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MaxEuwe

Walter Meiden

Amateur
wird Meister

JOACHIM BEYER VERLAG - HOLLFELD


Der Verlag dankt FIDE -Meister Gerd Treppner für die
Überarbeitung des Buches.

ISBN 3-88805-247-5

4. neubearbeitete Ausgabe 1998


© 1964 by Joachim Beyer Verlag, 96142 Hollfeld
Alle Rechte vorbehalten!
Umschlagentwurf: Georg Hofmann, 96247 Michelau
Satz: Gerd Treppner, Mainz
Dmck: Dmckhaus Beyer GmbH, Langgasse 25, 96142 Hollfeld
Bindm1g: Buchbinderei GmbH, 04439 Engelsdorf/Leipzig
VORWORT

Kämpft ein erfahrener Amateur mit einem Meister, so entdeckt er sehr bald, daß er es mit
einer anderen Spielweise zu tun hat, als säße er einem Amateur - sogar einem sehr starken
Amateur - gegenüber. Es liegt etwas Überwältigendes, oft sogar Gewalttätiges im Spiel des
Meisters, das offenbar werden läßt, daß er besondere Einblicke und Fähigkeiten besitzt, die
dem Amateur fehlen. Er verfügt sozusagen über eine gesonderte Dimension.
Sicher spielt der Meister in taktischer Hinsicht tiefer und genauer, er sieht weiter und ist weniger als

sein Amateurpartner Fehlern ausgesetzt, und hier wird der letztere es schwer haben, es dem Meister

gleichzutun. Er hat aber auch ein überlegenes Gesamtkonzept der Schachstrategie und ein feines

Verständnis gewisser Stellungstypen, deren Vorhandensein dem Amateur nicht einmal bewußt sein

mag. Mit anderen Worten, der Meister kennt eine Anzahl von „Schach-Geheimnissen", die ihn

befähigen, günstige Stellungen aufzubauen, die zum Gewinn führen. Wie diese typischen Stellungen

zu behandeln sind, kann auch vom Amateur gelernt und angewandt werden, sobald ihm einmal die

richtige Methode gezeigt worden ist. Das ist eins der wichtigen Dinge, die wir mit diesem Werk

beabsichtigen.

In der Einfühnmg beschreiben wir die Unterschiede zwischen Meister und Amateur in den

verschiedenen Phasen und Gesichtspunkten der Schachpartie und zeigen, wie der Amateur sein Spiel

aufjedem Gebiet verbessern kann. Dann erklären wir in einer Reihe von 25 Partien des Meisters gegen

den Amateur, wie die Siege geplant und erspielt werden. In fast allen diesen Partien treten typische

Stellungen hervor, und der Erfolg bemht oft in erheblichem Maß auf der größeren Vertrautheit des

Meisters mit diesen typischen Stellungen. Aus mehreren Gründen verwenden wir Partien zwischen

„Meister und Amateur". Erstens: Vor allem in dieser Art von Partien ist der vernichtende Stil des

Meisters am offensichtlichsten, denn Amateure sind gewöhnlich nicht fähig, den Dmck des Gegners

während der ganzen Partie zu neutralisieren; zweitens: Amateur-Irrtümer sind schwerwiegender und

hervorstechender als Meisterfehler und daher leichter auszunützen; drittens: es gibt wohl keinen

besseren Weg, die Ausnützung von Amateurfehlern zu zeigen, als wie ein Meister sie tatsächlich

auswertet.

Die Partien sind ungefähr nach der Stärke des Amateurs geordnet, angefangen mit denjenigen des

schwächeren Amateurs. Diese Anordnung ist freilich öfter durchbrochen worden, um Partien der

gleichen Eröffnung gmppieren zu können. Eine Anzahl verschiedener Eröffnungen sind

veranschaulicht; die modernen herrschen jedoch vor.

Je weiter wir mit den Partien fortschreiten, umso stärker wird der Amateur -tatsächlich gewinnt er die

letzten drei Partien des Buches gegen den Meister.

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In diesen drei Partien zeigen wir auf der einen Seite, in welcher Hinsicht der Amateur sich
ausreichend verbessert hat, um den Meister zu besiegen, auf der anderen, warum der Meister
verlor - und der Meister verliert aus anderen Gründen als der Amateur.
Der laufende Kommentar der Partiezüge deutet die Motive an, die den Meister bewegen. Es
sollte für den Leser nicht schwierig sein, mit dem vertraut zu werden, was vordem für ihn
„Schach-Geheimnisse" waren. Wenn er dies Wissen, diese Pläne und Grundsätze, die er beim
Studium erwirbt, anwendet, verbessert er sein eigenes Schach.

Amsterdam und New York, Herbst 1 964 Max Euwe/Walter Meiden

Zur 2. Auflage

Die Partie 1 2 ist ausgewechselt worden. Außerdem wurden die Analysen überprüft und einige
verbessert. Wir wünschen dieser Auflage den gleichen Erfolg, wie ihn die vorige aufzuweisen
hatte.

Amsterdam und New York, Herbst 1 97 1 Max Euwe/Walter Meiden

Vorwort zur 3.Auflage

Dr.Euwe weilt nicht mehr unter uns, doch seine bedeutenden Beiträge zur Förderung des
Schachspiels wirken fort.
Es gibt nur wenige Schachmeister in der Geschichte des Spiels, die einen so klaren Einblick
in die Gedankengänge hochklassiger Spieler zu geben vermochten und die in der Lage waren,
Partien so zu beschreiben, daß sowohl Amateur wie fortgeschrittener Spieler davon lernen
können, wie es Dr.Euwe getan hat. „Amateur wird Meister" zeigt nicht nur, wie ein Meister
die schwächeren Züge des Ungeübten ausnützt, das Buch ist außerdem eine wahre Fundgrube
der Schachanalyse, in der für j ede Partie Untersuchungen zahlreicher Variationen zu finden
sind, die allen äußerst hilfreich sein können, die ihre taktischen Fähigkeiten schärfen wollen.
Darum legen wir diese dritte Auflage von „Amateur wird Meister" in der 1 1 offnung vor, daß
sie Schachspielern verschiedener Stärkegrade in hohem Maß nützlich sein möge.

Columbias, Ohio, im Frühjahr 1 983 Walter Meiden

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INHALTSÜBERSICHT

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Partie Eröffnung Thema
1 Nimzowitsch-Indisch Ausnützen von Vorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2 Nimzowitsch-Indisch Durchlöcherte Formation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 9
3 Englisch Ausnützung von Bauernschwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
4 Ben-Oni Geschwächte Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5
5 Spanisch (Offen) Theorie der Spanischen Partie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1
6 Spanisch (Geschlossen) Königsangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
7 Spanisch (Steinitz-Vert.) Positionsspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
8 Holländisch Strategisches Planen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
9 Grünfeld-Verteidigung Verwundbares breites Zentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
10 Zukertort-Reti-System Hängende Bauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 5
11 Abgelehntes Damengambit Ausnützung der offenen Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 3
12 Abgelehntes Damengambit Schwache Züge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
13 Abgelehntes Damengambit Minderheitsangriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 5
14 Abgelehntes Damengambit Mittelspiel -Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
15 Caro-Kann Finden eines Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 57
16 Sizilianisch (Drachen) Der Sinn der „Sizilianischen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 5
17 Sizilianisch (f2-f3) Rochadeangriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 77
18 Sizilianisch (mit e7-e5) Strategie und Taktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 83
19 Königsindisch Die Bauernkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 9 1
20 Königsindisch Verfrühte Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
21 Königsindisch Austausch von Schwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
22 Königsindisch Spiel auf Remis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 7
23 Italienisch (De7) Behauptung des Zentrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
24 Damenindisch Austausch von Vorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
25 Reti-System Spiel an mehreren Fronten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

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EINLEITUNG

Der Bereich der Schachamateure ist weit, und unter der großen Zahl von Gelegenheitsspielern
gibt es diej enigen, die sich durch viel Übung im Kampf mit fähigen Gegnern, durch
sorgfältiges Studium von Lehrbüchern und durch fleißiges Nachspielen von Meisterpartien
viele Grundsätze der Schachtechnik angeeignet haben. Sie finden starke Züge, vermeiden
ernsthafte Schwächen und begehen keine offensichtlichen taktischen Irrtümer mehr - kurz
gesagt, die starken Spieler. Sie haben ein feineres Gefühl für manche Tiefgründigkeit des
Positionsspiels als die meisten Spitzenkönner des 1 9 . Jh. Im allgemeinen bereiten sie
schwächeren, weniger bewanderten Gegnern ohne Mühe Niederlagen. Im Turnierspiel j edoch
unterliegen diese Amateure gewöhnlich den heutigen Meistern. Dieser Unterschied regt den
ehrgeizigen Schachspieler an, darüber nachzudenken. Welche Eigenschaften besitzt ein
Meister, die dem Amateur fehlen? Welche Grenze trennt den Meister vom starken Amateur?
Was kann ein Amateur tun, um es zum Meister zu bringen - oder wenigstens sein Schach zu
verbessern? Was ist ein Meister?
Der Meister ist gründlich bewandert in der Technik der Eröffnung, des Mitte l - und Endspiels.
Er behandelt die Partie als Ganzes, wobei j eder Zug Teil eines bestimmten strategischen oder
taktischen Entwurfs ist. Er schätzt die Möglichkeiten aller Stellungen scharf ab. Er kann
genau analysieren und mit erheblicher Genauigkeit die Folgen j edes Zuges vorhersehen. Er
versteht die Grundsätze, die in allen möglichen Lagen anzuwenden sind. Sein taktisches Spiel
ist zielbewußt, er macht weniger und unbedeutendere Fehler als andere Spieler. Er kennt eine
große Menge Partien der Vergangenheit und ist auf dem laufenden, was die
Eröffnungsvarianten der gegenwärtigen Turniere angeht. Der Meister und der Amateur sehen
Stellungen von einem unterschiedlichen Gesichtspunkt aus. Der Meister begreift und versteht
eine Stellung und ihre Auswirkungen besser als der Amateur. Dem Meister sind die
Wechselbeziehungen verschiedener Grundsätze gegenwärtig, von deren Vorhandensein der
Amateur keinen Begriff haben mag.
Untersuchen wir die verschiedenen Gesichtspunkte, bei denen die Unterschiede zwischen
Meister und Amateur offensichtlich sind, mit einem Auge darauf, was der Amateur auf j edem
Gebiet tun muß, um sein Spiel zu verbessern und Fortschritte auf dem Weg zur Meisterschaft
zu machen.
1) DIE ERÖFFNUNG
Bis zu einem gewissen Grad gibt es keinen erkennbaren Unterschied zwischen Meister und
Amateur, weil beide die gleichen theoretischen Varianten spielen. Der große Unterschied
besteht darin, daß der eine die Züge mechanisch nach-

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ahmt, der andere sie versteht. Vom allerersten Zug ab weiß der Meister, warum er jeden Zug
macht, ob strategisch oder taktisch. Der Amateur andererseits lernt oft Varianten auswendig
und leiert sie herunter. In solchen Fällen verliert er häufig den Ariadnefaden bei der ersten
Abweichung vom „Buch", während der Meister, der den Hintergrund der Züge versteht,
Vorteil aus dem unrichtigen Verhalten zieht, wenn es eintritt.
Der Meister behandelt gewöhnlich die Eröffnung in Übereinstimmung mit der Theorie;
gelegentlich vermeidet er jedoch absichtlich die beste theoretische Fortsetzung, um einer zum
Remis neigenden Spielweise zu entgehen oder eine Variante zu vermeiden, die ihm nicht
liegt, die seinem Temperament nicht entspricht, oder einfach um seinen Gegner zu verwirren.
So kann ein zweifelhafter Zug, den ein Meister macht, eine ganz andere Bedeutung haben als
der gleiche, von einem Amateur ausgeführte Zug.
Der Meister hat noch andere Gründe, von einem theoretischen Abspiel abzuweichen. Beim
Studium spezieller Varianten entdeckt er manchmal Verbesserungen. Als starker Spieler ist er
befähigt, kleine Irrtümer in gebräuchlichen Spielweisen zu finden. Das ist nicht so schwierig,
wie es scheinen mag. Schließlich - was ist Theorie? Sie stammt aus zwei Quellen: der
statistischen Sammlung von Varianten, die in Turnieren gespielt werden, und den Analysen
der Spieler vor und nach den Turnieren. Die letztere Art von Analyse ist natürlich
verläßlicher, weil sie des Zeitdrucks ledig ist, der in der Turnierpartie herrscht. Meister
untersuchen oft gewisse Abspiele sehr genau, bevor sie sie erstmals im Turnier anwenden, um
einen verhältnismäßig unvorbereiteten Gegner zu überraschen. Eröffnungsfachleute prüfen
alle Partien eines bestimmten Abspiels zusammen mit allen verfügbaren theoretischen
Analysen der Variante und erhalten aus ihrem Studium eine theoretische Einheit, die mehr ist
als eine statistische Sammlung: sie begründet und fällt ein Urteil. Der Meister ist ferner
befähigt, in diesen theoretischen Einheiten Verbesserungen zu finden; aber das ist viel
schwieriger, weil das Feld schon von ein oder mehreren Fachleuten vor ihm gepflügt worden
ist.
In den Partien dieses Buches weicht der Amateur oft von der Theorie ab. In Partie 1 ist der 7.
Zug von Schwarz ein theoretischer Fehler. In Partie 10 begeht Schwarz im 6. Zug einen
strategischen Mißgriff. In Partie 20 verdirbt gleichfalls der 6. Zug des Schwarzen sein Spiel.
In Partien wie der 2., 4., 1 1 ., 1 6. und 1 7 . unterlaufen dem Amateur zwar in den ersten Zügen
keine Irrtümer, sie zeigen einfach, daß er die Eröffnung nicht verstanden hat, und das hat
gleichfalls ernste Folgen im Mittelspiel. Als theoretische Verbesserung kann die Widerlegung
des Zuges 9. . . . Sc6-a5 (Partie 5) betrachtet werden, der ebenfalls mangelndes
Eröffnungswissen von seiten des Amateurs zeigt.

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Wie der Amateur seine Eröffnungstechnik verbessern kann
Der Amateur sollte einigermaßen mit allen Haupteröffnungen vertraut sein und eine äußerst
gründliche Kenntnis von zwei oder drei Eröffnungen aufweisen. Beabsichtigt er, in Turnieren
zu spielen, sollten ihm aktuell vorherrschende Varianten wohlbekannt sein. Es ist jedoch so
gut wie unmöglich für jeden, der nicht Stunden um Stunden dem Schach widmet, mehr als
eine flüchtige Kenntnis vieler Varianten zu haben. Aus diesem Grund kann man vielleicht
sein Eröffnungsspiel am sichersten verbessern, indem man die Grundidee jeder
Haupteröffnung studiert und sie beim Spiel immer vor Augen hat, während man zugleich die
taktischen Zusammenhänge jeder Stellung sorgfältig beachtet. Man sollte danach streben, die
Ideen der einzelnen Züge zu verstehen, und sich ein genaueres Verständnis dafür anzueignen,
worin während und am Ende der Eröffnungsphase eine gute Stellung besteht.
Die Ideen hinter den Eröffnungen sind in Lehrbüchern, Artikeln in Schachzeitschriften und
oft in erläuterten Partien zu finden. In den Partien dieses Buches ist erhebliche
Aufmerksamkeit darauf verwendet worden, den Sinn und das Ziel der Eröffnungen als Ganzes
sowie der einzelnen Züge zu erklären. Der Amateur wird es nützlich finden, eine Anzahl von
Partien einer bestimmten Eröffnung nachzuspielen. Das gibt ihm eine Idee, wie sich das Spiel
entwickelt, von den mit ihr zusammenhängenden Stärken und Schwächen und von einigen der
Probleme, die sich in ihrem Ablauf stellen. Außerdem kann der fortgeschrittene Amateur, der
sich auf bestimmte Eröffnungen oder Varianten spezialisiert, versuchen die Theorie zu
verbessern, genauso wie es der Meister tut. Er wird natürlich eher in Turnierpartien kleine
Irrtümer finden als in theoretischen Analysen. Neben dem Kennenlernen von Theoriezügen
sollte der Amateur immer an die Grundlagen einer guten Schachstellung denken und versu­
chen, sobald ihm eine unbekannte Eröffnung oder ein ungewöhnlicher Zug in einer bekannten
Eröffnung vorgesetzt wird, eins feste Stellung durch sorgfältige Analysen zu erhalten.

2) DIE ÜBERLEITUNG ZUM MITTELSPIEL


Wenn die Figuren entwickelt sind und zur offenen Feldschlacht bereitstehen, ist die Eröffnung
vorüber, und das Mittelspiel beginnt. Dieser Teil der Schachpartie ist vielleicht derjenige von
allen, der am schwierigsten zu behandeln ist. Zum Teil, weil er nicht tabellarisch im Buch
vorliegt, zum Teil, weil die Figuren noch nicht in unmittelbaren Kontakt mit den gegnerischen
Streitkräften gekommen sind (wenngleich sie zum Einsatz bereitstehen); daher verläuft das
Denken in rein strategischen, nicht taktischen Kanälen. In diesem Teil der Partie wird
offenbar, ob der Spieler versteht, was er in der Eröffnung getan hat, oder ob er eben eine
Reihe von Zügen ausführte, die er aus einem Eröffnungsbuch auswendig gelernt hatte.

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In dieser Phase werden die Pläne für die Zukunft geschmiedet, die umfassende Strategie
entworfen. Die Wahl der richtigen Strategie ist äußerst bedeutsam und kann auch sehr
schwierig sein. Ihre Wurzeln stecken in der Eröffnung. Der Unterschied zwischen Amateur
und Meister tritt hier deutlicher hervor als in der Eröffnung. Es kommt vor, daß der Amateur
völlig verwirrt ist und nicht weiß, was er mit der Stellung, die er sich aufgebaut hat, anfangen
so l l . Er spielt ziellos oder mindestens unentschlossen, wie in den Partien 8, 1 2 und 14. Der
Meister dagegen plant seine Strategie entsprechend dem Diktat seiner Stellung und legt den
Grund für eine erfolgreiche Fortsetzung des Mittelspiels. In den letzten acht Partien des
Buches wissen beide Parteien genau, was sie anstreben, und in diesen Partien sehen wir einen
spannenden und heftigen Zusammenprall zwischen den Zielen der Gegner, wobei der Meister
im allgemeinen, aber nicht immer, durchdringt.

Wie der Amateur sein Spiel beim Beginn des Mittelspiels verbessern kann
Es gibt mehrere Abhandlungen über das Mittelspiel, die diese Übergangsphase erörtern, und
es ist sehr nützlich, wenn man bei dem Versuch, sich in diesem Teil der Partie zu
vervollkommnen, sorgfältig studiert, was der Meister in dieser Phase tut. Diese Art Technik
sehen wir oft in Turnierpartien, die man j edoch im Hinblick darauf studieren muß,
herauszufinden, was unmittelbar nach der Eröffnung geschieht. Es ist besonders interessant,
diese Phase der Partien Meister gegen Amateur zu untersuchen, um zu sehen, wie der Meister
gegen die unentschlossenen Züge des Amateurs vorgeht, was z.B. in den Partien 8 und 1 4
deutlich illustriert wird. Dieser Partiephase ist i n dem vorliegenden Werk besondere
Aufmerksamkeit gewidmet worden. Ein zweckvolles Vorgehen beim Beginn des Mittelspiels
ist vor allem eine Frage des Eröffnungsverständnisses. In Partie 9 z.B. weiß der Schwarze,
daß die nach der Eröffnung erreichte Stellung ihm Chancen gibt, einen Angriff auf die weißen
Mittelbauern zu beginnen. Aus der gleichen Quelle ist dem Weißen bekannt, daß er die Mitte
stützen muß, und zu diesem Zweck bringt er sogar den König aufs Schlachtfeld und leistet
einen heroischen Widerstand, der wohl gegen einen nur geringfügig schwächeren Spieler als
den Meister erfolgreich gewesen wäre.

