Sie sind auf Seite 1von 8

Fachprüfung Verfassungsrecht und Allgemeine Staatslehre – 5.

Oktober 2018
Lösungsskizze
Fallgestalter: Univ.-Prof. Dr. Karl Stöger, MJur

Frage 1: Welches Rechtsmittel soll der Anwalt an welche Stelle richten? Welche Argumente soll er
gegen die verhängte Strafe vorbringen (die unionsrechtliche Rechtsgrundlage der Bestrafung als
solche ist hier nicht zu prüfen, sondern nur ihre Anwendung durch die österreichische
Datenschutzbehörde)? Wie wird die Stelle entscheiden?

Der Vereinsobmann erhob im Namen des Vereins gegen den Strafbescheid Bescheidbeschwerde an
das Bundesverwaltungsgericht, dieses Rechtsmittel stand innerhalb einer Frist von vier Wochen ab
Zustellung des Bescheides (§ 7 Abs 4 VwGVG) offen. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 27 DSG
sind Beschwerden gegen Bescheide der Datenschutzbehörde1 an das Bundesverwaltungsgericht zu
richten.

Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Verein die Möglichkeit
Erkenntnisbeschwerde gemäß Art 144 B-VG an den VfGH zu erheben, da dieser die Verletzung
verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wahrzunehmen hat. Solche Rechtsverletzungen
dürften hier vorliegen.

Alternativ wäre auch eine Revision an den VwGH gemäß Art 133 Abs 1 B-VG iVm Art 133 Abs 4 B-VG
möglich, wenn es sich nur um eine Verletzung einfachgesetzlicher Rechte handeln würde, dies ist
aber wenig ratsam, da auch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt wurden.

I. Zulässigkeit

Beschwerdeführer
Der Verein „Gaaler Norikerklub“ ist eine inländische juristische Person und kann daher
Beschwerdeführer sein (vgl § 17 VwGVG iVm §§ 9 AVG, §§ 1 ff ZPO). Er ist partei-, aber nicht
prozessfähig und muss sich daher durch eine natürliche Person – wie den Vereinsobmann –
organschaftlich vertreten lassen. Außerdem ist gemäß § 17 Abs 2 VfGG die (Erkenntnis)Beschwerde
von einem Anwalt einzubringen (Anwaltspflicht).

Beschwerdegegenstand
Tauglicher Beschwerdegegenstand ist gemäß Art 144 B-VG das Erkenntnis des
Bundesverwaltungsgerichts.

Beschwerdelegitimation
Der Verein ist beschwerdelegitimiert, wenn er behaupten kann, durch das Erkenntnis des
Bundesverwaltungsgerichts in seinen verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten oder wegen
Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein.

1
einzubringen bei der belangten Behörde.
1
Einschlägig ist hier die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht. In Frage
kommen das Eigentumsgrundrecht gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK und der
Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 7 B-VG und Art 2 StGG wegen objektiver Willkür. In beiden Fällen
handelt es sich um Grundrechte, „die ihrem Wesen nach“ auch juristischen Personen zustehen.

Frist, Form und Inhalt


Die Beschwerde ist gemäß § 82 Abs 1 VfGG innerhalb einer Frist von sechs Wochen, gerechnet ab
Zustellung des Erkenntnisses, beim VfGH einzubringen.
Der Inhalt der Beschwerde und die einschlägigen Formvorschriften richten sich nach § 15 VfGG iVm §
82 Abs 4 und 5 VfGG (etwa Schriftlichkeit, Bezeichnung des angefochtenen Erkenntnisses und des
erlassenden Verwaltungsgerichts, Gründe, auf die sich die behauptete Rechtsverletzung stützt, ein
Begehren und Angaben, die für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde erforderlich sind).

Zwischenergebnis: Die Erhebung einer Erkenntnisbeschwerde ist unter Einhaltung der Frist- und
Formerfordernisse zulässig.

II. Begründetheit

Die Erkenntnisbeschwerde ist begründet, wenn der Verein durch das Erkenntnis des
Bundesverwaltungsgerichts in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

a) Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK)

Unter Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn versteht man alle vermögenswerte Privatrechte.


