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S. Schäfer, F. Kirsch, G.

Scheuermann,
R. Wagner

Fachpflege Beatmung
7. Auflage
Zuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
E-Mail: pflege@elsevier.de

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Die Erkenntnisse in der Pflege und Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfah-
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7. Auflage 2015
© Elsevier GmbH, München
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.

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Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline
Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.

Planung und Lektorat: Hilke Nüssler, München


Projektmanagement: Karin Kühnel, München
Lektorat: Sigrid Schäfer, Sindelfingen
Herstellung: Nicole Kopp, Ulrike Schmidt, München
Satz: abavo GmbH, Buchloe/Deutschland; TnQ, Chennai/Indien
Druck und Bindung: Dimograf, Bielsko-Biała/Polen
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm
Titelfotografie: fotolia.com

ISBN Print 978-3-437-25185-6


ISBN e-Book 978-3-437-29699-4

Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com


Vorwort zur 7. Auflage
„Dieses Buch überzeugt von der ersten bis zur letz- Auch in der hier vorliegenden 7. Auflage haben
ten Seite. Die Autoren beschränken sich gemäß dem wir uns darum bemüht, neue Inhalte möglichst prä-
Titel auf beatmungsrelevante Themen, ohne sich in zise, verständlich und praxisrelevant darzustellen.
unnötigen Details zu verirren. Die Texte sind gut Aber da auch wir weder alles können noch alles
verständlich und inhaltlich top, ohne Fragen offen wissen, freuen wir uns weiterhin über Anregungen
zu lassen. Sehr empfehlenswert für die Fachweiter- jeder Art – unsere Kontaktadresse finden Sie auf
bildung …“ (aus einer Kundenrezension auf www. ­Seite VI.
amazon.de). – Ein schöneres Kompliment können
Fachbuchautoren kaum bekommen. Vielen Dank an Sindelfingen, November 2014
dieser Stelle allen Leserinnen und Lesern, die uns in die Autoren
den letzten Jahren ihre Anregungen, Kritik und Lob
haben zukommen lassen!

Vorwort zur 3. Auflage


Die Intensivpflege beatmeter Patienten unterschei- und umfassend mit dem Thema „maschinelle Beat-
det sich in einigen Bereichen ganz erheblich von der mung“ befasst. Beim Erstellen der Texte und Tabel-
Pflege nicht beatmeter Intensivpatienten: len sowie bei der Auswahl der Abbildungen haben
• Zum einen sind grundlegende Kenntnisse der Be- wir uns bemüht, möglichst nah an der Pflegepraxis
atmungstechnik sowie der verschiedenen Beat- zu bleiben und die Inhalte so anschaulich und nach-
mungsformen erforderlich, um den beatmeten vollziehbar wie möglich darzustellen. Wir hoffen,
Patienten kompetent überwachen und pflegen dass uns dies gelungen ist, und der teils unüber-
sowie Komplikationen sicher beherrschen zu schaubar große Bereich „Beatmung“ über- und
können. durchschaubar wird.
• Zum andern erfordern eine Intubation, Tracheo- Kein Fachbuch ist rundum perfekt – auch unseres
tomie bzw. Beatmung über eine Beatmungsmas- nicht. Deshalb bitten wir unsere Leserinnen und Le-
ke spezielle Pflegemaßnahmen. Dazu gehört auch ser, uns ihre Meinung, gerne auch Anregungen und
die einfühlsame Begleitung sowie die Kommuni- Kritik zukommen zu lassen, damit das Buch in der
kation mit dem Beatmungspatienten. nächsten Auflage dann noch besser werden kann.
Diese ganz speziellen Kenntnisse möchten wir im Ohne die Unterstützung unserer Familien und
vorliegenden Buch vermitteln. Freunde wäre dieses Buch nicht entstanden – danke!
Unser Ziel war es, für Mitarbeiter, die neu auf ei-
ner Intensivstation arbeiten und erstmals beatmete Sindelfingen, im Juni 2002
Patienten pflegen, sowie für die Teilnehmer der Frank Kirsch, Sigrid Schäfer, Gottfried Scheuermann
Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivpflege und Rainer Wagner
ein Fachbuch zu entwerfen, das sich ausschließlich
Vorwort zur 7. Auflage
„Dieses Buch überzeugt von der ersten bis zur letz- Auch in der hier vorliegenden 7. Auflage haben
ten Seite. Die Autoren beschränken sich gemäß dem wir uns darum bemüht, neue Inhalte möglichst prä-
Titel auf beatmungsrelevante Themen, ohne sich in zise, verständlich und praxisrelevant darzustellen.
unnötigen Details zu verirren. Die Texte sind gut Aber da auch wir weder alles können noch alles
verständlich und inhaltlich top, ohne Fragen offen wissen, freuen wir uns weiterhin über Anregungen
zu lassen. Sehr empfehlenswert für die Fachweiter- jeder Art – unsere Kontaktadresse finden Sie auf
bildung …“ (aus einer Kundenrezension auf www. ­Seite VI.
amazon.de). – Ein schöneres Kompliment können
Fachbuchautoren kaum bekommen. Vielen Dank an Sindelfingen, November 2014
dieser Stelle allen Leserinnen und Lesern, die uns in die Autoren
den letzten Jahren ihre Anregungen, Kritik und Lob
haben zukommen lassen!

Vorwort zur 3. Auflage


Die Intensivpflege beatmeter Patienten unterschei- und umfassend mit dem Thema „maschinelle Beat-
det sich in einigen Bereichen ganz erheblich von der mung“ befasst. Beim Erstellen der Texte und Tabel-
Pflege nicht beatmeter Intensivpatienten: len sowie bei der Auswahl der Abbildungen haben
• Zum einen sind grundlegende Kenntnisse der Be- wir uns bemüht, möglichst nah an der Pflegepraxis
atmungstechnik sowie der verschiedenen Beat- zu bleiben und die Inhalte so anschaulich und nach-
mungsformen erforderlich, um den beatmeten vollziehbar wie möglich darzustellen. Wir hoffen,
Patienten kompetent überwachen und pflegen dass uns dies gelungen ist, und der teils unüber-
sowie Komplikationen sicher beherrschen zu schaubar große Bereich „Beatmung“ über- und
können. durchschaubar wird.
• Zum andern erfordern eine Intubation, Tracheo- Kein Fachbuch ist rundum perfekt – auch unseres
tomie bzw. Beatmung über eine Beatmungsmas- nicht. Deshalb bitten wir unsere Leserinnen und Le-
ke spezielle Pflegemaßnahmen. Dazu gehört auch ser, uns ihre Meinung, gerne auch Anregungen und
die einfühlsame Begleitung sowie die Kommuni- Kritik zukommen zu lassen, damit das Buch in der
kation mit dem Beatmungspatienten. nächsten Auflage dann noch besser werden kann.
Diese ganz speziellen Kenntnisse möchten wir im Ohne die Unterstützung unserer Familien und
vorliegenden Buch vermitteln. Freunde wäre dieses Buch nicht entstanden – danke!
Unser Ziel war es, für Mitarbeiter, die neu auf ei-
ner Intensivstation arbeiten und erstmals beatmete Sindelfingen, im Juni 2002
Patienten pflegen, sowie für die Teilnehmer der Frank Kirsch, Sigrid Schäfer, Gottfried Scheuermann
Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivpflege und Rainer Wagner
ein Fachbuch zu entwerfen, das sich ausschließlich
Autoren
Frank Kirsch, Gesundheits- und Krankenpfleger für Rainer Wagner, Gesundheits- und Krankenpfleger
Intensivpflege und Anästhesie sowie Praxisbegleiter für Intensivpflege und Anästhesie. Zunächst in der
für „Basale Stimulation in der Pflege“. Nach der Allgemein- und Unfallchirurgie tätig, dann auf der
Ausbildung im St. Joseph-Krankenhaus in Prüm von operativen Intensivstation, später Fortbildung zum
1990–2008 im Diakonie-Klinikum Schwäbisch Hall Praxisanleiter in der Fachweiterbildung. Danach
gGmbH tätig als Praxisanleiter in der Fachweiterbil- Weiterbildung zum Lehrer für Pflegeberufe. Derzeit
dung Intensivpflege und Anästhesie. Derzeit Leitung Leiter der Fort- und Weiterbildung Pflege am Diako-
der Intensivstation im Klinikum Crailsheim. Dane- nie-Klinikum Schwäbisch Hall.
ben Tätigkeit als freiberuflicher Dozent, insbesonde- Verantwortlich für Kapitel 3, 4, 5, 9.1, 9.2, 9.4, 9.5,
re zu den Themen „Basale Stimulation“ und „Beat- 9.10, 11.
mung“. Gottfried Scheuermann (MSc), Gesundheits- und
Verantwortlich für Kapitel 6, 7, 8, 9.8, 10. Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie.
Sigrid Schäfer, Gesundheits- und Krankenschwes- Nach der Weiterbildung zum Lehrer für Pflegeberu-
ter für Anästhesie und Intensivpflege. Zunächst im fe langjähriger Leiter der Abteilung Fort- und Wei-
Klinikum der Stadt Mannheim, dann im Robert- terbildung (mit Lehrgang für Intensivpflege und
Bosch-Krankenhaus Stuttgart als Praxisanleiterin in Anästhesie) am Robert-Bosch-Krankenhaus, Stutt-
der Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivpfle- gart. Zweijähriger Auslandsaufenthalt mit prakti-
ge tätig. Danach Volontariat im Gustav Fischer Ver- scher Tätigkeit auf einer Intensivstation und Pflege-
lag Stuttgart, dann Tätigkeit als Lektorin im Urban studium in Edinburgh/UK. Jetzt im Diakonieklini-
& Fischer Verlag. Seit 1999 freiberufliche Fachbuch- kum Stuttgart (Intensivstation und IMC) tätig.
Lektorin. Verantwortlich für Kapitel 1, 2, 9.3, 9.6, 9.7 und 9.9.
Verantwortlich für Kapitel 1–11. Kontakt: Frank Kirsch (info@frank-kirsch.de).

Von links nach rechts: 


Frank Kirsch, Rainer Wagner,
Sigrid Schäfer,
Gottfried Scheuermann
KAPITEL

1 Grundlagen aus Anatomie


und Physiologie
1.1  Anatomie des schenfalten und die darunter liegenden Stimmlip­
Respirationstrakts pen. Die Stimmlippen enthalten die Stimmbänder
und Stimmmuskeln. Als Stimmritze wird die Öff-
DEFINITION nung zwischen den Stimmlippen bezeichnet. Ab-
Als Respirationstrakt wird die Gesamtheit von Atem- hängig von der Stellung und Spannung der
wegen und Lunge bezeichnet (› Abb. 1.1). Stimmlippen entstehen Töne mit unterschiedli-
Zum Atmungssystem (Respirationssystem) gehören alle cher Frequenz. Der gesamte Stimmapparat,
anatomischen Strukturen des Körpers, die an der Atmung manchmal aber auch nur die Stimmritze, wird als
beteiligt sind, also neben Atemwegen und Lunge auch
Teile des zentralen Nervensystems, z. B. die Medulla ob- Glottis bezeichnet.
longata (verlängertes Mark, Sitz des Atemzentrums) und
Nerven (etwa der N. phrenicus oder die Interkostalner- Bei oro- oder nasotrachealer Intubation (›  4.6.1 und
ven), sowie Muskeln, z. B. das Zwerchfell oder die Inter- › 4.6.2) liegt der Tubus in der Stimmritze. Die betroffe-
kostalmuskulatur. nen Patienten können daher nicht sprechen. Erwacht ein
intubierter Patient erstmals (z. B. nach einem Unfallereig-
nis) und bemerkt, dass er nicht sprechen kann, beunru-
1.1.1  Obere und untere Atemwege higt ihn dies oft ausgesprochen stark. Dann ist es wichtig,
dass die Pflegenden ihm erklären, dass dies am Tubus
liegt und nur vorübergehend so sein wird. Gegebenen-
Die oberen Atemwege beginnen an den beiden Na- falls bieten die Pflegenden dem Patienten ein seinen Fä-
senlöchern und umfassen die Nasenhöhle, den Pha­ higkeiten angemessenes Kommunikationshilfsmittel an,
rynx (Rachen) und den Larynx (Kehlkopf). Die Na- z. B. eine Schreibtafel (›  9.8.1). Tracheotomierte Pa­
senhöhle ist mit gefäßreicher Schleimhaut ausge- tienten können mithilfe spezieller Trachealkanülen bzw.
kleidet, die bei Verletzungen stark bluten kann. Dies Kanülenaufsätzen sprechen (› 5.1).
ist insbesondere bei der nasalen Intubation von Be-
deutung (› 4.6.2). Unterhalb des Larynx beginnen Laryngospasmus › 4.12.5
die unteren Atemwege, zu denen die Trachea, die Glottisödem › 4.12.5
Bronchien und die Bronchiolen (zusammen als Tra­
cheobronchialbaum bezeichnet) gehören. Trachea und Bronchien
Die Trachea (Luftröhre) beginnt unterhalb des
Larynx Kehlkopfs. Sie ist ca. 10–12 cm lang und aus 16–20
Der Larynx erfüllt zwei wichtige Funktionen: hinten offenen Knorpelspangen aufgebaut, deren
• Im Larynx kreuzen sich Luft- und Speiseweg. Die Enden durch Bindegewebsmembranen mit Muskel-
am Kehlkopfeingang lokalisierte Epiglottis (Kehl- zügen verbunden sind. Untereinander sind die
deckel) legt sich beim Schlucken über den Kehl- Knorpelspangen durch Bänder verbunden, das Lu-
kopfeingang und verschließt ihn dadurch. Damit men der Trachea ist mit Schleimhaut ausgekleidet.
wird gewährleistet, dass Speisebrei vom Rachen An ihrem unteren Ende gabelt sich die Trachea in
in den Ösophagus (Speiseröhre) gelangt und nicht den rechten und linken Hauptbronchus. Diese Tei-
in die unteren Luftwege. lungsstelle (Bifurcatio tracheae, auch kurz Bifurkati­
• Im Larynx erfolgt die Stimmbildung. Die Larynx- on genannt) liegt ungefähr auf Höhe des 4. Brustwir-
schleimhaut bildet zwei waagrecht übereinander- belkörpers. Zwischen den Abgängen der beiden
liegende Faltenpaare: die oben liegenden Ta- Hauptbronchien liegt die Karina, ein keilartig nach
2 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

innen ragendes Knorpelstück, das insbesondere bei ist wie die Trachea (mit Knorpelspangen, Schleim-
der Bronchoskopie (› 9.7.6) gut sichtbar ist. haut, Flimmerepithel und bindegewebig muskulärer
Die Hauptbronchien zweigen sich jeweils wenige Rückwand), wird die Form der Knorpelspangen ab
1 Zentimeter hinter der Bifurkation weiter auf in die den Lappenbronchien unregelmäßig. In den tiefer
Lappenbronchien und diese wiederum in die Seg­ gelegenen Bronchien finden sich statt Knorpelspan-
mentbronchien. So entstehen vergleichbar den Ästen gen nur noch Knorpelplatten. Die Bronchiolen
eines Baums (daher auch die Bezeichnung Tra- schließlich haben keine knorpeligen Stützstrukturen
cheobronchialbaum) immer kleinere Bronchien und mehr. Stattdessen findet sich in der Wand der Bron-
schließlich Bronchiolen, an deren Ende sich die Alve­ chiolen reichlich glatte Muskulatur.
olen (Lungenbläschen) befinden. Während die Die Atemwege sind an ihrer Oberfläche von Flim-
Wand der Hauptbronchien noch ähnlich aufgebaut merepithel, d. h. dicht aneinanderliegenden, feins-

Nasenhöhle

Mundhöhle

Zunge
Kehldeckel (Epiglottis)
Zungenbein
Schildknorpel
Kehlkopf
Adamsapfel
Ringknorpel (Larynx)
Luftröhre
(Trachea) Knorpelspangen

Rechter Linker
Oberlappen Oberlappen

Lungenhilus
Bifurkation
rechter
Hauptbronchus Linker
Hauptbronchus
Lappen Linker
bronchus Unterlappen

Segment-
bronchus Bronchiolen
Rechter Bronchioli
Mittel- respiratori
lappen
Alveolar-
gang
Rechter
Unterlappen

Rechter Linker Alveolen


Lungenflügel Lungenflügel

Abb. 1.1  Übersicht über den Respirationstrakt, d. h. die Gesamtheit von Atemwegen und Lunge. [L190]
1.1  Anatomie des Respirationstrakts 3

ten und hochbeweglichen Härchen (Zilien), überzo- Die Alveolaroberfläche ist mit einem hauchdün-
gen. Das Flimmerepithel ist von schleimbildenden nen Lipoproteinfilm, dem Surfactant (auch Anti­
Becherzellen durchsetzt. Diese bilden täglich ca. atelektasenfaktor oder Oberflächenfaktor) überzo-
100 ml sterilen, farblosen und viskösen Schleim (bei gen, der die Oberflächenspannung reduziert und so 1
bakteriellen Infektionen ist der Schleim zäher und ein Kollabieren der Alveolen insbesondere während
evtl. eitrig). An diesem Schleim bleiben auch feinste der Exspiration vermeidet. Eine weitere Funktion
Staubpartikel „kleben“. Das Flimmerepithel trans- des Surfactant ist der Schleimtransport aus den Al-
portiert Schleim samt Staubpartikel Richtung Ra- veolen. Die Wände der Alveolen sind hauchzart und
chen, von wo aus er verschluckt oder ausgespuckt von einem Netz feinster Kapillaren des Lungenkreis-
wird, und verhindert so eine Verschmutzung der laufs umsponnen. Die Grenzschicht zwischen Al­
Alveolen (mukoziliäre Clearance). veole und Lungenkapillare heißt alveolokapilläre
Membran. Sie besteht aus dem Surfactant, dem Al-
veolarepithel, der Basalmembran und dem Kapillar­
1.1.2  Lunge und Pleura endothel. An der alveolokapillären Membran findet
der Gasaustausch statt: Sauerstoff diffundiert aus
Lungenlappen und Lungensegmente den Alveolen in die Kapillaren, Kohlendioxid diffun-
Die beiden Lungenflügel füllen den Brustkorb nahe- diert aus den Kapillaren in die Alveolen.
zu vollständig aus. Lediglich das Herz, die großen
Gefäße und der Ösophagus sind zwischen den Lun- Pleura
genflügeln eingebettet. An ihrem unteren Ende lie- Jeder Lungenflügel ist von der Pleura visceralis (Lun-
gen die Lungenflügel unmittelbar dem Zwerchfell genfell) überzogen, die, nur durch den Pleura­spalt
(Diaphragma) auf. Die Lungenspitzen reichen jeweils getrennt, der Pleura parietalis (Rippfell) anliegt, die
bis in die Schlüsselbeingrube. Vorne, seitlich und die Brusthöhle auskleidet und sowohl Zwerchfell als
hinten liegen die Lungenflügel dicht an den Rippen. auch Mediastinum bedeckt. Beide Pleurablätter wer-
Die Innenflächen der Lungenflügel begrenzen das den zusammen als Pleura bezeichnet.
Mediastinum (Mittelfellraum). Wegen der Lage des Im Pleuraspalt befinden sich wenige Milliliter se-
Herzens zur linken Brustkorbseite hin ist der linke röse Flüssigkeit. Dadurch können die Pleurablätter
Lungenflügel etwa ein Viertel kleiner als der rechte. und mit ihnen die beiden Lungenflügel reibungslos
Die Lungenflügel bestehen aus insgesamt 5  Lun- im Brustkorb gleiten.
genlappen (Ober-, Mittel- und Unterlappen rechts,
Ober- und Unterlappen links). Die einzelnen Lun- Eine Pleuritis (Entzündung der Pleurablätter, häufig Fol-
genlappen unterteilen sich weiter in Lungensegmen- ge einer Pneumonie › 2.3.1) vermindert die Gleitfähig-
te, die jeweils eine Funktionseinheit darstellen, d. h. keit der Pleura. Die Pleurablätter reiben dann aneinander,
jedes Lungensegment verfügt über einen Segment- wodurch die Interkostalnerven gereizt und die Atmung
bronchus sowie eine Arterie und eine Vene. Auf- extrem schmerzhaft werden kann.
grund dieses anatomischen Aufbaus ist es möglich, Beim Pleuraerguss (z. B. infolge einer lokalen Entzün-
dung, einer Linksherzinsuffizienz oder als Begleitreaktion
einzelne Lungensegmente chirurgisch zu entfernen, bei Lungen- oder Pleuratumoren) sammelt sich Flüssigkeit
ohne das umliegende Lungengewebe zu schädigen. im Pleuraspalt. Je größer das Ergussvolumen ist, desto
stärker ist die Ausdehnung der Lunge und damit die At-
Alveolen und alveolokapilläre Membran mung eingeschränkt. Evtl. ist dann eine Pleurapunktion
An ihren Enden gehen die feinsten Bronchiolen in erforderlich, um die überschüssige Flüssigkeit abzusaugen.
die Alveolargänge über, um die herum traubenför-
mig dicht beieinander die einseitig offenen Alveolen
(Lungenbläschen) liegen. Im Pleuraspalt herrscht normalerweise ein leichter
Durch den bläschenartigen Aufbau der Alveolen Unterdruck von -4 bis -8  mbar, der atemabhängig
entsteht eine enorm große innere Oberfläche, die schwankt (intrapleuraler Druck bei Spontanat-
Gasaustauschfläche, die sich beim Erwachsenen auf mung › Abb. 1.2). Gelangt Luft in den Pleuraspalt
etwa 100 m2 ausdehnt. (Pneumothorax, z. B. durch die Ruptur von ­einzelnen
4 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

Druck [mbar]
bewirkt eine starke Verkleinerung der Lungenflü-
Inspi- Exspiration Inspiration Exspiration gel reflektorisch eine verstärkte Inspirationsbe-
6
ration
intrapulmonaler Druck
wegung und Rezeptoren in der Brustwand, die
4
1 2 den Dehnungszustand der Interkostalmuskeln
0
-2
(Zwischenrippenmuskeln) ermitteln, wirken auf
-4 das Atemzentrum ein.
-6
-8 • Chemorezeptoren registrieren Veränderungen
-10 intrapleuraler Druck
-12 des pO2, des pCO2 und des pH-Werts. Steigt der
1 2 3 4 5 6 Zeit Sauerstoffbedarf des Organismus, z. B. bei kör-
[s] perlicher Arbeit oder Muskelzittern (Shivering),
sinkt der pO2 ab und der pCO2 steigt durch den
Abb. 1.2 Verlauf von intrapulmonalem und intrapleuralem
Druck während Spontanatmung. [A400]
vermehrten Zellstoffwechsel an. Der erhöhte
pCO2 führt zum Anstieg der H+-Ionenkonzentra-
tion (› 1.3), dadurch sinkt der pH-Wert des
Alveolen oder durch eine Verletzung) wird dieser Blutes (Azidose). Die Chemorezeptoren registrie-
Unterdruck aufgehoben; der betroffene Lungenflü- ren diese Änderungen und aktivieren das Atem-
gel kollabiert aufgrund seiner Eigenelastizität und zentrum, das daraufhin die Atmung intensiviert
kann nicht mehr am Gasaustausch teilnehmen. (vertieft und beschleunigt).

Steigerung der Atemtätigkeit bei:


1.1.3  Steuerung der Atmung • ↑ pCO2
• ↓ pH-Wert
Verschiedene Regelmechanismen sorgen dafür, dass • ↓ pO2.
sich die Atmung den jeweiligen Erfordernissen des Umgekehrt hemmen ein hoher pO2 bzw. pH-Wert und ein
Organismus anpasst und gleichzeitig der pO2-, pCO2- unter die Norm abgefallener pCO2 die Atmung.
und pH-Wert im Blut im Normbereich gehalten wer-
den (› 1.2.2 und 1.3). Das Atemzentrum besteht 
Es werden periphere und zentrale Chemorezep-
aus in- und exspiratorischen Neuronen, die getrennt toren unterschieden. Die peripheren Chemore-
voneinander in der Medulla oblongata (verlängertes zeptoren liegen am Aortenbogen und beidseits an
Mark unmittelbar oberhalb des Halsrückenmarks), den Teilungsstellen der A. carotis communis. Pe-
im Pons (Brücke) und in den Zervikalsegmenten C1 riphere Chemorezeptoren sind insbesondere für
und C2 liegen. Diese werden im rhythmischen das Registrieren eines absinkenden pO2 und die
Wechsel aktiviert und senden ihrerseits Impulse zu entsprechende O2-Antwort (Steigerung der
den Atemmuskeln und Atemhilfsmuskeln. Atemtätigkeit bei erniedrigtem pO2) verantwort-
Über verschiedene Mechanismen gelangen Im- lich. Zentrale Chemorezeptoren finden sich an
pulse zum Atemzentrum, das dann die Atmung ent- der ventralen Oberfläche der Medulla oblongata.
sprechend den Erfordernissen anpasst: Sie registrieren vor allem erhöhte pCO2-Werte
• Pulmonale Reflexe. Dehnungsrezeptoren in der sowie erniedrigte pH-Werte (Azidose) und sind
Lunge werden bei zunehmender Dehnung der für die entsprechende Reaktion auf CO2- bzw.
Alveolarwand erregt und senden dann über den pH-Veränderungen verantwortlich (Intensivieren
N. vagus Impulse an das Exspirationszentrum der Atmung bei erhöhtem pCO2 bzw. erniedrig-
und aktivieren dieses. Dadurch wird die Exspira- tem pH-Wert).
tion ausgelöst und damit die Tiefe der Einatmung
begrenzt. Dieser Mechanismus (Lungendeh­ Bei bestehender chronisch-obstruktiver Lungenerkran-
nungsreflex oder Hering-Breuer-Reflex) ist wich- kung (kurz COPD, › 2.3.2) ist der pCO2 im Blut chro-
tig für die Ökonomisierung der Atemarbeit (zu nisch erhöht. Die Chemorezeptoren „gewöhnen“ sich an
tiefe Atemzüge erhöhen die Atemarbeit überpro- diesen Zustand und werden unempfindlich gegenüber
portional; Atemarbeit › 1.2.1). Des Weiteren hohen pCO2-Werten. Eine Steigerung des Atemantriebs
1.2  Physiologie der Atmung 5

erfolgt bei diesen Patienten nur noch über niedrige pO2- der Alveolen), Diffusion (Gasaustausch zwischen
Werte. Erhalten die Betroffenen zu viel Sauerstoff, etwa Alveole und Lungenkapillare) und Perfusion (Lun-
über eine Maske oder eine Nasensonde, so entfällt dieser gendurchblutung) bestimmt.
Atemanreiz und es droht eine lebensbedrohliche 1
Atemdepression. Der Patient trübt dann zunehmend
ein (CO2-Narkose) bis es zuletzt zum Atemstillstand
kommt. 1.2.1 Ventilation
Um dies zu vermeiden wird bei Patienten mit chronisch-
obstruktiver Lungenerkrankung die Sauerstoffzufuhr DEFINITION
i. d. R. sehr niedrig dosiert, um den Atemanreiz zu erhal- Ventilation (lat. Belüftung): Transport von Luft durch
ten. Spontan atmende Patienten erhalten aus demselben die Atemwege in die Lunge hinein und wieder heraus.
Grund trotz niedrigem pO2 evtl. überhaupt keinen zusätz-
lichen Sauerstoff. Eine wichtige Ausnahme von dieser
Regel ist der akute Asthmaanfall mit (drohender) Hypoxä- Atemmechanik
mie; die betroffenen Patienten erhalten 8–10 l Sauerstoff.
Zu Beginn der Inspiration sind der Druck in der
Lunge (intrapulmonaler Druck, ›  Abb. 1.2) und
• Auch unspezifische Reize können die Atmung der Atmosphärendruck (Druck der Umgebungsluft)
beeinflussen: identisch, d. h. der intrapulmonale Druck liegt bei
– Kälte-Wärme-Reize regen die Atmung an, z. B. null (der intrapulmonale Druck bezieht sich immer
Wechselduschen auf den Atmosphärendruck). Die Inspiration be-
– Bestimme Berührungen und Bewegungen kön- ginnt mit der Kontraktion der Inspirationsmuskeln,
nen die Atmung vertiefen. Dies macht man vor allem des Zwerchfells, aber auch der äußeren In-
sich z. B. mit atemstimulierenden Einreibun- terkostalmuskeln. Dadurch weitet sich der Brust-
gen zunutze korb und mit ihm die Lunge. In der Folge sinkt der
– Ein Anstieg und auch ein leichtes Abfallen der intrapulmonale Druck etwas unter den Atmosphä-
Körpertemperatur stimulieren die Atmung rendruck ab, was dazu führt, dass Luft in die Lunge
ebenfalls. Erst eine schwere Unterkühlung einströmt. Die Inspiration endet, sobald sich die In­
hemmt die Atmung spirationsmuskeln nicht mehr weiter kontrahieren.
– Schmerzen, Stress und Angst steigern die At- Dann strömt keine Luft mehr in die Lunge, der int-
mung, insbesondere thorakale oder abdomina- rapulmonale Druck und der Druck der Umgebungs-
le Schmerzen können jedoch zu einer uner- luft sind wieder gleich.
wünschten Schonatmung (hochfrequente, Die Exspiration beginnt damit, dass die Inspira­
oberflächliche Atmung) führen tionsmuskeln erschlaffen. Aufgrund ihrer Eigenelas-
– Die Hormone Adrenalin und Progesteron tizität ziehen sich Lunge und Brustkorb zusammen,
(Schwangerschaftshormon) stimulieren die dadurch steigt der intrapulmonale Druck über den
Atmung. Atmosphärendruck an und die Luft strömt infolge
dessen aus der Lunge. Am Ende der Exspiration fällt
der intrapulmonale Druck wieder auf den Atmo-
sphärendruck ab.
1.2  Physiologie der Atmung Während die Inspiration ein aktiver Vorgang ist,
erfolgt die Exspiration weitgehend passiv, d. h. ohne
Muskelarbeit. Nur bei stark forcierter Atmung bzw.
Die Atmung ermöglicht den Gasaustausch zwischen verschiedenen Lungenerkrankungen, z. B. Einen-
dem Blut und der umgebenden Atmosphäre. Zum gungen der Atemwege (Atemwegsobstruktion), un-
einen nimmt das durch die Lunge strömende Blut terstützen die Bauch- und inneren Interkostalmus-
den für den Zellstoffwechsel notwendigen Sauerstoff keln die Ausatmung aktiv.
auf, zum anderen gibt es Kohlendioxid ab. Dieser
pulmonale Gasaustausch wird durch das Zusam-
menspiel der drei Faktoren Ventilation (Belüftung
6 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

Bauch- und Brustatmung DV


Bei der Bauchatmung (auch abdominale Atmung C= [l / mbar ]
Dp
oder Zwerchfellatmung) erfolgt die Inspiration über-
1 wiegend durch die Kontraktion des Zwerchfells, bei Der Normalwert für die Compliance liegt beim ge-
der Brustatmung (auch thorakale oder Kostalat­ sunden Erwachsenen bei 70–100  ml/mbar, d.  h.
mung) kommt die Inspiration vor allem durch die wenn 1 l Luft eingeatmet wurde, steigt der intrapul-
Kontraktion der äußeren Interkostalmuskeln zu- monale Druck um 10–14 mbar an bzw. umgekehrt
stande. Bei Männern ist überwiegend eine Bauchat- wenn der intrapulmonale Druck um 1 mbar ansteigt
mung, bei Frauen überwiegend eine Brustatmung zu (oder angehoben wird), nimmt das Lungenvolumen
beobachten. um 70–100 ml zu.
Kann ein großes Volumen bei nur geringem
Bei starken Schmerzen im Bauch- oder Brustraum, etwa Druck in die Lunge gelangen, ist die Compliance gut
nach Verletzungen oder operativen Eingriffen, ist bei den (hoch). Bei schlechter (niedriger) Compliance muss
Betroffenen oft eine Brustatmung (bei Schmerzen im dagegen für das gleiche Volumen ein höherer Druck
Bauchraum) oder eine Bauchatmung (bei Schmerzen im aufgewendet werden.
Brustraum) als Schonatmung zu beobachten. Die Compliance der Lunge verschlechtert sich
z. B. bei Einlagerung von Wasser (Lungenödem)
Auxiliaratmung oder bei bindegewebigen Veränderungen des Paren-
Die Auxiliaratmung ist eine forcierte Atmung, die chyms (z. B. beim Lungenemphysem). Die Compli-
bei starker Atemnot des Patienten zu beobachten ist. ance des Thorax ist z. B. vermindert bei Thorax-
Dabei kommt auch die Atemhilfsmuskulatur zum wanddeformitäten (z.  B. bei schwerer Skoliose).
Einsatz. Beim ARDS (› 2.3.6) kann die Compliance z. B. auf
Bei der Auxiliaratmung versucht der Patient, 30 ml/mbar reduziert sein.
möglichst aufrecht zu sitzen und sich seitlich mit
den Armen abzustützen. Schulter- und Halsmusku- Je geringer die Compliance desto größer die Atem­
latur sind angespannt, dadurch ist der Kopf gerade arbeit!
oder leicht nach hinten geneigt. Meist zeigen Mimik Bei geringer Compliance muss der Patient mehr Atemar-
und Körperhaltung des Patienten starke Anspan- beit leisten, um die „steife“ Lunge mittels Muskelarbeit
nung und massive Angst. zu entfalten.

Resistance
Atemwegswiderstände
Die Resistance (R, Atemwegswiderstand) wirkt der
Bei der Atmung müssen elastische Widerstände und Luftströmung während der Ein- und Ausatmung
Strömungswiderstände überwunden werden. entgegen. Um den Atemwegswiderstand zu über-
winden, muss während der Atmung ein Druckgefäl-
Compliance le zwischen Alveolen und Umgebung aufgebaut wer-
Lunge und Thorax sind elastisch, d. h. sie dehnen den. Das Verhältnis zwischen dieser Druckdifferenz
sich, wenn eine Kraft auf sie einwirkt, und sie ziehen und dem Atemgasfluss (V , Flow) ergibt die Resis-
sich wieder zusammen, sobald die einwirkende tance:
Kraft nachlässt. Der elastische Widerstand bestimmt Dp
die Compliance (Volumendehnbarkeit) des Atemap- R= [mbar /(l / sec.)]
DV
parats.
Die Compliance (C) gibt an, wie viel Volumen der Beim beatmeten Patienten (unter volumenkontrol-
Lunge bei einem bestimmten Druck zugeführt wer- lierter Beatmung, › 6.3.2) errechnet sich die Resis-
den kann oder anders ausgedrückt, wie groß die Vo- tance wie folgt:
lumenzunahme bei einer Drucksteigerung ist p peak - p plateau
(› Abb. 1.3). Demzufolge wird die Compliance ge- Reffektiv = [mbar /(l / sec.)]
V
messen in Volumen pro Druck:
1.2  Physiologie der Atmung 7

Der Normalwert für die Resistance liegt beim ge- wege, steigt der Widerstand auf das 16-fache an. Dies
sunden Erwachsenen bei 1–3  mbar/(l/sec.), beim kann z. B. durch Schwellungen der Bron­chial­schleim­
lungengesunden intubierten Erwachsenen steigt sie haut, Bronchokonstriktion, Schleim oder Fremdkör-
auf 4–6 mbar/(l/sec.) an. per in den Atemwegen bedingt sein. 1
Bei gleichmäßiger (laminarer) Luftströmung ver- Bei turbulenter Luftströmung (Bildung von Wir-
hält sich der Atemwegswiderstand direkt proportio- beln in den Atemwegen) ist zur Überwindung des
nal zur Länge der Atemwege und umgekehrt propor- Strömungswiderstands eine höhere Druckdifferenz
tional zum Durchmesser der Atemwege, d. h. die erforderlich. Turbulente Luftströmungen entstehen
Weite der Atemwege (bzw. des Tubus oder der Tra- bei sehr hohem Gasfluss sowie an Verzweigungen
chealkanüle) ist der wichtigste, die Resistance be- und an Engstellen der Atemwege.
stimmende Faktor. Ist das Lumen der Atemwege z. B.
um 15 % eingeengt, verdoppelt sich der Atemwegs­
Lungenvolumina und -kapazitäten
widerstand, halbiert sich der Durchmesser der Atem-
Der maximal mögliche Gasgehalt der Lunge wird in
Elastizitätsgrenze einzelne statische Lungenvolumina unterteilt. Die-
se werden – mit Ausnahme des Residualvolumens –
∆V Vitalkapazität (VC)
∆p während langsamer Atmung spirometrisch gemes-
Volumen (l)

upper inflection point


sen.

lower
Lungenvolumina (› Abb. 1.4):
inflection ∆V • Tidalvolumen (volume tidal, kurz VT), auch Atemzug-
∆p
point volumen (AZV) oder Atemhubvolumen: Luftmenge, die
∆V pro Atemzug eingeatmet wird
∆p • Inspiratorisches Reservevolumen (IRV): Luftmenge, die
Residualvolumen (RV)
nach einer normalen Inspiration zusätzlich eingeatmet
werden kann
Druck (mbar) • Exspiratorisches Reservevolumen (ERV): Luftmenge, die
nach einer normalen Exspiration zusätzlich ausgeatmet
Abb. 1.3 Die Ruhedehnungskurve der Lunge (Druck-­ werden kann
Volumen-Diagramm oder pV-Kurve) verläuft in charakteristi- • Residualvolumen (RV): Luftmenge, die nach einer ma-
scher S-Form. Drei Kurvenabschnitte werden unterschieden: ximalen Exspiration in der Lunge verbleibt.
• Im unteren flachen Kurvenabschnitt wird eine hohe Druckdif- Die Lungenkapazitäten setzen sich jeweils aus ver-
ferenz benötigt, um der Lunge ein relativ geringes Volumen
schiedenen Lungenvolumina zusammen:
zuzuführen.
• Inspiratorische Kapazität (IC) = VT + IRV, d. h.
• Im mittleren steilen Abschnitt verläuft die Kurve nahezu li­
Luftmenge, die nach einer normalen Exspiration maxi-
near; hier reicht eine kleine Druckdifferenz zur Zufuhr eines
relativ großen Volumens.
mal eingeatmet werden kann
• Vitalkapazität (VC) = IRV + VT + ERV, d. h. Luft-
• Im oberen flachen Kurvenabschnitt kann durch eine weitere
Zunahme des Drucks kaum noch Volumen zugeführt werden. menge, die maximal ein- bzw. ausgeatmet werden
Wird die Elastizitätsgrenze erreicht, droht eine Überdehnung kann
der Lunge mit der Gefahr eines pulmonalen Barotraumas/ • Totale Lungenkapazität (TLC) = VC + RV, d. h.
Volotraumas (› 6.7.1). Luftmenge, welche die Lunge maximal fassen kann
Die beiden Knickpunkte der Ruhedehnungskurve werden als • Funktionelle Residualkapazität (FRC) = ERV +
inflection points bezeichnet (unterer bzw. lower inflection RV, d. h. Luftmenge, die nach einer normalen Ausat-
point und oberer bzw. upper inflection point, auch deflection mung in der Lunge verbleibt.
point). Im steilen mittleren Kurvenabschnitt ist die Atemarbeit Lungenvolumina und -kapazitäten sind abhängig von Al-
deutlich geringer als in den flachen Kurvenabschnitten unter- ter, Geschlecht, Körpergröße und Körpergewicht.
bzw. oberhalb der inflection points. Bei maschinell beatmeten
Patienten sollte der PEEP oberhalb es unteren inflection points
und der Inspirationsdruck unterhalb des oberen inflection
points eingestellt sein, d. h. beide Beatmungsparameter sollten Dynamische Lungenvolumina werden bei forcier-
sich innerhalb des mittleren linearen Kurvenabschnitts befinden ter Ausatmung, d. h. schnellstmöglicher Ausatmung
(› 6.8.1 Beatmung bei ARDS). [A400] nach maximaler Einatmung, gemessen:
8 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

• Forcierte Vitalkapazität (FVC): Luftmenge, die diert) werden. Die in diesen Alveolarbereich einge-
nach maximaler Einatmung schnellstmöglich atmete Luftmenge kann nicht am Gasaustausch teil-
ausgeatmet werden kann nehmen, da keine Diffusion stattfinden kann, und
1 • Exspiratorische Einsekundenkapazität (forciertes wird als alveolärer Totraum bezeichnet.
exspiratorisches Volumen, kurz FEV1): Luftmen- Anatomischer und alveolärer Totraum ergeben
ge, die bei forcierter Ausatmung während der zusammen den gesamten Totraum (volume dead­
ersten Sekunde ausgeatmet wird space, kurz VD), der als funktioneller oder physio-
• Der Tiffeneau-Wert ist eine errechnete Größe aus logischer Totraum bezeichnet wird.
FEV1/FVC.
Alveoläre Ventilation
Die alveoläre Ventilation, d. h. die tatsächlich am
Alveoläre Ventilation und Totraum
Gasaustausch teilnehmende Luftmenge, errechnet
Das Atemminutenvolumen (AMV) errechnet sich aus sich aus der Differenz zwischen Tidalvolumen (VT)
dem Tidalvolumen (VT) und der Atemfrequenz (f): und funktionellem Totraum (VD). Sie ist eine ent-
AMV = VT × f [l/Min.] scheidende Größe dafür, ob die Atmung eines Pa­
tienten ausreichend (suffizient) ist oder nicht!
Ein gesunder Erwachsener atmet in Ruhe etwa 400–
Alveoläre Ventilation =
500 ml pro Atemzug ein (VT ca.  7 ml/kg  KG), die Tidalvolumen (VT) – funktioneller Totraum (VD)
Atemfrequenz liegt dabei zwischen 12–20/Min. Da­
raus ergibt sich ein AMV von 4.800–10.000 ml. Bei oberflächlicher und schneller Atmung ist die alveoläre
Ventilation geringer als bei tiefer und langsamer Atmung.
Totraum • Atmet ein Patient oberflächlich und schnell, etwa we-
Bei jedem Atemzug füllt ein Teil der eingeatmeten gen Schmerzen oder Atemnot, kann das Atemminuten-
Luftmenge die Luftwege (Nase, Rachen, Trachea, volumen zwar konstant bleiben, das Totraumvolumen
Bronchien), ohne die Alveolen zu erreichen, d. h. die- nimmt jedoch zu und die alveoläre Ventilation ab
(› Tab. 1.1). Kann der Patient das Tidalvolumen nicht
se Luftmenge nimmt nicht am Gasaustausch teil. Die- steigern, muss er extrem hochfrequent atmen, um die-
ser Anteil des Tidalvolumens heißt anatomischer selbe alveoläre Ventilation zu erreichen (unterste Zeile
Totraum. Der anatomische Totraum beträgt norma- in Tab. 1.1). Dies kann zur Dekompensation führen,
lerweise 2 ml/kg Körpergewicht, d. h. bei einem 75 kg wenn der Patient die dazu notwendige enorme Atem-
schweren Erwachsenen liegt er bei ca. 150 ml. arbeit nicht mehr leisten kann.
Pathologische Zustände, etwa eine Lungenembo- • Atmet ein Patient bei gleich bleibendem Atemminu-

lie, können dazu führen, dass Alveolarbereiche zwar tenvolumen langsam und tief, verringert sich das Tot­
raumvolumen und die alveoläre Ventilation nimmt zu.
belüftet (ventiliert), aber nicht durchblutet (perfun-

Maximale 100%
Inspirations-
lage
Inspiratorische

Inspiratorisches Normwerte eines Lungengesunden


Reservevolumen ( , 25 Jahre, 75 kg, 180 cm)
Kapazität

Lungenvolumen bzw.- kapazität Wert in ml


Vitalkapazität

Tidalvolumen (TV) 400


Totale Lungenkapazität

Inspirations- Inspiratorisches Reservevolumen (IRV) 3.200


lage Alveoläre Tidal-
Ventilation volumen Exspiratorisches Reservevolumen (ERV) 1.200
Exspirations-
lage Residualvolumen (RV) 1.500
(Ruhelage)
Inspiratorische Kapazität (IC) 3.600
Residualkapazität

Totraum
Maximale Vitalkapazität (VC) 4.800
Funktionelle

Exspirations- Exspiratorisches Funktionelle Residualkapazität (FRC) 2.700


Reservevolumen
Residual-

lage
volumen

Totale Lungenkapazität (TLC) 6.300

0%

Abb. 1.4  Lungenvolumina und -kapazitäten, alveoläre Ventilation und Totraum. Die rechte Spalte enthält Normwerte eines ge-
sunden jungen Mannes. Alveoläre Ventilation und Totraum siehe Text. [A400]
1.2  Physiologie der Atmung 9

VD/VT-Verhältnis de in den Atemwegen, Resistance) zusammen. Beide


Das Verhältnis des Totraumvolumens (volume dead­ sind normalerweise nur während der Inspiration
space, kurz VD) zum Atemzugvolumen (volume ti- wirksam, da die Exspiration passiv erfolgt. In man-
dal, kurz VT) heißt VD/VT-Verhältnis oder Tot­ chen Fällen müssen aber auch während der Exspira- 1
raumquotient. Es liegt normalerweise bei etwa 0,3, tion Widerstände überwunden werden, z. B. bei for-
d. h. das Totraumvolumen beträgt etwa 30 % des cierter Exspiration.
Atemzugvolumens, und lässt sich nach der Bohrglei- Beim intubierten bzw. tracheotomierten Pa­
chung errechnen: tien­ten erhöhen verschiedene Faktoren die Atemar-
p CO - p E CO2 beit zusätzlich (Ausnahme: Kontrolliert beatmete
VD / VT = a 2 Patienten; hier übernimmt der Respirator die ge-
pa CO2
samte Atemarbeit):
Steigt der Totraumquotient auf Werte ≥ 0,5 an (d. h. • Endotrachealtubus bzw. Trachealkanüle bewir-
max. 50 % des Tidalvolumens nehmen tatsächlich ken zusätzliche Strömungswiderstände, d. h. sie
am Gasaustausch teil), so reicht die alveoläre Venti- erhöhen die Resistance (automatische Tubus-
lation i. d. R. nicht mehr aus, um das anfallende Koh- kompensation › 7.3).
lendioxid in ausreichendem Maß abzuatmen. Es • Baut sich unter der Beatmung ein Intrinsic-PEEP
kommt zur CO2-Retention (der pCO2-Wert im Blut auf (› 6.2.4), muss auch dieser überwunden
steigt an). Ab einem VD/VT-Verhältnis ≥ 0,6 ist eine werden.
Spontanatmung i. d. R. nicht mehr möglich, da der Die Erhöhung der Atemarbeit beim intubierten bzw.
Patient das durch die vermehrte Atemarbeit anfal- tracheotomierten Patienten ist insbesondere wäh-
lende Kohlendioxid nicht mehr abatmen kann. rend der Entwöhnung (weaning, ›  6.11) bedeut-
sam.
Atemarbeit
DEFINITION Kann ein Patient die erforderliche Atemarbeit nicht mehr
Als Atemarbeit (work of breathing, kurz WOB) wird die leisten, kommt es zur respiratorischen Erschöpfung,
Arbeit der Atemmuskulatur bezeichnet, die diese erbrin- d. h. die Atemmuskulatur kann die Pumpleistung nicht
gen muss, um Widerstände zu überwinden, die der At- mehr erbringen, die für eine ausreichende alveoläre Ven-
mung entgegenwirken. tilation notwendig ist (daher auch die Bezeichnung pul-
monales Pumpversagen). In der Blutgasanalyse finden
sich die Zeichen einer respiratorischen Globalinsuffizienz
(› 2.4.2). In dieser Situation muss dem Patienten die
Unter Spontanatmung setzt sich die Atemarbeit aus Atemarbeit ganz oder teilweise durch einen Respirator
den elastischen Widerständen (Kräfte, die der Lun- abgenommen werden, bis sich die ursächliche Erkran-
genexpansion entgegenwirken, Compliance) und kung gebessert hat.
den resistiven Widerständen (Strömungswiderstän-

Tab. 1.1  Je schneller und oberflächlicher ein Patient atmet, desto mehr steigt das Totraumvolumen und sinkt die
alveoläre Ventilation, d. h. die Atmung wird immer ineffektiver. Kann das Tidalvolumen nicht gesteigert werden, ist
eine normale alveoläre Ventilation nur durch eine enorm schnelle Atmung möglich, die mit einer hohen Atemarbeit
verbunden ist.
Atemfre­ Tidalvolumen Atemminuten­ Totraum Alveoläre Ventilation
quenz (f) (VT) volumen (AMV) pro Atemzug pro Minute pro Atemzug pro Minute
15 400 ml 6,0 l 150 ml 2,25 l 250 ml 3,75 l
20 300 ml 6,0 l 150 ml 3,0 l 150 ml 3,0 l
24 250 ml 6,0 l 150 ml 3,6 l 100 ml 2,4 l
36 250 ml 9,0 l 150 ml 5,4 l 100 ml 3,6 l
10 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

1.2.2 Diffusion kapillare und Alveole ist die treibende Kraft für den
Gasaustausch. So diffundieren Sauerstoffmoleküle
DEFINITION aus der Alveole (Ort hoher Konzentration) durch die
1 Diffusion: Rein passiver Transport von Teilchen (Ionen, alveolokapilläre Membran in die Lungenkapillare
Moleküle) vom Ort höherer zum Ort niedrigerer (Teil- (Ort niedriger Konzentration) und CO2-Moleküle
chen-)Konzentration bis zum Konzentrationsausgleich. aus der Lungenkapillare (Ort hoher Konzentration)
in die Alveole (Ort niedriger Konzentration).
Die Differenz zwischen dem Sauerstoffpartial-
Partialdrücke
druck in der Alveole und dem in der Arterie heißt
Die Einatemluft ist ein Gasgemisch, das überwie- Alveoloarterielle Sauerstoffpartialdruck-Diffe-
gend aus Stickstoff (ca. 79 %) und Sauerstoff (ca. renz (kurz AaDO2). Sie errechnet sich aus dem alve-
20,9 %) besteht. Jedes der im Gasgemisch enthalte- olären pO2 und dem arteriellen pO2:
nen Gase übt entsprechend seinem prozentualen AaDO2 = pA O2 − pa O2
Anteil einen Partialdruck (Teildruck) aus.
Der Partialdruck eines Gases errechnet sich aus Beim Lungengesunden liegt die AaDO2 unter Raum-
dem Gesamtluftdruck (760 mmHg auf Meereshöhe), luftatmung bei 5–10 mmHg, bei Atmung von 100 %
dem Wasserdampfdruck (nach Passage der oberen Sauerstoff (FiO2 1,0) bei 20–35 mmHg. Diese Diffe-
Luftwege ist die Atemluft zu 100 % mit Wasser- renz entspricht dem physiologischen Shuntanteil
dampf gesättigt, dadurch entsteht ein Druck von ca. von 3–5 % (Shunt › 2.2.4). Nimmt der pulmonale
47 mmHg) und dem prozentualen Anteil des Gases: Rechts-Links-Shunt zu, z. B. weil durch Atelektasen
Partialdruck = (Gesamtluftdruck – Lungenbezirke zwar durchblutet, aber nicht belüftet
Wasserdampfdruck) × Gaskonzentration sind, steigt das intrapulmonale Shuntvolumen und
Entsprechend errechnet sich der Sauerstoffpartial- die AaDO2 nimmt zu.
druck bei Raumluft:
pI O2 = (760 − 47) × 0, 209 = 150 mmHg Diffusionsfläche und Diffusionsstrecke
Der Partialdruck des Sauerstoffs in der Inspirations- Die Diffusion von Sauerstoff und Kohlendioxid an
luft (pIO2) beträgt ca. 150 mmHg. In der Alveole der alveolokapillären Membran wird in erster Linie
sinkt der Sauerstoffpartialdruck (pAO2) durch Mi- vom Partialdruckgefälle bestimmt. Weitere, die Dif-
schung mit der dort vorhandenen Residualluft (sie- fusion beeinflussende Faktoren sind die Diffusions-
he Lungenvolumina) auf etwa 100 mmHg ab. Der fläche und die Diffusionsstrecke:
arterielle Sauerstoffpartialdruck (paO2) beträgt noch • Die Diffusionsfläche ist die zur Verfügung ste-
ca. 90 mmHg, da durch verschiedene Shuntmecha- hende Gasaustauschfläche (› 1.1.2). Ein Lun-
nismen (Shunt › 2.2.4) sauerstoffarmes Blut zum genemphysem (blasiger Umbau der Lunge durch
sauerstoffreichen Blut zugemischt wird. Nachdem Zerstörung der Alveolarsepten und terminalen
der Sauerstoff aus dem Blut ins Gewebe abgegeben Bronchioli, › 2.3.2) z. B. kann die Diffusionsflä-
wurde, liegt der Sauerstoffpartialdruck des ge- che erheblich reduzieren.
mischtvenösen Blutes bei etwa 40 mmHg (›  Tab. • Die Diffusionsstrecke entspricht der Dicke der
1.2). alveolokapillären Membran. Diese ist normaler-
Das Partialdruckgefälle zwischen Alveole und weise sehr dünn (0,1–1 μm), sodass der alveoläre
Lungenkapillare und umgekehrt zwischen Lungen- Sauerstoffpartialdruck fast vollständig ins Kapil-

Tab. 1.2  Ungefährer Partialdruck (in mmHg) von Sauerstoff und Kohlendioxid im Verlauf des Gasaustausches bei
Raumluftatmung.
Gas Inspirationsluft Alveolarluft Arterielles Blut Venöses Blut Exspirationsluft
Sauerstoff (O2) pIO2 ca. 150 pAO2 ca. 100 paO2 ca. 90 pvO2 ca. 40 pEO2 ca. 115
Kohlendioxid (CO2) pICO2 ca. 0,03 pACO2 ca. 40 paCO2 ca. 40 pvCO2 ca. 46 pECO2 ca. 30
1.2  Physiologie der Atmung 11

larblut übertragen wird. Einige Lungenerkran- Die Sauerstoffsättigung (› 9.2.3) gibt an, wie viel
kungen können dazu führen, dass sich die Diffu- Prozent des Gesamthämoglobins mit Sauerstoff „bela-
sionsstrecke verlängert, etwa ein Lungenödem den“ (gesättigt, oxygeniert) sind. Die arterielle Sauer-
oder eine Lungenfibrose. stoffsättigung (SaO2) liegt bei Raumluftatmung normaler- 1
weise bei 95–98 %.

Kohlendioxid (CO2) diffundiert etwa 20-mal leichter


durch die alveolokapilläre Membran als Sauerstoff. Daher Ein geringer Anteil des in der Lunge ins Blut aufge-
treten bei respiratorischer Insuffizienz (› Kap. 2) i. d. R. nommenen Sauerstoffs wird im Blut physikalisch ge-
zuerst verminderte pO2-Werte und erst bei weiterer Ver- löst. Wie hoch dieser Sauerstoffanteil ist, hängt haupt-
schlechterung erhöhte pCO2-Werte auf. sächlich vom arteriellen Sauerstoffpartialdruck ab:
Pro mmHg Sauerstoffpartialdruck werden 0,003 ml
Sauerstoff physikalisch gelöst, d. h. bei einem paO2
1.2.3 Perfusion von 100 mmHg werden 0,3 ml Sauerstoff physikalisch
im Blut gelöst. Das Beispiel zeigt, dass sich der Ge-
DEFINITION samtsauerstoffgehalt des Blutes durch Steigerung des
Perfusion (lat. Durchströmung): Blutversorgung von Anteils an physikalisch gelöstem Sauerstoff nur unwe-
Organ(teil)en, hier Durchblutung des Kapillarstrombetts sentlich beeinflussen lässt und daher im klinischen
der Lunge. Entspricht normalerweise dem Herzminuten- Alltag kaum Bedeutung hat. Ausnahme ist die hyper­
volumen, d. h. die Lunge eines Erwachsenen in Ruhe wird bare Oxygenation in der Überdruckkammer.
mit ca. 5–6 l Blut/Min. durchströmt.
Der Gesamtsauerstoffgehalt des arteriellen Blu-
tes (CaO2, C = Content) errechnet sich aus dem che-
misch gebundenen Sauerstoff (max. O2-Bindungs-
Sauerstofftransport
kapazität × Sauerstoffsättigung) plus dem physika-
Das Blut, das die Lunge durchströmt, nimmt pro Mi- lisch gelösten Sauerstoff (0,003 × paO2):
nute etwa 250 ml Sauerstoff auf und transportiert ihn
zu den Zellen. Der weitaus größte Teil des Sauerstoffs C a O2 = Hb ( g / l ) × 1, 34 × Sa O2 ( % )
(ca. 98 %) wird chemisch an Hämoglobin gebunden. a 2 ( )
Nur etwa 2 % werden physikalisch gelöst im Blut
transportiert. Sauerstoffbindungskurve
Die Sauerstoffbindungskurve (Sauerstoffdissozia­
Sauerstoffbindungskapazität tions­kurve, › Abb. 1.5) zeigt den Zusammenhang
1 g Hämoglobin kann maximal 1,34 ml Sauerstoff von arteriellem Sauerstoffpartialdruck (paO2) und
binden (Hüfner-Zahl). Aus der Hämoglobinkonzen- Sauerstoffsättigung des Blutes. Die Kurve verläuft S-
tration ergibt sich damit die maximale Sauerstoff- förmig und weist typische Merkmale auf:
bindungskapazität des Blutes (Hämoglobinkonzen- • Im unteren Bereich (Bereich niedriger paO2-Wer-
tration in g/l × 1,34). So liegt z. B. bei einer Hämo- te) verläuft die Kurve sehr steil, d. h. eine gering-
globinkonzentration von 130 g/l (13 g/dl) die maxi- fügige Zunahme des paO2 führt zu einer relativ
male Sauerstoffbindungskapazität bei 130 × 1,34 = starken Steigerung der Sauerstoffsättigung und
174 ml O2 pro Liter Blut. umgekehrt.
Beeinträchtigt wird die Sauerstoffbindungskapa­ • Im oberen Bereich (Bereich hoher paO2-Werte)
zität des Blutes z. B. durch Azidose, Hyperkapnie und verläuft die Kurve flach, d. h. Steigerungen des
Fieber (siehe Sauerstoffbindungskurve und › Abb. paO2 erhöhen die Sauerstoffsättigung nur wenig.
1.5). Umgekehrt verstärken eine Alkalose, eine Hy- Umgekehrt sinkt die Sauerstoffsättigung bei sin-
pokapnie oder eine leichte Unterkühlung die Sauer- kenden paO2-Werten nur geringfügig.
stoffbindungskapazität. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der
Kurvenverlauf nach rechts oder links verschieben:
• Eine Rechtsverschiebung der Sauerstoffbin-
dungskurve entsteht z. B. durch Fieber, Azidose
12 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

O2-Sättigung Für die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff ist


[%]
nicht nur die Sauerstoffsättigung maßgebend. Auch der
100
Hämoglobingehalt des Blutes und das Herzzeitvolumen
1 90
bei Temperatur 37°C
können die Sauerstoffversorgung verbessern oder ver-
80 pH 7,4 und pCO2 40 mmHg schlechtern.
70
bei Temperatur ↑
60
pH ↓ und pCO2 ↑ Sauerstoffausschöpfung
50
An den Körperzellen löst sich der Sauerstoff vom
40 bei Temperatur ↓
pH ↑und pCO2 ↓
Hämoglobin und diffundiert in die Zelle. Auch hier
30 ist das Partialdruckgefälle die treibende Kraft. Die
20 Sauerstoffausschöpfung gibt an, wie viel Sauer-
10 stoff an das Gewebe abgegeben wurde. Durch-
schnittlich liegt die Sauerstoffausschöpfung bei
20 40 60 80 100 paO2
[mm Hg] 25 %, zwischen den verschiedenen Organen gibt es
jedoch erhebliche Schwankungen, z. B. ca. 7 % an
Abb. 1.5  Sauerstoffbindungskurve. Die schwarze Linie zeigt den Nieren und ca. 60 % am Herzen. Bei den Ske-
den normalen Kurvenverlauf, die blauen Linien eine Rechts- lettmuskeln beträgt die Sauerstoffausschöpfung in
bzw. Linksverschiebung der Kurve (siehe Text). [A400] Ruhe etwa 30 %, bei extremer Belastung steigt sie
auf ca. 80 % an.
(pH ↓) oder Hyperkapnie (pCO2 ↑). Die Rechts-
verschiebung hat zur Folge, dass der aufgenom-
CO2-Transport
mene Sauerstoff schlechter an das Hämoglobin
gebunden, aber leichter an die sauerstoffverbrau- Der Organismus produziert in Ruhe ca. 150 ml CO2/
chende Zelle abgegeben wird. Min. Dieses wird im Blut auf drei verschiedene Wei-
• Eine Linksverschiebung der Sauerstoffbin- sen transportiert:
dungskurve entsteht z. B. durch Unterkühlung, • Etwa 80 % des CO2 wird in Form von Bikarbonat
Alkalose (pH ↑) oder Hypokapnie (pCO2 ↓). Fol- transportiert. Dazu diffundieren die CO2-Mole-
ge der Linksverschiebung ist eine bessere küle in die Erythrozyten hinein und bilden dort
(schnellere und stärkere) Bindung von Sauerstoff zusammen mit H2O Kohlensäure. Diese wieder-
an Hämoglobin und eine erschwerte Abgabe des um zerfällt in Bikarbonat (Hydrogenkarbonat,
Sauerstoffs an die Zellen. HCO3–) und H+-Ionen:
– +
CO2 + H 2 O ↔ H 2 CO3 ↔ HCO3 + H
Insgesamt beeinträchtigt eine Azidose die Sauerstoffversor-
gung des Gewebes weniger stark als eine Alkalose, da bei In der Lunge findet diese Reaktion in umgekehrter
Azidose die Sauerstoffabgabe an die Zelle erleichtert ist. Zu- Reihenfolge statt, und das dabei frei werdende CO2
dem ist die Wirkung von Katecholaminen bei Azidose besser wird abgeatmet. Das Enzym Karboanhydrase be-
als bei Alkalose. Aus diesen Gründen wird bei einer Reani­ schleunigt diese chemische Reaktion.
mation eher eine leichte Azidose als eine Alkalose toleriert. • Etwa 10 % des CO2 werden chemisch an Hämo-
globin gebunden.
Sauerstofftransportkapazität • Etwa 10 % werden physikalisch im Blut gelöst.
Die Sauerstofftransportkapazität (DO2; D = Deli- In der Lunge wird das Kohlendioxid nicht komplett
very = Angebot), d. h. die Sauerstoffmenge, die pro abgeatmet, da ein gewisser Kohlendioxidgehalt im
Zeiteinheit transportiert und damit dem Gewebe zur Blut notwendig ist, um den Säure-Basen-Haushalt
Verfügung gestellt wird, errechnet sich aus dem Ge- (› 1.3) ausgeglichen zu halten.
samtsauerstoffgehalt des arteriellen Blutes (CaO2,
siehe oben) und dem Herzzeitvolumen (HZV):
DO2 = Ca O2 × HZV
1.3  Atmung und Säure-Basen-Haushalt 13

1.2.4 Ventilations- Alle Stoffwechselvorgänge und die elektrophysiolo-


Perfusionsverhältnis gischen Vorgänge an den erregbaren Membranen
sind pH-abhängig, d. h. sie funktionieren nur dann
Beim Lungengesunden stehen die Ventilation (ge- optimal, wenn der pH-Wert des Blutes im Normbe- 1
meint ist hier die alveoläre Ventilation, ›  1.2.1) reich liegt.
und die Perfusion in einem bestimmten Verhältnis Bei den Stoffwechselvorgängen entstehen ständig
zueinander. Das Ventilations-Perfusionsverhält- Wasserstoffionen (H+-Ionen). Um den pH-Wert
nis ist der Quotient aus alveolärer Ventilation (in l/ konstant innerhalb der engen Grenzen von 7,36–
Min.) und Perfusion (in l/Min.) und beträgt beim 7,44 halten zu können, verfügt der Organismus über
Lungengesunden in Ruhe 0,8 (Beispiel: einer alveo- eine Reihe von Regulationsmechanismen. Dazu ge-
lären Ventilation von 4 l/Min. steht eine Perfusion hören die Puffersysteme, renale und respiratorische
von ca. 5 l/Min. gegenüber; 4 : 5 = 0,8). Regulationsvorgänge. Damit ist die Lunge und deren
Funktion wesentlich an der Konstanthaltung eines
Ventilation Alveolär [1/ Min.]
V / Q = physiologischen Blut-pH-Werts beteiligt.
Perfusion[1/ Min.]

Dieses optimale Ventilations-Perfusionsverhältnis 1.3.1  Regulationsmechanismen zur


herrscht jedoch nicht überall in der Lunge, sondern Konstanthaltung des Blut-pH
ist in den oben liegenden Lungenabschnitten höher
und in den unteren Lungenabschnitten geringer als Puffersysteme
der Optimalwert, der nur in den mittleren Lungen-
abschnitten zu finden ist. DEFINITION
Der Organismus verfügt über Systeme, die es er- Puffersysteme bestehen aus einer schwachen Säure,
möglichen, die Lungendurchblutung der Belüftung die H+-Ionen freisetzen, und einer Base, die H+-Ionen
anzupassen. Ein wichtiges System ist der alveoloka- aufnehmen kann. Dadurch sind Puffersysteme in der La-
pilläre Reflex (hypoxische pulmonale Vasokonstrik­ ge, pH-Schwankungen des Blutes innerhalb bestimmter
Grenzen auszugleichen.
tion, kurz HPV, auch Euler-Liljestrand-Reflex): In
minderbelüfteten Lungenabschnitten kommt es re-
flektorisch zur Verengung der zugehörigen Kapilla- Zu den Puffersystemen, die pH-Schwankungen ab-
ren (Vasokonstriktion). Auf diese Weise wird das fangen können, gehören:
Blut in besser belüftete Lungenabschnitte umgelei- • Das Bikarbonatpuffersystem
tet, d. h. es fließt nicht „ungenutzt“ an schlecht oder • Proteinpuffer (Plasmaproteine und Hämoglobin)
gar nicht belüfteten Alveolen vorbei. • Phosphatpuffer.
Störungen des Ventilations/Perfusionsverhältnis- Proteinpuffer und Phosphatpuffer werden zusam-
ses nennt man Verteilungsstörungen (› 2.2.4). menfassend als Nicht-Bikarbonat-Puffer (kurz NBP)
bezeichnet.
Das wichtigste Puffersystem ist das Bikarbonat-
puffersystem, das etwa zwei Drittel der gesamten
1.3  Atmung und Säure-Basen- Pufferkapazität des Blutes ausmacht.
Haushalt Überschüssige H+-Ionen werden von der Puffer-
base HCO3– (Bikarbonat) abgefangen. Zusammen
DEFINITION bilden sie die Puffersäure H2CO3 (Kohlensäure).
Säure-Basen-Haushalt: Sammelbezeichnung für alle Diese wiederum zerfällt in H2O und CO2. Letzteres
Regulierungsvorgänge im Organismus, die dazu dienen, wird über die Lunge abgeatmet. Bei einem Mangel
den für den Organismus optimalen pH-Wert (Maß für die an H+-Ionen wird die Abatmung von CO2 reduziert.
Konzentration der Wasserstoffionen) von 7,4 (± 0,04) Es entsteht vermehrt Kohlensäure, die H+-Ionen ab-
aufrechtzuerhalten.
gibt (› Abb. 1.6).
14 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

Respiratorische und renale Regulations­


H2CO3 H+ + HCO3–
mechanismen
Eine erhöhte Konzentration von H+-Ionen (↓ pH- Puffersäure: Kohlensäure Pufferbase: Bikarbonat

1 Wert) im Blut führt direkt und indirekt über den


entstehenden hohen pCO2 zu einer Stimulation des
Atemzentrums. Dies führt zur Hyperventilation CO2 H 2O
(vertiefte Atmung, dadurch Steigerung der alveolä-
ren Ventilation), wodurch das überschüssige CO2
abgeatmet wird. Umgekehrt hat ein erhöhter pH- Lunge: Niere:
Wert (verminderte H+-Ionenkonzentration) eine CO2-Abatmung
+
Ausscheidung von H oder HCO3

Hypoventilation zur Folge.


Die Nieren können saure Stoffe aus dem Körper
eliminieren, in dem sie H+-Ionen im Austausch gegen
Na+-Ionen oder Bikarbonat mit dem Urin ausschei-
den. Zudem können Wasserstoffionen in den Nieren
an Ammoniak (NH3, aus dem Aminosäurestoffwech-
Abb. 1.6 Das Bikarbonatpuffersystem. [L190]
sel) gebunden werden. Das so entstehende Ammo­
nium (NH4) wird ebenfalls mit dem Urin ausgeschie-
den. Schließlich können die Nieren Wasserstoffionen Azidose
auch an Phosphat binden und damit ausscheiden.
DEFINITION
Azidose: Störung im Säure-Basen-Haushalt mit Abfall
Die Atmung reagiert innerhalb weniger Minuten auf
des pH-Werts im Blut unter 7,36. Nach dem zeitlichen
Veränderungen des pH-Werts. Die Nieren dagegen re-
Verlauf unterschieden in akute und chronische, nach der
agieren langsamer und lang anhaltender. Die renalen
Ursache unterschieden in respiratorische und metaboli-
Regulationsvorgänge stellen sich erst nach Stunden bis
sche Azidosen. Durch physiologische Gegenregulation
Tagen in vollem Umfang auf die Veränderungen des pH-
kann die Störung kompensiert und der pH-Wert normali-
Werts ein.
siert werden (vollständig kompensierte Azidose).

1.3.2  Störungen des Säure-Basen- Respiratorische Azidose


Gleichgewichts Eine respiratorische Azidose entsteht, wenn CO2
nicht ausreichend abgeatmet werden kann, etwa auf-
Sind die Regulationsmechanismen des Organismus grund einer Lungenfunktionsstörung (›  2.1) oder
überfordert, kann der pH-Wert des Blutes nicht einer Atemdepression (z. B. bei Opiatüberhang). Der
mehr konstant gehalten werden. Ist der pH-Wert er- paCO2 im Blut steigt an, dadurch erhöht sich die H+-
niedrigt (↑ Konzentration von H+-Ionen), liegt eine Ionenkonzentration und der pH-Wert fällt ab. Kom-
Azidose vor; ist der pH-Wert erhöht (↓ Konzentra- pensatorisch reagiert zunächst der Bikarbonatpuffer,
tion von H+-Ionen), handelt es sich um eine Alkalo- nach einigen Stunden beginnt außerdem die Niere
se. In beiden Fällen können respiratorische oder damit, vermehrt H+-Ionen auszuscheiden. Die rena-
metabolische Störungen ursächlich sein. In man- len Regulationsmechanismen funktionieren aller-
chen Fällen liegt eine kombinierte Störung zugrunde dings erst nach etwa 3–4 Tagen in vollem Umfang.
(› Abb. 1.7). Daher können sie bei einer akuten respiratorischen
Respiratorisch bedingte Störungen des Säure- Azidose kaum wirksam werden. Eine akute respirato-
Basen-Gleichgewichts zeigen sich primär in einem rische Azidose kann deshalb rasch bedrohliche Aus-
veränderten paCO2, metabolisch bedingte Störun- maße annehmen und akut dekompensieren, wenn
gen des Säure-Basen-Gleichgewichts in einer verän- die Kapazität der Puffersysteme erschöpft ist. Bei ei-
derten Bikarbonatkonzentration (›  Tab. 1.3 und ner chronischen respiratorischen Azidose dagegen
› Tab. 1.4). kann die renale Kompensation so vollständig sein,
1.3  Atmung und Säure-Basen-Haushalt 15

dass das vermehrt anfallende CO2 durch Bikarbo- dose, Zeichen der Hyperglykämie bei der diabetischen
natretention ausgeglichen wird, d. h. der pH-Wert Ketoazidose oder Zeichen der Niereninsuffizienz)
liegt dann noch im Normbereich (metabolisch kom­ meist auch eine Hyperventilation zur CO2-Abatmung
pensierte respiratorische Azidose › Tab. 1.3). (Kussmaul-Atmung) sowie zerebrale Auswirkungen 1
Klinisch sind bei den betroffenen Patienten wegen (Verwirrtheit, Muskelschwäche, zunehmende Be-
der i. d. R. zugrunde liegenden Lungenfunktionsstö- wusstseinseintrübung) und kardiovaskuläre Folgeer-
rung die Symptome der respiratorischen Insuffi­ scheinungen (Tachykardie und ventrikuläre Herz-
zienz zu beobachten (› 2.4). Die Therapie besteht rhythmusstörungen, Blutdruckabfall, später Brady-
in der Behandlung der (meist pulmonalen) Grund- kardie). Die klinischen Symptome sind umso stärker
erkrankung sowie – bei akuter respiratorischer Azi- ausgeprägt, je rascher und stärker der pH-Wert abfällt.
dose oder akuter Dekompensation einer chronischen Die Therapie besteht vorrangig in der Behand-
respiratorischen Azidose – der umgehenden Sen- lung der Grunderkrankung. Ist diese rasch beein-
kung des paCO2 durch Verbesserung der alveolären flussbar, gleicht sich die Azidose meist spontan aus.
Ventilation, ggf. durch maschinelle Beatmung bzw. Ansonsten ist bei extrem niedrigen pH-Werten
beim beatmeten Patienten durch Anpassen der Be- eine medikamentöse Pufferung erforderlich. Diese
atmungsparameter und/oder der Beatmungsform. erfolgt i. d. R. mit 8,4-prozentigem Natriumbikarbo-
nat (NaHCO3−) nach folgendem Schema:
Metabolische Azidose Negativer BE × kg KG × 0,3 = mmol NaHCO3−
Eine metabolische Azidose liegt vor, wenn die Ur-
sache für die erhöhte H+-Ionenkonzentration im Von der so errechneten Menge wird zunächst die
Stoffwechsel liegt. Häufige Ursachen für metaboli- Hälfte verabreicht (um eine Überkorrektur zu vermei-
sche Azidosen beim Intensivpatienten sind: den, die entstehen kann, wenn medikamentös gepuf-
• Laktatazidose. Laktat (Milchsäure) entsteht, wenn fert wird und gleichzeitig die körpereigenen Regulati-
Glukose anaerob abgebaut wird. Wichtigste Ursa- onsmechanismen „anlaufen“). Dann erfolgt eine Blut-
che dafür ist eine Gewebshypoxie, z. B. im Schock gasanalyse. Von den Ergebnissen der BGA hängt es
oder bei schwersten Lungenfunktionsstörungen ab, ob nochmals Pufferlösung gegeben werden muss.
• Akutes oder chronisches Nierenversagen mit
nachfolgender Verminderung der renalen H+-Io- Natriumbikarbonat und Katecholamine nicht gemischt
nen-Ausscheidung oder gleichzeitig über einen gemeinsamen Venenzugang
• Ketoazidose. Hierbei entstehen aufgrund einer verabreichen, da es ansonsten zu einem unkontrollier­
gesteigerten Lipolyse (Verbrennung von Fett) die baren Wirkungsverlust der Katecholamine kommt.
sauren Ketonkörper. Ursächlich ist häufig ein In- Wegen der hohen Osmolarität von 2.000 mosm/l soll die
sulinmangel (diabetische Ketoazidose) 8,4-prozentige Natriumbikarbonatlösung über einen
zentral-venösen Katheter verabreicht werden.
• Intoxikationen, z. B. mit Salizylaten, Methanol
oder Ethylenglykol
• Starker Bikarbonatverlust, etwa bei massiver Di- In seltenen Fällen (insbesondere bei Hypernatriä-
arrhö oder über ein Ileostoma. mie) wird statt Natriumbikarbonat natriumfreier
Die Anhäufung saurer Stoffe im Blut bewirkt eine THAM-Puffer (Trometamol, Tris-Puffer) verwendet.
Steigerung des Atemantriebs. So wird vermehrt CO2
(und damit H+-Ionen) abgeatmet. Später setzen Vorsicht
dann auch die renalen Kompensationsmechanismen
Eine zu rasche und/oder übermäßige Pufferung der
ein, und die Niere scheidet vermehrt H+-Ionen aus. Azidose kann zu Herzrhythmusstörungen durch Hypoka-
Gelingt es, durch diese Mechanismen die Störung liämie führen (K+-Ionen, die zuvor im Austausch mit H+-
auszugleichen und den pH-Wert wieder zu normali- Ionen vom Intra- in den Extrazellulärraum gewandert
sieren, liegt eine (respiratorisch) kompensierte meta­ sind, wandern zurück in den Intrazellulärraum. Dadurch
bolische Azidose vor. sinkt der Kaliumspiegel im Blut). Bei Überkorrektur der
Klinisch zeigen sich neben den Symptomen der Azidose wird darüber hinaus Kalium zusammen mit dem
überschüssigen Bikarbonat über die Niere ausgeschieden.
Grunderkrankung (z. B. Schockzeichen bei Laktatazi-
16 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

Alkalose ventilation liegt evtl. eine Hyperventilationstetanie


vor (Pfötchenstellung, Kribbeln der Hände). Entsteht
DEFINITION durch Abnahme der Kalziumionen im Blut (relativer
Alkalose: Störung im Säure-Basen-Haushalt mit Anstieg
1 Mangel an Ca++ durch Fehlverteilung in Folge der
des pH-Werts im Blut > 7,44. Nach zeitlichem Verlauf
unterschieden in akute und chronische, nach der Ursache pH-Wert-Verschiebung).
in respiratorische und metabolische Alkalosen. Durch Die Therapie besteht in der Behandlung der zu-
physiologische Gegenregulation kann die Störung kom- grunde liegenden Erkrankung. Ggf. ist Sedierung
pensiert und der pH-Wert im Normbereich gehalten wer- zur Dämpfung des gesteigerten Atemantriebs erfor-
den (kompensierte Alkalose). derlich.

Respiratorische Alkalose Metabolische Alkalose


Der respiratorischen Alkalose liegt eine alveoläre Metabolische Alkalosen entstehen meist durch
Hyperventilation zugrunde. Dabei atmet der Patient Säureverlust aus dem Gastrointestinaltrakt (z. B. Ver-
vermehrt CO2 ab, dadurch sinkt die H+-Ionenkon- lust von saurem Magensaft durch massives Erbre-
zentration und der pH-Wert steigt an. Mögliche Ur- chen oder über eine Magensonde), in Folge einer
sachen sind eine psychisch oder hirnorganisch be- Diuretikatherapie oder eines schweren Kaliumman-
dingte Atemstimulation (z. B. bei extremer Angst, gels. Auch eine übermäßige Zufuhr von Bikarbonat
Schädel-Hirn-Trauma, Tumoren oder Entzündun- (› 1.3.1) kann eine metabolische Alkalose verursa-
gen des ZNS) sowie eine akute Hypoxie („Bedarfshy- chen. Diese werden vom Körper zunächst respirato-
perventilation“, z. B. bei einer Lungenembolie). Die risch kompensiert: Der Patient atmet weniger CO2 ab
alveoläre Hyperventilation kann auch therapeutisch (kompensatorische Hypoventilation), der paCO2 und
gewollt sein, etwa bei einer kontrollierten Hyperven- die H+-Ionenkonzentration steigen, der pH-Wert
tilation zur Senkung des Hirndrucks oder durch eine sinkt. Klinisch stehen neben den Symptomen der
Fehleinstellung des Respirators (z.  B. zu hohes Grunderkrankung meist auch Symptome der beglei-
Atem­zug­volumen, › 6.2.1) verursacht werden. tenden Hypokaliämie im Vordergrund (mit Verlust
Klinisch stehen die Symptome der auslösenden von saurem Magensaft geht auch ein hoher Kalium-
Grunderkrankung im Vordergrund. Beim nicht be- verlust einher; auch ist eine Hypokaliämie wichtige
atmeten Patienten mit psychogen bedingter Hyper- Nebenwirkung einer Diuretikabehandlung).

pH 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 7,7 pCO2


Resp. Azidose, mmHg
oder komp. metab. Alkalose

metab. teil-
weise kom- 97
Komp. resp. Azidose

pensiert
nic
Re t ko
h

Metab. Alkalose,
sp mp

75
. A en

resp. teilweise
kompensiert
zid sie

Metab. und resp.


os rt

Azidose
e,

60

44
Metab. Azidose, normal Metab. Alkalose, 40
resp. nicht kompensiert resp. nicht kompensiert
34

Metab. und resp.


Alkalose
me
Komp. metab. Azidose,

26
komp. resp. Alkalose

ta
Re nich
b.

Metab. Azidose,
sp t k

resp. teilweise
. A om

kompensiert
lka pe

Abb. 1.7 Säure-Basen-Normo-
los ns

19
gramm. Der pH-Wert und der
e, ier

Resp.
Alkalose, pCO2 lassen Rückschlüsse auf die
teilw. komp.
t

Art der Störung sowie den Grad


der Kompensation zu. [L190]
1.3  Atmung und Säure-Basen-Haushalt 17

Vorsicht Therapie: Substitution von Kalium und Chlorid (Säu-


Die meist zusammen mit der metabolischen Alkalose auf- reverlust geht meist mit Chloridverlust einher). Ggf.
tretende Hypokaliämie kann Herzrhythmusstörungen werden Diuretika reduziert, umgesetzt (kaliumspa-
hervorrufen, die insbesondere bei kardialen Vorerkran- rende Präparate) oder abgesetzt. Selten: Pufferung 1
kungen rasch lebensbedrohlich werden können. mit Salzsäure, Arginin- oder Lysinhydrochlorid.

Tab. 1.3  Normwerte und Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts. ↔ = normal, ↑ = über die Norm erhöht, ↓
= unter die Norm erniedrigt, (↑) (↓) = nur geringfügig erhöht bzw. vermindert.
Störung Respiratori­ Metabolisches System
sches System
pH paCO2 (mmHg) SBC (Standardbikar- BE (base excess)
bonat) (mmol/l) (mmol/l)
Normwerte 7,36–7,44 35–45 22–26 −3–+3
Respiratorische Nicht kompensiert ↓ ↑ ↔ ↔
Azidose Teilweise kompensiert (↓) ↑ (↑) (↑)
Vollständig kompensiert ↔ ↑ ↑ ↑
Respiratorische Nicht kompensiert ↑ ↓ ↔ ↔
Alkalose Teilweise kompensiert (↑) ↓ (↓) (↓)
Vollständig kompensiert ↔ ↓ ↓ ↓
Metabolische Nicht kompensiert ↓ ↔ ↓ ↓
Azidose Teilweise kompensiert (↓) (↓) ↓ ↓
Vollständig kompensiert ↔ ↓ ↓ ↓
Metabolische Nicht kompensiert ↑ ↔ ↑ ↑
Alkalose Teilweise kompensiert (↑) (↑) ↑ ↑
Vollständig kompensiert ↔ ↑ ↑ ↑
Bei vollständig kompensierten Störungen ist der pH durch physiologische Gegenregulation (Puffersysteme, respiratori-
sche und renale Kompensationsmechanismen) wieder im Normbereich, pCO2, Bikarbonat und BE sind jedoch verändert.
Faustregel: Metabolisch Miteinander → Bei nicht kompensierten metabolischen Störungen verändern sich pH, Bikarbo-
nat und pCO2 stets gleichsinnig.

Tab. 1.4  Fünf Fragen zur Interpretation des pH-, paCO2- und SBC/BE-Werts. Der paO2-Wert aus der Blutgasanalyse
ist für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts nicht relevant, jedoch entscheidend für die Oxygenierung und die
Beurteilung einer respiratorischen Insuffizienz (› Kap. 2).
1. Wie hoch ist der pH-Wert? Liegt eine Azidose oder eine Alkalose vor?
pH-Wert Interpretation
7,36–7,44 • Säure-Basen-Haushalt ist ausgeglichen oder
• primäre Störung vollständig kompensiert, z. B. metabolisch kompensierte resp. Azidose (siehe Frage 4)
< 7,36 Der pH-Wert ist erniedrigt → Azidose (evtl. teilweise kompensiert)
> 7,44 Der pH-Wert ist erhöht → Alkalose (evtl. teilweise kompensiert)
2. Wie hoch ist der paCO2? Liegt eine respiratorische Störung vor?
paCO2 Interpretation
35–45 mmHg Wert im Normbereich, keine primäre Störung der CO2-Elimination
< 35 mmHg Der paCO2 Wert ist erniedrigt → Hyperventilation.
Damit ist noch nicht geklärt, ob es sich um eine primäre respiratorische Störung handelt (respiratorische Alka-
lose) oder eine respiratorische Kompensation als Antwort auf eine primär metabolische Störung (siehe Frage 4)
18 1  Grundlagen aus Anatomie und Physiologie

Tab. 1.4  Fünf Fragen zur Interpretation des pH-, paCO2- und SBC/BE-Werts. Der paO2-Wert aus der Blutgasanalyse
ist für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts nicht relevant, jedoch entscheidend für die Oxygenierung und die
Beurteilung einer respiratorischen Insuffizienz (› Kap. 2). (Forts.)
1 2. Wie hoch ist der paCO2? Liegt eine respiratorische Störung vor?
paCO2 Interpretation
> 45 mmHg Der paCO2 Wert ist erhöht → Hypoventilation.
Damit ist noch nicht geklärt, ob es sich um eine primäre respiratorische Störung handelt (respiratorische
Azidose) oder eine respiratorische Kompensation als Antwort auf eine primär metabolische Störung (sie-
he Frage 4)
3. Wie hoch sind SBC/BE? Liegt eine metabolische Störung vor?
SBC/BE Interpretation
SBC 22– Werte im Normbereich, keine Störung im metabolischen System
26 mmol/l BE
−3–+3 mmol/l
SBC < Die Werte sind erniedrigt. Es liegt entweder eine primäre metabolische Störung vor (metabolische Azido-
22 mmol/l se) oder eine primäre respiratorische Störung, die metabolisch kompensiert wird (metabolisch kompen-
BE < sierte respiratorische Alkalose; siehe Frage 4)
−3 mmol/l
SBC > Die Werte sind erhöht. Es liegt entweder eine primäre metabolische Störung vor (metabolische Alkalose)
26 mmol/l oder eine primäre respiratorische Störung, die metabolisch kompensiert wird (metabolisch kompensierte
BE > respiratorische Azidose; siehe Frage 4)
+3 mmol/l
4. Liegt eine teilweise oder vollständige Kompensation vor (d. h. der Organismus reagiert auf eine pri­
märe Störung – Azidose oder Alkalose im respiratorischen oder metabolischen System – im jeweils an­
deren System gegenläufig, um die pH-Veränderung auszugleichen)?*
Werte Interpretation
paCO2 > 45 mmHg Das respiratorische System liegt im Bereich einer Azidose, das metabolische System im Be-
SBC > 26/BE > +3 mmol/l reich der Alkalose. Der Organismus versucht, die Störung zu kompensieren. Die Kompensa-
pH < 7,36 oder > 7,44 tion ist noch unvollständig, da der pH-Wert noch nicht im Normbereich liegt.
pH 7,36–7,44 Der pH-Wert liegt im Normbereich, d. h. die Kompensation ist vollständig.
paCO2 < 35 mmHg Das respiratorische System liegt im Bereich einer Alkalose, das metabolische System im Be-
SBC < 22/BE < –3 mmol/l reich der Azidose. Der Organismus versucht, die Störung zu kompensieren. Die Kompensati-
pH < 7,36 oder > 7,44 on ist noch unvollständig, da der pH-Wert noch nicht im Normbereich liegt.
pH 7,36–7,44 Der pH-Wert liegt im Normbereich, d. h. die Kompensation ist vollständig.
5. Liegt eine kombinierte Störung vor (beide Systeme im Bereich der Alkalose oder Azidose)? 
Hinweis: Kombinierte Störungen sind selten!
Werte Interpretation
paCO2 > 45 mmHg  Sowohl das respiratorische als auch das metabolische System liegen im Bereich einer Azido-
SBC < 22/BE < –3 mmol/l se, der pH-Wert ist entsprechend sauer. Diese Kombination kann z. B. auftreten bei Herz-
pH < 7,36 stillstand und nachfolgender kardiopulmonaler Reanimation (respiratorische Azidose auf-
grund der Hyperkapnie, metabolische Azidose infolge Laktatazidose).
paCO2 < 35 mmHg Sowohl das respiratorische als auch das metabolische System liegen im Bereich einer Alka-
SBC > 26/BE > +3 mmol/l lose, der pH-Wert ist entsprechend alkalisch. Diese Kombination kann z. B. auftreten bei Er-
pH > 7,44 krankung/Therapie mit massivem Verlust von Magensäure (metabolische Alkalose) und
gleichzeitiger Hyperventilationstetanie (respiratorische Alkalose).
* Welches System primär gestört ist bzw. in welchem System die Kompensation erfolgt, kann aus einer einzelnen BGA nicht
interpretiert werden, hier muss das klinische Bild bzw. der Verlauf mehrerer BGAs betrachtet werden. Sehr selten liegen zwei
gegenläufige Störungen vor, die unabhängig voneinander und nicht im Sinne einer Kompensation entstanden sind.
KAPITEL

2 Respiratorische Insuffizienz
2.1  Definition und Einteilung ge steigt der paCO2 im arteriellen Blut an (Hyperkap-
nie), der paO2 sinkt ab (Hypoxämie).
DEFINITION Die Unterscheidung in pulmonale und ventila-
Respiratorische Insuffizienz (Ateminsuffizienz): Stö­ torische Insuffizienz erfolgt anhand der Blutgas-
rung der Atmung mit Unfähigkeit des Atmungssystems, analyse (›  2.4.2). Die Differenzierung ist ent-
die arteriellen Blutgase im Normbereich zu halten. Unter­ scheidend für die Therapie der respiratorischen
schieden nach:
• Dem Ausmaß der Störung in pulmonale (Partial-) und
Insuffizienz.
ventilatorische Insuffizienz (Globalinsuffizienz)
• Dem zeitlichen Verlauf in akute und chronische respi­ Pulmonale Insuffizienz (Partialinsuffizienz): Hypoxä-
ratorische Insuffizienz mie und Normo- oder Hypokapnie: paO2 < 70 mmHg (bei
• Der Manifestation in latente und manifeste respiratori­ Raumluft), paCO2 normal oder etwas erniedrigt.
sche Insuffizienz. Ventilatorische Insuffizienz (Globalinsuffizienz): Hyp-
oxämie und Hyperkapnie: paO2 < 70 mmHg (bei Raum­
Das respiratorische System (Atmungssystem luft), paCO2 > 45 mmHg.
› 1.1) besteht aus zwei Kompartimenten, die un-
abhängig voneinander eingeschränkt sein bzw. ver- Die akute respiratorische Insuffizienz entwi-
sagen können: ckelt sich rasch, eventuell innerhalb weniger Mi-
1. Das gasaustauschende System (Atemwege, Lunge nuten, z. B. bei einem Schädel-Hirn- oder einem
und Pleura). Thoraxtrauma. Die chronische respiratorische
2. Das ventilierende System (Atempumpe, d. h. Insuffizienz dagegen entwickelt sich langsam
Atemzentrum, zentrale und periphere Nerven so- über einen längeren Zeitraum hinweg. Ihr liegen
wie Atemmuskulatur). meist chronische Erkrankungen der Atmungsor-
Bei der pulmonalen Insuffizienz (auch respiratori- gane zugrunde, z. B. ein Lungenemphysem. Daher
sche Partialinsuffizienz oder respiratorische Insuffizi- ist die chronische respiratorische Insuffizienz
enz Typ I), ist das gasaustauschende System gestört. meist das Endstadium einer chronischen Lun-
Die Blutgasanalyse zeigt eine Hypoxämie: Der arteri- generkrankung.
elle pO2 ist unter 70 mmHg (bei Raumluftatmung) Eine latente respiratorische Insuffizienz zeigt
abgefallen, der paCO2 ist dabei normal (Normokap- sich nur unter Belastung, während die manifeste re-
nie) oder – bei Patienten die kompensatorisch hyper- spiratorische Insuffizienz auch in Ruhe besteht.
ventilieren – leicht erniedrigt (Hypokapnie). Diese Die respiratorische Insuffizienz – insbesondere
Form der respiratorischen Insuffizienz wird daher die akute respiratorische Insuffizienz (kurz ARI)
auch als hypoxische oder oxygenatorische Insuffizienz und die akute Dekompensation einer chronischen
bezeichnet. Lungenerkrankung – ist ein zentrales Problem in
Bei der ventilatorischen Insuffizienz (auch Glo- der Intensivmedizin und eine der wichtigsten Ur-
balinsuffizienz, respiratorische Insuffizienz Typ II, sachen dafür, dass ein Patient intensivmedizi-
hyperkapnische respiratorische Insuffizienz oder ven- nisch behandelt und maschinell beatmet werden
tilatorisches Pumpversagen) ist das ventilierende muss.
System gestört. Dadurch ist sowohl die CO2-Abat-
mung als auch die O2-Aufnahme gestört. In der Fol-
20 2  Respiratorische Insuffizienz

2.2  Ursachen einer • Hohe Querschnittslähmung (ab C4 aufwärts; hier


respiratorischen Insuffizienz entspringt der Plexus cervicalis, dessen wichtigs-
ter Nerv – der N. phrenicus – das Zwerchfell in-
nerviert)
Für den pulmonalen Gasaustausch sind die Funkti- • Entzündliche Veränderungen peripherer Nerven,
on und das Zusammenspiel der drei Faktoren Venti- z. B. bei Polyneuritis (Entzündung und Degenera-
lation (Belüftung der Alveolen), Diffusion (Gasaus- tion peripherer Nerven), Polyradikulitis (Poly-
2 tausch zwischen Alveole und Lungenkapillare) und neuritis mit Entzündung der Spinalnervenwur-
Perfusion (Lungendurchblutung) entscheidend zeln), Poliomyelitis (epidemische spinale Kinder-
(›  1.2). Erkrankungen können dazu führen, dass lähmung) oder Guillain-Barré-Syndrom (ursäch-
ein einzelner Faktor oder mehrere gleichzeitig ge- lich ungeklärte Entzündung der peripheren
stört sind. Entsprechend werden Ventilations-, Dif- Nerven und Spinalganglien mit Sensibilitätsstö-
fusions- und Perfusionsstörungen sowie Störungen rungen, rasch aufsteigenden Lähmungen und ve-
des Ventilations-Perfusionsverhältnisses (Vertei- getativen Störungen)
lungsstörungen) unterschieden. • Toxinwirkung, z. B. Botulismus oder Tetanus
• Myasthenia gravis (Autoimmunerkrankung mit
Bildung von Autoantikörpern, welche die Azetyl-
2.2.1 Ventilationsstörungen cholinrezeptoren der motorischen Endplatte blo-
ckieren)
Bei Ventilationsstörungen ist die Lunge nicht aus- • Muskelrelaxanzien.
reichend belüftet. Es kommt zur alveolären Hypo-
ventilation (alveoläre Ventilation › 1.2.1).
Obstruktive und restriktive
Die Ursachen für eine alveoläre Hypoventilation
Ventilationsstörungen
sind vielfältig und können eingeteilt werden in Stö-
rungen bei gesundem Lungenparenchym (Beein- Bei obstruktiven Ventilationsstörungen ist der en-
trächtigung des Atemantriebs oder der Atemmusku- dobronchiale Strömungswiderstand (Resistance
latur) und Störungen infolge einer obstruktiven oder ›  1.2.1) erhöht, z. B. infolge eines Asthma bron­
restriktiven Lungenerkrankung. chia­le oder einer chronischen Bronchitis (› 2.3.2).
Dadurch kommt es zu einer ungleichmäßigen Belüf-
tung der Alveolen, d. h. manche Lungenabschnitte
Zentrale Atemdepression und peripher-
werden besser, manche schlechter belüftet, und zu
neuromuskuläre Störungen
Häufige Ursachen für eine zentrale Atemdepressi- venös
on sind: arteriell
• Erhöhter Hirndruck, z. B. infolge eines Schädel- Mischblut
Hirn-Traumas, eines Hirnödems oder eines
Hirntumors
• Entzündliche Erkrankungen des Gehirns, z. B. ein
Hirnabszess oder eine Enzephalitis
• Hirninfarkt
• Medikamentenwirkungen (auch Intoxikationen),
z. B. von Sedativa und Opioiden
• Schlafapnoesyndrom
• Eklampsie.
Bei den peripher-neuromuskulären Störungen Abb. 2.1 Ventilationsstörung bei Atemwegsobstruktion
(schematische Darstellung). Durch die Atemwegsobstruktion
kann der Atemimpuls nicht vom Atemzentrum zur (oben) kommt es zur Minderbelüftung des betroffenen Alveolar­
Atemmuskulatur übertragen werden. Mögliche Ur- abschnitts, dadurch kann das daran vorbeifließende Blut nur
sachen dafür sind z. B.: unzureichend mit Sauerstoff gesättigt werden. [A400]
2.2  Ursachen einer respiratorischen Insuffizienz 21

einer zunehmenden Lungenüberblähung (›  Abb. verdickt ist (› Abb. 2.2). Trotz hoher Partialdruck-
2.1). differenz kann dann nicht ausreichend Sauerstoff in
Bei restriktiven Ventilationsstörungen ist die die Kapillare diffundieren. Häufigste Ursache hier-
Dehnbarkeit von Lunge und Thorax (Compliance für ist ein Lungenödem, etwa infolge einer Links-
› 1.2.1) vermindert. Mögliche Ursachen sind z. B. herzinsuffizienz. Seltener ist eine interstitielle Pneu-
ein Pleuraerguss, eine Lungenfibrose, ausgedehnte monie oder eine Lungenfibrose (bindegewebiger
Pleuraschwarten, ein Pneumo- oder Hämatothorax Umbau des Lungenparenchyms) ursächlich.
(›  2.3.4), ein ARDS (›  2.3.6) oder eine ausge- Eine wichtige Ursache für eine Verlängerung der 2
prägte Thoraxdeformität, z. B. eine Kyphoskoliose. Diffusionsstrecke ist das ARDS (› 2.3.6).
Bei Atelektasen sind einzelne Lungenbereiche
nicht belüftet (Verteilungsstörungen).
Verkürzung der Kontaktzeit
Erkrankungen, die mit einer Verminderung der ge-
2.2.2 Diffusionsstörungen samten Gasaustauschfläche einhergehen, z. B. ein
Lungenemphysem oder eine Lungenfibrose, können
Bei einer Diffusionsstörung ist die Diffusionskapa- dazu führen, dass das Kapillarstrombett der Lunge
zität der Lunge (Maß für die Diffusion von O2 und abnimmt. Daraus resultiert dann eine beschleunigte
CO2 durch die alveolokapilläre Membran) vermin- Strömungsgeschwindigkeit des Blutes im Lungen-
dert. In aller Regel ist nur die Diffusion von Sauer- kreislauf, d. h. die Kontaktzeit des einzelnen Eryth-
stoff gestört, da Kohlendioxid sehr viel leichter (ca. rozyten an der alveolokapillären Membran ist ver-
20-mal besser) durch die alveolokapilläre Membran kürzt. Die Sauerstoffsättigung des Blutes nimmt da-
diffundieren kann. Ursache ist in den meisten Fällen her ab.
eine Verlängerung der Diffusionsstrecke, seltener
eine Verminderung der gesamten Gasaustauschflä-
che mit Verkürzung der Kontaktzeit. 2.2.3 Perfusionsstörungen

Bei einer Perfusionsstörung ist die Lungendurch-


Verlängerung der Diffusionsstrecke
blutung vermindert mit der Folge, dass die Alveo-
Eine Verlängerung der Diffusionsstrecke (alveolo- len zwar belüftet, aber nur schlecht oder gar nicht
kapillärer Block) liegt vor, wenn die normalerweise durchblutet sind, also kaum oder gar nicht am Gas-
sehr dünne alveolokapilläre Membran (›  1.1.2) austausch teilnehmen (›  Abb. 2.3). So entsteht
die alveoläre Totraumventilation (› 1.2.1), d. h.

venös
arteriell venös
Mischblut arteriell
Mischblut

Abb. 2.2  Diffusionsstörung bei Verdickung der alveolokapillä­


ren Membran (unten, schematische Darstellung). Je dicker die Abb. 2.3  Perfusionsstörung und alveoläre Totraumventilation
alveolokapilläre Membran, desto schlechter können O2 und (schematische Darstellung). Der oben liegende Lungenab­
CO2 hindurch diffundieren. [A400] schnitt ist zwar belüftet, aber kaum durchblutet. [A400]
22 2  Respiratorische Insuffizienz

die Belüftung nicht perfundierter Lungenabschnit- • Bei Erwachsenen werden


te. Mögliche Ursachen für Perfusionsstörungen Obturations(Verstopfungs-)atelektasen von
sind eine Lungenembolie, Kompression von Lun- Kompressionsatelektasen unterschieden. Obtu-
genkapillaren durch sehr hohen Beatmungsdruck rationsatelektasen entstehen durch Verlegung der
oder ein Abfall des Herzzeitvolumens (etwa infolge Atemwege mit Schleim, Blut oder Fremdkörpern
einer Rechtsherzinsuffizienz oder eines massiven und nachfolgender Resorption der Luft aus den
Volumenmangels). betroffenen Alveolen. Bei Kompressionsatelekta-
2 sen führt Druck von außen auf die Atemwege (et-
wa durch einen Erguss, große Emphysemblase,
2.2.4  Störungen des Ventilations- Zwerchfellhochstand oder Tumor) dazu, dass die
Perfusionsverhältnisses abhängigen (d. h. hinter dem betroffenen Bron-
chialabschnitt liegenden) Alveolen nicht mehr
Störungen des Ventilations-Perfusionsverhältnis- belüftet werden.
ses (Verteilungsstörungen) liegen vor, wenn das phy- • Sind plattenförmige Lungenbezirke atelektatisch
siologische Verhältnis von Lungenbelüftung und verändert, spricht man von Plattenatelektasen.
-durchblutung (auch ›  1.2.4) über- oder unter- Diese liegen meist in den basalen Lungensegmen-
schritten wird (› Abb. 2.4). Im Extremfall ist das ten und verlaufen horizontal oder schräg. Bei
Ventilations-Perfusionsverhältnis 0 (bei Totalatelek- Segmentatelektasen ist ein Segmentbronchus,
tase der gesamten Lunge) oder unendlich (bei völli- bei Lappenatelektasen ein Lappenbronchus ver-
ger Unterbrechung der Lungendurchblutung). schlossen. Extremform ist die Totalatelektase,
bei der ein Lungenflügel überhaupt nicht belüftet
ist. Dies kann z. B. auch Folge einer einseitigen
Atelektasen
Intubation sein (› 4.11.1).
Atelektasen sind nicht belüftete Lungenabschnit- Mikroatelektasen sind kleinste Atelektasen, die häu-
te, in denen die Alveolen kollabiert sind, d. h. die fig durch intra- und postoperative Hypoventilation
Alveolarwände liegen aneinander. Atelektasen entstehen, und die sich im Gegensatz zu den anderen
werden anhand ihres Entstehungsmechanismus, Formen von Atelektasen im Röntgenbild lediglich
ihrer Lage in der Lunge und ihrer Ausdehnung un- durch einen Zwerchfellhochstand zeigen. Alle ande-
terschieden. ren radiologischen Zeichen einer Atelektase fehlen.

