Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Jahrhunderts
TITO
Der ewige Partisan
Eine Biographie
C.H.Beck
Mit 42 Abbildungen
und 3 Karten (Peter Palm, Berlin)
Apropos Tito 9
Danksagung 387
Anhang
Anmerkungen 391 – Quellen und Literatur 417 – Abkürzun-
gen 429 – Bildnachweis 431 – Ortsregister 432 – Personen
register 436
Apropos Tito
der ganz auf seine Person zugeschnitten war, blieb er gegenüber Druck
aus Ost und West unbeugsam. Unter seiner Führung stiegen die
Blockfreien sogar zum eigenständigen Faktor in der Weltpolitik auf.
Am Ende seines langen Lebens standen Titos Ansehen und Autorität
beinahe über den ideologischen Lagern.
Titos Vita bündelt viele Aspekte der Geschichte Jugoslawiens.
Das 1918 gegründete Königreich der Südslawen war ein problembela-
denes, zerrissenes politisches Gebilde, das die Wehrmacht 1941 mit
Leichtigkeit zerschlug. Allein die kommunistischen Partisanen traten
an, den Vielvölkerstaat gegen die Besatzungsmacht und deren ultra
nationalistische Kollaborateure zu verteidigen. Ohne Tito hätte es
nach dem Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich kein zweites Jugoslawien
mehr gegeben. Inmitten eines furchtbaren Krieges aller gegen alle
setzte er auf « Brüderlichkeit und Einheit », um die Völker wieder mit-
einander zu versöhnen. Es gelang ihm, Hass und Hetze einzuhegen,
teils durch Überzeugung, teils durch Repression. 35 Jahre lang blieb
Tito der unverzichtbare Moderator eines mehr oder weniger gedeih
lichen Zusammenlebens der jugoslawischen Völker. Wie und warum
ihm dies gelang, ist eine der großen Fragen, die diese Biographie zu
beantworten sucht.
Schon zu Lebzeiten wurde Tito zum Mythos und zum Monu-
ment. Das Regime, er selbst und seine Anhänger produzierten tau-
sende Bücher, Artikel, Filme und Rundfunksendungen, die sein Bild
in der Öffentlichkeit formten. Keinen Staatsmann ließ die Propa-
ganda in einem so breiten Rollenrepertoire funkeln wie ihn, der als
mutiger Widerstandsheld, weiser Vater der jugoslawischen Nation
und weltoffener Friedensbote auftrat. Sein schillerndes Image be-
diente heimliche Sehnsüchte nach einem kommunistischen Ersatz
könig ebenso wie die Unterhaltungslust auf dem Boulevard. Tito
personifizierte zugleich eine fabelhafte Aufstiegsgeschichte. Der Bau-
ernsohn machte als international angesehener Staatsmann Karriere –
die jugoslawische Version des amerikanischen Traums vom Tellerwä-
scher, der Millionär wurde.
Als er 1980 in hohem Alter starb, wurde der Tito-Kosmos neu
vermessen. Nun kamen Versäumnisse, Verstrickungen und Verbrechen
Apropos Tito 11
teren Leserkreis neu zu erzählen. Ziel ist es, die historische Gestalt
Titos von überwuchernden Projektionen zu befreien und in ihrem
zeitlichen Umfeld zu erklären. Formen, Funktionen und Inszenie-
rungen seiner Herrschaft, aber auch Person und Persönlichkeit sollen
im Mittelpunkt stehen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem interna-
tionalen Kontext und der Beziehung zwischen Außen- und Innen
politik, einer der Triebkräfte des jugoslawischen Systems. Dabei soll
auch Titos Verhältnis zu Deutschland eingehender betrachtet werden,
das in bisherigen Darstellungen nur am Rande vorkommt. Über seine
Ehe mit einer deutschen Kommunistin und über seine Rolle in Willy
Brandts Neuer Ostpolitik wird einiges bislang Unbekannte zu erfah-
ren sein. Jugoslawien, so wird man feststellen, funktionierte nur in der
Phase der unmittelbaren kommunistischen Machtübernahme und in
den Aufbaujahren als Diktatur im engeren Sinn, also als eine totalitäre
Herrschaft, die sich auf Gewalt gründet. Nach dem Bruch mit Stalin
entstand ein autokratisches System eigener Ordnung, das aus sich
selbst heraus immer neue Veränderungen und sogar einen begrenzten
Pluralismus hervorbrachte.
Jede Biographie birgt Fallstricke. Die Erzählung verlangt, den
Protagonisten in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken, wo er
aber gar nicht immer stand. Leicht entsteht die Illusion, sein Leben
verliefe geradlinig auf ein Ziel hin, während es sich tatsächlich in Kur-
ven und Kehren wand. Auch verleitet das Bemühen, eine historische
Figur in ihrem Kontext zu verstehen, womöglich zu Komplizen-
schaft. Berge von Lebenserinnerungen und biographischem Material
über Tito entstanden im Rahmen des Personenkults und müssen be-
sonders kritisch durchleuchtet werden. Auch ein großer Teil der über-
bordenden Sekundärliteratur ist politisch gefärbt, derweil die Publi-
zistik von Verschwörungstheorien geradezu überquillt. All das machte
es notwendig, zu den Primärquellen zurückzukehren. Sie fanden sich
unter anderem im Archiv des Staatspräsidenten in Belgrad, der Kom-
intern in Moskau und den Außenämtern in Bonn, London und Wa-
shington sowie der umfassenden Sammlung des Tito-Biographen
Vladimir Dedijer in Ljubljana.
Darf man heute überhaupt noch von « Tito » sprechen? Der alte
Apropos Tito 13
Kindheit im Zagorje
dach und den gipsgetünchten Mauern wirkte es solider und mit vier
Zimmern auch geräumiger als die bescheidenen, mit Stroh gedeckten
Holzbauten in der Nachbarschaft. Nach alter Sitte hatte er es für
einen Mehrfamilienhaushalt, die Zadruga, gebaut.
In Josips Kindheit lebten im großväterlichen Haus zwei, zeit
weilig und unter extrem beengten Verhältnissen sogar drei Parteien.
Im rechten Teil wohnte die Familie von Franjo Broz, im linken war
nach dem Tod des Großvaters ein Verwandter eingezogen. Wenn man
von der Straßenseite aus die düstere Diele betrat, an Arbeitsstiefeln,
diversen Gerätschaften und dem stets abgeschlossenen Speiseschrank
vorbeischritt, gelangte man links und rechts zu den beiden Wohn
bereichen, die jeweils aus einer größeren Stube und einer dahinter lie-
genden kleinen Kammer bestanden.
Geradeaus ging es in die große Küche, die sich beide Familien
teilten. Jede besaß ihre eigene Feuerstelle und einen Backofen, von
den Dachbalken baumelten Räucherhaken. Einmal in der Woche
wurde hier das Brot gebacken, zuvor das Korn per Hand durch den
schweren steinernen Mühlstein getrieben. Hinter der Küche lagen
18 Kumrovec, 7. Mai 1892
Mutters Sohn
Dorf schritt, den Kopf stolz erhoben. Joža liebte ihr Gesicht mit den
markanten Wangenknochen, eine aparte Mischung aus sanften und
herben Zügen, das, wie er fand, zu gleicher Zeit Freude und Schmerz
ausstrahlte. Wie seine Mutter besaß das Kind eine klare, warme, ange-
nehme Stimme, und noch strahlte es naive Offenheit und natürliche
Heiterkeit aus. Aus ebenmäßigen Gesichtszügen leuchteten helle
taubenblaue Augen, den freundlichen weichen Lippen schmeichelte
dichtes, leicht gewelltes, rötlich blondes Haar. Abgesehen vom Äußeren
übernahm er von seiner Mutter auch deren Charaktereigenschaften,
zuallererst eine gewisse Unnahbarkeit, dazu aber auch Intelligenz und
schnelle Auffassungsgabe, Ordnungsliebe und Organisationstalent,
Tatkraft und Willensstärke, Stolz und Haltung.
Der kleine Jožek « konnte nicht eine Minute stillsitzen », beschrieb
ihn Tereza Stefan, die öfter auf die Kinder aufpasste. Er war « immer
hungrig …, dünn und blass, … weil er nicht genug zu essen hatte ».
Ansonsten war er « gesund wie ein Spatz und flink wie ein Floh ». Dau-
ernd war er irgendwo unterwegs, « und wenn du fragtest, wo er hin-
wollte, schnitt er eine Grimasse, machte auf bloßen Fersen kehrt und
schwirrte sofort wieder ab ».7 Wenn er nicht im Haushalt helfen
musste, lief er mit seinen Freunden zum Spielen zur Festung Cesar-
grad hinauf oder verbrachte Stunden an der Sutla beim Angeln. Er
tobte mit seinen Brüdern durch die Felder, prügelte sich mit den Jun-
gen aus dem Nachbardorf, klaute manchmal einen Maiskolben auf
den Feldern der Nachbarn. Bei all dem kam ihm keines der Geschwis-
ter und kein Spielkamerad richtig nahe. Auch langjährige Vertraute
sollten später berichten, sie hätten neben großer Sympathie auch
immer eine gewisse Distanz gespürt.
Den Haushalt führte Marija Broz trotz der vielen Schwanger-
schaften pflichtbewusst und diszipliniert. Sie mahnte ihre Kinder,
ehrlich und aufmerksam zu sein. Sie war streng, griff jedoch nur sel-
ten zur Rute, und wenn, gab Tito zu, dann « hatte ich das wirklich ver-
dient ». Dass er ihr Lieblingssohn sei, wie alle behaupteten, wies er
empört von sich. Andere aber fanden, dass Micika dem kleinen Joža
oft nachgab, wenn er sie anbettelte, ihm mit ihrer glockenhellen
Stimme noch ein Lied vorzusingen, noch eine Geschichte zu erzählen
Der Bauernsohn 21
oder die heißgeliebte Spieluhr noch ein allerletztes Mal für ihn aufzu-
ziehen. Der Vater hatte sie einst einem Hausierer abgekauft und vier
Jahre lang abbezahlt. Sie war der Stolz und die Freude der ganzen
Familie. « Tante Mica und Jožek waren eng miteinander », erinnerte
sich seine Kusine Tereza. « Es gab eine [innige] Bindung zwischen den
beiden ».8
Wie viele Bäuerinnen war die Katholikin Marija Broz streng gläu-
big und fromm. Regelmäßig versammelte sie ihre Kinder zum Beten,
und kein Sonntag verging ohne Besuch des Gottesdienstes in der Kir-
che des Heiligen Rochus, die man durch das Stubenfenster auf einem
Hügel liegen sah. Joža « ging gern in die Kirche », berichtete ein frühe-
rer Spielkamerad, « er mochte den Gesang, die Zeremonie und den
Duft von Weihrauch ». Mit elf Jahren wurde Josip Messdiener, aber
der Priester war ein Trinker, dem gelegentlich die Hand ausrutschte,
« und da verstand ich, dass er auch nicht besser als jeder andere Mann
war … und glaubte schließlich nicht mehr an die organisierte Reli-
gion », erzählte er später. « Weil meine Mutter das wollte, ging ich wei-
ter sonntags in die Messe, aber ich glaube, ich war seitdem mit der
Kirche durch. »9
Im Unterschied zu Joža, der alles in allem ein vernünftiger und
pflichtbewusster Junge war, gab Franjo seiner Frau Micika reichlich
Anlass zu Kummer. Er war « schwarz wie der Teufel », beschrieb ihn
Tito, hochgewachsen und gertenschlank, mit krausem Haar und einer
markanten Adlernase. Da die Landwirtschaft zu wenig abwarf, be
tätigte er sich zeitweilig als Fuhrunternehmer oder als Tagelöhner, um
etwas Geld zu verdienen. Joža machte deswegen die Erfahrung eines
häufig abwesenden Vaters. « Meine Mutter musste dann ganz allein für
die Familie sorgen », erzählte er später. Er erlebte, dass sein Vater eine
tiefe innere Verunsicherung mit sich herumtrug, die er gerne mit
großspurigen Reden übertünchte. Während die Schuldenlast wuchs,
der ererbte Grundbesitz zusammenschmolz und die Familie Hunger
litt, ertränkte er seine Existenzsorgen im Alkohol. Betrunken wurde er
ausfallend und handgreiflich gegenüber Frau und Kindern. Josip
Broz wunderte sich sein Leben lang, wie die Mutter « es schaffte, die-
sen schrecklichen Kampf durchzuhalten, uns aufzuziehen ».10
22 Kumrovec, 7. Mai 1892
Wenn Franjo Broz nüchtern war, zeigte er den Kindern seine gut-
mütige, fürsorgliche und nachgiebige Seite, und deshalb wies Joža
noch als Zwölfjähriger jeden zurecht, der schlecht über den Vater
sprach: « Er ist, wie er ist », erklärte er seiner Tante, « weil er eben ist,
wie er ist. »11 Als Erwachsener hatte er dann eine gesellschaftskritische
Erklärung parat. « Das war weniger persönliches Versagen als ein rein
soziales Phänomen », meinte er.12 Trotz allem konnte er ihm nie verzei-
hen, dass er « die ganze Last der Familie auf die Schultern der Mutter
lud ».13
Angesichts der zahlreichen Schwächen des Vaters war Micika der
emotionale Mittelpunkt der Familie, ihre oberste moralische Instanz
und ihr heimliches Oberhaupt. Josip spürte noch viel später die war-
men, tröstenden Arme der Mutter, die ihm Liebe, Halt und Selbst
bestätigung gaben. « Ich muss furchtbar ausgesehen haben », erzählte
er über das erste Schuljahr, als er an Scharlach erkrankt war, eine
Krankheit, an der viele Kinder starben. Die Mutter wich damals nicht
von der Seite ihres kleinen, bleichen und abgemagerten Sohnes. Wäh-
rend der genesende Joža auf dem Ofen saß und aus dem Fenster eine
Marienprozession beobachtete, kam ein Nachbar vorbei. « Hör mal,
Mica, dein Joža wird es nicht mehr lange machen », raunte er ihr zu,
« der ist fertig ». Was fällt dem denn ein, empörte sich der kleine
Rekonvaleszent, während er stumm sitzen blieb. Mit glasigem Blick
aus tiefen Augenhöhlen konnte er beobachten, wie die Mutter dem
Mann spontan einen Klaps gab und sofort das Thema wechselte.
« Aber als der Nachbar gegangen war, kam sie zu mir, nahm mich in
den Arm und hielt mich dann die ganze Zeit fest. » Die Zuneigung
und Wärme dieser Momente vergaß er nie. « Das sind Gefühle, die
immer bleiben, das ganze Leben », erinnerte er sich noch nach Jahr-
zehnten. « Deswegen habe ich meine Mutter so sehr geliebt. »14
Versagte Lebenschancen
höhere Bildung war den Söhnen des städtischen Bürgertums und der
wohlhabenden Bauern vorbehalten. « Es gab weder die Möglichkeit
noch die Mittel, unsere Kinder auf eine höhere Schule zu schicken »,
erläuterte sein Lehrer. « Die Kinder ein Handwerk erlernen zu lassen,
war das Beste, was die Leute aus Verhältnissen wie die der Familie
Broz aus der Gegend hier machen konnten. »20
« Als ich klein war, wollte ich … Schneider werden », erzählte Tito
Jahre später seinem Biographen, « weil sich jeder Bauer aus Zagorje
einen schönen Anzug wünscht. » Er träumte davon, « meinem Vater
und meinen Brüdern und allen im Haus das Gewand zu nähen ».21 Das
gepflegte Äußere blieb ein immer wiederkehrendes Thema in seinem
Leben, das er als Ausweis seines persönlichen Fortkommens betrach-
tete und das er der eigenen Selbstachtung und Eitelkeit schuldete.
Vorerst gab es für den Halbwüchsigen Josip allerdings nur die Mög-
lichkeit, sich mit Aushilfsjobs auf den benachbarten Bauernhöfen
durchzuschlagen. Auch in Ljubljana und Triest, wo ihn die Arbeit
suche vorübergehend hintrieb, fand er kein Auskommen. Vater Franjo
hätte ihm am liebsten eine Überfahrt in die Neue Welt spendiert, wo
man leichter einen Job finden und besser verdienen konnte, aber dafür
fehlte das Geld. Zehntausende Kroaten, die sich das irgendwie leisten
konnten, wanderten jedes Jahr nach Amerika aus, « damit die, die zu-
rückbleiben, leben können », erklärte ein Lehrer.22 Was wäre wohl aus
ihm geworden, hätte damals das Geld für eine Schiffspassage in die
USA gereicht, fragte Jahrzehnte später einmal ein Besucher. « Fabrik-
besitzer », entgegnete er schmunzelnd.
Schließlich entschied der Vater, den fünfzehnjährigen Sohn nach
Sisak zu schicken, damit er in dem Gasthaus gleich neben der Kaserne
des 27. Domobranen-Regiments Kellner werde. Dank seines schönen
Biergartens mit den schattigen Kastanienbäumen und der Kegelbahn
gab es hier viel zu tun. Aber das Gastgewerbe langweilte ihn, und so
beschloss er, sich bei Schlossermeister Nikola Karas als Lehrling zu
bewerben.
26 Kumrovec, 7. Mai 1892
Politisierung
die sozialistische Zeitung « Das freie Wort » (Slobodna riječ) und wei-
tere einschlägige Literatur, die Schmidt und andere Gesellen vertrie-
ben, darunter « Christentum und Sozialismus » von August Bebel, « Die
materialistische Geschichtsauffassung » von Karl Marx und Friedrich
Engels sowie « Das Kommunistische Manifest ». Die Argumente des
Gesellen, das kapitalistische System werde in einer Serie von Klassen-
kämpfen naturgesetzlich zusammenbrechen und die priesterliche Ver-
dummung endlich ein Ende haben, überzeugten ihn immerhin so
weit, dass er für die Sozialdemokratische Partei Streichhölzer ver-
kaufte und Flugblätter verteilte. Und Mutter Micika, die aus der
Sonntagspredigt wusste, dass alle, die die Sozialisten unterstützten, in
der Hölle schmoren würden, wurde nun immer häufiger von heim
lichen Sorgen um die Seele ihres Sohnes geplagt.
Nachdem der Achtzehnjährige im September 1910 seinen Gesel-
lenbrief erhalten hatte und daraufhin in Zagreb Arbeit suchte, trat er
in die Metallgewerkschaft und damit automatisch in die Sozialdemo-
kratische Partei ein. Die beiden Organisationen, die Gerechtigkeit
und internationale Solidarität auf ihre Fahnen geschrieben hatten, bil-
deten ab jetzt die tragenden Pfeiler seiner jugendlichen Sozialisation.
Er bewegte sich nun überwiegend in der sozialdemokratischen Sub-
kultur, die sich abseits der bürgerlichen Öffentlichkeit entfaltete, ging
regelmäßig zu den Gewerkschaftstreffen, lief bei der Demonstration
zum 1. Mai mit und beteiligte sich erstmals an einem Streik.
Wie viele junge Arbeiter fühlte sich Josip Broz vom Sozialismus
angezogen, weil er eine plausibel klingende Erklärung für seine unbe-
friedigende Lebenssituation anbot und auch gleich das Rezept mitlie-
ferte, wie man sich daraus befreien konnte. Durch den moralischen
Anspruch des Marxismus, eine gerechte Welt zu schaffen, gewannen
seine persönlichen Ambitionen einen höheren Sinn. Die eigenen
Enttäuschungen und Frustrationen ließen sich in den Kontext der
ganz großen Menschheitsfragen stellen, indem man sie nicht als indi-
viduelles Schicksal, sondern als Ausdruck gesamtgesellschaftlicher
Missstände deutete. Abgesehen von der Ideologie vermittelte die
Arbeiterbewegung auch ganz neue Lebenserfahrungen. Sie ver-
schaffte nützliche Kontakte, weckte die Lust an der Erkenntnis und
28 Kumrovec, 7. Mai 1892
Zaren zur Abdankung. Als auch die Armee den Gehorsam verwei-
gerte, sah sich Nikolaus II. am 3. März (16. März) gezwungen, seine
Macht an eine provisorische Regierung zu übergeben. Kurz darauf
kehrte der Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin aus dem Schweizer
Exil in seine Heimat zurück. In seinen berühmten April-Thesen for-
derte er eine sofortige Beendigung des Krieges, die Machtübernahme
durch die Räte und eine Landreform.
Nach den turbulenten Ereignissen in Petrograd bildeten sich
auch in den Städten entlang der Transsibirischen Eisenbahn revolu
tionäre Arbeiter- und Soldatenräte. Es war eine Stimmung zum Über-
kochen, wie im Hexenkessel, erinnerte sich Broz. Auf einmal gab es in
allen Betrieben Parteizellen. Die Bolschewisten waren junge Fach
arbeiter, Bauern, Handwerksgesellen oder Grundschullehrer, die wie
er selbst aus einfachen Verhältnissen stammten, aber nach Höherem
strebten. « Nein, ich glaube nicht, dass sie Kommunisten oder Bol-
schewisten waren … Ich würde sagen, sie waren Revolutionäre, ebenso
wie ich, in einem allgemeinen, instinktiven, proletarisch und spe
zifisch antifeudalen, antizaristischen Sinn. »5
Während sich allgemeine Anarchie ausbreitete, ergriff Josip Broz
im Juni 1917 die Flucht. Über tausend Kilometer schlug er sich bis
nach Petrograd durch, wo die Bolschewisten im Juli große Demons
trationen gegen die Provisorische Regierung organisierten und eine
Sowjetregierung forderten. Während er « Nieder mit der Provisori-
schen Regierung » und « Alle Macht den Sowjets » brüllte, geriet er in
ein Scharmützel mit der zaristischen Geheimpolizei. Mit einer
Gruppe Aufständischer floh er nach Finnland, um von dort weiter
in seine kroatische Heimat, am liebsten aber in die USA zu reisen.
Wochen später schnappten ihn die Gendarmen in Uljenburg (Oulu),
verdächtigten ihn als Bolschewisten und warfen ihn in den Kerker der
Peter-Pauls-Festung. Daraufhin « saß ich wieder in einem langsamen,
heruntergekommenen Zug mit hunderten österreichischen Kriegsge-
fangenen auf dem Weg zurück nach Sibirien ».6
Unterwegs, am Bahnhof von Vytka (Kirov), sprang er aus dem
Eisenbahnwaggon, um sich zu Fuß und per Bahn, ohne Geld, ohne
Fahrkarte, nach Omsk durchzuschlagen. Unweit der über 30 000 Ein-
Der Bolschewist 33
gab er 1945 zu, « obwohl ich … sympathisiert habe und etwas mitge-
holfen. »12
Nicht zuletzt machte er in dieser Zeit existentielle Grenzerfah-
rungen, die seine Persönlichkeit prägten. Bedrohliche Situationen
durchlitt er viele: Auf Todesangst im Schützengraben folgte eine
lebensgefährliche Verwundung, auf Kriegsgefangenschaft und Befrei-
ung der Vernichtungsfeldzug der antibolschewistischen Weißen im
Russischen Bürgerkrieg. « Da muss der Reflex gut funktionieren, …
man muss geistesgegenwärtig sein und ruhig Blut bewahren », erzählte
er rückblickend. In brenzliger Lage stahlharte Nerven zu behalten,
gehörte später zu seinen außergewöhnlichsten Qualitäten. « Selbst
beherrschung muss man lange üben. »13
Den Rotgardisten Josif Brozović, dem eine Karriere im revolu
tionären Russland offengestanden hätte, zog es in die Heimat. In der
Zeitung las er, dass in Kroatien die Bauern rebellierten und dort
revolutionäre Zustände herrschten. Ebenso wie tausende andere deut-
sche und österreichisch-ungarische Kriegsgefangene traten er und
seine schwangere Frau Pelagija im Frühjahr 1920 die Heimreise an.
In schmutzigen, überfüllten Bahnwaggons zuckelte der « Maxim
Gorki »-Zug allein drei Wochen lang bis nach Petrograd. In Narwa be-
stieg das Paar das Schiff nach Stettin, von wo es weiter durch Polen,
Deutschland und Österreich bis nach Kroatien ging.
In Zagreb erfuhr er, dass die geliebte Mutter gestorben, das Haus
in Kumrovec verkauft und der Vater weggezogen war. Der Tod der
Mutter « war der schwerste Schlag in meinem Leben », bekannte er
später, und seine Frau Polka sah ihn zum ersten und einzigen Mal in
Tränen.14 Aber Josip, im langen Fellmantel, mit hohen Schaftstiefeln
und einer Pelzmütze, auf der noch der Abdruck des fünfzackigen
roten Sterns zu erkennen war, gab sich kämpferisch. « Als Joža 1920
aus Russland zurückkam », erzählte seine Tante Ana, « war er besessen
von der Revolution und von Lenin und dem Kommunismus, und ich
dachte dauernd, der ist doch verrückt. »15
Der Bolschewist 37
T h e is
Dr
s
au
I TA L I E N Steier- der Serben, Kroaten und Slowenen 1918
mark Dr
au
Baranja
Österreich-Ungarn
Ljubljana
Zagreb Batschka ungarischer Teil
Krain
Slawonien Banat
österreichischer Teil
Sav Don au
Istrien Kroatien e Bosnien-Herzegowina
Syrmien
RU
Krk
M
Serbien
Cres Belgrad
ÄN
Montenegro u
Bosnien na
25.11.1918 Do
IEN
N
angestrebte, aber nicht
Sˇ u m a d i j a erhaltene Gebiete
Zadar Sarajevo
tatsächliche Staats-
Dalmatien 26.11.1918 grenze
S
Petrograd, 23. Februar 1917
Herze-
Mostar SERBIEN Vereinigung mit Serbien
Bracˇ
Hvar gowina
Amselfeld
Korcula
ˇ Montenegro Pristina
ˇ BULGARIEN
Adriatisches Podgorica Kosovo
Dubrovnik
Metohija
Meer
Skutari-See Skopje
Makedonien
ALBANIEN
I TA L I E N Tirana
Ohrid-See
KEI
GRIECHENLAND Ägäis
0 20 40 60 80 100 km
TÜR
Der Bolschewist 39
preise um das 40-Fache, die für Kartoffeln und Salz um mehr als das
70-Fache gestiegen. Die Energieversorgung und die Industrie lagen
brach, zehntausende Arbeiterfamilien waren ohne Einkommen.19
Hungerrevolten und Rechtsanarchie erschütterten das Land. In den
habsburgischen Gebieten zogen seit Herbst 1918 marodierende und
plündernde Deserteure der k. u. k.-Armee, ehemalige Kriegsgefan-
gene und gewöhnliche Banditen als « Grüne Kader » durchs Land.
Lang aufgestaute revolutionäre Stimmungen von Arbeitern und land-
loser Bauernschaft entluden sich in gewaltsamem Aufruhr. Im Süden,
in Makedonien und im Kosovo, kämpften Freischärler gegen die
neuen Landesherren. Die Aufstände wurden von den serbischen
Streitkräften niedergeworfen.
Nun, da das große Schlachten endlich vorüber war und sich die
Weltordnung auf Trümmern neu sortierte, überschlug sich die Eupho-
rie über eine bessere Zukunft. « Es herrschte eine ungesunde, trügeri-
sche, doch erregende, mächtige Atmosphäre unbegrenzter Möglich-
keiten auf allen Gebieten », beschrieb der Schriftsteller Ivo Andrić die
Situation. « Etwas von der Üppigkeit und dem Chaos des Goldlandes
Eldorado war in dem Leben und Aussehen … eines großen Staates
zu entdecken, der noch nicht einmal über feste Grenzen, eine innere
Organisation und einen endgültigen Namen verfügte. »20 Wie überall
in Europa schwelgten Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller in
der Utopie einer gerechten Gesellschaftsordnung und eines neuen,
moralisch höherstehenden Menschen. Der Schriftsteller Miloš
Crnjanski, ein Expressionist, erklärte, der Krieg habe auf Leichen
bergen und Trümmern neue Leidenschaften, neue Gedanken, neue
Gesetze und neue Moralvorstellungen geboren. Seine Generation
fühle wie eine Sekte: « Unruhe und Umsturz, im Wort, im Empfinden,
im Denken. »21 Wann würde es je wieder so weite Handlungs- und
Gestaltungsmöglichkeiten geben?
Zehntausende Zeitzeugen der russischen Revolution strömten ins
Land: Russen und Ukrainer, die vor den Bolschewisten geflohen
waren, und Südslawen, die aus Kriegsgefangenschaft heimkehrten.
Unter ihnen waren etliche Anhänger Lenins, die in Russland die ers-
ten kommunistischen Parteiorganisationen aufgebaut hatten. « Wir
42 Petrograd, 23. Februar 1917
haben viel für die russische Revolution getan », erläuterte der Heim-
kehrer Ljubomir Mojin, « aber das reicht nicht, wir müssen dasselbe
bei uns zuhause machen, wenn wir uns als [echte] Revolutionäre be-
trachten wollen. »22 Bis Februar 1919 trafen 95 parteiaktive kom
munistische Kriegsgefangene, elf Agitatoren und zwei Kuriere aus
Sowjetrussland ein, um bolschewistische Propaganda zu verbreiten,
Parteistrukturen aufzubauen sowie Massendemonstrationen und
Streiks zu organisieren.23
In ganz Europa waren die Kommunisten überzeugt, dass in Russ-
land die Weltrevolution begonnen habe. Waren nicht im April 1919 in
Ungarn und in Bayern schon die ersten Räterepubliken entstanden?
Unausweichlich würde die revolutionäre Welle auch über dem SHS-
Staat zusammenschlagen. In der ersten Hälfte 1919 kam es in Mari-
bor, Karlovac, Varaždin und Osijek zu lokalen bolschewistischen Auf-
ständen. Demonstrationen zum 1. Mai 1919 und der Internationale
Streiktag gegen die alliierte Intervention im Russischen Bürgerkrieg
am 21. Juli 1919 legten mehrere größere Städte lahm. « Alle Fabriken,
alle Werkstätten, alle Hotels und Kaffeehäuser, der ganze Eisenbahn-
und Tramverkehr, die Schifffahrt, der Post- und Telefondienst usw.
waren im Ausstand », erinnerte sich ein Zeitgenosse.24 Der Schriftstel-
ler Miroslav Krleža beobachtete auch an Josip Broz « eine einfache,
aber merkwürdig hartnäckige, man könnte sagen, starrköpfige Sicher-
heit », dass die russische Revolution einen weltweiten Prozess in Gang
gesetzt hatte, der nicht mehr aufzuhalten war.25
Das revolutionäre Experiment, von dem die Russland-Heim
kehrer berichteten, vermochte Unzufriedene aller Schichten zu faszi-
nieren. Es lenkte Träume, Sehnsüchte und Heilsversprechen in Rich-
tung radikaler, vermeintlich alternativloser Zukunftsentwürfe. Als
Kriegsheimkehrer aus Russland berichteten, « wie die Revolution die
alte Ordnung zerstört hat », drängten immer mehr Menschen in die
sozialistischen Organisationen, schilderte ein Landwirt die Situa-
tion.26 Die Leute hätten zugehört « und angefangen nachzudenken,
wie man bei uns etwas Ähnliches machen kann », erläuterte Tito.27
Derweil echauffierte sich der Sozialdemokrat Vitomir Korać, der für
Reform statt Revolution eintrat, dass die südslawischen Bolschewis-
Der Bolschewist 43
ten gar nicht wüssten, was Freiheit bedeute und wer das Proletariat
sei. « Aber es gab so viele Quellen der Unzufriedenheit, dass die Frage,
wohin die Reise geht und wo sie hinführt, ganz beiseitegeschoben
wurde. »28
1919 schlossen sich die sozialistischen und Arbeiterparteien der
jugoslawischen Landesteile zusammen und nannten sich im Folgejahr
Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ). Sie bildete einen Ver-
bund regional, organisatorisch und ideologisch relativ unabhängig
voneinander agierender Gruppierungen und war, wie die gesamte
Arbeiterbewegung Europas, in rivalisierende Lager gespalten. Denn
wenngleich es eine wachsende Schicht von Lohnarbeitern in Indus
trie, Bergbau, Werften, Handwerksbetrieben und in der Landwirt-
schaft gab, existierte noch keine « proletarische Klasse » mit einiger
maßen einheitlichen Interessen, Lebens- und Bewusstseinsformen.
