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Luhmanns Organisationstheorie – ein pragmatischer Rekonstruktions-

versuch zugunsten einer postkonventionellen Ethik

MASTERARBEIT
zur Erlangung des akademischen Grades
M.A. Menschenbild und Werte in christlicher Perspektive
an der
Universität Regensburg

Eingereicht an der Professur für Theologische Sozialethik,


Anthropologie und Wertorientierung
– Prof. Dr. Bernhard Laux –

von: Angerer, Roman


Matrikel-Nr.: 1880507
Adresse: In den Naabwiesen 14, 92637 Weiden
Erstkorrektor: Prof. Dr. Laux, Bernhard
Zweitkorrektor: PD Dr. Baum, Wolfgang
Weiden, 09.01.2019
I. Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG .............................................................................................................................. 1

Vollständigkeit ohne Abschlussgedanken: das Paradox des Systemdenkens ....................................................................... 1


Methodische Überlegungen und Richtung der Arbeit .......................................................................................................... 1

2. VON IDEELLEN MEDIEN UND DER ORGANISATION DER ORGANISATION ........... 2

2.1. DER MENSCH BEI LUHMANN: KONSTRUKTIVISMUS, IDEALISMUS & PRAGMATISMUS................ 2


Pragmatismus, Idealismus, Konstruktivismus ...................................................................................................................... 2
Sinnhaftigkeit als Grundlage verständigen Zusammenlebens .............................................................................................. 5
Die Differenz von Medium und Form als die Einheit von Form und Inhalt......................................................................... 8
Universalisierungsgrundsatz, symbolische Generalisierungen und der Begriff ................................................................. 10
Idee und Sinneinheit von System und Umwelt: Kategorien als ideell generalisierte Medien ............................................ 12
Weiteres Vorgehen zur Bestimmung der ideell Generalisierten Medien ........................................................................... 14
Univokation von Differenz und Identität im Substanz- und Akzidenzdenken ................................................................... 15
2.1.1. Differenz und Identität ................................................................................................... 15
Das Aufgehobensein von Kategorien abstrakten Denkens im Seinsbegriff ....................................................................... 17
Von der Tautologie zum Widerstreit des Platonischen und Aristotelischen Subordinationismus ...................................... 19
Der Postmodernismus als Ozean-des-Wie und sein Gegenstück in dem-des-Was ............................................................. 21
Die Vollendung von Differenz und Identität im Beziehungsgeschehen ............................................................................. 24
Eine transraumzeitliche Ordnungsstruktur und ihre möglichen Bruchstellen und Extreme ............................................... 27
2.1.2. Sein, Wesen, Begriff – Kommunikation, Evolution, Differenzierung ............................. 30
Der Gemeinschaftssinn in den signifikanten Anderen oder das Zeichen als Kontingenzabsorption .................................. 30
Das Erste, Sein und Kommunikation als Variation oder Ja/Nein Bifurkation .................................................................... 32
Das Entwicklungspsychologische Fundament des Ersten als Weg zur Sozialität .............................................................. 34
Das Zweite oder Wesen als Evolution oder Doppelseitiges Bewusstsein von System und Umwelt .................................. 37
Die Formen kulturellen Ausdrucks des Zweiten und selektive Intensivierung durch Medien ........................................... 41
Die Frage nach der Differenz zwischen ontogenetischem Drift und Emergenz ................................................................. 45
2.1.3. Die Entwicklung von Sinnsystemen: Ordnungen, Stufen und Geltungsansprüche......... 46
Involution vs. Evolution: Semantiken und Entwicklung als Entscheidung eines Beobachters .......................................... 46
Das Dritte, die formalen Operationen und das Auftauchen von Sinn als Zukunftsentwurf ................................................ 49
Aussagenverständlichkeit, Wahrheitsgehalt und die Bündelung von Erwartung durch Identitäten ................................... 51
Die Achillesferse der Sprechakttheorie und nicht-triviale Kommunikation ....................................................................... 53
Vom freien Willen zur intersubjektiven Moral und Hegels Sittlichkeit ............................................................................. 57
Entwicklung als Fraktal: die schrittweise Ablösung ideeller Generalisierungen ................................................................ 58
Die vier transzendental generalisierten Medien bei Habermas, Parsons und Luhmann ..................................................... 61
2.1.4. Das Vierte: Beobachtung und Wahrheitsbewusstsein .................................................... 65
Die zwei Seiten des Vierten: die reine Objektivität und Selbstbeschreibung als individueller Wille................................. 65
Das Vierte als Wahrheitsbewusstsein und die Kontingenzformel Transzendent/Immanent............................................... 68
2.2. DIE ORGANISATION .................................................................................................................. 71
Luhmanns Definition von Organisation und Karriere als formale Kontingenzformel ....................................................... 71
Paradoxieentfaltung zwischen Heterarchie und Hierarchie: Diskursive Ordnung und Holarchie ...................................... 73
Freiheit, Mustererhalt und Verantwortung in der Selbstbeschreibung von Organisationen ............................................... 76
Organisationale Skripte und die Homöostase der ideellen Medien in ihrer Stufenfolge .................................................... 79

I
Die Immanenz der Organisation, ideelle Verstärkung/Abschwächung und Evolution....................................................... 83
Große Trennungen, Brüche und Extreme: Antioszillation und postmoderne Mythologie ................................................. 89
Integration in Organisationen: die Frage nach der Sklavenmoral und einer natürlichen Hierarchie .................................. 93

3. KRITIK DES ALLTÄGLICHEN BEWUSSTSEINS ............................................................. 96

Die rechte Handhabe von Mustern als deontologische Moral und die Coincidentia Oppositorum .................................... 96
Vom alltäglichen Bewusstsein, verantwortungsvoller Wertschätzung und dem Herzen .................................................... 98

4. LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................ 101

II. Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: Phasen in der Entwicklungsgeschichte von Differenz und Identität ................................... 30
ABBILDUNG 2: Transzendental generalisierte Medien im Individuum und in der Systemtheorie ............... 45
ABBILDUNG 3: Transzendental generalisierte Medien und ihre Stufenfolge im Modellvergleich............... 58
ABBILDUNG 4: Ordnungen, Sprechakte, Systemkomponenten und Geltungsansprüche ............................. 65
ABBILDUNG 5: Fünf Beerschen Subsysteme und ihre immanenten und transzendentalen Funktionen ....... 79
ABBILDUNG 6: Homöostase und Systemfunktionen auf einzelnen Ebenen ideeller Organisation .............. 81
ABBILDUNG 7: Kontingenzbewältigung und ideeller Abschwächungs- und Verstärkungsprozess ............. 88
ABBILDUNG 8: Ideelle Organisation als entfaltete Paradoxie aus Skript und Homöostase.......................... 96

II
1. Einleitung
Für Niklas Luhmann führt eine sozialwissenschaftliche Beschreibung „weder zu einer Vollständig-
keit ohne Ab-
positiven noch zu einer negativen Charakterisierung der Gesellschaft. Sie formuliert die schlussge-
Identität des Systems nicht als Wert und schon gar nicht als Norm, nach der man die Gesell- danken: das
Paradox des
1 Systemden-
schaft oder das Verhalten in ihr beurteilen könnte“ . Wie Immanuel Kant in der Kritik der
kens
praktischen Vernunft mutmaßt, „um das höchste Gut zu sein, [braucht es] […] die Voraus-
setzung des höchsten selbständigen Guts“2 und das „völlig a priori“3 und Luhmann gibt „die
Ambition einer gemeinsamen Grundlage, eines Grundsymbols, eines Abschlussgedankens“4
auf. Daraus ergibt sich nach Werner Ulrich ein problematisches Paradox im Systemdenken,
das, „weil es nach Vollumfänglichkeit strebt, lernen muss mit seiner eigenen unvermeidli-
chen Beschränktheit zu leben […], [was heißt,] das in Betracht zu ziehen, was in seiner Natur
nicht systemisch ist und entsprechend nicht in den Begriffen einer Systemrationalität erklärt
werden kann“ 5. Im Aussparen des Menschen, des höchsten Gutes und der Moral etwa, ist
das, „was ursprünglich kritisch gegen jede Art von Reduktionismus der konventionellen
Wissenschaften gerichtet war --- verdammt zu neuen Arten des Reduktionismus zu führen,
[…] indem alles zu ‚nichts außer‘ funktionalen Systemaspekten reduziert wird“6.
Dieses Paradox wird in dieser Arbeit auf eine rekonstruktive Weise, die das Luhmannsche Methodische
Überlegun-
Material mithilfe des Pragmatismus und Idealismus „angreift und modifiziert […], um sei- gen und
nen verborgenen Schatz zu enthüllen“7, wie John Dewey vielleicht sagen würden, versucht Richtung der
Arbeit
zu lösen. Durch ein Mosaik aus Zitaten8 sowie vergleichenden und Richtung gebenden Ver-
bindungsstücken führt der Weg zuerst dorthin, die Apriori der anderen beiden Paradigmen
aus ihrem versteckten Dasein innerhalb der Theorie der Gesellschaft ins Licht zu heben.
Daraufhin können soziale Systeme als Zusammenspiel aus Kategorien und ihren Formaus-
drücken begriffen als zwei Seiten einer Medaille gesehen werden, als deren Transzendenz
und Immanenz. Dies erlaubt schließlich die Organisation von Organisation neu zu begreifen,
so dass Normen und Werte wieder einen zentralen Platz finden und schließlich in den
Schlussworten das Herz des Menschen als Ausgangspunkt für eine deontologische, pragma-
tische Moral, auch als Herzstück der Systemtheorie gesehen werden kann.

1
Luhmann 2018b, S.1140
2
Kant, praktische Vernunft S.116
3
Ebenda, S.117
4
Luhmann 2018b, S.1122
5
Ulrich 1988, S.138
6
Ebenda, S.138
7
Dewey 1920, S.32
8
Ein Großteil der Zitate sind frei aus dem Englischen übersetzt e.g. die Bezugnahmen auf Peirce; Zudem
erfüllen sie oft einen dreifachen Zweck: sie sind Textstücke, Beispiele und Sinnbilder für bestimmte Logiken

1
2. Von ideellen Medien und der Organisation der Organisation
2.1. Der Mensch bei Luhmann: Konstruktivismus, Idealismus & Pragmatismus
Für Hegel ist die Geschichte der Welt Ausdruck der „Befreiung der geistigen Substanz“9. Pragmatis-
mus, Idealis-
Der zuerst nur an sich seiende Geist bringt sich dadurch „zur Offenbarung und Wirklichkeit mus, Kon-
seines an und für sich seienden Wesens, und [wird] sich auch zum äußerlich allgemeinen, struktivismus
zum Weltgeist“10. Dies geschieht durch die Tat. Bei Luhmann ist Bewusstsein dahingegen
durch Kommunikation11 am Erzeugen von Gesellschaft beteiligt: „ohne Bewusstsein [würde
Kommunikation] zum Erliegen kommen, so wie das Leben ohne eine molekulare Organisa-
tion der Materie“12. Dabei ist für Luhmann aber wesentlich, dass Bewusstsein nicht kommu-
niziert. Dies tut nur die Kommunikation. Kommunikation ist eine Eigenschaft sozialer Sys-
teme und der Gesellschaft, an der mehr als ein Bewusstseinssystem oder Mensch beteiligt
ist, wohingegen Bewusstsein oder psychische Systeme durch Gedanken oder Kognitionen
operieren13. Beide sind operativ geschlossen, aber diese Geschlossenheit bedingt sich durch
ihre Anknüpfungsfähigkeit. Oder anders gesagt: soziale Systeme wie auch Bewusstseinssys-
teme sind selbstorganisierend und damit autopoietischer Natur und dies beinhaltet zum einen
das Erzeugen von selbstkonstituierenden Anschlussoperationen, die das System aufrecht-
erhalten, und zum anderen die notwendigen Strukturen, um die Anschlussfähigkeit mit an-
deren Systemen zu bewahren14. Nach Luhmann verschiebt sich die Frage nach offenen und
geschlossenen System dahingehend, dass entscheidend ist, „wie selbstreferentielle Ge-
schlossenheit Offenheit erzeugen kann“15. Auch für Hegel ist Bewusstsein selbstreferentiell,
als „ebenso ewig in sich seiende als in sich zurückkehrende und zurückgekehrte Identität“16.
Der wesentliche Unterschied zwischen Hegel und Luhmann aber ist, dass dies immer einen

9
Hegel, Enzyklopädie §549
10
Ebenda §549
11
Luhmann 2012, S.66f: “Von Kommunikation kann man […] nur sprechen, wenn die Änderung des Zustan-
des von Komplex A mit der Veränderung eines Zustandes von Komplex B korrespondiert, obwohl beide Kom-
plexe andere Möglichkeiten der Zustandsbestimmung hätten. Insofern heißt Kommunizieren beschränken. […]
Das System erhält […] als Möglichkeit einen Komplexitätsüberschuss, den es [innerhalb einer mutualistischen
Grundorganisation] selbstselektiv reduziert“.
12
Luhmann 1995a, S.37: dabei ist aber das Bewusstsein nach Luhmann ein operativ geschlossenes System. Es
operiert blind. Kommunikation ist also eine Zuschreibung, die Bewusstsein auf bestimmte Operationen seiner
Selbst macht. Nie aber ist dies Kommunikation noch kann Bewusstsein kommunizieren, sondern es handelt
sich hier lediglich um das „rekursive Prozessieren von (wie immer materialisierten) Symbolen in Systemen,
die durch die Bedingungen der Anschlussfähigkeit ihrer Operationen geschlossen sind“ (ebenda S.37f).
13
Vgl. Thye 2013, S.7f
14
Vergleiche dazu Maturana 2000b, S.165: „Mit dem Begriff ‚struktureller Kopplung‘ oder ‚Anpassung‘ be-
zeichne Ich die Relation der dynamischen strukturellen Übereinstimmung mit dem Medium, durch die eine
Einheit ihr Klassenidentität […] bewahrt […]. Klassenidentität und die Bewahrung ihrer Anpassung [als struk-
turelle Kopplung], bedingen einander, mit der einen geht auch die andere verloren, und die Einheit hört auf zu
existieren.“
15
Luhmann 2012, S.25
16
Hegel, Enzyklopädie §554

2
bewussten Beobachter voraussetzt, dass bei Ersterem „der Mensch selbst dabei sein müsse,
bestimmter, dass er […] [Gesetze, allgemeine Sätze, eine Theorie, die Gedanken des Vor-
handenen,] mit der Gewissheit seiner selbst in Einigkeit und vereinigt finde“17, während bei
Zweitem nichts weiter als Beobachtung, das heißt „die Handhabung von Unterscheidun-
gen“18 von Nöten ist. Beobachtung setzt nur im Falle der menschlichen Psyche Bewusstsein
voraus, soziale Systeme dahingegen müssen auf andere Weise Beobachtungen erzeugen.
Das heißt schlussendlich auch, dass während bei Hegel jede lebende Individualität den
Begriff als Substanz hat, also bestimmte Strukturen, die sie erst einmal wie jeder andere
Mensch als Allgemeines vervielfältigt19, Luhmann diese Entäußerung und Aneignung durch
solche allgemeinen Kategorien nicht vorsieht20. Strukturen21 haben hier „keine ontologische
Seins-Qualität, denn auch über sie kann entschieden werden“22. Die Luhmannschen Sys-
temstrukturen fallen also weg, sobald Bewusstseinssysteme oder andere Träger nicht mehr
zur Aufrechterhaltung bestimmter Formen von Kommunikation beitragen. Sie können wie
alle Formen von Kommunikation angenommen, abgelehnt oder sogar abgewertet werden23,
24
. Wie Charles Sanders Peirce schreibt, sind Hegels Strukturen, wie die des Denkens als
Sein, Wesen und Begriff, dahingegen universale Kategorien, die sich auf alles anwenden
lassen und jedem Phänomen innewohnen25. Peirce sieht Hegel als einen „engen Verbünde-
ten“26 seiner Philosophie, des Pragmatismus. Für den Pragmatismus entscheidend ist eben
die Vorstellung, dass “Allgemeines, tatsächlich, eine unentbehrliche Zutat der Wirklichkeit
ist; denn rein individuelle Existenz oder Aktualität wäre ohne jede Regelmäßigkeit

17
Hegel, Enzyklopädie §7
18
Luhmann 2012, S.63
19
Vgl. Hegel, Wissenschaft 2ter Teil III-1 A,3, S.678
20
Vgl. Luhmann 1995a, S.23
21
Nach Luhmann 2012, S.73f & Luhmann 2018a, S.199 existiert eine klassische Unterscheidung von Struktur
und Prozess. Autopoietische Systeme, wie er sie beschriebt, unterlaufen diese Trennung. Struktur entsteht in-
nerhalb eines Zeitvollzugs als Wiederholung bestimmter Operationen, während Prozess auf neue Ereignisse
hinweist, d.h. dass Struktur sich auf Reversibles bezieht und Prozess auf Irreversibles. Beides bildet eine Ein-
heit. Je komplexer die Umwelt desto mehr ist das Aufrechterhalten von Systemstrukturen auf Prozess, also die
Einführung von Neuerungen, angewiesen.
22
Schmid 1970, S.189; Allerdings lässt sich anmerken, dass Luhmann 2017, S.627 in einer Aussage aus dem
Jahr 1975 schreibt, dass „der Anfang einer [phänomenologischen Deskription der Gesellschaft] wissenschaft-
lich legitim auf Grund der Annahme, dass jeder in seinem Erleben die gleiche Struktur vorfindet“.
23
Vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson 2011, S.86-90 & Luhmann 2012, S.160
24
Luhmann 2012, S.289-325 spricht hier von Interpenetration. Die Grenzen sozialer System und damit Kom-
munikation fallen in das Bewusstsein psychischer Systeme und umgekehrt. Nur dadurch, dass die Umwelt
sozialer Systeme, also die Bewusstseinssysteme Anschlussfähig und bereit sind, dessen Differenz von System
und Umwelt aufzunehmen. Dadurch hilft es diese Differenz und Kommunikation aufrechtzuerhalten, bringt
aber dabei auch die eigene Komplexität mit ein, reproduziert und konstituiert sich also auch selbst. Dadurch
entsteht Beziehung: das Ausloten von Konsensfähigkeit und anschließende Konformität und Abweichung. Das
Eingehen von Bindungen kann dabei auf Basis verschiedener Differenzschemata erfolgen, etwa durch Achtung
und Missachtung im Fall moralischer Codierung und Generalisierung.
25
Peirce 1998a, S.143
26
Peirce 1998b, S.345

3
nichtig“27. Während für Peirce Chaos und Zufälligkeit reines Nichts sind und die Evolution
danach streben sollte, dass „das Existierende mehr und mehr diese Allgemeinheiten verkör-
pert, von denen gesagt werden kann, dass sie vorbestimmt sind“28 und Hegel in der Wissen-
schaft der Logik eine Idee entwirft, die Einheit unserer Begriffe und der Objektivität, „das
Wahre ist, […] [und] nicht nur als Ziel zu betrachten, sondern dass alles Wirklich nur inso-
fern ist, als es […] [diese] Idee ist“29 und wenn es ihr nicht entspricht, nur Erscheinung,
Subjektives, Zufälliges und so weiter, ist für Luhmann alles von Haus aus kontingent oder
zufällig, das heißt eine Reduktion von nicht-erfassbarer Komplexität, „die Erwünschtes
wahrscheinlicher und Unerwünschtes unwahrscheinlicher macht“30. Dabei gibt es für Luh-
mann keine Garantien: jede Form der Kontingenzbewältigung ist wieder eine Form von Un-
sicherheit, ein Risiko, das eingegangen werden muss. Denn Kontingenz ist sowohl das Aus-
schließen von Notwendigkeit als auch das von Unmöglichkeit. Die Komplexität der Welt
übt zwar einen Selektionszwang auf jedes System aus, gibt aber weder einen bestmöglichen
Input noch eine feste Interpretation vor. Jeder Selektion stehen unzählige andere mögliche
und möglicherweise bessere gegenüber31. Luhmann wird entsprechend in der Erbfolge kon-
struktivistischer Denker gesehen32 und während im Pragmatismus und im Hegelschen Idea-
lismus und dessen Dialektik die Frage lautet: „wie […] Erkenntnis möglich [ist], obwohl sie
keinen von ihr unabhängigen Zugang zur Realität außer ihr hat, [kann Luhmann] mit der
empirischen Feststellung [des radikalen Konstruktivismus beginnen]: Erkenntnis ist nur
möglich, weil sie keinen Zugang zur Realität außer ihr hat“33.
In diesem Zitat bringt Luhmann nicht nur die Differenz zum Pragmatismus auf den
Punkt, sondern auch die gemeinsamen Annahmen: „Sie [vermeiden] sowohl naive

27
Ebenda, S.343
28
Ebenda, S.343f
29
Hegel, Wissenschaft S.667
30
Luhmann 2016, S.98f: Ein besonderer Fall der Kontingenz ist der, der doppelten Kontingenz der sich Ur-
sprünglich aus der Begriffswelt Talcott Parsons ableitet. Vergleiche dazu etwa Luhmann 2012, S.148-190 und
Parson et al. 1962a, S.16: „There is a double contingency inherent in interaction. On the one hand, ego's grati-
fications are contingent on his selection among available alternatives. But in turn, alter's reaction will be con-
tingent on ego's selection and will result from a complementary selection on alter's part. Because of this double
contingency, communication, which is the precondition of cultural patterns, could not exist without both gen-
eralization from the particularity of the specific situations (which are never identical for ego and alter) and
stability of meaning which can only be assured by ‘conventions’ observed by both parties.”
31
Vgl. Luhmann 2012, S.47
32
Buchinger 2012, S.18
33
Luhmann 1988, S.8f: Die operative Geschlossenheit von Systemen macht das Verstehen dessen, was Umwelt
ist einfacher. Nichts muss aufgenommen werden, sondern lediglich vom System erzeugtes angewandt werden.
Dadurch reduziert sich die Komplexität der Welt auf ein erkennbares Niveau. Dabei ist jedes System bistabil:
es kann sowohl bestehende autopoietische Prozesse aufrechterhalten, als auch zu anderen überkreuzen oder
wechseln und deren Erfolg testen. Mit der Zeit entsteht so aus Zufälligkeit, struktureller Kopplung und Selek-
tion eine Domäne der Unterscheidungen, die für das System „Sinn hat“. Vergleiche dazu auch Varela, Thomp-
son & Rosch 1993, S.155f

4
Abbildungstheorien wie auch Korrespondenztheorien von Wahrheit, die versuchen, eine
Welt dort draußen mit einer Welt im Subjekt zu vermitteln. Für beide Ansätze existiert weder
äußerer Geist noch äußere Ordnung. […] Sie sehen dagegen Subjekte oder Individuen immer
schon in Kommunikation mit anderen, wobei die Handlungen in einem Prozess von durch-
geführten Erfahrungen als auch bereits gemachten Erfahrungen stehen“34. Dieses Primat der
Kommunikation oder Sprache gegenüber der Tat bei Hegel erzeugt im Pragmatismus das
Verlangen, „die Frage zu beantworten […], wie eine verständigungsorientierte Benutzung
der Sprache möglich ist“35. In Anlehnung an Immanuel Kant formuliert Karl-Otto Apel „die
Frage nach den selbst noch kommunikativen, subjektiv-intersubjektiven Bedingungen der
Möglichkeit der sogenannten ‚Konventionen‘, […] [als das] Thema einer transzendental-
pragmatischen Wissenschaftstheorie“36. Für Apel wie für alle Pragmatiker37 ist es wesentlich
in einer pluralistisch-relativistischen Weise zu den sprachlichen Erkenntnisbedingungen
„vor- oder genauer: zurückzudringen“38.
Im Versuch die Grundlagen des verständigen Zusammenlebens herauszuarbeiten, poin- Sinnhaf-
tigkeit als
tiert Apel insbesondere drei Begriffe: 1) die subjektiv-intersubjektiven Bedingungen für Grundlage
sprachvermittelte Erkenntnis, 2) Sinnhaftigkeit und 3) Wahrheitsgehalt von Geltungsansprü- verständigen
Zusammenle-
39 bens
chen . Für den Pragmatismus in Anknüpfung an Peirce ist die Ausgangsbasis für jede Un-
tersuchung die Phänomenologie, die nicht nur zu den Kategorien führt, sondern auch zu
Wahrheit. Was so viel heißt, wie, dass der Pragmatiker „fähig ist, sagen zu können, hier ist
eine Definition und sie unterscheidet sich in keiner Weise von deiner auf verworrene Weise
wahrgenommenen Konzeption, weil es keinen praktischen Unterschied gibt“40. Im sprach-
pragmatischen Sinne entscheidet sich Sinn- und Wahrheitsgehalt in einer Kommunikations-
gemeinschaft darauf aufbauend nur durch das Phänomen der Argumente41. Es geht also im-
mer auch um die transzendentalen Grundlagen für argumentativen Diskurs. Wie für Apel
gibt es auch bei Luhmann das Transzendentale. Allerdings sieht er nicht wie Kant „die

34
Reich 2008, S.97
35
Habermas 1984, S.497f
36
Apel 1982, S.23
37
Allerdings ist zu erwähnen, dass nicht alle Pragmatiker einer Meinung sind. Habermas 1982, S.203f spricht
sich etwa gegen die Verwendung des Begriffs Transzendental aus, da er etwa eine Unterscheidung von empi-
rischer und transzendentaler Erkenntnis nahelegt. Während Margolis 2002, S.38-44 Apels Verständnis von
Peirce angreift: so sagt dieser, dass Apel aus Peirces Aussage, dass Logik Ethik voraussetzt, die Notwendigkeit
für eine ideale Kommunikationsgemeinschaft mit dem gemeinsamen Ziel der Verständigung ableitet. Peirce
dahingegen scheint so ein Ziel als nicht zwingend erreichbar anzusehen. Peirce ist dabei in seinem Verständnis
von Pragmatismus vermutlich näher an der Kontingenzformel Luhmanns als Apel.
38
Ebenda, S.23;
39
Vgl. Ebenda, S.43f
40
Peirce 1998a, S.141
41
Apel 2016a, S.46

5
formalen Bedingungen der Anschauung a priori, die Synthesis der Einbildungskraft, und die
notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption“42 und damit eine uni-
versale Grundbedingung jeder Erkenntnis, sondern ersetzt das transzendentale Subjekt durch
die Selbstreferenz eines Menschen oder Bewusstseinssystems43. Ähnlich verfährt er mit dem
Begriff der Intersubjektivität, der „aufgegeben werden […] [muss, damit] an dessen Stelle
[…] das Konzept des selbstreferentiell-geschlossenen Systems gesellschaftlicher Kommu-
nikation“44 treten kann. Dies ändert aber nichts daran, dass Referenzieren letztendlich45 auf
Beobachtung verweist und damit in gewisser Weise sogar eine Radikalisierung des Kant-
schen Schemas darstellt, indem eine Radikalisierung und Alleinstellung der Beobachtung
als Erstursache erfolgt46. Selbstreferenz wird dabei in den 1990ern von Luhmann zusehends
durch Fremdreferenz ergänzt. Dabei bilden beide eine „Einheit“47: die Zuschreibung dessen,
was Fremd oder Selbst ist, kann beliebig verändert werden. Aber nur durch die paradoxe
Beziehung der beiden Modi potenziert sich aus konstruktivistischer Sicht das, was Apel wei-
ter fordert, Sinnhaftigkeit und Wahrheitsgehalt48.
Sinn im pragmatischen Sinne ist in erster Linie „Bedeutung eines Wortes oder eines Sat-
zes“49, beinhaltet aber auch die Vorstellung, dass eine Intention zu einem symbolischen Aus-
druck kommen, „also geäußert werden“50 kann. Peirce fasst diese zweite Komponente neben
der Wortbedeutung wie folgt zusammen: „Die Bedeutung eines Wortes ist vielmehr die Ge-
samtheit aller abhängigen Vorhersagen, für die die Person, die es benutzt, intendiert, sich
verantwortlich zu machen oder intendiert, sie zu verleugnen“51. Für Luhmann ist wesentlich,
dass Kommunikation nicht die Übertragung von Sinn von einem Sender zu einem Empfän-
ger ist52. „Kommunikation ist koordinierte Selektivität. […] Die Mitteilung selbst ist zu-
nächst nur eine Selektionsofferte“53. Sinn erscheint damit nicht als eine Intention, sondern

42
Kant 2013, S.124
43
Luhmann 2012, S.606f
44
Luhmann 1995, S.50: schon 1975 schreibt Luhmann 2017, S.674 dazu: „[Wir können] den sozialen Prozess
der intersubjektiven Konstitution der Welt als Selbstkonstitutiv ansehen. […] Unter systemtheoretischen Ge-
sichtspunkten gehen wir […] dazu über, ihn als Ausdifferenzierung eines spezifischen sozialen Systems der
Gesellschaft zu betrachten.“
45
Luhmann 2012, S.596f behält sich den Sonderfall vor, in dem Referenzieren nicht dem Informationsgewinn
dient. In diesem Falle sind Referenz und Beobachtung unterschieden, denn es kommt zu keiner Einheit der
Differenz aus zwei Seiten.
46
Christis 2001, S.333
47
Luhmann 2018b, S.755
48
Vgl. Ebenda, S.754f
49
Habermas 1984b, S.11
50
Ebenda, S.12
51
Peirce 1998c, S.256
52
Vgl. Seidl 2006, S.28
53
Luhmann 2012, S.212

6
„als Überschuss von Verweisungen auf weitere Möglichkeiten“54. Sinn ist vielmehr in allem
als Weltverweis Fremdreferenz und Möglichkeit, andererseits und zugleich Selbstreferenz
als Aktualisierung der Beobachtung auf Basis vergangener Unterscheidungen55. Ähnlich
verhält es sich mit Wahrheit: sie kann nur durch das Entstehen einer Reflexionstheorie wie
der Wissenschaft bestimmt werden, die sich aus der Selbstreferenz eines Systems ergibt, aus
einem „autologischen“56 Schluss57. Sowohl Sinn als auch Wahrheit ergeben sich entspre-
chend als eine Einheit, die der Differenz zwischen einem bestimmten System und seiner
Umwelt. Für das Zustandekommen von Kommunikation und damit eines sozialen Systems
braucht es doppelte Kontingenz. Zwei oder mehr selbstreferentielle Perspektiven erzeugen
durch ihr gegenseitiges Unterstellen ähnlicher Wahrheits- oder Sinnschemata „ausreichende
Transparenz [oder Weisheit] für den Verkehr miteinander. [Sie erzeugen sozusagen] […]
Realitätsgewissheit, weil dies Unterstellen zu einem Unterstellen des Unterstellens beim al-
ter Ego führt“58. Dass ein Verstehen von Wahrheit und Sinn beim jeweils anderen entsteht,
ist nach Luhmann also möglich, aber immer zufällig. Dennoch ist für ihn wesentlich, dass
diese „an sich unwahrscheinliche Autopoiesis eines Kommunikationssystems“59 durch Spra-
che umgedreht „und in die Richtung des Aufbaus komplizierter, interpretationsfähiger, sich
auf bereits gesagtes stützende Kommunikationsweisen gelenkt“60 werden kann. Hier liegt
ein wesentlicher Berührungspunkt zwischen Luhmann und Peirce, denn beide versuchen,
das Verständigungsproblem61 auf ähnliche Weise zu lösen: so sagt zweiter einerseits über
die Kraft von Ideen, „dass wenn ein Leser nicht die Wahrnehmungsgewohnheit hat, Ideen
wahrzunehmen wie er, kann nur ein Fangnetz in dessen Erfahrung geworfen und gehofft
werden, dass es ein Ereignis herausfischt in der derjenige eine ähnliche Konzeption hatte“62

54
Ebenda, S.93
55
Vgl. Luhmann 2018a S.44-51
56
Autologisch nach Luhmann 2018a, S.16 meint, dass eine Beschreibung das Beschreiben vollzieht. Sie muss
sich also im Beschreiben selbst mitbeschreiben: „Sie muss ihren Gegenstand als einen sich selbst beschreiben-
den Gegenstand erfassen.“
57
Vgl. Luhmann 1992, S.485: Dabei ergeben sich verschiedene Formen von Wahrheit, die etwa die Kantschen
und andere Unterscheidungen ersetzen. Siehe ebenda, S.546: „Selbstreferenz und Fremdreferenz ersetzt nicht
nur die Unterscheidung von transzendental und empirisch; sie ersetzt auch die Unterscheidung von analytisch
und synthetisch. […] ‚das‘ Problem der Wahrheit und ‚das‘ Problem des Sinnes von Sinn […] [wird dadurch]
in spezifizierbare (aber andere!) Unterscheidungen [überführt] -- nämlich die des binären Codes wahr/unwahr
und die der Differenz von Aktualität und Virtualität [oder Möglichkeit].“
58
Luhmann 2012, S.156f
59
Luhmann 2018a, S.212
60
Ebenda, S.212
61
Verständigungsproblem ergibt sich aus der doppelten Kontingenz, es meint dir Unwahrscheinlichkeit des
Verstehens. Daneben gibt es zwei weitere Probleme, die Kommunikation unwahrscheinlich machen: das, der
Reichweite oder des Erreichens eines Empfängers und das des Erfolgs, d.h. der Annahme oder Ablehnung der
kontingenten Information durch den Empfänger und damit die Entscheidung über eine Interpenetrationsbezie-
hung eines Egos mit einem Alter. Vergleiche dazu etwa Luhmann 1981, S.26f
62
Peirce 1998d, S.122

7
und es braucht entsprechend zuvor gesagtes, um Wahrscheinlichkeit zu erhöhen und Un-
wahrscheinliches zu reduzieren. Zum zweiten „sollten wir unverzüglich damit anfangen zu
hoffen, [dass es in unserer Erfahrung ein Element der Vernünftigkeit gibt, das wir auf An-
näherungen an Verständnis hintrainieren können], da in dieser Hoffnung die einzige Mög-
lichkeit irgendeines Wissens liegt“63, die Bedingung für Konsens. Als ein solches Element
sieht Luhmann eben Sprache an: Sie erzeugt „den Eindruck des übereinstimmenden Verste-
hens […] – wie brüchig immer dieser Eindruck zustande gekommen sein mag“64. So sehr
wie Luhmann also die Schwierigkeiten des kommunikativen Erfolgs betont, suchen die
Pragmatiker nach praktischen Lösungen in einer Welt der Transzendentalien oder kategori-
schen Bedingungen für diesen unwahrscheinlichen Erfolg.
Sprache verweist bei Luhmann auf den Begriff des Mediums. Jedes Medium dient der Die Diffe-
renz von Me-
Kommunikation und Fortsetzung derselben durch eine dreifache Selektion aus Informa- dium und
tion65, Mitteilung und Verstehen66. Sprache als Kommunikationsmedium entsteht dabei Form als die
Einheit von
selbst aus der Differenz von Medium und Form. Luhmann verweist zum Verständnis der Form und In-
halt
Medium/Form Differenz auf Ilia Prigogine, der schreibt, dass irreversible „Unordnung die
Quelle für Ordnung ist. Unordnung erzeugt ‚Ordnung aus dem Chaos‘ […], weil sie neue
kollektive Modi [erlaubt], die eine große Anzahl von Partikeln beinhalten“67. In ähnlicher
Weise erlaubt das schwach- oder unstrukturierte Medium Sprache, indem „die lose gekop-
pelten Worte […] zu Sätzen verbunden [werden] und […] dadurch eine in der Kommunika-
tion temporäre, das Wortmaterial nicht verbrauchende, sondern reproduzierende Form [ge-
winnen]“68, eine vereinfachte Anwendung der Operationen, die für den Aufrechterhalt eines
autopoietischen Systems wesentlich, weil formgebend und ordnend69, sind. Anders gesagt
handelt es sich um den Übergang von loser zu strikter Kopplung: ein Medium besteht aus
lose gekoppelten Elementen, ist dafür aber weniger anfällig für Zerfallserscheinungen, wäh-
rend die Form durch Dichte und Kopplung versucht, Durchsetzungsstärke zu erzeugen und
dadurch ihre zeitliche Flüchtigkeit in Stabilität zu überführen, insbesondere

63
Peirce 1998e, S.222
64
Luhmann 1981, S.28
65
Luhmann definiert Information in Anlehnung an Bateson 1987, S.276 als „Unterschied, der einen Unter-
schied macht.“ Das heißt als eine Differenz, die in einem anderen System eine Differenz erzeugt und dadurch
dessen Zustand ändert vgl. Luhmann 2018a, S.190
66
Luhmann 2018a, S.190
67
Prigogine & Stengers 1984, S.286f
68
Luhmann 2018a, S.197
69
Luhmann 1981, S.29

8
Gedächtnisstrukturen zu schaffen, die bestehende Systemdifferenzierungen erinnern und
weiterkommunizieren70.
Auch bei Hegel findet sich die Form wieder. Allerdings ist sie hier vielmehr wie das
Medium definiert, denn „in die Form als in-sich nicht reflektiert fällt das Negative der Er-
scheinung, das Unselbständige und Veränderliche, – sie ist die gleichgültige äußerliche
Form“71. Sie ist im Gegensatz zum Inhalt lose, teilhaft und schwach strukturiert, während
der Inhalt die Teile negiert und dadurch zu Ganzem macht72, ähnlich wie ein Medium sich
durch die lose Kopplung seiner Elemente gegenüber der Form auszeichnet. Die Form ist
darüber hinaus die einzige Möglichkeit für den Inhalt zu wirken, zu erscheinen und noch
viel wichtiger, wie auch die Differenz von Medium und Form bei Luhmann „Eigenleistung
des wahrnehmenden Organismus ist […] [und damit] die Form Medium werden kann“73,
sieht Hegel ein Umschlagen des einen in das andere „so, dass der Inhalt nichts ist als das
Umschlagen der Form in den Inhalt, und die Form nichts als Umschlagen des Inhalts in die
Form“74. Wie Hegel schreibt, bekommt die Form durch den Inhalt ein materielles, gleich-
gültiges Bestehen, zugleich kann nur der Inhalt Grund sein75. In gewisser Weise ist Form
schwächer als Inhalt, wie auch Luhmann schreibt, dass nicht „das mediale Substrat, sondern
nur die Formen im System operativ anschlussfähig sind. […] Man hört nicht die Luft, son-
dern Geräusche“76. Die Luhmannsche Form und der Hegelsche Inhalt, so sehr sie nicht ohne
Medium oder Form auskommen, weil „nichts im Grunde [ist], was nicht im Begründeten ist,
so wie nichts im Begründeten, was nicht im Grunde“77, sind sie doch die Kraft, die autopoie-
tische Systeme, Kommunikation, Gesellschaft und damit intersubjektive Wirklichkeit, mit
„Möglichkeit und Zufälligkeit […] [als ihren] Momenten“78, aufrechterhalten79.

70
Luhmann 2018a, S.198-201
71
Hegel, Enzyklopädie §133
72
Ebenda, §135f
73
Luhmann 2018a, S.197
74
Hegel, Enzyklopädie §133
75
Hegel, Wissenschaft S.396
76
Luhmann 2018a, S.201
77
Hegel, Wissenschaft S.398
78
Hegel, Enzyklopädie §145
79
Sicherlich muss man anmerken, dass die Übereinstimmung nicht exakt ist. So enthält nach Hegel, Enzyklo-
pädie §129, Form Materie, wie auch sich Inhalt in verschiedenen Einheiten aus Form und Materie mitteilen
kann. Aber schlussendlich schreibt Hegel in der Enzyklopädie §145, dass Innen und Außen, damit auch Mate-
rie, lediglich als bloße Formen gesetzt sind. Der Inhalt steht dabei zum einen der Form entgegen, ergibt sich
aus ihr, und zum zweiten ist er das in Form und Materie identische. Der Inhalt ist die Reflexion in sich, und
damit Formbestimmung. Wie für Luhmann handelt es sich also, um eine Operation eines Beobachters, der die
Unterscheidungen – ein Innen und ein Außen – erzeugt. Lediglich, dass hier die Einheit nicht in der Differenz
liegt, sondern in der Identität durch den Inhalt. Auf diesen Sachverhalt deutet auch Luhmann 2012, S.607 an.