Ventilations-Perfusions- Physiologisches Ventilations-Perfusions-


verhältnis erhöht Ventilations-Perfusions- verhältnis vermindert
(Totraumventilation) verhältnis (pulmonaler Shunt)

V V V
> 0,8 0,8 < 0,8
Q Q Q

Abb. 2.4 Das physiologische


Ventilations-Perfusionsverhältnis
und Verteilungsstörungen (Stö­
Alveoläre Ventilation Alveoläre Ventilation und Alveoläre Ventilation rungen des Ventilations-Perfusi­
normal, Durchblutung Durchblutung genau vermindert, onsverhältnisses). Die Ventilation
vermindert aufeinander abgestimmt Durchblutung normal wird mit V bezeichnet, die Perfu­
sion mit Q [A400]
2.3  Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 23

Pulmonaler Rechts-Links-Shunt 2.3  Respiratorische Insuffizienz:


Werden einzelne Lungenbereiche nicht ausrei- Häufige Erkrankungen von
chend belüftet, so kann sich das an diesen Berei- Lunge und Thorax
chen vorbeifließende Kapillarblut kaum oder gar
nicht mit Sauerstoff sättigen, d. h. es fließt „unge-
nutzt“ an den Alveolen vorbei. So entsteht ein Zahlreiche Erkrankungen und Verletzungen von
pulmonaler Rechts-Links-Shunt (Shunt = Ne- Lunge und/oder Brustkorb können zur respiratori-
benschluss, Kurzschlussverbindung): Blut fließt schen Insuffizienz führen. Die auf der Intensivstati- 2
vom rechten zum linken Herzen, ohne am Gas- on häufig anzutreffenden Erkrankungen und Verlet-
austausch teilzunehmen (› Abb. 2.5). zungen sind hier jeweils im Überblick dargestellt.
Das schlecht sauerstoffgesättigte Blut aus den Detaillierte Informationen zu den einzelnen Erkran-
minderbelüfteten Lungenabschnitten fließt nach kungen oder Verletzungen entnehmen Sie bitte der
Passage des Kapillarstrombetts mit dem gut sauer- entsprechenden Fachliteratur.
stoffgesättigten restlichen Blut in den Lungenvenen
zusammen. Dadurch sinkt der Sauerstoffpartial-
druck im Blut insgesamt ab. 2.3.1 Pneumonie
Ein Maß für den pulmonalen Rechts-Links-Shunt
ist die alveoloarterielle Sauerstoffpartialdruck-Diffe- DEFINITION
renz (kurz AaDO2, ›  1.2.2) oder – falls der Luft- Pneumonie: Entzündung des Lungenparenchyms, meist
druck nicht bekannt ist – der Oxygenierungsindex durch Bakterien, Pilze oder Viren (infektiöse Pneumonie),
(Horrowitz-Index), der aus dem arteriellen Sauer- seltener allergisch, chemisch oder physikalisch bedingt
stoffpartialdruck und der inspiratorischen Sauer- (nichtinfektiöse Pneumonie).
stoffkonzentration errechnet wird:
PO Pneumonien werden eingeteilt anhand von Krank-
Oxygenierungsindex = a 2 heitsentstehung, Befallstyp und klinischem Verlauf in:
FI O2
• Primäre (d. h. als eigenständige Erkrankung auf-
Der Normalwert des Oxygenierungsindexes liegt bei tretende) und sekundäre (d. h. als Komplikation
> 450, er gilt als pathologisch, wenn er unter 350 ab- einer anderen Erkrankung auftretende) Pneumo-
fällt (Oczenski, 2012). nien
• Bronchopneumonien (Entzündung betrifft die
Bronchiolen und das umliegende Gewebe), Lo-
venös bärpneumonien (Entzündung betrifft einen Lun-
arteriell genlappen), interstitielle Pneumonie (häufigste
Mischblut Form, Entzündung betrifft vor allem das Lungen-
interstitium) und Pleuropneumonie (Entzün-
dung betrifft nicht nur die Lunge, sondern auch
die Pleura)
• Typische Pneumonie mit akut einsetzenden
Symptomen und atypische Pneumonie mit lang-
sam einsetzenden und weniger stark ausgepräg-
ten Symptomen
• Abhängig davon, wo die Pneumonie erworben
Abb. 2.5  Pulmonaler Rechts-Links-Shunt (schematische Dar­ wurde, werden differenziert (Krause et al., 2012):
stellung). Das Blut, das am nicht belüfteten Lungenabschnitt – CAP (community-acquired pneumonia, auch
vorbeifließt (oben), nimmt nicht am Gasaustausch teil. Dadurch
ambulante, d. h. „zu Hause“, ohne stationären
verringert sich die Sauerstoffsättigung. [A400]
Aufenthalt erworbene Pneumonie). Davon ab-
gegrenzt wird die HCAP (healthcare-associated
pneumonia), d. h. die im Zusammenhang mit
24 2  Respiratorische Insuffizienz

medizinischer Versorgung (etwa im Rahmen ei- beimengungen rötlich-braun gefärbt ist) und
ner Hämodialysebehandlung oder einer ambu- atemabhängige Schmerzen (bei begleitender Pleuri-
lanten Chemotherapie) erworbene Pneumonie tis). Bei der körperlichen Untersuchung sind Rassel-
– NHAP (nursing home-associated pneumonia, geräusche und Bronchialatmen auskultierbar, der
d. h. im Pflegeheim erworbene Pneumonie) Klopfschall über dem betroffenen Lungenabschnitt
– HAP (hospital-acquired pneumonia, auch no- ist gedämpft. Bei der atypischen Pneumonie setzen
sokomiale, d. h. im Krankenhaus erworbene die Symptome langsam ein, das Allgemeinbefinden
2 Pneumonie) des Patienten ist insgesamt weniger stark beein-
– VAP (ventilatorassoziierte Pneumonie, auch trächtigt. Abhängig von Ausmaß und Schwere der
Beatmungspneumonie) › 6.7.1. Pneumonie treten die Zeichen der respiratorischen
Insuffizienz hinzu (› 2.4).
Prädisponierende Faktoren für eine nosokomiale Die Diagnostik umfasst Röntgen-Thorax (Ver-
Pneumonie in der Intensivmedizin schattungen?), Blutgasanalyse (›  2.4.2), Blutbild
Besonders gefährdet für eine nosokomiale Pneumo- (Leukozytose?), PCT und CRP sowie Erregernach-
nie sind Patienten, die folgende Kriterien aufweisen: weis (z. B. in Trachealsekret oder Pleurapunktat).
• Hohes Lebensalter (> 65 Jahre)
• Vorbestehende schwere Grunderkrankung, die Intensivtherapie und -pflege
mit einer Einschränkung der Immunabwehr und/ Neben der Behandlung der eventuell bestehenden
oder einer Eintrübung des Bewusstseins einher- respiratorischen Insuffizienz (› 2.5) steht die Anti-
geht biotikatherapie (meist zunächst kalkuliert, nach Er-
• Vorerkrankung des Respirationstrakts regeridentifizierung dann gezielt) im Vordergrund.
• Nikotinabusus Dazu kommen Maßnahmen zur Unterstützung der
• Herzinsuffizienz Atmung und zur Sekretlösung und -entleerung ein-
• Schluckstörung mit Aspirationsgefahr schließlich Lagerungstherapie (›  9.3) sowie ggf.
• Z. n. thorakalen und/oder abdominalen operati- Maßnahmen zur Fiebersenkung, z. B. Waschungen,
ven Eingriffen Wadenwickel und/oder Gabe von Antipyretika.
• Intubation und maschinelle Beatmung (wichtigs-
ter Risikofaktor).
2.3.2  COPD und Asthma bronchiale
Die nosokomiale Pneumonie ist eine häufige Kompli­
kation des Patienten auf der Intensivstation. Besonders DEFINITION
gefährdet sind intubierte und beatmete Patienten, und COPD (chronic obstructiv pulmonary disease, chronisch
zwar umso mehr, je länger die Intubation bzw. Beatmung obstruktive Atemwegserkrankungen oder chronic ob­
andauert und je invasiver die Beatmung gewählt werden struc­tive lung disease, kurz COLD): Chronische Erkran­
muss. Man geht heute davon aus, dass ca. 24 Stunden kung von Atemwegen und Lunge mit fortschreitender,
nach der Intubation eine Kolonisation der Atemwege auch unter Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Cor­
stattgefunden hat und etwa 15–25 % aller beatmeten ticosteroiden nicht vollständig reversibler Atemwegs­
Patienten während der Beatmungstherapie an einer obstruktion auf dem Boden einer chronisch obstruktiven
Pneumonie erkranken (Beatmungspneumonie, auch res- Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems.
pirator- oder ventilatorassoziierte Pneumonie, kurz VAP). Asthma bronchiale: Chronisch entzündliche Erkran­
kung der Atemwege mit bronchialer Hyperreagibilität,
(unterschiedlich stark ausgeprägter, reversibler) Atem­
Beatmungspneumonie, Ätiologie und Prävention wegsobstruktion und anfallsartiger Dyspnoe.
› 6.7.1
Zwar haben COPD und Asthma bronchiale manche
Symptome und Diagnostik Gemeinsamkeiten (v. a. die Atemwegsobstruktion),
Die typische Pneumonie zeigt sich durch rasch ein- es existieren jedoch auch zahlreiche Unterschiede:
setzendes hohes Fieber, Schüttelfrost, Husten (spä- • Eine COPD tritt meist erst in fortgeschrittenem
ter mit eitrigem Trachealsekret, das evtl. durch Blut- Lebensalter auf, i. d. R. sind die Patienten min-
2.3  Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 25

destens 40 Jahre alt, während vom Asthma bron- (bronchiale Hyperreagibilität). Allergene, Infekte,
chiale häufig schon Kinder betroffen sind körperliche Anstrengung, psychische Faktoren oder
• COPD-Patienten sind überwiegend langjährige bestimmte Medikamente, z. B. Acetylsalicylsäure,
Raucher, Patienten mit Asthma bronchiale sind können eine Entzündung der Bronchialschleimhaut
überwiegend Nichtraucher auslösen, die dann zur Atemwegsobstruktion führt:
• Beim Asthma bronchiale tritt die Atemwegsobst- Der Atemwegswiderstand (Resistance ›  1.2.1)
ruktion intermittierend auf (Dyspnoe anfallsar- nimmt zu, dadurch steigen beim schweren Asthma-
tig, auch nachts), ist unterschiedlich stark ausge- anfall die FRC und die TLC (›  1.2.1) an. Da die 2
prägt und reversibel. Das Asthma bronchiale ist Atemwegsobstruktion i. d. R. nicht gleichmäßig über
häufig allergisch bedingt, der Verlauf der Erkran- die Lunge verteilt ist, kommt es zu Störungen des
kung ist variabel und episodisch. Bei chronisch- Ventilations-Perfusionsverhältnisses (› 1.2.4).
obstruktiven Lungenerkrankungen persistiert die
Atemwegsobstruktion (d. h. sie ist ständig vor- Symptome, Befund und Diagnostik
handen), die Dyspnoe tritt unter Belastung (prak- Die Symptome und postbronchodilatatorisch ge-
tisch nur tagsüber) auf und ist – abgesehen von messenen FEV1 (› 1.2.1) variieren abhängig vom
infektbedingten Verschlimmerungen der Erkran- Schweregrad der COPD:
kung – immer ungefähr gleich stark ausgeprägt. • Leichtgradige COPD (Schweregrad I)
Allergien sind selten, insgesamt verläuft die Er- – Atemwegsobstruktion ohne signifikante FEV1-
krankung progredient (fortschreitend). Verminderung
– Chronischer Husten und meist Auswurf
In der Intensivmedizin sind vor allem die akute Dekom­ – Häufig noch keine Dyspnoe
pensation einer COPD und der Status asthmaticus • Mittelgradige COPD (Schweregrad II)
(schwerer, über 6–12  Std. andauernder Asthmaanfall) – Atemwegsobstruktion mit moderater FEV1-
mit daraus folgender akuter respiratorischer Insuffizienz Verminderung
von Bedeutung. – Meistens mit Zunahme der chronischen Sym­
ptome, besonders Belastungsdyspnoe
Pathophysiologie • Schwere COPD (Schweregrad III)
Bei der COPD führen meist exogene Noxen (über- – Höhergradige FEV1-Verminderung
wiegend Nikotin) zu einer entzündlichen Einengung – Dyspnoe, die jedoch i. d. R. nicht mit dem
der Bronchiolen. Durch die andauernde Einengung Schweregrad der Lungenfunktionseinschrän-
der Atemwege kann ein Lungenemphysem entste- kung korreliert
hen: Die Lunge wird überbläht, es kommt zu einer • Sehr schwere COPD (Schweregrad IV)
Zerstörung der Alveolen, d. h. die Alveolaroberflä- – Spätstadium mit gehäuften, lebensbedrohlichen
che und das Kapillarstrombett gehen verloren, und Exazerbationen wie arterielle Hypoxämie, Hy-
es entstehen Hohlräume, die über relativ wenig Gas- perkapnie, Cor pulmonale als Zeichen der
austauschfläche verfügen. Die Zerstörung des Lun- Rechtsherzinsuffizienz (Vogelmaier et al., 2007).
gengewebes beim Lungenemphysem ist irreversibel Typisches Symptom des Asthma bronchiale ist die
(unumkehrbar). Im Endstadium der Erkrankung anfallsartig auftretende Dyspnoe, wobei der Grad
kommt es durch die Veränderungen zur respiratori- der Atemnot und die Häufigkeit der Asthmaanfälle
schen Globalinsuffizienz (› 2.1) und zur pulmona- variieren. Im Atemnotanfall sind pfeifende, giemen-
len Hypertension (mittlerer arterieller Druck in der de und brummende Atemgeräusche hör- oder aus-
Pulmonalarterie > 20 mmHg) mit Rechtsherzbelas- kultierbar. Typischerweise sitzt der Patient während
tung bis hin zum Cor pulmonale. des Asthmaanfalls aufrecht mit vorn übergebeugtem
In sehr seltenen Fällen ist das Lungenemphysem Oberkörper und hustet am Ende des Anfalls zähen,
durch einen angeborenen Mangel an Alpha-1-Anti­ glasigen Schleim ab. Häufig setzt der Betroffene die
trypsin (körpereigener Eiweißkörper) bedingt. Atemhilfsmuskeln ein. Abhängig von der Schwere
Beim Asthmatiker sind die Atemwege überemp- des Asthmaanfalls zeigen sich die Zeichen der respi-
findlich und reagieren sehr sensibel auf Umweltreize ratorischen Insuffizienz (› 2.4).
26 2  Respiratorische Insuffizienz

Beim Status asthmaticus ist die Klinik i. d. R. ein- • Gegebenenfalls Antibiotikabehandlung
deutig, insbesondere wenn ein Asthma bronchiale • Unterstützung der Sekretolyse durch ausreichen-
bekannt ist. Wichtig für die Ursachenklärung, die de Flüssigkeitszufuhr (Vorsicht bei Herzinsuffi­
Schweregradeinschätzung und die Behandlungspla- zienz bzw. begleitendem Cor pulmonale), Atem-
nung sind die folgenden diagnostischen Maßnah- gymnastik und Lagerungsdrainagen soweit mög-
men: lich (Arztrücksprache)
• Röntgen-Thorax (tief stehendes Zwerchfell und • Gegebenenfalls Sedierung bei Panikattacken oder
2 Fassthorax bei Lungenemphysem, Zeichen einer extremer Unruhe
Pneumonie?) • Gegebenenfalls manuelle Beatmung (› 3.2.3)
• Blutgasanalyse (› 2.4.2). Zeigt das Ausmaß der und maschinelle Beatmung (Indikationen
respiratorischen Insuffizienz › 6.1.1).
• Laboruntersuchungen. Blutbild (Polyglobulie als
Zeichen einer chronischen Hypoxie? Leukozyto-
se?), CRP, evtl. Sputumuntersuchungen 2.3.3 Thoraxtrauma
• EKG (Zeichen der Rechtsherzbelastung?)
• Insbesondere bei COPD: Lungenfunktionsprü- DEFINITION
fung. Richtungsweisend ist vor allem die exspi- Thoraxtrauma: Unfallbedingte Verletzung thorakaler
ratorische Einsekundenkapazität (kurz Strukturen (Brustwand, Tracheobronchialsystem, Lun­
FEV1,› 1.2.1), die Rückschlüsse auf den genparenchym, Pleura, Zwerchfell, Herz, thorakale Gefä­
Schweregrad der Obstruktion zulässt. Das Re- ße und Ösophagus).
Bei etwa 10 % aller Unfallverletzten findet sich ein Tho­
sidualvolumen, die funktionelle Residualkapa- raxtrauma, polytraumatisierte Patienten haben zu über
zität und die Totalkapazität sind erhöht 50 % auch ein Thoraxtrauma. In ca. 90 % der Fälle han­
(› 1.2.1). Wichtig ist es, nicht nur die ermit- delt es sich um ein geschlossenes Thoraxtrauma, nur bei
telten Werte und deren Abweichung von der ca. 10 % liegen offene Thoraxverletzungen vor. Ursache
Norm zu betrachten, sondern auch (bei mehre- ist meist eine stumpfe Gewalteinwirkung, z. B. Anprall an
ren Lungenfunktionsprüfungen im Verlauf der Gurt oder Lenkrad, Sturz aus großer Höhe, Tritt oder
Erkrankung) deren Tendenz. Gegebenenfalls Schlag vor den Brustkorb. Selten sind spitze, penetrieren­
de Gewalteinwirkungen ursächlich, z. B. Messerstiche,
Bodyplethysmografie zur Ermittlung weiterer Schuss- oder Pfählungsverletzung.
Lungenfunktionswerte, z. B. Atemwegswider-
stand, Residualvolumen oder Diffusionskapa-
zität. Häufige Thoraxverletzungen, die intensivmedizi-
Bei V. a. allergisch bedingtes Asthma kann dann im nisch behandelt werden müssen, sind der Pneumo-
anfallsfreien Intervall eine Allergieaustestung erfol- und Hämatothorax, die Rippenserienfraktur mit in-
gen. stabilem Thorax und die Lungenkontusion. Relativ
selten sind Bronchus- und Trachealrupturen (meist
Intensivtherapie und -pflege mit Blutungen in das Tracheobronchialsystem), Ge-
Therapie der respiratorischen Insuffizienz › 2.5 fäßverletzungen (z. B. Aortenruptur), Zwerchfellris-
Die Intensivtherapie und -pflege umfasst: se sowie Verletzungen des Herzens (z. B. Herzkontu-
• Sauerstoffgabe. Wegen der Gefahr einer CO2- sion).
Narkose (› 1.1.3) insbesondere COPD-Patien- Pneumothorax und Hämatothorax › 2.3.4
ten genau beobachten (zunehmende Eintrü-
bung?), Sauerstoff vorsichtig dosieren (anfangs Symptome, Befund und Diagnostik bei V. a.
meist nur 0,5–1 l/Min.) und Therapieverlauf mit- Thoraxtrauma
tels Blutgasanalysen kontrollieren Der Unfallhergang, Prellmarken und sichtbare Ver-
• Gabe von Bronchospasmolytika (führen zur Er- letzungen sowie nicht seitengleiche oder paradoxe
schlaffung der Bronchialmuskulatur) und Gluko- Atembewegungen weisen auf ein Thoraxtrauma hin.
kortikoide (wirken entzündungshemmend) sowie Abhängig vom Verletzungsausmaß hat der Patient
ggf. Sekretolytika mehr oder weniger starke Schmerzen und meist
2.3  Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 27

auch eine unterschiedlich stark ausgeprägte Schon- zung betroffenen Lungenflügels (Pendelluft,
atmung. Der Patient mit schwerem Thoraxtrauma › Abb. 2.6).
leidet unter Atemnot und zeigt – abhängig vom Aus- Die Therapie ist meist konservativ durch Analge-
maß des Thoraxtraumas und evtl. vorbestehender sie (häufig thorakaler Periduralkatheter in Kombi-
kardiopulmonaler Erkrankungen – die Zeichen ei- nation mit systemischer Analgesie), Physiotherapie
ner respiratorischen Insuffizienz (›  2.4). Mittels und engmaschige Kontrolle der Blutgase. Bei massi-
Palpation, Perkussion und Auskultation prüft der ven Störungen des Gasaustauschs muss der Patient
Arzt Brustkorb und Lunge auf pathologische Verän- über Maske oder Tubus und mit PEEP (›  6.2.4) 2
derungen hin. beatmet werden (dadurch „innere Schienung“ der
Die Diagnostik bei V. a. Thoraxtrauma umfasst: Fraktur, › Abb. 2.6). Nur selten ist eine operative
• Röntgen-Thorax Stabilisierung der Frakturen mittels Plattenosteo-
• CT oder MRT des Thorax synthese erforderlich.
• EKG
• Echokardiografie Ein instabiler Thorax entsteht i. d. R. nur durch sehr gro­
• Angiografie bei V. a. Verletzungen thorakaler Ge- ße Gewalteinwirkung. Daher liegen in vielen Fällen
fäße auch schwere intrathorakale Begleitverletzungen und
• Bronchoskopie bei V. a. Verletzungen des Tra- evtl. auch intraabdominelle Verletzungen vor.
cheobronchialsystems.
Eine gründliche körperliche Untersuchung sowie
ggf. weiterführende diagnostische Maßnahmen die- Lungenkontusion
nen dem Ausschluss bzw. der Diagnostik weiterer Bei der Lungenkontusion (Lungenprellung) sind Tei-
Verletzungen. le des Lungenparenchyms durch die Thoraxkompres-
sion geschädigt. Es kommt zu Einblutungen in das
Rippenserienfraktur mit instabilem Thorax Lungenparenchym, bei schweren Formen mit nach-
Bei der Rippenserienfraktur sind mindestens drei folgendem interstitiellem und intraalveolärem Ödem
nebeneinander liegende Rippen gebrochen. Ist da- im geschädigten Lungenbereich und evtl. auch darü-
bei jeweils ein Stück der Rippe herausgebrochen ber hinaus. Dadurch entstehen Mikroatelektasen, wo-
(Doppelfraktur der Rippe), kann ein instabiler Tho- durch der Rechts-Links-Shunt zunimmt (›  2.2.4);
rax entstehen mit paradoxer Atmung: Der „lose“ die Compliance der Lunge und die FRC (›  1.2.1)
Brustwandbereich über den Frakturen bewegt sich nehmen durch die Flüssigkeitseinlagerungen ab.
bei der Inspiration nach innen, bei der Exspiration Unterschieden werden die einfache Lungen-
nach außen (Dreschflegelbewegung, daher auch die kontusion, bei der das Röntgenbild des Thorax
Bezeichnung Dreschflegel-Thorax oder flail-chest). zwar Verschattungen zeigt, der Patient aber gar
Dadurch pendelt Luft innerhalb des von der Verlet- keine oder nur geringfügige Zeichen einer respira-

Abb. 2.6  Paradoxe Atmung bei


instabilem Thorax. Links: Während
der Inspiration bewegt sich das
instabile Thoraxsegment nach in­
nen, während der Exspiration nach
außen (Mitte). Rechts: Die maschi­
nelle Beatmung mit PEEP bewirkt
eine Stabilisierung („innere Schie­
nung“) der verletzten Thorax­
wand. [L138]
28 2  Respiratorische Insuffizienz

torischen Insuffizienz zeigt und die Blutgasanalyse Pathophysiologie


unauffällig ist, und die schwere Lungenkontusion Aufgrund ihrer Eigenelastizität hat die Lunge das Be-
(Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizi- streben sich zusammenzuziehen. Da die Flüssigkeit im
enz), bei der die klinischen Zeichen der respiratori- Pleuraspalt jedoch nicht dehnbar ist, haftet die Lunge
schen Insuffizienz ausgeprägt sind und die Blutgas- an der Innenwand des Brustkorbs, d. h. sie dehnt sich
analyse entsprechend pathologisch verändert ist. während der Inspiration aus und wird während der
Exspiration etwas kleiner (auch › 1.2). Dieses System
2 Das im Röntgenbild sichtbare Ausmaß der Lungenkontu­ wird durch einen Pneumo- oder Hämatothorax ge-
sion korreliert nicht immer mit der Schwere der Lungen­ stört: Der Unterdruck im Pleuraspalt wird aufgehoben
funktionsstörung. Häufig beeinträchtigen ausgedehnte und die Lunge kollabiert ganz oder teilweise.
Kontusionsherde in der Lunge den Gasaustausch nur ge­
ring bzw. ist umgekehrt der Gasaustausch massiv beein­ Ätiologie und Einteilung
trächtigt bei scheinbar nur geringen Kontusionsherden. Dem Pneumothorax können ganz verschiedenarti-
ge Ursachen zugrunde liegen:
Die Therapie ist i. d. R. konservativ. Liegt ein begleiten- • Beim idiopathischen Pneumothorax entsteht
der Hämatopneumothorax vor, entspricht die Be- durch bislang ungeklärte Ursachen ein Riss im
handlung den in ›  2.3.4 beschriebenen Grundsät- Lungengewebe
zen. Bei leichter Lungenkontusion genügen evtl. Sau- • Der iatrogene Pneumothorax entsteht im Rah-
erstoffgabe und Analgesie. Bei schwerer Lungenkon- men einer diagnostischen oder therapeutischen
tusion ist i. d. R. rasch eine maschinelle Beatmung mit Maßnahme (z. B. Legen eines ZVK)
PEEP erforderlich, etwa bei gleichzeitiger Thorax­ • Dem symptomatischen Spontanpneumothorax
wand­instabilität, initial bestehender respiratorischer liegt eine Lungenerkrankung zugrunde, z. B. eine
Globalinsuffizienz oder sich im Verlauf verschlech- COPD, eine Tuberkulose oder ein Bronchialkarzi-
ternder Lungenfunktion. Operative Eingriffe sind nur nom
selten erforderlich, etwa bei massiven persistierenden • Ein traumatischer Pneumothorax entsteht durch
Blutungen. Eine konsequente Lagerungstherapie dient ein stumpfes Thoraxtrauma (z. B. mit Einriss der
der Atelektasen-Wiedereröffnung („Rekrutierung“) Pleura, Rippenfrakturen mit Anspießung der Pleu-
sowie der Mobilisation und Reduktion des Bronchial- ra durch Frakturfragmente oder Tracheobronchi-
sekrets und des interstitiellen Lungenödems. Bei den alverletzungen) oder penetrierende Verletzungen
häufig polytraumatisierten Patienten ist eine konven- der Thoraxwand (z. B. Stich-, Schuss- oder Pfäh-
tionelle Lagerungstherapie im Intensivpflegebett oft lungsverletzungen). Unterschieden werden:
kontraindiziert, z. B. wegen Schädel-Hirn- oder Wir- – Offener Pneumothorax mit offener Verbin-
belsäulenverletzungen. In diesen Fällen ist dann oft dung entweder zwischen Außenwelt und Pleu-
eine kinetische Therapie in einem Spezialbett ange- raspalt (offener äußerer Pneumothorax) oder
zeigt (z. B. im Rotorest®-Bett, › 9.6.5). zwischen Tracheobronchialsystem und Pleura-
spalt (offener innerer Pneumothorax). Die Luft
tritt jeweils während der Inspiration in den
2.3.4  Pneumothorax und Pleuraspalt ein und bei der Exspiration wieder
Hämatothorax aus. Der Lungenflügel der betroffenen Seite
kollabiert völlig und es kommt zum Mediasti-
DEFINITION nalflattern (auch Mediastinalpendeln), d. h. das
Pneumothorax: Luftansammlung im Pleuraspalt mit Mediastinum wird mit jeder Inspiration zur
partiellem oder komplettem Kollaps des betroffenen Lun­ gesunden Seite hin verlagert
genflügels. – Geschlossener Pneumothorax. Dieser ent-
Hämatothorax: Ansammlung von Blut im Pleuraspalt. steht, wenn sich die Lufteintrittspforte bei ei-
Evtl. liegt gleichzeitig ein Pneumothorax vor (Hämato­
pneumothorax). Meist verletzungsbedingt als Folge
nem offenen Pneumothorax verschließt
eines stumpfen oder penetrierenden Thoraxtraumas. – Spannungspneumothorax. Dabei entsteht ein
Ventilmechanismus an der Lufteintrittspforte
2.3  Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 29

(daher auch die Bezeichnung Ventilpneumotho- Die Diagnostik umfasst:


rax): Während der Inspiration öffnet sich das • Anamnese (Unfallhergang? Vorangegangene dia-
Leck in der Pleura und Luft tritt in den Pleura­ gnostische oder therapeutische Maßnahmen, z. B.
spalt ein. Bei der Exspiration verschließt sich das Pleurapunktion?)
Leck, d. h. die Luft kann nicht aus dem Pleura- • Körperliche Untersuchung (Klopfschall? Atemge-
raum entweichen. Mit der nächsten Inspiration räusche? Thoraxexkursionen? Zeichen der Hypo-
tritt dann erneut Luft in die Pleurahöhle ein volämie?)
usw. Dadurch steigt der Druck in der Pleura- • Röntgen-Thorax (im Stehen in Exspiration, bei 2
höhle kontinuierlich an, wodurch das Mediasti- V. a. Hämatothorax evtl. auch in Seitenlage), ggf.
num (und damit auch das Herz und die großen zusätzlich Sonografie des Thorax und/oder CT-
Gefäße) und evtl. auch die Trachea und der bzw. MRT-Thorax
Kehlkopf zur gesunden Seite hin gedrängt wer- • Blutgasanalyse (Zeichen der respiratorischen In-
den. Es kommt zur Dyspnoe, Tachykardie und suffizienz?).
Hypotonie mit zunehmenden Schocksympto-
men durch Kompression der großen Gefäße; Intensivtherapie und -pflege
der Patient ist in akuter Lebensgefahr. Beim Pneumothorax ist i. d. R. die Anlage einer
Thorax-Saugdrainage indiziert, entweder als Bülau-
Spannungspneumothorax beim beatmeten Drainage (Punktion des 4.–6.  ICR in der vorderen
­Patienten oder mittleren Axillarlinie) zum Absaugen von Luft
Kommt es unter maschineller Beatmung zum Spannungs­ und Sekret oder als Monaldi-Drainage (Punktion
pneumothorax, wird bei jeder Inspiration Luft in die Pleu­ des 2.–3. ICR medioklavikulär) zum reinen Absau-
rahöhle gepresst. Der Patient zeigt zunächst die Zeichen gen von Luft. Darunter sollte sich die Lunge wieder
der Hypovolämie (Tachykardie, Hypotonie) bei gleichzei­ vollständig ausdehnen.
tig stark erhöhtem ZVD und gerät rasch in einen Kreis­
laufschock. Bei volumenkontrollierter Beatmung steigt
Zusätzlich erhält der Patient bei Bedarf Analgeti-
der Beatmungsdruck massiv an, bei druckkontrollierter ka und evtl. auch Antitussiva nach Arztanordnung.
Beatmung nimmt das Tidalvolumen rasch ab, sodass der Lediglich bei kleinem Pneumothorax („Mantelpneu-
Patient innerhalb kürzester Zeit kaum noch beatmet wer­ mothorax“) kann evtl. auf die Drainagebehandlung
den kann. verzichtet werden, wenn der Patient nicht beatmet
werden muss. Eine Operation mit Verschluss des
Ein Hämatothorax entsteht meist verletzungsbe- Luftlecks oder Entfernung des luftlecktragenden
dingt, selten infolge einer Pleuraerkrankung (z. B. Lungenareals ist angezeigt bei Rezidiv-Pneumotho-
Pleurakarzinose). rax, persistierender Luftfistel und unvollständiger
Ausdehnung der Lunge trotz Drainagenbehandlung.
Symptome, Befund und Diagnostik
Typische Symptome und Befunde sind thorakale Notfall! Erstmaßnahmen bei V.  a. Spannungs­
Schmerzen, Husten, Dyspnoe, Tachypnoe, vermin- pneumothorax
derte Atembewegungen der betroffenen Thoraxseite Lebensrettende Sofortmaßnahme ist die umgehende Ent­
und – insbesondere bei Spannungspneumothorax lastungspunktion, die (aus Zeitgründen) meist ohne vor­
und beim massiven Hämatothorax – Zeichen des herige Röntgenaufnahme des Thorax erfolgen muss. Der
Kreislaufschocks. Beim Spannungspneumothorax Arzt punktiert die betroffene Lungenseite im 2. oder 3.
ICR medioklavikulär mit einer dicken Kanüle oder führt an
sind darüber hinaus evtl. eine Zyanose sowie eine derselben Stelle eine Inzision mit Skalpell und Schere
Einflussstauung (ZVD-Erhöhung) und ein überbläh- durch. Beides bewirkt eine Überführung des Spannungs-
ter Thorax mit aufgehobenen Atemexkursionen in einen offenen Pneumothorax: Der Druck in der Pleura­
sichtbar. Die Atemgeräusche sind abgeschwächt oder höhle lässt nach, dadurch wandert das Mediastinum zu­
aufgehoben, der Klopfschall ist hypersonor, evtl. sind rück in seine Ausgangslage und die gesunde Lunge kann
asymmetrische Atembewegungen und ein Hautem- sich wieder entfalten. Zur endgültigen Versorgung erhält
physem sicht- bzw. tastbar. Nicht selten ist ein Pneu- der Patient dann eine Thorax-Saugdrainage.
mo- oder Hämatothorax auch asymptomatisch.
30 2  Respiratorische Insuffizienz

Auch ein Hämatothorax wird primär mit einer Tho- nale Reanimation oder ausgedehnte Weichteilverlet-
rax-Saugdrainage behandelt. Zudem wird der Volu- zungen ursächlich für die Fettembolie.
menverlust durch Infusionstherapie ausgeglichen, ggf.
ist eine Schockbehandlung notwendig. Bei massivem Pathophysiologie
Hämatothorax oder anhaltend hohen Blutverlusten Durch die Verlegung der Lungenstrombahn werden
(Blutverlust initial > 1.500–2.000 ml oder > 200 ml/h die betroffenen Lungenabschnitte ventiliert (belüf-
über 2–3 Stunden) ist eine Operation erforderlich. tet), aber nicht perfundiert (durchblutet): Es kommt
2 Insgesamt können etwa 80 % der Thoraxverlet- zur Totraumventilation (› 2.2.4) mit Dyspnoe.
zungen konservativ behandelt werden. Weiter kommt es durch die Verlegung der Lun-
genstrombahn zu einer akuten Widerstandserhö-
hung im Lungenkreislauf. Lungengesunde können
2.3.5 Lungenembolie eine pulmonalarterielle Obstruktion von bis zu etwa
50 % i. d. R. tolerieren, d. h. es tritt keine wesentliche
DEFINITION Erhöhung des pulmonalarteriellen Drucks auf. An-
Lungenembolie: Verlegung der arteriellen Lungen­ sonsten muss bei Lungengefäßobstruktionen > 50 %
strombahn durch Einschwemmung eines Thrombus, sel­ mit pulmonaler Hypertonie und akutem Cor pulmo-
ten von Fett, Luft, Fruchtwasser oder Gewebeteilen. nale (Dilatation und Insuffizienz des rechten Ventri-
Meist sind die Lungenunterlappen betroffen (rechts häu­ kels aufgrund einer akuten Drucksteigerung im Lun-
figer als links). Bei etwa 10 % der Betroffenen kommt es
innerhalb von 1–2  Tagen zum Lungeninfarkt (Unter­ genkreislauf) gerechnet werden. Bei vorbestehenden
gang von Lungenparenchym). kardiopulmonalen Erkrankungen können schon
kleinere Embolien massive Steigerungen des Drucks
in der Pulmonalarterie (PAP) verursachen.
Häufig liegt der Lungenembolie eine (evtl. noch nicht
erkannte) Phlebothrombose der Bein- und Becken- Symptome und Befunde
venen zugrunde. Dabei löst sich ein Thrombus aus Die Symptome und Befunde einer Lungenembolie
dem erkrankten Blutgefäß und wird mit dem Blut- sind wesentlich vom Ausmaß der Lungengefäßob­
strom in die Lungenstrombahn eingeschwemmt. Sel- struktion abhängig. Tabelle 2.1 zeigt die vier Schwe-
ten stammen die Thromben aus dem rechten Herzen regrade einer Lungenembolie sowie die entspre-
oder dem Einstrombereich der oberen Hohlvene. chenden Symptome und Leitbefunde.
Ursachen für die sehr seltene Fettembolie sind Zusätzlich sind oft auch Symptome der Grunder-
zumeist Knochentraumen (durch Frakturen oder krankung vorhanden, also z. B. Zeichen einer Phle-
operative Eingriffe), seltener sind eine kardiopulmo- bothrombose (Beinschwellung, Beinschmerzen).

Tab. 2.1  Schweregradeinteilung der Lungenembolie.


I (klein) II (submassiv) III (massiv) IV (fulminant)
Gefäßverschluss Periphere Äste Segmentarterien Ein Pulmonalarterien­ Pulmonalarterienhaupt­
ast stamm oder mehrere
Lappenarterien
Klinik Leichte Dyspnoe und Akute Dyspnoe, Tachy­ Akute schwere Dys­ Wie Grad III, zusätzlich
thorakale Schmerzen pnoe, Tachykardie, tho­ pnoe, thorakale Schocksymptomatik,
rakale Schmerzen Schmerzen, Zyanose, evtl. Herzkreislaufstill­
Unruhe, Synkope stand
RR Normal Leicht erniedrigt Stark erniedrigt Schock
Pulmonalarterien- Normal 15–25 mmHg 25–30 mmHg > 30 mmHg
druck (PAP)
paO2 ≥ 80 mmHg < 80 mmHg < 70 mmHg < 60 mmHg
2.3  Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 31

Beim beatmeten Patienten weist eine plötzlich auftreten­ • Abhängig vom Schweregrad (› Tab. 2.1):
de, anderweitig nicht erklärbare Hypoxämie, evtl. beglei­ – Heparinbolus und danach Vollheparinisierung
tet von Tachykardie, Blutdruckabfall und akuter pulmona­ bei Lungenembolie Grad I und II
ler Hypertonie, auf eine Lungenembolie hin. – Lysetherapie mit Alteplase (rtPA = rekombi-
nante Tissue-type-plasminogen-Aktivator, Ac-
Diagnostik tilyse®) mittels Bolus und anschließender Infu-
Die Diagnostik bei V. a. Lungenembolie umfasst: sion bei massiver Lungenembolie mit hämody-
• Blutgasanalyse (zeigt Ausmaß der respiratori- namischer Instabilität. Urokinase (Plasmino- 2
schen Insuffizienz, › 2.4.2). Achtung: Eine un- genaktivator) oder Streptokinase
auffällige Blutgasanalyse schließt eine Lungen- (Plasminogenaktivator) können für diese Indi-
embolie nicht aus! kation ebenfalls noch eingesetzt werden
• D-Dimere (Fibrin-Abbauprodukte). Bei geringer • Gegebenenfalls Schockbehandlung mit kreislauf-
klinischer Wahrscheinlichkeit für eine Lungen- wirksamen Medikamenten, z. B. Dobutamin, Ad-
embolie und Normalwert der D-Dimere ist eine renalin oder Noradrenalin
Lungenembolie i. d. R. ausgeschlossen • Bei Patienten mit Lungenembolie Schweregrad III
• EKG (Zeichen der Rechtsherzbelastung?) oder IV und absoluter Kontraindikation für Ly-
• Röntgen-Thorax (meist nicht pathologisch, zum setherapie evtl. Fragmentierung des Embolus über
Ausschluss anderer pulmonaler Ursachen geeig- spezielle Pulmonaliskatheter oder thoraxchirurgi-
net) sche pulmonale Embolektomie (Pulmonalisembol-
• Echokardiografie (Dilatation bzw. Zeichen der ektomie oder Trendelenburg-Operation).
akuten Belastung des rechten Ventrikels? Evtl. di- Kavafilter (mechanische Netzfilter) sind relativ sel-
rekter Thrombusnachweis mittels transösophage- ten indiziert zur Prophylaxe rezidivierender Lun-
aler Echokardiografie = TEE) genembolien bei Patienten mit Rezidiv-Lungenem-
• CT-Angiografie in Mehrschicht-Spiral-Technik bolie trotz durchgeführter Antikoagulation oder
(MS-Spiral-CTA) gilt als primäres Verfahren, Vorliegen von Kontraindikationen für eine Antiko-
wenn eine weitergehende bildgebende Diagnostik agulation. Des Weiteren werden sie eingesetzt bei
erforderlich ist. Sie hat die Lungenszintigrafie zu- Beinvenenthrombose mit frei flottierendem Throm-
rückgedrängt, die bisher i. d. R. als diagnostisch bus und Kontraindikationen für eine Thrombolyse
entscheidend galt (bei unauffälligem Befund ist oder eine Thrombektomie, um eine Lungenembolie
eine Lungenembolie mit großer Wahrscheinlich- zu verhindern. Kavakatheter werden im Rahmen ei-
keit auszuschließen). ner Angiografie entweder über die V. femoralis com-
Dazu kommen je nach vermuteter Ursache weitere munis oder retrograd über die V. jugularis interna
Untersuchungen, z. B. Doppler- und Duplexsono- eingeführt und unterhalb der Nierenvenen platziert.
grafie der Beinvenen zum Thrombosenachweis.

Intensivtherapie und -pflege 2.3.6 ARDS


Die Behandlung hat zum Ziel, ein weiteres Wachs-
tum des Embolus zu verhindern, seine Auflösung zu DEFINITION
beschleunigen und Rezidive zu vermeiden: ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome, auch akutes
• Ruhigstellung (absolute Bettruhe) Lungenversagen, Schocklunge, Atemnotsyndrom des Er-
• Atemerleichternde Lagerung. Patienten mit er- wachsenen): Syndrom einer akuten schweren Gasaustausch­
höhtem Oberkörper lagern, bei Schocksympto- störung unterschiedlicher Genese. Oft Komplikation schwe­
rer systemischer Erkrankungen oder schwerer Traumen. Dia­
men zusätzlich Beine auf Herzniveau anheben
gnosekriterien und Schweregradeinteilung › Tab. 2.3
• Schmerztherapie, evtl. mit Opioiden, ggf. auch
Sedierung
• Sauerstoffgabe zur Behandlung der Hypoxämie Pathophysiologie
• Gegebenenfalls Intubation und Beatmung Unterschiedliche Krankheitszustände können ein
ARDS auslösen. Dabei wird unterschieden zwischen
32 2  Respiratorische Insuffizienz

Tab. 2.2  Ursachen für ein ARDS. Tab. 2.3  Diagnosekriterien und Schweregradeintei-
Direkte (pulmonale) Indirekte (nichtpulmona­ lung des ARDS nach der Berlin Definition der ARDS
Ursachen le, systemische) Ursachen Definition Task Force 2012.
• Aspiration • Sepsis und SIRS Diagnosekriterium Veränderung
• Diffuse pulmonale • Polytrauma Beginn Aktuter Krankheitsbeginn
­Infektionen • Akute schwere Pankreatitis ≤ 1 Woche
• Lungenkontusion • Massivtransfusion (selten)
Radiologie  Bilaterale Verschattungen, die
2 • Beinahe-Ertrinken • Operation mit kardiopulmo­
(Konventionelles Rönt­ nicht ausschließlich durch Er­
• Inhalation toxischer nalem Bypass (selten) gen/CT) guss, Atelektasen oder Pneumo­
Gase thorax erklärbar sind
Lungenödem Ist nicht alleine auf Linksherz­
direkten (pulmonalen) und indirekten (nichtpulmo- dekompensation oder Hypervol­
ämie zurückzuführen
nalen, systemischen) Ursachen (› Tab. 2.2).
Beim ARDS löst die ursächliche Erkrankung/Ver- Oxygenierungs­ Mildes ARDS: 201–300 mmHg
index (Horrowitz-­ Moderates ARDS:
letzung bestimmte Veränderungen an der Lunge
Index)  101–200 mmHg
aus. Der Verlauf lässt sich grob in eine exsudative paO2/FiO2 (jeweils
und eine proliferative Phase gliedern: ­unter PEEP ≥ 5) Schweres ARDS: ≤ 100 mmHg
• Exsudative Phase. Durch die Stimulation von
Phagozyten werden verschiedenste Mediatoren
freigesetzt, die an der Lunge eine Zunahme der bestehen. Nach Gattinoni gibt es in der ARDS-Lun-
Permeabilität (Durchlässigkeit) des Kapillar- ge drei Zonen, die nebeneinander existieren kön-
und Alveolarendothels sowie eine Vasokonstrik- nen:
tion mit nachfolgender pulmonaler Hypertonie • Zone H („healthy“). Dies sind gesunde Lungen­
verursachen. Durch die Permeabilitätsstörung areale mit normaler Compliance und FRC sowie
entwickelt sich zunächst ein interstitielles, spä- normalem Ventilations-Perfusionsverhältnis.
ter dann ein alveoläres Lungenödem mit erhöh- • Zone R („recruitable“). Dabei handelt es sich um
tem Lungengewicht. Die Zerstörung des Surfac- Lungenareale mit Atelektasen, die durch Erhö-
tant führt zum Alveolarkollaps (Atelektasen hung des Atemzugvolumens und/oder PEEP er-
› 2.2.4), dadurch sind der physiologische Tot­ öffnet und damit wieder für den Gasaustausch
raum und der intrapulmonale Rechts-Links- genutzt werden können (rekrutierbare Lungen­
Shunt erhöht, die FRC und die Compliance der areale).
Lunge nehmen ab. • Zone D („diseased“). Dies sind zerstörte Lungen­
• Proliferative Phase: areale die nicht mehr am Gasaustausch teilneh-
– In der frühen proliferativen Phase entstehen in- men können.
folge der Entzündungsreaktionen hyaline
Membranen, die die Alveolarmembran verle- Symptome, Befund und Diagnostik
gen. In den Lungenkapillaren finden sich Mik- Am Anfang steht die auslösende Erkrankung/Ver-
rothromben. In dieser Phase ist die Erkran- letzung mit all ihren Symptomen. Innerhalb kurzer
kung prinzipiell noch voll reversibel Zeit (etwa 12 bis 24 Stunden) entwickeln sich die
– Im weiteren Verlauf kommt es zum zuneh- Zeichen einer Hypoxämie (› 2.4.1). Diese nehmen
menden bindegewebigen Umbau der Lunge im weiteren Verlauf zu und die Symptome der Hy-
mit interstitieller Fibrose (späte proliferative perkapnie treten hinzu. Auskultatorisch sind fein-
Phase), dadurch nimmt die Compliance weiter blasige Rasselgeräusche zu hören.
ab. In diesem Stadium ist das ARDS i. d. R. Die Diagnostik umfasst:
nicht reversibel. • Anamnese (ARDS-Auslöser?)
Diese Veränderungen sind nicht gleichmäßig über • BGA (zeigt Ausmaß der respiratorischen Insuffi-
die Lunge verteilt, d. h. es können beim ARDS ge- zienz)
sunde Lungenareale neben krankhaft veränderten
2.4  Leitsymptome und Diagnostik der respiratorischen Insuffizienz 33

• Röntgen-Thorax/CT (anfänglich Zeichen eines in- 2.4  Leitsymptome und


terstitiellen, dann eines alveolären Lungenödems, Diagnostik der respiratorischen
später typischerweise „weiße Lunge“) Insuffizienz
• Echokardiografie (Ausschluss primär kardialer
Ursachen oder Hypervolämie) ersetzt die früher
übliche Messung des PCWP (pulmonalkapillärer 2.4.1  Leitsymptome der
Verschlussdruck). respiratorischen Insuffizienz
2
Intensivtherapie und -pflege Die respiratorische Insuffizienz geht mit einer Hypox­
Im Mittelpunkt der Intensivtherapie und -pflege ämie (paO2 < 70 mmHg bei Raumluftatmung) und –
beim ARDS steht die Verbesserung des pulmonalen sofern eine respiratorische Globalinsuffizienz vorliegt
Gasaustauschs. – auch mit einer Hyperkapnie (paCO2 > 45 mmHg)
• Lungenprotektive Beatmung. Um eine ausrei- einher. Sowohl die Hypoxämie als auch die Hyper-
chende Oxygenierung aufrechterhalten zu kön- kapnie führen zu typischen Veränderungen, die je-
nen, müssen Patienten mit ARDS i. d. R. frühzei- doch etwa infolge einer Sedierung und evtl. auch
tig maschinell beatmet werden (Beatmung bei Muskelrelaxierung überdeckt und daher kaum beob-
ARDS › 6.8.1) achtbar sein können.
• Frühzeitige und konsequente Lagerungstherapie Neben den typischen Leitsymptomen der respira-
(Seiten- und insbesondere Bauchlagerung, ggf. torischen Insuffizienz liegen immer auch mehr oder
Anwendung spezieller Betten zur kinetischen weniger ausgeprägt die Symptome der Grund­
Therapie) trägt wesentlich zur Verbesserung des erkrankung vor, z. B. Fieber und typische feuchte
gestörten Gasaustauschs bei (› 9.3.1) Rasselgeräusche bei Pneumonie, Atemgeräusche
• In ausgewählten Fällen ist evtl. eine extrakorpo- (Giemen, Brummen) bei chronisch obstruktiven
rale CO2-Elimination (ECMO › 8.1.1) indiziert. Atemwegserkrankungen oder Schocksymptome bei
Außerdem sind in sehr seltenen Fällen die An- akuter Linksherzdekompensation oder schwerer
wendung von Stickstoffmonoxid zur Verminde- Lungenembolie.
rung der pulmonalen Vasokonstriktion (› 8.3),
die intratracheale Surfactant-Applikation
Symptome der Hypoxämie
(› 8.2) sowie die partielle Flüssigkeitsbeatmung
(› 8.5) zur Behandlung des ARDS möglich Fällt der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes ab,
• Bilanzierung des Flüssigkeitshaushalts. Flüssig- versucht der Organismus zunächst, dies zu kompen-
keitsüberlastungen verstärken das Lungenödem sieren, um die Sauerstoffversorgung der lebenswichti-
und müssen deshalb vermieden bzw. zügig be- gen Organe aufrechtzuerhalten. Dies geschieht durch:
handelt werden. Der ZVD soll niedrig gehalten • Steigerung der Atemtätigkeit (Steuerung der
und der Patient insgesamt ausgeglichen bis leicht Atmung › 1.1.3), insbesondere der Atemfre-
negativ bilanziert werden. Bei Niereninsuffizienz quenz. Es kommt zur Tachypnoe (Atemfrequenz
sind frühzeitig Nierenersatzverfahren indiziert, > 35/Min.), die – je weiter sie zunimmt – mit ei-
z. B. Hämofiltration. ner immer oberflächlicheren Atmung einhergeht
• Behandlung der ursächlichen Erkrankung, ggf. (Tidalvolumina werden geringer).
chirurgische Sanierung (z. B. bei Peritonitis) und • Stimulation des Sympathikus. Dadurch kommt
Antiinfektiva es zu Tachykardie, Hypertonie und Steigerung des
• Weitere wichtige Maßnahmen sind die Stabili- Herzzeitvolumens (HZV). Gehirn, Herz und Lun-
sierung des Kreislaufs (ggf. mit Katecholaminthe- ge werden dadurch zwar besser durchblutet (und
rapie), ggf. Analgosedierung (› 6.9), adäquate damit besser mit Sauerstoff versorgt), gleichzeitig
Ernährung des Patienten, Stressulkusprophylaxe steigt aber mit der Herzfrequenz auch der Sauer-
und Physiotherapie. stoffbedarf des Herzmuskels (myokardialer O2-
Bedarf), weshalb eine Tachykardie insbesondere
bei vorbestehenden Herzerkrankungen ungünstig
34 2  Respiratorische Insuffizienz

ist. Die Durchblutung von Haut, Schleimhaut und Unterschieden wird die Belastungsdyspnoe, die nur
Verdauungsorganen dagegen nimmt ab. bei körperlicher Anstrengung auftritt, von der Ruhe-
Sind diese Kompensationsmöglichkeiten ausge- dyspnoe, einer Atemnot in Ruhe ohne körperliche
schöpft, etwa bei schwerer und lang anhaltender Anstrengung.
Hypox­ämie oder bei pulmonalen und/oder kardia-
len Vorerkrankungen, kommt es im Spätstadium Zyanose
der Hypoxämie zu Bradykardie, Hypotonie und Ab- Die Zyanose (bläulich-rote Färbung von Haut und
2 fall des HZV. Schleimhaut durch verminderten Sauerstoffgehalt des
Blutes) ist ein spätes Zeichen der Hypoxämie. Sie tritt
Zerebrale und vegetative Veränderungen erst dann auf, wenn mehr als 50 g Hämoglobin pro Li-
Patienten mit Hypoxämie zeigen meist typische ze- ter Blut in ungesättigter Form (reduziertes Hämoglo-
rebrale und vegetative Veränderungen. Häufig sind bin) vorliegen (Sauerstoffsättigung › 1.2.3). Häufig
die Betroffenen unruhig, desorientiert und/oder tritt die Zyanose begleitend mit einer Dyspnoe auf
sehr erregt. Oft schwitzen sie sehr stark. Selten sind und verursacht beim Patienten Kopfschmerzen, Mü-
sie schläfrig, dies ist eher typisch für die Hyperkap- digkeit und Konzentrationsschwäche. Zudem frieren
nie (siehe unten). die Betroffenen typischerweise rasch.
Diese Symptome sind jedoch unspezifisch und
können in dieser Kombination z. B. auch bei Erkran- Bei Anämie mit Hb < 4,8 g/dl sowie bei Zyanid- oder
kungen des Gehirns, hohem Fieber oder einem Al- Kohlenmonoxid(CO)-Vergiftung kommt es trotz massiver
koholentzugsdelir auftreten. Deshalb ist es wichtig, Hypoxämie nicht zur Zyanose.
beim Auftreten der genannten Symptome zuerst ei-
ne Hypox­ämie auszuschließen und ggf. zu behan- Symptome der Hyperkapnie
deln, bevor der betroffene Patient Sedativa erhält, da
eine (unerkannte) Hypoxämie dadurch verstärkt Eine Hyperkapnie zeigt sich vor allem durch Schläf-
werden kann. rigkeit und zunehmende Bewusstseinseintrübung
bis hin zur CO2-Narkose (›  1.1.3). Das Blutvolu-
Dyspnoe men des Gehirns nimmt zu, dadurch kann ein be-
reits erhöhter Hirndruck weiter steigen. Weitere kli-
DEFINITION nische Symptome der Hyperkapnie sind:
Dyspnoe: Erschwerte Atmung mit subjektiv empfunde­ • Gerötete Haut
nem Gefühl der Atemnot. • Schwitzen
• Hypertonie, Tachykardie, Herzrhythmusstörungen
Eine Hypoxämie geht sehr häufig – jedoch nicht im- • Muskelzuckungen und -krämpfe bei extremer
mer! – mit einer Dyspnoe einher. Dabei ist die Atem­ Hyperkapnie.
arbeit meist sichtbar verstärkt: Der Patient atmet Durch den erhöhten CO2-Gehalt des Blutes kommt
hochfrequent, oberflächlich und setzt die Atemhilfs- es zur Azidose (›  1.3.2), die wiederum eine
muskulatur ein. Patienten mit schwerer Dyspnoe sit- Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
­
zen typischerweise – sofern ihnen dies möglich ist – (› 1.2.3) nach sich zieht. Dadurch sinkt bei gleich-
aufrecht im Bett und ringen nach Luft. Meist signali- bleibendem paO2 die arterielle Sauerstoffsättigung.
sieren die weit aufgerissenen Augen und der ängstli-
che Gesichtsausdruck das Ausmaß der Angst und
Panik, das die Betroffenen durchleben. 2.4.2 Blutgasanalyse

Beim intubierten oder tracheotomierten Patienten weisen Die Symptome der respiratorischen Insuffizienz ge-
Schwitzen, starke Atembemühungen, ein angstvoller, an­ ben Hinweise auf Art und Ausmaß sowie eventuell
gestrengter Gesichtsausdruck, ein geöffneter Mund und auch auf die Ursache der Atemstörung. Eine sichere
Nasenflügeln auf Atemnot hin. Diagnose lässt sich allerdings erst durch eine Blut-
gasanalyse stellen.
2.4  Leitsymptome und Diagnostik der respiratorischen Insuffizienz 35

DEFINITION Normwerte der Blutgasanalyse


Blutgasanalyse (kurz BGA): Bestimmung der Partial­
drücke von paO2 und paCO2 im arteriellen oder Kapillar­
Normwerte der Blutgasanalyse › Tabelle 2.4
blut. Da die Blutgase und der Säure-Basen-Haushalt eng
zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen,
werden im Rahmen der Blutgasanalyse auch der pH- BGA aus Kapillarblut
Wert, das Standardbikarbonat (SBC) und die Basenab­ Ob die Ergebnisse einer aus arterialisiertem Kapil-
weichung (base excess, kurz BE, auch Basenüberschuss) larblut (i. d. R. aus hyperämisiertem Ohrläppchen)
mit bestimmt (› 1.3). gewonnenen Blutgasanalyse genau genug und damit 2
verwertbar sind, ist umstritten. Viele Studien bewer-
Der pH-Wert sowie paO2 und paCO2 werden gemes- ten die Differenz zwischen den Werten der kapillä-
sen. Standardbikarbonat, Basenabweichung und ren BGA und denen der arteriellen BGA als akzepta-
Sauerstoffsättigung werden aus den gemessenen Pa- bel (Wimpress/Vara/Brightling, 2005), andere Auto-
rametern errechnet. ren gehen insbesondere bei den pO2-Werten von
Blutentnahme zur Blutgasanalyse › 9.2.3 nicht akzeptablen Differenzen aus (Fajac et al. 1998).
Mögliche Fehlerquellen bei der Entnahme von Ka-

Tab. 2.4  Blutgasanalyse. Der pH, paO2 und paCO2 werden gemessen, SaO2, SBC und BE werden, bezogen auf Stan-
dardbedingungen (Körpertemperatur 37 °C, Hämoglobingehalt 15 g/dl, paCO2 40 mmHg) errechnet (auch › Tab. 1.3).
Parameter Normwert im arteriel­ Bewertung und Bemerkungen
len bzw. Kapillarblut
pH (› 1.3) 7,36–7,44 ↓ metabolische oder respiratorische Azidose
(› 1.3.2) 
↑ metabolische oder respiratorische Alkalose
(› 1.3.2)
paO2 (arterieller Sauerstoffpartial- 70–100 mmHg ↓ bei Hypoxämie 
druck) (9,3–13,3 kPa) Bei der Beurteilung der Sauerstoffsättigung muss im­
SaO2 (Sauerstoffsättigung, auch O2sat 95–97 % mer auch der Hämoglobingehalt des Blutes berück­
oder sO2; › 1.2.3) sichtigt werden, da bei einem niedrigen Hb-Wert der
Gesamtsauerstoffgehalt des Blutes (Sauerstoffbin­
dungskapazität › 1.2.3) trotz hoher Sättigung
nicht ausreichend sein kann. 
paO2 und SaO2 verändern sich stets gleichsinnig. Im
Alter sind beide Werte physiologisch etwas niedriger.
paCO2 (arterieller Kohlendioxidparti- 35–45 mmHg ↓ bei respiratorischer Alkalose bzw. respiratorisch
aldruck) (4,7–6 kPa) kompensierter metabolischer Azidose (› 1.3.2). 
↑ bei respiratorischer Azidose bzw. bei respirato­
risch kompensierter metabolischer Alkalose
(› 1.3.2). 
Bei Schwangeren ist der paCO2 physiologisch etwas
erniedrigt.
SBC (Standardbikarbonat, auch StH- 22–26 mmol/l ↓ bei metabolischer Azidose bzw. bei metabolisch
CO3−) kompensierter respiratorischer Alkalose. 
BE (base excess, Basenabweichung −3– +3 mmol/l ↑ bei metabolischer Alkalose bzw. bei metabolisch
oder Basenüberschuss, d. h. Abwei- kompensierter respiratorischer Azidose.
chung vom normalen Wert der Basen
bzw. vom Referenzwert der Gesamt-
pufferbasen. Wichtig zur Beurteilung
der nicht atmungsbedingten Anteile
bei Störungen im SBH).
36 2  Respiratorische Insuffizienz

pillarblut zur BGA sind vor allem eine ungenügende 2.4.3  Weitere Diagnostik bei
Arterialisierung des Blutes und der Einschluss von respiratorischer Insuffizienz
Luftbläschen in die Kapillare bei der Entnahme, was
falsche pO2-Werte zur Folge haben kann. Besteht Die weiteren diagnostischen Maßnahmen dienen
zwischen dem in der BGA ermittelten Wert der Sau- dazu, Art und Ausmaß der zugrunde liegenden Er-
erstoffsättigung und dem per Pulsoxymetrie gemes- krankung zu diagnostizieren. In der Regel erfolgt die
senen Wert eine Differenz von mehr als zwei Pro- weitere Diagnostik erst nachdem bereits Therapie-
2 zentpunkten, ist von einem Fehler bei der BGA-Ab- maßnahmen vorgenommen wurden, z. B. Sauer-
nahme auszugehen. stoffgabe, endotracheale Intubation und maschinelle
Beatmung, welche die akute vitale Bedrohung des
Gemischtvenöse Sauerstoffsättigung und venöser Patienten beseitigen sollen.
Sauerstoffpartialdruck Die weiterführende Diagnostik umfasst:
Bei besonderer Fragestellung können mittels Blut- • Körperliche Untersuchung mit Palpation (Tast-
gasanalyse darüber hinaus die gemischtvenöse Sau- untersuchung) des Thorax, Auskultation (Abhö-
erstoffsättigung (SvO2, normal 40–70 %) und der ren) und Perkussion (Abklopfen) der Lunge
venöse Sauerstoffpartialdruck (pvO2, normal 40– (Atemgeräusche?)
52 mmHg) bestimmt werden. Beide Werte lassen • Röntgen-Thorax (Zeichen für Pneumonie, Lun-
Rückschlüsse auf die Sauerstoffausschöpfung des genödem, Pleuraerguss, Lungenüberblähung,
Gewebes zu (›  1.2.3). Zur Bestimmung der ge- ­Atelektase oder Pneumothorax?)
mischtvenösen Sauerstoffsättigung wird Blut aus • EKG (Herzrhythmusstörungen? Akuter Myo-
der A.  pulmonalis entnommen (hier befindet sich kardinfarkt? Zeichen der Rechtsherzbelastung?).
venöses Mischblut des gesamten Organismus). Der Die weitere Diagnostik ist dann abhängig von der
venöse Sauerstoffpartialdruck wird aus venösem Verdachtsdiagnose, z. B. mikrobiologischer Erreger-
Blut bestimmt und variiert abhängig davon, aus nachweis und Resistenzbestimmung bei Verdacht
welcher Vene Blut entnommen wurde, da die Sauer- auf Pneumonie.
stoffausschöpfung der einzelnen Gewebe unter-
schiedlich ist.

Veränderungen der Blutgasanalyse bei


2.5  Therapie der
respiratorischer Insuffizienz respiratorischen Insuffizienz
Bei der pulmonalen Insuffizienz (respiratorische
Partialinsuffizienz) ist der pO2 vermindert. Der Die Initialtherapie bei akuter respiratorischer In-
pCO2 ist dabei normal oder – wenn der Patient hy- suffizienz soll die akute Bedrohung für den Patien-
perventiliert, um den Sauerstoffgehalt zu steigern – ten beseitigen, seine Luftnot lindern und eventuelle
etwas vermindert. Bei der ventilatorischen Insuffi- Folgeschäden, etwa durch den Sauerstoffmangel,
zienz (respiratorische Globalinsuffizienz) ist der pO2 vermeiden.
vermindert und der pCO2 erhöht, d. h. es entsteht Die Initialtherapie bei akuter respiratorischer In-
eine respiratorische Azidose (› 1.3.2). Tritt diese suffizienz umfasst:
rasch auf, kann der Organismus sie i. d. R. nicht • Sauerstoffgabe (siehe unten)
oder nur teilweise kompensieren. Dann ist der pH- • Atemerleichternde Lagerung (Oberkörper hoch-
Wert erniedrigt. Entsteht die respiratorische Glo- lagern, Unterarme auf festen Unterlagen etwas
balinsuffizienz langsam, etwa durch eine chroni- erhöht lagern, evtl. Beine leicht absenken)
sche Lungenerkrankung, kann der Organismus die • Ggf. Atemwege freimachen und freihalten (Maß-
Veränderung des Säure-Basen-Haushalts eventuell nahmen › 3.1)
vollständig kompensieren. Dann ist der pH-Wert • Bei hochgradiger respiratorischer Insuffizienz,
im Normbereich (Kompensationsmechanismen insbesondere bei ventilatorischer Insuffizienz
› 1.3.1). bzw. wenn die Spontanatmung bereits zum Erlie-
2.5  Therapie der respiratorischen Insuffizienz 37

gen kam, muss der Patient beatmet werden (Ma-


nuelle Beatmung › 3.3, NIV › 6.4, Intubation
› Kap. 4, Indikationen zur Beatmung › 6.1.1).

Sauerstoffgabe

Bei der Sauerstoffgabe Nebenwirkungen bzw. Risi­


ken beachten (Gefahr der Atemdepression bei Patienten 2
mit chronisch erhöhtem paCO › 1.1.3, Sauerstofftoxizi­
tät › 6.2.3) und regelmäßig kontrollieren, ob die Indi­
kation für die Sauerstoffgabe noch besteht bzw. eine
Reduktion möglich ist.
Abb. 2.7 Sauerstoffmaske für tracheotomierte Patienten.
Patienten mit Paraquat-Intoxikation (Herbizid) oder Bleo­
[V394]
mycin-Gabe (Zytostatikum) sollten nach Möglichkeit kei­
ne Sauerstoffgabe erhalten (bei beiden kann eine zusätz­
liche Lungenschädigung im Sinne einer Lungenfibrose Inspiration wieder in die Lunge gelangen. Nach
entstehen). längerer Zeit können durch eine Maske Haut-
schäden entstehen.
– Sauerstoffmaske mit Reservoir und teilweiser
Bei der Sauerstoffgabe wird zwischen Low-Flow- Rückatmung. Das sauerstoffgefüllte Reservoir
Systemen und High-Flow-Systemen unterschie- der Maske ermöglicht beim Sauerstoffflow von
den. 6–10 l/Min. eine inspiratorische Sauerstoffkon-
Bei Low-Flow-Systemen ist der Sauerstoffflow zentration von 40–70 %.
geringer als der Inspirationsflow des Patienten, d. h. – Sauerstoffmaske mit Reservoir ohne Rückat-
die sauerstoffangereicherte Frischluft mischt sich mung. Ein Ventil verhindert, dass Exspirations-
mit dem endexspiratorischen (sauerstoffarmen und luft in das Reservoir gelangt. Bei einem Flow
kohlendioxidreichen) Gas und wird dadurch ver- von mindestens 10 l/Min. kann eine inspirato-
dünnt. Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration rische Sauerstoffkonzentration von 60–80 %
ist abhängig von: erreicht werden.
• Eingestelltem Sauerstoffflow • T-Stück (wird auf die Trachealkanüle bzw. den
• Inspirationsflow des Patienten (z. B. Tidalvolu- Tubus des tracheotomierten/intubierten Patien-
men, Atemfrequenz bzw. Inspirationszeit) ten aufgesetzt).
• Applikationsform. High-Flow-Systeme liefern ein definiertes FiO2 mit
Mögliche Applikationsformen bei der Low-Flow- einem Flow der höher ist als der Inspirationsflow
Verabreichung von Sauerstoff: des Patienten. Dies minimiert die Gefahr einer zu-
• Sauerstoffsonde und Sauerstoffbrille, ggf. mit ab- sätzlichen Verdünnung mit Raumluft. Vorausset-
dichtendem Schaumstoff. Abhängig von der zung für den Einsatz eines High-Flow-Systems ist
Atemmechanik werden bei der Gabe von bis zu die Atemgasklimatisierung (›  6.6). Mögliche An-
6 l/Min. Sauerstoff inspiratorische Sauerstoffkon- wendungsformen:
zentrationen von 24–40 % erreicht. Bei einem • Sauerstoffmaske (› oben)Venturi-Masken
Flow von über 4 l/Min. muss der Sauerstoff ange- (Sauerstoffmasken mit speziellen farbkodierten
feuchtet werden. Adaptern) liefern bei definiertem Sauerstoffflow
• Sauerstoffmaske (Gesichtsmaske › Abb. 2.8 ein festgelegtes FiO2, das je nach verwendetem
oder Tracheostomamaske, › Abb. 2.7). Bei ei- Venturi-Ventil (farblich gekennzeichneter Adap-
nem Sauerstoffflow von 5–10 l/Min. werden in­ ter) zwischen 24–50 % liegt (› Abb. 2.8).
spiratorische Sauerstoffkonzentrationen von 35– • T-Stück (› oben)
50 % erreicht. Ein geringerer Sauerstoffflow kann • High-Flow-Oxygen-Systeme, z. B. Humidified
zur CO2-Retention führen, da Teile der Exspirati- High Flow oxygen via Nasal Cannula (HHFNC),
onsluft unter der Maske verbleiben und mit der Nasal High Flow (NHF®), Therapie mit nasaler
38 2  Respiratorische Insuffizienz

Adapter: dichtet, d. h. durch den Flow entsteht ein positi-


Sauerstoffkonzentration in % ver Druck im Nasenrachenraum, der die Resis-
tance (› 1.2.1) und die Atemarbeit (WOB,
› 1.2.1) verringert und damit die Inspiration
28% 31% 35% 40% 50% erleichtern soll. Andere Systeme verwenden dün-
ne Nasenstutzen, die eine Druckerhöhung im Na-
senrachenraum vermeiden. High-Flow-Oxygen-
2 Therapie wirkt ähnlich wie Masken-CPAP
Vernebler-Topf (› 6.3.8) oder NIV (› 6.4), gleichzeitig ist der
Patient weniger beeinträchtigt: Essen, Trinken,
Sprechen und Mundpflege sind nicht behindert.
Für das Langzeitoutcome (Intubation, Liegedau-
er, Sterblichkeitsrate, Kosten-Nutzen-Analyse)
der Patienten mit High-Flow-Oxygen-Therapie
24%
liegen derzeit allerdings noch keine umfassenden
Abb. 2.8  Sauerstoffmaske mit Venturi-Adaptern. Auf die ver­ Daten vor.
schiedenfarbigen Adapter ist jeweils die FiO2 aufgedruckt, die
bei Verwendung des jeweiligen Adapters und definiertem Sau­
Viele Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz
erstoffflow verabreicht wird (siehe Text). [L143]
tolerieren eine Sauerstoffmaske nicht, da diese das Ge­
fühl der Luftnot verschlimmern kann. In diesem Fall ord­
­Insufflation (TNI®) oder High Flow Therapy net der Arzt dann evtl. kurzfristig höhere Sauerstoffdosie­
(HFT®), verabreichen über zwei kurze Nasen- rungen über die Nasensonde an. Erhalten Patienten mit
Stutzen bis zu 40 l Inspirationsgas/Min. Der Gas- chronischen Lungenerkrankungen Sauerstoff, überwa­
chen die Pflegenden sie sehr genau, um eine Lähmung
flow ist deutlich höher als der Inspirationsflow des Atemantriebs infolge der Sauerstoffgabe (erkennbar
des Patienten. Dadurch wird der anatomische an einer zunehmenden Eintrübung, auch › 1.1.3) früh­
Totraum des Nasenrachenraums freigespült (Luft zeitig erkennen zu können.
entweicht über den Mund), sodass zu Beginn der
Inspiration CO2-freies Gas mit dem eingestellten
FiO2 zur Verfügung steht. Dadurch kann der Weitere Behandlung
beim Patienten i. d. R. erhöhte alveoläre Totraum Die weitere Behandlung einschließlich der Auswahl
kompensiert und eine CPAP- oder NIV-Therapie der Beatmungsform ist dann abhängig von der
hinausgeschoben bzw. vermieden werden. Bei Grunderkrankung, welche die respiratorische Insuf-
manchen Systemen sind die Nasenstutzen abge- fizienz verursacht hat.
KAPITEL
Freimachen und Freihalten

3 der Atemwege, manuelle


Beatmung
In manchen Fällen, insbesondere in der unmittel- offen. Zudem ermöglicht der Esmarch-Handgriff
bar postoperativen Phase sowie bei bewusstseins- eine gute Einsicht in Mund und Rachen. Erbroche-
getrübten oder bewusstlosen Patienten, ist eine nes, Blut, Fremdkörper (auch lockere Zahnprothe-
Verlegung der Atemwege die Ursache für eine sen) oder Sekret können manuell entfernt oder
akute respiratorische Insuffizienz. Diese ist meist abgesaugt werden.
bedingt durch eine Sekretansammlung im Rachen- Endotracheales Absaugen › 9.7
raum oder in den Atemwegen und/oder ein Zu- Absaugen des Rachenraums › 9.4.2
rücksinken der Zunge (bei Bewusstlosen erschlafft Setzt unter Anwendung des Esmarch-Handgriffs
die gesamte Skelettmuskulatur einschließlich der wieder eine ausreichende Spontanatmung ein (Tho-
Zungenmuskulatur; liegt der Betroffene auf dem rax hebt und senkt sich, exspiratorischer Luftstrom
Rücken, sackt die Zunge der Schwerkraft folgend ist spürbar, seitengleiche Atemgeräusche sind aus-
in den Rachenraum, wo sie den Kehlkopf verlegen kultierbar, Sauerstoffsättigung steigt wieder an,
kann). Zeichen der respiratorischen Insuffizienz bessern
Bei den betroffenen Patienten müssen die Atem- sich), kann der Griff langsam gelockert werden.
wege rasch freigemacht und – abhängig vom Zu- Kommt es danach wieder zum Zurückfallen der
stand des Patienten – kurz- oder längerfristig durch Zunge, ist evtl. die Einlage eines Pharyngealtubus
geeignete Maßnahmen freigehalten werden. sinnvoll (› 3.1.2).
Eine weitere Möglichkeit zum Freimachen der
Atemwege ist das einfache Überstrecken des Kopfs:
Kinn anheben, eine Hand unter den Nacken des Pa­
3.1  Maßnahmen zum tienten, die andere auf seine Stirn legen und den
Freimachen der Atemwege Kopf leicht überstrecken (› Abb. 3.2).

Bei V. a. Verletzungen der Halswirbelsäule den Kopf nicht


Ist ein Zurücksinken der Zunge die Ursache für ei- überstrecken!
ne Verlegung der Atemwege, können spezielle La-
gerungstechniken bzw. Handgriffe eingesetzt wer-
den, um die Atemwege wieder zu öffnen. Eine
wichtige Technik ist der Esmarch-Handgriff (auch
Esmarch-Heiberg-Handgriff): Der Kopf des Patien-
ten ist leicht überstreckt, die Pflegende umgreift
mit den Fingern beide Kieferwinkel, die Daumen
liegen am Kinn des Patienten. Der Mund wird ge-
öffnet und der Unterkiefer vorsichtig nach vorn
gezogen, sodass die untere Zahnreihe vor der obe-
ren liegt (› Abb. 3.1). Dadurch wird der Zungen-
grund von der Rachenhinterwand abgehoben und
die Luftwege sind in diesem Bereich maximal weit Abb. 3.1  Esmarch-Handgriff. [L106]
40 3  Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung

Abb. 3.2  Überstrecken des Kopfes zum Freimachen der Atem- Abb. 3.3  Pharyngealtuben. Links ein Guedeltubus mit Farb-
3 wege. [L190] markierung, in der Mitte ein VBM-Guedeltubus (siehe Text),
rechts ein Wendl-Tubus (Nasopharyngealtubus). [K115]

Tab. 3.1  Wahl der Größe bei Guedeltuben. Manche


3.2  Maßnahmen zum Hersteller bieten Guedeltuben mit Farbkodierung an,
Freihalten der Atemwege d. h. Tuben einer bestimmten Größe sind mit einer Farb-
markierung versehen, die an der äußeren Platte sichtbar
ist. Die Farbkodierungen der Herstellfirmen sind j­edoch
Das Freihalten der Atemwege erfolgt abhängig von uneinheitlich, deshalb ist es wichtig, sich darüber zu in-
formieren, welche Farbe welcher Größe entspricht.
der Situation des Patienten durch die oben beschrie-
benen speziellen Handgriffe (Esmarch-Handgriff, Guedeltubus Größe Geeignete Patientengruppe
Überstrecken des Kopfs), Einführen von Pharynge- 000, 00 Früh- und Neugeborene,
altuben, Intubation (› Kap. 4) oder Tracheotomie ­Säuglinge
(› Kap. 5). 0 Kleinkinder
1 Kinder
Pharyngealtuben 2 Jugendliche
3 Erwachsene (klein)
DEFINITION 4 Erwachsene (normal)
Pharyngealtuben (Rachentuben): Gebogene Tuben aus 5 Erwachsene (sehr groß – selten
Gummi oder Kunststoff, die über Mund (Oropharyngealtu- erforderlich)
ben) oder Nase (Nasopharyngealtuben) in den ­Rachen
eingeführt werden und die Atemwege freihalten, indem
sie ein Zurücksinken der Zunge verhindern (› Abb. 3.3). Vorsicht!
• Der Guedeltubus kann durch Reizung an Zungen-
grund, Gaumen, Zäpfchen und Rachenhinterwand
Oropharyngealtuben nach Guedel starken Würgereiz mit der Gefahr des Erbrechens
Oropharyngealtuben nach Guedel (Guedeltuben) auslösen. Deshalb beim Einführen darauf achten, dass
gibt es in verschiedenen Größen. Sie sind so geformt, die Schutzreflexe weitgehend erloschen sind.
• Zu klein gewählte Guedeltuben können den Zungen-
dass sie – bei korrekt ausgewählter Größe – ein Zu-
grund gegen die Rachenhinterwand drücken und da-
rücksinken der Zunge verhindern bzw. beheben
durch die Verlegung der Atemwege verstärken.
können (korrekte Lage eines Guedeltubus › Abb. • Zu groß gewählte Guedeltuben können den Kehlde-
3.5). Die geeignete Größe wird durch Abmessen des ckel auf den Kehlkopfeingang drücken und dadurch
Abstands zwischen Mundwinkel und Ohrläppchen die Atemwege verschließen. Zudem können sie einen
ermittelt. › Tab. 3.1 zeigt die gängigen Größen von Laryngospasmus auslösen (› 4.12.5).
Guedeltuben und die jeweils geeignete Patienten- • Bei längerer Liegedauer besteht die Gefahr von

gruppe, ›  Abb. 3.4 und ›  Abb. 3.5 zeigen das Druckulzera an Lippen/Zunge.
Einführen und die korrekte Lage eines Guedeltubus.
3.2  Maßnahmen zum Freihalten der Atemwege 41

A: Richtige Größe des Guedeltubus abschätzen B: Guedeltubus so in den Mund einführen, dass die
(soll ungefähr vom Mundwinkel bis zum Ohr- distale Öffnung nach oben (in Richtung Nase) zeigt.
läppchen reichen).

C: Nach etwa ⅔ den Guedeltubus um 180° drehen D: Guedeltubus so weit einführen, dass die Platte
und dabei in den Rachenraum vorschieben. vor den Lippen liegt.

Abb. 3.4  Einführen eines Guedeltubus. [K183]

Im Bereich der Zahnreihen ist die Wand des Guedel- der Mund-zu-Mund-Beatmung fließt die Atemluft
tubus besonders fest. Dadurch ist gewährleistet, dass auch über das Lumen des Guedeltubus.
der Patient nicht durch Zusammenbeißen der Zähne Der VBM-Guedeltubus (Firma VBM Medizin-
das Lumen des Guedeltubus verschließen kann. Aus technik GmbH) unterscheidet sich von den her-
diesem Grund wird der Guedeltubus häufig auch als kömmlichen Guedeltuben durch zwei Merkmale:
Beißschutz bei oral intubierten Patienten eingesetzt Das Lumen des Tubus ist seitlich offen (dies erleich-
(ein Zubeißen des Endotrachealtubus ist dann nicht tert das Absaugen über das Lumen und die Reini-
mehr möglich). gung des Tubus) und an der Deckplatte befindet sich
Über das Lumen des Guedeltubus kann der Ra- eine Aussparung zur Fixierung des Endotracheal­
chenraum des Patienten abgesaugt werden. Bei der tubus.
manuellen Beatmung mit Maske und Beutel bzw. bei
42 3  Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung

Sonderformen des Guedeltubus dicht auf den Lippen liegen und die Nase des Patien-
Sonderformen des Guedeltubus ermöglichen eine ten zugehalten werden.
Beatmung über den eingelegten Guedeltubus. Der Sowohl der Safar- als auch der Göttinger-Tubus®
Safar-Tubus ist wie zwei in S-Form aneinanderge- werden vorwiegend im Rettungsdienst und zur Ers-
fügte Guedeltuben aufgebaut (› Abb. 3.6). Durch ten Hilfe eingesetzt. Auf den Intensivstationen wer-
das äußere Ansatzstück wird bei der Beatmung Luft den sie praktisch nicht benutzt, da hier im Notfall
in die Lunge des Patienten geblasen. Ein schildarti- immer mit Beatmungsbeutel und -maske beatmet
ges Gummiteil in der Mitte des Tubus verschließt wird, um eine möglichst hohe inspiratorische Sauer-
die Mundhöhle nach außen. Der Göttinger-Tubus® stoffkonzentration zu erreichen (› 3.2.3).
verfügt zusätzlich über einen Filter zum Schutz vor
Infektionen. Eingeführt werden die beiden Tuben Nasopharyngealtuben
3 wie der Guedeltubus (› Abb. 3.4). Sobald über den Auch Nasopharyngealtuben (Wendltuben) beste-
Tubus beatmet wird, muss die Mundabdeckplatte hen aus Gummi oder Kunststoff und sind in ver-
schiedenen Größen verfügbar. Sie sind relativ weich
und flexibel. Die geeignete Tubuslänge wird durch
Messung des Abstands zwischen Nasenspitze und
Ohrläppchen ermittelt.
Einführen des Wendltubus (› Abb. 3.7):
• Passende Größe des Tubus auswählen (Kinder
20–24 Ch, Jugendliche 26 Ch, Erwachsene klein
28 Ch, mittel 30 Ch, groß 32 Ch). Wichtige Richt-
werte: Der Wendltubus sollte nicht dicker sein als
der Klein- bzw. Ringfinger des Patienten, die
richtige Länge entspricht dem Abstand zwischen
Abb. 3.5  Richtige Lage eines Guedeltubus (die Spitze muss Nasenspitze und Ohrläppchen des Patienten
ca. 1 cm oberhalb der Epiglottis liegen). [L157] • Wendltubus mit Gleitgel (z. B. Xylocain-Gel®)
­bestreichen
• Nasenspitze etwas anheben
• Wendltubus vorsichtig senkrecht in den unteren
Nasengang einführen und in den Rachen vor-
schieben. Dabei den Unterkiefer etwas anheben,
damit der Zungengrund nicht zum Kehlkopf hin
abgedrängt wird. Wendltubus unter Kontrolle
Abb. 3.6  Oropharyngealtubus nach Safar. [V420] der Atemgeräusche so weit vorschieben, bis eine

Abb. 3.7  Einführen (links) und richtige Lage (rechts) eines Wendltubus. [M251, L157]
3.3  Manuelle Beatmung 43

freie Strömung der Atemluft über den Tubus Beatmungsbeutel sind i. d. R. aus Kunststoff gefer-
fühl- und hörbar ist. Gegebenenfalls Lage des tigt. Die Beutel sind so aufgebaut, dass der Anwen-
Wendltubus durch Zurückziehen korrigieren der mit einer Hand die Luft aus dem Beutel pressen
• Ist beim Vorschieben des Wendltubus ein Wider- kann. Nach dem Ausdrücken dehnen sich die Beutel
stand zu spüren, den Tubus durch das andere Na- von selbst vollständig aus und füllen sich dabei mit
senloch einführen. Gelingt auch dies nicht ohne Wi- Luft. Beatmungsbeutel sind in verschiedenen Grö-
derstand, den nächstdünneren Tubus verwenden. ßen mit jeweils unterschiedlichen Hubvolumina
verfügbar, z. B. Baby-Beutel mit ca. 200 ml Hubvolu-
Im Gegensatz zu Guedeltuben werden Wendltuben auch men, Kinderbeutel mit ca. 350 ml Hubvolumen und
von Patienten mit erhaltenen Schutzreflexen i. d. R. gut Beutel für Erwachsene mit ca. 1.000 ml Hubvolumen
toleriert. (die Hubvolumina variieren abhängig von der Her-
Trotz vorsichtigem Einführen kann es zu Verletzungen der stellfirma). › Tab. 3.2 zeigt unterschiedliche Beu- 3
Nasenschleimhaut kommen mit der Gefahr von Blutun- telgrößen am Beispiel des Resu®-Beatmungsbeutels.
gen und einer pulmonalen Aspiration. Zu tief eingeführte Bei den neueren Kombibeuteln ist der Beutel in
Wendltuben (zu lange Tuben) können starken Würgereiz
mit der Gefahr von Erbrechen und nachfolgender Aspira-
verschiedene Segmente unterteilt. Mit diesen Beat-
tion sowie einen Laryngospasmus auslösen (› 4.12.5). mungsbeuteln können sowohl Kinder als auch Er-
Bei der Übernahme eines Patienten mit liegendem wachsene mit den passenden Volumina beatmet
Wendltubus muss die Durchgängigkeit überprüft werden, werden (z. B. HanauLife® Beatmungsbeutel der Fir-
da es leicht zu Verkrustungen im Innenlumen kommen ma Wero-medical oder Combibag® Beatmungsbeu-
kann. Der Wendltubus muss mindestens einmal täglich tel der Firma Weinmann).
gewechselt werden, bei Bedarf häufiger. An einem Ende des Beatmungsbeutels ist ein An-
saugventil (Einwegventil) angebracht, über das nach
Ausdrücken des Beutels Raumluft angesaugt wird
oder an das ein O2-Reservoirbeutel angeschlossen
3.3  Manuelle Beatmung werden kann. Außerdem befindet sich hier ein An-
schlussstutzen für den Sauerstoffschlauch. Am an-
deren Ende des Beatmungsbeutels ist das auswech-
Bei der manuellen Beatmung (Beatmung „von selbare Nicht-Rückatemventil angebracht, das an
Hand“) wird mithilfe eines Beatmungsbeutels Luft die Gesichtsmaske, den Tubus oder die Trachealka-
über eine Gesichtsmaske, eine Larynxmaske, einen nüle angeschlossen werden kann. Dieses Ventil ge-
Endotrachealtubus oder eine Trachealkanüle in die währleistet, dass die Exspirationsluft des Patienten
Lunge des Patienten geblasen. Im klinischen Sprach- nicht zurück in den Beutel gelangen kann, sondern
gebrauch wird der Begriff manuelle Beatmung über- in die Umgebung abströmt. Die Atemventile von Be-
wiegend für die Beatmung mit Beatmungsbeutel atmungsbeuteln für Säuglinge und Kinder sind im-
und -maske verwendet. mer mit Überdruckventilen ausgestattet, die einen
Endotrachealtuben › 4.3 zu hohen Beatmungsdruck verhindern. Bei Beat-
Trachealkanülen › 5.1 mungsbeuteln für Erwachsene gibt es Atemventile
mit oder ohne Überdruckventil. So ist z. B. der Com-
bibag® Beatmungsbeutel mit einem zweistufigen Si-
3.3.1  Beatmungsbeutel und cherheitsventil ausgestattet, das den Beatmungs-
Beatmungsmasken druck wahlweise auf 20 mbar (für die Maskenbeat-
mung bzw. die Beatmung von Kindern) oder
Beatmungsbeutel 60 mbar (für die Beatmung von Erwachsenen über
Endotrachealtubus) begrenzt.
Beatmungsbeutel werden im klinischen Sprachge- Meist besteht die Möglichkeit, an das Atemventil
brauch oft entsprechend des jeweiligen Herstellers des Beatmungsbeutels ein PEEP-Ventil aufzusetzen
benannt, z. B. Ambu-Beatmungbeutel (kurz Ambu- oder am Ventil einen PEEP einzustellen. Dies ist vor
beutel). allem bei der vorübergehenden manuellen Beat-
44 3  Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung

mung von Patienten wichtig, die mit PEEP beatmet Die Pflegenden vergewissern sich jeweils zu Schichtbe-
werden (Beatmung mit PEEP › 6.2.4). ginn, dass Beatmungsbeutel und -masken vorhanden
Einweg-Beatmungsbeutel (z. B. Ambu SPUR  II sind und überprüfen den Beatmungsbeutel auf seine
oder Laerdal The BAG™) werden inzwischen zuneh- Funktionsfähigkeit (erfolgt auf manchen Stationen vor
dem Verpacken und Sterilisieren).
mend alternativ zu Mehrweg-Beatmungsbeuteln
eingesetzt. Im Rettungsdienst und überall dort, wo
ein Beatmungsbeutel zwar bereitgehalten werden Funktionskontrolle
muss, jedoch in der Praxis selten eingesetzt wird, Um zu gewährleisten, dass der am Patientenbett
kommen überwiegend Einmal-Beatmungsbeutel bereitgehaltene Beatmungsbeutel funktionstüch-
zum Einsatz. tig ist, muss eine Funktionskontrolle durchge-
führt werden. In den meisten Kliniken erfolgt dies,
3 An jedem Bett eines beatmeten Patienten muss jederzeit wenn der Beutel gewechselt wird, d. h. wenn ein
ein funktionsbereiter Beatmungsbeutel zur Verfü- Beatmungsbeutel neu am Patientenbett deponiert
gung stehen, um den Patienten im Bedarfsfall, z. B. bei wird, und zusätzlich meist auch jeweils zu Schicht-
technischen Defekten am Respirator, manuell beatmen zu beginn.
können. Am Beatmungsbeutel besteht die Möglichkeit Zur Funktionskontrolle gehört die Überprüfung
ein O2-Reservoir anzubringen, sodass der Patient mit von:
100 % Sauerstoff beatmet werden kann. Zu empfehlen
ist, dass zusätzlich auch eine passende Beatmungsmaske
• Ansaugventil: Nach dem Ausdrücken des Beu-
bereitliegt, um im Fall einer unbeabsichtigten Extubation tels muss dieser sich selbst wieder entfalten. Beim
oder Dekanülierung eine Masken-Beutelbeatmung vor- Abdichten des Ansaugventils und des O2-Stut-
nehmen zu können. zens darf er sich nicht selbst füllen. Beim Öffnen
Auf vielen Intensivstationen wird an jedem Patientenbett- des O2-Stutzens kann er sich langsam und beim
platz – auch bei nicht beatmeten Patienten – ein Beat- Öffnen des Ansaugventils muss er sich schnell
mungsbeutel mit einer passenden Beatmungsmaske für wieder füllen.
den Notfall bereitgehalten. Wo dies nicht üblich ist, müs-
sen Beatmungsbeutel und -masken in Reichweite bereit-
• Nicht-Rückatemventil: Beim Ausdrücken des
liegen. Beutels (bei angebrachter Testlunge am Ventil-
auslass) muss sich das Atemventil zur Testlunge

Nichtrück- Ansaugsventil
atmungsventil
O2-Reservoirventil 2600 ml
1600 ml Sauerstoff-
Selbstfüllender Reservoirbeutel
Handbeatmungs-
Erwachsenen- beutel
Beutel O2-Anschlusstülle
2600 ml
500 ml

Druckbegrenzungsventil
Kinder-Beutel

240 ml
600 ml

Baby-Beutel Babymaske

Abb. 3.8  Verschieden große Beatmungsbeutel, hier Beutel der Firma Laerdal für Säuglinge, Kinder und Erwachsene. Die Beat-
mungsbeutel sind jeweils mit einem Reservoirbeutel versehen, dadurch ist eine manuelle Beatmung mit höherer Sauerstoffkonzen-
tration möglich (› Tab. 3.2). [V089]
3.3  Manuelle Beatmung 45

hin öffnen. Die Testlunge muss sich langsam fül- Aufbau und Anwendung von Nasenmasken finden
len. Während dem Ausdrücken der Testlunge sich in Kapitel 6.4.1.
muss das Ventil geschlossen bleiben. Gesichtsmasken für die manuelle Beatmung
• Dichtigkeit des Beutels: Atemventil zuhalten, bestehen aus Gummi oder Kunststoff (meist Sili-
gleichzeitig den Beatmungsbeutel leicht zusam- kon). Die Größen und Größenbezeichnungen der
mendrücken und prüfen, ob Luft aus dem Beutel Masken variieren abhängig vom Hersteller (z. B.
verloren geht. Rüsch® 1–3, Dräger® 1–4 und Ambu® 1–6). Bevor-
• Druckbegrenzungsventil: Prüfung wie oben, je- zugt werden Masken aus durchsichtigem Kunststoff
doch den Beutel kräftig zusammendrücken. Da- verwendet. Dies hat den Vorteil, dass das Beschla-
bei muss Luft aus dem Überdruckventil entwei- gen der Maskeninnenwand (Maskendom) während
chen. Im Zweifelsfall Druckmanometer an den der Exspiration beobachtbar ist und ein eventuelles
Ventilauslass anschließen und Beutel kräftig aus- Erbrechen während der Beatmung rasch bemerkt 3
drücken. Dabei muss das Manometer 35–45 cm- werden kann.
H2O anzeigen.
Gesichtsmasken für Erwachsene
Gesichtsmasken für Erwachsene haben meist einen
Beatmungsmasken
weichen, teils aufblasbaren Randwulst, der es er-
Beatmungsmasken gibt es als Nasen- oder Gesichts- möglicht, die Maske den Gesichtskonturen des Pati-
masken. Für die manuelle Beatmung werden Ge- enten anzupassen und sie gleichzeitig gegen die Au-
sichtsmasken verwendet. Diese umschließen Mund ßenwelt abzudichten (›  Abb. 3.9). Alle Masken
und Nase des Patienten. Nasenmasken umschließen haben einen genormten Anschlussstutzen (22 mm
nur die Nase und werden vor allem für die nichtin- ID), an den das Atemventil des Beatmungsbeutels
vasive Beatmung und für Nasal-CPAP (Nasen-CPAP bzw. die Beatmungsschläuche angeschlossen wer-
›  6.3.5) verwendet. Detaillierte Informationen zu den können. Meist verfügen diese Masken auch über
Vorrichtungen zum Befestigen von Haltebändern
Tab. 3.2 Resu®-Beatmungsbeutel. Richtwerte der (z. B. mit Häkchen versehene Ringe, die um den An-
verschiedenen Beutelgrößen. schlussstutzen gelegt werden). Damit können die
Beat­ Beatmungs­ Baby­ Masken längerfristig (z. B. zum Masken-CPAP) so
mungsbeu­ beutel für beutel am Kopf des Patienten befestigt werden, dass Mund
tel für Er­ Kinder und Nase dicht umschlossen sind.
wachsene
Gewicht des > 30 kg 7–30 kg < 7 kg Gesichtsmasken für Kinder
Patienten Für Früh- und Neugeborene, Säuglinge und Klein-
Rauminhalt 1.600 ml 500 ml 240 ml kinder werden spezielle Masken mit minimalem
des Beutels Totraum bevorzugt (Rendell-Baker-Masken; Größen
Maximales 1.000 ml 350 ml 205 ml 0–3). Diese Masken passen sich der typischen kind-
­Tidalvolumen lichen Gesichtskontur an. Alternativ stehen für klei-
Volumen Re- 2.600 ml 2.600 ml 600 ml ne Kinder runde Masken mit weichem Wulst zur
servoirbeutel Verfügung (› Abb. 3.9).
Maximale Be- 96/Min. 196/Min. 197/Min.
atmungsfre- Bei der Maskenbeatmung erhöht sich der funktionelle
quenz Totraum (› 1.2.1) des Patienten um das Totraumvo­
Kompression ganzer Hand ganzer Hand Daumen lumen der Maske (Luftmenge zwischen Innenwand der
mit und 2–3 Maske und Gesicht des Patienten). Dies ist vor allem für
Finger kleine Kinder, Säuglinge und Neugeborene relevant. Da-
Der Totraum der Patientenventile beträgt 7 ml bei allen her werden bei diesen Patienten besondere Masken mit
Beutelgrößen kleinstmöglichem Totraum verwendet.
46 3  Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung

Standardanschluss
(ISO-Anschluss)

Masken-
dom

Erwachsenen-Maske Kinder-Maske

weicher Abb. 3.9  Verschieden große Ge-


Wulst
Kinder-Maske (mit Wulst) Säuglings-Maske
sichtsmasken für Erwachsene,
Kinder und Säuglinge. [V089]

3.3.2 Kuhn-System Volumen komprimiert. Während der Exspiration


wird die Auslassöffnung freigegeben (Funktionsprin-
DEFINITION zip des Kuhn-Systems › Abb. 3.11), wobei das Aus-
Kuhn-System: Beatmungssystem ohne Ventile für die atemgas zusammen mit dem nachströmenden
manuelle Beatmung insbesondere von Kindern bis etwa Frischgas wieder in den Atembeutel und teilweise
20 kg Körpergewicht. Der Frischgasflow muss mindestens aus der Öffnung im Beatmungsbeutel in die Raum-
das 2,5–3-fache des Atemminutenvolumens des Patien- luft entweicht. Beim Einsatz des Systems in der An-
ten betragen (Aufbau › Abb. 3.10).
ästhesie muss daher für die Narkosegasfortleitung
gesorgt werden, sobald Inhalationsanästhetika ver-
Das Kuhn-System wird überwiegend zur manuellen wendet werden (z. B. in Form eines Überbeutels, der
Beatmung von Kindern bis ca. 20 kg Körpergewicht an die Narkosegasabsaugung angeschlossen ist). Zu-
eingesetzt, aber auch Patienten mit höherem Kör- sätzlich ist bei Narkosen mit dem Kuhn-System ein
pergewicht können beatmet werden. Dann müssen zusätzliches Atemgasmonitoring (CO2-Messung)
größere Beutel (bis 2,3 l) verwendet werden. Das ­erforderlich.
Kuhn-System kann auch zur Spontanatmung (z. B. Sobald der Anwender die Auslassöffnung des Be-
bei der Narkoseeinleitung) verwendet werden. Dann atmungsbeutels verschließt, steigt durch den Frisch-
wird die Maske dem Patienten lediglich vorgehalten gasstrom der Druck im Kuhn-System und damit, da
und er atmet Luft aus dem Kuhn-System ein und keine Ventile vorhanden sind, auch in der Lunge des
auch in das System hinein aus. Patienten an.
Die Vorteile des Kuhn-Systems sind der einfache
Aufbau, das geringe Gewicht, der geringe Atemwider- Spontanatmung über das Kuhn-System
stand und der minimale Totraum (ca. 7 ml). Das Sys- Bei Spontanatmung über das Kuhn-System bleibt
tem ist sterilisierbar (Angaben Hersteller beachten). die Auslassöffnung im Beatmungsbeutel während
In- und Exspiration immer offen. Während der In­
Manuelle Beatmung mit dem Kuhn-System spiration strömt Frischgas aus der Frischgasleitung
Bei der manuellen Beatmung mit dem Kuhn-System über ein Rohr im Maskenkrümmer in die Maske. Bei
wird die Auslassöffnung im Beatmungsbeutel wäh- der Exspiration fließt die ausgeatmete Luft zusam-
rend der Inspiration mit dem Daumen verschlossen men mit frisch zuströmendem Gas über den Falten-
(oder der Schlauch abgeknickt ›  Abb. 3.10) und schlauch in den Atembeutel und entweicht über die
der Beutel entsprechend dem zu verabreichenden Auslassöffnung im Beatmungsbeutel.
3.3  Manuelle Beatmung 47

Frischgaszuleitung
verschließbare
(abknickbare)
Auslassöffnung

Abb. 3.10 Aufbau des Kuhn- Reptilschlauch Reservoirbeutel


Systems. [V348]
3

3.3.3  Technik der manuellen


Beatmung
Einatmungsphase Manuelle Beatmung mit Gesichtsmaske und
bei Spontanatmung
Beatmungsbeutel
Zur manuellen Beatmung mit Gesichtsmaske und
Beatmungsbeutel steht man am günstigsten hinter
Ausatmungsphase
dem Kopf des Patienten, also am Kopfende des Pati-
bei Spontanatmung entenbetts. Zur manuellen Beatmung eines intubier-
ten oder tracheotomierten Patienten ist dies nicht
notwendig.
Zur Durchführung der Masken-Beutel-Beat-
Einatmungsphase
mung geht man wie folgt vor:
bei manueller • Passenden Beatmungsbeutel (Erwachsenen-,
Beatmung
Kinder- oder Babybeutel › 3.2.1) falls erforder-
lich mit der Sauerstoffzufuhr bzw. einem Sauer-
stoff-Reservoirbeutel verbinden und Sauer-
stoffflow einstellen
Ausatmungsphase
bei manueller Beatmung
• Passende Maske (diese muss Nase und Mund
vollständig umschließen) fest mit dem Atemven-
Abb. 3.11  Funktionsprinzip des Kuhn-Systems (blaue til des Beatmungsbeutels verbinden (Masken-
Pfeile = Frischgas, schwarze Pfeile = Ein- bzw. Ausatemluft). und Beutelachse stehen rechtwinklig zueinander)
Bei der manuellen Beatmung strömt während der Exspiration
die Ausatemluft des Patienten zusammen mit dem Frischgas in • Sicherstellen, dass die oberen Atemwege des Pati-
den Atembeutel. Über die Auslassöffnung im Atembeutel enten frei sind (kein Fremdkörper im Mund-Ra-
strömt ein Teil des Gemischs aus Exspirationsluft und Frischgas chen-Raum, z. B. zurückgerutschte Zahnprothe-
in die Umgebung. Während der Inspiration wird die Auslassöff- se). Gegebenenfalls obere Atemwege freimachen
nung verschlossen und der Atembeutel komprimiert. Dadurch (› 3.1.1)
gelangt Luft aus dem Atembeutel und Frischgas in die Lunge
des Patienten. [A400] • Kopf lagern und Maske fixieren:
– Den Kopf des Patienten leicht überstrecken
(„Schnüffelposition“ oder verbesserte Jackson-
Position › Abb. 4.21). Esmarch-Handgriff
durchführen (› 3.1.1) und diesen mit Mittel-,
Ring- und kleinem Finger der linken Hand
halten
48 3  Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung

Wirksamkeit der manuellen Beatmung kontrollie­


ren
Während der manuellen Beatmung den Patienten beob-
achten. Für eine wirksame manuelle Beatmung sprechen
folgende Kriterien:
• Der Thorax des Patienten hebt sich während der Inspi-
ration und senkt sich während der Exspiration
• Die Maskenkuppel beschlägt während der Exspiration
für kurze Zeit
• Das Nicht-Rückatemventil öffnet sich während der In­
spiration und ist während der Exspiration verschlossen
• Sauerstoffsättigung bessert sich bzw. ist im Normbe-

3 reich
• Gesicht und Lippen des Patienten sind rosig bzw. vor-

Abb. 3.12 Manuelle Beatmung mit Beatmungsbeutel und bestehende Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz
Gesichtsmaske. Der C-Griff (Daumen und Zeigefinger umgrei- bessern sich.
fen den Maskenkonus C-förmig) ermöglicht es, die Maske län- In Ausnahmefällen wird zusätzlich eine BGA durchge-
gere Zeit dicht auf Mund und Nase des Patienten halten zu führt (Werte für pO2 und pCO2 sollten im Normbereich
können. [M251] sein › 2.4.2).
Schwierigkeiten bei der manuellen Beatmung
• Bei hohem Beatmungsdruck Kopf etwas mehr über-
– Mit der rechten Hand die Gesichtsmaske an
strecken. Falls noch nicht erfolgt Guedeltubus einlegen
der Nasenwurzel aufsetzen und nach unten • Bei Undichtigkeit zwischen Maskenrand und Gesicht C-
klappen Griff lösen und Finger neu anlegen. Besteht Leck weiter,
– Mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand Maske neu auf dem Gesicht positionieren.
die Maske fest auf das Gesicht des Patienten ­Gegebenenfalls größere oder kleinere Maske verwenden
halten. Daumen und Zeigefinger umfassen da- • Besonders schwierig ist die Masken-Beutel-Beatmung

bei den Maskenkonus C-förmig, daher wird bei zahnlosen oder kachektischen Patienten. Hier die
Maske ggf. mit beiden Händen halten (doppelter C-
dieser Griff auch C-Griff genannt (› Abb.
Griff, d. h. rechte Hand bildet spiegelbildliches C) und
3.12) durch weitere Person Beatmung vornehmen lassen
• Patienten beatmen. Dazu mit der rechten Hand • Bei schwerwiegenden Verletzungen oder Fehlbildun-
den Beatmungsbeutel rhythmisch komprimieren. gen im Gesichtsbereich ist eine manuelle Beatmung
Zwischen den Inspirationen auf genügend Zeit mit Gesichtsmaske evtl. unmöglich. Diese Patienten
für die Ausatmung des Patienten und das Wie- müssen dann ggf. notfallmäßig intubiert werden
• Eine schwierige Maskenbeatmung ist zu erwarten,
derbefüllen des Beatmungsbeutels achten. Beat-
wenn der Patient mindestens 2 der folgenden Kriterien
mungsfrequenz und -hubvolumen richten sich
erfüllt (auch › 4.8):
nach den patientenspezifischen Erfordernissen, – Adipositas (BMI > 30 kg/m2)
entscheidend sind vor allem Alter und Körperge- – Fehlende Zähne
wicht des Patienten. – Vollbart
– Lebensalter > 55 Jahre
– Schnarchen in der Anamnese.
Alle Pflegenden einer Intensivstation müssen die Tech­
• Achtung
nik der manuellen Beatmung erlernen und sicher
Bei der Masken-Beutel-Beatmung besteht Aspira­
beherrschen, um sie im Notfall unverzüglich einsetzen zu
tionsgefahr durch Insufflation von Luft in den Ma-
können. Während der manuellen Beatmung muss die lü-
gen, insbesondere wenn der Beatmungsdruck über
ckenlose Überwachung des Patienten sichergestellt sein.
15–20 mbar ansteigt (dann ist der Ösophagusver-
schlussdruck überschritten, d. h. der Druck im unte-
ren Ösophagussphinkter, der den Magen zum Öso-
phagus hin abdichtet). Die Masken-Beutel-Beatmung
darf deshalb bei nicht-nüchternen Patienten (Krite­
rien › 4.10.1) nur mit äußerster Vorsicht und nach
Ausschöpfen aller Alternativen eingesetzt werden.
3.3  Manuelle Beatmung 49

Dann ist darauf zu achten, dass ein hoher Beatmungs- Tab. 3.3  Beispiele von erreichbaren O2-Konzentratio-
druck, große Tidalvolumina, eine rasche Inspiration und nen bei der manuellen Beatmung mit dem Ambu®-
ein PEEP vermieden werden. War die manuelle Beatmung Mark IV-Beatmungsbeutel.
schwierig, sollte der Patient nach erfolgter Intubation ei- O2- Atemhubvolumen (ml) × Beatmungsfre­
ne Magensonde erhalten, um die eventuell insufflierte Flow quenz (pro Minute) = O2-Konzentration
Luft wieder aus dem Magen entweichen zu lassen (l/Min.) in %
• Vorsicht ist geboten bei Patienten mit:
Beatmung ohne Reservoirbeutel
– Frontobasaler Schädelfraktur wegen Gefahr der ze-
rebralen Luftinsufflation 250 × 12 600 × 12 750 × 12 1.000 × 12
– Laryngozele (Erweiterung einer Ausbuchtung im 2 34 28 27 26
Kehlkopfraum) wegen Gefahr der vollständigen Ver- 5 44 34 32 31
legung der Atemwege auf Glottisebene
– HWS-Erkrankungen oder -Verletzungen wegen 10 60 44 39 39
3
­Gefahr einer Rückenmarkschädigung beim Über- 15 82 54 52 46
strecken des Kopfs Beatmung mit Reservoirbeutel
• Ist kein funktionsfähiger Beatmungsbeutel verfügbar,
250 × 12 600 × 12 750 × 12 1.000 × 12
im Notfall ggf. mit einer Atemspende (Mund-zu-Mund
oder Mund-zu-Nase) beginnen, bis ein geeigneter 2 74 43 38 34
­Beatmungsbeutel verfügbar ist. 5 100 76 65 57
10 100 100 100 87
15 100 100 100 100
Erreichbare O2-Konzentration bei der manuellen
Beatmung
Die erreichbare O2-Konzentration bei der manuellen filter (› 6.6.3) verwendet (d. h. auf das Nicht-
Beatmung mit Maske und Beatmungsbeutel ist ab- Rückatemventil wird ein Beatmungsfilter ge-
hängig vom eingestellten O2-Flow, dem Atemhubvo- steckt, der dann bei der manuellen Beatmung
lumen, der Beatmungsfrequenz und einem evtl. zu- zwischen Ventil und Tubus bzw. Trachealkanüle
sätzlich eingesetzten Reservoirbeutel zur Beatmung. sitzt), muss lediglich der Beatmungsfilter nach
› Tab. 3.3 zeigt beispielhaft die Sauerstoffkonzen­ Herstellerangaben (z. B. alle 24 Stunden) ausge-
tration bei verschiedenen Atemhubvolumina und wechselt werden. Beatmungsbeutel einschließlich
Beatmungsfrequenzen, jeweils mit und ohne Ver- Nicht-Rückatemventil werden meist einmal wö-
wendung eines Reservoirbeutels. chentlich gewechselt bzw. spätestens dann, wenn
sie beim Patienten nicht mehr benötigt werden.
Aufbereitung von Beatmungsbeuteln und • Werden keine Beatmungsfilter verwendet, wird
Gesichtsmasken das Nicht-Rückatemventil alle 24–48 Stunden (in
Beatmungsbeutel einschließlich Nicht-Rückatem- manchen Häusern auch nur einmal wöchentlich)
ventil und Beatmungsmasken müssen nach Ge- bzw. bei Verschmutzung (z. B. mit Sekret) öfter
brauch entsprechend der jeweiligen Herstelleranga- gewechselt. Der Beatmungsbeutel wird meist ein-
ben aufbereitet werden. In welchen Zeitabständen mal in der Woche gewechselt.
die Beatmungsbeutel und -masken aufbereitet wer- • Gesichtsmasken werden meist alle 24–48 Stun-
den, ist von Klinik zu Klinik sehr unterschiedlich. den gewechselt (nur wenn sie benutzt werden.
Häufig wird wie folgt vorgegangen: Falls sie nur vorsorglich, d. h. für den Notfall am
• Werden zur manuellen Beatmung eines intubier- Patientenbett liegen, ist ein regelmäßiger Wech-
ten oder tracheotomierten Patienten Beatmungs- sel nicht notwendig).
KAPITEL

4 Endotracheale Intubation
DEFINITION 4.1  Indikationen zur
Bei der Intubation wird ein Endotrachealtubus i. d. R.
unter Sicht durch den Kehlkopf hindurch in die Trachea endotrachealen Intubation
vorgeschoben. Die Spitze des Endotrachealtubus samt
dem Cuff (›  4.3.3), der den Tubus zur Trachealwand
hin abdichtet, liegt unterhalb der Stimmritze. Zwei For- Häufigste Indikation für eine endotracheale Intuba-
men: tion (ETI) in der Intensivmedizin ist die Notwendig-
• Orale Intubation: Intubation, bei der der Tubus keit einer maschinellen Beatmung, etwa wegen mas-
­unter Sicht (mittels Laryngoskop › 4.2) in die Tra- siver respiratorischer Insuffizienz (›  Kap. 2), die
chea vorgeschoben wird. Indiziert zur Beatmung im
Notfall sowie zur Beatmung während einer Narkose,
nicht als NIV (nicht-invasive Beatmung › 6.4) vor-
zur (kurzzeitigen) Beatmungstherapie und zu Untersu- genommen werden kann.
chungen. Daneben ist eine Intubation indiziert zum Freihal-
• Nasale Intubation: Intubation, bei der der Tubus ten der Atemwege, etwa bei zunehmendem Ödem im
über den unteren Nasengang in den Rachen und Larynxbereich, sowie zum Schutz vor Aspiration bei
durch den Kehlkopf hindurch in die Trachea vorge- fehlenden Schutzreflexen und zur Erleichterung des
schoben wird. In ausgewählten Situationen indiziert endotrachealen Absaugens (auch › Tab. 4.1).
zur längerfristigen Beatmungstherapie sowie zur
Narkosebeatmung, wenn eine orale Intubation auf-
grund der OP-Technik nicht möglich ist. Kontraindi- Wegen der Gefahr der Sinusitis (mögliche Sepsisquel-
ziert bei Mittelgesichts- und Schädelbasisfrakturen le) wird nur sehr zurückhaltend nasal intubiert und alter-
sowie bei massiven Blutgerinnungsstörungen. Zwei nativ ein oraler Tubus auch längerfristig belassen bzw.
Techniken: frühzeitig eine Tracheotomie vorgenommen.
– Nasale Intubation unter Sicht. Einstellen des Kehl-
kopfeingangs mittels Laryngoskop (› 4.2) und
Vorschieben der Tubusspitze mittels Intubationszan-
ge (z. B. Magillzange › 4.4.2).
– Blinde nasale Intubation. Voraussetzung ist, dass der 4.2 Laryngoskope
Patient spontan atmet. Vorsichtiges Einführen des
Tubus und Vorschieben jeweils während der Inspira-
tion. Dabei auf das Atemgeräusch am Tubusansatz Laryngoskope dienen dem direkten Betrachten des
hören und Tubus bis zur entsprechenden Längen- Kehlkopfeingangs. Ein Laryngoskop besteht aus ei-
markierung in die Trachea vorschieben. Selten an- nem Handgriff und einem Spatel:
gewandte Technik.
• Der Handgriff besteht aus Metall oder Kunststoff
und ist außen rau oder geriffelt, um einen guten
Fiberoptische (bronchoskopische) Intubation › 4.7 Halt zu gewährleisten und zu verhindern, dass er
dem Anwender z. B. bei feuchten Händen aus der
Hand rutscht. Am oberen Ende des Handgriffs
befindet sich die Einrastvorrichtung für den Spa-
tel. Im Inneren des Handgriffs befinden sich Bat-
terien oder Akkus.
• Der Spatel besteht ebenfalls meist aus Metall, sel-
ten aus Kunststoff. Bei den älteren Laryngoskopen
befindet sich die Lichtquelle an der Spatelspitze
52 4  Endotracheale Intubation

Tab. 4.1  Indikationen, Vorteile und Nachteile von oraler und nasaler Intubation im Vergleich zur Tracheotomie
(› Kap. 5).
Orale Intubation Nasale Intubation Tracheotomie
Indikationen • Zugangsweg der Wahl • Verletzungen,
Erkrankungen • Langzeitbeatmung
(auch › 4.1) bei Intubation im Not- und OPs von Mund, Kiefer • Notfalltracheotomie (Koniotomie
fall und Zähnen › 5.4.1) bei Verlegungen der oberen
• Kurz dauernde Intuba­ Luftwege z. B. durch Ödem infolge
tion (7–10 Tage) Verletzungen
• Bei Z. n. Laryngektomie

Vorteile • Technisch relativ ein- • Mundpflege einfach durch- • Mundpflege einfach durchführbar
fach und rasch durch- führbar • Sichere Fixierung der Trachealkanüle
führbar • Sichere Tubusfixierung möglich möglich
• Im Vergleich zur nasa- • Wird vom wachen Patienten • Keine Larynxschäden
len Intubation können besser toleriert als oraler • Wird vom wachen Patienten besser to-
kürzere und großlumi- ­Tubus leriert als Endotrachealtubus
gere Tuben verwendet • Bei erhaltenen Schutzreflexen ist Essen
4 werden (geringerer und Trinken möglich, mit speziellen
Strömungswiderstand, Kanülen oder Kanülenaufsätzen ist
› 1.2.1) Sprechen möglich
• Kleinerer Totraum
• Großlumige Trachealkanülen möglich
(geringer Strömungswiderstand,
› 1.2.1)
Nachteile • Wird vom wachen Pati- • Technisch schwieriger und • Invasiver Eingriff
enten schlechter tole- zeitaufwendiger als orale Intu- • Gefahren: Blutung, Infektion, Schleim-
riert als nasaler Tubus bation hautläsion durch schlecht sitzende Tra-
oder Trachealkanüle • Im Vergleich zur oralen Intu- chealkanülen, evtl. mit nachfolgender
• Mundpflege ist schlech- bation sind längere Tuben mit Ausbildung narbiger Stenosen
ter durchführbar geringerem Tubuslumen erfor- • Tracheomalazie (Erweichung der Knor-
• Tubusfixierung ist derlich (höherer Strömungswi- pelspangen der Luftröhre als Folge ei-
schwieriger derstand, › 1.2.1) ner Kompression)
• Gefahr von Larynxschä- • Gefahren: Verletzungen der • Sichtbare Narbe
den Nasenschleimhaut, Larynx-
schäden, Sinusitis (Entzün-
dung der Nasennebenhöhlen)

(kleine Glühbirne oder LED). Bei den inzwischen


überwiegend verwendeten Fiberglaslaryngosko-
pen (auch Kaltlichtlaryngoskope oder Fiberopti-
klaryngoskope) befindet sich die Lichtquelle im
Handgriff direkt unter der Gelenkstelle. Von dort
wird das Licht über Fiberglasbündel an die Spa-
telspitze weitergeleitet. Spatel gibt es in verschie-
denen Formen und Größen für Kinder und Er-
wachsene (› Abb. 4.1).
Durch ein Scharniergelenk wird der Spatel fest mit
dem Handgriff verbunden und eingerastet. Damit ist
Abb. 4.1 Verschiedene gebräuchliche Laryngoskope. Links
bei älteren Laryngoskopen die Licht- mit der Strom- ein konventionelles Laryngoskop, rechts ein Fiberglaslaryngo­
quelle verbunden, bei Fiberglaslaryngoskopen ist die skop (Kaltlichtlaryngoskop). [M251]
Lichtweiterleitung hergestellt und das Laryngoskop
ist funktionsbereit.
4.2 Laryngoskope 53

Wenn Laryngoskope nur selten im Gebrauch Tab. 4.2  Verschiedene Größen gebogener und gera-
sind, ist der Einsatz von Batterien sicherer, da diese der Spatel (hier Macintosh- und Miller-Spatel) sowie
gegen Ende ihrer Betriebsdauer sichtbar an Leistung geeignete Patientengruppen.
verlieren, erkennbar am zunehmend schwächer Patienten- Macintosh-Spatel Miller-Spatel
werdenden Licht. Akkus dagegen können plötzlich gruppe
– schlimmstenfalls während der Intubation – ihren Größe Länge in cm Größe Länge in cm
Dienst versagen, wenn sie über einen längeren Zeit- Frühgebo- – – Nr. 0 7,5
raum nicht aufgeladen werden. Daher ist es bei Be- rene
nutzung von akkubetriebenen Laryngoskopen wich- Neugebore- Nr. 1 9 Nr. 1 10,2
tig, dass die Akkus in regelmäßigen Abständen neu ne und
aufgeladen werden. Kleinkinder
Kinder Nr. 2 10,8 Nr. 2 15,5
Erwachsene Nr. 3 13 Nr. 3 19,5
4.2.1 Laryngoskopspatel Erwachsene Nr. 4 15,5 Nr. 4 20,5
(Überlänge)
Laryngoskopspatel gibt es in verschiedenen Formen 4
und Größen für Erwachsene und Kinder. Die ver-
schiedenen Spatel sind jeweils nach ihren Konstruk- der (relativ langen) Epiglottis erschwert. Bei der
teuren benannt, z. B. Macintosh-Spatel. Im Wesent- Intubation von größeren Kindern und Erwachse-
lichen wird unterschieden zwischen gebogenen und nen werden i. d. R. gebogene Spatel verwendet.
geraden Spateln (› Tab. 4.2): • Gerade Spatel (z. B. nach Miller, Jackson-Wis-
• Gebogene Spatel (z. B. nach Macintosh, Siker consin oder Foregger) werden so eingeführt, dass
oder Mirror) sind gekrümmt und passen sich da- die Epiglottis auf die Spatelspitze „aufgeladen“
mit der Form der Zunge an. Gebogene Spatel wird, d. h. die Spatelspitze drückt den Kehldeckel
werden so eingeführt, dass die Spatelspitze zwi- zum Zungengrund hin (› Abb. 4.2). Durch
schen Zungengrund und Epiglottis (Kehldeckel) leichten Zug in Richtung des Handgriffs wird die
liegt. Durch Zug in Richtung des Handgriffs rich- Stimmritze sichtbar. Gerade Spatel werden über-
tet sich die Epiglottis auf und die Stimmritze wird wiegend zur Intubation von Früh- und Neugebo-
sichtbar (› Abb. 4.2). Vorteile des gebogenen renen sowie von kleinen Kindern verwendet, da
Spatels sind: relativ viel Platz für den Tubus in die bei diesen Patienten relativ große Epiglottis
der Mundhöhle, geringere Gefahr von Zahnschä- mit einem gebogenen Spatel kaum aufgerichtet
den sowie von Quetschungen der Epiglottis. werden kann. Das Aufladen der Epiglottis mit
Nachteil: Bei kleinen Kindern ist das Aufrichten dem geraden Spatel dagegen ermöglicht eine bes-

Gebogener
Gerader Spatel, Spatel,
Spitze liegt hinter Epiglottis Spitze liegt
vor Epiglottis

Epiglottis
Epiglottis

Abb. 4.2 Einstellen des Kehl-


kopfs mit Laryngoskop. Links mit
geradem Spatel, rechts mit gebo-
genem Spatel. [L157]
54 4  Endotracheale Intubation

sere Sicht auf die Stimmritze. Von Vorteil ist, vermieden) auch bei Routine-Intubationen verwen-
dass der Tubus während des Einführens besser det.
kontrolliert und insgesamt leichter eingeführt Die Spatel für das Hebel-Laryngoskop nach McCoy®
werden kann. Nachteilig sind die Gefahr der sind in vier verschiedenen Größen erhältlich.
Schädigung der Schneidezähne sowie die Gefahr
eines Glottisödems (insbesondere nach mehrfa-
chem Aufladen der Epiglottis, auch › 4.12). Der 4.2.3 Bullard-Laryngoskop®
Miller-Spatel ist gerade, lediglich die Spitze ist et-
was gebogen. Im Gegensatz dazu ist der Jackson- Das Bullard-Laryngoskop® (›  Abb. 4.4) ist eine
Wisconsin-Spatel vollkommen gerade, wobei sich Kombination aus normalem Kaltlicht-Handgriff
die Schienung für die Zunge zum distalen Ende und speziellem Spatel, der über eine Fiberglasoptik
hin verbreitert. Dieser Spatel kann nur eingesetzt (vergleichbar der am Bronchoskop › 9.7.4) sowie
werden, wenn sich der Mund ganz öffnen lässt. einen Arbeitskanal verfügt, über den gespült, abge-
saugt, Sauerstoff verabreicht oder eine flexible Zange
eingeführt werden kann.
4 4.2.2  Hebel-Laryngoskop nach Die fiberoptische Vorrichtung ermöglicht den (in-
McCoy® direkten) Blick auf die Stimmritze. Mit der über den
Arbeitskanal eingeführten flexiblen Zange kann der
Das Hebel-Laryngoskop nach McCoy® verfügt über Tubus z. B. am Murphy-Auge gefasst und in den
einen speziellen Spatel, dessen Spitze beweglich ist. Kehlkopfeingang vorgeschoben werden.
Sobald das Laryngoskop in die korrekte Position
vorgeschoben ist, kann der Arzt über den außen an-
gebrachten Hebel die Laryngoskopspitze anheben.
Dadurch wird die Epiglottis angehoben und der
Blick auf die Stimmritze wird frei (› Abb. 4.3). Das
McCoy®-Laryngoskop wird vielfach eingesetzt bei
Handgriff
Intubationsschwierigkeiten, etwa bei Patienten mit
Struma oder kurzem, dickem Hals. In manchen Kli-
niken wird es wegen des Vorteils der geringeren Ge-
fahr von Zahnschädigungen (falsches „Hebeln“ wird

Arbeitskanal Okular

Führungsstab

Spatel

Kaltlichtquellle
Abb. 4.3 Funktionsprinzip des Hebel-Laryngoskops nach
­McCoy®. [L157] Abb. 4.4 Bullard-Laryngoskop®. [V217]
4.2 Laryngoskope 55

Das Bullard-Laryngoskop® wird bei unerwartet


schwieriger Intubation eingesetzt, wenn eine nasale
fiberoptische Intubation nicht möglich ist (› 4.8).
Die Intubation mit dem Bullard-Laryngoskop® ist
technisch einfacher als die alternative orale fiber­
optische Intubation, Voraussetzung ist jedoch Er-
fahrung im Umgang mit dem Gerät. Sie kann auch
eingesetzt werden, wenn eine nur geringe Mund­
öffnung möglich ist oder eine eingeschränkte Be-
weglichkeit der HWS vorliegt bzw. der Kopf nicht
überstreckt werden darf.

4.2.4 Videolaryngoskope
Abb. 4.5  Videolaryngoskop, hier das C-MAC® der Firma Karl
Storz. Das Bild auf dem Monitor zeigt das Einführen des Tubus 4
Videolaryngoskope sind ähnlich aufgebaut wie her- durch die Stimmritze. [V221]
kömmliche Laryngoskope (Handgriff und Spatel).
Ihre Besonderheit ist eine meist in die distale Spatel-
spitze eingebaute Kamera. Vorteile gegenüber der sichtlich der Spatelformen und -größen (›  Tab.
herkömmlichen Laryngoskopie: 4.3).
• Deutlich vergrößertes Blickfeld, das auf einen ex- Klinische Studien zeigen, dass Videolaryngoskope
ternen Monitor übertragen wird. Dies erleichtert die Visualisierung laryngealer Strukturen nach Cor-
die Intubation unter erschwerten Bedingungen mack und Lehane im Vergleich mit der direkten La-
(schwieriger Atemweg/schwierige Intubation ryngoskopie verbessern. Das stellt jedoch noch nicht
› 4.8). Zudem können auch Außenstehende die sicher, dass ein Tubus auch bei diesen erschwerten
Intubation verfolgen und dadurch die Technik Bedingungen sicher platziert werden kann. Sehr
schneller erlernen. Auch Hilfestellungen von Zu- wichtig erscheint den Erfahrenen in dieser Situation
schauenden sind so besser möglich. die Formgebung des Endotrachealtubus mittels
• Im Gegensatz zur direkten Laryngoskopie muss Führungsstab (empfohlen: flexibles Ende des Füh-
zur Visualisierung der Glottis die oropharyngo- rungsstabs geringfügig über das Tubusende hinaus-
laryngeale Achse nicht eingestellt werden (indi- ragen lassen und Tubus auf Höhe des Cuff um ca.
rekte Laryngoskopie), d. h. eine Reklination des 75° biegen).
Kopfs zur Intubation ist nicht erforderlich (Vi- Die Videolaryngoskopie ist auch in den Leitlinien
deolaryngoskope ermöglichen den „Blick um die der DGAI für das Management des schwierigen
Ecke“). Häufig lässt sich mittels Videolaryngo­ Atemweges als eine Möglichkeit aufgeführt (› Kap.
skopie eine sehr gute Darstellung des Kehlkopf- 11). Der erfolgreiche Einsatz von Videolaryngosko-
eingangs auch in solchen Fällen erreichen, in de- pen bei problematischer Atemwegssicherung setzt
nen eine direkte Sicht auf die Glottis nicht mög- jedoch eine regelmäßige Anwendung der Technik
lich ist (Cormack-Lehane-Grad ≥ III, › 4.5 und auch bei unproblematischen Intubationen voraus.
› Abb. 4.20). Nachteilig ist der relativ hohe Anschaffungspreis
• Der Intubationsvorgang erfolgt schonender, weil der Videolaryngoskope und (Einmal)Spatel.
übermäßige Manipulationen vermieden werden.
Dies ist v. a. bei Intubationsschwierigkeiten rele- Das Airtraq®-Laryngoskop
vant. Im Unterschied zu den o. g. Videolaryngoskopen
Die derzeit gebräuchlichen Videolaryngoskope wird das Airtraq® i. d. R. ohne Videokamera einge-
(z. B. GlideScope [Firma Verathon Medical], setzt, diese kann jedoch optional zugeschaltet wer-
McGrath® [Firma Aircraft Medical], C-MAC® [Fir- den (meist in Trainingssituationen).
ma Karl Storz] › Abb. 4.5) unterscheiden sich hin-
56 4  Endotracheale Intubation

Tab. 4.3  Derzeit gebräuchliche Videolaryngoskope im Vergleich.


GlideScope® (GVL und McGrath® (Series 5 und C-MAC® Airtraq®
AVL) MAC)
Material • GVL: Einweg- oder Einmalspatel (Series S) Spatel aus Edelstahl Einteiliges Laryngo­
Mehrwegspatel in und extra flache Einmal- (Wiederaufbereitung skop mit separatem
6 Größen spatel (bei MAC) möglich) Optikkanal zum Ein-
• AVL: Einwegspatel in malgebrauch
5 Größen
Sicht Externer Monitor Externer Monitor Externer Monitor Okular am äußeren
(CMOS-Chip am dista- Ende
len Spatelende vergrö-
ßert Blickwinkel auf
60°)
Geeignet für alle Patientengruppen Kinder ab ca. 5 Jahren Standard-Macintosh- 3 Ausführungen, für
bzw. ab ca. 15 kg KG und Spatelformgrößen 3 Tubusgrößen von
Erwachsene (Series S) und 4 6,0 bis 8,5
4
Besonderheiten • 3 zusätzliche GlideRi- • Series S für schwierige • Proximales Spatel­ • Intubationen mit
te® Führungsstäbe ein- Atemwege und MAC ende abgeflacht oder ohne Kamera
setzbar für Standardeinsatz • Aufnahme (komplet- möglich
• Automatisches Ab- • Spatellänge variabel te Filmsequenzen • Anti-fog-System
streifen des Tubus (Series S) oder Einzelbildern) hält Temperatur
durch Knopfdruck (Ein- • Direkte und indirekte per „Knopfdruck“ an Optik auf
handbedienung) Sicht möglich (MAC) • Anpassung der Mo- 40 °C
• Ergänzung mit Kamera • Verwendung mit oder nitorhelligkeit auf
nahe der Spatelspitze ohne Hilfe eines Stillets wechselnde Licht-
als Direct Intubation (MAC) verhältnisse
Trainer (DIT)

Das Airtraq® ist ein zum Einmalgebrauch be-


stimmtes einteiliges Laryngoskop mit Optik- und
Arbeitskanal. Im Optikkanal ist eine Kaltlichtquelle
eingebaut, die am äußeren Laryngoskopende ein-
bzw. ausgeschaltet wird (› Abb. 4.6). Vor Beginn
der Intubation werden Arbeitskanal und Tubus mit
Gleitgel versehen, dann wird der Tubus so in den
Arbeitskanal eingeführt, dass die Tubusspitze nicht
über das Laryngoskopende hinausragt (Gefahr der
Beschädigung des Cuffs).
Das Einführen des Airtraq®-Laryngoskops ent-
spricht i. d. R. der Technik bei der konventionellen
Laryngoskopie mit gebogenem Spatel (› 4.2.1), das
Vorschieben erfolgt in der Mittellinie der Zunge
­unter Sicht. Erweist sich diese Einführtechnik als
schwierig, kann alternativ die Rotationstechnik ein-
gesetzt werden. Dabei wird das Gerät um 180° rotiert
eingeführt und nach Passieren der Zunge in die üb­­
liche Position gedreht. Abschließend wird die Sp­
atelspitze zwischen Zungengrund und Epiglottis Abb. 4.6  Das Airtraq®-Laryngoskop. Der Ausschnitt zeigt das
posi­tioniert (wie beim Macintosh-Spatel). Die kor- Bild, das sich dem Betrachter bietet: Hier Blick auf die Stimmrit-
ze vor der Intubation. [V482]
rekte Positionierung der Spatelspitze des Airtraq®-
4.3 Endotrachealtuben 57

Laryngoskops ist notwendig, um den Tubus vor­ 4.3 Endotrachealtuben


schieben zu können.
Daten aus zwölf randomisierten kontrollierten
Studien mit insgesamt 1.061 Patienten ergaben in 4.3.1  Aufbau eines
­einer sog. Metaanalyse zum Vergleich des Airtraq® Endotrachealtubus
mit der konventionellen Intubation die folgenden
Ergebnisse: Derzeit verwendete Endotrachealtuben bestehen
• Das Airtraq® Laryngoskop reduziert die Intuba­ überwiegend aus PVC (mit oder ohne Silikonbeimi-
tionszeit erfahrener und unerfahrener Anästhe- schung). Diese Tuben sind zum Einmalgebrauch be-
sisten im Durchschnitt um 15 Sekunden. Aller- stimmt. Sehr selten werden noch resterilisierbare
dings erhöht es die Erfolgsrate beim ersten Intu­ Tuben aus Gummi, Latex oder reinem Silikon ver-
ba­tions­versuch nur beim unerfahrenen Anwen- wendet.
der. Ein Endotrachealtubus ist so aufgebaut (› Abb. 4.7):
• Bezüglich Intubationszeit und Erfolgsrate beim • Am äußeren Ende jedes Tubus befindet sich ein
ersten Intubationsversuch zeigten sich beim Ver- Norm-Konnektor mit 15 mm Außendurchmesser
gleich des schwierigen Atemwegs zum normalen nach ISO (Tubuskennzeichnung). Damit ist es 4
Atemweg keine Unterschiede. Über ösophageale möglich, die unterschiedlich dicken Endotrache-
Fehlintubationen wurde in nur zwei der zwölf altuben an die genormten Beatmungsschläuche,
Studien berichtet (Pirlich et. al., 2012). Beatmungsbeutel etc. anzuschließen.
• Der Tubus ist mehr oder weniger stark ge-
krümmt, die Tubuswand ist formstabil (knicksta-
bil) und besteht aus gewebefreundlichem, ther-
moplastischem Material, d. h. es wird bei Erwär-

eingebrachter
Führungsstab

Norm-Konnektor

Gradierung der
transparente
Tubustiefe in Zentimeter
Tubuswand
Cuffzuleitung Markierung der Testung
auf toxische Substanzen

Kontroll- Hersteller
ballon
Außendurchmesser
in Charrière
Art der Verwendung
Universal- oral/nasal
Spritzenansatz Innendurchmesser
mit Ventil in Millimeter

Murphy-Auge Markierungsring
Abb. 4.7  Aufbau eines Endotra- (für Tubustiefe)
chealtubus mit „Murphy-Auge“
Blockerballon
(links) und Kennzeichnung des (Cuff)
Endotrachealtubus (rechts).
angeschrägte Tubusspritze
[V420]
58 4  Endotracheale Intubation

mung etwas weicher. Dadurch passt sich der Tu- • Innendurchmesser (kurz ID) in Millimeter
bus gut den anatomischen Strukturen an. • Tubusumfang in Charrière (kurz Ch, 1 Ch =
• In der Regel ist die Tubuswand transparent. Dies 1 French, etwa 1/3 mm). Wird der Charrière-
hat den Vorteil, dass Sekretablagerungen und ein Wert durch 3 geteilt, ergibt sich der Wert für den
Beschlagen der Innenwand bei der Exspiration Außendurchmesser (kurz AD) in Millimeter
beobachtbar sind. • Zentimeter-Graduierung (gibt Auskunft über die
• Die Innenwand des Tubus ist glatt, damit Füh­rungs­ Intubationstiefe)
stäbe, Absaugkatheter oder Bronchoskope gut • Hersteller
eingeführt und wieder entfernt werden können. • Art der Anwendung: „Oral“, „Nasal“ oder „Oral/
• Oberhalb der Tubusspitze befindet sich der Cuff Nasal“. Gibt an, wie der jeweilige Tubus einzuset-
(Blockerballon), der dem Abdichten des Tubus zen ist (diese Beschreibung findet sich nicht auf
zur Trachealwand hin dient (› 4.3.3). Zum Blo- allen Tuben).
cken des Cuffs wird Luft in die Cuffzuleitung ge- Zusätzlich sind die Tuben mit je einem Röntgen-
pumpt. Die Cuffzuleitung ist in die Tubuswand streifen versehen. Die Aufschrift „I. T.“ (Implanta­
eingelassen und an ihrem äußeren Ende mit ei- tion Tested) oder „Z-79“ ANSI (American National
4 nem Ventil und einem Kontrollballon versehen. Standard Institute – Committee Z-79 on Anaesthe-
Ausnahme: Endotrachealtuben für Kinder bis ca. sia Equipment of the USA Standards Institute) auf
8 Jahre haben keinen Cuff. der Verpackung zeigt an, dass der Tubus getestet
• Oberhalb des Cuffs befindet sich bei einigen Tu- und frei von toxischen Substanzen ist.
ben ein dicker schwarzer Markierungsring, der
zur Orientierung für die korrekte Intubationstiefe Wichtige Größenangaben bei Endotrachealtuben
dient. sind der Innendurchmesser (kurz ID) in Millimeter und der
• Manche Tuben bieten die Möglichkeit einer sub- Tubusumfang in Charrière (kurz Ch).
glottischen Sekretabsaugung. Bei diesen Tuben ist • Für die Intubation ist es günstig, einen Endotracheal-
ein zusätzliches Lumen in die Tubuswand eingelas- tubus mit möglichst geringem Tubusumfang (und da-
sen, das in einer Öffnung oberhalb des Cuffs endet. mit geringem Außendurchmesser) zu verwenden, da
damit die Passage durch den Kehlkopf erleichtert ist.
Außen endet dieses Lumen in einer separaten Zu- Zudem ist bei Verwendung dünner Tuben die Gefahr
leitung. Über diese kann das Sekret, das sich über von Stimmbandschädigungen und Intubationsverlet-
dem Cuff (in der sogenannten „Jammerecke“) an- zungen, z. B. der Nasenschleimhaut, sowie von
sammelt, abgesaugt werden (› Abb. 4.14). Druckulzera durch den Tubus geringer.
• Die Tubusspitze ist leicht abgeschrägt, dies er- • Für die Beatmung ist es wichtig, einen Tubus mit
leichtert die Passage der Stimmritze. Zudem ver- möglichst großem Innendurchmesser zu verwenden,
größert dies die Öffnungsfläche und reduziert da- da der Strömungswiderstand des Tubus mit zuneh-
mendem ID sinkt. Außerdem ist die Gefahr einer Tu-
mit die Gefahr einer Verlegung der Tubusöffnung. busverlegung umso geringer, je größer der Innen-
Bei manchen Tuben befindet sich seitlich der Tu- durchmesser ist. Auch eine eventuelle Bronchoskopie
busspitze eine weitere Öffnung, das sog. Murphy- ist einfacher durchführbar.
Auge, das die Öffnungsfläche weiter vergrößert Abhängig von den Erfordernissen beim Patienten wählt
(und damit die Gefahr einer Verlegung der Öff- der Arzt die geeignete Tubusgröße aus. Tabelle 4.4 zeigt
nungsfläche verringert) und die Belüftung der Richtwerte für die Auswahl der Tubusgröße (›  Tab.
rechten oberen Lungenabschnitte verbessern soll. 4.4).

Tubuskennzeichnung 4.3.2  Gebräuchliche Tubusarten und


-formen
Die derzeit gebräuchlichen Endotrachealtuben sind
nach ISO (International Organisation for Standardi- Für die unterschiedlichsten Anforderungen in Anäs-
sation) gekennzeichnet. Auf die Tubuswand aufge- thesie und Intensivmedizin wurden eine Fülle von
druckt sind: Endotrachealtuben entwickelt, die sich bezüglich
4.3 Endotrachealtuben 59

Tab. 4.4  Richtwerte für die Auswahl der Tubusgröße.


Kinder ID in mm Charrière
Frühgeborene (< 2 kg) 2,5 12
< 6 Mon. (5–7 kg) 3–3,5 14–16
7–18 Mon. (7–11 kg) 3,5–4,0 16–18
2–4 Jahre (12–17 kg) 4,5–5,0 20–22

4–6 Jahre (17–22 kg) 5,0–5,5 22–24

Abb. 4.8  Magill-Tubus. [V420]


6–10 Jahre 5,5–6,5 24–28
Größere Kinder u. Jugendliche 6,5–7,5 28–32
Erwachsene
Frauen 7,5–8,5 32–36
Männer 8,0–9,5 34–40
4
Faustregel für die Bestimmung der Tubusgröße bei Kin-
dern (2–14 Jahre):
• Innerer Durchmesser = (Alter : 4) + 4,5
• Charrière = Alter + 17

des Tubusmaterials, der Tubusform und der Art Abb. 4.9  Spiral-Tubus (Woodbridge-Tubus). [V420]
der Cuffblockung unterscheiden. Im Folgenden sind
die Tuben beschrieben, die auf den Intensivstatio-
nen häufig zur Beatmungstherapie verwendet wer-
den:
• Magill-Tubus (› Abb. 4.8). Tubus mit genorm-
tem Krümmungsradius. Standardtubus für die
orale oder nasale Intubation.
• Spiral-Tubus (Woodbridge-Tubus › Abb. 4.9).
Tubus, in dessen Wand eine Metallspirale einge-
arbeitet ist. Dadurch ist der Tubus enorm flexibel
und kann trotzdem nicht abknicken. Wegen der
hohen Flexibilität ist zur Intubation ein Füh-
rungsstab erforderlich (› 4.4.1). Bei Spiral-Tu-
ben aus Latex kann es leichter zu Cuffhernien Abb. 4.10  Oxford-non-kinking-(ONK-)Tubus. [V420]
kommen (› 4.3.3). 
Ist beim Patienten eine MRT erforderlich, muss
zuvor der Spiral-Tubus gegen einen Tubus ohne
Metallteile ausgetauscht werden!
• Oxford-non-kinking-Tubus (kurz ONK-Tubus,
› Abb. 4.10). Der ONK-Tubus ist rechtwinklig
gekrümmt, verhältnismäßig starr und kann nicht
abknicken. Er kann nur zur oralen Intubation
verwendet werden. Durch die rechtwinklige
Krümmung kann der Tubus nicht versehentlich
zu tief eingeführt werden und eine einseitige In-
tubation ist damit praktisch ausgeschlossen. Abb. 4.11  EDGAR-Tubus. [V420]
60 4  Endotracheale Intubation

Abb. 4.12  RAE-Tubus. Links ein oraler, rechts ein nasaler RAE-Tubus. [V420]
4
• EDGAR-Tubus (Endobronchial Drug and Gas
Application during Resuscitation, d. h. endobron-
chiale Medikamenten- und Sauerstoffverabrei-
chung während Reanimation, › Abb. 4.11). Der
Aufbau dieses Tubus entspricht dem des Magill-
Tubus, zusätzlich ist ein dünner Schlauch in die
Tubuswand eingearbeitet, der an der Tubusspitze
endet und über den flüssige Medikamente direkt
in die Trachea bzw. die großen Bronchien inji-
ziert werden können.
• RAE-Tubus (Rind-Adair-Elwyn-Tubus). Dieser
Abb. 4.13  Tuben mit Fome-Cuff. Oben: Trachealkanüle mit
Tubus ist so geformt, dass er sehr gut abgeleitet Fome-Cuff. Unten: Silikon-Endotrachealtubus mit Fome-Cuff.
und fixiert werden kann. Der orale RAE-Tubus Über den zusätzlichen Konnektor ist der Cuff mit dem Beat-
(› Abb. 4.12 links) ist so geformt, dass er gut mungssystem verbunden und damit dem jeweils herrschenden
am Kinn befestigt werden kann, der nasale RAE- Beatmungsdruck ausgesetzt. Dadurch wird der Cuff bei maschi-
Tubus (› Abb. 4.12 rechts) kann zur Stirn hin neller Beatmung während der Inspiration stärker geblockt und
während der Exspiration entlastet. [M251]
abgeleitet und dort fixiert werden.
• Fome-Cuff-Tubus (› Abb. 4.13). Bei diesem
Tubus besteht der Cuff aus schwammartigem, • Hi-Lo®-Trachealtubus mit Lanz®-Ventil
sehr weichem und gewebefreundlichem Polyure- (› Abb. 4.14, Hi-Lo = High volume-Low pressu-
thangewebe, das sich aufgrund seiner Eigenelas- re, d. h. hohes Volumen, niedriger Druck). Dieser
tizität in der Trachea entfaltet und dort nur einen Tubus verfügt über ein spezielles Cuffsystem, das
relativ geringen Druck auf die Schleimhaut aus- einen konstant niedrigen Cuffdruck von ca.
übt. Zur Intubation muss die Luft zuerst aus dem 22–25 mmHg gewährleistet und damit die Gefahr
Cuff entfernt und die Cuffzuleitung abgeklemmt von Schleimhautschäden der Trachea durch den
werden. Während der Beatmung kann die Cuff- Cuff minimiert. Ein in das System eingebautes
zuleitung mit einem speziellen, zwischen Tubus Regelventil sorgt für einen zeitlich verzögerten,
und Beatmungssystem eingefügten Konnektor situationsangepassten Druckausgleich zwischen
verbunden werden. Dadurch wird der Cuff wäh- dem Cuff und dem relativ großen äußeren Kon­
rend der Inspiration zusätzlich geblockt und troll­ballon. Die Funktion des Regelventils ist aller-
während der Exspiration entlastet. dings nur gewährleistet, wenn der Cuff zunächst
mit ca. 40 ml Luft gefüllt wird. Die manuelle Cuff-
4.3 Endotrachealtuben 61

Abb. 4.14 Hi-lo-Evac/Lanz®-Trachealtubus mit der zusätzlichen Möglichkeit im subglottischen Raum („Jammerecke“) abzusau-
gen. [U244]

druck-Messung ist nicht erforderlich; kontrolliert damit eine seitengetrennte Beatmung (› 6.5).
werden muss nur die Funktionsfähigkeit des Ven- Sie bestehen aus jeweils einem trachealen Lumen, 4
tils. Wichtig: Die Blockerspritze oder das Cuff- das im unteren Drittel der Trachea endet, und ei-
druck-Messgerät dürfen nicht ständig mit dem nem bronchialen Lumen, dessen Ende im rechten
Lanz®-Ventil konnektiert sein, da der Ventilme- oder linken Hauptbronchus liegt. Der Tubus ver-
chanismus sonst nicht funktionieren kann. fügt über zwei Blockermanschetten (Cuffs): Einen
• Doppellumentuben (z. B. Carlens-, White- oder proximalen Cuff (trachealer Cuff) in der Trachea
Robertshaw-Tubus › Abb. 4.15) dienen der In- und einen distalen Cuff (bronchialer Cuff) im
tubation eines Hauptbronchus und ermöglichen Hauptbronchus. Der Doppellumentubus wird

Abb. 4.15 Doppellumentuben
Bronchopast, unten zur links- und
oben zur rechtsseitigen bronchia-
len Intubation. [V420]
62 4  Endotracheale Intubation

i. d. R. oral unter Sicht in die Trachea eingeführt • Der Niederdruckcuff (Niederdruckballon, auch
und blind in den entsprechenden Bronchus vor- Hi-Lo-Cuff, d. h. High-volume-Low-pressure
geschoben. Die korrekte Lage wird durch Thorax- Cuff) benötigt ein größeres Füllvolumen, der
auskultation sowie ggf. durch Bronchoskopie Cuffdruck ist jedoch relativ niedrig und damit
überprüft (Blocken, Lagekontrolle und Komplika- das Risiko für Schädigungen der Trache-
tionen des Doppellumentubus › 6.5.2). alschleimhaut vermindert. Zudem passen sich
Niederdruckcuffs besser dem Querschnitt der
Trachea an als Hochdruckcuffs. Für die Beat-
4.3.3  Blockerballon (Cuff) mung von Patienten auf Intensivstationen wer-
den daher fast ausschließlich Tuben mit Nieder-
Der Blockerballon (Cuff oder Blockermanschette) druckcuff verwendet.
wird über einen gesonderten Zuleitungsschlauch,
der in oder auf der konkaven Seite der Tubuswand Der Druck im Blockerballon (Cuffinnendruck oder kurz
verläuft, mit Luft aufgeblasen. Am freien Ende des Cuffdruck › Abb. 4.16) entspricht dem auf die Trache-
Zuleitungsschlauchs befindet sich der sog. Pilot- alschleimhaut einwirkenden Druck. Ist der Cuffdruck über
4 oder Kontrollballon (›  Abb. 4.7). Mithilfe des längere Zeit höher als der durchschnittliche kapillare Per-
Kontrollballons lässt sich überprüfen, ob der Cuff fusionsdruck in der Trachealwand (ca. 35 mmHg), kann
geblockt ist. es – insbesondere bei langzeitbeatmeten Patienten – zu
Durchblutungsstörungen mit nachfolgenden teils irrever-
Der Cuff hat folgende Funktionen: siblen Trachealschädigungen kommen, z. B. Ulzerationen
• Abdichten des Raums zwischen Tubus und Tra- der Schleimhaut und Schädigung der Knorpelstrukturen.
chealwand, sodass Um dies zu vermeiden sollte der Cuffdruck möglichst
– keine Luft in Richtung Kehlkopf entweichen unter 25 cmH2O gehalten werden. Ist ein höherer Cuff-
kann druck zum Abdichten des Cuffs erforderlich, ist der Tubus
– eine Aspiration von Magensaft, Schleim, Blut, evtl. zu klein und muss gegen einen größeren ausge-
Erbrochenem etc. verhindert wird tauscht werden (Arztrücksprache).
Grundsätzlich gilt: Den Cuff nur so weit blocken, dass
• Fixierung des Tubus in der Mitte der Trachea. er sicher dicht ist.

Der Cuff dichtet den Raum zwischen Tubus und Tracheal-


wand nicht absolut ab. Daher sind Mikroaspirationen Cuffdruck-Kontrolle › 9.4.1
von Sekret aus dem Rachenraum trotz korrekt geblock-
tem, „dichtem“ Cuff möglich.
Neue Cuffmaterialien und -formen sollen dies verhindern Besondere Cuffmaterialien und
(Mikrocuff, TaperGuard™-Tubus siehe unten). -formen

Bei Endotrachealtuben mit Mikrocuff (z. B.


Hochdruckcuff und Niederdruckcuff MICROCUFF®-Endotrachealtubus der Firma Kim-
berly-Clark) besteht die Wand des Cuffs aus einer
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen dem ultradünnen Polyurethanfolie (Stärke ca. 6 bis
Hochdruckcuff und dem Niederdruckcuff: 10 μm) mit nur sehr geringer Compliance. Dadurch
• Der Hochdruckcuff (Hochdruckballon) benötigt sollen Cuffstraßen (kleinste Kanälchen zwischen
nur ein geringes Füllvolumen. Daher entsteht Cuff und Trachealwand, die durch Faltenbildung an
schnell ein hoher Cuffdruck (oft zwischen 80 und der Cuffwand entstehen) auf ein Minimum reduziert
150 mmHg) mit der Gefahr einer Schädigung der werden. Der Mikrocuff ist zudem insgesamt länger
Trachealschleimhaut. Wegen diesem Risiko wer- und zylindrisch geformt; Sekret kann zwar noch in
den Tuben mit Hochdruckcuffs beim beatmungs- die oberen Öffnungen der minimalen Cuffstraßen
pflichtigen Intensivpatienten praktisch nicht ein- eindringen, aber nicht mehr am Cuff entlang bis in
gesetzt. die Trachea gelangen.
4.3 Endotrachealtuben 63

Kapillare
Luftdruck

Luftdruck
Druck Druck

Cuff
Ballon-Innen-
Druck
Beatmungsdruck

Beatmungsdruck 4

Tubus

Kapillare
Abb. 4.16 Der Cuffdruck die-
ses Tubus ist höher als der kapilla-
re Perfusionsdruck der Trache- Cuff
alschleimhaut. Dadurch ist die Ballon-
Durchblutung an der Kontaktflä- wand
che Cuff-Trachealwand unterbro-
chen und es können irreversible
Schäden an der Trachealwand Trachealwand Trachealwand
entstehen. [A400]
Luftdruck

Luftdruck

Abb. 4.17  Der Beatmungsdruck


hat Auswirkungen auf den Cuff-
Ballondruck
druck: Während der Inspiration
wird der Cuff durch den Beat-
mungsdruck komprimiert – und
zwar umso mehr, je höher der ins-
Beatmungs-
druck

Beatmungs-
druck

piratorische Beatmungsdruck ist


(a). Dadurch steigt der Cuffdruck
während der Inspiration an (b)
und fällt während der Exspiration a b c
ab (c). [A400]

Auch der KimVent-Microcuff®-Endotrachealtubus tigkeit der KimVent-Microcuff® Endotrachealtuben


besitzt einen Cuff aus mikrodünnem Polyurethan mehr als doppelt so hoch sein wie die der herkömm-
(10 μm), was eine Selbstabdichtung der entstehen- lichen Cuffs.
den Furchen ermöglicht und damit das Leckagerisi- Laut Studienergebnisse der University of Michi-
ko reduziert. Zudem sollen die Stich- und Berstfes- gan Health System ging die Verwendung von Micro-
64 4  Endotracheale Intubation

cuff-Endotrachealtuben mit Polyurethan-Cuff mit wurde der Cuff zuvor mit Raumluft geblockt, kommt
einer Verringerung der VAP-Rate um 43 % einher es zur Lachgasdiffusion in den Cuff. Dadurch steigt
(Mai 2009). der Cuffdruck an und muss daher während der Nar-
Der Cuff des TaperGuard™-Tubus ist konisch ge- kose regelmäßig überprüft und ggf. entlastet wer-
formt, d. h. er wird zur Tubusspitze hin schmaler. den. Umgekehrt diffundiert das Lachgas nach Been-
Dies soll Mikroaspirationen und damit das Risiko digung der Lachgaszufuhr wieder aus dem Cuff, der
von Beatmungspneumonien (VAP, › 6.7.1) redu- Cuffdruck sinkt ab und evtl. wird der Cuff undicht
zieren (im Vergleich zu Tuben mit walzenförmigem und muss nachgeblockt werden.
Cuff um bis zu 90 %). Der TaperGuard™EVAC- Cuffdruck-Kontrolle › 9.4.1
Tubus ermöglicht zusätzlich die subglottische Se-
kretabsaugung.

4.4  Hilfsmittel zur Intubation


Cuffhernie

4 Eine Cuffhernie ist eine seltene Komplikation, bei 4.4.1 Führungsstab


der sich der geblockte Cuff in der Trachea Richtung
Lunge vorwölbt und die Tubusöffnung einengt oder Führungsstäbe (auch Einführungsmandrin oder
verschließt. Dadurch kann während der Exspiration Stylet) sind stabile, verformbare Metallstäbe, die
die Luft nur noch eingeschränkt oder – bei komplet- i. d. R. kunststoffummantelt sind (›  Abb. 4.18).
ter Verlegung des Tubuslumens – gar nicht mehr Sehr selten werden noch reine Metallführungsstäbe
nach außen strömen. Der Beatmungsdruck steigt verwendet. Führungsstäbe werden bei Bedarf zur
massiv an, die Atemhubvolumina sinken, der Allge- oralen Intubation verwendet. Sie dienen dazu, ei-
meinzustand des Patienten verschlechtert sich rasch nem Tubus mehr Stabilität zu verleihen (etwa dem
(Schocksymptome). extrem flexiblen Spiral-Tubus ›  4.3.2) bzw. dem
Tubus bei schwieriger Intubation eine bestimmte
Eine Cuffhernie ist eine seltene Ursache für eine Verle- Form zu geben, etwa eine starke Krümmung (ideal
gung des Tubuslumens. Sehr viel häufiger sind eingedick- ist die Form eines Hockeyschlägers).
tes Trachealsekret oder Blutgerinnsel ursächlich. Zur Intubation wird der Führungsstab so in den
• Bei V. a. Verlegung des Tubuslumens durch Sekret Tubus eingeführt, dass die Spitze des Führungsstabs
oder Blut Patienten endotracheal absaugen, ggf. Bron- oberhalb der Tubusöffnung endet, d. h. der Füh-
chiallavage durchführen, um eingetrocknetes Sekret zu rungsstab darf nicht über die Tubusspitze hinausra-
lösen (› 9.7.2).
• Bei V. a. Cuffhernie, wenn ein Absaugen nicht möglich
gen, um Verletzungen zu vermeiden. Um dies zu ge-
ist, Tubus entblocken. Ist danach wieder eine Beat- währleisten wird das oben aus dem Endotrachealtu-
mung möglich, ist eine Cuffhernie wahrscheinlich und bus herausragende Ende des Führungsstabs umge-
der Tubus muss gewechselt werden. bogen oder mit der an manchen Führungsstäben
Bei kompletter Verlegung des Tubuslumens mit akuter vorhandenen Arretiervorrichtung fixiert, sodass er
Erstickungsgefahr sofort Arzt benachrichtigen und während der Intubation nicht im Tubus nach vorn
schnellstens Umintubation vorbereiten. rutschen kann.

Cuffhernien entstehen insbesondere bei Verwen- Den Führungsstab vor dem Einführen in den Tubus mit
dung von Latextuben. z. B. Xylocain-Gel gleitfähig machen, damit er nach der
Intubation problemlos aus dem Tubus entfernt werden
kann.
Cuffdruck und Narkosebeatmung
In Ausnahmefällen benutzt der Arzt den Führungs-
Wird der Patient zu Narkosezwecken mit einem stab als Leitschiene zur Intubation. Dann lässt er die
Sauerstoff-Lachgasgemisch (O2/N2O) beatmet und Spitze des Führungsstabs etwas über die Tubusöff-
4.4  Hilfsmittel zur Intubation 65

Abb. 4.18  Führungsstäbe (links)


und Intubationszangen (rechts). 4
[M251]

nung herausragen, schiebt sie durch die Stimmritze nissen des Mund-Rachen-Raums geformt, sodass sie
hindurch etwas in die Trachea vor und führt dann bei der Intubation nicht die Sicht versperren
den Tubus über den Führungsstab hinweg in die (› Abb. 4.18).
Trachea ein. Dieses Verfahren darf wegen der Ver- Um zu vermeiden, dass die geriffelten Zangen-
letzungsgefahr nicht mit Führungsstäben aus Me- spitzen die dünne Wand des Cuffs beschädigen, fasst
tall, sondern nur mit kunststoffummantelten Füh- der Arzt die Tubusspitze mit der Intubationszange
rungsstäben vorgenommen werden. immer ober- oder unterhalb des Cuffs. In manchen
Spezielle Einführungsmandrins sind ähnlich Kliniken ist es auch üblich, die Zangenspitzen z. B.
aufgebaut wie kunststoffummantelte Führungsstä- mit Pflaster abzukleben, um eine Beschädigung des
be, jedoch wesentlich länger (ca. 80 cm). Ihre abge- Cuffs zu vermeiden. Sehr häufig wird die Intuba­
rundete Spitze ist weich, sodass die Verletzungsge- tionszange nach Magill eingesetzt.
fahr gering ist. Ihr Einsatz ist indiziert, wenn die
Stimmritze nicht einsehbar ist, weil die Epiglottis
nicht aufgerichtet werden kann. Zur Intubation wird 4.4.3  Medikamente zur Intubation
der Tubus auf den Einführungsmandrin aufgefädelt,
dann wird der Einführungsmandrin eingeführt, die Die Intubation wird im Regelfall mit einem intra­
Epiglottis unterfahren und angehoben. Damit ist die venösen Kurzanästhetikum und einem Muskel­
Sicht auf die Stimmritze frei und der Tubus kann relaxans durchgeführt. Der zusätzliche Einsatz von
über den Einführungsmandrin hinweg in die Tra- Opioiden ist angezeigt, wenn eine Reflexdämpfung
chea vorgeschoben werden. und/oder Analgesie erreicht werden soll.
Tubuswechsler › Abb. 4.34 In ›  Tab. 4.5 sind gebräuchliche Hypnotika,
Opioide und Muskelrelaxanzien zur Intubation so-
wie Anhaltswerte für die Dosierung der Medika-
4.4.2 Intubationszangen mente aufgeführt. Im Einzelfall sind folgende Fakto-
ren mit­entscheidend für die Dosierung:
Die Intubationszange dient dazu, bei der nasalen • Alter, Gewicht und körperlicher Zustand des Pa-
Intubation den Tubus unter Sicht im Rachen zu fas- tienten sowie ggf. Gewöhnung
sen und in die Trachea vorzuschieben (Durchfüh- • Stärke des zu erwartenden Stimulus bzw.
rung nasale Intubation ›  4.6.2). Intubationszan- Schmerzes
gen sind entsprechend den anatomischen Verhält- • Interaktion mit anderen Medikamenten
66 4  Endotracheale Intubation

Tab. 4.5  Gebräuchliche intravenöse Kurzanästhetika, Opioide und Muskelrelaxanzien zur Intubation. Gemeinsame
Nebenwirkung von i. v. Kurzanästhetika und Opioiden ist die dosisabhängige Atemdepression und ein mehr oder
weniger stark ausgeprägter Blutdruckabfall (Ausnahme: Etomidat hat nur geringe hämodynamisch bedeutsame
­Nebenwirkungen).
i. v. Kurzanästhetika Opioide Muskelrelaxanzien
Substanz (Bsp. Handels­ Dosierung Substanz (Bsp. Dosierung Substanz (Bsp. Dosierung
name) mg/kg KG ­Handelsname) μg/kg KG ­Handelsname) mg/kg KG
Thiopental (Trapanal®) 2–5 Fentanyl 1–5 Atracurium (Tracrium®) 0,3–0,4
(Fentanyl®Janssen)
Methohexital (Brevimytal®) 1–3 Alfentanil (Rapifen®) 5–10 Cis-Atracurium (Nimbex®) 0,1
® ® ®
Etomidat (Hypnomidate ) 0,15–0,3 Sufentanil (Sufenta ) 0,3–1 Pancuronium (Pancuronium ) 0,08–0,12
Diazepam (Valium®) 0,2–1,0 Remifentanil (Ultiva®) 0,1–0,5 Alcuronium (Alloferin®) 0,25–0,3
® ®
Midazolam (Dormicum ) 0,15–0,3 Vecuronium (Norcuron ) 0,08–0,1
Flunitrazepam (Rohypnol®) 0,02 Mivacurium (Mivacron®) 0,2–0,25
4 Propofol (Disoprivan®) 1,5–2,5 Succinylcholin (Pantholax®) 0,5–1,5

• Psychologische und Umgebungsfaktoren, z. B. ex- 4.5  Vorbereitung der


treme Unruhe oder Angst. Intubation
Bei besonderer Indikationsstellung, z. B. bei massi-
ver Aspirationsgefahr oder schwerer Beeinträchti-
gung der Herz-Kreislauf-Funktion kann eine Intu- 4.5.1  Vorbereitung des Materials
bation auch in Lokalanästhesie (Xylocain®-Spray)
oder Neuroleptanalgesie unter fortbestehender Zur oralen Intubation richten die Pflegenden fol-
Spontanatmung des Patienten vorgenommen wer- gende Materialien:
den (Wachintubation). Hierfür scheint insbesonde- • Laryngoskop (› 4.2)
re Fentanyl gut geeignet; Husten- und Würgereflex • Endotrachealtubus (geeignete Größe › Tab. 4.4
werden gut unterdrückt, der Patient bleibt koopera- plus jeweils den nächstgrößeren und den nächst-
tiv und toleriert den Tubus. kleineren Tubus) mit Norm-Konnektor
Des Weiteren wird zur Intubation gelegentlich • Führungsstab (entsprechend dem ID des Tubus;
Atropinsulfat (Atropin®) verwendet. In der Dosie- › 4.4.1)
rung von 0,3–0,6 mg i. v. oder i. m. ist es geeignet, die • Guedeltuben (› 3.1.2)
Speichelproduktion zu hemmen. Dies erleichtert die • 10 ml-Spritze oder Cuffdruckmesser zum Blocken
Darstellung der Atemwege, was insbesondere dann des Cuffs
hilfreich ist, wenn wegen Intubationsschwierigkei- • Gegebenenfalls Klemme (wenn Tubus ohne
ten fiberoptisch intubiert werden muss. Rückschlagventil an der Cuffzuleitung verwendet
Da während der Intubation immer mit kardio- wird)
vaskulären Nebenwirkungen bzw. Komplikationen • Anästhesierendes Gleitgel (z. B. Xylocain-Gel)
gerechnet werden muss, sind grundsätzlich entspre- • Material zur Tubusfixierung
chende Notfallmedikamente bereitzuhalten (z. B. • Beatmungsbeutel mit Maske und Sauerstoffan-
Akrinor®, Suprarenin®). schluss, ggf. mit Reservoir (› 3.2.1)
• Funktionstüchtige Absauganlage und Absaugka-
theter
• Anästhetika und Notfallmedikamente entspre-
chend Arztanordnung bzw. klinikinternen Richt-
linien (Beispiele › Tab. 4.5)
4.5  Vorbereitung der Intubation 67

• Den Cuff des ausgewählten Tubus auf Dichtigkeit


überprüfen. Dazu die Tubusverpackung am Kon-
nektorende des Tubus öffnen, den Cuff blocken
und ca. 1 Minute geblockt lassen. Dabei den Tu-
bus in der Verpackung belassen. Anschließend
prüfen, ob Luft aus dem Cuff entwichen ist (ggf.
durch leichten Druck auf die Verpackung über
dem Cuff). Ist der Cuff weiter gut mit Luft gefüllt,
kann er entblockt und der Tubus verwendet wer-
den. Ist der Cuff undicht, muss der Tubus ausge-
wechselt werden.
Abb. 4.19  Materialien zur Intubation. Zusätzlich zu den abge-
Auch die Absaugvorrichtung, der Beatmungsbeutel
bildeten Materialien werden immer auch Anästhetika (siehe (› 3.2.1) und ggf. das Beatmungsgerät (› 9.2.1)
Text) und Notfallmedikamente sowie eine funktionsfähige Ab- werden – falls nicht im Rahmen von Routinekont-
sauganlage mit verschieden dicken Absaugkathetern bereitge- rollen bereits geschehen – auf ihre Funktionsfähig-
stellt. [M251] keit hin überprüft. In den meisten Kliniken ist es 4
darüber hinaus üblich, vor jeder Intubation einen
• Stethoskop, Einmalhandschuhe Absaugkatheter an die Absauganlage anzuschließen,
• Bei nasaler Intubation zusätzlich Intubations- um im Bedarfsfall sofort absaugen zu können.
zange (z. B. nach Magill; › 4.4.2).

Zur Intubation muss eine funktionstüchtige Absaug- 4.5.2  Vorbereitung des Patienten
vorrichtung mit verschieden großen Absaugkathetern
bereitstehen, um im Bedarfsfall unverzüglich Sekret aus Sofern zeitlich möglich informiert der Arzt den Pati-
dem Mund-Rachen-Raum absaugen und damit die Aspi- enten über die Notwendigkeit der bevorstehenden
rationsgefahr minimieren zu können. Das Laryngoskop, Intubation, deren Ablauf und die anschließende
der ausgewählte Endotrachealtubus sowie der Beat- (Beatmungs-)Therapie (Ausnahme: Notfallintubati-
mungsbeutel und die Sauerstoffquelle werden vor Beginn
der Intubation auf ihre Funktionsfähigkeit hin über-
on). Bei Kindern, bewusstlosen oder desorientierten
prüft (Funktionsprüfung Laryngoskop siehe unten, Endo- Patienten informiert er zusätzlich die gesetzlichen
trachealtubus siehe unten, Beatmungsbeutel › 3.2.1). Vertreter bzw. die nächsten Angehörigen des Pati-
enten.
Wird ein Patient geplant intubiert und ist eine
Funktionsprüfungen Langzeitintubation abzusehen, informieren die
Vor der Intubation müssen das Laryngoskop und Pflegenden ihn möglichst vor der Intubation über
der Cuff des ausgewählten Tubus auf ihre Funkti- Kommunikationsmöglichkeiten und -hilfsmittel
onsfähigkeit hin überprüft werden: (› 9.8.1).
• Den für den Patienten passenden Laryngoskop- Zahnprothesen werden entfernt. Eine gründliche
spatel auf den Handgriff aufsetzen, einrasten und Reinigung des Mund- und Rachenbereichs vor der
die Lichtqualität überprüfen. Mögliche Ursachen Intubation ist empfehlenswert.
einer schlechten Lichtqualität bzw. nicht funktio- Zur Intubation sollte der Patient nüchtern sein.
nierender Beleuchtung sind leere Batterien bzw. Ist dies nicht der Fall, z. B. im Notfall oder bei verzö-
Akkus, defekte oder nicht richtig auf den Lam- gerter Magen-Darm-Passage, müssen bei der Intu-
penträger aufgeschraubte Glühbirnen (bei her- bation besondere Maßnahmen ergriffen werden, um
kömmlichen Warmlichtlaryngoskopen) sowie eine Aspiration zu verhindern (› 4.10).
fehlender Kontakt zwischen Handgriff und Spatel Ein gut durchgängiger Venenzugang muss vor-
(nicht richtig eingerastet). Wichtig: Das Licht des handen sein bzw. gelegt werden.
Laryngoskops muss optimal hell sein, um die In-
tubation nicht unnötig zu erschweren.
68 4  Endotracheale Intubation

I II Grad I Grad II

Abb. 4.20 Mallampati-Klassifi-
kation (modifiziert nach Samsoon
und Young, links) und Klassifika­
tion der Laryngoskopiebefunde
III IV Grad III Grad IV nach Cormack und Lehane (rechts).
[L157]

Um kardiopulmonale Komplikationen während der Intu- chea verursachen kann (dies ist vor allem im
4 bation rasch erkennen und behandeln zu können, muss Röntgenbild erkennbar).
der Patient – falls nicht bereits geschehen – an einen
Auch eine mangelnde Kooperationsbereitschaft
Überwachungsmonitor angeschlossen werden. Fol-
gende Parameter werden i. d. R. während der Intubation bzw. -fähigkeit des Patienten kann die Intubation
kontinuierlich überwacht: erheblich erschweren.
• Herzfrequenz (EKG) Sind Intubationsschwierigkeiten absehbar, infor-
• Sauerstoffsättigung (Pulsoxymetrie) miert der Arzt die assistierenden Pflegenden und
• Blutdruck (nichtinvasive oder invasive Blutdruckmes- ordnet ggf. die Bereitstellung besonderer Materiali-
sung). en an, etwa Tubuseinführhilfen, oder führt eine fi-
beroptische Intubation durch (›  4.7). Wichtig ist
eine standardisierte Vorgehensweise (Algorithmus)
Einschätzen von der Station bzw. Abteilung. Die Mitarbeiter müssen
Intubationsschwierigkeiten diesen Algorithmus kennen und die notwendigen
Materialien und Geräte bedienen können (› 4.8).
Vor der Intubation prüft der Arzt, ob Hinweise auf
mögliche Intubationsschwierigkeiten vorliegen.
Dazu begutachtet er beim Patienten: Untersuchungen zur Einschätzung von Intuba­
tionsschwierigkeiten
• Das Gesicht, insbesondere im Mund- und Nasen-
bereich (verletzungs- oder erkrankungsbedingte Bei der Klassifikation nach Mallampati (modifiziert
nach Samsoon und Young) wird die Einsehbarkeit des
Veränderungen, z. B. Fehlbildungen oder Ödeme?)
Oropharynx bei maximal weit geöffnetem Mund und
• Mund und Rachen (Zahnstellung, lockere Zähne, herausgestreckter Zunge beurteilt (› Abb. 4.20). Un-
Erkrankungen, Verletzungen, Voroperationen terschieden werden vier Grade. Die Mallampati-Klassifi-
oder Fehlbildungen im Mund-Rachen-Raum? kation weist eine relativ hohe Zahl falsch-positiver
Kiefersperre?). Wichtig ist hier insbesondere die ­Ergebnisse auf (ca. 50 %), d. h. viele Patienten, deren
Mundöffnung (je kleiner die Mundöffnung desto Intubation als schwierig eingeschätzt wurde, konnten
schwieriger die Intubation) und die Sichtbarkeit ohne wesentliche Probleme konventionell intubiert
werden (Larsen, 2010).
des weichen Gaumens bei geöffnetem Mund (je
Bei der Klassifikation nach Cormack und Lehane wird
schlechter der weiche Gaumen sichtbar desto die Einsehbarkeit der Glottis unter direkter Laryngoskopie
schwieriger die Intubation) beurteilt. Die Einteilung erfolgt auch hier in 4 Grade
• Den Hals. Wichtig ist dabei die Beweglichkeit der (› Abb. 4.20):
HWS (z. B. eingeschränkt bei Wirbelsäulener- • Grad I: Glottis ist vollständig sichtbar
krankungen oder nicht erlaubt bei V. a. Verlet- • Grad II: Nur der hintere Teil der Glottis ist sichtbar
• Grad III: Nur die Epiglottis (Kehldeckel) ist sichtbar
zungen der HWS) und eine mögliche Struma, die
• Grad IV: Keine der genannten Strukturen ist sichtbar.
eine Verlagerung und/oder Einengung der Tra-
4.6  Durchführung der oralen und nasalen Intubation 69

Abb. 4.21  Links: Lagerung des Kopfs zur Intubation („Schnüffelposition“ oder verbesserte Jackson-Position). Rechts: Öffnen des
Munds und Einführen des Laryngoskops. [L157, M251]

etwa 10 cm dicke Unterlage ausgetauscht (spezielles 4


Wichtig: Die genannten Untersuchungen sagen nichts
aus über eventuelle intrathorakale Atemwegsobstruktio- Intubationskissen, zusammengefaltetes Frotteetuch
nen und lassen auch keine Rückschlüsse darauf zu, ob oder Laken). So entsteht die für die Intubation hilf-
der Patient über eine Gesichtsmaske ausreichend beat- reiche „Schnüffelposition“ (verbesserte Jackson-­
met werden kann! Position, › Abb. 4.21).
Erst unmittelbar vor Beginn der Intubation wird
Bei Laryngoskopiebefunden nach Cormack und der Patient in flache Rückenlage gebracht (Ausnah-
Lehane von Grad II–IV können einfache Handgriffe me: Nicht nüchterne Patienten werden meist in
die Sicht verbessern, dazu gehören insbesondere die Kopftief- oder leichter Oberkörperhochlage intu-
OELM bzw. die BURP-Manöver: biert). Dies ist insbesondere für ateminsuffiziente
• Bei der OELM (Optimal External Laryngeal Patienten wichtig, da die Atmung in Oberkörper-
­Manipulation) führt der Arzt das Laryngoskop hochlage sehr viel leichter ist als in flacher Rückenla-
ein und führt mit der freien (meist rechten) Hand ge und eine respiratorische Insuffizienz in flacher
so lange Manipulationen am Kehlkopf des Pa­ Rückenlage daher rasch dekompensieren kann.
tien­ten durch, bis die Position mit der bestmögli-
chen Sicht auf die Stimmritze gefunden ist. Die Vor der Intubation am Kopfende des Patientenbetts Platz
assistierende Pflegende versucht dann, den Kehl- schaffen. Dazu ggf. Bettbügel, Monitorkabel, Infusions-
kopf des Patienten in dieser Position zu halten, leitungen, Drainagen etc. so platzieren, dass der intubie-
während der Arzt intubiert. rende Arzt am Kopfende des Betts ausreichend Bewe-
• Beim BURP (Backwards Upwards Rightwards gungsspielraum hat und seine Position im Notfall rasch
Pressure)-Manöver wird der Schildknorpel von ungehindert verlassen kann.
außen zuerst nach hinten gegen die Halswirbel-
säule, dann so weit wie möglich nach oben und
schließlich nach rechts (max. 2 cm) gedrückt.
4.6  Durchführung der oralen
und nasalen Intubation
Lagerung des Patienten zur Intubation

Zur Intubation muss der Patient auf dem Rücken Sowohl bei der oralen als auch bei der nasalen Intu-
liegen. Bis auf ein kleines Nackenkissen entfernen bation arbeiten die Pflegenden und der Arzt „Hand
die Pflegenden alle Lagerungskissen im Bereich des in Hand“. Die Aufgabenteilung (wer macht was?)
Oberkörpers aus dem Patientenbett. Kurz vor der kann dabei von Klinik zu Klinik etwas variieren, z. B.
Intubation wird das Nackenkissen gegen eine feste, ist es in manchen Kliniken üblich, dass der Arzt
70 4  Endotracheale Intubation

selbst die Lunge auf korrekte Tubuslage abhört, be- schlafen ist. Gegebenenfalls Einführen eines
vor der Tubus fixiert wird, in anderen Kliniken ist Guedeltubus zur Erleichterung der Maskenbe-
das eine Aufgabe der assistierenden Pflegenden. Da atmung (Durchführung Masken-Beutelbeat-
der Arzt während des Intubationsvorgangs i. d. R. mung › 3.2.3). Nur wenn die Maskenbeat-
ununterbrochen auf die Stimmritze des Patienten mung durchführbar ist, erfolgt die Gabe des
blickt, ist es sehr wichtig, dass die Pflegenden den Muskelrelaxans (bei jedem relaxierten Patien-
Ablauf und eventuell auftretende Schwierigkeiten ten muss eine Maskenbeatmung durchführbar
kennen, um Veränderungen beim Patienten erken- sein, falls die Intubation nicht gelingt).
nen, ärztliche Anordnungen ohne weitere Erklärun- • Pflegende: Auf Arztanordnung Verabreichen des
gen durchführen und bei auftretenden Schwierigkei- Muskelrelaxans. Laryngoskop so anreichen, wie
ten jeweils rasch und richtig reagieren zu können. es in den Mund des Patienten eingeführt wird
(Spatel nach unten, Spatelspitze zeigt zum Fuß-
ende des Betts hin).
4.6.1  Orale Intubation • Arzt: Nach Eintritt der Wirkung des Muskelrela-
xans Kopf des Patienten leicht reklinieren (in
4 Einführung von Doppellumentuben › 6.5.2 „Schnüffelposition“ bringen), mit der rechten
Bei der oralen Intubation gehen der Arzt und die Hand den Mund des Patienten öffnen und La-
assistierende Pflegeperson i. d. R. wie folgt vor (Auf- ryngoskop in die linke Hand nehmen. Laryngo­
gabenteilung kann variieren): skop einführen (dazu die Zunge etwas nach links
• Arzt und Pflegende: Händedesinfektion drängen, um freie Sicht zu schaffen) und Kehl-
• Arzt: Zieht Einmalhandschuhe an kopf einstellen.
• Pflegende: Tubus und Führungsstab (falls zur In- • Pflegende: Tubus so anreichen, wie er eingeführt
tubation erforderlich) mit Gleitgel bestreichen wird (Tubusspitze zeigt nach unten in Richtung
(Tubus lässt sich dadurch leichter in die Trachea Fußende des Patientenbetts), und dem Arzt das
einführen und Schleimhaut wird weniger trau- Tubusende, das später außerhalb des Munds
matisiert). Gegebenenfalls Führungsstab in den liegt, in die rechte Hand geben. Gegebenenfalls
Tubus einführen (› 4.4.1). Am Monitor akusti- auf Arztanordnung Krikoiddruck (Sellick-Hand-
sches Herzfrequenzsignal oder Ton für Pulsoxy- griff) durchführen (leichter Druck mit Daumen
metrie einstellen (in den meisten Kliniken üblich, und Zeigefinger von außen auf den Ringknorpel,
um Herzrhythmusstörungen sofort erkennen zu dadurch bessere Sicht auf den Kehlkopfeingang
können). und Verschluss des Ösophagus durch Verlage-
• Arzt: Informiert den Patienten über Beginn der rung des Ringknorpels nach hinten).
Intubation. Präoxygenierung, d. h. der Patient • Arzt: Tubus einführen. Dabei Tubus so weit vor-
atmet für 3–5 Minuten 100 % Sauerstoff über eine schieben, bis der Cuff hinter den Stimmbändern
Gesichtsmaske, die ihm der Arzt dicht vor Mund nicht mehr zu sehen ist bzw. eine am Tubus an-
und Nase hält. Ziel: Schaffung einer „Sauerstoff- gebrachte Markierung (knapp oberhalb des
reserve“ für die kurze Zeit des Intubationsvor- Cuffs) gerade noch sichtbar ist (› Abb. 4.22 und
gangs, in der der Patient weder atmet und noch › Abb. 4.23).
beatmet wird. Während der Präoxygenierung: • Pflegende: Tubus mit ca. 5–10 ml Luft blocken
– Pflegende: Auf Arztanordnung Verabreichen (Ausnahmen: Tubus mit Fome-Cuff – hier nur
eines Hypnotikums und evtl. geringe Menge Zuleitungsschlauch zum entblockten Cuff öffnen
eines nicht depolarisierenden Muskelrelaxans – und Tubus mit Lanz®-Ventil; hier sind mindes-
zum Präcurarisieren (Gabe geringer Mengen tens 40 ml Luft zum Blocken nötig).
nicht depolarisierender Muskelrelaxanzien, • Arzt: Laryngoskop entfernen, Beatmungsbeutel
z. B. 1–2 mg Pancuronium, um Muskelfasziku- oder Beatmungsgerät anschließen (i. d. R. zu-
lationen durch Succinylcholin zu vermeiden). nächst manuelle Beatmung mit dem Beatmungs-
– Arzt: Beatmung über Maske, nachdem der beutel zur Tubuslagekontrolle, erst dann An-
Patient nach Gabe der Medikamente einge- schluss an Respirator).
4.6  Durchführung der oralen und nasalen Intubation 71

• Tubuslagekontrolle (dabei Tubus festhalten


oder provisorisch fixieren):
– Pflegende: Manuelle Beatmung mit dem Beat-
mungsbeutel, dabei Thorax auf seitengleiche
Exkursionen und Tubus auf Beschlagen mit
Wasserdampf während der Exspiration beob- Epiglottis
achten.
– Arzt: Abhören der Lunge (seitengleiche Atemge-
räusche über beiden Lungenflügeln?) und über
der Magengrube (blubberndes Geräusch wäh-
rend der Inspiration als Zeichen einer Fehlintu-
bation des Ösophagus?). Auskultationspunkte
› Abb. 4.24. Möglichst unmittelbar nach der
Intubation den Patienten an die Kapnometrie
anschließen (› 9.2.3). Eine Fehlintubation ist
sicher ausgeschlossen, wenn der etCO2-Wert Abb. 4.22  Orale Intubation. Durch Zug in Richtung des Laryn- 4
goskop-Handgriffs richtet sich die Epiglottis auf und die Stimm-
über mehrere Atemzyklen über 15–20 mmHg ritze wird einsehbar. [L157]
liegt bzw. der Tubus laryngoskopisch sichtbar
zwischen den Stimmbändern liegt. Im Zweifels-
fall (selten) ist eine fiberoptische (bronchosko-
pische) Lagekontrolle erforderlich.
• Pflegende: Tubusfixierung. Verschiedene Mög-
lichkeiten je nach Patientensituation und klinik­
internen Richtlinien (› 9.4.4). Meist zunächst
Fixierung mit Heftpflaster. Cuffdruckkontrolle Glottis
und ggf. Veränderung des Cuffvolumens durch
Abziehen oder Nachinjizieren von Luft aus dem
bzw. in den Cuff über Cuffdruckmessgerät.
• Arzt oder Pflegende: Gegebenenfalls Guedeltubus
oder Beißschutz einlegen, um zu verhindern, dass
der Patient auf den Tubus beißt und das Tubus-
lumen dadurch verschließt. Abb. 4.23  Korrekte Lage eines oralen Endotrachealtubus. Der
• Pflegende: Dokumentation der Intubation ein- geblockte Cuff befindet sich knapp unterhalb der Stimmritze
schließlich Intubationstiefe (Zentimeter-Markie- (Glottis). [L190]
rung des Tubus auf Höhe der vorderen Zahnrei-
Vorsicht
he. Richtwerte: Männer 22–24 cm, Frauen: 20–
22 cm, Kinder: [Lebensalter : 2] + 12) und der Eine nicht erkannte Tubusfehllage ist eine lebensbedroh-
verabreichten Medikamente. Gegebenenfalls liche Komplikation! Bestehen Zweifel an der korrekten Tu-
buslage, muss der Tubus entfernt und der Patient über eine
Röntgenkontrolle des Thorax veranlassen (Arzt­
Maske mit 100 % Sauerstoff beatmet werden. Erst danach
anordnung). kann ein erneuter Intubationsversuch erfolgen (auch Vor-
Pflege bei oraler Intubation › 9.4 gehen bei unerwartet schwieriger Intubation › 4.8).

Während der Intubation beobachten die Pflegenden den


Patienten (insbesondere Hautfarbe) und achten auf die
am Bildschirm des Überwachungsmonitors angezeigten 4.6.2  Nasale Intubation
Messwerte. Bedrohliche Veränderungen, z. B. Bradykar-
die infolge eines Vagusreizes durch den Tubus, teilen sie Die Durchführung der nasalen Intubation unter
umgehend dem intubierenden Arzt mit. Sicht entspricht im Wesentlichen der oralen Intuba-
72 4  Endotracheale Intubation

2 1

4 3

4
Abb. 4.24  Auskultationspunkte zur Kontrolle der kor-
rekten Tubuslage. Zunächst werden die Atemgeräusche über
den oberen, dann die über den unteren Lungenabschnitten
a
auskultiert. Wurde der Tubus zu tief eingeführt (einseitige Intu-
bation, beim Erwachsenen meist in den rechten Hauptbron- Nasale Intubation unter Sicht: Tubus über den unteren
chus), sind nur über einem (meist dem rechten) Lungenflügel Nasengang in den Hypopharynx vorschieben
Atemgeräusche hörbar. Evtl. verlegt der in den rechten Haupt-
bronchus eingeführte Tubus den Abgang des oberen Lappen-
bronchus, dann sind auch über der rechten Lungenspitze keine
Atemgeräusche auskultierbar. Abschließend wird zur Sicherheit
über der Magengrube abgehört (blubberndes Geräusch als Hin-
weis auf eine Intubation des Ösophagus?). [L190]

tion (›  4.6.1). Lediglich in der Vorbereitung der


Nase sowie beim Einführen des Tubus unterschei-
den sich die beiden Techniken.
Vorbereitung:
• Zur nasalen Intubation wird i. d. R. ein Endotra-
chealtubus ausgewählt, dessen ID 0,5–1 mm klei-
ner ist als der für den Patienten passende orale
Tubus (dies erleichtert das Vorschieben des Tu- b
bus durch die Nase und reduziert damit das Risi- Laryngoskop einführen und Kehlkopf einstellen. Mit der
ko von Verletzungen der Nasenschleimhaut). Intubationszange die Tubusspitze fassen und den Tubus
in die Trachea einführen
• Evtl. tastet der Arzt vor Beginn der Intubation die
vorgesehene Nasenseite mit dem kleinen Finger Abb. 4.25  Nasale Intubation. [L126]
aus, um den Verlauf des Nasengangs und eventu-
elle Verengungen festzustellen. duktion. In der Regel werden beide Nasenseiten
• Evtl. Cuffschutz über die Tubusspitze stülpen vorbereitet, damit bei Bedarf auf die andere Seite
(zum Schutz des Cuffs vor Beschädigung wäh- ausgewichen werden kann. Danach anästhesie-
rend der Passage des Tubus durch die Nase; wird rendes Gleitgel (z. B. Xylocain-Gel®) in die Na-
entfernt, sobald die Tubusspitze im Rachen liegt). sengänge einbringen (dies anästhesiert die emp-
• Einbringen von Nasentropfen zur Schleimhaut- findliche Nasenschleimhaut und erleichtert das
abschwellung und Verminderung der Sekretpro- Einführen des Tubus).
4.7  Fiberoptische Intubation 73

Durchführung (› Abb. 4.25):


• Arzt: Vorsichtiges Einführen des Tubus (steil Batteriehalter
nach unten weisend) in den unteren Nasengang Okular
und Vorschieben in den Hypopharynx. Gegebe- Lampenhalter
nenfalls vorher dünnen Absaugkatheter oder
Lichtprojektor
dünne Magensonde über den Nasengang in den Saugventil
Rachen vorschieben und Tubus über diese als Lichtleiter
Leitschiene dienende Sonde einführen. Beim Sauganschluss
Auftreten eines Widerstands Tubus etwas zu-
rückziehen und Kopf weiter überstrecken. Gege-
benenfalls Cuff zur Kontrolle im Rachen noch- Saugaktivierungs- Lichtleiterkabel
mals blocken um Dichtigkeit zu prüfen (Cuff hebel
könnte während der Passage durch die Nase be-
schädigt worden sein)
• Pflegende: Laryngoskop anreichen
• Arzt: Kehlkopf einstellen 4
• Pflegende: Intubationszange anreichen (dem Arzt
die Griffe der Intubationszange in die rechte
Hand geben) flexibler Einführteil
• Arzt: Tubusspitze mit der Intubationszange fas-
sen und durch die Stimmritze in die Trachea ein-
Abwinkelungsteil
führen
• Pflegende: Auf Arztanordnung Tubus vorsichtig Abb. 4.26 Intubations-Bronchoskop, hier das Intubations-­
vorschieben und/oder Krikoiddruck (› 4.6.1) Fiberskop LF-GP für die fiberoptische Intubation von Erwachse-
ausüben nen. Das Gerät kann alternativ mit externer Lichtquelle oder im
• Pflegende: Cuff blocken und Tubus fixieren Batteriebetrieb eingesetzt werden. [V218]
• Arzt oder Pflegende: Tubuslagekontrolle
(› 4.6.1) Eine fiberoptische Intubation ist indiziert, wenn
• Pflegende: Verabreichte Medikamente und Intu- eine schwierige Intubation absehbar bzw. eine kon-
bationstiefe dokumentieren (notiert wird die ventionelle orale oder nasale Intubation nicht mög-
Zentimeter-Markierung am Naseneingang). lich ist, z. B. wegen Fehlbildungen oder Erkrankun-
Pflege bei nasaler Intubation › 9.4 gen des Mund-Rachen-Raums oder bei großer Stru-
ma, welche die Trachea einengt oder zur Seite ver-
Zur nasalen Intubation muss immer das gesamte Materi- drängt, sowie bei Patienten, deren Halswirbelsäule
al zur oralen Intubation bereitliegen, damit der Patient im nicht ausreichend bewegt werden kann oder darf,
Notfall oral intubiert werden kann. z. B. wegen HWS-Fraktur. Weitere Indikationen
sind die unerwartet schwierige Intubation (› 4.8.1)
und die Umintubation von Risikopatienten.

4.7  Fiberoptische Intubation 4.7.1 Intubations-Bronchoskope

DEFINITION Intubations-Bronchoskope (Intubations-Fiberskope


Fiberoptische Intubation (bronchoskopische Intubati- › Abb. 4.26) sind besonders dünne Bronchoskope,
on): Orale oder nasale Intubation mithilfe eines Broncho- die speziell für die Intubation entwickelt wurden.
skops, über das der Tubus in die Trachea vorgeschoben Die verschiedenen Intubations-Bronchoskope un-
wird. terscheiden sich u. a. in ihrem Außendurchmesser,
der entscheidend dafür ist, ob ein bestimmtes
74 4  Endotracheale Intubation

­ ronchoskop auch bei sehr geringem Tubuslumen,


B
also z. B. bei Kindern oder Patienten mit Doppellu-
mentuben (hier sehr geringer Durchmesser der ein-
zelnen Lumen) eingesetzt werden kann.
Ältere Intubations-Bronchoskope funktionieren
nur, wenn sie an die zugehörige externe Lichtquelle
angeschlossen werden. Die Geräte der neueren Ge-
neration arbeiten auch batteriebetrieben, d. h. der
Anschluss an die externe Lichtquelle ist nicht not-
wendig (Batterie-Intubationsfiberskop). Damit sind
diese Geräte besonders für die notfallmäßige fi-
beroptische Intubation geeignet.