Nur jeder zehnte SHS-Bürger war in den zwanziger Jahren in Indus-
trie und Gewerbe beschäftigt. Die kommunistische Partei war in den
Städten und gewerblichen Regionen stark, wo sich diese Betriebe
konzentrierten und wo es eine kritische Masse an Intellektuellen,
Studenten und Schülern gab, die sich für marxistische Ideen begeis-
terten. Die meisten Anhänger fand die KPJ bei den Arbeitern der Me-
tall- und in der Textilindustrie sowie in Bergwerken, Verkehrsbetrie-
ben und im Bauwesen. Auch unter den armen Bauern in Dalmatien,
Montenegro und Makedonien, die auf zusätzliche Lohneinkommen
angewiesen waren, verzeichnete sie Rückhalt. Ende 1920 besaß die
KPJ rund 65 000 Mitglieder; außerdem kontrollierte sie die Gewerk-
schaften, in denen etwa 210 000 Männer und Frauen organisiert
waren.29
Noch auf ihrem Gründungskongress trat die KPJ der von den
russischen Bolschewisten beherrschten Dritten Internationale bei. Im
Unterschied zu ihrer Vorgängerin, der Zweiten Internationale, begriff
sie sich nicht als Zusammenschluss nationaler Parteien, sondern als
einheitliche Organisation. Mehr als zweihundert Delegierte aus
37 Ländern hatten auf dem Gründungskongress im Juli und August
1920 beschlossen, zu Sektionen einer gemeinsamen « Weltpartei des
Proletariats » zu verschmelzen. Die KPJ unterwarf sich in der Folge-
44 Petrograd, 23. Februar 1917
Zagreb,
zwanziger Jahre
Josip Broz war ein patenter Macher, kein Theoretiker, weder eige-
ner noch anderer Ordnung. Ebenso wie sein großes Vorbild Lenin war
er davon überzeugt, dass Revolutionäre nicht lediglich auf den reifen
historischen Moment warten, sondern ihn selbst herbeiführen müss-
ten. Dazu konnte er damals am ehesten beitragen, indem er half, dass
sich immer mehr Menschen der Veränderbarkeit ihrer Lage bewusst
wurden. Nur unter dem Deckmantel der Gewerkschaften hatte die
illegale KPJ « die Möglichkeit, sich leichter, weniger auffallend und
den polizeilichen Zugriffen minder ausgesetzt innerhalb der breiten
Massen der Arbeiterschaft zu betätigen », schrieb ein Instrukteur der
Komintern.38
Im Unterschied zu den Intellektuellen, die in der KPJ den Ton
angaben, gehörte Broz selbst zu jener bunt zusammengewürfelten
Schicht der Schlosser und Schreiner, Mechaniker und Maschinisten,
Drucker und Schiffsbauer, die es zu befreien galt. In eher ungelenken
Worten verfasste er in dieser Zeit eine Reihe von Reportagen für die
Parteipresse, in denen er die miserablen Arbeitsbedingungen in den
Fabriken, Werften, Bergwerken und Werkstätten anprangerte. « Der
Zustand in den Schlosserbetrieben … ist wie im Mittelalter », schrieb
er 1927. « Die Schlosser arbeiten in unerträglicher Hitze, in stinkenden
Löchern, ohne Ventilation, in Staub und Gestank 14 Stunden und
länger. »39 Wie in Russland sollte systematische Agitation in den Fabri-
ken eine revolutionäre Klasse schaffen. « Wir Genossen … müssen alle
in unsere kämpferische Gewerkschaftsorganisation eintreten und
dann einen energischen Kampf gegen die Ausbeutung der unersätt
lichen Bourgeoisie führen. »40 Beide Stoßrichtungen seiner politischen
Arbeit gehörten für ihn unmittelbar zusammen: die Verbesserung der
Arbeits- und Lebensbedingungen der proletarischen Klasse mit Hilfe
der legalen Gewerkschaften sowie der revolutionäre Systemwechsel
durch die illegale Partei.
ZAGREB, 7. NOVEMBER 1928
Der Revolutionär
Der « Bomber-Prozess »
gen von hinten zwei Detektive hervor. Einer schnappt mich an den
Armen, der andere drückt mir den Kopf runter und findet sofort die
Pistole », erzählte er später. « Hätte ich auch nur die Chance von einem
Prozent gehabt, wäre ich geflohen oder hätte geschossen », knurrte er
die Polizisten an. Stattdessen wurde er so fest gefesselt, dass seine
Hände blau anliefen.3
Vier weitere Personen, die in der Vinogradska 46 verkehrten, wur-
den ebenfalls verhaftet. Als die Polizei das Zimmer durchsuchte, das
Broz von einem Genossen für Parteitreffen und zum Übernachten ge-
mietet hatte, fand sie Flugblätter, Briefe mit Direktiven des Zentral-
komitees der KPJ und der Komintern sowie einen weiteren Revolver,
vier Handgranaten (« Bomben ») und eine Kiste mit Munition. Die
Ermittler waren sich sicher, den Unterschlupf und das zentrale Mate-
riallager des kommunistischen Untergrunds ausgehoben zu haben.
Während seiner Untersuchungshaft in Zagreb trat Broz in Hun-
gerstreik und schmuggelte einen Brief hinaus. Die Komintern ver
Der Revolutionär 53
Kein halbes Jahr vor seiner Verhaftung war Josip Broz in der
Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1928 zum politischen Sekretär, das
heißt Vorsitzenden, der Zagreber Ortsgruppe gewählt worden, der
größten und einflussreichsten innerhalb der KPJ. An jenem Abend
blies ein eisiger Wind auf dem Pantovčak, dem waldigen Hügel am
äußersten Stadtrand Zagrebs. Um 20 Uhr war es bereits zu dunkel,
um die Männer deutlich sehen zu können, die sich in gehörigem zeit-
lichen Abstand voneinander, manchmal zu zweit, aber nie mehr als
drei auf einmal, dem kleinen Gasthaus mit der Hausnummer 104 aus
unterschiedlichen Richtungen vorsichtig näherten. Tagsüber kehrten
bei der Familie Šepat vor allem Bauern auf dem Nachhauseweg vom
Markt ein, gelegentlich ein Jäger, aber jetzt wirkte das dörfliche Viertel
wie ausgestorben. Außer den beiden jungen Burschen, die hinter den
Bäumen auf Posten standen, beobachtete niemand, wie etliche obskure
Gestalten mal durch den Vorder-, dann durch den Hintereingang in
die Gaststube schlüpften. Schließlich waren etwa sechzig Genossen
und Gewerkschafter, davon die Hälfte wahlberechtigte Parteimitglie-
Der Revolutionär 55
Außer den Genossen aus Zagreb hatten sich in dieser kalten Win-
ternacht auch die Kontrahenten des « linken » und des « rechten » Flü-
gels, Đuro Cvijić und Sima Marković, auf dem Pantovčak einge
funden. Organisationssekretär Broz, der unter dem Pseudonym
Georgijević auftrat, war entschlossen, dem Kräftemessen ein Ende zu
bereiten und die Zagreber Parteiführung zu entmachten. Dazu hatte
er im Vorfeld Verbündete in Stellung gebracht, Beschlussvorlagen und
Aktionspläne sowie einen Brief an die Komintern vorbereitet. Sein ge-
heimer Verbündeter war « der Fette » Andrija Hebrang, ein intelligen-
ter, ruhiger und unbeirrbarer Genosse mit einem ausgeprägten In
stinkt für diskret einzufädelnde politische Aktionen. Broz war eng mit
ihm befreundet.
Ungerührt ließ Broz alias Georgijević den nicht enden wollenden,
selbstgefälligen Bericht des vorsitzenden Zagreber Parteisekretärs
Dušan Grković an sich abperlen, ehe er sein eigenes Koreferat vor-
trug. Darin schilderte eine düstere politische Lage: Es drohe Krieg
gegen die Sowjetunion und auf dem Balkan, die serbische Monarchie
und Großbourgeoise unterdrückten die anderen Nationalitäten, wäh-
rend die städtischen Arbeiter und die Bauernschaft weiter verarmten.
Die Parteiführung aber sei « nicht auf der nötigen Höhe », attackierte
er den Chef der Ortsgruppe. Es mangele an klarer strategischer Füh-
rung, und darunter leide die praktische Arbeit, wo doch gerade wich-
tige Arbeitskämpfe anstünden. « Fraktionärstum, Sektierertum und
Klüngelei » müssten entschieden bekämpft und praktische Schritte
unternommen werden, um die Parteiarbeit zu verbessern, schloss er
nach einer Dreiviertelstunde.11
In der Gaststube verfolgte der Vertreter der Komintern Wladimir
Sakun alias Mirković den Auftritt des resoluten Parteimannes mit
Wohlwollen. Der Instrukteur arbeitete im Balkan-Sekretariat in Mos-
kau, einem von elf Ländersekretariaten innerhalb des Exekutivkomi-
tees. Er war dafür zuständig, die kommunistischen Parteien in der
Region aufzubauen und in der praktischen Arbeit anzuleiten. Keine
ihrer europäischen Sektionen, schon gar nicht die illegalen, konnte
ohne Führung sowie finanzielle und logistische Unterstützung der
Komintern existieren. So organisierte die Internationale Verbindungs-
58 Zagreb, 7. November 1928
Anlass gab », wurde er an diesem Tag verhaftet und mit fünf weiteren
Genossen zu vierzehn Tagen Gefängnis verurteilt.14
Ende Juni 1928 riefen die Unabhängigen Gewerkschaften erneut
zu einer Großdemonstration auf, nachdem ein montenegrinischer Ab-
geordneter im Parlament in Belgrad auf die Fraktion der Kroatischen
Bauernpartei geschossen hatte – ein gezielter Angriff auf Parlamenta-
rismus und Demokratie. Zwei Abgeordnete wurden sofort getötet und
zwei weitere verletzt. Einer von ihnen war der beliebte Oppositions-
führer Stjepan Radić, der für eine kroatische Bauernrepublik kämpfte
und mit seinem « Föderalistischen Block » gegen die serbische Hege-
monie in Regierung, Verwaltung, Armee und Polizei Politik machte. In
den häufig wechselnden Kabinetten der Zwischenkriegszeit waren
unter allen 656 Ministern 452 Serben, aber nur 137 Kroaten, 49 Slo-
wenen und 18 bosnische Muslime vertreten.15 Stjepan Radić polemi-
sierte, in Jugoslawien seien die Kroaten unterdrückt wie nie zuvor; ein
Großteil des Steueraufkommens flösse nach Serbien. Er erlag im
August den Folgen des Attentats.
Aus Protest gegen den Anschlag auf die Abgeordneten der Bau-
ernpartei brachte die Opposition etwa 30 000 Menschen auf die
Straße. Die Empörung schaukelte sich zum Massenprotest gegen das
Regime auf, bis Arbeiter, Studenten und Bürgerliche lautstark die
Abschaffung der Monarchie und eine Republik forderten. Die auf
gebrachte Menge errichtete Barrikaden, es fielen Schüsse. Zurück
blieben mehrere Tote und zahlreiche Verletzte. Mehr als hundert ver-
meintliche Rädelsführer wurden daraufhin festgenommen, und die
Unabhängigen Gewerkschaften, bis dato legaler Arbeitgeber von
Broz, wurden verboten.
In dieser Situation fasste er den Entschluss, das quasi bürgerliche
Dasein aufzugeben und den politischen Kampf im Untergrund fort-
zusetzen. Warum ein Mensch aus freien Stücken Berufsrevolutionär
wird und es trotz aller Risiken für Leib und Leben auch bleibt, kann
die Sozialisation nur bedingt erklären. Der historische Kontext, das
persönliche Umfeld, bestimmte kulturelle Prägungen sowie eigene
Karrierewünsche und zufällige Bekanntschaften wirken daran mit.
Vor allem setzt es bestimmte charakterliche Dispositionen voraus.
60 Zagreb, 7. November 1928
e iner von beiden Kommissar. Wo drei sind, muss es ein Komitee ge-
ben. »25 Broz wurde ihr Sekretär und Pijade der Kopf der illegalen
Parteischule für politische Häftlinge, die nach dem Vorbild der sozia-
listischen Zirkel im vorrevolutionären Russland nach getaner Arbeit
stundenlang Parteigeschichte und Marxismus büffelten.
Da das E-Werk im Zuchthaus von Lepoglava auch den Ort mit
Strom versorgte, durfte Broz ab Sommer 1930 gelegentlich in den
umliegenden Häusern die Elektrik reparieren. Die Wirtin des Dorf-
krugs, der sich gleich neben dem Zuchthaus befand, hatte scheinbar
häufiger Probleme mit ihrer Leitung. Tatsächlich dienten ihre Auf-
träge für den Gefängniselektriker Broz als Vorwand, um konspirative
Treffen einzufädeln. « Um zehn Uhr morgens meldete ich mich mit
der verabredeten Losung bei unserer Sympathisantin, der Besitzerin
der Gaststätte, Fidlerica », erinnerte sich der Genosse Pavle Gregorić,
den die KPJ zur Kontaktaufnahme nach Lepoglava gesandt hatte. Sie
hieß ihn zu warten, ehe sie ihn in ein Gästezimmer im ersten Stock
führte. « Nach wenigen Minuten tauchte Tito auf. Er nahm den Zim-
merschlüssel draußen ab, um die Tür von innen zuzusperren. Mehr
als eine Stunde lang erklärte er mir dann die neuen Aufgaben der Par-
teiorganisation in Zagreb », während seine vier Wächter ahnungslos
um das Gasthaus herumspazierten.26 Von Zeit zu Zeit übergab Broz
dem Verbindungsmann auch eine leere Käseschachtel der Marke
« Zdenka ». Im doppelten Boden befand sich dann ein Brief an die
KPJ-Zentrale in Zagreb mit politischen Instruktionen oder auch ein
Bericht an die Komintern.
Dass die Verbindungen zwischen Lepoglava und Zagreb « aus
gezeichnet funktionierten », wie die Genossen attestierten, bekam
schließlich auch das Innenministerium mit, das dem Gefängnisdirek-
tor « übergroße Laxheit » vorwarf.27 Um das kommunistische Netz-
werk in Lepoglava aufzulösen, wurde Broz im Mai 1931 nach Maribor
verlegt. Die Haftbedingungen waren dort wesentlich härter als in
Lepoglava. Es « herrschte große und harte Disziplin und es wurde viel
gearbeitet », befand ein Gefängnisinspektor, « weil jeder für die kleinste
Verfehlung mit Disziplinarstrafen belegt wird ».28
Nur per Hungerstreik ließen sich einige Verbesserungen durch-
66 Zagreb, 7. November 1928
setzen wie die Verlegung in Sammelzellen und das Recht auf Pakete.
Die Nahrungsaufnahme zu verweigern, war das einzige Mittel, um
der Gefängnisleitung auch nur kleinste Zugeständnisse abzupressen.
Die jugoslawischen Kommunisten hatten sich das von den politischen
Häftlingen im Zarenreich abgeschaut. Auch hier ließen sich die
Zuchthausdirektoren hin und wieder zu Konzessionen bewegen, um
einem öffentlichen Skandal auszuweichen. « Die ersten drei Tage ver-
spürte ich so starken Hunger, als würden mir die Eingeweide verbren-
nen », berichtete Rodoljub Čolaković, der mit 21 Jahren zu 15 Jahren
Zuchthaus verurteilt worden war, über seinen ersten Hungerstreik.
« Das hat mich so gemartert, dass ich wie besessen immer im Kreis in
der Zelle herumlief. »29
Nach der obligatorischen Einzelhaft fand sich Broz mit weiteren
sieben Häftlingen in einer Sammelzelle wieder. Mager und blass
wirkte er in sich gekehrt. Er trug einen Kneifer auf der Nase und
Sträflingskluft, die ihm eine asketische Aura verlieh. Die acht Zellen-
genossen blieben meist hungrig, während sie täglich 1800 Papiertüten
kleben mussten. Dank Čolakovićs Eltern konnten sie sich immerhin
ein kleines Öfchen zulegen, das abends etwas Wärme ausstrahlte,
wenn die Häftlinge nach getaner Arbeit diskutierten oder lauthals die
Internationale sangen, bis ein wütender Wärter mit den Fäusten an die
Zellentür hämmerte. Oft hagelte es bereits bei kleinsten Verfehlungen
Disziplinarstrafen: Essensentzug, Fuß- und Handfesseln, Einzel-
und Dunkelhaft, Zwangsjacke.
Manchmal erhielt er Briefe von seiner Ehefrau Polka und selbst-
gemalte Bilder vom kleinen Žarko. Polka war kurz nach ihrem Ehe-
mann ebenfalls verhaftet worden, gab sich bei der Polizei aber unwis-
send und kam mit einem Hausarrest davon. Den vierjährigen Sohn
musste sie nun als Fabrikarbeiterin allein durchbringen. « Papa, wann
kommst du wieder zu uns? », ließ er seine Mutter in einem Brief fra-
gen. Die langen Arbeitstage bei Staub und Lärm setzten ihr zu; sie
wirkte blass und ausgezehrt. « Arme Polka », seufzten die Freunde,
« woher nimmt sie nur die Kraft, das alles auszuhalten? »30 Eines Tages
verschwand sie mit dem Sohn mit Hilfe der Komintern in die Sowjet
union. In Moskau schrieb sie sich an der kommunistischen Westuni-
Der Revolutionär 67
Generation Revolution
verwandelten, der gerade noch atmete, aber sehr bald aufhören würde,
Schmerzen zu fühlen. »44
Mitte 1933 saßen in Jugoslawien mehr als 22 000 politische Häft-
linge ein. Unter ihnen waren außer den Kommunisten auch Anhänger
der kroatischen faschistischen Ustascha-Organisation. Die militant
antijugoslawischen « Aufständischen », wie sie sich nannten, unternah-
men mit Unterstützung Italiens und Ungarns terroristische An-
schläge und Aufstandsversuche, um Jugoslawien zu zerstören und
einen unabhängigen großkroatischen Staat zu schaffen. Im Unter-
schied zu den Kommunisten besaßen sie aber keine Massenbasis.
Broz stand nach seiner Entlassung unter Hausarrest in seinem
Heimatort Kumrovec, bewegte sich aber mit falschen Papieren wieder
nach Zagreb. Dabei halfen ihm die jüngeren Kommunisten und Kom-
munistinnen aus der Stadt. « Die haben Unterstützung für mich ge-
sammelt, Rote Hilfe, und dann habe ich mit ihnen Versammlungen in
den Bergen von Samobor, oben im Wald, abgehalten. »45 Denn in der
Illegalität wuchs in den dreißiger Jahren eine neue revolutionäre
Generation heran. Ganz unterschiedliche Typen und Charaktere, die
sich in Parteikomitees, Zuchthäusern oder Privatwohnungen begeg-
neten, wurden zu Freunden und Verschworenen. Gemeinsame Ideen
und Ideale verwischten alle Differenzen wie ethnische Zugehörigkeit,
soziale Herkunft und Bildungsgrad. Außer ihrer Empörung über die
herrschenden Zustände und die Hingabe an die gemeinsame Sache
teilten etliche die Erfahrung körperlicher Gewalt. Wie viele junge
Männer und Frauen hatten bei der Polizei, vor Gericht und im Zucht-
haus Folter und Hungerstreiks ausgehalten! Sie knüpften ein konspi-
ratives Netzwerk, das die größeren Städte Jugoslawiens miteinander
verband. « Man kannte sich – und wusste, dass man sich absolut ver-
trauen konnte », verriet Edvard Kardelj.46
In einer Ära wachsenden Nationalismus war die KPJ jetzt die ein-
zige politische Kraft, die nicht nur gesamtjugoslawisch ein-, sondern
auch aufgestellt war. In dem Maße aber, wie der « Terror des Jugo
faschismus » die Partei bedrohte, verschärften sich Dogmatismus, Radi
kalismus und Militanz. Čolaković beschrieb, wie der Hass in ihm
wuchs, « jenes große Gefühl, das einen stählt und befähigt, Mühen
Der Revolutionär 73
Faszinosum Moskau
« Man baute ja den Sozialismus auf, und in Kürze würde das Land von
Reichtum nur so überquellen. »6
Im Anschluss an den Komintern-Kongress führte Tito die stau-
nende jugoslawische Delegation zu den Jahrhundertwerken der sow-
jetischen Hochmoderne, darunter zum weltgrößten Wasserkraftwerk
im ukrainischen Dnjeprostroj, zur Eisen und Stahl produzierenden
Retortenstadt Magnitogorsk im Ural und den riesigen landwirtschaft-
lichen Genossenschaften, den Kolchosen. Die Genossen waren tief be-
eindruckt von der transformativen Kraft des Sozialismus, und auch
Tito selbst erblickte hier das Zukunftsmodell für sein bitterarmes Hei-
matland. « Donbas, Wolga, Magnitogorsk, Fünfjahrespläne, 27 Millio-
nen Tonnen Stahl! » – das war’s, nicht irgendein balkanischer Klein-
kram, erklärte er dem Schriftsteller Krleža zwei Jahre später.7
Die Personifizierung des sowjetischen Fortschrittsmodells und
ihr höchstes Faszinosum war der seit 1927 alleinherrschende Staats-
und Parteiführer Josef Stalin. Von ihm hingen « an allen Ecken und
Enden, an passenden Stellen und an unpassenden, … gigantische
Büsten und Bilder », beobachtete der Deutsche Lion Feuchtwanger
bei seiner Moskau-Reise 1937.8 Die Jugoslawen, auch Tito, hegten
keinerlei Zweifel an der « absoluten und unbestreitbaren Autorität des
Weltkommunismus » und somit auch nicht am Personenkult dessen
obersten Anführers. « Wir waren stolz auf unsere Treue zu Stalin », be-
stätigte Titos Weggefährte Milovan Đilas », denn « in unseren Augen
war Stalin die Verkörperung von allem, was Bolschewik sein hieß ».9
Im Hotel Lux
Lucie Bauers
gefälschter Pass:
Karl und Paula Kirsch,
1934
habe und er allein zu Hause war und im Hotel Lux oft Unfug ge-
macht hat, so dass sich die Verwaltung … dauernd über ihn beschwert
hat. »23 Lucie verstand sich gut mit ihrem künftigen Stiefsohn und zog
im kleinen Zimmer 275 mit ein. Kurz bevor Tito im Oktober 1936
Moskau verließ, um im jugoslawischen Untergrund die Partei neu
aufzustellen, heirateten die beiden. Die Vorgesetzten in der Komin-
tern versprachen ihm, Lucie mit Žarko nachkommen zu lassen, sobald
er eine Wohnung gefunden hätte.
In geheimer Mission
Der Alte
« Tito war schon zwei Mal hier, zwei Mal in der Hoffnung,
dass er seine Frau hier antreffen wird », beschwerte sich Parteiführer
Gorkić im Frühjahr 1937 aus Paris beim jugoslawischen Vertreter in
der Komintern.35 Er solle bitte schleunigst für das Ausreisevisum für
seine Frau sorgen! Statt einer Antwort erhielt er Mitte Juli ein Schrei-
ben Dimitrows, der ihn « sofort und für mehrere Tage » nach Moskau
einbestellte.36 « Nein, es ist nicht, was du meinst », beruhigte er den
entsetzten Manès Sperber, den er in einem Café auf dem Boulevard
Saint-Germain traf. « Es handelt sich um eine Beratung, an der ich un-
bedingt teilnehmen muss. »37 Allerdings meldete sich Gorkić dann seit
Ende Juli nicht mehr, und auch von « Fleischer » (Gržetić), dem jugo
slawischen Vertreter bei der Komintern, kam kein Lebenszeichen. Die
94 Moskau, 25. Juli 1935
Komintern fror offenbar alle Beziehungen zur KPJ ein und schickte
auch kein Geld mehr. « Nun sind schon zwei Monate vergangen, seit
Sommer [Gorkić] abgereist ist, und sechs Wochen, dass von Euch
nichts kommt », schrieb Tito im September 1937 beunruhigt nach
Moskau. « Es gibt nicht mal eine Bestätigung, ob ihr unsere Sachen er-
haltet. »38
Ende 1937 informierte Wilhelm Pieck, der im Exekutivkomitee
der Komintern für die Balkanländer zuständig war, die jugoslawi-
schen Genossen über die Absetzung Gorkićs. Er beauftragte Tito, die
Leitung der jugoslawischen « Filiale
» kommissarisch zu überneh-
men. Tatsächlich waren Gorkić, seine Frau und ebenso Gržetić un-
39
Das endlose Warten auf die Erlaubnis zur Ausreise fand Lucie
nervenaufreibend und deprimierend. Sie war über den Winter ge-
sundheitlich angeschlagen und stark abgemagert. Aber mit dem
Visum tat sich einfach nichts. « Welche Enttäuschung! », klagte Tito,
der erneut umsonst nach Paris gekommen war. « Lusil, diese Tage habe
ich besonders viel an dich gedacht und starke Sehnsucht gehabt. »50
Kaum ging es ihr etwas besser, bekam sie einen Lungenkatarrh. Um
sich auszukurieren, fuhr sie am 15. September 1937 zu ihrer Freundin
Berta Glaser auf die Krim. Die beiden kannten sich aus den Fortbil-
dungen der Komintern. Berta arbeitete mittlerweile für die Rote Hilfe
und pflegte in Simferopol den Genossen Van der Veen. In seiner Woh-
nung in der Architektorskaja 20 konnte Lucie während ihres Urlaubs
unterkriechen.
Lucie konnte nicht wissen, dass Geheimdienstchef Nikolai Je-
schow im Juli 1937 den Befehl für die deutsche Operation gab. « Durch
Agentur- und Untersuchungsmaterialien der letzten Zeit ist bewie-
sen, dass der deutsche Generalstab und die Gestapo in breitem Um-
fang Spionage- und Diversionstätigkeit » organisieren, hieß es dort.
Der NKWD müsse also gegen diese « Agenten-Spione, Diversanten
und Terroristen » vorgehen. Stalin verfügte: « Alle Deutschen in unse-
ren Rüstungsbetrieben, halbmilitärischen und Chemiewerken, in
Elektrokraftwerken und auf Baustellen in ALLEN Gebieten sind zu
VERHAFTEN. » Außer der « fünften Kolonne » sollten alle Personen
mit einer « kompromittierenden sozialen und politischen Vergangen-
heit » und alle, « die in diesem oder jenem Maße der Spionage oder
konterrevolutionären Arbeit verdächtig sind », unschädlich gemacht
werden.51
Die deutsche und etliche weitere nationale Operationen standen
im Kontext des Terrors, der seit Frühjahr 1937 immer furchterregen-
dere Ausmaße annahm. Stalin fürchtete Kritik an Machtmissbrauch,
falschen politischen Entscheidungen sowie verheerenden wirtschaft
lichen Problemen bei der Umsetzung des Fünfjahresplans. Paranoid
und gewalttätig, instrumentierte er die « Säuberungen » dazu, alle per-
sönlichen und systemischen Fehlleistungen auf Sabotage zurückzu-
führen, um schließlich seine innerparteilichen Rivalen und alsbald
98 Moskau, 25. Juli 1935
Wann mag Tito von Verhaftung und Tod seiner Lusil erfahren ha-
ben, die er so sehnsüchtig erwartete? Darüber erzählen die Quellen
nichts. Er selbst hat über seine Ehe mit Lucie Bauer nie ein Wort ver-
loren. Dass es sie in seinem Leben überhaupt gab, kam sogar erst nach
Öffnung der sowjetischen Archive in den neunziger Jahren ans Tages-
licht.
Im Zuge des Großen Terrors, der Ende 1937 auf den Höhe-
punkt zulief, waren mittlerweile alle Mitglieder des jugoslawischen
ZK in der Sowjetunion verhaftet worden, darunter die vier ehemali-
gen Parteivorsitzenden Milan Gorkić, Filip Filipović, Sima Marković
und Đuro Cvijić. Drei Viertel aller jugoslawischen Kommunisten in
der Sowjetunion standen unter schweren Anklagen. Die Komintern
diskutierte, ob sie die unzuverlässige jugoslawische Sektion nicht ganz
auflösen sollte, so wie die polnische. Deswegen war Friedrich Walter
alias Tito immer noch nicht offiziell zum Nachfolger Gorkićs ernannt
worden.
Unterdessen beschloss im Zuchthaus von Sremska Mitrovica der
montenegrinische Kommunist Petko Miletić, Tito den Schneid abzu-
kaufen. Der vierzigjährige Tischler, ein langjähriges Mitglied der KPJ
und des Zentralkomitees, hatte in Moskau eine Schulung zum In
strukteur durchlaufen und saß jetzt eine siebenjährige Haftstrafe ab.
Er war ein ideologischer Scharfmacher, der die Volksfrontpolitik ab-
lehnte und die Gefangenen immer wieder zu Protestaktionen gegen
die Gefängnisleitung aufwiegelte. Das brachte ihm den Ruf eines
unerschrockenen und standhaften Revolutionärs ein, dessen Namen
sogar eine Freiwilligenbrigade in Spanien trug. Da er einflussreiche
Unterstützer in der jugoslawischen Exilführung in Paris und bei der
Komintern besaß, spekulierte er selbst auf den Parteivorsitz. Er war
der Favorit ebenjenes Georgi Damjanow (Bjelow) aus der Kaderabtei-
lung, der Lucie Bauer verhaften ließ. Ob dieser nur seine vermeint
liche Pflicht erfüllte, ob er die Gunst der Stunde ergriff, die die deut-
sche Operation darstellte, oder ob er damit Tito bewusst schaden
wollte, ist ungewiss.
102 Moskau, 25. Juli 1935
Endlich Generalsekretär
fen war ihnen nicht mehr, aber faktisch kam der Ausschluss einer An-
erkennung der NKWD-Morde gleich. Tito gab später zu, « wir haben
im Prinzip die Interpretation … akzeptiert, die die offiziellen sowje
tischen Organe vorgegeben haben ».81 Erst zwanzig Jahre nach der
schändlichen Sitzung prangerte er die Liquidierung von Millionen
vermeintlicher Spione, Faschisten und Hitler-Agenten in der Sowjet-
union an. Viele hätten es nicht verdient, zu « Feinden » erklärt zu wer-
den, sagte er. Die in der Sowjetunion ermordeten Jugoslawen wurden
rehabilitiert, auch Milan Gorkić. Nur Petko Miletić, der die KPJ bei
der jugoslawischen Polizei und Tito bei der Komintern denunziert
hatte und der nach seiner Freilassung aus Sremska Mitrovica Anfang
1940 in Moskau verhaftet wurde und für immer verschwand, fand in
Titos Augen keine Gnade.
Wie Tito die Erschießung seiner Frau durch den NKWD in sein
Weltbild integrierte, bleibt sein Geheimnis. Möglicherweise dachte er
auch an sie, als er bekannte: « Ich habe sehr, sehr viel Unrecht gese-
hen … Aber meine revolutionäre Pflicht hieß mich, dies nicht zu kri-
tisieren, um nicht der Propaganda … zu helfen, weil die UdSSR doch
das einzige Land war, wo eine Revolution stattgefunden hatte und wo
der Sozialismus aufgebaut werden sollte. » Und deswegen hatte er « zu
dieser Zeit nur einen einzigen Gedanken: nichts zu tun, das der ge-
samten weiteren Entwicklung der internationalen Bewegung schaden
könnte ».82
Das erschien ihm umso wichtiger, als die faschistische Achse den
Vielvölkerstaat bereits bedrohlich umzingelte. Hitler schloss 1938
Österreich sowie die Sudetengebiete an das Reich an und besetzte 1939
die Reste der Tschechoslowakei, den engsten Bündnispartner Jugosla-
wiens. NS-Deutschland war zum direkten Nachbarn Jugoslawiens ge-
worden; die Wehrmacht stand an seiner Grenze. Weder Frankreich
noch Großbritannien schienen gewillt, dem Aggressionsdrang ener-
gisch entgegenzutreten. « Der Faschismus Hitlers und Mussolinis be-
deutet Krieg! », schrieb Tito. « Die Freiheit und Unabhängigkeit der Völ-
ker Jugoslawiens sind bedroht, ja das Überleben Jugoslawiens. »83 Tito
hielt allen Zweiflern und Kritikern Stalins entgegen: « Wir haben keinen
anderen Ausweg als die UdSSR, und sie ist nun mal, wie sie ist. »84
Parteiarbeiter der Komintern 107
sollte einer von ihnen ein anderes Land angreifen. In einem geheimen
Zusatzprotokoll teilten sie zudem ganz Osteuropa in Interessensphä-
ren auf. Am 1. September 1939 überfiel die Wehrmacht Polen; drei
Wochen später marschierte die Rote Armee in Ostpolen ein. Während
die Komintern in Erklärungsnot geriet und feststellte, es handele sich
um eine rein innerrussische Angelegenheit, gab Milovan Đilas zu, er
sei « außerordentlich begeistert » gewesen, dass « die Sowjetunion den
Herrschaftsbereich des Sozialismus erweitert hatte. Im gleichen Maß
wie die allgemeine Angst vor Deutschland wuchs auch der Wunsch,
Russland als Gegengewicht stark zu sehen. »86
Die Komintern forderte alle Kommunisten auf, trotz des Hitler-
Stalin-Paktes weiter den Faschismus zu bekämpfen. Das war auch in
Jugoslawien bitter nötig, wo die Nationalsozialisten die slowenischen
und kroatischen Ultrarechten aufwiegelten und die volksdeutschen
Organisationen unterwanderten. « Der blutige und Hauptfeind der
Arbeiterklasse – das ist der Faschismus! », schrieb Tito voller Über-
zeugung.87 Zum ersten Jahrestag bezeichnete Tito das Abkommen
dann im « Proletarier » als eine Notwendigkeit, um die Kriegstreiberei
Hitlers einzudämmen. Die Sowjetunion gewinne Zeit für den Aufbau
der Landesverteidigung und des Sozialismus; zudem habe sie auf
diesem Wege die Balkanvölker vor faschistischer Aggression be-
wahrt.88
Zurück in Jugoslawien ging Tito voll in seiner politischen Aufgabe
auf. Er lebte jetzt mit der 25-jährigen Herta Haas zusammen, die er
1938 als Kurierin der Partei kennengelernt hatte. Die Tochter eines
wohlhabenden Rechtsanwalts gehörte zur deutschsprachigen Min-
derheit in Slowenien und studierte in Maribor Volkswirtschaft. Die
überzeugte Antifaschistin war mit zwanzig Jahren der Jugendorgani-
sation beigetreten, engagierte sich in der Frauenbewegung und hatte
bei der Rekrutierung der jugoslawischen Spanienkämpfer mitgeholfen.
