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europäischen Geschichte
Antike
ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Taeuber
Mittelalter
Univ.-Prof. Dr. Walter Pohl
Frühe Neuzeit
Univ.-Prof. Dr. Dorothea Nolde
Zeitgeschichte
Univ.-Doz. Mag. Dr. Maria Mesner
Zusammengestellt von
Philipp Tschirk
Sommersemester 2019
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Table of Contents
1. Antike .................................................................................................................................................................... 4
2. Mittelalter ............................................................................................................................................................51
2.3. Die Umwandlung der römischen Welt und die Entstehung neuer Reiche..........................................56
3. Neuzeit ................................................................................................................................................................82
3.11. Eskalation eines Konfliktes. Der Weg in den Ersten Weltkrieg ....................................................... 118
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1. Antike
1.1. Vorüberlegungen
Die “Alte Geschichte” gliedert sich in Epochen, welche sich oft nicht klar abgrenzen lassen. Die
kulturgeschichtliche Relevanz etwa Griechenlands ist mannigfaltig: Die ionische Naturphilosophie
transzendierte erstmals den unmittelbaren Phänomenbezug in der Frage nach den Ursprüngen und
Zusammenhängen des Seins, Athen ist die Wiege der abendländischen Demokratie und Literatur. Zur
Chronologisierung geschichtlicher Sachverhalte wird etwa die C 14 Methode angewandt, in der der Zerfall
von Kohlenstoff untersucht wird, die Dendrochronologie, die mit Altersringen an Bäumen arbeitet, die
Thermolumineszenzmethode, mit der sich etwa Keramik datieren lässt, sowie die Untersuchung von
Sonnen- und Mondfinsternissen. Die geisteswissenschaftlichen Methoden arbeitet etwa mit Königslisten,
ausgehend von der antiken Datierung von “Ären”, die oft mit Personen koinzidieren, ähnlich der
Benennung von Zeiträumen nach eponymen Beamten (z.B. Konsulen), sowie den Aufzeichnungen bei
antiken Historikern (z.B. Herodot, Thukydides). Bei Letzteren finden sich oft keine Jahresdatierungen, diese
müssen unter Rückgriff auf die anderen Forschungsmethoden erschlossen werden. Zudem ist die
Erforschung der geographischen und klimatischen Verhältnisse für ein Verständnis historischer
Zusammenhänge wichtig. Entwicklungslinien werden durch Faktoren wie Ressourcen sowie Ernährungs-
und Produktionsmöglichkeiten wesentlich mitbestimmt.
1.2. Urgeschichte
Der Neandertaler wanderte zwischen ca. 200.000 - 25.000 v. Chr. von Afrika nach Europa ab. Man spricht
von der Eiszeit, welche vor ca. 4 - 5 Millionen Jahren durch eine Verschiebung der amerikanischen
Kontinenten ausgelöst wurde. In deren Folge kam es zu einer Erwärmung der Meeresströme, welche
wiederum durch vermehrte Niederschläge die Bildung einer Eisschicht bis zur Mitte Europas bewirkte. Der
Neandertaler bekam Konkurrenz durch die Einwanderung des Homo Sapiens. Die Abschmelzung der
Eisschicht ab ca. 9000 v. Chr. hatte eine erneute
Wanderung der Menschen zur Folge. Klimawandel
haben historische Auswirkungen, so wurde auch die
Völkerwanderung wahrscheinlich durch eine
Klimaschwankung ausgelöst. Es kam zu
Vermischungen zwischen Neandertaler und Homo
Sapiens, grundsätzlich war die Ausrottung des
Neandertalers jedoch die Folge der Begegnung.
Früheste kulturelle Ausdrücke sind etwa die Höhlenmalereien von Chauvet (ca. 32.000 v. Chr.), in denen
Jagdszenen dargestellt wurden und die wahrscheinlich in Bezug zu magischen Praktiken stehen. Die Venus
von Willendorf (ca. 25.000 v. Chr.), eine kleine Plastik einer beleibten Frau, kam möglicherweise als Idol in
Fruchbarkeitsitualen zum Einsatz. Die Altsteinzeit zeichnet sich durch die Verwendung von primitiven
Steinwerkzeugen aus, die Menschen waren in erster Linie Jäger und Sammler. Die “neolithische Revolution”
(ca. 9000 v. Chr.) koinzidiert mit dem Ende der Eiszeit und nahm ihren Ausgangspunkt im sogenannten
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“fruchtbaren Halbmond”, der Region, die vom persischen Golf aus in Form einer Diagonale bis nach
Palästina verläuft. Die “neolithische Revolution” besteht im Übergang von der zufälligen Nahrungssuche
zur planmäßigen Nahrungsherstellung sowie der Domestikation von Tieren zum
späteren Verzehr. Der Mensch versuchte, seine Lebenswelt um ein Stück planbarer
und zu machen und die Ungewissheit des nomadischen Daseins abzubauen, jedoch
stellten sich mit der Sesshaftigkeit auch notgedrungen Fragen nach Besitzansprüchen
sowie materiellem und territorialem Konkurrenzdenken ein. Zeugnisse der
neolithischen Kultur sind etwa die Reliefs von Göbelki Tepe (ca. 8800 - 8000 v. Chr.)
oder die Ruinen der Stadt Nevali Cori (ca. 8500 - 8000 v. Chr.), in denen sich Zeichen
primitiver Organisation über den Familienverbund hinaus aufweisen lassen. Es kam
erstmals zur Arbeitsteilung, welche die Bildung primitiver politischer Strukturen
notwendig machte. Ca. 6300 v. Chr. entstand die Siedlung Catal Höyük, in der ein Idol einer weiblichen
Göttin auf einem Thron mit Löwenköpfen gefunden wurde, ein Motiv, welches sich noch in einer antiken
Statue der Göttin Kybele wiederfindet. Man fand auch Formen von Wandmalereien, etwa die Abbildung
eines überproportionierten Stieres, was auf eine der minoischen Kultur ähnliche Verehrung des Tieres
hinweist.
In Mesopotamien, dem fruchtbaren Gebiet zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, entstand die
erste Hochkultur. Aufgrund der Wasserzufuhr konnte man die Hitze für den Ackerbau nutzen, die
Organisation der Bewässerungsanlagen machten die Bildung größerer sozialer Strukturen notwendig, welche
nicht ohne die Bildung politischer Institutionen von Statten gehen konnte. Es wurde notwendig, Gesetze
und administrative Belange schriftlich festzuhalten, was zur Entstehung einer Schriftkultur (Keilschrift)
beitrug. Die Schriftzeichen entstanden aus zunächst bildlichen Zeichen, die graduierlich abstraktere Formen
annahmen. Um 3000 v. Chr. entstanden städtische Zentren der
Sumerer (Uruk, Ur), nach deren Untergang ab ca. 2340 v. Chr.
traten die Akkader hervor. Diese Brachten den ersten
Weltherrscher, Sargon den Ersten, hervor, dessen
Lebensgeschichte stark der des biblischen Propheten Mose ähnelt.
Aus dem 25. Jhd. v. Chr. stammt die sogenannte
“Geierstele”, sowie die “Standarte von Ur”, eine mit
Einlegearbeiten versehene Holzplatte, die einen Herrscher mit Wagen neben der zivilen Bevölkerung zeigt.
Mittelpunkt der vorgeschichtlichen Siedlung bildet der “Zikkurat”, der Tempelberg. Als neues
Machtzentrum bildet sich um 2117 v. Chr. Assur, die Stadt Mari am Euphrat hatte eine wichtige Funktion
als Umschlagsort. Dort finden sich Paläste, deren Baupläne große Ähnlichkeit mit den späteren in Kreta
aufweisen, was auf einen genealogischen Zusammenhang der Kulturen hindeutet. Diese Paläste erfüllten
den wesentlichen Zweck der Warenverteilung in der zentralisierten Gesellschaft. Um 1894 v. Chr. entstand
das Reich der Babylonier, in dem unter König Hammurabi eine erste Festlegung von Rechtsvorschriften
unternommen wurden. Die darin festgelegten Satzungen erscheinen auf den ersten Blick als drakonisch,
jedoch wird in der Gesetzgebung auch gegen Korruption und für das Recht unterprivilegierter Stände (etwa
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der Soldaten gegenüber ihrer Heerführer) eingetreten. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Dämme entlang
der Bewässerungsanlagen erhalten bleiben. Grundsätzlich sollen sich alle zum größtmöglichen Wohlstand
der Gemeinde einsetzen. Die Herrschaft Hammurabis endet mit der Entstehung des Hethiterreiches, es
kommt zu einem erneuten Erstarken des Reiches der Assyrer (mittel- und neuassyrisches Reich). Unter
Tiglatpileser III. erstreckt sich die assyrische Vorherrschaft bis zum
Mittelmeerraum, Völker würden in äußerst grausamer Weise erobert und teils
deportiert. Asarhaddon (680-669 v. Chr.) gelang es sogar, Ägypten in das
assyrische Reich einzugliedern. Die Regentenstadt war Ninive, auch hier sind
eine Reihe eindrucksvoller Reliefs überliefert. Das neuassyrische Reich wurde
von den Meda gänzlich ausgerottet, um 625 v. Chr. kam es zur Bildung des
neubabylonischen Reiches. Unter Nebukadnezar II. kam es zur Eroberung
Ägyptens und der Deportation des jüdischen Volkes, welches bis zur
Eroberung Babylons durch das Perserreich im Herrschaftsgebiet der Babylonier angesiedelt wurde. Es gab
speziell bei den Sumerern, ein Priesterkönigtum, der König leitete seine Autorität aus der besonderen
Beziehung zur jeweiligen Stadtgottheit beziehungsweise einer persönlichen Abstammung von denselben ab.
Die Götter erschienen als erhaben und furchteinflößend. Der biblische “Turmbau von Babel” bezieht sich
auf den babylonischen Zikkurat. Man konnte die Bewegungen der Himmelskörper bereits gut berechnen,
im Gilgamesch-Epos findet sich eine frühe Sintflut-Erzählung. Der Handel reichte mitunter bis nach Indien,
es wurden neben landwirtschaftlichen Produkten vor allem Kriegswerkzeuge gehandelt.
1.2. Ägypten
Im Gegensatz zu Mesopotamien ist Ägypten geographisch isoliert und deshalb weniger anfällig für
kriegerische Übergriffe. Das Nildelta ist die einzige ökonomisch nutzbare Fläche, westlich liegt
unbewohnbares Wüstenland. Die Ägypter führten immer wieder
Auseinandersetzungen mit ihren südlichen Nachbarn, den Nubiern. Herodot
schreibt über das angenehme Leben im Niltal, die durch Monsunregen im
tropischen Hochland verursachten Überschwemmung in den
Sommermonaten sorgt für die Fruchtbarkeit der Felder. Tatsächlich war es
jedoch nicht so einfach. Die anstehende Überschwemmung wird durch das
Wiederaufsteigen des Sirius, des Hundssternes (daher der Begriff
“Hundstage”), mit dem auch das ägyptische Jahr begann. Der ägyptische
Kalender wurde wahrscheinlich um 2728 v. Chr. fixiert. Ägypten wird in
Ober- und Unterägypten unterteilt, Hauptstadt von Oberägypten war Kairo,
von Unterägypten Theben. Die Geschichte Ägyptens wird in verschiedene Dynastien unterteilt, ab der
protodynastischen Zeit (32000 - 31000 v.Chr.) kommt es erstmals zur Staatenbildung in Nildelta. Aus dieser
Zeit sind auch die ersten Hieroglyphen überliefert. In der sogenannten Dynastie Null (ca. 3050 v. Chr.)
herrschte der sogenannte Skorpionkönig. Unter der Führung Unterägyptens kommt es während der ersten
bis zweiten Dynastie (3100 - 2700 v. Chr.) zur Vereinigung der Reiche, der Herrscher nennt sich von da an
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“Pharao”. Der Pharao ist zugleich Gott und völlig unnahbar, aufgrund seiner Göttlichkeit musste der
Pharao seine Schwester heiraten, hatte daneben jedoch oft Konkubinen. Für den Umgang mit dem Volk
hatte der Pharao einen Boten, einen ”Wesir”. Im Falle etwa eines jungen
Pharaos kam es auch vor, dass der Wesir großen Einfluss auf die Politik
ausüben konnte. Das Land wurde in zwölf “Gaue” unterteilt, die von
regionalen Herrschern geleitet wurden. Ab der dritten Dynastie (2700 -
2630 v. Chr.) kam es zu einer Anhäufung von materiellem Reichtum und
infolge zu Bauprojekten. In dieser Zeit entstanden erstmals größere
Grabbauten in Form von Stufenpyramiden, etwa die in Ziqqurat, die sich
auch kleineren sogenannten “Mastabas” entwickelten. In der vierten Dynastie wurden die großen Chephren-
und Cheopspyramiden in Gizeh erbaut. Das Material wurde mit Schiffen angeliefert und über
windungsförmige Rampen nach oben transportiert. Die Erbauung dauerte ca. zwanzig Jahre. Sklaven gab
es nicht, die Bevölkerung erbaute die Pyramiden Großteiles bereitwillig aus Ehrfurcht vor dem göttlichen
Pharao. Wichtige Monumente sind zudem die Sphinx und der Obelisk der Hatschepsut, die mit
ausführlichen Inschriften versehen ist. In der 5./6. Dynastie kommt es zu einer allmählichen Schwächung
des Systems, unter Piepos II. (2245 - 2180 v. Chr.) begannen sich die lokalen Regenten selbstständig zu
machen. In den “Klagen des Ikuver” wird das resultierende Chaos am Ende der sechsten Dynastie
geschildert, es kam zu Aufständen und der Bildung eines autonomen Reiches im Süden.
Nach der ersten Zwischenzeit (7. - 10. Dyn) entstand unter Mentuhotep II. das “mittlere Reich”.
Amenemhat I. (12. Dyn.) erweiterte das Reich in Richtung Süden, es entstand der „Roman des Sinuhe”, der
aufgrund einer Verleumdung nach Palästina fliehen musste, eine Thema, das später oft rezipiert wurde. Der
Handel wird bis nach Asien erweitert, die Oase “Phayun” östlich des Nildeltas wurde systematisch
erschossen. Die zweite Zwischenzeit (13. - 17. Dynastie) ist gekennzeichnet durch Einfälle etwa der Hyksos,
die das Delta unterwarfen und eine eigen Hauptstadt namens
Awaris errichteten und unter Apopi ganz Ägypten beherrschten.
Aus dieser Zeit stammt ein Fresko mit dem Motiv einer
“Stierspringers”, welches sich auch auf Knossos (Kreta) findet. Die
Herrschaft der Hyksos wurde in einer Auseinandersetzung mit den
Hethitern gebrochen, woraufhin unter Thutmosis I. (18. Dyn.) ein
neues ägyptisches Reich mit starker Expansionspolitik nach Süden
hin errichtet. Es kommt zur Belegung des “Tals der Könige” mit
aufwendigen Grabbauten sowie der Erbauung des Tempels in Karnak. Thutmosis II. starb früh und
Thutmosis III. war noch ein Kind, seine Mutter Hatschepsut übernahm die Pharaonenregentschaft mit allen
Insignien und Titeln, wogegen es anscheinend keinen substantiellen Widerstand von Seiten der
Bevölkerung. As Thutmosis III. sechsundzwanzig war übernahm er schließlich die Herrschaft. Erst später
wurden vom Priesterstand Versuche unternommen, Hatschepsut aus der Geschichte auszulöschen.
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Thutmosis der III. setzte die Expansion in den Süden und Osten fort und unternahm sechzehn Feldzüge.
Echnaton (1364 - 1347 v. Chr.) unternahm Versuche, das religiöse und politische System des Reiches zu
reformieren. Statt Amun und Re wurde Aton als neuer Sonnengott eingesetzt, als
dessen Sohn sich Echnaton einsetzte. Den lokalen Priesterkasten wurden die
finanziellen Mitteln entzogen, Echnaton gründete die neue Regentenstadt Amarna
von wo aus das Reich zentral regiert werden sollte. In der Zeit Echnatons wurde
auch ein neuer Kunststil geprägt, was sich etwa in der Plastik der Nofretete, seiner
Frau, abzeichnet. Der neue Kult um Aton, einem unpersönlichen Sonnengott, kam
beim Volk gut an. Nach dem Tod Echnatons regierte sein Sohn Tutanchaton, der
noch als jugendlicher zur Herrschaft kam und dementsprechend unter großem
Druck stand den monotheistischen Kult zu enthalten. Nach dessen Abschaffung musste er sich in
Tutanchamun umbenennen und starb unter ungeklärten Umständen. Wahrscheinlich stürzte Tutanchamun
an den Folgen eines Unfalls mit seinem Streitwagen. Seine Grabkammer wurde nicht geplündert, ihre
Entdeckung durch Howard Carter im 20. Jahrhundert war eine Sensation.
Ramses begründete ab ca. 1300 v. Chr. die 19. Dynastie, wichtiger Herrschaftsgestalten waren vor
allem Ramses der II., unter dem 1285 v. Chr. eine Schlacht bei Kanesh gegen den Hethiterkönig Muba Dali
gewonnen bzw. einen Gleichstand erlangte. Anschließend wurde ein Frieden geschlossen, die
entsprechenden Dokumente sind gut erhalten. In Verbindung mit der sogenannten “Seevölkerwanderung”
um 1180 v. Chr. zu Eroberungsversuchen. Ramses III. schildert eine epische
Schlacht gegen die eindringenden Völker, durch deren Anwendung das ägyptische
Selbstbewusstsein stark vergrößert wurde. In Medinet Habu finden sich plastische
Darstellungen der Seevölker und deren Bezwingung durch Ramses III. In der
Spätzeit Ägyptens verliert das Reich schrittweise seinen Einfluss. Vor Saiten (26.
Dynastie) kam es zur Eroberung Memphis durch die Assyrer, die Necho I. als
Herrscher einsetzen. Unter Necho II. kam es zum Bau des Nechokanas, einem
Vorläufer des Suezkanals, der jedoch erst unter dem Perserkönig Saireos
fertiggestellt wurde. Nach der Eroberung Israels durch Nebukadnezar flohen viele Juden nach Ägypten.
Unter Apries wurden gute Beziehungen zu Griechenland geprägt. 525 v. Chr. wird das Reich vom
Perserkönig Kambyses erobert, die Persische Vorherrschaft wurde schließlich von Alexander dem Großen
gebrochen. Die Israeliten sind historisch erstmals auf einer ägyptischen Stele nachweisbar. Um 1000 v. Chr.
kommt es zu einer ersten Blütezeit unter Salomon und der Erbauung des Tempels in Jerusalem. Danach
zerfällt das Reich in Kanaanäer und Samaria. Die Eroberung und Deportierung durch Babylonien war ein
einschneidendes Ereignis für das jüdische Volk. In diesem Kontext entstanden große Teile des Alten
Testamentes, welches in diesem Sinne als Offenbarungsschrift verstanden werden sollte und für sich keine
legitime Quelle darstellt.
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1.3. Die Phönizier, Hethiter und Indogermanen
Die Phöniker siedelten in den Gebieten des heutigen Libanons. Der Begriff Phöniker ist keine
Selbstbezeichnung, sondern wurde von den Griechen geprägt und bedeutet "rot". Der Name leitet sich von
deren Exportmonopol auf die Purpurschnecke ab. Die Phöniker selbst sahen sich als Mitglieder ihrer
jeweiligen Städte. Die Phönizier waren ein sehr erfolgreiches
Seefahrervolk und gründeten Handelskolonien bis ins
Mittelmeer hinein, von denen die wichtigste Karthago war.
Die Stadt wurde um 800 gegründet, das phönizische
Mutterland wurde von einer Reihe fremder Völker, etwa den
Ägyptern oder den Persern, erobert, mit denen sie sich
grundsätzlich gut arrangieren konnten, sie durften ihren
Handel weiterführen, wodurch die Besatzungsmächte mit
vielfältigen Gütern versorgt wurden. Die Phönizier legten keinen großen Wert auf Monumentalbauten, sie
verehrten vor allem Steinidole, zentral war die Göttin Tanit, welche in zahlreichen Stelen und Mosaiken
dargestellt wurde. Aus der Etablierung dieses Kultes in Zypern leitet sich die Artemis-Verehrung in
Griechenland ab. Eine zentrale kulturelle Errungenschaft der Phönizier ist die Einführung des Alphabets.
Das griechische Alphabet wurde aus dem phönizischen entwickelt, indem nicht verwendete Zeichen in
Symbole für Vokale umgewandelt wurden. Die früheste Quelle der phönizischen Schrift ist die Mescha-
Stele um ca. 850 v. Chr.
Die Hethiter, abgeleitet von der Hauptstadt Hatoshar, sind ethnisch gesehen Indogermanen. Die
Gründung des Reiches um 1700 v. Chr. wird auf den legendären König Anitta zurückgeführt. Es kam zu
Expansionsbewegungen in den kleinasiatischen Bereich und nach Syrien., 1595 v. Chr. wurden die
Babylonier erobert. Das Reich zerfiel durch innere Streitigkeiten, ab dem 15. Jahrhundert kam es zu einer
erneuten Kolonisierungsphase. Im 14. Jahrhundert gelang es dem König, die verlorenen Gebiete wieder
unter Kontrolle zu bringen. Die Hethiter führten Handel
mit den Griechen, sie besiedelten in erster Linie die Inseln
der Ägäis und einige Teile Kleinasiens. 1285 v. Chr. kam es
zur Schlacht bei Kadesch, anschließend zur Aufnahme von
Kontakten und einem friedlichen Abkommen. Zur Zeit der
Seevölkerwanderung wurde das ganze hethitische
Großreich vernichtet, wobei wahrscheinlich auch innere
Streitigkeiten eine Rolle spielten. Danach blieben nur noch
einige späthethitische Fürstentümer übrig, die im 8. Jahrhundert von der assyrischen Expansionsbewegung
aufgesaugt wurden. Die indogermanische Bevölkerungsgruppe übte einen beträchtlichen Einfluss auf den
europäischen Raum aus. Sie nahmen ihren Ausgangspunkt in der russischen Steppe, man kann vier große
Wanderungsbewegungen feststellen, erste Hälfte des 3. Jahrtausends, die Seevölkerwanderung 13. - 10. V.
Chr., die keltische Wanderbewegung 5. - 3. v. Chr. und die Völkerwanderung im 4. - 5. Jahrhundert.
Wanderungsbewegungen fanden sowohl in den europäischen Raum als auch nach Asien statt. Vor der
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indoeuropäischen Einwanderung nach Griechenland lebten dort die Pelasger und die Karrer, über die man
nur sehr wenig weiß. Im griechischen Sprachgebrauch gibt es Stadtbezeichnungen, die auf diese Urvölker
zurückgehen.
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Neuerungen entstand. In Lefkandi fand man eine Art Langhaus, in dem der Patron mitsamt seinem
gesamten Pferdegespann beerdigt wurde. Der Verstorbene wurde zunächst eingeäschert, seine Gebeine mit
Wein gewaschen und anschließend separat bestattet. Das ganze Haus wurde unter einem riesigen Grabhügel
bestattet. Die erste große Kolonisationsphase nach
Kleinasien und Zypern im 8. Jahrhundert v. Chr. stellte eine
Erweiterung des griechischen Wirkungsraums dar. Viele der
Arkader suchten sich zu dieser Zeit eine neue Heimat in
Zypern. In Kleinasien gab es ein Machtvakuum nach dem
Zerfall des Hethiterreiches, auch gab es bereits griechische
Niederlassungen wie etwa Milet. Im Zuge dieser
Kolonisation wurde die Schrift neu entdeckt indem
Handelskolonien mit dem griechischen Alphabet in
Berührung kamen. In den Keramiken sowie der Bronzeverarbeitung der Zeit ist der orientalische Einfluss
unverkennbar. Die Mescha-Stele wurde als Ausgangspunkt für die Entschlüsselung des phönizischen
Alphabets genommen. Im Phönizischen gibt es nur Zeichen für Konsonanten, erst im griechischen wurden
gewisse Zeichen zum Ausdruck von Vokalen zweckentfremdet. Auf der Osteria dell’Osa, welches vor 770
v. Chr. datiert wird, findet sich der erste Nachweis des griechischen Alphabets.
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erklären versuchte. In späterer Zeit viel die politische Ordnung den fünf “Ephoren” zu, die Könige kamen
nur mehr bei der Kriegsführung zum Einsatz. Die Spartaner betrieben expansive Politik in Messenien, was
durch die Einführung der Hopliten-Phalanx ermöglicht wurde. Dabei handelt es sich um gepanzerte
Kämpfer mit Rundschildern und langen Lanzen, die in Gefechtsformationen effektive Vorstöße vollziehen
konnten. Die territoriale Erweiterung hatte aber auch Schattenseiten.
Die “Heloten”, die unterworfenen Völker, mussten Frondienst
leisten, dieses System ließ sich nur durch eine starke Militarisierung
aufrechterhalten werden. Den Heloten wurde einmal im Jahr vormals
der Krieg erklärt, strafrechtlich durfte jeder Helot getötet werden, was
auch tatsächlich oft vorkam. Die Spartaner konnten es sich nicht
leisten, längere Kriegszüge zu unternehmen, da sie die Heloten unter
Kontrolle halten mussten. Eine Folge war auch die kulturelle
Verarmung der Spartaner, es gab nur mehr wenig Dichtung und Herstellung von Keramiken. Zeitweise kam
es zu ritualisierten Fremdenvertreibungen. Unter dem “peloponnesischen Bund” konnten die Spartaner fast
alle Staaten des Peloponnese vereinigen. Kinder wurden bereits ab ihrem siebten Lebensjahr einer strengen
militärischen Erziehung überantwortet, in die auch Mädchen miteinbezogen wurden. Bis dreißig lebte man
nicht daheim sondern führte ein kriegerisches Leben, ab dann konnte man heiraten und seinen Bauernhof
bestellen.
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entsandt, man musste Häuser und Palisaden bauen sowie die Felder bestellen und ich auf Kämpfe mit der
lokalen Bevölkerung gefasst machen. Frauen waren nicht Teil des Kolonisationszuges, sie wurden aus der
ansässigen Bevölkerung mehr oder weniger
freiwillig übernommen. Wichtig war auch die
Herstellung von Handelswegen mit den
Kelten. Die Bezeichnung “Tyrannis” stammt
aus Kleinasien, von wo auch wahrscheinlich
die Praktik entspringt. Die Gesellschaft war
von aristokratischen Dynastien dominiert, die
in wechselseitigen Konkurrenzkampf standen.
Man führte einen luxuriösen Lebensstil, fuhr zur See und pflegte internationale Kontakte zu Ebenbürtigen
in anderen Städten. Es wurden athletische, hippische und musische Wettkämpfe abgehalten, beliebt bei den
Aristokraten waren vor allem die Pferderennen, das Reiten war ein Privileg der oberen Schichten. Es gab
bereits olympische Spiele, bei musischen Wettkämpfen wurden etwa Lieder auf der Leier vorgetragen. Bei
der ärmeren Bevölkerung nährte sich im Kontext der Krisenphänomene der Unwillen gegen den Adel. Der
Tyrann wurde von der Unterschicht gegen die aristokratischen Stände eingeführt. In Athen war Peisistratos
der erste Tyrann, dem um ca. 560 v. Chr. die Errichtung einer Tyrannis gelang, die er mittels einer Truppe
von Knüppelkriegers aufrechterhält. Er wurde mehrfach vertrieben, kehrte aber immer wieder zurück,
durch Einsetzung von politischen Würdenträger konnte er eine
Machtstellung aufrechterhalten. Peisistratos errichtete zur Steigerung
seiner Beliebtheit etwa eine Wasserleitung und wertete das
“Panathenäenfest” auf, in dessen Rahmen sportliche Wettkämpfe
abgehalten wurden. Auch begann er, einen gigantischen Zeustempel
nach ionischen Vorbild zu errichten, der jedoch zu seiner Zeit nicht fertiggestellt wurde, sondern erst unter
Kaiser Hadrian ca. 700 Jahre später als Geschenk an die Athener. Nach Peisistratos’ Tod im Jahre 514 v.
Chr. folgten seine Söhne Hippias und Hipparchos in der Herrschaft, die sich jedoch sehr unbeliebt machten.
Ihre Ermordung wurde später in Athen als Geburtsstunde der Demokratie gesehen, die Mörder ernteten
großen Ruhm und wurden mit einer Statue auf der Agora geehrt.
Nach der Beseitigung der Tyrannis wurde alles daran gesetzt, dass sich diese nicht mehr wiederholen
sollte. Es kam zu umfassenden sozialen Reformen (ca. 507/8 v. Chr.), Kleisthenes konnte sich gegen seinen
Kontrahenten Isagoras behaupten sowie die spartanischen Hilfstruppen unter Kleomenes vertreiben und
leitete eine umfassende Neuerung des Staates ein. Bisher gab es in Athen zehn Phylen, die sogenannten
ionischen Phylen, zu denen man durch Geburt gehörte und die in erster Linie eine Rolle bei der
Kultausübung spielten. Die Bevölkerung wurde auf 150 Demen, in Bezirke, unterteilt, die sich in drei
Bereiche zusammenfassen lassen. Einer war das Stadtgebiet im engeren Sinne, ein anderer das Binnenland,
dann das Küstengebiet sowie das Hinterland von Eleusis. Jede Phyle wurde zu einem Drittel aus den drei
Bereichen zusammengestellt, um eine Konstellation wie die, die Peisistratos bei seiner Machtergreifung
ausgenutzt hatte in Zukunft zu verhindern. Geographische Einheiten konnten so nicht mehr entstehen. Die
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zehn Phylen beschickten fünfzig Mitglieder an den “Rat der Fünfhundert”, der jährlich neu besetzt wurde.
Für ein Zehntel jedes Jahres hatten die Vertreter einer Phyle den Vorsitz inne, die Ratsmitglieder mussten
vierundzwanzig Stunden am Tag anwesend sein, um im Notfall schnell Entscheidungen treffen zu können.
Kleisthenes propagierte das Prinzip der Isonomia, der Gleichberechtigung alles Bürger, die auch mit der
gleichen Pflicht der Teilnahme an den öffentlichen Belangen einherging. Die zehn Phylen bildeten im
Kriegsfall auch militärische Einheiten. Die Verfassung des Kleisthenes sah die Bürger von Athen in zehn
Phylen unterteilt, alle Bürger bildeten die Volksversammlung, die Ratsmitglieder werden per los bestimmt.
Die Archonten stammen noch aus den ersten beiden Steuerklassen und werden per Wahl bestimmt und
stellen den Adelsrat, der neben dem Rat der 500 einen nicht unbeträchtlichen Einfluss ausübte.
Zur Zeit des Kleisthenes kam es auch zur Entwicklung der ionischen Naturphilosophie, die erstmals
versuchten, natürliche Phänomene rational und nicht mehr durch das Wirken von Gottheiten zu erklären.
Wissensgewinn wurde als geistiger Selbstzweck betrieben und auf eine holistische Beschreibung der
Wirklichkeit hin ausgerichtet. Der Begriff Philosophie bedeutet so viel wie “Liebe zur Weisheit”. Die
Naturphilosophie entstand im kleinasiatischen Raum, wo durch die Auseinandersetzung mit fremden
Kulturen wahrscheinlich das analytische Denken angeregt wurde, deren Einflüsse auch kritisch
weiterentwickelt wurde. Diese Philosophen werden auch als
“Vorsokratiker” bezeichnet, da durch Sokrates ein radikaler
Perspektivenwechsel von der Erforschung der Natur zur Frage
nach dem Menschen und seinem Verhalten von statten ging. Von
den ionischen Naturphilosophen sind heute nur Fragmente
überliefert. Der älteste Philosophie ist Thales von Milet (ca. 570-
519 v. Chr.), der für die Feststellung bekannt ist, dass in einem
Halbkreis jeder Winkel ein rechter Winkel ist. Auch hat er im Jahre 585 v. Chr. angeblich eine
Sonnenfinsternis vorausgesagt hatte. Heraklit von Ephesos (ca. 500 v. Chr.) ist vor allem durch seine starke
Betonung des Werdens und der Kontingenz bekannt, was in seinem bekannten Ausspruch “panta rhei”
verdeutlicht wird. Xenophanes von Kolophon (ca. 570-480 v. Chr.) kritisierte die homerischen Götter als
Anthropomorph, die Menschen schufen sich ihre Götter nach ihrem eigenen Bilde. Pythagoras (ca. 570-510
v. Chr.) wurde von seiner Schülerschaft gottgleich verehrt und entwickelte eine mystische Auffassung von
der Harmonie der Zahlen als Prinzip der Wirklichkeit. Von Anaxagoras von Klazomenai (ca. 500-428 v.
Chr.) stammt die Vorstellung, nach der die Sonne kein Gott, sondern lediglich ein glühender Stein sei,
weswegen er von den Athenern vertrieben wurde.
Aus der Philosophie ergab sich auch die Historik als Spezialwissenschaft. Wichtig ist hier vor allem
Herodotos von Halikarnassos (ca. 490-424 v. Chr.), der aus Kleinasien stammte und sich nach langen Reisen
in Athen niederließ. Vor ihm hatte Hekataios von Milet (um. 500 v. Chr.) ethnologische Studien über die
umliegenden Völker verfasst, an die Herodotos anschloss. Sein historisches Hauptwerk befasste sich mit
dem peloponnesischen Krieg, über seine Motivation schreibt er im Vorwort, dass er die heldenhaften Taten
der Griechen aufbewahren wollte. In seinem Werk streut er auch sehr breite ethnographische Exkurse ein,
vor allem über die Sitten und Bräuche Ägyptens, von denen ein ganzes Buch handelt. Herodotos bemüht
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sich jedoch mehr um Unterhaltsamkeit als um kritische Revision seiner Berichte, die er auch mit
phantastischen Erzählungen ausgeschmückt, etwa über Leute, die in Salzpalästen wohnen oder vier Beine
haben. Als Exilant war Herodot auf die Gunst der attischen Bürger angewiesen.
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Die “klassische Zeit” wird normalerweise von 500 - 336 v. Chr. datiert, um 500 beginnt auch der
ionische Aufstand. Dareios unternahm weitere Eroberungszüge bis an die Donau, wo er mit Hilfe
griechischer Truppen Rache an den Skythen üben wollte. Die Inseln vor der kleinasiatischen Küste wurden
von den Persern erobert. In den dortigen Städten hatten die Perser Tyrannen eingesetzt, die sich leicht von
der zentralen Herrschaft aus kontrollieren ließen. Der Tyrann Aristagoras von
Milet, begann auf eigene Faust einen Feldzug gegen Naxos, einer Insel in der
Ägäis. Nach dessen Misslingen fürchtet er, von den Persern zur Verantwortung
gezogen zu werden, und zettelte einen Aufstand gegen die ohnehin ungeliebte
Herrschaft der Perser zu erheben. Die Griechen in Kleinasien erzielten dabei
einige Erfolge und konnten sogar die Hauptstadt Satrapis in Lydien einnehmen.
Dareios setzte ein gewaltiges Heer in Marsch, die kleinasiatischen Griechen
schickten um Hilfe ins griechische Mutterland. Dort hatte man jedoch wenig
Interesse, den Ionen zu helfen, nur Athen und Eritrea kamen ihnen mit einigen
Schiffen zur Hilfe. Bei der Insel Lade kam es zur Entscheidungsschlacht, wo die griechische Flotte unterlag
und der Aufstand niedergeschlagen wurde. Dareios begann daraufhin 492 v. Chr. einen Feldzug gegen das
griechische Mutterland, seine Flotte wurde jedoch zunächst in einem Sturm bei Thrakien vermittelt. Eine
zweite Streitmacht segelte über Naxos, dabei war auch der ehemalige Tyrann Hippias, der Sohn des
Peisistratos, der das Attentat überlebt hat und wieder als Tyrann in Athen eingesetzt werden sollte. Für die
Athener war das eine zusätzliche Motivation, sich zu wehren. Die Spartaner wollen sich zunächst noch
heraushalten und reden sich auf religiöse Feiern aus, vor allem wollten sie die Landenge auf den Peloponnes
sichern. Nur die Plateiei schließen sich den Athenern an. Die Perser segeln jedoch zunächst nach Eritrea,
die Stadt wird niedergebrannt und die Bevölkerung versklavt oder getötet. Athen hatte das Glück, dass der
Herrscher Miltiades aus Thrakien nach Athen reiste und umfassende Kenntnis von der persischen Taktik
mitbrachte. Er wurde zu einem wichtigen Berater des Heers.
Die Perser setzten nun Kurs auf Athen und landeten bei Marathon, an der Ostküste, von wo aus man
über das Land weiter in die Hauptstadt marschieren wollte. Das athenische Heer unter Miltiades marschierte
ihnen entgegen, sie konnten sich mit ihren Schildern gegen den Pfeilhagel schützen und trieben das deutlich
größere persische Heer in ein nahes Sumpfgebiet, wo sie Großteiles
starben. In Marathon wurde ein gewaltiger Grabhügel für die
gefallenen Soldaten errichtet, der noch heute zu sehen ist. Außerdem
wurden Waffen und Rüstungen den Göttern geweiht. Miltiades leitet
eine militärische Expedition nach Paros, die allerdings misslang,
woraufhin er ins Exil geschickt wurde. Der Sieg bei Marathon 490 v.
Chr. hatte eine gewaltige Auswirkung auf das Selbstbewusstsein der
Athener, die auch einen Einfluss auf die athenische Verfassung hatte. Erstmals wurde das “Los-Archontat”
eingeführt. Zuvor wurden die Archonten per personam aus den beiden obersten Bevölkerungsklassen
gewählt, nun sollten sie bei Los bestimmt werden, was der Isonomie noch einmal einen gewissen Vorschub
gab. Der Ältestenrat des Areopag war in erster Linie nur mehr eine moralische Instanz, seine politische
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Rolle geriet jedoch in den Hintergrund. 487 v. Chr. wurde das “Scherbengericht”, der “Ostrakismos”
eingeführt. Jeder athenische Bürger hatte dabei das Recht, den Namen einer Person auf eine Scherbe zu
schreiben, die man nicht mehr in der Stadt haben wollt. Die Person mit den meisten Stimmen musste für
zehn Jahre ins Exil gehen, durfte jedoch seine Besitztümer behalten. Dadurch sollte innenpolitischen
Konflikten vorgebeugt werden. Man weiß nicht, wer der Urheber des Scherbengerichts ist, es ist jedoch
naheliegend, dass sich der Herrscher Themistokles damit seiner politischen Kontrahenten entledigen wollte.
Es kam zu erhöhten Einnahmen aus dem Silberabbau, die Themistokles zum Bau einer neuen Flotte von
300 Schiffen einsetzte. Um die Flotte zu Bemannen wurden die Theten, die unterste Bevölkerungsgruppe
herangezogen, die auf den Trieren rudern konnten, was ihnen eine erhebliche Einkommenssteigerung und
vergrößerte militärische Bedeutung einbrachte, was sich positiv auf ihr Selbstbewusstsein auswirken. Dem
Scherbengericht vielen unter anderem Megakles und Aristeides, ein wichtiger Opponent des Themistokles,
zum Opfer.
Dareios wurde von seinem Sohn Xerxes beerbte, der in Thrakien Nahrungs- und Waffendepots
anlegte und eine Meeresbrücke über den Hellespont anlegte und setzte sowohl eine Flotte als auch ein
Landheer in Gang. Man versuchte zunächst, eine Blockade zu errichten, die jedoch leicht umgangen werden
konnte. 481 v. Chr. traf man sich in Korinth, um ein breiteres Bündnis zu schlagen, den sogenannten
“Hellenenbund”. Dieser sollte zur gemeinsamen Abwehr der Perser dienen. Die meisten mittelgriechischen
Staaten schlossen sich diesem Bündnis jedoch nicht an, da sie in der Schusslinie der vorstoßenden Perser
lagen. Die Spartaner erhielten die Befehlsgewalt, man wollte die Perser am Kap Artemision und bei den
Thermophylen aufhalten. Bei Letzteren handelt es
sich um einen engen Strandpass, der leicht gesichert
werden konnte. Den berühmten 300 Spartanern
unter Leonidas gelang es tatsächlich, den persischen
Vormarsch eine ganze Weile aufzuhalten, während
die athenische Flotte beim Kap Artemision gegen
die persische Flotte kämpften. Leonidas und seine
Männer gingen heldenhaft zu Grunde, sie
errichteten das berühmte Epigramm mit der Aufschrift “Fremder, verkünde den Spartanern, dass wir hier
liegen, den Gesetzen der Heimat gehorchend”. Nachdem die Stellung bei den Thermopylen gefallen war
zog sich die griechische Flotte zurück, anstatt einer offenen Seeschlacht versuchte man den Isthmus zu
sichern, um das athenische Heimatland zu schützen. Athen wurde evakuiert, die wertvollen Besitztümer
wurden nach Salamis gebracht, die Priester wurden schutzlos zurückgelassen. Die Perser vernichteten die
Stadt vollends, allerdings war das griechische Heer und vor allem die Flotte noch keineswegs besiegt, letztere
bezog an einer Meerenge bei Salamis Stellung, wo es nach Herodot zu einer gewaltigen Schlacht unter der
Führung Themistokles’ kam. Die Griechen kannten die Untiefen und Windverhältnisse in der Bucht besser,
auch konnten die griechischen Trieren besser manövrieren. Xerxes, der bereits seinen Thron auf dem
Festland aufgestellt hatte, musst eine bittere Niederlage der griechischen Flotte mit ansehen, die nach nicht
mehr einsatzfähig war. Das persische Landheer überwinterte in Mittelgriechenland und wurde 489 v. Chr.
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bei Plateiei von einem spartanischen Heer besiegt und vertrieben, was den endgültigen Sieg des
Hellenenbundes über die Perser bedeuten. Als Erinnerung an den Sieg wurde die gewaltige
“Schlangensäule” beim Orakel in Delphi aufgestellt, welches heute in Istanbul steht. Auf den Windungen
der Säule wurden die Mitglieder des Hellenenbundes festgehalten.
Die Perser versuchten danach keine weiteren Angriffe auf das griechische Mutterland. Die Spartaner
waren der Meinung, man sollte die kleinasiatischen Griechen auf das Festland übersiedeln lassen, wogegen
die Athener der Meinung waren, man sollte Kleinasien in einem Krieg gegen die Spartaner befreien. Darin
zeigt sich die spartanische Politik, sich nicht zu weit von der Heimat zu entfernen, um keine Aufstände
durch die Heloten zu riskieren. Dagegen wollten die
Athener ihre Flotte ausnutzen und boten den Griechen ein
weiteres Bündnis unter ihrer Vorherrschaft an. 478 v. Chr.
wurde der “attisch-delische Seebund” ins Leben gerufen.
Dem Bündnis schlossen sich viele Küsten- und
Inselstaaten an. Die Athener nutzten die neue
Machtstellung zu ihrem eigenen Vorteil, sie etablierten
eine hegemoniale Herrschaft über die anderen
Bundesmitglieder, die teilweise Schiffe, teilweise jährliche
Tribute an die Athener verrichten. Aristeides, der Kontrahent Themistokles’, erhielt eine Amnesie und war
wieder in der athenischen Innenpolitik tätig, indem er die Beigaben der einzelnen Bundesmitgliedern (ca. 12
Tonnen Silber) festlegte und überwachte. Mit dem Beginn des attisch-delischen Seebundes wird der
Zeitraum der “Pentekontaetie” angesetzt (479-431 v. Chr.), eine Zeitspanne von 50 Jahren, die den
Höhepunkt der athenischen Politik und Kultur darstellt. Leider sind aus dieser Periode jedoch keine
zeitgenössischen Geschichtswerke überliefert, was die genaue Datierung der Ereignisse nicht möglich
macht.
Die wichtigste Figur in den frühen Jahren des attisch-delischen Seebundes war Kimon, der versuchte,
die Perser sukzessive aus ihren Besitzungen in Kleinasien zu vertreiben und so des persischen Einfluss
zurückzudrängen. Kimon erkennt die spartanische Einflusssphäre an, verfolgt jedoch eine aggressive Politik
gegenüber abtrünnige Bundesgenosse, etwa Naxos und Tarsos. Der Bund wird als Machtinstrument
genutzt, es ergeben sich erste Auseinandersetzungen mit Sparte. Im Jahre 464 v. Chr. gab es ein
verheerendes Erdbeben in Sparta, bei dem der Großteil des spartanischen Heeres ums Leben kam. In Folge
kam es zu einem Helotenaufstand, Kimon schickte eine Unterstützungsarmee, die jedoch abschätzig
abgewiesen wird. Die resultierende politische Blamage hatte den Ostrazismus des Kimon zur Folge. Nach
der kurzen Herrschaft des Ephialtes kommt um 461 v. Chr. Perikles an die Herrschaft, der eine noch
stärkere demokratische Linie verfolgte und einige zentrale Änderungen an der Verfassung des Kleisthenes
vornahm. So wurde etwa der Areopag völlig entmachtet, das Zentrum der Macht ist nun die
Volksversammlung. Um die Anwesenheit bei den Volksversammlungen zu verstärken, führte Perikles die
“Diobelie” ein, wodurch auch ärmere Volksgruppen stärker vertreten wurden. Jeder Bürger durfte
prinzipiell einen Antrag stellen, der dann in der nächsten Versammlung zur Debatte gestellt wurde. Der Rat
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hatte dabei nur eine beratende Funktion inne. Die Volksversammlung kam 40 mal im Jahr zusammen und
umfasste mindestens 6000 Mitglieder. Von jedem Bürger war gefordert, nach Los bestimmte Aufgaben in
der Polis zu erfüllen. Das militärische Kommando wurde jedoch nicht erlost, sondern immer noch ad
personam gewählt. Man konnte so zu einem von 10 Strategen gewählt werden, wobei vorherigen militärische
Erfolge prinzipiell den Ausschlag gaben. Die Justiz wurde über Volksgerichtshöfe geregelt, hier wurden
Bürger zu bestimmten Prozessen zugelost und jeder konnte als Geschworener berufen werden. Unter
Perikles etablierte sich demnach eine sehr starke Form der Demokratie, das
Volk sollte in jedem Aspekt des öffentlichen Lebens maximale
Entscheidungsgewalt haben. Die verschiedenen Beamten wurden streng
kontrolliert um Korruption vorzubeugen. Die öffentliche Natur der
Gerichtshöfe führte dazu, dass gute Redner beträchtliche öffentliche
Bedeutung gewannen. Daraus entstand die Philosophenschule der Sophisten, die
es sich zum Kennzeichen machten, durch diverse rhetorische Tricks “die
schwache zur starken Sache” machen zu können. Perikles setzte die offensive
Politik gegen die Perser fort, allerdings wurden nun auch die Spartaner als
potentielle Kontrahenten gehandelt. Man sendete unter anderem auch eine
Expedition nach Ägypten aus, die jedoch vernichtet wurde, woraufhin die Athener des Staatsschatz von
Delos nach Athen verlegten. Es kam zum Beschluss des “Kalias-Friedens” (449 v. Chr.), in denen sich die
Perser bereit erklärten, sich einen Tagesritt von der kleinasiatischen Küste zurückzuziehen, womit die
ionischen Städte nicht mehr unter persischer Herrschaft standen. Im Gegenzug stellten die Athener ihre
Expeditionen ein. Damit war das Ziel des attisch-delischen Seebundes zwar eigentlich erfüllt und hätte
aufgelöst werden können, Perikles hatte jedoch offenkundig andere Pläne.
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es um die Schlacht bei Salamis 480 v. Chr., welche aus der Sicht der Perser geschildert wird. Dieser
Perspektivenwechsel ist für die athenische Mentalität durchaus bemerkenswert und auch psychologisch
interessant. Aischylos war auch der erste, der zusätzlich zu dem Chorführer, welcher bisher der einzige
Schauspieler war, einen zweiten Schauspieler hinzufügen, um so erstmals
dialogische Interaktion in das Theaterspiel einzubringen. Den dritten Schauspieler
führte Sophokles (497 - 405 v. Chr.). Von ihm stammen die berühmten Stücke
Antigone und Ödipus Rex. Von Euripides (485 - 406 v. Chr.) stammt das Stück Medea,
welches erstmals tiefgehende Reflexionen über die menschliche Psyche enthalten.
Der wichtigste Vertreter der antiken Komödie war Aristophanes (ca. 455 - 287 v.
Chr.), dessen Schaffen man sich als eine Art politischer Kabarett vorstellen muss.
Hier werden in meist Schamloser weise Figuren des öffentlichen Lebens durch den Kakao gezogen, etwa
Sokrates in “Die Wolken” sowie gesellschaftliche Missstände angeprangert, etwa in “Die Vögel”. Durch die
kulturfördernde Arbeit des Perikles sowie seiner Gattin, Aspasia von Milet, wurde Athen zur Anlaufstelle
für Künstler und der kulturellen Hautevolee. Aspasia war insofern außergewöhnlich, als sie entgegen der
gängigen Gesellschaftsnormen am geistigen Leben in der Stadt regen Anteil nahm.
Anaxagoras von Klazomenai war ein zentraler Proponent des intellektuellen Zirkels um Perikles. Von
ihm stammt die Theorie, dass die Sonne nur eine glühender Stein, was ihm eine Anklage wegen
Gotteslästerung einbrachte. Bei solchen Anklagen standen auch politische Interessen im Hintergrund, sie
wurden meist von politischen Gegnern der Perikles getätigt. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst kam es
zu Neuerungen etwa in der Vasenmalerei, in der der Wechsel vom schwarz- zum rotfigurigen Stil vollzogen
wurde. Entgegen der eher starren Darstellungsform der archaischen Plastiken wurden die Skulpturen des
klassischen Zeitalters ungemein lebensnaher und dynamischer, was
sich etwa am “Diskobol des Myron” zeigt. Die naturgetreue, wenn
auch idealisierte Darstellung wurde ein wesentlicher Einfluss auf
die spätere Bildhauerkunst, etwa in der Renaissance. Die
berühmten Bauwerke der athenischen Architektur waren, entgegen
der verbreiteten Meinung, ursprünglich in grellen Farben bemalt.