9
Nach Apel braucht so eine „kontingente Voraussetzung des verstehenden In-der-Welt- Universali-
sierungs-
Seins“80, also die oben dargestellte Piercesche Konsenstheorie der Wahrheit, den Verweis grundsatz,
auf weder rein zufällige noch rein mögliche „Präsuppositionen […], die im transzendental- symbolische
Generalisie-
hermeneutischen und transzendental-pragmatischen Sinne für das Denken der kontingenten rungen und
der Begriff
Voraussetzungen nichthintergehbare Bedingungen der Möglichkeit sind“81. Daraus leitet
sich ein Verfahrensprinzip ab, das eine konsensual-kommunikative Herleitung situations-
spezifischer Normen verlangt, solcher Letztbegründungen, die entsprechend des Kantschen
kategorischen Imperativs von allen Diskursteilnehmern zwanglos akzeptiert werden kön-
nen82. Apel versucht durch die Einführung dieses Universalisierungsgrundsatzes etwas Ähn-
liches zu erreichen wie eine besondere Gattung von Medien in Luhmanns Theorie der evo-
lutionären Selektion. Die sogenannten symbolisch generalisierten Medien oder Mechanis-
men dienen nach deren Erfinder, Talcott Parsons, der „Kommunikation einer verallgemei-
nerten Intention, auf deren Basis Vertrauen in spezifischere Intentionen eingefordert oder
erwartet werden können“83. Durch das Betonen eines bestimmten Wertes84 kann „Ego eine
Situation so strukturieren, dass Alter mitziehen muss“85. Es kommt zu einer Beschreibung
der Gesellschaft „als ob mit durchgängigem […] [, durch diese situationsspezifischen oder
übergreifenden Werte, Prinzipien oder Codes,] gesichertem Konsens zu rechnen ist“86. Al-
lerdings reicht dies noch nicht für eine ideale Kommunikationsgemeinschaft aus, eine Ge-
meinschaft die wirklich imstande ist Geltungsansprüche angemessen zu beurteilen, sondern
Sinn- und Wahrheitsschemata müssen reproduktiv stabilisiert werden, das heißt, es muss
zusätzlich „auf einen besonderen Mechanismus […] [zurückgegriffen werden], nämlich auf
Systembildung“87. Das heißt, es braucht „Sequenzen des Einbaus von Strukturänderungen
in ein strukturdeterminiert operierendes System“88, um situativen Konsens zu erreichen. Bei
Hegel führt die Dialektik zwischen Materie, Form und Inhalt sowie der Wirklichkeit darin,
die noch bloße Möglichkeit im Zufall oder bloßer Zufall in der Möglichkeit ist, zum bereits
genannten Begriff. Durch die Formen des Begriffs findet auch hier eine weitere

80
Apel 2016b, S.114
81
Ebenda, S.114
82
Ebenda, S.120-122
83
Parsons 1969, S.416
84
Ebenda, S.403 nennt Parson als solche Medien Commitments, Influence, Power, Money die in gleicher Rei-
henfolge folgende Wertorientierungen nach sich ziehen: Pattern-Consistency, Solidarity, Effectiveness und
Utility. Luhmann 1981, S.28 erweitert diese Liste um Wahrheit für das Wissenschaftssystem und Liebe für
Intimbeziehungen.
85
Parsons 1969, S.411
86
Luhmann 2018a, S.204
87
Luhmann 1975, S.163
88
Luhmann 2018a, S.488

10
Intensivierung der Kontingenzbewältigung statt, „denn sie sind der lebendige Geist des
Wirklichen, und von dem Wirklichen ist wahr nur, was Kraft dieser Formen, durch sie und
in ihnen wahr ist“89. Der Begriff ist wiederum eine Art der Form, aber wie gleich gezeigt
einerseits Schnittstelle zwischen Luhmannschen90 Medien und deren zeitlich bedingten For-
men und andererseits eine Kategorie, die Analogien zu ausdifferenzierten Systemen auf-
weist, nämlich die Identität eines Systems mit sich selbst innerhalb eines Begriffs.
In seiner subjektiven Form ist der Begriff das, welches durch seine Freiheit Notwendig-
keiten erschafft91, von denen nicht „rein abstrakte Allgemeinheit [gefordert] wird, sondern
die ausdrücklich auch spezifische Bestimmtheit“92 sind und damit, wie Luhmann für sym-
bolische Generalisierungen fordert, vorherige Medien durch „abstraktere und zugleich spe-
zifischere Mittel“93 im doppelten Sinne aufheben. Die erfolgreiche Annahme von Kommu-
nikation und damit doppelkontingente Wahrheit in sozialen Systemen, könnte man mit He-
gel über Luhmann urteilen, hängt von diesen subjektiven Begriffen ab, die ähnlich wie die
symbolisch generalisierten Medien Motive „konditionieren und über Konditionierungen er-
wartbar machen. Zugrunde liegt dem ein Vorgang von Auflösung und Rekombination“, des-
sen was in den Begriffen von Anfang an enthalten ist, diesen ihr ursprüngliches Verhalten
und Entscheiden imprägniert hat. Medium und Form und damit Kommunikation bleibt damit
im Laufe der gesellschaftlichen Evolution nichts weiter übrig zu diesen zugleich generali-
sierenden und spezifizierenden Gestalt zurückzukehren.
Der subjektive Begriff allerdings speist sich selbst wieder oder ist aufgehoben im objek-
tiven Begriff oder dem Objekt. Das Objekt als „unmittelbares Sein durch die Gleichgültig-
keit gegenüber dem Unterschied, [den es in sich aufgehoben habt] […] ist in sich Totalität,
und zugleich, indem diese Identität nur die ansichseiende der Momente ist, ist es […] ein
Zerfallen in Unterschiedene, deren jedes Selbst die Totalität ist“94. Luhmann vollzieht den

89
Hegel, Enzyklopädie §162
90
Luhmann 2018a, S.61f vergleicht den Hegelschen Begriff mit seiner Form, denn für beide ist „der Einschluss
einer Unterscheidung konstitutiv“. Allerdings sagt er auch, dass Hegel sehr viel weitergehende Ansprüche in
seinen Begriff eingebaut hat, e.g. der Begriff löst das Problem seiner Einheit selbst indem er sich als einzelner
setzt.
91
Hegel, Wissenschaft 2ter Teil II S.507
92
Ebenda, 2ter Teil II S.518
93
Luhmann 1981, S.29
94
Hegel, Enzyklopädie §194; Der objektive Begriff setzt sich aus drei Grundkomponenten zusammen, die die
drei wesentlichen Aspekte eines Luhmannschen Systems wiederspiegeln: der Mechanismus kann als Analogie
zur operativen Geschlossenheit gesehen werden, denn im Mechanismus ist das Objekt gegen jedes andere dif-
ferent, also abgeschossen, aber zugleich ist dessen Selbständigkeit nur durch, seine Unselbständigkeit, also
Anschlussfähigkeit vermittelt; im Chemismus findet sich die Vorstellung der Autopoiesis wieder, wenn Hegel
in der Enzyklopädie §203 schreibt, dass es sich dabei um ein Übergehen der Objekte in die Produkte ihres
eigenen Prozesses handelt, in denen sie aufgehoben sind; In der Teleologie findet sich die Einheit der Differenz
aus System und Umwelt wieder, denn so Enzyklopädie §210 ist er die gesetzte Einheit des Objektiven und
Subjektiven.

11
Schritt zu einem Objekt nicht, aber als weitere besondere Art der Form führt er, wie gesagt,
die Unterscheidung von System und Umwelt, wie auch die von Aktual und Möglich, also
Sinn ein, die theoriegeschichtlich an die Stelle der klassischen Form des Objekts tritt95. Sys-
teme sind dabei auch Totalität, genauso nach außen Differenziert, wie in sich Zerfall, Prozess
und reiner Übergang, der Reproduktion erfordert. Eine „Interne Differenzierung […], die an
die Grenzen des bereits ausdifferenzierten Systems […] [anschließt und] als reflexive Stei-
gerung der Ausdifferenzierung des Systems“96 die Selbstselektion von Teilsystemen, „die
absolute Vielheit der Unterschiede […] in der Monade der Monaden und der prästabilierten
Harmonie […] [des Objekts oder Systems innere] Entwicklung“97 steuert, so Hegel mit Luh-
mann vereint.
Das würde so viel heißen wie, dass in der Hegelschen Idee, der höchsten Form des Be- Idee und
Sinneinheit
griffs, der Ursprung aller System und darin aufgehobenen Medien liegt, denn sie ist, „weil von System
in ihr alle Verhältnisse der Verstandes, aber in ihrer unendlichen Rückkehr und Identität in und Umwelt:
Kategorien
sich enthalten sind […] als die Einheit des Ideellen und Reellen, des Endlichen und Unend- als ideell ge-
neralisierte
lichen, der Seele und des Leibes, als die Möglichkeit“98 spiegelbildlich für die Sinneinheit Medien
der Differenz aus System und Umwelt, durch die Luhmann einen „differenzlosen Letztbe-
griff schafft […], als Einheit, die zwei Unendlichkeiten, die innere und äußere, [in jeder
Kommunikation und Systembildung,] umfasst“99. Zuletzt liegt auch für Apels transzenden-
tale Pragmatik der Ausgangspunkt für Sinn- und Wahrheitsgeltung in dem, was für Peirce
Grund für Hoffnung, Repräsentation, Verstehen, Wahrheit und so weiter ist, „die Selbst-
Entwicklung der essentiellen Idee [Hegels, die er in seinen Kategorien wiederfindet,] […]
durch einen ausgeklügelten Prozess, gegründet auf kombinierter Erfahrung und Ver-
nunft“100, der für Apel „die Realisierung der im Diskurs immer schon kontrafaktisch antizi-
pierten idealen Kommunikationsgemeinschaft“101 ist.
Kategorien lassen sich demzufolge in Luhmanns Theorie als eine besondere Art der Me-
dien rekonstruieren. Nicht nur drücken sie als erste Generalisierungen die subjektiv-in-
tersubjektiven Bedingungen der Möglichkeit beziehungsweise der sprachlichen Vermittlung
intersubjektiver Erkenntnis, sondern auch mögliche Transzendentalien als rekonstruierbare
Fundamente für jedwede Sinnhaftigkeit und Wahrheitsgeltung aus. Zum Dritten sind sie als

95
Vgl. Luhmann 2018a, S.63
96
Luhmann 2012, S.259
97
Hegel, Enzyklopädie §194
98
Hegel, Enzyklopädie §214
99
Luhmann 2012, S.283f
100
Peirce 1998f, S.162
101
Apel 2016c, S.368

12
Ideen die Bedingung für das Erfassen jedes Unterschiedes, der einen Unterschied macht.
„Das Urteil selektiert eine Sichtweise, die durch diesen Akt der Auswahl wirklich Tatsache
wird“102, Identitäten in der Unmittelbarkeit von selektierender Reflexion. Allein diese Fä-
higkeit kann nach Peirce103 schon lediglich als Ausdruck einer Kategorie aus Phasen evolu-
tionären Fortschritts verstanden werden, oder, wie Luhmann sagen würde, eine evolutionäre
Errungenschaft darstellen, „ein strukturelles Arrangement mit deutlicher Überlegenheit über
funktionale Äquivalente“104. Denn, erst wenn ein Mensch seine sensomotorische Intelligenz
voll entwickelt hat, können “vorhergehende Schemata entsprechend der Variationen der ge-
genwärtigen Situation differenziert werden, aber diese Differenzierung, anstelle dessen
durch Greifen und rein anhäufendes Assimilieren [direkt mit einer Situation] zu arbeiten
[…], operiert nun auf deren symbolischen Substitution“105. Erst hier entsteht die Doppel-
struktur des Symbolismus, der als "Bezeichnendes“ und dynamischer Prozess des Bezeich-
nens, der ein „Bezeichnetes“ oder damit bewusstes Denken, Bedeutung, Sinn, Verstehen und
dessen Möglichkeit erschafft106.
Entsprechend sind für Luhmann die subjektiv-intersubjektiven Bedingungen für Erkennt-
nis, als maximale Reduktion von doppelter Kontingenz, die Einheit der gesellschaftlichen
Kommunikation in ständiger operativer Kopplung mit Bewusstseinszuständen, in denen das
Bewusstsein nicht nur als ein Medium angesehen werden kann, sondern als Freiheit und
Modalität107, das Raum für die Evolution von Sprache öffnet, wie auch „die Sprache dann
wieder ein Medium ist, in das das Bewusstsein konkrete Aussageabsichten einprägen kann,
[nicht nur] indem es Worte zu Sätzen zusammendenkt und eventuell entsprechende Kom-
munikationen auslöst“108, sondern auch, indem es innerhalb der eigenen Ganzheit seiner
apriorischen, universellen und evolutionären Strukturen Vererbungslinien schafft, „denn der
Verstand ist durch gedachte Funktionen völlig erschöpft, und sein Vermögen dadurch gänz-
lich ausgemessen“109. Entsprechend ist Bewusstsein wie Gesellschaft im permanent fließen-
den Ineinander übergehen von Medium zu Form als Selbstreplikation der Kategorien die

102
Bateson 1987, S.485
103
Vergleiche dazu Peirce 1998a, S.143: “Categories are of two kinds, the Universal Categories, all of which
apply to everything, and the series of categories consisting of phases of evolution.”
104
Luhmann 2018a, S.506
105
Piaget 1956, S.344
106
Piaget 1956, S.352f bezieht sich hier auf Saussures 1966 Course in General Linguistics, dessen Konzept der
Differenz wesentlich für die Entwicklung von Luhmanns Theorie war, für Saussre 1996, S.108 ist der Sprach-
mechanismus „geared to differences and identities, the former being only the counterpart of the latter“, d.h.
Differenz und Identität gehören hier noch zusammen, während bei Luhmann die Differenz eine noch wesent-
lich führendere aber auch integrativere Rolle einnimmt.
107
Vgl. Luhmann 1995, S.42f
108
Ebenda, S.44
109
Kant 2013, S.77

13
darin aufgehoben und vervielfältigt werden, und ungeachtet dieser scheinbaren Statik, durch
deren selben Differenzierung, Übertragungen und Synthesen das Entstehen von Erfindung
und gesellschaftlicher Evolution ermöglichen110, 111. Auch wenn Luhmann seine poststruk-
turalistische Vorstellung von Autopoiesis, davon, „wie Gedanken Gedanken erzeugen“112,
als alleinig wesentlich zum Verständnis des Bewusstseins ansieht, so berührt er dennoch
Transzendentalismus, Idealismus und Strukturalismus, indem alles durch die eigenen Struk-
turen determiniert ist und dies bedeutet im Falle der kommunikationsabhängigen Systemthe-
orie, von einer Struktur des Bewusstseins mitdeterminiert zu sein, „einem Ursprung in der
Differenzierung von Bezeichnungen und bezeichneten Gegenständen […], [der] die Ent-
wicklung der sensomotorischen Intelligenz fortsetzt […], [nämlich durch] das symbolische
Spiel oder Phantasiespiel, als […] die reinste Form des Denkens“113. Da, so Peirce, „die erste
Regel des guten Geschmacks beim Schreiben ist, Worte zu benutzen, deren Bedeutung nicht
missverstanden werden kann“114 und dies als Teil einer Ethik der Terminologie, braucht es
einen neuen Begriff für Medien, die mehr als symbolische Generalisierungen, weil zugleich
Kategorien, sind. Dabei bietet sich vielleicht an, weiter von generalisierten Mechanismen zu
sprechen und lediglich das Wort symbolisch durch die Hegelsche Idee oder das Transzen-
dental in Transzendentalpragmatik zu ergänzen und folglich vom transzendental generali-
sierten Medium Bewusstsein zu sprechen oder von ideell generalisierten Medien.
Die folgenden Abschnitte gelten nun der Bestimmung der transzendentalen Generalisie- Weiteres
Vorgehen zur
rungen, die jeweils beides sind, Bewusstseinsstrukturen und in der Kommunikation, als Ge- Bestimmung
sellschaft, beobachtbare Erscheinungen. Als erstes Moment wird sich der Spannung zwi- der ideell Ge-
neralisierten
schen Differenz und Identität zugewandt, oder die scheinbar duale Struktur der menschli- Medien

chen Wahrnehmung, als Widerstreit zwischen und Synthese aus Festem und Veränderli-
chem, beleuchtet. Darauffolgend werden die drei Hauptkategorien der Hegelschen Logik

110
Piaget 1973, S.18
111
Vgl. Piaget 1973, S.59-70: Auf welche Weise genau die apriorischen Strukturen, Kategorien, Ideen oder
ähnliches zustande kommen soll hier nicht erörtert werden. Nach Baldwin 1930, S.11f gibt es wohl eine ge-
netische Logik: “the body inside or psychic process in which mental development takes place”. Heute spricht
man dabei oft von natürlichen Theorien, Vergleiche dazu Parkinson et al. 2011 oder Carey 2010. Piaget 1956,
S.5-9 spricht neben der biologischen Organisation von Adaption als Assimilation und Akkommodation und
betont damit die Wechselwirkung mit der Umwelt. Assimilation und Akkommodation sind auch für Luhmann
wichtig, damit ein psychisches System eine strukturelle Kopplung mit der Umwelt eingehen kann, so Buchin-
ger 2012, S.23. In Luhmanns Sinne und dessen Anlehnung an den biologischen Konstruktivismus von Matu-
rana und Varela müssten Apriori Strukturen des Bewusstseins wohl auf die Phylogenese des menschlichen
Gehirns zurückgeführt werden. So zeigt etwa McGilchrist 2009 Parallelen zwischen neuronalen Strukturen
und geistigen Strömungen auf, wie auch Lakoff 2009 auf den Zusammenhang zwischen Hirnstruktur und po-
litischer Gesinnung aufmerksam macht.
112
Luhmann 1995a, S.61
113
Piaget 1974, S.143f
114
Peirce 1998g, S.265

14
Sein, Wesen, Begriff und die Erstheit, Zweitheit, Drittheit des Peirceschen Denkens anhand
Luhmanns Unterscheidung von Differenz, Evolution und Kommunikation rekonstruiert.
Nachdem die Stufen der Subjekt- und Kulturentwicklung, die für ein Verständnis soziologi-
scher Organisationsforschung relevant sind, und verschiedene Geltungsansprüche eingeführt
wurden, soll abschließend, bevor sich der Luhmannschen Organisationstheorie gewidmet
wird, noch die Rolle der Beobachtung und des absoluten Geistes, durch den Begriff des
Vierten, verständlicher gemacht werden.
2.1.1. Differenz und Identität
„Ungeachtet dessen, [dass es nicht die gesamte Essenz dessen aussagen kann, worüber es Univokation
von Diffe-
ausgesagt wird,] sage ich, dass ‚Sein‘ das erste Objekt des Intellekts ist, denn in ihm trifft renz und
ein zweifaches Primat zusammen, namentlich, ein Primat der Allgemeinheit und eines der Identität im
Substanz-
schöpferischen Wirksamkeit“115. Für den schottischen Scholastiker Johannes Duns Scotus und Akzi-
denzdenken
ist der Begriff des „Seins“ also in allem enthalten oder zumindest in allem etwas, das Sein
enthält, „um es kurz zu machen, ‚Sein‘ steht univok116 für alles“117. Dieses Verständnis von
Sein, als etwas, das von allem bedeutungsgleich ausgesagt werden kann, und damit die ein-
zig unbedingt richtige Antwort auf die Frage auf das ist, „was ist oder sei?“, kann wahrheits-
erhellend bezüglich der Hegelschen Identität und der Luhmannschen Differenz sein. Denn,
die Einheit der Differenz im ausgeschlossenen Dritten, der Beobachtung, wurde von Luh-
mann bereits als in allem Sinneinheit stiftender Letztbegriff genannt. Dabei ist sie, laut ihm,
das exakte Gegenstück zur Hegelschen Identität118, aber beide stellen ebenso eine Univoka-
tion dar: entweder es ist Differenz oder Identität, etwas anderes ist für „Seiendes“ nicht mög-
lich.
So ist auch bei Duns Scotus, nur das hinreichend und angemessen, wahrgenommen zu
werden, was sich aus den primären transzendentalen Begriffen der Allgemeinheit und schöp-
ferischen Wirksamkeit oder Vitalität ergibt, zum einen das Identische, zum anderen Diffe-
renz. Denn, durch das Primat der Allgemeinheit erkennt der Intellekt das intelligible als das,
was als „Was“ bestimmbar ist, innerhalb der Vitalität, alles als differenzierend und bestim-
mend, und damit als „Wie“119. Gilles Deleuze in Differenz und Wiederholung bringt beide

115
Duns Scotus, Metaphysics I, I 3 S.4
116
Gilles Deleuze 1994, S.36 spricht von univok „nicht, wenn etwas in einem einzelnen und gemeinsamen
Sinne ausgesagt wird, sondern, wenn es in einem und gemeinsamen Sinne von all seinen individualisierenden
Unterschieden und Möglichkeiten gesagt wird.“ Nach Honnefelder 2005, S.60 definiert eine Mindestvoraus-
setzung für Univozität im Sinne Duns Scotus: „Die Wahrung einer Bedeutungseinheit in Anwendung auf ver-
schiedenen Referenzsubjekte.“
117
Duns Scotus, Metaphysics I, I 3 S.7
118
Vgl. Luhmann 2012, S.607
119
Ebenda, S.82

15
Seiten zusammen, indem er schreibt: „solange wir ein konkretes Wesen in Hinblick auf seine
[…] [Allgemeinheit] hin betrachten, […] erfahren wir lediglich ein empirisches, zufälliges
Konzept einer noch extrinsischen Differenz, sie ist außerhalb des Was […], [während] die
Bestimmung einer Sache Differenz mit Differenz, über aufeinanderfolgende Ebenen von
Trennung verknüpft, […] bis eine finale Differenz, in der gewählten Richtung, die Gesamt-
heit des Wesens und seine andauernde Qualität [– das Wie –] kondensieren lässt, sie unter
einem intuitiven Konzept verknüpft und sie entlang des definierten Begriffs fundiert,
wodurch sie [, die Differenzen,] selbst etwas Einzigartiges und Unteilbares werden“120. Mit
Duns Scotus entstehen demnach Differenz121 und Allgemeinheit als zwei Seiten des Seins,
die später in den Supertheorien von Hegel und Luhmann in Reinform verkörpert werden.
Allgemeinheit ist für Hegel, nicht nur im apodiktischen Urteil das „Was“, indem sich „Wie“
und „Was“ vereinigen, denn „wenn Subjekt und Prädikat an sich derselbe Inhalt sind, so ist
die konkrete Identität des Begriffs, im Ganzen hergestellt, […] jedes ist als der ganze Begriff
[…] die Formbeziehung, die Bestimmtheit als Allgemeines oder die Besonderheit“122, wäh-
rend für Luhmann „Selbstbeobachtung diejenige Operation [ist], die dem Strukturaufbau
von sozialen Systemen zugrunde liegt […], als Beziehen auf eine Differenz unter Voraus-
setzung von Limitationalität“123. Auch wenn bei Luhmann nun im Gegensatz zu Hegel das
„Wie“, die schöpferische Wirksamkeit von Beobachtung, im Vordergrund steht, muss be-
achtet werden, dass Beobachten einfach heißt: „Unterscheiden und Bezeichnen. […] Das
‚Unterscheiden und Bezeichnen‘ ist eine Operation, […] denn man kann nicht bezeichnen,
was man nicht, indem man das tut, unterscheidet“124 und umgekehrt hat „auch das Unter-
scheiden seinen Sinn nur darin erfüllt, dass es zur Bezeichnung der einen oder anderen Seite
dient“125 und damit ebenfalls eine Einheit aus dem „Was“ und „Wie“ darstellt, diesmal le-
diglich unter dem Aspekt der Bestimmung. Auch wenn man mit Kant die Sichtweisen von

120
Deleuze 1994, S.31. Allerdings ist hier hinzuzufügen, wie auch anschließend gezeigt wird, dass während
für Duns Scotus, laut Wolter 1946, S81f, beide Funktionen im erstellen zusammengesetzter Objekte wie „le-
bende Substanz“ zusammenwirken, also Präposition oder Adjektiv oder das Wie mit einem Was oder Subjekte
oder Nomen verbinden, kann für Deleuze das eine nicht ohne das andere gedacht werden. Was und Wie sind
bei ihm wechselseitig konstituiert.
121
Hier ist anzumerken, dass im Primat der Virtualität neben der Differenz Propria gibt. So, Duns Scotus in
Metphysics I, I3 S.4: Being “has a virtual primacy in regard to the intelligible elements included in the first
intelligibles, that is, in regard to the qualifying concepts of the ultimate differences and proper attributes.”
Dabei handelt es sich um solche Attribute die nicht für sich alleine stehen können und daher weder eigenes
Wesen noch „Washeit“ haben, aber eben auch wieder einen Unterschied machen. Indem sie einen Begriff auf
eine tautologische Weise beschreiben, fügen sie dem Begriff zwar nichts Wesentliches hinzu, radikalisieren
ihn aber. Vergleiche dazu Wolter 1946, S.87-89
122
Hegel, Wissenschaft 2ter Teil I D, c S.584
123
Luhmann 2012, S.408 & S.359
124
Luhmann 2018a, S.69
125
Ebenda, S.69

16
Hegel und Luhmann als scheinbare Antinomien, Antithesen oder Gegensätze bezeichnen
kann, „die nicht bloß einen gekünstelten Schein, der, wenn man ihn einsieht, sogleich ver-
schwindet, sondern einen natürlichen und unvermeidlichen Schein bei sich führen, der
selbst, wenn man nicht mehr durch ihn hintergangen wird, noch immer täuscht, obschon
nicht betrügt, und also zwar unschädlich gemacht, aber niemals vertilgt werden kann“126 sind
sie zugleich integrative Prinzipien, eine Ordnungsstruktur, die weit über die Anfänge der
Begriffe hinausgehen.
Aber, der Seinsbegriff bei Duns Scotus, da er ihn als übergeordnetes Drittes, also als Be- Das Aufge-
hobensein
ziehungspunkt für eine darin gleichwesentlich enthaltene Substanz, ein Sein an sich, und von Katego-
Akzidenzien, all das Sein von etwas anderem her, denkt127, bildet bereits eine Ordnungs- rien abstrak-
ten Denkens
struktur früherer Antithesen. Denn auf Beständiges und Unbeständiges, Substanz und Akzi- im Seinsbe-
griff
denz, lassen sich zwei getrennte und in früheren Zeiten konfligierende Perspektiven einneh-
men. Den ganzen Unterschied derselben hat zuerst Parmenides in seinem Gedicht vom We-
sen des Seienden, die Unmöglichkeit des Nichtseins, des Entstehens und Vergehens wie
auch jeder Zufälligkeit von einer Ursache her beschrieben, während in der zirka 300 Jahre
später entstandenen Māṇḍūkya Upanischad, einem vedischen Lehrgedicht über die Silbe
Om, „mehr die Wirkung ins Auge gefasst wird, um von ihr zu zeigen, dass sie weder als ein
Seiendes noch als ein Nichtseiendes werden kann“128. Denn hier kann „das Seiende […]
nicht werden. Es wäre denn durch Blendwerk nur; Wer es in Wahrheit lässt werden, Lässt
werden, was schon war vorher. Nicht in Wahrheit, noch als Blendwerk, kann je entstehen
Nichtseiendes [oder Werdendes]“129 während Parmenides „einzig noch übrig [bleibt] die
Rede von dem Weg, dass etwas ist, [...] dass Seiendes ungeworden und unvergänglich ist,
ganz und einheitlich, und unerschütterlich und vollendet. […] [Für ihn] war nicht einmal
und wird nicht einmal sein [, dass Akzidenz existiert], da Sein jetzt zugleich ganz ist, eins
und zusammenhängend. Denn welche Erzeugung könntest du für es erfinden?“130.
Während die scholastische Logik „dessen charakteristische Operationen axiomati-
siert“131, was Piaget Formale Operationen nennt, kann man in Parmenides und der Upa-
nischad einen von zwei Wegen hin zur dieser formalen Logik sehen, nämlich, dass „ein kau-
saler Faktor [, die Substanz,] mehrere akausale, aber gemeinsam veränderliche Faktoren

126
Kant 201, S.253f: man kann die Antinomie mit dem Necker Würfel vergleichen, der bei Betrachtung einen
Gestaltwechsel vollzieht. Beide Perspektiven sind jeweils wahr und ergeben sich etwa nach der Gestalttherapie
von Frederick Perls 2018 aus den Gesetzen unserer Wahrnehmung.
127
Vergleiche zu Sein als Akzidenz und Substanz in Dun Scotus Werk etwa Pannenberg 2011, S.141-149
128
Deussen 1921, S.573
129
Ebenda, Māṇḍūkya 3,27f S.590
130
Parmenides, Vom Seienden Fragment 8 S.11-13
131
Piaget 1974, S.169

17
ummantelt, […] [das heißt, dass das Subjekt] versucht, verschiedene konkrete Gruppierun-
gen auf diese selbst zu beziehen“132. Dem gegenüber versteht der zweite Versuch, zu erklä-
ren, „wie ein Effekt die Folge verschiedener gleichzeitiger Ursachen sein kann, […] und
damit die Resultate konkreter Operationen zu koordinieren, […] [so, dass] ein offensichtli-
cher Widerspruch [in der konkreten Welt] durch die Interaktion von Faktoren in einer kom-
plexen Situation“133 aufgelöst wird. So spricht etwa Elihu in Ijob über die vielen Gründe aus
denen Ijob nicht sagen könne, er sei „gerechter als Gott“, denn „schau den Himmel an und
sieh, blick zu den Wolken auf hoch über dir! Wenn du gesündigt hast, was schadest du ihm,
sind zahlreich deine Frevel, was machst du mit ihm? Tust du Recht, was gibst du ihm oder
was empfängt er aus deiner Hand? Einen Mann wie dich trifft dein Frevel, dein Gerechtsein
nur den Menschen“134 und schafft damit eine Antithese zu Parmenides in der das „Wie“
konkreten Verhaltens im Mittelpunkt steht.
Während zuvor über die unverursachte Ursache ohne jedes Werden, die Substanz, gemut-
maßt wird und „Werden und Vergehen in weite Ferne verschlagen sind, […] [also alles] als
ein Selbiges, und im selbigen verharrt“135, wie auch ein jeder erkennt, dass „wie ein Strick,
nicht erkannt deutlich im Dunkeln, falsch wird vorgestellt als Schlange, als ein Strich Was-
sers, so wird falsch vorgestellt […] die höchste Heilswahrheit, dass es nirgends ein Werden
gibt“136, findet sich auf der anderen Seite eine Betrachtung des Effekts. Diese einfachen
Abstraktionen, wie sie Kurt Fischer nennt, sind eine „Ebene von Fertigkeiten, die die Bil-
dung von immateriellen oder nicht greifbaren Konzepten, wie Konsistenz, Gerechtigkeit,
physische Welt oder organische Welt“137 zulassen. Nur so kann Plato im Gorgias resümie-
ren, dass „die Tugend eines jeglichen Dinges aber, eines Gerätes wie eines Leibes und so
auch einer Seele und jegliches Lebenden, […] [sich] durch Ordnung, richtiges Verhalten,
und durch die Kunst, welche eben einem jeden angewiesen ist“138 zeigt und sich sichtbar in
der Seele wiederfindet, „wenn sie vom Leibe entkleidet ist, sowohl was ihr von Natur eignet,
als auch die Veränderungen“. Platos Richter ist es dadurch sozusagen möglich, „einen jeden
vor sich hin [zu stellen], und […] eines jeden Seele [zu beschauen], ohne zu wissen wessen
sie ist, […] und wie sich eben jedem seine Handlungsweisen sich in die Seel ausgeprägt hat,
[denn so] zeigt sich auch die Seele“139 und gerecht Gericht zu halten, das heißt die

132
Inhelder & Piaget 1956, S.282
133
Ebenda, S.282
134
Ijob 35, 2-8
135
Parmenides, Vom Seienden Fragment 8 S.15
136
Deussen 1921, Māṇḍūkya 2, 17 & 4, 48 S.585 & S.593
137
Fischer & Yan 2002, S.304
138
Plato, Gorgias 506, D
139
Platon, Gorgias 524 D-E & 525 A

18
Überprüfung einer auf wechselseitigen Erwartungen, Beziehungen und zwischenmenschli-
cher Konformität basierenden Moral durchzuführen140. Auch das Konzept einer veränderli-
chen Seele und eines Schöpfers, der auf Basis konkreter Wechselseitigkeit Effekte verur-
sacht oder ausbleiben lässt, sind hier zu finden und so steht im Koran: „Gewiss Allah ändert
die Lage seines Volkes nicht, ehe sie nicht selbst das ändern, was in ihren Herzen ist. […]
Die da glauben und gute Werke tun – Glück wird ihnen und eine treffliche Heimstatt. […]
Die aber den Bund Allahs brechen, nach dessen Bekräftigung, und trennen was Allah zu
verbinden geboten, und Unheil Stiften auf Erden, auf ihnen ist der Fluch und sie haben eine
schlimme Wohnstätte“141.
Was bei all diesen, auf einfachen Abstraktionen basierende Autoren und Schriften, auf- Von der Tau-
tologie zum
fallen kann ist, dass sie Vermeiden Widersprüche zu erzeugen. Alle halten sich streng an Widerstreit
eine „extrem verkürzte, pure Selbstreferenz“142, die Tautologie. Während Parmenides, in- des Platoni-
schen und
dem das Sein nur durch Sein sein kann, versucht das Entstehen jeder ontologischen Differenz Aristoteli-
schen Subor-
zu unterbinden, tönt aus der Upanischad das gleiche Ideal. Die Unteilbarkeit, Ewigkeit und dinationis-
mus
damit reine unteilbare, ewige Identität wird doppelt ausgesagt und dadurch an sich selbst
anknüpfungsfähig. Die tautologische Struktur der einfachen Abstraktionen ist nur schwer zu
übersehen und durchdringt auch bei Plato die Erkenntnistheorie der Seele, nach der jede
Handlung zum Aufbau der Seele führt und die Seele damit nichts weiter als ein Pleonasmus
der vergangenen Handlungen ist. Ähnlich ist im Koran Gott als Quelle der Selbstreferenz
und des Strukturerhalts genannt, nur so führen gute Werke auch zu Gutem. Dieser bereits an
Luhmanns Konzept der Autopoiesis erinnernde Zirkel und die darin prozessierte Trennung
zwischen Substanz und Akzidenz aber wird nicht erst von Duns Scotus durchbrochen. Schon
Plato selbst unternimmt diesen Schritt, wenn er in einem späteren Drama Sokrates mit
Parmenides sprechen lässt, denn nun „gibt es solche Zeiten, in der […] [das Eine] das Sein
aufnimmt, und eine solche, in der es dies fahren lässt. Denn wie wäre es sonst im Stande,
bald dasselbe zu besitzen und bald es nicht zu besitzen […]. Das Eine als, wie es scheint, da
es das Sein annimmt und aufgibt, entsteht und vergeht“143. Den gleichen Versuch unter-
nimmt Aristoteles, wenn er zwei Arten von Kategorien unterscheidet. Solche, erster

140
Vgl. Kohlberg 1996a, S:92-95 & Kohlberg 1996b, S.129f: die Moral der einfachen Abstraktionen ist nach
Kohlberg die dritte Stufe der Moralentwicklung, eine Orientierung an zwischenmenschlichen Beziehungen der
Gegenseitigkeit.
141
Koran Sure 13,13-30
142
Luhmann 2012, S.493
143
Platon, Parmenides 156 A

19
Ordnung, die aller Dinge Substanz bilden, ihnen unterliegen, und solche, zweiter Ordnung,
die Begriffe, Namen und veränderliche Eigenschaften von Ersteren aussagen144.
Aber, in den Verknüpfungsversuchen von Veränderlichem und Bleibendem bei Plato und
Aristoteles findet sich, so sehr wie eine formale Vermittlung beider, bei beiden die Notwen-
digkeit, einen Blick auf deren Eigenarten zu werfen. Für Plato, so schreibt Arthur Lovejoy,
ist „die Idee des Guten eine notwendige Realität; sie kann nicht anders sein als was das
Wesen impliziert; und sie muss daher, kraft Gesetzes ihrer eigenen Natur, notwendigerweise
begrenzte [oder akzidentelle] Existenzen beinhalten“145 und wie Deleuze, kann man ihm,
wenn es hier um die Frage geht, wie Differenz und Identität sich entwickeln, zusammenfin-
den können und schlussendlich zu antonymen Univokationen werden, vorwerfen, dass Plato
zwar „eine Unterordnung der Differenz [oder des Akzidentellen, der Bestimmungen oder
des Primats der Virtualität] unter die Kräfte des Einen darstellt […] aber vielmehr eine [Un-
terordnung unter eine] brutale Präsenz, die in der Welt nur in Funktion dessen wachgerufen
wird, was nicht in den Objekten ‚repräsentierbar‘ sein kann [e.g. Wahrheit]. Die Idee hat
sich noch nicht entschieden, Differenz zur Identität eines Konzepts im Allgemeinen zu set-
zen“146. Im gleichen Atemzug schreibt Deleuze über Aristoteles eine Kritik, die auch auf
Duns Scotus zutrifft, nämlich, dass seiner Differenz die Kraft fehlt, das Universelle und Be-
sondere miteinander in eine echte Beziehung zu setzen. Sie reicht lediglich aus, einen grie-
chischen Wahrnehmungsmodus zu beschreiben, „ein eigenständiges Konzept der Differenz
wird mit dem Einzeichnen von Unterschieden in Konzepte im Allgemeinen verwechselt“147.
Doch nicht nur, so lautet die Kritik, wird die Bestimmung eines Konzepts mit der Differenz
verwechselt, diese auf ein rein präpositionales Dasein und Seins-Attribute reduziert, anstelle
darauf hinzuweisen, dass diese etwas unbestimmtes im Dazwischen von Worten, Sätzen,
Systemen und so weiter überhaupt entstehen lässt, sondern, wie Lovejoy hinzufügen würde,
ist Aristoteles erste Substanz, „der unbewegte Beweger, kein Weltengrund […] [, und] seine
Natur und Existenz können nicht erklären, wieso andere Dinge existieren, wieso es einfach

144
Vgl. Aristoteles, Kategorien 5 S.8; Allerdings muss man hier anmerken, dass Aristoteles und Plato von
gegensätzlichen Standpunkten aus eine Beziehung zwischen Substanz und Akzidenz schaffen. So schreibt Ar-
thur Lovejoy 1964, S.54f: „[Plato`s] idea of the Good is a necessary reality; it cannot be other than what its
essence implies; and it therefore must, by virtue of its own nature, necessarily engender finite existents”
während “Aristotle`s [first Substance] unmoved mover is no world-ground; his nature and existence do not
explain why the other things exist, why there are just so many of […] [the accidentals], why the modes and
degrees of their declension from the divine perfection are so various”
145
Lovejoy 1964, S.54; die Idee des Guten ist bei Plato im Staat 508E wie folgt definiert: „Was den Dingen,
die erkannt werden, Wahrheit verleiht und dem Erkennenden das Vermögen des Erkennens gibt, das begreife
als die Wesenheit des eigentlichen Guten und denke davon: das Gute ist zwar die Ursache von Erkenntnis und
Wahrheit, […] [aber] etwas noch weit Herrlicheres […].“
146
Deleuze 1994, S.60
147
Deleuze 1994, S.32

20
so viele […] [von den Akzidenzien] gibt, wieso ihre Modi und die Grade ihrer Abweichung
von der göttlichen Perfektion so vielfach sind […], [weil für ihn alle] qualitativen Unter-
schiede der Dinge eine lineare oder kontinuierliche Reihe schaffen müssen“148. Wie Jacques
Derrida sagen würde, mangelt es an der verräumlichenden und temporierenden Dimension
der Virtualität als Differenz, ihr fehlt paradoxerweise die schöpferische Kraft, der Funktion,
die nicht bloß sagt „Wie“ etwas ist, sondern als Unterscheidung auch Abweichung produ-
ziert: „die Praxis der Sprache oder des Codes als ein Spiel von Formen ohne festgelegte und
149
unwandelbare Substanz, […] als ein Spiel von Spuren“ . Gerade diese Funktion hat für
Luhmann besondere Bedeutung. Wenn er versucht, die evolutionären Mechanismen der Bi-
ologie und anderer Wissenschaften auf Systeme zu beziehen, liegt für ihn der Anfang jedes
Systems „in der Erfindung der Negation und in der dadurch ermöglichten Ja/Nein Codie-
rung“150. Alleine sie ermöglicht, Sinnofferten anzunehmen oder abzulehnen und dadurch
Variation, Selektion und Restabilisierung, „die Differenz zwischen System und Umwelt; o-
der anderes gesagt: […] die Einheit des Systems im Unterschied zur Umwelt“151 zu konsti-
tuieren, als Adaption von Neuem oder Bewahren alter Strukturen.
Für die sogenannten postmodernen152 Denker und eine diesen entsprechende Logik und Der Postmo-
dernismus als
Wissenschaft scheint die Aristotelische Idee der Kontinuität nur mehr wenig Bedeutung zu Ozean-des-
haben, sondern „das Unentscheidbare, die Grenzen präziser Kontrolle, Konflikte basierend Wie und sein
Gegenstück
auf unvollständiger Information, ‚Fragmente‘, Katastrophen und praktische Paradoxien“153 in dem-des-
Was
rücken in den Mittelpunkt. So schließt sich etwa Jean Francois Lyotard Luhmann an, wenn
er erklärt, dass „Konsens ein zurückgebliebener und verdächtiger Wert geworden ist, […]

148
Lovejoy 1964, S.55f
149
Derrida 1999, S.44f
150
Luhmann 2018a, S.459
151
Luhmann 2002, S.412
152
Auch wenn Luhmann 2018b, S.1143 schreibt, dass „keine Epochenzäsur zu Beobachten wäre, die das Ge-
sellschaftssystem selber betrifft und es rechtfertigen könnte, einen Übergang von einer modernen zu einer
postmodernen Gesellschaft zu behaupten“, stimmt er zu, dass man mit Postmodern eine neue Art der Gesell-
schaftsbeschreibung bezeichnen könne. Für Harvey 1989, S.7-10 ist eine Veränderung unzweifelhaft. So
schreibt er: „Major changes have indeed occured in the qualities of urban life since 1970 or so. But whether
such shifts deserve the appellation of 'postmodern' is another question. The answer depends rather directly, of
course, on exactly what we might mean by that term.” Auf S.328ff ergänzt er: “Postmodernism can be regarded,
in short, as a histoncal-geographical condition of a certain sort.” Dabei deutet Harvey auf Rorty 1984, S.42
und damit auf überwindbare Unterschiede in der Beschreibung der postmodernen Konditionen zwischen Lyo-
tard und Habermas hin: „To attempt to make concrete concerns with the daily problems of one's community
— social engineering — the substitute for traditional religion seems to me to embody Lyotard's postmodernist
‘incredulity towards metanarratives’ while dispensing with the assumption that the intellectual has a mission
to be avant-garde, to escape the rules and practices and institutions which have been transmitted to him in favor
of something which will make possible ‘authentic criticism’.” Müller & Powell 1994, S.39-54 bezeichnen
Luhmanns Theorie als eine der Moderne. Wesentlich scheint auch, darauf hinzuweisen, dass Veränderungen
in der Selbstbeschreibung, laut Luhmann selbst, den Veränderungen im Handeln vorausgehen und sich ent-
sprechend erst ein Übergang von Selbstbeschreibung zu Verdinglichung einer Postmoderne vollzieht.
153
Lyotard 1984, S.60

21
Zwietracht das, was nun betont werden muss“154. Neben dieser Abwendung von der vorhe-
rigen Logik, in der entweder das Sein ohne Akzidenz nur unbestimmt bleiben konnte, aber
die Differenz selbst wiederum als Begriff dem Sein untergeordnet war, oder Repräsentation
und Identität als entscheidend, subordinierend herrschten, findet bei Lyotard aber eine In-
tensivierung der Beziehung beider Seiten statt. Indem er etwa politische Entscheidungspro-
zesse hin zum „Beratschlagen [verschiebt], das fragiler ist als Narrative, lässt er den Abgrund
[oder die Differenz] sichtbar bleiben, die verschiedene Genres von Diskurs und sogar Re-
gime aus Phrasen voneinander trennen, den Abgrund der ‚das soziale Band‘ bedroht. […]
Es lässt die Frage offen, was etwas sein soll, das zuvor im narrativen Genre beantwortet
wurde […]. In einem Wort: Narrativ ist ein Genre, beratschlagender Diskurs ist eine Ver-
knüpfung von Genres, und das reicht aus, dass beides, Ereignisse und Unterschiede [, Iden-
tität und Differenz,] darin aufkeimen können“155. Also, gerade weil das Was verschwindet,
kann sowohl Identität als auch Differenz zugleich und als wechselseitig bestimmend auftau-
chen.
In der Herleitung dieses Sowohl als auch bezieht sich Lyotard mehrmals auf Kant, der für
ihn auch diese Doppelnatur verkörpert. In ihr “taucht [etwa] Symbolisierung nicht durch ein
Auswechseln von Objekten auf, sondern durch Abwandlung von Instanzen [oder Regeln der
Urteilskraft] im respektiven Phrasenuniversum, und ohne Rekurs auf eine direkte Präsenta-
tion“156 oder wie Kant es formuliert, besteht „zwischen Realität in der Erscheinung und Ne-
gation […] ein kontinuierlicher Zusammenhang vieler möglichen Zwischenempfindungen,
deren Unterschied von einander immer kleiner ist, als der Unterschied zwischen […] der
gänzlichen Negation“157, was auch heißt, dass in den schwankenden Graden der Negation,
das Entstehen und Vergehen als Existenz und Zustandsänderung inhärent ist. Aber die Ak-
zidenzien oder das „Wandelbare [erleidet hier] keine Veränderung, sondern einen Wechsel,
da einige Bestimmungen aufhören, und andere anheben“158 wie sich auch verschiebt, was
als Substanz, was als Akzidenz angesehen wird. Beide „können nur durch das Schema der
Gemeinschaft oder der wechselseitigen Kausalität […] in Ansehung“159 ihres Gegenstückes
bestimmt werden, und das durch eine allgemeine Regel. Die Doppelnatur, die Lyotard sieht,
schwenkt hier nun, anstelle dessen, die Wechselseitigkeit im Wie bestehen zu lassen, ins
Was der Urteilskraft über, das Subsumieren unter Allgemeinheiten, Prinzipien, Kategorien,

