Sie sind auf Seite 1von 4

Homo naledi

Homo naledi ist eine ausgestorbene Art der Gattung


Homo. Die Art wurde im Jahr 2015 anhand von
Fossilien aus der Rising-Star-Höhle (englisch; wörtlich:
„Aufgehender-Stern-Höhle“) in der „Wiege der Mensch-
heit“, südwestlich von Swartkrans und knapp 50 Kilo-
meter nordwestlich von Johannesburg[1] in Südafrika von
einer Arbeitsgruppe um Lee Berger in die Fachliteratur
eingeführt.[2] Insgesamt wurden fossile Knochen von 15
Individuen nachgewiesen, weswegen dieser Fund die bis-
lang größte Ansammlung von Belegen für eine frühe Art
der Hominini ist.
Die Fossilien waren bereits seit November 2013 gebor-
gen, aber zunächst keiner bestimmten Art zugeordnet
worden. Auch gelang es bisher nicht, den Fund zu datie-
ren (Stand September 2015). Die Anatomie spricht für Schädelknochen des Holotypus DH1
ein Alter unter 2,5 Millionen Jahren.[3]
101-1277 und Unterkiefer U.W. 101-1261 (in anato-
misch korrekter Anordnung)
1 Namensgebung H bis K: Unterkiefer U.W. 101-1277 in vier Ansichten
Skala: 10 cm
Die Bezeichnung der Gattung Homo ist abgeleitet von
lateinisch homo [ˈhɔmoː], dt. Mensch. Das Epitheton na-
ledi ist ein Verweis auf den Fundort in der Rising-Star- 3 Merkmale
Höhle: „naledi“ bedeutet in den Sotho-Tswana-Sprachen
„Stern“. Homo naledi bedeutet somit sinngemäß „Mensch
aus der Stern-Höhle“.

2 Typusexemplare
Als Holotypus von Homo naledi wurde eine Gruppe von
Schädelknochen ausgewiesen, die als Dinaledi Hominin
1 (DH1) bezeichnet wird; zusätzlich wurden der Artde- Computergestützte Rekonstruktion der Schädeldecke anhand der
Funde DH3 und DH4
finition als Paratypen die Schädelfragmente DH2, DH3,
DH4 und DH5 sowie einige Langknochen – unter ande-
rem der Oberschenkelknochen U.W. 101-1391 und das
Schienbein U.W. 101-484 – beigegeben. Insgesamt um-
fasst der Fund 1413 Knochen und 137 einzelne Zähne,
wovon 737 in die Erstbeschreibung der Art einbezogen
wurden.
Alle Fossilien von Homo naledi werden in der Samm-
lung des Evolutionary Studies Institute der University of
the Witwatersrand in Johannesburg aufbewahrt.
A und B: Zwei Ansichten des Schädelfragments U.W.
101-1473
C bis F: Vier Ansichten des Oberkieferfragments U.W.
101-1277
G: Schädelfragment U.W. 101-1473, Oberkiefer U.W. Gebogene Handknochen und breiter Daumenknochen

