrolling, siehe Kapitel 12), die eine gute Diagnose
ermöglichen. Diese Analysen sind in allen Ps - soweit sinnvoll - durchzuführen:

• Renner-Penner-Analyse, ABC-Analyse
• Produktlebenszyklus-Analyse
• Altersstruktur-Analyse
• Weitere Analysen je nach Branche und Fragestellung, wie z. B. gap-/Sortiments-
Analyse
• Potential-Analyse
• Portfolio-Analyse
• Stärken/Schwächen-Analyse

2.5.2.1 Die GAP-Analyse

Unter GAP versteht man die strategische Lücke, als die Differenz zwischen Soll- und Ist-
wert.

Abb. 29: GAP-Analyse

31
Strategisches Marketing

2.5.2.2 Renner/Penner-Analyse (Sortimentsanalyse)

Die Renner-Penner-Analyse gibt als internes Analyseinstrument wertvolle Hinweise für die
Sortimentssteuerung:

Abb. 30: Renner-Penner-Analyse

Meist multipliziert man den durchschnittlichen Umsatzanteil mit 0,7 (einem Erfahrungs-
wert aus der ABC-Analyse, siehe unten). Bei der Ertragskraft wird meist der gewichtete
DBU verwendet.
• Renner sind sehr beliebte Produkte, haben aber einen geringen Ertrag. Diese Produkte
sind, wenn sie nicht bewusst als „Zugprodukte“ positioniert sind, möglichst in Rich-
tung Winner weiterzuentwickeln (z. B. über Zusatznutzen, Service, Variationen, etc.),
sodass ein höherer Preis mit möglichst höherem Wertschöpfungspotenzial am Markt
durchgesetzt werden kann.
• Winner sind die Top-Produkte des Unternehmens, da sie sowohl einen hohen Um-
satzanteil aufweisen als auch ertragsmäßig interessant sind.
• Penner sind Langsamdreher mit einer relativ hohen Spanne. Auch hier sollte der Ver-
such unternommen werden, sie zu Winnern zu entwickeln. Dies kann entweder
durch Preissenkungen erreicht werden (was aber z. B. aus Imagegründen problema-
tisch sein kann) oder durch Verkaufsförderungsmaßnahmen.

32
Strategisches Marketing

• Loser sind Produkte mit erheblichem Entwicklungsbedarf oder zu bereinigende Pro-


dukte, d. h. es ist zu überprüfen, ob sie umsatz- und ertragsmäßig weiterentwickelt
werden können, ob und wie sie im Sortimentsverbund mit anderen Produkten stehen
oder ob sie aus dem Sortiment herausgenommen werden können.

Es bietet sich im Hinblick auf eine laufende Weiterentwicklung des Unternehmens an, die
Renner-Penner-Analyse regelmäßig (z. B. quartalsmäßig, jährlich) durchzuführen, da
durch die Grenzziehung zwischen den einzelnen Feldern jeweils der Durchschnitt heran-
gezogen wird. Damit gibt es jedenfalls immer Loser-Produkte, die es gilt, kritisch zu hin-
terfragen (Achtung: Sortiment nicht zu sehr ausdünnen! → Sortimentsanalyse).

Es ist auch zu beachten, dass es sich um eine interne Analyse handelt und nach externen
Gesichtspunkten (Marktattraktivität, Wachstumschancen, Wettbewerbsstärke etc.) die Be-
urteilung anders ausfallen kann (siehe später bei Portfolioanalyse).

2.5.2.3 ABC-Analyse

Die ABC-Analyse ist ein sehr effektives Instrument zur Unternehmensdiagnose. Der positi-
ve Effekt ist der, dass der Aufwand für die Erstellung relativ niedrig ist, die Aussagekraft
jedoch hoch.
Außerdem wird die ABC- Analyse in den verschiedensten Unternehmens- und Entschei-
dungsbereichen verwendet (z. B. bei der Analyse des Sortiments, der Kunden, des Lagers,
der Kosten etc.)

Grundgedanke ist, dass üblicherweise mit 20 % der Bemühungen 80 % des Erfolges er-
wirtschaftet wird (Pareto-Prinzip). Im Produktbereich bedeutet dies, dass oft mit 20 % des
Sortiments 80 % des Umsatzes bzw. Ertrages erwirtschaftet wird.

33
Strategisches Marketing

Abb. 31: ABC-Analyse

Für die Einteilung in ABC- Produkte wird meist folgende Einteilung gewählt.
A-Produkte 20 % der Artikel = meistens ca. 60 - 70 % des Umsatzes
B-Produkte 20 % der Artikel = ca. weitere 20 - 25 % des Umsatzes
C-Produkte 60 % der Artikel = restlicher Umsatz

Folgende Erkenntnisse können von der ABC-Analyse aus dem nachfolgenden Beispiel ab-
geleitet werden.
Die Information aus der ABC-Analyse besagt, inwieweit das Unternehmen vom Absatz
einiger weniger Produkte abhängig ist (was entsprechende Marketingkonsequenzen hat,
wie z. B. Pflege des Produktes, Marktabsicherung, Variationen etc.) und wie viele Produk-
te es im Sortiment gibt, bei denen hoher Aufwand bei geringem Erfolg gegeben ist (C- Pro-
dukte). Außerdem sollte bezüglich der B-Produkte deren möglicher Ausbau hin zu A-
Produkten überprüft werden. Damit ist die ABC-Analyse eine sinnvolle Ergänzung z. B. für
die Renner-Penner-Analyse oder die strategische Ausrichtung.
Im Sinne der Risikostreuung sollte max. 20 % des Umsatzes mit einem Kunden getätigt
werden.

34
Strategisches Marketing

2.5.2.4 Produktlebenszyklus- und Altersstruktur-Analyse

Die Produktlebenszyklus-Analyse geht von der Überlegung aus, dass Produkte ähnlich wie
biologische Systeme einen Lebenszyklus aufweisen und in den einzelnen Phasen be-
stimmte Charakteristika aufweisen.

Einführung Wachstum Reife/Sättigung Rückgang


Eigenschaften
Umsatz Gering Schnell wachsend Langsamer wachsend Rückläufig
Gewinn Negativ Schnell wachsend Rückläufige Margen Rückläufig
Cash Flow Negativ Mittel Hoch Mittel
Strategie
Ziel Aggressiver Ausdehnung des Gewinnmaximierung Das Produkt „mel-
Markteintritt Marktanteils ken“
Maßnahmen Neue Nutzer Neue Marktsegmente Marktanteil verteidi- Kosten senken
gewinnen gewinnen gen
Wettbewerber Wenige Steigende Anzahl Viele Rückläufige Anzahl
Differenzierung Produkt- Marken Preis und Service Preis
durch Werbe- eigenschaften
verhalten
Abb. 321: Produkt/Markt-Lebenszykluskonzept

35
Strategisches Marketing

I. Einführungsphase Neueinführung eines Produktes am Markt; i. d. R. wird damit


ein Verlust erwirtschaftet, da z. B. die Forschungs- und Ent-
wicklungskosten noch nicht abgedeckt sind (plus Marktauf-
baukosten, evtl. geringerer Einführungspreis).
II. Wachstumsphase Steigende Umsätze und steigende Erträge.
III. Reifephase oder Das Produkt steht am Zenith seiner Entwicklung u.
IV. Sättigungsphase höchster möglicher Umsatz, Ertrag, Marktanteil.
V. Rückgangsphase Sinkende Umsätze und Erträge.

Das Konzept des Lebenszyklus bildet einen wesentlichen Hintergrund der Portfolio-
Analyse nach der Boston Consulting Group, denn z. B. die Einführungsphase entspricht
der Position Baby, die Wachstumsphase den Stars etc. (siehe später unter „Portfolio-
Analyse“).

Das zentrale Problem der Lebenszyklus-Analyse ist der Umstand, dass sich kein generell
gültiger Lebenszyklus für alle Produkte finden lässt. Weder die Dauer (Bsp.: Tamagochi vs.
Persil) noch der Verlauf (z. B. VW Golf durch regelmäßigen relaunch) lässt sich vorhersa-
gen.

Abb. 32: Überlappende Lebenszyklen mehrer Produkt, z. B. eines Autoherstellers

36
Strategisches Marketing

2.5.2.5 Altersstruktur-Analyse

Die nachfolgend dargestellte Altersstruktur-Analyse baut gedanklich auf dem Lebenszyklus


auf und zeigt im Wesentlichen die Struktur des Sortiments auf. Klar wird dabei, dass es ein
ausgewogenes Sortiment geben sollte, in dem genügend Produkte vorhanden sind, mit
denen Neuprodukte finanziert werden können und das Sortiment nicht zu überaltert sein
soll (was auch dem Grundgedanken der Portfolioanalyse entspricht).

Abb. 34: Altersstruktur-Analyse

37
Strategisches Marketing

2.5.2.6 Portfolio-Analyse

Dieses strategische Analyseinstrument wurde von der Boston Consulting Group entwi-
ckelt. Der Portfolio-Begriff ist durch das französische Wort „Portefeuille“ und dem italieni-
schen Begriff „portafoglio“ als Behältnis zur Aufbewahrung von Wertpapieren belegt (im
übertragenen Sinne als Wertpapier- und Wechselbestand einer Bank).

Überträgt man diese Gedanken nun auf eine Unternehmung, bedeutet dies, dass das Un-
ternehmen in Strategische Geschäftseinheiten mit jeweils eigenen Chancen und Risiken
gegliedert wird. Diese versuchen weitgehend selbstständig, ihre Marktaufgabe unter Be-
rücksichtigung der vorhandenen und zukünftigen Kundenprobleme zu lösen.
Die Annahme ist die, dass im Unternehmen verschiedene Produktgruppen existieren, die
da als strategische Geschäftseinheiten bezeichnet werden. Ein Bäcker produziert z. B.
Brot, Gebäck, Mehlspeisen, u. a. m. Diese einzelnen Produktgruppen können nun als Stra-
tegische Geschäftseinheiten für den Gewerbebetrieb definiert werden.

Als Erfolgs- und Steuergrößen dienen Umsätze, Gewinne, Deckungsbeiträge, Cash-flow


sowie deren weitere Einflussfaktoren.

Die grundsätzliche Überlegung, die allen Varianten des Portfoliokonzeptes gemeinsam ist,
lautet, dass im Sinne eines limitierten „Portefeuilles“ die Unternehmung nur ein be-
schränktes Budget zur Erschaffung und Erhaltung von Erfolgspotentialen zur Verfügung
hat. Die Budgethöhe wird aus dem Cash-flow des laufenden Betriebes bestimmt. Das vor-
handene Budget kann in verschiedene SGE/SGF (=Produkt-Markt-Kombinationen) mit un-
terschiedlichen Erträgen und Ertragschancen investiert werden. Die Mittelverwendung
sollte sich an den Ertragschancen der SGE/SGF orientieren. Die Ertragschancen von
SGE/SGF werden im Wesentlichen von zwei Dimensionen bestimmt: eine Dimension
misst die Wettbewerbsvorteile und die Unternehmenskompetenz am Markt, die zweite
Dimension misst die Attraktivität des Marktes/der Branche selbst.
Die Portfolio-Analyse nach der Boston Consulting Group (BCG) geht von zwei Kriterien,
nämlich dem relativen Marktanteil und dem Marktwachstum, aus.

38
Strategisches Marketing

Abb. 35: Portfolio-Analyse nach der Boston Consulting Group

Die Hintergrundüberlegung bei der Portfolio-Analyse ist die, dass eine neue Produktgrup-
pe als Baby beginnt, durch gute Marktaufbereitung zum Star wird, sich im Lebenszyklus
zur Cash Cow (Melkkuh) und in weiterer Folge zum Poor Dog (armen Hund) entwickelt.
In diesem letzten Stadium soll dann das Produkt aus dem Sortiment zum richtigen Zeit-
punkt eliminiert werden. Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil besteht nun nach den Aus-
sagen der Boston Consulting Group dann, wenn der relative Marktanteil einer SGE/SGF
der Unternehmung >= 1,5 ist, d. h. man ist selbst Marktführer und erreicht einen absolu-
ten Marktanteil, der um mindestens 50 % größer ist als der des nächst größten Wettbe-
werbers am Markt.

Für die vier Felder des Portfolios werden folgende strategische Überlegungen (sog. Norm-
strategien) angestellt.
 Babies: Nachwuchsprodukte mit hohem Wachstum
sind zu fördern und in Richtung Stars weiterzuentwickeln; binden Kapi-
tal → Vorsicht: ewige Babies sind „Cash-Fallen“
 Stars: sind zu halten und mit entsprechenden Investitionen zu unterstützen;
Bergen die Gefahr in sich, zu Cash Cows „abzurutschen“

39
Strategisches Marketing

 Cash Cows: Sind die „Cash-Maschinen“ im Unternehmen, die die notwendigen fi-
nanziellen Reserven für die Babies und die Stars liefern; max. Ersatzin-
vestitionen, keine Neuinvestitionen, oder wieder (zumindest teilweise)
als Star zurückzugewinnen
 Poor Dogs: vernichten Cash, Sortimentsbereinigung ist zu überlegen; evtl. relaunch
einzelner Bereiche.

Wichtig für den Unternehmer ist es, dass die Aufteilung der strategischen Geschäftseinhei-
ten zwischen Baby, Star, usw. gut ausgewogen ist. Bedrohlich wäre es, wenn beispiels-
weise nur mehr Poor Dogs und Cash-Cows im Produkt- oder Sortimentsbereich wären.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Portfolio nach der Boston Consulting Group
eher für größere Unternehmen und tendenziell für Kostenführer (siehe später Wettbe-
werbsstrategien nach Porter, Kapitel 4.9.3) geeignet ist.

In einer Erweiterung von McKinsey für das amerikanische Unternehmen General Electric
wird das Marktwachstum durch das Kriterium der Marktattraktivität ersetzt (z. B. Risikosi-
tuation, Konkurrenzdruck, Marktpotential → Branchen-, Produkt- und Unternehmensspe-
zifisch zu sehen) und der Marktanteil durch eigene Wettbewerbsstärke (Know-how, tech-
nische Leistungsfähigkeit, etc.).

In der folgenden Abbildung werden das 9-Felder-Portfolio und die dazugehörenden stra-
tegischen Empfehlungen dargestellt.

Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, gibt es wieder Normstrategien, die denen des BCG-
Konzepts ähnlich sind. Allerdings gibt es drei Bereiche, nämlich die Zone der Mittelbin-
dung, die der Mittelfreisetzung und die der selektiven Strategien.
Auch wird eine Neun-Felder-Matrix eingeführt anstelle der Vier-Felder-Matrix, da bei bei-
den Bewertungsachsen die Möglichkeit einer Durchschnittsbewertung vorgesehen ist.

40
Strategisches Marketing

Abb. 36: Portfolio nach McKinsey

Bei der kritischen Würdigung dieses Konzeptes muss festgestellt werden, dass dieselben
Nachteile bestehen wie bei der 4-Felder-Matrix der BCG, außer dass neben den Faktoren
Marktwachstum und Marktanteil eine große Anzahl weiterer Faktoren, welche die um-
welt- und unternehmensbezogenen Erfolgspotentiale repräsentieren, miteinbezogen wer-
den. Jedoch lässt diese hohe Anzahl von Subfaktoren und Einzelindikatoren das System als
unüberschaubar erscheinen. Auch erfolgt die Bestimmung des Erfolgsfaktorenkatalogs für
die beiden Basisdimensionen und die Gewichtung und Zusammenführung von einzelnen
Kriterien nach subjektivem Empfinden und damit willkürlich. Eine Verbesserung der Aus-
sagekraft ist durch entsprechende Marktforschungsergebnisse möglich.