4.7.2 Vorbereitung
4 Abb. 4.27 Mainzer-Universaladapter® (rechts) und Optosafe-
Grundsätzlich wird zur fiberoptischen Intubation Tubus (links) für die fiberoptische Intubation. [V420]
immer das gesamte zur oralen Intubation erforderli-
che Material bereitgelegt (› 4.5.1). Zusätzlich be- Die Vorbereitung des Patienten entspricht der
reiten die Pflegenden Folgendes vor: vor einer konventionellen oralen oder nasalen In-
• Intubations-Bronchoskop und zugehörige exter- tubation. Zusätzlich informiert der Arzt den Pati-
ne Lichtquelle (neuere Geräte können auch batte- enten über den Ablauf der fiberoptischen Intubati-
riebetrieben arbeiten). Bronchoskop nach Her- on. Bei der geplanten fiberoptischen Intubation
stellerangaben auf Funktionsfähigkeit prüfen wird häufig eine Prämedikation durchgeführt mit
• (sterile) Handschuhe einem Benzodiazepin (z. B. Midazolam oder Diaze-
• Tubus, z. B. Magill-Tubus (Größe und Ersatzgrö- pam), häufig kombiniert mit einem Anticholiner-
ßen nach Arztrücksprache, Cuff auf Dichtigkeit gikum (reduziert die Sekretproduktion und ver-
kontrollieren › 4.5.1), auch innen gleitfähig mindert dadurch die Verdünnung des Lokalanäs-
machen (z. B. mit Silikospray®) und ggf. den thetikums). In manchen Kliniken werden alterna-
Normkonnektor entfernen (aufbewahren, wird tiv oder in Kombination mit Benzodiazepinen
nach erfolgreicher Intubation wieder auf den Tu- Opiate mit kurzer Wirkdauer (z. B. Remifentanil,
bus aufgesteckt) ›  Tab. 4.5) eingesetzt (Vorteil: Dämpfung des
• Spezieller Oropharyngealtubus (z. B. Airway-­ Hustenreflexes, dadurch Erleichterung der fiberop-
Tubus® oder Optosafe-Tubus, › Abb. 4.27) tischen Intubation; Cave: Bei zu hoher Dosierung
• Mainzer-Universaladapter® (› Abb. 4.27) kann Atemdepression und erhöhtes Aspirationsrisiko).
an alle Beatmungsmasken angeschlossen werden Ist eine fiberoptische Intubation bei einem wachen
• Gleitmittel und Antibeschlagmittel für Broncho­ Patienten geplant, so ist es nicht zwingend notwen-
skop dig, dass der Patient zur Intubation auf dem Rü-
• Spüllösung für Bronchoskop (z. B. Aqua dest.) cken liegt, vielmehr kann die fiberoptische Intuba-
• Lokalanästhetikum zur Anästhesie der Nasen- tion beim wachen Patienten auch in Oberkörper-
schleimhaut und des Rachenraums, z. B. Xylo- hochlage bzw. am sitzenden Patienten sowie in
cain-Gel 2 %® oder 10-prozentiges Xylocain- Seitenlage durchgeführt werden.
Pumpspray® (ein Sprühstoß = 10 mg). Die fi-
beroptische Intubation kann für den Patienten
sehr unangenehm sein, deshalb ist die ausrei- 4.7.3 Durchführung
chende Schleimhautanästhesie sehr wichtig
• Evtl. Sauerstoffsonde (bei fiberoptischer Intubati- Die fiberoptische Intubation kann sowohl am wa-
on des wachen Patienten). chen (spontan atmenden) als auch am narkotisierten
4.7  Fiberoptische Intubation 75

Patienten durchgeführt werden. In beiden Fällen mit Pflaster fixieren. Bronchoskop und Tubus
kann sie nasal oder oral erfolgen. mit anästhesierendem Gel bestreichen
Der wesentliche Vorteil der fiberoptischen Intu- • Linse des Bronchoskops mit Antibeschlagmittel
bation des wachen Patienten ist die erhaltene Spon- benetzen
tanatmung. Damit gibt es keine zeitliche Begren- • Intubations-Bronchoskop in den unteren Nasen-
zung für den eigentlichen Intubationsvorgang, da gang einführen und unter Sicht bis zur Epiglottis
der Patient währenddessen spontan atmet. Bei der vorschieben. Dort über Biopsiekanal Lokalanäs-
fiberoptischen Intubation des narkotisierten Patien- thetikum applizieren zur Lokalanästhesie der
ten dagegen kann die Intubationszeit – je nach ver- Epiglottis (dabei Absaugung abstellen bzw. ab-
wendeter Technik – begrenzt sein oder man kann klemmen)
kontinuierlich mit der Maske weiterbeatmen. Vor- • Wirkungseintritt des Lokalanästhetikums abwar-
aussetzung zur fiberoptischen Intubation eines wa- ten, dann Bronchoskop durch die Stimmritze
chen Patienten ist die Kooperation des Patienten; bei hindurch bis zur Bifurkation (Karina) vorschie-
der fiberoptischen Intubation des narkotisierten Pa- ben. Währenddessen wiederholte Gabe von Lo-
tienten ist dies nicht notwendig. kalanästhetika
• Injektion einer geringen Dosis eines Hypnoti- 4
kums (Spontanatmung soll erhalten bleiben)
Fiberoptische Intubation des wachen • Pflaster, mit dem der Tubus am Bronchoskop fi-
Patienten xiert ist, entfernen
• Sobald der Lidreflex erloschen ist, Tubus über
Bei der fiberoptischen Intubation des wachen Pa- das Bronchoskop in die Trachea einführen
tienten werden das Intubations-Bronchoskop und • Bronchoskopische Lagekontrolle des Tubus: Tu-
der Tubus i. d. R. nasal eingeführt. Die nasale fi- busspitze muss wenige Zentimeter oberhalb der
beroptische Intubation ist technisch einfacher als Bifurkation liegen
die orale fiberoptische Intubation. Zudem ist sie für • Cuff blocken, Intubations-Bronchoskop entfer-
den wachen Patienten angenehmer und die Gefahr nen, Konnektor anbringen und Respirator an-
einer Beschädigung des Bronchoskops ist geringer. schließen oder manuelle Beatmung durchführen
Prinzipiell kann die fiberoptische Intubation des wa- • Lunge auf seitengleiche Atemgeräusche abhören
chen Patienten jedoch auch oral erfolgen. • Tubus fixieren (› 9.4.4)
• Alternativ kann zuerst der Tubus über die Nase
Nasale fiberoptische Intubation des wachen bis in den hinteren Nasopharynx eingeführt wer-
Patienten den. Über den Tubus wird dann zunächst der Ra-
• Einbringen von Nasentropfen zur Schleimhaut- chenraum abgesaugt. Dann wird das Broncho­
abschwellung und Verminderung der Sekretpro- skop eingeführt, durch den Kehlkopf in die Tra-
duktion (z. B. Nasivinetten®) in jedes Nasenloch chea vorgeschoben und der Tubus über das
• Geeignete Nasenseite feststellen (i. d. R. die Na- Bronchoskop hinweg in die Trachea eingeführt.
senseite, die besser durchgängig scheint). In an- Vorteile dieser Methode: Die Optik des Broncho­
dere Nasenseite O2-Sonde einführen und Sauer- skops kann nicht durch Nasensekret verlegt wer-
stoff verabreichen (Sauerstoffflow nach Arztan- den und die Weite der Nasengänge ist besser be-
ordnung) urteilbar. Nachteilig ist die erhöhte Verletzungs-
• Lokalanästhesie der Nasenschleimhaut mit z. B. gefahr.
einem Sprühstoß Lidocain 10 % in jedes Nasen-
loch Orale fiberoptische Intubation des wachen
• Gegebenenfalls Gabe geringer Mengen eines Patienten
Hypnotikums oder geringe Analgosedierung, z. B. Die orale fiberoptische Intubation des wachen Pa-
mit Remifentanil nach Arztanordnung tienten hat den Vorteil, dass größere Endotracheal-
• Tubus auf das Intubations-Bronchoskop auffä- tuben verwendet werden können. Der Ablauf ist
deln und am äußeren Ende des Bronchoskops ähnlich dem der nasalen fiberoptischen Intubation
76 4  Endotracheale Intubation

bus) über den das Bronchoskop und der Endotra-


chealtubus in die Trachea vorgeschoben werden
kann
• Nach Platzierung und bronchoskopischer Lage-
kontrolle des Tubus wird zunächst das Broncho­
skop und dann der spezielle Oropharyngealtubus
entfernt.

Fiberoptische Intubation des


narkotisierten Patienten

Bei der fiberoptischen Intubation des narkotisier-


ten Patienten wird der Tubus meist oral eingeführt.
Dazu wird der Patient zunächst präoxygeniert, er-
4 hält ein Hypnotikum und wird mit Maske (spezielle
Endoskopiemaske oder Gesichtsmaske mit Univer-
saladapter) und Beatmungsbeutel beatmet. An-
schließend wird ein Muskelrelaxans verabreicht und
ein spezieller Oropharyngealtubus (Airway-Tubus®,
dient gleichzeitig als Beißschutz) eingelegt. Unter
Maskenbeatmung wird das Bronchoskop dann
durch den Universaladapter hindurch über den Oro-
pharyngealtubus in die Trachea vorgeschoben und
der (zuvor auf das Bronchoskop aufgefädelte) Endo-
trachealtubus über das Bronchoskop vorgeschoben.
Nachdem die korrekte Tubuslage bronchoskopisch
kontrolliert wurde, werden das Bronchoskop und
die Beatmungsmaske entfernt. Das weitere Vorge-
hen entspricht dann dem der fiberoptischen Intuba-
tion des wachen Patienten.
Bei der nasalen fiberoptischen Intubation des nar-
kotisierten Patienten entfällt der Einsatz eines speziel-
len Oropharyngealtubus. Hier wird das Bronchoskop
durch den Universaladapter der Maske über Nase
und Rachen in die Trachea vorgeschoben und der En-
Abb. 4.28  Nasale fiberoptische Intubation eines spontanat-
menden Patienten. Oben: Der Tubus ist über die Nase einge-
dotrachealtubus über das Bronchoskop eingeführt.
führt und in den Hypopharynx vorgeschoben (› 4.6.2). Über Eine weitere Möglichkeit der fiberoptischen Intu-
den Tubus wird das Bronchoskop zunächst bis zum Kehlkopf- bation ist die Einführung von Bronchoskop und Tu-
eingang, nach Lokalanästhesie der Epiglottis dann bis in die bus über eine Larynxmaske (› 4.8.2).
Trachea eingeführt. Unten: Dann wird der Tubus über das
Bronchoskop hinweg in die Trachea vorgeschoben. [L126]

(› Abb. 4.28), Unterschiede bestehen in folgenden 4.8  Die schwierige Intubation


Punkten:
• Lokalanästhesie des Oropharynx
• Einführen eines speziellen Oropharyngealtubus Im Verlauf des Intubationsvorgangs (› 4.6) kön-
(z. B. Airway-Tubus® oder geschlitzter Guedeltu- nen praktisch jederzeit Schwierigkeiten auftreten,
4.8  Die schwierige Intubation 77

die einzelnen Maßnahmen am Patienten durchzu- 4.8.1  Vorgehen bei schwieriger


führen – v. a. Beatmung über Maske, Einstellen des Intubation
Kehlkopfs mit Laryngoskop und Einführen des Tu-
bus in die Trachea. Der Begriff „schwierige Intu- Das Vorgehen bei schwieriger Intubation bzw.
bation“ bezieht sich genau genommen lediglich schwieriger Maskenbeatmung hängt wesentlich da-
auf den Vorgang des Einführens des Tubus in die von ab, ob die Schwierigkeiten unerwartet auftreten
Trachea, als Überbegriff für Schwierigkeiten im oder bereits vorhersehbar waren (Einschätzen von
Verlauf der Intubation wurde von der ASA (Ameri- Intubationsschwierigkeiten › 4.5.2).
can Society of Anesthesiologists) der Begriff Algorithmus schwierige Atemwege › Abb. 4.29
„schwieriger Atemweg“ geprägt. Im klinischen
Sprachgebrauch werden die Begriffe jedoch oft syn-
onym verwendet. Vorgehen bei erwartet schwieriger
Intubation
DEFINITION
Schwieriger Atemweg – schwierige Intubation Die erwartet schwierige Intubation wird nur von
Schwieriger Atemweg: Situation, in der es für einen bzw. im Beisein eines erfahrenen Anästhesisten vor- 4
Anästhesisten schwierig oder unmöglich ist, den Patien- genommen. Auch der Pflegende sollte Erfahrung bei
ten mittels Maske zu beatmen und/oder mithilfe konven- der Assistenz schwieriger Intubationen haben bzw.
tioneller Laryngoskopie tracheal zu intubieren. von einem erfahrenen Kollegen unterstützt werden.
• Schwierige Maskenbeatmung: Trotz korrekter
Bei der erwartet schwierigen Intubation versucht
Kopflagerung gelingt die Maskenbeatmung wegen
nicht vermeidbarer Leckagen oder zu hohem Beat- der Arzt – wenn möglich – das Bewusstsein und die
mungswiderstand nicht (SaO2 < 90 % bei FiO2 Spontanatmung des Patienten so lange zu erhalten,
100 %). Meist finden sich klinische Zeichen wie feh- bis der Atemweg entweder mit einem Endotracheal-
lende thorakale Atembewegungen, fehlende, ungenü- tubus oder einer Larynxmaske gesichert ist. Metho-
gende oder spastische Atemgeräusche, Zyanose, Ma- de der Wahl (Goldstandard) ist die fiberoptische
genblähung, fehlende oder ungenügende Volumen- Intubation des wachen Patienten (› 4.7.3).
messung der Ausatemluft sowie die klinischen Zeichen
Fehlt die dazu notwendige Kooperationsfähigkeit
der Hypoxie und Hyperkapnie (Technik der manuellen
Beatmung › 3.2.3).  des Patienten, wird der Arzt versuchen, zumindest
Häufigkeit: schwierige Maskenbeatmung 5 %, Mas- die Spontanatmung des Patienten zu erhalten, bis
kenbeatmung nicht möglich 0,01–0,08 % (Larsen, R. der Tubus oder die Larynxmaske eingeführt ist.
2006). Gegebenenfalls muss der Patient bei erwarteten
• Schwierige pharyngeale Atemwegsfreihaltung: Intubationsschwierigkeiten in eine Klinik verlegt
Die Einlage eines pharyngealen Instruments (z. B. La- werden, die über mehr alternative Möglichkeiten
rynxmaske, Larynxtubus, Combitubus) ist auch nach
verfügt. Ist dies nicht möglich, kann in Ausnahme-
mehreren Versuchen nicht möglich, sodass keine Ven-
tilation erfolgen kann. fällen auch eine fiberoptische Intubation des narko-
• Schwierige Laryngoskopie: Es ist auch nach meh- tisierten Patienten (› 4.2.6) oder eine primäre Tra-
reren Versuchen nicht möglich, unter konventioneller cheotomie in Lokalanästhesie durchgeführt werden.
Laryngoskopie Teile der Stimmbänder einzusehen.
Häufigkeit: 1,5–8,5 %.
• Schwierige Intubation: Für die erfolgreiche Einlage
Vorgehen bei unerwartet schwieriger
eines Endotrachealtubus benötigt der Anästhesist
Intubation
mehr als 3 Versuche oder länger als 10 Minuten. Häu-
figkeit: 1–18 % aller Intubationen.
Der schwerwiegendste Fall ist die cannot ventilate – Nicht immer kann der Arzt Intubationsschwierig-
cannot intubate – Situation: Der Patient kann weder keiten im Vorfeld erkennen. Trotz sorgfältiger Eva-
über die Gesichtsmaske beatmet noch intubiert werden luierung kann ein schwieriger Atemweg und eine
(Häufigkeit: 1/10.000–1/1 Mio). damit verbundene schwierige Intubation bei mehr
als 30 % der Patienten nicht vorherbestimmt werden
(Gottschall, R. 2006). Treten bei einem „unauffälli-
78 4  Endotracheale Intubation

gen“ Patienten Intubationsschwierigkeiten auf, wird Ziel des Vorgehens bei der unerwartet schwierigen Intu-
i. d. R. nach einem festgelegten Schema (Algorith- bation ist die Aufrechterhaltung einer ausreichen-
mus) vorgegangen, um die Sauerstoffversorgung des den Oxygenierung (nicht die Intubation)!
Patienten aufrechtzuerhalten. Entscheidend ist da-
bei, ob eine Maskenbeatmung möglich ist oder Inzwischen haben einige Länder Leitlinien zum Air-
nicht (› 3.2.3): way Management veröffentlicht (USA 1993 – Update
• Ist eine Maskenbeatmung möglich, kann die In- 2004). Für Deutschland bietet die Leitlinie der Deut-
tubation erneut versucht werden, nachdem die schen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv-
Narkosetiefe optimiert wurde. Gegebenenfalls zu medizin (DGAI) eine gute Orientierung für das syste-
erneuten Intubationsversuchen Hilfe herbeirufen matische Vorgehen. Die Empfehlungen der ASA und
(lassen). Dabei können dann verschiedene Intu- DGAI unterscheiden sich nur geringfügig. Schwer-
bationshilfsmittel (z. B. spezielle Laryngoskop- punkte der Empfehlungen sind (› Abb. 4.29):
spatel › 4.2.1 oder Führungshilfen › 4.4.1) • Neben einer assistierenden Person sollte ein wei-
oder Handgriffe (z. B. Krikoiddruck › 4.6.1) terer Arzt/Assistent zumindest in Rufweite sein
eingesetzt werden. Gelingt die Intubation auch • Zusätzliche Hilfsmittel zur Oxygenierung (LMA,
4 damit nicht, kann eine fiberoptische Intubation Larynxtubus, Combitubus, Wendl-Tubus, Sauer-
über Maske oder Intubations-Larynxmaske vor- stoffsonde, Jet-Ventilation, Sauerstoffmaske) sol-
genommen werden (› 4.7). Wichtig: len in Griffweite sein
– Sauerstoffsättigung während der Maßnahmen • Jede Anästhesieabteilung sollte einen Algorith-
permanent kontrollieren und Patienten zwi- mus zum Management des schwierigen Atem-
schen den einzelnen Intubationsversuchen wegs und zur Extubation haben. Die im Algorith-
über Gesichts- bzw. Larynxmaske beatmen, mus implementierten Techniken müssen trai-
um ausreichende Oxygenierung sicherzustel- niert werden
len. • Jede Anästhesieabteilung, Notaufnahme oder In-
– Traumatische Intubationsversuche unbedingt tensivstation sollte über ein portables System
vermeiden! Diese könnten Schleimhautschwel- zum Management des schwierigen Atemwegs
lungen, Verletzungen und/oder Blutungen ver- verfügen, in welchem ausreichende Alternativ-
ursachen, die dann ihrerseits die Maskenbeat- und Notfallinstrumente vorgehalten werden
mung erschweren oder unmöglich machen, (Notfallwagen schwierige Intubation › 4.8.2)
d. h. der Patient kann dann weder über Maske • Vorgehensweise und Probleme sind zu doku-
beatmet noch intubiert werden (can't ventilate, mentieren
can't intubate-Situation). • Der Patient muss nach der Intervention infor-
• Ist eine Maskenbeatmung nicht möglich, darf miert werden (Gespräch und Ausstellen eines
der Patient auch nicht relaxiert werden. Mittels Anästhesieausweises).
Guedeltubus wird der Arzt versuchen, eine Mas-
kenbeatmung doch noch zu ermöglichen. Ist
trotz Guedeltubus eine Maskenbeatmung nicht 4.8.2  Hilfsmittel zur Sicherung der
möglich, kann versucht werden, den Patienten Atemwege bei schwieriger
über eine Larynxmaske zu beatmen. Gelingt dies, Intubation
kann evtl. eine fiberoptische Intubation über die
Larynxmaske vorgenommen werden. Gelingt Notfallwagen schwierige Intubation
auch dies nicht, sind der Einsatz eines Combi-
Insbesondere bei der unerwartet schwierigen Intubation
Tubus oder eines Larynxtubus (siehe unten)
werden oft rasch hintereinander verschiedene Hilfsmittel
möglich. Alternativ kann eine orale fiberoptische benötigt, die nicht Bestandteil der Standardvorbereitung
Intubation versucht werden (falls Material sofort einer Intubation sind (› 4.5.1). Um im Bedarfsfall nicht
verfügbar). Ultima Ratio (letzte Möglichkeit) ist unnötig Zeit zu verlieren, sollte auf der Intensivstation ein
die Koniotomie (› 5.4.1) oder die Notfalltra- Notfallwagen bereitstehen, der alle eventuell benötigten
cheotomie.
Algorithmus „Schwierige Atemwege“
1. Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und der klinischen Bedeutung grundlegender Probleme
a) schwierige Intubation
b) schwierige Beatmung
c) schwierige Kooperation mit

2. Beurteilung der Vorteile und Durchführbarkeit grundlegender Behandlungsverfahren


a) nichtchirurgisches Verfahren als chirurgisches Verfahren als
gegen
primärer Versuch zur Intubation primärer Versuch zur Intubation

b) Versuch der Intubation nach


wache Intubation gegen
Einleitung der Allgemeinanästhesie

c)
Erhalt der Spontanatmung gegen Verzicht auf Spontanatmung

3. Entwicklung primärer und alternativer Strategien


a b Versuch der Intubation nach Einleitung
wache Intubation der Allgemeinanästhesie
4
Versuch der Atemwege gesichert initialer Versuch der initialer Versuch der
Atemwegssicherung durch chirurgischen Intubation erfolgreich1 Intubation nicht erfolgreich1
durch Intubation Zugang1

ab diesem Moment wiederholt an die


Erfolg1 Versagen Ratsamkeit folgender Optionen denken:
1. Rückkehr zur Spontanatmung
Abbruch der Beurteilung der chirurgischer 2. Patienten aufwachen lassen
Behandlung Durchführbarkeit Atemwegs- 3. Notruf ― Hilfe herbeiholen
anderer Möglichkeiten2 zugang1

nichtnotfallmäßiges Verfahren notfallmäßiges Verfahren


Patient narkotisiert, Intubation nicht Patient narkotisiert, Intubation nicht
erfolgreich, Maskenbeatmung adäquat erfolgreich, Maskenbeatmung nicht adäquat

falls Ventilation mit


alternative Verfahren zur Intubation3 Notruf ― Hilfe herbeiholen
Gesichtsmaske
inadäquat wird
Erfolg1 Versagen in ein weiterer notfallmäßige Be-
mehreren Intubations- atmung ohne chirur-
Versuchen versuch gische Intervention5

Erfolg1 Versagen Versagen Erfolg1

chirurgischer operativer Patient notfallmäßiger endgültige


Atemwegs- Eingriff in aufwachen chirurgischer Atemwegs-
zugang1 Maskennarkose lassen4 Zugang zu den sicherung6
Atemwegen1

1 Bestätigung der Intubation durch Bestimmung des endexspiratori- 4 siehe wache Intubation
schen CO2 5 Möglichkeiten der notfallmäßigen nichtchirurgischen Atemwegs-
2 andere Möglichkeiten beinhalten (sind jedoch nicht beschränkt auf): sicherung beinhalten (sind jedoch nicht beschränkt auf):
Operation unter Lokal- oder Regionalanästhesie, Intubationsversu- Transtracheale Jet-Ventilation, Beatmung mit der Larynxmaske,
che nach Einleitung der Allgemeinanästhesie Beatmung mit dem Combitubus
3 alternative Verfahren zur schwierigen Intubation beinhalten (sind 6 Möglichkeiten zur Erzielung einer definitiven Atemwegssicherung
jedoch nicht beschränkt auf): Einsatz verschiedener Laryngoskop- beinhalten (sind jedoch nicht beschränkt auf): Rückkehr zum
spatel, wache Intubation, blind-orale oder -nasale Intubation, wachen Bewusstseinzustand mit Spontanatmung, Tracheotomie,
fiberoptische Intubation, Führungsdrähte, Transilluminationstechnik, endotracheale Intubation
retrograde Intubation, chirurgischer Atemwegszugang

Abb. 4.29  Algorithmus „Schwieriger Atemweg“ (deutsche Übersetzung des ASA Task Force Algorithmus „Difficult airway“).
[F653]
80 4  Endotracheale Intubation

Hilfsmittel für eine schwierige Intubation enthält. Da- Tab. 4.6  Verschiedene Größen von Larynxmasken.
zu gehören i. d. R. (Zusammensetzung kann klinikspezi- Größe der Gewicht des Cuffvolu- Länge (cm)
fisch variieren): Larynx­ Patienten (kg) men (ml)
• Überlange Laryngoskopspatel maske
• Alternative Laryngoskope, z. B. McCoy® oder Bullard-
1 < 6,5 2–5 10
Laryngoskop® (› 4.2.2 und › 4.2.3)
• Führungsstäbe, Bougies (Führungsstäbe, die eine Er- 2 6,5–20 7–10 11,5
weiterung/Aufdehnung des Atemwegs ermöglichen), 2,5 20–30 12–15 12,5
Tubuswechsler (› 4.4.1) 3 30–70 15–20 19
• Zungen-Fasszange
• Verschieden große Larynxmasken und Intubations-La- 4 70–90 25–30 19
rynxmasken 5 > 90 35–40 20
• Mainzer-Universaladapter, Optosafe-Tubus, geschlitz-
ter Guedeltubus (› Abb. 4.27)
• Combi-Tuben (siehe unten) • Der große Cuff macht die Kehlkopfpassage un-
• Larynxtubus möglich, damit ist auch eine einseitige Intubation
• Material zur fiberoptischen Intubation einschließlich praktisch ausgeschlossen
4 Intubations-Bronchsokop (› 4.7) • Guter Sitz auch bei älteren zahnlosen Patienten
• Instrumentarium für die Jet-Ventilation (sofern ent- oder Kindern.
sprechendes Gerät vorhanden; › 6.3.10 Hochfre- Larynxmasken gibt es in verschiedenen Größen.
quenzbeatmung)
• Koniotomie-Sets (› 5.4.1)
Entscheidend für die Auswahl ist das Körpergewicht
• Skalpelle des Patienten. Die Luftmenge zum Blocken des Cuffs
• Material zur Transilluminationstechnik (siehe unten). hängt von der Größe der Larynxmaske ab. › Tab.
4.6 zeigt die gängigen Größen von Larynxmasken
sowie die entsprechenden Patientengruppen. Wegen
Viele der im Folgenden beschriebenen Hilfsmittel der im Vergleich zur Intubation relativ hohen Cuff-
gehören zu den supraglottischen Atemwegshilfen, volumina wird zum Blocken des Cuffs eine 10–
d. h. sie passieren die Stimmritze nicht, sondern en- 50 ml-Spritze verwendet.
den oberhalb der Glottis (Kehldeckel). Vor dem Einführen der Larynxmaske wird der
Cuff auf Dichtigkeit geprüft und entlüftet.
Unmittelbar nach dem Einführen (vor dem Fixie-
Larynxmaske ren) wird der Cuff geblockt. Durch das Blocken posi-
tioniert sich die Larynxmaske i. d. R. selbstständig in
Ist bei schwieriger Intubation eine Maskenbeat- die korrekte Lage um den Kehlkopfeingang (schwar-
mung nicht möglich, kann versucht werden, den Pa- zer Streifen an der konvexen Seite der Larynxmaske
tienten zur Überbrückung mit einer Larynxmaske sollte nach Einführen und Positionieren gegenüber
(Kehlkopfmaske) zu beatmen. der Oberlippe sichtbar sein). Wichtig: Während des
Standard-Larynxmasken (SLMA) bestehen aus Blockens die Larynxmaske nicht mit den Händen fi-
einem flexiblen Schaft (vergleichbar einem Endotra- xieren – dies behindert die korrekte Positionierung.
chealtubus) an dessen äußerem (oberen) Ende sich Die LMA-ProSeal™ (› Abb. 4.30) ist eine Wei-
ein Norm-Konnektor befindet. Das untere Ende geht terentwicklung der Standard-Larnynxmaske, die die
in eine ovale Maske mit aufblasbarem Randwulst Gefahr einer Mageninsufflation und Aspiration mi-
(Cuff der Larynxmaske) über, der bei korrekter Lage nimieren soll. Ihr Cuff ist etwas erweitert (dadurch
die Larynxmaske gegen Rachen und Ösophagus ab- verbesserte Abdichtung zum Pharynx hin) und ne-
dichtet. ben dem Beatmungstubus ist ein weiterer Tubus in-
Die Larynxmaske bietet folgende Vorteile: tegriert, der in der Maskenspitze endet. Über diesen
• Kann rasch eingeführt und korrekt positioniert Tubus kann der Magen abgesaugt und die korrekte
werden Maskenlage (fiberoptisch) gesichert werden.
• Keine Passage der Stimmritze, Stimmbänder Alternativ zur herkömmlichen Larynxmaske
werden geschont kann bei einer schwierigen Intubation auch die
4.8  Die schwierige Intubation 81

Lumen zur Beatmung

2. Lumen zum Ein-


führen einer Magen-
sonde
Öffnung des Lumens
zur Beatmung

Verlauf des 2. Lumens


in der Maskenwand
4
Öffnung des 2. Lumens

Abb. 4.30  Die LMA-ProSeal ist eine Weiterentwicklung der Abb. 4.31  Intubations-Larynxmaske LMA-Fastrach® mit ein-
Standard-Larynxmaske. [V346] geführtem Endotrachealtubus. [V346]

I­ ntubations-Larynxmaske (kurz ILM, internatio-


naler Freiname Intubating Laryngeal Mask Airway
kurz ILMA, Handelsname LMA-Fastrach®, › Abb.
4.31) eingeführt werden, um die Beatmung sicherzu-
stellen. Über die LMA-Fastrach® kann dann blind
oder bronchoskopisch ein Spezial-Endotrachealtubus
mit einem Innendurchmesser von 8 mm vorgescho-
ben werden. Die ILM vereint die sehr guten Beat-
mungseigenschaften einer SLM mit einer erfolgrei- Abb. 4.32  I-Gel-Larynxmakse. [V592]
chen blinden Intubation bei über 90 % bei supraglot-
tischen Intubationshindernissen. Ein Aspirations- bei Körpertemperatur fest an der Mund- und Ra-
schutz besteht nicht. chenschleimhaut des Patienten anhaftet. Die I-Gel-
Eine Sonderform der ILM ist die C-Trach™, bei Larynxmaske verfügt über einen in die Wand einge-
der eine Intubationslarynxmaske mit einer Kamera arbeiteten Kanal, der an der Maskenspitze endet.
und einem Videomonitor gekoppelt wird, d. h. die Über diesen Arbeitskanal kann Mageninhalt abge-
Intubation über die LMA erfolgt unter Sicht. saugt werden.
Sowohl für die C-Trach™ als auch für die LMA- Die Maske ist in Kinder- und Erwachsenengrößen
Fastrach® sind hohe Erfolgsraten der Intubation be- erhältlich.
schrieben (96,2 %). Noch besser, jedoch technisch Die Beatmungsqualität mit der I-Gel-Maske ist
aufwändiger, ist die Kombination mit einem Bron- mit der beim Einsatz einer Kehlkopfmaske ver-
choskop, um die Intubation über die Larynxmaske gleichbar. Da dieses supraglottische Hilfsmittel noch
unter Sicht durchzuführen. relativ neu ist, liegen zum Einsatz beim Manage-
Neu ist die I-Gel®-Larynxmaske (› Abb. 4.32), ment des schwierigen Atemwegs noch keine Studien
eine Kehlkopfmaske ohne aufblasbaren Cuff. Die vor. Die Komplikationen beim Einsatz von I-Gel
Abdichtung erfolgt durch das bei der Herstellung ­ähneln denen beim Einsatz klassischer Kehlkopf-
verwendete spezielle thermoplastische Material, das masken.
82 4  Endotracheale Intubation

Combi-Tubus Lumen mit den pharyngealen Öffnungen sind


keine Atemgeräusche auskultierbar. In diesem
Der Combi-Tubus ist ein spezieller Doppellumentu- Fall wird dann über das unten offene Lumen
bus mit dem – unabhängig davon, ob er in der Tra- beatmet.
chea oder im Ösophagus liegt – beatmet werden Combi-Tuben für Erwachsene gibt es in zwei Grö-
kann (› Abb. 4.33). ßen (jeweils eine für Patienten die kleiner bzw. grö-
Der Combi-Tubus verfügt über zwei Lumen und ßer als ca. 170 cm sind).
zwei Cuffs: Die Vorteile beim Einsatz des Combi-Tubus sind
• Ein Lumen ist unten offen, das andere hat mehre- die relativ einfache Einführtechnik, die geringe
re Öffnungen im pharyngealen Teil, ist jedoch Komplikationsrate und der weitgehende Schutz vor
unten verschlossen. Beide Lumen können über Aspiration auch bei ösophagealer Lage des Tubus.
Norm-Konnektoren mit dem Beatmungsbeutel Nachteilig sind:
oder dem Respirator verbunden werden. • Halsbeschwerden nach der Intubation (relativ
• Ein oropharyngealer Cuff befindet sich oberhalb häufig)
der pharyngealen Öffnungen, ein distaler Cuff be- • Cuffs perforieren leicht, z. B. durch Knochenfrag-
4 findet sich oberhalb des unten offenen Lumens. mente (etwa bei Gesichtstrauma) oder scharfkan-
Der Combi-Tubus wird blind oral eingeführt und so tige Zahnfragmente, wodurch eine Umintubation
weit vorgeschoben, bis die beiden Ringmarken auf erforderlich wird
Höhe der Zahnreihen liegen. Dann wird wie folgt • Relativ großer Außendurchmesser und ver-
vorgegangen: gleichsweise schlecht formbares Material, da-
• Blocken des oropharyngealen Cuffs mit 80– durch größere Rate an Verletzungen (z. B. Häma-
100 ml Luft (dadurch Abdichtung des Mund-­ tome, Stimmbandverletzungen, Nervenschädi-
Rachen-Raums und Stabilisierung des Tubus) gungen). Eine lebensgefährliche Komplikation
• Blocken des distalen Cuffs mit 10–15 ml Luft: beim Einführen des Combitubus ist die Ösopha-
– Liegt der Combi-Tubus im Ösophagus (dies ist gusperforation
bei blinder Intubation die Regel), dichtet der • Relativ hoher Preis.
Cuff den Ösophagus ab. Bei Beatmung über Kontraindiziert ist der Combi-Tubus bei Kindern
das Lumen mit den pharyngealen Öffnungen unter 16 Jahren bzw. Patienten < 150 cm Körpergrö-
ist die Lunge belüftet (Thorax hebt und senkt ße, bei Erkrankungen des Kehlkopfs, z. B. Kehl-
sich, Atemgeräusche sind auskultierbar) kopftumor, Ödem oder Laryngospasmus sowie bei
– Liegt der Combi-Tubus in der Trachea, dichtet subglottischer Obstruktion.
der Cuff die Trachea ab. Bei Beatmung über das

Einlegen Tubus ösophageal Tubus tracheal


des Combi-Tubus

Abb. 4.33  Combi-Tubus. Mitte: Nach dem blinden Einführen liegt der Tubus i. d. R. im Ösophagus. Dann wird über das Lumen mit
den pharyngealen Öffnungen beatmet. Liegt der Tubus in der Trachea, wird über das unten offene Lumen beatmet. [L157]
4.8  Die schwierige Intubation 83

Liegt der Combi-Tubus im Ösophagus, ist ein endotrache- kultation von Lunge und Magengrube, Kapnometrie
ales Absaugen über den Tubus nicht möglich! › 4.6.1).
Der Larynxtubus eignet sich besonders gut dafür,
in Notfallsituationen rasch eine suffiziente Beat-
mung und damit eine ausreichende Sauerstoffver-
Larynxtubus sorgung sicherzustellen. In Kombination mit einer
Magensonde ist auch ein effektiver Aspirations-
Der Larynxtubus (LT, › Abb. 4.34) ist ein am dis- schutz möglich.
talen Ende verschlossener Ein-Lumen-Tubus mit Eine Weiterentwicklung des Larynxtubus ist der
zwei Cuffs (ähnlich dem Combi-Tubus). Der untere Larynxtubus Suction (LTS, › Abb. 4.34), der zu-
(distale) Cuff dichtet den Ösophagus ab, der obere sätzlich über einen Drainagekanal verfügt, über den
(proximale) Cuff den Rachenraum. Zwischen den eine Magensonde in den Magen eingeführt werden
beiden Cuffs liegt die Öffnung für die Beatmung. Der kann. Dies ist insbesondere relevant bei nicht nüch-
Larynxtubus ist in 6 Größen erhältlich (jeweils farb- ternen Patienten. Der Larynxtubus Suction ist in
kodierter Konnektor, z. B. transparent für Neugebo- drei Größen für Erwachsene erhältlich.
rene und violett für große Erwachsene). Die beilie- 4
gende Blockerspritze ist ebenfalls mit Farbmarkie-
rungen versehen, um ein Befüllen der Cuffs mit der Transilluminationstechnik
korrekten Luftmenge zu gewährleisten.
Der Larynxtubus wird blind eingeführt. Als Hilfe Bei der Transilluminationstechnik wird der Tubus
zur Positionierung sind am proximalen Tubusende blind oral oder nasal über einen speziellen Einfüh-
3  Markierungen angebracht. Nach dem Einführen rungsmandrin mit beleuchteter Spitze (gebräuchlich
werden beide Cuffs über eine gemeinsame Zuleitung ist derzeit das Trachlight®) eingeführt.
geblockt. Die Tubuslagekontrolle erfolgt ähnlich wie Das Trachlight® ist ein in der Länge veränderba-
bei der endotrachealen Intubation (Inspektion, Aus- rer kunststoffummantelter Führungsstab (Füh-
rungsdraht oder -stilett), dessen innere Metallfüh-
rung herausnehmbar ist. An der Spitze befindet sich
die batteriebetriebene Lichtquelle, am oberen Ende
ein Handgriff mit Klemmvorrichtung für den Tubus
und eine Warnleuchte, die bei zu langer Intuba­
tionsdauer (> 30 Sek.) aufleuchtet. Der Tubus wird
so auf das Trachlight® aufgefädelt, dass die Spitze
des Trachlight® bündig mit dem Tubus abschließt
bzw. maximal 1–2 cm aus dem Tubus herausragt
(dann Spitze des Trachlight® in Hockeyschlägerform
biegen).
Der leuchtende Führungsstab wird (möglichst bei
dunkler Umgebung) durch den Mund blind in Rich-
tung Larynx bis zur Stimmbandebene vorgescho-
ben. Ist das Licht in diesem Bereich von außen sicht-
bar (sog. „Transillumination“ der Halshaut), kann
der Tubus über das Trachlight® in die Trachea vor-
geschoben und der Führungsstab zurückgezogen
werden. Wenn kein oder nur ein geringer Leuchtef-
fekt zu sehen ist, befindet sich die Spitze des Trach-
Abb. 4.34  Larynxtubus (LT) und Larynxtubus Suction (LTS).
Beide Tuben enden blind, zwischen den beiden Cuffs befindet light® im Ösophagus.
sich die Öffnung für die Beatmung. Der LTS verfügt zusätzlich Die Vorteile der Transilluminationstechnik sind
über einen Drainagekanal zur Entlastung des Magens. [V348] eine kurze Intubationszeit bei relativ geringem tech-
84 4  Endotracheale Intubation

nischem Aufwand, nur geringe vegetative Begleitre- (können vor der Intubation über das Intubationstra-
aktionen und das Vermeiden von Zahnschäden auch cheoskop entfernt werden), Narben und Abszesse
unter extrem schwierigen Intubationsbedingungen. im Kehlkopfbereich. Diese Veränderungen stellen
Zudem ist die Technik relativ einfach erlernbar. für flexible Instrumente oft ein unüberwindliches
Aufgrund dieser Vorteile hat sich die Transillumina- Intubationshindernis dar. Mit dem Notrohr ist eine
tionstechnik in manchen Kliniken als Alternative zu deutlich höhere Kraftübertragung zur Überwindung
anderen Reservemethoden (z. B. McCoy®-Spatel, fi- der behindernden Ursache möglich.
beroptisches Bronchoskop, Larynxmaske) durchge-
setzt.
Kontraindiziert ist die Technik bei Adipositas,
ausgeprägter Struma und stark eingeschränkter 4.9 Umintubation
HWS-Beweglichkeit. Der Nutzen der Transillumi-
nationstechnik für den Fall einer unerwartet schwie-
rigen Intubation ist nicht abschließend geklärt. Eine notfallmäßige Umintubation (Tubuswechsel)
kann notwendig werden bei:
4 • Verlegung des Tubuslumens, die nicht rasch an-
Intubationstracheoskop derweitig behoben werden kann, z. B. durch
Bronchiallavage (› 9.7.4)
Das Intubationstracheoskop (im klinischen Alltag • Defektem Cuff.
auch Notrohr genannt) ist eine Kombination aus La- Eine geplante Umintubation ist erforderlich, wenn
ryngoskop und starrem Bronchoskop, das bei bei einem langzeitbeatmeten Patienten ein oraler
schwieriger Intubation zum Darstellen des Kehl- Tubus mit Hochdruckcuff (häufig in der Anästhesie
kopfeingangs eingesetzt werden kann. Der Hauptteil verwendet) gegen einen Tubus mit Niederdruckcuff
des Instruments ist ein starres Rohr, an dessen Ende oder ein Tubus mit geringem Innendurchmesser ge-
sich ein Handgriff mit Batterien und eine Glühbirne gen einen mit größerem Innendurchmesser ausge-
befinden (wie beim konventionellen Laryngoskop), wechselt werden soll. Weiter ist eine geplante Umin-
die den Intubationsweg ausleuchtet. Über einen tubation notwendig, wenn von der oralen auf die
Schlauchansatz besteht die Möglichkeit, das Intuba- nasale Intubation übergegangen werden soll (um-
tionstracheoskop an einen Beatmungsbeutel oder in stritten wegen des Risikos einer beatmungsassozi-
der Anästhesie an ein Kreisteil anzuschließen. ierten Pneumonie › 6.7) oder wenn bei nasaler In-
Voraussetzungen für die Anwendung des Intu- tubation wegen entstandener Druckulzera im Na-
bationstracheoskops sind: senbereich die Nasenseite, durch die der Tubus ein-
• Die HWS kann bzw. darf stark überstreckt werden geführt ist, gewechselt werden soll.
• Die Mundöffnung ist ausreichend
• Mundhöhle und Oropharynx sind passierbar.
Bei Verwendung des Intubationstracheoskops führt 4.9.1 Vorbereitung
der Arzt zunächst ein Laryngoskop ein und belässt
es. Dann wird der Kopf des Patienten extrem über- Die Vorbereitung entspricht der zur konventionel-
streckt, das Notrohr bis zum Kehlkopfeingang vorge- len oralen bzw. nasalen Intubation (›  4.6.1 und
schoben und dort um 90° gedreht, um Verletzungen ›  4.6.2). Evtl. wird ein Tubuswechsler verwendet
durch die abgeschrägte Spitze zu vermeiden. Danach (› Abb. 4.35). Dabei handelt es sich um einen ca.
schiebt der Arzt das Notrohr durch die Stimmritze in 80 cm langen dünnen Katheter, über den der Tubus
die Trachea vor, führt über das Notrohr einen elasti- in Seldinger-Technik gewechselt werden kann, d. h.
schen Bougie ein, entfernt das Notrohr und führt der Tubuswechsler dient als Führungsschiene und
den Endotrachealtubus über den Bougie ein. stellt sicher, dass während des Tubusaustauschs der
Indikationen für den Einsatz des Intubationstra- Zugang zur Trachea gesichert bleibt. Über den Tu-
cheoskops sind Tumore in Oropharynx, Zungen- buswechsler kann Sauerstoff verabreicht und mit
grund und Kehlkopf, große aspirierte Fremdkörper dem Beatmungsbeutel beatmet werden. Tubus-
4.10  Intubation des nicht nüchternen Patienten 85

Abb. 4.35  Spitze (oben) und äußeres Ende des insgesamt 83 cm langen Tubuswechslers RAI (Firma VBM-medical). Der angebrach-
te 15 mm ISO-Konnektor kann an den Beatmungsbeutel oder die Beatmungsschläuche angeschlossen werden. Alternativ kann über
den Luer-Lock-Konnektor (rechts unten) ein Jet-Ventilator angeschlossen werden. [V348]

wechsler gibt es in verschiedenen Größen für die un- oral/nasale Umintubation vornehmen wie
terschiedlich dicken Endotrachealtuben. oben beschrieben.
Bei liegender Magensonde wird das Magensekret • Cuff blocken und Patienten beatmen (manuell
vor der Umintubation in einen Sekretbeutel abgelei- oder mit Respirator)
tet oder abgesaugt. Auf Arztanordnung entfernen • Kontrolle der Tubuslage vornehmen (› 4.6.1)
die Pflegenden die Magensonde unmittelbar vor der • Tubus fixieren
Umintubation, da eine liegende Magensonde als • Patient an Respirator anschließen (falls zuvor 4
Leitschiene für Sekret aus dem Magen dienen kann manuell beatmet)
und damit die Aspirationsgefahr während der Um- • Umintubation dokumentieren (Tubusart und
intubation erhöht. -größe, Intubationstiefe, Cuffdruck).

4.9.2 Durchführung
4.10  Intubation des nicht
• Patient informieren und für 5–10 Minuten prä- nüchternen Patienten
oxygenieren (mit 100 % Sauerstoff beatmen)
• Auf Arztanordnung Verabreichen eines Hypnoti-
kums und evtl. eines Muskelrelaxans Als nicht nüchtern im anästhesiologischen Sinn gel-
• Mund-Rachen-Raum absaugen und endotrachea- ten:
le Absaugung vornehmen • Patienten, die in den zurückliegenden 6–8 Stun-
• Tubuswechsel: den gegessen, getrunken oder geraucht haben
– Oral → oral: Mit Laryngoskop Kehlkopf ein- • Patienten mit Blutungen des oberen Gastrointes-
stellen (Arzt), neuen Tubus anreichen, alten tinaltrakts (z. B. Ösophagusvarizenblutung)
Tubus entblocken und entfernen (Pflegende), • Patienten mit Erkrankungen, die mit einer er-
neuen Tubus einführen (Arzt). höhten Nüchternsekretion oder einer verlänger-
– Oral → nasal: Nasalen Tubus und Nasenschleim- ten Entleerungszeit des Magens einhergehen
haut vorbereiten wie bei nasaler Intubation (z. B. Ileus oder Magenausgangsstenose)
(› 4.6.2), nasalen Tubus in einen Nasengang • Patienten, die nach einem Unfall erstversorgt
einführen und in den Hypopharynx vorschieben werden
(Arzt), Laryngoskop anreichen (Pflegende), La- • Schwangere im letzten Trimenon.
rynx einstellen (Arzt), Intubationszange anrei-
chen, alten Tubus entblocken und entfernen
Wird ein nicht nüchterner Patient intubiert, besteht die
(Pflegende), Tubus unter Sicht mithilfe der Intu- Gefahr, dass es während des Intubationsvorgangs zur
bationszange vorschieben (Arzt). Regurgitation (Zurückfließen) und Aspiration von
– Nasal → nasal: Wegen der räumlichen Enge Mageninhalt kommt. Um dies zu verhindern, ist beim
im Bereich der hinteren Nasenöffnung meist nicht nüchternen Patienten ein spezielles Vorgehen bei
zuerst Umintubation von nasal auf oral (La- der Intubation erforderlich. Dazu gehören besondere
rynx einstellen, nasalen Tubus entblocken und Maßnahmen bei der Vorbereitung und der Durchführung
der Intubation.
entfernen, oralen Tubus einführen) und dann
86 4  Endotracheale Intubation

4.10.1 Vorbereitung • Lagerung. Der Patient wird entweder in Anti-


Trendelenburg-Lage (30–45°-Oberkörperhochla-
Zusätzlich zu den üblichen Vorbereitungen einer gerung, auch umgekehrte Trendelenburg-Lage)
oralen Intubation (› 4.2.5) werden bei der Intuba- oder in Trendelenburg-Lage (40°-Kopftieflage),
tion eines nicht nüchternen Patienten folgende ggf. in Kombination mit 90°-Seitenlage, gelagert.
Maßnahmen ergriffen: Dabei ein Abknicken des Oberkörpers wegen des
• Einführen einer dicklumigen Magensonde und höheren Drucks auf das Abdomen vermeiden.
Drainage und/oder Absaugen des Magensekrets. • Präoxygenieren (› 4.6.1). Keine manuelle Beat-
Dies garantiert zwar nicht, dass der Magen an- mung mit Maske und Beatmungsbeutel (Gefahr
schließend leer ist, reduziert aber den Druck im der Magenblähung; dadurch erhöhtes Risiko ei-
Magen und vermindert damit das Risiko einer ner Regurgitation)!
Regurgitation. Unmittelbar vor der Intubation • Präcurarisieren. Gabe geringer Mengen eines
wird die Magensonde dann meist wieder ent- nicht depolarisierenden Muskelrelaxans, um den
fernt, da sie ansonsten als Leitschiene für Magen- erhöhten intraabdominellen Druck durch die succi-
sekret dienen und damit das Zurückfließen von nylbedingten Muskelfaszikulationen zu verringern.
4 Magensekret in den Rachenraum fördern kann. • Crash-Intubation (auch Nicht-nüchtern-Intuba-
Ausnahme: In manchen Kliniken werden speziel- tion, Blitzintubation oder Rapid Sequence Induc-
le Magensonden mit einem Ballon am distalen tion): Zur Erhöhung der Sicherheit empfiehlt sich
Ende verwendet, der in aufgeblasenem Zustand die Durchführung mit drei Personen:
den Mageneingang verschließen und eine Regur- – Pflegende: Auf Arztanordnung Gabe des Hypno-
gitation damit verhindern sollen. tikums und sofort danach des depolarisierenden
• Falls genug Zeit ist Gabe von Antazida und/oder Muskelrelaxans, sofort danach Krikoiddruck
Antiemetika 1–2 Stunden vor der Intubation (› 4.6.1, diesen halten bis der Tubus eingeführt
(umstritten). und geblockt ist) und Laryngoskop anreichen
• Grundsätzlich durchsichtige Gesichtsmasken ver- – Arzt: Sofort nach Relaxansgabe Maske entfer-
wenden. nen, Kehlkopf einstellen
• Dicklumigen Absaugkatheter an die Absauganla- – Pflegende: Tubus anreichen (dabei mit einer
ge anschließen und Absauggerät anschalten Hand den Krikoiddruck halten)
(während der Intubation angeschaltet lassen, da- – Arzt: Rasch intubieren und Tubus sofort blo-
mit im Bedarfsfall sofort abgesaugt werden cken
kann). • Weiteres Vorgehen entsprechend dem der oralen
• Ausgewählten Tubus grundsätzlich mit einem Intubation.
Führungsstab versehen und Blockerspritze auf-
setzen. Bei Erbrechen den Krikoiddruck (Sellick-Handgriff) lö-
sen, da es ansonsten zu Verletzungen des Kehlkopfs oder
einer Ruptur des Ösophagus kommen kann!
4.10.2 Durchführung

Die Zeitdauer des eigentlichen Intubationsvorgangs


(Zeit, in der es möglicherweise zur Regurgitation
kommt) muss kurz gehalten werden. Deshalb wird 4.11  Auswirkungen und
der nicht nüchterne Patient grundsätzlich oral intu- Komplikationen der
biert (Ausnahme: Sind Intubationsschwierigkeiten endotrachealen Intubation
zu erwarten, empfiehlt sich die fiberoptische Intuba-
tion des wachen Patienten › 4.7.3).
In folgenden Punkten unterscheidet sich die Durch die endotracheale Intubation wird die physiologi-
Durchführung der Intubation beim nicht nüchter- sche Funktion der Nase (Erwärmung und Befeuchtung
nen Patienten von der beim nüchternen Patienten: der Atemluft) ausgeschaltet. Beim intubierten Patienten
4.11  Auswirkungen und Komplikationen der endotrachealen Intubation 87

müssen daher Beatmungsfilter oder Befeuchtungs- und nach der Extubation durch Heiserkeit bis hin
Erwärmungsgeräte eingesetzt werden, welche die Atem- zum Flüstern.
luft erwärmen und befeuchten (Atemgasklimatisierung • Perforation von Pharynx, Ösophagus oder Tra-
› 6.6). chea. Diese Komplikation tritt sehr selten und
meist im Zusammenhang mit einer schwierigen
Bei den Komplikationen durch die endotracheale In- Intubation auf. Frühe Symptome sind ein subku-
tubation werden Frühkomplikationen (sofort auf- tanes Emphysem oder ein Pneumothorax
tretende Komplikationen durch den Intubationsvor- (› 2.3.4).
gang) von Spätkomplikationen unterschieden, die • Intubation des Ösophagus (Fehlintubation). Der
erst im Verlauf der Beatmungstherapie auftreten. Tubus liegt nicht in der Trachea sondern im Öso-
Die Komplikationen, die beim Intubationsvor- phagus. Es sind keine Thoraxbewegungen zu se-
gang entstehen, sind in aller Regel gravierender als hen, über der Lunge sind i. d. R. keine Atemge-
die, deren Ursache die Intubationsdauer ist (Mazen, räusche auskultierbar, das Kapnogramm zeigt
2003). keine CO2-Abatmung. Der Patient zeigt mehr
oder weniger rasch die Zeichen einer Hypoxämie;
über dem Epigastrium ist ein blubberndes Ge- 4
4.11.1 Frühkomplikationen räusch auskultierbar. Gefahr: Aufblähen des Ma-
gens, Regurgitation von Magensekret und Aspi-
Zu den frühen Komplikationen der endotrachealen ration. Vorgehen: Entweder geblockten Tubus als
Intubation gehören: Aspirationsschutz im Ösophagus liegen lassen
• Erfolglose Intubation (d. h. die Intubation ge- und mit zweitem Tubus erneuten Intubationsver-
lingt nicht), z. B. wegen ausgeprägten anatomi- such unternehmen oder Tubus entfernen, Patien-
schen Veränderungen. Vorgehen bei schwieriger ten nochmals präoxygenieren und erneut intu-
Intubation › 4.8.1 und › Abb. 4.29. bieren. Nach gelungener Intubation Magensonde
• Larynx lässt sich nicht einstellen. Lagerung des legen, um den Magen zu entlasten.
Kopfs überprüfen und ggf. korrigieren (kann zu • Einseitige Intubation (Tubusspitze liegt in ei-
stark überstreckt oder zu flach gelagert sein). La- nem Hauptbronchus, bei Erwachsenen meist im
ge des Laryngoskops überprüfen (kann nicht weit rechten Hauptbronchus). Folge: Einseitig abge-
genug oder zu weit eingeführt sein), ggf. längeren schwächtes oder aufgehobenes Atemgeräusch.
oder kürzeren Spatel verwenden. Vorgehen: Tubus entblocken, etwas zurückziehen
• Beschädigung der Zähne (ab- oder ausbre- und erneut blocken. Danach abermalige Kontrol-
chen). Um dies zu verhindern, Zug auf das La- le der Tubuslage.
ryngoskop immer nur in Richtung des Hand- • Tubus liegt nicht tief genug (wurde nicht tief ge-
griffs, niemals „hebeln“. Bei erfolgten Zahnschä- nug eingeführt oder ist etwas herausgerutscht).
den umgehend den ausgebrochenen Zahn bzw. Häufig liegt der Cuff in der Stimmritze und zum
das abgebrochene Zahnstück entfernen, um zu Abdichten ist ein hoher Cuffdruck notwendig
verhindern, dass es aspiriert wird. Vollständig oder das Abdichten gelingt trotz hohem Cuff-
oder partiell luxierte Zähne sollten schnellst- druck nicht. Gefahr: Schädigung der Stimmbän-
möglich reimplantiert werden (vollständig lu- der. Vorgehen: Intubationstiefe prüfen (Zentime-
xierte Zähne in physiologischer Kochsalzlösung ter-Markierung in Höhe der Zahnreihe), Tubus
aufbewahren). entblocken, etwas vorschieben und erneut blo-
• Verletzungen der Mund- oder Nasenschleim- cken (ggf. zuvor Rachenraum absaugen). Danach
haut, selten auch der Rachenmandeln, evtl. mit Tubuslagekontrolle mit Laryngoskop.
(massiven) Blutungen oder Ödembildung. • Aspiration von Mageninhalt. Gefahr: Verlegung
• Aryknorpelluxation (Luxation der pyramiden- der Atemwege wenn festes bzw. dickflüssiges Se-
förmigen, dem Ringknorpel aufsitzenden Stell- kret aspiriert wird, Mendelson-Syndrom (akutes
knorpel, an denen die Stimmbänder befestigt toxisches Lungenödem) wenn saurer Magensaft
sind). Diese seltene Komplikation zeigt sich erst (pH < 2,5) aspiriert wird. Symptome: Rasselge-
88 4  Endotracheale Intubation

räusche, abgeschwächte oder fehlende Atemge- • Respiratorassoziierte Pneumonie (Beatmungs-


räusche durch Verlegung der Atemwege, Zeichen pneumonie › 6.7.1).
der Hypoxämie. Vorgehen: Patienten sofort in Begünstigende Faktoren für das Auftreten von
Kopftieflage bringen, Rachenraum freimachen Spätkomplikationen sind:
(absaugen mit dicklumigem Absaugkatheter, • Intubationsdauer. Je länger der Patient intubiert ist,
ggf. digital ausräumen), schnellstmöglich intu- desto größer das Risiko für Spätkomplikationen.
bieren und endotracheal absaugen bevor der Pa­ • Alter und Geschlecht. Die Atemwege von Säuglin-
tient beatmet wird. Gegebenenfalls bronchosko- gen und Kleinkindern sind besonders empfind-
pisch absaugen, insbesondere bei festsitzendem lich, da sie eng und die Schleimhäute dünn sind.
Aspirat. Deshalb gilt: Je jünger ein Patient desto höher das
• Kreislaufreaktionen, z. B. Bradykardie oder Ta- Risiko für Spätkomplikationen. Darüber hinaus
chykardie, Hypertonie oder Hypotonie, etwa als sind Frauen durchschnittlich anfälliger für Spät-
Folge einer vagalen Reaktion durch Manipulatio- komplikationen als Männer, da die Luftwege en-
nen im Rachenraum, Hypoxie, zu oberflächlicher ger und die Schleimhäute dünner sind.
Sedierung oder vorbestehender Herzinsuffizienz. • Mechanische Reizung. Manipulationen am Tubus
4 Im Extremfall Asystolie durch Vagusreflex. (z. B. beim endotrachealen Absaugen) oder durch
• Tubusobstruktion durch eingedicktes Sekret, Kopfbewegungen des Patienten können zu me-
Blut, Fremdkörper, Abknicken des Tubus oder chanischen Reizungen von Larynx- und Trache-
Cuffhernie (› 4.3.3). alschleimhaut führen.
• Halsbeschwerden treten relativ häufig (25–60 %) • Sprechversuche des Patienten. Sprechversuche des
und meist in Form von Halsschmerzen, Schluck- endotracheal intubierten Patienten (z. B. wäh-
beschwerden oder Heiserkeit auf. In der Regel rend der Entwöhnung vom Respirator) können
klingen die Beschwerden nach 2–3 Tagen ab. Stimmbandreizungen hervorrufen und sollten
Falls sie länger als ca. 4 Tage dauern, sollte ein daher, wenn möglich, unterbleiben.
HNO-Arzt hinzugezogen werden.

4.11.2 Spätkomplikationen 4.12 Extubation
Zu den Spätkomplikationen (Langzeitschäden) der
endotrachealen Intubation gehören: Wie bei der Intubation so arbeiten auch bei der Ex-
• Ulzerationen der Trachealschleimhaut, Druck- tubation Pflegende und Arzt „Hand in Hand“. Der
nekrosen von Trachealknorpeln (evtl. mit Tra- Arzt legt fest, wann der Patient extubiert wird.
chealstenosen oder Tracheomalazie) insbesonde-
re durch zu hohen Cuffdruck. Wichtig ist es des-
halb, den Cuffdruck regelmäßig zu kontrollieren 4.12.1  Voraussetzungen zur
und unter 25 cmH2O zu halten (› 9.4.1). Extubation
• Stimmbandschäden können von vorübergehen-
der Heiserkeit bis hin zu Stimmbandlähmungen Die Extubation des Patienten nach einer Beatmungs-
(Rekurrensparese) reichen. Mögliche Ursachen therapie ist möglich, wenn diese Kriterien erfüllt sind:
sind Druck auf den N. recurrens durch ungeeig- • Die Spontanatmung des Patienten ist ausrei-
neten Tubus oder zu starke Blockung bei vermin- chend:
derter Elastizität der Trachea oder Überdehnung – Atemfrequenz (< 35/Min.) und Atemzugvolu-
des N. recurrens beim Überstrecken des Kopfes men (> 5 ml/kg KG)
zur Intubation. – PEEP-Bedarf < 9 mmHg
• Bei nasaler Intubation Mittelohrentzündung • Die Blutgaswerte liegen im Normbereich (bei
durch Verlegung der Ohrtrompete (Tuba Eusta- Raumluftatmung bzw. geringem FiO2). Ausnah-
chii) oder Sinusitis. me: Bei bestehender Lungenerkrankung werden
4.12 Extubation 89

auch schlechtere Werte akzeptiert (richtungwei- zu Klinik und oft auch von Fall zu Fall unterschied-
send sind hier die Ausgangswerte des Patienten) lich. War die Intubation des Patienten zuvor schwie-
– paO2 > 60 mmHg (bei FIO2 < 0,4) rig, werden auch die entsprechenden Materialien,
– paCO2 < 50 mmHg etwa besondere Spatel, Tubuswechsler oder ein In-
• Die Herz-Kreislauf-Verhältnisse sind stabil tubations-Fiberoskop bereitgehalten und erfahrenes
• Die Körpertemperatur liegt im Normbereich Fachpersonal hinzugezogen.
(kein hohes Fieber und keine Untertemperatur)
• Die Schutzreflexe (insbesondere Husten- und Vorbereitung der Materialien
Schluckreflex) sind vorhanden Die Pflegenden legen folgende Materialien bereit
• Der Patient verfügt über ausreichende Muskel- und prüfen ggf. deren Funktionsfähigkeit:
kraft (kann z. B. Augen öffnen, Kopf heben, Hand • Material und Medikamente zur Intubation
drücken) (› 4.4.3 und › 4.5.1), ggf. zusätzliches Mate­
• Keine massiven Schwellungen oder Blutungen im rial wenn die Intubation zuvor schwierig war
Bereich der Atemwege (möglichst Intubationswagen mit Zubehör für
• Kontinuierliches Monitoring und engmaschige schwierige Intubation)
Überwachung durch die Pflegenden in der Zeit • Absauggerät und verschieden dicke Absaugka- 4
nach der Extubation ist gewährleistet. theter
Die genannten Kriterien gelten vor allem für Patien- • Sterile und unsterile Einmalhandschuhe
ten, die nach der Extubation spontan atmen sollen • Sauerstoffmaske, ggf. mit Reservoirbeutel, Sauer-
(z. B. nach einer Intubationsnarkose). Beatmete Pa- stoffsonde
tienten auf der Intensivstation können i. d. R. im • Einmalspritze zum Entblocken des Cuffs
weiteren Verlauf nichtinvasiv beatmet werden, da- • Zellstofftücher o. Ä.
her ist die Extubation wesentlich früher möglich,
d. h. die genannten Kriterien müssen nicht vollstän- Vorbereitung des Patienten
dig erfüllt sein (Voraussetzungen zur nichtinvasiven Der Arzt oder die Pflegenden informieren den Pati-
Beatmung › 6.4.1). enten über die bevorstehende Extubation. In der
Zeit vor der Extubation (4–6 Stunden) wird die ente-
Grundsätzlich gilt: Die Extubation erfolgt zum frü- rale Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr (z. B. Son-
hestmöglichen Zeitpunkt! dennahrung) eingestellt. Zur Extubation lagern die
Wird die Extubation zu lange hinausgezögert, steigt Pflegenden den Patienten wenn möglich auf den Rü-
mit jedem Beatmungstag das Risiko einer Beatmungs- cken in Oberkörperhochlage. Liegt beim Patienten
pneumonie (› 6.7.1; [Holfelder et al., 2009]). Eine zu
eine Magensonde, wird ein Sekretbeutel angeschlos-
frühe Extubation, die eine Reintubation erforderlich
macht, verschlechtert das Outcome des Patienten erheb- sen, sodass der Mageninhalt ablaufen kann. Gegebe-
lich; die Mortalität steigt um 30–40 %. nenfalls wird der Mageninhalt abgesaugt.
Grundsätzlich ist ein standardisierter Ablauf der Beat-
mungsentwöhnung empfehlenswert (Weaning, › 6.11,
ggf. mit Spontanatemversuch), dessen Verlauf im 4.12.3  Durchführen der Extubation
Weaningprotokoll ersichtlich ist.
• Patienten ggf. präoxygenieren (100 % Sauerstoff
für 5–10 Minuten)
4.12.2 Vorbereitung • Mund und Rachen gründlich absaugen, ggf. auch
Magensekret über liegende Magensonde absau-
Die Extubation des zuvor beatmeten Patienten er- gen, ggf. Magensonde entfernen
folgt immer in Reintubationsbereitschaft, d. h. die • Tubusfixierung lösen (Pflaster ggf. mit Wasser
Pflegenden legen die Materialien zur oralen/nasalen oder Hautdesinfektionsmittel aufweichen)
Intubation bereit. Ob dabei ein Tubus vorbereitet • Tubus von den Beatmungsschläuchen diskon-
(mit Gleitgel versehen und Cuff auf Dichtigkeit ge- nektieren (falls noch angeschlossen)
prüft) oder lediglich bereitgelegt wird, ist von Klinik • Endotracheal absaugen (› 9.7.2)
90 4  Endotracheale Intubation

• Cuff entblocken frequenz und Sauerstoffsättigung, und ggf. der


• Patienten auffordern, tief einzuatmen (dadurch aktuellen Patientensituation anpassen
öffnen sich die Stimmbänder, wodurch Stimm- • Hautfarbe und Bewusstseinslage des Patienten
bandverletzungen beim Herausziehen des Tubus engmaschig kontrollieren
vermieden werden) und Tubus während der In­ • Atmung des Patienten beobachten (Atemfre-
spirationsphase zügig entfernen. In manchen quenz? Atemtiefe? Schluckbeschwerden? Husten-
Kliniken ist es üblich, den Tubus unter Sog zu stoß ausreichend? Zeichen einer erschwerten At-
entfernen, d. h. der Absaugkatheter wird durch mung z. B. wegen Sekretretention?), ggf. Lunge
den Tubus in die Trachea eingeführt und unter abhören
Sog gesetzt. Dann wird der Cuff entblockt und • Blutgasanalysen durchführen (Häufigkeit der
der Tubus zusammen mit dem Absaugkatheter Kontrollen nach Zustand des Patienten).
entfernt. Nachteil dieser Methode ist die Gefahr
der Atelektasenbildung. Vorteil: Das Sekret über
dem Cuff, das beim Absaugen des Rachenraums Positionierung, Atemgymnastik und
evtl. nicht vollständig entfernt werden konnte, Mobilisation
4 wird abgesaugt und kann damit nicht aspiriert
werden Die Pflegenden positionieren den frisch extubierten
• Patienten zum Abhusten auffordern und falls nö- Patienten auf dem Rücken in Oberkörperhochlage,
tig Mund-Rachen-Raum absaugen falls nicht erkrankungs- oder operationstechnisch
• Über eine Gesichtsmaske dem Patienten sauer- bedingt andere Lagerungen notwendig sind. Insbe-
stoffangereicherte und angefeuchtete Luft zufüh- sondere langzeitintubierte bzw. -beatmete Patienten
ren (Sauerstoffflow nach Arztanordnung) können am besten atmen, wenn sie nahezu aufrecht
• Insbesondere nach Langzeitbeatmung Atmung, im Bett sitzen. Atemerleichternd ist auch eine Hoch-
Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und evtl. Blut- lagerung beider Arme auf Kissen o. Ä. sowie die
druck kontinuierlich überwachen, evtl. Blutgas- „Herzbett-Position“ (Oberkörper aufgerichtet, Beine
analyse durchführen (i. d. R. erste BGA ca. abgesenkt). Die Pflegenden achten darauf, den Pati-
20 Min. nach der Extubation, falls nicht zuvor enten so zu lagern, dass er nicht im Bett nach unten
Komplikationen auftreten) rutschen kann (dadurch verengen sich die Zwi-
• Tubuswechsler (falls eingeführt) weiterhin liegen schenrippenräume und die Atmung wird erschwert)
lassen, um rasch Reintubation vornehmen zu bzw. korrigieren die Position, falls der Patient im
können. Über den Tubuswechsler kann auch Bett nach unten gerutscht ist.
Sauerstoff verabreicht und im Notfall eine Beat- So früh wie möglich beginnen Maßnahmen zur
mung vorgenommen werden. Vertiefung der Atmung und zur Sekretmobilisati-
on (z. B. Atemgymnastik, Lagerungsdrainagen, In-
halationen oder Vibrationsmassage). Diese Maß-
4.12.4  Pflege des frisch extubierten nahmen führen die Pflegenden in Kooperation mit
Patienten den zuständigen Physiotherapeuten durch (i. d. R. ist
klinikintern geregelt, welche Maßnahmen von den
Überwachung der Vitalparameter Pflegenden und welche von den Physiotherapeuten
übernommen werden).
Um eine respiratorische Insuffizienz (› Kap. 2) des Häufig ist auch intermittierendes Masken-CPAP
frisch extubierten Patienten rasch erkennen und be- (über Nasen- oder Gesichtsmaske, ›  6.4.1) erfor-
handeln zu können, wird der Patient in der Zeit un- derlich.
mittelbar nach der Extubation besonders sorgfältig Zum frühestmöglichen Zeitpunkt wird der Patient
überwacht: dann mobilisiert:
• Die am Überwachungsmonitor eingestellten • Wurde der Patient bereits während der Beat-
Grenzwerte kontrollieren, insbesondere die mungstherapie mobilisiert, bereitet die Mobilisa-
Grenzwerte für Herzfrequenz, Blutdruck, Atem- tion nach der Extubation i. d. R. keine Probleme.
4.12 Extubation 91

• Erfolgt die erste Mobilisation des zuvor beatme- Unmittelbar nach der Extubation soll der Patient seine
ten Patienten erst nach der Extubation, bespre- Stimmbänder schonen und wenig sprechen, obwohl
chen die Pflegenden mit dem Arzt, ob und wann dies oft im Gegensatz zur berechtigten Freude des Pati-
der Patient mobilisiert werden darf. Insbesondere enten steht, wieder sprechen zu können. Bleiben über
Tage Störungen der Phonation (z. B. Heiserkeit) oder
bei (frisch)operierten Patienten sind bei der Mo-
Schluckstörungen bestehen, wird der Arzt ein HNO-Kon-
bilisation evtl. besondere Maßnahmen erforder- sil veranlassen, um die Ursache und eine mögliche Thera-
lich, etwa wenn der Patient nach Hüft- oder pie zu klären.
Kniegelenkoperationen ein Bein nicht belasten
darf oder wegen Gefäßoperationen die Hüfte
nicht abknicken soll. Bei der ersten Mobilisation
achten die Pflegenden darauf, den Patienten Dokumentation
nicht zu überfordern, d. h. sie helfen dem Patien-
ten zunächst, sich an den Bettrand zu setzen. Ist In der Patientenkurve dokumentieren die Pflegen-
dies ohne (Kreislauf-)Probleme möglich, kann den:
der Patient kurz aufstehen, sich dann evtl. auf ei- • Zeitpunkt der Extubation
nen bereitgestellten Stuhl setzen oder einige • Art und Menge der Sauerstoffverabreichung 4
Schritte umhergehen. Wie viel der Patient bei der • Befinden des Patienten.
ersten Mobilisation „schafft“, ist immer auch von
der Dauer der vorangegangenen Beatmungsthe-
rapie abhängig. Nach einer Langzeitbeatmung 4.12.5  Schwierigkeiten bei der
sind meist nur kleine Mobilisationsschritte mög- Extubation
lich (› 9.3 und › Tab. 9.5).
Folgende Schwierigkeiten können bei bzw. unmit-
telbar nach der Extubation auftreten:
Essen und trinken • Glottisödem (Larynxödem, siehe unten)
• Laryngo- oder Bronchospasmus (siehe unten)
Liegen keine Kontraindikationen vonseiten der Er- • Verletzungen der Stimmbänder
krankung oder der Operation vor und ist die Spon- • Schleimhautläsionen
tanatmung des Patienten stabil (d. h. eine Reintu- • Würgereiz, Erbrechen und Aspiration
bation ist nicht wahrscheinlich), darf der Patient • (fortbestehende) respiratorische Insuffizienz
i. d. R. 1–4 Stunden nach der Extubation vorsichtig (› Kap. 2).
die ersten Trinkversuche unternehmen. Dazu set- Bei bekannt schwierigen Atemwegen oder bei zu er-
zen die Pflegenden den Patienten im Bett auf. Als wartenden Schwierigkeiten kann vor der Extubation
Getränke eignen sich Tee (kein Früchtetee wegen evtl. ein Tubuswechsler über den Tubus in die Tra-
des Säureanteils) oder stilles Mineralwasser, die bei chea eingeführt werden, über den im Notfall wieder
einer möglichen Aspiration nur geringe Komplika- schnell intubiert werden kann.
tionen verursachen. Anfangs soll der Patient nur in
kleinen Schlucken trinken. Insbesondere bei Pati- Ungeplante Extubation
enten, die nicht aufrecht sitzen dürfen, kann es
Insbesondere bei agitierten Patienten kann es trotz
hilfreich sein, den Patienten mithilfe eines Trink- Schutzmaßnahmen (engmaschige Überwachung des Pa-
halms trinken zu lassen (der Patient kann dann tienten, ggf. Fixierung) zur Selbstextubation kommen,
besser steuern, wie viel Flüssigkeit er in den Mund die oft eine umgehende Reintubation erfordert. Diese
nimmt). kann massiv erschwert sein, da der Cuff bei der Extuba­
Wann und was der Patient essen kann bzw. darf, tion geblockt war (dadurch können Schleimhautschwel-
hängt maßgeblich von seiner Grunderkrankung, der lungen insbesondere im Bereich der Glottis verursacht
werden).
evtl. durchgeführten Operation sowie seiner Kau-
und Schluckfähigkeit ab.
92 4  Endotracheale Intubation

Sofortmaßnahmen sind: Vom Laryngospasmus ist der Glottisverschlussre-


• Arzt benachrichtigen flex abzugrenzen, bei dem die Einengung der Glottis
• Gegebenenfalls Hilfe herbeiholen mit der Beseitigung des auslösenden Stimulus ver-
• Ausreichenden Gasaustausch sicherstellen
schwindet. Beim Laryngospasmus dagegen hält der
– Gegebenenfalls Sauerstoff verabreichen (Sonde,
Spasmus auch nach Beseitigung des auslösenden Sti-
Maske)
– Gegebenenfalls Masken-Beutel-Beatmung mulus an.
• Reintubation vorbereiten (› 4.5). Ein Laryngospasmus entsteht häufig durch eine
Irritation der Atemwege, z. B. durch:
• Erbrochenes, Sekrete und Blut in den oberen
Atemwegen
Glottisödem • Einführen oraler oder nasopharyngealer Tuben
bei zu flacher Narkose bzw. Analgosedierung
DEFINITION • Extubation während des Exzitationsstadiums.
Glottisödem (Larynxödem): Akutes Kehlkopfödem im Auch Schmerzreize bei nicht ausreichender Narko­
Bereich der Epiglottis. Häufig allergisch bedingt. Leitsym- se­tiefe bzw. Analgosedierung können einen Laryn-
4 ptom: Inspiratorischer Stridor. gospasmus verursachen.
Abhängig davon, ob der Kehlkopf nur teilweise
Betroffen sind meist kleine Kinder (die Epiglottis ist (partiell) oder vollständig verlegt ist, zeigt der Pati-
hier besonders groß und die Schleimhaut empfindli- ent folgende Symptome:
cher als bei größeren Kindern und Erwachsenen). • Bei partieller Verlegung Stridor und krächzende
Ursache des Glottisödems ist oft eine traumatische Atemgeräusche
Intubation (viele Intubationsversuche und Einsatz • Bei totalem Verschluss ruckartige paradoxe Atem-
von Hilfsmitteln wie z. B. Führungsstäbe oder Ein- bewegungen, Einziehungen der Brustwand in
führungsmandrins › 4.4.1). Auch nach operativen den Zwischenrippenräumen während der Inspi-
Eingriffen am Kehlkopf droht ein Glottisödem. ration, Vorwölbung des Abdomens während der
Das Glottisödem zeigt sich durch inspiratorischen Exspiration und Einziehung während der Inspi-
Stridor, Heiserkeit und Dyspnoe. Therapiert wird ration („schlingerndes Schiff“). Darüber hinaus
das Glottisödem mit Kortikosteroiden, die evtl. auch sind keine Atemgeräusche auskultierbar, eine Be-
schon 20–30  Minuten vor der Extubation verab- atmung ist nicht möglich.
reicht werden, wenn ein Glottisödem wahrschein- Wird nicht umgehend therapiert, kommt es zu Hy-
lich ist. poxie und Hyperkapnie. Bei länger anhaltendem La-
Gegebenenfalls kann auch vor der Extubation ein ryngospasmus zeigen sich die Zeichen der respirato-
Nebenlufttest durchgeführt werden. Dazu wird der rischen Insuffizienz (› 2.4.1).
Cuff des Tubus nach Messung des in- und exspirato- Die Therapie besteht in:
rischen Tidalvolumen am Beatmungsgerät entblockt • Beseitigung des auslösenden Reizes durch z. B.
und die Differenz aus ex- und inspiratorischen Ti- Absaugen oder Unterbrechen der Schmerzstimuli
dalvolumen innerhalb der ersten sechs Atemzüge • Gegebenenfalls Vertiefung der Narkose bzw. An-
bestimmt (Nebenluftvolumen). Ist die Differenz grö- algosedierung
ßer als 110 ml, ist das Auftreten eines Glottisödems • Verabreichen von 100 % Sauerstoff über eine
sehr unwahrscheinlich. dicht sitzende Maske (dazu in Schnüffelposition
bringen und Esmarch-Handgriff anwenden,
› Abb. 3.1 und › 3.1.1).
Laryngospasmus Kommt es darunter nicht rasch zur Besserung, kann
der Laryngospasmus durch Muskelrelaxation mit
DEFINITION 10–20  mg Succinylcholin durchbrochen werden.
Laryngospasmus (Stimmritzenkrampf): Akuter anhal- Führt auch dies nicht zum Erfolg, ist evtl. eine Ko-
tender Spasmus der Kehlkopfmuskulatur mit Einengung niotomie indiziert (› 5.4.1).
der Glottis (Stimmritze).
KAPITEL

5 Tracheotomie
DEFINITION • Niedrigere Kosten
Tracheotomie: Eröffnung der Trachea im vorderen
Halsbereich (die so geschaffene Öffnung heißt Tracheo-
• Geringere Dauer der Prozedur.
stoma) und Einführen einer Trachealkanüle in das Tra- Diesen Vorteilen steht der Nachteil des nicht stabi­
cheostoma (› Abb. 5.1). Zwei Techniken: len Stomakanals in den ersten Tagen nach Punk­
• Punktionstracheotomie (perkutane Tracheotomie, tionstracheotomie gegenüber (› 5.2.3).
Dilatationstracheotomie, minimalinvasive Tracheoto- Keine signifikanten Unterschiede bestehen hin­
mie). Punktion der Trachea von außen durch die Haut sichtlich Blutungskomplikationen, Trachealsteno­
hindurch und Aufdehnen der Punktionsstelle bis die sen und der Gesamtkomplikationsrate einschließ­
Öffnung (Tracheostoma) groß genug ist, um die Tra-
chealkanüle einführen zu können.
lich Mortalität.
• Konventionelle Tracheotomie. Operativ angeleg- Aufgrund der genannten Vorteile ist die Punk­
tes Tracheostoma (Öffnung der Luftröhre, epithelisier- tionstracheotomie in der Intensivmedizin i. d. R. das
tes Tracheostoma). Verfahren der ersten Wahl.
Meist als sekundäre Tracheotomie (siehe unten), selten
als primäre Tracheotomie (siehe unten). Das Tracheosto-
ma (Verbindungsstelle zwischen Außenwelt und Trachea) Eine Tracheotomie wird beim beatmeten Patien-
liegt unterhalb des Kehlkopfs, d. h. die Trachealkanüle ten heute fast ausschließlich als Punktionstracheotomie
befindet sich im Gegensatz zum Endotrachealtubus nicht vorgenommen. Dieses Verfahren der Tracheotomie kann
im Kehlkopf und zwischen den Stimmbändern. Die Tra- auf der Intensivstation im Patientenbett vorgenommen
chealkanüle behindert den Patienten daher weniger stark werden, d. h. der bei der konventionellen Tracheotomie
beim Schlucken. Mit speziellen Trachealkanülen bzw. erforderliche Transport des Patienten in den OP entfällt.
Kanülenaufsätzen kann der tracheotomierte Patient evtl.
sprechen.
Im Notfall Koniotomie (Krikotomie › 5.5) mit Inzision Primäre und sekundäre Tracheotomie
zwischen Ring- und Schildknorpel. Die Mini-Tracheoto-
mie ( › 5.5) dient lediglich der erleichterten Bronchial-
toilette. Eine primäre Tracheotomie (Tracheotomie ohne
vorherige orale oder nasale Intubation) ist indiziert
wenn ein Patient nicht intubiert werden kann, z. B.
Indikationen, Vorteile und Nachteile der Tracheoto- wegen Erkrankungen oder Verletzungen des La­
mie im Vergleich zu oraler und nasaler Intubation rynx. Im Notfall wird meist zunächst eine Konioto-
› Tabelle 4.1 mie (› 5.5) durchgeführt, selten die vergleichswei­
se risikoreiche Notfalltracheotomie.
Eine sekundäre Tracheotomie (Tracheotomie
Konventionelle und nachdem der Patient zuvor über einen oralen oder
Punktionstracheotomie im Vergleich nasalen Tubus beatmet wurde) ist indiziert, wenn
eine Langzeitbeatmung absehbar ist, wenn durch
Die Punktionstracheotomie bietet im Vergleich zur den Endotrachealtubus Läsionen im Bereich des
konventionellen Tracheotomie folgende Vorteile Pharynx oder Larynx entstanden sind (z. B. Druckul­
(Braune/Kluge 2012; von Higgins/Punthakee 2007): zera) sowie zur Erleichterung der Respiratorentwöh­
• Geringere Rate an Stomainfektionen nung (Weaning › 6.11).
• Besseres kosmetisches Ergebnis nach Dekanülie­
rung
94 5 Tracheotomie

Der günstigste Zeitpunkt für eine sekundäre Tra- Passageres und endgültiges
cheotomie ist nach wie vor umstritten. In manchen Kli- Tracheostoma
niken wird – sobald eine längerfristige Beatmungsdauer
absehbar ist – schon nach wenigen Tagen tracheoto- Das Tracheostoma eines beatmeten Patienten ist
miert, in anderen wird zunächst längerfristig über einen
i. d. R. passager (vorübergehend), d. h. es wird wie­
oralen bzw. nasalen Tubus beatmet.
Die Consensus Conference of artificial Airways in Patients der verschlossen, wenn eine Beatmung bzw. ein
receiving mechanical Ventilation der American Association Freihalten der Atemwege mittels Tracheotomie
for Respiratory Care empfiehlt folgendes Vorgehen: nicht mehr notwendig ist. Ein endgültiges Tracheo­
• Wenn der künstliche Atemweg voraussichtlich weniger stoma ist erforderlich nach Laryngektomie (voll­
als 7–10 Tage erforderlich ist, sollte die translaryngea- ständiger Entfernung des Kehlkopfs, z. B. bei malig­
le Intubation bevorzugt werden. nen Larynxtumoren).
• Nach Ablauf von 7 Tagen soll eingeschätzt werden, ob
der Patient innerhalb der nächsten 7–10 Tage extu-
biert werden kann. Ist dies voraussichtlich möglich,
kann der Tubus belassen werden. Ist dies voraussicht-
lich nicht der Fall, sollte tracheotomiert werden. 5.1 Trachealkanülen
• Ist aller Wahrscheinlichkeit nach der künstliche Atem-
weg länger als 21 Tage erforderlich, sollte der Patient
so früh wie möglich tracheotomiert werden. Trachealkanülen bestehen aus Kunststoff oder Sil­
• Kann die Zeitdauer für den künstlichen Atemweg nicht
ber. Kanülen aus Kunststoff sind mit oder ohne Cuff
eingeschätzt werden und besteht keine dringliche Indi-
5 erhältlich, Silberkanülen haben keinen Cuff.
kation für eine frühe Tracheotomie, sollte täglich neu
geprüft werden, ob eine Tracheotomie indiziert ist. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Tra­
chealkanülen für beatmete Patienten und solchen
für Patienten, die zwar spontan atmen, jedoch lang­
fristig tracheotomiert bleiben müssen (Dauerkanü­
lenträger):
• Bei Patienten, die ausreichend spontan atmen, je­
doch längerfristig oder dauerhaft tracheotomiert
bleiben müssen, z. B. nach Laryngektomie, wer­
Koniotomie den Trachealkanülen aus Kunststoff (i. d. R. ohne
Cuff) oder Silber verwendet, die jeweils aus einer
Außen- und einer Innenkanüle (auch „Seele“ ge­
Tracheotomia nannt) bestehen. Zur Reinigung (etwa von Sekret­
superior
Punktions-
ablagerungen) wird die Innenkanüle aus der Au­
tracheotomie ßenkanüle herausgenommen und anschließend
(Dilatations-
tracheotomie) wieder eingesetzt. Manche dieser Kanülen verfü­
Tracheotomia gen über ein Sprechfenster (Phonationsfenster)
media
am oberen Teil der Krümmung der Außenkanü­
le, über das die Exspirationsluft (teilweise) Rich­
tung Kehlkopf strömen und damit das Sprechen
Tracheotomia
inferior ermöglichen kann (› Abb. 5.4). Dies funktio­
niert jedoch nur, wenn die Innenkanüle entfernt
ist.
• Bei beatmeten Patienten werden ausschließlich
Kunststoffkanülen verwendet, da nur diese über
Abb. 5.1  Lokalisation der Tracheotomie. Bei der Punktionstra- einen Cuff verfügen, der die Abdichtung zwi­
cheotomie liegt der Punktionsort meist zwischen 1./2. Tracheal-
schen Kanüle und Trachea gewährleistet (Aus­
ring. Bei der konventionellen Tracheotomie werden entsprechend
dem Operationsverfahren die obere (T. superior), mittlere (T. me- nahme: Bei kleinen Kindern werden Trachealka­
dia) und untere (T. inferior) Tracheotomie unterschieden. [L107] nülen aus Kunststoff ohne Cuff zur Beatmung
5.1 Trachealkanülen 95

verwendet). Im Folgenden wird nur auf diese Ka­ und Krümmungswinkel. Zusätzliche Angaben sind
nülen näher eingegangen. z. B. bei Kanülen der Firma Rüsch: C (Kanüle mit
Cuff), P (Kanüle mit Phonation) oder CP (Kanüle
mit Cuff und Phonation).
Aufbau einer Trachealkanüle Am distalen Ende der Kanüle befindet sich der
Cuff, der analog dem Cuff von Endotrachealtuben
Trachealkanülen aus Kunststoff sind im Mittelteil aufgebaut ist (› 4.3.3). Auch bei Trachealkanülen
etwa rechtwinklig gekrümmt. Der Wandaufbau ent­ werden beim beatmeten Patienten praktisch aus­
spricht bei manchen Modellen dem von Spiraltuben schließlich Niederdruckcuffs verwendet.
(› 4.3.2), d. h. die Wand besteht aus einer kunst­ Trachealkanüle mit Fome-Cuff › Abb. 4.11
stoffummantelten Metallspirale. Der Kunststoff ist Trachealkanüle mit Hi-Lo-Lanz-Ventil › Abb. 5.2
durchsichtig, sodass ein Beschlagen der Kanülen­
wand während der Exspiration sowie Sekretablage­ Trachealkanülen mit in die Wand eingearbeiteter Metall-
rungen sichtbar sind. Am äußeren Ende der Kanüle spirale müssen vor einer MRT gegen metallfreie Tracheal-
befindet sich der Norm-Konnektor, der es ermög­ kanülen ausgetauscht werden.
licht die Kanüle an das Ventil eines Beatmungsbeu­
tels bzw. an die Beatmungsschläuche anzuschließen.
Unterhalb des Norm-Konnektors befindet sich bei Sprechaufsätze und Sprechkanülen
den meisten Kanülen eine verstellbare Halteplatte, Sprechaufsätze werden auf den Norm-Konnektor
die rechts und links jeweils mit Öffnungen zum Be­ der Trachealkanüle aufgesetzt. Sie funktionieren wie 5
festigen von Kanülenhaltebändern versehen ist. Die ein Ventil:
Halteplatte wird – nachdem die Kanüle in die Tra­ • Während der Patient einatmet ist das Ventil offen
chea eingeführt wurde – mit der integrierten Schrau­ und Luft strömt von außen in die Lunge des Pa­
be entsprechend den Gegebenheiten beim Patienten tien­ten
so an der Trachealkanüle festgeschraubt, dass sie der • Während der Ausatmung verschließt sich das
Haut aufliegt ohne zu drücken. Ventil und die Luft aus der Lunge strömt den
Auf der Halteplatte ist i. d. R. der Markierungs­ physiologischen Weg nach außen, also an der
code aufgedruckt, der Angaben zum Kanülenaufbau Trachealkanüle vorbei durch den Kehlkopf. Da­
enthält, meist Größe, Durchmesser (ID und AD) durch kann der Patient sprechen.

Abb. 5.2  Tracheostomie-Ka-


nülen von Fa. Tyco-Healthcare.
A: Tracheosoft™ EVAC Tracheo­
sto­mie­kanüle mit zusätzlichem
Lumen zur Absaugung des sub-
glottischen Raums.
B: Tracheosoft™ EVAC mit Hi-Lo™
Niederdruckmanschette mit Lanz™
System und zusätzlichem Lumen
zur Absaugung des subglottischen
Raums.
C: Tracheosoft Pitt™-Sprechkanüle
mit Hi-Lo™ Niederdruckmanschet-
te und zusätzlichem Lumen zur
Zufuhr von Sprechluft. [U244]
96 5 Tracheotomie

Manche Sprechaufsätze bieten neben der oben ge­


schilderten Ventilfunktion die Möglichkeit der
Atemgasfiltrierung (passive Atemgasklimatisierung
›  6.6) und/oder eine Anschlussmöglichkeit für
Sauerstoff (› Abb. 5.3).
Sprechkanülen unterscheiden sich hinsichtlich des
Aufbaus und der Anwendung:
• Sprechkanülen mit Phonationsöffnung bestehen
i. d. R. aus der Trachealkanüle mit Fensterung
oder Siebung im Krümmungsbereich plus min­
destens zwei Innenkanülen: einer geschlossenen,
die während der Beatmung verwendet wird, und
einer gefensterten oder gesiebten. Diese wird zum
Sprechen eingesetzt und (falls nicht standardmä­
ßig eingebaut) mit einem Sprechventil versehen.
Die Einatmung erfolgt dann über die Kanüle, die Abb. 5.3 Sprechaufsatz Spiro Sprechventil (Firma Teleflex
Ausatemluft nimmt den Weg über die Phonati­ ­Medical) mit Filterfunktion und Sauerstoffanschluss. [V420]
onsöffnung zu den Stimmbändern hin. Bei Ver­
wendung dieser Kanülen muss sichergestellt sein, Beim Einsatz von Sprechaufsätzen beachten:
5 dass die Phonationsöffnungen von Tracheal- und Wird der Sprechaufsatz auf eine konventionelle (nicht ge-
Innenkanüle übereinanderliegen und frei durch­ fensterte) Trachealkanüle aufgesetzt, muss der Cuff der
gängig sind. Dies kann ggf. endoskopisch über­ Trachealkanüle entblockt sein, ansonsten könnte der Pati-
prüft werden. Bei den meisten Sprechkanülen ent nur ein- aber nicht ausatmen und würde ersticken!
Auch bei Trachealkanülen mit Phonationsöffnung wird
empfehlen die Hersteller, die Kanüle zum Benut­
i. d. R. empfohlen, den Cuff beim Benutzen eines Sprechauf-
zen der Sprechfunktion zu entblocken (die Aus­ satzes zu entblocken (Herstellerangaben beachten).
atemluft kann dann sowohl durch Kanüle und Weil der Cuff entblockt und die Beatmung diskonnektiert
Phonationsöffnung als auch neben der Kanüle werden muss, können Sprechaufsätze nur bei Patienten
entlang Richtung Kehlkopf strömen). Eine Son­ eingesetzt werden, deren (Beatmungs-)Situation stabil ist
derform ist die Blom®-Kanüle, die während ma­ und die zumindest kurzzeitig ausreichend spontan atmen
schineller Beatmung verwendet werden kann. können! Vor dem Entblocken des Cuffs den Rachen
gründlich absaugen, um zu verhindern, dass Sekret, das
Die Innenkanüle ist so aufgebaut, dass die Pho­
über dem Cuffballon steht, nach Entblocken des Cuffs
nationsöffnung während der Inspiration ge­ Richtung Trachea fließt und aspiriert wird.
schlossen und während der Exspiration offen ist. Falls möglich und erforderlich während der Anwendung
Dadurch ist das Sprechen jeweils in den Exspira­ über den entsprechenden Adapter des Sprechventils Sau-
tionsphasen möglich. erstoff verabreichen.
• Bei Sprechkanülen, die mit Zufuhr von „Sprech- Den Patienten während der Anwendung des Sprechauf-
luft“ arbeiten (z. B. Vocalaid- oder Suctionaid-Ka­ satzes sehr genau beobachten (Sprechaufsatz kann rasch
z. B. durch Sekret verlegt werden. Sauerstoffsättigung?
nüle) ist ein zusätzliches Lumen in die Kanülen­
Zeichen der Hypoxämie ›  2.4.1) und bei Bedarf den
wand eingelassen, das über eine Öffnung über Cuff blocken, ggf. Innenkanüle tauschen (gefensterte
dem Cuff verfügt. Das Lumen endet außen mit ei­ entfernen und geschlossene einsetzen) und den Patien-
nem speziellen Konnektor, über den „Sprechluft“ ten wieder mit dem Respirator verbinden.
zugeführt und reguliert werden kann (Flow: ca. Beim Einsatz von Sprechaufsätzen oder Sprechka-
4–6 l/Min.). Verschließt man die Öffnung am nülen müssen die Platzverhältnisse oberhalb des Cuffs
Konnektor, gelangt ein Luftstrom durch die groß genug sein, um die Ausatmung auf physiologischem
Weg zu ermöglichen. Der Patient kann ansonsten nicht
Stimmritze und der Patient kann sich artikulieren.
(vollständig) ausatmen.
Vorteilhafter Nebeneffekt: Über das zusätzliche
Lumen kann Sekret, das sich über dem Cuff ange­
sammelt hat, abgesaugt werden (› Abb. 5.2C). Elektronische Kommunikationshilfsmittel › 9.8.1
5.2 Punktionstracheotomie 97

Abb. 5.4 Trachealkanüle Tra-


cheofix TFCP mit Phonationsöff-
nungen (links), geschlossene In-
nenkanüle (oben rechts) und In-
nenkanüle mit Phonationsöffnun-
gen (unten rechts). [V420]

5.2 Punktionstracheotomie 5.2.1  Vorbereitung der


Punktionstracheotomie
5
Bei der Punktionstracheotomie wird die Trachea Vorbereitung des Patienten
zunächst punktiert und über die Punktionskanüle
ein Führungsdraht eingeführt, über den dann die Der Arzt informiert den Patienten und evtl. auch sei­
Trachealkanüle eingeführt wird. Heute sind vor al­ ne gesetzlichen Vertreter über die geplante Tracheo­
lem die Verfahren nach Ciaglia und Griggs, die tomie und holt die Einverständniserklärung ein. Zur
translaryngeale Tracheotomie nach Fantoni sowie Tracheotomie bleibt der Patient nüchtern. Es wer­
die kontrollierte perkutane Dilatationstracheotomie den die üblicherweise vor einem operativen Eingriff
mit PercuTwist gebräuchlich. durchgeführten Laborparameter (insbesondere
Kontraindiziert ist eine Punktionstracheotomie Blutbild und Blutgerinnung) untersucht, sowie ein
bei: aktuelles EKG und Röntgen-Thoraxbild angefertigt.
• Schwerwiegenden anatomischen Veränderungen Gerinnungsaktive Medikamente müssen rechtzeitig
im Halsbereich, z. B. infolge Struma, Tumoren, reduziert bzw. abgesetzt werden. An die evtl. liegen­
Entzündungen oder Traumata de Magensonde wird ein Sekretbeutel angeschlossen
• Infektionen im Punktionsbereich zur Drainage des Magensekrets. Gegebenenfalls
• Instabile HWS (z. B. bei Fraktur) wird zusätzlich unmittelbar vor der Tracheotomie
• Schwere, nicht korrigierbare Gerinnungsstörun­ der Mageninhalt über die Magensonde abgesaugt.
gen Die Pflegenden lagern den Patienten zur Tracheoto­
• Schwierigen Intubationsverhältnissen (bei [ver­ mie auf den Rücken und führen vor Beginn der Tra­
sehentlicher] Dekanülierung vor dem 10. p. o.- cheotomie eine sorgfältige Mundpflege durch. Die
Tag muss – wegen des instabilen Tracheostomas EKG-Elektroden und die Monitorkabel werden so
– i. d. R. zunächst endotracheal intubiert werden) platziert, dass kein Kabel auf dem Oberkörper stört.
• Notwendigkeit eines endständigen Tracheosto­ Gegebenenfalls müssen Wundverbände an Kinn,
mas. Hals oder Brustkorb entfernt werden. Bei Männern
Beim Vorliegen von Kontraindikationen ist die kon­ empfiehlt sich eine Rasur. Während der Tracheoto­
ventionelle Tracheotomie angezeigt (› 5.3). mie werden die Herzfrequenz (Systolenton laut stel­
len), die Sauerstoffsättigung und der Blutdruck kon­
tinuierlich überwacht.
98 5 Tracheotomie

Vorbereitung des Materials 5.2.2  Durchführung der


Punktionstracheotomie
Abhängig von der geplanten Methode und dem ver­
wendeten Punktionsset variiert das benötigte Mate­ Bei der Punktionstracheotomie arbeiten die Pflegen­
rial etwas. Die folgende Auflistung ist daher nur eine den mit mindestens zwei Ärzten zusammen (ein
Richtlinie und muss von den Pflegenden ggf. ange­ Arzt bronchoskopiert, ein Arzt punktiert). Dabei
passt werden. Benötigt werden i. d. R. die folgenden wird wie folgt vorgegangen:
Materialien: • Durchführender Arzt legt Mund- und Haarschutz
• Lagerungshilfsmittel um Kopf stabil überstreckt an, führt die chirurgische Händedesinfektion
lagern zu können durch und zieht einen sterilen Kittel an
• Saugfähige, wasserdichte Unterlage • Durchführen einer Kurznarkose mit Opioid und
• Gegebenenfalls Material zur Lokalanästhesie der Hypnotikum
Punktionsstelle • Patient mit überstrecktem Kopf lagern. Dazu ein
• Medikamente zur Kurznarkose kleines festes Kissen oder eine Lagerungsrolle un­
• Sterile Handschuhe, sterile Kittel, Mundschutz, ter die Schultern legen und den Kopf ggf. mit
Kopfhaube Polster oder Kopfring lagern
• Hautdesinfektionsmittel • Saugfähige Unterlage unter Kopf, Hals und
• Sterile Abdecktücher Schultern legen
• Endoskopie-Aufsatz für Tubus • Rachenraum gründlich absaugen (ggf. unter Sicht
5 • Set zur Punktionstracheotomie (dies enthält mittels Laryngoskop), evtl. Rachenspülung mit
i. d. R. die speziell für die Methode notwendigen antiseptischer Lösung, z. B. Hexetidin
Instrumente, z. B. verschieden große Dilatato­ • Lokalanästhesie der Punktionsstelle (falls keine
ren). Beispiel › Abb. 5.5 Allgemeinanästhesie erfolgt), Hautdesinfektion
• Passende Trachealkanüle (plus eine größere und des Punktionsbereichs (Hals, Kinn, oberer Brust­
eine kleinere Kanüle) korb) und Abdecken mit sterilen Tüchern
• Gegebenenfalls zusätzliche sterile Instrumente, • Bronchoskop in den Tubus einführen, Tubus ent­
z. B. Skalpell, Schere, Klemme blocken und unter Sicht in den epiglottischen Be­
• Bronchoskop einschließlich Gleitmittel und Spül­ reich zurückziehen (um Beschädigung durch
lösung Punktion zu vermeiden), dort neu leicht blocken
• Verbandsmaterial. • Punktionsstelle mit dem Bronchoskop darstellen
(„Diaphanoskopie“, d. h. Durchleuchtung mittels
Lichtquelle) und die Punktion bronchoskopisch
kontrollieren.
• Punktionsstelle von außen palpieren, mittels Dia­
phanoskopie lokalisieren und Trachea mit Kanü­
le und aufgesetzter Spritze punktieren. Ansaugen
von Luft zeigt Eintritt in die Trachea an (beson­
ders gut zu sehen wenn zuvor NaCl 0,9 % in die
Spritze gefüllt wurde).
• Führungsdraht einführen (ggf. Inzision und
stumpfe Präparation der Tracheavorderwand,
bronchoskopische Kontrolle). Im weiteren Ver­
lauf unterscheiden sich die verschiedenen Ver­
fahren:
– Verfahren nach Ciaglia. Einführen eines Füh­
rungskatheters und danach nacheinander
Abb. 5.5 Punktionsset für die Punktionstracheotomie nach mehrerer angefeuchteter Dilatatoren zuneh­
Griggs (Firma Smith Medical). [V090] mender Stärke, bis das Tracheostoma weit ge­
5.2 Punktionstracheotomie 99

nug ist, um die Trachealkanüle einführen zu • Korrekte Kanülenlage bronchoskopisch kontrol­


können. Eine Weiterentwicklung dieses Ver­ lieren
fahrens ist die Einschritt-Dilatationstracheo- • Trachealkanüle blocken, Beatmungssystem an­
tomie nach Ciaglia. Dabei wird – anstelle schließen und Endotrachealtubus entfernen
mehrerer Dilatatoren – nur ein konisch zulau­ • Trachealkanüle mit sterilen Schlitzkompressen
fender Dilatator (BlueRhino™-Dilatator) so umlegen und mit Haltebändchen fixieren. Dabei
weit eingeführt, bis die erforderliche Tracheo­ darauf achten, dass Fixierung weder zu fest noch
stoma-Weite erreicht ist (Markierungen auf zu locker ist (1–2 Querfinger sollte man zwischen
dem Dilatator). Dann Dilatator entfernen und Haut und Haltebändchen schieben können)
Trachealkanüle über den Führungsdraht ein­ • Cuffdruck kontrollieren (› 9.4.1)
führen • Umgebung der Punktionsstelle säubern, Lage­
– Verfahren nach Griggs. Über den Führungs­ rungshilfsmittel und Vliesunterlage entfernen,
draht Dilatator einführen und darüber die EKG-Elektroden ggf. wieder auf dem Brustkorb
Punktionsstelle so weit aufbougieren, dass eine platzieren, durchnässte oder zuvor entfernte
spezielle Pinzette eingeführt werden kann. Wundverbände im Punktionsbereich erneuern
Durch Öffnen der Dilatationspinzette wird die • Patienten bequem lagern, i. d. R. zunächst in Rü­
Punktionsstelle aufgeweitet, in die dann über ckenlage, da meist eine Röntgenkontrolle im An­
den Führungsdraht die Trachealkanüle einge­ schluss an die Punktionstracheotomie erforder­
führt wird lich ist
– Translaryngeale Dilatationstracheotomie • Bronchoskop spülen, reinigen und aufbereiten, 5
nach Fantoni. Führungsdraht unter broncho­ sonstiges (Einmal-)Material aufbereiten bzw.
skopischer Kontrolle nach oral durch den Tu­ entsorgen
bus hindurch vorschieben. Rachen absaugen, • Maßnahme dokumentieren (Trachealkanülen­
Patienten extubieren und mit sehr dünnem größe, Cuffdruck)
Tubus (im Punktionsset enthalten) reintubie­ • Ersatzkanülen (verwendete Größe und eine Grö­
ren (darüber weiter beatmen). Trachealkanüle ße kleiner) und – sofern in der Klinik üblich –
am oralen Ende des Führungsdrahts fixieren, Trachealspreizer (Trachealspekulum) am Patien­
durch Zug auf den Führungsdraht an der tenbett bereitlegen für den Fall einer versehentli­
Punktionsstelle Trachealkanüle vorsichtig chen Dekanülierung.
durch Rachen und Kehlkopf hindurch in die
Trachea und durch die Punktionsstelle hin­
durch zur Hälfte nach außen ziehen. Dann Ka­ 5.2.3  Vorteile und Nachteile der
nüle um 180° drehen Punktionstracheotomie
– Dilatationstracheotomie nach der Perku-
Twist-Methode. PerkuTwist Dilatator be­ Vorteile der Punktionstracheotomie gegenüber der
feuchten (aktiviert die hydrophile Beschich­ konventionellen Tracheotomie sind der nicht not­
tung), über den Führungsdraht einführen und wendige Transport des Patienten in den OP, die ge­
vorsichtig, anfangs mit leichtem Druck, im ringere Blutungs- und Infektionsrate sowie der
Uhrzeigersinn in die Halsweichteile drehen. i. d. R. schnelle und unkomplizierte Verschluss des
Das Gewinde schneidet sich durch die Weich­ Tracheostomas. Nachteilig ist, dass das Tracheosto­
teile und die Trachealwand. Sobald der bron­ ma in den ersten 7–10 Tagen nach einer Punktions­
choskopierende Arzt den zylindrischen Teil tracheotomie sehr instabil ist und – sobald die Tra­
des Gewindes in der Trachea sehen kann, ist chealkanüle entfernt wird (z. B. bei versehentlicher
die größtmögliche Dilatation erreicht. Dann Dekanülierung oder beim ersten Trachealkanülen­
Dilatator zurückdrehen und über den noch lie­ wechsel) – rasch kollabiert. Ein umgehendes Wie­
genden Führungsdraht Trachealkanüle einfüh­ dereinführen einer Trachealkanüle nach einer verse­
ren. hentlichen Dekanülierung ist i. d. R. nicht möglich,
vielmehr muss der Patient zunächst oral intubiert
100 5 Tracheotomie

Abb. 5.6  Durchführung der Punktionstracheotomie (PerkuTwist Methode). [M251]

werden, um die Beatmung weiterführen zu können. minderten Gefahr der Verletzung der Tracheahin­
Zudem können bei der Punktionstracheotomie im terwand. Zudem werden beim translaryngealen Ver­
Vergleich zur konventionellen Tracheotomie nur fahren die Knorpelspangen der Trachea nicht in das
Trachealkanülen mit relativ geringem Durchmesser Tracheallumen hineingedrückt, sondern nach außen
eingesetzt werden. aufgeweitet. Dies vermindert die Gefahr von Trache­
Der Vorteil der translaryngealen Dilatations­ alstenosen. Nachteilig ist der komplexe Ablauf, der
tracheotomie gegenüber den anderen Verfahren der eine reibungslose Zusammenarbeit von punktieren­
Punktionstracheotomie besteht in der deutlich ver­ dem und bronchoskopierendem Arzt erfordert.
5.4  Koniotomie und Mini-Tracheotomie 101

Beim Auftreten von tracheobronchialen Blutungen wäh- Durchführung


rend der Punktionstracheotomie ist es evtl. notwendig,
auf die konventionelle Technik umzusteigen. Konventionelle Tracheotomien sind operative Ein­
griffe, die unter aseptischen Bedingungen im OP
vorgenommen werden. Nur in Ausnahmefällen
kann eine konventionelle Tracheotomie auf der In­
5.3 Konventionelle tensivstation durchgeführt werden. In diesem Fall
Tracheotomie werden dann alle notwendigen Materialien herbei­
geschafft und Chirurg oder HNO-Arzt sowie Instru­
mentierpersonal kommen auf die Intensivstation
Bei beatmeten Patienten werden konventionelle (d. h. auf der Intensivstation müssen „Operations­
Tracheotomien nur noch selten durchgeführt. saalbedingungen“ geschaffen werden).
Indiziert ist eine konventionelle Tracheotomie bei:
• Schwerwiegenden Veränderungen der anatomi­
schen Verhältnisse im Halsbereich, z. B. infolge Vorteile und Nachteile der
Struma, Tumoren, Entzündungen oder Traumata konventionellen Tracheotomie
• Infektionen im Punktionsbereich
• Schwierigen Intubationsverhältnissen (eine Punk­ Wesentlicher Vorteil gegenüber der Punktionstra­
tionstracheotomie ist hier kontraindiziert, weil bei cheotomie ist die Stabilität des Tracheostomas. Das
[versehentlicher] Dekanülierung vor dem 10. p. o. Wiedereinführen einer Trachealkanüle nach (verse­ 5
Tag wegen des instabilen Tracheostomas i. d. R. hentlicher) Dekanülierung gelingt i. d. R. ohne Prob­
zunächst endotracheal intubiert werden muss) leme. Zudem ist das Tracheostoma meist etwas grö­
• Patienten, die ein endständiges Tracheostoma er­ ßer, d. h. es können Trachealkanülen mit größerem
halten sollen. Durchmesser eingesetzt werden. Nachteile sind der –
Selten muss im Verlauf einer Punktionstracheoto­ meist aufwändige und für den Patienten belastende –
mie auf eine konventionelle Tracheotomie umge­ Transport in den OP, die etwas höhere Komplikati­
stiegen werden, etwa wegen massiver Blutungen. onsrate (Infektionen, Blutungen) und die Notwen­
Die Kontraindikationen entsprechen denen bei digkeit eines Zweiteingriffs zum Verschluss des
geplanten elektiven chirurgischen Eingriffen (z. B. ­Tracheostomas.
massive Gerinnungsstörungen oder Infektionen im
Operationsgebiet).

