Scheuermann,
R. Wagner
Fachpflege Beatmung
7. Auflage
Zuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
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men handelt.
15 16 17 18 19 5 4 3 2 1
innen ragendes Knorpelstück, das insbesondere bei ist wie die Trachea (mit Knorpelspangen, Schleim-
der Bronchoskopie (› 9.7.6) gut sichtbar ist. haut, Flimmerepithel und bindegewebig muskulärer
Die Hauptbronchien zweigen sich jeweils wenige Rückwand), wird die Form der Knorpelspangen ab
1 Zentimeter hinter der Bifurkation weiter auf in die den Lappenbronchien unregelmäßig. In den tiefer
Lappenbronchien und diese wiederum in die Seg gelegenen Bronchien finden sich statt Knorpelspan-
mentbronchien. So entstehen vergleichbar den Ästen gen nur noch Knorpelplatten. Die Bronchiolen
eines Baums (daher auch die Bezeichnung Tra- schließlich haben keine knorpeligen Stützstrukturen
cheobronchialbaum) immer kleinere Bronchien und mehr. Stattdessen findet sich in der Wand der Bron-
schließlich Bronchiolen, an deren Ende sich die Alve chiolen reichlich glatte Muskulatur.
olen (Lungenbläschen) befinden. Während die Die Atemwege sind an ihrer Oberfläche von Flim-
Wand der Hauptbronchien noch ähnlich aufgebaut merepithel, d. h. dicht aneinanderliegenden, feins-
Nasenhöhle
Mundhöhle
Zunge
Kehldeckel (Epiglottis)
Zungenbein
Schildknorpel
Kehlkopf
Adamsapfel
Ringknorpel (Larynx)
Luftröhre
(Trachea) Knorpelspangen
Rechter Linker
Oberlappen Oberlappen
Lungenhilus
Bifurkation
rechter
Hauptbronchus Linker
Hauptbronchus
Lappen Linker
bronchus Unterlappen
Segment-
bronchus Bronchiolen
Rechter Bronchioli
Mittel- respiratori
lappen
Alveolar-
gang
Rechter
Unterlappen
Abb. 1.1 Übersicht über den Respirationstrakt, d. h. die Gesamtheit von Atemwegen und Lunge. [L190]
1.1 Anatomie des Respirationstrakts 3
ten und hochbeweglichen Härchen (Zilien), überzo- Die Alveolaroberfläche ist mit einem hauchdün-
gen. Das Flimmerepithel ist von schleimbildenden nen Lipoproteinfilm, dem Surfactant (auch Anti
Becherzellen durchsetzt. Diese bilden täglich ca. atelektasenfaktor oder Oberflächenfaktor) überzo-
100 ml sterilen, farblosen und viskösen Schleim (bei gen, der die Oberflächenspannung reduziert und so 1
bakteriellen Infektionen ist der Schleim zäher und ein Kollabieren der Alveolen insbesondere während
evtl. eitrig). An diesem Schleim bleiben auch feinste der Exspiration vermeidet. Eine weitere Funktion
Staubpartikel „kleben“. Das Flimmerepithel trans- des Surfactant ist der Schleimtransport aus den Al-
portiert Schleim samt Staubpartikel Richtung Ra- veolen. Die Wände der Alveolen sind hauchzart und
chen, von wo aus er verschluckt oder ausgespuckt von einem Netz feinster Kapillaren des Lungenkreis-
wird, und verhindert so eine Verschmutzung der laufs umsponnen. Die Grenzschicht zwischen Al
Alveolen (mukoziliäre Clearance). veole und Lungenkapillare heißt alveolokapilläre
Membran. Sie besteht aus dem Surfactant, dem Al-
veolarepithel, der Basalmembran und dem Kapillar
1.1.2 Lunge und Pleura endothel. An der alveolokapillären Membran findet
der Gasaustausch statt: Sauerstoff diffundiert aus
Lungenlappen und Lungensegmente den Alveolen in die Kapillaren, Kohlendioxid diffun-
Die beiden Lungenflügel füllen den Brustkorb nahe- diert aus den Kapillaren in die Alveolen.
zu vollständig aus. Lediglich das Herz, die großen
Gefäße und der Ösophagus sind zwischen den Lun- Pleura
genflügeln eingebettet. An ihrem unteren Ende lie- Jeder Lungenflügel ist von der Pleura visceralis (Lun-
gen die Lungenflügel unmittelbar dem Zwerchfell genfell) überzogen, die, nur durch den Pleuraspalt
(Diaphragma) auf. Die Lungenspitzen reichen jeweils getrennt, der Pleura parietalis (Rippfell) anliegt, die
bis in die Schlüsselbeingrube. Vorne, seitlich und die Brusthöhle auskleidet und sowohl Zwerchfell als
hinten liegen die Lungenflügel dicht an den Rippen. auch Mediastinum bedeckt. Beide Pleurablätter wer-
Die Innenflächen der Lungenflügel begrenzen das den zusammen als Pleura bezeichnet.
Mediastinum (Mittelfellraum). Wegen der Lage des Im Pleuraspalt befinden sich wenige Milliliter se-
Herzens zur linken Brustkorbseite hin ist der linke röse Flüssigkeit. Dadurch können die Pleurablätter
Lungenflügel etwa ein Viertel kleiner als der rechte. und mit ihnen die beiden Lungenflügel reibungslos
Die Lungenflügel bestehen aus insgesamt 5 Lun- im Brustkorb gleiten.
genlappen (Ober-, Mittel- und Unterlappen rechts,
Ober- und Unterlappen links). Die einzelnen Lun- Eine Pleuritis (Entzündung der Pleurablätter, häufig Fol-
genlappen unterteilen sich weiter in Lungensegmen- ge einer Pneumonie › 2.3.1) vermindert die Gleitfähig-
te, die jeweils eine Funktionseinheit darstellen, d. h. keit der Pleura. Die Pleurablätter reiben dann aneinander,
jedes Lungensegment verfügt über einen Segment- wodurch die Interkostalnerven gereizt und die Atmung
bronchus sowie eine Arterie und eine Vene. Auf- extrem schmerzhaft werden kann.
grund dieses anatomischen Aufbaus ist es möglich, Beim Pleuraerguss (z. B. infolge einer lokalen Entzün-
dung, einer Linksherzinsuffizienz oder als Begleitreaktion
einzelne Lungensegmente chirurgisch zu entfernen, bei Lungen- oder Pleuratumoren) sammelt sich Flüssigkeit
ohne das umliegende Lungengewebe zu schädigen. im Pleuraspalt. Je größer das Ergussvolumen ist, desto
stärker ist die Ausdehnung der Lunge und damit die At-
Alveolen und alveolokapilläre Membran mung eingeschränkt. Evtl. ist dann eine Pleurapunktion
An ihren Enden gehen die feinsten Bronchiolen in erforderlich, um die überschüssige Flüssigkeit abzusaugen.
die Alveolargänge über, um die herum traubenför-
mig dicht beieinander die einseitig offenen Alveolen
(Lungenbläschen) liegen. Im Pleuraspalt herrscht normalerweise ein leichter
Durch den bläschenartigen Aufbau der Alveolen Unterdruck von -4 bis -8 mbar, der atemabhängig
entsteht eine enorm große innere Oberfläche, die schwankt (intrapleuraler Druck bei Spontanat-
Gasaustauschfläche, die sich beim Erwachsenen auf mung › Abb. 1.2). Gelangt Luft in den Pleuraspalt
etwa 100 m2 ausdehnt. (Pneumothorax, z. B. durch die Ruptur von einzelnen
4 1 Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
Druck [mbar]
bewirkt eine starke Verkleinerung der Lungenflü-
Inspi- Exspiration Inspiration Exspiration gel reflektorisch eine verstärkte Inspirationsbe-
6
ration
intrapulmonaler Druck
wegung und Rezeptoren in der Brustwand, die
4
1 2 den Dehnungszustand der Interkostalmuskeln
0
-2
(Zwischenrippenmuskeln) ermitteln, wirken auf
-4 das Atemzentrum ein.
-6
-8 • Chemorezeptoren registrieren Veränderungen
-10 intrapleuraler Druck
-12 des pO2, des pCO2 und des pH-Werts. Steigt der
1 2 3 4 5 6 Zeit Sauerstoffbedarf des Organismus, z. B. bei kör-
[s] perlicher Arbeit oder Muskelzittern (Shivering),
sinkt der pO2 ab und der pCO2 steigt durch den
Abb. 1.2 Verlauf von intrapulmonalem und intrapleuralem
Druck während Spontanatmung. [A400]
vermehrten Zellstoffwechsel an. Der erhöhte
pCO2 führt zum Anstieg der H+-Ionenkonzentra-
tion (› 1.3), dadurch sinkt der pH-Wert des
Alveolen oder durch eine Verletzung) wird dieser Blutes (Azidose). Die Chemorezeptoren registrie-
Unterdruck aufgehoben; der betroffene Lungenflü- ren diese Änderungen und aktivieren das Atem-
gel kollabiert aufgrund seiner Eigenelastizität und zentrum, das daraufhin die Atmung intensiviert
kann nicht mehr am Gasaustausch teilnehmen. (vertieft und beschleunigt).
erfolgt bei diesen Patienten nur noch über niedrige pO2- der Alveolen), Diffusion (Gasaustausch zwischen
Werte. Erhalten die Betroffenen zu viel Sauerstoff, etwa Alveole und Lungenkapillare) und Perfusion (Lun-
über eine Maske oder eine Nasensonde, so entfällt dieser gendurchblutung) bestimmt.
Atemanreiz und es droht eine lebensbedrohliche 1
Atemdepression. Der Patient trübt dann zunehmend
ein (CO2-Narkose) bis es zuletzt zum Atemstillstand
kommt. 1.2.1 Ventilation
Um dies zu vermeiden wird bei Patienten mit chronisch-
obstruktiver Lungenerkrankung die Sauerstoffzufuhr DEFINITION
i. d. R. sehr niedrig dosiert, um den Atemanreiz zu erhal- Ventilation (lat. Belüftung): Transport von Luft durch
ten. Spontan atmende Patienten erhalten aus demselben die Atemwege in die Lunge hinein und wieder heraus.
Grund trotz niedrigem pO2 evtl. überhaupt keinen zusätz-
lichen Sauerstoff. Eine wichtige Ausnahme von dieser
Regel ist der akute Asthmaanfall mit (drohender) Hypoxä- Atemmechanik
mie; die betroffenen Patienten erhalten 8–10 l Sauerstoff.
Zu Beginn der Inspiration sind der Druck in der
Lunge (intrapulmonaler Druck, › Abb. 1.2) und
• Auch unspezifische Reize können die Atmung der Atmosphärendruck (Druck der Umgebungsluft)
beeinflussen: identisch, d. h. der intrapulmonale Druck liegt bei
– Kälte-Wärme-Reize regen die Atmung an, z. B. null (der intrapulmonale Druck bezieht sich immer
Wechselduschen auf den Atmosphärendruck). Die Inspiration be-
– Bestimme Berührungen und Bewegungen kön- ginnt mit der Kontraktion der Inspirationsmuskeln,
nen die Atmung vertiefen. Dies macht man vor allem des Zwerchfells, aber auch der äußeren In-
sich z. B. mit atemstimulierenden Einreibun- terkostalmuskeln. Dadurch weitet sich der Brust-
gen zunutze korb und mit ihm die Lunge. In der Folge sinkt der
– Ein Anstieg und auch ein leichtes Abfallen der intrapulmonale Druck etwas unter den Atmosphä-
Körpertemperatur stimulieren die Atmung rendruck ab, was dazu führt, dass Luft in die Lunge
ebenfalls. Erst eine schwere Unterkühlung einströmt. Die Inspiration endet, sobald sich die In
hemmt die Atmung spirationsmuskeln nicht mehr weiter kontrahieren.
– Schmerzen, Stress und Angst steigern die At- Dann strömt keine Luft mehr in die Lunge, der int-
mung, insbesondere thorakale oder abdomina- rapulmonale Druck und der Druck der Umgebungs-
le Schmerzen können jedoch zu einer uner- luft sind wieder gleich.
wünschten Schonatmung (hochfrequente, Die Exspiration beginnt damit, dass die Inspira
oberflächliche Atmung) führen tionsmuskeln erschlaffen. Aufgrund ihrer Eigenelas-
– Die Hormone Adrenalin und Progesteron tizität ziehen sich Lunge und Brustkorb zusammen,
(Schwangerschaftshormon) stimulieren die dadurch steigt der intrapulmonale Druck über den
Atmung. Atmosphärendruck an und die Luft strömt infolge
dessen aus der Lunge. Am Ende der Exspiration fällt
der intrapulmonale Druck wieder auf den Atmo-
sphärendruck ab.
1.2 Physiologie der Atmung Während die Inspiration ein aktiver Vorgang ist,
erfolgt die Exspiration weitgehend passiv, d. h. ohne
Muskelarbeit. Nur bei stark forcierter Atmung bzw.
Die Atmung ermöglicht den Gasaustausch zwischen verschiedenen Lungenerkrankungen, z. B. Einen-
dem Blut und der umgebenden Atmosphäre. Zum gungen der Atemwege (Atemwegsobstruktion), un-
einen nimmt das durch die Lunge strömende Blut terstützen die Bauch- und inneren Interkostalmus-
den für den Zellstoffwechsel notwendigen Sauerstoff keln die Ausatmung aktiv.
auf, zum anderen gibt es Kohlendioxid ab. Dieser
pulmonale Gasaustausch wird durch das Zusam-
menspiel der drei Faktoren Ventilation (Belüftung
6 1 Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
Resistance
Atemwegswiderstände
Die Resistance (R, Atemwegswiderstand) wirkt der
Bei der Atmung müssen elastische Widerstände und Luftströmung während der Ein- und Ausatmung
Strömungswiderstände überwunden werden. entgegen. Um den Atemwegswiderstand zu über-
winden, muss während der Atmung ein Druckgefäl-
Compliance le zwischen Alveolen und Umgebung aufgebaut wer-
Lunge und Thorax sind elastisch, d. h. sie dehnen den. Das Verhältnis zwischen dieser Druckdifferenz
sich, wenn eine Kraft auf sie einwirkt, und sie ziehen und dem Atemgasfluss (V , Flow) ergibt die Resis-
sich wieder zusammen, sobald die einwirkende tance:
Kraft nachlässt. Der elastische Widerstand bestimmt Dp
die Compliance (Volumendehnbarkeit) des Atemap- R= [mbar /(l / sec.)]
DV
parats.
Die Compliance (C) gibt an, wie viel Volumen der Beim beatmeten Patienten (unter volumenkontrol-
Lunge bei einem bestimmten Druck zugeführt wer- lierter Beatmung, › 6.3.2) errechnet sich die Resis-
den kann oder anders ausgedrückt, wie groß die Vo- tance wie folgt:
lumenzunahme bei einer Drucksteigerung ist p peak - p plateau
(› Abb. 1.3). Demzufolge wird die Compliance ge- Reffektiv = [mbar /(l / sec.)]
V
messen in Volumen pro Druck:
1.2 Physiologie der Atmung 7
Der Normalwert für die Resistance liegt beim ge- wege, steigt der Widerstand auf das 16-fache an. Dies
sunden Erwachsenen bei 1–3 mbar/(l/sec.), beim kann z. B. durch Schwellungen der Bronchialschleim
lungengesunden intubierten Erwachsenen steigt sie haut, Bronchokonstriktion, Schleim oder Fremdkör-
auf 4–6 mbar/(l/sec.) an. per in den Atemwegen bedingt sein. 1
Bei gleichmäßiger (laminarer) Luftströmung ver- Bei turbulenter Luftströmung (Bildung von Wir-
hält sich der Atemwegswiderstand direkt proportio- beln in den Atemwegen) ist zur Überwindung des
nal zur Länge der Atemwege und umgekehrt propor- Strömungswiderstands eine höhere Druckdifferenz
tional zum Durchmesser der Atemwege, d. h. die erforderlich. Turbulente Luftströmungen entstehen
Weite der Atemwege (bzw. des Tubus oder der Tra- bei sehr hohem Gasfluss sowie an Verzweigungen
chealkanüle) ist der wichtigste, die Resistance be- und an Engstellen der Atemwege.
stimmende Faktor. Ist das Lumen der Atemwege z. B.
um 15 % eingeengt, verdoppelt sich der Atemwegs
Lungenvolumina und -kapazitäten
widerstand, halbiert sich der Durchmesser der Atem-
Der maximal mögliche Gasgehalt der Lunge wird in
Elastizitätsgrenze einzelne statische Lungenvolumina unterteilt. Die-
se werden – mit Ausnahme des Residualvolumens –
∆V Vitalkapazität (VC)
∆p während langsamer Atmung spirometrisch gemes-
Volumen (l)
lower
Lungenvolumina (› Abb. 1.4):
inflection ∆V • Tidalvolumen (volume tidal, kurz VT), auch Atemzug-
∆p
point volumen (AZV) oder Atemhubvolumen: Luftmenge, die
∆V pro Atemzug eingeatmet wird
∆p • Inspiratorisches Reservevolumen (IRV): Luftmenge, die
Residualvolumen (RV)
nach einer normalen Inspiration zusätzlich eingeatmet
werden kann
Druck (mbar) • Exspiratorisches Reservevolumen (ERV): Luftmenge, die
nach einer normalen Exspiration zusätzlich ausgeatmet
Abb. 1.3 Die Ruhedehnungskurve der Lunge (Druck- werden kann
Volumen-Diagramm oder pV-Kurve) verläuft in charakteristi- • Residualvolumen (RV): Luftmenge, die nach einer ma-
scher S-Form. Drei Kurvenabschnitte werden unterschieden: ximalen Exspiration in der Lunge verbleibt.
• Im unteren flachen Kurvenabschnitt wird eine hohe Druckdif- Die Lungenkapazitäten setzen sich jeweils aus ver-
ferenz benötigt, um der Lunge ein relativ geringes Volumen
schiedenen Lungenvolumina zusammen:
zuzuführen.
• Inspiratorische Kapazität (IC) = VT + IRV, d. h.
• Im mittleren steilen Abschnitt verläuft die Kurve nahezu li
Luftmenge, die nach einer normalen Exspiration maxi-
near; hier reicht eine kleine Druckdifferenz zur Zufuhr eines
relativ großen Volumens.
mal eingeatmet werden kann
• Vitalkapazität (VC) = IRV + VT + ERV, d. h. Luft-
• Im oberen flachen Kurvenabschnitt kann durch eine weitere
Zunahme des Drucks kaum noch Volumen zugeführt werden. menge, die maximal ein- bzw. ausgeatmet werden
Wird die Elastizitätsgrenze erreicht, droht eine Überdehnung kann
der Lunge mit der Gefahr eines pulmonalen Barotraumas/ • Totale Lungenkapazität (TLC) = VC + RV, d. h.
Volotraumas (› 6.7.1). Luftmenge, welche die Lunge maximal fassen kann
Die beiden Knickpunkte der Ruhedehnungskurve werden als • Funktionelle Residualkapazität (FRC) = ERV +
inflection points bezeichnet (unterer bzw. lower inflection RV, d. h. Luftmenge, die nach einer normalen Ausat-
point und oberer bzw. upper inflection point, auch deflection mung in der Lunge verbleibt.
point). Im steilen mittleren Kurvenabschnitt ist die Atemarbeit Lungenvolumina und -kapazitäten sind abhängig von Al-
deutlich geringer als in den flachen Kurvenabschnitten unter- ter, Geschlecht, Körpergröße und Körpergewicht.
bzw. oberhalb der inflection points. Bei maschinell beatmeten
Patienten sollte der PEEP oberhalb es unteren inflection points
und der Inspirationsdruck unterhalb des oberen inflection
points eingestellt sein, d. h. beide Beatmungsparameter sollten Dynamische Lungenvolumina werden bei forcier-
sich innerhalb des mittleren linearen Kurvenabschnitts befinden ter Ausatmung, d. h. schnellstmöglicher Ausatmung
(› 6.8.1 Beatmung bei ARDS). [A400] nach maximaler Einatmung, gemessen:
8 1 Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
• Forcierte Vitalkapazität (FVC): Luftmenge, die diert) werden. Die in diesen Alveolarbereich einge-
nach maximaler Einatmung schnellstmöglich atmete Luftmenge kann nicht am Gasaustausch teil-
ausgeatmet werden kann nehmen, da keine Diffusion stattfinden kann, und
1 • Exspiratorische Einsekundenkapazität (forciertes wird als alveolärer Totraum bezeichnet.
exspiratorisches Volumen, kurz FEV1): Luftmen- Anatomischer und alveolärer Totraum ergeben
ge, die bei forcierter Ausatmung während der zusammen den gesamten Totraum (volume dead
ersten Sekunde ausgeatmet wird space, kurz VD), der als funktioneller oder physio-
• Der Tiffeneau-Wert ist eine errechnete Größe aus logischer Totraum bezeichnet wird.
FEV1/FVC.
Alveoläre Ventilation
Die alveoläre Ventilation, d. h. die tatsächlich am
Alveoläre Ventilation und Totraum
Gasaustausch teilnehmende Luftmenge, errechnet
Das Atemminutenvolumen (AMV) errechnet sich aus sich aus der Differenz zwischen Tidalvolumen (VT)
dem Tidalvolumen (VT) und der Atemfrequenz (f): und funktionellem Totraum (VD). Sie ist eine ent-
AMV = VT × f [l/Min.] scheidende Größe dafür, ob die Atmung eines Pa
tienten ausreichend (suffizient) ist oder nicht!
Ein gesunder Erwachsener atmet in Ruhe etwa 400–
Alveoläre Ventilation =
500 ml pro Atemzug ein (VT ca. 7 ml/kg KG), die Tidalvolumen (VT) – funktioneller Totraum (VD)
Atemfrequenz liegt dabei zwischen 12–20/Min. Da
raus ergibt sich ein AMV von 4.800–10.000 ml. Bei oberflächlicher und schneller Atmung ist die alveoläre
Ventilation geringer als bei tiefer und langsamer Atmung.
Totraum • Atmet ein Patient oberflächlich und schnell, etwa we-
Bei jedem Atemzug füllt ein Teil der eingeatmeten gen Schmerzen oder Atemnot, kann das Atemminuten-
Luftmenge die Luftwege (Nase, Rachen, Trachea, volumen zwar konstant bleiben, das Totraumvolumen
Bronchien), ohne die Alveolen zu erreichen, d. h. die- nimmt jedoch zu und die alveoläre Ventilation ab
(› Tab. 1.1). Kann der Patient das Tidalvolumen nicht
se Luftmenge nimmt nicht am Gasaustausch teil. Die- steigern, muss er extrem hochfrequent atmen, um die-
ser Anteil des Tidalvolumens heißt anatomischer selbe alveoläre Ventilation zu erreichen (unterste Zeile
Totraum. Der anatomische Totraum beträgt norma- in Tab. 1.1). Dies kann zur Dekompensation führen,
lerweise 2 ml/kg Körpergewicht, d. h. bei einem 75 kg wenn der Patient die dazu notwendige enorme Atem-
schweren Erwachsenen liegt er bei ca. 150 ml. arbeit nicht mehr leisten kann.
Pathologische Zustände, etwa eine Lungenembo- • Atmet ein Patient bei gleich bleibendem Atemminu-
lie, können dazu führen, dass Alveolarbereiche zwar tenvolumen langsam und tief, verringert sich das Tot
raumvolumen und die alveoläre Ventilation nimmt zu.
belüftet (ventiliert), aber nicht durchblutet (perfun-
Maximale 100%
Inspirations-
lage
Inspiratorische
Totraum
Maximale Vitalkapazität (VC) 4.800
Funktionelle
lage
volumen
0%
Abb. 1.4 Lungenvolumina und -kapazitäten, alveoläre Ventilation und Totraum. Die rechte Spalte enthält Normwerte eines ge-
sunden jungen Mannes. Alveoläre Ventilation und Totraum siehe Text. [A400]
1.2 Physiologie der Atmung 9
Tab. 1.1 Je schneller und oberflächlicher ein Patient atmet, desto mehr steigt das Totraumvolumen und sinkt die
alveoläre Ventilation, d. h. die Atmung wird immer ineffektiver. Kann das Tidalvolumen nicht gesteigert werden, ist
eine normale alveoläre Ventilation nur durch eine enorm schnelle Atmung möglich, die mit einer hohen Atemarbeit
verbunden ist.
Atemfre Tidalvolumen Atemminuten Totraum Alveoläre Ventilation
quenz (f) (VT) volumen (AMV) pro Atemzug pro Minute pro Atemzug pro Minute
15 400 ml 6,0 l 150 ml 2,25 l 250 ml 3,75 l
20 300 ml 6,0 l 150 ml 3,0 l 150 ml 3,0 l
24 250 ml 6,0 l 150 ml 3,6 l 100 ml 2,4 l
36 250 ml 9,0 l 150 ml 5,4 l 100 ml 3,6 l
10 1 Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
1.2.2 Diffusion kapillare und Alveole ist die treibende Kraft für den
Gasaustausch. So diffundieren Sauerstoffmoleküle
DEFINITION aus der Alveole (Ort hoher Konzentration) durch die
1 Diffusion: Rein passiver Transport von Teilchen (Ionen, alveolokapilläre Membran in die Lungenkapillare
Moleküle) vom Ort höherer zum Ort niedrigerer (Teil- (Ort niedriger Konzentration) und CO2-Moleküle
chen-)Konzentration bis zum Konzentrationsausgleich. aus der Lungenkapillare (Ort hoher Konzentration)
in die Alveole (Ort niedriger Konzentration).
Die Differenz zwischen dem Sauerstoffpartial-
Partialdrücke
druck in der Alveole und dem in der Arterie heißt
Die Einatemluft ist ein Gasgemisch, das überwie- Alveoloarterielle Sauerstoffpartialdruck-Diffe-
gend aus Stickstoff (ca. 79 %) und Sauerstoff (ca. renz (kurz AaDO2). Sie errechnet sich aus dem alve-
20,9 %) besteht. Jedes der im Gasgemisch enthalte- olären pO2 und dem arteriellen pO2:
nen Gase übt entsprechend seinem prozentualen AaDO2 = pA O2 − pa O2
Anteil einen Partialdruck (Teildruck) aus.
Der Partialdruck eines Gases errechnet sich aus Beim Lungengesunden liegt die AaDO2 unter Raum-
dem Gesamtluftdruck (760 mmHg auf Meereshöhe), luftatmung bei 5–10 mmHg, bei Atmung von 100 %
dem Wasserdampfdruck (nach Passage der oberen Sauerstoff (FiO2 1,0) bei 20–35 mmHg. Diese Diffe-
Luftwege ist die Atemluft zu 100 % mit Wasser- renz entspricht dem physiologischen Shuntanteil
dampf gesättigt, dadurch entsteht ein Druck von ca. von 3–5 % (Shunt › 2.2.4). Nimmt der pulmonale
47 mmHg) und dem prozentualen Anteil des Gases: Rechts-Links-Shunt zu, z. B. weil durch Atelektasen
Partialdruck = (Gesamtluftdruck – Lungenbezirke zwar durchblutet, aber nicht belüftet
Wasserdampfdruck) × Gaskonzentration sind, steigt das intrapulmonale Shuntvolumen und
Entsprechend errechnet sich der Sauerstoffpartial- die AaDO2 nimmt zu.
druck bei Raumluft:
pI O2 = (760 − 47) × 0, 209 = 150 mmHg Diffusionsfläche und Diffusionsstrecke
Der Partialdruck des Sauerstoffs in der Inspirations- Die Diffusion von Sauerstoff und Kohlendioxid an
luft (pIO2) beträgt ca. 150 mmHg. In der Alveole der alveolokapillären Membran wird in erster Linie
sinkt der Sauerstoffpartialdruck (pAO2) durch Mi- vom Partialdruckgefälle bestimmt. Weitere, die Dif-
schung mit der dort vorhandenen Residualluft (sie- fusion beeinflussende Faktoren sind die Diffusions-
he Lungenvolumina) auf etwa 100 mmHg ab. Der fläche und die Diffusionsstrecke:
arterielle Sauerstoffpartialdruck (paO2) beträgt noch • Die Diffusionsfläche ist die zur Verfügung ste-
ca. 90 mmHg, da durch verschiedene Shuntmecha- hende Gasaustauschfläche (› 1.1.2). Ein Lun-
nismen (Shunt › 2.2.4) sauerstoffarmes Blut zum genemphysem (blasiger Umbau der Lunge durch
sauerstoffreichen Blut zugemischt wird. Nachdem Zerstörung der Alveolarsepten und terminalen
der Sauerstoff aus dem Blut ins Gewebe abgegeben Bronchioli, › 2.3.2) z. B. kann die Diffusionsflä-
wurde, liegt der Sauerstoffpartialdruck des ge- che erheblich reduzieren.
mischtvenösen Blutes bei etwa 40 mmHg (› Tab. • Die Diffusionsstrecke entspricht der Dicke der
1.2). alveolokapillären Membran. Diese ist normaler-
Das Partialdruckgefälle zwischen Alveole und weise sehr dünn (0,1–1 μm), sodass der alveoläre
Lungenkapillare und umgekehrt zwischen Lungen- Sauerstoffpartialdruck fast vollständig ins Kapil-
Tab. 1.2 Ungefährer Partialdruck (in mmHg) von Sauerstoff und Kohlendioxid im Verlauf des Gasaustausches bei
Raumluftatmung.
Gas Inspirationsluft Alveolarluft Arterielles Blut Venöses Blut Exspirationsluft
Sauerstoff (O2) pIO2 ca. 150 pAO2 ca. 100 paO2 ca. 90 pvO2 ca. 40 pEO2 ca. 115
Kohlendioxid (CO2) pICO2 ca. 0,03 pACO2 ca. 40 paCO2 ca. 40 pvCO2 ca. 46 pECO2 ca. 30
1.2 Physiologie der Atmung 11
larblut übertragen wird. Einige Lungenerkran- Die Sauerstoffsättigung (› 9.2.3) gibt an, wie viel
kungen können dazu führen, dass sich die Diffu- Prozent des Gesamthämoglobins mit Sauerstoff „bela-
sionsstrecke verlängert, etwa ein Lungenödem den“ (gesättigt, oxygeniert) sind. Die arterielle Sauer-
oder eine Lungenfibrose. stoffsättigung (SaO2) liegt bei Raumluftatmung normaler- 1
weise bei 95–98 %.
dass das vermehrt anfallende CO2 durch Bikarbo- dose, Zeichen der Hyperglykämie bei der diabetischen
natretention ausgeglichen wird, d. h. der pH-Wert Ketoazidose oder Zeichen der Niereninsuffizienz)
liegt dann noch im Normbereich (metabolisch kom meist auch eine Hyperventilation zur CO2-Abatmung
pensierte respiratorische Azidose › Tab. 1.3). (Kussmaul-Atmung) sowie zerebrale Auswirkungen 1
Klinisch sind bei den betroffenen Patienten wegen (Verwirrtheit, Muskelschwäche, zunehmende Be-
der i. d. R. zugrunde liegenden Lungenfunktionsstö- wusstseinseintrübung) und kardiovaskuläre Folgeer-
rung die Symptome der respiratorischen Insuffi scheinungen (Tachykardie und ventrikuläre Herz-
zienz zu beobachten (› 2.4). Die Therapie besteht rhythmusstörungen, Blutdruckabfall, später Brady-
in der Behandlung der (meist pulmonalen) Grund- kardie). Die klinischen Symptome sind umso stärker
erkrankung sowie – bei akuter respiratorischer Azi- ausgeprägt, je rascher und stärker der pH-Wert abfällt.
dose oder akuter Dekompensation einer chronischen Die Therapie besteht vorrangig in der Behand-
respiratorischen Azidose – der umgehenden Sen- lung der Grunderkrankung. Ist diese rasch beein-
kung des paCO2 durch Verbesserung der alveolären flussbar, gleicht sich die Azidose meist spontan aus.
Ventilation, ggf. durch maschinelle Beatmung bzw. Ansonsten ist bei extrem niedrigen pH-Werten
beim beatmeten Patienten durch Anpassen der Be- eine medikamentöse Pufferung erforderlich. Diese
atmungsparameter und/oder der Beatmungsform. erfolgt i. d. R. mit 8,4-prozentigem Natriumbikarbo-
nat (NaHCO3−) nach folgendem Schema:
Metabolische Azidose Negativer BE × kg KG × 0,3 = mmol NaHCO3−
Eine metabolische Azidose liegt vor, wenn die Ur-
sache für die erhöhte H+-Ionenkonzentration im Von der so errechneten Menge wird zunächst die
Stoffwechsel liegt. Häufige Ursachen für metaboli- Hälfte verabreicht (um eine Überkorrektur zu vermei-
sche Azidosen beim Intensivpatienten sind: den, die entstehen kann, wenn medikamentös gepuf-
• Laktatazidose. Laktat (Milchsäure) entsteht, wenn fert wird und gleichzeitig die körpereigenen Regulati-
Glukose anaerob abgebaut wird. Wichtigste Ursa- onsmechanismen „anlaufen“). Dann erfolgt eine Blut-
che dafür ist eine Gewebshypoxie, z. B. im Schock gasanalyse. Von den Ergebnissen der BGA hängt es
oder bei schwersten Lungenfunktionsstörungen ab, ob nochmals Pufferlösung gegeben werden muss.
• Akutes oder chronisches Nierenversagen mit
nachfolgender Verminderung der renalen H+-Io- Natriumbikarbonat und Katecholamine nicht gemischt
nen-Ausscheidung oder gleichzeitig über einen gemeinsamen Venenzugang
• Ketoazidose. Hierbei entstehen aufgrund einer verabreichen, da es ansonsten zu einem unkontrollier
gesteigerten Lipolyse (Verbrennung von Fett) die baren Wirkungsverlust der Katecholamine kommt.
sauren Ketonkörper. Ursächlich ist häufig ein In- Wegen der hohen Osmolarität von 2.000 mosm/l soll die
sulinmangel (diabetische Ketoazidose) 8,4-prozentige Natriumbikarbonatlösung über einen
zentral-venösen Katheter verabreicht werden.
• Intoxikationen, z. B. mit Salizylaten, Methanol
oder Ethylenglykol
• Starker Bikarbonatverlust, etwa bei massiver Di- In seltenen Fällen (insbesondere bei Hypernatriä-
arrhö oder über ein Ileostoma. mie) wird statt Natriumbikarbonat natriumfreier
Die Anhäufung saurer Stoffe im Blut bewirkt eine THAM-Puffer (Trometamol, Tris-Puffer) verwendet.
Steigerung des Atemantriebs. So wird vermehrt CO2
(und damit H+-Ionen) abgeatmet. Später setzen Vorsicht
dann auch die renalen Kompensationsmechanismen
Eine zu rasche und/oder übermäßige Pufferung der
ein, und die Niere scheidet vermehrt H+-Ionen aus. Azidose kann zu Herzrhythmusstörungen durch Hypoka-
Gelingt es, durch diese Mechanismen die Störung liämie führen (K+-Ionen, die zuvor im Austausch mit H+-
auszugleichen und den pH-Wert wieder zu normali- Ionen vom Intra- in den Extrazellulärraum gewandert
sieren, liegt eine (respiratorisch) kompensierte meta sind, wandern zurück in den Intrazellulärraum. Dadurch
bolische Azidose vor. sinkt der Kaliumspiegel im Blut). Bei Überkorrektur der
Klinisch zeigen sich neben den Symptomen der Azidose wird darüber hinaus Kalium zusammen mit dem
überschüssigen Bikarbonat über die Niere ausgeschieden.
Grunderkrankung (z. B. Schockzeichen bei Laktatazi-
16 1 Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
metab. teil-
weise kom- 97
Komp. resp. Azidose
pensiert
nic
Re t ko
h
Metab. Alkalose,
sp mp
75
. A en
resp. teilweise
kompensiert
zid sie
Azidose
e,
60
44
Metab. Azidose, normal Metab. Alkalose, 40
resp. nicht kompensiert resp. nicht kompensiert
34
26
komp. resp. Alkalose
ta
Re nich
b.
Metab. Azidose,
sp t k
resp. teilweise
. A om
kompensiert
lka pe
Abb. 1.7 Säure-Basen-Normo-
los ns
19
gramm. Der pH-Wert und der
e, ier
Resp.
Alkalose, pCO2 lassen Rückschlüsse auf die
teilw. komp.
t
Tab. 1.3 Normwerte und Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts. ↔ = normal, ↑ = über die Norm erhöht, ↓
= unter die Norm erniedrigt, (↑) (↓) = nur geringfügig erhöht bzw. vermindert.
Störung Respiratori Metabolisches System
sches System
pH paCO2 (mmHg) SBC (Standardbikar- BE (base excess)
bonat) (mmol/l) (mmol/l)
Normwerte 7,36–7,44 35–45 22–26 −3–+3
Respiratorische Nicht kompensiert ↓ ↑ ↔ ↔
Azidose Teilweise kompensiert (↓) ↑ (↑) (↑)
Vollständig kompensiert ↔ ↑ ↑ ↑
Respiratorische Nicht kompensiert ↑ ↓ ↔ ↔
Alkalose Teilweise kompensiert (↑) ↓ (↓) (↓)
Vollständig kompensiert ↔ ↓ ↓ ↓
Metabolische Nicht kompensiert ↓ ↔ ↓ ↓
Azidose Teilweise kompensiert (↓) (↓) ↓ ↓
Vollständig kompensiert ↔ ↓ ↓ ↓
Metabolische Nicht kompensiert ↑ ↔ ↑ ↑
Alkalose Teilweise kompensiert (↑) (↑) ↑ ↑
Vollständig kompensiert ↔ ↑ ↑ ↑
Bei vollständig kompensierten Störungen ist der pH durch physiologische Gegenregulation (Puffersysteme, respiratori-
sche und renale Kompensationsmechanismen) wieder im Normbereich, pCO2, Bikarbonat und BE sind jedoch verändert.
Faustregel: Metabolisch Miteinander → Bei nicht kompensierten metabolischen Störungen verändern sich pH, Bikarbo-
nat und pCO2 stets gleichsinnig.
Tab. 1.4 Fünf Fragen zur Interpretation des pH-, paCO2- und SBC/BE-Werts. Der paO2-Wert aus der Blutgasanalyse
ist für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts nicht relevant, jedoch entscheidend für die Oxygenierung und die
Beurteilung einer respiratorischen Insuffizienz (› Kap. 2).
1. Wie hoch ist der pH-Wert? Liegt eine Azidose oder eine Alkalose vor?
pH-Wert Interpretation
7,36–7,44 • Säure-Basen-Haushalt ist ausgeglichen oder
• primäre Störung vollständig kompensiert, z. B. metabolisch kompensierte resp. Azidose (siehe Frage 4)
< 7,36 Der pH-Wert ist erniedrigt → Azidose (evtl. teilweise kompensiert)
> 7,44 Der pH-Wert ist erhöht → Alkalose (evtl. teilweise kompensiert)
2. Wie hoch ist der paCO2? Liegt eine respiratorische Störung vor?
paCO2 Interpretation
35–45 mmHg Wert im Normbereich, keine primäre Störung der CO2-Elimination
< 35 mmHg Der paCO2 Wert ist erniedrigt → Hyperventilation.
Damit ist noch nicht geklärt, ob es sich um eine primäre respiratorische Störung handelt (respiratorische Alka-
lose) oder eine respiratorische Kompensation als Antwort auf eine primär metabolische Störung (siehe Frage 4)
18 1 Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
Tab. 1.4 Fünf Fragen zur Interpretation des pH-, paCO2- und SBC/BE-Werts. Der paO2-Wert aus der Blutgasanalyse
ist für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts nicht relevant, jedoch entscheidend für die Oxygenierung und die
Beurteilung einer respiratorischen Insuffizienz (› Kap. 2). (Forts.)
1 2. Wie hoch ist der paCO2? Liegt eine respiratorische Störung vor?
paCO2 Interpretation
> 45 mmHg Der paCO2 Wert ist erhöht → Hypoventilation.
Damit ist noch nicht geklärt, ob es sich um eine primäre respiratorische Störung handelt (respiratorische
Azidose) oder eine respiratorische Kompensation als Antwort auf eine primär metabolische Störung (sie-
he Frage 4)
3. Wie hoch sind SBC/BE? Liegt eine metabolische Störung vor?
SBC/BE Interpretation
SBC 22– Werte im Normbereich, keine Störung im metabolischen System
26 mmol/l BE
−3–+3 mmol/l
SBC < Die Werte sind erniedrigt. Es liegt entweder eine primäre metabolische Störung vor (metabolische Azido-
22 mmol/l se) oder eine primäre respiratorische Störung, die metabolisch kompensiert wird (metabolisch kompen-
BE < sierte respiratorische Alkalose; siehe Frage 4)
−3 mmol/l
SBC > Die Werte sind erhöht. Es liegt entweder eine primäre metabolische Störung vor (metabolische Alkalose)
26 mmol/l oder eine primäre respiratorische Störung, die metabolisch kompensiert wird (metabolisch kompensierte
BE > respiratorische Azidose; siehe Frage 4)
+3 mmol/l
4. Liegt eine teilweise oder vollständige Kompensation vor (d. h. der Organismus reagiert auf eine pri
märe Störung – Azidose oder Alkalose im respiratorischen oder metabolischen System – im jeweils an
deren System gegenläufig, um die pH-Veränderung auszugleichen)?*
Werte Interpretation
paCO2 > 45 mmHg Das respiratorische System liegt im Bereich einer Azidose, das metabolische System im Be-
SBC > 26/BE > +3 mmol/l reich der Alkalose. Der Organismus versucht, die Störung zu kompensieren. Die Kompensa-
pH < 7,36 oder > 7,44 tion ist noch unvollständig, da der pH-Wert noch nicht im Normbereich liegt.
pH 7,36–7,44 Der pH-Wert liegt im Normbereich, d. h. die Kompensation ist vollständig.
paCO2 < 35 mmHg Das respiratorische System liegt im Bereich einer Alkalose, das metabolische System im Be-
SBC < 22/BE < –3 mmol/l reich der Azidose. Der Organismus versucht, die Störung zu kompensieren. Die Kompensati-
pH < 7,36 oder > 7,44 on ist noch unvollständig, da der pH-Wert noch nicht im Normbereich liegt.
pH 7,36–7,44 Der pH-Wert liegt im Normbereich, d. h. die Kompensation ist vollständig.
5. Liegt eine kombinierte Störung vor (beide Systeme im Bereich der Alkalose oder Azidose)?
Hinweis: Kombinierte Störungen sind selten!
Werte Interpretation
paCO2 > 45 mmHg Sowohl das respiratorische als auch das metabolische System liegen im Bereich einer Azido-
SBC < 22/BE < –3 mmol/l se, der pH-Wert ist entsprechend sauer. Diese Kombination kann z. B. auftreten bei Herz-
pH < 7,36 stillstand und nachfolgender kardiopulmonaler Reanimation (respiratorische Azidose auf-
grund der Hyperkapnie, metabolische Azidose infolge Laktatazidose).
paCO2 < 35 mmHg Sowohl das respiratorische als auch das metabolische System liegen im Bereich einer Alka-
SBC > 26/BE > +3 mmol/l lose, der pH-Wert ist entsprechend alkalisch. Diese Kombination kann z. B. auftreten bei Er-
pH > 7,44 krankung/Therapie mit massivem Verlust von Magensäure (metabolische Alkalose) und
gleichzeitiger Hyperventilationstetanie (respiratorische Alkalose).
* Welches System primär gestört ist bzw. in welchem System die Kompensation erfolgt, kann aus einer einzelnen BGA nicht
interpretiert werden, hier muss das klinische Bild bzw. der Verlauf mehrerer BGAs betrachtet werden. Sehr selten liegen zwei
gegenläufige Störungen vor, die unabhängig voneinander und nicht im Sinne einer Kompensation entstanden sind.
KAPITEL
2 Respiratorische Insuffizienz
2.1 Definition und Einteilung ge steigt der paCO2 im arteriellen Blut an (Hyperkap-
nie), der paO2 sinkt ab (Hypoxämie).
DEFINITION Die Unterscheidung in pulmonale und ventila-
Respiratorische Insuffizienz (Ateminsuffizienz): Stö torische Insuffizienz erfolgt anhand der Blutgas-
rung der Atmung mit Unfähigkeit des Atmungssystems, analyse (› 2.4.2). Die Differenzierung ist ent-
die arteriellen Blutgase im Normbereich zu halten. Unter scheidend für die Therapie der respiratorischen
schieden nach:
• Dem Ausmaß der Störung in pulmonale (Partial-) und
Insuffizienz.
ventilatorische Insuffizienz (Globalinsuffizienz)
• Dem zeitlichen Verlauf in akute und chronische respi Pulmonale Insuffizienz (Partialinsuffizienz): Hypoxä-
ratorische Insuffizienz mie und Normo- oder Hypokapnie: paO2 < 70 mmHg (bei
• Der Manifestation in latente und manifeste respiratori Raumluft), paCO2 normal oder etwas erniedrigt.
sche Insuffizienz. Ventilatorische Insuffizienz (Globalinsuffizienz): Hyp-
oxämie und Hyperkapnie: paO2 < 70 mmHg (bei Raum
Das respiratorische System (Atmungssystem luft), paCO2 > 45 mmHg.
› 1.1) besteht aus zwei Kompartimenten, die un-
abhängig voneinander eingeschränkt sein bzw. ver- Die akute respiratorische Insuffizienz entwi-
sagen können: ckelt sich rasch, eventuell innerhalb weniger Mi-
1. Das gasaustauschende System (Atemwege, Lunge nuten, z. B. bei einem Schädel-Hirn- oder einem
und Pleura). Thoraxtrauma. Die chronische respiratorische
2. Das ventilierende System (Atempumpe, d. h. Insuffizienz dagegen entwickelt sich langsam
Atemzentrum, zentrale und periphere Nerven so- über einen längeren Zeitraum hinweg. Ihr liegen
wie Atemmuskulatur). meist chronische Erkrankungen der Atmungsor-
Bei der pulmonalen Insuffizienz (auch respiratori- gane zugrunde, z. B. ein Lungenemphysem. Daher
sche Partialinsuffizienz oder respiratorische Insuffizi- ist die chronische respiratorische Insuffizienz
enz Typ I), ist das gasaustauschende System gestört. meist das Endstadium einer chronischen Lun-
Die Blutgasanalyse zeigt eine Hypoxämie: Der arteri- generkrankung.
elle pO2 ist unter 70 mmHg (bei Raumluftatmung) Eine latente respiratorische Insuffizienz zeigt
abgefallen, der paCO2 ist dabei normal (Normokap- sich nur unter Belastung, während die manifeste re-
nie) oder – bei Patienten die kompensatorisch hyper- spiratorische Insuffizienz auch in Ruhe besteht.
ventilieren – leicht erniedrigt (Hypokapnie). Diese Die respiratorische Insuffizienz – insbesondere
Form der respiratorischen Insuffizienz wird daher die akute respiratorische Insuffizienz (kurz ARI)
auch als hypoxische oder oxygenatorische Insuffizienz und die akute Dekompensation einer chronischen
bezeichnet. Lungenerkrankung – ist ein zentrales Problem in
Bei der ventilatorischen Insuffizienz (auch Glo- der Intensivmedizin und eine der wichtigsten Ur-
balinsuffizienz, respiratorische Insuffizienz Typ II, sachen dafür, dass ein Patient intensivmedizi-
hyperkapnische respiratorische Insuffizienz oder ven- nisch behandelt und maschinell beatmet werden
tilatorisches Pumpversagen) ist das ventilierende muss.
System gestört. Dadurch ist sowohl die CO2-Abat-
mung als auch die O2-Aufnahme gestört. In der Fol-
20 2 Respiratorische Insuffizienz
einer zunehmenden Lungenüberblähung (› Abb. verdickt ist (› Abb. 2.2). Trotz hoher Partialdruck-
2.1). differenz kann dann nicht ausreichend Sauerstoff in
Bei restriktiven Ventilationsstörungen ist die die Kapillare diffundieren. Häufigste Ursache hier-
Dehnbarkeit von Lunge und Thorax (Compliance für ist ein Lungenödem, etwa infolge einer Links-
› 1.2.1) vermindert. Mögliche Ursachen sind z. B. herzinsuffizienz. Seltener ist eine interstitielle Pneu-
ein Pleuraerguss, eine Lungenfibrose, ausgedehnte monie oder eine Lungenfibrose (bindegewebiger
Pleuraschwarten, ein Pneumo- oder Hämatothorax Umbau des Lungenparenchyms) ursächlich.
(› 2.3.4), ein ARDS (› 2.3.6) oder eine ausge- Eine wichtige Ursache für eine Verlängerung der 2
prägte Thoraxdeformität, z. B. eine Kyphoskoliose. Diffusionsstrecke ist das ARDS (› 2.3.6).
Bei Atelektasen sind einzelne Lungenbereiche
nicht belüftet (Verteilungsstörungen).
Verkürzung der Kontaktzeit
Erkrankungen, die mit einer Verminderung der ge-
2.2.2 Diffusionsstörungen samten Gasaustauschfläche einhergehen, z. B. ein
Lungenemphysem oder eine Lungenfibrose, können
Bei einer Diffusionsstörung ist die Diffusionskapa- dazu führen, dass das Kapillarstrombett der Lunge
zität der Lunge (Maß für die Diffusion von O2 und abnimmt. Daraus resultiert dann eine beschleunigte
CO2 durch die alveolokapilläre Membran) vermin- Strömungsgeschwindigkeit des Blutes im Lungen-
dert. In aller Regel ist nur die Diffusion von Sauer- kreislauf, d. h. die Kontaktzeit des einzelnen Eryth-
stoff gestört, da Kohlendioxid sehr viel leichter (ca. rozyten an der alveolokapillären Membran ist ver-
20-mal besser) durch die alveolokapilläre Membran kürzt. Die Sauerstoffsättigung des Blutes nimmt da-
diffundieren kann. Ursache ist in den meisten Fällen her ab.
eine Verlängerung der Diffusionsstrecke, seltener
eine Verminderung der gesamten Gasaustauschflä-
che mit Verkürzung der Kontaktzeit. 2.2.3 Perfusionsstörungen
venös
arteriell venös
Mischblut arteriell
Mischblut
V V V
> 0,8 0,8 < 0,8
Q Q Q
medizinischer Versorgung (etwa im Rahmen ei- beimengungen rötlich-braun gefärbt ist) und
ner Hämodialysebehandlung oder einer ambu- atemabhängige Schmerzen (bei begleitender Pleuri-
lanten Chemotherapie) erworbene Pneumonie tis). Bei der körperlichen Untersuchung sind Rassel-
– NHAP (nursing home-associated pneumonia, geräusche und Bronchialatmen auskultierbar, der
d. h. im Pflegeheim erworbene Pneumonie) Klopfschall über dem betroffenen Lungenabschnitt
– HAP (hospital-acquired pneumonia, auch no- ist gedämpft. Bei der atypischen Pneumonie setzen
sokomiale, d. h. im Krankenhaus erworbene die Symptome langsam ein, das Allgemeinbefinden
2 Pneumonie) des Patienten ist insgesamt weniger stark beein-
– VAP (ventilatorassoziierte Pneumonie, auch trächtigt. Abhängig von Ausmaß und Schwere der
Beatmungspneumonie) › 6.7.1. Pneumonie treten die Zeichen der respiratorischen
Insuffizienz hinzu (› 2.4).
Prädisponierende Faktoren für eine nosokomiale Die Diagnostik umfasst Röntgen-Thorax (Ver-
Pneumonie in der Intensivmedizin schattungen?), Blutgasanalyse (› 2.4.2), Blutbild
Besonders gefährdet für eine nosokomiale Pneumo- (Leukozytose?), PCT und CRP sowie Erregernach-
nie sind Patienten, die folgende Kriterien aufweisen: weis (z. B. in Trachealsekret oder Pleurapunktat).
• Hohes Lebensalter (> 65 Jahre)
• Vorbestehende schwere Grunderkrankung, die Intensivtherapie und -pflege
mit einer Einschränkung der Immunabwehr und/ Neben der Behandlung der eventuell bestehenden
oder einer Eintrübung des Bewusstseins einher- respiratorischen Insuffizienz (› 2.5) steht die Anti-
geht biotikatherapie (meist zunächst kalkuliert, nach Er-
• Vorerkrankung des Respirationstrakts regeridentifizierung dann gezielt) im Vordergrund.
• Nikotinabusus Dazu kommen Maßnahmen zur Unterstützung der
• Herzinsuffizienz Atmung und zur Sekretlösung und -entleerung ein-
• Schluckstörung mit Aspirationsgefahr schließlich Lagerungstherapie (› 9.3) sowie ggf.
• Z. n. thorakalen und/oder abdominalen operati- Maßnahmen zur Fiebersenkung, z. B. Waschungen,
ven Eingriffen Wadenwickel und/oder Gabe von Antipyretika.
• Intubation und maschinelle Beatmung (wichtigs-
ter Risikofaktor).
2.3.2 COPD und Asthma bronchiale
Die nosokomiale Pneumonie ist eine häufige Kompli
kation des Patienten auf der Intensivstation. Besonders DEFINITION
gefährdet sind intubierte und beatmete Patienten, und COPD (chronic obstructiv pulmonary disease, chronisch
zwar umso mehr, je länger die Intubation bzw. Beatmung obstruktive Atemwegserkrankungen oder chronic ob
andauert und je invasiver die Beatmung gewählt werden structive lung disease, kurz COLD): Chronische Erkran
muss. Man geht heute davon aus, dass ca. 24 Stunden kung von Atemwegen und Lunge mit fortschreitender,
nach der Intubation eine Kolonisation der Atemwege auch unter Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Cor
stattgefunden hat und etwa 15–25 % aller beatmeten ticosteroiden nicht vollständig reversibler Atemwegs
Patienten während der Beatmungstherapie an einer obstruktion auf dem Boden einer chronisch obstruktiven
Pneumonie erkranken (Beatmungspneumonie, auch res- Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems.
pirator- oder ventilatorassoziierte Pneumonie, kurz VAP). Asthma bronchiale: Chronisch entzündliche Erkran
kung der Atemwege mit bronchialer Hyperreagibilität,
(unterschiedlich stark ausgeprägter, reversibler) Atem
Beatmungspneumonie, Ätiologie und Prävention wegsobstruktion und anfallsartiger Dyspnoe.
› 6.7.1
Zwar haben COPD und Asthma bronchiale manche
Symptome und Diagnostik Gemeinsamkeiten (v. a. die Atemwegsobstruktion),
Die typische Pneumonie zeigt sich durch rasch ein- es existieren jedoch auch zahlreiche Unterschiede:
setzendes hohes Fieber, Schüttelfrost, Husten (spä- • Eine COPD tritt meist erst in fortgeschrittenem
ter mit eitrigem Trachealsekret, das evtl. durch Blut- Lebensalter auf, i. d. R. sind die Patienten min-
2.3 Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 25
destens 40 Jahre alt, während vom Asthma bron- (bronchiale Hyperreagibilität). Allergene, Infekte,
chiale häufig schon Kinder betroffen sind körperliche Anstrengung, psychische Faktoren oder
• COPD-Patienten sind überwiegend langjährige bestimmte Medikamente, z. B. Acetylsalicylsäure,
Raucher, Patienten mit Asthma bronchiale sind können eine Entzündung der Bronchialschleimhaut
überwiegend Nichtraucher auslösen, die dann zur Atemwegsobstruktion führt:
• Beim Asthma bronchiale tritt die Atemwegsobst- Der Atemwegswiderstand (Resistance › 1.2.1)
ruktion intermittierend auf (Dyspnoe anfallsar- nimmt zu, dadurch steigen beim schweren Asthma-
tig, auch nachts), ist unterschiedlich stark ausge- anfall die FRC und die TLC (› 1.2.1) an. Da die 2
prägt und reversibel. Das Asthma bronchiale ist Atemwegsobstruktion i. d. R. nicht gleichmäßig über
häufig allergisch bedingt, der Verlauf der Erkran- die Lunge verteilt ist, kommt es zu Störungen des
kung ist variabel und episodisch. Bei chronisch- Ventilations-Perfusionsverhältnisses (› 1.2.4).
obstruktiven Lungenerkrankungen persistiert die
Atemwegsobstruktion (d. h. sie ist ständig vor- Symptome, Befund und Diagnostik
handen), die Dyspnoe tritt unter Belastung (prak- Die Symptome und postbronchodilatatorisch ge-
tisch nur tagsüber) auf und ist – abgesehen von messenen FEV1 (› 1.2.1) variieren abhängig vom
infektbedingten Verschlimmerungen der Erkran- Schweregrad der COPD:
kung – immer ungefähr gleich stark ausgeprägt. • Leichtgradige COPD (Schweregrad I)
Allergien sind selten, insgesamt verläuft die Er- – Atemwegsobstruktion ohne signifikante FEV1-
krankung progredient (fortschreitend). Verminderung
– Chronischer Husten und meist Auswurf
In der Intensivmedizin sind vor allem die akute Dekom – Häufig noch keine Dyspnoe
pensation einer COPD und der Status asthmaticus • Mittelgradige COPD (Schweregrad II)
(schwerer, über 6–12 Std. andauernder Asthmaanfall) – Atemwegsobstruktion mit moderater FEV1-
mit daraus folgender akuter respiratorischer Insuffizienz Verminderung
von Bedeutung. – Meistens mit Zunahme der chronischen Sym
ptome, besonders Belastungsdyspnoe
Pathophysiologie • Schwere COPD (Schweregrad III)
Bei der COPD führen meist exogene Noxen (über- – Höhergradige FEV1-Verminderung
wiegend Nikotin) zu einer entzündlichen Einengung – Dyspnoe, die jedoch i. d. R. nicht mit dem
der Bronchiolen. Durch die andauernde Einengung Schweregrad der Lungenfunktionseinschrän-
der Atemwege kann ein Lungenemphysem entste- kung korreliert
hen: Die Lunge wird überbläht, es kommt zu einer • Sehr schwere COPD (Schweregrad IV)
Zerstörung der Alveolen, d. h. die Alveolaroberflä- – Spätstadium mit gehäuften, lebensbedrohlichen
che und das Kapillarstrombett gehen verloren, und Exazerbationen wie arterielle Hypoxämie, Hy-
es entstehen Hohlräume, die über relativ wenig Gas- perkapnie, Cor pulmonale als Zeichen der
austauschfläche verfügen. Die Zerstörung des Lun- Rechtsherzinsuffizienz (Vogelmaier et al., 2007).
gengewebes beim Lungenemphysem ist irreversibel Typisches Symptom des Asthma bronchiale ist die
(unumkehrbar). Im Endstadium der Erkrankung anfallsartig auftretende Dyspnoe, wobei der Grad
kommt es durch die Veränderungen zur respiratori- der Atemnot und die Häufigkeit der Asthmaanfälle
schen Globalinsuffizienz (› 2.1) und zur pulmona- variieren. Im Atemnotanfall sind pfeifende, giemen-
len Hypertension (mittlerer arterieller Druck in der de und brummende Atemgeräusche hör- oder aus-
Pulmonalarterie > 20 mmHg) mit Rechtsherzbelas- kultierbar. Typischerweise sitzt der Patient während
tung bis hin zum Cor pulmonale. des Asthmaanfalls aufrecht mit vorn übergebeugtem
In sehr seltenen Fällen ist das Lungenemphysem Oberkörper und hustet am Ende des Anfalls zähen,
durch einen angeborenen Mangel an Alpha-1-Anti glasigen Schleim ab. Häufig setzt der Betroffene die
trypsin (körpereigener Eiweißkörper) bedingt. Atemhilfsmuskeln ein. Abhängig von der Schwere
Beim Asthmatiker sind die Atemwege überemp- des Asthmaanfalls zeigen sich die Zeichen der respi-
findlich und reagieren sehr sensibel auf Umweltreize ratorischen Insuffizienz (› 2.4).