41
Strategisches Marketing

2.5.2.7 Stärken/Schwächen-Analyse

Ausgangspunkt der Stärken/Schwäche-Analyse ist eine kritische Gegenüberstellung der


eigenen Leistungsfähigkeit mit der Leistungsfähigkeit der Konkurrenz. Beurteilungsmaßstab
ist dabei die Kundeneinschätzung. Diese gewinnt man – wie die Konkurrenzanalyse – am
Besten über eine gezielte Primär Marktforschung.

• Strategische Stärken besitzt ein Unternehmen dann, wenn es einen besonderen wett-
bewerbspolitischen Vorsprung hat, der von der Konkurrenz nicht oder nur sehr
schwer einholbar ist.

• Strategische Schwächen sind Wettbewerbsnachteile gegenüber der Konkurrenz, die


vom Unternehmen selbst nicht oder nur sehr schlecht einholbar sind.

Durch die Stärken/ Schwächen-Analyse soll sichergestellt werden, dass von vornherein
nur solche Strategien entwickelt werden, die bestehende Stärken ausnutzen. Keinesfalls
sollten Strategien auf Schwächen aufbauen, weil hier der Misserfolg vorprogrammiert ist.
Ansonsten soll man Schwächen dann abbauen, wenn sie das Unternehmen hindern, seine
Stärken auszuspielen. Sind die Schwächen nicht abbaubar, soll das Unternehmen Märkte
suchen und Strategien entwickeln, bei denen diese Schwächen keine Rolle spielen.

Die Stärken-Schwachen-Analyse wird oft in zwei Formen durchgeführt,

• als Stärken-Schwächen-Katalog und


• als Stärken-Schwächen-Profil

Im Stärken/ Schwächen-Katalog können die einzelnen Stärken und Schwächen detailliert


beschrieben werden und für eine Form der SWOT mit S1 … bezeichnet werden.

Im Stärken/ Schwächen-Profil wird das Unternehmen anhand von verschiedenen Beurtei-


lungskriterien gemessen. Üblicherweise wird dabei eine Skala von mindestens 1 bis 5
(Schulnotensystem) angewendet. Zuerst wird das eigene Unternehmen unabhängig von

42
Strategisches Marketing

der Konkurrenz beurteilt, anschließend auch die Konkurrenz nach demselben Beurtei-
lungsschema. In einem Stärken-Schwächen-Katalog werden die einzelnen Wettbewerbs-
vorteile und -nachteile qualitativ, verbal beschrieben. In der folgenden Abbildung wird
beides in einem dargestellt, um Potentiale besser erkennen zu können.

Abb. 37: Stärken-Schwächen-Analyse

43
Strategisches Marketing

2.5.3 Zukunfts- (Trend)analyse

Neben der Analyse des Ist-Zustandes im Unternehmen ist es von ebenso hoher Bedeu-
tung, die zukünftigen Entwicklungen, die die bestehenden Angebotsformen des Unter-
nehmens bedrohen oder positiv verstärken, zu analysieren.
Dass es in diesem Bereich ein sehr großes Defizit in der österreichischen Wirtschaft gibt,
ist Faktum. Eine Studie von Prof. Prahalad und Prof. Hamel zeigte, dass auch in den USA
Unternehmer und Manager nur 3 % ihrer Arbeitszeit dafür verwenden, um sich mit zu-
künftigen Entwicklungen zu beschäftigen.

Die 6 Trendblöcke – die 6 T's


Nach Ch. Hehenberger 1995 soll jedes Unternehmen bei der Analyse von Trends folgen-
de 6 Trendblöcke berücksichtigen (siehe auch Kapitel 2.4):
• Trends im Kundenverhalten
• Gesellschafts-Trends
• Ökologie-Trends
• Techno-Trends
• Marketing-Trends
• Internationale Trends
• branchenspezifische Trends
Hehenberger 2005 nennt zusätzlich weitere Trends (siehe dazu Kapitel 2.5.2).

Sind die wesentlichen zukünftigen Entwicklungen dem Unternehmen bekannt, dann folgt
der nächste Schritt. Die Unterscheidung in Trendverstärker und Trendfilter.
• Unter Trendverstärker versteht man jene zukünftigen Entwicklungen, die das beste-
hende Leistungsangebot des Unternehmens positiv beeinflussen.
• Trendfilter sind jene Kräfte der Zukunft, die die vorhandenen Angebotsformen des Un-
ternehmens bedrohen.

Eine notwendige Voraussetzung für das Erkennen der relevanten Trends und der Selektion
von Trendverstärkern und Trendfiltern ist die Durchführung eines Trendmonitoring.

44
Strategisches Marketing

Trendmonitoring
Dieser Ansatz bedient sich unterschiedlichster Quellen bzw. Instrumente. Nachfolgend
dazu eine kurze Übersicht:
• Analyse von frühen Medien, Trendletters etc.
• Aufbau und Nutzung eines internationalen Informationsnetzwerkes
• Führung von Expertengesprächen
• Internationale Studienreisen
• Analyse von Primär- und Sekundärforschungen inkl. Auswertung deren Prognosen
• Arbeiten in und mit Szenariotechniken
• Schaffung eines Trendpools
• Speicherung der Informationsvielfalt und Auswertung mittels einer leistungsfähigen
EDV
• Einsatz von gewichteten Bewertungsverfahren

2.6 SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem
bisherigen Analyseprozess und veranschaulicht folgende Bereiche:

• Strength (Stärken)
• Weaknesses (Schwächen)
• Opportunities (Chancen)
• Threats (Bedrohungen)

Mit ihrer Hilfe sollen die wesentlichen Strategiepotentiale eines Unternehmens eruiert
werden. Sie bildet damit eine sinnvolle Grundlage für die anschließende strategische Ziel-
bildung.

45
Strategisches Marketing

Abb. 39: SWOT-Analyse

Erweiterte SWOT-Analyse
Um die Stärken/Schwächen/Chancen/Risken besser miteinander in Beziehung zu bringen
verwendet man häufig folgende Darstellung. Aus dem Quadranten Chancen-Stärken lässt
sich in weiterer Folge leicht Positionierung und USP/ UMP ableiten.

externe Analyse
Chancen Risken
Stärken Ch R
interne Analyse

St St
Schwächen Ch R

Sch Sch
Abb. 40: erweiterte SWOT-Analyse

In einer anderen Form werden die einzelnen Ergebnisse der o. a. Listen S1 + C3, … in
dieser Darstellungsform verbunden und anschließend im Detail mit Schlussfolgerungen
erläutert.

46
Strategisches Marketing

2.7 Strategische Zielbildung

Ein zentraler Schritt im Planungsprozess ist, aus den unternehmerischen Grundsätzen (Kul-
tur, Philosophie) und den Ergebnissen der vorhergegangenen Untersuchungen Ziele abzu-
leiten. Die Zielbildung sollte von der Hierarchie bei der Vision beginnen, und bis zu den
Zielen einzelner Funktionsbereiche operationalisiert (quantifizierbar, messbar, wider-
spruchsfrei, eindeutig, erreichbar) werden.

Ziel sind Aussagen über anzustrebende Zustände. Sie definieren Maßstäbe, die zur Beur-
teilung und Rechtfertigung von Maßnahmen und zur Kontrolle der erreichten Ergebnisse
dienen.

Im Allgemeinen lässt sich bezüglich der Ziele sagen, dass sie messbar sein sollen, sowie
einen klar definierten Inhalt sowie einen zeitlichen und räumlichen Bezug aufweisen müs-
sen. Für die Umsetzung im Unternehmen muss dann auch noch geklärt werden, wie das
Ziel erreicht wird, wer für die Erreichung verantwortlich ist und vor allem, warum es sinn-
voll erscheint, dieses Ziel zu verfolgen. Anders ausgedrückt geht es um die Frage:
Was muss in welchem Ausmaß bis wann, wo und von wem mit welchen Mitteln und vor
allem warum gemacht werden?

Das oberste Ziel jeder Unternehmung ist jenes nach (hypothetischer) Gewinn- bzw. Ren-
tabilitätsmaximierung bei Sicherstellung der laufenden Liquidität (sog. Formalziele). Den
Ursprung dieser Hypothese findet man in der Mikroökonomie. Im statischen Monopolmo-
dell bestimmt der Unternehmer den Verkaufspreis so, dass er langfristig seinen Gewinn
maximiert. Das Konzept der Gewinnmaximierung ist allerdings nur ein hypothetisches
Zielideal, und das Bestreben des Managements sollte es sein, sich diesem Ideal so weit als
möglich anzunähern. Man spricht davon, dass Neu gegründete Unternehmen spätestens
nach 5 Jahren eine Eigenkapitalquote von 20 – 25 % ausweisen sollen. Etablierte Unter-
nehmen sollten eine Eigenkapitalquote von mindestens etwa 20 – 35 % haben. Der cash
flow sollte dabei mindestens 10 % vom Umsatz betragen.

47
Strategisches Marketing

Abgesehen von marktwirtschaftlichen Zielen sind aber auch nicht-monetäre Zielsetzungen


wie Macht, Prestige, Umweltschutz etc. unbestrittener Weise zu berücksichtigen (sog.
Sachziele). Diese psycho-sozialen, politischen oder ökologischen Ziele werden oft bei
genauerer Betrachtung ebenfalls von einem monetären Charakter geprägt, denn, leisten sie
- langfristig gesehen - keinen eigenständigen Beitrag zur Steigerung des Erfolgs (-potentials)
(beispielsweise Image, Bekanntheitsgrad, Marke) einer Unternehmung, werden sie bei der
Planung unberücksichtigt bleiben.

Zu unterscheiden ist des Weiteren die horizontale sowie die vertikale Rangordnung. Sind
die Zielelemente gleichwertig, so entspringen sie einer horizontalen Rangordnung. Die
vertikale Rangordnung hingegen legt die Beziehung zwischen Ober- und Unterzielen fest.

Ziele können zueinander komplementär sein, neutral oder konfliktär.

• Zielkomplementarität
Die Erreichung eines Zieles bedeutet zugleich eine bessere Erfüllung eines anderen
Zieles. Das Ziel, den Marktanteil um 20 % zu erhöhen, ist komplementär zum Ziel,
die Stückgesamtkosten zu senken.

• Zielneutralität
Die Erreichung eines Zieles hat keine Auswirkung auf die Erreichung eines anderen
Zieles. Beispiel: Der Wunsch einen bestimmten Deckungsbeitrag für ein Produkt zu
erreichen, wirkt neutral auf das Ziel, den Bekanntheitsgrad des Unternehmens auf
70 % zu steigern.

• Zielkonflikt
Die Erreichung eines Ziels behindert bzw. verhindert die Erreichung eines anderen.
Beispiel: Eine Preis-Mengen-Strategie verhindert die Zielerreichung höchste Marken-
qualität.

48
Strategisches Marketing

Beim Prozess der Zielbildung werden die abstrakten Ziele der Unternehmung operationa-
lisiert. Ausgehend vom Grundauftrag besteht die Möglichkeit des Bezugs zweier unter-
schiedlicher Positionen, um ein Zielsystem zu formulieren. Hierbei handelt es sich einer-
seits um Unternehmen, die gewinnorientiert handeln, oder aber um Nonprofit- Organisa-
tionen. Bei der Formulierung ist auf die Interessen verschiedenster Gruppen (Stakeholder)
einzugehen, sowie auf gesetzliche Rahmenbedingungen zu achten. Ist unter Berücksichti-
gung aller Faktoren ein Ziel gebildet worden, besteht der nächste Schritt in der Suche und
anschließender Bewertung einer Strategie.

Überprüfung der Zielerreichung


Wie auch im Teil Marketing und Controlling herausgearbeitet, sind Ziele nur so gut, so gut
sie auch einem Soll-Ist-Vergleich zugeführt werden können.

Die Ziele werden nach


• Inhalt,
• Ausmaß und
• zeitlichem Bezug
festgelegt bzw. gemessen.

Stellung von Marketingzielen


In einem typischen Verkäufermarkt treten Beschaffungs- und Produktionsziele deutlicher
in den Vordergrund, in einem klassischen Käufermarkt sind die Marketingziele das oberste
Primat.
• Unternehmensziele
• Beschaffungsziele
• Produktionsziele
• Marketingziele
• etc.

49
Strategisches Marketing

Im Wesentlichen ist zwischen quantitativen und qualitativen Marketingzielen zu unter-


scheiden. Quantitative Marketingziele sind beispielsweise
• Umsatzziele
• Deckungsbeitragsziele
• Gewinnziele
• Marktanteilsziele
• Absatzziele
• Quadratmeterumsatz
• Umsatz pro beschäftigter Person
• Cash-flow in Prozent der Betriebsleistung
• Produktmix-Steuerung

Grundlegende Marke- Marketing-Ziele eines Unternehmens (für eine konkrete Pro-


ting-Ziel-Größen duktgruppe/SGF und ein konkretes Jahr)
Marktanteil Es wird ein Marktanteil von 20 % wertmäßig und 18 % men-
genmäßig angestrebt.
Distribution Die Distribution soll sich numerisch/gewichtet auf 50/80 ein-
pendeln.
Preis (Position) Die Produktgruppe X soll im Konsummarkenbereich innerhalb
des Preisbandes von € 10,- und 15,- (EVP) angesiedelt werden.
Bekanntheitsgrad Für die Produktgruppe (Marke) X soll ein ungestützter Bekannt-
heitsgrad von 40 % erreicht werden
Image Das Produkt-/Markenprofil soll auf folgenden „Säulen“ aufge-
baut werden: natürliche Rohstoffe, neue Wirkstoffkombinatio-
nen K14, Unternehmen Y ist ein Spezialist.
Abb. 41: Operationalisierung eines SGF

Qualitative Marketingziele sind etwa:


• Bekanntheitsgrad
• Image
• Beeinflussung des Verhaltens der Marktpartner
• Verstärkung der Kaufabsicht und Aufbau von Präferenzen
• Soziale Ziele wie Arbeitsplatzsicherung
• Ökologische Ziele, z. B. Umweltschonung, 100%iger Recyclinganteil, etc.

50
Strategisches Marketing

2.8 Strategiensuche und Bewertung

2.8.1 Grundsätzliches zu Strategien

Damit die Vision, das Leitbild und die Ziele des Unternehmens tatsächlich umgesetzt
werden, müssen sie in Strategien „herunter gebrochen“ werden. Strategien sind Bündel
von mittelfristigen, handlungswirksamen Unternehmenszielen, Maßnahmenpaketen zur
Zielerreichung und Kontrollpunkten (Meilensteinen).

Strategien sind Maßnahmen zur Sicherung des langfristigen Erfolgs eines Unternehmens.
Das Wort Strategie hat seinen Ursprung im militärischen Bereich und leitet sich von den
griechischen Wörtern "stratos" zu deutsch "Heer" und "agos" übersetzt "Führer" ab. Das
Anliegen eines jeden Strategen war es, ein System von Grundregeln der Kriegsführung zu
schaffen. Zwei historische Bücher zur Kriegsführung finden sich wegen ihre guten Über-
tragbarkeit auf die Situation in Unternehmen in den Buchhandlungen auch meistens in der
Rubrik Managementliteratur, nämlich von Clausewitz mit dem Buch „Vom Kriege“, und
Sun Tsu mit „Die Kunst des Krieges“. Folgende Standpunkte haben sich dabei u. a. her-
ausentwickelt:
• Wähle den optimalen Kampfort, um die Stärken bestmöglich zu entfalten.
• Konzentriere die Stärken auf etwaige Schwächen des Gegners.
• Überrasche den Gegner! Sei innovativ!
• Stimme das Ziel mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sorgfältig aufeinander ab.
• Verliere nie das Ziel aus den Augen.
• Wähle den Weg, den der Gegner am wenigsten erwartet.
• Studiere den Gegner genauestens.