Die Bauten der Akropolis wurden nach der Zerstörung durch die
Perser erst in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. wiedererrichtet. Verantwortlich für das Projekt war ein
gewisser Phidias, wobei unklar ist, welche Rolle er dabei genau inne hatte. Die “Propyläen” etwa waren der
Schauplatz der jährlichen Athenenprozession, im “Erechtheion” wurden die Kulte verschiedener Götter
unter ein Dach vereinigt, darin befand sich die hölzerne Athenestatue, die man vor den Persern hatte retten
können. Vor dem Gebäude befand sich der legendäre Ölbaum, der den Athenern gemäß einer Sage von
Athene geschenkt worden war. Der “Parthenon” stellte das Hauptheiligtum der Stadt dar, in die
Schutzgöttin Athene verehrt wurde. In der Türkenzeit wurde das Gebäude als Pulverlager verwendet, die
große Zerstörung resultiert aus feindlichem Beschuss. Herausragend ist vor allem die derartig exakte
architektonische Komposition, die zu dem eindrucksvollen Gesamtbild des “Parthenon” beiträgt. Bei einer
Untersuchung konnten die originalen Holzdübel aus den Säulen herausgearbeitet werden, die sich seit über
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2000 Jahren unter vollständigem Luftverschluss im Stein eingeschlossen waren. Das Thema das “Parthenon-
Fries” ist die Prozession beim Panathenäenfest, die Statue der “Athena Parthenons”, der jungfräulichen
Athene, war mit Goldornamenten von gewaltigem Wert verziert. Nach der Errichtung der athenischen
Gebäude errichtete Phineas in Olympia die gewaltige Zeusstatue, die als eines der Sieben Weltwunder
gehandelt wurde. Für Phidias wurde in Olympia sogar eine eigene Werkstatt erbaut, aus der einige
Keramiküberreste erhalten sind. Die Agora war ein zentraler Ort des öffentlichen Lebens. Hier waren die
wichtigsten öffentlichen Gebäude vereinigt, etwa das “Metron”, der Sitz des Archives, oder das
“Puleitherion”, der Sitz des Rates.
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Ein wichtiger Anlass für den Konflikt war die Auseinandersetzung zwischen der Kolonie Kerkyra
und seiner Mutterstadt Korfu, bei dem Athen auf der Seite Kerkyras eingriff, was auf der Seite Korinths zu
ziemlichen Ressentiments führte. Einen weiteren Konfliktpunkt war der Austritt der korinthischen Stadt
Potedaias aus dem attischen Seebund, der von Athen aufgrund der Mitgliedschaft Korinths zum
peloponnesischen Bund mit Sparta gefordert wurde, woraus sich ein Loyalitätskonflikt ergab. Der dritte
Punkt war ein Handelsboykott gegen Megara, einer Nachbarstadt Athens, der von Perikles verhängt wurde
und Megara wirtschaftlich stark belastete. Die Spartaner waren zunächst zurückhaltend, Perikles verfolgte
eine Politik der sukzessiven Zurückdrängung, da er sich durch die athenische Flotte in einer
Vormachtstellung sah. Zwischen Athen und dem Hafen Piräus wurden zwei kilometerlange
Verbindungsmauern errichtet, was den Zugang zum strategisch wichtigen Hafen gegen das spartanische
Heer gesichert wurde. Es war klar, dass das spartanische Heer dem athenischen Überlegen war, durch die
Mauern war jedoch die Getreideversorgung
gesichert und die Spartaner sollten
umgekehrt durch zahlreiche Flottenangriffe
zermürbt werden. Diese Strategie ging
jedoch letztendlich nicht auf, da eine Seuche
nach Athen kam, dem ein Drittel der
Bevölkerung inklusive der Söhne des
Perikles zum Opfer fielen. Perikles
überlebte die Seuche und hielt eine bei
Thukydides überlieferte Leichenrede (Thuk.
1, 35-41) für die Gefallenen, in der er nochmals die Überlegenheit Athens hervorkehrte: “Unsere
Gesellschaft vergleicht sich mit keiner der fremden, eher sind wir für sonstwen ein Vorbild als Nachahmer
anderer. Mit Namen heißt sie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf eine größere gestellt ist,
Volksherrschaft (Demokratie). Nach dem Gesetz haben in den Streitigkeiten des Bürger alle ihr gleiches Teil,
der Geltung nach aber hat im öffentlichen Wesen den Vorzug, wer sich irgendwie Ansehen erworben hat,
nicht wegen seiner Zugehörigkeit, sondern nach seinem Verdienst, und ebenso wird keiner aus Armut, wenn
er für die Stadt etwas leisten könnte, durch die Unscheinbarkeit seines Namens verhindert. [...] Anders als
unsere Gegner sorgen wir auch in Kriegssachen, unsere Stadt verwehren wir keinem, und durch keine
Fremdenvertreibungen missgönnen wir jemandem eine Kenntnis oder einen Anblick, dessen unverstärkte
Schau einem Feind vielleicht nützen könnte, denn wir trauen weniger auf die Zurüstung und Täuschung als
auf unseren eigenen tatenfrohen Mut.” In Sparta waren Fremdenvertreibungen, sogenannte “Xenelasiai”,
durchaus üblich, da man Angst vor Spionage hatte. Geächtet sei lediglich der “Idiot”, also der nur auf seine
eigenen Angelegenheiten besorgten, der nicht an den öffentlichen Belangen partizipiert. Der athenische
Staat sei die “Schule Hellas”, habe also eine Vorbildfunktion für alle anderen Staaten.
Diese optimistische Sichtweise wurde jedoch bald von der Realität eingeholt. Die Seuche hatte Athen
ungemein geschwächt, was für die Athener auch einen moralischen Knacks bedeutete. Die Spartaner hatten
die Athener zwischen den Mauern eingeschlossen, es war ihnen jedoch nicht gelungen, die Athener zu
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erobern. Mit dem Tod des Perikles waren die Athener ihrer Leitfigur beraubt, es kam zur Machtausübung
durch konservative Parteien sowie Populisten wie dem Rhetoriker Kleon. Ein Beispiel war der Abfall von
Lesbos, welches nach einem Aufstand von der Flotte erobert wurde. In der Volksversammlung wurde auf
Antrag des Kleon die Ermordung aller Männer und Versklavung der Frauen und Kinder beschlossen - man
besann sich jedoch noch eines Besseren. Athen gelang es schließlich, mit der Flotte einen Vorstoß auf die
Insel Sphakteria auf Pylos zu unternehmen, wo man Dreihundert Spartaner gefangen nahm, welche nach
der Kapitulation nach Athen gebracht wurden und bei weiteren Verhandlungen als Kriegspfad herhalten
mussten. Trotz Friedensverhandlungen kam die erste Phase des Krieges erst mit einer Auseinandersetzung
in Amphibolis, wo das athenische Heer unter Kleon vor den Stadtmauern gegen ein Heer der Spartaner
unter Brasidas antrat. Dabei kamen beide Feldherren ums Leben, woraufhin der sogenannte
“Nikiasfriedens” geschlossen wurde, zu dem auch die spanischen Gefangenen wieder herausgegeben
wurden. Die Auseinandersetzung war damit jedoch keineswegs beendet, auch kam es zu
Bündnisverschiebungen unter den anderen griechischen Kleinstaaten.
In weiterer Folge versuchte man, die zuvor neutrale Insel Melos in die athenische Gefolgschaft
einzugliedern. Thukydides schildert das Verhältnis zwischen den Staaten in seinem “Melos-Dialog”, in dem
die Athener als machthungrig und gewalttätig geschildert werden. Historisch ist die Situation jedoch
komplexer, Melos ist auf einer später entdeckten Liste als Mitglied des Seebundes vermerkt und hatte wohl
versucht, in seiner Neutralität dem Konflikt mit Sparta zu entgehen. Alkibiades war zu dieser Zeit noch
verhältnismäßig jung und war eine glänzende Persönlichkeit. Als prominenter Schüler Sokrates taucht er
immer wieder in den platonischen Dialogen auf. Angesichts einer Delegation aus der fernen Stadt Segesta,
die um militärische Hilfe bat, stellte
Alkibiades die gewaltigen Reichtümer,
welche in dem Unternehmen zu gewinnen
waren, vor dem Rat mit großer rhetorischer
Finesse dar und die Athener starteten eine
Flottenexpedition nach Sizilien. Man hatte
neben der Hilfe für Segesta die
Kolonialisierung des gemischt bevölkerten
Sizilien vor Augen. In der Nacht vor der
Ausfahrt ereignete sich der sogenannte
“Hermesfrefel”, in dem eine Reihe von
Statuen des Gottes Hermes, welche für die Sicherheit der Reisenden garantieren sollten, umgeworfen und
schwer beschädigt wurden. Nachdem die Flotte bereits ausgelaufen waren, ging das Gerücht um, dass die
jungen Freunde des Alkibiades für die Tat verantwortlich seien. Alkibiades sollte zurückgebracht und vor
Gericht gebracht werden, bekam aber Wind davon und floh zu den Spartanern, denen er sich als
Kriegsberater gegen die Athener anbot. Die Flotte segelte jedoch weiter und ging bei Syrakus vor Anker.
Unter dem Feldherren befand sich unter anderen auch Nikias, die Strategie gegen Syrakus war jedoch nicht
günstig. Die Gegend war schwierig einzunehmen, Syrakus lag auf einer kleinen, vorgelagerten Insel, die
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anschließende Halbinsel war von einem Gebirge umgeben, entlang dem eine Mauer lief. Die Athener
erschöpften sich schnell bei der Belagerung, ihre Flotte wurde isoliert und schrittweise aufgerieben. Die
Athener kapitulierten, die Generäle wurden hingerichtet und die meisten Soldaten kamen bei der Arbeit im
Steinbruch ums Leben. Für die Athener war diese massive Niederlage ein schwerer psychologischer Schlag.
Die Spartaner erklärten mit 413 v. Chr. den “Nikiasfrieden” für aufgehoben und setzten ihre Angriffe auf
Athen fort, womit die dritte Phase, der sogenannte dekeleische Krieg begann. Dekeleia war eine Inselfestung,
welche die Spartaner übernahmen um von dort aus kontinuierliche Angriffe auf das athenische Festland zu
übernehmen. Auch der persische König griff in das Kriegsgeschehen ein, indem er den Spartanern die
Möglichkeit zur Finanzierung einer eigenen Flotte ermöglichte.
Die Folge der misslichen Lage waren ausgedehnte Diskussionen in Athen, 411 v. Chr. kam es zu
einem oligarchischen Umsturz, in dem die Demokratie suspendiert wurden. Für die politische Mitwirkung
wurde ein Vermögenszensus eingeführt, eine kleine Gruppe reicher Athener sollte herrschen. Die Oligarchie
wurde jedoch bald, unter Mitwirkung des zurückgekehrten Alkibiades, wieder abgesetzt. Die Perser waren
nicht primär an der Unterstützung der Spartaner, sondern an einem Kräftegleichgewicht zwischen den
Athenern interessiert und unterstützten schließlich wieder die Athener - die Griechen sollten von einem
möglichen Angriff auf das Perserreich abgehalten werden. 405 v. Chr. versperrte der spartanische Admiral
Lysander die Durchfahrt in den Hellespont, womit die Athener von ihrer primären Nahrungsversorgung
abgeschnitten waren. In Athen brachen Hungersnöte aus, es kam zu einer
Entscheidungsschlacht, bei der die Spartaner die Oberhand gewannen und
den Athenern die Bedingungen eines Friedensschlusses diktieren konnten:
Der Seebund musste aufgelöst werden, die athenische Flotte auf 12 Schiffe
reduziert und in Athen ein neues oligarchisches System, die “30 Tyrannen”,
unter dem Einfluss der Spartaner eingesetzt werden. Unter den Tyrannen
befand sich auch Kritias, ein Onkel Platons. Die athenischen Demokraten
gewannen schließlich wieder die Oberhand, es kam zu einer Spaltung des
athenischen Demos. Letztendlich konnten sich die Demokraten wieder
vollends durchsetzen, die oligarchischen Machthaber wurden Großteiles
hingerichtet. Zu dieser Zeit gewann der Philosoph Sokrates enorm an Einfluss, seine Gedanken sind vor
allem bei seinen Schülern Platon und Xenophon überliefert. In seiner Philosophie wandte sich Sokrates
erstmals sittlich-ethischen Belangen zu, die er bevorzugt in der Form öffentlicher Dialoge behandelte. Ziel
war es dabei stets, das vermeintliche Wissen des Gegenübers durch geschicktes, logisch-argumentierendes
nachfragen zu dekonstruieren. Im Kern geht es ihm um das Streben nach Wahrheit, dem Guten und
Schönen - kurz, der Frage nach dem tugendhaften Leben. Sokrates wurde 399 v. Chr. wegen Leugnung der
Götter und Verführung des Jugend vor Gericht gestellt und hingerichtet, ein Ereignis, welches im Kontext
der antiintellektuellen Stimmung in Folge des peloponnesischen Krieges verstanden werden. Der
sophistischen Aufklärung, in deren Nähe Sokrates gerückt wurde, war eine autoritätsfeindliche und
zersetzende Wirkung auf die jüngeren Generationen attestiert worden. Sokrates selbst nahm sein Urteil
gelassen hin und schlug eine Fluchtmöglichkeit aus - er ging seinem Ende mit philosophischer Ruhe und
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im Vertrauen auf die Unsterblichkeit der Seele in den Tod. Die Stimmung wurde letztendlich auch durch
die Nähe zu Alkibiades, der letztendlich für die Niederlage Athens verantwortlich war, beeinflusst.
Sokrates’ prominentester Schüler war Platon, der politisch eher konservativ und spartafreundlich war.
Platon postulierte die Existenz idealer Entitäten, welche der scheinhaftet Wirklichkeit zugrundeliegend. Im
Bereich der Staatsphilosophie entwickelte Platon die Vorstellung einer tripartiten Gesellschaft, die Polis
solle in Bürger, Wächter und Philosophen als deren Herrscher unterteilt werden. Unter Wächtern und
Philosophenherrschern müsse unter anderem die Institution der Familie aufgehoben werden, woran
Einflüsse der spartanischen Konstitution erkennbar werden. Subversive Kunst müsse unterbunden werden,
berühmt ist vor allem Platons “Höhlengleichnis”. Xenophon ist die zentrale
Quelle für die nachfolgenden politischen Ereignisse, ab 362 v. Chr. muss auf
externe Quellen zurückgegriffen werden. Sparta ist nun die Vormacht, unter
König Agesilaos wagen sie eine Expedition nach Kleinasien, um den Einfluss
der Perser zurückzudrängen, was jedoch keine bedeutenden Folgen hatte.
Zuvor hatte man im Zuge der “Anabasis” eine Schlacht gegen ein persisches
Söldnerheer, nach dem die Athener eine entbehrungsreiche Rückreise antreten
mussten. Ab 387 v. Chr. kam es zum sogenannten “Königsfrieden”, der eine
einseitige Erklärung des Perserkönigs Artaxerxes II., in der er Kleinasien und
Zypern zu einem Eigentum erklärte, während die übrigen griechischen Städte für Autonom erklärt werden.
In Folge kam es zu Abwandlungen spartanischer Bündnissysteme, es kam zur Gründung eines zweiten
attischen Seebundes zwischen Athen und Theben. In der Bündnisurkunde beschworen die Athener, ihre
Bündnismitglieder nicht mehr zu unterdrücken und keine Abgaben mehr einzufordern. Tatsächlich
schlossen sich zahlreiche weitere Staaten dem Bündnis an, jedoch hatte auch Theben eigene Interessen. Die
Spartaner hatten vor, Theben einzugliedern, 371 v. Chr. kam es zu einer einschneidenden Schlacht bei
Leuktra unter Epaminondas auf Seite der Thebaner. Epaminonda erfand die sogenannte “schiefe
Schlachtordnung”, er stellte das Heer nicht mehr in einer Reihe auf, sondern verstärkte eine Seite der Linie,
um so die Gegner einseitig überrennen und von hinten einschließen zu können. Es kam zur ersten
bedeutenden Niederlage des Spartaner.
Theben wurde zur Vormacht in Griechenland, Epaminondas nahm weitreichende Veränderungen
vor. Die thebanische Bevölkerung, die zuvor als Heloten der Spartaner existierten, wurden losgelöst sowie
die Landschaft Arkadien durch Gründung einer neuen
Hauptstadt “Megalopolis”. Diese sollte der Sitz des neuen
“Arkaderbundes” unter den verstreuten Städten werden und
vor möglichen Übergriffen durch die Spartaner schützen. Es
kam 362 v. Chr. zu einer Schlacht bei Mantinea, bei der
Epaminondas viel und die thebanische Vorherrschaft wieder
beendet war. In Griechenland kam Maussolos von Karien, der Erbauer des berühmten Mausoleum, an die
Macht. Maussolos unterstützte die Rebellen, die sich von athenischen Seebund losmachen wollten umso
seine eigene Macht zu vergrößern. Gleichzeitig kam mit Makedonien ein neuer Machtfaktor auf. Mit Philipp
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II. als Herrscher war Makedonien die einzige Monarchie in diesem Bereich, die zwei Könige der Spartaner
hatten nur im Kriegsfalle etwas zu sagen. Die Makedonier betrieben somit ein klassisches Feudalsystem, die
Politik war stark vom jeweiligen Herrscher abhängig. Auch kam es in Makedonien immer wieder zu
Auseinandersetzungen zwischen potentiellen Regenten, was die äußere Stärke des Reiches schmälerte.
Philipp II. jedoch betrieb eine starke Expansionspolitik in alle Richtungen und eroberte schließlich ganz
Thrakien. Im Süden kam es bald zu Konfrontationen mit den Griechen. In Athen hatte Demosthenes (384-
322 v. Chr.), der als bester Redner der Antike gilt, die Herrschaft inne. Er begann seine Karriere als
Gerichtsredner und wandte sich schließlich der Politik zu, wo er in feurigen Reden die Athener zum
militärischen Vorgehen gegen Philipp II. zu animieren. Den Makedoniern gelang jedoch ziemlich
problemlos der Vorstoß nach Griechenland, unter dem Einfluss
des Aischines kam es zur Annäherung an Philipp II. Einfluss
hatte auch der Rhetor Isokrates, der Philipp II. zur
Regierungsübernahme in Athen bewegen wollte - man könne so
am besten gegen die Perser vorgehen. Die makedonierfeindliche
Position des Demosthenes setzte sich jedoch durch und man
ging ein Bündnis mit Theben zur Abwehr der Eindringlinge ein.
Die Athener unterlagen in einer ersten Schlacht bei Chaironeia
(338 v. Chr.) gegen die Makedonier, Philipp II. hatte damit die
unumstrittene Vorherrschaft in Griechenland errungen. Es kam
zum Schluss des “korinthischen Bundes” (337 v. Chr.), an dem
alle griechischen Staaten außer Sparta, die den Aufwand der
Usurpation nicht wert erschienen, teilnehmen mussten. Philipp
II. machte sich zum Hegemon des Bündnisses, dessen deklarierter Zweck ein Feldzug gegen die Perser zur
Rückeroberung der griechischen Städte in Kleinasiens war. Die Athener wurden nicht erobert, da man für
das Unternehmen die Kooperation der athenischen Flotte benötigte. Bevor der Feldzug jedoch stattfinden
konnte, fiel Philipp II. im Theater von Aigeai einem Mordanschlag zum Opfer, woraufhin der junge Prinz
Alexander die Herrschaft übernahm. Interessant ist, dass Alexander als Kind den Aristoteles, den wohl
berühmtesten Schüler Platons, zum Lehrmeister hatte. Aristoteles’ Lehre gründete sich stärker auf die
Systematisierung und Klassifizierung der empirischen Phänomene, die er in zahlreichen Schriften darlegte.
Politisch hatte Aristoteles eine gewisse Affinität zu den Makedoniern, von denen er abstammte. Während
der makedonischen Herrschaft konnte er in Athen seine Schule betreiben, wurde danach aber als
Sympathisant vertrieben und ins Exil gehen. Philipp II. wurde in einem in den 1970er Jahren entdeckten
Grabhügel beerdigt. In einer kunstvoll geschmückten Schatulle konnten noch einige Gebeine des
makedonischen Königs gefunden werden.
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in sein Heer auf. Somit zog Alexander weiter nach Osten und gründete auf dem Weg zahlreiche Städte, die
seinen Nahmen trugen, und Zentren des neuen, erweiterten Griechentums bilden. Er kam bis jenseits der
Hindukusch, ins heutige Tadschikistan, wo er die einheimischen Stämme nach anfänglichen
Auseinandersetzungen an sich binden konnte und nahm Roxane, die Tochter eines soktischen Königs, zur
Frau. Er zog weiter in den Bereich des heutigen Pakistan, über die vier Quellflüsse des Indus, wo er gegen
den indischen König Poros und dessen
Elephantenkavallerie eine blutige Schlacht führte.
Alexanders unaufhaltsamer Zug nach Osten endete,
als ihm seine Truppen nach der Überquerung des
östlichsten Quellflusses, des Hytaspes, schließlich die
Gefolgschaft verweigerten. Nach einem Opfer an
Poseidon und der Errichtung eines äußeren Grenzsteins trat Alexanders Heer schließlich die Rückreise an.
Während bis zu einem Drittel Seines Heeres auf dem Rückzug den Tod fand, stilisierte sich Alexander als
neuer Dionysos. In der gegenwärtigen Forschung gibt es zahlreiche Spekulationen über die psychologische
Konstitution Alexanders. Weiters heiratete Alexander in mehrere Königshäuser ein, um seine Herrschaft zu
legitimieren. Auf dem Zug des Alexander wahren auch sogenannte “Bematistai”, eine Art von Geographen,
dabei, was den naturwissenschaftlichen Einfluss des Aristoteles erkennen lässt, man erforschte Unterwegs
auch die Tier- und Pflanzenwelt.
In einer Stadt namens Opis am Tigris regte sich erneut deutlicher Widerstand gegen die persischen
Anteile im Heer, die Griechen und die Makedonier wollten nicht, dass diese in höherrangigen Positionen
eingesetzt würden. Alexander konnte sich jedoch durchsetzen und entließ größere Teile seines Heeres nach
Hause, was angesichts des zehnjährigen Feldzuges durchaus angebracht war. Nachdem er seine Truppen
durch lokale Kontingente aufgefüllt hatte zog Alexander weiter nach Babylonien, wo er plötzlich unter
unbekannten Umständen verstarb. Mit Alexanders Tod war die Situation in seinem Reich höchst
problematisch, da Alexander selbst die Erbschaft nicht eindeutig geregelt hatte. Roxane erwartete ein Kind,
welches erst viele Jahre Später regierungsfähig sein würde, und Alexanders Bruder Philipp III. Arrhidaios
war geistig nicht dem Amt gewachsen. Es ergab sich ein erbitterter Kampf um die Herrschaft unter den
hochrangigen Generäle des Alexanders, den sogenannten “Diadochen”, was so viel wie Nachfolger
bedeutet. Die meisten strebten die alleinige Regierungsübernahme an, andere, wie Ptolemaios, gaben sich
zunächst mit kleinen Teilen des Reiches zufrieden gaben. Letztendlich setzten sich Ptolemaios in Ägypten,
Antigonos in Makedonien und Seleukos in Syrien, Mesopotamien und Persien durch. In Bezug auf den
Diadochen Antipater wurde erstmals die Bezeichnung “Europa” für den entsprechenden geographischen
Abschnitt verwendet. Athen hatte seit der makedonischen Machtübernahme Gesetze zur Wahrung der
Demokratie eingeführt, die in einer immer noch erhaltenen Inschrift verewigt wurden. Die Befürchtung
dahinter war, dass Philipp II. einen Tyrannen einsetzen könnte. Nach dem Tod Alexanders begann
Demosthenes erneut, die Athener zur Aufstellung eines Heeres zu bewegen, dem es, gemeinsam mit einigen
Verbündeten, gelang, die Makedonier aus Mittelgriechenland zu vertreiben. Der “Lamische Krieg “ (323 v.
Chr.) ging gegen die Truppen des bereits genannten Antipater, welcher erst nach dem Eintreffen des
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makedonischen Ersatzheeres die Überhand ergreifen, Demosthenes musste fliehen und fand den Tod. In
Athen wurde daraufhin eine timokratische Verfassung unter Kassander, dem Sohn des Antipater, und dem
Aristotelesschüler Demetrios von Phaleron eingesetzt. Dieser wurde schließlich von Demetrios Poliorketes
vertrieben, der von den Athenern daraufhin als Gott verehrt wurde, was zuvor als undenkbar galt. In
weiterer Folge kam es zu einer weiteren Zersplitterung, es wurden zahlreiche Kriege um den Bereich der
Seleukiden geführt, woraus viele
Kleinstaaten
hervorgingen. Ptolemaios gelang es
auch, Einfluss bis hin in das Gebiet
Ägyptens sowie über Zypern und der
Küste Kleinasiens auszuüben. Es kam
auch zu einem erneuten Bündnis der
Inseln in der Ägäis unter Ptolemaios.
Zu den Diadochenreichen kam weiters das Reich Pergamon unter Attalos I. hinzu. Das pergamenische
Reich dehnte sich nach Osten aus und übernahm das ehemalige Antiochenreich, der Königspalast von
Pergamon wurde auf einem markanten Burgberg errichtet. Die Wasserversorgung wurde durch ein
komplexes Drucksystem geregelt, was eine enorme technische Leistung darstellt. Der berühmte
“Pergamonaltar” befindet sich heute in einem Museum in Berlin, die Darstellung gigantomachischer
Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Göttern bilden ein zentrales Motiv der hellenischen Kunst.
In Athen herrschten mit Demetrios Poliorketes die Antigonen, Demetrios wurde schließlich von den
Seleukiden gefangen genommen, wo er später verstarb. Es entstanden neue feudale Bündnissysteme, der
Bund der Achäer und der Ätoler, als Versuch, größere Territorien zu bilden. Das Bündnis sollte weiters den
makedonischen Einfluss in Griechenland zurückdrängen, zu dieser Zeit gab es zahlreiche kleine
Tyrannenstaaten, die von Makedonien gestützt wurden. Der Achäer Aratos
unternahm die sukzessive Vertreibung dieser Alleinherrscher, kurzzeitig war
auch Athen Mitglied dieses Bundes. In Sparta gab es unter Kleomenes IV.
eine Reformbewegung, der finanziell unterprivilegierten Spartanern das
Bürgerrecht verlieh, um seine militärische Stärke zu vergrößern. Die Achäer
gerieten in große Bedrängnis und mussten ausgerechnet die Makedonier um
Hilfe bitten, was die Eroberung Spartas durch den makedonischen König zur
Folge hatte. Unter “hellenistischer” Kultur kann die Vermengung
griechischer mit asiatischer Kultur, die sich durch den Eroberungszug Alexanders ergab, verstanden werden.
Es entstanden lokale Mischkulturen im ehemaligen Persien und bis an die Grenzen Indiens. Alexander hatte
die interne Verschränkung in seinem Reich durchaus beabsichtigt, was jedoch nur im Bereich der Kultur,
nicht aber im Militär, gelang. Ein wichtiger hellenistischer Philosoph ist etwa Epikur von Samos (342-270
v. Chr.), der Erkenntnis als Mittel zum Erlangen der “Ataraxie” ansah, der inneren Ruhe des Menschen.
Angesichts der unruhigen politischen Lage empfahlen die Epikureer den Rückzug ins Private, in den
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legendären “Képos”, den Garten des Epikur. Zenon von Kition (333-262 v. Chr.) lehrte darüber hinaus den
Einklang mit der allumfassenden Vernunft, gemäß der die Menschen ein tugendhaftes Leben führen
können. Dieses Leben ist jedoch nicht, wie bei Epikur, auf sich selbst beschränkt, sondern umfasst auch die
Übernahme von Verantwortung in der Öffentlichkeit. Zenons Lehre wurde nach dem Treffpunkt ihrer
Schule “Stoá” genannt. Bedeutend ist auch noch Diogenes von Sinope
(413-323 v. Chr.), der eine Art asketische Bedürfnislosigkeit lehrte und
angeblich in einem leeren Weinfass lebte. Nach einer Anekdote sei
Alexander einst nach Athen gekommen, und habe angesichts des
Philosophen in der Tonne gefragt, ob er ihm den irgendwie helfen könne,
worauf dieser geantwortet haben soll: “Ja, geh mir aus der Sonne!”
Auch im Theater wird der Rückzug ins Private deutlich, es kommt zur Herausbildung einer neuen
Form von Komödie, die im Gegensatz etwa zu den politischen Stücken des Aristophanes in erster Linie
von Grundcharakteren des alltäglichen Lebens wie dem “jungen Liebespaar” oder dem “verbitterten
Geizhals”. Oft gibt es witzige Verwechslungen, die verhältnismäßig seichte Unterhaltung wurde später
bereitwillig von den Römern übernommen. Auch gibt es erstmals Wiederaufführungen etwa von Stücken
des Aischylos, daneben bildetet sich die neue Kunstgattung der Pantomime. Auf religiöser Ebene werden
weitgehend die alten Kulte fortgeführt, manche Götter treten stärker in den Vordergrund, etwa Sarapis und
Isis in Ägypten. Es treten vermehrt die Mysterienkulte in den Vordergrund. Diese entwarfen, entgegen des
relativ freudlosen Schattenreiches der griechischen Vorstellung, ein netteres Jenseits mit Partys und Gelage.
Erstmals kommt es auch verstärkt, wie etwa zuvor bei Demetrios Poliarches, zum Personenkult, der später
zum Vorbild des römischen Kaiserkultes wurde. In der bildenden Kunst lässt sich eine verstärkte
Barockisierung wahrnehmen, Darstellungsweisen werden pathetischer und ornamentierter, wie es sich etwa
in der berühmten “Laokoon-Gruppe” zeigt. Auch wurden erstmals soziale Missstände wie Armut in
Skulpturen thematisiert, jedoch in erster Linie, um den reichen Besitzern ihren eigenen Status ins Gedächtnis
zu rufen. In der Keramik kam es erstmals zu einer Art Massenproduktion, so wurden etwa in Tanagra kleine
Figuren serienweise hergestellt. Für die Naturwissenschaften entsteht ein neues Zentrum in Alexandria, im
sogenannten “Museion”, einer Art Universität, in der die besten Gelehrten der bekannten Welt
zusammenkamen. Eratosthenes beispielsweise berechnete konnte bereits den Erdumfang mit erstaunlicher
Genauigkeit berechnen, Archimedes ist vor allem durch die Entdeckung des Auftriebes im Wasser sowie
für die Entwicklung der “Schraube des Archimedes”, die zur Bewässerung verwendet wurde.
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1.11. Die Anfänge Roms
Rom nimmt seinen mythischen Ausgangspunkt bei den legendären Königen Romulus und Remus, die der
Sage nach von einer Wölfin aufgezogen wurden. Auf der Apenninenhalbinsel lebten zu dieser Zeit
verschiedene indogermanische Bevölkerungsgruppen, sowie Reste der Urbevölkerung auf Sizilien. Es
werden zwischen den “umbro-sabellischen Stämmen” und den “latino-phalistischen Stämmen”
unterschieden, die sich im Hinblick auf Sprache sowie Bestattungssitten
unterschieden. Im Osten gab es von den Illyrern beeinflusste Stämme, im
Süden gab es griechische Kolonien. Im Norden lebten die Kelten, zu
denen auch die Ligurer zu zählen sind, und die Etrusker, über deren
Herkunft es einen langen Disput in der Forschung gab. Keramiken sind
etwa aus der Villanova-Kultur erhalten, eine Stele aus dem 6. Jahrhundert
v. Chr., die auf der ägäischen Insel Lemnos entdeckt wurde, hatte sprachlich große Ähnlichkeit mit den
etruskischen Texten, was auch die These Herodots stützt, nach dem die Etrusker ursprünglich aus
Kleinasien kamen. Danach hätte sich ein adeliges Geschlecht zunächst im Bereich der heutigen Toskana
niedergelassen und ihren Einfluss sukzessive ausgeweitet. Die etruskische Sprache ist ihrer Herkunft nach
noch nicht eindeutig zugeordnet, die einzigen längere Schriftstück stammt
von den sogenannten “Agramer Mumienbinden” und von den Goldplatten
von Pirgi. Die Struktur des Etruskischen lässt sich dennoch relativ einfach
entziffern. Die Etrusker verwendeten auch eine Form des griechischen
Alphabets, das sogenannte “Rote Alphabet”, aus dem sich in weiterer Folge
das Lateinische entwickelte. Auf der steinernen “Leber des Piacenza” sind
etwa Anleitungen zur Weissagung aus Innereien festgehalten. Eine wichtige
Stadt im etruskischen Kernland war Tarquinier, wo eindrucksvolle
unterirdische Grabstätten mit detaillierten, polychromen Zeichnungen
ähnlich denen, die noch aus der minoischen Kultur bekannt sind. In der
etruskischen Kultur hatten die Frauen verglichen mit Rom eine höhere
Stellung, was sich etwa an der Nennung von Müttern in den Geburtsurkunden zeigt. Die Etrusker begannen
sich in den Bereich der heutigen Toskana auszudehnen, es kam zur Bildung des “zwölf Städte Bundes”.
Überreste der etruskischen Kultur wurden bis nach Padua gefunden.
Rom lag am südlichen Rand des etruskischen Reiches, erste Siedlungen sind um 1000 . Chr.
nachweisbar. Die italisch-indogermanischen Stämme teilten sich in die Umbrosabeller und die
Latinophlisker, Rom befand sich zwischen den Ausdehnungsgebieten dieser Stämme. Auf dem “Palatin”,
einem der römischen Stadthügel, entstanden die ersten Siedlungsbauten. Das angrenzende Sumpfgebiet
wurde trockengelegt, um das Forum der Stadt zu schaffen. Die Sage über die Entstehung Roms 732 n. Chr.
stammt von Vergil und wurde vor allem in der römischen Kaiserzeit perpetuiert. Tatsächlich wurde Rom in
seiner Frühzeit von etruskischen Königen beherrscht, die Sage vom “Raub der Sabinerinnen” hängt mit der
ethnischen Vermischung von Römern mit den italischen Sabinern zusammen. Die legendären sieben
Könige waren also etruskische Fremdherrscher, erstmals kam es auch zum Bau einer Stadtmauer um die
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sieben Hügel, von denen der Palatin und das Kapitol, der die wichtigsten Tempel beherbergte, die
zentralsten waren. Gesellschaftlich war Rom in der Frühzeit um den König herum aufgebaut, es gab einen
Adelsrat, der sich aus den Patriziern zusammensetzte. Auf gesellschaftlich niedrigerer Stufe standen die
armen Plebejer. Daneben waren auch Heer und Priesterschaft wichtige Stände. Die Königszeit endete um
500 v. Chr., die Etruskerkönige werden vertrieben und Rom wird autonome Republik, die bis zur
Regentschaft Caesars andauerte. Die wichtigsten Überlieferungen aus dieser Zeit stammen aus Livius’ “Ab
urbe condita libri”, die jedoch nur teilweise erhalten sind. Livius schildert die römische Geschichte weiters
aus der Ideologie eines Exzeptionalismus heraus, welche zur Herrschaftszeit des Augustus durchaus
willkommen waren. Ein kritischer Umgang mit den Quellen ist daher unumgänglich.
Der Adelsrat aus der Königszeit wird im republikanischen System in einen Senat mit 300 Mitgliedern
umgewandelt, es wurde eine strenge Hierarchie von Funktionen eingeführte, die oft in zweizahlen
Ausgeführt wurden, also zwei Konsuln, zwei Prätoren, etc., was möglicherweise auf einen Kompromiss
zwischen den Gesellschaftsgruppen der Patrizier und der Plebejer zurückgeht. An der Spitze der
Gesellschaft stehen die Konsuln, die das Recht auf Heerführung und Aussprechen der Todesstrafe
innehatten, die jedoch im Senat Rechenschaft für ihre Entscheidungen geben mussten. Unter den Konsuln
stehen die Prätoren, die für die Rechtsprechung verantwortlich waren. Dabei gab es einen “praetor urbanus”
und einen “praetor peregrinus”, die jeweils für Streitfälle in der Bevölkerung oder mit Fremden zuständig
waren. In Kriegszeiten wurden die Prätoren weiters in
der Heerführung eingesetzt, später kam ihnen auch
eine wichtige Rolle in der Administration der
Provinzen zu. Die Zensoren wurden nur alle fünf Jahre
eingesetzt, sie waren eine Art Kontrollorgan und
konnten etwa Mitglieder des Senats wegen Korruption
ausschließen. Die kurulischen Ädilen waren vor allem
für Baumaßnahmen zuständig, die Quästoren für das
Finanzwesen. Die Quästur war eine Art Einstiegsamt,
durch welches man in den Senat und gegebenenfalls in
höhere Positionen aufsteigen konnte. Darunter standen die drei “Komitien”, in die das römische Volk
unterteilt waren, eine davon ist etwa die “comitia centuriata”, die wie im solonischen System nach
Vermögensklassen eingeteilt war. Insgesamt gab es 193 Centurien, die beiden obersten Vermögensklassen
konnten dabei die unteren bei einer Abstimmung zahlenmäßig majorisieren, was den vermögenden Klassen
den politischen Einfluss garantierte. Auch gab es innerhalb jeder Klasse von Centurien eine Einteilung in
“juniores” und “seniores”, wobei letztere bei Abstimmungen den Vorrang hatten. In der römischen
Republik gab es keine Verfassung (wie heute in Großbritannien), gesellschaftliche Fragen wurden ausgehend
von Präzedenzfällen behandelt. Das führte dazu, dass das System nur solange funktionierte, solange sich
alle an die “Spielregeln” hielten und von machtpolitisch agierenden Elementen leicht ausgenutzt werden
konnte, was einer der Gründe für die Bürgerkriege im 2. und 1. Jahrhundert führten.
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Die Gesellschaftsgruppe der Patrizier leiten sich von der gesellschaftlichen Rolle des “pater familia”
ab, der im römischen Recht die Verfügungsgewalt über Leben und Tod innehatte und etwa behindert
geborene Kinder und Sklaven mehr oder weniger willkürlich töten kann. Familienväter durften auch etwa
ihre Söhne in die Sklaverei verkaufen, um ihre Schulden zu decken. Die Oberhäupter der adeligen Familien
bildeten demnach den Senat, daneben gab es die große Schicht der Plebejer, in der es jedoch auch
Unterschiede zwischen gänzlich mittellosen Tagelöhnern auf der einen Seite und Handwerkern auf der
anderen, die etwa im Kriegsdienst in höhere Schichten aufsteigen konnten. Der starke gesellschaftliche
Dualismus kulminierte in der “Sezession” der Plebejer, die aus der Stadt auszogen um einen sozialen
Ausgleich zu bewirken. Das Resultat war die Möglichkeit der wohlhabenden Plebejer, der “patres
conscripti”, in den Senat aufgenommen zu werden und in höhere Ämter gelangen konnten. Spätestens damit
entstand die Zweiteilung der Herrschaftsfunktionen, auch waren die Plebejer im sogenannten “tribunus
plebis”, dem Volkstribun, vertreten, der ein Vetorecht innehatte und damit die einfachen Leute vor
Willküraktionen schützen sollte und für sakrosankt, also unantastbar erklärt wurde. Weiters fand um 450 v.
Chr. erstmals eine Rechtskodifizierung im
“Zwölftafelgesetz” statt, Gegenstand war
etwa das Schuldgesetz, welches die
Festlegung von Fristen für
Schuldenrückzahlung und die
Vorgehensweise mit abtrünnigen
Schuldnern festlegte. Eben dieses
Rechtssystem war in Griechenland bereits
früh von Solon beendet worden, das
römische Recht war demgegenüber also
wesentlich primitiver. Die neue Klasse der reichen Plebejer wird “Nobilität” genannt, sie konnten über den
Senat Einfluss auf die gesamtgesellschaftlichen Prozesse ausüben. 396 v. Chr. wurde in den “lykischen
Gesetzen” erstmals der Zugang der Plebejer zu allen Ämtern festgeschrieben. 287 v. Chr. wurde in den “lex
hortensia” die Gleichsetzung der Gesetzgebung der Plebejer in der Volksversammlung beschlossen wurde.
Der römische Staat ist dennoch keine Demokratie vergleichbar mit der griechischen, Polybius spricht in
Hinblick auf die römische Verfassung von einer Mischung aus Demokratie und monarchistischer
Alleinherrschaft, wobei letzteres Element jedoch faktisch wesentlich größeren Einfluss hatte. Das
Konkurrenzverhältnis der einzelnen Adelsfamilien untereinander resultierte in einem Streben nach
militärischen Erfolgen, die sich im “Triumph” mit größeren gesellschaftlichem Prestige niederschlugen.
Auch basierte der römische Staat wesentlich auf dem Klientelwesen, dass Haupt einer einflussreichen
adeligen Familie, der “Patronus”, stellte eine Bezugsperson für viele ärmere Leute dar, der “Klientel”, für
die der Patron verantwortlich war, die umgekehrt zu unbedingtem gehorsam verpflichtet waren und seine
Aufträge ausführen musste. Durch das Klientelsystem konnte der Patron auch entscheidenden Einfluss auf
das Wahlverhalten der Plebejer ausüben, was in der Spätphase der Republik eine wichtige Bedeutung haben
wird. Das Klientelsystem erstreckte sich auch auf die umliegenden Völker, die sich ihrerseits in die Klientel
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der Römer begaben und sogenannte “socii” wurden, entweder in Folge einer militärischen Niederlage oder
aus freien Stücken. Auch dieses Verhältnis wird später eine wesentliche Eigendynamik erlangen.
Bezüglich der Expansionspolitik kam es um 396 v. Chr. zur Eingliederung der etruskischen Stadt
Veii, auf die unmittelbar ein massiver Rückschlag durch die keltische Wanderbewegung folgte. Die Kelten
begannen sich in Europa auszubreiten und gelangten neben Spanien und Kleinasien auch in den Bereich
Mittelitaliens. Unter dem König Brennus kam es um Einfall in das römische Gebiet (390-387 v. Chr.), die
Römer erlitten eine herbe Niederlage bei Alia. Es kam zur Eroberung Roms, die Römer verschanzten sich
auf dem Kapitol, was ihnen der Sage nach nur gelang, weil sie von den schnatternden vor dem Einfall der
Kelten gewarnt worden waren. Die Kelten konnten durch die Zahlung von Lösegeld zum Abzug bewegt
werden, hinzu kam noch die Zerstörung ihrer Stadt.
Dennoch gelang es den Römern, im Laufe des 4.
Jahrhunderts v. Chr. ganz Mittelitalien einzunehmen.
Zu Beginn des 3. Jahrhunderts stießen sie nach
Süditalien vor, wo es noch griechische Provinzen gab.
Die Römer sahen die Griechen als natürliche
Verbündete gegen die Italikerstämme aus dem
Binnenland, die immer wieder die griechischen Stämme
plünderten. Es gab aber auch gegensätzliche
Meinungen, insofern einige der griechischen Stämme nicht mit dem Vorstoß der Römer zufrieden waren
und den griechischen König Pyros zur Hilfe riefen. Dieser setzte mit einer beachtlichen Streitmacht nach
Italien über und versetzte den Römern erst einmal zwei Niederlagen, bei denen er jedoch große Verluste
hinnehmen musste und infolge nach einem dritten Kampf die Halbinsel verlassen muss. Rom breitete sich
in Folge bis zur Spitze des Stiefels aus. Der intensivere Kontakt der Römer mit den Griechen hatte einen
regen kulturellen Austausch zur Folge, erstmals begannen die Römer nach dem griechischen Vorbild
Münzen zu prägen. Zuvor hatte man als Währung die sogenannten “aes signatum”, bedruckte Metallplatten,
verwendet, die relativ schwer und umständlich waren. Gewichtsreduzierte Münzen, die kupfernen “aes
grave”, wurden etwa mit dem Januskopf bedruckt, in der Zeit des Pyruskrieges ging man zur Prägung von
Silbermünzen nach dem griechischen Trachmenstandart zu prägen, um Handel mit den griechischen
Stämmen betreiben zu können. Zur Zeit des zweiten punischen Krieges kam es zur Entstehung des
Quadrigat, bis man um das Jahr 210 v. Chr. zum römischen Denar überging. Die Münzbeamten hatten in
der Republik selbst das Recht, über die Motive auf den Münzen zu entscheiden, was oft zur Glorie der
eigenen Familie verwendet wurde. Eine Besonderheit der römischen Münzprägung ist das “Mars-Adler-
Gold”, das im Kontext der Notzustände des zweiten punischen Krieges entstanden.
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Tiberius Sempronius Gracchus hatte jedoch auch einen Bruder, Gaius Sempronius Gracchus, der
123 v. Chr. zum Volkstribun gewählt wurde und die Reformen seines Bruders fortsetzte. Dieser ließ
Gerichtshöfe einführen, in denen senatorische Stadthalter wegen Korruption angeklagt werden konnten,
und die von Mitgliedern des Ritterstandes besetzt wurden. Gaius Gracchus erkannte weiters den italischen
Bundesgenossen das Bürgerrecht zu, die Getreideversorgung der Hauptstadt sollten durch Importe aus der
Provinz Asia aufgestockt werden. Gaius Gracchus gelang es, entgegen der traditionelle Verfassung, eine
Wiederwahl zu erlangen, bei der dritten Wiederwahl kam es jedoch zu Tumulten, Gaius Gracchus und seine
bis zu dreitausend Anhänger wurden von den Senatoren militärisch angegriffen und blutig hingerichtet. Es
kam daraufhin zu einer Spaltung der Gesellschaft zwischen der Partei der konservativ-vermögenden
„Optimaten“ und der reformatorisch-völkischen
„Populare“, die ihre jeweiligen Interessen verfolgten. Rom
hatte aber auch noch andere Probleme, 133 v. Chr. kam es
zu einem Sklavenaufstand in Sizilien. Aus Germanien
vielen die Kimbern und Teutonen in das Reich ein, 113 v.
Chr. kam es zu einer Schlacht in Noreia, dessen
geographische Position unbekannte ist. Der Name hat
jedoch mit dem späteren Namen „Noricum“ zu tun, was für den Bereich des heutigen Kärntens oder der
Steiermark spräche. Dort erlitten die Römer unter Papirius Carbo eine Niederlage, gleichzeitig kam es auch
zu Auseinandersetzungen mit den Nubiern in Nordafrika. Gaius Marius, ein Heraufkömmling aus den
unteren Schichten, gelang es 105 v. Chr. die Kimbern und Teutonen zu besiegen. In Folge wurde er fünfmal
in Folge zum Konsul gewählt, womit der Bruch mit der Tradition endgültig vollzogen war. Gaius Marius
führte auch eine Heeresreform durch, erstmals gab es nun ein Berufsheer, was zwar mit erheblichen
Mehrkosten einherging, aber größere Effektivität mit sich brachte. Weiters wurde zur Kohortentaktik
übergegangen, innerhalb der Legion bildeten nun kleinere Einheiten das taktische Rückgrat. Zur Aufstellung
des Heeres wurden die verarmten Proletarier aus den Städten herangezogen, jedoch ergab sich das Problem
der Veteranenversorgung: Die Bauern in der Miliz konnten auf ihre Gründer zurückkehren, die Pension der
Berufssoldaten war jedoch bei weitem nicht zureichend. Daher sollten die Veteranen durch
Landzuweisungen kompensiert werden, die Angelegenheit wird zum politischen Spielball zwischen Feldheer
und Senat. Hier kommt wieder das Klientelwesen zum Ausdruck: Die Soldaten waren ihrem Feldheer zur
Loyalität verpflichtet, dieser musste die Versorgung der Veteranen beim Senat sicherstellen. Damit fiel
jedoch auch die Loyalität der Soldaten gegenüber dem Senat.
Das Problem des Völkerrechtes der italischen Stämme war ebenfalls noch ungelöst, Marius geriet in
Konflikte mit seinen Verbündeten und wurde nicht mehr gewählt. Das Bürgerrecht der italischen
Bundesgenossen wurde weiter verhandelt, ab 91 v. Chr. kam es zu Kriegen in Italien. Unter dem Konsul
Sulla konnten die Römer Erfolge verbuchen, den italischen Stämmen wurde das Bürgerrecht zuerkannt,
welches jedoch so eingerichtet wurde, dass die Stämme leicht majorisiert werden konnten. Weiters kam es
zu Unruhen in Kleinasien. Dort wurden durch Steuerpächter, die sogenannten publicani, Steuern eingehoben,
von denen die Provinzbewohner drangsaliert wurden, um möglichst viel Gewinn zu erzielen. Der Herrscher
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Mithridates VI. Eupator von Pontos konnte durch geschickte Bündnisse, immer weiter nach Kleinasien
vorzudringen und in einer Überraschungsaktion Ephesos einzunehmen. Unterstütz von Athen wagte
Mithridates den Einfall ins griechische Mutterland. Sulla hob sein Heer aus und Zog in den Krieg, dort
übernahmen jedoch die popularischen Marianer die Macht. Als Sulla davon Wind
bekam, drehte er um und zog gegen Rom. Hier zeigt sich die zentrale Rolle des
Klientelwesens in Bezug auf das Heer. Nachdem die Ordnung in Rom
wiederhergestellt wurde, zog Sulla erneut in den Krieg, das Spiel wiederholte sich,
doch Marius starb. Sulla gründete daraufhin einen eigenen Senat gegen die
Popularen, es gab kurzzeitig zwei Staaten in Rom. Auch erhielt Sulla keinen
Nachschub für seinen Feldzug, woraufhin er anfing, die griechischen Heiligtümer
zu plündern. Mithridates selbst musste im Jahre 85 v. Chr. kapitulieren. Sulla
kehrte zurück nach Rom, es kam zur Aufstellung von „Proskriptionlisten“, in denen politische Gegner Sullas
für vogelfrei erklärt wurden. Sulla machte sich zum Diktator auf Lebenszeit, wobei er die gängige Regelung
für Notsituationen ausnützte. Er stockte den Senat auf 600 ausschließlich loyalen Leuten auf, den Rittern
wurde die Gerichtsbarkeit über die Senatoren entzogen. Im Jahre 79 v. Chr. legte Sulla jedoch
überaschenderweise seine Diktatur zurück und verstarb im folgenden Jahr. Seine Reformen wurden teilweise
rückgängig gemacht, bildeten jedoch das Substrat für die weiteren politischen Entwicklungen.
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Antonius, in dem Octavian den lateinischen Westen, Marc Anton den griechischsprechenden Osten erhielt,
in dessen Einflussgebiet auch das Reich der Ptolemäer gehörte. Marc Anton begegnete auch Cleopatra und
hatte mit ihr Kinder, was in Rom nicht positiv aufgenommen wurde. Octavian ließ sich das Testament des
Antonius von den Vestalinnen, den Schützerinnen des
heiligen Herdfeuers, die eine neutrale Instanz darstellten,
herausgeben. In diesem vermeintlichen Testament war
etwa vermerkt, dass die Kinder der Cleopatra römische
Gebiete erben sollten, was natürlich zu erheblicher Unruhe
führte. Octavian vereinigte daraufhin das Reich und
begann offiziell einen Kriegszug gegen Cleopatra. Auf der
Halbinsel Actium, wo Marc Anton seine Befestigung hatte, konnte Marcus Agrippa die ägyptische Flotte
schlagen, Marc Anton und Cleopatra mussten aus Griechenland fliehen. Im Jahre 30 v. Chr. wurde
Alexandria erobert, Marc Anton und Cleopatra begingen Selbstmord. Damit war nicht nur das
Ptolemäerreich, sondern auch das Jahrhundert der römischen Bürgerkriege, das 133 v. Chr. mit Tiberius
Gracchus begonnen hatte, beendet.
