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Die Geschichte dieses Fabelwesens ist eine sehr bewegte. Heute sind sie so gut wie
allen Südkoreanern als bunte, gehörnte in Lendenschürzen gekleidete Trolle bekannt,
die gerne Schabernack treiben, den Menschen zumeist unterlegen sind und uns
Erdlinge oft zu Reichtum verhelfen. In Büchergeschäften findet man unzählige
Kinder- und Jugendbücher über diese haarigen Wesen, es gibt viele Verfilmungen
und Kinderspiele, Dokkaebi-Parks und Dokkaebi-Museen, in denen sie uns
quietschvergnügt anlachen.
Doch als ich in dem Bergdorf in den Jiri-Bergen, in dem wir seit sieben Jahren leben,
die alten Leute in unserem Dorf nach diesen Waldbewohnern fragte, bekam ich ganz
andere Geschichten zu hören. Dokkaebi würden Menschen verzaubern, in die Irre
führen und sogar töten. “Aber…solche Geschichten habe ich noch nie gelesen…ich
dachte Dokkaebi würden Glück und Reichtum bringen,” entgegnete ich gänzlich
verwirrt. “Ja, in Märchenbüchern vielleicht,” lachte Kim Chang-yeol, unser Nachbar.
Meine Neugier war entdeckt und ich beschloss der Sache auf den Grund zu gehen.
In der folgenden Goryeo-Dynastie (918-1392) gibt es Belege des duduri (ein anderer
Name für Dokkaebi) als Haushaltsgott und Baumgeist (mokrang) in der Region
Gyeongju, der von den Bewohnern angerufen und verehrt wurde, von dem man sich
Glück und Vertreibung von bösen Geistern erhofft hat.
Mit Beginn der Joseon-Dynastie (1392-1910) tritt der göttliche Charakter immer
mehr in den Hintergrund. In einem 1472 verfassten Text wird eine Geschichte
wiedergegeben, in der das Dokkaebi als bösartiges Monster auftritt, das viele
Beamte getötet hat. Kim An-lo (1481-1537) beschreibt das Dokkaebi auch als
Monster, vor dem man sich fürchten muss. Auch in Lee Gyu-gyeong’s (1788-1857)
Werk tritt das Dokkaebi als Dämon und Teufel auf.
Die oben erwähnten Werke waren zumeist von konfuzianistischen Aristokraten und
Angehörigen der oberen Schicht verfasst, noch dazu in chinesischen Schriftzeichen,
die das “gemeine Volk” nicht lesen konnte.
Ich habe diese Feldforschung in der Region und dem Dorf durchgeführt, in dem ich
schon seit Jahren mit meiner südkoreanischen Frau und unseren beiden Töchtern
Lea und Maya leben. Die Dorfbewohner waren sehr froh, dass ich mich für ihre
Kultur interessiere und es war deshalb kein Problem, Informanten zu finden. Wir
trafen uns oft bei ihnen zu Hause, bei Freunden, die dann noch andere
Dorfbewohner einluden und im Holzpavillion im Dorf, in dem sich im Sommer
immer viele Leute einfinden. Eine Frau jedoch meinte, ich solle nicht “über solche
Sachen schreiben”. Sie war Christin und Dokkaebi gehörten ihrer Meinung nach ins
Reich des Aberglaubens, der Vergangenheit Koreas, “jetzt sind wir ja zivilisiert”.