3) DAS MITTELSPIEL
Das Mittelspiel ist die Phase, die die Erfindungskraft des Spielers am meisten herausfordert.
Es ist anders als die Eröffnung keiner erschöpfenden theoretischen Erforschung unterzogen
worden; anders als das Endspiel ist es in keine Sammlung gefälliger Techniken
zusammengepreßt worden. Weil deutliche Anzeichen, wie vorzugehen ist, fehlen und wegen
der ihm innewohnenden Schwierigkeit stellt es die schwersten Probleme in der Schachpartie.
Um das

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Mittelspiel richtig zu spielen, muß man einerseits die Stellung als Ganzes sehen, um die
korrekte Spielweise beurteilen zu können, andererseits alle Einzelheiten erkennen und keine
Möglichkeiten übersehen, mögen sie offensichtlich oder versteckt sein.
Im Mittelspiel kommen alle Arten allgemeiner strategischer Erwägungen ins Bild: ob Kräfte
versammelt oder Figuren getauscht, ob die Spannung aufrechterhalten oder Bauern getauscht
werden sollen, ob Linien zu öffnen oder für immer zu schließen sind, ob ein Großangriff auf
den feindlichen König begonnen werden, ob man auf Materialgewinn ausgehen, die
feindlichen Bauern schwächen oder ein günstiges Endspiel durch allgemeinen Figurentausch
anstreben so 1 1 . Zu all diesen Fragen kommen die allgegenwärtigen taktischen Probleme, die
das Vorrecht vor allen strategischen Erwägungen haben: Hat der Gegner irgendwelche
Drohungen, denen zu begegnen ist? Wenn j a, wie? Wenn nicht, kann man selbst drohen?
Oder kann man eine unbequeme Lage für den Gegner schaffen, die ihn zwingt, seinen eigenen
Absichten entgegenzuwirken? Im Schach wie im Leben sieht nicht jeder die gleiche Lage
vom gleichen Gesichtspunkt aus. Man setze sechs verschiedenen Spielern die gleiche kom­
plizierte Mittelspielstellung vor, und man wird finden, daß diese Spieler die Lage bei der
Suche nach dem besten Zug verschieden betrachten. Die Elemente der Vielfalt und
Unvorhersehbarkeit steigern den Reiz des Schachs und verhindern seine rein mechanische
Ausübung, die auswendig gelernt oder einem Roboter beigebracht werden könnte.
Im reinen Mittelspiel ist wie in der vorhergehenden Phase der Unterschied zwischen Amateur
und Meister besonders merklich. Der Amateur hat gemeinhin einen weniger umfassenden
Begriff von der Lage auf dem Brett; ihm sind die gesamten Möglichkeiten weniger klar
bewußt. Ist die Lage positionell zu erfassen, mißlingt es dem Amateur häufig, die richtige
Strategie zu finden; ist die Lage taktisch betont, neigt der Amateur dazu, weniger zu sehen
und die Analyse weniger weit auszudehnen oder weniger genau auszufühen als ein Meister.
Wie der Amateur sich im Mittelspiel verbessern kann Es gibt keine einfache Formel dafür, wie
man die verwickelten Lagen, die im Mittelspiel auftreten, beherrschen kann. Einen guten
Beginn bildet das eingehende Studium von Mittelspielen der Meister mit einem Auge darauf,
j eden der einzelnen Züge und ihr Verhältnis zur Gesamtstrategie verstehen zu lernen. Unter
Taktik werden wir zeigen, wie Amateure ihr taktisches Spiel bzw. unter Strategie, wie sie ihr
Stellungsspiel verbessern können. Es ist eine gute Idee, das ganze Brett abzusuchen und
Einfallsreichtum zu entwickeln, um Züge zu finden, die die Lage für uns günstig gestalten
und für den Gegner ärgerlich sind. Der naheliegende Zug ist nicht immer der beste, und

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man darf nicht so leicht der Versuchung nachgeben, mechanisch zu spielen, wie etwa einen
Turm auf eine offene Linie oder einen Springer auf f3/c3 (bzw. f6/ c6) zu stellen. Das mögen
die gegebenen Züge sein, in der augenblicklichen Lage könnte es j edoch etwas viel Besseres
geben. Manchmal sind stille Züge angebracht, ein Zug j edoch, der den Druck erhöht oder eine
direkte bzw. indirekte Drohung aufstellt, kann den Gegner zu Zügen verleiten, die seine
Position bloßstellen oder wenigstens seine Aufgabe erschweren. Züge, die die Initiative
erhalten, sind immer wünschenswert.
Manchmal läßt sich das Mittelspiel nach einem gradlinigen Plan führen. Öfter hingegen
besteht es aus einer Reihe strategischer Phasen, von denen j ede ihr eigenes Ziel hat. Ist es
erreicht, läßt es die Partie in eine neue Phase mit einem neuen Teilziel einmünden. Immer
wieder wird man in den Anmerkungen lesen: „Die Partie tritt nun in eine neue Phase ein . . . "
Amateure sollten die Fähigkeit entwickeln, diese Etappen zu erkennen und wünschenswerte
Ziele für sie aufzustellen.
Obwohl das Mittelspiel nicht im gleichen Maß wie Eröffnung und Endspiel aufgeschlüsselt
worden ist, gibt es gewisse typische Mittelspielstellungen, die sich zu einem Vorgehen nach
bekanntem Schema anbieten. Das Spiel der Meister zeigt, daß gebräuchliche
Bauernformationen wie in Partie 1 0, andere Schwächen in der Bauernstellung wie in den
Partien 2 und 9, die Bauernmehrheit am Damenflügel wie in Partie 25 usw. auf
vorgeschriebenen Wegen ausgenutzt werden können. In gewissen Stellungen wie
Minderheitsangriff in Partie 1 3, Strategie der offenen Linie in den Partien 1 1 und 1 6,
Damenflügelangriff in Partie 3 , Königsflügelangriff in den Partien 1 7 und 1 9, Angriff gegen
den König auf der offenen Linie in den Partien 6 und 22, Schlußangriff in den Partien
1 ,20,21 ,24, vereinigter Druck entlang der Schrägen und der offenen Linie in Partie 23 und
Bauernkettenstrategie in den Partien 1 9 und 2 1 , kann nach einem Standardtypus gespielt
werden, wenn nicht mit mathematischer Genauigkeit, so doch wenigstens innerhalb eines fest
umrissenen Rahmens. Der Amateur, der sich mit diesen immer wieder vorkommenden
Mittelspiellagen vertraut macht und sie zu behandeln weiß, verbessert seine Fähigkeiten in
diesem Partieteil.
4) DAS ENDSPIEL
Dies ist der Teil der Schachpartie, in dem so viele Figuren durch Tausch verschwunden sind,
daß die beiden Könige tätigen Anteil am Kampf nehmen können. Nicht alle Partien erreichen
dieses Stadium.
Das Endspiel unterscheidet sich von Eröffnung und Mittelspiel darin, daß hier im allgemeinen
ein methodisches und sorgfältig ausgearbeitetes Vorgehen, das man Technik nennt,
anwendbar ist. Wegen der verringerten Figurenzahl ist es möglich, mit viel größerer
Genauigkeit vorauszuberechnen, was passieren wird,

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und die Untersuchung verschiedener Stellungstypen hat zur Bestimmung ihrer richtigen
Behandlung geführt.
Der Meister ist in der Endspieltechnik wohlbewandert. Ist einmal ein bestimmter Endspieltyp
erreicht, kennt er innerhalb Grenzen die richtige Behandlungs-weise. Das genügt im
allgemeinen, denn in Endspielen ist normalerweise kaum Neues zu finden (anders als in der
Eröffnung), und es gibt kaum die unüberschaubaren Möglichkeiten, die das Mittelspiel
charakterisieren. Nicht nur Endspieltechnik, sondern auch Kenntnis der Ergebnisse, zu denen
typische Endspielstellungen führen, ist sehr nützlich. Man kann dann unter Umständen schon
im Mittelspiel ein günstiges Endspiel anstreben und hat die Sicherheit, wenn die erwünschte
Stellung im Endspiel erreicht ist, daß sie dann gewonnen ist.
Der Amateur ist natürlich viel weniger gut mit der Endspieltechnik bekannt als der Meister.
Was dem letzteren selbstverständlich erscheint, bedeutet für den ersteren oft harte Arbeit, die
sorgfältige Analyse erfordert und Anlaß zu Fehlern bietet.

Wie der Amateur sich im Endspiel verbessern kann


Fortschritte im Endspiel gibt es in zwei verschiedenen Richtungen: a) ein größeres Wissen
über die Ergebnisse der hauptsächlichen Endspieltypen; b) die spezifische Weise, diese
Endspieltypen zu behandeln. Es ist äußerst wichtig, den theoretischen Ausgang der
regelmäßig vorkommenden Endspiele zu kennen, weil dieses Wissen als Führer dienen kann,
in welche Richtung zu steuern ist, wenn die Stellung noch verwickelt genug und eine
Auswahl möglich ist. Wenn man z.B. in einem Endspiel T+S+B gegen T+S weiß, unter
welchen Umständen T+B gegen T gewinnen, hat man einen Hinweis, wann durch Abtausch
der Springer vereinfacht werden kann. Ebenso wichtig ist es zu wissen, wie die
Normalendspiele richtig zu behandeln sind. Es genügt z.B. nicht, K+B gegen K in einer
Stellung aufzuweisen, in der die Umwandlung des Bauern möglich ist. Man muß auch wissen,
wie das Spiel zu führen ist, um Patt zu vermeiden, und dies ist eine Technik, die man lernen
kann. Lernt man sie aber nicht, läuft man Gefahr, den Gewinn auszulassen, wenn immer sich
eine solche Stellung ergibt. Sehr wichtig ist in solchen Endspielen auch ein Verständnis der
Bedeutung und Anwendung der Opposition. Der Amateur sollte sich vertraut machen mit
Grundendspielen wie K+B gegen K, K+T+B gegen K+T, Bauernendspielen im allgemeinen,
wo die Opposition eine Rolle spielt, Dame gegen vorgerückte Bauern usw., ferner mit dem
Kampf zwischen L+B und S+B, wo es Faktoren gibt, die den Springer begünstigen (Bauern
nur auf einer Seite des Brettes wie in Partie 2, oder festgelegte Bauern auf der Felderfarbe des
feindlichen schlechten Läufers) oder Faktoren, die den Läufer begünstigen (Bauern auf beiden
Seiten, oder festgelegte Bauern auf der

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Felderfarbe des eigenen guten Läufers). Bei der Arbeit mit dem Endspiel sollte man sich
folgende allgemeinen Hinweise stets klar vor Augen halten: a) in mehr als 90% der Fälle ist
ein Mehrbauer in einem einfachen Bauernendspiel ausschlaggebend; b) mit Figur(en) +
Bauer(n) ist der Mehrbauer in vielleicht 50-60% der Fälle entscheidend; er entscheidet
endgültig, sobald der Spieler außerdem irgendeinen Stellungsvorteil besitzt. In Partie 2 z.B.
steht Schwarz beweglicher und hat außerdem einen Bauern mehr. In Partie 9 ist der gegneri­
sche König gefährdet. In den Partien 7, 1 0, 1 1 , 1 3, 1 6 und 23 genießt der Besitzer des
Materialvorteils außerdem die erheblich größere Wirksamkeit seiner Figuren, c) der König
spielt eine wichtige Rolle im Endspiel. In Partie 1 4 z.B. kann der schwarze König über das
ganze Brett spazieren und die gegnerischen Figuren in Verlegenheit bringen, während der
weiße an die Verteidigung der ihn umgebenden Bauern gebunden ist. Andererseits muß man
auch im Endspiel die Gefährdung des Königs einberechnen; ein Beispiel bietet Partie 9. d) die
Initiative ist im Endspiel vielleicht noch wichtiger als in anderen Partiephasen. In
Turmendspielen muß man ihren Besitz mindestens so hoch wie einen Bauern einschätzen. In
Partie 25 ist Schwarz im Besitz der Initiative beinahe in der Lage, das Fehlen von zwei
Bauern auszugleichen, e) zwei verbundene Freibauern sind sehr stark, und wenn sie auf die
6.Reihe vordringen, wiegt ihre Kraft im allgemeinen so schwer wie ein Turm. Ist der König in
ihrer Nähe, können sich zwei extreme Möglichkeiten ergeben: 1) Kann der feindliche König
vor den weniger weit vorgerückten Bauern gelangen, werden sie fast wertlos; j edoch 2) kann
die Seite mit den zwei Bauern den feindlichen König angreifen - und diese Möglichkeit ist
gewöhnlich vorhanden - übersteigt die Kraft der Bauern sogar die eines Turmes, wie in Partie
24 gezeigt wird. Kurz gesagt, das Endspiel ist eine Phase, in der Kenntnisse mehr zählen als
Einsicht und die in großem Maß durch Studium zu erlernen ist. Nicht ohne Grund haben
große Meister wie Capablanca geraten: „Studiere das Endspiel. "

5) STRATEGIE, TAKTIK UND TAKTISCHE LAGEN


Liest man Erörterungen über die Schachtechnik, kann man nicht sehr weit kommen, ohne auf
die Begriffe Strategie und Taktik zu stoßen, die manchmal sehr lose auf j ede Art von
Manöver angewendet werden, manchmal sehr genau, um zwei unterschiedliche Prozesse des
Vorgehens zu bezeichnen. Obwohl unterscheidbar, sind Strategie und Taktik manchmal so
eng verflochten, daß man beim Ausarbeiten einer strategischen Idee mit taktisch bedingten
Abwandlungen oder Änderungen des gesamten Plans rechnen muß, und machmal hängt eine
taktische Entscheidung von den strategischen Zielen des Spielers ab. Vor und über Strategie
bzw. Taktik rangiert das, was wir eine taktische Lage nennen, weil Rechnen erforderlich und
doch (anders als bei dem, was man üblicherweise unter Taktik versteht) kein vorgefaßter
strategischer Plan einzu-beziehen ist.

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Was auch die genaue Bedeutung dieser Bezeichnungen sem mag, es ist von größter
Wichtigkeit für erfolgreiches Spiel, j ede von ihnen zur angemessenen Zeit anzuwenden. Im
allgemeinen prüft jeder erfahrene Spieler taktische Einzelheiten; vielen Amateuren ist j edoch
die Strategie und die wichtige Rolle, die sie bei erfolgreichem Schach spielt, teilweise oder
vollständig unbewußt. Das gleiche gilt für die Taktik, soweit sie mit der Ausführung eines
strategischen Planes zusammenhängt.

6) STRATEGIE
Strategie bedeutet „umfassende Planung", um ein gegebenes Ziel in emer gegebenen
Partiephase zu erreichen, im Unterschied zum taktischen Verhalten während der
Unternehmung. Strategisches Denken ist angebracht, wenn die Stellung ruhig ist und keine
unmittelbaren taktischen Probleme zu lösen sind. Die richtige Strategie läßt sich aus der
Charakteristik der Stellung entwickeln. Es gibt eine Anzahl verschiedener Situationen, die
strategisches Denken erfordern:
a) In der Eröffnungsphase gibt es immer irgendein Grundziel, mag es sich um Kontrolle der
Mitte, die Aufstellung der Figuren auf wirkungsvolle Angriffsplätze bzw.
Verteidigungsposten oder die Öffnung einer Linie handeln. Es ist wichtig, sich die
strategischen Ziele in dieser Phase klar zu vergegenwärtigen. Einerseits können diese Ziele
den Spieler leiten, wenn der Gegner von der Theorie abweicht; andererseits weisen sie auf den
strategischen Plan zum Beginn des Mittelspiels hin.
b) In allen ruhigen Stellungen, wo es keine taktischen Probleme gibt, ist es angebracht, eine
wirkungsvolle Strategie zu suchen und nicht ziellos zu spielen. Züge, die einen Zweck
verfolgen, sind wirkungsvoller als zwecklose. Druck auf bestimmte Punkte im gegnerischen
Lager zu machen, den Gegner an der Rochade zu hindern, die Überdeckung der eigenen Mitte
sind einige Beispiele strategischen Denkens. Nach einer Reihe solcher zweckvoller Züge fällt
manchmal die Stellung des Gegners infolge unserer Kräftekonzentration auseinander.
c) In manchen ruhigen Stellungen kann ein Spieler Züge finden, die taktische Probleme für
seinen Gegner schaffen und diesen zu Antwortzügen zwingen, die ihm nicht genehm sind und
ihn in der Folge nötigen, sich mit bestimmten Schwächen abzufinden.
d) Wenn im gegnerischen Lager bereits eine Schwäche besteht, dreht sich unser strategischer
Plan oft um die Ausnutzung dieser Schwäche. In Partie 2 z.B. nutzt Schwarz die vorgerückten
Damenflügelbauern des Weißen aus, in Partie 3 macht sich Weiß die geschwächten
Damenflügelbauern des Schwarzen zunutze und in Partie 4 beutet Weiß gleichzeitig die
schwachen Felder des Schwarzen und die Stellung des unrochierten Königs aus.

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e) Manchmal ist die Stellung reif, um einen weit ausgedehnteren Angriffsplan zu entwerfen.
In Partie 1 z.B. zeigen die Beherrschung des Zentrums, der Besitz des Läuferpaars und eine
Ansammlung von Kräften einen Großangriff am Königsflügel an; in Partie 1 1 plant Weiß
einen Angriff auf der offenen c-Linie und in der Folge auf der 7.Reihe; in Partie 1 3
ermöglicht die Bauernstruktur einen Minderheitsangriff; in Partie 1 7 verlangen drei Dinge
nach einem Königsangriff: die weiße Kontrolle des Zentrums, der Aufbau seiner
Königsflügelbauern und der leicht geschwächte Königsflügel des Schwarzen. Dem Meister ist
das Erfordernis, mit einem Plan zu spielen, immer bewußt, und er weiß, welche Pläne für die
j eweilige Lage am besten geeignet sind. Der Amateur spielt oft ohne irgendeinen Plan, wie in
Partie 1 2, oder wählt den falschen, wie in Partie 1 4, oder beginnt einen Plan und versäumt
dann, ihn zu Ende zu führen, wie in Partie 8 . Viele Amateurpartien bestehen aus verhältnis­
mäßig zusammenhanglosen Zügen, die taktisch nicht schlecht zu sein brauchen, denen es aber
am Zweck und am Zusammenhang mangelt.

Wie der Amateur sein strategisches Spiel verbessern kann


Obwohl Kommentatoren ihre Aufmerksamkeit normalerweise mehr auf taktische Varianten
als auf strategische Pläne legen, gibt es Abhandlungen, die besonders der Strategie gewidmet
sind. Es gibt auch Meister, die in ihren Anmerkungen das strategische Denken hervorheben.
Der Amateur kann sich aus solchen Werken Anregungen zu strategischem Denken holen.
Sobald er einmal dessen Bedeutung gelernt hat, wird er beim Nachspielen von Meisterpartien
nach den strategischen Phasen Ausschau halten. In seinen Partien kann er sich in ruhigen
Stellungen ständig zwingen, Züge zu suchen, die ein Ziel haben und einem Plan folgen. Es ist
auch nützlich, Partien zu studieren, die unterschiedliche Arten von Strategie aufweisen, wie
Königsflüge l -, Zentrums-, Minderheitsangriff usw., von denen eine Anzahl in diesem Buch
zu finden sind.

7) TAKTIK
Sobald ein strategischer Plan beschlossen ist, wird man sich überlegen, mit welchen Mitteln
dieser Plan auszuführen ist. Damit begeben wir uns auf das Gebiet der Taktik. Sie umfaßt die
Berechnung der Züge, die erforderlich sind, um den Zweck zu erreichen und bezieht die
vernünftigen Antworten des Gegners mit ein. In Partie 1 z.B . , wo Weiß Kräfte angesammelt
hat, besteht seine Strategie darin, den schwarzen Bauernwall zu durchbrechen, um diese
Kräfte gebrauchen zu können, und das taktische Problem besteht darin, die Züge zu finden,
die den Durchbruch ermöglichen. In Partie 2, wo Weiß seine Damen-flügelbauern geschwächt
hat, besteht das taktische Problem des Schwarzen darin, die Züge zu berechnen, durch die er
Vorteil aus den Bauernschwächen

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ziehen kann. Am Ende der Partie 2 stoßen wir auf eine typische Lage in Form einer „ewigen
Fesselung". Die Partie zeigt, wie die Fesselung auszunutzen ist und wie man mit dem Gewinn
einer ganzen Figur den vollen Vorteil daraus zieht. In Partie 1 7, wo für Weiß ein Angriff am
Königsflügel angezeigt ist, besteht das taktische Problem darin, die genaue Zugfolge
festzulegen, mit der der Angriff ausgeführt wird. Er wird durch ein typisches Turmopfer
gekrönt. In vielen anderen Partien sehen wir die gleiche enge Verbindung zwischen der
voraufgegangenen Strategie und der daraus folgenden Taktik. Ebenso wie in Partie 1 sehen
wir eine Anhäufung von Macht in den Partien 1 9 bis 24. Das strategische Meisterstück des
Zugzwangs auf vollem Brett in Partie 1 3 wird an Zugfolgen gezeigt, die zumeist von
einfacher, taktischer Art sind. Ein Sonderbegriff taktischen Spiels ist die Kombination, die
einen kurzen Teil der Partie einnimmt und mittels derer ein bestimmter Zweck durch Gewalt
erreicht wird. Ihre Zugfolge bildet eine logische unteilbare Kette. Betrachtet man jeden ein­
zelnen der Züge, scheinen sie sinnlos oder gar fehlerhaft; zusammen bilden sie j edoch eine
außerordentlich schöne Einheit. Auf eine Reihe von für sich selbst unverständlichen Zügen
folgt plötzlich die Erleuchtung, und ihr wirklicher Zweck wird klar.
In Partie 1 5 sehen wir, wie Weiß Bedenken hat, daß rein strategische Mittel nur zu gleichem
Spiel führen; er macht daher eine Kombination, die die Merkmale der Stellung zu seinen
Gunsten ändert. Die Schwächung des schwarzen Königsflügels bedeutet den Anfang eines
neuen, vielversprechenden Plans. In Partie 1 8 braucht Schwarz eine schwierige Kombination,
um einen kleinen Vorteil zu behaupten. In den Partien 3 und 4 wird vorgeführt, wie ein
unrochierter König zu Opferkombinationen ermuntert. In Partie 1 1 gibt die Gefährdung der
8.Reihe Anlaß zu Kombinationen verschiedener Art. In Partie 5 ist eine verwundbare Figur
der Gegenstand, um den sich Kombinationen beider Seiten drehen. Partie 22 zeigt uns die
typische Form eines Scheinopfers in einer Stellung, wo sich König und schwere Figuren auf
der gleichen Schrägen aufhalten.

Wie der Amateur seine Taktik ausfeilen kann


Hat der Amateur einmal gelernt, in strategischen Begriffen zu denken und strategische Ziele
zu formulieren, dann muß er versuchen, sich die taktischen Schritte vorzustellen, die die
Strategie verwirklichen sollen. Es gibt spezielle Bücher über Kombinationen, die ihm helfen,
sein Können im Planen und Ausführen von Kombinationen zu entwickeln. Ein sorgfältiges
Studium der taktischen Schritte, durch die die strategischen Pläne der Partien dieses Buches
ausgeführt werden, wird sicherlich ebenfalls Früchte tragen.

