Sie sind auf Seite 1von 5

DAS COMMA JOHANNEUM IN DER PESCHITTA

von

R. BORGER
Göttingen

Von der Mansteraner Ausgabe des syrischen Neuen Testaments


ist kurzlich der erste Band erschienen: Die Groflen Katholischen
Briefe, in Verbindung mit A. Juckel herausgegeben und untersucht
von Barbara Aland, Berlin 1986. Diese Publikation ist zweifellos
sehr willkommen und im ganzen als eine beachtliche wissenschaftli-
che Leistung anzuerkennen. Ich m6chte freilich nicht auf diese Ar-
beit im allgemeinen eingehen, sondern nur gewisse Prazisierungen
geben zu einem Passus, der mit Recht im Haupttext fehlt: das
beruhmt-beruchtigte Comma Johanneum, die trinitarisch erweiter-
te Fassung von 1. Joh. 5:7f.
Wie es zum Comma Johanneum gekommen ist, wird ausfuhrlich
beschrieben von Tischendorf in seiner Octava maior II, S. 337-341 1
und von Brooke, The Johannine Epistles (ICC), S. 154-165. Vgl.
auch Metzger, Textual commentary, S. 715-717 in Kombination
mit den Angaben in GNT und in NA26. Zur Aufnahme in die dritte
Auflage von Erasmus' Textausgabe (1522) und damit in den textus
receptus siehe H. J. de Jonge, EThLov 56 (1980), S. 381-389.
1. Joh. 5:7f. lautet nach der gangigen Ausgabe der British and
Foreign Bible Society (1920 usw., II, S. 64), die von B. Aland als
textus receptus ubernommen worden ist, wie folgt: 7) wyyhwn tlt'
shdjn 8) rwb) wmp wdm) wtltjhwn bhd 'nwn (in der BFBS-Ausgabe zu-
sammen als Vers 8 gezahlt). Auf S. 268 ist angegeben, daB die Aus-
gabe von Schaaf in 5:7 den Zusatz dtlt' 'nwn dshdjn 'b' mlt'
wrwb) qdy'P wtlyhwn 4d 'nwn enthdlt, die Mossul-Ausgabe statt des-
sen w Y4hwn tlt shdjn )b) wmlt' wrwh' > dqwdPwtltJhwn bd 'nwn,
und dafl sowohl bei Schaaf wie in der Mossul-Ausgabe in 5:8 nach
shdjn das Wort b'r" vorhanden ist. Das ist korrekt, abgesehen von
dem Umstand, daB die Einklammerung des Wortes b'r" bei Schaaf
verschwiegen wird und daB auf die Bemerkung zu 5:7 in Schaafs
Apparat unbedingt hdtte hingewiesen werden sollen. Es reicht aber
nicht entfernt aus, um dem Benutzer der neuen grogen Ausgabe
281

auch nur einigermaflen klar zu machen, was da nun eigentlich pas-


siert ist. Ich halte es fur erwunscht und lehrreich, das Unterlassene
hier nachzuliefern.
Die im lateinischen Bereich entstandene trinitarische Erweite-
rung der fraglichen Textstelle ist, wie zu erwarten war, in keiner
einzigen syrischen Handschrift vorhanden, weder in Peschitta-
Handschriften noch in der Harclensis.
In allen drei groflen Polyglotten (Antwerpener Polyglotte V/2,
1571; Pariser Polyglotte V/2, 1633; Londoner Polyglotte V, 1657)
wird 1. Joh. 5:7 als im Syrischen nicht vorhanden bezeichnet. 1.
Joh. 5:8 lautet hier: w j jhwn tlt' shdjn rwh' wmj' wdm wtlyhwn bhd
Inwn. Ebenso die von [C. Buchanan] und [S. Lee] fur die BFBS er-
stellte Ausgabe (London 1816 usw.).
Die Ausgabe von Tremellius (Genf 1569) hat statt 1. Joh. 5:7 fol-
gende Randnotiz: Totum septimum versiculum Syrum Testamen-
tum omittit, sicut etiam multi Graeci codices: qui ita restitui posset,
dtlt) 'nwn dshdjn 'b' mlt' wrwh' qdjl' wtlthwn hd 'nwn. Id est,
Nam tres sunt qui testificantur in caelo, Pater, et Sermo, et Spiritus
sanctus: et hi tres unum sunt. Sed quia non modo in impresso, sed
etiam in manuscripto codice Heydelbergensi omittebatur, nec in
omnibus vetustis Graecis codicibus legebatur, textui inserere non
sum ausus. Ne tamen versiculorum fieret perturbatio, utque eorum
numeri responderent numeris versiculorum Graeci textus, a sexto
transilii ad octavum. 1. Joh. 5:8 lautet bei Tremellius: wyyhwn tlt'
shdjn rw4' wmp wdm' wtlthwn bhd 'nwn, ohne Randnotiz.
Die neutestamentliche Polyglotte von E. Hutter (Nurnberg
>
1599/1600) bietet Folgendes: 7) (dtlt) )nwn dshdjn "b' mlt' wrwh'
>
dqwds' wtlthwn hd 'nwn) 8) w j jhwn tlt' dshdjn rw4' wmj' wdm
wtlthwn bhd 'nwn. Tremellius' rekonstruierter Vers 7 ist hier also
Haupttext geworden, wenn auch in runden Klammern. Statt wrwh' I
qdjs' liest Hutter In Vers 8 hat er nach dshdjn in run-
den Klammern das Wort b'r" eingefugt, das bei Tremellius nicht
vorhanden war. Die Weglassung des Comma Johanneum ist nach
Hutter ein insigne erratum nec silentio praetereundum nec ulla ra-
tione excusandum. Fur diese k3hne Behauptung beruft er sich auf

