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Kritische Studien Claus Offe

zur Politikwissenschaft

Herausgeber Leistungsprinzip
Walter Euchner und industrielle Arbeit
Gert Schäfer
Mechanismen der Statusverteilung in Arbeitsorganisationen
Dieter Senghaas der industriellen »Leistungsgesellscha:A:«

Europäische Verlagsanstalt
FürR.K.O.
1943-1968

Unlv.
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j Bielefeld J

© 1970 by Europäische Verlagsanstalt


Frankfurt am Main
Druck: Druckhaus Mannheim
Best.-Nr. 3063
Printed in Germany
den Grad der Erfüllung der Berufsaufgabe beurteilen, und doch Autoren haben daher auch auf Tendenzen zur »Professionalisie-
hängt die Sanktionierung von individuellen und kollektivt:n rung« besonders von Facharbeiter-Rollen hingewiesen. aa
Statusansprüchen ausschließlich von der Legitimität ab, die in- Wir kehren jetzt zu den theoretischen Überlegungen zurück,
kompetente Beurteiler professioneller Berufsarbeit - Klienten die dieses Kapitel eingeleitet haben. Die dargelegten techno-
oder Vorgesetzte - diesen Ansprüchen zugestehen. In diesem logischen und organisatorischen Arbeitsbedingungen sprechen
Dilemma ai ist das P.„usweichen auf periphere Elemente der Be- dafür, daß periphere Rollenelemente zum Fundament der Be-
rufsrolle fast unvermeidlich: Verdienste sind nur dadurch glaub- rufsrollenidentität gen1acht und in Aufstiegsprozessen strate-
haft zu mad1en und gegen hohe Statusvergütungen einzulösen) gisch eingesetzt werden. Das wurde in der bisherigen Diskussion
daß man ihr Zustandekomn1en mystifiziert, indem man regu- bestätigt. Sie sprechen außerde1n dafür, daß extrafunktionale
lative Normen oder funktional ganz bedeutungslose Symbole zu I\.riterien von den relevanten Instanzen der Organisation als
einem prägnanten Erscheinungsbild, das gelegentlich auch Be- Maßstäbe für Rekrutierung und Beförderung benutzt werden
rufssprache uD.d Berufskleidung einschließt, stilisiert. müssen. Die individuelle, von Statusaspirationen stimulierte
Diese Funktionen erfüllen den »regulative code of ethics'< und Definition der Berufsrolle fände damit ihre Parallele in orga-
die de1nonstrative Befolgung einer )>professional culture« (Green- nisatorischen Mechanis1nen: auf beiden Ebenen würden zen-
wood) sowohl für die Durchsetzung kollektiver wie indivi- trale durch periphere Rollenelemente symbolisch ersetzt, weil
dueller Statusansprüche. Wie weit der Geltungsbereich dieses individuelle Leistung als Beitrag zum Produkt weder objekti-
Modells über den Bereich der akademisch ausgebildeten freien vierbar und demonstrierbar noch - in diskontinuierlichen Quali-
Berufe, deni. es entstammt, hinausreicht, ist bisher empirisch fikationsstrukturen - als rationales Kriterium für den Wechsel
nicht ausreichend untersucht. Es spricht aber nichts dagegen, es zwischen hierarc..1iischen Positionen verwendbar ist. ___ /

auf die Experten-Rolle generell auszuweiten.


Wenn wir Experten-Rollen nicht nach einem substanziellen Kri-
terium (etwa der :r./Ienge des akkumulierten Leistungswissens), Extrafunktionale Determinanten für Rekrutierung und
sondern nach dein Kriterium der Spezialisierung definieren, Aufstieg in formalen O;ganisationen
dann ist nach dern Grad der »Arbeitsplatzgebundenheit« (oder
negativ: der Nicht-Transferierbarkeit von Qualifikationen auf In dein Maße, in dem die Annahmen der »Spezialisierung« und
andere Arbeitsplätze) zu fragen, sowie nach der Möglichkeit der »diskontinuierlichen Qualifikationsstruktur« zutreffen, ist
kompetenter personaler Kontrolle. 82 Nach diesen Kriterien es erstaunlich, daß es überhaupt so etwas wie eine interne Mobi-
hätten z. B. Positionen wie die des Lagerverwalters oder des lität gibt, die mehr ist als das Durchwandern propädeutischer
Pförtners ein hohes Maß an Experten-Charakter. Wenn wir Positionen auf das Ziel einer endgültigen Berufsrolle hin. Unter
Expertentum in dieser Weise operationalisieren, so wird die Ver- ökonomischen Gesichtspunkten sind nä1nlich andere Formen des
mutung plausibel, daß sich auf allen Ebenen großer organisato- innerbetrieblichen Aufstiegs, also z. B. die I<.arriere des Ver-
rischer Gebilde >Kompetenzinseln< befinden, die mit >relativen treters zum Absatzplaner, zum Verkaufschef hin, unzweckmäßig.
Experten1 besetzt sind. Diese können ihre relativen Statusan- Denn sie implizieren zwei Nachteile: r. das in einer Position er-
sprüche und Mobilitätsaspirationen nur dadurch rechtfertigen, worbene und nicht-transferierbare Spezialwissen wird brach-
daß sie ihre Identität n1it Hilfe solcher Symbole und Normen gelegt und 2. die für die neue Position erforderlichen Quali-
signalisieren, die gerade nicht im Zentrum ihrer Arbeitsfu-nktio·
nen stehen, sondern allgemein anerkannt werden. Verschiedene
83 Vgl. N. N. Foote, Thc Professionalization of Labor in Detroit, AJS 58
(r953), pp. 371-380; ders., The Iviovement fro.;:n Jobs to Careers in
81 Vgl. dazu die Analyse von I. Bensman und J. Gerver, Towards a So- American Industry, Transactions of the Second World Congress of
ciology of Expertness, in: Soc. Fore. 32 (1953/54), pp. 226-235 Sociology, London 1956, Vol. II, pp. 30-40; H. M. Vollmer and D. L.
82 Diese beiden Kriterien waren bereits in den Begriff der »diskontinuier- Mills, Nuclear Tedinology and the Professionalization of Labor, in:
lichen Qualifikationsstrukturo: eingegangen; vgl. das J. Kapitel dies. (eds.), Professionalization, Englewood Clitls: Prentice Hall 1966

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fikationen sind, da sie nicht einfach eine Erweiterung der alten duktion jedoch nicht mehr gegeben: die Qualifikation etwa der
darstellen, in zeitraubenden und deshalb kostspieligen Prozessen Gruppen »unskilled workers«, »Semiskilled machine operatorso!(
des »Umlernens« (im Gegensatz zun1 ~>Hinzulernen«) zu erwer- und »maintenance and repairmen<~ haben ihre technische Kon-
ben. Man muß daher fragen, wieso es - ganz abgesehen von den tinuität verloren:
Aufstiegsambitionen der Arbeitnehmer - vom Gesichtspunkt » They are separated by sharp discontinuities in the division of labor.
der beherrschenden Interessen der Organisation her sinnvoll Little or nothing that any one worker does in any of the three classes
sein kann, angesichts der gekennzeichneten Merkmale der Ar- prepares him to assume the work task assigned in a higher class.« sa
beitsteilung Mobilitätsprozesse zu institutionalisieren oder we-
nigstens zuzulassen. Welche relativen Vorteile sind es, die angesichts dieser betriebs-
Tatsächlich ist in der ainerikanischen Soziologie eine ausgedehnte wirtschaftlichen Nachteile interner Mobilität dennoch dazu füh-
Diskussion über die Frage geführt worden, ob der Typ der in- ren, daß nach wie vor Aufstiegsbewegungen in der organisato-
ternen Mobilität (d. h. Mobilität innerhalb einer Generation und rischen Hierarchie stattfinden? In einer ersten Annäherung wol-
innerhalb einer Organisation) im Abnehmen begriffen sei. 84 len wir diese Frage durch die These beantworten, daß in auf-
Für eine solche These sprechen neben den erwähnten arbeits- gaben-diskontinuierlichen I-Iierarchien Mobilität in dem Maße·
ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Griinden auch einige stattfindet, wie die relativen Nachteile der Brachlegung von
gesamtgesellschaftliche Entwicklungstendenzen industriell-kapi- Spezialwissen und -können sowie der Kosten von Umsc..h.ulungs-
talistischer Systeme: die Zunahme der durchschnittlichen Be- prozessen durch die relativen Vorteile mehr als aufgewogen wer-
triebsgröße, die Verwendung der Großtechnik und die Formali- den, die sich daraus ergeben, daß die aufgestiegenen Personen
sierung der Berufsausbildung, die das Ergebnis weitgehender durch ihre Loyalitäten und konformen Identifikationen zur
»externer Rekrutierung« hat, können an der Abschwächung Stabilisierung des betrieblichen Herrschaftssystems beitragen. av
interner Mobilität 1nitwirken. Chinoy kommt jedoch in seiner Ein negativer Bevreis für den Einfluß dieses Kalküls ist darin zu
zusammenfassenden Diskussion der vorgebrachten Argumente sehen 1 daß .in den Positionen, in denen die Spezialisierung und
zu dem Ergebnis, daß eine klare Entscheidung zugunsten der deshalb die Kosten durch Beförderung am größten sind, die
Immobilitätshypothese auf dem gegenwärtigen Stand der For- innerbetriebliche Aufstiegsrate am geringsten ist. ss Dies gilt be-
schung nicht möglich sei. Auch die vorsoziologische Alltagserfah- sonders für Experten und akademisch ausgebildete Arbeitneh-
rung weist darauf hin, daß interne Iviobilität von den genann- mer mit langer Ausbildungszeit; denn
ten Entwicklungstendenzen nicht vollständig beseitigt worden
»An insti-t:ution invests time, money and energy in the training of its
ist. recruits and members which it cannot a:fford to let go to waste.« s9
Reynolds bestätigt in seinem Standardwerk der Arbeitsökono-
mik die hier angenommene Abhängigkeit der Mobilität von Das Organisationsinteresse an Immobilität wird zusätzlich da-
der technologisch bestimmten Arbeitsplatzstruktur. 85 Er nimn1t durch abgesichert, daß die subjektiven Kosten, die für den Ar-
an, daß interne Mobilität dort am größten ist, »where the divi-
sion of labor is not marked by sharp discontinuities.« Diese Be- 86 a.a.O., zit. n. H. 1L Gitelman, in: Incl. and Lab. ReL Rev. 20 (1966),
dingung ist in fortgeschrittenen Bereichen der industriellen Pro- p::.. 50~65
87 Diese These betrifft nur die »<listance mobility« bei statischen Randbe-
dingun~en, nicht die „demand mobilitv«, die durdi Versdiiebual'en im
S4 Vgl. J. 0. Hertzler, Some Tendcncies Toward a Closed Class Syste1n quantitativen Verhältnis der Arbeitsplätze zueinander zustandekommt.
in the United Staates, Sec. Fore 30 (1952), pp. 313-323; S. M. Lipset/ Vgl. N. Rogoff, Recent Trends in Occupational 1viobility, in: P. K.
R. Bcndix, Social Mobility and Occupational Career Patterns, AJS 57 Hatt/A. J. Reis3 (eds.), Cities and Society2, N. Y.: The Free Press,
(1952), pp. 366-374 und pp, 494-504; E. Chinoy, Social Mobility pp. 432-445
Trends in rhe United Staates, ASR 20 (1955), pp. 180-186; R. C. Stone, gg Vgl. P. M. Blau, Exchange and Power in Socid Life, a.a.O., pp. 161
Factory Organization and Vertical Mobility, ASR 18 (1953), pp. 28-35 -167
85 Vgl. L. Reynolds, Tbc Strucn1re of the Labor Marktes, NY: I-farpcr 89 Becker und Strauss, Careers, Personality and Adult Socialization, AJS
1951, pp. 139-154 62 (1956/7), pp. 253-263, hier: p. 254