Sie bewies Intelligenz, Mut und das richtige Gespür für gefährliche
Situationen, wenn sie, blond, gutaussehend und elegant, in präparier-
ten Koffern gefälschte Pässe oder in einer ausgepressten Zahnpastatube
Erklärungen der jugoslawischen Parteiführung über die Grenze trans-
portierte. « Technisch sehr fähig, kaltblütig », beschrieb Tito sie gegen-
110 Moskau, 25. Juli 1935
Hitlers Strafgericht
Belgrad. In den nächsten zwei Tagen warf sie 440 Tonnen Brand- und
Splitterbomben ab. 9000 Häuser wurden im Feuersturm zerstört und
3000 Menschen getötet – mehr als in Warschau, Rotterdam und
Coventry zusammen.2 « Es gab keinen elektrischen Strom, kein Wasser
und keine Lebensmittel. Überall lagen Leichen umher », erinnerte
sich Milovan Đilas.3 Die 2. und die 12. Armee – insgesamt 680 000 Sol-
daten – marschierten daraufhin aus zwei Richtungen in Jugoslawien
ein. Am 10. April erreichte die Wehrmacht Zagreb und drei Tage spä-
ter Belgrad. Hals über Kopf flohen der siebzehnjährige König Pe-
ter II. und seine Regierung nach Kairo.
« Vielleicht ist, bis Du diesen Brief bekommst, der Krieg in die-
sem Land schon aus », spekulierte der Gefreite Ernst Feldbaum, als er
am 11. April seiner Mutter nach Launingen an der Donau schrieb.
Mit seiner Einheit war er, wie er sich ausdrückte, bis zu einem « Mo-
hammedanerdorf » in Bosnien – einem « Dreckloch » – durchmar-
schiert. « Dass Jugoslawien so … verwahrlost ist, hätte ich nie ge-
dacht. » Schlimmer noch: « Die Bevölkerung ist sehr gefährlich.
Schneiden einem am liebsten den Hals ab! »4
Noch am 11. April unterzeichnete ein General der jugoslawischen
Armee die bedingungslose Kapitulation. Der Vielvölkerstaat ver-
schwand von der politischen Landkarte. Hitler und Mussolini er-
mächtigten die faschistischen Ustascha unter ihrem Führer Ante
Pavelić, auf dem Gebiet Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas den
Unabhängigen Staat Kroatien zu errichten. Serbien wurde unter
deutsche Militärverwaltung gestellt, Slowenien zwischen dem Reich
und Italien in Annexionsgebiete aufgeteilt. Ungarn besetzte größere
Regionen der Vojvodina und Bulgarien Teile Makedoniens. Nach dem
raschen Zusammenbruch der jugoslawischen Streitkräfte, so dachten
die Oberkommandierenden der Wehrmacht, müssten vier Infanterie-
divisionen und acht Landesschützen-Bataillone, insgesamt 25 000 bis
30 000 Mann, ausreichen, um die kriegswichtigen Bauxit-, Nickel-
und Chromvorkommen, die landwirtschaftlichen Anbaugebiete sowie
die Nachschublinien für den Russlandfeldzug zu sichern.5
Wenngleich das deutsche Oberkommando mit dem Verlauf des
Krieges auf dem Balkan zufrieden sein konnte, gab es Unwägbarkei-
114 Zagreb, 10. April 1941
erte die ganze Nacht. « Wir konnten uns nur mit größter Vorsicht,
kriechend, gleitend oder in Sprüngen bewegen. » Ein Gefreiter wurde
durch Kopfschuss, ein Unteroffizier im Oberschenkel verwundet.
Erst gegen sechs Uhr morgens ließ das Feuer nach. Rommelfangers
« nervös-überreizte » Männer konnten weder schlafen noch ausruhen.
Am folgenden Tag, dem 3. September, war die Wasserzufuhr un-
terbrochen, die Küche wegen der feindlichen Scharfschützen uner-
reichbar, das Telefon tot. « Bei Einbruch der Dunkelheit wiederholten
sich die Feuerüberfälle in verstärktem Umfange und nahmen an Hef-
tigkeit und Dauer zu », hielt der Leutnant fest. Er entschied noch in
derselben Nacht, alle Geheimen Kommandosachen höchstpersönlich
zu verbrennen.
Als am nächsten Mittag das Brummen von Flugzeugmotoren zu
hören war, spürte Rommelfanger eine gewisse Erleichterung, obwohl
der Beschuss « trotz der rollenden Stuka-Angriffe » ohne Unterlass
weiterging. Noch ehe spätabends der Befehl eintraf, aus dem Stütz-
punkt auszubrechen, wurde er verwundet. Rommelfanger und dreißig
Soldaten der Hauptgruppe gelang es trotz starken MG-Feuers, sich
bis nach Valjevo durchzuschlagen. Die Verwundeten und der gesamte
Tross blieben zurück. Die « Banditen » stellten und erschossen den stell-
vertretenden Kompaniechef und entwaffneten mehrere versprengte
Gruppen.14
« Was täglich an Schweinereien von Seiten der Banden passiert,
sollte man einfach nicht mehr glauben », schrieb Leutnant Peter G. am
12. September nach Hause. Der General habe erzählt, « daß zwei
Kompanien (!) seit 14 Tagen (!!) nicht mehr aufzufinden sind (!!!).
Man stelle sich das mal vor!! Zwei Kompanien gefangengenommen!!
Mit fünf Offizieren usw. …!!! Mit Flugzeugen sucht man sie Tag und
Nacht!!! Es ist direkt himmelschreiend!! … So sieht es zur Zeit in dem
ewigen Unruheherd aus. Viel schlimmer als damals in der Tschechei,
in Polen, Frankreich usw. »15
118 Zagreb, 10. April 1941
Volksbefreiungsaufstand
das Lager der Waggonfabrik getrieben. » Später wurden sie vor offenen
Gräbern erschossen.30 In einer einzigen Woche ermordete die Wehr-
macht in Kraljevo zwischen 4000 und 5000 Zivilisten, in Kragujevac
mindestens 2300 Personen. Von Oktober bis Dezember 1941 fielen in
ganz Serbien bis zu 30 000 Einwohner, Männer, Frauen und Kinder,
den « Strafaktionen » des Bevollmächtigten Kommandierenden Gene-
rals Franz Böhme zum Opfer.31 « Das Ausheben der Gruben nimmt
den größten Teil der Zeit in Anspruch, während das Erschießen selbst
sehr schnell geht (100 Mann 40 Minuten) », berichtete Oberleutnant
Walther. « Mein persönlicher Eindruck ist, dass man während der Er-
schießung keine seelischen Hemmungen bekommt. Diese stellen sich
jedoch ein, wenn man nach Tagen abends in Ruhe darüber nach-
denkt. »32
Die Geiselerschießungen betrafen außer Kommunisten bevor-
zugt Juden und Roma, da sie, wie der Chef der Zivilverwaltung in
Serbien, SS-Gruppenführer Harald Turner, am 26. Oktober 1941 kon-
statierte, « ganz allgemein ein Element der Unsicherheit und damit
Der Partisanenführer 125
Der Rivale
sie jetzt über eine Waffenfabrik, die täglich 450 Gewehre und bis zu
150 000 Kugeln Munition produzieren konnte.
In Stolice, jenem kleinen Ort in der Nähe von Krupanj, den die
Wehrmacht im September 1941 fluchtartig verlassen musste, versam-
melten sich noch im selben Monat führende Widerstandskämpfer aus
den Aufstandsregionen. Sie beschlossen, eine einheitliche militärische
Organisation für ganz Jugoslawien aufzubauen, einschließlich Ge-
heimdienst, Sanitätswesen und Intendantur. In den Dörfern und Ge-
meinden, die die Partisanen kontrollierten, wollten sie umgehend eine
sozialistische Ordnung schaffen. Die Partisanen beherrschten zu die-
sem Zeitpunkt größere Gebiete in Montenegro, West-, Süd- und Ost-
serbien, in der kroatischen Lika, Banija und im Kordun, in Slowenien
sowie in der Bosnischen Krajina und der Herzegowina.
Seit seiner Ankunft im serbischen Aufstandsgebiet drängte der
ominöse Tito, dessen wahre Identität niemand kannte, auf ein Treffen
mit Draža Mihailović. Am 19. September 1941 kam er mit einer klei-
nen bewaffneten Schar zum Treffpunkt nach Struganik geritten, wo
ihn Mihailović mit etwa fünfzehn bewaffneten Tschetniks erwartete.
Draža empfing den Unbekannten recht herzlich, umarmte und küsste
ihn. « Hör mal Bruder, woher bist du denn? », fragte er. « Militär
geheimnis! », sagte Tito. « Ach nicht doch! », entgegnete Mihailović.35
Danach wollte der Unbekannte seinen Gastgeber partout überreden,
ein gemeinsames Hauptquartier zu bilden. Er wirkte angespannt und
sprach mit einem merkwürdigen Akzent, fand Mihailović. Vermutlich
war er Russe, womöglich der Geschäftsführer der sowjetischen Ver
tretung in Belgrad? Er würde der serbischen Polizei demnächst ein
Foto übergeben, um das prüfen zu lassen. Damit setzte Mihailović
eine in nationalistischen Kreisen zählebige Verschwörungstheorie in
die Welt, die ein eifriger CIA-Mann nach dem Krieg aufgrund einer
Sprachanalyse irrtümlich bestätigte.
Der vermeintliche Russe namens Tito weigerte sich einzugeste-
hen oder überhaupt zu begreifen, dass die Zeit noch nicht reif für den
Aufstand war. Es sei doch Wahnsinn, argumentierte Mihailović, eine
Macht anzugreifen, « die über Nacht Frankreich, Polen, die Tschecho-
slowakei und andere zerstört hat! » Nach Stunden gingen die beiden
128 Zagreb, 10. April 1941
Tschetniks posieren
mit Dolmetscher für
die Wehrmacht, 1944
Th ei ss
Dr
au Unabhängiger Staat Kroatien
UNGARN
Slowenien Militärverwaltungsgebiet
RUMÄNIEN Serbien
Ljubljana Zagreb Batschka
Dra
u
Gebietsverluste an das
Mai 1941 Banat Deutsche Reich
Triest Slawonien
Do
Sav nau Gebietsverluste an Italien
Rijeka e
Gebietsverluste an Albanien
Syrmien
Don nach Moskau
Bihać Belgrad au
Banja Luka und zurück
Nov. 1942–Jan. 1943 Mai–Sept. 1941
Tuzla Craiova u
N Stolice na
Jajce Sept. 1942 und Sept. 1941 Do
Zagreb, 10. April 1941
Monte-
Adriatisches negro Pristina
ˇ Weg ins Kriegsgebiet
LG
Meer
RIE
kan verärgern. « Warum musstet ihr denn zum Beispiel unbedingt eine
Proletarische Brigade gründen? », tönte es vorwurfsvoll aus Moskau.
Und warum gebe es Festparaden am Jahrestag der Oktoberrevolution?
Tito ärgerte sich über « kilometerlange Briefe » voller Ermahnungen,
« dass unsere Partisanenbewegung [nicht] zu stark ins kommunistische
Fahrwasser kommt ».59
Im Wald
Partisanenfibel,
« Arabische Zahlen »,
1944
« Nicht schlecht, fehlt nur ein bisschen Salz », zwinkerte er.64 So kam es
häufiger vor, dass Partisanen aus Hunger zu den Tschetniks überlie-
fen, die von den Italienern Mehl, Pasta und Reis erhielten.
Im ersten Kriegswinter erlitten hunderte Kämpfer schwere Er-
frierungen. Zehen und ganze Füße mussten amputiert werden.
Kranke, Verwundete und Schwerverletzte konnten jedoch nur not-
dürftig medizinisch versorgt werden, da es im Partisanenkrieg keine
sichere Heimatfront gab. « Man musste auch ohne Narkose amputie-
ren. Sogar den Oberschenkelknochen mit einer gewöhnlichen Holz-
säge abtrennen », berichtete ein Schweizer Arzt, der freiwillig bei den
Partisanen Dienst tat. « Ich roch den Gestank von Eiter und Lebertran
aus den … Gipsverbänden, den Urin- und Stuhldunst der Männer
mit zerschossenem Unterleib, ich sah schaudernd die melonengro-
ßen, mit schmierigem Eiter bedeckten Wunden der Oberschenkelam-
putierten, die Gesichter unter serumdurchtränkten Kopfverbänden,
die kaum mehr zu erkennen waren, weil der Unterkiefer fehlte oder
die Nase, die Stirn, das Auge. »65
Im Lazarett arbeiteten viele Sanitäterinnen, Ärztinnen und Chi
rurginnen. Frauen wollten allerdings auch zu den kämpfenden Ein-
heiten. Junge Bauernmädchen bewiesen selbstmörderischen Mut,
wenn sie aus dem Hinterhalt einen Zug gepanzerter Fahrzeuge angrif-
fen, erinnerte sich der Schweizer Arzt. « Es galt, mit Handgranaten,
die mit Draht zusammengebündelt waren, aus einer höher gelegenen
Deckung direkt bis nahe an die Seite des Tanks zu stürmen, die Gra-
naten unmittelbar vor die Radketten zu werfen, mit ein paar Sätzen
zurückzulaufen und sich flach auf den Boden zu werfen. »66 Etliche
verloren dabei ihre Beine, nicht wenige ihr Leben. Am Ende des Krie-
ges war jeder achte Partisan weiblich.
Seit 1942 bemühte sich Tito bei der Wehrmacht vergeblich um
die Anerkennung der Partisanen als kriegführende Macht. Dass die
Deutschen in der Regel keine Gefangenen machten, sondern jeden
Aufgegriffenen umgehend erschossen, rechtfertigten ihre Oberen mit
dem Völkerrecht. Nach der Haager Landkriegsordnung galten irregu-
läre Kämpfer tatsächlich nicht als schutzwürdige Kombattanten.
Allerdings untersagte das Völkerrecht auch schon damals, unter dem
140 Zagreb, 10. April 1941
gen ist, einen Mann wie Tito zu erobern », wunderte sich Vladimir
Velebit.69 Und das, wo er doch in Kroatien Frau und Kind, die wun-
derbare Herta und den kleinen Mišo, hatte!
Es gab praktisch niemanden im Stab, der ein gutes Haar an
Zdenka ließ. Koča Popović warf ihr « eine Anhäufung allerschlech
tester Eigenschaften » vor: beispiellose Feigheit, Charakterlosigkeit,
Selbstsucht, Panikmache und Hysterie, um nur einige zu nennen. Er
schien sie regelrecht zu hassen.70 Als sich der alte Haudegen Marijan
Stilinović bei Tito über Zdenka beschwerte, fuhr dieser hoch: « Was
kann ich machen, mein lieber Marijan, ohne sie kann ich nicht. »71
Aber eines Tages fragte er seinen Mitkämpfer Đuro Vujović wegen der
kapriziösen Gefährtin um Rat. « Genosse Đuro, was soll ich nur mit
ihr machen? » – « Genosse Tito », entgegnete er, « ich würde sie erschie-
ßen! »72
klärt, dass nicht alle Serben Tschetniks waren. « Das war sehr müh
selig. »83
Misshandlungen und Morde verübten die Partisanen selbst aller-
dings ebenfalls reichlich. Gewalterfahrung erzeugte Abstumpfung,
Verrohung und Hass. So manch einer verfiel einer nicht mehr kontrol-
lierbaren Vergeltungssucht – nicht zuletzt, weil Rache eine emotionale
Strategie ist, um Hilflosigkeit durch Handlungsmacht zu ersetzen.
Das beschrieb Milovan Đilas, nachdem er am Morgen des 18. Juli
1942 mit einem Bataillon des Obersten Stabes in Urije, einem von
Serben bewohnten Dorf in Zentralbosnien, eintraf. « Zuerst fanden
wir unter einem großen Birnbaum am Wegrand … zwei Bauern …
Die Patronen … hatten so große Wunden gerissen, dass aus ihnen das
Gehirn austrat. » Etwas weiter entfernt lagen noch mal zehn, zwölf
Leichen mitten auf dem Weg: Männer, Frauen, junge Burschen und
Mädchen, Kinder und sogar ein Säugling, alle mit zertrümmertem
Schädel, daneben dicker, weißer Hirnbrei und Fleischfetzen. Auch in
den Häusern bot sich ein infernalischer Anblick: Frauen mit durchge-
schnittener Kehle, verstümmelte Männer, überall Blut. « Und das von
Haus zu Haus. » Er stand unter Schock und « spürte gar nichts mehr »,
erinnerte er sich ratlos, keine Trauer, keinen Schmerz, keinen Lebens-
willen. Aber bald regte sich in ihm die Wut: Eine Welt mit so viel
Unmenschlichkeit wollte er nicht! « Es gibt nur eine Alternative: Ent
weder wir – oder sie! », verkündete er.84 In einem weiteren Artikel
wurde er noch drastischer: Man möge keine Zeit mit den Verbrechern
vergeuden, schrieb er. « Schlagt sie wie Hunde tot, so wie sie es ver-
dient haben, rächt unsere unschuldigen Opfer! »85
Dabei hatte Tito bereits am 8. November 1941 jedem mit der
Todesstrafe gedroht, der die Bestialität Anderer durch « Quälen, Prü-
geln oder irgendeine andere Art persönlichen Hasses » rächte. Die Par-
tisanen seien « mehr als andere verpflichtet, das Kriegsvölkerrecht zu
achten », mahnte er.86 Aber auch er selbst ließ sich hinreißen. Als die Ita-
liener im Mai 1942 den kroatischen Parteiführer Rade Končar hinrich-
teten, war er so zornig, dass er aus Vergeltung eine Gruppe italienischer
Gefangener erschießen ließ. Erst Jahre nach dem Krieg gab er zu, dass
das « vollkommen sinnlos war. Ich war nur so wütend wegen Končar. »87
Der Partisanenführer 145
« Titos Staat »
mit den engen Gassen, den vielen Kirchen und Moscheen bildete seit
dem 16. Jahrhundert das äußerste Bollwerk der Osmanen gegenüber
dem Habsburgerreich. Viele slawischsprachige Muslime lebten hier –
die Nachfahren jener Christen, die einst zum Islam übergetreten wa-
ren. Mit Bihać konnten die befreiten Gebiete Westbosniens und der
Provinzen Banija, Kordun und Lika miteinander verbunden werden,
ein Territorium mit zwei Millionen Einwohnern, das größer als Bel-
gien oder die Schweiz war. Inmitten der über 1600 Meter hohen Berg-
welt, in der sich die grün schimmernde Una durch enge Schluchten
schlängelt, gründeten die Partisanen erneut eine freie Republik. Die
Besatzer nannten sie « Titos Staat ».
Mit der Bildung des Antifaschistischen Rates machte Tito seinen
politischen Machtanspruch offiziell geltend. Er hielt die Zeit reif, « so
was wie eine Regierung » aufzubauen, damit nicht alle Beschlüsse
ausschließlich vom Obersten Stab und von der Partei gefasst würden.
Die Sprachregelung lautete indessen, dass man nur einen Ausschuss
gründe, der sich um Verwaltung und Versorgung kümmere. Denn ge-
rade waren britisch-amerikanische Truppen dabei, die Deutschen und
Italiener in Afrika zu besiegen und sich auf die Landung in Sizilien
vorzubereiten. Das warf die Frage der Nachkriegsordnung in Europa
auf, und Churchill war entschlossen, die Ausweitung des Bolschewis-
mus nach Kräften zu unterbinden. Irgendwo eine selbst ernannte
kommunistisch geführte Regierung anzuerkennen, stand gänzlich
außer Frage. Mit Rücksicht auf seine westlichen Verbündeten mahnte
auch Stalin die jugoslawischen Kommunisten, keine offiziellen Staats-
organe zu gründen. « Genossen und Genossinnen », sprach Tito also zu
den Delegierten, « wir haben keine Möglichkeit eine legale Regierung
zu bilden, weil uns das die internationalen Beziehungen … nicht er-
lauben. Aber wir haben das Recht, … unter diesen schwierigen Bedin-
gungen ein politisches Organ zu schaffen, das unser zerstörtes Land
politisch und wirtschaftlich organisiert. »3 Dann schwor er die Dele-
gierten auf « Brüderlichkeit, Eintracht und Einheit aller Völker Jugos-
lawiens » ein, das Alpha und Omega des zukünftigen Staates. Es sollte
eine Bundesrepublik gleichberechtigter Völker entstehen, und im Un-
terschied zur zentralistischen Königsdiktatur sollte kein Volk mehr
Der Staatsgründer 149
ten sie die Lichtung, wo der Oberste Stab seine Zelte aufgeschlagen
hatte. Als ein mittelgroßer Mann im Uniformrock « mit einer Haltung
natürlicher Autorität » auf sie zutrat, war klar, « dass er [Tito] der Kom-
mandeur war und dass er persönlich und mit absoluter Autorität eine
große Kriegsoperation befehligte ».21
Alle Vorbereitungen waren schon getroffen, um noch am Abend
Richtung Nordwesten aufzubrechen. « Es wurde ein beschwerlicher, ja
einer der beschwerlichsten Märsche », erinnerte sich Milovan Đilas.
« Dichter Nebel und starker Regen hatten die Finsternis undurch-
dringlich, den Gebirgspfad schlammig und äußerst glitschig ge-
macht … Häufig riss die Kolonne ab, der Kontakt ging verloren. »22
Tagelang ging es weiter durch unwegsames Gelände, steile Schluch-
ten und zerklüftete Felsen, über schmale, halsbrecherische Pfade
durch Schnee und Matsch. « Die Truppen vor uns und an den Flanken
kämpften um jede Bergkuppe und jeden Grat », berichtete Deakin.
Denn die gut ausgerüsteten deutschen Gebirgsjäger hockten auf allen
strategischen Punkten und wichen keinen Millimeter zurück. Um je-
den einzelnen Gipfel musste hart gerungen werden. Tag für Tag zog
sich der Belagerungsring enger zusammen, bis die Volksbefreiungs
armee auf ein Gebiet von kaum noch dreißig Kilometern Durchmes-
ser zusammengedrängt war. « Die Kämpfe waren furchtbar », beschrieb
Vladimir Dedijer das Geschehen. « Die Deutschen hielten ihre Stel-
lung eisern, während wir uns, unter unerhörten Verlusten, freizu-
kämpfen suchten. »23
Am 5. Juni saß Tito mit seinen Kommandeuren Koča Popović
und Peko Dapčević bei strömendem Regen unter einer Zeltplane und
hielt Kriegsrat. Draußen strich Vladimir Dedijer herum, der akribi-
sche Chronist des Aufstands. Das Scherzen, eine seiner geschätzten
Eigenschaften, war dem stupsnasigen Hünen vergangen. Was sollte er
denn jetzt ins Tagebuch schreiben, fragte er besorgt. Peko grinste.
« Schreib: Wir brechen aus! … Und Punkt! »24
Der Plan lautete, in zwei Gruppen durch das Tal der Sutjeska
über das Zelengora-Gebirge auszubrechen. Zwei Divisionen sollten
unter Titos Kommando nordwärts über die Sutjeska nach Bosnien
durchstoßen, die zwei anderen mit dem Hauptlazarett ostwärts über
156 Bihać, 26. und 27. November 1942
die Tara in den sicheren Sandschak ziehen. Alle schweren Waffen und
die Ausrüstung wurden zerstört oder vergraben, um beim Über-
schreiten der feindlichen Linien schneller und beweglicher zu sein.
Selbst das Hauptarchiv des Obersten Stabes verschwand unter der
Erde.
Während die Deutschen mit allen Kräften unerbittlich vorstie-
ßen, fingen die Partisanen einen deutschen Funkbefehl an die Kom-
mandeure aller Regimenter ab: « Kein wehrfähiger Mann verlässt den
Kessel lebend. »25 Der Brite Deakin erinnerte sich: « Flugzeuge, ge
sichert von Artillerie auf den Bergen, hatten die Aufgabe, unsere
Kampftruppen einzukesseln, … die letzten Viehherden und Maultier-
karawanen niederzumachen, die Moral der Truppe zu zerstören. »26
Die Alliierten zählten insgesamt rund 1500 Luftangriffe mit einem
geschätzten Bombenabwurf von 460 Tonnen, mit denen die Wehr-
macht das gesamte Gebiet Meter für Meter umpflügte. Geschwader
aus Stukas, Heinkels und Dornier-Bombern mähten die langen Ko-
lonnen der Marschierenden auf schmalen Pfaden reihenweise nieder.
« Es war einfach furchtbar », erzählte eine Ärztin. Plötzlich verdunkel-
ten die Flugzeuge den Himmel, bei ohrenbetäubendem Motoren-
lärm. « Auf einmal warfen sie einen ganzen Bombenteppich ab …
Körperteile flogen in alle Richtungen … Es fing Geschrei an. Wir
rannten von einem zum anderen …, beruhigten die Verletzten und
verbanden sie. »27 Dann kam schon die nächste Angriffswelle. Und
dann noch eine und noch eine, den ganzen Tag.
Am Abend des 8. Juni 1943 begann der Oberste Stab mit seinem
Begleitbataillon bei Finsternis und Regen den Aufstieg über den Berg
Milinklada. Im Tal der Sutjeska sollte der Ausbruch aus dem Kessel
stattfinden. Die Kletterei war fürchterlich schwierig, zumal in fins-
terster Nacht. Im Morgengrauen kreisten dann schon wieder pausen-
los Kampfflugzeuge über dem Tal, um das gesamte Gebiet mit Bom-
ben zu übersäen. Von allen Seiten schlugen Schrapnelle ein, notierte
Vladimir Dedijer, der bereits unten angekommen war. « Wir liegen in
einer feuchten Klamm, … und schauen dauernd auf die Uhr, wann
dieser furchtbare Tag zu Ende ist. »28
Währenddessen stieg Tito noch mit seiner Gruppe ins Tal ab. Auf
Der Staatsgründer 157
Dr. Ivan Ribar
und Tito am Berg
Milinklada, 1943
einer Lichtung gab es bei einem Luftangriff keine Deckung mehr. Alle
warfen sich zu Boden, Tito duckte sich hinter einer umgestürzten
Buche, neben ihm kauerten Captain Stuart und Aleksandar Ranković.
Völlig verängstigt machte sich sein Schäferhund Lux über seinem
Kopf breit, während es ununterbrochen heftig um sie herum ein-
schlug. Als eine Zehn-Kilo-Bombe ihren Baumstumpf traf, flog die
ganze Gruppe in die Luft. Es wurde düster, und « mir schien, dass ich
in diesem Moment sterbe », berichtete Tito später. Als sich die Rauch-
wolke verzogen hatte, sah er sich um: Lux war in Stücke gerissen, sein
langjähriger Gefährte Đuro Vujović und Captain Stuart lagen mit
verdrehten Beinen reglos am Boden. Aber « dann kam Marko [Ranko
vić] und fasste mich unter dem Arm ».29
« Ich wusste erst gar nicht, dass ich … verletzt war », erzählte er
später. « Ich spürte, dass der Arm taub wurde, schenkte dem aber keine
158 Bihać, 26. und 27. November 1942
Beachtung. » Alle rannten weiter die Schlucht hinab, ehe sie sich ober-
halb des Flusses durch das Gelände schlugen. Erst als sie abgehetzt
auf einem Geröllfeld haltmachen konnten, bemerkte Tito das Blut.
Als zwei, drei Tage später der verbundene Arm blau anlief, entfernten
sie einen Granatsplitter und nach dem Krieg noch zwei weitere.30
Vladimir Dedijers Frau, die Chirurgin Olga Dedijer-Popović, hatte
wie so viele andere an diesem Tag weniger Glück. Eine Bombe zer-
fetzte ihr die Schulter. Zehn Tage später wurde sie im Föhrenwald der
Romanija bestattet.
Dieses Mal zeigte sich der Wehrmachtsbefehlshaber siegesgewiss.
« Starker Feind in Sutjeska-Piva auf engstem Raum zusammenge-
drängt, darunter Tito einwandfrei festgestellt », funkte er nach Berlin.
« Letzte Phase des Kampfes, die Stunde der restlosen Vernichtung der
Titoarmee damit gekommen. »31 Tito war sich zu diesem Zeitpunkt in
der Tat selbst « nicht mehr sicher, dass wir da herauskommen », er-
zählte er.32 Dann aber schlug Koča Popović in schier auswegloser Lage
mit seiner Proletarischen Brigade auf eigene Initiative eine Bresche in
den Belagerungsring. Damit rettete er Tito das Leben. « Wir sind im-
mer noch in schwieriger Lage », telegrafierte dieser kurz darauf nach
Moskau. « Der Feind … greift von allen Seiten an … Wir bitten um
Eure Unterstützung angesichts dieser schwersten Heimsuchung. »33
Aber auch dieser Hilferuf war vergebens. In der Nacht zum 13. Juni
gelang es Titos Gruppe, im Gänsemarsch zwischen den deutschen
Stellungen hindurchzuschlüpfen. « Nicht ein Mucks war entlang der
ganzen Marschkolonne zu hören », schilderte Deakin die Flucht. Als
die Partisanen tags darauf aus dem Gebirge in die rettende Tiefebene
stürmten, wurden « aus Gejagten nun Jäger ». « Wie Mongolenhorden »
machten sie die in den Dörfern stationierten deutschen Soldaten nie-
der. « Das Mitleid hatte uns längst verlassen », bekannte er.34
Zur gleichen Zeit fand sich die zweite Kampfgruppe, die mit dem
Lazarett weit zurückgeblieben war, in solcher Bedrängnis, dass Milo-
van Đilas entschied, die Transportunfähigen in Höhlen zurückzulas-
sen. Das Lazarett aus dem Kessel retten zu können, war von Anfang
an eine Illusion, sagte Sanitätschef Gojko Nikoliš später. Wie sollten
all die Schwerverwundeten, Amputierten und Fiebernden in wochen-
Der Staatsgründer 159
Fahndungsaufruf,
« Belohnung
100 000 Deutsche
Mark in Gold »,
1943
folg ist riesig. »44 Und in der Tat: Die Allgegenwart von Not, Verzweif-
lung und Gewalt befeuerte die Sehnsucht nach einem Retter. Viele
wünschten sich eine Führungspersönlichkeit, die über außeralltäg
liche Fähigkeiten und Kräfte – mit anderen Worten Charisma – ver-
fügte. Wie viel Tito davon wirklich ausstrahlte, was die Menschen in
ihrer Verzweiflung auf ihn projizierten und welche Bilder die Propa-
ganda noch zusätzlich erzeugte, ist schwer auseinanderzuhalten.
Auch seine schärfsten Gegner mussten aber zugeben: Tito war
eine Ausnahmegestalt. Er war einer, der das Vermögen besaß, wie Joa-
chim Fest über Winston Churchill schrieb, « Hitler auf das Maß einer
überwindbaren Macht » zu reduzieren. Hitler und Mussolini mochten
militärisch übermächtig sein, räsonierte Tito, « aber es fehlt ihnen der
moralische Faktor. Siegeswille und Siegesbewusstsein ».45 Zudem
strahlte er die Gewissheit aus, dass sich das alte Regime selbst das
Grab geschaufelt habe. Und er bewies, dass sich der Todfeind schla-
gen ließ, dass es feige war, vor ihm davonzulaufen wie der König und
seine Kamarilla, und schändlich, ihn gewähren zu lassen oder sogar zu
unterstützen wie Draža Mihailović. Dass er dabei wie alle anderen
dauernd in Lebensgefahr schwebte, machte ihn glaubwürdig und
menschlich. Stets sei etwas Helles um ihn gewesen, eine nie versa-
gende Stärke und Zuversicht, sagten viele.
Er selbst betrachtete den Krieg, sagte Tito seinem Biographen,
als die wichtigste Phase seines Lebens. Da « habe ich am meisten von
mir gegeben ».46 Denn er besaß Eigenschaften, die nach allen Erkennt-
nissen der Psychologie eine Voraussetzung dafür sind, seine Vorhaben
durchsetzen zu können: eine unbeirrbare Leidenschaft für seine Ziele,
gepaart mit Entschlusskraft und unerbittlicher Konsequenz im Han-
deln. Er selbst nannte seine « Unbeugsamkeit im Kampf, ohne im min-
desten zu zweifeln oder abzuweichen », als Schlüssel zu seinem Erfolg.