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Tiberius herrschte von 14 bis 37 n. Chr. Er war anfangs nicht sehr engagiert und widmet sich erst ab
31 n. Chr. der Politik. Außenpolitisch war es eine sehr unruhige Zeit, Tiberius strebte dabei jedoch keine
weiteren Expansionen an. Offiziell gab es keine Erbregelung, Rom war ja keine Monarchie. Man hoffte auf
die Loyalität des Volkes und des Militärs. Tiberius überließ den Großteil der Politik seinem Präfekt Serianus.
Dieser hatte viel Macht und führte zeitweise eine Schreckensherrschaft. Tiberius griff schließlich ein und
ließ ihn hinrichten. Der Nachfolger von Tiberius war Gaius Caesar, genannt „Caligula“. Dieser ist vor allem
bekannt für seine Ausschweifungen und seine augenscheinliche Geisteskrankheit, so soll er beispielsweise
sein Lieblingspferd zum Konsul gemacht haben. Er wurde 41 n. Chr. getötet. Auf ihn folgte Claudius, sein
Onkel, der bis 54 n. Chr. herrschte. Er war ein sehr entschlossener Regent, leitete einige Reformen ein und
war sehr belesen. Er belebte alte Traditionen wieder, war aber nicht sehr beliebt bei der Bevölkerung.
Claudius führte auch einen Feldzug gegen Britannien und es entstand die Provinz Britannia. Es wurde aber
nicht ganz Britannien erobert. Schließlich wurde Claudius von seiner Gattin Agrippina vergiftet, die ihrem
Sohn aus erster Ehe auf den Thron verhelfen wollte. Allgemein hat er kein gutes Bild in der
Geschichtsschreibung. Agrippas Sohn, Nero, herrschte von 54 bis 68 n. Chr. Er war von dem
hochgebildeten Dichter und Philosophen Seneca erzogen worden, der später auch
als sein Berater fungierte. Dieser viel jedoch bei ihm in Ungnade und musste ins Exil.
Nero war augenscheinlich von Größenwahn besessen und führte eine gnadenlose
Verfolgung der damaligen christlichen Sekten. In seine Regentschaftszeit fällt auch
ein verheerender Brand Roms, für den er nach einigen Aussagen selbst
verantwortlich gewesen sein soll. Nero war ein großer Freund der griechischen
Kultur, er reiste mehrmals nach Griechenland. Wie schon Flamininus erklärte er den
Griechen die Freiheit, was den Römern zu viel wurde. Es kam zu einer Revolte und Nero musste nach
einigen Fluchtversuchen Selbstmord begehen. Mit dem Tod Neros entstand ein Machtvakuum, da keine
julisch-claudischen Nachfolger mehr zu finden waren. Der Senat rief Galva, einen Senator, zum Kaiser aus.
Auch die großen Provinzen mit Militär rufen ihren Kommandanten oder Stadthalter zum Kaiser aus. Es
kam zum sogenannten „Vierkaiserjahr“ 69 n. Chr., in dem neben Galva auch Oto, Libellius und Vespasian
die Herrschaft für sich beanspruchten.
Mit der Durchsetzung Vespasians kam es zur Etablierung der flavischen Kaiserdynastie. Vespasian
war ein sehr begabter Militarist und sanierte die Staatfinanzen durch neue Steuern. . Er stützte sich auf sein
Militär, da er keine dynastische Legitimation hatte. Die Getreideversorgung von Rom und Unterhaltung für
die Bürger erlebten zu einer Herrschaftszeit eine Hochkonjunktur. Er ließ
das Amphitheater Flavium, das Colosseum von Rom mit Platz für 50.000
Personen bauen. Zigtausende Tiere und Gladiatoren kamen hier ums
Leben, das Colosseum konnte auch für inszenierte Seeschlachten geflutet
werden. Ein jüdischer Aufstand, angeführt durch den Sohn von Vespasian,
wurde von ihm niedergeschlagen. Auf ihn folgte Titus, in seine
Regierungszeit fällt der Ausbruch des Vesuvs am 23 August 79., durch den Pompeii und Herculaneum
vernichtet wurden, wobei es 20.000 Opfer gab. Pompeii ist für die Altertumswissenschaften sehr wichtig,
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die Ausgrabungen gaben Aufschluss über das Leben in der Antike. Der jüngere Plinius beschrieb den
Ausbruch, sein Onkel der ältere Plinius war Flottenkommandant, erlebte die Eruption mit, starb aber wegen
giftiger Dämpfe. Titus starb 81 n. Chr. Sein Nachfolger war Dominitianus, er stand auf Kriegsfuß mit dem
Senat und führte einige Kriege in Gallien. Auf seine Regentschaft folgte ein erneutes Machtvakuum und die
Zeit der Apoptivkaiser. 96 n. Chr. wurde Senator Nerva zum Kaiser ernannt. Die Nachfolger wurden nun
nicht mehr Aufgrund der Abstammung,
sondern Aufgrund ihrer Qualifikationen
ausgewählt. Formell und rechtlich waren sie
die Söhne der Kaisers und übernahmen nach
dessen Tod das Privateigentum und die
Position im Staat. Nervas Regierungszeit
dauerte 96 bis 98 n. Chr., eigentlich ist sie
nicht sehr erwähnenswert. Sein Nachfolger
Trajanus war der erste Kaiser, der aus einer
Provinz, aus Spanien, stammte. Vorher waren
die Kaiser immer Römer gewesen. Er verfolgte eine offensive Politik und vergrößerte das Reich, unter ihm
erreichte das römische Reich seine größte Ausdehnung. Trajanus eroberte Dakien im heutigen Rumänien
und überschritt erneut die Donaugrenze. Er eroberte auch Armenia, Mesopotamien und Arabien und wurde
daraufhin sehr verherrlicht. Auf ihn folgte Hadrianus, ein sehr gebildeter Kaiser, der sich mit der
griechischen Philosophie, Sprache und Kultur auseinandersetzte. Er war viel auf Reisen und hatte Kontakt
mit der Bevölkerung und den Stadthaltern. Athen profitierte von seiner Herrschaft, er ordnete auch die
Olympischen Spiele neu. Nicht nur Sport sondern auch Musik und Kunst waren nun dabei vertreten.
Überall wurden alte Bauten wieder hergestellt und alte Traditionen und Kulte gefördert. Hadrianus
verzichtete auf die gefährlichen Provinzen im Osten (Armenien, Mesopotamien) und lies in Britannien den
Hadrianswall erbauen.
Auf Hadrian folgte Antonius Pius von 138 n. Chr. bis 161 n. Chr. Er hatte den Beinamen „der
Fromme“ und ehrte das Ansehen seiner Vorfahren stark. Antonius verließ Italien nie und war militärisch
nicht erfolgreich, dass Reich war bei ihm am Gipfel des Wohlstandes und der Macht. Eine kleine Expedition
wurde bis nach Britannien gemacht und ein Stück nördlich des Hadrianswall wurde
der Antoniuswall erbaut. Nach dem Tod von Pius übernahmen seine Enke Marc
Aurel gemeinsam mit Verus die Herrschaft. Verus bekämpft die Parther und bildet
in Ephesos sein Hauptquartier. Er starb an der Pest. Marc Aurel musst sich als
Alleinherrscher mit dem Einfall germanische Stämme vom Norden
auseinandersetzen. Er war den größten Teil seiner Zeit mit Kriegen beschäftigt, er
sich lieber mit stoischer Philosophie auseinandersetzte. Sein Hauptlager war in
Carnuntum. Zu seinen Ehren wurde in Rom die Marc Aurel Säule errichtet. Nach seinem Tod übernahm
sein Sohn Comodus die Herrschaft. Comodus hatte mit dem Senat nicht viel zu tun, er war vom
Gladiatorensport begeistert, an dem er sogar selbst teilnahm. Er zeigte keine politische Beteiligung und es
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kam zu Missständen. In der Silvesternacht 192 n. Chr. wurde er dann umgebracht. Es gab wieder keinen
Nachfolger und sowohl Senat als auch die Armeen erhoben Kaiser. Septimus Servus setzte sich durch, er
wurde in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen. Er erklärte das Militär zur einzigen Stütze des Kaisertums und
verärgerte damit den Senat. Mit seinem Sohn Caracalla begab er sich auf Feldzüge gegen die Parther, er
wollte eine neue Dynastie begründen. Caracalla war sein Mitregent, er hatte auch einen Bruder, Geta, den
er nach Septimus Servus Tod umbrachte und sein Andenken auslöschte. Als Marcus Aurelius Antonius
verfügte er 211 n. Chr., dass alle freien Bürger des römischen Reiches das Bürgerrecht bekommen sollen.
Bis dahin war das Bürgerrecht ein hohes Privileg. Damit endet die Entwicklung, welche mit dem
Bundesgenossenkrieg begonnen hatte. Auch er wurde ermordet.
Die Regierung ging an Verwandte von der mütterlichen Seite, mit Elagbal nahm ein syrisches
Geschlecht Einzug ins Kaiserhaus. Zu dieser Zeit kamen auch orientalische Kulte nach Rom. Elagbal war
ein aktiver Vertreter der östlichen Religionspolitik, er war Priester des Gottes Baal (syrischer Sonnengott),
dem er einen Tempel in Rom erbaute. Weitere Kulte waren etwa der
persische Mithraskult und die Jupiter-Dolichenus-Religion aus dem syrischen
Grenzgebiet. Es folgte eine Periode kurz regierenden Soldatenkaiser, die vom
Militär bestimmt wurden. Der Senat hatte dabei nichts mitzureden. Es gab
viele gewaltsame Umstürze, Komplotte und Intrigen, die Lebenserwartung
der Kaiser war äußerst gering. Von außen wurde die Stabilität des Reiches immer mehr bedroht, vor allem
aus dem Norden und dem Osten. Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr., während der Zeit von Kaiser Gallienus,
stürmen alle Bedrohungen auf einmal auf das römische Reich ein. Im Osten, wo vorher das Partherreich
war, hatte sich ein neues persisches Reich etabliert, die Dynastie der Sassaniden. Im Norden gab es Einfälle
von Westgoten und anderer Goten, außerdem war auch Kleinasien noch ein schweres Erbe. In weiterer
Folge kam es zu Abspaltungen, in Gallien und Britannien
wird ein gallisches Sonderreich von Ostomus gebildet,
welcher sich von der römischen Herrschaft lossagt. Das
Reich von Palmyra sagt sich auch von Rom los. Es werden
in Folge auch große Teile des Ostens von Zonobia erobert.
Gallienus blieb von 253 bis 268 n. Chr. an der Macht, trotz
der Bedrohungen und der Pest, er sicherte das verbleibende
Reich. Aurelian 270 bis 275 n. Chr., er konnte das Reich
wieder aufbauen. und errang Siege gegen die Germanen.
Auch die Perser konnte er zurückdrängen, musste aber Thrakia aufgeben. In Rom selbst baute er eine neue
Stadtmauer, weil er sich der Bedrohung und der Gefahr von außen bewusst war.
Mit Diocletian bekam das Reich eine neue Grundlage. Er war ein illyrischer General und stammte
aus dem Balkan. 284 n. Chr. nahm er den Augustustitel an. Er änderte das ganze System des Reiches, indem
er die Tetrarchie einführte. Diese sah vier Herrscher, zwei Augusti und Cäsaren vor, unter denen die Macht
aufgeteilt war. Dies war noch nicht die offizielle Teilung, sondern nur eine administrative. Diocletian bekam
den Osten und Maximilianus den Westen. Er war Anhänger der traditionellen Religionen, kein Christ. Unter
49
ihm kam es zu einer Christenverfolgung, sie wurden als Bedrohung des Reiches angesehen. Unter Diocletion
kam es zur Teilung in west- und oströmisches Reich, die Teilung verlief quer durch das ehemalige
Jugoslawien, es gab eine neue Einteilung in den Provinzen. Italien war nun ebenfalls nur mehr eine Provinz,
es hatte keine Sonderstellung mehr. Die militärische und zivile Verwaltung wurde getrennt, der Statthalter
war nicht mehr automatisch Heereskommandant, sondern es gab unterschiedliche Hierarchien. Das Heer
wurde neu organisiert, die Zahl der Legionen wurde auf 75 erhöht und es gab erstmals auch germanische
Söldner. Die Stellung des Kaisers wurde bewusst überhöht, der Hofstaat wurde neu organisiert und bestand
nun aus sieben Ministerien. Die Regierungszeit der Augusti ist auf 20 Jahren beschränkt. Dann werden die
Cäsaren zu Augusti und sie müssen sich ihre Nachfolger suchen.
Im Osten wird Konstantin zum Kaiser ausgerufen, während in Rom der Sohn des Maximilian,
Maxentius, Kaiser wird. Die Interessen der Beiden ließen sich nicht miteinander vereinen. Es kam zu einer
Auseinandersetzung zwischen den Beiden 312 n. Chr. am „Pons Mulvius“ im Norden von Rom-Stadt.
Angeblich soll Konstantin davor ein Engel erschienen sein, er konvertierte nach dem Sieg zum Christentum.
Maxentius wird besiegt und Konstantin gewinnt die Kontrolle über das restliche Reich. Mit dem Edikt von
Mailand 313 n. Chr. wurde das Christentum offiziell als Religion zugelassen. Es gab keine Verfolgung der
Christen mehr und sie durften ihren Glauben frei ausüben. Konstantin gründet ein neues Zentrum im
Osten, Byzantion wird Residenzstadt. Dort gab es auch einen zweiten Senat. Konstantinopel wird
gleichwertig mit Rom. Im 4. Jahrhundert gab es mehrere
miteinander konkurrierende Religionen, aber keine davon
war dominant. Jede Religion wirbt um Gunst des Publikums.
Erst Ende des 4. Jhdt. macht Theodosius das Christentum
zur einzigen anerkannten Religion des Reiches. Erst jetzt
zeigten sich die Konflikte über spezifische
Glaubensvorstellungen. Im Konzil von Mykaia wurde unter
Mitwirkung von Konstantin beschlossen, dass der
Katholizismus die wahre Lehre ist. Die Auseinandersetzungen waren nicht immer friedlich. Das
Christentum wird zur Stütze des Staates, machte sich aber auch gleichzeitig von Kaiser und kaiserlicher
Verwaltung abhängig. Die Kirchen übernehmen die Diözesen, die Geistlichen werden von den Steuern
befreit. Die Steuerentlastung war sehr wichtig, da die die Ämter zu einer Last werden konnten. Die Reichen
zogen aus den Städten, die Infrastruktur zerfiel und es kam zu einer Entsolidarisierung. Eine Feudalisierung
begann sich durchzusetzen, da die Reichen nun große Grundbesitze anhäufen. Der Staat übergab bestimmte
hoheitliche Aufgaben den Feudalherren, etwa die Rechtsprechung. Die Loyalität im Staat nahm immer
weiter ab und schließlich werden Leute von außerhalb, zum Beispiel die Germanen, als Befreier angesehen,
wenn sie ins römische Reich vordrangen.
Theodosius machte das Christentum zur Staatsreligion, heidnische Kulte wurdenerden verboten und
unter Strafe gestellt, Tempel wurden geplündert. Theodosius nahm auch eine Modifikation des Rechts vor,
den „Kodex Theodianus“. Als heidnische Schule wird auch die platonische Akademie geschlossen, 393 n.
Chr. finden die letzten olympischen Spiele statt. Unter Theodosius wird das endgültig Reich zweigeteilt. Die
50
Westgoten plünderten 410 n. Chr. unter Alarich Rom und auch dich Hunnen eroberten große Teile des
Reiches. In der Schlacht bei den Catallaunischen Feldern werden sie schließlich geschlagen. Romulus
Augustulus, der kleine Kaiser, war der letzte römische Kaiser im Westreich. Er wird von Odoaker, einem
germanischen Heermeister abgesetzt, der sich selbst zum Kaiser ernannte, was das Ende des weströmischen
Reiches bedeutete. Das oströmische Reich existierte noch weiter, es gab unter Justinian sogar nochmal eine
Blüte, aber die Zeit der Antike war mit dem weitestgehenden Untergang Roms ebenfalls zu Ende.
2. Mittelalter
2.1. Vorüberlegungen
In der Gegenwart gibt es stilisierte Vorstellungen über das Mittelalter. Oft wird das Mittelalter as Zeit des
kulturellen Verfalles verstanden und wird mit Aspekten wie Pest, Hexenverbrennung, willkürlicher Gewalt
und Folter assoziiert. Diese Sichtweise geht auf die Renaissance zurück, in der man sich in der erneuten
Rezeption antiker Kunst und Kultur vom “dunklen” Mittelalter absetzen
wollte. Die Aufklärung sah das Mittelalter als irrationale Periode, in der das
Kollektiv über das Individuum gestellt wurde, im Kontext der Romantik wurde
das Mittelalter positiver rezipiert. Der Unterschied zwischen Mittelalter und
Moderne wird etwa anhand der Gegensatzpaare Christlich - Säkularismus,
Gaube - Rationalität, Aberglaube - Wissenschaft, Willkürherrschaft -
Rechtsstaat, Beharrung - Fortschritt aufgefasst, für den Fortschrittsgedanken
der Aufklärung war diese Absetzung wichtig. Vieles davon kann so jedoch
nicht aufgefasst werden. Das Mittelalter war in der Tat eine komplexe
Gesellschaft, in der Gegensätze oft nahe beieinander stehen. Diese Widersprüche innerhalb einer Epoche
entgegen einseitiger Abgrenzungen zu verstehen ist die Aufgabe geschichtlicher Forschung. Somit kann die
Erforschung des Mittelalters auch dabei helfen, die Ambivalenzen in der gegenwärtigen Gesellschaft besser
zu verstehen.
Erzählungen über das Mittelalter spielten in der Formung der modernen Nationalstaaten eine
wichtige Rolle. Man identifizierte sich mit Kulturen aus der Vergangenheit, so etwa in Frankreich mit den
Galliern oder in Deutschland mit den Germanen. Die Taufe Chlodwigs um 500 n. Chr. wird als
Gründungsmoment des heutigen Frankreichs gesehen. In England sind einerseits die Angelsachsen, durch
die das Land besetzt war, andererseits auch die ursprünglichen britischen Stämme ein Identifikationspunkt,
eine Tatsache, die noch heute politische Relevanz aufweist. In Italien berief sich vor allem Mussolini auf das
römische Imperium, in der jüngeren Geschichte versuchte man jedoch vor allem in Norditalien eine nicht-
römische Geschichte Italiens zu konstruieren, wobei man sich etwa auf die Kelten oder Langobarden bezog.
Solche Geschichtsbilder stehen immer in Bezug zu nationalistischer Bestrebungen, wie sie etwa im der
gegenwärtigen von einer Interessenpolitik zur Identitätspolitik (Fukuyama) relevant sind. In Serbien war
etwa die “Schlacht auf dem Amselfeld” 1389 ein wichtiges Moment der Identitätsstiftung, welches noch im
Kontext der Konflikte vor dem Ersten Weltkrieg eine große symbolische Bedeutung hatte. Teilweise
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bekennen sich sogar Historiker zur glorreichen Vergangenheit, deren wiederaufleben sie mitunter bewirken
wollen. Solche Ideen haben mitunter politische Sprengkraft.
Was wir vom Mittelalter wissen können beziehen wir in erster Linie aus schriftlichen Quellen. Das
Mittelalter war eine Handschriftenkultur, Bücher wurden in erster Linie aus Pergament gefertigt, welches
gut erhalten bleibt. Allein aus der Karolingerzeit sind über 7000 Schriften überliefert. Antike Texte, etwa
von Cicero, sind oft nur über mittelalterliche Quellen zugänglich. Die antiken Schriftrollen wurden durch
gebundene Bücher ersetzt, in den mittelalterlichen Universitäten wurden Bücher handschriftlich
vervielfältigt. Die “karolingische Minuskel” bildet eine Vorstufe zur modernen Druckschrift. Schriftlichkeit
im Mittelalter war durchaus auch Frauensache, was sich etwa an den “Scivias” von Hildegard von Bingen
zeigt. Im 19. Jahrhundert setzt eine wissenschaftliche Quellenforschung zum Mittelalter ein, es kommt zur
Etablierung der “Monumenta Germaniae Historica”, die dem Thema jedoch mit dem Anspruch auf
Vollständigkeit begegnete. Im 20. Jahrhundert begann man sich auf einen breiten Kulturbegriff sowie die
Erforschung der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der Dekonstruktion kultureller “master
narratives” zu verlegen.
Warum Mittelalter? Grundsätzlich ist das Mittelalter einfach da, es hält sich im Interesse der
zeitgenössischen Gesellschaft. Im Spiegel der Vergangenheit (Tuchman) können wir die gegenwärtige
Gesellschaft besser verstehen und möglicherweise Distanz zu ihr gewinnen. Aspekte wie Christianisierung,
die Bildung der europäischen Staaten, das Universitätswesen oder die Ausbreitung des Islams müssen aus
den genealogischen Zusammenhängen des Mittelalters verstand werden. Im Mittelalter werden zahlreiche
neue Erfindungen getätigt, etwa die Haltung von Hauskatzen, die Brille, Papier und arabische Zahlensystem
inklusive der Null, die beide aus dem arabischen Raum kommen, die Uhr mit Ziffernblatt, Musiknoten und
Schießpulver. Es kommt zur Etablierung des Bankenwesens ausgehend
von Italien. Die Musiknoten entwickelten sich aus den Neumen, welche
ursprünglich zur Regelung liturgischer Gesänge verwendet wurden. Die
Einführung von Knöpfen und Unterwäsche sind weiters eine
Errungenschaft des Mittelalters. Man Begann, entgegen der römischen
Tradition, beim Essen aufrecht zu sitzen, auch das Besteck ist ein
mittelalterlicher Import aus Byzanz. Das Schießpulver kam aus China,
wurde jedoch in Europa erstmals zur systematischen Kriegsführung
verwendet. Das Schachspiel hat seinen Ausgangspunkt im Indien des 16. Jahrhundert, die Figuren wurden
zunächst aus Wahlrosszähnen gefertigt. Eine wichtige Errungenschaft des Mittelalters war die Universität,
von der scholastischen Philosophie wurde ein die Kunst der Disputatio, einer systematischen Debattenkultur,
gepflegt. Erfindungen in der islamischen Welt umfassen etwa den Plan einer “Ewigen Flöte”, die durch
hydraulische Mechanismen betrieben wurde, sowie dem Plan einer äußerst genauen Waage. Das Individuum
nimmt seinen Ausgangspunkt in der Antike und wird gemäß der gängigen Lehre erst in der Renaissance
zum souveränen Einzelnen der Moderne weiterentwickelt, der sich, nach der Konzeption Niklas Luhmanns,
in der Reflexion auf sich selbst von der Unmittelbarkeit seiner lebensweltlichen Bezüge distanzieren kann.
52
Allerdings zeigen sich bereits bei frühmittelalterlichen Autoren stark individualistische Züge, der moderne
Personenbegriff nimmt seinen Ausgangspunkt bei theologischen Debatten zur Trinität oder Christologie.
Wie lässt sich das Mittelalter chronologisch abgrenzen? Mögliche Datierungen zum Beginn des
Mittelalters wäre das Toleranzedikt von Mailand (313 n. Chr.), der Einfall der Hunnen (375 n. Chr.), die
Absetzung der letzten weströmischen Kaisers (476 n. Chr.) oder die Reichsgründung der Langobarden (568
n. Chr.). Der Beginn der Neuzeit lässt sich mit der Erfindung des Buchdrucks (um 1450 n. Chr.), dem Fall
Konstantinopels (1453 n. Chr.) oder der Entdeckung Amerikas (1492 n. Chr.). Das Mittelalter wird immer
wieder als anachronistisch und rückständig aufgefasst, das Mittelalter bildet aus der Sicht der Renaissance
die Antithese zur antiken Kultur. Die moderne Mediävistik versucht sich von dieser Auffassung zu trennen.
Das Mittelalter ist keine einheitliche Epoche mit klarer Progressivität.
53
Die gängige mittelalterliche Geschichtsauffassung ist demnach eurozentrischen orientiert, der
Übergang hin zu einer globalen Perspektive ist ein langwieriger Prozess. Es lässt sich nach früher
Globalisierung forschen, über den Handel gab es schon damals regen kulturellen Austausch. Im Iran, Indien
und Zentralasien verlief um 500 n. Chr. die Seidenstraße, Persien wurde von den Hephthaliten beherrscht
und war eine rege Zone des Kulturaustausches. Es kam zur Verbreitung des Buddhismus und zur
Entstehung von Zoroastrismus und Manichäismus. In der Lehre Zarathustras wird der eine Gott Ahura
Mazda verehrt, während
der Manichäismus stark
dualistisch orientiert ist.
Diese Vorstellungen
prägten auch das frühe
Christentum, welches sich
im persischen Raum in
Form des Nestorianismus
ausbreitet. Im 6.
Jahrhundert setzt sich das
Sassanidenreich durch,
welches in ständigen Auseinandersetzungen mit Rom und Byzanz stand. In Indien tut sich ein ganzer
Kosmos hinduistischer und buddhistischer Götter auf. Im Brahmanismus kam eine Priesterkaste zur
Herrschaft, es gab starke asketisch Vorstellungen über die Auflösung des Ich in einem höheren Sein. Die
hinduistische Tradition verehrte etwa den Elefantengott Ganesha oder Bodhisattwa. Der Hinduismus
entwickelte sich aus einer viel älteren Religion, die auf dem heiligen Text der “Veden” beruht. Zentral ist
die Dreiheit der Götter Brahma, der Schöpfer, Vishnu, der Heiler und Shiva, der Zerstörer. Dem entspricht
ein zyklisches Weltbild von Zerstörung und Wiederaufbau. Das “Bhagavadgita” handelt auf einer
oberflächlichen Ebene von einer Schlacht, die der Prinz Arjuna zu schlagen hat, uns seinem Wagenlenker
und Berater Krishna, mit dem er sich etwa über die Frage des gerechten Krieges unterhält. Arjuna müsse
seine Pflicht gemäß seiner Kastenzugehörigkeit erfüllen, dabei ginge es jedoch darum, selbstlos zu handeln
und sich notfalls auch aufzuopfern. Arjuna müsse bereit sein, sein Dharma zu erfüllen, seinen Zweck
innerhalb der umfassenden Ordnung des Seins. Der Hinduismus ist zunächst ein Polytheismus ähnlich dem
der Griechen, man konnte sich mit bestimmten Anliegen an bestimmte Götter wenden. Die Opfergaben
werden zunehmend symbolisch, oft wird nur geschmolzene Butter vergossen, worin die “Bhakti”, die
Verehrung der Götter zum Ausdruck kommt. Die Praktik des “Yoga” bedeutet ursprünglich eine strenge
asketische Praktik der Vereinigung mit dem Absoluten und beinhaltet die Abkehr vom diesseitigen Leben
als umfassende Lebensentscheidung.
54
Das Imperium der Gupta entstand um das 5. Jahrhundert und brüstet sich mit großen Eroberungen,
historisches Wissen über diese Periode ist jedoch äußerst knapp. Im Nordosten kam es immer wieder vor,
dass Völker aus Nordasien nach Indien vordringen, etwa hunnische Völker, die auch bis nach Europa
vordrangen, sowie die Mongolen. Das hinduistische Kastensystem schließt keine Nicht-Hindus ein, die noch
unter der untersten Kaste stehen. Bis zu einem gewissen Rahmen gab es Möglichkeiten, zu höheren Kasten
aufzusteigen. Das Grab des ersten chinesischen Kaisers Qin shi huang di stammt aus der Zeit um 200 v.
Chr., in den gleichen Zeitraum fällt das Wirken Konfuzius’, eines legendären philosophischen Weisen und
politischen Beraters. Das konfuzianische Denken ist in erster Linie praktisch-
politisch ausgerichtet, hat aber auch eine mystische Tradition. An alle Amtsträger
wird ein hoher moralischer Anspruch gestellt, ähnlich wie es etwa von Cicero in
der römischen Republik versucht wurde. Die Geschichtsschreibung spielt eine
wichtige Rolle, in einem konfuzianischen Tempel liegt ein über hunderte
Marmortafeln umfassendes Geschichtswerk, welches Konfuzius selbst
zugeschrieben wird. Die Geschichte des chinesischen Imperiums entwickelt sich
als Abfolge verschiedener Imperium, deren Macht in Folge innerer Konflikte
zerfällt, was letztendlich zum Untergang führt, wie etwa das Han-Imperium. Die
Chinesen nennen sich noch heute selbst als Han, was auf die Fremdidentifikation
kleinerer chinesischer Völker mit dem Reich zurückgeht. Unter dem legendären Kaiser Taizong (626 - 49),
der eine legendäre Schlacht gegen die Türken geführt hatte, in der er sie schon vor der Schlacht zur Umkehr
geführt hatte, kam es zum Aufstieg der Tang-Dynastie. Das Kernland (“Reich der Mitte”) stellt in der
chinesischen Selbstwahrnehmung den Mittelpunkt der Welt dar, das gesamte Reich erstreckte sich bis nach
Jerusalem. Zivile und militärische Beamten waren ähnlich gekleidet, woran die Struktur des chinesischen
Beamtenapparates ersichtlich wird, für den es rigide Aufnahmeverfahren gab und zu dem prinzipiell auch
Nicht-Adelige zugelassen waren.
Im 6. Jahrhundert taucht erstmals der Name “Türken” auf, die ältesten Zeugnisse sind etwa die
Grabstatue des Niri Khagan von 599, und die Inschrift von Tonyukuk von 732, auf denen von den Taten
der Khaganen und deren Konflikte mit den Chinesen der Tang-Dynastie geschildert werden. Die
ursprünglichen Türken waren ein nomadisches Steppenvolk mit einer hochspezialisierten Lebensweise,
durch die sie sich auf die kargen Verhältnisse anpassen konnten.
Wichtig war der Austausch mit anderen Völkern, die unter schwierigen
klimatischen Bedingungen auch zeitweise geplündert wurden. Über
die Seidenstraße kam es während der Heian-Periode (9.-12.
Jahrhundert) zur Ausbreitung des Buddhismus. Die Religion war zu
dieser Zeit bereits tausend Jahre alt, der Buddha selbst wirkte um 500
v. Chr. Ziel der Lehre ist, wie auch im Hinduismus, der Ausgang aus dem Kreis der Wiedergeburten, in dem
gemäß der moralischen Lehre des Karma die Seele gemäß in ihrer guten und schlechten Taten in höheren
oder niedrigeren Seinsformen wiedergeboren wird. Es soll das “Nirwana” erreicht werden. Der Buddhismus
hat strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Christentum, es gibt Klöster und Konzilien, in denen sich
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Glaubensvertreter treffen und es teilweise zu Schismata kommt, so etwa über die Frage nach dem
“Mahayana”, einer strengeren Lehre und dem “Hin”, einer weniger strengen. Buddhistische Mönche
mussten, ähnlich die Benediktiner, ein Bettlerleben führen, ließen sich jedoch beide letztendlich von adligen
Klöstern bestiften, in denen sie sich der Schriftkunde widmen konnten.
In Amerika ist etwa die “klassische Periode” der Maya (ca. 250 - 900) zu nennen, geographisch im
heutigen Yucatán angesiedelt. Die Maya bauten Tempel und betrieben eine sehr genaue Zeitrechnung
mittels Piktogrammen. Auch hier gab es eine zyklische Weltauffassung. Verehrt wurde etwa die Göttin Chak
Chel (“großer Regenbogen”), hervorzuheben ist die starke Bedeutung von Menschenopfer, zu denen in
erster Linie Kriegsgefangene herangezogen wurden. Die Menschenopferkultur wurde von den Azteken
perfektioniert. In Mexiko gab es um das 7./8. Jahrhundert Ballspiele, die dem heutigen Fußball ähnelten.
Im Peru des 1. Jahrtausend gab es eine große Zahl lokaler Kulturen.
2.3. Die Umwandlung der römischen Welt und die Entstehung neuer Reiche
Um 400 n. Chr. umfasst das römische Reich die Gebiete Spanien, Frankreichs, Teile Großbritanniens, Italien
sowie den gesamten Mittelmeerraum inklusive der Türkei. Der Beginn des Imperiums liegt etwa um 200 v.
Chr. und fällt mit der Entstehung des Han-Reiches zusammen. Um 300 n. Chr. kommt es etwa durch den
Einfall der Goten sowie innerer Spannungen zu einer Krise, die das Reich aber überwindet. Es hält sich die
Auffassung aus der Kaiserzeit, nach der man über eine Vielzahl autonomer Reiche herrschte. Die Zeit um
400 n. Chr. wurde in der Geschichtsforschung lange Zeit als Verfallszeit betrachtet (vgl. Gibbons, “The
Rise and Fall of the Roman Empire”). Ende der 1970 Jahre setzte sich durch die Meinung von Peter Brown
die Meinung durch, dass das Ende der Antike ein differenziertes kulturelles Profil hat, deren Lebensart nicht
bloß als Verfallsform früherer kultureller Ausdrucksweisen zu sehen ist. So ist etwa das spätrömische
Gesetzbarkeit noch heute in den Rechtswissenschaften relevant.
Die spätrömische Gesellschaft basierte auf Sklavenarbeit. Man wurde durch Abstammung oder auch
Eroberung zum Sklaven, sie wurden oft zu Hausarbeiten eingesetzt, manchmal aber auch als Lehrer.
Gebildete Haussklaven wurden manchmal freigelassen und konnten in bestimmten Rahmen sozial
aufsteigen. Unser Wort für Sklaven leitet sich von der ethnologischen Bedeutung der “Slaven” ab, aus deren
gebieten Menschen systematisch im Sklavenhandel verkauft wurden. Auch das christliche Mittelalter nahm
an diesem Handel regen Anteil, die Menschen wurden etwa über Handelsrouten in Venedig verkauft. Die
Produktivität der Sklavenhaltung war jedoch nicht sehr groß, die Sklaven arbeiteten ja äußerst ungern. In
der Gewerbeproduktion gab es durchaus große Manufakturen, die sich Großteiles auf Sklavenarbeit
aufbauten. Durch metallurgische Studien konnte etwa festgestellt werden, dass die germanischen Schwerter
gegenüber denen der Römer qualitativ wesentlich hochwertiger waren, was sich erst nach der Sklavenarbeit
änderte. Zur Zeit der imperialen Expansion gab es einen Überschuss an Sklaven, welcher danach
zurückging. Es wurden jedoch auch Raubzüge von privaten Sklavenhändlern unternommen. Ein weiterer
wichtiger Aspekt ist der Fernhandel und die differenzierte Arbeitsteilung. Zentrale Handelsgüter des
spätrömischen Reiches waren Keramik und Olivenöl, welches zur Beleuchtung von Lampen verwendet
wurde. Die Steuern aus den Provinzen flossen durch den Kauf von Konsumgütern wieder in diese Zurück,
56
so wurde etwa der exklusivste Wein aus Rhodos und dem Gazastreifen nach Rom geliefert. Die großräumige
Arbeitsteilung war eine Folge der Entstehung einer materiellen Kultur, so mussten etwa Soldaten mit
Lebensmitteln versorgt werden. Anhand der Verbreitung von Keramiken kann die Teilhabe von Ländern
am römischen Handelsnetz festgestellt werden. Am Ende des 6. Jahrhunderts hält der Geschichtsschreiber
Friedrich von Tours von einem Asketen, der sich nur mehr von Kräutern aus Ägypten ernährt.
Die römische Antike ist eine städtische Zivilisation, die civitates sind selbstorganisierte Systeme, die
von einem Rat regiert wird und auch die Kontrolle über das Umland ausübt. Jede Stadt verwaltet eine
zugeteilte Provinz, deren herrschaftliches und kulturelles Zentrum sie bildet. Als ehemaliges Heerlager war
die Autonomie der Stadt Wien zunächst begrenzt, sie musste erst graduierlich durch Erwerb von Ländereien
ein Herrschaftsgebiet aufbauen. Dennoch macht die Stadtbevölkerung lediglich um die zehn Prozent der
Stadtbevölkerung aus, reiche Senatoren haben meist einen Stadt- und einen Landsitz, in dem sie reiche
Häuser mit Gärten und einem Atrium unterhalten. In der Spätantike kam die Autonomie der Städte und die
städtische Oberschicht ins Wanken. Durch wirtschaftliche Engpässe oder Barbareneinfall konnten die
Steuern an die Hauptstadt nicht geleistet werden. Rom selbst hatte zu dieser Zeit ca. 1.000.000 Bewohner,
von denen jeder Anspruch auf kostenloses Getreide hatte, dass aus Ägypten importiert wurde. Das
spätrömische Steuersystem basierte auf der Währung des Dinars, wurde aber unter Kaiser Konstantin auf
Goldmünzen umgestellt, die praktischer für die Steuereintreibung waren. Bei neuen Eroberungen wurde in
den neuen Provinzen als erstes das Steuersystem etabliert, das unter der Kontrolle der lokalen Herrschaft
stand. Das System war jedoch nicht krisenfest und bei der Bevölkerung wenig beliebt. Missernten und
Einfälle konnten von dem Prinzip nur bedingt aufgefangen werden, für steuerfähige Provinzen mussten
prinzipiell deren Nachbarn aufkommen, was durch nicht unerhebliche Konflikten zur Destabilisierung des
Reiches beitrug. Im Mittelalter wurde diese allgemeine Steuerpflicht aufgehoben und durch lokale Mauten
ersetzt. Das römische Reich unterhielt ein stehendes Heer von schätzungsweise fünf bis sechstausend Mann,
welches durch Steuereinnahmen finanziert und zur Austragung innerer Spannungen eingesetzt wurde.
Angesichts der zunehmenden Grenzkonflikte stellte man sich auf ein mobiles Heer um, was zu erheblichen
Rekrutierungsproblemen führte, insofern die meisten Bürger nicht in fernen Provinzen leben wollten und
auch der Truppenbedarf stieg. Zum Ausgleich wurde eine Wehrersatzsteuer an die Bürger der Provinzen
verhängt, teilweise wurden auch Soldaten aus den umliegenden Ländern rekrutiert, es kommt zu einer
“Barbarisierung” des Heers. Teilweise übernimmt man ganze Einheiten, sogenannte “Hilfstruppen” aus
Ländern jenseits der Grenze in das römische Heer. Anfangs funktioniert dieses System relativ gut, ist auf
die Dauer jedoch ein heikles Unterfangen, da auch die Gefahr der militärischen Übernahme besteht. Für
Stabilität sorgte die Konkurrenz unter den lokalen Eliten, die es für den Kaiser leichter machte, sich gegen
Aufstände zu wehren. Zeitweise erfolgten Pogrome gegen barbarischstämmige Heerführer, so etwa gegen
Stilicho, einem Vetter des Kaisers mit vandalischen Wurzeln.
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Nach der Schilderung Livius’ war das Römische Reich von seiner Gründung her ein Vielvölkerstaat
mit großer ethnischer Pluralität, der auch dem Gesetz Roms zu Grunde liegt. Während die barbarischen
Völker durch eine stark biologisch determinierte Einheit bestimmt würden, seien die Römer ein populus,
welches sich durch kulturelle Faktoren konstituiert und durch die große kulturelle Integrationsfähigkeit
fremder Völker auszeichnet. Rom wurde als eine kosmopolis verstanden, die ein Mosaik pluraler
Gesellschaftsgruppen bildet. Es wurde auch aktiv durch Bevölkerung und Ansiedlung in die
Gesellschaftsbildung der Provinzen eingegriffen. Römer wurde man durch die Verleihung des römischen
Bürgerrechtes, erst ab Caracalla können sich durch die “Constitutio Antonium”
(212 n. Chr.) alle freien Bürger als Römer bezeichnen. Unter Diokletian (ca.
300 n. Chr.) wird der Versuch ausgeweitet, durch rechtliche
Zwangsmaßnahmen gesellschaftliche und ökonomische Probleme zu lösen. So
musste etwa mindestens ein Sohn eines Bäckers ebenfalls Bäcker werden, die
Wirksamkeit dieser Gesetze war jedoch gering. Diokletian versucht die
Effizienz der herrschaftlichen Autorität zu erhöhen, indem sowohl im ost- als
auch im weströmischen Reich ein über- und ein untergeordneter Kaiser
regieren, es kam zu einer sogenannten “Tetrarchie”. Zwischen diesen vier
Kaisern kam es jedoch oft zu Auseinandersetzungen, die berühmte Schlacht Konstantins an der milvischen
Brücke war etwa die Folge einer solchen Auseinandersetzung. Christen wurden nur verfolgt, insofern sie
nicht staatlich Sanktionierten Götterkult betrieben. Erst ab Konstantin wurde das Christentum zur
privilegierten Religion im Reich. Im 3. Jahrhundert wurde Rom erstmals mit einer Festungsmauer umgeben,
Konstantin verlegte dennoch seine Hauptstadt nach Konstantinopel, dessen eindrucksvolle Mauer etwa das
“goldene Tor” beinhaltet. Im Westen wurde die Hauptstadt am Ende des 4. Jahrhunderts nach Ravenna
verlegt, in dem bis zum 6. Jahrhundert eindrucksvolle Kirchen und Hafenbauten errichtet wurden.
Wieso kam es zum Zerfall des Imperium Romanum? Darum ranken sich seit jeher komplexe
geschichtswissenschaftliche Debatten. Die Analyse Gibbons steht unter dem Eindruck potentieller
(kontemporärer) Invasionen nach Europa, welche er in Analogie zum Untergang Roms setzt.
Dementsprechend wird der Untergang Roms oft vor dem Hintergrund der gegenwärtigen historischen
Situation interpretiert. In der Frage nach der Kontinuität zwischen Rom und der nachfolgenden Welt wurde
etwa die Dekadenztheorie formuliert, die jedoch einen stark gesellschaftskritischen und moralpädagogischen
Anklang hat. Rom sei demnach vor allem Aufgrund des fortschreitenden Sittenverfalles und der
entsprechenden kulturellen und sozialen Entartung untergegangen. Solche kulturmorphologischen
Theorien, welche historische Lebensformen als quasi-biologische Entitäten mit immanenten Entwicklungs-
und Verfallstendenzen sehen, sind jedoch problematisch Es stellt sich etwa die Frage, wie Rom überhaupt
so lange bestehen konnte. Weiters gibt es die Theorie, nach der viele kleine Verschlechterungen zum
Untergang Roms beigetragen hätten. Eine kuriose Theorie besagt, dass die Bleirohre der römischen
Kanalisation zum Rückgang des Bevölkerungswachstums geführt habe. Auch kam es etwa zu einem
geringfügigen Klimawandel sowie Bevölkerungsrückgang in Folge von Krankheit. Eine sozioökonomische
Theorie geht von einer massiven Verschärfung des Unterschieds zwischen Arm und Reich aus.
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Senatorenfamilien konnten teilweise sagenhafte Reichtümer anhäufen, demgegenüber lebten die unteren
Schichten oft in immer drückenderer Armut. Ein Großteil der körperlichen Arbeit wurde von Sklaven
verrichtet, was ebenfalls zu gesellschaftlichen Unruhen führen konnten. Einen wesentlichen Beitrag zum
Untergang des Imperiums hat gemäß dieser Theorie auch der Rückgang der römischen Exportwirtschaft
geleistet. Als innenpolitische Gründe lassen sich etwa Missstände in der Verwaltung nennen (Korruption),
solche historischen Positionen üben jedoch oft implizite Kritik
an ihrer eigenen Zeit (z.B. Völkerwanderung - Migration,
Totalitarismus unter Diokletian - Kalter Krieg). Man kann
erkennen, wie weit die Deutungen hier auseinandergehen
können. Die Christianisierung wurde aus aufklärerischer Sicht
für den Untergang des römischen Reiches verantwortlich
gemacht. Eine neue Masse an Klerikern musste versorgt werden, was die materiellen Rahmenbedingungen
des Reiches sprengte. Die Versorgung musste etwa vom Heer abgezogen werden, weswegen die “dunklen
Jahre” vor dem Untergang der Reiches zu den friedlichsten in der europäischen Geschichte zählen. Die
Christianisierung wirkte sich demnach tendenziell positiv auf die Gewaltbereitschaft im römischen Reich
aus, mit dem Heer wurde ein funktionierendes System des Konfliktmanagements untergraben, der soziale
Druck durch die Kleriker zur Vermeidung von Gewalt musste dagegen erst etabliert werden. Als einer der
äußeren Gründe kann der Einfall der Barbaren genannt werden, eine Auffassung, die auch heute beiden
Gegnern von Zuwanderung beliebt ist. So kam es etwa zum Einfall der Goten, der auch etwa durch den
Rückgang der römischen Heereskraft motiviert war. Hieronymus schrieb etwas später über den Einfall der
Hunnen, wie peinlich es sei, dass sich die Römer von Kriegern ohne einer brauchbaren Infanterie bezwingen
ließen. Man nahm Kämpfe mit den Barbaren offensichtlich nicht sehr ernst, was möglicherweise zum
Untergang der Reiches beigetragen hatte.
Folgen der Transformation der römischen Welt sind etwa das Verschwinden einer stehenden
römischen Armee, welches durch einzelne, nach dem jeweiligen Volk benannte Heere ersetzt wird und von
lokalen Einnahmen finanziert werden. Das weströmische Reich wurde durch barbarische Königreiche
ersetzt, unter “Barbaren” versteht man in diesem Kontext vor allem die Germanen, die Goten und die
Skythen. Das Ende des weströmischen Reiches 476 n. Chr. ereignet sich durch eine kleinen Putsch der
Feldführers Odoakars, der danach keinen neuen Kaiser einsetzt und dem oströmischen Kaiser die Kleider
und Insignien schickt - das fragmentierte Reich würde ohnehin keinen Kaiser mehr brauchen. Odoaker
selbst ernannte sich zum König. Es kam zu einem Rückgang der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des
Fernhandels, die Bevölkerung geht zurück etwa aufgrund der Einschränkung des Heeres und des Verkaufs
von Sklaven. Durch die Christianisierung kam es zur Durchsetzung eines neuen Wertesystems, die
herrschende Schicht (Senatoren) verschwindet. Auf kultureller Ebene kommt es zum Verschwinden der
berühmten römischen Statuen sowie der glasierten Keramiken. Das Bauwesen vermindert sich, Häuser
werden aus Holz, nicht mehr aus Ziegeln gebaut. Was bleibt sind das lateinische Alphabet sowie die Glas-
und Metallherstellung. Das unter Konstantin eingeführte Münzsystem bleibt bis zu Karl dem Großen
erhalten, jedoch verschwindet das römische Steuersystem.
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2.4. Die Christianisierung des Imperiums
Als Historiker kann man nicht davon ausgehen, dass sich die Durchsetzung des Christentums als
notwendige Tatsache aus dessen dogmatischer Wahrheit ableiten kann. Ein rein funktionalistischer
Gesichtspunkt kann zwar manchmal helfen, kann der Faktizität des Glaubens jedoch keine Rechnung
tragen. Historische Änderungen, die sich durch das Christentum ereigneten, waren etwa die Einführung der
Lehre von der Dreifaltigkeit im Zuge des Konzils von Chalcedon im 5. Jahrhundert sowie die Bestimmung
zur Sonntagsruhe und die Einführung der christlichen Ehe im 9. Jahrhundert. Im 11. Jahrhundert erfolgte
die flächendeckende Durchsetzung des Zölibats sowie die Einsetzung der Bischöfe durch den Papst im 12.
Jahrhundert. 313 n. Chr. kam es unter Konstantin zur berühmten Schacht an der Milvischen Brücke, wo
der Kaiser unter dem christlichen Zeichen des Kreuzes einen Sieg erlangen Konnte. 313 n. Chr. erließ
Konstantin das “Toleranzedikt von Mailand”, 325 n. Chr. wurden
im Konzil von Nicäa wesentliche Glaubensinhalte festgelegt. 380
n. Chr. erklärte Theodosius I. das Christentum per Dekret zur
Staatsreligion, er verbot auch die heidnischen Kulte und ließ deren
Tempel schließen. Nach einem Aufstand in der Stadt Thessaloniki
kam es zu einem Gemetzel, das man indirekt dem Kaiser
anrechnete. Theodosius musste Buße für seine Sünden leisten oder er würde in die Hölle kommen,
Ambrosius von Mailand forderte, dass der Kaiser durch die kirchliche Gemeinde schreiten und sich vor
dem Bischof zu Boden werfen. Dieses Ereignis wurde lange im Konflikt zwischen Kaisern und Päpsten
immer wieder aufgegriffen. Theodosius wurde damit zu einem der beliebtesten christlichen Kaisern. Nach
Kaiser Theodosius I. (Tod 395 n. Chr.), dem letzten Regenten des Gesamtimperiums, vollzieht sich die
endgültige Trennung in West- und Ostrom. Kaiser Justinian (Mitte 6. Jahrhundert) hatte die finanziellen
Mittel für eine expansive Politik zur Verfügung, auch legte er eine für lange Zeit gültige Kodifizierung des
römischen Rechtes fest. Unter ihm beginnt sich die Vorstellung eines christlichen Imperiums zu etablieren,
auf einem Mosaik in Ravenna sieht man den Kaiser neben dem Erzbischof Maximilianus neben einigen
Soldaten und Höflingen. Das Gesellschaftsmodell ist ernst und fromm, der Kaiser wird nüchtern und ohne
Verklärung dargestellt. Dennoch war die Idee eines “christlichen Imperiums” nicht von Dauer.
Mit der Christianisierung kam es zur Einschränkung des polytheistischen Götterpantheons der
Römer. Zuvor hatte man lokale Stadtgötter, die auch über verschiedene Kulturen hinweg übersetzbar sind,
etwa der römische Kriegsgott Merkur in den Germanischen Kriegsgott Odin, was sich auch in den ähnlich
klingenden Namen für die Wochentage niederschlägt. Der Götterhimmel war sehr anthropomorph, was zu
Diskussionen über ihre Wirksamkeit führt. Vor diesem Hintergrund ist der Erfolg der orientalischen
Mysterienkulte, etwa des Mithraskultes, zu verstehen. Allgemein ist Religion in der antiken Kultur nicht so
tief im Leben verankert wie im Christentum. Es kam zu einem Monotheismus, auch erhebt das Christentum
einen stärkeren Wahrheitsanspruch, der sich auf die Offenbarung und nicht mehr auf tradierte Erzählungen
stützt. Daher kommt auch der christliche Missionsgedanke, das Christentum sah sich nicht mehr als eine
Religion unter vielen, wie es auch in Judentum und Islam der Fall war. Man grenzte sich bewusst von den
“heidnischen” Religionen ab, die im Unterschied zu der grundsätzlichen Duldung der anderen
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Buchreligionen stand. Dennoch wurden zahlreiche “heidnische” Elemente übernommen, so wurden etwa
vorchristliche Kultplätze oder Feiertage reappropriiert. Der Missionsgedanke ist in der konzisen
Aufforderung in Matthäus 18-19 festgelegt: “Darum geht und macht alle Völkern zu meinen Jüngern”. Es
gibt die Vorstellung einer universalen Heilsgeschichte, die Mission muss vor dem unmittelbar
bevorstehenden Weltuntergang erfüllt werden. Der Erlösungsgedanke besteht in einer strengen Dualität
von Errettung und Verdammnis, die dem einzelnen Menschen im Jenseits erwarten - die Schuld liegt auf
den Schultern des Individuums. Das antike Jenseits war eher düster aber nicht mit Strafe und Qualen
verbunden. Das richtige Verhalten im Diesseits beeinflusst das Schicksal im Jenseits, dadurch wird die
Verantwortung des Einzelnen extrapoliert. Die Religion wird moralisiert, es werden strenge christliche
Bußschriften verfasst. Im Zentrum steht der Gedanke der Caritas, die selbstlose Hilfe für die Armen. Das
zirkuläre Geschichtsverständnis der Antike wird in eine lineare Eschatologie aufgehoben, in der die
Geschichte auf ein zeitliches Ende hin interpretiert wird. Erstmals wird Religion auch hierarchisch von einer
zentralen Autorität her organisiert.