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beitnehmer beim überwechseln zu einem anderen Arbeitgeber lität, der vor allem in der Angestelltenschaft zu beobachten ist.
entstehen, erhöht werden. Dies geschieht durch Treueprämien, Es handelt sich um den »Aufstieg« zwischen hierarchischen Posi-
altersabhängige betriebliche Fonds und Sozialleistungen und he- tionen, die in Wahrheit gar nicht vertikal gestaffelt sind, son-
stin1mte Klauseln in den Arbeitsverträgen. 90 dern »objektiv« auf demselben hierarchischen Niveau liegen:
Die Blockierung des Aufstiegs von einer gegebenen Position aus weder untersd1eiden sich die spezifischen Arbeitsaufgaben, noch
ist nur die eine Seite der Tendenz zur Absei.~wächung der inter- bietet die »höhere« Position größere materielle Vergütungen,
nen Mobilität; die andere besteht darin,_ daß die Rekrutierung Prestige, Autonomie oder Autorität als die, von der der »Auf-
des Personals für höhere Positionen häufig nicht »von unten«, stieg« ausgeht. Die »Höherwertigkeit« des Status wird nur
sondern ))von außen«, also im Anschluß an formalisierte Aus- symbolisch fingiert, indem etwa der neue Arbeitsplatz mit Pre-
bildungsprozesse stattfindet. Für alle Ebenen des Managements stige-Syn1bolen (Büroeinrichtung, eigenes Handtuch, eigenes
hat Stone diese Tendenz bestätigt gefunden: Telefon, Arbeitsplatzbezeichnung usw.) ausgestattet wirdi die
Substanz der Arbeit und ihre materiellen Vergütungen aber
))Managers will be drawn from some other source than vrorker ievels,
i. e. will never have occupied the Status of workers , . , There has been unverändert bleiben.
an increase in the ratio of college to non~college trained managers.« 91 Die These über die Wirksamkeit extrafunktionaler Aufstiegs-
und Rekrutierungskriterien können v1ir daher nur an jenen
Diese Tendenz zur Außen-Rekrutierung, die ebenfalls zur Min- Mobilitätsprozessen demonstrieren, die von den genannten drei
derung der internen Mobilitätschancen beiträgt, hat nicht nur Mechanismen unberührt geblieben sind. Auf dem I<.ontinuum
die Funktion, formalisiertes Spezialwissen für entsprechende zwischen zentralen und peripheren Rollenelementen (bzw. zwi-
Arbeitsaufgaben zur Verfügung zu stellen_, sondern ist auch schen funktionalen und extrafunktionalen) sind vier Typen von
deshalb positiv funktional, weil sie den Anwärter auf eine Aufstiegs- und Auslesekriterien zu unterscheiden, die sich sämt-
Position auf dem Wege der vorberuflic.a'1en Sozialisationspro- Tich nicht eindeutig auf die zentralen Rollenelemente beziehen
zesse in Schule, Fachschule und Universitäten mit normativen und sich in der folgenden Reihenfolge dem Pol der peripheren
Orientierungen und ideologischen Loyalitäten versorgt, die wohl Kriterien annähern:
eher mit den herrschenden Interessen der Organisation überein- 1. Erfolgsstandards
stimmen, als das bei einer Rekrutierung »Von unten« der Fall 2. Ausbildungsstandards

wäre. Das relative Gewicht dieser beiden - technischen und 3. ideologische Orientierungen
normativen - Funktionen der Außen-Rekrutierung kann nicht 4 askriptive Merkmale
genau abgesc.i_\ätzt werden. In dieser Sequenz lockert sich der Zusammenhang der vier Kri-
I'Ieben der Blockierung des Aufstiegs von Spezialisten und der terien n1it den zentralen Rollenelementen. Da sie in den an-
Außen-Rekrutierung für höhere Positionen spielt noch ein drit- schließend diskutierten Untersud1ungen nicht getrennt und syste-
ter Mechanismus bei der »Immobilisierung« typischer Berufs- matisch abgehandelt werden, ist zunächst zu begründen, mit
schicksale in organisatorischen Hierarchien eine Rolle. Ich meine welchem Recht ihnen der Charakter eines »extrafunktionalen
das Phänomen der »ideologischen Statusdifferenzierung<( bzw. Kriteriums« zugesprochen werden kann. Die Berechtigung dazu
des ideologischen Aufstiegs, das zuerst von C. Dreyfuss beschrie- ersc..heint nämlich besonders bei den beiden ersten Kriterien zu-
ben worden ist. 92 Dreyfuss bezieht sich auf einen Typ der Mobi- nächst zweifelhaft.
1. Erfolgsstandards. Wenn Erfolgsstandards als Aufstiegskri-

90 Vgl. ]. 0. Hertzler, a.a.O„ p. JIB terien fungieren, bedeutet dies, daß diejenigen, die eine untere
91 R. C. Stone, Factory O:ganization and Vertical 1..1.obility, in: ASR 18 Position A mit überdurchschnittlichem Erfolg erfüllen, als ge-
(:::953), PP· 28~35, hier: p. 29 eignet angesehen werden, die höhere Position B zu erfüllen.
92 Vgl. C. Dreyfuss, Prestige Grading: A Mechanism of Control, in: Mer-
ton et al. (eds.), Reader in Bureaucracy, pp. 259-264; vgl. audi H. P. Dieses Aufstiegsschema hat in einer Reihe von traditionellen
Bahrdt, Industriebürokratie, a.a.O„ S. 1q. f. Organisationen einen rationalen Sinn; nämlich überall dort,

93
wo die Positionen A und B einen Kern von gemeinsamen Auf:. 2. Ausbildungsstandards. Einige Einwände sind auch gegen die
gaben und technischen Regeln zu ihrer Lösung haben. Drei Ein- Ansicht zu erheben, daß die als Zulassungs- und Aufstiegskri-
wände gegen die Rationalität dieses Kriteriums tauchen aber terien benutzten Ausbildungsstandards in dem Sinne >rational<
dort auf, wo diese Bedingung nicht mehr erfüllt ist: seien, als davon nur zentrale Elen1ente der Arbeitsrolle betrof-
1. Organisatorische und technologische Gründe können ver- fen würden. Ich fasse diese Einwände vrieder thesenartig zu-
hindern, daß so etvras wie Erfolg, Tüchtigkeit oder Produk- sammen.
tivität von einer anderen Position aus sichtbar und zutreffend r. Daß formalisierte Ausbildungsprozesse neben technischen
vergleichbar ist. Arbeitsformen wie die der »teamarcigen Ko- Regeln auch normative Gehalte und ideologische Orientierungen
operation« 93 machen es sogar unmöglich, den individuellen Er- vermitteln, haben die vorangegangenen Erörterungen bereits
folg selbst dann zu ermitteln, wenn die Beschränkungen der gezeigt. Das Kriterium der Ausbildungsstandards bezieht sich
»sozialen Sichtbarkeit« aufgehoben wären. In solchen Arbeits- auf beide Klassen von Regeln gleichermaßen, mißt also nicht
situationen ist das Erfolgskriterium ideologisch: es gibt vor, ausschließlich funktionale Rollenelemente.
einzelnen differentiell zurechnen zu können, was nur als unteil- 2. Die Kongruenz zwischen Ausbildungsinhalten und positions-