26 2 Respiratorische Insuffizienz
Beim Status asthmaticus ist die Klinik i. d. R. ein- • Gegebenenfalls Antibiotikabehandlung
deutig, insbesondere wenn ein Asthma bronchiale • Unterstützung der Sekretolyse durch ausreichen-
bekannt ist. Wichtig für die Ursachenklärung, die de Flüssigkeitszufuhr (Vorsicht bei Herzinsuffi
Schweregradeinschätzung und die Behandlungspla- zienz bzw. begleitendem Cor pulmonale), Atem-
nung sind die folgenden diagnostischen Maßnah- gymnastik und Lagerungsdrainagen soweit mög-
men: lich (Arztrücksprache)
• Röntgen-Thorax (tief stehendes Zwerchfell und • Gegebenenfalls Sedierung bei Panikattacken oder
2 Fassthorax bei Lungenemphysem, Zeichen einer extremer Unruhe
Pneumonie?) • Gegebenenfalls manuelle Beatmung (› 3.2.3)
• Blutgasanalyse (› 2.4.2). Zeigt das Ausmaß der und maschinelle Beatmung (Indikationen
respiratorischen Insuffizienz › 6.1.1).
• Laboruntersuchungen. Blutbild (Polyglobulie als
Zeichen einer chronischen Hypoxie? Leukozyto-
se?), CRP, evtl. Sputumuntersuchungen 2.3.3 Thoraxtrauma
• EKG (Zeichen der Rechtsherzbelastung?)
• Insbesondere bei COPD: Lungenfunktionsprü- DEFINITION
fung. Richtungsweisend ist vor allem die exspi- Thoraxtrauma: Unfallbedingte Verletzung thorakaler
ratorische Einsekundenkapazität (kurz Strukturen (Brustwand, Tracheobronchialsystem, Lun
FEV1,› 1.2.1), die Rückschlüsse auf den genparenchym, Pleura, Zwerchfell, Herz, thorakale Gefä
Schweregrad der Obstruktion zulässt. Das Re- ße und Ösophagus).
Bei etwa 10 % aller Unfallverletzten findet sich ein Tho
sidualvolumen, die funktionelle Residualkapa- raxtrauma, polytraumatisierte Patienten haben zu über
zität und die Totalkapazität sind erhöht 50 % auch ein Thoraxtrauma. In ca. 90 % der Fälle han
(› 1.2.1). Wichtig ist es, nicht nur die ermit- delt es sich um ein geschlossenes Thoraxtrauma, nur bei
telten Werte und deren Abweichung von der ca. 10 % liegen offene Thoraxverletzungen vor. Ursache
Norm zu betrachten, sondern auch (bei mehre- ist meist eine stumpfe Gewalteinwirkung, z. B. Anprall an
ren Lungenfunktionsprüfungen im Verlauf der Gurt oder Lenkrad, Sturz aus großer Höhe, Tritt oder
Erkrankung) deren Tendenz. Gegebenenfalls Schlag vor den Brustkorb. Selten sind spitze, penetrieren
de Gewalteinwirkungen ursächlich, z. B. Messerstiche,
Bodyplethysmografie zur Ermittlung weiterer Schuss- oder Pfählungsverletzung.
Lungenfunktionswerte, z. B. Atemwegswider-
stand, Residualvolumen oder Diffusionskapa-
zität. Häufige Thoraxverletzungen, die intensivmedizi-
Bei V. a. allergisch bedingtes Asthma kann dann im nisch behandelt werden müssen, sind der Pneumo-
anfallsfreien Intervall eine Allergieaustestung erfol- und Hämatothorax, die Rippenserienfraktur mit in-
gen. stabilem Thorax und die Lungenkontusion. Relativ
selten sind Bronchus- und Trachealrupturen (meist
Intensivtherapie und -pflege mit Blutungen in das Tracheobronchialsystem), Ge-
Therapie der respiratorischen Insuffizienz › 2.5 fäßverletzungen (z. B. Aortenruptur), Zwerchfellris-
Die Intensivtherapie und -pflege umfasst: se sowie Verletzungen des Herzens (z. B. Herzkontu-
• Sauerstoffgabe. Wegen der Gefahr einer CO2- sion).
Narkose (› 1.1.3) insbesondere COPD-Patien- Pneumothorax und Hämatothorax › 2.3.4
ten genau beobachten (zunehmende Eintrü-
bung?), Sauerstoff vorsichtig dosieren (anfangs Symptome, Befund und Diagnostik bei V. a.
meist nur 0,5–1 l/Min.) und Therapieverlauf mit- Thoraxtrauma
tels Blutgasanalysen kontrollieren Der Unfallhergang, Prellmarken und sichtbare Ver-
• Gabe von Bronchospasmolytika (führen zur Er- letzungen sowie nicht seitengleiche oder paradoxe
schlaffung der Bronchialmuskulatur) und Gluko- Atembewegungen weisen auf ein Thoraxtrauma hin.
kortikoide (wirken entzündungshemmend) sowie Abhängig vom Verletzungsausmaß hat der Patient
ggf. Sekretolytika mehr oder weniger starke Schmerzen und meist
2.3 Respiratorische Insuffizienz: Häufige Erkrankungen von Lunge und Thorax 27
auch eine unterschiedlich stark ausgeprägte Schon- zung betroffenen Lungenflügels (Pendelluft,
atmung. Der Patient mit schwerem Thoraxtrauma › Abb. 2.6).
leidet unter Atemnot und zeigt – abhängig vom Aus- Die Therapie ist meist konservativ durch Analge-
maß des Thoraxtraumas und evtl. vorbestehender sie (häufig thorakaler Periduralkatheter in Kombi-
kardiopulmonaler Erkrankungen – die Zeichen ei- nation mit systemischer Analgesie), Physiotherapie
ner respiratorischen Insuffizienz (› 2.4). Mittels und engmaschige Kontrolle der Blutgase. Bei massi-
Palpation, Perkussion und Auskultation prüft der ven Störungen des Gasaustauschs muss der Patient
Arzt Brustkorb und Lunge auf pathologische Verän- über Maske oder Tubus und mit PEEP (› 6.2.4) 2
derungen hin. beatmet werden (dadurch „innere Schienung“ der
Die Diagnostik bei V. a. Thoraxtrauma umfasst: Fraktur, › Abb. 2.6). Nur selten ist eine operative
• Röntgen-Thorax Stabilisierung der Frakturen mittels Plattenosteo-
• CT oder MRT des Thorax synthese erforderlich.
• EKG
• Echokardiografie Ein instabiler Thorax entsteht i. d. R. nur durch sehr gro
• Angiografie bei V. a. Verletzungen thorakaler Ge- ße Gewalteinwirkung. Daher liegen in vielen Fällen
fäße auch schwere intrathorakale Begleitverletzungen und
• Bronchoskopie bei V. a. Verletzungen des Tra- evtl. auch intraabdominelle Verletzungen vor.
cheobronchialsystems.
Eine gründliche körperliche Untersuchung sowie
ggf. weiterführende diagnostische Maßnahmen die- Lungenkontusion
nen dem Ausschluss bzw. der Diagnostik weiterer Bei der Lungenkontusion (Lungenprellung) sind Tei-
Verletzungen. le des Lungenparenchyms durch die Thoraxkompres-
sion geschädigt. Es kommt zu Einblutungen in das
Rippenserienfraktur mit instabilem Thorax Lungenparenchym, bei schweren Formen mit nach-
Bei der Rippenserienfraktur sind mindestens drei folgendem interstitiellem und intraalveolärem Ödem
nebeneinander liegende Rippen gebrochen. Ist da- im geschädigten Lungenbereich und evtl. auch darü-
bei jeweils ein Stück der Rippe herausgebrochen ber hinaus. Dadurch entstehen Mikroatelektasen, wo-
(Doppelfraktur der Rippe), kann ein instabiler Tho- durch der Rechts-Links-Shunt zunimmt (› 2.2.4);
rax entstehen mit paradoxer Atmung: Der „lose“ die Compliance der Lunge und die FRC (› 1.2.1)
Brustwandbereich über den Frakturen bewegt sich nehmen durch die Flüssigkeitseinlagerungen ab.
bei der Inspiration nach innen, bei der Exspiration Unterschieden werden die einfache Lungen-
nach außen (Dreschflegelbewegung, daher auch die kontusion, bei der das Röntgenbild des Thorax
Bezeichnung Dreschflegel-Thorax oder flail-chest). zwar Verschattungen zeigt, der Patient aber gar
Dadurch pendelt Luft innerhalb des von der Verlet- keine oder nur geringfügige Zeichen einer respira-
Auch ein Hämatothorax wird primär mit einer Tho- nale Reanimation oder ausgedehnte Weichteilverlet-
rax-Saugdrainage behandelt. Zudem wird der Volu- zungen ursächlich für die Fettembolie.
menverlust durch Infusionstherapie ausgeglichen, ggf.
ist eine Schockbehandlung notwendig. Bei massivem Pathophysiologie
Hämatothorax oder anhaltend hohen Blutverlusten Durch die Verlegung der Lungenstrombahn werden
(Blutverlust initial > 1.500–2.000 ml oder > 200 ml/h die betroffenen Lungenabschnitte ventiliert (belüf-
über 2–3 Stunden) ist eine Operation erforderlich. tet), aber nicht perfundiert (durchblutet): Es kommt
2 Insgesamt können etwa 80 % der Thoraxverlet- zur Totraumventilation (› 2.2.4) mit Dyspnoe.
zungen konservativ behandelt werden. Weiter kommt es durch die Verlegung der Lun-
genstrombahn zu einer akuten Widerstandserhö-
hung im Lungenkreislauf. Lungengesunde können
2.3.5 Lungenembolie eine pulmonalarterielle Obstruktion von bis zu etwa
50 % i. d. R. tolerieren, d. h. es tritt keine wesentliche
DEFINITION Erhöhung des pulmonalarteriellen Drucks auf. An-
Lungenembolie: Verlegung der arteriellen Lungen sonsten muss bei Lungengefäßobstruktionen > 50 %
strombahn durch Einschwemmung eines Thrombus, sel mit pulmonaler Hypertonie und akutem Cor pulmo-
ten von Fett, Luft, Fruchtwasser oder Gewebeteilen. nale (Dilatation und Insuffizienz des rechten Ventri-
Meist sind die Lungenunterlappen betroffen (rechts häu kels aufgrund einer akuten Drucksteigerung im Lun-
figer als links). Bei etwa 10 % der Betroffenen kommt es
innerhalb von 1–2 Tagen zum Lungeninfarkt (Unter genkreislauf) gerechnet werden. Bei vorbestehenden
gang von Lungenparenchym). kardiopulmonalen Erkrankungen können schon
kleinere Embolien massive Steigerungen des Drucks
in der Pulmonalarterie (PAP) verursachen.
Häufig liegt der Lungenembolie eine (evtl. noch nicht
erkannte) Phlebothrombose der Bein- und Becken- Symptome und Befunde
venen zugrunde. Dabei löst sich ein Thrombus aus Die Symptome und Befunde einer Lungenembolie
dem erkrankten Blutgefäß und wird mit dem Blut- sind wesentlich vom Ausmaß der Lungengefäßob
strom in die Lungenstrombahn eingeschwemmt. Sel- struktion abhängig. Tabelle 2.1 zeigt die vier Schwe-
ten stammen die Thromben aus dem rechten Herzen regrade einer Lungenembolie sowie die entspre-
oder dem Einstrombereich der oberen Hohlvene. chenden Symptome und Leitbefunde.
Ursachen für die sehr seltene Fettembolie sind Zusätzlich sind oft auch Symptome der Grunder-
zumeist Knochentraumen (durch Frakturen oder krankung vorhanden, also z. B. Zeichen einer Phle-
operative Eingriffe), seltener sind eine kardiopulmo- bothrombose (Beinschwellung, Beinschmerzen).
Beim beatmeten Patienten weist eine plötzlich auftreten • Abhängig vom Schweregrad (› Tab. 2.1):
de, anderweitig nicht erklärbare Hypoxämie, evtl. beglei – Heparinbolus und danach Vollheparinisierung
tet von Tachykardie, Blutdruckabfall und akuter pulmona bei Lungenembolie Grad I und II
ler Hypertonie, auf eine Lungenembolie hin. – Lysetherapie mit Alteplase (rtPA = rekombi-
nante Tissue-type-plasminogen-Aktivator, Ac-
Diagnostik tilyse®) mittels Bolus und anschließender Infu-
Die Diagnostik bei V. a. Lungenembolie umfasst: sion bei massiver Lungenembolie mit hämody-
• Blutgasanalyse (zeigt Ausmaß der respiratori- namischer Instabilität. Urokinase (Plasmino- 2
schen Insuffizienz, › 2.4.2). Achtung: Eine un- genaktivator) oder Streptokinase
auffällige Blutgasanalyse schließt eine Lungen- (Plasminogenaktivator) können für diese Indi-
embolie nicht aus! kation ebenfalls noch eingesetzt werden
• D-Dimere (Fibrin-Abbauprodukte). Bei geringer • Gegebenenfalls Schockbehandlung mit kreislauf-
klinischer Wahrscheinlichkeit für eine Lungen- wirksamen Medikamenten, z. B. Dobutamin, Ad-
embolie und Normalwert der D-Dimere ist eine renalin oder Noradrenalin
Lungenembolie i. d. R. ausgeschlossen • Bei Patienten mit Lungenembolie Schweregrad III
• EKG (Zeichen der Rechtsherzbelastung?) oder IV und absoluter Kontraindikation für Ly-
• Röntgen-Thorax (meist nicht pathologisch, zum setherapie evtl. Fragmentierung des Embolus über
Ausschluss anderer pulmonaler Ursachen geeig- spezielle Pulmonaliskatheter oder thoraxchirurgi-
net) sche pulmonale Embolektomie (Pulmonalisembol-
• Echokardiografie (Dilatation bzw. Zeichen der ektomie oder Trendelenburg-Operation).
akuten Belastung des rechten Ventrikels? Evtl. di- Kavafilter (mechanische Netzfilter) sind relativ sel-
rekter Thrombusnachweis mittels transösophage- ten indiziert zur Prophylaxe rezidivierender Lun-
aler Echokardiografie = TEE) genembolien bei Patienten mit Rezidiv-Lungenem-
• CT-Angiografie in Mehrschicht-Spiral-Technik bolie trotz durchgeführter Antikoagulation oder
(MS-Spiral-CTA) gilt als primäres Verfahren, Vorliegen von Kontraindikationen für eine Antiko-
wenn eine weitergehende bildgebende Diagnostik agulation. Des Weiteren werden sie eingesetzt bei
erforderlich ist. Sie hat die Lungenszintigrafie zu- Beinvenenthrombose mit frei flottierendem Throm-
rückgedrängt, die bisher i. d. R. als diagnostisch bus und Kontraindikationen für eine Thrombolyse
entscheidend galt (bei unauffälligem Befund ist oder eine Thrombektomie, um eine Lungenembolie
eine Lungenembolie mit großer Wahrscheinlich- zu verhindern. Kavakatheter werden im Rahmen ei-
keit auszuschließen). ner Angiografie entweder über die V. femoralis com-
Dazu kommen je nach vermuteter Ursache weitere munis oder retrograd über die V. jugularis interna
Untersuchungen, z. B. Doppler- und Duplexsono- eingeführt und unterhalb der Nierenvenen platziert.
grafie der Beinvenen zum Thrombosenachweis.
Tab. 2.2 Ursachen für ein ARDS. Tab. 2.3 Diagnosekriterien und Schweregradeintei-
Direkte (pulmonale) Indirekte (nichtpulmona lung des ARDS nach der Berlin Definition der ARDS
Ursachen le, systemische) Ursachen Definition Task Force 2012.
• Aspiration • Sepsis und SIRS Diagnosekriterium Veränderung
• Diffuse pulmonale • Polytrauma Beginn Aktuter Krankheitsbeginn
Infektionen • Akute schwere Pankreatitis ≤ 1 Woche
• Lungenkontusion • Massivtransfusion (selten)
Radiologie Bilaterale Verschattungen, die
2 • Beinahe-Ertrinken • Operation mit kardiopulmo
(Konventionelles Rönt nicht ausschließlich durch Er
• Inhalation toxischer nalem Bypass (selten) gen/CT) guss, Atelektasen oder Pneumo
Gase thorax erklärbar sind
Lungenödem Ist nicht alleine auf Linksherz
direkten (pulmonalen) und indirekten (nichtpulmo- dekompensation oder Hypervol
ämie zurückzuführen
nalen, systemischen) Ursachen (› Tab. 2.2).
Beim ARDS löst die ursächliche Erkrankung/Ver- Oxygenierungs Mildes ARDS: 201–300 mmHg
index (Horrowitz- Moderates ARDS:
letzung bestimmte Veränderungen an der Lunge
Index) 101–200 mmHg
aus. Der Verlauf lässt sich grob in eine exsudative paO2/FiO2 (jeweils
und eine proliferative Phase gliedern: unter PEEP ≥ 5) Schweres ARDS: ≤ 100 mmHg
• Exsudative Phase. Durch die Stimulation von
Phagozyten werden verschiedenste Mediatoren
freigesetzt, die an der Lunge eine Zunahme der bestehen. Nach Gattinoni gibt es in der ARDS-Lun-
Permeabilität (Durchlässigkeit) des Kapillar- ge drei Zonen, die nebeneinander existieren kön-
und Alveolarendothels sowie eine Vasokonstrik- nen:
tion mit nachfolgender pulmonaler Hypertonie • Zone H („healthy“). Dies sind gesunde Lungen
verursachen. Durch die Permeabilitätsstörung areale mit normaler Compliance und FRC sowie
entwickelt sich zunächst ein interstitielles, spä- normalem Ventilations-Perfusionsverhältnis.
ter dann ein alveoläres Lungenödem mit erhöh- • Zone R („recruitable“). Dabei handelt es sich um
tem Lungengewicht. Die Zerstörung des Surfac- Lungenareale mit Atelektasen, die durch Erhö-
tant führt zum Alveolarkollaps (Atelektasen hung des Atemzugvolumens und/oder PEEP er-
› 2.2.4), dadurch sind der physiologische Tot öffnet und damit wieder für den Gasaustausch
raum und der intrapulmonale Rechts-Links- genutzt werden können (rekrutierbare Lungen
Shunt erhöht, die FRC und die Compliance der areale).
Lunge nehmen ab. • Zone D („diseased“). Dies sind zerstörte Lungen
• Proliferative Phase: areale die nicht mehr am Gasaustausch teilneh-
– In der frühen proliferativen Phase entstehen in- men können.
folge der Entzündungsreaktionen hyaline
Membranen, die die Alveolarmembran verle- Symptome, Befund und Diagnostik
gen. In den Lungenkapillaren finden sich Mik- Am Anfang steht die auslösende Erkrankung/Ver-
rothromben. In dieser Phase ist die Erkran- letzung mit all ihren Symptomen. Innerhalb kurzer
kung prinzipiell noch voll reversibel Zeit (etwa 12 bis 24 Stunden) entwickeln sich die
– Im weiteren Verlauf kommt es zum zuneh- Zeichen einer Hypoxämie (› 2.4.1). Diese nehmen
menden bindegewebigen Umbau der Lunge im weiteren Verlauf zu und die Symptome der Hy-
mit interstitieller Fibrose (späte proliferative perkapnie treten hinzu. Auskultatorisch sind fein-
Phase), dadurch nimmt die Compliance weiter blasige Rasselgeräusche zu hören.
ab. In diesem Stadium ist das ARDS i. d. R. Die Diagnostik umfasst:
nicht reversibel. • Anamnese (ARDS-Auslöser?)
Diese Veränderungen sind nicht gleichmäßig über • BGA (zeigt Ausmaß der respiratorischen Insuffi-
die Lunge verteilt, d. h. es können beim ARDS ge- zienz)
sunde Lungenareale neben krankhaft veränderten
2.4 Leitsymptome und Diagnostik der respiratorischen Insuffizienz 33
ist. Die Durchblutung von Haut, Schleimhaut und Unterschieden wird die Belastungsdyspnoe, die nur
Verdauungsorganen dagegen nimmt ab. bei körperlicher Anstrengung auftritt, von der Ruhe-
Sind diese Kompensationsmöglichkeiten ausge- dyspnoe, einer Atemnot in Ruhe ohne körperliche
schöpft, etwa bei schwerer und lang anhaltender Anstrengung.
Hypoxämie oder bei pulmonalen und/oder kardia-
len Vorerkrankungen, kommt es im Spätstadium Zyanose
der Hypoxämie zu Bradykardie, Hypotonie und Ab- Die Zyanose (bläulich-rote Färbung von Haut und
2 fall des HZV. Schleimhaut durch verminderten Sauerstoffgehalt des
Blutes) ist ein spätes Zeichen der Hypoxämie. Sie tritt
Zerebrale und vegetative Veränderungen erst dann auf, wenn mehr als 50 g Hämoglobin pro Li-
Patienten mit Hypoxämie zeigen meist typische ze- ter Blut in ungesättigter Form (reduziertes Hämoglo-
rebrale und vegetative Veränderungen. Häufig sind bin) vorliegen (Sauerstoffsättigung › 1.2.3). Häufig
die Betroffenen unruhig, desorientiert und/oder tritt die Zyanose begleitend mit einer Dyspnoe auf
sehr erregt. Oft schwitzen sie sehr stark. Selten sind und verursacht beim Patienten Kopfschmerzen, Mü-
sie schläfrig, dies ist eher typisch für die Hyperkap- digkeit und Konzentrationsschwäche. Zudem frieren
nie (siehe unten). die Betroffenen typischerweise rasch.
Diese Symptome sind jedoch unspezifisch und
können in dieser Kombination z. B. auch bei Erkran- Bei Anämie mit Hb < 4,8 g/dl sowie bei Zyanid- oder
kungen des Gehirns, hohem Fieber oder einem Al- Kohlenmonoxid(CO)-Vergiftung kommt es trotz massiver
koholentzugsdelir auftreten. Deshalb ist es wichtig, Hypoxämie nicht zur Zyanose.
beim Auftreten der genannten Symptome zuerst ei-
ne Hypoxämie auszuschließen und ggf. zu behan- Symptome der Hyperkapnie
deln, bevor der betroffene Patient Sedativa erhält, da
eine (unerkannte) Hypoxämie dadurch verstärkt Eine Hyperkapnie zeigt sich vor allem durch Schläf-
werden kann. rigkeit und zunehmende Bewusstseinseintrübung
bis hin zur CO2-Narkose (› 1.1.3). Das Blutvolu-
Dyspnoe men des Gehirns nimmt zu, dadurch kann ein be-
reits erhöhter Hirndruck weiter steigen. Weitere kli-
DEFINITION nische Symptome der Hyperkapnie sind:
Dyspnoe: Erschwerte Atmung mit subjektiv empfunde • Gerötete Haut
nem Gefühl der Atemnot. • Schwitzen
• Hypertonie, Tachykardie, Herzrhythmusstörungen
Eine Hypoxämie geht sehr häufig – jedoch nicht im- • Muskelzuckungen und -krämpfe bei extremer
mer! – mit einer Dyspnoe einher. Dabei ist die Atem Hyperkapnie.
arbeit meist sichtbar verstärkt: Der Patient atmet Durch den erhöhten CO2-Gehalt des Blutes kommt
hochfrequent, oberflächlich und setzt die Atemhilfs- es zur Azidose (› 1.3.2), die wiederum eine
muskulatur ein. Patienten mit schwerer Dyspnoe sit- Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
zen typischerweise – sofern ihnen dies möglich ist – (› 1.2.3) nach sich zieht. Dadurch sinkt bei gleich-
aufrecht im Bett und ringen nach Luft. Meist signali- bleibendem paO2 die arterielle Sauerstoffsättigung.
sieren die weit aufgerissenen Augen und der ängstli-
che Gesichtsausdruck das Ausmaß der Angst und
Panik, das die Betroffenen durchleben. 2.4.2 Blutgasanalyse
Beim intubierten oder tracheotomierten Patienten weisen Die Symptome der respiratorischen Insuffizienz ge-
Schwitzen, starke Atembemühungen, ein angstvoller, an ben Hinweise auf Art und Ausmaß sowie eventuell
gestrengter Gesichtsausdruck, ein geöffneter Mund und auch auf die Ursache der Atemstörung. Eine sichere
Nasenflügeln auf Atemnot hin. Diagnose lässt sich allerdings erst durch eine Blut-
gasanalyse stellen.
2.4 Leitsymptome und Diagnostik der respiratorischen Insuffizienz 35
Tab. 2.4 Blutgasanalyse. Der pH, paO2 und paCO2 werden gemessen, SaO2, SBC und BE werden, bezogen auf Stan-
dardbedingungen (Körpertemperatur 37 °C, Hämoglobingehalt 15 g/dl, paCO2 40 mmHg) errechnet (auch › Tab. 1.3).
Parameter Normwert im arteriel Bewertung und Bemerkungen
len bzw. Kapillarblut
pH (› 1.3) 7,36–7,44 ↓ metabolische oder respiratorische Azidose
(› 1.3.2)
↑ metabolische oder respiratorische Alkalose
(› 1.3.2)
paO2 (arterieller Sauerstoffpartial- 70–100 mmHg ↓ bei Hypoxämie
druck) (9,3–13,3 kPa) Bei der Beurteilung der Sauerstoffsättigung muss im
SaO2 (Sauerstoffsättigung, auch O2sat 95–97 % mer auch der Hämoglobingehalt des Blutes berück
oder sO2; › 1.2.3) sichtigt werden, da bei einem niedrigen Hb-Wert der
Gesamtsauerstoffgehalt des Blutes (Sauerstoffbin
dungskapazität › 1.2.3) trotz hoher Sättigung
nicht ausreichend sein kann.
paO2 und SaO2 verändern sich stets gleichsinnig. Im
Alter sind beide Werte physiologisch etwas niedriger.
paCO2 (arterieller Kohlendioxidparti- 35–45 mmHg ↓ bei respiratorischer Alkalose bzw. respiratorisch
aldruck) (4,7–6 kPa) kompensierter metabolischer Azidose (› 1.3.2).
↑ bei respiratorischer Azidose bzw. bei respirato
risch kompensierter metabolischer Alkalose
(› 1.3.2).
Bei Schwangeren ist der paCO2 physiologisch etwas
erniedrigt.
SBC (Standardbikarbonat, auch StH- 22–26 mmol/l ↓ bei metabolischer Azidose bzw. bei metabolisch
CO3−) kompensierter respiratorischer Alkalose.
BE (base excess, Basenabweichung −3– +3 mmol/l ↑ bei metabolischer Alkalose bzw. bei metabolisch
oder Basenüberschuss, d. h. Abwei- kompensierter respiratorischer Azidose.
chung vom normalen Wert der Basen
bzw. vom Referenzwert der Gesamt-
pufferbasen. Wichtig zur Beurteilung
der nicht atmungsbedingten Anteile
bei Störungen im SBH).
36 2 Respiratorische Insuffizienz
pillarblut zur BGA sind vor allem eine ungenügende 2.4.3 Weitere Diagnostik bei
Arterialisierung des Blutes und der Einschluss von respiratorischer Insuffizienz
Luftbläschen in die Kapillare bei der Entnahme, was
falsche pO2-Werte zur Folge haben kann. Besteht Die weiteren diagnostischen Maßnahmen dienen
zwischen dem in der BGA ermittelten Wert der Sau- dazu, Art und Ausmaß der zugrunde liegenden Er-
erstoffsättigung und dem per Pulsoxymetrie gemes- krankung zu diagnostizieren. In der Regel erfolgt die
senen Wert eine Differenz von mehr als zwei Pro- weitere Diagnostik erst nachdem bereits Therapie-
2 zentpunkten, ist von einem Fehler bei der BGA-Ab- maßnahmen vorgenommen wurden, z. B. Sauer-
nahme auszugehen. stoffgabe, endotracheale Intubation und maschinelle
Beatmung, welche die akute vitale Bedrohung des
Gemischtvenöse Sauerstoffsättigung und venöser Patienten beseitigen sollen.
Sauerstoffpartialdruck Die weiterführende Diagnostik umfasst:
Bei besonderer Fragestellung können mittels Blut- • Körperliche Untersuchung mit Palpation (Tast-
gasanalyse darüber hinaus die gemischtvenöse Sau- untersuchung) des Thorax, Auskultation (Abhö-
erstoffsättigung (SvO2, normal 40–70 %) und der ren) und Perkussion (Abklopfen) der Lunge
venöse Sauerstoffpartialdruck (pvO2, normal 40– (Atemgeräusche?)
52 mmHg) bestimmt werden. Beide Werte lassen • Röntgen-Thorax (Zeichen für Pneumonie, Lun-
Rückschlüsse auf die Sauerstoffausschöpfung des genödem, Pleuraerguss, Lungenüberblähung,
Gewebes zu (› 1.2.3). Zur Bestimmung der ge- Atelektase oder Pneumothorax?)
mischtvenösen Sauerstoffsättigung wird Blut aus • EKG (Herzrhythmusstörungen? Akuter Myo-
der A. pulmonalis entnommen (hier befindet sich kardinfarkt? Zeichen der Rechtsherzbelastung?).
venöses Mischblut des gesamten Organismus). Der Die weitere Diagnostik ist dann abhängig von der
venöse Sauerstoffpartialdruck wird aus venösem Verdachtsdiagnose, z. B. mikrobiologischer Erreger-
Blut bestimmt und variiert abhängig davon, aus nachweis und Resistenzbestimmung bei Verdacht
welcher Vene Blut entnommen wurde, da die Sauer- auf Pneumonie.
stoffausschöpfung der einzelnen Gewebe unter-
schiedlich ist.
Sauerstoffgabe
Abb. 3.2 Überstrecken des Kopfes zum Freimachen der Atem- Abb. 3.3 Pharyngealtuben. Links ein Guedeltubus mit Farb-
3 wege. [L190] markierung, in der Mitte ein VBM-Guedeltubus (siehe Text),
rechts ein Wendl-Tubus (Nasopharyngealtubus). [K115]
gruppe, › Abb. 3.4 und › Abb. 3.5 zeigen das Druckulzera an Lippen/Zunge.
Einführen und die korrekte Lage eines Guedeltubus.
3.2 Maßnahmen zum Freihalten der Atemwege 41
A: Richtige Größe des Guedeltubus abschätzen B: Guedeltubus so in den Mund einführen, dass die
(soll ungefähr vom Mundwinkel bis zum Ohr- distale Öffnung nach oben (in Richtung Nase) zeigt.
läppchen reichen).
C: Nach etwa ⅔ den Guedeltubus um 180° drehen D: Guedeltubus so weit einführen, dass die Platte
und dabei in den Rachenraum vorschieben. vor den Lippen liegt.
Im Bereich der Zahnreihen ist die Wand des Guedel- der Mund-zu-Mund-Beatmung fließt die Atemluft
tubus besonders fest. Dadurch ist gewährleistet, dass auch über das Lumen des Guedeltubus.
der Patient nicht durch Zusammenbeißen der Zähne Der VBM-Guedeltubus (Firma VBM Medizin-
das Lumen des Guedeltubus verschließen kann. Aus technik GmbH) unterscheidet sich von den her-
diesem Grund wird der Guedeltubus häufig auch als kömmlichen Guedeltuben durch zwei Merkmale:
Beißschutz bei oral intubierten Patienten eingesetzt Das Lumen des Tubus ist seitlich offen (dies erleich-
(ein Zubeißen des Endotrachealtubus ist dann nicht tert das Absaugen über das Lumen und die Reini-
mehr möglich). gung des Tubus) und an der Deckplatte befindet sich
Über das Lumen des Guedeltubus kann der Ra- eine Aussparung zur Fixierung des Endotracheal
chenraum des Patienten abgesaugt werden. Bei der tubus.
manuellen Beatmung mit Maske und Beutel bzw. bei
42 3 Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung
Sonderformen des Guedeltubus dicht auf den Lippen liegen und die Nase des Patien-
Sonderformen des Guedeltubus ermöglichen eine ten zugehalten werden.
Beatmung über den eingelegten Guedeltubus. Der Sowohl der Safar- als auch der Göttinger-Tubus®
Safar-Tubus ist wie zwei in S-Form aneinanderge- werden vorwiegend im Rettungsdienst und zur Ers-
fügte Guedeltuben aufgebaut (› Abb. 3.6). Durch ten Hilfe eingesetzt. Auf den Intensivstationen wer-
das äußere Ansatzstück wird bei der Beatmung Luft den sie praktisch nicht benutzt, da hier im Notfall
in die Lunge des Patienten geblasen. Ein schildarti- immer mit Beatmungsbeutel und -maske beatmet
ges Gummiteil in der Mitte des Tubus verschließt wird, um eine möglichst hohe inspiratorische Sauer-
die Mundhöhle nach außen. Der Göttinger-Tubus® stoffkonzentration zu erreichen (› 3.2.3).
verfügt zusätzlich über einen Filter zum Schutz vor
Infektionen. Eingeführt werden die beiden Tuben Nasopharyngealtuben
3 wie der Guedeltubus (› Abb. 3.4). Sobald über den Auch Nasopharyngealtuben (Wendltuben) beste-
Tubus beatmet wird, muss die Mundabdeckplatte hen aus Gummi oder Kunststoff und sind in ver-
schiedenen Größen verfügbar. Sie sind relativ weich
und flexibel. Die geeignete Tubuslänge wird durch
Messung des Abstands zwischen Nasenspitze und
Ohrläppchen ermittelt.
Einführen des Wendltubus (› Abb. 3.7):
• Passende Größe des Tubus auswählen (Kinder
20–24 Ch, Jugendliche 26 Ch, Erwachsene klein
28 Ch, mittel 30 Ch, groß 32 Ch). Wichtige Richt-
werte: Der Wendltubus sollte nicht dicker sein als
der Klein- bzw. Ringfinger des Patienten, die
richtige Länge entspricht dem Abstand zwischen
Abb. 3.5 Richtige Lage eines Guedeltubus (die Spitze muss Nasenspitze und Ohrläppchen des Patienten
ca. 1 cm oberhalb der Epiglottis liegen). [L157] • Wendltubus mit Gleitgel (z. B. Xylocain-Gel®)
bestreichen
• Nasenspitze etwas anheben
• Wendltubus vorsichtig senkrecht in den unteren
Nasengang einführen und in den Rachen vor-
schieben. Dabei den Unterkiefer etwas anheben,
damit der Zungengrund nicht zum Kehlkopf hin
abgedrängt wird. Wendltubus unter Kontrolle
Abb. 3.6 Oropharyngealtubus nach Safar. [V420] der Atemgeräusche so weit vorschieben, bis eine
Abb. 3.7 Einführen (links) und richtige Lage (rechts) eines Wendltubus. [M251, L157]
3.3 Manuelle Beatmung 43
freie Strömung der Atemluft über den Tubus Beatmungsbeutel sind i. d. R. aus Kunststoff gefer-
fühl- und hörbar ist. Gegebenenfalls Lage des tigt. Die Beutel sind so aufgebaut, dass der Anwen-
Wendltubus durch Zurückziehen korrigieren der mit einer Hand die Luft aus dem Beutel pressen
• Ist beim Vorschieben des Wendltubus ein Wider- kann. Nach dem Ausdrücken dehnen sich die Beutel
stand zu spüren, den Tubus durch das andere Na- von selbst vollständig aus und füllen sich dabei mit
senloch einführen. Gelingt auch dies nicht ohne Wi- Luft. Beatmungsbeutel sind in verschiedenen Grö-
derstand, den nächstdünneren Tubus verwenden. ßen mit jeweils unterschiedlichen Hubvolumina
verfügbar, z. B. Baby-Beutel mit ca. 200 ml Hubvolu-
Im Gegensatz zu Guedeltuben werden Wendltuben auch men, Kinderbeutel mit ca. 350 ml Hubvolumen und
von Patienten mit erhaltenen Schutzreflexen i. d. R. gut Beutel für Erwachsene mit ca. 1.000 ml Hubvolumen
toleriert. (die Hubvolumina variieren abhängig von der Her-
Trotz vorsichtigem Einführen kann es zu Verletzungen der stellfirma). › Tab. 3.2 zeigt unterschiedliche Beu- 3
Nasenschleimhaut kommen mit der Gefahr von Blutun- telgrößen am Beispiel des Resu®-Beatmungsbeutels.
gen und einer pulmonalen Aspiration. Zu tief eingeführte Bei den neueren Kombibeuteln ist der Beutel in
Wendltuben (zu lange Tuben) können starken Würgereiz
mit der Gefahr von Erbrechen und nachfolgender Aspira-
verschiedene Segmente unterteilt. Mit diesen Beat-
tion sowie einen Laryngospasmus auslösen (› 4.12.5). mungsbeuteln können sowohl Kinder als auch Er-
Bei der Übernahme eines Patienten mit liegendem wachsene mit den passenden Volumina beatmet
Wendltubus muss die Durchgängigkeit überprüft werden, werden (z. B. HanauLife® Beatmungsbeutel der Fir-
da es leicht zu Verkrustungen im Innenlumen kommen ma Wero-medical oder Combibag® Beatmungsbeu-
kann. Der Wendltubus muss mindestens einmal täglich tel der Firma Weinmann).
gewechselt werden, bei Bedarf häufiger. An einem Ende des Beatmungsbeutels ist ein An-
saugventil (Einwegventil) angebracht, über das nach
Ausdrücken des Beutels Raumluft angesaugt wird
oder an das ein O2-Reservoirbeutel angeschlossen
3.3 Manuelle Beatmung werden kann. Außerdem befindet sich hier ein An-
schlussstutzen für den Sauerstoffschlauch. Am an-
deren Ende des Beatmungsbeutels ist das auswech-
Bei der manuellen Beatmung (Beatmung „von selbare Nicht-Rückatemventil angebracht, das an
Hand“) wird mithilfe eines Beatmungsbeutels Luft die Gesichtsmaske, den Tubus oder die Trachealka-
über eine Gesichtsmaske, eine Larynxmaske, einen nüle angeschlossen werden kann. Dieses Ventil ge-
Endotrachealtubus oder eine Trachealkanüle in die währleistet, dass die Exspirationsluft des Patienten
Lunge des Patienten geblasen. Im klinischen Sprach- nicht zurück in den Beutel gelangen kann, sondern
gebrauch wird der Begriff manuelle Beatmung über- in die Umgebung abströmt. Die Atemventile von Be-
wiegend für die Beatmung mit Beatmungsbeutel atmungsbeuteln für Säuglinge und Kinder sind im-
und -maske verwendet. mer mit Überdruckventilen ausgestattet, die einen
Endotrachealtuben › 4.3 zu hohen Beatmungsdruck verhindern. Bei Beat-
Trachealkanülen › 5.1 mungsbeuteln für Erwachsene gibt es Atemventile
mit oder ohne Überdruckventil. So ist z. B. der Com-
bibag® Beatmungsbeutel mit einem zweistufigen Si-
3.3.1 Beatmungsbeutel und cherheitsventil ausgestattet, das den Beatmungs-
Beatmungsmasken druck wahlweise auf 20 mbar (für die Maskenbeat-
mung bzw. die Beatmung von Kindern) oder
Beatmungsbeutel 60 mbar (für die Beatmung von Erwachsenen über
Endotrachealtubus) begrenzt.
Beatmungsbeutel werden im klinischen Sprachge- Meist besteht die Möglichkeit, an das Atemventil
brauch oft entsprechend des jeweiligen Herstellers des Beatmungsbeutels ein PEEP-Ventil aufzusetzen
benannt, z. B. Ambu-Beatmungbeutel (kurz Ambu- oder am Ventil einen PEEP einzustellen. Dies ist vor
beutel). allem bei der vorübergehenden manuellen Beat-
44 3 Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung
mung von Patienten wichtig, die mit PEEP beatmet Die Pflegenden vergewissern sich jeweils zu Schichtbe-
werden (Beatmung mit PEEP › 6.2.4). ginn, dass Beatmungsbeutel und -masken vorhanden
Einweg-Beatmungsbeutel (z. B. Ambu SPUR II sind und überprüfen den Beatmungsbeutel auf seine
oder Laerdal The BAG™) werden inzwischen zuneh- Funktionsfähigkeit (erfolgt auf manchen Stationen vor
dem Verpacken und Sterilisieren).
mend alternativ zu Mehrweg-Beatmungsbeuteln
eingesetzt. Im Rettungsdienst und überall dort, wo
ein Beatmungsbeutel zwar bereitgehalten werden Funktionskontrolle
muss, jedoch in der Praxis selten eingesetzt wird, Um zu gewährleisten, dass der am Patientenbett
kommen überwiegend Einmal-Beatmungsbeutel bereitgehaltene Beatmungsbeutel funktionstüch-
zum Einsatz. tig ist, muss eine Funktionskontrolle durchge-
führt werden. In den meisten Kliniken erfolgt dies,
3 An jedem Bett eines beatmeten Patienten muss jederzeit wenn der Beutel gewechselt wird, d. h. wenn ein
ein funktionsbereiter Beatmungsbeutel zur Verfü- Beatmungsbeutel neu am Patientenbett deponiert
gung stehen, um den Patienten im Bedarfsfall, z. B. bei wird, und zusätzlich meist auch jeweils zu Schicht-
technischen Defekten am Respirator, manuell beatmen zu beginn.
können. Am Beatmungsbeutel besteht die Möglichkeit Zur Funktionskontrolle gehört die Überprüfung
ein O2-Reservoir anzubringen, sodass der Patient mit von:
100 % Sauerstoff beatmet werden kann. Zu empfehlen
ist, dass zusätzlich auch eine passende Beatmungsmaske
• Ansaugventil: Nach dem Ausdrücken des Beu-
bereitliegt, um im Fall einer unbeabsichtigten Extubation tels muss dieser sich selbst wieder entfalten. Beim
oder Dekanülierung eine Masken-Beutelbeatmung vor- Abdichten des Ansaugventils und des O2-Stut-
nehmen zu können. zens darf er sich nicht selbst füllen. Beim Öffnen
Auf vielen Intensivstationen wird an jedem Patientenbett- des O2-Stutzens kann er sich langsam und beim
platz – auch bei nicht beatmeten Patienten – ein Beat- Öffnen des Ansaugventils muss er sich schnell
mungsbeutel mit einer passenden Beatmungsmaske für wieder füllen.
den Notfall bereitgehalten. Wo dies nicht üblich ist, müs-
sen Beatmungsbeutel und -masken in Reichweite bereit-
• Nicht-Rückatemventil: Beim Ausdrücken des
liegen. Beutels (bei angebrachter Testlunge am Ventil-
auslass) muss sich das Atemventil zur Testlunge
Nichtrück- Ansaugsventil
atmungsventil
O2-Reservoirventil 2600 ml
1600 ml Sauerstoff-
Selbstfüllender Reservoirbeutel
Handbeatmungs-
Erwachsenen- beutel
Beutel O2-Anschlusstülle
2600 ml
500 ml
Druckbegrenzungsventil
Kinder-Beutel
240 ml
600 ml
Baby-Beutel Babymaske
Abb. 3.8 Verschieden große Beatmungsbeutel, hier Beutel der Firma Laerdal für Säuglinge, Kinder und Erwachsene. Die Beat-
mungsbeutel sind jeweils mit einem Reservoirbeutel versehen, dadurch ist eine manuelle Beatmung mit höherer Sauerstoffkonzen-
tration möglich (› Tab. 3.2). [V089]
3.3 Manuelle Beatmung 45
hin öffnen. Die Testlunge muss sich langsam fül- Aufbau und Anwendung von Nasenmasken finden
len. Während dem Ausdrücken der Testlunge sich in Kapitel 6.4.1.
muss das Ventil geschlossen bleiben. Gesichtsmasken für die manuelle Beatmung
• Dichtigkeit des Beutels: Atemventil zuhalten, bestehen aus Gummi oder Kunststoff (meist Sili-
gleichzeitig den Beatmungsbeutel leicht zusam- kon). Die Größen und Größenbezeichnungen der
mendrücken und prüfen, ob Luft aus dem Beutel Masken variieren abhängig vom Hersteller (z. B.
verloren geht. Rüsch® 1–3, Dräger® 1–4 und Ambu® 1–6). Bevor-
• Druckbegrenzungsventil: Prüfung wie oben, je- zugt werden Masken aus durchsichtigem Kunststoff
doch den Beutel kräftig zusammendrücken. Da- verwendet. Dies hat den Vorteil, dass das Beschla-
bei muss Luft aus dem Überdruckventil entwei- gen der Maskeninnenwand (Maskendom) während
chen. Im Zweifelsfall Druckmanometer an den der Exspiration beobachtbar ist und ein eventuelles
Ventilauslass anschließen und Beutel kräftig aus- Erbrechen während der Beatmung rasch bemerkt 3
drücken. Dabei muss das Manometer 35–45 cm- werden kann.
H2O anzeigen.
Gesichtsmasken für Erwachsene
Gesichtsmasken für Erwachsene haben meist einen
Beatmungsmasken
weichen, teils aufblasbaren Randwulst, der es er-
Beatmungsmasken gibt es als Nasen- oder Gesichts- möglicht, die Maske den Gesichtskonturen des Pati-
masken. Für die manuelle Beatmung werden Ge- enten anzupassen und sie gleichzeitig gegen die Au-
sichtsmasken verwendet. Diese umschließen Mund ßenwelt abzudichten (› Abb. 3.9). Alle Masken
und Nase des Patienten. Nasenmasken umschließen haben einen genormten Anschlussstutzen (22 mm
nur die Nase und werden vor allem für die nichtin- ID), an den das Atemventil des Beatmungsbeutels
vasive Beatmung und für Nasal-CPAP (Nasen-CPAP bzw. die Beatmungsschläuche angeschlossen wer-
› 6.3.5) verwendet. Detaillierte Informationen zu den können. Meist verfügen diese Masken auch über
Vorrichtungen zum Befestigen von Haltebändern
Tab. 3.2 Resu®-Beatmungsbeutel. Richtwerte der (z. B. mit Häkchen versehene Ringe, die um den An-
verschiedenen Beutelgrößen. schlussstutzen gelegt werden). Damit können die
Beat Beatmungs Baby Masken längerfristig (z. B. zum Masken-CPAP) so
mungsbeu beutel für beutel am Kopf des Patienten befestigt werden, dass Mund
tel für Er Kinder und Nase dicht umschlossen sind.
wachsene
Gewicht des > 30 kg 7–30 kg < 7 kg Gesichtsmasken für Kinder
Patienten Für Früh- und Neugeborene, Säuglinge und Klein-
Rauminhalt 1.600 ml 500 ml 240 ml kinder werden spezielle Masken mit minimalem
des Beutels Totraum bevorzugt (Rendell-Baker-Masken; Größen
Maximales 1.000 ml 350 ml 205 ml 0–3). Diese Masken passen sich der typischen kind-
Tidalvolumen lichen Gesichtskontur an. Alternativ stehen für klei-
Volumen Re- 2.600 ml 2.600 ml 600 ml ne Kinder runde Masken mit weichem Wulst zur
servoirbeutel Verfügung (› Abb. 3.9).
Maximale Be- 96/Min. 196/Min. 197/Min.
atmungsfre- Bei der Maskenbeatmung erhöht sich der funktionelle
quenz Totraum (› 1.2.1) des Patienten um das Totraumvo
Kompression ganzer Hand ganzer Hand Daumen lumen der Maske (Luftmenge zwischen Innenwand der
mit und 2–3 Maske und Gesicht des Patienten). Dies ist vor allem für
Finger kleine Kinder, Säuglinge und Neugeborene relevant. Da-
Der Totraum der Patientenventile beträgt 7 ml bei allen her werden bei diesen Patienten besondere Masken mit
Beutelgrößen kleinstmöglichem Totraum verwendet.
46 3 Freimachen und Freihalten der Atemwege, manuelle Beatmung
Standardanschluss
(ISO-Anschluss)
Masken-
dom
Erwachsenen-Maske Kinder-Maske
Frischgaszuleitung
verschließbare
(abknickbare)
Auslassöffnung
3 reich
• Gesicht und Lippen des Patienten sind rosig bzw. vor-
Abb. 3.12 Manuelle Beatmung mit Beatmungsbeutel und bestehende Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz
Gesichtsmaske. Der C-Griff (Daumen und Zeigefinger umgrei- bessern sich.
fen den Maskenkonus C-förmig) ermöglicht es, die Maske län- In Ausnahmefällen wird zusätzlich eine BGA durchge-
gere Zeit dicht auf Mund und Nase des Patienten halten zu führt (Werte für pO2 und pCO2 sollten im Normbereich
können. [M251] sein › 2.4.2).
Schwierigkeiten bei der manuellen Beatmung
• Bei hohem Beatmungsdruck Kopf etwas mehr über-
– Mit der rechten Hand die Gesichtsmaske an
strecken. Falls noch nicht erfolgt Guedeltubus einlegen
der Nasenwurzel aufsetzen und nach unten • Bei Undichtigkeit zwischen Maskenrand und Gesicht C-
klappen Griff lösen und Finger neu anlegen. Besteht Leck weiter,
– Mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand Maske neu auf dem Gesicht positionieren.
die Maske fest auf das Gesicht des Patienten Gegebenenfalls größere oder kleinere Maske verwenden
halten. Daumen und Zeigefinger umfassen da- • Besonders schwierig ist die Masken-Beutel-Beatmung
bei den Maskenkonus C-förmig, daher wird bei zahnlosen oder kachektischen Patienten. Hier die
Maske ggf. mit beiden Händen halten (doppelter C-
dieser Griff auch C-Griff genannt (› Abb.
Griff, d. h. rechte Hand bildet spiegelbildliches C) und
3.12) durch weitere Person Beatmung vornehmen lassen
• Patienten beatmen. Dazu mit der rechten Hand • Bei schwerwiegenden Verletzungen oder Fehlbildun-
den Beatmungsbeutel rhythmisch komprimieren. gen im Gesichtsbereich ist eine manuelle Beatmung
Zwischen den Inspirationen auf genügend Zeit mit Gesichtsmaske evtl. unmöglich. Diese Patienten
für die Ausatmung des Patienten und das Wie- müssen dann ggf. notfallmäßig intubiert werden
• Eine schwierige Maskenbeatmung ist zu erwarten,
derbefüllen des Beatmungsbeutels achten. Beat-
wenn der Patient mindestens 2 der folgenden Kriterien
mungsfrequenz und -hubvolumen richten sich
erfüllt (auch › 4.8):
nach den patientenspezifischen Erfordernissen, – Adipositas (BMI > 30 kg/m2)
entscheidend sind vor allem Alter und Körperge- – Fehlende Zähne
wicht des Patienten. – Vollbart
– Lebensalter > 55 Jahre
– Schnarchen in der Anamnese.
Alle Pflegenden einer Intensivstation müssen die Tech
• Achtung
nik der manuellen Beatmung erlernen und sicher
Bei der Masken-Beutel-Beatmung besteht Aspira
beherrschen, um sie im Notfall unverzüglich einsetzen zu
tionsgefahr durch Insufflation von Luft in den Ma-
können. Während der manuellen Beatmung muss die lü-
gen, insbesondere wenn der Beatmungsdruck über
ckenlose Überwachung des Patienten sichergestellt sein.
15–20 mbar ansteigt (dann ist der Ösophagusver-
schlussdruck überschritten, d. h. der Druck im unte-
ren Ösophagussphinkter, der den Magen zum Öso-
phagus hin abdichtet). Die Masken-Beutel-Beatmung
darf deshalb bei nicht-nüchternen Patienten (Krite
rien › 4.10.1) nur mit äußerster Vorsicht und nach
Ausschöpfen aller Alternativen eingesetzt werden.
3.3 Manuelle Beatmung 49
Dann ist darauf zu achten, dass ein hoher Beatmungs- Tab. 3.3 Beispiele von erreichbaren O2-Konzentratio-
druck, große Tidalvolumina, eine rasche Inspiration und nen bei der manuellen Beatmung mit dem Ambu®-
ein PEEP vermieden werden. War die manuelle Beatmung Mark IV-Beatmungsbeutel.
schwierig, sollte der Patient nach erfolgter Intubation ei- O2- Atemhubvolumen (ml) × Beatmungsfre
ne Magensonde erhalten, um die eventuell insufflierte Flow quenz (pro Minute) = O2-Konzentration
Luft wieder aus dem Magen entweichen zu lassen (l/Min.) in %
• Vorsicht ist geboten bei Patienten mit:
Beatmung ohne Reservoirbeutel
– Frontobasaler Schädelfraktur wegen Gefahr der ze-
rebralen Luftinsufflation 250 × 12 600 × 12 750 × 12 1.000 × 12
– Laryngozele (Erweiterung einer Ausbuchtung im 2 34 28 27 26
Kehlkopfraum) wegen Gefahr der vollständigen Ver- 5 44 34 32 31
legung der Atemwege auf Glottisebene
– HWS-Erkrankungen oder -Verletzungen wegen 10 60 44 39 39
3
Gefahr einer Rückenmarkschädigung beim Über- 15 82 54 52 46
strecken des Kopfs Beatmung mit Reservoirbeutel
• Ist kein funktionsfähiger Beatmungsbeutel verfügbar,
250 × 12 600 × 12 750 × 12 1.000 × 12
im Notfall ggf. mit einer Atemspende (Mund-zu-Mund
oder Mund-zu-Nase) beginnen, bis ein geeigneter 2 74 43 38 34
Beatmungsbeutel verfügbar ist. 5 100 76 65 57
10 100 100 100 87
15 100 100 100 100
Erreichbare O2-Konzentration bei der manuellen
Beatmung
Die erreichbare O2-Konzentration bei der manuellen filter (› 6.6.3) verwendet (d. h. auf das Nicht-
Beatmung mit Maske und Beatmungsbeutel ist ab- Rückatemventil wird ein Beatmungsfilter ge-
hängig vom eingestellten O2-Flow, dem Atemhubvo- steckt, der dann bei der manuellen Beatmung
lumen, der Beatmungsfrequenz und einem evtl. zu- zwischen Ventil und Tubus bzw. Trachealkanüle
sätzlich eingesetzten Reservoirbeutel zur Beatmung. sitzt), muss lediglich der Beatmungsfilter nach
› Tab. 3.3 zeigt beispielhaft die Sauerstoffkonzen Herstellerangaben (z. B. alle 24 Stunden) ausge-
tration bei verschiedenen Atemhubvolumina und wechselt werden. Beatmungsbeutel einschließlich
Beatmungsfrequenzen, jeweils mit und ohne Ver- Nicht-Rückatemventil werden meist einmal wö-
wendung eines Reservoirbeutels. chentlich gewechselt bzw. spätestens dann, wenn
sie beim Patienten nicht mehr benötigt werden.
Aufbereitung von Beatmungsbeuteln und • Werden keine Beatmungsfilter verwendet, wird
Gesichtsmasken das Nicht-Rückatemventil alle 24–48 Stunden (in
Beatmungsbeutel einschließlich Nicht-Rückatem- manchen Häusern auch nur einmal wöchentlich)
ventil und Beatmungsmasken müssen nach Ge- bzw. bei Verschmutzung (z. B. mit Sekret) öfter
brauch entsprechend der jeweiligen Herstelleranga- gewechselt. Der Beatmungsbeutel wird meist ein-
ben aufbereitet werden. In welchen Zeitabständen mal in der Woche gewechselt.
die Beatmungsbeutel und -masken aufbereitet wer- • Gesichtsmasken werden meist alle 24–48 Stun-
den, ist von Klinik zu Klinik sehr unterschiedlich. den gewechselt (nur wenn sie benutzt werden.
Häufig wird wie folgt vorgegangen: Falls sie nur vorsorglich, d. h. für den Notfall am
• Werden zur manuellen Beatmung eines intubier- Patientenbett liegen, ist ein regelmäßiger Wech-
ten oder tracheotomierten Patienten Beatmungs- sel nicht notwendig).
KAPITEL
4 Endotracheale Intubation
DEFINITION 4.1 Indikationen zur
Bei der Intubation wird ein Endotrachealtubus i. d. R.
unter Sicht durch den Kehlkopf hindurch in die Trachea endotrachealen Intubation
vorgeschoben. Die Spitze des Endotrachealtubus samt
dem Cuff (› 4.3.3), der den Tubus zur Trachealwand
hin abdichtet, liegt unterhalb der Stimmritze. Zwei For- Häufigste Indikation für eine endotracheale Intuba-
men: tion (ETI) in der Intensivmedizin ist die Notwendig-
• Orale Intubation: Intubation, bei der der Tubus keit einer maschinellen Beatmung, etwa wegen mas-
unter Sicht (mittels Laryngoskop › 4.2) in die Tra- siver respiratorischer Insuffizienz (› Kap. 2), die
chea vorgeschoben wird. Indiziert zur Beatmung im
Notfall sowie zur Beatmung während einer Narkose,
nicht als NIV (nicht-invasive Beatmung › 6.4) vor-
zur (kurzzeitigen) Beatmungstherapie und zu Untersu- genommen werden kann.
chungen. Daneben ist eine Intubation indiziert zum Freihal-
• Nasale Intubation: Intubation, bei der der Tubus ten der Atemwege, etwa bei zunehmendem Ödem im
über den unteren Nasengang in den Rachen und Larynxbereich, sowie zum Schutz vor Aspiration bei
durch den Kehlkopf hindurch in die Trachea vorge- fehlenden Schutzreflexen und zur Erleichterung des
schoben wird. In ausgewählten Situationen indiziert endotrachealen Absaugens (auch › Tab. 4.1).
zur längerfristigen Beatmungstherapie sowie zur
Narkosebeatmung, wenn eine orale Intubation auf-
grund der OP-Technik nicht möglich ist. Kontraindi- Wegen der Gefahr der Sinusitis (mögliche Sepsisquel-
ziert bei Mittelgesichts- und Schädelbasisfrakturen le) wird nur sehr zurückhaltend nasal intubiert und alter-
sowie bei massiven Blutgerinnungsstörungen. Zwei nativ ein oraler Tubus auch längerfristig belassen bzw.
Techniken: frühzeitig eine Tracheotomie vorgenommen.
– Nasale Intubation unter Sicht. Einstellen des Kehl-
kopfeingangs mittels Laryngoskop (› 4.2) und
Vorschieben der Tubusspitze mittels Intubationszan-
ge (z. B. Magillzange › 4.4.2).
– Blinde nasale Intubation. Voraussetzung ist, dass der 4.2 Laryngoskope
Patient spontan atmet. Vorsichtiges Einführen des
Tubus und Vorschieben jeweils während der Inspira-
tion. Dabei auf das Atemgeräusch am Tubusansatz Laryngoskope dienen dem direkten Betrachten des
hören und Tubus bis zur entsprechenden Längen- Kehlkopfeingangs. Ein Laryngoskop besteht aus ei-
markierung in die Trachea vorschieben. Selten an- nem Handgriff und einem Spatel:
gewandte Technik.