5.4  Koniotomie und Mini-


Vorbereitung Tracheotomie
Der Arzt klärt den Patienten bzw. seine gesetzlichen
Vertreter über den Eingriff auf und holt die Einver­ 5.4.1 Koniotomie
ständniserklärung ein. Zudem kontrolliert er die üb­
licherweise vor einem operativen Eingriff durchge­ DEFINITION
führten Laborparameter (insbesondere Blutbild und Koniotomie (Krikotomie): Spaltung des Ligamentum
Blutgerinnung) sowie ein aktuelles EKG und Rönt­ cricothyreoideum (Band zwischen Schild- und Ringknor-
gen-Thoraxbild des Patienten. Meist werden zur pel) und Einführen einer Trachealkanüle über die so ge-
konventionellen Tracheotomie zwei Erythrozyten­ schaffene Öffnung. Notfallmaßnahme bei Erstickungsge-
fahr durch Verlegung der oberen Luftwege (z. B. bei
konzentrate bereitgestellt. Die Pflegenden sorgen für Glottisödem, Fremdkörpern oder Kehlkopftumoren) und
eine Rasur des Operationsfelds (falls dies nicht rou­ nicht möglicher endotrachealer Intubation.
tinemäßig im OP vorgenommen wird) und bereiten
den Transport des Patienten in den OP vor (Trans­
port des beatmeten Patienten › 9.9).
102 5 Tracheotomie

Die Koniotomie ist eine Notfallmaßnahme, die bei • Evtl. Lokalanästhesie des Punktionsorts
Patienten eingesetzt wird, die nicht endotracheal in­ • Quere Hautinzision (› Abb. 5.8). Das weitere
tubiert und auch nicht mit Maske und Beatmungs­ Vorgehen hängt davon ab, ob ein Notfallkonioto­
beutel beatmet werden können, d. h. es steht kaum miebesteck verwendet wird oder nicht (z. B. Tra­
oder keine Zeit zur Vorbereitung des Patienten bzw. cheoquick [Firma Rüsch] mit oder ohne Cuff,
des Materials zur Verfügung. Deshalb bieten viele Airfree [Firma Mediland] oder Quicktrach II
Hersteller Notfall-Koniotomiesets an, welche die un­ [Firma VBM] – letzteres verfügt über einen inte­
bedingt notwendigen Materialien zur Durchführung grierten Cuff):
einer Koniotomie beinhalten (› Abb. 5.7). Sind im – Bei Verwendung eines Notfallkoniotomiebe-
Notfall (außerhalb der Klinik) keine speziellen Ma­ stecks Notfall-Kanüle im Winkel von 90° ein­
terialien greifbar, kann die Koniotomie auch mit ei­ stechen, mittels Spritze prüfen, ob die Kanü­
nem scharfen Messer, z. B. einem Taschenmesser, lenspitze in der Trachea liegt (Aspiration von
erfolgen. Luft zeigt korrekte Lage) und Kanüle im
45°-Winkel vorschieben, bis Stopper der Haut
aufliegt. Stopper und Koniotomienadel samt
Durchführung Spritze entfernen, dabei Kanüle festhalten. Ab­
schließend Kanüle mit Halteband fixieren und
Die Koniotomie muss i. d. R. so rasch wie möglich er­ ggf. Verbindungsschlauch anschließen, um Be­
folgen, um die Atemwege des Patienten frei zu ma­ atmungsbeutel bzw. Respirator anschließen zu
5 chen. Daher entfallen manche Punkte der im folgen­ können.
den dargestellten Durchführung der Koniotomie bzw. – Alternativ die Inzisionsstelle mit Trachealspe­
erfolgen nicht nacheinander, sondern gleichzeitig: kulum, Klemme o. Ä. spreizen und dünnen
• Sterile Handschuhe anziehen, Patienten infor­ Tubus einführen (z. B. ID 6,0 für Frauen bzw.
mieren ID 7,0 für Männer). Gegebenenfalls Führungs­
• Patienten mit überstrecktem Kopf lagern, dazu stab zum Einführen des Tubus benutzen. Tu­
ggf. festes kleines Kissen o. Ä. unter die Schultern bus blocken und fixieren.
oder in den Nacken legen – Auskultation der Lungen auf korrekte Lage der
• Vordere Halsregion desinfizieren und steril abde­ Kanüle bzw. des Tubus
cken – Gegebenenfalls Beatmung des Patienten.
• Mit der linken Hand Kehlkopf fixieren, mit der
rechten Hand Lig. cricothyreoideum zwischen
Schild- und Ringknorpel aufsuchen

Abb. 5.7  Koniotomiebesteck Tra­


cheoquick (Fa. Rüsch). Das Set
enthält neben dem eigentlichen
Koniotomiebesteck auch eine
Spritze, ein Halsband zur Fixierung
der Kanüle und einen Verbin-
dungsschlauch zum Anschließen
eines Beatmungsbeutels an die
Kanüle. [V420]
5.4  Koniotomie und Mini-Tracheotomie 103

Die Koniotomie dient lediglich der vorübergehenden Si- Pflege


cherung der Atemwege. Sobald der Patient sich stabili- Soll über die Kanüle Sauerstoff verabreicht werden,
siert hat, muss eine regelrechte Tracheotomie erfolgen. wird der im Set enthaltene Norm-Konnektor auf die
Die wichtigsten Komplikationen der Koniotomie Kanüle aufgesetzt. Auf diesen Konnektor kann man
sind Blutungen (durch Verletzung von Hautgefäßen), Ver-
eine künstliche Nase aufsetzen und diese mit der
letzungen von Schildknorpel und Stimmbändern (bei zu
weit oben angesetzter Inzision) bzw. Ringknorpel und Sauerstoffquelle verbinden (› Abb. 5.9).
Schilddrüse (bei zu weit unten angesetzter Inzision), Ver- Die Absaugkanüle kann – solange sie nicht zum
letzung der Tracheahinterwand und des Ösophagus (bei Absaugen oder Sauerstoff verabreichen eingesetzt
zu tiefer Inzision) sowie Kanülen- oder Tubusfehllagen. wird – abgestöpselt werden.

Das endotracheale Absaugen über eine Mini-Tracheoto-


mie ist nur mit maximal 10 Ch dicken Absaugkathetern
5.4.2 Mini-Tracheotomie möglich! Die Pflegenden achten darauf, dass am Bett-
platz des Patienten mit Mini-Tracheotomie ausreichend
Die Mini-Tracheotomie entspricht weitgehend der dünne Absaugkatheter vorrätig sind.
Koniotomie mit dem Unterschied, dass bei der Mini-
Tracheotomie nur eine sehr dünne Absaugkanüle in
die Trachea eingeführt wird. Dadurch behält der Pati­
ent die Fähigkeit zu sprechen und abzuhusten. Zudem
kann über die Kanüle Sauerstoff verabreicht werden. 5
Indiziert ist eine Mini-Tracheotomie bei Patien­
ten die ausreichend spontan atmen können, jedoch
sehr häufig endotracheal abgesaugt werden müssen.

Durchführung
Die Durchführung entspricht weitgehend der bei der
Koniotomie (› 5.5.1). Nach der Hautinzision wird
zunächst eine Einführhilfe in die Trachea vorgescho­
ben, über die dann die Kanüle eingeführt wird. Ist
die Kanüle platziert, wird die Einführhilfe entfernt
(Kanüle dabei festhalten) und die Kanüle fixiert. Abb. 5.9 Mini-Trach-II-Set®. [V420]

Abb. 5.8 Koniotomie (Krikoto-


mie). Links: Spaltung des Lig. crico-
thyreoideum. Rechts: Korrekte La-
ge der Koniotomiekanüle. [L126]
104 5 Tracheotomie

5.5 Komplikationen • Hautemphysem. Dabei entweicht Luft in die


Weichteile des Halses, insbesondere in die Unter­
haut. Es entstehen teils massive Schwellungen, die
Das Spektrum möglicher Komplikationen bei bzw. unter typischem Knistern („Schneeknirschen“)
nach Punktionstracheotomien und konventionellen wegdrückbar sind. Mögliche Ursachen sind eine
Tracheotomien ist gleich, insgesamt ist jedoch die Kanülenfehllage oder eine zu kleine Kanüle (Luft
Komplikationsrate bei bzw. nach Punktionstracheo­ entweicht neben der Kanüle). Je nach Ursache
tomien geringer. muss entweder die Lage der Kanüle korrigiert
oder eine größere Kanüle eingeführt werden
• Granulationsgewebe im Bereich des Tracheosto­
5.5.1  Komplikationen der mas. Dies kann zur Einengung des Tracheallu­
Tracheotomie mens führen
• Trachealstenosen. Diese bilden sich im Bereich
Zu den Komplikationen der Tracheotomie gehören: des Tracheostomas oder – seltener – des Cuffs
• Kanülenfehllage. Dabei wurde die Trachealkanüle der Trachealkanüle. Risikofaktoren sind Infektio­
entweder bereits bei der Tracheotomie falsch nen des Stomas, trachealmukosale Ischämien
platziert (sehr selten) oder sie ist im Verlauf dis­ durch zu hohen Cuffdruck, höheres Lebensalter,
loziert (z. B. im Rahmen eines Trachealkanülen­ Steroidtherapie, Adipositas, prolongierte Kanü­
wechsels oder einer Umlagerung des Patienten). lenliegedauer und hoher Punktionsort mit Ver­
5 • Blutungen. Diese können bereits während der Tra­ letzung des Krikoidknorpels. Nach der Einfüh­
cheotomie oder unmittelbar danach auftreten. rung von Trachealkanülen mit HiLo-Cuff ist die
Selbst geringe Blutungen können für den Patienten Häufigkeit von Trachealstenosen deutlich zu­
lebensbedrohlich sein, wenn das Blut in die Tra­ rückgegangen (aus Braune/Kluge 2012 von
chea läuft und dort die Atemwege verlegt. Deshalb Groves/Durbin 2007). Trachealstenosen zeigen
ist es sehr wichtig, den Patienten in den ersten sich erst nach der Dekanülierung (Entfernung
Stunden nach der Tracheotomie engmaschig auf der Trachealkanüle)
eine mögliche Nachblutung hin zu überwachen. • Tracheomalazie. Erweichung von Trachealknor­
• Pneumothorax durch Verletzungen der Pleura bei peln mit nachfolgendem Stabilitätsverlust der
der Tracheotomie (sehr selten). Trachea infolge lang anhaltender Kompression
durch die Kanüle oder den Cuff.

5.5.2  Komplikationen bei liegender


Trachealkanüle Versehentliche Dekanülierung

• Versehentliche Dekanülierung (siehe unten) Starker Zug an der Trachealkanüle oder an den mit der
• Verlegung der Trachealkanüle (siehe unten) Kanüle verbundenen Beatmungsschläuchen sowie Ma­
• Infektion des Tracheostomas. Greift evtl. auf die nipulationen des Patienten an der Trachealkanüle kön­
Knorpelstrukturen der Trachea und das Media­ nen eine versehentliche Dekanülierung zur Folge ha­
stinum über ben. Eine ungenügende Fixierung, eine unzureichende
• Druckulzera der Trachealschleimhaut. Ursache Cuffblockung sowie Husten, Pressen oder Würgen
sind oft schlecht sitzende Kanülen oder eine zu können eine versehentliche Dekanülierung fördern.
starke Blockung des Cuffs
• Tracheoösophagealfisteln. Diese entstehen wahr­ Um bei einer versehentlichen Dekanülierung rasch eine
scheinlich durch Verletzungen der Tracheahin­ neue Trachealkanüle einführen zu können, achten die
terwand, z. B. beim Punktieren und Aufdehnen Pflegenden darauf, dass in Reichweite des tracheoto-
der Punktionsstelle bei der Punktionstracheoto­ mierten Patienten immer Ersatztrachealkanülen be-
mie (› 5.2) reitliegen (eine Kanüle der verwendeten Größe und eine
Kanüle eine Nummer kleiner). In vielen Kliniken ist es
5.6 Trachealkanülenwechsel 105

darüber hinaus üblich, bestimmte Einführhilfen, z. B. ei- 5.6 Trachealkanülenwechsel


nen Trachealspreizer, bereitzuhalten.
Kann bei einer versehentlichen Dekanülierung eines beat-
meten Patienten nicht sofort problemlos eine neue Tra- Ein Trachealkanülenwechsel ist erforderlich bei:
chealkanüle eingeführt werden, sofort den Arzt benach-
richtigen und den Patienten ggf. mit Beatmungsbeutel
• Undichtem Cuff
und Gesichtsmaske beatmen (›  3.2). Dabei das Tra- • Verlegung der Kanüle z. B. mit eingetrocknetem
cheostoma abdecken (z. B. mit sterilen Kompressen), so- Sekret oder Blut.
dass die Beatmungsluft nicht durch das Tracheostoma In vielen Kliniken ist es üblich, die Trachealkanüle in
entweicht. Kann der Patient kurzzeitig spontan atmen, ist regelmäßigen Zeitabständen (z. B. einmal wöchent­
es evtl. auch ausreichend, ihm bis zum Wiedereinsetzen lich) zu wechseln, um eine Verlegung der Kanüle
einer Trachealkanüle bzw. bis zur endotrachealen Intuba- durch zunehmende Sekretablagerungen zu verhin­
tion Sauerstoff zuzuführen.
dern und um das Risiko einer Wundinfektion am Tra­
cheostoma zu verringern. Darüber hinaus geben auch
die Kanülenhersteller vielfach Wechselintervalle vor.
Verlegung der Trachealkanüle
Der erste Trachealkanülenwechsel sollte frühestens 7–10
Eingedicktes Trachealsekret, Blut, Fremdkörper Tage nach einer Tracheotomie erfolgen. Erst dann hat
oder eine Cuffhernie können das Lumen der Trache­ sich ein stabiler Kanal gebildet, durch den die neue Kanü-
alkanüle teilweise oder vollständig verlegen. Da­ le eingeführt werden kann. Dies gilt besonders für die
durch ist die maschinelle Beatmung mehr oder we­ Punktionstracheotomie (› 5.2). 5
niger stark beeinträchtig, i. d. R. steigt der Beat­
mungsdruck an bzw. fällt das Tidalvolumen ab (je Trachealkanülen dürfen nicht länger als 29 Tage im
nach Beatmungsform). Im Extremfall, d. h. bei kom­ Tracheostoma eingesetzt sein, weil sie sonst als Im­
pletter Verlegung des Lumens, ist keine Beatmung plantat betrachtet werden und der Hersteller keine
mehr möglich. Gewährleistung mehr übernimmt, d. h. spätestens
Wichtige Maßnahmen, die insbesondere ein Ein­ nach 29 Tagen muss die Trachealkanüle gewechselt
dicken des Trachealsekrets und eine zunehmende werden.
Verlegung der Trachealkanüle verhindern sollen,
sind die ausreichende Klimatisierung (Anfeuchtung
und Erwärmung) der Atemgase (› 6.6), ein regel­ 5.6.1 Vorbereitung
mäßiger Trachealkanülenwechsel, das regelmäßige
endotracheale Absaugen sowie Maßnahmen zur Se­ Vorbereitung des Patienten
kretmobilisation. • Patienten für mindestens 4 Stunden nüchtern las­
Pflege bei Tracheotomie › 9.5 sen (keine Sondenkostzufuhr über Magensonde)
• Patienten informieren und mit erhöhtem Ober­
Bei V. a. Verlegung des Kanülenlumens zunächst körper lagern (20–40°-Oberkörperhochlage).
rasch endotracheal absaugen, ggf. Bronchiallavage Kopf leicht überstrecken
durchführen, um eingetrocknetes Sekret zu lösen. • Sorgfältige Mundpflege und Absaugen des Ra­
Bei V. a. Cuffhernie Trachealkanüle entblocken. Ist die chenraums
Kanüle danach wieder durchgängig, ist eine Cuffhernie • Bei liegender Magensonde Magensekret ablaufen
wahrscheinlich und die Trachealkanüle muss gewechselt lassen und ggf. zusätzlich absaugen.
werden.
Bei kompletter Verlegung des Kanülenlumens mit
akuter Erstickungsgefahr muss umgehend ein Tracheal- Vorbereitung des Materials
kanülenwechsel erfolgen. Die Pflegenden bereiten folgende Materialien vor und
prüfen ggf. deren Funktionsfähigkeit (› Abb. 5.10):
• Absaugung
• Absaugkatheter in verschiedenen Stärken
• Sterile Einmalhandschuhe
106 5 Tracheotomie

Beim Trachealkanülenwechsel wird wie folgt vorge­


gangen:
• Patienten präoxygenieren (100 % Sauerstoff für
5–10 Minuten), um eine Hypoxie während des
Kanülenwechsels zu vermeiden
• Am Überwachungsmonitor akustische Herzfre­
quenzüberwachung einstellen, akustische Über­
wachung der Sauerstoffsättigung während des
Kanülenwechsels sicherstellen
• Befestigung der Kanüle lösen, Verband entfernen
und Wundränder reinigen (Kanüle dabei festhal­
ten)
• Patient endotracheal absaugen
• Kanülenwechsel mit oder ohne Einführhilfe vor­
nehmen:
Abb. 5.10  Material zum Trachealkanülenwechsel. [M251] – Mit Einführhilfe. Nach dem Absaugen Ein­
führhilfe (bei manchen Kanülen im Set enthal­
• Sterile Tupfer, sterile Watteträger ten; ansonsten z. B. Magensonde oder Absaug­
• Hautdesinfektionslösung katheter, äußeres Ende abgeschnitten) einfüh­
5 • Blockerspritze, Cuffdruckmessgerät ren, alte Kanüle entblocken, über die Einführ­
• Steriles Abdecktuch hilfe hinweg entfernen, Tracheostoma reinigen
• Trachealkanülen (vorgesehene Kanülengröße und desinfizieren und neue Kanüle vorsichtig
plus eine Nummer kleiner und eine Nummer über die als Leitschiene dienende Einführhilfe
größer). Cuff der vorgesehenen Kanüle auf Dich­ einbringen (ggf. Tracheostoma mittels Speku­
tigkeit prüfen und Kanüle mit anästhesierendem lum etwas weiten).
Gleitgel versehen – Ohne Einführhilfe. Während des endotrache­
• Trachealkanülenband alen Absaugens beim Ausführen des Absaug­
• Sterile Schlitzkompressen oder Metalline-Kom­ katheters alte Kanüle vom Helfer entblocken
pressen® lassen und unter endotrachealem Absaugen
• Trachealspreizer (Trachealspekulum) entfernen. Tracheostoma reinigen und desinfi­
• Evtl. Einführhilfe bzw. Führungsmandrin zieren, ggf. Tracheostoma mittels Spekulum
• Abwurfbehälter. etwas weiten und neue Kanüle vorsichtig ent­
sprechend dem Öffnungsverlauf einführen
(› Abb. 5.11).
5.6.2 Durchführung • Cuff blocken
• Patienten an Respirator bzw. CPAP-System oder
Der erste Kanülenwechsel nach der Tracheotomie künstliche Nase anschließen
wird immer vom bzw. in Anwesenheit des Arztes • Cuffdruck kontrollieren (› 9.4.1)
durchgeführt. Die Pflegenden assistieren ihm dabei. • Neuen Verband steril anlegen und Kanüle fixieren
War der erste Trachealkanülenwechsel problemlos, • Auskultation der Lungen auf seitengleiche Belüf­
sind die folgenden Kanülenwechsel in vielen Kliniken tung
Aufgabe der Pflegenden. Dabei arbeiten die Pflegen­ • Kontrolle der Atmungs-/Beatmungsparameter
den dann zu zweit (eine Pflegeperson assistiert, eine • Patienten bequem lagern
führt den Kanülenwechsel durch). Grundsätzlich ach­ • Akustische Überwachung von Sauerstoffsätti­
ten die Pflegenden darauf, den Kanülenwechsel nur gung und Herzfrequenz abschalten
dann durchzuführen, wenn der Arzt auf der Intensiv­ • Material entsorgen und Maßnahme dokumentie­
station anwesend ist, sodass der Patient im Bedarfsfall ren (eingesetzte Kanülengröße, ggf. Schwierigkei­
rasch endotracheal intubiert werden kann. ten beim Kanülenwechsel, Cuffdruck).
5.7  Entfernen der Trachealkanüle 107

steril abdecken. Tracheostoma reinigen und desinfi­


zieren, neue Trachealkanüle einsetzen, blocken und
Patienten über die neue Trachealkanüle beatmen.
Abschließend Endotrachealtubus wieder entfernen.
Durch den Trachealkanülenwechsel kann es zu
(Nach-)Blutungen und/oder vermehrter Sekretbil­
dung kommen. Die Pflegenden beobachten den Pat. in
den ersten Std. nach dem Kanülenwechsel daraufhin.

5.7  Entfernen der


A: Die Fixierung der Trachealkanüle ist gelöst. Während des
endotrachealen Absaugens die Trachealkanüle vom Helfer
Trachealkanüle
entblocken lassen und dann unter endotrachealem
Absaugen entfernen.
Die Voraussetzungen zur Entfernung der Trachealka­
nüle (Dekanülierung) und die Vorbereitung des Ma­
terials entsprechen denen zur Extubation (› 4.12).

5
Vorbereitung des Patienten

Der Arzt oder die Pflegenden informieren den Pati­


enten über die bevorstehende Dekanülierung. In
der Zeit vor der Dekanülierung (4–6 Stunden) wird
die enterale Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr
B: Das Tracheostoma reinigen und desinfizieren, …
(z. B. Sondennahrung) eingestellt. Zur Entfernung
der Trachealkanüle wird der Patient auf den Rü­
cken in Oberkörperhochlage gebracht. Liegt beim
Patienten eine Magensonde, wird ein Sekretbeutel
angeschlossen, sodass der Mageninhalt ablaufen
kann. Ggf. wird der Mageninhalt abgesaugt.

Durchführung

Ob der Patient sofort komplett oder „schrittweise“


dekanüliert wird, hängt von den klinikinternen Ge­
C: … dann die neue Trachealkanüle entsprechend dem pflogenheiten sowie von der Dauer der vorangegan­
Öffnungsverlauf einführen, blocken und fixieren. genen Beatmungstherapie und eventuellen Schwie­
Abb. 5.11  Trachealkanülenwechsel (ohne Einführhilfe).
rigkeiten bei der Intubation bzw. Tracheotomie ab:
[M251] • Bei der sofortigen kompletten Dekanülierung
wird der Patient zunächst im Rachenraum und
Muss der Patient auch während des Kanülenwech­ endotracheal abgesaugt, bevor die Trachealkanü­
sels beatmet werden, ggf. Pat. oral intubieren, dabei le entblockt und entfernt wird
Tubus bis zur Trachealkanüle vorschieben. Alte Tra­ • Bei der schrittweisen Dekanülierung wird die
chealkanüle entblocken, entfernen, Pat. über den Trachealkanüle zunächst entblockt belassen oder
Endotrachealtubus beatmen. Dabei Tracheo­stoma durch eine Trachealkanüle ohne Cuff ersetzt. Der
108 5 Tracheotomie

Patient kann dann durch die Trachealkanüle und Tage nicht deutlich bessern, informieren die Pfle­
über den physiologischen Weg atmen (wichtig: genden den Arzt, ggf. Kontroll-Tracheoskopie durch
Atemluft klimatisieren, z. B. durch Anbringen ei­ HNO-Arzt.
ner künstlichen Nase). Dadurch ist es möglich,
den Patienten weiterhin bei Bedarf endotracheal
abzusaugen und zu überprüfen, ob die Atmung Platzhalter zum Offenhalten des
über den physiologischen Weg problemlos mög­ Tracheostomas
lich ist (in manchen Fällen bildet sich Granula­
tionsgewebe zwischen Tracheostoma und Glottis, Soll die Trachealkanüle zwar entfernt, das Tracheo­
das die Atmung behindert) und ob der Patient stoma jedoch offen gehalten werden (z. B. bei Patien­
abhusten kann. Sind die Atemwege frei, kann der ten mit extrem hoher Sekretproduktion, die noch
Patient abhusten und ist der Schluckreflex vor­ nicht selbstständig abhusten können) können sog.
handen, wird die Kanüle entfernt. Platzhalter (Tracheostoma-Stents › Abb. 5.12) ein­
Abschließend wird das Tracheostoma mit einem steri­ gesetzt werden. Diese sind in den Größen 4, 5, 6, 8
len Verband luftdicht abgedeckt. In der Regel ver­ und 10 mm ID erhältlich. Platzhalter halten zum ei­
schließt sich das Tracheostoma spontan innerhalb nen das Tracheostoma offen (die bei der Tracheoto­
weniger Tage. Operativ angelegte plastische (epitheli­ mie geschaffene Öffnung kann sich nicht verschlie­
sierte) Tracheostomata müssen chirurgisch verschlos­ ßen), zum andern dichten sie das Tracheostoma zur
sen werden, d. h. die Wundränder werden angefrischt Außenluft hin ab, wenn der beiliegende Verschluss­
5 und das Tracheostoma mittels Naht verschlossen. stopfen auf die Kanüle aufgesetzt ist. Der wichtigste
Ggf. erhält der Patient O2-angereicherte Luft über Vorteil von Platzhaltern ist die Möglichkeit der ra­
eine Gesichtsmaske oder eine Sauerstoffsonde. schen Rekanülierung. Werden Platzhalter anstelle
von entblockten Trachealkanülen oder Trachealka­
nülen ohne Cuff eingesetzt, hat dies weitere Vorteile:
Pflege • Vereinfachte Spontanatmung (weniger Wider­
stand), dadurch weniger Atemarbeit
Pflege bei Tracheotomie › 9.5 • Normalisierung der Nahrungsaufnahme
Die Pflege des frisch dekanülierten Patienten ent­ • Reaktivierung des Hustenstoßes durch Glottis-
spricht der nach der Extubation (›  4.12.4). Dazu und funktionellen Tracheostomaverschluss
kommt der regelmäßige Verbandswechsel am Tra­ • Sekretabsaugung/Bronchoskopie einfacher mög­
cheostoma (Häufigkeit nach Bedarf bzw. mindestens lich
einmal pro Tag) mit Inspektion der Wunde. • Ermöglichen der natürlichen Phonation, dadurch
Treten nach der Dekanülierung Beschwerden im Verbesserung der Kommunikation.
Kehlkopfbereich auf, insbesondere Heiserkeit und Komplikationen sind Ulzerationen der Tracheal­
Schluckstörungen, die sich im Verlauf der folgenden schleim­haut, Sekretansammlung und Dislokation.

Abb. 5.12  Beispiele für Platzhal-


ter zum Offenhalten von Tracheo­
stomas: Links der Platzhalter nach
Wollenberg mit 22-mm-Adapter-
ring am äußeren Ende (kompatibel
zu handelsüblichen Filter- und Ven­
tilsystemen, z. B. passive Atemgas-
befeuchter), rechts der Tracheo-
Safe mit Kanülenschild und Ver-
schlussstopfen (hier geschlossen).
[V487, V394]
KAPITEL

6 Maschinelle Beatmung
DEFINITION die Atemfrequenz – wichtige Kriterien für die Indi-
Maschinelle Beatmung (mechanical ventilation, auch
artificial respiration, d. h. künstliche Beatmung): Die kationsstellung (› Tab. 6.1).
Atem­arbeit wird teilweise (partial ventilatory support) • Die Atemfrequenz ist ein rasch erfassbarer Indi­
oder vollständig (full ventilatory support) von einem Be- kator für eine drohende Dekompensation. Atem­
atmungsgerät (Respirator) übernommen. frequenzen > 35/Min. führen rasch zur Ermü­
dung des Zwerchfells (Hauptatemmuskel!). Da­
durch kann sich die respiratorische Situation
Der Begriff ventilation (englisch für „Beatmung“) drastisch verschlechtern (auch › Tab. 1.1)
wird im deutschen Sprachraum überwiegend als • Blutgasanalyse (› Tab. 6.1). Bei Patienten mit
Überbegriff verwendet für jegliche Form der „At­ chronischer Hyperkapnie sind paCO2-Werte von
mung“, also sowohl für die Spontanatmung als auch > 55 mmHg häufig „normal“. In diesem Fall ist
für die maschinelle Beatmung. Der Begriff brea- dann neben einer Tachypnoe vor allem der pH-
thing (englisch für „Atmung“) wird gelegentlich Wert ein wichtiges Kriterium: Ein niedriger pH-
verwendet im Zusammenhang mit Beatmungsfor­ Wert (respiratorische Azidose) bei gleichzeitig
men, bei denen der Patient einen großen Teil der niedrigem BE weist bei diesen Patienten auf eine
Atemarbeit selbst erbringt, z. B. ASB (› 6.3.4). Dekompensation hin. Weiter sind ausgeprägte
motorische Unruhe, starkes Schwitzen und Ver­
wirrtheit bzw. zunehmende Bewusstseinseintrü­

6.1  Grundlagen der Tab. 6.1  Kriterien für die Indikation zur maschinellen
maschinellen Beatmung Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz. FEV1
› 1.2.1.
Parameter Normal- Indikation zur Beat-
6.1.1  Indikationen und Ziele der wert mung
Beatmungstherapie Oxygenierung
paO2 (mmHg) 75–100 < 50 (Raumluft) oder 
Wann ist eine maschinelle Beatmung (Raumluft) < 60 (Sauerstoffmaske)
angezeigt? Ventilation
paCO2 (mmHg) 35–45 > 55 (außer bei chroni-
In der Intensivmedizin ist eine Beatmungstherapie scher Hyperkapnie)
indiziert, wenn eine respiratorische Insuffizienz
VD/VT 0,25–0,4 > 0,6
(›  Kap. 2) mit anderen Maßnahmen, z. B. Sauer­
Atemmechanik
stoffgabe, Lagerungsmaßnahmen, physiotherapeu­
tische Maßnahmen zur Vertiefung der Atmung Atemfrequenz 12–20 > 35
(1/Min.)
und  zur Sekretmobilisation oder Masken-CPAP
(›  6.3.5), nicht ausreichend behandelt werden Vitalkapazität 65–75 < 15
(ml/kg KG)
kann, d. h. trotz Behandlung liegen die Zeichen der
respiratorischen Insuffizienz vor (› 2.4), oder ein Inspirationssog ≥ 75 < 25
(mbar)
Atemstillstand besteht. Neben den Werten der Blut­
gasanalyse sind klinische Parameter – insbesondere FEV1 (ml/kg KG) 50–60 < 10
110 6  Maschinelle Beatmung

bung bei diesen Patienten Zeichen der Ver­ wird praktisch nur die Überdruckbeatmung einge­
schlechterung der pulmonalen Situation. setzt. Lediglich im Bereich der Heimbeatmung wird
in ausgewählten Fällen die Unterdruckbeatmung
Der Arzt berücksichtigt bei der Entscheidung für oder verwendet.
gegen eine Beatmungstherapie immer auch die Ge-
samtsituation und den mutmaßlichen Willen des Patien-
ten (Vorerkrankungen, aktuelle Erkrankung einschließlich
Überdruckbeatmung
Ausmaß der respiratorischen Insuffizienz und Prognose, Bei der Überdruckbeatmung baut das Beatmungsge­
evtl. Patientenverfügung) und wägt den Nutzen gegen rät einen Überdruck in den Atemwegen des Patien­
die Risiken der Beatmungstherapie ab.
ten auf. Dadurch entsteht ein Druckgefälle zu den
Alveolen hin, und Luft strömt in die Lunge.
Während der Exspiration fällt der intrapulmonale
Ziele der Beatmungstherapie
Druck dann wieder auf den Ausgangswert ab.
Die Beatmungstherapie hat folgende Ziele:
• Der Gasaustausch des Patienten wird optimiert, Unterschied Spontanatmung – maschinelle Beat-
das Gefühl der Luftnot wird beseitigt mung
• Beatmungsbedingte Lungenschädigungen (z. B. Im Gegensatz zur Spontanatmung herrscht bei der ma-
pulmonales Baro- oder Volutrauma, Sauerstoffto­ schinellen Beatmung während des gesamten Atemzyklus
xizität) werden durch schonende („lungenprotek­ ein Überdruck im Thorax (› Abb. 6.1), d. h. es entstehen
tive“) Beatmung minimiert, d. h. Beatmung mit umgekehrte und unphysiologische Druckverhältnisse.
möglichst niedrigem Beatmungsdruck und mög­
lichst niedrigem FiO2
Unterdruckbeatmung
• Die erschöpfte Atemmuskulatur kann sich erho­
6 len, der Sauerstoffbedarf der Atemmuskulatur Die ersten Beatmungsgeräte waren die in den 20er
wird reduziert Jahren im Rahmen der Polioepidemie in Amerika
• Die Entwöhnung vom Respirator (› 6.11) und entwickelten eisernen Lungen (auch Tankrespirato-
damit die Aktivierung der Atemmuskulatur des ren genannt). Diese waren so konstruiert, dass der
Patienten erfolgt zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Körper des Patienten bis zum Hals in einer Kammer
(„Tank“) lag. Bei der mit diesen Geräten durchge­
führten Unterdruckbeatmung wird im Tank ein
6.1.2 Beatmungstechnik Unterdruck erzeugt, der sich auf Thorax und Lunge
überträgt, die sich daraufhin ausdehnen. Dadurch
Die maschinelle Beatmung kann prinzipiell als entsteht im Thorax ein negativer Druck (Sog), der
Überdruckbeatmung oder als Unterdruckbeat- bewirkt, dass Luft in die Lunge strömt. Insgesamt
mung erfolgen. In der modernen Intensivmedizin wirkt die Unterdruckbeatmung vergleichbar der

Abb. 6.1 Druckverlauf während


Spontanatmung (schwarze Linie)
und während Überdruckbeat-
mung (volumenkontrollierte Beat-
mung mit PEEP, blaue Linie).
[A400]
6.2 Beatmungsparameter 111

Spontanatmung: Bei der Inspiration entsteht ein ne­ Beide Phasen können weiter unterteilt werden in eine
gativer intrapulmonaler Druck, der am Ende der In­ Flow-Phase (Gasflussphase, d. h. Zeit, in der Luft strömt)
spiration auf den Atmosphärendruck abfällt, wäh­ und eine No-Flow-Phase (Pausenphase, d. h. Zeit, in
rend der Exspiration leicht positiv wird und am En­ der kein Gasfluss stattfindet).
• Die inspiratorische No-Flow-Phase wird auch als
de der Ausatmung wieder dem Atmosphärendruck
inspiratorische Pause oder Plateau-Phase bezeichnet
entspricht. • Die exspiratorische No-Flow-Phase wird Grundli-
Heute wird die Unterdruckbeatmung nur noch nie oder baseline genannt.
selten und fast ausschließlich im Bereich der
Heimbeatmung eingesetzt (› Kap. 10). Die hier­
bei verwendeten Geräte sind sämtlich Weiterent­ Die Zeitdauer der inspiratorischen No-Flow-Phase
wicklungen der klassischen eisernen Lunge. In einer volumenkontrollierten Beatmung (›  6.3.2)
den letzten Jahren wurden Geräte entwickelt, die kann an den meisten Respiratoren eingestellt wer­
nicht mehr den gesamten Körper des Patienten den (Einstellparameter Pausendauer) oder resultiert
vom Hals abwärts einschließen, sondern nur noch aus der Inspirationsdauer (Tinsp) und der eingestell­
den Thorax und teilweise den Bauch. Diese Kü- ten Geschwindigkeit, mit der das Gas in die Lunge
rass-Ventilatoren (cuirasse = „Lederpanzer“) die­ strömt (flow). Die exspiratorische No-Flow-Phase
nen der Atemunterstüzung und sind insbesondere dagegen ergibt sich: Sobald der Beatmungsdruck
bei Patienten im Kindesalter eine Option zur während der Exspiration auf das eingestellte endex­
nichtinvasiven Beatmung über Maske (›  6.4). spiratorische Druckniveau abgefallen ist, beginnt die
Langzeiterfahrungen mit diesen Geräten liegen exspiratorische No-Flow-Phase. Diese endet dann
noch nicht vor. mit Beginn der nächsten Inspiration.
In der modernen Intensivmedizin werden
Tankrespiratoren praktisch nicht eingesetzt. Vorsicht
Grund dafür ist, dass die respiratorische Insuffizi­ 6
Strömt am Ende der Exspiration noch Gas aus der Lunge
enz der Patienten hier häufig pulmonal bedingt ist (Erkennungsmerkmal: Flowkurve erreicht nicht die 0-Linie),
(z. B. Folge einer Pneumonie, eines ARDS oder ei­ muss das Beatmungsmuster modifiziert werden (z. B.
nes Thoraxtraumas), d. h. Resistance und Compli­ Verlängerung der Exspirationszeit), da ansonsten die
ance der Lunge sind verändert und die Atemarbeit ­Gefahr des Airtrappings (› 6.3.1 und › Abb. 6.5)
ist entsprechend erhöht. Dies können Tankrespira­ besteht
toren nicht kompensieren. Die respiratorische In­
suffizienz der Patienten, die zu Hause mit Unter­
druckgeräten beatmet werden, ist i. d. R. extrapul- Beatmungsfrequenz, Atemzug- und
monal bedingt (z. B. Folge einer neuromuskulären Atemminutenvolumen
Erkrankung).
DEFINITION
Beatmungsfrequenz (f): Anzahl der Atemhübe (Atem-
züge) pro Minute.
Atemhubvolumen (tidal volume, kurz VT): Luftmenge,
6.2 Beatmungsparameter die pro Atemhub verabreicht wird.
Atemminutenvolumen (kurz AMV): Luftmenge, die
pro Minute verabreicht wird.
6.2.1 Ventilationszyklus

DEFINITION Normwerte Atemfrequenz und Atemvolumina


Ventilationszyklus: Zeitdauer vom Beginn der Inspira- › 1.2.1
tion bis zum Ende der Exspiration. Unterteilt in Inspira- Am Respirator kann entweder das Atemhubvolu­
tions- und Exspirationsphase (Inspirations- und Exspi- men oder das Atemminutenvolumen eingestellt
rationszeit). werden:
112 6  Maschinelle Beatmung

Wird das Atemhubvolumen eingestellt, so errech­ Bei druckkontrollierter Beatmung kann das Atemhub-
net sich das Atemminutenvolumen: bzw. -minutenvolumen nicht eingestellt werden. Das
Atemzugvolumen ergibt sich aus dem eingestellten Inspi-
VT × f = AMV rationsdruck, der Inspirationszeit und der pulmonalen
Situation des Patienten.
Beispiel: Am Respirator sind ein Atemhubvolumen
von 0,4 l (400 ml) und eine Beatmungsfrequenz von
12/Min. eingestellt. Das Atemminutenvolumen be­ Seufzer
trägt dann Normalerweise atmen Erwachsene 8–10-mal pro
0,4 l ×12 = 4,8 l Stunde einen sog. Seufzer (sehr tiefen Atemzug oder
„deep sigh“) ein. Manche Respiratoren bieten die
Wird das Atemminutenvolumen eingestellt, so er­ Möglichkeit, mit der Einstellung eines Seufzers dies
rechnet sich das Atemhubvolumen: nachzuahmen. Ist ein Seufzer eingestellt, wird in re­
gelmäßigen Abständen (z. B. jeder 100. Atemzug)
VT = AMV/f
ein deutlich größerer Atemzug verabreicht, z. B. das
Beispiel: Am Respirator sind ein Atemminutenvolu­ eineinhalbfache oder doppelte Atemzugvolumen
men von 7,0 l und eine Beatmungsfrequenz von 14/ (inspiratorischer Seufzer), oder der PEEP intermit­
Min. eingestellt. Das Atemhubvolumen beträgt dann tierend erhöht (exspiratorischer Seufzer). Ziel ist die
7,0 l/14 = 0,5 l (500 ml) Atelektasenprophylaxe. Die Seufzeratmung geht mit
intermittierend höheren Beatmungsdrücken einher,
Zielgröße für die Einstellung der Beatmungsfre­ d. h. das Risiko eines pulmonalen Volu- oder Baro­
quenz und des Tidal- bzw. Minutenvolumens ist traumas (›  6.7.1) steigt. Aus diesem Grund wird
der pCO2 (Normwerte › Tab. 6.1). Bei gesteiger­ die Seufzerfunktion kaum noch angewendet und ist
tem Stoffwechsel (etwa im Rahmen einer Sepsis) an vielen neueren Geräten nicht mehr möglich.
6 entsteht vermehrt CO2. Dann sind höhere Beat­
mungsfrequenzen und/oder höhere Atemhub-
Atemzeitverhältnis
und -minutenvolumina notwendig, um den pCO2
im Normbereich zu halten. Umgekehrt sind z. B.
bei Hypothermie (verminderter Stoffwechsel und DEFINITION
Atemzeitverhältnis (Inspirations-Exspirationsverhält-
verminderte CO2-Produktion) eine niedrige Atem­ nis, kurz I:E-Verhältnis): Verhältnis von Inspirationszeit
frequenz und niedrige Atemhub- bzw. -minuten­ (tinsp) zu Exspirationszeit (texsp). Physiologisch ist ein I:E
volumina ausreichend, um eine Normokapnie zu von 1:1,5–1:2.
erhalten.
In manchen Situationen ist der angestrebte pCO2
eher niedrig, z. B. bei der Beatmung eines Patienten Abhängig vom verwendeten Beatmungsgerät wird
mit erhöhtem Hirndruck (› 6.8.2), in anderen Fäl­ das Atemzeitverhältnis direkt eingestellt oder indi­
len wiederum wird ein sehr hoher pCO2 toleriert, rekt, d. h. es wird die Inspirationszeit eingestellt und
um einen zu hohen Beatmungsdruck vermeiden zu das I:E-Verhältnis errechnet sich:
können (permissive Hyperkapnie › 8.6). • Wird das I:E-Verhältnis direkt eingestellt, so er­
rechnen sich die Inspirations- und die Exspirati­
onszeit. Beispiel: Am Respirator sind ein I:E-Ver­
Nur bei der volumenkontrollierten Beatmung (VC-CMV hältnis von 1:1,5 und eine Atemfrequenz von 12/
›  6.3.1) sowie bei PRVC, IPPV-Autoflow und APV
(›  6.3.1) – jeweils ohne zugeschalteten Trigger
Min. eingestellt. Ein Ventilationszyklus dauert al­
(›  6.2.5) – entspricht das eingestellte AMV auch dem so 5 Sek. (60 Sek./12), damit beträgt bei einem
tatsächlich verabreichten AMV. Sobald einer Beatmungs- I:E-Verhältnis von 1:1,5 die Inspirationsdauer
form ein Trigger zugeschaltet ist, kann der Patient zusätzlich 2 Sek. und die Exspirationsdauer 3 Sek.
zu den maschinellen Atemzügen atmen und das tatsächli- • Für die indirekte Einstellung gibt es verschiede­
che AMV ist dann entsprechend größer als das am Respira- ne Möglichkeiten, aus denen sich dann jeweils
tor eingestellte. das Atemzeitverhältnis errechnet:
6.2 Beatmungsparameter 113

– Einstellung der Inspirationszeit in Sekunden. Bei hohem Inspirationsflow füllt sich die Lunge
Beispiel: Ist am Respirator eine Inspirationszeit rasch mit Luft. Eine hohe Gasflussgeschwindigkeit
von 2 Sek. und eine Beatmungsfrequenz von birgt jedoch die Gefahr von turbulenten Luftströ­
15/Min. eingestellt, so dauert ein Ventilations­ mungen in den Atemwegen, was eine schlechtere
zyklus 4 Sek., d. h. die Exspirationszeit beträgt Verteilung des Atemgases in der Lunge und eine Er­
2 Sek. (Ventilationszyklus – Inspirationsdauer) höhung des Spitzendrucks zur Folge hat. Bei niedri-
und das I:E-Verhältnis liegt damit bei 1:1 gem Inspirationsflow ist die Luftströmung in den
– Einstellung der inspiratorischen Flow-Phase Atemwegen weniger turbulent, das Atemgas wird
(Insp.-Dauer) und der inspiratorischen Pause besser in der Lunge verteilt und der Spitzendruck ist
(Pausendauer) jeweils in % des Ventilationszy­ niedriger. Es muss jedoch immer ein gewisser Min­
klus. Beispiel: Ist am Respirator eine Insp.- destflow eingestellt sein, damit das eingestellte
Dauer von 40 % und eine Pausendauer von Atemhubvolumen in der vorgesehenen Zeit verab­
10 % eingestellt, beträgt die gesamte Inspirati­ reicht werden kann.
onsphase 50 % des Ventilationszyklus, d. h. das
I:E-Verhältnis liegt bei 1:1. Je niedriger der Inspirationsflow ist, desto größer ist die
Gefahr, dass beim Patienten das Gefühl der Luftnot
Ein I:E-Verhältnis < 1:2 verlängert die Exspirationszeit entsteht. Deshalb wird der Flow bei Beatmungsformen,
auf Kosten der Inspirationszeit. Dies ist evtl. sinnvoll bei bei denen der Patient selbst Atemarbeit leisten soll, höher
Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen, z. B. eingestellt bzw. vom Respirator automatisch angehoben,
COPD (› 2.3.2), damit genügend Zeit für die Exspirati- sobald der Bedarf des Patienten steigt.
on zur Verfügung steht. Faustregel für die Einstellung des Inspirations-
Ein I:E-Verhältnis > 1:2 verlängert die Inspirationszeit flow bei volumenkontrollierter Beatmung: Der In-
auf Kosten der Exspirationsdauer. Dies ist häufig notwen- spirationsflow sollte immer mindestens das 2,5–3-fache
dig um den Beatmungsspitzendruck senken bzw. niedrig des Atemminutenvolumens des Patienten betragen (bei
Beatmungsformen mit hohem Spontanatemanteil eher 6
halten zu können und ausreichend Zeit für den Gasaus-
tausch zur Verfügung zu stellen (IRV › 6.3.1). höher).

Flowmuster
6.2.2 Inspirationsflow An manchen Beatmungsgeräten können verschiede­
ne Flowmuster (Flowformen, Flowprofile) einge­
DEFINITION stellt werden (› Abb. 6.2):
Inspirationsflow: Geschwindigkeit, mit der das Atem- • Beim konstanten Flow (auch Rechteckflow ge­
gas während der inspiratorischen Flow-Phase verabreicht nannt) ist die Gasflussgeschwindigkeit während
wird (Volumen pro Zeiteinheit). Je höher der Inspirations- der gesamten inspiratorischen Flowphase gleich
flow, desto rascher füllt sich die Lunge mit Luft, d. h. des- • Beim dezelerierenden Flow ist die Gasflussge­
to schneller ist das eingestellte Atemhubvolumen verab-
reicht bzw. der eingestellte Inspirationsdruck erreicht.
schwindigkeit zu Beginn hoch und fällt während
der inspiratorischen Flowphase kontinuierlich ab
• Beim Sinusflow (Sinus lat.: Krümmung, Aus­
Bei volumenorientierten Beatmungsformen kann der buchtung) steigt die Strömungsgeschwindigkeit
Inspirationsflow entweder direkt am Respirator einge­ zu Beginn der inspiratorischen Flowphase an und
stellt werden oder er ergibt sich aus dem eingestellten fällt dann ab
Atemhubvolumen, der Beatmungsfrequenz, der Flow­ • Beim akzelerierenden Flow steigt die Strö­
anstiegszeit und der Inspirations- und Pausendauer. mungsgeschwindigkeit während der gesamten
Bei druckorientierten Beatmungsformen resultiert inspiratorischen Flowphase kontinuierlich an.
der Flow insbesondere aus der inspiratorischen An­
stiegszeit, der eingestellten Druckdifferenz sowie der Bei druckorientierten Beatmungsformen (z. B. PC-CMV,
Resistance und Compliance von Lunge und Beat­ PC-BIPAP, PRVC, PC-SIMV, SPN-CPAP/PS, druckunter-
mungssystem. stützte Beatmung) ist der Flow immer dezelerierend.
114 6  Maschinelle Beatmung

Abb. 6.2  Verschiedene Flowmuster (jeweils ohne Flowanstiegszeit, siehe Text). [A400]

An vielen Respiratoren kann die Flowanstiegszeit Sauerstofftoxizität


(Inspirationsanstiegszeit, auch Rampe genannt), ein­
gestellt werden, d. h. die Zeitspanne, in welcher der Eine hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentration
(Spitzen-)flow erreicht wird. Ist eine lange Flowan­ kann die Atemwege und das Lungengewebe schädi­
stiegszeit (flache Rampe) eingestellt (sinnvoll bei ho­ gen, und zwar umso mehr, je höher die Sauerstoff­
her Resistance), strömt das Atemgas zu Beginn der konzentration ist.
Inspiration langsam zum Patienten. Dies hat den
6 Vorteil, dass sich die Lunge besser (gleichmäßiger) Sauerstofftoxizität
füllt. Nachteilig ist, dass dadurch beim Patienten das • Vermehrte Bildung von Sauerstoffradikalen
Gefühl des Lufthungers entstehen kann, weil das Gas • Bildung von Resorptionsatelektasen (auch Obtura­­­­­
zu langsam anflutet. Bei zu kurzer Flowanstiegszeit tions­atelektasen › 2.2.4)
(steile Rampe) kann die Inspiration zu früh abgebro­ • Verschlechterung der mukoziliären Clearance (› 1.1.1)
• Diffuse Schädigung der Alveolen ähnlich dem ARDS (Zu-
chen werden, da die Schwelle für die flowgesteuerte
nahme der Permeabilität der alveolokapillären Membran,
Umschaltung (› 7.1.2) noch während der Inspira­ Schädigung des Surfactant, Aktivierung von Mediatoren).
tion des Patienten erreicht wird. Eine gute Beobach­
tung und – sofern möglich – Kommunikation mit
dem Patienten ist deshalb sehr wichtig. Insbesondere bei Frühgeborenen kann eine längerfris­
Moderne Respiratoren liefern einen Spitzenflow tige hohe Sauerstoffkonzentration eine Retinopathie
bis ca. 200 l/Min. (nicht entzündliche Netzhautschädigung) verursachen.
Wo genau die Grenze liegt, oberhalb der die
Sauer­stoff­konzentration toxisch wirkt bzw. unter­
6.2.3 Inspiratorische halb der keine Schädigungen zu erwarten sind, ist
Sauerstoffkonzentration nicht klar. Derzeit gilt:

Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration (in­ Eine Sauerstoffkonzentration von über 60 % (FiO2 > 0,6)
spiratorische O2-Fraktion, kurz FiO2) gibt an, wie über einen längeren Zeitraum (als „länger“ gilt ein Zeitraum
hoch der Sauerstoffanteil der Atemluft ist. Die Anga­ von mehr als 24 Std.) gilt als toxisch. Daher sollte ein FiO2
be erfolgt entweder in Prozent oder als Dezimalzahl > 0,5–0,6 langfristig möglichst nicht überschritten werden.
(eine Sauerstoffkonzentration von 100 % entspricht
einem FiO2 von 1,0, bei 21 % Sauerstoff beträgt die Bei Sauerstoffkonzentrationen <  40 % ist anzuneh­
FiO2 0,21). men, dass auch bei längerer Anwendung keine toxi­
schen Schädigungen auftreten.
6.2 Beatmungsparameter 115

Abb. 6.3  Maschinelle Beatmung mit und ohne PEEP (hier volumenkontrollierte Beatmung). [A400]
Links: Bei Beatmung ohne PEEP fällt der Beatmungsdruck am Ende der Exspiration auf Null ab (ZEEP siehe Text).
Rechts: Bei Beatmung mit PEEP fällt der Beatmungsdruck am Ende der Exspiration auf den eingestellten positiven Druck (PEEP-
Niveau) ab. Damit bleibt der Druck in den Atemwegen bei Beatmung mit PEEP während des gesamten Atemzyklus im positiven
Bereich.

Liegt bei einem beatmeten Patienten eine Hypox­ Bereich gehalten. Damit ist bei maschineller Beatmung
ämie vor und kann die Oxygenierung nicht durch mit PEEP der Druck während des gesamten Ventilations-
die Veränderung anderer Beatmungsparameter ver­ zyklus, also bei In- und Exspiration, im positiven Bereich.
bessert werden (z. B. Erhöhung des PEEP), wird ggf.
auch längerfristig mit einer O2-Konzentration von Im Gegensatz dazu entspricht bei Beatmung mit ZEEP
über 60 % beatmet, um hypoxische Organschäden zu (zero endexpiratory pressure ›  Abb. 6.3) der Atem­
vermeiden. wegsdruck am Ende der Exspiration dem Atmosphä­
rendruck. Bei Beatmung mit NEEP (negative endexpi-
ratory pressure) wird am Ende der Exspiration ein Un­
Einstellung der inspiratorischen
terdruck in den Atemwegen erzeugt (daher auch die
Sauerstoffkonzentration 6
Bezeichnung Wechseldruckbeatmung). Wegen der Ge­
Um Schädigungen der Lunge aufgrund einer zu ho­ fahr der Ate­lek­ta­sen­bil­dung (›  2.2.4) werden Beat­
hen Sauerstoffkonzentration zu vermeiden, soll die mungen mit NEEP seit Jahren nicht mehr durchge­
inspiratorische Sauerstoffkonzentration grundsätz­ führt. Aus diesem Grund ist an den modernen Respira­
lich so niedrig wie möglich gewählt werden, d. h. nur toren die Einstellung eines NEEP nicht mehr möglich.
so hoch, dass der gewünschte paO2 (i. d. R. ca.
70 mmHg) gerade erreicht wird. Bei der Einstellung
Wirkungen des PEEP
der FiO2 ist es wichtig, die Gesamtsituation des Pati­
enten und die anderen Beatmungsparameter zu be­ Durch den PEEP nimmt die FRC (funktionelle Resi­
rücksichtigen. Eine Hypoxie sollte in jedem Fall ver­ dualkapazität › 1.2.1) zu. Dadurch werden instabile
mieden werden, da sie für die Funktion des Gesamt­ (kollapsgefährdete) Alveolen vor dem Kollabieren be­
organismus und auch der Lunge schädlicher ist als wahrt, bereits entstandene Atelektasen können in ge­
eine hohe Sauerstoffkonzentration. Auch ein pulmo­ wissem Umfang wieder eröffnet werden (alveolar rec-
nales Baro- bzw. Volutrauma (infolge sehr hoher Be­ ruitment ›  6.8.1). Dieses Rekrutieren bereits ver­
atmungsdrücke bzw. Atemhubvolumina) schädigt schlossener Alveolarbereiche erfolgt vor allem durch
die Lunge wahrscheinlich mehr als eine hohe FiO2. das Zusammenspiel von erhöhtem Inspirationsdruck
und PEEP: Durch entsprechend hohen Inspirations­
druck werden die Alveolen wieder eröffnet, der PEEP
6.2.4 PEEP soll die rekrutierten Alveolen offen halten (der inspi­
ratorische Plateaudruck öffnet die Lunge, der PEEP
DEFINITION hält die Lunge offen). Insgesamt bessert sich durch
PEEP (positiv endexpiratory pressure): Positiver Druck am die Anwendung von PEEP das Ventilations-Perfu­
Ende der Ausatmung, d. h. der Druck in den Atemwegen sionsverhältnis, der pulmonale Rechts-Links-Shunt
fällt am Ende der Exspiration nicht auf Null (im Verhältnis nimmt ab und die Oxygenierung wird optimiert.
zum Atmosphärendruck) ab, sondern wird im positiven Nebenwirkungen des PEEP › 6.7.1
116 6  Maschinelle Beatmung

Indikationen für Beatmung mit PEEP (durch den PEEP kann der Hirndruck weiter stei­
gen), Lungenembolie (PEEP erhöht die rechtsventri­
In vielen Kliniken wird bei maschineller Beatmung kuläre Nachlast) und Herzfehler mit Rechts-Links-
grundsätzlich ein geringer PEEP von 6–8 mbar ein­ Shunt (PEEP kann hier den Rechts-Links-Shunt
gestellt, der dazu dienen soll, die durch die Intuba­ verstärken).
tion bzw. Tracheotomie verminderte FRC zu norma­
lisieren. Dieser geringe PEEP wird daher auch „phy-
Einstellung des PEEP
siologischer PEEP“ genannt.
Darüber hinaus ist ein PEEP indiziert bei: Die Höhe des PEEP (in mbar) wird am Respirator
• Oxygenierungsstörungen aufgrund restriktiver eingestellt und kann am Display oder am Beat­
Ventilationsstörungen (› 2.2.1), also z. B. bei mungsdruckmanometer abgelesen werden.
Lungenkontusion, ARDS, Pneumonie sowie bei
instabilem Thorax (› 2.3.3) zur „inneren Schie­ Extrinsic- und Intrinsic-PEEP
nung“. Der am Respirator eingestellte PEEP wird auch als Ext-
• Beim kardiogenen Lungenödem bewirkt PEEP rinsic-PEEP oder extrinsischer PEEP bezeichnet; er wirkt
(meist in Form von CPAP-[Be-]Atmung) die Sen­ gleichmäßig auf die gesamte Lunge ein (daher auch die
kung von Vor- und Nachlast des Herzens (auch Bezeichnung „all over PEEP“). Im Gegensatz dazu baut
als Nitroeffekt bezeichnet), dadurch verbessert sich der Intrinsic-PEEP (auch intrinsischer PEEP) bei be-
stimmten Erkrankungen (insbesondere COPD › 2.3.2)
sich das Verhältnis von Sauerstoffangebot und bzw. bei speziellen Beatmungsformen und Einstellungen
-bedarf des Herzmuskels, was die Rückbildung am Respirator in Lunge des Patienten auf (› 6.3.1). Der
der Lungenstauung unterstützt. Intrinsic-PEEP ist meist ungleichmäßig über die Lunge
• Bei Operationen, bei denen mit einem erhöhten verteilt.
intraabdominellen Druck zu rechnen ist, wird be­
6 reits intraoperativ mit PEEP beatmet. Gerade bei
diesen Patienten ist auch postoperativ mit Ate­ Für die Einstellung des PEEP-Niveaus existieren
lek­tasen zu rechnen, daher ist eine postoperative ­keine allgemeingültigen Richtlinien. Grundsätzlich
Beatmung mit PEEP bzw. CPAP-Atmung not­ wird folgendes empfohlen:
wendig (Ozcenski 2012). • Konzept minimaler PEEP: Den PEEP so hoch
Umstritten ist die Anwendung eines PEEP bei obst­ einstellen, dass bei einem FiO2< 0,6 eine Sauer­
ruktiven Ventilationsstörungen, z. B. COPD oder stoffsättigung über 90 % bzw. ein pO2 > 60 mmHg
Asthma bronchiale (›  2.3.2), da hier oft erkran­ erreicht wird.
kungsbedingt bereits ein Intrinsic-PEEP besteht. • Einstellung des PEEP mittels PEEP/FiO2-Tabelle.
Durch Einstellen eines PEEP, der unterhalb dem Ni­ Derzeit sind zwei verschiedene Tabellen ge­
veau des Intrinsic-PEEP liegt, ist es jedoch möglich, bräuchlich, die entweder einen höheren PEEP-
die kleinen Atemwege offen zu halten. Dies erleich­ Wert oder ein höheres FiO2 zum Erreichen einer
tert die Ausatmung und vermindert die Atemarbeit ausreichenden Sauerstoffversorgung tolerieren
des Patienten. (› Tab. 6.2). Ist z. B. bei Einsatz der Tabelle
niedriger PEEP/hohes FiO2 bei einem FiO2 von 0,5
Bei kreislaufinstabilen Patienten mit Hypovolämie ist es und einem PEEP von 8 mbar der paO2 zu niedrig,
häufig notwendig, vor der Anwendung bzw. Erhöhung wird der PEEP auf 10 mbar angehoben. Ist wegen
eines PEEP eine Volumensubstitution und evtl. auch eine zu geringem paO2 eine erneute Anpassung not­
Therapie mit Katecholaminen durchzuführen, um die ne- wendig, wird die FiO2 auf 0,6 angehoben usw.
gativen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System • Konzept optimaler PEEP: Den PEEP so hoch
(Abfall von HZV und arteriellen Blutdruck › 6.7.2) ge- einstellen, dass sich eine maximale Sauerstoffver­
ring zu halten.
sorgung des Gewebes ergibt (mit steigendem
PEEP steigt das Sauerstoffangebot im Blut zu­
Weiter wird ein PEEP nur mit größter Vorsicht nächst an. Sobald der PEEP zu hoch ist, sinken
eingesetzt bei Patienten mit erhöhtem Hirndruck Blutdruck und HZV, dadurch fällt das Sauerstoff­
6.2 Beatmungsparameter 117

Tab. 6.2 PEEP/FiO2-Tabellen zur Einstellung des PEEP (nach ARDS-Network).


Niedriger PEEP/hohes FiO2
FiO2 0,3 0,4 0,4 0,5 0,5 0,6 0,7 0,7 0,7 0,8 0,9 0,9 0,9 1,0
PEEP (mmHg) 5 5 8 8 10 10 10 12 14 14 14 16 18 20–24
Hoher PEEP/niedriges FiO2
FiO2 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,4 0,4 0,5 0,5 0,5 0,8 0,8 0,9 1,0
PEEP (mmHg) 5 8 10 12 14 14 16 16 18 20 22 22 22 24

angebot ab). Ist der untere Umschlagpunkt (lower


Druck
inflection point › Abb. 1.3 und › Abb. 7.6)
durch eine Compliance-Messung ermittelt, sollte
der PEEP 2–3 mbar darüber liegen.
• Sehr hohe PEEP-Werte (> 15 mbar) sollen wegen
der Nebenwirkungen vermieden werden (PEEP-
Nebenwirkungen › 6.7.1).
Für die individuelle Einstellung des PEEP bei einem
Patienten existieren verschiedene Konzepte, bei de­
nen auf unterschiedliche Weise der für den Patien­
ten optimale PEEP ermittelt wird (Beispiel für die +5
+3 Triggerschwelle PEEP
Einstellung des „best PEEP“ › 6.8.1 Lungenprotek- (–2 mbar)
tive Beatmung). 0
Insp. Exsp. Zeit
6
Abb. 6.4 Drucktrigger. Der Patient hat die Triggerschwelle
6.2.5 Trigger erreicht (hier −2 mbar unter PEEP), daraufhin hat der Respirator
einen maschinellen Atemhub verabreicht. [A400]
DEFINITION
Trigger (engl.: Auslöser): Schaltelement am Respirator, wendung. An manchen Geräten sind Mischtrigger
das Inspirationsbemühungen des Patienten erkennt und installiert, d. h. der Anwender kann hier den Druck­
es ihm ermöglicht, einen maschinellen Atemhub auszulö- trigger oder den Flowtrigger aktivieren. Überwie­
sen (assistiert kontrollierte Beatmung) oder am Respira- gend im pädiatrischen Bereich werden auch Volu-
tor spontan zu atmen.
Im klinischen Sprachgebrauch wird der Begriff „Trigger“
mentrigger eingesetzt.
bisher nur für das Auslösen der Inspiration benutzt. Neu-
ere Respiratoren sind jedoch teilweise auch in der Lage, Drucktrigger
Exspirationsbemühungen des Patienten zu registrieren Beim Drucktrigger muss der Patient durch seine
und daraufhin die Exspiration einzuleiten, auch wenn die Einatembemühungen einen bestimmten Unterdruck
eingestellte Inspirationsdauer noch nicht abgelaufen ist. (unter PEEP) im Beatmungssystem aufbauen, um
Diese Respiratorfunktion wird als exspiratorischer einen maschinellen Atemzug auszulösen bzw. spon­
Trigger bezeichnet.
tan am Respirator atmen zu können. Der eingestellte
Unterdruck (z. B. –2  mbar unter PEEP) entspricht
Im Folgenden ist der Begriff „Trigger“ immer syno­ der Triggerschwelle (auch Triggerempfindlichkeit)
nym verwendet mit dem inspiratorischen Trigger. und wird von Drucksensoren im Respirator gemes­
Steuerung der Atmung › 1.1.3 sen. Sobald der vom Patienten aufgebrachte Unter­
druck die eingestellte Triggerschwelle unterschreitet,
öffnet nach kurzer Zeit (Triggerlatenzzeit, siehe un­
Druck-, Flow- und Volumentrigger
ten) das Inspirationsventil und es beginnt – je nach
An derzeit gebräuchlichen Beatmungsgeräten kom­ eingestellter Beatmungsform – ein maschineller
men Drucktrigger und/oder Flowtrigger zur An­ Atemzug oder der Patient kann spontan einatmen.
118 6  Maschinelle Beatmung

Flowtrigger Triggerempfindlichkeit und Triggerlatenz


Beim Flowtrigger erzeugt der Respirator auch wäh­
rend der Exspirationsphase einen geringen konstan­ An manchen Respiratoren ist die Triggerempfind-
ten Basisflow, der durch das Beatmungsschlauchsys­ lichkeit fest eingestellt und kann vom Anwender
tem geleitet wird. Solange der Patient nicht versucht nicht variiert werden. An den meisten gebräuchli­
einzuatmen, sind der vom Respirator abgegebene chen Respiratoren jedoch kann die Triggerempfind­
Flow und der Rücklauf-Flow gleich hoch. Dies än­ lichkeit eingestellt werden. Dabei ist es wichtig, die
dert sich, sobald der Patient einatmet (d. h. Volumen Triggerschwelle weder zu hoch (geringe Empfind­
aus dem Basisflow „abzieht“). Der Respirator er­ lichkeit) noch zu niedrig einzustellen:
kennt die Differenz zwischen abgegebenem Flow • Eine zu hohe Einstellung erhöht die Atemarbeit
und Rücklaufflow und verabreicht – sobald der Pati­ des Patienten und birgt die Gefahr der respirato­
ent einen bestimmten Teil des Basisflows eingeat­ rischen Erschöpfung (Ermüdung der Atemmus­
met hat – einen maschinellen Atemzug bzw. ermög­ kulatur). Besonders gefährdet sind COPD-Patien­
licht es dem Patienten, am Respirator spontan zu ten. Erreicht der Patient die zu hoch eingestellte
atmen. Triggerschwelle nicht, werden seine Einatembe­
mühungen vom Respirator nicht „beantwortet“.
Volumentrigger Keinesfalls sollte ein Drucktrigger möglichst hoch
Der Volumentrigger arbeitet ähnlich wie der Flow­ eingestellt werden um die Atemmuskulatur des
trigger. Hierbei wird der Atemzug allerdings nicht Patienten zu „trainieren“.
ausgelöst, wenn eine Flowänderung erkannt wird, • Eine zu niedrige (zu empfindliche) Einstellung
sondern wenn ein bestimmtes Volumen aus dem begünstigt die Selbsttriggerung des Respirators.
Basisflow eingeatmet wird. Dabei werden geringste Veränderungen von
Druck, Flow oder Volumen, die z. B. bei der Um­
6 lagerung des Patienten oder bei Bewegungen des
Neuronale Triggerung
Atemschlauchsystems entstehen, vom Respirator
Bei der neuronalen Triggerung werden spezielle als Inspirationsbemühung gedeutet und entspre­
nasogastrale Sonden (Größe ab 6  Fr.) verwendet, chend beantwortet (Verabreichung eines maschi­
die die elektrischen Impulse des Zwerchfells (elec- nellen Atemzugs bzw. Beginn der Spontanat­
tric diaphragmatic impulse, kurz EDI) messen. Der mungsphase am Respirator).
Respirator nutzt die gemessenen Impulse zur Steue­
rung der Beatmung: Je größer der Impuls, desto Richtwerte für die Einstellung der Triggeremp-
größer die Unterstützung der Atmung (›  6.3.9 findlichkeit
NAVA). Der Respirator leitet die Exspiration ein, • Drucktrigger: 1–2 mbar unter PEEP
sobald die Signalstärke auf 70 % ihres Ausgangs­ • Flowtrigger: 2–4 l/Min.
werts abfällt. Grundsätzlich sollte der Trigger bei jeder Beatmungsform
Das Verfahren der neuronalen Triggerung setzt aktiviert sein, damit der Patient, falls er versucht einzuat-
men, auch tatsächlich Luft bekommt (kontrollierte Beat-
sehr viel früher im Atemprozess an als Druck- und mung › 6.3.1).
Flowtrigger: Die neuronale Triggerung registriert
bereits die Erregung des Zwerchfells, Druck- und
Flowtrigger registrieren die nach der Kontraktion DEFINITION
Triggerlatenz: Zeitverzögerung zwischen Erreichen der
des Zwerchfells erfolgte Druck- oder Flowänderung.
Triggerschwelle und Beginn des Inspirationsflows. Sollte so
Bei der neuronalen Triggerung kommt es dadurch kurz wie möglich sein (< 50 ms), um beim Patienten das Ge-
seltener zu Fehltriggerungen bzw. nicht beantwor­ fühl der Atemnot und zusätzliche Atemarbeit zu vermeiden.
teten Triggerbemühungen des Patienten und damit
zur Desynchronisation von Patient und Respirator.
Die neuronale Triggerung ist optional an den Res­ Die Triggerlatenz ist immer gerätespezifisch, d. h. sie
piratoren Servo  i®, Servo  u® und Servo  n® (Firma variiert abhängig vom Respiratortyp. Daher ist die
Maquet) realisiert. Triggerlatenz für die Praxis der Beatmungstherapie
6.3 Beatmungsformen 119

wenig relevant, sondern vor allem ein Kriterium für • Bei der kontrollierten (mandatorischen) Beat-
die Auswahl bzw. Neuanschaffung eines bestimmten mung leistet der Respirator die Atemarbeit zu
Beatmungsgeräts (› 7.2). 100 % (full respiratory support). Der Patient ist völlig
passiv, d. h. er leistet keinerlei Atemarbeit (› 6.3.1)
• Bei der assistierten Beatmung (auch unterstüt-
zende oder augmentierende Beatmung) unter­
6.3 Beatmungsformen stützt der Respirator die insuffiziente Spontanat­
mung des Patienten (partial ventilatory support).
Klassifikation der Beatmungsformen Das Ausmaß der Unterstützung, die der Respira­
Eine einheitliche, allgemein gültige Klassifikation tor leistet, ist sehr verschieden. So kann die Un­
der Beatmungsformen existiert bis heute nicht. terstützung z. B. sehr umfangreich (d. h. der Pati­
ent leistet nur einen sehr kleinen Teil der Atem­
Einzelne Beatmungsfomen haben – obwohl sie grund- arbeit) oder sehr gering sein (d. h. der Patient
sätzlich gleich funktionieren – unterschiedliche, meist leistet einen sehr großen Teil der Atemarbeit).
vom Gerätehersteller festgelegte Namen. Zudem Der Begriff assistierte Beatmung lässt daher keine
unterscheiden sich einzelne Beatmungsformen abhängig Rückschlüsse auf Qualität und Quantität der
vom Gerätehersteller in Details, z. B. hinsichtlich der not- Spontanatmung des Patienten zu (› 6.3.1)
wendigen Einstellparameter oder des Ablaufs der Beat- • Bei der Spontanatmung leistet der Patient die
mung. Bei den neuen Beatmungsgeräten ist es auch
möglich, dass eine Beatmungsform eines Gerätetyps sich
gesamte Atemarbeit selbst.
abhängig von der verwendeten Software-Version von Daneben ist seit einigen Jahren die Klassifikation
derselben Beatmungsform desselben Respirators unter- der Beatmungsformen nach Chatburn gebräuch­
scheidet. Eine genaue Kenntnis der Gebrauchsanweisung lich (› Tab. 6.3), die es ermöglichen soll, die ein­
ist daher unbedingt erforderlich. zelnen (firmenspezifisch benannten) Beatmungsfor­
men besser miteinander vergleichen zu können. 6
Etabliert ist nach wie vor die Einteilung der Beat­ Dies soll insbesondere Schulungen erleichtern.
mungsformen anhand der vom Patienten zu erbrin­ Die meisten Beatmungsformen haben mehrere
genden Atemarbeit: verschiedene (Kurz-)Bezeichnungen, häufig wer­
den sowohl deutsche als auch englische Begriffe ver­

Tab. 6.3  Klassifikation der Beatmungsformen nach Chatburn (2007).


Verabreichung des Atemzugs (Atemmuster)
Kontrollvari- VC (Volume control, volumenkontrolliert, › 6.3.2): das Gerät verabreicht den Atemhub mit einem vor-
ablen eingestellten Flow, der für eine vorgegeben Zeit verabreicht wird, um ein gewünschtes Atemzugvolumen
(Vt) zu erreichen. Das Tidalvolumen ist vorgegeben, der Druck in der Lunge variiert z. B. abhängig vom
Atemwegswiderstand (Resistance). 
Flow-und volumenkontrollierte Beatmung werden häufig synonym verwendet, da bei beiden ein konstan-
ter Flow verabreicht wird.
PC (Pressure control, druckkontrolliert, › 6.3.3): das Gerät verabreicht den Atemhub mit einem voreinge-
stellten Druck, um den Druck in der Lunge zu erreichen ist ein dezelerierender Flow notwendig. Der vorge-
gebene Druck kann für eine voreingestellt Zeit erhalten bleiben (klassische Druckkontrolle) oder patienten-
gesteuert (z. B. bei Unterschreiten eines bestimmten Flowwertes, klassische druckunterstützte Beatmung)
auf den PEEP-Wert abfallen. Bei dieser Beatmungsform ist der Druck vorgegeben, das Atemzugvolumen
variiert abhängig von den Lungenverhältnissen (Compliance und Resistance). Auch Beatmungsformen wie
PRVC zählen zu dieser Gruppe der Beatmung (Zielvolumen vorgegeben, Atemzüge druckkontrolliert).
DC (Dual control, zweifache Kontrolle): während eines Atemzugs kommen sowohl die volumen- als
auch die druckkontollierte Steuerung zum Einsatz (Bsp.: ein Atemzug beginnt volumenkontrolliert, beim
Erreichen eines vorgegebenen oberen Drucks schaltet der Respirator auf druckkontrollierte Beatmung,
d. h. von konstantem auf dezelerierenden Flow). 
DC wird selten verwendet.
120 6  Maschinelle Beatmung

Tab. 6.3  Klassifikation der Beatmungsformen nach Chatburn (2007). (Forts.)


Verabreichung des Atemzugs (Atemmuster)
Art der Ver- CMV (continious mandatory ventilation, kontinuierliche maschinelle Beatmung): Der Respirator verab-
abreichung reicht voreingestellte Atemhübe, diese können VC, PC oder DC sein. Die Beatmungsform wird entspre-
der Atem­ chend als VC-CMV, PC-CMV oder DC-CMV bezeichnet. Wenn der Patient triggert, wird ein voreingestell-
züge ter VC-, PC- oder DC-Atemhub verabreicht.
IMV (Intermittend mandatory ventilation, intermittierende maschinelle Beatmung): Der Respirator verab-
reicht voreingestellte Atemhübe, diese können VC, PC oder DC (› CMV) sein. Triggert der Patient, wird
ein Spontanatemzug (ggf. druckunterstützt, d. h. PC) ermöglicht. Bisher wurde diese Beatmungsform
meist als SIMV bezeichnet. Da alle modernen Respiratoren über die Möglichkeit der Patiententriggerung
verfügen, d. h. Atemzüge synchronisiert mit den Einatembemühungen des Patienten verabreichen, ver-
zichtet Chatburn auf die Bezeichnung „synchronisiert“. Die Beatmungsform wird als VC-IMV, PC-IMV
oder DC-IMV bezeichnet.
CSV (Continous spontaneous ventilation, kontinuierliche Spontan [Be-]Atmung): Hier triggert der Patient
jeden Atemzug und bestimmt dessen Dauer und Tiefe. Atemzug kann auch mit Unterstützung des Respi-
rators erfolgen (z. B. druckunterstützte Beatmung). Die Beatmungsform wird als PC-CSV oder DC-CSV be-
zeichnet, da bei VC-Beatmung das Tidalvolumen vorgegeben wird, ist VC-CSV nicht möglich.
Steuerungsarten
Taktische Drei Arten:
Steuerung • Anwender gibt alle Beatmungsparameter vor, z. B. Tidalvolumen, I:E-Verhältnis, Frequenz. Ändert sich
die Situation des Patienten, muss der Anwender die Beatmungsparameter anpassen. Beispiele: Volu-
menkontrollierte, druckkontrollierte oder druckunterstützte Beatmung.
• Anwender legt einzelne Beatmungsparameter fest, der Respirator steuert die Beatmung nach diesen
vorgegebenen Bedingungen. Bsp.: CMV mit PLV (› 6.3.2), bei Erreichen des pmax schaltet das Gerät
6 auf dezelerierenden Flow, d. h. druckkontrollierte Beatmung.
• Anwender legt lediglich Grenzwerte fest, der Respirator liefert Druck/Flow abhängig von diesen Einstel-
lungen und den Einatembemühungen des Patienten (servo-gesteuert). Bsp.: ATC (› 7.3), PAV
(› 6.3.7)
Strategische • Adaptiv, d. h. der Respirator variiert einzelne Beatmungsparameter. Bsp.: Bei der PRVC-Beatmung va-
Steuerung riiert der Respirator den Beatmungsdruck so, dass ein vorgegebenes Tidalvolumen erreicht wird. Bei
manchen Beatmungsformen variiert die Frequenz, um ein eingestelltes I:E-Verhältnis zu ermöglichen.
• Optimal, d. h. der Respirator variiert mehrere Beatmungsparameter, um eingestellte Vorgaben zu er-
reichen, z. B. ASV (› 6.3.10): AMV ist vorgegeben, Respirator variiert Tidalvolumen, Beatmungsfre-
quenz und -druck abhängig von der Patientensituation.
Intelligente Das Beatmungsgerät nutzt (nach Vorgaben des Benutzers) auf Expertenwissen basierende Modelle und
Steuerung steuert die Beatmung abhängig von diesen Modellen und der Grunderkrankung des Patienten. Bsp.: In-
tellivent-ASV® (› 6.3.10) und SmartCare™ (› 6.11.2).
Arbeits-Algorithmen („Arbeitsschritte“ während der Beatmung)
Phasen-­ Hier wird beschrieben, wie z. B. bei VC-IMV mit Unterstützung der assistierten Atemzüge die Unterstüt-
Variablen zung verabreicht wird, z. B. als Druckunterstützung (vorgegebener Druck), Volume assist (adaptive, d. h.
sich verändernde Druckunterstützung), ATC (Automatische Tubuskompensation, servogesteuerte Unter-
stützung) oder Smartcare (automatisierte Entwöhnung, Steuerung durch Respirator).
Bedingungs- Respirator steuert die Beatmung anhand von Vorgaben und reagiert auf Veränderungen, z. B. durch Ap-
variablen plikation kontrollierter Atemzüge zur Vermeidung einer Hypoventilation, wenn der Patient ein vorgegebe-
nes AMV nicht erreicht.
Komplexe Hier wird beschrieben, mit welchen Rückkopplungen der Respirator arbeitet, z. B. Analyse von etCO2,
Berechnun- SpO2 und Änderungen der Lungenmechanik bei Intellivent-ASV® und entsprechende Steuerung der Beat-
gen mung anhand hinterlegter Algorithmen, die auf Expertenwissen beruhen (z. B. ARDS Network).
6.3 Beatmungsformen 121

wendet. Im Folgenden sind die Beatmungsformen Bei kontrollierter Beatmung (CMV) hat der Patient
jeweils unter der Bezeichnung näher beschrieben, keinen Einfluss auf den Atemhub, d. h. bei Einatem­
die im klinischen Sprachgebrauch am häufigsten bemühungen des Patienten wird unter kontrollierter
verwendet wird. Die Synonymbegriffe und Abkür­ Beatmung ein Atemhub (entsprechend der einge­
zungen sind jeweils bei der Definition der Beat­ stellten Beatmungsparameter) verabreicht, sobald
mungsform aufgeführt. die Triggerschwelle erreicht ist (› 6.2.5).

