überarbeitete Auflage
Einführung in die
Zahnerhaltung
Prüfungswissen Kariologie, Endodontologie
und Parodontologie
Einführung in die
Zahnerhaltung
Prüfungswissen Kariologie, Endodontologie
und Parodontologie
6. überarbeitete Auflage
5 4 3 2 1 0 / 612
V
Vorwort
Zahnerhaltende Maßnahmen sind die Grundlage der täglichen zahnärztlichen Praxis. Somit
nimmt die Fächergruppe Zahnerhaltung auch eine zentrale Stellung in der Ausbildung der
Zahnmedizin-Studierenden ein. Mit der 6. Auflage der Einführung in die Zahnerhaltungs-
kunde sollen in bewährter Art und Weise die Bereiche Kariologie, Endodontie und Parodon-
tologie präsentiert werden. Dabei verzichtet das Werk nach wie vor auf die Darstellung noch
nicht ausgereifter Materialien und Methoden und soll dabei gleichzeitig Anregung sein, sich
mit Einzelbereichen ausführlicher zu beschäftigen. Die Autoren danken dem Deutschen
Zahnärzte Verlag für die ausgezeichnete Zusammenarbeit und den Leserinnen und Lesern für
die anregende Kritik und die Verbesserungsvorschläge.
Inhaltsverzeichnis
3.1.3 Präventionsanamnese – 84
3.1.4 Orientierende extraorale Untersuchung – 84
3.1.5 Orientierende Untersuchung der Mundhöhle und der angrenzenden
Regionen – 86
3.1.6 Orientierende Untersuchung der Zähne und der Kaufunktion – 86
3.1.7 Orientierende Aufklärung und Beratung – 87
3.2 Erweiterte Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen, zur
konservierend- und prothetisch-restaurativen Versorgung sowie zum Zustand
des Endodonts (Zahnstatus) – 88
3.2.1 Kariesdiagnose – 94
3.2.2 Bestimmung der Kariesaktivität und des Kariesrisikos – 103
3.3 Spezielle Untersuchungen – 106
3.4 Therapieplanung – 108
4 Kariesprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
4.1 Ernährungsberatung und -lenkung – 117
4.1.1 Grundlagen – 117
4.1.2 Bestimmung der Zahngefährdung durch Nahrungsmittel – 119
4.1.3 Durchführung der Ernährungsberatung und -lenkung – 121
4.1.4 Kalorische und nicht kalorische Süßungsmittel – 121
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen – 124
4.2.1 Fluoridzufuhr, Fluoridaufnahme und Fluoridmetabolismus – 124
4.2.2 Fluoride als Kariostatika – 127
4.2.3 Reaktion von Fluoriden mit Zahnhartsubstanzen und Plaque – 133
4.2.4 Kariostatischer Wirkungsmechanismus von Fluoriden – 137
4.2.5 Wirksamkeit fluoridhaltiger Kariostatika – 143
4.2.6 Toxikologie der Fluoride – 145
4.3 Fissurenversiegelung – 147
4.3.1 Indikationen – 148
4.3.2 Materialien – 150
4.3.3 Leitlinie Fissurenversiegelung – 151
4.4 Mundhygiene, chemische Plaquekontrolle, Entfernung von Zahnverfärbungen,
Mundgeruch – 154
4.5 Zusätzliche kariespräventive Maßnahmen – 157
4.6 Konsequenzen für die Therapie – 163
II Endodontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
8 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645
I Therapie der Karies
Kapitel 1 3
1.1 Zahnschmelz
Zahnschmelz wird von den Ameloblasten gebildet. Diese scheiden eine Präeruptive
Schmelzmatrix aus, die mineralisiert und ausreift. Die während der Mi- Schmelzreifung
neralisation stattfindende Kristallisation von Kalzium-Phosphat-Verbin-
dungen und das anschließende Wachstum der Kristalle werden als prä-
eruptive Schmelzreifung bezeichnet. Dabei verbleiben Mikroporositä-
ten zwischen den Kristallen und Ionendefekte in ihren Gitterstrukturen.
Nach dem Zahndurchbruch werden diese Porositäten und Fehlstel- Posteruptive
len durch die posteruptive Schmelzreifung weitestgehend ausgegli- Schmelzreifung
chen. Dabei kommt es zu einer Aufnahme von Mineralien (insbeson-
dere von Kalzium und Phosphat) aus dem umgebenden Milieu (Spei-
chel, Nahrungsmittel). Der Zahnschmelz unterliegt nach seiner Bildung
keinem zellulären Reparaturmechanismus.
160 nm
adsorbierte
Ionen
Hydrations-
schale
6 1 Mikroskopische Anatomie der Zahnhartsubstanzen
1
Schlüssellochtyp
Schmelz
Dentin
Pulpa
Hufeisentyp
Zement
zylindrischer Typ
a b
Abb. 1.3: Schematische Darstellung des histologischen Aufbaus menschlichen Zahnschmelzes. Die
Schmelzhaube des Zahnes besteht aus Prismen, die in gewundener Form von der Schmelz-Dentin-Grenze
bis zur Schmelzoberfläche verlaufen. Die Prismen erscheinen im Querschnitt in verschiedenen Formen. Die
3 häufigsten Konfigurationen sind (von oben nach unten): Schlüssellochtyp, Hufeisentyp, zylindrischer Typ
(nach Höhling 1966).
Perikymatien
Dentin
Pulpa
a b
Abb. 1.4: Schematische Darstellung eines Längsschnitts durch eine Zahnkrone.
a) Im Zahnschmelz sind Wachstumslinien (Retzius-Streifen) zu erkennen, die im
zervikalen Bereich zur Schmelzoberfläche hin auslaufen. Im koronalen Bereich ste-
hen sie halbkreisförmig auf dem Dentinkern. b) In der Ausschnittsvergrößerung
des mit dem Pfeil markierten Bereichs lässt sich erkennen, dass die Retzius-Strei-
fen auf der Schmelzoberfläche in Vertiefungen (Perikymatien) enden (nach Mjör
und Fejerskov 1979).
8 1 Mikroskopische Anatomie der Zahnhartsubstanzen
1.2 Dentin
Auch wenn man heute von einer funktionellen Einheit der Pulpa und
des Dentins ausgeht, so wird aus Gründen der Übersichtlichkeit im Fol-
genden Dentin als Einzelkomponente beschrieben.
ordnet, sondern sind je nach Art des Dentins mehr oder weniger dicht
gepackt. 1
Dentin ist hochelastisch und verformbar. Es ist weniger hart als
Schmelz und besitzt eine gelbliche Farbe. Da Dentin sehr „porös“
ist, weist es eine wesentlich höhere Permeabilität als Schmelz auf.
inter-
tubuläres Manteldentin
Schmelz Dentin
peri-
Dentin odonto- zirkum-
blastischer pulpales
Raum Dentin
Pulpa
peri-
tubuläres
Dentin
Zement Zwischen-
Odonto- dentin
blasten- altes
fortsatz
Prädentin
junges
Odontoblast
a b
Abb. 1.5: Schematische Darstellung der Dentinstruktur und der Dentinkanälchen. a) Die gestrichelten Linien
geben den Verlauf der Dentinkanälchen wieder. Sie verlaufen im koronalen Bereich s-förmig von der Pulpa
bis zur Schmelz-Dentin-Grenze. b) Das Dentin lässt sich in verschiedene Zonen einteilen. Die Odontoblasten
liegen an der Pulpa-Dentin-Grenze. Es folgt nach peripher das nicht mineralisierte Prädentin, das Zwischen-
dentin mit der Mineralisationsfront, das zirkumpulpale Dentin und anschließend bis zur Schmelz-Dentin-
Grenze das Manteldentin, das viele Verzweigungen der Dentinkanälchen enthält. Die Dentinkanälchen ent-
halten den Odontoblastenfortsatz und den periodontoblastischen Raum, der mit Flüssigkeit gefüllt ist. Im
zirkumpulpalen Dentin und im Manteldentin sind die Kanalwände von dicht mineralisiertem, peritubulärem
Dentin ausgekleidet. Zwischen den Dentinkanälchen liegt das intertubuläre Dentin.
10 1 Mikroskopische Anatomie der Zahnhartsubstanzen
1.3 Wurzelzement
Nur selten findet man Zementinseln und -zungen auch auf der Schmelz-
oberfläche menschlicher Zähne (meistens im zervikalen Bereich). Auch
in den Fissuren noch nicht durchgebrochener Zähne ist dieser Zement-
typ zu beobachten. Es handelt sich dabei um azellulär-afibrilläres Ze-
ment. Die Schmelz-Zement-Grenze ist nicht immer einheitlich konfigu-
riert. Während in 30% der Fälle Schmelz und Zement direkt aneinan-
12 1 Mikroskopische Anatomie der Zahnhartsubstanzen
Schmelz Schmelz
Dentin
Zement
Pulpa
azelluläres
Faserzement
dento-alveoläre
Fasern
zelluläres
Faserzement
a b
Abb. 1.6: a) Lokalisation und Verteilung des zellulären und des azellulären Faserzements auf der Wurzelober-
fläche im Zahnlängsschnitt. b) Das Zement kann nach koronal direkt an den Zahnschmelz angrenzen, einen
kleinen Dentinbereich unbedeckt lassen oder den Schmelz überlappen (nach Mjör und Fejerskov 1979).
derstoßen, liegt in 10% der Zähne ein kurzer Bereich des Dentins frei.
Bei 60% der Zähne ist das Zement dem zervikalen Schmelz überlappend
aufgelagert (Abb. 1.6).
Struktur und Das Zement ähnelt in seiner Struktur und Härte (30–50 KHN) dem
Härte menschlichen Knochen, ist im Gegensatz zu ihm jedoch nicht vaskula-
risiert. Zement gehört zum Zahnhalteapparat, da an ihm die Parodon-
talfasern haften, die die Zähne in der Alveole beweglich befestigen.
Zusammenset- Zement ist in seiner Zusammensetzung und Dicke weniger konstant
zung und Dicke als Schmelz und Dentin. Es ist die am wenigsten mineralisierte Zahn-
hartsubstanz. Sein Mineralgehalt beträgt ungefähr 65 Gew.%, die orga-
nische Komponente 23 Gew.%, der Rest ist mit 12 Gew.% Wasser. Der
anorganische Anteil besteht vornehmlich aus Kalzium und Phosphat in
Form von Apatitkristallen oder amorphen Kalziumphosphaten (vor-
nehmlich bei neu gebildetem Zement). Der organische Anteil besteht zu
über 90% aus Kollagen. Die genaue Zusammensetzung der restlichen or-
ganischen Substanz ist bisher nicht geklärt.
Wie andere Stützgewebe des Körpers ist auch Zement aus Zellen
und interzellulärer Substanz zusammengesetzt.
Zonen Die Dentinoberfläche ist mit einer Schicht stark mineralisierten Ze-
ments bedeckt (bis 10 µm dick). Nach außen folgen lamellenförmig
stärker und weniger stark mineralisierte Zonen, die Ausdruck periodi-
scher Zementbildungsphasen und Ruhephasen sind.
1.3 Wurzelzement Kapitel 1 13
2.1 Karies
2.1.1 Ätiologie
Es gibt zahlreiche Theorien zur Ätiologie der Karies. Die von Miller
(1898) erstmals vorgestellte und später von anderen Wissenschaftlern
verifizierte und erweiterte chemoparasitäre Theorie ist heute die allge-
mein akzeptierte Theorie der Kariesentstehung. Dabei geht man von der
Vorstellung aus, dass kariogene Mikroorganismen der Mundhöhle
(Plaque) bei einem Überangebot an kariogenem Substrat (speziell nie-
dermolekulare Kohlenhydrate) organische Säuren produzieren. Wirken
diese lange genug auf die Zahnhartsubstanzen (Wirt) ein, so entminera-
lisieren sie diese (Abb. 2.2).
Neben diesen drei Hauptfaktoren der Kariesentstehung gibt es zahl-
reiche sekundäre Faktoren (z.B. Speichelfluss und -zusammensetzung,
genetische
Zahnarzt Variablen
Gesundheits- soziales
verhalten Umfeld
Wirt
Zahnmorphologie Substrat
Zahnstellung Nahrungsmittel-
chemische Zusammensetzung zusammensetzung
der Zahnhartsubstanzen Häufigkeit der
Speichelmenge Nahrungsaufnahme
Speichelqualität xxx Eliminationszeit
immunologische xxxx Karies
Faktoren xxxxx
Plaque Ein-
Bildung kommen
Plaquebildungsrate
Bakterienspezies
Erwartungshaltung
Gesundheits-
politik Nationalität
Abb. 2.2: Schematische Darstellung der wichtigsten ätiologischen Faktoren, die für die Entstehung einer
Karies verantwortlich sind. Erst das Zusammenwirken der 3 Hauptfaktoren führt zur Zerstörung der Zahn-
hartgewebe.
Plaque
Plaque ist ein strukturierter, zäher, verfilzter Zahnbelag (Biofilm) aus
Speichelbestandteilen, bakteriellen Stoffwechselprodukten, Nahrungs-
resten und Bakterienzellen (s. auch Kap. 16.1).
Supragingivale Die supragingivale Plaque ist primär an den habituell unsauberen
Plaque Bereichen der Zähne (Kariesprädilektionsstellen, Abb. 2.3) lokalisiert.
Diese besonders kariesdisponierten Bereiche sind die Zahnfissuren und
-grübchen, Approximalflächen der Zähne, das zervikale Drittel der
sichtbaren Zahnkronen und freiliegende Wurzeloberflächen.
2.1 Karies Kapitel 2 17
Die Entwicklung der Zahnplaque vollzieht sich in mehreren Schritten: Entwicklung der
D Auf einer gründlich gereinigten Zahnoberfläche adsorbiert ein un- Zahnplaque
strukturierter azellulärer Film (acquired pellicle, sekundäres Zahn-
oberhäutchen). Dieses Häutchen (0,1–1 µm) besteht in erster Linie
aus den Proteinen des Speichels (saure prolinreiche Proteine, Glyko-
proteine, Serumproteine, Enzyme, Immunglobuline), die aufgrund
ihrer Eigenladungen an die Kalzium- und Phosphatgruppen des
Apatits der Zahnhartsubstanzen elektrostatisch binden können. Die
Pellikel ist semipermeabel, d.h., sie steuert in einem gewissen Aus-
maß die Austauschvorgänge zwischen Mundhöhlenmilieu, Plaque
und Zahn. Sie befeuchtet zudem den Zahn und schützt ihn so beim
Essen vor Abrasion.
D An diese Membran heften sich innerhalb weniger Stunden als Früh-
besiedler selektiv zuerst grampositive Kokken (Streptococcus saliva-
rius, Streptococcus oralis, Streptococcus mitis) und Aktinomyzeten
an. Später folgen weitere Streptokokken und Veillonellen, aber auch
Prevotella, Eikenella spp., Capnocytophaga spp., Haemophilus spp.
und Propionibacterius spp. Stäbchen und Filamente überwiegen in
einer 7–14 Tage alten Plaque.
D Die Plaque wächst dann durch Teilungsvorgänge bzw. Akkumula-
tion weiterer Bakterien über spezifische Adhäsions- und Kohäsions-
phänomene, durch direkten Zellkontakt oder mit Hilfestellung
durch Plaquematrixkomponenten. Typische Spätbesiedler sind bei-
spielsweise Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Treponema
denticola, Porphyromonas gingivalis und Prevotella intermedia.
Frühbesiedler koaggregieren mit verschiedenen anderen Frühbesied-
lern, aber nicht mit Spätbesiedlern. Spätbesiedler koaggregieren
kaum untereinander. Fusobacterium nucleatum besitzt die Eigen-
schaft, mit Früh- und Spätbesiedlern zu koaggrigieren, und daher
kommt diesem Mikroorganismus eine extrem wichtige Brücken-
funktion zu. Es ist die häufigste Bakterienspezies unter den oralen
gramnegativen Spezies. Die Abbildung 2.4. zeigt eine typische Mo-
mentaufnahme eines supragingivalen Biofilms.
D Mit zunehmendem Alter gewinnt die Plaque eher anaeroben Cha-
rakter. Die Bakterienadhäsion und Plaquebildung kann durch ver-
18 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Eubacterium
spp. A. actino-
mycetem-
S. flueggei comitans
P. gingi-
T. denticola valis
V. dispar
Capnocyto- A.
phaga isralii H. pylori
sputigena
P. denti- P. inter-
Actino- cola media
myces Fusobacterium
naes- nucleatum
luncii Strepto-
coccus subsp. nucleatum
C. gingi-
P. loe- valis
scheii
Fuso- H. para-
bacterium influ-
nucleatum enzae
subsp. S. gor-
nucleatum donii
Actino-
myces Capnocyto-
serovar phaga
S. gor- ochracea
V. aty- donii A. isralii
pica S.
oralis
S.
mitis
Pellikel
Zahn
Abb. 2.4: Typisches Adhäsionsverhalten oraler Mikroorganismen bei der Bildung eines supragingivalen Bio-
films (nach Kolenbrander et al. 1999)
Bestandteile Ausgereifte Plaque besteht aus dicht gepackten Bakterien (60–70 Vol%),
die in ein amorphes Material, die Plaquematrix, eingebettet sind. Die
Matrix ermöglicht den Zusammenhalt der Bakterien und die Haftung
des Biofilms an Oberflächen. Sie besteht aus extrazellulären, polymeren
Substanzen, wie z.B. geladenen (vorwiegend anionischen) oder auch
neutralen Proteinen, Polysacchariden, Nukleinsäuren und Lipiden. Der
Stoffwechsel der Bakterien innerhalb des Biofilms differiert sehr stark.
Die Bakterien an der Biofilmoberfläche sind normal groß und sehr stoff-
wechselaktiv. Ihnen stehen ausreichend Nahrung und Sauerstoff zur
Verfügung. Sie zeigen ähnliche Eigenschaften wie planktonische Bakte-
rien. Die Bakterien der tieferen Biofilmschichten haben einen reduzier-
ten Stoffwechsel und ein reduziertes Nahrungsangebot. Sie befinden
2.1 Karies Kapitel 2 19
hemmend fördernd
antimikrobielle Substanzen adhäsions- und wachstumsfördernde
im Speichel (z.B. Immunglobuline, Substanzen im Speichel und in der Nahrung
Lactoferrin) oder in der Nahrung (z.B. Saccharose, Kalzium, Spurenelemente)
(z.B. Konservierungsmittel) bakteriell produzierte Substanzen 2
Mundhygiene (z.B. Lipoteichonsäure, Glykosyltransferase)
Soft-Chemotherapie verminderter Speichelfluss
Abb. 2.5: Die bakterielle Besiedelung von Zahnoberflächen ist neben einer passiven Retention in mikrosko-
pischen und makroskopischen Zahnvertiefungen und -unregelmäßigkeiten durch komplexe Adhäsions-
phänomene gekennzeichnet. Neben physiko-chemischen Adhäsionskräften (z.B. van der Waal-Bindungs-
kräften) können sich Bakterien auch über spezifische Bindungsmoleküle (Adhäsine) an Rezeptoren der Pel-
likel binden. Aber auch lokale ökologische Faktoren (z.B. Speichelbestandteile) und von Bakterien
exprimierte Substanzen (z.B. Teichonsäure, Glykosyltransferase) erlauben eine Anheftung.
Saccharose Glukose
Fruktose Saccharose-6-P
Fruktose Glukose-6-P
extrazelluläre
Polysaccharide Synthese intrazellulärer
Polysaccharide
PEP Glykolyse
PTS
organische Säuren
(z.B. Milchsäure)
Abb. 2.6: Saccharosestoffwechsel von Streptococcus mutans. Durch die Bildung von klebrigen extrazellulä-
ren Polysacchariden wird den Plaquebakterien eine zusätzliche Möglichkeit der Adhäsion an der Zahnober-
fläche ermöglicht. Die Bildung von organischen Säuren führt zur Demineralisation von Zahnhartsubstan-
zen (PEP-PTS = Phosphoenolpyruvat-Phosphotransferasesystem).
St. rattus für die Kariesentstehung eine Rolle. Am häufigsten werden St.
mutans und St. sobrinus in einer kariogenen Plaque angetroffen. Die Fä-
higkeit, extrazelluläre Polysaccharide (Glukane) in Anwesenheit von
Zucker (Saccharose) mithilfe spezifischer Glukosyltransferasen zu syn-
thetisieren, erlaubt eine feste Anhaftung dieses Mikroorganismus an
Zahnoberflächen und die Etablierung einer adhäsiven und hochgradig
kariogenen Plaque. Durch anaerobe Glykolyse kann St. mutans organi-
sche Säuren bilden (z.B. Laktat, Pyruvat), die bei längerer Einwirkzeit die
Zahnhartsubstanzen demineralisieren. Die Bildung von intrazellulären
Polysacchariden als Speicherkohlenhydrate erlaubt dem Mikroorganis-
mus, auch in Zeiten geringer Substratzufuhr seinen Stoffwechsel auf-
rechtzuerhalten. Aber auch verschiedene andere orale Mikroorganis-
men sind in der Lage, intrazelluläre Polysaccharide zu synthetisieren.
So geht man heute davon aus, dass bis zu 1000 unterschiedliche
Bakterienarten die Mundhöhle kolonisieren können. Mit neuen gen-
technischen Verfahren wurden in den letzten Jahren Mikroorganismen
entdeckt, die in der bisherigen Nomenklatur noch nicht eingeordnet
sind. Zusätzlich gibt es von zahlreichen Bakterienstämmen unterschied-
liche Klone. Man kann also davon ausgehen, dass neben den bekann-
2.1 Karies Kapitel 2 21
Aus den genannten Gründen wird heute St. mutans als wesentlicher Ini-
tiator der Karies betrachtet. Jedoch muss festgehalten werden, dass St.
mutans nicht das einzige Karies verursachende Bakterium ist. Ebenso-
wenig muss das Vorhandensein von St. mutans in der Mundhöhle im-
mer mit Karies verbunden sein.
Nach heutigem Kenntnisstand gehört St. mutans nicht zur norma-
len Bakterienflora der Mundhöhle.
Die Übertragung erfolgt mittels des Speichels und zumeist ist die Mutter Übertragung
oder eine andere Bezugsperson die Infektionsquelle. Aus diesen Er-
kenntnissen leiten sich die Maßnahmen ab, die heute als Primär-Pri-
märprävention beschrieben werden.
22 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Abb. 2.7: Ökologische Veränderungen als Ursache für die Ausbildung eines kariogenen Milieus und der da-
durch bedingten Demineralisationserscheinungen der Zahnhartsubstanzen
Substrat
Die Abkehr von der Aufnahme naturbelassener Nahrung und die gleich-
zeitige Entwicklung neuer Energieträger durch verfeinerte technologi-
sche Möglichkeiten der Nahrungszubereitung führten zu erheblichen
Veränderungen in der Nahrungsmittelzusammensetzung und -qualität
in den industrialisierten Ländern. Obwohl die Nahrung grundsätzlich
während der Zahnentwicklung systemisch die Mineralisation und
Struktur der Zahnhartgewebe beeinflussen kann, konnte bisher keine
eindeutige Korrelation zwischen Mangelernährung und Kariesbefall
nachgewiesen werden. Im Gegenteil, die Menschen der hoch industria-
lisierten Länder weisen i.d.R. eine höhere Kariesmorbidität auf als die
der weniger wohlhabenden Länder. Schlecht mineralisierte Zähne sind
keineswegs grundsätzlich mit einem höheren Kariesrisiko behaftet als
normal ausgebildete.
0
0 10 20 30 40 50 60
Minuten
Die Rolle des Zuckers (Saccharose) als wichtiger kausaler Faktor bei
der Kariesentstehung ist in Studien vielfach dokumentiert worden.
26 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Hierzu gehören:
D Studien über die Geschichte und geografische Unterschiede der Ka-
riesprävalenz in Zusammenhang mit dem Zuckerkonsum.
D Beobachtungen an isolierten Bevölkerungsgruppen, für die sich die
Umweltbedingungen geändert haben.
D Beobachtungen an Patienten mit hereditärer Fruktoseintoleranz, die
Saccharose nicht vertragen und trotz normaler Zivilisationskost fast
kariesfrei leben.
D Klinische und experimentelle Studien bei Tieren und Menschen.
Wirt
Speichel Es gibt große individuelle Unterschiede bei der Kariesentstehung und
-progression. Zahnfehlstellungen, Mikrodefekte der Zahnoberfläche, be-
stimmte Zahnhartsubstanzanomalien, die mit einer verstärkten Plaque-
retention einhergehen, und andere lokale Faktoren begünstigen die
2.1 Karies Kapitel 2 27
Tab. 2.3: Wichtigste antimikrobiell wirksame Proteine des Speichels (nach Te-
novuo 1998)
Protein Wichtigste Zielfunktion
Lysozym Grampositive Bakterien, Candida
Laktoferrin Grampositive und negative Bakterien
Peroxidase Antimikrobielle Wirkung, Aufspaltung von
H2O2
Agglutinine Agglutinierung/Aggregation von unter-
• Parotisspeichel-Glykoproteine schiedlichen Mikroorganismen
• Muzine
• β2-Mikroglobulin
• Fibronektin
α-Amylase
Histidinreiche Proteine (Histatine) Antibakterielle, antifungale Wirkung
Cystatine Antivirale Wirkung
Immunglobuline
• Sekretorisches IgA Inhibition der Adhäsion
• IgG Steigerung der Phagozytose
• IgM Steigerung der Phagozytose
30 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
200 mm
Schmelzprismen
transluzente Zone
dunkle Zone
Läsionszentrum
intakte" Oberflächenschicht
Retzius-Streifen
Zonen der Die transluzente Zone ist die Zone der fortschreitenden Deminera-
Schmelzkaries lisation. Sie ist durch die Entstehung bzw. Vergrößerung von Poren im
Zahnschmelz bedingt. Sie besitzt ein Porenvolumen von ca. 1%. Gesun-
der Zahnschmelz besitzt im Vergleich dazu ein Porenvolumen von
0,1%. Die Poren entstehen initial wahrscheinlich durch Herauslösen
von „leicht“ säurelöslichem Karbonat aus dem Apatitgitter.
Die dunkle Zone hat ein Porenvolumen von 2–4%. Die Poren sind
jedoch aufgrund von Remineralisationserscheinungen an den Apatit-
kristallen kleiner als die Poren der transluzenten Zone.
Der Läsionskörper ist die Zone des größten Mineralverlustes. Das
Porenvolumen beträgt zwischen 5 und 25%. In diese Poren können
Speichelbestandteile wie Wasser und Proteine eindringen. Die Retzius-
Streifen und die Querstreifung der Prismen werden innerhalb des Lä-
sionskörpers deutlicher sichtbar als im gesunden Schmelz.
Die Oberflächenschicht weist einen Mineralverlust von 1–10% auf,
obwohl sie im mikroskopischen Bild intakt erscheint. Sie besitzt ein Po-
renvolumen von weniger als 5%.
2.1 Karies Kapitel 2 33
Die initiale Kariesläsion ist ein Produkt von De- und Remineralisati-
onsphasen an der Zahnoberfläche, wobei die Demineralisation
überwiegt. Ihre Entstehung hängt von Art und Menge der Bakterien
in der Plaque, ihren Metaboliten und ihrer Säureproduktionsrate ab.
Pellikel
Hydroxylapatit
intakte
Oberflächenschicht
1 2
HL HL L H
+
Zucker
H+ Ca
2+
+ HPO42 -+ H2O
CaHPO4 L
3
CaHPO4
Ca2+ + HPO42-
Plaque
transluzente Zone
Abb. 2.10: Vereinfachte Darstellung der chemischen Vorgänge bei der Entstehung
einer initialen Schmelzkaries mit Ausbildung einer „intakten“ Oberflächenschicht.
Die einzelnen Reaktionsschritte 1–3 sind im Text erklärt.
Der Begriff „initiale Karies“ wird sowohl für die meist mit Plaque be-
deckte aktive initiale Schmelzkaries als auch für die inaktive, arretierte
und ruhende Schmelzkaries verwendet.
Klinik Klinisch stellt sich eine aktive Karies des Schmelzes wie oben be-
schrieben als kreidige Verfärbung der Schmelzoberfläche dar, ohne dass
die Kontinuität der Oberfläche unterbrochen ist. Eine arretierte Läsion
besitzt eine glänzende, glatte, sehr harte und oft bräunlich verfärbte
Oberfläche. Die Verfärbungen entstehen während der Remineralisati-
onsphasen durch Einlagerung exogener Farbstoffe, z.B. aus Tabak, Tee
oder verschiedenen Nahrungsmitteln. Man kann vereinfacht formulie-
ren, dass eine arretierte, inaktive Kariesläsion eine „Narbe“ im Zahn-
hartgewebe ist, da selbst unter optimalen Bedingungen in den tieferen
Schichten der Läsion kein vollständiger Ersatz des verloren gegangenen
Minerals stattgefunden hat.
neralisation folgt die Zone der Penetration. Hier sind Bakterien (vor-
nehmlich grampositive Mikroorganismen, z.B. Laktobazillen) in die
Dentinkanälchen eingedrungen. Ihre Anzahl nimmt nach außen zu.
Die Stoffwechselprodukte der Bakterien führen zu lokalen Auftreibun-
gen der Dentinkanälchen (Ampullen) und im Bereich der Wachstums-
linien (Spalten). Liegen mehrere Ampullen untereinander, spricht man
von einer Rosenkranzstruktur.
Nekrose Während die Dentinstruktur in diesem Bereich noch relativ intakt
erscheint, folgt nach peripher eine Zone der Nekrose, in der das Dentin
erweicht bzw. verflüssigt ist. Diese Zone besteht aus nekrotischem Den-
tin (fettige Degeneration), vitalen und toten Mikroorganismen sowie
deren Enzymen (speziell Esterasen und Peptidasen) und Stoffwechsel-
produkten.
Eine arretierte (inaktive) Wurzelkaries besitzt eine glatte, glän- Inaktive Wurzel-
zende Oberfläche, die sich beim Sondieren mit moderatem Druck hart karies
anfühlt. Meist sind inaktive Läsionen nicht von einer Plaque bedeckt.
Selbstverständlich gibt es zwischen diesen Formen unterschiedliche Ma- 2
nifestationen der Karies, die Übergangsformen zwischen aktiven und
inaktiven Läsionen darstellen. Bei der Unterscheidung zwischen aktiver
und inaktiver Läsion ist die Oberflächenhärte entscheidender als die
Farbbestimmung.
2.1.5 Milchzahnkaries
Plaque
Füllung Sekundärkaries
Kariesrezidiv Schmelz
Dentin
Pulpa
Kavitätenwand-
überstehender läsion
Füllungsrand
Dentinläsion
Schmelz
b Spalt
2.1.7 Epidemiologie
sich häufig nur auf der Basis einer epidemiologischen Studie voraus-
sagen.
Zur Erhebung epidemiologischer Daten über die Ausbreitung und Erhebung epi-
Häufigkeit der Karies werden in erster Linie Querschnittsuntersuchun- demiologischer 2
gen durchgeführt. Diese sammeln retrospektiv oder aktuell Daten zu Daten
einem bestimmten Zeitpunkt. Demgegenüber erstrecken sich Longitu-
dialstudien über einen definierten Zeitraum, vergleichen also die Krank-
heitshäufigkeit zu Anfang mit der am Ende eines Untersuchungszeit-
raums. Bei diesen Untersuchungen werden häufig die Begriffe Kariesin-
zidenz (Kariesbefall = Anzahl neuer Kariesläsionen in einem definierten
Zeitraum) und Kariesprävalenz (Karieshäufigkeit in einer Population
zu einem definierten Zeitpunkt) verwendet. In epidemiologischen Stu-
dien werden meistens nur die klinisch sichtbaren Auswirkungen der Ka-
ries, selten auch die radiologisch zu erkennenden Symptome erfasst.