• Der Handgriff besteht aus Metall oder Kunststoff
und ist außen rau oder geriffelt, um einen guten
Fiberoptische (bronchoskopische) Intubation › 4.7 Halt zu gewährleisten und zu verhindern, dass er
dem Anwender z. B. bei feuchten Händen aus der
Hand rutscht. Am oberen Ende des Handgriffs
befindet sich die Einrastvorrichtung für den Spa-
tel. Im Inneren des Handgriffs befinden sich Bat-
terien oder Akkus.
• Der Spatel besteht ebenfalls meist aus Metall, sel-
ten aus Kunststoff. Bei den älteren Laryngoskopen
befindet sich die Lichtquelle an der Spatelspitze
52 4 Endotracheale Intubation
Tab. 4.1 Indikationen, Vorteile und Nachteile von oraler und nasaler Intubation im Vergleich zur Tracheotomie
(› Kap. 5).
Orale Intubation Nasale Intubation Tracheotomie
Indikationen • Zugangsweg der Wahl • Verletzungen,
Erkrankungen • Langzeitbeatmung
(auch › 4.1) bei Intubation im Not- und OPs von Mund, Kiefer • Notfalltracheotomie (Koniotomie
fall und Zähnen › 5.4.1) bei Verlegungen der oberen
• Kurz dauernde Intuba Luftwege z. B. durch Ödem infolge
tion (7–10 Tage) Verletzungen
• Bei Z. n. Laryngektomie
Vorteile • Technisch relativ ein- • Mundpflege einfach durch- • Mundpflege einfach durchführbar
fach und rasch durch- führbar • Sichere Fixierung der Trachealkanüle
führbar • Sichere Tubusfixierung möglich möglich
• Im Vergleich zur nasa- • Wird vom wachen Patienten • Keine Larynxschäden
len Intubation können besser toleriert als oraler • Wird vom wachen Patienten besser to-
kürzere und großlumi- Tubus leriert als Endotrachealtubus
gere Tuben verwendet • Bei erhaltenen Schutzreflexen ist Essen
4 werden (geringerer und Trinken möglich, mit speziellen
Strömungswiderstand, Kanülen oder Kanülenaufsätzen ist
› 1.2.1) Sprechen möglich
• Kleinerer Totraum
• Großlumige Trachealkanülen möglich
(geringer Strömungswiderstand,
› 1.2.1)
Nachteile • Wird vom wachen Pati- • Technisch schwieriger und • Invasiver Eingriff
enten schlechter tole- zeitaufwendiger als orale Intu- • Gefahren: Blutung, Infektion, Schleim-
riert als nasaler Tubus bation hautläsion durch schlecht sitzende Tra-
oder Trachealkanüle • Im Vergleich zur oralen Intu- chealkanülen, evtl. mit nachfolgender
• Mundpflege ist schlech- bation sind längere Tuben mit Ausbildung narbiger Stenosen
ter durchführbar geringerem Tubuslumen erfor- • Tracheomalazie (Erweichung der Knor-
• Tubusfixierung ist derlich (höherer Strömungswi- pelspangen der Luftröhre als Folge ei-
schwieriger derstand, › 1.2.1) ner Kompression)
• Gefahr von Larynxschä- • Gefahren: Verletzungen der • Sichtbare Narbe
den Nasenschleimhaut, Larynx-
schäden, Sinusitis (Entzün-
dung der Nasennebenhöhlen)
Wenn Laryngoskope nur selten im Gebrauch Tab. 4.2 Verschiedene Größen gebogener und gera-
sind, ist der Einsatz von Batterien sicherer, da diese der Spatel (hier Macintosh- und Miller-Spatel) sowie
gegen Ende ihrer Betriebsdauer sichtbar an Leistung geeignete Patientengruppen.
verlieren, erkennbar am zunehmend schwächer Patienten- Macintosh-Spatel Miller-Spatel
werdenden Licht. Akkus dagegen können plötzlich gruppe
– schlimmstenfalls während der Intubation – ihren Größe Länge in cm Größe Länge in cm
Dienst versagen, wenn sie über einen längeren Zeit- Frühgebo- – – Nr. 0 7,5
raum nicht aufgeladen werden. Daher ist es bei Be- rene
nutzung von akkubetriebenen Laryngoskopen wich- Neugebore- Nr. 1 9 Nr. 1 10,2
tig, dass die Akkus in regelmäßigen Abständen neu ne und
aufgeladen werden. Kleinkinder
Kinder Nr. 2 10,8 Nr. 2 15,5
Erwachsene Nr. 3 13 Nr. 3 19,5
4.2.1 Laryngoskopspatel Erwachsene Nr. 4 15,5 Nr. 4 20,5
(Überlänge)
Laryngoskopspatel gibt es in verschiedenen Formen 4
und Größen für Erwachsene und Kinder. Die ver-
schiedenen Spatel sind jeweils nach ihren Konstruk- der (relativ langen) Epiglottis erschwert. Bei der
teuren benannt, z. B. Macintosh-Spatel. Im Wesent- Intubation von größeren Kindern und Erwachse-
lichen wird unterschieden zwischen gebogenen und nen werden i. d. R. gebogene Spatel verwendet.
geraden Spateln (› Tab. 4.2): • Gerade Spatel (z. B. nach Miller, Jackson-Wis-
• Gebogene Spatel (z. B. nach Macintosh, Siker consin oder Foregger) werden so eingeführt, dass
oder Mirror) sind gekrümmt und passen sich da- die Epiglottis auf die Spatelspitze „aufgeladen“
mit der Form der Zunge an. Gebogene Spatel wird, d. h. die Spatelspitze drückt den Kehldeckel
werden so eingeführt, dass die Spatelspitze zwi- zum Zungengrund hin (› Abb. 4.2). Durch
schen Zungengrund und Epiglottis (Kehldeckel) leichten Zug in Richtung des Handgriffs wird die
liegt. Durch Zug in Richtung des Handgriffs rich- Stimmritze sichtbar. Gerade Spatel werden über-
tet sich die Epiglottis auf und die Stimmritze wird wiegend zur Intubation von Früh- und Neugebo-
sichtbar (› Abb. 4.2). Vorteile des gebogenen renen sowie von kleinen Kindern verwendet, da
Spatels sind: relativ viel Platz für den Tubus in die bei diesen Patienten relativ große Epiglottis
der Mundhöhle, geringere Gefahr von Zahnschä- mit einem gebogenen Spatel kaum aufgerichtet
den sowie von Quetschungen der Epiglottis. werden kann. Das Aufladen der Epiglottis mit
Nachteil: Bei kleinen Kindern ist das Aufrichten dem geraden Spatel dagegen ermöglicht eine bes-
Gebogener
Gerader Spatel, Spatel,
Spitze liegt hinter Epiglottis Spitze liegt
vor Epiglottis
Epiglottis
Epiglottis
sere Sicht auf die Stimmritze. Von Vorteil ist, vermieden) auch bei Routine-Intubationen verwen-
dass der Tubus während des Einführens besser det.
kontrolliert und insgesamt leichter eingeführt Die Spatel für das Hebel-Laryngoskop nach McCoy®
werden kann. Nachteilig sind die Gefahr der sind in vier verschiedenen Größen erhältlich.
Schädigung der Schneidezähne sowie die Gefahr
eines Glottisödems (insbesondere nach mehrfa-
chem Aufladen der Epiglottis, auch › 4.12). Der 4.2.3 Bullard-Laryngoskop®
Miller-Spatel ist gerade, lediglich die Spitze ist et-
was gebogen. Im Gegensatz dazu ist der Jackson- Das Bullard-Laryngoskop® (› Abb. 4.4) ist eine
Wisconsin-Spatel vollkommen gerade, wobei sich Kombination aus normalem Kaltlicht-Handgriff
die Schienung für die Zunge zum distalen Ende und speziellem Spatel, der über eine Fiberglasoptik
hin verbreitert. Dieser Spatel kann nur eingesetzt (vergleichbar der am Bronchoskop › 9.7.4) sowie
werden, wenn sich der Mund ganz öffnen lässt. einen Arbeitskanal verfügt, über den gespült, abge-
saugt, Sauerstoff verabreicht oder eine flexible Zange
eingeführt werden kann.
4 4.2.2 Hebel-Laryngoskop nach Die fiberoptische Vorrichtung ermöglicht den (in-
McCoy® direkten) Blick auf die Stimmritze. Mit der über den
Arbeitskanal eingeführten flexiblen Zange kann der
Das Hebel-Laryngoskop nach McCoy® verfügt über Tubus z. B. am Murphy-Auge gefasst und in den
einen speziellen Spatel, dessen Spitze beweglich ist. Kehlkopfeingang vorgeschoben werden.
Sobald das Laryngoskop in die korrekte Position
vorgeschoben ist, kann der Arzt über den außen an-
gebrachten Hebel die Laryngoskopspitze anheben.
Dadurch wird die Epiglottis angehoben und der
Blick auf die Stimmritze wird frei (› Abb. 4.3). Das
McCoy®-Laryngoskop wird vielfach eingesetzt bei
Handgriff
Intubationsschwierigkeiten, etwa bei Patienten mit
Struma oder kurzem, dickem Hals. In manchen Kli-
niken wird es wegen des Vorteils der geringeren Ge-
fahr von Zahnschädigungen (falsches „Hebeln“ wird
Arbeitskanal Okular
Führungsstab
Spatel
Kaltlichtquellle
Abb. 4.3 Funktionsprinzip des Hebel-Laryngoskops nach
McCoy®. [L157] Abb. 4.4 Bullard-Laryngoskop®. [V217]
4.2 Laryngoskope 55
4.2.4 Videolaryngoskope
Abb. 4.5 Videolaryngoskop, hier das C-MAC® der Firma Karl
Storz. Das Bild auf dem Monitor zeigt das Einführen des Tubus 4
Videolaryngoskope sind ähnlich aufgebaut wie her- durch die Stimmritze. [V221]
kömmliche Laryngoskope (Handgriff und Spatel).
Ihre Besonderheit ist eine meist in die distale Spatel-
spitze eingebaute Kamera. Vorteile gegenüber der sichtlich der Spatelformen und -größen (› Tab.
herkömmlichen Laryngoskopie: 4.3).
• Deutlich vergrößertes Blickfeld, das auf einen ex- Klinische Studien zeigen, dass Videolaryngoskope
ternen Monitor übertragen wird. Dies erleichtert die Visualisierung laryngealer Strukturen nach Cor-
die Intubation unter erschwerten Bedingungen mack und Lehane im Vergleich mit der direkten La-
(schwieriger Atemweg/schwierige Intubation ryngoskopie verbessern. Das stellt jedoch noch nicht
› 4.8). Zudem können auch Außenstehende die sicher, dass ein Tubus auch bei diesen erschwerten
Intubation verfolgen und dadurch die Technik Bedingungen sicher platziert werden kann. Sehr
schneller erlernen. Auch Hilfestellungen von Zu- wichtig erscheint den Erfahrenen in dieser Situation
schauenden sind so besser möglich. die Formgebung des Endotrachealtubus mittels
• Im Gegensatz zur direkten Laryngoskopie muss Führungsstab (empfohlen: flexibles Ende des Füh-
zur Visualisierung der Glottis die oropharyngo- rungsstabs geringfügig über das Tubusende hinaus-
laryngeale Achse nicht eingestellt werden (indi- ragen lassen und Tubus auf Höhe des Cuff um ca.
rekte Laryngoskopie), d. h. eine Reklination des 75° biegen).
Kopfs zur Intubation ist nicht erforderlich (Vi- Die Videolaryngoskopie ist auch in den Leitlinien
deolaryngoskope ermöglichen den „Blick um die der DGAI für das Management des schwierigen
Ecke“). Häufig lässt sich mittels Videolaryngo Atemweges als eine Möglichkeit aufgeführt (› Kap.
skopie eine sehr gute Darstellung des Kehlkopf- 11). Der erfolgreiche Einsatz von Videolaryngosko-
eingangs auch in solchen Fällen erreichen, in de- pen bei problematischer Atemwegssicherung setzt
nen eine direkte Sicht auf die Glottis nicht mög- jedoch eine regelmäßige Anwendung der Technik
lich ist (Cormack-Lehane-Grad ≥ III, › 4.5 und auch bei unproblematischen Intubationen voraus.
› Abb. 4.20). Nachteilig ist der relativ hohe Anschaffungspreis
• Der Intubationsvorgang erfolgt schonender, weil der Videolaryngoskope und (Einmal)Spatel.
übermäßige Manipulationen vermieden werden.
Dies ist v. a. bei Intubationsschwierigkeiten rele- Das Airtraq®-Laryngoskop
vant. Im Unterschied zu den o. g. Videolaryngoskopen
Die derzeit gebräuchlichen Videolaryngoskope wird das Airtraq® i. d. R. ohne Videokamera einge-
(z. B. GlideScope [Firma Verathon Medical], setzt, diese kann jedoch optional zugeschaltet wer-
McGrath® [Firma Aircraft Medical], C-MAC® [Fir- den (meist in Trainingssituationen).
ma Karl Storz] › Abb. 4.5) unterscheiden sich hin-
56 4 Endotracheale Intubation
eingebrachter
Führungsstab
Norm-Konnektor
Gradierung der
transparente
Tubustiefe in Zentimeter
Tubuswand
Cuffzuleitung Markierung der Testung
auf toxische Substanzen
Kontroll- Hersteller
ballon
Außendurchmesser
in Charrière
Art der Verwendung
Universal- oral/nasal
Spritzenansatz Innendurchmesser
mit Ventil in Millimeter
Murphy-Auge Markierungsring
Abb. 4.7 Aufbau eines Endotra- (für Tubustiefe)
chealtubus mit „Murphy-Auge“
Blockerballon
(links) und Kennzeichnung des (Cuff)
Endotrachealtubus (rechts).
angeschrägte Tubusspritze
[V420]
58 4 Endotracheale Intubation
mung etwas weicher. Dadurch passt sich der Tu- • Innendurchmesser (kurz ID) in Millimeter
bus gut den anatomischen Strukturen an. • Tubusumfang in Charrière (kurz Ch, 1 Ch =
• In der Regel ist die Tubuswand transparent. Dies 1 French, etwa 1/3 mm). Wird der Charrière-
hat den Vorteil, dass Sekretablagerungen und ein Wert durch 3 geteilt, ergibt sich der Wert für den
Beschlagen der Innenwand bei der Exspiration Außendurchmesser (kurz AD) in Millimeter
beobachtbar sind. • Zentimeter-Graduierung (gibt Auskunft über die
• Die Innenwand des Tubus ist glatt, damit Führungs Intubationstiefe)
stäbe, Absaugkatheter oder Bronchoskope gut • Hersteller
eingeführt und wieder entfernt werden können. • Art der Anwendung: „Oral“, „Nasal“ oder „Oral/
• Oberhalb der Tubusspitze befindet sich der Cuff Nasal“. Gibt an, wie der jeweilige Tubus einzuset-
(Blockerballon), der dem Abdichten des Tubus zen ist (diese Beschreibung findet sich nicht auf
zur Trachealwand hin dient (› 4.3.3). Zum Blo- allen Tuben).
cken des Cuffs wird Luft in die Cuffzuleitung ge- Zusätzlich sind die Tuben mit je einem Röntgen-
pumpt. Die Cuffzuleitung ist in die Tubuswand streifen versehen. Die Aufschrift „I. T.“ (Implanta
eingelassen und an ihrem äußeren Ende mit ei- tion Tested) oder „Z-79“ ANSI (American National
4 nem Ventil und einem Kontrollballon versehen. Standard Institute – Committee Z-79 on Anaesthe-
Ausnahme: Endotrachealtuben für Kinder bis ca. sia Equipment of the USA Standards Institute) auf
8 Jahre haben keinen Cuff. der Verpackung zeigt an, dass der Tubus getestet
• Oberhalb des Cuffs befindet sich bei einigen Tu- und frei von toxischen Substanzen ist.
ben ein dicker schwarzer Markierungsring, der
zur Orientierung für die korrekte Intubationstiefe Wichtige Größenangaben bei Endotrachealtuben
dient. sind der Innendurchmesser (kurz ID) in Millimeter und der
• Manche Tuben bieten die Möglichkeit einer sub- Tubusumfang in Charrière (kurz Ch).
glottischen Sekretabsaugung. Bei diesen Tuben ist • Für die Intubation ist es günstig, einen Endotracheal-
ein zusätzliches Lumen in die Tubuswand eingelas- tubus mit möglichst geringem Tubusumfang (und da-
sen, das in einer Öffnung oberhalb des Cuffs endet. mit geringem Außendurchmesser) zu verwenden, da
damit die Passage durch den Kehlkopf erleichtert ist.
Außen endet dieses Lumen in einer separaten Zu- Zudem ist bei Verwendung dünner Tuben die Gefahr
leitung. Über diese kann das Sekret, das sich über von Stimmbandschädigungen und Intubationsverlet-
dem Cuff (in der sogenannten „Jammerecke“) an- zungen, z. B. der Nasenschleimhaut, sowie von
sammelt, abgesaugt werden (› Abb. 4.14). Druckulzera durch den Tubus geringer.
• Die Tubusspitze ist leicht abgeschrägt, dies er- • Für die Beatmung ist es wichtig, einen Tubus mit
leichtert die Passage der Stimmritze. Zudem ver- möglichst großem Innendurchmesser zu verwenden,
größert dies die Öffnungsfläche und reduziert da- da der Strömungswiderstand des Tubus mit zuneh-
mendem ID sinkt. Außerdem ist die Gefahr einer Tu-
mit die Gefahr einer Verlegung der Tubusöffnung. busverlegung umso geringer, je größer der Innen-
Bei manchen Tuben befindet sich seitlich der Tu- durchmesser ist. Auch eine eventuelle Bronchoskopie
busspitze eine weitere Öffnung, das sog. Murphy- ist einfacher durchführbar.
Auge, das die Öffnungsfläche weiter vergrößert Abhängig von den Erfordernissen beim Patienten wählt
(und damit die Gefahr einer Verlegung der Öff- der Arzt die geeignete Tubusgröße aus. Tabelle 4.4 zeigt
nungsfläche verringert) und die Belüftung der Richtwerte für die Auswahl der Tubusgröße (› Tab.
rechten oberen Lungenabschnitte verbessern soll. 4.4).
des Tubusmaterials, der Tubusform und der Art Abb. 4.9 Spiral-Tubus (Woodbridge-Tubus). [V420]
der Cuffblockung unterscheiden. Im Folgenden sind
die Tuben beschrieben, die auf den Intensivstatio-
nen häufig zur Beatmungstherapie verwendet wer-
den:
• Magill-Tubus (› Abb. 4.8). Tubus mit genorm-
tem Krümmungsradius. Standardtubus für die
orale oder nasale Intubation.
• Spiral-Tubus (Woodbridge-Tubus › Abb. 4.9).
Tubus, in dessen Wand eine Metallspirale einge-
arbeitet ist. Dadurch ist der Tubus enorm flexibel
und kann trotzdem nicht abknicken. Wegen der
hohen Flexibilität ist zur Intubation ein Füh-
rungsstab erforderlich (› 4.4.1). Bei Spiral-Tu-
ben aus Latex kann es leichter zu Cuffhernien Abb. 4.10 Oxford-non-kinking-(ONK-)Tubus. [V420]
kommen (› 4.3.3).
Ist beim Patienten eine MRT erforderlich, muss
zuvor der Spiral-Tubus gegen einen Tubus ohne
Metallteile ausgetauscht werden!
• Oxford-non-kinking-Tubus (kurz ONK-Tubus,
› Abb. 4.10). Der ONK-Tubus ist rechtwinklig
gekrümmt, verhältnismäßig starr und kann nicht
abknicken. Er kann nur zur oralen Intubation
verwendet werden. Durch die rechtwinklige
Krümmung kann der Tubus nicht versehentlich
zu tief eingeführt werden und eine einseitige In-
tubation ist damit praktisch ausgeschlossen. Abb. 4.11 EDGAR-Tubus. [V420]
60 4 Endotracheale Intubation
Abb. 4.12 RAE-Tubus. Links ein oraler, rechts ein nasaler RAE-Tubus. [V420]
4
• EDGAR-Tubus (Endobronchial Drug and Gas
Application during Resuscitation, d. h. endobron-
chiale Medikamenten- und Sauerstoffverabrei-
chung während Reanimation, › Abb. 4.11). Der
Aufbau dieses Tubus entspricht dem des Magill-
Tubus, zusätzlich ist ein dünner Schlauch in die
Tubuswand eingearbeitet, der an der Tubusspitze
endet und über den flüssige Medikamente direkt
in die Trachea bzw. die großen Bronchien inji-
ziert werden können.
• RAE-Tubus (Rind-Adair-Elwyn-Tubus). Dieser
Abb. 4.13 Tuben mit Fome-Cuff. Oben: Trachealkanüle mit
Tubus ist so geformt, dass er sehr gut abgeleitet Fome-Cuff. Unten: Silikon-Endotrachealtubus mit Fome-Cuff.
und fixiert werden kann. Der orale RAE-Tubus Über den zusätzlichen Konnektor ist der Cuff mit dem Beat-
(› Abb. 4.12 links) ist so geformt, dass er gut mungssystem verbunden und damit dem jeweils herrschenden
am Kinn befestigt werden kann, der nasale RAE- Beatmungsdruck ausgesetzt. Dadurch wird der Cuff bei maschi-
Tubus (› Abb. 4.12 rechts) kann zur Stirn hin neller Beatmung während der Inspiration stärker geblockt und
während der Exspiration entlastet. [M251]
abgeleitet und dort fixiert werden.
• Fome-Cuff-Tubus (› Abb. 4.13). Bei diesem
Tubus besteht der Cuff aus schwammartigem, • Hi-Lo®-Trachealtubus mit Lanz®-Ventil
sehr weichem und gewebefreundlichem Polyure- (› Abb. 4.14, Hi-Lo = High volume-Low pressu-
thangewebe, das sich aufgrund seiner Eigenelas- re, d. h. hohes Volumen, niedriger Druck). Dieser
tizität in der Trachea entfaltet und dort nur einen Tubus verfügt über ein spezielles Cuffsystem, das
relativ geringen Druck auf die Schleimhaut aus- einen konstant niedrigen Cuffdruck von ca.
übt. Zur Intubation muss die Luft zuerst aus dem 22–25 mmHg gewährleistet und damit die Gefahr
Cuff entfernt und die Cuffzuleitung abgeklemmt von Schleimhautschäden der Trachea durch den
werden. Während der Beatmung kann die Cuff- Cuff minimiert. Ein in das System eingebautes
zuleitung mit einem speziellen, zwischen Tubus Regelventil sorgt für einen zeitlich verzögerten,
und Beatmungssystem eingefügten Konnektor situationsangepassten Druckausgleich zwischen
verbunden werden. Dadurch wird der Cuff wäh- dem Cuff und dem relativ großen äußeren Kon
rend der Inspiration zusätzlich geblockt und trollballon. Die Funktion des Regelventils ist aller-
während der Exspiration entlastet. dings nur gewährleistet, wenn der Cuff zunächst
mit ca. 40 ml Luft gefüllt wird. Die manuelle Cuff-
4.3 Endotrachealtuben 61
Abb. 4.14 Hi-lo-Evac/Lanz®-Trachealtubus mit der zusätzlichen Möglichkeit im subglottischen Raum („Jammerecke“) abzusau-
gen. [U244]
druck-Messung ist nicht erforderlich; kontrolliert damit eine seitengetrennte Beatmung (› 6.5).
werden muss nur die Funktionsfähigkeit des Ven- Sie bestehen aus jeweils einem trachealen Lumen, 4
tils. Wichtig: Die Blockerspritze oder das Cuff- das im unteren Drittel der Trachea endet, und ei-
druck-Messgerät dürfen nicht ständig mit dem nem bronchialen Lumen, dessen Ende im rechten
Lanz®-Ventil konnektiert sein, da der Ventilme- oder linken Hauptbronchus liegt. Der Tubus ver-
chanismus sonst nicht funktionieren kann. fügt über zwei Blockermanschetten (Cuffs): Einen
• Doppellumentuben (z. B. Carlens-, White- oder proximalen Cuff (trachealer Cuff) in der Trachea
Robertshaw-Tubus › Abb. 4.15) dienen der In- und einen distalen Cuff (bronchialer Cuff) im
tubation eines Hauptbronchus und ermöglichen Hauptbronchus. Der Doppellumentubus wird
Abb. 4.15 Doppellumentuben
Bronchopast, unten zur links- und
oben zur rechtsseitigen bronchia-
len Intubation. [V420]
62 4 Endotracheale Intubation
i. d. R. oral unter Sicht in die Trachea eingeführt • Der Niederdruckcuff (Niederdruckballon, auch
und blind in den entsprechenden Bronchus vor- Hi-Lo-Cuff, d. h. High-volume-Low-pressure
geschoben. Die korrekte Lage wird durch Thorax- Cuff) benötigt ein größeres Füllvolumen, der
auskultation sowie ggf. durch Bronchoskopie Cuffdruck ist jedoch relativ niedrig und damit
überprüft (Blocken, Lagekontrolle und Komplika- das Risiko für Schädigungen der Trache-
tionen des Doppellumentubus › 6.5.2). alschleimhaut vermindert. Zudem passen sich
Niederdruckcuffs besser dem Querschnitt der
Trachea an als Hochdruckcuffs. Für die Beat-
4.3.3 Blockerballon (Cuff) mung von Patienten auf Intensivstationen wer-
den daher fast ausschließlich Tuben mit Nieder-
Der Blockerballon (Cuff oder Blockermanschette) druckcuff verwendet.
wird über einen gesonderten Zuleitungsschlauch,
der in oder auf der konkaven Seite der Tubuswand Der Druck im Blockerballon (Cuffinnendruck oder kurz
verläuft, mit Luft aufgeblasen. Am freien Ende des Cuffdruck › Abb. 4.16) entspricht dem auf die Trache-
Zuleitungsschlauchs befindet sich der sog. Pilot- alschleimhaut einwirkenden Druck. Ist der Cuffdruck über
4 oder Kontrollballon (› Abb. 4.7). Mithilfe des längere Zeit höher als der durchschnittliche kapillare Per-
Kontrollballons lässt sich überprüfen, ob der Cuff fusionsdruck in der Trachealwand (ca. 35 mmHg), kann
geblockt ist. es – insbesondere bei langzeitbeatmeten Patienten – zu
Durchblutungsstörungen mit nachfolgenden teils irrever-
Der Cuff hat folgende Funktionen: siblen Trachealschädigungen kommen, z. B. Ulzerationen
• Abdichten des Raums zwischen Tubus und Tra- der Schleimhaut und Schädigung der Knorpelstrukturen.
chealwand, sodass Um dies zu vermeiden sollte der Cuffdruck möglichst
– keine Luft in Richtung Kehlkopf entweichen unter 25 cmH2O gehalten werden. Ist ein höherer Cuff-
kann druck zum Abdichten des Cuffs erforderlich, ist der Tubus
– eine Aspiration von Magensaft, Schleim, Blut, evtl. zu klein und muss gegen einen größeren ausge-
Erbrochenem etc. verhindert wird tauscht werden (Arztrücksprache).
Grundsätzlich gilt: Den Cuff nur so weit blocken, dass
• Fixierung des Tubus in der Mitte der Trachea. er sicher dicht ist.
Kapillare
Luftdruck
Luftdruck
Druck Druck
Cuff
Ballon-Innen-
Druck
Beatmungsdruck
Beatmungsdruck 4
Tubus
Kapillare
Abb. 4.16 Der Cuffdruck die-
ses Tubus ist höher als der kapilla-
re Perfusionsdruck der Trache- Cuff
alschleimhaut. Dadurch ist die Ballon-
Durchblutung an der Kontaktflä- wand
che Cuff-Trachealwand unterbro-
chen und es können irreversible
Schäden an der Trachealwand Trachealwand Trachealwand
entstehen. [A400]
Luftdruck
Luftdruck
Beatmungs-
druck
cuff-Endotrachealtuben mit Polyurethan-Cuff mit wurde der Cuff zuvor mit Raumluft geblockt, kommt
einer Verringerung der VAP-Rate um 43 % einher es zur Lachgasdiffusion in den Cuff. Dadurch steigt
(Mai 2009). der Cuffdruck an und muss daher während der Nar-
Der Cuff des TaperGuard™-Tubus ist konisch ge- kose regelmäßig überprüft und ggf. entlastet wer-
formt, d. h. er wird zur Tubusspitze hin schmaler. den. Umgekehrt diffundiert das Lachgas nach Been-
Dies soll Mikroaspirationen und damit das Risiko digung der Lachgaszufuhr wieder aus dem Cuff, der
von Beatmungspneumonien (VAP, › 6.7.1) redu- Cuffdruck sinkt ab und evtl. wird der Cuff undicht
zieren (im Vergleich zu Tuben mit walzenförmigem und muss nachgeblockt werden.
Cuff um bis zu 90 %). Der TaperGuard™EVAC- Cuffdruck-Kontrolle › 9.4.1
Tubus ermöglicht zusätzlich die subglottische Se-
kretabsaugung.
Cuffhernien entstehen insbesondere bei Verwen- Den Führungsstab vor dem Einführen in den Tubus mit
dung von Latextuben. z. B. Xylocain-Gel gleitfähig machen, damit er nach der
Intubation problemlos aus dem Tubus entfernt werden
kann.
Cuffdruck und Narkosebeatmung
In Ausnahmefällen benutzt der Arzt den Führungs-
Wird der Patient zu Narkosezwecken mit einem stab als Leitschiene zur Intubation. Dann lässt er die
Sauerstoff-Lachgasgemisch (O2/N2O) beatmet und Spitze des Führungsstabs etwas über die Tubusöff-
4.4 Hilfsmittel zur Intubation 65
nung herausragen, schiebt sie durch die Stimmritze nissen des Mund-Rachen-Raums geformt, sodass sie
hindurch etwas in die Trachea vor und führt dann bei der Intubation nicht die Sicht versperren
den Tubus über den Führungsstab hinweg in die (› Abb. 4.18).
Trachea ein. Dieses Verfahren darf wegen der Ver- Um zu vermeiden, dass die geriffelten Zangen-
letzungsgefahr nicht mit Führungsstäben aus Me- spitzen die dünne Wand des Cuffs beschädigen, fasst
tall, sondern nur mit kunststoffummantelten Füh- der Arzt die Tubusspitze mit der Intubationszange
rungsstäben vorgenommen werden. immer ober- oder unterhalb des Cuffs. In manchen
Spezielle Einführungsmandrins sind ähnlich Kliniken ist es auch üblich, die Zangenspitzen z. B.
aufgebaut wie kunststoffummantelte Führungsstä- mit Pflaster abzukleben, um eine Beschädigung des
be, jedoch wesentlich länger (ca. 80 cm). Ihre abge- Cuffs zu vermeiden. Sehr häufig wird die Intuba
rundete Spitze ist weich, sodass die Verletzungsge- tionszange nach Magill eingesetzt.
fahr gering ist. Ihr Einsatz ist indiziert, wenn die
Stimmritze nicht einsehbar ist, weil die Epiglottis
nicht aufgerichtet werden kann. Zur Intubation wird 4.4.3 Medikamente zur Intubation
der Tubus auf den Einführungsmandrin aufgefädelt,
dann wird der Einführungsmandrin eingeführt, die Die Intubation wird im Regelfall mit einem intra
Epiglottis unterfahren und angehoben. Damit ist die venösen Kurzanästhetikum und einem Muskel
Sicht auf die Stimmritze frei und der Tubus kann relaxans durchgeführt. Der zusätzliche Einsatz von
über den Einführungsmandrin hinweg in die Tra- Opioiden ist angezeigt, wenn eine Reflexdämpfung
chea vorgeschoben werden. und/oder Analgesie erreicht werden soll.
Tubuswechsler › Abb. 4.34 In › Tab. 4.5 sind gebräuchliche Hypnotika,
Opioide und Muskelrelaxanzien zur Intubation so-
wie Anhaltswerte für die Dosierung der Medika-
4.4.2 Intubationszangen mente aufgeführt. Im Einzelfall sind folgende Fakto-
ren mitentscheidend für die Dosierung:
Die Intubationszange dient dazu, bei der nasalen • Alter, Gewicht und körperlicher Zustand des Pa-
Intubation den Tubus unter Sicht im Rachen zu fas- tienten sowie ggf. Gewöhnung
sen und in die Trachea vorzuschieben (Durchfüh- • Stärke des zu erwartenden Stimulus bzw.
rung nasale Intubation › 4.6.2). Intubationszan- Schmerzes
gen sind entsprechend den anatomischen Verhält- • Interaktion mit anderen Medikamenten
66 4 Endotracheale Intubation
Tab. 4.5 Gebräuchliche intravenöse Kurzanästhetika, Opioide und Muskelrelaxanzien zur Intubation. Gemeinsame
Nebenwirkung von i. v. Kurzanästhetika und Opioiden ist die dosisabhängige Atemdepression und ein mehr oder
weniger stark ausgeprägter Blutdruckabfall (Ausnahme: Etomidat hat nur geringe hämodynamisch bedeutsame
Nebenwirkungen).
i. v. Kurzanästhetika Opioide Muskelrelaxanzien
Substanz (Bsp. Handels Dosierung Substanz (Bsp. Dosierung Substanz (Bsp. Dosierung
name) mg/kg KG Handelsname) μg/kg KG Handelsname) mg/kg KG
Thiopental (Trapanal®) 2–5 Fentanyl 1–5 Atracurium (Tracrium®) 0,3–0,4
(Fentanyl®Janssen)
Methohexital (Brevimytal®) 1–3 Alfentanil (Rapifen®) 5–10 Cis-Atracurium (Nimbex®) 0,1
® ® ®
Etomidat (Hypnomidate ) 0,15–0,3 Sufentanil (Sufenta ) 0,3–1 Pancuronium (Pancuronium ) 0,08–0,12
Diazepam (Valium®) 0,2–1,0 Remifentanil (Ultiva®) 0,1–0,5 Alcuronium (Alloferin®) 0,25–0,3
® ®
Midazolam (Dormicum ) 0,15–0,3 Vecuronium (Norcuron ) 0,08–0,1
Flunitrazepam (Rohypnol®) 0,02 Mivacurium (Mivacron®) 0,2–0,25
4 Propofol (Disoprivan®) 1,5–2,5 Succinylcholin (Pantholax®) 0,5–1,5
Zur Intubation muss eine funktionstüchtige Absaug- 4.5.2 Vorbereitung des Patienten
vorrichtung mit verschieden großen Absaugkathetern
bereitstehen, um im Bedarfsfall unverzüglich Sekret aus Sofern zeitlich möglich informiert der Arzt den Pati-
dem Mund-Rachen-Raum absaugen und damit die Aspi- enten über die Notwendigkeit der bevorstehenden
rationsgefahr minimieren zu können. Das Laryngoskop, Intubation, deren Ablauf und die anschließende
der ausgewählte Endotrachealtubus sowie der Beat- (Beatmungs-)Therapie (Ausnahme: Notfallintubati-
mungsbeutel und die Sauerstoffquelle werden vor Beginn
der Intubation auf ihre Funktionsfähigkeit hin über-
on). Bei Kindern, bewusstlosen oder desorientierten
prüft (Funktionsprüfung Laryngoskop siehe unten, Endo- Patienten informiert er zusätzlich die gesetzlichen
trachealtubus siehe unten, Beatmungsbeutel › 3.2.1). Vertreter bzw. die nächsten Angehörigen des Pati-
enten.
Wird ein Patient geplant intubiert und ist eine
Funktionsprüfungen Langzeitintubation abzusehen, informieren die
Vor der Intubation müssen das Laryngoskop und Pflegenden ihn möglichst vor der Intubation über
der Cuff des ausgewählten Tubus auf ihre Funkti- Kommunikationsmöglichkeiten und -hilfsmittel
onsfähigkeit hin überprüft werden: (› 9.8.1).
• Den für den Patienten passenden Laryngoskop- Zahnprothesen werden entfernt. Eine gründliche
spatel auf den Handgriff aufsetzen, einrasten und Reinigung des Mund- und Rachenbereichs vor der
die Lichtqualität überprüfen. Mögliche Ursachen Intubation ist empfehlenswert.
einer schlechten Lichtqualität bzw. nicht funktio- Zur Intubation sollte der Patient nüchtern sein.
nierender Beleuchtung sind leere Batterien bzw. Ist dies nicht der Fall, z. B. im Notfall oder bei verzö-
Akkus, defekte oder nicht richtig auf den Lam- gerter Magen-Darm-Passage, müssen bei der Intu-
penträger aufgeschraubte Glühbirnen (bei her- bation besondere Maßnahmen ergriffen werden, um
kömmlichen Warmlichtlaryngoskopen) sowie eine Aspiration zu verhindern (› 4.10).
fehlender Kontakt zwischen Handgriff und Spatel Ein gut durchgängiger Venenzugang muss vor-
(nicht richtig eingerastet). Wichtig: Das Licht des handen sein bzw. gelegt werden.
Laryngoskops muss optimal hell sein, um die In-
tubation nicht unnötig zu erschweren.
68 4 Endotracheale Intubation
I II Grad I Grad II
Abb. 4.20 Mallampati-Klassifi-
kation (modifiziert nach Samsoon
und Young, links) und Klassifika
tion der Laryngoskopiebefunde
III IV Grad III Grad IV nach Cormack und Lehane (rechts).
[L157]
Um kardiopulmonale Komplikationen während der Intu- chea verursachen kann (dies ist vor allem im
4 bation rasch erkennen und behandeln zu können, muss Röntgenbild erkennbar).
der Patient – falls nicht bereits geschehen – an einen
Auch eine mangelnde Kooperationsbereitschaft
Überwachungsmonitor angeschlossen werden. Fol-
gende Parameter werden i. d. R. während der Intubation bzw. -fähigkeit des Patienten kann die Intubation
kontinuierlich überwacht: erheblich erschweren.
• Herzfrequenz (EKG) Sind Intubationsschwierigkeiten absehbar, infor-
• Sauerstoffsättigung (Pulsoxymetrie) miert der Arzt die assistierenden Pflegenden und
• Blutdruck (nichtinvasive oder invasive Blutdruckmes- ordnet ggf. die Bereitstellung besonderer Materiali-
sung). en an, etwa Tubuseinführhilfen, oder führt eine fi-
beroptische Intubation durch (› 4.7). Wichtig ist
eine standardisierte Vorgehensweise (Algorithmus)
Einschätzen von der Station bzw. Abteilung. Die Mitarbeiter müssen
Intubationsschwierigkeiten diesen Algorithmus kennen und die notwendigen
Materialien und Geräte bedienen können (› 4.8).
Vor der Intubation prüft der Arzt, ob Hinweise auf
mögliche Intubationsschwierigkeiten vorliegen.
Dazu begutachtet er beim Patienten: Untersuchungen zur Einschätzung von Intuba
tionsschwierigkeiten
• Das Gesicht, insbesondere im Mund- und Nasen-
bereich (verletzungs- oder erkrankungsbedingte Bei der Klassifikation nach Mallampati (modifiziert
nach Samsoon und Young) wird die Einsehbarkeit des
Veränderungen, z. B. Fehlbildungen oder Ödeme?)
Oropharynx bei maximal weit geöffnetem Mund und
• Mund und Rachen (Zahnstellung, lockere Zähne, herausgestreckter Zunge beurteilt (› Abb. 4.20). Un-
Erkrankungen, Verletzungen, Voroperationen terschieden werden vier Grade. Die Mallampati-Klassifi-
oder Fehlbildungen im Mund-Rachen-Raum? kation weist eine relativ hohe Zahl falsch-positiver
Kiefersperre?). Wichtig ist hier insbesondere die Ergebnisse auf (ca. 50 %), d. h. viele Patienten, deren
Mundöffnung (je kleiner die Mundöffnung desto Intubation als schwierig eingeschätzt wurde, konnten
schwieriger die Intubation) und die Sichtbarkeit ohne wesentliche Probleme konventionell intubiert
werden (Larsen, 2010).
des weichen Gaumens bei geöffnetem Mund (je
Bei der Klassifikation nach Cormack und Lehane wird
schlechter der weiche Gaumen sichtbar desto die Einsehbarkeit der Glottis unter direkter Laryngoskopie
schwieriger die Intubation) beurteilt. Die Einteilung erfolgt auch hier in 4 Grade
• Den Hals. Wichtig ist dabei die Beweglichkeit der (› Abb. 4.20):
HWS (z. B. eingeschränkt bei Wirbelsäulener- • Grad I: Glottis ist vollständig sichtbar
krankungen oder nicht erlaubt bei V. a. Verlet- • Grad II: Nur der hintere Teil der Glottis ist sichtbar
• Grad III: Nur die Epiglottis (Kehldeckel) ist sichtbar
zungen der HWS) und eine mögliche Struma, die
• Grad IV: Keine der genannten Strukturen ist sichtbar.
eine Verlagerung und/oder Einengung der Tra-
4.6 Durchführung der oralen und nasalen Intubation 69
Abb. 4.21 Links: Lagerung des Kopfs zur Intubation („Schnüffelposition“ oder verbesserte Jackson-Position). Rechts: Öffnen des
Munds und Einführen des Laryngoskops. [L157, M251]
Zur Intubation muss der Patient auf dem Rücken Sowohl bei der oralen als auch bei der nasalen Intu-
liegen. Bis auf ein kleines Nackenkissen entfernen bation arbeiten die Pflegenden und der Arzt „Hand
die Pflegenden alle Lagerungskissen im Bereich des in Hand“. Die Aufgabenteilung (wer macht was?)
Oberkörpers aus dem Patientenbett. Kurz vor der kann dabei von Klinik zu Klinik etwas variieren, z. B.
Intubation wird das Nackenkissen gegen eine feste, ist es in manchen Kliniken üblich, dass der Arzt
70 4 Endotracheale Intubation
selbst die Lunge auf korrekte Tubuslage abhört, be- schlafen ist. Gegebenenfalls Einführen eines
vor der Tubus fixiert wird, in anderen Kliniken ist Guedeltubus zur Erleichterung der Maskenbe-
das eine Aufgabe der assistierenden Pflegenden. Da atmung (Durchführung Masken-Beutelbeat-
der Arzt während des Intubationsvorgangs i. d. R. mung › 3.2.3). Nur wenn die Maskenbeat-
ununterbrochen auf die Stimmritze des Patienten mung durchführbar ist, erfolgt die Gabe des
blickt, ist es sehr wichtig, dass die Pflegenden den Muskelrelaxans (bei jedem relaxierten Patien-
Ablauf und eventuell auftretende Schwierigkeiten ten muss eine Maskenbeatmung durchführbar
kennen, um Veränderungen beim Patienten erken- sein, falls die Intubation nicht gelingt).
nen, ärztliche Anordnungen ohne weitere Erklärun- • Pflegende: Auf Arztanordnung Verabreichen des
gen durchführen und bei auftretenden Schwierigkei- Muskelrelaxans. Laryngoskop so anreichen, wie
ten jeweils rasch und richtig reagieren zu können. es in den Mund des Patienten eingeführt wird
(Spatel nach unten, Spatelspitze zeigt zum Fuß-
ende des Betts hin).
4.6.1 Orale Intubation • Arzt: Nach Eintritt der Wirkung des Muskelrela-
xans Kopf des Patienten leicht reklinieren (in
4 Einführung von Doppellumentuben › 6.5.2 „Schnüffelposition“ bringen), mit der rechten
Bei der oralen Intubation gehen der Arzt und die Hand den Mund des Patienten öffnen und La-
assistierende Pflegeperson i. d. R. wie folgt vor (Auf- ryngoskop in die linke Hand nehmen. Laryngo
gabenteilung kann variieren): skop einführen (dazu die Zunge etwas nach links
• Arzt und Pflegende: Händedesinfektion drängen, um freie Sicht zu schaffen) und Kehl-
• Arzt: Zieht Einmalhandschuhe an kopf einstellen.
• Pflegende: Tubus und Führungsstab (falls zur In- • Pflegende: Tubus so anreichen, wie er eingeführt
tubation erforderlich) mit Gleitgel bestreichen wird (Tubusspitze zeigt nach unten in Richtung
(Tubus lässt sich dadurch leichter in die Trachea Fußende des Patientenbetts), und dem Arzt das
einführen und Schleimhaut wird weniger trau- Tubusende, das später außerhalb des Munds
matisiert). Gegebenenfalls Führungsstab in den liegt, in die rechte Hand geben. Gegebenenfalls
Tubus einführen (› 4.4.1). Am Monitor akusti- auf Arztanordnung Krikoiddruck (Sellick-Hand-
sches Herzfrequenzsignal oder Ton für Pulsoxy- griff) durchführen (leichter Druck mit Daumen
metrie einstellen (in den meisten Kliniken üblich, und Zeigefinger von außen auf den Ringknorpel,
um Herzrhythmusstörungen sofort erkennen zu dadurch bessere Sicht auf den Kehlkopfeingang
können). und Verschluss des Ösophagus durch Verlage-
• Arzt: Informiert den Patienten über Beginn der rung des Ringknorpels nach hinten).
Intubation. Präoxygenierung, d. h. der Patient • Arzt: Tubus einführen. Dabei Tubus so weit vor-
atmet für 3–5 Minuten 100 % Sauerstoff über eine schieben, bis der Cuff hinter den Stimmbändern
Gesichtsmaske, die ihm der Arzt dicht vor Mund nicht mehr zu sehen ist bzw. eine am Tubus an-
und Nase hält. Ziel: Schaffung einer „Sauerstoff- gebrachte Markierung (knapp oberhalb des
reserve“ für die kurze Zeit des Intubationsvor- Cuffs) gerade noch sichtbar ist (› Abb. 4.22 und
gangs, in der der Patient weder atmet und noch › Abb. 4.23).
beatmet wird. Während der Präoxygenierung: • Pflegende: Tubus mit ca. 5–10 ml Luft blocken
– Pflegende: Auf Arztanordnung Verabreichen (Ausnahmen: Tubus mit Fome-Cuff – hier nur
eines Hypnotikums und evtl. geringe Menge Zuleitungsschlauch zum entblockten Cuff öffnen
eines nicht depolarisierenden Muskelrelaxans – und Tubus mit Lanz®-Ventil; hier sind mindes-
zum Präcurarisieren (Gabe geringer Mengen tens 40 ml Luft zum Blocken nötig).
nicht depolarisierender Muskelrelaxanzien, • Arzt: Laryngoskop entfernen, Beatmungsbeutel
z. B. 1–2 mg Pancuronium, um Muskelfasziku- oder Beatmungsgerät anschließen (i. d. R. zu-
lationen durch Succinylcholin zu vermeiden). nächst manuelle Beatmung mit dem Beatmungs-
– Arzt: Beatmung über Maske, nachdem der beutel zur Tubuslagekontrolle, erst dann An-
Patient nach Gabe der Medikamente einge- schluss an Respirator).
4.6 Durchführung der oralen und nasalen Intubation 71
2 1
4 3
4
Abb. 4.24 Auskultationspunkte zur Kontrolle der kor-
rekten Tubuslage. Zunächst werden die Atemgeräusche über
den oberen, dann die über den unteren Lungenabschnitten
a
auskultiert. Wurde der Tubus zu tief eingeführt (einseitige Intu-
bation, beim Erwachsenen meist in den rechten Hauptbron- Nasale Intubation unter Sicht: Tubus über den unteren
chus), sind nur über einem (meist dem rechten) Lungenflügel Nasengang in den Hypopharynx vorschieben
Atemgeräusche hörbar. Evtl. verlegt der in den rechten Haupt-
bronchus eingeführte Tubus den Abgang des oberen Lappen-
bronchus, dann sind auch über der rechten Lungenspitze keine
Atemgeräusche auskultierbar. Abschließend wird zur Sicherheit
über der Magengrube abgehört (blubberndes Geräusch als Hin-
weis auf eine Intubation des Ösophagus?). [L190]
4.7.2 Vorbereitung
4 Abb. 4.27 Mainzer-Universaladapter® (rechts) und Optosafe-
Grundsätzlich wird zur fiberoptischen Intubation Tubus (links) für die fiberoptische Intubation. [V420]
immer das gesamte zur oralen Intubation erforderli-
che Material bereitgelegt (› 4.5.1). Zusätzlich be- Die Vorbereitung des Patienten entspricht der
reiten die Pflegenden Folgendes vor: vor einer konventionellen oralen oder nasalen In-
• Intubations-Bronchoskop und zugehörige exter- tubation. Zusätzlich informiert der Arzt den Pati-
ne Lichtquelle (neuere Geräte können auch batte- enten über den Ablauf der fiberoptischen Intubati-
riebetrieben arbeiten). Bronchoskop nach Her- on. Bei der geplanten fiberoptischen Intubation
stellerangaben auf Funktionsfähigkeit prüfen wird häufig eine Prämedikation durchgeführt mit
• (sterile) Handschuhe einem Benzodiazepin (z. B. Midazolam oder Diaze-
• Tubus, z. B. Magill-Tubus (Größe und Ersatzgrö- pam), häufig kombiniert mit einem Anticholiner-
ßen nach Arztrücksprache, Cuff auf Dichtigkeit gikum (reduziert die Sekretproduktion und ver-
kontrollieren › 4.5.1), auch innen gleitfähig mindert dadurch die Verdünnung des Lokalanäs-
machen (z. B. mit Silikospray®) und ggf. den thetikums). In manchen Kliniken werden alterna-
Normkonnektor entfernen (aufbewahren, wird tiv oder in Kombination mit Benzodiazepinen
nach erfolgreicher Intubation wieder auf den Tu- Opiate mit kurzer Wirkdauer (z. B. Remifentanil,
bus aufgesteckt) › Tab. 4.5) eingesetzt (Vorteil: Dämpfung des
• Spezieller Oropharyngealtubus (z. B. Airway- Hustenreflexes, dadurch Erleichterung der fiberop-
Tubus® oder Optosafe-Tubus, › Abb. 4.27) tischen Intubation; Cave: Bei zu hoher Dosierung
• Mainzer-Universaladapter® (› Abb. 4.27) kann Atemdepression und erhöhtes Aspirationsrisiko).
an alle Beatmungsmasken angeschlossen werden Ist eine fiberoptische Intubation bei einem wachen
• Gleitmittel und Antibeschlagmittel für Broncho Patienten geplant, so ist es nicht zwingend notwen-
skop dig, dass der Patient zur Intubation auf dem Rü-
• Spüllösung für Bronchoskop (z. B. Aqua dest.) cken liegt, vielmehr kann die fiberoptische Intuba-
• Lokalanästhetikum zur Anästhesie der Nasen- tion beim wachen Patienten auch in Oberkörper-
schleimhaut und des Rachenraums, z. B. Xylo- hochlage bzw. am sitzenden Patienten sowie in
cain-Gel 2 %® oder 10-prozentiges Xylocain- Seitenlage durchgeführt werden.
Pumpspray® (ein Sprühstoß = 10 mg). Die fi-
beroptische Intubation kann für den Patienten
sehr unangenehm sein, deshalb ist die ausrei- 4.7.3 Durchführung
chende Schleimhautanästhesie sehr wichtig
• Evtl. Sauerstoffsonde (bei fiberoptischer Intubati- Die fiberoptische Intubation kann sowohl am wa-
on des wachen Patienten). chen (spontan atmenden) als auch am narkotisierten
4.7 Fiberoptische Intubation 75
Patienten durchgeführt werden. In beiden Fällen mit Pflaster fixieren. Bronchoskop und Tubus
kann sie nasal oder oral erfolgen. mit anästhesierendem Gel bestreichen
Der wesentliche Vorteil der fiberoptischen Intu- • Linse des Bronchoskops mit Antibeschlagmittel
bation des wachen Patienten ist die erhaltene Spon- benetzen
tanatmung. Damit gibt es keine zeitliche Begren- • Intubations-Bronchoskop in den unteren Nasen-
zung für den eigentlichen Intubationsvorgang, da gang einführen und unter Sicht bis zur Epiglottis
der Patient währenddessen spontan atmet. Bei der vorschieben. Dort über Biopsiekanal Lokalanäs-
fiberoptischen Intubation des narkotisierten Patien- thetikum applizieren zur Lokalanästhesie der
ten dagegen kann die Intubationszeit – je nach ver- Epiglottis (dabei Absaugung abstellen bzw. ab-
wendeter Technik – begrenzt sein oder man kann klemmen)
kontinuierlich mit der Maske weiterbeatmen. Vor- • Wirkungseintritt des Lokalanästhetikums abwar-
aussetzung zur fiberoptischen Intubation eines wa- ten, dann Bronchoskop durch die Stimmritze
chen Patienten ist die Kooperation des Patienten; bei hindurch bis zur Bifurkation (Karina) vorschie-
der fiberoptischen Intubation des narkotisierten Pa- ben. Währenddessen wiederholte Gabe von Lo-
tienten ist dies nicht notwendig. kalanästhetika
• Injektion einer geringen Dosis eines Hypnoti- 4
kums (Spontanatmung soll erhalten bleiben)
Fiberoptische Intubation des wachen • Pflaster, mit dem der Tubus am Bronchoskop fi-
Patienten xiert ist, entfernen
• Sobald der Lidreflex erloschen ist, Tubus über
Bei der fiberoptischen Intubation des wachen Pa- das Bronchoskop in die Trachea einführen
tienten werden das Intubations-Bronchoskop und • Bronchoskopische Lagekontrolle des Tubus: Tu-
der Tubus i. d. R. nasal eingeführt. Die nasale fi- busspitze muss wenige Zentimeter oberhalb der
beroptische Intubation ist technisch einfacher als Bifurkation liegen
die orale fiberoptische Intubation. Zudem ist sie für • Cuff blocken, Intubations-Bronchoskop entfer-
den wachen Patienten angenehmer und die Gefahr nen, Konnektor anbringen und Respirator an-
einer Beschädigung des Bronchoskops ist geringer. schließen oder manuelle Beatmung durchführen
Prinzipiell kann die fiberoptische Intubation des wa- • Lunge auf seitengleiche Atemgeräusche abhören
chen Patienten jedoch auch oral erfolgen. • Tubus fixieren (› 9.4.4)
• Alternativ kann zuerst der Tubus über die Nase
Nasale fiberoptische Intubation des wachen bis in den hinteren Nasopharynx eingeführt wer-
Patienten den. Über den Tubus wird dann zunächst der Ra-
• Einbringen von Nasentropfen zur Schleimhaut- chenraum abgesaugt. Dann wird das Broncho
abschwellung und Verminderung der Sekretpro- skop eingeführt, durch den Kehlkopf in die Tra-
duktion (z. B. Nasivinetten®) in jedes Nasenloch chea vorgeschoben und der Tubus über das
• Geeignete Nasenseite feststellen (i. d. R. die Na- Bronchoskop hinweg in die Trachea eingeführt.
senseite, die besser durchgängig scheint). In an- Vorteile dieser Methode: Die Optik des Broncho
dere Nasenseite O2-Sonde einführen und Sauer- skops kann nicht durch Nasensekret verlegt wer-
stoff verabreichen (Sauerstoffflow nach Arztan- den und die Weite der Nasengänge ist besser be-
ordnung) urteilbar. Nachteilig ist die erhöhte Verletzungs-
• Lokalanästhesie der Nasenschleimhaut mit z. B. gefahr.
einem Sprühstoß Lidocain 10 % in jedes Nasen-
loch Orale fiberoptische Intubation des wachen
• Gegebenenfalls Gabe geringer Mengen eines Patienten
Hypnotikums oder geringe Analgosedierung, z. B. Die orale fiberoptische Intubation des wachen Pa-
mit Remifentanil nach Arztanordnung tienten hat den Vorteil, dass größere Endotracheal-
• Tubus auf das Intubations-Bronchoskop auffä- tuben verwendet werden können. Der Ablauf ist
deln und am äußeren Ende des Bronchoskops ähnlich dem der nasalen fiberoptischen Intubation
76 4 Endotracheale Intubation
gen“ Patienten Intubationsschwierigkeiten auf, wird Ziel des Vorgehens bei der unerwartet schwierigen Intu-
i. d. R. nach einem festgelegten Schema (Algorith- bation ist die Aufrechterhaltung einer ausreichen-
mus) vorgegangen, um die Sauerstoffversorgung des den Oxygenierung (nicht die Intubation)!
Patienten aufrechtzuerhalten. Entscheidend ist da-
bei, ob eine Maskenbeatmung möglich ist oder Inzwischen haben einige Länder Leitlinien zum Air-
nicht (› 3.2.3): way Management veröffentlicht (USA 1993 – Update
• Ist eine Maskenbeatmung möglich, kann die In- 2004). Für Deutschland bietet die Leitlinie der Deut-
tubation erneut versucht werden, nachdem die schen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv-
Narkosetiefe optimiert wurde. Gegebenenfalls zu medizin (DGAI) eine gute Orientierung für das syste-
erneuten Intubationsversuchen Hilfe herbeirufen matische Vorgehen. Die Empfehlungen der ASA und
(lassen). Dabei können dann verschiedene Intu- DGAI unterscheiden sich nur geringfügig. Schwer-
bationshilfsmittel (z. B. spezielle Laryngoskop- punkte der Empfehlungen sind (› Abb. 4.29):
spatel › 4.2.1 oder Führungshilfen › 4.4.1) • Neben einer assistierenden Person sollte ein wei-
oder Handgriffe (z. B. Krikoiddruck › 4.6.1) terer Arzt/Assistent zumindest in Rufweite sein
eingesetzt werden. Gelingt die Intubation auch • Zusätzliche Hilfsmittel zur Oxygenierung (LMA,
4 damit nicht, kann eine fiberoptische Intubation Larynxtubus, Combitubus, Wendl-Tubus, Sauer-
über Maske oder Intubations-Larynxmaske vor- stoffsonde, Jet-Ventilation, Sauerstoffmaske) sol-
genommen werden (› 4.7). Wichtig: len in Griffweite sein
– Sauerstoffsättigung während der Maßnahmen • Jede Anästhesieabteilung sollte einen Algorith-
permanent kontrollieren und Patienten zwi- mus zum Management des schwierigen Atem-
schen den einzelnen Intubationsversuchen wegs und zur Extubation haben. Die im Algorith-
über Gesichts- bzw. Larynxmaske beatmen, mus implementierten Techniken müssen trai-
um ausreichende Oxygenierung sicherzustel- niert werden
len. • Jede Anästhesieabteilung, Notaufnahme oder In-
– Traumatische Intubationsversuche unbedingt tensivstation sollte über ein portables System
vermeiden! Diese könnten Schleimhautschwel- zum Management des schwierigen Atemwegs
lungen, Verletzungen und/oder Blutungen ver- verfügen, in welchem ausreichende Alternativ-
ursachen, die dann ihrerseits die Maskenbeat- und Notfallinstrumente vorgehalten werden
mung erschweren oder unmöglich machen, (Notfallwagen schwierige Intubation › 4.8.2)
d. h. der Patient kann dann weder über Maske • Vorgehensweise und Probleme sind zu doku-
beatmet noch intubiert werden (can't ventilate, mentieren
can't intubate-Situation). • Der Patient muss nach der Intervention infor-
• Ist eine Maskenbeatmung nicht möglich, darf miert werden (Gespräch und Ausstellen eines
der Patient auch nicht relaxiert werden. Mittels Anästhesieausweises).