1 Tatsächlich ist das die in der Peschitta übliche


Bezeichnung. 2. Pet. 1:21 und
Jud. 20 bieten zwar aber diese Belege stammen nicht aus der eigentli-
chen Peschitta. Eph. 4:30 und 1. Thess. 4:8 bietet die Peschitta bzw.
qdjt', also das feminine Adjektiv.
282

Hieronymus - aber der Prologus septem epistolarum canonica-


rum (Wordsworth und White III, S. 230 f.) stammt bekanntlich
nicht von Hieronymus.2
In der Ausgabe von Gutbier (Hamburg 1664/67) lesen wir: 7)
dtlt' 'nwn shdjn 'b' mlt' wrwh' qdjP wtl?hwn hd )nwn 8) w Yohwn
tlt' shdjn rwh) wmj' wdm) wtlohwn bhd Inwn. Hier ist also das
Comma Johanneum ohne Wenn und Aber im Haupttext vorhan-
den. Die etwas uberraschende Begrfndung fur dieses Verfahren im
Apparat will ich meinen Lesern nicht vorenthalten: Cum notum
sit, Arrianos [d.h. die Arianer] nec ipsi Graeco textui, nec versioni-
bus Orientalibus hic pepercisse, ex notis Tremellii hunc versum, in
aliis editionibus desideratum, adscripsimus. Zu Z. 8 findet sich im
Apparat nichts, die Einschiebung von Pro wird nicht hervor-
gehoben.
Die Ausgabe von (Leusden und) Schaaf (Leiden 1709, 21717)3
schlieflt sich voll dem Wortlaut und dem Verfahren Gutbiers an,
bietet aber das in 1. Joh. 5:8 immerhin in eckigen Klammern
und liest in 1. Joh. 5:7 wieder, wie Tremellius und Hutter, dshdjn
statt shdjn. In seinem Apparat zu Vers 7 bemerkt Schaaf: Versum
septimum Vien. [d.h. Widmanstadius, Wien 1555] Reg. [d.h. Ant-
werpener Polyglotte] Plant. in 8° et 12° [d.h. Plantin, 1574 bzw.
1575] Paris. min. [d.h. Boderianus, 1584] Trost. [d.h. Trostius,
1621] Paris. maj. [d.h. Pariser Polyglotte] Angl. [d.h. Londoner
Polyglotte] editiones non habent: Tremellius eum ita de suo in mar-
gine posuit ..... Gutbierius et ego ex Tremellii notis eundem des-
cripsimus, et textui inseruimus. Attamen Gutb. habet shdjn, absque
praefixo d: et Gutb. ac ego pro wtlthwn habemus wtllj'hwn: vide
Gram. Harm. de Dieu pag. 172.173 [d.h. L. de Dieu, Grammatica

2
Anknüpfend an diese Erwähnung der Hutterschen Polyglotte des N.T. eine
Berichtigung zu B. Aland, a.a.O., S. 5, Anm. 17. Hier lesen wir: "In früheren
Polyglotten, so in der Antwerpener von 1599, ist der Text der Apokalypse vom
Editor selbst ins Syrische übersetzt, weil er in den einzig bekannten Handschriften
nicht enthalten war (vgl. Darlow/Moule p. 1534 squ. und Bd. 2,1 p. 19)". Hier
ist leider einiges danebengegangen. Die Antwerpener Polyglotte (V/2, erschienen
1571!) hat bekanntlich überhaupt keine syrische Apokalypse. Nur Hutter hat die
in der Peschitta fehlenden Bücher (Apokalypse usw.) "syn theöj" ins Syrische
übersetzt. Darlow und Moule, Historical catalogue II/1, S. 10 und 15f. und II/3,
S. 1532 haben den Sachverhalt völlig korrekt dargestellt.
3 B. Aland, a.a.O., S. 3
fragt sich, welche und wieviele Handschriften Schaaf
seiner Arbeit zugrundegelegt hat. Es sieht leider sehr danach aus, daß er über-
haupt keine Handschriften benutzt hat, und er behauptet das auch gar nicht.
283