In der Praxis hat es sich bewährt, Standardeinstellun- Triggert der Patient häufig, ist zu überlegen, ob eine we-
gen für die eingesetzten Respiratoren festzulegen, die niger invasive Beatmungsform gewählt werden kann,
bei Inbetriebnahme des Geräts zunächst eingestellt und d. h. Wechsel von CMV zu IMV oder CSV
zum frühestmöglichen Zeitpunkt auf die spezielle Patien-
tensituation angepasst werden. So weiß jeder Mitarbei-
ter, wie welches Gerät einzustellen ist, und Fehleinstel- Vorteile, Nachteile und Indikationen
lungen werden vermieden. kontrollierter Beatmung
Die kontrollierte Beatmung hat zwei Vorteile, aus
denen sich gleichzeitig die Indikationen für eine
6.3.1  Kontrollierte und assistierte kontrollierte Beatmung ergeben:
Beatmung • Der Sauerstoffverbrauch des Patienten wird auf
ein Minimum reduziert (dies ist z. B. wichtig bei
Kontrollierte Beatmung schwersten Gasaustauschstörungen, etwa im
Rahmen eines ARDS)
DEFINITION • Überanstrengte Atemmuskulatur (etwa nach lang
Kontrollierte Beatmung (auch continuous manda­ dauernden Entwöhnungsversuchen) kann sich
tory ventilation, kurz CMV): Beatmungsform, bei der unter kontrollierter Beatmung erholen. 6
das ­Beatmungsgerät die Atemarbeit vollständig über- Beide Vorteile können jedoch nur wirksam werden,
nimmt. Ein Trigger ist zwar zugeschaltet (› 6.2.5), für wenn der Patient nicht unter der kontrollierten Be­
die Beatmung ist es jedoch nicht erforderlich, dass der atmung erfolglose Atembemühungen unternimmt,
Patient diesen auch auslöst.
Häufig wird die Bezeichnung assistierte kontrollierte
da diese das Gegenteil bewirken würden (der Sauer­
Beatmung (auch assisted mandatory ventilation, kurz stoffverbrauch steigt, eine Erholung der Atemmus­
AMV, synchronized controlled mandatory/mechanical kulatur kann nicht erfolgen) und zudem beim Pa­
ventilation, kurz S-CMV oder synchronized intermittend/ tienten das Gefühl der Luftnot entstünde (er ver­
continuous positiv pressure ventilation, kurz S-IPPV bzw. sucht einzuatmen, bekommt aber keine Luft). Des­
S-CPPV) für eine kontrollierte Beatmung mit der Möglich- halb müssen Patienten häufig sediert und selten
keit der Triggerung vewendet. auch relaxiert werden, um eine kontrollierte Beat­
Kontrollierte Beatmung erfolgt entweder volumenkont-
rolliert (volume controlled CMV, kurz VC-CMV) oder
mung ertragen zu können (Ausnahme: Patienten,
druckkontrolliert (pressure controlled CMV, kurz PC- die wegen ihrer Grunderkrankung, etwa einer Into­
CMV). xikation oder eines schweren Schädel-Hirn-Trau­
Kontrollierte Beatmung mit PEEP wird auch als CPPV (con- mas, nicht selbstständig atmen können).
tinuous positive pressure ventilation) bezeichnet, kontrol- Analgesie und Sedierung beim beatmeten Patien-
lierte Beatmung ohne PEEP (ZEEP, d. h. zero endexpiratory ten › 6.9
pressure; zero = Null, wird fast nicht mehr durchgeführt) Der Nachteil der kontrollierten Beatmung besteht
als IPPV (intermittend positive pressure ventilation).
Inversed-Ratio Ventilation (kurz IRV; inverse = um-
vor allem darin, dass die Atemmuskulatur ge­
gekehrt) ist keine eigenständige Beatmungsform, son- schwächt wird, und zwar umso mehr, je länger die
dern besagt, dass eine (meist kontrollierte) Beatmung mit kontrollierte Beatmung andauert (Atemmuskelatro­
umgekehrtem Atemzeitverhältnis (I:E-Verhältnis, normal phie › 6.7.2). Daneben ist oft eine (tiefe) Sedierung,
1:1,5–1:2) erfolgt, d. h. die Inspirationszeit ist genauso ggf. auch eine Relaxierung des Patienten mit allen
lang wie die Exspirationszeit oder länger (das I:E-Verhält- damit verbundenen Nachteilen erforderlich. Da bei
nis ist ≥ 1). der kontrollierten Beatmung Zwerchfellaktivitäten
122 6  Maschinelle Beatmung

des Patienten kaum vorhanden sind oder ganz feh­ durch die kurze Exspirationszeit ein Intrinsic-PEEP
len, kann es vermehrt zu Atelektasen in den dorsoba­ aufbauen (siehe unten).
salen Lungenabschnitten kommen. Dies wiederum
hat meist eine Verlängerung der gesamten Beat­ Intrinsic-PEEP und Airtrapping
mungsdauer und der anschließenden Weaning-Pha­ Unter Beatmung mit IRV kann die verbleibende Zeit
se zur Folge. Deshalb wird eine kontrollierte Beat­ zur Exspiration zu kurz sein, um das komplette zu­
mung nur solange wie unbedingt nötig eingesetzt. vor eingeatmete Atemzugvolumen wieder aus der
Die spezifischen Nachteile und Gefahren einer vo­ Lunge strömen zu lassen, d. h. ein Teil des Atemzug­
lumen- bzw. druckkontrollierten Beatmung sind je­ volumens verbleibt in der Lunge (› Abb. 6.5). Die­
weils bei diesen Beatmungsformen beschrieben. ses Phänomen wird „Airtrapping“ (trap = Falle) ge­
nannt. Es führt zu einer Erhöhung der FRC
(›  1.2.1) und steigert den endexspiratorischen
Beatmung mit IRV
Druck, daher auch die Bezeichnung „Auto-PEEP“
oder Intrinsic-PEEP (PEEP › 6.2.4).
DEFINITION Im Gegensatz zum externen (am Respirator ein­
Inversed-Ratio Ventilation (kurz IRV; inverse = um-
gekehrt) ist keine eigenständige Beatmungsform, son-
gestellten) PEEP, der auf die gesamte Lunge ein­
dern besagt, dass eine (meist kontrollierte) Beatmung mit wirkt, kommt der Intrinsic-PEEP vor allem in den
umgekehrtem Atemzeitverhältnis (I:E-Verhältnis, normal sog. „langsamen Lungenkompartimenten“ (Lungen­
1:1,5–1:2) erfolgt, d. h. die Inspirationszeit ist genauso abschnitte, die sich nur sehr langsam mit Luft füllen
lang wie die Exspirationszeit oder länger (das I:E-Verhält- und entleeren) zur Wirkung (deshalb wird er von
nis ist ≥ 1). manchen Autoren auch „Individual-PEEP“ oder „se­
lektiver PEEP“ genannt). Dies kann bei der Beat­
Bei Beatmung mit IRV wird das Atemzeitverhältnis mung von Patienten mit ARDS genutzt werden, um
6 (I:E-Verhältnis) umgekehrt. Daraus folgt eine die Alveolen offenzuhalten (› 6.8.1) (Ullrich 2010).
• Verlängerung der Inspirationszeit auf Kosten der Abhängig davon, ob der Patient volumen- oder
Exspirationszeit (Verkürzung der Exspirations­ druckkontrolliert beatmet ist, birgt der Intrinsic-
zeit, im Extremfall I:E = 4:1) PEEP unterschiedliche Gefahren: Bei volumenkont­
• Erhöhung des mittleren Beatmungsdrucks (Beat­ rollierter Beatmung kann sich der Intrinsic-PEEP
mungsmitteldruck, mittlerer Atemwegsdruck, unkontrolliert aufschaukeln mit der Gefahr eines
kurz MAP). pulmonalen Barotraumas (› 6.7.1), bei druckkon­
IRV wird eingesetzt bei schweren Störungen des trollierter Beatmung bewirkt der Intrinsic-PEEP ei­
pulmonalen Gasaustauschs, insbesondere bei rest­ ne Verminderung der Atemzugvolumina (Details
riktiven Ventilationsstörungen (Erkrankungen mit siehe druckkontrollierte Beatmung).
Einschränkung der Compliance, › 1.2.1). Der posi­
tive Effekt auf die Oxygenierung wird bewirkt durch Flow
eine:
• Gleichmäßigere Verteilung des Gases in der Lunge
• Längere Kontaktzeit des Gases in der Lunge Exsp. zeit
• Bessere Belüftung von Lungenarealen mit erhöh­ Zeit
ter Resistance (mehr Zeit zum Öffnen atelektati­
scher Lungenbezirke).
Flowkurve geht am
Nachteilig ist die Erhöhung des mittleren Beat­ Ende der Exsp. nicht
mungsdrucks und damit des intrathorakalen auf Null zurück
Drucks, der dazu führt, dass der venöse Rückstrom
zum rechten Herzen abnimmt und in der Folge auch Abb. 6.5  Geht die Flowkurve am Ende der Exspiration nicht
auf Null zurück, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Exspira­
das Herzzeitvolumen und damit die Durchblutung tionszeit zu kurz ist und ein Teil des Atemzugvolumens in der
der Organe verringert werden (Details ›  6.7 Ne­ Lunge bleibt. Dadurch entsteht das „Airtrapping“ und ein In-
benwirkungen der Beatmung). Zudem kann sich trinsic-PEEP. [A400]
6.3 Beatmungsformen 123

Bei Patienten mit obstruktiven Ventilationsstörungen gestellte Triggerschwelle ab. Dies verbessert den
(z. B. COPD oder Status asthmaticus ›  2.3.2) besteht venösen Rückstrom zum Herzen (› 6.7.2).
bei Beatmung mit IRV die Gefahr, dass die durch die Er- • Einatembemühungen des Patienten müssen nicht
krankung ohnehin erhöhte FRC durch Ausbildung eines unterdrückt werden, sondern bleiben erhalten.
Intrinsic-PEEP zusätzlich erhöht wird. Diese Patienten
Dadurch bleibt die Atemmuskulatur – wenn auch
sollten mit einem I:E-Verhältnis von 1:2 bis 1:1,5 beatmet
werden, eine IRV-Beatmung ist kontraindiziert. in geringem Umfang – aktiv.
• Bei Triggerbemühungen des Patienten werden
durch die Zwerchfellbewegungen die dorsobasa­
len Abschnitte der Lunge besser belüftet.
Assistierte Beatmung Nachteilig sind folgende Faktoren:
• Atmet der Patient mit einer hohen Frequenz
DEFINITION (z. B. bei Unruhe, Schmerzen oder Durchgangs­
Assistierte Beatmung (auch assisted mandatory ven- syndrom), kann es zu einer Hyperventilation
tilation, kurz AMV, synchronized controlled mandatory/ kommen, da die eingestellte Atemfrequenz und
mechanical ventilation, kurz S-CMV oder synchronized das eingestellte Atemminutenvolumen (beides
intermittend/continuous positiv pressure ventilation, auf die Bedürfnisse des Patienten eingestellt) weit
kurz S-IPPV bzw. S-CPPV):
Kombination aus maschineller Beatmung und (unter-
überschritten werden. Diese kann eine respirato-
stützter) Spontanatmung. rische Alkalose (› 1.3.2) verursachen.
• Bei hoher Atemfrequenz reicht die Zeit zur Ex­
spiration evtl. nicht aus, um das Gas komplett ab
Bei der assistierten Beatmung erhält der Patient eine zuatmen. Dadurch kann es zum Airtrapping
mehr oder weniger umfangreiche Unterstützung kommen (› 6.3.1).
durch den Respirator, d. h. er leistet einen Teil der • Der Patient hat wenig Einfluss auf das verab­
Atemarbeit selbst. reichte Tidalvolumen, d. h. die Luftmenge des 6
Voraussetzung ist, dass der Patient den Trigger verabreichten Atemzugs entspricht evtl. nicht
auslösen kann. dem Bedürfnis des Patienten (maschineller
• Triggert der Patient, erhält er Unterstüzung ent­ Atemzug kann zu groß oder zu klein sein).
weder in Form eines eingestellten maschinellen
Atemhubs oder eines eingestellen Inspirations­
flows. 6.3.2 Volumenkontrollierte
• Triggert der Patient nicht, so erhält er die einge­ Beatmung
stellte kontrollierte Beatmung.
DEFINITION
Volumenkontrollierte Beatmung (volume-controlled
Vorteile und Nachteile der assistierten CMV, kurz VC-CMV): Kontrollierte Beatmung, bei der
kontrollierten Beatmung das Tidalvolumen (Atemzugvolumen) sowie der zeitliche
Ablauf des Atemzyklus am Respirator eingestellt und ent-
Gegenüber der reinen kontrollierten Beatmung
sprechend der Einstellung verabreicht wird, sofern nicht
zeichnet sich die assistierte Beatmung durch folgen­ zuvor am Respirator eingestellte Grenzwerte (z. B. für
de Vorteile aus: den Beatmungsdruck) überschritten werden. Meist wird
• Da der Patient synchron zu seinen Einatembe­ das Volumen mit einem konstanten Flow (auch Recht­­­­­
mühungen Atemzüge erhält, hat er nicht das Ge­ eckflow) in der vorgegebenen Zeit verabreicht. Manche
fühl, dem Respirator hilflos ausgeliefert zu sein Respiratoren ermöglichen auch andere Flowformen
(kein „Kampf gegen das Beatmungsgerät“). Da­ (› 6.2.2).
Der Beatmungsdruck (Spitzen- und Plateaudruck) bei vo-
her ist i. d. R. eine weniger tiefe Sedierung ausrei­
lumenkontrollierter Beatmung ergibt sich aus den vorge-
chend. nommenen Einstellungen und dem Zustand von Atemwe-
• Bei Verwendung eines Drucktriggers sinkt der gen und Lunge des Patienten (Compliance und Resis-
Beatmungsdruck in der Triggerphase um die ein­ tance).
124 6  Maschinelle Beatmung

Das Tidalvolumen stellt der Anwender entweder di­ lumina ist der pCO2. Werden trotz hoher Fre­
rekt am Respirator ein oder er stellt das Atemminu­ quenz Volumina benötigt, die zu einem hohen
tenvolumen und die Atemfrequenz ein und der Res­ Beatmungsdruck führen, sollte auf eine druck­
pirator errechnet daraus das Tidalvolumen kontrollierte Beatmung umgestiegen oder eine
(› 1.2.1). permissive Hyperkapnie in Betracht gezogen
werden.
Ablauf eines Atemzyklus bei volumenkontrollierter • Frequenz. Zielgröße ist auch hier der pCO2,
Beatmung meist beträgt sie 8–18/Min. Wird die Frequenz
• Das eingestellte Tidalvolumen wird während der (bei gleichem AMV) erhöht, muss beachtet wer­
inspiratorischen Flowphase entsprechend dem den, dass der Anteil der Totraumventilation am
eingestellten Flowmuster verabreicht. AMV zunimmt (› 1.2.1).
• Der Beatmungsdruck steigt während der inspira­ • Atemzeitverhältnis. Meist wird am Respirator
torischen Flowphase kontinuierlich an, bis am die Inspirationszeit (Inspirationsdauer) in Sekun­
Ende der inspiratorischen Flowphase der Beat- den oder % des Atemzyklus eingestellt, und die
mungsspitzendruck erreicht ist (› Abb. 6.6). Exspirationszeit errechnet sich aus der Zeitdauer
• Ist eine inspiratorische Pause eingestellt, sind – des Ventilationszyklus abzüglich der Inspirati­
nachdem das Tidalvolumen verabreicht wurde – onszeit (› 6.2.1). An manchen Respiratoren
in der eingestellten Zeit sowohl das Inspirations- werden der Flow und das Tidal- bzw. Atemminu­
als auch das Exspirationsventil des Respirators tenvolumen eingestellt, daraus errechnen sich In­
geschlossen (Flow = 0). In dieser Phase verteilt spirations- und Exspirationsdauer.
sich das Atemgas gleichmäßig in der Lunge, da­ – Die Inspirationsdauer besteht aus inspiratori-
durch fällt der Spitzendruck auf den Plateau- scher Flowphase und der inspiratorischen Pause
druck ab. (inspiratorische No-Flow-Phase). Beide werden
6 • Je niedriger der Flow gewählt ist, desto länger ist entweder in Sekunden oder in % des Atemzyk­
die inspiratorische Flowphase und desto kürzer lus eingestellt. Physiologisch ist ein Atemzeit­
ist die inspiratorische Pause. verhältnis (I:E-Verhältnis) von 1:1,5–1:2, ab ei­
• Die Exspiration beginnt, wenn die voreingestellte nem Verhältnis von 1:1 spricht man von IRV
Inspirationszeit (inspiratorische Flowphase plus (› 6.3.1). Während der Flowphase wird die
insp. Pause) abgelaufen ist. Lunge mit Gas gefüllt, in der Pause verteilt sich
• Während der Exspiration strömt das Atemgas das Gas in der Lunge, dies ist insbesondere bei
aus der Lunge des Patienten. Auch für diesen regionalen Belüftungsstörungen sinnvoll
Vorgang steht eine bestimmte Zeit zur Verfü­ – Die Exspirationsdauer muss so lang sein, dass
gung, die sich aus den Einstellungen ergibt das Gas vollständig aus der Lunge strömen
(› 6.2.1). Bei Beatmung mit PEEP wird das Ex­ kann.
spirationsventil spätestens dann geschlossen, • Flowmuster (› 6.2.2)
wenn der eingestellte PEEP erreicht ist, bei Beat­ • Sauerstoffkonzentration.
mung ohne PEEP fällt der Druck auf den Atmo­
sphärendruck ab.  Beatmungsparameter, die zusätzlich eingestellt
Ist das Ende der eingestellten bzw. errechneten werden können
Exspirationszeit erreicht, beginnt die nächste In­ • PEEP (› 6.2.4)
spiration. • Trigger. Sobald ein Trigger ausgelöst wird, erhält
der Patient einen maschinellen Hub, das I:E-Ver­
Beatmungsparameter, die am Respirator hältnis verschiebt sich zugunsten der Inspiration
eingestellt werden müssen • Inspirationsanstiegszeit (› 6.2.2).
• Tidalvolumen bzw. Minutenvolumen (abhängig
vom verwendeten Respirator). Das Tidalvolumen Beatmungsgrenzwerte und Alarme
beträgt i. d. R. 5–7 ml/kg KG, das AMV beträgt • Obere Druckgrenze. Einstellung ca. 10 mbar über
i. d. R. 80–100 ml/kg KG. Zielgröße für diese Vo­ dem gemessenen Spitzendruck, um frühzeitig
6.3 Beatmungsformen 125

Verschlechterungen der Lungenverhältnisse zu verhältnisse verändern (z. B. wegen Umlagerung des


bemerken. Grundsätzlich möglichst < 35 mbar Patienten). Die Volumenkonstanz ist gewährleistet,
einstellen (› 6.7.1). solange die obere Beatmungsdruckgrenze nicht er­
• Alarme für das Minutenvolumen. Einstellung der reicht wird.
Grenzwerte anfangs ca. 20 % über und unter dem Nachteilig ist, dass bei volumenkontrollierter Be­
eingestellten Wert für das AMV, im weiteren atmung hohe Spitzendrücke entstehen können mit
Verlauf abhängig von der Patientensituation, um der Gefahr eines pulmonalen Baro- oder Volutrau­
Fehlalarme zu vermeiden. mas (› 6.7.1). Eine genaue Überwachung des Spit­
• Alarme für die Sauerstoffkonzentration. Wird zendrucks sowie eine angemessene Einstellung der
häufig geräteseitig automatisch vorgenommen, oberen Druckgrenze ist bei dieser Beatmungsform
ansonsten sollten die Grenzen 5 Vol.% über und daher sehr wichtig. Zudem besteht bei geschädigter
unter dem eingestellten Wert liegen Lunge die Gefahr, dass Lungenareale mit normaler
• Diskonnektionsalarm. Resistance und Compliance überdehnt werden,
während Areale mit erhöhter Resistance minderbe­
Vorteile und Nachteile volumenkontrollierter lüftet werden.
Beatmung
Die volumenkontrollierte Beatmung ist eine weit­ Sonderform der volumenkontrollierten Beatmung:
verbreitete, bekannte und (v. a. in der Anästhesie) Pressure limited ventilation
vielfach benutzte Beatmungsform. Von Vorteil ist Bei der druckbegrenzten Beatmung (pressure limi-
die Volumenkonstanz, d. h. das eingestellte Volu­ ted ventilation, kurz PLV) stellt der Anwender ne­
men wird verabreicht, auch wenn sich die Lungen­ ben der oberen Druckgrenze eine Drucklimitierung

Insp. Insp. 6
Flow- Pause
phase

Abb. 6.6  Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei volumenkontrollierter Beatmung mit PEEP und konstantem Flow. [A400]
126 6  Maschinelle Beatmung

Druck
Insp. Pplat
Pause

plat. max.
(konfigu-
rierbar)
PEEP Zeit
Insp. Exsp. Insp. Exsp.
ohne max mit max Abb. 6.7 Druck-Flowdiagramm
Flow bei PLV. Sobald pmax erreicht ist,
reduziert der Respirator den Inspi-
rationsflow, um einen weiteren
Anstieg des Beatmungsdrucks zu
Zeit verhindern. Solange die Beat-
mungsdruckkurve am Ende der
Inspiration noch ein kurzes Pla-
teau zeigt, ist die Beatmung volu-
menkonstant. [A400]

(pmax) ein. Wird im Verlauf der Inspiration diese Ablauf eines Atemzyklus bei druckkontrollierter
Drucklimitierung erreicht, reduziert der Respirator Beatmung
den Inspirationsflow, um einen weiteren Anstieg des • Zu Beginn der Inspiration wird das eingestellte
Beatmungsdrucks zu vermeiden. Durch die Reduk­ Druckniveau rasch aufgebaut, d. h. die Lunge füllt
tion des Inspirationsflows verlängert sich die inspi­ sich mit Atemgas, das anfangs mit sehr hoher Ge­
ratorische Flowphase (›  Abb. 6.7) zu Lasten der schwindigkeit anflutet. Mit zunehmender Fül­
6 inspiratorischen Pausendauer (inspiratorische Pau­ lung der Lunge sinkt der Flow und letztlich
se › 6.2.1). strömt nur noch so viel Atemgas nach wie nötig
Kann das eingestellte Tidalvolumen auch mit dem ist, um den Druck bis zum Ende der eingestellten
verminderten Inspirationsflow nicht in der vorgege­ Inspirationszeit aufrechtzuerhalten. Daraus re­
benen Inspirationszeit (gesamte Inspirationszeit sultiert ein dezelerierender Flow (› Abb. 6.8).
einschließlich inspiratorischer Pause) verabreicht • Während der Exspiration strömt das Atemgas
werden, wird die Beatmung volumeninkonstant und aus der Lunge des Patienten. Bei Beatmung mit
der Respirator gibt Alarm. PEEP schließt das Exspirationsventil sobald der
eingestellte PEEP erreicht ist, bei Beatmung ohne
PEEP (im druckkontrollierten Modus sehr selten)
6.3.3  Druckkontrollierte Beatmung fällt der Druck auf den Atmosphärendruck ab. 
Ist das Ende der eingestellten bzw. errechneten
Exspirationszeit erreicht oder triggert der Pati­
DEFINITION
Druckkontrollierte Beatmung (pressure-controlled ent, beginnt die nächste Inspiration.
CMV, kurz PC-CMV): Kontrollierte Beatmung, bei der ein
am Beatmungsgerät eingestellter Druck aufgebaut und Beatmungsparameter, die am Respirator
während der gesamten Inspirationsdauer in der Lunge eingestellt werden müssen
aufrechterhalten wird. Der Flow ist anfänglich hoch und • Druckdifferenz (Differenz zwischen endexspira­
sinkt im Verlauf der Inspiration ab (dezelerierender Flow). torischem Druck [i. d. R. PEEP] und inspiratori­
Das Tidalvolumen resultiert insbesondere aus dem einge- schem Druckniveau). Die Druckdifferenz wird
stellten Druckniveau sowie der Compliance und Resis-
tance von Atemwegen und Lunge, ist aber auch von der
z. B. als Druckniveau über PEEP oder als Pinsp ein­
Inspirationsdauer abhängig. gestellt (dann PEEP von Pinsp abziehen, um Druck­
differenz zu erhalten). 
Je höher die Druckdifferenz ist, umso höher ist
das verabreichte Tidalvolumen. Angestrebt wird
6.3 Beatmungsformen 127

Abb. 6.8  Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei druckkontrollierter Beatmung mit PEEP. [A400]
6
der niedrigste notwendige Druck, um den Patien­ Parameter, die zusätzlich eingestellt werden
ten zu beatmen. Wichtige Kriterien sind z. B. der können
paO2 sowie der paCO2. Grundsätzlich sollte der • PEEP (› 6.2.4)
Beatmungsdruck nicht über 30–35 mbar (inkl. • Trigger
PEEP) liegen. Sollten höhere Drücke erforderlich • Flowanstiegszeit (› 6.2.2).
werden, ist eine permissive Hyperkapnie in Erwä­
gung zu ziehen. Meist liegt die Druckdifferenz bei Beatmungsgrenzwerte und Alarme
12–16 mbar über PEEP (Ozcenski 2012: 244). • Alarme für Minutenvolumen. Wichtige Überwa­
War der Patient zuvor volumenkontrolliert beat­ chungsfunktion bei druckkontrollierter Beat­
met, eignet sich der Plateaudruck als Richtwert mung (siehe unten). Einstellung bei Beatmungs­
für die Einstellung der Druckdifferenz. beginn ca. 20 % über und unter dem gewünsch­
• Atemfrequenz. Zielgröße ist auch hier der pCO2, ten Wert für das Atemminutenvolumen, später
meist beträgt die Atemfrequenz 8–18 Atemhübe dann abhängig von der Patientensituation (Fehl­
pro Minute. alarme vermeiden).Bei manchen Respiratoren
• Atemzeitverhältnis. Die Inspirationsdauer besteht können auch Grenzwerte für das Atemhubvolu­
bei PC-CMV nur aus der inspiratorischen Flowpha­ men (VT) eingestellt werden.
se. Das Einstellen einer inspiratorischen Pause ist • Obere Druckgrenze. Einstellung ca. 10 mbar über
nicht sinnvoll und daher an vielen Respiratoren auch dem eingestellten Druckniveau (möglichst <
nicht möglich, sobald im druckkontrollierten Mo­ 35 mbar) um hohe Spitzendrücke (z. B. beim
dus beatmet wird. Die Inspirationsdauer wird ent­ Husten des Patienten) zu vermeiden.
weder in Sekunden oder in % des Atemzyklus einge­ • Alarme für die Sauerstoffkonzentration. Häufig
stellt. Die Exspirationsdauer muss so lang sein, dass geräteseitig automatisch eingestellt, ansonsten
das Gas vollständig aus der Lunge strömen kann. 5 Vol.% über und unter dem eingestellten Wert
• Sauerstoffkonzentration. • Diskonnektionsalarm.
128 6  Maschinelle Beatmung

Vorteile und Nachteile der druckkontrollierten Sonderformen der druckkontrollierten Be­


Beatmung atmung: PRVC, IPPV Autoflow® und APV
Wesentlicher Vorteil der druckkontrollierten Beat­
mung ist der festgelegte Beatmungsspitzendruck. Die Beatmungsformen IPPV-Autoflow®, PRVC
Dadurch ist die Gefahr eines pulmonalen Volu- oder (pressure-regulated volume-controlled, d. h. druck­
Barotraumas geringer. Insbesondere in Kombina­ regulierte-volumenkontrollierte Beatmung, kurz
tion mit einem PEEP scheint die druckkontrollierte DRVK) und APV (adaptive pressure ventilation) sind
Beatmung für die Eröffnung und das Offenhalten druckkontrollierte Beatmungsformen, die sich da­
atelektatischer Lungenbereiche sehr günstig zu sein durch auszeichnen, dass der Beatmungsdruck inner­
(alveolar recruitment mit nachfolgender verbesser­ halb eingestellter Grenzen vom Respirator automa­
ter Oxygenierung › 6.8.1). Die druckkontrollierte tisch den aktuellen Lungenverhältnissen so angepasst
Beatmung ist daher die Beatmungsform der Wahl wird, dass ein eingestelltes Zieltidalvolumen erreicht
bei Lungenerkrankungen, insbesondere bei Erkran­ wird (PC-CMV mit adaptiver Steuerung von Atem­
kungen des Lungenparenchyms, z. B. ARDS, Lun­ zug zu Atemzug, um das Tidalvolumen zu erreichen).
genkontusion oder Pneumonie. Sie verbinden die Vorteile der druckkontrollierten
Zudem können durch druckkontrollierte Beat­ mit denen der volumenkontrollierten Beatmung.
mung Undichtigkeiten teilweise kompensiert wer­ Heute bieten fast alle Hersteller von Beatmungs­
den, z. B. am Tubus bei Beatmung mit Tubus ohne geräten eine solche Beatmungsform mit jeweils eige­
Cuff (vor allem bei Kindern) oder Luftlecks bei nem Namen an. Die Beatmungsformen unterschei­
Pneumothorax (› 2.3.4). den sich u. a. in der Art und Weise, mit der das
„Start-Druckniveau“ ermittelt wird.
Bei druckkontrollierter Beatmung ist das Tidalvolu-
men immer vom eingestellten Beatmungsdruck und der PRVC
6 Inspirationsdauer sowie von Compliance und Resis- Bei PRVC (realisiert an Respiratoren der Firma Ma­
tance der Lunge abhängig. Ändern sich die Lungenver- quet) wird zu Beginn der Beatmung ein Zieltidalvo-
hältnisse des Patienten (z. B. auch durch Umlagerung lumen vorgegeben. Der Respirator beginnt die Beat­
oder Bronchialsekret), so ändern sich auch die Tidalvo- mung mit einem Testatemzug: Beim Servo 300 ist der
lumina, d. h. bei akuter Veränderung kann das Tidalvo-
lumen rasch abfallen. Deshalb ist es bei druckkontrol-
Testatemzug ein druckkontrollierter Atemhub mit
lierter Beatmung sehr wichtig, das Atemminutenvo- 10 mbar Inspirationsdruck. Mit diesem Testatemzug
lumen genau zu überwachen und die Grenzwerte errechnet der Respirator den Inspirationsdruck, den
(insbesondere die untere AMV-Grenze) entsprechend er voraussichtlich benötigt, um das Zieltidalvolumen
einzustellen, um Veränderungen (Hyper- oder Hypoven- zu applizieren. Der nächste Atemhub ist dann ein
tilation) rasch zu bemerken. druckkontrollierter Atemhub mit dem errechneten
Inspirationsdruck, der notwendig ist, um 75 % des
An Respiratoren der neueren Generation ist die Atemzugs zu verabreichen. So wird stufenweise das
druckkontrollierte Beatmung zunehmend in einer notwendige Druckniveau erreicht. Beim Servo i®
Art BIPAPassist realisiert, d. h. der Beatmung liegt wird ein volumenkontrollierter Atemhub als Test­
vom Prinzip her eine BIPAP-Beatmung (›  6.3.6) atemzug verabreicht und der dabei ermittelte Pla­
zugrunde, bei der der Patient auf dem oberen Druck­ teaudruck als Startinspirationsdruck für den folgen­
niveau spontan dazuatmen kann. Im Gegensatz zum den Atemhub verwendet (bei diesem Gerät kann der
„echten“ BIPAP erfolgt jedoch der Wechsel vom Patient nach Ablauf der inspiratorischen Flowphase
oberen auf das untere Druckniveau unabhängig von auf dem oberen Druckniveau spontan dazuatmen).
den Atembemühungen des Patienten. Einatembe­ • Kann das Zieltidalvolumen mit diesem Inspira­
mühungen des Patienten auf dem unteren Druckni­ tions­druck nicht verabreicht werden, wird der In­
veau lösen eine maschinelle Inspiration, also einen spirationsdruck des nächsten Atemhubs um max.
Wechsel vom unteren auf das obere Druckniveau 3 mbar erhöht. Ist es auch mit diesem höheren In­
aus. spirationsdruck nicht möglich, das Zieltidalvolu­
men zu verabreichen, wird der Inspirationsdruck
6.3 Beatmungsformen 129

Abb. 6.9  Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei PRVC mit PEEP und Flowtrigger. Bei dieser Beatmungsform reguliert der Res- 6
pirator den Inspirationsdruck innerhalb gewisser Grenzen ständig, sodass er nur so hoch ist, dass das eingestellte Zieltidalvolumen
verabreicht werden kann (siehe Text). [A400]

des folgenden Atemhubs nochmals um max. Die am Respirator einzustellenden Beatmungspara­


3 mbar erhöht. Dies wiederholt sich solange, bis meter entsprechen denen der volumenkontrollier­
der Inspirationsdruck ausreicht, um das Zieltidal­ ten Beatmung. Das eingestellte Atemhub- bzw.
volumen zu verabreichen (› Abb. 6.9). Dabei Atemminutenvolumen entspricht dem Zieltidalvo­
wird jedoch aus Sicherheitsgründen der Inspira­ lumen bzw. Zielminutenvolumen.
tionsdruck bis auf max. 5 mbar unterhalb der obe-
ren Beatmungsdruckgrenze erhöht. Sobald diese IPPV Autoflow®
Grenze erreicht ist, verabreicht der Respirator Auch bei IPPV Autoflow® (realisiert an Respirato­
kleinere Atemhübe (d. h. er wird volumeninkons­ ren der Firma Dräger) wird ein Zieltidalvolumen
tant) und gibt Alarm. eingestellt und zunächst ein Testatemzug verab­
• Wird das Zieltidalvolumen überschritten (z. B. reicht. Dabei handelt es sich um einen volumenkon­
weil sich die pulmonale Situation des Patienten trollierten Atemhub. Der beim Testatemzug ermit­
bessert), vermindert der Respirator den Beat­ telte Plateaudruck (pplat) wird als Startwert gewählt,
mungsdruck schrittweise solange, bis wieder das d. h. der Inspirationsdruck des folgenden Atemhubs
eingestellte Zieltidalvolumen erreicht ist. entspricht dem zuvor ermittelten Plateaudruck. Im
weiteren Beatmungsverlauf wird der Inspirations­
Bei PRVC, IPPV Autoflow® und APV immer darauf achten, druck dann in Schritten von 3 mbar gesteigert oder
dass die obere Druckgrenze der Situation des Patien- verringert, um das Zieltidalvolumen zu verabrei­
ten angemessen eingestellt ist, da der Beatmungsdruck chen.
bei Bedarf bis auf Werte von 5  mbar unterhalb dieses Im Vergleich zu PRVC weist IPPV Autoflow® zwei
Drucks nachgeregelt wird. Besonderheiten auf:
130 6  Maschinelle Beatmung

• Ist das Zieltidalvolumen vor Ablauf der Inspirati­ onsweise ist jeweils der Gebrauchsanweisung zu ent­
onszeit verabreicht (d. h. der Flow ist innerhalb nehmen.
der Inspirationszeit auf 0 abgesunken), kann der
Patient in der verbleibenden Inspirationszeit BiPAP® (Bi-level positiv airway pressure) ist der Marken-
spontan atmen. Der Inspirationsdruck (Plateau­ name eines Heimbeatmungsgeräts der Firma Philips
druck) bleibt dabei erhalten. healthcare (› 10.3.4), das über die Funktion „inspirato-
• Eine Begrenzung des Tidalvolumens kann durch rische Druckunterstützung“ verfügt, d. h. BiPAP® hat
die Alarmgrenze Vti erreicht werden, bei Über­ nichts mit der Beatmungsform BIPAP zu tun.
schreiten wird vor Ende der Inspiration auf das
PEEP Niveau umgeschaltet. Der Anwender stellt am Respirator die beiden Druck­
Wie bei PRVC wird auch bei IPPV Autoflow® der In­ niveaus (oberes Druckniveau entspr. pinsp. oder phoch.
spirationsdruck auf max. 5 mbar unterhalb der obe­ und unteres Druckniveau entspr. pexsp. oder PEEP)
ren Druckgrenze (paw) angehoben. Bei Überschrei­ und die Zeitspannen ein, in denen das obere bzw. un­
ten dieser Grenze gibt der Respirator Alarm. tere Druckniveau jeweils gehalten werden soll (tinsp
für oberes Druckniveau und texsp für unteres Druck­
APV niveau. Alternativ werden an manchen Respiratoren
Bei APV (realisiert an Respiratoren der Firma Ha­ tinsp und Beatmungsfrequenz eingestellt, die Zeit für
milton medical) wird ein Zielminutenvolumen ein­ das untere Druckniveau errechnet sich daraus).
gestellt bzw. ergibt sich aus der eingestellten Beat­
mungsfrequenz und dem eingestellten Tidalvolu­
Ablauf der Beatmung bei BIPAP
men.
Dann werden zunächst 2–5  Testatemzüge verab­ • Mit dem Wechsel vom unteren auf das obere
reicht. Im weiteren Verlauf variiert der Respirator Druckniveau strömt Luft in die Lunge des Patien­
6 den Inspirationsdruck um jeweils ± 2 mbar, um das ten (dieser Vorgang entspricht der Inspiration
Zieltidalvolumen zu erreichen. Der Inspirations­ bei der druckkontrollierten Beatmung › 6.3.3).
druck wird dabei auf maximal 10 mbar unterhalb der Wie bei der druckkontrollierten Beatmung hängt
oberen Druckgrenze angehoben. Die weiteren Ein­ es von der Höhe der Druckdifferenz (Differenz
stellungen am Respirator entsprechen denen bei vo­ zwischen endexspiratorischem und inspiratori­
lumenkontrollierter Beatmung (› 6.3.1). APV kann schem Druck) und dem Zustand der Lunge ab,
einer druckkontrollierten oder SIMV-druckkontrol­ mit wie viel Luft sich die Lunge dabei füllt. Der
lierten (PCV-SIMV) Beatmung zugeschaltet werden. Respirator hält den eingestellten oberen Druck
(pinsp) für den eingestellten Zeitraum (tinsp) auf­
recht. Während dieser Zeit kann der Patient auf
6.3.4 BIPAP diesem Druckniveau spontan atmen.
• Ist die Zeitdauer für das obere Druckniveau abge­
DEFINITION laufen, schaltet der Respirator auf das untere
BIPAP (biphasic positive airway pressure): Beatmung Druckniveau (pexsp) um. Dadurch strömt Luft aus
mit zeitgesteuertem Wechsel zwischen zwei Druckni- der Lunge. Der Respirator hält nun das untere
veaus. Auf beiden Druckniveaus ist Spontanatmung mög- Druckniveau für die eingestellte Zeitdauer auf­
lich (› Abb. 6.10). recht. Während dieser Zeit kann der Patient
spontan atmen. Nach Ablauf der Zeitdauer für
Fast alle Gerätehersteller haben an ihren Respirato­ das untere Druckniveau schaltet der Respirator
ren Beatmungsformen realisiert, die dem BIPAP wieder auf das obere Druckniveau um.
sehr ähnlich sind, jedoch andere Bezeichnungen tra­ Der Wechsel zwischen oberem und unterem Druck­
gen und sich in Details unterscheiden. So ist z. B. bei niveau erfolgt jeweils synchronisiert, d. h. der Respi­
manchen Geräten das Einstellen einer Druckunter­ rator registriert die Inspirations- bzw. Exspirations­
stützung sowohl auf dem unteren als auch auf dem bemühungen des Patienten und leitet die Inspirati­
oberen Druckniveau möglich. Die genaue Funkti­ on (Wechsel vom unteren auf das obere Druckni­
6.3 Beatmungsformen 131

veau) bzw. die Exspiration (Wechsel vom oberen auf am Ende das obere Druckniveau dem unteren
das untere Druckniveau) entsprechend ein. Ausnah­ entspricht bzw. die Frequenz bei 0 liegt, ent­
me: Bei BIPAPassist (entspricht der klassischen PC- spricht BIPAP einer CPAP-Atmung (ggf. mit in­
CMV › 6.3.3) erfolgt der Wechsel vom hohen auf spiratorischer Druckunterstützung).
das tiefe Druckniveau nicht synchron zur Exspirati­ Damit ist es abhängig von der Geräteeinstellung
on des Patienten. möglich, mit BIPAP einen fließenden Übergang zwi­
Die meisten Patienten atmen hauptsächlich auf schen einer kontrollierten Beatmung und der CPAP-
dem unteren Druckniveau spontan, nur selten findet Atmung zu schaffen, d. h. die Invasivität der Beat­
auch auf dem oberen Druckniveau eine Spontanat­ mung ist bei BIPAP stufenlos regelbar.
mung statt. Die Spontanatmung auf dem unteren
Druckniveau kann erleichtert werden indem eine Sonderform BIPAP-APRV
inspiratorische Druckunterstützung (›  6.3.7) zu­ Bei BIPAP-APRV (BIPAP-airway pressure release
geschaltet wird (dann wird die Beatmung auch ventilation, d. h. intermittierende Druckreduktion)
­BIPAP-ASB genannt). atmet der Patient spontan auf dem hohen Druck­
niveau (phoch). Dieses hohe Druckniveau wird
Das hohe Druckniveau ist ein absoluter Druck (d. h. 5–15 mal pro Minute auf ein niedriges Niveau (ptief)
einschließlich eines PEEP), eine evtl. zugeschaltete Druck- abgesenkt. Die Zeiten für die jeweiligen Druckni­
unterstützung ist ein relativer Druck (d. h. unabhängig veaus sind frei wählbar, die Beatmungsfrequenz re­
vom PEEP). Ist z. B. ein pInsp von 10 mbar eingestellt und sultiert aus den eingestellten Zeiten. Übliche Einstel­
ein PEEP von 5 mbar, so beträgt der effektive Druck für lungen für die ttief sind 0,5–1,5 Sekunden, in der Zeit
die Beatmung 5 mbar. Derselbe Druck wird erreicht wenn thoch sollten ca. 3 Atemzüge möglich sein. Die kurz­
ein ASB von 5 mbar eingestellt ist.
zeitige Druckentlastung erfolgt abhängig von den
eingestellten Zeiten (nicht patientensynchron) und
Abhängig von der Einstellung des Respirators und soll eine verstärkte CO2-Abatmung bewirken. In den 6
der Spontanatmung des Patienten stellt BIPAP un­ „langsamen Lungenabschnitten“ (Lungenabschnit­
terschiedliche Beatmungsformen dar: te, die sich erkrankungsbedingt langsamer füllen
• Atmet der Patient weder auf dem oberen noch und entleeren als gesunde Lungenareale) kann das
auf dem unteren Druckniveau spontan und sind Gas in dieser kurzen Zeit nicht ausströmen, sodass
sowohl die Beatmungsfrequenz als auch das obe­ ein Intrinsic PEEP entsteht, der zu einer verbesser­
re Druckniveau relativ hoch eingestellt, so ent­ ten Oxygenierung führt (Ozcenski 2012). Die Höhe
spricht BIPAP einer druckkontrollierten Beat­ der jeweiligen Drücke richtet sich nach den Lungen­
mung (› 6.3.3). verhältnissen des Patienten.
• Ist die Zeitdauer für das obere Druckniveau ge­
nauso lange oder länger als die Zeit für das untere
Beatmungsparameter bei BIPAP
Druckniveau, so handelt es sich um Inversed ra-
tio BIPAP (kurz IR-BIPAP, d. h. BIPAP mit um­ Beatmungsparameter, die eingestellt werden
gekehrtem Phasenzeitverhältnis. IRV › 6.3.1) müssen
• Atmet der Patient nur auf dem unteren Druckni­ • Oberes Druckniveau (phoch oder pinsp)
veau spontan, entspricht BIPAP einer druckkont­ • Unteres Druckniveau (PEEP oder ptief)
rollierten SIMV-Beatmung (SIMV-druckkontrol­ • Beatmungsfrequenz
liert oder PC-SIMV, › 6.3.5) • Atemzeitverhältnis bzw. tinsp und texsp
• Atmet der Patient auf beiden Druckniveaus spon­ • Inspiratorische Sauerstoffkonzentration
tan, entspricht BIPAP einer CPAP-Atmung auf • Trigger.
wechselnden Druckniveaus; dies wird auch als
genuiner (d. h. ursprünglicher bzw. echter) BI­ Beatmungsparameter, die eingestellt werden
PAP bezeichnet können
• Werden das obere Druckniveau und/oder die Be­ • Inspiratorische Druckunterstützung (› 6.3.7)
atmungsfrequenz mehr und mehr gesenkt, bis • Inspirationsanstiegszeit.
132 6  Maschinelle Beatmung

Druck
BIPAP mit Spontanatmung BIPAP mit Spontanatmung
auf dem unteren Druckniveau auf beiden Druckniveaus

oberes
Druckniveau
(p insp)

unteres
Druckniveau
(PEEP) Abb. 6.10 BIPAP. Der Patient
wird durch den regelmäßigen
Zeit Wechsel zwischen den beiden
Insp.zeit Exsp.zeit Insp.zeit Exsp.zeit
(t insp) (t exsp) (t insp) (t exsp) Druckniveaus beatmet und kann
auf beiden Druckniveaus spontan
atmen. [A400]

Beatmungsgrenzwerte und Alarme der eine gewisse Anzahl maschineller Atemhübe einge-
Die einzustellenden Beatmungsgrenzwerte und stellt und synchronisiert verabreicht wird. Zwischen den
Alarme entsprechen denen der druckkontrollierten maschinellen Atemzügen kann der Patient spontan at-
Beatmung (› 6.3.3). Zusätzlich Überwachung der men (optional mit Druckunterstützung › 6.3.7). Früher
Atemfrequenz (Hechelüberwachung). häufig eingesetzt im Rahmen der Respiratorentwöhnung
(› 6.11).

6 Vorteile und Nachteile von BIPAP


Ablauf der Beatmung bei SIMV
BIPAP ist aufgrund seiner Variabilität für fast alle
Patienten geeignet und kann häufig von Beginn der Bei SIMV wechseln sich maschinelle Atemzüge und
Beatmung bis zum Abschluss der Respiratorent­ Spontanatmungsphasen ab, d. h. nach einem ma­
wöhnung eingesetzt werden, d. h. ein Umsteigen auf schinellen Atemzug folgt jeweils eine bestimmte
eine andere Beatmungsform im Rahmen der Ent­ Zeit, in der der Patient spontan atmen kann. Dann
wöhnung ist nicht erforderlich. Ein wesentlicher folgt wieder ein maschineller Atemzug usw. Wie vie­
Vorteil ist, dass der Patient jederzeit spontan atmen le maschinelle Atemzüge pro Minute verabreicht
kann, d. h. die Atemmuskulatur bleibt aktiv. Durch werden ist abhängig von der eingestellten SIMV-
den Einsatz der Atemmuskulatur wird die Entwöh­ Frequenz.
nung beschleunigt. Gleichzeitig vermindert dies den
Bedarf an Sedativa. SIMV-Frequenz
BIPAP entspricht abhängig von der Geräteeinstel­ Wie viele maschinelle Atemzüge der Patient pro Mi­
lung und der Spontanatmung ganz unterschiedli­ nute bekommen soll wird am Respirator am Regler
chen Beatmungsformen (siehe oben), deren Vor- für die SIMV-Frequenz eingestellt. Darüber hinaus
und Nachteile jeweils bei den einzelnen Beatmungs­ muss der Anwender festlegen, ob die maschinellen
formen ausgeführt sind. Atemzüge volumenkontrolliert (SIMV-volumen­
kontrolliert, VC-IMV) oder druckkontrolliert verab­
reicht werden (SIMV-druckkontrolliert [PC-IMV],
6.3.5 SIMV kann auch mit den Sonderformen der druckkontrol­
lierten Beatmung erfolgen, z. B. als SIMV-PRVC
DEFINITION ›  6.3.3). Mit diesen Einstellungen ist festgelegt,
SIMV (synchronized intermittend mandatory ventilation, wie oft und in welchem Modus der Respirator ma­
synchronisierte intermittierende maschinelle Beatmung; schinelle Atemzüge verabreicht. Darüber hinaus ist
nach Chatburn lediglich IMV › Tab. 6.3): Beatmung, bei mit der SIMV-Frequenz festgelegt, wie lange ein ein­
6.3 Beatmungsformen 133

Druck SIMV-Zyklus
Spontanatmungs-
SIMV-Periode periode

Flow

Volumen

Abb. 6.11  Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei SIMV-volumenkontrolliert mit Drucktrigger. [A400]
6
zelner SIMV-Zyklus dauert. Teilt man eine Minute mühungen die Triggerschwelle erreicht hat. Um
durch die eingestellte SIMV-Frequenz, ergibt sich dies technisch zu ermöglichen, beginnt jede
die Zeitdauer des SIMV-Zyklus SIMV-Periode mit einer Zeit, in der der Respira­
SIMV ‐ Zyklus (in Sek.) = 60 Sek. : SIMV ‐ Frequenz tor auf Einatembemühungen des Patienten war­
tet (diese Zeitspanne wird als Erwartungszeitfens-
Da bei SIMV immer eine gewisse Anzahl maschineller
ter bezeichnet):
Atemhübe verabreicht werden, erhält der Patient ein – Triggert der Patient im Erwartungszeitraum,
mehr oder weniger großes „Mindest-AMV“. Dieses ist folgt auf den Trigger der maschinelle Atemzug
umso größer, je höher die SIMV-Frequenz und je größer – Triggert der Patient im Erwartungszeitraum
der präformierte Atemhub ist (Tidalvolumen bei SIMV- nicht, folgt der maschinelle Atemzug unmittel­
volumenkontrolliert/Beatmungsdruck bei SIMV-druck- bar nach Ablauf der Erwartungszeit.
kontrolliert). • Einer Spontanatemphase. In dieser Zeit kann
der Patient spontan atmen, d. h. Atemfrequenz,
SIMV-Zyklus Tidalvolumen und Atemzeitverhältnis selbst be­
Ein SIMV-Zyklus (› Abb. 6.11 und › Abb. 6.12) stimmen. Ist am Respirator ein PEEP eingestellt,
besteht aus: so ist dieser auch während der Spontanatempha­
• Einer SIMV-Periode, in der der Respirator den se wirksam (die Spontanatemphase entspricht
maschinellen Atemzug verabreicht. Dieser Atem­ dann der CPAP-Atmung). Häufig wird zusätzlich
zug ist präformiert, d. h. es handelt sich um einen eine inspiratorische Druckunterstützung
(volumen- oder druck-)kontrollierten Atemzug (› 6.3.7) eingestellt, um die Spontanatmung des
(› 6.3.2 und›  6.3.3), und wird vom Respira­ Patienten zu unterstützen. Dies soll erhöhte
tor synchronisiert verabreicht (daher auch die Be­ Atemwiderstände durch das Beatmungsschlauch­
zeichnung SIMV), d. h. die Inspiration beginnt je­ system und den Tubus ausgleichen und die Ent­
weils dann, wenn der Patient durch Einatembe­ wöhnung vom Respirator erleichtern.
134 6  Maschinelle Beatmung

SIMV-Zyklus SIMV-Zyklus

SIMV-Periode Spontanatmungsphase SIMV-Periode

Abb. 6.12  Druck-Flowdiagramm bei SIMV-druckkontrolliert (PCV-SIMV) mit Druckunterstützung und Flowtrigger. [A400]

Wie lange die SIMV-Periode und das Erwartungszeit- • Tidalvolumen (bei SIMV-volumenkontrolliert)
6 fenster dauern, hängt neben der eingestellten SIMV- oder Beatmungsdruck (bei SIMV-druckkontrol­
Frequenz auch vom verwendeten Respirator ab. So ist z. B. liert)
beim Respirator Evita  4 (Fa. Dräger) das Erwartungs­ • Sauerstoffkonzentration
zeitfenster immer 5  Sek. lang, während bei den Servo­ • Trigger.
ventilatoren (Fa. Maquet, › 7.4.5) die Dauer des Erwar-
tungszeitfensters entweder über die Beatmungsfrequenz
(CMV-Frequenz) geregelt wird oder 90 % des SIMV-­ Beatmungsparameter die zusätzlich eingestellt
Zyklus beträgt. Wichtig ist daher die genaue Kenntnis werden können
der  Funktionsweise der einzelnen Respiratoren, um die • PEEP
für den Patienten optimale Einstellung vornehmen zu • Inspiratorische Druckunterstützung
können. • Inspirationsanstiegzeit.

Beatmungsgrenzwerte und Alarme


Beatmungsparameter bei SIMV Bei SIMV-volumenkontrolliert (VC-IMV) entspre­
chen die Beatmungsgrenzwerte und Alarme denen
Beatmungsparameter, die eingestellt werden bei der volumenkontrollierten Beatmung (› 6.3.2),
müssen bei SIMV-druckkontrolliert (PC-IMV) entsprechen
• SIMV-Modus (z. B. SIMV-volumenkontrolliert sie denen der druckkontrollierten Beatmung
[VC-IMV], SIMV-druckkontrolliert [PC-IMV] (› 6.3.3). Bei Patienten in der Entwöhnung kann es
oder SIMV-PRVC [PC-IMV mit adaptiver Steue­ notwendig sein, den Grenzwert für das obere Atem­
rung]) minutenvolumen zu erhöhen, da die Patienten wäh­
• SIMV-Frequenz und/oder Beatmungsfrequenz rend der Entwöhnung oft unregelmäßig atmen und
(je nach Respirator) zeitweise hyperventilieren. Zusätzlich bei beiden
• Atemzeitverhältnis (regelt den zeitlichen Ablauf Formen der SIMV die obere Atemfrequenzgrenze
der maschinellen Atemhübe) (Hechelüberwachung) einstellen.
6.3 Beatmungsformen 135

Vorteile und Nachteile von SIMV • Bei zu hoher Druckunterstützung und zu hoher
SIMV-Frequenz kann es zu einer Hyperventilati-
Im Gegensatz zur kontrollierten Beatmung on kommen.
(› 6.3.1) wird bei SIMV nicht bei jeder Einatembe­ • SIMV verlängert die Respiratorentwöhnung
mühung des Patienten ein präformierter Atemhub (Weaning › 6.11) im Vergleich zu druckunter­
verabreicht, sondern alle Atemzüge, die über der stützter Beatmung oder BIPAP (Ozcenski 2012).
SIMV-Frequenz liegen, sind spontane (bzw. druck­
unterstützte, falls Druckunterstützung eingestellt Werden die kontrollierten Hübe bei der SIMV-Beatmung
ist) Atemzüge. Damit kann der Patient besser seinen volumenkontrolliert verabreicht (konstanter Flow) und
Bedürfnissen entsprechend atmen. die Spontanatmung des Patienten mit Druckunterstüt-
zung kombiniert (dezelerierender Flow), haben die Pati-
Die Invasivität der Beatmung resultiert bei SIMV
enten oft Probleme, sich zu adaptieren. Abhilfe schafft
aus der Einstellung der SIMV-Frequenz: Bei einer das Übergehen auf eine druckkontrollierte SIMV-Beat-
hohen SIMV-Frequenz (z. B. 12/Min.) übernimmt mung, da dabei die mandatorischen Atemhübe druck-
der Respirator nahezu 100 % der Atemarbeit, bei kontrolliert verabreicht werden und damit denselben
niedriger SIMV-Frequenz (z. B. 5/Min.) liegt die Flowverlauf (dezelerierend) haben wie druckunterstütz-
Atemarbeit überwiegend beim Patienten. te Spontanatemzüge (Druck-, Flow-, Volumendiagramm
bei druckkontrollierter Beatmung › Abb. 6.8, bei inspi-
ratorischer Druckunterstützung › Abb. 6.13)
Vorteile
• Das Maß der Unterstützung kann abhängig vom
Patientenzustand eingestellt werden.
• Eine langsame Reduzierung der Beatmungsinva­ 6.3.6 VC-MMV
sivität und damit eine kontinuierliche Entwöh­
nung ist möglich. DEFINITION
• Mittels Veränderung der SIMV-Frequenz ist ein VC-MMV (Volume Control Mandatory Minute Ventilati- 6
fließender Übergang zu mehr bzw. weniger Beat­ on, d. h. mandatorische Minutenventilation oder Mini-
mungsinvasivität möglich (z. B. Erhöhung der mum Minute Ventilation, d. h. Mindest-Minutenventilati-
SIMV-Frequenz nachts und Reduktion der on; ältere Bezeichnung: MMV): (Be-)Atmung, bei der ein
wählbares Atemminutenvolumen garantiert ist. Falls der
SIMV-Frequenz tagsüber). Patient nicht durch Spontanatmung das eingestellte AMV
• Ein gewisses Mindest-Minutenvolumen ist ga­ erreicht, werden maschinelle Atemzüge verabreicht.
rantiert (kann aber abhängig von der Einstellung Kann kombiniert werden mit inspiratorischer Druckunter-
im Fall einer Apnoe zu gering sein!). stützung (› 6.3.7). Insgesamt selten eingesetzt.
• Der Bedarf an Sedativa ist i. d. R. niedriger als bei
kontrollierter Beatmung.
Der Anwender stellt am Respirator das zu erzielende
Nachteile Mindest-Minutenvolumen ein (Beatmungsfrequenz
• Bei hoher SIMV-Frequenz ist die Beatmung sehr und Tidalvolumen) ggf. auch eine inspiratorische
invasiv. Druckunterstützung.
• In der Spontanatmungsperiode besteht die Ge­
fahr, dass der Patient hechelt (hohe Atemfre­
Ablauf der Beatmung bei MMV
quenz und geringes Tidalvolumen).
• Atmet der Patient während der Spontanatempe­ Der Patient hat die Möglichkeit spontan zu atmen,
riode gar nicht, erhält er nur das über die maschi­ evtl. wird die Spontanatmung durch eine inspirato­
nellen Atemhübe verabreichte Mindest-Minuten­ rische Druckunterstützung erleichtert.
volumen. Ist dieses nur sehr gering, z. B. 2 l/Min. • Erreicht der Patient mit seiner Spontanatmung das
bei einer SIMV-Frequenz von 5/Min. und einem eingestellte Atemminutenvolumen oder liegt sein
Tidalvolumen von 400 ml, kann es rasch zur Hy- spontanes Minutenvolumen über dem eingestell­
poventilation kommen. ten, überwacht der Respirator im weiteren Verlauf
lediglich die Spontanatmung des Patienten.
136 6  Maschinelle Beatmung

• Ist die Spontanatmung des Patienten nicht ausrei­ werden keine maschinellen Atemzüge verabreicht,
chend, d. h. das spontane AMV des Patienten liegt wenn der Patient ausreichend selbstständig atmet),
unter dem eingestellten AMV, gleicht der Respira­ im Bedarfsfall jedoch umgehend ein eingestelltes
tor die Differenz zwischen spontanem und einge­ Mindest-Minutenvolumen erhält. Nachteilig ist,
stelltem Minutenvolumen durch mandatorische, dass der Patient das eingestellte Mindest-Minuten­
volumenkontrollierte oder druckreguliert-volu­ volumen durch relativ oberflächliche Atmung errei­
menkontrollierte Beatmungshübe aus. chen kann (kleine Atemzüge und hohe Atemfre­
• Atmet der Patient überhaupt nicht spontan, werden quenz).
die maschinellen Hübe mit der eingestellten Fre­
quenz verabreicht. Die mandatorischen Hübe kön­
nen auch druckbegrenzt (PLV › 6.3.2) oder als 6.3.7 Inspiratorische
PRVC-Atemhübe (› 6.3.3) verabreicht werden. Druckunterstützung

Beatmungsparameter bei MMV DEFINITION


Inspiratorische Druckunterstützung (PC-CSV, inspi-
Beatmungsparameter, die eingestellt werden ratory pressure support kurz IPS): Beatmung, bei der die
müssen Inspirationsluft mit einem vorgewählten Druckniveau ver-
• Beatmungsfrequenz und Tidalvolumen (daraus abreicht wird. Der Patient bestimmt Atemfrequenz, Tidal-
volumen und Atemzeitverhältnis.
resultiert das gewünschte und mindestens verab­ Zahlreiche, teils von den Herstellerfirmen der Beatmungs-
reichte AMV) geräte festgelegte Synonymbezeichnungen: Pressure
• Atemzeitverhältnis support ventilation (kurz PSV), assisted spontaneous
• Sauerstoffkonzentration breathing (kurz ASB), inspiratory flow assistance (kurz
• Gegebenenfalls Flow IFA), inspiratory help system (kurz IHS), druckunterstütz-
6 • Trigger. te Beatmung (kurz DU), Hilfsdruck (kurz HD) und Inspira-
tionshilfe (inspiratory help, kurz I-Help). Häufig zusätzlich
eingestellt bei SIMV (› 6.3.5) oder BIPAP (› 6.3.4).
Beatmungsparameter, die eingestellt werden
können
• PEEP Eine reine inspiratorische Druckunterstützung (d. h.
• Inspiratorische Druckunterstützung. Druckunterstützung ist nicht kombiniert mit SIMV
oder BIPAP) ist nur möglich bei ausreichendem
Beatmungsgrenzwerte und Alarme Atemantrieb des Patienten, d. h. der Patient muss
Die einzustellenden Beatmungsgrenzwerte und Alar­ triggern können. Diese Beatmungsform wird – ne­
me entsprechen denen der volumenkontrollierten ben der druckkontrollierten Beatmung – häufig bei
Beatmung (› 6.3.2). Darüber hinaus ist es bei MMV der nichtinvasiven Beatmung verwendet (› 6.4).
sehr wichtig, die Atemfrequenz sowie die Tidalvolu­ Die druckunterstützte Beatmung wird eingesetzt
mina engmaschig zu kontrollieren, da die Gefahr be­ bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz auf­
steht, dass der Patient das eingestellte Mindest-Minu­ grund von COPD oder Lungenödem. Darüber hin­
tenvolumen mit kleinen Atemzügen und hoher aus kommt sie häufig bei der Respiratorentwöhnung
Atemfrequenz erreicht, d. h. der Anteil der Totraum­ zur Unterstützung der geschwächten Atemmuskula­
ventilation am Minutenvolumen wäre sehr hoch. tur (Weaning › 6.11) zum Einsatz.
Dies steigert die Atemarbeit (› 1.2.1). Die an man­
chen Respiratoren verfügbare Hechelüberwachung
Ablauf eines Atemzyklus bei
dient dazu, diese Gefahr rechtzeitig zu erkennen.
inspiratorischer Druckunterstützung
Sobald der Patient triggert (d. h. die Triggerschwelle
Vorteile und Nachteile von MMV
erreicht), strömt das Inspirationsgas mit einem
Von Vorteil ist, dass der Patient weitgehend selbst­ wählbaren Druckniveau in den Patienten. Abhängig
ständig atmen kann (im Vergleich zu SIMV z. B. von der Höhe des Druckniveaus und den Lungen­
6.3 Beatmungsformen 137

Druck mungssystem (z. B. defekter Cuff, undichte Beat­


druckunterstützt mungsmaske), da hier der Inspirationsflow oft
über PEEP nicht unter die „Umschaltgrenze“ absinkt. Bei
PEEP Servoventilatoren 300 kann die Zeitdauer über
Zeit
Flow die CMV-Frequenz variabel eingestellt werden
(nach 80 % des eingestellten Zyklus schaltet das
Gerät um). Beim Servo i® Umschaltung nach
2,5 Sekunden.
Zeit • Druckgesteuerte Umschaltung: Sobald ein ge­
wisses Druckniveau (z. B. 2 mbar über dem ein­
Trig. Trig. Trig. Trig. gestellten Druckniveau) oder die obere Druck­
grenze erreicht ist, schaltet der Respirator um auf
Abb. 6.13  Druck-Flowdiagramm bei inspiratorischer Druck-
unterstützung mit PEEP und Flowtrigger. [A400]
Exspiration. Dies ist z. B. häufig der Fall wenn der
Patient hustet.
verhältnissen des Patienten strömt mehr oder weni­ Darüber hinaus existieren weitere firmenspezifische
ger Luft in die Lunge des Patienten. Somit bestimmt Umschaltmechanismen, auf die hier jedoch nicht
der Patient die Atemfrequenz und z. B. durch tiefes näher eingegangen werden kann. Detaillierte Infor­
Einatmen die Größe des Tidalvolumens. Da das ein­ mationen dazu entnehmen Sie bitte den Betriebsan­
gestellte Druckniveau gleich nach Beginn der Inspi­ leitungen der jeweiligen Geräte.
ration bzw. nach Ablauf der Inspirationsanstiegszeit
erreicht wird, resultiert ein dezelerierender Flow.
Einstellen der inspiratorischen
Während der Exspiration fällt der Druck auf den At­
Druckunterstützung
mosphärendruck bzw. das PEEP-Niveau ab (i. d. R.
ist die inspiratorische Druckunterstützung mit ei­ Die Höhe der Druckunterstützung richtet sich nach 6
nem PEEP kombiniert). der Patientensituation. Grundsätzlich gilt: Je höher
die inspiratorische Druckunterstützung eingestellt
Umschaltung von Inspiration auf Exspiration ist, desto weniger Atemarbeit muss der Patient
Wann der Respirator von Inspiration auf Exspirati­ selbst leisten.
on umschaltet variiert abhängig vom Geräteherstel­ Wichtigstes Kriterium bei der Einstellung der in­
ler und Respiratortyp. Bei den meisten Geräten ist spiratorischen Druckunterstützung ist das Tidalvo-
der Inspirationsflow das entscheidende Kriterium: lumen: Die Druckunterstützung wird so hoch ge­
• Flowgesteuerte Umschaltung: Sobald der Inspi­ wählt, dass die Atemzüge des Patienten ausreichend
rationsflow einen gewissen Wert unterschreitet, groß sind. In der Regel wird ein Unterstützungs­
schaltet der Respirator auf Exspiration um druck zwischen 8–15 mbar benötigt.
– Dieser Wert kann absolut sein, z. B. 2–6 l/Min.
– Der Wert kann aber auch relativ sein, d. h. ein • Das inspiratorische Druckniveau ist der Druck, der
gewisser Prozentsatz vom Spitzenflow (z. B. während der Inspiration in der Lunge erreicht wird,
25 %). Bei manchen Geräten ist dieser Wert d. h. effektive Druckunterstützung plus PEEP.
nicht variabel, bei manchen lässt er sich ein­ • Bei manchen Respiratoren wird die Druckunterstüt-
stellen (z. B. als endinspiratorischer Zyklus zung über PEEP eingestellt und stellt damit auch die
zwischen 0–70 % am Servo i®). effektive Druckunterstützung dar.
• Bei manchen Respiratoren wird die Druckunterstüt-
• Zeitgesteuerte Umschaltung: Dies ist meist ein zung inkl. PEEP eingestellt, d. h. die effektive Druckun-
zusätzliches Umschaltkriterium, das der Patien­ terstützung entspricht der eingestellten Druckunter-
tensicherheit dient. Sobald eine gewisse Inspirati­ stützung abzüglich des PEEP.
onsdauer überschritten ist (gebräuchlich sind
z. B. 4 Sek.) schaltet der Respirator unabhängig
von anderen Kriterien auf Exspiration um. Dies Nur eine Druckunterstützung über 5–10 mbar wirkt
ist vor allem wichtig bei Undichtigkeiten im Beat­ sich positiv auf die Atmung des Patienten aus. Ge­
138 6  Maschinelle Beatmung

ringere Druckniveaus werden kaum wirksam, da sie tierende Atemminutenvolumen, um eine Hypo-
erforderlich sind, um die Strömungswiderstände der oder Hyperventilation, eine Hechelatmung oder gar
Beatmungsschläuche sowie des Tubus bzw. der Tra­ eine Apnoe rechtzeitig erkennen zu können.
chealkanüle zu kompensieren. Atmet also z. B. ein • Die Beatmungsfrequenz und die Tidalvolumi-
intubierter oder tracheotomierter Patient mit einer na sollten im physiologischen Bereich liegen.
Druckunterstützung von 8  mbar, kann man davon Eine sehr niedrige Frequenz (< 6–8/Min.) und
ausgehen, dass seine Atemarbeit der einer Spontan- hohe Tidalvolumina sprechen für eine zu hohe
bzw. CPAP-Atmung (bei eingestelltem PEEP) ent­ Druckunterstützung, eine hohe Frequenz mit
spricht, da die Druckunterstützung lediglich die niedrigen Tidalvolumina für eine zu niedrige
Strömungswiderstände kompensiert. Dieses gilt Druckunterstützung. Patienten mit einer hohen
nicht, wenn der Respirator über eine Tubuskompen­ Atemfrequenz und hohen Tidalvolumina sind
sation (› 7.3) verfügt. oft auch sehr unruhig und ängstlich. Ihnen soll­
te ihre Situation einfühlsam erläutert werden.
Reicht das alleine nicht aus, um die Unruhe
Beatmungsparameter bei
bzw. Angst des Patienten zu mindern ist ggf.
druckunterstützter Beatmung
auch die Gabe von Sedativa erforderlich. Hat
Beatmungsparameter, die eingestellt werden das keinen Erfolg, ist eine druckunterstützte
müssen Beatmung für diesen Patienten evtl. nicht ge­
• Inspiratorisches Druckniveau eignet.
• Trigger • Zusätzlich wird immer die obere Druckgrenze
• Sauerstoffkonzentration eingestellt, damit eine Inspiration im Bedarfsfall
• Gegebenenfalls Atemfrequenz (definiert die Zeit­ unterbrochen wird und keine zu hohen Beat­
dauer eines Atemzyklus, die an manchen Respi­ mungsdrücke entstehen können, z. B. wenn der
6 ratoren Kriterium für die zeitgesteuerte Umschal­ Patient hustet.
tung ist). Da viele Respiratoren im Fall einer Apnoe die „Back-
up-Ventilation“ (Apnoe-Beatmung › 6.3.10) akti­
Beatmungsparameter, die eingestellt werden vieren, muss diese dem Patienten entsprechend ein­
können gestellt werden.
• PEEP. Wird i. d. R. zusätzlich eingestellt (PEEP-
Niveau meist 5–8 mbar)
Vorteile und Nachteile der
• Flowhöhe in % des Spitzenflows, bei der das Ge­
druckunterstützten Beatmung
rät von Inspiration auf Exspiration umschaltet
• Inspirationsanstiegszeit (› 6.2.2) kann bei man­ Vorteile
chen Beatmungsgeräten auch hier eingestellt • Der Patient steuert die Beatmung im Wesentli­
werden. Bei langer inspiratorischer Anstiegszeit chen selbst
kann der Patient Luftnot verspüren, da das Gas • Der Bedarf an Sedativa ist i. d. R. sehr niedrig
zu langsam anflutet. Bei zu kurzer inspiratori­ • Die Atemmuskulatur bleibt aktiv
scher Anstiegszeit kann die Inspiration zu früh • Die Atemarbeit wird verringert (je höher die
abgebrochen werden, da die Schwelle für die Druckunterstützung desto geringer die Atemar­
flowgesteuerte Umschaltung (siehe oben) noch beit)
während der Inspiration des Patienten erreicht • Der mittlere Atemwegsdruck ist relativ niedrig,
wird. Eine gute Beobachtung und – sofern mög­ daher sind die Nebenwirkungen der Beatmung
lich – Kommunikation mit dem Patienten ist des­ weniger ausgeprägt
halb sehr wichtig. • Eine druckunterstützte Beatmung kann auch
non­invasiv, d. h. über eine Gesichts- oder Nasen­
Beatmungsgrenzwerte und Alarme maske vorgenommen werden (noninvasive Ven­
Eingestellt werden die Grenzwerte für die Atemfre­ tilation, kurz NIV › 6.4).
quenz und das Tidalvolumen bzw. das daraus resul­
6.3 Beatmungsformen 139

Nachteile Der erste Atemzug des Patienten ist ein Testatemzug


• In der Akutphase einer Erkrankung ist eine mit 5 oder 10  mbar Druckunterstützung (je nach
druckunterstützte Beatmung oft nicht geeignet, Softwareversion). Die weitere (Be-)Atmung verläuft
etwa weil der Patient sediert und evtl. auch rela­ dann wie die oben beschriebene konventionelle
xiert werden muss, um den Sauerstoffverbrauch druckunterstützte Beatmung. Wesentliche Unter-
zu senken. schiede sind:
• Ändern sich die Lungenverhältnisse oder das • Der Respirator passt die Höhe der Druckunter­
Spontanatmungsverhalten wesentlich, muss dies stützung laufend den aktuellen Erfordernissen
von den Pflegenden erkannt und die Druckunter­ an, d. h. der Unterstützungsdruck wird in Schrit­
stützung angepasst werden. ten von max. 3 mbar (zwischen den einzelnen
• Manche (vor allem ältere) Respiratoren starten Atemzügen) gesenkt oder angehoben. Der maxi­
im Fall einer langsamen oder aussetzenden At­ male Unterstützungsdruck liegt bei 5 mbar unter
mung keine „Back-up-Ventilation“ (Apnoe-Beat­ der eingestellten oberen Druckgrenze.
mung), d. h. es kann rasch eine Hypoventilation • Bleibt die Atemfrequenz des Patienten unter der
oder Apnoe entstehen, die nur dann umgehend eingestellten Atemfrequenz und übersteigt das
erkannt werden kann, wenn die untere Alarm­ spontane Minutenvolumen das eingestellte AMV,
grenze für das AMV bzw. die Atemfrequenz ent­ d. h. die Tidalvolumina sind höher als eingestellt,
sprechend eingestellt sind. reduziert der Respirator den Unterstützungs­
druck so lange, bis das eingestellte Minutenvolu­
men wieder erreicht ist.
Sonderformen der inspiratorischen
• Atmet der Patient mit einer höheren als der ein­
Druckunterstützung: VS, PPS und
gestellten Atemfrequenz, bleibt die Größe der Ti­
variable PS
dalvolumina gleich. Daraus resultiert eine Erhö­
VS hung des Minutenvolumens, ein Hecheln wird so 6
verhindert.
DEFINITION • Atmet der Patient mit einer niedrigeren Frequenz
Bei der (Be-)Atmungsform VS (Volume Support, d. h. vo- als der eingestellten, wird das Zieltidalvoumen
lumenunterstützte Beatmung) reguliert der Respirator die verabreicht, eine Hypoventialtion muss durch gut
Höhe der inspiratorischen Druckunterstützung automa- eingestellte Alarmgrenzen verhindert werden:
tisch innerhalb gewisser Grenzen.
– Beim Respirator Servo 300® errechnet der Re­
spirator auf der Basis des eingestellten Atem­
Realisiert ist VS an den Servo-Respiratoren (Fa. Ma­ minutenvolumens ein neues Zieltidalvolumen
quet), wobei Unterschiede zwischen den älteren und (dieses kann maximal 150 % des voreingestell­
den neueren Geräten bestehen. ten Tidalvolumens betragen, z. B. max. 750 ml
Beatmungsparameter, die eingestellt werden bei einem eingestellten Tidalvolumen von
müssen: 500 ml), um das eingestellte Atemminutenvo­
• Tidalvolumen lumen zu erreichen.
• Obere Druckgrenze – Beim Respirator Servo i® und u® wird lediglich
• Trigger die Höhe der Druckunterstützung nach den
• Sauerstoffkonzentration obigen Kriterien reguliert, eine Erhöhung des
• Gegebenenfalls Atemfrequenz. eingestellten Tidalvolumens um ein eingestell­
Beatmungsparameter, die eingestellt werden kön- tes Minutenvolumen zu erreichen erfolgt nicht
nen: mehr.
• PEEP. Wird i. d. R. zusätzlich eingestellt (PEEP- Im Fall einer Apnoe (> 20  Sek. bzw. einstellbar)
Niveau meist 5–8 mbar) schalten die Geräte auf PRVC-Beatmung um und ge­
• Inspirationsanstiegszeit (› 6.2.2). ben Alarm (druckkontrollierte Beatmung › 6.3.3).
140 6  Maschinelle Beatmung

PPS tance und die Elastance (bzw. Compliance) bekannt


sein. Im Fall einer Apnoe startet der Respirator eine
DEFINITION Apnoe-Beatmung.
Bei der (Be-)Atmungsform PPS (proportional pressure Die einzustellenden Beatmungsgrenzwerte und
support, auch proportional assist ventilation, kurz PAV Alarme entsprechen denen bei konventioneller ins­
oder proportional pressure ventilation, kurz PPV) variiert piratorischer Druckunterstützung. Wichtig ist au­
der Respirator die Höhe der inspiratorischen Druckunter-
stützung abhängig von den Einatembemühungen des
ßerdem eine Überwachung des Patienten auf Zei­
Patienten: Je größer die Einatembemühungen des Patien- chen einer Überkompensation, die sich vor allem in
ten desto höher die Druckunterstützung (positive Rück- sehr hohen Tidalvolumina zeigt.
kopplung).
Variable PS

Um diese Beatmungsform für den Patienten gut DEFINITION


­einzustellen sind die Kenntnis der Elastance (ent­ Bei der (Be-)Atmungsform variable PS (variable Druck-
spricht 1/Compliance › 1.2.1) sowie der Resistance unterstützung, auch noisy ventilation) variiert der Respi-
(› 1.2.1) notwendig. rator die Höhe der inspiratorischen Druckunterstützung
innerhalb vorgegebener Grenzen nach dem Zufallsprin-
Beatmungsparameter, die eingestellt werden zip.
müssen:
• Flowassist [mbar/l]. Dieser dient zur Kompensa­
tion der Resistance, die zu etwa 80 % kompensiert Die variable PS beruht auf der Tatsache, dass auch
werden sollte (d. h. es werden etwa 80 % des er­ beim Gesunden das Atemzugvolumen ständig va­
mittelten Resistance-Werts eingestellt). Bei ob­ riiert, was positive Effekte auf die Lungenfunktion
struktiven Lungenerkrankungen sollte die Ein­ haben soll. Sie ist realisiert an Respiratoren der Fa.
6 stellung erhöht werden. Dräger.
• Volassist [mbar/l/s]. Dieses dient zur Kompensa­ Beatmungsparameter, die eingestellt werden
tion der Elastance, die ebenfalls zu etwa 80 % müssen:
kompensiert werden sollte (d. h. Einstellung von • Inspiratorisches Druckniveau
ca. 80 % des ermittelten Elastance-Werts). Bei • Variation in % (0–100) des Druckniveaus
­restriktiven Lungenerkrankungen sollte die Ein­ • Trigger
stellung erhöht werden. • Sauerstoffkonzentration.
• Trigger Beatmungsparameter, die eingestellt werden kön-
• Sauerstoffkonzentration. nen:
Beatmungsparameter, die eingestellt werden kön- • PEEP. Wird i. d. R. zusätzlich eingestellt (PEEP-
nen: Niveau meist 5–8 mbar)
• PEEP. Wird i. d. R. zusätzlich eingestellt (PEEP- • Inspiratorische Anstiegszeit.
Niveau meist 5–8 mbar). Die Einstellung „Variation“ legt die Grenzen fest,
Der wesentliche Vorteil von PPS gegenüber der her­ innerhalb derer die tatsächliche Druckunterstü­
­
kömmlichen inspiratorischen Druckunterstützung zung liegt. Beispiele: Bei einer eingestellten Druck­
ist die variabel an die Einatembemühungen des Pa­ unterstützung von 10  mbar und einer Varianz
tienten angepasste Druckunterstützung, d. h. die Be­ von 50 % beträgt die Druckunterstützung zwischen
atmungsform passt sich besser an die Spontan­ 5–15 mbar, bei einer Varianz von 100 % liegt sie zwi­
atmung des Patienten an. Daraus resultiert ein hö­ schen 0 (entspricht i. d. R. dem PEEP-Niveau) und
herer Patientenkomfort, der mit einem geringeren 20  mbar. Dabei wird der Beatmungsmitteldruck
Bedarf an Sedativa einhergeht. Nachteilig sind die nicht über dem einer konventionellen druckunter­
Gefahr einer Überkompensation (auch als runaway stützten Beatmung mit 10 mbar liegen.
bezeichnet), die relativ zeitaufwendige Respirator­ Die Höhe der Druckunterstützung ist unabhängig
einstellung sowie die eingeschränkte Funktion bei von der Atemanstrengung des Patienten.
Leckagen des Systems. Zudem müssen die Resis­
6.3 Beatmungsformen 141

Die einzustellenden Beatmungsgrenzwerte und • Bei Demand-Flow-CPAP (an den meisten Inten­
Alarme entsprechen denen bei konventioneller in­ sivrespiratoren realisiert) stellt der Respirator
spiratorischer Druckunterstützung. den Inspirationsflow zur Verfügung, sobald das
CPAP-Niveau unterschritten wird (Demand-
Flow = angeforderter Flow; an manchen Respira­
6.3.8 CPAP toren sind über 200 l/Min. möglich). Sobald das
CPAP-Niveau überschritten wird stoppt der Re­
DEFINITION spirator den Flow.
CPAP (continuous positive airway pressure, d. h. konti- • Bei Flow-by-CPAP (z. B. an Bennett-Respirato­
nuierlicher positiver Atemwegsdruck, auch continuous ren) strömt auch während der Exspiration ein
positive pressure breathing, kurz CPPB): Spontanatmung kontinuierlicher Gasfluss (bis 20 l/Min.) durch
auf einem gegenüber dem Atmosphärendruck erhöhten das Schlauchsystem. Atmet der Patient aus diesem
Druckniveau.
Basisflow, erkennt das Gerät die Inspira­tions­
bemühung und schaltet auf den Inspira­tions­flow
Bei CPAP bleibt der Atemwegsdruck während des (Demand-Flow) um.
gesamten Atemzyklus im positiven Bereich, d. h. im
Gegensatz zur Spontanatmung schwankt der Atem­ CPAP-Geräte
wegsdruck nicht um Null, sondern um den einge­ Spezielle CPAP-Geräte (z. B. Dräger CF 800 › 7.5)
stellten positiven Druck (CPAP-Niveau ›  Abb. ermöglichen ein Continuous-Flow-CPAP, d. h.
6.14). Dieser positive Druck entspricht dem PEEP während In- und Exspiration fließt ein eingestell­
(›  6.2.4) und wird am Respirator meist auch am ter  Frischgasflow durch das System. Das Frischgas
PEEP-Regler eingestellt. wird in einem Reservoir bereitgehalten und der Flow
CPAP kann über einen Tubus, eine Trachealkanü­ auf etwa das 3-fache des AMV des Patienten einge­
le, eine dicht sitzende Gesichts- oder Nasenmaske stellt. Bei zu geringem Flow kann das CPAP-Niveau 6
(man spricht dann von Masken- oder Nasal-CPAP nicht über die gesamte Inspirationszeit gehalten
› 6.4.1), einen CPAP-Helm (› Abb. 6.16) oder – werden, bei zu hohem Flow wird die Ausatmung er­
selten – über Nasenoliven oder ein Mundstück ver­ schwert. Der PEEP (und damit das CPAP-Niveau)
abreicht werden. wird an einem Ventil im Exspirationsschlauch ein­
Voraussetzungen für den Einsatz von CPAP ist gestellt.
ein erhaltener Atemantrieb des Patienten sowie eine Einen ausreichend hohen Flow erkennt man an
ausreichende Atemmechanik. Massive Oxygenie­ nur geringen Druckschwankungen während der In-
rungsstörungen (FiO2 > 0,5) sollten nicht vorliegen. und Exspiration. Große Druckschwankungen sind
Insbesondere wenn spezielle CPAP-Geräte verwen­ ein Hinweis auf zu geringen Flow.
det werden, muss eine kontinuierliche Monitor­
überwachung sowie eine engmaschige Kontrolle des
Vorteile und Nachteile von CPAP
Patienten sichergestellt sein, da manche dieser Gerä­
te über gar keine oder nur sehr eingeschränkte Die erwünschten, aber auch die unerwünschten
Überwachungsfunktionen verfügen. Wirkungen des CPAP auf die verschiedenen Organe
entsprechen im Wesentlichen den Wirkungen des
PEEP (› 6.2.4).
CPAP am Respirator und an CPAP-Geräten
Weitere Vorteile der CPAP-Atmung sind:
Grundsätzlich kann CPAP über den Respirator oder • Die Spontanatmung bleibt erhalten
über spezielle CPAP-Geräte (› 7.5) eingesetzt wer­ • Der Atemwegsdruck verläuft (auf erhöhtem Ni­
den. veau) physiologisch, d. h. er ist während der In­
spiration geringer als während der Exspiration
CPAP am Respirator • In der Regel sind nur wenig oder keine Sedativa
Bei CPAP am Respirator wird unterschieden zwi­ nötig.
schen Demand-Flow-CPAP und Flow-by-CPAP:
142 6  Maschinelle Beatmung

Druck
6.3.9 NAVA

DEFINITION
NAVA (Neurally Adjusted Ventilatory Assist, d. h. neural
PEEP (= CPAP-Niveau) regulierte Beatmungshilfe) steuert die Beatmung über
Zeit
elektrische Signale, die vom Atemzentrum über den N.
Flow
phrenicus an das Zwerchfell übermittelt und dort über
einen Sensor aufgenommen werden. Dieser Sensor befin-
det sich an einer speziellen Magensonde, die mit dem
Zeit Respirator verbunden ist.
Insp.

Insp.

Exsp. Exsp. Insp. Exsp. Der Respirator misst die Signalstärke und unterstützt die
Atmung des Patienten abhängig davon unterschiedlich
Abb. 6.14 Druck- und Flowdiagramm bei CPAP-Atmung stark.
(blaue Druckkurve) und bei Spontanatmung (schwarze Druck- NAVA kann optional am Servo i®, u® oder n® (Firma Ma-
kurve). Die beiden Atemformen unterscheiden sich lediglich quet, › 7.4.5) eingesetzt werden.
durch das PEEP-Niveau, durch das der Atemwegsdruck bei
CPAP immer im positiven Bereich liegt. [A400]
Die elektrische Aktivität des Diaphragmas (Elec-
tric Diaphragmatic Impulse kurz EDI, auch Electric
Gegenüber der reinen Spontanatmung weist die Activation of Diaphragm kurz EADi) wird mit einer
CPAP-Atmung folgende Nachteile auf: speziellen nasogastralen Sonde (EDI-Sonde) erfasst
• Der intrathorakale Druck ist erhöht, dadurch und an den Respirator übermittelt (häufig Werte
– ist der venöse Rückstrom reduziert zwischen 3–100 μV).
– werden die Lungenkapillaren komprimiert, Die EDI-Sonde dient gleichzeitig als Magensonde
was die Rechtsherzbelastung erhöht (zur enteralen Ernährung bzw. zur Entlastung des
6 – ist die Funktion von Leber und Nieren beein­ Magens) und übermittelt zudem ein transösophage­
trächtigt ales EKG, das am Respirator dargestellt wird.
– steigt ein bereits zuvor erhöhter intrakranieller Die Sonden sind in verschiedenen Größen erhält­
Druck (Hirndruck) lich (6 Fr. für Frühgeborene bis 16 Fr. für Erwach­
– besteht die Gefahr einer Lungenüberdehnung, sene).
evtl. mit Baro-Volutrauma Das Einführen der EDI-Sonden entspricht dem
• Insbesondere bei Verwendung von speziellen bei herkömmlichen Magensonden (auf Gel als Gleit­
CPAP-Geräten besteht Gefahr der unerkannten mittel sollte jedoch verzichtet werden, da sonst die
Hypoventilation oder Apnoe (spezielle CPAP-Ge­ Leitfähigkeit beeinträchtigt ist). Dann wird die Son­
räte verfügen oftmals nicht über Überwachungs­ de mit dem Respirator verbunden und die Funktion
funktionen). Daher sind eine lückenlose Monitor­ „EDI-Katheterpositionierung“ am Respirator gestar­
überwachung und eine engmaschige Kontrolle tet. Der Respirator stellt dann das EDI-Signal und
des Patienten erforderlich. verschiedene EKG-Ableitungen dar. Sobald eine aus­
reichende Qualität der Ableitung erreicht ist, kann
CPAP wird sehr häufig eingesetzt im Rahmen der Respi- die Sonde in dieser Postition sicher fixiert werden.
ratorentwöhnung (Weaning › 6.11) und ist hier dann
meist die „letzte Stufe“ bevor der Patient ganz selbst-
ständig und ohne Unterstützung atmet. Außerdem wird
Ablauf der Beatmung bei NAVA
CPAP oft eingesetzt als Atemtherapie zur Pneumoniepro- • Das EDI-Signal wird vom Sensor der EDI-Sonde
phylaxe. Dann wird intermittierend (z. B. 3-mal täglich für erfasst und an den Respirator weitergeleitet. Der
20–30  Min.) Masken- oder Nasal-CPAP durchgeführt.
Bei respiratorischer Insuffizienz infolge eines kardialen
Respirator verabreicht daraufhin einen bestimm­
Lungenödems kann häufig durch kontinuierliches oder ten Beatmungsdruck, dessen Höhe abhängig ist
intermittierendes Masken-CPAP eine Intubation zur Beat- von der
mungstherapie vermieden werden. – Stärke des EDI-Signals (Amplitude): Je größer
die Amplitude desto höher der Beatmungs­
6.3 Beatmungsformen 143

druck (hoher EDI-Wert spricht für eine große Vorteile und Nachteile von NAVA
Einatembemühung des Patienten, also dem
Wunsch nach einem großen Atemzug). Die Vorteile der NAVA sind die – im Vergleich zu
– Einstellung des NAVA-Pegels. Diese Einstel­ allen anderen Beatmungsverfahren – extrem kurze
lung legt fest, wie hoch die Druckunterstüzung Triggerlatenzzeit (› 6.2.5) und die weitestgehende
pro μV ist. Beispiel: Bei einem Pegel von 1,5 cm Synchronisation von Respirator und Patient.
H2O/μV erfolgt bei einem EDI von 3 μV eine Nachteile sind:
Druckunterstützung von 4,5 cmH2O.  • Bei Sondendislokation funktioniert das Verfahren
Beim Einstellen des NAVA-Pegels darauf ach­ nicht (Respirator gibt Alarm und schaltet zu­
ten, dass ein Zieltidalvolumen von 6–8 ml/ nächst auf die Beatmungsform DU-CPAP [druck­
kg KG erreicht wird unterstütztes CPAP] mit Flowtriggerung um. Er­
• Die Inspiration wird beendet, wenn kennt der Respirator auch hierbei keine Trigge­
– das Signal auf 70 % des Ausgangswerts abfällt rung des Patienten, wird auf Apnoe-Beatmung
(gilt für normale oder hohe EDI-Signale, sonst mit entsprechendem Alarm umgeschaltet).
40 % des EDI-Signals) • Bei fehlendem EDI-Signal (z. B. wegen Quer­
– Der Beatmungsdruck 3 mbar über dem errech­ schnittslähmung, Opiatüberhang oder Relaxa­
neten Zieldruck liegt oder die Grenze für den tion) kann das Verfahren nicht eingesetzt wer­
Beatmungsdruck überschritten wird den, ebenso wenn Kontraindikation für eine
– Die maximale Dauer einer Inspiration 2,5 Se­ nasogastrale Sonde vorliegen.
kunden (1,5 Sek. bei Kindern) überschreitet. Die NAVA-Sonde ist nicht MRT-geeignet.
Während druckunterstützter Beatmung kann eine
Simulation der NAVA erfolgen und der voraussicht­
liche NAVA-Pegel ermittelt werden. 6.3.10  Weitere Beatmungsformen
NAVA wird bei auch bei Frühgeborenen einge­ und -strategien 6
setzt. Außerdem ist die Steuerung der NIV (› 6.4)
damit möglich, hierbei erfolgt eine Leckagekompen­ ASV
sation. Bei großen Problemen mit Undichtigkeiten
kann auf eine kleinere Sonde gewechselt werden DEFINITION
bzw. können Schlauchbrücken zur Abdichtung ein­ ASV (Adaptive Support Ventilation, d. h. anpassungsfä-
gesetzt werden. hige unterstützende Beatmung): Beatmungsform, die
sich der pulmonalen Situation des Patienten automatisch
anpasst.
Beatmungsparameter bei NAVA
Beatmungsparameter, die eingestellt werden ASV ist eine Beatmungsform, bei der der Respirator
müssen das optimale Atemmuster für den Patienten inner­
• FiO2 halb gewisser Grenzen selbstständig ermittelt und
• NAVA-Pegel (so einstellen, dass ein Zieltidalvo­ appliziert. Realisiert ist sie an den Geräten Galileo
lumen von 6–8 ml/kg KG erreicht wird). und Raphael der Fa. Hamilton medical (› 7.4.3).
Eingestellt werden lediglich:
• Das ideale (nicht das tatsächliche) Körpergewicht
Beatmungsparameter, die eingestellt
des Patienten. Eine Erhöhung der Einstellung für
werden können
das Körpergewicht zieht automatisch eine Anpas­
• PEEP. sung der Beatmung nach sich.
• %Min.Vol: Gewünschtes Minutenvolumen in %
Beatmungsgrenzwerte und Alarme des Normwerts.
Die Einstellungen für Beatmungsgrenzwerte und • Hochdruckalarmgrenzwert (obere Druckgrenze).
Alarme entsprechen denen bei druckunterstützter
Beamung (› 6.3.7).
144 6  Maschinelle Beatmung

Neben diesen Parametern stellt der Anwender die Intellivent®-ASV


Sauerstoffkonzentration, den PEEP, die Inspira­
tions­anstiegszeit und den Trigger ein. DEFINITION
Zu Beginn der Beatmung errechnet der Respira­ Intellivent®-ASV: Weiterentwicklung der Beatmungs-
tor das dem Patienten entsprechende Atemminu­ form ASV (siehe oben), bei der die Einstellung der Beat-
tenvolumen (100 ml/kg KG bei Erwachsenen und mung durch den Respirator insbesondere anhand der
200 ml/kg KG bei Kindern; dies entspricht z. B. 7,0 l SpO2- und etCO2-Werte erfolgt. Auch als Closed loop
Beatmung bezeichnet, da die Einstellungen automatisch
bei 70 kg Körpergewicht) und verabreicht einige erfolgen können.
Testatemzüge. Aus den dabei ermittelten Werten
errechnet er das für den Patienten optimale Atem­
muster, u. a. Tidalvolumen (im Beispiel 470 ml), Be­ Intellivent®-ASV ist eine Beatmungsform, bei der
atmungsfrequenz (im Beispiel 15/Min.) und Inspi­ die Beatmungsparameter abhängig von Oxygenie­
rationsdruck. Abhängig davon, ob der Patient teil­ rung und etCO2 des Patienten automatisch ange­
weise selbst atmet oder aber völlig passiv ist, wird passt werden. Dies erfolgt anhand hinterlegter Beat­
das eingestellte Atemminutenvolumen (%Min.Vol) mungsstrategien, die auf Expertenwissen beruhen
auf unterschiedliche Weise verabreicht, jedoch im­ (ARDSnet, Open lung Konzept oder permissive Hy­
mer so, dass die Atemarbeit des Patienten so gering pokapnie). Realisiert ist Intellivent®-ASV an den Ge­
wie möglich ist. räten S1 und G5 der Fa. Hamilton medical (› 7.4.3).
Je mehr der Patient selbstständig atmet, desto Eingestellt werden lediglich:
mehr reduziert der Respirator die maschinelle Un­ • Körpergröße
terstützung, jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen: • Geschlecht.
• Das minimal verabreichte Tidalvolumen beträgt Zusätzlich kann eingestellt werden, ob die Lungen­
4,4 ml/kg KG (also z. B. 308 ml bei 70 kg Körper­ funktion normal ist oder ob ein ARDS oder eine
6 gewicht). Dadurch wird Hechelatmung mit einer COPD vorliegen.
übermäßigen Totraumventilation vermieden. Das Gerät misst den SpO2 und etCO2 (mittels Puls­
• Das maximale Tidalvolumen wird durch den oxymetrie bzw. Kapnografie) und regelt abhängig vom:
Hochdruckalarmgrenzwert (obere Druckgrenze) • SpO2 den PEEP und den FiO2. Hierbei ist eine
bestimmt. Während der Beatmung wird der In­ PEEP-FiO2 Tabelle zugrunde gelegt, die bei einem
spirationsdruck auf maximal 10 mbar unter die­ zu niedrigen Wert eine stufenweise Erhöhung des
sem Druck angehoben. jeweiligen Parameters durchführt (› Tab. 6.2).
• Der Inspirationsdruck wird auf minimal 5 mbar Ist die SpO2 zu hoch, wird zuerst das FiO2 redu­
über PEEP reduziert. ziert, um die Lunge durch den höheren PEEP of­
• Die maximale Beatmungsfrequenz ergibt sich aus fen zu halten (Open lung Konzept, › 6.8.1). Da­
dem Minutenvolumen und dem minimalen Ti­ bei wird auch die HLI (Heart lung interaction,
dalvolumen (4,4 ml/kg KG), die minimale Beat­ Herz-Lungen-Interaktion, › 6.7.2) berücksich­
mungsfrequenz liegt bei 5/Min. tigt, um die Auswirkungen auf das Herz-Kreis­
In der Entwöhnung kann dann das %Min.Vol ver­ lauf-System möglichst gering zu halten.
ringert werden, die maschinelle Unterstützung wird • etCO2 das Atemminutenvolumen und die Atem­
dann unter Umständen bis auf 40 % reduziert. Da­ frequenz (Steuerung der Atemfrequenz im We­
durch wird z. B. nach Langzeitbeatmung eine voll­ sentlichen wie bei ASV). Ist das etCO2 zu hoch,
ständige Spontanatmung erreicht. Die Entwöhnung wird der Wert für das %AMV erhöht, ist es zu
ist erfolgreich, wenn der Anteil des spontanen AMV niedrig, wird es verringert. Dabei erfolgt bei Trig­
am Gesamt-AMV zunimmt und die Druckunterstüt­ gerbemühungen des Patienten eine Umschaltung
zung abnimmt. auf eine assistierte Beatmungsform, eine freie
Benötigen die Patienten ein höheres Minutenvo­ Durchatembarkeit zu jeder Zeit ist gewährleistet.
lumen (erkennbar z. B. am erhöhten pCO2) kann Alle Parameter können auch manuell gewählt und
%Min.Vol auf maximal 350 % erhöht werden. eingestellt werden, z. B. minimaler und maximaler
PEEP oder etCO2-Ziele.
6.3 Beatmungsformen 145

Die Beatmungsform führt laut Studien zu einer Automode


sicheren Beatmung des Patienten mit wenig Inter­
ventionen durch das Personal. Dazu ist das Gerät auf Automode ist eine Sonderfunktion am Servoventi­
die Messwerte SpO2 und etCO2 angewiesen. Kann lator 300A® sowie am Servo i® und Servo u®, die bei
der Respirator diese Werte nicht ermitteln, z. B. we­ kontrollierten Beatmungsformen wirksam wird (vo­
gen Hypothermie oder Schock, ist die manuelle Ein­ lumenkontrollierte, druckkontrollierte oder druck­
stellung des Geräts notwendig. reguliert-volumenkontrollierte Beatmung).
Ist die Automode-Funktion eingestellt, schaltet
der Respirator von der kontrollierten auf eine assis­
Apnoe-Beatmung
tierte Beatmungsform um, sobald der Patient zwei­
mal nacheinander Atemzüge triggert.
DEFINITION Abhängig von der Form der Beatmung schaltet
Apnoe-Beatmung (auch Apnoeventilation oder Back-
up-Beatmung): Beatmung, die der Respirator bei Beat-
der Respirator auf eine bestimmte assistierte Beat­
mungsformen mit Spontanatemanteil im Fall einer Apnoe mungsform um:
verabreicht. • Bei volumenkontrollierter Beatmung sowie bei
druckreguliert-volumenkontrollierter Beatmung
(PRVC) wird auf Volumenunterstützung (VS
Die Apnoe-Beatmung ist keine eigenständige Beat­ › 6.3.7) umgeschaltet.
mungsform, sondern eine Sicherheitsfunktion am • Bei druckkontrollierter Beatmung wird auf inspi­
Respirator, die insbesondere bei Beatmungsformen ratorische Druckunterstützung (› 6.3.7) umge­
mit hohem Spontanatemanteil des Patienten zum schaltet. Daher ist es wichtig, dass bei PCV im­
Tragen kommt, z. B. bei druckunterstützter Beat­ mer auch eine angemessene Druckunterstützung
mung oder CPAP. eingestellt ist.
Im weiteren Verlauf muss der Patient dann jeden 6
Nicht jeder Respirator bietet die Möglichkeit einer Apnoe- Atemzug triggern (sowohl bei volumenunterstützter
Beatmung! Respiratoren ohne Apnoe-Beatmung als auch bei druckunterstützter Beatmung). Wenn
geben im Fall einer Apnoe lediglich Alarm, beatmen den der Patient das Gerät nicht mehr triggert schaltet der
Patienten aber nicht! Respirator nach einer bestimmten Zeit (12 Sek. beim
Servo 300a© bei Erwachsenen bzw. einstellbar am
Der Anwender stellt am Respirator ein, wie der Pa­ Servo i®) wieder zurück in die kontrollierte Beat­
tient im Fall einer Apnoe beatmet werden soll (Beat­ mungsform.
mungsform und einzelne Beatmungsparameter). An Die Automode-Funktion soll bereits zu Beginn
manchen Respiratoren ist auch geräteseitig festge­ der Beatmung die Spontanatmungsfähigkeit des Pa­
legt, in welchem Modus die Apnoe-Beatmung erfolgt. tienten unterstützen. Soll der Patient im kontrol­
Die Apnoe-Beatmung setzt dann ein, wenn der liert-assistierten Modus beatmet bleiben, muss die
Respirator eine gewisse Zeit (Apnoe-Zeit) keine Ein­ Funktion Automode abgeschaltet werden.
atembemühungen des Patienten feststellen kann. Wichtig bei der Automode-Funktion ist die Ein-
Die Dauer der Apnoe-Zeit ist an manchen Respira­ stellung der Alarmgrenzen für das AMV sowie eine
toren geräteseitig festgelegt, an manchen kann sie patientengerechte Einstellung der Triggerschwelle.
eingestellt werden (Einstellung i. d. R. 15–20  Sek.).
Mit Einsetzen der Apnoe-Beatmung gibt der Respi­
rator Alarm. Hochfrequenzbeatmung

Bei Apnoe-Alarm unverzüglich ausreichende Beatmung DEFINITION


sicherstellen (z. B. durch das Einstellen einer kontrollier- Hochfrequenzbeatmung (high frequency ventilation,
ten Beatmung oder mittels manueller Beatmung, falls kurz HFV): Beatmung mit sehr hoher Beatmungsfrequenz
Respirator nicht über Apnoe-Beatmung verfügt), Ursache und extrem niedrigen Tidalvolumina (› Tab. 6.4). Un-
der Apnoe suchen und wenn möglich beheben. terschieden in:
146 6  Maschinelle Beatmung

• HFPPV (high frequency positive pressure ventilation, • Durch die extrem kleinen Tidalvolumina entste­
d. h. Hochfrequenzüberdruckbeatmung). Beatmungs- hen nur sehr geringe thorakale Druckschwan­
frequenz 60–120/Min. kungen. Dadurch ist die Lunge praktisch „ruhig
• HFJV (high frequency jet ventilation, d. h. Hochfre-
gestellt“, was bei manchen Erkrankungen, z. B.
quenzjetbeatmung). Beatmungsfrequenz 120–600/
instabilem Thorax (› 2.3.3) oder bronchopleu­
Min.
• HFOV (high frequency oscillation ventilation, d. h. ralen Fisteln, von Vorteil ist bzw. bei speziellen
Hochfrequenzoszillationsbeatmung). Beatmungsfre- Untersuchungen oder chirurgischen Eingriffen
quenz 300–3.000/Min. an den Atmungsorganen oder deren unmittelba­
rer Umgebung, z. B. am Larynx, aus (operations-)
technischen Gründen notwendig ist.
Die Beatmungsfrequenz bei der Hochfrequenzbeat­ • Weiter führen die extrem geringen Tidalvolumi­
mung wird häufig nicht wie sonst üblich in Minuten, na dazu, dass hohe endinspiratorische Beat­
sondern in Hertz (kurz Hz; Schwingungen pro Se­ mungsdrücke vermieden werden, d. h. die HFV
kunde) angegeben. Eine Frequenz von 120/Min. ent­ ermöglicht eine Druckentlastung der Lunge. Dies
spricht der von 2/Sek. bzw. 2 Hz. ist besonders wichtig beim schweren ARDS und
Bei der Hochfrequenzbeatmung „zerhackt“ der hier besonders beim Atemnotsyndrom des Neu­
Respirator einen kontinuierlichen Gasstrom mit geborenen, selten auch bei bronchopleuralen und
sehr hoher Frequenz. Die so entstehenden Atem­ tracheoösophagealen Fisteln.
hubvolumina sind extrem klein und liegen z. T. weit • Scherkräfte der Lunge (können zwischen belüfte­
unter dem anatomischen Totraum (›  1.2.1). Da­ ten und nicht belüfteten Lungenbereichen entste­
durch ist es möglich, die Lungen- und Thoraxbewe­ hen) werden verringert bzw. vermieden
gungen auf ein Minimum zu reduzieren. Dass der (› 6.7.1).
Gasaustausch dennoch ausreichend ist liegt daran, • In Kombination mit inhalativem Stickstoffmono­
6 dass die HFV alternative Gastransportmechanismen xid (iNO › 8.3) kann HFO als Therapie bei
nutzt (z. B. Gasschwingungen und -turbulenzen). schwerem ARDS (› 2.3.6) eingesetzt werden.
• Ist Masken-CPAP kontraindiziert, kann bei ko­
Vorteile und Indikationen der HFV operativen Patienten über einen tracheal liegen­
Die Indikationen für eine Hochfrequenzbeatmung den Katheter (nasale Lage, bronchoskopisch kon­
leiten sich aus den Vorteilen der HFV ab: trolliert) die Atmung durch Jet-Ventilation un­
terstützt werden (Bingold/Byhahn 2007: 37).

Tab. 6.4  Gebräuchliche HFV-Verfahren im Vergleich.