bares Gesamtprodukt von Arbeitsgruppen zustande gekommen spezifischen funktionalen Anforderungen ist grundsätzlich zwei-
ist. felhaft. Abweichungen ergeben sich daraus, daß a) nur ein
2. Der Widerspruch zwischen kooperativer Produktion und Bruchteil des erworbenen Leistungskönnens und -wissens in der
gleichwohl beibehaltener individualistischer »Erfolgsbeurteilung« konkreten Aufgabenstellung des Arbeitsplatzes tatsächlich be-
ist nur dadurch zu lösen, daß nicht der individuelle >>Beitrag nötigt wird 94 ; d. h. es gibt funktional überschüssige Ausbil-
zum Produkt«, sondern ein peripherer Sektor des Arbeitsver- dungsgehalte, die der Symbolisierung von berufsständischen
haltens zum Kriterium für Erfolg erhoben würde. Nicht die oder persönlichen Statusansprüchen dienen; das bekannteste
Erfüllung von Arbeitsaufgaben, sondern die Selbst-Präsentation Beispiel ist das akademische Bildungs- und »Luxuswissen«. An-
des Arbeiters verbliebe dann als Kategorie der individualisti- dererseits sind b) nicht alle in bürokratischen Großorganisatio-
schen Bewertung. Kurz: erfolgstüchtige Selbstdarbietung würde nen funktionalen Rollenelemente in Ausbildungsprozessen
zum symbolischen ~rsatz für abstrakt gewordene Leistung. Die außerhalb der Organisation forn1alisierbar. Es gibt Anhalts-
Fähigkeit zur Selbst-Präsentation :ist aber zweifellos den peri- punkte dafür, daß die Tendenz zur Spezialisierung von Berufs-
pheren Elementen des beruflichen Verhaltens zuzurechnen. aufgaben dazu führt, daß sich die Differenz zwischen Ausbil-
3. Selbst unter Bedingungen, welche die korrekte Zurechnung dungswissen und funktionalem Berufswissen vergrößert. Auf
von Erfolgen in zentralen Rollenelementen erlauben, muß die allen Ebenen nehmen die institutionalisierten Formen des »post-
Rationalität des Aufstiegskriteriums »Erfolg« bezweifelt wer- entry-training« (in Lehrlings-, Voluntariats-, Assistenten- und
den. Je weniger sich nämlich die Arbeitsaufgaben der Positionen Referendarpositionen) 95 zu. Der Stellenteil großer Tageszeitun-
A und B überschneiden, desto geringeren Wert hat »Erfolg gen zeigt, daß die nachfragenden Instanzen auf dem Arbeits-
in A« als Indikator für »Qualifikation für B«. Genau dies ist markt die gewünschte Qualifikation der gesuchten Arbeitskräfte
aber das Merkn1al aufgaben-diskontinuierlicher Hierarchien. Je
geringer die Kontinuität der Anforderungen zwischen den Posi- 94 U. Gembardt, Akademische Ausbildung und Beruf, KZfSS 11 (1959),
pp. 223-245
tionen A und B ist, desto unzuverlässiger und damit sinnloser 95 Ausbildungsstandards verlieren als Maßstab individueller Berufstüchtig-
wird deshalb die erfolgsabhängige Beförderung selbst in den keit an Bedeutung, wenn Ausbildungs- und Berufswissen divergieren.
Positionen, bei denen sich im »Erfolg« nur individuelle Tüch- Die »Arbeitsplatznähe« der eigentlichen Berufsausbildung hat Slocum
für die USA dokumentiert: »The majority of the nation's workers with
tigkeit manifestiert. less than three years of college reported that they had not learned their
occupational roles through formal education: 56 per cent had learned
on the job, to some extent by company training courses, but mainly
93 H. Popitz, H. P. Bahrdt, A. Jüres, H. Kesting, Technik und Industrie~ through experience supplemented by instruction from supervisors, or by
arbeit, Stuttgart r957 lcarning from a friend or relative,o: W. Slocurn, a.a.O., p. 147/8

94 95
überwiegend nicht nur durch Zeugnisse und Ausbildungswege, nv1tat wird zum Beurteilungskriterium, nach dem sich indi-
sondern (mindestens) zusätzlich durch genau spezifizierte Bran- viduelle Mobilitätschancen bemessen. 97a
chen- und Arbeitsplatzerfahrungen definieren. Die häufig ange- 4. Askriptive Nlerkmale. In dieser Gruppe von organisatorischen
botene »Einarbeitungszeit« bei Übernahme einer neuen Stelle Kriterien lassen sich zwei Typen unterscheiden: askriptive Kri-
weist in die gleiche Richtung. Die von der Industrie vorgeschla- terien stützen sid1 a) auf T\faturkategorien als Merkmale oder
genen Reformen des Ausbildungssyste1ns deuten ebenfalls dar- b) auf >>institutionelle Verkoppelungen«. In die Gruppe der
auf hin, daß ein möglichst großer Teil der Ausbildung aus Fach-, Naturkategorien gehören Bewertungsmaßstäbe wie Alter, Ge-
Berufs- und Hochschulen herausgenomm~n und in die unmittel- schlecht, Hautfarbe, ethnische Herkunft. Der Mechanismus der
bare Nähe der Arbeitssituation verlegt werden soll. 96 institutionellen Verkoppelung liegt dagegen dann vor, wenn die
3. Selbst wo der Indikator »Ausbildungsstandard« als Beurtei- Zugehörigkeit zu einer Institution außerhalb der Arbeit maß-
lungskriterium für spezifische Berufstüchtigkeit durch die wach- geblich wird für das Berufsschicksal: Beispiele sind l(riterien wie
sende Inkongruenz zwischen Ausbildungswissen und Berufs- Konfession, Familienstand, Mitgliedschaft in Parteien und Ge-
qualifikation noch nicht entwertet ist, bleibt es unwahrschein- vverkschaften und Vereinen. Die Merkmale, auf die sich der
lich, daß sich Arbeitgeber-Instanzen ein zutreffendes Bild von erste Typ von Kriterien stützt, sind nicht willkürlich zu ver-
dem funktionalen Gehalt derjenigen Ausbildungsgänge und -in- ändern, während das bei denen des zweiten Typs grundsätzlich
stitutionen machen, deren Absolventen sie bevorzugen oder dis- der Fall ist.
kriminieren. Oft werden Ausbildungsstandards nur deswegen Das Kriterium der Seniorität (Dienstalter) 9s nimmt in der
festgehalten, weil sie bestimmten Prestige-Bedürfnissen der Ar- Gruppe der askriptiven Statuskriterien eine gewisse Sonder-
beitgeber entsprechen. Dieser Gesichtspunkt ist in den USA von stellung ein, und zwar sowohl wegen seiner häufigen Verwen-
besonderer Bedeutung. Wenn etwa die Absolventen bestimmter dung wie wegen seiner scheinbaren R.ationalität. Unter be-
Colleges, Militärakademien 97 und Universitäten bevorzugt bzw. stimmten Bedingungen kann dieses Kriterium durchaus für zen-
benachteiligt werden, geschieht dies offenbar nicht aufgrund trale Rollenelemente stehen: Fertigkeiten und Leistungswissen
bestimmter funktionaler Fertigkeiten, die diese Institute ver- - so wird dann angenommen - akkumulieren sich im Laufe der
mitteln - deren kompetente Beurteilung ist dem Arbeitgeber Dienstzeit und machen das jeweils dienstälteste zum qualifizier-
normalerweise nicht möglich: zudem wären Prüfungs- und Zeug- testen Mitglied einer I-Iierarchie. Die Grenzen dieser Argumen-
nisbewertungen hierfür ein besserer Indikator -, sondern im tation sind klar: wenn sich die technologisch definierte Arbeits-
Hinblick auf kulturelle Besonderheiten und spezifische Tradi- situation relativ häufig ändert, verliert das Dienstalter seinen
tionen solcher Anstalten. \Vert als Maß für Unterschiede in sachlicher Kompetenz; im
3. Ideologien. Der extrafunktionale Charakter dieser Kate- Gegenteil: das Festhalten am Senioritätsprinzip kann dann zu
gorie von Kriterien ist offensichtlich. In den Lebensstil inte- Anpassungsverzögerungen und >strukturellem Konservatismus<
grierte regulative Normen, Anpassungsbereitschaft, Vermeidung führen. Es verliert seinen Sinn vollends bei Arbeitsaufgaben, zu
von Konflikten, Loyalität mit den beherrschenden Interessen deren Erfüllung nicht technische Regeln durch Erfahrung akku-
der Organisation, Übernahme der kulturellen Muster der herr- muliert, sondern regulative Normen eingehalten werden müssen.
schenden Statusgruppen, Fähigkeit zur antizipatorischen Sozia- Es gibt keinen Grund dafür, weshalb diese ihre Wirksan1keit
lisation usw. - kurz: eine mehr oder weniger abstrakte Adap- in Abhängigkeit von der Djenstzeit erhöhen sollten.
Zwischen der hier gemeinten und der vorindustriellen Form der

96 Vgl. H. Dichgans, Die Dauer der Ausbildung für akademische Berufe,


Schriftenreihe des Stifterverbandes zur Förderung der Wissenschaft, Essen 97a vgl. hierzu G. Bensman und A. Vidich, Power Cliques in Bureaucratic
1963 Society, Social Research 29 (1962), pp. 467~474
97 Vgl. dazu die Beschreibung, die f.1iils von den Rekrutierungsmechanis- 98 Vgl. F. Fürstenberg, Probleme der Lohnstruktur, a.a.O., S. 27; Slocun1,
men seiner drei »Direktorate«, besonders des militärischen, gibt. C. W. a.a.O., p. 255 .ff.; H. P. Bahrdt, Industriebürokratie, Stuttgart 1958,
1\ilills, The Power Elite, New York: Oxford University Press 1958 S. r ro ff.