Im römischen Verständnis ist ein “populus” eine durch eine bewusste Festlegung festgelegte
Gesellschaft, was im Gegensatz zum “genus”, der bloß naturwüchsigen Gemeinschaft steht. Rom war durch
den ursprünglichen Akt der Gesetzgebung des Romulus als kohärente staatliche Einheit konstituiert worden
und somit kein bloßer Haufen. Dieser Zugang ändert sich zu Beginn des Mittelalters fundamental, Staaten
werden erstmals nach Völkern benannt, etwa die Franken oder die Saxen. Aus der Perspektive einer
Geschichte der europäischen Nationen wurde deren Legitimität von diesen staatlich-völkischen
Verbindungen hergeleitet, etwa Frankreich von den Franken. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass etwa
beim Zerfall des chinesischen Imperiums eine solche Herausbildung von Einzelstaaten nie stattgefunden
hatten, hier gliederten sich die einzelnen Gruppen stets erneut in eine einheitliche chinesische Identität ein,
wie sie auch heute noch besteht. In Europa entsteht somit erstmals ein Modell partikularer Staaten, welche
nicht mit den modernen Nationen gleichgesetzt werden dürfen, die das heutige Bild eines pluralen Europas
jedoch entscheidend vorgeprägt hatten. Die überterritoriale Einheit dieser Reiche konstituiert sich über ihre
Zugehörigkeit zum Christentum, dahinter steht der Missionierungsgedanke des neuen Testaments. Die
Königreiche waren religiös legitimiert, Herrscher waren stets “gratia dei”.
63
Die Langobarden siedelten im Donauraum, 568 n. Chr. kam es zur langobardischen Invasion in
Italien, wobei jedoch keine vollständige Eroberung gelang. Das Resultat war eine Teilung der
Apenninenhalbinsel in langobardischen Norden und ostgotischen Süden. Im Gegensatz zu den Ostgoten
in Süditalien brachen die Langobarden mit den römischen Traditionen, die Herrschaft lag vorzüglich bei
regionalen Machthabern, den sogenannten „duces“. 774 n. Chr. fiel das Langobardenreich an die Franken
unter Karl dem Großen. Die effektive Kontrolle der beiden langobardischen Herrschaftsgebiete, der
Langobardia maior in Ober- und Langobardia minor in Unteritalien, durch die
Langobardenkönige variierte; anfangs besaßen die zahlreichen Fürstentümer, aus
denen sich das Königreich zusammensetzte, ein hohes Maß an Autonomie, später
verstärkte sich die Kontrolle durch den König, auch wenn sich der Drang einzelner
Herzöge nach größerer Selbstbestimmung nie ganz verflüchtigte. Der germanisch-
langobardische Charakter verlor sich über die Jahrhunderte, bis das Königreich im
Königreich Italien aufging. Die Langobarden übernahmen schrittweise römische
Titel, Namen und Traditionen. Teilweise konvertierten die ursprünglich arianischen
Langobarden im 7. Jahrhundert auch zum Katholizismus. Zu Lebzeiten von Paulus Diakonus (8.
Jahrhundert) waren die langobardische Sprache, Kleidung und Haartracht verschwunden. Die Awaren
letztlich residierten im Raum der späteren k. u. k. Monarchie, sie waren aus einem Zusammenschluss
verschiedener kleinerer Reiterstämme entstanden. Die Awaren herrschten mit und über die dort ansässigen
Slawen, das Awarenreich bildete gewissermaßen einen Puffer zwischen dem Frankenreich und Byzanz. Die
Awaren bestanden bis ins 9. Jahrhundert, wo sie Eroberungskriegen durch Karl dem Großen zum Opfer
fielen.
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Gesellschaft etablierte schließlich ein “Volksrecht”, um die Gewalt einzudämmen. Die “Lex Salica” regelt
unter anderem ein alternatives Verfahren, mit dem Problem der Blutrache umzugehen. Für alle Tötungen,
Beleidigungen oder Verletzungen gilt es, große Geldstrafen an die Familie des Opfers auszustellen. Die
genauen Tarife wurden in sehr detaillierten Bußkatalogen festgelegt, bei einer Tötung umfasste die Buße
allerdings nicht allzu viel, wodurch die Motivation zur Zahlung erhöht und damit der destruktive Kreislauf
der Rache verhindert werden sollte. Auch variierten die Tarife in Bezug auf den sozialen Status des Opfers
(Franken - Romanen) und der “Ehrenhaftigkeit”, mit der die Tat ausgeführt wurde. Besonders bestraft
werden Hinterhalt und Verbergen der Tat. Diebstahl, Sachbeschädigung und Beleidigung wurden
beispielsweise ebenfalls besoldet, jedoch handelt es sich nicht um Strafen, sondern eher um
Reparaturzahlungen zwischen freien Akteuren. Konnte ein Urteil nicht eindeutig festgestellt werden,
wurden oft archaische Methoden zur “göttlichen Urteilsbildung” herangezogen, etwa über glühende Kohlen
gehen oder in kochendes Wasser greifen. Im Merowingerreich wurden in großer Zahl Keramiken von
hohem Standard hergestellt, die Oberschicht investierte in eine reichliche Grabausstattung. Der relative
Reichtum auch der Bevölkerung lässt sich durch den regen Nordseehandel erklären. Das Christentum ist
von einem reichen Reliquienkult geprägt, etwa dem Hemd der Hl. Bathilde, die zunächst in das Frankenreich
verkauft wurde, dann Ehefrau König Chlodwigs II. wurde und schließlich im Kloster lebte. Die Klöster
betrieben einen großen Aufwand, um die völkische Totenverehrung an christliche Praktiken zu binden. Auf
einer Platte, die den “triumphierenden Christus” in einer Art Schwerttanz darstellt, zeigt sich das
Verschmelzen von Christlicher und Merowingischer Kultur.
Mit dem Untergang der Merowinger um das 7. Jahrhundert kam es im Frankenreich zum Aufstieg
der Karolinger. Der eigentliche Ahnherr der Karolinger ist der Hl. Bischof von Metz, von dem eine
weibliche Linie auf das Herrschaftsgeschlecht überging, sowie Pippin der Ältere aus dem Geschlecht der
Pippiniden. Die Karolinger herrschten bereits ab 639 n. Chr. mit Unterbrechungen im Frankenreich, jedoch
nicht als Könige, sondern nur als Hausmeier der Merowinger, deren alleiniger Anspruch auf die
Königswürde weiterhin respektiert wurde. Bis zur Mitte des achten Jahrhunderts konnten die Karolinger
ihre Macht so weit ausbauen, dass sie sich schließlich
des nominellen merowingischen Königtums entledigen
konnten. Pippin der Älter hatte als Finanzverwalter
bereits großen Einfluss auf die politischen Geschäfte
des Reiches ausgeübt, nach einer Schlacht gegen ein
austrasisches Heer 687 n. Chr. erreichten die
Pippiniden einen beträchtlichen Machtzuwachs und
Pippin der Ältere regierte quasi als „Schattenkönig“ im Merowingerreich Pippins Sohn Karl Martell
etablierte seine Macht 732 n. Chr. in der berühmten Schlacht von Poitier, in der er eine Armee von
muslimischen Plünderern, die über die Pyrenäen gekommen waren, vernichtete. In der karolingischen
Geschichtsschreibung wurde das als entscheidender Sieg, der die Islamisierung des Abendlandes verhindern
sollte, dargestellt, was historisch nicht haltbar ist. Karl Martell hegte Bestrebungen, verlorengegangene Teile
des Reiches zurückzuerobern, seine umfassenden Heeresreformen führten zu Bildung einer frühen Form
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von Lehenswesen. 737 n. Chr. verstarb der Merowingerkönig Teuderich, das Reich verblieb eine Zeit lang
ohne König, da Karl Martell das Angebot der Königswürde durch den Papst zunächst ausschlug (das hätte
einen Bruch mit den zu dieser Zeit noch verbündeten Langobarden bedeutet). Karl Martell teilte sein Reich
wiederum unter seinen Söhnen auf, Pippin dem Jüngeren gelang es 751 n. Chr. sich mit päpstlicher
Unterstützung selbst zum König krönen zu lassen. Die Päpste riefen damals vermehrt die Franken gegen
die Langobarden zu Hilfe, die Erteilung der Königswürde an Pippin den Jüngeren war die Belohnung dafür.
Um 750 n. Chr. war Italien im Norden von den Langobarden beherrscht, im Süden bestand das oströmische
Reich. Der Papst suchte sich mit Pippin dem Jüngeren einen mächtigen Verbündeten, der ihn in seiner
Unabhängigkeit bekräftigen sollte. Mit der „Pippinschen Schenkung“ wurde der Papst schließlich auch zum
weltlichen Herrscher im Bereich des Kirchenstaates, der „dicio pontifica“.
Mit der karolingische Expansion erstreckt sich das Frankenreich schließlich bis nach Norditalien,
nach dem Sieg über die Awaren gewannen sie auch die Kontrolle über Bereiche in Mitteleuropa. Karl dem
Große (768 - 814 n. Chr.) gelang es am besten, diese Expansionspolitik aufrecht zu erhalten, unter ihm
bildete sich eine “Reichsaristokratie” mit dem Zentrum am karolingischen Hof. Karl verstand sein Reich als
Imperium in der Nachfolge Roms, ob diese Einschätzung gerechtfertigt ist steht in der historischen
Wissenschaft zur Debatte. Unter den Karolingern expandierte das Frankenreich weiter, wie es bereits bei
den Merowingern unter Chlodwig der Fall war. Im Laufe des 7. Jahrhunderts begannen die Randgebiete des
Reiches abzufallen, etwa die Bereiche in Norditalien. Diese Tendenz wandte sich mit der Heraufkunft der
karolingischen Hausmeier, mit denen eine Gruppe aus der Peripherie des
fränkischen Reiches, nämlich aus Friesland, die dominante Stellung
einnahmen. Zunächst eroberte Karl die Langobarden, mit der
Gefangennahme des langobardischen Königs und der Übernahme des
Langobardenschatzes 774 n. Chr. wurde Karl offiziell zum König der
Karolinger und der Langobarden. Im Norden kam es zu Eroberungen in
Richtung Sachsen, die Eingliederung der zahlreichen kleinen Stämme dauerte
jedoch bis 800 n. Chr. Die Eroberungen wurden auch religiös, als Kampf
gegen die Heiden, legitimiert, es gab Zwangstaufen und Zerstörungen von
Kultstätten. Im Süden kam es zu Konfrontationen mit den Sarazenen und im
Westen zur Etablierung der bretonischen Markt. Im Osten bildeten die Awaren einen gefährlichen Gegner,
ab Mittel 790 n. Chr. begann Karl einen Krieg, in dem er die Awaren unter Aufgebot eines gewaltigen
Heeres relativ schnell zerstören konnte. Der Krieg gegen die Awaren war nicht so grausam wie der gegen
die Sachsen, dafür jedoch wesentlich aufwendiger. Auch die Karolinger propagierten bodenständigen
Wohlstand und ein kriegerisches Bild von Männlichkeit. Zeitweise gab es auch Bevölkerungsumsiedelungen,
eine Strategie, die bereits das römische Imperium zur Vorbeugung potentieller Aufstände herangezogen
hatte. Im Fall der Bayern, deren Herrscher ein Verwandter der Karolinger war, setzte man einen Vertreter
des Frankenkönigs ein. Bei den Langobarden ließ sich Karl feierlich die Königswürde geben, wie es auch
noch in der k. u. k. Monarchie vollzogen wurde. Die fremden Territorien wurden dabei durchaus als
distinkte Entitäten behandelt und nicht unterschiedslos in das Reich eingegliedert.
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Karl der Große strebte auch die Kaiserwürde an, die im Westen seit 476 n. Chr. praktisch nicht mehr
existent war. Papst Leo III. war von Anhängern seines Vorgängers Hadrian attackiert und in eine Kloster
entführt worden, von wo ihm die Flucht nach Paderborn gelangt. Dort residierte Karl der Großen, der sich
für die Wiedereinsetzung des Papstes einsetzte und zur Belohnung von diesem zum Kaiser gekrönt wurde.
Die Kaiserkrönung Karls des Großen um 800 n. Chr. durch Papst Leo III. war die logische Konsequenz
der Expansionspolitik: Die neu eingegliederten Territorien sollten zu
einer Einheit ähnlich dem römischen Reich zusammengefasst werden.
Im Frankenreich kam es aufgrund der Kaiserwürde Karls zu
Konflikten, 788 n. Chr. schlug er einen Aufstand in Thüringen nieder,
jeder Einwohner musste einen Treueid auf ihn leisten. Das Reich
wurde auf großangelegten Versammlungen organisiert, die in
gewaltigen Hallen wie der in der Pfalz von Ingelheim stattfanden. Die Protokolle solcher Versammlungen
sind in sogenannten “Kapitularien” überliefert, meist ging es um öffentliche rechtliche Fragen oder geistige
Belange, etwa über die Möglichkeit der erblichen Unterstützung kirchlicher Institutionen. Häufig ging es
auch um das Problem der privaten Finanzierung von Kriegszügen. Zur Zeit Karls des Großen war der Hof
das gesellschaftliche und geistige Zentrum, an dem etwa junge Leute aus aristokratischen Schichten
moralische Werte lernen oder “networken” konnten. Verbindungen waren auch zu dieser Zeit das um und
auf gesellschaftlicher Mobilität. Die zweite Ebene der karolingischen Integrationspolitik waren die
“Renovatio”, die “Correctio” und die “Renaissance”. Kleriker wurden meist mit der Christianisierung der
eroberten Bereiche im Sinne des Hl. Augustinus beauftragt. Die Menschen sollten zur Gottesfurcht
herangebildet werden, zentral waren die Ideen des göttlichen Zornes bzw. der jenseitigen Belohnung und
diesseitiger Unterstützung der moralisch makellosen. Auch für Herrscher galt es, in christlicher Gesinnung
zu leben. Allerdings konnte zu dieser Zeit noch kein umfassendes Netzwerk der Überwachung etabliert
werden, was die Propagierung von Ängsten (“Fegefeuer”)
notwendig machte. Um Karl den Großen bildete sich ein Kreis
geistlicher Gelehrter, unter denen etwa Alcuin von York eine
zentrale Stellung einnahm. Wichtige Reformen bezogen sich etwa
auf den kirchlichen Gesang, die Predigt wurde in gewisser
Hinsicht das “Massenmedium” des Mittelalters und wurde
demgemäß streng zentral gesteuert. Insgesamt wird viel in Schriftlichkeit investiert, was dem gängigen Bild
vom frühen Mittelalter als “dunkler” Periode widerspricht. Auch beschränkte sich die intellektuelle Tätigkeit
nicht auf das bloße Abschreiben von Manuskripten, oft wurden auch überlegte Änderungen oder
Anpassungen an den Zeitgeist vorgenommen. Auch war das Anfertigen von Abschriften ungemein teuer
und muss demnach als bewusste kulturelle Investition betrachtet werden. Wichtig in diesem Kontext ist vor
allem die Entstehung der “Karolingischen Minuskel”, einer besonders klaren Handschrift, die Mitte des 8.
Jahrhunderts Regionalschrift im Königskloster Corbie entstand und aus der sich über die gotische Minuskel
die Kleinbuchstaben der deutschen Schriften und über die humanistische Minuskel die heutigen
Kleinbuchstaben der lateinischen Schrift entwickelte. Wichtige geistliche Reformen wurden etwa von
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Benedikt von Aniane vollzogen, der “Benediktsregel” des Hl. Benedikt von Nursia in den Klöstern mit
großen Nachdruck durchsetzte. Arn, Erzbischof von Salzburg, verfasste eine wirkmächtige Biographie Karl
des Großen, in der der Kaiser außerordentlich positiv geschildert wird. Die meisten anderen Beispiele
mittelalterlicher Geschichtsschreibung sind dagegen wesentlich kritischer, woran sich der durchaus
gegebene Pluralismus in den mittelalterlichen Weltanschauungen zeigt.
Mit dem Tod Karl des Großen 814 n. Chr. wurde sein Sohn Ludwig der Fromme zum neuen Kaiser,
nachdem der älteste Sohn, Pippin der Bucklige, ausgeschlossen und zwei weitere Söhne Karls verstorben
waren. Ludwig war jedoch nicht vom Papst zum Kaiser gekrönt worden, was einen Bruch mit der Tradition
und eine Annäherung an das Modell von Byzanz bedeutete. Zu dieser Zeit erreichte das Reich einen
kulturellen Höhepunkt, es wurde etwa erstmals die noch heute existente Sonntagsruhe festgelegt wie auch
die christliche Ehe etabliert. Ludwig bricht mit der expansiven Politik seines
Vaters, die etwa bei den Mauren in Spanien oder im Slawenreich ohnehin zum
Stillstand gekommen war. Dementsprechend wurde auch der soziale Aufstieg
schwieriger, der zuvor über die Mitgliedschaft an Kriegszügen geregelt wurde, es
kam zu Verteilungskonflikten. Ludwig wollte die Kirchen institutionalisieren, er
gab Schutzprivilegien an Kirchen und Klöster und veranlasste, dass diese direkt
dem Kaiser unterworfen waren. Jedoch begann die Christianisierung und
Moralisierung der Politik angesichts ihrer Unerfüllbarkeit in eine Krise zu
geraten. Ludwig selbst heiratete nach dem Tod seiner Frau erneut, mit seiner zweiten Gattung Judith hatte
er drei Söhne, Lothar I., Ludwig “der Deutsche” und Karl “der Kahle”, der, obwohl er der jüngste war, von
Ludwig in Bezug auf das Erbe bevorzugt wurde. Ludwig hatte somit selbst Probleme, dem hohen
christlichen Ideal zu genügen, zeitweise verbünden sich die Söhne einmündig gegen den Vater. 840 n. Chr.
starb Ludwig der Fromme, der Erbkonflikt unter den Söhnen mündete in einer außerordentlich grausamen
Schlacht, die das psychologische Vertrauen der Bevölkerung in die Herrschaft erschütterte. Lothar I. erhielt
im “Vertrag von Verdun” 843 n. Chr. als ältester Sohn die Kaiserwürde sowie Bereiche in Italien und in der
Mitte des Reiches, die später “Lothringen” genannt wurden. Ludwig erhielt die Bereiche im Osten, Karl im
Westen. Diese Teilung bildete die Grundlage für die spätere Entstehung eines französischen und eines
deutschen Staates. Um 900 n. Chr. kam das
Karolingerreich zu einem Ende, im Bereich des heutigen
Frankreich konnte sich das Geschlecht jedoch noch
einige Zeit halten. Um 1000 n. Chr. hatte sich aus dem
Ostfrankenreich in etwa der geographische Bereich um
das heutige Deutschland herausgebildet, aus dem
ostfränkischen zirka der Bereich der heutigen
Frankreichs. Im Ostfrankenreich herrschte Otto I., dem
der Titel “Theutonicorum Rex”, König der Teutonen,
zukam. Daran zeigt sich die langsame Etablierung des Volksbezeichnung “deutsch”. Betrachtet man die
Geschichte, so haben die heutigen Deutschen außer der Sprach nicht viel mit den Germanen gemein. Die
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Bezeichnung selbst leitet sich von “theodisk”, volkssprachig für “Volk” ab, die Engländer verwenden dafür
noch heute den Begriff “germans”, die Franzosen “allemands” und die Finnen “saksa”, worin sich die
Uneindeutigkeit in der Auffassung über die historische Identität der Deutschen abzeichnet, wie sie auch im
Rahmen gegenwärtiger Identitätspolitiken immer wieder beschworen wird. Klar ist, dass die Menschen im
Mittelalter weitgehend keine nationale Identität im heutigen Sinne hatten, da sie meistens nie über den
Bereich ihrer Heimatdörfer hinauskamen. Die Etablierung des Frankenbegriffes, einer ursprünglich
germanischen Namens, für das heutige Frankreich, ist eine ähnliche Ironie der Geschichte, die Abstammung
zeigt sich auch etwa an der Stadtbezeichnung “Frankfurt” in Deutschland. Klare Linearität lässt sich in
solchen historischen Genealogien prinzipiell nicht feststellen, sondern wird vielmehr stets rückwirkend als
Mittel politischer Propaganda in die historischen Verläufe hineininterpretiert. Auch war lange Zeit nicht von
einem Deutschland, sondern von den “deutschen Landen” die Rede, die Einheit solcher Nationalitäten
wurde erst retrospektiv zur Identitätsstiftung und Ideologisierung auf den historischen Kontext projiziert.
Dennoch ist die Nationalgeschichtsschreibung, die sich in diesem Kontext entwickelte, auch heute noch bei
weitem vorherrschend.
71
gegen den Kaiser zu erheben. Heinrich IV. kam daraufhin in Schwierigkeiten, es folgte er sprichwörtlich
gewordene “Gang nach Canossa”. Heinrich IV. pilgerte als Büßer, ohne seine Herrschaftsinsignien, nach
Canossa, wo der Papst residierte, und bat öffentlich um Vergebung. Gregor VII. blieb nichts anderes übrig,
als den Bann aufzuheben, woraufhin Heinrich IV. ins Reich zurückkehren und den Aufstand der Fürsten
niederschlagen konnte. Als er seine Macht wiederhergestellt hatte, kehrte Heinrich IV. nach Rom zurück
und stürzte den Papst, der im Exil starb. Der Investiturstreit endete erst 1122 n. Chr. mit einem
Kompromiss, dem “Wormser Konkordat”, in dem der Kaiser auf das Recht der Investitur verzichtete, der
Papst dagegen das sogenannte “Zepterlehen” durch den Kaiser erlaubte. Der Investiturstreit ist historisch
als derjenige Punkt zu betrachten, in dem die institutionelle Kirche erstmals im Gegensatz zur universell
gedachten ecclesia gesehen wurde. Erstmals kam das Problem des Verhältnisses von weltlicher und geistlicher
Macht auf, welches in der kontinuierlichen Frage über den Einfluss der Kirche auf den Staat seine
Fortsetzung findet.
Das Geschlecht der Staufer unter Friedrich I. Barbarossa (1152-1190 n. Chr.) stand unter dem
Vorzeichen des Konfliktes mit dem sächsischen Geschlecht der Welfen unter Heinrich dem Löwen. Die
Staufer stammten aus Schwaben, Friedrichs Vater hatte versucht, sich Bayern einzuverleiben und die Welfen
zu schwächen. In diese Zeit fällt auch die Erhebung der Markt Österreich zum Herzogtum aus dem
Herzogtum Bayern mittels des „privilegium minus“, durch das die Babenberger
zu Herzögen wurden. Otto von Freising verfasste zu dieser Zeit eine Chronik, in
der auch die Zukunft bis zur Apokalypse geschildert wird, er gilt auch als ein
früher Scholastiker. Das Reich Friedrich I. Barbarossas entsprach in etwa dem
Bereich des heutigen Deutschland und Österreich mit Teilen im Südosten
Frankreichs. Der Kaiser war weiter bestrebt, die erstarkten Herzogtümer zu
verkleinern, das Resultat war ein „Flickenteppich“ aus kleinen
Herrschaftsgebieten mit geschwächten Dynastien. Barbarossa begann wiederum,
in Italien zu intervenieren, dort hatten sich mehrere kleine Stadtstaaten gebildet,
unter denen Mailand die dominierende Stellung einnahm. Dahinter standen vor allem ökonomische
Interessen, die Städte Norditaliens waren sehr reich. Die Städte rivalisierten untereinander, vereinigten sich
jedoch gegen Barbarossa, woraufhin dieser versuchte, das römische Recht zu erneuern und führte die
sogenannte “Gesetze von Roncaglia“ ein. Sie verfolgten das Ziel, die selbstverwalteten Kommunen in
Oberitalien zurückzudrängen und dem König jene Macht wiederzugewinnen, wie er sie bis zum Wormser
Konkordat (1122 n. Chr.) auszuüben vermochte. Das Resultat war ständige Kriege, Barbarossa setzte einen
Gegenpapst ein und versuchte, seine Herrschaft im Reich auch ohne Legitimation durch den Kaiser aufrecht
zu erhalten. Im Zuge der ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen musste Barbarossa schließlich Hilfe
von seinem Kontrahenten, Heinrich dem Löwen, erbitten, eine bekannte Szene ist etwa der “Kniefall”
Barbarossas vor Heinrich. Barbarossa musste schließlich einen ungünstigen Frieden mit dem Papst und den
langobardischen Städten schließen. Die Lehnsmänner Heinrich des Löwen verweigerten ihm die Treue und
klagten ihn beim Kaiser an, Heinrich musste sich schließlich unterwerfen und das Herzogtum herausgeben.
Barbarossa ertrank schließlich während eines Kreuzzuges in einem seichten Fluss, sein Sohn Friedrich II.
72
erbte Sizilien. 1214 v. Chr. kam es zum Krieg zwischen den Staufern und Franzosen gegen die Engländer
und Welfer, bei den Staufern war Friedrich II. an der Macht. Friedrich II. versuchte nun, von Sizilien aus
Italien zu kontrollieren, bei einer Belagerung in Parma wurde jedoch während einem Jagdausflug sein
gesamtes Lager inklusive Bibliothek und Harem geplündert. Friedrich II. kam auch mit der islamischen
Kultur in Berührung, mit seinem Tod 1250 n. Chr. ging das Reich der Staufer zu Ende.
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2.9. Die Ränder Europas und der Mittelmeerraum
406 n. Chr. war die gesamte römische Armee aus Britannien abgezogen, die ansässigen Britannier standen
unter Bedrängnis durch die Schotten, womit ursprünglich die heutigen Iren gemeint waren. Das irische
Reich war nie römisch, wurde jedoch schon im 5. Jahrhundert christianisiert, wobei der Hl. Patrick, der bei
einem der Eroberungen nach Britannien entführt worden war, eine instrumentale Rolle einnahm. Von ihm
leitet sich der “St. Patrick’s Day” ab. Besonders hervorgehoben war die Bedeutung
des “Peregrinatio”, der Wanderung und Predigt gegenüber dem Leben im Kloster.
Ab dem 5. Jahrhundert begannen auch die Angelsachsen, ein germanisches
Sammelvolk, Britannien allmählich zu besiedeln, im 8. Jahrhundert nahm der
kulturelle Einfluss der Angelsachsen ihren Höhepunkt. Weitere Volksgruppen, die
sich in Großbritannien niederließen, waren die Jüten und die Friesen sowie Dänen
und Wikinger. Nach dem Schwinden der römischen Kultur begann entsprechend
die Assimilation der britischen Bevölkerung, beherrscht wurde die Insel von dem sogenannten „rex angliae“.
Die Christianisierung der Angelsachsen war ein gezieltes Unternehmen des Papstes, lateinische Bildung
wurde dort bereits früh praktiziert. Ein wichtiger angelsächsischer Herrscher war Alfred der Große (871-
899 n. Chr.), der ursprünglich König von Wessex war. Seine besondere Bedeutung für die englische
Geschichte liegt darin, dass er nach erfolgreicher Abwehr der Wikinger die Grundlagen für eine Vereinigung
der angelsächsischen Königreiche unter der Hegemonie von Wessex schuf sowie die altenglische Sprache
und Literatur förderte. Nach der Einigung des Reiches herrschte Edward Confessor, auf ihn folgte König
Harold, in dessen Zeit die Eroberung durch die Normannen 1066 n. Chr. fiel. Wilhelm der Eroberer, der
die Angelsachsen bei der Schlacht von Hastings besiegt hatte, wurde der neue König von England. In Folge
kam es zur Errichtung eines Feudalsystems mit hoher Verwaltungseffizienz,
Besitz- und Abgebenlisten für ganz England wurden im sogenannten „doomsday
book“ festgehalten. Die englische Kultur blieb allerdings gegenüber den
Normannen weitestgehend erhalten, diese sprachen französisch und führten
zahlreiche neue Begriffe in die englische Sprache ein. Die britische
Herrschaftslinie, die sich im 12. Jahrhundert unter den Normannen fortsetzen,
praktizierte eine Stilisierung der ritterlichen Herrschaft ähnlich der in Frankreich.
Aus diesem Kontext stammt auch die fiktive Figur König Arthurs. Das
anglonormannische Königreich expandierte bis in die Randgebiete, 1314 n. Chr.
kam es zur Schlacht bei Bannokbyrn (Braveheart), wo die Anglonormannen von den Schotten vertrieben
wurden. Unter Heinrich II. kam es zum Konflikt und zur Ermordung des Bischofs von Canterbury.
Streitpunkt war dabei die Frage, ob Geistliche vor das weltliche Gericht gestellt und verurteilt werden
durften. Das Märtyrertum des Kardinals wurde von der Kirche im Weiteren strategisch gegen die weltliche
Macht ausgespielt. Heinrichs Sohn, Richard Löwenherz, ist ebenfalls eine stilisierte Figur die sich jedoch
auch durch zahlreiche Hadern mit seinen Nachbarn ausgezeichnet. Richard war oft mit Kriegen in
Frankreich beschäftigt, er nahm auch am Kreuzzug gemeinsam mit König Barbarossa teil, wo er auch
Zypern eroberte. Bei der Rückkehr aus dem Kreuzzug wurde Richard in Österreich unter Heinrich IV.
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gefangen genommen, die Lösegeldforderungen führten in England zur Einführung der “Magna Carta”
(1215 n. Chr.), nach der der König bei der Erhöhung von Steuern repräsentative Versammlungen unter dem
Adel einberufen musste, um deren Zustimmung einzuholen. Die “Magna Carta” ist damit eine wichtige
Quelle es englischen Verfassungsrechtes.
Von der slawischen Expansion sind, im Gegensatz etwa zu Vandalen und Hunnen, nur wenig
schriftliche Dokumentation überliefert. Auch archäologische Funde aus der Zeit um das 7. Jahrhundert sind
für diese Volksgruppe rar, von den Slawen konnten etwa nur wenige Grabstädten gefunden werden, was
damit zusammenhängt, dass sie bis ins 18. Jahrhundert ihre Toten vorzüglich verbrannten und in kleinen
Gefäßen bestatteten. Behausungen waren oft sehr rudimentär, die oft unterirdisch angelegten Gebäude
zeugen von großer Armut in der Bevölkerung. Aufgrund der Knappheit an Quellen ist die Expansion der
slawischen Völker nur schwierig zu
rekonstruieren, grundsätzlich ist es nicht ratsam,
von einem einheitlichen „slawischen“ Volk zu
sprechen. Vielmehr sollte von einer
kontinuierlichen „Slawisierung“ gesprochen
werden, mit der ein weitgehender Verfall der
altrömischen Infrastruktur in diesen einherging.
Die Kulturleistungen der römischen Hochkultur
waren nur vor dem Hintergrund einer
differenzierten Arbeitsteilung denkbar, welche in
den Völkern, die sich selbst als „slawisch“ definierten, nicht gegeben war. Umgekehrt konnte sich eine
solidere Gesellschaftsform schneller ausbreiten. Die Christianisierung der Slawen erfolgte von Byzanz aus
ab dem 9. Jahrhundert vor Christus. Instrumental waren dabei die beiden Missionare Cyrill und Method, die
sich vor allem durch die Festlegung einer einheitlichen slawischen Schriftsprache verdient machten, mittels
derer sie christliche Lehren verteilten. Grundsätzlich ist die slawische Schrift identisch mit der griechischen,
bis auf einige phonetisch angepasste Laute. In Ostmitteleuropa bildeten sich mit Ungarn, Polen und
Böhmen um 1000-1100 n. Chr. Eine Reihe neuer Reiche. Bulgarien war um 1000 n. Chr. an einem völlig
anderen Platz als heute, nämlich unterhalb der Donau, wo es wahrscheinlich von turksprachigen
Steppenreitern gegründet worden war. Ungarn konstituierte sich ausgehend vom 9. Jahrhundert im
Karpatenbecken aus den Hunnen, einem leicht bewaffneten Reitervolk, das bei ihren Raubzügen teilweise
bis nach Süddeutschland, Ostfrankreich und Norditalien vorrangen. Die expensive Phase endete mit der
„Schlacht auf dem Lechfeld“ 955 n. Chr. Unter König Stefan dem Heiligen, der die Christianisierung der
Ungarn durchsetzte, wurde Ungarn schließlich zu einem einheitlichen Königreich. Die bekannte
„Stefankrone“ stammt jedoch aus einer späteren Zeit hergestellt und dem legendären König erst
nachträglich zugeschrieben.
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Die Bulgaren waren ursprünglich ein Steppenvolk, die sich im 7. Jahrhundert im heutigen Bulgarien
niederließen. Bald wurden auch sie slawisiert, die Christianisierung ging auch hier von Byzanz aus. Die
Geschichte Russlands dagegen beginnt mit den „Rus“, einem ursprünglich skandinavischen Volk ähnlich
der Wikinger, de auf dem kaspischen Meer Handel betrieben und sich als Leibgarde in Byzanz verdingten.
Um das 10. Jahrhundert gründeten sie ein Reich im Kiew, wo sie schnell slawisiert und christianisiert
wurden. Die Zentren der Rus verschoben sich nach Norden, wo es
zur Gründung des Fürstentums Moskau kam, von wo aus sich
gegen die einfallenden Mongolen verteidigte und welches sich nach
dem Fall Byzanz als das neue Rom stilisierte. Die Rus waren dabei
durchaus nicht rückständig, sondern hatten etwa eine blühende
Schriftkultur nach römischen Vorbild. Byzanz eroberte zu dieser
Zeit unter Justinian Teile Italiens und des afrikanischen
Vandalenreichs zurück. Große Teile der Nahrungsversorgung der Byzantiner wurde aus Ägypten bezogen.
Byzanz war streng bürokratisch organisiert, im Vatikan sind noch heute großartige Schriftrollen überliefert.
Unter Constants II. kam es zur Eroberung Ägyptens und Syriens, Byzanz geriet zunehmend unter Druck
durch die muslimische Expansion, gegen die es sich jedoch trotz ökonomisch ungünstiger Lage für lange
Zeit behaupten konnte. Um 820 n. Chr. bestand Byzanz im Wesentlichen aus Kleinasien und einigen
Gebieten im Westen, Kaiser Theophilus etwa stand in diplomatischen Verbindungen zum islamischen
Kalifat. Um 1000 n. Chr. hatte Konstantinopel nur mehr eine Einwohnerzahl von etwa 100.000, die Grenze
zum islamisch-arabischen Reich am Zweistromland blieb dabei weitgehend konstant. Die Verbindungen
Byzanz‘ zum Westen waren dagegen spannungsreich, wobei in erster Linie die theologische Orientierung:
Die Byzantiner hielten an der Trinität fest, wogegen man sich im Westen an den Ergebnissen des „Konzils
von Chalzedon“ orientierte. Auch kam es im Osten zu einem Bilderverbot, den sogenannten
„Ikonoklasmus“, durch den man von der Ikonenverehrung weg eine Besinnung auf die Idee des Glaubens
erreichen wollte. 1054 n. Chr. kam es vor diesen Hintergründen schließlich zur Spaltung von orthodoxer
und weströmischer Kirche. 1204 n. Chr. wurde Konstantinopel von Kreuzfahrern erobert, es wurde viel
geplündert und Kirchenschätze zerstört
77
eigene Steuer ausrichten, weshalb Bekehrungen an sich nicht wirklich erwünscht sind. Im Koran wird die
jüdische sowie die christliche Offenbarung ebenfalls weitgehend anerkannt, jedoch seien die Christen ihren
Propheten nicht richtig gefolgt währen. Der Islam legt auch weniger Wert auf
subtile theologische Spekulationen, die islamische Lehre ist sehr lebensnah
ausgerichtet. Ein Streitpunkt der islamischen Lehre ist dabei jedoch die
Nachfolge des Propheten Mohammed, der nur eine Tochter, Fatima, hinterließ.
Geistliche sowie weltliche Anführer waren die Kalifen, welche als Stellvertreter
des Propheten und Führer der Gläubigen gesehen wurden. Die ersten Kalifen
wurden noch mehr oder weniger im Konsens gewählt, mit dem vierten Kalifen
Ali brach jedoch ein Streit um die legitime Nachfolge Mohammeds aus. Ali wird
ermordet, die Kaufmannsfamilie der Omajaden setzt sich für die nächsten 100
Jahre durch und herrscht in Damaskus. Auf diesem Konflikt basiert noch heute
die Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten, welche die Nachkommen Alis als
legitime Herrscher sahen. Um 750 n. Chr. kam es zum Sturz der Omajaden und
der Einsetzung des Abbasiden-Dynastie mit Basis in Bagdad, um 800 n. Chr. flaut die islamische Expansion
ab. Obwohl es heftige Konflikte zwischen den einzelnen Kalifen gab waren die Beziehungen zu den
christlichen Nachbarn jedoch weitgehend friedlich, etwa Karl dem Großen, dem die islamischen Herrscher
sogar einen Elefanten zum Geschenk machten. Im islamischen Spanien war Cordoba das Zentrum, die
islamische Herrschaft dauerte bis zur Reconquista ab dem Ende des 11. Jahrhunderts.
2.14. Spätmittelalter
Die Ausbreitung des Mongolenreichs und des Osmanenreichs fällt in eine Periode der Neugründungen von
Imperien. Gründer des Mongolenreiches war Dschingis Khan, die Ausbreitung des Mongolenreichs im 12.
Jahrhundert ging rasant voran und sie konnten die gesamte Steppe von China bis hin nach Osteuropa unter
Kontrolle bringen. Die große Durchschlagskraft der Mongolen begründet sich auf einigen technischen
sowie taktischen Innovationen, allerdings auch in ihrer großen Grausamkeit, welche die Furcht vor den
Mongolen oder Tartaren, wie sie in Europa bezeichnet wurden, schürte. Nach
Dschingis Kahns Tod 1226 wurde das Volk unter seinen vier Söhnen aufgeteilt.
In Osteuropa verblieb Batu und seine „Goldene Horde“, er zerstörte 1240 Kiew
und Eroberte Krakau, 1241 Zog er bis nach Ungarn und führte eine Schlacht bei
Liegnitz in Schlesien. Es kam zu großen Plünderungen und Verwüstungen. 1242
ziehen die Mongolen jedoch ab, verblieben jedoch noch bis ins 16. Jahrhundert in
Russland. Kublai Kahn eroberte um 1260 ganz China, eine Dynastie wurde
gegründet, die Yüan-Dynastie, die das Kaiserreich fortsetzte. Im europäischen Geschichtsbild sind die
Mongolen sehr negativ vermerkt, sie schafften es jedoch, riesige Gebiete zusammenzuhalten und sich
teilweise der lokalen Kulturen zu bedienen. Durch das Mongolenreich wurde der Handel auf der
Seidenstraße erheblich einfacher, auch übten die Mongolen religiöse Toleranz. Europäische Gesandte wie
Giovanni di Piano Carpini oder Wilhelm Rubruk unternahmen Reisen zum Großkahn, auch Marco Polo
lebte lange an dessen Hof. Die Osmanen wurden bei ihrer Expansion zunächst bei der Expansion gehindert,
ab dem 14. Jahrhundert gelang es ihnen jedoch, Kleinasiens zu übernehmen. Im 15. Jahrhundert konnten
sie sich im zersplitterten Balkan etablieren und Eroberten schließlich Konstantinopel 1453 unter Mehmeth
II. Die Osmanen waren sehr gut darin, von den Europäern zu lernen und verwendeten etwa Schießpulver.
Die mittelalterliche Gesellschaft war an der Landwirtschaft orientiert und war grundsätzlich eine
Mangelwirtschaft. An Land fehlte es nicht, aber an Personal und Mitteln, dieses zu bestellen. Fortschritt in
der Agrartechnolodie war nur langsam, wichtige Errungenschaften waren etwa bessere Pflüge, die
Dreifelderwirtschaft und Wassermühlen. Während der Herrschaft der Karolinger wurde die Landwirtschaft
in den „Capitulare de villis“ organisiert, einem zentralen Herrenland waren mehrere Nebenhöfe mit
abhängigen Bauern untergeordnet. Diese Bauern standen zwar nicht in Leibeigenschaft, konnten aber
79
gewissermaßen mit ihrem Land verkauft werden, an dass die gebunden waren. Nach 1000 kam es zur
wirtschaftlichen und demographischen Expansion, die Bevölkerung wuchs und man konnte größere
Landflächen für die Wirtschaft erschließen, etwa durch Rodungen. Die Produktionsmethoden wurden
effizienter, allerdings stiegen auch die Abgaben. Die Abhängigkeit des überwiegenden Teils der
landwirtschaftlichen Bevölkerung von Grundherrn blieb dabei bestehen. Im Frühmittelalter war der Bau
von Städten zurückgegangen, im 12. Jahrhundert kam es jedoch zu vermehrten Neugründungen. Die Städte
hatten eine eigene Organisationsform, ihre Bewohner waren grundsätzlich Selbstorganisiert und hatte
sogenannte „Stadtrechtsprivilegien“. Institutionen wie Stadtrat
und Bürgermeister gab es somit bereits im Mittelalter. Die
Zünfte der Handwerker regelten ebenfalls ihre eigenen
Belangen, sie konnten Mitglieder aufnehmen und Preise regeln.
Gründer waren oft die Landesherrscher, die sich von den
Stadtgründungen neue Einnahmequellen durch abgaben
erwarteten. Mit den Städten kam es auch zur Herausbildung eines städtischen Bürgertums. In Italien kam
es zur Entstehungen autonomer Kommunen, zuerst mit republikanischen Institutionen, dann mit Podestà
und unter Herrschaft von aristokratischen Familien. Später wurden solche Kommunen wie Mailand,
Venedig oder Florenz die Zentrum größerer Zusammenschlüsse.
Soziologisch war das Mittelalter geprägt von den Verhältnissen von Freiheit und Unfreiheit zwischen
Herren und Bauern. Im Mittelalter hatte Individualität einen geringeren Stellenwert, so war etwa der
häusliche Verbund in patriarchalischen Strukturen zentral. Freiheit hing auch mit dem Recht zusammen, die
Möglichkeit zu Rechtsgeschäften war damit hierarchisch geregelt. Mit der Freiheit war auch die
Waffenfähigkeit geregelt, ebenso wie politische Mitwirkung. Nur wer frei war, konnte im eigentlichen Sinne
Eigentum haben und einer selbstbestimmten Lebensweise nachzugehen. War man unfrei, so war man an
gewisse Restriktionen gebunden. Der Grad an Freiheit muss jedoch als
Kontinuum in einem komplexen System verstanden werden. Ein wichtiger
Aspekt der mittelalterlichen Welt war auch der Feudalismus. Nach Marx‘
Auffassung besteht der Feudalismus darin, dass die Arbeiter in ihm nicht über
die Produktionsmittel verfügen. Nach einer anderen Auffassung geht es zentral
um die Hierarchisierung der Führungsschicht. Die Heere des Frühmittelalters
waren durch Landvergabe geregelt (siehe oben). Die Herrscher, die Ländereien
vergeben durften, mussten diese nach dem Ableben der dienstbaren Soldaten
wieder einfordern. So ging man dazu über, Ländereien nur mehr zu „leihen“,
wofür der Belehnte einen Treueeid leisten musste. Die Lehen wurden mit der Zeit zwar erbbar, jedoch blieb
die hierarchische Organisation erhalten. Das Lehenswesen wird als ein Territorialsystem von drei Ständen
theoretisiert: Lehrstand – Wehrstand – Nährstand. Dahinter stand auch die Vorstellung einer göttlichen
Ordnung, in denen allen ein Platz zugewiesen wurde. Auch in der Neuzeit wurden solche idealisierten
Fiktionen über die mittelalterliche oft angeknüpft.
80
Adel bedeutete in diesem Kontext zunächst den Besitz von Lehen, später auch die Verwandtschaft
zum Kaiser. Im mittelalterlichen Adelssystem war ein Moment der intrinsischen Gewalt miteingebaut, wofür
der Begriff der „Fehde“ gebraucht wurde. Durch das Werfen des Fehdehandschuhs konnte etwa eine
Auseinandersetzung eskaliert werden, die Handlungen der beteiligen Parteien waren stark von Vorstellungen
der Ehre geprägt. Solche Konflikte wurde oft symbolisch ausgetragen, etwa durch Plündern und
Brandschatzen im Territorium des anderen oder kleinere
Scharmützel. Dieses institutionalisierte und stark ritualisierte
System der Konfliktlösung involviert auch die Rolle eines
Mediators, die oft von der Kirche übernommen wurde. Auch
das Gerichtswesen war meist auf Vermittlung zwischen
Streitparteien aus, die meist im in Geldzahlungen bestanden.
Gerichtsverfahren waren stark ritualisiert und bestanden oft aus
endlosen Abfolgen von Rede und Gegenrede. Zeitweise wurden auch Zeugen einberufen, die auf die Bibel
schwören mussten. Wenn Meineide gegeneinanderstanden, mussten zwölf Verwandte ebenfalls für die
Wahrheit einen Schwur ablegen, ansonsten wurden Gottesurteile abgehalten. Das gehen über glühende
Kohlen ist von psychologischer Seite nicht einmal so dumm, da das Bewusstsein der Schuld oft negative
psychosomatische Folgen haben kann. In Gesetzbüchern wurden gewohnheitsrechtliche Satzungen
festgehalten, ab dem 12. Jahrhundert wird in Europa das Römische Recht wieder verstärkt rezipiert.
Herrschaft und Repräsentation waren im Mittelalter stark theologisch reguliert. Der König verkörperte die
Gnade Gottes auf Erden, er wurde durch Erbfolge oder Wahl bestimmt und konnte abgesetzt werden,
wenn er augenscheinlich nicht mehr in der göttlichen Gunst stand. Das Königtum wurde urkundlich
festgelegt, die Grundlage der königlichen Macht war jedoch dessen persönlicher Besitz. Königsgut konnte
vergeben und verloren werden (Fiskus), ein System mit einer starken Dynamik nach Oben oder Unter. Der
König konnte auch Abgaben einfordern, etwa Wegzölle, Münzzölle oder das Judenrecht. Die
Geschlechterrollen im Mittelalter änderten sich mit dem Laufe der Zeit.
Frauen waren in erster Linie „Anhängsel“ des Mannes, in gehobener Stellung
konnten Frauen einiges an Einfluss erlangen. Bei fraglicher Erbfolge konnte
etwa das Königtum auch an Frauen fallen, ein Beispiel war Eleonore von
Aquitanien oder Brunhilde bei den Merowingern. Frauen übernahmen oft
auch die Herrschaft für Söhne, die noch zu jung waren, grundsätzlich war die
Herrschaft von Frauen vom Konsens der anderen Mächtigen abhängig.
Frauen konnten auch in der Kirche Karriere machen, etwa als Äbtissinnen,
die oft hochgebildet und politisch gut vernetzt waren. Ein Beispiel ist etwa
Hildegard von Bingen. Auch konnten sich Frauen durch asketische Haltung
oder Visionen etablieren. So wurde der heute bekannte Aufbau der Weihnachtsgrippe in einer Vision von
Brigitta von Schweden erschaut. Die Männerbilder im Mittelalter waren anders orientiert als die in der
Antike, sie waren in erster Linie kriegerisch und nicht zivil. Für die Frauen dominierte das christlichen
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Frauenbild, also Mutter, asketische Tugend oder Sündhaftigkeit, dazwischen gab es keine Abstufungen.
Auch Abaelard prägte mit seiner Darstellung der Heloise das mittelalterliche Frauenbild.
In der Forschung war man lange Zeit der Ansicht, dass die Bedeutung der Individualität zwischen
Antike und Mittelalter verloren ging. Die Einordnung in ein Kollektiv ist dabei immer eine ambivalente
Sache, ein gewisses Maß an Selbstreflexion hat wohl auch im Mittelalter
stattgefunden. Viele gemeinschaftliche Handlungen und Mentalitäten waren stark
institutionalisiert, Einstellungen und Vorstellungen, die zu gewissen
Handlungsweisen Anlass geben, waren ritualisiert. Ein wichtiges Element war die
Praktizierung von Mahlen, in denen die Affektkontrolle langsam gesteigert
wurden. Auch die Schriftlichkeit wurde im Mittelalter langsam etabliert. Wichtig
waren vor allem die mittelalterlichen Universitäten, in denen sich erstmals eine
nichthierarchisierte Gesellschaftsform außerhalb des kirchlichen und
herrschaftlichen Einflusses etablierten. In der Scholastik sollte das theologische
Wissen der Zeit systematisiert und in der „Summa“ festgehalten werden. Auch wurde eine ausgeprägte
Debattenkultur, das „Sic et Non“, geprägt, mit dem auch wesentlich autoritätskritischen Tendenzen Einzug
fanden. Vor diesem Hintergrund muss das Zerfallen der strengen, hierarchischen Gesellschaftsstrukturen
des Mittelalters verstanden werden.
3. Neuzeit
3.1. Vorüberlegungen
Drei Herangehensweisen an ein Verständnis der Neuzeit sind möglich. Einerseits kann sich an zentralen
Ereignissen orientiert werden, die jedoch stets als kausale Momente in einem Entwicklungsprozess
dargestellt werden müssen. Eckpunkte, anhand derer sich der Beginn der Neuzeit datiere lässt, sind etwa
die Entdeckung Amerikas, die Reformation oder die Erfindung des Buchdrucks. Zentrale Ereignisse der
frühen Neuzeit gelten die Französische Revolution 1789 sowie die Revolution von 1984, ihr Ende wird
gängigerweise mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 festgesetzt. Weiters kann eine Orientierung
auch an langfristigen Entwicklungsprozessen wie der
Modernisierung, Säkularisierung oder Industrialisierung
erfolgen, was jedoch leicht eine falsche Linearität und Teleologie
nahelegt. Die Neuzeit kann auch anhand eines Verständnisses
der Eigenlogiken der Epoche erschossen werden, d.h. etwa die
Werte oder Sichtweisen, welche in einer Epoche geteilt werden.
