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Messunsicherheiten Deutsche Version 2011
Messunsicherheiten Deutsche Version 2011
Schmidt 2011
Meßunsicherheiten
Im Physikpraktikum geht es im allgemeinen darum, physikalische Größen zu messen. Mit den
Messungen wird man auch meist (zumindest prinzipiell) die gängigen Theorien bestätigen
können. Aber irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man seine Ergebnisse mit den
Ergebnissen anderer Physiker vergleichen muß (z.B. mit Tabellenwerten). Was macht man
dann, wenn das Meßergebnis nicht mit dem Tabellenwert übereinstimmt? Sagt man: Na ja, ich
habe die Theorie doch zumindest bestätigt, und so genau kommt es doch hoffentlich nicht da-
rauf an! Aber wir können alle beruhigen: Der Ausweg, der das Praktikum z.B. vom Schulunter-
richt unterscheidet und der es möglich macht, von wissenschaftlichem Arbeiten zu sprechen,
ist die Meßunsicherheit! Und gerade deswegen wird sie auch im Grundpraktikum ein nicht
immer beliebter aber ständiger Begleiter sein.
Wie der Name schon sagt, gibt die Meßunsicherheit an, wie sicher es ist, daß der wahre Wert
der Meßgröße getroffen wurde. Deshalb gilt:
Die Angabe eines Meßergebnisses ohne gleichzeitige Angabe der Meßunsicherheit ist wertlos!
Bleibt nur noch die Frage, wie man sinnvoll diese Meßunsicherheit bestimmt.
Die physikalische Größe wird nicht ohne Grund z.B. als l = 2,4cm angegeben. Das Prinzip ist,
daß man die Größe (hier die Länge) als Produkt ihres Zahlenwertes und ihrer Einheit ver-
steht, so daß man auch umformen kann: l/cm = 2,4 .
Jede Messung einer physikalischen Größe liefert einen Meßwert dieser Größe. Und jede dieser
Messungen ist mit Unsicherheiten behaftet, so daß das Ergebnis positiv oder auch negativ vom
wahren Wert abweicht.
Diese Abweichungen entstehen aus unterschiedlichen Gründen:
Grobe Fehler, z.B. bei der Durchführung der Messung oder wenn der Versuchsaufbau un-
geeignet ist, gelten als vermeidbar und werden daher nicht weiter behandelt.
Als systematische Meßunsicherheiten bezeichnet man Abweichungen, die bei einer Wie-
derholung der Messung unter gleichen Bedingungen unverändert bleiben oder die sich bei
kontrollierter Veränderung der Bedingungen auf entsprechende Weise ändern.
Systematische Abweichungen ergeben sich zwangsläufig, weil z.B. die Meßgeräte, die verwen-
det werden, nur mit endlicher Genauigkeit arbeiten. Systematische Meßunsicherheiten erkennt
man oft, wenn das Meßergebnis einseitig vom wahren Wert abweicht.
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Da sich natürlich auch die Hersteller von Meßgeräten um die Meßgenauigkeit Gedanken ma-
chen, geben sie Garantiefehlergrenzen oder Genauigkeitsklassen an, die die maximalen sys-
tematischen Abweichungen beinhalten. Manchmal sind Korrekturtabellen vorhanden, die für
bestimmte Messumstände explizite Berichtigungen angeben. Dann tut man sicher gut daran,
diese auch mit dem Meßergebnis zu verrechnen (z.B. temperaturabhängige Korrekturfakto-
ren).
Nicht erkennbare systematische Fehler muß man abschätzen, z.B. über den Abstand benach-
barter Skalenstriche bei Analoggeräten.
Zufällige oder statistische Meßunsicherheiten erhält man einerseits, wenn die
Ablesegenauigkeit eines Meßgerätes begrenzt ist (z.B. bei Analoggeräten), und anderer-
seits, wenn die Meßgröße tatsächlich schwankt. (Ein auszumessender Zylinder könnte an
verschiedenen Stellen unterschiedliche Durchmesser haben.)
Beides führt zu einer dem Zufall unterworfenen Streuung der Meßergebnisse.
Der systematische und der zufälligen Anteil der Meßunsicherheit einer Meßgröße werden
schließlich additiv zusammengefasst: uX = us,X + uz,X
2.1. Analoggeräte
Beispiel 1:
Die Geräteklasse eines elektrischen Meßinstrumentes mit Analoganzeige (Zeigerin-
strument) sei 1,5.
Dann beträgt der systematische Fehler maximal 1,5% des Endwertes der zur Messung ver-
wendeten Skala des Meßgerätes (Meßbereichsendwert).
Deshalb muß im Meßprotokoll grundsätzlich der Meßbereichsendwert der benutzten Skala
notiert werden, wenn man mit analog anzeigenden elektrischen Meßgeräten arbeitet.