« Denn wenn die Leute sehen, dass der, der sie führt, schwankt – dann
fällt er, verliert in ihren Augen. »47
Einen so brutalen und eigentlich aussichtslosen Kampf unter
Inkaufnahme so hoher Opfer zu führen, erforderte ein hohes Maß an
Selbstdisziplin und Skrupellosigkeit. « Der Krieg hat keinen besonde-
ren Einfluss auf mich gehabt, weil ich das ganze Leben lang, und be-
164 Bihać, 26. und 27. November 1942
ter voran. Auf dem zweiten Antifaschistischen Rat, der am 29. und
30. November 1943 im Haus des patriotischen Kultur- und Turn
vereins « Sokol » (Falke) in Jajce zusammentrat, legten 142 Delegierte
die Grundlagen für das künftige Jugoslawien. Der Vielvölkerstaat
sollte nach dem Krieg als demokratischer Föderalstaat gleichberech-
tigter Nationen wiederauferstehen. Als Regierung trat das National-
komitee zur Befreiung Jugoslawiens auf. Die Exilregierung wurde
aller Funktionen enthoben und König Peter II. die Rückkehr nach
Jugoslawien untersagt.
Titos autokratisches Regime war damit formalisiert. Er war Ober-
kommandierender der Armee, Chef der KPJ und Vorsitzender des
Nationalkomitees, also der Regierung. Die Delegierten setzten noch
eins drauf und schlugen vor, Tito den Titel Marschall zu verleihen.
« Ist das nicht zu viel, fühlen sich die Russen da nicht auf den Schlips
getreten? », zauderte er. Andererseits: Mit dem höchsten militärischen
Rang ließ er jeden General hierarchisch hinter sich, also auch Draža
Mihailović. « Wir umarmten Tito und küssten ihn … der allgemeine
Enthusiasmus nahm beinahe hysterische Formen an », berichtete
Vladimir Dedijer.61
Stalin war wegen Titos Schachzug « außergewöhnlich wütend »,
ließ er den jugoslawischen Gesandten wissen. « Er betrachtet das als
Stoß in den Rücken der UdSSR », denn er hatte dem Westen ja Still-
halten zugesagt.62 Trotzdem war auch Moskau endlich bereit, eine
Militärmission in das jugoslawische Hauptquartier zu entsenden, wenn
auch noch keine Waffen.
Kurz nach der Gipfelkonferenz in Teheran begannen dagegen die
Briten, die Partisanen in größerem Umfang mit Waffen, Medikamen-
ten und technischem Gerät zu versorgen. Der britische Außenminis-
ter betonte, « die Partisanen sind für uns so wertvoll, dass wir sie voll-
umfänglich unterstützen müssen und politische Erwägungen … hint-
anstellen ».63 Bis Kriegsende warfen sie fast 14 000 Tonnen über dem
Kriegsgebiet ab; mehr als 60 000 Tonnen landeten per Schiff in Jugo-
slawien. Zudem wurden etwa 12 000 Verwundete zur Behandlung
nach Italien evakuiert, eine große Entlastung für die kämpfenden Ein-
heiten.64 Und jedes Paket, das in den bosnischen Bergen vom Himmel
Der Staatsgründer 169
fiel und das die alten Bauern, Frauen und Kinder eifrig im Gebüsch
aufklaubten, entfaltete gewaltige moralische Kraft, war es doch der
Beweis für Anerkennung und Beistand der Alliierten.
Unternehmen « Rösselsprung »
Churchills Dilemma
gen Insel Vis Quartier. Auf einem zerklüfteten Hügel bezog er eine
Grotte, von der er nur gelegentlich herabstieg, um mit den britischen
Militärs ein Bad in der Adria zu nehmen. Die unverhoffte Normalität
erlaubte es ihm, den Sohn Žarko zu sich zu holen, der als Freiwilliger
im Kampf um Moskau einen Arm verloren hatte und für besondere
Tapferkeit als Held der UdSSR ausgezeichnet worden war. Und die
schwer an Tuberkulose erkrankte Sekretärin und Lebensgefährtin
Davorjanka alias Zdenka konnte zur Behandlung in die Sowjetunion
ausfliegen.
Für Churchill war es höchste Zeit, eine Übereinkunft mit Tito zu
schließen. Die Alliierten waren in Frankreich gelandet, und britische
Truppen stießen in Italien nach Norden vor, wo sie in Istrien dem-
nächst auf die Partisanen treffen würden. Diese waren dabei, italieni-
sches Gebiet zu besetzen oder, in Titos Diktion, Istrien und Triest « zu
Der Staatsgründer 175
befreien ». Zur Erleichterung Churchills trug der Wink mit dem Zaun-
pfahl – drohende Nichtanerkennung bei der Friedenskonferenz –
Früchte. Tito und Šubašić, der nach Vis gekommen war, kündigten am
17. Juni 1944 eine Einigung an, die nach dem Krieg demokratische
Wahlen über die Staatsform vorsah. « Lieber Marschall Tito », schmei-
chelte Churchill in väterlicher Herablassung, « erlauben Sie mir, meine
aufrichtigen Glückwünsche zu d[ies]em geradezu staatsmännischen
Erfolg auszusprechen ».81
Als aber Tito die Einladung des Alliierten Oberbefehlshabers
General Wilson nach Caserta ausschlug, um ein Zusammentreffen
mit König Peter II. zu umgehen, ärgerte sich Churchill. Er ließ dem
kapriziösen Marschall ausrichten, wenn er in diesem Gemütszustand
bleibe, möge er sich lieber « zurück in seine Berge scheren und [dort]
weiterkämpfen ».82 Die Sowjets überredeten Tito schließlich doch
noch, nach Italien zu reisen. « Es war … eine ansehnliche Gesellschaft,
die aus dem Flugzeug auf die brütende Fläche des Flughafens Capo-
dicchino stolperte », erinnerte sich Fitzroy Maclean. Tito hatte seinen
engsten Berater Vladimir Velebit, die Dolmetscherin Olga, seine
schwer bewaffneten Leibwächter Boško und Prlja sowie seinen Schä-
ferhund Tiger dabei. « Die Kameras klickten und surrten; … die
Ehrenwache präsentierte das Gewehr; Tiger bellte; und Tito … stieg
mit bewundernswerter Gelassenheit in General Wilsons prächtiges
Auto. »83
Nach mehrtägigen militärischen Beratungen erschien am 12. Au-
gust 1944 bei brütender Hitze Churchill in der Villa Rivalta, die einst
Queen Victoria gehört hatte und die einen fantastischen Blick auf den
Golf von Neapel und den Vesuv bot. Der Premier empfing den Par
tisanenmarschall « mit allgemein lockerer und liebenswürdiger Geste,
nur manchmal gewichtig durch die angesammelte Würde und Weisheit,
die eine vierzigjährige Erfahrung in Staatsangelegenheiten verleiht ».84
Stolz auf seine aristokratische Herkunft sah er sich als Repräsentant des
« mächtigsten Empire, das die Welt je gesehen hat ».85 Den Guerillafüh-
rer vom Balkan beäugte er folglich mit einer Mischung aus Blasiertheit
und Befremden. Seinem Leibarzt Lord Moran gegenüber mokierte er
sich besonders über die beiden « g rimmig dreinblickenden Banditen »,
176 Bihać, 26. und 27. November 1942
Machtübernahme
Der 20. Oktober 1944 war für Tito ein bewegender Tag: Mehr
als drei Jahre, nachdem er das besetzte Belgrad als Anführer des Auf-
standes verlassen hatte, konnte seine Armee die Hauptstadt befreien.
Es war seine bislang größte und schwierigste Offensive gewesen. Erst
nach tagelangen Kämpfen war die Erste Proletarische Brigade, gefolgt
von Einheiten der Roten Armee, bis zur alten Festung auf dem Kale-
megdan vorgedrungen. Die Deutschen kämpften verbissen « um jeden
Stein, jede Brücke, jeden Tunnel, jeden Ziegel. Wie für ihr Berlin »,
berichtete General Peko Dapčević. 15 000 deutsche Soldaten und
3000 Partisanen sowie 1000 Rotarmisten verloren dabei ihr Leben.
« Es sah schrecklich aus … Alles war mit Leichen deutscher Soldaten
und Offiziere bedeckt, … überall, wohin man blickte. »1
TitosVolksbefreiungsarmee war mittlerweile auf über 800 000 Sol-
datinnen und Soldaten angewachsen, und Fitzroy Maclean sammelte
in Serbien « reichliche Beweise für die äußerst freundliche Einstellung
der Zivilbevölkerung zu den Partisanen ». Alle Dienstränge der ehe-
maligen Nedić- und Mihailović-Truppen liefen zu ihnen über, weil sie
ihnen Straffreiheit versprachen, sofern sie keine Verbrechen begangen
hatten. Nur « Fanatiker und die am schlimmsten Kompromittierten »,
befand der Brite, hielten « bis zum Äußersten » zu den Kollaborateu-
ren.2
Eine Woche nach der Befreiung Belgrads zog Tito in die geschun-
dene Hauptstadt ein. Kolonnen von zerlumpten und ausgezehrten
jungen Burschen und Mädchen in erbeuteten Uniformen und zer
rissenen Stiefeln marschierten vorbei, als der Marschall wenige Tage
180 Belgrad, 20. Oktober 1944
später seine erste Parade abnahm. Sie « hielten sich voll Stolz aufrecht
und lächelten, als sie vorbeikamen », beobachtete Fitzroy Maclean.
Nach all den entbehrungsreichen Jahren in Angst und Ungewissheit
betraten sie die Hauptstadt als Sieger.3
In seiner ersten Rede an das Volk erinnerte Tito an die enormen
Anstrengungen der Partisanenarmee und die immensen Opfer der
Zivilbevölkerung. Dieses Vermächtnis machte er zum Versprechen:
Erstens würde es niemandem je gestattet werden, den Partisanen die
Früchte ihres Erfolgs, die Bundesrepublik Jugoslawien, streitig zu
machen. Zweitens dürfte der Staat nie wieder zum Spielball der Groß-
mächte werden. « Wir haben in diesem Kampf das Recht erworben,
gleichberechtigt mit den Alliierten … am Aufbau eines neuen und
glücklicheren Europas mitzuwirken. »4 Ivan Šubašić konstatierte,
« man sollte sich keine Illusionen machen, dass … es irgendeine von
der Armee unabhängige Autorität in diesem Land geben könnte. Der
Oberkommandierende … ist Tito … Es wäre unmöglich, seine Macht
im Land zu zerstören. »5
Während die Partisanen auf dem Belgrader Kalemegdan die letz-
ten Reste der deutschen Armeegruppe niederkämpften, ging am
20. Oktober 1944 in Moskau eine weitere Gipfelkonferenz der Alliier-
ten zu Ende. In Anbetracht des nahen Kriegsendes wollten die Gro-
ßen Drei die künftigen Einflusssphären in Europa aushandeln. Der
sowjetische Außenminister Molotow machte beim festlichen Mittag-
essen einen ersten Vorschlag. Die Sowjetunion wünsche, Ungarn zu
75 Prozent, Bulgarien zu 90 Prozent und Jugoslawien zu 75 Prozent
zu kontrollieren, teilte er seinem britischen Amtskollegen Anthony
Eden mit. Der aber konterte, « wir müssen auf 50 – 50 für Jugoslawien
bestehen ». Auch bei den anderen Ländern müsse Moskau nachgeben.
Sie feilschten dann noch eine Weile, « aber ich [Eden] weigerte mich, …
nachzugeben ».6
Nach eigener Darstellung hielt Churchill seinem Kollegen Stalin
später am Konferenztisch augenzwinkernd ein DIN-A5-großes « un-
anständiges Dokument » unter die Nase. « Eine kleine Pause trat ein »,
erinnerte sich der Premier. « Dann ergriff er [Stalin] seinen Blaustift,
machte einen großen Haken und schob uns das Blatt wieder zu. Die
Der stalinistische Autokrat 181
ganze Sache beanspruchte nicht mehr Zeit als sie zu schildern. » Grie-
chenland sollte dem Westen zu 90 Prozent, Jugoslawien und Ungarn
zu je 50 Prozent, Bulgarien zu 25 Prozent und Rumänien zu 10 Pro-
zent zufallen.7
Sicherheitshalber brachte Churchill noch am selben Tag ein län-
geres Aide-Mémoire zu Papier, um Stalin an die Atlantik-Charta von
1941 zu erinnern, welche ihn verpflichtete, « jedem Land [zu] gestat-
ten, sich die Regierungsform zu geben, die seine Bevölkerung
wünscht ». Damit meinte der Premierminister allerdings ausschließ-
lich das vom Kommunismus bedrohte Europa und nicht etwa das
britische Indien oder andere Kolonien. « Wir verzeichnen mit Genug-
tuung », hielt er fest, dass Stalin davon absehen wolle, die Regime
Südosteuropas « mit Gewalt oder kommunistischer Propaganda » zu
verändern.8 Seiner Frau Clementine vertraute er an: « Ich habe sehr
angenehme Unterredungen mit dem alten Bären gehabt. Je öfter ich
ihn sehe, desto mehr mag ich ihn. »9
Zum wachsenden Ärger Churchills schien Tito sich aber nicht um
das britisch-sowjetische Fifty-fifty-Abkommen zu scheren, sondern
beanspruchte eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe. Erst behielt
er sich die Entscheidung über alliierte Bombenziele im eigenen Land
vor, ein Recht, das nicht einmal der französische Widerstandsführer
und Regierungschef Charles de Gaulle besaß. Dann untersagte er den
alliierten Militärmissionen, sich in Jugoslawien frei zu bewegen. Und
schließlich erdreistete er sich noch, eine Obergrenze für die im Land
stationierten Soldaten Ihrer Majestät zu verhängen. « Nirgends dürfen
alliierte Truppen ohne unsere Genehmigung das Territorium Jugosla-
wiens betreten », befahl er, auch um den Preis einer militärischen Kon-
frontation mit den Westmächten nicht.10 Nicht grundlos argwöhnte
er, die Briten wollten die kommunistische Machtübernahme noch in
letzter Sekunde militärisch vereiteln. Alliierte Truppen waren bereits
in Albanien gelandet, und im Oktober 1944 brach ein britisches Expe-
ditionskorps nach Griechenland auf, um dort die Monarchie mit Waf-
fengewalt zu retten. Die Machtübernahme der Kommunisten wurde
durch diese Intervention vereitelt, aber es kam zum Bürgerkrieg.
Churchill, schwer enttäuscht von Titos Undank, schickte ihm ein
182 Belgrad, 20. Oktober 1944
amnestiert und freigelassen. Aber noch im Juli 1945 beklagte ein kro-
atischer Politkommissar das allgemeine Klima der Unsicherheit in
Slawonien. « Die Organe der OZNA … töten Leute ohne Gerichts
verfahren … Das Volk fürchtet sich … und wartet jeden Tag darauf,
irgendwohin verschleppt und getötet zu werden. »35 Weil selbst Mit-
glieder der Volksbefreiungsorgane wegen des Terrors in Angst und
Schrecken lebten, gab es Forderungen, die Geheimpolizei ganz abzu-
schaffen. Tito stellte daraufhin im Juli 1945 in der Tageszeitung « Vjes-
nik » (Bote) klar, man solle sich diesbezüglich keine Illusionen machen.
« Wenn sie denen Angst einjagen, denen das neue Jugoslawien nicht
gefällt, dann ist das doch zum Nutzen unseres Volkes. » Und das, stellte
er kategorisch fest, « ist eine positive Sache ».36 Denn dies, einschließ-
lich der Liquidierung ehemaliger Kriegsfeinde und nunmehrigen
Systemgegner, lag in der Logik der Machtübernahme und somit in
Titos Absicht. Der Terror sollte aber kein Dauerzustand werden. So
befahl Aleksandar Ranković unmittelbar nach der Einnahme Zagrebs,
man solle dort « schnell und energisch vorgehen und alles in den ers-
ten Tagen erledigen ».37 Nachdem die Schlüsselfiguren ausgeschaltet
190 Belgrad, 20. Oktober 1944
vor Ort, als die Partisanen im Oktober 1944 die Macht im Banat über-
nahmen und auch die von Ungarn okkupierte Batschka und Baranya
befreiten. Diese drei Gebiete bildeten die Region der Vojvodina.
Aus Sicht der Partisanen ging, solange der Krieg andauerte, von
der deutschen ebenso wie von der ungarischen Minderheit ein erheb-
liches Sicherheitsrisiko aus. Um sie besser beaufsichtigen zu können,
befahl Tito im Oktober 1944, in der Vojvodina nach sowjetischem Vor-
bild eine Militärverwaltung zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt iden-
tifizierten sich dort etwa 100 000 Menschen als Deutsche. Weitere bis
zu 50 000 waren das nach Ansicht der Behörden « eigentlich » auch; sie
zogen es aber aus Angst vor Repressionen vor, sich als Ungarn, Kroa-
ten oder Serben auszugeben.42 Laut Erlass des AVNOJ vom 21. No-
vember 1944 ging sämtliches Vermögen von Personen deutscher
Staats- oder Volkszugehörigkeit, außer derjenigen, die in den Reihen
der Partisanen gekämpft hatten, in Staatseigentum über. Mehr als
68 000 Besitzungen wurden auf dieser Grundlage konfisziert. Den
Volksdeutschen wurde das Wahlrecht entzogen, nicht allerdings, wie
oft zu lesen, die Staatsbürgerschaft.
Neben Verwaltung und Wiederaufbau diente die 103 Tage wäh-
rende Militärverwaltung auch dazu, Kriegsverbrecher und Kollabo-
rateure zu verfolgen. Der örtliche Volksbefreiungsrat erklärte, dass « in
unserem Gebiet viele Deutsche und Ungarn leben, die sich zur Zeit
der Okkupation … an allen möglichen Bestialitäten [des O kkupators]
beteiligt haben … Deswegen ist es notwendig, grundsätzlich mit allen
Schwaben abzurechnen und mit denjenigen Ungarn, die Verbrechen
begangen haben. »43 Bis Ende 1946 wurden insgesamt 9668 Personen in
der Vojvodina zum Tode verurteilt und e rschossen, davon 6763 Volks-
deutsche und 1776 Ungarn.44
« Wir haben uns gleich dafür entschieden, die Deutschen zu ver-
treiben », erklärte Edvard Kardelj Jahrzehnte später. « Sie waren im
Krieg in jeder Hinsicht ein Stoßtrupp gegen uns. »45 So erhielt der
Geheimdienst in Slawonien am 22. Januar 1945 die Weisung: « Bei der
Befreiung dieser Gebiete darf kein Schwabe bleiben, entweder geht
jeder nach Deutschland oder ins Lager, und die Verbrecher müssen
verhaftet und bestraft werden. » In vielen Dörfern weigerten sich die
192 Belgrad, 20. Oktober 1944
30 Jahren –, die sich auf dem von der Roten Armee befreiten Territo-
rium Rumäniens, Jugoslawiens, Ungarns, Bulgariens und der Tsche-
choslowakei befinden, für den Arbeitseinsatz in der UdSSR mobilisie-
ren und internieren. »51 Die Alliierten sanktionierten in Jalta diese
« Nutzung deutscher Arbeit » als eine Form von Reparationen. Erst
Ende 1949 wurden die Volksdeutschen aus den sowjetischen Lagern
entlassen. Nach Angaben der Vertriebenenorganisationen waren im
Zuge von Deportationen und Zwangsarbeit in der Sowjetunion rund
2000 Personen ums Leben gekommen.52
Aus Sicht der jugoslawischen Führung war Zwangsarbeit nur eine
vorübergehende Lösung. Im Juni 1945 entschied sie, dass alle « aus
gesiedelt und nach Deutschland geschickt werden müssen, sobald da-
für die technischen Voraussetzungen bestehen ». Der Grund sei unter
anderem, dass die deutsche Minderheit « bis heute gegen die Interes-
sen der Völker Jugoslawiens arbeitet » und « während des Krieges so
viele Verbrechen … verübt hat, dass ihr weiteres Verbleiben … den
Aufbau unseres Gemeinwesens behindern würde ».53 Warum die Jugo-
slawen im Juli 1945 keinen Antrag auf Umsiedlung bei der Potsdamer
Konferenz stellten, ist unbekannt. Als sie ein halbes Jahr später beim
Alliierten Kontrollrat deswegen ansuchten, erhielten sie eine Abfuhr.
Nachdem schon hunderttausende Vertriebene aus Polen, Ungarn und
der Tschechoslowakei in Deutschland eingetroffen waren, fehlten für
weitere mehr als hunderttausend Donauschwaben die Kapazitäten.
Das jugoslawische Außenministerium folgerte, dass die Aussiedlung
« in absehbarer Zeit nicht auf legale Weise … gelöst werden » könne.54
Aus diesem Grund ermunterten oder erzwangen die Behörden die
Flucht von bis zu 40 000 Deutschen aus den Arbeits- und Internie-
rungslagern Richtung Ungarn und Österreich, ehe diese Ende 1948
etappenweise aufgelöst wurden. Rund 45 000 ehemalige Insassen lie-
ßen sich als jugoslawische Staatsbürger registrieren; etwa 5000 blie-
ben staatenlos. Mindestens jeder Zweite stellte später einen Antrag
auf Ausreise nach Deutschland.
Am Ende von Hitlers Eroberungs- und Vernichtungskrieg sowie
der Machtübernahme der Kommunisten war die deutsche Minder-
heit in Jugoslawien stark dezimiert. Hunderttausende waren umgesie-
194 Belgrad, 20. Oktober 1944
UNGARN
SLOWENIEN
I TA L I E N
Ljubljana Zagreb
Vo j v o d i n a RUMÄNIEN
K R O AT I E N
N
Belgrad
BOSNIEN- S
HERZEGOWINA
SERBIEN
Belgrad, 20. Oktober 1944
Slowenen Sarajevo
Serben
Kroaten
MONTE- Sofia
Bosniaken (Muslime)
NEGRO Pristina
ˇ BULGARIEN
Makedonier Podgorica Kosovo
Montenegriner
Adriatisches Skopje
Albaner
Meer
Magyaren
Slowaken MAKEDONIEN
Tirana
Bulgaren
0 50 100 150 km
keine Mehrheiten ALBANIEN GRIECHENLAND
Der stalinistische Autokrat 197
digt, in der er die Existenz von Rassen leugnete und die Sühneaktio-
nen verurteilte, trug ihm sogar einige Tage Hausarrest ein.85 Er hielt
sie allerdings erst, nachdem sein eigener Bruder bei einer solchen
Mordaktion zu Tode gekommen war. Gegen die Vernichtung der Ju-
den und Serben erhob er andererseits, wie auch der Papst, seine
Stimme nie. Im Verhör gab Stepinac, der offenbar kein Ausbund an
Konsequenz und Nervenstärke war, an, « dass er Angst gehabt habe
und deswegen gezwungen gewesen war, mit dem Ustascha-Regime
zusammenzuarbeiten ».86
Offenbar entdeckte der katholische Episkopat angesichts der
ultranationalistischen, antibolschewistischen und antijugoslawischen
Grundhaltung wenigstens eine gewisse ideologische Schnittmenge
mit den Ustascha, und zwar umso mehr, als die kroatischen Faschis-
ten – ähnlich wie Francisco Franco in Spanien und António de Oli
veira Salazar in Portugal – den Katholizismus als Nationalreligion
betrachteten und der Kirche eine privilegierte Stellung im Staat ein-
räumten. Stepinac verachtete Jugoslawien seit langem als künstliches
212 Belgrad, 20. Oktober 1944
seinen gelben Augen strahlte eine « Mischung von Strenge und Schalk-
haftigkeit ». Vom ersten Moment an bewies er Humor und Scharfsinn
sowie ein lebhaftes, fast ruheloses Temperament.2
Als die jugoslawischen Gäste eintraten, so schilderte Koča
Popović die Szene, kam Stalin strahlend und federnden Schrittes auf
sie zu, um allen die Hand zu schütteln. « Schau mal, Wjatscheslaw Mi-
hailowitsch », wandte er sich vergnügt an Molotow, « was für schöne
Menschen, was für starke Menschen, was für ein kraftvolles Volk! »
Der Außenminister nickte wohlwollend, und dann nahmen alle am
Konferenztisch Platz, über dem in holzgeschnitzten Rahmen die Por-
träts berühmter Generäle aus der Zarenzeit in die Runde blickten.
Vom Kopfende aus begann Stalin mit einigen Höflichkeitsfloskeln in
volkstümlich-väterlichem Gestus das Gespräch, ehe er dann munter
von Thema zu Thema hüpfte: Ernte, Bodenschätze, Wirtschaftsbe
ziehungen, Triest-Frage und Lage in Albanien. Dabei rutschte er un-
ruhig auf seinem Stuhl hin und her, spielte mit seiner Pfeife oder krit-
zelte mit einem blauen Stift in seinem Notizbuch herum. Es herrschte
eine angenehme, anregende Atmosphäre, bis Stalin die Verhandlun-
gen mit einem aufgeräumten « Wir werden Euch helfen! » schloss.3
Im Anschluss an die Konsultationen über einen Freundschafts-
und Beistandspakt lud Stalin die Gäste zu sich nach Hause zum
Nachtessen ein, dem einzigen privaten Vergnügen, das er sich häufiger
gönnte. Ein kleiner, beleibter Glatzkopf in Uniform begleitete die
Jugoslawen eilfertig zu den schwarzen Limousinen. Dann brauste der
Konvoi auf der leergefegten Regierungschaussee durch die Dunkel-
heit nach Kunzewo, wo hinter einem hohen grünen Bretterzaun Sta-
lins Datscha lag, unweit der Schießstätte von Butowo, wo Titos zweite
Ehefrau, Lucie Bauer, in einem Massengrab geendet hatte.
Im geräumigen Esszimmer nahm Stalin in der Mitte einer langen
Tafel Platz. Rechts von ihm saß Tito, gegenüber ließen sich Molotow,
Schdanow und Berija und einige andere sowjetische Granden nieder.
Fußboden, Wände und Decken waren mit hellen karelischen Fichten-
paneelen verkleidet. Zwei Kronleuchter und einige Wandlampen er-
hellten den blitzsauberen Raum, dessen hohe Fenster mit langen
Gardinen geschmückt waren. In seiner abgeschiedenen Stille wirkte
218 Moskau, 28. Juni 1948
Stalins Domizil auf die Gäste schlicht und unprätentiös. Eine weiß
beschürzte rundliche Serviererin mittleren Alters trug diverse Silber-
platten, Schüsseln und dampfende Kasserollen auf: bunte Vorspeisen,
eingelegte Heringe, gebratenes Geflügel und georgische Fleisch
gerichte. Der gut gelaunte Gastgeber eröffnete das Gelage mit einem
Trinkspruch, woraufhin alle ein Glas Pfefferwodka hinunterkippten.
Wie üblich zog sich die Völlerei bis in die frühen Morgenstunden hin,
wobei Stalin durch einen ungeheuren Appetit auffiel. Im Laufe des
Abends folgten noch viele weitere Toasts, die die vom Alkohol ent-
wöhnten Jugoslawen in Verlegenheit brachten, ehe Stalin dann Schall-
platten mit russischer Volksmusik auflegte. Zur Verblüffung seiner
erschöpften Gäste, und ganz im Gegensatz zu Molotow und Berija,
blieb er nüchtern, liebenswürdig und geistreich.
In Wahrheit war Stalin nach einem leichten Schlaganfall körper-
lich angegriffen. Mit hängenden Schultern und der runzligen Haut
über dem Marschallskragen wirkte er gealtert. Und er fühlte sich, wie
er selbst zugab, häufig kraftlos und ausgebrannt. Als er an diesem
Abend zu fortgeschrittener Stunde anfing zu singen und herumzu
tanzen, sparte keiner mit Bewunderung. « Genosse Josef Wissariono-
witsch, wie viel Energie Sie haben! », schmeichelte Molotow. « Ach was,
ich werde nicht mehr lange leben », parierte Stalin. « Die physiologi-
schen Gesetze wirken. » Nicht doch, nicht doch, wiegelten die Gäste
ab, man brauche ihn noch! Ihm würden noch viele Jahre beschert sein!
Abrupt wandte sich der Generalissimus an den Marschall: « Tito muss
auf sich achtgeben, dass ihm nichts passiert », verfügte er. « Ich werde
nicht mehr lange leben, und dann muss er für Europa da sein. »4 Aber
was soll’s, meinte er schließlich, noch sei er ja bei Kräften. Die beiden
Staatsführer tranken Brüderschaft, umarmten sich herzlich, und alle
mussten es ihnen nachtun. « Stalin mochte mich eigentlich », erzählte
Tito später. « Er wollte mich, sozusagen, irgendwie erobern. »5
Wenngleich Tito eine respektable militärische Leistung im Welt-
krieg erbracht hatte, konnte sich Stalin als der wahre Sieger unter den
Alliierten fühlen. Von Moskau aus hatte er die großen Kriegsopera
tionen selbst gesteuert. Im Mai 1945 marschierten seine Soldaten als
Erste in Berlin ein. Der Triumph über Hitler bescherte dem Genera-
Der Abtrünnige 219
Stalins Bannfluch
Venetien vom Februar 1945 schon genug Ärger mit dem Westen ein-
gebrockt habe. Und so antwortete er lediglich kühl, dass die West-
mächte schließlich « in keinem Fall zustimmen würden, Triest an Jugo-
slawien zu übergeben ». Und Punkt.16
Als es an die Umsetzung des Wirtschaftsabkommens ging und
sich die Jugoslawen übervorteilt fühlten, lenkte Stalin ein, indem er
vorschlug, die Gemischten Gesellschaften aufzugeben. Stattdessen
sollten die Jugoslawen Hilfen für den Aufbau der einheimischen In-
dustrie sowie zusätzliche zivile Berater erhalten. Prinzipiell war das
kein schlechter Vorschlag, fand man in Belgrad, nur stimmte die stra-
tegische Ausrichtung des sowjetischen Plans nicht. Denn Moskau
wollte in der kommunistischen Welt ein arbeitsteiliges Wirtschafts
system schaffen, in dem die rückständigen Bauernländer Jugoslawien,
Rumänien, Bulgarien und Albanien bis auf weiteres lediglich Agrar-
produkte, Energie und Rohstoffe für die industriell höher entwickel-
ten Staaten, allen voran die Sowjetunion, erzeugen sollten. Der stör-
rische Tito lehnte es rundweg ab, sein Land zur Kornkammer des
Ostblocks zu machen. Stattdessen sah der erste jugoslawische Fünf-
jahresplan 1947 vor, eine nationale Schwerindustrie aufzubauen – eine
unabdingbare Voraussetzung für Entwicklung und Wohlstand. « Ein
Stückchen unfruchtbaren Landes hat es den Bauern noch nie ermög-
licht, ein menschenwürdiges Auskommen zu finden », erklärte Tito.
« Nur Fabriken, Bergwerke usw. können ihnen ein besseres Leben …
sichern! »17
Zu allem Überfluss erfuhr Stalin im Sommer 1947 quasi nur aus
der Presse, dass Tito Freundschafts- und Kooperationsverträge mit
Albanien, Bulgarien und Griechenland vorbereitete oder sogar schon
abgeschlossen hatte. Man hatte den wohlwollenden sowjetischen
Hegemon deswegen nicht einmal konsultiert. Angeblich ging es darum,
tiefsitzende Grenzkonflikte zu lösen und die Balkanregion wirtschaft-
lich zu stärken, zum Beispiel durch eine Zollunion. Die außenpoli
tische Abteilung im sowjetischen Zentralkomitee aber argwöhnte,
Tito wolle die KPJ zu « einer Art Führungspartei auf dem Balkan »
aufbauen. Schließlich hatte er bereits 1943 kundgetan, « wir müssen
sowohl in militärischer als auch politischer Hinsicht das Zentrum der
Der Abtrünnige 223
den Kreml, um ihnen gehörig die Leviten zu lesen. Während der Bul-
gare mit geringer Verspätung pflichtgemäß zur Stelle war, erschien
Genosse Tito « aus gesundheitlichen Gründen » nicht persönlich. Er
schickte Edvard Kardelj mit einer Delegation nach Moskau. « Ich
hatte das Gefühl, auf eine sehr schwierige Mission zu gehen », erin-
224 Moskau, 28. Juni 1948
nerte sich dieser. « Aber ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen,
dass es so schlimm werden würde. »22 Außer dem Generalissimus
selbst waren noch Molotow, Schdanow und andere hohe Funktionäre
bei der demütigenden Sitzung anwesend. « Es war nicht zu fassen, wie
sehr er sich … verändert hatte », kommentierte Milovan Đilas seinen
Eindruck von Stalin. Der mächtige Diktator wirkte fahrig und senil,
obwohl er « eigensinnig, heftig und argwöhnisch » auftrat.23
Zuerst erteilte Molotow den Anwesenden eine Lektion, die da
rauf hinauslief, dass kein Land ohne Konsultationen mit der « führen-
den Kraft im Sozialismus » politische Verträge oder eine Zollunion mit
seinen Nachbarn abschließen dürfe. « Dann begann der widerlichste
Teil des Treffens », berichtete Kardelj. Stalin ging mit « boshafter
Grobheit » auf die Bulgaren los, bis der ermattet wirkende Dimitrow
unterwürfig einräumte, er habe sich ohne Zweifel geirrt, und ein
zerknirschtes « Genosse Stalin, wir alle lernen von Ihnen » von sich gab.
