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Bummel durch Berlin-Mitte auf den Spuren von Theodor Fontane

Platz vor dem Neuen Tor - Liesenstraße

Mit einem weiteren Spaziergang durch den Berliner Norden setzen wir unseren Rundgang fort. Er
führt uns zum Grab von Emilie und Theodor Fontane auf dem französisch-reformierten Friedhof an
der Liesenstraße.
Am Ende des letzten Spazierganges erreichten wir die Invalidenstraße. Auf einer Länge von 3 km
verbindet sie die Brunnenstraße im Ortsteil Mitte mit der Straße Alt-Moabit im Ortsteil Moabit.
Die Straße erhielt ihren Namen um 1800 nach dem Invalidenhaus (wir kommen daran vorbei), das
um die Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Sie liegt in der historischen Oranienburger
Vorstadt, die Fontane im Kapitel „Tegel“ des Wanderungsbandes „Havelland“ erwähnt. Gemeinsam
mit seinem Tunnelkollegen Werner Hahn unternahm Fontane im April 1860 einen Ausflug nach Tegel
und fordert seine Leser auf:
„die ganze Tour zu Fuß zu machen. Die erste Hälfte führt durch die volkreichste und vielleicht
interessanteste der Berliner Vorstädte, durch die sogenannte Oranienburger Vorstadt, die sich, weite
Strecken Landes bedeckend, aus Bahnhöfen und Kasernen, aus Kirchhöfen und Eisengießereien
zusammensetzt. Diese vier heterogenen Elemente drücken dem ganzen Stadtteil ihren Stempel auf;
das Privathaus ist eigentlich nur insoweit gelitten, als es jenen vier Machthabern dient.“

Wir wollen nun das Gebiet zwischen dem Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal im Westen, der
Chausseestraße im Osten und der Kieler Straße im Norden erkunden.
Die beiden folgenden Kartenausschnitte von 1875 und 2017 sollen Veränderungen in diesem
Zeitraum veranschaulichen.

Deutlich ist auf dieser


Karte von 1875 zu
erkennen, dass der
Hamburger Bahnhof
und der Stettiner
Bahnhof das Areal
seitlich begrenzen.

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Kartenausschnitt von
2017

Vom Platz vor dem Neuen Tor laufen wir nun ein paar Schritte nach links bis zur Haltestelle
Invalidenpark und sehen ein neuerrichtetes Bürohaus mit der Nummer 92. Hier verweilen wir einen
Moment:
In Fontanes Berliner Novelle „Stine“ stand an dieser Stelle das Wohnhaus der Schwestern Pauline
Pittelkow und Ernestine Rehbein.
Horst Hölscher hat in den Fontane Blättern 95/2013 einen aufschlussreichen Beitrag über die Lage
und Umgebung dieses Hauses veröffentlicht.
Die Liebesgeschichte zwischen der Näherin Ernestine Rehbein und dem Adligen Waldemar von
Haldern siedelte Fontane in diesem Teil der Invalidenstraße an.
Während eines Besuches Waldemars bei Stine in ihrem „Stübeken oben bei Polzins“ schauen beide
aus dem Fenster und sehen auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Obelisk:
„ein Denkmal ist es, das zur Erinnerung an die mit der ‚Amazone‘ Verunglückten errichtet wurde“.
„Lauter junge Leute“.
Der Obelisk befand sich im vorderen Teil des Parks, wenige Schritte vom einstigen in der Parkmitte
gelegenen Eingang. Im Jahre 1863 wurde er zum Gedenken an die Opfer des im November 1861
untergegangenen Kriegsschiffs „Amazone“ vor der holländischen Küste errichtet. 1951 wurde das
„Amazonendenkmal“ beseitigt.
Nicht weit davon entfernt entstand Ende des 19. Jahrhunderts die im romanischen Stil errichtete
Gnadenkirche. Nach Kriegszerstörungen und Plünderungen wurde sie 1967 abgetragen.
Aufnahmen etwa vom gleichen Standpunkt:

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Amazonendenkmal und Gnadenkirche (1912) Denkmal Versunkene Mauer (2021)