Davon umfasst sind das Eigentum an körperlichen Sachen, Immaterialgüterrechte, Ansprüche aus
obligatorischen Dauerschuldverhältnissen und das Recht, privatrechtliche Verträge abzuschließen,
sowie gewisse öffentlich-rechtliche Ansprüche. Traditionell wird in der Judikatur zwischen
Enteignung und Eigentumsbeschränkungen unterschieden. Eigentumsbeschränkungen oder auch
sonstige Eigentumseingriffe belasten das Eigentum oder regeln dessen Nutzung. Geldstrafen fallen
als Vermögensbelastung jedenfalls unter den Begriff der Eigentumsbeschränkung.

Grundrechtsträger sind natürliche und juristische Personen, Staatsbürger und Fremde, somit auch
der österreichische Verein „Gaaler Norikerklub“, da die Geldstrafe die finanziellen Mittel des Vereins
belastet.

Für Akte der Vollziehung, die in das Eigentum eingreifen (also entziehen oder einschränken), gilt die
traditionelle Grundrechtsformel. Sie verletzen das Eigentumsrecht, wenn sie gesetzlos (ohne jede
Rechtsgrundlage) ergehen, ein Gesetz denkunmöglich anwenden oder sich auf ein
verfassungswidriges Gesetz stützen. Der erste und der dritte Fall sind hier auszuscheiden, es liegt
aber eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vor.
Konkret handelt es sich um einen Unterfall der denkunmöglichen Gesetzesanwendung, die Behörde
bzw das Verwaltungsgericht unterstellt dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt.2

2
Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016) Rz 730.
2
Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung liegt nicht nur bei einem Verstoß gegen nationales Recht,
sondern auch bei einem Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht,3 im vorliegenden Fall
also die Strafzumessungsregeln des Art 83 DSGVO vor.

Eine Strafe, die zum wirtschaftlichen Untergang des Vereins führt, ist im Verhältnis zur begangenen
Tat unverhältnismäßig. Das zeigt auch ein Blick in den Katalog des Art 83 Abs 2 DSGVO. Die
Verordnung besagt ausdrücklich, dass die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Die Höhe
der Strafe soll sich etwa nach Art, Schwere und Dauer des Verstoßes richten, auch der entstandene
Schaden soll in die Entscheidung miteinbezogen werden (Art 83 Abs 2 lit a DSGVO, vgl auch
Erwägungsgrund 148). Eine solche Berücksichtigung hat hier offenkundig nicht stattgefunden,
weshalb die Strafe unverhältnismäßig hoch ausfällt.

Die DSGVO kennt neben der absoluten Höchstgrenze von 20 Mio Euro auch eine umsatzabhängige
Strafe in Höhe von 4 % des Umsatzes (Art 83 Abs 5 DSGVO), auch das kann ein gewisses Indiz für die
Angemessenheit einer Strafe sein; bei dem vom Verein erzielten Umsatz (27.000 Euro) ist daher eine
Strafe in Höhe von 2 Mio Euro auch aus diesem Grunde unverhältnismäßig, 4 % des Umsatzes wären
hier rund 1.000 Euro.

b) Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG, Art 7 B-VG)

Der Gleichheitsgrundsatz gilt sowohl nach Art 2 StGG als auch nach Art 7 B-VG nur für österreichische
Staatsbürger sowie Unionsbürger, soweit Unionsrecht anzuwenden ist (Art 18 AEUV).4 Das
Gleichheitsrecht ist aber auch für juristische Personen (mit Sitz im Inland bzw in der Union)
garantiert, sofern der Schutz vor Verletzungen des Gleichheitsgrundatzes solche Merkmale betrifft,
die auch für juristische Personen in Betracht kommen können.5 Im vorliegenden Fall ist davon
auszugehen.