Der jedoch donnerte los, es ginge hier nicht um Irrtümer, sondern um
Auffassungsunterschiede! Auf einmal sah Dimitrow, der alte Löwe
von Leipzig, niedergeschlagen und mutlos aus. Sein Atem ging
schwer, er ließ das schüttere Haupt hängen und schwieg. Und Kardelj
« war das so peinlich, dass ich gar nicht wusste, wohin ich schauen
sollte ». Keiner der Gäste hatte noch die Courage zu widersprechen,
als Stalin eine Föderation zwischen Bulgarien, Jugoslawien und Alba-
nien unter sowjetischer Vorherrschaft anordnete. Kardelj und Dimi
trow waren gezwungen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem sie
sich verpflichteten, künftig alle wichtigen außenpolitischen Schritte
mit Moskau abzustimmen.24
Zuhause in Belgrad war die jugoslawische Führung wegen der
Abreibung in Moskau zutiefst verärgert. Tito verwarf praktisch alle
sowjetischen Forderungen, zumal jene, eine von Moskau abhängige
Föderation mit Bulgarien zu bilden. Den griechischen Kommunisten
versprach er sogar demonstrativ noch einmal Waffennachschub. Am
1. März 1948 erklärte er im Zentralkomitee, die Beziehungen zur
UdSSR steckten in der Sackgasse. Er empörte sich über Molotows
grobe Töne, über sowjetische Militärberater, die Spione für den
NKWD anwarben, und die nachteiligen Verträge – unter anderem
Der Abtrünnige 225
auch die UdSSR lieben mag, er darf sein Heimatland keinesfalls weni-
ger lieben, … für das Hunderte seiner fortschrittlichsten Leute gefal-
len sind. »32 Als einzige Konzession versprach Tito, Außenminister
Vladimir Velebit auszutauschen. Und, falls man in Moskau interes-
siert sei zu erfahren, was die Jugoslawen ihrerseits am sowjetischen
Vorgehen störe, gebe es durchaus einiges zu berichten, zum Beispiel,
dass der sowjetische Geheimdienst in Jugoslawien ein Spionagenetz
aufbaue. « Mit kameradschaftlichen Grüßen, auf Anordnung des ZK
der KPJ: Tito – Kardelj. »
Dem mächtigen Stalin die Stirn zu bieten, lag für die jugoslawi-
schen Kommunisten, die so fest auf die Sowjetunion eingeschworen
waren, keineswegs auf der Hand. Die Partei durchlitt eine nervenauf-
reibende Zerreißprobe. Tito brauchte ihren Rückhalt, dringend sogar.
Zum ersten Mal wieder seit Jahren berief er im April 1948 ein Plenum
ein, um in Belgrad über seine Antwort an Stalin zu beraten. Tito warb
mit allen Kräften für seinen Kurs, drohte sogar mit Rücktritt, um die
Phalanx zu schließen. Wir haben das Recht, auf Augenhöhe mit der
Sowjetunion zu verhandeln, empörte er sich. Die Verbitterung stand
ihm ins Gesicht geschrieben: « Genossen, unsere Revolution frisst ihre
Kinder nicht », rief er. « Die Kinder dieser unserer Revolution sind
aufrichtig. »33
Einer nach dem anderen musste sich erklären, und alle, bis auf
einen, stärkten ihm den Rücken. Mit kleinen stilistischen Korrektu-
ren wurde sein Briefentwurf abgesegnet. Allein Sreten Žujović sprach
sich für einen Rückzieher aus. « Wie sollen wir denn unsere Parteimit-
glieder davon überzeugen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn
Stalin das anders sieht », warf er ein. Und wie sollte Jugoslawien ohne
die Hilfen Moskaus wirtschaftlich je auf die Beine kommen? « Ohne
die Sowjetunion fällt der Aufbau des Sozialismus doch ins Wasser. »34
Wutentbrannt über die freche Entgegnung aus Belgrad über-
schüttete Stalin Tito in zwei weiteren Briefen mit noch schärferen
Vorwürfen – schlimmster Revisionismus, Verrat an den sozialistischen
Partnerländern, Hochmut. Und erneut gab die jugoslawische Füh-
rung Widerworte. Viele spürten « eine Beleidigung für Jugoslawien als
Staat …, eine Geringschätzung seiner Rolle im Kriege und eine Her-
228 Moskau, 28. Juni 1948
Trumans Keilstrategie
Titoland
wir alle respektieren ihn, weil er sich gegen die Russen auflehnte und
uns aus ihren Klauen befreite. »71
Die Abkehr von der Sowjetunion ermöglichte Tito zudem eine
weitere Stärkung seiner autokratischen Macht. Stalin- und Komin-
formanhänger, die sogenannten Informbüro-Leute, die IB-ler, wur-
den aus der kommunistischen Partei, der Armee, dem Geheimdienst
und der Polizei ausgeschlossen. Erst wurden die Altkommunisten
Andrija Hebrang und Sreten Žujović aus dem Zentralkomitee entfernt
und unschädlich gemacht. Andrija Hebrang verübte 1949 im Gefäng-
nis angeblich Selbstmord. Sreten Žujović gab nach zweieinhalb Jahren
Isolationshaft eine öffentliche Reueerklärung ab, um danach als Mana-
ger ein neues Leben zu beginnen. Generalstabschef Arso Jovanović
kam unter ungeklärten Umständen bei seiner nächtlichen Flucht
nach Rumänien ums Leben. Dann wurde die gesamte Parteibasis
ideologisch überprüft. Besonders skrupulös durchleuchtete man die
Führungskader von Armee, Geheimdienst und Polizei. Denn wer
erklärte, im Fall eines Angriffs der Roten Armee Jugoslawien nicht
verteidigen zu wollen, galt als Sicherheitsrisiko. 55 600 Sympathisan-
ten der Kominform, Männer und Frauen, wurden zwischen 1948 und
1956 aus der Partei ausgeschlossen; etwa fünftausend gingen in die
Emigration, davon die Hälfte mittlere und höhere Chargen aus dem
Sicherheitsapparat.72 Zugleich wurden massiv neue Mitglieder für die
Partei geworben. Ihre Zahl stieg allein im Jahr 1948 von 285 000
auf 483 000.73 Vermeintlich unbelehrbare Stalin-Anhänger, insgesamt
16 312 Personen, wurden verurteilt, « gesellschaftlich nützliche Arbeit »
zu verrichten, in der Regel 24 Monate lang. Sie landeten in einer von
fünf Hafteinrichtungen oder wurden als Freigänger bei besonders
schweren Arbeitsaktionen eingesetzt. Zwischen 1948 und 1956 waren
davon insgesamt 15 737 betroffen.74
Die homogenisierte KPJ, die politische Säule von Titos Herr-
schaft, blieb das zentrale Lenkungs- und Führungsorgan im Staat.
Alle wichtigen Ämter auf Ebene des Bundes, der Republiken, Regio-
nen und Kommunen waren mit ihren Mitgliedern besetzt. Wenn-
gleich sie seit den dreißiger Jahren föderal aufgebaut war und jetzt
jede Republik ihren eigenen Parteiapparat besaß, herrschte das Prin-
240 Moskau, 28. Juni 1948
auf der anderen Seite der Sawe, wofür erst einmal riesige Sumpf
flächen trockengelegt werden mussten. Vom Morgengrauen bis zur
Dämmerung schufteten junge Burschen und Mädchen auf den Bau-
stellen, um die moderne sozialistische Retortenstadt Novi Beograd zu
errichten, einschließlich diverser imposanter Regierungsgebäude.
Daran waren auch etwa fünftausend ehemalige Kriegsgefangene be-
teiligt, die nach ihrer Entlassung freiwillig im Land blieben, um hier
zu arbeiten. Seit 1946 warben die Jugoslawen ferner gezielt Fachkräfte
aus beiden Teilen Deutschlands an, wo es wegen der Millionen Ver-
triebenen einen Arbeitskräfteüberhang gab, und ebenso aus Öster-
reich, Ungarn und der Tschechoslowakei. Etwa 16 000 ausländische
Ingenieure, Techniker und andere Fachkräfte, davon zwei Drittel
Deutsche, planten Kraftwerke, erschlossen Bodenschätze, entwarfen
Kanalisationsanlagen und den Bau des berühmten Autoput, die Auto-
bahn zwischen Belgrad und Zagreb.76
Gleichzeitig wurde die Kollektivierung der Landwirtschaft, die
die Jugoslawen hinausgezögert hatten, vorangetrieben, nicht zuletzt,
242 Moskau, 28. Juni 1948
Goli Otok
Das Lager
« Žiča » auf Goli
Otok, ca. 1951
kaum noch bei Bewusstsein, warten, bis alle durch waren. Dann ging es
in den Waschzuber, zum Scheren, Einkleiden und zu den Baracken.82
Im Verständnis der Partei war die « gesellschaftlich nützliche
Arbeit » im Lager keine disziplinarische Maßnahme, keine Vergeltung,
sondern eine « Hilfe, durch eigene Arbeit seine Schwächen zu über-
winden », erklärte Aleksandar Ranković. Und Jovo Kapičić, zweiter
Mann des Geheimdienstes auf Goli Otok, verkündete: « Ihr habt Jugo-
slawien aufgebaut, ja ihr, aber wir lassen nicht zu, dass ihr es jetzt
zerstört. Wenn jemand bereut, wenn er zugibt, dass er sich geirrt hat,
soll er sich beim Gefängnisverwalter melden. Er hat meine Genehmi-
gung, euch nach Hause zu schicken. »83 Wer sich bis zur Entlassung
nicht wirklich « gebessert » hatte, stand für lange Zeit weiter unter Be-
obachtung der UDBA. Und wehe dem, der ein zweites Mal ins Lager
kam.
Die Umerziehungsmethoden entstammten dem stalinistischen
Repertoire. Wie lange einer auf der Kahlen Insel blieb, wie schwer er
arbeitete und was er zu essen bekam, hing davon ab, ob er oder sie sich
von seinen oder ihren Überzeugungen lossagte. Je mehr Fortschritte
einer bei der Umerziehung machte, desto leichtere Arbeit und bessere
Lebensumstände genoss er. Das bemaß sich daran, ob man bei Lager-
versammlungen die Verfehlungen in einem Akt ritualisierter Selbst-
kritik zugab. Man musste ferner andere IB-ler denunzieren, sich zur
Zusammenarbeit mit der UDBA und zum Schweigen über die Haft
verpflichten. « Ich musste zwei Tage lang im Büro des Zimmerältesten
strammstehen, bis zur Ohnmacht », berichtete ein Ehemaliger. « Da-
nach wurde ich zum Sandschöpfen ins Meer geschickt, bei Januar-
temperaturen bis zur Taille im kalten Wasser. Und wissen Sie was? Ich
wurde Informant. »84
Die Umerziehung erfolgte durch ideologische Beeinflussung so-
wie durch mehr oder weniger schwere Arbeit. Abends gab es Theater-,
Musik- und Filmvorführungen oder Diskussionsrunden, die in der
Regel mit lauten Ausrufen « Nieder mit Stalin! … Uaaaaa, nieder mit
Stalin! » endeten, erinnerte sich Bobinac. Tagsüber wurde geschuftet.
Die Häftlinge forsteten bei gleißender Sonne die karstige Insel auf,
schwitzten im Steinbruch oder auf Baustelle 101, auch « Petersloch »
246 Moskau, 28. Juni 1948
genannt, um Bauxit zu fördern. Wer auf dem Weg der Besserung war,
stellte in einem der Betriebe, die im « Kombinat Mermer » zusammen-
gefasst waren, Möbel, Kacheln oder Zigarettendosen für den Export
her, arbeitete in der Inselbäckerei oder in der Schneiderei. All das
diente auch einem wirtschaftlichen Zweck, nämlich dem Export, des-
sen Hauptabnehmer Italien war. Alle Einkünfte flossen in die Kassen
der UDBA, die allein 1957 mit der Ausfuhr von Holzerzeugnissen
650 000 US-Dollar einnahm.85
Goli Otok blieb, wie andere Maßnahmen politischer Repression,
zu Lebzeiten Titos ein Tabu. Nur durch Zufall entdeckten Vera Win-
ter und ihr Mann, dass sie beide « an einem besonderen Ort » gewesen
waren. « Dann haben wir darüber lange Zeit nicht mehr gesprochen,
denn das war im höchsten Maße gefährlich. » Bis 1989 wussten nicht
einmal die eigenen Kinder davon. « Die Logik der UDBA ging unge-
fähr so: Wenn du dich mit so einem abgibst, bist du selbst einer », er-
zählte eine Ehemalige.86
Nach bewährter Manier, das schmutzige Geschäft anderen zu
überlassen, trat Tito in der ganzen Angelegenheit nicht persönlich in
Erscheinung. Als ihm 1949 Vorwürfe über Repressionen gegen Stalin-
Anhänger in den Streitkräften zu Ohren kamen, schrieb er in seiner
Funktion als Oberkommandierender und Parteichef an die Armee-
führung. Sie sollte nicht zu streng sein mit ihren Leuten, sondern sie
besser überzeugen, « weil wir unseren Kämpfern und Kommunisten
jahrelang beigebracht haben, an Stalin zu glauben … und weil man
das nur schwer über Nacht verändern kann », erinnerte sich der dama-
lige Chefankläger General Ilija Kostić. Ein UDBA-Funktionär war
hingegen überzeugt, dass nichts auf Goli Otok ohne Titos Wissen ge-
schah. « Glaubst du wirklich, dass die UDBA das machen konnte, was
sie tat, und dass der oberste Dienstherr es nicht wusste, genehmigte
oder verlangte? »87 Das konnte schon deshalb nicht der Fall sein, weil
Tito etliche Gnadengesuche erhielt. Er schrieb dann handschriftlich
darauf: « Ermöglichen, dass er sich bei der Arbeit bewährt und bes-
sert », oder: « Entlassung kommt in Frage, … wenn er seinen Fehler
einsieht », oder: « Wenn er krank ist, dann den Verhafteten so schnell
wie möglich in die Freiheit entlassen. »88
Der Abtrünnige 247
Split wurde am 31. Dezember 1949 der erste von ihnen gewählt. Ein
halbes Jahr später, am 26. Juni 1950, verabschiedete die National
versammlung das Grundgesetz, das die Selbstverwaltung in Betrieb
und Gemeinde offiziell im ganzen Staat begründete. Tito selbst stellte
es als Kern des eigenen Weges zum Sozialismus vor. « Die Fabriken
den Arbeitern, das Land den Bauern », lautete jetzt das Motto. Die
Kollektivierung der Landwirtschaft wurde in den kommenden Jahren
rückgängig gemacht, indem man unproduktive Genossenschaften
wieder auflösen und das Land in Bauernhöfe mit bis zu zehn Hektar
Privateigentum überführen durfte. Ebenso waren private Gaststätten
und Unternehmen mit bis zu drei sowie Handwerksbetriebe mit bis
zu fünf Angestellten erlaubt. Um den Kreditanforderungen der inter
nationalen Finanzinstitutionen zu genügen, wurden der Außenhandel
liberalisiert und die Währung an den Weltmarkt angepasst. All das war
auch eine dringende ökonomische Notwendigkeit. Die Kominform-
blockade hatten den jugoslawischen Außenhandel binnen zwei Jahren
um ein Drittel schrumpfen lassen. Während das Volkseinkommen un-
ter das Niveau von 1948 fiel, erhöhte die Regierung die Verteidigungs-
ausgaben, die fast ein Viertel des Inlandsprodukts auffraßen.3 1950
minderte zudem eine furchtbare Dürre die landwirtschaftlichen Er-
träge, es drohte eine Hungersnot. Vor diesem Hintergrund erschienen
wirtschaftliche Reformen als Überlebensstrategie. Ein ganz neues
Vokabular zog in den politischen Sprachgebrauch ein: « Selbstverwal-
tung », « freier Markt », « sozialistische Demokratie », « ideologische Aus-
einandersetzung » und « freier Meinungsaustausch ».
Tatsächlich ging es bald wieder aufwärts. « Wenn der Belgrader
Bürger sich an einem Sommermittag des Jahres 1952 an ein Marmor-
tischchen des Café Moskva auf dem sonnigen Gehsteig des Terazije-
Platzes setzte und sein Leibblatt ‹Politika › aufschlug, konnte er auf der
ersten Seite eine objektive weltpolitische Übersicht …, im Feuilleton
einen englischen Roman lesen und hinten … einen Bildstreifen von
Walt Disney betrachten », berichtete der Korrespondent der « Neuen
Zürcher Zeitung » Ernst Halperin. « Auf den Märkten bogen sich, seit-
dem die Ablieferungspflicht abgeschafft war, die langen Tische unter
dem Gewicht der Pfefferoni, Tomaten, Eierfrüchte und Zwiebeln,
250 Zagreb, 2.–7. November 1952
und konnten sich auf das neue Jugoslawien einlassen, entweder weil
sie für den gemeinsamen Staat waren oder weil es ihnen Ansehen, Sta-
tus und Einkommen versprach. Und Tito wusste, dass er in einem of-
fenen Konflikt mit den Intellektuellen und Künstlern nur verlieren
konnte. Er bevorzugte eine Strategie der Vereinnahmung gegenüber
einer der Einschüchterung. Tatsächlich war bis zum Ende der sech
ziger Jahre aus dem literarischen Feld kaum substantielle Kritik zu
vernehmen; da und dort herrschte bestenfalls « respektvolle Distanz ».
Der kroatische Schriftsteller Miroslav Krleža war ein langjähriger,
enger Freund Titos, und der Serbe Dobrica Ćosić in den ersten bei-
den Jahrzehnten nach dem Krieg ein häufiger Begleiter auf längeren
Reisen. Selbst der spätere Nobelpreisträger Ivo Andrić, einst Bot-
schafter im Dienst der antikommunistischen Königsdiktatur, ver-
fasste Elogen über den « Volkshelden und Erschaffer unseres Volkes
Marschall Tito! »7
Gleichwohl wirkte Titos Herrschaftsweise immer noch neopatri-
monial: Sie war ganz auf seine Person zugeschnitten, vollzog sich
aber in der Routine von Regierungsbeamten, Militärs und Experten,
ohne die ein moderner Staat gar nicht funktionieren kann. Bei den
Karrieren im Staatsapparat spielte jedoch außer der Befähigung auch
die persönliche Loyalität eine große Rolle. Man sieht das an Titos
engstem Umfeld, das mit fortschreitender Regierungszeit immer
mehr einer Kamarilla ähnelte, also einer Gruppe von höfischen
Günstlingen, die den Präsidenten umgaben oder direkten Zugang zu
ihm hatten – er nannte sie sogar selbst so. Andererseits war Titos
Macht nicht grenzenlos. So war er nicht befugt, die Führungen der
Teilstaaten zu bestimmen; das durften nur die jeweiligen Parteiglie-
derungen. Als er 1962 im Konflikt über Reformen Edvard Kardelj
entmachten wollte, setzte die slowenische Führung durch, dass dieser
im Amt blieb.8
Nach dem Bruch mit Stalin setzten die Jugoslawen ihr gewaltiges
Investitionsprogramm fort. 1949 floss ein Drittel des Volkseinkom-
mens in die Sektoren Maschinenbau, Werften sowie Energie-, Eisen-,
Stahl- und Kohleförderung. Ab 1953 begann die Wirtschaft immens
zu wachsen. Im ersten Jahr des Booms waren es 18 Prozent, zwischen
254 Zagreb, 2.–7. November 1952
1957 und 1961 jährlich etwa zwölf Prozent – die höchsten Raten der
ganzen Welt. Am stärksten erhöhte sich die Industrieproduktion, zum
Beispiel die der Automobile um das Dreifache und die der Kühl-
schränke um das Achtfache.9 Hierdurch entstanden allerdings auch
strukturelle Probleme: Exzessive Investitionen schufen Überkapazitä-
ten, welche wiederum zu Arbeitslosigkeit und Inflation führten.
Darüber, wie diese Mängel zu beseitigen wären, gab es unter-
schiedliche Meinungen, die zu nicht enden wollenden Reformdiskus-
sionen führten. Die « Liberalen » wollten die Kompetenzen der Unter-
nehmen noch mehr erweitern, die « Konservativen » lieber den Staat
stärken. Mit der Arbeiterselbstverwaltung begab sich die jugoslawi-
sche Führung jedoch in eine Pfadabhängigkeit, die nach dem (erst
später von Politikwissenschaftlern formulierten) Gesetz der wachsen-
den Rendite dazu führte, den einmal eingeschlagenen Kurs fortzu
setzen. Ab einem bestimmten Punkt war es nämlich wirtschaftlicher,
einfach weiterzumachen wie bisher, als die Strategie noch einmal
grundsätzlich zu ändern. Da Edvard Kardelj 1954 das Motto ausgab,
Der Reformkommunist 255
« Fixiertheit auf mein eigenes Schicksal », als er über seine Artikelserie
sprach. « Es gab Unzufriedenheit », schrieb er nach Jahren, « Unzufrie-
denheit mit einem selbst, den eigenen Ansprüchen und Erfolgsaus-
sichten ».20 Tatsächlich sieht es nach einer Mischung aus ehrlicher
Missbilligung der Zustände und verletzter Eitelkeit aus.
Zu Beginn des neuen Jahres konnte Tito das Rumoren in der Par-
tei nicht mehr überhören, das die Artikelserie auslöste und welches
anzufeuern sich Đilas bestens gefiel. Dabei hatte er, der zwischenzeit-
lich zum Parlamentspräsidenten gewählt worden war, mutwillig eine
von Titos roten Linien übertreten: die Geschlossenheit des Füh-
rungskollektivs, also die heilige monolithische Einheit der Partei.
Offensichtlich hatte man mit der Liberalisierung Geister herbeigeru-
fen, die sich auf unbotmäßige Weise verselbständigten.
Noch im Januar 1954 berief das Zentralkomitee auf Geheiß Titos
im Fall Đilas eine Plenumssitzung ein. Diese stand ganz in der Tradi-
tion der sowjetischen « Säuberungen », und Tito selbst führte die R egie:
Der Delinquent wurde erst isoliert und gedemütigt, ehe er nach er-
folgtem Reuebekenntnis eine letzte Chance erhielt. Kritik und Selbst-
kritik mussten öffentlich sein, weshalb das Schauspiel live und in voller
Länge im Radio übertragen wurde. Es musste dafür « alles, was in der
Partei Rang und Namen hat, aufmarschieren und Zeugnis gegen ihn
ablegen », berichtete Ernst Halperin. « Und vor allem wird Wert darauf
gelegt, daß seine persönlichen Freunde laut und vernehmlich von ihm
abrücken. »21 Vladimir Dedijer, damals Mitglied des ZK und Redakteur
der « Borba », hatte zum Bevorstehenden eine ganz individuelle Mei-
nung. Er setzte sie Tito, « wie ich zugebe, unter Tränen », noch kurz vor
dem Plenum auseinander und argumentierte, « dass man endlich auf-
hören müsse mit diesen Säuberungen, Enthauptungen, mit der Intole-
ranz ». Bitte sehr, entgegnete Tito, er könne das ja ruhig im Plenum
verkünden. Aber bring’ bloß nicht alle zum Heulen, knurrte er.22
Tito eröffnete die Verhandlung mit väterlicher Strenge. Er tadelte
Đidos lockeren Lebenswandel, seine Geringschätzung der prakti-
schen politischen Arbeit, und dass er unter dem Einfluss des kapitalis-
tischen Auslands stehe. Er habe begriffen, dass die Ideen seines
Kampfgefährten zu « Anarchie » führen würden. Statt selbst die Ärmel
260 Zagreb, 2.–7. November 1952
nicht hören will, muss fühlen.31 Đilas erhielt achtzehn und Dedijer
sechs Monate Gefängnis auf Bewährung.
Im Unterschied zu Dedijer, der sich einige Jahre in das akade
mische Leben der USA zurückzog, konnte sich Đilas nicht damit ab-
finden, mundtot zu sein. Während der Ungarnkrise 1956 startete er
einen neuen Angriff auf das Regime. Er beschuldigte Tito, er habe die
Freiheitsliebe der Ungarn zugunsten der Staatsräson verraten, was
so nicht stimmte, aber Đilas fürchtete wohl, Jugoslawien werde nach
Stalins Tod wieder ins sowjetische Lager abdriften. In jedem Fall ver-
stieß er mit seiner Kritik gegen die Bewährungsauflage, sich « feind
licher Propaganda » zu enthalten, und so musste er eine dreijährige
Gefängnisstrafe antreten. Mit Hilfe der CIA erschien während seiner
Haft das Buch « Die neue Klasse » in den USA, woraufhin sich seine
Strafe noch einmal um sieben Jahre verlängerte. Diese erste Analyse
des kommunistischen Systems, das die herrschende Führungsschicht
bloßstellte und nicht lediglich die marxistische Theorie auseinander-
nahm, wurde in über vierzig Sprachen übersetzt. Vorzeitig aus dem
Gefängnis entlassen, veröffentlichte er sein Buch « Gespräche mit Sta-
lin », das ihn wegen Preisgabe von Staatsgeheimnissen erneut hinter
Gitter brachte. Während ihn seine häretischen Schriften schlagartig
im Westen berühmt machten, fanden sie in Jugoslawien nur wenig
Widerhall. Eine Đilas-Schule oder eine andere Dissidentenbewegung
etablierte sich nicht. 1966 wurde er schließlich begnadigt. Tito ver-
spürte freilich bis zum Lebensende keinerlei Neigung, sich mit sei-
nem alten Kameraden auszusöhnen. Er fand auch in hohem Alter kein
gutes Wort mehr über ihn.
Der Fall Đilas zeigte exemplarisch, wo die Grenzen der « Demo-
kratisierung » lagen, nämlich dort, wo die Alleinherrschaft der Partei
in Frage stand. Die Parteireformen von 1952, das sagte Tito auch spä-
ter immer wieder, seien zu früh erfolgt und zu weit gegangen. Sie
hätten den bürgerlichen, antijugoslawischen Kräften zu viel Raum ge-
geben, die noch im Land schlummerten. « Wenn wir das erlauben,
wird es in einem Jahr keinen Sozialismus mehr [in Jugoslawien] ge-
ben, das sage ich Euch, … ganz ohne blutigen Kampf », erklärte er bei
der Abrechnung mit Đilas.32 Angeblich sagte er sogar: « Bei uns ist die
Der Reformkommunist 263
Ich, Jovanka
Das Ehepaar Broz mit den Schwestern Nada und Zora, Mišo,
Joška und Zlatica (v. l. n. r.) auf Vanga, 1956
Jovanka (l.) und Jackie Kennedy mit Tito und John F. Kennedy in
Washington, 1963
Coca-Cola-Sozialismus
Während Tito die Zügel wieder fester in die Hand nahm und
Forderungen nach mehr Meinungsfreiheit unterband, brachte das
wirtschaftliche Reformprogramm schwer zu bändigende und in ihrer
Der Reformkommunist 269
später ganz anders aus: 1966 stellten die Angestellten mit 39 Prozent
die relative Mehrheit. Der Bund der Kommunisten war zu einer Mit-
telstandspartei mutiert.51
Die Liberalisierung des politischen Systems und die Öffnung
nach Westen resultierten in einem beschränkten Pluralismus der
Medien, der Kultur und des öffentlichen Lebens. Der Staat inves-
tierte in den sechziger Jahren kräftig in den Kultursektor. 371 staatli-
che Museen empfingen jährlich rund acht Millionen Besucher; rund
4,3 Millionen Zuschauer gingen ins Theater.52 Während das Regime
Parteigruppierungen jenseits des Bundes der Kommunisten sowie
systemkritische Meinungen und Bewegungen von der politischen
Arena fernhielt, durften sich an den Universitäten, Instituten und
Akademien sowie in der Literatur und den Künsten unterschiedliche
Meinungen und Strömungen relativ frei artikulieren, sofern sie nicht
staatsfeindlich auftraten, und das war ein wichtiger Unterschied zum
Totalitarismus der ersten Nachkriegsjahre.
Zugpferd der Verwestlichung wurde das Kino. Seit Beginn der
Republik bemühte sich Jugoslawien, zum Hollywood Europas zu wer-
den. Es entstanden die Filmstadt Avala, zwei Filmakademien und bald
die ersten Koproduktionen mit dem Ausland. Jugoslawien bot außer-
gewöhnliche landschaftliche Kulissen für fast jeden Bedarf und billige
Arbeitskraft. So drehte zum Beispiel Orson Welles dort den « Pro-
zess ». « Es ist eine offensichtliche Tatsache », erklärte der Regisseur im
jugoslawischen Fernsehen, « dass Präsident Tito der größte lebende
Mensch auf Erden ist ».53 Der Historienfilm « Marco Polo » führte zu-
dem Anthony Quinn, Alain Delon und Omar Sharif nach Jugosla-
wien. Dort entstanden nicht zuletzt die deutsch-jugoslawischen Ko-
produktionen der Karl May-Filme mit Pierre Brice als Winnetou und
Lex Barker als Old Shatterhand. In den DDR-Indianerfilmen erlangte
DEFA-Schauspieler Gojko Mitić Berühmtheit.
In den Kinos wurden zahlreiche ausländische Filme gezeigt. Zwei
Drittel kamen aus den USA und aus Westeuropa und damit Marilyn
Monroe, John Wayne, Marlon Brando, Gary Cooper, James Dean,
Audrey Hepburn und Elizabeth Taylor auf die Leinwände. Ebenso
war westliche Schlager-, Pop- und Rockmusik – die der Beatles, Rol-
Der Reformkommunist 273
ling Stones, Beach Boys und Jimi Hendrix’ – populär. In der Pop- und
Rockmusik, im Unterhaltungs- und Autorenkino sowie bei allen For-
men des Modernismus und der Avantgarde-Kunst machten die Jugo-
slawen ebenfalls mit. Sie eröffneten Ausstellungen und Museen zeit-
genössischer Kunst und brillierten mit einer international viel
beachteten Kino- und Theaterszene. 1969 gewann Želimir Žilnik, der
bald berühmteste Exponent der kinematographischen « Schwarzen
Welle », in Berlin den Goldenen Bären.
Das Klima der Liberalisierung spürten auch die Religions
gemeinschaften. 1953 machte das Gesetz über die Rechtsstellung der
Glaubensgemeinschaften diese zu juristischen Personen. Es bekräf-
tigte die Gewissens- und Glaubensfreiheit, erlaubte Religionsunter-
richt und religiöse Presse sowie Spendensammlungen zugunsten der
Kirche. Der Staat durfte sich in die Besetzung von Ämtern nicht mehr
einmischen. Tito bedauerte öffentlich frühere « Exzesse » und ver-
dammte « derartige Handlungen, weil wir viel bessere Mittel … ha-
ben ».54 Anstelle offener Repression trat ideologische Beeinflussung
und Erziehung in der Schule und in der Armee. Die massenhafte Ver-
folgung von Priestern und Bischöfen hörte damit auf; es blieben aber
Schikanen und Willkür. Noch 1963/64 wurden insgesamt 231 Geist-
liche mit administrativen Strafen belegt, darunter 21 orthodoxe und
174 katholische Priester.55 Auch der Vatikan zeigte sich weniger feind-
selig, seitdem das Zweite Vatikanische Konzil Erneuerung versprach
und Papst Paul VI. die Kirche gegenüber der kommunistischen Welt
öffnete. Geheimverhandlungen mit Tito führten 1970 zur Wiederauf-
nahme der Beziehungen mit Jugoslawien.
Insgesamt genossen die Religionsgemeinschaften nie und nirgends
größere Freiheiten im Sozialismus als jetzt. 1965 veröffentlichten sie 65
Zeitungen und Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 3,7 Millio-
nen Stück. 1987 waren es schon 99 Titel.56 Besondere Förderung er-
hielt die Islamische Religiöse Gemeinschaft, die, politisch gezähmt,
relativ frei agieren durfte. Allein in Bosnien-Herzegowina gab es über
zweitausend Moscheen, Bethäuser und kleinere Kultstätten, in Ko-
sovo und Makedonien weitere rund tausend.57
Seit 1960 war die Vorab-Zensur ausdrücklich aufgehoben, was in
274 Zagreb, 2.–7. November 1952
Titos Charisma
Volk nach vorne bringt ».64 Wie jeder echte Populist sparte er auch
nicht mit Kritik an bürokratischen Tendenzen und anderen Missstän-
den in Partei und Staat. So vermochte er es, sich als Vollstrecker des
Volkswillens zu inszenieren, als Staatenlenker, der sich unermüdlich
für Glück, Freiheit und Gleichheit aller Jugoslawen selbst dem eige-
nen Apparat gegenüber einsetzte.