Zur Beurteilung der Krankheitsentwicklung in einer Population wer- Beurteilung der
den i.d.R. Stichproben untersucht. In diesem Zusammenhang muss Krankheits-
darauf hingewiesen werden, dass Zahnarztpatienten oder gar Klinikpa- entwicklung
tienten nicht den Anforderungen genügen, die an eine Stichprobe bei
epidemiologischen Untersuchungen gestellt werden. Sie sind nicht re-
präsentativ.
Zur Messung der Kariesinzidenz bzw. -prävalenz werden Indizes ver- Indizes
wendet. Dabei hat sich international der DMF-S- bzw. DMF-T-Index
durchgesetzt. Der DMF-S-Index beurteilt die Anzahl von Zahnflächen
(Surfaces) im bleibenden Gebiss, die zerstört (Decayed), aufgrund von
Karies extrahiert (Missing) oder gefüllt (Filled) wurden. Der DMF-T-In-
dex summiert in gleicher Weise die Anzahl der Zähne (Teeth). Im Milch-
gebiss wird der dmf-s- bzw. dmf-t-Index verwendet. Statt m wird oft der
Buchstabe e (= indicated for extraction bzw. extracted) verwendet. Im
Wechselgebiss wird der Index für bleibende Zähne verwendet. Bei Sei-
tenzähnen werden fünf Zahnflächen, bei Frontzähnen vier Flächen be-
rechnet. Im vollständigen bleibenden Gebiss werden die Weisheits-
zähne nicht mitgezählt. Der DMF-T-Wert kann also einen Maximalwert
von 28, der DMF-S-Wert von 128 annehmen. Da im Wechselgebiss der
M-Faktor schwer zu beurteilen ist (es können Zähne aus kieferorthopä-
dischen Gründen verloren gegangen sein), wird in epidemiologischen
Studien oft nur der DF-Index verwendet. Werden in Studien Röntgen-
bilder zur Beurteilung der Approximalkaries angefertigt, kann der D-
Faktor unter Berücksichtigung der Größe der Kariesläsion in die Unter-
gruppen D1 bis D4 aufgeteilt werden (s. Kap. 3.4).
Der DMF-S-Index ist ein kumulativer Index. So bedeutet z.B. ein
DMF-S von 20 entweder 20 offene kariöse Kavitäten, die versorgt wer-
den müssen, oder dass alle vorhandenen Zähne gesund sind, vier Mola-
ren aber vorzeitig extrahiert wurden bzw. nicht angelegt sind. Deshalb
werden die Einzelkomponenten des Index oft getrennt angegeben.
Auch der DMF-T-Index ist ein arithmetischer Index, der kumulativ die
kariöse Zerstörung des Gebisses aufsummiert. Dabei werden allerdings
44 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Als SiC-Index wird der mittlere DMFT-Wert definiert, den ein Drit-
tel der Bevölkerungsgruppe aufweist, die den höchsten Kariesbefall
auf sich vereint. Dieser Wert soll nach Definition der WHO im Jahre
2015 bei den 12-Jährigen < 3 betragen.
Der Medianwert ist derjenige Wert, der eine nach Rängen geordnete
Messreihe halbiert.
Kinder mit
neuen Läsionen (%)
20 2
15
10
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
DF-S
Mundgesundheit in Deutschland
Epidemiologie der koronalen Karies: In Deutschland wurden in den letz-
ten zwei Jahrzehnten zahlreiche epidemiologische Untersuchungen zur
Kariesprävalenz durchgeführt. Es handelt sich meistens um regionale
Studien in Kindergärten und Schulen bzw. bei Wehrpflichtigen und an-
deren fest umrissenen Gruppen. Die letzte bevölkerungsrepräsentative
Studie wurde 2005 vom Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) durch-
geführt. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V.
(DAJ) führt seit 1994 aufgrund von Rahmenempfehlungen der Spitzen-
verbände der Krankenkassen und der Bundeszahnärztekammer in Ab-
ständen von drei Jahren in verschiedenen Bundesländern Untersuchun-
gen bei 6- bis 7-jährigen, 12-jährigen und 15-jährigen Schülern durch.
Verglichen werden können diese neueren Daten mit den früher bereits
durchgeführten Untersuchungen, die auf Patientenstichproben basie-
46 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
ren. Auch für ältere Patientengruppen liegen aus der Studie des IDZ aus
dem Jahre 1997 repräsentative Daten vor.
Während für Vorschulkinder bisher keine repräsentativen Zahlen
vorliegen, so kann doch aus Einzelstudien abgeleitet werden, dass es
hier in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Verbesserung der Mund-
gesundheit gekommen ist. In einzelnen Gegenden Deutschlands lässt
sich bei kleineren Kindern allerdings eine Stagnation des Kariesrück-
gangs bzw. ein erneutes Ansteigen der Kariesprävalenz feststellen.
6- bis 7-Jährige Wie die DAJ-Studie aus dem Jahre 2004 zeigen konnte, ist in den
meisten Bundesländern bei den 6- bis 7-Jährigen ein mittlerer dmft-
Wert von unter 3 festzustellen. Davon weicht nur das Bundesland Bre-
men mit einem Wert von 3,04 ab. In den Bundesländern Schleswig-Hol-
stein, Bremen, Westfalen-Lippe und Hessen kam es zu einer Stagnation
der mittleren DMFT-Werte. In Berlin, Brandenburg und Thüringen trat
sogar eine Verschlechterung im Vergleich zum Jahre 2000 ein (Tab. 2.4).
Auch der Anteil der Schulanfänger mit kariesfreien Milchzähnen er-
höhte sich im Zeitraum von 1994/1995 bis 2004. Wiesen 1994/1995
zwischen 20 und 45,9% der Kinder in den verschiedenen Bundeslän-
dern naturgesunde Milchzähne auf, so lagen die entsprechenden Werte
2004 zwischen 34,9 und 59,6%. Der Anteil der nicht sanierten Milch-
zähne betrug in Bremen 60%, der Prozentsatz lag in Thüringen bei
45,3%. Das bedeutet, dass nach wie vor ca. die Hälfte aller Milchzähne
nicht mit einer intakten Füllung versorgt war. Die mittleren DMFT-
Werte für 6- bis 7-Jährige nahmen von 2,89 im Jahre 1994/1995 auf 2,16
im Jahre 2004 ab. Seit 2004 sind dabei Bayern, das Saarland und Sach- 2
sen in die DAJ-Studie mit einbezogen.
Heute findet man in allen Bundesländern bei mehr als der Hälfte der 12-Jährige
untersuchten 12-Jährigen naturgesunde bleibende Zähne. Die DAJ-Stu-
die kann mit einer repräsentativen Studie aus dem Jahre 2005 des Insti-
tuts der Deutschen Zahnärzte verglichen werden (Abb. 2.15). Danach
findet man bei 12-Jährigen einen DMF-T-Wert von 0,7 (in den alten
Bundesländern 0,7, in den neuen Bundesländern 1,1). Bei dieser Dar-
stellung werden allerdings nur die kariösen Defekte berücksichtigt, die
klinisch erfassbar sind und bis in das Dentin reichen, sowie gefüllte und
extrahierte Zähne. In der Altersgruppe der 12-Jährigen weisen 0,9 Zähne
zusätzlich bereits demineralisierte Schmelzareale (aktive und inaktive
Initialläsionen) auf, die sich ohne präventive Maßnahmen möglicher-
weise zu manifesten Kariesläsionen weiterentwickeln können. Hier-
IDZ-Gesamt 0,7
IDZ-Ost 1,1
IDZ-West 0,7
DAJ-Gesamt 0,98
Baden-Württemberg 0,71
Saarland 0,71
Nordrhein-Westfalen 0,87
Hamburg 0,88
Hessen 0,89
Niedersachsen 0,91
Schleswig-Holstein 0,93
Bremen 0,98
Berlin 1,01
Sachsen 1,03
Rheinland-Pfalz 1,04
Westfalen-Lippe 1,07
Brandenburg 1,17
Thüringen 1,18
Bayern 1,2
Sachsen-Anhalt 1,26
Mecklenburg-Vorpommern 1,42
0 0,5 1 1,5
DMFT
Abb. 2.15: Mittlerer dmft-Wert bei 12-Jährigen in einzelnen Bundesländern im Vergleich zur repräsentativen
IDZ-Studie aus dem Jahre 2005 (nach Pieper 2005 und nach Micheelis und Schiffner 2006)
48 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
durch wird deutlich, dass eine alleinige Diagnose von kariösen Defek-
ten, die bereits eine Kavitätenbildung zeigen, zu einer Unterschätzung
der Gesamtkariesprävalenz führt.
Auch bei 12-Jährigen zeigt sich, dass nicht alle kariösen Zähne saniert
sind. So sind bei 78% der Untersuchten mit Karieserfahrung die er-
krankten Zähne gefüllt. Es gibt bei den 12-Jährigen eine sogenannte Po-
larisierung des Kariesbefalls. So weisen 10,2% der Untersuchten 61,1%
der Karieserfahrung ihrer Altersgruppe auf. Noch stärker ist die Polarisa-
tion bezüglich des Kariesbehandlungsbedarfs. Lediglich 8,7% der Kin-
der haben sämtliche zu sanierende Zähne ihrer Altersgruppe. Der SiC-
Wert (das Drittel der jeweiligen Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten
Kariesbefall) beträgt 2,1 und unterschreitet damit das von der WHO de-
finierte Ziel von < 3. Auch die für das Jahr 2020 für 12-Jährige formulier-
ten Ziele, einen DMF-T-Wert von 1,0 zu unterschreiten und den Anteil
der Kinder mit mehr als 2 DMFT auf weniger als 15% zu senken, sind be-
reits im Jahr 2005 erreicht worden. Beim Vergleich mit früheren Jahren
wird deutlich, dass selbst die 12-Jährigen, die eine hohe Kariesaktivität
aufweisen, vom Kariesrückgang profitieren (Tab. 2.5).
Wie bereits im Rahmen der DAJ-Studie 2004 wurden auch in der 15-Jährige 2
DMS-IV erstmalig die 15-Jährigen untersucht. Bei der DAJ-Studie zeigte
sich, dass diese Altersgruppe zwischen 31,1% (Mecklenburg-Vorpom-
mern) und 55,7% (Baden-Württemberg) naturgesunde Gebisse aufwie-
sen. Bundesweit zeigt sich bei den 15-Jährigen eine niedrige Kariesprä-
valenz mit einem durchschnittlichen DMF-T-Wert von 1,8 (alte Bundes-
länder 1,7, neue Bundesländer 2,2). Zusätzlich wurden im Mittel 2,1
Zähne mit demineralisierten oder kariösen Schmelzarealen gefunden.
Der SiC-Index ergab einen Wert von 4,7 DMFT. Dabei zeigte sich auch,
dass innerhalb dieses Drittels der 15-Jährigen mit den höchsten DMF-
Befunden deutliche Zusammenhänge zur sozialen Schichtzugehörigkeit
und zu Verhaltensparametern bestehen. Der Sanierungsgrad beträgt bei
den 15-Jährigen 79,8%. Auch in dieser Altersgruppe besteht insgesamt
eine starke Polarisierung der Karies. So weisen 26,8% der Jugendlichen
79,2% aller DMF-Zähne ihrer Population auf.
In der Tabelle 2.6 sind die DMF-T-Werte für die Altersgruppe der 35- 35- bis 44-Jährige
bis 44-Jährigen dargestellt. Es handelt sich dabei um Werte aus repräsen-
tativen Studien des IDZ aus den Jahren 1989, 1991, 1997 und 2005. Es
wird ersichtlich, dass der bei den Kindern und Jugendlichen konsta-
tierte Kariesrückgang auch bei den Erwachsenen (allerdings in geringe-
rem Maße) festzustellen ist. So beträgt der DMF-T-Wert für alle unter-
suchten zusammen 14,5. Insbesondere ist die Anzahl kariesbedingt ex-
trahierter Zähne von 3,9 auf nunmehr 2,4 zurückgegangen. Auch der
DMF-S-Wert verringerte sich von 54,7 im Jahre 1997 auf einen Wert von
38,2. Das entspricht einer Reduktion von 30%. 0,7% der 35- bis 44-Jäh-
rigen haben ein naturgesundes Gebiss (DMFT = 0). 49% der untersuch-
ten Erwachsenen weisen 64,9% aller DMF-Zähne auf. Es besteht somit
eine mäßige Polarisierung des Kariesbefalls. Das ändert sich jedoch,
wenn man nur den Anteil sanierungsbedürftiger Zähne (DT-Kompo-
nente) herausgreift. Sämtliche sanierungsbedürftigen kariösen Defekte
sind bei 24,2% der Erwachsenen anzutreffen. Mit durchschnittlich
95,6% ist ein hoher Sanierungsgrad bei den Erwachsenen festzustellen.
Die durchschnittliche Anzahl der Zähne mit Initial- oder Schmelzkaries
beträgt 2,3 Zähne. Damit ergibt sich wie bei Jugendlichen ein hoher Prä-
Tab. 2.6: DMF-T-Werte sowie Anteile naturgesunder Gebisse (%) bei 35- bis
44-Jährigen aus den Jahren 1989 (IDZ West), 1992 (IDZ Ost), 1997 (IDZ West
und Ost) und 2005 (IDZ West und Ost) (nach Micheelis und Schiffner 2006)
Studie IDZ (W) IDZ (O) IDZ (W) IDZ (O) IDZ (W) IDZ (O)
Jahr 1989 1992 1997 1997 2005 2005
DMF-T 16,7 13,4 16,1 16,0 14,4 15,0
Naturgesunde Gebisse 0,9 0,0 1,0 0,0 0,7 0,7
50 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
0 20 40 60 80 100
RDF-Wert (%)
Probleme ergeben sich jedoch auch bei Berücksichtigung dieser Prämis- Erhebungs-
sen. So lässt sich bei reinen Prävalenzstudien nicht immer feststellen, ob problematik
eine gefüllte Wurzelfläche vorher kariös war oder ob eine Erosion bzw.
Zahnbürstenabrasion der Grund für eine Restauration war. Hier liefern
ausschließlich Inzidenzstudien verlässliche Daten. Ein international an-
erkannter Index, der die Anzahl vorhandener freier Wurzeloberflächen
52 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
50 59
60 64
0 5 10 15 20 25
RCI-Wert (%)
Der RCI drückt also das Verhältnis von erkrankten und sanierten
Wurzeloberflächen zur Anzahl freiliegender Flächen als Prozent-
wert aus.
Es gibt eine Reihe von Untersuchungen zur Prävalenz der Wurzelkaries. Studien-
Diese Untersuchungen wurden jedoch bei definierten kleinen Gruppen ergebnisse
durchgeführt, sodass die Ergebnisse sich nur bedingt auf die Gesamtbe-
völkerung eines Landes übertragen lassen. Mit der dritten und vierten
deutschen Mundgesundheitsstudie des IDZ liegen repräsentative Daten
zum Wurzelkariesbefall bei Erwachsenen und Senioren vor (Tab. 2.7).
Der RCI-Wert der untersuchten 35- bis 44-Jährigen betrug 2005
8,8%. Die Prävalenz der Wurzelkaries hat sich von 1997 bis zum Jahr
2005 (DMS-IV) etwa verdoppelt, sodass 21,5% der Untersuchten min-
destens eine kariöse oder gefüllte Wurzeloberfläche aufwiesen. Dies
steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der reduzierten Anzahl ex-
trahierter Zähne in dieser Altersgruppe, da auf diese Weise mehr Zähne
mit Wurzelkaries in der Mundhöhle verbleiben. In den alten Bundeslän-
dern weisen 19,9% der Erwachsenen Wurzelkaries auf, in den neuen
Bundesländern 28,9%. Für die Wurzelkariesprävalenz besteht eine deut-
liche Abhängigkeit von der sozialen Schichtzugehörigkeit, die im Jahr
2005 stärker ausgeprägt war als in 1997. Im Gegensatz zum stark gestie-
genen Anteil der von Wurzelkaries betroffenen Personen ist der durch
den RCI ausgedrückte Anteil freiliegender Wurzeloberflächen mit ver-
sorgter oder nicht versorgter Wurzelkaries praktisch unverändert geblie-
ben. Während in 1997 dieser Wert 9,9% betrug, liegt er nunmehr bei
8,8%.
Tab. 2.7: RCI-Werte bei Erwachsenen (a: 35–44 Jahre) und Senioren (b: 65–74
Jahre) (nach Micheelis und Schiffner 2006)
Gesamt Deutschland Geschlecht
Ost West Männlich Weiblich
a) n = 580 n = 115 n = 465 n = 305 n = 275
8,8% 11,2% 8,2% 10,2% 7,2%
b) n = 712 n = 155 n = 557 n = 351 n = 361
17% 15,2% 17,5% 16,5% 17,4%
54 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Bei Senioren (65- bis 74-jährig) betrug der RCI-Wert 1997 12,6%. Bis
zum Jahre 2005 nahm er auf 17,0% zu. Auch die Wurzelkariesprävalenz
stieg insgesamt an. Fast jeder Zweite (45%) der 65- bis 74-jährigen Senio-
ren hat mindestens eine kariöse oder gefüllte Wurzelfläche. Dies stellt im
Vergleich zu 1997 eine Verdreifachung der Wurzelkariesprävalenz dar.
Tab. 2.8: Klassifizierung des Kariesbefalls bei 12-Jährigen durch die WHO (1984)
DMF-T Beurteilung
< 1,2 Sehr niedrig
1,2–2,6 Niedrig
2,7–4,4 Moderat
4,5–6,5 Hoch
> 6,5 Sehr hoch
2.1 Karies Kapitel 2 55
2.2 Erosion
Entstehungs- Die Säuren lösen die Zahnoberfläche durch Demineralisation auf. Ist die
mechanismen Säureeinwirkung kurz und selten, kann die Zahnoberfläche durch die
Mineralien des Speichels weitgehend natürlich remineralisiert werden,
und es entsteht kein bleibender Defekt. Bei längerer und/oder häufiger
Säureeinwirkung, vor allem durch starke Säuren, entstehen irreversible
2.2 Erosion Kapitel 2 57
Erziehung
Patienten
toren sei
Fak te A
llg
Ess-, Trinkgewohnheiten
säurehaltige
.
Ge
Nahrungsmittel
n
Zahnreinigung Reflux/Erbrechen
sun
alte
säurehaltige
dhe
Getränke
Verh
Medikamente Weichgewebe
Früchte
it
Jogurt
Speichel Essig Pellikel
Zeit
Zahn Zahn
Säuretyp (pK) Adhäsion
G ew
i ss e
pH Phosphat
o hn
ntn
n
he
Ke
Pufferung Fluorid
it e
n
Fa Kalzium e
kt o s e it
ren
Ern ähru ng s
Be s ch ä fti g un g
Abb. 2.19: Ursachenkomplex bei der Entstehung von Erosionen (nach Lussi 2005)
2.2 Erosion Kapitel 2 59
sind wichtige Faktoren, die das Ausmaß des erosiven Angriffs mitbe-
stimmen. So können saure Lösungen, die mit Kalzium und Phosphat
übersättigt sind, durchaus eine geringe oder keine erosive Wirkung auf-
weisen. Diese Erkenntnis führte dazu, dass verschiedene Fruchtsäfte mit 2
Kalzium und Phosphat angereichert werden und somit weniger erosiv
agieren.
Je höher die Pufferkapazität eines sauren Getränks oder eines Nah-
rungsmittels ist, desto länger dauert es, bis der Speichel oder die heraus-
gelösten Kalziumphosphationen die Säure neutralisiert haben. Insofern
ist es weniger der pH-Wert, als die Pufferkapazität eines Nahrungsmit-
tels, der für seine Erosivität verantwortlich ist.
Speziell bei Menschen, die sich „gesund“ ernähren wollen und
gleichzeitig eine exzessive Mundhygiene bei falscher Putztechnik be-
treiben, werden Zahnhartsubstanzdefekte beobachtet, die primär auf
Erosionen zurückzuführen sind. Diese sind dann aber durch die Zahn-
putzabrasion überlagert und weisen mehr die Charakteristika eines keil-
förmigen Defekts auf (Abb. 2.20).
Aber auch häufiges Erbrechen des sauren Mageninhaltes, z.B. bei
Refluxerkrankungen, Essstörungen (Bulimie), Schwangerschaft und Al-
koholismus, führt zu erosiven Veränderungen der Zahnhartsubstanzen.
Die Adhärenz einer Säure bzw. eines Chelatbildners auf der Zunge oder
an den Schleimhäuten kann eine lang andauernde erosive Wirkung auf
die Glattflächen der Zähne zur Folge haben.
Es gibt biologische Faktoren, die den erosiven Prozess beeinflussen Bedeutung des
können. Hier sind der Speichel, die chemische Zusammensetzung der Speichels
Zahnhartsubstanzen, die Zahnstruktur, die Anatomie des Zahnes und
die anatomischen Gegebenheiten der Mundhöhle ausschlaggebend.
a b c
Abb. 2.20: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Morphologie von erosiven Schmelzdefekten (a),
keilförmigen Defekten (b) und initialen kariösen Läsionen im Zahnhalsbereich (c) (nach Binus et al. 1987)
60 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Lokalisationen Das Auftreten von Erosionen ist unabhängig vom Alter und Geschlecht
der Patienten. Die Läsionen können jedoch in Abhängigkeit von der Ur-
sache unterschiedlich lokalisiert sein. So sind Erosionen bei Patienten
mit häufigem Erbrechen primär an den Palatinalflächen der Oberkiefer-
frontzähne lokalisiert. Später findet man sie auch auf den Okklusalflä-
chen der Seitenzähne.
Nach dem exzessiven Genuss säurehaltiger Nahrungsmittel werden
generalisierte Erosionen diagnostiziert. Besonders betroffen sind häufig
die Bukkalflächen und im Oberkiefer die Labial- und Palatinalflächen.
Bei beruflicher Exposition kommt es meistens zu erosiven Verände-
rungen an den Labialflächen der Frontzähne. Erosionen beginnen bei
Patienten mit keiner oder geringgradiger Gingivaretraktion auf den
Glattflächen oberhalb des Zervikalbereichs der Zähne.
Die Abrasion durch das Zähnebürsten wird durch den Anpressdruck der
Bürste, die Bürstbewegung und die verwendete Zahnpasta beeinflusst.
Dabei spielen die Härte und die chemische Zusammensetzung sowie das
strukturelle Gefüge der Zahnhartsubstanz eine Rolle. Die Abrasivität ei-
ner Zahnpasta wiederum hängt von der Form, Größe und Härte der in
der Zahnpasta vorhandenen Abrasivstoffe ab.
Zahnhartsubstanzverlust
durch Abnutzung
Attrition Abrasion
(direkter Kontakt (Abnutzung
antagonistischer bzw. durch Fremdstoffe)
benachbarter Zahnflächen) Demastikation
physiologisch (Nahrungsmittel)
(Schlucken, Sprechen u.a.) andere Stoffe
pathologisch (Staub, Zahnpasta u.a.)
(Knirschen, Pressen)
2.3.2 Attrition
2.3.3 Abrasion
Tab. 2.9: Modifizierter „Tooth Wear Index“ (TWI) (nach Donachin und Walls
1996)
Zahnfläche
Kategorie Bukkal, lingual und Inzisal Zervikal (Wurzel-
okklusal (Zahnkrone) oberfläche)
0 Kein Verlust der typi- Kein Verlust der typi- Keine Veränderung
schen Charakteris- schen Charakteristika der Zahnkontur
tika der Schmelz- der Schmelzoberfläche
oberfläche
1 Verlust der typischen Verlust der typischen Minimaler Verlust
Charakteristika der Charakteristika der der Zahnkontur
Schmelzoberfläche Schmelzoberfläche
2 Verlust des Zahn- Verlust von Zahn- Defekt mit einer
schmelzes mit Den- schmelz, dabei Dentin- Tiefe < 1 mm
tinexposition von exposition
weniger als 1/3 der
Oberfläche
3 Verlust des Zahn- Verlust von Zahn- Defekt mit einer
schmelzes mit Den- schmelz und starker Tiefe von 1–2 mm
tinexposition von Dentinverlust ohne Ex-
mehr als 1/3 der position von Sekundär-
Oberfläche dentin oder Pulpa
4 Kompletter Verlust Verlust von Zahn- Defekt 2–3 mm
des Schmelzes oder schmelz und starker tief oder Exposi-
Freilegung von Se- Dentinverlust mit Expo- tion von Sekundär-
kundärdentin sition von Sekundär- dentin
dentin
5 Kompletter Verlust Verlust von Zahn- Defekt > 3 mm tief
von Zahnschmelz schmelz und starker oder Pulpaexposi-
und Pulpaexposition Dentinverlust mit Pul- tion
paexposition
2.4 Odontogene Resorptionen Kapitel 2 65
Dabei spielt es keine Rolle, ob die betroffenen Zähne vital oder devital
sind. Es können alle Zahnhartsubstanzen betroffen sein. Bei den patho-
logischen Resorptionsvorgängen unterscheidet man externe von inter-
nen Wurzelresorptionen (Abb. 2.22).
a b c
Abb. 2.22: Schematische Darstellung der verschiedenen Formen externer odontogener Resorptionen:
a) oberflächliche, flache externe Resorption mit deutlich erkennbarem Desmodontalspalt, b) tiefe externe
Substitutionsresorption mit Ankylose, c) entzündlich bedingte, schüsselförmige externe Resorption
66 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Die interne (innere) Resorption wird auch internes Granulom (Pulpi- Interne Wurzel-
tis chronica granulomatosa clausa) genannt. Sie geht vom Pulpagewebe resorption
des nicht eröffneten Pulpenkavums bzw. Wurzelkanals aus (s. Kap.
10.4).
Die Milchzahnresorption ist genetisch determinert. Es ist jedoch Milchzahn-
bisher nicht geklärt, welche Vorgänge Wachstum und Durchbruch der resorption
Ersatzzähne einleiten und steuern. Die Milchzahnresorption findet pri-
mär in Bereichen statt, die den Zahnkronen des bleibenden Keims am
nächsten liegen (Eckzähne – Wurzelspitze, Inzisivi – orale Seite des api-
kalen Wurzeldrittels, Milchmolaren – interradikulärer Raum). Die Kno-
chenschicht zwischen Milchzahnwurzel und Zahnkeim wird abgebaut.
Durch dentoklastische Tätigkeit kommt es zur lakunären Resorption.
Aber auch lineare Resorption kommt gleichzeitig vor. Die Resorption
der Milchzähne verläuft nicht kontinuierlich, sondern schubweise. In
den Ruheperioden kommt es zu reparativen Vorgängen in Form von la-
mellenförmigen Zementauflagerungen. Die Milchzahnpulpa ist an den
resorptiven Vorgängen nicht beteiligt.
68 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Schmelzhypoplasien
Ursachen Werden während der Schmelzentwicklung Ameloblasten beschädigt
oder in ihrer metabolischen Aktivität gestört, so resultieren in der Regel
irreversible Schmelzdefekte. Hierbei müssen allgemeine Störungen des
Mineralstoffwechsels (meistens Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel) von
lokalen Traumata (physikalisch, infektiös) unterschieden werden.
Allgemeine Störungen des Mineralstoffwechsels können durch
Magen-Darm-Infektionen mit nachfolgenden Resorptionsstörungen
(z.B. Salmonelleninfektion), allgemeine Infektionserkrankungen (z.B.
Röteln, Lues), Stoffwechselstörungen (z.B. Hypovitaminosen A, C, und
D), hormonelle Störungen (z.B. Hypoparathyreoidismus, mütterliche
Diabetes) und andere schwerwiegende Allgemeinerkrankungen (z.B.
Erythroblastom mit Kernikterus, Nephrosen, Down-Syndrom, Gluten-
zöliakie) verursacht werden. Auch durch die Einwirkung von Pharmaka
(z.B. Tetrazyklin, Fluorid) können Schmelzhypoplasien entstehen. Un-
ter dem Begriff Schmelzhypoplasien werden zahlreiche verschiedene
Veränderungen der Zahnhartsubstanzen zusammengefasst.
Klinik Klinisch erkennt man weiße oder gelblich-braun verfärbte Flecken,
oft in Verbindung mit Opazitäts- und Formveränderungen der Zähne.
Fleckige Veränderungen sind meistens ein Kennzeichen für Störungen
während der Schmelzreifung.
Formdefekte Treten Formdefekte auf, so ist häufig eine Störung der Schmelzbil-
dung die Ursache. Langfristig einwirkende Noxen haben große, flächen-
förmige Defekte zur Folge, kurzfristige Einflüsse bewirken eher horizon-
tale Furchen, Bänder oder Rillen.
Schmelzflecken Schmelzflecken (Opazitätsveränderungen) wurden früher mit ei-
nem Index erfasst, der alle Hypoplasien unabhängig von der Entste-
hungsursache aufsummierte. Heute versucht man zwischen Schmelzfle-
cken, die durch Fluorideinwirkung entstanden sind, und Hypoplasien,
die andere Ursachen haben, zu unterscheiden. Tatsächlich lassen sich je-
doch idiopathische Schmelzhypoplasien, deren Ursache nicht geklärt ist,
klinisch nur schwer von fluoridinduzierten oder durch Allgemeinerkran-
kungen hervorgerufenen Schmelzopazitäten abgrenzen. Einziges klini-
sches Unterscheidungskriterium ist die Lokalisation. So findet man idio-
pathische Schmelzhypoplasien (unterschiedlich große, weiß-opake, flä-
chenförmige Schmelzveränderungen) oft nur auf Einzelzähne begrenzt.
2.5 Entwicklungsstörungen der Zähne Kapitel 2 69
4
Kontrolle
3
Kontrolle
2
und Verlust von Zahnschmelz („pitting“) wie sie bei schweren fluoroti-
schen Schmelzveränderungen zu diagnostizieren sind, entstehen erst
sekundär posteruptiv durch mechanische Belastung in der Mundhöhle.
Im Milchgebiss sind fluorotisch bedingte Schmelzhypoplasien sel-
tener zu finden als im bleibenden Gebiss. Die Schmelzveränderungen
sind in der Mundhöhle verschieden verteilt. Sie nehmen von anterior
nach posterior zu und sind im Unterkiefer bukkal häufiger zu finden als
lingual. Bei leichter chronischer Fluoridüberdosierung mit geringfügi-
gen fluorotischen Schmelzveränderungen ist die Verteilung etwas an-
ders. Hier sind die mittleren Schneidezähne und die ersten Molaren we-
niger betroffen als die Prämolaren und zweiten Molaren. Es scheint so,
als ob die Zähne, die zuerst mineralisiert werden, weniger fluorotische
Veränderungen aufweisen.
Klinisch sind fluorotische Schmelzveränderungen nicht mit isolier-
ten oder idiopathischen Hypoplasien zu verwechseln, da sie sym-
metrisch auftreten und bestimmte Charakteristika aufweisen. Früher
wurden alle Schmelzflecken unter dem Begriff „mottling“ subsumiert,
sodass auf der Grundlage der so entwickelten Indizes der Anteil fluoro-
tischer Schmelzveränderungen falsch diagnostiziert wurde.
1938 wurde von Dean et al. ein Fluorose-Index entwickelt und 1942 Fluorose-Index
leicht modifiziert. Er zählte noch alle Schmelzopazitäten mit. Dieser In-
dex fängt in seiner Bewertung jedoch erst beim Auftreten kosmetisch
störender Schmelzopazitäten an. Er umfasst nicht die initialen, sehr
leichten Fluoroseerscheinungen. Der Fluorose-Index nach Dean (eigent-
lich Mottling-Index) findet heute noch häufig Verwendung, da er leicht
zu handhaben ist und bei epidemiologischen Studien auf adäquate Be-
leuchtung und extreme Trocknung der Zahnoberfläche verzichtet. Auf-
72 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Grad 5: Die gesamt Oberfläche ist opak. Man erkennt kleine, runde
Schmelzverluste (focal pits) mit einem Durchmesser von
weniger als 2 mm.