Guedeltubus wird der Arzt versuchen, eine Mas-
kenbeatmung doch noch zu ermöglichen. Ist
trotz Guedeltubus eine Maskenbeatmung nicht 4.8.2 Hilfsmittel zur Sicherung der
möglich, kann versucht werden, den Patienten Atemwege bei schwieriger
über eine Larynxmaske zu beatmen. Gelingt dies, Intubation
kann evtl. eine fiberoptische Intubation über die
Larynxmaske vorgenommen werden. Gelingt Notfallwagen schwierige Intubation
auch dies nicht, sind der Einsatz eines Combi-
Insbesondere bei der unerwartet schwierigen Intubation
Tubus oder eines Larynxtubus (siehe unten)
werden oft rasch hintereinander verschiedene Hilfsmittel
möglich. Alternativ kann eine orale fiberoptische benötigt, die nicht Bestandteil der Standardvorbereitung
Intubation versucht werden (falls Material sofort einer Intubation sind (› 4.5.1). Um im Bedarfsfall nicht
verfügbar). Ultima Ratio (letzte Möglichkeit) ist unnötig Zeit zu verlieren, sollte auf der Intensivstation ein
die Koniotomie (› 5.4.1) oder die Notfalltra- Notfallwagen bereitstehen, der alle eventuell benötigten
cheotomie.
Algorithmus „Schwierige Atemwege“
1. Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und der klinischen Bedeutung grundlegender Probleme
a) schwierige Intubation
b) schwierige Beatmung
c) schwierige Kooperation mit
c)
Erhalt der Spontanatmung gegen Verzicht auf Spontanatmung
1 Bestätigung der Intubation durch Bestimmung des endexspiratori- 4 siehe wache Intubation
schen CO2 5 Möglichkeiten der notfallmäßigen nichtchirurgischen Atemwegs-
2 andere Möglichkeiten beinhalten (sind jedoch nicht beschränkt auf): sicherung beinhalten (sind jedoch nicht beschränkt auf):
Operation unter Lokal- oder Regionalanästhesie, Intubationsversu- Transtracheale Jet-Ventilation, Beatmung mit der Larynxmaske,
che nach Einleitung der Allgemeinanästhesie Beatmung mit dem Combitubus
3 alternative Verfahren zur schwierigen Intubation beinhalten (sind 6 Möglichkeiten zur Erzielung einer definitiven Atemwegssicherung
jedoch nicht beschränkt auf): Einsatz verschiedener Laryngoskop- beinhalten (sind jedoch nicht beschränkt auf): Rückkehr zum
spatel, wache Intubation, blind-orale oder -nasale Intubation, wachen Bewusstseinzustand mit Spontanatmung, Tracheotomie,
fiberoptische Intubation, Führungsdrähte, Transilluminationstechnik, endotracheale Intubation
retrograde Intubation, chirurgischer Atemwegszugang
Abb. 4.29 Algorithmus „Schwieriger Atemweg“ (deutsche Übersetzung des ASA Task Force Algorithmus „Difficult airway“).
[F653]
80 4 Endotracheale Intubation
Hilfsmittel für eine schwierige Intubation enthält. Da- Tab. 4.6 Verschiedene Größen von Larynxmasken.
zu gehören i. d. R. (Zusammensetzung kann klinikspezi- Größe der Gewicht des Cuffvolu- Länge (cm)
fisch variieren): Larynx Patienten (kg) men (ml)
• Überlange Laryngoskopspatel maske
• Alternative Laryngoskope, z. B. McCoy® oder Bullard-
1 < 6,5 2–5 10
Laryngoskop® (› 4.2.2 und › 4.2.3)
• Führungsstäbe, Bougies (Führungsstäbe, die eine Er- 2 6,5–20 7–10 11,5
weiterung/Aufdehnung des Atemwegs ermöglichen), 2,5 20–30 12–15 12,5
Tubuswechsler (› 4.4.1) 3 30–70 15–20 19
• Zungen-Fasszange
• Verschieden große Larynxmasken und Intubations-La- 4 70–90 25–30 19
rynxmasken 5 > 90 35–40 20
• Mainzer-Universaladapter, Optosafe-Tubus, geschlitz-
ter Guedeltubus (› Abb. 4.27)
• Combi-Tuben (siehe unten) • Der große Cuff macht die Kehlkopfpassage un-
• Larynxtubus möglich, damit ist auch eine einseitige Intubation
• Material zur fiberoptischen Intubation einschließlich praktisch ausgeschlossen
4 Intubations-Bronchsokop (› 4.7) • Guter Sitz auch bei älteren zahnlosen Patienten
• Instrumentarium für die Jet-Ventilation (sofern ent- oder Kindern.
sprechendes Gerät vorhanden; › 6.3.10 Hochfre- Larynxmasken gibt es in verschiedenen Größen.
quenzbeatmung)
• Koniotomie-Sets (› 5.4.1)
Entscheidend für die Auswahl ist das Körpergewicht
• Skalpelle des Patienten. Die Luftmenge zum Blocken des Cuffs
• Material zur Transilluminationstechnik (siehe unten). hängt von der Größe der Larynxmaske ab. › Tab.
4.6 zeigt die gängigen Größen von Larynxmasken
sowie die entsprechenden Patientengruppen. Wegen
Viele der im Folgenden beschriebenen Hilfsmittel der im Vergleich zur Intubation relativ hohen Cuff-
gehören zu den supraglottischen Atemwegshilfen, volumina wird zum Blocken des Cuffs eine 10–
d. h. sie passieren die Stimmritze nicht, sondern en- 50 ml-Spritze verwendet.
den oberhalb der Glottis (Kehldeckel). Vor dem Einführen der Larynxmaske wird der
Cuff auf Dichtigkeit geprüft und entlüftet.
Unmittelbar nach dem Einführen (vor dem Fixie-
Larynxmaske ren) wird der Cuff geblockt. Durch das Blocken posi-
tioniert sich die Larynxmaske i. d. R. selbstständig in
Ist bei schwieriger Intubation eine Maskenbeat- die korrekte Lage um den Kehlkopfeingang (schwar-
mung nicht möglich, kann versucht werden, den Pa- zer Streifen an der konvexen Seite der Larynxmaske
tienten zur Überbrückung mit einer Larynxmaske sollte nach Einführen und Positionieren gegenüber
(Kehlkopfmaske) zu beatmen. der Oberlippe sichtbar sein). Wichtig: Während des
Standard-Larynxmasken (SLMA) bestehen aus Blockens die Larynxmaske nicht mit den Händen fi-
einem flexiblen Schaft (vergleichbar einem Endotra- xieren – dies behindert die korrekte Positionierung.
chealtubus) an dessen äußerem (oberen) Ende sich Die LMA-ProSeal™ (› Abb. 4.30) ist eine Wei-
ein Norm-Konnektor befindet. Das untere Ende geht terentwicklung der Standard-Larnynxmaske, die die
in eine ovale Maske mit aufblasbarem Randwulst Gefahr einer Mageninsufflation und Aspiration mi-
(Cuff der Larynxmaske) über, der bei korrekter Lage nimieren soll. Ihr Cuff ist etwas erweitert (dadurch
die Larynxmaske gegen Rachen und Ösophagus ab- verbesserte Abdichtung zum Pharynx hin) und ne-
dichtet. ben dem Beatmungstubus ist ein weiterer Tubus in-
Die Larynxmaske bietet folgende Vorteile: tegriert, der in der Maskenspitze endet. Über diesen
• Kann rasch eingeführt und korrekt positioniert Tubus kann der Magen abgesaugt und die korrekte
werden Maskenlage (fiberoptisch) gesichert werden.
• Keine Passage der Stimmritze, Stimmbänder Alternativ zur herkömmlichen Larynxmaske
werden geschont kann bei einer schwierigen Intubation auch die
4.8 Die schwierige Intubation 81
Abb. 4.30 Die LMA-ProSeal ist eine Weiterentwicklung der Abb. 4.31 Intubations-Larynxmaske LMA-Fastrach® mit ein-
Standard-Larynxmaske. [V346] geführtem Endotrachealtubus. [V346]
Abb. 4.33 Combi-Tubus. Mitte: Nach dem blinden Einführen liegt der Tubus i. d. R. im Ösophagus. Dann wird über das Lumen mit
den pharyngealen Öffnungen beatmet. Liegt der Tubus in der Trachea, wird über das unten offene Lumen beatmet. [L157]
4.8 Die schwierige Intubation 83
Liegt der Combi-Tubus im Ösophagus, ist ein endotrache- kultation von Lunge und Magengrube, Kapnometrie
ales Absaugen über den Tubus nicht möglich! › 4.6.1).
Der Larynxtubus eignet sich besonders gut dafür,
in Notfallsituationen rasch eine suffiziente Beat-
mung und damit eine ausreichende Sauerstoffver-
Larynxtubus sorgung sicherzustellen. In Kombination mit einer
Magensonde ist auch ein effektiver Aspirations-
Der Larynxtubus (LT, › Abb. 4.34) ist ein am dis- schutz möglich.
talen Ende verschlossener Ein-Lumen-Tubus mit Eine Weiterentwicklung des Larynxtubus ist der
zwei Cuffs (ähnlich dem Combi-Tubus). Der untere Larynxtubus Suction (LTS, › Abb. 4.34), der zu-
(distale) Cuff dichtet den Ösophagus ab, der obere sätzlich über einen Drainagekanal verfügt, über den
(proximale) Cuff den Rachenraum. Zwischen den eine Magensonde in den Magen eingeführt werden
beiden Cuffs liegt die Öffnung für die Beatmung. Der kann. Dies ist insbesondere relevant bei nicht nüch-
Larynxtubus ist in 6 Größen erhältlich (jeweils farb- ternen Patienten. Der Larynxtubus Suction ist in
kodierter Konnektor, z. B. transparent für Neugebo- drei Größen für Erwachsene erhältlich.
rene und violett für große Erwachsene). Die beilie- 4
gende Blockerspritze ist ebenfalls mit Farbmarkie-
rungen versehen, um ein Befüllen der Cuffs mit der Transilluminationstechnik
korrekten Luftmenge zu gewährleisten.
Der Larynxtubus wird blind eingeführt. Als Hilfe Bei der Transilluminationstechnik wird der Tubus
zur Positionierung sind am proximalen Tubusende blind oral oder nasal über einen speziellen Einfüh-
3 Markierungen angebracht. Nach dem Einführen rungsmandrin mit beleuchteter Spitze (gebräuchlich
werden beide Cuffs über eine gemeinsame Zuleitung ist derzeit das Trachlight®) eingeführt.
geblockt. Die Tubuslagekontrolle erfolgt ähnlich wie Das Trachlight® ist ein in der Länge veränderba-
bei der endotrachealen Intubation (Inspektion, Aus- rer kunststoffummantelter Führungsstab (Füh-
rungsdraht oder -stilett), dessen innere Metallfüh-
rung herausnehmbar ist. An der Spitze befindet sich
die batteriebetriebene Lichtquelle, am oberen Ende
ein Handgriff mit Klemmvorrichtung für den Tubus
und eine Warnleuchte, die bei zu langer Intuba
tionsdauer (> 30 Sek.) aufleuchtet. Der Tubus wird
so auf das Trachlight® aufgefädelt, dass die Spitze
des Trachlight® bündig mit dem Tubus abschließt
bzw. maximal 1–2 cm aus dem Tubus herausragt
(dann Spitze des Trachlight® in Hockeyschlägerform
biegen).
Der leuchtende Führungsstab wird (möglichst bei
dunkler Umgebung) durch den Mund blind in Rich-
tung Larynx bis zur Stimmbandebene vorgescho-
ben. Ist das Licht in diesem Bereich von außen sicht-
bar (sog. „Transillumination“ der Halshaut), kann
der Tubus über das Trachlight® in die Trachea vor-
geschoben und der Führungsstab zurückgezogen
werden. Wenn kein oder nur ein geringer Leuchtef-
fekt zu sehen ist, befindet sich die Spitze des Trach-
Abb. 4.34 Larynxtubus (LT) und Larynxtubus Suction (LTS).
Beide Tuben enden blind, zwischen den beiden Cuffs befindet light® im Ösophagus.
sich die Öffnung für die Beatmung. Der LTS verfügt zusätzlich Die Vorteile der Transilluminationstechnik sind
über einen Drainagekanal zur Entlastung des Magens. [V348] eine kurze Intubationszeit bei relativ geringem tech-
84 4 Endotracheale Intubation
nischem Aufwand, nur geringe vegetative Begleitre- (können vor der Intubation über das Intubationstra-
aktionen und das Vermeiden von Zahnschäden auch cheoskop entfernt werden), Narben und Abszesse
unter extrem schwierigen Intubationsbedingungen. im Kehlkopfbereich. Diese Veränderungen stellen
Zudem ist die Technik relativ einfach erlernbar. für flexible Instrumente oft ein unüberwindliches
Aufgrund dieser Vorteile hat sich die Transillumina- Intubationshindernis dar. Mit dem Notrohr ist eine
tionstechnik in manchen Kliniken als Alternative zu deutlich höhere Kraftübertragung zur Überwindung
anderen Reservemethoden (z. B. McCoy®-Spatel, fi- der behindernden Ursache möglich.
beroptisches Bronchoskop, Larynxmaske) durchge-
setzt.
Kontraindiziert ist die Technik bei Adipositas,
ausgeprägter Struma und stark eingeschränkter 4.9 Umintubation
HWS-Beweglichkeit. Der Nutzen der Transillumi-
nationstechnik für den Fall einer unerwartet schwie-
rigen Intubation ist nicht abschließend geklärt. Eine notfallmäßige Umintubation (Tubuswechsel)
kann notwendig werden bei:
4 • Verlegung des Tubuslumens, die nicht rasch an-
Intubationstracheoskop derweitig behoben werden kann, z. B. durch
Bronchiallavage (› 9.7.4)
Das Intubationstracheoskop (im klinischen Alltag • Defektem Cuff.
auch Notrohr genannt) ist eine Kombination aus La- Eine geplante Umintubation ist erforderlich, wenn
ryngoskop und starrem Bronchoskop, das bei bei einem langzeitbeatmeten Patienten ein oraler
schwieriger Intubation zum Darstellen des Kehl- Tubus mit Hochdruckcuff (häufig in der Anästhesie
kopfeingangs eingesetzt werden kann. Der Hauptteil verwendet) gegen einen Tubus mit Niederdruckcuff
des Instruments ist ein starres Rohr, an dessen Ende oder ein Tubus mit geringem Innendurchmesser ge-
sich ein Handgriff mit Batterien und eine Glühbirne gen einen mit größerem Innendurchmesser ausge-
befinden (wie beim konventionellen Laryngoskop), wechselt werden soll. Weiter ist eine geplante Umin-
die den Intubationsweg ausleuchtet. Über einen tubation notwendig, wenn von der oralen auf die
Schlauchansatz besteht die Möglichkeit, das Intuba- nasale Intubation übergegangen werden soll (um-
tionstracheoskop an einen Beatmungsbeutel oder in stritten wegen des Risikos einer beatmungsassozi-
der Anästhesie an ein Kreisteil anzuschließen. ierten Pneumonie › 6.7) oder wenn bei nasaler In-
Voraussetzungen für die Anwendung des Intu- tubation wegen entstandener Druckulzera im Na-
bationstracheoskops sind: senbereich die Nasenseite, durch die der Tubus ein-
• Die HWS kann bzw. darf stark überstreckt werden geführt ist, gewechselt werden soll.
• Die Mundöffnung ist ausreichend
• Mundhöhle und Oropharynx sind passierbar.
Bei Verwendung des Intubationstracheoskops führt 4.9.1 Vorbereitung
der Arzt zunächst ein Laryngoskop ein und belässt
es. Dann wird der Kopf des Patienten extrem über- Die Vorbereitung entspricht der zur konventionel-
streckt, das Notrohr bis zum Kehlkopfeingang vorge- len oralen bzw. nasalen Intubation (› 4.6.1 und
schoben und dort um 90° gedreht, um Verletzungen › 4.6.2). Evtl. wird ein Tubuswechsler verwendet
durch die abgeschrägte Spitze zu vermeiden. Danach (› Abb. 4.35). Dabei handelt es sich um einen ca.
schiebt der Arzt das Notrohr durch die Stimmritze in 80 cm langen dünnen Katheter, über den der Tubus
die Trachea vor, führt über das Notrohr einen elasti- in Seldinger-Technik gewechselt werden kann, d. h.
schen Bougie ein, entfernt das Notrohr und führt der Tubuswechsler dient als Führungsschiene und
den Endotrachealtubus über den Bougie ein. stellt sicher, dass während des Tubusaustauschs der
Indikationen für den Einsatz des Intubationstra- Zugang zur Trachea gesichert bleibt. Über den Tu-
cheoskops sind Tumore in Oropharynx, Zungen- buswechsler kann Sauerstoff verabreicht und mit
grund und Kehlkopf, große aspirierte Fremdkörper dem Beatmungsbeutel beatmet werden. Tubus-
4.10 Intubation des nicht nüchternen Patienten 85
Abb. 4.35 Spitze (oben) und äußeres Ende des insgesamt 83 cm langen Tubuswechslers RAI (Firma VBM-medical). Der angebrach-
te 15 mm ISO-Konnektor kann an den Beatmungsbeutel oder die Beatmungsschläuche angeschlossen werden. Alternativ kann über
den Luer-Lock-Konnektor (rechts unten) ein Jet-Ventilator angeschlossen werden. [V348]
wechsler gibt es in verschiedenen Größen für die un- oral/nasale Umintubation vornehmen wie
terschiedlich dicken Endotrachealtuben. oben beschrieben.
Bei liegender Magensonde wird das Magensekret • Cuff blocken und Patienten beatmen (manuell
vor der Umintubation in einen Sekretbeutel abgelei- oder mit Respirator)
tet oder abgesaugt. Auf Arztanordnung entfernen • Kontrolle der Tubuslage vornehmen (› 4.6.1)
die Pflegenden die Magensonde unmittelbar vor der • Tubus fixieren
Umintubation, da eine liegende Magensonde als • Patient an Respirator anschließen (falls zuvor 4
Leitschiene für Sekret aus dem Magen dienen kann manuell beatmet)
und damit die Aspirationsgefahr während der Um- • Umintubation dokumentieren (Tubusart und
intubation erhöht. -größe, Intubationstiefe, Cuffdruck).
4.9.2 Durchführung
4.10 Intubation des nicht
• Patient informieren und für 5–10 Minuten prä- nüchternen Patienten
oxygenieren (mit 100 % Sauerstoff beatmen)
• Auf Arztanordnung Verabreichen eines Hypnoti-
kums und evtl. eines Muskelrelaxans Als nicht nüchtern im anästhesiologischen Sinn gel-
• Mund-Rachen-Raum absaugen und endotrachea- ten:
le Absaugung vornehmen • Patienten, die in den zurückliegenden 6–8 Stun-
• Tubuswechsel: den gegessen, getrunken oder geraucht haben
– Oral → oral: Mit Laryngoskop Kehlkopf ein- • Patienten mit Blutungen des oberen Gastrointes-
stellen (Arzt), neuen Tubus anreichen, alten tinaltrakts (z. B. Ösophagusvarizenblutung)
Tubus entblocken und entfernen (Pflegende), • Patienten mit Erkrankungen, die mit einer er-
neuen Tubus einführen (Arzt). höhten Nüchternsekretion oder einer verlänger-
– Oral → nasal: Nasalen Tubus und Nasenschleim- ten Entleerungszeit des Magens einhergehen
haut vorbereiten wie bei nasaler Intubation (z. B. Ileus oder Magenausgangsstenose)
(› 4.6.2), nasalen Tubus in einen Nasengang • Patienten, die nach einem Unfall erstversorgt
einführen und in den Hypopharynx vorschieben werden
(Arzt), Laryngoskop anreichen (Pflegende), La- • Schwangere im letzten Trimenon.
rynx einstellen (Arzt), Intubationszange anrei-
chen, alten Tubus entblocken und entfernen
Wird ein nicht nüchterner Patient intubiert, besteht die
(Pflegende), Tubus unter Sicht mithilfe der Intu- Gefahr, dass es während des Intubationsvorgangs zur
bationszange vorschieben (Arzt). Regurgitation (Zurückfließen) und Aspiration von
– Nasal → nasal: Wegen der räumlichen Enge Mageninhalt kommt. Um dies zu verhindern, ist beim
im Bereich der hinteren Nasenöffnung meist nicht nüchternen Patienten ein spezielles Vorgehen bei
zuerst Umintubation von nasal auf oral (La- der Intubation erforderlich. Dazu gehören besondere
rynx einstellen, nasalen Tubus entblocken und Maßnahmen bei der Vorbereitung und der Durchführung
der Intubation.
entfernen, oralen Tubus einführen) und dann
86 4 Endotracheale Intubation
müssen daher Beatmungsfilter oder Befeuchtungs- und nach der Extubation durch Heiserkeit bis hin
Erwärmungsgeräte eingesetzt werden, welche die Atem- zum Flüstern.
luft erwärmen und befeuchten (Atemgasklimatisierung • Perforation von Pharynx, Ösophagus oder Tra-
› 6.6). chea. Diese Komplikation tritt sehr selten und
meist im Zusammenhang mit einer schwierigen
Bei den Komplikationen durch die endotracheale In- Intubation auf. Frühe Symptome sind ein subku-
tubation werden Frühkomplikationen (sofort auf- tanes Emphysem oder ein Pneumothorax
tretende Komplikationen durch den Intubationsvor- (› 2.3.4).
gang) von Spätkomplikationen unterschieden, die • Intubation des Ösophagus (Fehlintubation). Der
erst im Verlauf der Beatmungstherapie auftreten. Tubus liegt nicht in der Trachea sondern im Öso-
Die Komplikationen, die beim Intubationsvor- phagus. Es sind keine Thoraxbewegungen zu se-
gang entstehen, sind in aller Regel gravierender als hen, über der Lunge sind i. d. R. keine Atemge-
die, deren Ursache die Intubationsdauer ist (Mazen, räusche auskultierbar, das Kapnogramm zeigt
2003). keine CO2-Abatmung. Der Patient zeigt mehr
oder weniger rasch die Zeichen einer Hypoxämie;
über dem Epigastrium ist ein blubberndes Ge- 4
4.11.1 Frühkomplikationen räusch auskultierbar. Gefahr: Aufblähen des Ma-
gens, Regurgitation von Magensekret und Aspi-
Zu den frühen Komplikationen der endotrachealen ration. Vorgehen: Entweder geblockten Tubus als
Intubation gehören: Aspirationsschutz im Ösophagus liegen lassen
• Erfolglose Intubation (d. h. die Intubation ge- und mit zweitem Tubus erneuten Intubationsver-
lingt nicht), z. B. wegen ausgeprägten anatomi- such unternehmen oder Tubus entfernen, Patien-
schen Veränderungen. Vorgehen bei schwieriger ten nochmals präoxygenieren und erneut intu-
Intubation › 4.8.1 und › Abb. 4.29. bieren. Nach gelungener Intubation Magensonde
• Larynx lässt sich nicht einstellen. Lagerung des legen, um den Magen zu entlasten.
Kopfs überprüfen und ggf. korrigieren (kann zu • Einseitige Intubation (Tubusspitze liegt in ei-
stark überstreckt oder zu flach gelagert sein). La- nem Hauptbronchus, bei Erwachsenen meist im
ge des Laryngoskops überprüfen (kann nicht weit rechten Hauptbronchus). Folge: Einseitig abge-
genug oder zu weit eingeführt sein), ggf. längeren schwächtes oder aufgehobenes Atemgeräusch.
oder kürzeren Spatel verwenden. Vorgehen: Tubus entblocken, etwas zurückziehen
• Beschädigung der Zähne (ab- oder ausbre- und erneut blocken. Danach abermalige Kontrol-
chen). Um dies zu verhindern, Zug auf das La- le der Tubuslage.
ryngoskop immer nur in Richtung des Hand- • Tubus liegt nicht tief genug (wurde nicht tief ge-
griffs, niemals „hebeln“. Bei erfolgten Zahnschä- nug eingeführt oder ist etwas herausgerutscht).
den umgehend den ausgebrochenen Zahn bzw. Häufig liegt der Cuff in der Stimmritze und zum
das abgebrochene Zahnstück entfernen, um zu Abdichten ist ein hoher Cuffdruck notwendig
verhindern, dass es aspiriert wird. Vollständig oder das Abdichten gelingt trotz hohem Cuff-
oder partiell luxierte Zähne sollten schnellst- druck nicht. Gefahr: Schädigung der Stimmbän-
möglich reimplantiert werden (vollständig lu- der. Vorgehen: Intubationstiefe prüfen (Zentime-
xierte Zähne in physiologischer Kochsalzlösung ter-Markierung in Höhe der Zahnreihe), Tubus
aufbewahren). entblocken, etwas vorschieben und erneut blo-
• Verletzungen der Mund- oder Nasenschleim- cken (ggf. zuvor Rachenraum absaugen). Danach
haut, selten auch der Rachenmandeln, evtl. mit Tubuslagekontrolle mit Laryngoskop.
(massiven) Blutungen oder Ödembildung. • Aspiration von Mageninhalt. Gefahr: Verlegung
• Aryknorpelluxation (Luxation der pyramiden- der Atemwege wenn festes bzw. dickflüssiges Se-
förmigen, dem Ringknorpel aufsitzenden Stell- kret aspiriert wird, Mendelson-Syndrom (akutes
knorpel, an denen die Stimmbänder befestigt toxisches Lungenödem) wenn saurer Magensaft
sind). Diese seltene Komplikation zeigt sich erst (pH < 2,5) aspiriert wird. Symptome: Rasselge-
88 4 Endotracheale Intubation
4.11.2 Spätkomplikationen 4.12 Extubation
Zu den Spätkomplikationen (Langzeitschäden) der
endotrachealen Intubation gehören: Wie bei der Intubation so arbeiten auch bei der Ex-
• Ulzerationen der Trachealschleimhaut, Druck- tubation Pflegende und Arzt „Hand in Hand“. Der
nekrosen von Trachealknorpeln (evtl. mit Tra- Arzt legt fest, wann der Patient extubiert wird.
chealstenosen oder Tracheomalazie) insbesonde-
re durch zu hohen Cuffdruck. Wichtig ist es des-
halb, den Cuffdruck regelmäßig zu kontrollieren 4.12.1 Voraussetzungen zur
und unter 25 cmH2O zu halten (› 9.4.1). Extubation
• Stimmbandschäden können von vorübergehen-
der Heiserkeit bis hin zu Stimmbandlähmungen Die Extubation des Patienten nach einer Beatmungs-
(Rekurrensparese) reichen. Mögliche Ursachen therapie ist möglich, wenn diese Kriterien erfüllt sind:
sind Druck auf den N. recurrens durch ungeeig- • Die Spontanatmung des Patienten ist ausrei-
neten Tubus oder zu starke Blockung bei vermin- chend:
derter Elastizität der Trachea oder Überdehnung – Atemfrequenz (< 35/Min.) und Atemzugvolu-
des N. recurrens beim Überstrecken des Kopfes men (> 5 ml/kg KG)
zur Intubation. – PEEP-Bedarf < 9 mmHg
• Bei nasaler Intubation Mittelohrentzündung • Die Blutgaswerte liegen im Normbereich (bei
durch Verlegung der Ohrtrompete (Tuba Eusta- Raumluftatmung bzw. geringem FiO2). Ausnah-
chii) oder Sinusitis. me: Bei bestehender Lungenerkrankung werden
4.12 Extubation 89
auch schlechtere Werte akzeptiert (richtungwei- zu Klinik und oft auch von Fall zu Fall unterschied-
send sind hier die Ausgangswerte des Patienten) lich. War die Intubation des Patienten zuvor schwie-
– paO2 > 60 mmHg (bei FIO2 < 0,4) rig, werden auch die entsprechenden Materialien,
– paCO2 < 50 mmHg etwa besondere Spatel, Tubuswechsler oder ein In-
• Die Herz-Kreislauf-Verhältnisse sind stabil tubations-Fiberoskop bereitgehalten und erfahrenes
• Die Körpertemperatur liegt im Normbereich Fachpersonal hinzugezogen.
(kein hohes Fieber und keine Untertemperatur)
• Die Schutzreflexe (insbesondere Husten- und Vorbereitung der Materialien
Schluckreflex) sind vorhanden Die Pflegenden legen folgende Materialien bereit
• Der Patient verfügt über ausreichende Muskel- und prüfen ggf. deren Funktionsfähigkeit:
kraft (kann z. B. Augen öffnen, Kopf heben, Hand • Material und Medikamente zur Intubation
drücken) (› 4.4.3 und › 4.5.1), ggf. zusätzliches Mate
• Keine massiven Schwellungen oder Blutungen im rial wenn die Intubation zuvor schwierig war
Bereich der Atemwege (möglichst Intubationswagen mit Zubehör für
• Kontinuierliches Monitoring und engmaschige schwierige Intubation)
Überwachung durch die Pflegenden in der Zeit • Absauggerät und verschieden dicke Absaugka- 4
nach der Extubation ist gewährleistet. theter
Die genannten Kriterien gelten vor allem für Patien- • Sterile und unsterile Einmalhandschuhe
ten, die nach der Extubation spontan atmen sollen • Sauerstoffmaske, ggf. mit Reservoirbeutel, Sauer-
(z. B. nach einer Intubationsnarkose). Beatmete Pa- stoffsonde
tienten auf der Intensivstation können i. d. R. im • Einmalspritze zum Entblocken des Cuffs
weiteren Verlauf nichtinvasiv beatmet werden, da- • Zellstofftücher o. Ä.
her ist die Extubation wesentlich früher möglich,
d. h. die genannten Kriterien müssen nicht vollstän- Vorbereitung des Patienten
dig erfüllt sein (Voraussetzungen zur nichtinvasiven Der Arzt oder die Pflegenden informieren den Pati-
Beatmung › 6.4.1). enten über die bevorstehende Extubation. In der
Zeit vor der Extubation (4–6 Stunden) wird die ente-
Grundsätzlich gilt: Die Extubation erfolgt zum frü- rale Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr (z. B. Son-
hestmöglichen Zeitpunkt! dennahrung) eingestellt. Zur Extubation lagern die
Wird die Extubation zu lange hinausgezögert, steigt Pflegenden den Patienten wenn möglich auf den Rü-
mit jedem Beatmungstag das Risiko einer Beatmungs- cken in Oberkörperhochlage. Liegt beim Patienten
pneumonie (› 6.7.1; [Holfelder et al., 2009]). Eine zu
eine Magensonde, wird ein Sekretbeutel angeschlos-
frühe Extubation, die eine Reintubation erforderlich
macht, verschlechtert das Outcome des Patienten erheb- sen, sodass der Mageninhalt ablaufen kann. Gegebe-
lich; die Mortalität steigt um 30–40 %. nenfalls wird der Mageninhalt abgesaugt.
Grundsätzlich ist ein standardisierter Ablauf der Beat-
mungsentwöhnung empfehlenswert (Weaning, › 6.11,
ggf. mit Spontanatemversuch), dessen Verlauf im 4.12.3 Durchführen der Extubation
Weaningprotokoll ersichtlich ist.
• Patienten ggf. präoxygenieren (100 % Sauerstoff
für 5–10 Minuten)
4.12.2 Vorbereitung • Mund und Rachen gründlich absaugen, ggf. auch
Magensekret über liegende Magensonde absau-
Die Extubation des zuvor beatmeten Patienten er- gen, ggf. Magensonde entfernen
folgt immer in Reintubationsbereitschaft, d. h. die • Tubusfixierung lösen (Pflaster ggf. mit Wasser
Pflegenden legen die Materialien zur oralen/nasalen oder Hautdesinfektionsmittel aufweichen)
Intubation bereit. Ob dabei ein Tubus vorbereitet • Tubus von den Beatmungsschläuchen diskon-
(mit Gleitgel versehen und Cuff auf Dichtigkeit ge- nektieren (falls noch angeschlossen)
prüft) oder lediglich bereitgelegt wird, ist von Klinik • Endotracheal absaugen (› 9.7.2)
90 4 Endotracheale Intubation
• Erfolgt die erste Mobilisation des zuvor beatme- Unmittelbar nach der Extubation soll der Patient seine
ten Patienten erst nach der Extubation, bespre- Stimmbänder schonen und wenig sprechen, obwohl
chen die Pflegenden mit dem Arzt, ob und wann dies oft im Gegensatz zur berechtigten Freude des Pati-
der Patient mobilisiert werden darf. Insbesondere enten steht, wieder sprechen zu können. Bleiben über
Tage Störungen der Phonation (z. B. Heiserkeit) oder
bei (frisch)operierten Patienten sind bei der Mo-
Schluckstörungen bestehen, wird der Arzt ein HNO-Kon-
bilisation evtl. besondere Maßnahmen erforder- sil veranlassen, um die Ursache und eine mögliche Thera-
lich, etwa wenn der Patient nach Hüft- oder pie zu klären.
Kniegelenkoperationen ein Bein nicht belasten
darf oder wegen Gefäßoperationen die Hüfte
nicht abknicken soll. Bei der ersten Mobilisation
achten die Pflegenden darauf, den Patienten Dokumentation
nicht zu überfordern, d. h. sie helfen dem Patien-
ten zunächst, sich an den Bettrand zu setzen. Ist In der Patientenkurve dokumentieren die Pflegen-
dies ohne (Kreislauf-)Probleme möglich, kann den:
der Patient kurz aufstehen, sich dann evtl. auf ei- • Zeitpunkt der Extubation
nen bereitgestellten Stuhl setzen oder einige • Art und Menge der Sauerstoffverabreichung 4
Schritte umhergehen. Wie viel der Patient bei der • Befinden des Patienten.
ersten Mobilisation „schafft“, ist immer auch von
der Dauer der vorangegangenen Beatmungsthe-
rapie abhängig. Nach einer Langzeitbeatmung 4.12.5 Schwierigkeiten bei der
sind meist nur kleine Mobilisationsschritte mög- Extubation
lich (› 9.3 und › Tab. 9.5).
Folgende Schwierigkeiten können bei bzw. unmit-
telbar nach der Extubation auftreten:
Essen und trinken • Glottisödem (Larynxödem, siehe unten)
• Laryngo- oder Bronchospasmus (siehe unten)
Liegen keine Kontraindikationen vonseiten der Er- • Verletzungen der Stimmbänder
krankung oder der Operation vor und ist die Spon- • Schleimhautläsionen
tanatmung des Patienten stabil (d. h. eine Reintu- • Würgereiz, Erbrechen und Aspiration
bation ist nicht wahrscheinlich), darf der Patient • (fortbestehende) respiratorische Insuffizienz
i. d. R. 1–4 Stunden nach der Extubation vorsichtig (› Kap. 2).
die ersten Trinkversuche unternehmen. Dazu set- Bei bekannt schwierigen Atemwegen oder bei zu er-
zen die Pflegenden den Patienten im Bett auf. Als wartenden Schwierigkeiten kann vor der Extubation
Getränke eignen sich Tee (kein Früchtetee wegen evtl. ein Tubuswechsler über den Tubus in die Tra-
des Säureanteils) oder stilles Mineralwasser, die bei chea eingeführt werden, über den im Notfall wieder
einer möglichen Aspiration nur geringe Komplika- schnell intubiert werden kann.
tionen verursachen. Anfangs soll der Patient nur in
kleinen Schlucken trinken. Insbesondere bei Pati- Ungeplante Extubation
enten, die nicht aufrecht sitzen dürfen, kann es
Insbesondere bei agitierten Patienten kann es trotz
hilfreich sein, den Patienten mithilfe eines Trink- Schutzmaßnahmen (engmaschige Überwachung des Pa-
halms trinken zu lassen (der Patient kann dann tienten, ggf. Fixierung) zur Selbstextubation kommen,
besser steuern, wie viel Flüssigkeit er in den Mund die oft eine umgehende Reintubation erfordert. Diese
nimmt). kann massiv erschwert sein, da der Cuff bei der Extuba
Wann und was der Patient essen kann bzw. darf, tion geblockt war (dadurch können Schleimhautschwel-
hängt maßgeblich von seiner Grunderkrankung, der lungen insbesondere im Bereich der Glottis verursacht
werden).
evtl. durchgeführten Operation sowie seiner Kau-
und Schluckfähigkeit ab.
92 4 Endotracheale Intubation
5 Tracheotomie
DEFINITION • Niedrigere Kosten
Tracheotomie: Eröffnung der Trachea im vorderen
Halsbereich (die so geschaffene Öffnung heißt Tracheo-
• Geringere Dauer der Prozedur.
stoma) und Einführen einer Trachealkanüle in das Tra- Diesen Vorteilen steht der Nachteil des nicht stabi
cheostoma (› Abb. 5.1). Zwei Techniken: len Stomakanals in den ersten Tagen nach Punk
• Punktionstracheotomie (perkutane Tracheotomie, tionstracheotomie gegenüber (› 5.2.3).
Dilatationstracheotomie, minimalinvasive Tracheoto- Keine signifikanten Unterschiede bestehen hin
mie). Punktion der Trachea von außen durch die Haut sichtlich Blutungskomplikationen, Trachealsteno
hindurch und Aufdehnen der Punktionsstelle bis die sen und der Gesamtkomplikationsrate einschließ
Öffnung (Tracheostoma) groß genug ist, um die Tra-
chealkanüle einführen zu können.
lich Mortalität.
• Konventionelle Tracheotomie. Operativ angeleg- Aufgrund der genannten Vorteile ist die Punk
tes Tracheostoma (Öffnung der Luftröhre, epithelisier- tionstracheotomie in der Intensivmedizin i. d. R. das
tes Tracheostoma). Verfahren der ersten Wahl.
Meist als sekundäre Tracheotomie (siehe unten), selten
als primäre Tracheotomie (siehe unten). Das Tracheosto-
ma (Verbindungsstelle zwischen Außenwelt und Trachea) Eine Tracheotomie wird beim beatmeten Patien-
liegt unterhalb des Kehlkopfs, d. h. die Trachealkanüle ten heute fast ausschließlich als Punktionstracheotomie
befindet sich im Gegensatz zum Endotrachealtubus nicht vorgenommen. Dieses Verfahren der Tracheotomie kann
im Kehlkopf und zwischen den Stimmbändern. Die Tra- auf der Intensivstation im Patientenbett vorgenommen
chealkanüle behindert den Patienten daher weniger stark werden, d. h. der bei der konventionellen Tracheotomie
beim Schlucken. Mit speziellen Trachealkanülen bzw. erforderliche Transport des Patienten in den OP entfällt.
Kanülenaufsätzen kann der tracheotomierte Patient evtl.
sprechen.
Im Notfall Koniotomie (Krikotomie › 5.5) mit Inzision Primäre und sekundäre Tracheotomie
zwischen Ring- und Schildknorpel. Die Mini-Tracheoto-
mie ( › 5.5) dient lediglich der erleichterten Bronchial-
toilette. Eine primäre Tracheotomie (Tracheotomie ohne
vorherige orale oder nasale Intubation) ist indiziert
wenn ein Patient nicht intubiert werden kann, z. B.
Indikationen, Vorteile und Nachteile der Tracheoto- wegen Erkrankungen oder Verletzungen des La
mie im Vergleich zu oraler und nasaler Intubation rynx. Im Notfall wird meist zunächst eine Konioto-
› Tabelle 4.1 mie (› 5.5) durchgeführt, selten die vergleichswei
se risikoreiche Notfalltracheotomie.
Eine sekundäre Tracheotomie (Tracheotomie
Konventionelle und nachdem der Patient zuvor über einen oralen oder
Punktionstracheotomie im Vergleich nasalen Tubus beatmet wurde) ist indiziert, wenn
eine Langzeitbeatmung absehbar ist, wenn durch
Die Punktionstracheotomie bietet im Vergleich zur den Endotrachealtubus Läsionen im Bereich des
konventionellen Tracheotomie folgende Vorteile Pharynx oder Larynx entstanden sind (z. B. Druckul
(Braune/Kluge 2012; von Higgins/Punthakee 2007): zera) sowie zur Erleichterung der Respiratorentwöh
• Geringere Rate an Stomainfektionen nung (Weaning › 6.11).
• Besseres kosmetisches Ergebnis nach Dekanülie
rung
94 5 Tracheotomie
Der günstigste Zeitpunkt für eine sekundäre Tra- Passageres und endgültiges
cheotomie ist nach wie vor umstritten. In manchen Kli- Tracheostoma
niken wird – sobald eine längerfristige Beatmungsdauer
absehbar ist – schon nach wenigen Tagen tracheoto- Das Tracheostoma eines beatmeten Patienten ist
miert, in anderen wird zunächst längerfristig über einen
i. d. R. passager (vorübergehend), d. h. es wird wie
oralen bzw. nasalen Tubus beatmet.
Die Consensus Conference of artificial Airways in Patients der verschlossen, wenn eine Beatmung bzw. ein
receiving mechanical Ventilation der American Association Freihalten der Atemwege mittels Tracheotomie
for Respiratory Care empfiehlt folgendes Vorgehen: nicht mehr notwendig ist. Ein endgültiges Tracheo
• Wenn der künstliche Atemweg voraussichtlich weniger stoma ist erforderlich nach Laryngektomie (voll
als 7–10 Tage erforderlich ist, sollte die translaryngea- ständiger Entfernung des Kehlkopfs, z. B. bei malig
le Intubation bevorzugt werden. nen Larynxtumoren).
• Nach Ablauf von 7 Tagen soll eingeschätzt werden, ob
der Patient innerhalb der nächsten 7–10 Tage extu-
biert werden kann. Ist dies voraussichtlich möglich,
kann der Tubus belassen werden. Ist dies voraussicht-
lich nicht der Fall, sollte tracheotomiert werden. 5.1 Trachealkanülen
• Ist aller Wahrscheinlichkeit nach der künstliche Atem-
weg länger als 21 Tage erforderlich, sollte der Patient
so früh wie möglich tracheotomiert werden. Trachealkanülen bestehen aus Kunststoff oder Sil
• Kann die Zeitdauer für den künstlichen Atemweg nicht
ber. Kanülen aus Kunststoff sind mit oder ohne Cuff
eingeschätzt werden und besteht keine dringliche Indi-
5 erhältlich, Silberkanülen haben keinen Cuff.
kation für eine frühe Tracheotomie, sollte täglich neu
geprüft werden, ob eine Tracheotomie indiziert ist. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Tra
chealkanülen für beatmete Patienten und solchen
für Patienten, die zwar spontan atmen, jedoch lang
fristig tracheotomiert bleiben müssen (Dauerkanü
lenträger):
• Bei Patienten, die ausreichend spontan atmen, je
doch längerfristig oder dauerhaft tracheotomiert
bleiben müssen, z. B. nach Laryngektomie, wer
Koniotomie den Trachealkanülen aus Kunststoff (i. d. R. ohne
Cuff) oder Silber verwendet, die jeweils aus einer
Außen- und einer Innenkanüle (auch „Seele“ ge
Tracheotomia nannt) bestehen. Zur Reinigung (etwa von Sekret
superior
Punktions-
ablagerungen) wird die Innenkanüle aus der Au
tracheotomie ßenkanüle herausgenommen und anschließend
(Dilatations-
tracheotomie) wieder eingesetzt. Manche dieser Kanülen verfü
Tracheotomia gen über ein Sprechfenster (Phonationsfenster)
media
am oberen Teil der Krümmung der Außenkanü
le, über das die Exspirationsluft (teilweise) Rich
tung Kehlkopf strömen und damit das Sprechen
Tracheotomia
inferior ermöglichen kann (› Abb. 5.4). Dies funktio
niert jedoch nur, wenn die Innenkanüle entfernt
ist.
• Bei beatmeten Patienten werden ausschließlich
Kunststoffkanülen verwendet, da nur diese über
Abb. 5.1 Lokalisation der Tracheotomie. Bei der Punktionstra- einen Cuff verfügen, der die Abdichtung zwi
cheotomie liegt der Punktionsort meist zwischen 1./2. Tracheal-
schen Kanüle und Trachea gewährleistet (Aus
ring. Bei der konventionellen Tracheotomie werden entsprechend
dem Operationsverfahren die obere (T. superior), mittlere (T. me- nahme: Bei kleinen Kindern werden Trachealka
dia) und untere (T. inferior) Tracheotomie unterschieden. [L107] nülen aus Kunststoff ohne Cuff zur Beatmung
5.1 Trachealkanülen 95
verwendet). Im Folgenden wird nur auf diese Ka und Krümmungswinkel. Zusätzliche Angaben sind
nülen näher eingegangen. z. B. bei Kanülen der Firma Rüsch: C (Kanüle mit
Cuff), P (Kanüle mit Phonation) oder CP (Kanüle
mit Cuff und Phonation).
Aufbau einer Trachealkanüle Am distalen Ende der Kanüle befindet sich der
Cuff, der analog dem Cuff von Endotrachealtuben
Trachealkanülen aus Kunststoff sind im Mittelteil aufgebaut ist (› 4.3.3). Auch bei Trachealkanülen
etwa rechtwinklig gekrümmt. Der Wandaufbau ent werden beim beatmeten Patienten praktisch aus
spricht bei manchen Modellen dem von Spiraltuben schließlich Niederdruckcuffs verwendet.
(› 4.3.2), d. h. die Wand besteht aus einer kunst Trachealkanüle mit Fome-Cuff › Abb. 4.11
stoffummantelten Metallspirale. Der Kunststoff ist Trachealkanüle mit Hi-Lo-Lanz-Ventil › Abb. 5.2
durchsichtig, sodass ein Beschlagen der Kanülen
wand während der Exspiration sowie Sekretablage Trachealkanülen mit in die Wand eingearbeiteter Metall-
rungen sichtbar sind. Am äußeren Ende der Kanüle spirale müssen vor einer MRT gegen metallfreie Tracheal-
befindet sich der Norm-Konnektor, der es ermög kanülen ausgetauscht werden.
licht die Kanüle an das Ventil eines Beatmungsbeu
tels bzw. an die Beatmungsschläuche anzuschließen.
Unterhalb des Norm-Konnektors befindet sich bei Sprechaufsätze und Sprechkanülen
den meisten Kanülen eine verstellbare Halteplatte, Sprechaufsätze werden auf den Norm-Konnektor
die rechts und links jeweils mit Öffnungen zum Be der Trachealkanüle aufgesetzt. Sie funktionieren wie 5
festigen von Kanülenhaltebändern versehen ist. Die ein Ventil:
Halteplatte wird – nachdem die Kanüle in die Tra • Während der Patient einatmet ist das Ventil offen
chea eingeführt wurde – mit der integrierten Schrau und Luft strömt von außen in die Lunge des Pa
be entsprechend den Gegebenheiten beim Patienten tienten
so an der Trachealkanüle festgeschraubt, dass sie der • Während der Ausatmung verschließt sich das
Haut aufliegt ohne zu drücken. Ventil und die Luft aus der Lunge strömt den
Auf der Halteplatte ist i. d. R. der Markierungs physiologischen Weg nach außen, also an der
code aufgedruckt, der Angaben zum Kanülenaufbau Trachealkanüle vorbei durch den Kehlkopf. Da
enthält, meist Größe, Durchmesser (ID und AD) durch kann der Patient sprechen.
werden, um die Beatmung weiterführen zu können. minderten Gefahr der Verletzung der Tracheahin
Zudem können bei der Punktionstracheotomie im terwand. Zudem werden beim translaryngealen Ver
Vergleich zur konventionellen Tracheotomie nur fahren die Knorpelspangen der Trachea nicht in das
Trachealkanülen mit relativ geringem Durchmesser Tracheallumen hineingedrückt, sondern nach außen
eingesetzt werden. aufgeweitet. Dies vermindert die Gefahr von Trache
Der Vorteil der translaryngealen Dilatations alstenosen. Nachteilig ist der komplexe Ablauf, der
tracheotomie gegenüber den anderen Verfahren der eine reibungslose Zusammenarbeit von punktieren
Punktionstracheotomie besteht in der deutlich ver dem und bronchoskopierendem Arzt erfordert.
5.4 Koniotomie und Mini-Tracheotomie 101
Die Koniotomie ist eine Notfallmaßnahme, die bei • Evtl. Lokalanästhesie des Punktionsorts
Patienten eingesetzt wird, die nicht endotracheal in • Quere Hautinzision (› Abb. 5.8). Das weitere
tubiert und auch nicht mit Maske und Beatmungs Vorgehen hängt davon ab, ob ein Notfallkonioto
beutel beatmet werden können, d. h. es steht kaum miebesteck verwendet wird oder nicht (z. B. Tra
oder keine Zeit zur Vorbereitung des Patienten bzw. cheoquick [Firma Rüsch] mit oder ohne Cuff,
des Materials zur Verfügung. Deshalb bieten viele Airfree [Firma Mediland] oder Quicktrach II
Hersteller Notfall-Koniotomiesets an, welche die un [Firma VBM] – letzteres verfügt über einen inte
bedingt notwendigen Materialien zur Durchführung grierten Cuff):
einer Koniotomie beinhalten (› Abb. 5.7). Sind im – Bei Verwendung eines Notfallkoniotomiebe-
Notfall (außerhalb der Klinik) keine speziellen Ma stecks Notfall-Kanüle im Winkel von 90° ein
terialien greifbar, kann die Koniotomie auch mit ei stechen, mittels Spritze prüfen, ob die Kanü
nem scharfen Messer, z. B. einem Taschenmesser, lenspitze in der Trachea liegt (Aspiration von
erfolgen. Luft zeigt korrekte Lage) und Kanüle im
45°-Winkel vorschieben, bis Stopper der Haut
aufliegt. Stopper und Koniotomienadel samt
Durchführung Spritze entfernen, dabei Kanüle festhalten. Ab
schließend Kanüle mit Halteband fixieren und
Die Koniotomie muss i. d. R. so rasch wie möglich er ggf. Verbindungsschlauch anschließen, um Be
folgen, um die Atemwege des Patienten frei zu ma atmungsbeutel bzw. Respirator anschließen zu
5 chen. Daher entfallen manche Punkte der im folgen können.
den dargestellten Durchführung der Koniotomie bzw. – Alternativ die Inzisionsstelle mit Trachealspe
erfolgen nicht nacheinander, sondern gleichzeitig: kulum, Klemme o. Ä. spreizen und dünnen
• Sterile Handschuhe anziehen, Patienten infor Tubus einführen (z. B. ID 6,0 für Frauen bzw.
mieren ID 7,0 für Männer). Gegebenenfalls Führungs
• Patienten mit überstrecktem Kopf lagern, dazu stab zum Einführen des Tubus benutzen. Tu
ggf. festes kleines Kissen o. Ä. unter die Schultern bus blocken und fixieren.
oder in den Nacken legen – Auskultation der Lungen auf korrekte Lage der
• Vordere Halsregion desinfizieren und steril abde Kanüle bzw. des Tubus
cken – Gegebenenfalls Beatmung des Patienten.
• Mit der linken Hand Kehlkopf fixieren, mit der
rechten Hand Lig. cricothyreoideum zwischen
Schild- und Ringknorpel aufsuchen
Durchführung
Die Durchführung entspricht weitgehend der bei der
Koniotomie (› 5.5.1). Nach der Hautinzision wird
zunächst eine Einführhilfe in die Trachea vorgescho
ben, über die dann die Kanüle eingeführt wird. Ist
die Kanüle platziert, wird die Einführhilfe entfernt
(Kanüle dabei festhalten) und die Kanüle fixiert. Abb. 5.9 Mini-Trach-II-Set®. [V420]
• Versehentliche Dekanülierung (siehe unten) Starker Zug an der Trachealkanüle oder an den mit der
• Verlegung der Trachealkanüle (siehe unten) Kanüle verbundenen Beatmungsschläuchen sowie Ma
• Infektion des Tracheostomas. Greift evtl. auf die nipulationen des Patienten an der Trachealkanüle kön
Knorpelstrukturen der Trachea und das Media nen eine versehentliche Dekanülierung zur Folge ha
stinum über ben. Eine ungenügende Fixierung, eine unzureichende
• Druckulzera der Trachealschleimhaut. Ursache Cuffblockung sowie Husten, Pressen oder Würgen
sind oft schlecht sitzende Kanülen oder eine zu können eine versehentliche Dekanülierung fördern.
starke Blockung des Cuffs
• Tracheoösophagealfisteln. Diese entstehen wahr Um bei einer versehentlichen Dekanülierung rasch eine
scheinlich durch Verletzungen der Tracheahin neue Trachealkanüle einführen zu können, achten die
terwand, z. B. beim Punktieren und Aufdehnen Pflegenden darauf, dass in Reichweite des tracheoto-
der Punktionsstelle bei der Punktionstracheoto mierten Patienten immer Ersatztrachealkanülen be-
mie (› 5.2) reitliegen (eine Kanüle der verwendeten Größe und eine
Kanüle eine Nummer kleiner). In vielen Kliniken ist es
5.6 Trachealkanülenwechsel 105
5
Vorbereitung des Patienten
Durchführung
Patient kann dann durch die Trachealkanüle und Tage nicht deutlich bessern, informieren die Pfle
über den physiologischen Weg atmen (wichtig: genden den Arzt, ggf. Kontroll-Tracheoskopie durch
Atemluft klimatisieren, z. B. durch Anbringen ei HNO-Arzt.
ner künstlichen Nase). Dadurch ist es möglich,
den Patienten weiterhin bei Bedarf endotracheal
abzusaugen und zu überprüfen, ob die Atmung Platzhalter zum Offenhalten des
über den physiologischen Weg problemlos mög Tracheostomas
lich ist (in manchen Fällen bildet sich Granula
tionsgewebe zwischen Tracheostoma und Glottis, Soll die Trachealkanüle zwar entfernt, das Tracheo
das die Atmung behindert) und ob der Patient stoma jedoch offen gehalten werden (z. B. bei Patien
abhusten kann. Sind die Atemwege frei, kann der ten mit extrem hoher Sekretproduktion, die noch
Patient abhusten und ist der Schluckreflex vor nicht selbstständig abhusten können) können sog.
handen, wird die Kanüle entfernt. Platzhalter (Tracheostoma-Stents › Abb. 5.12) ein
Abschließend wird das Tracheostoma mit einem steri gesetzt werden. Diese sind in den Größen 4, 5, 6, 8
len Verband luftdicht abgedeckt. In der Regel ver und 10 mm ID erhältlich. Platzhalter halten zum ei
schließt sich das Tracheostoma spontan innerhalb nen das Tracheostoma offen (die bei der Tracheoto
weniger Tage. Operativ angelegte plastische (epitheli mie geschaffene Öffnung kann sich nicht verschlie
sierte) Tracheostomata müssen chirurgisch verschlos ßen), zum andern dichten sie das Tracheostoma zur
sen werden, d. h. die Wundränder werden angefrischt Außenluft hin ab, wenn der beiliegende Verschluss
5 und das Tracheostoma mittels Naht verschlossen. stopfen auf die Kanüle aufgesetzt ist. Der wichtigste
Ggf. erhält der Patient O2-angereicherte Luft über Vorteil von Platzhaltern ist die Möglichkeit der ra
eine Gesichtsmaske oder eine Sauerstoffsonde. schen Rekanülierung. Werden Platzhalter anstelle
von entblockten Trachealkanülen oder Trachealka
nülen ohne Cuff eingesetzt, hat dies weitere Vorteile:
Pflege • Vereinfachte Spontanatmung (weniger Wider
stand), dadurch weniger Atemarbeit
Pflege bei Tracheotomie › 9.5 • Normalisierung der Nahrungsaufnahme
Die Pflege des frisch dekanülierten Patienten ent • Reaktivierung des Hustenstoßes durch Glottis-
spricht der nach der Extubation (› 4.12.4). Dazu und funktionellen Tracheostomaverschluss
kommt der regelmäßige Verbandswechsel am Tra • Sekretabsaugung/Bronchoskopie einfacher mög
cheostoma (Häufigkeit nach Bedarf bzw. mindestens lich
einmal pro Tag) mit Inspektion der Wunde. • Ermöglichen der natürlichen Phonation, dadurch
Treten nach der Dekanülierung Beschwerden im Verbesserung der Kommunikation.
Kehlkopfbereich auf, insbesondere Heiserkeit und Komplikationen sind Ulzerationen der Tracheal
Schluckstörungen, die sich im Verlauf der folgenden schleimhaut, Sekretansammlung und Dislokation.
6 Maschinelle Beatmung
DEFINITION die Atemfrequenz – wichtige Kriterien für die Indi-
Maschinelle Beatmung (mechanical ventilation, auch
artificial respiration, d. h. künstliche Beatmung): Die kationsstellung (› Tab. 6.1).
Atemarbeit wird teilweise (partial ventilatory support) • Die Atemfrequenz ist ein rasch erfassbarer Indi
oder vollständig (full ventilatory support) von einem Be- kator für eine drohende Dekompensation. Atem
atmungsgerät (Respirator) übernommen. frequenzen > 35/Min. führen rasch zur Ermü
dung des Zwerchfells (Hauptatemmuskel!). Da
durch kann sich die respiratorische Situation
Der Begriff ventilation (englisch für „Beatmung“) drastisch verschlechtern (auch › Tab. 1.1)
wird im deutschen Sprachraum überwiegend als • Blutgasanalyse (› Tab. 6.1). Bei Patienten mit
Überbegriff verwendet für jegliche Form der „At chronischer Hyperkapnie sind paCO2-Werte von
mung“, also sowohl für die Spontanatmung als auch > 55 mmHg häufig „normal“. In diesem Fall ist
für die maschinelle Beatmung. Der Begriff brea- dann neben einer Tachypnoe vor allem der pH-
thing (englisch für „Atmung“) wird gelegentlich Wert ein wichtiges Kriterium: Ein niedriger pH-
verwendet im Zusammenhang mit Beatmungsfor Wert (respiratorische Azidose) bei gleichzeitig
men, bei denen der Patient einen großen Teil der niedrigem BE weist bei diesen Patienten auf eine
Atemarbeit selbst erbringt, z. B. ASB (› 6.3.4). Dekompensation hin. Weiter sind ausgeprägte
motorische Unruhe, starkes Schwitzen und Ver
wirrtheit bzw. zunehmende Bewusstseinseintrü
6.1 Grundlagen der Tab. 6.1 Kriterien für die Indikation zur maschinellen
maschinellen Beatmung Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz. FEV1
› 1.2.1.