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Askription ist ein wichtiger Unterschied zu bemerken: in büro- nen technologischen Arbeitsbedingungen zweifellos nicht darin,
kratischen Organisationen industrieller Gesellschaften werden daß Frauen zur Ausübung dieser Berufe physisch besser geeignet
Naturkategorien und institutionelle Verkoppelungen nicht, wie sind als Männer bzw. daß Männer sich auf solche Aufgaben
im ständischen Systen1 mittelalterlicher Gesellschaften, aufgrund konzentrieren, die ihren physischen Anforderungen n2.ch die
legal sanktionierter Mobilitätssd1ranken zur Begründung eines Beschäftigung von Frauen ausschließen. Viehnehr liegt die Erklä-
Status im System der Arbeitsteilung benutzt, sondern sie er- rung darin, daß die kulturell definierte weibliche Geschlechts-
füllen lediglich symbolische Funktionen i_m Vollzuge einer prin- rolle Elemente enthält, die sich speziell in der Berufsrolle
zipiell kontraktuellen Statuszuweisung. Askriptive ?./iecl1.anis- »weiblicher« Berufe als regulative Normen und Organisations-
men beziehen sich auf Rollen und Normensysteme, deren Gel- loyalitäten nutzbar machen lassen. Die für die USA typischen
tungsbereich sich relativ zuverlässig durch Naturkategorien oder Frauenberufe 99 zeigen den askriptiven Selektionsprozeß auf der
Rollen in anderen Institutionen definieren läßt, und nicht auf gesamtgesellschaftlichen Ebene: sie lassen sich ausnahmslos als
diese selbst. Als regulative Normen oder als extrafunktionale berufsförmige Abspaltungen der »eigentlichen« weiblichen
Orientierungen erfüllen die - durch Naturkategorien nur sym- Rolle, nämlich der Rolle als Mutter, Hausfrau und Gattin,
bolisierten - Elemente der Alters-, Geschlechts- oder Natio- interpretieren.
nalitätenrolle wichtige Funktionen in der Arbeitsorganisation. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung auf Betriebsebene hat
Dieses askriptive Selektionsprinzip setzt sich gleichsam unter- Warner 100 beschrieben:
halb legaler Statusbeschränkungen durch, wie sie für vorindu-
strielle Gesellschaften typisch waren. » Women's jobs were primarily evolutions of tasks which they have
Zwei Formen askriptiver Rekrutierung lassen sich unterscheiden: traditionally performed in the homefitting, stitching, washing, cleaning
positive A.skription selegiert konforme Orientierungen, wäh- and packing. «
rend negative Askription abweichende Normensysteme aus-
schließt. Zur Verdeutlichung seien die beiden getroffenen Unter- Am Beispiel von Warners Studie - es handelt sich um die
scheidungen in einem Vierfelderschema kombiniert und durch Untersuchung der Arbeiterschaft einer Sc.1-tuhfabrik - ist es
Beispiele belegt, die sich aus der anschließenden Diskussion ern- außerdem möglich, den Unterschied zwischen regulativen Nor-
pirisei1-er Forschungsresultate ergeben: men, denen noch ein gewisses Maß an nicht-intendierter Zweck-
1näßigkeit zukommt, und vollends extrafunktionalen Orientie-
Askriptive Statuskriterien rungen zu präzisieren. Ihrer objektiven Funktion nach sind in
diesem Sinne die aus der Hausfrauenrolle an den Arbeitsplatz
Naturkategorien Institutionelle Verkoppe- transferierten »weiblichen Tugenden« v1ohl eher regulative Nor-
lungen men. Ihr Vorhandensein ist jedoch nicht der einzige Grund für
die vorgefundene geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Zusätz-
Bevorzugung von Bevorzugung von Iviitglie-
positiv lich zeichnen sich Frauen durch größere Bereitschaft zur Sub-
Frauen dern der eigenen Partei
ordination, geringere Lohnansprüche und eine Tendenz zur
Diskriminierung von Diskriminierung von 11it- Vermeidung von Konflikten aus; diese extrafunktionalen Ele-
negativ Südeuropäern gliedern religiöser Minder- mente der Berufsrolle entstammen ebenfalls der Stellung der
heiten

99 »dieticians, nutritionists, Iibrarians, nurses, social workers, clementa~y


Einer der wichtigsten Beispielsfälle für die Verwendung von school teachers, stenographers, typists and secretaries, telephone opera-
tors, book-keepers, cashiers, dressmakers and seamstresses, priYate house-
Naturkategorien als Symbol für typische Normensysteme ist hold workers, hospital attendants, practical nurses, midwives, wait-
die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Die Erklärung für die resses..:, vgl. Slocum, a.a.O„ p. IOI
>Feminisierung< großer Berufsgruppen liegt unter fortgeschritte- zoo W. L. Warner, The Social System of a Modern Factory, New I-Iaven:
Yale University Press 194f, pp. 90 ff.

99
Frau im mittelständischen Familiensystem und kom1nen un- mit ihnen deckt, wird der Voraussagewert von Testergebnissen
1nittelbar der Erhaltung betrieblicher Herrschaftsverhältnisse dadurch beeinträchtigt, daß die von Arbeitnehmern aufgebaute
zugute, ohne dabei irgendeinen Beitrag zur »Produktivität« der »self-conception«, also die Gesamtheit der bei beruflicher Ar-
Arbeit zu leisten. beit befolgten Orientierungen und Normen, die Aktualisierung
der im Test ermittelten Qualifikationen verhindern kann. Die
»Management can pay low rates to vromen employees without arou-
Entwicklung von self-conceptions ist aber ein sozialpsychologi-
sing any great resentment on the part of workers, male or female ...
Foremen feel . , , that large groups of '\Vomaii operatives do not con-
scher Prozeß, der konkrete situationsgebundene Auseinanderset-
stitute the potential serious threat to the operation of controls that zungen mit der organisatorischen I-Ierrschaftsstruktur wider-
man operatives do. This is because women seem not to develop the spiegelt und deshalb nur begrenzt in ein Schema individual-
social solidarities in their working relations that men do ... Lack of psychologischer Voraussage eingefangen werden kann. Selbst
solidarity among warnen was mentioned as one of the managerial con- wenn solche wissenschaftlichen Beurteilungsverfahren aufgaben.-
siderations that increase their desirability as employees.« rnt adäquat operieren, entgingen ihnen wichtige Determinanten <les
tatsächlichen Arbeitsverhaltens. Aus diesen1 Grund kritisiert
Auf der Ebene des gesamten Arbeitsmarktes hat das Ausmaß schon Mayo die naive Anwendung psychologischer Berufstests:
der askriptiven Berufsverteilung übrigens zugenommen: der
Feminisierungsgrad der berufsstatistischen Kategorie »clerical » The belief that the behavior of an individual within the factory can
and kindred workers« ist von 1940 bis r965 in den USA um be predicted before employment upon the basis of a laborious and
32 O/o gestiegen und liegt jetzt bei 70 O/o. 102 minute examination by tests of his technical and other capacities is
Der umgekehrte Fall der >negativen< Askription liegt dann vor, mainly, when not wholly, mistaken. Examination of his developed
social skills and his general adaptibility might give better results. The
wenn durch die Verwendung askriptiver Merk1nale Arbeitneh-
usual situation is that after employment the relarion to >the team< will
mer mit abweichenden Orientierungen daran gehindert werden
go far to <letermine the use he n1akes of such capacities as he has deve-
sollen, auf bestimmte Arbeitsplätze zu gelangen. Dieselbe Un- loped.« 103
terscheidung ergibt sich zwischen den beiden Gruppen der in-
stitutionellen Verkoppelung. Aber selbst diese von Mayo vorgeschlagene Alternative einer
Ein Einwand ist vorwegzunehmen: Gegen die These der zu- Prüfung individueller Anpassungsfähigkeit ist fragwürdig, weil
nehn1enden askriptiven Statuszuweisung spricht scheinbar die diese als Element der Berufsrollenidentität erst am Arbeitsplatz
oft beobachtete Verbreitung wissenschaftlich rationalisierter, selbst zustandekommt und modifiziert wird. Die Bedeutung
meist psychologischer) Testverfahren, die bei der Rekrutierung von Kriterien, die gar nicht unmittelbar mit der Erfüllung der
und Beförderung von Personal angewendet werden. Sind es Arbeitsaufgabe zusammenhängen, fi.ir die )>Bewährung« am
nicht gerade die zentralen Rollenelen1ente, auf die solei1ie prädik- Arbeitsplatz geht auch aus dem Verteilungsmuster der Ent-
tiven Tests i:nit großem Raffinement abzielen? Wenn ja, würde lassungsgründe hervor:
das dem behaupteten Bedeutungszuwachs askriptiver Kriterien
widersprechen. Allerdings spricht wenig für eine solche An- ,,.zahlreiche Studien haben gezeigt, daß die Unfähigkeit, mit Arbeits-
nahn1e. Berufseignungs- und Einstellungstests haben zunächst kollegen und Vorgesetzten auszukommen, ein häufigerer Entlassungs-
nur die Funktion, ein ad1ninistrativ festgelegtes Qualifikations- grund als Leistungsunfähigkeit ist.« 104
minimum als Maßstab anzulegen; dieser Standard braucht nicht
in Übereinstimmung 1ni.t den tatsächlichen funktionalen Anfor- Die vier Gruppen extrafunktionaler Kriterien, an denen sich
derungen eines Arbeitsplatzes zu stehen. Selbst wenn er sich
103 E. Mayo, The Social Problems of an Industrial Civilization, Harvard
Univ. Press 1945, p. rrr; vgl. auch W. H. Whyte, The Organization
Man, London: Penguin Books 1960
101 a.a.O., p. 97 104 D. C. Millcr und W. H. Form, Industrial Sociology: The Sociology of
ro2 Berechnet nad1 Slocun1, a.a,0., p. 102
Work Organizations, New York; Harper & Bros., 1955, p. 208