Abb. 2.25: Einteilung der Zahnfluorose nach unterschiedlichen Schweregraden entsprechend dem TF-Index
(nach Thylstrup und Fejerskov 1978)
74 2 Ätiologie, Histologie und Epidemiologie der Karies und anderer Zahnhartsubstanzdefekte
Dentinhypoplasien
Gemeinsam mit den Schmelzhypoplasien treten oft auch Dentinhypo-
plasien auf. Sie haben die gleichen Ursachen und äußern sich in einer
Akzentuierung der Owen-Linien, gehäuftem Auftreten von Interglobu-
lardentin und unregelmäßigem Verlauf der Dentinkanälchen. Sie tre-
ten klinisch nicht in Erscheinung, sondern sind erst im histologischen
Schnittbild zu erkennen.
Paraplasien
3.1 Basisuntersuchung
Während des Gesprächs soll sich der Zahnarzt einen Eindruck über die
Einstellung des Patienten zur zahnärztlichen Behandlung machen und
möglichst auch dessen psychischen Status einschätzen. Das Ergebnis ei-
nes ärztlichen Gesprächs ist vom Einfühlungsvermögen und vom Ge-
schick des Untersuchers ebenso abhängig wie von der Einstellung des
Patienten, dessen Intelligenz und Kooperationsbereitschaft (Compli-
ance). Durch das Gespräch soll ein Vertrauensverhältnis zwischen
Zahnarzt und Patient begründet werden, das eine nicht zu unterschät-
zende Grundlage für den Erfolg der zahnärztlichen Therapie darstellt.
sein, dass Patienten subjektive Eindrücke schildern, die auch bei glei-
cher Erkrankung individuell sehr unterschiedlich sein können und da-
her nicht allein zur Absicherung einer Diagnose ausreichen. So können
Schmerzen übertragen (z.B. vom Oberkiefer auf den Unterkiefer) oder
projiziert werden (Schmerzempfindung wird in einem anderen Bereich
des Versorgungsgebietes eines Nervs verspürt als am Entstehungsort).
Bei ausstrahlenden Schmerzen lässt sich der Entstehungsort oft nicht lo-
kalisieren. Auch mit zunehmender Schmerzintensität nimmt die Loka-
lisierbarkeit ab. Zahnschmerzen können zudem desmodontalen oder
pulpalen Ursprungs sein. Auch hier ist oft subjektiv keine sichere Tren-
nung möglich.
Die Frage nach Beginn und Dauer von Zahnschmerzen lässt eine
grobe Unterteilung in akutes und chronisches Geschehen zu. Ein länger
bestehender Schmerz mit geringer Intensität weist auf chronische Er-
krankungen, ein starker kurzer Schmerz auf akute Erkrankungen hin.
Pochende Schmerzen weisen oft auf akutes purulentes Entzün-
dungsgeschehen hin, dabei lindert Kälte den Schmerz manchmal (zur
Schmerzqualität als diagnostischem Hilfsmittel, s. Teil II Endodontolo-
gie). Dauerschmerzen sind eher Anzeichen einer serösen Entzündung
der Pulpa, dumpfe Schmerzen und Aufbissempfindlichkeit deuten auf
eine desmodontale Problematik hin. Entlastungsschmerz tritt oft bei
Zahninfraktionen auf.
Sonstiges:
Wie beschreiben Sie – unabhängig von Ihren Zähnen – Ihren allgemeinen Gesundheitszustand?
첸 sehr gut 첸 gut 첸 zufrieden stellend 첸 weniger gut 첸 schlecht
Waren Sie vor kurzem oder stehen Sie zurzeit noch in ärztlicher Behandlung/Kontrolle?
첸 ja 첸 nein 첸 unbekannt
Wenn ja: welche Fachrichtung(en)? (bei vielen Ärzten: bitte Auflistung auf gesondertem Blatt)
Sonstige Bemerkungen
3.1.3 Präventionsanamnese
Diese Schwierigkeit kann z.T. dadurch bewältigt werden, dass die Be-
funde zweier Kieferhälften miteinander verglichen werden. Pathologi-
sche Befunde treten bis auf wenige Ausnahmefälle (z.B. fluorotische
Schmelzhypoplasien) einseitig auf. Werden bei einem Patienten keine
pathologischen Veränderungen festgestellt, so ist diese Tatsache auch
als Befund zu dokumentieren (o.B. = ohne Besonderheiten, kein patho-
logischer Befund).
I. Mundhygiene
Wie oft reinigen Sie Ihre Zähne? 첸 weniger als 1 x täglich 첸 1–2 x täglich 첸 mehr als 2 x täglich
Wie lange dauert der längste Putzvorgang? 첸 weniger als 1 Minute 첸 1–2 Minuten 첸 über 2 Minuten
Spülen Sie nach dem Zähneputzen Ihren Mund mit Wasser? 첸 ja 첸 nein
Welche Zahnbürste verwenden Sie? 첸 Handzahnbürste 첸 Elektrische Zahnbürste 3
Welche Bürstbewegungen bevorzugen Sie? 첸 eher schrubbend 첸 eher kreisend 첸 sonstige
Wie oft tauschen Sie jährlich Ihre Zahnbürste aus? Wann haben Sie zuletzt Ihre Zahnbürste ausgetauscht?
Welche Zahnpaste verwenden Sie? Enthält sie Fluorid? 첸 ja 첸 nein 첸 nicht bekannt
Blutet es beim Zähneputzen? 첸 ja, immer 첸 ja, gelegentlich 첸 nie oder sehr selten
Besteht – selbst oder von anderer Seite
bemerkter – Mundgeruch? 첸 ja, häufig 첸 ja, gelegentlich 첸 nie oder sehr selten
Verwenden Sie weitere Hilfsmittel zur Mundhygiene? 첸 ja, täglich 첸 ja, gelegentlich 첸 nie oder sehr selten
Wenn ja, welche? 첸 Zahnseide 첸 Interdentalraumbürste 첸 Sonstige
Ist die Handhabung problematisch? 첸 ja 첸 nein Wenn ja: 첸 mit Zahnseide 첸 mit Interdentalraumbürste
Bei Prothesenträgern: Spezialmittel zur Prothesenreinigung
II. Fluoridangebot
Verwenden Sie spezielle Fluorid-Präparate? 첸 ja 첸 nein 첸 wenn ja: welche?
Verwenden Sie regelmäßig Mundspüllösungen/Mundwässer? 첸 ja 첸 nein 첸 wenn ja: welche?
Trinken Sie häufig Schwarztee? 첸 ja 첸 nein
Trinken Sie häufig fluoridhaltige Mineralwässer? 첸 ja 첸 nein 첸 nicht bekannt
Nehmen Sie mit fluoridiertem Kochsalz zubereitete Speisen zu sich? 첸 ja 첸 nein 첸 nicht bekannt
Sonstige Bemerkungen zum Fluoridangebot
III. Ernährung
Wie häufig essen Sie über den Tag verteilt zuckerhaltige Produkte? 첸 1 x oder seltener 첸 2–5 x
첸 6–10 x 첸 über 10 x
Wie häufig trinken Sie über den Tag verteilt zuckerhaltige Getränke? 첸 1 x oder seltener 첸 2–5 x
첸 6–10 x 첸 über 10 x
Essen oder trinken Sie sehr häufig über den Tag verteilt Obst oder Jogurt-Produkte? 첸 ja 첸 nein
Bevorzugen Sie überwiegend sog. Vollwert-Kost? 첸 ja 첸 nein
Sind Sie Vegetarier? 첸 ja 첸 nein
Bestehen überempfindliche Zahnhälse? 첸 ja 첸 nein
Kauen Sie Kaugummis? 첸 nie 첸 gelegentlich 첸 täglich 1–3 x 첸 täglich mehr als 3 x
Leiden Sie unter häufigem Erbrechen? 첸 ja 첸 nein
Besteht eine Ess-Störung (Bulimie, Anorexia nervosa)? 첸 ja 첸 nein
Sonstige Angaben zu besonderen Ernährungsgewohnheiten:
IV. Rauchen
Rauchen Sie zurzeit? 첸 ja 첸 nein Wenn ja: Wie viele Zigaretten/Zigarren rauchen Sie pro Tag?
Rauchten Sie früher? 첸 ja 첸 nein Wenn ja: von bis wie viele Zigaretten/Zigarren pro Tag?
V. Allgemeines
Familienstand:
Schul-/Berufsabschluss: 첸 Kein Schulabschluss 첸 Hauptschule 첸 Mittlere Reife
첸 Abitur 첸 abgeschlossenes Studium
Erlernter Beruf Derzeit ausgeübter Beruf 첸 Derzeit nicht berufstätig
Bei erneutem Ausfüllen des Bogens: Hat sich Ihre Anschrift/Telefon-/Handy-Nummer geändert?
Wenn ja, bitte eintragen
86 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
Inspektion und Bei der orientierenden Untersuchung der Mundhöhle gewinnt der
Palpation Zahnarzt durch Inspektion und Palpation der Mundschleimhäute, des
Mundbodens und des Rachenraums Informationen über Verletzun-
gen, Schwellungen, Blutungen, Erhebungen, Entzündungszeichen,
Farbveränderungen, Erosionen, Ulzerationen, Beläge, Oberflächenver-
änderungen usw. Die intraorale Palpation umfasst auch die knöchernen
Strukturen sowie die Weichgewebe der Wange, Zunge (Zungengröße,
-motorik, -veränderungen) und des Mundbodens.
Tab. 3.2: Bestandteile der erweiterten Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen, zur kon-
servierend- und prothetisch-restaurativen Versorgung sowie zum Zustand des Endodonts nach ei-
nem Konzept von DGZMK, KZBV und BZÄK im Rahmen der Neubeschreibung einer präventionsori-
entierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Zahnstatus) (nach Hellwig, Lauer und Staehle). Be-
fundbezogene Maßnahmen sind farbig unterlegt.
In der Regel zu Methoden Ergänzende Maßnah- Erläuterungen
erbringende men und Methoden
Maßnahmen (fakultativ)
1. Weiterfüh- Unstruktu- Aufzeichnung durch Detaillierte Erfassung des Anliegens des Patienten
rendes riertes oder Medien wie z.B. Ton- unter Berücksichtigung seiner psychosozialen Le-
ärztliches strukturier- band/Video für wei- benssituation; Einschätzung seiner Compliance, sei-
Gespräch tes Inter- terführende diagnos- nes Gesundheitsbewusstseins und seiner Erwar-
view tische Auswertungen tungshaltung
2. Weiterfüh- Unstruktu- Verwendung von Soziale Anamnese
rende all- riertes oder fachspezifischen Anmerkung: z.B. Angaben über Ausbildung, Berufs-
gemeine strukturier- Frage- und Testbögen, tätigkeit, frühere oder geplante Wohnortwechsel,
und spe- tes Inter- Aufzeichnung durch besondere berufliche Expositionen/Lebensbedin-
zielle view Medien wie z.B. Ton- gungen
Anamnese band/Video für wei- Familienanamnese
terführende diagnos- Anmerkung: z.B. Angaben über familiäre Risikofak-
tische Auswertungen toren für besondere Erkrankungen im Zahn-, Mund-
und Kieferbereich
• Bei Kindern: soziales Umfeld, familiäre Betreu-
ungssituation
Allgemeine Anamnese
Anmerkung: z.B. Angaben über allgemeinmedizini-
sche Erkrankungen und Besonderheiten (einschl.
Konzentrationsvermögen, manuelle Geschicklich-
keit, Sehfähigkeit)
• Bei Kindern: z.B. Angaben des Körpergewichts
Auf der Basis des weiterführenden ärztlichen Ge-
sprächs und der weiterführenden allgemeinen
Anamnese ist – ggf. unter Einbeziehung von Testbö-
gen – auch eine Erhebung des psychischen Befun-
des bzw. ein psychosomatisches Screening möglich
3.2 Erweiterte Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen Kapitel 3 89
Sondierung
92 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
18 17 16 15/ 55 14/ 54 13/ 53 12/ 52 11/ 51 21/ 61 22/ 62 23/ 63 24/ 64 25/ 65 26 27 28
Restaurationsart 3
R 8 7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 8 L
48 47 46 45/ 85 44/ 84 43/ 83 42/ 82 41/ 81 31/ 71 32/ 72 33/ 73 34/ 74 35/ 75 36 37 38
Bissflügel-Röntgenaufnahme:
Speichel verändert
d 17 m d 16 m d 15 m d 14 m m 24 d m 25 d m 26 d m 27 d klinisch
d 47 m d 416 m d 45 m d 44 m m 34 d m 35 d m 36 d m 37 d subjektiv
ja nein
Abb. 3.1: Standardisierter zahnärztlicher Befundbogen im Rahmen der Kariestherapie. In den Zahnstatus
werden folgende Befunde (bzw. Verdachtsdiagnosen) eingetragen:
D Karies und Zahnhartsubstanzdefekte, die invasiv behandelt werden müssen: rote Markierung der ent-
sprechenden Zahnflächen
D Vorhandene Füllungen: blaue Markierung der entsprechenden Zahnflächen
D Erneuerungsbedürftige Füllungen (z.B. Sekundärkaries, Kariesrezidiv, Randspalt, Füllungsfraktur usw.):
rote Umrandung der blau markierten Flächen
D Initialkaries: grün
D Krone: K, Brückenglied: B
D Erneuerungsbedürftige Krone: mit roter Markierung
D Zu extrahierender Zahn: X
D Fehlender Zahn: ≡
D Restaurationsart: C = Komposit, A = Amalgam, G = Gold, K = Keramik, P = Provisorium, Aufbaufüllung,
AV = andere Versorgung, Fiss = Fissurenversiegelung
D Zahn im Durchbruch: i.D.
Die Befunde der Bissflügel-Röntgenaufnahmen werden entsprechend in das dafür vorgesehene Schema
eingetragen. Alle Röntgenbefunde, die eine invasive Behandlung erfordern, werden anschließend in den
Zahnstatus übertragen (rote Markierung). Die Graduierung der Kariesausdehnung D1–D4 ist in Kapitel 3.2.1
„Kariesdiagnose“ und in Abbildung 3.3 erklärt. Rein präventiv zu behandelnde Karies kann gesondert ein-
getragen werden. Weitere Zahnhartsubstanzdefekte (Erosionen, keilförmige Defekte usw.) sind ebenfalls
gesondert aufzuzeichnen. In die Zeile Erosion/Abrasion können dann die Lokalisation (v = vestibulär, o =
okklusal, p = palatinal, l = lingual) und der Schweregrad eingetragen werden.
94 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
Präventive Zur Untersuchung müssen die Zähne sauber sein, d.h. störende
Initialbetreuung Plaque und Zahnstein werden vor der eingehenden Untersuchung ent-
fernt (präventive Initialbetreuung). Die Zähne werden mit Watterol-
len trocken gelegt und mit einem Luftbläser getrocknet.
Klinische - Die klinische Untersuchung der Zähne erfolgt systematisch mit Spie-
Untersuchung gel, Sonde, Parodontalsonde und Zahnseide. Man beginnt i.d.R. mit dem
letzten Zahn im ersten Quadranten (von 18 nach 11), untersucht dann
den zweiten Quadranten (von 21 nach 28), fährt mit dem dritten Qua-
dranten fort (von 38 nach 31) und beendet die Untersuchung mit dem
vierten Quadranten (von 41 nach 48). Es ist dabei auf eine ausreichende
Ausleuchtung der Mundhöhle und eine adäquate Position des Behand-
lungsstuhls zu achten. Der Spiegel sollte vorher angewärmt werden, um
ein Anlaufen durch die Atemluft zu vermeiden. Während man allgemein
im medizinischen Bereich streng zwischen Befund und Diagnose trennt,
wird bei der klinischen Aufnahme des Zahnstatus vom erfahrenen Zahn-
mediziner oft die Diagnose gleich im Befundblatt vermerkt. So wird z.B.
bei einer Karies nicht der Befund „dunkle, erweichte Zahnhartsubstanz-
veränderung mit eingebrochener Oberfläche“ notiert, sondern die Diag-
nose „manifeste, behandlungsbedürftige Karies“ aufgezeichnet.
3.2.1 Kariesdiagnose
Das Haken einer Sonde in einer Fissur ist zudem kein Hinweis auf das
Vorhandensein einer Karies, sondern spiegelt in erster Linie die Fissu-
renmorphologie wider. Eine spitze Sonde findet nach wie vor Verwen-
dung zur Überprüfung der Kariesfreiheit bei der Exkavation, bei der Son-
dierung von Restaurationsrändern (Verdacht auf Sekundärkaries) und
bei Sondierung im nicht einsehbaren Bereich (subgingival bei Verdacht
auf Wurzelkaries).
3
Während eine offene Kavität leicht mit dem Auge zu erkennen ist,
ist die Kariesdiagnose bei nicht eingebrochener Oberfläche schwierig.
Während dunkelbraun oder schwarz verfärbte Fissuren bei Kindern und
Jugendlichen nicht selten auf eine manifeste Dentinkaries hinweisen,
trifft dies für Erwachsene nicht zu. Breitflächig entkalkte Zonen am Fis-
sureneingang sind jedoch relativ oft mit einer Dentinkaries verbunden,
und Opazitäten am Fissurenfundus stellen ebenfalls einen guten Indika-
tor für Dentinkaries dar (Tab. 3.3).
Die Eignung eines entsprechenden Instrumentariums für die Diag- Vier-Felder-Tafel
nose wird üblicherweise anhand einer Vier-Felder-Tafel berechnet. Da-
bei werden die Sensitivität, Spezifität, der positive Vorhersagewert und
der negative Vorhersagewert berechnet.
Eine hohe Sensitivität bedeutet z.B., dass die Prognose behand-
lungsbedürftige Dentinkaries sich tatsächlich nach dem Aufziehen z.B.
einer Fissur auch verifizieren lässt. Eine hohe Spezifität liegt vor, wenn
man gesunde Flächen tatsächlich auch als gesund erkannt hat (Abb.
3.2). Anhand dieser statistischen Berechnungen lassen sich die verschie-
denen Methoden zur Kariesdiagnostik für die Fissuren beurteilen (s. Tab.
3.3). Wie man erkennen kann, lässt sich durch reine Inspektion (gleich-
gültig, ob mit Sonde oder mit Vergrößerungshilfe) eine Karies selten
richtig diagnostizieren. Eine Inspektion und die Zuhilfenahme von Biss-
flügelaufnahmen erhöhen die Diagnosesicherheit erheblich. Berück-
sichtigt man dann eine entsprechende Verfärbung bzw. Entkalkung in
der Fissur nach sorgfältiger Plaqueentfernung mit einer stumpfen Sonde
Tab. 3.3: Spezifität, Sensitivität und richtige Entscheidungen bei der Diag-
nose scheinbar intakter Okklusalflächen (nach Lussi et al.)
Spezifität Sensi- Richtige
tivität Diagnose
Inspektion 93% 12% 57%
Inspektion mit Vergrößerungshilfe 89% 20% 56%
Inspektion und Sonde 93% 14% 58%
Inspektion und Bitewing-Röntgenbilder 87% 49% 67%
Bitewing-Röntgenbilder 83% 45% 63%
Elektrischer Widerstand 77% 93% 83%
Deutliche Entkalkung der Fissuren 60% 71% 65%
Braune oder schwarze Verfärbung der Fissur 17% 68% 40%
96 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
Tab. 3.4: Graduierung bei der visuellen Kariesdiagnostik in der Fissur (nach
Ekstrand 2004)
Grad Klinischer Befund Histologischer Infektionsgrad
Befund der Schmelz-
Dentin-Grenze
0 Keine oder geringfügige Verän- Keine oder sehr Keine Infektion
derung der Schmelztransluzenz oberflächliche De-
nach intensiver Trocknung mineralisation
(> 5 s) mit dem Luftbläser
1 Opazität oder kaum sichtbare Schmelzdeminerali- Keine Infektion
Verfärbung, die nach Trock- sation begrenzt auf
nung deutlich hervortritt die äußere
1a Weiße Verfärbung = Hinweis Schmelzhälfte
auf aktive Läsion
1b Braune Verfärbung = Hinweis
auf arretierte Läsion
2 Opazität bzw. Verfärbung ohne Demineralisation, Leichte Infektion
Trocknung deutlich sichtbar die 50% des
2a Weiße Verfärbung = Hinweis Schmelzes und bis
auf aktive Läsion zu 1/3 des Dentins
betreffen kann
2b Braune Verfärbung = Hinweis
auf arretierte Läsion
3 Lokalisierter Schmelzeinbruch Demineralisation, Moderate Infek-
im opak veränderten oder ver- die das mittlere tion
färbten Schmelz und/oder Dentindrittel einbe-
graue Verfärbung ausgehend zieht
vom darunter liegenden Dentin
4 Kavitätenbildung im opaken Demineralisation, Starke Infektion
oder verfärbten Schmelz, dabei die das innere Den-
Dentinfreilegung tindrittel einbezieht
Kariesrezidiv Sekundärkaries D3
Alveolar-
knochen
Pulpa
Dentin
Zahnschmelz
Füllung
D2 überstehender D4 D1 D2
a Füllungsrand
Burn-out-Effekt D1
D1 D2 Karies- Unter-
b rezidiv füllung
Abb. 3.3: Bissflügel-Röntgenaufnahmen werden im Rahmen der Kariestherapie angefertigt, um den Zahn-
zustand im nicht einsehbaren Approximalraum zu untersuchen. Dabei wird die Ausdehnung der Approxi-
malkaries wie folgt beurteilt:
D D0 = keine approximale Karies zu erkennen (es kann jedoch histologisch durchaus eine frühe initiale Lä-
sion vorliegen)
D D1 = Radioluzenz in der äußeren Schmelzhälfte (entspricht histologisch initialer kariöser Läsion)
D D2 = Radioluzenz bis zur inneren Schmelzhälfte (entspricht histologisch fortgeschrittener, initialer Lä-
sion, Schmelzoberfläche kann noch „intakt“ sein)
D D3 = Radioluzenz bis zur äußeren Dentinhälfte
D D4 = Radioluzenz bis zur inneren Dentinhälfte (entspricht histologisch einer Caries profunda)
D0
3
D1
Abb. 3.5: Bestimmung der Ausdehnung einer kariösen Schmelzläsion im histologischen Bild, anhand einer
Mikroradiographie eines Zahndünnschliffs und mit einer Bissflügel-Röntgenaufnahme. In der Bissflügel-
Röntgenaufnahme wird die tatsächliche Ausdehnung grundsätzlich unterschätzt.
Während die Farbe einer solchen Läsion (gelb, hellbraun bzw. dun-
kelbraun) wenig darüber aussagt, ob die Karies aktiv oder inaktiv ist,
ist die Bewertung der Oberfläche nach den Kriterien hart, ledern
oder weich von großer Bedeutung.
Durch Abtasten der Oberfläche mit einer stumpfen Sonde kann die
Oberflächenhärte bestimmt werden. Läsionen mit harter Oberfläche
enthalten deutlich weniger Mikroorganismen als Läsionen mit lederner
oder weicher Oberfläche und zeigen histologisch oft einen hohen Grad
an Mineralisation, zuweilen sogar eine Hypermineralisation. Läsionen
mit weicher Oberfläche gelten als aktiv und progredient, Läsionen mit
harter Oberfläche als inaktiv und arretiert. Während weiche, aktive Lä-
sionen i.d.R. am Gingivalsaum lokalisiert sind, finden sich harte, inak-
tive Läsionen häufig in größerer Entfernung vom Gingivalsaum.
Der standardisierte Zahnstatus enthält i.d.R. folgende Angaben (s.
Abb. 3.1):
D fehlende und ersetzte Zähne
D behandlungsbedürftige kariöse Zahnflächen, unterschieden in rein
präventiv und invasiv zu therapierende Läsionen
D zerstörte und zu extrahierende Zähne
D teilretinierte Zähne, im Durchbruch befindliche Zähne
D Kronen und Brücken
3.2 Erweiterte Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen Kapitel 3 103
Kariesrisiko Die Tabelle 3.6 gibt einen Überblick über die Risikofaktoren für Karies.
Sucht der Patient seinen Zahnarzt regelmäßig auf, so bereitet es häufig
keine Probleme, eine aktuell hohe Kariesaktivität zu erkennen. Hinweis
darauf sind zahlreiche aktive kariöse Läsionen, die eine Tendenz zur ra-
schen Progression zeigen. Die exakte Bestimmung des aktuellen Karies-
risikos ist jedoch häufig schwierig.
Neben der Erhebung eines Ernährungsfragebogens (Ernährungs-
anamnese z.B. in Form eines Dreitageprotokolls) kann die quantitative Er-
fassung der Zahnplaque z.B. durch die 24-Stunden-Plaque-Bildungsrate
Tab. 3.6: Faktoren, die auf erhöhtes Kariesrisiko hindeuten (nach Reich 2000)
Kinder/Jugendliche Erwachsene
• ≥ 2 kariöse Läsionen im vergange- • ≥ 2 kariöse Läsionen in den letzten
nen Jahr drei Jahren
• Frühere Glattflächenkaries • Frühere Wurzelkaries oder
• Erhöhte Streptococcus mutans- • Große Anzahl freiliegender Zahn-
Werte hälse
• Tiefe Grübchen und Fissuren • Erhöhte Streptococcus mutans-
• Keine/kaum systemische und lokale Werte
Fluoridanwendung • Tiefe Grübchen und Fissuren
• Schlechte Mundhygiene • Schlechte Mundhygiene
• Häufiger Süßigkeitenverzehr • Häufiger Süßigkeitenverzehr
• Unregelmäßiger Zahnarztbesuch • Unzureichende lokale Fluoridan-
• Zu geringer Speichelfluss wendung
• Zu lange Babyflaschen-Ernährung • Unregelmäßiger Zahnarztbesuch
oder Stillen (Kleinkinder) • Zu geringer Speichelfluss
3.2 Erweiterte Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen Kapitel 3 105
Zur relativen Einschätzung, wie hoch das Risiko eines Patienten ist, eine Bewertung
neue Kavität zu entwickeln, gibt es ein spezielles Computerprogramm
mit dem Namen Cariogram. Dieses Programm erlaubt die Eingabe der
oben beschriebenen klinischen Parameter, fasst diese auf der Grundlage
kariesepidemiologischer Daten für das jeweilige Land zusammen und
berechnet dann das entsprechende Kariesrisiko. Das Programm kann
kostenfrei aus dem Internet heruntergeladen und verwendet werden.
106 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
Tab. 3.7: Einteilung der erosiven Defekte anhand ihres Schweregrades. Es wird
immer nur der höchste Wert pro Sextant dokumentiert und aufsummiert.
Grad Klinisches Erscheinungsbild
0 Kein erosiver Zahnhartsubstanzverlust
1 Beginnender Verlust der Oberflächenstruktur
2* Klar ersichtlicher Verlust von Zahnhartsubstanz; < 50% der Oberfläche
3* Ausgeprägter Verlust von Zahnhartsubstanz; > 50% der Oberfläche
* Bei Grad 2 und 3 ist oft Dentin exponiert.
BEWE-Erfassung
Höchster Grad Höchster Grad Höchster Grad
1. Sextant (17–14) 2. Sextant (13–23) 3. Sextant (24–27)
(s. Kap. 18.4). Die Anfertigung von Situationsmodellen und eine Foto-
dokumentation können zur Diagnosesicherung und Therapieplanung
beitragen.
Die klinische Untersuchung wird bei Patienten mit Myoarthropa-
thien und bei Verdacht auf Funktionsstörungen sowie bei geplanten
umfangreichen zahnerhaltenden und prothetischen Maßnahmen
durch eine klinische und instrumentelle Funktionsdiagnostik abge-
3
rundet.
Bei der klinischen Funktionsdiagnostik wird neben dem extraora- Klinische Funk-
len und intraoralen Muskelbefund als einfachste Methode die statische tionsdiagnostik
und dynamische Okklusion der Zähne nach entsprechender Entspan-
nung der Kaumuskulatur (ggf. nach Schienenvorbehandlung) beurteilt.
Dabei dienen speziell eingefärbte Okklusionsfolien zur Orientierung.
Bei maximaler Interkuspidation (nach Auftasten aus der Ruhe-
Schwebe-Lage) soll ein gleichzeitiger und gleichmäßiger Kontakt zwi-
schen den Ober- und Unterkieferzähnen vorhanden sein. Vorkontakte
zeichnen sich bei Verwendung der Okklusionsfolie als stärkere und grö-
ßere Färbung ab. Protrusion, Laterotrusion und Mediotrusion werden
ebenso mithilfe der gefärbten Folien überprüft. Man geht im Idealfall
von einer Front-Eckzahnführung aus. Gruppenführung auf der Arbeits-
seite wird bei gleichmäßiger Belastung der Zähne toleriert. Balancehin-
dernisse sind durch Einschleifen oder entsprechend gestaltete Restaura-
tionen zu beseitigen.
Liegen Anzeichen für Störungen der statischen und dynamischen Instrumentelle
Okklusion vor, die nicht mehr nur klinisch zu beurteilen sind, wird eine Funktions-
instrumentelle Funktionsanalyse notwendig. Dazu werden Gips- diagnostik
modelle in einen teil- oder volljustierbaren Artikulator eingebracht.
Mindestanforderung ist dabei die Verwendung eines Schnellübertra-
gungsbogens (arbiträre Scharnierachsenbestimmung). Es empfiehlt sich
jedoch, die Scharnierachse individuell zu bestimmen und die Grenzbe-
wegungen individuell zu registrieren. Die Modelle werden dann in ei-
nen voll justierbaren Artikulator eingebracht, in dem die Funktionsdi-
agnostik erfolgt. Der klinische Befund wird durch Auskultation und Pal-
pation des Kiefergelenks, Mobilitätsmessungen des Unterkiefers usw.
ergänzt (Einzelheiten zur Funktionsdiagnostik sind entsprechenden
Lehrbüchern zu entnehmen).
Nach der vollständigen zahnärztlichen Befunderhebung wird die
Diagnose und, wenn notwendig, die Differenzialdiagnose gestellt. Es
schließt sich eine Therapieplanung an (Abb. 3.6), die mit dem Patienten
durchgesprochen werden muss. Es sollte dabei auch auf mögliche an-
dere Therapiemöglichkeiten eingegangen werden (Differenzialthera-
pie). Bei umfangreichen Sanierungsmaßnahmen schließt sich eine
schriftliche Fixierung der geplanten Therapie und deren voraussichtli-
chen Kosten (Heil- und Kostenplan) an. Der Patient erklärt sich schrift-
lich mit der gewählten Therapieform und der Kostenübernahme einver-
standen.
108 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
Behandlungsplan
Prophylaxemaßnahmen erforderliche invasive Kontrollmaßnahmen
Behandlungsmaßnahmen
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Mundhygiene (Mot + Inst), prof. Zahnreinigung (PZR) AgF, Comp, GIZ, WF, Aufbaufüllung,
Ernährungsberatung (EB), Mundhygienekontrolle (MH-Ktrl) Inlay (Keramik, Gold)
CHX-Therapie (CHX), Fluoridierung (F) Teilkrone (Keramik, Gold)
Füllung nacharbeiten (Fin), Fissurenversiegelung (FV)
Kariesmonitoring (KM)
Abb. 3.6: Standardisierter Bogen für die Behandlungsplanung im Rahmen der Kariestherapie
3.4 Therapieplanung
Zeit
Abb. 3.7: Diagnose und Therapieplanung bei Kariesläsionen im Approximalraum. Die Zuordnung der radio-
logischen Befunde zum Zustand der Approximalfläche (Kavität/keine Kavität) basiert auf epidemiologi-
schen Daten. So kann es im Bereich der dunkelblauen Kurve durchaus schon zur Mikrokavitätenbildung ge-
kommen sein, die eine Progression beschleunigen kann, da eine Entfernung des Biofilms nicht mehr mög-
lich ist (modifiziert nach Mejare und Mjör 2003).