Parameter Normal- Indikation zur Beat-
6.1.1 Indikationen und Ziele der wert mung
Beatmungstherapie Oxygenierung
paO2 (mmHg) 75–100 < 50 (Raumluft) oder
Wann ist eine maschinelle Beatmung (Raumluft) < 60 (Sauerstoffmaske)
angezeigt? Ventilation
paCO2 (mmHg) 35–45 > 55 (außer bei chroni-
In der Intensivmedizin ist eine Beatmungstherapie scher Hyperkapnie)
indiziert, wenn eine respiratorische Insuffizienz
VD/VT 0,25–0,4 > 0,6
(› Kap. 2) mit anderen Maßnahmen, z. B. Sauer
Atemmechanik
stoffgabe, Lagerungsmaßnahmen, physiotherapeu
tische Maßnahmen zur Vertiefung der Atmung Atemfrequenz 12–20 > 35
(1/Min.)
und zur Sekretmobilisation oder Masken-CPAP
(› 6.3.5), nicht ausreichend behandelt werden Vitalkapazität 65–75 < 15
(ml/kg KG)
kann, d. h. trotz Behandlung liegen die Zeichen der
respiratorischen Insuffizienz vor (› 2.4), oder ein Inspirationssog ≥ 75 < 25
(mbar)
Atemstillstand besteht. Neben den Werten der Blut
gasanalyse sind klinische Parameter – insbesondere FEV1 (ml/kg KG) 50–60 < 10
110 6 Maschinelle Beatmung
bung bei diesen Patienten Zeichen der Ver wird praktisch nur die Überdruckbeatmung einge
schlechterung der pulmonalen Situation. setzt. Lediglich im Bereich der Heimbeatmung wird
in ausgewählten Fällen die Unterdruckbeatmung
Der Arzt berücksichtigt bei der Entscheidung für oder verwendet.
gegen eine Beatmungstherapie immer auch die Ge-
samtsituation und den mutmaßlichen Willen des Patien-
ten (Vorerkrankungen, aktuelle Erkrankung einschließlich
Überdruckbeatmung
Ausmaß der respiratorischen Insuffizienz und Prognose, Bei der Überdruckbeatmung baut das Beatmungsge
evtl. Patientenverfügung) und wägt den Nutzen gegen rät einen Überdruck in den Atemwegen des Patien
die Risiken der Beatmungstherapie ab.
ten auf. Dadurch entsteht ein Druckgefälle zu den
Alveolen hin, und Luft strömt in die Lunge.
Während der Exspiration fällt der intrapulmonale
Ziele der Beatmungstherapie
Druck dann wieder auf den Ausgangswert ab.
Die Beatmungstherapie hat folgende Ziele:
• Der Gasaustausch des Patienten wird optimiert, Unterschied Spontanatmung – maschinelle Beat-
das Gefühl der Luftnot wird beseitigt mung
• Beatmungsbedingte Lungenschädigungen (z. B. Im Gegensatz zur Spontanatmung herrscht bei der ma-
pulmonales Baro- oder Volutrauma, Sauerstoffto schinellen Beatmung während des gesamten Atemzyklus
xizität) werden durch schonende („lungenprotek ein Überdruck im Thorax (› Abb. 6.1), d. h. es entstehen
tive“) Beatmung minimiert, d. h. Beatmung mit umgekehrte und unphysiologische Druckverhältnisse.
möglichst niedrigem Beatmungsdruck und mög
lichst niedrigem FiO2
Unterdruckbeatmung
• Die erschöpfte Atemmuskulatur kann sich erho
6 len, der Sauerstoffbedarf der Atemmuskulatur Die ersten Beatmungsgeräte waren die in den 20er
wird reduziert Jahren im Rahmen der Polioepidemie in Amerika
• Die Entwöhnung vom Respirator (› 6.11) und entwickelten eisernen Lungen (auch Tankrespirato-
damit die Aktivierung der Atemmuskulatur des ren genannt). Diese waren so konstruiert, dass der
Patienten erfolgt zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Körper des Patienten bis zum Hals in einer Kammer
(„Tank“) lag. Bei der mit diesen Geräten durchge
führten Unterdruckbeatmung wird im Tank ein
6.1.2 Beatmungstechnik Unterdruck erzeugt, der sich auf Thorax und Lunge
überträgt, die sich daraufhin ausdehnen. Dadurch
Die maschinelle Beatmung kann prinzipiell als entsteht im Thorax ein negativer Druck (Sog), der
Überdruckbeatmung oder als Unterdruckbeat- bewirkt, dass Luft in die Lunge strömt. Insgesamt
mung erfolgen. In der modernen Intensivmedizin wirkt die Unterdruckbeatmung vergleichbar der
Spontanatmung: Bei der Inspiration entsteht ein ne Beide Phasen können weiter unterteilt werden in eine
gativer intrapulmonaler Druck, der am Ende der In Flow-Phase (Gasflussphase, d. h. Zeit, in der Luft strömt)
spiration auf den Atmosphärendruck abfällt, wäh und eine No-Flow-Phase (Pausenphase, d. h. Zeit, in
rend der Exspiration leicht positiv wird und am En der kein Gasfluss stattfindet).
• Die inspiratorische No-Flow-Phase wird auch als
de der Ausatmung wieder dem Atmosphärendruck
inspiratorische Pause oder Plateau-Phase bezeichnet
entspricht. • Die exspiratorische No-Flow-Phase wird Grundli-
Heute wird die Unterdruckbeatmung nur noch nie oder baseline genannt.
selten und fast ausschließlich im Bereich der
Heimbeatmung eingesetzt (› Kap. 10). Die hier
bei verwendeten Geräte sind sämtlich Weiterent Die Zeitdauer der inspiratorischen No-Flow-Phase
wicklungen der klassischen eisernen Lunge. In einer volumenkontrollierten Beatmung (› 6.3.2)
den letzten Jahren wurden Geräte entwickelt, die kann an den meisten Respiratoren eingestellt wer
nicht mehr den gesamten Körper des Patienten den (Einstellparameter Pausendauer) oder resultiert
vom Hals abwärts einschließen, sondern nur noch aus der Inspirationsdauer (Tinsp) und der eingestell
den Thorax und teilweise den Bauch. Diese Kü- ten Geschwindigkeit, mit der das Gas in die Lunge
rass-Ventilatoren (cuirasse = „Lederpanzer“) die strömt (flow). Die exspiratorische No-Flow-Phase
nen der Atemunterstüzung und sind insbesondere dagegen ergibt sich: Sobald der Beatmungsdruck
bei Patienten im Kindesalter eine Option zur während der Exspiration auf das eingestellte endex
nichtinvasiven Beatmung über Maske (› 6.4). spiratorische Druckniveau abgefallen ist, beginnt die
Langzeiterfahrungen mit diesen Geräten liegen exspiratorische No-Flow-Phase. Diese endet dann
noch nicht vor. mit Beginn der nächsten Inspiration.
In der modernen Intensivmedizin werden
Tankrespiratoren praktisch nicht eingesetzt. Vorsicht
Grund dafür ist, dass die respiratorische Insuffizi 6
Strömt am Ende der Exspiration noch Gas aus der Lunge
enz der Patienten hier häufig pulmonal bedingt ist (Erkennungsmerkmal: Flowkurve erreicht nicht die 0-Linie),
(z. B. Folge einer Pneumonie, eines ARDS oder ei muss das Beatmungsmuster modifiziert werden (z. B.
nes Thoraxtraumas), d. h. Resistance und Compli Verlängerung der Exspirationszeit), da ansonsten die
ance der Lunge sind verändert und die Atemarbeit Gefahr des Airtrappings (› 6.3.1 und › Abb. 6.5)
ist entsprechend erhöht. Dies können Tankrespira besteht
toren nicht kompensieren. Die respiratorische In
suffizienz der Patienten, die zu Hause mit Unter
druckgeräten beatmet werden, ist i. d. R. extrapul- Beatmungsfrequenz, Atemzug- und
monal bedingt (z. B. Folge einer neuromuskulären Atemminutenvolumen
Erkrankung).
DEFINITION
Beatmungsfrequenz (f): Anzahl der Atemhübe (Atem-
züge) pro Minute.
Atemhubvolumen (tidal volume, kurz VT): Luftmenge,
6.2 Beatmungsparameter die pro Atemhub verabreicht wird.
Atemminutenvolumen (kurz AMV): Luftmenge, die
pro Minute verabreicht wird.
6.2.1 Ventilationszyklus
Wird das Atemhubvolumen eingestellt, so errech Bei druckkontrollierter Beatmung kann das Atemhub-
net sich das Atemminutenvolumen: bzw. -minutenvolumen nicht eingestellt werden. Das
Atemzugvolumen ergibt sich aus dem eingestellten Inspi-
VT × f = AMV rationsdruck, der Inspirationszeit und der pulmonalen
Situation des Patienten.
Beispiel: Am Respirator sind ein Atemhubvolumen
von 0,4 l (400 ml) und eine Beatmungsfrequenz von
12/Min. eingestellt. Das Atemminutenvolumen be Seufzer
trägt dann Normalerweise atmen Erwachsene 8–10-mal pro
0,4 l ×12 = 4,8 l Stunde einen sog. Seufzer (sehr tiefen Atemzug oder
„deep sigh“) ein. Manche Respiratoren bieten die
Wird das Atemminutenvolumen eingestellt, so er Möglichkeit, mit der Einstellung eines Seufzers dies
rechnet sich das Atemhubvolumen: nachzuahmen. Ist ein Seufzer eingestellt, wird in re
gelmäßigen Abständen (z. B. jeder 100. Atemzug)
VT = AMV/f
ein deutlich größerer Atemzug verabreicht, z. B. das
Beispiel: Am Respirator sind ein Atemminutenvolu eineinhalbfache oder doppelte Atemzugvolumen
men von 7,0 l und eine Beatmungsfrequenz von 14/ (inspiratorischer Seufzer), oder der PEEP intermit
Min. eingestellt. Das Atemhubvolumen beträgt dann tierend erhöht (exspiratorischer Seufzer). Ziel ist die
7,0 l/14 = 0,5 l (500 ml) Atelektasenprophylaxe. Die Seufzeratmung geht mit
intermittierend höheren Beatmungsdrücken einher,
Zielgröße für die Einstellung der Beatmungsfre d. h. das Risiko eines pulmonalen Volu- oder Baro
quenz und des Tidal- bzw. Minutenvolumens ist traumas (› 6.7.1) steigt. Aus diesem Grund wird
der pCO2 (Normwerte › Tab. 6.1). Bei gesteiger die Seufzerfunktion kaum noch angewendet und ist
tem Stoffwechsel (etwa im Rahmen einer Sepsis) an vielen neueren Geräten nicht mehr möglich.
6 entsteht vermehrt CO2. Dann sind höhere Beat
mungsfrequenzen und/oder höhere Atemhub-
Atemzeitverhältnis
und -minutenvolumina notwendig, um den pCO2
im Normbereich zu halten. Umgekehrt sind z. B.
bei Hypothermie (verminderter Stoffwechsel und DEFINITION
Atemzeitverhältnis (Inspirations-Exspirationsverhält-
verminderte CO2-Produktion) eine niedrige Atem nis, kurz I:E-Verhältnis): Verhältnis von Inspirationszeit
frequenz und niedrige Atemhub- bzw. -minuten (tinsp) zu Exspirationszeit (texsp). Physiologisch ist ein I:E
volumina ausreichend, um eine Normokapnie zu von 1:1,5–1:2.
erhalten.
In manchen Situationen ist der angestrebte pCO2
eher niedrig, z. B. bei der Beatmung eines Patienten Abhängig vom verwendeten Beatmungsgerät wird
mit erhöhtem Hirndruck (› 6.8.2), in anderen Fäl das Atemzeitverhältnis direkt eingestellt oder indi
len wiederum wird ein sehr hoher pCO2 toleriert, rekt, d. h. es wird die Inspirationszeit eingestellt und
um einen zu hohen Beatmungsdruck vermeiden zu das I:E-Verhältnis errechnet sich:
können (permissive Hyperkapnie › 8.6). • Wird das I:E-Verhältnis direkt eingestellt, so er
rechnen sich die Inspirations- und die Exspirati
onszeit. Beispiel: Am Respirator sind ein I:E-Ver
Nur bei der volumenkontrollierten Beatmung (VC-CMV hältnis von 1:1,5 und eine Atemfrequenz von 12/
› 6.3.1) sowie bei PRVC, IPPV-Autoflow und APV
(› 6.3.1) – jeweils ohne zugeschalteten Trigger
Min. eingestellt. Ein Ventilationszyklus dauert al
(› 6.2.5) – entspricht das eingestellte AMV auch dem so 5 Sek. (60 Sek./12), damit beträgt bei einem
tatsächlich verabreichten AMV. Sobald einer Beatmungs- I:E-Verhältnis von 1:1,5 die Inspirationsdauer
form ein Trigger zugeschaltet ist, kann der Patient zusätzlich 2 Sek. und die Exspirationsdauer 3 Sek.
zu den maschinellen Atemzügen atmen und das tatsächli- • Für die indirekte Einstellung gibt es verschiede
che AMV ist dann entsprechend größer als das am Respira- ne Möglichkeiten, aus denen sich dann jeweils
tor eingestellte. das Atemzeitverhältnis errechnet:
6.2 Beatmungsparameter 113
– Einstellung der Inspirationszeit in Sekunden. Bei hohem Inspirationsflow füllt sich die Lunge
Beispiel: Ist am Respirator eine Inspirationszeit rasch mit Luft. Eine hohe Gasflussgeschwindigkeit
von 2 Sek. und eine Beatmungsfrequenz von birgt jedoch die Gefahr von turbulenten Luftströ
15/Min. eingestellt, so dauert ein Ventilations mungen in den Atemwegen, was eine schlechtere
zyklus 4 Sek., d. h. die Exspirationszeit beträgt Verteilung des Atemgases in der Lunge und eine Er
2 Sek. (Ventilationszyklus – Inspirationsdauer) höhung des Spitzendrucks zur Folge hat. Bei niedri-
und das I:E-Verhältnis liegt damit bei 1:1 gem Inspirationsflow ist die Luftströmung in den
– Einstellung der inspiratorischen Flow-Phase Atemwegen weniger turbulent, das Atemgas wird
(Insp.-Dauer) und der inspiratorischen Pause besser in der Lunge verteilt und der Spitzendruck ist
(Pausendauer) jeweils in % des Ventilationszy niedriger. Es muss jedoch immer ein gewisser Min
klus. Beispiel: Ist am Respirator eine Insp.- destflow eingestellt sein, damit das eingestellte
Dauer von 40 % und eine Pausendauer von Atemhubvolumen in der vorgesehenen Zeit verab
10 % eingestellt, beträgt die gesamte Inspirati reicht werden kann.
onsphase 50 % des Ventilationszyklus, d. h. das
I:E-Verhältnis liegt bei 1:1. Je niedriger der Inspirationsflow ist, desto größer ist die
Gefahr, dass beim Patienten das Gefühl der Luftnot
Ein I:E-Verhältnis < 1:2 verlängert die Exspirationszeit entsteht. Deshalb wird der Flow bei Beatmungsformen,
auf Kosten der Inspirationszeit. Dies ist evtl. sinnvoll bei bei denen der Patient selbst Atemarbeit leisten soll, höher
Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen, z. B. eingestellt bzw. vom Respirator automatisch angehoben,
COPD (› 2.3.2), damit genügend Zeit für die Exspirati- sobald der Bedarf des Patienten steigt.
on zur Verfügung steht. Faustregel für die Einstellung des Inspirations-
Ein I:E-Verhältnis > 1:2 verlängert die Inspirationszeit flow bei volumenkontrollierter Beatmung: Der In-
auf Kosten der Exspirationsdauer. Dies ist häufig notwen- spirationsflow sollte immer mindestens das 2,5–3-fache
dig um den Beatmungsspitzendruck senken bzw. niedrig des Atemminutenvolumens des Patienten betragen (bei
Beatmungsformen mit hohem Spontanatemanteil eher 6
halten zu können und ausreichend Zeit für den Gasaus-
tausch zur Verfügung zu stellen (IRV › 6.3.1). höher).
Flowmuster
6.2.2 Inspirationsflow An manchen Beatmungsgeräten können verschiede
ne Flowmuster (Flowformen, Flowprofile) einge
DEFINITION stellt werden (› Abb. 6.2):
Inspirationsflow: Geschwindigkeit, mit der das Atem- • Beim konstanten Flow (auch Rechteckflow ge
gas während der inspiratorischen Flow-Phase verabreicht nannt) ist die Gasflussgeschwindigkeit während
wird (Volumen pro Zeiteinheit). Je höher der Inspirations- der gesamten inspiratorischen Flowphase gleich
flow, desto rascher füllt sich die Lunge mit Luft, d. h. des- • Beim dezelerierenden Flow ist die Gasflussge
to schneller ist das eingestellte Atemhubvolumen verab-
reicht bzw. der eingestellte Inspirationsdruck erreicht.
schwindigkeit zu Beginn hoch und fällt während
der inspiratorischen Flowphase kontinuierlich ab
• Beim Sinusflow (Sinus lat.: Krümmung, Aus
Bei volumenorientierten Beatmungsformen kann der buchtung) steigt die Strömungsgeschwindigkeit
Inspirationsflow entweder direkt am Respirator einge zu Beginn der inspiratorischen Flowphase an und
stellt werden oder er ergibt sich aus dem eingestellten fällt dann ab
Atemhubvolumen, der Beatmungsfrequenz, der Flow • Beim akzelerierenden Flow steigt die Strö
anstiegszeit und der Inspirations- und Pausendauer. mungsgeschwindigkeit während der gesamten
Bei druckorientierten Beatmungsformen resultiert inspiratorischen Flowphase kontinuierlich an.
der Flow insbesondere aus der inspiratorischen An
stiegszeit, der eingestellten Druckdifferenz sowie der Bei druckorientierten Beatmungsformen (z. B. PC-CMV,
Resistance und Compliance von Lunge und Beat PC-BIPAP, PRVC, PC-SIMV, SPN-CPAP/PS, druckunter-
mungssystem. stützte Beatmung) ist der Flow immer dezelerierend.
114 6 Maschinelle Beatmung
Abb. 6.2 Verschiedene Flowmuster (jeweils ohne Flowanstiegszeit, siehe Text). [A400]
Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration (in Eine Sauerstoffkonzentration von über 60 % (FiO2 > 0,6)
spiratorische O2-Fraktion, kurz FiO2) gibt an, wie über einen längeren Zeitraum (als „länger“ gilt ein Zeitraum
hoch der Sauerstoffanteil der Atemluft ist. Die Anga von mehr als 24 Std.) gilt als toxisch. Daher sollte ein FiO2
be erfolgt entweder in Prozent oder als Dezimalzahl > 0,5–0,6 langfristig möglichst nicht überschritten werden.
(eine Sauerstoffkonzentration von 100 % entspricht
einem FiO2 von 1,0, bei 21 % Sauerstoff beträgt die Bei Sauerstoffkonzentrationen < 40 % ist anzuneh
FiO2 0,21). men, dass auch bei längerer Anwendung keine toxi
schen Schädigungen auftreten.
6.2 Beatmungsparameter 115
Abb. 6.3 Maschinelle Beatmung mit und ohne PEEP (hier volumenkontrollierte Beatmung). [A400]
Links: Bei Beatmung ohne PEEP fällt der Beatmungsdruck am Ende der Exspiration auf Null ab (ZEEP siehe Text).
Rechts: Bei Beatmung mit PEEP fällt der Beatmungsdruck am Ende der Exspiration auf den eingestellten positiven Druck (PEEP-
Niveau) ab. Damit bleibt der Druck in den Atemwegen bei Beatmung mit PEEP während des gesamten Atemzyklus im positiven
Bereich.
Liegt bei einem beatmeten Patienten eine Hypox Bereich gehalten. Damit ist bei maschineller Beatmung
ämie vor und kann die Oxygenierung nicht durch mit PEEP der Druck während des gesamten Ventilations-
die Veränderung anderer Beatmungsparameter ver zyklus, also bei In- und Exspiration, im positiven Bereich.
bessert werden (z. B. Erhöhung des PEEP), wird ggf.
auch längerfristig mit einer O2-Konzentration von Im Gegensatz dazu entspricht bei Beatmung mit ZEEP
über 60 % beatmet, um hypoxische Organschäden zu (zero endexpiratory pressure › Abb. 6.3) der Atem
vermeiden. wegsdruck am Ende der Exspiration dem Atmosphä
rendruck. Bei Beatmung mit NEEP (negative endexpi-
ratory pressure) wird am Ende der Exspiration ein Un
Einstellung der inspiratorischen
terdruck in den Atemwegen erzeugt (daher auch die
Sauerstoffkonzentration 6
Bezeichnung Wechseldruckbeatmung). Wegen der Ge
Um Schädigungen der Lunge aufgrund einer zu ho fahr der Atelektasenbildung (› 2.2.4) werden Beat
hen Sauerstoffkonzentration zu vermeiden, soll die mungen mit NEEP seit Jahren nicht mehr durchge
inspiratorische Sauerstoffkonzentration grundsätz führt. Aus diesem Grund ist an den modernen Respira
lich so niedrig wie möglich gewählt werden, d. h. nur toren die Einstellung eines NEEP nicht mehr möglich.
so hoch, dass der gewünschte paO2 (i. d. R. ca.
70 mmHg) gerade erreicht wird. Bei der Einstellung
Wirkungen des PEEP
der FiO2 ist es wichtig, die Gesamtsituation des Pati
enten und die anderen Beatmungsparameter zu be Durch den PEEP nimmt die FRC (funktionelle Resi
rücksichtigen. Eine Hypoxie sollte in jedem Fall ver dualkapazität › 1.2.1) zu. Dadurch werden instabile
mieden werden, da sie für die Funktion des Gesamt (kollapsgefährdete) Alveolen vor dem Kollabieren be
organismus und auch der Lunge schädlicher ist als wahrt, bereits entstandene Atelektasen können in ge
eine hohe Sauerstoffkonzentration. Auch ein pulmo wissem Umfang wieder eröffnet werden (alveolar rec-
nales Baro- bzw. Volutrauma (infolge sehr hoher Be ruitment › 6.8.1). Dieses Rekrutieren bereits ver
atmungsdrücke bzw. Atemhubvolumina) schädigt schlossener Alveolarbereiche erfolgt vor allem durch
die Lunge wahrscheinlich mehr als eine hohe FiO2. das Zusammenspiel von erhöhtem Inspirationsdruck
und PEEP: Durch entsprechend hohen Inspirations
druck werden die Alveolen wieder eröffnet, der PEEP
6.2.4 PEEP soll die rekrutierten Alveolen offen halten (der inspi
ratorische Plateaudruck öffnet die Lunge, der PEEP
DEFINITION hält die Lunge offen). Insgesamt bessert sich durch
PEEP (positiv endexpiratory pressure): Positiver Druck am die Anwendung von PEEP das Ventilations-Perfu
Ende der Ausatmung, d. h. der Druck in den Atemwegen sionsverhältnis, der pulmonale Rechts-Links-Shunt
fällt am Ende der Exspiration nicht auf Null (im Verhältnis nimmt ab und die Oxygenierung wird optimiert.
zum Atmosphärendruck) ab, sondern wird im positiven Nebenwirkungen des PEEP › 6.7.1
116 6 Maschinelle Beatmung
Indikationen für Beatmung mit PEEP (durch den PEEP kann der Hirndruck weiter stei
gen), Lungenembolie (PEEP erhöht die rechtsventri
In vielen Kliniken wird bei maschineller Beatmung kuläre Nachlast) und Herzfehler mit Rechts-Links-
grundsätzlich ein geringer PEEP von 6–8 mbar ein Shunt (PEEP kann hier den Rechts-Links-Shunt
gestellt, der dazu dienen soll, die durch die Intuba verstärken).
tion bzw. Tracheotomie verminderte FRC zu norma
lisieren. Dieser geringe PEEP wird daher auch „phy-
Einstellung des PEEP
siologischer PEEP“ genannt.
Darüber hinaus ist ein PEEP indiziert bei: Die Höhe des PEEP (in mbar) wird am Respirator
• Oxygenierungsstörungen aufgrund restriktiver eingestellt und kann am Display oder am Beat
Ventilationsstörungen (› 2.2.1), also z. B. bei mungsdruckmanometer abgelesen werden.
Lungenkontusion, ARDS, Pneumonie sowie bei
instabilem Thorax (› 2.3.3) zur „inneren Schie Extrinsic- und Intrinsic-PEEP
nung“. Der am Respirator eingestellte PEEP wird auch als Ext-
• Beim kardiogenen Lungenödem bewirkt PEEP rinsic-PEEP oder extrinsischer PEEP bezeichnet; er wirkt
(meist in Form von CPAP-[Be-]Atmung) die Sen gleichmäßig auf die gesamte Lunge ein (daher auch die
kung von Vor- und Nachlast des Herzens (auch Bezeichnung „all over PEEP“). Im Gegensatz dazu baut
als Nitroeffekt bezeichnet), dadurch verbessert sich der Intrinsic-PEEP (auch intrinsischer PEEP) bei be-
stimmten Erkrankungen (insbesondere COPD › 2.3.2)
sich das Verhältnis von Sauerstoffangebot und bzw. bei speziellen Beatmungsformen und Einstellungen
-bedarf des Herzmuskels, was die Rückbildung am Respirator in Lunge des Patienten auf (› 6.3.1). Der
der Lungenstauung unterstützt. Intrinsic-PEEP ist meist ungleichmäßig über die Lunge
• Bei Operationen, bei denen mit einem erhöhten verteilt.
intraabdominellen Druck zu rechnen ist, wird be
6 reits intraoperativ mit PEEP beatmet. Gerade bei
diesen Patienten ist auch postoperativ mit Ate Für die Einstellung des PEEP-Niveaus existieren
lektasen zu rechnen, daher ist eine postoperative keine allgemeingültigen Richtlinien. Grundsätzlich
Beatmung mit PEEP bzw. CPAP-Atmung not wird folgendes empfohlen:
wendig (Ozcenski 2012). • Konzept minimaler PEEP: Den PEEP so hoch
Umstritten ist die Anwendung eines PEEP bei obst einstellen, dass bei einem FiO2< 0,6 eine Sauer
ruktiven Ventilationsstörungen, z. B. COPD oder stoffsättigung über 90 % bzw. ein pO2 > 60 mmHg
Asthma bronchiale (› 2.3.2), da hier oft erkran erreicht wird.
kungsbedingt bereits ein Intrinsic-PEEP besteht. • Einstellung des PEEP mittels PEEP/FiO2-Tabelle.
Durch Einstellen eines PEEP, der unterhalb dem Ni Derzeit sind zwei verschiedene Tabellen ge
veau des Intrinsic-PEEP liegt, ist es jedoch möglich, bräuchlich, die entweder einen höheren PEEP-
die kleinen Atemwege offen zu halten. Dies erleich Wert oder ein höheres FiO2 zum Erreichen einer
tert die Ausatmung und vermindert die Atemarbeit ausreichenden Sauerstoffversorgung tolerieren
des Patienten. (› Tab. 6.2). Ist z. B. bei Einsatz der Tabelle
niedriger PEEP/hohes FiO2 bei einem FiO2 von 0,5
Bei kreislaufinstabilen Patienten mit Hypovolämie ist es und einem PEEP von 8 mbar der paO2 zu niedrig,
häufig notwendig, vor der Anwendung bzw. Erhöhung wird der PEEP auf 10 mbar angehoben. Ist wegen
eines PEEP eine Volumensubstitution und evtl. auch eine zu geringem paO2 eine erneute Anpassung not
Therapie mit Katecholaminen durchzuführen, um die ne- wendig, wird die FiO2 auf 0,6 angehoben usw.
gativen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System • Konzept optimaler PEEP: Den PEEP so hoch
(Abfall von HZV und arteriellen Blutdruck › 6.7.2) ge- einstellen, dass sich eine maximale Sauerstoffver
ring zu halten.
sorgung des Gewebes ergibt (mit steigendem
PEEP steigt das Sauerstoffangebot im Blut zu
Weiter wird ein PEEP nur mit größter Vorsicht nächst an. Sobald der PEEP zu hoch ist, sinken
eingesetzt bei Patienten mit erhöhtem Hirndruck Blutdruck und HZV, dadurch fällt das Sauerstoff
6.2 Beatmungsparameter 117
wenig relevant, sondern vor allem ein Kriterium für • Bei der kontrollierten (mandatorischen) Beat-
die Auswahl bzw. Neuanschaffung eines bestimmten mung leistet der Respirator die Atemarbeit zu
Beatmungsgeräts (› 7.2). 100 % (full respiratory support). Der Patient ist völlig
passiv, d. h. er leistet keinerlei Atemarbeit (› 6.3.1)
• Bei der assistierten Beatmung (auch unterstüt-
zende oder augmentierende Beatmung) unter
6.3 Beatmungsformen stützt der Respirator die insuffiziente Spontanat
mung des Patienten (partial ventilatory support).
Klassifikation der Beatmungsformen Das Ausmaß der Unterstützung, die der Respira
Eine einheitliche, allgemein gültige Klassifikation tor leistet, ist sehr verschieden. So kann die Un
der Beatmungsformen existiert bis heute nicht. terstützung z. B. sehr umfangreich (d. h. der Pati
ent leistet nur einen sehr kleinen Teil der Atem
Einzelne Beatmungsfomen haben – obwohl sie grund- arbeit) oder sehr gering sein (d. h. der Patient
sätzlich gleich funktionieren – unterschiedliche, meist leistet einen sehr großen Teil der Atemarbeit).
vom Gerätehersteller festgelegte Namen. Zudem Der Begriff assistierte Beatmung lässt daher keine
unterscheiden sich einzelne Beatmungsformen abhängig Rückschlüsse auf Qualität und Quantität der
vom Gerätehersteller in Details, z. B. hinsichtlich der not- Spontanatmung des Patienten zu (› 6.3.1)
wendigen Einstellparameter oder des Ablaufs der Beat- • Bei der Spontanatmung leistet der Patient die
mung. Bei den neuen Beatmungsgeräten ist es auch
möglich, dass eine Beatmungsform eines Gerätetyps sich
gesamte Atemarbeit selbst.
abhängig von der verwendeten Software-Version von Daneben ist seit einigen Jahren die Klassifikation
derselben Beatmungsform desselben Respirators unter- der Beatmungsformen nach Chatburn gebräuch
scheidet. Eine genaue Kenntnis der Gebrauchsanweisung lich (› Tab. 6.3), die es ermöglichen soll, die ein
ist daher unbedingt erforderlich. zelnen (firmenspezifisch benannten) Beatmungsfor
men besser miteinander vergleichen zu können. 6
Etabliert ist nach wie vor die Einteilung der Beat Dies soll insbesondere Schulungen erleichtern.
mungsformen anhand der vom Patienten zu erbrin Die meisten Beatmungsformen haben mehrere
genden Atemarbeit: verschiedene (Kurz-)Bezeichnungen, häufig wer
den sowohl deutsche als auch englische Begriffe ver
wendet. Im Folgenden sind die Beatmungsformen Bei kontrollierter Beatmung (CMV) hat der Patient
jeweils unter der Bezeichnung näher beschrieben, keinen Einfluss auf den Atemhub, d. h. bei Einatem
die im klinischen Sprachgebrauch am häufigsten bemühungen des Patienten wird unter kontrollierter
verwendet wird. Die Synonymbegriffe und Abkür Beatmung ein Atemhub (entsprechend der einge
zungen sind jeweils bei der Definition der Beat stellten Beatmungsparameter) verabreicht, sobald
mungsform aufgeführt. die Triggerschwelle erreicht ist (› 6.2.5).
In der Praxis hat es sich bewährt, Standardeinstellun- Triggert der Patient häufig, ist zu überlegen, ob eine we-
gen für die eingesetzten Respiratoren festzulegen, die niger invasive Beatmungsform gewählt werden kann,
bei Inbetriebnahme des Geräts zunächst eingestellt und d. h. Wechsel von CMV zu IMV oder CSV
zum frühestmöglichen Zeitpunkt auf die spezielle Patien-
tensituation angepasst werden. So weiß jeder Mitarbei-
ter, wie welches Gerät einzustellen ist, und Fehleinstel- Vorteile, Nachteile und Indikationen
lungen werden vermieden. kontrollierter Beatmung
Die kontrollierte Beatmung hat zwei Vorteile, aus
denen sich gleichzeitig die Indikationen für eine
6.3.1 Kontrollierte und assistierte kontrollierte Beatmung ergeben:
Beatmung • Der Sauerstoffverbrauch des Patienten wird auf
ein Minimum reduziert (dies ist z. B. wichtig bei
Kontrollierte Beatmung schwersten Gasaustauschstörungen, etwa im
Rahmen eines ARDS)
DEFINITION • Überanstrengte Atemmuskulatur (etwa nach lang
Kontrollierte Beatmung (auch continuous manda dauernden Entwöhnungsversuchen) kann sich
tory ventilation, kurz CMV): Beatmungsform, bei der unter kontrollierter Beatmung erholen. 6
das Beatmungsgerät die Atemarbeit vollständig über- Beide Vorteile können jedoch nur wirksam werden,
nimmt. Ein Trigger ist zwar zugeschaltet (› 6.2.5), für wenn der Patient nicht unter der kontrollierten Be
die Beatmung ist es jedoch nicht erforderlich, dass der atmung erfolglose Atembemühungen unternimmt,
Patient diesen auch auslöst.
Häufig wird die Bezeichnung assistierte kontrollierte
da diese das Gegenteil bewirken würden (der Sauer
Beatmung (auch assisted mandatory ventilation, kurz stoffverbrauch steigt, eine Erholung der Atemmus
AMV, synchronized controlled mandatory/mechanical kulatur kann nicht erfolgen) und zudem beim Pa
ventilation, kurz S-CMV oder synchronized intermittend/ tienten das Gefühl der Luftnot entstünde (er ver
continuous positiv pressure ventilation, kurz S-IPPV bzw. sucht einzuatmen, bekommt aber keine Luft). Des
S-CPPV) für eine kontrollierte Beatmung mit der Möglich- halb müssen Patienten häufig sediert und selten
keit der Triggerung vewendet. auch relaxiert werden, um eine kontrollierte Beat
Kontrollierte Beatmung erfolgt entweder volumenkont-
rolliert (volume controlled CMV, kurz VC-CMV) oder
mung ertragen zu können (Ausnahme: Patienten,
druckkontrolliert (pressure controlled CMV, kurz PC- die wegen ihrer Grunderkrankung, etwa einer Into
CMV). xikation oder eines schweren Schädel-Hirn-Trau
Kontrollierte Beatmung mit PEEP wird auch als CPPV (con- mas, nicht selbstständig atmen können).
tinuous positive pressure ventilation) bezeichnet, kontrol- Analgesie und Sedierung beim beatmeten Patien-
lierte Beatmung ohne PEEP (ZEEP, d. h. zero endexpiratory ten › 6.9
pressure; zero = Null, wird fast nicht mehr durchgeführt) Der Nachteil der kontrollierten Beatmung besteht
als IPPV (intermittend positive pressure ventilation).
Inversed-Ratio Ventilation (kurz IRV; inverse = um-
vor allem darin, dass die Atemmuskulatur ge
gekehrt) ist keine eigenständige Beatmungsform, son- schwächt wird, und zwar umso mehr, je länger die
dern besagt, dass eine (meist kontrollierte) Beatmung mit kontrollierte Beatmung andauert (Atemmuskelatro
umgekehrtem Atemzeitverhältnis (I:E-Verhältnis, normal phie › 6.7.2). Daneben ist oft eine (tiefe) Sedierung,
1:1,5–1:2) erfolgt, d. h. die Inspirationszeit ist genauso ggf. auch eine Relaxierung des Patienten mit allen
lang wie die Exspirationszeit oder länger (das I:E-Verhält- damit verbundenen Nachteilen erforderlich. Da bei
nis ist ≥ 1). der kontrollierten Beatmung Zwerchfellaktivitäten
122 6 Maschinelle Beatmung
des Patienten kaum vorhanden sind oder ganz feh durch die kurze Exspirationszeit ein Intrinsic-PEEP
len, kann es vermehrt zu Atelektasen in den dorsoba aufbauen (siehe unten).
salen Lungenabschnitten kommen. Dies wiederum
hat meist eine Verlängerung der gesamten Beat Intrinsic-PEEP und Airtrapping
mungsdauer und der anschließenden Weaning-Pha Unter Beatmung mit IRV kann die verbleibende Zeit
se zur Folge. Deshalb wird eine kontrollierte Beat zur Exspiration zu kurz sein, um das komplette zu
mung nur solange wie unbedingt nötig eingesetzt. vor eingeatmete Atemzugvolumen wieder aus der
Die spezifischen Nachteile und Gefahren einer vo Lunge strömen zu lassen, d. h. ein Teil des Atemzug
lumen- bzw. druckkontrollierten Beatmung sind je volumens verbleibt in der Lunge (› Abb. 6.5). Die
weils bei diesen Beatmungsformen beschrieben. ses Phänomen wird „Airtrapping“ (trap = Falle) ge
nannt. Es führt zu einer Erhöhung der FRC
(› 1.2.1) und steigert den endexspiratorischen
Beatmung mit IRV
Druck, daher auch die Bezeichnung „Auto-PEEP“
oder Intrinsic-PEEP (PEEP › 6.2.4).
DEFINITION Im Gegensatz zum externen (am Respirator ein
Inversed-Ratio Ventilation (kurz IRV; inverse = um-
gekehrt) ist keine eigenständige Beatmungsform, son-
gestellten) PEEP, der auf die gesamte Lunge ein
dern besagt, dass eine (meist kontrollierte) Beatmung mit wirkt, kommt der Intrinsic-PEEP vor allem in den
umgekehrtem Atemzeitverhältnis (I:E-Verhältnis, normal sog. „langsamen Lungenkompartimenten“ (Lungen
1:1,5–1:2) erfolgt, d. h. die Inspirationszeit ist genauso abschnitte, die sich nur sehr langsam mit Luft füllen
lang wie die Exspirationszeit oder länger (das I:E-Verhält- und entleeren) zur Wirkung (deshalb wird er von
nis ist ≥ 1). manchen Autoren auch „Individual-PEEP“ oder „se
lektiver PEEP“ genannt). Dies kann bei der Beat
Bei Beatmung mit IRV wird das Atemzeitverhältnis mung von Patienten mit ARDS genutzt werden, um
6 (I:E-Verhältnis) umgekehrt. Daraus folgt eine die Alveolen offenzuhalten (› 6.8.1) (Ullrich 2010).
• Verlängerung der Inspirationszeit auf Kosten der Abhängig davon, ob der Patient volumen- oder
Exspirationszeit (Verkürzung der Exspirations druckkontrolliert beatmet ist, birgt der Intrinsic-
zeit, im Extremfall I:E = 4:1) PEEP unterschiedliche Gefahren: Bei volumenkont
• Erhöhung des mittleren Beatmungsdrucks (Beat rollierter Beatmung kann sich der Intrinsic-PEEP
mungsmitteldruck, mittlerer Atemwegsdruck, unkontrolliert aufschaukeln mit der Gefahr eines
kurz MAP). pulmonalen Barotraumas (› 6.7.1), bei druckkon
IRV wird eingesetzt bei schweren Störungen des trollierter Beatmung bewirkt der Intrinsic-PEEP ei
pulmonalen Gasaustauschs, insbesondere bei rest ne Verminderung der Atemzugvolumina (Details
riktiven Ventilationsstörungen (Erkrankungen mit siehe druckkontrollierte Beatmung).
Einschränkung der Compliance, › 1.2.1). Der posi
tive Effekt auf die Oxygenierung wird bewirkt durch Flow
eine:
• Gleichmäßigere Verteilung des Gases in der Lunge
• Längere Kontaktzeit des Gases in der Lunge Exsp. zeit
• Bessere Belüftung von Lungenarealen mit erhöh Zeit
ter Resistance (mehr Zeit zum Öffnen atelektati
scher Lungenbezirke).
Flowkurve geht am
Nachteilig ist die Erhöhung des mittleren Beat Ende der Exsp. nicht
mungsdrucks und damit des intrathorakalen auf Null zurück
Drucks, der dazu führt, dass der venöse Rückstrom
zum rechten Herzen abnimmt und in der Folge auch Abb. 6.5 Geht die Flowkurve am Ende der Exspiration nicht
auf Null zurück, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Exspira
das Herzzeitvolumen und damit die Durchblutung tionszeit zu kurz ist und ein Teil des Atemzugvolumens in der
der Organe verringert werden (Details › 6.7 Ne Lunge bleibt. Dadurch entsteht das „Airtrapping“ und ein In-
benwirkungen der Beatmung). Zudem kann sich trinsic-PEEP. [A400]
6.3 Beatmungsformen 123
Bei Patienten mit obstruktiven Ventilationsstörungen gestellte Triggerschwelle ab. Dies verbessert den
(z. B. COPD oder Status asthmaticus › 2.3.2) besteht venösen Rückstrom zum Herzen (› 6.7.2).
bei Beatmung mit IRV die Gefahr, dass die durch die Er- • Einatembemühungen des Patienten müssen nicht
krankung ohnehin erhöhte FRC durch Ausbildung eines unterdrückt werden, sondern bleiben erhalten.
Intrinsic-PEEP zusätzlich erhöht wird. Diese Patienten
Dadurch bleibt die Atemmuskulatur – wenn auch
sollten mit einem I:E-Verhältnis von 1:2 bis 1:1,5 beatmet
werden, eine IRV-Beatmung ist kontraindiziert. in geringem Umfang – aktiv.
• Bei Triggerbemühungen des Patienten werden
durch die Zwerchfellbewegungen die dorsobasa
len Abschnitte der Lunge besser belüftet.
Assistierte Beatmung Nachteilig sind folgende Faktoren:
• Atmet der Patient mit einer hohen Frequenz
DEFINITION (z. B. bei Unruhe, Schmerzen oder Durchgangs
Assistierte Beatmung (auch assisted mandatory ven- syndrom), kann es zu einer Hyperventilation
tilation, kurz AMV, synchronized controlled mandatory/ kommen, da die eingestellte Atemfrequenz und
mechanical ventilation, kurz S-CMV oder synchronized das eingestellte Atemminutenvolumen (beides
intermittend/continuous positiv pressure ventilation, auf die Bedürfnisse des Patienten eingestellt) weit
kurz S-IPPV bzw. S-CPPV):
Kombination aus maschineller Beatmung und (unter-
überschritten werden. Diese kann eine respirato-
stützter) Spontanatmung. rische Alkalose (› 1.3.2) verursachen.
• Bei hoher Atemfrequenz reicht die Zeit zur Ex
spiration evtl. nicht aus, um das Gas komplett ab
Bei der assistierten Beatmung erhält der Patient eine zuatmen. Dadurch kann es zum Airtrapping
mehr oder weniger umfangreiche Unterstützung kommen (› 6.3.1).
durch den Respirator, d. h. er leistet einen Teil der • Der Patient hat wenig Einfluss auf das verab
Atemarbeit selbst. reichte Tidalvolumen, d. h. die Luftmenge des 6
Voraussetzung ist, dass der Patient den Trigger verabreichten Atemzugs entspricht evtl. nicht
auslösen kann. dem Bedürfnis des Patienten (maschineller
• Triggert der Patient, erhält er Unterstüzung ent Atemzug kann zu groß oder zu klein sein).
weder in Form eines eingestellten maschinellen
Atemhubs oder eines eingestellen Inspirations
flows. 6.3.2 Volumenkontrollierte
• Triggert der Patient nicht, so erhält er die einge Beatmung
stellte kontrollierte Beatmung.
DEFINITION
Volumenkontrollierte Beatmung (volume-controlled
Vorteile und Nachteile der assistierten CMV, kurz VC-CMV): Kontrollierte Beatmung, bei der
kontrollierten Beatmung das Tidalvolumen (Atemzugvolumen) sowie der zeitliche
Ablauf des Atemzyklus am Respirator eingestellt und ent-
Gegenüber der reinen kontrollierten Beatmung
sprechend der Einstellung verabreicht wird, sofern nicht
zeichnet sich die assistierte Beatmung durch folgen zuvor am Respirator eingestellte Grenzwerte (z. B. für
de Vorteile aus: den Beatmungsdruck) überschritten werden. Meist wird
• Da der Patient synchron zu seinen Einatembe das Volumen mit einem konstanten Flow (auch Recht
mühungen Atemzüge erhält, hat er nicht das Ge eckflow) in der vorgegebenen Zeit verabreicht. Manche
fühl, dem Respirator hilflos ausgeliefert zu sein Respiratoren ermöglichen auch andere Flowformen
(kein „Kampf gegen das Beatmungsgerät“). Da (› 6.2.2).
Der Beatmungsdruck (Spitzen- und Plateaudruck) bei vo-
her ist i. d. R. eine weniger tiefe Sedierung ausrei
lumenkontrollierter Beatmung ergibt sich aus den vorge-
chend. nommenen Einstellungen und dem Zustand von Atemwe-
• Bei Verwendung eines Drucktriggers sinkt der gen und Lunge des Patienten (Compliance und Resis-
Beatmungsdruck in der Triggerphase um die ein tance).
124 6 Maschinelle Beatmung
Das Tidalvolumen stellt der Anwender entweder di lumina ist der pCO2. Werden trotz hoher Fre
rekt am Respirator ein oder er stellt das Atemminu quenz Volumina benötigt, die zu einem hohen
tenvolumen und die Atemfrequenz ein und der Res Beatmungsdruck führen, sollte auf eine druck
pirator errechnet daraus das Tidalvolumen kontrollierte Beatmung umgestiegen oder eine
(› 1.2.1). permissive Hyperkapnie in Betracht gezogen
werden.
Ablauf eines Atemzyklus bei volumenkontrollierter • Frequenz. Zielgröße ist auch hier der pCO2,
Beatmung meist beträgt sie 8–18/Min. Wird die Frequenz
• Das eingestellte Tidalvolumen wird während der (bei gleichem AMV) erhöht, muss beachtet wer
inspiratorischen Flowphase entsprechend dem den, dass der Anteil der Totraumventilation am
eingestellten Flowmuster verabreicht. AMV zunimmt (› 1.2.1).
• Der Beatmungsdruck steigt während der inspira • Atemzeitverhältnis. Meist wird am Respirator
torischen Flowphase kontinuierlich an, bis am die Inspirationszeit (Inspirationsdauer) in Sekun
Ende der inspiratorischen Flowphase der Beat- den oder % des Atemzyklus eingestellt, und die
mungsspitzendruck erreicht ist (› Abb. 6.6). Exspirationszeit errechnet sich aus der Zeitdauer
• Ist eine inspiratorische Pause eingestellt, sind – des Ventilationszyklus abzüglich der Inspirati
nachdem das Tidalvolumen verabreicht wurde – onszeit (› 6.2.1). An manchen Respiratoren
in der eingestellten Zeit sowohl das Inspirations- werden der Flow und das Tidal- bzw. Atemminu
als auch das Exspirationsventil des Respirators tenvolumen eingestellt, daraus errechnen sich In
geschlossen (Flow = 0). In dieser Phase verteilt spirations- und Exspirationsdauer.
sich das Atemgas gleichmäßig in der Lunge, da – Die Inspirationsdauer besteht aus inspiratori-
durch fällt der Spitzendruck auf den Plateau- scher Flowphase und der inspiratorischen Pause
druck ab. (inspiratorische No-Flow-Phase). Beide werden
6 • Je niedriger der Flow gewählt ist, desto länger ist entweder in Sekunden oder in % des Atemzyk
die inspiratorische Flowphase und desto kürzer lus eingestellt. Physiologisch ist ein Atemzeit
ist die inspiratorische Pause. verhältnis (I:E-Verhältnis) von 1:1,5–1:2, ab ei
• Die Exspiration beginnt, wenn die voreingestellte nem Verhältnis von 1:1 spricht man von IRV
Inspirationszeit (inspiratorische Flowphase plus (› 6.3.1). Während der Flowphase wird die
insp. Pause) abgelaufen ist. Lunge mit Gas gefüllt, in der Pause verteilt sich
• Während der Exspiration strömt das Atemgas das Gas in der Lunge, dies ist insbesondere bei
aus der Lunge des Patienten. Auch für diesen regionalen Belüftungsstörungen sinnvoll
Vorgang steht eine bestimmte Zeit zur Verfü – Die Exspirationsdauer muss so lang sein, dass
gung, die sich aus den Einstellungen ergibt das Gas vollständig aus der Lunge strömen
(› 6.2.1). Bei Beatmung mit PEEP wird das Ex kann.
spirationsventil spätestens dann geschlossen, • Flowmuster (› 6.2.2)
wenn der eingestellte PEEP erreicht ist, bei Beat • Sauerstoffkonzentration.
mung ohne PEEP fällt der Druck auf den Atmo
sphärendruck ab. Beatmungsparameter, die zusätzlich eingestellt
Ist das Ende der eingestellten bzw. errechneten werden können
Exspirationszeit erreicht, beginnt die nächste In • PEEP (› 6.2.4)
spiration. • Trigger. Sobald ein Trigger ausgelöst wird, erhält
der Patient einen maschinellen Hub, das I:E-Ver
Beatmungsparameter, die am Respirator hältnis verschiebt sich zugunsten der Inspiration
eingestellt werden müssen • Inspirationsanstiegszeit (› 6.2.2).
• Tidalvolumen bzw. Minutenvolumen (abhängig
vom verwendeten Respirator). Das Tidalvolumen Beatmungsgrenzwerte und Alarme
beträgt i. d. R. 5–7 ml/kg KG, das AMV beträgt • Obere Druckgrenze. Einstellung ca. 10 mbar über
i. d. R. 80–100 ml/kg KG. Zielgröße für diese Vo dem gemessenen Spitzendruck, um frühzeitig
6.3 Beatmungsformen 125
Insp. Insp. 6
Flow- Pause
phase
Abb. 6.6 Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei volumenkontrollierter Beatmung mit PEEP und konstantem Flow. [A400]
126 6 Maschinelle Beatmung
Druck
Insp. Pplat
Pause
plat. max.
(konfigu-
rierbar)
PEEP Zeit
Insp. Exsp. Insp. Exsp.
ohne max mit max Abb. 6.7 Druck-Flowdiagramm
Flow bei PLV. Sobald pmax erreicht ist,
reduziert der Respirator den Inspi-
rationsflow, um einen weiteren
Anstieg des Beatmungsdrucks zu
Zeit verhindern. Solange die Beat-
mungsdruckkurve am Ende der
Inspiration noch ein kurzes Pla-
teau zeigt, ist die Beatmung volu-
menkonstant. [A400]
(pmax) ein. Wird im Verlauf der Inspiration diese Ablauf eines Atemzyklus bei druckkontrollierter
Drucklimitierung erreicht, reduziert der Respirator Beatmung
den Inspirationsflow, um einen weiteren Anstieg des • Zu Beginn der Inspiration wird das eingestellte
Beatmungsdrucks zu vermeiden. Durch die Reduk Druckniveau rasch aufgebaut, d. h. die Lunge füllt
tion des Inspirationsflows verlängert sich die inspi sich mit Atemgas, das anfangs mit sehr hoher Ge
ratorische Flowphase (› Abb. 6.7) zu Lasten der schwindigkeit anflutet. Mit zunehmender Fül
6 inspiratorischen Pausendauer (inspiratorische Pau lung der Lunge sinkt der Flow und letztlich
se › 6.2.1). strömt nur noch so viel Atemgas nach wie nötig
Kann das eingestellte Tidalvolumen auch mit dem ist, um den Druck bis zum Ende der eingestellten
verminderten Inspirationsflow nicht in der vorgege Inspirationszeit aufrechtzuerhalten. Daraus re
benen Inspirationszeit (gesamte Inspirationszeit sultiert ein dezelerierender Flow (› Abb. 6.8).
einschließlich inspiratorischer Pause) verabreicht • Während der Exspiration strömt das Atemgas
werden, wird die Beatmung volumeninkonstant und aus der Lunge des Patienten. Bei Beatmung mit
der Respirator gibt Alarm. PEEP schließt das Exspirationsventil sobald der
eingestellte PEEP erreicht ist, bei Beatmung ohne
PEEP (im druckkontrollierten Modus sehr selten)
6.3.3 Druckkontrollierte Beatmung fällt der Druck auf den Atmosphärendruck ab.
Ist das Ende der eingestellten bzw. errechneten
Exspirationszeit erreicht oder triggert der Pati
DEFINITION
Druckkontrollierte Beatmung (pressure-controlled ent, beginnt die nächste Inspiration.
CMV, kurz PC-CMV): Kontrollierte Beatmung, bei der ein
am Beatmungsgerät eingestellter Druck aufgebaut und Beatmungsparameter, die am Respirator
während der gesamten Inspirationsdauer in der Lunge eingestellt werden müssen
aufrechterhalten wird. Der Flow ist anfänglich hoch und • Druckdifferenz (Differenz zwischen endexspira
sinkt im Verlauf der Inspiration ab (dezelerierender Flow). torischem Druck [i. d. R. PEEP] und inspiratori
Das Tidalvolumen resultiert insbesondere aus dem einge- schem Druckniveau). Die Druckdifferenz wird
stellten Druckniveau sowie der Compliance und Resis-
tance von Atemwegen und Lunge, ist aber auch von der
z. B. als Druckniveau über PEEP oder als Pinsp ein
Inspirationsdauer abhängig. gestellt (dann PEEP von Pinsp abziehen, um Druck
differenz zu erhalten).
Je höher die Druckdifferenz ist, umso höher ist
das verabreichte Tidalvolumen. Angestrebt wird
6.3 Beatmungsformen 127
Abb. 6.8 Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei druckkontrollierter Beatmung mit PEEP. [A400]
6
der niedrigste notwendige Druck, um den Patien Parameter, die zusätzlich eingestellt werden
ten zu beatmen. Wichtige Kriterien sind z. B. der können
paO2 sowie der paCO2. Grundsätzlich sollte der • PEEP (› 6.2.4)
Beatmungsdruck nicht über 30–35 mbar (inkl. • Trigger
PEEP) liegen. Sollten höhere Drücke erforderlich • Flowanstiegszeit (› 6.2.2).
werden, ist eine permissive Hyperkapnie in Erwä
gung zu ziehen. Meist liegt die Druckdifferenz bei Beatmungsgrenzwerte und Alarme
12–16 mbar über PEEP (Ozcenski 2012: 244). • Alarme für Minutenvolumen. Wichtige Überwa
War der Patient zuvor volumenkontrolliert beat chungsfunktion bei druckkontrollierter Beat
met, eignet sich der Plateaudruck als Richtwert mung (siehe unten). Einstellung bei Beatmungs
für die Einstellung der Druckdifferenz. beginn ca. 20 % über und unter dem gewünsch
• Atemfrequenz. Zielgröße ist auch hier der pCO2, ten Wert für das Atemminutenvolumen, später
meist beträgt die Atemfrequenz 8–18 Atemhübe dann abhängig von der Patientensituation (Fehl
pro Minute. alarme vermeiden).Bei manchen Respiratoren
• Atemzeitverhältnis. Die Inspirationsdauer besteht können auch Grenzwerte für das Atemhubvolu
bei PC-CMV nur aus der inspiratorischen Flowpha men (VT) eingestellt werden.
se. Das Einstellen einer inspiratorischen Pause ist • Obere Druckgrenze. Einstellung ca. 10 mbar über
nicht sinnvoll und daher an vielen Respiratoren auch dem eingestellten Druckniveau (möglichst <
nicht möglich, sobald im druckkontrollierten Mo 35 mbar) um hohe Spitzendrücke (z. B. beim
dus beatmet wird. Die Inspirationsdauer wird ent Husten des Patienten) zu vermeiden.
weder in Sekunden oder in % des Atemzyklus einge • Alarme für die Sauerstoffkonzentration. Häufig
stellt. Die Exspirationsdauer muss so lang sein, dass geräteseitig automatisch eingestellt, ansonsten
das Gas vollständig aus der Lunge strömen kann. 5 Vol.% über und unter dem eingestellten Wert
• Sauerstoffkonzentration. • Diskonnektionsalarm.
128 6 Maschinelle Beatmung
Abb. 6.9 Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei PRVC mit PEEP und Flowtrigger. Bei dieser Beatmungsform reguliert der Res- 6
pirator den Inspirationsdruck innerhalb gewisser Grenzen ständig, sodass er nur so hoch ist, dass das eingestellte Zieltidalvolumen
verabreicht werden kann (siehe Text). [A400]
• Ist das Zieltidalvolumen vor Ablauf der Inspirati onsweise ist jeweils der Gebrauchsanweisung zu ent
onszeit verabreicht (d. h. der Flow ist innerhalb nehmen.
der Inspirationszeit auf 0 abgesunken), kann der
Patient in der verbleibenden Inspirationszeit BiPAP® (Bi-level positiv airway pressure) ist der Marken-
spontan atmen. Der Inspirationsdruck (Plateau name eines Heimbeatmungsgeräts der Firma Philips
druck) bleibt dabei erhalten. healthcare (› 10.3.4), das über die Funktion „inspirato-
• Eine Begrenzung des Tidalvolumens kann durch rische Druckunterstützung“ verfügt, d. h. BiPAP® hat
die Alarmgrenze Vti erreicht werden, bei Über nichts mit der Beatmungsform BIPAP zu tun.
schreiten wird vor Ende der Inspiration auf das
PEEP Niveau umgeschaltet. Der Anwender stellt am Respirator die beiden Druck
Wie bei PRVC wird auch bei IPPV Autoflow® der In niveaus (oberes Druckniveau entspr. pinsp. oder phoch.
spirationsdruck auf max. 5 mbar unterhalb der obe und unteres Druckniveau entspr. pexsp. oder PEEP)
ren Druckgrenze (paw) angehoben. Bei Überschrei und die Zeitspannen ein, in denen das obere bzw. un
ten dieser Grenze gibt der Respirator Alarm. tere Druckniveau jeweils gehalten werden soll (tinsp
für oberes Druckniveau und texsp für unteres Druck
APV niveau. Alternativ werden an manchen Respiratoren
Bei APV (realisiert an Respiratoren der Firma Ha tinsp und Beatmungsfrequenz eingestellt, die Zeit für
milton medical) wird ein Zielminutenvolumen ein das untere Druckniveau errechnet sich daraus).
gestellt bzw. ergibt sich aus der eingestellten Beat
mungsfrequenz und dem eingestellten Tidalvolu
Ablauf der Beatmung bei BIPAP
men.