Viele dieser militärgeschichtlichen Anregungen haben davon in der Managementpraxis


und -theorie ihren Niederschlag gefunden. In der jüngeren Marketingliteratur definiert Be-
cker vier grundlegende Arten von Marketingstrategien.

51
Strategisches Marketing

2.8.2 Ebenen von Unternehmensstrategien

Unternehmensstrategien lassen sich in die drei Ebenen Unternehmensstrategie, Geschäfts-


bereichsstrategie und Funktionsbereichsstrategie untergliedern.

• Unternehmensstrategien geben die generelle Stoßrichtung des Unternehmens an. Sie


entscheiden, ob expandiert, stabilisiert oder deinvestiert wird. Wichtig ist bei einer
Wachstumsstrategie die Ausnützung von Synergien. Ob sich diese Synergieeffekte in
Kostensenkungen, Transfer von know- how oder auf einen gemeinsamen Kunden-
dienst beziehen, ist strategieabhängig.
Die Stabilisierungsstrategie ist auf Positionssicherung ausgelegt. Das heißt, Marktantei-
le sollen gehalten werden, auf einen Ausbau der Kunden wird momentan verzichtet.
Diese Strategie wird häufig als Übergangsstrategie verwendet, um Risiken zu minimie-
ren und abzuwarten wie der Mitbewerb agiert. Zu einer Desinvestitionsstrategie wird
sich das Management entschließen, wenn sich eine Unternehmung beispielsweise -
bezugnehmend auf ihre Kernkompetenzen - „gesundschrumpfen“ möchte.

• Die Geschäftsbereichsstrategien sollen den von der Unternehmensleitung ausgegebe-


nen strategischen Rahmen ausfüllen. Sie widmen sich den Fragen wie die Marktgren-
ze gezogen, und wie der Wettbewerb ausgetragen werden soll. Porters Modell der ge-
nerischen Wettbewerbsstrategien stellt im Wesentlichen drei Grundstrategien zur
Auswahl. Dies sind Kostenführer, Differenzierer und Nischenanbieter. Die Geschäfts-
bereichsstrategien legen somit fest, in welche Richtung Wettbewerbsvorteile ange-
strebt werden sollen. Entscheidet sich ein Unternehmen für eine Richtung, bedarf es
strategischer Potentiale. Diese Leistungspotentiale werden über die Funktionsbereich-
strategien entwickelt und genutzt.

• Der Prozess der Strategiewahl ist mit dem Bereich der Funktionsbereichsstrategien
hierarchisch gesehen auf der untersten Ebene angelangt. Dieser Prozess befasst sich
im Sinne von Leistungspotentialnutzung und -entwicklung mit folgenden Strategien:

52
Strategisches Marketing

Beschaffungsstrategien, Produktionsstrategien, Marketingstrategien, Finanzierungsstra-


tegien, Personalstrategien und Technologiestrategien.

Michael E. Porter hat zur Systematisierung von Unternehmensstrategien bzw. Funktionsbe-


reichsstrategie sowie zur Aufdeckung und Gestaltung strategischer Wettbewerbsvorteile
bzw. Differenzierungspotentiale zur Abgrenzung vom Mitbewerb das Modell der Wert-
schöpfungskette (auch oft Wertkette bezeichnet) entwickelt. In diesem Modell werden die
wert schöpfenden Tätigkeiten eines Unternehmens in neun Bereiche (fünf primäre und
vier unterstützenden Aktivitäten) gegliedert.

Abb. 42: Wertekette nach Porter Quelle: Porter (1985)

Eine dermaßen detaillierte Untersuchung Wert schöpfender Teilbereiche ist nötig, da die
tatsächliche Wertschöpfung nicht nur als Differenz zwischen Verkaufspreis und Rohstoff-
kosten gesehen werden kann, sondern vielmehr einen komplexen unternehmerischen Ge-
staltungsprozess darstellt. Der von Porter gezeigte Vorschlag ist mehr ein Gestaltungsrah-
men, in welchem sich die bewegen.

53
Strategisches Marketing

2.9 Basisstrategien

2.9.1 Wachstumsstrategie bzw. Produkt/Markt-Matrix von Ansoff

Die Produkt/Markt-Matrix von Igor Ansoff liefert einen ersten grundlegenden Rahmen, in
welche Richtung das Unternehmen zu führen ist. Er entwickelte im Jahr 1965 eine Matrix,
welche sich mit den Fragen befasst, was (Produkt) wem (Markt) angeboten werden soll.

Durch die gedankliche Verknüpfung von Produkten und Märkten lassen sich Grundstrate-
gien ableiten:
• Die Marktdurchdringungsstrategie soll den Marktanteil der Unternehmung vergrößern.
Hierbei ist zu beachten, dass ab einer gewissen Marktsättigung ein Wachstum nur
mehr durch Abwerben der Kunden vom Mitbewerb möglich ist.
• Bei der Marktentwicklungsstrategie steht das Bestreben im Vordergrund, bestehende
Produkte auf neuen Märkten abzusetzen.
• Die Strategie der Produktentwicklung sichert das Wachstum der Unternehmung durch
Innovation sowie F&E (Forschung und Entwicklung). Hierbei ist zwischen echter Inno-
vation, Innovationen, die an bereits bestehende Produkte anschließen, und me- too
Produkte zu unterscheiden.
• Die Diversifikation eignet sich zum „Ausbrechen“ aus den Heimatmärkten/
-produkten, sowie zur Risikosteuerung und -streuung. Man unterscheidet zwischen
horizontaler, vertikaler und lateraler Diversifikation.

54
Strategisches Marketing

gegenwärtige neue
Märkte Märkte

Produktentwicklung Diversifikation
• Innovationen • auf gleicher Verarbeitungs-
• Differenzierung stufe
neue
• Übernahme • auf vor-/nachgelagerter Ver-
Produkte • Lizenzkauf etc. arbeitungsstufe
• ohne Bezug zum bisherigen
Geschäft

Marktdurchdringung Marktentwicklung
• Verstärkung des Außen- • neue Anwendungen er-
dienstes schließen
gegenwärtige Pro-
• Wettbewerbsverdrängung • regionale Ausweitung
dukte • Neukundengewinnung • individualisierter Dialog
• Produktvariationen
• Zweitmarkenstrategie

Abb. 433: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff

Die Erfolgschancen und der erforderliche Resourceneinsatz in den einzelnen Bereichen


werden von Cuno Pümpin folgendermaßen beurteilt:

Erfolgschancen Resourceneinsatz
Marktdurchdringung 50 % 100 %
Produktentwicklung 33 % 400 %
Marktentwicklung 20 % 800 %
Diversifikation/Ausbruch 5% 1200 – 1600 %

55
Strategisches Marketing

2.9.2 Positionierung und Profilierung

M. Porter hat in den 80er Jahren seine mittlerweile „berühmten“ Wettbewerbsstrategien


entwickelt. Er versuchte damit zu zeigen, welche Arten von Unternehmen erfolgreich sind
(hohe Rentabilität) und welche keinen Erfolg haben. Er ist zu der im Prinzip bestechend
einfachen Erkenntnis gekommen, dass es zwei Erfolg versprechende Wettbewerbsstrate-
gien gibt, die ein Unternehmen einnehmen kann (= Strategische Positionierung), nämlich
die Strategie der Kosten-/Preisführerschaft und jene der Qualitätsführer-
schaft/Differenzierung. Siehe dazu auch Kapitel 6.1.5.

Abb. 44: Wettbewerbsstrategien nach Porter

56
Strategisches Marketing

Kostenführerschaft besteht im Erlangen von Kostenvorsprung gegenüber dem Wettbewerb


einer Branche. Basis dafür ist die Analyse, in welcher Weise Kostenantriebskräfte das Kos-
tenverhalten bestimmter Aktivitäten beeinflussen. Kostenantriebskräfte sind kostenwirksa-
me Strukturfaktoren, wie betriebsgrößenbedingte Kostendegression, Lernvorgänge, Ver-
knüpfungen, Integration, etc. Weiters ist es von Bedeutung, herauszufinden, wie die relati-
ve Kostenposition gegenüber der Konkurrenz verbessert werden kann. Dabei ist es nötig,
die Kostenantriebskräfte einer intensiven Kontrolle zu unterziehen und die eigene Wert-
kette neu zu strukturieren. Dennoch darf die Kostenführerstrategie nie dazu verleiten,
auch die Qualität des Produktes, zwecks Erreichen eines niedrigeren Kostenniveaus, her-
abzusetzen. ("Cost leadership starts with a good product"). Z. B. haben Produkte von Aldi/
Hofer ein hohes Qualitätsimage, McDonalds hat extrem strenge Qualitätsprüfungen/-
standards.

Qualitätsführerschaft heißt, dem Abnehmer im Vergleich zu Konkurrenzprodukten einen


zusätzlichen Wert zu schaffen, durch den ein Preisprämium durchgesetzt werden kann.
Die Differenzierung führt dann zu Spitzenleistungen, wenn der höhere Preis über den zu-
sätzlichen Kosten der Einmaligkeit liegt, d. h. relativ zu den Wettbewerbern die Gewinn-
spanne gleich bleibt oder größer wird.

Schwerpunktbildung (Nischenstrategie) bedeutet, sich entweder als Kostenführer oder als


Anbieter eines differenzierten Produktes auf die ganz speziellen Bedürfnisse eines Ab-
nehmersegmentes innerhalb einer Branche (= Nische) zu konzentrieren (differenzierte
Marktbearbeitung). Eine derartige Strategie ist immer dann empfehlenswert, wenn ein auf
eine Marktnische konzentriertes Unternehmen den spezifischen Bedürfnissen des Seg-
ments besser gerecht werden kann als Unternehmen, die sich auf den Gesamtmarkt ausge-
richtet haben.
Mögliche Marktsegmentierungskriterien nach Berekoven sind: (siehe dazu Kapitel 2.2)
Die Segmentierung führt zu im Weiteren zur Präferenz- oder Preis-Mengen-Strategie.

57
Strategisches Marketing

Abb. 45: Markt/ und Abnehmerschichten und grundlegende marktstimulierungsstrategische Optionen

In weiterer Folge können in der Unternehmensstrategie andere sog. strategische Erfolgsfak-


toren Berücksichtigung finden, die eine bestimmte Positionierung am Markt und Profilie-
rung gegenüber der Konkurrenz erlauben. Diese werden bei der Konkurrenzanalyse eben-
falls betrachtet.

2.9.3 Fokus auf strategische Erfolgsfaktoren

Neben der Forderung von Porter nach Qualitäts- oder Kostenvorteilen gibt es noch weite-
rer Erfolgsfaktoren. Diese sind u. a.
• der Erfolgsfaktor Zeit und
• der Erfolgsfaktor Information

Zeit als strategischer Erfolgsfaktor


Wie schon festgehalten wurde, werden die Produktlebenszyklen immer kürzer. Als Ursa-
chen dafür können z. B. der globale Wettbewerb, kürzere Forschungs- und Entwicklungs-
zeiten als auch die ständigen Lernprozesse bei den Verbrauchern angeführt werden. Aus
eben diesen Gründen ist eine effizientere Ausnützung der (stark verkürzten) Lebensphasen
der Produkte und Dienstleistungen vonnöten. Grundsätzlich gilt Folgendes: Je kürzer die

58
Strategisches Marketing

Lebensdauer eines Produktes, desto wichtiger wird der Wettlauf gegen die Zeit bzw. die
Konkurrenz. Diskutiert wird die zunehmende Geschwindigkeit unter dem Begriff Econo-
mies of Speed. Neben der Geschwindigkeit wird hierunter auch noch die Zeitersparnis
verstanden, d. h. dass bestimmte Tätigkeiten oder Handlungen in einer kürzeren als der
ursprünglich geplanten Zeitdauer zu erledigen sind. So sollte ein Unternehmen mit den
Marketing- und Vertriebsaktivitäten schon lange vor der tatsächlichen Markteinführung
des Produktes beginnen. Des Weiteren kann schon Monate bevor das erste Produkt auf
Band läuft mit der Bereitstellung der dafür benötigten Kapazitäten begonnen werden (Auf-
bau von Fabriken, Einkauf von Rohmaterialien usw.).

Der obige Aspekt der Geschwindigkeit bzw. des frühesten möglichen Zeitpunkts wird in
bestimmten Situationen durch die Wahl des richtigen bzw. optimalen Zeitpunkts ersetzt,
denn es hat verheerende Auswirkungen, wenn eine Innovation zwar sehr schnell in ein
entsprechendes Produkt umgemünzt werden kann, der Markt jedoch in modischer, wirt-
schaftlicher oder technologischer Hinsicht noch nicht bereit dafür ist. Das Erkennen des
richtigen Augenblicks ist vor allem der Intuition und dem Gespür der Unternehmensfüh-
rung zuzuschreiben. Letztere zählen somit zu den wichtigsten Eigenschaften eines weite-
ren wesentlichen strategischen Erfolgfaktors, nämlich dem Management. Das richtige
Zeitgefühl des Managers wird unter dem Begriff Economies of Time beschrieben. Es gibt
zwar einige mathematische Modelle, die den optimalen Zeitpunkt der Produkteinführung
zu erforschen versuchen, deren Bedeutung in der Praxis muss aber als äußerst marginal
eingeschätzt werden. Um so mehr ist jedoch eine möglichst große Kundennähe sowie
eine kontinuierliche Beobachtung der Mitbewerber neben dem Gefühl für den richtigen
Augenblick von besonderer Wichtigkeit, um mögliche Zukunftstrends und Modeerschei-
nungen frühzeitig zu erkennen und zu interpretieren.

Information als strategischer Erfolgsfaktor


Um das Leistungspotenzial eines Unternehmens optimal ausschöpfen zu können, benötigt
man auch Informationen. Als Information in betriebswirtschaftlicher Hinsicht versteht man
Wissen über Vorgänge der Realität, das in die Planung eines Unternehmens einfließt. Ge-
wöhnlich assistiert von EDV-Systemen, erfüllt die betriebliche Informationswirtschaft somit

59
Strategisches Marketing

eine wichtige Querschnittsfunktion im Unternehmen. Mancherorts spricht man sogar vom


vierten Produktionsfaktor Information. Eine wirksame betriebliche Informationswirtschaft
setzt bestimmte Qualitätsanforderungen an Informationen voraus, nämlich:
• Problemrelevanz • Bestätigungsgrad
• Informationsgehalt • Überprüfbarkeit
• Wahrscheinlichkeit • Aktualität

Für die Unternehmensführung stellt sich daher die entscheidende Frage, wie Informatio-
nen übermittelt, gespeichert und verarbeitet werden müssen. Eine Lösung bietet das so
genannte Informationsmanagement, das nun im Folgenden ausführlicher analysiert wird.
„Informationsmanagement bedeutet eine bewusste Gestaltung des Umgangs mit Informa-
tion, um Organisationen leistungsfähiger und schlagkräftiger im Wettbewerb zu machen.
Dazu muss man nicht nur wissen, wie Informationen verwendet werden, sondern auch
wo und warum sie benötigt werden.“ Daraus lässt sich im Grunde genommen auch schon
die Bedeutung von Information als strategischer Erfolgsfaktor ableiten. Nur dasjenige Un-
ternehmen, dem es im Vergleich zur Konkurrenz gelingt, den gesteigerten Informationsbe-
darf und die daraus resultierende Informationsflut schneller zu verarbeiten bzw. zu ver-
dichten, wird auf lange Sicht gesehen überleben, denn „[Informations- und somit] Wis-
sensvorsprünge bringen Macht“.