Dazu gehört etwa das Konzept der “Longue durée” (Braudel),
die Akteursperspektive oder historische Anthropologie, welche
eine Perspektive ähnlich der ethnologischen Kulturforschung
einnimmt. Aus diesen Herangehensweise können Grundlinien der neuzeitlichen Gesellschaft etwa als
fundamental nicht-egalitär bestimmt werden. Gleichheit kann im Kontext dieser Zeitperiode, ausgehend
von den grundlegenden Überzeugungen in der Gesellschaft, überhaupt nicht gedacht und daher auch nicht
82
eingefordert werden. Während die heutige Gesellschaft an materiellem Besitz als Leitwert orientiert ist, war
dies die Gesellschaft der frühen Neuzeit am Wert der Ehre ausgerichtet. Auch war Gewalt viel stärker in
die Regelung sozialer Strukturen mit eingebunden, etwa in hierarchischen Beziehungen. “Neuzeit” ist kein
eindeutig gesetzter Begriff. Die Unterteilung Antike - Mittelalter - Neuzeit wurde aus humanistischer Sicht
geprägt, um die Identifikation ihrer Zeit gegen das “finstere” Mittelalter mit der Kunst und Kultur der
Antike hervorkehren (Renaissance). Geprägt wurde der Begriff “Neuzeit” 1685 von dem Humanisten
Christoph Cellarius. Aus dieser Unterteilung ergibt sich die paradoxe Situation, dass die “neue” Zeit immer
weiter wächst. Daher legt man die “frühe” Neuzeit grundsätzlich im Raum von 1500 - 1800 fest, die Neuzeit
als solche wird konventioneller Weise von 1500 - 1914, also bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, fest.
In der deutschsprachigen Forschung hat sich der Begriff der “Sattelzeit” (1750 - 1850) eingebürgert,
worunter ein Jahrhundert des Wandels verstanden wird, in dem das moderne Nationalitätsbewusstsein
einhergehend mit neuen politischen Systemen erstmals entsteht.
Viele Aspekte der “frühen Neuzeit” erscheinen aus heutiger Sicht befremdlich. An dem Spielfilm “Le
retour de Martin Guerre”, der basierend auf wahren Gegebenheiten unter Mitwirkung der Historikerin
Natalie Zemon Davis hergestellt wurde, lassen sich zahlreiche spezifische Eigenheiten der Epoche
exemplifizieren. So gab es etwa einen anderen Zugang zu Privatsphäre und damit zu Körperlichkeit, der
eheliche Beischlaf wurde oft vor “Zeugen” vollzogen, die Impotenz des Ehemannes wurde, als valider
Scheidungsgrund, manchmal öffentlich überprüft, insofern das “debitum coniugalis”, die gegenseitige
Verpflichtung zum Beischlaf einen Teil des Ehevertrages ausmachte. Ehen hatten vorsätzlich wirtschaftliche
Hintergründe, die Idee einer “Liebesehe” kam erst im 18. Jahrhundert in adeligen Kreisen auf. Soziale
Kontrolle war stark ritualisiert, etwa in Form öffentlicher Spottpraktiken. Der Glaube an magische Praktiken
war weit verbreitet, auch etwa im Kontext von Gerichtsverhandlungen. Man glaubte zum Beispiel, dass
wenn man einen Verdächtigen an einer Leiche vorübergehen ließ und diese zu bluten begann, der
Verdächtige als Täter identifiziert werden konnte. Wo wir heute nach Erklärungen suchen würden, sahen
die Menschen in der frühen Neuzeit in allem Zeichen oder Bedeutungen (bsp. Kometen).
84
gab und dass das patriarchale System in dieser Form keine Entsprechung in der Realität habe. Brunner habe
sein nationalsozialistisch Geprägtes Ökonomieverständnis auf die historischen Tatsachen projiziert.
Dennoch bleibt die Vorstellung des Hauses als wirtschaftlicher Einheit erhalten. Eine schöne Darstellung
der Marktwirtschaft im 1600 Jahrhundert bietet die “Marktszene” von Pieter Aertsen. Brunners Quelle war
die sogenannte “Hausväterliteratur”, eine zeitgenössische Form der
Ratgeberliteratur zum Thema Haushaltsführung, Landwirtschaft und
Zusammenleben. Adressaten waren vor allem die ländliche Oberschicht.
Auch darin lag der Fokus in erster Linie auf der Landwirtschaft. Realistisch
muss die Ehe in der frühen Neuzeit jedoch als starke Partnerschaft nach
Heide Wunders Konzept des “Arbeitspaares”. Am Übergang von Mittelalter
zur Neuzeit begannen Menschen sich von der Dienstschaft für den
Fronherren zu emanzipieren, was nur im Verband von Hausvater und
Hausmutter möglich war. Die Familie stellt für beide Ehepartner
gleichermaßen ein Emanzipationsmodell dar. Die Kernfamilie als solche sei die soziale, wirtschaftliche und
rechtliche Einheit, entgegen Brunners Modell des Patriarchen. In der Tat gab es eine patriarchale Hierarchie
zwischen den Ehepartnern, im Haushaltsverband waren sie jedoch gleichberechtigt.
Die frühneuzeitliche Wirtschaft war geprägt von der Vorstellung einer “moralischen Ökonomie” und
des “gerechten Preises”. Nahrungsansprüche wurden entsprechend der jeweiligen Ständeverhältnisse
geregelt. Der Begriff “Stand” wird in Zedlers Universal-Lexikon (Bd. 39, Sp. 1093) folgendermaßen
definiert: „Stand, Zustand, Stand der Menschen oder Personen, Lat. Status, Ordo, Status hominum, Status
personarum, und Ordo politicus, Franz. Etat oder Ordre, Ital. Stato, ist eigentlich nichts anders, als die
Beschaffenheit eines Menschen, wodurch er von andern unterschieden wird, und also auch, in Ansehung dieses
Unterschiedes nicht alle und jede durchgängig keinerlei Rechte, sondern einer vielmehr immer andere, als
ein anderer, zu Genüssen haben. „Ein Stand legt sowohl die soziale als auch
die rechtliche Situation einer Person fest. Kriterien im Hinblick auf die
“natürlichen Umstände” waren neben Geburt und Geschlecht etwa das Alter
einer Person (Mündigkeit) als auch die Gesundheit. Hinzukommen Adel,
Gelehrtenstand und geistlicher Status, wobei die mittelalterliche
Unterscheidung von Lehr-, Nähr- und Wehrstand als Aspekt des
Ständesystems zunehmend an Bedeutung verliert. In Bezug auf die Wirtschaft
war etwa die Nahrungsverteilung, die Zugehörigkeit zu Zünften sowie gewisse
Wirtschafts- und Berufs Privilegien über das Ständesystem geregelt. Unter
Adeligen war die Arbeit verpönt, der Adelige konnte demnach keine Nahrung selbst erwirtschaften oder
Handel betreiben, der Grundbesitz stellte die materielle Subsistenzbedingung des Adels dar. Das Gut wurde
entweder mit mithilfe von Gastarbeitern bewirtschaftet oder verpachtet (Bewirtschaftung von
Volleigentum). Ein anderes Modell stellte die Gutsherrschaft dar, in der die Wirtschaftsform eng mit der
Herrschaft über die Gutsbewohner verknüpft war. In der Grundherrschaft flossen mittelalterliche
Vorstellungen zur Feudalherrschaft ein. Der Obereigentümer hatte Anspruch auf Abgaben, die Bauern warn
85
Landeigentümer, mussten aber etwa einen Zehent an Naturalien oder Geld abgeben. Der Obereigentümer
musste dagegen für die Erhaltung des Guts Sorge tragen. Das Bürgertum in Städten arbeitete in erster Linie
im Handwerk, Handel oder Dienstleistungen.
Die “Agrarrevolution” bestand in der Einführung der “Dreifelderwirtschaft” durch kontinuierlichen
Fruchtwechsel zur Vorbeugung von Knappheiten, der Stalldüngung zur Ertragssteigerung, der gezielten
Züchtung von Nutzpflanzen und -tieren sowie der gezielten Verbesserung von Geräten (Eisenpflug). Die
“Agrarrevolution” ging demnach der industriellen Revolution voraus und schuf deren ökonomische
Grundlage. Der große Nahrungsmittelspielraum (es wurden neue Feldfrüchte wie Rüben, Klee, Raps und
Kartoffel eingeführt) machte Bevölkerungswachstum möglich, was zu einer größeren Zahl von Produzenten
sowie Konsumenten führte. Zwischen 1800 und 1850 verdoppelten sich die Ackerflächen, Technisierung
und Spezialisierung traten ein. Wichtigste Erfindung war der mineralische Dünger, 1840 von Justus Liebig
entdeckt, welcher die Gewinne der Ernten um 100% steigerte. Auch die fachliche Bildung der Bauern, etwa
durch spezielle Zeitschriften, wurde üblicher. Im Kontext der Herstellung neuer Geräte für die
Landwirtschaft kam es erstmals zur Auslagerung der Arbeit in Manufakturen, einer Form von Proto-
Industrialisierung, in der Arbeit erstmals aus dem häuslichen Verband extrahiert wurden. Erstmals wurde
auch der Arbeitsprozess auch auf verschiedene Personen aufgeteilt. Weiters kam es zu einer zunehmenden
Bedeutung de Geldwirtschaft, Gewinnstreben tritt an die Stelle von Existenzsicherung als Wirtschaftsziel
(Frühkapitalismus). Wirtschaft wird zunehmend so organisiert, dass die Geld zum Funktionieren Braucht,
es kommt zu einem “Verlagswesen”, d.h. verschiedene Komponenten der Produktion wurden einzeln
hergestellt und dann weiter verkauft. Der Adel begann vermehrt in den Handel einzugreifen. Die
zunehmende Trennung von Arbeiten und Wohnen wurde durch die Entstehung des Fabrikwesen verstärkt
und werden ab den “langen” 19. Jahrhundert als Normalfall festgeschrieben.
Im 16./17. Jahrhundert kam es m England verstärkt zur Einführung sogenannter “enclosures”,
Einhegungen von Land, welche die Aufkündigung der grundherrlichen Abhängigkeit und den Übergang zur
Eigenwirtschaft und Pachtsystem markierten. In Folge verloren rund 35000 englische Bauern bis 1637 den
von Ihnen genutzten Boden und damit ihre Subsistenzgrundlage, die bäuerlich bewirtschafteten Flächen
wurden von Grundherren übernommen. Ackerland wurde in Weideland für die Schafzucht umgewandelt,
die Wollindustrie etablierte sich als treibende wirtschaftliche Kraft. Bereits im 14. Jahrhundert setzten
Prozesse der Konzentration von Handelskapital, an der sich die adelige Schicht in Folge zunehmend
beteiligte. Hinzu kamen technische Neuerungen seit dem 17. Jahrhundert wie die Erfindung von
Webstühlen. Die Herstellung von Arbeitsmitteln wurde zunehmend in externe Manufakturen ausgelagert
und nicht mehr im Rahmen des Haushaltes bewerkstelligt. Als Resultat bildete sich ein Konflikt zwischen
der Zunftverfassung und wirtschaftlichen Formen der Proto-Industrialisierung heraus. Es kam zum
Konflikt des seit dem Mittelalter etablierten Zunftwesen und der Proto-Industrialisierung. Zünfte, in denen
handwerkliche Berufe wie Schmied oder Müller im Rahmen der städtischen Lebensräumen diversifiziert
waren, zeichneten sich durch starke Abgrenzung nach Außen und Hierarchisierung im Inneren sowie einer
grundsätzlichen Einheit von Arbeiten und Wohnen mit dem Ziel, die Ernährung aller Mitglieder der
Produktionsgemeinschaft zu sichern. Das Grundprinzip war nicht Produktionssteigerung, sondern die
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Sicherung der „Nahrung“. Sie hatten einerseits die Versorgung der Stadt mit den notwendigen Wahren zu
gewährleisten, andererseits für ein standesgemäßes Auskommen ihrer Mitglieder zu sorgen, weshalb sie die
Märkte zu deren Schutz stark regulierten. Zünfte hatten auch religiöse, soziale, kulturelle und militärische
Aufgaben zu erfüllen. In Manufakturen wurden jedoch verstärkte spezialisierte Lohnarbeiter beschäftigt,
der moderne Rahmen bedingte eine prinzipielle Trennung von Arbeiten und Wohnen, Kapital und Arbeit.
Die Zweckmäßigkeit der Manufakturen lag nicht mehr in der Bereitstellung des Lebensunterhalts für alle
Mitglieder, wie es in den Zünften der Fall gewesen war, sondern der Reinvestition von Gewinnen zur
weiteren Gewinnsteigerung (Akkumulation). Auf dem Land kam es zur Herausbildung des sogenannten
“Verlagswesens”, wobei die hausindustrielle Produktion mit einer Trennung von Kapital und Arbeit und
der Akkumulation als Zielgebung kombiniert wurde.
Welche Voraussetzungen gab es für die industrielle Revolution? Die Ertragssteigerung in der
Landwirtschaft ermöglichte die Freisetzung von Arbeitskräften für andere Tätigkeiten. Wie bereits skizziert
begann man sich vornehmlich an Gewinnstreben und nicht mehr an der standesgemäßen Produktion von
Nahrung zu orientierten, man versuchte, das Risiko zu minimieren, dem die Subsistenzwirtschaft immer
ausgesetzt war. Technische Innovationen und Mechanisierung in Landwirtschaft und Gewerbe führten zu
einer Erhöhung des Kapitalflusses, Handelswege
wurden ausgebaut, es kam zur Etablierung eines
Eisenbahn-Netzes. Ab 1791 wurde in Frankreich die
Gewerbefreiheit gesetzlich verankert, 1810 folgte
Deutschland, 1859 Österreich. Dieses System beendete
die Restriktionen der Zunftgesellschaft und des
Ständesystems und ermöglichte jedem die grundsätzliche
Freiheit, sich erwerblich zu betätigen. Die Folge dieser
Umbrüche war die Ausweitung der freien Ressourcen in
mehreren Bereichen wie Rohstoffen, Arbeitskräften und Kapital, was mit einem grundsätzlichen Umdenken
von der “moral economy” der standesgemäßen Existenzsicherung zur Gewinnmaximierung als
Wirtschaftszweck einherging. Wirtschaft bekam in 19. Jahrhundert eine völlig neue Bedeutung. Der Wechsel
von einer vorwiegend agrarisch geprägten zu einer vorwiegend industriell/gewerblich geprägten
Wirtschaftsweise bedingte eine soziale Neuordnung mit dem Wechsel von einer Stände- zu einer
Klassengesellschaft. Die soziale Stellung hing nicht mehr von einer prädeterminieren Standeszugehörigkeit
ab, sondern von Faktoren des wirtschaftlichen Erfolges. Auch hierin besteht ein wesentlicher Kontrast zum
gesellschaftlichen System der frühen Neuzeit. Um 1900 waren nur noch 25% der Bevölkerung im
landwirtschaftlichen Sektor tätig, gleichzeitig konnte die Versorgung der Bevölkerung nun problemlos
bewerkstelligt werden.
In der Forschung besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass im Kontext der industriellen
Revolution nicht von einer “Revolution” im strengen Sinne, sondern vielmehr von einer graduellen,
evolutionären Entwicklung gesprochen werden muss. Die wesentlichen sozialen Auswirkungen der
industriellen Revolution waren zunächst der Übergang von Stände zur Klassengesellschaft mit dem
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Dualismus von Kapitalunternehmer und Landproletariat sowie die zunehmende Verelendung in den
Städten, die den Anstoß für Sozialreformen gab. Zünfte und vor allem gewerbliche Heimarbeiter im
Verlagswesen verloren Abnehmer durch die Fabrikproduktion, in den sogenannten “Maschinenstürmern”
formierte sich eine Protestbewegung gegen die sozialen Folgeerscheinungen der Mechanisierung in der
Industriellen Revolution. Häufig war die Zerstörung von Maschinen oder neu errichteten Fabriken ein
Mittel, um die von Fabrikanten beabsichtigte Ersetzung von qualifizierten Arbeitern durch Ungelernte zu
verhindern oder um gegen Verschlechterungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu protestieren.
Schwerpunkt des so genannten Maschinensturms war England, aber auch in Deutschland, Österreich und
der Schweiz kam es zu ähnlichen Protesten. Besondere Kritik wurde an dem Einsatz von Kindern und
Frauen in der Fabrikarbeit geübt wie auch an dem strikten Zeitdiktat und der fehlenden sozialen
Absicherung bei gleichzeitiger Vereinzelung der Arbeiter. Die gegenwärtige Forschungsdiskussion erfolgt
dabei teilweise vor dem Hintergrund moderner Gesellschaftsstrukturen oder einer romantisierenden
Vorstellung frühneuzeitlichen Wirtschaftens. Wichtige Quellen zur Wirtschaftsgeschichte der frühen
Neuzeit sind etwa überlieferte Zunftordnungen, Kaufmannsbücher und Kataster sowie Verwaltungsquellen,
Steuerlisten und Rechnungsbücher.
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in Spanien und in Skandinavien. Am Hof spielten Beichtväter und Hofprediger eine nicht zu
unterschätzende Rolle als politische Berater.
Fast alle geselligen Anlässe, Taufen, Hochzeiten, Begräbnis, waren religiös eingebettet, auch die
Bildungsmöglichkeiten waren Großteiles in geistiger Hand, es gab regelrechte “Lehrorden”, etwa die
Jesuiten, die mit dem expliziten Zweck der Bildungsvermittlung gegründet wurden. Die Universitäten waren
für das theologische Studium verantwortlich. Erziehung, Eheleben und Sexualität wurden stark aus dem
kirchlichen (kanonischen) Recht geregelt. Die Inquisition war zunächst dazu eingesetzt worden, um gegen
Häretiker vorzugehen, in Spanien wurde die Inquisition direkt von der Königsherrschaft eingesetzt und
wurden auch bei der Verfolgung von “Kryptojuden”, die trotz der Verbote
heimlich ihren Glauben ausübten, eingesetzt. In der Neuzeitforschung
wird von Religion als kulturellem Phänomen gesprochen, ein Ansatz, der
auf Clifford Geertz zurückgeht. Es gibt zwei wichtige religiöse
Grundlagen der frühneuzeitlichen Gesellschaft: Erstens der Glaube an
eine von Gott geschaffene hierarchische Ordnung der Welt, durch die
etwa das Ständesystem geregelt wurde, zweitens das Leben in ständiger
Endzeiterwartung, was mit der starken zeichenhaften Wahrnehmung der
Menschen zusammenhängt. Alles wurde als mögliches Zeichen der
imminenten Apokalypse gedeutet und dementsprechend politische
Forderungen gestellt. Historische Ereignisse, etwa Kriege und Herrschaft,
wurden umfassend als Teil einer teleologisch organisierten Heilsgeschichte gedeutet. Wesentliche
Veränderungen der Religion in der frühen Neuzeit müssen anhand der Begriffe “Reformation”, “katholische
Reformation”, “Gegenreformation” und “Konfessionalisierung” aus verstanden haben, aus denen sich ein
nichtlinearer Entwicklungsprozess erschließen lässt. Bis ca. Zur Mitte des 16. Jahrhunderts sprechen wir
von der Frühphase der Reformation. Sie war in erster Linie ein Produkt mittelalterlicher Religiosität und
Glaubensinhalten. Damit ist nicht die Grundlegung der evangelisch-lutherischen Kirche gemeint, sondern
ein komplexer Transformationsprozess, der auch die katholische Kirche miteinbezog. Es ist von einer
generellen Stimmung des Aufbruchs zu sprechen, der ursprüngliche Anspruch war eine Erneuerung und
Reinigung der alten Kirche. An Stelle eines universalen Glaubens trat eine individualistisch geprägte
Pluralität von Glaubensauslegeungen, die die umgreifende religiöse Wahrheit für sich beanspruchten, aber
in der Art einer Einheitskirche. Zunächst gab es in den Gemeinden zahlreiche “Mischformen”, oft wurden
Kirchen gemeinsam genutzt, auch
im liturgischen Bereich gab es
fließende Übergänge. Die
Trennung zwischen Katholizismus
und Protestantismus war nicht
klar, es gab keine strenge
Kodifizierung, der Ablösungsprozess war kontinuierlich und die frühen Reformatoren dachten katholisch
im Sinne der Einheit der Kirche. Eine teleologische Interpretation, vom Thesenanschlag hin zur
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Konfessionalisierung, ist bestimmt fehlerhaft. Neu bei Luther war, dass es seine Fundamentalkritik an der
Funktionsweise der Kirche als ganzer übte und an deren Hierarchie ein individuelles Glaubensbekenntnis
setzte. Der Grundsatz sola gratia richtet sich gegen die Lehre, nach der der Mensch durch gute Taten seine
Erlösung erarbeiten könne, was etwa im Ablasshandel eine Rolle spielte. Nur die willkürliche Gnadenwahl
Gottes könne die Errettung des Menschen bewirken. Der Grundsatz sola scriptura richtet sich gegen die
Auslegungsautorität des Papstes und der Brüder sowie gegen die Institution der Scholastik als Tradition
gelehrter Bibelinterpretation. Die Sakramente wirken aus sich selbst und brauchen nicht der Vermittlung
eines geweihten Priesters, dass bedeutet das Prinzip sola fide.
Wichtige religiöse Strömungen waren die der Lutheraner in Deutschland und Skandinavien, die
Zwinglianer und Calvinisten in der Schweiz, Süddeutschland und Frankreich. Letztere betonen die
Prädestination im Kontext des sola gratia Prinzips, was auch mit der Orientierung an Zeichen
zusammenhängt. Die radikalste Bewegung war die der Täufer, deren Ziel es war, Jesus im Leben
nachzufolgen, das sola scriptura Prinzip wurde im Sinne einer wörtlichen Auslegung der Bibel interpretiert.
Die Pietisten gingen aus einer Kritik der bisherigen Reformationspraktiken hervor und stellten das gläubige
Subjekt in den Mittelpunkt, es komme nicht so sehr auf die Lebensweise als auf die individuelle
Selbstbesinnung an. Gemeinsamkeiten der reformatorischen Strömungen waren:
• Ein neues Schriftverständnis: das grundlegende und ausschließliche Bekenntnis zur Heiligen Schrift
als Quellejeden Glaubens gegen die Autorität von Überlieferung und Auslegung.
• Bruch mit einer Frömmigkeitspraxis, die als Missbrauch oder Aberglaube diffamiert wurde, etwa
Heiligenverehrung, Werkgerechtigkeit, kirchliche Feiertage.
• Abschaffung aller Sakramente mit Ausnahme von Taufe und Abendmahl. Die Wirksamkeit der
Sakramente, etwa Transsubstantiation, hingen vom Glauben ab, nicht von der Anwesenheit eines
Priesters.
Mit der Reformation hing auch ein soziales Transformationsprogramm zusammen, in dem sie mit dem
Humanismus parallel lief. Die reformatorischen Gesellschaften bemühten sich um Anerkennung durch die
Oberschicht, die Betreiber der Reformierung wollten ihre Ziele in den Händen der Obrigkeit wissen und
gingen Bündnisse mit diesen ein. Der Zusammenhang von religiöser und weltlicher Rechtsordnung wurde
in Kirchenordnungen verankert und wurde wechselseitig von
Religionsvertretern und Herrschern geregelt. Die Kirchenordnung von
Osiander von 1533 ist eine der ältesten Konfessionalisierungen, der Prozess
der Konfessionalisierungen wurde von weltlichen Faktoren stark mitbestimmt.
Die Landesherren hatten die Möglichkeit, in ihren jeweiligen Territorium
festzulegen, was im Zuge des “Augsburger Friedens” auch rechtlich festgelegt
wurde, die Kirchenordnungen waren eine Zusammenarbeit zwischen
Theologen uns Herrschern und regelten alle Bereiche des Lebens sehr stark.
Erst das Zusammenwirken von landesherrschaftlichen Interessen und
theologischen Anliegen gestalteten die Kultur der Reformation in der Neuzeit. Die veränderten
Frömmigkeitspraktiken in Form umfassender Eingriffe in alle Lebensbereiche, schlug sich etwa in der
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Abschaffung von Feiertagen, Prozessionenen und religiösen Bräuchen nieder. Alle Lebensbereiche wurden
verstärkt an christliche Vorstellungen gebunden.
Auch die katholische Kirche reformierte sich, reagierte jedoch auch mit einer “Gegenreformation”,
deren Grundsätze im “Tridentinischen Konzil” (1545 - 1563) festgelegt wurden. Dabei wurde sowohl die
katholische Reformation als auch Bestrebungen der Gegenreformation behandelt, es galt, die “Irrtümer
auszurotten”. Dogmatisch bekräftigt wurde zunächst die gleiche Bedeutung von Schrift und Überlieferung
entgegen dem reformatorischen Prinzip des sola scriptura, wonach auch die Auslegungstradition eine gewisse
Autorität habe. Weiters ging es um die die Rechtfertigungslehre mit Bezug zum “freien Willen” und den
“guten Werken”. Nach der katholischen Lehre kann der Mensch den Weg zur Erlösung frei wählen, die
Gläubigen können durch “gute Werke” aktiv an ihrer Erlösung
mitarbeiten (“Werkgerechtigkeit”). Beim jüngsten Gericht
würden die guten Taten letztlich aufgewogen. Den letzten
inhaltlichen Schwerpunkt bildete die Betonung der sieben
Sakramente, die Luther auf die der Taufe und des Abendmahls
eingeschränkt hatte. Auch ist aus katholischer Sicht die Wirkung
der Sakramente lediglich von der Weihe des Priesters, nicht aber
vom Glauben der Gemeinde abhängig, was gegen das sola fide
Prinzip der Reformation ging. Weiters bekräftigt man den Glauben an die “Transsubstantiationslehre”,
während die Reformatoren der Umwandlung der Hostie in den Leib Christ lediglich eine symbolische
Bedeutung zuerkannten. Der Tridentismus hatte zudem eine Zentralisierung und Normierung des
kirchlichen Lebens und der Glaubenspraxis auf kosten regionaler Besonderheiten zur Folge. Kirchliches
Leben und Glaubenspraxis wurden stärker von Rom aus bestimmt, der Pluralismus religiöser
Erscheinungsformen wurde dadurch eingeschränkt. Es kam zu einer Intensivierung der Seelsorge und
Missionierung der Bevölkerung, die Menschen sollten nicht nur an der Kirche teilnehmen, es sollte auch
das aktive Bekenntnis zur katholischen Religion bekräftigt werden. Wie auch in der Reformation wurde die
Subjektivierung des Glaubens stärker betont, etwa durch die Einführung der individuellen Ohrenbeichte.
Zuvor hatte die Gemeinde gemeinschaftlich rituell ihre Schuld bekannt, jetzt begann man, einzelnen
Menschen durch Priester die Beichte abzunehmen. Es ging um eine stärkere Betonung der persönlichen
Innenwelt und deren Exploration. Auch die allgemeine Bildung wurde durch ein verstärktes Lesen biblischer
Texte vergrößert. Im “tridentinischen Konzil” zeigt sich demnach der starke Erneuerungsprozess, den auch
die katholische Kirche durchlief. Zum Zwecke der aktiven Umsetzung begann man auf die
Volkssprachlichkeit zu setzen, in einem Katechismus sollten dem Volk wesentliche neue Glaubensinhalte
nahegebracht werden. Sowohl die Reformation und die katholische Reformation hatten humanistische
Hintergründe, beide Seiten setzten auf verstärkte Seelsorge sowie die Intensivierung individueller
Selbstkontrolle.
Vor allem der letzte Aspekt wurde vom Jesuitenorden, der Societas Jesu, teils stärker umgesetzt als von
der Reformation, er wurde als Mittel der Verbreitung neuer katholischer Ideen gegründet. Der Jesuitenorden
beinhaltete in seiner Konfession ein eigenständiges Bekenntnis zum Papst, worin die verstärkte zentrale
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Kontrolle zum Ausdruck kommt. Die Jesuiten kennen kein kontemplatives Klosterleben, ihre Aufgabe war
die aktive Christianisierung und Missionierung auch in fremden Ländern. Der Zusammenhang mit den
Landesfürsten brachte den Jesuiten großes Prestige ein, ihnen kam auch verstärkt die Aufgabe der Erziehung
einer neuen katholischen Führungsschicht zu. In modernen Gymnasien und Lyzeen wurde ein relativ
modernes Bildungsprogramm etabliert, in dem die Eliten für den modernen Territorialstaat herangebildet
wurde. Man gründete und übernahm die Universitäten. Die Seelsorge
wurde als primäre Mission betrachtet und war von der Erkenntnis getragen,
dass von ihr das Fortbestehen der katholischen Kirche abhing. Individuelle
“Beichtväter” hatten auch eine starke politische Rolle, insofern sie
wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse ihrer herrschaftlichen
“Beichtkinder” ausüben konnte. So versuchte man etwa am Hof der
Habsburger Einfluss darauf zu nehmen, wer als Beichtvater eingesetzt
wurde. Nicht zuletzt waren die Jesuiten auch für eine Neubelebung der
Marienverehrung verantwortlich, es kam zu Gründung der “marianischen
Kongregation”, der vor allem Jugendliche der Elite angehörten. Die Legenden um lokale Heilige, in denen
sich bis in die Neuzeit gewisse polytheistische Züge hielten, wurden kritisch revidiert und nur diejenigen
anerkannt, die sich unbestreitbar belegen ließen. Zu den Missionierungsbestrebungen gehörte auch die
theatralische Inszenierung des kirchlichen “Hochamtes”, der heiligen Messe, aus dem jesuitischen
Schultheaters bildete sich ein öffentliches Theater, welches zur Erziehung der Bevölkerung eingesetzt
wurde.
Die reformatorischen wie auch die katholischen Reformbewegungen hatten zum einen eine stärkere
Prägung durch die Obrigkeit und Betonung von Seelsorge und Katechese zur Folge. Insgesamt wurde, etwa
durch die Übersetzung der Bibel und Anschluss an humanistische Ideen eine verstärkte Volksbildung, die
Volksbildung vorangetrieben. Individualität und Gewissensbildung wurde stärker betont. Ernst Walter
Zeeden prägte den Begriff der “Konfessionalisierung” für die Entstehung
der Konfessionskirchen, der ein die klare Grenzziehungen und neue
Kirchenstrukturen beinhalteten. Ausgehend von der ursprünglichen
Bedeutung wies Wolfgang Reinhardt auf die Zeitliche und inhaltliche
Parallelität von Reformation und Gegenreformation hin. Reformation und
Gegenreformation hatten zu fundamentalen Modernisierungsprozessen
geführt. Heinz Schilling sah die Konfessionalisierung als
Fundamentalvorgang der Epoche im Rahmen eines Vier-Phasen-Modells
von vorkonfessioneller Phase - “Zweiter Reformation” - Höhepunkt der
Konfessionalisierung - Abschluss mit dem Westfälischen Frieden. Mit den
Reformierungsprozessen ging die Entwicklung religiöser Toleranz einher,
die als langfristiger Prozess mit großen regionalen Unterschieden gesehen
werden muss. Den Ausgangspunkt bildet die Kritik an religiöser Verfolgung beginnend im 16. Jahrhundert.
1555 wurde der “Augsburger Religionsfriede”, in dem die Anerkennung des lutherischen Bekenntnisses,
92
aber auch die Festlegung der jeweiligen Konfession durch den Landesherren festgelegt wurden. 1598 kam
es in Frankreich zur Unterzeichnung des Edikt von Nantes, 1685 zum Widerruf durch das Edikt von
Fontainebleau. Verschiedene Varianten religiöser Koexistenz oder Toleranz gab es vor allem in den
Niederlanden, Polen und Böhmen. 1648 wurde im Kontext des “Westfälischen Friedens” das calvinistische
Bekenntnis anerkannt, im 18. Jahrhundert wurden Toleranzedikte für die großen christlichen Konfessionen
als auch zunehmend für die Juden erlassen. John Locke verfasste seinen berühmten “Letter Concerning
Toleration”, in dem er für eine Gleichstellung aller Glaubensrichtungen außer Atheismus und Katholizismus
eintritt. Im Zuge der Aufklärung kommt es zu einer verstärkten Betonung der Vernunft als Maßstab des
Weltverständnisses, welches in Bestrebungen zur Etablierung einer sogenannten “Vernunftreligion”
artikuliert wurde. Zunehmend wurde die Bedeutung von empirisch gesichertem Wissen gegenüber des
Glaubens die Weichenstellung zu einer kontinuierlichen Säkularisierungsprozess hin zu einem umfassenden
wissenschaftlichen Weltbild gestellt. Wesentlich für das 19. Jahrhundert war die Trennung von Kirche und Staat.
Die Kirche verliert ihre Funktion in den Bereichen der Fürsorgeaufgaben, die zunehmend verstaatlicht
werden. Politische Strömungen wie auch andere gemeinschaftsstiftende Institutionen beginnen, eine
ideologische Konkurrenz zur Religion darzustellen. Infolge wird Religio weitgehend Privatsache, staatliche
Belange werden immer seltener im Rekurs auf religiöse Glaubensinhalte verhandelt.
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Privatbereich verwiesen, über den Bereich der bürgerlichen „Geselligkeit“ partizipierten auch die Frauen
weiterhin an der Öffentlichkeit.
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Infolge holte Ferdinand Petrus Canisius nach Wien, der die Hochschule durch die Einführung moderner,
jesuitischer Bildungsmethoden attraktiver machen wollte. Alle nichtkatholischen
Professoren sollten entlassen werden, was jedoch aufgrund des Personalmangels
nicht realisiert werden konnte. Jedoch gelang es Canisius, den Leiter der
Artistenfakultät einkerkern und außer Landes zu vertreiben. 1554 erfolgte die
“Nova reformatio”, ein neues Verfassungsrecht für die Universität. Es kam zu
ausgedehnten Streitigkeiten zwischen den Jesuiten und der Universität um das
Bildungsmonopol, 1623 wurde auf Anordnung Ferdinand II. das Wiener
Jesuitenkolleg in die Universität eingegliedert und dem Orden die Professuren der
theologischen und philosophischen Fakultät übertragen. Erst 1773 wurde die
Societas Jesu durch Papst Clemens XIV verboten.
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Untertanen Gesetze, schaffen überholte Gesetze ab, um dafür neue zu erlassen.” Absolute Herrschaft
bedeutet demnach nicht im modernen Sinne uneingeschränkte Herrschaft, sondern die Losgelöstheit von
übergeordneter Herrschaft, was auch an der Etymologie des Wortes “absolut” ersichtlich wird. Der
souveräne Herrscher ist zwar keiner anderen Herrschaft unterworfen, kann deswegen aber trotzdem nicht
uneingeschränkt Macht ausüben. Um den Begriff des Absolutismus gibt es in der Geschichtsforschung eine
lang andauernde Debatte. Norbert Elias prägte die Vorstellung vom radikalen Gegensatz zwischen
absoluten Herrscher und Adel, die von Ronald G. Asch ausgehend von Untersuchungen über die englische
Geschichte widerlegt wurde. Nach Elias zog der König den Adel an den Hof, um ihn dort zu Beschäftigen
und so in einen „goldenen Käfig“ zu sperren, womit sich der absolutistische Herrscher seine Macht sicherte.
Diese Konzeption ist jedoch fehlerhaft, da sie davon ausgeht, dass Macht eine absolute Größe ist. Der
absolutistische Herrscher hätte seine Macht nicht alleine ausüben können, mit einem Machtzuwachs des
Herrschers kommt es umgekehrt auch zu einem Machtzuwach des Adels. Diese Auffassung von
Absolutismus zeigt sich auch darin bestätigt, dass die verschiedenen
kulturellen und politischen Prozesse am Hofe oft stark differenziert
waren. Es gab durchaus kollektive Entscheidungsfindungsprozesse, der
absolutistische Herrscher war durchaus sozial Eingebunden und konnte
nicht allein verfügen. Entgegen der verbreiteten Meinung waren
absolutistische Herrschaftsrollen in allen großen europäischen
Monarchien von Frauen belegt, etwa Mary I. von Tudor in England oder Katharina I. von Russland. Formal
ausgeschlossen war weibliche Herrschaft nur in Frankreich durch das loi salique. Frankreich erweist sich auch
hier eher als Ausnahme und nicht als Paradefall. Auch gab es eine Reihe gewählte, weibliche Fürstinnen,
etwa Anna LaBianca, die gewähltes Staatsoberhaupt von Polen und Litauen war. Österreich führte die
subsidiäre weibliche Thronfolge mit der “Pragmatische Sanktion” 1713 ein, die jedoch nur für die
Herrschaftsgebiete, nicht für die Kaiserwürde galt. Frauen übernahmen auch häufig die Regentschaft, d.h.
Die delegierte Herrschaft, etwa wenn ihre Männer im Krieg waren oder in Vertretung ihrer minderjährigen
Söhne. Um die Legitimität weiblicher Herrschaft gab es eine rege intellektuelle Debatte, in der auch religiöse
Belange eine Rolle spielten.
eine gemeinsame Entscheidung aller drei Kurien getroffen, verfasste der Kurfürst von Mainz (zugleich
Kurerzkanzler) ein Reichsgutachten, mit der Annahme und Ratifikation des Reichsgutachtens durch den
Kaiser galt die Entscheidung als Reichsschluss (= Gesetz). Zum Abschluss des Reichstages
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Zusammenfassung aller ergangenen Reichsschlüsse im Reichsabschied. Die ständische Hierarchisierung
spiegelt sich auch in der Sitzordnung der Versammlung. Seit 1633 war der Reichstag als “immerwährender
Reichstag” bis zu seiner Auflösung 1806 verstetigt. Die Partizipation ist dabei nicht gleichbedeutend mit
Konfliktfreiheit zu verstehen. Der Reichstag fungierte als eine Art “Clearingstelle” zwischen Kaiser und
Reichsständen.
Die polnische Adelsnation bildete eine Überlappung von Wahlkönigtum, Klientelsystem, Patronage
und Erbfolge. Der Adel verstand sich als die Nation und repräsentierte sie, es gab eine Monarchie, durch
das Wahlkönigtum wurde die Macht vom Adel auf den König übertragen. Zum Wahlkönigtum kamen auch
andere Systeme hinzu. Auch Vertreter anderer Länder konnten in Polen König werden, jedoch wurde meist
die Erbfolge der „Königsfamilie“ bestätigt. Die Generalstaaten der vereinigten Niederlande war eine
Ständeversammlung aus Vertretern der einzelnen Provinzen.
Höchstes gemeinsames Organ der sieben Teilstaaten war die
Konföderation, der Kompetenzbereich beschränkte sich auf
Verteidigung und Außenpolitik, welche die gemeinsamen
Angelegenheiten der vereinigten Niederlande betrafen. Allerdings
gab es auch eine Entwicklung in der Einsetzung ders Stadthalters,
eines militärischen Oberbefehlshabers mit weiteren Sonderrechten,
der traditionell vom Haus Oranien gestellt wurde. Die tendenziell republikanische Verfassung bekam damit
einen quasi-monarchischen Einschlag. Die Niederlande hatten einen achtzig Jahre langen
Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier geführt. Die spanischen und niederländischen Gesandten
beschwören am 15. Mai 1648 im Rathaussaal von Münster den spanisch –niederländischen Friedensvertrag.
1815 wurden die Niederlande im Zuge des Wiener Kongresses zur Monarchie erklärt, das Haus Oranien
übernahm direkt die Linie von Stadthaltern zum Königtum.
Das englische Parlament war seit 1495 unterteilt, im “House of Lords” war das Oberhaus vertreten,
im “Peerage” der Hochadel, in den “Commons” das Unterhaus und im “Landed Gentry” die
Großgrundbesitzer, wobei die jeweilige Zugehörigkeit nicht strikt geregelt dar: “Lords” und “Commons”
waren keine Ständevertretungen im engeren Sinne, sondern Versammlungen
disparater gesellschaftlicher Gruppen. Der Klerus war, abgesehen von den
hohen Prälaten, seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr vertreten. Das Parlament
war zunächst ein königliches Gremium und damit im Unterschied zu anderen
Ständeversammlungen eine Einrichtung der Krone, die englischen Könige
setzten ab dem Spätmittelalter für die gewählten Abgeordneten der Commons
(Unterhaus) umfassende Bevollmächtigung und Weisungsfreiheit durch.
Langfristig stärkte dies die kollektive Handlungsfähigkeit und das Eigengewicht
des Parlaments. Die Stuart-Dynastie setzte auf eine deutliche Vergrößerung der
Peerage zur Sicherung des eigenen Einflusses im Parlament (“House of Lords”). Das Zusammenwirken
zwischen König und Parlament in England begann mit der Gründung der Staatskirche durch Heinrich VIII.,
nachdem der Papst die Annullierung seiner Ehe verweigert hatte. Das Resultat war die Errichtung eines
100
königlichen Supremats über Kirche und Klerus, welche durch mehrere “Acts of Parliament” legitimiert
wurde. Ein ungewollter Nebeneffekt war, dass die in den Commons vertretene “gentry” Hauptnutznießer
der Enteignung und Säkularisierung geistlichen Grundbesitzes bei dem Einzug katholischen Besitzes
wurden. Das Machtzentrum war demnach der “King in Parliament”, also die Dyade aus König und
Parlament als konsensuale Herrschaft. Versuche Karls I. vor dem Hintergrund konfessioneller Konflikte
ohne das Parlament zu regieren, scheiterten. Die Restauration der Stuart-Monarchie 1660 ging mit der
Rückkehr zum Prinzip des King-in-Parliament einher. Das gemeinsam mit dem König versammelte
Parlament galt als „body of the whole realm“.
In der Folge der “Glorious Revolution”, welche mit dem Sturz Jakobs II. 1688, dessen Flucht vom
Parlament als Abdankung gewertet wurde, kam es zu einem beträchtlichen Machtzuwachs des englischen
Parlaments. 1689 erfolgte die Thronbesteigung Marias II. und ihres Ehemannes Wilhelm III. von Oranien,
gekoppelt an die Unterzeichnung der “Bill of Rights”, welche die Rechte des Parlaments bekräftigte und
stärkte. Die nachfolgenden, von Kriegen geprägten Jahre, zwangen Wilhelm III. (Maria II. war 1694
gestorben) zu ständiger Kooperation mit dem Parlament. Der König verpflichtete sich zu turnusgemäßer
(periodischer) Auflösung und Neuwahl des Parlaments, um die
Etablierung von Klientelbeziehungen zum König zu
unterbinden und so die Unabhängigkeit des Parlaments zu
stärken. In der gegenwärtigen Forschung kam es, in Abgrenzung
von der liberalen Whig-Historiographie, welche die Konkurrenz
zwischen Parlament und KönigIn hervorgehoben hatte, eine
Neuinterpretation, nach der der Aufstieg und Machtgewinn des
Parlaments wesentlich von den englischen Königen/Königinnen initiiert wurde. In Frankreich gab es eine
Reihe von Partizipationsformen jenseits der Ständeversammlung: Das Parlament umfasste die obersten
Gerichtshöfe und partizipierten an der Gesetzgebung, legitimiert durch Teilhabe an der königlichen
Souveränität. Damit hatte der Parlamente eine legislative und administrative Kontrollfunktion in der
Ratifikation königlicher Statuten, die erst nach vorheriger Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit (droit de
vérification) anerkannt wurden und hatte somit ein Einspruchsrecht (droit de remontrances). Der Einspruch
des Parlament konnte vom persönlich anwesenden König mit dem Rechtsinstrument des „lit de justice“
außer Kraft gesetzt werden. Auch gab es in Frankreich eine rege politische Partizipation am Hof, die von
der neueren Forschung gegenüber dem gängigen Bild des absolutistischen Herrschers hervor gekehrt wurde.
So vertrat etwa Nicholas Henshall die These, nach der das als Modell absolutistischer Herrschaft geltende
Frankreich und das als Modell nicht-absolutistischer, parlamentarischer Herrschaft geltende England im
Hinblick auf Herrschaftsausübung und Staatsbildung mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen.
Die Metapher des “politischen Körpers” (“cropus politicum”) gewann in der frühen Neuzeit eine
wichtige Funktion im neuzeitlichen Verständnis von Herrschaft. Die Herrschaft repräsentierte den
Volkskörper durch eine herausgehobene Versammlung, deren Mitglieder pars pro toto die Gesamtheit
darstellen. Dabei verpflichtet das Handeln der Repräsentanten (als “Haupt”) die Repräsentierten. Dieses
Verhältnis kehrte sich erst mit der Aufklärung um, die eine zunehmende Durchsetzung des Egalitarismus
101
propagiert. Es kam zu einer Kritik an ständischen Partizipationsformen und dem Entstehen eines neuen
Repräsentationsverständnisses: Repräsentation als allgemeine und gleiche Partizipation aller Bürger
(Gesamtvertretung, repraesentatio in toto), nach der die Repräsentanten den Interessen der Repräsentierten
verpflichtet sind. Ständische Repräsentation wird als Repräsentation von Partikularinteressen gedeutet, die
dem einheitlichen Nationalwohl entgegenstehen. In der Französischen Revolution kam es zu einer
Neuformulierung des Repräsentationsbegriffes. Die „Nationalversammlung“ wurde einerseits als
Versammlung von allgemein und frei gewählten Abgeordneten, als Sprachrohr des souveränen und
unteilbaren Willens der Nation gesehen. Davon ausgehend kam es zu einer divergierenden Entwicklung im
ausgehenden 18. Und 19. Jahrhundert in Liberalismus / Republikanismus auf der einen Seite und
Konservative auf der anderen Seite. Der Liberalismus /Republikanismus stellte die Forderung nach
Parlament als Repräsentant der Nation an, während der Konservativismus den Monarch als alleinigen
Repräsentant der staatlichen Einheit sah, während Ständeversammlungen (und Parlamente) als
Vertretungen von Partikularinteressen aufgefasst werden. Beide Strömungen kritisieren
Ständeversammlungen als Vertretung von Partikularinteressen, denen Sie die Repräsentation der „Einheit“
entgegensetzen. Für die Verfechter der Volkssouveränität wird diese Einheit durch die Repräsentation der
gesamten Nation gewährleistet, für die Verfechter des monarchischen Prinzips durch den Monarchen.
Mit der Industrialisierung und Aufstieg bürgerlicher, städtischer Oberschichten kam es in England
zu einer Kritik am Wahlrecht des “House of Commons”, in dem diese Gruppe, im Gegensatz zu den
ländlichen Oberschichten, nicht repräsentiert war. Das führte 1932 zur Etablierung des “Representation of
the People Act”, einer Reform des Wahlrechts, das die Repräsentation der Commons auf die besitzenden
städtischen Oberschichten ausweitete. Weitere Entwicklungen waren die Transformation der Parteien von
parlamentarischen Gruppen zu politischen Massenorganisationen und die Abschaffung religiöser und
besitzrechtlicher Ausschlüsse vom Wahlrecht sowie die Einführung eines allgemeinen Wahlrechtes 1918. In
Deutschland kam es zum Zusammentritt der “Deutschen
Verfassunggebenden Reichsversammlung” 1848 mit dem
Ziel der Schaffung einer deutschen Nationalrepräsentation,
der Erarbeitung einer Verfassung für ein deutsches
Staatswesen und der Begründung eines deutschen
Nationalstaates. Die Nationalversammlung scheiterte an der
Rivalität der Großmächte Österreich und Preußens. Der
Konflikt entbrannte sich um die Frage nach der Aufteilung
von Gebietsansprüchen. Die “Großdeutsche Lösung” sah die staatsrechtliche Teilung des österreichischen
Kaiserstaates mit Eingliederung seiner überwiegend deutschsprachigen Gebiete in das neue Staatswesen
vor, was jedoch von Österreich abgelehnt wurde. Dem entgegen stand die sogenannte “Kleindeutsche
Lösung” ausgehend von der Reichsverfassung vom 28. März 1849, welche die nationalstaatliche Einigung
zumindest vorläufig auf das überwiegend protestantische „Kleindeutschland“ beschränkte und die
Etablierung eines preußischen Erbkaisertums sowie eines allgemeines Männerwahlrecht für das
„Volkshaus“ anstrebte.
102
3.9. Widerstand und Revolution
Was geschieht, wenn die politische Legitimation nicht mehr gelingt? Widerstand befand sich in der frühen
Neuzeit nicht im Antagonismus zu politischer Macht, sondern diente vielmehr zu deren Regulation. Erst
im weiteren Verlauf wurde Widerstand als Gegengewicht der Herrschaftspraxis gesehen. Ein Beispiel sind
etwa die Bauernkriege, die als Ausweitung lokaler Bauernaufstände ab 1524 in weite Teile des süddeutschen
Sprachraumes eine umfassende Revolution gegen die zeitgenössischen politischen Verhältnisse darstellen.
Dem entgegen standen die eher lokalen Ständerevolten, die als Abwehr von Eingriffen in überlieferte und
verbriefte Rechte der Stände legitimiert wurden, etwa wenn ein Herrscher im Rahmen der Machtstrukturen
seine Rechte überspannte.
Ein Beispiel ist etwa der Comuneros-Aufstand in Spanien (1520-1522), der sich gegen Karl I. in
Kastilien richtete. Karl I. erhöhte die Steuern, um militärische Aktivitäten in Frankreich zu finanzieren, in
einer Zeit der Knappheit, was eine Rebellion in Toledo zur Folge hatte. Es war eine Zeit schlechter Ernten
und die zusätzliche Besteuerung führte zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung. Auch wurde der
Habsburger Karl I. als Nicht-Spanier gesehen und somit als „Landfremder“
abgelehnt, auch hielt er sich oft außer Landes auf und war somit in der Bevölkerung
nicht besonders präsent. Der Aufstand von Toledo weitete sich auf andere
Bereiche in Kastilien aus und erfasste die städtischen Unterschichten und Bauern.
Auch der Hochadel schloss sich schließlich dem Aufstand an. Es kam zur
kurzzeitigen Bildung einer Regierung (“Junta General”). Karl I. versuchte, die
Unterstützung des Adels zurückzugewinnen und machte ihnen einige
Zugeständnisse, etwa dass die sogenannten „Grandes“ zur Überprüfung der
Steuern eingesetzt wurden. Nachdem er sich so der Unterstützung versichert hatte, erweiterte er sein Heer
weiter und eroberte die kastilischen Städte mit Unterstützung des Hochadels zurück. Resultat waren die
Stärkung der Stellung des Königs aufgrund der Unterstützung durch den Hochadel sowie umgekehrt eine
Aufwertung des Hochadels durch den König.
Ein weiterer Ständeaufstand war der böhmische Aufstand (1618-1619), der in weiterer Folge zum
Auslöser der Dreißigjährigen Krieges werden sollte. Der Konflikt nahm seinen Ausgangspunkt 1617, als der
Habsburger Erzherzog Ferdinand zum König von Böhmen gewählt wurde. Dieser wollte die Rechte der
reformatorischen Stände beschneiden, sein Vorgänger
Rudolph II. hatte Freiheits- und Religionsrechte beschlossen.