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8) DIE TAKTISCHE LAGE
Wenn die Figuren beider Parteien so miteinander in Berührung kommen, daß eine Drohung
entsteht, oder wenn diese Lage unmittelbar bevorsteht, so daß eine Berechnung der Züge er­
forderlich wird, dann tritt eine taktische Lage auf, denn der Spieler muß das Ergebnis seiner
Züge daraufhin einschätzen, ob die Drohung ausgeführt wird oder nicht.
Eine taktische Lage entsteht entweder bei der Ausführung eines strategischen Plans oder an
irgendeinem Punkt bei zufälligen oder gar zwecklosen Zügen, wie oft in Amateurpartien. Sie
erfordert unverzügliche Aufmerksamkeit und ist gegenüber allen anderen Erwägungen vor­
rangig. Ein taktischer Irrtum könnte ernsthafte Folgen haben wie schlechtere Stellung,
materielle Einbuße oder sogar Matt.
Es ist von unschätzbarem Wert, wenn man eine taktische Lage wirkungsvoll zu behandeln
versteht. Das Minimalziel heißt, j eden Zug zu vermeiden, der zum Nachteil führen würde; das
Maximum ist, einen Zug zu finden, der dem Gegner irgendeinen Nachteil aufbürdet. In
diesem Zusammenhang kann man oft einen „scharfen Zug" machen, das ist ein gewaltsamer
Zug, der dem Gegner ein Problem stellt und ihn mit einer unmittelbaren Drohung beschäftigt.
Scharfe Züge sorgen für eine lebhafte Partie und bringen dem Gegner oft Ungelegenheiten;
sie sind oft, jedoch nicht immer die besten. Ihr genauer Wert in der gegebenen Stellung muß
durch die Analyse bestimmt (geprüft) werden. Jede vernünftige Möglichkeit muß untersucht
und abgeschätzt werden, und der Spieler muß das Abspiel wählen, das ihm die meisten
Ressourcen bietet. Für viele Amateure ist die Auflösung taktischer Lagen durch Analyse das
wahre Schach. Sie kennen nichts anderes als eine konkrete Stellung sorgfältig zu untersuchen
und herauszufinden, wieviel sie herausholen können. Das ist in der Tat ein sehr wichtiger
schachlicher Gesichtspunkt, den ein Spieler nicht vernachlässigen darf Wenn eine
schachliche Fähigkeit allen anderen vorzuziehen wäre, könnte es wohl die des bewanderten
Taktikers sein.
Wie der Amateur sich in der Behandlung taktischer Lagen ausbilden kann
Die Varianten, die in Partieanmerkungen gegeben werden, zeigen, wie taktische Lagen zu
behandeln sind, und bezeichnen die taktische Analyse, wie sie Meister und Kommentatoren
handhaben. Der Amateur könnte gut mit einer gegebenen taktischen Lage beginnen, seine
eigenen Untersuchungen anstellen und sie dann mit denj enigen des Glossators vergleichen,
wobei er sorgsam die Möglichkeiten festhält, die er in seiner Analyse übersehen hat. Für die
Analyse kann eine gewisse Zahl von Grundsätzen aufgestellt werden: a) Prüfe j edes Schach
und j eden Schlagfal 1 . Sogar wenn solch ein Zug offensichtlich falsch aussieht, könnte sich
ein unerwartetes und wünschenswertes Ergebnis einstellen.

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b) Prüfe alle Möglichkeiten - unwahrscheinlich wie wahrscheinliche Züge. Was der Amateur
am häufigsten versäumt, ist, den falsch scheinenden Zug zu erwägen. Manchmal ist ein
solcher Zug gerade der, der dem Gegner die meisten Sorgen bereitet.
c) Führe die Analyse zu Ende. Eine Zugfolge, die an einer Stelle schlecht aussehen mag, geht
manchmal vorteilhaft aus, wenn sie etwas weitergeführt wird.
d) Unterschätze den Gegner nicht. Nimm nicht an, daß er die Erwiderung wählen wird, die
für Dich am günstigsten ist, sondern daß er sich j eder Mühe unterziehen wird, das Allerbeste
für sich zu finden.
e) Untersuche besonders aufmerksam Züge, die den Gegner einschränken, wie starke
Drohungen, Doppeldrohungen, Angriffe auf die Dame usw.
f) Beachte genau die Reihenfolge der Züge, die eine strategische oder taktische Idee
verwirklichen sollen. Die falsche Reihenfolge kann dem Gegner eine Gelegenheit eröffnen,
aus den Schwierigkeiten herauszukommen, oder zumindest die Wirkung der Züge verringern.
Sie kann Zeit und Kraft kosten und den Spieler zwingen, unnötig viel Abspiele
durchzurechnen.

9) DIE INITIATIVE
Der Ausdruck „Initiative" beschreibt eine Lage, in der einer der Spieler derart den Ton angibt,
daß sein Partner entweder gezwungen ist, auf sein Spiel einzugehen oder auf jede eigene
Unternehmung zu verzichten. Die Initiative ist ein außerordentlich wertvoller Besitz an j edem
Punkt einer Partie, besonders j edoch im Mitte l - und Endspiel. Im allgemeinen sollte ein
Spieler immer die Initiative ergreifen, wenn er kann, und sie behalten, solange er kann. Das
Geheimnis des (Wieder-)Erlangens der Initiative liegt darin, eher unternehmende als
unbestimmte oder passive Züge zu machen. Der starke Spieler drückt ständig, zwingt den
Gegner, nach seiner Pfeife zu tanzen, wann und wo er immer kann.
Jeder Schachspieler hat schon das Spiel vollständig beherrscht, wenn er einen Anfänger vor
sich hatte, der nach wenigen Zügen so völlig eingebaut war, daß er nichts mehr von Belang
unternehmen konnte. Das geschah, weil der Anfänger nichts Angemessenes getan hat, um die
kühnen Vorstöße seines Gegners aufzufangen, geschweige denn selbst die Initiative zu
ergreifen. Ungefähr genauso, wenn auch auf feinerer Stufe, gelingt es dem Meister, die Partie
zu beherrschen, wenn er mit einem Amateur spielt. Der letztere erkennt in der Kegel die Lage
nicht so überzeugend und in so kurzer Zeit, und es kommt oft vor, daß ein erfahrener Amateur
gegen einen Meister ab einem gegebenen Punkt eine vollständig gebundene Marschroute hat.
Partie 1 2 ist ein glänzendes Beispiel dafür.

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Die Initiative kann auf verschiedene Arten erlangt werden, am offensichtlichsten durch einen
aktiven Zug, der den Gegner zwingt, auf bestimmte Art zu antworten, und so seine Auswahl
beschränkt. Versäumt es der Gegner, von Zeit zu Zeit durch eigene unternehmende Züge
auszugleichen, wird die Initiative des ersteren größer und größer und schließlich
überwältigend. Dann gibt es die Methode, aktive Züge zu machen, die ein gewisses Maß an
Druck auf die Stellung des Gegners ausüben. Mit Tempogewinn spielen, d.h. Züge zu ma­
chen, die Materialgewinn drohen, ist ein anderer Weg, die Initiative zu erobern. Um sie zu
behalten, vermeidet man den Tausch aktiver Figuren gegen passive des Gegners. Tauschen,
wenn Rückzug Zeitverlust bedeuten würde, ist aber eine Form, die Initiative festzuhalten.
Eine besondere Lage, wo die Initiative eine wichtige Rolle spielt, ist, wenn eine Seite Kräfte
aufgespeichert hat, d.h. mehr Figuren für ein unmittelbares Eingreifen bereit hat als die
andere. In solchen Fällen muß der Spieler mit der Machtansammlung etwas unternehmen.
Wenn nötig, muß er opfern, um alle seine Figuren wirksam zu machen und eine Bresche in
die gegnerische Stellung zu schlagen. Holt er nicht so viel wie möglich heraus, kann er seines
Vorteils verlustig gehen oder gar in eine nachteilige Lage geraten. Das hätte in Partie 1 8
geschehen können, hätte Schwarz sich nach dem Einbringen der zwei Bauern auf seinen
Lorbeeren ausgeruht.
Eine der Sonderformen der Initiative ist der Angriff, der nur dann ersprießlich ist, wenn der
Gegner eine Schwäche hat und genügend Figuren zur Hand sind, diese Schwäche
auszunutzen. In solchem Fall muß der Spieler sofort handeln, bevor sein Gegner genügend
Kräfte heranbringen kann, um wirksamen Widerstand zu leisten.
Hat ein Spieler einmal die Initiative, ist es schwierig, sie ihm wieder zu entreißen. Der
Amateur sollte immer danach streben, die Initiative festzuhalten, und wenn der Gegner sie zu
ergreifen sucht, dessen Drohungen und Druck neutralisieren. Gewöhnlich ist der Meister in
der Lage, unternehmender aufzutreten, weil er weiß, wie man sich die Initiative verschaffen
kann, und bei j edem Zug versucht er die Antwort zu finden, die seinen Druck verstärkt.

Wie der Amateur die Initiative ergreifen kann


In den Partien dieses Buches hat der Spieler oft eine Auswahl an Zügen. Man wird sehen, daß
der Meister normalerweise den unternehmendsten Zug wählt. Der Amateur muß sich auch
darin üben, seinen Blick dafür zu schärfen. In den Partien 3 , 4, 9, 1 0, 1 1 , 1 3 , 1 6 und 1 7
ergreift der Meister von Anfang an die Initiative infolge seiner überlegenen
Eröffnungsbehandlung. In Partie 1 2 sehen Wlf, wie Initiative in Form dauerhaften und
zunehmenden Drucks schließlich zu einer Explosion führt. In den Partien 1 8, 2 1 bis 25
kämpfen beide Seiten während eines beträchtlichen Teils der Partie um die Initiative. Das
Ergreifen

22
der Vorhand ist nicht immer sichtbar. In Partie 7 z.B. gebraucht der Meister alle Arten von
Mitteln, wie im 1 0 . und 1 2.Zug von Schwarz, und plötzlich werden bei den Zügen 1 3 und 1 5
Manöver offenbar, die in der Folge zwangsläufig zum Gewinn eines Bauern fuhren.

10) DER WIDERSTAND


Hat der Gegner die Initiative, so muß das, auch wenn sie sehr stark ist, nicht unbedingt den
Untergang bedeuten. In den meisten Fällen - und das ist eine der anziehendsten Seiten des
Schachs - gibt es einen Ausweg. Eine Stellung kann beklagenswert aussehen, zeigt man sie
aber dem Meister, so wird er, wenn sie nicht zu schlecht ist, oft noch einen Weg zeigen, der
aus den Schwierigkeiten herausführt.
Widerstand ist eine der wichtigsten Seiten des Schachs und hat größten Einfluß auf die
Ergebnisse. Im allgemeinen kann man sagen, daß ein Fehler - wenn er nicht zu groß ist - die
Partie noch nicht entscheiet, und ist ein Spieler imstande, nach einem schlechten Zug
fortwährend die richtigen zu finden, wird er die Partie in den meisten Fällen retten können.
Eine der wichtigsten Eigenschaften des Schachspielers ist die Zähigkeit. Meister besitzen sie
meist in hohem Maß. Sie hat auch psychologische Rückwirkungen. Der Angreifer, der glaubt
zu gewinnen oder wenigstens in einer Phase Frfolg zu haben, sieht sich immer neuen
Problemen und Hindernissen gegenüber, die ihn ermüden oder erschöpfen mögen und ihn
seine Geduld verlieren I assen. Es kommt nicht selten vor, daß der unnachgiebige Verteidiger
die Partie nicht nur rettet, sondern sogar gewinnt.
Das Wichtigste bei erfolgreichem Widerstand ist, die richtigen Verteidigungs-lüge zu finden.
Der Amateur ist in der Verteidigung gewöhnlich nicht sehr stark. Er macht zwei oder drei
Fehler, und dann wird die Sache für seinen (Jegner viel leichter. Ferner ist der Amateur zu
bald überzeugt, daß er verlieren wird, und der Gedanke setzt sich fest: „Warum bis zum
letzten versuchen? Ich verliere j a doch. " Und so spielt er oberflächlicher denn je, und die
Partie geht rasch verloren. Wüßte der Amateur, daß die meisten Stellungen haltbar sind,
würde er dazu neigen nachzudenken, und wüßte er, daß es der Mühe wert ist, Widerstand zu
leisten, hielte er sich in vielen Fällen besser. Ein gutes Beispiel unnachgiebiger Verteidigung
ist in Partie 25 zu finden, /war ist der Fehler manchmal zu schwer, wie in den Partien 1 1 , 1 6, 1 8
und 2 1 , wo der Widerstand erfolglos bleiben mußte; aber letzten Endes ist das zu erwarten,
wenn der Sieger seine ganze Energie in die Partie gesteckt hat, immer den schärfsten
Angriffszug macht, nicht zögert zu opfern und die Stellung im richtigen Augenblick zu
festigen weiß, um den Widerstand des Gegners zu brechen.

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Wie der Amateur seine Verteidigung verbessern kann
Der Verteidiger muß die Stellung sorgfältig prüfen und alle Möglichkeiten finden, sich zu
halten, dabei auch solche, die oberflächlich gesehen nicht in Betracht kommen. Er sollte auf
diesem Gebiet ebensoviele Einfälle und Hilfsmittel entfalten wie im Angriff
Ist der Verteidiger überzeugt, daß seine Lage unhaltbar geworden ist, muß das seine Moral
eher stärken als ihn entmutigen, denn das Gefühl „ich habe nichts zu verlieren" sollte ihn zu
objektiver Analyse anhalten und ihn leiten, alle möglichen Opfer zu erwägen, die er zögern
würde in Betracht zu ziehen, hielte er seine Stellung für verteidigungsfähig.
Ein paar allgemeine Grundsätze für wirkungsvollen Widerstand wollen wir anführen:
a) Versuche so viele Figuren wie möglich zu tauschen, insbesondere die Angriffsfiguren des
Gegners. Zögere nicht, sogar Material preiszugeben, um den Angriff zu schwächen. Dies gilt
umso mehr, wenn der Gegner selbst geopfert hat, um Angriff zu erhalten.
b) Mache keine Bauernzüge an der Front, wo der Gegner angreift, wenn sie nicht unbedingt
notwendig sind. Schon der große Steinitz hat auf dieses Detail hingewiesen.
c) Behalte stets einen eventuellen Gegenangriff im Auge. Im allgemeinen ist eine aktive
Verteidigung viel wirkungsvoller als eine passive. Bei der letzteren wachsen die
Schwierigkeiten an, während der Gegenangriff der Partie ein neues Gesicht geben kann, wo
der Verteidiger den Druck abzuschütteln vermag.

1 1) DER SCHACHSTIL
Eine Partie-wird nicht von j edem auf gleiche Weise gewonnen, und j eder Meister hat seinen
charakteristischen Stil. Schon früher zogen Spieler wie Morphy das offene Spiel vor, andere
wie Steinitz das geschlossene. Alj echin und Tal gewannen meist durch taktische Finessen und
starke Angriffe, andere wie Capablanca oder Petrosjan waren auf positionelles Spiel
spezialisiert. Wenn ein Meister für einen Stil eine Vorliebe hat, bedeutet das nicht, daß er
nicht auch anders kann. Welchen Stil er wählt, ist wahrscheinlich Sache des Temperaments,
oder er läßt sich vom Stil seines Gegners leiten. In der Eröffnung wie im Mittelspiel gibt es
Stellungen, die auf sehr unterschiedliche Weise behandelt werden können. Z.B. führt nach 1
. d4 d5 2.c4 e6 die Folge 3 . Sc3 Sf6, wie in den Partien 1 1 , 1 2 und 1 4, zu einer ganz anderen
Art von Partie als 3 . cd5 : (Partie 1 3). Es gibt zahllose Mittelspielstellungen, wo ein Spieler die
Wahl hat, einen geringen Stellungsvorteil zu erhalten und vielleicht nach langem Kampf zu
gewmnen, oder einen schneidigen Angriff zu führen, der einiges Risiko mit sich bringen
könnte.

24
Der Amateur sollte den Stil wählen, der seinem Temperament am besten entspricht. Wenn er
unternehmungslustig ist und gern kombiniert, sollte er Partien von Alj echin, Tal, Kasparow
etc. studieren. Zieht er ruhiges Schach vor, das sich auf Anhäufung kleiner Vorteile
beschränkt, könnte er aus dem Studium der Technik von Capablanca, Petrosjan, Karpow usw.
großen Nutzen ziehen. Ein Irrtum wäre es j edoch, sich an den bevorzugten Stil zu sehr zu
klammern, besonders wenn die Lage anderes erfordert. Spielt man gegen Amateure, hat man
es regelmäßig mit strategischen und taktischen Fehlern zu tun, die in der geeigneten Art

auszunutzen sind, wobei der eigene Stil ohne Belang ist. Kann etwa ein Angriffsspieler einen
Bauern gewinnen, indem er die Stellung vereinfacht und ein Endspiel herbeiführt, muß er es
tun, es sei denn er ist ganz sicher, daß der Angriff noch mehr einbringen wird. Auch wenn er
Endspiele nicht gut zu behandeln versteht, sogar wenn ihm der Gewinn aus der Hand gleitet,
sollte er doch darauf eingehen und lernen, es erfolgreich zu führen. Tut er das nicht, wird sein
Spielraum sogar im Angriff zu eng werden, denn er wird nur solche Angriffe führen können,
die ihm die unbedingte Entscheidung bringen. Prozentual sind solche Unternehmungen j edoch
nur ein geringer Teil des gesamten Angriffsrepertoires.

12) DER PSYCHOLOGISCHE GESICHTSPUNKT IM SCHACH


Psychologie spielt eine weit größere Rolle, als man denken möchte, besonders auf den
höheren Stufen. Es kann sogar festgestellt werden, daß der psychologische Gesichtspunkt in
WM-Kämpfen wenigstens ebenso wichtig ist wie die wirklichen Fähigkeiten, wenn ein
Kämpfer sich zu einem Zug entscheidet. Auf der Stufe des Amateurs kommen
verschiedenartige psychologische Haltungen i ns Bild. Manche Amateure sind nur zufrieden,
wenn sie angreifen können, und wenn man weiß, daß ein Spieler alles tun wird, um Angriff zu
behalten, kann man ihn dazu verleiten, fragwürdige Opfer zu bringen. Anderen hingegen ist
das „Safety-Firsf-Motto fest eingewurzelt, so daß sie oft wegen Mangels an Initiative
verlieren. Dies ist in Partie 7 der Fall, wo der Amateur solid spielt, aber ohne Initiative und zu
sehr auf Sicherheit bedacht. Viele seiner Züge sind zu zahm, und die Sorgen bleiben nicht
aus. Der Meister, ohne etwas erzwingen zu wollen, baut ebenfalls eine feste Stellung auf, hält
j edoch aggressive Waffen bereit, die er zur richtigen Zeit herausholt und so einen Bauern
erobert. Dann gibt es den Amateur, der ungeduldig ist und handeln will, und wenn sein
CJegner lange genug wartet, wird er in seinem Eifer, die Dinge ins Rollen zu bringen,
irgendeinen Fehler begehen.
I m Meisterschach ist eine der wichtigsten psychologischen Lagen die, wenn einer der Spieler
mit Remis zufrieden ist, der andere aber nicht. Diese Lage tritt entweder ein, wenn eine Seite
entschieden schwächer ist als die andere und

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nicht mehr als Remis erhoffen kann, oder wenn einer der Spieler nur einen halben Punkt
benötigt, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen.
Das Spiel auf Remis unterscheidet sich vom Spiel auf Gewinn. Es enthält:
a) Tausch von Figuren auf eine Weise, die keinen Zeitverlust nach sich zieht und keine der
verbleibenden Figuren auf ungünstige Felder bringt;
b) Unterlassung von Angriffszügen - man sieht zuerst auf die Sicherheit der eigenen
wichtigen Felder, anstatt seine Aufmerksamkeit auf die der feindlichen Stellung zu richten -;
das könnte fast bedeuten „in der eigenen Bretthälfte bleiben" .
c) Vermeiden von Verwicklungen, aber so, daß kein Stellungsnachteil eintritt (das ist nicht
leicht, denn im allgemeinen muß man doch Nachteile in Kauf nehmen, wenn man
Verwicklungen aus dem Weg geht).
Schach ist so geartet, daß der Gewinn einer Partie eine schwierige Sache sein kann; sie kann
sogar zehnmal so schwierig werden, wenn der Gegner keinerlei Siegesbestrebungen zeigt,
nicht willens ist, sich auf Unklarheiten einzulassen, nicht das unternehmende Schach spielt,
das beiden die Chance gibt, die Initiative zu ergreifen.
Einige solcher Fälle treten in den Partien dieses Buches auf In Nr.23 und 24 macht der
fortgeschrittene Amateur Züge, die auf ein Remis hinzielen. Besonders in Partie 23 befestigt
er einfach seine Stellung, und der Meister, im Bestreben zu gewinnen, muß sich Blößen
geben, um mehr oder weniger gefährliche Manöver zu unternehmen.
Partie 24 ist ein Sonderfall der Schachpsychologie. Weil der Meister ein Remis mit dem etwas
schwächeren Gegner fürchtet, verlangt er zu viel von einer Remisstellung und verliert.
Um gegen einen schwächeren oder auch ebenbürtigen Partner zu gewinnen, der nur Remis
anstrebt, benutzen Meister oft besondere Mittel. Sie machen oft absichtlich einen
zweitrangigen Zug und versuchen so, den Gegner zu einem wirklichen Kampf
herauszufordern, indem sie den Eindruck erwecken, daß er echte Chancen hat. Natürlich muß
der Meister in solchen Fällen sehr scharf urteilen, damit seine „Unachtsamkeit" nicht zu
kostspielig wird. Der frühere Weltmeister Lasker war in dieser Technik ein phantastischer,
wohl bis heute unerreichter Experte. Er wußte seine Wagnisse haarscharf abzuschätzen. Er
war es auch, der erklärte, daß ein Fehler allein nie die Partie verlieren würde, wenn der
Meister von da ab alle Register zöge und alle Hilfsmittel der Stellung ausschöpfte. Diese Lage
tritt in Partie 25 auf, wo der Gegner nach der ersten Unachtsamkeit des Meisters einen echten
Kampf inszeniert. Allerdings war hier der Meister zu sorglos. Er machte zwei schwächere
Züge (den 4. und 9.), die jedoch keine ausgesprochenen Fehler waren. Oft ist der Amateur
unfähig, solche Züge auszunutzen; in diesem Fall aber war er stark genug, schon „Experte",
und hatte Erfolg.