Dann werden zunächst 2–5 Testatemzüge verab • Mit dem Wechsel vom unteren auf das obere
reicht. Im weiteren Verlauf variiert der Respirator Druckniveau strömt Luft in die Lunge des Patien
6 den Inspirationsdruck um jeweils ± 2 mbar, um das ten (dieser Vorgang entspricht der Inspiration
Zieltidalvolumen zu erreichen. Der Inspirations bei der druckkontrollierten Beatmung › 6.3.3).
druck wird dabei auf maximal 10 mbar unterhalb der Wie bei der druckkontrollierten Beatmung hängt
oberen Druckgrenze angehoben. Die weiteren Ein es von der Höhe der Druckdifferenz (Differenz
stellungen am Respirator entsprechen denen bei vo zwischen endexspiratorischem und inspiratori
lumenkontrollierter Beatmung (› 6.3.1). APV kann schem Druck) und dem Zustand der Lunge ab,
einer druckkontrollierten oder SIMV-druckkontrol mit wie viel Luft sich die Lunge dabei füllt. Der
lierten (PCV-SIMV) Beatmung zugeschaltet werden. Respirator hält den eingestellten oberen Druck
(pinsp) für den eingestellten Zeitraum (tinsp) auf
recht. Während dieser Zeit kann der Patient auf
6.3.4 BIPAP diesem Druckniveau spontan atmen.
• Ist die Zeitdauer für das obere Druckniveau abge
DEFINITION laufen, schaltet der Respirator auf das untere
BIPAP (biphasic positive airway pressure): Beatmung Druckniveau (pexsp) um. Dadurch strömt Luft aus
mit zeitgesteuertem Wechsel zwischen zwei Druckni- der Lunge. Der Respirator hält nun das untere
veaus. Auf beiden Druckniveaus ist Spontanatmung mög- Druckniveau für die eingestellte Zeitdauer auf
lich (› Abb. 6.10). recht. Während dieser Zeit kann der Patient
spontan atmen. Nach Ablauf der Zeitdauer für
Fast alle Gerätehersteller haben an ihren Respirato das untere Druckniveau schaltet der Respirator
ren Beatmungsformen realisiert, die dem BIPAP wieder auf das obere Druckniveau um.
sehr ähnlich sind, jedoch andere Bezeichnungen tra Der Wechsel zwischen oberem und unterem Druck
gen und sich in Details unterscheiden. So ist z. B. bei niveau erfolgt jeweils synchronisiert, d. h. der Respi
manchen Geräten das Einstellen einer Druckunter rator registriert die Inspirations- bzw. Exspirations
stützung sowohl auf dem unteren als auch auf dem bemühungen des Patienten und leitet die Inspirati
oberen Druckniveau möglich. Die genaue Funkti on (Wechsel vom unteren auf das obere Druckni
6.3 Beatmungsformen 131
veau) bzw. die Exspiration (Wechsel vom oberen auf am Ende das obere Druckniveau dem unteren
das untere Druckniveau) entsprechend ein. Ausnah entspricht bzw. die Frequenz bei 0 liegt, ent
me: Bei BIPAPassist (entspricht der klassischen PC- spricht BIPAP einer CPAP-Atmung (ggf. mit in
CMV › 6.3.3) erfolgt der Wechsel vom hohen auf spiratorischer Druckunterstützung).
das tiefe Druckniveau nicht synchron zur Exspirati Damit ist es abhängig von der Geräteeinstellung
on des Patienten. möglich, mit BIPAP einen fließenden Übergang zwi
Die meisten Patienten atmen hauptsächlich auf schen einer kontrollierten Beatmung und der CPAP-
dem unteren Druckniveau spontan, nur selten findet Atmung zu schaffen, d. h. die Invasivität der Beat
auch auf dem oberen Druckniveau eine Spontanat mung ist bei BIPAP stufenlos regelbar.
mung statt. Die Spontanatmung auf dem unteren
Druckniveau kann erleichtert werden indem eine Sonderform BIPAP-APRV
inspiratorische Druckunterstützung (› 6.3.7) zu Bei BIPAP-APRV (BIPAP-airway pressure release
geschaltet wird (dann wird die Beatmung auch ventilation, d. h. intermittierende Druckreduktion)
BIPAP-ASB genannt). atmet der Patient spontan auf dem hohen Druck
niveau (phoch). Dieses hohe Druckniveau wird
Das hohe Druckniveau ist ein absoluter Druck (d. h. 5–15 mal pro Minute auf ein niedriges Niveau (ptief)
einschließlich eines PEEP), eine evtl. zugeschaltete Druck- abgesenkt. Die Zeiten für die jeweiligen Druckni
unterstützung ist ein relativer Druck (d. h. unabhängig veaus sind frei wählbar, die Beatmungsfrequenz re
vom PEEP). Ist z. B. ein pInsp von 10 mbar eingestellt und sultiert aus den eingestellten Zeiten. Übliche Einstel
ein PEEP von 5 mbar, so beträgt der effektive Druck für lungen für die ttief sind 0,5–1,5 Sekunden, in der Zeit
die Beatmung 5 mbar. Derselbe Druck wird erreicht wenn thoch sollten ca. 3 Atemzüge möglich sein. Die kurz
ein ASB von 5 mbar eingestellt ist.
zeitige Druckentlastung erfolgt abhängig von den
eingestellten Zeiten (nicht patientensynchron) und
Abhängig von der Einstellung des Respirators und soll eine verstärkte CO2-Abatmung bewirken. In den 6
der Spontanatmung des Patienten stellt BIPAP un „langsamen Lungenabschnitten“ (Lungenabschnit
terschiedliche Beatmungsformen dar: te, die sich erkrankungsbedingt langsamer füllen
• Atmet der Patient weder auf dem oberen noch und entleeren als gesunde Lungenareale) kann das
auf dem unteren Druckniveau spontan und sind Gas in dieser kurzen Zeit nicht ausströmen, sodass
sowohl die Beatmungsfrequenz als auch das obe ein Intrinsic PEEP entsteht, der zu einer verbesser
re Druckniveau relativ hoch eingestellt, so ent ten Oxygenierung führt (Ozcenski 2012). Die Höhe
spricht BIPAP einer druckkontrollierten Beat der jeweiligen Drücke richtet sich nach den Lungen
mung (› 6.3.3). verhältnissen des Patienten.
• Ist die Zeitdauer für das obere Druckniveau ge
nauso lange oder länger als die Zeit für das untere
Beatmungsparameter bei BIPAP
Druckniveau, so handelt es sich um Inversed ra-
tio BIPAP (kurz IR-BIPAP, d. h. BIPAP mit um Beatmungsparameter, die eingestellt werden
gekehrtem Phasenzeitverhältnis. IRV › 6.3.1) müssen
• Atmet der Patient nur auf dem unteren Druckni • Oberes Druckniveau (phoch oder pinsp)
veau spontan, entspricht BIPAP einer druckkont • Unteres Druckniveau (PEEP oder ptief)
rollierten SIMV-Beatmung (SIMV-druckkontrol • Beatmungsfrequenz
liert oder PC-SIMV, › 6.3.5) • Atemzeitverhältnis bzw. tinsp und texsp
• Atmet der Patient auf beiden Druckniveaus spon • Inspiratorische Sauerstoffkonzentration
tan, entspricht BIPAP einer CPAP-Atmung auf • Trigger.
wechselnden Druckniveaus; dies wird auch als
genuiner (d. h. ursprünglicher bzw. echter) BI Beatmungsparameter, die eingestellt werden
PAP bezeichnet können
• Werden das obere Druckniveau und/oder die Be • Inspiratorische Druckunterstützung (› 6.3.7)
atmungsfrequenz mehr und mehr gesenkt, bis • Inspirationsanstiegszeit.
132 6 Maschinelle Beatmung
Druck
BIPAP mit Spontanatmung BIPAP mit Spontanatmung
auf dem unteren Druckniveau auf beiden Druckniveaus
oberes
Druckniveau
(p insp)
unteres
Druckniveau
(PEEP) Abb. 6.10 BIPAP. Der Patient
wird durch den regelmäßigen
Zeit Wechsel zwischen den beiden
Insp.zeit Exsp.zeit Insp.zeit Exsp.zeit
(t insp) (t exsp) (t insp) (t exsp) Druckniveaus beatmet und kann
auf beiden Druckniveaus spontan
atmen. [A400]
Beatmungsgrenzwerte und Alarme der eine gewisse Anzahl maschineller Atemhübe einge-
Die einzustellenden Beatmungsgrenzwerte und stellt und synchronisiert verabreicht wird. Zwischen den
Alarme entsprechen denen der druckkontrollierten maschinellen Atemzügen kann der Patient spontan at-
Beatmung (› 6.3.3). Zusätzlich Überwachung der men (optional mit Druckunterstützung › 6.3.7). Früher
Atemfrequenz (Hechelüberwachung). häufig eingesetzt im Rahmen der Respiratorentwöhnung
(› 6.11).
Druck SIMV-Zyklus
Spontanatmungs-
SIMV-Periode periode
Flow
Volumen
Abb. 6.11 Druck-, Flow- und Volumendiagramm bei SIMV-volumenkontrolliert mit Drucktrigger. [A400]
6
zelner SIMV-Zyklus dauert. Teilt man eine Minute mühungen die Triggerschwelle erreicht hat. Um
durch die eingestellte SIMV-Frequenz, ergibt sich dies technisch zu ermöglichen, beginnt jede
die Zeitdauer des SIMV-Zyklus SIMV-Periode mit einer Zeit, in der der Respira
SIMV ‐ Zyklus (in Sek.) = 60 Sek. : SIMV ‐ Frequenz tor auf Einatembemühungen des Patienten war
tet (diese Zeitspanne wird als Erwartungszeitfens-
Da bei SIMV immer eine gewisse Anzahl maschineller
ter bezeichnet):
Atemhübe verabreicht werden, erhält der Patient ein – Triggert der Patient im Erwartungszeitraum,
mehr oder weniger großes „Mindest-AMV“. Dieses ist folgt auf den Trigger der maschinelle Atemzug
umso größer, je höher die SIMV-Frequenz und je größer – Triggert der Patient im Erwartungszeitraum
der präformierte Atemhub ist (Tidalvolumen bei SIMV- nicht, folgt der maschinelle Atemzug unmittel
volumenkontrolliert/Beatmungsdruck bei SIMV-druck- bar nach Ablauf der Erwartungszeit.
kontrolliert). • Einer Spontanatemphase. In dieser Zeit kann
der Patient spontan atmen, d. h. Atemfrequenz,
SIMV-Zyklus Tidalvolumen und Atemzeitverhältnis selbst be
Ein SIMV-Zyklus (› Abb. 6.11 und › Abb. 6.12) stimmen. Ist am Respirator ein PEEP eingestellt,
besteht aus: so ist dieser auch während der Spontanatempha
• Einer SIMV-Periode, in der der Respirator den se wirksam (die Spontanatemphase entspricht
maschinellen Atemzug verabreicht. Dieser Atem dann der CPAP-Atmung). Häufig wird zusätzlich
zug ist präformiert, d. h. es handelt sich um einen eine inspiratorische Druckunterstützung
(volumen- oder druck-)kontrollierten Atemzug (› 6.3.7) eingestellt, um die Spontanatmung des
(› 6.3.2 und› 6.3.3), und wird vom Respira Patienten zu unterstützen. Dies soll erhöhte
tor synchronisiert verabreicht (daher auch die Be Atemwiderstände durch das Beatmungsschlauch
zeichnung SIMV), d. h. die Inspiration beginnt je system und den Tubus ausgleichen und die Ent
weils dann, wenn der Patient durch Einatembe wöhnung vom Respirator erleichtern.
134 6 Maschinelle Beatmung
SIMV-Zyklus SIMV-Zyklus
Abb. 6.12 Druck-Flowdiagramm bei SIMV-druckkontrolliert (PCV-SIMV) mit Druckunterstützung und Flowtrigger. [A400]
Wie lange die SIMV-Periode und das Erwartungszeit- • Tidalvolumen (bei SIMV-volumenkontrolliert)
6 fenster dauern, hängt neben der eingestellten SIMV- oder Beatmungsdruck (bei SIMV-druckkontrol
Frequenz auch vom verwendeten Respirator ab. So ist z. B. liert)
beim Respirator Evita 4 (Fa. Dräger) das Erwartungs • Sauerstoffkonzentration
zeitfenster immer 5 Sek. lang, während bei den Servo • Trigger.
ventilatoren (Fa. Maquet, › 7.4.5) die Dauer des Erwar-
tungszeitfensters entweder über die Beatmungsfrequenz
(CMV-Frequenz) geregelt wird oder 90 % des SIMV- Beatmungsparameter die zusätzlich eingestellt
Zyklus beträgt. Wichtig ist daher die genaue Kenntnis werden können
der Funktionsweise der einzelnen Respiratoren, um die • PEEP
für den Patienten optimale Einstellung vornehmen zu • Inspiratorische Druckunterstützung
können. • Inspirationsanstiegzeit.
Vorteile und Nachteile von SIMV • Bei zu hoher Druckunterstützung und zu hoher
SIMV-Frequenz kann es zu einer Hyperventilati-
Im Gegensatz zur kontrollierten Beatmung on kommen.
(› 6.3.1) wird bei SIMV nicht bei jeder Einatembe • SIMV verlängert die Respiratorentwöhnung
mühung des Patienten ein präformierter Atemhub (Weaning › 6.11) im Vergleich zu druckunter
verabreicht, sondern alle Atemzüge, die über der stützter Beatmung oder BIPAP (Ozcenski 2012).
SIMV-Frequenz liegen, sind spontane (bzw. druck
unterstützte, falls Druckunterstützung eingestellt Werden die kontrollierten Hübe bei der SIMV-Beatmung
ist) Atemzüge. Damit kann der Patient besser seinen volumenkontrolliert verabreicht (konstanter Flow) und
Bedürfnissen entsprechend atmen. die Spontanatmung des Patienten mit Druckunterstüt-
zung kombiniert (dezelerierender Flow), haben die Pati-
Die Invasivität der Beatmung resultiert bei SIMV
enten oft Probleme, sich zu adaptieren. Abhilfe schafft
aus der Einstellung der SIMV-Frequenz: Bei einer das Übergehen auf eine druckkontrollierte SIMV-Beat-
hohen SIMV-Frequenz (z. B. 12/Min.) übernimmt mung, da dabei die mandatorischen Atemhübe druck-
der Respirator nahezu 100 % der Atemarbeit, bei kontrolliert verabreicht werden und damit denselben
niedriger SIMV-Frequenz (z. B. 5/Min.) liegt die Flowverlauf (dezelerierend) haben wie druckunterstütz-
Atemarbeit überwiegend beim Patienten. te Spontanatemzüge (Druck-, Flow-, Volumendiagramm
bei druckkontrollierter Beatmung › Abb. 6.8, bei inspi-
ratorischer Druckunterstützung › Abb. 6.13)
Vorteile
• Das Maß der Unterstützung kann abhängig vom
Patientenzustand eingestellt werden.
• Eine langsame Reduzierung der Beatmungsinva 6.3.6 VC-MMV
sivität und damit eine kontinuierliche Entwöh
nung ist möglich. DEFINITION
• Mittels Veränderung der SIMV-Frequenz ist ein VC-MMV (Volume Control Mandatory Minute Ventilati- 6
fließender Übergang zu mehr bzw. weniger Beat on, d. h. mandatorische Minutenventilation oder Mini-
mungsinvasivität möglich (z. B. Erhöhung der mum Minute Ventilation, d. h. Mindest-Minutenventilati-
SIMV-Frequenz nachts und Reduktion der on; ältere Bezeichnung: MMV): (Be-)Atmung, bei der ein
wählbares Atemminutenvolumen garantiert ist. Falls der
SIMV-Frequenz tagsüber). Patient nicht durch Spontanatmung das eingestellte AMV
• Ein gewisses Mindest-Minutenvolumen ist ga erreicht, werden maschinelle Atemzüge verabreicht.
rantiert (kann aber abhängig von der Einstellung Kann kombiniert werden mit inspiratorischer Druckunter-
im Fall einer Apnoe zu gering sein!). stützung (› 6.3.7). Insgesamt selten eingesetzt.
• Der Bedarf an Sedativa ist i. d. R. niedriger als bei
kontrollierter Beatmung.
Der Anwender stellt am Respirator das zu erzielende
Nachteile Mindest-Minutenvolumen ein (Beatmungsfrequenz
• Bei hoher SIMV-Frequenz ist die Beatmung sehr und Tidalvolumen) ggf. auch eine inspiratorische
invasiv. Druckunterstützung.
• In der Spontanatmungsperiode besteht die Ge
fahr, dass der Patient hechelt (hohe Atemfre
Ablauf der Beatmung bei MMV
quenz und geringes Tidalvolumen).
• Atmet der Patient während der Spontanatempe Der Patient hat die Möglichkeit spontan zu atmen,
riode gar nicht, erhält er nur das über die maschi evtl. wird die Spontanatmung durch eine inspirato
nellen Atemhübe verabreichte Mindest-Minuten rische Druckunterstützung erleichtert.
volumen. Ist dieses nur sehr gering, z. B. 2 l/Min. • Erreicht der Patient mit seiner Spontanatmung das
bei einer SIMV-Frequenz von 5/Min. und einem eingestellte Atemminutenvolumen oder liegt sein
Tidalvolumen von 400 ml, kann es rasch zur Hy- spontanes Minutenvolumen über dem eingestell
poventilation kommen. ten, überwacht der Respirator im weiteren Verlauf
lediglich die Spontanatmung des Patienten.
136 6 Maschinelle Beatmung
• Ist die Spontanatmung des Patienten nicht ausrei werden keine maschinellen Atemzüge verabreicht,
chend, d. h. das spontane AMV des Patienten liegt wenn der Patient ausreichend selbstständig atmet),
unter dem eingestellten AMV, gleicht der Respira im Bedarfsfall jedoch umgehend ein eingestelltes
tor die Differenz zwischen spontanem und einge Mindest-Minutenvolumen erhält. Nachteilig ist,
stelltem Minutenvolumen durch mandatorische, dass der Patient das eingestellte Mindest-Minuten
volumenkontrollierte oder druckreguliert-volu volumen durch relativ oberflächliche Atmung errei
menkontrollierte Beatmungshübe aus. chen kann (kleine Atemzüge und hohe Atemfre
• Atmet der Patient überhaupt nicht spontan, werden quenz).
die maschinellen Hübe mit der eingestellten Fre
quenz verabreicht. Die mandatorischen Hübe kön
nen auch druckbegrenzt (PLV › 6.3.2) oder als 6.3.7 Inspiratorische
PRVC-Atemhübe (› 6.3.3) verabreicht werden. Druckunterstützung
ringere Druckniveaus werden kaum wirksam, da sie tierende Atemminutenvolumen, um eine Hypo-
erforderlich sind, um die Strömungswiderstände der oder Hyperventilation, eine Hechelatmung oder gar
Beatmungsschläuche sowie des Tubus bzw. der Tra eine Apnoe rechtzeitig erkennen zu können.
chealkanüle zu kompensieren. Atmet also z. B. ein • Die Beatmungsfrequenz und die Tidalvolumi-
intubierter oder tracheotomierter Patient mit einer na sollten im physiologischen Bereich liegen.
Druckunterstützung von 8 mbar, kann man davon Eine sehr niedrige Frequenz (< 6–8/Min.) und
ausgehen, dass seine Atemarbeit der einer Spontan- hohe Tidalvolumina sprechen für eine zu hohe
bzw. CPAP-Atmung (bei eingestelltem PEEP) ent Druckunterstützung, eine hohe Frequenz mit
spricht, da die Druckunterstützung lediglich die niedrigen Tidalvolumina für eine zu niedrige
Strömungswiderstände kompensiert. Dieses gilt Druckunterstützung. Patienten mit einer hohen
nicht, wenn der Respirator über eine Tubuskompen Atemfrequenz und hohen Tidalvolumina sind
sation (› 7.3) verfügt. oft auch sehr unruhig und ängstlich. Ihnen soll
te ihre Situation einfühlsam erläutert werden.
Reicht das alleine nicht aus, um die Unruhe
Beatmungsparameter bei
bzw. Angst des Patienten zu mindern ist ggf.
druckunterstützter Beatmung
auch die Gabe von Sedativa erforderlich. Hat
Beatmungsparameter, die eingestellt werden das keinen Erfolg, ist eine druckunterstützte
müssen Beatmung für diesen Patienten evtl. nicht ge
• Inspiratorisches Druckniveau eignet.
• Trigger • Zusätzlich wird immer die obere Druckgrenze
• Sauerstoffkonzentration eingestellt, damit eine Inspiration im Bedarfsfall
• Gegebenenfalls Atemfrequenz (definiert die Zeit unterbrochen wird und keine zu hohen Beat
dauer eines Atemzyklus, die an manchen Respi mungsdrücke entstehen können, z. B. wenn der
6 ratoren Kriterium für die zeitgesteuerte Umschal Patient hustet.
tung ist). Da viele Respiratoren im Fall einer Apnoe die „Back-
up-Ventilation“ (Apnoe-Beatmung › 6.3.10) akti
Beatmungsparameter, die eingestellt werden vieren, muss diese dem Patienten entsprechend ein
können gestellt werden.
• PEEP. Wird i. d. R. zusätzlich eingestellt (PEEP-
Niveau meist 5–8 mbar)
Vorteile und Nachteile der
• Flowhöhe in % des Spitzenflows, bei der das Ge
druckunterstützten Beatmung
rät von Inspiration auf Exspiration umschaltet
• Inspirationsanstiegszeit (› 6.2.2) kann bei man Vorteile
chen Beatmungsgeräten auch hier eingestellt • Der Patient steuert die Beatmung im Wesentli
werden. Bei langer inspiratorischer Anstiegszeit chen selbst
kann der Patient Luftnot verspüren, da das Gas • Der Bedarf an Sedativa ist i. d. R. sehr niedrig
zu langsam anflutet. Bei zu kurzer inspiratori • Die Atemmuskulatur bleibt aktiv
scher Anstiegszeit kann die Inspiration zu früh • Die Atemarbeit wird verringert (je höher die
abgebrochen werden, da die Schwelle für die Druckunterstützung desto geringer die Atemar
flowgesteuerte Umschaltung (siehe oben) noch beit)
während der Inspiration des Patienten erreicht • Der mittlere Atemwegsdruck ist relativ niedrig,
wird. Eine gute Beobachtung und – sofern mög daher sind die Nebenwirkungen der Beatmung
lich – Kommunikation mit dem Patienten ist des weniger ausgeprägt
halb sehr wichtig. • Eine druckunterstützte Beatmung kann auch
noninvasiv, d. h. über eine Gesichts- oder Nasen
Beatmungsgrenzwerte und Alarme maske vorgenommen werden (noninvasive Ven
Eingestellt werden die Grenzwerte für die Atemfre tilation, kurz NIV › 6.4).
quenz und das Tidalvolumen bzw. das daraus resul
6.3 Beatmungsformen 139
Die einzustellenden Beatmungsgrenzwerte und • Bei Demand-Flow-CPAP (an den meisten Inten
Alarme entsprechen denen bei konventioneller in sivrespiratoren realisiert) stellt der Respirator
spiratorischer Druckunterstützung. den Inspirationsflow zur Verfügung, sobald das
CPAP-Niveau unterschritten wird (Demand-
Flow = angeforderter Flow; an manchen Respira
6.3.8 CPAP toren sind über 200 l/Min. möglich). Sobald das
CPAP-Niveau überschritten wird stoppt der Re
DEFINITION spirator den Flow.
CPAP (continuous positive airway pressure, d. h. konti- • Bei Flow-by-CPAP (z. B. an Bennett-Respirato
nuierlicher positiver Atemwegsdruck, auch continuous ren) strömt auch während der Exspiration ein
positive pressure breathing, kurz CPPB): Spontanatmung kontinuierlicher Gasfluss (bis 20 l/Min.) durch
auf einem gegenüber dem Atmosphärendruck erhöhten das Schlauchsystem. Atmet der Patient aus diesem
Druckniveau.
Basisflow, erkennt das Gerät die Inspirations
bemühung und schaltet auf den Inspirationsflow
Bei CPAP bleibt der Atemwegsdruck während des (Demand-Flow) um.
gesamten Atemzyklus im positiven Bereich, d. h. im
Gegensatz zur Spontanatmung schwankt der Atem CPAP-Geräte
wegsdruck nicht um Null, sondern um den einge Spezielle CPAP-Geräte (z. B. Dräger CF 800 › 7.5)
stellten positiven Druck (CPAP-Niveau › Abb. ermöglichen ein Continuous-Flow-CPAP, d. h.
6.14). Dieser positive Druck entspricht dem PEEP während In- und Exspiration fließt ein eingestell
(› 6.2.4) und wird am Respirator meist auch am ter Frischgasflow durch das System. Das Frischgas
PEEP-Regler eingestellt. wird in einem Reservoir bereitgehalten und der Flow
CPAP kann über einen Tubus, eine Trachealkanü auf etwa das 3-fache des AMV des Patienten einge
le, eine dicht sitzende Gesichts- oder Nasenmaske stellt. Bei zu geringem Flow kann das CPAP-Niveau 6
(man spricht dann von Masken- oder Nasal-CPAP nicht über die gesamte Inspirationszeit gehalten
› 6.4.1), einen CPAP-Helm (› Abb. 6.16) oder – werden, bei zu hohem Flow wird die Ausatmung er
selten – über Nasenoliven oder ein Mundstück ver schwert. Der PEEP (und damit das CPAP-Niveau)
abreicht werden. wird an einem Ventil im Exspirationsschlauch ein
Voraussetzungen für den Einsatz von CPAP ist gestellt.
ein erhaltener Atemantrieb des Patienten sowie eine Einen ausreichend hohen Flow erkennt man an
ausreichende Atemmechanik. Massive Oxygenie nur geringen Druckschwankungen während der In-
rungsstörungen (FiO2 > 0,5) sollten nicht vorliegen. und Exspiration. Große Druckschwankungen sind
Insbesondere wenn spezielle CPAP-Geräte verwen ein Hinweis auf zu geringen Flow.
det werden, muss eine kontinuierliche Monitor
überwachung sowie eine engmaschige Kontrolle des
Vorteile und Nachteile von CPAP
Patienten sichergestellt sein, da manche dieser Gerä
te über gar keine oder nur sehr eingeschränkte Die erwünschten, aber auch die unerwünschten
Überwachungsfunktionen verfügen. Wirkungen des CPAP auf die verschiedenen Organe
entsprechen im Wesentlichen den Wirkungen des
PEEP (› 6.2.4).
CPAP am Respirator und an CPAP-Geräten
Weitere Vorteile der CPAP-Atmung sind:
Grundsätzlich kann CPAP über den Respirator oder • Die Spontanatmung bleibt erhalten
über spezielle CPAP-Geräte (› 7.5) eingesetzt wer • Der Atemwegsdruck verläuft (auf erhöhtem Ni
den. veau) physiologisch, d. h. er ist während der In
spiration geringer als während der Exspiration
CPAP am Respirator • In der Regel sind nur wenig oder keine Sedativa
Bei CPAP am Respirator wird unterschieden zwi nötig.
schen Demand-Flow-CPAP und Flow-by-CPAP:
142 6 Maschinelle Beatmung
Druck
6.3.9 NAVA
DEFINITION
NAVA (Neurally Adjusted Ventilatory Assist, d. h. neural
PEEP (= CPAP-Niveau) regulierte Beatmungshilfe) steuert die Beatmung über
Zeit
elektrische Signale, die vom Atemzentrum über den N.
Flow
phrenicus an das Zwerchfell übermittelt und dort über
einen Sensor aufgenommen werden. Dieser Sensor befin-
det sich an einer speziellen Magensonde, die mit dem
Zeit Respirator verbunden ist.
Insp.
Insp.
Exsp. Exsp. Insp. Exsp. Der Respirator misst die Signalstärke und unterstützt die
Atmung des Patienten abhängig davon unterschiedlich
Abb. 6.14 Druck- und Flowdiagramm bei CPAP-Atmung stark.
(blaue Druckkurve) und bei Spontanatmung (schwarze Druck- NAVA kann optional am Servo i®, u® oder n® (Firma Ma-
kurve). Die beiden Atemformen unterscheiden sich lediglich quet, › 7.4.5) eingesetzt werden.
durch das PEEP-Niveau, durch das der Atemwegsdruck bei
CPAP immer im positiven Bereich liegt. [A400]
Die elektrische Aktivität des Diaphragmas (Elec-
tric Diaphragmatic Impulse kurz EDI, auch Electric
Gegenüber der reinen Spontanatmung weist die Activation of Diaphragm kurz EADi) wird mit einer
CPAP-Atmung folgende Nachteile auf: speziellen nasogastralen Sonde (EDI-Sonde) erfasst
• Der intrathorakale Druck ist erhöht, dadurch und an den Respirator übermittelt (häufig Werte
– ist der venöse Rückstrom reduziert zwischen 3–100 μV).
– werden die Lungenkapillaren komprimiert, Die EDI-Sonde dient gleichzeitig als Magensonde
was die Rechtsherzbelastung erhöht (zur enteralen Ernährung bzw. zur Entlastung des
6 – ist die Funktion von Leber und Nieren beein Magens) und übermittelt zudem ein transösophage
trächtigt ales EKG, das am Respirator dargestellt wird.
– steigt ein bereits zuvor erhöhter intrakranieller Die Sonden sind in verschiedenen Größen erhält
Druck (Hirndruck) lich (6 Fr. für Frühgeborene bis 16 Fr. für Erwach
– besteht die Gefahr einer Lungenüberdehnung, sene).
evtl. mit Baro-Volutrauma Das Einführen der EDI-Sonden entspricht dem
• Insbesondere bei Verwendung von speziellen bei herkömmlichen Magensonden (auf Gel als Gleit
CPAP-Geräten besteht Gefahr der unerkannten mittel sollte jedoch verzichtet werden, da sonst die
Hypoventilation oder Apnoe (spezielle CPAP-Ge Leitfähigkeit beeinträchtigt ist). Dann wird die Son
räte verfügen oftmals nicht über Überwachungs de mit dem Respirator verbunden und die Funktion
funktionen). Daher sind eine lückenlose Monitor „EDI-Katheterpositionierung“ am Respirator gestar
überwachung und eine engmaschige Kontrolle tet. Der Respirator stellt dann das EDI-Signal und
des Patienten erforderlich. verschiedene EKG-Ableitungen dar. Sobald eine aus
reichende Qualität der Ableitung erreicht ist, kann
CPAP wird sehr häufig eingesetzt im Rahmen der Respi- die Sonde in dieser Postition sicher fixiert werden.
ratorentwöhnung (Weaning › 6.11) und ist hier dann
meist die „letzte Stufe“ bevor der Patient ganz selbst-
ständig und ohne Unterstützung atmet. Außerdem wird
Ablauf der Beatmung bei NAVA
CPAP oft eingesetzt als Atemtherapie zur Pneumoniepro- • Das EDI-Signal wird vom Sensor der EDI-Sonde
phylaxe. Dann wird intermittierend (z. B. 3-mal täglich für erfasst und an den Respirator weitergeleitet. Der
20–30 Min.) Masken- oder Nasal-CPAP durchgeführt.
Bei respiratorischer Insuffizienz infolge eines kardialen
Respirator verabreicht daraufhin einen bestimm
Lungenödems kann häufig durch kontinuierliches oder ten Beatmungsdruck, dessen Höhe abhängig ist
intermittierendes Masken-CPAP eine Intubation zur Beat- von der
mungstherapie vermieden werden. – Stärke des EDI-Signals (Amplitude): Je größer
die Amplitude desto höher der Beatmungs
6.3 Beatmungsformen 143
druck (hoher EDI-Wert spricht für eine große Vorteile und Nachteile von NAVA
Einatembemühung des Patienten, also dem
Wunsch nach einem großen Atemzug). Die Vorteile der NAVA sind die – im Vergleich zu
– Einstellung des NAVA-Pegels. Diese Einstel allen anderen Beatmungsverfahren – extrem kurze
lung legt fest, wie hoch die Druckunterstüzung Triggerlatenzzeit (› 6.2.5) und die weitestgehende
pro μV ist. Beispiel: Bei einem Pegel von 1,5 cm Synchronisation von Respirator und Patient.
H2O/μV erfolgt bei einem EDI von 3 μV eine Nachteile sind:
Druckunterstützung von 4,5 cmH2O. • Bei Sondendislokation funktioniert das Verfahren
Beim Einstellen des NAVA-Pegels darauf ach nicht (Respirator gibt Alarm und schaltet zu
ten, dass ein Zieltidalvolumen von 6–8 ml/ nächst auf die Beatmungsform DU-CPAP [druck
kg KG erreicht wird unterstütztes CPAP] mit Flowtriggerung um. Er
• Die Inspiration wird beendet, wenn kennt der Respirator auch hierbei keine Trigge
– das Signal auf 70 % des Ausgangswerts abfällt rung des Patienten, wird auf Apnoe-Beatmung
(gilt für normale oder hohe EDI-Signale, sonst mit entsprechendem Alarm umgeschaltet).
40 % des EDI-Signals) • Bei fehlendem EDI-Signal (z. B. wegen Quer
– Der Beatmungsdruck 3 mbar über dem errech schnittslähmung, Opiatüberhang oder Relaxa
neten Zieldruck liegt oder die Grenze für den tion) kann das Verfahren nicht eingesetzt wer
Beatmungsdruck überschritten wird den, ebenso wenn Kontraindikation für eine
– Die maximale Dauer einer Inspiration 2,5 Se nasogastrale Sonde vorliegen.
kunden (1,5 Sek. bei Kindern) überschreitet. Die NAVA-Sonde ist nicht MRT-geeignet.
Während druckunterstützter Beatmung kann eine
Simulation der NAVA erfolgen und der voraussicht
liche NAVA-Pegel ermittelt werden. 6.3.10 Weitere Beatmungsformen
NAVA wird bei auch bei Frühgeborenen einge und -strategien 6
setzt. Außerdem ist die Steuerung der NIV (› 6.4)
damit möglich, hierbei erfolgt eine Leckagekompen ASV
sation. Bei großen Problemen mit Undichtigkeiten
kann auf eine kleinere Sonde gewechselt werden DEFINITION
bzw. können Schlauchbrücken zur Abdichtung ein ASV (Adaptive Support Ventilation, d. h. anpassungsfä-
gesetzt werden. hige unterstützende Beatmung): Beatmungsform, die
sich der pulmonalen Situation des Patienten automatisch
anpasst.
Beatmungsparameter bei NAVA
Beatmungsparameter, die eingestellt werden ASV ist eine Beatmungsform, bei der der Respirator
müssen das optimale Atemmuster für den Patienten inner
• FiO2 halb gewisser Grenzen selbstständig ermittelt und
• NAVA-Pegel (so einstellen, dass ein Zieltidalvo appliziert. Realisiert ist sie an den Geräten Galileo
lumen von 6–8 ml/kg KG erreicht wird). und Raphael der Fa. Hamilton medical (› 7.4.3).
Eingestellt werden lediglich:
• Das ideale (nicht das tatsächliche) Körpergewicht
Beatmungsparameter, die eingestellt
des Patienten. Eine Erhöhung der Einstellung für
werden können
das Körpergewicht zieht automatisch eine Anpas
• PEEP. sung der Beatmung nach sich.
• %Min.Vol: Gewünschtes Minutenvolumen in %
Beatmungsgrenzwerte und Alarme des Normwerts.
Die Einstellungen für Beatmungsgrenzwerte und • Hochdruckalarmgrenzwert (obere Druckgrenze).
Alarme entsprechen denen bei druckunterstützter
Beamung (› 6.3.7).
144 6 Maschinelle Beatmung
• HFPPV (high frequency positive pressure ventilation, • Durch die extrem kleinen Tidalvolumina entste
d. h. Hochfrequenzüberdruckbeatmung). Beatmungs- hen nur sehr geringe thorakale Druckschwan
frequenz 60–120/Min. kungen. Dadurch ist die Lunge praktisch „ruhig
• HFJV (high frequency jet ventilation, d. h. Hochfre-
gestellt“, was bei manchen Erkrankungen, z. B.
quenzjetbeatmung). Beatmungsfrequenz 120–600/
instabilem Thorax (› 2.3.3) oder bronchopleu
Min.
• HFOV (high frequency oscillation ventilation, d. h. ralen Fisteln, von Vorteil ist bzw. bei speziellen
Hochfrequenzoszillationsbeatmung). Beatmungsfre- Untersuchungen oder chirurgischen Eingriffen
quenz 300–3.000/Min. an den Atmungsorganen oder deren unmittelba
rer Umgebung, z. B. am Larynx, aus (operations-)
technischen Gründen notwendig ist.
Die Beatmungsfrequenz bei der Hochfrequenzbeat • Weiter führen die extrem geringen Tidalvolumi
mung wird häufig nicht wie sonst üblich in Minuten, na dazu, dass hohe endinspiratorische Beat
sondern in Hertz (kurz Hz; Schwingungen pro Se mungsdrücke vermieden werden, d. h. die HFV
kunde) angegeben. Eine Frequenz von 120/Min. ent ermöglicht eine Druckentlastung der Lunge. Dies
spricht der von 2/Sek. bzw. 2 Hz. ist besonders wichtig beim schweren ARDS und
Bei der Hochfrequenzbeatmung „zerhackt“ der hier besonders beim Atemnotsyndrom des Neu
Respirator einen kontinuierlichen Gasstrom mit geborenen, selten auch bei bronchopleuralen und
sehr hoher Frequenz. Die so entstehenden Atem tracheoösophagealen Fisteln.
hubvolumina sind extrem klein und liegen z. T. weit • Scherkräfte der Lunge (können zwischen belüfte
unter dem anatomischen Totraum (› 1.2.1). Da ten und nicht belüfteten Lungenbereichen entste
durch ist es möglich, die Lungen- und Thoraxbewe hen) werden verringert bzw. vermieden
gungen auf ein Minimum zu reduzieren. Dass der (› 6.7.1).
Gasaustausch dennoch ausreichend ist liegt daran, • In Kombination mit inhalativem Stickstoffmono
6 dass die HFV alternative Gastransportmechanismen xid (iNO › 8.3) kann HFO als Therapie bei
nutzt (z. B. Gasschwingungen und -turbulenzen). schwerem ARDS (› 2.3.6) eingesetzt werden.
• Ist Masken-CPAP kontraindiziert, kann bei ko
Vorteile und Indikationen der HFV operativen Patienten über einen tracheal liegen
Die Indikationen für eine Hochfrequenzbeatmung den Katheter (nasale Lage, bronchoskopisch kon
leiten sich aus den Vorteilen der HFV ab: trolliert) die Atmung durch Jet-Ventilation un
terstützt werden (Bingold/Byhahn 2007: 37).
• Die HFV bewirkt eine „innere Vibration“ in der Die in der Intensivmedizin eingesetzten nichtinvasi
Lunge, was eine verbesserte Sekretolyse zur Folge ven Beatmungsverfahren sind praktisch ausschließ
hat. Sie wird daher auch zur Atemtherapie und lich solche mit positivem Druck. Daher wird im Fol
Sekretmobilisation eingesetzt. genden auch nur auf diese näher eingegangen. De
tails zur Heimbeatmung finden sich in Kapitel 10.
Nachteile und Kontraindikationen der HFV Seit 2008 liegt die Leitlinie Nichtinvasive Beat-
Nachteilig sind: mung als Therapie der akuten respiratorischen Insuf-
• Der hohe technische Aufwand, die vergleichswei fizienz (wird derzeit überarbeitet, › 11.4.1) sowie
se schwierige Überwachung der Beatmung und seit 2009 die S2-Leitlinie Nichtinvasive und invasive
ein evtl. notwendiger Austausch des Respirators Beatmung als Therapie der chronischen respiratori-
(zur Umstellung von konventioneller auf Hoch schen Insuffizienz (herausgegeben von der Deut
frequenzbeatmung). schen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungs
• Die meist schwierige Atemgasbefeuchtung medizin [DGP] › 11.4.3) vor. Diese enthalten ins
• Die Gefahr einer direkten Schädigung der Tra besondere Empfehlungen zum Einsatz der NIV bei
chealschleimhaut durch den hohen Gasflow hyperkapnischer oder hypoämischer ARI (› 2.1),
• Die Gefahr eines hohen intrinsischen PEEP (Fol kardialem Lungenödem, schwieriger Entwöhnung,
ge der extrem kurzen Exspirationszeit) mit evtl. in der Palliativmedizin sowie bei CRI (z. B. infolge
nachfolgendem Anstieg des pCO2 (Hyperkapnie COPD, neuromuskulärer und thorakal-restriktiver
› 2.4.1), Beeinträchtigung der Herz-Kreislauf- Erkrankungen), bei der die NIV im häuslichen Be
Funktion (› 6.7.2) und pulmonalem Barotrau reich der Patienten durchgeführt wird (› Kap. 10).
ma (› 6.7.1). Wegen der erschwerten CO2-Ab Zunehmend wird mit der NIV bereits vom Ret
atmung ist die Hochfrequenzbeatmung bei Pati tungsdienst begonnen.
enten mit obstruktiven Lungenerkrankungen
kontraindiziert. 6
Insgesamt hat die Hochfrequenzbeatmung durch die 6.4.1 Voraussetzungen zur
rasante Entwicklung neuer konventioneller Beat nichtinvasiven Beatmung
mungsformen an Bedeutung verloren und wird heu
te bei Erwachsenen nur noch sehr selten und – we Voraussetzungen für den Einsatz einer
gen des hohen technischen (Überwachungs-)Auf NIPPV
wands und der Risiken dieser Beatmungsform – nur
in speziellen Zentren durchgeführt. Eine nichtinvasive Überdruckbeatmung sollte nur
durchgeführt werden wenn folgende Voraussetzun-
gen erfüllt sind:
• Absolute Kontraindikationen liegen nicht vor
6.4 Nichtinvasive Beatmung (› 6.4.3)
• Bei relativen Kontraindikationen verfügt das Be
DEFINITION handlungsteam über ausreichende Erfahrung
Nichtinvasive Beatmung (noninvasive ventilation, und kann ggf. auf eine invasive Beatmung wech
kurz NIV): Beatmung ohne endotracheale Intubation seln (› 6.4.4)
oder Tracheotomie. Unterschieden in: • Der Patient ist – soweit möglich – verständlich
• NIV mit negativem Druck (noninvasive negative press
ure ventilation kurz NINPV): Unterdruckbeatmung über das Verfahren informiert
› 6.1.2 • Ein geeignetes Interface (Interface = „Schnittstel
• NIV mit positivem Druck (noninvasive positive pressu- le“, Verbindungsstelle zwischen Patient und Re
re ventilation kurz NIPPV), eingesetzt in der Intensiv- spirator; meist Maske, selten Helm) ist vorhanden
medizin sowie bei der Heimbeatmung. Hierbei erfolgt und wurde angepasst
die Beatmung meist über dicht sitzende Nasen- oder • Das Pflegepersonal ist geschult und kennt
Gesichtsmasken. – Masken und Helme zur NIV (wann wird wel
ches Interface verwendet?)
148 6 Maschinelle Beatmung
– Anwendung der Masken (Kontrolle auf Dich Interfaces zur nichtinvasiven Beatmung
tigkeit)
– Beatmungsgeräte (Prüfung und Anwendung) Bei der NIPPV werden verschiedene Interfaces ver
– Beatmungsformen (wann ist welche sinnvoll? wendet (› Abb. 6.15).
Einstellung an den jeweiligen Geräten) Meist erfolgt die Beatmung über eine dicht sit
– Vorgehen bei Problemen zende Maske. Diese bedeckt entweder nur die Nase
– Abbruchkriterien, Vorgehen im Notfall (Nasenmaske), nur den Mund (Mundmaske), Nase
– Aufbereitung der Materialien und Mund (Mund-Nasenmaske) oder das ganze
– Dokumentation Gesicht (Total Face-Maske oder Gesichtsmaske).
• Bei einem evtl. notwendigen Abbruch der Daneben gibt es Nasenprongs, bei denen die Beat
nichtinvasiven Beatmung kann der Patient um mung über dicht sitzende Silikonstöpsel verab
gehend intubiert und invasiv beatmet werden reicht wird.
• Es steht ausreichend Zeit für die notwendige eng Insbesondere im Heimbeatmungsbereich werden
maschige Überwachung des Patienten zur Verfü auch individuell angefertigte Masken verwendet, um
gung. einen dichten und komfortablen Sitz zu erreichen.
Ein „Selbstversuch“ der Pflegenden kann sinnvoll Bei Anpassungsschwierigkeiten können Schablonen
sein, um sich besser in die Situation und mögliche helfen, die passende Maske zu finden.
Probleme des Patienten einfühlen zu können.
Abb. 6.15 Verschiedene Interfaces für die nichtinvasive Beatmung. [V081, V088, V491]
6.4 Nichtinvasive Beatmung 149
In der Initialphase der NIV wird meist eine Durch den PEEP „bläst“ sich der Helm zur vollen
Mund-Nasen-Maske verwendet. Größe auf. Im Innenraum des Helms wird der
Die Masken gibt es in unterschiedlichen Größen Atemwegsdruck aufgebaut, der sich dann über
und Formen, mit oder ohne Notluftventil (ermög Mund und/oder Nase ins Tracheobronchialsystem
licht die Atmung im Fall eines Respiratorausfalls) überträgt. Im Gegensatz zu Nasen- bzw. Gesichts
sowie mit oder ohne „Reißleine“ (damit kann der masken entsteht bei Beatmungshelmen kein Aufla
Patient die Maske im Notfall mit einem Handgriff gedruck durch die Maske im Gesichtsbereich. Öff
entfernen). Sinnvoll ist es, Masken in verschiede nungen am Beatmungshelm im Gesichtsbereich
nen Größen und Formen bereitzuhalten, sodass ermöglichen z. B. das Absaugen von Atemwegsse
für unterschiedliche Gesichtsformen und -größen kret oder auch das Trinken mittels Trinkhalm; bei
Masken mit gutem Sitz ausgewählt werden kön des gestaltet sich in der Praxis jedoch noch recht
nen. schwierig.
Die Masken sollten durchsichtig sein (aus trans Beatmungshelme sind aufgrund ihrer Materialei
parentem Kunststoff bestehen), um die Beatmung genschaften nicht zur Anwendung hoher Beat
besser überwachen und Komplikationen (insbeson mungsdrücke geeignet, d. h. eine deutliche Redukti
dere ein Erbrechen unter der Gesichtsmaske) früh on der Atemarbeit kann u. U. nicht erreicht werden.
zeitig erkennen zu können. Messungen der Beatmungsvolumina sind aufgrund
Bei Patienten mit Verletzungen im Gesichtsbe des hohen kompressiblen Volumens nicht verwert
reich sowie bei Patienten, die Nasen- oder Ge bar. Bei Verwendung von Beatmungshelmen muss
sichtsmasken wegen des Engegefühls nicht tolerie das Triggerverhalten des Respirators genau über
ren, können Beatmungshelme zur nichtinvasiven wacht werden, da wegen des hohen Volumens unter
Beatmung verwendet werden (› Abb. 6.16). Die dem Helm Triggerbemühungen des Patienten evtl.
se umschließen den Kopf komplett, am unteren nur verzögert erkannt werden (dies erhöht die
Rand befindet sich eine dicht abschließende Hals Atemarbeit). Die Beatmung mit Helmen wird, ins 6
manschette. Die Fixierung erfolgt über breite Bän besondere bei COPD-Patienten, mit High-Flow-Sys
der, die unter den Achseln durchgeführt werden. temen besser toleriert als mit Demand-Flow-Syste
men (High-Flow-Systeme liefern einen Frischgas
flow, der ein mehrfaches des Atemminutenvolu
mens beträgt).
Um die Lärmbelästigung (bedingt durch den ho
hen Frischgasflow) für den Patienten zu reduzieren,
kann im zuführenden Schlauchsystem ein HME-Fil
ter eingebaut werden. Alternativ erhält der Patient
Ohrstöpsel.
6.4.2 Vorteile, Nachteile und Der Hauptnachteil der nichtinvasiven Beatmung ist
Komplikationen der NIPPV die Aspirationsgefahr (insbesondere bei Verwen
dung von Mund-, Nasen- und Gesichtsmasken).
Der Hauptvorteil der nichtinvasiven Beatmung Manche Masken bieten hier die Möglichkeit, dass
liegt darin, dass alle mit der endotrachealen Intuba sich der Patient selbst mit einem Handgriff („Reiß
tion bzw. Tracheotomie verbundenen Nebenwir leine“) die Maske entfernen kann.
kungen, Risiken und Komplikationen umgangen Komplikationen der nichtinvasiven Beatmung
werden (Auswirkungen und Komplikationen der sind:
endotrachealen Intubation › 4.11, Komplikatio • Druckschäden der Gesichtshaut durch die Maske.
nen der Tracheotomie › 5.5). Weitere Vorteile Hautrötungen treten in ca. 20–34 %, Nasenrü
sind: ckenulcera in ca. 5–10 % der Anwendungen auf
• Die nichtinvasive Beatmung kann rasch begon (Metha 2001). Diese Gefahr lässt sich reduzieren
nen bzw. beendet werden (keine zeitaufwendige durch regelmäßige Überprüfung der Spannung
Vorbereitung) der Haltebänder (Spannung ggf. lockern), inter
• Ein kurzzeitiges Entfernen der Beatmungsmaske mittierendes Entfernen der Maske sowie Polstern
ist i. d. R. problemlos, etwa damit der Patient es gefährdeter Areale, z. B. der Nase mit hydroakti
sen und/oder trinken bzw. sprechen kann (bei ven Platten (z. B. Comfeel®). Gegebenenfalls an
Verwendung von Nasenmasken ist dies meist dere Maske verwenden.
auch unter Fortführung der nichtinvasiven Beat • Undichtigkeit der Maske mit nachfolgend unzu
mung möglich) reichender Beatmung wird in bis zu 80–100 %
• Eine Atemgasklimatisierung ist i. d. R. nicht er beschrieben (Metha 2001). Bei Undichtigkeit Sitz
forderlich, damit entfallen auch alle Risiken, die der Maske korrigieren, ggf. Maske austauschen.
die verschiedenen Atemgasklimatisierungssyste Ist die Maske im Bereich der Nase undicht, kann
6 me mit sich bringen (› 6.6) die hier entweichende Luft Richtung Augen strö
• Eine Sedierung des Patienten ist i. d. R. nicht er men und dort Reizungen der Bindehaut bis hin
forderlich zu Bindehautentzündungen (Konjunktivitis) her
• Der Patient kann meist rascher mobilisiert wer vorrufen. Wird die Undichtigkeit z. B. durch na
den, die Mobilisation ist darüber hinaus i. d. R. sale Sonden verursacht, können Schlauchbrücken
deutlich erleichtert. zu mehr Dichtigkeit führen.
• In 30–50 % klagen die Patienten über Unbehagen
Bei der konventionellen Beatmung dichtet der Cuff des (Discomfort), in 5–10 % kommt es zu Klaustro
Endotrachealtubus bzw. der Trachealkanüle die Atemwe- phobie (Metha 2001).
ge relativ dicht ab. Im Gegensatz dazu sind bei der • Bedingt durch den hohen Flow der Geräte kann
nichtinvasiven Beatmung die Atemwege nicht gesi- es dazu kommen, dass der Patient die Atemluft
chert, d. h. wenn der Patient erbricht (etwa infolge einer evtl. als kalt und trocken empfindet und die
Überblähung des Magens) besteht die Gefahr einer mas- Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum austrock
siven Aspiration. Die Aspirationsgefahr ist besonders
groß wenn der Patient eine Gesichtsmaske trägt und
nen. Dann muss ggf. eine aktive oder passive
diese nicht rasch genug entfernen kann. Wegen dieser Atemgasklimatisierung (nicht bei allen Systemen
Gefahr sind eine lückenlose Überwachung des Patienten möglich) erfolgen (› 6.6).
sowie eine engmaschige Beobachtung während der • Wie bei der konventionellen Beatmung kommt es
nichtinvasiven Beatmung unerlässlich. auch bei der nichtinvasiven Überdruckbeatmung
Um das Risiko einer Aspiration unter nichtinvasiver zu einem Anstieg des intrathorakalen Drucks und
Beatmung zu minimieren sollte der Beatmungsdruck den damit verbundenen Nebenwirkungen und
< 25 mbar und damit unter dem normalen Ösophagus-
verschlussdruck liegen. Ansonsten besteht die Gefahr von
Komplikationen (› 6.7).
Magenüberblähung, Regurgitation und Aspiration von
Mageninhalt.
6.4 Nichtinvasive Beatmung 151
6.4.3 Möglichkeiten und Grenzen der – akuter Exazerbation einer zystischen Fibrose,
nichtinvasiven Beatmung evtl. sogar zur Vermeidung einer Intubation
vor einer Lungentransplantation (Bridge to
Indikationen zur nichtinvasiven Beatmung transplantation)
Bei einer akuten respiratorischen Insuffizienz – unkomplizierter Pneumonie und/oder Atelek
(ARI › 2.1) sollte möglichst nichtinvasiv beatmet tasen
werden – sofern nicht wichtige Gründe für eine in – neurologischen Erkrankungen mit erhaltenem
vasive Beatmung vorliegen – um die Komplikatio Schluck- und Hustenreflex
nen der invasiven Beatmung zu vermeiden. – ARDS, allerdings nur in spezialisierten Zent
Liegen absolute Kontraindikationen vor (siehe ren, die eine engmaschige Kontrolle gewähr
unten), muss sofort intubiert und invasiv beatmet leisten können
werden. Bei relativen Kontraindikationen kann eine • Reduzierung postoperativer pumonaler Kompli
NIV begonnen werden, wenn das Behandlungsteam kationen wie Atelektasen, Hypoventilation, Lun
über ausreichende Erfahrung verfügt sowie eine um genödem sowie Pneumonien (Hofer 2006). Diese
gehende Intubation erfolgen kann. treten abhängig von Vorerkrankungen wie Niko
Eine nichtinvasive Beatmung kann sowohl bei Pa tinabusus, COPD, ASA > 2, Art (Abdominal- oder
tienten mit Oxygenierungsstörung (Leitsymptom: Thoraxchirurgie) und Dauer des Eingriffs sowie
erniedrigter pO2) als auch bei Versagen der Atem eventuelles Übergewicht auf (Bamgbade 2006).
pumpe (Leitsymptom: erhöhter pCO2) eingesetzt Durch den frühzeitigen Einsatz der NIV (ggf. nur
werden. CPAP) unmittelbar nach der Extubation kann die
Die nichtinvasive Beatmung ermöglicht die Ent Reintubationsrate sowie die Anzahl an Kompli
lastung der erschöpften Atempumpe und die Rege kationen deutlich gesenkt werden
neration des Patienten unter Umgehung der Risiken • Weiterführung der Entwöhnung (nach länger
einer endotrachealen Intubation bzw. einer Tra dauernder invasiver Beatmung sollten Patienten 6
cheotomie. Dies hat sich insbesondere bei Patienten mit hyperkapnischer ARI und Risikofaktoren für
mit exazerbierter COPD bewährt (Exazerbation = ein Extubationsversagen prophylaktisch mit NIV
Verschlimmerung einer Erkrankung), da bei diesen behandelt werden). Nach einer Extubation von
Patienten eine konventionelle Beatmung häufig mit Nicht-COPD-Patienten mit hypoxämischer ARI
einer langwierigen und schwierigen Respiratorent ist ein Behandlungsversuch mit NIV nicht gene
wöhnung (› 6.11) verbunden ist. Empfohlen wird, rell zu empfehlen
bei milder bis mittelgradiger Form mit einem pH • Im Rahmen der Frühmobilisierung.
von 7,3–7,35 frühzeitig mit der NIV zu beginnen. In der Palliativmedizin kann NIV zur Linderung
Verfügt das Behandlungsteam über viel Erfahrung der Dyspnoe und Besserung der Lebensqualität ein
in der nichtinvasiven Beatmung, kann auch bei gesetzt werden (Voraussetzung: Patient ist über das
schwergradiger Azidose (z. B. Patient mit CO2-Nar Verfahren aufgeklärt und stimmt ihm zu).
kose, › 1.1.3) ein Therapieversuch mit NIV unter Indikationen zur Heimbeatmung › Kap. 10
nommen werden (hier müssen sich Vigilanz und
Atmung dann innerhalb kurzer Zeit bessern, sonst Ist die Indikation zur NIV gestellt, sollte möglichst früh
ist auch hier eine umgehende Intubation erforder damit begonnen werden.
lich). Sind Patienten mit COPD intubiert, sollte ver
sucht werden, frühzeitig zu extubieren und auf eine
nichtinvasive Beatmung umzusteigen. Beatmungsformen
Weitere intensivmedizinische Indikationen Prinzipiell lassen sich fast alle Beatmungsformen,
sind: die über einen Endotrachealtubus oder eine Trache
• Prophylaxe und Behandlung einer respiratori alkanüle verabreicht werden können, auch als
schen Insuffizienz bei nichtinvasive Beatmung über eine dicht sitzende
– kardialem Lungenödem Maske verabreichen. Der Beatmungsdruck sollte
– immunsupprimierten Patienten möglichst nicht höher als 25 mbar liegen. Wie bei
152 6 Maschinelle Beatmung
der konventionellen Beatmung so sind auch bei der Leckage sowie die Möglichkeit, Alarme zu redu
NIV die Beatmungsform und die einzelnen Beat zieren (z. B. Grenze für unteres AMV auf 0 l/min)
mungsparameter von Art und Ausmaß der respira • Respiratoren zur Heimbeatmung (› 10.3), auf
torischen Insuffizienz sowie von der Akzeptanz des grund des häufig verwendeten Einschlauchsys
Patienten abhängig. tems ist nur eine begrenzte Überwachung der Be
Neben CPAP werden meist druckorientierte Beat atmung möglich
mungsformen mit einem dezelerierenden Flow ein • Spezielle CPAP-Geräte (› 7.5). Diese verfügen
gesetzt. Volumenkontrollierte Beatmung wird nur jedoch teilweise über keine oder nur unzurei
in begründeten Ausnahmefällen verwendet. chende Überwachungsfunktionen.
Häufig als nichtinvasive Beatmung eingesetzt
werden die Beatmungsformen CPAP (› 6.3.8), Auswahl und Einstellung der Beatmungsform
druckunterstützte Beatmung (› 6.3.7), PAV Abhängig von Art und Ausmaß der respiratorischen
(› 6.3.7) und BIPAP (› 6.3.4), seltener die assis Insuffizienz legt der Arzt die geeignete Beatmungs
tiert-druckkontrollierte Beatmung (› 6.3.3) und form fest und ordnet die Einstellung der entspre
das noch neue Beatmungsverfahren NAVA chenden Beatmungsparameter an:
(› 6.3.9). • Liegt lediglich eine pulmonale Insuffizienz (re
spiratorische Partialinsuffizienz › 2.1) vor, ge
Kontraindikationen nügt meist eine CPAP-Atmung. Der PEEP wird
Eine nichtinvasive Beatmung ist in folgenden Fällen dabei anfangs zwischen 5–8 mbar eingestellt und
absolut kontraindiziert: im Verlauf dann abhängig von der Blutgasanalyse
• Fehlende Spontanatmung oder Schnappatmung variiert.
• Fixierte oder funktionelle Verlegung der Atem • Bei ventilatorischer Insuffizienz (respiratorische
wege Globalinsuffizienz › 2.1) kommt meist eine as
6 • Gastrointestinale Blutungen oder Ileus. sistierte Beatmung zum Einsatz, z. B. druckunter
Relative Kontraindikationen sind: stützte Beatmung, PAV oder BIPAP. Die Beat
• Koma mung wird so eingestellt, dass ein Tidalvolumen
• Massive Agitation von 6–8 ml/kg KG erreicht wird. Darunter sollte
• Massiver Sekretverhalt trotz Bronchoskopie der Beatmungsdruck möglichst nicht über
• Schwergradige Hypoxämie oder Azidose (pH < 25 mbar ansteigen. Meist wird ein PEEP von
7,1) 5–8 mbar zugeschaltet. Soll die Atemmuskulatur
• Hämodynamische Instabilität (kardiogener vollständig entlastet werden, kann eine assistiert-
Schock, Myokardinfarkt) kontrollierte Beatmungsform (S-IMV) gewählt
• Anatomische und/oder subjektive Interface-In und die Atemfrequenz so eingestellt werden, dass
kompatibilitäten sie über der normalen Atemfrequenz des Patien
• Z. n. gastrointestinaler Operation. ten liegt. Dadurch wird der Atemantrieb des Pati
enten außer Kraft gesetzt, seine Atemmuskulatur
bleibt passiv und kann sich regenerieren.