1
2 6 GALERIE

Die durchschnittliche Körpergröße von Homo naledi be- ständig in die Kammer eindrang und dort zu Tode kam.[8]
trug ca. 1,50 Meter, das Gewicht 40 bis 55 kg.[4][5] Das Ritual der Bestattung von Toten schreiben viele Wis-
In der Erstbeschreibung heißt es, charakteristisch für senschaftler bislang lediglich dem anatomisch modernen
die Art seien zum einen ein sehr kleines Schädel- Menschen (Homo sapiens) und dem Neandertaler (Ho-
Innenvolumen von nur 560 cm³, was vergleichbar ist mo neanderthalensis) zu, die beide stammesgeschichtlich
mit den bei Australopithecus üblichen Dimensionen (zum jünger sind.
Vergleich: Schimpanse ca. 400 cm³, Mensch ca. 1400
cm³); zum anderen ein Körper, dessen Proportionen un-
terhalb des Kopfes vergleichbar seien mit kleinwüchsigen 5 Kritik
Populationen der Gattung Homo. Die morphologischen
Merkmale des Schädels seien zwar einzigartig, jedoch
am ehesten vergleichbar mit Funden der frühen Homo-
Arten Homo rudolfensis, Homo habilis und Homo erec-
tus. Die Bezahnung (insbesondere die großen Backen-
zähne) wurde als „ursprünglich“ bezeichnet, jedoch sei-
en die Schneidezähne und die Eckzähne im Vergleich
mit Homo rudolfensis, Homo habilis und Homo erectus
relativ klein. Im Kontrast zu diesen abgeleiteten („mo-
dernen“) Merkmalen weisen der Brustkorb, die Schul-
ter, das Becken und das zum Kniegelenk gerichtete En-
de des Oberschenkelknochens „ursprüngliche“ Merkma- Vergleich eines naledi-Schädels mit Schädeln anderer früher
le auf, wie sie zum Beispiel bei Australopithecus afarensis Homo-Arten
vorkommen. Hand und Handgelenk weisen den Analy-
sen der Forscher zufolge im Vergleich zu älteren Fossili- Unmittelbar nach Veröffentlichung der Erstbeschreibung
en der Hominini zwar Veränderungen auf, die als „dem von Homo naledi wurde die Zuweisung dieser Fossi-
Menschen ähnliche Anpassungen“ interpretiert wurden. lien zu einer neuen, eigenständigen Art von mehreren
In einer im Oktober 2015 publizierten Studie wurde dann Paläoanthropologen als voreilig kritisiert.[9] Solange ihr
aber zusätzlich darauf verwiesen, dass die Fingerknochen Alter nicht geklärt sei, könne man diese Fossilien nicht si-
länger und stärker gebogen sind als bei den meisten Fun- cher im Stammbaum der Hominini verorten. Der Schwei-
den von Australopithecus und dass die Daumenknochen zer Anthropologe Christoph Zollikofer wandte beispiels-
verbreitert sind, was auf häufiges Klettern hinweist. Zu- weise ein, dass einige der zur Definition herangezoge-
gleich wurde aus der Anordnung der Handknochen gefol- nen ursprünglichen Merkmale auch bei anderen bereits
gert, dass Homo naledi zum Präzisionsgriff befähigt war bekannten frühen Arten vorkommen und daher ungeeig-
und daher möglicherweise auch Steingerät herstellen und net seien, eine zusätzliche Art zu begründen. Tim Whi-
nutzen konnte;[6] Steingerät wurde aber bislang nicht im te und William Jungers argumentierten, sollte das ver-
Zusammenhang mit den zu dieser Art gestellten Fossilien mutete Alter von mindestens 1,5 Millionen Jahren bestä-
gefunden. tigt werden, könne es sich bei den Funden beispielsweise
Auch Bein und Fuß weisen den Analysen zufolge eine Mi- um frühe südafrikanische Exemplare von Homo erectus
schung aus ursprünglichen und abgeleiteten Merkmalen handeln. Und Chris Stringer schrieb in einem Begleitarti-
auf, und zwar in einer Kombination, die als „einzigartig“ kel zur Erstbeschreibung: „Meiner Meinung nach ähnelt
beschrieben wurde.[7] Gleichwohl sei der Fuß zweifelsfrei das Material am stärksten den kleinwüchsigen Individu-
angepasst an das aufrechte Gehen. en von Homo erectus aus Dmanissi in Georgien, die auf
ein Alter von 1,8 Millionen Jahren datiert wurden.“[10]
Der US-amerikanische Paläoanthropologe Jeffrey H.
4 Fundumstände Schwartz hingegen wandte in Nature ein,[5] einzelne
Fundstücke seien derart unterschiedlich, dass sie mög-
Die zumindest heute fast unzugängliche Fundstelle war licherweise zu zwei Arten gehörten; in gleicher Weise
offenbar nicht bewohnt. Die Gebeine waren, mit Aus- äußerte sich der Brite Ian Tattersall gegenüber New Sci-
[11]
nahme derer an der Oberfläche der Ablagerungen, ana- entist.
tomisch richtig angeordnet und zeigen auch keine Biss-
spuren, was ausschließt, dass die Knochen angespült oder
die Körper von Raubtieren an die Fundstelle geschleift 6 Galerie
wurden. Daher spekulieren die Forscher, dass die To-
ten bewusst dort abgelegt worden sein könnten. Unge- • Schädelknochen (A) DH2, (B) DH5, (C und D)
klärt aber ist, auch angesichts der ausstehenden Datie- DH4. Skala = 10 cm
rung, wer – Individuen welcher Art – die Körper abgelegt
hat; auch ist nicht auszuschließen, dass die Gruppe selb- • Unterkiefer U.W. 101-377
3

• Handknochen [4] Homo naledi – ein neuer Verwandter des modernen Men-
schen. Auf: mpg.de vom 10. September 2015
• Oberschenkelknochen U.W. 101-1391
in vier Ansichten [5] Crowdsourcing digs up an early human species. Auf: natu-
re.com vom 10. September 2015
• Schienbein U.W. 101-484
in vier Ansichten [6] Tracy L. Kivell et al.: The hand of Homo naledi. In: Nature
Communications. Band 6, Artikel-Nr. 8431, 2015, doi:10.
• Fußknochen 1038/ncomms9431

• Einige Knochen in situ [7] William E. H. Harcourt-Smith et al.: The foot of Homo
naledi. In: Nature Communications. Band 6, Artikel-Nr.
(vor der Bergung)
8432, 2015, doi:10.1038/ncomms9432
• Schematische Darstellung des Höhlensystems [8] New human species discovered. Auf: sciencemag.org vom
10. September 2015, doi:10.1126/science.aad1728