Die Verehrung Titos war auch ein Ritual, also eine soziale Praxis,
die sich in bestimmten Abständen wiederholte und nach festen Regeln
ablief. Dies sollte einerseits seine autokratische Herrschaft, anderer-
seits auch das Gemeinschaftsgefühl stärken. Fahnen schwenkendes,
jubelndes Volk feierte ihn bei Aufmärschen und Paraden, rief « Wir
gehören Tito! Tito gehört uns! » und sang « Genosse Tito, wir schwö-
ren Dir, dass wir nie von Deinem Weg abweichen werden ». Die Feier-
lichkeiten zum 1. Mai bildeten jedes Jahr ein landesweites Großereig-
nis, wenn die Städte mit Fahnen, Parolen, Tito-Bildern und Blumen
geschmückt und große Umzüge und Militärparaden abgehalten wur-
den. Millionen waren aus diesem Anlass auf den Straßen. Ein ganz
besonderes Phänomen war die Tito-Stafette am Tag der Jugend, Titos
offiziellem Geburtstag, dem 25. Mai. Junge Pioniere sprinteten durch
das ganze Land, um den Stab mit einer Botschaft an den Marschall
weiterzureichen – ein Zeichen von « Brüderlichkeit und Einheit » und
dazu ein buntes, fröhliches Festival. Als Jugoslawien 1962 den sieb-
zigsten Geburtstag seines Staatspräsidenten feierte, war das ganze
Land auf den Beinen: Etwa 7,5 Millionen Menschen, fast die Hälfte
der Bevölkerung, nahm am Begleitprogramm der Musik-, Sport- und
Kulturveranstaltungen teil. Damals erhielt Tito zwei ganz besondere
Präsente, nämlich die Ehrenbürgerschaft in allen 863 Städten und
Kommunen Jugoslawiens sowie das « Museum 25. Mai » in Belgrad zur
Ausstellung seiner Staatsgeschenke.65
Was die Menschen unmittelbar ansprach und berührte: Tito
durchlief die Metamorphose vom Bauernsohn zum international an-
gesehenen Staatsmann – die jugoslawische Version des amerikani-
schen Traums vom Tellerwäscher, der Millionär wurde. Was ihn von
der Masse und auch von anderen Führern abhob, war etwas, das
Günter Grass einmal Willy Brandt zuschrieb: die seltene Gabe, Zu-
Der Reformkommunist 279
Tito nimmt in Belgrad die Parade zum Tag der Armee ab, 1951
Der Globetrotter
Churchill und Tito mit Koča Popović (l.) und Anthony Eden (r.)
in London, 1953
hatte, dokumentiert ein späteres Foto, das zeigt, wie Tito dem ge-
brechlichen Churchill diskret und ohne jede Anzüglichkeit stützend
unter den Arm greift.
Im folgenden Jahr, Ende 1954, war Tito das erste europäische
Staatsoberhaupt, das der jungen Nation Indien einen offiziellen Be-
such abstattete. Begleitet von seinem Vizepräsidenten Ranković, dem
Außenminister Popović, vier Ressortministern, drei hohen Offizieren
sowie einem großen Beraterstab wollte Tito das Riesenland achtzehn
Tage lang mit dem Zug bereisen und zu Silvester den Maharadscha
von Gwalior zur Tigerjagd aufsuchen.5 Vor allem aber wollte Tito mit
Ministerpräsident Jawaharlal Nehru Optionen einer neuen Kultur
der Zusammenarbeit außerhalb der Militärblöcke ausloten. Indien
und Jugoslawien unterhielten bereits seit 1948 diplomatische Bezie-
hungen und rückten beide im darauffolgenden Jahr zu nichtständigen
Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat auf. Tito sei der erste große euro-
286 Delhi, Dezember 1954
Tito empfängt
Chruschtschow
in Belgrad, 1955
Backen auf, um ihn mit Pauken und Trompeten und einem ausgelas-
senen Willkommensmarsch zu empfangen. Und in Moskau, am Kie-
wer Bahnhof, feuerten sie ihm zu Ehren – und zu seinem Schrecken –
sogar ein paar Kanonenschüsse ab.16 Nach längerem diplomatischen
Gerangel verabschiedete man am 20. Juni 1956 die Moskauer Erklä-
rung, die bekräftigte, « dass die Wege der sozialistischen Entwick-
lung … verschieden sind ». Es wurde nun offen eine Zusammenarbeit
der beiden kommunistischen Parteien verabredet und bestätigt, die
Beziehungen auf « vollkommener Freiwilligkeit und Gleichberechti-
gung » aufzubauen.17
Schon kurz nach dem fulminanten Empfang in Moskau kam Tito
wegen der Sowjets in die Bredouille. Nur eine Woche nach der
gemeinsamen Erklärung brachen in Polen und Ungarn Streiks und
blutige Unruhen aus, die eine gefährliche Eigendynamik entfalteten.
In Budapest eskalierte die Lage so weit, dass der ursprünglich mos-
kautreue Regierungschef Imre Nagy im Oktober 1956 den Austritt
Ungarns aus dem Warschauer Pakt erklärte. In der Nacht vom 3. auf
den 4. November marschierten Truppen auf Budapest, um dort eine
neue, kremlfreundliche Regierung zu inthronisieren. Das passierte in
jenem kritischen Moment, als alle Welt auf Ägypten blickte. Dort
zettelten Großbritannien, Frankreich und Israel einen Krieg gegen
Präsident Nasser an, weil dieser den Suez-Kanal in ägyptisches
Staatseigentum überführt hatte. « Sie stecken dort in der Patsche »,
sagte Chruschtschow, « und wir in Ungarn ».18
Nach der sowjetischen Invasion flohen Imre Nagy, weitere Regie-
rungsmitglieder und ihre Familien in die jugoslawische Botschaft, um
dort politisches Asyl zu erbitten. Auf einmal sah es so aus, als seien die
Jugoslawen die eigentlichen Drahtzieher und Beschützer der ungari-
schen « Konterrevolution ». Panzer der Roten Armee umstellten das
Gebäude. Nach tagelangem Hin und Her schloss die jugoslawische
mit der neuen ungarischen Regierung eine schriftliche Vereinbarung,
die den Asylsuchenden freies Geleit zusicherte. Imre Nagy und alle
anderen verließen daraufhin die Botschaft. Noch am selben Abend
wurden sie von sowjetischen Truppen festgenommen und an einen
unbekannten Ort gebracht. Nagy und enge Vertraute wurden später
Der « Weltbürger » 293
nach Ost-Berlin, was man in Bonn als « Prestigegewinn für das Zonen-
regime » interpretierte.24 Im Jahr darauf empfingen die Jugoslawen
Walter Ulbricht in Belgrad. Man kannte sich seit Moskauer Zeiten im
Hotel Lux. Das Auswärtige Amt jedoch frohlockte, Tito verberge
« kaum die Geringschätzung … für den moskauhörigen ‹ Genossen › in
Pankow ».25 Da die Zusammenarbeit seither enger wurde, wetteiferten
die beiden Deutschlands erst recht mit Wirtschafts-, Handels- und
Kreditabkommen um Titos Gunst. Gewonnen hat die Bundesrepu
blik, die in den siebziger Jahren sogar Jugoslawiens wichtigster Außen-
handelspartner wurde.
« Unternehmen Diamant »
bundenheit werben wollte. « Dass das klar ist », sprach er, « Mittagessen
gibt es immer um 12.30 Uhr, und Abendessen um 19.30 Uhr. Ich
werde auf keinen warten. Nach dem Abendessen ist Kino. »27
Tito war in Hinblick auf Selbstdisziplin, Pünktlichkeit, Um-
gangsformen und Protokoll ein Perfektionist. Es fing damit an, erin-
nerte sich Veljko Mićunović, dass es selbst bei größter tropischer Hitze
keinem erlaubt war, ohne Jacke und Krawatte am Tisch des Präsiden-
ten zu erscheinen.28 Protokollchef Zdenko Štambuk hatte alle 52 Mit-
glieder der Delegation angewiesen, Frack, weißen und schwarzen
Smoking, mindestens zehn Anzüge und sechzig Hemden sowie eine
entsprechende Anzahl an Schuhen, Taschentüchern und Krawatten
dabeizuhaben. Das gehe natürlich alles auf Staatskosten. « Alles funk-
tionierte, um eine höhere Mission auf dieser Welt zu erfüllen », fasste
es Ćosić zusammen. « Der ganze Staat stand im Dienst seiner [Titos]
welthistorischen Pflicht und Rolle. »29
Gleich zu Beginn der Reise traf die Nachricht von der Ermor-
dung Patrice Lumumbas ein, des ersten frei gewählten Regierungs-
Der « Weltbürger » 297
chefs der ehemals belgischen Kolonie Kongo. Mit Hilfe von CIA und
belgischem Geheimdienst war er aus dem Amt geputscht, gefoltert
und erschossen worden, weil er sein an Kupfer, Uran und Diamanten
reiches Land enger an die Sowjetunion binden wollte. Tito war un-
endlich aufgebracht über das « g rößte Verbrechen der jüngeren Ge-
schichte » und bestärkt in seinem Vorhaben, die neutralen Staaten ge-
gen « die Imperialisten » zusammenzuschmieden.
Das « Unternehmen Diamant » sollte mit 72 Tagen die längste und
mit den veranschlagten Gesamtkosten von 534 507 US-Dollar auch
teuerste « Friedensreise » werden. Sie war zudem ein logistisches Mam-
mutunternehmen. Für die errechneten 10 478 Seemeilen brauchte
der Tross allein 4671 Tonnen Treibstoff sowie mindestens 1200 Ton-
nen Trinkwasser, weswegen unterwegs für ausreichend Nachschub
gesorgt sein musste. Ansonsten hatte man alles an Bord, was für die
Verpflegung der Passagiere sowie die bevorstehenden Empfänge und
Diners benötigt wurde: Schinken und Mortadella, Schweine- und
Lammfleisch, Beefsteaks, Rinderbrust, Würste, Brathähnchen, Puten,
Ente und Gänse sowie diverse Käsesorten, Fischkonserven und einge-
legtes Gemüse, nicht zuletzt Pralinen, Kekse und Schokoladen. Dazu
kamen 700 Flaschen Schnaps, 300 Liter Weinbrand und Wermut,
4000 Flaschen Wein sowie 29 000 Schachteln Zigaretten und kuba
nische Zigarren. Zwecks abendlicher Unterhaltung führte man an die
achtzig Kinofilme sowie 42 Musiker mit, die sich je nach Bedarf zu
Blas-, Streich-, Volksmusik-, Tanz- und Jazzorchestern formieren
konnten. Sie hatten natürlich auch die Hymnen der Gastländer und
deren lokale Volksweisen einstudiert.
Zum Schutz und zur Versorgung fuhren im Geleitzug der « Galeb »
die Zerstörer « Split », « Kotor » und « Pula » sowie das Lastschiff « Lovćen »
mit. Insgesamt waren etwa 1500 Personen mit von der Partie: Tito,
Jovanka und die offizielle Delegation, dazu Offiziere, Unteroffiziere
und Matrosen, Köche, Küchenhelfer und Kellner, Putzleute und
Maschinisten, Chirurgen, Internisten, Fotografen und Journalisten.
« Dutzende kümmerten sich darum, dass ‹ der Alte › sich so wohl und
wichtig wie möglich fühlte », befand Ćosić.30
Der Geheimdienst hatte über den Winter nicht nur alle Crew
298 Delhi, Dezember 1954
gungen hatte man zwei Flugzeuge, eine DC-6 und eine IL-14, auf den
Begleitschiffen dabei. An Bord befanden sich ferner das Rolls-Royce-
Cabriolet, der klimatisierte Cadillac, der gepanzerte Packard und ein
Fahrzeug für den Transport der Garderobe in den Gastländern. Ein
Teil der Ladung waren Geschenke: Kameras, Radios, Fernseher, Jagd-
gewehre, zwei Fiat 1100 aus jugoslawischer Lizenzproduktion sowie
ein Sanitätsbus mit eingebautem Röntgenapparat.
Alle Staaten, die Tito bereiste – Ghana, Togo, Liberia, Guinea,
Mali, Marokko, Tunesien und Ägypten –, bereiteten ihm einen be-
geisterten Empfang. Tito war in vieler Hinsicht ein Vorbild. Er hatte
vorgemacht, wie sich auch kleine Völker der Fremdherrschaft entle
digen konnten, dass sich koloniale Ausbeutung und Hunger überwin-
den ließen und dass auch nach dem furchtbarsten Bürgerkrieg ein
friedliches Zusammenleben wieder möglich war. Es gibt viele Quel-
len, die erzählen, wie herzlich die Jugoslawen von Hunderttausenden
auf den Straßen empfangen wurden: mit Jubelrufen, Freudentränen,
Liedern, Tänzen und jeder Menge ausgefallener Geschenke, meis-
tens Kunstgegenständen, aber auch dem einen oder anderen exoti-
schen Tier. Für das wenigstens eine Tonne schwere Nilpferdjunge
aus Ghana zimmerten die Matrosen auf der « Lovćen » eigens ein
Schwimmbecken. « Schaut mal, wie der sich in der Ecke versteckt
hat! », freute sich Tito. « Dann nahm er Grünzeug und hielt es ihm
hin », erinnerte sich sein Sicherheitschef. « Und das verfluchte Fluss-
pferd betrachtet Tito, wie er ihm das Futter anbietet, schaut ihn an
und schnaubt, und dann kommt es hervor und frisst das Grünzeug
[aus seiner Hand]. »33
Das revolutionäre an Titos Afrikapolitik war der Umstand, dass es
sie überhaupt gab. Noch hielten die alten europäischen Kolonial-
mächte krampfhaft an ihren letzten überseeischen Gebieten fest. Und
da kam der Präsident Jugoslawiens, ein angesehener Europäer, um die
neuen Staaten ohne Herablassung als gleichwertige Partner zu behan-
deln. Präsident Kwame Nkrumah befand, dass Tito den afrikanischen
Kontinent von allen weißen Politikern am besten verstanden habe.
Und Kaiser Haile Selassie lobte, dass « ausschließlich Jugoslawien die
Entwicklung Äthiopiens ohne jedwede Eigeninteressen unterstützt »
300 Delhi, Dezember 1954
Henry Kissinger fand, dass Tito arg danach strebte, « seinem Land
eine Rolle zu geben, die ziemlich unverhältnismäßig ist verglichen mit
Größe, Lage und Potential ».57 Tatsächlich verstand Tito es, Jugoslawi-
ens Sonderstellung zwischen den Blöcken zum eigenen Vorteil auszu-
spielen. Beide Supermächte wollten schließlich verhindern, dass das
strategisch wichtige Land in das feindliche Lager entglitt. Sie über
boten sich mit immer neuen Kredit- und Kooperationsangeboten.
Für Jugoslawien war das ausgesprochen nützlich, da es aus wirtschaft-
lichen Gründen auf beide Blöcke, die EWG und den Rat für gegensei-
tige Wirtschaftshilfe, angewiesen war. Seit den sechziger Jahren wuch-
sen Außenhandelsdefizit, Inflation und Arbeitslosigkeit, ohne dass der
marktwirtschaftliche Reformmarathon die Lage substantiell verbes-
serte. Seit 1960 verlangsamte sich das industrielle Wachstum und fiel
von 15 Prozent auf nur noch vier Prozent in der ersten Hälfte 1962.58
Während 1961 die Privateinkommen um 23 Prozent stiegen, wuchs
die Produktivität in der Industrie um 3,4 Prozent. Seither lebte Jugo-
slawien über seine Verhältnisse.59 Enge wirtschaftliche Beziehungen
nach Süd, West und Ost zu unterhalten, war eine ökonomische Über-
lebensnotwendigkeit. Die aktive Außenpolitik und die 1964 angesto-
ßenen Marktreformen bedingten und beförderten sich also wechsel-
seitig. Beide Stränge sollten helfen, Jugoslawien besser in die globale
Wirtschaft zu integrieren und mehr internationale Kredite anzuziehen.
Jugoslawien « kann nicht ohne die beiden Blöcke sein, sondern nur mit
beiden », kommentierte « Die Zeit ».60
Seit sich die Amerikaner entschieden hatten, Tito « über Wasser
zu halten », pendelte sich das Verhältnis trotz gravierender politischer
und ideologischer Meinungsverschiedenheiten auf fast freundschaft-
lichem Niveau ein. Im Herbst 1963 empfing John F. Kennedy den
jugoslawischen Staatspräsidenten mit höchsten militärischen Ehren
im Weißen Haus. Als der US-Präsident kurz darauf in Dallas ermor-
det wurde, war Tito erschüttert. Er ordnete Halbmastbeflaggung in
Jugoslawien und in allen Schulen eine Unterrichtsstunde ihm zu
Ehren an.61 Im Weißen Haus wagte man damals schon nicht mehr zu
hoffen, dass Titos Häresie als Spaltpilz im Ostblock wirken würde.
Minimalziel war jetzt, das Land als Puffer gegenüber dem Sowjet-
310 Delhi, Dezember 1954
block zu stabilisieren. « Wer immer über den Sturz des aktuellen Regi-
mes spricht, redet der Zerschlagung des jugoslawischen Staates das
Wort », konstatierten die Diplomaten. « Nichts ist ungewisser, als anzu-
nehmen, dass mehrere zerstückelte Entitäten … sich dem Sowjet-
kommunismus … effektiver widersetzen könnten als ein ungewöhn-
lich festes und erfahrenes [professionelles] nationales Regime. »62 In
gewisser Weise hatte die US-Außenpolitik sogar Vertrauen zu Tito
gefasst. Er « betrachtete sich … als guter marxistischer Kommunist
und wollte nie den Eindruck erwecken, … etwas anderes zu sein », be-
fand US-Botschafter George F. Kennan. « Ich hatte nie das Gefühl, er
wolle mich täuschen oder hintergehen. »63
Tito setzte seine Verbindungen in die USA gezielt gegen den
Kreml ein, der nach der Invasion in der Tschechoslowakei 1968 eine
neue Eiszeit gegenüber Jugoslawien einleitete. Tito war über den Ein-
marsch des Warschauer Paktes gegen den « Prager Frühling » zutiefst
empört. Er sympathisierte mit den Reformern und erhielt in Moskau
die Zusicherung, die Krise würde mit friedlichen Mitteln gelöst. Aber
Leonid Breschnew berief sich auf die « beschränkte Souveränität » der
sozialistischen Staaten und beantwortete Titos massive Proteste mit
militärischen Drohungen. Anschließend ließ er alle jugoslawischen
Anstrengungen, die lebenswichtige Verbindung zur Sowjetunion zu
akzeptablen Bedingungen wiederherzustellen, ins Leere laufen. « Da
raufhin ging Tito auf Gegenkurs », beobachteten die deutschen Diplo-
maten. « Er ließ deutlich werden, dass sich ihm notfalls andere Alter-
nativen bieten. » Im Oktober 1970 empfing er US-Präsident Richard
Nixon in Jugoslawien, ein halbes Jahr später reiste Außenminister
Mirko Tepavac nach China. « Die besondere Leistung der jugosla
wischen Diplomatie besteht aber darin, dass sie … jede [erneute]
Herausforderung Moskaus sorgfältig vermied. » Die Jugoslawen wur-
den nicht müde zu betonen, dass nichts davon gegen einen Dritten
gerichtet sei.64 Kennan kommentierte, Tito wolle die Sowjets mit Aus-
dauer und Geschick dazu bewegen, seine Position zu akzeptieren und
ihn mit Respekt zu behandeln. « Er wollte gute Beziehungen mit bei-
den Seiten. »65
Trotz, oder vielleicht gerade wegen der amerikanischen Hilfen
Der « Weltbürger » 311
Kaum war Breschnew abgereist, machte sich Tito auf nach Wa-
shington. Dort feierte ihn die Presse als « wahren Herold einer Epoche
des Abbaus der Spannungen, dessen Rat und Hilfe von vielen gesucht
werde ».71 Mit Breschnews Zugeständnis in der Tasche « konnte er
sich … erlauben, in Washington weiterzugehen, als jemals zuvor ». Die
USA bestätigten in einem offiziellen Kommuniqué, « dass Friede und
Sicherheit in ganz Europa unteilbar seien » – eine verklausulierte Ver-
sicherung, Jugoslawiens Unabhängigkeit und blockfreie Position zu
erhalten. Sie ließen sich sogar hinreißen, die Blockfreiheitspolitik als
« bedeutenden Faktor » und « aktiven Beitrag zur Lösung der Weltpro
bleme » sowie « besserer Entwicklung der internationalen Beziehungen »
zu würdigen. Tito hatte damit eine Position « gleich nahe zu beiden
Supermächten » erreicht, kommentierte das Auswärtige Amt. Er reiste
mit Kreditzusagen von fast einer Milliarde US-Dollar nach Hause.72
Die Jugoslawen ließen es sich trotz der neuen Kredite nicht neh-
men, ihre außenpolitische Agenda weiter abzuarbeiten. So wetterte
Belgrad nach den von den USA orchestrierten Putschen in Chile 1973
und Zypern 1974 gegen den « amerikanischen Imperialismus ». Als
nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats stieß Jugoslawien
zwei Resolutionen zugunsten Panamas an, damit die USA den lebens-
wichtigen Kanal und das Land insgesamt verließen. Das State Depart
ment war so beunruhigt, dass die Jugoslawen den marxistisch-leninis-
tischen Virus in Lateinamerika verbreiten würden, dass man sogar ei-
nen Strategiewechsel überlegte.73 Aber dann schreckten die Diploma-
ten doch vor den politischen Risiken zurück.
Der Gastgeber
iplomatischen Corps mit von der Partie. In fast allen Republiken gab
d
es entsprechende Jagdgründe, zum Beispiel in Slowenien das « Jelen »-
Revier. Andere lagen im serbischen Karađorđevo und im bosnischen
Koprivnica. Abends, wenn man auf der Hütte gemütlich beisammen-
saß, kam es zum informellen politischen Austausch. Die Sowjetführer
waren von dem Format so angetan, dass sie ebenfalls Jagdreviere auf-
machten, um dort Staatsgäste zu empfangen. Tito war ein passionier-
ter Jäger und immer außerordentlich guter Laune, wenn er etwas er-
legt hatte. Und wenn es anschließend noch Fotos vom erfolgreichen
Jäger mit seiner Trophäe – gerne ein Bär oder kapitaler Hirsch – gab,
war dies Ausweis von Macht und Männlichkeit. Allerdings gab es bei
der Diplomatenjagd auch einmal einen tragischen Zwischenfall, als
der österreichische Botschafter versehentlich seinen französischen
Amtskollegen erschoss.
Mit zunehmendem Alter, und das merkte man in den sechziger
Jahren, entwickelte Tito einen Hang zum Übergewicht und zum
Luxus. Er war sehr auf gutes Aussehen bedacht: modische Sonnen-
brille, gefärbte Haare, erstklassige Garderobe. Als Accessoires dienten
Zigarre und Whisky. An persönlichem Reichtum war ihm nicht gele-
gen, er bekam ja alles auf Staatskosten. Das Gehalt des Präsidenten
betrug zwei Millionen Dinar im Jahr (ca. 285 000 DM), das war etwa
das Vierfache dessen, was sein Kabinettschef bekam. Privates Eigen-
tum besaß er keines, weder Bankkonten noch Immobilien, und als er
starb, erschien im Nachlass lediglich ein kleiner Weinberg in der Nähe
von Zagreb.78 Alle Staatsgeschenke übergab er dem « Museum 25. Mai »
in Belgrad, wo sie ausgestellt wurden. Nur das kleine weiße Pudelpaar,
das ihm die griechische Königin Friederike geschenkt hatte, blieb für
ihn und seine Frau persönlich bestimmt.
Wenngleich der Staatspräsident über eine Reihe von Residenzen
verfügte, nämlich siebzehn Schlösser, Villen und Jagdgründe, be-
nutzte er nach eigener Aussage nur vier: das Weiße Schloss in Belgrad,
Schloss Brdo bei Kranj, die Insel Brioni und den Jagdsitz Karađorđevo.
Dort ließ er es an nichts fehlen, oder, wie Prinzessin Margaret gesagt
haben soll, « gegen diesen Pomp wirke der Buckingham-Palast eher
bürgerlich ».79 Willy Brandt sprach von « Eigenarten, die dem Feuda-
316 Delhi, Dezember 1954
lismus entlehnt schienen », zollte Tito aber nicht zuletzt aufgrund sei-
ner zahlreichen Verdienste für Entspannung und Kooperation « hohen
Respekt ».80 Aber « es ist doch viel besser einen Bonvivant wie Tito als
Diktator zu haben als einen asketischen Typ wie Stalin », meinte ein
Historiker. « Unser Mann genießt das gute Leben und versteht, dass
wir alle auch besser leben wollen. »81 Nicht zuletzt gaben auch Kritiker
zu: Mit dem ganzen Gehabe und Getue vermochte er fast jeden Ge-
sprächspartner zu beeindrucken, zum Beispiel auch Elizabeth Taylor,
die, wie Richard Burton kolportierte, sehr « begeistert von all der
Macht und dem Glanz » war.82
Betrunken erlebte man Tito allerdings nie. Wenn er gut gelaunt
war, konnte er sogar über Witze lachen, die auf seine Kosten gingen:
« Was würde passieren, wenn die ‹ Galeb › unterginge? – Jugoslawien
wäre gerettet! »
BRIONI, 1. JULI 1966
Der Richter und Schlichter
Titos Sorgen
brachte aber zuweilen eine gewisse soziale Distanz mit sich. So kam es
außerhalb der großen Städte eher selten vor, dass Angehörige unter-
schiedlicher Volks- und Religionszugehörigkeit heirateten. Fast neun
Zehntel aller Ehen wurden zwischen Partnern derselben Nationalität
geschlossen. Kroatisch-serbische Partnerschaften gab es recht häufig,
serbisch-albanische hingegen fast nie.
Tito hegte lange die Illusion, dass der Nationalismus im Sozialis-
mus von selbst verkümmern werde. « Im Krieg habe ich das [den
Nationalismus] so übergehabt, dass ich mir eingeredet habe, dass es
solche Probleme nie wieder geben wird. » Tatsächlich wirkten in den
fünfziger Jahren Aufbaueuphorie und sowjetische Bedrohung in die-
ser Hinsicht pazifizierend. Modernisierung und Säkularisierung stärk-
ten andererseits den Wunsch nach Identität und Unterscheidbarkeit.
Zudem verschärften Bildungsmobilität und Bevölkerungswachstum
den Wettbewerb der Eliten. So zeigte sich, dass angesichts wachsender
wirtschaftlicher Probleme die Bedeutung des Nationalen in den sech-
ziger Jahren wieder zunahm, und Tito räumte ein, er habe sich in die-
ser Angelegenheit « ein wenig getäuscht ». Es wurde jetzt dauernd über
den « ethnischen Schlüssel » gestritten, nach dem die Nationalitäten
proportional auf die Partei- und Staatsorgane verteilt wurden. Fand
eigentlich nur er es grundfalsch, die Arbeiterklasse in Serben und
Kroaten auseinanderzudividieren? Als ihn die Kaderabteilung zum
« Kroaten » erklärte, grummelte er, « seht mal, ich falle jetzt auch unter
diese ethnischen Schlüssel ». Und er wünschte, dass die vermaledeiten
Dinger « so verrosten, dass sie gar nichts mehr aufschließen ».6
Hinter den Kulissen des brüderlich geeinten sozialistischen Viel-
völkerstaats rumorte es gewaltig: In dem Maße, wie sich der Boom
abschwächte, wuchs der Nationalismus, und die Parteiführungen der
Republiken stellten die innere Machtverteilung in Frage. Eines der
vertracktesten Probleme war nicht in den Griff zu bekommen: die
Einkommens- und Entwicklungsunterschiede zwischen den Republi-
ken und Regionen. An der Spitze der Wohlstandstabelle und deutlich
über dem jugoslawischen Durchschnitt stand Slowenien, mit einigem
Abstand gefolgt von Kroatien. Serbien lag ziemlich genau im Mittel-
feld, alle anderen kamen weit dahinter. Trotz massiver Investitionen in
320 Brioni, 1. Juli 1966
und – als Garant all dessen – die Geschlossenheit der Partei. Über
alles andere konnte man reden: mehr oder weniger Meinungsfreiheit,
diese oder jene Wirtschaftsreformen, die eine oder die andere außen-
politische Initiative. « Er war immer das Zünglein an der Waage zwi-
schen den Dogmatikern und dem Teil der Führung, der für die Libe-
ralisierung des Systems war », schrieb der kroatische Parteimann Mika
Tripalo.13
Um die diversen Gruppen und Fraktionen in Schach zu halten,
bediente sich Tito ganz unterschiedlicher Strategien und Instru-
mente. Mal gab er den obersten Richter in tribunalähnlichen Partei-
sitzungen, mal schlichtete er mit Einfühlungsvermögen und Finger-
spitzengefühl einen Interessenkonflikt. Er brachte es fertig, sich mit
entwaffnender Ehrlichkeit öffentlich zu eigenen Fehlern zu bekennen,
während er hinter den Kulissen eiskalt Staatsfeinde liquidieren ließ.
Dann wieder appellierte er an die Emotionen: Hütet mir Brüderlich-
keit und Einheit « wie euren Augapfel »! Auf diese Weise behauptete
und bewährte er sich dreieinhalb Jahrzehnte lang als unverzichtbarer
Moderator eines mehr oder weniger gedeihlichen Zusammenlebens
der jugoslawischen Völker.
nen hatte. « Seine Hände zitterten dauernd, und die Augenlider zuck-
ten unruhig. »17
Als Chef des Staatssicherheitsdienstes verfügte Aleksandar
Ranković über eine einzigartige Macht. Denn die UDBA funktio-
nierte als selbständiges Fahndungsorgan. Sie durfte ohne staatsan-
waltliche Anordnung wegen politischer Delikte ermitteln. Besondere
Auswüchse zeitigte ihr Wirken im Kosovo, weil die Geheimdienstler,
überwiegend Serben und Montenegriner, alle Albaner als Anti
kommunisten, Nationalisten und Separatisten verdächtigten. Die
Geheimdienstler hörten Telefone ab, öffneten Briefe, beschlagnahm-
ten Schriften und legten Dossiers über Verdächtige an. « Uns wurde
stets bezeugt, dass wir die Führungsriege im Kampf gegen den Feind
seien », erläuterte der UDBA-Chef im Kosovo, « und dass die Staats
sicherheit die gesellschaftliche und staatliche Ordnung beschützt und
wir deshalb alles wissen müssen … und alles zu kontrollieren haben. »18
Im Anschluss an das Plenum kassierte ein Untersuchungsausschuss
hunderte Anzeigen wegen Totschlags, Körperverletzung und Diskri-
minierung und kam 1968 zu dem Schluss, dass « die Gewalt » und
« Methoden und Maßnahmen … eine äußerst große Verletzung ele-
mentarer Bürger- und Verfassungsrechte, der Persönlichkeit, der
menschlichen Würde und der Humanität » darstellten.19
Aus all diesen Gründen gab es beim Brioni-Plenum ein Déjà-vu:
Tito eröffnete die Sitzung und trug die Vorwürfe vor. Der Geheim-
dienst sei zum Quell des Nationalismus geworden. « Er unterdrückt
eine ganze Gesellschaft … Es herrscht Misstrauen auf allen Ebenen.
Erinnert euch das nicht ein bisschen daran, wie es bei Stalin war? »
Zeugen bestätigten, Politiker und Funktionäre der höchsten Ebene
würden diskreditiert, um sie aus dem Amt zu drängen. Ranković er-
klärte daraufhin schuldbewusst, er habe es an « Wachsamkeit » fehlen
lassen, übernahm die « moralische und politische Verantwortung » und
trat von seinem Posten als Vizepräsident zurück.20 Er wurde aus dem
ZK, später auch aus der Partei ausgeschlossen. Gegen sechzehn hohe
UDBA-Funktionäre wurden Strafverfahren eingeleitet. Der Staats
sicherheitsdienst, der fortan SDS hieß, wurde von Ranković-An
hängern « gesäubert » und der Aufsicht eines parlamentarischen Kon
326 Brioni, 1. Juli 1966
sen. Diesen Fehler sehen wir ein. » Die Proteste seien « eine Reaktion
auf unsere [eigenen] Schwächen », und er, ja er, werde sich sofort und
mit aller Kraft dafür einsetzen, diese « hausgemachten » Probleme zu
lösen. Und die Studenten sollten ihm dabei helfen! « Wenn ich das
nicht schaffe, … dann darf ich auch nicht mehr im Amt bleiben! », ver-
sprach er. Nun sei es aber an der Zeit, in die Hörsäle zurückzukehren.
« Es wäre wirklich schade, wenn ihr noch mehr Zeit verliert. »29
Tito war sich wohlbewusst, wie gefährlich die Massenproteste
für sein Regime werden konnten. Sie hatten Defizite an Glaubwürdig-
keit und Legitimität des Systems in die Öffentlichkeit getragen. Er
schlüpfte also in die Rolle des Großvaters, der die Enkel gegenüber
den Eltern verteidigt. Und damit hatte er den Familienfrieden – oder
besser: die nationale Einheit – für den Moment wiederhergestellt. Die
Streikenden aber glaubten, sie hätten sich durchgesetzt, und feierten
ihren Sieg euphorisch auf den Straßen. Daraufhin gingen alle wieder
brav nach Hause.
Die Reaktion der Partei auf die Studentenproteste bestand aus
drei Elementen. Erstens streute die Partei Asche auf ihr Haupt. Sie
gab eigene Fehler zu und versprach, wirtschaftliche Missstände zu
beseitigen. Zweitens unternahm sie eine Charmeoffensive. In Kürze
entstanden moderne Fakultätsgebäude, Wohnheime und Mensen so-
wie zusätzliche Arbeitsplätze für Akademiker. Sie startete eine Kam-
pagne, um mehr jüngere Mitglieder zu werben. Und drittens wurden
jene ausgeschaltet, die das Regime als schädliche Drahtzieher der Be-
wegung identifizierte.