154
Ebenda, S.61f
155
Lyotard 1988, S.150
156
Ebenda, S.132
157
Kant 2013, S.131f
158
Ebenda, S.142
159
Ebenda, S.118

22
Regeln oder Synthetisieren mithilfe derselben. Dabei, weil Kant, wie Deleuze ihm unter-
stellt, eine transzendentale Differenz zwischen Innen und Außen einführt, ist aber jede Idee
auch immer „ein Objekt, das weder gegeben noch gekannt werden kann, sondern repräsen-
tiert werden muss, ohne jemals wirklich direkt bestimmt zu werden. […] Objektiv und zu-
gleich unbestimmt zu sein […] ist eine vollkommen positive, objektive Struktur, die als Fo-
kus oder Horizont innerhalb der Wahrnehmung fungiert“160. Für beide, Lyotard und Kant,
ist das Etablieren oder „Entdecken und Erkennen einer dritten Ordnung, eines dritten Re-
gimes […], die Verweigerung, das Symbolische [oder das Urteil] nicht mit dem imaginären,
ebensowenig wie mit dem Wirklichen zu verwechseln“161.
Das Problem in dieser dritten Ordnung liegt in den Schlussworten zu Differenz und Wie-
derholung: „[…] an dem Punkt, am dem das Extrem der Differenz erreicht ist […] [wird]
alles eine einzige und gleiche Stimme für die Ganze tausendstimmige Multiplizität, ein ein-
ziger und gleichmäßiger Ozean für all die Tropfen, ein einziger Glanz des Seins für alle
Wesen: unter der Bedingung […] der Differenz, die sie verdrängt und verkleidet und, indem
sie sich ihrem mobilen Scheitelpunkt zuwendet, sie dazu bringt wiederzukehren“162. Das
heißt, im Aufgehobensein und der Wechselseitigkeit zwischen der Wiederholung oder Re-
präsentation und der Differenz in einem reinen Ozean163 der schöpferischen Kraft, gibt es
nichts, was ordnet. Die Beziehung der Erscheinungen ist nicht definiert, alles, was geschieht
ist nur gleichsam Differenz. Martin Heidegger164 kritisiert ähnliches an Kant. Er wirft ihm
vor, durch das Festhalten am Ich-Denke, an der Urteilskraft, in eine reine Substanzlehre zu-
rückzufallen. Der Ozean ist hier das Was, die Apperzeption, die nicht ohne Ich auskommt
und zugleich vollkommen von der Welt getrennt ist. Dahingegen fordert Heidegger das In-
der-Welt sein als das Wie des Daseins, in einer washaften Beziehung als Sorge. Sie “bedarf
nicht der Fundierung in einem Selbst, sondern die Existenzialität als Konstitutivum der
Sorge gibt die ontologische Verfassung der Selbstständigkeit des Daseins, zu der, dem vollen
Strukturgehalt der Sorge entsprechend, das faktische Verfallensein in die

160
Deleuze 1994, S.169
161
Deleuze 2002, S.171; hierbei handelt es sich um das erste Kriterium für den Strukturalismus bzw. für eine
bestimmte postmoderne Denkrichtung, das Deleuze in How do we recognize Structuralism herausgearbeitet
hat.
162
Deleuze 1994, S.304
163
Ein weiteres und weitaus bekannteres Beispiel wäre Foucaults 2015 in Die Ordnung der Dinge, wenn er
darüber schreibt, wie der Mensch eine Erfindung jüngeren Datums ist, Substanz nur insofern, wie die jeweili-
gen Episteme oder Wissensstrukturen erlauben ihn als solchen zu repräsentieren. So schreibt er als Schlusssatz
auf S.462: „Wenn diese Dispositionen verschwänden, so wie sie erschienen sind, […] wenn diese Dispositio-
nen ins Wanken gerieten […], dann kann man sehr wohl Wetten, dass der Mensch verschwindet wie am Mee-
resufer ein Gesicht im Sand.“ Das Wie und das Was sind hier im Episteme zusammengehalten, aber als reines
Wie, als rein präpositionale Nicht-Struktur.
164
Vergleiche dazu Heidegger 1967, S.319-322

23
Unselbstständigkeit gehört. Die vollbegriffene Sorgestruktur schließt das Phänomen der
Selbstheit ein“165. Ebenfalls dem Subjekt verhaftet, auch wenn diesmal die „Komponenten
der Subjektifizierung und Gewissensbildung“166 nicht von einer Subjektivität, der selben Su-
per-Subjektivität wie bei Kant, stammen, sondern „Resultat heterogener Modi der Semioti-
fizierung und nie einer reinen und universell bezeichnenden Substanz im Gegenüber einer
reinen und universellen Inhaltsangelegenheit sind“167, ist Felix Guattari. Das Brechen mit
dem Cogito ist hier noch nicht das Beziehungsgeschehen „von Wahrheit als Erschlossenheit
und entdeckendes Sein zu entdecktem Seienden […] [das] zur Wahrheit als Übereinstim-
mung zwischen innerweltlich Vorhandenem geworden“168 ist sondern die Akzeptanz einer
anderen quasi Substanz, die ohne Substanzcharakter definiert „der verpflichtende Verweis-
gegenstand [jedes Egos ist] […] zu akzeptieren, dass materielle Assemblagen, biologische
Assemblagen, soziale Assemblagen, etc. in der Lage sind ihre eigen Art ‚maschinell zu pro-
duzieren‘ und heterogene komplexe Universen zu erzeugen“169.
In gleicher Weise entwickelt sich auch das Verhältnis von Differenz zu Identität weiter. Die Vollen-
dung von
Es wird zu einem sowohl Akzidenz als auch Substanz und deren Beziehung als Vereinigung Differenz und
Jenseits ozeanischer Ent- oder Eingrenzung. Beim Blick auf Luhmanns Frühwerk Sys- Identität im
Beziehungs-
temtheorie der Gesellschaft aus den 1970er Jahren wird ersichtlich, was damit gemeint ist. geschehen
Dort schreibt er, dass „mit der Konstitution einer sinnhaften Welt […] eine neue Epoche der
Evolution [beginnt]. Anstoß und Substrat dieser Veränderung und der damit beginnenden
soziokulturellen Evolution ist das Sozialsystem der Gesellschaft. Dessen Ausdifferenzierung
[…] ist Voraussetzung für alles weitere. […] Ausdifferenzierung heißt: Einführung einer
Differenz zwischen etwas Bestimmten und anderem“170. Allerdings ist ihm, nach eigener
Aussage, damals unklar, wie Ausdifferenzierung überhaupt von statten gehen kann. Unge-
achtet dessen nennt er drei Beziehungskonzepte, die Kontraktion, also das Bilden ausdiffe-
renzierter Einheit und Identität mit Differenzierung zusammenbringen können. Namentlich,
„[1] dass die Konstitution der Welt in jeder Hinsicht ein innerweltlicher Prozess sein muss,
[2] der unter restriktiven […] Bedingungen des Möglichen abläuft […] und [3] einen Sys-
tembildenden Vorgang, […] nämlich auf die Differenzierung von Erleben und Handeln
durch unterschiedliche Zurechnungen und unterschiedlichen Folgeanknüpfungen“171 zu

165
Heidegger 1967 S.324
166
Guattari 2011, S.157
167
Ebenda, S.157
168
Heidegger 1967, S.225
169
Guattari 2011, S.157
170
Luhmann 2017, S.707f
171
Ebenda, S.709

24
rekurrieren. In seinem späteren Werk muss Luhmann nicht mehr auf die drei Bedingungen
zurückgreifen. Hier ist die Selbstreferenz, die im Frühwerk als „Reflexion nur als besondere
Teilfunktion eines Systems realisiert [wird] […], wo gesellschaftliche Zentralfunktionen
schon in besonderen Rollen oder Rollensystemen ausdifferenziert sind“172, die Essenz eines
autopoietischen Systems, das sich innerhalb eines geschlossenen Netzwerks aus selbst- und
fremdreferentiellen Operationen selbst konstruiert und konstituiert173. Neben dem frühen
Luhmann findet sich Alfred North Whitehead. Allerding war für Whitehead Pragmatismus
der amerikanische Aristotelismus und entsprechend dieser Hochachtung gegenüber Peirce
findet sich eine eher diesem ähnliche und damit eine etwas, der Luhmannschen Sichtweise,
entgegengesetzte Blickrichtung174. In Prozess und Realität ist das Entstehen von Syste-
men175, im Gegensatz zur Systemtheorie der Gesellschaft, nicht primär durch Differenzieren,
sondern durch die Operation des bewussten Erfassens zu beschreiben, als Identität, „die,
durch Aufgipfeln in eine Einheit von Erfahrung erreicht wird“176. Dabei kommt er aber nicht
umhin, diese Identität durch eine Beziehung mit der Differenz zusammenzuhalten, denn “die
subjektive Form entsteht und trägt ihr Empfinden, als das wie sich das Empfinden empfindet,
in die eigene Geschichte. Die Art wie sich das Empfinden empfindet drückt aus wie […]
[die Identität] ins Sein kam. Es drückt den Zweck aus, der es nach vorne getrieben hat, und
die Hindernisse, denen es begegnete, und die Unsicherheiten, die durch die originäre Ent-
scheidung des Subjekts aufgelöst wurden“177. Die Identität oder Kontraktion eines Systems,
auch wenn von der anderen Seite beschrieben, trägt ihre Umwelt mit sich, als die erfahrenen
und entschiedenen Negationen, als Altlast des entstehend und vergehenden, der Differenz.
Auch für Derrida existiert diese Beziehung, wenn er von der Différance als „weder Sein
noch Wahrheit besitzende [schreibt] […], als jenes [unbenennbare] Spiel, das nominale Ef-
fekte bewirkt, verhältnismäßig einheitliche oder atomare Strukturen, die man Namen, Ketten
von Namenssubstitutionen nennt in denen zum Beispiel der nominale Effekt ‚différance‘

172
Luhmann 2017, S.923
173
Vgl. Luhmann 2018c, S.31f; der Begriff der Autopoiesis fehlt bei Luhmann 1975 vollkommen, wie auch
der des Beobachters noch nicht zu finden ist.
174
Vergleiche dazu etwa Brioschi 2015, S.29 & S.264-273
175
Whitehead 1978, S.31 definiert ein soziales System oder Gesellschaft wie folgt: “A 'society/ in the sense in
which that term is here used, is a nexus with social order; and an 'enduring object/ or 'enduring creature/ is a
society whose social order has taken the special form of 'personal order.'” Für das Entstehen einer solchen
Ordnung müssen die Mitglieder ähnliche potentielle Endzustände des Systems erfassen oder Subjekt-Superjekt
Beziehungen. Das System ist also nicht primär durch Differenz zur Umwelt definiert, sondern durch das, wo-
rauf das Erfassen gerichtet ist: die zukünftige Identität. Es lässt sich vielleicht sagen, wenn für Luhmann Kom-
munikation entscheidend oder Ausganspunkt ist, die Sinn konstituiert, ist bei Whitehead Sinn, als Differenz
zwischen dem was aktuale und dem was mögliche Identität ist, Ausgangspunkt zu kommunizieren.
176
Whitehead 1978, S.161
177
Ebenda, S.232

25
selbst herbeigeführt, wiedereingeschrieben wird als blinder Einstieg oder blinder Aus-
gang“178 aber auch in der Radikalisierung des freudschen Konzepts der Spur im Unbewuss-
ten, „die das Auslöschen der Selbstheit ist, seiner eigenen Gegenwärtigkeit […] [oder Sub-
stanz] ist. Diese Auslöschung ist der Tod selbst, und innerhalb ihres Horizonts liegt es, dass
wir nicht nur ‚das Gegenwärtige‘ sehen sollten, sondern auch […] das Unauslöschbare be-
stimmter Spuren im Unbewussten, wo ‚nichts endet, nichts geschieht, und nichts vergessen
wird.‘“ 179 Dieses Auslöschen der Spur ist für ihn die wirkliche Struktur, eine Bewegung in
der Zeit eine Beziehung die sich selbst affiziert. Sie, gerade als Auslöschen, macht etwas
Möglich, was nach Derrida „Verdrängung im Allgemeinen genannt werden kann, oder die
originale Synthese der originalen Verdrängung der nachfolgenden Verdrängung, Verdrän-
gung ‚Selbst‘“180. Und diese Paradoxe Beziehung ermöglicht etwas, dass für Luhmann ent-
scheidend ist. Indem Derrida in der Différance und der Spur über das unsichtbare nachdenkt,
als Substanzen, die nur durch ihr Nichtsein sind und wirkmächtig werden, deutet er auf die
Grundbedingung von Systemdifferenzierung, die Fähigkeit jeden Teilsystems, „das umfas-
sende System, dem es angehört und das es mitvollzieht durch eine eigene (teilsystemspezi-
fische) Differenz von System und Umwelt […] [in sich selbst einzuführen], [als] die
Emergenz von Unterschieden in einem als unmarkiert vorauszusetzenden Weltzustand“181,
der in das Teilsystem eintritt, um dort eine rein kontingente Form der Strukturbildung dar-
zustellen.
Ein weiterer wichtiger Vertreter der Evolution von Differenz und Identität ist Pierre Bour-
dieu. Für Bourdieu entsteht in der Aufrechterhaltung von Beziehung als soziale Ordnung ein
nur scheinbares Paradox. „Die Wahrung aller Abstände, Differenzen, Ränge, Prioritäten,
Exklusivitäten, Distinktionen, ordinalen Merkmale und dadurch der Ordnungsrelationen, die
einer gesellschaftlichen Formation ihre jeweilige Struktur verleihen, [garantieren dies] ge-
rade durch den fortwährenden Wechsel der substantiellen (d.h. nicht relationalen oder akzi-
dentellen) Eigenschaft“182. Diese Definition von sozialer Ordnung erinnert stark and die Ein-
heit in der Definition von Struktur bei Luhmann, die, um sie evolutionstheoretisch zu be-
greifen, nicht als „etwas ‚Festes‘ im Unterschied zu etwas ‚Fließendem‘ […], nicht abstrakt,
nicht unabhängig von der Zeit“183 beschrieben werden können.

178
Derrida 1999, S.55f
179
Derrida 2005, S.289
180
Ebenda, S.289
181
Luhmann 2018b, S.598
182
Bourdieu 2016, S.271
183
Luhmann 2018, S.430

26
Auch Hegel findet sich während seiner Arbeit an der Phänomenologie des Geistes in die-
ser Phase. In seiner Konzeption von Akzidenz und Substanz, denkt er, dass „nicht das eine
oder das andere […] Wahrheit hat, sondern eben ihre Bewegung, dass das einfache Dasselbe
die Abstraktion und damit der absolute Unterschied, dieser aber, als Unterschied an sich,
von sich selbst unterschieden, also die Sichselbstgleichheit ist“ 184. Dadurch treffen sich
beide Seiten in ihrer wahren Beziehung, als aufgehobenes im Geist. Ähnlich wie bei Luh-
mann in den 1970ern fehlt hier aber noch die autopoietische Struktur in der Theoriebildung
und Grammatik. Der absolute Geist ist nicht eben die bereits erwähnte Identität von Geist
mit sich, als in sich zurückkehrendes und zurückgekehrtes, die „Eine und Allgemeine Sub-
stanz als geistige“185, wie schon bei Parmenides, bloß diesmal in komplexerer Fasson, son-
dern im Mittelpunkt steht noch „der Unterschied […] zwischen dem wirklichen Geiste und
ihm, der sich als Geist weiß, oder zwischen sich selbst als Bewusstsein und als Selbstbe-
wusstsein gemacht wurde“ 186. Es besteht zwar die Möglichkeit in dem Geiste aufgehoben
zu sein, der die Wahrheit ist und das Ende aller Gegensätze, aber dies ist nicht vorausset-
zungslose Natur oder Ziel von allem, sondern es Verlangt noch Verzeihen, um „das Wort
der Versöhnung […] [als] der daseiende Geist [zu sein], der das reine Wissen seiner selbst
als allgemeinen Wesens in seinem Gegenteile, in dem reinen Wissen seiner als der absolut
in sich seienden Einzelheit anschaut, – ein gegenseitiges Anerkennen, welches der absolute
Geist ist“187.
Auch wenn nach Luhmann die Sozialwissenschaften „nicht zu dem, was Hegel ‚Geist‘ Eine trans-
raumzeitliche
genannt hat“188 finden können und man ihn schon gar nicht „ans Ende der Geschichte setzen Ordnungs-
[dürfe], darin keinen Abschlussgedanken, keine Überlegenheitsfigur sehen […] [und] die struktur und
ihre mögli-
189 chen Bruch-
Verwendung von Worten wie ‚niedriger‘ und ‚höher‘“ vermeiden sollte, lässt sich die
stellen und
Geschichte von Differenz und Identität doch, zwar weder in einer einfachen linearen Zeit- Extreme

folge noch in einem festen Raum aus unterscheidbaren ethno-geologischen Kulturen, aber
als eine transraumzeitliche Ordnungsstruktur beschreiben. Innerhalb dieser lassen sich ver-
schiedene Formen von aktualen und möglichen Diskursen unterscheiden. Dabei sind diese
aber nicht nur unterschiedenes, das sich rein reproduktiv oder durch Mimikry zeigt, sondern
autonom Ermöglichendes. Wie die unterschiedlichen Strömungen, auf die Bezug genommen
wurde, zeigen sollten, verwendet jede individuelle Autopoiesis das ideell generalisierte

184
Hegel, Phänomenologie S.567
185
Hegel, Enzyklopädie §554
186
Hegel, Phänomenologie S.500f
187
Ebenda, S.492
188
Luhmann 2018b, S.1122
189
Ebenda, S.1142

27
Material auf ihre eigene Art und Weise. Erst durch die Einheit zwischen den kreativen Dif-
ferenzen und Spannungen, die Beobachtung der Eigenarten zeichnet sich ab, wie Kategorien
beschaffen sein könnten. Ontologisches und Epistemologie durchtränken sich und transzen-
dental generalisierte Medien sind keine Puppenspieler. So sehr, wie sich die Geschichte von
Identität und Differenz in ihrem Anfang und Ende gewissermaßen, als Wiederentdeckung
von Extremen des Substanz- und Akzidenzdenken wiederfindet, die von früheren, als neue
Synthesen, qualitativ distinguiert sind, so sehr zieht dieser Prozess dabei selbst die Strippen.
Im Schreiten von Tautologie, über Subordination oder einfache Relation, dem Sowohl-als-
auch hin zu einer entfalteten Beziehung, steht schließlich aber auch, im Erkennen der selbst-
referentiellen und autopoietischen Natur von Gesellschaft und Geist, Beobachtung am Rand
der Klippe einer neuen großen Trennung, die Piaget bereits in der Natur formaler Operation
vorgezeichnet sah, die hier vorerst nur angedeutet werden soll190.
Bruno Latour in Wir waren niemals Modern weist auf eine solche Trennung als doppelte
hin: zum einen „haben [sich die Modernen] vollkommen frei gefühlt, die lächerlichen Be-
schränkungen ihrer Vergangenheit aufzugeben, die sie aber dazu zwangen das empfindliche
Netz von Beziehungen zwischen Dingen und Menschen mit in ihr Denken einzubeziehen“191
und damit hat die Natur an Wert verloren, die Welt der Objekte ist leblos geworden, und
zum zweiten ist „diese erste Trennung eine Export einer Zweiten [zwischen Uns und Ihnen,
von denjenigen,] die ein Bild oder eine symbolische Repräsentation der Natur mobilisie-
ren“192. Die zweite große Trennung ist aber nicht nur eine solche zwischen einer logischen
und einer prä-logischen Mentalität, sie scheint sich als Dominanzbeziehung aus dem subor-
dinationistischen Charakter des formalen Denkens abzuleiten. Wie Anthony Giddens
schreibt sind Totalitarismus und formale Operationen193 „nicht bloß Kontingent, sondern
wesentlich miteinander verbunden“194. Wenn Judith Butler zu glauben ist, scheint es, dass
„bestimmte historische Formen der Subordination einen ‚strukturellen‘ Status annehmen,

190
Piaget 1974, S.169 beschreibt die Gefahr der Logik und formalen Struktur des Geistes sich von seinen
früheren Formen abzuspalten. Er sieht die Aufgabe der Psychologie mitunter darin, die Gesamtheit der forma-
len Operationen wieder in die wirkliche Welt einzufügen. Das heißt zu zeigen, dass sie nur insoweit einen Sinn
haben, wie sie auch die früheren Operationen mit einbeziehen.
191
Latour 1993, S.39
192
Ebenda, S.97
193
Soziale Evolution auf Stufen geistiger Entwicklung zurückzuführen bringt einige Probleme mit sich. So
schriebt etwa Giddens 2017, S.236-240, dass ein soziales System keine feste Einheit ist, wie ein Individuum.
Auch Habermas 1979, S.170-177deutet darauf hin, dass es in jeder Gesellschaft Menschen auf verschiedenen
Stufen der Entwicklung gibt, leugnet aber nicht ein Gravitationszentrum bzw. sieht einen historischen Materi-
alismus als wesentlich an, um Lernen und Moral innerhalb einer Gesellschaft beurteilen oder erzeugen zu
können. Apel 2016d, S.387f sieht in der Postmoderne den Übergang von einer formal operationalen Stufe 4
Moral im Kohlbergschen Sinne hin zu einer postkonventionellen Moral. Entsprechend wurde der eigentliche
Wortlaut bei Giddens 1997, S.212, „Modern“, durch „formal Operational“ ersetzt.
194
Giddens 1997, S.212

28
und diese generalisierte Geschichte und Struktur bedingt ‚den Kontext‘ […], um eine struk-
turelle Dominanzbeziehung wiederzuerwecken und wiedereinzuschreiben“195. Dadurch ent-
stehen die sprachlichen Bedingungen für deren Aufrechterhalt. Kommunikation erzeugt da-
bei nicht zwangsläufig nur bestimmte Systeme der Unterdrückung, sondern priorisiert auch
transzendental generalisierten Medien und deren potentiell sich isolierende, dominierende
oder dekonstruktive Kraft. Große Trennungen sind, zum einen zwischen Phasen des be-
schriebenen Zyklus zum anderen zwischen den scheinbaren Antinomien wahrscheinlich.
Diese, wie Kant sagt, verlieren aber niemals ihren Schein. Sie schimmern durch jede Tren-
nung196. In Abwandlung einer Aussage aus Jean Paul Sartres Das Sein und das Nichts lässt
sich sagen, dass ideell generalisierte Diskurse „als etwas existierendes in der menschlichen
Welt auftauchen, nicht als die Natur des Bewusstseins […], aber im Gegensatz dazu, ist es
Bewusstsein in seiner fundamentalen […] [Geprägtheit durch Kategorien], das unter be-
stimmten Bedingungen das Auftauchen […] [von System/Umwelt Differenzen als ideell ge-
neralisierte Diskurse] erlaubt, als das transzendente Phänomen dieser […] [Kategorien]“197,
oder wie später beschrieben: als deren immanente Formausdrücke. Gerade in der Verbor-
genheit der möglicherweise wahren Natur eines transzendentalen Mechanismus, und als sol-
cher ewig zu sein, liegt das Problem einer raumzeitlichen Möglichkeit nicht nur zu entstehen,
sondern überhaupt nicht aufzutauchen oder auch zu vergehen, wie für Michel Foucault „der
Mensch [potentiell] verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand“198. Bevor im
nächsten Kapitel der Frage nachgegangen wird, wie die Grundkategorien des Pierceschen
Pragmatismus innerhalb der Luhmannschen Gesellschaftstheorie rekonstruiert werden kön-
nen, fasst Abbildung 1 das in diesem Kapitel gesagte zusammen: es zeigt die Ordnung199 mit

195
Butler 1997, S.76 & S.18
196
Die anschließende Analogie zu Foucault mag etwas täuschen. Man kann davon ausgehen, dass transzen-
dental generierte Medien bei ihrer Ablehnung nicht wie andere Medien, Formen und reproduzierte Skripte oder
Narrative einfach verschwinden können. Vielmehr lässt sich der Zusammenhang vielleicht mit dem Konzept
des Schattens nach Karl Gustav Jung 1970 verdeutlichen. Eine unterdrückte Seite einer Antinomie oder gene-
rell, eine Kategorie zu unterdrücken kann zu Abspaltung, Schattenbildung und Projektionen führen, etwa kla-
ren Gefühlen der Feindseligkeit gegenüber bestimmten Formen der Kommunikation oder bestimmten Syste-
men, die Ausdruck derselben sind. Jung 1970, S.8 schreibt zum Umgang damit: „The shadow is a moral prob-
lem that challenges the whole ego-personality, for no one can become conscious of the shadow without con-
siderable moral effort. To become conscious of it involves recognizing the dark aspects of the personality as
present and real. This act is the essential condition for any kind of self-knowledge, and it therefore, as a rule,
meets with considerable resistance.”
197
Sartre 1984, S.103.
198
Foucault 2015, S.462
199
Nach Fischer 1980, S.518 ist eine Ordnung oder „Tier“ die wiederholte Aufeinanderfolge von Stufen
menschlicher Entwicklung mit den selben Mustern aber mit den Ordnungen emergierenden zusätzlichen Ei-
genschaften. Vergleiche hierzu und dem Viererschritt auch Terri O`Fallon 2010, S.15f

29
ihren potentiellen Gefahren, Trennungen und Bruchstellen und führt zusätzlich die logischen
Bezeichnungen200 für die dargestellten Metaphern ein.

Abbildung 1: Differenz und Identität - Phasen der Entwicklungsgeschichte, Bruchstellen und Extreme

2.1.2. Sein, Wesen, Begriff – Kommunikation, Evolution, Differenzierung


Für Habermas, so schreibt Charles Taylor, sind „die ‚signifikanten Anderen‘ […] nicht Der Gemein-
schaftssinn in
einfach etwas Äußerliches für mich, sondern sie tragen dazu bei, mein Selbst zu konstituie- den signifi-
ren“201. Diese Beziehung liegt schon in den Anfängen des Pragmatismus vorgezeichnet. So kanten Ande-
ren oder das
schreibt Peirce 1867, dass „Substanz und Sein der Anfang und das Ende aller Konzeptio- Zeichen als
Kontingenz-
nen“202 sind. Sein ist für ihn dabei der Augenblick, in dem eine Aussage mit einem Gegen- absorption
stand in Verbindung tritt. Es selbst ist inhaltslos: „die Konzeption des Seins beinhaltet le-
diglich die Beziehung von Prädikat und Subjekt, in der die beiden Worte übereinstim-
men“203. Das Sein, als reine, inhaltslose Beziehung, wird zum univoken Gegenstand. Knapp
40 Jahre später in den Anfängen des 20ten Jahrhunderts bleibt vom Sein das Zeichen, das
heißt „eine Sache, die dazu dient, Wissen über eine andere Sache zu transportieren, für die
es sozusagen steht oder die es repräsentiert“204. Ein Zeichen ist ein geistiges Korrelat für ein
Ding, einen Gegenstand und als Zeichen ist es dessen mentaler Interpretant. Mit Interpretant

200
1) A|B: oder „A ⊻ B“ wie auch „A = A“ steht für den logischen Gegensatz der beiden Seiten und die
tautologische Struktur der ersten Phase; 2) A → B: meint, dass in der zweiten Phase jeweils eine Seite die
andere unterordnet, also eine univariate, lineare Relation besteht. Beziehungsweise lässt sich auch „A ˅ B“
verwenden unter der Bedingung, dass entweder A oder B wahr sind, aber beides potentiell wahr sein kann,
solange zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in Bezug auf unterschiedliche Objekte oder in einer Rangordnung
oder unter Anwendung besonderer Logiken, wie bei Duns Scotus etwa in einer Variante des Modus Ponens –
„(A ∧ (A → B)) → B“, was so viel heißt wie, es gibt Akzidenzien aber wenn es ein Akzidenz ist, ist es eine
Substanz, entsprechend ist alles Substanz und Akzidenz oder die Differenz nur eine Sonderform sich auf diese
zu beziehen; 3) A ∧ B: steht für das „Sowohl-als-auch“ des Ozeans sowie 4) A ↔ B: also ein Bikonditional
verdeutlicht für die gleichzeitige unabdingbare Beziehung beider Seiten zueinander.
201
Taylor 2016, S.879
202
Peirce 1992a, S.2
203
Ebenda, S.2
204
Peirce 1998h, S.13

30
aber wird zwangsläufig wieder „auf die kontingente Bedingung der konventionellen Reali-
sierung der intersubjektiv gültigen Bedeutung“205 verwiesen, auf die Notwendigkeit, dop-
pelte Kontingenz zu tolerieren und dadurch Wahrheitsanspruch und Sinnverweis als „die
Einheit der Differenz von Wirklichkeit und Möglichkeit [zu definieren, also offenzuhalten,]
bei jeder Aktualisierung glauben zu können, dass es irgendwo einen festen Halt gibt, […]
dass es weitergeht“206. Nur dadurch ist nach Luhmann Anschlussfähigkeit, die Kommunika-
tionen und damit Gesellschaft aufrechterhält, zu schaffen. Für Peirce heißt dieses, die In-
tersubjektivität ersetzende System der Gesellschaft, Gemeinschaftssinn, als „die Bestim-
mung des Geistes, in die der Geist des Sprechenden und des Interpretierenden eingehen müs-
sen, damit Kommunikation geschehen kann“207. Aber wie auch schon zuvor gezeigt, macht
auch Peirces Konzept „nur in einem Kontext vorheriger Ungewissheit Sinn. Nur angesichts
einer ‚Irritation als Zweifel‘, die eine Untersuchung antreibt, gewinnt [Information als ‚Se-
lektion aus mehreren Möglichkeiten‘208] einen Wertmaßstab, der auf der jeweiligen Macht
eines Zeichens basiert, in einem gegebenen Zeichenzusammenhang die Unsicherheit eines
Interpretierenden bezüglich eines Objekts zu reduzieren“209. Jedes Erkenntnisinteresse ist
dabei für seine Erfüllung an eine evolutionäre Reihe von Kategorien gebunden, die über die
Modalität des Objektes entscheiden, ob es möglich, wirklich oder notwendig ist210. Ein Zei-
chen kann in drei Arten zerfallen: 1) Icons oder Abbilder, 2) Indices und 3) Symbole.
Ein Symbol ist, als „Zeichen, das selbstredend in der Lage ist klarzustellen, dass eine
Anzahl von Gegenständen, die durch welche Anzahl an Indices auch immer beschrieben
werden, zu ihm gehören könnte, und durch ein Icon, das mit ihm assoziiert wird, in der Lage
ist zu repräsentieren“211 als drittes und letztes in der evolutionären Stufenfolge anzusiedeln.
Als Drittes ist es im Pierceschen Kategoriensystem eine Bezugnahme „auf Gesetz- und Re-
gelmäßigkeiten, auf Gewohnheit und auf Kontinuität, die zum Beispiel die Struktur einer
Symphonie zusammenhält, das übergreifende Muster in die Musik bringt, in der die einzel-
nen Noten und Geräusche die […] [Indices] sind”212. Hier findet sich also die nichthinter-
gehbare Voraussetzung für einen Universalien gesteuerten Diskurs und Kommunikation, der
Kontingenz im jeweiligen Sinne der dargestellten Theorien durch höhere Ordnung

205
Apel 2016b, S.113
206
Luhmann 2000, S.20
207
Peirce 1998i, S.478: Eigentlich „commens“ als Kofferwort von „common-sense“ der Gemeinschaftssinn,
der Einfachheit halber auch als späteres übersetzt.
208
Luhmann 2018a, S.71
209
Brier 2017, S.40
210
Vergleiche dazu Kant 2013, S.77f & Peirce 1998j, S.354f
211
Peirce 1998h, S.17
212
Brier 2017, S.39

31
reduzieren lässt. Bei Luhmann wurde hier von den symbolisch generalisierbaren Medien und
insbesondere von Systemdifferenzierung gesprochen, bei Hegel von der Sphäre der Begriffe
und der absoluten Idee, während Apel das Universalisierungsprinzip innerhalb einer diskurs-
orientierten, postkonventionellen Ethik anrät. Funktionale Systemdifferenzierung bei Luh-
mann erfordert neben einem symbolischen Konsens213 „eine auf Zeit und Wechsel abstel-
lende [evolutionäre] Ordnung“214. Es geht nicht nur darum, Gewohnheiten als Drittes aus-
zubilden, sondern auch für Irritierbarkeit und Lernfähigkeit, für „das Auftreten von etwas
‚Neuem‘ als Abweichung von erwarteter Kontinuität und Wiederholung“215 innerhalb einer
Theorie der Gesellschaft Platz zu haben, also eine irritierende „Ausgangssituation im System
zu vermehren und im Abgleich mit vorhandenen Strukturen solange weiter […] zu erzeugen,
bis […] [sie] durch angepasste Strukturen konsumiert wird“216. Für Luhmann spielt Kom-
munikation innerhalb der Zeitlichkeit und Evolution eines Systems eine Schlüsselrolle und
gewinnt entsprechend an Größe, „je mehr sie Diskontinuitäten gezielt zumuten und norma-
lisieren kann […] [, denn sie] ergänzt auf einem konkreteren, interaktions- und funktions-
spezifischen Wege die generelle Auswirkung von Änderungen der Differenzierungsform
und des Komplexitätsniveaus der Gesellschaft“217.
Kommunikation in ihrer temporalisierenden und diskontinuierenden Funktion geht es, Das Erste,
Sein und
indem sie „die Ja/Nein-Bifurkation öffnet“, so Luhmann, „um die Annahme oder Ablehnung Kommunika-
des in ihr offerierten Sinnes […]. [So] kommt Variation mithin durch eine Kommunikati- tion als Vari-
ation oder
onsinhalte ablehnende Kommunikation zustande. Sie produziert ein abweichendes Element Ja/Nein Bi-
furkation
– nicht mehr und nicht weniger“218, während die Gesellschaft zugleich einen Spielraum für
Kontinuitäten und Entwicklungspfade schafft, indem sie einen Überschuss von möglichen
Wortkombinationen, kontingentem Gesprächsstoff und doppelkontingenten Annahmemög-
lichkeiten offenhält. Für Peirce entsteht eine solche Variation weniger aus einer Annahme
oder Ablehnung, sondern aus Interesse an “reinem Zufall […], aber einem Zufall in der Form
von Spontaneität, die zu einem gewissen Grad regelmäßig ist“219. Dies geschieht innerhalb
der Kategorie des Ersten, der einfachen Qualität eines Gefühls, so Peirce. Diesen Prozess
beschreibt er wie folgt: „Es gibt bestimmte Kombinationen von Empfindungen, die

213
Vgl. Luhmann 2012, S.174-176
214
Luhmann 1980, S.299f
215
Luhmann 2018b, S.790
216
Ebenda, S.790f
217
Luhmann 1980, S.299f
218
Luhmann 2018b S.1140 & 2018a, S.460f
219
Peirce 1923, S.200; Brier 2017, S.105 schreibt dazu: „Peirce integrates chance as a foundational element by
establishing a spontaneous foundation, as in Quantum field theory, which he calls tychism. It is a level of pure
potentialities, like the modern theoretical idea of the quantum vacuum field that is never at rest.”

32
besonders interessant sind, – das heißt, sie haben eine besonders reiche Beziehung zu Ge-
danken. […] Entsteht nun eine interessante Kombination, deren subjektive Intensität für eine
kurze Zeit mit hoher Geschwindigkeit ansteigt […], dann kommt es dazu, dass ein komple-
xes Abbild ein anderes fordert, das ein Teil dieses Phänomens wird“220, es aufhebt oder in-
tegriert. Peirce betont also im Gegensatz zu Luhmann weniger die Negation, vielmehr, wie
eine „interne Repräsentation für extern induzierte Zufälle“221 entsteht. Abbilder können da-
bei verknüpft, aggregiert oder simultan verwendet werden, aber „niemals zieht ein reines
Abbild eine Trennlinie zwischen sich selbst und seinem Objekt. Es repräsentiert, was auch
immer es repräsentieren mag, und alles, welchem es ähnlich ist, existiert insofern auch, als
es repräsentiert wird. Es ist eine reine Angelegenheit des Soseins“222. Bei Hegel findet sich
etwas Ähnliches im Verhältnis der Substanz zu den Akzidenzien. Die Substanz ist eine Art
Abbild, insofern sie notwendigerweise „die Negativität dieser [abbildhaften] Form der In-
nerlichkeit ist, also sich als Wirklichkeit setzte, aber ebenso die Negativität dieses äußerli-
chen ist, nach welcher das Wirkliche als unmittelbares nur ein Akzidentelles ist, das durch
diese seine bloße Möglichkeit in eine andere Wirklichkeit übergeht; ein Übergehen, welches
die substantielle Identität als die Formtätigkeit ist“223; oder schlichter, das Überstülpen eines
Abbildes und damit das Verdinglichen eines ansonsten impermanenten, weil vorbeiziehen-
den Phänomens.
Das Substantialitätsverhältnis bei Hegel ist zudem wesentlich zur Bestimmung des Seins.
Sein ist nach Peirce die erste seiner evolutionären Kategorien in der Hegelschen Version,
denn es ist „bestimmtes Sein […] [, dessen] Bestimmtheit […] seiende Bestimmtheit, Qua-
lität“224 ist. Im Sein gebiert das Dasein das Werden, Entstehen und Vergehen, also die Ak-
zidenzien. Es hebt sie auf: Indem das „Sein, das unbestimmte Unmittelbare […] [, welches]
in der Tat Nichts und nicht mehr noch weniger als Nichts [ist,] […] sondern einfache Gleich-
heit mit sich selbst, vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit, [liegt darin
eine] Einheit, deren Momente, Sein und Nichts, als untrennbare, […] zugleich verschieden
[sind], so ein Drittes gegen sie, welches in seiner eigentümlichsten Form dieses Werden“225,
als Entstehen und Vergehen ist. Werden ist „die Ungetrenntheit des Seins und Nichts; nicht
die Einheit, welche vom Sein und Nichts abstrahiert, sondern als Einheit des Seins und

220
Peirce 1998h, S.23f
221
Luhmann 2018a, S.503
222
Peirce 1998f, S.163
223
Hegel, Enzyklopädie §150
224
Hegel, Wissenschaft S.115
225
Ebenda, S.83-96

33
Nichts ist es diese bestimmte Einheit oder [die,] in welcher sowohl Sein als Nichts“226 auf-
gehoben sind. In dieses „Sein, das, indem es ist, nichts ist, und indem es nicht ist, ist“ kommt,
durch das Wesen und damit das Substantialitätsverhältnis, zum Akzidentellen ein „schlecht-
hin Abstraktes, Ideelles; das angeschaute Werden, das reine Insichsein als schlechthin Au-
ßersich-kommen“227, die Zeitlichkeit228. So wird für ein Subjekt, denn das Sein hat ein „em-
pirisches Dasein“229 überhaupt nur in ihm, der Anknüpfungspunkt für die subjektiv-intersub-
jektive Weltgeschichte „die Gesamtheit der Interaktionen […] [als Sein, die] mithin eine Art
basale Anarchie [bilden.] […] [Sein] bildet qua Eigenstabilität von Interaktion und qua Auf-
hörzwang der Interaktion das Spielmaterial für gesellschaftliche Evolution. Anspruchsvolle
Formen der gesellschaftlichen Differenzierung bauen sich durch Selektion aus diesem Ma-
terial auf“230, aber nur, wenn Sein zuvor ein bestimmtes Sein, ein Dasein wird, eine Qualität,
ein Icon oder Abbild, eine erste Interferenz, die als Irritation ein Ja oder Nein fordert, ein
„etwas gegen ein Anderes [und damit] veränderlich und endlich, nicht nur gegen ein anderes,
sondern an ihm schlechthin negativ bestimmt; Sein und Nichts in ihrer Einheit, welche Da-
sein ist, […] – Sein im Etwas […], Beziehung auf sich nur als Nichtsein des Andersseins“231
können dann in einem Substantialitätsverhältnis aufgehoben und damit nicht mehr nur Va-
riation sein, sondern als dessen gleichzeitige Negation und Verstärkung Selektion werden.
Aus einer entwicklungspsychologischen Sicht, wie bereits angedeutet, braucht es zum Ent-
stehen einer ersten Unterscheidung, die im Ichsein, als Nichtsein eines Anderen, münden
kann, die Vollendung der frühkindlichen und sensomotorischen Entwicklung durch erste
Formen des vorbegrifflichen Denkens.
Nach Jane Loevinger sind Stufen der Ich-Entwicklung lediglich Meilensteine, Wellen, Das Entwick-
lungspsycho-
die einen Höhepunkt erreichen und mit dem Auftauchen der nächsten Welle wieder abklin- logische Fun-
gen232. Im Abklingen bleibt aber etwas der vorhergehenden Stufe erhalten. Wie Heinz Streib dament des
Ersten als
dazu schreibt, existieren sie in korrelativem Verbund mit anderen Menschen, als „Modi des Weg zur So-
zialität
Zugangs zu und Umgangs mit […] [der Welt] in ihren narrativen, symbolischen und rituellen
Ausdrucksformen, die multifaktoriell, nämlich lebensweltlich und lebensgeschichtlich generiert
sind“233, weiter. In Luhmanns Gesellschaftstheorie finden sie sich etwa in und durch „Sprache,

226
Ebenda, S.110f
227
Hegel, Enzyklopädie, §258
228
Auch wenn Hegel keinen Begriff von Evolution hatte, er starb 28 Jahre vor der Publikation Darwins vom
Ursprung der Arten, lässt sich innerhalb dieses Verhältnisses vielleicht so etwas wie ein Mechanismus für
Evolution in Abgrenzung zur dialektischen Entwicklung entdecken. Dazu später mehr.
229
Hegel, Wissenschaft S.115
230
Luhmann 2012, S.575f
231
Hegel, Wissenschaft S.115 S.127
232
Loevinger 1976, S.167f
233
Vgl. Streib 1997, S.66