Wir schauen uns nun die weitere Umgebung an und erinnern uns an den Anfang von „Stine“:
„In der Invalidenstraße sah es aus wie gewöhnlich: die Pferdebahnwagen klingelten und die
Maschinenarbeiter gingen zu Mittag und wer durchaus was Merkwürdiges hätte finden wollen, hätte
nichts anderes auskundschaften können, als daß in Nummer 98 e die Fenster der ersten Etage -
trotzdem nicht Ostern und nicht Pfingsten und nicht einmal Sonnabend war – mit einer Art Bravour
geputzt wurden.“ Es ist die Pittelkow, die ältere Schwester von Stine, die so eifrig ihre Fenster putzt
und damit den Unwillen der alten Lierschen hervorruft.
„Und wenn es noch Abend wär‘, aber am hellen, lichten Mittag, wo Borsig und Schwarzkoppen seine
grade die Straße runterkommen.“
Ein letztes Wort zu „Stine“, bevor wir unseren Weg fortsetzen. Pauline Pittelkow, die eine
Abendgesellschaft vorbereitet, schickt ihre Tochter Olga in die Tieckstraße. Sie läuft die
Invalidenstraße nach rechts hinunter in Richtung Chausseestraße. Wir werden ihr und ihren weiteren
Weg im nächsten und letzten Teil des Spazierganges wieder begegnen.

An der nun folgenden Ampelkreuzung überqueren wir die Straße und verweilen einen Moment an
der Ecke Scharnhorststraße (Parkseite).
Bis 1860 hieß sie Kesselstraße, wurde dann nach Gerhard von Scharnhorst, dessen Grab sich auf dem
Invalidenfriedhof befindet, umbenannt.

An dieser Stelle ein paar Worte zum Invalidenpark:


Mit Errichtung des Invalidenhauses um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann die Erschließung
dieses einst unwirtlichen und sandreichen Gebietes, das von der Bevölkerung Sahara genannt wurde.
Friedrich II. übergab den Bewohnern eine große Fläche zur Eigenbewirtschaftung. Als
Bataillonsgärten wurde das Gebiet zwischen der östlich fließenden Panke, der westlich verlaufenden
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damaligen Kirschallee und dem nördlich gelegenen Invalidenfriedhof zunächst genutzt, bis um die
Mitte des 19. Jahrhunderts die Umwidmung in einen Park erfolgte. Damit wurde er der Bevölkerung
zugänglich gemacht. Durch Bebauung in den nächsten Jahrzehnten wurde er allmählich kleiner.
In den 1950er Jahren bis zum Abriss der Kirche hatte er aber noch parkähnlichen Charakter mit
Grünflächen, Bänken, Wegen und Spielplätzen.
In den Jahren danach begann die Verwahrlosung, bedingt durch den Bau dreier Hochhäuser und auch
durch seine Lage unmittelbar am Grenzübergang Invalidenstraße.
Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts begann die Umgestaltung des Parks. Auf der vor uns
liegenden freien Fläche, gerahmt von zwei Ministerien, sehen wir in einem Wasserbecken die
begehbare Skulptur „Versunkene Mauer“.

Bevor wir unseren Weg fortsetzten, noch einen Hinweis auf das Bundesministerium für Verkehr
und digitale Infrastruktur, das wir am Schwarzen Weg, parallel zur Scharnhorststraße, sehen.
Anfang des 19. Jahrhunderts entstand an dieser Stelle die Königliche Eisengießerei, die in einem
Zeitraum von siebzig Jahren Berlin mit Brücken, Zäunen, Grabmalen usw. versorgte. Hervorheben
möchte ich nur das von Schinkel entworfene Denkmal für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg.
Eine Tafel, die sich kurz vor dem Ministerium an einem Zaun befindet, informiert über die Geschichte
der Eisengießerei. Hier sehen wir auch einen Teil der wieder frei gelegten Panke, die die o.g. östliche
Begrenzung der Invalidengärten bildete.
Ab 1874, nach dem Ende der Eisengießerei entstanden in den folgenden Jahren Gebäude für
Wissenschaft und Forschung, wie das Museum für Naturkunde.

Wir bleiben aber an der Scharnhorststraße bzw. kehren zu ihr zurück.


