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Sólstafir – "Endless Twilight Of Codependent Love"

Trotz der bescheidenen Einwohnerzahl von nur knapp über 350.000 bringt Island immer
wieder erstaunliche Künstler hervor. Zum Vergleich: das ist in etwa so groß wie Wuppertal.
Trotzdem machte der hohe Norden mit Björk, Sigur Rós oder Of Monsters and Men immer
wieder mit hochkarätigen und international erfolgreichen Acts von sich reden. Bei keinen
dieser Musiker kommt die unterkühlte Erhabenheit der Vulkaninsel aber in einer so
vollendeten Ästhetik durch wie bei den Post-Metal-Größen Sólstafir. Das Quartett spricht mit
seiner sphärischen, organischen Interpretation von Sludge auch auf dem siebten Album eine
ganz eigene, Sprache: "Endless Twilight Of Codependent Love" ist eine Naturgewalt. Es
beginnt mit dem auf einer zweistimmigen Melodie aufbauenden Zehnminüter "Akkeri",
stürmt weiter in das fulminante Ende von "Drýsill" und seine Klanggewalt der Extreme.
Klavierparts wie auf "Rökkur" fügen sich ganz wie von selbst in die archaischen
Arrangements der Isländer ein, dazu kommt die wunderbar lebendige, atmende Produktion.
Neben dem englischsprachigen, tragischen "Her Fall From Grace" werden wenigsten
hierzulande auch nur ein Wort der faszinierenden Sprache Sólstafirs verstehen, ist das
restliche Album komplett auf isländisch gehalten. Gnädigerweise haben sie uns mit dem
kryptischen Albumtitel wenigstens ein kleines Gespür dafür gegeben, welche existenziellen
Themen ihr Werk neben der eindrucksvollen Musik auch behandelt.

Décembre Noir – "The Renaissance Of Hope"


Der Metal ist stark im Osten. Neben den Industrial-Lichtgestalten Rammstein konnten die
Thüringer Heaven Shall Burn Anfang des Jahres sogar auf die Spitze der Charts steigen – und
Décembre Noir sind auch mit ihrem vierten Album ein erneuter Beweis für den hochkarätigen
Death Metal der neuen Bundesländer. Mit dem verzweifelt optimistischen Titel "The
Renaissance Of Hope" haben die Erfurter ein hochemotionales Werk voll brachialer Härte
und nachdenklicher Resignation erschaffen. Während "Streets Of Transience" bei klassischem
Melodic Death Metal mit eindrücklichen Screams und mächtiger Produktion bleibt,
verwischen die Grenzen zu atmosphärischem Doom und Sludge beim melancholischen
"Ritual And Failure", inklusive einer an Woodkid erinnernder Spoken-Word-Einlage. Den
überlebensgroßen Gitarren-Arrangements tut das keinen Abbruch: Décembre Noir sind heavy,
aber nicht überfordernd. Kompositorisch ausgefeilt, aber nicht verkopft. Emotional und
tragisch, aber nie kitischig. Ihren Hang zur Epik baut das Quintett besonders auf dem
abschließenden "Behind The Scenes" weiter aus, das mit ausschweifendem Prog-Intro und
Akustik-Ostinato in einen der mächtigsten Growls von Sänger Lars Dotzauer übergeht und
die Stimmung von "The Renaissance Of Hope" auf den Punkt bringt: "I want to show you my
world of rain".

Deafheaven – "10 Years Gone"


Eigentlich wollten die Szenelieblinge des Blackgaze ihr zehnjähriges Bandjubiläum mit einer
ausgedehnten USA-Tour samt drei anderen befreundeten Bands feiern. Aus gegebenem
Anlass mussten die Konzerte jedoch abgesagt werden – und anstatt Trübsal zu blasen,
entschloss sich das Quintett kurzerhand, ein eigenes Live-Album mit dem Set aufzunehmen,
das sie auch bei ihrer Tour gespielt hätten. "10 Years Gone" ist eine Reise durch die
musikalische Geschichte einer Band , die es wie keine vor ihr verstanden hatte, die
Geschwindigkeit des Black Metals als Trance zu begreifen und mit Shoegaze und Post-Rock-
Flächen zu unterlegen. Während kein Song von Grund auf neu arrangiert wurde, sind die 8
Tracks jedoch allesamt gelungene Neuinterpretationen ihrer Studioalben. "Daedalus" etwa
wirkt im Vergleich zu seinem Original von 2013 um einiges lebendiger und kraftvoller, die
Blastbeats und ekstatischen Gitarrenflächen dafür ebenso überwältigend produziert. Das
elfminütige "Glint" bricht mit Hardrock-Solo und Dur-Kadenzen etwas aus, wirkt mit der
unbändigen Spielfreude der Kalifornier und den markerschütternden Screams von George
Clarke aber mindestens genauso mitreißend. "10 Years Gone" ist ein Live-Album der anderen
Art: Ohne die Publikums-Atmosphäre eines Konzerts geben Deafheaven so trotzdem eine
mächtig gestaltete Live-Show für zuhause.

Within The Ruins – "Black Heart"


Wann immer ein neues Jahrzehnt anbricht, stellt sich auch die Frage nach der Aktualität von
in die Jahre gekommenen Genres. Hat technischer Metal wirklich noch etwas zu sagen?
Within The Ruins denken darüber erst gar nicht nach und werfen die Szene mit perfekt
durchgetakteten und -produziertem Deathcore. Fand man in den vergangenen Jahren an den
hochkomprimierten und teils maschinell anmutenden Riffs und Breakdowns von Suicide
Silence & Co. gefallen, ist "Black Heart" ein wahres Genre-Manifest

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