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Eine andere psychologische Waffe des Meisters ist, dem Gegner in schwieriger Stellung die
Wahl zu lassen. Dies wird in Partie 20 empfohlen, wo der Amateur einen solchen Zug hätte
machen sollen, damit sein Gegner Zeit und Energie aufwenden mußte, einen Entschluß zu
fassen; nachdem er die Wahl getroffen hatte, scheute er vielleicht die Verantwortung. Es ist
gut möglich, daß zwei oder drei Züge später in ihm das Gefühl aufgekommen wäre, die
falsche Wahl getroffen zu haben, ob zu Recht oder zu Unrecht. Solche psychologischen
Taktiken geben dem Gegner das Gefühl der Ungewißheit, und je unsicherer man sich fühlt,
um so schwächer spielt man. Früher betrachtete man solche bekannten psychologischen
Methoden mehr oder weniger als Tricks, heute sind sie j edoch anerkannt als wichtiges
Zubehör im Waffenarsenal j edes hervorragenden Spielers.

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Partie 1

Das ideale Zentrum: Bd4 und Be4


Ideen der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung
Tausch eines Vorteils gegen einen anderen
Initiative gegen passives Spiel
Hervorrufen von Schwächen im Lager des Gegners
Strategie gegen Taktik
Herrschaft über die Mitte
Gebrauch der Mitte in Verbindung mit den zwei Läufern
Das Anhäufen von Energie
Gebrauch der Macht, um Widerstand zu brechen

Ist eine Lage eingetreten, die günstiger ist als der Durchschnitt, spricht man von Vorteil. Es
gibt viele Arten von Vorteilen: materielle (mehr Bauern oder Figuren), überlegene
Entwicklung, größere Beweglichkeit, Raumvorteil, feste Bauernformation, sichere
Königsstellung, Initiative, Angriff, Springer auf starkem Feld, das Läuferpaar usw. Vorteile
können relativ dauerhaft oder ganz vorübergehend sein.
Gegen einen guten Spieler ist es nicht möglich, alle Vorteile zu behaupten, die es gibt.
Manchmal muß man bestimmte Vorteile aufgeben, erhält jedoch dafür andere als Gegenwert
oder verschafft dem Gegner irgendeine Schwäche. Welche Vorteile man auch erhält, es ist
häufig erforderlich, so schnell wie möglich Nutzen aus ihnen zu ziehen; andernfalls lösen sie
sich auf, und es bleibt nichts als der Nachteil. Die Idee, einen Vorteil für einen anderen
aufzugeben und den eigenen Vorteil zu nutzen, bevor er verschwindet, ist im Schach von
grundlegender Bedeutung.
In der folgenden Partie verzichtet Schwarz, der Amateur, auf den Vorteil des Läuferpaars
zugunsten der Initiative - einem sehr vorübergehenden Vorteil. Anstatt die Initiative
auszunutzen, spielt er passiv und erlaubt so dem Weißen, das Läuferpaar in die Waagschale
zu werfen. Weiß ist in der Lage, die ideale Verbindung zweier günstiger Merkmale zu
schaffen: das Zentrum und die zwei Läufer. Diese haben gewöhnlich ihre größte Wirkung,
wenn ihr Besitzer ein starkes Zentrum hat, das den Gegner am Aufbau einer starken, die
Läufer eindämmenden Bauernformation hindert. Als Ergebnis dieser beiden günstigen
Tatbestände gelingt es Weiß, eine gewaltige übermacht an Kräften zu konzentrieren. Infolge
der mangelhaften Entwicklung des Gegners kann er sich c i n Opfer leisten, um seine Figuren
schleunigst zum Kampfplatz zu bringen. Er durchbricht die Barrieren des Schwarzen, der
mattgesetzt wird, bevor er dazu kommt, neue Kräfte heranzuführen.

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WEISS: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR chen durch Gegenmaßnahmen der anderen
NIMZOWITSCH-INDISCH Partei. Nach einer gewissen Zeit pflegt dies
(VARIANTE 4.Dc2 D5) dazu zu führen, daß sich beide Seiten in die
1. d2-d4 Kontrolle der Mittelfelder teilen. Hier
Die vier Felder in der Brettmitte - d4, e4, besetzt Schwarz das Zentrum nicht mittels
d5, e5 - bilden das Zentrum. Wer diese d7-d5, sondern übt auf die Felder d5 bzw.
Felder beherrscht, ist im Vorteil, denn es e4 Druck aus. Er hindert Weiß, das ideale
ist für den Gegner schwierig, unter solchen Zentrum aufzubauen, und behält sich eine
Umständen irgendeine erfolgversprechen­ breite Skala von späteren Zügen vor. 1 . . . .
de Handlung zu unternehmen. Sf6 führt zu emer Vielfalt von
Eine ideale Zentrumsaufstellung ist Eröffnungen, die als „Indische Vertei­
Bd4/Be4, denn Weiß besetzt damit zwei digungen" bekannt sind. Sie werden von
Mittelfelder und übt Druck auf die beiden vielen Spielern bevorzugt, weil sie
anderen aus. Kann ein Spieler diesen Auf­ elastischer sind als das Damengambit.
bau einnehmen, ohne daß der Gegner ihn 2. c2-c4
stören kann, genießt er die volle Zentral­ Der logische Zug, um mehr Mittelfelder zu
herrschaft mit all ihren Vorteilen. Hier be­ beherrschen. Er bringt Gegendruck auf das
ginnt Weiß sofort, ein ideales Zentrum auf­ Feld d5 .
zubauen. Es ist klar, daß er mit 1 . d4 das 2 e7-e6
Feld d4 besetzt. Weniger offensichtlich, Einer der Vorteile dieser Eröffnung ist, daß
aber gleich wichtig ist die zweite Art, in Schwarz sich vorbehält, in das Damen­
der 1. d4 zur Herrschaft über die Mitte gambit einzulenken oder auf Sc3 Lb4 zu
beiträgt. Der Bd4 beherrscht die Felder c5 spielen, wo der Läufer eine sehr wichtige
und e5, denn er droht, jeden schwarzen Rolle im Kampf um das Zentrum spielt. Zu
Stein zu schlagen, der dort hinziehen mag. 2. . . . g6 (Königsindisch) siehe Partien 1 9
Diese zweite Art Kontrolle, die Drohung bis 22. 2 . . . . d6 lenkt zu Altindisch über.
zu schlagen, nennt man Druck. 3. Sbl-c3
1. Sg8-f6 Droht 4. e4. 3 . Sf3 kann nach 3 . . . . b6 zu
Schwarz muß versuchen, den Zentrums­ Damenindisch (Partie 24) führen.
bestrebungen des Weißen entgegenzutreten 3. Lf8-b4
und selbst Kontrolle in der Mitte zu Der Läufer geht auf ein Feld, wo er am
erreichen, indem er Zentralfelder besetzt Kampf um die Mitte teilnimmt und e2-e4
oder Druck darauf ausübt. In den meisten verhindert. Gewöhnlich tauscht
Eröffnungen werden Versuche der einen
Seite, die Mitte zu kontrollieren, ausgegli-

30
ihn Schwarz auf c3 , wodurch Weiß oft eingebüßt hat.
einen Doppelbauern erhält. Für diesen An dieser Stelle kamen für Weiß auch
Nachteil weist er als Gegenwert das dieZüge 4. Db3 , 4. a3 , 4. g3 , 4. Sf3und 4.
Läuferpaar auf; auch die b-Linie öffnet e3 in Frage. Mit 4. e3 , dem häufigsten Zug,
sich - ein weiterer Vorteil. setzt Weiß einfach seine Entwicklung fort
4. Ddl-c2 und überläßt es dem Schwarzen, ob er auf
c3 tauschen wi 1 1 .
4. d7-d5
Schwarz wehrt wiederum die Drohung e2-
e4 ab. Gut sind auch 4. . . . c5, das manche
überraschenden Möglichkeiten enthält, die
in Partie 2 gezeigt werden, und 4 . . . . 0-0.
Man fragt sich, warum 4. . . . 0-0 gut sein
soll, ein Zug, der das von Weiß geplante
Die Dame erneuert die positioneile
e2-e4 ohne weiteres zuläßt. e2-e4 ist zwar
Drohung e2-e4. Außerdem deckt sie den
im positioneilen Sinn eine Drohung; Weiß
Springer und kann so eventuell einen
beherrscht ja ein breites Zentrum. Während
Doppelbauern vermeiden, falls Schwarz
ein solches in bestimmten Fällen einen
auf c3 nimmt. Die Frage, ob Schwarz auf
Trumpf darstellt, kann es aber in anderen
c3 tauschen soll oder nicht, ist von
einen wunden Punkt bedeuten. Z.B . :
erheblicher theoretischer Bedeutung. Eine
a) Nach 4 . . . . 0-0 5 . e4 d5 ! 6 . e5 Se4 erhält
Anzahl vergleichbarer Werte sind in diese
Schwarz gute Gegenchancen wegen seines
Frage verstrickt; das zeigt, auf welche
Entwicklungsvorsprungs.
feinen Überlegungen das Meister-schach
b) Nach 4. . . . b6 ist der Vorstoß 5. e4 viel
manchmal gegründet ist. Spielt Schwarz
stärker, denn die Antwort d7-d5 ist wegen
freiwillig Lc3 :+, ohne von Weiß mit a2-a3
6. Da4+ mit Verlust einer Figur nicht
dazu aufgefordert worden zu sein, mag es
möglich.
die Sache nicht wert sein, das Läuferpaar
Mit anderen Worten, e2-e4 bringt Vor- und
aufzugeben, um Weiß die Bauern zu
Nachteile mit sich.
verdoppeln. Schwarz wird schon eher
5. a2-a3
geneigt sein zu tauschen, wenn Weiß das
Weiß zwingt seinen Gegner zu einer Ent­
Tempo a2-a3 verloren hat. Darum ist 4. a3
scheidung. Er muß entweder den Druck ge­
Lc3 :+ befriedigend für Schwarz, während
gen die Mitte aufgeben und den Läufer zu­
4. e3 Lc3 :+ nie gespielt wird, weil Weiß
rückziehen oder auf c3 tauschen, was, wie
im letzteren Fall kein Tempo
Wlf wissen, nicht immer empfehlenswert
ist.

31
Weiß kann auch 5 . cd5 : spielen, was zu 6. Sf6-e4!
einer Art Tauschvariante führt, wie sie in Der richtige Zug, der nicht nur ein Tempo
Partie 1 3 beschrieben ist. Es ist schwierig, gewinnt, sondern auch die Initiative er­
den Wert dieses Abspiels mit dem von 5 . a3 greift. Als Gegengewicht dafür, daß er ei­
zu vergleichen. Das ist häufig eine Frage nen seiner Läufer aufgegeben hat, erhält
des Temperaments und der Kenntnis spe­ Schwarz die bessere Entwicklung, die er
zieller Analysen. dafür verwenden sollte, die Initiative zu er­
Nach 5 . Lg5 dc4 : 6. e3 Dd5 ist es schwie­ langen. Der erste Schritt dazu ist der ge­
rig für Weiß, den Bauern zurückzuerobern. schehene Springerzug.
5. Lb4xc3+ 7. Dc3-c2
Wegen der Aufgabe des Läuferpaars wäre Das beste Feld für die Dame: sie ist auf die
dieser Tausch ungünstig für Schwarz, es Mitte gerichtet und behindert keine an­
sei denn, er hielte eine scharfe Variante deren Figuen (was der Fall etwa auf d3 ge­
bereit, die ihm Gegenwerte in die Hand wesen wäre).
gibt. Spielt Schwarz statt dessen 5 . . . . Le7, 7. 0-0?
geht die Partie in eine Art orthodoxes Schwarz versäumt die logische Fort­
Damengambit über, wobei Weiß das setzung: das Festhalten der Initiative. Es ist
Tempo a2-a3 geschenkt bekommen hätte. immer wichtig, Ausschau nach der
6. Dc2xc3 schärfsten Fortsetzung zu halten, besonders
Im Nimzoinder wird Weiß gewöhnlich die aber wenn man einen Vorteil in Zeit oder
Doppelbauern vermeiden, wenn er die Initiative hat, dem ein Nachteil in anderer
Wahl hat. An dieser Stelle würde auch 6. Hinsicht gegenübersteht. Häufig hängt das
bc3 : Weiß keinen Doppelbauern verschaf­ von der Fähigkeit des Spielers ab, Züge zu
fen, weil er ihn j ederzeit mit c4xd5 ent­ finden, mit denen er Drohungen aufstellt.
doppeln kann. Schwarz erhielte j edoch In dieser Stellung hätte Schwarz aktiv auf­
nach 6. bc3 : gutes Gegenspiel in der Mitte, treten, d.h. nach einem Zug suchen sollen,
das die Aufgabe des Läuferpaars auszu­ der Weiß in die Verteidigung zwingt. Eine
gleichen scheint: 6 . . . . c5, z.B. 7. e3 Da5 8 . wenn auch riskante Möglichkeit ist 7 . . . .
cd5 : ed5 : 9. Ld2 Se4 und Schwarz steht Sc6 und falls 8 . S f3 e5 9 . de5 : Lf5 mit vie­
etwas besser, weil er ein freies Spiel hat len Drohungen. Auf 8. e3 wird es noch
und das weiße Läuferpaar j ederzeit beseiti­ wilder: 8 . . . . e5 9. cd5 : Dd5 : 1 0 . Lc4 Da5+
gen kann. (man beachte die fortwährenden Bedroh­
ungen) 1 1 . b4 Sb4 : 12. De4 Sc2+ 1 3 . Ke2
(Weiß war gezwungen, die Rochade

32
aufzugeben) 1 3 . . . . De l + 14. Kf3 Sal : mit Bis zu diesem Punkt sind die weißen Züge
Qualitätsgewinn. Diese Stellung ist von in ihrer Grundrichtung alle strategisch
namhaften Theoretikern untersucht wor­ gewesen, d.h. Weiß war es darum zu tun,
den; ein endgültiges Urteil gibt es nicht, eine gute Stellung aufzubauen. Die Taktik
j edoch neigt man meist eher zu weißem hatte bisher keinen Eingang in die Partie
Plus, trotz der unsicheren Königsstellung gefunden. Von Taktik spricht man, wenn
und des materiellen Rückstands. 7 . . . . c5 ist zu berechnen ist, was bei einem Zusam­
ebenfalls ein unternehmender und dabei menprall der Streitkräfte herauskommt.
weniger wilder Zug, der dem geschehenen Z.B. würde auch 9. f3 denselben Zweck
vorzuziehen ist. wie der Textzug verfolgen, wäre aber aus
8. e2-e3 Sb8-d7? taktischen Gründen nicht spielbar (wegen
Wieder ein passiver Zug. Zu bemerken ist, 9 . . . . Dh4+ 1 0 . g3 Sg3 : 1 1 . Df2 Sf5 mit
daß keiner der beiden letzten schwarzen Bauerngewinn für Schwarz).
Züge ein taktischer Fehler war; keiner 9. f7-f5
führt zu Materialeinbußen. Dennoch gerät Schwarz versucht, den Punkt e4 in seiner
Schwarz mit diesen beiden Zügen Gewalt zu behalten. Es ist klar, daß 9. . . .
stellungsmäßig in Nachteil. Von diesem Sef6 den glatten Verlust zweier Züge für
Punkt an wird die Partie ein Lehrbeispiel, Schwarz bedeutet hätte. Im Fall von 9 . . . .
wie bestimmte Stellungsvorteile auszu­ Sdf6 käme 1 0 . f3 , und Weiß setzt bald e3 -
nutzen sind, insbesondere das Läuferpaar e4 durch.
und, nach einer fast zwangsläufigen Zug­ 10. f2-f3
folge, die Mehrheit im Zentrum. Schwarz
hätte einen aktiven Zug wie 8 . . . . c5 oder 8 .
. . . b6 machen sollen. Die Aktivität des letz­
teren Zuges wird in der Fortsetzung 9. Ld3
La6 ! 1 0 . Le4 : (vorzuziehen ist 1 0.b3) 1 0 .
. . . de4 : 1 1 . De4 : Lc4 : 12. Da8 : Ld5 1 3 .
Da7 : Lg2 : 1 4 . Ld2 Lhl : (Schwarz gewinnt
das verlorene Material günstig zurück)
Weiß macht jetzt den Zug, der ihn zuvor
offenbar.
einen Bauern gekostet hätte. Warum? Was
9. Lfl-d3
die Stellung betrifft, so ermöglicht er ihm,
Dieser Zug drückt gegen die Mitte, greift
die Mitte zu beherrschen. Weiß mußte je­
den Springer an und zwingt Schwarz, ihn
doch wiederum die genauen taktischen
zu verteidigen oder zurückzuziehen, mit
Folgen von Dh4+ berechnen. Der einzige
Verlust eines Tempos in j edem Fal 1 .

33
Unterschied ist, daß Schwarz nun emen die Läufer stoppen könnte. Das eigene
Bauern auf f5 hat und er dieses Feld nicht Zentrum hemmt sie nicht, denn durch Vor­
mehr mit dem Springer betreten kann: 1 0 . stoß der Mittelbauern im richtigen Augen­
. . . Dh4+ l l .g3 Sg3 : 1 2.Df2. Andererseits blick können die Zugstraßen geöffnet
könnte er nun f5-f4 ziehen. Dann wäre 1 3 . werden.
ef4 : Sf5 schlecht für Weiß; er kann aber 12. Sgl-e2
besser mit 1 3 . Se2 fortsetzen nebst Rückge­ Der Schlüsselzug e3 -e4 muß vorbereitet
winn des Bauern, und er behielte den Vor­ werden ( 1 2 . e4 fe4 : 1 3 . fe4 : Sf4 und Weiß
teil des Läuferpaars. Z.B. 1 3 . . . . Sf5 14. wäre praktisch gezwungen, einen seiner
Sf4 : Df2:+ 15. Kf2 : und Weiß droht 1 6 . Läufer zu tauschen).
Se6 : bzw. 1 6 . cd5 : . 12. c7-c6
10. Se4-f6 Auch Schwarz strebt e6-e5 an, um sich
Nun gelingt es Weiß, die schwarze Mitte Gegenspiel in der Mitte zu verschaffen. Er
vollständig zu zerstören. 1 0 . . . . Sd6 wäre muß zuvor seinen Sd5 befestigen, weil 12.
besser, um den folgenden Tausch zu ver­ ... e5 wegen 13. Db3 c6 14. e4 eine Figur
meiden. gekostet hätte. Nicht so gut, wie es aus­
11. c4xd5 Sf6xd5 sieht, ist 1 2 . . . . c5 ( 1 3 . dc5 : Da5+ 14. b4
Der Bf5 muß gedeckt bleiben. Man be­ Sb4 :), denn Weiß spielt 1 3 . e4 fe4 : 14. fe4 :
achte, daß der Amateur keine unmittel­ Se7 (S5f6 1 5 . e5) 1 5 . dc5 : und hat einen
baren Fehler begeht und sich bis zu einem gesunden Bauern gewonnen.
gewissen Grad so gut wie möglich vertei­ 13. 0-0
digt. Man kann es sich aber nicht leisten, Natürlich wäre 1 3 . e4 an dieser Stelle
einem Meister solchen Stellungsvorteil möglich gewesen, aber nach 1 3 . . . . fe4 : 14.
einzuräumen. Die Überlegenheit des fe4 : käme Weiß nicht gleich zur Rochade.
Weißen ist schon so groß, daß es für 13. g7-g6
Schwarz auf die Dauer keine Verteidigung Um die Drohungen auf der Schrägen b l -h7
mehr gibt, vorausgesetzt daß Weiß die zu schwächen und e6-e5 zu drohen. Kön­
richtige Fortsetzung findet. Aus diesem nte Schwarz im Zentrum ausgleichen, wäre
Grund ist es wichtig zu verfolgen, wie ein ein beträchtlicher Teil des weißen Überge­
Meister seine Vorteile ausnützt. Weiß hat wichts dahin. Im allgemeinen stellen zwei
hier eine ideale Kombination zweier Vor­ Läufer kein Plus dar, wenn sie nicht ge­
teile: a) eine Mehrheit im Zentrum und b) nutzt werden können. Der Textzug hat al­
das Läuferpaar. Die zwei Läufer brauchen lerdings den Nachteil, dem Lc l eine voll­
Beweglichkeit, und diese liefert das Zen­ ständige Diagonale einzuräumen,
trum. Es ist wichtig, daß der Gegner kein
Zentrum von Belang aufzuweisen hat, das

34
auf der er gewaltigen Druck ausüben wird, 15. Ld3-c4
sobald Weiß zu e3 -e4 gekommen ist. Es ist sehr wichtig für Weiß, seinen Läufer
14. e3-e4 auf diese Schräge zu bringen, die eine sehr
bedeutende Rolle im Verlauf der Partie
spielen wird, besonders auch wegen des
schwachen Be6. Aus diesem Grund war es
vielleicht besser für Schwarz, den Sd5
nach b6 zurückzuziehen, um diesen
Läuferzug zu verhindern.
15. Sd7-b6
16. Lc4-a2
Der lang erwartete Zug, auf dem die Stra­
Der Be6 ist verteidigt, aber gefesselt; Weiß
tegie der letzten fünf oder sechs Züge be­
droht Bauerngewinn mit 1 7 . ef5 : gf5 : 1 8 .
ruht.
Df5 : .
14. Sd5-f6
16. Kg8-g7
Bauerntausch ist nicht gut, weil j eder
Wehrt die Drohung ab und hindert den Lc 1
Tausch die weißen Läufer erstarken läßt.
daran, nach h6 zu gehen.
Der Sd5 hat vier Felder, auf die er sicher
17. Lcl-f4
zurückgehen kann. Welches das beste ist,
Der Läufer steht hier auf einer Diagonalen,
läßt sich schwer sagen. Jedes hat gewisse
die er vollständig beherrscht, weil der geg­
Vor- aber auch Nachteile.
'
nerische Königsläufer abgetauscht ist. Ob­
In den nächsten fünf Zügen bringt Weiß
wohl dieser Zug keine Drohung aufstellt,
seine Figuren so ins Spiel, daß sich alle
ist er wichtig, um mehr Raum zu beher­
Kräfte auf einen Punkt konzentrieren.
rschen und so zur Kräftekonzentration bei­
Einige Züge sind direkt, d.h. gegen be­
zutragen.
stimmte Ziele gerichtet, einige indirekt, die
Ein Zug wie e4-e5 kommt in dieser Lage
einfach die Stellung verstärken. Nach die­
nicht in Betracht, denn das würde unmittel­
sen fünf Zügen werden die Figuren gegen
bar den Lf4 beschränken und nach Sf6-d5
ein breites Feld gerichtet sein: Zentrum
auch den La2.
und Königsflügel. Alle diese Züge streben
17. h7-h6
eine Ansammlung von Energie an, um
genügend Figuren zur Hand zu haben, was
Siehe Diagramm nächste Seite.
auch immer geschehen mag.