linguarum Orientalium, Hebraeorum, Chaldaeorum, et Syrorum,


inter se collatarum, Leiden 1628].4
Wie bereits hervorgehoben, haben die Ausgaben der BFBS (18166
und 1920) das Comma Johanneum nicht aufgenommen.
In den Jahren 1887-1891 erschien in Mossul die dreibandige von
Dominikanern erstellte syrische Bibelausgabe.1 Sie ist ausgestattet
mit Approbationen des Patriarchen von Babylon, Petrus Elias Abo-
lyonan, und des Erzbischofs von Amid (Diarbekir), Georgius
Ebed Jesus Khayyath. Der Patriarch empfiehlt die fragliche Ausga-
be als omnes divinos libros perfecte continentem, peritorum viro-
rum opera bene castigatam, typisque Catholicis impressam. Sie
sollte gewissen protestantischen Ausgaben, in quibus nihil sane est
commodi lectoribus, utpote mancis, passimque mala fide et subtili
astutia corruptis, den Garaus machen. Der Erzbischof erweist sich
als Gegner der zahlreichen Ausgaben erroribus ac mala fide passim
scatentium, quae a Protestantium sectarum ac societatum typis
prodeunt, et tanta cum animarum pernicie per omnium manus cir-
cumferuntur ... Es ist mir nicht recht klar, an welchen Stellen etwa
bei Lee das Seelenheil gefdhrdende sublimis astutia und mala fides
diagnostiziert werden k6nnen, die fraglichen geistlichen Wurden-
trager haben ihre Anklage leider nicht spezifiziert. Fur diese Bibel-
ausgabe wurde nun das Comma Johanneum erneut aus dem Latei-
nischen ins Syrische ubertragen, und zwar erstmalig ohne
irgendwelche Andeutung, dag es in den syrischen Handschriften
schlechterdings nicht bezeugt ist. Wir lesen hier: 7) ilt'
shdjn 'b' ze?mlt' zc?rze?h' wtltjhwn bd 'nzem 8) tlt'
shdjn b )rO rwb' ze?mj' wdm wtltjhwn bhd 'nzem. Es fdllt dabei schwer,

4 Tatsächlich ist tlthwn bei Tremellius und Hutter (Vers 7 und 8) fehlerhaft.
tltjhwn besteht aus der Zahl tlt + Femininendung t + Adverbialendung aj + Per-
sonalsuffix. Vgl. dazu Brockelmann, Grundriß der vergleichenden Grammatik
der semitischen Sprachen I, S. 488; Nöldeke, Kurzgefaßte syrische Grammatik2,
§ 149; Brockelman, Syrische Grammatik6, § 160; Ungnad, Syrische
Grammatik2, § 24h; Bauer und Leander, Grammatik des Biblisch-Aramäischen,
S. 249 unten (zu Dan. 3:23); Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer, S.
723f. und 95. Brockelmann hält -aj- für die Dualendung, durch Analogie von der
Zahl 2 auf die Zahlen 3-9 übertragen, aber das dürfte nicht akzeptabel sein. Das
Akkadische kennt diese Konstruktion in der Verbindung sebett�šunu = ihrer sie-
ben, sie sieben, die sieben (Belege Chicago Assyrian dictionary Band S, S. 230f.
sub voce sibittu), vgl. Borger, Babylonisch-assyrische Lesestücke2 II, S. 191f.
(nachzutragen zu W. von Soden, Grundriß der akkadischen Grammatik + Er-
gänzungsheft, § 113k).
5 Nachgedruckt in Beirut, 1951 (Biblica 35, S. 49*, Nr. 900).
284

sich nicht an die soeben gelesenen Begriffe astutia und mala fides
erinnert zu fühlen. 6
Auf S. 267 f. der neuen Munsteraner Ausgabe findetsich ein
Anhang "Abweichungen wichtiger Peschitta-Ausgaben vom
BFBS-Text" (vgl. dazu S. 3 unten). Es ist schade, dag man dabei
nur "die heute gebrauchlichen Peschitta-Editionen" Schaaf, [Bu-
chanan + Lee] und die Dominikanerausgabe benutzt hat. Es ware
m. E. nutzlich gewesen, auch Gutbier, Tremellius, Widmanstadius
und die groflen Polyglotten in diesem Sinne zu verwerten, zumal
fur diese Ausgaben zum Teil nicht mehr greifbare Handschriften
benutzt worden sind. Gutbier und Schaaf sind hier mit gutem Bei-
spiel vorangegangen, aber beider Apparate lassen an Genauigkeit
und Vollstandigkeit zu wunschen ubrig.

6 Lemoine, RB 60, S. 131 teilt mit, daß nach einem Schriftstück des oben er-
wähnten Erzbischofs Khayyath "les passages qui manquaient dans la Peshitta ont
été rétablis en syriaque d' après la Vulgate".

Das könnte Ihnen auch gefallen