Ferdinand legte diese Rechte sehr restriktiv aus und ordnete
etwa den symbolischen Akt der Niederreißung einer
nichtkatholischen Kirche an. Die Adeligen versammelten sich
daraufhin und verfassten Protestschriften, worauf Ferdinand
mit weiteren Sanktionen und einem Verbot der
Ständeversammlungen antwortet. Das wurde ihm als Überschreitung seiner königlichen Rechte ausgelegt,
Ferdinand wurde als Tyrann zum illegitimen Herrscher erklärt. Der „Prager Fenstersturz“ (1618), in dem
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Vertreter der protestantischen Stände in die Prager Burg eindrangen, ein improvisiertes Gericht abhielten
und danach die Exekution der königlichen Stadthalter Jaroslaw Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm
Slawata von Chlum und Koschumberg sowie dem Kanzlersekräter Philipp Fabricius vornahmen, muss vor
diesem Hintergrund als gezielt durchgeführter und symbolisch behafteter Akt des Aufbegehrens, nicht etwa
als impulsiver Willkürakt, verstanden werden. Die „Defenstration“ war ein traditionelles Rechtsmittel der
protestantischen Stände zur Bestrafung von Rechtsbrechern. Nach der formalen Absetzung König
Ferdinands wurde Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zum neuen König gewählt. Die Habsburger
marschierten jedoch in Böhmen ein und konnten den Aufstand niederschlagen, Friedrich V. ging ins Exil
in die Niederlande. 1920 kam es zur Schlacht am weißen Berg begannen, 1920 die Kriegshandlungen, vorerst
als Siegeszug der katholischen Liga. Besiegt wurden nicht nur die böhmischen und kurpfälzischen Heere,
sondern man stieß auch nach Norddeutschland vor und triumphierten 1629 Dänemark, welches die
protestantischen Reichsstände unterstütze. Damit begann der Dreißigjährige Krieg.
In den Niederlanden kam es zu einer Ständerevolte von 1586 – 1648 n. Chr., welche einen
Unabhängigkeitskrieg nach sich zog. Den Hintergrund bildeten Zentralisierungsmaßnahmen und
Bestrebungen zur Gegenreformation durch Philipp II. von Spanien. Philipp II. wollte eine neue
Bistumsstruktur errichten, die sich gegen die Calvinisten, Lutheraner und andere Reformierte richtete.
Einige Adelige bezogen gegen dieses Vorhaben Stellung, etwa Graf Egmond, und wurden daraufhin von
Philipps Statthalter, dem Herzog von Alba, hingerichtet und ihre Vermögen für die Kriegsvorbereitung
eingezogen. Unter der Leitung Wilhelm von Oranien, dem die
Flucht gelungen war, schlossen sich Widerständler in der
„Union von Utrecht“ zusammen und sagten sich 1581 vom
Tyrannen Philipp II. los. Dieser ließ das nicht ohne
Widerstand zu, es kam zu einem Unabhängigkeitskrieg, der
erst nach 50 Jahren mit dem Ende des 30 Jährigen Krieges
1648 im „Westfälischen Frieden“ endete. In Frankreich
erfolgte die sogenannte „Fronde“ („Steinschleuder“), den
Hintergrund bildeten hier die steigenden Kriegskosten durch
Teilnahme am Dreißigjährigem Krieg und am Französisch-Spanischen Krieg sowie die aggressive
Finanzpolitik Mazarins. Der Aufstand richtete sich gegen Anna von Österreich, die für ihren Sohn Ludwig
XIV. die Regierungsgeschäfte führte, und gegen den Premier Mazarin. Der Hochadel verlange nach einem
Zugeständnis von mehr Rechten, außerdem sollte der Mangel an Nahrungsmittel für die Pariser Bürger
beseitigt werden. In einer ersten Phase kam es 1648 zum Aufstand des Parlamente von Paris und der Pariser
Bürger, welche die Annahme der Steuererhöhung verweigerten. Es kam zur Verhaftung eines
Parlamentssprechers und anderer, die gegen die Finanzpolitik waren. Barrikadenkämpfe unter der
Forderung nach Freilassung der Gefangenen waren die Folge. Der Königshof musste daraufhin nach Saint
Germain fliehen, Hilfe bekamen sie dabei von Louis II., der Paris belagerte, um den König wieder
einzusetzen. Er erzwang den „Frieden von Rueil“, die Folge waren Zugeständnisse an die Hochadeligen
und die Freilassung der Verhafteten. In einer zweiten Phase von 1649 – 1651 erfolgte ein Adelsaufstand
104
unter der Führung Louis II. von Bourbon, Prince de Condé, der nun Mazarins Platz einnehmen wollte,
woraufhin dieser ihn verhaften ließ. Die Hochadeligen wandten sich daraufhin gegen Mazarin, der 1651
nach Bayern ins Exil gehen musste. Es folgten zahlreiche militärische Auseinandersetzungen, 1652 nahm
Louis II. Paris mithilfe der Stadtbevölkerung ein, die sich jedoch später gegen ihn erhob. 1653 musste er
nach Spanien flüchten, Anna von Österreich, der junge König und Mazarin kehrten wieder zurück. Die
Frondeure mussten ins Ausland und konnten erst später wieder zurückkehren.
In der frühen Neuzeit wurden rege juristische, theologische und staatstheoretische Diskurse über die
Legitimität von Widerstandsrecht geführt. Die Mindestanforderungen, damit ein Aufstand berechtigt war,
waren nach verbreitetem Konsens das Ausbleiben einer „guten“ oder „gerechten“ Herrschaft gemäß
christlicher oder sonstiger Moralvorstellungen sowie der Verstoß gegen überlieferte Partizipationsrechte
(Mitspracherecht der Stände). Blieben diese Punkte aus, sprach man von einem „Tyrannen“. Man
unterschied weiters zwei Arten von Tyrannei, einerseits die „Ungerechte“ Ausübung von Herrschaft, wie
sie etwa in Böhmen, den Niederlanden und Spanien der Fall gewesen waren und deren Kritik oft auch
konfessionell begründet wurde, und die Usurpation andererseits, der illegitimen Herrschaft welche nicht
dem Wahlrecht oder der Erbfolge entsprach. Debatten um Widerstandrecht und -pflicht finden sich etwa
bei Bodin, der den Untertanen etwa kein Widerstandsrecht gegen den Tyrannen zubilligte, wenngleich die
Tyrannei auch moralisch verwerflich sei. Diese Diskurse waren keineswegs abstrakt, es wurden darin
verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Tyrannen von der Befehlsverweigerung über den
bewaffneten Wiederstand bis hin zum Tyrannenmord diskutiert.
Ein zentrales Ereignis der neuzeitlichen Geschichte bildet die Französische Revolution, die von 1789
bis 1799 datiert wird. Auslöser war eine Finanzkrise, der erste und der zweite Stand hatten Steuerprivilegien
inne, während der dritte Stand, die Bauern, hohe Steuerlasten zu tragen hatten. Großer Druck kam auch
aufgrund der schlechten Lebensmittelversorgung auf, um 1789 war der Brotpreis auf das dreifache wie
gewöhnlich gestiegen. Auch hatte sich ausgehend von aufklärerischen
Denkern wie Voltaire oder Rousseau revolutionäres Gedankengut
breitgemacht. Als Resultat kam die Forderung nach Einberufung der
Ständeversammlung auf, der dritte Stand forderte die Aufwertung
gegenüber Adel und Klerus. Jeder Stand war in der Ständeversammlung
mit ca. 300 Personen vertreten, was zu einem 2:1
Interessenungleichgewicht für die Bauern führte, da die anderen ihre
Privilegien nicht aufgeben wollten. Auch kam es zu einer Spaltung
zwischen den Ständen, da sich etwa Dorf- und Gemeindepfarrer dem
dritten Stand zugehörig fühlten. Die Vertreter des dritten Standes
fühlten sich als Mehrheit des französischen Volkes, am 17. Juni
erklärten sie sich zur assemblée nationale, zur Nationalversammlung und forderten die anderen Stände auf, sich
ihnen anzuschließen. Der Klerus stimmte ab, die Mehrheit war dafür, der Adel wollte jedoch den König
unterstützen, 80 der 300 Mitglieder wechselten jedoch in den dritten Stand. Der Sitzungssaal der Stände
wurde daraufhin geschlossen und in den Ballhaussaal verlegt. Der „Ballhausschwur“ vom 20. Juni legte fest,
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dass die Abgeordneten nicht wieder auseinandergehen würden, bevor eine neue Verfassung verabschiedet
worden sei. Der König wollte daraufhin mit Waffengewalt eingreifen, aber es waren auch viele Hochadelige
anwesend, etwa der Cousin des Königs, also befahl er stattdessen dem Adel und dem Klerus, sich der
Nationalversammlung anzuschließen. Die Diskussion um Finanzangelegenheiten führte zu einer
aufgeheizten Stimmung, es kam zur Bildung einer Bürgermiliz des dritten Standes, aus der sich später die
Nationalgarde entwickeln sollte. Am 14. Juli erfolgte schließlich der Sturm auf die Bastille, einem
Staatsgefängnis, welches ein wichtiges Symbol der
absolutistischen Herrschaft darstellte. Ursprünglich
wollte man nur an Waffen kommen, in der Bastille waren
zu diesem Zeitpunkt nur sieben Leute inhaftiert. Am 26.
August wurden die Menschen- und Bürgerrechte
festgelegt, womit erstmals ein umfassender
Gleichheitsgedanke etabliert war. Darin wurden auch
Gewaltenteilung, Presse- und Meinungsfreiheit sowie die
Volkssouveränität festgelegt, wobei man sich am Gedankengut einflussreicher Staatstheoretiker orientierte
(Rousseau). Das allgemeine Wahlrecht wurde zunächst nur für Männer festgelegt, Olympe de Gouges
forderte auch das Wahlrecht für Frauen. Im Zug der Frauen nach Versailles wurden der König und seine
Familie nach Paris gebracht, der „Marktweiberaufstand“ forderte vor allem eine bessere
Lebensmittelversorgung. 1791 versuchte der König zu fliehen, im September 1792 wurde er formal
Abgesetzt und die Republik ausgerufen. Der König wurde in einem Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt
und hingerichtet.
Ausschlaggebend war auch die bürgerliche Revolution von 1948/49, manchmal fälschlicherweise als
„Märzrevolution“ bezeichnet, welche, wie auch die Französische Revolution, ein typisch europäisches
Phänomen darstellt. Im Hintergrund standen die zunehmende Verarmung der Handwerker, Bauern und
unteren Schichten im Zuge der Industrialisierung sowie einiger Missernten. Der Aufstieg des politisch nicht
repräsentierten Großbürgertums war ein weiterer Faktor. Im Zentrum der Revolution stand die Forderung
unabhängiger Nationalstaaten, neuer Verfassungen, Presse- und Meinungsfreiheit einer Bürgerwehr sowie
der Befreiung der Bauern. In Wien begann die Revolution im
März 1948 mit Demonstrationen von Bürgern und Studenten,
wobei in erster Linie der Rücktritt Metternichs („Restauration“),
die Einführung einer Verfassung („Constitution“), die
Abschaffung der Zensur sowie die Bürgerbewaffnung gefordert
wurden. Nach der Flucht Metternichs wurde eine Verfassung
aufgesetzt, die jedoch ohne Parlament beschlossen und somit nur
provisorisch war. Im Mai 1848 kam es zur „demokratischen Revolution“, in der Studenten und Arbeiter
Forderungen nach Volksvertretung stellten. Eine Folge war die Flucht des Kaisers nach Innsbruck, im Juli
1848 konstituierte sich der österreichische Reichstag und die Befreiung der Bauern aus der Erbuntertänigkeit
wurde beschlossen. In der „Oktoberrevolution“ kam es zum Aufstand gegen die Entsendung von Truppen
106
zur Niederschlagung des ungarischen Aufstandes, Ferdinand I. dankte zu Gunsten seines Neffen Franz
Joseph I. ab. Die Revolution endete mit der grausamen Niederschlagung durch kaiserliche Truppen aus
Kroatien und Prag. Als zumindest kurzfristige Bilanz der Revolution kann die Einführung der Pressefreiheit
sowie einer aktiven Volksvertretung gesehen werden. Dauerhaft wurde die Befreiung der Bauern erreicht,
langfristige Auswirkungen waren die Etablierung nationaler Bewegungen, die Ausbildung politischer
Organisationen und einer politischen Öffentlichkeit sowie das spätere Aufgreifen der revolutionären
Verfassungsentwürfe. Die Revolution von 1848 stand auch unter direktem Einfluss der Französischen
Revolution, es wurde seit der Revolution stets beobachtet, sowohl von Seiten der Herrscher, die ähnliche
Geschehnisse in ihren Herrschaftsgebieten fürchteten, als auch von Seiten der Bürger, die darin den Beweis
sahen, dass sich das Bürgertum erheben kann.
107
Republik kam (Staatspräsident: Luis Napoleon Bonaparte). Die Februarrevolution von 1848 löste auch die
Revolutionen in vielen anderen Staaten Europas aus, die zur Überwindung der metternichschen
Restauration führten.
Spanien war vom 16. Jahrhundert bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts die Hegemonialmacht in
Europa. Karl I. vereinigte es zu einem Königreich, die Eroberungen in Amerika brachten Spanien Reichtum
und damit die Möglichkeit, Kriege zu finanzieren und militärisch mächtiger zu werden. Investitionen in
andere europäische Höfe gehörten zur Diplomatie, etwa ein Netzwerk an Informanten in Wien. Der
Katholizismus war die Staatsreligion seit den Reyes Católicos
(Königin Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von
Aragón). Ihre Heirat war die Grundlage, dass Spanien
zusammengeführt wurde. 1492 Reconquista; Spanien war die
Speerspitze der Gegenrevolution, sowohl nach innen als auch
nach außen. Genoss besondere Unterstützung des Papstes, da
man die Bevölkerung Amerikas christianisieren wollte. Die
Priesterausbildung florierte, viele Priester wurden auch
politisch für Diplomatie eingesetzt. Spanien gründete viele Jesuitenorden. Karl I. war zugleich Karl V. als
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und hatte somit eine doppelte Machtbasis. Sein
Nachfolger im HRR war sein Bruder Ferdinand I., und sein Sohn Philipp II. in Spanien. Darauf geht die
Aufspaltung der habsburgischen Linien zwischen Spanien und Österreich zurück, die jedoch durch eine
enge Heiratspolitik verbunden blieben.
Das Schwergewicht der Habsburger lag damit in Spanien. England war auch bedeutend, aber
abgeschottet, der vorrangige Gegenspieler in Europa war also Frankreich. Frankreich war durch die inneren
Religionskriege geschwächt, da diese viel Geld verschlangen. Im 17. Jh. bemühte es sich um innerlichen
Frieden und vertrieb die Hugenotten um mehr Stabilität zu erlangen. Außerdem wurde der Merkantilismus
eingeführt und man hatte wieder mehr Finanzkraft. Es wurde möglich ein Heer zu finanzieren um wieder
handlungsfähiger zu werden. Dazu kam eine geschickte Verhandlungs- und Bündnispolitik. Ab der Mitte
des 17. Jh. nahm Frankreich den ersten Platz in Europa ein.
Frankreich und Österreich konkurrierten in Italien und
Deutschland, wo noch keine geschlossenen Staaten bestanden, um
Einfluss. Neapel etwa war kurze Zeit unter französischer, dann
unter spanischer Herrschaft, ebenso Mailand. In Deutschland
konzentrierte sich der Konflikt vor allem auf die Grenzgebiete zu
Frankreich. Der Dualismus der beiden konkurrierenden Mächte war
die Matrix der Machtverhältnisse in Europa, alle Politik war davon
beeinflusst. Die Kräfteverhältnisse im Dreißigjährigem Krieg
wurden von beiden Mächten bestimmt. Allianzen waren im Krieg notwendig, um militärisch schlagkräftig
sein zu können. Frankreich sah sich von habsburgischen Territorien umgeben und somit bedroht.
Frankreichs Argument war Spaniens Bestreben einer Universalmonarchie, was ein Vorwurf der Bestrebung
108
nach Weltherrschaft war. Diese wäre eine Gefahr für alle, so konnte Frankreich die Niederlande und
Schweden zu Verbündeten machen. Die vereinigten Niederlande erkämpften im Achtzigjährigen Krieg ihre
Unabhängigkeit gegenüber Spanien. In Deutschland konnte der Kaiser die Machtbalance zu seinen Gunsten
verschieben, Schweden fürchtete dort ein „Supermonarchie“ und einen großen Machtgegner. Man fürchtete
sich vor einer Monopolstellung in Europa, nicht vor einer Vorherrschaftsstellung, die Spanien ohnehin
schon hatte. Kardinal Richelieus Außenpolitik sah vor, das spanische System aufzubrechen und mehrere
gewichtige Pole in Europa zu schaffen. Frankreich sollte dabei im Mittelpunkt stehen. Er hatte also kein
Problem mit einer Hegemonialstellung in Europa, solange Frankreich diese einnehme. Richelieu setzte an
der Verbindung zwischen Österreich und Spanien an, die er trennen wollte. Herrschaft galt noch als
Personalherrschaft, Richelieu begann aber sie auch territorial zu sehen. Im Westfälischen Frieden 1648
gelang es Kardinal Richelieu schließlich durchzusetzen, dass die spanische und österreichische Linie nicht
mehr gemeinsam politisch agieren durften.
Die Heiratspolitik stellte zu dieser Zeit ein wichtiges Instrument internationaler Beziehungen dar.
Durch sie gab es die Möglichkeit der Gewinnung politischen Einflusses im eigenen Land sowie des
Erwerbes von Territorien und Allianzen. Auch Friedensschlüsse und die Besiegelung von Verträgen wurden
durch Heiraten bekräftigt, sie konnten jedoch auch einen Kriegsgrund darstellen. So wurde etwa der
„Pyrenäenfrieden“ von 1659 zwischen Österreich und Frankreich mit einer Heirat bekräftigt, Frankreich
konnte dabei Besitzungen gewinnen, durch die Heirat war auch die Kontrolle über den Gegner gesichert
(„Neutralisierungspolitik“). Der Vertrag wurde an einem
neutralen Ort, der Fasaneninsel im Fluss Bidasoa an der Grenze,
unterzeichnet. Maria Theresia von Spanien wurde dabei mit
Ludwig XIV. von Frankreich verheiratet. Die Infanta gab ihre
Ansprüche auf den spanischen Thron auf um Erbansprüche
Frankreichs vorzubeugen. Die Bedingung hierfür war eine
Auszahlung von 500.000 Goldécus an Frankreich. Diese
Zahlung blieb aus, weil Spanien nach dem Krieg pleite war. Laut Frankreich blieben somit ihre Ansprüche
erhalten und führte dies 1666 als Argument im Devolutionskrieg an. Frankreich musste zusichern, seine
bisherige materielle und militärische Unterstützung für Portugal zu unterlassen, das sich seit 1640 im
Aufstand gegen Madrid befand. Doch auch daran hielt man sich nicht. Die offensive Kriegspolitik Ludwig
XIV. um die Vorherrschaft in Europa nahm den Pyrenäenfrieden als Vorwand für zwei neue Kriege.
Die Kriege um Ludwig XIV. von Frankreich zeigen ein enges Ineinandergreifen von Diplomatie und
Krieg. Kriege sind nur möglich durch Allianzen und sind umgekehrt notwendig, um gute
Ausgangsbedingungen für Diplomatie zu schaffen. Die Kriege wurden nicht als Dauerkrieg, sondern als
mehrere kurzzeitige Kampfkampagnen geführt, zwischen denen es Pausen gab. Diese wurden häufig für
Verhandlungen genutzt, die Kriege wurden im Gegensatz zu früher eher juristisch als moralisch
gerechtfertigt. In insgesamt 35 Kriegsjahren führte Ludwig XIV. nicht weniger als 10 Angriffskriege,
109
insgesamt gab es zu seiner Herrschaftszeit nur 12 Friedensjahre. Die Möglichkeit, so viele Kriege zu führen,
ergab sich erst durch die Einführung eines stehenden Heeres bzw. Berufsheeres, bisher wurden Kriege
vorsätzlich mit Söldnerheeren geführt. Einer dieser Kriege war der sogenannte Devolutionskrieg (1667-1668).
Nach dem Tod des spanischen Königs Philipp IV. erhob Ludwig Anspruch auf die spanischen Niederlande.
Argument war, dass das versprochene Mitgift nicht ausgezahlt worden war. Das Devolutionsrecht besagte,
dass Kinder aus erster Ehe im Erbrecht bevorzugt werden. Da Maria Theresia aus erster Ehe stammte, sei
auch sie die rechtmäßige Erbin jener beanspruchten Gebiete.
Ludwig ließ eine Deklaration mit seinem Anspruch an allen
europäischen Höfen bekanntmachen, das sollte zeigen, dass er
diese Länder nicht erobern wolle, sondern diese ihm schon
gehören. Die Franzosen marschierten in den Niederlanden ein,
mussten jedoch im Frieden von Aachen nachgeben. Um eine
Hegemonie Frankreichs zu verhindern, verbündete sich Spanien mit den Niederlanden, auch England und
Schweden schlossen sich Frankreich. Frankreich versuchte, die Niederlande außenpolitisch zu isolieren und
schloss Bündnisse mit den Habsburgern. Im März 1672 erfolgte die Kriegserklärung und der fast
ungehinderte Einmarsch, die vollständige Niederlage der Niederlande konnte nur durch die Flutung des
eigenen Landes (Öffnung der Schleusen) erreicht werden. Spanien fürchtete einen Angriff auf die
spanischen Niederlande und griff deswegen ein, waren letztendlich jedoch ebenfalls unterlegen. 1679 wurde
der Frieden von Nijmegen geschlossen, der in etwa die Situation nach dem westfälischen Frieden
wiederherstellte. Frankreich erhielt die Freigrafschaften Burgund und Freiburg. Der Reunionskrieg (1683-
1684) entbrannte über Territorien des HRR, auf welche Ludwig XIV. alte Ansprüche zu haben glaubte,
beispielsweise Elsass. Auch sollten Einschnitte in französische Kriege begradigt werden. Auf der anderen
Seite standen Spanien, Niederlande und das HRR. Frankreich konnte ohne größere Schwierigkeiten wichtige
Gebiete einnehmen, etwa Strasburg oder Luxemburg. Anschließend sollte Frieden geschlossen werden,
Ludwig gelang es, die Niederlande zu einem Separationsfrieden zu überreden. Die eroberte Gebiete wurden
ihm zugeschreiben, Ludwig brachte jedoch mit weiteren Expansionen die europäischen Eliten gegen sich
auf. Habsburg konnte in der Zwischenkriegszeit gegen die Osmanen in Ungarn kämpfen. Von 1684 bis
1688 kam es zum „Regensburger Stillstand“, danach setzte das Reich seinen Krieg gegen Frankreich fort,
gemeinsam mit Holland, England, Spanien, Savoyen und Dänemark.
Ein längerfristigerer Konflikt war der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714), an dem wiederum Österreich
und Frankreich beteiligt waren. Dabei ging es um die spanische Erbfolge, es gab drei potentielle
Thronanwärter: Philipp von Anjou, der Enkel Ludwigs XIV. und Maria Theresias, Erzherzog Karl, der
zweite Sohn von Kaiser Leopold I., und Kurprinz Joseph Ferdinand von Bayern. Der englische König
Wilhelm III. von Oranien und Ludwig XIV. schlossen einen Teilungsvertrag, der Österreich die spanische
110
Krone zusagte und Frankreich die italienischen Gebiete sichern sollte. Doch Leopold I., Kaiser des HHR,
verweigerte seine Zustimmung. Karl II. setzte schließlich Philipp von Anjou als Erbe ein und schloss damit
einen Kompromiss mit Ludwig XIV., damit dieser den Thron selber nicht beanspruchen würde. Ihm war
klar, dass es unausweichlich zu einem gesamteuropäischen Krieg käme, egal ob das Testament anerkannt
wurde oder nicht. Denn vom Thron hing das Mächteverhältnis Europas ab. Ludwig wurde ein „regnum
europae“ vorgeworfen (Hegemonialstellung wäre akzeptiert worden, aber keine Monopolstellung).
Frankreich gelang es die Bourbonen auf den spanischen
Thron zu bringen, diese blieben bis heute. Die Seemächte
England und die niederländischen Provinzen, in
Personalunion regiert durch Wilhelm III. von Oranien,
präferierten die Nachfolge durch den bayerischen Prinzen.
Dies schien die einfachste Möglichkeit zu verhindern, dass die spanische Monarchie samt ihrer reichen
Kolonien vollständig an Frankreich oder an die österreichischen Habsburger fiel. Um diese beiden Mächte
für ihre Ansprüche zu entschädigen, wurde ein umfangreicher Teilungsplan für die spanischen Besitzungen
in den Niederlanden und Italien ersonnen. König Karl II. ernannte dann auf starken diplomatischen Druck
der Seemächte den jungen bayerischen Prinzen testamentarisch zu seinem Nachfolger in allen damals
spanischen Landen. Als der Prinz am 6. Februar 1699 plötzlich starb, schlossen Wilhelm III. und Ludwig
XIV. am 25. März 1700 einen neuen Teilungsvertrag. Danach sollte Erzherzog Karl die spanische Krone,
der Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, jedoch Neapel, Sizilien, Guipuzcoa und Mailand erhalten.
Damit wäre der bereits seit den Italienkriegen des 16. Jahrhunderts gehegte Wunsch der französischen
Könige nach der Hegemonie über Italien Wirklichkeit geworden. Da aber Leopold I. diesem Vertrag seine
Zustimmung verweigerte, fühlte sich auch Ludwig XIV. nicht an
ihn gebunden. Am Hof in Madrid wirkte der kaiserliche
Gesandte Graf Harrach gemeinsam mit der Ehefrau des Königs,
einer Prinzessin von Pfalz-Neuburg, für Erzherzog Karl. Der
französische Gesandte Marquis d’Harcourt unterstützte die
Ansprüche Philipps von Anjou. Am Ende setzte Karl II. durch
Testament vom 2. Oktober 1700 Philipp von Anjou zum Erben der gesamten spanischen Monarchie ein.
1714 endete der spanische Erbfolgekrieg. Spanien und Frankreich legten den Konflikt bei, es blieb jedoch
der Konflikt zwischen den österreichischen Habsburgern und Frankreich bestehen. 1756 wurde dieser beim
„Renversement des Alliances“ beigelegt, welche 1770 durch die Ehe zwischen Maria Antonia von Österreich
(Marie Antoinette) und dem französischen Dauphin (Ludwig XVI.) besiegelt wurde. Ludwig XIV. ließ seine
Kriege von zahlreichen propagandistischen Aktivitäten begleiten, etwa massive Siegespropagande in der
Form von Literatur, Theater, Opern, Balletten, Gemälden, Decken und Wandgemälden.
Der Dreißigjährige Krieg muss eigentlich als eine Vielzahl kleinerer Kriege betrachtet werden, die
aufgrund ihrer teilweisen Überlappung gemeinsam verstanden werden. Uneinigkeit besteht in der Forschung
etwa darüber, ob der niederländisch-spanische Krieg oder der spanisch-französische Krieg auch dazu
gezählt werden sollte. Die genaue Einteilung ist demnach umstritten, generell wird von mindestens siebzehn
111
verschiedenen Kriegen mit mindestens zehn Friedensverträgen ausgegangen. Keine der zahlreichen Mächte
konnte dabei allein die Oberhand gewinnen, was erst durch das Bilden militärischer Allianzen möglich
wurde. Der Dreißigjährige Krieg war somit auch ein wichtiger Faktor in der Entwicklung moderner
Diplomatie. Die meisten Auseinandersetzungen fanden auf deutschem Boden statt, die Frage der
Beteiligung hängt jedoch von der jeweiligen Interpretation ab. Die Konflikte innerhalb der Dreißigjährigen
Krieges waren keine Eroberungskriege, sondern es ging um Vormachtstellungen, ständische Rechte,
Konfessions- und Hegemonialkonflikte. Ständekonflikte bezogen sich auf da Verhältnis zwischen
Reichsständen und dem Kaiser und hatten die Aushandlung von Befugnissen der jeweiligen Seiten zum
Gegenstand. Konfessionskonflikte waren eng mit Ständekonflikten verbunden, da die Reichsstände auch
für die Konfessionen zuständig waren. Sie entstanden vorrangig dadurch, dass der Kaiser Maßnahmen zur
katholischen Gegenreformation einsetzte, was einen Angriff auf die Landesoberhäupter darstellte, die seit
dem „Augsburger Religionsfrieden“ von 1555 auch die geistlichen Oberhäupter ihrer jeweiligen
Herrschaftsgebiete waren. Hegemonialkonflikte schließlich bezogen sich gemäß der gängigen
Forschungsmeinung nicht auf eine Universalmonarchie als letztem Ziel, sondern hatten von Anfang an
europäische Dimensionen.
Der böhmisch-pfälzische Krieg (1618-1623) ereignete sich ausgehend von einem Konflikt in
Böhmen, wo die Vertretung der protestantischen Stände sich gegen die Bestrebungen nach
Gegenreformation von Erzherzog Ferdinand von Österreich zur wehr setzten. 1618 kam es zur
sogenannten „Defenstration“ der Beamten des Königs, an den der Vorwurf der Tyrannei gestellt wurde.
Die böhmische Krone wurde daraufhin verschiedenen Kurfürsten angeboten, Friedrich V. von der Pfalz
nahm sie schließlich an und machte sich zum Führer der protestantischen Union. Friedrich V. war der
Schwiegersohn des englischen Königs Jakob II., sein
Onkel war Moritz von Oranien aus den Niederlanden.
Es bahnten sich demnach bereits hier ein Konflikt mit
europäischen Ausmaßen an. Im August 1619 erfolgte
die Wahl und Krönung Friedrichs V. zum böhmischen
König, woraufhin die Habsburger spanische und
bayrische Truppen nach Böhmen entsandten. Die vereinigten Niederlande sandten als Unterstützung für
Böhmen 5000 Soldaten, Geld und Munition. Am November 1620 erlitten die protestantischen Truppen
eine Niederlage bei Prag, in der Schlacht beim „Weißen Berg“, Friedrich V. floh nach Den Haag in die
Vereinigten Niederlande und verlor auch die Pfalz und seine Kurwürde. Diese wurde dem Wittelsbacher
Maximilian von Bayern übertragen, der die Leitung der katholischen Liga übernahm. Konflikte um die Pfalz
bestanden bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Das Ergebnis dieser ersten Phase war eine
112
Machtsteigerung der Habsburger, die eine Gegenreaktion aller antihabsburgischen Kräfte nach sich zog.
Die niederländischen Generalstaaten befanden sich seit 1621 im Krieg mit Spanien, der Auslöser war ein
Handelsembargo gewesen. Nach dem Waffenstillstand 1619 begaben sich die Niederlande in den
Staatenkrieg um die böhmische Pfalz. England intervenierte auf Seiten Friedrichs V. und forderte die
Rückgabe der Pfalz, die somit ein kontinuierliches Thema des Konfliktes blieb.
Der dänisch-niedersächsische Krieg (1625-1629) entbrannte sich an Hegemonialbestrebungen
der Habsburger in Norddeutschland und der Ostsee. Der dänische König reagierte, als Protestant hegte er
selbst Vormachtbestrebungen im Ostseeraum. Niedersächsische Truppen kämpften gemeinsam mit den
Dänen gegen Habsburg, unterlagen jedoch unter Albrecht von Wallenstein gegen die kaiserliche Übermacht.
Am 22. Mi 1629 erfolgte der Siegfrieden von Lübeck, Christian IV. von Dänemark erhielt seine Länder
zurück, wurde aber machtpolitisch unterworfen und dazu gezwungen, sich nicht mehr einzumischen. Sehr
oft verändern erst Verhandlungen nach den Kriegen Machtpositionen, diese Veränderungen sind nur durch
einen militärischen Sieg nicht klar. Der Kaiser versuchte die Position zu nutzen, um Konfessionen zu
ordnen. 1629 wurde das Restitutionsedikt verabschiedet, welches die
Zurückerstattung aller in Folge der Enteignungen in protestantischen Ländern
ab 1555 säkularisierten Kirchen veranlasste. Davon betroffen waren vor allem
weite Teile des protestantischen Norddeutschlands. Der schwedische Krieg
(1630-1635) folgte nach der Ausschaltung Dänemarks, nun sahen es die
Schweden als ihre Aufgabe an, gegen die habsburgische Vormachtstellung zu
intervenieren. Die Habsburger unterstützten auch Polen, das in Konkurrenz zu
Schweden stand. Im Juni 1630 landeten schwedische Truppen unter Gustaf
Adolf von Schweden in Usedom, Ziel war es, den mecklenburgischen Landesherren ihre Ländereien wieder
zurückzugeben. Auch wurde ein Waffenstillstand mit Polen geschlossen und sogar Absprachen mit dem
russischen Zar gehalten. 1632 gelang den Schweden sogar der Einzug nach München, der Krieg weitete sich
aus und betraf ganz Europa, wo die Länder in unterschiedlichen Fronten kämpften. Nach dem Todd Gustav
Adolfs wurde 1633 der „Heilbronner Bund“ geschlossen, zu diesem Zeitpunkt hatte Schweden die
Vormachtstellung in Europa inne. Im September 1634 erlitten sie jedoch eine Niederlage und mussten 1635
in Prag Frieden schließen. Es folgte der schwedisch-französische Krieg (1635-1648), Schweden hatte bereits
1631 einen Subsidienvertrag mit Frankreich geschlossen, wodurch sie zu Truppenstellung im französisch-
spanischen Krieg ab 1635 verpflichtet waren. Die Schweden griff offiziell in den Krieg ein, sie unterstützten
die Politik Richelieus und schließlich Mazarins, deren Ziel der Stopp der Umklammerung durch die
Habsburger war. Im März 1636 erklärte der Kaiser Frankreich den Krieg, der in einer Pattsituation endete.
Die Reichsstände und der Kaiser standen nun Schweden und Frankreich gegenüber, nach einigen kleineren
Auseinandersetzungen kam es 1645 zum Friedensschluss.
Der Dreißigjährige Krieg wird in der Forschung vor allem als wichtige Stufe in der
Entwicklung des Völkerrechts gesehen, welches zu dieser Zeit noch in den Anfängen steckte.
Kulturgeschichtlich bedeutsam war auch die Etablierung einer symbolischen Kommunikation, bei der es
immer auch um Rang, Vormachtstellungen und symbolische Zerstörung ging. Moderne Tendenzen zur
113
öffentlichen Machtinszenierungen müssen vor dem Hintergrund dieser Zeit verstanden werden. Krieg
wurde erstmals als Medienereignis verstanden, es wurden Schlachtgemälde von Druckern angefertigt und
in Massen verkauft. Auch kam es erstmals zur Selbstzeugenforschung, um das Erleben des Krieges aus der
Sicht von Zeitgenossen festzustellen. Das unglaubliche Leid, welches durch den Dreißigjährigen Krieg
zustande kam, führte auch erstmals dazu, dass
emotionale Einstellungen ein wesentlicher
Faktor in der Gestaltung von Politik werden
konnten. Nach dem Ende des Dreißigjährigen
Krieges kam es zum „Westfälischen
Friedenskongress“ (1643-1648). Die Allianzen hatten auf beiden Seiten Reichsstände, sie waren also nicht
ausschließlich konfessionell. Konfliktlinien waren vor allem die Stellung der unterschiedlichen Stände und
Konfessionen sowie die jeweiligen räumlichen Hegemonialverhältnisse gewesen. Auch die Herrschenden
suchten Frieden aufgrund wirtschaftlicher Ausblutung. Außerdem konnte Schutz für das Reich/Untertanen
nicht mehr gewährt werden, was aber als Legitimationsgrundlage für den Herrschenden galt. Im
„Hamburger Präliminarfrieden“ von 1641 wurde zunächst die Arbeitsweise des Westfälischen
Friedenskongresses festgelegt. Auch hinsichtlich des Problems der direkten Begegnung der
Konfessionsparteien wurde vorgebeugt, es sollte 2 Tagungsorte geben: Das katholische Münster und das
protestantische Osnabrück. An beiden Orten wurden unterschiedliche Verhandlungspraktiken angewandt.
Es nahmen 16 europäische Staaten teil, insgesamt 140 Reichsstände. Es dauerte lange bis alle Gesandten
eingetroffen waren. Diese mussten ihren Stand
vertreten, bei jedem Zusammentreffen stellte sich
die Frage wer höhergestellt sei. Auch wurden viele
Präzedenzfälle verhandelt, zeremoniellen Fragen
nahmen viel Zeit in Anspruch. Die Gesandten
hatten Instruktionen mit Verhandlungszielen.
Wegen der langen Laufzeit des Kongresses waren
diese Ziele schon Jahre zuvor festgelegt worden.
Darin waren die Konditionen für Friedensschluss
und der Verhandlungsspielraum festgelegt. Der
Westfälische Friedenskongress war das bisher
größte Diplomatentreffen in Europa. Auch führte er zur Etablierung neuer Diplomatieinstrumente. Alle
Parteien nahmen Teil, verhandelten aber nicht an einem Tisch. Es gab keine Plenarversammlung aller
Abgesandten. Es verhandelten weder Herrscher noch Staaten, die ohnehin erst im Entstehen waren.
Kristina von Schweden und Ludwig XIV. waren darüber hinaus zu Beginn noch minderjährig. Im
katholischen Münster verhandelten Kaiser, katholische Reichsstände, Spanien und Frankreich
beziehungsweise Spanien und die Niederlande. Kommuniziert wurde nur mithilfe schriftlicher Mitteilungen
über zwei Mediatoren, Alvise Contarini aus der Republik Venedig und der päpstliche Nuntius Fabio Chigi.
Chigi sollte die katholischen Mächte Frankreichs und Spaniens aussöhnen, ihm war es ohnehin nur gestattet
114
zwischen Katholiken zu vermitteln. Er brachte am Schluss ein päpstliches Veto ein, mit dem er jedoch nicht
durchkam. Im protestantischen Osnabrück verhandelten die Protestanten (mit den Katholiken) mit en
Schweden, dem Kaiser und den verbündete Reichsstände. Hier gab es direkte mündliche Verhandlungen.
Die Gesandten der kaisertreuen Reichsstände standen der Beratung der kaiserlichen Delegation zur
Verfügung. Im Westfälischen Friedenskongress spielt erstmals eine Öffentlichkeit bei Außenpolitik eine
Rolle. Verhandlungsinhalte wurden geheim gehalten, doch manche Infos wurden der Öffentlichkeit
zugespielt: In zahlreichen Pamphleten/Flugblättern wurden die anderen Parteien in schlechtem Licht
dargestellt, das Gegenteil von sich selbst behauptet und gegenseitig Schuld zugewiesen. Es gab auch einen
entsprechenden öffentlichen Druck zu Ergebnissen zu kommen. Der fertige Friedensvertrag war
letztendlich ein umfassendes Werk, welches zum einen in einer
Urkunde, zum anderen in einem Vertrag zwischen Ferdinand III.,
Kristina von Schweden und Ludwig XIV. bestand. Inhalt waren
zum einen die Restitutionen, also Rückerstattungen von Territorien
und Wiedereinsetzung vertriebener Herrscher, der Friede der
Christenheit, Freundschaft, Förderung des jeweils anderen
Wohlergehens sowie die Amnestie in Form eines immerwährenden
Vergessens der Ereignisse ab 1618. Mit dem Westfälischen Friedensprozess begann die europäische
Friedensdiplomatie, die einen Frieden für ganz Europa anstrebte. Eine wichtige Rahmenbedingungen für
die Entstehung der Diplomatie im heutigen Sinne war auch der Zusammenhang der kleinen italienischen
„Stadtrepubliken“, zwischen denen innerliche Konkurrenz und äußerliche Spannung herrschte. Deshalb
wurden ständig Entsandte an den Höfen der anderen „Stadtrepubliken“ eingesetzt, welche regelmäßig
Berichte verfassten. Es gab dafür jedoch noch keine Diplomatenausbildung, auch vereinzelte
Diplomatenkarrieren waren eher zufällig. Der Beruf „Diplomat“ etablierte sich erst seit Anfang des 19. Jh.
Diese Phänomene einer frühen italienischen Diplomatie war noch lange keine Diplomatie im heutigen
Sinne, diese war also erst im Entstehen.
Die Folgen der Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedenskongresses in Europa
waren zum einen die Einbuße der Vormachtstellung der Habsburger, die unter Führung Spaniens im 16.
Jahrhundert eine Hegemonie in Europa inne hatten. Die Vereinigte Republik der Niederlande und
Schweden stiegen zu Großmächten auf, Frankreich konnte seine Machtposition stärken, ohne jedoch eine
übermächtige Stellung zu erlangen. Die Geltung des Friedensschlusses war auf Europas Zentrum
beschränkt (z.B. Frankreich und Spanien einigten sich erst im Pyrenäenfrieden 1659). Innerhalb des Heiligen
römischen Reiches Deutscher Nation wurde die Stellung des Kaisers und damit indirekt des Hauses
Habsburg gestärkt. Hessen und die Pfalz, die Mitte des 16. Jahrhunderts reichs- und mächtepolitisch
führend waren, büßten ihre Stellung ein. Bayern und Brandenburg sowie Sachsen nahmen innerhalb des
Reiches mächtepolitisch die stärksten Positionen ein. Die Friedensschlüsse des 17. Jahrhunderts legten
damit die Grundlage für den Aufstieg Habsburg-Österreichs und Brandenburg-Preußens in den Kreis der
europäischen Großmächte. Heinz Schilling interpretiert auf einer Metaebene einzelne Machtverschiebungen
in vier Grundprinzipien: (1) Säkularisierung der internationalen Beziehungen und Autonomie des
115
Politischen, er religiöse Faktor trat in der Außenpolitik zurück, religiöse Interessen traten hinter
Friedeninteressen. Für Katholiken und Protestanten war es wichtig, dass ihre politischen / religiösen Ziele
berücksichtigt wurden. Der Westfälische Friedenskongress war ein komplexes Konstrukt aufgrund vieler
Partikularinteressen. Dabei sollte das Hegemonieprinzip aufgehoben werden, jede Partei sollte seine
Interessen einbringen. Der Friede sollte nicht alleine Selbstzweck sein. (2) Pluralismus rechtsgleicher
Staaten. Alle Staaten sind rechtsgleich. So durften die Reichsstände nun auch Verträge / Bündnisse
(untereinander und mit anderen Mächten) schließen, solange sie dem Reich nicht schadeten. Ob dies nun
schon eine Gleichstellung bedeutet oder nur „Rechtsgleichheit“ ist umstritten. (3) Ende des Universalismus.
(4) Keiner konnte mehr eine Universalherrschaft für sich beanspruchen, es kam zur Verrechtlichung der
Staatenbeziehungen, das Völkerrecht entstand.
Der zweite wichtige Friedenskongress im Europa der frühen Neuzeit war der sogenannte
„Wiener Kongress“ (1814-1815). Den Hintergrund bildete die Niederlage der französischen Armee unter
Napoleon in den Koalitionskriegen. Im Pariser Frieden von 1814 wurde ein Vorvertrag wurde zwischen
Ludwig XVIII und den anderen Mächten abgeschlossen, es waren Verträge mit Staaten, im Gegensatz zum
Westfälischen Friede. Der Friedenskongress in Wien unter Beteiligung aller am Krieg beteiligten Staaten
abgehalten, hier war ein tatsächliches Gleichgewicht der Mächte das Ziel, man wollte eine stabile
Staatenordnung in Europa herstellen. Es gab keine offizielle Eröffnung um Präzedenzfälle zu umgehen.
Erstmals gab es etwas Ähnliches wie ein Gipfeltreffen der Staatschefs, Verhandlungen wurden in
Ausschüssen und Kommissionen geführt. Es gab keine Gesamtversammlung, zu einzelnen Themengebieten
wurden Ausschüsse und Kommissionen gebildet, z.B.: zur „deutschen
Frage“, zur „Sachsen und Polen Frage“. Ein Statistikausschuss klärte,
wie viele Menschen in den wegen Territorialaufteilungen wichtigen
Gebieten lebten. Das „Mächtekonzert“ bezeichnet die informelle
Abstimmung von fünf bzw. acht Großmächten: Russland,
Großbritannien, Österreich, Frankreich, Preußen + Spanien, Portugal,
Schweden. Außerdem gab es noch einen Generalausschuss, auch
Herrscher waren anwesend und verhandelten. Das führte teilweise zu
skurrilen Situationen, da sie anderes aushandelten als die Delegationen. In vielen Fällen kam es zur parallelen
Anwesenheit von Herrschern und Delegationen (Ca. 1.000 Gesandte). Geselligkeit war ein integraler
Bestandteil des Kongresses, es waren bis zu 10 000 ausländische Kongressbesucher (Angestellte, Familien,
Schriftsteller, etc.) in Wien. Feste, Bälle und Zusammenkünfte waren ein integraler Bestandteil des
Kongresses und schufen einen informellen Bereich für die Verhandelnden um ins Gespräch zu kommen.
Wichtigstes Ziel war ein stabiles europäisches Mächtegleichgewicht (Pentarchie). Frankreich wurde schnell
wieder als Gleichberechtigter darin aufgenommen um zu verhindern, dass es sich in Falle eines Ausschlusses
bald erneut erheben würde. Außerdem wollte man die gerade wieder eingeführte Monarchie in Frankreich
stärken und revolutionäre Kräfte in Schach halten. Beschlossen wurde auch die dauerhafte Anerkennung
der Schweizer Neutralität sowie ein im Konsens aller niedergeschriebene Ächtung des Sklavenhandels, aber
noch keine tatsächliche Abschaffung desselben. Die Aufteilung Polens und Sachsens war eine Folge, ebenso
116
wie die staatliche Neuordnung der Länder des vormaligen HRR und die Errichtung des deutschen Bundes.
Ein Verteidigungsbündnis aus souveränen, gleichberechtigten Staaten wurde etabliert, die Neuordnung
zeigt, dass die Gleichberechtigung de facto durchgesetzt wurde, da alle Staaten auf rechtlicher Ebene
dieselben Mitspracherechte bekamen. Von Seiten Metternichs wurde das „monarchistische Prinzip“ und die
dynastische Legitimität verankert. Der Begriff „Restauration“ als Epochenbezeichnung für die europäische
Geschichte zwischen 1814/15 und 1848 wird in der Forschung zunehmend in Frage gestellt. Man wollte
beim Wiener Kongress ein bestimmtes System (Wiederherstellung einer stabilen monarchischen Herrschaft
unter veränderten Bedingungen) durchbringen, eine vollständige Wiederherstellung der alten,
vorrevolutionären Ordnung wurde weder durchgeführt noch angestrebt. Dem Anteil der informellen
Kontakte im Kongress wird in der neueren Forschung mehr Bedeutung zugemessen, das Rundherum gehört
zum Politischen dazu (im Sinne einer Kulturgeschichte des Politischen). Auch erfuhr die europäischen
Dimension gegenüber der „Deutschen Frage“ im Zuge der Abwendung einer sehr Preußen-orientierten
deutschsprachigen Geschichtsforschung eine stärkere Bedeutung.
Nach Reinhard Stauber bedeutete der Erlass der „charte constitutionnelle“ in Frankreich
Anfang Juni 1814 keineswegs eine Rückkehr zum Absolutismus, denn Frankreich war nun, wie schon 1791,
eine konstitutionelle Monarchie mit einer modernen Repräsentativverfassung. Nicht im Inhalt, sondern in
der Art des Erlasses per Oktroi und in der Hinzufügung einer Präambel zeigt sich der Anspruch Ludwig
XVIII. (König v. Frankreich) auf die ungeteilte Legitimität. Eine oktroyierte Verfassung wurde vom
Monarchen selbst erlassen und entstanden nicht durch Vereinbarung mit einer Stände- und Volksvertretung.
Auf einer ähnlichen Herausstellung des monarchischen Prinzips, umwoben von einer christlichen
Verbrüderungsrhetorik zwischen den Monarchen als Vertretern ihrer Völker beruhte die Heilige Allianz
vom September 1815. Die Blockade aller
Entwicklungsmöglichkeiten und die Verteidigung des Status quo
wurden nirgends auf dem Kongress pragmatisch niedergelegt, sie
sind eine Entwicklung der Jahre ab 1819.
Außer im Falle Polens gab es einen bemerkenswert weitgehenden
Grundkonsens: die Neugestaltung der Landkarte Europas in einer
Gestalt, die neue Hegemonialversuche ausschloss. => Sicherung
von Frieden und Ordnung. Häufig wurden die Fälle in denen die
von Napoleon betriebene „Staatenzerstörung“ in Wien zugunsten jener Monarchen legitimiert, die daraus
für die Vergrößerung ihres Gebiets und die Zentralisierung ihrer Herrschaft Nutzen gezogen hatten. Das
durch Tradition gehärtete Prinzip dynastischer Legitimität, spielte in Wien eine zentrale Rolle und wurde
von den Bourbonen- ins Spiel gebracht. Um das politisch-rechtliche Regelsystem Europas, wie es im
Rahmen der „Wiener Ordnung“ entstand, als Raum gemeinsam gelebter politischer Verantwortung
handhabbar zu machen, bedurfte es der Instrumente für eine konkrete Umsetzung: Regelmäßige
multilaterale Konsultationen (Mächtekongresse, Botschafterkonferenzen) sowie bewaffnete punktuelle
Interventionen in Drittstaaten, denn innenpolitische Stabilität und Austarieren außenpolitischen
Gleichgewichts wurden eng aufeinander bezogen gesehen. Wenn innere Unruhen in der Perzeption der
117
Entscheidungsträger das Potential kriegerischer Auseinandersetzungen in sich bargen, dann musste die
Beseitigung von Aufstandsherden zugleich der Friedenswahrung dienen. Expansive Bestrebungen der
Großmächte und staatenpolitische Konkurrenz spielten weiterhin ihre Rolle zunehmend aufgeladen durch
ideologische Differenzen. Interventionspolitik folgte keinem bestimmten Muster, jedoch nach gegenseitiger
Absprache oder Information. Beim gängigen Bild von den demokratiefreundlichen Westmächten und den
zur Oppression neigenden Ostmächten müssen einige Abstriche gemacht werden.