IOO
IOI
Rekrutierung und Beförderung in Arbeitsorganisationen orien- sonal preferences inevitably enter in son1c cxtent. Personal relations
tiert, werden bei der Diskussion der folgenden empirischen Be- skill may be fully as important as occupational competence in some
lege nicht scharf getrennt. Besonders zum l(riterium der Er- organizations.<:< rna
folgsstandards fehlen gesonderte systematische Untersuchungen.
Alle industrie- und betriebssoziologischen Forschungen stimmen Das Statuskriterium »Ausbildungsstandards« funktioniert in
darin überein, daß die entscheidende Instanz für den innerbe- einer Weise, die verschiedene Formen der subtilen Verschränkung
trieblichen Aufstieg die jeweils unmittelbar vorgesetzte Posi- von zentralen und peripheren Rollenelementen zeigt. Die struk-
tion in der Hierarchie ist. 1 05 Zur Frage der Erfolgsbeurteilung turelle Beschränktheit der Urteilsfähigkeit von Arbeitgeber-
durch Vorgesetzte ist ein unberücksichtigtes Nebenergebnis in- instanzen hinsichtlich derjenigen funktionalen Qualifikationen,
teressant, das Foa tos bei der Untersuchung eines Textilbetriebes die von Arbeitnehmern in organisations-externen Ausbildungs-
fand. Diese Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen dem prozessen erworben werden, haben v1ir bereits erwähnt. Hinzu
Grad der persönlichen Bekanntschaft von Meistern und Arbei- kommt, daß die in Abset1lußzeugnissen, Diplomen usw. von
tern und den Bewertungen, die die Meister über die Leistungen den Ausbildungsinstitutionen abgegebenen Beurteilungen, auf
der Arbeiter abgeben. Falls man nun - wie Foa - eine Kausali- die sich eine individuelle Qualifikationsbewertung stützen
tät in der Richtung Leistung - Bekanntheitsgrad in diesen Zu- könnte, viel zu geringe Differenzierungen enthalten, um eine
sammenhang hineininterpretieren will, so wäre zu erwarten, Basis für Zulassungs- und Beförderungsentscheidungen abgeben
daß die Extremgruppen, also die »besten« und die »schlechte- zu können: teilweise wird nur nach einen1 Ja/Nein I'C.riterium
sten« Arbeiter, durch ihre Leistungen am stärksten auffallen und die generelle Berufstüchtigkeit des Absolventen bestätigt, zum
deshalb den größten Bekanntheitsgrad erreichen. Dies traf je- anderen Teil beschränken sich die berufsvorbereitenden Aus-
doch nicht zu. Vielmehr wurde gefunden, bildungseinrichtungen auf eine Skala der individuellen Bewer-
tung, die nur wenige Stufen enthält und deshalb allenfalls ex-
»that the supervisor is well acquainted largely with the top workers treme Qualifikationsgruppen als solche ausweist, wähl'end eine
and not-so-good workers, while the very poor and somewhat good breite Mittelgruppe keine >Von außen< erkennbare Qualifika-
workers are rather unknown to him.« 1 0 7 tionsunterscheidungen erhält. Die so entstehenden Inforn1::i.tions-
lück:en müssen von den rekrutierenden Instanzen, wenn über-
Aus diesem asymmetrischen Verteilungsmuster des Bekannt- haupt eine individuell differenzierende Auslese stattfinden soll,
schaftsgrades läßt sich ein Hinweis darauf ableiten, daß »Lei- notwendig durch symbolische Substitute ausgefiHlt werden, die
stung{< nicht der einzige Faktor ist, der Bekanntschaft verur- sich auf periphere Rollenelemente beziehen. So kommt es zu
sacht, und daß der Bekanntschaftsgrad umgekehrt die Leistungs- dem Widerspruch, den Collins in seiner Untersuchung über
beurteilung beeinflußt. Auf die Ambivalenz des Urteils von ethnische Statusunterschiede herausstellt:
Vorgesetzteninstanzen, bei denen noch am ehesten die Kompe-
tenz zur objektiven Einschätzung zentraler Rollenelemente zu »lt is one of the shibboleths of modern management that advance-
unterstellen wäre, weist auch Slocum hin: ment from job to job must be based on efficiency. By >efficiency< is
meant the capacity to do work ... Once, however, several candidates
::oln most organizations organized on a bureaucratic basis, promotions are admitted to possess the technical efficiency required for perfor-
are supposed tO be based on merit, but subjective elements such as per- mance of the work (dies ist es, was durch Ausbildungszertifikate be-
stätigt wird, C. 0.), other qualifications become important.« 109

105 Vgl. Th. Cap!ow, The Sociology of Work, Minneapolis: University of Hier erv1eist sich wieder der paradoxe Prozeß der Aushöhlung
Minnesota Press, 19}4
!06 Vgl. U. G. Foa, Types of Formal Leaders: Their Role-Perception and
In-Group Contacts, Transactions of the Second World Congress of ro8 Vgl. Slocum, p. 2.p
Sociology, London r954, Vol. I, pp. tto-rr4 109 0. Collins, Ethnic Behavoir in Industry, AJS 51 (1946), pp. 293-29g,
ro7 a.a.O., p. I I I hi{:r p. 293

102
ro3
des Leistungsprinzips, der gerade durch seine starre Sanktionie- how to adapt themselves to it, pro1notions are made year after year
rung befördert wird; für den individuellen Status und das be- without, in the majority of cases, conflicts developing.« 113
rufliche Schick:sal werden solche - leistungsfremden - Qualifi-
kationen nlaßgeblich, die einem herrschenden System von In- Die Studie von Collins zeigt, wie askriptive Merkmale die
teressen und kulturellen I.\Jormen komple1nentär sind. Collins funktionalen Qualifikationen, die eine individuell differenzie-
hat den Sonderfall askriptiver Statuskriterien untersucht, die rende Bewertung allein nicht zulassen, gleichsam als zweite
sich auf die Naturkategorie der ethnischen Herkunft stützen. Schicht überlagern und so als zusätzliches Kriteriun1 auf Berufs-
Sie sind, so zeigte sich bei der teilnehmenden Beobachtung der status und l\tlobilitätschancen Einfluß gewinnen. Vor allem in
Mobilitätsprozesse in einem Industriebetrieb, als ein »pattern den höheren organisatorischen Rängen dürfte auch der umge-
of ethnic job expectations, sponsorship, and rejection« 11 0 in der kehrte Fall bedeutsam sein: durch die Mechanismen der Koop-
Lage, die organisatorische Hierarchie mit der ethnischen Schich- tation oder Protektion wird aufgrund extrafunktionaler Quali-
tung in eine fast vollko1nmene Parallele zu bringen: fikationen oder ideologischer Konformität ein Status zugewie-
sen, den auszufüllen das beförderte Organisationsmitglied die
» Whatever other considerations may have been involved in the pro- funktionalen Qualifikationen noch gar nicht besitzt. Diese müs-
motion of employees, one of the key issues was always the ethnic sen nachträglich erworben werden, damit die Übernahme des
identi:fication of the individual proposed for promotion. Nationality neuen Status legitimiert werden kann. Wenn dieser Prozeß ab-
or race was almost never explicitly declared to be a consideration in geschlossen ist, ist zwar eine relative Ubereinstirnmung zwischen
these Situations but was always present ... Large areas of the plant Status und Qualifikation wiederhergestellt; genetisch betrachtet,
hierarchy are almost completely occupied by members of one ethnic
ist jedoch der Mechanismus der Statusveränderung von askrip-
group.« 111
tiven oder anderen peripheren Rollenele1nenten ausgelöst wor-
den. Stone hat diesen Typ der Beförderung an »college-trai-
Wo die ethnische Zugehörigkeit nicht schon aufgrund äußer-
ning«-Kursen beobachtet, zu denen Angestellte von ihren Be-
licher Merkmale, wie Hautfarbe usw., erkennbar war (z. B. bei
trieben beurlaubt oder delegiert werden, um sich die I(enntnisse
der Unterscheidung von irischen und polnischen Einwanderern),
anzueignen, die sie in einer höheren Position benötigen. Da die
wurde der I'.Jame als Indikator für ethnische Herkunft benutzt.
Auslese für solche Kurse definitionsgemäß sich noch gar nicht
Als Reaktion auf diese Praxis der Betriebsleitung, so beobachtete
auf vorhandene Qualifikationen für die höhere Position stützen
Collins, wurden von einigen Arbeitern die Familiennamen ge-
kann, muß sie von anderen Aspekten des beruflichen Verhaltens
wechselt, um die Chancen des innerbetrieblichen Aufstiegs zu
verbessern. 112 Trotzdem war bei allen Betroffenen, auch den
diskriminierten Gruppen, die Selbstverständlichkeit bemerkens- 113 a.a.O., p. 295; C. W. Mills zitiert in White Collar, New York: Ox-
ford University Press 1956, einen Ausschnitt aus einem Interview, in
wert, mit der sie die Mechanismen der ethnisch deter1ninierten dem ein Krankenhausverwalter über die Einstellungskriterien für Assi-
Statuszuweisung akzeptierten; diese Tatsache dokumentiert die stenzärzte befragt wird (p. 120). Dieser Ausschnitt zeigt zweierlei:
wechselseitige Stabilisierung von Berufs- und Nationalitäten- erstens, daß bei der Einstellung von .Arzte11 askriptive und ideologisd1e
Kriterien die funktionalen nicht nur ergänzen, sondern sogar ersetzen
rolle. können; zweitens, daß von Seiten der Organisation genau die Krite-
rien als maßgeblich für die Personalpolitik angesehen werden, in denen
»Since members of both management and labor have learned to re- auch die Assistenzärzte einen markanten Wechsel der Berufsrollen-
identität vornehmen; vgl. oben S. 70 ff. ~ »Üne hospital ad1ninistra-
cognize this system of ethnic job expectations and know fairly well tor told ... how interns are selected: >The rnain qualification as far
as 1 can see is »personality«, Now that is an intangible sort of thing.
It means partly the ability to mix well, tO be humble to older doctors
1 IO ebd. in the correct degree, and to be ablc to assume the proper degree of
III ebd., p, 293/5 superiority toward the patient. Since all medical schools now havc
!12 Dieses Beispiel zeigt übrigens in extremer Weise, wie die >Identität< grade A there is no point in holding competitive examinations .. , An-
unter dem Druck beruflicher Aufstiegsmotivationen extrafunktionalen other reason for not holding competitive examinations for internships
Kriterien angepaßt und unterworfen wird. is that there are a lot of Jews in medicine ! o:

104 105
ausgehen. Es handelt sich also um die askriptive Zuweisung von ~preferred lawyer - the personable man from one of the select eastern
Qualifikations- und Lernchancen, deren Nutzung dann zur Be- law sch.ools, who graduated with honors from an Ivy League college,
gründung eines besseren Status verwendet werden kann. Durch and was at the top of his law schoo! class.«< 11 s
berufliche Fortbildungskurse und ähnliche Einrichti.Jngen werden
»differential advantages which 1nay ex.ist on an informal level Solche Auswahlkriterien sind bisher vornehn1lich an den >pro-
... legitirnized and made part of official policy<~.114 fessions< studiert worden, und es ist unklar, ob andere Status-
Den negativen Komplementärfall dafür, daß Lernchancen nach und Berufsgruppen im gleichen Umfang von ihnen betroffen
peripheren Verhaltensmerkmalen verteilt und so die inner- sind. Die Wirksamkeit askriptiver und anderer extrafunktio-
betrieblichen Aufstiegsprozesse reguliert werden, beschreiben naler Statuskriterien ist jedenfalls auch für die unteren Ränge
Becker und Strauss; die Chance zur Teilhabe an aufstiegs- der Arbeitnehmerschaft gut belegt. Dafür, daß diese Kriterien
relevantem Leistungswissen kann erst durch den Nachweis er- in den »professions« und wohl auch im kaufmännischen Sektor
worben werden, daß man zur Loyalität mit den Interessen und eine besondere Rolle zu spielen scl1einen, bietet sich eine ein-
Normen der vorgesetzten Statusgruppen bereit ist; andernfalls fache Erklärung an. In diesen Bereichen sind nämlich in der
werden Lern- und Mobilitätschancen verweigert. Berufsrolle zwei Bezugsgruppen vorgesehen, denen die Maß-
stäbe zur kompetenten, sachlichen Bewertung funktionaler
»Such systematic withholding of training may mean ... tl1at an indi- Qualifikationen typischerweise fehlen und die deshalb auf sym-
vidual can qualify for promotion by performance only by shifting bolisc,'le Anhaltspunkte für individuelle Qualifikation ange-
group loyalties.c 115 wiesen sind. Es handelt sich um die Bezugsgruppen der Kunden,
Klienten, Patienten usw. einerseits und Vorgesetzte und Kolle-
Einern ähnlichen Mechanismus unterliegt der Prozeß der Aus-
gen andererseits. Die symbolischen Bewertungen beider Grup-
wahl und Einarbeitung von Nachfolgern durch das ausschei-
pen haben Einfluß auf den Erfolg der Organisation. Im Unter-
dende Organisationsmitglied. 116
schied dazu weisen relativ >geschlossene< Organisationen typi-
Die Rekrutierungsmaßstäbe, die bei der Einstellung juristisch
scherweise Berufsaufgaben auf, in denen die Interessen der Or-
geschulten Personals von großen Rechtsanwaltbüros angelegt
ganisation schon dadurch gewährleistet werden können, daß die
werden, sind in einer Studie von Smigel 111 untersucht worden.
peripheren Elemente des beruflichen Verhaltens sich in Über-
Sie macht deutlich, daß die hohe Bedeutung der Ausbildungs-
stätte eines Kandidaten nicht vorwiegend auf zentrale Rollen- einstimmung mit nur einer Instanz, nä1nlich der vorgesetzten,
elemente, sondern auf die kulturelle Vorauswahl, die von diesen befinden. Der Erfolg von Organisationen wie Rechtsanwalts-
Institutionen getroffen wurde, sowie auf ihren Prestigewert ab- firmen, Krankenhäusern, Handelsunternehmen hängt aber da-
zielt. Die untersuchten Reei1itsanwaltsfirmen von ab, daß die Mitglieder der Organisation 1. die ihnen zur
Verfügung stehenden Handlungs- und Entscheidungsspielräume
»Vlant men who have pleasing personalities, are from the >right< im Sinne der herrschenden Interessen ausfüllen, zu denen sie
schools with >right< social backgrounds, ha:ve a )clearcut• appearance, daher in einem Verhältnis grundsätzlicher Loyalität stehen müs-
and are endowed with tremendous Stamina.«
sen, und daß sie außerdem 2. gegenüber der anderen Bezugs-
Die Firmen konkurrieren untereinander um den gruppe (Kunden usw.) Merkmale des beruflichen Verhaltens
repräsentieren, die in deren - prinzipiell extrafunktionalen -
r14 R. C. Stone, Factory Organization and Vertical Mobilicy ASR x8 Bewertungsschemata einen hohen Rang einnehmen. Da sich die
(1953), PP· 28-35, hier: p. 30 ' extrafunktionalen Bewertungskriterien von Kunden und Vor-
r r 5 H. S. Becker und A. L. Strauss, Careers, Personality <i..nd Adult Soci;1.-
1ization, AJS 62 (1965), pp. 253-263, hi.er: p. 256/7 gesetzten nicht notwendig decken, ko1nmt es gleichsam zu einer
lt6 a.a.O.
117 E. 0. Smigel, The Impact of Recruitment on the Organization of the
Large Law Firm, ASR 25 (1960), pp. 56-66 II!! a.a.0., p. 57

106 107
Sum1nation von leistungsfremden I<.riterien. Für die Rechtsan- »Skill in pleasing appeared frequently to cause superiors not to see
waltsfirmen ließe sich aus dieser Überlegung die Erwartung ab- other qualities among. aspirants and in so1ne cases to appoint indivi-
leiten, daß I. die Zulassungsbedingung »eastern lavr school« den duals who later failed to perform as expected.« 110
Organisationsinteressen an einer bestin1mten ideologischen Ein-
Die gleiche ökono111ische Irrationalität kennzeichnet 2. diejeni-
färbung des Berufwissens entspricht, und daß 2. die Diskrimi-
gen Rekrutierungskriterien, die den peripheren Rollenelementen
nierung jüdischer Bewerber vom Organisationsinteresse daran
allein oder zusätzlich zu den zentralen bei der Zulassung zu
bestin1mt ist, antisemitischen Ressentimen,ts der 1'~.lienten Rech-
Berufspositionen Einfluß verschaffen. Die Anvrendung extra-
nung zu tragen und dadurch eventuellen >Unzufriedenheiten<
funktionaler und askriptiver Maßstäbe läuft nämlich durchweg
und der Abwanderung von Kunden vorzubeugen. Da in den
auf die Verknappung des Arbeitsangebots und damit auf die
vergleichsweise >geschlossenen< Organisationen wie Verwaltun-
Verteuerung der Arbeitsleistung hinaus. Das beschreibt Smigel
gen und Produktionsbetrieben die I-Iandlungspartner in den
für den Fall der Einstellung von Itechtsanwälten:
jeweils untergeordneten Positionen nicht in gleichem Maße Ein-
fluß auf die Beförderung von Organisationsinteressen haben,
))The continuing restriction against Jewish lawyers cuts down the
tritt dort der Mechanismus der askriptiven Statusbestin1mung number of potential recruits who meet at least the high academic
nicht in den überspitzten Formen auf wie in1 Handel und bei requirements demanded by the !arge firms . , , By eliminating so1ne
den »professions«. Diese Gruppen eignen sich deshalb besonders Jews from consi.deration the firms cut down their potential supply of
gut als Studienobjekte für extrafunktionale Definitionen von academically superior individuals.« 120
Berufsrollen.
Die außerordentliche Bedeutung, die institutionell abgesicherte Die extrafunktionalen Überschtisse in der institutionell gesic..1-ier-
Mechanismen der extrafunktionalen Rekrutierung und Beför- ten Berufsrollendefinition haben weitere Folgen, die sich in der
gleichen Richtung der Angebotsverknappung auswirken; denn
derung offenbar haben, kann man sich klarmachen, wenn man
sie etablieren ein Berufsrollenstereotyp, das sich bei der Aus-
unter betriebswirtschaftlichen oder arbeits1narktpolitischen Ge-
bildung von beruflichen Aspirationen und bei der Berufswahl
sichtspunkten die J(osten untersucht, welche von der Wirksam-
selektiv auswirkt.
keit solcher I<.riterien verursacht werden. Solc..J.ie Kosten lassen
_sich unter drei Gesichtspunkten feststellen: )) The range of diffusion of a public stereotype are crucial in deter-
Wir hatten schon darauf hingewiesen, daß I. Aufstiegsbewegun- mining the number and variety of young people from vrhom a parti-
gen zwischen Positionen mit unterschiedlichen Arbeitsaufgaben cular occupation can recruit.« 121
- diese sind typisch für Organisationen 1nit diskontinuierlicher
Qualifikationsstruktur - insofern Kosten verursachen, als bei Schließlich hat 3. E. Roper die volkswirtschaftlichen Verluste,
die sich aus askriptiven Zulassungskriterien ergeben, in einer
eine1n solchen Positionswechsel ein Teil des Berufswissens brach-
wohl etwas zu perfektionistischen Berechnung auf I 3 Milliar-
gelegt und ein anderer Teil neu erworben werden muß. Mit
den Dollar pro Jahr veranschlagt. Diese Verluste ergeben sich
solchen Aufstiegsbewegungen sind zeitraubende Umschulungen
aus dem askriptiven Verteilungsmuster der Arbeitslosigkeit 122
etc. sowie »Opportunity costs« verbunden. Zudem vermindert
und aus anderen Abweichungen von dem Modell einer rein
sich die Zuverlässigkeit der in einer Beförderung gelegenen Vor-
aussage über die Qualifikation für eine künftige Position in dem
Maße, wie periphere Elemente des Berufsverhaltens, etwa eine 119 M. Dalton, Informal Factors in Career Achievement, AJS 56 (19ro),
pp. 407-4Ij", hier: p. 414
erfolgstüchtige Selbstdemonstration, für den Aufstieg maßgeb- 120 Smig-d, a.a.O., p. 57
lich werden. Darauf hat Dalton in einer Untersuchung inner- 121 H. S. Bedcer und A. L. Strauss, Careers, Personality and Adult Socia-
lization, AJS 62 (r956), pp. 253-263, hier: p. 255
betrieblicher Mobilität hingewiesen: r22 Vgl. auch The Trinle Revolution, Manifest des Ad I-Ioc Commitree
on the Triple Revolution, Santa Barbara r964