34
Verbreitungsmedien und symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien [ausgedrückt,
als] evolutionäre Errungenschaften, die in Abhängigkeit voneinander […] Gesellschaft als
soziales System“234 produzieren und reproduzieren. Stufen sind transzendental generalisierte
Medien, die sich zu Formen verdichten, die wiederum als Medien dienen. Bei Deleuze und
Guattari lässt sich der Begriff des „Stratum […], ein Phänomen der Akkumulation, Gerin-
nung, und Sedimentierung, das, um nützliche Beziehungen […] [aus der unstrukturierten,
kontingenten Wirklichkeit] zu extrahieren, Formen über sie legt, Funktionen, Beziehungen,
dominierende und hierarchisierende Organisationen, oder organisierte Transzendenta-
lien“235, borgen. Denn evolutionäre Errungenschaften, so Luhmann, tendieren wirklich dazu,
das, was sie der Zeit abgerungen haben, irreversibel zu machen, „Resultate der Evolution zu
zementieren […] [, während] die jeweils dominante Form der Differenzierung […] dann
zugleich [regelt], wie die Einheit der Gesellschaft in der Gesellschaft gesehen werden kann
und welche Einschränkungen der Freiheitsgrade der einzelnen Teilsysteme sich daraus er-
geben“236. Die stufenmäßige Evolution oder Entwicklung im Individuum, wie in der Gesell-
schaft ist Aufheben in seiner wahrhaft gedoppelten Bedeutung, „es ist ein Negieren und ein
Aufbewahren zugleich; das Nichts, als Nichts des Diesen, bewahrt die Unmittelbarkeit auf
und ist selbst sinnlich, aber eine allgemeine Unmittelbarkeit“237.
Stufenmäßig spätere Systeme zeichnen „sich durch ein relativ hohes Maß an Information
[Komplexität und Unsicherheitsbewältigung] aus, während […] die früher stehenden durch
ein relativ hohes Maß an Energie“238 gekennzeichnet sind. Dadurch ergibt sich nach Parsons
eine gepaarte, bidirektionale Rangordnung, in der „der aufwärts gerichtete Pfeil die Hierar-
chie der Bedingungen, die […] ‚notwendig aber nicht zureichend‘ sind […] [und] der ab-
steigende Pfeil die Hierarchie der kontrollierenden Faktoren im kybernetischen Sinne“239
bezeichnet. Das „notwendig aber nicht zureichend“ lässt sich auf mindestens drei Faktoren
beziehen: wahrscheinlich ist, dass Systeme separate Funktionen für die Komponenten der
Evolution ausdifferenzieren, also Variation, Selektion und Restabilisierung „durch

234
Luhmann 2012, S.222f
235
Deleuze & Guattari 2005, S.159
236
Luhmann 2018a, S.510 & 2018b, S.618
237
Hegel, Phänomenologie S.93: Robert Kegans Denkbild bezüglich der Entwicklungsstufen des Selbst 1982,
S.85 bringt dies auf den Punkt: „das was Absolut war wird zum Vorläufer eines neuen Absoluten, das was
unmittelbar war wird zum vermittelten eines neuen Unmittelbaren, das Subjekt einer Stufe wird das Objekt des
Subjekts einer neuen persönlichen Organisation.“ In der Ich -Entwicklung heißt dieser Prozess, wie schon ge-
sagt, Differenzieren und Integrieren; aus systemtheoretischer Sicht aber wohl wesentlich ist das Aufbauen von
Inklusions- und Exklusionsbeziehungen mit jeder evolutionären Errungenschaft, d.h. zu entscheiden, was Sys-
tem und was Umwelt ist und entsprechend fortbesteht oder verschwindet. Vergleiche dazu Luhmann 2018b,
S.618-634
238
Parsons 1975, S.51
239
Ebenda, S.51

35
unterschiedliche Sachverhalte“240 realisieren, und funktionale Äquivalente für jede einmal
aufgetauchte ideelle Struktur erschaffen, aber damit ist 1) weder zwangsläufig verbunden,
dass eine moderne Gesellschaft auch postmodern wird, sobald eine postmoderne Selbstbe-
schreibung in Gang kommt, 2) noch sichergestellt, dass verschiedene Teilsysteme wie Mo-
ral, Politik, Recht, Wirtschaft die gleiche Systemkomplexität erreichen241; Schlussendlich 3)
gibt es auch keine Garantie dafür, dass diskursive, oberflächliche Erscheinungsformen einer
Stufe weder zwingend in allen Systemen aufblühen noch für die Ewigkeit sind. So wurde
etwa das universalistische Potential der formalen Operationen, das bereits in den jüdisch-
christlichen und griechisch-ontologischen Traditionen vorhanden war und sich in deren alles
vereinenden Prinzipien Gott, Sein oder Natur Ausdruck verlieh, mit dem Fortschritt der Wis-
senschaften von einer „Ordnung, die – auch wenn fundiert – als Absolut gesetzt war […],
befreit, […] und konnte entsprechend nur mehr reflexiv behauptet werden, durch die Einheit
der Vernunft“242. Das „hinreichend aber nicht zureichend“ ist Grundbedingung für eine
pluriforme Gesellschaft.
Die, dem Peirceschen Ersten, dem Hegelschen Dasein und den Wurzeln der Kommuni-
kation bei Luhmann entsprechende, frühkindliche Entwicklung hin zur Ja/Nein-Bifurkation,
reicht von einem Zustand der „von Freud als ‚ozeanisch‘, und von William James als ‚erblü-
hende, geschäftige Verwirrung‘ [bezeichnet wurde], wo mentale Aktivität als der einfache
Strom von Bewusstseinsmomenten gedacht werden kann […] [und] grobe Empfindungen,
Bilder und Gefühle […] ohne Verbindungen untereinander und ohne inhärente Bedeutung
durch den Geist“243 fließen, hin zur frühen vorbegrifflichen Intelligenz. Dort beginnt das
„Selbstbild einen rudimentären universellen oder konzeptuellen Charakter zu gewinnen. Das
Kind beginnt sich auf sich selbst als Ich zu beziehen, und auf eine konkrete abbildende Weise
Eigenschaften zuzuschreiben. […] [Es] fängt damit auch an, ein konkret universelles zu sein,
ein mentales Abbild von unterscheidenden, definierenden Attributen […]; [aber] diese sind
immer noch quasi-unabhängige Wesensbezeichnungen, die das Kind ist [wie ein Icon das

240
Luhmann 2018a, S.498
241
Vergleiche dazu etwa Loevinger 1976, S.188 oder Kohlberg S.164, der schreibt, dass kognitive Entwicklung
nicht ausreicht Moralentwicklung zu stimulieren, auch wenn erstere notwendig für die Zweite ist. Ähnlich lässt
sich sagen, dass die Komplexität einer Gesellschaft oder eines Systems der Gesellschaft oder einer Interaktion
nicht ausreicht, das Niveau aller Systeme anzuheben. Die Verarbeitung der Umweltkomplexität hängt nach
Luhmann ja bekanntlich von der Eigenstruktur eines Systems ab, d.h. dieses müsste für eine nicht rein zufällige
stufenmäßige Entwicklung Mechanismen ausbilden, die höhere ideell generalisierte Medien und deren Formen
priorisiert. Etwa über eine wie Apel 2016d, S.468 schreibt „moralische Langzeitstrategie“, die durch Achtung
und Missachtung entsprechende Selektionen konditioniert. Denn grundsätzlich, so Luhmann 2016, S.116, ist
jede Situation moralisch bewertbar.
242
Habermas 1979b, S.105
243
Wade 1996, S.61

36
Sosein eines Phänomens] […]. Es sind Modi, an denen das Kind – zusammen mit anderen
Personen, Tieren und Dingen! – partizipiert. […] die Eigenschaften besitzen das Kind so
sehr wie das Kind diese besitzt“244. Darin taucht mit zirka zwei Jahren eine Kodierung auf,
die „alle Operationen des Systems, welchen Inhalts auch immer, als Wahl zwischen Ja und
Nein“ 245 strukturiert. Nach Erik Erickson ist diese Kodierung ein frühes „Prinzip der ‚Ver-
nunft‘, die Bereitschaft, den Sinn von Worten zu akzeptieren“246 oder nicht. Darin liegt für
ihn die ontogenetische Entsprechung aller Institutionen, die Handlungsfreiheiten regulieren.
Basierend auf einem Grundvertrauen wird hier Sozialität als Verbindung mit dem „frühesten
Anderen“247 ermöglicht. Auf den Schultern von Erickson stehend, sieht Giddens in der Ent-
wicklung vom Neugeborenen hin zum Trotzalter die Basis für den Glauben an „die Konti-
nuität der Objektwelt und in das Gefüge der sozialen Aktivitäten […] [, in die] Routinen, die
für beides wesentlich sind, für die Kontinuität der Persönlichkeit eines Agenten, […] wie
auch die Institutionen der Gesellschaft“248. Für ihn sind nur auf diesem Fundament soziale
Zusammentreffen und damit Diskurse möglich, die die reversible Zeitlichkeit oder Kontin-
genz jeder Struktur erzeugen249. Tägliche Routinen, Vertrauen, einfache Sozialität, „eine
vorgegebene Semantik ermöglicht überhaupt erst das Erkennen von Abweichungen […] von
einer vorgegebenen Semantik, vom Gedächtnis des Systems, das alle Kommunikation dar-
über informiert, was bekannt und normal ist, was erwartet werden kann, und was nicht“250,
so Luhmann.
Aufbauend auf diesem ersten, einfachen Dasein und unterhalb des Dritten als Sphäre des Das Zweite
oder Wesen
Begriffs und der Systemdifferenzierung sieht Peirce das Zweite. Dessen „reagierende Kor- als Evolution
relate […] [sind] Singulare […], und als solche Individuen, die nicht weiter untergliedert oder Doppel-
seitiges Be-
werden können, […] wie etwa die normativen Wissenschaften ein Gesetz der Beziehung wusstsein
von System
eines Phänomens zu einem Ziel behandeln“251. Dieses Zweite ist zwangsläufig ein doppel- und Umwelt

seitiges Bewusstsein dessen, „dass es keine Anstrengung ohne einen Widerstand gibt, oder
keinen Widerstand ohne einen entgegengesetzten Aufwand. Jedes Bewusstsein, jedes Wach-
sein, besteht aus einem Gefühl der Reaktion zwischen einem Selbst und einem Nicht-Selbst,
auch wenn das Gefühl für eine Anstrengung abwesend ist“252. Oder, aus

244
Washburn 1988, S.79
245
Luhmann 2012, S.603 und Wade S.97-99
246
Erickson 2012, S.60
247
Ebenda, S.62
248
Giddens 2017, S.60
249
Ebenda, S.69
250
Luhmann 2018a, S.470f
251
Peirce 1998f, S.161 & 1998k, S.197
252
Peirce 1998l, S.268

37
entwicklungspsychologischer Sicht: im anschaulichen Denken, mit dem Ende des vorbe-
grifflichen Denkens, wird eine „unmittelbare Beziehung zwischen einem verinnerlichten Tä-
tigkeitsschema und der Wahrnehmung der Gegenstände […] [etabliert], [eine] unmittelbare
Beziehung zwischen der Erscheinung und dem Standpunkt des Subjekts“253. Reden über
„Ursache und Wirkung, Reflexionen über Ursachen, Handelnde, Handlungen und Ergeb-
nisse, Ausweichen, Wiedergutmachung [und] Schauspielerei oder Verstellung“254 treten her-
vor und zusammen mit einer Koordination von mehreren Daseinsmomenten durch Prono-
men wie Ich, Du, Meins, Deins werden aus „zufallsgeladenen und instabilen Abbildern“255
mögliche konkrete Identitäten, die zuvor „durch Imitation ausprobiert werden“256. Zugleich
beginnt hier und später im Übergang zum konkret-operationalen Denken die Entwicklung
des „angeschauten Werdens“, der wahrnehmenden Temporalisierung, der „begrifflichen Di-
chotomie von Stabilität und Wechsel und von Struktur und Prozess“257, indem „verschiedene
zeitliche Beziehungen zum Begriff einer einheitlichen Zeit verbunden werden“258. Dies ge-
schieht entweder in einem System aus Entsprechungen, partiellen Äquivalenten und Alteri-
täten im Falle symmetrischer Beziehungen und im Falle asymmetrischer transitiver Bezie-
hungen in Form sequenziell geordneter Differenzen259. Auch Evolution, laut Luhmann, fin-
det „innerhalb der Zeit statt“260, und wiederum einerseits asymmetrisch durch Strukturwan-
del, andererseits auch symmetrisch und als Abstraktion von linearer Zeit, indem eine be-
stimmte Typologie historischer Situationen zur „Mehrfachentstehung evolutionärer Errun-
genschaften“261 führt.
Für Luhmann, auch wenn für ihn „Kommunikationstheorie, Evolutionstheorie und Diffe-
renzierungstheorie [sich wechselseitig voraussetzende, aber] jeweils verschiedene Einstiegs-
tore für die Gesamttheorie“262 der Gesellschaft sind, findet sich zwischen Kommunikation
und der Ausdifferenzierung von Systemen diese Zeitlichkeit und ihre evolutionäre Natur,
die sich durch jede Variation auf Kommunikation zurückbezieht, die „zwangsläufig Selek-
tion […] als Zwei-Seiten-Form: wenn nicht positiv dann negativ“263 zur Folge hat, und zu-
gleich auf Systemdifferenzierung, durch die evolutionäre Funktion der Restabilisierung,

253
Piaget 1974, S.156f
254
Commons & Wolfsont 2002, S.30
255
Washburn 1988, S.80
256
Commons & Richards 2002, S.160
257
Luhmann 1980, S.235
258
Piaget 1974, S.158
259
Inhelder & Piaget 1956, S.273-275
260
Luhmann 2018a, S.501
261
Ebenda, S.501
262
Luhmann 2018b, S.1138
263
Luhmann 2018a, S.474

38
„oder anders gesagt: auf die Einheit des Systems im Unterschied zur Umwelt“264 verweist.
Dabei setzt „alle Selektion […] Einschränkungen voraus. Eine Leitdifferenz arrangiert […]
eine eingewöhnte Systemdifferenzierung über einschränkende Bedingungen der Verständ-
lichkeit von Kommunikation und des Passens von Verhaltensweisen“265. Dabei kommt es
wie auch bei Peirce zu einer Bezugnahme auf je eine von zwei Seiten als Ausgansperspektive
eines doppelseitigen Bewusstseins von System und Umwelt. Das heißt „Reaktionen mit ei-
ner Empfindung des Strebens, von denen wir denken, dass sie durch uns entstanden sind,
[werden von] Empfindungen einer Reaktion ohne Streben, von der wir denken, dass sie zu
einer äußeren Sache gehört“266, unterschieden, wie auch „Selektion […] das System [befä-
higt], zwischen externen Einschränkungen (‚Parametern‘) und internen, nämlich selegierten
Einschränkungen zu unterscheiden“267. Beides zusammen „Wille und Wahrnehmung kön-
nen [laut Peirce] auf unser eigenes Bewusstsein angewandt werden, und lassen so die Kon-
zeption einer inneren Welt, – die nichts anderes ist als Bewusstsein mit einem in es impor-
tierten Zweiten“268 – erscheinen und damit eine individuelle Operation des anschaulichen
Denkens, die „auf der Ebene sozialer Systeme, eine sich selbst konditionierende Selektion,
und die Selektion der Selektion ist“269. In der, aus seiner doppelseitigen Operation, die zu-
gleich Wille und Wahrnehmung ist, folgenden Funktion, ist das Zweite ein Index. Es steht
„für sein Objekt kraft einer wahren Verbindung […], oder weil es den Geist dazu zwingt
sich auf einen Gegenstand zu fokussieren“270. Ein Index ist unbedingte Voraussetzung für
jede Aussage. Als Zeigefinger ist seine Funktion, den Gegenstand des Diskurses anzugeben,
der ansonsten unbekannt bleiben würde, und der Diskurs entsprechend viel Lärm um nichts
oder die Präzisionslosigkeit eines vorbegrifflichen Kleinkinds, das mit einem Wort sowohl
Subjekt, Objekt als auch Prädikat meint271, folglich alles auf ein Erstes oder Icon reduziert.
Während Variation oder Differenz nicht determiniert „was, wohl aber, dass selegiert werden
muss“272, haben Indices auch selektive Funktion, „denn sie räumen einem Zuhörer die Frei-
heit ein, jedes Ereignis innerhalb der ausgedrückten oder verstandenen Grenzen

264
Luhmann 2002, S.412
265
Luhmann 2012, S.56 S.259
266
Peirce 1998l, S.268
267
Luhmann 2012, S.385
268
Peirce 1998l, S.268
269
Luhmann 2012, S.589
270
Peirce 1998h, S.
271
Vgl. Miller & Lee 2007, S.8: Mit der frühen vorbegrifflichen Stufe oder der der nominalen Konzepte haben
Worte “[…] a literal meaning and quite often even a name like orange juice can be taken as an instruction to
drink the orange juice.”
272
Luhmann 2012, S.56

39
auszuwählen, und das ein Geltungsanspruch sich auf“273 alle, jeden, nichts, niemanden, was
auch immer, wen auch immer, irgendwas oder irgendwen, aber doch zumindest auf etwas
innerhalb der genannten Grenzen bezieht. Die Entwicklung aller indexikalischen Redefigu-
ren der Pronomen, Bindewörter, der Zeit- und Ortsangaben sowie der Kausalwörter, Ab-
grenzungen von Handlung und Handelndem sowie der Verweis auf Interaktionen, soziale
Ereignisse und dem, was geschehen ist, konsolidiert sich innerhalb der konkreten Operation
und wird mit dem Auftauchen der einfachen Abstraktionen in einem „strukturierten Gan-
zen“274, dem Hegelschen Begriff, aufhebbar. Ein Index als „Selektion von Einschränkungen
wirkt somit als Einschränkung von Selektionen, und das festigt die Struktur“275, sobald seine
Funktion in die Wirklichkeit der Systemtheorie transponiert wurde.
Mit Luhmann darf man “mithin vermuten, dass Variationen auf der Ebene der Alltags-
kommunikation zwar massenhaft vorfallen und in einer Art von Kurzzeitgedächtnis […]
auch kurzzeitig kommunikativ referierbar bleiben; dass aber positive Selektionen nur wahr-
scheinlich sind, wenn sie im Kontext einer vorhandenen gesellschaftlichen Differenzierung
anschlussfähig sind“276. Selektionen erfordern auch im Sinne Hegels nicht nur ein Verhält-
nis, in dem etwas Akzidentelles Substanzcharakter erhält, sondern auch mithilfe eines Inde-
xes angepeilt zu werden, und ein Kausalitätsverhältnis, in dem „Ursache und Wirkung un-
trennbar “277 sind, auszubilden. Oder wie Luhmann sagt, „ein einzelnes Nein ändert noch
keine Strukturen“278, es ist eine Ursache, die nicht zwangsläufig eine Wirkung hat und folg-
lich „nicht Ursache, wie die Wirkung, die keine Ursache hätte, nicht mehr Wirkung“279 wäre.
Erst über Selektion, eine diese Ursachen „benutzende, bestätigende, kondensierende Struk-
tur kommt etwas Unwahrscheinliches zustande, nämliche eine markante Abweichung vom
Ausgangszustand“280. Was weder kommuniziert noch gehört wird, kann keine Wirkung ha-
ben. Für die Einheit aus Ursache und Wirkung muss sich „die Substanz […] zum Fürsichsein
gegen ein anderes bestimmt […] [haben], weil sie ihr Anderes als Bedingung, als Vorausge-
setztes ist und ihr Wirken dadurch ebensosehr Werden als Setzen und Aufheben des Anderen
ist“281; Evolution ist immer Referenzieren und dadurch eine Einheit aus Differenzen und
abhängig von ihren eigens geschaffenen Formen.

273
Peirce 1998h, S.16
274
Commons & Richards 2002, S.160 sowie Inhelder & Piaget 1956, S.278
275
Luhmann 2012, S.385
276
Luhmann 2000, S.214
277
Hegel, Wissenschaft S.166
278
Aschke 2002, S.102
279
Ebenda, S.166
280
Luhmann 2018a, S.476
281
Hegel, Wissenschaft S.217 & S.236

40
Doch der reflexive Prozess des Indexierens und Selektierens des Selektierens ist, wie Die Formen
kulturellen
Charles Darwin in die Entstehung der Arten, schreibt nicht einfach zu vollziehen, denn wenn Ausdrucks
er „nur darin bestehen würde, ein paar sehr spezielle Variationen zu separieren, und davon des Zweiten
und selektive
Nachkommen zu erzeugen, wäre das Prinzip so offensichtlich, dass es kaum Wert wäre es Intensivie-
rung durch
zu benennen; aber seine Wichtigkeit besteht in dem riesigen Effekt durch die Akkumulation Medien

in eine Richtung, über aufeinanderfolgende Generationen, von Unterschieden, die absolut


unsichtbar für ein ungeschultes Auge wären – Unterschiede, die Ich vor allem vergeblich
versucht habe zu erkennen“282. Genauso müssen soziale Systeme für die Selektion sicher-
stellen, dass unscharfe Variationen auch sichtbar werden. Jeder Luhmannschen Variation als
Negation oder jedem einfachen Gefühl bei Peirce kann nur dann eine Chance gegeben wer-
den, wenn „entsprechende Verstärker im Bereich der Selektion sicherstellen“283, dass eine
Summation von Interpretationen unscharfer Irritationen erfolgt. In primitiven Gesellschaf-
ten284 entsteht als erste Bedingung für diesen Prozess die Differenz von Gesellschafts- und
Interaktionssystem285. Dort, wo der Horizont sinnhaften Erlebens und Handelns kaum über
die Anwesenden hinausreicht, setzt sich bereits „in rudimentärer Form [die Differenz von
Gesellschaftssystem und Interaktionssystemen] voraus und vermag dann sich selbst als Dif-
ferenz zu steigern“286. Primitive Gesellschaften als Systeme "des konstitutiven Symbolis-
mus, welches den Mitgliedern der Gesellschaft ihre Selbstdefinition oder kollektive Identität
verleiht“287, scheinen sich primär aus Individuen mit anschaulichem Denken aufzubauen,
denn auf dieser Entwicklungsstufe hat ein Mensch „in einer Kultur eine Gruppenidentität
geformt […], Geschlechterrollenpräferenzen ausgebildet [und] eine allgegenwärtige Imita-
tion der Älteren ist zur Identifikation geworden“288. Solche primitiven Gesellschaften bilden

282
Darwin 1909, S.47
283
Luhmann 2018a, S.480
284
Luhmann unterscheidet mit Parsons zwischen verschieden komplexen Gesellschaftsformen. Parsons 1975,
S.46-49 unterscheidet zwischen primitiven, intermediären und modernen Gesellschaften und verwendet als
Kriterium deren Anpassungsfähigkeit. Während Luhmann 2018b, S.634-776 primär über Formen der Diffe-
renzierung zwischen System und Umwelt Trennlinien erzeugt und so segmentäre, zentrum-peripherie, stratifi-
zierte und funktional differenzierte Gesellschaften unterscheidet.
285
Luhmann 2018a, S.478
286
Luhmann 2012, S.570
287
Parsons 1975, S.59
288
Miller & Lee 2007, S.8: Allerdings unterscheidet Parsons 1975, S.71-84 weiter zwischen Gesellschaften
des fortgeschrittenen primitiven Typus, die bereits über familienunabhängige Herrschaftsstrukturen verfügen.
Entsprechend, wenn man von der nicht-linearen Komponente der Gesellschaftsentwicklung absieht, davon
dass Gesellschaften nicht lediglich auf einer Stufe situiert sind, findet sich zwischen anschaulichem oder
präoperationalem Denken bei neueren Modellen noch die Stufe der primären Operationen. Lee und Miller
2007, S.8f schreiben über Menschen auf dieser Stufe: „They can discriminate the greater power and compe-
tence of the attachment object. If children are asked who is better, they reply that the attachment object is better.
Also, authority in general is seen as better, more competent, more virtuous. Children compare themselves to
the attachment object--this social comparison requiring primary operations.”

41
den Nährboden für spätere Gesellschaftsformen, die durch die zwei divergierenden Pfade
der konkreten Operationen möglich werden. Genauso wie „die Elemente eines Ganzen [in
den konkreten Operationen entweder] als eine konstante Summe bildend aufgefasst oder die
Ungleichheiten, die einen Beziehungskomplex bilden, stufenartig aufeinandergereiht wer-
den“289, gibt es für die „Auslese von evolutionsfähigen Gesellschaften, […] dann zwei prin-
zipiell verschiedene Möglichkeiten: im Anschluss an das Prinzip der Verwandtschaft kann
es, wenn höhere Schichten Endogamie durchsetzen können, zur Stratifikation kommen. Im
Anschluss an das […] Territorialitätsprinzip kann es zu Ungleichheiten in der Raumordnung
kommen, also zur Differenzierung nach städtischem Zentrum und Peripherie“290. Parsons
spricht hier von zwei archaischen Beispielgesellschaften, dem stratifizierten Ägypten, das
„in seinen religiösen und säkularen Aspekten durch eine Reihe von geordneten Abstufungen
vom Pharao abwärts über eine Vielzahl von Ebenen strukturiert war […] [mit der] Pyramide
als Symbol dieser Struktur“291 und dem „durch relativ autonome Stadtgemeinden“292 cha-
rakterisierten Mesopotamien. Aber, wie Peirce für sein Zweites fordert, handelt es sich hier
nicht um Gesellschaften aus wirklich getrennten Einzelwesen, sondern um gesellschaftliche
Kommunikationsformen als Individuen. Denn in konkreten, archaischen Gesellschaften sind
Individuen „grundlegend untrennbar […], weil jedes nur aus den Austauschbeziehungen be-
steht, die schon vorher bestanden haben“293. Das zeigt sich etwa darin, dass im alten Ägypten
„verschiedene Personen und Verwandtschaftsgruppen mehrere Ämter […] kontrollieren und
von einem Amtstyp zum anderen überwechselten“294. Konkret operationale Individuen sind
in ihrem Verhalten komplett vom Interaktionszusammenhang abhängig, „die Perspektive der
anderen wird herausgearbeitet, indem bedacht wird, wie das eigene Verhalten das Verhalten
des anderen beeinflussen wird, und so verstärkt das Verhalten des anderen wahrscheinlicher-
weise das eigene“295 und führt damit zu einer lediglich undeutlichen und konfusen Trennung
zwischen Ego und Alter. Genauso wesentlich wie diese Fähigkeit, ein Innen des Systems zu
priorisieren, ist für Luhmanns Theorie der Selektion die „Veränderung der Evolutionslage
[…] durch die Erfindung und Verbreitung von Schrift“296 in den damaligen Hochkulturen.
Die Agrarisierung der Welt befreite „zum ersten Mal in der Geschichte durch einen vorhan-
denen Überschuss an Nahrung bestimmte Individuen […] für andere und spezialisierte

289
Piaget 1974, S.158
290
Luhmann 2018b, S.662
291
Parsons 1975, S.101
292
Ebenda, S.101
293
Wilber 1983, S.165
294
Parsons 1975, S.94
295
Miller & Lee 2007, S.9
296
Luhmann 2018a, S.480

42
Aufgaben: die Entwicklung von Mathematik, des Kalenders, des Alphabets und der
Schrift“297. Allerdings besteht “ein allgemeines Einverständnis, dass die Sprache der alten
Ägypter wie auch die der Sumerer, von Anfang bis zum Ende konkret [operational] war. Zu
behaupten, dass sie abstrakte Gedanken enthalten hätte, würde […] das Eindringen der mo-
dernen Idee bedeuten, dass die Menschen immer die gleichen gewesen wären“298 und so
entsteht nur ein „degeneriertes Symbol, dessen Gegenstand ein existierendes Einzelding ist,
und das nur solche Eigenschaften andeutet, die dieser Gegenstand selbst realisieren kann
[…]. Das Dritte steht mehr oder weniger ähnlich zu dem, in welchem das Erste steht,
wodurch die Beziehung des Dritten zum Ersten mehr oder weniger ein degeneriertes Zweites
ist“ 299 und damit jedes Symbol, jede Interpretation und jede Gedankenform auf eine Art
Index reduziert wird, wie zuvor im Kleinkind alles auf ein Icon. Unabhängig davon können
konkret operierende Menschen erstmals vom Medium Schrift in vollem Umfang Gebrauch
machen. „Das geteilte Selbst kann sich auf Vorbilder ausweiten, die nur in geschriebenen
oder erzählten Geschichten auftauchen“300.
Medien aber selbst, wie bereits dargestellt, helfen lediglich dabei Formen zu erzeugen.
Erstmalig angenommene Kommunikationen durch mehrmalige positive Rückkopplung ab-
zurunden, zu kombinieren, weiterzuverarbeiten und aus lose gekoppelten Worten, Gedan-
ken, Erzählungen und Perspektiven, Dichteres zu schmieden und auf Vergangenes und Zu-
künftiges, also Selbstbeschreibungen der Gesellschaft, sozialer Systeme oder einzelner In-
teraktion anzuwenden. „Nach längerer Zeit und längerer […] [Selektion von Selektionen]
ist es dann kaum mehr möglich, die entstandene Ordnung von einem Prinzip aus zu erfassen
oder auch nur mit relativ einfachen Begriffsmitteln zu beschreiben“301. Dabei ist es je nach
Grad der zivilisatorischen Entwicklung den Herrschaftsstrukturen, Ritualbildungen, der
priesterlichen Deutung eines höheren Willens, Familienordnungen, moralischen Richtlinien
mit oder ohne Interpretationsspielräume, religiösen Traditionen und den Bewahrern eines
kodifizierten Dogmas, einem Kastensystem, einer bürokratischen Ordnung oder bestimmten
Karrieren in Teilsystemen wie Wirtschaft, Politik und Recht überlassen, die genetischen Me-
chanismen der biologischen Selektion nachzuahmen und Verstärkungsprozesse

297
Wilber 1983, S.96
298
Jaynes 1990, S.186
299
Peirce 1998l, S.275
300
Miller & Lee 2007, S.9; vergleiche hierzu auch James Fowlers 1981, S.148f zweite Stufe der Glaubensent-
wicklung. Diese nennt sich die Mythisch-Wörtliche, weil der Glaube und die Geschichten, die hier die Zuge-
hörigkeit in einer Gemeinschaft symbolisieren und sichern, einerseits sprachlich überliefert werden – wie Ge-
setze und Einstellungen – zum anderen buchstäblich und eindimensional interpretiert werden; spirituelle Figu-
ren sind anthropomorph, etwa wird Gott als eine bestimmte Art menschlichen Wesens dargestellt.
301
Luhmann 2012, S.443

43
aufrechtzuerhalten oder ablaufende Kommunikationen zu sanktionieren, öffentlich zu äch-
ten, Ketzer zu verfolgen, Menschen oder Bücher zu verbrennen, Festplatten zu löschen, Ge-
fängnisse zu füllen und so weiter. Eng verzahnt mit diesen Selektionsmechanismen liegt die
Lösung in einzelnen Funktionssystemen „durch symbolisch generalisierte Kommunikations-
medien, […] besondere Codes wie Wahrheit oder politische Macht und Recht, Eigentum
und Geld, Liebe, Kunst, welche institutionalisierte Regeln dafür bereitstellen, wann Kom-
munikationen Erfolg haben sollten“302 die Spreu vom Weizen zu trennen. „Wenn in den
Relevanzbereichen solcher Medien Abweichungen auftreten“, so Luhmann, „haben sie
keine besondere Schwierigkeit sich einzuprägen und durchzusetzen – vorausgesetzt, dass sie
den besonderen Konditionen genügen, die für das Medium gelten“303.
Medien und insbesondere ihre symbolisch generalisierten Wirkmechanismen, könnte
man mit Marshall McLuhan sagen, führen „ein neues Muster in einen damit veralteten Le-
bensstil ein, indem sie einen bestimmten Faktor intensivieren […]. Die Intensivierung eines
einzelnen Faktors in unseren komplexen Leben führt ganz natürlich zu einem neuen Gleich-
gewicht zwischen unseren dadurch erweiterten Sinneskanälen, sie resultiert in einer neuen
Sichtweise und Aussicht mit neuen Motivationen und Erfindungen“304. Durch neue Medien
und deren Formen entsteht demnach nicht nur Komplexitätsreduktion, sondern auch neuer
Wahrnehmungs- und Komplexitätsüberschuss, der Restabilisierung notwendig macht oder
in Form von Innovation sogar fördert, es kommt zu „Sequenzen des Einbaus von Strukturän-
derungen in ein strukturdeterminiert operierendes System“305. Diese Sequenzen machen als
etablierte Lösungen Probleme gleicher Komplexität erst sichtbar. Aufgrund der Äquifinalität
von evolutionären Errungenschaften, das heißt ihrer möglichen Entwicklung oder Etablie-
rung „auf Grund verschiedener Ausgangslagen“306, und der damit verbundenen Diffusion
wird gesellschaftlicher Wandel hin zu, aber auch Folgeprobleme, höherer Komplexität wahr-
scheinlich307. Es entsteht somit reiner „Wechsel mit sich selbst […], die gesetzte und ent-
hüllte Notwendigkeit […], in der das Unterscheiden und Vermitteln“308, das Variieren und
Selektieren „zu einer Ursprünglichkeit gegeneinander selbständiger Wirklichen wird, – un-
endliche Beziehung auf sich selbst, indem die Selbständigkeit derselben eben nur als ihre
Identität ist“309. Das heißt, „die Wahrheit des Seins und des Wesens, indem das Scheinen der

302
Luhmann 1975, S.163
303
Luhmann 2018a, S.483
304
McLuhan 2008, S.136f
305
Luhmann 2018a, S.488
306
Ebenda, S.513f
307
Ebenda, S.508-516
308
Hegel, Phänomenologie §157
309
Ebenda, §157

44
Reflexion in sich selber zugleich selbständige Unmittelbarkeit, und dieses Sein verschiede-
ner Wirklichkeit unmittelbar nur ein Schein in sich selbst ist“310, wird in der Wechselwir-
kung als neuer Habitus eines Systems möglich, der Hegelsche Begriff als ideelles Medium
der Restabilisierungsfunktion von Evolution. Auch für Peirce erfordert das Zweite, dass sich
innerhalb der Evolution kontrollierende Gesetzmäßigkeiten, Wiederstände gegen Beliebig-
keit, ausbilden, die Selektionen index- und induzieren, also Verallgemeinerung oder Mus-
terbildung begünstigen. Für ihn ist “in jedem Fall klar, dass nichts außer einem Prinzip der
Gewohnheitsbildung, das selbst durch das Wachstum von Gewohnheiten entstanden ist,
durch unsichtbar kleine Zufälle […], ein denkbares Seil wäre, das den Abgrund zwischen
dem Zufallsspiel des Chaos und dem geordneten Kosmos und Gesetzmäßigkeit überspannen
könnte“311. Abbildung 2 bringt alles noch einmal auf den Punkt.

Abbildung 2: Transzendental generalisierte Medien im Individuum und in der Systemtheorie

Indessen führt dies zu einer weiteren theoretischen Frage, die noch beantwortet werden Die Frage
nach der Dif-
muss: wie funktioniert die Entwicklung einer Gesellschaft entlang der evolutionären Folge ferenz zwi-
aus ideell generalisierten Stufen, als Emergenz312, im Gegensatz zur Evolution aus den Ef- schen ontoge-
netischem
fekten von Irritation und Zufall, die sich als Irregularitäten „der Synchronisation durch das Drift und
Emergenz
System entziehen, […] [aber denen] mit Mitteln systemeigener Operationen strukturierende
Effekte“313 abgewonnen werden können? Also die Frage nach den Mechanismen einer ide-
alen ewigen Geschichte, die die geteilten Ordnungen, Wahrheiten sowie Weisheiten, und
damit die Sinnschemata der verschiedensten Systeme trägt, im Gegensatz zur Ontogenese

310
Ebenda, §159
311
Peirce 1923, S.259f
312
Emergenz meint, dass ab einem bestimmten Grad der Komplexität neue Eigenschaften auftauchen die sich
weder aus den Elementen des Ganzen noch aus deren Summation herleiten lassen. Vergleiche dazu etwa
Koutroufinis 2011, S.323
313
Luhmann 2018a, S.449f

45
als Geschichte von Diskurs- und Strukturveränderungen, in der ein System seine Anpassung
bewahrt, „sein ontogenetisches strukturelles Dahintreiben, seine ontogenetische strukturelle
Drift“314 durch reine Änderung von Diskursen, Komplexitätssteigerung oder sogar evoluti-
onäre Errungenschaften, die nicht lediglich der Replikation und Materialisierung eines ide-
ellen Mediums dienen. Aber dazu später mehr. Dies geschieht, während sich das nächste
Kapitel der Sphäre des Dritten, des Begriffs und der Stufen der Subjektentwicklung, hin zur
postkonventionellen Moral widmet, als die kritisch rekonstruktive Voraussetzung als Grund-
bedingung für die „approximative Realisierung der idealen Kommunikationsbedingungen
für die Verständigung über Ansprüche, die sich aus dem gleichen Recht aller auf individuelle
Realisierung des guten Lebens ergeben“315.
2.1.3. Die Entwicklung von Sinnsystemen: Ordnungen, Stufen und Geltungsan-
sprüche
Ludwig von Bertalanffy vermutet mit seiner allgemeinen Systemtheorie, dass „eine alles Involution vs.
Evolution:
vereinende Konzeption der Welt, […] nicht auf der womöglich Ergebnislosen und sicherlich Semantiken
weit hergeholten Hoffnung basieren [kann], schlussendlich alle Ebenen der Realität auf […] und Entwick-
lung als Ent-
[eine] Ebene zu reduzieren, sondern vielmehr auf der Isomorphie von Gesetzen in verschie- scheidung ei-
nes Beobach-
denen Feldern“316. Eine Frage, die sich ihm dabei stellt, ist „welche Prinzipien […] legiti- ters
merweise von einer Ebene auf eine andere übertragen werden können, und welche spezifisch
sind, so dass ein Transfer zu einem gefährlichen Irrtum führen würde“317? In dieser Arbeit
ist dies insbesondere die Frage nach Emergenz: nach dem, was „nicht einfach Akkumulation
von Komplexität, sondern Unterbrechung und Neubeginn des Aufbaus von Komplexität“318
und damit der Übergang zu Formausdrücken eines, in der Aufbauhierarchie, späteren trans-
zendental generalisierten Mediums ist. Da Autopoiesis nur funktioniert, wenn Anfang und
Ende als Artefakte, also erinnerte „Sinnmomente, die im eigenen Operieren konstituiert […]
[und] ausschlaggebend dafür sind, an welche eigene Geschichte das System sich bindet“, in
einem Interaktionssystem „einfach dadurch [vorhanden sind], dass doppelte Kontingenz er-
fahren wird und […] ganz ephemere, triviale, kurzfristige System/Umwelt Unterscheidun-
gen“319 in Gang gebracht werden, muss stufenmäßige Entwicklung ähnlich auf einer ersten

314
Maturana 2000b, S.175
315
Apel 2016d, S.468
316
Bertalanffy 1 968, S.48; Bertalanffy ist nach Luhmann 2012, S.21 wesentlich für die Wegentwicklung von
der „traditionellen Differenz von Ganzem und Teil durch die: Differenz von System und Umwelt […]. Mit
diesem Umbau […] hat man die Theorie des Organismus, die Thermodynamik und die Evolutionstheorie zu-
einander in Beziehung setzen können“, wie auch Luhmann das tut.
317
Ebenda, S.34
318
Luhmann 2012, S.44
319
Luhmann 2018b, S.814 & S.812

46
erinnerbaren Irritation aufbauen, die dem aktualen etwas mögliches entgegensetzt. Es muss
ein dem analoger Mechanismus vorhanden sein, der von transzendentalen Medien aus in
Gang kommt. Hegels Vorschlag lautet, dass „die Bestimmungen und Stufen des Geistes […]
wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höheren Entwicklungsstufen
[sind]. Es geschieht dadurch, dass an einer niedrigeren abstrakteren Bestimmung das höhere
sich schon empirisch vorhanden zeigt, z.B. in der Empfindung alles höher Geistigen als In-
halt oder Bestimmtheit“ 320, also Sinn des früheren. Esoterischer ausgedrückt könnte gesagt
werden, dass ein ideelles Medium unter bestimmten Bedingungen „das Licht seines eigenen
Wesens aus der untätigen Dunkelheit des involutionären Schlafes“321 herabsendet. Eine sol-
che involutionäre322 Kraft hierarchisch späterer Kategorien müsste, mit Luhmann gespro-
chen, eine mit der Autopoiesis eines Bewusstseinssystems kompatible Strukturalternative
anbieten, die für „die Chance differentieller Evolution“323 förderlich und damit selektions-
würdig erscheint, weil sie ähnlich, wie sich Leben, Bewusstsein, Kommunikation, als „Ein-
malerfindungen der Evolution, […] aufgrund ihres Strukturentwicklungspotentials bewäh-
ren“324, auch die Möglichkeit „der Spezifikation von sehr verschiedenen Formen, die sich
im Medium der autopoietischen Notwendigkeit bilden und weiterspezifizieren können“325,
zulässt.
Whitehead unterscheidet in Prozess und Realität diesbezüglich zwischen zwei Arten von
Empfindungen und damit Variationen, Selektionen und Restabilisierungen. Solchen, die von
anderen Einzelwesen, sprich Systemen, stammen und solchen „der Objektivierung […] [ide-
eller, ewiger Strukturen] innerhalb eines zeitlich gebundenen Subjekts, die durch Empfin-
dungen ausgelöst werden, welche die konzeptionellen […] [Empfindungen dieser ideellen
Strukturen] als Daten haben“326. Da es aber wie Giddens schreibt möglich ist, dass „Men-
schen mit falschen Theorien, Beschreibungen oder Darstellungen operieren […], darin aber
offensichtlich Quellen für Spannung liegen“327, braucht es adäquate Selektionsmedien.

