Zwangsmäßigen machen; eine Kranke gab mir an, sie müsse immer
mit Armen und Kopf eigentümliche Bewegungen ausführen und be-
stimmte Worte sagen: "Laissez moi-laissez-moi travailler"; eine
andere erklärte, sie müsse immer mit der Faust an die Wand schlagen,
eine dritte, sie sei "auf Kommando" aus dem Bette gegangen.
Eine gewisse Vorstellung von dem manischen Treiben mögen
zunächst die Bilder 212 und 213 gewähren. Das erste zeigt eine
Kranke, die sich das Haar zum Scherz in eine Menge von kleinen
Allgemeine Krankheitszeichen. 1213
Zöpfchen geflochten hat; das zweite stellt eine Kranke dar, die sich
aus zerrissenen Kleidern, Tüchern und Wolldecken eine malerische
Tracht zusammengestellt hat und auf einem Pappdeckel eine An-
hält der Kranke bei, weil er nicht die Möglichkeit findet, sich besser
zurechtzulegen; Gegenstände, die man ihm der Reihe nach in die
Hand gibt, sucht er krampfhaft alle festzuhalten, da er unfähig ist,
sich ihrer wieder zu entledigen.
Sehr deutlich tritt die schwere Behinderung schon ganz einfacher
Willenshandlungen in der beigefügten Kurve Fig. 216 einer Reaktions-
bewegung hervor, die Isserlin von einer deprimierten Kranken ge-
wonnen hat. Sie ist unmittelbar den früher mitgeteilten Kurven
von Gesunden und Katatonikern zu vergleichen und zeigt ohne
weiteres die überaus langsame Beugung und Streckung des Fingers
wie die geringe Ausgiebigkeit der Bewegung.
Die Willenshemmung pflegt von den Kranken überaus peinlich
empfunden zu werden. Das Gefühl der "Insuffizienz", der Unfähig-
keit, stellt sich vielfach schon ein, wo die äußere Beobachtung von
Fig. 217.
Schriftdruckkurven beim manisch-depressiven Irresein.
1226 XI. Das manisch-depressive Irresein.
tend gestiegen, eine Erscheinung, die sich auch bei Gesunden überall
findet, nur in ungleich schwächerer Ausprägung. Da sie uns die
wachsende Erleichterung der Leistung während der Arbeit anzeigt,
darf sie als Ausdruck der gesteigerten psychomotorischen Erregbar-
keit angesehen werden. Die im Laufe des Schreibens rasch zuneh-
mende Ausgiebigkeit der Nachschwingungen deutet auf die größere
Plötzlichkeit der Druckschwankungen bei den heftigen Schreib-
bewegungen hin.
Ein vollkommen anderes Bild bietet die Fig. B dar, die von
einer Kranken im Depressionszustande gewonnen wurde. Die
Schriftzüge sind auffallend klein; trotzdem nahmen sie erheblich
längere Zeit in Anspruch, als Fig. A, waren also stark verlangsamt.
Zugleich ist der Druck außerordentlich niedrig; er beträgt noch
nicht 50 g und zeigt sehr wenig ausgeprägte Schwankungen. Nach-
Schwingungen fehlen; der Schreibdruck hörte also nicht plötzlich,
sondern ganz allmählich auf. Auch hier ist übrigens eine geringe
Zunahme der Geschwindigkeit bei der zweite 1 nachzuweisen.
Zwischen ihr und der folgenden o liegt eine unverhältnismäßig lange
Pause. Fanden wir demnach bei der manischen Kranken heftige,
sehr beschleunigte Bewegungen mit rascher, erheblicher Zunahme
der Erregbarkeit so begegnet uns hier zögerndes Ein- und Aus-
schleichen, geringer Nachdruck und bedeutende Verlangsamung
des Schreibens, Zeichen, die in klarer Weise auf das Bestehen einer
psychomotorischen Hemmung hindeuten.
Allein die beiden, hier auseinandergehaltenen Zustände des
Werkzeuges unseres Willens sind schwerlich solche Gegensätze,
wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wir sehen sie wenigstens
im Verlaufe der Krankheit häufig genug unvermittelt ineinander
übergehen. Hemmung und Erleichterung der Willensantriebe
können demnach nur nahe verwandte Erscheinungsformen einer
gemeinsamen Grundstörung sein. Noch deutlicher wird das, wenn
wir sehen, daß sich die Zeichen der beiden krankhaften Veränderun-
gen gar nicht selten m i t e i n a n d e r mischen. Die besonderen kli-
nischen Gestaltungen dieser Mischung werden wir späterhin genauer
ins Auge zu fassen haben. Hier möchte ich nur auf die Fig. D der
Kurventafel hinweisen. Sie wurde von der gleichen Kranken ge-
schrieben wie Fig. C; nur befand sich jene damals in einem Zu-
stande, in dem während einer schweren Manie einige Tage lang der
Allgemeine Krankheitszeichen. 1227