Hinter den Kulissen, in den Sitzungen der Parteiführung, sprach
Tito nämlich in einer anderen Tonlage als im Rundfunk. Er prangerte
« Schwanken », « Schwäche » und « Uneinigkeit » der Partei an. « Wir soll-
ten wissen: Wenn die Arbeiterklasse auf die Straße geht, dann sieht es
schlecht für uns aus. » Bei Gott, so fest sitzen wir nicht im Sattel! Man
sei zu liberal mit Ranković und Konsorten umgegangen. « Wir hätten
ein bißchen mehr harte Hand beweisen und diese Leute an einen
bestimmten Ort schicken sollen. »30 Noch deutlicher wurde er, als er in
seinen Reden « vereinzelte Professoren, irgendwelche Philosophen,
verschiedene ‹ Praxisten › und andere Dogmatiker » abkanzelte. « Ich
Der Richter und Schlichter 331
sage schon lange, … dass ich zu den Klassenfeinden auch jene Uni-
versitätslehrer zähle, die gegen unsere sozialistische Gesellschaftsord-
nung arbeiten, die auf den Westen schauen », erklärte er. « Da müssen
wir mal ein bisschen aufräumen. Der Feind des Sozialismus darf doch
nicht unsere junge Generation erziehen, die morgen unsere Plätze
einnehmen wird. »31
In Zagreb schloss die Partei daraufhin drei Praxis-Professoren aus
ihren Reihen aus, denen sie « anarcho-liberale Positionen » vorwarf. In
Belgrad wurden die Parteiorganisationen an der soziologischen und
philosophischen Fakultät aufgelöst und die Redaktionen kritischer
Studentenzeitschriften ausgetauscht. Über dreißig Aktivisten wurden
verhaftet und wegen Propagandadelikten zu Gefängnisstrafen verur-
teilt. Auch das literarische Feld geriet ins Visier. Kritische Theaterstü-
cke, z. B. Dragoslav Mihailovićs « Als die Kürbisse blühten » und Filme
der « Schwarzen Welle », darunter Želimir Žilniks « Frühe Werke » und
Dušan Makavejevs « WR-Mysterien des Organismus » wurden verbo-
ten. Der Nachwuchsregisseur Lazar Stojanović landete wegen « Plastik
Jesus » sogar im Gefängnis, weil er angeblich den Staatschef verhöhnte.
« Ihr müsst dem Klassenfeind rasch zeigen, dass hier nicht gespaßt
wird. »33 Die kroatischen Genossen versprachen Läuterung. Aber
dann musste Tito in einem Spitzelbericht lesen, wie Dabčević-Kučar
das Juli-Treffen nach seinem Abgang kommentierte: « Da haben wir
den alten Trottel ja noch mal schön reingelegt! »34
Im Herbst 1971 stand die kroatische Parteiführung klar auf der
Seite der Massenbewegung. Als im November die Zagreber Studie-
renden die Universität blockierten, zum Generalstreik aufriefen und
auf den Straßen « Es lebe der unabhängige Staat Kroatien! » brüllten,
lief das Fass über. Tito war wütend, aber auch besorgt. « Ich sage offen,
dass man auch administrative Maßnahmen ergreifen muss », erklärte
er dem Präsidium. « Nur mit Überzeugung klappt das nicht. Es gibt
Leute, die niemand überzeugen kann. Also, finden wir Mittel, dass wir
sie auf andere Weise stoppen. »35
In Vorbereitung auf das nun anstehende, entscheidende Treffen
mit Tito in Karađorđevo hatten sich Savka Dabčević-Kučar und ihre
Frühlingsfraktion eine Verteidigungsstrategie zurechtgelegt. Sie wollte
einige Fehler einräumen und Besserung geloben, aber von ihren
Kernforderungen nicht abrücken. Da sie als Erste sprechen durfte,
brachte sie Unzufriedenheit über die Nachteile des Devisen- und
Außenhandels für Kroatien zum Ausdruck. Zu den schweren Vorwür-
fen, die Führung toleriere extremistische und chauvinistische Aus-
fälle, äußerte sie sich nicht. Tito reagierte ungehalten. Es mangele an
Selbstkritik, « einer der größten Tugenden des Kommunisten ». Seine
Weisungen vom Juli, den Nationalismus zu unterbinden, würden
ignoriert. Wollten sie endlich gegen die Anführer des Streiks vorge-
hen? Ihre Schriften dem Staatsanwalt vorlegen? Die Finanzierung der
hetzerischen Matica hrvatska einstellen? « Wir steuern auf einen Bür-
gerkrieg zu », warnte er. Dagegen müssten Maßnahmen ergriffen wer-
den. « Ihr wisst schon, was das bedeutet. » Daraufhin übergab er eine
Liste mit den Namen von fünfzig kroatischen Bürgern, die wegen
staatsfeindlicher Aktivitäten verhaftet werden müssten. « Ich habe
immer gesagt, dass es für den Klassenfeind keine Demokratie gibt. »36
Nach zwanzig Stunden, früh um halb fünf, erklärte der immer noch
voll konzentrierte Tito den erschöpften Kroaten, wer Beschlüsse
334 Brioni, 1. Juli 1966
Etwas anders gelagert war der Fall des 1975 durch den Geheim-
dienst entführten Bata Todorović, dem unter anderem betrügerische
Importgeschäfte vorgeworfen wurden, die Jugoslawien um mehrere
Millionen DM schädigten. Er war in den sechziger Jahren in die BRD
emigriert, um ein dunkles Netzwerk von Firmen zu schaffen, das ju-
goslawisches Staatseigentum verhökerte und Devisen schmuggelte.
Dabei halfen etliche Bankiers, Firmendirektoren und Manager in Ju-
goslawien, die zur gleichen Zeit verhaftet wurden. Eine jugoslawische
Parlamentskommission, die die Wirtschaftskriminalität untersuchte,
kam zu der Ansicht, dabei handele es sich nicht mehr allein um Schie-
bung und Korruption, sondern um ganz bewusste « ökonomische Di-
version, die nicht nur unser wirtschaftliches, sondern auch unser
gesellschaftliches und politisches System untergräbt ».65 Todorović
und weitere Delinquenten wurden in Jugoslawien zu langjährigen
Haftstrafen verurteilt.
Der Geheimdienstfunktionär Božidar Spasić behauptete später,
dass die Partei- und Staatsführung die Liquidationslisten immer ge-
nehmigte. Tito sei für die Morde somit unmittelbar verantwortlich
gewesen, wenngleich er kaum Kenntnis einzelner Vorgänge gehabt
haben dürfte.66 Gesichert ist in jedem Fall, dass er sich über die Arbeit
der Dienste regelmäßig unterrichten ließ. Am 31. August 1975 infor-
mierte ihn zum Beispiel Innenminister Franjo Herljević, dass weltweit
etwa 30 000 Emigranten Jugoslawien feindlich gesinnt seien, darunter
bis zu fünftausend « extremere und aktivere ». Dann berichtete er, dass
« der [Staatssicherheits]dienst eine Reihe von Aktionen ausgeführt
habe, die … zur Provozierung von Konflikten, zum Streit und zu
gegenseitigen Abrechnungen … geführt haben ». Dabei hätten « zwölf
bekannte Verbrecher aus den Reihen der Ustascha und Tschetnik-
Extremisten » ihr Leben verloren, zwei seien schwer verletzt worden.
Es würden « weitere gegenseitige Abrechnungen in den Reihen der
extremen Emigration » vorbereitet, also Aktionen, die zur « Schaffung
von Angst, Unordnung und Misstrauen unter Extremisten beitragen
sollen ». Und anscheinend war Tito mit diesem Bericht äußerst zu
frieden.67
342 Brioni, 1. Juli 1966
reits seit Ende der sechziger Jahre nicht mehr. Wichtige politische Be-
schlüsse waren vielmehr das Ergebnis komplizierter Aushandlungs-
prozesse zwischen den Republiken – oder kamen erst gar nicht zu-
stande. Denn häufig brachen Konflikte aus. « Wenn Sie wüssten, wie
ich die Zukunft Jugoslawiens sehe », bekannte Tito 1971 einem Jour-
nalisten, « würde es euch gruseln ».74 Der Zwist reichte bis in die Rei-
hen der Armee. Jugoslawische Hardliner – manche meinten: großser-
bische Nationalisten – und Liberale waren « bis aufs Blut verfeindet »,
wie Mika Tripalo von Tito erfuhr. « Wenn ich die eine Fraktion aus
tausche und die andere einsetze, wird mit allen abgerechnet, die auf
der falschen Seite standen. Deshalb bin ich zu einem Mittelweg ge-
kommen und setze Leute ein, die weder hier noch dort stehen. »75
« Jeder wandte sich auf seine Art an Tito, der sich, statt sich all-
mählich zurückzuziehen, immer häufiger mit konkreten Streitfragen
auseinandersetzen musste », berichtete sein damaliger Kabinettschef.
Jeder wollte ihn auf seine Seite ziehen, alle wollten, dass er am Ende
entschied. Auch die Jüngeren zählten auf sein Machtwort. Immerhin
hatte er den Sieg über die Wehrmacht, den Bruch mit Stalin und den
Aufbau eines unabhängigen « demokratischen » Sozialismus ermög-
licht. Als Schlichter war er unersetzlich, agierte kaum noch autoritär.
Viele Sitzungen zogen sich deshalb endlos in die Länge: « Ehe wir uns
nicht geeinigt haben, gehen wir nicht nach Hause », sagte er dann.76
Aber wenn es endlich so weit war, garantierte das noch lange nicht,
dass die einmal gefassten Beschlüsse von den nachgeordneten Stellen
in den Republiken auch tatsächlich umgesetzt werden würden. Die
mit jeder Verfassungsreform weiterwachsende Macht der Republiken
limitierte auch Titos gemäßigt autokratisches Regime und die Reich-
weite seiner persönlichen Beziehungen. Der makedonische Kommu-
nist Krste Crvenkovski behauptete im persönlichen Gespräch mit ei-
nem Analysten sogar, es sei « mittlerweile undenkbar, dass die Bundes-
parteizentrale die Führung einer Republik entfernt ».77
Tito verschob seine Rolle als « weicher » Autokrat seit den sech
ziger Jahren in Richtung eines präsidialen Moderators und zuweilen
Schiedsrichters. Die Macht im Staat verteilte sich mittlerweile auf
verschiedene Säulen, nämlich die Republiken, die sich wechselseitig
346 Brioni, 1. Juli 1966
kontrollierten, allerdings, wie sich nach Titos Tod zeigte, auch blockie-
ren konnten. Aufgrund der föderalen Checks and Balances ähnelte
Jugoslawien einer Polyarchie, also Herrschaftsausübung aus vielen
Zentren. Liberalisierung und Dezentralisierung erlaubten es, dass
ganz unterschiedliche Interessengruppen und Schichten von der
Gemeindeebene bis zur jeweiligen Länderregierung aufwärts an
politischen Entscheidungen mitwirkten. Denn das Regime kompen-
sierte das Manko liberaler Rechte, indem es die lokale und die be-
triebliche Selbstverwaltung immer mehr ausweitete. Zu Beginn der
achtziger Jahre gab es auf unterschiedlichen Vertretungsebenen rund
767 000 Delegierte im ganzen Land.78 « Liberalisierende ökonomi-
sche und vorsichtig dezentralisierende politische Reformen sowie die
soziale Modernisierung … hatten in den sechziger Jahren ein System
hervorgebracht, das sich vernünftigerweise nicht mehr als totalitär
und sogar nicht einmal mehr als Partei-Autokratie bezeichnen lässt »,
urteilte 1983 der Amerikaner Dennison Rusinow.79
Zum Zeitpunkt der Verfassungsreform von 1974 hatte Titos ge-
mäßigt autoritäre Herrschaft bereits länger als ein Vierteljahrhundert
überlebt. Für die relative Stabilität gab es mindestens drei Gründe.
Erstens war das System in der Lage, aus eigener Kraft Legitimität zu
generieren. Wohlstand, Sicherheit und internationales Ansehen, das
der Sozialismus der Bevölkerungsmehrheit verschafft hatte, versöhn-
ten viele Menschen mit den Nachteilen der systemimmanenten poli-
tischen Entmündigung. Zweitens standen dem Regime ausreichende
Repressionsmittel sowie, als Ultima Ratio, der Geheimdienst und die
Armee zur Verfügung, die einzusetzen es nicht zögerte. Drittens ge-
lang es Tito, widerstreitende Interessen in einer beachtlichen Mode-
rationsleistung auszutarieren sowie die Eliten loyal zu halten, sie zu
disziplinieren oder, wenn nichts mehr half, auch auszutauschen. Ein
solcher Dreiklang aus Legitimität, Repression und Eliten-Kooptation
war das Überlebensrezept so mancher modernen Autokratie.80
Titos Jugoslawien entzieht sich geläufiger politikwissenschaft
licher und zeithistorischer Kategorienbildung. In den diversen Wer-
ken vergleichender Diktatur- und Systemforschung taucht es kaum
auf oder wird dort meist als « irgendwie anders » beiseitegelegt. Einen
Der Richter und Schlichter 347
Endlich Versöhnung
Sie uns für diesen Moment dieses Wort vergessen und an einer prak-
tischen Lösung arbeiten. » Die Bundesrepublik könne in den nächsten
Jahren verschiedene « Leistungen » erbringen. Die Jugoslawen könnten
das dann nennen, wie sie wollten, aber zuhause in Deutschland hieße
das nicht « Entschädigung ». Und schmunzelnd: « Das wird uns auch
Geld kosten, ist aber leichter zu vertreten. » Laut Protokoll setzte Tito
daraufhin ein ernstes Gesicht auf und entgegnete, gerade die Jugend
müsse doch erfahren, worum es gehe – eine Folge des Krieges und
« eine Frage der Ehre ». Aber « lassen Sie uns erst mal sehen, wie sich die
anderen Fragen entwickeln ».8
Noch im selben Jahr kam ein Anwerbeabkommen zum Abschluss,
das den Status der jugoslawischen Gastarbeiter regelte. Zu diesem
Zeitpunkt lebten und arbeiteten bereits 100 000 Jugoslawen in der
Bundesrepublik, deren Status ungeklärt war. Nun gab es eine vertrag-
liche Grundlage, Arbeitskräfte dort anzuheuern. Jugoslawien ver-
sprach sich davon eine Entlastung des Arbeitsmarktes und eine will-
kommene Devisenquelle. Bis Mitte der siebziger Jahre stieg die Zahl
Der Elder Statesman 353
Das hieße dann « Kapitalhilfe » und würde nicht nur Jugoslawien, son-
dern auch der eigenen Wirtschaft nützen.
Die Jugoslawen empfingen Brandt auf höchstem Niveau und
überaus herzlich; tagelang berichteten die Medien über das Groß
ereignis. Brandt durfte wie sonst nur Staatsoberhäupter im Weißen
Schloss residieren und zwei Stunden lang im jugoslawischen Fern
sehen die deutsche Politik erläutern, einschließlich der Vorzüge des
demokratisch-parlamentarischen Systems. Die Öffentlichkeit regis
trierte mit Genugtuung, dass Brandt die von deutschen Truppen
zerstörte und nun wiedererrichtete Nationalbibliothek besuchte und
einen Kranz am Denkmal des unbekannten Helden in Avala nieder-
legte. Die Jugoslawen hätten sich zwar gewünscht, er wäre auch nach
Kragujevac gereist, um dort tausender Opfer der Wehrmacht zu ge-
denken, die 1941 in einer so genannten Sühneaktion wahllos ermordet
worden waren. Vorgeblich kam es dazu « aus Zeitgründen » nicht, aller-
dings auch nicht zum Besuch eines deutschen Soldatenfriedhofs.
Als sich Brandt und Tito anschließend auf Brioni bei Austern,
istrischem Schinken, Lammhaxe, Rehrücken und diversen Meeres-
tieren in Vier-Augen-Gesprächen in alle möglichen Weltprobleme
vertieften, wurde die Frage schließlich gelöst. Der Grund war, dass es
beide ausdrücklich wollten und klug einfädelten. Tito, der wusste,
dass Brandt tags zuvor erklärt hatte, er trete lieber zurück, als gegen-
über Jugoslawien Milliardenverpflichtungen zu übernehmen, schlug
vor, dass « man das Problem nicht mehr direkt, sondern auf andere
Weise » lösen solle, indem man es anders nenne. « Ich glaube, dass wir
einen Weg finden werden. » Im Abschlusskommuniqué stand dann fol-
gende Formel: Es gebe noch offene Fragen aus der Vergangenheit, die
einer Lösung bedürften. Diese sollten in einer in die Zukunft gerich-
teten Form, nämlich durch langfristige Zusammenarbeit aus der Welt
geschafft werden. Konkret hieß das: Die Wiedergutmachung werde in
Form von Krediten geleistet. Das war eine finanzielle Pflichterfüllung
ohne moralisches Bekenntnis. Im Zeichen der Entschädigung, aber
ohne es so zu nennen, bewilligte die Bundesrepublik Deutschland
schließlich insgesamt Kredite in Höhe von einer Milliarde DM.13
« Die Brioni-Formel ist nur durch das persönliche Engagement Titos
Der Elder Statesman 355
den Ländern der so genannten Dritten Welt für eine Mehrheit in der
UNO, damit beide deutsche Staaten im kommenden Jahr aufgenom-
men werden könnten. « Wir betrachten das deutsch-jugoslawische
Verhältnis als ein Beispiel für die Entwicklung guter und fruchtbarer
Beziehungen zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschafts-
ordnung und außenpolitischer Orientierung », hieß es auch deswegen
später.24
Jugoslawiens Deutschlandpolitik stand im Kontext der Entspan-
nungspolitik, die seit den sechziger Jahren langsam Fortschritte
machte. Um das Risiko eines Atomkrieges einzudämmen, richteten
die Supermächte zuerst einen « heißen Draht » zwischen dem Kreml
und dem Weißen Haus ein. 1970 wurde der Atomwaffensperrvertrag
unterzeichnet; zwei Jahre später schlossen Nixon und Breschnew Ab-
kommen über die Begrenzung strategischer Nuklearwaffen (SALT)
und antiballistische Raketenabwehr (ABM). Als erster US-Präsident
reiste Richard Nixon in die UdSSR und nach China. Durch den Ent-
spannungsprozess rückte das Projekt einer umfassenden Sicherheits-
konferenz für Europa auf die Agenda, um die Streitfragen der Nach-
kriegsordnung beizulegen. Die Anerkennung der Grenzen, die die
Sowjetunion seit den fünfziger Jahren forderte, lag grundsätzlich
auch im Interesse Jugoslawiens, das etliche Grenzstreitigkeiten mit
seinen Nachbarn, besonders mit Italien, ausfocht. Nicht in seinem
Interesse aber war, dass sich die Supermächte anschickten, sich auf
Kosten der neutralen Staaten zu einigen, und dass sie möglicherweise
Waffensysteme aus der Mitte Europas abziehen würden, um sie nach
Südeuropa zu verlagern.25 « Wir wollten ja, dass sie miteinander spre-
chen », sagte Tito Sri Lankas Premierministerin Sirimavo Bandara-
naike 1970, « aber jetzt sprechen sie ein bisschen zu viel miteinander ».26
Jugoslawiens Außenpolitiker fürchteten vor allem ein « zweites
Jalta », also die Gefahr, dass die Supermächte erneut Interessensphä-
ren miteinander vereinbaren würden. Daraus erwuchs die Vision und
Politik einer « Entspannung für die ganze Welt ». Vor diesem Hinter-
grund lieferte Belgrad 1970 ein Memorandum über « Probleme von
Sicherheit und Zusammenarbeit ». Es forderte eine Konferenz aller
europäischen Staaten, um die « gegenwärtigen Realitäten » anzuerken-
358 Bonn, Düsseldorf und Hamburg, 24.–27. Juni 1974
nen, aber mit dem Ziel, die Blöcke zu überwinden und nicht zu
zementieren. Gefordert wurde « allgemeine und totale Abrüstung »
statt einer bloßen Begrenzung der Atomwaffen. Außerdem sollte der
Entspannungsprozess multilateralisiert werden, d. h. im Rahmen der
UNO stattfinden.
Der Planungsstab im Auswärtigen Amt erkannte sogleich, dass
der Vorschlag in wesentlichen Punkten den eigenen Positionen ent-
sprach. « Für die weitere Entwicklung der Ost-West-Diskussion über
die europäische Sicherheit kann es sich als bedeutsam erweisen, dass
ein kommunistisches Land eine derart konstruktive Haltung zur
europäischen Sicherheit einnimmt », kommentierten die Bonner Di
plomaten.27 Es bestehe dringendes Interesse, den Vorschlag mit den
Jugoslawen weiter zu diskutieren. Außerdem habe Tito erreicht, dass
Breschnew Jugoslawien in sein europäisches Entspannungskonzept
einbeziehe. « Daher sollte uns daran gelegen sein, das blockfreie Jugo-
slawien an der Behandlung der MBFR-Frage [der Truppenreduzie-
rungen] so früh und so weitgehend als möglich zu beteiligen. »28
Die Voraussetzungen für eine große europäische Sicherheitskon-
ferenz, die KSZE, schufen schließlich die Ostverträge, die die Bun-
desrepublik mit der Sowjetunion und Polen (1970), der DDR (1972)
und der Tschechoslowakei (1973) schloss. Sie schrieben Gewalt
verzicht und Unverletzlichkeit der Grenzen fest, ohne die friedliche
Wiedervereinigung Deutschlands auszuschließen. 1971 bestätigte das
Berlin-Abkommen die legitimen Bindungen zwischen der Bundesre-
publik und West-Berlin. Nachdem Finnland den Tagungsort Helsinki
vorgeschlagen hatte, begannen 1972 die Verhandlungen für die KSZE.
Bei den Verhandlungen in Genf und Helsinki spielte Jugoslawien
zusammen mit den neutralen Staaten eine treibende Rolle. Belgrad
warb besonders für vertrauensbildende Maßnahmen, Mechanismen
friedlicher Konfliktbeilegung sowie Menschen- und Minderheiten-
rechte. Dabei zeigte man großes diplomatisches Geschick. Wann
immer die Gespräche stockten, eilten die Jugoslawen mit einem neuen
inhaltlichen oder wenigstens einem Verfahrensvorschlag herbei.29
Willy Brandt betonte 1973, « welche positive Aufgabe Jugoslawien
mit seiner Politik des Ausgleichs und der Vermittlung zu übernehmen
Der Elder Statesman 359
vermag ».30 Tito wirkte häufig hinter den Kulissen, zum Beispiel, als er
1974 mit Bundeskanzler Helmut Schmidt zum Vier-Augen-Gespräch
zusammentraf und für mehr Vertrauen in den KSZE-Prozess warb.
Die Sowjetunion « wünsche tatsächlich die Erstellung einer dauerhaf-
ten Friedensordnung in Europa », beruhigte er den Bundeskanzler,
denn « hiervon hänge Breschnews innenpolitisches Schicksal ab ». Es
könne natürlich nicht alles akzeptiert werden, was Moskau fordere,
aber man möge sich nicht in Scheinkämpfe um die Unveränderbarkeit
der Grenzen verbeißen. Schmidt wollte allerdings vermeiden, dass die
Konferenz die europäischen Grenzen und damit die Teilung Deutsch-
lands auf ewig festschrieb. Aber Tito entgegnete, « wenn es … den
Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR ge-
länge, ihre Beziehungen zueinander auf längere Sicht freundschaft-
lich zu gestalten, würde keine Gefahr bestehen, dass die deutsche
Nation sich nicht eines Tages doch vereinigen könne, und zwar ohne
Rücksicht auf das, was jetzt in Genf formuliert werde ».31 Das fand
schließlich auch Schmidt einleuchtend. Er wolle also versuchen, dass
diesen « unwichtigen Problemen » in Genf eine geringere Rolle ein
geräumt wird, aber auch verhindern, dass « jemand, der über Wieder-
vereinigung spreche, zum Aggressor erklärt werden könne ».32
Am 1. August 1975, kurz nach siebzehn Uhr, setzte Tito (« Yougos-
lavie ») nach dreijährigen Verhandlungen schließlich als Letzter von
35 Staats- und Regierungschefs seine Unterschrift unter die KSZE-
Schlussakte. Sie bestand aus drei Teilen bzw. « Körben »: vertrauens
bildende Maßnahmen, wirtschaftlich-wissenschaftliche Zusammen
arbeit sowie Freizügigkeit und Menschenrechte. Nun ging es Tito
darum, einen Prozess der Verifikation zu schaffen, um die Umsetzung
des Beschlossenen dauerhaft zu überprüfen. Er schlug zudem eine
Folgekonferenz vor, die 1977 in Belgrad stattfand. Dort wollte er zu-
sätzliche vertrauensbildende Maßnahmen und die Ausweitung der
KSZE-Prinzipien auf den Mittelmeerraum durchsetzen, wo in letzter
Zeit die sowjetische und die amerikanische Flotte wachsende Präsenz
zeigten.33
Allerdings waren die Beziehungen zwischen Moskau und Wa-
shington 1977 erneut auf einem Tiefpunkt angekommen. Gründe
360 Bonn, Düsseldorf und Hamburg, 24.–27. Juni 1974
siebziger Jahren blieb sogar wochenlang die Küche kalt, weil alles Per-
sonal entlassen war. Sie war ein Beispiel, sagte einer, wie « aus dem
schönsten Schmetterling der furchtbarste Drache » werden kann.66
Bis 1980, als Tito starb, beschäftigten sich Regierung und Partei-
führung 59 Mal mit der Beziehung zu seiner Frau, bis schließlich
sogar eine geheime Kommission zum « Fall der Genossin Jovanka »
gebildet wurde. 1977 entschied Tito, sich von Jovanka zu trennen. Der
Führungszirkel drängte auf Scheidung. Tito schwieg lange. Aber
dann entgegnete er: « Ich lebe schon mehr als dreißig Jahre mit Jovanka
zusammen. Ich habe sie sehr geliebt und empfinde immer noch viel
für sie. Wir leben getrennt, aber offiziell scheiden lassen werden wir
uns nicht. »67
Curd Jürgens, Orson Welles und Franco Nero wurde der monumen-
tale Kriegsfilm in der Kategorie « Bester ausländischer Film » für den
Oscar nominiert. Mit Kosten von zwölf Millionen US-Dollar brach
die Produktion alle Rekorde. « Die Amerikaner hätten nie so einen
Film machen können », befand der Schauspieler Bata Živojinović, der
berühmteste aller Partisanendarsteller. Niemand sonst war in der
Lage, zu Unterhaltungszwecken fünf Tonnen Artillerie und Waffen in
den Fluss zu werfen. Der Regisseur Veljko Bulajić ließ für den Dreh
sogar die echte Brücke am Originalschauplatz in Jablanica sprengen.
Und weshalb? Weil Tito es erlaubt hatte.
Im Unterschied zu zahllosen anderen Partisanenfilmen, die in
erster Linie spannende Action lieferten, verfolgte « Sutjeska » eine
volkspädagogische Absicht. Regisseur Stipe Delić und sein Dreh-
buchautor wollten nach eigenem Bekunden « ein starkes psychologi-
sches Drama » produzieren, das « eine außergewöhnlich wichtige Epo-
che unserer Geschichte » zeige, einen Film, « der modern und politisch
engagiert ist und in dem die kommunistische Partei … die Bedeutung
erhält, die ihr zusteht ». Man wolle besonders « die Tragik und mensch-
liche Größe auf würdige und wahre Weise » darstellen, jedoch « nicht
allein den damaligen, sondern auch den aktuellen Kampf um Integri-
tät und Unabhängigkeit ». Es gehe somit nicht nur um Geballer und
Geknatter für den ausländischen Markt, sondern um ein künstlerisch
und moralisch anspruchsvolles Werk.69 Nach den nationalistischen
Aufwallungen infolge des Kroatischen Frühlings und dem Vorgehen
gegen die « Schwarze Welle » waren dem Regime Filme affirmativen
Charakters höchst willkommen. Nichts eignete sich dafür besser als
das Partisanengenre mit seinen mutigen Helden und Märtyrern, die
am Ende immer über das Böse triumphierten. Endlich ließ sich auch
Tito breitschlagen, seine historische Figur von einem Schauspieler
darstellen zu lassen – er entschied sich für Richard Burton. Wie schon
bei « Neretva » war er in Planung und Umsetzung des Monumental
filmes eng involviert. « Zwei Sachen müssen im Film im Vordergrund
stehen », sagte er: « Entschlossenheit im Kampf und Menschlichkeit in
jeder Situation. Das war ein großes Drama, das man historisch ange-
messen zeigen muss. »70
Der Elder Statesman 371
Tito und Richard Burton bei den Dreharbeiten für « Sutjeska », 1971
arbeiten erlebt habe, und ich habe eine ganze Menge laute Kriegsfilme
gedreht », berichtete Burton. Abgesehen davon konnte er sich über
250 000 US-Dollar Gage plus 50 000 US-Dollar Spesen freuen sowie
eine Beteiligung an den Einnahmen, die er auf mehrere hunderttau-
send US-Dollar schätzte. Immerhin hatte er « ein schlechtes Gewis-
sen …, weil ich so viel koste und … ich die Jugoslawen so gern mag ».72
Richard Burton verstand, dass die Filmaufnahmen an der Sut-
jeska, « wo er und seine Leute vor 28 Jahren so verzweifelt gekämpft
hatten, … für Tito harte Arbeit » waren. Denn bei den Vorgesprächen
und später beim Drehen kamen die Erinnerungen: Kanonenfeuer, wie
es der Partisanenführer nie erlebt hatte, riesige Flächen in Flammen,
eisige Kälte, Massen an Verwundeten und Typhuskranken, und in all
dem nichts zu essen. Er erinnerte sich an die furchtbare Panik, als er
den Befehl gab, die Brücken über die Neretva zu sprengen; die stum-
men, fragenden Blicke der Partisanen an der Sutjeska, als es aus dem
Bombenhagel kein Entrinnen mehr zu geben schien, an einen « Kampf
um Sein oder Nichtsein », wie er es nannte.73 « Was bedeutete », schrieb
Richard Burton in sein Tagebuch, « dass wir uns über weite Strecken
Geschichten in einer völlig fremden Sprache anhören durften, von
denen nur wenige übersetzt wurden. »74
Hinter der großartigen Filmkulisse mit tausenden Statisten
wirkte die Produktion von « Sutjeska » wie eine Parabel auf die trauri-
gen Zustände im aktuellen Jugoslawien. Erst zerstritt sich der Super-
visor mit dem Produzenten und der Equipe über den Plot. Dann ging
der Produktionsfirma das Geld aus. Das Budget von 53 Millionen
Dinar sollten je zur Hälfte die öffentliche Hand und die Wirtschaft
tragen, aber viele zahlten nicht. Tito beschloss, den Republiken ins
Gewissen zu reden « angesichts der Tatsache, dass bei uns riesige Mit-
tel für negative und antisozialistische Filme ausgegeben werden, wäh-
rend die Equipe von ‹ Sutjeska › darum betteln muss ».75 Daraufhin
kam das Geld dann doch noch zusammen. Beim Filmfestival in Pula
erhielt « Sutjeska », für den Mikis Theodorakis die Musik schrieb, die
Große Goldene Arena. Kein Film fand in Jugoslawien so viele Zu-
schauer wie dieser. Auch Titos Staatsgästen wurde der Streifen auf
Brioni vorgeführt.
Der Elder Statesman 373
Tito hegte seit seiner Jugend eine große Liebe fürs Kino, und
zwar besonders für Abenteuer- und Cowboyfilme. Nicht nur kannte er
die propagandistische Bedeutung der bewegten Bilder aus sowje
tischer Zeit, weshalb schon die Partisanen im Krieg, sobald es ging, in
den befreiten Gebieten Filmtheater eröffneten. Tito bat damals sogar
die Komintern, zur moralischen Aufrüstung seiner Truppe berühmte
Kriegsfilme abzuwerfen. Auch als Privatmann guckte er, wenn es sich
zeitlich irgendwie einrichten ließ, fast jeden Abend einen Film;
manchmal war das um Mitternacht oder auch erst morgens um drei.
Seit 1948 beschäftigte er deswegen einen persönlichen Operateur.
Leka Konstantinović, der über seine Arbeit akribisch Buch führte,
zeigte ihm im Lauf von 32 Arbeitsjahren genau 8801 Filme. Die be-
schaffte er meistens, indem er abends mit seinem kleinen Fiat durch
Belgrad düste und nach den Vorstellungen in den Kinos die Film
rollen einsammelte. Freilich gab es auch andere Bezugsquellen. Zum
Beispiel schickte Carlo Ponti einmal « Doktor Schiwago » und « Blow
up » für Titos Heimkino.
