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DIE DRAMATIK

Die Dramatik, oder das Drama (lat. <griech. Handlung, Geschehen, Tat), ist neben Lyrik und Epik
eine literarische Hauptgattung. Diese Dichtungsart stellt alle Begebenheiten des menschlichen Lebens
als sich gegenwärtig abspielende Ereignisse dar und verwirklicht sich daher in der schauspielerischen
Darstellung auf der Bühne vor einer Zuhörerschaft. Die dramatische Dichtung ist kultischen Ursprungs.
Sie erlebte ihre Blütezeit in den Epochen des gesellschaftlichen Aufschwungs;
 Antike (Äschylus, Sophokles, Euripides),
 Renaissance (Shakespeare, L. de Vega),
 Zeit des heranwachsenden Bürgertums und der bürgerlichen Revolutionen (Lessing,
Goethe, Schiller, Gribojedov, Gogol, Ostrowskij).
Zum Wesen der Dramatik gehört der Konflikt - die inhaltliche und kompositorische Grundlage des
Dramas. Der Konflikt wird meist durch die Wahl des Stoffes und der Helden bestimmt; in ihm werden
gesellschaftliche Ereignisse und Widersprüche sichtbar.
Nach der Art der Führung und Auflösung der Konflikte unterscheidet man folgende Genres der
Dramatik:
 die Tragödie, oder das Trauerspiel, (endet mit dem Scheitern und Untergang einer oder
mehreren Hauptgestalten);
 die Komödie, oder das Lustspiel, (Verwicklungen der Handlung werden heiter gelöst);
 das Drama, oder das Schauspiel, (ernste Konflikte werden positiv gelöst ohne Scheitern und
Untergang der Hauptgestalten).
Zu den wichtigsten Bauelementen des Dramas gehören auch Fabel, Handlung, Figuren
(Gestalten).
Die Fabel ist ein wichtiger Ordnungsfaktor der Handlung; in ihr ist die Einheit der dramatischen
Handlung begründet. Unter der Handlung versteht man die Gesamtheit aller Ereignisse. Die Austragung
und Auflösung der Konflikte umfasst die gesamte Handlung. Die Handlungsträger des Dramas werden
Gestalten Figuren oder Personen genannt. Die Bezeichnung ,,Held" bezieht sich oft auf die Hauptgestalt
und ist in diesem Fall wertungsfrei.
Die klassische Dramaturgie gliederte die dramatischen Werke in
o Akte (Aufzüge)
o Szenen (Auftritte).
In der modernen Dramatik ist die Gliederung des Dramas mannigfaltig

Das Wechselspiel der Figuren realisiert sich im


o Dialog (Wechselrede)
o Monolog (Selbstgespräch).
Im Monolog offenbaren sich Seelenzustände der Figuren und Motive für das Handeln. Der Monolog des
positiven Helden ist oft das Sprechrohr des Autors. Die szenischen Bemerkungen des Dichters über
Bühnenbild und Ausstattung, Aussehen und Gesten der Schauspiel Regieanweisungen heißen
Bühnenanweisungen er sowie Das erste deutsche bürgerliche Drama schuf Lessing wesentlichen
Beitrag zur Entwicklung des Dramas hat Brecht geleistet.
Friedrich Schiller
Kabale und Liebe (Ein bürgerliches Trauerspiel)
ZWEITER AKT
zweite Szene
Ein alter Kammerdiener des Fürsten, der ein Schmuckkästchen trägt. Die Vorigen.
KAMMERDIENER: Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Mylady zu Gnaden und schicken
Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig.
LADY (hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück): Mensch! was bezahlt dein Herzog
für diese Steine?
KAMMERDIENER (mit finsterm Gesicht): Sie kosten ihn keinen Heller.
LADY: Was? Bist du rasend? Nichts? – und (indem sie einen [24] Schritt von ihm wegtritt) du wirfst
mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest – Nichts kosten ihn diese unermesslich
kostbaren Steine?
KAMMERDIENER: Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort – Die zahlen alles.
LADY (setzt den Schmuck plötzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum
Kammerdiener): Mann, was ist dir? Ich glaube, du weinst?
KAMMERDIENER (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder
zitternd): Edelsteine wie diese da – ich hab' auch ein paar Söhne drunter.
LADY (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend): Doch keinen Gezwungenen?
KAMMERDIENER (lacht fürchterlich): O Gott – Nein – lauter Freiwillige. Es traten wohl so etliche
vorlaute Bursch’ vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch
Menschen verkaufe? – Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz
aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn
auf das Pflaster sprützen, und die ganze Armee schrie: Juchhe nach Amerika! –
LADY (fällt mit Entsetzen in den Sofa): Gott! Gott! – Und ich hörte nichts? Und ich merkte nichts?
KAMMERDIENER: Ja, gnädige Frau – Warum musstet ihr denn mit unserm Herrn gerad auf die
Bärenhatz reiten, als man den Lärmen zum Aufbruch schlug? – Die Herrlichkeit hättet ihr doch nicht
versäumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkündigten, es ist Zeit, und heulende Waisen
dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wütende Mutter lief, ihr saugendes Kind an
Bajonetten zu spießen, und wie man Bräutigam und Braut mit Säbelhieben auseinander riss, und wir
Graubärte verzweiflungsvoll dastanden und den Burschen auch zuletzt die Krücken noch nachwarfen in
die Neue Welt – Oh, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte
beten hören –
LADY (steht auf, heftig bewegt): Weg mit diesen Steinen – sie blitzen Höllenflammen in mein
Herz. (Sanfter zum Kammerdiener.) Mäßige dich, armer alter Mann. Sie werden wieder kommen. Sie
werden ihr Vaterland wieder sehen.
KAMMERDIENER (warm und voll): Das weiß der Himmel! Das werden sie! – Noch am Stadttor
drehten sie sich um und schrien: »Gott mit euch, Weib und Kinder – Es leb unser Landesvater – Am
Jüngsten Gericht sind wir wieder da!« – [25]
LADY (mit starkem Schritt auf und nieder gehend): Abscheulich! Fürchterlich! – Mich beredet man,
ich habe sie alle getrocknet, die Tränen des Landes – Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf –
Geh du – Sag deinem Herrn – Ich werd ihm persönlich danken! (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm
ihre Geldbörse in den Hut.) Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest –
KAMMERDIENER (wirft sie verächtlich auf den Tisch zurück): Legt’s zu dem Übrigen. (Er geht ab.)
Textläuterangen

