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Author(s): A. Schäffle
Source: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft / Journal of Institutional and
Theoretical Economics , 1874, Bd. 30, H. 1. (1874), pp. 1-94
Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG
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Theoretical Economics
1.
28. October
Anglohungarian 98 44 36 62°/o
Frankohungarian 98 34 15 84°/o
Vereinsbank 210 34 20 8O°/o
Alle diese Institute sind bis jezt wenigs
geblieben.
Eine Menge anderer Unternehmungsbanken in Wien und
in den Provinzialhauptstädten machten entweder schweren
Bankerott, wie die Linzer Commercialbank , die steierische
Kreditbank und die Wiener Wechslerbank, oder liqui-
dirten sie mit grossen Verlusten. In der Verwaltung der
genannten falliten Banken befanden sich die hervorragenden
politischen Führer der herrschenden liberalen (centralistisch-
geldoligarchischen) Partei : Kaisersfeld, früherer Präsident
des Abgeordnetenhauses und Landeshauptmann von Steier-
mark, bei der steierischen Bank, Graf Ha r ti g vom Herren-
haus bei der Wechsler- und anderen Banken, verschiedene
Notabilitäten bei der Linzer Commercialbank.
Je mehr jede dieser Banken entweder unmittelbar im
Börsenspiel mitgewirkt, oder mittelbar in Lombard und Re-
port (Kostgeschäft) die Börse unterstützt, oder „emittirt"
und „gegründet" hatte, desto höher war erst der „Aufschwung
des Agio" - man nannte diese Agiotage euphemistisch „Kurs-
entwicklung" - - desto plözlicher und stärker brach aber auch
7 jam , Betrag
7 jam Mill. Gulden
Staats-Anlehen* (ungarische)
Städte-Anlehen
B a n k - Emissionen
E i s e n b a h n - Emissionen
Industrial- Emissionen:
Assecuranzen
Bau-Gesellschaften
Eisenwerke, Mas
Kohlen werke
Kohlen-Gesellschaften
Transport-Gesellschaften
Diverse Industrien
nicht und messen nicht, sie wählen irgend ein Papier zum
Ausgangspunkte ihrer Operationen und stürzen dann blind
darauf los , wie der Stier auf den rothen Lappen. Anfangs
sieht die Börse dem Treiben erstaunt zu, dann zerbricht man
sich den Kopf über die Ursache des wilden Steigens, allerlei
Gerüchte entstehen gleichsam von selbst und bevor man sich
über die Grundlosigkeit derselben recht orientiren konnte, ist
die wilde Jagd bereits vorbei, der Gewinn eingeheimst und
wer schwarzer Peter geblieben, dem geschieht Recht, warum
war er auch so dumm. Die Kliquen lachen dann in die Faust,
sie glauben einen Meisterstreich vollführt zu haben ; thatsäch-
lich aber haben sie nur die Henne geschlachtet, welche die
goldenen Eier legen soll, haben sie das Vertrauen des Pub-
likums untergraben und aus dem geregelten Börsengeschäfte
ein regelloses wildes Spiel gemacht. Wohin das führen soll,
wissen die Götter11.
2.
Die Schwindelzeit vor dem Krach ist, wie der Blick auf
jeden Börsenbericht erweist, durch die abnorme Aufgeblasen-
heit der Coulisse, die Zeit nach dem Krach durch die
totale Zerschmetterung und Vernichtung derselben Coulisse
bezeichnet.
Noch am 22. November 1872 hebt der „Actionäru her-
vor, die Coulisse sei tonangebend geworden und habe sich
von dem „Schranken11 völlig emancipirt, darauf beruhe
das lustige Haussiren der Fantasiewerthe, welches damals
trotz eines ernsten warnenden Vorkrachs (Herbst 1872) wieder
in Schwung kam. Nur wenige Tage nach dem Krach, im
Mai und Juni 1873, hiess es schon : „es giebt keine Coulisse
mehr, desshalb giebt es kein Geschäft, keine Börse mehr!
Schafft wieder eine Coulisse, so haben wir wieder eine Wiener
Börseu, - die Schwindelbörse natürlich wie sie vor dem
Krach in Blüthe stand.
Die Aufgeblasenheit der Coulisse vor dem Krach, ihre
wird diess nicht der Fall sein und fette Dividenden der grossen
Spielbanken werden daher kaum so rasch wieder kommen.