35
genüberstellung aufzuheben.
19. Se2-g3
Stellt den Springer wirkungsvoller. So
droht im Fall von 1 9 . . . . g5 20. Le5 bereits
2 1 . Sh5+. Zieht Schwarz dann 20 . . . . Kg6,
nützt Weiß die günstige Springerstellung
zu einem bemerkenswerten Scheinopfer:
2 1 . Le6 : ! Le6 : 22. ef5 :+ Kf? 23 . fe6 :+.
Dieser Zug hat einen günstigen und einen
Weiß hat nicht nur einen Bauern gewon­
ungünstigen Aspekt. In bestimmtem Maß
nen, sein Springer steht auch bereit, die
verringert er die Möglichkeiten des Lf4,
schwarze Stellung anderweitig zu bedro­
und gelingt es Schwarz, g5 nebst f4 zu
hen.
spielen, beschränkt er den Läufer noch
19. Tf8-d8
mehr. Solange j edoch g6-g5 mit Le5 beant­
Dieser Zug nützt nichts. Aber Schwarz ist
wortet werden kann, hat der Textzug weni­
lahmgelegt und verfügt über keine guten
ger positive Wirkung. Andererseits
Züge.
schwächt er den Königsflügel und ist für
20. Tfl-el
die rasche Verschlechterung der Königs­
Droht 2 1 . exf5 wegen der ungünstigen
stellung verantwortlich.
Stellung der De7. Weiß konnte die gleiche
18. Tal-dl
indirekte Drohung auf der e-Linie
Ein starker Vorbereitungszug. Bevor Weiß
aufstellen wie zwei Züge zuvor auf der d­
den Angriff beginnt, muß er einiges vorbe­
Linie.
reiten. Er nimmt dem Springer die Aufgabe
20. De7-f8
ab, d4 zu schützen, und unterstützt den
Läufer, wenn er auf e5 steht, weil Weiß
nicht mehr mit Sbd7 nebst Se5 : zu rechnen
braucht, da sein Turm auf die schwarze
Dame zielt.
18. Dd8-e7
Immer wenn König oder Dame auf der
gleichen Linie wie eine geringerwertige
feindliche Figur stehen, ist Gefahr im Ver­ Die Partie tritt nun in eine neue Phase ein.
zug, und falls es keinen zwingenden Grund Weiß hat während der Züge 1 5 bis 20
für einen anderen Zug gibt, ist es vernünf­ Kräfte aufgespeichert. Mit dem 21 .Zug
tig, diese Ge beginnt er diese zu nutzen. Man

36
kann sehen, wie j eder Zug seine Rolle im
folgenden Schlußangriff (bzw. in Varian­
ten) spielt.
21. e4xf5
Um eine Entscheidung zu erzwingen,
macht Weiß diesen Tausch, der nicht gut
wäre, käme Schwarz zur Besetzung von d5
mit einem Springer.
21. e6xf5 Die gewaltige übermacht gegen den nack­

Erzwungen, weil g6xf5 den Be6 kostet. ten König sichert den zwangsläufigen Ge­

Schwarz kann auch nicht den Zwischenzug wmn.

2 1 . . . . Sbd5 einschalten wegen 22. fe6 : 24. Kg7-h8

Le6 : (Sf4 : 23 . e7) 23 . Lh6 : + ! (ebenfalls ein Auf 24 . . . . Kh7 gewinnt 25. Sh5 . Die fol­

Zwischenzug) 23 . . . . Kh6 : 24. Te6 : und genden Varianten geben dem Lernenden

Weiß hat zwei Bauern mehr. einen Begriff, wie der Widerstand in sol­

22. Dc2-cl g6-g5 chen Fällen zu brechen ist. Wir werden se­

Nicht möglich sind 22 . . . . Dh8 23 . Lh6 :+ hen, daß dies nicht so einfach ist wenn '

Dh6 : 24. Te7+ mit Damengewinn bzw. 22. man alle Möglichkeiten berücksichtigen

. . . Sg8 23 . Lg8 : nebst 24.Lh6 : . wi l 1 .

23. Lf4xg5 (24 . ... Kh7 25. Sh5)

Die Grundlage dieses Opfers ist eine Be­ 1) 25 . . . . Sh5 : 2 6 . Dh5 :+ Kg7 (Dh6 27.

seitigungskombination (sie beseitigt die Te7+) 27. Dg5+ und 28. Te7(+)

Königsflügelbauern). Ein solches Opfer ist 2) 25 . . . . Sbd7 26. Te6

möglich, wenn genügend Angriffsfiguren 2a) 26 . . . . Sh5 : 27. Dh5 :+usw.

bereitstehen. Hier hat Weiß Dame, Sprin­ 2b) 26 . . . . Sg8 27. Tg6 usw.

ger, Läufer und einen Turm unmittelbar 2c) 26 . . . . Se8 27. Th6+ Dh6 : 28. Dg8

zur Teilnahme am Angriff verfügbar. matt

23. h6xg5 2d) 26 . . . . Sd5 27. Ld5 : cd5 : 28. Te7+

24. Dclxg5+ Kh8 29. Tg7


3) 25 . . . . Sbd5 2 6 . Ld5 : Sd5 : 2 7 . Te5 !
3 a) 27 . . . . Ld7 28. Td5 : cd5 : 29.
Sf6+ Kh8 30. Dg6 ! und gewinnt
3b) 27 . . . . Td6 28. Tde l (drohtTe7+) 28 .
. . . Tg6 29. Dh4
3bl) 29 . . . . Th6 30. Te8 Dd6 (Df? 3 1 .
T8e7) 3 1 . Td8 Dg6 32. Te7+ usw.

37
3b2) 29 . . . . Dh6 30. Td5 : cd5 : 3 1 . Te7+ hätte gewonnen.
Kg8 32. Te8+ Kh7 3 3 . De7+ Tg7 34. 29. Df8xe7
Sg7 : Dg7 : 3 5 . Dh4+ Kg6 36. Te7 und Oder 29 . . . . Kh8 30. Dh4+ usw.
gewinnt. 30. Dg5-g6+ Kh7-h8
Kehren wir nun zur Partie zurück, in der 31. Dg6-h6+ De7-h7
24 . . . . Kh8 gespielt wurde. Oder 3 1 . . . . Sh7.
25. Dg5-h4+ Kh8-g7 32. Sf4-g6 matt.
Wenn 25 . . . . Sh7, so 26. Te7. Schwarz, der Amateur, verlor, weil er die
26. Sg3-h5+ Kg7-g6 Grundidee der Eröffnung nicht verstand.
26 . . . . Sh5 : 27. Dg5+! Kh7 28. Dh5 :+ Kg7 Im Nimzoinder muß der Nachziehende im­
29. Dg5+ nebst 30. Te7. mer zu dem Tausch Lb4xc3 bereit sein.
27. Sh5-f4+ Kg6-g7 Die Theorie hat Zugfolgen entwickelt, in
28 Dh4-g5+ Kg7-h7 denen Schwarz entweder Doppelbauern im
Geht der König nach h8, erobert 29. Sg6+ feindlichen Lager erzwingen oder die Ini­
die Dame. tiative ergreifen kann. Hat Schwarz kein
29. Tel-e7+! Verständnis für diese Ausgleichswerte,
Ein zweites Opfer, das zwingend zum Matt gibt er das Läuferpaar für nichts auf mit
führt. Auch 29. Sg6 nebst Te7 allen unangenehmen Folgen.

38
Partie 2

Die Variante 4.Dc2 c5 im Nimzoinder


Der Nachteil eines verfrühten Vorstoßes der Damenflügelbauern
Ausnutzung der Schwächen einer Bauernformation
Eroberung des vereinzelten Bauern
Den Mehrbauern zur Geltung bringen
Die „ewige" Fesselung

Der Bauer hat eine Besonderheit, die keine der Figuren aufweist: er kann nur vorwärts und nie
rückwärts gehen. Deswegen warnte einst schon Steinitz: sei besonders vorsichtig mit
Bauernzügen!
Gewiß gibt es Fälle, wo der Bauer nützlicher auf der 4.Reihe ist als auf der 2. und vielleicht
noch mehr auf der 6. Aber das ist keine allgemeine Regel. Es muß ein klarer und bestimmter
Grund für das Vorbringen von Bauern im konkreten Einzelfall vorliegen. Dies gilt besonders
in der Eröffnung, denn Bauernzüge können automatisch zu einem Entwicklungsrückstand
führen, der die Verwundbarkeit der vorgerückten Bauern erhöht.
Das Vorrücken der Königsflügelbauern bringt mehr Gefahren mit sich als auf j edem anderen
Teil des Bretts, denn diese Bauern haben normalerweise die Aufgabe, das wertvollste Stück
auf dem Brett, den König, zu bewachen. Das bedeutet jedoch nicht, daß man seine Bauern auf
dem Damenflügel unbedacht ohne nachteilige Folgen vorrücken könnte. Gelingt es dem
Gegner, die vorgestoßenen Bauern mit seinen eigenen anzugreifen und die vorgeschobene
Formation zu durchlöchern, so können viele unangenehme Folgen entstehen. In der
vorliegenden Partie kommt es zu einem unbegründeten Bauernvorstoß am Damenflügel, der
verlockend erscheint, weil Weiß damit zugleich einen schwarzen Läufer zurücktreibt.
Schwarz hat jedoch Gegenmittel bereit. Bald werden die weißen Bauern angegriffen und
zerstört, und von der einst mächtigen Phalanx bleibt nur ein vereinzelter c-Bauer übrig, der
bald verloren geht. Dies ist die erste Phase der Partie.
Als nächstes muß Schwarz das Problem lösen, wie sem materielles Plus in den Gewinn
umgewandelt werden kann. Er erhält Gelegenheit, einen Freibauern zu erzwingen. Dies allein
löst jedoch selten ein solches Problem, denn im allgemeinen hat der Gegner genau so viele
Möglichkeiten, den Bauern aufzuhalten, wie sein Besitzer, ihn zu unterstützen. Das Ergebnis
des Tauziehens um den Freibauern ist j edoch oft, daß die Figuren des Verteidigers auf
bestimmte Punkte beschränkt sind, von denen aus sie den Bauern aufhalten können. Das gibt
dem Gegner reichlich Gelegenheit etwas Neues zu unternehmen - eine zweite Front zu bilden.
Dies ist der Vorteil eines klaren Mehrwerts !

39
WEISS: AMATEUR SCHWARZ: MEISTER den, den Bc5 zurückzugewinnen und dabei
NIMZOINDISCH ein scharfes Urteil über den Wert von Lc3 :
(VARIANTE 4.Dc2 c5) bilden. In einer Stellung kann der Tausch
1. d2-d4 Sg8-f6 ungünstig für Schwarz sein, in einer ge­
2. c2-c4 e7-e6 ringfügig anderen Lage dagegen stark. Wie
3. Sbl-c3 Lf8-b4 schon erwähnt, wird Schwarz meist nicht
4. Ddl-c2 freiwillig auf c3 tauschen, sondern erst,
Über Theorie und Ideen dieser Vertei­ wenn er durch a2-a3 genötigt wird. Als er­
digung siehe die vorhergehende Partie. stes wollen wir einige Folgen des Tausches
4. c7-c5 klären. Nehmen wir an, Weiß spielt 6. g3 .
Schwarz greift unverzüglich das weiße Setzt Schwarz dann mit 6 . . . . Lc3 :+ 7. Dc3 :
Zentrum an. Se4 8 . Dc2 Da5+ 9. Ld2 Sd2 : 1 0 . Dd2 :
5. d4xc5 fort, ist schwer zu sagen, ob er vollen Aus­
Weiß kann auch 5 . e3 spielen. Ganz befrie­ gleich hat. Nach 1 0 . . . . Dc5 : 1 1 . Tel Sc6
digend für Schwarz ist aber 5 . a3 12. Lg2 d6 1 3 . Sf3 behauptet Weiß einen
Lc3 :+sowohl nach 6. Dc3 : cd4 : 7. Dd4 : kleinen Stellungsvorteil, weil der Bd6 auf
Sc6 8 . Dc3 d5 wie nach 6. bc3 : Da5 7. Ld2 einer offenen Linie rückständig ist. Ver­
0-0. Schwarz hat einigen Druck gegen den sucht Weiß dagegen, einen großen Vorteil
weißen Damenflügel; der weiße durch 8 . Da3 zu erzielen, nämlich den Bau­
Doppelbauer ist unbequem und kann ern zu behaupten, so käme 8 . . . . Sa6, und
schwach werden. nun verlöre 9. b4? Df6 ! mit der Doppel­
5. 0-0 drohung Df2:+ bzw. Dal : - taktische Kon­
sequenzen ! Eine andere Möglichkeit ist 6.
Lg5 . Dieser Zug unterstreicht die takti­
schen Möglichkeiten des Schwarzen, der
unter bestimmten Umständen 6. . . . Lc3 : + 7.
Dc3 : Se4 8 . Ld8 : Sc3 : spielen könnte. Di­
rekt ist das nicht gut, weil es nach 9. Le7
Te8 1 0 . Ld6 einen Bauern kostet. Schwarz
kann diese Kom-bination mit 6 . . . . Sc6 vor­
Eine schwierige Stellung. Weiß muß seine
bereiten, z.B. 7. Sf3 Lc3 : 8 . Dc3 : Se4 9.
Entwicklung fortsetzen und dabei ständig
Ld8 : Sc3 : , hat j edoch noch immer Sorgen,
mit den strategischen und taktischen Fol­
z.B. 1 0 . Lc7 Se4 1 1 . a3 Sc5 : 12. Ld6 Sb3 .
gen des Tauschs auf c3 rechnen. Schwarz
Gewiß ist Schwarz nicht genötigt, Lc3 :+ zu
muß einen Weg fin
spielen; er kann einfach mit Lc5 : fort-

40
setzen. In diesem Fall bekommt Weiß , andererseits em Abwartezug, um zu
j edoch eine schöne Partie: gute Entwick­ sehen, was Weiß tun wird. Er wird als
lung, Einfluß im Zentrum, Raumvorteil. aktivster Zug angesehen, weil das ruhige 5 .
Aus diesem Grund antwortet Schwarz auf . . . Lc5 : 6. S f3 0-0 7 .Lg5 dem Weißen das
6. Lg5 mit Sa6 in der Absicht, nach Sc5 : etwas freiere Spiel einräumt.
das Feld e4 zu beherrschen. Tut Weiß Aus den obigen Varianten sehen wir, daß
nichts dagegen, erhält Schwarz eine gute manchmal der schwarze Springer den Bc5
Partie; z.B. 7. Sf3 Sc5 : 8 . e3 Sce4, und schlägt, manchmal der Läufer. Das hängt
Weiß kann die Verdopplung semes c­ davon ab, wie Weiß spielt. Nimmt
Bauern nicht vermeiden. Weiß muß eine Schwarz sofort auf c5, befreit er den
schärfere Methode suchen, auf 6 . . . . Sa6 zu Weißen von seiner Ungewißheit.
erwidern: 7. a3 (zuerst den Lb4 zwingen, 6. a2-a3
seine Absichten zu erklären, und so Zwingt Schwarz zur Erklärung. Wie aus
j edenfalls das Läuferpaar zu erhalten) 7 . . . . der vorigen Analyse hervorgeht, ist dies
Lc3 :+ 8 . Dc3 : Sc5 : (Se4 wärej etzt nicht einer der besten Züge, der verwickelte
gut: 9. Ld8 : Sc3 : 1 0 . Lh4 oder Le7, und Wege anderer Abspiele vermeidet. Weiß
l l .b4 gewinnt einen Bauern). Nun droht kann auch 6.Ld2 und 6 . Sf3 antworten.
Schwarz das Läuferpaar mit Sce4 zu 6. Lb4xc5
beseitigen und ganz allgemein die Tatsache Hier wäre Lc3 :+ein strategischer Fehler,
zu nutzen, daß er mehr Truppen in der weil Schwarz kein Gegengewicht für die
Schlacht hat, z.B. 9. Lf4 (um Sfe4 zu Aufgabe des Läuferpaars und sogar Sorgen
parieren) 9 . . . . d5 1 0 . Tdl Sfe4 1 1 . Dc2 mit dem Rückgewinn des Bauern hätte,
Df6 und Schwarz hat die Initiative. z.B. 7.Dc3 : Se4 8 . Dc2 Sc5 :9. b4 mit
Versucht Weiß 9 . f3 , so verhindert dies ausgezeichnetem Spiel für Weiß. 9 . . . . Sa6
überraschenderweise die Wendung 9. . . . ist erzwungen, und Schwarz kann die
Sfe4 nicht: 1 0 . Ld8 : Sc3 : 1 1 . Le7 (schein­ weiße Bauernkette nicht mit a7-a5 angrei­
bar die Widerlegung, aber. . .) 1 1 . . . . Sb3 fen, wie es tatsächlich in der Partie
erobert ebenfalls die Qualität: 12. Lf8 : geschieht.
Kf8 : 1 3 . Tdl Sdl : 14. Kd l : . Schwarz hat 7. b2-b4(?)
wenigstens gleiches Spiel. Zweifelhaft, obschon der Lc5 energisch
Diese Erklärungen, die etwas vom tatsäch­ zurückgeworfen wird. Der Zug bedeutet
lichen Gang der Partie abschweifen, sollen eme Schwächung der weißen
den Wert eines Entwicklungsvorsprungs Damenflügeibauern, aus der Schwarz bald
veranschaulichen und zeigen, wie die Nutzen ziehen kann. Man kann natürlich
Taktik infolge der exponierten weißen nicht verallgemeinern, sollte aber diesen
Dame zu ihrem Recht kommt. Zug immer mit
So ist 5 . . . . 0-0 einerseits ein Entwicklungs-

41
Mißtrauen betrachten. Es hängt davon ab, b4-b5, erhält Schwarz das wichtige Feld
ob Schwarz ihm vorteilhaft mit a7-a5 c5, das er mit d6 nebst Sd7-c5 besetzen
begegnen kann. Nehmen wir an, Weiß könnte.
versucht statt dessen den 9. Tal-bl
naheliegendenZug 7. Lg5 ?. Dann könnte Nach 9. Sa2? ab4 : 1 0 . ab4 : Lb4 :+ könn-te
Schwarz mit 7 . . . . Lf2 :+ 8 . Kf2 : Sg4+ nebst der Springer nicht zurücknehmen, weil der
Dg5 : einen Bauern gewinnen, ein Beweis Tal ungedeckt steht.
dafür, wie wichtig es ist, nicht mechanisch 9. Sb8-a6
zu spielen, sondern j eden Schritt genau zu 10. Sc3-a2
prüfen und dabei besonders Schachgebote Erzwungen, wenn Weiß dem Gegner nicht
und Schlagfälle zu beachten. Der beste Zug das Feld c5 überlassen wi l 1 . Nach
für Weiß ist hier 7. Sf3 . wenigen Zügen ist er schon in die
7. Lc5-e7 Defensive gedrängt, die Folge des
8. Sgl-f3 „unternehmenden" Vorgehens im 7. Zug.
Das ist 8 . Lb2 vorzuziehen, weil Weiß in 10. d7-d5
diesem Fall die Möglichkeit verlöre, b4 mit Schwarz setzt seme Entwicklung auf
Tb l zu schützen. Spielt Weiß das ganz sachgerechte Weise fort und befähigt seine
anders geartete 8. e4, so 8 . . . . a5 9. e5 ab4 : ! Figuren gleichzeitig, den Angriff
1 0 . ef6 : Lf6 : und Schwarz steht vorzüglich. amDamenflügel fortzusetzen. Er versucht,
8. a7-a5 die Stellung zu öffnen, um den höchsten
Nutzen aus der rückständigen Entwicklung
des Weißen zu ziehen. Er bekämpft den
Halt, den der Bc4 im Zentrum gibt.
11. e2-e3
Nach 1 1 . cd5 : hätte Schwarz die Wahl, mit
Dame, Springer oder Bauer zu­
rückzunehmen und in j edem Fall eme
befriedigende Stellung zu erhalten. Mit 1 1 .
Weiß hat am Damenflügel einen achtung­ ... ed5 : nähme Schwarz den kleinen
gebietenden Bauernverband. Schwarz ist Nachteil des vereinzelten Bauern in Kauf
bestrebt, die Bauern zum Vorrücken zu für den Vorteil, den Lc8 ins Spiel bringen
bewegen und so zu schwächen. Dies kann zu können. Nach 1 1 . c5 bereitet Schwarz
er umso eher tun, weil Weiß nach b4xa5 mit Ld7 den Sprengungszug b7-b6 vor.
zwei vereinzelte Bauern behielte. Spielt
Weiß

42
11. Lc8-d7 Den hat er nun - zum Preis von drei Tempi,
Dieser Läufer möchte auch seine Rolle am und das macht den Raum wertlos. Es
Damenflügel spielen. bleiben nur die Schwächen. Weiß hat zwar
12. c4-c5(?) eine Bauernmehrheit am Damenflügel, die
einen Freibauern ergeben kann. Ein
Freibauer braucht j edoch Unterstützung,
und die kann Weiß hier nicht gewähren.
Der Freibauer wird schwach und geht
schließlich verloren.
12. a5xb4
Um die a-Linie zu öffnen und die weißen
Bauern ein wenig mehr bloßzustellen.
Der Würfel ist gefallen, j edoch in der
13. a3xb4
falschen Richtung. Vorzuziehen war 1 2
Wie in der vorhergehenden Partie hat der
cd5 : , um auf Sd5 : mit 1 3 . e4 fortzufahren.
Meister zwei klare Vorteile erzielt -
Schwarz wird daher besser 12 . . . . ab4 :
diesmal Entwicklungsvorsprung und
erwidern, und wenn 1 3 . ab4 : , s o Sd5 : mit
Angriffschancen gegen die weißen
Angriff auf b4. Versucht Weiß j edoch,
Damenflügelbauern. Der Wert von zwei
durch 1 3 . de6 : einen Bauern zu gewinnen,
Vorteilen zählt progressiv. Eine Partie auf
erwarten ihn große Schwie-rigkeiten: 1 3 . . . .
der Grundlage eines Vorteils zu gewinnen
Le6 : 1 4 . Sb4 : Sb4 : 1 5 . ab4 : Ta2 1 6 . Dd3
kann eine schwierige Arbeit sein, hat man
Dc8 ! usw. Schwarz hat nun emen
aber zwei Vorteile, verringert sich die
Entwicklungsvorsprung von nicht weniger
Mühe um weit mehr als die Hälfte. Kein
als drei Zügen und kann die Zeit, die Weiß
Wunder, daß der Amateur, obwohl er wie
für die Beendigung der Entwicklung
in Partie 1 keine schwerwiegenden Fehler
braucht, zur Stärkung seiner Offensive auf
begeht, dem folgerichtig geplanten
der c-Linie benutzen. Wie ist dieser
Vorgehen seines meisterlichen Gegners
Entwicklungsvorsprung zu erklären?
nicht widerstehen kann.
Dadurch, daß Weiß Zeit für
13. Dd8-c7
Verteidigungszüge wie Tb 1 , Sa2 usw.
Dient als Vorbereitung eines Angriffs
verlieren mußte, und mit solchen Zügen
gegen den weißen Spitzenbauern mit b7-
wie b2-b4, c4-c5 . Er setzte damit semen
b6. Auf sofortiges 13 . . . . b6 wäre 1 4 . c6
zweifelhaften Kurs fort, anstatt semen
nebst b4-b5 möglich gewesen, und die
Fehler einzusehen und c4xd5 zu spielen.
schwarze Aufgabe wäre viel schwerer
Weiß hatte die Absicht, Raum am
geworden.
Damenflügel zu gewinnen.