„...schräg gegenüber an der Scharnhorststraßen-Ecke“, heißt es in „Stine“, wohnt die alte Lierschen,
die über die auf dem Fensterbrett stehende Witwe Pittelkow und über ihren kniehoch aufgeschürzten
Rock brummelt.
1877/78, z. Zt. der Romanhandlung, befand sich an dieser Stelle Der kleine Park, aber kein
Wohnhaus. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde hier die Kaiser-Wilhelm-Akademie für das
militärärztliche Bildungswesen errichtet, nachdem andere Ausbildungsstätten, wie die Pepinière am
Bahnhof Friedrichstraße zu klein geworden waren.
Wir überqueren nun die Straße. Links neben dem kleinen Brunnen an der Hausecke sehen wir eine
Tafel, die auf die einstige Akademie hinweist.

Linker Hand sehen wir die Sandkrugbrücke. Der Name verweist auf die frühere sandreiche Gegend
und auf die Gastwirtschaft „Kleiner Sandkrug“.
Wir folgen jetzt der Scharnhorststraße und halten kurz darauf an einer kleinen Grünfläche, die wir
hinter einem Zaun sehen.
Wir befinden uns nun in der Mitte des ehemaligen Invalidenhauskomplexes.

Zunächst einige Worte zur Geschichte des Invalidenhauses: es wurde Mitte des 17. Jahrhunderts als
Versorgungseinrichtung für Kriegsinvaliden der Schlesischen Kriege Friedrichs II. errichtet. Um
1730 wurde eine Straße angelegt, die wegen der zuvor angepflanzten Kirschbäume Kirschallee
genannt wurde.
Das Hauptgebäude bestand aus einem Mittelbau mit angefügten Kapellen für Katholiken und
Protestanten und zwei langen Seitengebäuden. Zwischen diesen beiden Gebäuden befinden wir uns
nun. Der vor uns liegende und wieder hergestellte Ehrenhof geht auf eine Planung von Lenné zurück.
Im 2. Weltkrieg wurden große Teile der Anlage zerstört. Erhalten sind die beiden Seitenflügel.
Ende des 18. Jahrhunderts war Friedrich Wilhelm August Schmidt Militärgeistlicher im
Invalidenhaus, bevor er eine Pfarramtsstelle in Werneuchen annahm. Als Schmidt von Werneuchen
wurde er auch als Verfasser volkstümlicher Gedichte bekannt. Fontane widmete ihm das Kapitel
„Werneuchen“ im Band „Spreeland“.

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Einige Male besuchte Fontane den Militär und Schriftsteller Karl Walleiser im Invalidenhaus, einen
Bruder von Eugenie Mandel. Er kannte das Ehepaar Mandel, da seine Tochter Martha bei ihnen in
Klein-Dammer in Stellung war.
Heute ist das gesamte Gelände Sitz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
In den Jahren der DDR wurden Teile der Anlage als Regierungskrankenhaus, als Ministerium für
Gesundheitswesen und als Oberster Gerichtshof genutzt.

Auf der anderen Straßenseite zweigt die Habersaathstraße ab und wir sehen auch das Ende des
Invalidenparks, der hier noch alten Baumbestand hat.
Etwa 100 m von dieser Einmündung in die Scharnhorststraße stand bis 1948 in einem Rondell
inmitten der heutigen Straße ein „National-Krieger-Denkmal“, auch als Invalidensäule bekannt.
Nach 4-jähriger Bauzeit wurde das Denkmal 1854 eingeweiht, in Erinnerung an alle Soldaten, die
während der Revolution 1848/49 auf der Seite Friedrich Wilhelms IV. gekämpft haben und gefallen
sind. Eine Wendeltreppe führte zu einer Aussichtsplattform. Bekrönt wurde das Bauwerk von einem
riesigen Adler mit ausgebreiteten Schwingen.
Fontane hat das Denkmal „in Augenschein genommen“, wie er im September 1856 seinem Tagebuch
anvertraute. Aber „die Säule nichts besondres u. der Adler auch nicht“, die Relief‘s hübsch, aber
Dutzendware...“ lesen wir weiter. Mit Reliefs ist ein Zinkfries gemeint, der die trauernden
Hinterbliebenden sowie die besiegten Krieger darstellt.
Drei Jahre später wurde die nach einem Kommandanten des Invalidenhauses benannte Kesselstraße,
in Habersaathstraße umbenannt.