320
Hegel, Enzyklopädie §380
321
Aurobindo 2005, S.203
322
Involution ist nach Andries 2010, S.41-54 eine Art Gegenbegriff zur Evolution und war wesentlich für die
Neo-Platonische Philosophie, aber auch für die Idealisten, wie Schelling und Hegel, eine in unterschiedlicher
Weise gedacht und ausgedrückte Idee. Im Unterschied zu Evolution, also „Auswickeln“, bedeutet Involution
aus dem lateinischen übertragen „sich Einwickeln“ oder „Einhüllung“. Evolution als auswickeln ist in dieser
Sichtweise in bestimmten Bereichen auf Involution als einwickeln angewiesen, indem Evolution zum Entwi-
ckeln dessen wird, was schon da ist, oder etwas vom Höheren herabsteigt indem wir, wie Plotin 2013, S.448
schreibt, „uns selbst im Strahlenglanz, voll intelligiblen Lichtes oder vielmehr als reines Licht selbst, unbe-
schwert, leicht, Gott geworden oder vielmehr seiend“ finden.
323
Luhmann 2018a, S.438
324
Ebenda, S.438
325
Ebenda, S.438
326
Whitehead 1978, S.246f
327
Giddens 2017, S.92

47
Narrative oder symbolische Generalisierungen, die eine Unterscheidung zwischen rein dis-
kursiver Evolution und Ausdifferenzierung eines hierarchisch späteren Systems greifbar ma-
chen, denn für „Chancen zu innovativer Systembildung, das heißt: zur Einfügung neuer Dif-
ferenzen und neuer Einschränkungen, also zur Steigerung der Einschränkbarkeit des Aus-
gangssystems“328, braucht es Anschlussfähigkeit durch sinnhafte Verstehbarkeit. Die beson-
dere Schwierigkeit liegt allerdings darin, wie Whitehead schreibt, dass „alle konzeptuellen
Empfindungen von körperlichen Empfindungen abgeleitet werden“329, also die Differenz
von involutionärer und evolutionärer Variation durch das gleiche Medium, Bewusstsein, er-
lebt wird, und damit durch das jeweilige System innerhalb identisch erscheinender Irritatio-
nen selbst generiert werden muss. Es braucht damit die Ausdifferenzierung bestimmter Sinn-
systeme, wie Wissenschaft, Spiritualität oder Theologie, in denen „nicht nur gegenstandsbe-
zogene Theorien, sondern auch gegenstandskonstituierende Kriterien einander ablösen […],
so, dass sie sich selbst als Teil ihres Gegenstandes erscheinen lassen“330. Ideelle Strukturen
können sich nur gegenseitig ablösen, wenn „Beobachtungen, die Semantiken konfirmieren
und kondensieren […], [und damit] bewahrenswerten Sinn identifizieren, festhalten, erin-
nern oder dem Vergessen überlassen“331, und dadurch in einem psychischen oder sozialen
System erscheinen. Also nur, indem die notwendige Unterscheidung zwischen transzenden-
taler und intersystemischer Umwelt sowie hierarchisch früher oder später als „Realität der
Beobachtungsoperationen selbst, […] [die] nicht in einer gegenständlichen Außenwelt liegt,
sondern ausschließlich in der rekursiven Vernetzung der Systemoperationen selbst“332, fun-
diert werden333, wird Entwicklung als Entscheidung eines Beobachters möglich.
Dies geschieht heute etwa mithilfe der Entwicklungspsychologie, wurde aber auch schon
früher durch Traditionsbildung und Dogma erledigt. Wenn zum Beispiel Augustinus von
Hippo schrieb, dass wenn „der Geist sich weniger liebt, als seinem Seinsmaß entspricht,
wenn sich zum Beispiel der Geist des Menschen so liebt, wie der Leib des Menschen zu
lieben ist, während er doch höher steht als der Leib, dann sündigt er, und seine Liebe ist nicht

328
Luhmann 2012, S.259
329
Ebenda, S.247
330
Luhmann 2016, S.59
331
Luhmann 2018a, S.538
332
Ebenda, S.538
333
Mascolo & Fischer 2010, S.185f beschreiben ein mögliches Beobachtungsschema mit zugehöriger Seman-
tik, bei mithilfe dessen Veränderungen von Aussagenkomplexitäten mit Kontextvariablen in Verbindung ge-
setzt werden: „The microdevelopmental changes that occured […] [over a Therapy session] were not simply
representational or cognitive ones; meaningful emotional transformations occurred over the course of the Ses-
sion. […] The shift […] reflects a transformation in the client`s socioemotional orientation towards others […]
[and] the representational changes observed throughout the session were organized by and made possible by
the emotional changes that occurred within the context of coregulated interaction between the client and ther-
apist.”

48
vollkommen"334, dann konnte ein dem höheren entgegengesetztes Verhalten als Verbrechen
gegen die Gemeinschaft angesehen werden. Über die Jahrhunderte hinweg wurde dann im
Christentum die "Artikulation des Glaubens und eines systematischen Satzes aus Verhal-
tensregeln […] [zur Grundlage], diejenigen, die dem Glauben absagten oder sich in einer
explizit als unchristlich definierten Weise verhielten, nicht länger nur vorzuhalten, verirrte
Seelen in einer mit Versuchungen gefüllten Welt zu sein, sondern als abtrünnige einer neuen
Welt"335 zu verfolgen und zu bestrafen. Ähnlich etablierten auch die amerikanischen Grün-
derväter, weil sie die Meinung vertraten, dass "Luxus und Extravaganzen vollkommen de-
struktiv für diejenigen Tugenden wären, die notwendig für die Bewahrung der Freiheit und
die Glückseligkeit des Volkes sind"336, zuerst eine Ordnung zirkulierender Scham und dann
eine der Sanktionierung. Spezifischer entsteht eine bestimmte soziale Kennzahl, die wie
durch Piaget zuvor klargemacht, nicht explizit aber implizit formale Operationen durch die
Abspaltung frühere Stufen herbeizuführen sucht und stabilisiert.
Positiver ausgedrückt subsumiert die formaloperationale Stufe zwei zusammengehörige Das Dritte,
die formalen
Triebe: "das Bedürfnis nach hoher Selbstachtung, -respekt und -bewusstsein ausgedrückt in Operationen
Form von Stärke, Erfolg, Angemessenheit, Expertentum, Kompetenz, Unabhängigkeit und und das Auf-
tauchen von
Freiheit; und das Bedürfnis nach der Wertschätzung von anderen durch Reputation, Prestige, Sinn als Zu-
kunftsentwurf
Status, Berühmtheit, Macht, Anerkennung, Aufmerksamkeit, Wichtigkeit, Ehrerbietung und
Dankbarkeit"337. Das alles bildet sich nicht nur aus der Grundstruktur "hypothetisch deduk-
tiven Denkens und experimenteller Beweisführung […], sondern auch aus einer Anzahl ope-
rationaler Schemata, die er [, der formal denkende Erwachsene,] wiederholt verwenden wird
[…], um sich etwa selbst auf das hin zu orientieren, was abstrakt ist und nicht unmittelbar
gegenwärtig"338. Insofern nun Denken und damit auch Denken über Denken auftaucht und
das "Aufheben der Beziehung zwischen dem, was real und was möglich ist"339, wird auch
das denkbar, was Habermas als den zentralen Moment der Luhmannschen Systemtheorie
sieht: Sinn, "als einen auf die Intentionalität von Erleben und Handeln bezogenen Verwei-
sungszusammenhang von aktualisierbaren Möglichkeiten [sowohl] selbstbewusstseinsfähi-
ger Subjekte [, als auch] sinnverarbeitender oder sinnbenutzender Systeme"340. Sinn ist für
Luhmann gemeinsame Errungenschaft der Co-evolution psychischer und sozialer Systeme,

334
Augustinus, De Trinitate 9,4
335
Peters 1989, S.40
336
Russell 2010, S.29
337
Wade 1996, S.137
338
Inhelder & Piaget 1956, S.18
339
Ebenda, S.341: siehe dazu auch 2.1
340
Habermas 1985, S.427f

49
eine Emergenz. "Beide Systemarten sind auf sie angewiesen, und für beide ist sie bindend
als unerlässliche, unabweisbare Form ihrer Komplexität und ihrer Selbstreferenz"341. Auch
für Peirce ist das Dritte eine Art Mittel zum Zweck, mithilfe dessen ein Fortschritt von Ig-
noranz zu Wissen stattfindet. Aus dieser Mittel-zu-Zweck Relation ergibt sich nach John
Dewey, dass Sinn für Peirce, also gleichermaßen wie bei Luhmann, auf die Zukunft ver-
weist: "von den unendlich vielen Formen in die eine Aussage übersetzt werden kann […]
gewinnt diejenige den größten Sinn, die im zwischenmenschlichen Geschehen […], situa-
tionsunabhängig und für jeden Zweck, am besten zur Beherrschung des Selbst geeignet
ist"342. Pragmatismus, wie bereits früher angedeutet, identifiziert Sinn mit Gewohnheits- und
Konsensbildung, oder Verhaltensweisen mit der größtmöglichen Verallgemeinerbarkeit, o-
der größten sozialen Spannweite.
Sinn in seiner Reinform ist damit aber erst mit der Bewusstwerdung der Kategorie des
Dritten möglich. Er ist keine Isomorphie zwischen Ordnungen, sondern speziell Drittes. Mit
Peirce gesprochen kann er zuvor nur in einer degenerierten Form existieren. Er ist dann nur
eine sanfte Vorahnung, wie im Kleinkind eine Vorahnung des Index und des Willens aus-
schließlich im Icon sein konnte und im konkret Operationalen der Mensch nur ein verein-
fachtes Symbol im Index war. Sinn findet sich in der konkreten Welt lediglich als Verweis
auf bereits Geschehenes. Konkretoperational geschaffene Strukturen "basieren ausschließ-
lich auf Reversibilität durch Umkehrung […] [und] die von konkreten Beziehungssystemen
auf [Reversibilität durch] Wechselseitigkeit"343. So hat, laut Luhmann, "das pharaonische
Ägypten […] die eigene mehrtausendjährige Geschichte als unveränderte Wiederholung be-
schrieben, was den geschichtlichen Tatsachen natürlich nicht entspricht"344, und eine der
wesentlichen Einsichten des Theravada Buddhismus liegt in der Aussage: "im Ableben von
hier, tauchte ich irgendwo anders auf: indem ich von diesem Werden, dieser Generation,
diesem Schicksal, diesem Zustand des Bewusstseins, Verweilort von Wesen oder Ordnung
von Wesen ablebte, tauchte ich wiederum in diesem anderen Werden, einer andere Genera-
tion, einem anderen Schicksal […] [und so weiter] […] auf. Und dort war ich genauso"345.
Auch wenn "die meist degenerierte Form des Dritten schon da ist, wo wir eine bloße Qualität
des Fühlens, oder ein Erstes, erleben, wie es sich selbst zu sich selbst als Repräsentation

341
Luhmann 2012, S.92
342
Dewey 1923, S.302f
343
Inhelder & Piaget 1956, S.274: Reversibilität bezeichnet die Fähigkeit zu erkennen, dass die Menge einer
Substanz nach dem Wechsel in ein Behältnis mit unterschiedlicher Form konstant bleibt.
344
Luhmann 2018b, S.885
345
Buddhaghosa, Visuddhimagga XIII, 69

50
repräsentiert"346, ist das Dritte erst voll entwickelt, wenn der Geist in der Wiedereinführung
der Beschreibung in das Beschriebene sagt: ich denke. "Das heißt, dass er sich bewusst ist
zu lernen, oder durch einen Prozess zu schreiten, in dem ein Phänomen durch eine Regel
geleitet wird, oder einen allgemeinen, erkennbaren Verhaltensspielraum hat"347, und dem-
entsprechend eine formaloperationale Selbstbeschreibung entstehen kann. Zudem ist das
Dritte, "die Idee dessen, wie es ist als ein Drittes, oder ein Medium, zwischen einem Zweiten
und seinem Ersten zu sein. Sozusagen ist es Repräsentation als ein Element des Phäno-
mens"348.
Auf diesen Sachverhalt weist Apel hin, denn für ihn vermögen Kinder eine Sprache nicht
zu lernen, "ohne damit zugleich ein Verhalten in Bezug auf paradigmatische Erfahrungsevi-
denzen zu erlernen, die wiederum als Gewissheitsparadigmen im sinnvollen Sprachgebrauch
vorausgesetzt werden müssen"349. Es gibt eine "transzendentale Verwobenheit von mögli-
cher Sinnverständigkeit und möglicher sachbezogener Wahrheit"350. Sinn als Verweise auf
aktuale oder mögliche Evidenz kann nur in Einheit mit, oder als Mitte zwischen verständli-
cher Sprache, also deutlichen Abbildern, im doppelkontingenten Grundvertrauen, auf seine
indexikalische Verwobenheit mit einer phänomenalen Wirklichkeit auftauchen. John Langs-
haw Austin, an den Apel wie auch Habermas anknüpfen, spricht hier von drei verschiedenen
Sprechakten, die sich mit Icon, Index und Symbol verbinden und so unabdingbar für Infor-
mation, Mitteilung und Verstehen sind.
Zum ersten ist eine Aussage nur dann verständlich, wenn "bestimmte Geräusche […], das Aussagenver-
ständlichkeit,
Äußern bestimmter Vokabeln oder Wörter, […] die einer bestimmten Grammatik entspre- Wahrheitsge-
chen oder sich ihr anpassen […] die Durchführung eines Aktes [sind], in dem diese Vokabeln halt und die
Bündelung
mit einem bestimmten mehr oder weniger definierten Sinn und Referenzrahmen verwendet von Erwar-
tung durch
werden"351. Mit Luhmann kann man sagen, dass sobald eine solche Umwandlung von akus- Identitäten

tischen Phänomenen in Zeichenform stattfindet, Information ins Spiel kommt. Im sogenann-


ten lokutionären Akt müssen codierte und nichtcodierte Aussagen transmittiert und unter-
schieden werden. "Codierte Ereignisse wirken im Kommunikationsprozess als Information,
nichtcodierte als Störung"352. "Die Codierung muss als operative Vereinheitlichung von

346
Peirce 1998f, S.161
347
Peirce 1998m, S.5
348
Peirce 1998f, S.160
349
Apel 1982, S.136
350
Ebenda, S.136
351
Austin 1962, S.95; die drei Komponenten heißen phonetischer (Geräusche), phatischer (Wörter) und rheti-
scher (Richtung) Akt
352
Luhmann 2012, S.197

51
Information und Mitteilung durch Alter und Ego gleichsinnig gehandhabt werden"353, oder
wie Peirce sagt, räumt "jede Aussage […] natürlicherweise dem Aussagenden das Recht auf
weitere Erläuterung ein; und entsprechend, weil ein Zeichen unbestimmt ist, ist es aus-
druckslos, außer es ist ausdrücklich oder durch eine wohlverstandene Konvention als Allge-
meines wiedergegeben"354.
Intersubjektive Verständigung braucht entsprechend mehr als nur den lokutionären Akt,
sondern auch Wohlwollen und insbesondere Aussagen-Wahrheit, wie Apel in Anknüpfung
an Peirce betont355. Es muss spezifiziert werden, "welchen Geltungsanspruch ein Sprecher
mit seinen Äußerungen erhebt, wie er ihn erhebt und für was er ihn erhebt"356, und das ist
wiederum eine Frage impliziter oder expliziter Übereinkünfte in einer Sprachgemeinschaft.
Es erfordert eine Indexierung und Verweisstruktur im illokutionären Akt. Durch diese wird
"ein Hörer motiviert […], ein Sprechangebot anzunehmen und damit eine rational motivierte
Bindung einzugehen"357. Solange nicht "ein gewisser Effekt erreicht wurde, ist der illokuti-
onäre Sprechakt nicht glücklich, erfolgreich vollzogen"358. Im mindesten müssen also zwei
verschiedenartige zweite, also Willen mit zugehörigen Wahrnehmungen, koordiniert wer-
den, ansonsten würde jede lokutionäre Prosodie ungehört, bedeutungslos bleiben. Dann gäbe
es weder Sprechakt, noch Kommunikation, keine Interaktion und noch viel weniger Gesell-
schaft. Gewissheit in der Vermittlung von mentalen Phänomenen ist für Peirce ein Zweites,
die "lebendige Idee, eines Bewusstseinskontinuums der Empfindungen, das diese durchwirkt
und dem gegenüber sie fügsam sind, […] und dieses höchste Gesetz, […] verlangt nur, dass
mentale Phänomene aufeinander Einfluss nehmen und voneinander beeinflusst werden sol-
len"359.
Für Luhmann dahingegen werden Erwartungen weniger durch eine prästabilierte Harmo-
nie, als durch konstruierte Identitäten gebündelt, die wechselseitige Beeinflussbarkeit erhö-
hen. "Als Gesichtspunkte der sachlichen Identifikation von Erwartungszusammenhängen

353
Ebenda, S.197
354
Peirce 1998j, S.351
355
Vgl. Apel 1982, S.136
356
Habermas 2016a, S.376: Ursprünglich wurde vom illokutionären Akt die Proposition als das Unterschieden,
was Bedeutung transportiert, und der illokutionäre Akt lediglich als Kraft gesehen, die Aufmerksamkeit
schafft. Vergleiche dazu etwa Habermas 1982, S.234f; im Folgenden wird hier dem illokutionären Akt der
indexikalische Aspekt einer Proposition zugeordnet. Die wirkliche Bedeutung ist nicht eine Frage eines Zwei-
ten, das im Dritten aufgehoben ist, sondern tatsächlich Privileg eines Dritten. Vergleiche dazu Peirce 1998h,
S.20: „A proposition asserts something. That assertion is performed by the symbol which stands for the act of
consciousness.” Insbesondere in Anlehnung an Austin 1962, S.20 lässt sich auch der gesamte Sprechakt als
propositionale Einheit begreifen.
357
Ebenda, S.376
358
Austin 1962, S.115
359
Peirce 1923, S.232f

52
[werden bei ihm] Personen, Rollen, Programme und Werte"360 unterschieden. Durch diese
entsteht eine gewisse "Dualität von Codierung und Programmierung"361, oder anders: ein
linearer Verweiszusammenhang zwischen Codes362 und gesellschaftlichen Sinnbildern, die
bestimmte Erwartungen wecken: zuerst werden Personen in Hinblick auf die "Differenz zu
Rollenanforderungen stärker individualisiert [, es werden] Ordnungsentwürfe mit sehr hoher
Komplexität [in sie] eingebaut"363, die dann dadurch integriert werden, dass die von Rollen
ausgeführten "Programme, die code-bezogene Funktion übernehmen, Werte zuzuordnen,
und unter dem Gesichtspunkt dieser Funktion […] die Ausdifferenzierung eines besonderen
Funktionssystems in der Gesellschaft"364 fördern oder blockieren. Werte allerdings dienen,
als symbolisch generalisierte Medien, in einer umfassenderen, weil kontextübergreifenden,
Weise der Anknüpfung an die Ebene der Systemdifferenzierung. "Die Unterstellung gemein-
samer Werte [sondert] eine gemeinsame Wertesemantik ab"365, die Erfahrung doppelter
Kontingenz wird durch diese "hochmobile Gesichtspunktmenge"366 gemildert, und für un-
wahrscheinliche soziale Beziehungen entsteht eine Basis, auf der kommunikatives Handeln
und die dabei verwendeten Programme, Rollen und Codes als werteabhängig innerhalb eines
Beobachters und damit unter Vorbehalt abgewogen werden können367.
Allerdings bezieht die Ausführung „eines illokutionären Aktes […] lediglich mit ein, dass Die Achilles-
ferse der
eine Aussage aufgenommen wird […] [und] in gewisser Weise deswegen 'Effekte hat', die Sprechaktthe-
von Konsequenzen unterschieden sind, weil sie einen Sachverhalt auf 'normale' Weise"368 orie und
nicht-triviale
erzeugen, also durch Konventionen. Doch, auch wenn die Zeitlichkeit "des alltäglichen Le- Kommunika-
tion
bens […] als Fluss von intentionalen Handlungen erscheint […] [,] haben Handlungen un-
gewollte Konsequenzen"369. Der dritte Bestandteil der Austinschen Sprechakttheorie trägt
diesem Sachverhalt Rechnung. Perlokutionen, das, "was wir dadurch zustande bringen oder

360
Luhmann 2012, S.419: „Als Personen sind hier nicht psychische Systeme gemeint, geschweige denn ganze
Menschen. Eine Person wird vielmehr konstituiert, um Verhaltenserwartungen ordnen zu können, die durch
sie und nur durch sie eingelöst werden können.“
361
Luhmann 2018c, S.200
362
Codes sind eine Art Weiterentwicklung der Ja/Nein Bifurkation. Es entsteht ein positiver und ein negativer
Wert, wie etwa in Richtig vs. Falsch, Verständlich vs. Unverständlich, Nützlich vs. Unnütz. Programme über-
nehmen die Funktion dieser Codes d.h. produzieren etwa wie die Bildungseinrichtungen Lehr- und Lernpläne,
die Prüfung erlauben, und entsprechend positiv-negativ Bewertungen bezüglich einer zukünftigen Karriere
eines Absolventen. Siehe dazu etwa Luhmann 2018c, S.199-218
363
Luhmann 2012, S.434f
364
Luhmann 2018c, S.200
365
Luhmann 2018a, S.341
366
Ebenda, S.342
367
Vgl. Luhmann 2012, S.435: Individuen und Werte spielen bei Luhmann folglich "übergreifend zusammen,
um die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu symbolisieren, während Rollen und Programme
die Erfordernisse der Komplexität zur Geltung bringen"367.
368
Austin 1962, S.116
369
Giddens 2017, S.8

53
erreichen, dass wir etwas sagen, […] haben eher Konsequenzen [denn Effekte] als Gegen-
stände, nämlich diese, für die es noch keine illokutionären Formeln gibt […], und die ge-
plant, intentional oder mit einem Sinn dafür"370 ausgestattet sind, diese Konsequenzen zu
produzieren, weil sie als wertvoll erachtet werden. Dabei kann der Versuch zu überzeugen,
zu überreden, abzuschrecken, oder sogar etwas wie zu überraschen oder zu täuschen immer
auch nicht intendierte Konsequenzen haben. Dies schließt aber nicht aus, dass sich der per-
lokutionäre Akt illokutionären Bestandteile bedient371. Für John R. Searles ist das wesentli-
che einer Aussage, dass sie ein Versuch ist, "einen Hörer zu informieren und ihn von einer
Wahrheit zu überzeugen"372. Der illokutionäre Akt hat für Searles dabei lediglich eine propo-
sitionale Funktion, insofern er wie dargelegt, indexikalisch, und damit vom eigentlichen, im
Sprechakt zustande kommenden Urteil, als eine Art degeneriertes Drittes, unterschieden ist.
Die Illokution zeigt ihm zufolge lediglich an, ob etwas als Affirmation, als Direktive, als
Verpflichtung, Ehrlichkeitsbekundung oder Aufforderung zu Veränderung aufgefasst wer-
den soll373. Sie umschließt also bestimmte Programme und Rollen, die der Bedeutungsver-
mittlung dienen können. Erst die Perlokution erzeugt, wie Peirce für das Dritte fordert, situ-
ationsunabhängige Ordnungskraft, eine übergreifende "Wahrscheinlichkeit des Unwahr-
374
scheinlichen" , die auch für ein symbolisch generalisiertes Medium kennzeichnend ist.
Die genannten Pragmatiker jedoch, allen voran Habermas, scheinen dies nicht zu sehen. Für
ihn findet kommunikatives Handeln nur „in sprachlich vermittelten Interaktionen, in denen
alle Beteiligten mit ihren Sprechhandlungen illokutionäre Ziele und nur solche verfolgen“375
statt. Nur, "wenn ein Sprecher im Sinne Austins sein illokutionäres Ziel erreicht [gelingt ein
Sprechakt]. Perlokutionäre Effekte lassen sich“376, so Habermas, lediglich „als Zustände in
der Welt beschreiben, die durch Interventionen in die Welt herbeigeführt werden. Interloku-
tionäre Erfolge werden hingegen auf der Ebene interpersonaler Beziehungen etabliert"377.
Perlokutionen reduzieren sich für ihn im Angesicht einer gleichberechtigten, transparen-
ten Beziehung, die unabdingbar für kommunikatives Handeln ist, auf „versteckt strategische
Handlungen“378. Bei Luhmann dahingegen liegt in der Differenz von System und Umwelt,
die mithin einem permanenten Wandel unterliegt und nirgendwo identisch gezogen wird,

370
Ebenda, S.117
371
Searle 1999, S.136
372
Searle 1965, S.238f
373
Vgl. Searle 1999, S.148f
374
Luhmann 2012, S.513
375
Habermas 2016a, S.396
376
Ebenda, S.394
377
Ebenda, S.394
378
Ebenda, S.395

54
der "Grund, sich selbst als Individuum und als Bezugspunkt eines eigenen Person- und Rol-
lenmanagements zu begreifen“ 379. Die Differenz von Gesellschaft und spezifischen Interak-
tionsräumen „transformiert Bindung in Freiheit“380. Die Selbstreferenz sozialer Systeme hat
eine doppelte, ihr immanente Dualität zur Voraussetzung: Zum einen braucht es, „damit ein
Zirkel entstehen kann, dessen Unterbrechung dann Strukturen entstehen lässt“381, doppelte
Kontingenz aus freiem Alter und Ego, und zudem die selbstkonstituierte Zweiheit aus Sys-
temzugehörigkeit und Abgrenzung zur Umwelt. Beide Dualismen müssen, um strukturde-
terminierte Systeme schaffen zu können permanent ineinander übergehen. Jeder kommuni-
kative Akt erfordert einen kreativen Sprung, ein Kreuzen, das Überschreiten dieser beiden
Grenzen, bei der „das zurückkreuzen nicht [, sondern mehr als,] das vorherige Kreuzen“382
ist: ein kreativer Akt, eine Erfindung und damit eine Erweiterung des Sinnhorizonts und eine
Intervention in die Welt. Zudem lösen sich die für subjektiv-intersubjektive Verständigung
„relevanten Symbol-, Intentions- und Regeldaten […] auf oder erlöschen gleichsam, wenn
von der kognitiven Möglichkeit der kommunikativen Erfahrung, d.h. der verstehenden Teil-
habe an dem, in den objektiven Daten implizierten Sprachspiel kein Gebrauch gemacht“383,
also die Datenkonstitution in sozialen Systemen nicht durch hermeneutische Sprachvermitt-
lung ergänzt wird, so Apel. Ein hermeneutischer Sinnbegriff etabliert sich aber laut Luh-
mann, indem die „verstehende Einordnung in einen übergeordneten Zusammenhang abstellt
[…], wo die ‚Erfahrung der Sinnlosigkeit‘ […] als Versagen dieser Einordnung, als Isolie-
rung des jeweiligen“384 Einzelnen empfunden wird. Für das individuelle Bewusstseinssys-
tem erfordert die Wahrnehmung von Verständigung, ein Alter, als Grundlage für die Einheit
der Differenz aus aktual und möglich, zu konstruieren, und damit einen kreativen Übergang
in den unmarkierten Raum, der ein Anderer ist, zu simulieren385. Beobachtungsoperation,
die aus „dem Unbeobachtbaren ins Beobachtbare“ 386, also wieder in sich vor- oder zurück-
stoßen, sind unbedingte Grundlage für jede hermeneutische Praxis, wie Luhmann sagen
würde. Oder, wie Derrida in die Erfindungen der Anderen schreibt, „das Kommen einer im-
mer noch unvorhergesehenen Alterität, für die kein Horizont der Erwartung bislang bereit,

379
Luhmann 2012, S.570
380
Ebenda, S.570
381
Luhmann 2018a, S.333
382
Brown 1972, S.2: Vergleiche dazu auch Luhmann 2018a, S.60f
383
Apel 1982, S.36f
384
Luhmann 2012, S.109
385
Jede Operation reproduziert nicht nur sich, sondern auch das ausgeschlossene. Das ausgeschlossene ist der
„unmarked state“. Der Beobachter oder der Andere sind quasi immer ausgeschlossene, die aber dennoch un-
abdingbar für selbstreferentielle Systembildung sind. Vergleiche dazu etwa Luhmann 2000, S.22 & 2018a,
S.49.
386
Luhmann 2000, S.30

55
am Platz, verfügbar scheint […], ein ‚wir‘, das sich nirgendwo finden kann, das sich nicht
selbst erfindet: es kann nur durch den anderen erfunden werden […], unsere Erfindung, [wie-
derum] eine Erfindung, die uns erfindet. Denn der andere ist immer ein anderer Ursprung
der Welt und wir sind da, erfunden zu werden“387. Darin drückt sich eine zweite Intervention
in die Welt aus, und damit Perlokution im Habermasschen Sinne.
Der perlokutionäre Akt scheint, auch wenn Achilles Ferse388 der Sprechakttheorie, deren
einziger Bestandteil zu sein, der die Funktion des konstruiert konstruktiven Hineinversetzens
in den Anderen, als ein Aufdecken, das immer in gleichem Maße verhüllt, also ewig objek-
tive Abwesenheit ist, wenn auch nur rudimentär, zu beinhalten. Der perlokutionäre Akt,
wenn er weitergedacht wird, transformiert gewissermaßen eine leicht beobachtbare, höchst-
möglich „regulierte Transformation von Input in Output“389 in eine, die sowohl in Aussage
als auch Interpretationen Platz für die Integration von Selbst und Anderem hat, und damit
den Einfluss von Befindlichkeiten, Mutmaßungen, Unterstellungen, Hoffnungen, Fähigkei-
ten, Werten und so weiter, die sich darauf auswirken, wie Kommunikation jenseits der un-
terstellten Konventionen erzeugt und aufgenommen wird, Gültigkeit verleiht. Triviale wird
hin zu nichttrivialer Kommunikation transformiert. In der wie bei Watzlawick in der Dicho-
tomie aus Inhalts- und Beziehungsaspekt einer Kommunikation, ersterer alleine dadurch
mitgeteilt wird, dass jemand sich äußert, „zweiter aber den ersteren bestimmt und daher eine
Metakommunikation ist“390. Eine Kommunikation über Kommunikation, die all die intenti-
onalen Annahmen, Bewertungen und Perspektiven beinhaltet, die den „Spielraum des
‚Selbst‘ in seiner Entwicklung auf die Beziehung von Selbst und Programm […] vergrößern
und mehr Freiheit“391 erzeugen. Entsprechend liegt die Schlussfolgerung nahe, dass das In-
dividuum nur im perlokutionären Akt der Einzelne sein kann, der mit dem Dritten entsteht,
derjenige, „der seine Einzelnheit als absolut freien Willen weiß […] [, der] Person [ist], sich
Wissen dieser Freiheit, welches [aber] als in sich abstrakt und leer seine Besonderheit und
Erfüllung noch nicht an ihm selbst, sondern an einer äußerlichen Sache hat“392. Zumindest
würde wohl Hegel so, mit seiner Beschreibung der formaloperationalen Stufe als im freien
Willen und abstrakt, formalen Recht aufgipfelnd, Austins Konzeption des Selbst hinter dem
perlokutionären Akt beschreiben.

387
Derrida 2007, S.39 & S.45
388
Vergleiche hierzu Marcu 2000, S.1719-1741
389
Mit Luhmann 2018c, S.209f könnte man bei rein lokutionär und illokutionären Akten von Trivialmaschinen
sprechen bzw. von der Erwartung trivialer, also vorprogrammierter, Reaktionen.
390
Watzlawick, Beavin & Jackson 2011, S.64
391
Luhmann 2018c, S.210
392
Hegel, Enzyklopädie §488

56
Wie Habermas aber richtigerweise feststellt, fehlt im perlokutionären Akt noch eine, wie Vom freien
Willen zur in-
Husserl sagen würde, „transzendentale Intersubjektivität […], die eine intersubjektive Ei- tersubjekti-
genheitssphäre [hat], in der sie die objektive Welt intersubjektiv konstituiert und so als das ven Moral
und Hegels
393 Sittlichkeit
transzendentale Wir Subjektivität für diese Welt ist“ , denn Austin „neigt dazu, „Sprech-
handlungen, also Akte der Verständigung mit den sprachlich vermittelten Interaktionen sel-
ber zu identifizieren“394. Die formaloperationale Natur seines Denkens macht es unmöglich
einen Sprung aus dem mentalen in den wechselseitig konstituierten sozialen Raum zu voll-
ziehen, in dem Sprache zur intersubjektiven Praxis oder sogar zum materiell semiotischen
und damit von "Absichten und Autoren unabhängigen Akteur […] [wird, für den] Wissens-
objekte materiell-semiotische Erzeugungsknoten [sind, deren] Grenzen […] sich in sozialer
Interaktion“395 materialisieren. Der perlokutionäre Akt muss entsprechend Funktionen des
illokutionären stärker integrieren, Wechselseitigkeit berücksichtigen, wie auch einen Erwar-
tungshorizont bezüglich sozialer Antworten und überhaupt die Einladung eine Antwort zu
erhalten396. Perlokutionäre Ursachen müssen auf illokutionäre Handlungen aufbauen, also
ein Drittes, muss ein Zweites integrieren, und der Sympathie zur gegenseitigen Perspekti-
venübernahme Ausdruck verleihen, damit es innerhalb dessen, was die Entwicklungspsy-
chologie als Denken in abstrakten Systemen397 bezeichnen würde, eine Daseinsberechtigung
ausbaut, indem es Sinn in Form von Erfahrungsevidenz zu übermitteln versucht, sich also
jenseits der Teleologie als reines sinnvermittelndes Drittes selbst findet.
In dem, was zuvor metaphorisch als Ozean-des-Was oder -des-Wie umschrieben wurde,
beginnt sich für Hegel das freie Individuum als „in sich reflektierter Wille [zu bestimmen],
so dass die Willensbestimmtheit überhaupt als Dasein in ihm als die seinige, unterschieden
von dem Dasein der Freiheit in der äußeren Sache, sei“398 und darin, dadurch dass „der Wille
so im Innern gesetzt ist, ist der Wille zugleich als ein besonderer, und es treten die weiteren
Besonderungen desselben und deren Beziehungen aufeinander auf“399, die Intersubjektivität
aus der Sicht eines Subjekts. Hier aber ist das Gute, so Hegel, weil das Bewusstsein, „abs-
trakte Gewissheit seiner selbst, abstrakte Reflexion der Freiheit in sich […] [ist, und] so […]
fähig, sich das Allgemeine selbst zu einem Besonderen und damit zu einem Schein zu ma-
chen […], das Gute als ein Zufälliges für das Subjekt gesetzt, welches sich hiernach zu einem

393
Husserl, Meditationen §49
394
Habermas, 2016a, S.397
395
Haraway 1995, S.96
396
Vergleiche dazu Überlegungen von Davis 1980, S.37-57
397
Vergleiche dazu etwa Commons 2007, S.3 oder Fischer 1980, S.496
398
Hegel, Enzyklopädie §503
399
Ebenda, §503

57
dem Guten Entgegengesetzten entschließen, böse sein kann“400, oder wie Bruno Latour sagt,
bietet auf dieser Stufe „eine relativistische Verbindung zwischen Referenzrahmen […] eine
bessere Quelle des objektiven Urteiles als das Absolute, welches arbiträr ist […] [, zumindest
sobald] wir uns einmal an diese vielen wechselnden Referenzrahmen gewöhnt haben“401.
Aus dieser ozeanischen Entgrenzung der Perspektiven kann ein neuer Begriff des Sozialen
generiert werden bis schließlich „die Gesinnung der Individuen […] [,] das Wissen der Sub-
stanz und der Identität aller ihrer Interessen mit dem Ganzen, und dass die anderen Einzelnen
gegenseitig sich nur in dieser Identität wissen und wirklich sind [in das Blickfeld rückt], […]
das Vertrauen, – die wahrhafte sittliche Gesinnung“402. Vertrauen ist ein spezifischer For-
mausdruck der Beziehung, die, bereits mit Heidegger, als transzendental generalisiertes Me-
dium, vorgestellt wurde. Die verschiedenartigen Vereinigungen aus Substanz und Akzidenz-
denken, durch Differenz oder Identität. Abbildung 3 verschafft einen Überblick über die
dargestellte Stufenfolge, hin zu einer höheren Variante des Grundvertrauens, in einer neuen
Sozialität, und präzisiert diese mithilfe des Modells der hierarchischen Komplexität.

Abbildung 3: transzendental generalisierte Medien und ihre Stufenfolge im Modellvergleich

Auch für Apel ist die Hegelsche Sittlichkeit wesentlich, allerdings vollzieht sich deren Entwicklung
„Legitimation und Veränderung […] auf der Stufe der konkret einzurichtenden praktischen als Fraktal:
die schritt-
Diskurse; […] das prozedurale Prinzip der konsensuell-kommunikativen Begründung bzw. weise Ablö-
sung ideeller
die Legitimierung von Normen in praktischen Diskursen […] [hat] den Status einer regula- Generalisie-
rungen
tiven Idee […] immer nur in Anknüpfung an die substantielle Sittlichkeit – Ethos und Recht

400
Ebenda, §509
401
Latour 2005, S.30
402
Hegel, Enzyklopädie §515

58
– der schon bestehenden Lebensformen“403, auf Basis deren er sich erst realisieren kann. Die
Sittlichkeit Hegels bereitet sich aber nicht lediglich aus der Moralität und dem freien Willen
vor, sondern die Erkenntnis des freien Willens selbst ist das Aufheben zweier Unterstufen:
des Bewusstseins und der Subjektivität. Diese wiederum sind durch die Seele, die, zuerst
„nicht nur für sich immateriell, sondern die allgemeine Immaterialität der Natur, deren ein-
faches ideelles Leben […] [,] der Schlaf des Geistes“404 ist und später zur einfachen Idealität
subjektivem Empfindens wird, vorbereitet. Die Seele ist als einfaches Empfinden und dessen
Wahrgenommenwerden durch die Leiblichkeit, „noch nicht als es selbst, als, nicht in sich
reflektiertes Subjekt“405, eine degenerierte Form des Dritten, und begrifflicher Container für
alle vorabstrakten Stufen. Wie Ken Wilber schreibt, muss für „die nächste Stufe der Evolu-
tion, die finale Differenzierung vom, und Kristallisierung des Geistes aus dem, Körper […],
[aus dem] schützenden Zirkel der Seele"406, folgen und „das Selbst gegen seine vorherige
Einbettung und Versenkung in die Natur, den Körper, und die Überreste der Teilhabe an
mystischer […] Auflösung darin, ankämpfen”407. Nur so entsteht die einfachste Form der
Selbstreferenz, die zuvor durch Plato, Parmenides, die Upanischaden und den Koran darge-
stellt wurde. Dort scheint „das Bewusstsein […] verschieden bestimmt nach der Verschie-
denheit des gegebenen Gegenstandes und seine Fortbildung als eine Veränderung der Be-
stimmung seines Objekts. Ich, das Subjekt des Bewusstseins, ist Denken, die logische Fort-
bestimmung des Objekts ist das in Subjekt und Objekt identische, ihr absoluter Zusammen-
hang“408, der sich dann hin „zur Einheit des theoretischen und praktischen Geistes [entwi-
ckelt]; freier Wille, der für sich als freier Wille […] allgemeine Bestimmung hat […], indem
er sich denkt, diesen seinen Begriff weiß, Wille als freie Intelligenz ist“409.
Die Einheit des theoretischen und praktischen Geistes ist die Summation von Stufen in
einer Ordnung als Funktionen der jeweilig letzten. So spiegelt etwa die praktische Vernunft
bei Thomas von Aquin mit ihrem Prinzip, dass „gutes getan und angestrebt, und böses ver-
mieden werden soll“410 die tautologische Form der einfachen Abstraktionen wieder, die in
der „höchsten Operation des Menschen in Beziehung zu seinem höchsten Objekt [aufgeho-
ben werde]: und seine höchste Macht ist der Intellekt, dessen höchstes Objekt das göttliche

403
Apel 2016e, S.172-175
404
Hegel, Enzyklopädie §389
405
Ebenda, §405
406
Wilber 1983, S.183
407
Ebenda, S.183
408
Hegel, Enzyklopädie §415
409
Ebenda, §481
410
Thomas von Aquin, Summa II Q.91 A.3

59
Gute ist, das das Objekt, […] der spekulativen Vernunft ist“411, also der formalen Operatio-
nen. Auch bei Plato findet sich im Liniengleichnis eine ähnliche Unterteilung in „einen durch
das Auge sichtbaren Abschnitt“ oder die konkrete Welt und darüber hinaus eine Zweiteilung
der Seele, deren „ ersten Unterabschnitt […] die Seele von unerwiesenen Voraussetzungen
ausgehend erforschen [muss], indem sie sich dabei der zuerst geteilten [, konkreten] Unter-
abschnitte wie Bilder bedient und dabei nicht nach dem Anfang zurückschreitet, sondern
nach dem Ende hin schreitet, den anderen Unterabschnitt jener Hälfte aber erforscht sie,
indem sie zu dem auf keiner Voraussetzung beruhenden Anfang schreitet, […] nur mit Be-
griffen den Weg ihrer Forschung bewerkstelligt“412 und sich mit der Erkenntnis schenkenden
Welt der Ideen verbindet. Aber was hier noch fehlt sind einerseits eine Quelle und Mecha-
nismen für Verständigung, über Objekte die lediglich der Welt des Dritten entspringen, und
auch der Wille der unabhängig von Gegenständen der konkreten Welt sein kann, wie bei
Austin. Also genauso wenig wie auf einen Gott zu verweisen, nicht mehr lediglich zu be-
haupten, dass „Wahrheit bezüglich Moralität und menschlicher Werte existieren, ist einfach
nur zu sagen, dass es [wissenschaftliche] Fakten über das Wohlergehen gibt, die auf unsere
Entdeckung warten – die unabhängig von unserer […] Vergangenheit [sind]“413, ist wesent-
lich für die systemische Stufe, denn wie Wilhelm Dilthey schreibt, leitet sich hier „ein Groß-
teil des Glücks als menschliches Wesen davon ab, in der Lage zu sein die Geisteszustände
anderer zu empfinden [und alles] […] hängt für Gewissheit […] davon ab, ob das Verstehen
dessen, was einzeln ist, auf das Niveau eines Allgemeinen gehoben werden kann […] [,]
dem Prozess durch den wir hinter Zeichen, die unseren Sinnen dargereicht werden, die psy-
chische Realität, von der sie ein Ausdruck sind, erkennen“414. Aber auch wenn das heißt,
dass Fakten ihren Alleinherrschaftsanspruch einbüßen und weniger gilt, dass „natürliches
Licht durch die Einflößung grundlosen Lichts [der Gnade profitiert], die Bestimmung eines
Objekts […] nicht von der Vision des Glaubenden, sondern von der Vision dessen, an den
geglaubt wird, also Gott“415 abhängt, sondern eine dritte Ordnung etwa der transzendentalen
Dialektik bei Kant oder die Hermeneutik bei Dilthey die Führungsrolle übernimmt, „bleibt
hier“, mit Hans-Georg Gadamer gesprochen immer noch „Tradition […] ein Moment der
Freiheit und der Geschichte selber. Die Wirkung der fortlebenden Traditionen und die Wir-
kung der […] [Bemühungen des intersubjektiv, hermeneutischen Bewusstseins] bleiben eine

411
Ebenda, Q.3 A.1
412
Plato, Staat 510 A-C
413
Sam Harris 2011, S.49
414
Dilthey 1996, S.235
415
Thomas von Aquin, Summa I Q.12 A.13

60
Wirkungseinheit, deren Analyse immer nur ein Geflecht von Wechselwirkungen anzutreffen
vermöchte“416. Das Bewusstsein lässt sich hier noch nicht „als etwas radikal Neues den-
ken“417, oder, wie Hartmut Rosa schreibt, droht ohne traditionelle Resonanzachsen wie Fa-
milie, Religion, Arbeit, „ungeachtet einer sogar wachsenden Resonanzsensibilität ein um-
fassender Resonanzverlust, eine Totalisierung stummer Weltverhältnisse“418. Alleine als Ge-
gensatz scheint noch möglich all das abzuwerten und durch „Intensitätsverhältnisse, welche
das Subjekt […] [in der Leere] durchmisst und innerhalb deren es je wird, auf- und absteigt,
wandert und seinen Ort wechselt, […] und […] nicht auf[hört] Schwellen zu überschreiten,
indem es die künstliche Einheit einer Familie wie eines Ichs vernichtet“419, zu ersetzen. Erst
das vierte – nach den einfachen Abstraktionen, den formalen Operationen und dem systemi-
schen Denken – ideell generalisierte Medium der dritten Ordnung, oft als Metasystemisch
bezeichnet420, bringt die gesamte Reihe aus vier transzendentalen Medien innerhalb von vier
Wirklichkeits-, Wahrheits- und Sinndimensionen mit ihren jeweiligen Evidenzen und Gel-
tungsansprüchen zusammen. Sie statten den perlokutionären Akt mit einer neuen Identität,
aus rein abstrakten oder mit Sinn operierenden Geltungsansprüchen, aus.
Wie Sartre in der Kritik der dialektischen Vernunft schreibt, entsteht so „ein anorgani- Die vier
transzenden-
scher, materieller Gegenstand […], als reale Einheit im Sein, das heißt als passive Synthese tal generali-
[…] insofern ein konstituierter Gegenstand sich als wesentlich setzt und seine Trägheit jede sierten Me-
dien bei Ha-
Einzelpraxis [eines Diskurses] durchdringt als ihre grundlegende Bestimmung durch die pas- bermas, Par-
sons und
sive Einheit, das heißt durch die vorherige und gegebene Durchdringung aller als anderer“421 Luhmann
der anderen: ein neue Tradition. Auch bei Talcott Parsons, so Luhmann, hält das latent Pat-
tern Maintenance eine reale Einheit im Sein und spiegelt durch „die Orientierung an grund-
legenden Werten als eine Spezialfunktion […] die traditionelle Ganzheitsmystik“422 des He-
gelschen Staats wieder, die einer „selbstbewussten sittlichen Substanz“423. Bei Luhmann gilt
die Hypothese, dass soziale Systeme nur mithilfe von Selbstbeschreibung Selbstreproduk-
tion aufrechterhalten können, also dass „das System […] eine eigene Einheit als Bezugs-
punkt für Beobachtungen, als Ordnungsgesichtspunkt für ein laufendes Referenzieren“424

