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Das große Lied vom kleinen Geld (aus: Also sprach Zarathustra vom Gelde)

© Christof Wahner 2011

Am Anfang war das weite Meer und eine Menge Muscheln.


Und sämtlicher Geschlechtsverkehr erfolgte ohne Kuscheln.
Das stete Auf und Ab der Wellen war den Muscheln gut genug.
Es glättete die rauen Stellen am gesamten Muschelbug.
Aus wolkig1-tiefer, stiller See gebar das Meer in einem Nu
die allerliebste Märchenfee, die Grundlage für Ich und Du.2
Mit Sang und Klang entsprang sie ihrer sagenhaften Schale.
Ein toller Tatendrang bezwang und reizte sie mit einem Male.3
Sie reckte sich beschwingt und stieg auf einen steilen Wellenkamm.
Dies Wesen mit dem Namen Krieg4 eroberte sie stolz und stramm.
Von Krieg geschwängert, so gebar die Liebe viele Leidenschaften5
mit glatter Haut und langem Haar, um aneinander schön zu haften.6
Die Liebe ritt sehr gerne wild und voller stürmischem Entzücken
auf ihrem kühlen-kühnen Schild, auf des geliebten Krieges Rücken.
Ein Mal, in einer rauen Nacht, gelangte sie zu einem fernen Strand.
Mit ihrer göttlich-wilden Pracht eroberte sie dieses fremde Land.
An eines Kegelberges Feuer7 tanzte sie und sang ein Liebeslied.
Das ungestüme Ungeheuer wurde daraufhin zu ihrem Schmied.7
Und mit der Zeit entstand die Welt, wie wir sie heute kennen –
und somit schließlich auch das Geld, wie es die Leute nennen.
Doch weder Krieg noch Liebe, weder Meer noch Feuer
sind jemals Schuld, wenn Diebe keinen Heller Steuer
als ihren allerkleinsten Dank für ihre Mitwelt übrig haben,
jedoch in einer Nebelbank8 das werte Diebesgut vergraben."
Anmerkungen:
1) Der Same vom griechischen Himmelsgott Uranos ergoss sich ins Meer und zeugte Aphrodite.
2) Die griechische Liebesgöttin Aphrodite wurde aus einer Muschel geboren.
Ausführliche Hintergrundinformationen: http://de.wikipedia.org/wiki/Aphrodite
3) Aphrodite war eine der umtriebigsten Gestalten der griechischen Götterwelt.
4) Hiermit ist der griechische Gott Ares gemeint. Damit soll übrigens Krieg weder verharmlost noch
verherrlicht werden, sondern einfach ausgedrückt sein, dass Aggression im weitesten Sinne unaus-
weichlich zum Leben dazu gehört. Auch Essen und Verdauen zum Beispiel sind "aggressive" Akte,
insofern wie Nahrungsmittel faktisch "zerstört" werden. Wie viel Erotik und Aggression miteinander
zu tun haben, fand auch S IGMUND F REUD heraus. Er nannte die beiden Pole Eros und Thanatos.
5) Begierde, Eintracht, Furcht, Schreckhaftigkeit und Gegenliebe (= Rache für verschmähte Gefühle).
Wirkliche "Leidenschaft" entsteht aus der explosiven Verschmelzung von Liebe und Kampf.
Der Kommunikationsexperte F RIEDEMANN S CHULZ VON T HUN spricht sogar vom liebenden Kampf
als diametralem Gegensatz zur "Friedhöflichkeit" (= weder Liebe noch Kampf).
6) Im psychoanalytischen Jargon formuliert heißt dies: "..., um so genannte Komplexe zu bilden".
Nach der Erkenntnis des Psychoanalytikers E RIK H. E RIKSON lebt Persönlichkeit sowie Gesellschaft
davon, dass sich immer wieder komplexe Bindungen ("Identifikationen") entwickeln und entwirren.
7) Gemeint ist der griechische Feuer- und Schmiedegott als einziger Handwerker unter den Göttern:
Hephaistos, mit dem Aphrodite offiziell verheiratet war, während sie mit Ares ständig Affären hatte.
8) Hier sind sämtliche Institutionen (nicht nur Banken) gemeint, die seit eh und je und vermutlich auch
noch weiterhin dubiose Geschäfte tätigen bzw. auf irgendeine Art unterstützen.

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