Rheumatologie
Kasuistiken
Einleitung stands mit Fieber bis 39 °C. Stuhlgang Der Patient berichtet von einer Penicil-
und Miktion wären unauffällig. Zu nen- lin-Allergie.
Die septische Arthritis ist eine wich- nende relevante Nebendiagnose ist eine
tige Differenzialdiagnose bei immun- HIV-Infektion (ED: 01/07), welche zu- Klinischer Befund
supprimierten Patienten. Auch ohne vor antiviral mit 1-mal täglich Bictegravir
ersichtlichen Infektionsfokus oder Her- 50 mg, Emtricitabin 200 mg und Tenofo- Klinisch zeigte sich ein kachektischer
gang sollte ein möglicher Erregerbefall vir 25 mg behandelt wurde. Des Weiteren Patient in deutlich reduziertem All-
im Zweifel durch eine Gelenkpunktion liegen eine chronische Hepatitis B mit gemeinzustand. Es ergaben sich keine
abgeklärt werden. Die Diagnose er- Nachweis von HBV-DNA mittels PCR Anzeichen auf eine kardiale oder respira-
folgt aus dem Gelenkpunktat mit einer sowie eine Hepatitis-C-Infektion (Geno- torische Problematik. Die Körpertempe-
stark erhöhten Zellzahl (regulär >50.000 typ 1b) vor. Die HIV-Basistherapie wurde ratur wurde bei 38,3 °C im Ohr gemessen.
Zellen) sowie dem mikrobiologischen nach Angabe des Patienten selbstständig Bei der klinischen Untersuchung zeig-
Erregernachweis. Die Verlaufskontrolle abgesetzt, wodurch ein Abfall der CD4+- te sich eine deutliche Schwellung und
erfolgt klinisch sowie laborchemisch. Helferzellen von während der Therapie Rötung des linken Kniegelenkes mit
Die Therapie stützt sich auf 2 Säulen: die 1200/μl auf 635/μl zu messen ist. Es er- begleitendem Erguss sowie massivsten
angepasste antibiotische Therapie und folgte keine gesonderte Therapie der He- Schmerzen bei Bewegung. Die rechte
eine Drainage oder – bei implantierten patitiden. Bei Zustand nach i.v.-Drogen- Schulter wies ein positives Kapselmus-
Materialien – eine offene chirurgische abusus befindet sich der Patient in einer ter (schmerzhafte Außenrotation und
Entfernung des infektiösen Materials aus Substitutionstherapie mit L-Polamidon. Abduktion) auf. Weiterhin stellten sich
dem Gelenk. druckschmerzhafte Schwellungen der
Fallbeschreibung
Anamnese
Es wird über einen 46-jährigen Patienten
berichtet, der sich in unserer rheumato-
logischen Ambulanz mit Polyarthralgien
vorstellte. Der Patient berichtete von seit
4 Tagen bestehenden, starken Schmer- Abb. 1 9 Mikro-
zen (7/10) diffuser Natur, welche in der skopische Untersu-
rechten Schulter, dem linken Knie so- chung des Gelenk-
wie der Hals- und Lendenwirbelsäule be- punktats, zu sehen
stünden. Ein Trauma oder eine Verlet- ist eine deutliche
Leukozytose mit ei-
zung jeglicher Art wurden als Auslöser nem hohen Anteil
verneint. Seit 2 Tagen zeige sich jedoch neutrophiler Granu-
eine Verschlechterung des Allgemeinzu- lozyten
Handgelenke dar. Ein eigenständiger kulturelle Auswertung zeigte im Verlauf belsäule wurde notfallmäßig zudem ei-
Gang war schmerzbedingt nicht mehr Staphylococcus aureus ohne Resisten- ne holospinale MR-Diagnostik durchge-
möglich, weshalb der Patient mit einem zen gegen Penicillin G, Cephalosporine, führt. In dieser stellte sich eine Spondy-
Rollstuhl bewegt wurde. Ruhiges, auf- Vancomycin oder Clindamycin. Nach Si- litis der HWK 4–7 mit paravertebralem
rechtes Sitzen wurde durch Schmerzen cherung der bakteriellen Arthritis durch und epiduralem Abszess dar (. Abb. 1).