43
Der Besitzer eines solchen Spitzenbauern Zieht Vorteil aus der Fesselung entlang der
(wie hier c5) sollte mit ihm defensiv c-Linie. Schwarz droht nun, einen Bauern
verfahren, indem er ihn soviel wie möglich zu erobern. Ein Bauerngewinn ist an sich
stützt, seine Kräfte in seinem Rücken schon bedeutungsvoll; in dieser Stellung
anhäuft und erst nach langer Befestigung j edoch gibt der überzählige Bd5 dem
an einen Vormarsch denkt. Der Gegner Schwarzen die Möglichkeit, aus diesem
muß emen Spitzenbauern offensiv Freibauern-"Kandidaten" (wie Nimzo­
angehen, ihn so schnell wie möglich mit witsch ihn bezeichnete) einen wirklichen
emem Bauern angreifen, ohne dem Freibauern zu machen. Schließlich ist zu
Besitzer Gelegenheit zum Durchbruch zu bemerken, daß das Scheinopfer 14 . . . . Sc5 :
geben. an dem Zwischenzug 1 5 . Lf6: (oder 1 5 .
Schwarz spielt Dc7 statt Tc8 teils des­ Le5) scheitert, der dem Sa2 mit Tempo
wegen, weil der Ta8 bei einer späteren eine Deckung verschafft.
taktischen Wendung als Drohung gegen 15. Lb2-e5
den Sa2 wirken könnte, teils deswegen, um Belästigt die schwarze Dame, treibt sie auf
evtl. die Entwicklung des Tf8 nach c8 zu ein weniger wirkungsvolles Feld (c8) und
ermöglichen. erschwert so das Eingreifen des Tf8.
14. Lcl-b2 Außerdem wird die b-Linie für den Tbl
Ein Routinezug, den Weiß zweifellos frei.
aufgrund der Theorie machte, daß ein 15. Dc7-c8
Läufer auf der langen Schrägen stark sein Die Dame muß die Fesselung aufrecht
muß. Der Zug unternimmt j edoch nichts erhalten.
gegen das von Schwarz geplante b7-b6. 16. Le5xf6
Weiß mußte dringend bedenken, daß seine Indem Weiß das Zurückschlagen mit dem
Dame ungeschützt ist. Richtig war daher Läufer erzwingt, entlastet er den Bc5 . Das
1 4.Ld3 , um 1 4 . . . . b6 mit 1 5 . cb6: oder auch ist der einzige Weg, diesen Bauern zu ret­
1 5 .De2 beantworten zu können. ten; andererseits gibt der Zug dem
14. b7-b6! Schwarzen mehr Bewegungsfreiheit. Kon­
nte Weiß hier den Verlust des Bc5 ohne
Tausch des Läufers vermeiden? Untersu­
chen wir die Lage.
Schwarz droht b6xc5 . 1 6 . La6 : hilft nicht,
weil nach Da6 : der Sa2 angegriffen ist: 1 7 .
Scl bc5 : 1 8 .bc5 : Da5+. Die einzige
Möglichkeit ist scheinbar

44
das Scheinopfer 1 6 . c6. Was folgt, muß 19. b4xc5
genau berechnet werden, weil zufällige
Kombinationen das Feld beherrschen: 1 6 .
. . . Dc6 : 1 7. Dc6 : Lc6 : 1 8. b5 Sc5 1 9. bc6 :
Ta2 : 20. Tb6 : . Wie ist diese Stellung zu
beurteilen? Das Material ist gleich. Weiß
hat einen starken Freibauern; seme
Aussichten erscheinen rosig, doch Schwarz
hat einen starken Gegentrumpf, em
Schätzen wir nun die Stellung ab, da eine
besseres Zentrum als Ergebnis seiner
neue Phase der Partie beginnt. Weiß hat
überlegenen Entwicklung: 20 . . . . Sfe4 2 1 .
materiellen Gleichstand gewahrt; sem
c7 f6 22. Ld4 e5 ! 23 . Tb8 Ta8 24. Lc5 :
vereinzelter Bauer ist frei. Es ist
Lc5 : 25. Tf8 :+ Kf8 : 26. La6 Sd6 und
bemerkenswert, daß Schwarz das
Schwarz gewinnt am Ende einen Bauern,
Entstehen eines Freibauern für den Gegner
weil der La6 zum Rückzug gezwungen und
bewirkt hat. Er hatte freilich einen
der Bc7 unhaltbar ist.
verständlichen Beweggrund: dieser
16. Le7xf6
Freibauer ist vereinzelt und verwundbar,
17. Lflxa6
weil die schwarzen Figuren besser
Wieder zur Verringerung der Figurenzahl
mobilisiert sind - es gibt mehr Angreifer
und um den Bc5 halten zu können. Das
als Verteidiger. Das große Handicap für
bedeutet aber nur noch Aufschub der
Weiß ist, daß er nochnicht rochiert hat und
Hinrichtung. Wenn 1 7 . c6 (wie in der
im Augenblick auch nicht rochieren kann.
vorherigen Variante) 1 7 . . . . Dc6 : 1 8 . Dc6 :
Schwarz hingegen ist glänzend entwickelt,
Lc6 : 1 9 . b5 Sc5 20. bc6 : Ta2 : 2 1 . Tb6 : , so
beherrscht die a-Linie und hat die zwei
Tal+ und der Vorteil des Schwarzen ist
Läufer. An diesem Punkt besteht das
offenbar.
Äußerste, was Schwarz erreichen kann, in
17. Dc8xa6
a) Gewinn des Bc5 und b) Verhinderung
Nicht Ta6 : wegen 1 8 . b5 nebst 1 9 . c6.
der weißen Rochade. Schwarz fürchtet, daß
18. Sa2-cl
er das Äußerste nicht herausholen wird;
Weiß hat durch die Tauschserie tatsächlich
deswegen schlägt er einen Mittelweg ein -
den Bauern gerettet, jedoch . . .
den Bauern zu erobern, ohne Weiß an der
18. b6xc5
Rochade zu hindern. Ein anderer Versuch
. . . vereinzelt ihn und stempelt ihn zu einem
wäre 1 9 . . . . Tfc8, worauf Weiß am besten
Schwächling.
mit 20. Sb3 fortsetzt, z.B. 20 . . . . Lb5 2 1 .
Te l .

45
Sehr stark sieht auch 1 9 . . . . Tfb8 aus. der Läufer sehr stark. Von semem aus­
19. Da6-a5+ gezeichneten Posten f6 übt er starken
20. Sf3-d2 Ld7-a4 Druck auf der Diagonalen aus und
21. Scl-b3 besonders auf die Schlüsselfelder al, b2
Der einzige Zug: 2 1 . Da2 Dc5 : 22. 0-0? und c3 .
Lb5 und gewinnt die Qualität. Mit dieser 24. Ta8-c8
Variante würde Schwarz also das Äußerste Der Plan des Schwarzen besteht aus
herausholen. folgenden Elementen: a) mit dem ge­
21. La4xb3 schehenen Routinezug die Türme ver­
Schwarz konnte auch 2 1 . . . . Da6 spielen, doppeln und das Eindringen auf c3 , c2
um vorläufig auf den Bauern zu verzichten oder c 1 , je nach Sachlage, vorbereiten; b)
und die Rochade weiterhin zu verhindern. Sicherheit für seinen König; c) dem
22. Tb lxb3 Tf8-c8 Versuch, Angriffsziele zu finden; d)
Das Schicksal des c-Bauern ist besiegelt. Vorstoß des d-Bauern.
23. 0-0 Tc8xc5 25. g2-g3 g7-g6
24. Dc2-d3 Im Kampf der schweren Figuren ist es
immer eine gute Politik, Fluchtfelder für
den König zu schaffen.
26. Tfl-bl Tc5-c3
Schwarz kommt leichter vorwärts, wenn er
ein Turmpaar tauscht, weil er sonst immer
mit dem Eindringen der weißen Türme
rechnen müßte.
27. Tb3xc3 Tc8xc3
Wieder geht die Partie in eine neue Phase
28. Dd3-fl
über. Schwarz hat einen Bauern gewonnen,
Es wäre auch 28. Db5 möglich gewesen,
der endgültige Sieg wird aber nicht leicht
weil Tc 1 + mit 29. Sfl beantwortet werden
zu erreichen sein, denn die Bauern
könnte.
befinden sich alle auf einem Flügel. Dies
28. Kg8-g7
macht den kurzbeinigen weißen Springer
Manchmal macht man solche Königszüge,
relativ stärker als den langbeinigen
um den König vor plötzlichen Überfällen
schwarzen Läufer. Für den Augenblick ist
zu schützen. Hier dient er dazu, Ausflüchte
j edoch
des Weißen abschneiden zu helfen. Geriete
etwa der weiße Turm oder die Dame in Be­
drängnis, gewönnen sie Zeit, wenn sie

46
mit Schachgebot entfliehen könnten. kungsvoll, weil der Störenfried dann
29. Sd2-f3 schwer zu verj agen ist. Auf 30. Sel hätte
Sieht sich nach einem Feld um, von wo er Schwarz den Vorstoß des d-Bauern noch
den Freibauerkandidaten d5 aufhalten aufgeschoben und sich vielleicht für e5-e4
kann, der bald in Tätigkeit treten wird. nebst d5-d4 entschieden.
29. e6-e5 30. d5-d4
31. e3xd4 Da5-d5!

Mit der klaren Absicht, den Bd5 im


richtigen Augenblick vorzustoßen. Eine sogenannte „ewige Fesselung", die
30. Kgl-g2 den Kampf entscheidet. Der weiße König
Weiß deckt den Sf3, um das erwartete d5- kann nicht aus der Fesselung heraus, weil
d4 mit 3 l . ed4 : beantworten zu können. der Sf3 Schutz braucht. Eine wohlbekannte
Wäre er dazu nicht in der Lage, bildet Lage, die der Leser im Gedächtnis behalten
Schwarz womöglich emen gedeckten sollte. Man beachte, daß der strategische
Freibauern durch d3 nebst e4. Weiß Plan des Schwarzen zwar die Verwandlung
verteidigt den Sf3 j edoch auf unrichtige des Freibauern beinhaltet, daß er jedoch
Weise, wie bald zu erkennen ist. keineswegs die Gelegenheit ausschlägt,
Vorzuziehen war 3 0.De2 oder Ddl. Noch von einer taktischen Lage bestmöglich
besser wäre 30. Sei, um 30. . . . d4 mit Gebrauch zu machen. 3 1 . . . . Dd5 ist ein
3 l . ed4 : ed4 : 32. Sd3 beantworten zu Zwischenzug, der Schwarz keinerlei Zeit
können und ein festes Bollwerk gegen den kostet; er ist mit einer Drohung verbunden.
Freibauern zu errichten, das besonders 32. Dfl-dl
solide ist, weil der Läufer das Blockadefeld Ein anderer Versuch, das Unabänderliche
d3 vom Läufer nicht bedrohen kann. Einen zu vermeiden, wäre 32. De2 cd4 : 3 3 . Tdl
Freibauern blockiert man am besten mit (3 3 . Tb5 scheitert an d3 34. Td5 : de2 :) 3 3 .
einer Figur. Das ist bei einem vereinzelten . . . d3 3 4 . Dd2 g 5 und
Freibauern besonders wir-

47
weiter wie in der Partie. Noch ungünstiger Es gibt keine Verteidigung. 3 7 .Kg3 wird
wäre in dieser Variante 34. De3 d2 3 5 . De2 mit Le5+ beantwortet.
Lg5 (der Bd2 mußte gedeckt werden, und 37. De4xg4+
Weiß kann nicht 36. De5+ spielen wegen 38. Kg2-fl Dg4xf3
De5 : 37. Se5 : Te l ) 36. h4 Lh6 37. g4 Lf4
38. g5 Td3 . Der „Zugzwang" ist Weiß gab auf
vollständig. Weiß verliert eine Figur.
32. e5xd4 In gewisser Hinsicht verlor der Amateur
33. Tbl-b2 die Partie, weil er nicht erkannte, daß der
Verliert auf sehr lehrreiche Art eine Figur. vorgestoßene Bauer am Damenflügel in
Es gab aber sowieso keine Rettung mehr. diesem besonderen Fall zur Schwäche
Auf 3 3 . h4, um den Vorstoß g5 zu neigte. Die Fragestellung steckt hier voller
verhindern, käme h7-h6. Feinheiten, und auch ein Meister kann in
33. g6-g5 solcher Lage das Verkehrte tun. Tat­
sächlich gibt es sogar Großmeisterpartien,
Droht g5-g4. die sich auf der gleichen Ebene bewegen,
34. g3-g4 und gerade aufgrund dieser Partien ist dem
erfahrenen Spieler bekannt, daß er mit a2-
Wenn 34.h3 , so h5 . a3 nebst b2-b4 (bzw. a7-a6, b7-b5) in so
34. h7-h5! frühem Stadium vorsichtig sein muß.
Wenn nun 3 5 .gh5 : , so wiederum g5-g4. Unser Amateur wußte das nicht und ist
35. h2-h3 h5xg4 deswegen nicht zu tadeln. Einmal in der
36. h3xg4 Dd5-e4 Defensive, war auch die Fortsetzung der
37. Ddl-e2 verkehrten Strategie mit 1 2 . c5 verzeihlich.
Danach gab es kein Entrinnen mehr, nur
ganz am Ende einen Zug, der mehr
Widerstand leistete (3 0. Sel).

48
Partie 3

Die Englische Eröffnung


Wege, in der Eröffnung Ausgleich zu erhalten
Wege, im Mittelspiel Ausgleich zu erhalten
Die vielseitige Bauernmehrheit
Angriff gegen den schwarzen Damenflügel
Ausnutzung der Schwäche in einem Bauernverband
Motive des Figurentauschs
Verwundbarkeit des Königs in der Brettmitte

Schachpartien werden nicht immer durch Blitzattacken auf den König gewonnen oder indem
man diesen in ein Mattnetz zieht. Manchmal schreibt die Bauern- und Figurenstellung einen
Angriff weit vom König entfernt vor - und wie wir schon in Partie 2 sahen, ist manchmal das
gegnerische Bauerngerüst das Ziel erfolgreicher Strategie.
Grundsätzlich stehen alle Bauern am stärksten in einer Reihe, also nebeneinander. Am
Anfang ist das beidseits der Fall, in einer Stellung ohne Schwächen. Sobald ein Bauer aus der
Reihe tritt, kann er das Ziel eines feindlichen Bauernangriffs werden, der die Öffnung einer
Linie, die Schwächung der Bauern oder beides zum Ziel haben kann. Ungünstige Strukturen
wie vereinzelte, rückstän-dige Bauern, Doppelbauern usw. haben alle ihre Nachteile, und
solche Schwächen sind oft ausnutzbar.
Eine andere Frage ist, wie man solche Möglichkeiten erhält. Zunächst ist es äußerst wichtig,
die genauen Merkmale der verschiedenen Bauernstrukturen zu kennen. Einer der kleinen
Nachteile des Fianchettozuges g2-g3 besteht darin, daß der Gegner häufig mit dem
Randbauern bis h4 vorrückt, um nach Bauerntausch die Turmlinie zu öffnen und den Bg3 zu
schwächen. Wenn der gegnerische König kurz rochiert hat und der Läufer auf der gleichen
Seite fianchettiert wurde, kann der h-Bauern-Vorstoß nicht nur zur Öffnung der h- Linie,
sondern gleichzeitig zu einem Angriff führen, der gefährlicher ist als ein entsprechender auf
der Damenseite. Dann wäre die Technik anders. Am Damenflügel ist es wichtig, den Gegner
zur Verteidigung der geschwächten Bauernstruktur mit Figuren zu zwingen. Ist das erreicht,
sind die feindlichen Figuren gebunden, so kann man Vorteil daraus durch ein Vorgehen an
einem . anderen Teil des Bretts ziehen.

49
WEISS: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR zu erreichen, ohne daß Schwarz emen
ENGLISCH Gegenwert erhält.
1. c2-c4 Weiß könnte auch 3 . d4 spielen mit
Anstatt die Mitte zu besetzen, entwickelt Übergang zum Damengambit (3 . d5)
Weiß emen Flügelbauern, um eme oder zu Nimzoindisch (3 . . . . Lb4).
Berührung mit dem Gegner im frühen 3. d7-d5
Stadium zu vermeiden und sich rasch Gut ist auch 3 . . . . c5 mit der Folge 4.e5
entwickeln zu können. Diese Eröffnung Sg8 ! , und Weiß hat keinen Vorteil durch
führt oft zur beidseitigen Flankierung des seinen vorgerückten Bauern, der nach
Königsläufers. Durch Zugumstellung kann späterem d7-d6 getauscht werdenmuß, z.B.
sich auch irgendeine andere Eröffnung wie 5 . f4 Sc6 6 . Sf3 d6 7.ed6 : (sonst wird der e­
das abgelehnte Damengambit (siehe Bauer schwach) 7 . . . . Ld6 : 8 . d4 Sf6 9.dc5 :
Partien 1 1 bis 1 4) oder eine der Indischen Lc5 : 1 0.Dd8 :+ Kd8 : und S chwarz hat
Eröffnungen (siehe Partien 9, 1 0, 1 9 bis 22 nichts zu fürchten. Der wohl einzige
und24) ergeben. Der Zugl. c4 bezieht einen Versuch, etwas zu erreichen, besteht in
Teil seines Reizes aus seiner Vielfältigkeit. dem Bauernopfer 5 . Sf3 Sc66. d4cd4 : 7 . Sd4 :
1. Sg8-f6 Se5 : , das Weiß zweifellos starke Initiative,
2. Sbl-c3 e7-e6 aber auch Schwarz Verteidigungsmöglich­
Es sieht so aus, als wollte Schwarz keiten gibt.
Nimzoindisch (siehe Partien 1 und 2) 4. e4-e5
spielen. Weniger beliebt, aber auch möglich ist
3. e2-e4 4.cd5 : ed5 : 5.e5.
4. d5-d4!
Nach dem ruhigen 4 . . . . S fd7 5. f4 hätte
Weiß Raumvorteil. Auch 4 . . . . Se4, was in
manchen Fällen ein Bauernopfer bedeutet,
ist fragwürdig.
5. e5xf6 d4xc3
Siehe Diagramm nächste Seite.