2.9.4 Strategische Markenführung

Unter Markenführung versteht man den Aufbau und das Pflegen einer Marke. Marken ha-
ben für die Imagebildung eine tragende Rolle.

„Marken sind Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen, die eine


Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten
prägen.“
Franz Rudolf Esch
Marken bzw. Markenführung ist auch aus strategischer Sicht bedeutend, denn Marken:
• geben Kunden Orientierung und unterstützen die Kaufentscheidungen

60
Strategisches Marketing

• signalisieren Qualität, schaffen Vertrauen und reduzieren das Kaufrisiko


• erleichtern die Umsetzung von Preis-Premiums
• schaffen eine Profilierung gegenüber dem Mitbewerb
• fördern die Kundenbindung (Markentreue)
• und letztlich lassen sich neue Produkte auf Grund des schon bestehenden Bekannt-
heitsgrades einer Marke rascher und leichter einführen

Unter strategischer Markenführung versteht man die Planung, Koordination und Kontrolle
der Maßnahmen, die zur Markenbildung beitragen. Diese ursächliche Aufgabe der Marke
und ihrer geschickten Führung ist es, Unternehmen die Position in ihren Bereichen zu si-
chern und diese zu halten; das gilt vor allem in gesättigten, von Wettbewerbsdruck ge-
prägten Märkten.

Basis der Markenführung


• Image
• Corporate Identity (CI)
• Leitbild
• Grundgesetze der Markentechnik

Image
Unter Image wird das Bild des Unternehmens verstanden, dass sich in den Köpfen der
Kunden gebildet hat. Ebenfalls versteht man darunter das Bild, das sich die Marktpartner
des Unternehmens gebildet haben.
Nicht relevant für das Image ist dagegen, wie das Unternehmen intern das eigene Image
bewerten. Ausschlaggebend ist einzig die Wahrnehmung der Zielgruppe.

Corporate Identity bzw. CI


Corporate = Unternehmen, Gesellschaft, Gruppe, Verein
Identity = Identität, Gleichheit, Individualität, Persönlichkeit
CI ist das schlüssige Zusammenwirken von Erscheinungsbild, Worten und Taten eines Un-
ternehmens.

61
Strategisches Marketing

Definition nach Birkigt/Stadler:


„CI ist die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltens-
weise des Unternehmens nach innen und außen auf Basis von:
• definiertem (Soll-) Image
• festgelegter Unternehmensphilosophie
• formulierten Zielen
• mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente in einheitlichem Rahmen zur Wirkung zu
bringen.“

CI ist eine langfristige strategische Aufgabe, die das Verhalten, die Kommunikation und
das optische Erscheinungsbild klar regelt. Das Idealziel ist eine völlige Übereinstimmung
zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild (Image) einer Organisation. Das Unterneh-
men muss in seiner Gesamtheit, in seinem Selbstverständnis wirkungsvoll nach innen und
nach außen auftreten und einmalig sein. CI sollte als Leitstrategie für alle unternehmeri-
schen und kommunikativen Einzelmaßnahmen begriffen, akzeptiert und angewandt wer-
den.

CI als Basis für die Markenbildung


Konsequente CI-Politik schafft eine Vermarktungsplattform des Unternehmens als Ganzes
mit drei Schwerpunkten:
• Schaffung eines „Wir-Bewusstseins“ bei Beschäftigen und Management
• Schaffung eines Kooperationsbewusstseins am Kapital-, Arbeits- und Rohstoffmarkt
• Etablierung einer Vertrauensplattform

Leitbild
Das Leitbild stellt eine kurze und prägnante Formulierung der unternehmenspolitischen
Grundsätze dar. Das Leitbild ist die sozusagen die Verfassung des Unternehmens.

Die Wirkung eines Leitbildes entsteht erst durch das „gelebt werden“. Brillant formulierte
Leitbilder, die nur auf dem Papier existieren sind wirkungslos. Ein gelebtes Leitbild gibt
dem Kunden Sicherheit, denn im Leitbild sind sicherheits-stiftende Aspekte festgehalten:

62
Strategisches Marketing

• Zweck und Existenzgrund des Unternehmens bzw. der Organisation


• Tätigkeitsbereich des Unternehmens bzw. der Organisation
• Einstellung und Verhalten gegenüber Mitarbeitern
• Einstellung und Verhalten gegenüber Kunden
• Einstellung und Verhalten gegenüber Mitbewerbern
• Einstellung und Verhalten gegenüber Lieferanten
• Umweltgrundsätze
• Entscheidungsgrundsätze

Grundgesetze der Markentechnik


Die Grundgesetze der Markentechnik wurden erstmals vom Werbepsychologe Hans Gus-
tav Domizlaff (1892 - 1971) formuliert. In seinem Buch „Die Gewinnung des öffentlichen
Vertrauens“ (1939) hielt er fest, dass die Voraussetzung der natürlichen Markenbildung
eine gute Warenqualität ist. Nicht die Preisfrage entscheidet, sondern das Vertrauen in die
Qualität.

Ausgewählte Grundgesetze nach Domizlaff:


• Strengste Gleichmäßigkeit der Beschaffenheit der Ware ist die Vorbedingung für die
Lebenssicherheit einer Markenware
• Die Gleichförmigkeit der Verpackung oder Aufmachung bedeutet eine augenscheinli-
che Sicherheit
• Die Unveränderlichkeit einer sachlich und psychologisch gewonnenen Preiseinheit ist
ein wichtiger Bestandteil
• Das Vorrecht auf einen Markenartikel muss durch eine Bezeichnung geschützt wer-
den, die nicht nachgeahmt werden kann
• Eine Markenware ist das Erzeugnis einer Persönlichkeit und wird am stärksten durch
den Stempel einer Persönlichkeit gestützt
• Die Verwendung eines Namens muss auf ein einziges Erzeugnis oder auf eine mög-
lichst konzentrierte Idee beschränkt werden
• Ein geschriebener oder gedruckter Name bedarf einer optischen Ergänzung von be-
sonderer Eindringlichkeit

63
Strategisches Marketing

• Der Markt beweist durch seine eigenen Wertprägungen eine Vorliebe für einfache Be-
zeichnungen von Marken, die in einem sinnfälligen Zusammenhang mit der Ware
stehen.

2.10 Strategieauswahl und Strategieimplementierung

Um eine Strategie zielgerecht auswählen zu können, müssen die zuvor gewählten Alterna-
tiven bewertet werden. Ein großes Problem entsteht durch die Schwierigkeit, Strategien
quantitativ zu erfassen. Geradezu charakteristisch für die strategische Planung ist die Tat-
sache, dass sowohl die Zielsetzung als auch die Entscheidungssituation eher qualitativ
beschrieben wird.

Prinzipiell stehen zwei Lösungsverfahren zur Verfügung. Das beispielsweise aus den Port-
foliotechniken (siehe Kapitel 4.5.2.6) bekannte, aber nicht unumstrittene Modell der
Normstrategien und der Einsatz von Planungsmodellen. Die Planungsmodelle stellen im
Gegensatz zu den Normstrategien Lösungsverfahren zur Verfügung. Man kann zwischen
analytischen und heuristischen Modellen (wie der oben skizzierte Planungsprozess) unter-
scheiden, bei welchen einerseits durch Algorithmen (analytische Modelle) andererseits
durch strukturierte Vorgehensweise (heuristische Modelle), eine Strategiewahl getroffen
wird. Trotz aller methodischen Behelfe kann auf die Erfahrung und Intuition des Auswäh-
lenden nicht verzichtet werden.

Bei der Implementierung der vorliegenden Strategie kommt es zu zwei Fragestellungen:


1. Wer soll wie informiert werden?
2. Wie sollen die getroffenen Entscheidungen umgesetzt werden?

Die Dokumente, welche zu diesem Zeitpunkt bei der Geschäftsleitung vorliegen (Grund-
strategie, Geschäftsbereichsstrategie, Funktionsbereichstrategie), müssen für die jeweiligen
Interessensgruppen aufbereitet und ihnen zugestellt werden.

64
Strategisches Marketing

• Die Grundstrategie stellt ein streng vertrauliches Dokument dar, weshalb dieses nur
der obersten Managementebene und seinen engsten Mitarbeitern zur Verfügung ste-
hen wird.
• Bei den Geschäftsbereichstrategien handelt es sich um die Arbeitsblätter des Topma-
nagements, welches einzelne Strategien den Bereichsleitern weitergeben muss. Neben
den bereits erwähnten Gruppen benötigen natürlich auch die Funktionsbereichsleiter
entsprechende strategische Vorgaben, welche sie von den Bereichsleitern erhalten.
• Um eine möglichst homogene Umsetzung der Strategien zu erreichen, müssen neben
den genannten Managementebenen auch das mittlere und untere Management mit
den Strategien vertraut gemacht werden. Dies ist beispielsweise über so genannte Ar-
beitsblätter und Aktionspläne zu erreichen. Hierbei handelt es sich um Konzentrate
vor allem der funktionalen Strategien.

Damit die Unternehmensziele und -strategien im gesamten Unternehmen „gelebt“ wer-


den, ist es unumgänglich, den Denkprozess, welcher zur Strategie führte, „miterlebt“ zu
haben. Dies kann bei den mittleren und unteren Managementebenen sowie bei den Mit-
arbeitern durch gemeinsame Workshops und Schulungen erreicht werden.

Gerade für die Umsetzung von Strategien im Unternehmen ist in den letzten Jahren die
sog. Balanced Scorecard (BSC) auf große Beachtung und steigende Anwendung gestoßen.
Bei der Balanced Scorecard wird die Unternehmensstrategie von vier Perspektiven aus
gesehen:
• die Finanzperspektive
• die Kunden- und Marktperspektive
• die Prozessperspektive
• die Organisations- und Lernperspektive.
In jeder dieser Perspektiven werden zentrale Ziele, Mess- und Steuerungsparameter, Ziel-
vorgaben und Maßnahmenpakete dargestellt. Dies kann sowohl auf Gesamtunterneh-
mensebene als auch abgestimmt darauf für unterschiedliche Unternehmensbereiche erfol-
gen. Details zur BSC findet man vor allem in der Literatur zum Thema Controlling.

65
Strategisches Marketing

Abb. 46: Balanced Scorecard nach Kaplan/Norton 1997

66
Strategisches Marketing

2.11 Strategieumsetzung im Marketing – Der Marketing-Mix

Eine marktorientierte Unternehmensführung erfordert eine systematische Auswahl und


Ausgestaltung der Instrumente der Marktbearbeitung. Damit nun die in der strategischen
Unternehmensplanung (= in weiten Bereichen eine strategische Marketing- Planung) fest-
gelegten Strategien (möglicherweise sogar in Form einer Balanced Scorecard) auch im
Marketing umgesetzt werden können, stehen einen Reihe von Marketing-Instrumenten zur
Verfügung. Dieses Bündel von Instrumenten wird als Marketing-Mix bezeichnet.

Der Marketing-Mix bezeichnet die zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffene Auswahl


von Marketingaktivitäten in einer bestimmten Ausprägung. Grundsätzlich lässt sich zum
Marketing-Mix festhalten:

• Ein Marketingkonzept ist nur so gut, wie konsequent auch die Umsetzung ist.
• Die einzelnen Marketinginstrumente haben isoliert betrachtet keine Wirkung. Erst sei-
ne überlegte Abstimmung und das sinnvolle Zusammenspiel der verschiedenen In-
strumente im Marketing-Mix bringen das Marketing erfolgreich in Gang.
• Es gibt kein Rezept für die richtige Auswahl und Dosierung beim Einsatz des Marke-
ting-Mix.
• Bei der Gestaltung des Marketing-Mix geht es um:
o eine sinnvolle Auswahl und Abstimmung der einzelnen Instrumente
o eine richtige Verteilung der Budgets
o eine laufende Überprüfung der Sinnhaftigkeit des Instrumenteneinsatzes und gege-
benenfalls die Durchführung notwendiger Anpassungen
o die Erhaltung von Flexibilität in Ausnahmefällen (z. B. bei „drohender“ Abwande-
rung von Großkunden)

67
Strategisches Marketing

In der folgenden Abbildung wird der sog. Marketing-Mix kurz skizziert. Die einzelnen In-
strumente werden nachfolgend weiter vertieft.

Abb. 47: Instrumente im Marketing-Mix

68
Strategisches Marketing

Die relative Bedeutung einzelner marketingpolitischer Instrumente im Konsumgüter-/ In-


vestitionsgüter- und Dienstleistungsmarketing lässt sich für die Bereiche Investitionsgüter-
/Konsumgüter- und Dienstleistungsmarketing tendenziell wie folgt darstellen.

Abb. 48: Bedeutung von absatzpolitischen Instrumenten im KGM, IGM und DLM nach Meffert 1998

2.12 Kontrolle der Strategieumsetzung

Der Kontrolle kommt eine sehr wichtige Aufgabe im Planungsprozess zuteil. Sie darf nicht
an der letzten Stelle dieses gesehen werden, sondern als Prozess begleitend. Kontrolle ist
ein laufender systematischer Prozess zur Ermittlung von Abweichungen zwischen Plan
und Ist. Eine tiefer gehende Behandlung erfolgt dazu in der Literatur im Bereich Control-
ling.

69
Strategisches Marketing

Soll-Ist-Vergleich
Aus der Sicht des Marketings ist die Messbarkeit der erbrachten Leistungen von besonde-
rer Bedeutung. Daher stehen im Marketing die quantitativen Soll-Ist-Vergleiche im Vor-
dergrund. Ob das Marketing den gewünschten Erfolg zeitigt, wird mit Hilfe von ausge-
wählten Kennziffern gemessen, wie z. B.:
• Umsatzwachstum
• Deckungsbeitragsplus
• Gewinnwachstum
• Marktanteilsgewinne
• Erhöhung der Produktionsauslastung
• etc.

Natürlich werden auch qualitative Aspekte in den Soll-Ist-Vergleich miteinbezogen. Diese


könnten beispielsweise sein:
• Veränderung einzelner Imagewerte
• Erhöhung des Bekanntheitsgrades
• Steigerung des Sympathiewertes für das Unternehmen
• etc.

Soll-Wird-Vergleich
Im Soll- Wird- Vergleich werden die bisherigen Ergebnisse aus dem Einsatz der Marketing-
Instrumente (z. B. Umsatz in einzelnen Kundensegmenten) in die Zukunft fortgeschrieben
(Frage: „Wenn die nächsten Quartale so verlaufen wie das erste und das zweite, wo liegen
wir dann am Ende des Jahres?). Wenn sich hier am Ende des Jahres bzw. der Planungspe-
riode eine deutliche, insb. negative, Abweichung zum Soll-Wert abzeichnet, ist entspre-
chender Bedarf zur Gegensteuerung gegeben.