416
Gadamer 2010, S.287
417
Ebenda, S.287
418
Rosa 2018, S.661f
419
Deleuze & Guattari 2016, S.108 & S.111
420
Metasystemisch meint nach Commons 2007, S.3: “[To] create metasystems out of systems, [to] compare
systems and perspectives [and to] name properties of systems: e.g. homomorphic, isomorphic, complete, con-
sistent, commensurable
421
Sartre 1980, S.272
422
Luhmann 2012, S.353
423
Hegel, Enzyklopädie §535
424
Luhmann 2018b, S.880

61
bereitstellt, das System und Umwelt Differenzen aufrechterhält. Selbstbeschreibung ver-
weist damit unweigerlich auf eine, um sich dem Peirceschen Jargon zu bedienen, vierte Ord-
nung, sie kann sich nur „in situationsgebundener Selbstbeobachtung konditionieren, […] die
einen Informationswert haben, […] weil das System für sich selbst intransparent ist“425. Nur
durch Beobachtung kann das System erkennen, dass „die Wirklichkeit praktisch gleichbe-
deutend ist mit unserem subjektiven Erleben der Existenz, dass Wirklichkeit die Struktur ist,
die wir der Welt auferlegen“426, anders gesagt, den Systemen durch Referenzieren zu- und
einschreiben. So sehr wie die vierte Stufe auf eine vierte Ordnung verweist, so sehr verweist
die einfache Abstraktion und ihr Geltungsbereich auf das Erste. Blickt man so auf Parsons
metasystemischen Ansatz, in dem „jedes Handlungssystem als eine Zone der Interaktion und
der gegenseitigen Durchdringung von vier Subsystemen […] [ist]: Kultur, Gesellschaft, Per-
sönlichkeit und Organismus“427, findet man dem Organismus die Funktion der „allgemeine-
ren Anpassung an die generellen Bedingungen eines Milieus“428 zugeordnet. Er ist „der ba-
sale Prozess sozialer Systeme, der die Elemente produziert, aus denen diese Systeme beste-
hen“429 und der kann bei Luhmann „nur Kommunikation sein“430. Das heißt eine Isomorphie
der Ja/Nein Bifurkation, des Icons, der Codierung und zugleich eine Emergenz innerhalb
eines Sinnsystems und nicht mehr im rein sich gegenwärtigen Werden, Entstehen und Ver-
gehen des Seins. So findet sich in einer selbstähnlichen Weise, also eine fraktale Wiederkehr
der Funktion jedes stufenartigen, transzendentalen Mediums als Entsprechung einer der
Peirceschen Kategorien wieder, aber in der je ordnungsspezifischen Variation durch die
emergenten Eigenschaften des Ersten, Zweiten, Dritten und finalen Vierten, der Sphäre der
Beobachtung oder des absoluten Geistes. Entsprechend schreibt Parsons, dass „analytisch
[gesehen] […], Ziel-Orientierung auf der nächsten Ebene ‚unter‘ dem Konzept der Erwar-
tungen zu stehen [scheint], wegen der logischen Möglichkeit der passiv vorhersagenden Ori-
entierung“431 darin, also der Möglichkeit, die Anpassung durch Wahrnehmung und Wille zu
utilisieren, während die Anpassung des Organismus rein auf die konkrete Welt gerichtet ist
und sich entsprechend durch drei konkrete „primäre relationale Attribute […], die als pri-
märe Signifikanzen herausstechen, nämlich‚ biologische Positionierung‘, räumlicher oder
territorialer Ort und zeitlicher Ort“432 definieren lassen. Der Agent oder die Person in

425
Ebenda, S.880 & S.886
426
Watzlawick, Beavin & Jackson 2011, S.259
427
Habermas 2016b, S.358
428
Parsons 1975, S.17
429
Luhmann 2012, S.192
430
Ebenda, S.192
431
Parsons 1991, S.4
432
Ebenda, S.60

62
Luhmanns Theorie ist die Differenz aus System und Umwelt, sie schneidet zwar „nicht die
Gesamtrealität in zwei Teile: hier System und dort Umwelt. Ihr Entweder/oder ist kein ab-
solutes, es gilt vielmehr nur systemrelativ, aber gleichwohl objektiv […] [und verfolgt] je-
weils besondere Sinnbezüge aufgrund der gerade aktuellen Situation, sie tragen als Kommu-
nikationen zum Beispiel etwas zur Klärung des Themas und zur Ermöglichung weiterer
Kommunikationen bei […] [, verfolgen aber] ein höhergreifendes Ordnungsinteresse, zum
Beispiel ein Kontrollinteresse oder ein Lerninteresse“433, und sind sinnbildlich für bewusste,
sinngetriebene Evolution. Die eigentliche Aufgabe der dritten Ordnung, die gesellschaftliche
Differenzierung und Sinngenerierung, übernimmt bei Luhmann wie bei Parsons die Integra-
tion, denn die „System-zu-System Beziehungen, die eine gesellschaftliche Ordnung der Dif-
ferenzierung zulassen, kann es nur in struktureller Kopplung geben, die die Autopoiesis der
Teilsysteme nicht aufhebt“434. Das heißt nur durch „die Reduktion der Freiheitsgrade von
Teilsystemen, die diesen die Außengrenzen des Gesellschaftssystems und der damit abge-
grenzten internen Umwelt dieses Systems verdanken, also ein Aspekt des Umgangs mit –
oder der Nutzung von – internen Unbestimmtheiten auf der Ebene des Gesamtsystems und
auf der Ebene seiner Teilsysteme“435. Bei Parsons ist der Begriff ein wertegeladener „‘Kom-
promiss‘ zwischen den ‚Anstrengungen zur Konsistenz‘ zwischen seiner Persönlichkeit, sei-
nen sozialen und kulturellen Komponenten respektive, auf so eine Weise, dass keine von
ihnen auch nur annähernd ‚perfekte‘ Integration erreicht“436, sich also keines im Anderen
auflöst, sondern im „empathischsten Sinne die Interaktion genauso konstitutiv für eine Per-
sönlichkeit wie sie ist oder das soziale System ist“437. Wie Kohlberg als Beschreibung der
entsprechenden Moralstufe, der fünften, schreibt, ist sie nicht nur diejenige „des sozialen
Kontraktes beziehungsweise der gesellschaftlichen Nützlichkeit, [sondern] zugleich die der
individuellen Rechte“438.
Ungeachtet dessen, dass Habermas Parsons Vorstellung von Integration als „eine Spezi-
alisierung sprachlicher Konsensbildung“439 sieht, die „die Bedeutungen von

433
Luhmann 2012, S.244 & S.246
434
Luhmann 2018b, S.601
435
Ebenda, S.601 & S.603f: Luhmann 2012 schreibt hier insbesondere in Bezug auf Individuen von Interpenet-
ration, um diese „besondere Art von Beitrag zum Aufbau von Systemen zu bezeichnen, der von Systemen der
Umwelt erbracht wird. [Dabei spricht er, als eine Vorstufe,] von Penetration […], wenn ein System die eigene
Komplexität (und damit: Unbestimmtheit, Kontingenz und Selektionszwang) zum Aufbau eines anderen Sys-
tems zur Verfügung stellt. […] Interpenetration liegt entsprechend dann vor, wenn dieser Sachverhalt wech-
selseitig gegeben ist, wenn also beide Systeme sich wechselseitig dadurch ermöglichen, dass sie in das jeweils
andere ihre vorkonstituierte Eigenkomplexität einbringen.“
436
Parsons 1991, S.10
437
Ebenda, S.10
438
Kohlberg 1996b, S.131
439
Habermas 2016b, S.419

63
identitätsbedrohenden Deformationen, als die […] [bestimmte Kommunikationsformen] aus
der Teilnehmerperspektive wahrgenommen werden“440 herunterspielt und dadurch dessen
und Luhmanns Denken blind für Sozialpathologien macht, lassen sich die vier fundamenta-
len Sphären, aus denen Sinnsysteme bestehen, auch bei ihm finden. In der Folge dieser Be-
fürchtungen sind sowohl die transzendental generalisierten Strukturen des Bewusstseins als
auch Kommunikation mehr darauf fokussiert, verschiedene Geltungsansprüche gleichbe-
rechtigt erscheinen zu lassen: Wie Hegel den theoretischen Geist „als den Glauben der In-
telligenz an ihre Fähigkeit, vernünftig zu Wissen […] [bezeichnet,] an ihr Selbst das Allge-
meine, ihr Produkt [zu haben, wo] der Gedanke […] die Sache, einfache Identität des Sub-
jektiven und Objektiven“441 ist, ist die Entsprechung der einfachen Abstraktion bei Haber-
mas das empirisch theoretische Wissen, auf das der theoretische Diskurs gerichtet ist. Da-
rauffolgend verkörpern “normregulierte Handlungen ein moralisch praktisches Wissen […],
sowohl die Richtigkeit einer bestimmten Handlung mit Bezugnahme auf eine gegebene
Norm […] wie auch, auf der nächsten Stufe, die Richtigkeit einer solchen Norm selber zu
prüfen“442 und sind homolog zu dem praktischen Geist, durch den „die Realität des Rechts,
welche sich der persönliche Wille zunächst auf unmittelbare Weise gibt, [und das] […] sich
durch den subjektiven Willen, das dem Rechte-an-sich Dasein gebende oder auch von dem-
selben sich abscheidende und ihm entgegengesetzte Moment, vermittelt“443 zeigt. Schließ-
lich bildet die ästhetische und therapeutische Kritik das „Wissen von der jeweils eigenen
Subjektivität des Handelnden […] [und] derjenigen Werte, die der Bedürfnisinterpretation,
der Deutung von Wünschen und Gefühlseinstellungen zugrunde liegen“444, die Basis für in-
tersubjektive Verständigung und die Integration, also auch Hegels Moralität. Oder wie Kant
schreibt, „nur unter Voraussetzung […] eines Gemeinsinns kann das Geschmacksurteil ge-
fällt werden. […] Die Idee eines gemeinschaftlichen Sinnes, […] welcher in seiner Reflexion
auf die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken Rücksicht nimmt, um gleichsam an die
gesamte Menschenvernunft sein Urteil zu halten, und dadurch der Illusion zu entgehen, die
aus subjektiven Privatbedingungen, welche leicht für objektiv gehalten werden könnten, auf
das Urteil nachteiligen Einfluss haben würden“445. Aber erst mit dem kommunikativen Han-
deln und nur auf der letzten Stufe der postkonventionellen Entwicklung, so Habermas, kann
die Wahrheit bezüglich „präkonventioneller Begriffe von Bindung und Loyalität […]

440
Ebenda, S.552
441
Hegel, Enzyklopädie §445 & §465
442
Habermas 2016a, S.447
443
Hegel, Enzyklopädie §502
444
Habermas 2016a, S.447f
445
Kant, Kritik der Urteilskraft §20 & § §40

64
enthüllt werden, nämlich, dass die Idee der Gerechtigkeit nur von einer idealisierten Form
der Reziprozität aus gewonnen werden kann, […] der der Prozedur des normenrechtferti-
genden Diskurses“446 zugrunde liegt und damit auch einen wirklichen, ausgehandelten Ge-
meinschaftssinn ermöglicht. Mit Luhmann gesprochen ist Gesellschaft eine Beschreibung,
„in die sie selbst transzendierende Momente aufgenommen werden, oder anders gesagt: dass
ihre Sinnhaftigkeit als Selektivität mitkommuniziert wird [und daher] […] die Gesellschaft
als selbstmodifikationsfähige Einheit begriffen werden muss“447, die aber bei Luhmann, im
Gegensatz zu Habermas, auf eine nächste Ordnung, die der Einheit jeder Differenz im Mo-
ment einer Beobachtung, verweist, die wiederum auf das Entstehen einer Beobachtung zwei-
ter Ordnung hin angelegt ist. Diese vierte Ordnung wird im nächsten Kapitel kurz angeris-
sen, während Abbildung 4448 den Inhalt dieses Kapitels konsolidiert.

Abbildung 4: Die Ordnungen, Sprechakte, Systemkomponenten und Geltungsansprüche

2.1.4. Das Vierte: Beobachtung und Wahrheitsbewusstsein


„Was sich im Leben verändert, ist nicht unsere Einheit mit Gott, sondern die Arten ihrer Die zwei Sei-
ten des Vier-
Erfahrung, ihre Ebenen der Realisierung. Daher ist der Mensch in einem Prozess des ten: die reine
Objektivität
und Selbstbe-
446
Habermas 1990, S.165 schreibung
447
Luhmann 2018b, S.1141 als individu-
448
Personen, Rollen, Programme und Werte werden in dieser Abbildung als die konkreten Entsprechungen der eller Wille
Geltungsansprüche behandelt: Auf der ersten Stufe des Zweiten, der sententialen, kann man jemand sein, eine
Person oder ihr Gegenteil; auf der zweiten, der Präoperationalen, entstehen durch Imitation einfache Rollen;
danach, mit den primären Operationen entsteht regelgeleitetes Handeln, also Programme; und mit den konkre-
ten Operationen können wertebasierte Traditionen entstehen. Siehe dazu etwa Miller & Lee 2007, S.8f

65
Erwachens, auf immer tiefere und perfektere Arten, seine Einheit mit Gott zu realisieren,
eine Einheit, die von Anfang an und bis zum Ende stabil und unveränderlich bleibt“449, so
die Mystikerin Bernadette Roberts. So wie Gott in dieser Weltsicht in jeder Erfahrung mit-
gegeben ist, so ist auch das Vierte, wie jedes vorherige ideell generalisierte Medium, eine
allgegenwärtige Wirklichkeit. Mit Peirce gesprochen „verwechseln“450 wir dieses transzen-
dentale Vierte in seiner degenerierten Form mit unseren Sinnen, mit dem, was nach außen
blickt, anstelle dessen, was im Innen schaut. Trotz der Gefahr dieser Verwechslung ist der
„Mensch […] [, für Peirce,] eines spirituellen Bewusstseins fähig, das in ihm eine ewige
Wahrheit errichtet, die im Universum als Ganzes verkörpert ist“451. Dieses Bewusstsein ist
für ihn eine archetypische Idee, die niemals versagen wird, und damit ähnlich wie bei Hegel
der absolute Geist, der als letzte Wahrheit und in seinem subjektiven Bewusstsein „wesent-
lich in sich Prozess, dessen unmittelbare und substantielle Einheit der Glaube in dem Zeug-
nis des Geistes als die Gewissheit von der objektiven Wahrheit, ist“452. Der „Geist ist [dabei]
nicht das Unmittelbare, der Vermittlung Entgegengesetzte, sondern vielmehr das seine Un-
mittelbarkeit ewig setzende und ewig aus ihr in sich zurückkehrende Wesen [, das schon] im
Denken, als erstem Denken, nur das reine Sein oder auch das Wesen, das abstrakte Absolute
[war, das Gott ist], […] aber [noch nicht] Gott als absoluter Geist, als welcher er allein die
wahrhafte Natur Gottes“453 wäre, so Hegel. Das Vierte erscheint als graduelles sich Enthül-
len und Anwachsen, wie auch Erwin Laszlo schreibt, denn „das kosmische Proto-bewusst-
sein, dass das urzeitliche Ganze mit seinen universell-kreativen Potentialen gestiftet hat,
wird ein voll artikuliertes kosmisches Bewusstsein – es wird, und von da an ist es bis in alle
Ewigkeit, der sich selbst realisierte Geist Gottes“454, der, „im Sich offenbaren […] nicht
mehr abstrakte Momente seiner, sondern sich selbst manifestiert“455. Weniger mystisch an-
gehaucht kann mit Luhmann gesagt werden, dass durch Beobachten und sein Operieren ein
Doppelzirkel entsteht: „Einerseits sind Beobachtungen Operationen, die die operierenden
Systeme autopoietisch reproduzieren, sich aber nicht selbst beobachten können […] [, und

449
Roberts 1991, S.40
450
Peirce 1998n, S.3: So stellt etwa Habermas 1982, S.184-187 den Beobachter unter die Beobachtungssätze
und die Deutung einer wahrnehmbaren Realität und des symbolisch vermittelten Verstehens, anstelle dessen
ihn als ein wirkliches Viertes zu sehen. Für Maturana 2000b, S.158 ist der Beobachter für das, was die Realität
durch Unterscheidung und Repräsentation hervorbringt, er ist das Interpretierende, aber hat keine unabhängige
Existenz als Viertes, sondern übernimmt lediglich die Funktionen des Dritten, die bei Luhmann durch die spe-
zielle Form der Beobachtung ergänzt in der die Einheit der Differenz aus System und Umwelt entsteht.
451
Ebenda, S.3
452
Hegel, Enzyklopädie §555
453
Hegel, Wissenschaft S.183
454
Laszlo 2004, S.167
455
Hegel, Enzyklopädie S.446

66
sich] andererseits […] alle Operationen durch darauf abzielende Beobachtungen beobachten
[lassen], denn sonst wüssten wir nichts von ihnen“456. Jede dieser Beobachtungen verweist
dabei wieder auf die Einheit der Differenz, die durch diese Operationen entsteht. Allerdings
handelt es sich bei Beobachtung nach Luhmann lediglich „um einen kreativen, morphoge-
netischen Mechanismus, der Ereignisse auf Funktionen hin abtastet und das Resultat gele-
gentlich in erfolgreichen strukturellen Errungenschaften festhält“457 und es liegt nicht, wie
bei Hegel eine Art Glücksgarantie darin, dass sich „ein subjektives Erkennen, dessen Zweck
die Freiheit und es selbst der Weg ist, […] die ewige an und für sich seiende Idee […] als
absoluter Geist betätigt, erzeugt und genießt“458. Sondern Beobachtung ist unabhängig von
der Antizipation eines Resultats. Sie ist frei davon, Kind der Idee zu sein, dass der Doppel-
zirkel im „Strukturaufbau das Bestmögliche realisiert oder auch nur das Los der Menschen
verbessert“459.
Arthur Schopenhauer bringt, in die Welt als Wille und Vorstellung, beide Seiten auf den
Punkt: „Als Wille, und daher als Individuum, ist […] [der Mensch] nur Eines und dieses
Eine ausschließlich, welches ihm vollauf zu Thun und zu Leiden gibt“460. Er operiert sozu-
sagen innerhalb der Relationen einer Selbstbeschreibung, wo „das erkennende Individuum
als solches und das von ihm erkannte einzelne Ding […], immer irgendwo, irgendwann und
Glieder in der Kette der Ursachen und Wirkungen“461 sind, ein reines Wie oder die Akzi-
denzien, während das „reine Subjekt der Erkenntnis und sein Korrelat, die Idee, […] aus
allen jenen Formen […] [der Ursache und Wirkung] herausgetreten [sind]: die Zeit, der Ort,
das Individuum, welches erkennt, und das Individuum, welches erkannt wird, haben für sie
keine Bedeutung“462. Darin, „indem man sämtliche Ideen, oder Stufen der Objektität des
Willens, der Reihe nach, durch dasselbe [reine Subjekt] durchgehend sich denkt, […] [wer-
den] die einzelnen Dinge aller Zeiten und Räume […] nichts, als die, durch […] [Beobach-
tung, Operationen, Ursache und Wirkung,] in ihrer reinen Objektität getrübten Ideen“463.
Nur im „rein objektiv vorstellenden, ist […] [der Mensch] das reine Subjekt der Erkenntnis,
in dessen Bewusstsein allein die objektive Welt ihr Dasein hat: als solches ist er [die

456
Luhmann 2018a, S.539
457
Luhmann 2012, S.411
458
Hegel, Enzyklopädie §576f
459
Luhmann 2012, S.411
460
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung Bd. 2 S.474
461
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung Bd. 1 §34
462
Ebenda, §34
463
Ebenda, §34

67
subjektive Erfahrung des absoluten Geistes als464] alle Dinge, sofern er sie anschaut, […]
[als] die Ideen der Dinge: aus diesen aber spricht jetzt eine höhere Weisheit, als die, welche
von bloßen Relationen weiß“465.
Im Gegensatz zur Schopenhauerschen reinen Objektivität steht bei Luhmann, „wenn man
in Betracht zieht, dass Beobachten immer ein Operieren ist, das durch ein autopoietisches
System durchgeführt werden muss“466, allein der Wille, eine Art Individuum im Mittelpunkt.
„Die Gesellschaft wird demnach nicht durch ein bestimmtes ‚Wesen‘, geschweige denn
durch eine bestimmte Moral […] charakterisiert, sondern alleine durch die [individuelle]
Operation, die Gesellschaft produziert und reproduziert“467, also eine Vielzahl von Willens-
akten und Relationen, die allerdings auf die Sphäre des Vierten, auf die „Erregung desselben
auf geistigem Wege […] [verweisen], welche mittelst der Motive geschieht: hier wird also
durch die Objektivität selbst die Subjektivität erweckt und ins Spiel gesetzt“468. Und so hat
„für sinnkonstituierende Systeme […] alles Sinn; für sie gibt es keine sinnfreien Gegen-
stände“469 mehr, sobald das Vierte, als Beobachtung in Form der Einheit aus Differenzen,
ins eigene Operieren eingeführt wird. Alles ist schon immer aktual und möglich und die
Einheit aus Beidem in einem ideell generalisierten oder transzendentalen Beobachter.
Einen Schritt weiter als Schopenhauer geht Georg Simmel, wenn er fragt, wie Gesell- Das Vierte
als Wahr-
schaft möglich sei. Bei ihm finden zwei Seiten zusammen, denn bei ihm „schwebt, als heu- heitsbewusst-
ristisches Prinzip des Erkennens, der Gedanke […] [einer] realen, schlechthin individuellen sein und die
Kontingenz-
Bestimmtheit [jedes Menschen]; aber indem es scheint, als ob erst der Gewinn dieser die formel Trans-
zendent/Im-
ganz richtig fundamentierte Beziehung zu ihm ergäbe, sind tatsächlich jene Veränderungen manent
und Neugestaltungen, die diese ideale Erkenntnis seiner hindern, gerade die Bedingungen,
durch die die Beziehungen, die wir allein als die gesellschaftlichen kennen, möglich werden
– ungefähr wie bei Kant die Kategorien des Verstandes, die die unmittelbaren Gegebenhei-
ten zu ganz neuen Objekten formen, doch allein die gegebene Welt zu einer erkennbaren
machen“470. Das heißt auch, dass „jedes Element einer Gruppe nicht nur Gesellschaftsteil,

464
Schopenhauer, in die Welt als Wille und Vorstellung Bd. 2 S.473 spricht vom „übrigbleibenden reinen
Subjekt des Erkennens […] als das ewige Weltauge, welches, wenn auch mit sehr verschiedenen Graden der
Klarheit, aus allen lebenden Wesen sieht, unberührt vom Entstehen und Vergehen derselben, und so, als
identisch mit sich, als stets Eines und das Selbe, der Träger der Welt der beharrenden Ideen, d. i. der adäquaten
Objektität [=Sichtbarkeit] des Willens, ist“. Es scheint in etwa der subjektiven Erfahrung des absoluten Geistes
zu entsprechen.
465
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung Bd. 2 S.474f
466
Luhmann 2018a, S.69
467
Ebenda, S.70
468
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung Bd. 2 S.470
469
Luhmann 2012, S.110
470
Simmel 2018, S.50; Allerdings muss angemerkt werden, dass Simmel in dieser Passage nicht von Katego-
rien im Kantschen Sinne spricht, sondern vielleicht mehr von etwas, das man Rollen nennen könnte, d.h. jeder

68
sondern außerdem noch etwas ist“471. Für Simmel mündet diese Vorstellung oder Denkart,
das etwas zweierlei, Kategorie und Einzelnes, Ganzes und Teil, sein kann, so Hans Joas in
die Entstehung der Werte, darin, dass „die Transzendenz […] [irgendwann] nicht mehr auf
ein Jenseits bezogen, noch weniger von diesem her gedacht […] [sondern,] immanent [ist],
so dass eben diese Immanenz der Transzendenz zum eigentlichen Wesen des Lebens erklärt
werden kann“472. In Simmels Soziologie allerdings, weil hier diese Einheit noch nicht kom-
plett vollzogen ist, umschreibt er das Wechselspiel aus Immanenz und Transzendenz, dem
was für Schopenhauer Idee und Wille wäre, mithilfe einer Metapher vom religiösen Men-
schen: dieser „fühlt sich von dem göttlichen Wesen vollkommen umfasst, als wäre er nur
ein Pulsschlag des göttlichen Lebens, seine eigene Substanz ist vorbehaltlos, ja in mystischer
Unterschiedslosigkeit in die des Absoluten hineingegeben. Und dennoch, um dieser Ein-
schmelzung auch nur einen Sinn zu geben, muss er irgendein Selbst-Sein bewahren, irgend-
ein personales Gegenüber, ein gesondertes Ich“473. Das Eins-Sein ist hier nur durch das An-
ders-Sein möglich. Für Simmel braucht es hierzu „das Bewusstsein des Beschauers“474, eine
Art Beobachtung zweiter Ordnung, so würde Luhmann wohl sagen, denn: „kein Beobachter
kann die Unterscheidung, die er im Moment seiner Beobachtung zugrunde legt, zugleich als
Differenz und als Einheit benutzen. […] Aber ein Beobachter eines Beobachters […] kann
unterscheiden, was ein Beobachter mit dem Schema seiner Beobachtung sehen und was er
damit nicht sehen kann“475. Beobachtung zweiter Ordnung kann daher eine Loslösung von
der Ausschließlichkeit und Dualität zweier polarisierender Formen der Selbstbeschreibung
bewirken. „Die ursprüngliche Paradoxie der Einheit der Differenz, […] [kann] durch eine
andere, leichter handhabbare Unterscheidung ersetzt und durch sie invisibilisiert“476 werden.
Permanente oder vorübergehende Kontingenzformeln, „die eine systemspezifische Unbe-
streitbarkeit behaupten“477, können, indem sie die „Paradoxie des re-entry und der Codierung

ist zugleich eine Rolle, aber doch immer mehr oder weniger als diese, füllt diese mehr oder weniger gut aus.
Dieses, so Simmel 2018, S.47f, „den Anderen in irgendeinem Maße verallgemeinert […] [zu sehen, während]
das vollkommene Wissen um die Individualität des Anderen uns versagt ist“, allerdings ist für ihn ein Apriori,
das „die Prozesse der Wechselwirkung […] die Gesellschaft als Wissenstatsache“ trägt.
471
Ebenda, S.51
472
Joas 2017, S.123
473
Simmel 2018, S.53
474
Ebenda, S.44
475
Luhmann 2002, S.328
476
Ebenda, S.323
477
Luhmann 2018a, S.470; vergleiche dazu auch Luhmann 2017, S.578f & S.585: Das Fortschreiten des Kon-
tingenzbewusstseins in einer Gesellschaft erfordert, dass die Kontingenzen selbst, „auf der Ebene struktureller
Bedingungen der Kommunikation anerkannt und formuliert werden. Symbole oder Symbolkomplexe, die dies
zu leisten vermögen, wollen wir Kontingenzformeln nennen. […] [Etwa lässt sich] erst mit der konsequenten
Ausformulierung […] [eines Sachverhalts] als nichtkontingenter Relation zwischen kontingente Gegenständen
und kontingenten Erkenntnissen […], auch die Kontingenzformel des Wahrheitsmediums […] formulieren.“

69
[in der Beobachtung und Selbstbeschreibung] durch eine Identität ersetzen […] andere Mög-
lichkeiten, die auch gegeben sind, zu unterdrücken“478 suchen. So kann, „obwohl das System
eine Differenz und, als Operation gesehen, die Reproduktion dieser Differenz ist, es für sich
als Einheit zugänglich werden“479, die iterierend, also im Verweis auf eine Differenz aus
Aktual und Möglich, Motivation und als nichtkontingent erlebbaren Sinn in einer „Parado-
xieentfaltung“480 erschafft. In Anlehnung an Luhmanns die Politik der Gesellschaft kann
man, wie schon am Ende von Kapitel 2.1.1. geschehen, das Verhältnis von Kategorie oder
Idee zur diskursiven Selbstbeschreibung, oder einer Transzendenz zu einer Immanenz als
die „Herrschaftsausübung des Beherrschten“481 bezeichnen. Eine Kategorie zeigt sich, trotz
ihrer Vorgeformtheit immer nur durch ihre Individualität, drückt dem Ideellen ihren eigenen
Stempel auf. Ganz ähnlich wie für Simmel „das Eins-Sein mit Gott in seiner Bedeutung
durch das Anders-Sein als Gott bedingt“482, wodurch die Auflösung in Gott eine ewige Auf-
gabe ist, dient für Luhmann in die Religion der Gesellschaft „die komplizierte Struktur der
Beobachtung zweiter Ordnung […] zur Ausarbeitung der Kontingenzformel Gott […] [als
eine] Einheitsformel des Codes Immanenz/Transzendenz“483.
Entsprechend dessen, dass „Kontingenzformeln […] sich inhaltlich noch so stark unter-
scheiden […] [können, bleiben sie dennoch] Elemente eines symbolisch generalisierten
Kommunikationscodes und sind dadurch einerseits konstellationsspezifisch ausdifferenziert,
andererseits gewissen Interdependenzen ausgesetzt“484, so Luhmann. Es entsteht eine „Ein-
heit im Mannigfaltigen oder die Selbigkeit des Verschiedenen“485. Auf diese Weise bietet
jedes transzendental generalisierte Medium eine eigene Art der Kontingenzbewältigung an,
eine eigene „selektive Unaufmerksamkeit“ 486, einen Referenzrahmen, der mit jeder Stufe eine
andere Aufmerksamkeitsstruktur annimmt und immer beides ist: seine Generalisiertheit und ein
einzigartiger immanenter Ausdruck oder Wille in Form einer Sinnoperation oder Selbstbeschrei-
bung. Dadurch entsteht durch Kraft des Vierten, wie Gadamer durch ein Drittes ausdrückt, die
Fähigkeit „Wirkliches anzuerkennen. [Und so ist] Erkennen was ist, […] das eigentliche

478
Luhmann 2000, S.147f
479
Ebenda, S.147f
480
Luhmann 2002, S.323
481
Ebenda, S.324
482
Simmel 2018, S.54
483
Luhmann 2000, S.167
484
Luhmann 2017, S.588
485
Luhmann 2002, S.325
486
Loevinger & Wessler 1970, S.7: Loevinger und Wessler vertreten in Anlehnung an Alfred Adler die Vor-
stellung einer selektiven Wahrnehmung oder tendenziösen Apperzeption wie auch die einer selektiven Unauf-
merksamkeit, die mit Stufenentwicklung immer wieder unterschiedlich ausgerichtet ist, um das Selbstsystem
– oder hier die Existenz einer Kategorie – vor potentiellen irritierenden und stabilitätsbedrohenden Informati-
onen zu schützen.

70
Ergebnis aller Erfahrung, wie alles Wissenwollens überhaupt […] [dessen], ‚was nicht mehr
umzustoßen ist‘“, kein Fremdes mehr außer sich hat, keine Erfahrung der Getrenntheit, der Sinn-
losigkeit. Sondern Erkennen drängt hier, „aus der Sphäre […] mentaler Wahrnehmung und men-
talen Wissens […] und betrachtet alles vom Standpunkt einer Einheit, sogar die größte Multip-
lizität und Diversität, sogar das, was für den Geist die stärksten Gegensätze sind, im Lichte dieser
Einheit“487, die für Hegel im absoluten Geist und für Luhmann zuerst in der Einheit der Differenz
und später in der Entfaltung multipler Paradoxien durch Beobachtung zweiter Ordnung lag. In
der Natur des Vierten „entsteht natürlich und unausweichlich, in einer harmonischen Identität
aus der Wahrheit, die in der reinen Substanz des bewussten Wesens gefühlt wird, eine spirituelle
Substanz, die universell und entsprechend auf intime Weise Eins mit allem ist, was in ihr Erken-
nen der Existenz einbezogen wird“488. Oder wie Simmel schreibt, „wie das Leben auf seiner
physiologischen Stufe ein fortwährendes Erzeugen ist, so dass […] Leben immer Mehr-Leben
ist – so erzeugt es auf der Stufe des Geistes etwas, das Mehr-als-Leben ist: das Objektive, das
Gebilde, das in sich Bedeutsame und Gültige. Diese Steigerung des Lebens […] ist sein eigenes
unmittelbares Wesen selbst […] [, welches sich] selbst sein Anderes vor sich hinstellt und diese
Objektivität dadurch als sein Geschöpf, dadurch als mit ihm einen Wachstumszusammenhang
bildend erweist, dass es ihre Bedeutungen, Folgen, Normierungen wieder in sich einbezieht und
sich nach dem gestaltet, was von ihm selbst gestaltet worden ist“489. Ein ewiges Schauen reiner
wahrhafter Innerlichkeit.
2.2. Die Organisation
„Soziale Systeme können sich auf verschiedene Weise bilden je nachdem, unter welchen Luhmanns
Definition
Voraussetzungen der Prozess der Selbstselektion und der Grenzziehung abläuft“490, so Luh- von Organi-
mann. Aus dieser Betrachtungsweise ergeben sich für ihn drei mögliche Schwerpunktaus- sation und
Karriere als
richtungen soziologischer Forschung: „Die Theorie des Interaktionsverhaltens oder der sym- formale Kon-
tingenzformel
bolisch vermittelten Interaktion, die Organisationstheorie und die […] Ansätze zu einer The-
orie der Gesellschaft“491. Diese differenzierende Sichtweise erlaubt nach David Seidl, „Or-
ganisationen und ihre Beziehung zu anderen sozialen Systemen in ihrer Umwelt zu thema-
tisieren, […] [insbesondere eben] die Beziehung zwischen Organisation und Interaktion, und
zwischen Organisation und Gesellschaft“492. Luhmann definiert Organisation in

487
Aurobindo 2005, S.999f
488
Ebenda, S.1000
489
Simmel 2017a, S.295f
490
Luhmann 2016, S.210
491
Ebenda, S.210
492
Seidl & Mormann 2016, S.127; Seidl ebenda unterscheidet zwei Phasen in Luhmanns Organisationsdenken:
„the first phase is characterized by Luhmann’s interest in organizational structures. Applying his functional
method, he compared different organizational structures with regard to their capacity to reduce organizational
complexity and thus enable the organizational members to act […]. The second phase is marked by Luhmann’s

71
Anknüpfung an die Theorie selbstreferentieller, autopoietischer Systeme zirkulär, „sie ist ein
System, das sich selbst als Organisation erzeugt“493. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu
Interaktionssystemen um „kein Universalphänomen jeder Gesellschaft, sondern um eine
evolutionäre Errungenschaft, die ein relativ hohes Entwicklungsniveau voraussetzt“494. Or-
ganisation ist, dennoch, wie Interaktion ein bestimmter Umgang mit doppelter Kontingenz,
„jeder kann immer auch anders handeln und mag den Wünschen und Erwartungen entspre-
chen oder auch nicht – nicht aber als Mitglied einer Organisation“495. Da die Mitgliedschaft
zu einer Organisation an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, „also Eintritt und Austritt
von Bedingungen abhängig [gemacht]“496, hat das Überschreiten bestimmter Grenzen den
Verlust derselben zur Folge. Durch die Identifizierung von Individuen, „nicht mit bestimm-
ten Ideen, Zielen, Projekten, Reformvorhaben […], sondern nur mit ihrer eigenen Karri-
ere“497, entsteht eine „in Form gebrachte Kontingenz […], die Entscheidungskontingenzen
der Organisation zu ertragen und zu nutzen“498 weiß. Mit Robert Kegan kann man hier, be-
züglich der Entstehung des Organisationskonzepts, auf die institutionelle Subjekt-Objekt
Struktur oder Entwicklungsstufe einer Gesellschaft und deren einzelne, sie tragende Be-
wusstseinssysteme verweisen, das heißt auf einen Ausdruck formaler Operationen, nach de-
ren Verlassen „man weder länger seine Institution ist, noch weiterhin die Pflichten, Leistun-
gen, Arbeitsrollen, Karrieren, die eine Institutionalisierung entstehen lässt. Man hat [danach]
eine Karriere; man ist nicht mehr länger eine Karriere“499. Organisationen schließen, durch
das Anbieten von Karrieren, alle, „mit Ausnahme der hochselektiv ausgewählten Mitglie-
der“500, aus, und erhalten dadurch in modernen, funktional differenzierten Gesellschaften
„das Wunder, Interaktion, obwohl sie stets und zwangsläufig gleichzeitig geschehen, in ihren
Vergangenheiten und Zukünften zu synchronisieren“501, also Interkationen auch unter

‘autopoietic turn’ and his processual view of organizations.” Diese Arbeit beschränkt sich auf die zweite Phase,
da wie in Kapitel 2.1.1. angedeutet ein wesentlicher Ordnungsunterschied zwischen beiden Phasen besteht und
entsprechend eine gewisse Inkommensurabilität.
493
Luhmann 2011, S.45
494
Luhmann 2018b, S.827
495
Ebenda, S.829
496
Luhmann 2016, S.214
497
Luhmann 2011, S.102
498
Ebenda, S.102
499
Kegan 1982, S.105
500
Luhmann 2018b, S.844
501
Ebenda, S.837; eine funktional differenzierte Gesellschaft ist die Selbstbeschreibung der Moderne, die Luh-
mann in Anknüpfung an Parsons wählt. Mit dem Übergang in diese Gesellschaftsform „verzichtet die Gesell-
schaft darauf, den Teilsystemen ein gleiches Differenzschema zu oktroyieren“, so Luhmann 2018b, S.745.
Jedes Teilsystem bestimmt seine Identität und Semantik selbst. Mit Habermas 2016b, S.247f und entsprechend
des in Kapitel 2.1.4 vorgestellten fraktalen und emergenten Musters der Kategorien kann man sie als teilweise
Wiederholung der segmentär differenzierten Gesellschaft sehen, lediglich, dass eben diesmal die funktional
spezifizierten Einheiten unähnlich sind.