Nach der Grundrechtsformel des VfGH verletzt ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts den
Gleichheitsgrundsatz, wenn es sich auf ein gleichheitswidriges Gesetz stützt, wenn das
Verwaltungsgericht dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder
wenn das Verwaltungsgericht Willkür übt.6

Dieses Willkürverbot macht den Kern des Gleichheitsgrundsatzes in Bezug auf die Vollziehung aus.7
Gleichheitswidrige Willkür liegt nicht nur vor, wenn eine Person aus unsachlichen Motiven mit
Absicht oder Leichtfertigkeit benachteiligt wird (subjektive Willkür), sondern auch bei einem
qualifizierten Verstoß gegen die angewendeten Rechtsvorschriften, einschließlich der
Verfahrensvorschriften (objektive Willkür).8

Hier scheint objektive Willkür zutreffend zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat die
Strafzumessungsregeln des Art 83 DSGVO denkunmöglich angewendet bzw gleichheitswidrig
ausgelegt. Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung ist jedenfalls auch ein Indiz für Willkür.9

3
Berka, Verfassungsrecht6 (2016) Rz 353.
4
Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts11 (2015) Rz 1355.
5
Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 Rz 755.
6
Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz 1370.
7
Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 Rz 791.
8
Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz 1370 f.
9
Berka, Verfassungsrecht6 Rz 1700.
3
Im Weiteren kann auf die Ausführungen zur Eigentumsfreiheit verwiesen werden. Die Strafe ist im
Verhältnis zur begangenen Tat unverhältnismäßig. Zudem wurde die Möglichkeit einer
umsatzabhängigen Strafe vom Bundesverwaltungsgericht nicht in Betracht gezogen, auch aus diesem
Grund ist die Strafe in Höhe von 2 Mio Euro unverhältnismäßig. Wiederum handelt es sich um eine
denkunmögliche bzw willkürliche Gesetzesanwendung im Zusammenhang mit unmittelbar
anwendbarem Unionsrecht.

III. Ergebnis:

Die Erkenntnisbeschwerde ist zulässig und begründet. Da das Bundesverwaltungsgericht die


Grundrechtsverletzungen des Strafbescheides nicht aufgegriffen hat, hat sein Erkenntnis die
entsprechenden Grundrechtsverletzungen „fortgeschrieben“.

Als Ergebnis folgt daher, dass der VfGH das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts
wegen Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums und des Gleichheitsgrundsatzes
aufzuheben hat.

Das stattgebende Erkenntnis des VfGH hat kassatorische Wirkung. Das bekämpfte Erkenntnis des
Bundesverwaltungsgerichts gilt damit als nicht erlassen. Damit ist erneut Beschwerde gegen den
Strafbescheid beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, welche das Bundesverwaltungsgericht
unter Bindung an die Rechtsanschauung des VfGH neuerlich zu entscheiden hat (§ 87 Abs 2 VfGG).

Frage 2: Was soll der Anwalt bei welcher Behörde gegen die Auflösung unternehmen? Was kann er
dort vorbringen? Sollte er dabei keinen Erfolg haben, steht ihm noch ein weiteres Rechtsmittel zur
Verfügung?

Vereinsbehörde ist gemäß § 9 VereinsG die Bezirksverwaltungsbehörde (da für die Gemeinde Gaal
die Landespolizeidirektion nicht Sicherheitsbehörde erster Instanz ist), konkret die BH Murtal. Über
Beschwerden gegen Bescheide der Vereinsbehörde entscheidet das Landesverwaltungsgericht (§ 9
Abs 2 VereinsG). Auch hier kann der Anwalt somit zuerst eine Bescheidbeschwerde gemäß Art 130
Abs 1 Z 1 B-VG erheben, allerdings an das Landesverwaltungsgericht (Steiermark). Die örtliche
Zuständigkeit richtet sich nach dem in den Statuten angegebenen Vereinssitz, da der Verein seinen
Sitz in einer steirischen Gemeinde hat, ist das Landesverwaltungsgericht Steiermark zuständig.

I. Zulässigkeit

Beschwerdeführer
Zur Partei- und Prozessfähigkeit des Vereins „Gaaler Norikerklub“ siehe bereits bei Frage 1.

Beschwerdegegenstand
Tauglicher Beschwerdegegenstand ist der Auflösungsbescheid der Vereinsbehörde (Art 130 Abs 1 Z 1
iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG).