An einem Abend im Januar 1980 startete Leka Konstantinović
seinen Projektor zum letzten Mal. Tito hatte große Schmerzen im
Bein. Da ahnte der Vorführer schon, dass er den Film nicht zu Ende
zeigen würde. Leka erzählte traurig, wie die Ärzte kamen und Tito ins
Krankenhaus brachten. « Ich habe ihn dann nie wiedergesehen ».76
LJUBLJANA, 4. MAI 1980
« Nach Tito: Tito! »
Bekanntgabe
von Titos Tod
beim Fußballspiel
in Split,
4. Mai 1980
berichtete « Der Spiegel » aus Belgrad.1 Vor der Treppe des Parlaments,
wo der Sarg aufgebahrt war, bildeten sich lange Schlangen. Eine halbe
Million Menschen schritt binnen drei Tagen in der hohen Halle bei
dezenter Trauermusik am Katafalk vorbei. Im ganzen Land schrieben
sich Millionen Menschen in die Kondolenzbücher ein, die in den Be-
trieben und Amtsstuben auslagen. Dobrica Ćosić beklagte, dass diese
vielen Menschen anscheinend wirklich beweinten, was die Propa-
ganda aus Tito gemacht hatte: dass er « der größte, der beste, der tap-
ferste, der menschlichste Führer » war. « Soviel Trauer, insbesondere
der Jugend, verstört. »2
Die Liste der internationalen Trauergäste spiegelte das immense
Ansehen Titos wider. 209 Delegationen aus 128 Nationen erwiesen
ihm die letzte Ehre, darunter vier Könige und sechs Prinzen, 31 Prä-
sidenten, 22 Premierminister und 47 Außenminister. Aus der Bun-
376 Ljubljana, 4. Mai 1980
Sockelsturz
Schon kurz nach Titos Tod rollte eine Welle der Kritik aus
Kultur, Kunst und Wissenschaft durch den Vielvölkerstaat. Romane,
Dramen, Gedichte, Lieder und Filme kritisierten das tyrannische
Regime Titos, und hier besonders die Verfolgung der Kominformisten
auf der Kahlen Insel. Historiker und Publizisten stürzten sich darauf,
den Zweiten Weltkrieg neu zu interpretieren, wobei es besonders um
die Frage ging, wer wem die größten Verbrechen angetan habe. Dabei
kamen auch die Untaten der Partisanen an ihren politischen Gegnern
ans Licht, unter anderem die Massentötungen im Kärntener Blei-
burg, die Vertreibung der Volksdeutschen und die Morde der Geheim-
polizei.
Auch Tito selbst wurde einer radikalen Umwertung unterzogen.
Journalisten und politische Gegner prangerten Machtbesessenheit,
Eitelkeit und Narzissmus an, behaupteten Verstrickungen mit dem
sowjetischen Geheimdienst und dichteten ihm etliche Frauenaffären
und uneheliche Kinder an. Ja, er habe sogar den Sieg im Match der
Fußballweltmeisterschaft 1974 in Düsseldorf an die Deutschen ver-
kauft, enthüllte die Boulevardpresse.9 Wenngleich es überfällig war,
den bis dato unantastbaren Tito und sein System unvoreingenommen
zu durchleuchten, drängte sich bald der Verdacht auf, dass es nur zu
bequem war, die Verantwortung für alles und jedes auf den Verstor
benen abzuwälzen, schließlich sogar die Schuld am mörderischen
Zerfallskrieg, dem er mit allen Mitteln vorzubeugen versucht hatte.
Seit dem Machtwechsel 1990/91 waren die neuen Regierungen
bestrebt, das öffentliche Gedenken an Tito und den Partisanenkrieg
möglichst vollständig auszulöschen. Es wurde durch neue Narrative
nationaler Größe ersetzt. Das entsprach dem Bedürfnis, ideologi-
schen Ballast abzuwerfen, Identitäten neu auszurichten sowie sozialen
« Nach Tito: Tito! » 381
Titostalgie
Trotz aller Kritik bleibt Tito für viele Menschen selbst vier
Jahrzehnte nach seinem Ableben ein Idol und somit unvergessen. Er
steht im Zentrum einer Erinnerungskultur, durch die Menschen ihre
Trauer und Melancholie über den Verlust ihrer Heimat und einer
(romantisierten) Vergangenheit ausdrücken. Zehntausende feiern
immer noch am 25. Mai seinen Geburtstag und am 29. November den
früheren Staatsgründungstag. Zum Geburtshaus und zum Grab pil-
gern Millionen, um sich dort bewegt in Besucherbücher einzutragen
oder auf Erinnerungsfotos zu verewigen. Für sie ist Tito der Held
ihres Lebens und das personifizierte Positive. « Jetzt merke ich erst,
wie sehr ich Brüderlichkeit und Einheit vermisse … Es war eine
384 Ljubljana, 4. Mai 1980
Motorrad zeigt, oder das Lied « Tito komm zurück, alles ist verzie-
hen », das man auch auf vielen T-Shirts sieht. Im Netz konnte und
kann man all das auf Seiten wie « titoville.com », « titomanija.com »,
« titoslavija » oder « cyber Yugoslavia » finden. Nur der Held im Film
von Emir Kusturica « Das Leben ist ein Wunder » meinte es vollkom-
men ernst, als er seinem Freund kategorisch erklärte: « Du kannst über
ihn erzählen, was du willst. Tito ist Tito. Tito war immer Tito und
wird immer Tito bleiben. »
Danksagung
Der Bauernsohn
1 Mandić, Tito izbliza, 25.
2 Klaić, Prirodni, 74 ff.
3 Somek-Machala, Utjecaj.
4 Magašić, Kumrovec.
5 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 1, 528.
6 Goldstein/Goldstein, Tito, 28 f.
7 Adamic, Eagle, 280 u. 287.
8 Ebd., 280.
9 Ebd., 286.
10 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 149 u. 151.
11 Adamic, Eagle, 275.
12 Ebd., 290.
13 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 151.
14 Ebd., 147.
15 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 1, 27.
16 Ebd.
17 Autobiographie, in: ebd., 527.
18 Goldstein/Goldstein, Tito, 2.
19 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 1, 528.
20 Ebd., 28.
21 Ebd., 33.
22 Balch, Slavic Fellow Citizens, 184 u. 189.
23 Politika, 30.4.1974, 5, PA/AA, AV Neues Amt, 17.680.
24 Adamic, Eagle, 278.
25 Morina, Marxismus.
26 Adamic, Eagle, 291.
Der Bolschewist
1 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 245.
2 Nedjelja, 10.5.1964, 3.
392 Anhang
Der Revolutionär
1 Nach Goldstein/Goldstein, Tito, 65.
2 Auszug aus der politischen Evidenz (Polizeiakte), PA/AA, DG Zagreb 1
(12) Pol 4, Nr. 2.
3 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 274.
4 Rote Fahne, 28.8.1928, 4.
5 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 1, 164.
6 Auty, Tito, 91.
7 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 279 f.
8 Goldstein/Goldstein, Tito, 54.
9 Shoup, Communism, 19.
10 Pirjevec, Tito, 21.
11 SD, Bd. 1, 77 u. 86.
12 Gligorijević, Kominterna, 213.
13 SD, Bd. 1, 105 f.
14 Auszug aus der politischen Evidenz (Polizeiakte), PA/AA, DG Zagreb 1
(12) Pol 4, Nr. 2.
15 Banac, National question, 217.
16 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 280.
17 Tito, Kazivanja, Bd. 1, 79.
18 Čolaković, Kuća, 26.
19 So berichtet es Dedijer, Novi prilozi, Bd. 1, 178. Nach einer anderen Ver-
sion, die Tito in den TV-Memoiren erzählte, wurde Bohaček erst später
Gefängnisdirektor. Die Grundaussage ist aber dieselbe.
20 Peršen, Dugi dani, 63.
21 Kennan, Gefängnisse, 61.
22 Peršen, Dugi dani, 81.
23 Ebd., 77.
24 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 283.
25 Dobrivojević, Državna represija, 277.
26 Peršen, Dugi dani, 80.
27 Ebd., 104.
28 Dobrivojević, Državna represija, 217.
29 Čolaković, Tamnovanje, 26.
30 Simčić, Žene, 102.
31 TV-Memoiren, ARS FD 90.
32 Dobrivojević, Državna represija, 219f. u. 276 ff.
33 Peršen, Dugi dani, 96 ff.
34 Djilas, Memoiren, 75 u. 211.
35 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 303.
394 Anhang
56 Vatlin, Alexander: « Ich fühle mich nicht schuldig ». Wie die deutsche
Kommunistin Roberta Gropper in NKWD-Haft um ihre Ehre und die
der Partei kämpfte, in: Neues Deutschland, 23.7.2011. https://www.neues-
deutschland.de/artikel/202715.ich-fuehle-mich-nicht-schuldig.html
(28.1.2020).
57 RGASPI, Personalakte 6148, Prüfungskommission, den 2.8.1936.
58 RGASPI, Kaderabteilung des IKKI, Personalakte 6148. An Tov. Poljaček.
59 Ebd., Spravka (Belov), geheim, 19.11.1939.
60 GARF, F. 10035, Op. 1, D. P – 17 – 22.
61 Ebd.
62 Vatlin, Teufelspack, 195. Satter, Russia, 58 f.
63 Bakirov, Butovskij poligon, 396.
64 Pirjevec, Tito, 49.
65 SD, Bd. 4, 4 u. 40.
66 Cenčić, Enigma, 88 f.
67 Ebd., 211.
68 Bonner, Mütter, 330.
69 Wehner, Zeugnis, 289.
70 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 331.
71 Cenčić, Enigma, 92 f.
72 Buber-Neumann, Gefangene, 21.
73 Pirjevec, Tito, 375.
74 Studer, Transnational, 119.
75 RGASPI, F. 495, Op. 277, D. 21, T. 2, L. 172–175.
76 Goldstein/Goldstein, Tito, 161.
77 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 306.
78 Cenčić, Enigma, 97.
79 Pirjevec, Tito, 56.
80 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 328.
81 SD, Bd. 4, 173.
82 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 322 f.
83 SD, Bd. 4, 30 ff.
84 Pirjevec, Tito, 71.
85 SD, Bd. 4, 32, u. Bd. 5, 8.
86 Djilas, Memoiren, 314.
87 SD, Bd. 4, 30 ff.
88 SD, Bd. 5, 159.
89 Ebd., 190.
90 Ebd., 142.
91 Ebd., 21, 61–63 u. 80–84.
Anmerkungen 397
Der Partisanenführer
1 Hubatsch, Weisungen, 106 ff.
2 Manoschek, Besatzungspolitik, 18 f.
3 Djilas, Memoiren, 367.
4 IfZ, ED 672/18, Ernst Feldbaum.
5 Schmider, Partisanenkrieg, 586 f.
6 NOKW-Dokument 1198.
7 IfZ, ED 672/18, Ernst Feldbaum.
8 Manoschek, Besatzungspolitik, 49.
9 Schmider, Partisanenkrieg, 59.
10 Manoschek, Besatzungspolitik, 137.
11 BA/MA, 4/72351, 20294/5, 1105–1111. Bericht über die Ereignisse in
Krupanj während der Zeit vom 1.9. bis 4.9.1941.
12 Manoschek, Besatzungspolitik, 53.
13 Shepherd, Terror, 105 f.
14 Bericht über die Ereignisse in Krupanj.
15 Peter G., Kdo. Höh. Kdo. z. b. V. LXV, Belgrad, 12.9.1941 (Bibliothek für
Zeitgeschichte, Sammlung Sterz).
16 Dedijer, Jasenovac, 90 u. 104.
17 Djilas, Krieg, 19.
18 Goldstein/Goldstein, Tito, 199 f.
19 Pirjevec, Tito, 88.
20 Strategija i taktika oružanog ustanka, SD, Bd. 6, 151–181, hier 156f. u.
168. SD, Bd. 7, 186–190.
21 Djilas, Partisanen, 15.
22 Pavlaković, Jugoslaveni, 85.
23 Djilas, Partisanen, 96.
24 SD, Bd. 9, 104.
25 Goldstein/Goldstein, Tito, 362.
26 SD, Bd. 9, 171.
27 SD, Bd. 7, 188.
28 VEJ 14/111.
29 Schmider, Partisanenkrieg, 71.
30 NOKW-Dokument 1660.
31 Manoschek, Besatzungspolitik, 166.
32 VEJ 14/127.
33 VEJ 14/122.
34 VEJ 14/120.
35 Tito, Kazivanja, Bd. 1, 265ff. u. KPR II-6–3.
36 Goldstein/Goldstein, Tito, 213 f.
398 Anhang
Der Staatsgründer
1 Dedijer, Dnevnik, Bd. 1, 401.
2 Ebd., 403.
3 SD, Bd. 13, 41.
4 PA/AA, RAV 62/2. Deutsche Gesandtschaft, Zagreb 12.2.1943.
5 http://www.znaci.net/00001/219_11.pdf (28.1.2020).
6 Hoare, Partisan movement.
7 Halder, Titokult, 57.
8 Schmider, Partisanenkrieg, 206 ff.
9 Dedijer, Tito, 185.
10 Adamic, Eagle, 466.
11 Četrdeset godina, 357.
12 Tito, Kazivanja, Bd. 1, 347.
13 Ebd., 354 u. 360.
14 Ebd., 355.
15 Meyer, Blutiges Edelweiß, 115.
16 NA, RG 242.17.2 Servizio informazione esercito: Montenegro – Crisi del
movimento nazionalista, 13.5.1943.
17 Catherwood, Churchill and Tito, 78.
400 Anhang
18 Ebd., 75.
19 Djilas, Krieg, 344.
20 Deakin, Mountain, 5.
21 Ebd., 6 u. 79.
22 Djilas, Krieg, 338.
23 Dedijer, Tito, 7.
24 Ders., Dnevnik, Bd. 2, 268.
25 Ders., Novi prilozi, Bd. 2, Faksimile, 273.
26 Deakin, Mountain, 13.
27 Četrdeset godina, 356.
28 Dedijer, Dnevnik, Bd. 2, 276.
29 Ders., Novi prilozi, Bd. 2, 819.
30 Ebd., 827.
31 Wolff, « Rösselsprung ».
32 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 815 f.
33 Ebd., 816.
34 Deakin, Mountain, 20 u. 22.
35 Sutjeska, 182.
36 Djilas, Partisanen, 388.
37 Ebd., 378.
38 Neubacher, Sonderauftrag, 177.
39 Goldstein/Goldstein, Tito, 252.
40 Odić, Dosije, 53 ff. u. Faksimiles, o. S.
41 PA/AA, Pol 4, Nr. 2. Geheimakte der Deutschen Gesandtschaft in Zagreb.
42 PA/AA, Bern 3555, Betr. Tito-Aktion, Kult. Pol. Fü. St. 121 LV, Berlin,
6.1.1943.
43 Neubacher, Sonderauftrag, 179.
44 Odić, Dosije, 279 ff.
45 Pirjevec, Tito, 69.
46 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 2, 48.
47 Mandić, Tito izbliza, 85.
48 Nedjelja, 10.5.1964, 3.
49 Mandić, Tito izbliza, 75 u. 85.
50 Ebd., 39.
51 Ders., Tito neispričano, 249.
52 Ebd., 281f. u. 288.
53 Adamic, Eagle, 512 f.
54 Rede des Reichsführers-SS vor den Wehrkreisbefehlshabern und Schul-
kommandeuren: die Rede wurde am 21. September 1944 in Jägerhöhe
gehalten / Heinrich Himmler, Jägerhöhe 1944.
55 Maclean, Männer, 255.
Anmerkungen 401
Der Abtrünnige
1 Djilas, Gespräche, 74.
2 Ebd., 76 f. u. 86.
3 Dedijer, Novi prilozi, Bd. 1, 416.
4 Ebd., 420.
5 Tito, Kazivanja, Bd. 2, 24.
6 Montefiore, Stalin, 588.
7 Ebd., 589.
8 Perović, Split, 38.
9 Ebd., 39.
10 Truman, Memoiren, Bd. II, 109 u. 114.
11 Djilas, Gespräche, 137.
12 Tito, Kazivanja, Bd. 1, 353.
13 Djilas, Gespräche, 79 u. 115.
Anmerkungen 405
Der Reformkommunist
1 Đilas, Lenjin, 56.
2 Kuljić, Tito, 477 u. 481.
3 Cohen, Experiment, 60.
Anmerkungen 407
Der « Weltbürger »
1 Kershaw, Achterbahn, 71.
2 Šćekić, Tito’s meetings, 12.
3 Adamović, Galeb, 66 f.
4 Boyle, Churchill-Eisenhower, 33.
5 Die Reise nach Gwalior, in: Der Spiegel, 22.12.1954, 23 f.
6 Westad, Cold War, 433.
7 Hartmann, Demokratie und Autokratie, 107.
8 Nord, Nonalignment, 30.
9 AJ, KPR I-5-a,1. O nekim načelima politike aktivne koegzistencije.
10 Tito, Jugoslawischer Weg, 423.
11 Čavoški, Nasser’s Neutralism, 90 u. 92.
12 AJ, KPR I-3-c. Joint Statement by the President of the Federal People’s
Anmerkungen 409
48 PA/AA, ZA 127.978, Ismail Bajra, Die Blockfreiheit und das neue inter-
nationale Informationssystem.
49 AJ, KPR I-3-a, Podsetnik, 14.1.1975.
50 BA, 136/3521. Willy Brandt. Vier-Augen-Gespräch mit Präsident Tito
am 11. Oktober 1970.
51 Jakovina, Yugoslavia, 499.
52 PA/AA, B 42 240, Einpendelung der jugoslawischen Außenpolitik auf ei-
nen neuen Gleichgewichtszustand zwischen Ost und West, 1971 sowie
Kurzfassung.
53 BA 136, 3521, Fernschr. Nr. 404, Belgrad, 6.10.1970.
54 FRUS XXIX/1970. https://history.state.gov/historicaldocuments/
frus1969-76v29/d217 (28.1.2020).
55 Petrović, Lična diplomatija, 214.
56 Ebd., 230.
57 FRUS XXIX/1970. https://history.state.gov/historicaldocuments/
frus1969-76v29/d217 (28.1.2020).
58 Rusinow, Yugoslav experiment, 111.
59 Bilandžić/Vukadinović, Osnovne društvene promjene, 86 ff.
60 Jugoslawiens neue Außenpolitik, in: Die Zeit, 12.10.1962. https://www.
zeit.de/1962/41/jugoslawiens-neue-aussenpolitik (28.1.2020).
61 Jakovina, Socijalizam, 177.
62 Ebd., 169.
63 Kennan, Memoirs, 277.
64 PA/AA, B 42 240, Einpendelung der jugoslawischen Außenpolitik auf
einen neuen Gleichgewichtszustand zwischen Ost und West, 1971 sowie
Kurzfassung.
65 Kennan, Memoirs, 278.
66 FRUS XXIX/1970. https://history.state.gov/historicaldocuments/frus
1969-76v29/d217 (28.1.2020).
67 PA/AA, B 38 II A 1, Bericht v. 11.5.1965.
68 PA/AA, B 130 8.947A, Fernschreiben Belgrad, 5.10.1971.
69 Petrović, Lična diplomatija, 219.
70 PA/AA, B 130 8.945A, 22.4.1970.
71 Pirjevec, Tito, 481.
72 PA/AA, B 42 240, Einpendelung der jugoslawischen Außenpolitik auf
einen neuen Gleichgewichtszustand zwischen Ost und West, 1971 sowie
Kurzfassung.
73 Bogetić, Odnosi, 12.
74 BA 136/6302. Entwurf einer Ansprache des Herrn Bundeskanzlers aus
Anlass des Abendessens auf Brioni am 18.4.1973.
75 Lees, Keeping Tito, 172.
Anmerkungen 411
76 ARS 003.
77 AJ, KPR, 838, LF, VI-I.
78 Vrhunec, Šest godina, 335.
79 Burton, Tagebücher, 465.
80 Brandt, Erinnerungen, 237.
81 Doder, Yugoslavs, 122.
82 Burton, Tagebücher, 467.
66 Spasić, Lasica.
67 Nielsen, Ergänzung, 23 f.
68 Manojlović Pintar, Tito, 81.
69 Vrhunec, Šest godina, 189.
70 AJ, KPR II-6-3.
71 Vrhunec, Šest godina, 186.
72 Goldstein/Goldstein, Tito, 619.
73 ARS 298.
74 Goldstein/Goldstein, Tito, 679.
75 Ebd., 574.
76 Vrhunec, Šest godina, 260 u. 263.
77 Rusinow, Experiment, 196.
78 Calic, Geschichte, 259.
79 Rusinow, Experiment, 436.
80 Gerschewski, Pillars.
81 Friedrich, Totalitäre Diktatur, 264 f.
82 Mandić, S Titom, 174.
40 PA/AA, ZA 13.2866.
41 PA/AA, ZA 11.6708, Dolmetscheraufzeichnung über das Gespräch zwi-
schen dem Herrn Bundeskanzler (Schmidt) und Präsident Tito vom
25. Juni 1974 von 11.00 bis 12.15 Uhr.
42 PA/AA, ZA 112.620, Belgrad, 18.9.1973.
43 Rakove, Mediation.
44 https://www.avantgarde-museum.com/en/The-Symbol-of-Peace-the-
Movement-and-Tito~no4307/ (28.1.2020).
45 PA/AA, B 130, 4.260A, Franz. Botschaft, Belgrad, 9.2.1966.
46 BA, 163/3521, Willy Brandt, Aufzeichnung über das Vier-Augen-Ge-
spräch am 11. Oktober 1970.
47 AAPD, 1973, Gespräch des Bundeskanzlers Brandt mit Staatspräsident
Tito auf Brioni, 18. April 1973, 539 ff.
48 WBA, Vermerk über das Gespräch des Bundeskanzlers mit dem jugosla-
wischen Botschafter am 7. November 1973 im Bundeskanzleramt, Bonn,
den 8. November 1973.
49 Petrović, Lična diplomatija, 235.
50 AJ, KPR, I-3-a, Poseta državnog sekretara SAD Henri Kisindžera,
4.11.1974. PA/AA, B 130 8.947A, IIA5 – 83.20-94. 14/221/70 geh.
51 WBA, Horst Ehmke, 1/HEAA000466. Vermerk über die Gespräche von
BM Genscher mit dem jug. Außenminister (Vrhovec) am 11.8.1978 in
Bad Reichenhall.
52 PA/AA, ZA 11.6708, Dolmetscheraufzeichnung über das Gespräch zwi-
schen dem Herrn Bundeskanzler (Schmidt) und Präsident Tito v. 24. Juni
1974, 16.00 bis 17.15 Uhr.
53 FRUS XXIX/1970. https://history.state.gov/historicaldocuments/frus
1969-76v29/d217 (28.1.2020).
54 Petrović, Lična diplomatija, 231.
55 Kennan, Memoirs, 277.
56 Pirjevec, Tito, 562.
57 PA/AA, B 42 301, Telegramm Bundespräsident Gustav Heinemann.
Sowie: Der 80. Geburtstag Präsident Titos, Belgrad, 5.6.1972.
58 PA/AA, B 130 11.578 A, Dt. Botschaft, Belgrad, 3.3.1977.
59 PA/AA, 132.866.
60 WBA, Bestand Egon Bahr, 403.
61 PA/AA, B 130 11.573A, NATO, Brüssel, 29.7.1976. Dt. Botschaft, Bel-
grad, 9.3.1977.
62 PA/AA, B 130 11.573A, Dt. Botschaft, Belgrad, 22.3. u. 28.5.1977.
Kardelj, Pravci, 55 ff.
63 Gligorov, Yugoslavia.
64 Broz, Moj život, 49 f.
416 Anhang
Archivbestände
Arhiv Jugoslavije – AJ, Belgrad
Kabinet Predsednika Republike
Arhiv Republike Slovenije – ARS, Ljubljana
Fond Vladimira Dedijera
Bayerische Staatsbibliothek, München
Partisanensammlung
Bibliothek für Zeitgeschichte, Stuttgart
Sammlung Sterz
Bundesarchiv Militärarchiv – BA/MA, Freiburg
Territoriale Befehlshaber in Südosteuropa
Bundesarchiv – BA, Berlin-Lichterfelde
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO)
Bundesarchiv – BA, Koblenz
B 136: Bundeskanzleramt
Gosudarstvennyi Archiv Rossijskoj Federacii – GARF, Moskau
NKWD
Institut für Zeitgeschichte – IfZ, München
Kommandierender General und Befehlshaber Serbien
Nürnberger Kartei (NOKW-Dokumente)
ED 672: Nachlass Feldbaum
National Archives – NA, London
Churchill at War: The Prime Minister’s Office Papers 1940–1945
Special Operations Executive, 1940–1946. Subversion and sabotage
during World War II.
National Archives and Records Administration – NARA, Washington
Records of the Italian armed forces, 1935–1943
National Security Archive – NSA, Washington
Carter-Brezhnev Project
418 Anhang
Balch, Emily Greene: Our Slavic fellow citizens, New York 1910.
Banac, Ivo: With Stalin against Tito. Cominformist splits in Yugoslav communism,
Ithaca 1988.
Ders.: The national question in Yugoslavia. Origins, history, politics, Ithaca 1984.
Batelja, Juraj: Blaženi Alojzije Stepinac – svjedok Evanđelja ljubavi. Dokumenti II,
Zagreb 2010.
Batty, Peter: Hoodwinking Churchill. Tito’s great confidence trick, London 2011.
Beer, Josef: Die Flucht aus dem serbischen Banat und der Batschka, in: Schmidt, J.
(Hg.): Die Donauschwaben 1944–1964, München 1968, 32–59.
Behrends, Jan C.: Diktatur. Moderne Gewaltherrschaft zwischen Leviathan und
Behemoth, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 20.12.2016, http://dx.doi.
org/10.14765/zzf.dok.2.754.v2 (28.1.2020).
Bekić, Milan (Hg.): Tito u zapisima suvremenika, Zagreb 1965.
Bilandžić, Dušan: Historija Socijalističke Federativne Republike Jugoslavije. Glavni
procesi, Zagreb 1978.
Ders.: Hrvatska moderna povijest, Zagreb 1999.
Blažević, Jakov: Tražio sam crvenu nit, Zagreb 1976.
Ders.: Mač, a ne mir. Za pravnu sigurnost građana, Zagreb 1980.
Blum, Robert M.: Surprised by Tito. The anatomy of an intelligence failure, in:
Diplomatic History 12 (1988) 1, 39–57.
Bogetić, Dragan: Jugoslovensko-američki odnosi u vreme bipolarnog detanta 1972–
1975, Beograd 2015.
Böhme, Kurt W.: Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941–1949.
Bd. I/1, München 1962.
Bondarev, Nikita: Misterija Tito. Moskovske godine, Beograd 2013.
Ders.: Zagadka Tito. Moskovskie gody Iosipa Broza (1935–1937 gg.), Moskau 2012.
Bonner, Jelena: Mütter und Töchter. Erinnerungen an meine Jugend 1923 bis 1945,
München/Zürich 1993.
Boyle, Peter G. (Hg.): The Churchill-Eisenhower correspondence, 1953–1955,
Chapel Hill 1990.
Brandt, Willy: Erinnerungen, Zürich 1989.
Broz, Jovanka: Moj život, moja istina, Beograd 2013.
Buber-Neumann, Margarete: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. Eine Welt im
Dunkel, München 1952.
Buchenau, Klaus: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991. Ein
serbisch-kroatischer Vergleich, Wiesbaden 2004.
Bureau International du Travail: La gestion ouvrière des entreprises en Yougoslavie,
Genf 1962.
Burk, Steven L.: Conflict and cohesion in socialist Yugoslavia. Political decision
making since 1966, Princeton, N.J. 1983.
Burton, Richard: Die Tagebücher, Berlin 2013.
420 Anhang
268, 265, 267, 268, 297, 313, 349, Ćosić, Dobrica 231, 247, 253, 267,
356, 367 ff., 377 295 ff., 300, 327, 336, 344, 362, 375
–, Marija, geb. Javeršek, genannt Crnjanski, Miloš 41
Micika 15, 18, 19–22, 27, 33 Crvenkovski, Krste 345
–, Pelagia Denisowa, geb. Belousowa, Cvijić, Đuro 56 f., 101
genannt Polka 33 f., 36, 47 ff., 49,
60, 66, 85, 103 f. Dabčević-Kučar, Savka 331, 333 f.
–, Tamara 266 Đaković, Đuro 58, 71
–, Žarko 48 f., 49, 66, 85 f., 88, 96, 174, Damjanow, Georgi (Bjelow) 99, 101 f.
265 Danckelmann, Heinrich 207
–, Zlatica 265, 265 Dangić, Jezdimir 161
Brynner, Yul 369 Dapčević, Peko 135, 155, 179, 258
Brzezinski, Zbigniew 307 Deakin, William 154–157
Buback, Siegfried 339 Dedijer, Vladimir 12, 132, 147, 155 f.,
Buber-Neumann, Margarete 78, 98, 103 158, 168, 203, 228, 242, 259–262,
Budak, Mile 118, 207 324, 337
Budisavljević, Nada 264 ff., 265 Dedijer-Popović, Olga 158
–, Zora 265, 266 Delić, Stipe 370
Bulajić, Veljko 370 Đilas, Milovan 68, 71, 74 f., 79, 96,
Burton, Richard 232, 313, 316, 105, 109, 113, 119 ff., 132, 144,
369–372, 371 154 f., 158 f., 184, 203, 216, 221,
224 ff., 248, 251, 256–262, 279
Camus, Albert 328 –, Mitra 260
Cannon, Cavendish 233 Dimitrow, Georgi 77 f., 80, 84, 88, 93,
Carlson, John Alexander 92 102, 105, 201, 223 f.
Carstens, Karl 376 Dizdarević, Raif 364
Carter, Jimmy 307, 360 Dohnanyi, Klaus von 340
Castro, Fidel 288, 307 Dönhoff, Marion Gräfin 301
Ceauşescu, Nicolae 314, 368 Drašković, Milorad 45
Chaplin, Charlie 365 Dschaksenbajew, Isaij 34
Chruschtschow, Nikita S. 226, Dulles, John Foster 257, 313
288–293, 290, 303, 311, 313 f. Đurić, Mihailo 335
Churchill, Clementine 181
–, Randolph 166, 169, 173 Eden, Anthony 178, 180, 183, 263,
–, Winston 112, 147 f., 154, 163, 284, 285
165 ff., 171–178, 180–183, 195, Edward VII., König von England 349
199, 284, 285, 285 Eisenhower, Dwight D. 284, 288, 313
Clissold, Stephen 257 Eisenstein, Sergei 371
Čolaković, Rodoljub 66, 72 f., 75 Elizabeth II., König von England 284
Cooper, Gary 27 Engels, Friedrich 26 f., 68, 75, 77 f.,
Ćopić, Vladimir 75, 103 86, 233, 237, 248, 269
438 Anhang
Kádár, János 314 Krleža, Miroslav 42, 46, 60, 79, 89 f.,
Kapičić, Jovo 245 92, 252 f.
Karađorđević, Alexander, König von Kropotkin, Peter 328
Jugoslawien 11, 37, 39, 45, 69, 90, Krstić, Slobodan 243
107, 112, 280 f., 284 Kučan, Milan 379
–, Paul, Prinzregent von Jugosla- Kuhlmann, Else 100
wien 90, 107 f., 108, 111 f., 197 –, Wilhelm 100
–, Peter II., König von Jugoslawien 90, Kušić, Miloljub 368
112 f., 126, 128, 168, 172 f., 175 f., Kusturica, Emir 386
178, 195 Kuusinen, Otto 80
Karaivanov-Spinner, Ivan 105
Karajan, Eliette von 368 Lawrentjew, Anatol 216, 230
Karas, Nikola 25 f. Léhar, Franz 26
Kardelj, Edvard 72 f., 75, 96, 103, 105, Lenin, Wladimir Iljitsch 32 f., 35 f., 41,
121, 132, 145, 170, 191, 203, 50, 60, 67 f., 75, 77 f., 83, 86, 201,
223 ff., 227, 251, 253 f., 258, 260, 233, 237, 240, 248
263, 287, 324, 324, 344, 366, 368 Leonhard, Wolfgang 232
Keita, Modibo 303 Lindsay, Franklin 197 f.
Keitel, Wilhelm 123 Lisak, Erih 208 f.
Kennan, George F. 219, 233 f., 293, Ljotić, Dimitrije 116, 124, 187, 338
301, 308, 310, 361, 364, 377 Löhr, Alexander 150, 187, 207
Kennedy, Jackie 266, 267 Lollobrigida, Gina 313
–, John F. 267, 301, 303, 309 Lončar, Budimir 363
Keršovani, Otokar 123 Loren, Sophia 313, 314
Kidrič, Boris 74, 248 Lumumba, Patrice 296
Kiesewetter, Paul 100 Lüters, Rudolf 160
Kiesinger, Kurt Georg 351
Kirow, Sergej 83 Maclean, Fitzroy 133, 166 f., 175,
Kissinger, Henry 309 178 ff.
Klaić, Vjekoslav 16 Macmillan, Harold 184
Knaus, August 28 Maiski, Ivan 33
Kock, Max 100 Makavejev, Dušan 331
Koltschak, Alexander 33 f. Manuilski, Dmitri 80
Končar, Rade 75, 121, 144 Mao Tse Tung 122, 368
Konstantinović, Leka 373 Marcuse, Herbert 328
Kopinič, Josip 102 f., 105 Margaret, Prinzessin von England 315
Korać, Vitomir 42 Marković, Dragan 230
Kostić, Ilija 246 –, Sima 55, 57, 101
Kostow, Trajtscho 232 Marshall, George C. 220
Kovačević, Sava 159 Marx, Karl 26 f., 67 f., 75, 77 f., 86,
Kramer, Kurt 100 233, 237, 248, 269
440 Anhang