Der junge Heinrich Seidel, Ingenieur und spätere Schriftsteller wohnte für eine kurze Zeit (um 1868)
in der Kesselstraße. Friedrich Eggers führte ihn in den Tunnel über der Spree ein, bekam den Namen
Frauenlob. Fontane äußerte sich über den jüngeren Seidel am 2.7.1890 gegenüber Georg Friedlaender :
„Auf seinem engen kleinen Gebiet ist er eine Nummer eins. Einzelnes (z. B. die kl. Geschichte von
Leberecht Hühnchen) ist meisterhaft. Man kann ihn aber nur genießen wie Confect, in Kosthäppchen;
er ist ohne rechte Kraft und sehr begrenzt, wiewohl persönlich ein kluger und sehr unterrichteter
Herr.“

Wir setzen, der Straße folgend, unseren Weg fort und sehen bald einen Häuserkomplex.
Ehemals gehörten diese Gebäude zum Invalidenhaus, heute sind sie bewohnt.
Wir wenden noch kurz unseren Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite. Mit Errichtung des
Augusta-Hospitals um 1870 verkleinerten sich allmählich die Flächen des Invalidenparks.
Namensgeberin war Kaiserin Augusta, Ehefrau Wilhelms I. Im 2. Weltkrieg beschädigt, wurde es zu
DDR-Zeiten von der Charité genutzt. Heute ist es Sitz eines Medizintechnik-Unternehmens. Ein
erhalten gebliebenes Portal mit dem Schriftzug Augusta-Hospital wurde in die Front des neu
errichteten Gebäudes integriert.
In unmittelbarer Nachbarschaft entstand Mitte des 19. Jahrhunderts eine Central-Turnanstalt und
spätere Militär-Turnanstalt. Nötig wurde der Bau, weil dem Militär bei der Musterung zunehmend
unsportliche junge Männer auffielen. Das Gebäude existiert nicht mehr.

Inzwischen haben wir den Invalidenfriedhof erreicht. Bevor wir nun durch das Tor eintreten,
schauen wir auf die kleine Tafel links vom Eingang und lesen, dass es sich hier um eine der ältesten
Begräbnisstätten Berlins handelt. Sie wurde zeitgleich für die verstorbenen Bewohner des
Invalidenhauses angelegt.
In den Jahren von 1961-1989 lag der Friedhof im Grenzgebiet und durfte nicht betreten werden.
Eine weitere Tafel mit Erklärungen zum Friedhof finden wir kurz hinter dem Eingang. Wir gehen nun
den Hauptweg geradeaus bis zu einer Grabstelle inmitten des Weges. Es ist das Grab von Gustav
Friedrich von Kessel, der von 1819 bis zu seinem Tod 1827 Kommandant des Invalidenhauses war.

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Schauen wir von diesem Standpunkt aus etwas nach links, sehen wir einen Löwen auf einem
Grabmonument. Es ist das Grab des preußischen Generals und Heeresreformers Gerhard Johann
David von Scharnhorst, das wir nach wenigen Schritten erreichen.

Ein Eisengitter umgibt die Anlage, in der sich


Grabplatten von weiteren Familienmitgliedern
befinden. Ein Hinweis zum Löwen: er stammt aus
der Königlichen Eisengießerei.

Fontane hat seinen Besuch der Invalidensäule mit


einem Besuch des Invalidenfriedhofs verbunden.
Das Grabmonument, von Schinkel entworfen, hat
ihn beeindruckt. Er notierte in seinem Tagebuch:
„(Rauch‘s schlafender Löwe u. Schöne Reliefs
von dem sonst wenig erquicklichen Friedrich
Tieck.)“ und schrieb das Kapitel „Der
Scharnhorst-Begräbnisplatz auf dem Berliner
Invalidenkirchhof“, der im Band
„Havelland“ erscheint.

Zurück auf den Hauptweg gehen wir geradeaus und sehen vor uns einen Glockenturm.