Zu Beispiel 1:
angezeigte Spannung: U = 13,6V
gewählter Meßbereich: 0 - 20V
1,5% des Meßbereichsendwertes (20V) sind 0,3V
us,U = 0,3V
Vorsicht:
Ein einzelnes Meßgerät kann unterschiedliche Geräteklassen haben (z.B. für Gleich- und
Wechselstrombereiche).
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2.2. Digitalgeräte
Beispiel 2:
Die Genauigkeit eines elektrischen Meßgerätes mit Digitalanzeige (Zifferninstrument)
sei für den gewählten Meßbereich mit (2,0% + 1digit) angegeben.
Die Genauigkeit gibt bei Digitalgeräten gleich die maximale Meßunsicherheit an. Im Beispiel
beträgt die systematische Meßunsicherheit höchstens 2% des angezeigten Meßwertes erhöht
um die letzte Digitalstelle.
Zum Beispiel 2:
angezeigte Spannung: U = 13,58V
2% davon sind 0,2716V
1digit (letzte Stelle) ist hier 0,01V
Die Summe dieser beiden Anteile der systematischen Meßunsicherheit ist 0,2816V
und wird nach der Rundungsregel (s.u.) auf eine zählende Stelle aufgerundet:
us,U = 0,3V
Vorsicht:
Auch ein Digitalgerät hat meist unterschiedliche Genauigkeiten in den einzelnen Meßberei-
chen.
Normalerweise kennt man aber den wahren Wert nicht. Dann kann man den Mittelwert der
Einzelmessungen berechnen und die scheinbare Abweichung der Einzelmessungen angeben:
vi = xi -
Beispiel 3:
„Höhe und Durchmesser eines Zylinders sind jeweils 5mal mit Hilfe des Messschiebers zu
mes- sen. Die Mittelwerte, Standardabweichungen und Vertrauensabweichungen sind zu
berechnen.“
i d/mm
1 12,4
2 12,3
3 12,4
4 12,5
5 12,4
x
i 1
i
x=
n
Der Mittelwert sagt aber nichts über die Schwankungen der Meßgröße aus.
1 n
2
x = ( xi - x )
n- 1 i =1
INFO:
Theoretische Überlegungen zur Standardabweichung statistischer Meßunsicherheiten
Durch statistische Meßunsicherheiten entstehen (s.o.) Meßwerte, die um den wahren Wert der
Größe (häufig vom Mittelwert vertreten) Azufällig@ gestreut sind. Größere Abweichungen sind
dabei unwahrscheinlicher als kleine. Besonders gut sieht man das bei Kernzerfällen, wenn
viele Einzelmessungen vorgenommen werden.
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So ganz zufällig geschieht das aber nicht, denn die Meßwerte verteilen sich nach einer be-
stimmten Wahrscheinlichkeitsfunktion, der sogenannten Gauß- oder Normalverteilung, die
aussieht wie eine Glockenkurve.
w(x)
1 (x x )2
w(x) = e 22
2
xx
- 7.5
-5
- 2.5
0
2.5
5
7.5
Dabei bezeichnet w(x) die Wahrscheinlichkeit mit der der Meßwert auftritt.
Da physikalische Größen im allgemeinen jeden beliebigen Zwischenwert annehmen können,
unterscheidet sich die mathematische Betrachtung der Wahrscheinlichkeit dieser Ereignisse
ein wenig von der diskreter Ereignisse.
Ein Beispiel für diskrete Ereignisse wäre das Würfeln, denn nur die diskreten Ereignisse
AEins@, AZwei@, ADrei@, AVier@, AFünf@ und @Sechs@ können auftreten.
Daß eines dieser Ereignisse eintritt ist sicher, unmöglich ist z.B. das Würfeln einer 1,3 .
Aus der Schule wird sich wohl noch jeder daran erinnern, daß die Wahrscheinlichkeit, mit der
ein bestimmtes Ereignis eintritt (wie z.B. für das Würfeln einer ASechs@)
Anzahl der günstigen Fälle
w := ist .
Anzahl der möglichen Fälle
Für das Würfeln einer ASechs@ ist die Wahrscheinlichkeit also w = 1/6
Außerdem gilt:
Ein sicheres Ereignis hat w = 1 ,
Ein unmögliches Ereignis hat w = 0 .
w(x ) = 1
i
i
Nebenbedingung:
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Bildet man die Summe aller auftretenden Ereignisse multipliziert mit ihren jeweiligen Wahr-
scheinlichkeiten, erhält man den Erwartungswert:
< x > := xi w(xi)
i
1 1 1
(Beim Würfeln wäre das: < x > = 1 + 2 + ... + 6 = 3,5 )
6 6 6
Überträgt man diese Überlegungen auf kontinuierliche Zufallsgrößen - wie etwa die zu mes-
senden physikalischen Größen - , so ist das mathematisch nichts anderes als der Übergang
von Summen zu Integralen.
Bei kontinuierlichen Zufallsgrößen spricht man auch häufig von der Wahrscheinlichkeits-
dichte. Analog zu den diskreten Ereignissen gilt die Nebenbedingung.
w(x) dx = 1 .