HFV-Modus Beatmungs­ Tidalvolumen Exspiration Besonderheiten
frequenz
HFPPV 60–120/Min. 2–5 ml/kg KG passiv Auch mit gebräuchlichen Intensivrespiratoren mög-
= 1–2 Hz lich
HFJV 120–600/Min. 1–3 ml/kg KG passiv • Gaszufuhr über dünnen Katheter (Injektorkanüle),
= 2–10 Hz der in den Tubus oder direkt in die Trachea einge-
führt ist oder von außen perkutan in die Trachea
eingeführt wird (Koniotomie › 5.4.1)
• Gasstrom erzeugt Venturi-Effekt, d. h. Gas aus der
Umgebung wird „mitgerissen“
• Kombination mit konventioneller Beatmung mög-
lich (superponierte HFJV)
HFOV 300–3.000/Min. 1–3 ml/kg KG aktiv • Gaszufuhr über speziellen Tubusadapter, Hochfre-
= 5–50 Hz quenzoszillator versetzt die Luft in hochfrequente
Schwingungen
• Eingesetzt vor allem bei Neugeborenen mit Atem-
notsyndrom (IRDS)
6.4  Nichtinvasive Beatmung 147

• Die HFV bewirkt eine „innere Vibration“ in der Die in der Intensivmedizin eingesetzten nichtinvasi­
Lunge, was eine verbesserte Sekretolyse zur Folge ven Beatmungsverfahren sind praktisch ausschließ­
hat. Sie wird daher auch zur Atemtherapie und lich solche mit positivem Druck. Daher wird im Fol­
Sekretmobilisation eingesetzt. genden auch nur auf diese näher eingegangen. De­
tails zur Heimbeatmung finden sich in Kapitel 10.
Nachteile und Kontraindikationen der HFV Seit 2008 liegt die Leitlinie Nichtinvasive Beat-
Nachteilig sind: mung als Therapie der akuten respiratorischen Insuf-
• Der hohe technische Aufwand, die vergleichswei­ fizienz (wird derzeit überarbeitet, › 11.4.1) sowie
se schwierige Überwachung der Beatmung und seit 2009 die S2-Leitlinie Nichtinvasive und invasive
ein evtl. notwendiger Austausch des Respirators Beatmung als Therapie der chronischen respiratori-
(zur Umstellung von konventioneller auf Hoch­ schen Insuffizienz (herausgegeben von der Deut­
frequenzbeatmung). schen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungs­
• Die meist schwierige Atemgasbefeuchtung medizin [DGP] › 11.4.3) vor. Diese enthalten ins­
• Die Gefahr einer direkten Schädigung der Tra­ besondere Empfehlungen zum Einsatz der NIV bei
chealschleimhaut durch den hohen Gasflow hyperkapnischer oder hypoämischer ARI (›  2.1),
• Die Gefahr eines hohen intrinsischen PEEP (Fol­ kardialem Lungenödem, schwieriger Entwöhnung,
ge der extrem kurzen Exspirationszeit) mit evtl. in der Palliativmedizin sowie bei CRI (z. B. infolge
nachfolgendem Anstieg des pCO2 (Hyperkapnie COPD, neuromuskulärer und thorakal-restriktiver
› 2.4.1), Beeinträchtigung der Herz-Kreislauf- Erkrankungen), bei der die NIV im häuslichen Be­
Funktion (› 6.7.2) und pulmonalem Barotrau­ reich der Patienten durchgeführt wird (› Kap. 10).
ma (› 6.7.1). Wegen der erschwerten CO2-Ab­ Zunehmend wird mit der NIV bereits vom Ret­
atmung ist die Hochfrequenzbeatmung bei Pati­ tungsdienst begonnen.
enten mit obstruktiven Lungenerkrankungen
kontraindiziert. 6
Insgesamt hat die Hochfrequenzbeatmung durch die 6.4.1  Voraussetzungen zur
rasante Entwicklung neuer konventioneller Beat­ nichtinvasiven Beatmung
mungsformen an Bedeutung verloren und wird heu­
te bei Erwachsenen nur noch sehr selten und – we­ Voraussetzungen für den Einsatz einer
gen des hohen technischen (Überwachungs-)Auf­ NIPPV
wands und der Risiken dieser Beatmungsform – nur
in speziellen Zentren durchgeführt. Eine nichtinvasive Überdruckbeatmung sollte nur
durchgeführt werden wenn folgende Voraussetzun-
gen erfüllt sind:
• Absolute Kontraindikationen liegen nicht vor
6.4  Nichtinvasive Beatmung (› 6.4.3)
• Bei relativen Kontraindikationen verfügt das Be­
DEFINITION handlungsteam über ausreichende Erfahrung
Nichtinvasive Beatmung (noninvasive ventilation, und kann ggf. auf eine invasive Beatmung wech­
kurz NIV): Beatmung ohne endotracheale Intubation seln (› 6.4.4)
oder Tracheotomie. Unterschieden in: • Der Patient ist – soweit möglich – verständlich
• NIV mit negativem Druck (noninvasive negative press­
ure ventilation kurz NINPV): Unterdruckbeatmung über das Verfahren informiert
› 6.1.2 • Ein geeignetes Interface (Interface = „Schnittstel­
• NIV mit positivem Druck (noninvasive positive pressu- le“, Verbindungsstelle zwischen Patient und Re­
re ventilation kurz NIPPV), eingesetzt in der Intensiv- spirator; meist Maske, selten Helm) ist vorhanden
medizin sowie bei der Heimbeatmung. Hierbei erfolgt und wurde angepasst
die Beatmung meist über dicht sitzende Nasen- oder • Das Pflegepersonal ist geschult und kennt
Gesichtsmasken. – Masken und Helme zur NIV (wann wird wel­
ches Interface verwendet?)
148 6  Maschinelle Beatmung

– Anwendung der Masken (Kontrolle auf Dich­ Interfaces zur nichtinvasiven Beatmung
tigkeit)
– Beatmungsgeräte (Prüfung und Anwendung) Bei der NIPPV werden verschiedene Interfaces ver­
– Beatmungsformen (wann ist welche sinnvoll? wendet (› Abb. 6.15).
Einstellung an den jeweiligen Geräten) Meist erfolgt die Beatmung über eine dicht sit­
– Vorgehen bei Problemen zende Maske. Diese bedeckt entweder nur die Nase
– Abbruchkriterien, Vorgehen im Notfall (Nasenmaske), nur den Mund (Mundmaske), Nase
– Aufbereitung der Materialien und Mund (Mund-Nasenmaske) oder das ganze
– Dokumentation Gesicht (Total Face-Maske oder Gesichtsmaske).
• Bei einem evtl. notwendigen Abbruch der Daneben gibt es Nasenprongs, bei denen die Beat­
nichtinvasiven Beatmung kann der Patient um­ mung über dicht sitzende Silikonstöpsel verab­
gehend intubiert und invasiv beatmet werden reicht wird.
• Es steht ausreichend Zeit für die notwendige eng­ Insbesondere im Heimbeatmungsbereich werden
maschige Überwachung des Patienten zur Verfü­ auch individuell angefertigte Masken verwendet, um
gung. einen dichten und komfortablen Sitz zu erreichen.
Ein „Selbstversuch“ der Pflegenden kann sinnvoll Bei Anpassungsschwierigkeiten können Schablonen
sein, um sich besser in die Situation und mögliche helfen, die passende Maske zu finden.
Probleme des Patienten einfühlen zu können.

Abb. 6.15  Verschiedene Interfaces für die nichtinvasive Beatmung. [V081, V088, V491]
6.4  Nichtinvasive Beatmung 149

In der Initialphase der NIV wird meist eine Durch den PEEP „bläst“ sich der Helm zur vollen
Mund-Nasen-Maske verwendet. Größe auf. Im Innenraum des Helms wird der
Die Masken gibt es in unterschiedlichen Größen Atemwegsdruck aufgebaut, der sich dann über
und Formen, mit oder ohne Notluftventil (ermög­ Mund und/oder Nase ins Tracheobronchialsystem
licht die Atmung im Fall eines Respiratorausfalls) überträgt. Im Gegensatz zu Nasen- bzw. Gesichts­
sowie mit oder ohne „Reißleine“ (damit kann der masken entsteht bei Beatmungshelmen kein Aufla­
Patient die Maske im Notfall mit einem Handgriff gedruck durch die Maske im Gesichtsbereich. Öff­
entfernen). Sinnvoll ist es, Masken in verschiede­ nungen am Beatmungshelm im Gesichtsbereich
nen Größen und Formen bereitzuhalten, sodass ermöglichen z. B. das Absaugen von Atemwegsse­
für unterschiedliche Gesichtsformen und -größen kret oder auch das Trinken mittels Trinkhalm; bei­
Masken mit gutem Sitz ausgewählt werden kön­ des gestaltet sich in der Praxis jedoch noch recht
nen. schwierig.
Die Masken sollten durchsichtig sein (aus trans­ Beatmungshelme sind aufgrund ihrer Materialei­
parentem Kunststoff bestehen), um die Beatmung genschaften nicht zur Anwendung hoher Beat­
besser überwachen und Komplikationen (insbeson­ mungsdrücke geeignet, d. h. eine deutliche Redukti­
dere ein Erbrechen unter der Gesichtsmaske) früh­ on der Atemarbeit kann u. U. nicht erreicht werden.
zeitig erkennen zu können. Messungen der Beatmungsvolumina sind aufgrund
Bei Patienten mit Verletzungen im Gesichtsbe­ des hohen kompressiblen Volumens nicht verwert­
reich sowie bei Patienten, die Nasen- oder Ge­ bar. Bei Verwendung von Beatmungshelmen muss
sichtsmasken wegen des Engegefühls nicht tolerie­ das Triggerverhalten des Respirators genau über­
ren, können Beatmungshelme zur nichtinvasiven wacht werden, da wegen des hohen Volumens unter
Beatmung verwendet werden (› Abb. 6.16). Die­ dem Helm Triggerbemühungen des Patienten evtl.
se umschließen den Kopf komplett, am unteren nur verzögert erkannt werden (dies erhöht die
Rand befindet sich eine dicht abschließende Hals­ Atem­arbeit). Die Beatmung mit Helmen wird, ins­ 6
manschette. Die Fixierung erfolgt über breite Bän­ besondere bei COPD-Patienten, mit High-Flow-Sys­
der, die unter den Achseln durchgeführt werden. temen besser toleriert als mit Demand-Flow-Syste­
men (High-Flow-Systeme liefern einen Frischgas­
flow, der ein mehrfaches des Atemminutenvolu­
mens beträgt).
Um die Lärmbelästigung (bedingt durch den ho­
hen Frischgasflow) für den Patienten zu reduzieren,
kann im zuführenden Schlauchsystem ein HME-Fil­
ter eingebaut werden. Alternativ erhält der Patient
Ohrstöpsel.

Zur nichtinvasiven Beatmung wird das Interface mit ei-


nem Winkelstückadapter an einen Respirator ange-
schlossen. Abhängig davon, ob ein Respirator mit Ein-
oder Zweischlauchsystem zum Einsatz kommt, wird ein
Winkelstückadapter mit (bei Einschlauchsystem) oder
ohne (bei Zweischlauchsystem) Exspirationsventil ver-
wendet.
Vorsicht: Ist bei Verwendung eines Respirators mit
Einschlauchsystem ein Winkelstückadapter ohne Exspira-
tionsventil eingebaut, entsteht rasch eine lebensbedroh-
liche Situation für den Patienten, da keine Ausatemmög-
lichkeit besteht!

Abb. 6.16  Patient mit Beatmungshelm. [V593]


150 6  Maschinelle Beatmung

6.4.2  Vorteile, Nachteile und Der Hauptnachteil der nichtinvasiven Beatmung ist
Komplikationen der NIPPV die Aspirationsgefahr (insbesondere bei Verwen­
dung von Mund-, Nasen- und Gesichtsmasken).
Der Hauptvorteil der nichtinvasiven Beatmung Manche Masken bieten hier die Möglichkeit, dass
liegt darin, dass alle mit der endotrachealen Intuba­ sich der Patient selbst mit einem Handgriff („Reiß­
tion bzw. Tracheotomie verbundenen Nebenwir­ leine“) die Maske entfernen kann.
kungen, Risiken und Komplikationen umgangen Komplikationen der nichtinvasiven Beatmung
werden (Auswirkungen und Komplikationen der sind:
endotrachealen Intubation ›  4.11, Komplikatio­ • Druckschäden der Gesichtshaut durch die Maske.
nen der Tracheotomie ›  5.5). Weitere Vorteile Hautrötungen treten in ca. 20–34 %, Nasenrü­
sind: ckenulcera in ca. 5–10 % der Anwendungen auf
• Die nichtinvasive Beatmung kann rasch begon­ (Metha 2001). Diese Gefahr lässt sich reduzieren
nen bzw. beendet werden (keine zeitaufwendige durch regelmäßige Überprüfung der Spannung
Vorbereitung) der Haltebänder (Spannung ggf. lockern), inter­
• Ein kurzzeitiges Entfernen der Beatmungsmaske mittierendes Entfernen der Maske sowie Polstern
ist i. d. R. problemlos, etwa damit der Patient es­ gefährdeter Areale, z. B. der Nase mit hydroakti­
sen und/oder trinken bzw. sprechen kann (bei ven Platten (z. B. Comfeel®). Gegebenenfalls an­
Verwendung von Nasenmasken ist dies meist dere Maske verwenden.
auch unter Fortführung der nichtinvasiven Beat­ • Undichtigkeit der Maske mit nachfolgend unzu­
mung möglich) reichender Beatmung wird in bis zu 80–100 %
• Eine Atemgasklimatisierung ist i. d. R. nicht er­ beschrieben (Metha 2001). Bei Undichtigkeit Sitz
forderlich, damit entfallen auch alle Risiken, die der Maske korrigieren, ggf. Maske austauschen.
die verschiedenen Atemgasklimatisierungssyste­ Ist die Maske im Bereich der Nase undicht, kann
6 me mit sich bringen (› 6.6) die hier entweichende Luft Richtung Augen strö­
• Eine Sedierung des Patienten ist i. d. R. nicht er­ men und dort Reizungen der Bindehaut bis hin
forderlich zu Bindehautentzündungen (Konjunktivitis) her­
• Der Patient kann meist rascher mobilisiert wer­ vorrufen. Wird die Undichtigkeit z. B. durch na­
den, die Mobilisation ist darüber hinaus i. d. R. sale Sonden verursacht, können Schlauchbrücken
deutlich erleichtert. zu mehr Dichtigkeit führen.
• In 30–50 % klagen die Patienten über Unbehagen
Bei der konventionellen Beatmung dichtet der Cuff des (Discomfort), in 5–10 % kommt es zu Klaustro­
Endotrachealtubus bzw. der Trachealkanüle die Atemwe- phobie (Metha 2001).
ge relativ dicht ab. Im Gegensatz dazu sind bei der • Bedingt durch den hohen Flow der Geräte kann
nichtinvasiven Beatmung die Atemwege nicht gesi- es dazu kommen, dass der Patient die Atemluft
chert, d. h. wenn der Patient erbricht (etwa infolge einer evtl. als kalt und trocken empfindet und die
Überblähung des Magens) besteht die Gefahr einer mas- Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum austrock­
siven Aspiration. Die Aspirationsgefahr ist besonders
groß wenn der Patient eine Gesichtsmaske trägt und
nen. Dann muss ggf. eine aktive oder passive
diese nicht rasch genug entfernen kann. Wegen dieser Atemgasklimatisierung (nicht bei allen Systemen
Gefahr sind eine lückenlose Überwachung des Patienten möglich) erfolgen (› 6.6).
sowie eine engmaschige Beobachtung während der • Wie bei der konventionellen Beatmung kommt es
nichtinvasiven Beatmung unerlässlich. auch bei der nichtinvasiven Überdruckbeatmung
Um das Risiko einer Aspiration unter nichtinvasiver zu einem Anstieg des intrathorakalen Drucks und
­Be­atmung zu minimieren sollte der Beatmungsdruck den damit verbundenen Nebenwirkungen und
< 25 mbar und damit unter dem normalen Ösophagus-
verschlussdruck liegen. Ansonsten besteht die Gefahr von
Komplikationen (› 6.7).
Magenüberblähung, Regurgitation und Aspiration von
Mageninhalt.
6.4  Nichtinvasive Beatmung 151

6.4.3  Möglichkeiten und Grenzen der – akuter Exazerbation einer zystischen Fibrose,
nichtinvasiven Beatmung evtl. sogar zur Vermeidung einer Intubation
vor einer Lungentransplantation (Bridge to
Indikationen zur nichtinvasiven Beatmung transplantation)
Bei einer akuten respiratorischen Insuffizienz – unkomplizierter Pneumonie und/oder Atelek­
(ARI › 2.1) sollte möglichst nichtinvasiv beatmet tasen
werden – sofern nicht wichtige Gründe für eine in­ – neurologischen Erkrankungen mit erhaltenem
vasive Beatmung vorliegen – um die Komplikatio­ Schluck- und Hustenreflex
nen der invasiven Beatmung zu vermeiden. – ARDS, allerdings nur in spezialisierten Zent­
Liegen absolute Kontraindikationen vor (siehe ren, die eine engmaschige Kontrolle gewähr­
unten), muss sofort intubiert und invasiv beatmet leisten können
werden. Bei relativen Kontraindikationen kann eine • Reduzierung postoperativer pumonaler Kompli­
NIV begonnen werden, wenn das Behandlungsteam kationen wie Atelektasen, Hypoventilation, Lun­
über ausreichende Erfahrung verfügt sowie eine um­ genödem sowie Pneumonien (Hofer 2006). Diese
gehende Intubation erfolgen kann. treten abhängig von Vorerkrankungen wie Niko­
Eine nichtinvasive Beatmung kann sowohl bei Pa­ tinabusus, COPD, ASA > 2, Art (Abdominal- oder
tienten mit Oxygenierungsstörung (Leitsymptom: Thoraxchirurgie) und Dauer des Eingriffs sowie
erniedrigter pO2) als auch bei Versagen der Atem­ eventuelles Übergewicht auf (Bamgbade 2006).
pumpe (Leitsymptom: erhöhter pCO2) eingesetzt Durch den frühzeitigen Einsatz der NIV (ggf. nur
werden. CPAP) unmittelbar nach der Extubation kann die
Die nichtinvasive Beatmung ermöglicht die Ent­ Reintubationsrate sowie die Anzahl an Kompli­
lastung der erschöpften Atempumpe und die Rege­ kationen deutlich gesenkt werden
neration des Patienten unter Umgehung der Risiken • Weiterführung der Entwöhnung (nach länger­
einer endotrachealen Intubation bzw. einer Tra­ dauernder invasiver Beatmung sollten Patienten 6
cheotomie. Dies hat sich insbesondere bei Patienten mit hyperkapnischer ARI und Risikofaktoren für
mit exazerbierter COPD bewährt (Exazerbation = ein Extubationsversagen prophylaktisch mit NIV
Verschlimmerung einer Erkrankung), da bei diesen behandelt werden). Nach einer Extubation von
Patienten eine konventionelle Beatmung häufig mit Nicht-COPD-Patienten mit hypoxämischer ARI
einer langwierigen und schwierigen Respiratorent­ ist ein Behandlungsversuch mit NIV nicht gene­
wöhnung (› 6.11) verbunden ist. Empfohlen wird, rell zu empfehlen
bei milder bis mittelgradiger Form mit einem pH • Im Rahmen der Frühmobilisierung.
von 7,3–7,35 frühzeitig mit der NIV zu beginnen. In der Palliativmedizin kann NIV zur Linderung
Verfügt das Behandlungsteam über viel Erfahrung der Dyspnoe und Besserung der Lebensqualität ein­
in der nichtinvasiven Beatmung, kann auch bei gesetzt werden (Voraussetzung: Patient ist über das
schwergradiger Azidose (z. B. Patient mit CO2-Nar­ Verfahren aufgeklärt und stimmt ihm zu).
kose, › 1.1.3) ein Therapieversuch mit NIV unter­ Indikationen zur Heimbeatmung › Kap. 10
nommen werden (hier müssen sich Vigilanz und
Atmung dann innerhalb kurzer Zeit bessern, sonst Ist die Indikation zur NIV gestellt, sollte möglichst früh
ist auch hier eine umgehende Intubation erforder­ damit begonnen werden.
lich). Sind Patienten mit COPD intubiert, sollte ver­
sucht werden, frühzeitig zu extubieren und auf eine
nichtinvasive Beatmung umzusteigen. Beatmungsformen
Weitere intensivmedizinische Indikationen Prinzipiell lassen sich fast alle Beatmungsformen,
sind: die über einen Endotrachealtubus oder eine Trache­
• Prophylaxe und Behandlung einer respiratori­ alkanüle verabreicht werden können, auch als
schen Insuffizienz bei nichtinvasive Beatmung über eine dicht sitzende
– kardialem Lungenödem Maske verabreichen. Der Beatmungsdruck sollte
– immunsupprimierten Patienten möglichst nicht höher als 25 mbar liegen. Wie bei
152 6  Maschinelle Beatmung

der konventionellen Beatmung so sind auch bei der Leckage sowie die Möglichkeit, Alarme zu redu­
NIV die Beatmungsform und die einzelnen Beat­ zieren (z. B. Grenze für unteres AMV auf 0 l/min)
mungsparameter von Art und Ausmaß der respira­ • Respiratoren zur Heimbeatmung (› 10.3), auf­
torischen Insuffizienz sowie von der Akzeptanz des grund des häufig verwendeten Einschlauchsys­
Patienten abhängig. tems ist nur eine begrenzte Überwachung der Be­
Neben CPAP werden meist druckorientierte Beat­ atmung möglich
mungsformen mit einem dezelerierenden Flow ein­ • Spezielle CPAP-Geräte (› 7.5). Diese verfügen
gesetzt. Volumenkontrollierte Beatmung wird nur jedoch teilweise über keine oder nur unzurei­
in begründeten Ausnahmefällen verwendet. chende Überwachungsfunktionen.
Häufig als nichtinvasive Beatmung eingesetzt
werden die Beatmungsformen CPAP (›  6.3.8), Auswahl und Einstellung der Beatmungsform
druckunterstützte Beatmung (›  6.3.7), PAV Abhängig von Art und Ausmaß der respiratorischen
(› 6.3.7) und BIPAP (› 6.3.4), seltener die assis­ Insuffizienz legt der Arzt die geeignete Beatmungs­
tiert-druckkontrollierte Beatmung (›  6.3.3) und form fest und ordnet die Einstellung der entspre­
das noch neue Beatmungsverfahren NAVA chenden Beatmungsparameter an:
(› 6.3.9). • Liegt lediglich eine pulmonale Insuffizienz (re­
spiratorische Partialinsuffizienz › 2.1) vor, ge­
Kontraindikationen nügt meist eine CPAP-Atmung. Der PEEP wird
Eine nichtinvasive Beatmung ist in folgenden Fällen dabei anfangs zwischen 5–8 mbar eingestellt und
absolut kontraindiziert: im Verlauf dann abhängig von der Blutgasanalyse
• Fehlende Spontanatmung oder Schnappatmung variiert.
• Fixierte oder funktionelle Verlegung der Atem­ • Bei ventilatorischer Insuffizienz (respiratorische
wege Globalinsuffizienz › 2.1) kommt meist eine as­
6 • Gastrointestinale Blutungen oder Ileus. sistierte Beatmung zum Einsatz, z. B. druckunter­
Relative Kontraindikationen sind: stützte Beatmung, PAV oder BIPAP. Die Beat­
• Koma mung wird so eingestellt, dass ein Tidalvolumen
• Massive Agitation von 6–8 ml/kg KG erreicht wird. Darunter sollte
• Massiver Sekretverhalt trotz Bronchoskopie der Beatmungsdruck möglichst nicht über
• Schwergradige Hypoxämie oder Azidose (pH < 25 mbar ansteigen. Meist wird ein PEEP von
7,1) 5–8 mbar zugeschaltet. Soll die Atemmuskulatur
• Hämodynamische Instabilität (kardiogener vollständig entlastet werden, kann eine assistiert-
Schock, Myokardinfarkt) kontrollierte Beatmungsform (S-IMV) gewählt
• Anatomische und/oder subjektive Interface-In­ und die Atemfrequenz so eingestellt werden, dass
kompatibilitäten sie über der normalen Atemfrequenz des Patien­
• Z. n. gastrointestinaler Operation. ten liegt. Dadurch wird der Atemantrieb des Pati­
enten außer Kraft gesetzt, seine Atemmuskulatur
bleibt passiv und kann sich regenerieren.
6.4.4  Praxis der nichtinvasiven In beiden Fällen wird die inspiratorische Sauerstoff­
Beatmung konzentration entsprechend den Erfordernissen
eingestellt und im Verlauf anhand der Werte der
Respiratoren zur nichtinvasiven Beatmung Blutgasanalyse korrigiert.
Für die nichtinvasive Beatmung können – abhängig
von der gewählten Beatmungsform – die folgenden Durchführung der nichtinvasiven Beatmung auf
Gerätegruppen eingesetzt werden: der Intensivstation
• Intensivbeatmungsgeräte (› 7.4). Viele Inten­ Zunächst informieren die Pflegenden oder der Arzt
sivrespiratoren verfügen über spezielle Einstel­ den Patienten über die geplante Maßnahme und da­
lungen für die NIV, insbesondere optimiertes rüber, dass das Sprechen unter der Maske deutlich
Triggerverhalten und Kompensation bei hoher erschwert ist (ggf. Zeichen vereinbaren, z. B. Dau­
6.4  Nichtinvasive Beatmung 153

men nach oben bedeutet alles ist o. k.). Sofern die


Erkrankung des Patienten bzw. die vorgenommene
Operation es erlaubt, bringen die Pflegekräfte den
Patienten in eine aufrechte, möglichst halbsitzende
Position. Ist dies nicht möglich, achten die Pflegen­
den auf eine den Umständen entsprechende atemer­
leichternde Lagerung des Patienten.
Anschließend gehen die Pflegenden wie folgt vor:
• Falls noch nicht geschehen Beatmungsgerät auf
Funktionsfähigkeit und Beatmungssystem auf
Dichtigkeit testen. Beatmungsparameter und
-grenzwerte entsprechend den ärztlichen Anord­
nungen bzw. klinikinterner Richtlinien einstellen Abb. 6.17 Nichtinvasive Überdruckbeatmung. Hier ein Pa­
• Ausgewähltes Interface (für die ersten 24 Std. tient, der über eine Mund-Nasen-Maske im CPAP-Modus mit
häufig Mund-Nasenmaske) mit dem Gerät ver­ inspiratorischer Druckunterstützung nichtinvasiv beatmet wird.
binden. [M251]
• Maske auf Nase oder Mund und Nase aufsetzen,
mit einer oder zwei Händen halten bzw. Patien­ Viele Patienten leiden wegen ihrer Grunderkrankung an
ten halten lassen und testen, ob der Patient prob­ Atemnot und damit verbunden auch an Angst. Diese
lemlos atmen bzw. beatmet werden kann. Dies ist Patienten empfinden das Anbringen der Maske oft zu-
nächst als zusätzliche Erschwerung der Atmung, was ihre
besonders wichtig wenn der Patient erstmalig
Angst meist noch verstärkt. Hier ist es besonders wichtig,
nichtinvasiv beatmet wird und/oder sehr ängst­ dass die Pflegenden dem Patienten einfühlsam und in
lich ist, da die Pflegenden hierbei sehr genau be­ einer ihm verständlichen Art und Weise Sinn und Funk­
obachten können, wie der Patient mit der einge­ tion der Beatmung erklären, in der ersten Zeit nach An- 6
stellten Beatmung zurechtkommt. bringen der Maske bei ihm bleiben und ihm versichern,
• Ist die (Be-)Atmung problemlos möglich, die dass er im Bedarfsfall jederzeit die Möglichkeit hat, Hilfe
Maske mit den entsprechenden Haltebändern am zu erhalten.
Kopf des Patienten befestigen (› Abb. 6.17).
• Dichtigkeit der Maske prüfen (Luftstrom zwi­ Bei sehr unruhigen Patienten, deren Unruhe sich
schen Maskenwulst und Gesichtshaut spürbar?). unter der NIV nicht bessert, ordnet der Arzt evtl. ei­
Bei vielen Patienten mit Zahnprothesen ist eine ne Sedierung, z. B. mit Midazolam (z. B. Dormi­
Abdichtung nur möglich wenn die Zahnprothe­ cum®) oder Analgesie (z. B. mit Morphin, Sufentanil
sen eingesetzt sind. Schwierig ist das Abdichten oder Remifentanil, senkt den Atemantrieb) an.
auch bei liegender Magensonde. Hier gibt es spe­ Die Dauer der nichtinvasiven Beatmung richtet
zielle Schlauchbrücken zur Abdichtung sich nach dem Zustand des Patienten. So reichen bei
(Schlauchbrücke wird an der Stelle, an der die manchen Patienten einige Stunden pro Tag aus,
Magensonde unter dem Maskenwulst verläuft, während andere Patienten zu Beginn bis zu 24 Stun­
um die Sonde gelegt). Ist ein Abdichten der Mas­ den pro Tag diese Unterstützung benötigen.
ke nicht zu bewerkstelligen, kann es erforderlich Zu Beginn der nichtinvasiven Beatmung ist es
sein, die Beatmung so einzustellen, dass ein ge­ meist sinnvoll, den Patienten solange nüchtern zu
ringer Luftverlust kompensiert wird. lassen bis sicher ist, dass die NIV gelingt und eine
• Lückenlose Monitorüberwachung sicherstellen Intubation nicht erforderlich ist.
und dafür sorgen, dass der Patient jederzeit Hilfe Fällt die Sauerstoffsättigung beim Abnehmen der
herbeirufen kann. Mund-Nasen-Maske (z. B. zum Trinken) stark ab,
• Patienten im weiteren Verlauf engmaschig beob­ kann geprüft werden, ob der Einsatz einer Nasen­
achten. maske möglich ist. Alternativ kann der Patient bei
Heimbeatmung › Kap. 10 starkem Durstgefühl z. B. Eiswürfel lutschen.
154 6  Maschinelle Beatmung

Überwachen des Patienten unter NIV • Die Sauerstoffsättigung unter der NIV nicht an­
Während der nichtinvasiven Beatmung muss eine lü- steigt bzw. sich die Blutgasanalyse unter der Be­
ckenlose Monitorüberwachung gewährleistet sein. atmung nicht bessert
Diese umfasst die Überwachung folgender Parameter: • Der pH-Wert in der BGA weiter abfällt
• Herzfrequenz (wenn möglich mit Arrhythmie­ • Die Atemmuskulatur weiterhin überlastet ist (kli­
überwachung) und Blutdruck nische Zeichen der respiratorischen Erschöpfung
• Sauerstoffsättigung (› 9.2.3) › 6.11.3)
• Atemfrequenz (besonders wichtig bei Verwen­ • Eine Sekretretention auftritt, die häufiges endo­
dung spezieller CPAP-Geräte, die z. T. nicht über tracheales (ggf. bronchoskopisches) Absaugen er­
Überwachungsfunktionen verfügen; ansonsten forderlich macht
erfolgt die Atemfrequenzüberwachung durch den • Der Kreislauf instabil wird bzw. Herzrhythmus­
Respirator). störungen auftreten
Darüber hinaus wird meist in regelmäßigen Abstän­ • Der Patient erbricht bzw. der V. a. eine Aspirati­
den und zusätzlich bei Bedarf (z. B. nach Änderun­ on besteht
gen der Beatmungsparameter oder akuter Ver­ • Wenn sich der Zustand des Patienten, der die Be­
schlechterung der Gesamtsituation) eine Blutgas­ atmung erforderlich machte, nicht innerhalb ei­
analyse (› 2.4.2) durchgeführt. ner angemessenen Zeit bessert.
Erfolgt die nichtinvasive Beatmung über ein In­ Sollte die NIV nicht zum gewünschten Erfolg füh­
tensiv- oder Heimbeatmungsgerät, ist i. d. R. auch ren, muss umgehend intubiert und konventionell
eine mehr oder weniger umfangreiche Überwa­ beatmet werden.
chung der (Be-)Atmung über den Respirator mög­
lich. Diese umfasst:
• Atemminuten- und Tidalvolumen (schwierig bei
6 Nasenmaske, Helm bzw. Leckagen) 6.5  Seitengetrennte Beatmung
• Atemfrequenz
• Beatmungsdruck (wichtig ist insbesondere der DEFINITION
obere inspiratorische Druck, auch Beatmungsspit- Seitengetrennte Beatmung (independent lung venti-
zendruck) lation, kurz ILV): Getrennte Beatmung der beiden Lun-
• PEEP. genflügel, evtl. mit unterschiedlichem Beatmungsmuster.
Seitengetrennte Beatmung erfolgt über einen Doppellu-
Zusätzlich zu dieser kontinuierlichen Überwachung mentubus oder (selten) eine Doppellumen-Trachealkanü-
der Vitalparameter kontrollieren die Pflegenden le. Zur Beatmung sind in der Regel zwei Respiratoren
engmaschig den Zustand des Patienten. Dabei ach­ notwendig, die oft synchronisiert werden.
ten sie besonders auf die Zeichen einer persistieren­
den oder zunehmenden respiratorischen Insuffizi­
enz (› 2.4) und auf Hinweise für Komplikationen
(› 6.4.2). 6.5.1  Indikationen zur
seitengetrennten Beatmung
Abbrechen der nichtinvasiven Beatmung
Die nichtinvasive Beatmung muss abgebrochen und Eine seitengetrennte Beatmung ist indiziert wenn
der Patient intubiert und konventionell beatmet eine Lungenerkrankung einseitig besonders ausge­
werden wenn: prägt ist und andere Maßnahmen (z. B. bestimmte
• Der Patient zunehmend eintrübt, komatös wird Beatmungsstrategien oder Lagerungen) die Situati­
bzw. die Schutzreflexe aufgehoben sind on nicht verbessern können. Bei einseitig besonders
• Die Agitiertheit (motorische Unruhe) des Patien­ stark ausgeprägter Lungenerkrankung besteht bei
ten zunimmt und nicht mehr beherrschbar ist der konventionellen Beatmung die Gefahr, dass der
• Die Dyspnoe zunimmt, die Atemfrequenz > 35/ überwiegend gesunde Lungenflügel überdehnt und
Min. ansteigt (Hechelatmung) und das Atemzug­ der überwiegend erkrankte Lungenflügel nicht aus­
volumen abnimmt reichend belüftet wird. Mittels seitengetrennter Be­
6.5  Seitengetrennte Beatmung 155

atmung ist es möglich, den überwiegend gesunden werden. Grundsätzlich sollte der Doppellumentu­
Lungenflügel mit einem geringeren und den über­ bus so groß wie möglich gewählt werden, um den
wiegend erkrankten mit einem höheren Beatmungs­ Strömungswiderstand niedrig halten zu können
druck zu beatmen. Bei entzündlichen Lungener­ und das Absaugen über den Tubus zu erleichtern
krankungen und bei Blutungen kann eine seitenge­ • Intubations-Bronchoskop (› 4.7.1 und › Abb.
trennte Beatmung das Risiko vermindern, dass Blut 4.26) zur Tubuslagekontrolle (selten erfolgt die
bzw. Eiter in den intakten Lungenflügel übertritt. Lagekontrolle des Doppellumentubus ausschließ­
Zu den Lungenerkrankungen, die eine einseitige lich mittels Auskultation des Thorax).
Beatmung erforderlich machen können, gehören:
• Pneumonie (› 2.3.1) Durchführung
• ARDS (› 2.3.6) Das Vorgehen entspricht bis zum Punkt „Einführen
• Aspiration des Tubus“ dem bei der oralen Intubation (› 4.6.1).
• Lungenkontusion (› 2.3.3), -embolie Der Arzt führt den Doppellumentubus zunächst un­
(› 2.3.5), -blutung, -abszess oder -ödem ter Sicht durch die Stimmritze in die Trachea ein,
• Bronchopleurale Fistel und Bronchusstumpfin­ entfernt dann den Führungsstab, dreht den Tubus
suffizienz um 90° in die Richtung des Bronchus, der intubiert
• Thoraxtrauma mit Zerreißung von Lungengewe­ werden soll, und schiebt den Tubus dann bis zum
be (Gefahr der Gasembolie) Auftreten eines leichten Widerstands vor.
• Behandlungsresistente einseitige Atelektase Abschließend werden beide Cuffs geblockt und der
• Große Emphysemblasen Patient über beide Tubuslumen beatmet. Darunter
• Einseitige Lungentransplantation (Bingold/By­ müssen seitengleiche Atemgeräusche auskultierbar
hahn 2007). und seitengleiche Thoraxexkursionen beobachtbar
Darüber hinaus kann eine seitengetrennte Beatmung sein. Ist nur ein Lungenflügel belüftet, liegt der Tubus
notwendig sein bei thoraxchirurgischen Eingriffen, zu tief (beide Tubuslumen liegen im Hauptbronchus). 6
wenn zur Erleichterung des chirurgischen Vorgehens In diesem Fall müssen beide Cuffs entblockt und der
ein Lungenflügel vorübergehend „stillgelegt“ werden Tubus zurückgezogen und neu geblockt werden.
muss. Dies ist dann keine seitengetrennte Beatmung Bei (absehbar) schwieriger Intubation kann der
im eigentlichen Sinn mehr, vielmehr spricht man hier Doppellumentubus auch mithilfe eines Intubations­
von einer Ein-Lungen-Beatmung, da der stillgelegte fiberskops eingeführt werden (fiberoptische Intuba­
Lungenflügel meist lediglich mit einem geringen tion › 4.7). Je nach Größe des Doppellumentubus
Frischgasflow durchspült wird. sind dazu spezielle (besonders dünne) Intubationsfi­
berskope erforderlich.

6.5.2  Durchführung der Tubuslagekontrolle


seitengetrennten Beatmung Ist die Belüftung beider Lungenflügel bei Beatmung
über beide Tubuslumen gegeben, wird nacheinan­
Doppellumenintubation der jeweils ein Tubuslumen abgeklemmt und kont­
rolliert, welcher Lungenflügel darunter belüftet ist.
Vorbereitung Es darf jeweils auf der „abgeklemmten“ Seite kein
Die Vorbereitung des Patienten und des Materials Atemgeräusch auskultierbar sein, während die
entspricht weitgehend der bei der oralen Intubation „nicht abgeklemmte“ Seite belüftet sein muss.
(› 4.5). Zusätzlich sind erforderlich: Typische Fehllagen des Doppellumentubus sind:
• Doppellumentubus (› Abb. 4.15) mit zugehöri­ • zu tiefe Intubation des richtigen Hauptbronchus
gem Führungsstab und Konnektoren. Wichtig ist (beide Lumen enden im Bronchus)
die Überprüfung der Dichtigkeit beider Cuffs. Die • nicht ausreichende Intubationstiefe (beide Lu­
Kontrolle des trachealen Cuffs entspricht der men enden in der Trachea)
beim Endotrachealtubus (› 4.5.1). Der bronchi­ • (korrekte) Lage im falschen Hauptbronchus (das
ale Cuff sollte mit maximal 3 ml Luft geblockt bronchiale Lumen endet im falschen Bronchus).
156 6  Maschinelle Beatmung

Trotz sorgfältiger Auskultation kann es sehr schwierig tubation ist, dass der Endobronchialtubus belassen
sein, die Lage des Doppellumentubus sicher zu be- werden kann, d. h. eine Umintubation mit Doppellu­
stimmen, insbesondere wenn aufgrund der einseitig aus- mentubus und der damit verbundene kurzfristige
geprägten Lungenerkrankung die Atemgeräusche verän- Verlust eines sicheren Atemwegs entfällt.
dert sind. Deshalb wird die abschließende definitive Lage-
Nachteile sind das sehr enge Lumen des Endobron­
kontrolle i. d. R. mittels Bronchoskopie vorgenommen.
chialblockers (dadurch erschwertes Absaugen) und
das vergleichsweise hohe Dislokationsrisiko. Zudem
Zur bronchoskopischen Lagekontrolle wird das Bron­ kann über den Endobronchialblocker lediglich Sauer­
choskop meist in das tracheale Lumen eingeführt und stoff insuffliert bzw. CPAP appliziert werden, eine wei­
etwas über die Öffnung des Lumens in der Trachea terreichende Beatmung des Lungenbereichs hinter
hinaus vorgeschoben. Bei korrekter Tubuslage sind dem Endobronchialblocker ist nicht möglich.
die Karina (Bifurkation) und der im richtigen Haupt­
bronchus liegende bronchiale Cuff zu sehen.
Technik der seitengetrennten Beatmung
Die Beatmung erfolgt mit zwei Respiratoren, wobei
Alternative: Endobronchialblocker
ein Gerät als „Master“ („Herr“), das andere als „Sla­
Ist bei einem bereits konventionell intubierten Pati­ ve“ („Sklave“) eingestellt wird. Die Geräte werden
enten eine seitengetrennte Beatmung erforderlich, über ein Schnittstellenkabel verbunden. Das Master-
kann der Einsatz eines Endobronchialblockers erwo­ Gerät übernimmt die Kontrolle. Wichtig ist es trotz­
gen werden. Endobronchialblocker sind Ballonkathe­ dem, bei beiden Geräten die gleiche Frequenz einzu­
ter, die unter bronchoskopischer Sicht über den lie­ stellen, falls es zu einer unbeabsichtigten Trennung
genden Endotrachealtubus in den Haupt- oder Lap­ der Geräte kommt.
penbronchus vorgeschoben werden (› Abb. 6.18). Es werden drei Master-Slave-Beziehungen unter­
6 Auch eine Platzierung in einem Segmentbronchus ist schieden (› Abb. 6.19):
möglich. Derzeit sind v. a. der Endobronchialblocker • Synchrone ILV: Beide Respiratoren beginnen
nach Arndt und der Endobronchialblocker nach Co- gleichzeitig mit der Inspiration, das I:E-Verhält­
hen (mit schwenkbarer Spitze zur besseren Platzie­ nis ist identisch
rung) in Gebrauch. Wesentlicher Vorteil des En­ • Asynchrone ILV: Beide Respiratoren beginnen
dobronchialblockers gegenüber der Doppellumenin­ gleichzeitig mit der Inspiration, das I:E-Verhält­

Abb. 6.18 Endobronchialblo-
cker, über einen konventionellen
Endotrachealtubus eingeführt und
geblockt. [V602]
6.5  Seitengetrennte Beatmung 157

nis ist jedoch unterschiedlich (bei gleicher Zeit­ dig, der beide Tubuslumen zu einem zusammen­
dauer des Ventilationszyklus) führt, das an die Beatmungsschläuche ange­
• Inverse ILV: Der Slave-Respirator beginnt mit schlossen wird. Indiziert ist diese Form der sei­
der Inspiration sobald am Master-Respirator die tengetrennten Beatmung bei entzündlichen
Exspiration beginnt. Erkrankungen oder Blutungen (hier dient der
Alternativ kann die seitengetrennte Beatmung auch Doppellumentubus dem Schutz des nicht bzw.
erfolgen über: weniger stark geschädigten Lungenflügels)
• Zwei unabhängig voneinander arbeitende Respi­ • Kombination von Intensivrespirator und CPAP-
ratoren (unsynchronisierte ILV) Gerät (› 7.5) oder Gerät zur Hochfrequenzbeat­
• Einen Respirator, der beide Lumen ventiliert. Da­ mung.
zu ist ein spezieller y-förmiger Adapter notwen­
Die seitengetrennte Beatmung ermöglicht es, jeden Lun-
genflügel entsprechend den erkrankungsbedingten Ver-
Druck änderungen mit unterschiedlichen Beatmungsparame-
tern zu beatmen, z. B. verschieden hohes PEEP-Niveau,
unterschiedliches Atemzeitverhältnis, angepasstes Tidal-
Master
volumen bzw. unterschiedlicher Beatmungsdruck.
Diesem Vorteil stehen jedoch Nachteile und gravierende
Risiken gegenüber: Nachteilig sind die i. d. R. notwendi-
ge tiefe Sedierung und ggf. auch Relaxierung des Patien-
Insp. Exsp. Insp. Exsp. Zeit ten und der hohe technische Aufwand, der umfangreiche
Überwachungsmaßnahmen erfordert.
Hauptgefahren sind eine Lageveränderung des Tubus,
Druck z. B. nach einer Umlagerung des Patienten, mit nachfol-
gender Verschlechterung der Beatmungssituation, sowie
im Extremfall eine Ruptur des tracheobronchialen Sys-
6
Slave Synchron
tems, die insbesondere dann droht, wenn der Tubus un-
ter Druck oder Zug gerät und gleichzeitig die Cuffs sehr
stark geblockt sind. Wegen dieser Risiken wird die seiten-
getrennte Beatmung nur sehr selten und i. d. R. für maxi-
Insp. Exsp. Insp. Exsp. Zeit
mal 48 Stunden angewendet.

Druck
6.5.3  Pflege bei seitengetrennter
Slave Asynchron Beatmung

Die Pflege des Patienten mit seitengetrennter Beat­


mung ist wegen des hohen technischen Aufwands
Insp. Exsp. Insp. Exsp. Zeit und der meist schweren Form der Grunderkran­
kung sehr aufwändig. Spezielle Aspekte der Pflege
Druck bei seitengetrennter Beatmung sind:
• Um eine Lageveränderung des Doppellumentu­
Slave Invers bus zu vermeiden wird der Patient so wenig und
so schonend wie möglich umgelagert. Bei der La­
gerung des Kopfs achten die Pflegenden darauf,
äußerst schonend vorzugehen und ein starkes
Exsp. Insp. Exsp. Insp. Zeit Beugen, Drehen oder Strecken des Halses zu ver­
meiden, da dies geringe Lageveränderungen des
Abb. 6.19 Verschiedene Master-Slave-Beziehungen bei der Tubus nach sich ziehen kann. In den meisten Kli­
seitengetrennten Beatmung. [A400] niken führen die Pflegenden die notwendigen
158 6  Maschinelle Beatmung

Umlagerungen des Patienten zusammen mit dem Menge ist umso größer, je wärmer das Gas ist. Der
Arzt durch, der dann i. d. R. nach jeder Umlage­ tatsächliche Wassergehalt pro Volumeneinheit
rung des Patienten eine Tubuslagekontrolle (ggf. Luft ist die absolute Feuchtigkeit (absolute Feuch­
bronchoskopisch) durchführt, um die korrekte te). Die pro Volumeneinheit Luft maximal mögli­
Tubuslage sicherzustellen. Evtl. wird der bron­ che Wassermenge ist die maximale Feuchtigkeit
chiale Cuff zur Umlagerung des Patienten ent­ (maximale Feuchte). Ist diese maximal mögliche
blockt (Arztrücksprache) Wassermenge in der Luft enthalten, so ist die Luft
• Die Pflegenden überwachen und dokumentieren zu 100 % gesättigt. Aus absoluter und maximaler
die seitengetrennte Beatmung z. B. mittels zwei Be­ Feuchtigkeit errechnet sich die relative Feuchtig­
atmungsprotokollen (ein Protokoll pro Respirator) keit:
• Zum endotrachealen Absaugen können nur rela­
tiv dünnlumige Absaugkatheter verwendet wer­ Relative Feuchtigkeit (%) = (absolute Feuchtigkeit :
den. Angaben darüber, welche Absaugkatheter­ Maximale Feuchtigkeit) × 100
stärke verwendet werden kann, finden sich meist Die relative Luftfeuchtigkeit gibt an, wie viel Prozent
auf der Bedienungsanleitung des Tubus. Das Ab­ der maximalen Feuchtigkeit in der Luft enthalten sind.
saugen sollte durch zwei Pflegende erfolgen (eine
hält den Tubus fest), um auch geringe Lageverän­ Beispiel: 10  °C-warme Luft kann maximal 9 mg
derungen des Tubus zu vermeiden. Nach dem Wasser pro Liter Luft aufnehmen. Ist die Luft 37 °C
Absaugen ist eine Tubuslagekontrolle erforder­ warm, sind maximal 44 mg Wasser pro Liter Luft
lich (Auskultation). enthalten. Sind diese Wassermengen jeweils in der
Luft enthalten, so liegt die relative Luftfeuchtigkeit
in beiden Fällen bei 100 % (absolute Feuchtigkeit
entspricht der maximalen Feuchtigkeit). Bleibt da­
6 6.6 Atemgasklimatisierung gegen die absolute Feuchtigkeit gleich, also z. B. 9 mg
pro Liter Luft, und ändert sich die Lufttemperatur,
DEFINITION z. B. von 10 °C auf 37 °C, so sinkt die relative Feuch­
Atemgasklimatisierung (Atemgaskonditionierung): tigkeit in diesem Beispiel von 100 % auf 21 %, d. h.
Befeuchtung und Erwärmung der Atemgase beim intu- die absolute Feuchtigkeit bleibt gleich, die relative
bierten oder tracheotomierten Patienten. Feuchtigkeit ändert sich.
Derzeit zwei Verfahren gebräuchlich:
• Aktive Befeuchtungssysteme führen der Atemluft
Wärme und Wasser zu (die Inspirationsluft wird zu Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
100 % mit Wasserdampf gesättigt).
• Passive Befeuchtungssysteme (heat and moisture Atemgasklimatisierung bei Nasenatmung
exchanger, kurz HME, d. h. Wärme- und Feuchtigkeits- Die Atemgasklimatisierung beim spontan atmenden
tauscher, auch künstliche Nasen genannt) entziehen (nicht intubierten oder tracheotomierten) Patienten
der Exspirationsluft Wärme und Wasser und geben sie erfolgt vor allem in den oberen Luftwegen. Hier wird
während der nächsten Inspiration wieder an die Atem-
luft ab.
die Atemluft durch den Kontakt mit den zahlreichen
dünnwandigen Blutgefäßen der Nasenhöhlen er­
wärmt (Nasenschleimhaut gibt Strahlungswärme
ab). Durch den verzweigten Aufbau der Nasenhöh­
6.6.1  Grundlagen der len entsteht eine turbulente Gasströmung; dies be­
Atemgasklimatisierung wirkt einen intensiven Kontakt der Atemluft mit der
Nasenschleimhaut. Die Drüsen der Nasenschleim­
Physikalische Grundlagen haut befeuchten die Atemluft, d. h. sie geben Wasser
an die Atemluft ab (› Tab. 6.5).
Absolute und relative Feuchtigkeit Inspiration. Bereits im Nasen-Rachen-Raum wird
Ein Gasgemisch kann eine bestimmte Menge Was­ die Atemluft auf ca. 34 °C erwärmt und auf 80–90 %
serdampf (Feuchtigkeit) in sich aufnehmen. Diese relative Feuchtigkeit aufgesättigt, d. h. die unterhalb
6.6 Atemgasklimatisierung 159

Abb. 6.20 Der Feuchtigkeitsge-


halt der Luft hängt von der Tem-
peratur ab. Je wärmer die Luft ist,
desto mehr Feuchtigkeit kann sie
aufnehmen. [A400]

Tab. 6.5  Temperatur und Wassergehalt der Atemluft bei Nasenatmung (absolute Feuchtigkeit in mg/l, relative
Feuchtigkeit in %).
Nase Aufnahme/Abgabe von Obere Trachea Aufnahme/Abgabe Alveolen
Wasser im Nasen- von Wasser in Tra-
Rachen-Raum chea und Bronchien
Einatmung 22 °C  +25 mg/l 35 mg/l +9 mg/l 37 °C 100 %
50 %  44 mg/l 6
10 mg/l
Ausatmung 32 °C  −8 mg/l 42 mg/l −2 mg/l 37 °C 100 %
100 %  44 mg/l
34 mg/l

des Kehlkopfs ankommende Atemluft enthält be­ Atemgasklimatisierung beim intubierten/


reits 35 mg Wasser/l Luft (bei Atmung durch den tracheotomierten Patienten
Mund nur etwa 28 mg/l). Die Schleimhäute von Tra­ Durch die Intubation oder Tracheotomie werden
chea und Bronchien erwärmen die Atemluft weiter die  physiologischen Funktionen der oberen Atem­
auf etwa 37  °C und fügen ihr weitere 9 mg Wasser wege ausgeschaltet. Die Atemgasklimatisierung be­
pro Liter zu, sodass die Atemluft bei Eintritt in die schränkt sich dann auf die Trachea und die Bron­
Alveolen zu 100 % gesättigt ist, d. h. sie enthält etwa chien, die damit eine unphysiologisch hohe Befeuch­
44 mg Wasser pro Liter. tungsleistung erbringen müssen. Dadurch kommt
Exspiration. Während der Exspiration kühlt die es rasch zur Eindickung des Schleims, was die Funk­
Atemluft auf ca. 32 °C ab und gibt dabei insgesamt tion des Flimmerepithels beeinträchtigt: Die Bewe­
etwa 10 mg Wasser pro Liter an die Schleimhäute ab gungen der Zilien (normal ca. 100/Min.) verlangsa­
(ca. 2 mg in Bronchien und Trachea, ca. 8 mg im men sich und sistieren innerhalb kurzer Zeit völlig
Nasen-Rachen-Raum). Die Ausatemluft ist 32  °C (z. B. nach ca. 10  Min. bei relativer Feuchtigkeit
warm und enthält 34 mg Wasser pro Liter, d. h. sie < 50 % bzw. nach 3–5 Min. bei relativer Feuchtigkeit
ist zu 100 % mit Feuchtigkeit gesättigt. von 30 %).
Insgesamt verliert ein Erwachsener etwa 250– Dies kann gravierende Folgen haben:
300 ml Wasser pro Tag mit der Ausatemluft (Perspi­ • Die Viskosität des Schleims nimmt zu, es kann zu
ratio insensibilis). Sekretstau und -inkrustationen kommen. Dadurch
steigt die Gefahr einer Verlegung der Atemwege
160 6  Maschinelle Beatmung

und/oder des Tubus bzw. der Trachealkanüle. ten durchperlt das Atemgas ein beheiztes Was­
Der Atemwegswiderstand nimmt zu, die Com­ serbad.
pliance (› 1.2.1) ab. Zudem entsteht ein guter • Oberflächenverdunster. Bei diesen neueren Ge­
Nährboden für Keime räten wird die Luft über die Oberfläche des er­
• Die Aktivität des Surfactant (› 1.1.2) wird redu­ wärmten Wassers geleitet. Die Wasseroberfläche
ziert, dadurch steigt die Gefahr der Atelektasen­ (und damit die Befeuchtungsleistung) wird da­
bildung durch vergrößert, dass im Wasserbad ein hygro­
• Die Anfälligkeit für pulmonale Infekte nimmt zu skopischer (d. h. Wasser bindender) Docht aus
• Langfristig kühlt der Patient aus (Hypothermie). Löschpapier steht. Im Gegensatz zu den Durch­
Darüber hinaus reizt zu kühle Atemluft die Bronchi­ strömungsverdunstern, bei denen bei Spontanat­
alschleimhaut und kann schlimmstenfalls eine mung das Atemgas durch das Wasserbad durch­
Bronchospastik verursachen. gesaugt werden muss, erhöhen Oberflächenver­
Insgesamt verschlechtert eine unzureichende dunster den Durchatemwiderstand praktisch
Atemgasbefeuchtung und -erwärmung den pulmo­ nicht.
nalen Gasaustausch. Klinisch relevant ist die Unterscheidung zwischen
Systemen mit integrierter Schlauchheizung und sol­
Auch wenn der Patient nur kurzfristig intubiert oder tra- chen ohne beheizte Schläuche.
cheotomiert ist müssen die Atemgase immer klimati- Bei Systemen ohne beheizte Schläuche (z. B.
siert werden, um die negativen Auswirkungen von tro- Bennett-Cascade II®, Dräger Aquapor®, Kendall
ckener und kalter Atemluft zu vermeiden.
Conchatherm neptune®) wird das Inspirationsgas
über die Oberfläche von ca. 60 °C warmem Wasser
Nicht nur die Zufuhr von zu kalter und trockener geleitet. Nach Passage des Verdampfers beträgt der
Luft, auch die Zufuhr von überhitzten Atemgasen Wassergehalt (100 % rel. Luftfeuchtigkeit vorausge­
6 sind für den Patienten gefährlich. Bereits bei Tem­ setzt) ca. 130 mg/l, bei 70 °C sogar 198 mg/l. Auf dem
peraturen über 40 °C entstehen thermische Schäden Weg durch den Inspirationsschlauch kühlt das
der Tracheal- und Bronchialschleimhaut. Eine Zu­ Atemgas ab und ist am Y-Stück (also unmittelbar
fuhr überhitzter Atemgase ist nur möglich beim Ein­ vor dem Tubus bzw. der Trachealkanüle) noch ca.
satz aktiver Atemgasbefeuchter. 37 °C warm, der Wassergehalt beträgt also nur noch
44 mg/l. Während die Luft zwischen Verdampfer
und Y-Stück abkühlt, kondensiert das überschüssige
6.6.2  Aktive Befeuchtungssysteme Wasser (rund 1 ml/Min. bei einem AMV von 7,5 l/
Min.) im Inspirationsschlauch. Auch im Exspirati­
Aktive Befeuchtungssysteme sind Geräte, die in onsschlauch kommt es zum Niederschlag von Was­
den Inspirationsschenkel des Beatmungssystems serdampf an der Wand des Schlauchs, da die Exspi­
eingebaut werden und dort der Inspirationsluft rationsluft i. d. R. wärmer ist als die Raumtempera­
Wasser und Wärme zuführen. tur. In beiden Fällen können sich Wasseransamm­
Zwei Gerätegruppen werden unterschieden: Ver- lungen („Pfützen“) bilden, die den Atemwiderstand
dampfer und Vernebler. erhöhen, eine Selbsttriggerung des Respirators aus­
lösen können und zudem einen guten Nährboden
Verdampfer für Keime darstellen. Um solche Wasseransamm­
Verdampfer erzeugen unsichtbaren Wasserdampf. lungen zu vermeiden, sind in die Beatmungsschläu­
Beim Einsatz von Verdampfern wird die Inspirati­ che Kondenswasserabscheider (sogenannte Wasser-
onsluft durch eine Kammer geleitet, in der sich be­ fallen) eingebaut, in die hinein das überschüssige
heiztes Wasser befindet. Abhängig davon, wie der Wasser ablaufen, jedoch nicht ins Schlauchsystem
Kontakt zwischen Atemluft und Wasser erfolgt, wer­ zurückgelangen kann.
den zwei Gerätetypen unterschieden: Diese Nachteile entfallen bei Systemen mit be-
• Durchströmungsverdunster (Durchlaufverduns- heizten Schläuchen (z. B. Fisher & Paykel AGM
ter bzw. Kaskadenverdampfer). Bei diesen Gerä­ 730®, MR 730®, MR 850®, Laborex SCT 3000®, Tyco
6.6 Atemgasklimatisierung 161

Aerodyne 2000®). Bei diesen Systemen wird das • Das Gerät besitzt eine geringe Compliance und
Atemgas im Verdampfer auf 36 °C erwärmt und zu Resistance und ist mit einer CE-Kennzeichnung
100 % mit Wasser gesättigt. Im Inspirationsschlauch versehen.
wird das Atemgas durch Heizdrähte (entweder im
Schlauch eingebaut oder außen am Schlauch ange­ Beim Einsatz von aktiven Atemgasbefeuchtern
bracht) weiter erwärmt auf 37 °C. Dadurch sinkt die beachten:
relative Luftfeuchtigkeit des Atemgases und es kon­ • Kondenswasserabscheider (Wasserfallen) befinden
densiert kein Wasser im Schlauch. Auch die Aus­ sich am tiefsten Punkt der Inspirations- bzw. Exspirati-
atemluft im Exspirationsschlauch kann erwärmt onsschläuche. Dazu ggf. die Schläuche entsprechend
werden, dadurch findet auch im Exspirationsteil kei­ positionieren.
• Kondenswasser nicht in den Vorratsbehälter zurück-
ne Kondensation statt. Obwohl die Schläuche tro­ führen (Kontaminationsgefahr).
cken aussehen, ist die Inspirationsluft nahezu voll­ • Jeweils vor dem Umlagern des Patienten und vor La-
ständig mit Wasser gesättigt (› Abb. 6.21). geveränderungen der Beatmungsschläuche sicherstel-
len, dass sich in den Schläuchen keine zusätzlichen
Vernebler Wasseransammlungen gebildet haben (kann z. B. pas-
Vernebler (Ultraschallvernebler oder Düsenverneb­ sieren, wenn die Wasserfallen nicht am tiefsten Punkt
ler) erzeugen Wassertröpfchen. Diese können bei ei­ des Schlauchs sitzen) und diese ggf. in die Wasserfal-
len entleeren, um zu vermeiden, dass die Wasseran-
ner Kontamination des Systems als Vehikel für Keime sammlungen während des Umlagerns Richtung Tubus
dienen, die dann zusammen mit den Wassertröpfchen laufen und aspiriert werden.
in die Alveolen gelangen. Zudem kann es zu Wasser­ • Füllungsstand der Befeuchtungskammer regelmäßig
ansammlungen (Kondenswasserbildung) in den kontrollieren und ggf. steriles Wasser nachfüllen, um
Schläuchen kommen, was hygienische Gefahren birgt ein „Trockenfahren“ (Beatmung mit unzureichend an-
und den Widerstand im Beatmungsschlauchsystem gefeuchteter bzw. trockener Atemluft) zu verhindern.
• Überwärmte Gase bilden eine Gefahr für den Patien- 6
erhöht. Darüber hinaus können Ultraschallvernebler
ten und können möglicherweise unbemerkt als „hot
eine Überwässerung des Patienten hervorrufen. We­ shots“ nach Unterbrechung der Beatmung auftreten
gen dieser Risiken werden Vernebler praktisch nicht (z. B. wenn der Respirator im Rahmen einer Umintuba-
mehr zur Atemgaskonditionierung beim beatmeten tion oder Bronchoskopie abgeschaltet wurde, die Hei-
Patienten verwendet, sondern sind nur noch zum Ver­ zung aber weiter in Betrieb war). Um dies zu verhin-
nebeln von Medikamenten indiziert (› 9.6.1). dern nach Wiederinbetriebnahme des Respirators zu-
nächst einige Atemzüge durch das Schlauchsystem lei-
Anforderungen an aktive Atemgasbefeuchter ten bevor der Patient wieder angeschlossen wird.
• Bei unterkühlten Patienten darauf achten, dass die
Geräte zur Atemgasanfeuchtung sollen folgende Atemgastemperatur der Körpertemperatur entspricht.
Merkmale aufweisen: Bei Hypothermie kann es ansonsten zur Kondensation
• Die Kontrolle der Atemgastemperatur erfolgt pa­ von Wasser in den Luftwegen kommen.
tientennah (i. d. R. am Y-Stück) Das Beatmungsschlauchsystem muss aus hygienischen
• Der Befeuchter erwärmt das Atemgas so, dass es Gründen regelmäßig gewechselt werden. Das Robert
am Y-Stück mindestens 36 °C warm ist (ideal: Koch-Institut (RKI) empfiehlt einen Beatmungssystem-
Atemgastemperatur entspricht der Körpertempe­ wechsel alle 7 Tage (› 11.3).
ratur des Patienten – Ausnahme: Hohes Fieber)
und die relative Luftfeuchtigkeit 80–100 % be­
trägt 6.6.3  Passive Befeuchtungssysteme
• Die Befeuchtungsleistung ist auch bei hohem
Flow und Atemminutenvolumen optimal Passive Befeuchtungssysteme werden zwischen das
• Die aktuelle Atemgastemperatur wird optisch an­ Y-Stück des Beatmungsschlauchsystems und den
gezeigt Tubus/die Trachealkanüle bzw. die Tubusverlänge­
• Warneinrichtungen signalisieren Wassermangel rung angebracht.
und Atemgastemperaturen unter 35 °C bzw. über Grundsätzlich gilt: Je näher das passive Befeuch­
40 °C tungssystem am Patienten (Tubus) platziert ist, des­
162 6  Maschinelle Beatmung

Abb. 6.22  Passive Atemgasbefeuchter. Rechts passiver Be-


feuchter für beatmete Patienten, links passiver Befeuchter für
Patienten, die spontan über eine Trachealkanüle atmen.
[M251]

nachfolgenden Inspiration geben die Filter die ge­


speicherte Feuchtigkeit und Wärme wieder ab. Da­
durch wird die Inspirationsluft in ausreichendem
Abb. 6.21  Aktiver Atemgasbefeuchter, hier der MR 850 (Fa. Maß angefeuchtet und erwärmt. Die Befeuchtungs­
Fisher & Paykel) mit integrierter Schlauchheizung. Die Heiz-
leistung wird schon nach kurzer Zeit erreicht. Passi­
drähte in den Beatmungsschläuchen erwärmen die Inspira-
tions- bzw. Exspirationsluft nochmals, dadurch bildet sich kein ve Atemgasbefeuchter werden auch HME-Filter
Kondenswasser und Wasserfallen (Kondenswasserabscheider) (heat and moister exchanger) genannt.
sind nicht erforderlich. [V088]
Passive Befeuchtungssysteme für intubierte bzw. tra-
6 to besser ist seine Wirkung. Die ideale Platzierung cheotomierte Patienten unter maschineller Beatmung
wäre direkt am Tubus, hier ist jedoch die Gefahr ei­ müssen die DIN-EN-ISO-9360–1:2009-Norm erfüllen.
ner Sekretverlegung am größten, zudem könnte Diese Filter sind auch für eine Langzeitbeatmung geeig-
durch das Gewicht des Filters Zug auf den Tubus net. HME für Patienten mit künstlichem Luftweg unter
entstehen. Spontanatmung müssen die DIN-EN-ISO-9360–2:2009-
Norm erfüllen; (jeweils die deutsche Fassung, bei Atem-
zugvolumina über 250 ml).
Aufbau passiver Befeuchtungssysteme
Die äußere Hülle des passiven Atemgasbefeuchters
besteht aus festem Kunststoff (› Abb. 6.22). Darin Zusätzlich dienen viele HME auch als Bakterien-
befinden sich hygroskopische (wasseranziehende) und Partikelfilter. Dies kann auf mechanischem
Materialien, z. B. spezielle Papiere, Schwämme aus oder elektrostatischem Weg erfolgen.
Zellulose, Polyurethan oder Polyethylen. Diese Ma­
terialien nehmen die Wärme und Feuchtigkeit der Auswahl der HME-Filter
Exspirationsluft auf und speichern sie. Bei manchen Die verschiedenen erhältlichen HME-Filter unter­
Filtern sind die hygroskopischen Materialien zusätz­ scheiden sich hinsichtlich Befeuchtungs- und Er­
lich mit Magnesium-, Kalzium- oder Lithiumsalzen wärmungsleistung, Totraumvolumen, Beatmungs­
beschichtet. Dies verbessert die Leistung (Speicher­ widerstand und Standzeit. Dies sind gleichzeitig die
kapazität) der Filter. Kriterien, die maßgeblich sind für die Auswahl von
HME-Filtern:
Funktion passiver Befeuchtungssysteme • Die hinter dem HME-Filter gemessene Feuchtig­
Passive Befeuchtungssysteme imitieren die Funkti- keitsmenge variiert zwischen 20 und 32,2 mg
on der Nase (daher auch die Bezeichnung „künstli­ H2O/l Atemluft, die Temperatur zwischen 28 und
che Nase“). Die Feuchtigkeit der Ausatemluft kon­ 32 °C. Die Befeuchtungsleistung eines HME-Fil­
densiert und wird mit der Wärme in den hygrosko­ ters gilt als gut, wenn sie über 30 mg/l Atemluft
pischen Stoffen eines Filters gespeichert. Bei der (Schwabbauer, Ammerbuch 06/05) liegt und
6.7  Nebenwirkungen und Komplikationen der maschinellen Beatmung 163

wenn der Wasserverlust des Filters weniger als Filters besonders gefährdet, da die Verlegung die
7 mg H2O/l Atemluft beträgt. Atemarbeit enorm erhöht. Der verlegte Filter
• Das Totraumvolumen der Filter variiert zwischen muss umgehend ausgetauscht werden.
30 und über 100 ml. In Kombination mit einer • Als problematisch wird die Tatsache angesehen,
Tubusverlängerung zur Zugentlastung („Gänse­ dass der Filter den funktionellen Totraum ver­
gurgel“) kann das Totraumvolumen auf 130 ml größert (› 1.2.1). Die durch den Filter und ggf.
ansteigen. Grundsätzlich sollte das Totraumvolu­ die Tubusverlängerung bedingte Totraumver-
men eines HME-Filters so gering wie möglich größerung beträgt bei Erwachsenen etwa 30–
sein (< 50 ml; Schwabbauer, Ammerbuch 06/05) 150 ml.
und den funktionellen Totraum um nicht mehr • Der Filter erhöht den Durchatemwiderstand
als 40 % erhöhen. und damit die Atemarbeit. Bei beatmeten Patien­
• Bei Bedarf sollte ein Anschluss zur Atemgasana­ ten ist dies wenig relevant, bei teilweise oder voll­
lyse vorhanden sein (CO2-Port). ständig spontan atmenden Patienten jedoch soll­
• Der Widerstand des Filters sollte möglichst ge­ te darauf geachtet werden, dass die Durchatem­
ring sein (< 2 mbar bei Flow von 60 l/Min.; wie widerstände nicht zu sehr ansteigen. Als tolerabel
hoch der Widerstand eines Filters ist kann den gilt ein Anstieg von 2 mbar bei einem Flow von
Herstellerangaben entnommen werden). 60 l/Min. bei spontan atmenden Patienten.
Weitere Kriterien für die Auswahl sind die Standzeit Kontraindiziert sind HME-Filter bei:
des HME-Filters (i. d. R. 24 oder 48 Stunden, längere • Deutlich unterkühlten Patienten (Körpertempera­
Standzeiten werden derzeit diskutiert) sowie der tur < 32 °C, z. B. bei Kühlung nach Reanimation)
Preis. • Bei Patienten, bei denen die Ausatemluft (teilwei­
se) nicht durch das Beatmungssystem geleitet wird
Vorteile, Nachteile und Kontraindikationen (z. B. offener Pneumothorax, ungeblockter Cuff)
passiver Befeuchtungssysteme • Bei sehr niedrigen Tidalvolumina, da der Anteil 6
Passive Atemgasbefeuchter haben gegenüber den der Totraumventilation zu groß wäre.
aktiven Befeuchtungssystemen folgende Vorteile:
• Sie sind erheblich preiswerter HME-Booster stellen eine Mischform der aktiven und
• Eine Überhitzung der Atemgase ist ausgeschlos­ passiven Befeuchtung dar. Dabei wird über eine semiper-
sen meable Membran (Goretex®) zusätzlich Wärme und
• Möglicherweise ist eine Reduzierung der VAP Feuchtigkeit zugeführt. Diese Membran befindet sich im
möglich (Kranabetter R et al, 2004). Booster-T-Stück, das sich zwischen Patient und HME be-
Passive Atemgasbefeuchter werden sowohl für kurz­ findet. Über eine Zuleitung wird Wasser in dieses T-Stück
geführt und dort erwärmt. Der Wasserdampf wird ent-
zeitige (Nach-)Beatmungen als auch in der Langzeit­ sprechend dem Konzentrationsgefälle ins Beatmungssys-
beatmung eingesetzt. tem geleitet. Dadurch wird die Funktion des HME er-
Nachteile gegenüber den aktiven Befeuchtungssys­ gänzt.
temen sind:
• Der Filter kann durch abgehustetes Trachealse­
kret verlegt werden, diese Gefahr besteht vor al­
lem bei stark verschleimten, tracheotomierten
Patienten, bei denen keine Tubusverlängerung 6.7  Nebenwirkungen und
zwischen Filter und Trachealkanüle eingebaut ist. Komplikationen der
Bei Sekretverlegung des Filters ist eine maschi­ maschinellen Beatmung
nelle Beatmung evtl. nicht mehr in vollem Um­
fang (Erhöhung des Beatmungsdrucks bzw. Ab­
nahme des Tidalvolumens) oder im Extremfall Komplikationen durch Tubus › 4.11
(bei totaler Verlegung des Filters) gar nicht mehr Komplikationen durch Trachealkanüle › 5.5
möglich. Patienten die teilweise oder vollständig Jede Form der maschinellen Beatmung geht mit un-
spontan atmen sind bei einer Sekretverlegung des erwünschten Nebenwirkungen einher, die nicht
164 6  Maschinelle Beatmung

nur die Lunge selbst, sondern auch andere Körperor­ ter maschineller Beatmung. Inzwischen gilt als gesi­
gane betreffen. Ursache dieser Beatmungsnebenwir­ chert, dass vor allem hohe Tidalvolumina eine Schädi­
kungen ist vor allem der erhöhte intrathorakale gung der Lunge unter der Beatmung verursachen.
Druck. Dieser steigt mit dem Beatmungsmitteldruck, Man spricht daher heute nicht mehr nur vom pulmo-
der aus dem PEEP, dem Inspirationsdruck sowie der nalen Barotrauma, sondern auch vom pulmonalen
Inspirationsdauer resultiert (Oczenski 2012, 434). Volotrauma (auch Volumentrauma oder Volutrau-
Die Nebenwirkungen sind umso ausgeprägter, je in­ ma) bzw. von der beatmungsbedingten Lungen-
vasiver die Beatmung ist und je länger sie andauert. schädigung (ventilator associated lung injury, kurz
VALI, auch ventilator induced lung injury kurz VILI).
PIF-Index als Maß für die Beatmungsinvasivität Bei hohen Tidalvolumina wirken sehr hohe Scher-
Der PIF-Index wird errechnet aus den drei Beatmungspa- kräfte in der Lunge. Diese Scherkräfte entstehen zwi­
rametern: schen Lungenabschnitten, die sich normal oder
• PEEP (› 6.2.4) schnell mit Luft füllen (normale oder schnelle Zeit­
• I : E (Atemzeitverhältnis, › 6.2.1). Dabei entspricht konstante) und solchen, die sich nur langsam füllen
ein I : E von: (langsame Zeitkonstante), und können bis zu
– 1: 2 = 0,5
– 1: 1 = 1
140  mbar betragen. Zusätzlich werden durch hohe
– 2: 1 = 2 Tidalvolumina die „schnellen“ Lungenbereiche
– 2,5: 1 = 2,5 usw. überbläht, während die „langsamen“ minderbelüftet
• FiO2 (inspiratorische Sauerstoffkonzentration, werden. Durch die Überblähung der Alveolen kann
› 6.2.3). es zur Zerreißung der alveolokapillären Membran
Die Werte werden miteinander multipliziert. kommen. Gefährdet sind vor allem Patienten mit
Beispiele: Lungenerkrankungen (insbesondere wenn die Er­
• Beatmung mit PEEP 5 mbar, I:E 1:2 und FiO2 0,3
(30 %) ergibt einen PIF von 0,75 (5 × 0,5 × 0,3)
krankung inhomogen über die Lunge verteilt ist) da
6 • Beatmung mit PEEP 12 mbar, I:E 2:1 und FiO2 1,0 hier häufig sehr invasiv beatmet werden muss, um
(100 %) ergibt einen PIF von 24. einen ausreichenden Gasaustausch sicherzustellen.

Auswirkungen des pulmonalen Barotraumas/


Volotraumas
6.7.1  Nebenwirkungen und Durch die Ruptur der Alveolen entstehen zum einen
Komplikationen an der Lunge Veränderungen des Lungenparenchyms in den be­
troffenen Lungenabschnitten, zum anderen kann
Eine längerfristige maschinelle Beatmung kann die Luft in die umgebenden Strukturen gelangen:
(erkrankte) Lunge zusätzlich schädigen. Dafür wer­ • Durch die Zerreißung der Alveolen wird das Kapil­
den im Wesentlichen folgende Ursachen verant­ larstrombett zerstört, die Gefäßpermeabilität
wortlich gemacht: nimmt zu und Plasma kann in das Interstitium
• Hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentration und in die Alveolen austreten. Zugleich entsteht in
(Sauerstofftoxizität › 6.2.3) den betroffenen Lungenabschnitten eine Entzün­
• Hoher Atemwegsdruck (Barotrauma) dungsreaktion. Das so entstehende intraalveoläre
• Großes Tidalvolumen (Volotrauma) Ödem begünstigt die Entstehung von Atelektasen
• Hohe Scherkräfte (› 2.2.4) und erhöht dadurch einen Rechts-
• Hoher PEEP. Links-Shunt (› 2.2.4). Zudem wird die Surfac­
tantfunktion gestört. Insgesamt sind die Auswir­
kungen eines Überdehnungstraumas den patho­
Beatmungsbedingtes pulmonales physiologischen Abläufen beim ARDS sehr ähn­
Barotrauma/Volotrauma lich, d. h. bei Patienten mit primär kranker Lunge
(z. B. COPD oder ARDS) ist es nach einigen Wo­
Lange galt ein hoher Beatmungsspitzendruck als ur­ chen invasiver Beatmung oft nicht mehr möglich
sächlich für eine (weitere) Schädigung der Lunge un­ sicher zu beurteilen, welche Lungenschäden durch
6.7  Nebenwirkungen und Komplikationen der maschinellen Beatmung 165

die primäre Erkrankung und welche durch die in­ Bei einer Beatmungsdauer über 48 Stunden kann ei­
vasive Beatmung entstanden sind. ne respiratorassoziierte Pneumonie als Sepsisquelle
• Durch die Einrissstelle der Alveole kann Luft in das in Betracht gezogen werden (Leitlinie Diagnostik
Mediastinum und den Pleuraraum gelangen, und und Therapie der Sepsis, www.leitlinien.net).
zwar i. d. R. umso mehr, je höher der Beatmungs­ Laut Daten des KISS (Krankenhaus-Infektions-
druck und je größer das Tidalvolumen ist. So kön­ Surveillance-Systems) für die Jahre 2008–2012 tre­
nen ein (Spannungs-)Pneumothorax (› 2.3.4), ten bei invasiver Beatmung 4,25 Fälle von VAP be­
ein Pneumomediastinum (Mediastinalemphy­ zogen auf 1.000 Beatmungstage auf (bei NIV ledig­
sem) und/oder ein Hautemphysem entstehen. lich 1,24 Fälle), diese verlängern den Krankenhaus­
aufenthalt (um 6–9 Tage) und erhöhen die Mortalität
Behandlung des pulmonalen Barotraumas/ (liegt bei ca. 13 %). (Prävention der nosokomialen
Volotraumas beatmungsassoziierten Pneumonie – Empfehlung
Von den Auswirkungen eines pulmonalen Baro-/ der KRINKO beim RKI)
Volotraumas kann vor allem ein (Spannungs-)Pneu­
mothorax den beatmeten Patienten rasch in eine le­ Entstehung der respiratorassoziierten Pneumonie
bensbedrohliche Situation bringen und muss daher Ausgangspunkt der Beatmungspneumonie ist
umgehend behandelt werden (› 2.3.4). Ein Haut- wahrscheinlich eine Kolonisation (Besiedelung
oder Mediastinalemphysem dagegen ist für den Pa­ mit potenziell pathogenen Erregern, hier vorwie­
tienten zwar sehr unangenehm und evtl. mit gend gramnegative Bakterien und Sprosspilze) der
Schmerzen verbunden, muss i. d. R. aber nicht be­ Schleimhaut im Mund-Rachen-Raum (Oropha­
handelt werden. Selten ist bei Mediastinalemphy­ rynx) bei gleichzeitig verminderter mikrobieller
sem eine Druckentlastung mittels kollarer Mediasti­ Clearance der Lunge. Die Kolonisation kann auch
nostomie erforderlich. im Rahmen einer Pflegemaßnahme erfolgen, z. B.
Zusätzlich werden beim pulmonalen Baro-/Volo­ wenn zur Mundpflege bakteriell kontaminierter 6
trauma der Beatmungsdruck und das Tidalvolumen Tee verwendet wird.
soweit wie möglich zurückgenommen. Sofern keine Begünstigende Faktoren für eine Kolonisation
Kontraindikationen bestehen, wird eine dadurch des Oropharynx sind:
entstehende Hyperkapnie zugunsten eines niedrigen • Alter über 65 Jahre
Atemwegsdrucks und geringerer Tidalvolumina to­ • Beeinträchtigung des Immunsystems
leriert (permissive Hyperkapnie › 8.6). • fehlende Schutzreflexe infolge neurologischer Be­
Lungenprotektive Beatmung › 6.8.1 einträchtigungen
• COPD
• Aspiration
Ventilatorassoziierte Pneumonie • Langzeitintubation und Beatmung
• Reintubation
Pneumonie › 2.3.1 • Mikroaspiration
• Verabreichung von Sedativa
DEFINITION • Operative Eingriffe.
Ventilatorassoziierte Pneumonie (VAP auch Respi- Beim beatmeten Patienten stellt der Tubus den be­
ratoratorassoziierte bzw. Beatmungsassoziierte Pneumo- deutendsten Risikofaktor dar. Er verhindert den
nie, kurz BAP oder „Beatmungspneumonie“): Nosokomi- Glottisschluss, stört den Schluckakt, schädigt die
ale Pneumonie bei intubierten oder tracheotomierten
Patienten, die seit mindestens 48 Stunden beatmet sind.
Schleimhaut im Rachen und in der Trachea, ver­
Das Risiko für eine ventilatorassoziierte Pneumonie steigt hindert den Hustenstoß und stellt einen Fremdkör­
mit der Dauer und der Invasivität der Beatmung (höchste per dar, an dem Keime anhaften (adhärieren) kön­
Pneumonierate zwischen 6.–10. Beatmungstag). nen. Trotz korrekt geblocktem Endotrachealtubus
Nosokomialinfektion: Infektion durch Erreger, die bei können kleinste Sekretmengen aus dem Oropha­
pflegerischen oder therapeutischen Maßnahmen übertra- rynx in die Trachea gelangen (Mikroaspiration)
gen werden. und sich von dort aus in der Lunge ausbreiten. Ins­
166 6  Maschinelle Beatmung

besondere die nasale Intubation scheint ungünstig • Wenn möglich orale Intubation statt nasaler In­
zu sein, da sie zusätzlich das Risiko einer Sinusitis tubation
erhöht. • Bei Beatmungsdauer > 72 Stunden Verwendung
Weiter werden als prädisponierende Faktoren an­ von Tuben mit der Möglichkeit der subglotti­
gesehen: schen Absaugung (› 4.3.1 und › Abb. 4.14),
• Flachlagerung. Eine Flach- oder gar Oberkörper­ diese kann kontinuierlich oder intermittierend
tieflage begünstigt den Reflux von keimhaltiger erfolgen. Bei einer Umintubation ist das Risiko
Flüssigkeit aus dem Oropharynx und dem Ma­ (Pneumonie durch Intervention) gegenüber dem
gen. Dies gilt insbesondere für Patienten die tief Vorteil abzuwägen
sediert und relaxiert sind. Durch die häufig • Cuffdruck im Bereich 20–30 cmH2O halten und
durchgeführte Stressulkus-Prophylaxe, bei der regelmäßig kontrollieren (ggf. kontinuierliche
der pH des Magens auf 7 angehoben wird, Kontrolle, ggf. Überwachung durch Respirator
kommt es zur Keimvermehrung im Magen, d. h. und Steuerung abhängig vom Beatmungsdruck,
Sekret, das aus dem Magen in den Oropharynx › 7.4.3 Intellicuff)
zurückläuft, ist besonders keimhaltig. Deshalb • Bei Patienten mit Kolonisation oder Atem­
sollte auf eine Stressulkusprophylaxe wenn mög­ wegsinfektion mit multiresistenten Erregern ge­
lich verzichtet werden. schlossenes Absaugsystem verwenden, um Um­
• Nasogastrale Sonden, z. B. Magen- oder Duode­ gebungskontamination zu vermeiden (weitere
nalsonde. Diese begünstigen wahrscheinlich das Empfehlungen bezüglich des endotrachealen Ab­
Aufsteigen von Keimen aus dem Magen-Darm- saugens › 11.3.1)
Trakt sowie einen Reflux von Magensaft und • Auf angemessene Schmerztherapie achten, um
(Mikro-)Aspirationen. eine schmerzbedingte Schonatmung zu vermei­
den und eine frühzeitige Mobilisation zu erleich­
6 Eine ventilatorassoziierte Pneumonie erhöht neben der tern
Verweildauer auch die Behandlungskosten und die • Wechsel des Beatmungsschlauchsystems nicht
Letalität des Patienten, insbesondere wenn neben ho- häufiger als einmal wöchentlich sowie bei Bedarf
hem Lebensalter und schlechtem Allgemeinzustand wei- (Verschmutzung, Defekt)
tere Risikofaktoren wie operative Eingriffe, Sepsis oder • Für die enterale Ernährung gilt:
immunsuppressive Therapie bestehen.
– Vor jeder Nahrungszufuhr korrekte Lage der
Sonde prüfen
Empfehlungen zur Prävention einer – Menge der Nahrungszufuhr der Darmtätigkeit
respiratorassoziierten Pneumonie anpassen
Die Kommission für Krankenhaushygiene und In­ – Sofern keine Kontraindikationen vorliegen
fektionsprophylaxe am Robert Koch-Institut (RKI) Oberkörperhochlagerung (30–45°, evtl. auch
und das Center for Disease Control and Prevention höher) vornehmen; wirkt nur in Kombination
(CDC) empfiehlt unter anderem folgende Maß­ mit einem VAP-Bundle (siehe unten)
nahmen zur Prävention einer VAP (auch – Bei kontinuierlicher Verabreichung von Son­
› 11.3.1): denkost regelmäßig Pausen einlegen, um ein
• Hygienische Händedesinfektion, jeweils Ansäuern des Magen-pH-Werts zu ermögli­
– vor und nach Kontakt mit Tubus, Trachealka­ chen
nüle bzw. Tracheostoma sowie dem Beat­ – Ernährungssonde so früh wie möglich entfer­
mungszubehör nen
– nach Kontakt mit Schleimhäuten, Atem­ • Überwachung der Station auf Anzahl der Infek­
wegssekret bzw. Gegenständen, die mit Atem­ tionen und Art der Erreger
wegssekret kontaminiert sind • Umfassende Schulungen des Personals in Hygie­
• Einmalhandschuhe tragen beim Kontakt mit nefragen, insbesondere aller neuen Mitarbeiter
Schleimhäuten und/oder Atemwegssekret bzw. sowie aller Mitarbeiter beim Einsatz neuer Medi­
damit kontaminierten Gegenständen zinprodukte (RKI 2013). In den USA konnte
6.7  Nebenwirkungen und Komplikationen der maschinellen Beatmung 167

durch Schulungen des Personals in Hygienefra­ 6.7.2  Nebenwirkungen und


gen das Auftreten von respiratorassoziierten Komplikationen an anderen Organen
Pneumonien um über 50 % reduziert werden
• SSD (selektive Darm Dekontamination) kann ei­ Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-
ne signifikante Senkung der Penumonie und System
Mortalität bewirken (RKI gibt allerdings keine
generelle Empfehlung, sondern empfiehlt indivi­ Aufhebung des Thorax-Pumpmechanismus
duelle Abwägung) Unter Spontanatmung wirken die mechanischen Vor­
• Daten der Ergebnisse des Surveilancesystems so­ gänge während der Inspiration (›  1.2.1) wie eine
wie Beobachtungen durch Hygienefachkräfte Saugpumpe: Durch den intrathorakalen Unterdruck
sind zeitnah dem Behandlungsteam zu melden. (im Verhältnis zum Atmosphärendruck) wird das
Blut aus dem extrathorakalen Bereich (also das venöse
In letzter Zeit hat sich gezeigt, dass die VAP-Rate durch Blut aus dem Bauchraum, den oberen Extremitäten
ein Bündel bestimmter Maßnahmen (VAP-Bundle) re- und dem Kopf) in den Thoraxraum und damit zum
duziert werden kann. Je nach Autor variiert die Zusam- Herzen hin „gesaugt“. Des Weiteren sinkt durch den
mensetzung dieses Maßnahmenbündels etwas. intrathorakalen Unterdruck auch der Druck im rech­
Nach Boudma (2010) umfasst das VAP-Bundle: ten Vorhof. Dadurch ist der venöse Rückstrom wäh­
• Händehygiene
rend der Inspiration erleichtert. Diese Vorgänge wer­
• Oberkörperhochlagerung (mindestens 30°)
• Cuffdruck-Kontrolle
den u. a. in den atemsynchronen Schwankungen des
• Nasogastrale Sonde, Vermeidung einer Überdehnung zentralen Venendrucks sichtbar. Die Druckschwan­
des Magens kungen betragen nur wenige cmH2O.
• Kein routinemäßiges endotracheales Absaugen Der Thorax-Pumpmechanismus wird durch eine
• Hygienische Mundpflege. Überdruckbeatmung beeinträchtigt, dabei können
Druckamplituden bis über 25 cmH2O erreicht wer­ 6
Darüber hinaus werden weitere Maßnahmen emp­ den:
fohlen: • Während der Inspiration herrscht ein Überdruck
• oropharyngeale Dekontamination mittels Chlor­ im Thorax, der sich auch auf den rechten Vorhof
hexidin 2 %, ergänzt durch gute „mechanische“ überträgt. Dadurch ist der venöse Rückstrom des
Mundpflege (Zähne putzen, Zunge reinigen) Blutes zum Herzen während der Inspirationspha­
• Verwendung von Sedierungs- oder Weaningpro­ se erschwert, was einen Abfall des Herzzeitvolu­
tokollen mens (HZV) und ein Absinken des arteriellen
• Frühmobiliserung Blutdrucks zur Folge haben kann.
• silberbeschichtete Endotrachealtuben (sehr teuer, • Ist der intrathorakale Druck auch während der
keine eindeutige Studienlage) Exspiration erhöht, z. B. weil ein PEEP oder eine
• Tuben mit ultradünnen Tubusmanschetten (Blo­ CPAP-Atmung eingestellt ist, sind die oben be­
ckung ohne Faltenbildung, › 4.3.3) konnten in schriebenen Auswirkungen auf den Kreislauf
einer Studie in Kombination mit der subglotti­ stärker ausgeprägt.
schen Absaugung Pneumonierate senken (wird Normalerweise führen physiologische Regulations­
von RKI als noch ungeklärt bezeichnet) mechanismen (z. B. Ausschüttung von Stresshormo­
• Da es einen Zusammenhang zwischen dem Per­ nen) dazu, dass sich der Venendruck erhöht. Dies
sonalschlüssel und dem Auftreten von nosoko­ kompensiert den erschwerten venösen Rückstrom,
mialen Infektionen gibt, ist eine ausreichende allerdings nur bei normalem Blutvolumen und in­
personelle Ausstattung notwendig. takter Venentonisierung. Sind diese Bedingungen
z. B. wegen einer Hypovolämie oder einer medika­
mentös bedingten Gefäßerweiterung nicht erfüllt,
Grundsätzlich wird die Extubation zum frühestmögli- bleibt der venöse Rückstrom gestört. Auch eine An­
chen Zeitpunkt empfohlen; ggf. NIV in Erwägung zie- algosedierung kann (Mit-)Ursache für einen Blut­
hen. druckabfall sein.
168 6  Maschinelle Beatmung

In diesen Fällen ist dann eine Infusionstherapie men des Organismus streben daher eine Flüssig­
und ggf. die Gabe von Katecholaminen angezeigt, um keitsretention an (vermehrte Ausschüttung von
einen Blutdruckabfall zu verhindern bzw. zu beheben. ADH, d. h. antidiuretisches Hormon).
• Der erhöhte intrathorakale Druck vermindert den
Kompression der Lungenkapillaren und venösen Rückstrom. Dadurch kann auch der Druck
Rechtsherzbelastung in den Nierenvenen ansteigen, was eine Funktions­
Während der Überdruckbeatmung nehmen bei der einschränkung der Nieren verursachen kann.
Inspiration sowohl der intraalveoläre Druck als auch • Sekundärer Hyperaldosteronismus durch Stimu­
das Lungenvolumen zu. Die alveolären Kapillaren, lation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Sys­
die vom alveolären Druck umgeben sind, werden tems.
dadurch komprimiert. Dies kann eine Rechtsherz-
belastung (Erhöhung der rechtsventrikulären Nach­
Auswirkungen auf Leber und
last) verursachen. Patienten ohne Herz-Kreislauf-
Gastrointestinaltrakt
Erkrankungen können dies i. d. R. gut tolerieren, bei
schwerer Herzinsuffizienz jedoch kann es zu einer Der erhöhte intrathorakale Druck sowie der Abfall
Verstärkung bzw. schlimmstenfalls einer Dekom­ des HZV beeinträchtigen auch die Durchblutung der
pensation der Rechtsherzinsuffizienz kommen. Im Leber. Durch die Abnahme des Herzzeitvolumens
Extremfall ist der alveoläre Druck höher als der ka­ nimmt auch die Leberdurchblutung ab. Daneben
pilläre Druck, d. h. die betroffenen Lungenbereiche steigt durch den erhöhten Druck in der intrathora­
sind zwar gut belüftet, nehmen aber nicht am Gas­ kalen unteren Hohlvene auch der Druck in den Le­
austausch teil, weil sie nicht durchblutet sind bervenen, was zu einer Stauungsleber führen kann.
(Shuntvolumen steigt › 2.2.4). Vergleichbares geschieht an den Organen des
Magen-Darm-Trakts (Magen, Duodenum, Pank­
6 reas, Dünn- und Dickdarm). Auch hier nimmt auf­
Auswirkungen auf die Nierenfunktion
grund des verminderten HZV die Perfusion der
Eine Überdruckbeatmung beeinträchtigt in vielen Organe ab.
Fällen auch die Nierenfunktion. Insbesondere zu
Beginn der Beatmungstherapie nimmt die Urinaus­
Auswirkungen auf das Zwerchfell
scheidung ab und es kommt zur Flüssigkeitsretenti­
on mit generalisierter Ödemneigung auch in der Durch die Inaktivität der Atemmuskulatur kann es
Lunge. Als Ursache dafür kommen mehrere Fakto­ innerhalb von 24  Stunden zu einer Schädigung des
ren bzw. deren Zusammenwirken in Betracht: Zwerchfells kommen. Dieses wird als beatmungsin-
• Durch die Abnahme des Herzzeitvolumens und duzierte diaphragmale Dysfunktion (ventilator in-
des arteriellen Blutdrucks (Aufhebung des Tho­ duced diaphragmatic dysfunction, kurz VIDD) be­
rax-Pumpmechanismus oben) sinkt der Perfusi­ zeichnet. Hierbei kommt es zu einer Atrophie der
onsdruck der Nieren. Muskulatur sowie einem zellulären Umbau der Mus­
• Im Bereich des linken Vorhofs liegen Dehnungs­ kelzellen (Levine et al., 2008). Um dieser Atrophie
rezeptoren, die an der Volumenregulation des vorzubeugen, sollten frühzeitig Beatmungsformen
Organismus beteiligt sind. Bei vermehrter Deh­ gewählt werden, die es dem Patienten erlauben, einen
nung des linken Vorhofs (Hypervolämie) sezer­ höheren Anteil der Atemarbeit zu leisten. Dabei ist
nieren sie ANF (atrialer natriuretischer Faktor, der tägliche Aufwachversuch sowie die Benutzung
auch ANP, d. h. atriales natriuretisches Peptid), von Sedierungs- und Weaningprotokollen hilfreich.
das die Diurese steigert. Während der Über­
druckbeatmung wird das Herz durch die starke
Auswirkungen auf das zentrale
Zunahme des Lungenvolumens komprimiert,
Nervensystem
d. h. die Wandspannung im linken Vorhof ist
vermindert und gleicht daher der Situation bei Der durch die Überdruckbeatmung erhöhte in­
Hypovolämie. Die Volumenregulationsmechanis­ trathorakale Druck kann sich auch auf das zentrale
6.8  Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 169

Nervensystem, insbesondere auf das Gehirn, aus­ mit COPD anders beatmet als ein Patient mit
wirken: ARDS?) und den Pflegenden eine grobe Orientie­
• Durch die Erhöhung des intrathorakalen Drucks rung geben. Keinesfalls sind die Ausführungen zur
steigt auch der ZVD, d. h. der venöse Rückstrom eigenmächtigen Änderung der Beatmungseinstel­
aus den Hirnvenen ist behindert. Dadurch nimmt lung gedacht. Dies ist Aufgabe des Arztes und darf
das intrazerebrale Blutvolumen zu, wodurch der von Pflegenden nur im Notfall bzw. nach Absprache
intrakranielle Druck (Hirndruck) ansteigt und mit dem behandelnden Arzt vorgenommen werden.
der zerebrale Perfusionsdruck abnimmt. Ein be­ Nicht selten widersprechen sich Beatmungsstra­
reits erkrankungsbedingt erhöhter Hirndruck tegien, z. B. bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma
kann dadurch weiter ansteigen. und vorbestehender COPD. Dann wird der Arzt die
• Infolge des verminderten HZV sinkt auch der Beatmung jeweils der aktuellen Patientensituation
mittlere arterielle Druck und damit der zerebrale anpassen.
Perfusionsdruck (› 6.8.2). Detaillierte Informationen zu häufigen, eine res­
Neben dem Beatmungsdruck haben auch die Blutga­ piratorische Insuffizienz auslösenden Erkrankungen
se und hier insbesondere die pCO2-Werte Auswir- von Lunge und Thorax finden sich auch in Kapitel 2.
kungen auf die Hirndurchblutung und den Hirn-
druck:
• Bei Hyperkapnie (› 2.4.1) – auch bei permissi­ 6.8.1  Beatmung bei ARDS
ver Hyperkapnie im Rahmen einer maschinellen
Beatmung (› 8.6) – kommt es zu einer Vasodi­ Beim ARDS (› 2.3.6) sind die pathologischen Ver­
latation der Blutgefäße im Gehirn. Dadurch änderungen i. d. R. ungleichmäßig über die Lunge
nimmt das Blutvolumen im Gehirn zu und der verteilt, d. h. neben gesunden Lungenabschnitten
(evtl. bereits erkrankungsbedingt erhöhte) Hirn­ gibt es pathologisch veränderte (mit entzündlichen
druck steigt an. Infiltraten, Ödem, Atelektasen), die sich vor allem in 6
• Umgekehrt kommt es bei Hypokapnie (› 2.1) den dorsobasalen Lungenabschnitten finden. Eine
zu einer vorübergehenden Vasokonstriktion der derart veränderte Lunge wird auch baby lung (nach
Blutgefäße im Gehirn mit Abnahme des zerebra­ Gattinoni) genannt, weil nur Teile der Lunge belüf­
len Blutvolumens und des Hirndrucks. Diesen Ef­ tet sind und für den Gasaustausch zur Verfügung
fekt kann man sich bei der Beatmung von Patien­ stehen, d. h. die verfügbare Gasaustauschfläche ent­
ten mit erhöhtem Hirndruck zunutze machen spricht nicht mehr der eines Erwachsenen, sondern
(› 6.8.2). der eines kleinen Kindes. Die Gefahr besteht in einer
Überdehnung und damit einer Schädigung der noch
gesunden, gut belüfteten Lungenabschnitte.
Ziel der Beatmungstherapie beim ARDS ist es, ei­
6.8  Beatmungsstrategien bei nen ausreichenden Gasaustausch sicherzustellen
bestimmten Erkrankungen und dabei gleichzeitig die noch gesunden Lungenab­
schnitte zu schützen und die veränderten Lungenab­
schnitte wieder für den Gasaustausch nutzbar ma­
Bestimmte Erkrankungen bringen spezielle Beat­ chen.
mungsprobleme bzw. -anforderungen mit sich. Dies Als Richtlinie für die Beatmung bei ARDS gilt die
hat zur Entwicklung von speziellen Beatmungs- Formel P2R2 (nach Gattinoni):
strategien geführt, die zum Ziel haben, die spezifi­ • Protect the ventilated lung (schütze die noch ge­
schen Risiken einer Beatmung bei der entsprechen­ sunden, belüfteten Lungenabschnitte)
den Erkrankung zu vermeiden. Im Folgenden sind • Prevent oxygen toxicity (vermeide zu hohe „toxi­
grundlegende Aspekte der Beatmung von Patienten sche“ Sauerstoffkonzentrationen, › 6.2.3)
mit ARDS, erhöhtem Hirndruck sowie COPD und • Recruit the infiltrated, atelectatic and consolida­
Status asthmaticus beschrieben. Dies soll vor allem ted lung (Wiedereröffnung infiltrierter, atelekta­
dem Verständnis dienen (weshalb wird ein Patient tischer und konsolidierter Lungenabschnitte)
170 6  Maschinelle Beatmung

• Reduce the anatomic and alveolar deadspace punkte) in der Druck-Volumen-Kurve der Lunge
(vermindere den anatomischen und alveolären bestimmt werden (auch › Abb. 1.3):
Totraum › 1.2.1). • Zur Ermittlung des lower inflection point (unterer
Knickpunkt) wird der PEEP während volumen­
Richtwerte für die Beatmung bei ARDS kontrollierter Beatmung in kleinen Schritten ge­
• Zu hohen Inspirationsdruck vermeiden (Ziel ≤ steigert und jeweils die Compliance (› 1.2.1)
35 mbar). Geeignete Beatmungsformen sind die berechnet. Der untere Knickpunkt liegt knapp
druckkontrollierte Beatmung (PCV› 6.3.3) oder BI- unterhalb des PEEP-Niveaus mit der besten
PAP (› 6.3.4) Compliance. Zur Beatmung wird der PEEP ober-
• PEEP hoch genug um die Alveolen offen zu halten
halb des lower inflection points eingestellt.
(PEEPgesamt > 10–20 mbar); die Höhe des PEEP ist oft
von der erforderlichen Sauerstoffkonzentration abhän-
• Zur Ermittlung des upper inflection point (oberer
gig (› Tab. 6.2) Knickpunkt) wird während druckkontrollierter
• Zu hohe Tidalvolumina vermeiden (Ziel 5–6 ml/kg KG). Beatmung die Compliance bei verschiedenen
Um trotz geringer Tidalvolumina eine ausreichende al- Druckniveaus errechnet. Der obere inflection
veoläre Ventilation sicherzustellen, kann die Atemfre- point liegt knapp über dem Inspirationsdruck
quenz relativ hoch eingestellt werden (20–30/Min., mit der besten Compliance. Zur Beatmung wird
ggf. auch > 30/Min.), dabei auf größtmögliche Tot­ der Inspirationsdruck unterhalb des upper in-
raumminimierung achten (› Abb. 6.23). Zusätzlich
meist IRV (› 6.3.1) bzw. tolerieren eines relativ ho-
flection point eingestellt.
hen pCO2 (permissive Hyperkapnie › 8.6). Durch diese Einstellung sollen einerseits Atelektasen
• Inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) mög- wiedereröffnet (slow alveolar recruitment) und offen­
lichst ≤ 0,6 (Ziel: paO2 55–80 mmHg, SaO2 > 90 %). gehalten, andererseits Scherkräfte reduziert (› 6.7.1)
Wenn möglich Atemtätigkeit des Patienten erhalten und und eine Überdehnung verhindert werden.
augmentierte Beatmungsverfahren wählen (Zwerchfell- Manche Beatmungsgeräte können mittels PV-
6 aktivität reduziert die Bildung von dorsobasalen Atelekta- Tool den unteren und oberen Umschlagpunkt be­
sen und verhindert das Entstehen einer VIDD › 6.7.2).
stimmen (› 7.3 und › Abb. 7.6).