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Vor etwa 10 Jahren wurde er aufgestellt und enthält eine erhaltene Glocke der bereits erwähnten
Gnadenkirche. Nebenan können wir uns auf einer Tafel über die Geschichte dieser Kirche und der
geretteten Glocke informieren.
Unmittelbar vor uns bildet die Friedhofsmauer das westliche Ende des Friedhofs. Wir können nun
ca. 100 m nach rechts gehen, wo wir unter einer Linde eine Bank sehen. Hier empfiehlt sich eine
kleine Pause, mit Blick auf den Berlin-Hamburger Schifffahrtskanal. An dieser Stelle stand schon im
19. Jahrhundert eine Friedrich II. gewidmete Königslinde.
Zwei Weggefährten von Fontane wurden auf diesem Friedhof beigesetzt: am 30.9.1886 Botho von
Hülsen, ehemaliger Offizier und spätere Intendant der Königlichen Schauspiele in Berlin und am
10.6.1914 der Schriftsteller und Theaterkritiker Karl Frenzel. Während Hülsen Fontanes
Vorgesetzter am Schauspielhaus war, so war Frenzel ein geschätzter Kollege. Er hat auch im Januar
1890 im Englischen Haus die Festansprache zu Fontanes 70. Geburtstag gehalten. Die Gräber sind
noch vorhanden.
Viele preußische Militärs, die hier beigesetzt wurden, waren Fontane bekannt, fanden Eingang in
seine Werke.
Bevor wir den Friedhof nun verlassen, möchte ich noch auf die Gedenkstätte für die Schwestern des
zuvor gesehenen Augusta-Hospitals, sowie auf die Grabplatte für die langjährige Oberin des
Krankenhauses Ida von Arnim hinweisen.
Auf Grund ihrer interessanten und wechselvollen Geschichte empfiehlt sich eine Führung auf diesem
Friedhof.

Wir befinden uns nun wieder in der Scharnhorststraße und laufen nach links weiter. Im Torbogen
der Hausnummern 28/29 finden wir historische Fotos dieser Gegend.

Wir gehen nun weiter bis zur Kieler Straße, hier lädt eine Bäckerei zu einer Rast ein, und sehen ein
Krankenhaus auf der rechten Straßenseite. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde am oberen Ende
der damaligen Kirschallee ein Krankenhaus für das Militär errichtet. Es passte in diese an
militärischen Einrichtungen reiche Gegend und auch die Nähe der Charité spielte eine Rolle. Auch
heute dient es dem Militär als Bundeswehrkrankenhaus. In den Jahren der DDR unterstand es als
Polizeikrankenhaus dem Ministerium des Innern.
Das historische Gebäude wurde in die Neubauten integriert und sind, nach Überqueren der Straße,
gut zu erkennen.

Wir gehen wieder ein paar Schritte zurück und biegen in die Ida-von-Arnim-Straße ein, die nach
der bereits erwähnten Oberin benannt wurde. Seit etwa 10 Jahren verbindet sie die
Scharnhorststraße mit der Chausseestraße und quert den Pankepark. Beim Flüsschen Panke
handelt es sich um die Südpanke, die in der Nähe der Liesenstraße der „Alten Panke“ entspringt, sich
teils unterirdisch durch Mitte schlängelt und am Schiffbauerdamm in die Spree mündet.
Nach knapp 500 m und etlichen Baustellen erreichen wir die Chausseestraße. Das 2019
fertiggestellte BND-Gebäude ist nicht zu übersehen.

An der Ampel überqueren wir die Chausseestraße und links die Wöhlertstraße. Nach knapp 200 m
erreichen wir die Liesenstraße und biegen, an der Tankstelle vorbeigehend, in diese ein.
Die Liesenstraße verbindet die Chausseestraße mit der Gartenstraße und bildet die Grenze zwischen
Mitte und Wedding, war von 1961 bis 1989 Grenzgebiet. Davon waren auch die Friedhöfe betroffen.
Benannt ist die Straße seit den 1830er Jahren nach Carl Adolf Friedrich Liesen, dem Eigentümer
eines Gartenlokals und Vermieter von erschwinglichen Sommerwohnungen. Sie lag außerhalb der
Zollmauer und hatte noch ländlichen Charakter.
Fontane, der in den Jahren seiner Ausbildung an der Klödenschen Gewerbeschule bei seinem Onkel
August wohnte, zog mit ihm und Tante Pinchen im Sommer 1835 zu „Liesens“, da er dort eine
Wohnung gemietet hatte. Sein Schulweg wurde nun erheblich länger. Für den Weg entlang der
Chausseestraße, der Friedrichstraße in die Niederwallstraße benötigte er eine Stunde. „Das war nun
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wirklich keine Kleinigkeit“, schrieb er in seinen Erinnerungen „Von Zwanzig bis Dreissig“ und weiter
lesen wir „Die Folge dieser ‚Liesenschen Sommerfrische“ war dann auch, daß ich mehr und mehr
der Bummelei verfiel und mich daran gewöhnte, die erste Stunde von acht bis neun zu schwänzen ……
so war auch mir bald die Stunde von acht bis neun viel zu wenig und binnen Kurzem hatt‘ ich es
dahin gebracht, mich halbe Wochen lang in und außerhalb der Stadt herumzutreiben.“
Am 7.8.1876 schildert Fontane nach einem Besuch dieser Gegend Emilie seine Erinnerungen: „Ich
musste an August Fontane denken, der hier sein Geld verspielte …. und an Tante Pine, die ewig
Unschuldige (bis diese Stunde) die Gurli spielte und von allem nichts wußte.“