ro8 109
funktionalen Allokation der gesamtgeseUsd1aftlichen Al.'beits- halt und Berufsfunktion hinweg durchhält, bedeutet dies, da!1
kraft. 123 urnfangreiche extrafunktionale Qualifikationen im Ausbildungs-
Aus der Tatsache, daß die Belastungen durch diese Typen von prozeß erworben und für die berufliche Mobilität bedeutsan1
Dysfunktionen und »opportunity costs« in dem beschriebenen werden. Im zweiten Teil seiner Untersuchung wendet sich Dal-
Ausmaß übernommen werden, ergibt sich ein negativer Hinweis ton dem 1v1echanisn1us der »insti.tutionellen Verkoppelung« zu
auf die Funktion askriptiver und anderer extrafunktionaler Be- und weist nach, daß folgende Aufstiegskriterien dieses Typs für
stimmungsgründe des beruflichen Status; offensichtlich tragen die Angehörigen des Managements n1aßgeblich waren:
sie in eine1n Umfang zur Stabilisierung eines organisatorischen
und kulturellen Herrschaftssystems bei, der die entstehenden »a) being member of Masonic Order, b) not being a Ro1nan Catholic,
c) having an ethnic background largely Anglo-Saxon and Germanic,
Kosten tolerierbar macht.
d) being a member of the ]ocal yacht club and e) being affiliated with
-Als Gewähr für eine bestimmte ideologische Einfärbung der
the Republican Party.,.,
Berufspraxis wird nicht nur die I-Ierkunft aus bestimmten Aus-
bildungsinstitutionen angesehen, sondern auch die Mitglied- Die Bedeutung der Kriterien nahm in der genannten Reihen-
schaft in arbeitsfremden Organisationen. In diesem Falle ergibt folge ab.
sich eine »institutionelle Verkoppelung« zwischen dem Berufs- Wichtiger als die Erklärung des wechselnden Inhalts der ein-
status und der Rolle in einem anderen Lebensbereich. Beide zelnen Aufstiegskriterien ist die Frage nach der Art und Weise,
Detern1inanten des beruflichen Status spielten eine Rolle in in welcher sie sich durchsetzen. Hier sind zwei Interpretationen
einer von M. Dalton 124 untersuchten Gruppe des Management möglich: die Prämiierung von Loyalitäten durch Aufstieg spielt
(n = 226). Seine Studie geht der Frage nach, »by which means sich r. auf einer Ebene relativ privater Sympathien, persönlicher
individuals rise to higher positions in organization«. 125 Zu- Beziehungen und individueller Protektion ab, oder sie ist 2. in-
nächst erwies sich die Dauer der Ausbildung als wichtige Deter- stitutionell gesichert, von persönlichen Präferenzen weitgehend
minante des I<..arriereerfolgs. Die nähere Analyse der Daten unabhängig und unmittelbar auf die organisatorischen Herr-
erwies jedoch, wie wenig maßgeblich das erworbene Ausbil- schaftsinteressen bezogen. Diese Alternative ist an der Studie
dungswissen für den innerbetrieblichen Aufstieg war. von Dalton nicht klar zu entscheiden: für die zweite lvlöglich-
>~ The data showed that only a minority of the managers were in po- keit spricht der relativ unpersönliche und kooperative Führungs-
sitions relevant to their schooling, while at least 62 per cent were stil, der moderne Industrieverwaltungen vom Typ des patriar-
engaged in duties not relevant to their formal schooling ... For chalischen Kleinunternehmens unterscheidet. Dagegen läßt die
example, the industrial relations department was headed by officers Zugehörigkeit gerade der einflußreichsten Kriterien zu relativ
with degrees in aeronautical and chemical engineering.« 125
privaten Lebensbereichen wie Religion und Freizeit eher auf die
Wenn sich der Einfluß der Ausbildungsdauer auf den beruflichen Richtigkeit der ersten Vermutung schließen. Diese Ambivalenz
Aufstieg iiber so extreme Differenzen zwiscilen Ausbildungsin- zeigt, daß der behauptete Zusammenhang extrafunktionaler
Selektionsprinzipien mit organisatorischen Herrschaftsinteressen
123 Vgl. E. Roper, Discrimination in Industry: Extravagant Injustice, Incl. jedenfalls nicht als zu direkt interpretiert werden darf. Der
and Lab. Rel. Rev. 3 (1951/.2), pp. 584-589; aufgrund demoskopischen
Materials versucht Roper eine vollständige Aufzählung der askriptiven Mechanismus leistungsunabhängiger Staatsbestimmungen orien-
Mechanismen, die in der Personalpolitik der Industrie eine Rolle spie- tiert sich an einem herrschenden subkulturellen Normensystem,
len. Er nennt: Diskriminierung nach Hautfarbe, Religion, Geschlecht,
Sprache, politische Orientierung, Nationalität, soziale Herkunft, Eigen- an dessen Konsolidierung und Reproduktion er mitwirkt. Er
tum und Erziehung. sanktioniert nicht nur ökonomische und bürokratische Herr-
124 M. Dalton, Informal Factors in Career Achievement, a.a.O.; vgl. zum
folgenden auch M. Dalton, Men Who Manage, New York: Wiley 1959, schaftsinteressen, sondern enthält umfassende Normierungen der
p. 161 ff. verschiedensten Lebensbereiche; der Kern herrschender Inter-
125 a.a.O., p. 407
126 a.a.O., p. 408
essen strahlt gleichsam auf die anderen Sektoren aus.

IIO III
Auf der anderen Seite perpetuiert dieser Mechanismus die Dis- von Produktion und Dienstleistung finden, in denen eine ver-
kriininierung kultureller Minoritäten. Formen der >negativen( gleichsweise naturnahe Technologie starken initiativen Einfluß
Askription finden sich vor allem bei Einwanderern, Flücht- einräumt, und wo direkte personale Herrschafts- und Beaufsich-
lingen, ethnischen und religiösen Minoritäten, Gastarbeitern tigungsverhältnisse die Funktion regulativer Normen für den
usw. Die funktionale Erklärung für diese Form der durch die Arbeitsvollzug reduzieren.
Arbeit vermittelten Unterdrüd,;:ung von Minderheiten liegt zu- Die Entscheidung zwischen diesen beiden Hypothesen fällt in-
nächst darin, daß ihr kulturelles f-Ierkunftsmilieu diese Gruppen sofern schwer, weil die beiden angenommenen >Reservate< kul-
mit abweichenden Orientierungen ausgestattet hat. Deshalb kön- tureller Minoritäten im Organisationssystem sich teilweise dek-
nen sie die regulativen Norn1en, die einen wachsenden Anteil ken. Der kombinierte Effekt beider Mechanismen wäre dann
der Arbeitsrolle ausmachen, sowie die >überschüssigen< extra- bestätigt, wenn sich die Überrepräsentation kultureller Minori-
funktionalen Definitionen von Berufsrollen nicht in gleicher täten in den unteren Statusgruppen relativ naturnaher Pro-
Weise erfüllen wie diejenigen, die mehr oder weniger spezifische duktions- und Dienstleistungsbetriebe nachweisen ließe. Un-
Formen einer industriellen Arbeitsethik schon im prilnären So- systematische Alltagserfahrungen stimmen mit dieser Annahme
zialisationsprozeß, in Schule und Berufsausbildung erworben überein: die Beschäftigung ausländischer (vor allem südeuro-
haben. Die Erklärung für ihre Diskriminierung läge also in der päischer) Arbeitnehmer war in der Bundesrepublik relativ be-
Gefahr unzureichender oder abweichender Nutzung der in der sonders hoc.a1i in den Sektoren der Grundstofferzeugung, der Me-
Arbeitsrolle gelegenen Handlungsspielräume, die sich aus der tallerzeugung, des Bauhandwerks sowie der Reinigungsdienste
spezifischen kulturellen >Ausstattung< dieser Gruppen ergibt. für private Haushalte (Putzfrauen, Wäschereien) und der Kom-
Diese Überlegung führt zu zwei Hypothesen über die Merk- munen (Stadtreinigung) Müllabfuhr usw.) und des Kraftfahr-
male derjenigen Positionen, in denen diskriminierte kulturelle zeug-Reparaturgewerbes.121
Gruppen überrepräsentiert sind. Man kann annehmen, daß sie Zuverlässigere Evidenz für den angenommenen Zusammenhang
sich I. in den unteren organisatorischen Statusgruppen finden, zwischen kulturell definierter Arbeitsteilung, technologisch be-
die mit geringerem Einfluß ausgestattet sind, weil in diesen Posi- stimmten Arbeitsanforderungen und dem Anteil normativer
tionen abweichende Orientierungen des beruflichen Verhaltens Elemente an der Berufsrolle liefert eine Untersuchung von No-
das herrschende Interessensystem weniger berühren und ver- sow, die einen lokalen Arbeitsmarkt auf die Wirksamkeit parti-
letzen können als in den höheren Statusgruppen. Auch wenn kularistischer und askriptiver Kriterien der Berufsverteilung
sich in diesen Gruppen abweichender Lebensstil in der Arbeit untersucht. Das Hauptergebnis stimmt 1nit unseren generellen
n1anifestiert, bleibt dies relativ folgenlos für die Funktions- Erwartungen überein; kulturelle Definitionen bestimmen die
fähigkeit des gesamten Arbeitssystems. Dieser Zusammenhang Arbeitsmarkt-Prozesse stärker als individuelle Leistungstüchtig-
ließe sich vielleicht an der Personalpolitik kommunaler Ver- keit:
kehrsbetriebe illustrieren, v10 Angehörige ethnisc..her Minori-
täten etwa als Schaffner, nicht aber als Fahrer von Autobussen »In all cases it was found that workers were concentrated as a group
und Straßenbahnen eingestellt werden. Obwohl in beiden Po- and that having particular skills did not determine the greater pro-
sitionen relativ große Spielräun1e für eine individuelle Intei:_- ?Ortion of the particular type of workers within the given indu-
stry.« 128
pretation der Berufsrolle gegeben sind, in1pliziert doch deren
autonome Ausfüllung in der Position des Fahrers größere orga-
nisatorische Risiken als in der des Schaffners. 127 Dieses technologisch bestimmte Muster askriptiver Arbeitsteilung dürfte
Zusätzlich ergibt sich 2. die Hypothese, daß der Mechanismus auch dann bestehen bleiben, wenn man Lohnniveau und Ausbildungs-
dauer der Berufe statistisch kontrolliert; doch sind darüber hier nur
der askriptiven Zulassung sich dahingehend auswirkt, daß Vermutungen möglich.
ethnische und kulturelle Minoritäten sich verstärkt in techno- 118 S. Nosow, Labor Distribution and the Normative System, in: S.
Nosow und W. H. Form (eds.), Man, Work and Society, pp. I 17-r26,
logisch und organisatorisch relativ zurückgebliebenen Zweigen hier: p. Il2