Tab. 3.8: Empfehlung für das Management von Erosionspatienten auf der Basis des BEWE-Index
Schweregrad Summe aller Management
der Erosionen Sextanten
nihil ≤2 • Aufklärung und Überwachung
• Wiederholung der BEWE alle 3 Jahre
gering 3–8 • Mundhygieneinstruktion; Ernährungsabklärung und Beratung, Reflux?
Aufklärung und Überwachung; momentane Situation mit Modellen
und Fotos festhalten
• Wiederholung der BEWE alle 2 Jahre
mittel 9–13 • wie oben
• zusätzlich Empfehlung von Fluoridierungsmaßnahmen; Erhöhung der
Widerstandsfähigkeit der Zahnhartsubstanz
• Restaurative Maßnahmen in Betracht ziehen
• Wiederholung der BEWE alle 6 bis 12 Monate
hoch ≥ 14 • wie oben
• zusätzlich spezielle Betreuung bei schnellem Fortschreiten der Erosio-
nen; restaurative Maßnahmen
• Wiederholung der BEWE alle 6 bis 12 Monate
112 3 Befunderhebung und Diagnose im Rahmen der Kariestherapie
4 Kariesprophylaxe
4
! Der heutige Wissensstand zur Ätiologie und Pathogenese der Ka-
ries ist so gut, dass durch den Einsatz präventiver Maßnahmen ein
deutlicher Kariesrückgang erzielt werden kann.
Nicht für jeden Menschen kann die optimale Lösung die richtige
Lösung sein. Es müssen individuelle Ziele formuliert werden, die für
den einzelnen Patienten erreichbar sind.
4.1.1 Grundlagen
schen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Häufigkeit der Zu-
ckerzufuhr eng mit der Kariesinzidenz korreliert (Abb. 4.2).
Die kleinste Menge Saccharose, die zu einer zahnmedizinisch rele-
vanten Säurebildung in der Plaque führt, beträgt ca. 15 mg. Mit 150–500
mg Saccharose kann eine maximale Säurebildung innerhalb der Plaque
erreicht werden.
Tab. 4.2: Getränke mit niedrigem pH-Wert, deren häufiger Genuss zu Erosio-
nen der Zahnhartsubstanzen führen kann (nach Hickel 1993)
Getränk pH-Wert
Zitronensaft 2,0
Cola 2,5
Orangensaft 3,5
Apfelsaft 3,5
Buttermilch 4,4
Mineralwasser mit
• viel Kohlensäure 5,2
• wenig Kohlensäure 6,3
Säure Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch durch säurehaltige
Nahrungsmittel Zahnschäden entstehen können (Erosionen). Wäh-
rend beim Genuss kariogener Nahrungsmittel die häufige Bildung orga-
nischer Säuren durch die Plaquebakterien im Vordergrund steht, bewir-
ken säurehaltige Nahrungsmittel eine direkte Demineralisation der
Zahnoberfläche. Auch derartige Säureschäden gilt es durch entspre-
chende Beratung zu vermeiden (Tab. 4.2).
Dabei müssen die Häufigkeit des Genusses und die Verweildauer
saurer Nahrungsmittel reduziert werden, damit auch hier dem Speichel
genügend Zeit zum Abpuffern und zur Remineralisation zur Verfügung
steht. Es sollte beachtet werden, dass auch Fruchtsäfte, Vitaminpräpa-
rate, Buttermilch u.a., die prinzipiell als gesunde Nahrungsmittel be-
trachtet werden, bei exzessivem Genuss Erosionen erzeugen können.
Beurteilung der Um die Kariogenität von Nahrungsmitteln zu beurteilen, wurden
Kariogenität zahlreiche Testverfahren entwickelt. In-vitro-Studien oder Tierstudien
unter gut protokollierten Bedingungen sind als Screening-Test geeignet,
können aber Studien beim Menschen letztlich nicht ersetzen. Beim
Menschen können Langzeit- oder gut kontrollierte Kurzzeitstudien
durchgeführt werden, sofern sie ethisch vertretbar sind.
Als besonders geeignet gelten heute die intraorale Plaque-pH-Wert-
Bestimmung oder die Bestimmung des Demineralisationsgrades von in
der Mundhöhle fixierten Schmelzproben. Mit der intraoralen Plaque-pH-
Wert-Messung wird die potenzielle Kariogenität bestimmt. Fällt der pH-
Wert in der Plaque nach Gabe eines Nahrungsmittels (beinhaltet auch Ge-
tränke) unter den kritischen pH-Wert, wird das Produkt als potenziell ka-
riogen eingestuft. Als zahnschonend wird ein Nahrungsmittel bezeichnet,
wenn der pH-Wert in der interdentalen Plaque bis zu 30 min nach dem
Verzehr nicht unter 5,7 fällt. Der Begriff relative Kariogenität versucht zu
beschreiben, wie stark oder schwach kariogen ein Nahrungsmittel ist.
Da bisher kein einzelnes verlässliches Testverfahren bekannt ist, ver-
sucht man die relative Kariogenität durch Kombination der genannten
Methoden zu bestimmen.
4.1 Ernährungsberatung und -lenkung Kapitel 4 121
Wie bei jeder ärztlichen Maßnahme benötigt man auch hier eine ge- Ernährungs-
naue Anamnese. Diese besteht aus einem adäquaten, validen und ver- protokoll
trauenswürdigen Ernährungsprotokoll. Dieses Protokoll sollte mindes-
tens drei Tage lang geführt werden. Es kann in standardisierter vorgefer-
tigter Form zum Ankreuzen mitgegeben werden oder wird vom
Patienten nach entsprechenden groben Vorgaben selbst angefertigt (s.
Kap. 3). 4
Aufgrund dieses Ernährungsprotokolls analysiert der Zahnarzt die
Ernährungsgewohnheiten und die Nahrungsmittelzusammensetzung.
In einer speziell anberaumten Sitzung wird der Zusammenhang zwi-
schen den speziellen Zahnproblemen des Patienten und seinen Ernäh-
rungsgewohnheiten erklärt. Grafische Darstellungen des Zusammen-
hangs helfen bei der Aufklärung. Dem Patienten muss dabei erklärt
werden, welche kariogenen „Zuckerarten“ es gibt (Glukose, Fruktose,
Saccharose usw.). Der Patient wird dann aufgefordert, Vorschläge zu ma-
chen, wie er die hohe Frequenz der Zuckeraufnahme reduzieren kann.
Der Zahnarzt macht seinerseits Vorschläge, wie die kariogenen Zwi-
schenmahlzeiten durch nicht kariogene ersetzt werden können. Das
kann durch Verzicht auf Süßigkeiten zu den Zwischenmahlzeiten oder
durch die Verwendung nicht kariogener Süßungsmittel geschehen.
Eine spezielle Ernährungsberatung sollte bei Schwangeren durch- Schwangerschaft
geführt werden. Der unüberwachte, ständige Genuss kariogener Ge-
tränke und Nahrungsmittel, speziell in Saugerflaschen aus Kunststoff,
führt bei Kleinkindern zu einer extrem raschen Zerstörung der durch-
brechenden Milchzähne mit der Folge des Zahnverlustes (nursing
bottle caries, early childhood caries = EEC). Selbst der ständige Ge-
nuss von Milch aus Saugerfläschchen, speziell während der Nacht, kann
zu einer solchen Karies führen.
Bei Zahnerosionen wird auf die Rolle saurer Getränke (z.B. Soft-
drinks), von Zitrusfrüchten, sauren Nahrungsmitteln, Vitaminproduk-
ten, Medikamenten (z.B. ASS) usw. hingewiesen. Eine wenig abrasive
Zahnputztechnik wird ebenfalls eingeübt.
2 1,1
0
Kontrolle Xylitol-Gruppe
Turku-Studie
4.1 Ernährungsberatung und -lenkung Kapitel 4 123
Tab. 4.3: Relative Süßkraft von verschiedenen Zuckern und anderen Süßungs-
mitteln (die Süßkraft von Saccharose wurde mit dem Wert 1 zugrunde gelegt)
Laktose 0,16
Galaktose 0,32
Sorbitol 0,54
Mannitol 0,57
Glukose 0,74
Saccharose 1,00 4
Invertzucker (G + F) 1,30
Fruktose 1,73
Natriumzyklamat 30–80
Aspartam (L-aspartyl-L-phenylalaninmethylester) 150–200
Saccharin 200–700
Monellin 3000
tische Tätigkeit freigesetzt. Letztlich wird dann die gleiche Menge Fluo-
rid wieder ausgeschieden, die auch aufgenommen wurde (94% davon
über die Nieren).
Bei Zufuhr hoher Fluoridkonzentrationen über einen längeren Zeit-
raum wird vermehrt Fluorid in den Knochen eingebaut; so erfolgt wie-
der die Einstellung der Homöostase im Blutplasma mit ausgeglichener
Fluoridbilanz.
Wird anschließend die Fluoriddosierung wieder herabgesetzt,
kommt es über einen bestimmten Zeitraum zu einer negativen Fluorid-
bilanz, d.h., es wird vermehrt Fluorid aus dem Knochen freigesetzt und
ausgeschieden, um schließlich wieder in einer ausgeglichenen Bilanz zu
enden. Im menschlichen Körper ist Fluorid in einer Größenordnung
von 10 g fest eingebaut.
Durch die hohe Affinität von Fluorid zu Zahnhartgeweben kommt
es während der primären Mineralisation und mehr noch während der
präeruptiven Reifungsmineralisation zur Fluorideinlagerung in die
Zahnhartgewebe (Abb. 4.4). Dabei wird Fluorid vornehmlich in das Kris-
Fluoridwirkung
lokal
Zahnpasten systemisch
Gele Tabletten
Lacke Trinkwasser
Lösungen Kochsalz
Direkte direkte
Wirkung Verschlucken Verschlucken
Einwirkung
posteruptiv präeruptiv
Abb. 4.4: Möglichkeiten der Fluoridprophylaxe und ihre Wirkung auf Zahnhart-
substanzen. Bei sogenannten systemischen Fluoridierungsmaßnahmen wird die
gesamte applizierte Fluoridmenge verschluckt und Fluorid kann sich während der
präeruptiven Schmelzbildung und -reifung in die Zahnhartsubstanzen einlagern.
Gleichzeitig kommt es aber auch während der Aufnahme über den Speichel zur
lokalen Fluoridierung bereits durchgebrochener Zähne. Umgekehrt können lokale
Fluoridierungsmittel auch eine systemische Wirkung besitzen, wenn sie ver-
schluckt werden. Die Hauptwirkung aller Fluoridierungsmittel liegt jedoch in der
Beeinflussung von De- und Remineralisationsvorgängen an der Zahnoberfläche.
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen Kapitel 4 127
300 4000
200 3000
2000
100
1000
0 0
4
Schmelz Dentin
ließ sich in den Fissuren und Grübchen feststellen. Jugendliche, die seit
Geburt in Gebieten mit einem optimalen Trinkwasserfluoridgehalt le-
ben, weisen weniger kariöse Zahndefekte auf als solche, die nur kurze
Zeit in solchen Gebieten leben.
Anfangs ging man davon aus, dass der präeruptive Fluorideinbau in
den Zahnschmelz der Grund für die kariesprophylaktische Wirkung von
Fluorid sei. Heute weiß man allerdings, dass die posteruptive, lokale
Wirkung von Fluorid eine größere Rolle spielt. Insofern ist der Begriff
Fluoridsupplementierung für die Gabe von Fluoridtabletten oder für die
Verwendung fluoridierten Speisesalzes irreführend, da es sich genau ge-
nommen auch um eine lokale Fluoridierungsmaßnahme handelt. Da
der Begriff jedoch nach wie vor in der Literatur zu finden ist, wird er
nachfolgend für diese Fluoridierungsmaßnahmen verwendet.
Heute leben etwa 400 Millionen Menschen in Gebieten mit fluori-
diertem Trinkwasser. In Deutschland hat sich die Trinkwasserfluoridie-
rung aus unterschiedlichen Gründen jedoch nicht etabliert.
Tabletten- Als alternative „systemische“ Fluoridierungsmaßnahmen stehen die
fluoridierung Tablettenfluoridierung und die Salzfluoridierung zur Verfügung. Bei
der Tablettenfluoridierung ist in Abhängigkeit vom Alter und von ande-
ren Fluoridierungsmaßnahmen die Dosierung unterschiedlich zu gestal-
ten. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, ob die Patienten in Gebie-
ten mit natürlich erhöhtem Trinkwasserfluoridgehalt leben, fluoridhal-
tiges Speisesalz verwenden oder fluoridhaltige Mineralwässer zu einer
erheblichen Fluoridaufnahme beitragen (Tab. 4.5a).
Tabletten enthalten meistens Natriumfluorid (2,2 mg NaF = 1 mg F–).
Empfehlungen zu Fluoridierungsmaßnahmen
Zahnpasten
1. Die Verwendung von fluoridhaltiger Zahnpasta mit mindestens
1000 ppm Fluorid ist eine breitenwirksame und effektive kariesprä-
ventive Maßnahme, deren Wirksamkeit ab dem Schulalter nachge-
wiesen ist. Daher soll ab dem Durchbruch der bleibenden Zähne mit
einer Zahnpasta geputzt werden, die einen Fluoridgehalt von min-
destens 1000 ppm Fluorid enthält.
2. Der kariespräventive Effekt steigt mit zunehmender Fluoridkonzen-
tration in der Zahnpasta. Zahnpasta mit einem Fluoridgehalt
< 500 ppm sollte nicht verwendet werden. Zahnpasta mit einem
Fluoridgehalt von mehr als 1000 ppm wird für Kinder vor dem
Schulalter nicht empfohlen. Da Kinder in Deutschland auch ande-
ren Fluoridquellen ausgesetzt sind, und um das Fluoroserisiko zu be-
grenzen, soll bei Kindern im Vorschulalter ab Durchbruch der ersten
Milchzähne bis zum Durchbruch der ersten bleibenden Zähne eine
Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid verwendet werden.
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen Kapitel 4 131
Fluoridierungsmaßnahmen - Basisprophylaxe
Jahre 0 2 4 6* 8 10 12
Fluoridfreie Fluorid-
Zahnpasta Kinderzahnpasta Fluorid-Zahnpasta für Erwachsene
Fluoridzahnpasta
und
Fluoridtabletten
nach ärztlicher/zahnärztlicher Verordnung; 1 x täglich lutschen
Fluorid-Lack
oder alternativ 2 x jährlich
bei erhöhtem Risiko > 2 x jährlich
Fluorid-Gel
* Bei Kindern unter 6 Jahren soll die tägliche Fluorid-Gesamtaufnahme 0,05-0,07 mg F/kg Körpergewicht nicht überschreiten
Fluoridiertes Speisesalz
1. Eine kariesprophylaktische Wirksamkeit der Speisesalzfluoridierung
ist beschrieben.
132 4 Kariesprophylaxe
Fluoridtabletten
1. Fluoridtabletten sind kariespräventiv wirksam.
(Für das Milchgebiss gibt es allerdings nur eine schwache Evidenz)
2. Eine Fluoridtabletteneinnahme der schwangeren Frau hat keinen
kariespräventiven Effekt auf das Milchgebiss des Kindes.
Fluoridlackapplikation
1. Bei Kindern und Jugendlichen, vor allem solchen mit erhöhtem Ka-
riesrisiko, soll zweimal jährlich eine Applikation eines fluoridhalti-
gen Lackes erfolgen. Die lokale Fluoridlackapplikation kann unab-
hängig von bereits durchgeführten, breitenwirksamen Fluoridie-
rungsmaßnahmen durchgeführt werden. Bei Patienten mit stark
erhöhtem Kariesrisiko soll die Frequenz der Fluoridapplikation mehr
als zweimal (in der Regel viermal) pro Jahr betragen, weil dann eine
verbesserte Karies reduzierende Wirkung zu erwarten ist.
Fluoridgele
1. Fluoridgele sollen unabhängig von bereits bestehenden Basisfluori-
dierungsmaßnahmen, wie z.B. fluoridhaltige Zahnpasta, verwendet
werden.
2. Da der kariespräventive Effekt von Fluoridgelen unabhängig von der
Art der Applikationsmethode ist (zahnärztliche Applikation vs. Ap-
plikation durch den Patienten; Trayapplikation vs. Einbürsten), soll
die Art der Applikation individuell gewählt werden.
3. Bei kariesaktiven Patienten soll eine mehrmalige Applikation fluo-
ridhaltiger Gele erfolgen, da der kariespräventive Effekt mit der Ap-
plikationsfrequenz und der Applikationsintensität pro Jahr (Fre-
quenz x Fluoridkonzentration) korreliert.
Fluoridhaltige Mundspüllösungen
1. Bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Kariesrisiko führt die
tägliche überwachte Anwendung von Mundspüllösungen (in einer
Konzentration von 0,05% NaF) bzw. die einmal wöchentliche über-
wachte Anwendung einer Mundspüllösung (0,2% NaF) zu einer deut-
lichen Reduktion des Kariesanstiegs. Da dieser Effekt unabhängig
von der Anwendung anderer fluoridhaltiger Präparate wie z.B. Zahn-
pasten ist, soll bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Kariesri-
siko die Anwendung einer fluoridhaltigen Mundspüllösung erfolgen.
2. Aufgrund der vorliegenden Studienlage kann davon ausgegangen
werden, dass fluoridhaltige Spüllösungen bei Jugendlichen (insbe-
sondere wenn eine kieferorthopädische Behandlung mit festsitzen-
den Geräten durchgeführt wird) zur Kariesprävention beiträgt.
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen Kapitel 4 133
Fluorid-
applikation Speichel Saccharose
F-
F-
Plaque
Fin-
+
H
H
F-
in
+
F-
in
Fin-
Kristall Kristall
Fluorid-
hülle
a
Speichel Saccharose
Plaque
H+
H+
F (HAP) F (HAP)
b
Abb. 4.7: Bei häufiger Applikation niedrig dosierter Fluoridverbindungen oder
nach Auflösung eines Fluoriddepots (z.B. Kalziumfluorid) in der Mundhöhle dif-
fundieren Fluoridionen in die Zahnoberfläche. Sie verteilen sich in der Flüssigkeit
zwischen den Kristallen der Zahnhartsubstanzen (F–in) und umgeben die Kristalle
mit einer Schicht adsorbierter Ionen (entweder in der Hydrationshülle um die
Kristalle oder als CaF2). Dadurch verleihen sie dem Hydroxylapatit (HAP) fluorapa-
titähnliche Eigenschaften. Bei kariösen Angriffen werden die so geschützten Kris-
talle nicht aufgelöst (a). Bei einem Fluoriddefizit hingegen wird die Kristallober-
fläche während einer kariösen Attacke partiell oder vollständig aufgelöst (b), auch
wenn im Kristall Fluoridionen fest eingebaut sind.
Plaque-
entfernung
c (pH-Anstieg)
Speichel
HPO42- Proteine
CaF2
F-
Zahn-
schmelz
d
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen Kapitel 4 137
sierbaren Fluorids frei und kann in den Speichel oder in den Zahn-
schmelz diffundieren.
Plaque reichert jedoch nicht nur Fluorid aus der Nahrung an, son-
dern auch aus dem Zahnschmelz. Gerade unter kariogenen Bedingun-
gen kann eine stoffwechselaktive Plaque ein vorhandenes Fluoridreser-
voir (Kalziumfluorid) auf der Schmelzoberfläche rasch auflösen (Abb.
4.8).
Fluorid reichert sich auch unter bestimmten Bedingungen in Bakte-
rienzellen der Plaque an. Versuche mit Streptococcus-mutans- und 4
Streptococcus-sanguis-Stämmen konnten nachweisen, dass die Fluorid-
aufnahme in die Bakterienzellen von einem pH-Gradienten und nicht
von einem Energie fordernden Prozess abhängig ist. So gelangt Fluorid
bei niedrigem extrazellulärem pH-Wert als Fluorwasserstoff durch einfa-
che Diffusion in das basische Zellinnere. Wird das extrazelluläre Milieu
wieder basisch, kehrt sich die Diffusion um. Die Anreicherung erreicht
relativ rasch (zwei Minuten) ihr Maximum und steigt dann kaum noch.
Es ist allerdings bisher nicht bekannt, wo sich das Fluorid im Zellinne-
ren bindet.
Zahnhartsubstanzen
Der kariostatische Wirkungsmechanismus von Fluorid konnte bisher
nicht vollständig aufgeklärt werden. Es handelt sich um einen multifak-
toriellen Mechanismus, bei dem allerdings zahlreiche Details bekannt
sind. Da sich die meisten Studien zum Wirkungsmechanismus der Fluo-
ride mit Zahnschmelz beschäftigen, beziehen sich die folgenden Passa-
gen auf die Resultate dieser Untersuchungen. Die Wirkprinzipien sind
jedoch ebenso auf die anorganischen Bestandteile von Dentin und Ze-
ment anwendbar.
Verminderung der Säurelöslichkeit durch den festen Einbau von Verbesserung der
Fluorid in das Kristallgitter der Zahnhartsubstanzen: Der anorgani- Kristallinität
sche Anteil der Zahnhartsubstanzen besteht zu einem großen Teil aus
nicht stöchiometrischem Apatit. Außerdem besitzen viele Kristalle De-
fekte und Fehlstellen. Beides bewirkt eine Erhöhung der Löslichkeit.
Durch den Einbau von Fluorid während der präeruptiven Schmelzbil-
dung und mehr noch während der präeruptiven Schmelzreifung wird
die Kristallgitterstruktur stabiler und die Löslichkeit des Apatits herabge-
setzt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Verbesse-
138 4 Kariesprophylaxe
Ein großer Teil des im Zahn vorhandenen Fluorids wird erst posterup-
tiv während der sekundären Schmelzreifung und später nach lokalen
Fluoridierungsmaßnahmen auf und in der Zahnoberfläche abgelagert.
Man versuchte nun, durch die lokale Applikation hoher Fluoridkonzen-
trationen eine Umwandlung von Hydroxylapatit in Fluorapatit zu errei-
chen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Höhe der Fluoridanreiche-
rung in den oberflächlichen Schichten der Zähne nicht mit der erreich-
ten Karieshemmung korreliert.
De- und Remine- Man geht daher heute davon aus, dass der Hauptwirkungsmechanis-
ralisation mus der Fluoride in einer Hemmung der Demineralisation bzw. einer
Förderung der Remineralisation zu suchen ist. Die Zahnoberfläche
unterliegt in der Mundhöhle ständigen Veränderungen. Sie wird sofort
nach Durchbruch in die Mundhöhle mehr oder weniger stark von Mi-
kroorganismen besiedelt. Deren metabolische Aktivität kann bei ent-
sprechender Substratzufuhr zu einem pH-Wert-Abfall und damit zu Pe-
rioden der Demineralisation führen. Diese können wiederum von Zeit-
räumen der Remineralisation gefolgt sein, wenn durch Abtransport der
Metaboliten und der Substrate durch den Speichel (Clearance) der pH-
Wert wieder ansteigt.
Man kann also vereinfacht formulieren, dass an der Zahnoberfläche
ein dynamisches Gleichgewicht herrscht, das in die eine oder die an-
dere Richtung verschoben werden kann (Abb. 4.9).
Ist Fluorid in der flüssigen Phase zwischen und um die Kristalle an
der Zahnoberfläche vorhanden, wird der Demineralisationsprozess mo-
difiziert. Während der Demineralisationsperioden schützen an die Kris-
talloberfläche adsorbierte Fluoridionen die Kristalle, indem sie ihnen Ei-
genschaften von Fluorapatit verleihen. Die Löslichkeit der Kristalle wird
dadurch herabgesetzt. Neuerdings geht man davon aus, dass die Kris-
talle teilweise von Kalziumfluorid bedeckt sind, das ihnen einen ähnli-
chen Schutz verleiht.
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen Kapitel 4 139
Bakterien
und Substrat
Säuren Fluoride
4
Demineralisation
gesunder kariöser
Zahnschmelz Zahnschmelz
Remineralisation
Kalzium
Säurepuffer Fluoride und Phosphor
Speichel
Steigt nach einer kariösen Attacke der pH-Wert wieder an, so fällt in
Anwesenheit von Fluoridionen zunächst wegen seiner geringeren Lös-
lichkeit Fluorapatit in kristalliner Form aus. Erst später, wenn der pH-
Wert weiter angestiegen ist, fallen auch Hydroxylapatit und andere Apa-
titformen aus.
Die Anwesenheit von Fluorid bedeutet also auch eine Verkürzung
der Demineralisationperioden, da Mineralien wieder früher repräzipitie-
ren. Die Erhöhung des Fluorapatitanteils an der Zahnoberfläche erhöht
die Resistenz gegenüber nachfolgenden kariösen Attacken.
Bei lang andauernder oder/und heftiger Demineralisation und kur-
zer Remineralisationszeit resultiert insgesamt ein Mineralverlust und
damit eine klinisch sichtbare kariöse Initialläsion (white spot). Wird
nun durch Einsetzen einer optimalen Mundhygiene die Plaque beseitigt
und durch Ernährungsumstellung nur noch wenig kariogenes Substrat
zugeführt, so schreitet die kariöse Läsion nicht weiter voran. Der Mine-
ralverlust aus der Zahnoberfläche stagniert, und es können sich sogar
Mineralien aus dem Speichel, der mit Hydroxylapatit bzw. Fluorapatit
gesättigt ist, einlagern (Remineralisation). Frühe initiale Läsionen kön-
140 4 Kariesprophylaxe
Kavität 9
19 32
19
Histologie Histologisch lassen sich mehr oder weniger starke poröse und entmine-
ralisierte Bereiche diagnostizieren. Tatsächlich handelt es sich um inak-
tive, partiell remineralisierte Läsionen (arrested lesion), die sich später
durch Einlagerung exogener Farbstoffe (z.B. Lebensmittel, Tee, Teer
usw.) braun verfärben können (brown spot). Auch in den Remineralisa-
tionsprozess greifen Fluoride ein. Bei der Remineralisation bilden sich
neue Kristalle, die in Anwesenheit von Fluorid größer und stabiler sind
als die ursprünglichen Kristalle. Außerdem begünstigt Fluorid das
Wachstum partiell entmineralisierter Kristalle. Dabei entsteht erneut
Fluorapatit bzw. fluoridiertes Hydroxylapatit. Läsionen mit reminerali-
sierter Oberfläche besitzen daher eine erhöhte Resistenz gegenüber spä-
teren kariösen Angriffen.
Die physiologische Speichelfluoridkonzentration (0,01–0,05 ppm)
reicht jedoch nicht aus, um eine Remineralisation zu fördern. Erst ab ei-
ner Konzentration von 0,1 ppm Fluorid in einer hydroxylapatitübersät-
tigten Lösung wird das Kristallwachstum gefördert.
Ist die Konzentration des applizierten Fluorids sehr hoch (z.B. Gele, La- Konzentration
cke), kommt es primär zu einer Remineralisation in der Läsionsperi-
pherie, da sich das Fluorid vornehmlich als Kalziumfluorid auf der
Schmelzoberfläche ablagert und somit die Poren für die Diffusion der
Speichelmineralien verstopft. Es kann dann über lange Zeit zu einer Dif-
fusion von Fluorid auch in die Tiefe der Läsion mit nachfolgender Mi-
neraleinlagerung in diesen Bereichen kommen.
Nach Applikation niedriger konzentrierter Fluoridierungsmittel
kommt es in vitro primär zu einer Remineralisation im Läsionskörper. 4
In-vivo-Studien konnten allerdings auch unter diesen Bedingungen
(z.B. Trinkwasserfluoridierung) keine vollständige Remineralisation ini-
tialer kariöser Läsionen feststellen. Neuere Untersuchungen konnten
zudem zeigen, dass es unter extrem kariogenen Bedingungen nicht zu
einer Behinderung der Progression kariöser Läsionen kommt.
Plaquebeseitigung und Ernährungsumstellung sind also weiterhin
wichtige Säulen der Kariesprophylaxe. Fluoride entfalten ihre höchste
kariesprophylaktische Wirksamkeit nämlich bei geringer bis mittlerer
Kariesaktivität.
Plaque
Der Karies hemmende Effekt von Fluorid ist jedoch nicht nur auf Zahn-
hartsubstanzen beschränkt. Fluoride können modifizierend in die Ad-
härenz, das Wachstum und den Metabolismus von Plaquebakterien ein-
greifen.
Mit steigender Fluoridkonzentration wird dabei zuerst die metaboli-
sche Aktivität der Mikroorganismen beeinflusst, dann ihr Wachstum ge-
hemmt, und zum Schluss werden die Mikroorganismen abgetötet. In
der Plaque der menschlichen Mundhöhle werden allerdings nie Fluorid-
konzentrationen erreicht, die zum Zelltod der Mikroorganismen füh-
ren.
Das Wachstum verschiedener Plaquebakterien wird durch unter- Wachstumshem-
schiedliche Fluoridkonzentrationen gehemmt. Dabei spielen der pH- mung von Mikro-
Wert der Umgebung und die Anwesenheit von Kationen eine ent- organismen
scheidende Rolle. Während das Wachstum einiger Streptokokken-
Stämme bei pH 7 erst durch 100–200 µg/ml Fluorid in der Suspension
gehemmt wird, liegt die hemmende Wirkung im pH-Bereich 5,5–6,0 bei
142 4 Kariesprophylaxe
Wie bei jeder Substanz, die dem menschlichen Körper zugeführt wird,
kann Fluorid jedoch bei Überdosierung auch Vergiftungserscheinungen
hervorrufen. Dabei ist zwischen akuter Toxizität und latenter (chroni-
scher) Toxizität zu unterscheiden.
Wird Fluorid in großen Mengen zugeführt, so kommt es zu akuten
Vergiftungserscheinungen mit einer Reihe von Symptomen bis zum
tödlichen Ausgang. Wird während der Zahnentwicklung kontinuierlich
Fluorid in einer Dosis verabreicht, die über der empfohlenen Tages-
menge liegt, resultieren Veränderungen der Zahnhartsubstanzen (Zahn-
fluorose). Werden extrem hohe Dosen über Jahre verabreicht, kann es
zur Skelettfluorose (Verkrüppelungen, Verkalkungen von Bändern und
Gelenken, Wachstumshemmung) kommen.
Die akute letale Dosis für Fluorid ist von zahlreichen Variablen ab- Überdosierung
hängig, wie der Art des Fluorids und dessen Löslichkeit, der Resorptions-
geschwindigkeit im Magen-Darm-Trakt, dem Säure-Basen-Haushalt und
dem pH-Wert des applizierten Fluorids. Sie wird mit 32–64 mg Fluorid/
kg Körpergewicht für Erwachsene angegeben. Diese Dosis wird heute als
sichere toxische Dosis (Certainly Toxic Dose = CTD) angesehen. Man
sollte daraus jedoch nicht schließen, dass es nicht zu tödlichen Vergif-
tungserscheinungen kommt, wenn man knapp unter dieser Grenze
bleibt. Aufgrund von einigen Vergiftungserscheinungen mit tödlichem
Ausgang bei Kleinkindern kann man eine wahrscheinlich toxische Do-
sis (Probably Toxic Dose = PTD) von 5 mg Fluorid/kg Körpergewicht
für Kinder annehmen. Ab dieser Dosis sollten Notfallmaßnahmen er-
griffen werden. Bei einem dreijährigen Kind von 15 kg Körpergewicht
entspräche diese Dosis 150 Tabletten à 0,5 mg. Man sollte daher nie
mehr als 100 Fluoridtabletten in altersabhängiger Dosis verschreiben.
Diese Dosis wird erreicht, wenn man 75 Liter Wasser mit einem Fluorid-
gehalt von 1 ppm oder 243 g fluoridiertes Salz zu sich nähme.
Für hoch dosierte Fluoridpräparate gilt: Sie sollten nur vom Zahn-
arzt oder von ausgebildetem Hilfspersonal unter der Aufsicht eines
Zahnarztes appliziert werden.
4.3 Fissurenversiegelung
Ziel der Fissurenversiegelung ist es, die Grübchen und Fissuren spe-
ziell der Seitenzähne dicht zu verschließen, sodass kariogene Mikro-
organismen und kariogenes Substrat keinen Zugang mehr finden
können. Zudem sollen noch vorhandene Mikroorganismen unter
dem Fissurenversiegler zugrunde gehen.