Hiermit versucht Weiß, entweder im


Zentrum die Mehrheit zu erlangen oder
den Sf6 mit e4-e5 auf ein ungünstiges Feld
zu treiben. Keines dieser Ziele ist

50
nicht zählen, wenn wir den Bg2 nach e2
oder e3 versetzen.
6. Dd8xf6
7. d2-d4

6. b2xc3
Weiß mußte zwischen 6.fg7 : , 6.bc3 : und
6.dc3 : wählen. Die Folge 6.fg?: cd2 :+
7.Ld2 : Lg7 : führt zum Ausgleich. Bei
6.bc3 : bzw. 6.dc3 : erhält Weiß j eweils
Weiß besitzt nun eme Art Zentrum -
Doppelbauern, deren Wert aber
geschwächt durch einen Doppelbauern und
unterschiedlich ist. Nach 6.dc3 : Ddl:+
daher unter bestimmten Umständen
7.Kdl: gf6 : hätte Weiß keine verwertbare
verwundbar. Der Doppelbauer ist nützlich '

Bauernmehrheit am D;imenflügel - er kann


indem er das Zentrum stärkt (den Bd4
sich praktisch keinen Freibauern
stützt), aber auch anfällig, denn nach c7-c5
verschaffen, wählend Schwarz dies trotz
gibt es kaum Umstände, die dc5 : und damit
seines Doppe 1 -hauern unter bestimmten
einen Tripelbauern rechtfertigen könnten.
Umständen möglich ist.
So kann Schwarz d4 direkt und c4 indirekt '

Eine Faustregel für Doppelbauern besagt:


d.h. durch Züge wie Tc8, Sa5 und La6
Stehen sich zwei verbundene
angreifen.
Bauernblöcke gegenüber - auf den gleichen
7 b7-b6
Linien und getrennt von anderen
Folgerichtiger ist, wie oben ausgeführt, c7-
Bauernblöcken ,dann zählt der
c5 . Eine modernere Fortsetzung mit noch
Doppelbauer nicht. Hat eine Partei aber
nicht völlig geklärten Folgen besteht in 7.
einen Bauern auf einer Linie, wo kein
. . . e5 .
feindlicher Bauer steht, dann zählt der
8. Lfl-e2
Doppelbauer, wenn es um Freibauern­
Eine neue Idee. Gewöhnlich spielt man
bildung geht. Z.B. hier nach 6.dc3 : Dd l :+
8 . Sf3 Lb7 9.Ld3 mit einiger Initiative für
7.Kd l : gf6 : steht am Damenflügel kein
Weiß z.B. nach 9. . . . h6 1 0.De2 Sd7
Bauer allein auf einer Linie. Im Zentrum
l l .Le4.
j edoch tut dies der Ichwarze Be6. Daher
zählt hier der hwarze Doppelbauer, der
weiße nicht. Der schwarze würde ebenfalls

51
8. Lc8-b7 Bevor Weiß den Angriff mit a2-a4
9. Le2-f3 aufnimmt, bereitet er die Rochade vor. Das
Neutralisiert den Lb7 und ermöglicht die ist immer eine gute Idee, denn die Rochade
Weiterentwicklung mit Sgl -e2. Außerdem ist notwendig, und der Springer kann sich
wird d4-d5 im Fall von c7-c5 vorbereitet. nun am Kampf beteiligen.
Schwarz sollte nun tauschen, wonach beide 10. Lf8-d6
Parteien ihre Entwicklung fortsetzen: 9. . . . 11. a2-a4
Lf3 : 1 0 . Sf3 :Ld6 1 l .Da4+(1 l . 0-00-0 1 2 . a4
Sc6 und der weiße Doppelbauer wird nach
Sa5 ! schwach) 1 1 . . . . c6 1 2 . 0-0 0-0 1 3 . Tel
Tc8 nebst Sd7. Der Amateur jedoch, dem
der verringerte Wert des hinter einem
Bauern versteckten Läufers nicht klar war,
schuf eine Schwäche in seiner Stellung,
indem er spielte . . .
9. c7-c6? Es ist soweit. Um die Schwäche von b6 zu
zeigen, nehmen wir die Züge 1 1 . . . . 0-0
1 2 . a5 an und untersuchen:
1 ) 12 . . . . De7 1 3 .Db3
la) 1 3 . . . . Sd7 1 4 . a6 ! erobert mindestens
einen Bauern;
lb) 1 3 . . . . ba5 : 1 4 . c5 gewinnt eine Figur;
lc) 1 3 . . . . Dc7 14.TM Sd7 1 5 . c5 mit
Bauerngewinn.
Danach neigt der Bb6 zur Schwäche. Er ist 2) 1 2 . . . . ba5 : 1 3 .Db3

zwar noch von a7 gedeckt, Weiß wirdj 2a) 1 3 . . . . De7? 1 4 . c5 gewinnt eine
edoch bald seinen a-Bauernnach a5 Figur;

vorstoßen. Schwarz muß dann entweder b6 2b) 13. ... La6 1 4 . Ta5 : mit klarer
mit Sd7 verteidigen oder auf a5 schlagen. Überlegenheit. Wie kann Schwarz sich

In j edem Fall muß er besondere entwickeln?


Maßnahmen zum Schutz semer 2c) 1 3 . . . . Lc8 1 4 . Ta5 : Ld7 1 5 .Db7 und
Damenflügelbauern treffen, die ihm erobert eine Figur, auch nach 1 5 . . . . Dd8
ernsthafte Sorgen bereiten. 1 6 . Tal Dc7 l 7.Da8 : Sa6 1 8 .Df8 :+ und

10. Sgl-e2 l9.Ta6 : .


3) 1 2 . . . . Sd7 1 3 . a6 usw. mit Bauern-
gewmn;

52
Seine Stellung verschlechtert sich
4) 1 2 . . . . Lc7 (wahrscheinlich am besten)
deswegen erheblich. Das weiße Spiel
1 3 .Db3 Sa6 (es ist Schwarz gelungen,
erläutert anschaulich eme gebräuchliche
diesen Springer herauszubekommen! )
Methode, Positionsvorteil zu erlangen.
1 4 . c5 b5 (Dd8 1 5 . ab6: ab6 : 1 6 . cb6: Lb6 : ?
Man nimmt einen Bauern aufs Korn und
1 7 . Tbl oder 1 6 . . . . Sc5 l 7.dc5 :) 1 5 . 0-0 e5
zwingt den Gegner dadurch, etwas
1 6.Le3 und Weiß ist im Vorteil, denn er
aufzugeben, um den Bauern zu halten -
droht c3 -c4.
hier die Diagonale a3/f8, die Weiß benützt,

11. a7-a5 um Schwarz an der Rochade zu hindern.

Um eine Stellungsschwäche zu vermeiden 15. Ta8-b8


'

gibt sich Schwarz eine andere - einen Denn Weiß drohte eine der hängenden

ungedeckten, rückständigen b-Bauern. Figuren durch Lc5 zu erobern.

Variante 4 oben war bestimmt das 16. La3-c5 Lb7-a8

geringere Übel. 17. Se2-g3

12. Tal-bl Der Springer soll auf e4 m den Kampf


eingreifen.
Weiß ergreift sofort die Initiative, indem er
17. Sb6-d5
den Bb6 und indirekt auch den Lb7
18. Tblxb8+
bedroht.
Weiß tauscht hier, a)um em Tempo zu
12. Sb8-d7
gewinnen, denn der L wird auf b8
13. c4-c5! Ld6-c7
ungedeckt stehen (siehe 19 .Zug von
14. c5xb6 Sd7xb6
Weiß); b) weil er danach mit proportional
Weiß hat seme Bauern entdoppelt,
mehr Material spielt, denn der Th8 ist und
während Schwarz nicht nur zwei ver­
bleibt außer Spiel.
einzelte behält, sondern außerdem einen
18. Lc7xb8
Klumpen gefährdeter Figuren, die indirekt
19. Ddl-b3
bedroht sind.
So gewinnt Weiß einen Zug.
15. Lcl-a3
19. Df6-d8
20. Lf3xd5!
Beseitigt die einzige gut stehende Figur
des Gegners und erzwingt die Öffnung der
e-Linie für unmittelbaren Angriff
20. e6xd5

Schwarz kann nun nicht rochieren.

53
Natürlich nicht cd5 : 2 1 .Db5+ bzw. Dd5 : fg5 : 29.Dh3 matt.
2 1 .Db8:+. 25. Db3-c2
21. 0-0 Um die Dame nach f5 zu bringen und dann
Weiß war so damit beschäftigt, seme einen Mattangriff zu beginnen.
Vorteile festzuhalten, daß er erst jetzt zum 25. g7-g6
Rochieren Zeit findet. Nun droht 22. Te l + Pariert zwar die Drohung, die Dame findet
Kd7 23 . Te7+. j edoch einen anderen Weg. Wenn 25 . . . .
21. Lb8xg3 h6, so 26.Dg6.
Für diesen Tausch hat Schwarz zwei 26. Dc2-e2
Gründe: a) eine seiner hängenden Figuren Schwarz gab auf Er hat keine ausrei­
zu beseitigen und so die Dame von der chende Antwort gegen 27.De6+. Wenn 26.
Deckungsaufgabe zu befreien; b) den weis­ . . . Dc8, so 27.Te8+. In dieser Partie, wie in
sen Springer zu beseitigen, der im Angriff vielen anderen, behandelt der Amateur die
gefährlich werden könnte, z.B. 2 1 . . . . f6 Eröffnung zufriedenstellend. Die
22.Tel+ Kf? 23 . Te7+ Kg8 24. Sf5 . darauffolgende Phase erweist sich als die
22. f2xg3 für den Amateur gefährlichste. In ihr ist er
Entgegen der allgemeinen Regel gespielt, auf sich selbst gestellt, nachdem er bis
mit den Bauern zum Zentrum hin zu dahin den Meisterzügen folgen konnte, die
schlagen. Hier liegen besondere Umstände die Theorie angibt.
vor. Auf 22.hg3 : könnte Kd7 ! folgen, was
j etzt an 23 .Tf?:+ scheitert. Weiß, der das
Brett vollkommen beherrscht, droht nun
23 .Tel+ Kd7 24. Te7+ Kc8 2 5 . Ta7.
22. f7-f6

Um dem König ein Fluchtfeld zu geben.


23. Tfl-el+ Ke8-f7
24. Tel-e7+ Kf7-g8
24 . . . . Kg6 25.Dc2+ Kh6 26.Df5 und
gewinnt, z.B. 26 . . . . Tg8 27.g4 g6 28. g5+
54
Partie 4

Ideen der Ben-Oni-Verteidigung


Der voreilige Läufertausch
Geschwächte Felder einer Farbe
Der bloßgestellte König in der Brettmitte
Das Opfer zur Ausnutzung der unsicheren Königsstellung
Mit Macht angreifen

Das Recht zu rochieren ist ein sehr wertvolles Privileg im Schach, weil der König auf seinem
ursprünglichen Standort gefährdet ist (siehe Partie 3). Richtige Eröffnungsstrategie erfordert
Zentrumskontrolle durch Bauern und Figuren. Dies bedeutet häufig, daß die e- und d-Bauern
zur Besetzung des Zentrums vorrücken; daher verschwindet der natürliche Schutz des Königs
durch diese zwei Bauern oft schon bald, und die Gefährdung des Königs nimmt zu. Das macht
es fast unumgänglich, daß er aus dem gefährlichen Raum durch die Rochade entflieht. Beide
Seiten haben deswegen die wichtige taktische Aufgabe, darauf zu achten, daß das
Rochaderecht nicht verlorengeht. 1 n manchen Stellungen ist das allerdings nicht
folgenschwer, insbesondere bei
Damentausch. Auch mit Damen am Brett kann der König sich oft hinter den e-und d-Bauern
verstecken. Fehlt aber einer von ihnen, kann die Lage kritisch werden, wie die folgende Partie
zeigt. Die Königsstellung in der Mitte wird durch ein wohl erwogenes Figurenopfer unhaltbar,
das den letzten schwarzen Mittelbauern aus dem Weg räumt und den König einem direkten
Angriff von
II rei mächtigen Figuren sowie zwei vorgerückten Bauern aussetzt. Die abgewogene
Entwicklung des Weißen ist eine solide Grundlage und verbürgt die Rich-tigkeit des Opfers.
Im Lauf der Partie kommen verschiedene andere wichtige Leitmotive ins Bild, darunter das
von den geschwächten Feldern nach Läufertausch.

55
WEISS: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR ihn flankiert hat. Außerdem bekommt er
BEN-ÜNI-VERTEIDIGUNG nach den folgenden üblichen Zügen eine
Bauernmehrheit am Damenflügel gegen
1. d2-d4 Sg8-f6 die des Weißen in der Mitte. Wenn statt
2. c2-c4 c7-c5 dessen 3 . dc5 : Da5+ 4. Sc3 Dc5 : mit
Die Ben-Oni-Verteidigung, die
Rückgewinn des Bauern, oder noch besser
A:Reinganum, Frankfurt/Main, Im Jahre
3 . . . . e6, und Weiß kann den Bauern nicht
1 825 so nannte, ohne dafür emen
behalten: a) 4.b4 a5 ! ; b) 4.Le3 Sa6 (vgl.
besonderen Grund anzugeben. Der Zug c7-
ähnliche Stellungen im angenommenen
c5 ist eine Art Gegengambit, mit dem
Damengambit). Auf 3 . e3 hat Schwarz nicht
Schwarz versucht, den Zentrumseinfluß
viel Mühe, mit 3 . . . . d5 auszugleichen.
des Weißen sofort zu bekämpfen. An
Nach 3 . d5 gibt es zwei Varianten. Schwarz
dieser Stelle ähnelt die Lage der nach dem kann sein Zentrum befestigen mit 3 . . . . d6,
identischen Zug in Nimzoindisch (siehe
worauf Weiß mit 4. Sc3 und 5 . e4 eine
Partie 2); wegen der üblichen Antwort d4-
starke Bauernkette errichtet. Schwarz fährt
d5 j edoch führt der Zug hier zu einer
fort mit Flankierung des Lf8, für den er
gänzlich anderen Bauernformation und eine schöne Diagonale erhält, und b7-b5,
Partieart. was ihm einige Chancen am Damen-flügel
Die Grundidee besteht darin, den Weißen
gibt. Im Text versucht er die weiße
zu veranlassen, sein Zentrum durch d4-d5
Bauernkette sofort mit e7-e6 aufzubrechen,
vorzurücken, und es dann anzugreifen.
wonach er ähnliche Ziele wie die eben
Früher galt das Ben-Oni-System als
erwähnten verfolgen wird.
schlecht · heute ist aber keine Widerlegung
'
3. e7-e6
bekannt, und Schwarz erzielt oft gute
4. Sbl-c3
Ergebnisse. Das mag allerdings daran Weiß unterstützt das Zentrum, das er mit
liegen, weil es gern von starken, 4.de6 : aufgeben würde.
unternehmungslustigen Spielern
4. e6xd5
angewandt wird, und nicht an semem
Schwarz zerstört einen Teil der weißen
inneren Wert. Zentrumsbildung. Weiß erhält dadurch
3. d4-d5 etwas mehr Raumkontrolle und eine
Damit hebt Weiß die Spannung m der
Mehrheit in der Mitte. Schwarz hätte auch
Mitte auf und schafft die Bauernfront, die
4 . . . . d6 ziehen können, ist aber auf die
der Eröffnung das besondere Merkmal
Mehrheit am Damenflügel aus.
gibt. Weiß erreicht mehr Beweglichkeit
5. c4xd5
und mehr Raum; Schwarz erhält dafür eine
offene Schräge für den Lf8, nachdem er

56
daß der Läufer auf g2 nicht sehr Wlf­
kungsvoll sein wird, weil ihm der Bd5 im
Weg steht.
6. g7-g6
7. Sgl-f3
Der Springer unterstützt das Zentrum und
einen möglichen Vorstoß des e-Bauern.
Der Bd5 wird, wenn gut unterstützt, einen 7. Lc8-g4(? )
hemmenden Einfluß auf die schwarze Es ist vielleicht natürlich, daß Schwarz den
Entwicklung ausüben. Möglich ist 5 . Sd5 : Wunsch hat, die wachsende Stärke der
Sd5 : 6.Dd5 : mit dem besonderen Zweck, weißen Figuren auszugleichen; dieser Zug
den schwarzen d-Bauern auf der offenen ist j edoch wegen mehrerer Punkte
Linie rückständig und angreifbar zu fragwürdig:
machen, was zu emem ganz anderen a) Grundsätzlich kann Schwarz es sich
Aufbau lührt. Das Gegengewicht des nicht leisten, so früh die Initiative zu
Schwarzen liegt in schneller Entwicklung, übernehmen;
weil die Dd5 verwundbar ist. Die Partie b) Weil Schwarz schon g7-g6 gespielt hat,
könnte weitergehen: 6. . . . Sc67. Sf3 d6 kann er den L auf h2-h3 nicht nach b . 5
(droht 8 . . . . Le6 nebst d6-d5 mit Auflösung ziehen sondern muß entweder ein Tempo
'

der Schwäche) 8 . e4 Sb4 1>.Dd2 f5 und mit dem Rückzug nach d7 oder c8
Schwarz hat die Initiativenach 1 0 . a3 fe4 : . verlieren oder tauschen. Letzteres ist nicht
Es ist daher zweifelhaft, ob die Strategie nur wegen der Aufgabe des Läuferpaars
des Weißen m dieser Variante unerwünscht, sondern auch wegen der
gerechtfertigt ist. Schwächung der Felderfarbe, die der
5. d7-d6 Läufer beherrscht. Es gibt jedoch einen
Es ist beachtenswert, daß keiner der Punkt, der für den Textzug spricht: Mit
schwarzen Läufer von Bauern einge­ dem Tausch des Sf3 vergrößert Schwarz
schlossen ist. Auf diese Art hat Schwarz seinen eigenen Einfluß auf die Felder d4
zwei gute Läufer. und e5 .
6. e2-e4 Richtig wäre das logische Lg7 gewesen.
Um a) den Bd5 zu stärken; b) evtl. in der Weiß konnte dann 8.Lc4 oder 8.Le2 oder
Mitte mit e4-e5 durchzubrechen; C) eine 8 .Lg5 spielen mit interessantem Kampf
Schräge für die Entwicklung des Lfl zu Raum gegen Kraft. Weniger gut wäre 8 . e5
öffnen. Früher wurde hier meist g2-g3 de5 : 9. Se5 : 0-0 und Schwarz droht Te8
gespielt; es ist jedoch klar, sowie das Scheinopfer Sd5 : , das einen
Bauern einbrächte.

57
8. h2-h3
Ganz richtig drängt Weiß den Läufer, sich
zu entscheiden. Der Zug kommt ihm später
auch dadurch zugute, daß er die
Eventualmöglichkeit Sg4 ausschaltet.
8. Lg4xß
Schwarz hätte vielleicht besser getan, den
Läufer zurückzuziehen. Durch den Tausch
Ein ausgezeichneter Zug, der die
a) fördert er die weiße Entwicklung; b)
weißfeldrigen Schwächen im schwarzen
beraubt er sich eines guten Läufers; c)
Lager ausnützt.
überläßt er dem Weißen die Herrschaft
10. Sb8-d7?
über die hellen Felder; d) jedoch
Dieser offensichtliche Zug verliert. Es ist
vergrößert er seinen Einfluß auf die Mitte.
der entscheidende Fehler in der Partie. Der
9. Ddlxf3 Lf8-g7(?)
einzige Zug ist 1 0 . . . . Sf6-d7 ! , und das ist
Obwohl dies hier scheinbar der folge­
bemerkenswert. Es kommt j edoch oft vor,
richtige Entwicklungszug ist, kann man es
daß bei Schwächen am Damenflügel der
sich nicht immer leisten, den anscheinend
Königsspringer zur Unterstützung
„logischen" Zug zu machen. Hier war eine
eingreift. In diesem Fall hätte Sfd7 die
taktische Drohung zu erwägen, und 9 . . . . a6
Fesselung Lg5 verhindert, die den Schwar­
sollte gespielt werden, um das folgende
zen zwingt, die Rochade aufzugeben.
Schach zu verhindern. Außerdem ist a7-a6
11. Lcl-g5
nicht nur ein vorbeugender Zug, sondern
Verhindert die Rochade, die wegen
hat auch unternehmende Bedeutung, weil
1 2.Ld7 : Dd7 : 1 3 .Lf6 : eine Figur verlöre.
b7-b5 vorbereitet wird, um die
Man beachte, wie das Fehlen des
Bauernmehrheit am Damenflügel einsetzen
Damenläufers den Schwarzen m eme
zu können.
ungemütliche Lage gebracht hat.
10. Lfl-b5+
11. h7-h6
Was Schwarz auch tut, nichts vermag ihm
das Rochaderecht zu erhalten. Auch 1 1 . . . .
a6 1 2 . Ld7 :+ Kd7 : hätte das gleiche
Ergebnis.
12. Lb5xd7+ Ke8xd7

58
Die verwundbare Königsstellung des Überlegenheit fühlbar zu machen.
Schwarzen ist eme ausgesprochene 16. Lf4xd6!
Schwäche. Weiß sieht sich nach der besten Weiß kann dieses schöne Opfer bringen,
Art und Weise um, sie auszunützen. weil er wenigstens zwei Bauern für die
Figur bekommt und zwei weitere (b7 und
g6) bedroht. Außerdem schneidet er dem
König den Rückweg ab.
16. Kd7xd6
17. Df3xf7

13. Lg5-f4
Weiß zieht den Läufer am besten dahin
zurück, wo er Felder in der Nähe des
feindlichen Königs bedroht.
13. Th8-e8
Auf 1 3 . . . . Sh5 hätte schon 1 4.Ld6 : wie Unter anderem droht der Rückgewinn der
später in der Partie geschehen können, oder Figur mit 1 8 .Dg6 :+.
auch 1 4.Lh2. 17. Dd8-f6
14. 0-0 18. e4-e5+!
Der König muß natürlich aus der Mitte Treibt den Angriff mit Macht voran! Der
verschwinden, bevor Weiß seinen Angriff besser entwickelte Weiße zieht
startet. höchstmöglichen Vorteil aus der un­
14. a7-a6 sicheren Königsstellung. Das Bauernopfer
15. Tfl-el räumt e4 für den Sc3 und zwingt Schwarz,
Weiß plant, die Stellung mit e4-e5 zu den Ta8 ungedeckt zu lassen. Gut wäre
öffnen. auch 1 8 .Db7 : , jedoch nicht zwingend.
15. Sf6-h5 18. Te8xe5
Zwingt Weiß zu einer Entscheidung. Den 19. Df7xb7 Ta8-e8
offensichtlichen Zug 1 6 .Lh2 könnte Erzwungen. Noch ungünstiger wäre 1 9 .
Schwarz mit Df6 beantworten, und Weiß Tel:+ 20.Tel: , weil dann 2 1 . Se4+ mit
hätte es schwerer, seine Damengewinn droht.

59
20. Sc3-e4+! Te5xe4 In dieser Partie beginnt der Niedergang des
21. Db7-c6+ Amateurs in der Eröffnung mit der
verfrühten Ausführung eines Plans, dessen
Grundidee nicht schlecht ist. Schwarz
tauscht seinen Lc8 gegen den Sf3 und
stärkt so seinen Einfluß auf das Zentrum,
erkennt jedoch die Gefahren nicht, die
diese Strategie mit sich bringt. Hätte er
rechtzeitig die für ihn kritische Schräge
a4/e8 mit a7-a6 oder auf die richtige Weise
Nun müssen beide schwarzen Türme mit 1 0 . . . . Sf6-d7 geschützt, so wären die
fallen, und das Matt liegt in der Luft. Folgen dieses zweifelhaften Tauschs im
21. Kd6-e7 8.Zug längst nicht so schwerwiegend
Wenn 2 1 . . . . Ke5, so 22.De8 :+ usw. gewesen. Der nach seinen Versäumnissen
22. Telxe4+ ausbrechende Sturm war so überwältigend,
Schwarz gab auf, denn 22. . . . Kf8/Kf7 daß der Amateur nicht einmal Gelegenheit
23 .De8 : matt bzw. 22 . . . . Kd8 23 . Te8 : hatte, seine Verteidigungskunst zu zeigen.
matt oder 22 . . . . De5 23 . d6+ wäre zu
traurig.