Beschwerdelegitimation
Der Verein ist beschwerdelegitimiert, da er behaupten kann, durch den Bescheid in einem
subjektiven Recht verletzt worden zu sein (Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG), die behauptete Rechtsverletzung
kann sowohl einfachgesetzliche als auch verfassungsgesetzliche Rechte (insbesondere Grundrechte)

4
betreffen. Da der Verein aufgelöst werden soll, ist primär die Verletzung der Vereinsfreiheit (Art 12
StGG, Art 11 EMRK) zu behaupten. In Betracht käme außerdem eine Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes (Art 2 StGG, Art 7 B-VG).

Frist, Form und Inhalt


Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG innerhalb von vier Wochen zu erheben,
gerechnet von dem Tag an dem der Bescheid dem Beschwerdeführer mündlich verkündet oder
zugestellt wurde. Die Beschwerde ist schriftlich bei der belangten Behörde einzubringen (§§ 12, 20
VwGVG). Gemäß § 9 Abs 2 Z 1 VwGVG ist die belangte Behörde jene Behörde, die den angefochtenen
Bescheid erlassen hat.

(Diese kann gemäß § 14 Abs 1 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung treffen und den
angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufheben, abändern oder die Beschwerde
zurückweisen oder abweisen. Ferner hat sie die Möglichkeit von einer Beschwerdevorentscheidung
abzusehen und gemäß § 14 Abs 2 VwGVG die Beschwerde unter Anschluss der Akten des
Verwaltungsverfahrens dem Landesverwaltungsgericht vorzulegen.)

Der Beschwerdeinhalt ergibt sich aus § 9 VwGVG, wie etwa die Bezeichnung des angefochtenen
Bescheides, die Bezeichnung der belangten Behörde, Gründe, auf die sich die behauptete
Rechtsverletzung stützt, ein Begehren und Angaben, die für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der
Beschwerde erforderlich sind.

Zwischenergebnis: Bei Einhaltung der Frist- und Formerfordernisse ist die Bescheidbeschwerde
zulässig.

II. Begründetheit

Die Beschwerde ist begründet, wenn der Bescheid rechtswidrig ergangen ist und den Verein in seinen
Rechten verletzt.

a) Vereinsfreiheit (Art 12 StGG, Art 11 EMRK)

Die Ausübung der Vereinstätigkeit umfasst die Freiheit der Vereinsbildung, die Freiheit der
Vereinstätigkeit und das Recht auf den Bestand des Vereins.10
Grundrechtsträger waren nach Art 12 StGG nur Staatsbürger, durch die EMRK wurde die
Vereinsfreiheit zu einem Jedermannsrecht, somit können sich alle natürlichen und juristischen
Personen, einschließlich der Vereine selbst, auf die Vereinsfreiheit berufen.11
Die Auflösung des Vereins durch den Bescheid der Vereinsbehörde stellt ohne Zweifel einen Eingriff
in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Vereinsfreiheit dar.

Art 12 StGG steht unter einem Ausgestaltungsvorbehalt, daran anknüpfend hat die Rechtsprechung
lange Zeit die Auffassung vertreten, dass jede Verletzung dieser Ausgestaltung, also des VereinsG,
einen Eingriff in das Grundrecht darstellt. Seit 2014 hat sich ein Judikaturwandel vollzogen, weil sich
der VfGH bei Beschwerden nach Art 144 B-VG nur mehr auf Art 11 EMRK bezieht und die
Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte anhand der nachfolgenden Grundrechtformel prüft:12 Ein
Bescheid verletzt die Vereinsfreiheit, wenn er gesetzlos ergeht, auf einer denkunmöglichen

10
Berka, Verfassungsrecht6 Rz 1520.
11
Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz 1466, 1468.
12
Berka, Verfassungsrecht6 Rz 1527.
5
Gesetzesanwendung oder aber auf einer dem Art 11 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift
beruht. Der erste und der dritte Fall sind hier wiederum auszuscheiden, es liegt aber erneut eine
denkunmögliche Gesetzesanwendung vor.