Feldforschung in Südkorea
Jetzt wissen wir, dass Dokkaebi bunte Trolle mit Hörnern sind und den Menschen
Glück und Reichtum bringen, wie sie ebne zumeist in den Volksgeschichten
dargestellt werden (In diesem Buch habe ich 32 Dokkaebi-Volksgeschichten aus dem
Koreanischen ins Deutsche übersetzt.). Doch die Feldforschung (Ich habe auch in
Nordost-China Feldforschung betrieben, doch das würde den Rahmen dieses Artikels
sprengen.) in den Jiri-Bergen Südkoress hat ganz andere Ergebnisse gebracht. Die
häufigste Erscheinungsform sind Dokkaebi-Lichter, blau oder bläulich, die manchmal
auch ihre Größe verändern. Dokkaebi wohnen zumeist im Wald an Orten mit
dichtem Gestrüpp und auf Bergpässen. Bei Schlechtwetter gehen sie oft in
leerstehende Häuser. Ganz in der Nähe des Changwon-Dorfes haben mir die
Dorfbewohner eine Stelle gezeigt, wo früher Dokkaebi gelebt haben.
Heute ist der Glaube an Dokkaebi stark zurückgegangen, obwohl es noch Leute gibt,
die meinen, dass Dokkaebi heutzutage einfach viel tiefer im Wald leben und es
deswegen keine Sichtungen mehr gibt. “Seit unser Dorf in den 70er Jahren an das
Stromnetz angeschlossen wurde, haben wir auch fast keine Dokkaebi mehr
gesehen,” erzählt mir ein Dorfbewohner, obwohl einige Dokkaebi-Geschichten nur 5
oder 10 Jahre zurückliegen. Professor Kim Jong-dae ist der Meinung, dass das
Christentum starken Einfluss auf das verschwinden dieses Fabelwesens hatte.
Kim Hak-ju wurde vor Jahren einmal von Dokkaebis in der Nähe von Changwon
zusammengeschlagen. Yu Yeong-jongs Mutter wurde von Dokkaebis entführt, wurde
dann ohnmächtig am Feld gefunden und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Sie war
blutig und sehr verwirrt, als sie wieder zu sich kam, typische Anzeichen einer
Dokkaebi-Entführung, wie mir erklärt wurde. Yu Yeong-jongs Vater erfror auf dem
Deunggu-Pass unweit unseres Dorfs. Sein Tod wurde mit Dokkaebi in Verbindung
gebracht, da es dort viele Dokkaebi-Sichtungen gegeben hat, doch andere
Dorfbewohner hatten andere Erklärungsmuster. “Früher waren wir oft sehr hungrig,
da hat man dann Halluzinationen und glaubt Dinge zu sehen, die es gar nicht gibt.”
Oder “Die Knochen von Tieren im Wald und von menschlichen Skeletten nach dem
Koreakrieg sind für diese Lichtererscheinungen verantwortlich.”
Junge KoreanerInnen, denen ich diese Geschichten erzählt habe, glaubten mir das
nicht. “Da hast du sicher etwas falsch verstanden,” meinten sie, “Dokkaebis bringen
keine Leute um oder entführen sie.”
Kut – Dokkaebi-Rituale
Bei meinen Reisen auf die Inselwelten im Südwesten Südkoreas haben mir Leute von
Dokkaebi-Ritualen erzählt (In den Jiri-Bergen hat keiner meiner Informanten je etwas
von solchen Ritualen gehört.), in denen Dokkaebi als Krankheitsdämonen auftreten
(die Göttlichkeit der Dokkaebi ist also nicht ganz verloren gegegangen). Professor
Chun Kyung-soo erzählte mir: “An langen Bambusstangen waren weiße mit
Menstruationsblut befleckte Frauenunterhosen aufgehängt. Mit lauten Trommeln
und den Unterhosen sollen Seuchen und Krankheitsdämonen vertrieben werden.”
Man sieht hier die Vielschichtigkeit dieses Kulturphänomens, das seit 1200 Jahren
viele Veränderungen durchgemacht hat und sich auch heute noch weiterverändert.
Derzeit sieht es so aus, als ob die bunten behörnten Trolle mit ihren magischen
Fähigkeiten, die sie mit verschiedenen Objekten wie Knüppel oder Mänteln, die sie
unsichtbar machen, bekommen, den Ton angeben. Mordende Dokkaebi sind am
Aussterben, der Pazifismus zumindestens in der Welt der Mythologie realisiert
worden.