4.3.1 Indikationen
Fissuren-
versiegler
Komposit
Adhäsiv-
system
c
150 4 Kariesprophylaxe
Erweiterte Fissu- Lässt sich jedoch nach dem Ausschleifen der Fissur eine Karies diag-
renversiegelung nostizieren und muss diese bis ins Dentin exkaviert werden, kann eine
erweiterte Fissurenversiegelung angezeigt sein. Grundvoraussetzung ist
dabei, dass die Exkavation der Karies möglich wird, ohne dass eine
breite Kavität im Schmelz präpariert werden muss.
Die Patienten müssen bereit sein, sich in ein Recall-System aufneh-
men zu lassen (Compliance), damit eine halbjährliche Kontrolle der
versiegelten und der unversiegelten Zahnflächen erfolgen kann. Die Pa-
tienten sollten zudem lokale Fluoridierungsmaßnahmen durchführen
und eine gute Approximalraumhygiene betreiben, um kariöse Defekte
an anderen Stellen der Zähne zu vermeiden. Die Fissurenversiegelung ist
bei Patienten mit Allergie auf die Bestandteile des Fissurenversieglers
kontraindiziert.
Weite, gut zu säubernde Fissuren und Zähne, die länger als vier
Jahre kariesfrei sind, werden nicht versiegelt.
4.3.2 Materialien
Bei Patienten mit einem hohen Kariesrisiko sowie bei gesunden Zähnen
mit kariesanfälligem Fissurenrelief sollte der frühzeitigen FV Priorität
nach vollständigem Durchbruch der Okklusalfläche eingeräumt wer-
den. Ziel ist die Umgestaltung eines plaqueretentiven Fissurenreliefs in
eine prophylaxefähige Oberfläche.
Empfehlungsgrad: A
Für den klinischen Einsatz stehen heute chemisch härtende und mit Materialien
sichtbarem Licht auszuhärtende Versiegelungsmaterialien zur Verfü-
gung. Der Vergleich zwischen auto- und lichtpolymerisierenden Mate-
rialien offenbarte für Lichtpolymerisate mit zunehmender Liegedauer
ein tendenziell günstigeres Retentionsverhalten. Untersuchungen, wel-
che auf den direkten Vergleich zwischen auto- und lichtpolymerisieren-
den Materialien abzielten, beobachteten jedoch keine signifikanten
Unterschiede in Bezug auf die Retentionsrate. Fluorid freisetzende Ver-
siegelungssysteme erbrachten im Vergleich zu auto- bzw. lichtpolymeri-
sierenden Materialien ähnliche Resultate; allerdings fehlen für diese
Materialgruppe noch Langzeitergebnisse. Da Lichtpolymerisate im Ver-
gleich zu chemisch härtenden FV als Einkomponenten-Materialien zeit-
sparender und einfacher zu applizieren sind, sollte diesen im klinischen
Alltag der Vorzug gegeben werden.
Empfehlungsgrad: B
152 4 Kariesprophylaxe
Reinigung Die Fissurenreinigung vor der Schmelz-Ätz-Technik wird mit einem ro-
tierenden Bürstchen oder Pulverstrahlgerät empfohlen. Anschließend
Konditionierung erfolgt die Konditionierung der unpräparierten Schmelzoberfläche mit
etwa 35%igen Phosphorsäure-Gelen für etwa 60 Sekunden am bleiben-
den Zahn und für etwa 120 Sekunden am Milchzahn. Nach gründli-
chem Absprayen des Ätzgels für mindestens 10 Sekunden und forcierter
Trocknung muss eine kreidig-weiße Schmelzoberfläche sichtbar sein.
Empfehlungsgrad: B
Recall Eine erste Nachkontrolle der applizierten FV sollte innerhalb von 6 Mo-
naten erfolgen. Die weiteren Kontrollen sollten sich an den in Abhän-
gigkeit vom Kariesrisiko festgelegten Recall-Intervallen orientieren. Im
Fall eines Retentionsverlustes ist nach Ausschluss einer kariösen Läsion
die Nachversiegelung indiziert.
Empfehlungsgrad: B
4.3 Fissurenversiegelung Kapitel 4 153
hergestellt wird und die Zähne keineswegs heller werden. Es gibt jedoch
auch einige wenige Zahnpasten, die eine aufhellende Wirkung haben.
So ist einem Produkt zum Beispiel Zitronensäure und Papain zugesetzt.
Papain ist ein Fleckenlösemittel, welches eine aufhellende Wirkung be-
sitzt.
Für extrinsische Zahnverfärbungen gibt es eine Einteilung nach Nat-
hoo, die auf der unterschiedlichen Reaktion der verfärbenden Substan-
zen mit der Zahnoberfläche beruht. So ist bei Verfärbungen vom N1-
Typ die Farbe des Chromogens mit der Zahnverfärbung identisch. Das 4
bedeutet, dass das gefärbte Material direkt mit der Zahnoberfläche oder
der Pellikel reagiert. So sind zum Beispiel Tannine aus Polyphenolen zu-
sammengesetzt, deren konjugierte Doppelbindung für die charakteristi-
sche Farbe verantwortlich ist. Bei Verfärbungen vom N2-Typ lagern sich
Pigmente und Moleküle in die Pellikel ein und erfahren anschließend
eine Farbveränderung. Diese Farbveränderung beruht auf einer Akku-
mulation oder chemischen Modifikation der Pellikelproteine durch Säu-
ren oder Detergentien. Auch Tee- und Kaffeeverfärbungen können se-
kundär in dieser Weise verändert werden und dann durch Kalzium- oder
Magnesiumbrücken stabilisiert werden und sind deshalb häufig
schlechter entfernbar.
Bei Verfärbungen vom N3-Typ binden primär farblose Substanzen
an die Zahnoberfläche und erfahren eine Transformation im Sinne einer
chemischen Veränderung. Dabei reagieren häufig Aminosäuren mit re-
duzierten Zuckern und über mehrere Zwischenstufen entstehen braune
pigmentartige Substanzen (Maillard-Reaktion, nicht enzymatische
Bräunungsreaktion). Diese Reaktion entspricht in etwa der Bräunungs-
reaktion, die entsteht, wenn man einen Apfel durchschneidet. Eine sol-
che Reaktion entsteht auch bei der Verwendung von chlorhexidinhalti-
gen Mundspüllösungen.
Eine spezielle Verfärbung, die man hauptsächlich im Milchgebiss Black stain
findet, wird durch farbstoffbildende Bakterien erzeugt. Sie wird als
„black stain“ bezeichnet, ist nicht schädlich, sondern allenfalls kosme-
tisch störend.
Intrinsische Zahnverfärbungen können nur durch Bleichen entfernt
werden. Für das Bleichen vitaler Zähne stehen verschiedene Produkt-
gruppen zur Verfügung.
Das „home bleaching“ ist die am häufigsten angewendete, externe Bleichen
Methode zur Aufhellung von Zähnen. Nach Abformung durch den
Zahnarzt wird eine Kunststoffschiene angepasst und der Patient instru-
iert. Zu Hause füllt der Patient ein Bleichmittel in die Schiene und trägt
dieses über einen definierten Zeitraum. Während des Tragens wird H2O2
freigesetzt, welches in Sauerstoffradikale zerfällt. Diese Radikale sorgen
letztlich für die Aufhellung der Verfärbungen. Je nach Produkt liegt die
Konzentration des Inhaltstoffes Carbamidperoxid zwischen 10–35%.
Daraus resultiert eine Freisetzung von Wasserstoffperoxid in einer Grö-
ßenordnung von 3–12%. Beim sogenannten „waiting room (in-office)
156 4 Kariesprophylaxe
bleaching“ wird ein Bleichgel über eine individuell für den Patienten
hergestellte Schiene appliziert. Der Patient sollte aber aufgrund der ho-
hen Konzentration des entsprechenden Bleichgels in der Zahnarztpraxis
verbleiben. Die Konzentration des Carbamidperoxids liegt in der Regel
bei 35%. Das Verfahren kann mit dem „home bleaching“ kombiniert
werden. Bei dem sogenannten „chairside bleaching“ wird das Bleich-
mittel vom Zahnarzt direkt auf die Zähne aufgetragen. Diese Methode
kann durch Licht unterstützt werden. Sie ist die schnellste Methode und
ideal für das Aufhellen eines einzelnen Zahnes. Die Peroxidkonzentra-
tion beträgt 38%. Während bei beiden obengenannten Methoden das
Bleichgel vom Zahnarzt empfohlen bzw. appliziert wird, gibt es soge-
nannte „over the counter“-Produkte, die von den Verbrauchern in Apo-
theken oder Drogerie-Märkten käuflich zu erwerben sind. Dabei unter-
scheidet man auch bei diesen Produkten Schienensysteme (z.B. ein Ein-
mal-Kombi-Tray-System) mit einer Peroxidkonzentration von 10% von
dünnen flexiblen Kunststoffstrips, die mit einem wasserstoffperoxidhal-
tigen Gel beschichtet sind. Diese Streifen werden für einen definierten
Zeitraum auf den Zahn aufgelegt. Dabei beträgt die H2O2 Konzentration
5,3%. Mit einem relativ neuen System wird zu Hause zweimal täglich
für 15 Minuten ein Gel auf die Zähne aufgetragen. Die Wasserstoffper-
oxidkonzentration beträgt dabei 5,9%.
Aus zahnmedizinischer Sicht sollte grundsätzlich eine Diagnose und
Überwachung der unterschiedlichen Bleichverfahren stattfinden, um
z.B. ein Überbleichen zu vermeiden. Es muss zudem gewährleistet sein,
dass die Patienten die entsprechenden Präparate richtig anwenden und
zudem nicht versuchen, externe Verfärbungen durch Bleichen zu ent-
fernen.
Mundgeruch Etwa 25% der Menschen leiden ab und zu oder dauerhaft unter
(Halitosis) Mundgeruch. Meistens nehmen die Betroffenen selbst nicht wahr, dass
sie aus dem Mund riechen (Foetor ex ore). Es gibt jedoch auch Men-
schen, die glauben, unter Mundgeruch zu leiden, obwohl dies faktisch
nicht der Fall ist. Die Ausatemluft des Menschen enthält etwa 78%
Stickstoff, 17% Sauerstoff, 4% Kohlendioxyd und nur etwa 1% andere
Gase. Diese können flüchtige Schwefelverbindungen, Indol, Skatol, Ka-
daverin und Pudreszin enthalten, welche unangenehm riechen. In fast
90% aller Fälle entsteht Mundgeruch aufgrund der bakteriellen Zerset-
zung organischer Materialien in der Mundhöhle. Insbesondere durch
den Metabolismus gramnegativer, anaerober Mikroorganismen, welche
sich auf der Zungenoberfläche befinden, kommt es zur Entstehung der
oben genannten gasförmigen Stoffe. Insofern ist der Zungenbelag ein
wichtiger ätiologischer Faktor für Halitosis. Weitere Ursachen sind Paro-
dontitiden, Karies, lokale Infektionen sowie abnehmbarer Zahnersatz,
der nicht ausreichend gereinigt wird. Zudem können seltene orale Er-
krankungen wie Tumoren und spezielle Schleimhauterkrankungen zu
Mundgeruch führen. Als Kofaktoren für die Entstehung von Mundge-
ruch werden eine reduzierte Speichelfließrate, Stress, Rauchen, hoher
4.5 Zusätzliche kariespräventive Maßnahmen Kapitel 4 157
Zudem ist auch nicht geklärt, ob die Farbstoffe tatsächlich weit genug in
den Biofilm penetrieren, um ihn dann anschließend mit dem Laser
auch deaktivieren zu können.
Einsatz von Ozon Eine weitere Möglichkeit, die Bakterienzahl zu vermindern und das
Fortschreiten einer Karies aufzuhalten, ist der Einsatz von Ozon. Dabei
kann entweder ozonförmiges Gas oder ozoniertes Wasser verwendet
werden. Ozon oxidiert Bestandteile der Bakterienwand, sodass die Bak-
terien zugrunde gehen. In der Zahnmedizin wird Ozon sowohl zur
„Desinfektion“ von Fissuren vor Versiegelungen als auch zur Behand-
lung von offenen kariösen Läsionen nach Kariesexkavation bzw. zur Be-
seitigung von möglichen Restbakterien in Wurzelkanälen angewandt.
In Gasform benutzt man es in einer Konzentration von etwa 2000 ppm,
wobei ein spezielles Gerät angewendet wird, welches verhindert, das
Ozongas während der Applikation (20–40 Sekunden) in den Mund bzw.
in die Umwelt abgegeben wird. Es gibt bisher nur sehr spärliche Ergeb-
nisse aus klinischen Untersuchungen, die zudem noch widersprüchlich
sind.
Bakterieller Weitere Ansatzpunkte zur Veränderung des bakteriellen Biofilms
Biofilm sind die Anwendung von Pflanzenextrakten bzw. synthetischen, anti-
mikrobiellen Peptiden, der Einsatz von Probiotika (z.B. Laktobazillen-
spezies), die Entwicklung von Anti-Quorum-Sensing-Molekülen und
die sogenannte Replacement-Therapie, bei der weniger azidogene
Streptokokken im Biofilm S. mutans verdrängen sollen. Die Anzahl pro-
biotischer Produkte auf dem Markt steigt kontinuierlich. Diese Produkte
enthalten lebende Bakterien, denen positive gesundheitliche Effekte zu-
gerechnet werden. Lange Zeit fokussierten sich viele Studien auf den
Einsatz und den Nutzen probiotischer Bakterien im Verdauungstrakt.
Aber auch die gesundheitliche Bedeutung derartiger Mikroorganismen
in der Mundhöhle rückt mehr und mehr ins Augenmerk des Interesses.
Die meisten probiotischen Produkte beinhalten Laktobazillen bzw. Bifi-
dobakterien. Ein kontrovers diskutierter Effekt probiotischer Bakterien
in der Mundhöhle ist die Reduktion sogenannter Mutans-Streptokok-
ken. Infolgedessen wird eine Kariesinhibition durch probiotische Bakte-
rien in Betracht gezogen. Auch die Reduktion parodontalpathogener
Keime sowie die Sekretion proinflammatorischer Zytokine werden als
positive Effekte diskutiert. Sie werden zudem bei der Behandlung der
Halitosis eingesetzt. Es muss betont werden, dass bisher die meisten Er-
gebnisse auf In-vitro- oder kurzen In-situ-Pilotstudien beruhen. Außer-
dem werden aufgrund der Azidität und somit Kariogenität mancher
probiotischer Bakterien warnende Stimmen in der Fachwelt laut, da
nach einer Besiedlung der Mundhöhle mit aziden probiotischen Bakte-
rien ein Anstieg der Kariesprävalenz nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Evidenz für eine kariespräventive Wirkung probiotischer Produkte
muss nach heutigem Kenntnisstand als gering bezeichnet werden. Auch
die anderen Verfahren befinden sich noch im Versuchsstadium und
sind bisher nicht Gegenstand größerer klinischer Untersuchungen.
4.5 Zusätzliche kariespräventive Maßnahmen Kapitel 4 161
dienen und diese rasch und in großen Mengen in eine initiale Karieslä-
sion hineintransportieren.
CPP-ACP-Nanokomplexe werden heute unter dem Markennamen
Recaldent in Kaugummis, Spüllösungen, Zahnpasten und speziellen
Prophylaxepasten (MI-Paste, Tooth Mousse) angeboten. Zahlreiche In-
situ-Studien und auch einige wenige klinische Studien konnten eine re-
mineralisationsfördernde Wirkung für Recaldent aufzeigen. Es gibt aber
auch neuere Untersuchungen, die sich insbesondere mit initialen kariö-
sen Läsionen nach Entfernung von Brackets beschäftigen und die kei-
nen Vorteil von CPP-ACP gegenüber der üblichen Mundhygiene mit ei-
ner fluoridhaltigen Zahnpasta bezüglich einer remineralisierenden Wir-
kung finden konnten. Neuerdings wird CPP-ACP in Kombination mit
Fluorid in Pastenform angeboten und eine synergistische Wirkung der
beiden Inhaltsstoffe propagiert. Insgesamt kann man aufgrund der Stu-
dienlage zwar von einer möglichen remineralisationsfördernden Wir-
kung ausgehen. Es ist jedoch nicht geklärt, ob CPP-ACP im Vergleich zu
Fluoridierungsmaßnahmen die Remineralistaion verbessert und ob
diese Präparate unter hochkariogenen Bedingungen zu einer Hemmung
der Demineralisation von Zahnhartsubstanzen beitragen. Eine Behand-
lung der Schmelzoberfläche mit CPP-ACP zur Vermeidung von Erosio-
nen führte nicht zum gewünschten Erfolg. Der Zusatz von CPP-ACP zu
sauren Getränken hingegen vermindert deren erosive Wirkung.
Neben diesem Remineralisationsansatz, zu dem es immerhin zahl-
reiche Studien mit allerdings unterschiedlichen Ergebnissen gibt, wurde
auch mit anderen kalziumphosphathaltigen Präparaten (z.B. Ca-Na-
Phosphosilikat = bioaktives Glas) versucht, die Remineralisation initial-
kariöser Läsionen zu verbessern. Letztlich fehlt aber auch bei diesen Prä-
paraten die Evidenz aus randomisierten, kontrollierten klinischen Stu-
dien.
Ähnliche Wege gehen sogenannte biomimetische Ansätze, mit de-
nen submikrometergroße Defekte an der Schmelzoberfläche mit Na-
nopartikeln ausgekleidet werden sollen. Dazu werden z.B. karbonathal-
tige Hydroxylapatitpartikel mit einer durchschnittlichen Größe von
20–100 nm in Zahnpasten und Mundspüllösungen angeboten, die an-
geblich derartige Nanodefekte reparieren können. Allerdings stehen zur
remineralisierenden Wirkung auch für diese Präparate randomisierte,
prospektive Langzeitstudien aus. Es sei deshalb an dieser Stelle noch ein-
mal darauf hingewiesen, dass ein unbedachter Einsatz nicht fluoridhal-
tiger Produkte für die Remineralisation initialer Kariesläsionen nicht
empfehlenswert ist.
4.6 Konsequenzen für die Therapie Kapitel 4 163
Die Kenntnis, dass unter dem Einsatz von Fluoriden in der Kariespro-
phylaxe bei niedrigem und mittlerem Kariesrisiko (Patienten mit weni-
gen offenen kariösen Läsionen, hoher Speichelpufferkapazität und
-fließrate, guter Compliance, Einschränkung kariogener Zwischenmahl-
zeiten und optimaler Interdentalraumhygiene) kariöse Initialläsionen
nicht weiter fortschreiten und z.T. remineralisieren bzw. arretieren kön-
nen, hat Konsequenzen bezüglich der Therapie. 4
Man wendet sich heute von dem Prinzip „Nur eine Füllung schützt
vor weiterer Karies“ ab zugunsten einer primär atraumatischen Behand-
lung bzw. minimalinvasiven Therapie mit entsprechender Kontrolle der
kariesgefährdeten Flächen.
Dabei gilt es natürlich auch, eine entsprechende präventive Über-
therapie zu vermeiden. Es ist daher erforderlich, auch in diesem Bereich
eine Ermittlung der notwendigen individuellen Prophylaxemaßnah-
men in der Zahnarztpraxis vorzunehmen (Abb. 4.15).
Befunderhebung
Kariesbefall inkl. Initialkaries
MH-Indizes
Ernährungsanamnese
Fluoridanamnese
zusätzlich
Speicheltests und
weitere Untersuchung
zur Bestimmung
der Kariesaktivität
Basisprophylaxe Intensivprophylaxe
häusliche Mundhygiene MH-Instruktion
inkl. Fluoridierung Fluoridierung
Fissurenversiegelung Ernährungsberatung
2 Kontrolltermine/Jahr Fissurenversiegelung
zur Remotivation und CHX-Therapie
Lokalfluoridierung häufiger Recall
regelmäßige Neubeurteilung
Der resultierende Defekt wird mit einem adäquaten Füllungsmaterial Invasive Karies-
restauriert. Auch andere Zahnhartsubstanzschäden können bei entspre- therapie
chender Indikationsstellung restaurativ angegangen werden. Die Fül-
lung wird i.d.R. nach Präparation einer Kavität in den Zahn eingeglie-
dert. Sie soll die ursprüngliche Form des Zahnes wiederherstellen.
Zudem soll der defekte Zahnbereich wieder mit üblichen Mundhygiene-
hilfsmitteln gereinigt werden können (Wiederherstellung der Hygiene-
fähigkeit). Die Präparation der Kavität muss möglichst zahnhartsub-
stanzschonend erfolgen. Gleichzeitig soll jedoch die Restauration dau-
erhaft verankert werden können. Sie darf das marginale Parodont, die
Pulpa und den Gesamtorganismus nicht schädigen und zudem soll der
Entstehung einer neuen Karies vorgebeugt werden.
Das Ziel der restaurativen Zahnheilkunde ist es, gesunden Schmelz
und Dentin zu erhalten und die Pulpa zu schützen. Gleichzeitig sollten
die Zahnform und die Zahnfunktion (Zahnform, Approximalkontakt
und Okklusion) wiederhergestellt werden. Als zusätzliche Forderung
wird heute im sichtbaren Bereich eine möglichst unsichtbare Restaura-
tion (ästhetische Zielvorgaben) angestrebt.
Klasse I Klasse II
Es gibt aber bisher keine allgemein gültige neue Einteilung, die alle
möglichen Präparationsformen festen Kategorien zuordnet.
Die invasive Kariestherapie setzt eine genaue Kenntnis der Zahn-
hartgewebe, der Pulpa und deren Reaktionspotenzial voraus. So be-
stimmt gesunder Zahnschmelz im Randbereich der Kavität die Art der
Präparationsinstrumente, die Arbeitsweise dieser Instrumente, die Kavi-
tätenform und deren Randgestaltung. Die Lokalisation, Größe und
Form der Kavität wird zusätzlich von der Lage und Größe des kariösen
Defekts bestimmt.
Bei der Kavitätenpräparation entstehen definierte Flächen und
Grenzbereiche, in denen diese Flächen aneinander stoßen. Im Einzel-
nen unterscheidet man bei einer standardisierten mehrflächigen Seiten-
zahnkavität die in der Abbildung 5.2 aufgezeigten Flächen.
Im Rahmen der Primärpräparation wird, wie bereits erwähnt, die Ka- Hilfsmittel zur
ries entfernt. Dies kann mit langsam rotierenden Werkzeugen (Rosen- Kariesentfernung
bohrer) oder Handinstrumenten (Löffelexkavatoren) erfolgen. Dabei
sollten i.d.R. entkalkter opaker Schmelz und erweichtes Dentin voll-
ständig entfernt werden.
Im Bereich der Kavitätenränder und an der Schmelz-Dentin-Grenze
wird häufig Karies bzw. demineralisiertes Zahnhartgewebe übersehen.
168 5 Grundlagen der invasiven Therapie
distale linguale
Kavitätenwand Kavitätenwand
Kavitätenboden Zahnoberfläche
linguale
Kavitätenrand Extensionsfläche
pulpale gingivale
(pulpoaxiale) (zervikal-approximale)
Kavitätenwand Stufe
Knoop-
Härte
verfärbtes trans-
50 parente
Dentin
Zone
40 Zone der
bakteriellen
Penetration
30
20
Schmelz- 1 mm 2 mm 3 mm
Dentin-
Grenze
Allerdings wird bei einem solchen Vorgehen auch gesundes oder remi-
neralisierbares Dentin entfernt und gerade bei Zähnen jugendlicher Pa-
tienten besteht bei tiefen Kariesläsionen die Gefahr einer Pulpaeröff-
nung. Dentin kann remineralisieren, wenn die Tertiärstruktur des Kolla-
gens intakt ist und Kristallisationskeime vorhanden sind. Daher reicht
eine Exkavation bis zum Übergang von denaturiertem zu intaktem Kol-
lagen eigentlich aus. Doch diese Grenze ist klinisch kaum zu erkennen. 5
Daher war man bemüht, Hilfsmittel zu entwickeln, mittels derer eine
Überexkavation vermieden werden kann. Dazu gehören verschiedene
Fluoreszenzverfahren (z.B. Vistaproof, SIROInspect), mit denen kariöse
Bereiche zu einer stärkeren Fluoreszenz angeregt werden als gesunde Be-
reiche. Dabei werden Fluorophore durch eine energiereiche Lichtstrah-
lung definierter Wellenlänge (z.B. 405 nm) angeregt. Derartige Fluoro-
phore sind z.B. Porphyrine, die sich in bakteriell besiedelten Gebieten
anreichern. Sie nehmen die Lichtenergie auf und ein Teil der Energie
wird dann mit einer anderen Wellenlänge (andere Farbe) wieder abge-
strahlt. Es ist also möglich, mit einem derartigen Verfahren die Exkavak-
tion zu kontrollieren. Bei einem aktiven fluoreszenzkontrollierten Sys-
tem wird die Exkavation mit einem speziellen Winkelstück und Rosen-
bohrer gestoppt, wenn der entsprechende fluoreszierende Bereich im
Dentin entfernt wurde.
Daneben gibt es Rosenbohrer aus Polymeren (smart bur), die nicht
mehr schneiden, wenn sie auf Dentin einer bestimmten Härte (ca. 60%
des gesunden Dentins) treffen. Sie sollen insbesondere bei weicher, pul-
panaher Karies eingesetzt werden, wenn der entsprechende Zahn symp-
tomlos ist, um eine Pulpaeröffnung zu vermeiden.
Als weiteres Hilfsmittel zur Kariesentfernung gibt es eine eingefärbte
Lösung, welche die kariöse Zahnhartsubstanz anlöst (Carisolv), sodass
sie anschließend relativ leicht mit entsprechenden Handinstrumenten
entfernt werden kann. Diese Lösung besteht aus 5%igem Natriumhypo-
chlorit und drei Aminosäuren (Glutamin, Leucin, Lysin, Natriumchlo-
rid, Erythrosin [E127], CMC, Wasser, Natriumhydroxid, pH = 11). An-
dere Lösungen mit ähnlichem Anspruch enthalten Pepsin oder Papain.
Mit diesen minimalinvasiven Ansätzen lassen sich sicherlich Über-
exkavationen und zahlreiche überflüssige Pulpaeröffnungen vermei-
den. Allerdings wird eine demineralisierte, nicht entfernte Dentinzone
im Röntgenbild als Aufhellung sichtbar sein und möglicherweise als Ka-
riesrezidiv interpretiert werden.
Der Kavitätenzugang muss weiterhin mit den üblichen rotierenden
Instrumenten hergestellt werden und pulpafernes Dentin lässt sich ra-
scher mit den üblichen Hartmetall- oder Keramikrosenbohrern entfer-
nen. Zudem ist bis heute nicht geklärt, ob die Reparaturmechanismen
170 5 Grundlagen der invasiven Therapie
5.2 Präparationsinstrumentarium
! Für die Präparation und die Fertigstellung einer Kavität steht eine
Vielzahl unterschiedlicher Instrumente zur Verfügung. Man kann
diese grob in Handinstrumente, rotierende Instrumente und os-
zillierende Instrumente einteilen (Tab. 5.1).
können auf Scheiben oder Gummipolierern befestigt sein und zum Po-
lieren und Finieren verwendet werden. Die Größe und Anordnung der
Abrasivstoffe und Schneiden ist maßgebend für die Schneid- bzw.
Schleifleistung und den Glättungseffekt der einzelnen Instrumente.
Bohrer und Schleifer gibt es in unterschiedlichen Formen. Die ge-
bräuchlichsten sind Rosenbohrer, Zylinder, Kegel, umgekehrter Kegel,
kugelförmige, konische, birnenförmige, flammenförmige und torpedo-
förmige Bohrer und Schleifer. Grundsätzlich wird ab Drehzahlen von
4500 aufwärts immer mit Wasser präpariert und geschliffen.
5.2.2 Handinstrumente
Finieren Es handelt sich dabei um Idealvorstellungen, bei denen sowohl der Ka-
vitätenrandbereich als auch das Füllungsmaterial eine optimale Wider-
standskraft gegenüber Kaudruck aufweisen. Beim Finieren werden ge-
lockerte und von Dentin nicht mehr unterstützte Schmelzbereiche ent-
fernt. Zudem werden die Präparationsgrenzen genau definiert. Im
Frontzahnbereich gilt dieses Prinzip nur noch eingeschränkt, da hier die
einwirkenden Kräfte geringer sind als im Seitenzahnbereich.
Kavitäten- Im Anschluss an die Präparation werden Blut-, Dentin- und
reinigung Schmelzreste mit Wasserspray entfernt. Mit Chlorhexidindiglukonat
(0,2%), Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung und Wattepellets
wird eine zusätzliche Kavitätenreinigung vorgenommen. Andere desin-
fizierende Medikamente sind zur Kavitätentoilette nicht erforderlich.
Zudem ist ihre Pulpafreundlichkeit nicht gewährleistet. Anschließend
erfolgt eine kurze Trocknung der Kavität, die jedoch nicht zur Dehy-
drierung und damit Pulpaschädigung führen sollte.
Schmierschicht Nach der Präparation der Zahnhartgewebe entsteht auf dem Dentin
eine Schmierschicht (smear layer) aus Zelltrümmern, Bakterien, Zahn-
hartgewebetrümmern, Dentinliquor u.a. Diese Schmierschicht ist zwi-
schen 1 und 5 µm dick und nicht mit Wasserspray oder Wattepellets zu
entfernen. Die Erfahrung lehrt, dass sie bei zahlreichen Restaurations-
techniken auch nicht entfernt werden muss. Sie schützt vor Eindringen
von Füllungsmaterialbestandteilen, wie z.B. Monomeren bei Komposit-
füllungen oder Quecksilber bei Amalgamfüllungen. Andererseits kann
die Schmierschicht natürlich eine gute Adaptation bestimmter Restau-
rationsmaterialien verhindern.
Das erweichte, infizierte Dentin wird exkaviert (evtl. Kontrolle mit ge-
eigneten Maßnahmen).
Das verbliebene Dentin kann verfärbt sein, muss jedoch auf Sonden-
härte überprüft werden. Diese Überprüfung kann auch mit einem schar-
fen Exkavator vorsichtig vorgenommen werden.
Bei der Exkavation einer Caries profunda werden Dentinbezirke frei- Indirekte Über-
gelegt, die aufgrund der anatomischen Struktur des Dentins besonders kappung
durchlässig sind. Da viele Restaurationsmaterialien irritierend auf die
Pulpa wirken können, wird empfohlen, diese Bezirke mit einem erhär-
tenden Kalziumhydroxid- oder Kalziumsilikatpräparat (im Engl. „sub-
base“) zur Schonung der Pulpa abzudecken, welches sowohl eine akute
Reaktion der Pulpa-Dentin-Einheit verhindern als auch einen reparati-
ven Prozess auslösen soll.
Als Kalziumsilikatzement kommen Mineral-Trioxid-Aggregat
(MTA) oder andere Zemente in Betracht. Mineral-Trioxid-Aggregat be-
steht als Derivat des Portlandzementes aus Trikalziumsilikat, Trikal-
ziumaluminat, Kaliumoxid und Siliziumoxid. Daneben sind andere mi-
neralische Oxide, wie z.B. Wismutoxid zur Erhöhung der Radioopazität,
enthalten. Das Pulver wird mit destilliertem Wasser in einem Mi-
schungsverhältnis von 3 : 1 (1 g MTA : 0,35 g H2O) angemischt. Zunächst
176 5 Grundlagen der invasiven Therapie
entsteht ein kolloidartiges Gel, welches innerhalb von zwei bis drei
Stunden aushärtet und danach nicht mehr löslich ist. Auch bei MTA
wird Kalziumhydroxid während der Aushärtereaktion ins Dentin freige-
setzt, wobei allerdings die Pulpareaktion auf MTA rascher einsetzt und
gleichzeitig weniger entzündliche Reaktionen hervorrufen soll.