Eine Auflösung eines Vereins nach § 29 VereinsG wegen Verstoßes gegen Strafgesetze, wobei
darunter auch Verwaltungsstrafvorschriften verstanden werden,13 erfordert ein Vorliegen eines der
in Art 11 Abs 2 EMRK genannten Gründe (nationale und öffentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der
Ordnung und der Verbrechensverhütung, Schutz der Gesundheit und der Moral oder des Schutz der
Rechte und Freiheiten anderer), dh der Verstoß muss entsprechend schwerwiegend sein. Ein
einmaliger Verstoß gegen die DSGVO im vorliegenden Ausmaß wird hier gewiss noch nicht
ausreichen. Die Anordnung der Auflösung beruht somit auf einer denkunmöglichen
Gesetzesanwendung, was sich auch aus dem Hinweis auf den Widerspruch zur üblichen Praxis ergibt.

Der Auflösungsbescheid verletzt somit den Verein in seinem Recht auf Vereinsfreiheit.

b) Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG, Art 7 B-VG)

Zu juristischen Personen als Grundrechtsträger kann hier auf Frage 1 verwiesen werden. Der
Gleichheitsgrundsatz gilt auch für juristische Personen (mit Sitz im Inland bzw in der Union), sofern
der Schutz vor Verletzungen des Gleichheitsgrundatzes solche Merkmale betrifft, die auch für
juristische Personen in Betracht kommen können. Auch hier ist davon ohne Zweifel auszugehen.

Wiederum ist die Grundrechtsformel des VfGH heranzuziehen, demnach verletzt ein Bescheid einer
Verwaltungsbehörde den Gleichheitsgrundsatz, wenn es sich auf ein gleichheitswidriges Gesetz
stützt, wenn die Verwaltungsbehörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt
unterstellt oder wenn die Verwaltungsbehörde Willkür übt.
Bei gleichheitswidriger Willkür unterscheidet man – wie oben bereits angeführt – objektive und
subjektive Willkür. Subjektive Willkür liegt vor, wenn eine Behörde absichtlich (etwa aus
persönlichen Motiven) Unrecht zufügt. Objektive Willkür meint einen qualifizierten Verstoß gegen
die angewendeten Rechtsvorschriften.

In diesem Fall liegt subjektive Willkür vor, da der Referent in der Absicht handelt, den
Pferdefreunden zu schaden. Somit ist auch der Gleichheitsgrundsatz verletzt.

III. Ergebnis

Die Beschwerde wird somit erfolgreich sein und der Auflösungsbescheid vom zuständigen
Verwaltungsgericht aufgehoben werden. Sollte das zuständige Verwaltungsgericht wider Erwarten
gegen den Verein entscheiden, wäre eine Erkenntnisbeschwerde nach Art 144 B-VG wegen
Verletzung der Vereinsfreiheit an den VfGH zu erheben, da es sich hier um eine Verletzung
verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte handelt. Der VfGH müsste das Erkenntnis wegen
Verletzung des Rechts auf Vereinsfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes aufheben.

13
VfSlg 19.078/2010.
6
Frage 3: Prüfen Sie bitte (nur), ob der Beschluss der Bundesregierung gültig zu Stande gekommen
ist und dabei auch die Vertretung des Bundespräsidenten.

Die Enthebung der Leiterin der Datenschutzbehörde ist gemäß § 20 Abs 4 DSG auf Vorschlag der
Bundesregierung durch den Bundespräsidenten vorzunehmen. Vgl dazu auch Art 67 B-VG, der
bestimmt, dass alle Akte des Bundespräsidenten, soweit die Verfassung nicht anderes bestimmt, auf
Vorschlag der Bundesregierung erfolgen. Zur Abberufung der Leiterin der Datenschutzbehörde
bedarf es somit einen Beschluss der Bundesregierung und einer Entscheidung des
Bundespräsidenten in Form eines Bescheids.14

Die Vertretung eines zeitweilig verhinderten Bundesministers ist verfassungsrechtlich geregelt.


Gemäß Art 73 Abs 1 B-VG gilt ein Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union
nicht als Verhinderung. In einem solchen Fall besteht freilich nach Art 73 Abs 3 B-VG die Möglichkeit
der Übertragung der Stimme an einen anderen Bundesminister, nicht jedoch die Möglichkeit der
Übertragung an einen leitenden Beamten, die nur Art 73 Abs 1 B-VG vorsieht. Das bedeutet im
vorliegenden Fall, dass die Stimmrechtsübertragung unwirksam (nichtig) war, da sie nicht im Einklang
mit Art 73 Abs 3 B-VG steht.