Kabale und Liebe, Schillers drittes großes dramatisches Werk, krönt sein Schaffen der Sturm-und
Drang-Periode. Das Drama erschien 1783 unter dem Titel ̋Luise Miller, ein bürgerliches Trauerspiel ̋
(erst später erhielt es auf Vorschlag des Schauspielers und Dramatikers Iffland den Titel Kabale
und Liebe). Der Konflikt entwickelt sich aus der Liebe eines Bürgermädchens und eines Adligen, die an
höfischen Kabalen scheitert und mit Untergang der beiden Haupthelden endet. Dieser reale
menschlich-gesellschaftliche Konflikt gab Schiller Anlaß, das ganze feudal-absolutistische System am
Beispiel eines deutschen Fürstentums rücksichtslos anzuprangern. Das Drama zeigt die Zustände
Deutschlands jener Zeit.Der Dichter zeigt den offenen Konflikt bürgerlicher Menschen (Luise,
Stadtmusikant Miller) mit der feudalen Willkür (Präsident von Walter) als gesellschaftliche
Auseinandersetzung des aufsteigenden Bürgertums mit dem Feudalsystem zur Zeit der
hereinreifenden bürgerlichen Revolution in Europa. Wegen der Zensur konnte Schiller Ort und Zeit
der Handlung nicht genau angeben. Er nütze aber Anspielungen, die seinen Zeitgenossen
verständlich waren. In erster Linie war es der der Öffentlichkeit bekannte Menschenhandel – Verkauf
der Soldaten an fremde Staaten, den manche Fürsten, darunter auch Karl Eugen von
Württemberg, trieben. Die Kammerdiener-Szene, die den Soldatenverkauf behandelt, geht auf das
Lied der hessischen Soldaten zurück, die 1775 nach Amerika verschachert wurden, um am Kampf
gegen die Unabhängigkeitsbewegung des amerikanischen Volkes teilzunehmen: ̋Juchheisa nach
Amerika! ̋Schillers flammender Protest gegen Tyrannei, Rechlosigkeit und Entwürdigung des
Menschen war Anklage und Rebellion gegen die deutsche Misere seiner Zeit, was das Drama politisch
aktuell machte und begeisterten Anklang beim Publikum hervorrief. Kabale und Liebe ist ein
realistisches Drama, denn es gestaltet typische Charaktere unter typischen gesellschaftlichen
Verhältnissen und ist von fortschrittlichen Ideen seiner Zeit durchdrungen. Die weite Szene des
zweiten Aktes, die sogenannte Kammerdiener-Szene, gehört zu den stärksten und
eindrucksvollsten Szenen des Dramas. Die handelnden Personen sind ein alter Kammerdiener des
Fürsten und Lady Milford, die Favoritin des Fürsten. Der Kammerdiener überbringt Lady Milford ein
Schmuckkästchen mit Juvelen, das ihr vom Fürsten als Geschenk zur geplanten Hochzeit mit
Ferdinand von Walter geschickt wird. Im Drama werden die handelnden Personen hauptsächlich
durch die Gestaltung ihrer Rede (das Sprachporträt) und durch die Autorenrede in
Bühnenanweisungen charakterisiert. Die Bühnenanweisungen sind nicht knapp und objektiv-
konstatierend, sondern leidenschaftlich wie die Rede der handelnden Personen, weil sie das Mitgefühl
des Dichters widerspiegeln und die erhöhte Emotionalität des jungen Schiller als eines Dichters der
Sturm-und-Drang-Bewegung. Die spezifische Darstellungsweise der dramatischen Dichtung ist der
Dialog, er bestimmt den syntaktischen Bau der Figurenrede. Es sind in erster Linie typische Strukturen
der Wechselrede wie elliptische und eingliedrige Sätze. Die Aufregung und tiefe Anteilnahme
des Kammerdieners finden ihren Ausdruck in der Dynamik der Aussage. Anschaulich und
mitleiderregend beschreibt er in rascher Abwechslung von Bildern die Trennung der Verkauften
von ihren Angehörigen. Umfangreiche Satzperioden und Satzreihen mit vielen verbalen
Prädikaten und Partizipialattributen geben dieser Szene ihr Gepräge. Die Gefühlsübersteigerung
äußert sich in vielen Interjektionen, Ausrufe- und Fragesätzen. Die emphatische Intonation wird
graphisch auch durch zahlreiche Gedankenstriche gekennzeichnet. Die Verzweiflung und Bitterkeit
werden durch ironische Ausdrucksweise offenbart: der Kammerdiener sagt das Gegenteil davon, was
verstanden werden soll, und dadurch gewinnen Wörter und Wortverbindungen im Kontext an
Emotionalität. Im Sprachporträt des Kammerdieners sind auch sprachliche Mittel, die die
Volkstümlichkeit seiner Rede ausdrücken, ihn als einen einfachen Menschen aus dem Volke
charakterisieren.

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