II2 IIJ
Für unseren speziellen Gesichtspunkt, die Konzentration be- Angestelltenhierarchien auf die Absicht der Kapitalistenklasse
stimmter kultureller Minoritäten, ist ein weiteres Ergebnis auf- zurückführt, die Angestelltenschaft zu spalten, zu disziplinieren
schlußreiei'ti. Bei der Aufschlüsselung der Gesamt-Diskrimination und vom Aufbau eines solidarischen I\.lassenbewußtseins abzu-
nach den vertretenen Wirtschaftszweigen: Bauindustrie, Trans- lenken. In entschärfter Form schließt sich Roper 1s1 dem an, _
portwesen, Dienstleistungsindustrie, Handel, Automobilindu- hier repräsentativ für die Intentionen vieler der zitierten Stu-
strie, Schmiede- und Gießereiindustrie und »andere Produk- dien: er plädiert für die Korrektur diskriminierender organisa-
tionszweige« zeigte sich bei Schmiede- unt;l. Gießereibetrieben die torischer Praktiken, deren Auswirkungen volkswirtschaftliche
größte >Aufnahmebereitschaft< für kulturelle Niinoritäten: Verluste und soziale Konflikte sind.
Maßstab der Kritik wie der Analyse ist in beiden Fällen ein
»Southern, Negro, and foreign born workers comprised 46.3 per cent
universalistisches, achievement-o ri en tiertes gesellschaftliches
of the workers in this industry while they were but 22.6 per cent of
the total workers in the sample.« 12 ~ Ordnungsmodell 132, das die Individuen ausschließlich nach ihrer
funktionalen Qualifikation für Arbeitsaufgaben einstuft und
Da die Schmiede- und Gießereibetriebe dem Typ der natur- dadurch ihren sozialen Status legitüniert. Dieses einhellig ak-
nahen Arbeit wohl am nächsten ko1nmen, können wir dieses zeptierte Ordnungsmodell sieht vor, daß sich die berufliche
Ergebnis so interpretieren, daß dieser Industriezweig am un- Position nach individuellen Qualifikationen bemißt, und der
empfindlichsten ist gegen abweichende kulturelle Orientierun- soziale Status sich aus der beruflichen Position ableitet.1aa
gen, die in das Verhalten am Arbeitsplatz eingebracht werden, Demgegenüber war es die Absicht der vorangegangenen Analyse,
und deshalb am wenigsten Wert auf askriptive Rekrutierungs- nicht die Abweichungen vom Leistungsprinzip unter Berufung
prinzipien legt. auf eine durch seine Normen gewährleistete gerechte Ordnung
zu kritisieren, sondern die Verbindlichkeit dieses Ordnungs-
modells selbst durch die Demonstration seiner Grenzen und
Die in den beiden Teilen dieses Kapitels erörterten Mechanis- Selbstwidersprüche zu erschüttern.
men der Ausstattung des beruflichen Selbstverständnisses nlit Die beschriebenen subjektiven und objektiven Mechanismen
peripheren Verhaltenselementen und der Rekrutierung und Be- der Statusverteilung sind nicht interessenpsychologisch erklär-
förderung nach extrafunktionalen Kriterien sind in der sozio- bare Abweichungen vom Leistungsprinzip, sondern Konse-
logischen und sozialkritischen Literatur durchgehend als Ab- quenzen seines unvermindert institutionalisierten Geltungsan-
weichungen von der Norm eines gerechten, eben leistungsorien- spruchs. Dieser Anspruch trifft auf technologisch und organi-
tierten Verteilungsmusters des sozialen Status behandelt worden. satorisch determinierte Arbeitsbedingungen, unter denen die
Für die Verletzungen einer prinzipiell als realisierbar und legi- fortgeschritteneren Formen der Arbeit nicht mehr die Voraus-
tim vorgestellten Norm tauchen zwei Modelle der Erklärung setzungen erfüllen, deren es bedarf, um das Leistungsprinzip zur
auf. Entweder werden sie auf psychologische Mechanismen zu- Geltung zu bringen. Diese Diskrepanz verschiebt den Ansatz-
rückgeführt; das tut Ichheiser mit seiner Annahme, daß durch punkt des Leistungsprinzips gleichsam auf den Rand der Ar-
Leistung nicht gerechtfertigte Erfolge aufgrund einer macchia- beits- und Berufsrolle, zumal die Voraussetzungen zur Erfüllung
vellistischen Erfolgsted1nik und Durchsetzungsfähigkeit der er- dieser Rollen selber nicht länger auf die Kategorie technischer
folgreichen Individuen zustandekommen, mit deren Hilfe sie sich Regeln beschränkt sind, sondern normative Orientierungen in
einer >gerechten< Bewertung entziehen. Das andere Modell geht sich aufnehmen. Der verschobene Focus des Leistungsprinzips
von einem Komplex herrschender Interessen aus; ihm folgt
Dreyfuss 130, wenn er die ideologische Statusdifferenzierung in 131 E. Roper, Discrimination in Industry: Extravagant Injustice, a a.O.
132 Vgl. T. Parsons, The Social System, New York: The F:ee Press 1951,
PP· 63-65
129 a.a.O., p. 119; p kleiner als 0.001
133 Vgl. auch K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, Berlin r955, S.
130 C. Dreyfuss, Prestige Grading: A Mechanism of Control, a.a.O. 22-25

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verändert dessen Funktion: die rationale Allokation individuel- 4. Kapitel
ler Produktivkraft, die wenigstens den kritischen Sinn, wenn Leistungsprinzip und Arbeitseinkommen
auch nien1als die gesellschafl:lidie Wirklichkeit des Leistungsprin-
zips in früheren Phasen der industriellen Arbeit begründete, per-
vertiert sich in ein disziplinierendes System der Statusverteilung,
das die Integration herrschender kultureller Werte und Interes-
sen in die Berufsrolle prämiiert und dadurch subkulturelle Kol-
lektive nach nicht-öffentlichen Wertstandards einstuft. Wenn es
deshalb das Leistungsprinzip selbst ist, das diejenigen Phäno-
mene strukturell hervorbringt, die bislang als seine Verletzung
interpretiert wurden, so können die von extrafunktionalen Defi- Der soziale Status von arbeitenden Individuen wird nicht nur
nitionen der Berufsrollen auferlegten Diskriminierungen und durcl1 den Status ihrer Berufsposition in organisatorischen Hie-
Verhaltenskontrollen nicht länger unter Berufung auf ein tradi- rarchien begründet, sondern bestimmt sich zusätzlich durch die
tionelles Verteilungsmodell kritisiert werden, das an der Legiti- Höhe ihres Arbeitseinkommens. Die beiden Statusdimensionen -
mation unterschiedlicher sozialer Lebenschancen durch erwiesene Berufsposition und Arbeitseinko1nmen - sind o·ff~nsichtlich nicht
individuelle Qualifikation festhält. Unabh~niig voneinander. Da jedoch bei der Besti1nmung des in-
Jede inögliche Alternative zu diesem Verteilungsmodell beträfe dividuellen Arbeitseinkommens andere Mechanismen eine Rolle
freilich nicht nur die institutionalisierten Mechanismen der Re- spielen ais bei der Bestimmung und Veränderung der Berufs-
krutierung und Berufsmobilität, sondern ebenso die komplemen- position, und weil die herrschende Ordnungsvorstellung des
täre Ebene subjektiver Motive und Aspirationen: die Obernahme Leistungsprinzips sich mit ganz besonderem Nachdruck auf die
und der Wechsel von Berufsrollen dürften nicht durch die Gegen- Statusdimension der materiellen Entschädigung richtet, ist eine
leistung relativer individueller Statusvorteile, sondern sie müß- gesonderte Behandlung dieser Dimension gerechtfertigt. Wir
ten durch andere Motivgruppen gestützt sein; ihr Auftauchen werden deshalb in diesem Kapitel einige Bestin1mungsgründe
braucht freilich unter den entlastenden technologischen Perspek- der Lohnhöhe, der Lohndifferenzen zwischen Individuen und
tiven der Gegenwart kein utopisches Postulat 1 a4 n1ehr zu sein. Positionen sowie schließlich die Funktionen untersuchen, die die
herrschenden Mechanismen der Einko1nmensverteilung in Orga-
nisationen für das Arbeitsverhalten haben.

»In der verkehrswirtschaftlichen Auffassung der abhängigen Arbeit ...


spielt erstmals der Leitgedanke der Arbeitsleistung eine konstitutive
Rolle für die Lohnstruktur. An die Stelle der sozialen Geltungshierar-
chie soll die Leistungshierarchie treten, wobei Leistung einmal durch
den Marktwert, das andere Mal durch den effektiven I\.raftaufwand,
bezogen auf eine technische Norm, festgestellt werden kann.« 1

Ob dieser Leitgedanke tatsächlich die ihm allgemein zugeschrie-


bene Rolle spielt, wird schon angesichts der Tatsache fragwürdig,
daß erhebliche Teile des in industriellen Gesellschaften (außer-
x34 Marx hielt die Abschaffung des abstrakt-egalitären leistungsabhängi- halb des Vermögenssektors) entstehenden Einkommens politi-
gen Prinzips der Statusverteilung unter der (historischen) Bedingung
für möglich, daß Arbeit nicht ebenfalls ,..abgeschafft«, sondern vielmehr
„zum ersten Lebensbedürfnis geworden« ist; a.a.O., S. 13/24; vgl.
allerdings auch ders., Das Kapital, Bd. III, S. 873 f. 1 F. Fürstenberg, Probleme der Lohnstruktur, Tübingen 1958, S. 75

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