Während Kalziumhydroxidpräparate und MTA zur punktuellen Ab-
deckung der tiefsten Bereiche nach einer Exkavation empfohlen wer-
den, werden neuere Zemente auch zum Auffüllen des gesamten entfern-
ten Dentinbereichs propagiert (z.B. Biodentine).
Anschließend wird die Kavität definitiv mit ggf. einer Unterfüllung
und einer Restauration verschlossen. Im Rahmen der Adhäsivtechnik
bei der Restauration mit Kompositen wird häufig auf eine Unterfüllung
verzichtet, dann muss allerdings darauf geachtet werden, dass die appli-
zierte Säure die tiefsten Stellen der Kavität ausspart (Abb. 5.4).
Als weiterer Grund für diese Form der indirekten Überkappung wird
angegeben, dass manchmal auch nach sorgfältigster Exkavation nicht
mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass nicht doch
noch infiziertes Dentin zurückgeblieben ist.
Vorgehen Das klinische Vorgehen in Stichworten:
indirekte D vollständige Exkavation des kariösen Dentins
Überkappung D Aufbringen einer dünnen Schicht eines erhärtenden Kalziumhydro-
xid- oder Kalziumsilikatpräparats auf die pulpanahen Bezirke
D Unterfüllung
D Deckfüllung
Nach diesem Zeitraum wird der Zahn auf Sensibilität geprüft, die Res-
tauration wieder entfernt und die Restkaries exkaviert. Anschließend
wird der Zahn mit einer endgültigen Restauration versorgt.
In neueren Studien konnte bestätigt werden, dass es bei Anwendung
dieser Methode sehr viel seltener zur Eröffnung der Pulpa kommt als bei
der einzeitigen Exkavation. Nahezu ausgeschlossen werden kann eine
ungewollte Pulpaeröffnung, wenn in der ersten Sitzung nur das stark er-
weichte Dentin entfernt und nach entsprechender Versorgung erst nach
6–12 Monaten die endgültige Exkavation der Restkaries durchgeführt
wird.
Die schrittweise Kariesentfernung wird hauptsächlich zur Behand-
lung stark kariöser erster Molaren bei jugendlichen Patienten empfohlen.
2. Sitzung:
D Sensibilitätsprüfung
D Entfernen der Deckfüllung und Unterfüllung
D Exkavation des belassenen kariösen Dentins
D Abdeckung des pulpanahen Bezirks mit einem erhärtenden Kalzi-
umhydroxid- oder Kalziumsilikatpräparat in dünner Schicht
178 5 Grundlagen der invasiven Therapie
D Unterfüllung
D Deckfüllung
Man ist dabei auf eine hundertprozentige Mitarbeit des Patienten ange-
wiesen. Kommt der Patient nach der ersten Exkavation nicht wieder in
die Praxis, weil er keine Schmerzen verspürt, führt die belassene kariöse
Zahnhartsubstanz möglicherweise zu einem Kariesrezidiv und nachfol-
gend häufig zu einer Pulpitis.
Wirkung von Bei einer indirekten Überkappung wird Kalziumhydroxid oder Kalzi-
Kalziumhydroxid umsilikat eingesetzt, da man eine Alkalisierung des Dentins erreichen
will. Außerdem wirkt Kalziumhydroxid vorübergehend bakterizid.
Durch die Anwendung des Kalziumhydroxids wird die Reaktionslage
der Pulpa verbessert und ein möglicher Säureschub durch eine anschlie-
ßend aufgebrachte saure Unterfüllung aufgefangen.
Kalziumhydroxid ist bis zu einem gewissen Grad wasserlöslich, es
dissoziiert dabei und wirkt alkalisch. Aufgrund der Ionenabgabe besitzt
es einen antimikrobiellen Effekt, der jedoch bei Austrocknung verloren
geht. Gibt man zu einem ausgetrockneten Präparat wieder Wasser
hinzu, so wird die antimikrobielle Wirksamkeit erneut hergestellt.
Mit dem Kohlendioxid der Luft kann Kalziumhydroxid partiell Kal-
ziumkarbonat bilden und damit inaktiviert werden. Wird Kalziumhy-
droxid auf das Dentin aufgebracht, so diffundiert es durch die Dentin-
kanälchen und wirkt bei einer dünnen Dentinschicht auch auf das Pul-
pagewebe. Mit zunehmender Liegedauer kommt es jedoch zu einer
Diffusionshemmung durch Ausfällung schwer löslicher Kalziumsalze in
den Dentinkanälchen.
Sowohl bei Kalziumhydroxidpräparaten als auch bei kalziumsilikat-
haltigen Produkten werden bioaktive Moleküle aus dem Dentin he-
rausgelöst (z.B. TGF β 1). Diese stimulieren den natürlichen Heilungs-
prozess des Zahnes entweder indem sie Odontoblasten aktivieren, die
extrazelluläre Matrix für die Anreicherung von Kalzium und Phosphat
zu stimulieren (direkte Reaktion), oder indem sie nach Diffusion in das
Pulpagewebe entsprechende Vorläuferzellen zu einer Differenzierung in
Odontoblasten anregen, die dann atubuläres Fibrodentin oder sogar
reguläres tubuläres Dentin im Rahmen eines länger andauernden repa-
rativen Prozesses bilden. Außerdem führen die bei dieser Prozedur frei-
gesetzten Kalziumionen zu einer Expression von Osteopontin, Osteocal-
cin und Bone Morphogenetic Protein (BMP-II) durch osteoblastenähnli-
che Zellen und Fibroblasten in der Pulpa. Zudem versucht man, mit
kalziumhaltigen Zementen die Mineralisation von freiliegendem, aber
noch mineralisierbarem Kollagen in der Kavität zu beschleunigen.
Ähnliche Prozesse können auch durch Säuren bzw. EDTA ausgelöst
werden. Dabei ist allerdings die Grenze zwischen stimulierenden und
schädigenden Prozessen auf die Pulpazellen von zahlreichen Faktoren
abhängig, wie z.B. dem Entzündungsgrad der Pulpa, der Dauer und
Stärke der Säurewirkung usw.
5.5 Indirekte Überkappung – CP-Behandlung mit Kalziumhydroxidpräparaten Kapitel 5 179
Suspension Zement
Wasser Säure
Kombinationen
mit verschiedenen Kalziumhydroxid Öle Kitt
Zementen
Monomer Lack
5
lichthärtende
Ca(OH)2-Präparate Liner
Da sie nur eine geringe Druckfestigkeit aufweisen und sich auch unter
Füllungen auflösen, dürfen sie nur kleinflächig im Bereich der indirek-
ten Überkappung appliziert werden. Unter Kompositfüllungen ließen
sich zudem Farbveränderungen dieser Präparate feststellen, die zu äs-
thetischen Problemen führten. Bei der Anwendung lösungsmittelhalti-
ger Dentinadhäsive (z.B. Azeton) können Kalziumhydroxidpräparate
angelöst werden.
Kombinationen Es gibt außer den genannten Präparaten weitere Kombinationen
von Kalziumhydroxid mit anderen Materialien. Als Beispiel sei hier die
Mischung eines Kalziumsalizylatzements mit Zinkoxid-Eugenol-Zement
(Cp-Cap) genannt. Die Druckfestigkeit dieser Präparate liegt jedoch
nicht über denen des Kalziumsalizylatzements. Sie lassen sich also auch
nicht als Unterfüllungsmaterial verwenden.
5.6 Dentinwundversorgung
! Nach der Exkavation einer Karies und der Präparation einer Kavi-
tät resultiert eine mehr oder weniger große Dentinwunde, die mit
einem geeigneten Dentinwundverband abgedeckt werden muss.
Der Dentinwundverband soll die Pulpa schützen und gleichzeitig
den Ausstrom von Dentinliquor aus den Dentinkanälchen unter-
binden.
5.6 Dentinwundversorgung Kapitel 5 181
5.6.2 Zemente
Richtung Pulpa diffundiert. Außerdem ist die Menge freier Säure gerin-
ger. Die Schrumpfung des Zements ist jedoch um ein Mehrfaches hö-
her als bei Zinkoxid-Phosphatzementen, die Druckfestigkeit geringer.
Die Löslichkeit der Carboxylatzemente entspricht der Löslichkeit
von Phosphatzementen. Sie eignen sich jedoch aufgrund ihrer geringen
Festigkeit nicht für Bereiche, die großen Belastungen ausgesetzt sind.
Carboxylatzemente besitzen keine chemische Haftung an Gold
und Platin und sind wegen der starken Schrumpfung den Phosphatze-
menten beim Einsetzen von Goldrestaurationen nicht überlegen.
Glasionomer- Glasionomerzemente werden nicht nur als Unterfüllungsmateria-
zemente lien, sondern auch als Füllungsmaterialien verwendet (s.a. Kap. 6.2). Sie
eignen sich als Unterfüllungsmaterialien unter Amalgam-, Komposit-
und Keramikrestaurationen.
Unterfüllungsmaterialien werden nach dem Anmischen mit abge-
rundeten oder planen Stopfern in die Kavität eingebracht. Dabei muss
die Kavität trocken gehalten werden. Sie härten je nach Material ver-
schieden lang aus und können anschließend mit Finierern geglättet
werden. Um Unterfüllungsreste an den nicht zur Pulpa gerichteten Ka-
vitätenwänden zu entfernen, empfiehlt es sich daher, Kavitäten erst
nach Einbringen der Unterfüllungen definitiv zu finieren. Unterfül-
lungsmaterialien dürfen nicht den dichten Verschluss einer Kavität be-
hindern. Wurde beim Einbringen der Kavitätenrand mit einem Unter-
füllungsmaterial kontaminiert, so muss dieses grundsätzlich vor Fül-
lungstherapie entfernt werden.
Sie erfüllen damit neben ihrer Funktion des Dentin- und Pulpaschutzes
auch die Aufgabe, die einzubringende Menge an Füllungsmaterial zu re-
duzieren. Dies gilt auch für Einlagefüllungen. Hier werden sie aber zu-
sätzlich zum Ausblocken unter sich gehender Stellen und zum Aufbau
verloren gegangener Zahnhartsubstanz verwendet. Bei flachen und
mitteltiefen Kavitäten, insbesondere bei minimalinvasiver Therapie
von Primärläsionen, lassen sich auch Adhäsivsysteme (s. Kap. 6.1.4) zur
Dentinwundversorgung anwenden. Bei richtiger Anwendung verschlie-
ßen sich die Dentinkanälchen und können sowohl mit der Zahnhart-
substanz als auch mit Kompositmaterialien eine Bindung eingehen.
Bei guter Mitarbeit des Patienten lassen sich die Exkavation kariöser Be- 5
zirke und konventionelle Füllungstherapie bei relativer Trockenlegung
mit Watterollen gut durchführen. Dazu werden Watterollen je nach Be-
handlungssituation im Oberkiefer im Vestibulum und im Unterkiefer
im Vestibulum und im Sublingualraum eingelegt. Haben sich die Watte-
rollen mit Speichel voll gesogen oder werden sie mit Wasserspray voll-
ständig durchnässt, müssen sie während der Behandlung gewechselt
werden. Trockene Watterollen kleben an den Mundschleimhäuten. Es
kann beim Entfernen dieser Watterollen zu breitflächigen Verletzungen
der Mundschleimhaut kommen, daher müssen sie vorher mit Wasser-
spray durchfeuchtet werden.
Bei der Mehrzahl der restaurativen Maßnahmen empfiehlt sich das Le-
gen von Kofferdam (absolute Trockenlegung).
Kofferdam wurde bereits 1894 von S.C. Barnum in die Zahnheil-
kunde eingeführt. Dennoch findet die Technik der absoluten Trockenle-
gung mit Kofferdam in den deutschen Zahnarztpraxen bisher wenig
Gegenliebe. Sie bietet aber gerade dem restaurativ tätigen Zahnarzt her-
vorragende Arbeitsbedingungen, weil sie einerseits eine saubere Verar-
beitung von Füllungsmaterialien unter optimaler Sicht erlaubt, anderer-
seits den Patienten vor Aspiration und Verschlucken von Instrumenten
und Materialien schützt.
Dem angeblich erhöhten Zeitaufwand, der beim Anlegen von Kof-
ferdam im Vergleich zum Legen von Watterollen notwendig ist, kann
eine erhebliche Zeitersparnis gegenüberstehen. So fallen z.B. das zeitauf-
wändige Sichern endodontischer Kleininstrumente, der Zeitaufwand
beim Wechseln der Watterollen und unnötige Unterbrechungen wäh-
rend der Behandlung durch „gesprächige“ Patienten weg. Eine genaue
Kenntnis des Instrumentariums und der Applikationstechniken ermög-
licht es, die Kofferdam-Technik als Routineverfahren in die tägliche
zahnärztliche Praxis Eingang finden zu lassen.
Folgende Gründe, die absolute Trockenlegung mit Kofferdam zu Indikationen
wählen, lassen sich anführen:
188 5 Grundlagen der invasiven Therapie
5
2 3
1
4
5
15 cm
4 cm
15 cm
d
Abb. 5.6: Instrumentarium für die Kofferdamapplikation: a) Auswahl unterschiedlicher Klammern, b) Kof-
ferdamlochzange, c) Klammerspannzange, d) Kofferdamgummi mit vorgestanzten Löchern für Restaura-
tionen der Oberkiefer-Frontzähne
6.1 Kompositrestaurationen
Zahnhart- gering
substanz- hoch
verlust
gering
Defekt- hoch
orientierung
weniger
geeignet
Primär- geeignet
versorgung
Sekundär- geeignet
versorgung
weniger
geeignet
Hybridionomere Lichthärtung und 2 Komponenten Chemisch (= adhäsiv) Verringerte Hohe thermische Expan-
(= resinmodifizierte GIZ) chemische Härtung zum Anmischen und mikromechanisch Feuchtigkeitsemp- sion/Kontraktion Poly-
findlichkeit merisationsschrumpfung
Metallfarben Amalgam Chemisch 2 Komponenten Makromechanisch Wenig feuchtigkeits-
zum Anmischen empfindlich
Stopfgold – 1 Komponente Makromechanisch Sehr feuchtigkeits-
empfindlich
Metallverstärkte GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ
(Cermet-Zemente)
6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 195
Organische Matrix
Die organische Matrix besteht im nicht ausgehärteten Zustand aus Mo-
nomeren, Initiatoren, Stabilisatoren, Farbstoffen, Pigmenten und ande-
ren Additiva.
Bei den verwendeten Monomeren handelt es sich fast ausschließlich Monomere
um mehrfunktionelle Methacrylate mit der vereinfachten Grundformel:
MA-R-MA (Abb. 6.2). Das mit R bezeichnete organische Zwischenglied
6
können aliphatische Ketten, Urethanpräpolymere, aromatische Ringe
und Polyäther sein. MA steht für die Methacrylsäureester-Reste. Diese
Kompositmatrixmoleküle weisen eine relativ hohe Reaktivität auch bei
niedrigen Temperaturen, gute physikalische Eigenschaften, eine relative
Farbstabilität und geringe toxische Wirkungen auf. Sie sind toxikologisch
unbedenklicher als reine Methacrylate, geruchs- und geschmacksneutral.
Das zentrale Molekül (R) ist für die mechanischen Eigenschaften,
die Wasseraufnahme, die Schrumpfung, den Polymerisationsgrad, die
Viskosität und zahlreiche andere Eigenschaften verantwortlich. Besit-
zen diese Molekülanteile viele Sauerstoffatome oder Hydroxylgruppen,
so ist die Wasseraufnahme der Kompositmatrix hoch. Sind die Mono-
mere langkettig, so wird beim Aushärten die Schrumpfung geringer sein
als bei kurzkettigen Molekülen. Da aber langkettige Monomermoleküle
zu einer erhöhten Viskosität führen, werden oft Verdünnermonomere
(z.B. TEGDMA oder EGDMA) für eine bessere Verarbeitbarkeit hinzuge-
geben. Diese führen jedoch, da sie kurzkettiger sind, wieder zur erhöh-
ten Schrumpfung des Materials.
Unter Initiatoren versteht man Matrixbestandteile, die durch Akti- Initiatoren
vierung (chemischer Aktivator, physikalischer Aktivator) in energierei-
che Moleküle (Radikale) zerfallen, die mit den Doppelbindungen der
Monomere reagieren. Diese bilden dann Polymerketten. Die Reaktions-
freudigkeit der Initiatoren ist für die vollständige Aushärtung (Polyme-
risationsgrad, Konversionsgrad der Doppelbindungen) entscheidend.
Verbundphase
(Silane / Kopolymerisation)
organische Matrix
6
homogenes inhomogenes
konventionelles Hybrid- Mikrofüller- Mikrofüller-
Komposit komposit komposit komposit
(KK) (HK) (HMK) (IMK)
a b c d
Abb. 6.3: Einteilung der Komposite nach Art der Füller: a) Konventionelle Komposite mit Makrofüllern aus
Quarz, Glas oder Keramik. Die mittlere Teilchengröße beträgt je nach Komposit 5–10 μm. b) Hybridkompo-
site mit Makrofüllern und Mikrofüllern aus SiO2. Die mittlere Teilchengröße beträgt je nach Komposit mehr
als 10 μm, zwischen 2 und 10 μm bzw. weniger als 2 μm. Bei modernen Feinpartikelhybridkompositen lie-
gen die mittleren Füllergrößen unter 1 μm. c) Homogene Mikrofüllerkomposite mit Teilchengrößen von
0,007–0,04 μm. d) Inhomogene Mikrofüllerkomposite mit splitterförmigen und kugelförmigen Vorpoly-
merisaten (100–200 μm) bzw. Mikrofülleragglomeraten.
200 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Radikal
Monomer Polymer
Vernetzung
Ein dunkles bzw. opaques Komposit lässt sich nicht so tief aushärten wie
ein helles oder transparentes. Mikrofüllerkomposite besitzen aufgrund
des Lichtstreuungseffekts der kleinen Füllkörper und der damit verbun-
denen Absorption eine schlechtere Konversion als konventionelle Kom-
posite. Das gilt auch für die modernen Feinstpartikel-Hybridkomposite.
Die Lichtintensität ist umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfer-
nung Lichtaustrittsfenster – Füllungsoberfläche. Man sollte daher mit
der Polymerisationsleuchte möglichst nahe an das Restaurationsmate-
rial herangehen. Bestrahlungsstärke und Belichtungszeit haben eben-
falls einen Einfluss auf die Durchhärtungstiefe. Die Konversionsrate
(Anzahl der in die Polymerisation eingehenden Doppelbindungen) be-
trägt 35–77%.
Komposite zeigen nach der Lichthärtung in einem Zeitraum von 24
Stunden eine Nachhärtung.
Sauerstoff ist ein Polymerisationsinhibitor. Aber auch andere Be-
standteile aus Unterfüllungs- oder provisorischen Verschlussmaterialien
können als Inhibitoren wirken (z.B. Eugenolreste). Eine Polymerisa-
tionsinhibition an den Innenflächen der Restaurationen bedeutet einen
erhöhten Restmonomergehalt und damit eine Gefährdung des Pulpage-
webes.
Die zur Aushärtung von Kompositmaterialien angebotenen Polyme- Polymerisations-
risationslampen emittieren in der Regel Licht der Wellenlänge zwischen lampen
400 und 500 nm. Insbesondere Halogenlampen decken dabei ein brei-
tes Wellenlängenspektrum ab. Zahlreiche LED-Geräte (LED = Light
Emitting Diode) haben ihr Intensitätsmaximum in einem eng definier-
ten Wellenlängenspektrum und können daher möglicherweise nicht
alle Kompositmaterialien oder Adhäsivsysteme ausreichend polymeri-
sieren. Sie weisen zudem eine erhebliche Lichtstreuung auf. Neuere Ge-
räte besitzen Lichtleiter oder Linsen, welche das Licht bündeln und sind
206 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Nanofüllerkomposite
Unter diesem Begriff werden heute unterschiedliche Weiterentwicklun-
gen von Kompositen zusammengefasst. Es handelt sich dabei um Mate-
rialien mit Füllkörpern, die eine ähnliche mittlere Teilchengröße wie
Mikrofüller besitzen. Allerdings entspricht der Füllkörpergehalt häufig
dem von Hybridkompositen, sodass entsprechend gute mechanische Ei-
genschaften resultieren. Diese Komposite sind sehr gut zu polieren und
behalten den dabei erzielten Glanz langfristig. Durch physikalische und
chemische Veränderungen können freie, nicht agglomerierte Mikrofül-
ler in die Matrix eingebaut werden. Dies war bei den konventionellen
Mikrofüllerkompositen nicht möglich, da sie sofort agglomerierten. Na-
nofüllerkomposite weisen aufgrund des hohen Füllstoffgehalts bessere
physikalische Eigenschaften als reine Mikrofüllerkomposite auf.
Kompomere
Kompomere (Polyalkensäure modifizierte Komposite) sind lichthär-
tende Komposite, die durch Glasionomerzement-Komponenten modifi-
ziert wurden. Während Glasionomerzemente angerührt werden müssen
und anschließend aufgrund einer Säure-Basen-Reaktion aushärten, han-
delt es sich bei Kompomeren i.d.R. um Ein-Komponenten-Materia-
lien, die erst nach Lichtzufuhr polymerisieren. Die von den Herstellern
anfangs postulierte Glasionomerzement-Reaktion kann ausschließlich
an Grenzflächen erfolgen, die mit feuchten Medien (Wasser, Speichel,
Dentinflüssigkeit) in Berührung kommen. Es handelt sich dabei also um
eine Reaktion, die nur in sehr dünnen Schichten abläuft.
Neben Kompomer-Füllungsmaterialien gibt es auch Werkstoffe zur
Befestigung von Restaurationen und orthodontischen Apparaturen.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 209
Diese sind selbst- bzw. dualhärtend. Es gibt zudem auch niedrig visköse,
„flowable“ Kompomere, zu denen bisher keine relevanten Studien be-
kannt sind.
Die Matrix der auf dem Markt befindlichen Kompomere enthält zu- Matrixbestand-
sätzlich zu der bei Kompositen üblichen Mischung verschiedener Di- teile
methacrylate säuremodifizierte Monomere, die aufgrund ihrer Hydro-
xylgruppen hydrophil sind. Die Wasseraufnahme von Kompomeren ist
dadurch wesentlich höher als die der üblichen Komposite.
Im Unterschied zu konventionellen Glasionomerzementen besitzen
die Karbonsäuren der Kompomere jedoch vernetzbare Doppelbindun-
gen. Aufgrund dieser Zusammensetzung sollten die beiden möglichen
Reaktionen – radikalische Polymerisation wie bei Kompositen und che-
mische Säure-Base-Reaktionen wie bei Glasionomerzement – ermöglicht
werden. Da Kompomere jedoch in nicht abgebundener Form kein Was-
6
ser enthalten, kann die Säure-Base-Reaktion erst dann induziert werden,
wenn das Material Wasser aufnimmt. Während der radikalischen Poly-
merisation muss das Material allerdings vor Wasserzutritt geschützt wer-
den.
Ormocere
Matrix Ormocere sind organisch modifizierte Keramikmaterialien (organically
modified ceramic = Ormocere). Im Gegensatz zu herkömmlichem Kom-
posit besteht die Matrix bei diesem neuen Füllungsmaterial zum Teil aus
einem anorganischen, bereits „vorpolymerisierten“ Netzwerk, das mit
organischen Methacrylatgruppen „versetzt“ ist, die nach dem Polymeri-
sationsstart vernetzen. Diese Reaktion wird wie bei anderen Kompositen
mit Licht initiiert.
Der Ormocer-Matrix sind Füllstoffe und Additiva sowie zur besseren
Verarbeitung Moleküle aus der ursprünglichen Komposittechnologie
(Dimethacrylate) zugesetzt.
Die bisher erhältlichen Materialien sind nach Herstellerangaben in
allen Indikationsbereichen, die bisher durch Kompomere, Komposite
und Amalgam abgedeckt wurden, einzusetzen.
Aufgrund der speziellen Chemie lassen sich nach Aushärtung aus
dem Füllungsmaterial weniger Restmonomere eluieren. Dies würde
bedeuten, dass die toxikologischen Nebenwirkungen geringer wären. An-
dererseits müssen auch Füllungsmaterialien auf Ormocerbasis mit einem
entsprechenden Adhäsivsystem verarbeitet werden, sodass das allergolo-
gische und toxikologische Potenzial des Gesamtkomplexes Matrix, wei-
tere Bestandteile, Füller und Adhäsivsystem betrachtet werden muss.
Füllstoff Als Füllstoff ist der Matrix neben Bariumglas ein modifiziertes Apa-
tit zugesetzt. Die auf dem Markt befindlichen Materialien setzen zudem
wie die Kompomere Fluorid frei.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 211
Poly(mer)gläser
Ein weiteres Kompositmaterial basiert auf sogenannten Poly(mer)glä- Matrix
sern. Die Matrix dieses Materials besteht aus tetra- bis hexafunktionel-
len Molekülen, die eine höhere Vernetzungsdichte aufweisen als die
Matrix herkömmlicher bifunktioneller Monomere (z.B. Bis-GMA,
TEGMA). Der Hersteller bezeichnet diese Matrix als organische Glas-
matrix bzw. Matrix aus mehrfunktionellen vitroiden Polygläsern.
6
Dieser Matrix sind Fluorid freisetzende, volumenvergrößernde, po-
lyglobuläre Füllstoffe zugesetzt, die einen Volumenanteil von 92%
(65 Gew.-%) ausmachen. Es handelt sich um infiltrierbare Silikat-Gläser
mit einer durchschnittlichen Partikelgröße von 8–11 µm. Die Partikel
sollen infiltrierbar sein, d.h., sie sollen einen Teil der Polyglasmatrix auf-
nehmen können. Als weitere Füllkörper sind herkömmliche Ba-Al-Si-F-
Gläser (mittlere Größe 0,7 µm), Al-Si-F-Gläser (mittlere Größe 1 µm)
und Sr-F-Gläser (mittlere Größe < 1 µm) enthalten.
Vom Hersteller werden die gute Stopfbarkeit und die Standfestigkeit Anwendung
des Materials bei der Modellation hervorgehoben.
Die infiltrierbaren Füllkörper nehmen allerdings Farbpigmente auf,
sodass der Volumenanteil nachfolgend wiederum deutlich reduziert
werden musste. Die porösen Füllkörper sind zudem anfällig gegen Er-
müdungsbelastungen, sodass es bei der klinischen Anwendung nicht
selten zu Randfrakturen kommt.
Das Material wird wie andere „stopfbare“, hoch gefüllte Komposite
verarbeitet.
Silorane
Üblicherweise wird die Polymerisationsschrumpfung von Kompositma- Polymerisations-
terialien durch Optimierung des Füllkörperanteils reduziert. Da der Füll- reaktion
körperanteil jedoch nicht beliebig erhöht werden kann, versucht man
heute mit neuen Monomermolekülen, die sich bei der Polymerisations-
reaktion nicht verkürzen, die Schrumpfung zu reduzieren. Es gibt in die-
ser Gruppe bisher ein kommerziell verfügbares Komposit, bei dem sich
das Matrixsystem grundlegend von den bisher üblichen Monomeren
unterscheidet. Diese Stoffgruppe wird als Siloran bezeichnet, wobei es
sich um die Kombination der chemischen Bestandteile Oxiran und Silo-
xan handelt. Oxirane sind im Prinzip Epoxide, das heißt sehr reaktions-
fähige, zyklische organische Verbindungen. Das Grundgerüst ist wie bei
den Ormoceren eine Polysiloxan-Skelettstruktur (Abb. 6.5). Die Vernet-
zung der Silorane erfolgt über eine Polymerisation der Oxirangruppen.
212 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Dabei benötigt man keine Radikale, sondern Kationen für den Reakti-
onsstart. Durch die Anlagerung eines sauren Kations an den Oxiranring
wird dieser geöffnet (Expansion) und gleichzeitig bildet sich ein neues
Kation (ein sogenanntes Carbokation), sodass die Polymerisation weiter
fortschreiten kann (Abb. 6.6).
Adhäsivsystem Aufgrund dieser Reaktion sind Silorane nicht mit den klassischen,
radikalisch initiierten Kompositwerkstoffen kompatibel und man benö-
tigt für diese Komposite ein speziell entwickeltes Adhäsivsystem. Silo-
rane sind sehr hydrophob, wodurch die Wasseraufnahme stark verrin-
gert sein soll. Gleichzeitig verlangt diese Eigenschaft, dass das Siloranad-
häsivsystem eine hydrophile (Bindung zum Dentin) und eine
hydrophobe Komponente (Bindung zum Komposit) aufweist. Beide
Schichten werden jeweils getrennt mit Licht ausgehärtet.
Fotoinitiator- Die kationische Polymerisation der Silorane erfordert auch ein
system neues Fotoinitiatorsystem. Dieses besteht aus drei Komponenten: ei-
ner lichtabsorbierenden Komponente (z.B. Kampherchinon), einem
Elektronendonator (z.B. einem Amin) und einer dritten Komponente
(z.B. einem Iodoniumsalz, Abb. 6.7). Durch die Zufuhr von Lichtenergie
wird wie üblich Kampherchinon angeregt. Dieses angeregte Kampfer-
chinon reagiert mit einem Elektronendonor und übernimmt von die-
sem ein Elektron. Der positiv geladene Elektronendonator spaltet an-
schließend ein Proton ab, wodurch das Iodoniumsalz in ein Kation und
ein Anion zerlegt wird. Das Kation startet die kationische Polymerisa-
tion, die aber erst dann beginnt, wenn eine bestimmte Menge Kampher-
chinon mit dem Elektronendonator reagiert hat. Es ist damit auch ge-
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 213
zwischenprismatische Schmelzprismen
Substanz
a b c
Abb. 6.9: Nach Schmelzkonditionierung entsteht ein retentives Ätzmuster im Zahnschmelz. Durch die
räumliche Ausrichtung der Schmelzkristalle entstehen unterschiedliche Ätzmuster: a) Ätztyp I: vornehm-
lich Prismenzentren weggelöst, b) Ätztyp II: vornehmlich zwischenprismatische Substanz weggelöst, c) Ätz-
typ III: Mischtyp.
b
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 217
Schmier-
propfen
tag
6
intertubuläres
Dentin
peritubuläres
Dentin I II
Dentin-
tubulus
Hybrid-
schicht
Etch-and-Rinse-Technik (Total-Ätz-Technik)
Vierte Generation Bei der totalen Ätz-Technik (Abb. 6.14b) werden Schmelz und Dentin si-
multan mit einer Säure geätzt (vierte Generation). Bei der Etch-and-
Rinse-Technik werden etwa 5–8 µm des intertubulären Dentins vollstän-
dig demineralisiert. Die gängigen Systeme verwenden dazu 20- bis
37%ige Phosphorsäure. Bei einer sogenannten Überätzung des Dentins
kommt es jedoch nicht zu einem entsprechenden Haftverbund; daher
wird die Phosphorsäure erst auf den Zahnschmelz (Einwirkzeit 30 s) und
anschließend auf das Dentin aufgebracht. Hier wirkt die Säure ca.
15–20 s ein und wird dann insgesamt abgesprüht. Die Schmierschicht
wird bei diesem Vorgang vollständig entfernt. Es kommt genau wie bei
den selbstätzenden Primern zu einer Demineralisation des Dentins, wo-
bei wiederum Kollagen frei gelegt wird. Damit dieses Kollagengeflecht
nicht kollabiert, sollte das Dentin nicht übertrocknet werden. Bei eini-
gen Systemen, bei denen der nachfolgend aufgebrachte Primer Azeton
enthält, ist es sogar erforderlich, dass das Dentin regelrecht feucht bleibt
(wet bonding, moist bonding). Darunter ist jedoch nicht zu verstehen,
dass das konditionierte Dentin bzw. der konditionierte Schmelz mit Blut
oder Speichel in Berührung kommen dürfen.