7 Literatur [9] Homo naledi: New species of ancient human discovered,


claim scientists. Auf: theguardian.com vom 10. September
2015
• Paul H. G. M. Dirks et al.: Geological and taphono-
mic context for the new hominin species Homo naledi [10] Chris Stringer: Human evolution: The many mysteries of
from the Dinaledi Chamber, South Africa. In: eLife. Homo naledi. In: eLife. 2015; 4:e10627, doi:10.7554/
2015; 4:e09561, doi:10.7554/eLife.09561. eLife.10627

[11] Colin Barras: Deep cave yields a new human. In: New Sci-
entist. Band 227, Nr. 3038, S. 8–9, Volltext (mit abwei-
8 Weblinks chendem Titel zur Printversion)

Commons: Homo naledi – Sammlung von Bildern,


Videos und Audiodateien

• Unbekannte Menschenart in Afrika entdeckt. Auf:


sueddeutsche.de vom 10. September 2015

• Ein neuer Mensch Auf: nzz.ch vom 24. Dezember


2015

• Rising Star Expedition reveals new species: Homo na-


ledi. Auf: wits.ac.za vom 10. September 2015

• New species of extinct human found in cave may re-


write history. Auf: newscientist.com vom 10. Sep-
tember 2015

• Exclusive: Building the Face of a Newly Found An-


cestor – Video mit Paläo-Künstler John Gurche, der
mit der Rekonstruktion des Gesichtes von Homo na-
ledis beauftragt wurde

9 Einzelnachweise
[1] Johannes Dieterich: Mobile Verwandtschft. In: Berliner
Zeitung. vom 11. September 2015 → Wissenschaft S. 12.

[2] Lee R. Berger et al.: Homo naledi, a new species of the


genus Homo from the Dinaledi Chamber, South Africa. In:
eLife. 2015; 4:e09560, doi:10.7554/eLife.09560.

[3] Jamie Shreeve: This Face Changes the Human Story. But
How? Auf. nationalgeographic.com vom 10. September
2015.
4 10 TEXT- UND BILDQUELLEN, AUTOREN UND LIZENZEN

10 Text- und Bildquellen, Autoren und Lizenzen


10.1 Text
• Homo naledi Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Homo_naledi?oldid=149413013 Autoren: Andim, Hardenacke, Forevermore, Gerbil,
Muck, Ephraim33, Fomafix, Queryzo, JKS, Joschi71, Vanellus, Rainald62, Wandervogel, Frankee 67, CommonsDelinker, Ronny Mi-
chel, Pittimann, Ute Erb, Itu, CactusBot, Serols, Kalorie, Dr. Hartwig Raeder, DagdaMor, Gretarsson, Dharmadhyaksha, Heebi, 33cln33,
MGChecker, Regina2016, Trollflöjten, Bodhisattwa, Hubon und Anonyme: 7

10.2 Bilder
• Datei:Commons-logo.svg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/Commons-logo.svg Lizenz: Public domain Au-
toren: This version created by Pumbaa, using a proper partial circle and SVG geometry features. (Former versions used to be slightly warped.)
Ursprünglicher Schöpfer: SVG version was created by User:Grunt and cleaned up by 3247, based on the earlier PNG version, created by
Reidab.
• Datei:Comparison_of_skull_features_of_Homo_naledi_and_other_early_human_species.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.
org/wikipedia/commons/7/78/Comparison_of_skull_features_of_Homo_naledi_and_other_early_human_species.jpg Lizenz: CC BY 4.0
Autoren: Stringer, Chris (10 September 2015). "<a data-x-rel='nofollow' class='external text' href='http://www.pubmedcentral.gov/
articlerender.fcgi?tool=pmcentrez,<span>,&,</span>,artid=4559885'>The many mysteries of Homo naledi</a>". eLife 4: e10627.
DOI:10.7554/eLife.10627. PMC: 4559885. ISSN 2050-084X. Ursprünglicher Schöpfer: Chris Stringer, Natural History Museum, United
Kingdom
• Datei:Homo_naledi,_hand_(Hawks_version).jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e0/Homo_naledi%2C_
hand_%28Hawks_version%29.jpg Lizenz: CC BY-SA 3.0 Autoren: http://www.eurekalert.org/multimedia/pub/99005.php Ursprünglicher
Schöpfer: John Hawks
• Datei:Homo_naledi.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ae/Homo_naledi_holotype_specimen_%28DH1%
29.jpg Lizenz: CC BY-SA 4.0 Autoren: http://elifesciences.org/content/4/e09560 Ursprünglicher Schöpfer: Lee Roger Berger research team
• Datei:Homo_naledi_reconstruction_of_the_endocranium.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8a/
Homo_naledi_reconstruction_of_the_endocranium.jpg Lizenz: CC BY-SA 4.0 Autoren: http://elifesciences.org/content/4/e09560
Ursprünglicher Schöpfer: Lee Roger Berger research team

10.3 Inhaltslizenz
• Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0

Das könnte Ihnen auch gefallen