6.4.4 Praxis der nichtinvasiven In beiden Fällen wird die inspiratorische Sauerstoff
Beatmung konzentration entsprechend den Erfordernissen
eingestellt und im Verlauf anhand der Werte der
Respiratoren zur nichtinvasiven Beatmung Blutgasanalyse korrigiert.
Für die nichtinvasive Beatmung können – abhängig
von der gewählten Beatmungsform – die folgenden Durchführung der nichtinvasiven Beatmung auf
Gerätegruppen eingesetzt werden: der Intensivstation
• Intensivbeatmungsgeräte (› 7.4). Viele Inten Zunächst informieren die Pflegenden oder der Arzt
sivrespiratoren verfügen über spezielle Einstel den Patienten über die geplante Maßnahme und da
lungen für die NIV, insbesondere optimiertes rüber, dass das Sprechen unter der Maske deutlich
Triggerverhalten und Kompensation bei hoher erschwert ist (ggf. Zeichen vereinbaren, z. B. Dau
6.4 Nichtinvasive Beatmung 153
Überwachen des Patienten unter NIV • Die Sauerstoffsättigung unter der NIV nicht an
Während der nichtinvasiven Beatmung muss eine lü- steigt bzw. sich die Blutgasanalyse unter der Be
ckenlose Monitorüberwachung gewährleistet sein. atmung nicht bessert
Diese umfasst die Überwachung folgender Parameter: • Der pH-Wert in der BGA weiter abfällt
• Herzfrequenz (wenn möglich mit Arrhythmie • Die Atemmuskulatur weiterhin überlastet ist (kli
überwachung) und Blutdruck nische Zeichen der respiratorischen Erschöpfung
• Sauerstoffsättigung (› 9.2.3) › 6.11.3)
• Atemfrequenz (besonders wichtig bei Verwen • Eine Sekretretention auftritt, die häufiges endo
dung spezieller CPAP-Geräte, die z. T. nicht über tracheales (ggf. bronchoskopisches) Absaugen er
Überwachungsfunktionen verfügen; ansonsten forderlich macht
erfolgt die Atemfrequenzüberwachung durch den • Der Kreislauf instabil wird bzw. Herzrhythmus
Respirator). störungen auftreten
Darüber hinaus wird meist in regelmäßigen Abstän • Der Patient erbricht bzw. der V. a. eine Aspirati
den und zusätzlich bei Bedarf (z. B. nach Änderun on besteht
gen der Beatmungsparameter oder akuter Ver • Wenn sich der Zustand des Patienten, der die Be
schlechterung der Gesamtsituation) eine Blutgas atmung erforderlich machte, nicht innerhalb ei
analyse (› 2.4.2) durchgeführt. ner angemessenen Zeit bessert.
Erfolgt die nichtinvasive Beatmung über ein In Sollte die NIV nicht zum gewünschten Erfolg füh
tensiv- oder Heimbeatmungsgerät, ist i. d. R. auch ren, muss umgehend intubiert und konventionell
eine mehr oder weniger umfangreiche Überwa beatmet werden.
chung der (Be-)Atmung über den Respirator mög
lich. Diese umfasst:
• Atemminuten- und Tidalvolumen (schwierig bei
6 Nasenmaske, Helm bzw. Leckagen) 6.5 Seitengetrennte Beatmung
• Atemfrequenz
• Beatmungsdruck (wichtig ist insbesondere der DEFINITION
obere inspiratorische Druck, auch Beatmungsspit- Seitengetrennte Beatmung (independent lung venti-
zendruck) lation, kurz ILV): Getrennte Beatmung der beiden Lun-
• PEEP. genflügel, evtl. mit unterschiedlichem Beatmungsmuster.
Seitengetrennte Beatmung erfolgt über einen Doppellu-
Zusätzlich zu dieser kontinuierlichen Überwachung mentubus oder (selten) eine Doppellumen-Trachealkanü-
der Vitalparameter kontrollieren die Pflegenden le. Zur Beatmung sind in der Regel zwei Respiratoren
engmaschig den Zustand des Patienten. Dabei ach notwendig, die oft synchronisiert werden.
ten sie besonders auf die Zeichen einer persistieren
den oder zunehmenden respiratorischen Insuffizi
enz (› 2.4) und auf Hinweise für Komplikationen
(› 6.4.2). 6.5.1 Indikationen zur
seitengetrennten Beatmung
Abbrechen der nichtinvasiven Beatmung
Die nichtinvasive Beatmung muss abgebrochen und Eine seitengetrennte Beatmung ist indiziert wenn
der Patient intubiert und konventionell beatmet eine Lungenerkrankung einseitig besonders ausge
werden wenn: prägt ist und andere Maßnahmen (z. B. bestimmte
• Der Patient zunehmend eintrübt, komatös wird Beatmungsstrategien oder Lagerungen) die Situati
bzw. die Schutzreflexe aufgehoben sind on nicht verbessern können. Bei einseitig besonders
• Die Agitiertheit (motorische Unruhe) des Patien stark ausgeprägter Lungenerkrankung besteht bei
ten zunimmt und nicht mehr beherrschbar ist der konventionellen Beatmung die Gefahr, dass der
• Die Dyspnoe zunimmt, die Atemfrequenz > 35/ überwiegend gesunde Lungenflügel überdehnt und
Min. ansteigt (Hechelatmung) und das Atemzug der überwiegend erkrankte Lungenflügel nicht aus
volumen abnimmt reichend belüftet wird. Mittels seitengetrennter Be
6.5 Seitengetrennte Beatmung 155
atmung ist es möglich, den überwiegend gesunden werden. Grundsätzlich sollte der Doppellumentu
Lungenflügel mit einem geringeren und den über bus so groß wie möglich gewählt werden, um den
wiegend erkrankten mit einem höheren Beatmungs Strömungswiderstand niedrig halten zu können
druck zu beatmen. Bei entzündlichen Lungener und das Absaugen über den Tubus zu erleichtern
krankungen und bei Blutungen kann eine seitenge • Intubations-Bronchoskop (› 4.7.1 und › Abb.
trennte Beatmung das Risiko vermindern, dass Blut 4.26) zur Tubuslagekontrolle (selten erfolgt die
bzw. Eiter in den intakten Lungenflügel übertritt. Lagekontrolle des Doppellumentubus ausschließ
Zu den Lungenerkrankungen, die eine einseitige lich mittels Auskultation des Thorax).
Beatmung erforderlich machen können, gehören:
• Pneumonie (› 2.3.1) Durchführung
• ARDS (› 2.3.6) Das Vorgehen entspricht bis zum Punkt „Einführen
• Aspiration des Tubus“ dem bei der oralen Intubation (› 4.6.1).
• Lungenkontusion (› 2.3.3), -embolie Der Arzt führt den Doppellumentubus zunächst un
(› 2.3.5), -blutung, -abszess oder -ödem ter Sicht durch die Stimmritze in die Trachea ein,
• Bronchopleurale Fistel und Bronchusstumpfin entfernt dann den Führungsstab, dreht den Tubus
suffizienz um 90° in die Richtung des Bronchus, der intubiert
• Thoraxtrauma mit Zerreißung von Lungengewe werden soll, und schiebt den Tubus dann bis zum
be (Gefahr der Gasembolie) Auftreten eines leichten Widerstands vor.
• Behandlungsresistente einseitige Atelektase Abschließend werden beide Cuffs geblockt und der
• Große Emphysemblasen Patient über beide Tubuslumen beatmet. Darunter
• Einseitige Lungentransplantation (Bingold/By müssen seitengleiche Atemgeräusche auskultierbar
hahn 2007). und seitengleiche Thoraxexkursionen beobachtbar
Darüber hinaus kann eine seitengetrennte Beatmung sein. Ist nur ein Lungenflügel belüftet, liegt der Tubus
notwendig sein bei thoraxchirurgischen Eingriffen, zu tief (beide Tubuslumen liegen im Hauptbronchus). 6
wenn zur Erleichterung des chirurgischen Vorgehens In diesem Fall müssen beide Cuffs entblockt und der
ein Lungenflügel vorübergehend „stillgelegt“ werden Tubus zurückgezogen und neu geblockt werden.
muss. Dies ist dann keine seitengetrennte Beatmung Bei (absehbar) schwieriger Intubation kann der
im eigentlichen Sinn mehr, vielmehr spricht man hier Doppellumentubus auch mithilfe eines Intubations
von einer Ein-Lungen-Beatmung, da der stillgelegte fiberskops eingeführt werden (fiberoptische Intuba
Lungenflügel meist lediglich mit einem geringen tion › 4.7). Je nach Größe des Doppellumentubus
Frischgasflow durchspült wird. sind dazu spezielle (besonders dünne) Intubationsfi
berskope erforderlich.
Trotz sorgfältiger Auskultation kann es sehr schwierig tubation ist, dass der Endobronchialtubus belassen
sein, die Lage des Doppellumentubus sicher zu be- werden kann, d. h. eine Umintubation mit Doppellu
stimmen, insbesondere wenn aufgrund der einseitig aus- mentubus und der damit verbundene kurzfristige
geprägten Lungenerkrankung die Atemgeräusche verän- Verlust eines sicheren Atemwegs entfällt.
dert sind. Deshalb wird die abschließende definitive Lage-
Nachteile sind das sehr enge Lumen des Endobron
kontrolle i. d. R. mittels Bronchoskopie vorgenommen.
chialblockers (dadurch erschwertes Absaugen) und
das vergleichsweise hohe Dislokationsrisiko. Zudem
Zur bronchoskopischen Lagekontrolle wird das Bron kann über den Endobronchialblocker lediglich Sauer
choskop meist in das tracheale Lumen eingeführt und stoff insuffliert bzw. CPAP appliziert werden, eine wei
etwas über die Öffnung des Lumens in der Trachea terreichende Beatmung des Lungenbereichs hinter
hinaus vorgeschoben. Bei korrekter Tubuslage sind dem Endobronchialblocker ist nicht möglich.
die Karina (Bifurkation) und der im richtigen Haupt
bronchus liegende bronchiale Cuff zu sehen.
Technik der seitengetrennten Beatmung
Die Beatmung erfolgt mit zwei Respiratoren, wobei
Alternative: Endobronchialblocker
ein Gerät als „Master“ („Herr“), das andere als „Sla
Ist bei einem bereits konventionell intubierten Pati ve“ („Sklave“) eingestellt wird. Die Geräte werden
enten eine seitengetrennte Beatmung erforderlich, über ein Schnittstellenkabel verbunden. Das Master-
kann der Einsatz eines Endobronchialblockers erwo Gerät übernimmt die Kontrolle. Wichtig ist es trotz
gen werden. Endobronchialblocker sind Ballonkathe dem, bei beiden Geräten die gleiche Frequenz einzu
ter, die unter bronchoskopischer Sicht über den lie stellen, falls es zu einer unbeabsichtigten Trennung
genden Endotrachealtubus in den Haupt- oder Lap der Geräte kommt.
penbronchus vorgeschoben werden (› Abb. 6.18). Es werden drei Master-Slave-Beziehungen unter
6 Auch eine Platzierung in einem Segmentbronchus ist schieden (› Abb. 6.19):
möglich. Derzeit sind v. a. der Endobronchialblocker • Synchrone ILV: Beide Respiratoren beginnen
nach Arndt und der Endobronchialblocker nach Co- gleichzeitig mit der Inspiration, das I:E-Verhält
hen (mit schwenkbarer Spitze zur besseren Platzie nis ist identisch
rung) in Gebrauch. Wesentlicher Vorteil des En • Asynchrone ILV: Beide Respiratoren beginnen
dobronchialblockers gegenüber der Doppellumenin gleichzeitig mit der Inspiration, das I:E-Verhält
Abb. 6.18 Endobronchialblo-
cker, über einen konventionellen
Endotrachealtubus eingeführt und
geblockt. [V602]
6.5 Seitengetrennte Beatmung 157
nis ist jedoch unterschiedlich (bei gleicher Zeit dig, der beide Tubuslumen zu einem zusammen
dauer des Ventilationszyklus) führt, das an die Beatmungsschläuche ange
• Inverse ILV: Der Slave-Respirator beginnt mit schlossen wird. Indiziert ist diese Form der sei
der Inspiration sobald am Master-Respirator die tengetrennten Beatmung bei entzündlichen
Exspiration beginnt. Erkrankungen oder Blutungen (hier dient der
Alternativ kann die seitengetrennte Beatmung auch Doppellumentubus dem Schutz des nicht bzw.
erfolgen über: weniger stark geschädigten Lungenflügels)
• Zwei unabhängig voneinander arbeitende Respi • Kombination von Intensivrespirator und CPAP-
ratoren (unsynchronisierte ILV) Gerät (› 7.5) oder Gerät zur Hochfrequenzbeat
• Einen Respirator, der beide Lumen ventiliert. Da mung.
zu ist ein spezieller y-förmiger Adapter notwen
Die seitengetrennte Beatmung ermöglicht es, jeden Lun-
genflügel entsprechend den erkrankungsbedingten Ver-
Druck änderungen mit unterschiedlichen Beatmungsparame-
tern zu beatmen, z. B. verschieden hohes PEEP-Niveau,
unterschiedliches Atemzeitverhältnis, angepasstes Tidal-
Master
volumen bzw. unterschiedlicher Beatmungsdruck.
Diesem Vorteil stehen jedoch Nachteile und gravierende
Risiken gegenüber: Nachteilig sind die i. d. R. notwendi-
ge tiefe Sedierung und ggf. auch Relaxierung des Patien-
Insp. Exsp. Insp. Exsp. Zeit ten und der hohe technische Aufwand, der umfangreiche
Überwachungsmaßnahmen erfordert.
Hauptgefahren sind eine Lageveränderung des Tubus,
Druck z. B. nach einer Umlagerung des Patienten, mit nachfol-
gender Verschlechterung der Beatmungssituation, sowie
im Extremfall eine Ruptur des tracheobronchialen Sys-
6
Slave Synchron
tems, die insbesondere dann droht, wenn der Tubus un-
ter Druck oder Zug gerät und gleichzeitig die Cuffs sehr
stark geblockt sind. Wegen dieser Risiken wird die seiten-
getrennte Beatmung nur sehr selten und i. d. R. für maxi-
Insp. Exsp. Insp. Exsp. Zeit
mal 48 Stunden angewendet.
Druck
6.5.3 Pflege bei seitengetrennter
Slave Asynchron Beatmung
Umlagerungen des Patienten zusammen mit dem Menge ist umso größer, je wärmer das Gas ist. Der
Arzt durch, der dann i. d. R. nach jeder Umlage tatsächliche Wassergehalt pro Volumeneinheit
rung des Patienten eine Tubuslagekontrolle (ggf. Luft ist die absolute Feuchtigkeit (absolute Feuch
bronchoskopisch) durchführt, um die korrekte te). Die pro Volumeneinheit Luft maximal mögli
Tubuslage sicherzustellen. Evtl. wird der bron che Wassermenge ist die maximale Feuchtigkeit
chiale Cuff zur Umlagerung des Patienten ent (maximale Feuchte). Ist diese maximal mögliche
blockt (Arztrücksprache) Wassermenge in der Luft enthalten, so ist die Luft
• Die Pflegenden überwachen und dokumentieren zu 100 % gesättigt. Aus absoluter und maximaler
die seitengetrennte Beatmung z. B. mittels zwei Be Feuchtigkeit errechnet sich die relative Feuchtig
atmungsprotokollen (ein Protokoll pro Respirator) keit:
• Zum endotrachealen Absaugen können nur rela
tiv dünnlumige Absaugkatheter verwendet wer Relative Feuchtigkeit (%) = (absolute Feuchtigkeit :
den. Angaben darüber, welche Absaugkatheter Maximale Feuchtigkeit) × 100
stärke verwendet werden kann, finden sich meist Die relative Luftfeuchtigkeit gibt an, wie viel Prozent
auf der Bedienungsanleitung des Tubus. Das Ab der maximalen Feuchtigkeit in der Luft enthalten sind.
saugen sollte durch zwei Pflegende erfolgen (eine
hält den Tubus fest), um auch geringe Lageverän Beispiel: 10 °C-warme Luft kann maximal 9 mg
derungen des Tubus zu vermeiden. Nach dem Wasser pro Liter Luft aufnehmen. Ist die Luft 37 °C
Absaugen ist eine Tubuslagekontrolle erforder warm, sind maximal 44 mg Wasser pro Liter Luft
lich (Auskultation). enthalten. Sind diese Wassermengen jeweils in der
Luft enthalten, so liegt die relative Luftfeuchtigkeit
in beiden Fällen bei 100 % (absolute Feuchtigkeit
entspricht der maximalen Feuchtigkeit). Bleibt da
6 6.6 Atemgasklimatisierung gegen die absolute Feuchtigkeit gleich, also z. B. 9 mg
pro Liter Luft, und ändert sich die Lufttemperatur,
DEFINITION z. B. von 10 °C auf 37 °C, so sinkt die relative Feuch
Atemgasklimatisierung (Atemgaskonditionierung): tigkeit in diesem Beispiel von 100 % auf 21 %, d. h.
Befeuchtung und Erwärmung der Atemgase beim intu- die absolute Feuchtigkeit bleibt gleich, die relative
bierten oder tracheotomierten Patienten. Feuchtigkeit ändert sich.
Derzeit zwei Verfahren gebräuchlich:
• Aktive Befeuchtungssysteme führen der Atemluft
Wärme und Wasser zu (die Inspirationsluft wird zu Grundlagen aus Anatomie und Physiologie
100 % mit Wasserdampf gesättigt).
• Passive Befeuchtungssysteme (heat and moisture Atemgasklimatisierung bei Nasenatmung
exchanger, kurz HME, d. h. Wärme- und Feuchtigkeits- Die Atemgasklimatisierung beim spontan atmenden
tauscher, auch künstliche Nasen genannt) entziehen (nicht intubierten oder tracheotomierten) Patienten
der Exspirationsluft Wärme und Wasser und geben sie erfolgt vor allem in den oberen Luftwegen. Hier wird
während der nächsten Inspiration wieder an die Atem-
luft ab.
die Atemluft durch den Kontakt mit den zahlreichen
dünnwandigen Blutgefäßen der Nasenhöhlen er
wärmt (Nasenschleimhaut gibt Strahlungswärme
ab). Durch den verzweigten Aufbau der Nasenhöh
6.6.1 Grundlagen der len entsteht eine turbulente Gasströmung; dies be
Atemgasklimatisierung wirkt einen intensiven Kontakt der Atemluft mit der
Nasenschleimhaut. Die Drüsen der Nasenschleim
Physikalische Grundlagen haut befeuchten die Atemluft, d. h. sie geben Wasser
an die Atemluft ab (› Tab. 6.5).
Absolute und relative Feuchtigkeit Inspiration. Bereits im Nasen-Rachen-Raum wird
Ein Gasgemisch kann eine bestimmte Menge Was die Atemluft auf ca. 34 °C erwärmt und auf 80–90 %
serdampf (Feuchtigkeit) in sich aufnehmen. Diese relative Feuchtigkeit aufgesättigt, d. h. die unterhalb
6.6 Atemgasklimatisierung 159
Tab. 6.5 Temperatur und Wassergehalt der Atemluft bei Nasenatmung (absolute Feuchtigkeit in mg/l, relative
Feuchtigkeit in %).
Nase Aufnahme/Abgabe von Obere Trachea Aufnahme/Abgabe Alveolen
Wasser im Nasen- von Wasser in Tra-
Rachen-Raum chea und Bronchien
Einatmung 22 °C +25 mg/l 35 mg/l +9 mg/l 37 °C 100 %
50 % 44 mg/l 6
10 mg/l
Ausatmung 32 °C −8 mg/l 42 mg/l −2 mg/l 37 °C 100 %
100 % 44 mg/l
34 mg/l
und/oder des Tubus bzw. der Trachealkanüle. ten durchperlt das Atemgas ein beheiztes Was
Der Atemwegswiderstand nimmt zu, die Com serbad.
pliance (› 1.2.1) ab. Zudem entsteht ein guter • Oberflächenverdunster. Bei diesen neueren Ge
Nährboden für Keime räten wird die Luft über die Oberfläche des er
• Die Aktivität des Surfactant (› 1.1.2) wird redu wärmten Wassers geleitet. Die Wasseroberfläche
ziert, dadurch steigt die Gefahr der Atelektasen (und damit die Befeuchtungsleistung) wird da
bildung durch vergrößert, dass im Wasserbad ein hygro
• Die Anfälligkeit für pulmonale Infekte nimmt zu skopischer (d. h. Wasser bindender) Docht aus
• Langfristig kühlt der Patient aus (Hypothermie). Löschpapier steht. Im Gegensatz zu den Durch
Darüber hinaus reizt zu kühle Atemluft die Bronchi strömungsverdunstern, bei denen bei Spontanat
alschleimhaut und kann schlimmstenfalls eine mung das Atemgas durch das Wasserbad durch
Bronchospastik verursachen. gesaugt werden muss, erhöhen Oberflächenver
Insgesamt verschlechtert eine unzureichende dunster den Durchatemwiderstand praktisch
Atemgasbefeuchtung und -erwärmung den pulmo nicht.
nalen Gasaustausch. Klinisch relevant ist die Unterscheidung zwischen
Systemen mit integrierter Schlauchheizung und sol
Auch wenn der Patient nur kurzfristig intubiert oder tra- chen ohne beheizte Schläuche.
cheotomiert ist müssen die Atemgase immer klimati- Bei Systemen ohne beheizte Schläuche (z. B.
siert werden, um die negativen Auswirkungen von tro- Bennett-Cascade II®, Dräger Aquapor®, Kendall
ckener und kalter Atemluft zu vermeiden.
Conchatherm neptune®) wird das Inspirationsgas
über die Oberfläche von ca. 60 °C warmem Wasser
Nicht nur die Zufuhr von zu kalter und trockener geleitet. Nach Passage des Verdampfers beträgt der
Luft, auch die Zufuhr von überhitzten Atemgasen Wassergehalt (100 % rel. Luftfeuchtigkeit vorausge
6 sind für den Patienten gefährlich. Bereits bei Tem setzt) ca. 130 mg/l, bei 70 °C sogar 198 mg/l. Auf dem
peraturen über 40 °C entstehen thermische Schäden Weg durch den Inspirationsschlauch kühlt das
der Tracheal- und Bronchialschleimhaut. Eine Zu Atemgas ab und ist am Y-Stück (also unmittelbar
fuhr überhitzter Atemgase ist nur möglich beim Ein vor dem Tubus bzw. der Trachealkanüle) noch ca.
satz aktiver Atemgasbefeuchter. 37 °C warm, der Wassergehalt beträgt also nur noch
44 mg/l. Während die Luft zwischen Verdampfer
und Y-Stück abkühlt, kondensiert das überschüssige
6.6.2 Aktive Befeuchtungssysteme Wasser (rund 1 ml/Min. bei einem AMV von 7,5 l/
Min.) im Inspirationsschlauch. Auch im Exspirati
Aktive Befeuchtungssysteme sind Geräte, die in onsschlauch kommt es zum Niederschlag von Was
den Inspirationsschenkel des Beatmungssystems serdampf an der Wand des Schlauchs, da die Exspi
eingebaut werden und dort der Inspirationsluft rationsluft i. d. R. wärmer ist als die Raumtempera
Wasser und Wärme zuführen. tur. In beiden Fällen können sich Wasseransamm
Zwei Gerätegruppen werden unterschieden: Ver- lungen („Pfützen“) bilden, die den Atemwiderstand
dampfer und Vernebler. erhöhen, eine Selbsttriggerung des Respirators aus
lösen können und zudem einen guten Nährboden
Verdampfer für Keime darstellen. Um solche Wasseransamm
Verdampfer erzeugen unsichtbaren Wasserdampf. lungen zu vermeiden, sind in die Beatmungsschläu
Beim Einsatz von Verdampfern wird die Inspirati che Kondenswasserabscheider (sogenannte Wasser-
onsluft durch eine Kammer geleitet, in der sich be fallen) eingebaut, in die hinein das überschüssige
heiztes Wasser befindet. Abhängig davon, wie der Wasser ablaufen, jedoch nicht ins Schlauchsystem
Kontakt zwischen Atemluft und Wasser erfolgt, wer zurückgelangen kann.
den zwei Gerätetypen unterschieden: Diese Nachteile entfallen bei Systemen mit be-
• Durchströmungsverdunster (Durchlaufverduns- heizten Schläuchen (z. B. Fisher & Paykel AGM
ter bzw. Kaskadenverdampfer). Bei diesen Gerä 730®, MR 730®, MR 850®, Laborex SCT 3000®, Tyco
6.6 Atemgasklimatisierung 161
Aerodyne 2000®). Bei diesen Systemen wird das • Das Gerät besitzt eine geringe Compliance und
Atemgas im Verdampfer auf 36 °C erwärmt und zu Resistance und ist mit einer CE-Kennzeichnung
100 % mit Wasser gesättigt. Im Inspirationsschlauch versehen.
wird das Atemgas durch Heizdrähte (entweder im
Schlauch eingebaut oder außen am Schlauch ange Beim Einsatz von aktiven Atemgasbefeuchtern
bracht) weiter erwärmt auf 37 °C. Dadurch sinkt die beachten:
relative Luftfeuchtigkeit des Atemgases und es kon • Kondenswasserabscheider (Wasserfallen) befinden
densiert kein Wasser im Schlauch. Auch die Aus sich am tiefsten Punkt der Inspirations- bzw. Exspirati-
atemluft im Exspirationsschlauch kann erwärmt onsschläuche. Dazu ggf. die Schläuche entsprechend
werden, dadurch findet auch im Exspirationsteil kei positionieren.
• Kondenswasser nicht in den Vorratsbehälter zurück-
ne Kondensation statt. Obwohl die Schläuche tro führen (Kontaminationsgefahr).
cken aussehen, ist die Inspirationsluft nahezu voll • Jeweils vor dem Umlagern des Patienten und vor La-
ständig mit Wasser gesättigt (› Abb. 6.21). geveränderungen der Beatmungsschläuche sicherstel-
len, dass sich in den Schläuchen keine zusätzlichen
Vernebler Wasseransammlungen gebildet haben (kann z. B. pas-
Vernebler (Ultraschallvernebler oder Düsenverneb sieren, wenn die Wasserfallen nicht am tiefsten Punkt
ler) erzeugen Wassertröpfchen. Diese können bei ei des Schlauchs sitzen) und diese ggf. in die Wasserfal-
len entleeren, um zu vermeiden, dass die Wasseran-
ner Kontamination des Systems als Vehikel für Keime sammlungen während des Umlagerns Richtung Tubus
dienen, die dann zusammen mit den Wassertröpfchen laufen und aspiriert werden.
in die Alveolen gelangen. Zudem kann es zu Wasser • Füllungsstand der Befeuchtungskammer regelmäßig
ansammlungen (Kondenswasserbildung) in den kontrollieren und ggf. steriles Wasser nachfüllen, um
Schläuchen kommen, was hygienische Gefahren birgt ein „Trockenfahren“ (Beatmung mit unzureichend an-
und den Widerstand im Beatmungsschlauchsystem gefeuchteter bzw. trockener Atemluft) zu verhindern.
• Überwärmte Gase bilden eine Gefahr für den Patien- 6
erhöht. Darüber hinaus können Ultraschallvernebler
ten und können möglicherweise unbemerkt als „hot
eine Überwässerung des Patienten hervorrufen. We shots“ nach Unterbrechung der Beatmung auftreten
gen dieser Risiken werden Vernebler praktisch nicht (z. B. wenn der Respirator im Rahmen einer Umintuba-
mehr zur Atemgaskonditionierung beim beatmeten tion oder Bronchoskopie abgeschaltet wurde, die Hei-
Patienten verwendet, sondern sind nur noch zum Ver zung aber weiter in Betrieb war). Um dies zu verhin-
nebeln von Medikamenten indiziert (› 9.6.1). dern nach Wiederinbetriebnahme des Respirators zu-
nächst einige Atemzüge durch das Schlauchsystem lei-
Anforderungen an aktive Atemgasbefeuchter ten bevor der Patient wieder angeschlossen wird.
• Bei unterkühlten Patienten darauf achten, dass die
Geräte zur Atemgasanfeuchtung sollen folgende Atemgastemperatur der Körpertemperatur entspricht.
Merkmale aufweisen: Bei Hypothermie kann es ansonsten zur Kondensation
• Die Kontrolle der Atemgastemperatur erfolgt pa von Wasser in den Luftwegen kommen.
tientennah (i. d. R. am Y-Stück) Das Beatmungsschlauchsystem muss aus hygienischen
• Der Befeuchter erwärmt das Atemgas so, dass es Gründen regelmäßig gewechselt werden. Das Robert
am Y-Stück mindestens 36 °C warm ist (ideal: Koch-Institut (RKI) empfiehlt einen Beatmungssystem-
Atemgastemperatur entspricht der Körpertempe wechsel alle 7 Tage (› 11.3).
ratur des Patienten – Ausnahme: Hohes Fieber)
und die relative Luftfeuchtigkeit 80–100 % be
trägt 6.6.3 Passive Befeuchtungssysteme
• Die Befeuchtungsleistung ist auch bei hohem
Flow und Atemminutenvolumen optimal Passive Befeuchtungssysteme werden zwischen das
• Die aktuelle Atemgastemperatur wird optisch an Y-Stück des Beatmungsschlauchsystems und den
gezeigt Tubus/die Trachealkanüle bzw. die Tubusverlänge
• Warneinrichtungen signalisieren Wassermangel rung angebracht.
und Atemgastemperaturen unter 35 °C bzw. über Grundsätzlich gilt: Je näher das passive Befeuch
40 °C tungssystem am Patienten (Tubus) platziert ist, des
162 6 Maschinelle Beatmung
wenn der Wasserverlust des Filters weniger als Filters besonders gefährdet, da die Verlegung die
7 mg H2O/l Atemluft beträgt. Atemarbeit enorm erhöht. Der verlegte Filter
• Das Totraumvolumen der Filter variiert zwischen muss umgehend ausgetauscht werden.
30 und über 100 ml. In Kombination mit einer • Als problematisch wird die Tatsache angesehen,
Tubusverlängerung zur Zugentlastung („Gänse dass der Filter den funktionellen Totraum ver
gurgel“) kann das Totraumvolumen auf 130 ml größert (› 1.2.1). Die durch den Filter und ggf.
ansteigen. Grundsätzlich sollte das Totraumvolu die Tubusverlängerung bedingte Totraumver-
men eines HME-Filters so gering wie möglich größerung beträgt bei Erwachsenen etwa 30–
sein (< 50 ml; Schwabbauer, Ammerbuch 06/05) 150 ml.
und den funktionellen Totraum um nicht mehr • Der Filter erhöht den Durchatemwiderstand
als 40 % erhöhen. und damit die Atemarbeit. Bei beatmeten Patien
• Bei Bedarf sollte ein Anschluss zur Atemgasana ten ist dies wenig relevant, bei teilweise oder voll
lyse vorhanden sein (CO2-Port). ständig spontan atmenden Patienten jedoch soll
• Der Widerstand des Filters sollte möglichst ge te darauf geachtet werden, dass die Durchatem
ring sein (< 2 mbar bei Flow von 60 l/Min.; wie widerstände nicht zu sehr ansteigen. Als tolerabel
hoch der Widerstand eines Filters ist kann den gilt ein Anstieg von 2 mbar bei einem Flow von
Herstellerangaben entnommen werden). 60 l/Min. bei spontan atmenden Patienten.
Weitere Kriterien für die Auswahl sind die Standzeit Kontraindiziert sind HME-Filter bei:
des HME-Filters (i. d. R. 24 oder 48 Stunden, längere • Deutlich unterkühlten Patienten (Körpertempera
Standzeiten werden derzeit diskutiert) sowie der tur < 32 °C, z. B. bei Kühlung nach Reanimation)
Preis. • Bei Patienten, bei denen die Ausatemluft (teilwei
se) nicht durch das Beatmungssystem geleitet wird
Vorteile, Nachteile und Kontraindikationen (z. B. offener Pneumothorax, ungeblockter Cuff)
passiver Befeuchtungssysteme • Bei sehr niedrigen Tidalvolumina, da der Anteil 6
Passive Atemgasbefeuchter haben gegenüber den der Totraumventilation zu groß wäre.
aktiven Befeuchtungssystemen folgende Vorteile:
• Sie sind erheblich preiswerter HME-Booster stellen eine Mischform der aktiven und
• Eine Überhitzung der Atemgase ist ausgeschlos passiven Befeuchtung dar. Dabei wird über eine semiper-
sen meable Membran (Goretex®) zusätzlich Wärme und
• Möglicherweise ist eine Reduzierung der VAP Feuchtigkeit zugeführt. Diese Membran befindet sich im
möglich (Kranabetter R et al, 2004). Booster-T-Stück, das sich zwischen Patient und HME be-
Passive Atemgasbefeuchter werden sowohl für kurz findet. Über eine Zuleitung wird Wasser in dieses T-Stück
geführt und dort erwärmt. Der Wasserdampf wird ent-
zeitige (Nach-)Beatmungen als auch in der Langzeit sprechend dem Konzentrationsgefälle ins Beatmungssys-
beatmung eingesetzt. tem geleitet. Dadurch wird die Funktion des HME er-
Nachteile gegenüber den aktiven Befeuchtungssys gänzt.
temen sind:
• Der Filter kann durch abgehustetes Trachealse
kret verlegt werden, diese Gefahr besteht vor al
lem bei stark verschleimten, tracheotomierten
Patienten, bei denen keine Tubusverlängerung 6.7 Nebenwirkungen und
zwischen Filter und Trachealkanüle eingebaut ist. Komplikationen der
Bei Sekretverlegung des Filters ist eine maschi maschinellen Beatmung
nelle Beatmung evtl. nicht mehr in vollem Um
fang (Erhöhung des Beatmungsdrucks bzw. Ab
nahme des Tidalvolumens) oder im Extremfall Komplikationen durch Tubus › 4.11
(bei totaler Verlegung des Filters) gar nicht mehr Komplikationen durch Trachealkanüle › 5.5
möglich. Patienten die teilweise oder vollständig Jede Form der maschinellen Beatmung geht mit un-
spontan atmen sind bei einer Sekretverlegung des erwünschten Nebenwirkungen einher, die nicht
164 6 Maschinelle Beatmung
nur die Lunge selbst, sondern auch andere Körperor ter maschineller Beatmung. Inzwischen gilt als gesi
gane betreffen. Ursache dieser Beatmungsnebenwir chert, dass vor allem hohe Tidalvolumina eine Schädi
kungen ist vor allem der erhöhte intrathorakale gung der Lunge unter der Beatmung verursachen.
Druck. Dieser steigt mit dem Beatmungsmitteldruck, Man spricht daher heute nicht mehr nur vom pulmo-
der aus dem PEEP, dem Inspirationsdruck sowie der nalen Barotrauma, sondern auch vom pulmonalen
Inspirationsdauer resultiert (Oczenski 2012, 434). Volotrauma (auch Volumentrauma oder Volutrau-
Die Nebenwirkungen sind umso ausgeprägter, je in ma) bzw. von der beatmungsbedingten Lungen-
vasiver die Beatmung ist und je länger sie andauert. schädigung (ventilator associated lung injury, kurz
VALI, auch ventilator induced lung injury kurz VILI).
PIF-Index als Maß für die Beatmungsinvasivität Bei hohen Tidalvolumina wirken sehr hohe Scher-
Der PIF-Index wird errechnet aus den drei Beatmungspa- kräfte in der Lunge. Diese Scherkräfte entstehen zwi
rametern: schen Lungenabschnitten, die sich normal oder
• PEEP (› 6.2.4) schnell mit Luft füllen (normale oder schnelle Zeit
• I : E (Atemzeitverhältnis, › 6.2.1). Dabei entspricht konstante) und solchen, die sich nur langsam füllen
ein I : E von: (langsame Zeitkonstante), und können bis zu
– 1: 2 = 0,5
– 1: 1 = 1
140 mbar betragen. Zusätzlich werden durch hohe
– 2: 1 = 2 Tidalvolumina die „schnellen“ Lungenbereiche
– 2,5: 1 = 2,5 usw. überbläht, während die „langsamen“ minderbelüftet
• FiO2 (inspiratorische Sauerstoffkonzentration, werden. Durch die Überblähung der Alveolen kann
› 6.2.3). es zur Zerreißung der alveolokapillären Membran
Die Werte werden miteinander multipliziert. kommen. Gefährdet sind vor allem Patienten mit
Beispiele: Lungenerkrankungen (insbesondere wenn die Er
• Beatmung mit PEEP 5 mbar, I:E 1:2 und FiO2 0,3
(30 %) ergibt einen PIF von 0,75 (5 × 0,5 × 0,3)
krankung inhomogen über die Lunge verteilt ist) da
6 • Beatmung mit PEEP 12 mbar, I:E 2:1 und FiO2 1,0 hier häufig sehr invasiv beatmet werden muss, um
(100 %) ergibt einen PIF von 24. einen ausreichenden Gasaustausch sicherzustellen.
die primäre Erkrankung und welche durch die in Bei einer Beatmungsdauer über 48 Stunden kann ei
vasive Beatmung entstanden sind. ne respiratorassoziierte Pneumonie als Sepsisquelle
• Durch die Einrissstelle der Alveole kann Luft in das in Betracht gezogen werden (Leitlinie Diagnostik
Mediastinum und den Pleuraraum gelangen, und und Therapie der Sepsis, www.leitlinien.net).
zwar i. d. R. umso mehr, je höher der Beatmungs Laut Daten des KISS (Krankenhaus-Infektions-
druck und je größer das Tidalvolumen ist. So kön Surveillance-Systems) für die Jahre 2008–2012 tre
nen ein (Spannungs-)Pneumothorax (› 2.3.4), ten bei invasiver Beatmung 4,25 Fälle von VAP be
ein Pneumomediastinum (Mediastinalemphy zogen auf 1.000 Beatmungstage auf (bei NIV ledig
sem) und/oder ein Hautemphysem entstehen. lich 1,24 Fälle), diese verlängern den Krankenhaus
aufenthalt (um 6–9 Tage) und erhöhen die Mortalität
Behandlung des pulmonalen Barotraumas/ (liegt bei ca. 13 %). (Prävention der nosokomialen
Volotraumas beatmungsassoziierten Pneumonie – Empfehlung
Von den Auswirkungen eines pulmonalen Baro-/ der KRINKO beim RKI)
Volotraumas kann vor allem ein (Spannungs-)Pneu
mothorax den beatmeten Patienten rasch in eine le Entstehung der respiratorassoziierten Pneumonie
bensbedrohliche Situation bringen und muss daher Ausgangspunkt der Beatmungspneumonie ist
umgehend behandelt werden (› 2.3.4). Ein Haut- wahrscheinlich eine Kolonisation (Besiedelung
oder Mediastinalemphysem dagegen ist für den Pa mit potenziell pathogenen Erregern, hier vorwie
tienten zwar sehr unangenehm und evtl. mit gend gramnegative Bakterien und Sprosspilze) der
Schmerzen verbunden, muss i. d. R. aber nicht be Schleimhaut im Mund-Rachen-Raum (Oropha
handelt werden. Selten ist bei Mediastinalemphy rynx) bei gleichzeitig verminderter mikrobieller
sem eine Druckentlastung mittels kollarer Mediasti Clearance der Lunge. Die Kolonisation kann auch
nostomie erforderlich. im Rahmen einer Pflegemaßnahme erfolgen, z. B.
Zusätzlich werden beim pulmonalen Baro-/Volo wenn zur Mundpflege bakteriell kontaminierter 6
trauma der Beatmungsdruck und das Tidalvolumen Tee verwendet wird.
soweit wie möglich zurückgenommen. Sofern keine Begünstigende Faktoren für eine Kolonisation
Kontraindikationen bestehen, wird eine dadurch des Oropharynx sind:
entstehende Hyperkapnie zugunsten eines niedrigen • Alter über 65 Jahre
Atemwegsdrucks und geringerer Tidalvolumina to • Beeinträchtigung des Immunsystems
leriert (permissive Hyperkapnie › 8.6). • fehlende Schutzreflexe infolge neurologischer Be
Lungenprotektive Beatmung › 6.8.1 einträchtigungen
• COPD
• Aspiration
Ventilatorassoziierte Pneumonie • Langzeitintubation und Beatmung
• Reintubation
Pneumonie › 2.3.1 • Mikroaspiration
• Verabreichung von Sedativa
DEFINITION • Operative Eingriffe.
Ventilatorassoziierte Pneumonie (VAP auch Respi- Beim beatmeten Patienten stellt der Tubus den be
ratoratorassoziierte bzw. Beatmungsassoziierte Pneumo- deutendsten Risikofaktor dar. Er verhindert den
nie, kurz BAP oder „Beatmungspneumonie“): Nosokomi- Glottisschluss, stört den Schluckakt, schädigt die
ale Pneumonie bei intubierten oder tracheotomierten
Patienten, die seit mindestens 48 Stunden beatmet sind.
Schleimhaut im Rachen und in der Trachea, ver
Das Risiko für eine ventilatorassoziierte Pneumonie steigt hindert den Hustenstoß und stellt einen Fremdkör
mit der Dauer und der Invasivität der Beatmung (höchste per dar, an dem Keime anhaften (adhärieren) kön
Pneumonierate zwischen 6.–10. Beatmungstag). nen. Trotz korrekt geblocktem Endotrachealtubus
Nosokomialinfektion: Infektion durch Erreger, die bei können kleinste Sekretmengen aus dem Oropha
pflegerischen oder therapeutischen Maßnahmen übertra- rynx in die Trachea gelangen (Mikroaspiration)
gen werden. und sich von dort aus in der Lunge ausbreiten. Ins
166 6 Maschinelle Beatmung
besondere die nasale Intubation scheint ungünstig • Wenn möglich orale Intubation statt nasaler In
zu sein, da sie zusätzlich das Risiko einer Sinusitis tubation
erhöht. • Bei Beatmungsdauer > 72 Stunden Verwendung
Weiter werden als prädisponierende Faktoren an von Tuben mit der Möglichkeit der subglotti
gesehen: schen Absaugung (› 4.3.1 und › Abb. 4.14),
• Flachlagerung. Eine Flach- oder gar Oberkörper diese kann kontinuierlich oder intermittierend
tieflage begünstigt den Reflux von keimhaltiger erfolgen. Bei einer Umintubation ist das Risiko
Flüssigkeit aus dem Oropharynx und dem Ma (Pneumonie durch Intervention) gegenüber dem
gen. Dies gilt insbesondere für Patienten die tief Vorteil abzuwägen
sediert und relaxiert sind. Durch die häufig • Cuffdruck im Bereich 20–30 cmH2O halten und
durchgeführte Stressulkus-Prophylaxe, bei der regelmäßig kontrollieren (ggf. kontinuierliche
der pH des Magens auf 7 angehoben wird, Kontrolle, ggf. Überwachung durch Respirator
kommt es zur Keimvermehrung im Magen, d. h. und Steuerung abhängig vom Beatmungsdruck,
Sekret, das aus dem Magen in den Oropharynx › 7.4.3 Intellicuff)
zurückläuft, ist besonders keimhaltig. Deshalb • Bei Patienten mit Kolonisation oder Atem
sollte auf eine Stressulkusprophylaxe wenn mög wegsinfektion mit multiresistenten Erregern ge
lich verzichtet werden. schlossenes Absaugsystem verwenden, um Um
• Nasogastrale Sonden, z. B. Magen- oder Duode gebungskontamination zu vermeiden (weitere
nalsonde. Diese begünstigen wahrscheinlich das Empfehlungen bezüglich des endotrachealen Ab
Aufsteigen von Keimen aus dem Magen-Darm- saugens › 11.3.1)
Trakt sowie einen Reflux von Magensaft und • Auf angemessene Schmerztherapie achten, um
(Mikro-)Aspirationen. eine schmerzbedingte Schonatmung zu vermei
den und eine frühzeitige Mobilisation zu erleich
6 Eine ventilatorassoziierte Pneumonie erhöht neben der tern
Verweildauer auch die Behandlungskosten und die • Wechsel des Beatmungsschlauchsystems nicht
Letalität des Patienten, insbesondere wenn neben ho- häufiger als einmal wöchentlich sowie bei Bedarf
hem Lebensalter und schlechtem Allgemeinzustand wei- (Verschmutzung, Defekt)
tere Risikofaktoren wie operative Eingriffe, Sepsis oder • Für die enterale Ernährung gilt:
immunsuppressive Therapie bestehen.
– Vor jeder Nahrungszufuhr korrekte Lage der
Sonde prüfen
Empfehlungen zur Prävention einer – Menge der Nahrungszufuhr der Darmtätigkeit
respiratorassoziierten Pneumonie anpassen
Die Kommission für Krankenhaushygiene und In – Sofern keine Kontraindikationen vorliegen
fektionsprophylaxe am Robert Koch-Institut (RKI) Oberkörperhochlagerung (30–45°, evtl. auch
und das Center for Disease Control and Prevention höher) vornehmen; wirkt nur in Kombination
(CDC) empfiehlt unter anderem folgende Maß mit einem VAP-Bundle (siehe unten)
nahmen zur Prävention einer VAP (auch – Bei kontinuierlicher Verabreichung von Son
› 11.3.1): denkost regelmäßig Pausen einlegen, um ein
• Hygienische Händedesinfektion, jeweils Ansäuern des Magen-pH-Werts zu ermögli
– vor und nach Kontakt mit Tubus, Trachealka chen
nüle bzw. Tracheostoma sowie dem Beat – Ernährungssonde so früh wie möglich entfer
mungszubehör nen
– nach Kontakt mit Schleimhäuten, Atem • Überwachung der Station auf Anzahl der Infek
wegssekret bzw. Gegenständen, die mit Atem tionen und Art der Erreger
wegssekret kontaminiert sind • Umfassende Schulungen des Personals in Hygie
• Einmalhandschuhe tragen beim Kontakt mit nefragen, insbesondere aller neuen Mitarbeiter
Schleimhäuten und/oder Atemwegssekret bzw. sowie aller Mitarbeiter beim Einsatz neuer Medi
damit kontaminierten Gegenständen zinprodukte (RKI 2013). In den USA konnte
6.7 Nebenwirkungen und Komplikationen der maschinellen Beatmung 167
In diesen Fällen ist dann eine Infusionstherapie men des Organismus streben daher eine Flüssig
und ggf. die Gabe von Katecholaminen angezeigt, um keitsretention an (vermehrte Ausschüttung von
einen Blutdruckabfall zu verhindern bzw. zu beheben. ADH, d. h. antidiuretisches Hormon).
• Der erhöhte intrathorakale Druck vermindert den
Kompression der Lungenkapillaren und venösen Rückstrom. Dadurch kann auch der Druck
Rechtsherzbelastung in den Nierenvenen ansteigen, was eine Funktions
Während der Überdruckbeatmung nehmen bei der einschränkung der Nieren verursachen kann.
Inspiration sowohl der intraalveoläre Druck als auch • Sekundärer Hyperaldosteronismus durch Stimu
das Lungenvolumen zu. Die alveolären Kapillaren, lation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Sys
die vom alveolären Druck umgeben sind, werden tems.
dadurch komprimiert. Dies kann eine Rechtsherz-
belastung (Erhöhung der rechtsventrikulären Nach
Auswirkungen auf Leber und
last) verursachen. Patienten ohne Herz-Kreislauf-
Gastrointestinaltrakt
Erkrankungen können dies i. d. R. gut tolerieren, bei
schwerer Herzinsuffizienz jedoch kann es zu einer Der erhöhte intrathorakale Druck sowie der Abfall
Verstärkung bzw. schlimmstenfalls einer Dekom des HZV beeinträchtigen auch die Durchblutung der
pensation der Rechtsherzinsuffizienz kommen. Im Leber. Durch die Abnahme des Herzzeitvolumens
Extremfall ist der alveoläre Druck höher als der ka nimmt auch die Leberdurchblutung ab. Daneben
pilläre Druck, d. h. die betroffenen Lungenbereiche steigt durch den erhöhten Druck in der intrathora
sind zwar gut belüftet, nehmen aber nicht am Gas kalen unteren Hohlvene auch der Druck in den Le
austausch teil, weil sie nicht durchblutet sind bervenen, was zu einer Stauungsleber führen kann.
(Shuntvolumen steigt › 2.2.4). Vergleichbares geschieht an den Organen des
Magen-Darm-Trakts (Magen, Duodenum, Pank
6 reas, Dünn- und Dickdarm). Auch hier nimmt auf
Auswirkungen auf die Nierenfunktion
grund des verminderten HZV die Perfusion der
Eine Überdruckbeatmung beeinträchtigt in vielen Organe ab.
Fällen auch die Nierenfunktion. Insbesondere zu
Beginn der Beatmungstherapie nimmt die Urinaus
Auswirkungen auf das Zwerchfell
scheidung ab und es kommt zur Flüssigkeitsretenti
on mit generalisierter Ödemneigung auch in der Durch die Inaktivität der Atemmuskulatur kann es
Lunge. Als Ursache dafür kommen mehrere Fakto innerhalb von 24 Stunden zu einer Schädigung des
ren bzw. deren Zusammenwirken in Betracht: Zwerchfells kommen. Dieses wird als beatmungsin-
• Durch die Abnahme des Herzzeitvolumens und duzierte diaphragmale Dysfunktion (ventilator in-
des arteriellen Blutdrucks (Aufhebung des Tho duced diaphragmatic dysfunction, kurz VIDD) be
rax-Pumpmechanismus oben) sinkt der Perfusi zeichnet. Hierbei kommt es zu einer Atrophie der
onsdruck der Nieren. Muskulatur sowie einem zellulären Umbau der Mus
• Im Bereich des linken Vorhofs liegen Dehnungs kelzellen (Levine et al., 2008). Um dieser Atrophie
rezeptoren, die an der Volumenregulation des vorzubeugen, sollten frühzeitig Beatmungsformen
Organismus beteiligt sind. Bei vermehrter Deh gewählt werden, die es dem Patienten erlauben, einen
nung des linken Vorhofs (Hypervolämie) sezer höheren Anteil der Atemarbeit zu leisten. Dabei ist
nieren sie ANF (atrialer natriuretischer Faktor, der tägliche Aufwachversuch sowie die Benutzung
auch ANP, d. h. atriales natriuretisches Peptid), von Sedierungs- und Weaningprotokollen hilfreich.
das die Diurese steigert. Während der Über
druckbeatmung wird das Herz durch die starke
Auswirkungen auf das zentrale
Zunahme des Lungenvolumens komprimiert,
Nervensystem
d. h. die Wandspannung im linken Vorhof ist
vermindert und gleicht daher der Situation bei Der durch die Überdruckbeatmung erhöhte in
Hypovolämie. Die Volumenregulationsmechanis trathorakale Druck kann sich auch auf das zentrale
6.8 Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 169
Nervensystem, insbesondere auf das Gehirn, aus mit COPD anders beatmet als ein Patient mit
wirken: ARDS?) und den Pflegenden eine grobe Orientie
• Durch die Erhöhung des intrathorakalen Drucks rung geben. Keinesfalls sind die Ausführungen zur
steigt auch der ZVD, d. h. der venöse Rückstrom eigenmächtigen Änderung der Beatmungseinstel
aus den Hirnvenen ist behindert. Dadurch nimmt lung gedacht. Dies ist Aufgabe des Arztes und darf
das intrazerebrale Blutvolumen zu, wodurch der von Pflegenden nur im Notfall bzw. nach Absprache
intrakranielle Druck (Hirndruck) ansteigt und mit dem behandelnden Arzt vorgenommen werden.
der zerebrale Perfusionsdruck abnimmt. Ein be Nicht selten widersprechen sich Beatmungsstra
reits erkrankungsbedingt erhöhter Hirndruck tegien, z. B. bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma
kann dadurch weiter ansteigen. und vorbestehender COPD. Dann wird der Arzt die
• Infolge des verminderten HZV sinkt auch der Beatmung jeweils der aktuellen Patientensituation
mittlere arterielle Druck und damit der zerebrale anpassen.
Perfusionsdruck (› 6.8.2). Detaillierte Informationen zu häufigen, eine res
Neben dem Beatmungsdruck haben auch die Blutga piratorische Insuffizienz auslösenden Erkrankungen
se und hier insbesondere die pCO2-Werte Auswir- von Lunge und Thorax finden sich auch in Kapitel 2.
kungen auf die Hirndurchblutung und den Hirn-
druck:
• Bei Hyperkapnie (› 2.4.1) – auch bei permissi 6.8.1 Beatmung bei ARDS
ver Hyperkapnie im Rahmen einer maschinellen
Beatmung (› 8.6) – kommt es zu einer Vasodi Beim ARDS (› 2.3.6) sind die pathologischen Ver
latation der Blutgefäße im Gehirn. Dadurch änderungen i. d. R. ungleichmäßig über die Lunge
nimmt das Blutvolumen im Gehirn zu und der verteilt, d. h. neben gesunden Lungenabschnitten
(evtl. bereits erkrankungsbedingt erhöhte) Hirn gibt es pathologisch veränderte (mit entzündlichen
druck steigt an. Infiltraten, Ödem, Atelektasen), die sich vor allem in 6
• Umgekehrt kommt es bei Hypokapnie (› 2.1) den dorsobasalen Lungenabschnitten finden. Eine
zu einer vorübergehenden Vasokonstriktion der derart veränderte Lunge wird auch baby lung (nach
Blutgefäße im Gehirn mit Abnahme des zerebra Gattinoni) genannt, weil nur Teile der Lunge belüf
len Blutvolumens und des Hirndrucks. Diesen Ef tet sind und für den Gasaustausch zur Verfügung
fekt kann man sich bei der Beatmung von Patien stehen, d. h. die verfügbare Gasaustauschfläche ent
ten mit erhöhtem Hirndruck zunutze machen spricht nicht mehr der eines Erwachsenen, sondern
(› 6.8.2). der eines kleinen Kindes. Die Gefahr besteht in einer
Überdehnung und damit einer Schädigung der noch
gesunden, gut belüfteten Lungenabschnitte.
Ziel der Beatmungstherapie beim ARDS ist es, ei
6.8 Beatmungsstrategien bei nen ausreichenden Gasaustausch sicherzustellen
bestimmten Erkrankungen und dabei gleichzeitig die noch gesunden Lungenab
schnitte zu schützen und die veränderten Lungenab
schnitte wieder für den Gasaustausch nutzbar ma
Bestimmte Erkrankungen bringen spezielle Beat chen.
mungsprobleme bzw. -anforderungen mit sich. Dies Als Richtlinie für die Beatmung bei ARDS gilt die
hat zur Entwicklung von speziellen Beatmungs- Formel P2R2 (nach Gattinoni):
strategien geführt, die zum Ziel haben, die spezifi • Protect the ventilated lung (schütze die noch ge
schen Risiken einer Beatmung bei der entsprechen sunden, belüfteten Lungenabschnitte)
den Erkrankung zu vermeiden. Im Folgenden sind • Prevent oxygen toxicity (vermeide zu hohe „toxi
grundlegende Aspekte der Beatmung von Patienten sche“ Sauerstoffkonzentrationen, › 6.2.3)
mit ARDS, erhöhtem Hirndruck sowie COPD und • Recruit the infiltrated, atelectatic and consolida
Status asthmaticus beschrieben. Dies soll vor allem ted lung (Wiedereröffnung infiltrierter, atelekta
dem Verständnis dienen (weshalb wird ein Patient tischer und konsolidierter Lungenabschnitte)
170 6 Maschinelle Beatmung
• Reduce the anatomic and alveolar deadspace punkte) in der Druck-Volumen-Kurve der Lunge
(vermindere den anatomischen und alveolären bestimmt werden (auch › Abb. 1.3):
Totraum › 1.2.1). • Zur Ermittlung des lower inflection point (unterer
Knickpunkt) wird der PEEP während volumen
Richtwerte für die Beatmung bei ARDS kontrollierter Beatmung in kleinen Schritten ge
• Zu hohen Inspirationsdruck vermeiden (Ziel ≤ steigert und jeweils die Compliance (› 1.2.1)
35 mbar). Geeignete Beatmungsformen sind die berechnet. Der untere Knickpunkt liegt knapp
druckkontrollierte Beatmung (PCV› 6.3.3) oder BI- unterhalb des PEEP-Niveaus mit der besten
PAP (› 6.3.4) Compliance. Zur Beatmung wird der PEEP ober-
• PEEP hoch genug um die Alveolen offen zu halten
halb des lower inflection points eingestellt.
(PEEPgesamt > 10–20 mbar); die Höhe des PEEP ist oft
von der erforderlichen Sauerstoffkonzentration abhän-
• Zur Ermittlung des upper inflection point (oberer
gig (› Tab. 6.2) Knickpunkt) wird während druckkontrollierter
• Zu hohe Tidalvolumina vermeiden (Ziel 5–6 ml/kg KG). Beatmung die Compliance bei verschiedenen
Um trotz geringer Tidalvolumina eine ausreichende al- Druckniveaus errechnet. Der obere inflection
veoläre Ventilation sicherzustellen, kann die Atemfre- point liegt knapp über dem Inspirationsdruck
quenz relativ hoch eingestellt werden (20–30/Min., mit der besten Compliance. Zur Beatmung wird
ggf. auch > 30/Min.), dabei auf größtmögliche Tot der Inspirationsdruck unterhalb des upper in-
raumminimierung achten (› Abb. 6.23). Zusätzlich
meist IRV (› 6.3.1) bzw. tolerieren eines relativ ho-
flection point eingestellt.
hen pCO2 (permissive Hyperkapnie › 8.6). Durch diese Einstellung sollen einerseits Atelektasen
• Inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) mög- wiedereröffnet (slow alveolar recruitment) und offen
lichst ≤ 0,6 (Ziel: paO2 55–80 mmHg, SaO2 > 90 %). gehalten, andererseits Scherkräfte reduziert (› 6.7.1)
Wenn möglich Atemtätigkeit des Patienten erhalten und und eine Überdehnung verhindert werden.
augmentierte Beatmungsverfahren wählen (Zwerchfell- Manche Beatmungsgeräte können mittels PV-
6 aktivität reduziert die Bildung von dorsobasalen Atelekta- Tool den unteren und oberen Umschlagpunkt be
sen und verhindert das Entstehen einer VIDD › 6.7.2).
stimmen (› 7.3 und › Abb. 7.6).
Die Invasivität der Beatmung bei ARDS ist abhän Wird das Beatmungssystem geöffnet, z. B. zum endotra-
gig vom Schweregrad (mild, moderat oder schwer, chealen Absaugen oder zur Bronchoskopie, kommt es in
› 2.3.6). Während bei einem milden ARDS eine weniger als einer Sekunde zum totalen PEEP-Verlust.