Um sicherzustellen, dass der Schmelz ausreichend geätzt wurde, ist
man bestrebt, die Schmelzränder so lange zu trocknen, bis das oben ge-
nannte weißlich-opake Erscheinungsbild sichtbar wird. Dabei kollabiert
das Kollagengeflecht unweigerlich und es muss bei der Anwendung aze-
tonbasierter Adhäsivsysteme ein sogenanntes „re-wetting“ erfolgen.
Dabei wird mit einem angefeuchteten Applikationsbürstchen (Wasser,
Chlorhexidin) die Kavität wieder befeuchtet. Beim Aufbringen des aze-
tonhaltigen Primers wird anschließend das Wasser aus dem Kollagenge-
flecht verdrängt und verdunstet gemeinsam mit dem Lösungsmittel. Bei
nicht ausreichender Penetration des Adhäsivsystems kommt es zur Aus-
bildung eines sogenannten „Nanoleakage“. Man versteht darunter
nicht infiltrierte Bereiche des Kollagengeflechts.
Bei der Anwendung wasser- und wasser/alkoholbasierter Adhäsivsys-
teme besteht das Problem des Übertrocknens nicht. Hier verdunstet al-
lerdings das Wasser nach Aufbringen des Primers erst durch Verblasen.
Dabei kann die aufgebrachte Schicht sehr dünn werden und letztlich
aufgrund der Sauerstoffinhibition nicht mehr adäquat aushärten. Einige
Adhäsivsysteme der dritten Generation werden heute auch als Etch-
and-Rinse-Systeme angewandt.
dentinkonditionierender
1 2 (self-etching) 3
Primer z. B. Syntac Classic
(3 Flaschen)
4
Schmelzbonding a
6
Adhäsivsysteme für die Etch-and-Rinse-Technik (Total-etch-Technik)
z. B. Prime and
self-priming Adhäsiv
1 2x auftragen Bond NT
(1-Flaschen-System)
z. B. One step
1 self-priming Adhäsiv
(1-Flaschen-System)
1x auftragen
b
z. B. AdheSE
self-etching Primer
(gebrauchsfertig, 1 Flasche)
1 2 Optibond Solo Plus
aber nachgesagt, dass sie nicht hydrolysestabil sind und der Verbund
zum Dentin möglicherweise nicht langfristig garantiert werden kann.
Die quervernetzenden Monomere (funktionelle Methacrylate) be-
stimmen die Eigenschaften des Adhäsiv (z.B. Viskosität, Benetzbarkeit,
Wasseraufnahme usw.). Hier wird meistens HEMA (Hydroxymethyl-
acrylat) verwendet. Aber auch Bis-GMA, UDMA und TEGDMA finden
Verwendung. Die Methacrylate sind alle in sauren, wässrigen Lösungen
nicht hydrolysestabil und daher nur für 2-Flaschen-/2-Schritt-Systeme
geeignet. Bei 1-Flaschen-Systemen auf Wasserbasis werden deswegen
neue Monomere, wie z.B. bifunktionelle Acrylamide, eingesetzt. Auch
die üblicherweise in den lichthärtenden Adhäsiven vorhandenen
Kampferchinon-Amin-Systeme stellen ein Problem dar, da die Amin-
komponente mit den sauren Monomeren reagiert. Daher müssen ent-
weder die Aminkonzentration exakt an die Säurekonzentration ange-
6
passt, andere Fotoinitiatoren verwendet oder die Initiatorbestandteile
mit speziellen Applikationssystemen voneinander getrennt dargereicht
werden. Bei selbstätzenden Adhäsivsystemen wird meistens Wasser als
Lösungsmittel verwendet, da sie ja auf hydrophilem Dentin aufgebracht
werden. Zusätzlich wird häufig Ethanol beigemischt, da vor der Polyme-
risation das Wasser mit dem Luftbläser gut verblasen werden muss. Ver-
bliebenes Wasser würde nämlich die Polymerisation des Adhäsivsystems
beeinträchtigen.
Manche Adhäsivsysteme enthalten Farbstoffe, die das richtige Mi-
schungsverhältnis bei 2-Flaschen-Systemen anzeigen. Zugleich lässt
sich mit ihnen kontrollieren, ob die Zahnoberfläche gleichmäßig von
dem Adhäsivsystem bedeckt ist. Die Farbe verschwindet nach der Licht-
polymerisation.
Für diese modernen Adhäsivsysteme liegen zurzeit noch keine aus-
reichenden klinischen Langzeiterfahrungen vor. Auch die Schmelzhaf-
tung ist bisher nicht ausreichend klinisch überprüft. Sie scheinen je-
doch in Verbindung mit Kompomerrestaurationen zu guten Ergebnis-
sen zu führen. Da Kompomere aufgrund ihrer Eigenschaften ein
anderes Schrumpfungsverhalten besitzen als Hybridkomposite, sind
wahrscheinlich nicht so hohe Haftwerte der Adhäsivsysteme erforder-
lich. Bei neuen Adhäsiven der VI. Generation wird nur noch eine Pri-
mer-Adhäsivschicht aufgetragen.
Abb. 6.15: Der C-Faktor ergibt sich aus dem Verhältnis von freier zu gebundener
Oberfläche. Während im linken Teil der Grafik 5 Flächen des Würfels frei schrump-
fen können, liegt in der rechten Grafik nur eine freie Oberfläche vor. Bei gleichem
Volumen kommt es im rechten Beispiel zu wesentlich höheren Kontraktionskräf-
ten, da die Fließvorgänge durch die große Kontaktfläche behindert sind (nach
Braga et al. 2005).
fekte können zum einen die Folge von thermisch und mechanisch be-
dingter Ermüdung sein, sie können aber auch bereits während des res-
taurativen Verfahrens selbst entstehen.
Die Ausbildung dieser Defekte hängt nicht nur vom C-Faktor der Ka-
vität ab, sondern auch vom sogenannten viskoelastischen Verhalten des
entsprechenden Komposits. Die während der Polymerisation von Kom-
positen auftretende Volumenschrumpfung führt zu Spannungen im
Kompositmaterial. Diese Spannungen werden zu Beginn der Polymeri-
sation durch Fließvorgänge (visköses Verhalten) ausgeglichen. Bei licht-
härtenden Kompositen wird allerdings schon relativ rasch ein soge-
nannter Gelpunkt erreicht, bei dem ein Ausgleich der auftretenden
Kontraktionsspannungen durch Nachfließen noch nicht polymerisier-
ter Monomere nicht mehr möglich ist. Bei der weiteren Polymerisation
kommt es zu sogenannten Post-Gelkontraktionen, die zu Spannungen
im Material und an den Kavitätenwänden führen (Abb. 6.16). Das Kom-
posit verhält sich nach Überschreiten des Gelpunktes überwiegend elas-
tisch. Um den Aufbau dieser Spannungen zu minimieren, wurden ver-
schiedene Wege beschritten. Zur Reduktion der Polymerisationsrate zur
Verlängerung der Zeit bis zum Erreichen des Gelpunktes, wurden z.B.
Softstartpolymerisationslampen mit reduzierter Lichtintensität entwi-
ckelt. Eine zweite Möglichkeit der Stressrelaxation wurde durch die An-
wendung unterschiedlicher Inkrementtechniken gesehen. Ein dritter
Weg wird dadurch beschritten, dass man im Bereich der Kontaktfläche
zu den Zahnhartsubstanzen eine Schicht hochelastischen Materials
(hochgefüllte Adhäsivsysteme oder flowable Komposite) einbringt.
Diese als elastische Kavitätenwand bezeichnete Technik soll die Span-
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 229
6
Abb. 6.16: Während der Polymerisation entsteht aufgrund des Kettenwachstums
und der Quervernetzung zwischen den Molekülketten ein dreidimensionales
Netzwerk. Damit nimmt die Viskosität zu. Ist der Gelpunkt erreicht, können Fließ-
vorgänge die Kontraktionsspannung nicht mehr ausgleichen. Es kommt zu Span-
nungen zwischen Füllungsmaterial und Zahnhartsubstanz bzw. innerhalb des Fül-
lungsmaterials (nach Braga et al. 2005).
gilt daher nach wie vor, einen direkten Kontakt von Adhäsivsystemen
bzw. Kompositen mit der Pulpa zu vermeiden.
Komposite binden in einer exothermen Reaktion ab. Dies führt in-
nerhalb von wenigen Sekunden zu einer Temperaturerhöhung um bis
zu 12 °C. Bei Lichtpolymerisation erfolgt zusätzliche eine Erwärmung
durch die Polymerisationslampe, sodass je nach Lampentyp insgesamt
Temperaturerhöhungen zwischen 8 und 19 °C auftreten. Bei LED-Lam-
pen ist die Wärmeentwicklung allerdings geringer als bei Halogenlam-
pen. Diese Temperaturerhöhungen führen letztlich je nach Restdentin-
dicke auch zu einer Erhöhung der Temperatur in der Pulpa. Es ist daher
nicht auszuschließen, dass bei sehr energiereichen Halogenlampenty-
pen eine entsprechende Gewebeschädigung erfolgen kann.
Adhäsivsysteme können, insbesondere wenn sie einen niedrigen
pH-Wert besitzen, die Gingiva kurzfristig schädigen (weißliche Verände-
6
rungen) und dabei eine Schmerzempfindung beim Patienten auslösen.
Diese Veränderungen sind jedoch reversibel.
Kompositbestandteile können zudem für eine vermehrte Bakterien-
adhäsion verantwortlich sein. Die erhöhte Bakterienadhärenz führt
auch zu einem erhöhten Entzündungsgrad der Gingiva, wenn keine
adäquate Mundhygiene betrieben wird.
Systemische Effekte können unterschiedlicher Art sein. So können Systemische -
theoretisch mehrere der zahlreichen Inhaltsstoffe von Kompositmate- Auswirkungen
rialien und Adhäsivsystemen mutagene, kanzerogene, toxische oder all-
ergene Wirkung entfalten.
Da bei der Aushärtung von Kompositen keine 100%ige Konversions-
rate erzielt wird, werden Restmonomere und andere Substanzen an-
schließend in der Mundhöhle freigesetzt, die eine biologische Wirkung
entfalten können. Dabei besteht eine gute Korrelation zwischen der
Konversionsrate und der Eluation von Restmonomerbestandteilen
durch organische Extraktionsmittel, wie z.B. Methanol. So lassen sich
mit Methanol zwischen 5 und 11% Monomere, bezogen auf das Aus-
gangsgewicht, eluieren. Insbesondere BisGMA und TEGDMA wurden
dabei nachgewiesen. Aber auch Bestandteile der Füllkörper, wie z.B. Ba-
rium oder Silizium können nachgewiesen werden. Die Art der freigesetz-
ten Monomere und Füllkörperbestandteile hängt selbstverständlich von
der Zusammensetzung der untersuchten Kompositmaterialien ab. Di-
rekt nach der Polymerisation kann aus der sauerstoffinhibierten Zone
einer Kompositoberfläche auch Formaldehyd freigesetzt werden.
Kompositbestandteile, welche aus nicht abgebundenen Materialien
bzw. der Polymerisation eluierbar sind, können eine zytotoxische Wir-
kung aufweisen. Speziell TEGDMA und HEMA können die Synthese von
Entzündungsmediatoren wie Interleukin 1, 6 oder TNF-α steigern. Frei-
gesetzte Monomere aus Kompositmaterialien können verschluckt und
verstoffwechselt werden. Dabei können Intermediate z.B. in der Leber
entstehen, die als kanzerogen und mutagen gelten (z.B. 2,3 Epoxy-
Methacrylsäure). Es konnte zudem an humanen Lymphozyten ein mu-
232 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Klasse-III-Kavitäten
Primär- Die Primärpräparation für die Versorgung von Klasse-III-Kavitäten mit
präparation Komposit beschränkt sich darauf, die Karies darzustellen und zu entfer-
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 233
nen. Vor der Präparation werden die entsprechenden Zähne mit einer
Prophylaxepaste und einem Bürstchen gereinigt. Aus ästhetischen
Gründen wird der Zugang zur Kavität von palatinal bzw. lingual ge-
wählt. Mit einem kleinen kugelförmigen Diamantschleifer wird der ka-
6
riöse Defekt dargestellt (Abb. 6.17).
Es empfiehlt sich, keine höchsttourigen Präparationsinstrumente zu
verwenden, um das Schmelzgefüge nicht unnötig aufzulockern und die
Zugangskavität möglichst zierlich zu gestalten. Für die Präparation eig-
nen sich daher auch oszillierende (z.B. SonicSys) Instrumente. An-
schließend wird mit einem Rosenbohrer die Karies entfernt.
Besondere Beachtung gilt hierbei der inzisalen Ausdehnung an der
Schmelz-Dentin-Grenze. Hier zieht sich die Karies oft bis weit nach in-
zisal. Die rotierenden Instrumente werden so geführt, dass sie schräg in
Richtung Pulpa zeigen. Sind die Kavitäten im zervikalen Bereich ze-
ment- bzw. dentinbegrenzt, endet der Kavitätenrand entweder recht-
winklig zur Zahnachse auf der Zahnoberfläche oder es ergibt sich nach
der Kariesexkavation ein unter sich gehender Bereich im Sinne einer zu-
sätzlichen Makroretention. Eine schwalbenschwanzförmige Veranke-
rung auf der Palatinalfläche ist obsolet, da hier grundlos gesunde Zahn-
hartsubstanz geopfert werden muss. Es wird eine möglichst kleine Kavi-
tätenöffnung angestrebt, der gesunde Zahnschmelz bleibt erhalten.
Nach Entfernung der Karies erfolgt die Farbbestimmung. Bei der
Farbbestimmung spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle.
Bei tiefen Kavitäten kann die Behandlung der Dentinwunde mit ei-
nem dichten Unterfüllungsmaterial erfolgen. Hier eignen sich Carboxy-
lat-, Zinkoxid-Phosphat- und Glasionomerzemente mit einer kurzen
Aushärtungsdauer (5 min). Diese Maßnahme dient in erster Linie der
Verringerung der eingesetzten Kompositmenge. Als weiterer Grund wird
häufig angegeben, dass der vollständige Austausch einer Kompositfül-
lung besser möglich ist, wenn in der Tiefe der Kavität eine (kontrastrei-
che) Unterfüllung vorzufinden ist. Bei sehr tiefen Kavitäten kann vor
Legen der Unterfüllung eine Dentinwundversorgung mit einem Kalzi-
umhydroxid- oder Kalziumsilikatpräparat erfolgen. Meistens wird heute
jedoch ausschließlich ein Adhäsivsystem als Dentinwundverband ver-
wendet.
Sekundär- Nach Legen einer Unterfüllung bzw. vor Anwendung eines Adhäsiv-
präparation systems schließt sich eine Sekundärpräparation mit Diamantfinierern
an. Dabei wird der Schmelzrand in einem Bereich von 0,5–1,0 mm
angeschrägt. Es entsteht eine sogenannte Adhäsivpräparation (Abb.
6.18).
Ist der labiale Kavitätenrand noch im Approximalkontakt zum
Nachbarzahn, kann in diesem Bereich mit einem schleifmittelbelegten
Metallstreifen (Stahl-Karbo-Streifen) angeschrägt werden. Man vermei-
det so eine nach labial durchgängige Präparation mit rotierenden Werk-
zeugen und eine Verletzung des Nachbarzahnes.
Die adhäsive Präparation erfolgt an konkaven Flächen mit einer Ku-
gel oder Knospe. An den Labialflächen, falls die Kavität bis dorthin
reicht, wird mit einer Flamme oder einem Finierer präpariert.
Palatinalfläche Labialfläche
Schmelz-
anschrägung
a b c
Abb. 6.18: Verschiedene Präparationsformen einer Klasse-III-Kavität: a) Bei der klassischen Präparation er-
folgt der Zugang von oral. Die Karies wird exkaviert und eine 0,5 mm breite Schmelzanschrägung mit Dia-
mantfinierern angelegt. Der labiale Schmelz bleibt erhalten und wird z.B. mit einem schleifmittelbelegten
Stahlband (z.B. Stahl-Karbo-Streifen) angeschrägt. Dabei wird gleichzeitig der Kontaktpunkt zum Nachbar-
zahn minimal aufgehoben. Nach Konditionierung der Zahnhartsubstanz wird je nach Material ein entspre-
chendes Adhäsivsystem aufgetragen. Dieser Bereich ist nach erfolgter Füllungstherapie versiegelt und da-
mit vor Sekundärkaries geschützt. b) Bei Klasse-III-Kavitäten, die zervikal im Zahnzement bzw. Dentin en-
den, wird im schmelzbegrenzten Bereich genauso präpariert, im zervikalen Bereich erfolgt jedoch keine
Abschrägung. c) Bei labial liegenden kariösen Defekten bzw. alten Füllungen, die eine labiale Begrenzung
besitzen, wird der Zugang zur Kavität von labial gewählt und eine zirkuläre Abschrägung präpariert.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 235
Die weitere Vorgehensweise richtet sich nach dem anschließend zur Fül- Alleinige
lung verwendeten Kompositmaterial, speziell dem entsprechenden Ad-
häsivsystem. Bei der alleinigen Schmelzätzung wird eine 30- bis
Schmelzätzung
6
40%ige gefärbte Phosphorsäure auf den angeschrägten Zahnschmelz
aufgebracht. Säure in Gelform verbleibt am Applikationsort und fließt
nicht in die Kavität oder in andere Bereiche, die nicht konditioniert
werden sollen. Ein gefärbtes Gel erlaubt zudem eine ausgezeichnete
Kontrolle während der Applikation. Nach 30–60 s wird die Säure abge-
sprüht und der Zahnschmelz getrocknet.
% perfekter Rand
100
vor
Thermocycling
80 nach
Thermocycling
60
40
20
Zahnschmelz
Adhäsiv- 45°-Abschrägung
präparation (Bevel) 90° Hohlkehle
Abb. 6.19: Die Adhäsivpräparation zeichnet sich durch eine kleine Kavitätenöffnung, unter sich gehende
Stellen im Dentin und breite Haftflächen am Zahnschmelz aus. Andere Präparationsformen wie eine 45°-
Abschrägung, eine Hohlkehlpräparation bzw. eine scharfkantig auslaufende Präparation (90°-Winkel mit
der Schmelzoberfläche) führen zu einer schlechteren Randadaptation, die nach thermischer Wechselbe-
handlung weiter abnimmt (nach Lutz 1984).
236 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Keilchen
Restauration
Matrize
Abb. 6.20: Bei der Insertion von Komposit bei Klasse-III-Kavitäten wird eine Kunst-
stoffmatrize verwendet, die interdental verkeilt ist. Dabei werden zervikale Über-
schüsse vermieden und die Morphologie der Füllungsoberfläche dem Zahn ange-
passt.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 237
Klasse-IV-Kavitäten
Durch Traumata oder große kariöse Defekte kann es zum Verlust der
Schneidekante bzw. von Ecken der Schneide- und Eckzähne kommen.
Für die Restauration dieser großflächigen Kavitäten gelten die gleichen
Regeln wie für Klasse-III-Restaurationen.
Die Primärpräparation beseitigt scharfe Kanten und stark untermi- Präparation
nierte, frakturgefährdete Schmelzareale. Nach Exkavation der Karies er-
folgen die Farbbestimmung und das Legen von Kofferdam. Der Dentin-
wundverschluss erfolgt je nach Größe des frei gelegten Dentinareals
und Tiefe der Kavität mit einer Unterfüllung (Carboxylatzement, Zink-
oxid-Phosphat-Zement, Glasionomerzement) oder einem Adhäsivsys-
tem. Falls das Dentin pulpennah frei gelegt wurde, kann vorher punktu-
ell ein härtendes Kalziumhydroxid- oder Kalziumsilikatpräparat aufge-
bracht werden. Mit Diamantfinierern wird anschließend eine breite
Anschrägung (1–2 mm) im Zahnschmelz präpariert (Abb. 6.21).
Für die oralen, konkaven Flächen werden knospenförmige Präpara-
tionsdiamanten, für die labialen und approximalen Flächen flammen-
förmige Diamanten verwendet. Dabei wird der Rand leicht wellenför-
mig angeschrägt, damit später der Übergang zwischen Restauration und
Zahnschmelz nicht mehr erkennbar ist. Da die Restauration mithilfe der
Adhäsivtechnik retentiv am Zahnschmelz verankert wird, erübrigt sich
i.d.R. das Anbringen einer Makroretention, wie z.B. parapulpärer Stifte.
Endet die zervikale Begrenzung im Zahnzement bzw. im Dentin, gelten
240 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
e
Abb. 6.21: Versorgung einer Frontzahnfraktur (Klasse-IV-Kavität): Nach einem
Frontzahntrauma werden die Bruchflächen (a) mit Diamantfinierern geglättet.
Dabei wird durch Anschrägen (1–2 mm) eine breite Haftfläche am Zahnschmelz
angelegt (b). Nach Aufbringen einer Unterfüllung bzw. eines Adhäsivsystems (c)
kann die Kompositrestauration mithilfe einer vorgefertigten, adaptierten Kunst-
stoffkrone (d) bzw. einer Kunststoffmatrize (e) erfolgen.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 241
die gleichen Regeln wie bei Klasse-III-Kavitäten. Bei sehr großen Defek-
ten kann eine Überkronung des Zahnes indiziert sein.
Nach Konditionierung und Aufbringen des Adhäsivsystems folgt die Insertion des
Insertion des Kompositmaterials. Da Klasse-IV-Restaurationen großen Be- Komposit-
lastungen ausgesetzt sind, sollen Hybrid-Komposite verwendet werden. materials
Bei der Insertion kann eine vorgefertigte Kunststoffhülse verwendet
werden (s. Abb. 6.21d). Diese gibt es in verschiedenen Größen und ver-
schiedenen Zahnformen. Sie wird mit einer Schere entsprechend zu-
recht geschnitten und inzisal perforiert, damit beim Einbringen das
überschüssige Komposit nach koronal abfließen kann. Die Kunststoff-
krone wird mit Komposit gefüllt, über den Zahn geschoben und ver-
keilt. Anschließend werden die überquellenden Kompositüberschüsse
mit einem Spatel entfernt. Lichthärtende Komposite lassen nur eine be-
grenzte Durchhärtung zu. Eine vorgefertigte Hülse kann daher bei Ver-
6
wendung von lichthärtenden Kompositen nur bei kleinen Defekten
bzw. nach vorherigem Aufbau des Füllungskerns verwendet werden. Bei
großen Defekten sollten bei Verwendung der vorgefertigten Kronen im
Rahmen einer Notfallbehandlung chemisch härtende Materialien be-
vorzugt verwendet werden.
Alternativ lassen sich große Ecken- und Schneidekantenaufbauten Aufbauten
mit lichthärtenden Materialien frei modellieren. Dazu wird wie bei
Klasse-III-Kavitäten ein Kunststoffmatrizenband zwischen den Zähnen
verkeilt. Mit Feinstpartikelhybridkompositen und Nanofüllerkomposi-
ten wird zunächst ein opaker Kern aufgebaut, der von labial und inzisal
mit einem transluzenten Komposit überschichtet wird. Aus kosmeti-
schen Gründen ist manchmal eine Schichtung von zervikal nach inzisal
erforderlich. Die einzelnen Schichtdicken sollten 2 mm nicht überschrei-
ten. Jede Schicht wird mindestens 40 s von oral und labial bestrahlt. Aus-
arbeitung und Politur erfolgen wie bei Klasse-III-Restaurationen.
Ist nach einer unkomplizierten oder komplizierten Kronenfraktur Wiederbefesti-
das entsprechende Zahnfragment noch vorhanden, so kann dies im gung eines
Einzelfall wiederbefestigt werden. Dabei bewirken eine zirkuläre Zahnfragments
Schmelzanschrägung des Fragments und der Frakturfläche des traumati-
sierten Zahnes eine größere Retentionsfläche für das Befestigungskom-
posit und eine deutliche Verbesserung der Haftfestigkeit, wobei die
Haftwerte einer Kompositrestauration bzw. die Frakturstabilität eines
gesunden Zahnes nicht erreicht werden. Werden allerdings Schmelzker-
ben bzw. Schmelzrinnen im Bereich des Frakturspalts präpariert bzw.
eine interne Dentinpräparation angelegt, so können nach Wiederbefes-
tigung mit einem Kompositmaterial Haftwerte erreicht werden, die de-
nen einer Kompositrestauration entsprechen.
Zur Präparationsform fehlen allerdings klinische Langzeitstudien,
sodass die Entscheidung für die entsprechende Präparation nur im Ein-
zelfall getroffen werden kann. Abschrägungen im Schmelzrandbereich
empfehlen sich insbesondere dann, wenn bereits Absprengungen an
den Frakturflächen vorliegen, die in die Präparation mit integriert wer-
242 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
a b c d
Abb. 6.22: Unterschied-
liche Formen der Prä-
paration von Fraktur-
flächen bei Wieder-
befestigung von
Zahnfragmenten nach
einem Trauma (nach
Wiegand et al. 2005):
a) keine Präparation,
b) zirkuläre Schmelzan-
schrägung, c) externe
V-förmige Schmelz-
kerbe, d) oberflächliche
Verbreiterung des Frak-
turspalts mit anschlie-
e f g
ßender leichter Über-
konturierung des Be-
festigungskomposites, e) interne Dentinpräparation, f) interne V-förmige Schmelzkerben, g) Kombination
aus externer und interner V-förmiger Schmelzkerbe
den können. Nach Applikation eines Komposits wird dann der eigentli-
che Frakturspalt gut maskiert, sodass anschließend ein ästhetisch an-
sprechendes Resultat garantiert werden kann. Interne Retentionen in
Schmelz und Dentin bieten sich an, wenn die Frakturflächen eine opti-
male Passung aufweisen oder wenn aufgrund endodontischer Maßnah-
men zusätzliche Präparationen der Zahnhartsubstanzen notwendig wer-
den (Abb. 6.22).
Zum Befestigen der Fragmente werden die üblichen Adhäsivsysteme
und Kompositmaterialien verwendet. Wurde das frakturierte Fragment
länger als 24 Stunden trocken gelagert, so sollte es anschließend für 24
Stunden in Wasser gelagert werden, um die gleichen Haftwerte wie bei
nicht ausgetrockneten Fragmenten zu erzielen.
Ein Unterfüllungsmaterial ist bei Anwendung der Adhäsivtechnik
meistens nicht erforderlich.
Klasse-V-Kavitäten
Restaurationen im zervikalen Glattflächenbereich sind aus unterschied-
lichen Gründen indiziert. Erosive Veränderungen, keilförmige Defekte
und Karies sind Gründe für Zahnhartsubstanzverluste in diesem Bereich.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 243
Bei Erosionen und keilförmigen Defekten wird primär ein nicht in- Nicht invasives
vasives Vorgehen angestrebt. Umstellung der Ernährung (wenig erosive Vorgehen
Nahrung), Veränderung der Putzgewohnheiten (z.B. Stillmann-Technik)
und Ausschaltung von Überbelastungen während der Kaufunktion (Ein-
schleifen, Beseitigung von Hyperbalancen und Vorkontakten) stehen
hier im Vordergrund. Erst wenn die Schmerzsymptomatik oder ästheti-
sche Aspekte restaurative Maßnahmen erfordern, ist ein invasives Vor-
gehen indiziert.
Im Wurzelzement bzw. -dentin kann auch beim Vorliegen einer
manifesten Karies durch Prophylaxemaßnahmen die Progression ver-
hindert werden.
Bei flachen kariösen Defekten wird ausschließlich die Karies ent-
fernt (mit Exkavator, Rosenbohrer oder Carisolv) und anschließend mit
hoch dosierten Fluoridlacken oder -gelen fluoridiert. Es erfolgt ein enges
6
Recall mit erneuter professioneller Fluoridapplikation in vierteljährli-
chen Intervallen. Die tägliche Anwendung antibakterieller Spüllösun-
gen (z.B. Zinnfluorid kombiniert mit Aminfluorid) ist indiziert.
Manifeste progrediente kariöse Defekte, speziell kariöse Läsionen im
Schmelzbereich, bei denen die Oberfläche eingebrochen ist, werden res-
taurativ behandelt.
Eine reine Zement- und Dentinkaries, die sich in den Approximal-
bereich erstreckt, lässt sich häufig nur noch durch Anfertigung einer
Krone therapieren. Bei Klasse-V-Kavitäten, die ausschließlich im Wur-
zelzementbereich liegen, werden häufig Glasionomerzemente als Res-
taurationsmaterial verwendet. In der Regel werden jedoch auch bei
Klasse-V-Kavitäten Kompositfüllungen angefertigt.
Bei der Präparation (Abb. 6.23) ist zu berücksichtigen, dass der Ab- Präparation
stand zur Pulpa im Zahnhalsbereich nur gering ist. Die Kavitätenpräpa-
ration folgt daher der Krümmung der Zahnoberfläche. Die primäre Ka-
vitätenpräparation beschränkt sich auf ein Minimum. Meistens ist nur
eine Kariesentfernung erforderlich. Die Umrissform folgt entsprechend
der Kariesausbreitung dem Verlauf der Gingiva, d.h., die Kavität ist an-
nähernd nierenförmig. Durch die Exkavation der Karies ergibt sich zer-
vikal meist automatisch ein leicht unter sich gehender Bereich, der für
eine zusätzliche makromechanische Verankerung sorgt.
Im schmelzbegrenzten Bereich erfolgen anschließend mit knospen- Anschrägung
förmigen oder kleinen spitzen Diamantfinierern eine Anschrägung des ge-
samten Kavitätenrandes (koronal mindestens 0,5 mm; lateral ist die
Schmelzabschrägung nur dünn zu gestalten) und eine Konditionierung der
Zahnhartsubstanzen wie oben beschrieben. Bei Zahnhalsdefekten, deren
zervikaler Rand im Zahnzement bzw. -wurzeldentin liegt, wird kein speziel-
les Kavitätendesign angestrebt. Während der Kavitätenrandbereich bei
Erosionen häufig nach zervikal abfallend ist, ergibt sich nach einer Karies-
exkavation häufig ein Unterschnitt im zervikalen Bereich (s. Abb. 6.23).
Die Applikation von Kofferdam gestaltet sich bei Klasse-V-Kavitäten Trockenlegung
oft schwierig. Man muss Klammern verwenden, die eine Retraktion der
244 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
angeätzter
Bereich Erosion
Schmelz- Wurzel-
anschrägung karies
Wurzel-
a zement b c d
Abb. 6.23: Kavitätengestaltung bei unterschiedlichen
Klasse-V-Kavitäten: a) Bei einer rein schmelzbegrenzten
Kavität kann die Kompositrestauration nach zirkulärer
Anschrägung mit der Adhäsivtechnik erfolgen. b) Liegt
der zervikale Kavitätenrand im Wurzelzement bzw.
-dentin, erfolgt nur koronal eine Schmelzanschrägung.
c) Eine Erosion wird nur bei ausgeprägter Form oder
aus ästhetischen Gründen invasiv behandelt. Dabei er-
folgt keine zusätzliche Präparation, sondern nur die An-
Kavitäten- wendung eines entsprechenden Adhäsivsystems. d) Bei
boden einer Wurzelkaries ergeben sich häufig nach der Exka-
vation zusätzlich makromechanische Retentionen.
Gingiva erlauben (z.B. Ivory SA 212). Nicht selten muss vorher durch
eine chirurgische Maßnahme der zervikale Rand der Kavität erst frei ge-
legt werden.
Ist Kofferdam nicht anwendbar (Latexallergie, Asthma, Würgereiz),
kann alternativ eine spezielle Zahnhalsmatrize verwendet werden
(Abb. 6.24b). Diese Matrize wird in den Sulkus geschoben, und von au-
ßen wird ein Schmelzhaftvermittler im Bereich des Gingivalsaums auf-
gebracht und ausgehärtet. Es resultiert eine dichte und fest sitzende Ma-
trize, die einen glatten, stufenlosen Übergang der Füllung zur Wurzel-
oberfläche garantiert. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich, wenn die
Präparationsgrenze äquigingival oder leicht subgingival liegt. Dann
kann durch Legen eines Retraktionsfadens die zervikale Grenze darge-
stellt und trocken gehalten werden.