72
Zuhilfenahme von Gedächtnisleistung aufeinander abzustimmen. Denn die unterschiedliche
Behandlung von Menschen einer Gesellschaft, die Regulierung des Zuganges zu Karrieren,
erlaubt Funktionssystemen „beides zu praktizieren: Inklusion und Exklusion“502 und
dadurch die eigenen Grenzen, als Struktur und Prozess, autopoietisch zu erhalten. Wie Max
Weber in Bezug auf die bürokratische Organisation schreibt, konnte sich diese gerade des-
wegen, durch ihre Form offerierter Karrieren, geschulte Einzelbeamte, gegenüber anderen
Organisationen durchsetzen, weil sie sich „zu diesen genau wie eine Maschine zu den nicht
mechanischen Arten der Gütererzeugung [verhielt]. Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit,
Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Er-
sparnisse an Reibungen, sachlichen und persönlichen Kosten sind bei streng bürokratischer,
speziell: monokratischer Verwaltung […] auf das Optimum gesteigert“503. Verallgemeiner-
ter gesprochen, kann nach Luhmann durch „die Technik der Entscheidung durch Entschei-
dungsprämissen504 […] und die Übernahme der Verantwortung für den Anschluss von Mög-
lichkeiten“505 Komplexität reduziert werden. So wird auf unterschiedlichste Weisen die Ein-
heit aus Inklusion und Exklusion möglich: Organisation ist demzufolge eine Art Kontin-
genzformel oder entfaltete Paradoxie, deren Autopoiesis von „der Umsetzung von Entschei-
dungen in Entscheidungen […] [abhängt] und [die], mit Hilfe dieser Autopoiesis, zur Diffe-
renzierung der Funktionssysteme gegeneinander und gegen ihre jeweilige Umwelt“506 bei-
trägt, wie sie auch zu Differenzierung und Erhalt ihrer eigenen Grenzen gegenüber dem, was
Gesellschaft ist, beitragen.
Nicht nur hier entfaltet aber bei Luhmann Organisation ein Paradox. Die selbstreferenti- Paradoxieent-
faltung zwi-
elle Organisation einer Organisation hängt für ihn zusätzlich immer vom Paradox der Ent- schen Hete-
scheidung ab. Das heißt, dass es für Entscheidungen immer Alternativen braucht, eine be- rarchie und
Hierarchie:
sondere Art der Unterscheidung, die „wie jede Unterscheidung zwei Seiten vor [sieht, aber Diskursive
Ordnung und
voraussetzt] […], dass beide Seiten der Unterscheidung erreichbar sind, also beide Seiten Holarchie
bezeichnet werden können“507. Entsprechend ist die Entscheidung dann gleichermaßen

502
Ebenda, S.844
503
Weber 1922, S.660f
504
Nach Luhmann 2011, S. 222f erlauben Entscheidungsprämissen „die Erzeugung interner, noch bestim-
mungsbedürftiger Komplexität durch Entscheidung […] für weitere Entscheidungen. Mit ‚Prämisse‘ soll ge-
sagt sein, dass es sich um Voraussetzungen handelt, die bei ihrer Verwendung nicht mehr geprüft werden; […]
dass zwar die Relevanz für das anstehende Problem, nicht aber die Wahrheit der Prämisse eine Rolle spielt.“
Die Entscheidung über Entscheidungsprämissen macht damit spätere Entscheidungen „günstiger“ und „schnel-
ler zu treffen“, da bestimmte Grundlagen bereits fixiert wurden, etwa in Personen, Rollen, Programmen oder
Werten.
505
Luhmann 2018b, S.844
506
ebenda, S.844 & 847
507
Luhmann 2011, S.133

73
durch das definiert, was sie ausschließt, wie durch das, was sie selektiert. Weil, nach Luh-
mann, in Organisationen, immer beide Seiten einer Selektion und der Prozess der Entschei-
dungsfindung mitkommuniziert werden müssen, wird organisationale Kommunikation im
„Gegensatz zur ‚normalen‘ Kommunikation [von ihm], als Kompaktkommunikation be-
schrieben“508. Die kommunizierte Entscheidung kann, weil „sie mindestens implizit ihre
Gründe, ihre Berechtigung, ihren Arbeitsaufwand mitkommuniziert“509, im weiteren Kom-
munikationsprozess, in einem alternativen Kontext oder als Alternative, weiterverarbeitet
werden. Auch für Giddens sind Organisationen „‚Entscheidungseinheiten‘, die bestimmte
typische Arten von Ressourcen […] innerhalb diskursiv mobilisierten Arten des Informati-
onsflusses nutzen [und damit] eine Dynamik besitzen, die zu vormodernen Ordnungen im
scharfen Gegensatz steht“510.
Wie Weber schreibt, ist jede diskursive Ordnung auch eine moderne, also die einer Orga-
nisation, zudem immer eine Frage nach der „Struktur einer Herrschaft […] [, nach der] all-
gemeinen Eigenart der Beziehung des oder der Herren zu dem Apparat und beider zu den
Beherrschten und weiterhin durch die für sie spezifischen Prinzipien der ‚Organisation‘, d.h.
der Verteilung der Befehlsgewalten“511. In der Organisation einer Organisation ist damit im-
mer mitgegeben, zu klären, auf welchen Wirklichkeitsvorstellungen, Prämissen oder „letzten
Prinzipien die ‚Geltung‘ einer Herrschaft, d.h. der Anspruch auf Gehorsam der ‚Beamten‘
gegenüber dem Herrn und der Beherrschten gegenüber beiden, gestützt werden kann“512? In
Kombination von Giddens und Weber bedarf es folglich einer Vermittlung zwischen diskur-
siver Mobilisierung des Informationsflusses und Hierarchien in der Selbstbeschreibung von
Organisation. Laut Luhmann kommt Organisation nicht mehr ohne „Theorieumstellungen
[…] [, unter anderem] die Umstellung der Problemsicht von Anwendungen von (Rationali-
täts-) Prinzipien auf Entfaltung von Paradoxien mit notwendig-kontingenter Formenwahl“513
aus, wie schon in der Paradoxie der Entscheidung ausgedrückt. Dies gilt auch in Bezug auf
Hierarchien. Allein schon deswegen, weil diese Inkommunikabilitäten oder Kommunikati-
onssperren erzeugen, diese Art der „Kognition […] [aber] nur in einer heterarchischen Struk-
tur erzeugt werden [kann], denn nur unter Gleichgestellten kann man die Inkommunikabili-
täten kommunikabel machen und nur in dieser Form kann die Organisation ihrer eigenen
Intransparenz entgegenwirken, [wie auch] indem sie komplexe Beobachtungsverhältnisse

508
Seidl & Mormann 2015, S.139
509
Luhmann 2011, S.185
510
Giddens 2017, S.203 & 1997, S.32
511
Weber 1922, S.611
512
Ebenda, S.611
513
Luhmann 2011, S.304

74
einrichtet“514, braucht es zwei konträre aber komplementäre Betrachtungsweisen, die hete-
rarchische und die hierarchische.
Von Hierarchien kann man in einem mindestens dreifachen Sinne sprechen: „Einerseits
können sich im Falle von Organisationen Subsysteme nur innerhalb von Subsystemen bilden
– und nicht einfach auf Grund der internen Umwelten in freiem Wildwuchs. […] Zugleich
damit werden Weisungsketten gebildet – Hierarchien in einem ganz anderen Sinne“515. Ne-
ben dieser klassischen Inklusionshierarchie von Subsystemen im größeren Ganzen und der
daraus resultierenden Weisungsbindung von oben nach unten, kann man mit Arthur Köstler
sagen, dass nicht nur Organisation, sondern jeder „Organismus in seinen strukturellen und
funktionalen Aspekten eine Hierarchie aus sich selbstregulierenden Holons ist, die a) als
autonome Ganze in Überordnung zu ihren Teilen, b) als abhängige Teile in Unterordnung
zur Kontrolle auf höheren Ebenen, c) in Koordination mit ihrer lokalen Umwelt existie-
ren“516. Die Entwicklung entlang der transzendental generalisierten Medien als Stufenfolge
stellt entsprechend ebenso eine Integration höherer Komplexität dar517. Wie Parsons schon
sagte, entsteht so eine weitere, ein bidirektionale, Hierarchie, aus Aufbau und Kontrolle, die
wie Commons, Richards und Krause schreiben, „im Laufe eines Lebens […] Denkoperatio-
nen niedrigerer Ordnung und Komplexität durch solche neu organisiert und transformiert,
die höherer Ordnung und Komplexität sind, ohne dass die dabei entstehenden Fähigkeiten
willkürlich erlangt, oder alleine durch die früheren Operationen erklärbar wären“518. Wäh-
rend die klassisch hierarchische Organisation und Selbstbeschreibung von Systemen ein
temporales Phänomen zu sein scheint, denn „wenn es in der Evolution […] durchgehende

514
Thiele 2008, S.179
515
Luhmann 2018b, S.834
516
Köstler 1967, S.103: Mit Ken Wilber 2000, S.53 lässt sich sagen, dass Stufenentwicklung eine Wachstums-
hierarchie aus Holonen oder eine Holarchie erzeugt, „not just a wider whole – a horizontal expansion – but a
deeper or higher whole – a vertical emergence“. Wesentlich ist aber anzuerkennen, dass die Beziehung von
Kategorien späterer Ordnung zwar, wie zuvor schon mit Parsons gesagt, in der Hierarchie der Kontrolle höher
liegen, dennoch aber nie komplett frühere unterordnen, versklaven oder entmündigen können. Wie Aurobindo
2005, S.976 schreibt: “It has […] to be emphasised, in order to obviate a natural misconception which can
easily arise when the superior power of the higher forces is first perceived or experienced, that these higher
forces are not in their descent immediately all-powerful as they would naturally be in their own plane of action
and in their own medium. In the evolution […] they encounter there the incapacities of our mind [als Drittes]
and life [als Zweites] and body [als Erstes], meet with the unreceptiveness or blind refusal of the Ignorance,
experience the negation and obstruction of the Inconscience. On their own level they […] are automatically
effective; but here they have to encounter an already and strongly formed foundation of […] the modified
nescience of mind and heart and life. Thus, the higher Idea descending into the developed mental intelligence
has even there to overcome the barrage of a mass or system of formed ideas […], the will to persistence and
self-realization of [older ideas].” Arthur Köstler 1967, S.246 schreibt diesbezüglich “An ideal society […]
could be said to possess ‘hierarchic awareness’, where every holon on every level is conscious both of its rights
as a whole and its duties as a part.”
517
Vergleiche dazu etwa Cook-Greuter 2010, S.38
518
Commons, Richards & Krause et al. 1998, S.240

75
Trends gibt, die mit der Erfindung der Schrift beginnen und in den modernen elektronischen
Medien ihren Abschluss finden, dann […] [ist] es der Trend von hierarchischer zu heterar-
chischer Ordnung“519, so Luhmann, sind die ideellen Medien als transtemporal anzunehmen.
Während für Luhmann eine heterarchische Organisation und damit „Selbstbeschreibungen
gerade deswegen erforderlich sind, weil die Operationen des Systems sich nicht hierarchisch
ordnen lassen und stattdessen einen anderen Modus der Koordination hochkomplexer und
fluider Mengen von Aktualisierung eingebaut sein muss“520, ist eine duale Organisation aus
den einzelnen diskursiv organisierten Willen oder Selbstbeschreibungen, der Immanenz, und
der Hierarchisierung, in Form einer Holarchie, aus transzendental generalisierten Medien,
nicht vermeidbar. Der Einzelne kann sich lediglich gegen die „Erhebung über die Gegens-
ätze, die in der Grundtatsache, dass dem Leben die Transzendenz immanent ist, beschlossen
liegt, […] [und die,] die von je am Leben gefühlten Widersprüche [beruhigt, sträuben]: es
ist zugleich“521 ideell generalisiert, ewige unwandelbare Substanz, und diskursive Bewälti-
gung von Kontingenz -- „zugleich fest und variabel, geprägt und sich entwickelnd, geformt
und formdurchbrechend, beharrend und weitereilend, gebunden und frei, in der Subjektivität
kreisend und objektiv über den Dingen und über sich selbst stehend […] [. Alle] Gegensätze
[in der Selbstbeschreibung von Organisation] sind nur die Auseinanderlegungen, Strahlen-
brechungen jener metaphysischen Tatsache, dass“522 Heterarchie und organische Hierarchie
sich wechselseitig bedingen, einerseits erst möglich und andererseits sichtbar machen.
Ein Denker aus dem Feld der Organisationstheorie, der beide Seiten beschreibt, wenn Freiheit,
Mustererhalt
auch nicht explizit zusammenbringt, ist Stafford Beer: Einerseits ist für ihn „das, was wirk- und Verant-
lich durch die Natur gegeben ist, eine Ansammlung an Prinzipien, die ein System nicht ver- wortung in
der Selbstbe-
523 schreibung
letzen kann, wenn es darauf aus ist, seine Identität zu erhalten“ , das heißt jede Organisa-
von Organi-
tion ist ideell generalisiert und braucht dazu die pragmatische Annahme, dass „jedes System sationen

nicht nur subjektiv, also durch die Annahme oder Ablehnung von Grenzen [entsteht und
vergeht], sondern auch eine Funktion von Beziehung ist, die […] [jemand] über die kompli-
zierten Netze interaktiver Systeme hinweg aufrechterhält […] [und] dass es Dinge gibt, die

519
Luhmann 2018a, S.312
520
Luhmann 2011, S.420
521
Simmel 2017, S.224: Wobei hier angemerkt werden muss, dass Simmel in gewisser Weise eine Antinomie
zum Ziel dieser Arbeit darstellt, eine Einheit der Transzendenz mit der Immanenz von einer akzidentellen
Transzendenz aus, weniger von einer substantiellen her: „Wann immer wir ein Absolutes [, bei Simmel,] er-
griffen zu haben glauben, belehrt uns das Leben bald eines besseren und relativiert dieses Absolute wieder“ so
Hans Joas 2017, S.123. Diese Relativierung gibt es hier nur in dem Sinne, dass Entwicklung Stufen überschrei-
tet, jedoch diese wiederum im späteren oder höheren inkludiert oder aufhebt, oder zumindest kann.
522
Ebenda, S.224
523
Beer 1979, S.24

76
über Systeme gesagt werden können, sobald einmal Konventionen [oder Konsense] […]
hergestellt wurden“524. Dieses prinzipien- und konsensbasierte, kybernetische System ist
streng hierarchisch, oder vielmehr, weil organisch, holarchisch strukturiert. „Alle […] Sub-
systeme sind seriell, entlang der vertikalen Befehlsachse einer Organisation, arrangiert, und
sind nach dem Vorbild des menschlichen Nervensystems modelliert“525. Zum zweiten aber
ist eine Organisation, insbesondere vom Management oder von einer Beobachtung zweiter
Ordnung aus betrachtet, für Beer, eine sogenannte Multinode, die nicht dem gesamten Ner-
vensystem des Menschen, sondern nur einem Teil dessen nachempfunden ist. Besser, sie
sieht „wie ein Stück Kortex aus […], dessen ganzer Ethos […] [, wegen der Komplexität der
Kommunikationspfade,] politisch ist“526. Mit Habermas lässt sich hier einbringen, dass Sys-
teme „ihre kollektive Identität und ihren Zusammenhalt nicht stabilisieren, ohne ein ideali-
siertes Bild ihrer Gesellschaft zu entwerfen“527. Einen solchen Ethos, der bei Beer politisch
ist, also auf Macht und Manipulation basiert, bietet, so spricht Habermas weiter, auch das
Modell der Geltungsansprüche. Sie sind ein möglicher normativer Konsens, „der in der Form
eines idealisierten, raumzeitliche Veränderungen transzendierenden Einverständnisses ge-
genwärtig“528 sein kann und ermöglichen könnte, dass „innerhalb dieses Modells [der Mul-
tinode], […] der Prozess, den wir zu unterstützen suchen, ein solcher ist, Ambiguität und
Unsicherheit zu reduzieren, bis wir sagen können: tu dies [, weil] die Anzahl der Möglich-
keiten auf den Wert Eins – die Entscheidung heruntergebracht wurde“529. Für Beer braucht
es hier ein System Drei, das „vor allem durch seine metasystemische Natur und durch seine
synoptische [, also zusammenstellende, zusammenschauende, nebeneinanderstellende,] sys-
temische Sichtweise, die gesamten Aktivitäten der operativen Elemente einer Organisation
überwachen kann. Es ist sich all dessen bewusst, was innerhalb […] [des Systems] vor sich
geht, und zwar im Jetzt“530.
Wie jeder andere der ideell generalisierten Bestandteile einer Beerschen Organisation
dient System Drei der Entfaltung einer Paradoxie und zwar der einer Freiheit. Nach Beer in
das Herz des Unternehmens ist „dem leidenschaftlichsten Impuls zur Freiheit […], egal

524
Ebenda, S.13f
525
Beer 1972, S.128
526
Ebenda, S.258 & S.261
527
Habermas 2016b, S.110
528
Ebenda, S.110
529
Beer 1972, S.263
530
Beer 1979, S.202: in einem Wirtschaftsunternehmen setzt sich System Drei etwa aus Finanzen, Vertrieb
und Produktion zusammen; vergleiche dazu ebenda, S.204-206. In einer ideell generalisierten Organisation
würden diese durch die Habermasschen Geltungsansprüche ersetzt. Also die diskursive, d.h. die System Drei,
Stabilisierung und Koordination von Wahrheit, Normativität und Wahrhaftigkeit.

77
welcher Institution, immer einer nach institutioneller Kohäsion entgegengerichtet […], denn
es gibt notwendige Beschränkungen gegen jede Art der Handlung und jede Art von Leiden-
schaft“531, damit die Lebensfähigkeit eines Systems sichergestellt, also seine Restabilisie-
rung, gefördert werden kann. Freiheit ist für Beer „im Grunde eine berechenbare Funktion
[, eine Kontingenzformel] des systemischen Sinnes, so wie er wahrgenommen wird, [um
das] volkssprachliche Gegenteil [der Freiheit,] Unterdrückung‘“532 zu verhindern. Entspre-
chend sind Beschränkungen auf Kohäsion in Form von Sinn, organisationale Einheiten der
Differenz aus Aktual und Möglich, gerichtet, ohne dabei in Unterdrückung auszuarten. Wie
beschrieben ist Sinn eine Funktion des Dritten und kulminiert im metasystemischen Denken,
oder wie der Managementguru Russell L. Ackoff schreibt, wird, „allgemein gesprochen […]
der Planungsprozess um 180 Grad gedreht – anstelle von einem gegebenen Zustand weg zu
planen, beginnen wir hin zu einem ersehnten Zustand zu planen. Das heißt, wir planen von
der Zukunft her in die Gegenwart im Gegensatz zur konventionellen Planung [und Sinnope-
ration], die sich von der Gegenwart in die Zukunft bewegt“533. Dieses Muster wurde schon
an Hegels Phänomenologie des Geistes gezeigt, die als eine Prophezeiung des absoluten
Geistes gelesen werden kann und zeigt sich, als ein Aspekt der Natur des metasystemischen
Operierens in einem Kosmos aus Sinnhaftigkeit, vielleicht am prominentesten im Werk Teil-
hard de Chardins, wenn er schreibt, „dass vor uns, oder vielmehr im Herzen eines entlang
seiner Achse der Komplexität ausgedehnten Universums, ein göttliches Konvergenzzentrum
liegt. […] Lasst uns annehmen, dass von diesem universellen Zentrum, dem Punkt Omega,
permanent Strahlungen ausgehen, die nur für diejenigen sichtbar sind, die wir Mystiker nen-
nen“534. System Drei verkörpert damit nicht nur den Aufrechterhalt zeitlich neu verhandelter
Formen der transzendental generalisierten Geltungsbereiche, sondern auch eine empfan-
gende oder mystische Komponente.
In ihm liegt also ein versteckter Verweis auf eine vierte Ordnung. So ist es nicht weiter
verwunderlich, dass auch Beers System Drei an die Operationen eines vierten Systems an-
dockt, das „immer als der Satz an Aktivitäten vorgefunden wird, wenn auch vielleicht ver-
streut, der die höchste Ebene der Entscheidungsfindung informiert. Daher können wir sagen,
dass das System Vier ein Modell – irgendein Modell – der gesamten Organisation haben
muss“535. Das soll heißen „jeder Regulator braucht ein Modell dessen, was er reguliert“536

531
Ebenda, S.173
532
Ebenda, S.158 & S.173
533
Ackoff 1977, S.40
534
De Chardin 2004, S.115
535
Beer 1972, S.233
536
Beer 1979, S.234

78
und System Vier generiert solche Modelle, quasi Zukünfte, die von einem System Drei emp-
fangen werden können.

Abbildung 5: Die Fünf Beerschen Subsysteme und ihre immanenten wie auch transzendentalen Funktionen

Während Abbildung 5 alle Beerschen Systeme mit ihrer jeweiligen transzendentalen und
immanenten Funktion sichtbar macht, lohnt es sich aber, mit Luhmann, in Antwort auf Beer
und Ashby, zu sagen, dass wir „daran erinnern [müssen], dass das System für sich selbst
intransparent ist und intransparent bleibt. Es kann nie die Gesamtheit der faktisch ablaufen-
den Operationen, die seinen Zustand von Moment zu Moment bestimmen, mit der viel kom-
plexeren, auf Unterscheidungen angewiesenen Operationsweise des Beobachtens und Be-
schreibens einholen“537. Erst durch die Beobachtung zweiter Ordnung, oder ein fünftes Sys-
tem, der höchsten Entscheidungsfindung, kann die Idee umgesetzt werden, „dass die Identi-
tät und der Sinn der Organisation, der […] [auf einer Ebene der Organisation] vorgeschlagen,
auch von allen Subsystemen auf allen Ebenen geteilt wird, wenn auch offensichtlich in je-
dem Fall angepasst an die jeweiligen bestimmten Bedingungen“538. Oder wie Heinz von
Förster in Bezug auf eine Kybernetik und Beobachtung zweiter Ordnung sagt, sind „ent-
scheidbare Fragen […] von Notwendigkeiten diktiert, während Antworten auf unentscheid-
bare Fragen durch die Freiheit unserer Wahl bestimmt werden. Aber für diese Freiheit der
Wahl müssen wir die Verantwortung tragen“539, die wie Luhmann vielleicht einlädt zu den-
ken, „als Einheit aus Konstruktivismus und Dekonstruktivismus zu formulieren“540 wäre und
nur solange möglich ist, wie auch akzeptiert wird, „dass auch solche Konventionen [der
Wahl einer Selbstbeschreibung] Produkte des Systems, also ‚autologische‘ Regeln [sind],
die letztendlich davon leben, dass auch sie selbst sich der Unsicherheitsabsorption verdanken
[…], dass der Rahmen des [an Verantwortung] Möglichen im [gleichen] Rahmen konstru-
iert, dekonstruiert und rekonstruiert werden muss“541 und, „dass jeder Beschreiber in seine
Beschreibung einbezieht, dass andere Beschreiber anders beschreiben“542.
Das System Vier bildet also, in Anknüpfung an System Fünf, Entscheidungen und in sei- Organisatio-
nale Skripte
nem Operieren ein ultrastabiles oder multistabiles System dynamischer Anpassung oder und die Ho-
möostase der
ideellen Me-
dien in ihrer
537
Luhmann 2011, S.441 Stufenfolge
538
Perez Rios 2012, S.135
539
Förster 1993, S.153
540
Luhmann 2018b, S.1135
541
Luhmann 2011, S.203
542
Luhmann 2018b, S.1141

79
kommunikativer Realitätskoordination, in dem „Subsysteme sich an Subsysteme [oder Sys-
tem und Umwelt] auf exakt dieselbe Weise anpassen [, wie in der Evolution sich] Tiere an
ihre Umwelt. […] Versuch und Irrtum werden in Anspruch genommen; und, wenn der Pro-
zess komplettiert ist, […] werden die Aktivitäten der zwei Teile eine Koordination auf das
gemeinsame Ziel hin aufweisen, um die essentiellen Größen des Doppelsystems aufrechtzu-
erhalten“543. Mit Luhmann heißt das, dass die Autopoiesis der jeweiligen Systeme, durch
das Sicherstellen ihrer strukturellen Kopplung und Anschlussfähigkeit, in einem Prozess der
Variation, Selektion und Restabilisierung, behauptet wird. Die organisationalen Skripte, die
Entscheidungen, aus System Fünf, durch „eine zeitliche Regulierung, an der man sich han-
delnd beteiligen kann“544, kommunizierbar machen, stimmen innerhalb von System Vier,
die vier Bereiche, oder die ideellen Medien, aufeinander ab, die innerhalb von System Drei,
im Aushandeln von Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit, für Kohäsion in Sinn und
Form der Organisation und ihrer Medien sorgen. Dies geschieht, indem Organisationen „Un-
terscheidungen zwischen den vier Bereichen treffen, obwohl eigentlich nur das Resultat ih-
res Zusammenwirkens – nämlich ein bestimmter Zustand des Systems – für den Organismus
schließlich von Bedeutung ist“545. Dabei dienen bei Beer die sogenannten internen motori-
schen Ereignisse der „Herstellung und dem Aufrechterhalt der […] Stabilität der Unterneh-
mung […] als Mittler des Systems Fünf“546. Sie erhalten sozusagen Visionen oder Eingaben
dessen, was Parsons Auftrag des Mustererhalts dient, während externe sensorische und mo-
torische Ereignisse, also die passive Aufnahme von und Anpassung an Sinneseindrücke der
Organisation aus ihrer Umwelt und die Integration der Organisation mit anderen Systemen,
wie auch interne sensorische Ereignisse, als Zielgrößen und deren eventuelle Erreichung, die
weiteren Bestandteile des Parsonsschen Handlungsschemas innerhalb eines homöostati-
schen Prozesses repräsentieren.
Bei den internen motorischen Ereignissen handelt es sich zudem um eine Beziehungs-
funktion, wie auch Apel sie in der Anwendung seiner regulativen Idee der ethisch-kommu-
nikativen Rationalität auf wirtschaftliche Organisationen beschreibt, als „in der Mitte [oder
Ausgleich] zwischen einer bloß internen, normativ-hermeneutischen und handlungstheore-
tischen Perspektive, die es mit moralischen und regulativen Ideen […] zu tun hat, und einer
bloß externen, funktionalistisch-systemtheoretischen Perspektive, die das verantwortliche
Selbstverständnis der miteinander handelnden Menschen [in einer Organisation] überhaupt

543
Ashby 1960, S.210
544
Luhmann 2002, S.155
545
Malik 2008, S.129
546
Ebenda, S.129

80
nicht ernst nehmen kann“547. In Abbildung 6 werden ideelle Medien und die ihnen zugehö-
rigen Formen aus der Beerschen Managementkybernetik veranschaulicht. Zusätzlich wird
der Ablauf evolutionärer Emergenzen dargestellt, in dem jeweils eine Funktion der früheren
zweiten Ordnung durch eine der dritten ersetzt, und das System zunehmend zur evolutionä-
ren Errungenschaft eines rein mit Sinn operierenden Systems wird.

Abbildung 6: Homöostase und Zusammensetzung der Systemfunktionen auf einzelnen Ebenen ideeller Organisation

Damit soll gesagt sein: Evolution und Anpassung zeigen sich auf jeder Stufe organisati-
onaler Entwicklung anders. Wie Clare W. Graves schreibt, geht es in der formalen Organi-
sation in erster Linie um Zielerreichung, also Variationen, Selektionen und Restabilisierun-
gen eines „bürokratischen Managements […] [, welches ein] Management basierend auf der
Annahme ist, dass die Welt und seine Organismen Maschinen sind. […] Überprüfbare Er-
fahrung und objektives Wissen sollen [hier] eine perfekt designte Maschine erzeugen, und
sie gut geschmiert, für Produktivität und Gewinne, halten. Kennzeichnend für das Manage-
ment […] [auf der formalen Stufe] ist: Vereinfachung, Spezifikation der Funktion, objektive
Qualifizierung, Austauschbarkeit von Teilen und objektive Überprüfung der Leistung“548.
Der Modus der Integration ist hier immer noch der einer konkreten Gesellschaft. Bürokratie,
konkrete Regeln, Programme, Rollen sorgen für Kontinuität und Abstimmung, während für
die Zielerreichung immaterielle Objekte wesentlich werden. So finden sich etwa abstrakte
Kennzahlen, konkrete Ziele, und das für das Management durch Direktiven notwendige
„Training der Mitarbeiter; ein solches Training lässt Kompetenzen wachsen. Kompetenzen,
die [jenseits der konkreten Welt liegen können und] wiederum die Lebensbedingungen ver-
bessern und mehr Energie in ihrem System freisetzen“549, also die innere und äußere Freiheit
des Individuums fördern.

547
Apel 2016f, S.304f
548
Graves 2006, S.321
549
Ebenda, S.323

81
Die nächste Ebene transzendental generalisierter Organisation erlaubt im Anschluss, In-
tegration von einer konkreten in eine Sinnoperation umzuwandeln, so dass es sich etwa bei
der Einheit von System und Umwelt „nicht mehr [wie in der formalen Organisation] um ein
bloß passives sich Anpassen oder Reagieren auf von der Umwelt ausgehende Einflüsse han-
delt, sondern dass die Umwelt-Unternehmungsbeziehungen als Wechselwirkungen zwi-
schen zwei Systemen zu verstehen sind, die sich gegenseitig beeinflussen“550. Dadurch, so
Hans Ulrich, reicht operatives Management, als reines Unterkontrollehalten der konkreten
organisationalen Tätigkeiten, und strategisches Management, als die Kontrolle der Zielerrei-
chung, nicht mehr aus, sondern mit Hegel ausgedrückt, wird nun Moralität entscheidend und
wichtiger als Bürokratie: „die Entwicklung und Durchsetzung eines Wertesystems für die
Unternehmung […], das in der Lage ist, die zukünftigen Unternehmensaktivitäten aus über-
geordneter Sicht zu begründen und zu legitimieren und einen sinngebenden Kontext für alle
Beteiligten und Betroffenen zu schaffen“551.
Erst metasystemische Organisationen begreifen, so zumindest Peter Senges Worte, dass
„es wichtig ist zu verstehen, dass wenn wir den Begriff ‚Systemstruktur‘ verwenden, wir
nicht nur Strukturen außerhalb eines Individuums meinen […] [, sondern, dass] die Natur
der Struktur in menschlichen Systemen subtil ist, weil wir Teil der Struktur sind. Was be-
deutet, dass wir oft die Macht haben, die Strukturen, in denen wir leben, zu ändern“552. Die
Fähigkeit Muster auf autopoietische Weise zu erhalten, wird, wenn auch nicht von außen,
begriffen, wie auch, dass Mustererhalt heißt „konstant in seiner Form, Organisation, Typo-
logie, nämlich in seiner Identität zu sein. Dieser stationäre Zustand aber konstituiert […] den
primären Zustand des Seins als mit aktiver Organisation beschäftigt zu sein […] [und] aus-
gehend von Unordnung, in einer generativen Bewegung eine interne Ordnung und Determi-
nation zu produzieren; beginnend bei statistischer Unwahrscheinlichkeit wird so ein lokales
und zeitlich Wahrscheinliches einer Existenz“553, eine Organisation, erzeugt. Wie David
Rook und William Torbert schreiben, tragen Führungskräfte auf dieser Stufe zur Stabilisie-
rung von Organisation bei, indem sie „zu Beidem ermutigen, persönlicher und organisatio-
naler Transformation. Entsprechend der […] [metasystemischen Logik], sind organisationa-
ler wie sozialer Wandel ein iterativer, schrittweiser Entwicklungsprozess, der […] auf orga-
nisationale Begrenzungen und Wahrnehmungen fokussiert, die als diskutierbar und trans-

550
Ulrich & Probst 1990, S.272
551
Ebenda, S.269f
552
Senge 1990, S.53
553
Morin, S.186

82
formierbar behandelt werden“554. Innen und Außen eines Mitarbeiters, einer Organisation
oder eines Systems bilden von dort an eine notwendige Einheit. Lebensfähigkeit, metasys-
temisch definiert, ist ein Prozess, als ein System, das seine eigenen Grenzen zum Gegenstand
von Variation, Selektion und Restabilisierung macht, sich so erhält oder vergeht – Luhmann-
sche Autopoiesis, in der Innenschau. Was für alle Ebenen gleichermaßen gilt, ist die Not-
wendigkeit, Umweltkomplexität und damit, aus Luhmanns Sicht, Kontingenz zu bewältigen.
Dies rückt wieder ins Blickfeld, dass nicht nur transzendental generierte Hierarchie wichtig
ist, sondern wie Luhmann beobachtet, scheint Gesellschaft gerade „dabei zu sein, neue Ei-
genwerte auszuprobieren, die [nicht] unter den Bedingungen von [Hierarchie, sondern] He-
terarchie und Beobachtung zweiter Ordnung Stabilität versprechen“555. Das deutet zum ei-
nen wieder auf den einer Organisation immanenten Diskurs, die Multinode hin, zum anderen
geht es dabei darum, „Beobachtungsorte, […] die zu beobachten mehr lohnt als andere […]
[, zu erzeugen, weil sie] wohl Beständigkeiten, Wiederholungen, Verstärkungen, und vor
allem […], wenn man das Einzelereignis als Beobachtung charakterisieren darf, eine Verla-
gerung der Funktionsweise des Systems auf die Ebene der Beobachtungen von Beobachtun-
gen“556 ermöglichen, also ein Beersches System Fünf. Von dort aus muss Organisation für
Beständigkeit Selbstbeschreibungen erzeugen, in denen sich das System, innerhalb der Sub-
systeme Drei und Vier, selbst erinnert und zu Stande bringt, „bei ganz wenigen Eingangs-
und Ausgangsstellen ein Maximum interner Kontaktmöglichkeiten bereitzustellen, die in
prinzipiell unvorhersehbaren Sequenzen aktualisiert werden“557. Dies dann wiederum ge-
schieht mit jeder Stufe auf eine andere Weise558, aber, wie Gareth Morgan in Bilder der
Organisation betont, erfolgt das Begreifen derselben stufenunabhängig durch Metaphern:
„neue Wege in einer Situation, die wir organisieren oder managen wollen, zu sehen, zu ver-
stehen und zu formen“559.
Durch die kybernetische Metapher des Gehirns, so Morgan, werden wir etwa fähig „Er- Die Imma-
nenz der Or-
klärungen darüber zu entwickeln, wie logische Reduktion und kreative Fortentwicklung Ele- ganisation,
mente desselben Prozesses sein können; wie ein hohes Maß an Spezialisierung und distribu- ideelle Ver-
stärkung/Ab-
tiver Funktion koexistieren können; wie große Mengen an Kontingenz und Varietät ein ko- schwächung
und Evolu-
härentes Muster bilden können; […] und wie das höchst abgestimmte und intelligente tion

554
Rook & Torbert 2005, S.46
555
Luhmann 2018a, S.314
556
Ebenda, S.313
557
Luhmann 2011, S.420; Luhmann spricht hier davon, dass der „Begriff der Heterarchie durch den Begriff
des Labyrinths“ ersetzt werden solle, da er genau diesem Schema weniger Ein- und Ausgänge, aber zahlreicher
Wege für Irritation entspricht.
558
Vergleiche hierzu etwa Graves 2006, S.117
559
Morgan 2006, S.5

83
System, das wir bislang kennen, kein vorbestimmtes oder explizites Design haben muss“560,
also als ein sich immer neu vernetzendes Kommunikationsgeflecht betrachtet werden kann.
Ähnliches leistet eine, das bereits in Kapitel 2.1.2. vorgestellte Stratum, ein Phänomen der
Akkumulation, Gerinnung, und Sedimentierung, das für einzelne bereits entstandene und
erstarrte evolutionäre Emergenzen als deren „Ausgliederungen, Verdickungen auf einer
Ebene der Konsistenz, die überall ist, immer primär und immer immanent“561, stehen kann,
ergänzende Metapher. Denn zu dieser Sphäre der reinen Immanenz gehören für Deleuze und
Guattari Rhizome. Weniger bildlich gesprochen „semiotische Kettenglieder aller Art […] [,
die] nach den verschiedensten Codierungsarten mit politischen, ökonomischen und biologi-
schen Kettengliedern verknüpft [sind]; es werden also nicht nur ganz unterschiedliche Zei-
chensysteme ins Spiel gebracht, sondern auch verschiedene Arten von Sachverhalten“562,
die parallel emergieren. Insofern das Rhizom als immanenter, unsichtbarer, das heißt unter-
irdischer, Prozess fungiert, aber sichtbare Pflanzen, wie Orchideen, austreiben lässt, müssen
hier nicht „zwei Modelle einander gegenüberstehen: [denn] […] als transzendentes Modell
und Kopie, auch wenn es seine eigenen Fluchten erzeugt“563, kann die Pflanze, die ein Rhi-
zom treibt, als dessen Transzendenz angesehen werden, oder vielmehr, weil „fast unbemerkt,
jedenfalls unvermeidlich […] in diesem Prozess der laufenden Informationskommunikation
Strukturen [, durch Beobachtung zweiter Ordnung, aus der Immanenz kondensieren], die der
strukturellen Kopplung sozialer und psychischer Systeme dienen […] [, als] Schemata, oder
wenn Handlungen involviert sind […] Skripts“564, hilft die Metapher darüber nachzudenken,
wie das prinzipiell Unbeobachtbare Beobachtungen seiner selbst erlaubt, eben Schemata o-
der Skripts avanciert. Jedes heterarchische Rhizom oder jedes Geflecht aus Kommunikatio-
nen kann in einer transzendental generalisierten Welt aber notwendigerweise nur „aus Pla-
teaus zusammengesetzt […] [sein, so dass ihnen] Kombinationen, Permutationen und Ge-
brauchsweisen […] nie [rein] inhärent, sondern […] von seinen Verbindungen mit diesem
oder jenem“565 ideellen Medium abhängig sind und damit holarchisch geordnet, also strati-
fiziert.

560
Morgan 2006, S.74
561
Deleuze & Guattari 2005, S.70
562
Deleuze & Guattari 1977, S.12: Der Begriff des Rhizoms hier ähnelt dem von der Beerschen Multinode und
ist ebenfalls aus der Biologie übernommen. Es handelt sich dabei um einen unterirdischen Spross, so Deleuze
und Guattari 1977, S.11, der sich „grundsätzlich von großen und kleinen Wurzeln [unterscheidet]. Knollen und
Knötchen sind Rhizome. Pflanzen mit großen oder kleinen Wurzeln können in vielerlei Hinsicht rhizomorph
sein.“ Es handelt sich also um ein Geflecht aus Wurzeln, Knotenpunkten und Strata, ähnlich wie der Kortex
aus Nervenbahnen, Nervenzellen und kortikalen Schichten besteht.
563
Deleuze & Guattari 1977, S.33
564
Luhmann 2018b, S.1106
565
Deleuze & Guattari 1977, S.35 & S.40

84
Der Blick auf diese immanente, jeder Organisation inhärente, Struktur wird, so Beer, im-
mer aus einem System Fünf geworfen, das zugleich erlaubt, etwas daraus kristallisieren zu
lassen, ähnlich wie aus einem Rhizom eine Orchidee sprießt. Dabei ist es eine Betrachtungs-
weise der verschiedenen Strata oder Plateaus einer Organisation, eines System Eins, dessen
maßgebliche Aufgabe darin liegt, lebensfähig566 zu sein, also genug „Varietät [zu] generie-
ren, um auch mit unvorhergesehenen Störungen fertig zu werden […] [, indem es eben] ein
vielfältig verknüpftes Netzwerk, das von ganzen Bündeln aus […] Kanälen [oder Kommu-
nikationen] gespeist bzw. verlassen“567 wird, ein Rhizom, erzeugt. Hier zeigt Beer ein wei-
teres Mal seine Nähe zum und ein Einverständnis mit dem Pragmatismus, denn im Gegen-
satz zur doppelten Kontingenz bei Luhmann, die in der Reduzierung von Komplexität durch
zwei oder mehrere Systeme gegenüber ihrer Umwelt liegt, hält dieser sich an Ashby und
dessen Gesetz der benötigten Varietät. Dieses sagt, „nur Varietät kann Varietät absorbie-
ren“568. Kontingenz ist für Beer „eine Funktion von Varietät. Varietät […] [als] eine Kenn-
zahl für die mögliche Anzahl von Zuständen eines Systems“569. Daher geht es um das mög-
lichst adäquate Erfassen der Umwelt, beziehungsweise einen Konsens mit derselben, bezüg-
lich ihrer Wirklichkeit, indem man die Anzahl der eigenen möglichen Zustände und die der
Umwelt in Einklang bringt570. Damit dies aber gelingt, muss „entweder die Varietät […]
[des Systems] verstärkt werden, oder die Varietät auf der Seite […] [der Umwelt] im Diffu-
sionsprozess [von Kommunikation] abgeschwächt werden, auch wenn beide Prozesse sich
nicht wechselseitig ausschließen und beide zugleich operieren können“571. Von einer Be-
obachtung zweiter Ordnung aus gesprochen braucht es einen Prozess, der einerseits sicher-
stellt, dass Systeme diejenigen Semantiken gebrauchen, die auch ihre Umwelt verwendet,
um anknüpfungsfähig zu bleiben, also die eigene Autopoiesis zu gewährleisten, darüber hin-
aus aber, weil psychosoziale Entwicklung, also die Entwicklung entlang der Kategorien,
auch „hierarchisch geordnete Probleme der menschlichen Existenz [erzeugt], die verschie-
denen Bedingungen menschlicher Existenz, denen eine Person in seiner oder ihrer

566
Neben der Lebensfähigkeit soll System Eins Rekursivität erzeugen. D.h. dafür sorgen, dass alle Einheiten
einer Organisation, alle Subsysteme oder alle Plateaus gleich aufgebaut sind, so etwa Malik 2008, S.105-114.
Hier würde das schlicht heißen, dass jedes Plateau immer aus allen vier ideellen Medien zusammengesetzt ist,
wie bereits in Abbildung 6 gezeigt.
567
Malik 2008, S.106
568
Ashby 1956, S.206
569
Beer 1972, S.267
570
Präzise spricht Beer 1979, S.57-59 davon, dass die Umwelt eine „schlammige Box ist, keine schwarze Box“.
Das heißt, ihre Mechanismen sind zwar relativ undurchsichtig aber nicht unsichtbar. Zudem „ist es nicht not-
wendig, die […] schlammige Box […] zu betreten, um die Natur der Funktion, die sie ausführt zu verstehen.“
571
Ebenda, S.95

85
Lebenszeit gegenübertreten kann“572, eine jeweilige Verstärkung oder Abschwächung dieser
raumzeitlich relativen Lebens- und Umweltbedingungen573 in Übereinstimmung oder Sym-
metrie zur Komplexität derjenigen Mitarbeiter, die diesen Problemen gegenüberstehen, etwa
durch entsprechend selektive oder kontextsensitive Karrierepfade.
So kann man etwa im „Anschluss an Max Weber […] [und] Habermas die kulturelle
Moderne durch die Ausdifferenzierung eigensinniger Wertsphären kennzeichnen. Mit dem
Übergang von traditionalen zu modernen Gesellschaften ist die substantielle Einheit der Ver-
nunft zerfallen, und es haben sich Expertenkulturen […] [wie] Wissenschaft und Technik,
Recht und Moral, Kunst und Kritik als relativ autonome Komplexe“574 herausdifferenziert,
also eine posttraditionelle Gesellschaft gebildet, die wie gesagt, zu einer funktional differen-
zierten geworden ist. Während das für formale Operationen eine ideale Lebenswelt ist, da
etwa in der Karriere eine Einigung auf einen allgemeinen Willen, etwa den einer Organisa-
tion, unter Aufgabe eigener Anteile erfolgen kann, erscheint dies für spätere Stufen gerne
als Problem. Das Ergebnis ist dann etwa eine postmoderne Organisation, die die Subordina-
tion unter ein ausdifferenziertes System durch den Ozean-des-Wie ablöst, also „erkennt, wie
wichtig es ist, Vielfalt und Kreativität zu ermutigen, wenn wir Lernen maximieren und in
[…] Organisationen erfolgreich sein wollen, wie auch in den immer normaler werdenden
Situationen mit multiplen Agenten, denen wir gegenüberstehen, bestehen wollen. […] Der
Postmodernismus hat hier ein paar originelle postmoderne Systemmethoden entstehen las-
sen […] [, so Michael C. Jackson, wie etwa] Derridas ‚Dekonstruktion‘ als mächtiges Werk-
zeug für Interventionen in […] [einem] pragmatischen Pluralismus zu verwenden […] [oder
umgekehrt,] aufbauend auf Lyotards Schlüsselwerk […] ‚generative Gespräche‘ anzure-
gen”575. Beides kann Systemgrenzen aufweichen oder überschreiten lassen, und damit zu
neuen Konzeptionen führen, die zukünftige Kommunikation und zukünftiges Verhalten in
und von Organisationen steuern, indem sie die Einheit der Differenz von System und Um-
welt auf eine Ordnung höherer Komplexität heben, eine jenseits der fiktiven Grenzen

572
Graves 2006, S.163
573
Auch hier müsste zwischen solchen Lebensbedingungen oder Umwelten unterschieden werden, die eine
Folge der Gesellschaft sind, also Emergenzen innerhalb der Selbstbeschreibung, solchen die transitiv, vorüber-
gehend sind, und denen, die sozusagen subsistieren oder permanent sind. So schreibt Roy Bhaskar 2008, S.6,
dass es bei der Betrachtung der Welt immer zwei Dimensionen gibt: „a transitive dimension, in which the
object is the material cause or antecedently established knowledge which is used to generate the new
knowledge; and an intransitive dimension, in which the object is the real structure or mechanism that exists
and acts quite independently of men and the conditions which allow men access to it.” Im Folgenden wird
darauf verzichtet, sondern lediglich auf das transitive Element, das Wissen und die Selbstbeschreibung als
Folge transitiver/immanenter und intransitiver/transzendentaler Strukturen eingegangen.
574
Kneer 1990, S.187
575
Jackson S.273 & S.265f

86
funktionaler Differenzierung, wo diese nicht mehr nur aufrechterhalten, sondern auch in
Frage gestellt werden können. In Anlehnung an Chris Argyris wird dabei oft von organisa-
tionalem Lernen gesprochen. Organisationales Lernen meint nicht weniger als das alte for-
male Modell der Individualisierung und Sicherstellung persönlichen Gewinns, in dem
„Bloßstellung und Bedrohung [durch bürokratische Routinen] umgangen und verborgen
werden“576, durch „Handlungsstrategien [zu ersetzen], die offen aufzeigen, wie die Handeln-
den zu ihren Bewertungen einer Situation gekommen sind und wie sie diese entfaltet haben,
um so eine kritische Untersuchung und Überprüfung durch andere zu ermutigen […], lern-
feindliche Routinen zu minimieren und Doppelschleifen-Lernen zu unterstützen“577. Das be-
deutet auch, so Argyris, dass „überindividuelle Einheiten wie Gruppen, Zwischengruppen
und Organisationen der Schlüssel sind, Lernen zu ermöglichen. Es gibt daher [in systemi-
schen Lebenswelten] einen hohen Grad an kausaler Interdependenz zwischen Individuen
und Organisationen“578, Interdependenzen, die nicht vor funktional differenzierenden Gren-
zen halt machen können.
Somit entsteht ein Drittes zwischen Zweien: Integration. Sie bereitet zugleich den Weg
dafür, „darauf zu bestehen, dass Wirtschaft nicht nur eine Verantwortung gegenüber ihren
Investoren hat, sondern auch gegenüber ihren Angestellten, Lieferanten, lokalen Gemein-
schaften, der Gesellschaft als Ganzes und der Umwelt und dass sie all diese Interessen aus-
gleichen muss“579. Mit einem systemischen Denken, so würde Luhmann vielleicht sagen,
entsteht die Möglichkeit eines Systems, in multiplen Codes zu denken und diese etwa in
Primärcodes wie Verlust und Gewinn, Wahr und Falsch, Macht und Ohnmacht zu überset-
zen. Dies geschieht nicht nur wie zuvor schon angesprochen durch Moralität, oder wie Luh-
mann sagt, über eine Integration basierend auf „laufendem Achtungserweis und laufender
Metakommunikation über Achtung“580, sondern, wie beispielsweise in der Wirtschaft, auch

576
Argyris 1995, S.22
577
Ebenda, S.22: Doppelschleifen-Lernen meint das Hinterfragen der Annahmen hinter bestimmten handlungs-
leitenden Theorien und akzeptierten Grenzen des Sichtbaren und Möglichen.
578
Ebenda, S.26
579
Laloux 2016, S.35: man spricht hier oft von einem Wechsel von dem Aktionärs- oder Shareholderansatz
zur Stakeholder-Value-Perspektive. Alle vom Unternehmen betroffene oder für das Unternehmen notwendige
Partner werden einbezogen anstelle dessen nur auf die Kapitalgeber zu achten. Vergleiche dazu etwa Poeschl
2013, S.172: „Der Stakeholder-Value-Ansatz mit seinem pluralistischen Zielsystem und der angestrebten Nut-
zengenerierung für alle Anspruchsgruppen stellt in diesem Zusammenhang eine adäquate Alternative [zum
Shareholder-Value-Ansatz] zur Erhaltung der Autonomie, der Entwicklungsfähigkeit und der sinnvollen Über-
lebensfähigkeit der Unternehmung dar.“
580
Luhmann 2016, S.114; Allerdings so Luhmann ebenda, S.287f kann die Moral in funktional differenzierten
Gesellschaften in ihrer Inklusionsfunktion „leer laufen“. Ungeachtet dessen bleibt Moral „eine gesellschafts-
weit zirkulierende Kommunikationsweise. Sie lässt sich nicht als Teilsystem ausdifferenzieren, nicht in einem
dafür bestimmten Funktionssystem derart konzentrieren, dass nur in diesem System und nirgendwo außerhalb
moralisch kommuniziert werden kann“, so ebenda, S.336 und erzeugt so eine gewisse Wechselseitigkeit und
Symmetrie unterschiedlicher Teilsysteme der Gesellschaft.