Ist-Ist-Vergleich
Es hat auch Sinn, im Rahmen eines Ist- Ist- Vergleiches beispielsweise die Umsätze, De-
ckungsbeiträge etc. der laufenden Periode mit jenen der vorherigen Periode(n) zu verglei-
chen und daraus Entwicklungen aufzuzeigen.

70
Strategisches Marketing

Unternehmen müssen in der Lage sein, äußere wie innere Störungen zu bewältigen. Dazu
bestehen zwei Möglichkeiten:
1. Stabilisation der Situation
2. Anpassung an die geänderte Situation

Durch die Tatsache, dass weder die erste noch die zweite Möglichkeit automatisch ge-
schieht, braucht man einen Anpassungsmechanismus. Diesen kann man als kyberneti-
schen Regelkreis bezeichnen:

Abb. 49: Kybernetischer Regelkreis der Planung

71
Strategisches Marketing

2.13 Lern- & Wissensfragen, Literaturtipps

Nach diesem Kapitel sollten Sie folgende Fragen beantworten können:


1. Welche Arten der Planung gibt es?
2. Skizzieren Sie den Prozess der Strategischen Planung.
3. Was sind Strategische Geschäftsfelder?
4. Welche Unternehmensumwelten gibt es?
5. Beschreiben Sie die Instrumente der externen Analyse.
6. Beschreiben Sie die Instrumente der internen Analyse.
7. Was verstehen Sie unter Trend- Monitoring?
8. Was ist eine SWOT- Analyse?
9. Welche Ebenen von Unternehmensstrategien gibt es?
10. Welche Arten von Strategien gibt es?
11. Welche Produkt- Markt- Kombinationen hat Ansoff beschrieben?
12. Beschreiben Sie die Wettbewerbsstrategien nach Porter.
13. Diskutieren Sie mögliche Erfolgsfaktoren von Unternehmen.
14. Beschreiben Sie die Balanced Scorecard.
15. Geben Sie einen Überblick über die Instrumente im Marketing-Mix.
16. Was sind Abweichungsanalysen und welche gibt es?

Literaturtipps
Bea, F.X./ Haas, J.: Strategisches Management, Stuttgart 1997
Becker, J.: Das Marketingkonzept, München 2005
Ehrmann, H. Unternehmensplanung, Kiehl 1999
Kotler, Ph./ Armstrong, G./ Saunders, J./Wong, V.: Grundlagen des Marketing, 2. Auflage,
München u.a., 1999
Kropfberger, D.: Erfolgsmanagement statt Krisenmanagement, Linz 1986
Kropfberger, D./ Winterheller, M.: Controlling, Wien 2000
Lang, W.: Die Marketing- Konzeption, Düsseldorf 2000
Levinson J./ Godin S.: Das Guerilla Marketing Handbuch, München 2000
Lüttgens; M.R.: Marketing- Planung, Bern 2000
Meffert, H.: Lexikon der aktuellen Marketing-Begriffe, 1997

72
Strategisches Marketing

Meffert, H.: Marketing, 9. Auflage, Wiesbaden 2000


Meyer, A./ Davidson, J.H.: Offensives Marketing
Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H.: Marketing, 18. Auflage 1997
Porter, M.E.: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 3. Auf-
lage, Frankfurt/Main, New York 1992
Porter, M.E. Wettbewerb und Strategie, München 1999
Porter, M.E.: Wettbewerbsstrategie – Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurren-
ten, 7. Auflage, Frankfurt/Main 1992
Schriftenreihe des Wifi, Zukunftsplanung mit Scenariotechnik, Nr. 206, Wien
Weis, H. Chr.: Marketing, Kiehl 1999
Weis, H. Chr.: Verkauf, 5. Auflage, Kiehl, 2000
Winkelmann, P.: Marketing und Vertrieb, München u.a. 1999

73
Strategisches Marketing

Notizen

74
Marketing-Lehrgang
Marktforschung
Autor: Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher
Überarbeitung: Ing. Mag. Helmut Weiß, MBA (2013)
Dr. Toni Monsberger (2018)
Marktforschung

Impressum:
Hersteller:
Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Steiermark
(WIFI Steiermark)
Für den Inhalt verantwortlich:
WIFI Steiermark
A-8021 Graz, Körblergasse 111-113
© 2018, alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ohne Zustimmung des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammer Steiermark ist
unzulässig.

Das gilt insbesondere für Fotokopien, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun-


gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2
Marktforschung

Inhalt Seite

1 AUFGABE DER MARKTFORSCHUNG .................................................. 5

2 INSTRUMENTE DER MARKTFORSCHUNG .......................................... 5

3 SEKUNDÄRMARKTFORSCHUNG ........................................................ 6

4 PRIMÄRMARKTFORSCHUNG .............................................................. 8

4.1 MARKTERKUNDUNG ................................................................................ 9


4.2 MARKTBEOBACHTUNG/EXPERIMENT..................................................... 10
4.3 BEFRAGUNG ............................................................................................ 13
4.4 AUSWAHLVERFAHREN............................................................................ 16
4.4.1 RANDOM- (ZUFALLS-) VERFAHREN ........................................................ 17
4.4.2 QUOTA-VERFAHREN ............................................................................... 17
4.4.3 PANEL-FORSCHUNG ............................................................................... 18
4.4.4 KUNDENDATEN DURCH PROFILING ..................................................... 19

5 MESSUNG DER KUNDENZUFRIEDENHEIT ....................................... 21

6 AUSWERTUNG VON PRIMÄRDATEN ............................................... 25

7 KONZEPTION EINES MARKTFORSCHUNGSPROJEKTES ................... 27

8 LERN- & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS ................................... 29

3
Marktforschung

Notizen

4
Marktforschung

1 AUFGABE DER MARKTFORSCHUNG

„Marktforschung ist der systematische Prozess der Gewinnung und Analyse von Daten für
Marketing-Entscheidungen“ (Hüttner 1999)

Die Marktforschung erfüllt für die Entwicklung von Marketing- Konzepten eine Reihe ent-
scheidender Aufgaben:
• Beschreibung (Deskription) der Realität
• Erklärung (Exploration) der Realität, d. h. Test von Hypothesen
• Gestaltung der Wirtschaftsrealität (Praxeologie), d. h. Aufzeigen von Vor- und Nach-
teilen von Maßnahmen, die auf der Grundlage der bestätigten (nicht verworfenen)
Hypothesen gesetzt werden.

und hat damit:


• Anregungsfunktion: Impulse für die Initiierung von Marketingentscheidungen
• Prognosefunktion: Chancen und Entwicklungen am Markt abschätzen
• Bewertungsfunktion: Bewertung und Auswahl von Entscheidungsalternativen im Mar-
keting
• Kontrollfunktion: systematische Analyse der derzeitigen Marktsituation sowie der
Wirksamkeit einzelner Marketinginstrumente
• Bestätigungsfunktion: Aufdecken von Ursachen für Erfolge/ Misserfolge von Marketin-
gentscheidungen

2 INSTRUMENTE DER MARKTFORSCHUNG

Grundsätzlich ist zwischen Primärmarktforschung und Sekundärmarktforschung (Desk


Research) als Erhebungsform zu unterscheiden. Bei der Primärmarktforschung werden für
eine spezifische Analyse Daten neu erhoben. Die Sekundärmarktforschung hat die Be-
schaffung, Zusammenstellung und Auswertung bereits vorhandenen Materials zum Ge-
genstand.

5
Marktforschung

Grundsätzliche Fragen zur Wahl der Erhebungsform von Marktdaten sind:


• Welche Informationen werden benötigt?
• Wie sollen die Daten erhoben werden und welches Budget steht zur Verfügung?
• Wie, durch wen und wie rasch sollen die Daten ausgewertet werden?
• Wer interpretiert die Daten und wem soll die Interpretation als Entscheidungsgrundla-
ge dienen?

3 SEKUNDÄRMARKTFORSCHUNG

Unter Sekundärmarktforschung versteht man die Aufbereitung, Analyse und Auswertung


von Daten, die bereits vorhanden sind und früher für andere Zielsetzungen bereits erho-
ben wurden. Dafür können unternehmensinterne und unternehmensexterne Datenquellen
zu Verfügung stehen.

Unternehmensinterne Datenquellen
Hier stehen die Statistiken aus Rechnungswesen, Beschaffung, Absatz, Produktion, Finan-
zen, Personal- und Sozialwesen im Vordergrund. Den Marketingkennziffern kommt hier
eine besondere Bedeutung zu (z. B. Anfragen- und Angebotsstatistiken, Auftragseingangs-
und Umsatzstatistiken, Außendienstberichte, Reklamationsstatistiken).

Unternehmensexterne Datenquellen
Hier gibt es einmal den Block der allgemeinen Quellen der amtlichen Statistiken, wie z. B.
das Österreichische Statistische Zentralamt in Wien bzw. das Statistische Bundesamt in
Wiesbaden, die statistischen Landesämter und die kommunalen statistischen Ämter.

Weitere sekundärstatistische Quellen sind:


• Verbandsstatistiken wie z. B. die ÖVA,
• Nielsen-Daten,
• Publikationen von Marktforschungsinstituten: Regioplan, GfK, market, IMAS, Fessel
• Firmenveröffentlichungen,

6
Marktforschung

• Verlagsuntersuchungen,
• Media- Analysen,
• Branchenstudien,
• Adressenverlage aber auch
• ausländische bzw. internationale Statistiken wie zur Exportmarktforschung u. a. m.,
Veröffentlichungen der internationalen Organisationen, wie z. B. der EU, UNO,
OECD und Weltbank
• Banken
• Wirtschaftsforschungsinstitute
• Wirtschaftskammer, Interessenvertretungen, Verbände
• Informationsdienste
• Info-Datenbanken
• Firmen-Geschäftsberichte
• Messekataloge
• Fachzeitschriften
• Hochschulen
• Nachschlagewerke
• Internet

Von entscheidender Bedeutung im Rahmen der Sekundärmarktanalyse sind die Fragen


nach der Qualität der Daten:
• Ist die Datenquelle seriös?
• Trifft die verfügbare Untersuchung die Themenstellung?
• Wie genau wird die eigene Fragestellung getroffen?
• Werden Umfang der Daten und die Verfahren zur Datengewinnung offen gelegt?
• Wie aktuell, repräsentativ, gültig und zuverlässig sind die Daten?

7
Marktforschung

Die Vor- und Nachteile der Sekundärmarktforschung:


• Vorteile
schnelle Verfügbarkeit
kostengünstig
Referenzen, Querbezüge zu ähnlichen Arbeiten vorteilhaft
ermöglichen Forscherkontakte
• Nachteile
Daten oft veraltet
Datenquelle of schwierig auszumachen
Daten oft auf die Thematik nicht zugeschnitten
Fehler in der ursprünglichen Primärerhebung enthalten
keine Geheimhaltung

4 PRIMÄRMARKTFORSCHUNG

Unter Primärmarktforschung versteht man die Aufbereitung, Analyse und Auswertung von
Daten, die für eine konkrete Aufgabenstellung erstmalig und exklusiv erhoben werden.

Der wesentliche Vorteil der Primärmarktforschung ist, dass das Forschungsdesign speziell
auf Untersuchungsgegenstand nach Inhalt, Raum/ Region, Zeit und Repräsentativität abge-
stimmt werden kann. Auch bei Vergabe an externe Marktforschungsinstitute kann durch
die Geheimhaltungsverpflichtung ein Wissensvorsprung und somit ein Wettbewerbsvorteil
erzielt werden.
Als Nachteile der Primärmarktforschung sind zu nennen:
• Managementpower wird durch die notwendige Briefingarbeit im Unternehmen gebun-
den.
• Die Forschungsergebnisse sind nicht prompt verfügbar.
• Im Durchschnitt dauert die Feldarbeit inkl. Auswertung der Ergebnisse bei einer reprä-
sentativen Untersuchung sechs Wochen.
• Die Kosten sind in der Regel deutlich höher als bei der Sekundärmarktforschung.

8
Marktforschung

Die Formen der Primärmarktforschung, die in weiter Folge näher beschrieben werden,
sind vor allem:
• Markterkundung
• Marktbeobachtung
• Befragung
o schriftlich (Fragebogen, Internet, Handy)
o mündlich (Face-to-Face, Telefon)
• Erhebungsprogramme
• Panel- Forschung
• Internet (z. B. www.Marketagent.at)

4.1 Markterkundung

Markterkundungen werden oft im Vorfeld von Marktforschungen durchgeführt, um die


Untersuchungsbereiche und Hypothesen abzustecken.

Instrumente für die Durchführung von Markterkundungen sind Vor-Ort-Gespräche am


POS (Point of Sale), Beobachtungen und Gruppendiskussionen mit Mitgliedern der Ziel-
gruppe.
Eine gängige Form der Markterkundung sind auch die sog. Expertengespräche. Hier wird
eine kleine Anzahl wirklich gut informierter Fachleute zu einem Problemgebiet befragt.
Die Befragung kann wiederum schriftlich oder mündlich erfolgen. In der Regel sind es nur
10 - 15 Interviews. Die Experten können in dreierlei Hinsicht helfen:
• Sie können oftmals Datenmaterial und Datenquellen nennen, auf die man zurückgrei-
fen sollte.
• Sie können die bisherigen Forschungsergebnisse bewerten, kommentieren, interpretie-
ren und neue Denkanstöße liefern.
• Sie können oftmals prognostische Ansichten mit relativ guter Genauigkeit äußern, weil
sie ihren Markt besonders gut kennen.

9
Marktforschung

Experteninterviews zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:


• eingeschränktes Spektrum von Meinungen, aber mit großer fachlicher Aussagekraft
• schnell durchführbar
• schnell fassbar und schnell verwertbar
• hohe Ansprüche an die Interviewer
• als Spezialverfahren üblich (z. B. Delphi-Untersuchungen)

Ein weiteres Instrument stellen Gruppeninterviews (auch als Expertengruppen) dar:


• Welche ein breites Spektrum von Meinungen, Ansichten und Ideen von mehreren
Personen im gemeinsamen Gespräch zutage fördern (z. B. T- factory für Jugendliche)
• ideal: 6 - 10 Gruppenmitglieder unter Leitung eines qualifizierten Moderators
• Protokollierung mittels Tonband oder Video
• schwach strukturierter Themenkatalog
• Situation, die der normalen alltäglichen Gesprächssituation entspricht
• Kleingruppeneffekte provozierend: Hemmnisse beseitigt, gegenseitige Anregung zu
Äußerungen
• Problem des gruppendynamischen Kontrollmechanismus

4.2 Marktbeobachtung/Experiment

Marktbeobachtungen/ Experimente sind systematischer als die Markterkundung und erfol-


gen meist unter Zuhilfenahme technischer Geräte. Wird im Labor oder am Markt/POS
durchgeführt, teilnehmend oder nicht teilnehmend, persönlich oder nicht persönlich.

Die Beobachtung als Marktforschungsinstrument wird man dort der Befragung vorziehen,
wo die Beobachtung
• einfacher und billiger ist,
• rascher Informationen liefert,
• zuverlässigere Resultate als die Befragung liefert.

10
Marktforschung

So kann man beispielsweise durch Beobachtung und einfaches Zählen feststellen, wie
viele Passanten und welche Passantenkategorien im Laufe des Tages ein bestimmtes Stra-
ßenstück begehen, wenn es beispielsweise um einen geeigneten Standort für ein Detailge-
schäft geht. (z. B. ist ein Erfahrungswert 1.000 Passanten/ Stunde Öffnungszeit je m² für
eine erfolgreiche Fußgängerzone)

Beobachtung dient aber auch zum Teil zur Feststellung von Reaktionen des Publikums auf
Absatzmaßnahmen. So ist es etwa denkbar, dass man den Aufmerksamkeitswert von
Schaufensterauslagen oder Hinweise auf Sonderangebote mit Hilfe von versteckten Kame-
ras überprüft. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet war Paco Underhill, welcher durch
Kundenbeobachtungen eine effiziente Verbesserung der Warenpräsentation und Kunden-
ströme im Einzelhandel nachweisen konnte.