Für einen Beschluss der Bundesregierung ist gewohnheitsrechtlich Einstimmigkeit vorgesehen, dies
zumindest bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder.15 Da im vorliegenden Fall die Gegenstimme
aufgrund der unwirksamen Stimmrechtsübertragung nicht zu zählen war, kam ein einstimmiger
Beschluss zustande, die Weiterleitung des Beschlusses an den Bundespräsidenten war daher korrekt.

Dieser hat sich anfangs geweigert zu unterschreiben, was insoweit in seiner Kompetenz steht, als er
Vorschlägen der Bundesregierung nicht entsprechen muss, sondern selbst entscheiden kann ob er
entsprechend dieser Vorschläge vorgeht oder sie als ungeeignet zurückstellt. Dies liegt aufgrund der
Weisungsfreiheit einerseits und der Gleichstellung von Bundespräsident und Bundesregierung als
oberste Verwaltungsorgane andererseits nahe, vgl Art 19 Abs 1 B-VG.

Art 64 B-VG unterscheidet zwischen einer dauerhaften Vakanz (zB Tod des Bundespräsidenten) und
einer zeitweiligen Verhinderung des Bundespräsidenten. Ist der Bundespräsident für eine Dauer von
max 20 Tagen in der Ausübung seines Amtes verhindert, wird er gemäß Art 64 Abs 1 B-VG vom
Bundeskanzler vertreten. Daher war es zulässig, dass der Bundeskanzler anstelle des
Bundespräsidenten dem Antrag der Bundesregierung stattgegeben hat.

Der Beschluss über die Amtsenthebung der Leiterin der Datenschutzbehörde ist daher formal korrekt
zu Stande gekommen.

Frage 4: Wer hat hier Recht? Der Vizekanzler oder der Bundespräsident?

Die Entlassung des Bundeskanzlers erfolgte auf Grundlage von Art 70 Abs 1 B-VG, hierbei ist ein
Vorschlag nicht erforderlich.

Art 71 B-VG bestimmt für den Fall der Ausscheidung der Bundesregierung aus dem Amt, dass der
Bundespräsident bis zur Bildung der neuen Bundesregierung Mitglieder der scheidenden
Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und einen von ihnen mit dem Vorsitz in der

14
Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 Rz 482.
15
Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz 676.
7
einstweiligen Bundesregierung zu betrauen hat. Mit der Fortführung der Verwaltung kann auch ein
dem ausgeschiedenen Bundesminister beigegebener Staatssekretär oder ein leitender Beamter des
betreffenden Bundesministeriums betraut werden. Diese Bestimmung gilt sinngemäß, wenn einzelne
Mitglieder aus der Bundesregierung ausgeschieden sind.

Der Bundespräsident hat somit das Recht, bei Ausscheiden aus dem Amt der Bundesregierung
übergangsweise Vertreter zu bestellen. Dies gilt auch beim Ausscheiden eines einzelnen
Bundesministers und des Bundeskanzlers. Wobei er für die Ernennung eines Bundeskanzlers – wie
schon bei der Entlassung – keinen Vorschlag benötigt, er ist bei dieser Entscheidung rechtlich völlig
frei, zumeist jedoch durch die politischen Verhältnisse beschränkt. Diese Bestimmung bezieht sich
nach hA auch auf die Entlassung und damit das Ausscheiden des Bundeskanzlers.16 Insoweit war der
Bundespräsident berechtigt einen Vertreter zu ernennen, eine verfassungsrechtlich zwingende
Vertretung durch den Vizekanzler ist trotz der Bezeichnung dieses Amtes somit nicht vorgesehen. Der
Vizekanzler ist gemäß Art 69 Abs 2 B-VG zur Vertretung des Bundeskanzlers berufen, die Bestimmung
spricht jedoch explizit von Verhinderung, eine Entlassung des Bundeskanzlers ist darunter nicht zu
subsumieren.

Hier ist auch die gut begründete Gegenposition zu bepunkten.

16
Raschauer, Art 69 B-VG Rz 38, in Korinek/Holoubek ua (Hrsg), Bundesverfassungsrecht. Kommentar (8. Lfg
2007).
8

Das könnte Ihnen auch gefallen