87
über sogenannte Leistungskennzahlen, die „den Umfang von Zielen einer Wirtschaftseinheit
über die Summierung von Finanzkennzahlen ausdehnt. Führungskräfte können nun messen,
wie ihr Unternehmen Wert für gegenwärtige und zukünftige […] [Stakeholder] schöpft und
wie sie ihre inneren Fähigkeiten und Investitionen […] verbessern müssen“581. All das er-
höht die Komplexität von Systemen und damit auch ihrer Umwelten, denn „sie nutzen die
Möglichkeit, Grenzen zu ziehen und zu reproduzieren, sie werden kreativ, sie wuchern und
finden sich eben damit […], nachdem die Evolution Unwahrscheinlichkeit in Wahrschein-
lichkeit transformiert hat, als Ansatzpunkt weiterer Evolution“582 wieder. Und das heißt
auch, um die eigene Irritierbarkeit und strukturelle Kopplung, und damit die eigene Auto-
poiesis und Evolution aufrechtzuerhalten, müssen Interaktionsformen dahin tendieren, Or-
ganisationen gleicher Komplexität, wenn auch anderer Form, zu erzeugen, um so „bisher
unmögliche Möglichkeiten, deren Nutzung die Gesellschaft nach und nach auf eine Stufe
höherer Komplexität bringt“583, möglich zu machen, also kommunikations-, konkurrenz-
und lebensfähig zu bleiben.

Abbildung 7: Kontingenzbewältigung und ideell generalisierter Abschwächungs- und Verstärkungsprozess

Das bedeutet auch, dass Verstärkung und Abschwächung maßgeblich Treiber für Evolu-
tion sind. Sie sind Variationen, Selektionen und Restabilisierungen bestimmter Formen der
Komplexität, ein Zweites, das Erwartungszusammenhänge und Irritationen erzeugt und ver-
sucht, den Ansprüchen für funktionierende Kommunikation gerecht zu werden, also Ver-
ständlichkeit, Wahrheit und Erfahrungsgehalt und überhaupt eine Erfahrbarkeit zu erzeugen,

581
Kaplan & Norton 1996, S.8: dasselbe gilt für die Entwicklung im Bildungsbereich. So entwickelt etwa die
OECD in Anknüpfung an die Erkenntnis, dass “Social and emotional skills influence how well people adjust
to their environment and how much they achieve in their lives […] [and that] the development of social and
emotional skills is important not only for the well-being of individuals, but also for wider communities and
societies as a whole […] [, as well as] the ability of citizens to adapt, be resourceful, respect and work well
with others, and to take personal and collective responsibility is increasingly becoming the hallmark of a well-
functioning society” Kennzahlensysteme jenseits der univariaten Benotung oder des formalen IQ-Bes-
timmunsgverfahrens; vergleiche dazu Chernyshenko, Kankaraš & Drasgow 2018, S.8.
582
Luhmann 2011, S.400
583
Luhmann 2018a, S.516

88
indem ein Abgleich mit der jeweiligen ideell generalisierten Komplexität erfolgt. Das heißt,
in Übereinstimmung mit dem Ashbyschen Gesetz, benötigte Varietät, in Form von Entschei-
dungs- oder Verhaltensoptionen, zu generieren, die denen der Umwelt entgegenkommen.
Wie dies, als Aufgabe des Zweiten, funktioniert, wurde bereits in Kapitel 2.1.3. betrachtet,
ist aber in Abbildung 7 entsprechend der neuen Erkenntnisse noch einmal aufbereitet.
Einen weiteren wesentlichen Punkt stellt hierbei die Technologisierung dar. Mit der Große Tren-
nungen, Brü-
Postmoderne, beziehungsweise mit Bruno Latour gesprochen, ist das Erzeugen von Erwar- che und Ext-
tungszusammenhängen, die Verstärkung oder Abschwächung von System- und Umwelt- reme: Antios-
zillation und
komplexität, nicht mehr alleine eine Angelegenheit, die von Menschen „im darauf Bestehen, postmoderne
Mythologie
sich selbst zu erhalten, weiterzugeben, zu reproduzieren, anzudauern, getragen wird; was
auftaucht, ist die überraschende Masse aus Umwegen, die notwendig ist, um fähig zu wer-
den, […] nicht länger nur […] Ketten von verbundenen Menschen […] und nicht länger nur
Ketten aus Nichtmenschen, die nacheinander aufgereiht sind, zu knüpfen, sondern vielmehr
Menschen und Nichtmenschen in scheinbar endlose Netze“584. Das heißt, ob nun physische
oder soziale Operationen gekoppelt werden sollen, „die technische Apparatur [ist] eine Ge-
gebenheit der Umwelt des Kommunikationssystems oder eine Form, mit der die Kommuni-
kation selbst akzeptierbare Anschlüsse erzeugt“585, wie auch ein Bewusstseinssystem, und
wegen ihrer teilweise nicht mehr nachvollziehbaren Mechanismen verweist sie genauso wie
letztere auf die wichtigsten Bedingungen und Folgen doppelter Kontingenz, „die Entstehung
von Vertrauen beziehungsweise Misstrauen“586 sowie auf die benötigte Varietät gehandhabt
zu werden. „‚Technologie‘ bezeichnet [damit] nicht mehr ein Objekt, sondern vielmehr ei-
nen Unterschied, eine neue Erkundung eines Seins als Anderer, eine neue abweichende Al-
terität“587, so Latour. In der Vorstellung, dass auch Maschinen eine Quasi-Subjektivität be-
sitzen, liegt für Latour auch die Überwindung der großen Trennung, die zwischen der Kate-
gorie des Dritten und der des Zweiten. Umgekehrt allerdings, wie Lewis Mumford im My-
thos der Maschine schreibt, haben die symbolisch generalisierten Medien und funktional
differenzierten Systeme der Moderne, in denen „die Abstraktion die konkrete Realität ersetzt
[…], die Anstrengung [unternommen,] die formgebende Rolle des Geistes zu eliminieren,
das Artefakt wertvoller zu machen als dessen Erzeuger, […] jedes Mysterium auf eine Ab-
surdität [zu reduzieren]; […] das meist auffallende Merkmal dieser [funktional differenzier-
ten] Machtsysteme [, so Mumford weiter,] ist gelehrtenhafte Ignoranz gegenüber allen

584
Latour 2013, S.423
585
Luhmann 2011, S.364
586
Luhmann 2012, S.179
587
Latour 2013, S.223

89
anderen menschlichen Bedürfnissen, Normen und Zielen [als den eigenen]: sie funktioniert
am besten in dem, was historisch gesprochen, eine ökologische, kulturelle, persönliche
Mondwüste ist, von nichts weiter berührt als Sonnenwinden“588. Organisationen wurden seit
jeher als Werkzeuge der Dominanz589 gesehen, in denen „Individuen oder Gruppen Wege
finden, anderen ihren Willen aufzudrängen“590. Sobald deswegen Kommunikation in Orga-
nisationen „in Verdächtigungs- und Selbstschutzmechanismen degeneriert, entsteht ein
schreckliches Managementproblem der sozialen wie auch der psychologischen Art“591, so
Beer. Selbst in den demokratischsten und freiheitlichsten Organisationen kann Kommuni-
kation entstehen, in der einzelne Menschen und inzwischen Technologien „einen bevormun-
denden Einfluss auf andere erlangen und aufrechterhalten, oft durch subtile Sozialisierungs-
und Glaubensprozesse“592, so Morgan. Im Verblassen der Befugnisse und dem Konkurrenz-
kampf, der darin vorprogrammiert liegt, kann aus Sicht der Managementkybernetik unkon-
trollierte Schwingung und Ataxie entstehen, denn „erst die Zusammenarbeit der einzelnen
Divisionen [, oder ideell generalisierten Medien und ihrer Formen,] konstituiert den Gesam-
torganismus, so dass ein Mechanismus zur Vermeidung von Oszillationen geschaffen wer-
den muss“593, der Kooperation sicherstellt und jedes ideelle Medium „an gewissen Standards
misst und bei Abweichungen entsprechende Maßnahmen ergreift“594. Entlang der vertikalen
Achse, von der Beobachtung zweiter Ordnung hinunter zu den einzelnen Plateaus des dis-
kursiv organisierten Systems Eins, braucht es Interventionen, „die die horizontale Varietät
zu Gunsten der institutionellen Lebensfähigkeit, vom Gesichtspunkt des institutionellen
Zwecks aus“595, sicherstellen, so Beer. Mit Kapitel 2.1.1 gesprochen, muss der antioszilla-
torische Mechanismus, oder das sogenannte System Zwei, sobald man es auf transzendental
generalisierte Medien bezieht, im Mindesten einen Ausgleich zwischen den zwei polaren
Pfaden, den grundlegenden Antinomien, entlang der Stufenfolge zum Vierten suchen und
das Entstehen großer Trennungen, wie der zwischen Organisation und Stakeholdern oder
Mensch und Technik vermeiden.

588
Mumford 1970, S.418 & S.168
589
Max Weber, so Morgan 2006, S.295 sah drei Arten von Dominanz: 1) Charismatische, durch die Hingabe
an einen Führer; 2) Traditionelle, durch die „Richtigkeit“ Dinge auf die gewohnte, kodifizierte Art zu tun und
3) Rational-Legalistische, durch Gesetze, Regel und festgelegte Prozeduren. Ergänzend wird anschließend
noch eine Form „postmoderner“, systemischer Dominanz dargestellt.
590
Morgan 2006, S.293
591
Beer 1972, S.223f
592
Morgan 2006, S.296
593
Malik 2008, S.115f
594
Ebenda, S.116
595
Beer 1979, S.280: dazu gehören auch solche Interventionen, die bereits durch geltendes Recht vorgegeben
sind, hier beschränken sich die Überlegungen allerdings auf Interventionen infolge der Aktion oder Interaktion
ideeller Medien und deren Formen.

90
So existiert etwa, wie mit Mumford bereits angedeutet, in der Subordination der Substanz
unter die Akzidenzien „eine besondere Existenzform, die psychologische Realität genannt
werden könnte, nicht“596. Was hier bleibt ist der Wunsch, die „Wunschproduktion von Phan-
tasien“597, so Deleuze und Guattari. Ein ständiger Wechsel, der in die Schizophrenie führt
und „jenes Ensemble passiver Synthesen, die die Partialobjekte, die Ströme und die Körper,
maschinieren und wie Produktionseinheiten funktionalisieren“598, erzeugt. Demgegenüber
steht, wie im Anti Ödipus beschrieben, „die Entfremdung eines Subjekts […], das, indem es
die passive Synthese seiner Bedingungen verlor, den Wunsch verloren hat“599. Oder wie
Hartmut Rosa schreibt, ist Entfremdung „ein Zustand, in dem man zwar Beziehungen hat
[…], in dem diese einem aber gleichgültig, bedeutungslos oder sogar zuwider geworden sind
[…]: Sie sagen uns nichts mehr, sie stehen uns stumm und/oder bedrohlich gegenüber“600.
Bewusstseinssysteme und die durch deren Interaktionen generierten Organisationen tendie-
ren in beiden Fällen hin zu einem Extrem. Sie dienen im ersten Fall nur mehr dem Selbst-
zweck, dem Erzeugen von Impermanenten, einfach gesprochen als Projektion und Suche
nach der eigenen nicht realisierten Permanenz, und umgekehrt dem Versuch, die eigene Im-
permanenz, durch die Aneignung von etwas Permanentem zu überwinden, unabsichtlich
aber die Verbindung zur Existenz zu kappen. Die eine Seite erscheint dann etwa im Phäno-
men des kapitalistischen Großkonzerns, andererseits kann durch die Kirche, als „erfolg-
reichstes Unternehmen aller Zeiten“601, die andere Seite symbolisiert werden. Historisch ge-
sehen bilden sie eine Vererbungsline und ein dialektisches Pendeln: „Innerhalb nur weniger
Jahrhunderte forderte der kapitalistische Geist die grundsätzliche christliche Ethik heraus:
das grenzenlose Ego […] des Marktes hatte keinen Platz mehr für Wohltätigkeit oder Liebe
in einer deren altertümlichen Bedeutungen. Das kapitalistische Werteschema hat entschie-
den fünf der sieben Todsünden der Christenheit – Stolz, Neid, Geiz, Gier und Lust – in po-
sitive soziale Tugenden verwandelt“602. Die Suche nach kontemplativer, individueller Erlö-
sung in einer göttlichen Substanz wurde durch eine Bewegung in den Wunsch nach gren-
zenloser Materialität ersetzt.
Auch wenn das systemische Denken seinen Fokus auf die Lösung dieser Probleme etwa
dadurch legt, dass „der Mensch darum besorgt ist, die innere Seite des Selbst und anderer

596
Deleuze & Guattari 2016, S.36
597
Ebenda, S.38
598
Ebenda, S.36
599
Ebenda, S.36f
600
Rosa 2018, S.305
601
Häusel 2005, S.123
602
Mumford 1967, S.277

91
Selbste kennenzulernen, so dass Harmonie in die Existenz kommen kann, so dass Individuen
in Frieden mit sich vereint sein können und damit auch mit der Welt“603, erzeugt es neue
existentielle Probleme, oder wie Luhmann schreibt, genauso wie Probleme zu lösen, „ent-
stehen die Probleme mit den Errungenschaften“604. Eine systemische Organisation mit einer
Präferenz auf das Wie findet sich zu leicht darin wieder, dass „Problemsituationen als so
extrem komplex beurteilt werden, dass sie unmöglich verstanden werden können und die
Mitarbeiter als Gegenstände von Macht-/Wissensbeziehungen angesehen werden, die sie
nicht kontrollieren können. Die Antwort darauf, das zu tun, was sich richtig anfühlt […]
[führt dann] zum ‚Karneval‘: Ein Karneval unterminiert jede Ordnung, erlaubt Diversität
und Kreativität auszudrücken, er ermutigt, das Außergewöhnliche zu sehen, er ist spielerisch
und bezieht die Emotionen von Menschen mit ein“605. Aber das kann zugleich „als Absturz
in Irrationalität gesehen werden […], mehr als ein Aufruf zur Anarchie denn als eine Ver-
besserung auf Basis der [vorherigen] Errungenschaften“606 wie Messbarkeit, Technologie
und rationale Entscheidungsprozesse, die um eine partizipative Komponente erweitert wer-
den.
Ironischerweise, insofern „Postmodernismus [, als Form, das heißt Philosophie, des Wie,
weniger denn als Stufe,] die erste gnadenlos konsistente Aussage aus den Konsequenzen der
Ablehnung der Vernunft heraus ist, eine Konsequenz, die notwendigerweise aus der Ge-
schichte der Erkenntnistheorie seit Kant folgt“607, entstammt – wie auch der Kapitalismus –
seinem Gegenteil, dem Ozean-des-Was, der gleichermaßen problematische Folgen zeitigen
kann: zum einen entsteht viel zu leicht, durch die Vielzahl an Kennzahlen, das Hier und Jetzt
als vergegenwärtigte Vergangenheit, und die korrelierenden Analyseprozesse, bezüglich ei-
ner wünschenswerten Zukunft, eine der „Paralyse-des-Wie“ entgegengesetzte. Wie Henri
Mintzberg schreibt, „gibt es vielleicht keinen Prozess in Organisationen, der mehr Ansprü-
che an die menschliche Kognition stellt als die Strategieformulierung. Jeder Strategiemacher
steht einem unmöglich zu bewältigenden Wulst an Informationen gegenüber; als Ergebnis
kann sich kein optimaler Prozess entfalten“608. Zum anderen, wie der Nationalsozialismus
in seinen Bildungseinrichtungen gezeigt hat, kann systemisches Denken, wie etwa bei Ernst
Krick in Nationalpolitische Erziehung, wo nichts eine eigene Existenz hat, außer in Bezug
auf das eine transzendentale Was, heißen, dass „jeder […] als Teil und Glied eingebettet in

603
Graves 2006, S.338f
604
Luhmann 2018a, S.508
605
Jackson 2003, S.271
606
Ebenda, S.272
607
Hicks 2011, S.81
608
Mintzberg 1978, S.948

92
das Ganze [ist] und […] gemäß seiner Gliedheit und Eigengesetzlichkeit Anteil an der Ganz-
heit des Ganzen [hat]: er trägt das Ganze in seiner Sondergestalt. Die Wahrheit […] [hat
dabei] räumliche und zeitliche Grenzen: sie gilt für den Lebensraum, den zu repräsentieren
der Erkennende die Weite, die Höhe, den Anspruch in sich trägt. Sie ist jedenfalls rassisch
und völkisch begrenzt“609. Und so werden Organisationen Werkzeuge eines einzigen relati-
ven aber priorisierten Was, das alles dominiert, an sich angleicht. Eine systemische oder
postmoderne Form der Dominanz, die auch oft als performativer Widerspruch610 bezeichnet
wird. Performativer Widerspruch „ist wesentlich zur Revision und Klärung historischer
Standards der Universalität, die für die zukünftige Bewegung der Demokratie selbst ange-
messen sind“611, so Judith Butler, und damit auch der Zukunft einer Organisation, zugleich
bewegt sich darin aber „die subjektive Vernunft, […] indem sie eine reine Instrumentalität
bestimmt, die mythologische Züge annimmt, indem sie jedes andere Konzept einer bedeu-
tungsvollen Beziehung, zu einer anderen Seite der Dominanz, durch dasselbe unterbin-
det“612, zu einer radikalen Repression jeder Autonomie.
System Zwei kann man mit Werner Ulrich als wesentlich für kommunikative Ethik anse- Integration in
Organisatio-
hen, weil es die System Drei, also die diskursive Ordnung innerhalb der Immanenz einer nen: die
Organisation, die „Rationalität in den Strukturen zwischenmenschlicher Argumentation [lo- Frage nach
der Sklaven-
kalisiert] und, zu gleicher Zeit, demonstriert, dass Reziprozität, argumentative Chancen und moral und ei-
ner natürli-
Freiheit von Unterdrückung notwendige Bedingungen für rationalen Diskurs sind“613. Os- chen Hierar-
chie
zillationen zu vermeiden, ist zugleich moralische Verantwortung, eine Form der Integration
von Bewusstseinssystemen und Interaktionen. Denn Verantwortung, so Ulrich, ist „ein Kon-
zept, das intrinsisch Bezug auf Asymmetrien in kommunikativen Situationen nimmt“614. Mit
Nietzsche könnte man auch sagen, dass sich hier die Frage nach der Sklavenmoral beant-
wortet, denn „während alle vornehme Moral aus einem triumphierenden Ja-sagen zu sich
selber herauswächst, sagt die Sklaven-Moral von vornherein Nein zu einem ‚Außerhalb‘, zu
einem ‚Anders‘, zu einem ‚Nicht- selbst‘: und dies Nein ist ihre schöpferische Tat“615. Die
Moral des Diskurses, so Apel, das verantwortungsethische Ergänzungsprinzip ist eben diese
„dialektische Konstellation im Apriori der Kommunikationsbedingungen: eine Konstella-
tion, in der […] das Bewusstsein der prinzipiellen Differenz zwischen der idealen und der

609
Krieck 1936, S.2 & S.8
610
Performativer Widerspruch meint: “an act of speech that in its very acting produces a meaning that undercuts
the one it purports to make.” Vergleiche Butler 1997, S.84.
611
Butler 1997, S.89f
612
Angus 1990, S.23
613
Ulrich 1990, S.67f
614
Ebenda, S.68
615
Nietzsche, Genealogie §10

93
realen Kommunikationsgemeinschaft“616, oder der realen und idealen Organisation, als Sinn
fungiert. Die Einheit der Differenz aus Aktual und Möglich, die im permanenten Ko-Emer-
gieren der Antinomien mitentsteht, strebt unentwegt danach, ihr Ideal in der Gemeinschaft
zu verwirklichen. Wie mit Simmel bereits gesagt, sind alle Gegensätze nur die Strahlenbre-
chungen jener metaphysischen Tatsache, dass alles Eins ist, oder, mithilfe von Nietzsche,
etwas dynamischer ausgedrückt: „mit einer Ebbe und Flut seiner Gestaltungen, aus den ein-
fachsten in die vielfältigsten hinaustreibend, aus dem Stillsten, Starrsten, Kältesten hinaus
in das Glühendste, Wildeste, Sich-selber-Widersprechendste, und dann wieder aus der Fülle
heimkehrend zum Einfachen, aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust des Ein-
klangs, sich selber bejahend noch in dieser Gleichheit seiner Bahnen und Jahre, sich selber
segnend als Das, was ewig wiederkommen muss, als ein Werden, das kein Sattwerden, kei-
nen Überdruss, keine Müdigkeit kennt“617, ist jedes System eine Einheit der Immanenz mit
einer diese transzendierenden Transzendenz. Darin liegt auch, zumindest mit Hegel, das Re-
sultat, dass „nun das in sich gegangene und mit sich identische Ganze sich die Form der
Unmittelbarkeit wiedergegeben“618 hat. Alleine im Ausgleich zwischen zwei Polen, der In-
tegration zweier Systeme und in Verbindung mit dem involutionären Höheren kann Wachs-
tum entlang der Holarchie der transzendental generalisierten Medien stattfinden. Indem im
dialektischen Prozess psychologischen oder organisationalen Wachstums, „das als Drittes
gezählte […] als Viertes gezählt und statt der Triplizität die abstrakte Form als eine Quadrup-
lizität genommen“619 wird, wie Hegel es bereits andenkt, ergibt sich nach Commons620, dass
sich Wachstum durch jede Stufe wiederum als eine fraktale Wiederholung der vier primären
Kategorien darstellt, als eine Folge aus Tautologie, Subordination, Sowohl-als-Auch und
Beziehung. Erst wenn zwei Pole durch das spätere Bewusstsein lückenlos in eine neue Tau-
tologie oder einseitige Antwort integriert werden, verfestigt sich eine neue Stufe: die Über-
brückung zweier Pole, als deren Vereinigung, als neuer Teil einer Antinomie, spezifiziert
daraufhin „die Art, wie ein neuer Attraktor zu operieren beginnt, wenn seine Manifestation
gerade emergiert. Während […] sich so zuerst durch leere Hüllen [, die ideellen Medien,]
die Entwicklung von neuen Fähigkeiten selbst behilft, unterstützen fortgeschrittenere Ent-
wicklungen dann das Auftauchen größerer qualitativer Reorganisationen der teilweise ge-
füllten Kategorien“ 621. Wie Luhmann zuvor zitiert, entsteht eine neue Emergenz, allerdings

616
Apel 2016b, S.141
617
Nietzsche, Wille zur Macht §1067
618
Hegel, Wissenschat S.565
619
Ebenda, S.563
620
Vgl. Commons & Richards 2002, S.163f
621
Granott, Fischer & Parziale 2002, S.143 & S.147

94
lediglich als Fortsetzung der und Anknüpfung an frühere Formen der eigenen Autopoiesis,
nicht als ein Neustart.
Allerdings kann sich die Funktion von System Zwei nicht darin erschöpfen, Extreme oder
deren wechselseitige Unterdrückung zu vermeiden und in diesem integrativen Vorgehen
Entwicklung zu fördern, diese, wie für Luhmann informelle oder formelle Organisation, als
Problemformeln der Selbstbeschreibung zu sehen, als Antinomien, die „als Paradoxien, als
ambivalente Formeln […] [auf] ein immer richtiges ‚sowohl/als auch‘“622, verweisen, son-
dern weil, wie Simmel schreibt, eine Gesellschaft, oder eine Organisation, „wo mannigfal-
tige Wesensarten, in einer nicht organisch gegliederten Parität nebeneinander existieren“623,
der Unterdrückung geringen Widerstand entgegensetzt, jedenfalls geringeren als „eine in
verschiedene Rangstufen gegliederte Gesellschaft“, muss System Zwei auch, um Autonomie
zu fördern, auf organische Hierarchien, also Holarchie achten. „Starke Über- und Unterord-
nungsverhältnisse“624, so Simmel weiter, treten gegen jede despotische „Überordnung in
Konkurrenz […] – sowohl real wie auch psychologisch […] und in Anbetracht der tatsäch-
lich und nur in einer Utopie zu beseitigenden Ungleichheit in den Qualitäten der Menschen
ist die ‚Herrschaft der Besten‘ jedenfalls diejenige Verfassung, die das innere und ideelle
Verhältnis der Menschen […] am genauesten zum Ausdruck bringt“625. Eine organische
Ordnung, die der scheinbaren Tatsache genüge leistet, dass „Menschen, die auf spätere Stu-
fen übergehen, deren Denken komplexer und abstrakter, aber zugleich präziser und spezifi-
scher wird […], die fähiger werden mit anderen mitzufühlen, auch wenn diese konfligie-
rende Perspektiven vertreten, zwischenmenschliche Beziehung zu verstehen, aus Wahrneh-
mungen basierend auf Zusammenhängen zu handeln und höhere Mengen an Stress und Un-
sicherheit auszuhalten“626, besser für Führungspositionen geeignet und Veränderungen in
Organisationen besser zu handhaben scheinen. System Zwei hat entsprechend, mit Don
Edward Beck gesprochen, mindestens fünf weitere Funktionen zu erfüllen und Semantiken
für dieselben zu konditionieren627: 1) Wie und unter welchen Bedingungen entsteht Entwick-
lung in Unternehmen; 2) Wie lässt sich der Einfluss bestimmter Stufen, auf Glaubensmuster
in und Verhalten von Organisationen, mediieren; 3) Wie lässt sich verstehen, wieso sich
manche Bewusstseinssysteme verändern, während andere stabil bleiben; 4) wie können Ver-
änderungen in Organisationen rechtzeitig festgestellt, und Transformationen beeinflusst und

622
Luhmann 2011, S.327
623
Simmel 2018, S.176
624
Ebenda, S.176
625
Ebenda, S.176 & S.275
626
Merron, Fisher & Torbert 1987, S.275
627
Vgl. Beck et al. 2018, S.99

95
unterstützt werden; 5) Wie beeinflussen sich die verschiedenen Formausdrücke ideeller Me-
dien innerhalb einer Organisation und wie bilden sie eine Einheit der Differenz aus System
und Umwelt. Abbildung 8 versucht die Essenz dieses letzten Kapitels noch einmal in eine
Zusammenschau zu bringen.

Abbildung 8: Komponenten der Beerschen Organisation in ihren transzendenten und immanenten Erscheinungsformen

3. Kritik des alltäglichen Bewusstseins


Der spirituelle Lehrer Adi Da Samraj schrieb gegen Ende seines Lebens, dass “mensch- Die rechte
Handhabe
liches Schicksal als verantwortliche Teilhabe an der rechten Handhabe von Mustern ange- von Mustern
sehen werden kann – und, in der Tat, sollte –, so dass Veränderung und Transformation, oder als deontolo-
gische Moral
jedes Leben und Sterben, […] sich auf vollkommene Weise als eine perfekte Übereinstim- und die Coin-
cidentia Op-
mung mit dem Leben selbst bestimmen“628 und damit als „die intrinsische Selbstlosigkeit positorum
des rechten Hineinlebens in und als eine göttliche Entrückung“629. Insofern, mit John Rawls
gesprochen, „deontologische Theorien als nicht-teleologische definiert sind, nicht als Sicht-
weisen, die das Rechte von Institutionen und Handlungen unabhängig von ihren Konsequen-
zen definieren“630 und eine ethische Theorie, die dies nicht täte, so Rawls weiter, „schlicht
irrational, verrückt“631 wäre, kann diese richtige, selbstlose Handhabe von Mustern, als „die
Selbst-Wesentlichkeit, Selbst-Bestimmtheit und Selbst-Befindlichkeit der Wirklichkeit
selbst“632, als ein deontologisches ethisches Prinzip am Ende dieser Arbeit gesehen werden.
Worum es in diesem Ende also, mit Karl-Otto Apel gesprochen, geht, ist nicht eine auf

628
Samraj 2009, S.1164f
629
Ebenda, S.1165
630
Rawls 1999, S.26
631
Ebenda, S.26
632
Samraj, 2009, S.1165

96
Nutzen gegründete Moral im „Rekurs auf das strategisch durchkalkulierbare Selbstinteres-
seeines Individuums“633 oder des eines einzelnen ideellen Mediums oder dessen multipler
Formausdrücke, als scheinbare Antinomien und Teile einer Stufenleiter, im Widerstreit mit
anderen, sondern im mindesten, wie es bei Nietzsches „vornehmer Wertungsweise der Fall
[ist –] sie agiert und wächst spontan, sie sucht ihren Gegensatz nur auf, um zu sich selber
noch dankbarer, noch frohlockender ja zu sagen […] und eine solche Ehrfurcht ist schon
eine Brücke zur Liebe“634 –, als gegenseitige Bejahung aus einem Dritten heraus, das beides
als Herzstück der Wirklichkeit umschließt, wenn auch „die spontanen, angreifenden, über-
greifenden, neu-auslegenden, neu-richtenden und gestaltenden Kräfte […] [, nicht als] Wille
zur Macht“635 bezeichnet werden. Aber doch als ein Ja, in dem ein Nein nur insofern da ist,
als es als Variation Teil der Evolution ist, ein „in diesem Sinne, systemtheoretisch gesehen,
[Bestandteil des] […] zirkulären Prozesses, der sich in die Realität hinein – nicht: ins Nichts
hinein! – konstituiert“636.
Die rechte Handhabe der ideell generalisierten Medien ist im Nietzscheanischen Sinne
ein „durch und durch mit Leben und Leidenschaft durchtränkter Grundbegriff“637, weil sich
darin, so wie Peirce im vernachlässigten Argument für die Wirklichkeit Gottes schreibt,
„durch die Entwicklung eines tiefen Sinnes der Wertschätzung gegenüber dieser Idee [, der
rechten Handhabe der Muster,] […] natürlicherweise, in der intensivsten und lebendigsten
Bestimmung der Seele daraufhin, das gesamte Verhalten des so Entrückten in Übereinstim-
mung mit dieser Hypothese formen kann“638, so dass eine göttliche Wirklichkeit möglich
wird, die, mit Nikolaus Cusanus gesprochen, deswegen Gottgleich wäre, weil in ihr als „Un-
endlichkeit […] der Gegensatz der Gegensätze ohne Gegensatz“639 ist. In diesem, wie Peirce
es nennt, „demütigen Argument“640 für die Wirklichkeit Gottes, oder doch zumindest einem
Argument dafür die Coincidentia Oppositorum zu denken, nicht zwingend als möglich, doch
zumindest als das Anstreben eines letzten pragmatischen Konsens zwischen jedem Ersten,
Zweiten, Dritten und Vierten, der Möglichkeit eines göttlichen Lebens, liegt auch, mit Sim-
mel gesprochen, eine vornehme „Forderung [, die] nicht als ein starres Ein-für-allemal dem
Leben gegenübersteht, […] [insofern] alles, was wir je taten und was wir je sollten, die

633
Apel 2016f, S.280
634
Nietzsche, Genealogie §10
635
Ebenda, §12
636
Luhmann 2012, S.294
637
Nietzsche, Genealogie §10
638
Peirce 1998o, S.446
639
Kues 2007, S.54
640
Peirce 1998o, S.556

97
Bedingung [ist], unter der unser ethisch-ideales Leben [sich] zu der Wellenhöhe des jeweilig
Gesollten [in einem ideellen Medium] erhebt“641.
Während der erste Abschnitt dieser Arbeit die Zusammenhänge zwischen Pragmatismus, Vom alltägli-
chen Be-
Idealismus und der Luhmannschen Systemtheorie als Interaktion aus Kategorien, Menschen wusstsein,
und Systemen, im dynamischen Verhältnis aus Transzendenz und Immanenz, aus Substanz- verantwor-
tungsvoller
und Akzidenzdenken, deutlich zu machen suchte, wurde im zweiten Teil aufgezeigt, wie im Wertschät-
zung und
Beerschen System Zwei, dem Prozess der Antioszillation der Diskursethik, als Verantwor- dem Herzen

tungsethik, die Aufgabe anvertraut wurde, den Willen einer Organisation auf dieses Ja-sagen
auszurichten, ein Ja zu verschiedenen Formen der Integration von holarchischer Ordnung
mit heterarchischem Geschehen und Polen mit ihren Gegensätzen zugunsten einer evolvie-
renden Lebensfähigkeit. Allerdings könnte man hier mit Parsons noch von einem Modus der
kathektischen, rein motivationalen Handlungsorientierung oder Wertschätzung sprechen,
von „Standards, die uns Regeln geben, zu beurteilen, ob oder ob ein gegebenes Objekt, eine
Sequenz oder ein Muster nicht unmittelbare belohnende“642, im Sinne von lebenserhaltende,
Bedeutung haben. Viel zu leicht kann es sich hier noch um eine soziale Dimension der „Il-
lusionen und Mythen in Bezug auf Ideologie und gegenwärtige Rhetorik“643 in einer einzel-
nen Organisation handeln – nicht um einen diskursiv ausgehandelten Konsens der Gesell-
schaft – wo einzelne Skripte mithilfe „der metonymischen Funktion der Sprache [, die] alles
andere ist als kunstlos [, erschaffen werden]; sie verbreitet Wesenhaftigkeit, Entitäten und
Formen, erzeugt im Hörer eine Illusion der Teilhabe“644. Die Antioszillation, die, im Rah-
men eines Dritten, mit Habermas vielleicht am besten „einer therapeutischen Kritik […] [,
in der] Äußerungen als unwahrhaftig im Sinne einer Täuschung bzw. Selbsttäuschung zu-
rückgewiesen werden und mit therapeutischen Mitteln aufgelöst“645 würden, zugeordnet
werden sollte, verweist nämlich nach unten hin auf die System/Umwelt Unterscheidungen,
die Normierung der Grenzen einer Organisation und die Verstärkung und Abschwächung
als Definition von in einzelnen Umwelten kommunikabilen Wahrheiten und, nach oben über
System Drei und Vier, auf Beobachtungen oder Standards, „durch die die Wahrheit kogniti-
ver Urteile etabliert werden“646 können, und schlussendlich auf Beobachtung zweiter Ord-
nung, die Logik eines Systems Fünf, das neben der Entfaltung von Paradoxien eben auf die
metonymische Funktion der Sprache zurückgreifen muss, die immer „konstruktiv [ist], da

641
Simmel 2017, S.425
642
Parsons, Shils & Olds 1962b, S.60
643
Lefebvre 1971, S.87
644
Ebenda, S.134
645
Geiger 2006, S.136
646
Parsons, Shils & Olds 1962b, S.60

98
keiner den Ursprung deiner Geschichte kennt“647, aber die zumindest auch Kommunikation
ist, in der sich, wie Heinz von Förster hofft, „Ethik auf unsichtbare Weise im Dialog“648
manifestieren kann.
Das heißt, dass während Beobachtung erster Ordnung die Latenzen erhält, den homöo-
statischen Schlummer des Mustererhalts mit Träumen über „invariante Grundlagen, über die
Natur oder über Notwendiges“649, mit einer Art des ästhetischen Wissens speist, „somit [mit]
Wissen über die Angemessenheit bestimmter Wertestandards“650 innerhalb einer Holarchie
als Arten des notwendigen Ausgleichs zwischen Antinomien und Ordnungen ideeller Me-
dien, bleibt Beobachtung zweiter Ordnung als das, was „nicht notwendig, sondern kontin-
gent, und nicht mit Bezug auf Natur richtig, sondern artifiziell ist, […] der Welt, die [sie]
[…] erkennt, ausgeliefert“651 und umgekehrt: die Welt derselben. Sie trägt Verantwortung
für ihre eigenen Beobachtungen und die Entscheidung, „ob fremdes Beobachten oder eige-
nes in der Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz“652 entsteht „und diese
Unterscheidung kann nur im System selbst und nur ohne jedes Korrelat in der Umwelt ge-
troffen werden“653. Im Gegensatz zu Luhmann kann sich darin die „Ambition einer gemein-
samen Grundlage, eines Grundsymbols, eines Abschlussgedankens“654 insbesondere dann
nicht aufgeben lassen, wenn das Wissen entsteht, dass jeder Beobachter „in seine Beschrei-
bung einbeziehen [muss], dass andere Beschreiber anders beschreiben“655. Denn so entsteht
zwingend ein neuer Gemeinsinn, ein ästhetischer Diskurs, eine allgemeine Bestimmung, ein
moralisch-hermeneutisches Bewusstsein höherer Stufe, mit einer dualen Moral: einerseits
als Entsprechung der Frage, die Parsons stellt, wenn er vom „moralischen Modus der Wer-
torientierung, der die verschiedenen Einigungen auf Standards, durch die bestimmte Konse-
quenzen bestimmter Handlungen und Typen von Handlungen ausgewertet werden, in Bezug
auf ihre Konsequenzen auf andere Handlungssysteme“656, spricht, also die Frage nach den
Konsequenzen jeder Beobachtung zweiter Ordnung auf andere Beobachter zweiter Ordnung,
und dies insbesondere bezüglich der Integration von unterschiedenen Bewusstseinssyste-
men, Interaktionen, Organisationen und Systemen; die Frage nach dem Erhalt einer

647
Förster 1993, S.82
648
Ebenda, S.82
649
Luhmann 2018b, S.1122
650
Geiger 2006 S.136
651
Luhmann 2018b S.1122 & S.1118
652
Ebenda, S.1120
653
Ebenda, S.1120
654
Ebenda, S.1122
655
Ebenda, S.1141
656
Parsons, Shils & Olds 1962b, S.60

99
Gesellschaft aus kommunizierten Beobachtungen und dementsprechend auch die Frage nach
einem deontologischen moralischen Prinzip, das diesem diskursiven Mustererhalt dient.
Dieses könnte die rechte Handhabe der transzendental generalisierten Medien sein. Dies ver-
weist immer wieder auf das Herz, den Ausgangspunkt einer Gesellschaft innerhalb der sie
tragenden und empfindenden Bewusstseinssysteme, den Menschen. In Anlehnung an Henri
Lefebvre ergibt sich so eine Kritik des alltäglichen Lebens – eines alltäglichen Bewusstseins,
als das Beobachten und Beobachten von Beobachtungen –, in dem der menschliche Diskurs
„als ein Widerspruch und ‚Kontrast‘ aus einer bestimmten Anzahl von Begriffen erscheint
[…] und über allem mit der Möglichkeit [ausgestattet], die Punkte oder Sektoren […], wo
eine Abkehr vom Leben stattgefunden hat […], als die Punkte zu bestimmen, wo neue For-
men, reich an Möglichkeiten erscheinen können“657. Wo die permanente Bewegung des Le-
bens, die Dialektik und der ontogenetische Drift im Diskurs immer neue Formen des unmit-
telbaren einer Immanenz erzeugen und dies immer innerhalb der Transzendentalien, die sich
mithilfe ihrer Formausdrücke und ihrer eigenen, ihnen inhärenten Zukunft transzendieren,
entstehen Anschlussoperationen einer unendlichen kommunikativen Autopoiesis „qua Le-
ben und qua Bewusstsein […], und das heißt auch, dass soziale Systeme eine eigene Repro-
duktion nur verwirklichen können, wenn die Fortsetzung des Lebens und des Bewusstseins
gewährleistet ist“658, und das in „einem dionysischen Ja-sagen zur Welt, wie sie ist, ohne
Abzug, Ausnahme und Auswahl –, sie will den ewigen Kreislauf: – dieselben Dinge, die-
selbe Logik und Unlogik der Verknotung“659 aller Gegensätze, bis in die Unendlichkeit. So-
mit „verlangt [jede Antinomie] ja seinen Feind für sich, als seine Auszeichnung, […] [sie]
hält ja keinen andren Feind aus, als einen solchen, an dem Nichts zu verachten und sehr Viel
zu ehren ist“660, wie Nietzsche sagt, so, dass schlussendlich, „wie jeder Pulsschlag eines
lebendigen Wesens durch alle seine vergangenen bedingt ist“661, wie auch durch das Herz –
der Mensch – selbst durch seine Vergangenheit, das deontologische „Sollen jeden Augen-
blick zum Erben und Verantwortungsträger alles dessen macht, was wir je waren, taten und
sollten“662, Leben, Bewusstsein und Kommunikation durch die rechte Handhabe von Mus-
tern, in der Verwirklichung des Vierten fortzusetzen, als die reale, oder doch zumindest kon-
tingente, Möglichkeit eines göttlichen Lebens.

657
Lefebvre 1991, S.251
658
Luhmann 2012, S.297
659
Nietzsche, Wille zur Macht §1041
660
Nietzsche, Genealogie §10
661
Simmel 2017, S.425
662
Ebenda, S.425

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Erklärung:
Hiermit erkläre ich, dass ich diese Seminararbeit selbstständig verfasst und keine anderen
als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.

Weiden, den 08.01.2019


Ort, Datum Unterschrift

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