Allerdings auch die Noth des Krachs wird vom Börsen-
wucher Busgebeutet. Die Klnge verschiedener Speculations-
blätter, dass dem Leichenfeld der Wiener Börse der Leichen-
raub durch Speculationshyänen nicht gefehlt hat, scheint
richtig zu sein. Die Mehrzahl der emittirten Phantasieactien
war nur zum geringeren Bruchtheil einbezahlt. Man schreckte
nun mitten in der Krisis die verarmten Actionäre mit den
Gerüchten der Einberufung der Restbeträge. Die Kurse ver-
loren nochmals durch Wegwerfung die Hälfte, bis nach we-
nigen Tagen sich die Gerüchte als falsch herausstellten und
die Wegwerfenden abermals gerupft waren. Auch die Liqui-
datoren einzelner unter den vielen liquidirenden Gesellschaften
sollen ihre Stellung zum Leichenraub benüzt haben. Es
fehlen die abscheulichsten Proceduren des börsianischen Ab-
deckergewerbes dem corpus vile der hingeschlachteten Cou-
lisse nicht. Die grossen Banken dürften frei sein von der
Schuld solcher Schändlichkeiten.
Die Erörterungen über jene Coulisse, welche die Voraus-
sezung des grossen Kraches war, können wir nicht schliessen,
ohne mit einigen Worten der Wiener Börsenliquidation
zu gedenken.
Es war wiederholt der Börsenkammer der Vorschlag ge-
macht worden, die vierzehntägige Liquidation einzuführen.
Diese sezt aber ein vorwiegend kreditwürdiges Börsenpuhlicum
voraus. Das war die Wiener Coulisse schon Jahr und Tag
vor dem Krach nicht mehr. Jeder Versuch der Einführung
der Htägigen Liquidation scheiterte desshalb. Es hiess die
eigentliche Voraussezung der weiteren „ Kursentwicklung "
geradezu untergraben, wenn man die Htägige Liquidation
eingeführt hätte. Die weitere „Kursentwicklung", d. h. die
Agiotage ins Endlose wollte aber fast alle Welt an der Börse
und in den Journalen. Die Börsenkammer schwamm denn
auch nicht gegen den Strom. Das „tägliche Arrangement"
blieb mit all seiner wachsenden Unordnung und Stockung.
Sollte die Speculation so fortgehen, so musste man eben auch
3*
3.
nicht abzuwenden; aber die Börse als solche, die Ehre und
die Position des Marktes war zu retten, die totale Auflösung
hintanzuhalten, und gleichzeitig die Demoralisation zu be-
kämpfen, die in Folge jener Auflösung einriss.
„Der 6. Mai war in diesem Puñete der eigentlich ent-
scheidende Tag, denn da trat die absolute Unentschlossenheit
der Börsenleitung zu Tage, und mit ihm erwuchs die Zucht-
losigkeit und die Félonie der ohnehin schon ganz entarteten
Speculation. Am 6. Mai war es schon handgreiflich, dass
die Crise in vollem Zuge sei, dass die nächste Liquidation
eine ganz regellose und verheerende werden müsse, und dass
die Kammer Vorsicht und Wachsamkeit verstärken müsse.
Die Course fielen an diesem Tage nicht gar so rapid, alles
Geschäft vollzog sich unter dem Drucke des gerechten Zweifels,
ob auch diese Schlüsse zu reellem Vollzuge kommen würden;
es herrschte daher jene Erstarrung der Angst und des Zweifels
ob des Ungewissen! Inzwischen kam eine Insolvenz- Meldung
um die andere. Sie bezogen sich nur auf Individuen dritten
Ranges; denn es handelte sich vorerst nur um Abrechnung
des früheren Liquidationstages, der noch leidliche Course ein-
gestellt hatte.
„Aber schon lief es wie ein Lauffeuer durch alle Kreise
des betheiligten Publicums, flog es mit Blitzesschnelle durch
die Provinzen, dass es hoch an der Zeit sei, sich der Papiere
um jeden Preis zu entledigen. Von allen Seiten stürmte es
nun heran. Alles wollte losschlagen, Alles kündigte, Alles
drang endlich auf Uebernahme der verpfändeten Stücke. -
Angstklopfenden Herzens wartete man das Resultat des 7. Mai
ab. Er entsprach den Voraussezungen. Das Sterbeglöcklein
hörte nicht mehr auf zu läuten. Banken, Häuser, Faiseurs,
Agenten, Millionäre, Galopins, Würdenträger und Schlepp-
träger, Alles war unvermögend, die Papiere zu übernehmen.