Ein Unterfüllungsmaterial ist bei Anwendung der Adhäsivtechnik
meistens nicht erforderlich.
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 245
Halte-
dorn
6
a b
Abb. 6.24: Bei der Insertion des Kompositmaterials können unterschiedliche Zervikalmatrizen angewendet
werden (a). Endet die Kavität zervikal am Gingivalrand und lässt sich kein Kofferdam applizieren, so wird
ein speziell geformtes Matrizenband in den Sulkus geschoben (b). Von außen wird Bonding mit einer Kugel
aufgebracht und ausgehärtet. Es resultiert eine dichte und fest sitzende Matrize, die einen glatten, stufen-
losen Übergang der Füllung zur Wurzeloberfläche garantiert.
Zur Vermeidung des zervikalen Randspalts wird bei großen und tie- Insertion des
fen Kavitäten das Komposit in zwei Schichten eingebracht, wobei jede Komposits
Schicht ausreichend (mindestens 40 s lang) polymerisiert werden muss.
Für die Restauration von Klasse-V-Kavitäten eigenen sich auch fließfä-
hige (flowable) Komposite. Für die Konturierung der Restauration kön-
nen lichtdurchlässige Matrizen, die mit einer Pinzette an einem Halte-
dorn festgehalten werden, Verwendung finden (Abb. 6.24a).
Die Ausarbeitung der Restauration erfolgt mit flammenförmigen Ausarbeitung
oder spitzen, feinen und extrafeinen Diamantfinierern und flexiblen
Scheiben, wie bei Klasse-III- und -IV-Restaurationen. Auf eine hoch-
glanzpolierte Restauration ohne Überschüsse muss aus karies- und paro-
dontalprophylaktischen Gründen besonders geachtet werden.
Bei rein erosiven Veränderungen sind die Defekte im Zahnhalsbe-
reich schüsselförmig (s. Abb. 6.23). Hier erfolgt in der Regel keine Präpa-
ration. Nach Reinigung der Dentinoberfläche kann die Restauration mit
der Adhäsivtechnik verankert werden. Die Haftfestigkeit von Adhäsi-
onssystemen scheint in diesem speziellen Fall aufgrund des geringen C-
Faktors ausreichend.
Als Alternativen zu Kompositrestaurationen bieten sich die reine Alternativen
Glasionomerzementfüllung, die Goldstopffüllung und verschiedene
Einlagerestaurationen (Keramik, Komposit, Gold) an, die heute jedoch
in der Regel keine Anwendung finden.
246 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Klasse-I-Kavitäten
Primär- Die Primärpräparation für eine Klasse-I-Kavität erfolgt mit einem kugel-
präparation förmigen, birnenförmigen oder zylindrischen Diamanten. Die Kavitä-
tenform wird allein durch die Größe des kariösen Defekts bestimmt
(Abb. 6.25). Die Zugangskavität muss so groß sein, dass die Karies pro-
blemlos unter guter Sicht entfernt werden kann. Überhängende, nicht
von Dentin unterstützte Schmelzareale werden dann entfernt, wenn sie
frakturgefährdet sind. Nach Farbauswahl und absoluter Trockenlegung
erfolgt die Entfernung der Karies mit einem Rosenbohrer.
Unterfüllung Bei tiefen Kavitäten kann anschließend eine Unterfüllung (Phos-
phatzement, Carboxylatzement, Glasionomerzement) gelegt werden,
um zum einen die Pulpa vor eventuell austretenden Monomerbestand-
teilen aus der Kompositfüllung zu schützen und zum anderen das Ge-
samtvolumen des eingebrachten Komposits zu verringern.
Schmelz-
anschrägung
Unter-
füllung
oder Adhäsiv-
system
a b
Abb. 6.25: Verschiedene Umrissformen von Klasse-I-Kavitäten für Kompositrestau-
rationen. Bei kleinem Kavitätenzugang und konvergenten Kavitätenwänden er-
folgt eine zierliche Schmelzanschrägung der Kavitätenränder, dabei werden die
Schmelzprismen zwischen 45 und 90° angeschnitten (a). Bei größeren Kavitäten
und parallelen oder leicht divergierenden Wänden ist keine Anschrägung erfor-
derlich (b).
Kugelstopfer
2. Schicht Planstopfer
1. Schicht
Instrumente
zur ana-
Unter- tomischen
füllung Gestaltung
oder
Adhäsiv
Abb. 6.26: Instrumente zum Füllen und Konturieren von okklusalen Kompositrestaurationen. Das Komposit
wird in Schichttechnik eingebracht und polymerisiert.
Ausarbeitung Die Ausarbeitung und Politur erfolgt je nach Art der zu bearbeiten-
und Politur den Flächen mit unterschiedlichen Instrumenten. Konvexe Flächen
(z.B. zugängliche Anteile der Approximalflächen) können mit schleif-
mittelbelegten Scheiben ausgearbeitet und poliert werden. Struktu-
rierte, anatomisch geformte Areale (z.B. Kauflächen) werden mit kegel-
förmigen Diamantfinierern ausgearbeitet und mit Hartmetallfinierern
geglättet. Die Politur kann mit diamantbeschickten Filzscheiben bzw.
Siliziumkarbid belegten Bürstchen erfolgen. Dabei wird die sauerstoffin-
hibierte Schicht entfernt. Einige Autoren empfehlen abschließend das
Auftragen eines Bondingmaterials, das in frei gelegte Porösitäten und
Mikrorisse eindringt und damit zu einer Oberflächenverbesserung
führt. Da oft nicht das gesamte Fissurensystem in die Präparation mit
einbezogen wird, kann anschließend auf die Füllung und nach Anätzen
auf die Fissuren ein Fissurenversiegler aufgebracht werden. Er erfüllt den
gleichen Zweck wie das Bondingmaterial.
Klasse-II-Kavitäten
Primär- Auch bei der Primärpräparation für Klasse-II-Kavitäten wird gesunde
präparation Zahnhartsubstanz so weit wie möglich geschont. Bei frei zugänglichen
approximalen Kavitäten (z.B. im Wechselgebiss) erfolgt die Restauration
wie bei Klasse-V-Kavitäten mit einem röntgensichtbaren Komposit.
Bei kleinen, rein approximalen Kavitäten und geschlossener Zahn-
reihe wird eine sogenannte Slot-Präparation durchgeführt (Abb.
6.27c). Die okklusale Struktur bleibt vollständig erhalten. Die Größe der
approximalen Kavität wird erneut ausschließlich durch die Kariesaus-
dehnung vorgegeben. Oft ist eine Separation des Nachbarzahnes durch
ein Keilchen indiziert, um ein versehentliches Anschleifen zu vermei-
den. Mit kleinen kugel- oder birnenförmigen Diamantschleifern wird
die approximale Karies von okklusal dargestellt. Dabei kann zunächst
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 249
Schmelz-
anschrägung
Schmelz-
anschrägung
1 mm
a b
c
Abb. 6.27: Klasse-II-Kavitäten für Kompositrestaura-
tionen. Der approximal-zervikale Kavitätenrand birnenförmiger
sollte gut zugänglich sein (möglichst im Schmelz Diamantschleifer
liegen) (a und b). Bei einer rein approximalen Karies
wird bei einer Primärversorgung eine Slot-Präpara-
tion ohne Einbeziehung der Fissuren durchgeführt
(c). Bei der Präparation für eine mehrflächige Kom-
positrestauration (Klasse-II-Kavität) wird zur Scho-
nung des Nachbarzahnes zunächst eine Schmelz-
lamelle stehengelassen (d). Nach Entfernung dieser
approximalen Lamelle wird die zervikale Stufe mit
einem stirnbelegten Diamantschleifer finiert. Die
Extensionsflächen und der Randbereich der zervika-
len Stufe werden mit oszillierenden Instrumenten
bearbeitet (e).
e
250 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
a b
c d
Abb. 6.28: Für die Insertion des Komposits bei einer Klasse-II-Kavität muss eine Matrize gelegt werden. Da-
bei kommen Metallmatrizen in speziellen Matrizenhaltern (Tofflemire-System) (a), Metall- und Kunststoff-
bänder ohne speziellen Halter (c) oder Teilmatrizensysteme, die mit einem Metallring adaptiert werden (d)
zur Anwendung. Die Matrizen müssen approximal-zervikal gut adaptiert werden (Keil), um ein Überstop-
fen von Füllungsmaterial zu verhindern (b).
4 4
3
2 3
2
1 1
a b
Abb. 6.29: Zur Verringerung der Poly-
merisationsschrumpfung und wegen 6
der begrenzten Durchhärtungstiefe
4
wird das Kompositmaterial in kleinen
Schichten in die Kavität eingebracht
und ausgehärtet. Die Schichtung kann
horizontal (a), schräg aufeinander zu- 3 1
laufend (oblique) (b) oder zentripedal
erfolgen (c).
2
Dentin 6
Schmelz
Bonding
opakes transluzentes
Opaker Kernmaterial Verblendmaterial
Komposit
a b
Abb. 6.30: a) Diastemaschluss mit direkter Verblendtechnik, b) approximale Aufsicht auf einen Zahn mit ei-
nem Veneer
Kavitätenränder Es wird nicht mehr angestrebt, die Kavitätenränder in die Zonen der
Selbstreinigung bzw. aus kariesprophylaktischen Gründen in den gingi-
valen Sulkus zu legen. Eine eigene Retentionsform wird überflüssig, da
das Restaurationsmaterial mikromechanisch an den Zahnhartsubstan-
zen haftet. Einzig die Übersichtsform und die Widerstandsform gelten
weiterhin. Die kariöse Läsion muss bei guter Sicht exkaviert werden
können, und weder Zahn noch Füllung sollten unter Kaubelastung frak-
turieren bzw. übermäßig abradieren.
Komposit ist nach wie vor kein ideales Restaurationsmaterial für die
Routineversorgung von Seitenzahnkavitäten. Durch Hydrolyse der Si-
lanverbindungen kommt es zum Füllerverlust und damit zu verstärk-
tem Substanzverlust im okklusalen (Attrition) und approximalen Kon-
taktpunktbereich. Im okklusionstragenden Bereich ist der Materialver-
lust ca. dreimal größer als im okklusionsfreien Bereich (Abrasion durch
Nahrungsaufnahme).
Polymerisations- Die Polymerisationsschrumpfung führt zusätzlich zu inneren
schrumpfung Spannungen und damit zur Ausbildung von Mikrorissen, die für eine
Desintegration des Materials mitverantwortlich sind. Da eine Konver-
sion aller vorhandenen Doppelbindungen bei der Aushärtung nicht er-
folgt, nimmt das Material in der Mundhöhle Wasser auf und quillt.
Farbstabilität Eine Farbstabilität kann nicht sicher gewährleistet werden.
Zeitaufwand Der Zeitaufwand bei der Restauration von Klasse-II-Kavitäten mit
Kompositen ist in der Regel größer als bei Verwendung von Amalgam.
Lebensdauer Mit modernen Feinpartikelhybridkompositen lassen sich heute je-
doch bei richtiger Indikationsstellung und richtiger Verarbeitung Res-
taurationen herstellen, deren Lebensdauer an die von Amalgamfüllun-
gen heranreicht. Kompositrestaurationen zeigen bei entsprechender In-
dikation geringe jährliche Versagensraten von ungefähr 2% über einen
Zeitraum von 10–20 Jahren. Die Hauptgründe für das Versagen von
Kompositrestaurationen sind Sekundärkaries und Füllungsfrakturen.
6.2 Restaurationen mit Glasionomerzementen Kapitel 6 257
6.2.1 Materialkunde
Konventionelle Glasionomerzemente
Bei den konventionellen Glasionomerzementen finden Polycarbon- Bestandteile
säuren (Polymere der Alkensäuren) wie z.B. die Polyacrylsäure und
heutzutage deren Kopolymere mit Itakon- oder Maleinsäure Verwen-
dung. Diese neueren Kombinationen setzen die Viskosität der Flüssig-
keitskomponente herab, verhindern ein vorzeitiges Gelieren (hierdurch
verlängerte Lagerungsmöglichkeit) und verbessern die Abbindege-
schwindigkeit.
Durch Gefriertrocknung ist es darüber hinaus möglich, diese An-
teile dem Pulver bereits zuzugeben, wodurch eine exakte Dosierung der
Flüssigkeits- und Pulveranteile erleichtert wird.
Der Flüssigkeitsanteil dieser sogenannten wasserhärtenden Glasio-
nomerzemente besteht aus destilliertem Wasser bzw. wässriger Wein-
säure.
Der Pulveranteil besteht aus Kalzium-Aluminium-Silikat-Glas mit
eingesprengten kalziumfluoridreichen kristallisierten Tröpfchen, die
258 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Cermetzemente
Durch Sinterung ist es möglich, in die Glaspartikel Metall einzuschmel-
zen. Das dabei überwiegend verwendete Silber dient als Stressabsorber
und ermöglicht eine erhöhte Biege- und Abriebfestigkeit. Werden derar-
tig veränderte Gläser verwendet, spricht man von Cermetzementen (Ce-
ramik-Metall-Glasionomerzemente).
I Glaspulver Anmischen
Polycarbonsäure
O H2O
Ca
Si C C
-
Al O O HO O
F H+
5 10 Minuten
II Ionisierung Fluorokomplexe Kalziumpolycarboxylat
6
Al CaF +
O C C
Ca O - O O - O
Si F
Ca 2+ Ca 2+
Al O - O O - O
H2O F O H+
H C C
III
24 Stunden
Aluminiumcarboxylat
Al F 2+
F C C C
Al F 2+
O F O - O O - O O - O
H2O Ca Si Al3+ Al3+
Si
Al
O - O O - O O - O
O H+
H C C C
Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente
Als vierte Gruppe sind lichthärtende Glasionomerzemente (kunststoff- Bestandteile
modifizierte Glasionomerzemente, resin-modified glass ionomers, Hy-
260 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
bridionomere) auf dem Markt, die in der Flüssigkeit neben Säure zusätz-
liche Bestandteile, wie z.B. hydrophile Monomere (Hydroxyäthylmeth-
acrylat = HEMA), Bis-GMA und Fotoakzeleratoren, enthalten. Den Poly-
acrylsäuremolekülen werden zusätzliche Methacrylatgruppen ange-
hängt.
Durch lichtgesteuerte Kopolymerisation des Methacrylats mit den
angehängten Gruppen der Polyacrylsäure kommt es zu kovalenten und
ionischen Bindungen und damit zur Erhärtung des Materials. Die Poly-
merisation der zugesetzten Monomere überlagert dabei die Polyacryl-
säure-Glas-Reaktion.
Seit es möglich geworden ist, die Carboxylgruppen der Polyacryl-
säure aus dem initialen Polymerisationsprozess herauszuhalten, ermög-
lichen auch einzelne lichthärtende Glasionomerzemente eine chemi-
sche Bindung an die Zahnhartsubstanz.
Indikation Auch diese Materialgruppe ist in erster Linie für Klasse-V-Kavitäten
und die Versorgung von Milchzahnkavitäten geeignet.
Vorteil Der Vorteil gegenüber den anderen Glasionomerzementen ist ihre
geringere Krakelierung. Sie müssen während des Aushärtens nicht mit
einer Schutzschicht (z.B. Bonding) versehen werden.
Nachteile Nachteilig ist, dass sie in kleinen Schichten auspolymerisiert werden
müssen und dass aufgrund der relativ großen Füllkörper eine Hoch-
glanzpolitur noch nicht möglich ist. Hybridionomere expandieren in
den ersten 24 h durch Wasseraufnahme (bis 5%). Die Polymerisations-
schrumpfung liegt in einem Bereich von 7%. Randundichtigkeiten bis
hin zum Haftungsverlust resultieren aus diesem Verhalten.
Lebensdauer Klinische Langzeiterfahrungen zur Haltbarkeit lichthärtender
Glasionomerzemente liegen bisher nicht vor. Für alle Glasionomer-
zemente sollten die nachfolgend aufgeführten Richtlinien für die Präpa-
ration befolgt werden.
6.2.3 Haftmechanismus
Dentins ist bisher nicht bewiesen. Beachtenswert ist, dass die Haftungs-
kräfte am Schmelz doppelt so hoch sind wie am Dentin. Die Verbin-
dung Kunststoff/Schmelz nach Adhäsionstechnik ist jedoch sechsmal
höher als zwischen Glasionomerzement und Zahnschmelz.
Für den einwandfreien chemischen Verbund zwischen Glasiono-
merzement und Zahnhartsubstanz muss eine saubere, glatte und gut be-
netzbare Oberfläche vorliegen. Außerdem ist eine ausreichend niedrige
Viskosität des Zements Grundvoraussetzung. Um eine entsprechende
Zahnoberfläche zu erzielen, sollte die Kavität mit Diamantfinierern oder
Poliermitteln, welche keine Schmierschicht erzeugen (Bimsmehl), vor
der Füllungstherapie bearbeitet werden. Eine kurze Konditionierung der
Kavität mit Polyacrylsäure für 10 s entfernt eine eventuell vorhandene
Schmierschicht und verbessert damit die Haftung.
6.2.4 Pulpaverträglichkeit
6.3 Goldhämmerfüllung
Glasionomer-
zement
Kalzium-
a b hydroxid c 6
d e f
Abb. 6.32: Restauration einer Klasse-V-Kavität mit Glasionomerzement (a): Nach Exkavation und Reinigung
der Kavität wird der Kavitätenrand rechtwinklig präpariert (b). Auslaufende dünne Ränder werden vermie-
den. An der tiefsten Stelle wird ein Kalziumhydroxid-Präparat aufgetragen und anschließend der Glasiono-
merzement eingebracht (c). Nach Aushärten unter einer Zervikalmatrize (d), die auch der Konturierung
dient (5–10 min), wird ein Bonding aufgebracht und mit rotierenden Instrumenten werden trocken die
Überschüsse entfernt (e). Anschließend wird erneut ein Schmelzbonding aufgebracht und ausgehärtet (f).
Dabei finden hoch reine Goldpellets (24 Karat) Verwendung. Eine Gold- Eigenschaften
hämmerfüllung ist eine hochwertige Füllung, die sich durch dauerhafte,
optimale Wandständigkeit, Randdichtigkeit und Oberflächenpolierbar-
keit auszeichnet. Sie zeigt ein chemisch neutrales Verhalten in der
Mundhöhle, ist gewebefreundlich gegenüber der Gingiva, zeigt keine
Korrosion und ist auch nach Jahren noch nachpolier- und nachkontu-
rierbar.
Goldhämmerfüllungen sind für kleine kariöse Defekte in Grüb- Indikationen
chen und Fissuren (Black-Klasse I) sowie für Zahnhalsdefekte (Black-
Klasse V) indiziert.
Grundbedingungen für die Anwendung dieser aufwändigen Restau- Voraussetzungen
rationstechnik sind gute Mundhygiene, geringe Kariesaktivität und ent-
sprechende Patientencompliance.
266 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
6.4.1 Werkstoffkunde
Konventionelle Alloys
Bei den konventionellen Alloys (I) mit einem Kupfergehalt von weniger
als 6% bestehen die Metallpartikel aus zwei homogenen metallischen
Phasen, der Gamma-Phase (Ag3Sn) und der Epsilon-Phase (Cu3Sn). Auf-
268 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
(Kugeln)
Verdüsen
Ag g1
Hg
Ag Sn Cu g
I Zerspanen
Sn g2
e
(Splitter)
g = Ag3 Sn
g1 = Ag5 Hg6
g2 = Sn8 Hg
e = Cu3 Sn
Ag Sn Cu (Splitter)
Zerspanen g1
Ag
Hg Ag
g
Ag Cu E
II Verdüsen
Sn h'
(Kugeln)
e g2
(temporär)
E = Ag/Cu-Eutektikum
h' = Cu6 Sn5(Bronze)
Ag Sn Cu Ag g1
Zerspanen Hg Sn
III
g2
(Splitter)
e
h'
(temporär)
(sphärisch)
Ag
g1
Hg Sn
Ag Sn Cu
IV Verdüsen
h'
e
(Kugeln)
Abb. 6.33: Reaktionsmechanismus unterschiedlicher „Amalgamfeilungen“ mit Quecksilber. Bei Typ I ent-
steht Gamma-2-haltiges, konventionelles Amalgam, bei Typ II Gamma-2-freies Blendamalgam, bei Typ III
Gamma-2-freies Splitteramalgam und bei Typ IV sphärisches bzw. sphäroidales Gamma-2-freies Amalgam.
6.4 Restaurationen mit Amalgam Kapitel 6 269
Gamma-2-freie Amalgame
Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung Gamma-2-freier Amalgame Erhöhung des
(II). Durch Erhöhung des Kupfergehalts auf 12% oder mehr gelingt es, Kupfergehalts
die Gamma-2-Phase zu unterdrücken oder sie innerhalb kurzer Zeit wie-
der aufzulösen. Bei den ersten Legierungen dieser Art wurde den Alloyp-
artikeln aus konventioneller kupferarmer Silber-Zinn-Legierung ein
Drittel fein verdüster Kugeln zugemischt. Diese Kugeln bestehen aus ei-
nem Silber-Kupfer-Eutektikum (72% Silber und 28% Kupfer). Sie besit-
zen unterschiedliche Größen bis maximal 30 µm.
Bei Reaktion von Quecksilber mit den konventionellen Feilungspar- Erste Reaktion
tikeln entstehen wie oben beschrieben eine Gamma-1- und eine
Gamma-2-Phase. Es wird jedoch auch aus der oberflächlichen Schicht
der Silber-Kupfer-Kugeln Silber herausgelöst und eine Gamma-1-Phase
gebildet.
In einer zweiten Reaktion kann das Kupfer aus den kugelförmigen Zweite Reaktion
Partikeln mit dem Zinn aus der Gamma-2-Phase reagieren und die stabi-
lere η’-Phase (Cu6Sn5) bilden. Diese Festkörperreaktion dauert ca. vier
Wochen. Danach ist die Gamma-2-Phase vollständig aufgebraucht. Die
η’-Phase liegt im abgebundenen Amalgam um die kugelförmigen Silber-
Kupfer-Eutektika. Sie wird auch als Asgar-Mahler-Reaktionszone be-
zeichnet. Zwischen dieser Bronzezone und dem Silber-Kupfer-Eutekti-
kum liegen zudem Gamma-1-Inseln.
Gamma-2-freie Amalgame lassen sich auch dann erzielen, wenn bei Erhöhung des
Einzelpartikeln des Alloys der Kupfergehalt auf Kosten des Silbergehalts Kupfergehalts,
massiv erhöht wird (III). Dabei muss man zwischen Partikeln unter- Verringerung des
scheiden, bei denen sich die Metallphasen relativ gut voneinander tren- Silbergehalts
270 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
Volumen Während der Erhärtung ändert sich das Volumen der meisten Amal-
game. Es gibt Amalgame, die ausschließlich kontrahieren, andere, die in
den ersten zwei bis drei Stunden kontrahieren, dann expandieren, und
solche, die schon zu Beginn der Aushärtung expandieren. Die kontra-
hierende Oberflächenspannung des Quecksilbers führt beim Eindringen
in Risse und Spalten der noch nicht vollständig abgebundenen Legie-
rung zur Anfangskontraktion.
Anschließend kommt es durch Kristallwachstum der Gamma-1-
Phase zur Expansion und durch „Ausheilung von Poren“ zur Kontrak-
tion. Silberreiche Amalgame neigen mehr zur Expansion als silberär-
mere. Die Expansion nimmt mit kleiner Korngröße, höherem Stopf-
druck, geringerem Quecksilbergehalt und verlängerter Anmischzeit ab.
Eine geringfügige Expansion von 20 µm pro cm ist erwünscht, um ei-
nen guten Randschluss zu gewährleisten, ohne dass ein zu großer Druck
auf die Kavitätenwände erfolgt.
6.4 Restaurationen mit Amalgam Kapitel 6 271
6.4.3 Klasse-II-Kavitäten
Kavitätenformen Dabei soll die von Black postulierte Extensionsform (extension for pre-
vention) nicht exakt befolgt werden. Im Okklusalbereich lassen sich
nicht alle Fissuren und Parafissuren in die Präparation einbeziehen. So
werden heute ausschließlich die kariösen Hauptfissuren und Grübchen
aufgezogen und nur die wichtigsten kariesgefährdeten Nebenfissuren
mit einbezogen (Abb. 6.35a, b, c).
Der okklusale Teil der Kavität hat eine Mindesttiefe von 2–2,5 mm
und ist leicht unter sich gehend. Dabei sind die Übergänge zwischen Ka-
vitätenwand und Kavitätenboden abgerundet, damit bei Belastung der
Restauration keine Spannungen in diesem Bereich entstehen, die zu Hö-
ckerfrakturen führen könnten (Abb. 6.34a). Bei einer zweiflächigen Ka-
vität darf im Bereich der Randleiste nicht unter sich gehend präpariert
werden, da die Randleiste sonst zu stark geschwächt wird. Alle Bereiche,
die nicht von Dentin unterstützt sind, müssen entfernt werden, da sie
bei Kaubelastung frakturieren. Im Unterkiefer muss bei der Präparation
die Kronenflucht der Zähne berücksichtigt werden. Die Breite der Kavi-
tät sollte so gewählt werden, dass Höckerfrakturen vorgebeugt wird. Sie
beträgt im Bereich der Dreieckswülste höchstens die Hälfte der Höcker-
breite. Eine Zahnhartsubstanz schonende Präparation umfährt die Drei-
eckswülste und lässt die Randleiste intakt. Ein Aufziehen der großen
bukkalen oder palatinalen Fissuren der Molaren ist nur notwendig,
wenn sie kariös sind. Dabei bleiben wichtige Zahnstrukturen, wie die
Crista transversa der Oberkiefermolaren, intakt, wenn sie nicht kariös
unterminiert sind (Abb. 6.35c).
Zugang Der Zugang zur approximalen Karies erfolgt mit einem birnenförmi-
gen Diamantschleifer. Dabei muss der intakte Nachbarzahn vor einem
Präparationstrauma geschützt werden. Das kann durch Anlegen einer
Matrize um den Nachbarzahn, Einlegen eines Stahlstreifens oder ge-
schickte Präparationstechnik gewährleistet werden. Der Präparations-
6.4 Restaurationen mit Amalgam Kapitel 6 273
Kavitäts-
boden
2 mm Schmelz pulpale
Wand
Extensions-
flächen
Dentin
Pulpa approximal-
zervikale
Stufe
richtig
a b
Abb. 6.34: Präparation einer Kavität für eine Amalgamfüllung: Mit einem birnenförmigen Diamantschleifer 6
wird eine intern abgerundete, leicht unter sich gehende Kavität (Retentionsform) präpariert (a). Damit
werden Kerbspannungen zwischen Kavitätenboden und Kavitätenwand vermieden, die zu Infrakturen füh-
ren könnten Bei der Präparation einer mehrflächigen Amalgamfüllung (Klasse-II-Kavität) weist der appro-
ximale Kasten eine eigenständige Retentionsform auf (b).
a b
c d
Abb. 6.35: Die Kavitätengröße richtet sich nach der Kariesausdehnung. Es werden
bei guter Mundhygiene und guter Patientencompliance nicht alle Fissuren in die
Präparation mit einbezogen.
274 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
a b
0,5 mm
90×
90×
c d
Abb. 6.36: Mit Gingivalrandschrägern bzw. Schmelzmeißeln werden die Ränder an der approximal-zervika-
len Stufe und an den Extensionsflächen gebrochen (a und b). Es resultiert eine Kavität, deren approximale
Extensionen in einem Winkel von 90° auf die Zahnoberfläche zulaufen und in Bereichen enden, die der
Mundhygiene zugänglich sind (0,5 mm Abstand zum Nachbarzahn, c und d).
6.4 Restaurationen mit Amalgam Kapitel 6 275
her nur ca. 0,5 mm aufgehoben. Dies lässt sich ohne Verletzung des
Nachbarzahnes jedoch nur mit Handinstrumenten bzw. oszillierenden
Präparationswerkzeugen bewerkstelligen (Abb. 6.36).
Die approximal-zervikale Stufe ist senkrecht zur Kronenachse aus- Approximal-
gerichtet, plan oder leicht von außen nach innen abfallend. Nach zervikale Stufe
Kariesexkavation werden alle Kavitätenbereiche finiert. Die Extensions-
flächen und der approximal-zervikale Kavitätenrand werden mit Hand-
instrumenten oder oszillierenden Feilen leicht gebrochen. Die Exten-
sionsflächen laufen in einem Winkel von 90° auf die Zahnoberflächen
zu. Eine Anschrägung der Stufe ist bei Amalgam kontraindiziert, da das
Material sonst unter Kaudruck wie auf einer schiefen Ebene aus der
Kavität in den Sulkus „kriechen“ würde und letztlich Füllungsrandfrak-
turen resultieren würden. Außerdem lässt sich das Material in diesen Be-
reichen nicht dicht adaptieren. Schmelzbereiche, die nicht genügend
6
von Dentin unterstützt sind, müssen entfernt werden (Widerstands-
form).
Zusammenfassend lassen sich für die Präparation von Klasse-II-Kavi- Kriterien
täten für Amalgamrestaurationen folgende Kriterien festlegen:
D Die Kavitätengröße wird durch die Kariesausbreitung vorgegeben.
D Die Präparationsgrenzen liegen in Bereichen, die der Mundhygiene
zugänglich sind.
D Alle Kavitätenbereiche sind selbstretentiv.
D Nach der Primärpräparation werden die Kavitätenwände finiert.
D In den Bereichen, wo rotierende Instrumente nicht angewendet
werden können (z.B. bei zierlichen Kavitäten), werden Handinstru-
mente eingesetzt.
D Alle Übergänge zwischen horizontalen und vertikalen Kavitätenflä-
chen sind abgerundet, um Kerbspannungen zu vermeiden.
6.4.6 Matrizentechnik
Beim Anmischen ist die genaue Dosierung von Feilung und Queck-
silber wichtig.
Die Pistolen sollen leicht zu reinigen und zu sterilisieren sein. Das Amal-
gam wird portionsweise in die Kavität eingebracht und kondensiert. Die
Verarbeitungszeit beträgt je nach Produkt zwischen 3 und 10 min. Die
ersten Portionen werden sorgfältig im Approximalraum verdichtet, die
Okklusalfläche wird zuletzt gefüllt. Die Stopfer besitzen ein planes Ar-
beitsende und sind im Querschnitt rund-, rhomboid- oder trapezförmig
(Abb. 6.37b).
Gerade im Bereich der Extensionsflächen (Kontakt Matrizenband-
Zahn) entsteht ein Winkel, in dem das Amalgam mit rautenförmigen
Instrumenten besser verdichtet werden kann. Durch die Kondensation
sollen eine gute Adaptation des Amalgams an die Kavitätenwand ohne
Poren, ein geringer Restquecksilbergehalt und eine hohe Endhärte der
Füllung erzielt werden.
Als Stopfdruck werden Werte zwischen 1 und 2 N/mm2 angegeben. Stopfdruck
Für Kugelamalgam wird ein niedrigerer Stopfdruck (niedrig visköser) an-
gegeben als für Blendamalgame. Die Kondensation kann manuell (mit
Handstopfer) oder maschinell erfolgen.
Unter standardisierten Bedingungen muss sich die Auswahl der
Kondensationsmethode nach dem jeweiligen Amalgam richten, d.h., es
278 6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
b
Abb. 6.37: Amalgam wird mit einer Amalgam-
pistole aus einem Metallgefäß entnommen (a)
und portionsweise in die Kavität eingebracht.
Mit Handstopfern (b) wird das Amalgam ap-
proximal und mit maschinellen Stopfern (c) ok-
Amalgam klusal verdichtet.
Unterfüllung