Bald erreichen wir das Friedhofsgelände. Zwischen 1830 und 1835 entstanden hier drei
Begräbnisstätten.

Zunächst wurde der evangelische Domfriedhof angelegt. Die große Rasenfläche am Eingang weist
auf die Folgen des Mauerbaus hin, auf Einebnungen und Verlusten von Grabanlagen.

Das Grab von Fontane heben wir uns bis zum Schluss auf und gehen zunächst die Liesenstraße weiter
und betreten den Eingang zur katholischen Domgemeinde St. Hedwig.
1831 verkaufte Gastwirt Liesen ein Grundstück an die katholische Domgemeinde, da der erste
katholische Friedhof am Oranienburger Tor (wir kommen dort beim nächsten Spaziergang vorbei) zu
klein wurde.
Fontanes Tunnelkollegen, der Militärschriftsteller Johann Ludwig Urban Blesson (1861) und der
Schriftsteller und Diplomat Anton Eduard Wollheim de Fonseca (1884) wurden hier beigesetzt,
aber die Gräber sind nicht mehr vorhanden. Letzterem hat er in seinen Erinnerungen „Von Zwanzig
bis Dreissig“ ein Kapitel gewidmet.
Im „Stechlin“ läßt Fontane Professor Cujacius von Peter Cornelius schwärmen: „ein Kohlestrich
von Cornelius ist mehr wert als alle modernen Paletten zusamengenommen“. Am 6.3.1867 notiert
Fontane den Tod des Malers und einen Tag später erschien in der Kreuzzeitung ein von ihm verfasster
Nachruf auf Peter von Cornelius. Das Grab existiert noch.
Für die Interessierten: 2013 wurde Peter Karl Dussmann, der Begründer der Dussmann-Gruppe und
des Kulturkaufhauses in der Friedrichstraße, hier bestattet.
Hinweisen möchte ich noch auf das Grab der Wilhelmine
Gräfin von Lichtenau. Nach ihrem Tod im Jahre 1820 wurde
sie in der Krypta der Hedwigs Kathedrale am Opernplatz
bestattet. Nach der Kriegszerstörung des Doms im Jahre 1943
wurden ihre sterblichen Überreste mit denen anderer
Verstorbener in die Liesenstraße überführt und auf dem jetzigen
breiten Rasenstreifen beigesetzt. Ernst-Christian Gädtke (verst.)
schildert in der Nr. 29 der „Mitteilungen“ in einem „Brief aus
Berlin“ den Fund einer „einsamen Grabplatte“. Bei einem
Besuch fanden auch wir nur eine verwahrloste einsame
Grabstelle „auf der Grasfläche, die den ehemaligen
Mauerstreifen bedeckt. Diese Fläche steht heute unter
Denkmalschutz. Laut Auskunft der Hedwigsgemeinde ist eine
Pflege und Erneuerung der Grabplatte nicht vorgesehen. Und so
wird eines Tages nichts mehr an das Grab der einstigen Mätresse
Friedrich Wilhelms II. erinnern.

Wir gehen nun wieder zurück zum mittleren Eingang, zum


Französischen Friedhof. Auch hier wird es sich vermutlich
um früheren Liesenschen Grundbesitz gehandelt haben,
den die Französische Gemeinde erworben hat. Es ist der
Kapelle mit Ausstellung siebente Begräbnisplatz der Französischen Gemeinde in
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Berlin, was auf eine große und wachsende französischstämmige Bevölkerung in der 1. Hälfte des 19.
Jahrhunderts schließen lässt.