Die Vorteile der Beobachtung/ des Experiments sind:


• Geschehnisse werden in „Echtzeit“ festgehalten
• spezifische Umweltsituationen werden aufgenommen
• unabhängig von der Verkaufsbereitschaft
• kein Interviewereinfluss

Die Nachteile der Beobachtung/ des Experiments sind:


• zeitpunktbezogen oder nur kurzer Zeitraum
• „Beobachtungseffekte“
• subjektive Wahrnehmung
• eingeschränkte Repräsentativität

Die Verfahren der Beobachtung/des Experiments sind:


• Einmalige oder laufende Beobachtung/ Experiment (Panel)
• Marktbeobachtung/ POS- Beobachtung/ Labor
• nach Objekt (Produkt, Preis, Namen, Geschmack, etc...)
• Testpersonen (Konsumenten, potenzielle Konsumenten, Experten), z. B. Geschmacks-
tests

11
Marktforschung

• Kurzzeit-/ Langzeit- Unersuchungen


• Voll- oder Teiltest

Die Instrumente der Beobachtung/des Experiments sind u. a.:


• Einzel- oder Vergleichstest
• regional, lokal, international
• Einkaufsverhalten: Zählverfahren, Kundenlaufstudie
• Handhabungsbeobachtung
• Blickregistrierung
• Stimmfrequenzanalyse
• Pupillometrie
• Tachistoscop (Augenbewegungskamera)
• etc.

Bei Experimenten werden die Untersuchungen meist doppelt durchgeführt, nämlich bei
einer Testgruppe und einer Kontrollgruppe, um dann die Ergebnisse vergleichen zu kön-
nen.

Abb. 50: Vorgehensweise bei experimentellen Marktforschungen

Ein wichtiges Anwendungsgebiet für Marktforschungsexperimente sind Testmarktuntersu-


chungen. Hier werden abgegrenzte Marktgebiete ausgesucht, in denen dann der Effekt
bestimmter Absatzmaßnahmen getestet und mit den Ergebnissen von Kontrollmärkten ver-
glichen wird.

12
Marktforschung

Eine weiteres wichtiges Anwendungsfeld sind Produkttests:


• Bei Produkteinführung bzw. -änderung:
o Verkaufschancen des Produkts
o Auswirkungen ggf. auf die gesamte Produktfamilie
o Auswirkungen auf Konkurrenzprodukte
o Eignung von Packung und Verpackung (Größe, Format, Gestaltung)
o optimale Preisfestsetzung
• Bei eingeführten Produkten:
o Verkaufsauswirkungen von Sonderplatzierungen bzw. Veränderungen von Plazie-
rungsflächen
o Verkaufsauswirkungen von Promotion- Maßnahmen (Zugaben, Sonderausstattun-
gen, Displays, Sonderpreise, usw.)
o Auswirkungen von Verbundangeboten

4.3 Befragung

Die Befragung von Konsumenten, Käufern, Händlern und anderen potenziellen Zielgrup-
pen ist zweifellos die am häufigsten angewandte Methode der Primärerhebung in der
Marktforschung.

Durch Befragung lassen sich insbesondere Informationen gewinnen über:


• das bisherige Verhalten
• das beabsichtigte und zukünftige Verhalten
• Meinungen und Einstellungen

Folgende Formen der Befragung lassen sich unterscheiden:


Befragte - Personenbefragung (Konsumenten, Experten etc.)
- Gruppenbefragung (Familien etc.)
Befragungsträger - Eigenbefragung
- Fremdbefragung

13
Marktforschung

Vorteil Nachteil
• bessere Marktkenntnis • Arbeitsbelastung
• schnellerer Start • fehlendes Marktforschungs-
Eigenbefragung
• evtl. Geheimhaltung Know-how
• i.d.R. geringere Kosten • „Schönfärberei“
• Marktforschungsexperten im • Schulung notwendig
Einsatz • Interviewer unbekannt
• u. U. größere Akzeptanz • scheinbar höhere Kosten
Fremdbefragung
• größere Objektivität
• Auswertungs-Know-how vor-
handen

Methode - Ein-/ Mehrthemen


- qualitativ/quantitativ
Intervalle - einmalig
- regelmäßig (Panel, Welle)
Befragungsart - persönlich (face- to- face, telefonisch)
- unpersönlich (schriftlich, TED, Computer/Internet)
- standardisiert/ nicht- standardisiert

Kriterien schriftlich telefonisch mündlich Internet


Rücklaufquote unterschiedlich hoch hoch hoch

Beeinflussbarkeit durch
möglich kaum möglich kaum möglich nicht möglich
Dritte

Umfang der Befragung mittelgroß klein groß mittelgroß

Interviewereinfluss nicht möglich klein groß nicht möglich

Genauigkeit gering unterschiedlich hoch unterschiedlich

Zuverlässigkeit unterschiedlich relativ hoch hoch relativ hoch

Geschwindigkeit der
relativ niedrig hoch niedrig hoch
Durchführung

Kosten niedrig relativ niedrig hoch relativ niedrig

Erklärung der Fragen nicht möglich möglich möglich unterschiedlich

Abb. 51: Alternative Befragungsarten

14
Marktforschung

Das mündliche (face-to-face-) Interview


Am häufigsten wird das persönliche face-to-face-Interview durchgeführt. Es wird auch
strukturiertes Interview genannt, weil die Befragung anhand eines Fragebogens mit genau
formulierten Fragen in festgelegter Reihenfolge durchgeführt wird. Der Inhalt und die Rei-
henfolge der Fragen werden im Voraus getestet, um Fehlerquellen auszuschalten.

Fragestellung, -formulierungen und die Reihenfolge der Fragen erfordern ein größeres Maß
an Erfahrung. Ratschläge aus der Literatur können daher nur gewisse Anhaltspunkte ge-
ben.

In der Umfrageforschung kommt der Frageformulierung eine außerordentlich große Be-


deutung zu. Sogar scheinbar ganz geringfügige Unterschiede in der Fragestellung wie et-
wa:
„Glauben Sie, dass .....“ und
„Glauben Sie, oder glauben Sie nicht, dass ......

Diese führen zu großen Antwortdifferenzen. Relativ unempfindlich sind lediglich Fakten-


fragen.

Tipps zur Frageformulierung:


• Vermeiden Sie Wörter mit Doppelbedeutung.
• Lange Fragen sollen vermieden werden.
• Fragen zu unvertrauten Problemen sollten mit einer Erklärung oder einem Beispiel be-
gleitet werden.
• Entweder werden alle Antwortalternativen, an die der Befragte bei seiner Antwort
denken soll, vorgegeben, oder gar keine.
• Allgemeine Fragen, die an unmittelbare Erfahrungen der Befragten anknüpfen, sind
zielführend.

15
Marktforschung

Von der Fragetechnik her lassen sich folgende Unterscheidungen treffen:


• direkt/ indirekt
• geschlossen (fixe Antwortkategorien, z. B. ja/ nein) oder
offen (Aussage des Interviewten wird aufgezeichnet)
• Rangreihen, Rating (Skala z. B. 1..5), Bipolar (z. B. ja/nein)
• Aufwärmfragen, die zum Thema und zur Untersuchungsmethode „hinführen“
• Fragen zur Person/zum Unternehmen
• Einführungs-/Hinführungsfragen
• Kernfragen, Sachfragen
• Filterfragen
• Motivations-/Erholungsfragen
• Kontrollfragen

4.4 Auswahlverfahren

Neben der Bestimmung der Befragungsmethode ist die Auswahl der zu befragenden Per-
sonen für den Erfolg der Befragung von zentraler Bedeutung. Grundsätzlich kann man
zwischen Vollerhebung und Stichprobenerhebung unterscheiden. Bei der Vollerhebung
werden sämtliche Marktpartner befragt.

Die einzige Vollerhebung, die in Österreich noch durchgeführt wird, ist die Volkszählung,
die alle 10 Jahre durchgeführt wird (zuletzt 2001). Aus wirtschaftlichen Überlegungen und
aus Praktikabilitätsgründen bedient man sich in der Marktforschung der Stichprobenerhe-
bung.

Bei der Auswahl von Stichproben ist die Zufalls- oder Randomauswahl von der Quoten-
auswahl (Quota) zu unterscheiden. Beide Verfahren produzieren so genannte repräsenta-
tive Stichproben. Damit ist gemeint, dass die Zusammensetzung der Stichprobe der Zu-
sammensetzung der Grundgesamtheit entspricht.

16
Marktforschung

4.4.1 Random- (Zufalls-) Verfahren

Beim Randomverfahren werden nach den Regeln der Zufälligkeit Zieladressen aus einer
Kartei ermittelt. Das Zufallsprinzip ist die einzige Absicherung der Stichprobe gegen Ver-
zerrungen.

In der Praxis zeigt es sich aber oft, dass Adressenstichproben ungeeignet sind, auch wenn
das nötige Adressenmaterial vorhanden ist. Neben dem großen Organisationsaufwand
ergibt sich für den Interviewer das Problem, dass er eine Zielgruppe nicht erreichen kann
oder diese ein Interview strikt ablehnt. Um eine möglichst hohe Rücklaufquote zu errei-
chen, werden die Interviewer angehalten, mindestens drei Kontaktbesuche bei nicht ange-
troffenen Personen zu machen, was zeitaufwendig ist und honoriert werden muss.

Das Hauptproblem bei Interviewbesuchen in Privathaushalten nach dem Randomverfah-


ren liegt jedoch in der Überalterung der Stichprobe. Ältere Zielpersonen werden mit einer
viel höheren Wahrscheinlichkeit zu Hause angetroffen, als die jüngeren und mobileren
Bevölkerungsschichten. Man läuft daher bei jeder Adressenumfrage Gefahr, dass die
Stichprobe eine verzerrte Alters- und Mobilitätsstruktur aufweist.

Die Konsequenz davon ist, dass fast jede Adressenstichprobe vor der Analyse gewichtet
werden muss.

4.4.2 Quota-Verfahren

Sehr häufig existiert kein Adressenmaterial und dann wird in der Regel mit dem Quotasys-
tem gearbeitet. Der Interviewer sucht sich die Zielpersonen selber aus, allerdings nach
genauen Vorgaben von bestimmten Merkmalen, den Quoten. Diese schreiben ihm genau
vor, wie viele Männer, wie viele Frauen, er zu befragen hat, in welchen Altersgruppen
und aus welchen Berufskreisen.

Die Quoten werden nach vorliegenden, amtlichen oder anderen Statistiken so berechnet,
dass die Geschlechter, Altersgruppen, etc. in ihrem richtigen Verhältnis in der Stichprobe

17
Marktforschung

vertreten sind, sodass die Markforschung als repräsentativ bezeichnet werden und für dar-
aus ableitbare Schlüsse verwendet werden kann.

Die Stichprobengröße oder die Genauigkeit von Untersuchungsergebnissen:


Neben der Repräsentativität ist die Genauigkeit der Ergebnisse der zweite wichtige Quali-
tätsfaktor einer Forschung. Hier gilt ein statistischer Zusammenhang, der folgendermaßen
lautet: Die Ergebnisgenauigkeit lässt sich verdoppeln, indem die Anzahl der Befragten ver-
vierfacht wird. Folglich ist die gewünschte Genauigkeit ein wesentlicher Kostenfaktor.

4.4.3 Panel-Forschung

Das Einfachinterview sieht eine einmalige Befragung des Antwortenden vor. Im Gegensatz
dazu werden die Mitglieder eines Panels immer wieder angesprochen. Ein Panel ist also
eine Art permanente Stichprobe, ein stehendes Sample.
Diese Methode wird häufig für Konsumenten-Einkaufspanels angewendet, wo/ was er zu
welchem Preis einkauft, etc. Die Panelmitglieder füllen täglich oder wöchentlich Reports
aus, in denen all diese Informationen enthalten sind.

Das Handelspanel von Nielsen


Nielsen erhebt in periodischen Abständen (normalerweise zweimonatlich) Handelsdaten.
Die Hauptinformationen sind:
• Kaufverhalten des Kunden am point of sale
• Kauf- und Angebotsverhalten des Handels
• Messung von Marketingmix-Faktoren am POS
(z. B. Distribution, Bevorratung, Preis etc.)

Die Erhebungsmethode erfolgt nach dem Inventurverfahren, auch separat für jeden ge-
wünschten Artikel. Diese Daten sind sowohl für den Handel bei seiner Sortimentsgestal-
tung, als auch für die Industrie bei der Produktliniendefinition von großer Bedeutung.

18
Marktforschung

Andere Panels
Neben dem Handelspanel gibt es noch eine Vielzahl von Untersuchungsgegenständen,
die dem Marketingexperten angeboten werden, wie beispielsweise die Untersuchung des
TV-Verhaltens. Ein weiteres Beispiel ist die Kaufkraftanalyse, die insbesondere für eine
Standortwahl im Handel von hoher Bedeutung ist.

Neben den genannten Aufgaben der „klassischen“ Marktforschung bietet das Internet eine
Reihe interessanter Möglichkeiten, Informationen über die bestehenden Kunden und User
zu generieren. Diese werden im Weiteren unter dem Titel „Profiling“ skizziert.

4.4.4 Kundendaten durch Profiling

Eine Kundendatenbank ist eine zentrale Sammelstelle für kunden- und vertriebsrelevante
Informationen und beschreibt die Beziehung eines Unternehmens mit seinen Kunden. Seit
dem Siegeszug des Internets und entsprechender EDV-Systeme ist dies erst in großem Um-
fang möglich geworden. In einer solchen Datenbank befinden sich Geschäftsabschlüsse,
Preise, Produkte, geschätzter Bedarf etc. Für das Marketing werden demographische Krite-
rien, psychologische Angaben, Kaufverhalten etc. immer interessanter, um strategische
aber auch operative Schritte setzen zu können.

Als Kontaktkanäle für die Datenbank kann man folgende Faktoren benennen:
• Außendienst
• Direkter Kontakt
• Call Center
• Internet, Mail, Fax
• Handelspartner
• Kiosks

Eine Datenerhebung aus dem Internet und die Nutzung dieser Daten bietet dem Unter-
nehmen nie da gewesene Methoden und Tools für das Marketing
(Stichwort: Customer Relationship Management, Kapitel 1.5.1).

19
Marktforschung

Datenerhebung über das Internet


Grundsätzlich gibt es die Aufgabe, alle Kundendaten zu sammeln, auszuwerten und diese
zu schützen. Kundendaten kann man grundsätzlich in drei Hauptarten unterscheiden:

Stammdaten werden von Internet-Nutzern meistens freiwillig angegeben. In der Praxis


werden die „Stammdaten“ als Opt-in Methode bezeichnet. Zu diesen Daten gehören etwa
Name, Adresse, Abrechnungsangaben, Beruf, Bildungsgrad, Familienstand, Haushaltsein-
kommen, Interessensschwerpunkte und allgemeine Nutzungsgewohnheiten. Hierbei han-
delt es sich um Angaben, die freiwillig bei Registrierung, Bestellung oder Umfrage ge-
macht worden sind. Allerdings gibt nicht jeder User gerne seine persönlichen Daten wei-
ter. Deshalb muss sich das Unternehmen etwas Besonderes einfallen lassen, was für den
User einen Mehrwert ergibt. Beispielsweise sind dies Gratisservices wie freier Internetzu-
gang: Hierbei muss man mehrere Formulare zur eigenen Person ausfüllen und sich damit
einverstanden erklären, dass Werbung auf seinen Computer gesendet wird. Dies wird
durch ein PDO ermöglicht. Ein PDO ist ein Permanent Desktop Objective, das man nicht
wegklicken kann. Es ist jederzeit am Bildschirm aktiv.