Beatmung mit kleinen Tidalvolumina und niedri Insbesondere in den erkrankten Lungenabschnitten baut
gem bis mittlerem PEEP auch nichtinvasiv durchge sich der PEEP nur langsam wieder auf und es besteht die
führt werden kann, ist bei einem moderaten ARDS Gefahr der Atelektasenbildung (› 2.2.4). Deshalb bei
Patienten mit ARDS wenn möglich ein geschlossenes
i. d. R. eine invasive Beatmung mit mittlerem bis ho Absaugsystem verwenden (› 9.7.5) und nicht öfter als
hem PEEP notwendig. Verschlechtert sich das ARDS unbedingt notwendig absaugen.
darunter weiter bzw. liegt bereits ein schweres ARDS
vor, wird die invasive Beatmung ergänzt um Bauch
lagerung, extrakorporale CO2-Eliminierung, Rela Open lung concept
xierung (wenn möglich ≤ 48 Stunden), inhalatives Das open lung concept (nach Lachman) dient dem
NO (› 8.3) und/oder ECMO (› 8.1.2). raschen Wiedereröffnen (fast alveolar recruitment)
und Offenhalten von atelektatischen Lungenbezir
Lungenprotektive Beatmung ken („open the lung and keep the lung open“).
Unter lungenprotektiver Beatmung (lung protecti- Dazu wird der Inspirationsdruck kurzfristig, d. h.
ve ventilation oder „baby lung concept“) versteht für etwa 30–60 Sekunden, auf sehr hohe Werte an
man eine Beatmung mit geringstmöglichem Inspira- gehoben (ca. 40–60 mbar). Gleichzeitig wird der
tionsdruck und ausreichend hohem PEEP, d. h. es PEEP auf insgesamt (d. h. eingestellter und intrin
ergibt sich eine kleinstmögliche Druckamplitude. Zur sischer PEEP) 20–25 mbar eingestellt. Der hohe
optimalen Einstellung von PEEP und Inspirations Inspirationsdruck soll die Atelektasen eröffnen,
druck können die sog. „inflection points“ (Knick der hohe PEEP soll sie offenhalten. Nach dieser
6.8 Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 171
Wiedereröffnung (Recruitment) werden der Inspi hen PEEP nur wenig Lungenbereiche wieder rekru
rationsdruck und auch der PEEP in kleinen Schrit tieren lassen und bei denen der hohe PEEP u. U. eher
ten reduziert. Sobald der PEEP den alveolären Ver schädlich wirkt (Gattinoni et al., 2006).
schlussdruck (Druck, bei dem die Alveolen kolla
bieren) unterschreitet, fällt der paO2 rapide ab. Vorsicht: Wegen der potenziellen Gefährdung des Pati-
Dann folgt ein erneutes Recruitment und der PEEP enten durch die hohen Beatmungsdrücke sollten diese
wird über dem alveolären Verschlussdruck einge Manöver nicht durchgeführt werden bei kreislaufinstabi-
regelt. Der Inspirationsdruck wird soweit wie mög len Patienten, bei kurz zuvor erfolgter Lungenresektion
lich zurückgenommen, um gerade noch einen gu oder Transplantation, bei einem ARDS, das sich auf eine
ten paO2 zu halten. Eine kontinuierliche Blutgas Lungenhälfte begrenzt und bei Patienten mit einem Lun-
genemphysem (Ozcenski, 2012).
überwachung erleichtert die Durchführung dieses
Manövers.
Open Lung Tool › 7.3 Manche Pflegemaßnahmen, z. B. endotracheales Ab
saugen oder eine Umlagerung des Patienten, erfor
Andere Rekrutierungsmanöver dern es, im Anschluss an die Maßnahme ein erneu
Neben dem Verfahren nach Lachman werden in der tes Rekrutierungsmanöver durchzuführen. Dies
Praxis das CPAP-Rekrutierungsmanöver (für 20– wird in einigen Kliniken nach festgelegten Kriterien
60 Sekunden wird ein CPAP-Niveau von 40–60 mbar von den Pflegenden durchgeführt.
am Respirator eingestellt) sowie intermittierende
Seufzer (mit einem Druckniveau von ca. 45 mbar; Bei schwerem ARDS kann ein PEEP von 15–20 mbar zum
› 6.2.1) angewendet (vgl. Ozcenski, 2012). Offenhalten der Alveolen erforderlich sein.
Diese Manöver sollten insbesondere in der Früh
phase eines ARDS durchgeführt werden, wenn trotz
differenzierter Beatmungseinstellungen und Bauch Weitere Maßnahmen 6
lagerung keine zufriedenstellenden Sauerstoffwerte Ergänzt wird die Beatmungstherapie durch kineti
erreicht werden (Busch, 2007). sche Therapie (› 9.6.5) sowie ein differenziertes
Neuere Untersuchungen zeigen, dass es Patienten Volumenmanagement. Gegebenenfalls ist frühzeitig
gibt, die gut auf Rekrutierungsmanöver ansprechen, ein Nierenersatzverfahren indiziert, um eine Über
aber auch Patienten, bei denen sich trotz einem ho wässerung zu vermeiden.
Partialdruck
(mmHg)
140
Tubusverlängerung und
HME-Filter entfernt
Abb. 6.23 Beim ARDS kann die 120
Verringerung des Totraums am
Beatmungssystem ausschlagge- 100
bend sein. Die Grafik zeigt den
Verlauf von paO2 und paCO2 bei 80 pCO2 (mmHG)
einer 30jährigen Patientin mit pO2 (mmHG)
ARDS. Durch Entfernung von Tu- 60
busverlängerung und HME-Filter
40
(Wechsel auf aktive Atemgaskli-
matisierung) konnte der Totraum
20
um ca. 120 ml reduziert werden.
Dadurch stieg die alveoläre Venti-
0 Zeit
lation – ohne Änderungen der
Beatmungsparameter – von 3,6
auf 6,9 l/Min. an. [A400, M251]
172 6 Maschinelle Beatmung
Zudem sind die sorgfältige Überwachung der Sedie sigkeitsdefizits und/oder Katecholamintherapie, der
rungstiefe und des Schmerzzustands notwendig, auch mittlere arterielle Druck ausreichend hoch gehalten.
tägliche Aufwachversuche sind in Erwägung zu ziehen.
Kann trotz aller genannten Maßnahmen keine Bes Kontrollierte Hyperventilation
serung erzielt werden, kommen in ausgewählten Fällen
weitere spezielle Therapieverfahren in Betracht. Insbe Veränderungen des paCO2 wirken sich auf die
sondere durch extrakorporale CO2-Elimination oder Hirndurchblutung aus:
ECMO ist eine „Schonung“ der Lunge und eine lungen • Eine Hyperkapnie (paCO2 > 45 mmHg) bewirkt eine
protektive Beatmung möglich. Die wichtigsten dieser Dilatation der Hirngefäße. Die Durchblutung des Ge-
speziellen Verfahren sind in Kapitel 8 beschrieben. hirns und damit das intrakranielle Blutvolumen neh-
men zu, der Hirndruck steigt.
• Eine Hypokapnie (paCO2 < 35 mmHg) bewirkt eine
Kontraktion der Hirngefäße. Die Durchblutung des Ge-
6.8.2 Beatmung bei erhöhtem hirns und das intrakranielle Blutvolumen nehmen ab,
Hirndruck der Hirndruck sinkt. Ab einem paCO2 < 25 mmHg
nimmt die Hirndurchblutung soweit ab, dass die Ge-
Hirndruck und Hirndurchblutung fahr einer zerebralen Ischämie besteht.
Der Hirndruck (Druck im Schädelinnern, auch int- Diese Auswirkungen treten rasch, d. h. innerhalb weniger
racranial pressure, kurz ICP) liegt normalerweise bei Minuten, ein.
5–15 mmHg. Verschiedene Erkrankungen, insbeson
dere ein Schädel-Hirn-Trauma, ein Hirnödem oder Die hirndrucksenkende Wirkung einer Hypokapnie
ein Hirntumor, können den Hirndruck erhöhen, da es hat die Intensivmedizin in der Vergangenheit ver
zu einer Volumenzunahme im Schädelinnern kommt. sucht zu nutzen. Patienten mit erhöhtem Hirndruck,
Die Durchblutung des Gehirns unterliegt norma insbesondere Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma
6 lerweise einer Autoregulation, d. h. beim Gesunden wurden kontrolliert hyperventiliert, d. h. am Res
ist die Hirndurchblutung (zerebraler Blutfluss, auch pirator wurden hohe Tidalvolumina und hohe Beat
cerebral blood flow, kurz CBF) bei einem mittleren mungsfrequenzen eingestellt, um einen paCO2 von
arteriellen Druck (kurz MAD) von ca. 60–150 mmHg ca. 30 mmHg zu erzielen.
immer gleich (beim Hypertoniker ist der MAP-Be Es hat sich jedoch gezeigt, dass die hirndrucksen
reich etwas nach oben verschoben). Verschiedene kende Wirkung einer Hypokapnie zeitlich begrenzt
Zustände können diese Autoregulation aufheben. ist. Nach ca. 24 Stunden normalisiert sich die Hirn
Ist die Autoregulation aufgehoben, erfolgt die durchblutung trotz anhaltend niedriger paCO2-Wer
Hirndurchblutung passiv und ist vom zerebralen te, d. h. der Hirndruck steigt dann wieder an. Zudem
Perfusionsdruck (cerebral perfusion pressure, kurz birgt die Hypokapnie die Gefahr, dass die Hirndurch
CPP) abhängig. Der zerebrale Perfusionsdruck wie blutung zu stark gedrosselt wird und die Sauerstoff
derum errechnet sich aus dem mittleren arteriellen versorgung des Gehirns dadurch unzureichend ist.
Druck (kurz MAD oder MAP, d. h. mean arterial Deshalb wird eine kontrollierte Hyperventilation
pressure = diastolischer Druck) + ⅓ (systolischer nicht prophylaktisch und auch bei erhöhtem Hirn
Druck – diastolischer Druck) und dem Hirndruck: druck nur zur vorübergehenden Absenkung des
Hirndrucks angewendet. In der modernen Intensiv
CPP = MAP–ICP
medizin wird die kontrollierte Hyperventilation vor
Ziel der Intensivtherapie bei erhöhtem Hirndruck ist allem eingesetzt um bei Patienten mit extrem ho
es, den CPP > 70 mmHg zu halten, um eine ausrei hem Hirndruck mit Gefahr der Einklemmung (Her
chende Durchblutung des Gehirns zu gewährleisten. niation) den Hirndruck kurzfristig, i. d. R. zur Über
Dies geschieht in erster Linie durch Senken des er brückung bis zur neurochirurgischen OP, zu senken.
höhten Hirndrucks (z. B. Beseitigen der intrakraniel Wegen der Gefahr einer Sauerstoffminderversor
len Raumforderung, Entfernung eines Teils der Schä gung des Gehirns sollte dies möglichst unter Kont
delkalotte, Liquorentnahme). Zudem wird, z. B. mit rolle der zerebrovenösen und transkutanen Sauer
tels Infusionsbehandlung zum Ausgleich eines Flüs stoffsättigung erfolgen (SjO2 und tpO2).
6.8 Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 173
Richtwerte für die Beatmung bei erhöhtem Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Spontan
Hirndruck atmung des Patienten zu oberflächlich ist, d. h.
• Grundsätzlich sind sowohl eine volumen- als es kommt zur Hypoventilation mit Anstieg des
auch eine druckkontrollierte Beatmung sowie as paCO2 und in der Folge des Hirndrucks.
sistierte Beatmungsformen, z. B. BIPAP oder • Das Tidal- bzw. Atemminutenvolumen und die
SIMV, möglich. Welche Beatmungsform zur An Beatmungsfrequenz werden so eingestellt, dass
wendung kommt hängt von Art und Ausmaß der ein paCO2 von ca. 35 mmHg gehalten bzw. eine mä
Grunderkrankung sowie evtl. Begleiterkrankun ßige Hyperventilation (paCO2 30–35 mmHg) er
gen oder -verletzungen ab. Dabei ist zu beachten: reicht wird. paCO2-Werte > 40 mmHg sollen wegen
– Eine volumenkonstante Beatmung (volumen des damit verbundenen Hirndruckanstiegs, paCO2-
kontrollierte oder druckkontrollierte volumen Werte < 25 mmHg wegen der Gefahr einer zereb
konstante Beatmungsformen, z. B. PRVC oder ralen Ischämie vermieden werden (kontinuierliche
IPPV-Autoflow® › 6.3.3) ist das Beatmungs Überwachung mittels Kapnografie, › 9.2.3).
verfahren der Wahl bei Patienten mit erhöh • Das Atemzeitverhältnis wird auf 1:2–1:1,5 ein
tem Hirndruck ohne Begleiterkrankungen gestellt. Eine IRV-Beatmung (› 6.3.1) sollte ver
oder -verletzungen der Lunge. Günstig ist, dass mieden werden, weil sie mit einem Anstieg des
durch die Volumenkonstanz der paCO2 nicht mittleren thorakalen Drucks (mittlerer Beat
wesentlich schwankt. Ungünstig sind evtl. Stei mungsdruck) verbunden ist.
gerungen des Beatmungsdrucks, die eine Ver • Ein geringer PEEP (5–8 mbar) zur Aufrechterhal
schlechterung des venösen Rückstroms aus tung der funktionellen Residualkapazität (physio
den Hirngefäßen mit nachfolgender Erhöhung logischer PEEP › 6.2.4) wirkt sich i. d. R. nicht
des Hirndrucks verursachen können. Bei volu nachteilig auf den Hirndruck aus. Ist aufgrund
menkontrollierter Beatmung ist daher eine en von Oxygenierungsproblemen ein PEEP von 10–
ge Einstellung der oberen Beatmungsdruck 14 mbar notwendig, sollte eine Überwachung des 6
grenze sehr wichtig. ICP und CPP erfolgen, um einen weiteren gravie
– Eine druckkontrollierte Beatmung (PCV renden Hirndruckanstieg umgehend zu bemer
› 6.3.3) wird vor allem dann eingesetzt, ken. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn der
wenn gleichzeitig eine Lungenerkrankung oder Hirndruck bereits massiv erhöht ist und keine
-verletzung vorliegt, also z. B. bei Patienten mit Kompensationsmöglichkeiten (vor allem Ver
Schädel-Hirn- und Thoraxtrauma. Günstig ist, schiebung von Liquor aus den Ventrikeln in den
dass dabei hohe Beatmungsdrücke mit der Ge Spinalkanal) mehr zur Verfügung stehen.
fahr eines Hirndruckanstiegs vermieden wer • Zielgröße für die inspiratorische Sauerstoffkon-
den. Ungünstig ist die Volumeninkonstanz, die zentration (FiO2) sind ein paO2 von ≥ 100 mmHg
– bei Verschlechterung der pulmonalen Situa und eine Sauerstoffsättigung (SaO2) ≥ 97 %
tion – zur Erhöhung des paCO2 mit nachfol (Oczenski, 2012).
gender Steigerung des Hirndrucks führen
kann. Die günstigste Position des Patienten mit erhöhtem
– Assistierte Beatmungsformen können i. d. R. Hirndruck ist die Rücken- bzw. 30°-Seitenlagerung, je-
dann eingesetzt werden, wenn der Patient nicht weils mit erhöhtem Oberkörper und achsengerechter Po-
mehr tief sediert bzw. evtl. zusätzlich relaxiert sitionierung des Kopfs (damit freier venöser Abfluss ge-
werden muss, d. h. nach Abklingen der Akut währleistet ist). Lagerungsmaßnahmen des Patienten
phase und Stabilisierung des Patienten. Günstig gehen i. d. R. mit einer Erhöhung des Hirndrucks einher
und sollten daher auf das notwendigste beschränkt wer-
ist, dass unter assistierter Beatmung der mittle den. Sind zur Verbesserung der Oxygenierung häufige
re thorakale Druck (mittlerer Beatmungsdruck) Lagerungsmaßnahmen bzw. die 135°-Seiten- oder
i. d. R. niedriger ist als bei kontrollierter Beat Bauchlagerung erforderlich, haben sich Rotationsbetten
mung. Damit ist der venöse Rückstrom aus den bewährt, die eine genaue Positionierung des Kopfs er-
Hirngefäßen besser und die Gefahr eines beat möglichen (› 9.6.5).
mungsbedingten Hirndruckanstiegs geringer.
174 6 Maschinelle Beatmung
6.8.3 Beatmung bei COPD und (Faustregel: maximal 80 % des Intrinsic-PEEP),
Asthma bronchiale da ansonsten die bereits krankheitsbedingt über
blähte Lunge weiter überdehnt wird, was die un
Beatmung bei COPD günstigen Nebenwirkungen verstärkt. Meist wird
initial ein PEEP von 3–8 mbar eingestellt (dieses
Bei COPD (› 2.3.2) kann es durch die dauernde PEEP-Niveau liegt in aller Regel deutlich unter
Einengung der Atemwege zur unvollständigen Ent dem Intrinsic-PEEP bei schwerer COPD).
lüftung der Alveolen und in der Folge zur Ausbil • Normales Atemzeitverhältnis bzw. verlängerte
dung eines Intrinsic-PEEP kommen (› 6.2.4). Da Exspirationszeit (I:E 1:2–1:4), sodass genügend
durch nimmt die funktionelle Residualkapazität Zeit zur Exspiration bleibt
(FRC › 1.2.1) zu, was wiederum eine Kompression • Kurze Inspirationsanstiegszeit (steile Rampe),
des pulmonalen Kapillarstrombetts mit nachfolgen da ein zu geringer Inspirationsflow zu Beginn der
der Rechtsherzbelastung nach sich ziehen kann. In Inspiration beim COPD-Patienten die Atemarbeit
folge des Intrinsic-PEEP muss der Patient mit COPD erhöht
sehr viel mehr Atemarbeit leisten als ein Lungenge • Beatmungsfrequenz eher niedrig (8–16/Min.).
sunder (je höher der Intrinsic-PEEP desto größer die Je höher die Beatmungsfrequenz desto kürzer die
Atemarbeit), d. h. die Atemmuskulatur kann sich Exspirationszeit (bei gleichbleibendem I:E-Ver
auch sehr viel schneller erschöpfen. Aus diesem hältnis) und desto größer die Gefahr einer Zu
Grund ist die Respiratorentwöhnung (› 6.11) bei nahme des Intrinsic-PEEP.
einem Patienten mit schwerer COPD häufig schwie • Tidalvolumen und Atemminutenvolumen wer
rig und langwierig. den i. d. R. anhand des pH-Werts (Ziel: pH >7,35)
und nicht wie sonst üblich nach dem paCO2 ge
Der Patient mit schwerer COPD wird nach Möglichkeit steuert, um eine „Überbeatmung“ zu vermeiden.
6 nichtinvasiv beatmet, um die meist schwierige und lang Ein zu rasches Absenken des paCO2 soll vermie
dauernde Respiratorentwöhnung zu umgehen (nichtinva- den werden, da hierdurch ein Bronchospasmus
sive Beatmung › 6.4). Die NIV muss frühzeitig begin- verstärkt und Elektrolytverschiebungen und
nen, damit die Intubationsrate und damit die Letalität Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden kön
gesenkt werden kann. Die Indikation zur Intubation bzw. nen.
Tracheotomie wird bei Patienten mit COPD sehr restriktiv
gestellt.
• Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration
wird so eingestellt, dass paO2-Werte von 60–
80 mmHg erreicht werden. Höhere Werte sind zu
Muss der Patient intubiert bzw. tracheotomiert und vermeiden, da sie beim COPD-Patienten den
beatmet werden, gelten die folgenden Richtwerte: Atemantrieb dämpfen (Atemantrieb bei COPD
• Inspirationsdruck möglichst ≤ 30 mbar. Geeig nicht – wie physiologisch – über erhöhten paCO2,
net sind die druckkontrollierte Beatmung (PCV sondern über verminderten paO2). Grundsätzlich
› 6.3.3), BIPAP (› 6.3.4), druckunterstützte werden die „Normalwerte“ des Patienten ange
Beatmung (› 6.3.7) oder PAV, also Beatmungs strebt, d. h. die paO2-Werte, an die er adaptiert
formen mit einem dezelerierenden Flow ist.
(› 6.2.2; bei konstantem Flow flutet das Gas Bei völliger Erschöpfung der Atemmuskulatur (res-
langsamer an, es kann zu Lufthunger kommen). piratory muscle fatigue) wird der Arzt den Patienten
• PEEP. Bei schwerer COPD besteht i. d. R. ein In ggf. kontrolliert beatmen mit einer Beatmungsfre
trinsic-PEEP, der die Atemarbeit des Patienten quenz die etwas über der Spontanatemfrequenz des
erhöht und ungünstige Nebenwirkungen mit sich Patienten liegt (dadurch wird der spontane Ateman
bringt (siehe oben). Ein Extrinsic-PEEP der klei- trieb des Patienten unterdrückt). Der Patient muss
ner ist als der Intrinsic-PEEP vermindert die dann keinerlei Atemarbeit leisten (auch nicht trig
Atemarbeit und ist daher beim COPD-Patienten gern) und seine erschöpfte Atemmuskulatur kann
sinnvoll. Wichtig ist jedoch, dass der PEEP deut sich erholen. Dazu kann eine Sedierung notwendig
lich unterhalb des Intrinsic-PEEP eingestellt wird sein.
6.8 Beatmungsstrategien bei bestimmten Erkrankungen 175
Anzustreben sind eine frühzeitige Extubation und liegen, um eine weitere Überblähung der Lunge
ein Umstieg auf eine nichtinvasive Beatmung. zu verhindern.
• Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration
wird zunächst so hoch wie nötig eingestellt, um
Beatmung bei Status asthmaticus
die Hypoxämie rasch zu beheben. Anschließend
Beim Status asthmaticus hält eine schwere Atem wird die FIO2 dann zurückgenommen bis der
wegsobstruktion über Stunden bis Tage an paO2 zwischen 60–80 mmHg liegt
(› 2.3.2). Eine Intubation und maschinelle Beat • Gegebenenfalls Heliox-Inhalation (› 8.4).
mung ist indiziert, wenn es mit anderen therapeuti
schen Maßnahmen (insbesondere Bronchospasmo
lytika) nicht gelingt, die Atemwegsobstruktion zu 6.8.4 Beatmung bei Adipositas
bessern bzw. sich die Atemwegsobstruktion weiter
verschlimmert. Richtungweisend sind die klinischen
DEFINITION
Symptome und die Blutgasanalyse: Adipositas (englisch obesity): Übergewicht mit Body-
• Erschöpfung der Atemmuskulatur, d. h. der Pati Mass-Index (BMI) > 30 kg/m2. Einteilung nach WHO in
ent kann die notwendige Atemarbeit nicht mehr drei Schweregrade:
leisten (Zeichen › 2.4.1) • Grad I: BMI 30–34,9.
• Respiratorische Azidose (› 1.3.2) mit hohem, • Grad II: BMI 35–39,9.
• Grad III (Adipositas per magna, morbide Adiposi-
im Verlauf weiter steigendem paCO2
• Später Bradypnoe und Schnappatmung. tas): BMI > 40.
Muss der Patient intubiert und beatmet werden, ist
auf Folgendes zu achten: Adipöse Patienten stellen häufig aufgrund ihrer
• Geeignet ist die druckkontrollierte Beatmung Vor- und Begleiterkrankungen und der veränderten
(PCV › 6.3.3) oder BIPAP (› 6.3.4) Lungenmechanik hohe Anforderungen an die Aus 6
• Wegen der Atemwegsobstruktion ist ein hoher wahl der geeigneten Therapie sowie an das Personal.
Inspirationsdruck erforderlich, um ein ausrei Bereits die Intubation kann deutlich erschwert
chendes Tidalvolumen verabreichen zu können. sein, v. a. aufgrund des Halsvolumens, der einge
Wegen den negativen Auswirkungen und Kom schränkten Kiefer-Beweglichkeit und der verringer
plikationen eines zu hohen Beatmungsdrucks ten Lungenvolumina (geringere Sauerstoffreserve,
(› 6.7.1) soll der Inspirationsdruck dennoch dadurch kleineres Zeitfenster für den Intubations
so gering wie möglich gehalten werden (Ziel: ≤ vorgang).
40 mbar). Eine Hyperkapnie wird insbesondere Häufig kommt es bei adipösen Patienten zu COPD
zu Beginn der Beatmung meist toleriert (zuguns oder Asthma bronchiale (› 2.3.2), Pneumonie
ten eines geringstmöglichen Inspirationsdrucks) (› 2.3.1), Schlafapnoe sowie Obesitas Hypoventila
und nur langsam gesenkt (Ziel: pH > 7,2). tionssyndrom (OHS › Kap. 10); letztere erfordern
• Da beim Status asthmaticus sowohl die Inspirati oft eine nächtliche Heimbeatmung. Weiter leiden
on als auch die Exspiration erschwert sind, wird viele adipöse Patienten an kardiovasulären sowie
die Beatmungsfrequenz eher niedrig eingestellt Stoffwechselerkrankungen wie z. B. arterielle Hyper
(ca. 10/Min.), sodass genügend Zeit für In- und tonie und Diabetes mellitus.
Exspiration zur Verfügung steht. Das Atemzeit- Durch das hohe Körpergewicht verändern sich die
verhältnis wird i. d. R. auf 1:2 bis 1:4 eingestellt. Lungenvolumina: FEV1, forcierte Vitalkapazität,
Durch die relativ lange Exspirationszeit soll eine funktionale Residualkapazität sowie exspiratorisches
weitere Überblähung der Lunge vermieden wer Reservevolumen (› 1.2.1) sind teilweise deutlich
den. vermindert. Ab einem BMI > 40 kg/m2 kommt es zu
• Durch die massive Atemwegsobstruktion kann einer Verringerung des Residualvolumens und der
sich ein Intrinsic-PEEP aufbauen (› 6.2.4). Ein totalen Lungenkapazität, bis in extremen Fällen die
Extrinsic-PEEP kann die Atemarbeit erleichtern, FRC fast dem Residualvolumen entspricht. Die Atem
sollte jedoch immer unterhalb des Intrinsic-PEEP arbeit ist aufgrund der restriktiven Veränderungen
176 6 Maschinelle Beatmung
deutlich erhöht, es kommt häufiger zu Ausbildung Häufig ist für die Patienten ein Spezialbett und
von Atelektasen (› 2.2.4), die länger persistieren, Spezialequipment (Mobilisationsstuhl, Lifter und
dadurch werden die ohnehin verringerten Lungen ähnliches) erforderlich. Ist die Station nicht entspre
volumina zusätzlich eingeschränkt. Die Aspirations- chend ausgestattet, können diese auch gemietet wer
gefahr (› 4.11) ist deutlich erhöht. den.
Stress-Syndroms bzw. eines Delirs steigt. All dies verlängert peripher wirksame Analgetika (z. B. Metamizol, Pa
den Krankenhausaufenthalt, steigert dadurch die Kosten racetamol, Diclofenac) unterstützt werden. Wenn
und geht mit einer erhöhten Mortalität einher. möglich, sollten auch regionale Verfahren zur
Die Analgosedierung des beatmeten Intensivpatienten ist Schmerzbehandlung eingesetzt werden. Hier
ein dynamischer Prozess: Treten im Verlauf neue Gege-
kommt insbesondere die Periduralanästhesie zum
benheiten auf, etwa eine drastische Verschlechterung der
Allgemeinsituation, muss die Analgosedierung der Einatz, die neben der Analgesie – aufgrund ihrer
aktuellen Situation angepasst werden. Grundsätz- sympathikolytischen Wirkung auch die Darmfunk
lich sollte die Sedierungstiefe mittels geeigneter Skalen tion positiv beeinflusst.
überwacht werden (› 6.9.3). Scores zur Überwachung der Analgesie › 6.9.3
oder metabolische Entgleisung) ausgeschlossen bzw. len, siehe unten) zur Beurteilung der Sedierungs
rasch behandelt werden. tiefe, der Analgesie und eines eventuellen Delirs.
Die Therapie erfolgt symptomatisch: • Apparative Messverfahren (selten), insbes. EEG
• Bei Agitation werden häufig Benzodiazepine ein (BIS, siehe unten) und Relaxometrie.
gesetzt, bei symptomatischer Hyperaktivität α2- Ist die Analgie- bzw. Sedierungstiefe wie geplant (d. h.
Agonisten. Bei produktiv-psychotischen Sympto- das Therapieziel ist erreicht), muss im weiteren Ver
men (sowohl beim hyper- wie auch hypoaktiven lauf lediglich eine regelmäßige Kontrolle stattfinden.
Delir) können Haloperidol, Risperidon oder Ist die Analgosedierung zu tief, muss die Therapie re
Olanzapin verwendet werden duziert werden, ist die zu oberflächlich, ist eine Erwei
• Empfohlene Maßnahmen zur Vermeidung bzw. terung der Therapie erforderlich. Dies umfasst jeweils:
zum schnelleren Abklingen eines Delirs sind • Dosisanpassung der Analgetika, Sedativa und Re
(nach Martin, 2010): laxanzien
– Brillen und Hörgeräte bereitstellen • Anpassung der Respiratoreinstellung
– Orientierungshilfen geben (Uhr, Kalender u. Ä.) • Gegebenenfalls ergänzende therapeutische Maß
– Einhaltung eines Tag-Nacht-Rhythmus (Schlaf nahmen, z. B. Gabe von Clonidin oder Dexmede
mangel kann ein Delir [mit]verursachen) tomidin.
– Frühmobilisation
– Frühe enterale Ernährung Steuern geschulte und qualifizierte Pflegende (Fachpfle-
– Geistige Anregung gestandard) die Sedierung und Analgesie anhand von
– Entfernung von Kathetern und Drainagen zum Protokollen, kann es zu einer Verkürzung der Beatmungs-
frühestmöglichen Zeitpunkt. dauer und damit zu einem kürzeren Intensiv- und Kran-
kenhausaufenthalt kommen (Martin, 2010).
Tab. 6.6 Modifizierter Ramsay-Score. • Die Motor Activity Assessment Scale (kurz
Ramsay- Sedierungstiefe Beurteilung MASS) und die Vancouver Interaction and
Score Calmness Scale (kurz VICS). Beide liegen auch in
R6 Tiefes Koma (keine Reaktion Zu tief deutscher Übersetzung vor.
auf Schmerzreize) Ungeeignet zur Beurteilung der Sedierungstiefe ist
R5 Narkose (träge Reaktion auf Tief die Glasgow Coma Scale.
starke Schmerzen)
R4 Tiefe Sedierung (prompte Adäquat Werden Scores zur Überwachung der Analgosedierung
Reaktion auf Schmerzen) eingesetzt, muss gewährleistet sein, dass das Personal
R3 Sedierung (starke Reaktion Adäquat in der Anwendung der Scores geschult und die Perso-
auf Schmerzen, bedingt an- nalbesetzung der Station ausreichend ist (bei Anwen-
sprechbar) dung von Scores sind die Patienten i. d. R. flach sediert
und daher „relativ wach“, was in aller Regel personal-
R2 Kooperativ (Reaktion auf Adäquat
aufwendiger ist).
Ansprache, kooperativ,
Beatmungstoleranz)
R1 Agitiert, unruhig, Angst Zu flach Scores zur Überwachung der Analgesie
R0 Wach und orientiert Wach Auch zur Überwachung der Schmerzintensität
bzw. der Wirkung von verabreichten Analgetika
Tab. 6.7 Riker Sedation-Agitation Scale (SAS). können Scores eingesetzt werden.
Einfache Skalen sind z. B. die NRS (Numerische
Score Bezeich- Beschreibung
nung Rating Skala), bei der die Patienten auf einer Skala
von 0 (kein Schmerz) bis 10 (stärkster vorstellbarer
7 Gefährlich Zieht am Tubus, versucht, Ka-
agitiert theter etc. zu entfernen, ver- Schmerz bzw. unerträgliche Schmerzen) einen Zah
6 sucht über das Bettgitter zu klet- lenwert angeben, und die ähnlich arbeitende VAS
tern, schlägt nach dem Personal, (Visuelle analog Skala). Hier stellt der Patient auf ei
wirft sich von Seite zu Seite ner Skala, die von „kein Schmerz“ bis „stärkster vor
6 Stark agitiert Muss am Aussteigen/Verlassen stellbarer Schmerz bzw. unerträgliche Schmerzen“
des Betts gehindert werden, reicht, den seinen Schmerzen entsprechenden Wert
kaut auf dem Endotrachealtubus ein. Auf der Rückseite der Skala ist ein Punktwert
5 Agitation Ängstlich oder körperlich agi- analog der NRS ablesbar. Bei beiden Skalen sollte
tiert, beruhigt sich nach verbaler der Wert unter 4 liegen.
Aufforderung Diese einfachen Skalen sind für viele Beatmungs
4 Ruhig und ko- Ruhig, leicht erweckbar, befolgt patienten ungeeignet. Hier ist dann der Einsatz eines
operativ Aufforderungen Scores sinnvoll, bei dem die Pflegenden die Analge
3 Sediert Schwer erweckbar, nach Anspra- sie abschätzen können, ohne dass dies zwingend die
che oder leichtem Schütteln Mitarbeit des Patienten erfordert, z. B. BPS (Behavi
wach, folgt einfachen Aufforde-
oral Pain Scale › Tab. 6.8).
rungen, schläft aber wieder ein
Bei Demenzkranken hat sich die Benutzung der
2 Stark sediert Erweckbar auf körperliche Reize,
BESD Skala (Beobachntung von Schmerzen bei De
kommuniziert nicht und folgt
auch keinen Aufforderungen, menz) bewährt. Hier werden in einer Beobachtungs
Spontanbewegungen möglich zeit von ca. 2 Minuten folgende Punkte erfasst und
1 Nicht erweck- Minimale oder keine Reaktion (anhand vorgegebener Punktzahlen) bewertet:
bar oder Ko- auf Schmerzreize, kommuniziert • Atmung
ma nicht und folgt keinen Aufforde- • Negative Lautäußerung
rungen • Gesichtsausdruck
• Körpersprache
• Trost (nicht nötig, möglich oder nicht möglich?).
6.10 Beatmungskurven, Loops und Trenddarstellungen 181
Ein Delir liegt vor, wenn: 1, 2 und 3 oder 1, 2 und 4 positiv sind
RASS grösser als –4 (–3 bis +4)
1 Psychische Veränderung?
Akuter Beginn? (z.B. im Vergleich zu prä-OP?) STOP
Nein
weiter zur nächsten Stufe Ändert sich das Verhältnis im Tagesverlauf? Kein Delir
Ja
RASS ist –4 oder –5
6 Maschinelle Beatmung
STOP 2 Aufmerksamkeitsstörung
Lesen Sie einzeln folgende Buchstaben vor: ANANASBAUM STOP
Patient später erneut untersuchen 1 oder 2 Fehler
Fehler: Pat. drückt beim „A“ nicht die Hand Kein Delir
Fehler: Patient drückt bei einem anderen Buchstaben als „A“
Richmond-Scale
Dr. E. Wesley Ely für die ICU Delirium and Cognitive impairment Study Group [www.icudelirium.org]). [T732, T733]
Tiefe Keine Reaktion auf Stimme, aber Finger hoch.)
–4 „Nun machen Sie dasselbe mit der anderen Hand“ (Wiederholen Sie nicht die Anzahl 1 Fehler STOP
Sedierung Augenöffnung durch Bewegung
der Finger.) oder keiner Kein Delir
Nicht Keine Reaktion auf Stimme oder
–5 Falls Pat. nicht beide Arme bewegen kann, sagen Sie: „Fügen Sie einen Finger hinzu.“
erweckbar körperlichen Reiz
Abb. 6.24 Beispiel für einen Score zum Delir-Screening: Das CAM-ICU (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Ulf Guenther und
6.10 Beatmungskurven, Loops und Trenddarstellungen 183
Spitzendruck
.....................................................
~
= Resistancedruck
Plateaudruck (R • V)
Druck
...................................
~
= Compliancedruck
(VT/C)
.................................... ...
PEEP
Abb. 6.25 Druck-Zeit-Diagramm Zeit
Inspiration Exspiration
bei volumenkontrollierter Beat-
mung mit inspiratorischer Pause Flow-Phase insp. Pause
und PEEP. [A400]
gramm). Meist kann der Anwender auswählen, wel • Die Höhe des Spitzendrucks ist abhängig von In
che Kurven dargestellt werden sollen. spirationsflow, Tidalvolumen, Resistance und
Die typischen Beatmungskurven bei den einzel Compliance, d. h. auch ein zu kleiner Endotracheal
nen Beatmungsformen sind in › 6.3 dargestellt. tubus, Stenosen oder Sekret im Tracheobronchial
system können Ursache eines steigenden bzw. ho
Der zeitliche Verlauf von Beatmungsdruck, Flow und Vo- hen Spitzendrucks sein. Nimmt die inspiratorische
lumen ist zum einen abhängig von den Einstellungen am Resistance (Atemwegswiderstand) zu, steigt der
Respirator, zum anderen von den atemmechanischen Spitzendruck an, nimmt die inspiratorische Resis
Gegebenheiten der Lunge (insbesondere Compliance und
tance ab, sinkt der Spitzendruck (jeweils bei gleich
Resistance) sowie in geringem Maß vom Beatmungssys-
tem. bleibendem Plateaudruck). Nimmt die Compli
Um Beatmungskurven vergleichen zu können, emp- ance ab (Verschlechterung der Volumendehnbar 6
fiehlt es sich, den gleichen Abbildungsmaßstab (z. B. für keit), steigen Spitzen- und Plateaudruck an, nimmt
die Zeitachse) zu wählen. Bei der Darstellung auf dem die Compliance zu, sinken Spitzen- und Plateau
Monitor darauf achten, dass der Abbildungsmaßstab druck. Da der Spitzendruck wenig Einfluss auf den
möglichst groß gewählt ist: Die Beatmungskurve soll über Alveolardruck hat, ist er nicht primär Ursache für
den gesamten verfügbaren Platz auf dem Monitor verlau-
ein pulmonales Baro- oder Volutrauma (› 6.7.1).
fen, dabei aber noch komplett dargestellt sein.
Bei druckkontrollierter Beatmung (› 6.3.3) oder
BIPAP (› 6.3.4) ergibt sich ein völlig anderes
Druck-Zeit-Diagramme Druck-Zeit-Diagramm (siehe jeweilige Beatmungs
Druck-Zeit-Diagramme stellen den zeitlichen Ver form). Hier erlauben Druck-Zeit-Diagramme keine
lauf des Beatmungsdrucks dar. Bei der volumen- Rückschlüsse auf Compliance und Resistance.
kontrollierten Beatmung (› 6.3.2) lässt das
Druck-Zeit-Diagramm Rückschlüsse auf die pulmo Druck-Zeit-Diagramme zeigen immer „nur“ den Verlauf
nale Situation zu (› Abb. 6.25): des im Respirator gemessenen Drucks. Um einschät-
• Je höher Flow und Resistance (Atemwegswider zen zu können, welcher Druck in der Lunge tatsächlich
stand), desto steiler der initiale Druckanstieg zu herrscht, müssen alle Faktoren berücksichtigt werden, die
Beginn der Inspiration. Der Druckabfall vom Einfluss auf den intrapulmonalen Druck haben, z. B. ein ge-
Spitzen- auf den Plateaudruck entspricht diesem ringer Innendurchmesser von Tubus oder Trachealkanüle.
Manche Respiratoren berechnen den intratrachealen
initialen Druckanstieg (Resistancedruck = R × V) Druck. Derzeit werden Endotrachealtuben mit der Mög-
• Der weniger steile (lineare) inspiratorische lichkeit der intratrachealen Druckmessung entwickelt.
Druckanstieg ist abhängig vom Flow und von der
Compliance und entspricht der Druckdifferenz
zwischen Plateaudruck und PEEP-Niveau (Com- Flow-Zeit-Diagramme
pliancedruck = Vt/C) Flow-Zeit-Diagramme stellen den zeitlichen Ver
lauf des inspiratorischen und exspiratorischen Flows
184 6 Maschinelle Beatmung
dar (› Abb. 6.2). Der inspiratorische Flow ist in rungen der Compliance (› 1.2.1; bei abnehmender
erster Linie vom eingestellten Beatmungsmuster ab Compliance verläuft der PV-Loop flacher) und wei
hängig. Der exspiratorische Flow dagegen unterliegt sen auf eine mögliche Überdehnung einzelner Lun
dem Einfluss von Atemwegswiderständen und er genbereiche hin (hier ermöglicht der PV-Loop die
laubt Rückschlüsse auf Resistance und Compliance. Einstellung des optimalen PEEP, auch „best PEEP“
Eine flacher verlaufende exspiratorische Flow- › 6.2.4). Die meist weniger genutzten Flow-Volu
kurve ist Zeichen für exspiratorische Atemwegswi men-Loops lassen Rückschlüsse auf den Atem
derstände. Ursache können z. B. obstruktive Lun wegswiderstand zu.
generkrankungen, Sekretverhalt, Bronchospasmus Im Gegensatz zu Beatmungskurven, die häufig
oder die (teilweise) Verlegung von Filtern, z. B. routinemäßig zum Beatmungsmonitoring eingesetzt
HME-Filter, sein. Durch den Ausatemwiderstand werden, kommt die Darstellung von Loops meist
verlängert sich die Exspirationszeit, schlimmsten nur bei kritischer pulmonaler Situation des Patien
falls reicht die Zeit nicht für die vollständige Exspi ten bzw. problematischer Beatmungssituation zum
ration aus, d. h. die Flowkurve geht nicht auf 0 zu Einsatz. Die Interpretation der dargestellten Loops
rück (im Extremfall fast waagrechter Verlauf der sowie ggf. entsprechende Maßnahmen sind auf den
Flowkurve) und es entsteht ein „Airtrapping“ mit meisten Intensivstationen Aufgabe des Arztes.
Intrinsic-PEEP (› 6.3.1).
PV-Loops bei volumenkontrollierter Beatmung mit
Volumen-Zeit-Diagramme konstantem Flow
Volumen-Zeit-Diagramme stellen den zeitlichen Während der inspiratorischen Flow-Phase strömt
Verlauf des transportierten Atemvolumens dar. das Atemgas mit konstantem Flow in die Lunge. Da
Das Volumen nimmt während der inspiratori bei steigt der Druck stetig an bis das eingestellte Vo
schen Flow-Phase kontinuierlich zu, bleibt während lumen verabreicht und damit der Spitzendruck er
6 der inspiratorischen No-Flow-Phase (inspiratori reicht ist. Ist eine inspiratorische Pause (No-Flow-
sche Pause) konstant und fällt bei der Exspiration Phase) eingestellt, fällt der Druck danach bei glei
auf 0 ab. Wichtig: Volumen-Zeit-Diagramme geben chem Volumen auf den Plateaudruck ab. Während
lediglich Auskunft über das Atemhubvolumen der Exspiration nimmt das Volumen wieder ab,
(meist in ml angegeben). Die funktionelle Residual deshalb verlaufen diese Loops entgegen dem Uhrzei
kapazität (› 1.2.1) ist nicht berücksichtigt, d. h. gersinn. Der Beatmungsdruck fällt dann auf das
Rückschlüsse auf das gesamte, in der Lunge enthal PEEP-Niveau ab, das Beatmungsvolumen geht auf 0
tene Luftvolumen, sind nicht möglich. zurück.
Verschlechtert sich die pulmonale Situation des
Loops Patienten unter der Beatmung, so verändert sich der
PV-Loop (falls Beatmungseinstellung gleich bleibt):
DEFINITION • Bei abnehmender Compliance (› 1.2.1) ver
Loops (engl.: Schleifen) stellen die Druck-Volumen-Be- läuft der Loop insgesamt flacher, und der Druck
ziehung (pressure-volume-Loops, kurz PV-Loops; › Abb. anstieg während der Inspiration verläuft weniger
6.26) oder (seltener genutzt) die Flow-Volumen- oder steil, d. h. eine relative geringe Steigerung des Vo
Flow-Druck-Beziehung während eines Beatmungszyklus
lumens bewirkt eine relativ hohe Zunahme des
grafisch dar.
Statische Loops werden in der Wissenschaft ange- Beatmungsdrucks (je flacher der Druckanstieg
wandt. Beatmungsgeräte arbeiten mit dynamischen desto geringer die Compliance). Die Steilheit im
Loops, bei denen die Atemwegswiderstände und die inspiratorischen Bereich des Loops verhält sich
Widerstände von Endotrachealtuben bzw. Trachealkanü- proportional zur veränderten Lungencompliance.
len mit einfließen und z. B. den Complianceverlauf verfäl- • Bei zunehmender Resistance (› 1.2.1) ist der
schen können. inspiratorische Schenkel des Loops auf dem Dia
gramm insgesamt nach rechts verschoben, dabei
PV-Loops ermöglichen bei Beatmungsformen mit verändert sich die Steilheit des inspiratorischen
konstantem Flow vor allem Aussagen über Verände Druckanstiegs nicht.
6.10 Beatmungskurven, Loops und Trenddarstellungen 185
4 4 1 Druck
1 Zeit
Druck
2
1 = unmittelbar nach Beginn der Inspiration
2 = Spitzendruck
Druck-Zeit-Kurve
3
3 = Anfangsphase der Exspiration (90° gedreht)
4 = Exspiration abgeschlossen
6
Zeit
4
Abb. 6.26 PV-Loops können aus der Volumen-Zeit- und der Druck-Zeit-Kurve konstruiert werden (Verlauf jeweils entsprechend
dem bei volumenkontrollierter Beatmung; die Druck-Zeit-Kurve ist um 90 Grad gedreht). [A400]
0 zurückgeht ist die Steigung der Linie, die die Punkte ren, die Trenddarstellungen ermöglichen, speichern
A und B verbindet, ein Ausdruck der Compliance. einzelne Beatmungsparameter im zeitlichen Verlauf
und stellen sie grafisch dar. Hilfreich können Trend
PV-Loops unter CPAP-Atmung darstellungen z. B. zur Beurteilung des Entwöh
Bei CPAP-Atmung mit inspiratorischer Druckun- nungsverlaufs sein.
terstützung muss der Patient – falls ein Drucktrigger
eingestellt ist – zunächst die Triggerschwelle überwin
den (› 6.2.5). Dadurch entsteht eine kleine Schleife
zu Beginn der Inspiration. Die Schleifenfläche im Be 6.11 Entwöhnung vom
reich der unter dem PEEP-Niveau gelegenen Druck Respirator
skala entspricht der Atemarbeit, die der Patient für die
Triggerung aufbringen muss (je größer die Fläche, des DEFINITION
to größer die durch den Trigger bedingte Atemarbeit). Entwöhnung (engl.: weaning): Abtrainieren der ma-
Bei reiner CPAP-Atmung bringt der Patient wäh schinellen Beatmung, d. h. der Patient übt, wieder völlig
rend der Inspiration einen – im Vergleich zum selbstständig zu atmen. Die Zeitdauer der Entwöhnung
CPAP-Niveau – negativen Druck auf. Während der ist vor allem abhängig von Art und Ausmaß der Grund-
und Begleiterkrankungen, Alter des Patienten, Dauer und
Exspiration liegt der Druck über dem CPAP-Niveau. Invasivität der Beatmungstherapie sowie der Erfahrung
Daher verläuft der Loop hier im Uhrzeigersinn des Behandlungsteams. Unterschieden werden:
(› Abb. 6.28). • Einfache Entwöhnung: erfolgreiche Extubation
nach dem ersten Spontanatemversuch (spontaneous
breathing trial, kurz SBT), bei ca. 70 % aller Patienten
Trenddarstellungen möglich
• Schwierige Entwöhnung: erster SBT negativ, aber
Trenddarstellungen ermöglichen eine rückwirken
6 erfolgreiche Extubation innerhalb von sieben Tagen
de Beurteilung des Beatmungsverlaufs. Respirato nach zweitem oder drittem SBT; betrifft ca. 15 % der
Patienten
• Prolongierte Entwöhnung: Patient benötigt mehr
Volumen als drei SBT‘s oder Weaning dauert insgesamt mehr
als sieben Tage. Häufigkeit: ca. 15 % der Patienten.
Eine tägliche Sedierungspause (SAT, spontaneos awake- Für Entwöhnungsschritte hin zu mehr Spontanat
ning trial) und – wenn möglich – ein Spontanatemver- mung des Patienten, also z. B. Umstellen von einer
such sowie der Einsatz von Sedierungs- und Weaningpro- kontrollierten auf eine assistierte Beatmungsform
tokollen verkürzen die Beatmungsdauer deutlich (Leitlinie (etwa von druckkontrollierter Beatmung auf PS),
S2: Prolongiertes Weaning).
oder Reduktion des Anteils der Atemarbeit, die der
Respirator leistet, also z. B. bei BIPAP-Beatmung Re
Die Respiratorentwöhnung beginnt mit dem ersten duktion des oberen Druckniveaus (› 6.3.6), exis
Schritt hin zu weniger Beatmungsinvasivität. Dies erfolgt tieren zahlreiche Kriterien, die es ermöglichen sol
grundsätzlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt: „Die Ent- len, den Erfolg der Entwöhnung abzusehen. Ziel ist
wöhnung beginnt mit der Intubation“, d. h. der Arzt es, Komplikationen durch missglückte Entwöh
wählt eine Beatmungsform sowie eine Analgosedierung nungsversuche zu vermeiden und dem Patienten
für den Patienten aus, die zum einen die respiratorische
frustrane Entwöhnungversuche sowie eine eventuel
Insuffizienz behebt, zum andern so wenig invasiv wie
möglich ist, und reduziert die Beatmungsinvasivität so le Reintubation mit allen damit verbundenen Risi
bald wie möglich. Diese Grundsätze sollten ggf. auch bei ken zu ersparen.
der Auswahl eines Anästhesieverfahrens berücksichtigt
werden. Sowohl ein zu früher als auch ein zu später Beginn des
Entwöhnung im engeren Sinn bzw. im klinischen Sprach- Weanings gehen mit einer erhöhten Komplikationsrate
gebrauch bedeutet, dass Atemarbeit zunehmend vom einher und sollten daher unbedingt vermieden werden.
Patienten und nicht mehr vom Respirator geleistet wird. Manche Respiratoren bieten Sonderfunktionen, die
Die Entwöhnung ist beendet, wenn der Patient dau- Aussagen üben den Erfolg eines Weaningversuchs zulas-
erhaft ohne Unterstützung durch den Respirator spontan sen. Dazu gehören v. a. der Rapid shallow breathing
atmen kann. Dies ist unabhängig von der Dekanülierung Index (RSBI, › 7.3) und der Negativ inspiratory
bzw. (selten) Extubation, d. h.: force Index (NIF, › 7.3).
• bei Patienten, bei denen nach der Dekanülierung bzw.
Extubation noch eine (intermittierende) Maskenbeat- 6
mung (NIV, › 6.4) erforderlich ist, ist die Entwöh-
nung noch nicht beendet (Patient ist zwar nicht mehr Allgemeine Kriterien der
tracheotomiert/intubiert, jedoch noch nicht vollständig Respiratorentwöhnung
entwöhnt)
• bei Patienten, die dauerhaft ohne Zeichen einer Er- Im Verlauf der Respiratorentwöhnung muss der Pa
schöpfung (› 6.11.3) über eine Trachealkanüle at- tient mehr und mehr Atemarbeit selbst leisten. Dies
men können, ist die Entwöhung beendet (Patient ist gelingt nur dann dauerhaft, wenn der Atemapparat
noch tracheotomiert, aber bereits vollständig ent- des Patienten in der Lage ist, die erforderliche Atem
wöhnt). arbeit zu leisten. Übersteigt die erforderliche Atem
arbeit die Leistungsfähigkeit des Patienten, kommt
Nach einer Kurzzeitbeatmung (z. B. postoperative es zur Erschöpfung der Atemmuskulatur (auch res-
Nachbeatmung) ist eine spezielle Entwöhnung meist piratorische Erschöpfung, inspiratorische Muskeler-
nicht erforderlich. Hier kann i. d. R. mit Wiederein müdung oder respiratory muscle fatigue genannt).
setzen der Spontanatmung die maschinelle Unter Um dies zu vermeiden werden vor und während der
stützung rasch zurückgenommen bzw. beendet und Entwöhnung alle Faktoren, die die Leistungsfähig
der Patient extubiert werden (Extubation › 4.12). keit des Atemapparats beeinträchtigen können,
möglichst optimiert. Die folgenden allgemeinen
Kriterien der Respiratorentwöhnung (Weaning-
6.11.1 Kriterien zur Entwöhnung Kriterien) gelten daher nicht nur vor, sondern vor
allem auch während der Entwöhnung:
Eine Reduktion der Beatmungsinvasivität, die unab • Beatmung. Ein (weiterer) Entwöhnungsschritt
hängig von der Spontanatmung des Patienten ist, ist nur dann sinnvoll, wenn die folgenden Kriteri
also z. B. Reduktion des FiO2 oder des Beatmungs en seitens der Atmung/Beatmung erfüllt sind:
drucks, erfolgt immer abhängig von der Blutgasana – paO2 > 60 mmHg und SaO2 ≥ 90 % (bei chron.
lyse und dem Allgemeinzustand des Patienten. resp. Insuff. ≥ 85 %) bei FiO2 ≤ 0,4
188 6 Maschinelle Beatmung
Kontinuierliche Entwöhnung mit BIPAP Viele der neu entwickelten Beatmungsformen reduzieren
Bei der Entwöhnung über BIPAP wird der maschi den maschinellen Anteil der Atemarbeit automatisch,
nelle Anteil der Atemarbeit reduziert, indem das d. h. einzelne Entwöhnungsschritte erfolgen hier respira-
obere Druckniveau abgesenkt und die Zeitdauer des torgesteuert, z. B. ASV (› 6.3.10) oder PAV (› 6.3.7).
Ein respiratorgesteuertes Weaning bietet die Funk-
unteren Druckniveaus verlängert wird. Dabei wird
tion SmartCare™ (realisiert ab Evita XL an Respiratoren
i. d. R. wie folgt vorgegangen: der Firma Dräger, › Abb. 7.9): Abhängig von der Atem-
• Reduktion des oberen Druckniveaus (pinsp bzw. frequenz, dem Tidalvolumen sowie dem endtidalen CO2
phoch) in 2-mbar-Schritten bis auf einen Druck wird die Druckunterstützung in einer ersten Phase auf
von ca. 12 mbar eine für den Patienten angemessene Höhe reguliert. In
• Schrittweise Verlängerung der Zeitdauer des un der zweiten Phase reduziert der Respirator die Druckun-
teren Druckniveaus (texsp) auf ca. 10 Sek. Die terstützung kontinuierlich und kontrolliert, ob der Patient
dies innerhalb eines vorgegebenen Grenzbereichs tole-
Zeitdauer des oberen Druckniveaus (tinsp) bleibt
riert (System prüft alle 2–5 Min.; angestrebt werden:
bzw. wird zuvor eingeregelt auf ca. 3 Sek. In die Atemfrequenz 15–30/Min. bzw. bis 35/Min. bei neurolo-
ser Einstellung werden etwa 5 maschinelle Atem gischen Erkrankungen, Vt > 250 ml bzw. 300 ml ab 55 kg
hübe pro Minute verabreicht KG, etCO2 < 55 mmHg bzw. < 65 bei COPD). Konnte die
• Weitere Reduktion des oberen Druckniveaus bis Druckunterstützung weitgehend zurückgenommen wer-
das obere Druckniveau dem unteren (PEEP) ent den, folgt in der dritten Phase ein Spontanatemversuch.
spricht. Damit ist dann gleichzeitig CPAP-At Ist dieser erfolgreich, zeigt der Respirator die mögliche
Extubation/Dekanülierung an.
mung erreicht
• Absenken des CPAP-Niveaus auf 5–6 mbar. Ist
der Patient darunter stabil, kann die Extubation Diskontinuierliche Respiratorentwöhnung
bzw. Dekanülierung erwogen werden (Kriterien
und Durchführung › 4.12 bzw. › 5.7). Die diskontinuierliche Respiratorentwöhnung
6 geht auf die Anfänge der Überdruckbeatmung zu
Kontinuierliche Entwöhnung mit rück, also auf eine Zeit, in der die augmentierenden
druckunterstützter Beatmung Beatmungsformen noch nicht zur Verfügung stan
Die Entwöhnung mittels druckunterstützter Beat- den. Mit der Entwicklung der augmentierenden Be
mung entspricht der mittels SIMV mit dem Unter atmungsformen wurde die diskontinuierliche Ent
schied, dass keine reinen maschinellen Atemhübe wöhnung dann fast ganz verlassen und erst in den
verabreicht werden: letzten Jahren wieder entdeckt als alternative Ent
• Umstellen der Beatmung auf inspiratorische wöhnungsmethode für langzeitbeatmete Patienten
Druckunterstützung (ASB): mit völlig erschöpfter Atemmuskulatur. Dazu gehö
– Höhe der Druckunterstützung anfänglich ren vor allem Patienten mit schwerer COPD
meist 12–15 mbar über PEEP, zusätzlich PEEP (› 2.3.2), aber auch Patienten mit chronischen Er
(meist 5–8 mbar) krankungen des Thorax, z. B. schwerer Skoliose oder
– Einstellen des Triggers (› 6.2.5) neuromuskulären Erkrankungen.
• Ist der Patient unter dieser Beatmung stabil, kann
die Höhe der Druckunterstützung in 2-mbar- Prinzip der diskontinuierlichen
Schritten reduziert werden bis auf ca. 7 mbar Respiratorentwöhnung
• Reduktion des PEEP in 2-mbar-Schritten bis auf Bei der diskontinuierlichen Entwöhnung wird der
ca. 5–6 mbar Patient anfangs nur für sehr kurze Zeit (z. B. einige
• Umstellen auf CPAP-Atmung mit CPAP-Niveau Minuten), später dann für immer längere Phasen
5–6 mbar. Ist der Patient auch darunter stabil, vom Respirator diskonnektiert, d. h. er atmet spon
kann die Extubation bzw. Dekanülierung erwo tan über die Trachealkanüle bzw. den Tubus (letzte
gen werden (Kriterien und Durchführung res wird wenn möglich vermieden wegen der damit
› 4.12 bzw. › 5.7). verbundenen relativ großen Atemarbeit). Während
der Spontanatemphasen bekommt der Patient ange
feuchtete, erwärmte und mit Sauerstoff angereicher
6.11 Entwöhnung vom Respirator 191
Atemarbeit
der Atemmuskulatur erreicht werden. Zielkriterium
ist eine Atemfrequenz möglichst ≤ 25/Min. bei ausrei
100%
chend hohen Tidalvolumina. Toleriert der Patient die
kontrollierte Beatmung, ist die Atemarbeit am ge
ringsten und die Entlastung der Atemmuskulatur am
effektivsten, „kämpft“ er gegen den Respirator, kann
eine druckunterstützte Beatmung sinnvoller sein.
Zunächst werden die für den Patienten meist sehr
anstrengenden Spontanatemphasen nur tagsüber
Respirator Patient
vorgenommen. Nachts wird der Patient kontrolliert
Abb. 6.30 Bei der diskontinuierlichen Respiratorentwöhnung beatmet und kann sich erholen. Erst wenn der Pati
wird die maschinelle Beatmung anfangs durch kurze, im Ver- ent tagsüber weitgehend spontan atmen kann, wird
lauf dann immer längere Spontanatemphasen unterbrochen. die Spontanatmung auch auf die Nacht ausgedehnt.
[A400]