119
Im Weiteren Standen sich in Europa imperiale Ambitionen einerseits und nationale Bewegungen
andererseits gegenüber. Die Habsburgermonarchie beanspruchte etwa nationale Sonderrechte über die
Deutschen, Ungarn, rekurrierend auf angestammte Adelsrechte, Tschechien, das sich zunehmend dem
russischen Panslawismus annäherte, Polen sowie Slowenien, Kroatien und Serbien. Seit 1878 war Serbien
ein wesentlicher Bezugspunkt. Serbien schaffte es schnell aus dem osmanischen Reich heraus, aber es waren
auch große Anteile serbischer Bevölkerung in der Habsburgermonarchie. Separationsbewegungen mehrerer
Bevölkerungsgruppen erfolgten, es kam zu einer engen Verquickung von Innen- und
Außenpolitik. In Russland gab es ähnliche Spannungen, man war etwa mit der
ukrainischen Nationalbewegung (die noch heute Auswirkungen hat), dem Streben
Polens nach einem souveränen Staat (Polen war im Wiener Kongress auf
habsburgische, deutsche und russische Herrschaft aufgeteilt worden), sowie
Nationalbewegungen in Estland, Lettland und Litauen konfrontiert. In Frankreich
kam es zu einer innenpolitischen Radikalisierung in Folge der Dreyfus-Affäre 1894, in
der der französische Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus durch ein Kriegsgericht in Paris wegen
angeblichem Landesverrat verurteilt wurde. Die Verurteilung des aus dem Elsass stammenden jüdischen
Offiziers basierte auf rechtswidrigen Beweisen und zweifelhaften Handschriftengutachten. Der Justizirrtum
weitete sich zum ganz Frankreich erschütternden Skandal aus. 1898 wurde der „bloc républicain“ unter
Mitwirkung von Emile Zola gegründet, 1898 der nationalistische „action francaise“ als Gegenbewegung.
Die Radikalisierung der Auseinandersetzungen führte zur Zersplitterung der Linken gemäß ihrer relativen
Position auf dem Spektrum von radikal und bürgerlich. 1912 wurde Raymond Poincaré Ministerpräsident,
der eine Revanchismuspolitik gegenüber Deutschland verfolgte. Der Pazifist Jaurés wurde hingegen
politisch zunehmend isoliert und 1914 von einem Nationalisten ermordet.
Auf dem Balkan kam es zu nationalen Erhebungen mit zahlreichen Aufständen,
Unabhängigkeitskriegen und Konkurrenzkriegen. England und Frankreich hegten dort imperiale Interessen,
vor allem sollte eine Hegemonie Russlands in dem Gebiet verhindert werden. 1877/78 kam es zum
Russisch-Türkischen Krieg, der die Unabhängigkeit zahlreicher Kleinstaaten auf dem Balkan zur Folge
hatte. 1911 wurde der Balkanbund zwischen Albanien, Bulgarien, Serbien, Griechenland und Montenegro
gegründet, 1912/13 erfolgte der Erste Balkankrieg, in dem sich der Bund gegen das
osmanische Reich zur Wehr setzten musste. Es Folge der Verlust fast aller
europäischen Besitzungen des osmanischen Reiches und die Überführung der
Gebiete in „Nationalstaaten“, die jedoch de facto vielfach multinationale Gebiete
waren. Die frühere Forschung war stark auf Nationalstaaten ausgerichtet, die als
einzelne Mächte agierten. Heute wird eher von Imperien ausgegangen, deren
Machtbereich kein homogener Staat ist, sondern verschiedene Stufen von Einfluss
und Herrschaftsbereichen beinhaltet. Imperiale Interessen waren nahezu in allen Mächte innerhalb und
außerhalb Europas präsent, dahinter stand die Konkurrenz um Herrschafts- und Einflussgebiete, die jedoch
als diffus und abgestuft gesehen werden müssen. In diesem Kontext wurden zahlreiche Kriege, häufig
Mehrfrontenkriege, geführt, die massive Aufrüstung war auch schon vor dem Ersten Weltkrieg verehrend
120
und führte etwa zur Gründung des Roten Kreuzes durch Henry Dunant 1859. Die Imperienbildung war
weiters geprägt von zahlreiche, Grenzverschiebungen, Gebietstausche, Annektierungen sowie
Bündniswechsel, die Dynamiken aus verschiedenen Faktoren in Europa führten dazu, dass permanent alles
in Bewegung blieb und führten wechselseitig in die Eskalation. Ein wichtiger Faktor vor dem Ersten
Weltkrieg war die Bündnispolitik der europäischen Staaten. Bereits 1873 wurde das Dreikaiserbündnis
zwischen Wilhelm I., Franz Joseph und Zar Alexander II. geschlossen, das sich 1879 im Zweibund zwischen
dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn fortsetzte. Dahinter stand das Bestreben, sich im Falle eines
Krieges mit Russland abzusichern, im Falle eines Krieges mit jedem anderen Land pflichteten sich die
Bündnispartner mindestens Neutralität zu. 1882 wurde der Dreibund zwischen dem Deutschen Reich,
Österreich-Ungarn und Italien geschlossen. 1883 wurde es um Rumänien erweitert. Die Mittelmeerentente
wurde 1894 zwischen Großbritannien, Österreich-Ungarn und Italien geschlossen, Österreich-Ungarn hatte
auch Ambitionen am Mittelmeer. Die Entente Cordiale zwischen Großbritannien und Frankreich wurde
1907 um Russland erweitert zur Triple Entente. Der Kern der Bündnissysteme des Ersten Weltkrieges
bestand also schon um 1900.
4. Zeitgeschichte
4.1. Vorüberlegungen
Die Geschichtswissenschaften als solche sind immer an nationalen Perspektiven orientiert, da sie
ursprünglich der Identitätsbildung in den Nationalstaaten dienen sollte. Erst in weiterer Folge kam es zur
Einführung einer Geschichte auf globaler Ebene. Dem Anspruch auf Objektivität ist dabei nur bedingt
beizukommen. Bei der Auswahl an Themen muss die grundsätzliche Frage nach Relevanz gestellt werden,
die sich aus dem theoretischen Hintergrund der Geschichtswissenschaften nur schwer begründen lässt.
4.2. Imperialismus
Als “Zeitalter des Imperialismus” wird die Zeit ab ca. 1870 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914
bezeichnet. Imperialismus lässt sich mit Heinrich Friedjung den “Drang der Völker und Machthaber nach
einem wachsenden Anteil an der Weltherrschaft, zunächst durch überseeischen Besitzungen” (Friedjung),
definieren. Imperienbildung gab es bereits in der Antike, ab
dem 16. Jahrhundert kam es jedoch zu einem neuen
kolonialistischen Verständnis. Etwa zwischen 1870/80
beginnt die Wirtschaft sich zu globalen Netzwerken
zusammenzuschließen, der Imperialismus steht auch vor
dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von 1973. Die
Weltwirtschaft war zuvor polyzentral, Großbritannien
wurde am Ende des 19. Jahrhunderts als industrielle
Großmacht von den anderen europäische Staaten weitgehend eingeholt. 1913 waren die USA gefolgt vom
Deutschen Reich, Großbritannien und Frankreich die prozentual größte Industrie- und Bergbauproduktion.
Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Dynamisierung der Wirtschaftsverhältnisse. Grund dafür ist die
121
fundamental expansive Natur des kapitalistischen Systems. Es galt, neue Absatzmärkte sowie
Ressourcenquellen zu erlangen. Anhand der Berechnung der Tonnage des Handlungsflotten lässt sich eine
Verdopplung zwischen 1890 und 1914 feststellen. Es kam zu technologischen Entwicklungen, welche die
globale Mobilität beträchtlich erhöhten (Telefon, Telegraf, Verbrennungsmotoren). Es kommt zu einer
wachsenden Konvergenz zwischen Wirtschaft und Politik, Ökonomie und Staat. Die Tendenzen im
Welthandel lassen sich anhand der Menge an Handelsflottenverkehr erschließen.
Die Motive der Imperialmächte zur Expansion waren vor allem die Erschließung von Absatzmärkten
sowie Ressourcenquellen. Die wachsende Industrialisierung machte eine Ausweitung des inneren
Marktkapitals notwendig. Weiters hinzu kamen Bevölkerungspolitische Motive sowie ein hierarchisierendes
Verständnis der Kultur, die vermeintlich unterentwickelten Kulturen sollten übernommen werden. Ein
sozialdarwinistisch motiviertes Konkurrenzdenken unter den Völkern war ein weiteres Movens der
imperialistischen Expansion. Der Begriff des Imperialismus kann, von dem
des Kolonialismus abgegrenzt werden, insofern Imperialismus als aus einem
politischen Zentrum agierend verstanden wird, während Kolonisierung per se
nicht mehr als Siedlungs- oder Wirtschaftsentwicklung bedeutet. Zur
Legitimation des rassistischen Kollonialverständnisses bildeten sich
sozialwissenschaftliche Theorien über Rassenunterschiede basierend auf
biologischen Merkmalen, es kam zur Etablierung von dahingehenden
Fachwissenschaften mit hoher Präsenz im öffentlichen Diskurs. Das
Verhältnis zwischen nationalem Konkurrenzdenken und dem gemeinsamen
Bestreben nach einer weißen Vormachtstellung in Afrika war ambivalent. Rassistische Vorstellungen gingen
auch in die Populärkultur über, bsp. “Meinl Kaffee”. Diese Art von “commodity racism” kam auch in
Ländern vor, die selbst keine imperialistischen Prätensionen pflegten. Darin zeigt sich eine gewisse
Konvergenz zwischen den europäischen Staaten, die erst mit dem zweiten Weltkrieg zerbrach.
Der historische Anfangspunkt des Imperialismus lässt sich mit dem „Wettlauf um Afrika“ ab 1870
datieren. Belgien etablierte als erstes europäisches Land Kolonien im Kongo, was einen Ruck in ganz Europa
nach sich zog. Auf der Berliner Afrikakonferenz 1884/1885 wurden die Ansprüche der europäischen
Staaten in Afrika verhandelt. In den 1890er Jahren war die Umverteilung der Welt unter den
Kolonialmächten weitgehend abgeschlossen. Staaten wie China oder das Osmanischen Reich wurden von
der Unterteilung Großteiles ausgenommen, dort gab es nur punktuelle Besitzungen durch europäische
Besatzungsmächte. In weiterer Folge spitzte sich das Konkurrenzdenken zwischen den Nationalstaaten zu:
Da die kolonialisierbaren Bereiche bereits unterteilt waren, konnten Staaten nur mehr Zuwachs gewinnen,
wenn andere Staaten Land verloren. Die Kolonisierung wurde mit Ende des 19. Jahrhunderts in Folge der
Etablierung der Massenpresse auch zum Theme einer großen politischen Öffentlichkeit. Die Expansion
hatte auch positive Aspekte, insofern sie einen Zuwachs an Mobilität und Vernetzung mit sich führte. Ab
den 1880er Jahren kam es zu Versuchen, Gebiete in Übersee unter direkte Kontrolle zu bringen, welche
durchaus vom Rückhalt in einer nationalistischen Öffentlichkeiten getragen wurde. Erste Besitznehmungen
122
gab es von Großbritannien und Frankreich in Ägypten, womit der „Wettlauf um Afrika“ unter den
europäischen Ländern formal eingeleitet war.
Ein konkretes Beispiel für Kolonialismus ist die deutsche Expansion nach Afrika ab 1984.
Deutschland war ein imperialistischer Nachzügler, es begann erst nach der Bildung des Deutschen Reiches
zu expandieren. Bei der Kolonialisierung Afrikas wurde nicht auf die bereits etablierten Strukturen Rücksicht
genommen, es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, denen die Institutionalisierung unterdrückender
Systeme folgte. Es lassen sich verschiedene Formen von Kolonisationsformen im Hochimperialismus
unterscheiden. Siedlerkolonien sollen die Ansiedlung von Menschen ermöglichen, Beherrschungskolonien
dienten der Machtausübung während Stützpunktkolonien vor allem dem Handel dienen sollen.
Im "Helgoland-Sansibar-Abkommen" von 1890 bekam das Deutsche Reich Sansibar, das Vereinigte
Königreich Helgoland
zugesprochen. Vor dem Ersten
Weltkrieg hatte Deutschland
Besitztümer in Togo, Tansania,
Kamerun und Namibia inne. Die
Legitimation des Imperialismus
bildete ein Sozialdarwinismus, der
immer wieder argumentativ
aufrechterhalten werden musste
und zur Identitätsbildung der
Nation beitrug. Das Leben in den Kolonien war von ethnischer Vermischung geprägt, grundsätzlich
versuchte man jedoch, eine rassistische Abgrenzung zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten aufrecht zu
erhalten. Das deutsche Engagement in Afrika begann 1983, der erste Schritt erfolgte durch einzelne
Abenteurer und Unternehmer. Der deutsche Kaufmann Adolf Lüderitz landete in einer Bucht in
Deutschsüdwestafrika und kaufte der dort ansässigen Ethnie, den Nama, ein große Stücke Land ab. Die
Motivation war dabei die Suche nach Diamanten. Nach großen Schulden musste er das Land an die
"Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika" verkaufen. Im April 1849 stellte Bismarck die ehemaligen
Besitztümer Lüderitz unter nationale Herrschaft. Dieser Verlauf von privatem Unternehmertum, hin zu
staatlicher Herrschaft zeigt ein Beispiel für die zunehmende Konvergenz zwischen Individualinteresse und
Ökonomie. 1908 kam es zu einem ersten Diamantenfund durch Südafrikaner beim Eisenbahnbau und in
Folge zu lukrativen Abbauarbeiten. Zuvor war die Besitznahme in Afrika für den Staat ein eher kostspieliges
Unternehmen, auch aufgrund der relativ häufigen Kolonialkriege. Für den Staat selbst war nur die Kolonie
in Togo gewinnbringend, an den anderen Kolonien verdienten in erster Linie private Institutionen. In Afrika
kamen keine Arbeitsmigranten zum Einsatz, nachdem man in Samoa schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
Man musste die chinesischen Arbeiter mit Deutschen gleichgestellt werden, nachdem sie sich bei der
chinesischen Regierung über die schlechten Arbeitsbedingungen beschwert hatte, was man nicht in Kauf
nehmen wollte.
123
Der biologische Rassismus führte zu einer Segregation der Gesellschaft und einer strikten Politik der
Rassentrennung. Allerdings gab es auch Tendenzen, die Kulturen der Eingeborenen zu erhalten, jedoch
stets als eine strickt “anderer”. In China hatte man aufgrund der großen Bevölkerungszahl noch eher
Respekt, es zeigt sich eine Art rassistische Stufenfolge, auf der die Afrikaner an unterster Stelle standen.
Auch die Chinesen galten, als mongolische Rasse, für minderwertig („gelbe Gefahr“). In Deutsch-
Südwestafrika wurden in der eigenen Siedlerkolonie um die 15.000 deutsche Staatsbürger angesiedelt. Die
Rolle der Kirche in diesem Kontext ist durchaus als ambivalent aufzufassen. Ein blutiger Krieg gegen die
Nama verschärfte die unterdrückende Politik des deutschen Reiches. Die biologistisch motivierte Politik
der Deutschen war der Grund für deren verhältnismäßige Grausamkeit. Man sah auch eine europäische
Sendung zur Erziehung und Kultivierung der Afrikaner, auch humanistische Bestrebungen waren
durchwegs paternalistisch orientiert, man sprach in diesem Zusammenhang von der „white man’s burden“
zur Sorge um die kolonialisierten Ethnien. Karl Graf von Götzen, der
Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, fragte sich etwa in einem Brief explizit
nach der Möglichkeit der Kultivierung der indigenen Bevölkerung. Die
angebliche Minderwertigkeit der schwarzen Gesellschaft wurde als
Legitimation für deren Einsatz etwa beim Bau von Eisenbahnlinien
herangezogen. Es wurde eine “Kopfsteuer” eingeführt, was die Bevölkerung
dazu zwang, Erwerbsarbeiten im ökonomischen System der Kolonisten
anzunehmen. Schwarze Arbeitskräfte wurden oft schikaniert und schlecht
Behandelt, Löhne wurden oft nicht ausbezahlt. Aufgrund der ethnischen
Vermischung musste eine Richtlinie zur Unterscheidung der
Rassen festgelegt werden. Man ging dazu über, bestimmte
Menschengruppen per Dekret zu Europäern zu machen, etwa die Syrer oder die Chinesen. Die vielfältigen
sexuellen Beziehungen zwischen oft weißen Männern mit der indigenen Bevölkerung führte zur
Entwicklung einer bestimmten Art von Männlichkeit und der Etablierung eines rassistisch-patriarchalen
Systems. Solche Männer waren meistens nicht verheiratet, was sich auf die Rechtsstellung der Kinder
auswirken. Darüber hinaus gab es “Mischehen”, ein Begriff, der Ursprünglich für Ehen zwischen
Katholiken und Protestanten gebraucht wurde und später im Nationalsozialismus aufgegriffen wurde. Mit
einer Zahl von 140 – 160 sind nur relativ wenige Mischehen bekannt, sie hatte in erster Linie symbolische
Bedeutung. Deutschland war das einzige Land, welches die Mischehe in den Kolonien schlussendlich ab
1905 verbot. Sexuelle Beziehungen wurden in den Mutterländern oft negativ bewertet, Beziehungen zu
niedrigeren Rassen würden im Ganzen einen kulturellen sowie physiologischen Abfall nach sich ziehen.
Solche Positionen wurden im Rahmen zahlreicher wissenschaftlicher und philosophischer Disziplinen
vertreten. In derartigen rassenhygienischen Diskursen hatten Forscher, die konträre Gesichtspunkte stark
zu machen versuchten, schlicht einfach keinen Tenor, insofern es hier in erster Linie um die Legitimation
politischer Interessen ging. Völlig geächtet waren Beziehungen zwischen weißen Frauen und schwarzen
Männern. Ab 1909 verschärft sich die Sanktionierung solcher Beziehungen, Männer wurden unter
Umständen vom Wahlrecht ausgeschlossen. 1886 wurde ein duales Rechtssystem eingeführt, womit die
124
autochthone Bevölkerung direkt der Gerichtsbarkeit der jeweiligen Kolonialmacht unterstellt wurde.
Weiters wurde der indigenen Bevölkerung das Recht auf Vieh- und Grundbesitz abgesprochen, sie mussten
sogenannte “Passmarken” tragen, ihre Bewegungsrechte waren stark eingeschränkt.
Im Gebiet von Deutsch-Südwestafrika kam es 1903 zu einem Kolonialkrieg mit den Nama und
Herero. Ausgangspunkt war ein Aufstand der Bondelswarts, einer Volksgruppe der Orlam-Nama in
Namibia, und der Tod des lokalen Gouverneurs. Der Aufstand wurde mit britischer Hilfe niedergeschlagen,
es folgte jedoch unter Samuel Maharero in Aufstand der Herero. Auf der
Abbildung Mahareros auf einer Postkarte kommt eine Hybridisierung zum
Ausdruck, insofern sich der Rebellenführer in Versatzstücken deutscher
Uniformen darstellen. Die Herero wurden von den Ländereien, auf denen sie
Viehzucht betrieben, vertrieben, mittels einer neuen Kreditpraxis wurden sie
immer weiter in die Schulden getrieben. Eine Viehseuche versetzte die Herero
immer weiter in Bedrängnis. Auf mehreren Militärbasen wurden zunächst etwa
100 Deutsche getötet, die Herero konnten einen großen Teil ihrer Ländereien
wiedergewinnen. Der deutsche Kommandant Leutwein versuchte zunächst, eine
friedliche Lösung zu dringen, die deutsche
Staatlichkeit drängte jedoch auf totale Vergeltung.
Unter Kommandant Trotha wurde ein Rassenvernichtungskrieg betrieben, nach einer entscheidenden
Niederlage am Wartaberg wurden die Herero in eine Wüste getrieben und verhungerten. Die wenigen, die
sich ergaben, wurden in Lagern interniert, für die erstmals der Begriff “Konzentrationslager” geprägt
wurden. Ca. 80% der Hereros in diesen Lagern kamen ums Leben. Die Nama zogen
unter ähnlicher Motivation wie die Herero in den Krieg gegen die Kolonisierer. Nach
zwölf Monaten viel der Anführer der Nama, Henrik Witboi, woraufhin sich der
Großteil der Nama ergaben. Es wurde Kritik aus Deutschland laut, Trotha wurde
abgesetzt und Leutwein wieder eingesetzt. Bis dahin waren bereits mehr als ein
Drittel der Nama den krieg zum Opfer gefallen, der Rest wurde enteignet und ihre
Besitztümer deutschen Siedlern übergeben. Solche Kriege wurden etwa auch von
den Briten geführt, hervorzuheben ist jedoch die große, rassistisch motivierte
Brutalität, die etwa in dem explizit geführten Vernichtungskrieges Trothas zum
Ausdruck kommt. Man kommt nicht darum hin, Beziehungen zu späteren
Entwicklungen zu sehen. 2015 wurde vom deutschen
auswärtigem Amt erstmals die Tötung der Herero als
Völkermord anerkannt, man weigerte sich jedoch, Reparaturzahlungen vorzunehmen.
125
4.3. Der Erste Weltkrieg
Die historische Rekonstruktion der Hintergründe gestaltet sich in Bezug auf den Ersten Weltkrieg als relativ
schwierig. Die Militarisierung der europäischen Völker hatte bereits vor 1914 begonnen, weitere
Hintergründe ergeben sich aus ungleichen Verhältnissen in der Dekolonisation, die nur Spanien und den
USA bis 1914 im vollen Ausmaß gelungen war. Die “Balkankrise”
(1875 - 78) war zwar durch den Berliner Kongress beendet worden,
vertiefte aber die Rivalität zwischen Österreich und Russland. Der
Erste Weltkrieg beginnt 1914, den Ausgangspunkt bildet das Attentat
auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und
seiner Gattin Sophie von Hohenberg in Sarajevo am 28. Juni, Jahrestag
der „Schlacht auf dem Amsfeld“, einem symbolischen Datum für viele Serben. Es handelte sich um einen
symbolisch hoch aufgeladener Besuch, Ferdinand verfolgte die Politik eines Zusammenschlusses aller
Südslawen unter österreichischer. Das lief den Bestrebungen Serbiens, zur einigenden Macht am Balkan zu
werden, entgegen. Auf das Attentat folgte die sogenannte “Julikrise”, die nur vor dem Hintergrund der
europäischen Bindungssysteme zu der Zeit verstanden werden können. Die “Mittelmächte” bestand aus
dem deutschen Reich, Österreich-Ungarn sowie Italien. Das Bündnis war von Bismarck in der Folge der
Reichsgründung angestrebt worden, mit dem Ziel, Frankreich zu isolieren. Ursprünglich wurden auch
Beziehungen zu Russland geprägt, die sich
jedoch in Folge der Balkankriege
verschlechterten. Das Bündnissystem
wurde am Ende des 19. Jahrhundert
geschlossen und waren nicht in sich
homogen. Der “Zweibund” von 1872
zwischen Österreich und Ungarn wurde
1882 um Italien und 1883 um Rumänien
erweitert („Mittelmächte“) und bildete ein
Bündnis gegen mögliche Angriffe
Russlands oder dessen Verbündeten, Frankreich oder Großbritannien, der “Triple Entente”, die im Vertrag
von Sankt Petersburg 1907 geschlossen wurde. Dabei spielte zunächst die Regelung der kolonialen
Rivalitäten eine Rolle, die Allianz war von einem gewissen Maß an gegenseitigem Misstrauen geprägt. Die
Mittelmächte waren zahlenmäßig und wirtschaftlich sowie in der Rüstung deutlich unterlegen,
Im Anschluss an das Attentat auf Kronprinz Ferdinand kam es zur sogenannten “Julikrise”, zunächst
traten in Wien Generalstabschef von Hölzendorf und Finanzminister Biliński für eine Mobilmachung gegen
Serbien ein. Am 5./6. Juli wurde k.u.k. Außenminister Alexander Hoyos nach Berlin entsandt, um die
Versicherung der Unterstützung einzuholen. Die Zustimmung durch den Reichskanzler wird als äußerst
fahrlässiger “Blankoscheck”, welcher die Eskalation der kriegerischen Spannungen begünstigte,
126
interpretiert. Vom 20. bis 23. Juli besuchten der französische Staatspräsident Raymond Poincaré und
Ministerpräsident René Viviani die russische Hauptstadt St. Petersburg und sicherten den Gastgebern ihre
volle Unterstützung zu, es wurde die Solidarität mit Serbien gegen die „Mittelmächte“ beschlossen. Am 23.
Juli stellte Österreich ein Ultimatum an Serbien:
Von der serbischen Regierung wurde eine
offizielle Distanzierung von der südslawischen
Vereinigungspolitik gefordert, die auf einen
Zusammenschluss aller Südslawen unter
serbischer Führung abzielte und die territoriale
Integrität Österreich-Ungarns in Frage stellte.
Weitere Punkte waren die Forderung nach einer
Säuberung der serbischen Armee und Beamtenschaft von anti-österreichischen Agitatoren und die
Unterdrückung der Österreich-feindlichen Propaganda in der serbischen Presse. In direktem
Zusammenhang mit dem Attentat stand die Forderung nach einer Verfolgung von gegen Österreich
operierenden extremistischen Geheimorganisationen. Vor allem der sechste Punkt, in dem Wien auf einer
Mitwirkung von österreichischen Beamten bei der Aufklärung des Attentates und der Verfolgung der
politischen Drahtzieher auf serbischem Territorium bestand, wurde so formuliert, dass eine Ablehnung
Serbiens zu erwarten war. Denn die Annahme dieser Bedingung hätte die staatliche Souveränität Serbiens
verletzt.
Am 25. Juli kam es zur russische Einleitung der Teilmobilmachung angesichts der Vorbehalte
Serbiens gegen Teile des Ultimatums. Serbien hatte die Einsetzung österreichischer Beamter bei der
Untersuchung des Attentats, den letzten Punkt der Forderungen, abgelehnt. Am 28. Juli erfolgt
die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, die von Kaiser Franz Josef in Bad Ischl unterzeichnet
wurde. Das Kriegsziel war ein defensives, die Erhaltung der Monarchie, inoffiziell war das Ziel jedoch eher
die Absicherung der Vormachtstellung am Balkan. Am 29. Juli kam es zur ersten Kampfhandlung, der
Beschießung Belgrads durch die Binnenkriegsschiffe S.M.S. Temes, Bodrog und Számos. Am 30. Juli
erfolgte die Generalmobilmachung Russlands unter Zar Nikolaus II., Österreich folgt am 31. Juli.
Deutschland ein Ultimatum an Russland, seine Mobilmachung einzustellen, sowie an Frankreich, sich
neutral zu erklären, was gegen deren Bündnis mit Russland lief.
Am 1. August erfolgte die Generalmobilmachung und Kriegserklärung Deutschlands an Russland
unter Wilhelm II., am 2. August stellte Deutschland ein Ultimatum an Belgien, Deutschland den
Durchmarsch nach Russland zu gewähren. Am 3. August erfolgte die Kriegserklärung an Frankreich und
der Einmarsch deutscher Truppen in Belgien. Eine Generalmobilmachung muss als Form der
Einschüchterung verstanden werden, die schnelle Eskalation der Situation zeigt die große Emotionalität der
Situationen. Der “Schlieffenplan” ging davon aus, dass Deutschland in die Schere von Russland und
Frankreich geraten könnte, ein Krieg an zwei Stellungen sei unmöglich zu gewinnen. Im Kriegsfall müsse
man daher möglichst schnell Frankreich schlagen, da Russland ohnehin länger zur Mobilmachung brauchen
würde. Der Anspruch auf das Durchmarschrecht durch Belgien waren ein Teil diesen Plans. Es ging also
127
zunächst darum, Belgien zu einem Vasallenstaat zu machen, Europa sollte zu einer deutsch dominierten
Wirtschaftsunion zusammengeschlossen werden. Bereits am 4. August erklärte Großbritannien den Krieg
an Deutschland, weitere Kampfhandlungen fanden in den
französischen Kolonien in Nordafrika statt. Großbritannien stand in
einem Bündnis mit Belgien, die Verletzung der belgischen
Souveränität durch den Durchmarsch Deutschlands war der Anlass
für den britischen Kriegseintritt. Von 5. - 12. September kam es zur
ersten Mahneschlacht, der Schlieffenplan stellte sich als unrealistisch
heraus. Das Resultat war ein erbitterter Stellungskrieg gegen Frankreich („Hölle von Verdun“). Am 4.
Februar erklärte Deutschland die Gewässer um Großbritannien zum Kriegsgebiet, dem ging die Expansion
Deutschlands im Bereich der Flotte voraus, in der sich Deutschland als neue Seemacht etablieren wollte. U-
Boote wurden gegen den britischen Seehandel stationiert, der zum Erliegen gebracht werden sollte. Am 22.
April setzte die deutsche Armee erstmals tödliches Gas, nämlich Chlorgas, ein bis Kriegsende sollten
100.000 Soldaten an chemischen Waffen sterben. Der chemische Krieg hat quantitativ jedoch nicht die
Bedeutung, die er im kollektiven Gedächtnis einnimmt. Dennoch hatte der Einsatz chemischer Waffen
einen beträchtlichen Anteil an dem Leid, welches Menschen im Zuge des Ersten Weltkrieges erfahren
mussten. Am 23. Mai tritt Italien auf der Seite der Entente in den
Krieg ein, nachdem ihm im Vertrag von London die Brennergrenze
zugesichert wurde. Von 23. Juni bis 7. Juni gab es die ersten
Isonzoschlachten, der Luftkrieg trug als technische Neuerung zur
Intensivierung des Kriegsgeschehens bei. Am 10.-12. März 1917
kam es zur bürgerlich-demokratischen Revolution in Russland, am
6. April erklärte die USA Deutschland unter Präsident Woodrow Wilson den Krieg, nachdem Deutschland
ein Versprechen an Mexiko abgegeben hatte, ihnen im Kriegsfall finanzielle Unterstützung zukommen zu
lassen sowie ihnen Gebiete in Texas, Arizona und New Mexiko zurückzugeben.. Am 7. November beginnt
in Russland die "Oktoberrevolution", in deren Folge Russland aus dem Krieg
zurücktrat und die noch in der Zeit des Kalten Krieges Nachwirkungen
haben würde. Erst im Dezember erklärten die USA den Krieg an Österreich-
Ungarn. Am 8. Jänner 1918 gibt der US-Präsident seine "Vierzehn Punkte"
bekannt, welche die Bedingungen eines Friedens mit Deutschland festlegen
sollten. Darin beinhaltet waren erstens die Abtretung der Gebiete Elsass-
Lothringen an Frankreich, die Forderung der Selbstbestimmung der Völker
Österreich-Ungarns, die Räumung Russlands und die Aufgabe der Kolonien.
Dem Kolonialismus sollte damit ein formales Ende gesetzt werden,
tatsächlich fand die Entkolonialisierung vieler teile der Welt erst später statt. Im ersten Weltkrieg fielen circa
9,4 Millionen Soldaten, die meisten fielen auf Seiten der „Entente“. Dazu gab es um die 7,9 Millionen tote
Zivilisten.
128
Die vor dem Krieg weit verbreitete Ambivalenz im Hinblick auf die Kolonialpolitik begann sich im
Verlauf des Krieges aufzulösen. Kulturen wie England wurden die Ausbeutung fremder Länder
vorgeworfen, etwa von Seiten des deutschen
Gelehrten Karl Hampe, der England
gegenüber die Türkei als Verbündete
vorzog. Die autochthonen Eliten in den
Kolonien verstanden diese Situation als
Möglichkeit, ihre eigenen Interessen zu
verfolgen. Japan hatte innerhalb der Krieges
historische Großmachtambitionen gegen
China und Russland weiter verfolgt.
Deutschland erlitt in Asien seine ersten
großen Niederlagen, woraufhin sich Japan als
beherrschende Macht im Pazifik etablieren
konnte Die resultierende Konkurrenz zu den USA war ein wichtiger Faktor im Zweiten Weltkrieg. Japan
kann im weitesten Sinne als eine dritte Kriegspartei verstanden werden. In Afrika setzen Konflikte unter
den indigenen Völker über die ehemaligen deutschen Kolonien ein, in denen sehr viele Menschen ums
Leben kamen. Für die kollektive Erinnerung ist auch die Einsetzung afrikanischer Menschen an der Front
durch Frankreich wichtig.
Die globalen Dimensionen des Ersten Weltkrieges ergeben sich zunächst aus der Miteinbeziehung
der Kolonien der europäischen Staaten. Ein weiterer Faktor war die Bedeutung von globalen Zugängen zu
Rohstoffen bzw. internationale Handels- und Transportverbindungen. Wichtig war auch die Präsenz der
modernen Marine. Wesentliche Dynamiken vor dem Krieg wurden etwa von Clark beleuchtet, nach dem
die europäischen Staaten “wie Schlafwandler” in den Krieg gelaufen waren. In den vielfältigen Konflikten
ist es schwierig, einen Schuldigen auszumachen. Ausgehend von Björn Leonard kann jedoch argumentiert
werden, dass eher von einer bewussten Blindheit
der Eliten gesprochen werden kann. Ein Faktor
ist etwa die Etablierung des modernen
Nationalstaates als zentrale Orientierungspunkte
der Gesellschaften, die auch durch eine
Nationalisierung im Inneren geprägt ist. Über
diese Zugehörigkeiten werden vermehrt politische
Gestaltungsmächte reguliert. Gegen die Homogenisierung und Partikularisierung der modernen Staaten
steht eine soziale Multiethnizität, woraus sich die Spannung gewaltsamer Nationalpolitiken ergeben
konnten. Weiters veränderten sich während des 19. Jahrhundert im Kontext der Imperialismus die
Beziehungen zwischen Europa und Außereuropa, es gab engere Beziehungen, was einer der Gründe dafür
war, dass es zu einem bis zu vierzig Staaten involvierenden globalen Konflikt kommen konnte. Entgegen
der Etablierung eines europäischen Ordnungssystems zur Verhinderung von großen Kriegen in Kerneuropa
129
bildeten sich Konfliktzonen an den Rändern oder außerhalb, wohin Machtkonflikte der europäischen
Staaten ausgelagert wurden. Durch die globalen Erweiterungen im Kontext der Kolonialisierung konnten
immer mehr Player in die internationalen Beziehungen Eingang finden. Zwischen Japan und der Entente
gab es keine ideologischen Verbindungen, lediglich Verträge, die im Kontext globaler
Expansionsbestrebungen entstanden waren. Die Aufrüstungspolitik des deutschen Reiches hatte in der
japanischen Politik Aufsehen erregt, man wollte sich absichern. Nach dem Krieg war Japan die
beherrschende Macht im Pazifik, die Konkurrenz zu den USA bildete einen Ausgangspunkt für die
Konflikte im Zweiten Weltkrieg. Dem Allianzwechsel Italiens zwischen Erstem und Zweiten Weltkriegs
liegen pragmatische Motive zu Grunde. Am Eintritt der verschiedensten Staaten in den Ersten Weltkrieg
zeigt sich, wie stark die Globalisierung schon in diesen Zeiten durch das Bestehen internationaler Verträge
etabliert war. Dennoch kann nicht von einer Globalisierung im modernen Sinn gesprochen werden.
Die veränderten Beziehungen zwischen Europa und Außereuropa im Rahmen des Imperialismus war
ein konstitutiver Faktor für die globalen Ausmaße des Krieges. Die Vermeidung von Kriegen war für die
Regierungen in Europa nicht mehr in dem Ausmaß relevant, wie es das noch in weiten Teilen des
19.Jahrhunderts war. Parallel zu dieser zunehmenden Kriegsbereitschaft erstarkte die Friedensbewegung, es
kam zu internationalen Friedenskonferenzen wie der “Esther Haarer Konferenz”. Ab 1887 wurde auch
erstmals der Friedensnobelpreis vergeben. Relevant in Bezug auf die Genese des Ersten Weltkrieges ist
weiters die “Bellizität der Staaten”, worunter
deren Fähigkeit, Krieg zu führen verstanden
wird. Man stellte die militärische Macht in
Paraden zur Schau, die Logik der
Abschreckung kommt in den Anfängen des
Ersten Weltkrieges zum Ausdruck und
führte letztendlich zur Eskalation. Die
Bellizität ist Teil des sozialdarwinistischen
Paradigmas, es geht um Fortschrittlichkeit
und Zukungsvermögen. Innenpolitisch kommt es zu neuen Entscheidnungsmustern, die militärischen
Eliten gewinnen größeres Gewicht in der Ausrichtung der Nationalstaaten. Die Ausgaben für das Militär
exponierten sich, im Deutschen Reich stiegen die Ausgaben für die Kriegsmarine vor dem Ersten Weltkrieg
um 400%. Die Rüstungsindustrie nahm in dieser Zeit eine deutlich symbiotische Beziehung zum Staat als
zentralem Abnehmer ein. Zu Friedenszeiten wurde naturgemäß ein Überschuss produziert, die öffentliche
Rede ist von “Planspielen” für den Ernstfall geprägt, für den es sich zu rüsten gilt - eine offenkundige
Dynamik der selbsterfüllenden Prophezeiung. Das Kriegswesen erfuhr eine Art kultischer Verehrung,
historische Kriege werden im Sinne der Nationsbildung uminterpretiert. In den Balkangebieten wie auch in
den Kolonien war die Staatlichkeit wesentlich geringer, es kam zu ethnisch- und religiös fundierter Gewalt
und Radikalisierung, die zur wesentlichen Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges gehören. Der Erste
Weltkrieg muss vor diesem Hintergrund als Knotenpunkt komplexer Prozesse betrachtet werden. Ein
weiterer Faktor ist die Fortschrittsidee, welche am Anfang des 20. Jahrhunderts das wesentliche Paradigma
130
der europäischen Moderne darstellt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren viele Wissenschaftler bereit,
ihre Kompetenz in den Dienst nationaler Verbindungen zu stellen, wissenschaftliche Neutralität ist erst eine
spätere Erfindung. Das umfasst sowohl Natur- als auch Geisteswissenschaften, wobei zweitere vor allem
an der ideologischen Legitimierung staatlicher Vorgehensweisen beteiligt waren. Einen wesentlichen Beitrag
lieferte auch das Bestehen von dauerhaften Militärbündnissen, die an die Stelle situationsbedingter
kurzzeitiger Bündnisse traten. Eric Hobsbawm merkt an, dass die internationalen Beziehungen immer mehr
in Bewegung, was die Verhältnisse zwischen den Mächten instabil werden ließ. Seit Beginn des 19.
Jahrhunderts war auch Großbritannien teil eines dieser Bündnisblöcke. Hobsbawm meint, dass eigentlich
der britisch-deutsche Antagonismus der Schlüssel für das Verständnis des Ersten Weltkrieges sei. Als
gesellschaftliches Phänomen ist der Erste Weltkrieg in jedem Fall komplexer als der bloße Antagonismus
zwischen zwei Staaten.
Ein zentrales Ergebnis des ersten Weltkrieges war die Auflösung der “europäischen Pentarchie”, dem
System der fünf Großmächte Europas - Frankreich, Österreich, Preußen, Großbritannien und Russland -
wie es im Wesentlichen seit dem Wiener Kongress besteht. Es kommt zur Ablösung von
Herrscherdynastien, etwa der Habsburger in Österreich und der Romanows in Russland, was zum Teil die
Etablierung republikanischer Regierungsformen nach sich
zieht. Die Friedensverträge von Versailles, St. Germain und
Trianon führten zur Auflösung staatlicher Verbindungen
und bildet damit neue Krisenherde für die Politik des 20.
Jahrhunderts. Deutschland verliert seine Kolonien und wird
zu Reparationszahlungen verpflichtet, was die Wirtschaft der
Zwischenkriegszeit entscheidend mitprägte. Ausgehend von
der Wahrnehmung des “30-jährigen-Krieg”, als dessen
Fortsetzung er gesehen wird, kommt es nach dem Ersten
Weltkrieg zu einer Verschiebung in der Wahrnehmung von
Kriegen sowie zu versuchen, sie zu regeln. Eine Parallele
besteht in der Frage, inwiefern religiöse und politische
Ideologien eine Rolle spielen. Der Erste Weltkrieg wird erstmals als Katastrophe wahrgenommen, eine
Folge war die Gründung des Völkerbundes. Im dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhundert dominierten Versuche,
weitere Katastrophen wie den Ersten Weltkrieg zu verhindern und an den Gesellschaftsformen, wie sie
vor dem Krieg existiert hatten, anzuknüpfen. Diese Unternehmungen kamen mit der Weltwirtschaftskrise
von 1922 zu einem jähen Ende.
131
4.4. Die Weltwirtschaftskrise
Die Weltwirtschaftskrise wird als Scharnierperiode zwischen den Weltkriegen gesehen, die
Charakterisierung als Phase der Dekolonialisierung trifft dabei nur teilweise zu. Ein wesentlicher Faktor für
die ökonomische Situation um 1922 war die Tatsache, dass die USA als wirtschaftlich stärkste Macht aus
dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war. Die USA produzierten zu dieser Zeit etwa viermal so viel wie
Deutschland, Frankreich und Großbritannien, es war durch den
Krieg auch nicht zu einer Zerrüttung, sondern zu einer
exponentiellen Steigerung der Wirtschaft gekommen. Um 1926
kamen der USA ganze 42% der internationalen Industrie, die
Tendenz zum Kapitalismus wurde in der Karikatur
“Sonnenfinsternis” von George Grosz kritisch reflektiert. Das
globale Ungleichgewicht war also ein wesentlicher Faktor für die
Weltwirtschaftskrise. Ein weiterer Grund war das weltweite Sinken
der Rohstoffpreise, was sich daraus ergab, dass die Produktion
während dem Krieg angekurbelt wurde, was nun zu einem
Überschuss führte. Das kam vor allem den Industrieländern zu
Gute, es kam zu den “Goldenen Zwanzigerjahren”. In Europa war
die politische Situation von einem unauflösbaren Konflikt um die Reparaturzahlungen geprägt. Deutschland
war im Zuge des “Friedens von St. Germain” zu Zahlungen verpflichtet worden, die etwa von Frankreich
dringend zum Wiederaufbau benötigt wurden. Die USA wurde in diesem Kontext zu einem wichtigen
globalen Kreditgeber, die europäischen Staaten hatte irrwitzig hohe Schulden an die USA. Großbritannien
schuldete den USA etwa die Hälfte des Brutonationalproduktes, bei Frankreich waren es zwei Drittel. Die
finanzielle Situation schien einem Debakel entgegenzusteuern, Deutschland entwickelte einen
“Schuldenplan”, in dem die Reparationen geregelt wurden. In diesem sogenannten “Young-Plan” wurde
die Bezahlung der Schulden bis 1988 festgelegt. Es wurde jedoch bald klar, dass diese Kalkulation nicht
aufgehen konnte, Deutschland sank auf dem internationalen Markt. In vielen westlichen Staaten herrschten
zudem Tendenzen, auf die ökonomischen Probleme protektionistisch zu reagieren, etwa durch die
Errichtung von Zöllen. Es kam zum Versuch der Deglobalisierung, die von der öffentlichen Meinung und
dem Elektorat der jeweiligen Staaten unterstützt wurde. Zuvor hatte ein Demokratisierungsschub eingesetzt,
Regierungen waren nun stärker von ihrem Elektorat abhängig.
Um 1929 gab es bereits in vielen Staaten wirtschaftliche Probleme, Brasilien und Australien waren
auf Rohstoffimporte angewiesen. Eine Unsicherheit in Bezug auf die protektionistische Politik der USA
führte zu einer Kettenreaktion, der letztendlich im Börsencrash der Wallstreet endete. Die US-
amerikanische Produktion sank etwa um ein Drittel, wie auch die in Deutschland. Die Krise bezog sich
nicht nur auf Finanzen, sondern auch auf Rohstoffe, deren Preis sich im freien Fall befanden. Betroffen
waren vor allem auch Staaten in Südamerika und Asien, die auf Rohstoffimporte angewiesen waren. Das
Sinken der Rohstoffpreise führte zum Ruin vieler Bauern, nur auf Subsistenzwirtschaft beruhende
Ökonomien blieben weitgehend verschont. In Brasilien versuchten Bauern, ihre wertlos gewordenen
132
Kaffeebohnen als Treibstoff zu verwenden. Insgesamt war das Volumen des Welthandels um 60%
gesunken. Eine unmittelbare Folge war weltweite Armut und Arbeitslosigkeit, die etwa auf den berühmten
Fotos von Dorothea Lange eindrucksvoll dokumentiert wurde. Einzig Deutschland gelang es, die
Arbeitslosigkeit etwa durch erhöhte Rüstungsausgaben sowie den Ausschluss der jüdischen Bevölkerung
aus dem Erwerbswesen einzudämmen. Nicht wesentlich von der
Krise tangiert wurde jedoch, zumindest in der zeitgenössischen
Wahrnehmung, die Sowjetunion, die den Kapitalismus als
Wirtschaftsform abgeschaffte hatte. Die Wirtschaftspolitik der
Sowjetunion rief infolgedessen weltweites ökonomisches
Interesse hervor, die kommunistische Planwirtschaft erschien
allgemein als weniger krisenanfällig und wurde etwa auch in der
nationalsozialistischen Waffenproduktion implementiert.
Gemäße eines möglichen Erklärungsansatzes führte das wirtschaftliche Ungleichgewicht zugunsten
der USA zur Weltwirtschaftskrise. Die USA waren ökonomisch autark, sie waren von Importen Großteiles
unabhängig. Großbritannien musste dagegen etwa aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse daran hegen,
den Pfund als international stabile Währung aufrecht zu erhalten. Bis auf Hollywood-Filme hatte die USA
auch wenig nennenswerte Exporte. Das mangelnde Interesse der USA an einer stabilen Weltwirtschaft habe
letztlich zur Krise geführt. Dieser Deutungsansatz war vor allem bei den Eliten nach dem Krieg verbreitet,
die USA müsse in der globalen Wirtschaft größere Verantwortung unternehmen - eine These, die in weiterer
Folge stark handlungsleitend wurde. Eine weitere These machte die mangelnde Nachfrage zum Grund für
die Krise. Die Löhne konnten nicht mit dem Wirtschaftswachstum schritthalten, es kam zu Überproduktion
angesichts mangelnder Nachfrage. Die ungleiche Verteilung des Reichtums führte auf der anderen Seite zu
Spekulationen. Viele Menschen waren auf Kredite
angewiesen, die während der Krise nicht mehr
zurückgezahlt werden konnten, gleichzeitig ging die
Nachfrage weiter zurück. Ein wesentlicher
Wirtschaftsfaktor war etwa die Autoproduktion, die sich
in diesem Zusammenhang fast halbierte. Zur Erklärung
der spezifischen Eigenart der Krise wird angemerkt,
dass diese durch die Austeritätspolitik der Staaten verstärkt wurde, die grundsätzlich auf wenig Staatsausgaben
und ausgeglichen staatliche Budgets setzt. Man verlegte sich auf einen rigorosen Bundgetspaarkurs zu
verlegen, was die Nachfrage weiter reduzierte. Die eindrucksvolle soziologische Studie über die
“Arbeitslosen von Marienthal” schildert eindrucksvoll die sozialen und psychologischen Auswirkungen der
Arbeitslosigkeit.
Als politische Folge richtete sich die Bevölkerung gegen diejenigen Systeme, die zu Beginn der Krise
an der Macht waren. In den USA wurde Hoover abgewählt, in Europa und in Japan kam es im Wesentlichen
zu einem Rechtsruck, wobei Spanien und Schweden Ausnahmen darstellen. In den militärisch stärksten
Ländern wie etwa Deutschland kamen aggressiv-expansive und nationalsozialistische Politiken an die
133
mache. In den USA forcierte Roosevelt eine eher linke Politik (“New Deal”), in Südamerika war die Situation
uneinheitlich. Jedenfalls wurde klar, dass es eine Rückkehr zur Vorkriegsrealität nicht geben könne. Diese
Wahrnehmung veränderte die politischen Horizonte auf globaler Ebene. Eine wesentliche Konsequenz war
die erneute Attraktivität des sowjetischen Kommunismus, die Weltwirtschaftskrise schien zentrale Thesen
Marx’ zu bestätigen. Vor diesem Hintergrund erschien eine marxistische Weiterentwicklung der Gesellschaft
aus der Sicht der Zeitgenossen als durchaus relevante Option. Die zweite große Perspektive setzte auf die
Beibehaltung des Kapitalismus, jedoch sollte die Freiheit des Marktes eingeschränkt werden. Diese Option
wurde von gemäßigt sozialistischen Parteien und nicht-marxistischen Arbeiterbewegungen forciert und
gewann etwa in Schweden große Bedeutung. Die dritte Option war eine faschistische, die sich am
effektivsten in Deutschland etablieren konnte. Unter Einfluss des nationalistischen Gedankenguts, welches
dort bereits länger von Intellektuellen verhandelt wurde, kam es zur Gründung der NSDAP. Deren Politik
bestand in einer unbedingten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Eine wesentliche Konsequenz der Weltwirtschaftskrise war demnach die Heraufkunft des
Nationalsozialismus in Deutschland, die längerfristig zum Zweiten Weltkrieg führte. Aus dem Trauma der
Weltwirtschaftskrise zogen viele Staaten den Schluss, dass die Wirtschaft stärker eingeschränkt werden
müsse. Stärkere planerische Maßnahmen sollten die westlichen Wirtschaften stärker regulieren, um künftige
Krisen zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Der Glaube an die positive Dynamik der liberalen
Marktwirtschaft war jedoch für längere Zeit gestört. Auch der Ausbau der Sozialstaaten als Werkzeuge zur
Dämpfung sozialer Spannungen kann als Folge der Weltwirtschaftskrise gesehen werden. Eine weitere
zentrale Folge war die “Enteuropäisierung des Globalen”, Europa war nicht mehr das wirtschaftliche
Zentrum der Welt.
135
sozialdarwinistischen Paradigmas unter Beweis gestellt werden. Der Feldzug gegen Polen sollte auch die
Möglichkeit der systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung bieten, was zunächst jedoch an der
mangelnden Bereitschaft der Wehrmacht scheiterte. Daran zeigt sich, dass der Holocaust nicht von Beginn
an durchgeplant war. Am 6. Oktober 1939 kam es zur Kapitulation der letzten polnischen Verbände. Ab
1940 folgten Angriffe auf Amsterdam, Belgien, Luxemburg und die Niederlande, nach dem Kriegseintritt
Italiens kam es zur Eroberung Norwegens. An dieser raschen Abfolge zeigt sich die Strategie des
“Blitzkrieges”. Am 27. September 1940 schlossen Deutschland, Italien und Japan einen Vertrag zur
gegenseitigen Unterstützung im Falle eines Angriffes durch die USA. Frankreich war bereits seit dem
Waffenstillstand von Compiègne am 22. Juni 1950 in das Deutsche Reich eingegliedert worden, wo das
sogenannte „Vichy-Regime“ etabliert wurde.