Bei den zwei weiteren Hauptarten sieht die Situation schon etwas schwieriger in Bezug
auf rechtliche Bestimmungen und Kundensensibilität aus.

Bewegungsdaten sind personenbezogene Informationen über die Nutzungsgewohnheiten


der User auf der Website. Durch die Koppelung von Cookies (siehe weiter unten) oder
Login/ Passwort kann eine Verbindung zwischen Stammdaten und Bewegungsdaten her-
gestellt werden. Folgende Fragen können dadurch beantwortet werden:
 Wann wird ein bestimmtes Angebot genutzt?
 Wie häufig ?
 Wie ist die durchschnittliche Verweildauer? etc.

Inhaltsdaten können dabei mit den Bewegungsdaten durch Logfiles kombiniert werden.
Somit kann man auch sagen, auf welchen Seiten der User sich bewegt hat. Mit z. B. Coo-
kies (siehe unten) ist es möglich, Benutzerprofile zu erstellen, User immer wieder zu iden-

20
Marktforschung

tifizieren, seine gesamten Aktionen im Internet zu beobachten und in die Datenbank zu


übernehmen. Über leistungsfähige Benutzerprofile sind Anbieter in der Lage, den Benut-
zer richtiggehend wieder zu erkennen und individuell zu bedienen (Konzept „Tante-
Emma-Laden im Internet“).

→ Heute findet das Internet die User in immer häufigerem Ausmaß.

5 MESSUNG DER KUNDENZUFRIEDENHEIT

Ein besonderer Anwendungsfall von Marktforschung ist die Messung der Kundenzufrie-
denheit.

Kundenzufriedenheit ist ein Schlagwort, das in Mode gekommen ist. Welches Unterneh-
men hat nicht gern zufriedene Kunden. Schließlich wollen Unternehmen durch die Erfül-
lung der Kundenwünsche, Lösung der Kundenprobleme und hohe Kundenzufriedenheit
eine langfristige Erfolgsbasis schaffen sowie Gewinne schreiben.

Abb. 52: Wirkung von Kundenzufriedenheit

21
Marktforschung

Die Gedankenkette ist eigentlich relativ einfach: Kundenzufriedenheit schafft Kundenbin-


dung, und Kundenbindung bringt Erfolg und damit Gewinn. Aber: Wie lässt sich heraus-
finden, ob die eigenen Kunden wirklich zufrieden sind? Die verfügbare umfangreiche
Fachliteratur zu diesem Thema wird täglich um einen neuen Beitrag reicher, und der Prak-
tiker ist oft überfordert, wenn er angesichts der offensichtlich komplexen Materie ein
schnell umsetzbares Instrument zur Messung der Kundenzufriedenheit erstellen soll.

Die Zielsetzungen der Unternehmen bei der Einführung eines Instruments zur Messung
der Kundenzufriedenheit können im Einzelfall unterschiedlich sein, wesentlich sind im
Allgemeinen die folgenden Ziele:
• Verbesserung der Qualität der "Produkte"
(Dienstleistungen, technische Produkte oder generell Kundennutzen),
• Verbesserung der Kompetenz der Mitarbeiter (fachlich und sozial),
• Verbesserung des Prozesses der Leistungs- und/ oder Produkterstellung.

Die genannten Zielsetzungen sind heute in vielen Unternehmen in einem Qualitätsma-


nagementhandbuch festgeschrieben, das die Basis der Zertifizierung z. B. nach DIN EN
ISO 9000 ff. ist. Ein Instrument zur Messung der Kundenzufriedenheit ist dann oft sogar
Bestandteil dieses Handbuchs.

Unabhängig von der formalen Institutionalisierung der Messung der Kundenzufriedenheit


steht die Kundenorientierung als zentrale strategische Zielsetzung bei vielen Unterneh-
men, die sich unter wettbewerbsintensiven Bedingungen am Markt bewähren müssen, im
Vordergrund. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn über die "Befindlichkeit"
des bzw. der Kunden Klarheit besteht. Die Einstellung: „Unsere Kunden sind zufrieden,
sonst würden sie sich beschweren“, gehört längst der Vergangenheit an und ist einer Ein-
stellung gewichen, die den Kunden in den Mittelpunkt unternehmerischen Interesses und
Handelns stellt.

Die Verfolgung des unternehmerischen Ziels der "Kundenorientierung" auf der Grundlage
einer Messung der Kundenzufriedenheit erfordert in erster Linie eine angemessene Infor-

22
Marktforschung

mationsbasis. Aussagefähige Informationen über die Zufriedenheit der Kunden sind einer-
seits bereits im Unternehmen vorhanden, andererseits sind bestimmte Anforderungen zu
erfüllen, wenn der Kunde über seine Zufriedenheit Auskunft geben soll.

Kundenzufriedenheit entsteht aus dem Vergleich ... zwischen den Erwartungen


- Individuelle Ansprüche
- Image des Anbieters
- Leistungsversprechen des Anbieters
- Wissen um Alternativen etc.
und den wahrgenommenen Leistungen
- Aktuelle Erfahrungen
- Individuelle Problemlösung
- Subjektive Wahrnehmung der Leistung etc.

Entspricht die wahrgenommene Leistung der Erwartung spricht man von „Zufriedenheit“,
wird die Leistung unter der Erwartung wahrgenommen von „Unzufriedenheit“, wird die
Leistung höher wahrgenommen von „Begeisterten Kunden“ (→ aktive Mundpropaganda
ist zu erwarten).

Hinzu kommt auch noch, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens bestimmte Vorstellun-
gen darüber haben, was die Kundenzufriedenheit fördert. Kundenzufriedenheitsanalysen
setzen idealerweise an allen der genannten Punkte an und zeigen Diskrepanzen auf.

23
Marktforschung

Abb. 53: Bereiche umfangreicher Systeme zur Analyse von Kundenzufriedenheit

Gerade in diesem Bereich wird in der Praxis sehr viel „herumgepfuscht“ und Unternehmer
verlassen sich auf vage oder schlichtweg falsche Aussagen. Kern der Analyse bzw. Mes-
sung der Kundenzufriedenheit ist ein unternehmensspezifisches, einfühlendes Beobachten
der Kunden. Nur durch eine konsequente, laufende, systematische und zeitnahe, rasche
Erfassung der Kundenwünsche und -beurteilungen ist es möglich, die Kundenzufriedenheit
zu messen, möglichst rasch Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und über geeignete Ak-
tivitäten die Kundenzufriedenheit zu steigern.

Kundenzufriedenheitsanalysen werden meist in Form schriftlicher Befragungen durchge-


führt (z. B. im Hotel ein Fragebogen für die Gäste, der am Abend vor der Abreise mit der
Bitte um Beantwortung verteilt wird).

24
Marktforschung

6 AUSWERTUNG VON PRIMÄRDATEN

Für eine tiefer gehende Auswertung von Marktforschungsdaten ist es mit einer Strichliste
in der Regel nicht getan. Man erhält mit Strichlisten nur einen sehr oberflächlichen Ein-
druck von den Ergebnissen. Darüber hinaus ist das "Herausstricheln" sehr mühsam und
zeitaufwendig.

Zweckmäßig ist die Nutzung von speziellen Auswertungsprogrammen. Es gibt mittlerweile


eine große Zahl von unkomplizierten und kostengünstigen PC-Programmen. Hinzu ist
noch Software für die Erstellung von Graphiken und professionellen Präsentationen und
Berichten zu empfehlender Standard.

Die Grundauswertungen weisen üblicherweise die prozentuellen und absoluten Häufig-


keiten der ermittelten Variablen aus (tabellarisch oder graphisch). Kombiniert man ver-
schiedene Variablen, so spricht man von einer Kreuztabellierung (z. B. Antworten unter-
schiedlich nach Frauen und Männern).

Abb. 54: Beispiele für Häufigkeitsauszählungen und Kreuztabellen

25
Marktforschung

Weiters können aus einer breiten Palette statistischer Verfahren der Datenanalyse folgende
zur Anwendung kommen:
• Statistische Testverfahren, z. B. T-Test zur Analyse von systematischen Unterschieden
zwischen Stichproben (Fragestellung: „Urteilen Frauen und Männer bezüglich der
Fragestellung tatsächlich unterschiedlich?“)
• Korrelations- und Regressionsanalysen zur Offenlegung von Zusammenhängen (z. B.
gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Urteil zu bestimmten Fragestellungen
und dem Alter und wie stark ist dieser Zusammenhang)
• Varianzanalysen zur Untersuchung des Einflusses eines Faktors auf einen anderen
Faktor
• Diskriminanzanalysen zur Unterscheidung von Gruppeneigenschaften
• Faktorenanalysen zur Verdichtung von Untersuchungsergebnissen (z. B. wenn in einer
Untersuchung zu einem Thema 20 Fragen gestellt wurden und man nun die Antwor-
ten auf 3 bis 5 Einstellungsfaktoren „dahinter“ verdichten möchte)
• Clusteranalysen zur Bestimmung von Gruppen von Antwortenden, die bezüglich ein-
zelner Antworten ähnlich beurteilt haben
• Conjoint-Analysen um beispielsweise herauszufinden, inwieweit eine einzelne ange-
botene Serviceleistung die Gesamtbeurteilung einer Serviceleistung beeinflusst und
wie sich eine Veränderung dieser Serviceleistung auf das Gesamturteil auswirkt

Weitere Verfahren, die immer stärker zum Einsatz kommen, sind beispielsweise die Mul-
tidimensionale Skalierung (MDS), die z. B. Einstellungen zu bestimmten Produkten in ei-
ner Art „Einstellungslandkarte“ veranschaulicht, oder die Pfad-Analysen (LISREL), wo
komplexe Zusammenhänge zwischen Einzelfaktoren wie in einem Netzplan veranschau-
licht werden.

Eine wirklich eingehende Datenanalyse mit diesen Verfahren setzt hohe statistische
Kenntnisse voraus. So muss beispielsweise immer vor einer Analyse die Güte der Datenla-
ge und die Sinnhaftigkeit des Einsatzes einzelner Verfahren (z. B. des Skalenniveaus der
Daten) überprüft werden.

26
Marktforschung

Bei unsachgemäßem Einsatz von statistischen Verfahren können ansonsten falsche


Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen gezogen werden. Daneben ist gerade mit Statistik
die Möglichkeit gegeben, bestimmte Sachverhalte so darzustellen, wie man es eben haben
möchte (unter dem Motto: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“)

7 KONZEPTION EINES MARKTFORSCHUNGSPROJEKTES

Ähnlich wie beim Planungsprozess lässt sich für ein Marktforschungsprojekt grob folgende
Ablaufstruktur finden:

Abb. 55: Genereller Ablauf eines Marktforschungsprojektes

Je nach Untersuchungsanordnung wird es spezielle Projektschritte geben. Die


Abfolge einer schriftlichen Befragung lässt sich wie folgt skizzieren:

27
Marktforschung

1. Festlegung der Aufgabenstellung


2. Festlegung der Erhebungsmethode und der begleitenden Methoden (auch Stichprobe)
3. Festlegung der Fragearten und Fragen sowie der Antwortarten
4. Festlegung des Fragebogenverlaufes
5. Festlegung des Fragebogenlayouts
6. Fragebogenüberprüfung nach Länge, Zielgenauigkeit, Layout und Umfang
7. Genehmigung durch den Auftraggeber
8. Pretest und gegebenenfalls Überarbeitung
9. Vorbereitung Feldphase (Interviewerfestlegung und Einschulung, Fragebogenverviel-
fältigung, Kontaktierungen)
10. Durchführung

Eine zentrale Frage ist auch, ob die Marktforschung selbst (Eigenmarktforschung) durchge-
führt oder fremd vergeben (Fremdmarktforschung) wird. Die Entscheidung sollte anhand
folgender Kriterien getroffen werden:
• Methodenkenntnis
• Problemkenntnis
• Objektivität
• Sicherheit/Diskretion
• Kosten
• Ressourcen

Wird die Marktforschung fremd vergeben, ist ein exaktes Briefing des Marktforschungsin-
stitutes notwendig:
• Exakte Projektbeschreibung
• methodische Überlegungen/Anforderungen
• Zielgruppen
• Kostenrahmen
• eigene Jobübernahme
• Termin Angebotsabgabe, Projekttermine
• Sonderbedingungen

28
Marktforschung

8 LERN- & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS

Nach diesem Kapitel sollten Sie folgende Fragen beantworten können:


1. Welche Arten der Marktforschung gibt es?
2. Geben Sie einen Überblick über die Instrumente der Marktforschung.
3. Beschreiben Sie das Instrument der Markterkundung.
4. Beschreiben Sie das Instrument der Befragung.
5. Welche Auswahlverfahren gibt es in der Primärforschung für Stichproben?
6. Beschreiben Sie die Messung der Kundenzufriedenheit.
7. Wie werden Primärdaten ausgewertet?
8. Skizzieren Sie den Ablauf eines Marktforschungsprojektes.

Literaturtipps
Backhaus, K./ Erichson, B./ Plinke, W./Weiber, R.: Multivariate Analysemethoden, 8. Auf-
lage, Berlin 1996
Green, P./ Tull, D.: Methoden und Techniken der Marktforschung; 4. Auflage, Stuttgart
1982
Herrmann, A./Homburg, Chr.: Marktforschung, Wiesbaden 1999
Kastin K.: Marktforschung mit einfachen Mitteln, München 1995
Kotler, Ph./ Armstrong, G./Saunders, J./Wong, V.: Grundlagen des Marketing, 2. Auflage,
München u.a., 1999
Meffert, H.: Marketing, 9. Auflage, Wiesbaden 2000
Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H.: Marketing, 18. Auflage 1997
Porter, M.E.: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 3. Auflage,
Frankfurt/ Main, New York 1992
Weis, H. Chr.: Marketing, Kiehl 1999
Winkelmann, P.: Marketing und Vertrieb, München u.a. 1999
Underhill, P.: Warum Kaufen wir?; München 2000

29
Marktforschung

Notizen

30
Marketing-Lehrgang
Leistungspolitik
Autor: Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher
Überarbeitung: Ing. Mag. Helmut Weiß, MBA (2013)
Dr. Toni Monsberger (2018)
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Impressum:
Hersteller:
Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Steiermark
(WIFI Steiermark)
Für den Inhalt verantwortlich:
WIFI Steiermark
A-8021 Graz, Körblergasse 111-113
© 2018, alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ohne Zustimmung des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammer Steiermark ist
unzulässig.