Wir folgen dem Hauptweg, passieren den Obelisken und sehen rechts einen Wegweiser, der uns zur
Grabanlage von Emilie und Theodor Fontane führt.

Ehrengrab

Am 20.9.1898 abends gegen 21.00 Uhr starb der Schriftsteller, Theaterkritiker, Balladendichter,
Apotheker, Berliner und Erzähler der Mark Theodor Fontane. Unter großer Anteilnahme fand vier
Tage später die Beisetzung statt. Eugène Devaranne, Prediger der Französischen Gemeinde hielt die
Trauerrede. Karl Frenzel, dem wir bereits auf dem Invalidenfriedhof begegnet sind und Robert
Lessing, sein langjähriger Vorgesetzter bei der Vossischen Zeitung, sprachen ebenfalls einige Worte.
Seine Tochter Martha schrieb am 26.9.1898 an Paul Heyse: „Er wurde an George’s Todestag unter
einem schönen großen Baum auf einem kleinen traulichen Colonie-Kirchhof gebettet und viel ehrliche
zärtliche Liebe stand an seinem Grabe.“ In der Presse folgten zahlreiche Nachrufe, die in den
Fontane-Blätter Nr. 65-66 / 1998 abgedruckt sind.
Vier Jahre später, am 18.2.1902 starb Emilie Fontane und am 21.2. wurde sie an der Seite ihres
Mannes beigesetzt. „Es kam die Familie, es kamen noch einmal die vielen Freunde. Blumen und
Kränze in Fülle schmückten ihren Sarg. Pastor Neßler, der Martha und K.E.O. Fritsch getraut hatte,
hielt die Gedenkrede“ lesen wir in „Die Tochter“ von Regina Dieterle.
Im 2. Weltkrieg zerstörten Bomben große Teile des Friedhofs, so auch die Grabstelle der Fontanes.
An der einstigen Stelle wurde zunächst ein Grabstein aufgestellt, in den Jahren des Mauerbaus
instandgehalten, später umgestaltet und 2012 neugestaltet. Heute ist es ein Ehrengrab.

Seit einigen Jahren ist es eine schöne Tradition der Berliner Sektion, am Todestag von Fontane um
11.00 Uhr am Grab eine kleine Feierstunde abzuhalten.
Ebenfalls am Todestag, im Jahre 2010, wurde in unmittelbarer Nähe in einer alten kleinen Kapelle
eine Theodor-Fontane-Gedenkstätte eingeweiht. Wir haben sie der Initiative von Bettina Machner,
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Stadtmuseum, zu verdanken.
Auf sechs Säulen ist anhand von Texten und Fotos das Leben und Wirken Fontanes dargestellt, die
Wände gestaltet mit Landschaften der Mark Brandenburg, einer Landkarte und eine Karte mit seinen
Berliner Wohnstätten.
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Wir sind nun, nach ca. 3 km, am Ende unseres Spazierganges angekommen.
Im nächsten und letzten Teil erkunden wir die Chausseestraße, erreichen am Oranienburger Tor die
Friedrichstraße und enden am Bahnhof Friedrichstraße. Damit sind wir wieder an unserem
Ausgangspunkt angekommen.
Viel Freude beim Erkunden wünscht Ihnen

Ihre Barbara Münzer Juli 2021

Literatur:

Laurenz Demps: Das Königliche Invalidenhaus zu Berlin. 2010


Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. 2018
Wolfgang Gottschalk: Die Friedhöfe der St.-Hedwigs-Gemeinde zu Berlin. 1991
Denkmale in Berlin. Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte. 2003
Jürgen Karwelat: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in historischer Umgebung
am Invalidenpark in Berlin-Mitte. 1999
Wolfgang Feierabend: Spaziergänge durch Fontanes Berlin. 2002
Kurt Pomplun: Berliner Allerlei. 1975
Paul Strauch: Das Invalidenhausviertel. in: Berliner Heimatbücher. 3.1912
Fontane Blätter 28/1978
Fontane Blätter 37/1984
Berlin. Vier Stadtpläne im Vergleich. 1742. 1840. 1875. 2017

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