Der Erwartungswert der Wahrscheinlichkeitsdichte entspricht dem Mittelwert:
x := x w(x) dx .
Die (mittlere) Streuung (anstelle der Standardabweichung bei diskreten Zufallsgrößen) ist
gegeben durch:
x := (x- x ) w(x) dx .
2 2
w(x)
68,3%
95,4%
xx
- 7.5
-5
- 2.5
0
2.5
5 7.5
Ein Meßergebnis, das nur mit zufälligen Meßunsicherheiten behaftet ist, wird im Physikali-
schen Grundpraktikum mit einer statistischen Sicherheit von P = 95,0% angegeben:
x = 1,96 ζx
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Leider ist der nach (4.1.) berechnete Mittelwert nur selten identisch mit dem wahren Wert der
Meßgröße. Deshalb gibt man ein Intervall zum Mittelwert an, in dem der wahre Wert der
Meßgröße mit der gewählten statistischen Sicherheit P zu erwarten ist:
t x
x
n
INFO:
Näherungsformel für t (n > 3):
x
x =
n
angegeben.
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Zum Beispiel 1:
Die systematische Unsicherheit der Spannungsmessung war us,U = 0,3V. Wir nehmen
an, dass die Vertrauensabweichung zu U = 0,1 V berechnet wurde. Dieser Wert ist die
zufällige (statistische) Unsicherheit uz,U. Damit erhält man für die gesamte Meßunsi-
cherheit der Spannung
uU = us,U + uz,U = 0,4V
und das Gesamtergebnis wäre anzugeben mit
U = (13,6 0,4)V.
Beispiel 4:
Bei einer Stoppuhr ist die systematische Meßunsicherheit oft im Vergleich mit der
vom Experimentator abhängigen Reaktionszeit als zufällige Meßunsicherheit sehr
klein (etwa us,t = 0,001s und uz,t = 0,1s → uges,t = 0,101s auf 0,2s zu runden wäre
nicht sinnvoll).
In solchen Fällen streicht man die „sehr kleine“ Unsicherheit einfach (→uges,t = 0,1s).
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Wenn die zu berechnende Größe y von k verschiedenen Größen x i (i läuft von 1 bis k) ab-
k
y y y
u y(x1,..., x k ) = u xi u x1 u x ...
i 1 x i x1 x 2 2
Hier kann man die relative Meßunsicherheit von y sehr leicht bestimmen, nämlich durch
uy u u
= a x1 + b x2 + ...
y x1 x2
Will man den Absolutbetrag der Meßunsicherheit, muß man also nur noch mit y multiplizie-
ren.
Es kommt äußerst selten mal vor, daß alle in der Rechnung vorkommenden Größen nur mit
statistischen Meßunsicherheiten belastet sind. Man erhält dann eine mildere Schätzung der
zu berechnenden Unsicherheit, wenn das Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauß angewendet
wird:
2
y
k
uy = u xi
i =1 x i
2
uy k
u
a xi
y i =1 xi
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Beispiel 5:
Zur Bestimmung eines elektrischen Widerstandes wurden Stromstärke und Spannung
gemessen. Für beide Meßgrößen wurden die Meßunsicherheiten (als Summe von sys-
tematischem und zufälligem Anteil) ermittelt:
U = (3,4 0,1)V
I = (42 2)mA
Zunächst berechnet man den Widerstand nach R = U / I zu R = 80,95Ω.
(i) Die Meßunsicherheit wird mit R = U1 I-1 nach uR = (uU/U + uI/I) R berec
net:
uR = 6,2Ω ≈ 7Ω
Mit der Rundungsregel (3.)folgt:
R = (81 7)Ω
uR = 1/ I uU + U / I5 uI = 6,2Ω ≈ 7Ω
Und damit wieder:
R = (81 7)Ω
Zum Beispiel 3:
Aus Höhe und Durchmesser des Zylinders soll sein Volumen berechnet werden.
Durchmesser und Höhe sind mit Meßunsicherheiten behaftet. Wie ermittelt man die
Meßunsicherheit des Volumens?
V V
uV = ud + uh
d h
mit V = d 2 h
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h = 2 g t5 g = 2h / t5 liefert:
g 2 g -4h
= 2 ; = 2 h (-2) t -3 = 3
h t t t
g 4 2 g 8 2 l
= 2 ; = 4 2 l (-2) T-3 = - 3
l T T T
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x
i =1
i
x=
n
1 n
x
n 1 i 1
(x i x )2
t x
x =
n
n t
2 12,7
3 4,3
5 2,8
10 2,3
100 2,0
n 1,96
uy u u
= a x1 + b x2 + ...
y x1 x2
13
Inhalt
Meßunsicherheiten ………………………………………………………………….-1-
2.1. Analoggeräte…………………………………………………………………………-2-
2.2. Digitalgeräte …………………………………………………………………………-3-
Inhalt .....................................................................................................................................-14-