Das gilt insbesondere für Fotokopien, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun-


gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Inhalt Seite

1 ENTSCHEIDUNGSBEREICHE ................................................................ 5

1.1 GRUNDSÄTZLICHE ÜBERLEGUNGEN....................................................... 5


1.2 PRODUKTBEGRIFF UND GÜTERTYPOLOGIE ........................................... 7
1.2.1 SACHGÜTER UND DIENSTLEISTUNGEN................................................... 8
1.2.2 GEBRAUCHSGÜTER UND VERBRAUCHSGÜTER ...................................... 9
1.2.3 CONVENIENCE-GOODS, SHOPPING-GOODS, SPECIALITY-GOODS....... 9
1.2.4 ROH-, HILFS- UND BETRIEBSSTOFFE, ANLAGEGÜTER,
INVESTIVE DIENSTLEISTUNGEN .............................................................. 10
1.3 PROGRAMMPOLITIK ............................................................................... 10
1.4 SORTIMENTSPOLITIK ............................................................................... 12
1.5 POSITIONIERUNG UND ZIELGRUPPEN .................................................. 12

2 INSTRUMENTE UND DEREN EINSATZ .............................................. 18

2.1 PRODUKTGESTALTUNG UND PRODUKTMODIFIKATION .................... 18


2.2 PRODUKTINNOVATION (-ENTWICKLUNG) UND
INNOVATIONSMANAGEMENT ............................................................... 20
2.2.1 KREATIVITÄTSTECHNIKEN....................................................................... 24
2.3 PRODUKTELIMINATION.......................................................................... 26
2.4 MARKENPOLITIK ...................................................................................... 27
2.5 VERPACKUNG ......................................................................................... 30
2.6 KUNDENDIENST-/ SERVICEPOLITIK......................................................... 31
2.7 GARANTIELEISTUNGSPOLITIK ................................................................ 32
2.8 PRODUKTHAFTUNG ............................................................................... 33

3 LERN- & WISSENSFRAGEN, LITERATURTIPPS ................................... 35

3
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Notizen

4
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

1 ENTSCHEIDUNGSBEREICHE

1.1 Grundsätzliche Überlegungen

Erfolgreiches Marketing ist mittel- und langfristig nur dann möglich, wenn eine systema-
tisch geplante Produktpolitik zugrunde liegt. Diese umfasst im weiteren Sinne folgende
Bereiche:

Produktpolitik im weiteren Sinn

Die Produktpolitik ist mit einem Fundament zu vergleichen, auf dem das Marketinghaus
errichtet wird. Gibt es hier große Material- oder Konzeptionsfehler, wird der Unterneh-
menserfolg stets auf einer höchst wackeligen Basis stehen. Hier kommt dem Marketing
eine – wenn nicht die – Schlüsselrolle zu, die Produktpolitik auf die Anforderungen des
Marktes ideal abzustimmen, d. h. das Marketing trägt die Ansprüche des Marktes in das
Unternehmen hinein – eine faszinierende, aber oft nicht leichte Aufgabe.

Die Leistungspolitik umfasst alle Entscheidungstatbestände, welche sich auf die marktge-
rechte Gestaltung des Leistungsprogrammes einer Unternehmung unter gleichzeitiger Be-
rücksichtigung von Unternehmenszielen beziehen.

Marketing darf allerdings nicht erst bei der Vermarktung der Produkte und Dienstleistun-
gen ansetzen. Vielmehr muss erfolgreiches Marketing bereits in den Forschungs- und Ent-

5
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

wicklungsprozess miteingebunden werden. Somit hat der Marketer eine richtungweisende


Aufgabe in der Ausgestaltung der Produktpolitik wahrzunehmen.

Im Marketing wird im Zusammenhang mit der Leistungspolitik auch oft vom sog. Pro-
duktmanagement gesprochen. Dabei geht es um:
• Entwicklung und Gestaltung von bedürfnisgerechten Erzeugnissen (u. a. Design) als
zentrales Anliegen des Produktmanagement
• Generierung von Absatz beziehungsweise Umsatz durch die Bedürfnisgerechtigkeit der
Produkte
• Erzielung von Gewinn durch die Entwicklung und Gestaltung von bedürfnisgerechten
Gütern unter Berücksichtigung der Kosten.

Kurzum: Es geht um die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller Maß-
nahmen, die auf eine erfolgreiche Konzipierung und Vermarktung des Leistungsprogram-
mes eines Unternehmens ausgerichtet sind. Das Produktmanagement ist gleichzeitig auch
Schnittstellenmanagement hin zu anderen Unternehmensfunktionen, wie die folgende
Abbildung zeigt.

6
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Abb. 56: Produktmanagement als Schnittstellenmanagement

1.2 Produktbegriff und Gütertypologie

Nach Philip Kotler ist ein Produkt alles, was einem Markt als Objekt der Aufmerksamkeit,
zum Erwerb oder zum Konsum angeboten werden kann; der Begriff umfasst konkrete Ge-
genstände, Dienstleistungen, Personen, Orte, Organisationen und Ideen.

In der folgenden Abbildung werden die einzelnen Bereiche einer Leistung (Produkt und
Serviceleistungen) dargestellt. Es wird dabei deutlich, dass Material, Verarbeitung bzw. die
Sachfunktionen nur einen Teil der Leistung darstellen.

7
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Abb. 57: Ebenen des Produktbegriffes

Grundsätzlich unterscheidet man folgende Typen von Gütern:


• Sachgüter und Dienstleistungen
• Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter
• Convenience- goods, Shopping- goods, Speciality- goods
• Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Anlagegüter, Investive Dienstleistungen

1.2.1 Sachgüter und Dienstleistungen

Produkte sind Sachgüter, die im Gegensatz zu Dienstleistungen immer materieller Natur


sind. Dienstleistungen wie beispielsweise Transporte oder Marktforschung sind immateri-
eller Natur und werden in engem Zusammenspiel zwischen dem Dienstleistungsgeber
und dem Dienstleistungsnehmer erbracht. Dienstleistungen sind - ähnlich wie die Zeit -
nicht lagerfähig.
In diesem Zusammenhang ist der Trend des Extra- Value- Proposition (EVP) von besonde-
rer Bedeutung. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, Produkte mit zusätzlichen
Dienstleistungen anzubieten. Zum einen entspricht dies den Kundenwünschen und zum
anderen ist damit eine direkte Preisvergleichbarkeit mit dem Mitbewerb schwer bis über-
haupt nicht möglich.

8
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

1.2.2 Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter

In dieser Typologie werden die Produkte nach der Art und Dauer des Konsumationspro-
zesses unterschieden.

Gebrauchsgüter sind beispielsweise Autos, Sportgeräte oder Kleidung. Diese materiellen


Produkte überdauern im Regelfall mehrere Verwendungseinsätze und fordern meist einen
intensiven Verkaufsaufwand und umfangreiche Garantieleistungen des Anbieters. Darüber
hinaus sind diese Produkte ihrer Natur nach eher erklärungsbedürftiger als Verbrauchsgü-
ter.

Verbrauchsgüter sind beispielsweise Getränke, Pflegemittel oder Genussmittel. Hier han-


delt es sich um kurzlebige Produkte, die im Regelfall im Laufe eines oder mehrerer Ver-
wendungseinsätze konsumiert werden. Diese Güter werden relativ rasch verbraucht und
werden gerne auch als Low-Interest-Produkte bezeichnet.

1.2.3 Convenience-Goods, Shopping-Goods, Speciality-Goods

Convenience-Goods sind Produkte des täglichen Bedarfs. Der Konsument erwirbt sie mit
minimalen Vergleichs- und Einkaufsaufwand. Convenience-Produkte sind Güter des Re-
gelkaufs, Güter des Spontankaufs und Güter des Dringlichkeitskaufes.

Shopping-Goods sind Güter des Such- und Vergleichskaufes, wie z. B. Kleider, Möbel
usw. Hier durchläuft der Kunde Such-, Vergleichs- und Auswahlprozesse, bevor er kauft.

Speciality-Goods sind Produkte wie Autos, wie aber auch z. B. Taucherausrüstungen, An-
tiquitäten u. a. m. Entweder steht ein hohes Investitionsvolumen im Vordergrund, oder es
sind tatsächlich spezielle Produkte, die primär von kleinen Zielgruppen oder Freaks nach-
gefragt werden.

9
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

1.2.4 Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Anlagegüter,


Investive Dienstleistungen

Rohstoffe fließen direkt in die Erzeugnisse und Produkte ein und bilden einen wesentli-
chen Bestandteil. Zum Beispiel Holz bei Möbeln, Erdöl bei Benzin, Fleisch bei der
Wurstwarenerzeugung u.a.m.
Hilfsstoffe werden ebenfalls unmittelbar Bestandteil der Produkte. Sie dienen z. B. der
Verbindung oder Sicherung der Erzeugnisse wie Leim, Nägel, Schrauben etc. Sie sind da-
her im Gegensatz zu den Rohstoffen keine wesentlichen Bestandteile.
Betriebsstoffe sind Stoffe, die den Fertigungsprozess ermöglichen, wie beispielsweise
Schmiermittel oder Reinigungsmittel. Betriebsstoffe fließen nicht in die Erzeugnisse ein.
Anlagegüter sind Güter, die nicht in das Endprodukt eingehen, jedoch die Grundlage für
ihre Fertigung darstellen. Ihre Anschaffungskosten werden in der Regel bilanziell aktiviert
und gehen nur indirekt über die Verrechnung von Abschreibungen und über Finanzie-
rungskosten bzw. Mietkosten in die Gesamtkosten des Endproduktes ein.

Investive Dienstleistungen, dazu gehören Wartungs- und Reparaturdienste, aber auch Be-
triebsberatungsdienste.

1.3 Programmpolitik

Bei der Programmpolitik geht es im Wesentlichen um:


• Umfang und Struktur der Angebotspalette
• Veränderung der Angebotspalette
• Diversifikation der Unternehmensleistung
• Bündelung von Gütern und Diensten

10
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Das Produktionsprogramm kann nach Produktlinien und nach Programmbreite und -tiefe
strukturiert werden
• Die Programmbreite gibt Auskunft darüber, wie viele Produktlinien im Produktpro-
gramm enthalten sind. Eine Produktlinie (Produktgruppe) ist dabei eine Gruppe von
Produkten, die aufgrund bestimmter Kriterien (z. B. Bedarfszusammenhang, Produkti-
onszusammenhang) in enger Beziehung zueinander stehen, z. B. Kosmetikartikel,
Waschmittel.
• Die Programmtiefe gibt Auskunft über die Anzahl der verschiedenen Ausführungen
innerhalb der Produktlinie.

Produktlinie A Produktlinie B Produktlinie C Produktlinie D


A1 B1 C1 D1
A2 B2 D2
A3 D3
A4 D4

Abb. 58: Breite und Tiefe des Sortiments

11
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

1.4 Sortimentspolitik

Was für einen Hersteller die Programmpolitik ist, ist für den Handel die Sortimentspolitik.
Hier wird unterschieden zwischen
• Warengruppen
• Artikel
• Sorten

Auch hier können die einzelnen Warengruppen nach ihrer Breite und Tiefe unterschied-
lich definiert werden. Bei der Platzierung der Ware ist insbesondere auf die Warengrup-
pennachbarschaft zu achten.

Arten der Sortimentszusammenstellung:


• Material- bzw. Herkunftsorientierung: z. B. Eisenwarengeschäft
• Preisorientierung: z. B. Diskonter
• Kunden-Bedarfsorientierung: Es werden Produkte zusammengefasst, die die Konsu-
menten zusammen verwenden z. B. Baumärkte.
• Orientierung an der Selbstverkäuflichkeit der Ware (bestimmt auch den Distributi-
onsweg)
o problemlose Ware = Selbstbedienung, Automaten, Versandhäuser, Internet
o problemvolle Ware = Bedienung, individuelle Beratung, z. B. im Fachhandel

1.5 Positionierung und Zielgruppen

Unternehmer und Manager erkennen, dass die Produkte zunehmend ähnlicher werden
und damit die Gefahr der Austauschbarkeit enorm steigt. Die Differenzierbarkeit eines
Produktes von der funktionalen Seite wird immer geringer, demnach bleibt als Chancen-
potenzial nur mehr die psychologische Differenzierung/ Positionierung.

12
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Wird nun ein neues Produkt bzw. Produktprogramm am Markt eingeführt oder ein beste-
hendes Produkt weiterentwickelt, gilt es in Abstimmung mit der Positionierung des Ge-
samtunternehmens (vgl. Kapitel 4.9) zu entscheiden, welche unverwechselbare, eindeuti-
ge Positionierung bei ihrer Zielgruppe angestrebt werden soll. Ein neues Produkt soll bei
der Einführung zu einer eindeutigen Produktpersönlichkeit werden, wobei unter dem
Strich die Beurteilung seitens der Zielgruppe zählt und nicht die des Unternehmens.

Komplex wird die Positionierung dadurch, dass die Zielgruppe mehrheitlich das Pro-
dukt/Unternehmen vom subjektiven Gefühl heraus einordnet, und kühle rationale Beurtei-
lungsmuster deutlich im Hintergrund bleiben (siehe Kaufverhalten Kapitel 2.5).

Dies setzt jedoch voraus, dass die Grundmechanik der Nutzentheorie verstanden wird, die
anzusprechende Zielgruppe ziemlich genau bekannt ist, sowie das Positionierungsprofil
abgestimmt mit den eigenen Unternehmenszielen klar festgelegt und umgesetzt wird.
Im Marketing unterscheiden wir:
• Grundnutzen
• Zusatznutzen
• Psychologischer Zusatznutzen

Die Chancen für das Unternehmen, sich eindeutig zu profilieren und Stellung zu bezie-
hen, sprich sich zu positionieren, läuft hauptsächlich über den psychologischen Zusatz-
nutzen (nimmt seit ca. 1970/80 den Hauptbereich der Bewerbung ein). Wichtig ist hier ein
Profil anzustreben, das die Zielgruppe dem Produkt/Unternehmen auch zutraut, erwartet
und das glaubwürdig wirkt.

13
Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik)

Produktgattung Grundnutzen Zusatznutzen Psychol. Zusatznutzen


MP3-Player tragbar Musik SuperSound ähn- das Gefühl, den Mercedes un-
hören lich wie Hifi ter den tragbaren zu haben,
frei sein, innovativ sein
Müsli Riegel essen gesünder ernäh- Bewusst leben, "Ich bin Ich"
ren
Cola-Getränk Durst löschen schmackhaft jung zu sein und zur neuen
Generation zu gehören
Auto fahren Sportlich Ieger Gefühl, elegant und innovativ
zu sein, zur Elite zu gehören
Kosmetika Feuchtigkeit für Straffere Haut Hoffnung auf Schönheit, Ju-
die Haut gendlichkeit, Anerkennung

Strategische Erfolgspotenziale und Unique Selling Proposition


Bezugnehmend auf die Nutzentheorie sind zwei weitere Bereiche des Marketing von be-
sonderer Bedeutung:
1. Das strategische ErfoIgspotenzial (SEP) und die
2. Unique Selling Proposition (USP), also das einzigartige Verkaufsversprechen.
Mit beiden Kriterien kann eine Unterscheidung des eigenen Unternehmens/ Produktes
gegenüber den Mitbewerbern auf der Ebene der Leistungen/ Nutzen vorgenommen
werden.

Unter strategischen Erfolgspotenzialen (SEP) versteht man langfristige Wettbewerbsvortei-


le, die sich z. B. aus Nutzenmerkmalen ergeben können. Ein SEP liegt nur dann vor, wenn
dieser Vorteil tatsächlich auf längere Zeit beibehalten werden kann. Ein Beispiel dafür wä-
re die jahrhundertealte Tradition eines Brauhauses oder der Standort eines Restaurants
mitten im Zentrum der Stadt. Ein Unternehmen hat gewöhnlich nur sehr wenige wirk