der Hals- und Lendenwirbelsäule nur Punktion des Kniegelenkes wurde eine Hinweise auf eine Myelopathie konnten
kurzzeitig toleriert. Auffällig war ein stationäre Aufnahme durch die orthopä- nicht erbracht werden. Trotz ausführli-
ausgeprägter Wirbelsäulenklopfschmerz dischen Kollegen der Universitätsklinik cher Aufklärung der möglichen Kom-
über der gesamten Wirbelsäule. Bonn zur Einleitung einer empirischen plikationen bei Verzicht auf eine Ope-
antibiotischen Therapie veranlasst. Diese ration wurde durch den Patienten die
Labor erfolgte mit 1,5 g Vancomycin i.v. 1-0-1 Weiterführung der konservativen The-
in Kombination mit 5 g Fosfomycin i.v. rapie mittels i.v.-Antibiose und i.v.-An-
Laborchemisch waren bei Aufnahme ein 1-0-1. Vor Beginn der antibiotischen algesie ohne jegliche invasive Maßnah-
erhöhtes CRP von 172 mg/l sowie im Therapie wurden periphere Blutkultu- men gewünscht. Unter dieser Therapie
Blutbild normwertige Leukozyten mit ren gewonnen, in welchen ebenfalls zeigte sich ein langsamer Rückgang der
7,8 G/l und eine Neutrophilie mit 85,6 % Staphylococcus aureus anzüchtbar war. Beschwerdesymptomatik mit Verbesse-
ersichtlich. Die Bestimmung der HI-Vi- Nach Abwägung wurde bei bestehender rung der Entzündungsparameter (CRP:
ruslast im Blut ergab eine nachweisbare Penicillin-Allergie und besonderem Aus- 82 mg/l; Leukozyten 13 G/l).
HIV-RNA von 1278 Kopien/ml. Mittels maß der Erkrankung die antibiotische Nach 4 Tagen antibiotischer Therapie
PCR konnte ein Nachweis von HBV- Therapie beibehalten. Es erfolgte eine klagte der Patient über ein zunehmendes
DNA mit <30 iU/ml erbracht werden. Immobilisation des Kniegelenkes. Eine Schwächegefühl des linken Armes. Kli-
Eine Bestimmung der HCV-RNA zeigte arthroskopische Spülung wurde durch nisch zeigte sich ein beginnendes Kraft-
1,9 Mio. iU/ml. den Patienten bei allgemeiner Skepsis defizit des linken Triceps brachii (4/5).
gegenüber der ärztlichen Behandlung Im linken Kniegelenk waren weiterhin ei-
Therapie und Verlauf abgelehnt. Von einer zusätzlichen dia- ne größenkonstante Schwellung und Er-
gnostischen Punktion des Schulterge- wärmung tastbar. Eine erneut angefer-
Aufgrund der massiven entzündlichen lenks und der Handgelenke wurde bei tigte MR-Untersuchung der Halswirbel-
Kniegelenkschwellung wurde eine Knie- geringen Entzündungszeichen und nicht säule zeigte eine Zunahme des intraspi-
gelenkpunktion durchgeführt. Diese er- punktionswürdigem Erguss der Gelenke nalen Empyems, insbesondere in Höhe
gab 70 ml eitrig, trübes Punktat (. Abb. 1) abgesehen. C5/6 und C6/7, sowie eine beginnende
mit 110.000 Leukozyten/μl. Mikrosko- Spondylodiszitis (. Abb. 2). Nach erneu-
pisch imponierten hauptsächlich stab- Mikroskopisches Bild des ter Aufklärung über die Dringlichkeit ei-
kernige neutrophile Granulozyten. Die Gelenkpunktats ner Infektsanierung stimmte der Patient
Gram-färbung des Punktats ergab den einem operativen Vorgehen zu. Folglich
Nachweis von mäßig vielen grampositi- Aufgrund massiv ansteigender Schmerz- wurden zur Infektausräumung eine Ar-
ven Haufenkokken. Eine anschließende symptomatik im Bereich der Halswir- throskopie des linken Kniegelenks so-