Das Auskunftsmittel, eine Galgenfrist durch falsche Hände zu
gewinnen, war auch nicht mehr lohnend: wozu sollte man
die Maske noch länger tragen? Die Insolvenz-Erklärung der
Börsen- und Credit- und der Bankerott der Commissions-
1) ihre Actien wareu am 17. Febr. bei 40% Einzahlung 140 notirt
gewesen !
Die Masse der Kulisse giebt sich immer rasender „dem Kultus
der Phantasiewerthe" hin, Anfangs Dezember tritt der Bau-
bankenschwindel in sein Zenith, in welchem er nun Monate
verharrt und „mit kaninchenhafter Fruchtbarkeit" immer neue
„Realitäten (! !) -Institute" gebiert. Die „Hausse der localen
Wertheu wird gepriesen.
Die Kreditanstalt dagegen und andere grössere Institute
„kündigen Depots" sonder Erbarmen. Seit Neujahr 1873 folgt sich
in immer rascheren convulsivischen Schwingungen der Vorstoss
der Hausse und der Rückstoss von „Derouten." Die Rupfer
suchen davon zu kommen, die endgiltig Gerupften spielen
immer mehr mit „localen" und „leichten" Werthen, wie der
Börsenjargon sie nannte. Das massenhafte Abstossen der be-
lehnten Börsenwerthe ergiebt endlich April und Mai den grossen
Riss und Krach. Der „Oekonomist" schreibt hierüber: „Alle
wichtigen und folgenschweren Ereignisse, - sie mögen noch so
nothwendige Consequenzen bestehender Verhältnisse sein und
sich aus dem natürlichen Laufe der Dinge selbstverständlich er-
geben, - haben doch irgend einen zufälligen Anlass aufzu-
weisen, der sie in Bewegung sezte. Auch der grosse „Krach"
kann seinen Anstoss auf einen Umstand zurückführen, der so
eigentlich ganz ausser Verbindung mit den Zuständen war,
die wir in den vorhergehenden Darstellungen geschildert haben.
Es war etwa um den 20. April, als Nachrichten aus Paris
einliefen, welche in ernsten Geschäftskreisen Bedenklichkeit
weckten. Man schilderte die Stimmung der Hauptstadt an-
gesichts der bevorstehenden Nachwahlen als sehr erregt, und
stellte für den Fall der Niederlage Rerausaf's, gegenüber
dem Candidateli der Radicalen Barodet, eine Börsenpanique
iii Aussicht. - Die Creditanstalt, welcher die Dinge an un-
serer Börse lange schon im hohen Grade widerlich geworden,
ward durch diese Mittheilungen im höhern Grade erregt, und
- es reifte der Entschluss, sämmtliche Börsendepots zu kün-
digen und auch das Conto corrente einzuschränken. Es war
keine Zeit zu verlieren. Die Pariser Wahlen waren auf den
27. April, einen Sonntag, festgesezt. Bis da sollte Alles ab-
gewickelt sein. Und in der That war die Woche vom 20.
4.
blatt"
das „Fremdenblatt"
1) Der Financier Dr. Adolf Weiss aus Wien bildete mit Wienrr
Geld eine Bank, um die Mehrzahl der Stimmen des böhmischen Gross-
grundbesizes durch Güteraufkäufe für die »Verfassungstreuen« zu er-
langen. In Folge dessen kamen auch bei der neuesten Wahl (October
£Üta£n Z'WdorVorwaltu
absolut in Pere, absolut in Pero.
KaÍ8erthuni Oestreich
167 46 28% 125 72.5%
Niederöstreich
18 12 66% 38 211%
Oberöstreich
8 4 50% 6 75%
Mähren
19 5 26% 17 89.5%
Böhmen
40 13 . 32.5% 30 75%
Schlesien
6 2 33 3% 10 167%
Galizien
38 4 10.5% 12 31.8%
Bukowina
5 1 20% 1 20%
Steiermark
13 1 8% 3 23%
Karaten
5 2 40% 5 100%
Istrien
2 1 50% 1 5O°/o
Triest
2 1 50% 2 100%
Aus der vorstehend
Das östreichische Ab
den freiwilligen Abs
5.
Ergebnisse.