Die Invasivität der Beatmung bei ARDS ist abhän­ Wird das Beatmungssystem geöffnet, z. B. zum endotra-
gig vom Schweregrad (mild, moderat oder schwer, chealen Absaugen oder zur Bronchoskopie, kommt es in
›  2.3.6). Während bei einem milden ARDS eine weniger als einer Sekunde zum totalen PEEP-Verlust.
Beatmung mit kleinen Tidalvolumina und niedri­ Insbesondere in den erkrankten Lungenabschnitten baut
gem bis mittlerem PEEP auch nichtinvasiv durchge­ sich der PEEP nur langsam wieder auf und es besteht die
führt werden kann, ist bei einem moderaten ARDS Gefahr der Atelektasenbildung (›  2.2.4). Deshalb bei
Patienten mit ARDS wenn möglich ein geschlossenes
i. d. R. eine invasive Beatmung mit mittlerem bis ho­ ­Absaugsystem verwenden (› 9.7.5) und nicht öfter als
hem PEEP notwendig. Verschlechtert sich das ARDS unbedingt notwendig absaugen.
darunter weiter bzw. liegt bereits ein schweres ARDS
vor, wird die invasive Beatmung ergänzt um Bauch­
lagerung, extrakorporale CO2-Eliminierung, Rela­ Open lung concept
xierung (wenn möglich ≤ 48  Stunden), inhalatives Das open lung concept (nach Lachman) dient dem
NO (› 8.3) und/oder ECMO (› 8.1.2). raschen Wiedereröffnen (fast alveolar recruitment)
und Offenhalten von atelektatischen Lungenbezir­
Lungenprotektive Beatmung ken („open the lung and keep the lung open“).
Unter lungenprotektiver Beatmung (lung protecti- Dazu wird der Inspirationsdruck kurzfristig, d. h.
ve ventilation oder „baby lung concept“) versteht für etwa 30–60 Sekunden, auf sehr hohe Werte an­
man eine Beatmung mit geringstmöglichem Inspira- gehoben (ca. 40–60  mbar). Gleichzeitig wird der
tionsdruck und ausreichend hohem PEEP, d. h. es PEEP auf insgesamt (d. h. eingestellter und intrin­
ergibt sich eine kleinstmögliche Druckamplitude. Zur sischer PEEP) 20–25  mbar eingestellt. Der hohe
optimalen Einstellung von PEEP und Inspirations­ Inspirationsdruck soll die Atelektasen eröffnen,
druck können die sog. „inflection points“ (Knick­ der hohe PEEP soll sie offenhalten. Nach dieser
6.8  Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 171

Wiedereröffnung (Recruitment) werden der Inspi­ hen PEEP nur wenig Lungenbereiche wieder rekru­
rationsdruck und auch der PEEP in kleinen Schrit­ tieren lassen und bei denen der hohe PEEP u. U. eher
ten reduziert. Sobald der PEEP den alveolären Ver­ schädlich wirkt (Gattinoni et al., 2006).
schlussdruck (Druck, bei dem die Alveolen kolla­
bieren) unterschreitet, fällt der paO2 rapide ab. Vorsicht: Wegen der potenziellen Gefährdung des Pati-
Dann folgt ein erneutes Recruitment und der PEEP enten durch die hohen Beatmungsdrücke sollten diese
wird über dem alveolären Verschlussdruck einge­ Manöver nicht durchgeführt werden bei kreislaufinstabi-
regelt. Der Inspirationsdruck wird soweit wie mög­ len Patienten, bei kurz zuvor erfolgter Lungenresektion
lich zurückgenommen, um gerade noch einen gu­ oder Transplantation, bei einem ARDS, das sich auf eine
ten paO2 zu halten. Eine kontinuierliche Blutgas­ Lungenhälfte begrenzt und bei Patienten mit einem Lun-
genemphysem (Ozcenski, 2012).
überwachung erleichtert die Durchführung dieses
Manövers.
Open Lung Tool › 7.3 Manche Pflegemaßnahmen, z. B. endotracheales Ab­
saugen oder eine Umlagerung des Patienten, erfor­
Andere Rekrutierungsmanöver dern es, im Anschluss an die Maßnahme ein erneu­
Neben dem Verfahren nach Lachman werden in der tes Rekrutierungsmanöver durchzuführen. Dies
Praxis das CPAP-Rekrutierungsmanöver (für 20– wird in einigen Kliniken nach festgelegten Kriterien
60 Sekunden wird ein CPAP-Niveau von 40–60 mbar von den Pflegenden durchgeführt.
am Respirator eingestellt) sowie intermittierende
Seufzer (mit einem Druckniveau von ca. 45  mbar; Bei schwerem ARDS kann ein PEEP von 15–20 mbar zum
› 6.2.1) angewendet (vgl. Ozcenski, 2012). Offenhalten der Alveolen erforderlich sein.
Diese Manöver sollten insbesondere in der Früh­
phase eines ARDS durchgeführt werden, wenn trotz
differenzierter Beatmungseinstellungen und Bauch­ Weitere Maßnahmen 6
lagerung keine zufriedenstellenden Sauerstoffwerte Ergänzt wird die Beatmungstherapie durch kineti­
erreicht werden (Busch, 2007). sche Therapie (›  9.6.5) sowie ein differenziertes
Neuere Untersuchungen zeigen, dass es Patienten Volumenmanagement. Gegebenenfalls ist frühzeitig
gibt, die gut auf Rekrutierungsmanöver ansprechen, ein Nierenersatzverfahren indiziert, um eine Über­
aber auch Patienten, bei denen sich trotz einem ho­ wässerung zu vermeiden.

Partialdruck
(mmHg)

140
Tubusverlängerung und
HME-Filter entfernt
Abb. 6.23  Beim ARDS kann die 120
Verringerung des Totraums am
Beatmungssystem ausschlagge- 100
bend sein. Die Grafik zeigt den
Verlauf von paO2 und paCO2 bei 80 pCO2 (mmHG)
einer 30jährigen Patientin mit pO2 (mmHG)
ARDS. Durch Entfernung von Tu- 60
busverlängerung und HME-Filter
40
(Wechsel auf aktive Atemgaskli-
matisierung) konnte der Totraum
20
um ca. 120 ml reduziert werden.
Dadurch stieg die alveoläre Venti-
0 Zeit
lation – ohne Änderungen der
Beatmungsparameter – von 3,6
auf 6,9 l/Min. an. [A400, M251]
172 6  Maschinelle Beatmung

Zudem sind die sorgfältige Überwachung der Sedie­ sigkeitsdefizits und/oder Katecholamintherapie, der
rungstiefe und des Schmerzzustands notwendig, auch mittlere arterielle Druck ausreichend hoch gehalten.
tägliche Aufwachversuche sind in Erwägung zu ziehen.
Kann trotz aller genannten Maßnahmen keine Bes­ Kontrollierte Hyperventilation
serung erzielt werden, kommen in ausgewählten Fällen
weitere spezielle Therapieverfahren in Betracht. Insbe­ Veränderungen des paCO2 wirken sich auf die
sondere durch extrakorporale CO2-Elimination oder Hirndurchblutung aus:
ECMO ist eine „Schonung“ der Lunge und eine lungen­ • Eine Hyperkapnie (paCO2 > 45 mmHg) bewirkt eine
protektive Beatmung möglich. Die wichtigsten dieser Dilatation der Hirngefäße. Die Durchblutung des Ge-
speziellen Verfahren sind in Kapitel 8 beschrieben. hirns und damit das intrakranielle Blutvolumen neh-
men zu, der Hirndruck steigt.
• Eine Hypokapnie (paCO2 < 35 mmHg) bewirkt eine
Kontraktion der Hirngefäße. Die Durchblutung des Ge-
6.8.2  Beatmung bei erhöhtem hirns und das intrakranielle Blutvolumen nehmen ab,
Hirndruck der Hirndruck sinkt. Ab einem paCO2 < 25 mmHg
nimmt die Hirndurchblutung soweit ab, dass die Ge-
Hirndruck und Hirndurchblutung fahr einer zerebralen Ischämie besteht.
Der Hirndruck (Druck im Schädelinnern, auch int- Diese Auswirkungen treten rasch, d. h. innerhalb weniger
racranial pressure, kurz ICP) liegt normalerweise bei Minuten, ein.
5–15 mmHg. Verschiedene Erkrankungen, insbeson­
dere ein Schädel-Hirn-Trauma, ein Hirnödem oder Die hirndrucksenkende Wirkung einer Hypokapnie
ein Hirntumor, können den Hirndruck erhöhen, da es hat die Intensivmedizin in der Vergangenheit ver­
zu einer Volumenzunahme im Schädelinnern kommt. sucht zu nutzen. Patienten mit erhöhtem Hirndruck,
Die Durchblutung des Gehirns unterliegt norma­ insbesondere Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma
6 lerweise einer Autoregulation, d. h. beim Gesunden wurden kontrolliert hyperventiliert, d. h. am Res­
ist die Hirndurchblutung (zerebraler Blutfluss, auch pirator wurden hohe Tidalvolumina und hohe Beat­
cerebral blood flow, kurz CBF) bei einem mittleren mungsfrequenzen eingestellt, um einen paCO2 von
arteriellen Druck (kurz MAD) von ca. 60–150 mmHg ca. 30 mmHg zu erzielen.
immer gleich (beim Hypertoniker ist der MAP-Be­ Es hat sich jedoch gezeigt, dass die hirndrucksen­
reich etwas nach oben verschoben). Verschiedene kende Wirkung einer Hypokapnie zeitlich begrenzt
Zustände können diese Autoregulation aufheben. ist. Nach ca. 24 Stunden normalisiert sich die Hirn­
Ist die Autoregulation aufgehoben, erfolgt die durchblutung trotz anhaltend niedriger paCO2-Wer­
Hirndurchblutung passiv und ist vom zerebralen te, d. h. der Hirndruck steigt dann wieder an. Zudem
Perfusionsdruck (cerebral perfusion pressure, kurz birgt die Hypokapnie die Gefahr, dass die Hirndurch­
CPP) abhängig. Der zerebrale Perfusionsdruck wie­ blutung zu stark gedrosselt wird und die Sauerstoff­
derum errechnet sich aus dem mittleren arteriellen versorgung des Gehirns dadurch unzureichend ist.
Druck (kurz MAD oder MAP, d. h. mean arterial Deshalb wird eine kontrollierte Hyperventilation
pressure = diastolischer Druck) + ⅓ (systolischer nicht prophylaktisch und auch bei erhöhtem Hirn­
Druck – diastolischer Druck) und dem Hirndruck: druck nur zur vorübergehenden Absenkung des
Hirndrucks angewendet. In der modernen Intensiv­
CPP = MAP–ICP
medizin wird die kontrollierte Hyperventilation vor
Ziel der Intensivtherapie bei erhöhtem Hirndruck ist allem eingesetzt um bei Patienten mit extrem ho­
es, den CPP > 70 mmHg zu halten, um eine ausrei­ hem Hirndruck mit Gefahr der Einklemmung (Her­
chende Durchblutung des Gehirns zu gewährleisten. niation) den Hirndruck kurzfristig, i. d. R. zur Über­
Dies geschieht in erster Linie durch Senken des er­ brückung bis zur neurochirurgischen OP, zu senken.
höhten Hirndrucks (z. B. Beseitigen der intrakraniel­ Wegen der Gefahr einer Sauerstoffminderversor­
len Raumforderung, Entfernung eines Teils der Schä­ gung des Gehirns sollte dies möglichst unter Kont­
delkalotte, Liquorentnahme). Zudem wird, z. B. mit­ rolle der zerebrovenösen und transkutanen Sauer­
tels Infusionsbehandlung zum Ausgleich eines Flüs­ stoffsättigung erfolgen (SjO2 und tpO2).
6.8  Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 173

Richtwerte für die Beatmung bei erhöhtem Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Spontan­
Hirndruck atmung des Patienten zu oberflächlich ist, d. h.
• Grundsätzlich sind sowohl eine volumen- als es kommt zur Hypoventilation mit Anstieg des
auch eine druckkontrollierte Beatmung sowie as­ paCO2 und in der Folge des Hirndrucks.
sistierte Beatmungsformen, z. B. BIPAP oder • Das Tidal- bzw. Atemminutenvolumen und die
SIMV, möglich. Welche Beatmungsform zur An­ Beatmungsfrequenz werden so eingestellt, dass
wendung kommt hängt von Art und Ausmaß der ein paCO2 von ca. 35 mmHg gehalten bzw. eine mä­
Grunderkrankung sowie evtl. Begleiterkrankun­ ßige Hyperventilation (paCO2 30–35 mmHg) er­
gen oder -verletzungen ab. Dabei ist zu beachten: reicht wird. paCO2-Werte > 40 mmHg sollen wegen
– Eine volumenkonstante Beatmung (volumen­ des damit verbundenen Hirndruckanstiegs, paCO2-
kontrollierte oder druckkontrollierte volumen­ Werte < 25 mmHg wegen der Gefahr einer zereb­
konstante Beatmungsformen, z. B. PRVC oder ralen Ischämie vermieden werden (kontinuierliche
IPPV-Autoflow® › 6.3.3) ist das Beatmungs­ Überwachung mittels Kapnografie, › 9.2.3).
verfahren der Wahl bei Patienten mit erhöh­ • Das Atemzeitverhältnis wird auf 1:2–1:1,5 ein­
tem Hirndruck ohne Begleiterkrankungen gestellt. Eine IRV-Beatmung (› 6.3.1) sollte ver­
oder -verletzungen der Lunge. Günstig ist, dass mieden werden, weil sie mit einem Anstieg des
durch die Volumenkonstanz der paCO2 nicht mittleren thorakalen Drucks (mittlerer Beat­
wesentlich schwankt. Ungünstig sind evtl. Stei­ mungsdruck) verbunden ist.
gerungen des Beatmungsdrucks, die eine Ver­ • Ein geringer PEEP (5–8 mbar) zur Aufrechterhal­
schlechterung des venösen Rückstroms aus tung der funktionellen Residualkapazität (physio­
den Hirngefäßen mit nachfolgender Erhöhung logischer PEEP › 6.2.4) wirkt sich i. d. R. nicht
des Hirndrucks verursachen können. Bei volu­ nachteilig auf den Hirndruck aus. Ist aufgrund
menkontrollierter Beatmung ist daher eine en­ von Oxygenierungsproblemen ein PEEP von 10–
ge Einstellung der oberen Beatmungsdruck­ 14 mbar notwendig, sollte eine Überwachung des 6
grenze sehr wichtig. ICP und CPP erfolgen, um einen weiteren gravie­
– Eine druckkontrollierte Beatmung (PCV renden Hirndruckanstieg umgehend zu bemer­
› 6.3.3) wird vor allem dann eingesetzt, ken. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn der
wenn gleichzeitig eine Lungenerkrankung oder Hirndruck bereits massiv erhöht ist und keine
-verletzung vorliegt, also z. B. bei Patienten mit Kompensationsmöglichkeiten (vor allem Ver­
Schädel-Hirn- und Thoraxtrauma. Günstig ist, schiebung von Liquor aus den Ventrikeln in den
dass dabei hohe Beatmungsdrücke mit der Ge­ Spinalkanal) mehr zur Verfügung stehen.
fahr eines Hirndruckanstiegs vermieden wer­ • Zielgröße für die inspiratorische Sauerstoffkon-
den. Ungünstig ist die Volumeninkonstanz, die zentration (FiO2) sind ein paO2 von ≥ 100 mmHg
– bei Verschlechterung der pulmonalen Situa­ und eine Sauerstoffsättigung (SaO2) ≥ 97 %
tion – zur Erhöhung des paCO2 mit nachfol­ (Oczenski, 2012).
gender Steigerung des Hirndrucks führen
kann. Die günstigste Position des Patienten mit erhöhtem
– Assistierte Beatmungsformen können i. d. R. Hirndruck ist die Rücken- bzw. 30°-Seitenlagerung, je-
dann eingesetzt werden, wenn der Patient nicht weils mit erhöhtem Oberkörper und achsengerechter Po-
mehr tief sediert bzw. evtl. zusätzlich relaxiert sitionierung des Kopfs (damit freier venöser Abfluss ge-
werden muss, d. h. nach Abklingen der Akut­ währleistet ist). Lagerungsmaßnahmen des Patienten
phase und Stabilisierung des Patienten. Günstig gehen i. d. R. mit einer Erhöhung des Hirndrucks einher
und sollten daher auf das notwendigste beschränkt wer-
ist, dass unter assistierter Beatmung der mittle­ den. Sind zur Verbesserung der Oxygenierung häufige
re thorakale Druck (mittlerer Beatmungsdruck) Lagerungsmaßnahmen bzw. die 135°-Seiten- oder
i. d. R. niedriger ist als bei kontrollierter Beat­ Bauchlagerung erforderlich, haben sich Rotationsbetten
mung. Damit ist der venöse Rückstrom aus den bewährt, die eine genaue Positionierung des Kopfs er-
Hirngefäßen besser und die Gefahr eines beat­ möglichen (› 9.6.5).
mungsbedingten Hirndruckanstiegs geringer.
174 6  Maschinelle Beatmung

6.8.3  Beatmung bei COPD und (Faustregel: maximal 80 % des Intrinsic-PEEP),
Asthma bronchiale da ansonsten die bereits krankheitsbedingt über­
blähte Lunge weiter überdehnt wird, was die un­
Beatmung bei COPD günstigen Nebenwirkungen verstärkt. Meist wird
initial ein PEEP von 3–8 mbar eingestellt (dieses
Bei COPD (›  2.3.2) kann es durch die dauernde PEEP-Niveau liegt in aller Regel deutlich unter
Einengung der Atemwege zur unvollständigen Ent­ dem Intrinsic-PEEP bei schwerer COPD).
lüftung der Alveolen und in der Folge zur Ausbil­ • Normales Atemzeitverhältnis bzw. verlängerte
dung eines Intrinsic-PEEP kommen (› 6.2.4). Da­ Exspirationszeit (I:E 1:2–1:4), sodass genügend
durch nimmt die funktionelle Residualkapazität Zeit zur Exspiration bleibt
(FRC › 1.2.1) zu, was wiederum eine Kompression • Kurze Inspirationsanstiegszeit (steile Rampe),
des pulmonalen Kapillarstrombetts mit nachfolgen­ da ein zu geringer Inspirationsflow zu Beginn der
der Rechtsherzbelastung nach sich ziehen kann. In­ Inspiration beim COPD-Patienten die Atemarbeit
folge des Intrinsic-PEEP muss der Patient mit COPD erhöht
sehr viel mehr Atemarbeit leisten als ein Lungenge­ • Beatmungsfrequenz eher niedrig (8–16/Min.).
sunder (je höher der Intrinsic-PEEP desto größer die Je höher die Beatmungsfrequenz desto kürzer die
Atemarbeit), d. h. die Atemmuskulatur kann sich Exspirationszeit (bei gleichbleibendem I:E-Ver­
auch sehr viel schneller erschöpfen. Aus diesem hältnis) und desto größer die Gefahr einer Zu­
Grund ist die Respiratorentwöhnung (› 6.11) bei nahme des Intrinsic-PEEP.
einem Patienten mit schwerer COPD häufig schwie­ • Tidalvolumen und Atemminutenvolumen wer­
rig und langwierig. den i. d. R. anhand des pH-Werts (Ziel: pH >7,35)
und nicht wie sonst üblich nach dem paCO2 ge­
Der Patient mit schwerer COPD wird nach Möglichkeit steuert, um eine „Überbeatmung“ zu vermeiden.
6 nichtinvasiv beatmet, um die meist schwierige und lang Ein zu rasches Absenken des paCO2 soll vermie­
dauernde Respiratorentwöhnung zu umgehen (nichtinva- den werden, da hierdurch ein Bronchospasmus
sive Beatmung › 6.4). Die NIV muss frühzeitig begin- verstärkt und Elektrolytverschiebungen und
nen, damit die Intubationsrate und damit die Letalität Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden kön­
gesenkt werden kann. Die Indikation zur Intubation bzw. nen.
Tracheotomie wird bei Patienten mit COPD sehr restriktiv
gestellt.
• Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration
wird so eingestellt, dass paO2-Werte von 60–
80 mmHg erreicht werden. Höhere Werte sind zu
Muss der Patient intubiert bzw. tracheotomiert und vermeiden, da sie beim COPD-Patienten den
beatmet werden, gelten die folgenden Richtwerte: Atemantrieb dämpfen (Atemantrieb bei COPD
• Inspirationsdruck möglichst ≤ 30 mbar. Geeig­ nicht – wie physiologisch – über erhöhten paCO2,
net sind die druckkontrollierte Beatmung (PCV sondern über verminderten paO2). Grundsätzlich
› 6.3.3), BIPAP (› 6.3.4), druckunterstützte werden die „Normalwerte“ des Patienten ange­
Beatmung (› 6.3.7) oder PAV, also Beatmungs­ strebt, d. h. die paO2-Werte, an die er adaptiert
formen mit einem dezelerierenden Flow ist.
(› 6.2.2; bei konstantem Flow flutet das Gas Bei völliger Erschöpfung der Atemmuskulatur (res-
langsamer an, es kann zu Lufthunger kommen). piratory muscle fatigue) wird der Arzt den Patienten
• PEEP. Bei schwerer COPD besteht i. d. R. ein In­ ggf. kontrolliert beatmen mit einer Beatmungsfre­
trinsic-PEEP, der die Atemarbeit des Patienten quenz die etwas über der Spontanatemfrequenz des
erhöht und ungünstige Nebenwirkungen mit sich Patienten liegt (dadurch wird der spontane Ateman­
bringt (siehe oben). Ein Extrinsic-PEEP der klei- trieb des Patienten unterdrückt). Der Patient muss
ner ist als der Intrinsic-PEEP vermindert die dann keinerlei Atemarbeit leisten (auch nicht trig­
Atem­arbeit und ist daher beim COPD-Patienten gern) und seine erschöpfte Atemmuskulatur kann
sinnvoll. Wichtig ist jedoch, dass der PEEP deut­ sich erholen. Dazu kann eine Sedierung notwendig
lich unterhalb des Intrinsic-PEEP eingestellt wird sein.
6.8  Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 175

Anzustreben sind eine frühzeitige Extubation und liegen, um eine weitere Überblähung der Lunge
ein Umstieg auf eine nichtinvasive Beatmung. zu verhindern.
• Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration
wird zunächst so hoch wie nötig eingestellt, um
Beatmung bei Status asthmaticus
die Hypoxämie rasch zu beheben. Anschließend
Beim Status asthmaticus hält eine schwere Atem­ wird die FIO2 dann zurückgenommen bis der
wegsobstruktion über Stunden bis Tage an paO2 zwischen 60–80 mmHg liegt
(›  2.3.2). Eine Intubation und maschinelle Beat­ • Gegebenenfalls Heliox-Inhalation (› 8.4).
mung ist indiziert, wenn es mit anderen therapeuti­
schen Maßnahmen (insbesondere Bronchospasmo­
lytika) nicht gelingt, die Atemwegsobstruktion zu 6.8.4  Beatmung bei Adipositas
bessern bzw. sich die Atemwegsobstruktion weiter
verschlimmert. Richtungweisend sind die klinischen
DEFINITION
Symptome und die Blutgasanalyse: Adipositas (englisch obesity): Übergewicht mit Body-
• Erschöpfung der Atemmuskulatur, d. h. der Pati­ Mass-Index (BMI) > 30 kg/m2. Einteilung nach WHO in
ent kann die notwendige Atemarbeit nicht mehr drei Schweregrade:
leisten (Zeichen › 2.4.1) • Grad I: BMI 30–34,9.
• Respiratorische Azidose (› 1.3.2) mit hohem, • Grad II: BMI 35–39,9.
• Grad III (Adipositas per magna, morbide Adiposi-
im Verlauf weiter steigendem paCO2
• Später Bradypnoe und Schnappatmung. tas): BMI > 40.
Muss der Patient intubiert und beatmet werden, ist
auf Folgendes zu achten: Adipöse Patienten stellen häufig aufgrund ihrer
• Geeignet ist die druckkontrollierte Beatmung Vor- und Begleiterkrankungen und der veränderten
(PCV › 6.3.3) oder BIPAP (› 6.3.4) Lungenmechanik hohe Anforderungen an die Aus­ 6
• Wegen der Atemwegsobstruktion ist ein hoher wahl der geeigneten Therapie sowie an das Personal.
Inspirationsdruck erforderlich, um ein ausrei­ Bereits die Intubation kann deutlich erschwert
chendes Tidalvolumen verabreichen zu können. sein, v. a. aufgrund des Halsvolumens, der einge­
Wegen den negativen Auswirkungen und Kom­ schränkten Kiefer-Beweglichkeit und der verringer­
plikationen eines zu hohen Beatmungsdrucks ten Lungenvolumina (geringere Sauerstoffreserve,
(› 6.7.1) soll der Inspirationsdruck dennoch dadurch kleineres Zeitfenster für den Intubations­
so gering wie möglich gehalten werden (Ziel: ≤ vorgang).
40 mbar). Eine Hyperkapnie wird insbesondere Häufig kommt es bei adipösen Patienten zu COPD
zu Beginn der Beatmung meist toleriert (zuguns­ oder Asthma bronchiale (›  2.3.2), Pneumonie
ten eines geringstmöglichen Inspirationsdrucks) (› 2.3.1), Schlafapnoe sowie Obesitas Hypoventila­
und nur langsam gesenkt (Ziel: pH > 7,2). tionssyndrom (OHS › Kap. 10); letztere erfordern
• Da beim Status asthmaticus sowohl die Inspirati­ oft eine nächtliche Heimbeatmung. Weiter leiden
on als auch die Exspiration erschwert sind, wird viele adipöse Patienten an kardiovasulären sowie
die Beatmungsfrequenz eher niedrig eingestellt Stoffwechselerkrankungen wie z. B. arterielle Hyper­
(ca. 10/Min.), sodass genügend Zeit für In- und tonie und Diabetes mellitus.
Exspiration zur Verfügung steht. Das Atemzeit- Durch das hohe Körpergewicht verändern sich die
verhältnis wird i. d. R. auf 1:2 bis 1:4 eingestellt. Lungenvolumina: FEV1, forcierte Vitalkapazität,
Durch die relativ lange Exspirationszeit soll eine funktionale Residualkapazität sowie exspiratorisches
weitere Überblähung der Lunge vermieden wer­ Reservevolumen (›  1.2.1) sind teilweise deutlich
den. vermindert. Ab einem BMI > 40 kg/m2 kommt es zu
• Durch die massive Atemwegsobstruktion kann einer Verringerung des Residualvolumens und der
sich ein Intrinsic-PEEP aufbauen (› 6.2.4). Ein totalen Lungenkapazität, bis in extremen Fällen die
Extrinsic-PEEP kann die Atemarbeit erleichtern, FRC fast dem Residualvolumen entspricht. Die Atem­
sollte jedoch immer unterhalb des Intrinsic-PEEP arbeit ist aufgrund der restriktiven Veränderungen
176 6  Maschinelle Beatmung

deutlich erhöht, es kommt häufiger zu Ausbildung Häufig ist für die Patienten ein Spezialbett und
von Atelektasen (› 2.2.4), die länger persistieren, Spezialequipment (Mobilisationsstuhl, Lifter und
dadurch werden die ohnehin verringerten Lungen­ ähnliches) erforderlich. Ist die Station nicht entspre­
volumina zusätzlich eingeschränkt. Die Aspirations- chend ausgestattet, können diese auch gemietet wer­
gefahr (› 4.11) ist deutlich erhöht. den.

Richtwerte für die Beatmung adipöser


Patienten
6.9  Analgesie, Sedierung und
Delirmanagement des
Bei der Einstellung der Tidalvolumina ist das ideale Kör- beatmeten Patienten
pergewicht maßgeblich (Ideal Body Weight, kurz IBW).
Die Beatmung erfolgt nach den Prinzipien der lungenpro-
tektiven Beatmung (› 6.8.1) mit einem PEEP ≥ 10 mbar. DEFINITION
Analgosedierung: Kombination aus medikamentöser
Analgesie (Schmerzausschaltung) und Sedierung (Be-
• Beatmungsdruck < 35 mbar bei Vt von 6 ml/kg ruhigung oder Bewusstseinsdämpfung).
IBW, ggf. permissive Hyperkapnie erwägen.
• Inspiratorische Sauerstoffkonzentration
(› 6.2.3) so einstellen, dass paO2-Werte von 60– Sehr häufig ist beim beatmeten Patienten auf der In­
80 mmHg bzw. eine Sauerstoffsättigung ≤ 95 % tensivstation eine Analgesie und/oder eine Sedie-
erreicht werden. Der paCO2-Wert sollte ca. 40– rung notwendig. Diese soll:
60 mmHg betragen bei einem pH von ≥ 7,25. • Eventuelle Schmerzen (häufig bedingt durch die
• Da adipöse Patienten häufig Atelektasen entwi­ Grunderkrankung) ausschalten
6 ckeln, können wiederholte Rekrutierungsmanö­ • Angst und Spannungszustände dämpfen (Anxio­
ver notwendig sein (› 6.8.1). lyse)
• PEEP sollte > 10 mbar betragen und nach der • Den Patienten beruhigen, ihn gegenüber psycho­
PEEP-FiO2 Tabelle (› Abb. 6.2) eingestellt wer­ vegetativen Einflüssen abschirmen.
den, um Atelektasen zu vermeiden. Dabei gilt, dass der Patient grundsätzlich schmerz­
• Patienten mit deutlich erhöhtem Oberkörper po­ frei und die Analgosedierung nur so tief wie nötig
sitionieren, eine „schiefe Ebene“ kann u. U. hilf­ und nur so lange wie notwendig eingesetzt werden
reich sein, um die FRC zu erhöhen. soll, d. h. der jeweiligen Patientensituation angepasst
• Nach Möglichkeit druckorientierte Beatmungs­ werden muss. Dies setzt voraus, dass der Sedie­
formen (› 6.3.3) mit der Möglichkeit des „Mit­ rungsgrad regelmäßig überprüft, mit der aktuell be­
atmens“ wählen, um dorso-basale Atelektasen zu nötigten Sedierungstiefe verglichen und die Dosie­
vermeiden rung der Medikamente ggf. angepasst wird (zur
• Täglichen Aufwachversuch und Spontanat­ Überprüfung von Analgesie und Sedierung Skalen
mungsversuch (› 6.11.2) erwägen. verwenden, um objektive Einschätzung zu erhalten
• Extubation (› 4.12), ggf. gefolgt von NIV › 6.9.3). In der Regel legt der Arzt die Sedierungs­
(› 6.4), zum frühestmöglichen Zeitpunkt. tiefe (häufig tagsüber geringer als nachts) und die
dazu erforderlichen Medikamente fest. Die Auswahl
der Medikamente erfolgt u. a. abhängig von der vor­
Weitere Maßnahmen
aussichtlichen Beatmungsdauer.
Nach der Extubation benötigen die Patienten auf­
grund der oben genannten Vorerkrankungen eine Eine zu tiefe Sedierung sollte grundsätzlich vermieden
besonders sorgfältige Überwachung. Häufig profi­ werden, weil sich dadurch die Beatmungsdauer i. d. R. ver-
tieren adipöse Patienten von einer CPAP-Therapie längert und die Häufigkeit des Auftretens von Blutdruckab-
(› 6.3.8). Trotz der Adipositas müssen die Patien­ fällen, Schlafstörungen, einer VAP, eines posttraumatischen
ten adäquat ernährt werden.
6.9  Analgesie, Sedierung und Delirmanagement des beatmeten Patienten 177

Stress-Syndroms bzw. eines Delirs steigt. All dies verlängert peripher wirksame Analgetika (z. B. Metamizol, Pa­
den Krankenhausaufenthalt, steigert dadurch die Kosten racetamol, Diclofenac) unterstützt werden. Wenn
und geht mit einer erhöhten Mortalität einher. möglich, sollten auch regionale Verfahren zur
Die Analgosedierung des beatmeten Intensivpatienten ist Schmerzbehandlung eingesetzt werden. Hier
ein dynamischer Prozess: Treten im Verlauf neue Gege-
kommt insbesondere die Periduralanästhesie zum
benheiten auf, etwa eine drastische Verschlechterung der
Allgemeinsituation, muss die Analgosedierung der Einatz, die neben der Analgesie – aufgrund ihrer
aktuellen Situation angepasst werden. Grundsätz- sympathikolytischen Wirkung auch die Darmfunk­
lich sollte die Sedierungstiefe mittels geeigneter Skalen tion positiv beeinflusst.
überwacht werden (› 6.9.3). Scores zur Überwachung der Analgesie › 6.9.3

Bei pflegerischen und ärztlichen Maßnahmen, die (mut-


Zunehmend erfolgt die Beatmung von Intensivpati­ maßlich) mit Schmerzen verbunden sind, z. B. endo-
enten ohne Sedierung. Dies erfordert jedoch eine gu­ tracheales Absaugen, Verbandswechsel, Entfernung
von Drainagen oder Lagerungsmaßnahmen ggf. recht-
te Analgesierung sowie ausreichend Personal (Pati­
zeitig vor der Durchführung Analgetika(bolus) verabrei-
ent wird kontinuierlich von einer, bei starker Unru­ chen. I. d. R. legt der Arzt Art und Dosierung des An-
he auch von zwei Pflegenden betreut; keine Fixie­ algetikabolus für den Bedarfsfall fest. Die Pflegenden
rung). Der wesentliche Vorteil dieses Vorgehens ist, beobachten den Patienten während der Maßnahmen
dass der Patient mit seinen Angehörigen, den Pfle­ jeweils daraufhin, ob der Schmerzmittelbolus ausrei-
genden und Ärzten kommunizieren kann. chend ist; ggf. besprechen sie mit dem Arzt Änderun-
gen.

6.9.1  Verwendete Medikamente Sedativa


Analgetika Eine sehr tiefe Sedierung wird nur noch bei wenigen 6
Krankheitsbildern angestrebt, z. B. einer drohenden
Häufig werden zur Schmerztherapie Opioid-Anal­ Einklemmung bei erhöhtem Hirndruck oder extre­
getika eingesetzt. Abhängig vom Wachheitszustand men Problemen mit der Beatmung.
des Patienten, Schmerzen durch Traumata oder Bei einer Beatmungsdauer bis zu 7 Tagen wird zur
Operationen und der zu erwartenden Beatmungs­ Sedierung häufig Propofol verabreicht, bei einer länge­
dauer kommen unterschiedliche Medikamente zum ren Beatmungsdauer meist Midazolam (z. B. Dormi­
Einsatz (Unterschiede hinsichtlich Wirkstärke und cum®). Clonidin oder Dexmedetomin (Dexdor®) – bei­
-dauer). Meist werden die Medikamente kontinuier- des α2-Agonisten – werden als unterstützende Sub­
lich verabreicht. Bei der kombinierten Gabe von An­ stanz oft zusätzlich verabreicht oder als alleiniges Se­
algetika und Sedativ-Hypnotika (Analgosedierung) dativum in Kombination mit Analgetika verwendet.
sollten die Medikamente die gleiche Wirkdauer ha­ Selten kommen Ketamin oder Barbiturate zum Einatz.
ben, sodass ihre analgetische und sedierende Wir­ Derzeit wird in einigen Kliniken auch mittels Nar­
kung beim Absetzen ungefähr zur gleichen Zeit ab­ kosegasen sediert. Dabei handelt es sich um eine zu­
klingt. Insbesondere wenn nur eine kurzzeitige An­ lassungsüberschreitende Anwendung (Narkosegase
algosedierung notwendig ist, ist eine gute Steuerbar­ sind derzeit nur für den Einsatz in der Anästhesie
keit (rascher Wirkeintritt, kurze Wirkdauer) der zugelassen). Vorteil der volatilen Sedierung ist die
Medikamente wichtig. Bei einer kurzen Beatmung gute Steuerbarkeit, eine schnelle Erholung der kog­
ist auch die Bolusgabe möglich, bei wachen Patien­ nitiven Fähigkeiten sowie eine schnellere Mobilisa­
ten ist das auch über PCA-Pumpen (Patient cont- tion der Patienten.
roled Analgesie, patientengesteuerte Schmerzthera­
pie) möglich. Gebräuchliche Medikamente sind z. B.
Piritramid (z. B. Dipidolor©), Fentanyl, Sufentanil Sowohl bei Analgetika als auch bei Sedativa auf langsa-
oder Remifentanil (auch › Tab. 4.5). Die Wirkung mes Ausschleichen achten, um eine Entzugssympto-
dieser zentral wirkenden Medikamente kann durch matik zu vermeiden.
178 6  Maschinelle Beatmung

Nebenwirkungen der Analgosedierung 6.9.2 Delirmanagement

Die wichtigsten Nebenwirkungen sind: DEFINITION


• Verminderung der Darmtätigkeit bis zur Delirium (auch Delir oder Durchgangssyndrom): Akuter
Darmatonie. Diese ist vor allem durch Opioide Verwirrtheitszustand mit Bewusstseins- und Wahrneh-
mungsstörung sowie eingeschränkter Orientierung. Be-
und α2-Agonisten verursacht. Zur Prophylaxe
trifft bis zu 80 % aller beatmeten Patienten.
bzw. Therapie dienen eine möglichst frühzeitige Die rein agitierte Form (z. B. Delirium tremens bei Alko-
enterale Ernährung sowie ggf. die Gabe von moti­ holentzug) ist mit ca. 2 % relativ selten. Meist handelt es
litätssteigernden Pharmaka, z. B. orale Laxantien. sich um Mischformen und rein hypoaktive Delirzustände,
• Toleranzentwicklung, d. h. um denselben Sedie­ die oft sehr schwer zu erkennen sind.
rungsgrad zu erreichen werden höhere Dosierun­
gen von Analgetika und Sedativa benötigt.
• Delir (Durchgangssyndrom). Davon sind insbe­ Beim Delir sind verschiedene Gehirnleistungen
sondere langzeitsedierte Patienten betroffen, bei (insbesondere Konzentrationsvermögen, Denken
denen die Analgosedierung rasch reduziert wird. und Aufmerksamkeit) gestört. Die Patienten wirken
Es kommt zu Entzugssymptomen (typischerweise teils wesensverändert, manche haben Wahnvorstel­
extreme Unruhe, Tachykardie, Tachypnoe und lungen (Halluzinationen). Oft ist der Schlaf-Wach-
starkes Schwitzen), die mit einer erheblichen Ge­ Rhythmus gestört, und die Patienten sind tagsüber
fährdung für den Patienten einhergehen, z. B. schläfrig und nachts aktiv.
Selbstgefährdung durch Manipulationen an Tu­ Die Ursachen sind vielfältig: Sowohl Infektionen als
bus oder Trachealkanüle. Durch langsames Aus­ auch Medikamente oder z. B. Verschiebungen im Elek­
schleichen der Analgosedierung sowie ggf. zu­ trolyt- oder Zuckerhaushalt können ein Delir auslösen.
sätzliche Therapie (z. B. Gabe von α2-Agonisten
6 bei Hyperaktivität oder Neuroleptika bei Halluzi­ Eine Hypoxämie kann die Symptomatik eines Delirs ver-
nationen) kann die Schwere eines Delirs nach ursachen. Deshalb beim Auftreten von Delirsymptomen
Langzeitsedierung vermindert werden. Achtung: immer einen Sauerstoffmangel ausschließen.
Ein Delir kann auch durch die Grunderkrankung
(z. B. Schädel-Hirn-Trauma) oder eine Hypoxie
ausgelöst werden. Dies muss beim Auftreten von Risikofaktoren sind v. a. ein höheres Lebensalter,
Entzugssymptomen immer primär abgeklärt und schwere Erkrankungen, kognitive Störungen oder
ggf. behandelt werden (› 6.9.2). eine vorbestehende Alkohol- oder Medikametenab­
• Hohe Fettzufuhr bei Gabe von Propofol (ist in hängigkeit.
10-prozentiger Fettemulsion gelöst). Dies ist bei Problematisch für beatmtete Patienten sind even­
der Ernährung des Patienten zu berücksichtigen tuelle Folgekomplikationen:
und erfordert eine regelmäßige Kontrolle der Tri­ • Selbstgefährdung durch unkontrolliertes Entfer­
glyzeride. nen von Kathetern und Drainagen
• Atemdepression und Dämpfung des Hustenre­ • Erschwerte Entwöhnung von der Beatmung
flexes durch Opioide. (Weaning, › 6.11)
• Hypotonie, vor allem wenn Opioide mit Benzo­ • Erhöhtes Risiko für Infekte.
diazepinen kombiniert werden. Insgesamt ist die Letalität der betroffenen Patienten
• Ceiling-Effekt bei Benzodiazepinen. Dabei kann deutlich erhöht.
trotz Dosiserhöhung keine Vertiefung der Sedie­ Um ein Delir frühzeitig erkennen und behandeln
rung erreicht werden (lediglich die Nebenwir­ zu können, ist ein regelmäßiges, gezieltes Scree­
kungen des Medikaments nehmen zu). Die Subs­ ning auf delirante Symptome erforderlich
tanz kumuliert, d. h. sie reichert sich im Organis­ (› 6.9.3).
mus an, und kann dann – vor allem bei älteren Beim Auftreten eines Delirs muss eine organische
Patienten – das Aufwachen nach Absetzen der Störung (z. B. Infektionen, Hypoxie, Alkohol- oder
Analgosedierung sehr verzögern. Medikmentenentzug, Perfusionsstörung, endokrine
6.9  Analgesie, Sedierung und Delirmanagement des beatmeten Patienten 179

oder metabolische Entgleisung) ausgeschlossen bzw. len, siehe unten) zur Beurteilung der Sedierungs­
rasch behandelt werden. tiefe, der Analgesie und eines eventuellen Delirs.
Die Therapie erfolgt symptomatisch: • Apparative Messverfahren (selten), insbes. EEG
• Bei Agitation werden häufig Benzodiazepine ein­ (BIS, siehe unten) und Relaxometrie.
gesetzt, bei symptomatischer Hyperaktivität α2- Ist die Analgie- bzw. Sedierungstiefe wie geplant (d. h.
Agonisten. Bei produktiv-psychotischen Sympto- das Therapieziel ist erreicht), muss im weiteren Ver­
men (sowohl beim hyper- wie auch hypoaktiven lauf lediglich eine regelmäßige Kontrolle stattfinden.
Delir) können Haloperidol, Risperidon oder Ist die Analgosedierung zu tief, muss die Therapie re­
Olanzapin verwendet werden duziert werden, ist die zu oberflächlich, ist eine Erwei­
• Empfohlene Maßnahmen zur Vermeidung bzw. terung der Therapie erforderlich. Dies umfasst jeweils:
zum schnelleren Abklingen eines Delirs sind • Dosisanpassung der Analgetika, Sedativa und Re­
(nach Martin, 2010): laxanzien
– Brillen und Hörgeräte bereitstellen • Anpassung der Respiratoreinstellung
– Orientierungshilfen geben (Uhr, Kalender u. Ä.) • Gegebenenfalls ergänzende therapeutische Maß­
– Einhaltung eines Tag-Nacht-Rhythmus (Schlaf­ nahmen, z. B. Gabe von Clonidin oder Dexmede­
mangel kann ein Delir [mit]verursachen) tomidin.
– Frühmobilisation
– Frühe enterale Ernährung Steuern geschulte und qualifizierte Pflegende (Fachpfle-
– Geistige Anregung gestandard) die Sedierung und Analgesie anhand von
– Entfernung von Kathetern und Drainagen zum Protokollen, kann es zu einer Verkürzung der Beatmungs-
frühestmöglichen Zeitpunkt. dauer und damit zu einem kürzeren Intensiv- und Kran-
kenhausaufenthalt kommen (Martin, 2010).

6.9.3  Überwachung der 6


Analgosedierung und Delir-Screening Scores zur Überwachung der
Analgosedierung
Auf den meisten Intensivstationen gehört es zu den
Aufgaben der Pflegenden, die Sedierungs- und Analge­ Durch die Scores soll insbesondere eine zu tiefe Se­
sietiefe regelmäßig zu kontrollieren und zu dokumen­ dierung der Patienten vermieden werden (die Scores
tieren (z. B. 4–8-stündlich bzw. einmal pro Schicht), sehen eine möglichst „flache“ Sedierung vor, die le­
mit der geplanten Sedierungstiefe zu vergleichen und diglich gewährleisten soll, dass der Patient die Beat­
– bei Differenzen – entweder den Arzt zu benachrich­ mung tolerieren kann).
tigen oder (vielfach innerhalb festgelegter Grenzen üb­ Der derzeit am häufigsten zur Überwachung der
lich) die Dosierung der Analgosedierung anzupassen. Sedierungstiefe benutzte Score ist der Ramsey-
Zur Überwachung der Analgosedierung und Score (› Tab. 6.6). In der Regel wird beim beatme­
zum Delir-Screening dienen: ten Patienten ein Ramsay-Score von 2–3 angestrebt.
• Vitalparameter und Klinik des Patienten: Ein Ramsay-Score von 5 ist speziellen Situationen
– Blutdruck, Herz- und (Spontan-)Atemfrequenz vorbehalten wie z. B. extrem erhöhter Hirndruck mit
– Spontanbewegungen drohender Einklemmung, schwierige Beatmungssi­
– Mimik, Tränenfluss, Schwitzen.  tuation oder eine Hypoxie, die mit anderen Mitteln
 Da die klinischen Symptome für Schmerzen und/ nicht ausreichend behandelt werden kann (tiefe Se­
oder Angst unspezifisch sind, d. h. auch andere Ur­ dierung verringert den Sauerstoffbedarf, Martin, J.,
sachen haben können, sind sie alleine zur Einschät­ 2005: 1–20).
zung der Sedierung bzw. Analgesie nur bedingt ge­ Daneben werden derzeit eingesetzt:
eignet und werden deshalb im klinischen Alltag zu­ • Die valide und reliable (zuverlässig, aussagekräf­
nehmend ergänzt durch Scores. tige) Richmond Agitation Sedation Scale (kurz
• Messskalen (validierte Scores, d. h. für diesen RASS › Abb. 6.24) und die Riker Sedation Agi-
Zweck geeignete und geprüfte Bewertungstabel­ tation Scale (kurz SAS › Tab. 6.7)
180 6  Maschinelle Beatmung

Tab. 6.6  Modifizierter Ramsay-Score. • Die Motor Activity Assessment Scale (kurz
Ramsay- Sedierungstiefe Beurteilung MASS) und die Vancouver Interaction and
Score Calmness Scale (kurz VICS). Beide liegen auch in
R6 Tiefes Koma (keine Reaktion Zu tief deutscher Übersetzung vor.
auf Schmerzreize) Ungeeignet zur Beurteilung der Sedierungstiefe ist
R5 Narkose (träge Reaktion auf Tief die Glasgow Coma Scale.
starke Schmerzen)
R4 Tiefe Sedierung (prompte Adäquat Werden Scores zur Überwachung der Analgosedierung
Reaktion auf Schmerzen) eingesetzt, muss gewährleistet sein, dass das Personal
R3 Sedierung (starke Reaktion Adäquat in der Anwendung der Scores geschult und die Perso-
auf Schmerzen, bedingt an- nalbesetzung der Station ausreichend ist (bei Anwen-
sprechbar) dung von Scores sind die Patienten i. d. R. flach sediert
und daher „relativ wach“, was in aller Regel personal-
R2 Kooperativ (Reaktion auf Adäquat
aufwendiger ist).
Ansprache, kooperativ,
­Beatmungstoleranz)
R1 Agitiert, unruhig, Angst Zu flach Scores zur Überwachung der Analgesie
R0 Wach und orientiert Wach Auch zur Überwachung der Schmerzintensität
bzw. der Wirkung von verabreichten Analgetika
Tab. 6.7  Riker Sedation-Agitation Scale (SAS). können Scores eingesetzt werden.
Einfache Skalen sind z. B. die NRS (Numerische
Score Bezeich- Beschreibung
nung Rating Skala), bei der die Patienten auf einer Skala
von 0 (kein Schmerz) bis 10 (stärkster vorstellbarer
7 Gefährlich Zieht am Tubus, versucht, Ka-
agitiert theter etc. zu entfernen, ver- Schmerz bzw. unerträgliche Schmerzen) einen Zah­
6 sucht über das Bettgitter zu klet- lenwert angeben, und die ähnlich arbeitende VAS
tern, schlägt nach dem Personal, (Visuelle analog Skala). Hier stellt der Patient auf ei­
wirft sich von Seite zu Seite ner Skala, die von „kein Schmerz“ bis „stärkster vor­
6 Stark agitiert Muss am Aussteigen/Verlassen stellbarer Schmerz bzw. unerträgliche Schmerzen“
des Betts gehindert werden, reicht, den seinen Schmerzen entsprechenden Wert
kaut auf dem Endotrachealtubus ein. Auf der Rückseite der Skala ist ein Punktwert
5 Agitation Ängstlich oder körperlich agi- analog der NRS ablesbar. Bei beiden Skalen sollte
tiert, beruhigt sich nach verbaler der Wert unter 4 liegen.
Aufforderung Diese einfachen Skalen sind für viele Beatmungs­
4 Ruhig und ko- Ruhig, leicht erweckbar, befolgt patienten ungeeignet. Hier ist dann der Einsatz eines
operativ Aufforderungen Scores sinnvoll, bei dem die Pflegenden die Analge­
3 Sediert Schwer erweckbar, nach Anspra- sie abschätzen können, ohne dass dies zwingend die
che oder leichtem Schütteln Mitarbeit des Patienten erfordert, z. B. BPS (Behavi­
wach, folgt einfachen Aufforde-
oral Pain Scale › Tab. 6.8).
rungen, schläft aber wieder ein
Bei Demenzkranken hat sich die Benutzung der
2 Stark sediert Erweckbar auf körperliche Reize,
BESD Skala (Beobachntung von Schmerzen bei De­
kommuniziert nicht und folgt
auch keinen Aufforderungen, menz) bewährt. Hier werden in einer Beobachtungs­
Spontanbewegungen möglich zeit von ca. 2 Minuten folgende Punkte erfasst und
1 Nicht erweck- Minimale oder keine Reaktion (anhand vorgegebener Punktzahlen) bewertet:
bar oder Ko- auf Schmerzreize, kommuniziert • Atmung
ma nicht und folgt keinen Aufforde- • Negative Lautäußerung
rungen • Gesichtsausdruck
• Körpersprache
• Trost (nicht nötig, möglich oder nicht möglich?).
6.10  Beatmungskurven, Loops und Trenddarstellungen 181

Tab. 6.8  Behavioral Pain Scale (BPS). Scores zum Delir-Screening


Item Beschreibung Punkte
Gesichtsaus- Entspannt 1 Scores zum Delir-Screening dienen dazu, ein Delir
druck Teilweise angespannt 2
sicher erkennen zu können. Sie sollen möglichst ein­
fach erlernbar sein und in der Durchführung mög­
Stark angespannt 3
lichst wenig Zeit beanspruchen. Derzeit werden ver­
Grimassieren 4 schiedene Scores zum Delir-Screening eingesetzt:
Obere Extre- Keine Bewegung 1 • Confusion Assessment Method Intensive Care
mität Teilweise Bewegung 2 Unit (CAM-ICU, › Abb. 6.24)
Anziehen der oberen Extremitä- 3 • Intensive Care Delirium Screening Checklist
ten mit Bewegung der Finger (ICDSC) erfasst folgende Parameter:
Ständiges Anziehen 4 – Veränderte Bewusstseinslage
Adaptation Toleration 1 – Unaufmerksamkeit
an das Beat- Seltenes Husten 2 – Desorientierung
mungsgerät – Halluzination, Wahnvorstellung oder Psychose
„Kämpfen“ mit dem Respirator 3
– Psychomotorische Bewegung oder Retardie­
Kontrollierte Beatmung nicht 4
rung
möglich
– Unangemessene Sprechweise/Sprache oder
Gemütszustand
– Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus
Bispektraler Index – Wechselnde Symptomatik
• Nursing Delirium Screening Scale (NU-DESC)
Eine Möglichkeit, die Sedierungstiefe apparativ zu erfasst die Parameter
überwachen, ist die Erfassung des bispektralen In- – Desorientierung 6
dex (kurz BIS). Dieses Verfahren wird vor allem in – Unangemessenes Verhalten
der Anästhesie zur Überwachung der Narkosetiefe – Unangemessene Kommunikation
eingesetzt. Dabei wird das EEG über Klebeelektro­ – Illusionen/Halluzinationen
den kontinuierlich abgeleitet, analysiert und in – Psychomotorische Retardierung.
Form eines Zahlenwerts angegeben. Der BIS-Wert
liegt zwischen 100 (wach) und 0 (keine EEG-Akti­
vität):
• 100–85 Wachheit/Erinnerung intakt 6.10  Beatmungskurven, Loops
• 85–65 Sedierung und Trenddarstellungen
• 65–40 Allgemeinanästhesie
• 30–0 zunehmend Burst-Suppression-EEG bis zur
Nulllinie. Beatmungskurven
Manche Geräte geben zusätzlich zum Zahlenwert
noch die Narkosetiefe mittels Buchstabe an (A = Moderne Respiratoren bieten die Möglichkeit, ein­
wach bis F = tiefe Narkose, diese Stadien werden je­ zelne Beatmungsparameter (je nach Gerät einen
weils noch unterteilt). oder mehrere gleichzeitig) in Kurvenform darzu­
In der Intensivmedizin wird die Anwendung des stellen. Die Darstellung erfolgt i. d. R. entweder am
BIS empfohlen für relaxierte Patienten. Beim beat­ Respirator (auf integriertem Bildschirm, selten auf
meten Patienten auf der Intensivstation wird – ab­ zusätzlich an den Respirator angeschlossenem Bild­
hängig von der gewünschten Sedierungstiefe – meist schirm) oder – über eine Schnittstelle – auf dem
ein Wert zwischen 60 und 70 angestrebt. Überwachungsmonitor des Patienten. Dargestellt
werden häufig der Beatmungsdruck (Druck-Zeit-
Diagramm), das Beatmungsvolumen (Volumen-
Zeit-Diagramm) und/oder der Flow (Flow-Zeit-Dia­
6
182
Confusion Assessment Method für Intensivstation CAM-ICU

Ein Delir liegt vor, wenn: 1, 2 und 3 oder 1, 2 und 4 positiv sind
RASS grösser als –4 (–3 bis +4)
1 Psychische Veränderung?
Akuter Beginn? (z.B. im Vergleich zu prä-OP?) STOP
Nein
weiter zur nächsten Stufe Ändert sich das Verhältnis im Tagesverlauf? Kein Delir

Ja
RASS ist –4 oder –5
6  Maschinelle Beatmung

STOP 2 Aufmerksamkeitsstörung
Lesen Sie einzeln folgende Buchstaben vor: ANANASBAUM STOP
Patient später erneut untersuchen 1 oder 2 Fehler
Fehler: Pat. drückt beim „A“ nicht die Hand Kein Delir
Fehler: Patient drückt bei einem anderen Buchstaben als „A“
Richmond-Scale

Ausdruck Beschreibung 3 Fehler (oder mehr)


gewalttätig, unmittelbare Gefahr
+4 Streitlustig
für Personal
Sehr Zieht an Schläuchen oder 3 Bewußtseinsveränderung („aktueller“ RASS)
+3 Falls RASS nicht 0 ist Delir
agitiert Katheter, aggressiv Falls RASS = 0, weiter zur nächsten Stufe
Häufige ungezielte Bewegung,
+2 Agitiert
atmet gegen das Beatmungsgerät
Ängstlich, aber Bewegungen 0 RASS
+1 Unruhig
nicht aggressiv oder lebhaft
Aufmerksam,
0
ruhig 4 unorganisiertes Denken
Nicht ganz aufmerksam, erwacht 1. Schwimmt ein Stein auf dem Wasser? (Schwimmt ein Boot auf dem Wasser?)
–1 Schläfrig 2 Fehler
anhebend durch Stimme (>10s) 2. Gibt es Fische im Meer? (Gibt es Elefanten im Meer?) Delir
oder mehr
3. Wiegt ein Kilo mehr als zwei Kilo? (Wiegen zwei Kilo mehr als ein Kilo?)
Leichte Erwacht kurz mit Augenkontakt
–2 4. Kann man mit einem Hammer einen (Kann man mit einem Hammer Holz
Sedierung durch Stimme (<10s)
Nagel in die Wand schlagen? sägen?)
Mäßige Bewegung oder Augenöffnung
–3 durch Stimme (aber kein Augen- 5. Anweisung:
Sedierung kontakt) Sagen Sie dem Pat.: „Halten Sie so viele Finger hoch“ (Untersucher hält zwei

Dr. E. Wesley Ely für die ICU Delirium and Cognitive impairment Study Group [www.icudelirium.org]). [T732, T733]
Tiefe Keine Reaktion auf Stimme, aber Finger hoch.)
–4 „Nun machen Sie dasselbe mit der anderen Hand“ (Wiederholen Sie nicht die Anzahl 1 Fehler STOP
Sedierung Augenöffnung durch Bewegung
der Finger.) oder keiner Kein Delir
Nicht Keine Reaktion auf Stimme oder
–5 Falls Pat. nicht beide Arme bewegen kann, sagen Sie: „Fügen Sie einen Finger hinzu.“
erweckbar körperlichen Reiz

Abb. 6.24  Beispiel für einen Score zum Delir-Screening: Das CAM-ICU (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Ulf Guenther und
6.10  Beatmungskurven, Loops und Trenddarstellungen 183

Spitzendruck
.....................................................
~
= Resistancedruck
Plateaudruck (R • V)

Druck
...................................

~
= Compliancedruck
(VT/C)
.................................... ...
PEEP
Abb. 6.25 Druck-Zeit-Diagramm Zeit
Inspiration Exspiration
bei volumenkontrollierter Beat-
mung mit inspiratorischer Pause Flow-Phase insp. Pause
und PEEP. [A400]

gramm). Meist kann der Anwender auswählen, wel­ • Die Höhe des Spitzendrucks ist abhängig von In­
che Kurven dargestellt werden sollen. spirationsflow, Tidalvolumen, Resistance und
Die typischen Beatmungskurven bei den einzel­ ­Compliance, d. h. auch ein zu kleiner Endotracheal­
nen Beatmungsformen sind in › 6.3 dargestellt. tubus, Stenosen oder Sekret im Tracheobronchial­
system können Ursache eines steigenden bzw. ho­
Der zeitliche Verlauf von Beatmungsdruck, Flow und Vo- hen Spitzendrucks sein. Nimmt die inspiratorische
lumen ist zum einen abhängig von den Einstellungen am Resistance (Atemwegswiderstand) zu, steigt der
Respirator, zum anderen von den atemmechanischen Spitzendruck an, nimmt die inspiratorische Resis­
Gegebenheiten der Lunge (insbesondere Compliance und
tance ab, sinkt der Spitzendruck (jeweils bei gleich­
Resistance) sowie in geringem Maß vom Beatmungssys-
tem. bleibendem Plateaudruck). Nimmt die Compli­
Um Beatmungskurven vergleichen zu können, emp- ance ab (Verschlechterung der Volumendehnbar­ 6
fiehlt es sich, den gleichen Abbildungsmaßstab (z. B. für keit), steigen Spitzen- und Plateaudruck an, nimmt
die Zeitachse) zu wählen. Bei der Darstellung auf dem die Compliance zu, sinken Spitzen- und Plateau­
Monitor darauf achten, dass der Abbildungsmaßstab druck. Da der Spitzendruck wenig Einfluss auf den
möglichst groß gewählt ist: Die Beatmungskurve soll über Alveolardruck hat, ist er nicht primär Ursache für
den gesamten verfügbaren Platz auf dem Monitor verlau-
ein pulmonales Baro- oder Volutrauma (› 6.7.1).
fen, dabei aber noch komplett dargestellt sein.
Bei druckkontrollierter Beatmung (› 6.3.3) oder
BIPAP (›  6.3.4) ergibt sich ein völlig anderes
Druck-Zeit-Diagramme Druck-Zeit-Diagramm (siehe jeweilige Beatmungs­
Druck-Zeit-Diagramme stellen den zeitlichen Ver­ form). Hier erlauben Druck-Zeit-Diagramme keine
lauf des Beatmungsdrucks dar. Bei der volumen- Rückschlüsse auf Compliance und Resistance.
kontrollierten Beatmung (›  6.3.2) lässt das
Druck-Zeit-Diagramm Rückschlüsse auf die pulmo­ Druck-Zeit-Diagramme zeigen immer „nur“ den Verlauf
nale Situation zu (› Abb. 6.25): des im Respirator gemessenen Drucks. Um einschät-
• Je höher Flow und Resistance (Atemwegswider­ zen zu können, welcher Druck in der Lunge tatsächlich
stand), desto steiler der initiale Druckanstieg zu herrscht, müssen alle Faktoren berücksichtigt werden, die
Beginn der Inspiration. Der Druckabfall vom Einfluss auf den intrapulmonalen Druck haben, z. B. ein ge-
Spitzen- auf den Plateaudruck entspricht diesem ringer Innendurchmesser von Tubus oder Trachealkanüle.
Manche Respiratoren berechnen den intratrachealen
initialen Druckanstieg (Resistancedruck = R × V) Druck. Derzeit werden Endotrachealtuben mit der Mög-
• Der weniger steile (lineare) inspiratorische lichkeit der intratrachealen Druckmessung entwickelt.
Druckanstieg ist abhängig vom Flow und von der
Compliance und entspricht der Druckdifferenz
zwischen Plateaudruck und PEEP-Niveau (Com- Flow-Zeit-Diagramme
pliancedruck = Vt/C) Flow-Zeit-Diagramme stellen den zeitlichen Ver­
lauf des inspiratorischen und exspiratorischen Flows
184 6  Maschinelle Beatmung

dar (›  Abb. 6.2). Der inspiratorische Flow ist in rungen der Compliance (› 1.2.1; bei abnehmender
erster Linie vom eingestellten Beatmungsmuster ab­ Compliance verläuft der PV-Loop flacher) und wei­
hängig. Der exspiratorische Flow dagegen unterliegt sen auf eine mögliche Überdehnung einzelner Lun­
dem Einfluss von Atemwegswiderständen und er­ genbereiche hin (hier ermöglicht der PV-Loop die
laubt Rückschlüsse auf Resistance und Compliance. Einstellung des optimalen PEEP, auch „best PEEP“
Eine flacher verlaufende exspiratorische Flow- › 6.2.4). Die meist weniger genutzten Flow-Volu­
kurve ist Zeichen für exspiratorische Atemwegswi­ men-Loops lassen Rückschlüsse auf den Atem­
derstände. Ursache können z. B. obstruktive Lun­ wegswiderstand zu.
generkrankungen, Sekretverhalt, Bronchospasmus Im Gegensatz zu Beatmungskurven, die häufig
oder die (teilweise) Verlegung von Filtern, z. B. routinemäßig zum Beatmungsmonitoring eingesetzt
HME-Filter, sein. Durch den Ausatemwiderstand werden, kommt die Darstellung von Loops meist
verlängert sich die Exspirationszeit, schlimmsten­ nur bei kritischer pulmonaler Situation des Patien­
falls reicht die Zeit nicht für die vollständige Exspi­ ten bzw. problematischer Beatmungssituation zum
ration aus, d. h. die Flowkurve geht nicht auf 0 zu­ Einsatz. Die Interpretation der dargestellten Loops
rück (im Extremfall fast waagrechter Verlauf der sowie ggf. entsprechende Maßnahmen sind auf den
Flowkurve) und es entsteht ein „Airtrapping“ mit meisten Intensivstationen Aufgabe des Arztes.
Intrinsic-PEEP (› 6.3.1).
PV-Loops bei volumenkontrollierter Beatmung mit
Volumen-Zeit-Diagramme konstantem Flow
Volumen-Zeit-Diagramme stellen den zeitlichen Während der inspiratorischen Flow-Phase strömt
Verlauf des transportierten Atemvolumens dar. das Atemgas mit konstantem Flow in die Lunge. Da­
Das Volumen nimmt während der inspiratori­ bei steigt der Druck stetig an bis das eingestellte Vo­
schen Flow-Phase kontinuierlich zu, bleibt während lumen verabreicht und damit der Spitzendruck er­
6 der inspiratorischen No-Flow-Phase (inspiratori­ reicht ist. Ist eine inspiratorische Pause (No-Flow-
sche Pause) konstant und fällt bei der Exspiration Phase) eingestellt, fällt der Druck danach bei glei­
auf 0 ab. Wichtig: Volumen-Zeit-Diagramme geben chem Volumen auf den Plateaudruck ab. Während
lediglich Auskunft über das Atemhubvolumen der Exspiration nimmt das Volumen wieder ab,
(meist in ml angegeben). Die funktionelle Residual­ deshalb verlaufen diese Loops entgegen dem Uhrzei­
kapazität (›  1.2.1) ist nicht berücksichtigt, d. h. gersinn. Der Beatmungsdruck fällt dann auf das
Rückschlüsse auf das gesamte, in der Lunge enthal­ PEEP-Niveau ab, das Beatmungsvolumen geht auf 0
tene Luftvolumen, sind nicht möglich. zurück.
Verschlechtert sich die pulmonale Situation des
Loops Patienten unter der Beatmung, so verändert sich der
PV-Loop (falls Beatmungseinstellung gleich bleibt):
DEFINITION • Bei abnehmender Compliance (› 1.2.1) ver­
Loops (engl.: Schleifen) stellen die Druck-Volumen-Be- läuft der Loop insgesamt flacher, und der Druck­
ziehung (pressure-volume-Loops, kurz PV-Loops; › Abb. anstieg während der Inspiration verläuft weniger
6.26) oder (seltener genutzt) die Flow-Volumen- oder steil, d. h. eine relative geringe Steigerung des Vo­
Flow-Druck-Beziehung während eines Beatmungszyklus
lumens bewirkt eine relativ hohe Zunahme des
grafisch dar.
Statische Loops werden in der Wissenschaft ange- Beatmungsdrucks (je flacher der Druckanstieg
wandt. Beatmungsgeräte arbeiten mit dynamischen desto geringer die Compliance). Die Steilheit im
Loops, bei denen die Atemwegswiderstände und die inspiratorischen Bereich des Loops verhält sich
Widerstände von Endotrachealtuben bzw. Trachealkanü- proportional zur veränderten Lungencompliance.
len mit einfließen und z. B. den Complianceverlauf verfäl- • Bei zunehmender Resistance (› 1.2.1) ist der
schen können. inspiratorische Schenkel des Loops auf dem Dia­
gramm insgesamt nach rechts verschoben, dabei
PV-Loops ermöglichen bei Beatmungsformen mit verändert sich die Steilheit des inspiratorischen
konstantem Flow vor allem Aussagen über Verände­ Druckanstiegs nicht.
6.10  Beatmungskurven, Loops und Trenddarstellungen 185

Volumen Volumen PV-Loop


2 Volumen-Zeit-Kurve
3 2
3

4 4 1 Druck
1 Zeit
Druck

2
1 = unmittelbar nach Beginn der Inspiration
2 = Spitzendruck
Druck-Zeit-Kurve
3
3 = Anfangsphase der Exspiration (90° gedreht)
4 = Exspiration abgeschlossen

6
Zeit
4

Abb. 6.26  PV-Loops können aus der Volumen-Zeit- und der Druck-Zeit-Kurve konstruiert werden (Verlauf jeweils entsprechend
dem bei volumenkontrollierter Beatmung; die Druck-Zeit-Kurve ist um 90 Grad gedreht). [A400]

PV-Loops bei druckkontrollierter Beatmung mit


Volumen
dezelerierendem Flow
Bei druckkontrollierter Beatmung bzw. BIPAP Exspiration
B
strömt das Atemgas während der Inspiration an­
fangs mit hohem, im Verlauf dann abnehmendem
Flow in die Lunge des Patienten (dezelerierender
Flow ›  6.2.2). Der Beatmungsdruck ist praktisch
während der gesamten Inspirationsphase gleich
hoch, daher hat der Loop ein fast rechteckiges Aus­ Inspiration
sehen (›  Abb. 6.27). Mit Beginn der Exspiration Druck
A
sinkt der Beatmungsdruck rasch auf das PEEP-Ni­
veau ab, das Volumen geht auf 0 zurück. Der PV- Abb. 6.27  PV-Loop bei druckkontrollierter Beatmung. Rück-
Loop bei druckkontrollierter Beatmung lässt keine schlüsse auf den Verlauf der Compliance sind hier nicht mög-
Rückschlüsse auf den Verlauf der Compliance zu lich. Unter der Voraussetzung, dass der Flow sowohl am Ende
(dies ist nur bei Beatmung mit konstantem Flow der Inspiration als auch am Ende der Exspiration auf 0 zurück-
geht, kann die Steigung der Linie zwischen A (= Beginn In­
möglich).
spiration) und B (= Beginn Exspiration) als Anhalt für die Com­
Unter der Voraussetzung, dass sowohl am Inspira­ pliance dienen. [A400]
tionsende als auch am Exspirationsende der Flow auf
186 6  Maschinelle Beatmung

0 zurückgeht ist die Steigung der Linie, die die Punkte ren, die Trenddarstellungen ermöglichen, speichern
A und B verbindet, ein Ausdruck der Compliance. einzelne Beatmungsparameter im zeitlichen Verlauf
und stellen sie grafisch dar. Hilfreich können Trend­
PV-Loops unter CPAP-Atmung darstellungen z. B. zur Beurteilung des Entwöh­
Bei CPAP-Atmung mit inspiratorischer Druckun- nungsverlaufs sein.
terstützung muss der Patient – falls ein Drucktrigger
eingestellt ist – zunächst die Triggerschwelle überwin­
den (› 6.2.5). Dadurch entsteht eine kleine Schleife
zu Beginn der Inspiration. Die Schleifenfläche im Be­ 6.11  Entwöhnung vom
reich der unter dem PEEP-Niveau gelegenen Druck­ Respirator
skala entspricht der Atemarbeit, die der Patient für die
Triggerung aufbringen muss (je größer die Fläche, des­ DEFINITION
to größer die durch den Trigger bedingte Atemarbeit). Entwöhnung (engl.: weaning): Abtrainieren der ma-
Bei reiner CPAP-Atmung bringt der Patient wäh­ schinellen Beatmung, d. h. der Patient übt, wieder völlig
rend der Inspiration einen – im Vergleich zum selbstständig zu atmen. Die Zeitdauer der Entwöhnung
CPAP-Niveau – negativen Druck auf. Während der ist vor allem abhängig von Art und Ausmaß der Grund-
und Begleiterkrankungen, Alter des Patienten, Dauer und
Exspira­tion liegt der Druck über dem CPAP-Niveau. Invasivität der Beatmungstherapie sowie der Erfahrung
Daher verläuft der Loop hier im Uhrzeigersinn des Behandlungsteams. Unterschieden werden:
(› Abb. 6.28). • Einfache Entwöhnung: erfolgreiche Extubation
nach dem ersten Spontanatemversuch (spontaneous
breathing trial, kurz SBT), bei ca. 70 % aller Patienten
Trenddarstellungen möglich
• Schwierige Entwöhnung: erster SBT negativ, aber
Trenddarstellungen ermöglichen eine rückwirken­
6 erfolgreiche Extubation innerhalb von sieben Tagen
de Beurteilung des Beatmungsverlaufs. Respirato­ nach zweitem oder drittem SBT; betrifft ca. 15 % der
Patienten
• Prolongierte Entwöhnung: Patient benötigt mehr
Volumen als drei SBT‘s oder Weaning dauert insgesamt mehr
als sieben Tage. Häufigkeit: ca. 15 % der Patienten.

Exspiration Während früher der Begriff „Entwöhnung“ für das


Übergehen von einer überwiegend maschinellen Be­
atmungsform auf eine Beatmungsform mit mehr
Inspiration oder weniger hohem Spontanatemanteil des Patien­
Druck ten benutzt wurde (z. B. Umstellen von volumen­
kontrollierter Beatmung auf SIMV), wird der Begriff
„Entwöhnung“ heute weiter gefasst und steht in der
Volumen
moderneren Beatmungstherapie für jegliche Form
Exspiration der Reduktion der Beatmungsinvasivität, also z. B.
auch eine Verminderung der Sauerstoffkonzentrati­
on oder eine Reduktion des Beatmungsdrucks. Da
im klinischen Sprachgebrauch dennoch häufig erst
dann von „Entwöhnung“ gesprochen wird, wenn die
Inspiration

Beatmung so eingestellt wird, dass der Patient selbst


einen gewissen Anteil der Atemarbeit leisten muss,
Druck
ist es für die Pflegenden wichtig, genau zu wissen, in
welchem Stadium der Entwöhnung der Patient sich
Abb. 6.28  PV-Loops bei CPAP-Atmung, oben mit inspiratorischer befindet und welche Beatmungsform und -parame­
Druckunterstützung, unten ohne Druckunterstützung. [A400] ter momentan eingestellt sind.
6.11  Entwöhnung vom Respirator 187

Eine tägliche Sedierungspause (SAT, spontaneos awake- Für Entwöhnungsschritte hin zu mehr Spontanat­
ning trial) und – wenn möglich – ein Spontanatemver- mung des Patienten, also z. B. Umstellen von einer
such sowie der Einsatz von Sedierungs- und Weaningpro- kontrollierten auf eine assistierte Beatmungsform
tokollen verkürzen die Beatmungsdauer deutlich (Leitlinie (etwa von druckkontrollierter Beatmung auf PS),
S2: Prolongiertes Weaning).
oder Reduktion des Anteils der Atemarbeit, die der
Respirator leistet, also z. B. bei BIPAP-Beatmung Re­
Die Respiratorentwöhnung beginnt mit dem ersten duktion des oberen Druckniveaus (›  6.3.6), exis­
Schritt hin zu weniger Beatmungsinvasivität. Dies erfolgt tieren zahlreiche Kriterien, die es ermöglichen sol­
grundsätzlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt: „Die Ent- len, den Erfolg der Entwöhnung abzusehen. Ziel ist
wöhnung beginnt mit der Intubation“, d. h. der Arzt es, Komplikationen durch missglückte Entwöh­
wählt eine Beatmungsform sowie eine Analgosedierung nungsversuche zu vermeiden und dem Patienten
für den Patienten aus, die zum einen die respiratorische
frustrane Entwöhnungversuche sowie eine eventuel­
Insuffizienz behebt, zum andern so wenig invasiv wie
möglich ist, und reduziert die Beatmungsinvasivität so le Reintubation mit allen damit verbundenen Risi­
bald wie möglich. Diese Grundsätze sollten ggf. auch bei ken zu ersparen.
der Auswahl eines Anästhesieverfahrens berücksichtigt
werden. Sowohl ein zu früher als auch ein zu später Beginn des
Entwöhnung im engeren Sinn bzw. im klinischen Sprach- Weanings gehen mit einer erhöhten Komplikationsrate
gebrauch bedeutet, dass Atemarbeit zunehmend vom einher und sollten daher unbedingt vermieden werden.
Patienten und nicht mehr vom Respirator geleistet wird. Manche Respiratoren bieten Sonderfunktionen, die
Die Entwöhnung ist beendet, wenn der Patient dau- Aussagen üben den Erfolg eines Weaningversuchs zulas-
erhaft ohne Unterstützung durch den Respirator spontan sen. Dazu gehören v. a. der Rapid shallow breathing
atmen kann. Dies ist unabhängig von der Dekanülierung Index (RSBI, ›  7.3) und der Negativ inspiratory
bzw. (selten) Extubation, d. h.: force Index (NIF, › 7.3).
• bei Patienten, bei denen nach der Dekanülierung bzw.
Extubation noch eine (intermittierende) Maskenbeat- 6
mung (NIV, › 6.4) erforderlich ist, ist die Entwöh-
nung noch nicht beendet (Patient ist zwar nicht mehr Allgemeine Kriterien der
tracheotomiert/intubiert, jedoch noch nicht vollständig Respiratorentwöhnung
entwöhnt)
• bei Patienten, die dauerhaft ohne Zeichen einer Er- Im Verlauf der Respiratorentwöhnung muss der Pa­
schöpfung (› 6.11.3) über eine Trachealkanüle at- tient mehr und mehr Atemarbeit selbst leisten. Dies
men können, ist die Entwöhung beendet (Patient ist gelingt nur dann dauerhaft, wenn der Atemapparat
noch tracheotomiert, aber bereits vollständig ent- des Patienten in der Lage ist, die erforderliche Atem­
wöhnt). arbeit zu leisten. Übersteigt die erforderliche Atem­
arbeit die Leistungsfähigkeit des Patienten, kommt
Nach einer Kurzzeitbeatmung (z. B. postoperative es zur Erschöpfung der Atemmuskulatur (auch res-
Nachbeatmung) ist eine spezielle Entwöhnung meist piratorische Erschöpfung, inspiratorische Muskeler-
nicht erforderlich. Hier kann i. d. R. mit Wiederein­ müdung oder respiratory muscle fatigue genannt).
setzen der Spontanatmung die maschinelle Unter­ Um dies zu vermeiden werden vor und während der
stützung rasch zurückgenommen bzw. beendet und Entwöhnung alle Faktoren, die die Leistungsfähig­
der Patient extubiert werden (Extubation › 4.12). keit des Atemapparats beeinträchtigen können,
möglichst optimiert. Die folgenden allgemeinen
Kriterien der Respiratorentwöhnung (Weaning-
6.11.1  Kriterien zur Entwöhnung Kriterien) gelten daher nicht nur vor, sondern vor
allem auch während der Entwöhnung:
Eine Reduktion der Beatmungsinvasivität, die unab­ • Beatmung. Ein (weiterer) Entwöhnungsschritt
hängig von der Spontanatmung des Patienten ist, ist nur dann sinnvoll, wenn die folgenden Kriteri­
also z. B. Reduktion des FiO2 oder des Beatmungs­ en seitens der Atmung/Beatmung erfüllt sind:
drucks, erfolgt immer abhängig von der Blutgasana­ – paO2 > 60 mmHg und SaO2 ≥ 90 % (bei chron.
lyse und dem Allgemeinzustand des Patienten. resp. Insuff. ≥ 85 %) bei FiO2 ≤ 0,4
188 6  Maschinelle Beatmung

– PEEP ≤ 8 mmHg wöhnung behoben werden. Metabolische Alkalo-


– paCO2 < 55 (Ausnahme chronisch obstruktive sen (› 1.3.2) können über eine kompensatori­
Lungenerkrankung), pH > 7,3 sche Hypoventilation zum Anstieg des CO2 und
– Atemfrequenz < 25–35/Min. AZV > 5 ml/kg KG zur alveolären Hypoventilation führen. Metaboli-
– VD/VT < 0,6 (› 1.2.1) sche Azidosen (› 1.3.2) steigern die Atemarbeit
– RSB (› 7.3) f/Vtidal < 105 durch die kompensatorische Hyperventilation.
– Insbesondere bei absehbar schwieriger Ent­ Beide Zustände sollten daher vor einer (weiteren)
wöhnung sind auch die Parameter Vitalkapazi­ Entwöhnung ausgeglichen werden.
tät (> 10 ml/kg KG), NIF (<−20 mbar) und • Zwerchfellhochstand. Alle Zustände bzw. Er­
P0,1 (>−4 mbar) entscheidend (› 7.3). krankungen, die mit einem Zwerchfellhochstand
• Stabile Herz-Kreislauf-Verhältnisse, Normo- einhergehen, z. B. (Sub-)Ileus, Meteorismus oder
volämie. Jeder Entwöhnungsschritt, der mit ei­ ausgeprägter Aszites, erhöhen die Atemarbeit, da
ner Reduktion des mittleren Beatmungsdrucks die Compliance von Lunge und Thorax durch den
verbunden ist, führt dazu, dass der intrathorakale Zwerchfellhochstand vermindert ist. Ein Zwerch­
Druck abnimmt. Dadurch nehmen sowohl Vor­ fellhochstand soll daher vor bzw. während einer
last als auch Nachlast des linken Ventrikels zu Entwöhnung, wenn möglich, behoben werden.
(Nebenwirkungen der Beatmung auf das Herz- Wichtig ist es aus diesem Grund auch, vor und
Kreislauf-System › 6.7.2). Dies kann insbeson­ während der Entwöhnung die Magen-Darm-Mo-
dere bei vorbestehender Herzinsuffizienz zu einer tilität immer zu überwachen und ggf. mit ent­
kardialen Dekompensation mit nachfolgendem sprechenden Maßnahmen in Gang zu bringen.
kardialen Lungenödem führen. Dies wiederum • Bewusstseinslage. Auch bewusstseinsgetrübte
erhöht die Atemarbeit des Patienten (Reduktion oder bewusstlose Patienten können vom Respira­
der Compliance durch Wassereinlagerung in der tor entwöhnt werden, zur Extubation jedoch
6 Lunge › 1.2.1). Um dies zu vermeiden verord­ müssen die Schutzreflexe vorhanden sein
net der Arzt ggf. Diuretika und positiv-inotrop (› 4.12). Kooperationsbereitschaft des Patien­
wirkende Substanzen (steigern die Kontraktions­ ten erleichtert die Entwöhnung i. d. R. erheblich.
kraft des Herzmuskels), z. B. Dobutamin. Deshalb ist es zu jedem Zeitpunkt der Entwöh­
• Sauerstoffverbrauch und Kohlendioxidproduk- nung wichtig, die Kooperationsbereitschaft des
tion. Sowohl ein erhöhter O2-Verbrauch als auch Patienten zu fördern und ihn angemessen, d. h. in
eine erhöhte CO2-Produktion steigern die Atem­ einer ihm verständlichen Art und Weise über die
arbeit. Zustände, die den Sauerstoffbedarf stei­ einzelnen Entwöhnungsschritte zu informieren.
gern, z. B. Fieber, Agitation oder Muskelzittern Die Entwöhnung eines unkooperativen und/oder
(Shivering), sollten deshalb vor dem (nächsten) sehr unruhigen Patienten ist häufig sehr schwie­
Entwöhnungsschritt behoben werden. Der Hä­ rig. Eine damit verbundene extreme körperliche
moglobinwert des Patienten sollte im Normbe­ Unruhe, z. B. im Rahmen eines Durchgangssyn­
reich liegen, damit ausreichend Sauerstoffträger droms oder eines Entzugssyndroms, steigert die
zur Verfügung stehen (Schönhofer, 2006). Bei der CO2-Produktion und erhöht damit den Ventila­
Ernährung ist darauf zu achten, dass eine zu hohe tionsbedarf. Bei Entzugssymptomatik kann die
Kohlenhydratzufuhr vermieden wird, weil da­ Entwöhnung daher i. d. R. nicht eingeleitet bzw.
durch die CO2-Produktion steigt, was eine ver­ weitergeführt werden.
mehrte Atmung/Beatmung notwendig macht • Sedierung und Relaxierung. Eine tiefe Sedie­
(empfehlenswert ist eine Zusammensetzung aus rung sowie eine Relaxierung sind nicht mehr not­
50–55 % Fett, 35–40 % Kohlenhydraten und 10– wendig. In der Regel kann eine Entwöhnung erst
15 % Eiweiß). dann begonnen werden, wenn die Wirkung von
• Elektrolythaushalt und Säure-Basen-Status. zuvor verabreichten Sedativa, Opioiden und
Ein Mangel an Phosphat, Kalzium oder Magnesi- Muskelrelaxanzien so weit abgeklungen ist, dass
um kann die Leistungsfähigkeit der Atemmusku­ sowohl der Atemantrieb als auch die notwendige
latur einschränken und sollte daher vor der Ent­ Muskelkraft weitgehend wieder vorhanden sind.
6.11  Entwöhnung vom Respirator 189

Eine aufrechte, (halb)sitzende Position erleichtert Atemarbeit


das Weaning. Günstig ist auch eine frühestmögliche 100%
Mobilisation des Patienten (›  9.3). Prinzipiell
kann die Entwöhnung jedoch in jeder Position erfol­ Patient
gen, also z. B. auch beim Patienten der nur flach auf
dem Rücken oder Bauch gelagert werden darf, z. B.
wegen eines operativen Eingriffs an der Wirbelsäule Respirator
oder einer Querschnittssymptomatik.
0%
augenmentierende (assistierte)
Beatmung
6.11.2 Entwöhnungsstrategien Kontrollierte Spontan-
Beatmung atmung
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen konti­ Abb. 6.29 Die kontinuierliche Respiratorentwöhnung
nuierlicher und diskontinuierlicher Respiratorent­ ist eine in der Intensivmedizin häufig eingesetzte Methode der
wöhnung (› Tab. 6.9) und dem Spontanatemver­ Entwöhnung. Dabei wird der maschinelle Anteil der Atemarbeit
such. im Verlauf der Entwöhnung immer weiter zurückgenommen,
dadurch entsteht ein fließender Übergang von maschineller
Beatmung auf spontane Atmung. In der Praxis ist der Verlauf
DEFINITION der Entwöhnung in aller Regel nicht so unproblematisch, wie
Kontinuierliche Respiratorentwöhnung (kontinu- die Grafik dies vermuten lässt. Nicht selten muss die Entwöh-
ierliches Weaning): Gebräuchliche Methode der Respi­ nung im Verlauf verlangsamt, gestoppt oder evtl. der maschi-
ratorentwöhnung mit fließendem Übergang von über­ nelle Anteil der Atemarbeit vorübergehend wieder angehoben
wiegend maschineller Beatmung zu Spontanatmung werden, wenn Zeichen der respiratorischen Erschöpfung eintre-
(› Abb. 6.29). ten. [A400]
Diskontinuierliche Respiratorentwöhnung (diskon-
tinuierliches Weaning): Häufig bei tracheotomierten Pa­ 6
tien­ten angewandte Methode der Respiratorentwöhnung • BIPAP (› 6.3.4). Dabei verabreicht der Respira­
mit anfangs kurzen, später immer längeren Phasen reiner tor Atemhübe indem er zwischen den beiden
Spontanatmung im Wechsel mit Phasen maschineller Be- Druckniveaus wechselt. Auf beiden Druckniveaus
atmung, in denen die Atemmuskulatur vollständig entlas- – also zu jeder Zeit – kann der Patient spontan
tet ist (› Abb. 6.30).
Spontanatemversuch mit anschließender Extuba-
atmen.
tion (spontaneous breathing test): Der Patient führt über • Druckunterstützte Beatmung (› 6.3.7). Dabei
einen festgelegten Zeitraum einen Spontanatemversuch wird jeder einzelne Spontanatemzug des Patien­
durch. Erfüllt er dabei die vorgegeben Kriterien, wird an- ten vom Respirator unterstützt.
schließend extubiert (› 4.12). • SIMV (› 6.3.5). Dabei werden synchron zur
Spontanatmung des Patienten maschinelle Atem­
hübe verabreicht. Zwischen den maschinellen
Kontinuierliche Respiratorentwöhnung
Hüben kann der Patient spontan atmen. Ver­
Die kontinuierliche Respiratorentwöhnung ist ei­ gleichbar funktioniert MMV (› 6.3.6), aller­
ne häufig in der Intensivmedizin eingesetzte Ent­ dings werden maschinelle Atemhübe hier nur
wöhnungsmethode. Dabei wird der Anteil der verabreicht, wenn der Patient ein eingestelltes
Atem­arbeit, die der Respirator leistet, Schritt für AMV nicht erreicht. SIMV wird zur Entwöhnung
Schritt zurückgenommen, und der Patient leistet immer seltener eingesetzt, da es die Entwöh­
mehr und mehr Atemarbeit selbst. Dazu werden nungsdauer verlängert.
augmentierende Beatmungsformen eingesetzt, die Hilfreich insbesondere bei schwieriger oder prolon­
die Atem­muskulatur entlasten indem sie einen Teil gierter Entwöhnung sind die Beatmungsformen
der Atem­arbeit übernehmen (Augmentation = Ver­ ­NAVA (›  6.3.9) und PAV (›  6.3.7), da der Re­
größerung). spirator bei diesen Beatmungsformen eine bedarfs­
Prinzipiell kann die kontinuierliche Respirator­ adaptierte Unterstützung liefert.
entwöhnung auf drei Arten durchgeführt werden:
190 6  Maschinelle Beatmung

Kontinuierliche Entwöhnung mit BIPAP Viele der neu entwickelten Beatmungsformen reduzieren
Bei der Entwöhnung über BIPAP wird der maschi­ den maschinellen Anteil der Atemarbeit automatisch,
nelle Anteil der Atemarbeit reduziert, indem das d. h. einzelne Entwöhnungsschritte erfolgen hier respira-
obere Druckniveau abgesenkt und die Zeitdauer des torgesteuert, z. B. ASV (› 6.3.10) oder PAV (› 6.3.7).
Ein respiratorgesteuertes Weaning bietet die Funk-
unteren Druckniveaus verlängert wird. Dabei wird
tion SmartCare™ (realisiert ab Evita XL an Respiratoren
i. d. R. wie folgt vorgegangen: der Firma Dräger, › Abb. 7.9): Abhängig von der Atem-
• Reduktion des oberen Druckniveaus (pinsp bzw. frequenz, dem Tidalvolumen sowie dem endtidalen CO2
phoch) in 2-mbar-Schritten bis auf einen Druck wird die Druckunterstützung in einer ersten Phase auf
von ca. 12 mbar eine für den Patienten angemessene Höhe reguliert. In
• Schrittweise Verlängerung der Zeitdauer des un­ der zweiten Phase reduziert der Respirator die Druckun-
teren Druckniveaus (texsp) auf ca. 10 Sek. Die terstützung kontinuierlich und kontrolliert, ob der Patient
dies innerhalb eines vorgegebenen Grenzbereichs tole-
Zeitdauer des oberen Druckniveaus (tinsp) bleibt
riert (System prüft alle 2–5  Min.; angestrebt werden:
bzw. wird zuvor eingeregelt auf ca. 3 Sek. In die­ Atemfrequenz 15–30/Min. bzw. bis 35/Min. bei neurolo-
ser Einstellung werden etwa 5 maschinelle Atem­ gischen Erkrankungen, Vt > 250 ml bzw. 300 ml ab 55 kg
hübe pro Minute verabreicht KG, etCO2 < 55 mmHg bzw. < 65 bei COPD). Konnte die
• Weitere Reduktion des oberen Druckniveaus bis Druckunterstützung weitgehend zurückgenommen wer-
das obere Druckniveau dem unteren (PEEP) ent­ den, folgt in der dritten Phase ein Spontanatemversuch.
spricht. Damit ist dann gleichzeitig CPAP-At­ Ist dieser erfolgreich, zeigt der Respirator die mögliche
Extubation/Dekanülierung an.
mung erreicht
• Absenken des CPAP-Niveaus auf 5–6 mbar. Ist
der Patient darunter stabil, kann die Extubation Diskontinuierliche Respiratorentwöhnung
bzw. Dekanülierung erwogen werden (Kriterien
und Durchführung › 4.12 bzw. › 5.7). Die diskontinuierliche Respiratorentwöhnung
6 geht auf die Anfänge der Überdruckbeatmung zu­
Kontinuierliche Entwöhnung mit rück, also auf eine Zeit, in der die augmentierenden
druckunterstützter Beatmung Beatmungsformen noch nicht zur Verfügung stan­
Die Entwöhnung mittels druckunterstützter Beat- den. Mit der Entwicklung der augmentierenden Be­
mung entspricht der mittels SIMV mit dem Unter­ atmungsformen wurde die diskontinuierliche Ent­
schied, dass keine reinen maschinellen Atemhübe wöhnung dann fast ganz verlassen und erst in den
verabreicht werden: letzten Jahren wieder entdeckt als alternative Ent­
• Umstellen der Beatmung auf inspiratorische wöhnungsmethode für langzeitbeatmete Patienten
Druckunterstützung (ASB): mit völlig erschöpfter Atemmuskulatur. Dazu gehö­
– Höhe der Druckunterstützung anfänglich ren vor allem Patienten mit schwerer COPD
meist 12–15 mbar über PEEP, zusätzlich PEEP (› 2.3.2), aber auch Patienten mit chronischen Er­
(meist 5–8 mbar) krankungen des Thorax, z. B. schwerer Skoliose oder
– Einstellen des Triggers (› 6.2.5) neuromuskulären Erkrankungen.
• Ist der Patient unter dieser Beatmung stabil, kann
die Höhe der Druckunterstützung in 2-mbar- Prinzip der diskontinuierlichen
Schritten reduziert werden bis auf ca. 7 mbar Respiratorentwöhnung
• Reduktion des PEEP in 2-mbar-Schritten bis auf Bei der diskontinuierlichen Entwöhnung wird der
ca. 5–6 mbar Patient anfangs nur für sehr kurze Zeit (z. B. einige
• Umstellen auf CPAP-Atmung mit CPAP-Niveau Minuten), später dann für immer längere Phasen
5–6 mbar. Ist der Patient auch darunter stabil, vom Respirator diskonnektiert, d. h. er atmet spon­
kann die Extubation bzw. Dekanülierung erwo­ tan über die Trachealkanüle bzw. den Tubus (letzte­
gen werden (Kriterien und Durchführung res wird wenn möglich vermieden wegen der damit
› 4.12 bzw. › 5.7). verbundenen relativ großen Atemarbeit). Während
der Spontanatemphasen bekommt der Patient ange­
feuchtete, erwärmte und mit Sauerstoff angereicher­
6.11  Entwöhnung vom Respirator 191

Atemarbeit
der Atemmuskulatur erreicht werden. Zielkriterium
ist eine Atemfrequenz möglichst ≤ 25/Min. bei ausrei­
100%
chend hohen Tidalvolumina. Toleriert der Patient die
kontrollierte Beatmung, ist die Atemarbeit am ge­
ringsten und die Entlastung der Atemmuskulatur am
effektivsten, „kämpft“ er gegen den Respirator, kann
eine druckunterstützte Beatmung sinnvoller sein.
Zunächst werden die für den Patienten meist sehr
anstrengenden Spontanatemphasen nur tagsüber
Respirator Patient
vorgenommen. Nachts wird der Patient kontrolliert
Abb. 6.30  Bei der diskontinuierlichen Respiratorentwöhnung beatmet und kann sich erholen. Erst wenn der Pati­
wird die maschinelle Beatmung anfangs durch kurze, im Ver- ent tagsüber weitgehend spontan atmen kann, wird
lauf dann immer längere Spontanatemphasen unterbrochen. die Spontanatmung auch auf die Nacht ausgedehnt.
[A400]

Bei intubierten Patienten bzw. bei Patienten, deren Mus-


te Luft über ein T-Stück oder eine „feuchte Nase“ kelkraft (anfangs) für die Spontanatmung bei kompletter
(› 6.6.3) zugeführt, das an die Trachealkanüle bzw. Diskonnektion vom Respirator nicht ausreicht, kann alter-
den Tubus angeschlossen ist. Durch die Diskonnek­ nativ zum „Trainieren“ die Druckunterstützung vorüber-
tion vom Respirator soll die durch das Beatmungs­ gehend deutlich reduziert werden. Zur Erholung der
system verursachte Atemarbeit (z. B. Trigger vor je­ Atemmuskulatur wird sie dann wieder erhöht bzw. auf
eine kontrollierte Beatmung gewechselt.
dem Atemzug, Resistance des Beatmungsschlauch­
systems) auf ein Minimum reduziert werden. Ledig­
lich der Strömungswiderstand von Tubus bzw. Spontanatemversuch mit anschließender
Trachealkanüle bleibt auch während der Spontan­ 6
Extubation
atemphasen bestehen. Sehr wichtig ist es deshalb,
den durch die Trachealkanüle oder den Tubus ver­ Bei diesem Verfahren wird täglich geprüft, ob der
ursachten Atemwegswiderstand so gering wie mög­ Patient für einen Spontanatmungstest bereit ist und
lich zu halten (auch › 1.2.1 Resistance); dies wird extubiert werden kann. Dabei prüft ein in der Me­
insbesondere durch das Verwenden einer Tracheal­ thode erfahrener Mitarbeiter einmal täglich bei allen
kanüle mit möglichst großem Innendurchmesser beatmeten Patienten, ob eine Spontanatmung mög­
und das Vermeiden bzw. Beseitigen von Sekret und lich ist. Bei der Untersuchung wird geprüft, ob die
Inkrustierungen im Kanülenlumen erreicht. Patienten bestimmte, festgelegte Kriterien erfüllen.
Spätestens wenn der Patient Zeichen der respirato­ • Sind die festgelegten Kriterien erfüllt, folgt i. d. R.
rischen Erschöpfung zeigt, wird er wieder an das Beat­ eine mindestens ½-stündige Spontanatemphase,
mungsgerät angeschlossen und kontrolliert beatmet. dabei atmet der Patient am T-Stück oder am Re­
In manchen Kliniken bzw. bei manchen Patienten spirator mit einer Druckunterstützung von
wird alternativ so vorgegangen, dass der Patient spä­ 5