1941 begann der Krieg Deutschlands gegen Jugoslawien und Griechenland, am 22. Juni kam es zum
deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Dabei wurde der Hunger als Waffe in der UDSSR eingesetzt, es
war eine bewusste Strategie der Wehrmacht, die zivile Bevölkerung verhungern zu lassen. Hans-Heinrich
Nolte hat vorgeschlagen, den Begriff des Verhungerns transitiv zu verwenden, die Deutschen hätten die
Leute nicht verhungern lassen, sondern aktiv verhungert. Eroberung und Genozid standen immer in
Verbindung mit Raub und Aneignung. Am 14. August verkünden US-Präsident Franklin D. Roosevelt und
der britische Prämier Winston Churchill die Atlantikcharta
“zur endgültigen Beseitigung der Nazi- Tyrannei”. Nach dem
Überfall Japans auf Pearl Harbor am 7. Dezember wird der
Krieg endgültig zum Weltkrieg - vier Tage später erklären die
USA Deutschland den Krieg. Im Frühjahr 1942 kommt es zu
den flächendeckenden Bombardements deutscher Städte
durch die britische Armee, welche sich tief im kollektiven
Gedächtnis verankert haben. Am 31. Jänner 1943 erfolgte die
Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Stalingrad, am 25. Juni der Sturz Mussolinis sowie am 8.
September die Kapitulation Italiens. Im Juni 1944 landen die Alliierten in der Normandie, womit das Ende
des zweiten Weltkrieges eingeleitet wurde. Am 20. Juli kommt es zum gescheiterten Stauffenberg Attentat,
man sollte die Beteiligten jedoch nicht idealisieren, da sie zu Beginn des Krieges durchaus begeisterte
Anhänger waren. Am 7. und 9. Mai 1945 erfolgt die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht.
In Asien endet der Krieg erst mit dem Abwurf der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9.
August 1945.
136
Gegenüber dem “Krieg nach Außen” ist jedoch vor allem der “Krieg nach Innen”, welchen das
nationalsozialistische Regime gegen Teile der deutschen Bevölkerung führte. Zygmunt Baumann
formulierte unter dem Stichwort “Ambivalenz der Moderne” den Vertrauensverlust in die Werte modernen,
aufklärerischen Denkens, der sich als Resultat aus den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges ergab. Es sein
nicht von einem kontingenten Einbruch archaischer Barbarei zu sprechen, vielmehr seien die Verbrechen
der NS-Zeit als logische Konsequenz der geistigen und sozio-kulturellen Entwicklungen der Moderne zu
sehen. Die Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus richtete sich, zeitlich gesprochen, zuerst gegen
kranke und behinderte Menschen. Durch das
“Erbgesundheitsgesetz” 1933 wurden Sterilisationen auf
legaler Ebene etabliert, die etwa an Schizophrenen,
Epileptikern, manisch Depressiven oder schweren
Alkoholikern, aber auch an missgebildeten Menschen
vollzogen wurden. Dahinter stehen Vorstellungen zur
Eugenik, welche auch im öffentlichen Diskurs in den
USA etabliert waren (“Cold Spring Harbor”). Die
Eugenik geht von einem harten genetischen
Determinismus aus, durch gezielte “Züchtung” sollte in die menschliche Entwicklung gezielt eingegriffen
werden. Dahinter steht also zunächst ein gewisser Fortschrittsgedanke. Im Gesetzestext selbst ist Tötung
nicht legal verankert, dennoch wurden im Rahmen der Aktion “C4” jedoch an über 40.000 ermordet. Die
Ermordungen von Kindern wurde 1941 auf öffentlichen Druck hin eingestellt, wurden jedoch inoffiziell im
kleineren Rahmen fortgesetzt. Die Kinderklinik “Spiegelgrund” etwa betrieb von 1940-1945 die
systematische Ermordung von 789 Patienten. Entsprechendes Gedankengut wurde allerdings schon in den
1920er Jahren in der Form von öffentlichen Plakaten und Pamphleten propagiert, dahinter steht die zynische
Vorstellung, mit der Ermordung die “Erlösung” der in Frage stehenden Personengruppe zu bewirken.
Die zweite Linie bezog sich vor allem auf den “völkischen Antisemitismus”, der sich von “religiösen
Antisemitismus” im Wesentlichen dadurch unterschied, dass letzterer das Anderssein gewissermaßen “ins
Blut” verlegt wurde. Der religiöse Antisemitismus hat in Europa eine lange Geschichte, dahinter steht die
bereits biblisch festgelegte Feindschaft mit dem Christentum, die Juden wurden als “Gottesmörder”
betrachtet und das Mittelalter und die frühe Neuzeit hindurch immer wieder verfolgt. Hinter dem völkischen
Antisemitismus stehen dagegen in erster Linie rassenideologische Überlegungen. Diese Sichtweisen dürfen
nicht als im strengen Sinne wissenschaftlich begründet gesehen werden, viele Denkmuster konnten bereits
als umfassend etabliert betrachtet werden und finden prominente Vorgänger etwa in der französischen
Aufklärung. Zentral sind die “Nürnberger Rassengesetze” von 1935. Das Gesetz von “Schutze des
deutschen Blutes” verbot Ehe und außerehelichen Geschlechtsverkehr mit Jüdinnen und Juden, Verstöße
wurden als “Rassenschande” bezeichnet und mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft. Im
“Reichsbürgergesetz” wurde festgelegt, dass nur Personen mit rein deutscher Abstammung ihren
Bürgerstatus behalten konnten. Auf der Basis dieser Gesetze wurde 1938 jüdischen Ärzten und Beamten
das Arbeitsrecht entzogen, 1941 wurde ihnen die Staatsangehörigkeit aberkannt. Damit verloren sie auch
137
etwa den Anspruch auf Lebensversicherungen und Renten, welche formal auf den Staat übergingen. Von
Emigrantinnen und Emigranten wurde eine “Reichsfluchtsteuer” von 25% verhängt, dazu kamen noch
weitere Abgaben, die den Juden in der Regel ihr gesamtes Vermögen kostete. Ab 1942 begannen die
systematische Deportation und Ermordung der Juden, der auch zahlreiche Roma und Sinti zum Opfer
fielen. Im Zuge der “Aktion Reinhardt” ordnete Himmler
die Ermordung der polnischen Juden an, nachdem
andere Versuche der Ausgliederung, etwa nach
Madagaskar, gescheitert waren. Dabei wurden etwa 1,6
bis 1,8 Millionen Juden sowie rund 50.000 Roma aus den
fünf Distrikten des Generalgouvernements ermordet
wurden. Daran zeigt sich, dass der Holocaust nicht von
langer Hand geplant war, was nicht bedeutet, dass kein
umfassender Antisemitismus in Europa bereits etabliert
war. Mit dem Angriff auf die Sowjetunion begannen
Massenerschießungen, welche sich jedoch als psychisch sowie physisch äußerst Strapazierend für die Täter
erwiesen, weshalb man schließlich zur Vernichtung in den Lagern Treblinka, Sobibor und Belzec. Mit Ende
der “Aktion Reinhardt” wurden die Vernichtungen nach Auschwitz verlegt. Entgegen der langanhaltenden
Auffassung konnte in den letzten 20 Jahren auch eine substantielle Beteiligung der deutschen Wehrmacht
festgestellt werden. In diesen Vernichtungslagern wurden, bis auf einige im Betrieb gebrauchte Personen,
alle Häftlinge sofort vernichtet. Im Gegensatz zu den KZs, wie etwa Dachau, über die man durchaus in der
Tageszeitung lesen konnte, wurden die Vernichtungslager geheim gehalten. Zu den Opferzahlen der NS-
Massenverbrechen gibt es zwei Schätzungen von Hellmuth Auerbach, der auf rund 6 Mio. Juden
kommt, und Dieter Pohls, der 5,7 Mio.
Opfer angibt. Der Ausgang des Zweiten
Weltkrieges führte in den meisten
westeuropäischen Ländern zu einer
Hoffnung auf sozialen Wandel, tatsächlich
kam es etwa in England, Frankreich und
Italien zu zahlreichen Reformen.
Zahlreiche Bewegungen zur Festlegung
von gleicher Rechte für alle Bürgerinnen
und Bürger unabhängig von Geschlecht
und Rasse nehmen in der Erfahrung des
zweiten Weltkrieges ihren Ausgangspunkt. Das einzige Land, in denen der Zweite Weltkrieg kaum soziale
Folgen hatte, waren die USA und die UDSSR. In weiten Teilen der Welt setzten sich nach dem Weltkrieg
Mächte durch, die zumindest offiziell für einen säkularen Staat und gleiche Rechte eintraten. Weiters kam
es zu einer erneuten Befürwortung wirtschaftsplanerischer Strategien und staatlicher Interventionen in die
Ökonomie, insofern die Radikalisierung der deutschen Bevölkerung und der Zweite Weltkrieg wesentlich
138
als Resultat der Weltwirtschaftskrise gesehen wurde. John Maynard Keynes lieferte das theoretische
Fundament zu diesen ökonomischen Veränderungen.
139
Ab 1947 bis 1955 kann von der “Blockphase” gesprochen werden, es kam im Westen wie im Osten
zur Bildung verschiedener wirtschaftlicher und militärischer “Blöcke”. Auf sowjetischer Seite war dagegen
das wichtigste Wirtschaftsbündnis der “Comecon”, auf der westlichen Seite der “ERP” bzw. “Marshall
Plan” nach dem damaligen US-
Außenminister, von dem aus etwa
öffentliche Belange finanziert wurden und
somit in der Wahrnehmung der
Öffentlichkeit eine starke Bindung zu den
Staaten in Westeuropa hergestellt wurden.
Wesentliche Konfliktfelder waren etwa die
erste Berlin-Krise 1948/49 im
Zusammenhang mit der
Währungsreform, die in den besetzten
westdeutschen Gebieten eingeführt wurden. Die USA hatten eine Luftbrücke eingesetzt, mit der sie in der
Wahrnehmung des Westens demonstrierten, dass sie einen Krieg für Westberlin riskieren würden. Der
Koreakrieg 1950 – 1953, der zwischen dem kommunistischen Nordkorea und einem westlich orientierten
Südkorea ausgetragen wurde (wobei jedoch beide Parteien Diktaturen waren), gilt als eine weitere wichtige
Instanz der Blockbildung. Der Krieg endete mit einer Demarkationslinie am 38. Breitengrad, ähnlich wie es
sie später auch in Deutschland geben sollte. Die Sowjetunion stand dabei auf der Seite Nordkoreas, China
und die USA auf der Seite Südkoreas. Die Gründung der Volksrepublik Chinas 1945 durch Mao in Folge
langer Bürgerkriege war eine weitere Krise. Die USA fürchtete, dass China die Sowjetunion stützen würde
und verhängte es mit einem Wirtschaftsembargo, was sie jedoch nur stärker an die Sowjetunion band. Das
Verhältnis zwischen China und der Sowjetunion war durchaus spannungsreich, in den 1960er Jahren kam
es zum öffentlichen Bruch. Auch die Besiegelung der deutschen Teilung in BRD im Westen, die der NATO
beitrat, und DDR im Osten, die dem komplementären “Warschauer Pakt” beitrat, war ein wichtiger
Moment in dieser Phase. Die Teilung blieb für drei Jahrzehnte bestehen.
In der Eskalationsphase von 1953 - 1956 kam es zu Aufständen in Gebieten des „Warschauer
Paktes“, die von der “Roten Armee” Niedergeschlagen wurden, etwa in Ungarn 1956, von wo zahlreiche
Menschen nach Österreich flohen. Chruschtschow
übernahm die Führung nach dem Tod Stalins,
wodurch der sowjetische Zugriff gewissermaßen
geschmälert wurde. Chruschtschow grenzte sich in
einer berühmten Rede vom Stalinismus ab, die Rede
wurde vom US-Geheimdienst in Osteuropa
verbreitet. Im Westen machte sich eine
Befreiungsrethorik breit, unter Eisenhauer kam die
Idee einer Hilfe für die Menschen jenseits der eisernen Vorhangs auf. Eine wichtige Rolle hatten dabei
westlich Radiosender, die in die Region des “Warschauer Paktes” sendete, sowie eine Wirtschaftskrise in
140
der “Comecon”. Ein zentrales Moment in der Eskalation des Konfliktes war die “Suezkrise” 1956: Ägypten
hatte den strategisch wichtigen Suezkanal verstaatlicht und weigerte sich, die Zone zu internationalisieren.
Die Westmächte stellten daraufhin die ökonomische Unterstützung für Ägypten ein, was sie jedoch der
Sowjetunion näher brachten. Frankreich hatte die Befürchtung, dass Ägypten den Aufstand in Algerien
unterstützen könnte, man hatte vor, den Präsident Nasser zu stürzen und ein gefügiges Regime zu
installieren. Der Konflikt endete damit, dass sich die Westmächte schließlich weigerten, zu militärischen
Mitteln zu greifen. Bei der Suezkrise ging es demnach stark um Belange der Dekolonialisierung, insofern
der Suezkanal in erster Linie ein koloniales Unternehmen gewesen war. Den Abschluss der Phase bildet die
„zweite Berlinkrise“ 1958 - 1961. Es kam zu massenhaften Auswanderungen aus der DDR, die ein
wesentliches ökonomisches Problem darstellten. Chruschtschow forderte den Abzug der
Besatzungsmächte, gleichzeitig sollte das “Schlupfloch” Westberlin geschlossen werden. Man fürchtete
jedoch, dass die Schließung der Migrationsroute einen psychologisch negativen Effekt im Warschauer Pakt
haben würde. Die USA machten jedoch klar, dass sie Westberlin zur Not mit einem Atomkrieg verteidigen
würden (“Ich bin ein Berliner”), und Chruschtschow willigte schließlich in den Bau einer Trennungsmauer
ein. Dadurch wurde die Krise jedoch nicht vollends gelöst, es gab immer wieder Übertrittsversuche, wie auf
beiden Seiten propagandistisch Ausgenutzt wurden. In Europa kam es schließlich zur Zeit Willi Brandts
eine Entspannungspolitik, im Süden kam es dagegen zu Stellvertreterkriegen gegen die Supermächte.
Eine der dramatischsten Zuspitzungen des Kalten Krieges war die “Kubakrise” von 1962. Die USA
hatten sowjetische Raketen auf Kuba, also in unmittelbarer Nähe, entdeckt. Diese Näheverhältnisse
bestanden jedoch auch schon zuvor, die USA hatten bereits zuvor Raketen in Skandinavien stationiert.
Vielmehr ging es in erster Linie um einen öffentlichen Gesichtsverlust. Wichtig ist auch der Kontext der
sogenannten “Monroe-Doktrin”, die sich dagegen wendete, dass europäische Mächte im Bereich Mittel-
und Südamerikas intervenieren könnten, wogegen die Stationierung von Raketen auf Kuba klar verstieß.
1959 war es in Kuba zu einer Revolution unter Fidel Castro gekommen, der die amerikafreundliche Diktatur
beseitigte und das Land sozialistisch umformte. 1961 landeten
1400 Exilkubaner in der “Schweinebucht” mit dem Ziel,
Castro zu stürzen, wurden jedoch nach drei Tagen geschlagen,
was eine indirekte Niederlage für die USA und einen Sieg für
die UDSSR bedeutete. Die Entdeckung der Raketen wurde als
ein weiterer Schritt in diesem Konflikt gesehen. Unter John F.
Kennedy versuchte man schließlich, die Situation zu
deeskalieren, um einen atomaren Konflikt zu verhindern. 170 der Konflikte im Rahmen des “Kalten
Krieges” waren sogenannte dagegen sogenannte “Stellvertreterkriege”, 74 davon fanden alleine in Afrika
statt. Dieser Umstand lässt sich mit der Entkolonialisierung Afrikas erklären, etwa in Angola oder im Kongo,
die auch sehr ressourcenreiche Gebiete sind. In solche Kriege griffen die Großmächte nur indirekt und
nicht durch direkte Intervention ein, wenngleich sich die Abgrenzung dabei oft nicht klar vollziehen lässt.
In Chile und Nicaragua gab es ebenfalls einen Bürgerkrieg mit der sowjetfreundliche Regierung, der von
den USA stark unterstützt wurde.
141
Ab 1953 wurde eine Entspannung der Situation deutlich, Ziele waren die Deeskalation auf beiden
Seiten des Konfliktes zur Verhinderung der atomaren Bedrohung, die mit der Kubakrise deutlich geworden
war. Außerdem sollten die finanziellen Ressourcen zur Rüstungsproduktion in andere ökonomische
Bereiche umgelagert werden. Mit dem Tod Stalins hatte sich die ideologische Gewichtung der
Auseinandersetzung gewandelt, die Sowjetunion strebte nun eine freundschaftliche Annäherung an und
konnte einen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen. Auch auf der amerikanischen Seite änderte sich die
Strategie gegenüber der Sowjetunion vom “Containment” zu Kennedys “Freedom” Rhetorik, welche der
Politik einer “Massive Retaliation” entgegensteht, die auch etwa einen atomaren Erstschlag angesichts einer
Bedrohung für die Grundsätze des freien Völkerbundes. Es ergab sich ein neuer außenpolitischer Raum,
der etwa von der BRD, die erstmals diplomatische Annäherung an die DDR vornahm. Diese
Verhandlungen hatten etwa den Bau neuer Kraftwerke und den Abschuss eines Grundlagenvertrages zur
Folge. Die Deutschlandfrage entspannte sich, als 1973 sowohl BRD als auch DDR Mitglieder der UNO
wurden. Angesichts der Kubakrise kam es zu Versuchen, die Rüstung einzuschränken, etwa im Verbot
oberirdischer Atomtests. Zwischen 1971 und 1990 wurden in diesem Sinne 13 wichtige Verträge auf beiden
Seiten geschlossen. Für den Westen waren auch die verschiedenen Friedensbewegungen a den 1960er Jahren
eine Motivation zur Etablierung von Verträgen zur Rüstungsbeschränkung. Wichtig waren vor allem die
“SALT” Verträge. Ab 1974 begann sich in der Beziehung zwischen USA und Sowjetunion zunehmend der
Zusammenhang zwischen Entspannungspolitik und der Etablierung einer universalen
Menschenrechtsdoktrin herauszubilden, mit der etwa Jimmy Carter eine moralisch orientierte Strategie in
der Außenpolitik verfolgte. Die Anerkennung der Menschenrechte durch die UDSSR führte in zahlreichen
Anhängerstaaten zu sozialen Revolutionen mit dem Ziel, diese Grundsätze auch tatsächlich durchzusetzen
- die Wirkung war also keine bloß symbolische. Der außenpolitische Zwang zur Anerkennung der
Menschenrechte erstreckte sich jedoch in erster Linie auf Staaten im Einflussgebiet der Sowjetunion, die
USA unterstützten in Südamerika durchaus diktatorische Regime.
Die letzte Phase des Konfliktes begann mit der sowjetischen Intervention in Afghanistan ab 1979
angesichts des dort aufkommenden radikalen Islamismus. Man fürchtete ein Übergreifen auf die
benachbarten Sowjetstaaten, die Bedrohung durch den Islamismus war bereits damals in der öffentlichen
Wahrnehmung präsent. Afghanistan wird unter anderem als das sowjetische Vietnam bezeichnet, auch dort
führte man einen aussichtslosen Guerillakrieges. Unter Gorbatschow zogen sich die sowjetischen Truppen
in den 1980er Jahren schließlich wieder zurück. Der Krieg in Afghanistan hatte auch Bedeutung für die US-
Politik, insofern er die Niederlage Carters gegenüber Regans bedeutete, der die “Liberation Policy” zur
Befreiung der Staaten unter sowjetischem Einfluss. Reagan kündigte auch ein neues Raketenabwehrsystem
an, das STI, mit dem die sowjetischen Waffensysteme wirkungslos werden sollte. Auch die innenpolitische
Lage in der Sowjetunion, die zuvor von ökonomischen Fortschrittsglauben gekennzeichnet war, wurde
zunehmend instabil. Die Staaten des “Warschauer Paktes” begannen sich von der UDSSR zu distanzieren.
Ein weiterer Faktor für das Kriegsgeschehen war der sogenannte “NATO Doppelbeschluss”, nach dem die
Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa durch die Sowjetunion durch entsprechende
142
Maßnahmen gekontert werden sollte. Trotz zahlreicher Friedensproteste wurden Raketen in der BRD, in
Großbritannien und in Italien stationiert.
Ab den 1980er Jahren kommt es unter Gorbatschow zur langsamen Auflösung des “Warschauer
Paktes” unter der Begrifflichkeit von “Transparenz” und “Umbau”. Die Sowjetunion strich die finanzielle
Unterstützung für Staaten außerhalb Europas, etwa Kuba oder Vietnam. Gorbatschow distanzierte sich von
der sogenannten “Breschnewdoktrin”, nach der die
Staaten des “Warschauer Paktes” nur beschränkte
Souveränität haben sollten. Es kam zu meistens
friedlichen Regimewechsel, etwa in der
Tschechoslowakei, die aber auch sehr brutal sein
konnten, wie etwa in Rumänien. Mit der Auflösung
des “Warschauer Paktes” kam es schließlich auch zur
Auflösung der Teilung Deutschlands im Herbst 1989
und zur Etablierung der Bundesrepublik
Deutschland, wie sie noch heute besteht. Formal wurde der “Warschauer Pakt” und die entsprechende
Wirtschaftsunion des “Comecon” 1992 aufgelöst, was das Ende des Kalten Krieges bedeutete. Ein Aspekt
des Kalten Krieges war etwa der Einsatz von Spionage, der auch einen beträchtlichen Niederschlag in der
Populärkultur fand. Eine der ersten wesentlichen Aktionen der CIA war die Beeinflussung der Wahl im
Nachkriegsitalien zu Gunsten der christlich-sozialen Partei. Der Geheimdienst nahm an Aktionen wie dem
Anzetteln und Auflösen von Aufständen sowie der Überwachung feindlicher Mächte an den Grenzen zur
anderen Kriegspartei. Der sowjetische Geheimdienst, der KGB, wurde nach dem Kalten Krieg aufgelöst.
Vor allem in den ersten Jahren des Krieges gab es auf beiden Seiten spektakuläre Abhör- und Spionagefälle,
etwa des Ehepaars Rosenberg, welches in den USA hingerichtet wurden. In der BRD gab es etwa die
Überwachung von Bundeskanzler Willy Brandt durch dessen Mitarbeiter Günter Guillaume zwischen 1972
und 1974. Technologisch wurde nicht nur mit riesigen Abhörgeräten, sondern auch mit Satelliten spioniert.
Geheimdienstaktionen waren dennoch meist relativ erfolglos, der Wille zur Befreiung im “Warschauer Pakt”
war durchaus ambivalent.
Ein weiteres Moment des Kalten Krieges war die Rüstungskonferenz. Nach dem Zweiten Weltkrieg
erfolgte zunächst eine Abrüstung, in der Sowjetunion etwa sank die Zahl der Soldaten auf ein Drittel. Mit
Beginn des Kalten Krieges kam es zur Investition in neue Waffensysteme mit dem Ziel, die amerikanische
Überlegenheit in Bezug auf Atomwaffen zu kontern. Die USA testeten thermonukleare Waffen im Bikini
Atoll, zur gleichen Zeit wurde das gleichnamige Badegewand nach diesem Atoll benannt, wohinter
möglicherweise eine Werbestrategie stecken könnte. Die Dynamik des Rüstungswettlaufes lässt sich nicht
bloß über die Bedrohungsszenarien des Kalten Krieges erklären, es ging auch um symbolische und
ökonomische Aspekte. Spätestens ab den 1960er Jahren verfügten USA sowie UDSSR über
Interkontinentalraketen, mit denen prinzipiell jeder Punkt auf der Erde getroffen werden konnte. In den
Massenmedien war häufig die Rede davon, dass die Welt mittels der neue Technologie vernichtet werden
könnte - die Idee des “Overkill” war eine verbreitete Redefigur, in der sich die globalen
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Bedrohungsszenarien artikulierten. Es kam zum Bau privater Bunker, die Regierung entwickelte detaillierte
Pläne für die Evakuierung der Bevölkerung. Mit der militärischen Aufrüstung war auch zentral der Weltlauf
zum All bzw. zum Mond, an denen Großteiles dieselben Unternehmen beteiligt waren. Der Sowjetunion
gelang es mit Yuri Gagarin die erste Umkreisung der Welt im Orbit, woraufhin Kennedy den ersten
Mondflug 1969 in die Wege leitete. Ein weiteres Phänomen ist die sogenannte “Blockfreiheit” in Bezug auf
Länder, die aus einer historischen Erfahrung des Kolonialismus heraus ihre Neutralität in der politischen
Blockbildung zu wahren versuchten.
Interne Kritik an der jeweiligen
Kriegspartei konnte somit leicht als
verräterisch desavouiert werden. In den
USA gab es zwischen 1947-1954 den
sogenannten “McCarthyismus”, nach dem
ein falsch geführter Liberalismus zur
Unterwanderung der USA durch den
Kommunismus geführt habe, was der
Grund für die außenpolitischen
Niederlagen der USA waren. Häufig kam es zu öffentlichen Anhörungen potentieller Kommunisten,
Menschen verloren ihren Beruf, ein bekanntes Opfer der entsprechenden Politik war etwa Charlie Chaplin.
Im sowjetischen Block machte man politisch Abtrünnigen den Prozess, die teilweise sogar mit Todesurteilen
endeten. Im “Warschauer Pakt” kam es später sogar zu Ausweisungen und Vertreibungen, etwa des
Regimekritikers Alexander Solschenizyn. Auf beiden Seiten gab es bedingt Zensur, im Westen konnte der
Protest jedoch öffentlicher Praktiziert werden. Auch die Geschlechterbilder wurden im Kontext des Kalten
Krieges entscheidend geprägt.
In der Historiographie über den Kalten Krieg gibt es einerseits einen traditionell US-amerikanischen
Ansatz, nach dem die Sowjetunion in ihrer marxistischen Ideologie einen expansiven Trieb entwickelte, dem
sich die USA entgegenstellten. Dagegen steht der revisionistischen Ansatz, nach dem die Schuld auf Seiten
der USA zu verorten sei, die ihre wirtschaftliche und militärische Überlegenheit in Folge des Zweiten
Weltkrieges zu wahren versuchte. Der kommunikationstheoretische Ansatz geht davon aus, dass im
Hintergrund der fortdauernden Eskalationen wesentliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den
Großmächten stehen. Auch wurde der Kalte Krieg als klassischer Machtkonflikt um globale Hegemonie
gesehen. Nach dem systemtheoretischen Ansatz bestand der Kalte Krieg im Aufeinandertreffen von
geographisch wie ideologisch geprägter “Blöcke”. Die Auseinandersetzung wurde demnach auf externe
Bereiche ausgelagert, da die Großmächte keinen atomaren Konflikt riskieren hätten können. Dennoch gab
es gewisse “Subsysteme”, etwa die beiden deutschen Staaten, die durchaus auch autonom agiert hätten.
Dabei ist jedoch zu kritisieren, dass die beiden Hauptzentren (parlamentarische Demokratie und autoritärer
Volkssozialismus), ideologisch nicht strikt diametral entgegengesetzt werden können. Warum wurde der
Konflikt so dauerhaft geführt? Der Kalte Krieg war Grundlage für Identitätsstiftung und Sinnbildern in den
jeweiligen Systemen, jede Kritik wurde immer als positive Bewertung der “anderen Seite” gesehen. Die
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klaren Scheidelinien ermöglichten die Disziplinierung innerhalb der Gesellschaft und trugen somit zur
inneren Stabilität bei. Jedoch gab es auch ökonomische Gründe, die Rüstungsprogramme ermöglichten
wirtschaftliche Kultur, der militärisch-industrielle Komplex wurde zu einem autonomem Machtzentrum mit
eigenem Interesse. Das Aufrechterhalten des Konkurrenzverhältnisses wurde demnach bewusst durch
Generierung von Feindbildern und öffentlichen Bedrohungsszenarien unterstützt.
4.7. Entkolonialisierung
Unter “Entkolonialisierung” kann nach Jansen und Osterhammel erstens die Gleichzeitige Auflösung
mehrerer interkontinentaler Imperien innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, nämlich zwischen 1945 und
1975, verstanden werden. Gemeint ist damit vor allem das britische wie auch das französische Kolonialreich.
Andererseits kann darunter allgemein die historisch einmalige (und voraussichtlich unumkehrbare)
Delegitimierung jeglicher Herrschaft, die als Untertanenverhältnis zu Fremden empfunden wird, verstanden
werden. Der Begriff des “Dekolonialisierung” ist ein zeitgenössischer, er taucht im Prozess der
Entkolonialisierung erstmals auf. Gemeint ist damit eine politische Strategie gegenüber der kolonialisierten
Ländern, welche die Übergabe der Staatsmacht an “vertrauenswürdige” Parteien vorsieht.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges kommt es erstmals zu Bestrebungen der Entkolonialisierung,
ein wichtiger Kongress zum Thema stand unter der Schirmherrschaft Albert Einsteins. Das Motiv für diesen
Kongress war die Enttäuschung über das Handeln der Völkerbundes in diesen Belangen, man wollte eine
eigene Organisation, die “Liga gegen Imperialismus und für soziale Unabhängigkeit” schaffen, die später
jedoch stark kommunistisch geprägt war. Gleichzeitig kam es in unterschiedlichen Weltteilen, etwa Afrika
oder Asien, zu Bewegungen und Kongressen. Die antikolonialistischen Bewegungen zwischen den
Weltkriegen waren inspiriert von frühere Revolutionen, etwa in Nicaragua, konnten jedoch zunächst noch
keine wirksame Debatte über die Legitimität des Kolonialismus
und Imperialismus entfachen. Durch die Weltwirtschaftskrise
kam es in Europa zu einem Rechtsruck, was die Möglichkeiten
solcher Bewegungen noch weiter einschränkte. In manchen der
kolonialisierten Ländern kam es jedoch gerade aufgrund der
ökonomischen Krise zu einem Erstarken revolutionärer
Bestrebungen. Die Weltwirtschaftskrise verschärfte jedenfalls
die Interessenverschiedenheiten zwischen den Kolonialisten
und den kolonialisierten Ländern. In vielen kolonialisierten
Ländern wurden erstmals Unzufriedenheiten gegenüber den kolonialen Zentren geäußert, etwa in der
Karibik angesichts des Preisverfalls von Lebensmitteln. In Ägypten erhielt die Muslimbruderschaft großen
Zulauf, in Indien konnte Gandhi erfolgreich mobilisieren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
propagierten zahlreiche der kolonialisierten Staaten die Idee der “Bewegung der Blockfreien”, etwa in
Indien, von wo aus man einen Machtblock in den asiatischen Ländern gegen die Großmächte des Kalten
Krieges etablieren wollte. In Neu Delhi und Kairo kam es zu Gipfeltreffen, man forderte die Anerkennung
der Menschenrechte, der Rassengleichheit und eines Verbotes der militärischen Intervention in den
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entsprechenden Gebieten. Ende der 60er Jahre kam es zu einer Neuformierung dieser Bewegung unter Fidel
Castro, auf einer Konferenz in Havanna wurde das andauern der Abhängigkeit von Staaten, die formal
bereits aus der Kolonialisierung entlassen waren, von den Industrienationen diskutiert. Die Leitlinie des
Treffens wird “Dependenztheorie” genannt und wandte sich gegen die vorherrschende
“Modernisierungstheorien”, in denen eine eurozentrische Vorstellung von Fortschritt propagiert wurde.
Demnach sei das Zurückbleiben der kolonialisierten Ländern auf deren Unfähigkeit zu einem
entsprechenden Fortschritt zurückzuführen. Dagegen behauptete die “Dependenztheorie”, dass die
globalen wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer einseitigen Abhängigkeit gewisser Länder von anderen
führen würde. Unter der “Blockfreien” kam es immer wieder zu Konflikten, was ihre Effektivität
schmälerte, jedoch gelang eine Verschiebung des öffentlichen Interesses. Was jedoch nicht gelang war eine
Revision der restriktiven Situationen im globalen Handel. Einen wichtigen symbolischen Erfolg war die
Durchsetzung der UNO-Resolution 1514: “Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung; kraft dieses
Rechtes bestimmen sie frei ihren politischen Status und verfolgen frei ihre wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Entwicklung.” Die “Blockfreien” unterscheiden sich demnach wesentlich von den
“Blockneutralen” wie etwa der Schweiz, bei denen es darum ging, im Ost-West Konflikt neutral zu bleiben.
In der Wissenschaft werden verschiedene Modelle der Dekolonialisierung unterschieden.
“Machtübertragung” meint die Übertragung der politischen Macht von den Eliten in den
Kolonialmetropolen auf gemäßigte Politiker in den kolonialisierten Ländern. Das Modell der
“Selbstbefreiung” bildet ein Gegenmodell, die koloniale Herrschaft wird als illegitim definiert und soll durch
eine einheimische Freiheitsbewegung gestürzt werden. Ein drittes Modell ist das “Neo-Kolonialismus-
Modell”, nachdem die Kolonialmächte schrittweise auf koloniale
Strukturen verzichtet hätten, es sei lukrativer, fremde Länder durch
subtile Methoden der ökonomischen Ungleichheit auszubeuten. Von der
zu großen Kostspieligkeit geht auch das “Entlastungsmodell” aus, nach
dem die Aufrechterhaltung des kolonialen Modelles angesichts der
immer stärker werdenden Kritik nicht mehr aufrechterhalten werden
konnte. Letztlich besagt das “Weltpolitikmodell”, dass im Kontext der
bipolaren Zentren des Kalten Krieges die Kolonialpolitik mit ihren
entsprechenden Machtmechanismen nicht mehr funktionieren konnte.
Ein zentrales Beispiel für die Funktionsweisen der Entkolonialisierung
ist Vietnam. Das Bereich “Indochina” war bereits im 19. Jahrhundert
französische Kolonie, es kam zum Aufbau einer französischen Verwaltung, durch die der wichtige Seeweg
nach China gesichert werden sollte. Unter dem Eindruck der Oktoberrevolution kam es immer wieder zu
Aufständen, das Kollonialregime exportierte so viel Reis, dass es in der Gegend zu Hungersnöten kam.
Infolge kam es immer wieder zu Konflikten mit den Besatzern. Während dem Zweiten Weltkrieg war das
französische Regime isoliert, es kam zur Intervention der Japaner, die gemeinsam mit den Franzosen die
Vietnamesen weiter ausbeuteten. Die Bewegung “Vietminh” wurde gegründet, mit dem Ziel, die Gegend
von kolonialen Einfluss zu befreien. Unmittelbar nach der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg kam es
146
zur Revolution unter Ho Chi Minh und der Etablierung einer Demokratie. Als Legitimation wurden die
Ideen der europäischen Aufklärung und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung angeführt.
Frankreich konnte teile des Landes wiedererobern, es kam zu einem Abkommen, nach dem sich die
Franzosen in fünf Jahren aus ihren Gebieten zurückziehen und ein unabhängiger Staat unter französischem
Einfluss gegründet werden. Die französischen Kolonialisten etablierten jedoch ein Regime um Saigon,
welches von der französischen Regierung geduldet wurde. Es kam zum “Indochinakrieg” 1947 bis 1954, in
dem die Vietnamesen einen Guerillakrieg gegen die französischen Besatzer führte. Nach der chinesischen
Revolution begann sich der Kommunismus als Befreiungsideologie zu etablieren, es lässt sich ein klares
Alignement mit den Positionsverhältnissen im Kalten Krieg feststellen.
Die USA sahen den “Vietminh” infolge verstärkt als Instrument des Kommunismus und der
sowjetischen Politik. Die Franzosen leiteten Waffenstillstandsverhandlungen ein, an denen auch etwa
Engländer und Sowjets teilnahmen. Das Land wurde entlang dem siebzehnten Breitengrad getrennt, die
französischen Truppen sollten sich im Süden zurückziehen und in zwei Jahren freie Wahlen abgehalten
werden. Ab Mitte der 50er Jahre begannen die USA militärische Berater nach Südvietnam zu entsenden, wo
der Gouverneur sich der französischen Besatzer entledigt hatte. Im Norden nahm die Regierung unter Ho
Chi Minh eine radikale Umstrukturierung vor, während im Süden eine korrupte Regierung den Zulauf zur
Guerilla verstärkte. Der zweite Indochinakrieg von 1957 bis 1975,
auch bekannt als Vietnamkrieg, entbrannte als Bürgerkrieg zwischen
dem Regime in Südvietnam und der „Nationalen Front für die
Befreiung Südvietnams“, besser bekannt als Vietcong, einer in
Südvietnam operierenden, vom kommunistischen Nordvietnam aus
unterstützten Guerillaorganisation. Ziel des Vietcong war es, die
antikommunistische Regierung Südvietnams zu stürzen und das Land
wieder zu vereinigen. Die USA beteiligten sich auf der Seite
Südvietnams, waren jedoch nicht sehr erfolgreich, während China und
die Sowjetunion die Unterstützung Nordvietnams übernahmen,
weshalb der Vietnamkrieg auch als Stellvertreterkrieg betrachtet
werden kann. Ab 1964 griffen die Kämpfe auf Laos, ab 1970 auf Kambodscha über. Nach der Tet-Offensive
der NLF stellte Johnson bis November 1968 die Bombardierungen ein. Nixon verlagerte den Krieg nach
Laos und Kambodscha, wo der sogenannte “Ho Chi Minh” Pfad für Nachschübe unterbrochen werden
sollte. Die US-Armee intensivierte das Flächenbombardement, wodurch der Urwald entlaubt wurden sollte
um die Kriegsführung der Guerilla verunmöglicht werden sollte. Bereits ab 1971 kam es zum schrittweisen
Rückzug der USA, da der Krieg aufgrund der negativen medialen Repräsentation und diverser
Friedensbewegungen im Heimatland nicht mehr legitimiert werden konnte. Im Januar 1973 schloss Nixon
nach neuen Bombardierungen einen Waffenstillstand mit Nordvietnam. Bis zum 1. Mai 1975 eroberten
nordvietnamesische Truppen Südvietnam vollständig und beendeten den Krieg. Man schätzt die Zahl der
vietnamesischen Kriegsopfer auf mindestens zwei bis zu über fünf Millionen, darunter über 1,3 Millionen
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Soldaten. Zudem fielen 58.220 US-Soldaten und 5.264 Soldaten ihrer Verbündeten. Mehrere Millionen
Vietnamesen wurden verstümmelt und dem hochgiftigen Entlaubungsmittel „Agent Orange“ ausgesetzt.
In Folge des Vietnamkriegs kam es zur Etablierung eines kommunistischen Systems, es folgten Laos
und Kambodscha. Das bestätigte die amerikanische Domino-Theorie, nach der Länder sukzessive dem
Kommunismus verfallen würden, wenn dieser Schritt erst einmal von einem Land vollzogen worden wäre.
Tatsächlich hatten die undifferenzierten Bombardements der US-Armee erst zu starken Zulauf für die
kommunistische Khmer geführte, denen in weiterer Folge die Machtübernahme gelang. Am
vietnamesischen Beispiel zeigt sich die Heterogenität des Dekolonialisierungsprozesses, in vielen Ländern
Indochinas war es zu Versuchen seitens der Kolonialmächte gekommen, ihre Position zu erhalten oder
sogar zu verstärken. Aus einer soziologischen Perspektive zeigt sich, dass die führenden Personen anti-
kolonialistischer Bewegungen oft Angehörige von in kolonialen Zentren ausgebildeten Eliten waren, ein
Beispiel ist etwa Gandhi. Das Verhältnis zwischen den kolonialen Zentren ist ein ambivalentes zwischen
Konkurrenz und Kooperation, man arbeitet zur Erhaltung des Imperialismus zusammen, jedoch auch
gegeneinander. Entkolonialisierung war fast immer ungeordnet und ungeplant, was dazu führte, dass sich
in den meisten kolonialisierten Systemen keine Ressourcen zur Selbstregierung entwickeln konnten. Die
zentrale Rolle von Nationalstaatsideen setzten sich dabei meist nur prozesshaft durch, Konflikte waren oft
in das Schema des Kalten Krieges eingebunden. Historisch betrachtet kam es zu einer grundlegenden
Veränderung des globalen Austauschverhältnisse, jedoch besteht kein direkter Zusammenhang zwischen
dem Verlauf der Entkolonialisierung und der gegenwärtigen Situation in einem Land. So gibt es Länder, die
eine friedliche Entkolonialisierung vollzogen hatten, heute aber ökonomisch nicht besonders gut dastehen.
Unter dem Kolonialmächten hat es nur England geschafft, zumindest die Form des Imperiums über die
Dekolonisierung hinaus aufrecht zu erhalten. Die Queen ist auch heute noch das offizielle Oberhaupt von
Australien und Kanada.
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also kapitalistischer Entfremdung und sowjetischen Sozialismus. Vorbilder waren etwa die permanente
Revolution nach Leo Trotzki.
Zentral ist auch die Rolle der globalen Medien, die jedoch im Westen stärker auf die Heroisierung
der Protestführer aus war. In der USA war etwa die schwarze Bürgerrechtsbewegung ein wichtiger
Vorläufer, ebenso wie die Anti-Atombewegung. Der Vietnamkrieg bildete den Rahmen, innerhalb dessen
ein globaler Austausch unter den studentischen Bewegungen möglich wurden. Der Vietnamkrieg war dabei
zumindest in intellektueller Hinsicht ein Globalisierungsfaktor.
Große Prominenz erlangte in diesem Kontext etwa Che Guevara,
der als visuelle Ikone des 68er Bewegung kommerzialisiert wurde.
Dichte Austauschbeziehungen gab es etwa zwischen den Studenten
der BRD und den USA, was sich auch im Verhältnis der
Regierungen spiegelte. Ein Grund war etwa die Möglichkeit von
Austauschstudiengängen, die zum intellektuellen Transfer beitrugen. Ein wesentlicher Aspekt sind auch die
Frauenbewegungen im Kontext der 68er, die sich teilweise im Gegensatz zu deren maskulinen Idealen
sahen. Interessant ist weiters die Tatsache, dass auch in diesem Kontext Paris eine zentrale Rolle für die
Genese der Protestbewegungen spielte. Die Leitbilder von Demokratie und Selbstbestimmung wurden in
unterschiedlichen Kontexten durchaus abweichend interpretiert, etwa in den USA im Gegensatz zu Afrika.
Wallerstein sah im Zusammenhang mit seiner Weltsystemtheorie die 1968er Bewegungen als Moment einer
Revolution gegen das kapitalistische System, wie es auch 1848 geschehen war. Die globale Hegemonie der
USA ermöglichte demnach die gemeinsame Angriffsfläche der verschiedenen Bewegungen. Van der Linden
sieht 1968 als dreifach gerahmte Protestbewegung. Einerseits kam es zum Stocken
des starken Wirtschaftswachstums, die Mehrheit der Protester waren in relativen
Wohlstand aufgewachsen, die andere Lebenswelten als ihre Elterngeneration
kannten. Das Resultat war ein Generationenkonflikt, der zweitens durch eine
stärkere Beteiligung der Jugend an Bildung komplementiert wurde. Viele der
Protester waren Studenten und intellektuell gut ausgebildet. Als drittes Moment
nennt Van der Linden die Entkolonialisierung, Akteure wie Che Guevara erhielten
große Popularität. Guevara formulierte eine Fokustheorie, nach der bereits kleine Gruppen gesellschaftliche
Umbrüche bewirken könnten. Diese Abschwächung der marxistischen Theorie bildete den diskursiven
Rahmen 1968er Bewegungen. Wichtige Theoretiker waren weiters Frantz Fanon und Herbert Marcuse. In
der katholischen Kirche kam es im Kontext des zweiten Vatikanischen Konzils zur Etablierung der
sogenannten “Befreiungstheologie”, welche die Mitwirkung des Menschen an der Verheißung sowie die
diesseitige Verwirklichung der Freiheit betonten. In den USA gab es entsprechend auch eine schwarze
Theologie im Kontext der Bürgerrechtsbewegung.
In Frankreich kam es im Mai 1968 zu den größten Demonstrationen seitdem Zweiten Weltkrieges,
es gab auch einen Generalstreik. Das Land hatte bereits mehrere Dekolonialisierungskonflikte hinter sich,
etwa den ersten Indochinesischen Krieg oder den Algerienkrieg. Zu dieser Zeit war eine konservative
Regierung an der macht, Studentenproteste wandten sich zunächst gegen lokale Phänomene sowie eine
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repressive Sexualpolitik. Die Absetzung des Leiters der cinematheque francaise führte zu Protesten und
gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Behörden, gleichzeitig kam es zu Arbeiterstreiks aus
ökonomischen Gründen. Es kam zur Schließung der Hochschule von Nantes, wogegen die Studenten der
Sorbonne protestierten. Nach weitläufigen Verhaftungen kam es zu
weiteren Protesten bis hin zu Straßenschlachten. Andere Teile der
Bevölkerung solidarisierten sich mit den Studenten, einige
Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf. Der Unmut der
Bevölkerung entbrannte an der Gewalttätigkeit der Polizei, an den
Aufständen nahmen bis zu einer Million Menschen teil. Mitte Mai kam es zu umfassenden Streiks, es wurden
bessere Bezahlung und Arbeitsumständen gefordert, woraufhin es zum Stagnieren der Wirtschaft kam.
Charles De Gaulle veranlasste Neuwahlen, deren Folge die Proteste beendete.
Ein weiteres Moment der Bewegungen von 1968 war der „Prager Frühling“. Die Tschechoslowakei
war in der Zwischenkriegszeit eine westlich orientierte Industrienation, nach dem Zweiten Weltkrieg kam
es zur gewaltsamen Stalinisierung, Kreise von Intellektuellen beschäftigten sich jedoch auch mit
antimarxistischem Gedankengut. Erste Ausschreitungen richteten sich gegen schlechte
Wohnungsbedingungen für Studenten, eingegriffen wurde sowohl auf Seiten der Polizei als auch der Politik.
Mit Alexander Dubcek kam in der „Kommunistischen Partei Tschechiens“ kritische Strömungen auf,
Dubcek schaffte etwa das stalinistische Versammlungsverbot ab, wollte das sozialistische Wirtschaftssystem
jedoch erhalten. Durch die Einführung eines „Sozialismus mit
menschlichem Antlitz“ sollte etwa der Parlamentarismus gestärkt
werden, die Demokratisierung wurde vor allem von Intellektuellen
vorangetrieben. 1968 wurden diese Bestrebnisse durch den
Einmarsch sowetischer Panzer in die Prager Altstadt beendet, es
kam zu Demonstrationen vor allem unter Studierenden, bei denen
um die hundert Menschen ums Leben kamen. Die Staaten des
warschauer Paktes hatten sich durch die Tendenzen in der
Tschechoslowakei bedroht gefühlt. Der „Prager Frühling“ kann erstens als ein autonomes Bestreben zur
Rekonfigurierung der Gesellschaft, nicht aber der Wirtschaft gesehen werden. Auch war er ein spezifisch
nationalistisches Bestreben. Studentenbewegungen waren generell friedlich und nicht gegen Autorität
gewandt. Wichtig an den 1968 Bewegungen ist die enge Verschränkung lokaler und globaler Dimensionen.
Protestierende bezogen sich etwa auch internationale Vorbilder oder auch Ungleichheiten. Die Bewegungen
transzendierten die Schemata des Kalten Krieges, zumindest von den Konzepten her versuchte man häufig,
einen dritten Weg zu finden. Ein Phänomen vieler Prozesse war der Unmut der Bevölkerung gegen eine
gewalttätige Polizei, deren Handlungen oft erst zur Eskalation der Konflikte führte, etwa in Frankreich oder
Mexiko.
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4.10. Perspektiven auf das 21. Jahrhundert
Der Kalte Krieg war sowohl machtpolitisch als auch ideologisch ein wichtiger Einschnitt. Eine wichtige
Bedeutung für die Welt nach 1989 hat der politische Islam, der seit dem Ende des Kalten Krieges globale
Präsenz erlangte. Bereits im Afghanistan der späten 70er Jahre kam es zu einem Putsch gegen einen
sowjetisch orientierten Diktator, man strebte eine radikale demokratische Reform an. Afghanistan sollte in
ein modernes, staatssozialistisches Land umgewandelt werden.
Dagegen wendeten sich die Grundbesitzer, die oft die Oberhäupter
lokaler Stämme waren und mit dem Klerus in Verbindung standen. Die
„Mujaheddin“ waren eine Ansammlung von Widerstandstruppen, die
auch vom Westen unterstützt wurden. Die Lage im Land wurde immer
labiles, auch innerhalb der neuen Regierung wurden Spannungen deutlich. Die Sowjetunion fürchteten ein
Übergreifen und entschieden sich zu militärischen Intervention. Die USA unter Regan verstärkte die
Unterstützung im Rahmen der „Liberation“ Politik. Der Islam sollte als „Waffe des Westens“ im Kalten
Krieg genutzt werden, die Waffenlieferungen an islamische Widerstandsgruppen wurden exponentiell
vergrößert. Somit ist die Genese des politischen Islam im Kontext des Kalten Krieges zu verorten. Die
sowjetische Intervention in Afghanistan war nicht erfolgreich, die Waffenlieferungen der USA an die
Mujaheddin brach nach deren Rückzug ab. Die Mujaheddin waren untereinander uneinig, 1992 installierte
die UN eine Übergangsregierung. Die Folge war ein kontinuierlicher Bürgerkrieg und die Etablierung eines
Gottesstaates durch die Taliban 1996. Auch die Al-Kaida stammen bereits aus der Zeit des Kalten Krieges.
Nach dem Ende des Kalten Krieges kam es zur Neuordnung des Ostbockes und zur Erweiterung
der Europäischen Union in diesem Bereich. Die NATO war nach dem Ende des Warschauer Paktes das
einzige überbleibende Verteidigungsbündnis, sie veränderte jedoch ihren Charakter hin zu einer
friedenssichernden Vereinigung mit mehr oder weniger großem Erfolg. Ein unmittelbarer Effekt des Kalten
Krieges war, dass der Verkehr von radioaktiven Material immer schwerer zu regulieren war. Damit
veränderte sich die atomare Bedrohung, vielmehr Staaten und sogar nichtstaatliche Institution können nun
im Prinzip an Atomwaffen kommen. China wurde zu einem
global wesentlich wichtigerem Player und stellt heute eine
Bedrohung für die wirtschaftliche Hegemonie des USA dar.
In den Ländern des Südens brach nach dem Ende des Kalten
Krieges die durch diesen motivierte Unterstützung ab, was
oft zu Krisen in diesen Gebieten führte. Die 1990er Jahre
wurden damit zu einem Jahrzehnt der globalen Armutskrisen, der politische Islam wiederum konnte gerade
in diesem Kontext mit seiner antiwestlichen gut fußfassen. Die USA versuchten sich als einzig verbleibende
Supermacht zu etablieren, etwa durch den Kampf gegen als solche definierte „Schurkenstaaten“ wie Irak.
Auch Russland stellt erneut Ansprüche auf globale Bedeutung, die Dualisierung der Lebensformen blieb
weitgehend enthalten. Unter dem Begriff „Anthropozän“ wird ausgehend von der Geologie dasjenige
Zeitalter verstanden, in dem der Mensch aktiv die Gestalt der Welt mitprägt. Auswirkungen des
Anthropozän werden etwa in Phänomenen wie dem Klimawandel greifbar und beherrschen
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