Sie sind auf Seite 1von 2

Leben

Walter Hasenclevers Vater Alfred Hasenclever stammte aus einer wohlhabenden


rheinischen Industriellenfamilie, der Autor Walter Hasenclever war ein Verwandter.
Der Vater starb früh, und die Mutter heiratete den mit ihr verwandten Josef Jaffé,
der eine gut gehende Hautarztpraxis in Berlin führte. Den beiden gelang unter
schwierigen Umständen 1939 die Flucht in die USA.[1] Seine Schwester Charlotte
Hasenclever-Jaffe heiratete 1933 den US-amerikanischen Publizisten Shepard
Stone[2].

Als Jugendlicher gehörte Hasenclever dem pazifistischen Flügel der Jugendbewegung


an. Nach einem Jurastudium mit Promotion in Berlin hat er ein Referendariat
absolviert[3]. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten emigrierte er mit
Stones Hilfe 1936 aus Deutschland und arbeitete als Lehrer an der Andover Academy
in den USA.

Im Zweiten Weltkrieg wurde er 1943 Soldat der US Army und kam im Sommer 1944 nach
Europa. Im Kriegsgefangenenlager Camp Ashcan in Luxemburg wurden die in
amerikanische Gefangenschaft geratenen Führer des NS-Staates und führende Militärs
festgehalten. Hasenclever wirkte dort an den Verhören von Hermann Göring, Joachim
von Ribbentrop, Robert Ley, Julius Streicher, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm
Frick, Wilhelm Keitel, Karl Dönitz und Alfred Jodl mit, die anschließend zu den
Nürnberger Prozessen transferiert wurden. In seinen Erinnerungen, die 1975
veröffentlicht wurden, Ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen, werden diese
Prominenten des Naziregimes aus eigener Anschauung, allerdings 30 Jahre nach dem
persönlichen Zusammentreffen, charakterisiert, so Robert Ley, Hermann Göring, Hans
Frank, Alfred Rosenberg und Anekdoten zu ihnen erzählt.

Er kehrte zunächst in die USA zurück, wurde dann aber ab 1952 beim S. Fischer
Verlag in Frankfurt am Main Mitherausgeber der deutschen Ausgabe der Zeitschrift
Perspektives.[4] Er arbeitete als Verlagslektor bei Cotta und als Übersetzer aus
dem Englischen und gehörte 1954 zu den Übersetzern der Untersuchung Das sexuelle
Verhalten der Frau von Alfred C. Kinsey.

Hasenclever war 1963 neben Walter Höllerer Initiator des Literarischen Colloquiums
in West-Berlin und arbeitete dann dort bis 1969 als Programmdirektor.[2][5][6] Er
wohnte danach in Friesland.

Hasenclever übersetzte unter anderem einzelne Werke der US-amerikanischen


Schriftsteller Herbert Gold, Julian Halevy, James Leo Herlihy, Bernard Malamud,
Richard P. Powell, Peter Tinniswood, Mark Twain und Eugene Walter sowie zahlreiche
Werke des Nobelpreisträgers Saul Bellow, so auch den Roman Herzog. Über Bellow
schrieb er auch eine Monografie.

Bewertungen
Die meisten jüngeren Ausgaben der Werke Bellows enthalten die ersten Übersetzungen
von Hasenclever. 2009 wurden zwei Werke von Bellow neu übersetzt, eines
überarbeitet von Bärbel Flad, und neu herausgegeben. Die Neubearbeitungen wurden
als nötig erachtet unter anderem wegen der Zeitgebundenheit der ersten
Übersetzung[7]: "Gerade im Bereich des Sexuellen, der bei Bellow ähnlich wie bei
seinem Bewunderer Philip Roth, wenn auch weniger explizit, von großer Bedeutung
ist, hat sich Walter Hasenclever eher bedeckt gehalten – das war vermutlich nicht
alleine der bundesrepublikanischen Biederkeit Anfang der 60er geschuldet."[8]

Marcel Reich-Ranicki wird von Gerrit Bartels im Tagesspiegel zitiert: „Die


Übersetzungen fast aller Bücher Saul Bellows stammen von Walter Hasenclever. Und es
muss endlich offen gesagt werden: Sie sind schlecht. Und es macht die Sache nicht
besser, dass die deutsche literarische Öffentlichkeit es unterlassen hat, gegen
diese kontinuierliche Entstellung der Prosa des großen Amerikaners rechtzeitig zu
protestieren.“[9]
Demgegenüber schreibt Wieland Freund in der Welt anlässlich der überarbeiteten
Übersetzung 2009: "Die "Herzog"-Übersetzung Walter Hasenclevers, der aus dem
amerikanischen Exil kam und das "Literarische Colloquium Berlin" mitbegründete,
erweist sich, und sei es nach einigen tausend kleinen Verbesserungen, als
erstaunlich frisch."[10]

Schriften (Auswahl)
Junge amerikanische Literatur. Frankfurt am Main: Ullstein Taschenbücher-Verlag,
1959
(Hrsg.): Prosaschreiben: Eine Dokumentation. Berlin: Verl. Literar. Colloquium,
1964
Ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen. Erinnerungen. Köln: Kiepenheuer und
Witsch, 1975 ISBN 978-3-462-01074-9
Saul Bellow: Monografie. Köln: Kiepenheuer und Witsch, 1978 ISBN 978-3-462-01269-9
Literatur
Konrad Feilchenfeldt (K.F.): Hasenclever, Walter, in: Konrad Feilchenfeldt (Hrsg.):
Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisches und
bibliographisches Handbuch, Bd. XIV: Halm–Hauptmann. Walter de Gruyter, S. 419
Weblinks
Literatur von und über Walter Hasenclever im Katalog der Deutschen
Nationalbibliothek
Literatur von und über Walter Hasenclever in der bibliografischen Datenbank
WorldCat, mit wenigen Fehlzuordnungen von Werken des Dramatikers Walter Hasenclever
Walter Hasenclever, bei Kiepenheuer und Witsch
Einzelnachweise
Volker Rolf Berghahn: Transatlantische Kulturkriege: Shepard Stone, die Ford-
Stiftung und der europäische Antiamerikanismus. Stuttgart : Steiner, 2004, ISBN 3-
515-08422-3, S. 22ff.
Dieter E. Zimmer: Die Literatur-Mafia von Berlin, Die Zeit, 16. November 1966
Ihr werdet... S. 39
Zeitschrift Perspektives noch nicht bei ZDB verifiziert
Stefan Koldehoff, Peter Rühmkorf: Ausbildungswerkstatt für Literaten. 40 Jahre
Literarisches Colloquium Berlin, Gespräch, bei Deutschlandfunk, 19. Mai 2003
Ursula Krechel: 50 Jahre Literarisches Colloquium: Hier streckt die Sprache ihre
Fühler aus. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. August 2013, S. 2, abgerufen am
18. Dezember 2019.
Ulrich Rüdenauer: Saul Bellow – Die drei großen Romane, Deutschlandfunk, 1. Juni
2009
Bärbel Flad: Interview mit Der Text gehört dem Übersetzer und ich tue weh, Relü,
16. März 2014
Gerrit Bartels: Saul Bellow. Macht und Mitleid, Der Tagesspiegel, 21. August 2009
Wieland Freund: Das große Ich-Theater, Die Welt, 4. April 2009

Das könnte Ihnen auch gefallen