60
Partie 5

Eröffnungstheorie der Spanischen Partie


Die offene Verteidigung (5 .... Se4:)
Strategisches Planen
Zwei strategische Abspiele (9.c3 und 9.De2)
Weitreichende Wirkungen eines Eröffnungsfehlers
Gefahr für Springer im Zentrum ohne Rückzug
Die Gewalt taktischer Drohungen

Von allen Königsbauer-Eröffnungen bietet der „Spanier" dem Anziehenden die größten
Möglichkeiten, seinen Anzugsvorteil zu bewahren. Deswegen ist die Spanische Partie
ausgiebiger erforscht, sind ihr mehr Spalten in den theoretischen Werken gewidmet worden
als irgendeiner anderen. Im Spanier wird auf lange Sicht geplant. Um seinen geringen
Anfangsvorteil zu erhalten, muß Weiß wissen, worin sein Plus besteht und wie er Züge
auswählen muß, die dieses aufrecht erhalten oder vergrößern. Spielt er nachlässig, gleicht
Schwarz bald aus.
Für den Amateur ist Spanisch zugleich eine leichte und schwierige Eröffnung. Leicht, weil sie
weniger zu kombinatorischen Verwicklungen im Anfangsstadium neigt als etwa das
Königsgambit oder manche „italienische" Abspiele. Die Spanische bewegt sich 1m
allgemeinen auf ruhigen Wegen. Auf der anderen Seite ist es für den Amateur schwierig, ein
vollständiges Verständnis aufzubringen, denn man kann sich nicht auf die gewöhnlichen
Abspiele und Standardzüge beschränken; ein bestimmter Zug kann in einer Variante diesen
Sinn haben und in einer anderen j enen. Das ist der Fall in dieser Partie, die Nachdruck auf
diesen besonderen Eröffnungsaspekt legt. In den meisten Varianten des Spaniers ist Sc6-a5,
nachdem Schwarz den Lb5 nach b3 getrieben hat, der richtige Zug, liege seine Absicht nun im
Tausch des Läufers oder im wirkungsvollen Vorstoß des c-Bauern. Hier j edoch sind sowohl
Sa5 wie c7-c5 aus taktischen Gründen mangelhaft, wie aus der Partie ersichtlich ist. In Partien
zwischen Meister und Amateur geht der letztere oft nicht in der Eröffnung selbst fehl, sondern
in den frühen Stadien des Mittelspiels, und zwar deswegen, weil die Eröffnungstheorie für das
eigentliche Mittelspiel nicht ausreicht.

61
WEISS: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR den
SPANISCH - OFFENE VERTEIDIGUNG

1. e2-e4 e7-e5
2. Sgl-f3 Sb8-c6
3. Lfl-b5
Spanisch, eine Eröffnung, die Weiß mehr
Möglichkeiten als die meisten anderen
bietet. Mit 3 .Lb5 übt Weiß indirekten
Druck auf die schwarze Stellung aus, weil
er mit Lc6 : eventuell den Be5 zu erobern
droht. Solange der Be4 ungeschützt ist,
besteht noch keine unmittelbare Gefahr: 3 .
. . . a6 4. lx6 : dc6 : 5 . Se5 : (?) Dd4 mit Rück­
gewmn des Bauern und mindestens
gleicher Stellung für Schwarz. Dieser muß
j edoch fortwährend mit dem Tausch auf c6
unter günstigeren Umständen für Weiß
echnen, wie zwei Beispiele zeigen, wo
Weiß zuerst e4 schützt, so daß Schwarz
sich nicht schadlos halten kann: a) 3 . . . .
Sf64. d3 und nun droht 5 . lx6 : dc6 : 6. Se5 : ;
b) 3 . . . . a6 4.La4 S f6 5 . 0-0 Le7 (siehe
Partie 6) ö.Tel und Weiß droht wiederum
7. lx6 : mit Vorteil.
3. a7-a6
Gilt als stärkste Verteidigung, weil sich
Schwarz vorbehält, den Druck j ederzeit
mit b7-b5 zu brechen, falls Weiß nicht
sofort tauscht und nach a4 zurückweicht.
Wichtige Bausteine der weißen Strategie in
dieser Variante sind: a) direkter Druck
gegen den Sc6 und darüber hinaus gegen
den Ke8, der hinter dem Springer steht; b)
indirekter Druck gegen den Be5 ; c) der
Zwang für Schwarz, b7-b5 zu spielen, was

62
Gegenstoß a2-a4 im richtigen Zeitpunkt rochiert hat. Weiß steht nach semer
ermöglicht und die Bauern des schwarzen Kochade bereit, mit dem Turm auf der e­
Damenflügels schwächt. Die allgemeine Linie anzugreifen. Wegen der anderen
Strategie des Schwarzen ist Hauptvariante 5 . . . . Le7 (die geschlossene
entgegengesetzt: er will Weiß daran Verteidigung) siehe Partie 6. Wie soll
hindern, eins der Ziele a-c zu erreichen. Weiß nun die etwas gewagte Aktion des
Außerdem schielt Schwarz mit einem Schwarzen ausnützen? Durch einen Zug
Auge auf eine Gelegenheit, den weißen wie 6. Tel kann er scinenBauern sofort
Läufer mit b7-b5 und Sc6-a5 zurückgewinnen, j edoch ohne Vorteil, z.B.
abzutauschen. 6 . . . . Sc5 7 , Se5 : Le7, wonach Weiß den
4. Lb5-a4 Sg8-f6 Tausch des La4 zulassen muß, während der
Ein Entwicklungszug, der zur Zentra­ schwarze König in eine sichere Stellung
lisierung der schwarzen Figuren beiträgt. gehen kann.
InmanchenFällenkann Schwarz den Be4 Es ist viel wichtiger für Weiß, aus der
schlagen, nicht um einen Bauern zu schwarzen Schwäche auf der e-Linie
erobern (denn Weiß bekommt ihn zurück), Kapital zu schlagen, als unmittelbar den
sondern um auf die einfachste Weise Bauern zurückzubekommen. Er spielt
auszugleichen. daher. . .
5. 0-0 6. d2-d4
An dieser Stelle wird 5 . d4 nicht als Weiß versucht, die Partie noch mehr zu
Stärkstes angesehen, weil Schwarz den öffnen. Er lädt zu 6 . . . . ed4 : ein, das für
Druck gegen e5 durch Abtausch los wird. Schwarz gefährlich wäre. 6.d4, was einen
5. Sf6xe4 Zug zuvor nicht gut war, ist es nun, weil
Schwarz inzwischen die e-Linie durch Se4 :
teilweise geöffnet hat. Man beachte, was
passiert, wenn Schwarz 6 . . . . ed4 : spielt:
7. Tel d5 X. Sd4 : , und Weiß hat bereits
einen Bauern zurück und wird den zweiten
ebenfalls wiedergewinnen. Es ist nicht sehr
klug von Schwarz, Verwicklungen
heraufzubeschwören, wenn sein König
Dies ist eine der beiden Grundvarianten,
noch nicht sicher steht. Andererseits hat er
die „offene Verteidigung" . Sie ist gewagt,
einige Gegenchancen, denn die weiße
weil sie das Spiel öffnet, bevor der König
Königsstellung weist schwache Punkte auf
in Sicherheit
Schwarz kann emen überraschenden
Gegenangriff mit der nicht zu
unterschätzenden

63
Riga-Variante einleiten: 8 . . . . Ld6 9. Sc6 :
Lh2:+ (nimmt Weiß den Läufer, muß er
Dauerschach zulassen: 1 0.Kh2: Dh4+
1 1 .Kgl Df2 :+ usw.) 1 0.Khl ! Dh4. Schwarz
droht vielerlei, Weiß kann aber interessant
abwickeln durch l l . Te4 :+ de4 : 1 2.Dd8+
Dd8 : 1 3 . Sd8 : Kd8 : 1 4.Kh2: und behält das
bessere Endspiel, wie in einer Anzahl von
Partien bewiesen worden ist.
6. b7-b5
Zur rechten Zeit - das bedeutet, so spät wie
möglich. Jetzt ist der Zug nicht mehr
aufzuschieben, weil Schwarz auf Tel mit
d7-d5 antworten möchte. Hätte er z.B. 6 . . . .
Le7 gespielt, käme 7. Tel d5 (etwasbesser
7 . . . . b5 8.Te4 : d5 9. Se5 : Se5 : 1 0. Te5 : ba4:)
8 . Se5 : mit Vorteil, weil Weiß den Bauern
zurückerhält und die Initiative ergreift (es
droht 9. Sc6:).
Schwarz muß b7-b5 so spät wie möglich
ziehen, weil der Läufer nach b3 auf eine
wichtige Diagonale gegen den schwarzen
Königsflügel kommt. Außerdem schwächt
b7-b5 den Damen-flügel und eröffnet dem
Weißen die Möglichkeit a2-a4. Dies ist
allerdings in der offenen Verteidigung im
allgemeinen nicht so bedeutsam wie in der
geschlossenen.
7. La4-b3
Der Läufer hat von b3 aus verschiedene
Drohungen, wie diese Möglichkeiten
zeigen:
a) 7 . . . . Le7 8 .Ld5 Sd6 9.de5 : ist sehr
günstig für Weiß, denn er hat den Bauern
zurück und besitzt viel mehr Raum.

64
b) 7 . . . . ed4 : 8 . Tel d5 und nun 9. Sc3 dc3 : wollen. Das bedeutet, daß Weiß Sf3 -d4
1 0.Ld5 : Ld7 l l . Te4 :+ Le7 1 2.De2 und (oder andere Springerzüge) nebst f2-f4
Schwarz kann nicht rochieren ( 1 2 . . . . 0-0? anstrebt, Schwarz Sc6-a5 nebst c7-c5 . Der
1 3 .Lc6 : nebst Sf3 kann j edoch nicht weg, solange e5
14. Te7 :)oder9.Ld5 :Dd5 : 1 0 . Sc3Dd8 ungedeckt ist. Weiß muß zunächst den Se4
l l . Te4 :+ Le7 1 2. Sd4 : Ld7 1 3 . Sd5 usw. mit vertreiben und so den Be5 von der e-Linie
einer guten Partie. Weil also 7 . . . . ed4 : nicht her schützen, sein unmittelbares Nahziel ist
gut ist, muß Schwarz den Bauern also die Beseitigung des Se4. Wie ist
zurückgeben. Diestutermit7 . . . . d5, emem dieses Ziel zu verwirklichen? Der
Zug, der festen Halt in der Mitte gibt und geradeste Weg ist 9. Sbd2 Sc5 (Le7 1 0. Tel
den Springer auf seinem kräftigen Posten Sc5 führt zur gleichen Stellung) 1 0 . Tel
behauptet. Le7 1 l.c3 (als Vorbereitung von Sd4
7. d7-d5 notwendig). Doch nun tauscht Schwarz
8. d4xe5 Lc8-e6 den Lb3 , und das ist für ihn gewöhnlich
erstrebenswert. Außerdem ist gezeigt
worden, daß 1 1 . . . . 0-0 1 2.Lc2 d4 ! dem
Schwarzen ein befriedigendes Spiel gibt.
Es gibt andere Wege, den Springer
anzugreifen, z.B. durch Turm und Läufer,
durch Läufer und Springer, durch Dame
und Springer usw. Mit der traditionellen
Fortsetzung 9. c3 strebt Weiß an, Platz für
So gut wie erzwungen, weil Ld5 : drohte.
seinen Läufer auf c2 zu machen und das
Die Partie tritt in einen neuen Abschnitt
Feld d4 zu beherrschen. Am Anfang der
ein. Es müssen strategische Entschlüsse
Partie stellten wir fest, daß das einzige
gefaßt werden. Betrachten wir die Stellung
positive Ziel des Schwarzen darin bestand,
sorgfältig, um zu erkennen, auf welcher
den weißen Läufer durch Sa5 zu tauschen.
Grundlage solche Entschlüsse beruhen.
Hier ergibt sich nun die erste Gelegenheit
Weiß hat am Königsflügel vier Bauern
für Schwarz, das zu erreichen, und das
gegen drei, Schwarz am Damenflügel.
erklärt den Zug c2-c3 , bedeutet jedoch
Diese Merkmale bestimmen die Pläne bei­
keineswegs, daß dies der einzig richtige
der Parteien in der nahen Zukunft. Weiß
Zug an dieser Stelle sein muß. Schwarz
wird versuchen, seme Mehrheit am
antwortet 9 . . . . Le7, und nun gibt es nach
Königsflügel angriffsmäßig zu verwerten;
1 0 . Sbd2 0-0 zwei Abspiele, wo es Weiß
Schwarz wird mit seinen Bauern am
gelingt, den Se4 wegzuj agen, allerdings
Damenflügel vorgehen
führt keine dieser Varianten zu klarem
Vorteil:

65
a) l l .Lc2f5 1 2. ef6 : S f6 : , eme schwierige
Stellung für beide Seiten.
b) l l .De2 Sc5 1 2. Sd4 (nach 1 2.Lc2 ist d5-
d4 wieder stark für Schwarz)
1 2 . . . . Sb3 : 1 3 . S2b3 : ( 1 3 . Sc6 : Sei: ! )
1 3 . . . . Dd7 14. Sc6 :Dc6 : und Schwarz hat
die zwei Läufer; für Weiß spricht, daß
seme Strategie (Vorstoß der
Königsflügelbauern) leichter durchführbar
ist als der Plan des Schwarzen.
9.c3 ist immernoch ein aktuelles theo­
retisches Thema, aber als eine wichtige
Alternative hat sich auch der folgende Zug
eingebürgert:
9. Ddl-e2
Das „Moskauer System", das die Absicht
verfolgt, die Stellung des Se4 mit Tdl und
evtl. c2-c4 zu unterminieren. Der Zug sieht
zunächst eigenartig aus, weil er Schwarz
Gelegenheit gibt, den Lb3 entweder mit
Sa5 oder mit Sc5 abzutauschen. Wie wir
sehen werden, scheint keiner dieser Züge
empfehlenswert zu sein.
9. Sc6-a5?
Die vorliegende Partie wird zeigen, warum
dieser Zug nicht gut ist. Wir wissen bereits,
daß Weiß unmittelbar Sd4 spielen kann,
sobald Schwarz den Druck gegen e5
aufgibt. Zwar kann Schwarz den wichtigen
Lb3 auf einfachste Art tauschen, Weiß
kann aber sein strategisches Ziel, den Se4
zu vertreiben, umso leichter erreichen und
Vorteil aus seiner Überlegenheit am
Königsflügel ziehen, lauscht Schwarz mit
9 . . . . Sc5 den anderen Springer gegen den
Lb3 , er-

66
reicht Weiß sein Ziel, Tdl und c2-c4 zu Es sieht so aus, als habe Schwarz sein Ziel
spielen: 1 0.Tdl Sb3 : (besser Le7, das zu erreicht, denn er hat seinen Damenflügel in
dem Abspiel unten führt) l l . ab3 : Le7 1 2. Reih und Glied gebracht und zwingt den
c4 bc4 : 1 3 . bc4 : 0-0 14. Sc3 Sb4 ( 1 4 . . . . d4 Springer zum Tausch auf e6.
1 5 . De4) 1 5 . cd5 : Sd5 : und Weiß kann Merkwürdigerweise ist als Folge von Sa5 ?
bereits einen Bauern erobern mit 1 6 . Ta6 : . der Se4 mehr oder weniger ungünstig
Ganz allgemein sieht man, wie Weiß postiert, besonders nach c7-c5, das ihm ein
Druck auf die schwarze Stellung ausübt. Rückzugsfeld nimmt. Schwarz hat es
Am besten ist 9 . . . . Le7 1 0 . Tdl Sc5, j edoch bereits schwer. Betrachten wir den
obgleich das letzte Wort in dieser offensichtlichen Zug 1 0 . . . . Le7. Die Folge
schwierigen Lage noch nicht gesprochen wäre 1 1 . c3 Sb3 : (sonst zieht sich der
wurde. Weiß hat drei Fortsetzungen, die Läufer nach c2 zurück, und der Zug Sa5
alle ziemlich verwickelt sind. Wir geben wäre ganz zwecklos) 1 2. ab3 : 0-0 (Weiß
drei Möglichkeiten, damit sich der Leser drohte 1 3 .Ta6:) 1 3 .b4 ! mit der Drohung,
ein Bild machen kann: den Springer mit 1 4 . f3 Sg5 1 5 .h4
a) l l .Ld5 : Ld5 : 1 2. Sc3 Lc4 1 3 . Td8 :+ Td8 : abzufangen. Außerdem kann Weiß nach
1 4.De3 b4 1 5 .b3 Le6 1 6 . Se4 Tdl+ 1 7 . Sel 1 0 . . . . Le7 auch einen Bauern erobern:
Sd4 1 8 .Lb2 Sc2: 1 9.De2 Tal: 20.Lal : Sal: 1 1 . Seö : fe6 : 1 2.Dg4mit Doppeldrohung.
2 1 . Sc5 : Lc5 : und der Ausgang ist Bemerkenswert an dieser Partie ist die
zweifelhaft. Strategie bis zu diesem Zug; beide Seiten
b) Il. c4d4 1 2. cb5 : d3 1 3 .De3 ? (besser ist spielen nach einem allgemeinen Plan wie
1 3 .Df 1 , aber auch sehr kompliziert) 1 3 . . . . Unterminierung der Springerstellung,
Sb3 : 1 4 . ab3 : Sb4 1 5 . Sd4 Lg4 und Schwarz Streben nach Verwertung der
hat eine gute Partie. Bauernmehrheit am Königsflügel usw.
c) l l .Le3 0-0 1 2. c4bc4 : 1 3 .Lc4 : Sa5 ist die Von hier an kommt die Taktik zu Wort
theoretisch wohl wichtigste Variante, wo wegen der gefährdeten Stellung des Se4
es die Frage ist, ob Schwarz wirklich und seiner Versuche, zu entkommen. Der
völligen Ausgleich erreichen kann. Amateur ist bereits stark im Nachteil, und
10. Sf3-d4 es überrascht durchaus nicht, daß der
Dieser Zug bereitet 1 1 .ß und l l .f4 Meister m der Lage ist, seme
(Verwertung der Bauernmehrheit und Überlegenheit in ganz wenigen Zügen
Angriff) vor und ermöglicht außerdem, wie klarzustellen.
in der Partie, Se6 : . Er ist dem älteren Tdl 11. Sd4xe6 f7xe6
weit überlegen, weil das Spiel des Weißen
am Königsflügel liegt.
10. c7-c5

67
Bedroht nicht nur g7, sondern auch den
Springer mit f2-f3 .
15. 0-0
Etwas besser wäre 1 5 . . . . Kd7 gewesen,
weil es dann für Weiß nicht ratsam
gewesen wäre, auf g7 zunehmen und dem
Schwarzen die g-Linie zu öffnen. Weiß
12. c2-c3 hätte ebenfalls 1 6 . f3 gespielt und auf 1 6 . . . .
Um Platz für den Lb3 zu schaffen, denn h5 l 7.Dg6 d4 erobert 1 8.Lcl eine Figur,
Schwarz drohte Figurengewinn mit j edochnicht unter so günstigen Umständen
c5-c4. wie in der Partie.
12. Sa5xb3 16. f2-f3
Andernfalls gmge der Läufer nach c2,
wonach der Springer ganz vergebens auf
a5 stünde und zugleich der Se4 in
Verlegenheit käme, z.B. 1 2 . . . . c4 1 3 .Lc2
Sc5 1 4.Dh5+ oder 1 3 . . . . Sg5 1 4.Dg4, in
beiden Fällen mit klarem Vorteil für Weiß.
13. a2xb3
Schwarz ist nun auf beiden Flügeln in
Gefahr. Am Damenflügel droht Weiß mit
1 4 . Ta6 : Ta6 : 1 5 .Db5 :+zwei Bauern zu
erobern, am Königsflügel ist die Drohung
14.Dg4 Dd7 1 5 .f3 und der Springer hätte
keinen sicheren Platz, auf den er sich
flüchten könnte.
13. Dd8-b6
Pariert beide Drohungen, wenn auch nur
für den Augenblick. Falls nun 1 4 . f3 , so 1 4 .
. . . c'4+ 1 5 .Le3 Lc5 .
14. Lcl-e3 Lf8-e7
15. De2-g4

68
Der Springer ist nun nicht zu retten.
16. d5-d4
Wenn 1 6 . h5, so muß Weiß 1 7 . Dg6 !
erwidern, weil es auf 1 7 . Dh5 : ? die
rettende Ausflucht 1 7 . . . . Tf5 nebst Sg5
gäbe.
17. Le3-h6
Schwarz gab auf Bei 1 7 . . . . Tf? 1 8 .De4 : ist
der Ta8 ungedeckt. Der Hauptgrund für die
rasche Niederlage des Amateurs in dieser
Partie ist der Mangel an eröffnungs­
theoretischem Wissen. Man muß ein sehr
starker Spieler sein, um am Brett beurteilen
zu können, daß 9 . . . . Sa5 zweifelhaft ist.
Nachdem der Amateur diesen schlechten
Zug gemacht hatte, konnte er seme
Stellung nicht wieder in Ordnung bringen,
und seine Partie verschlechterte sich mehr
und mehr.

69
70
Partie 6

Die geschlossene Variante der Spanischen Partie


Der Worrall- Angriff
Charakteristische Züge des Damenspringers
Kombination aufgrund indirekten Angriffs
Bauernopfer zur Linienöffnung
Königsangriff auf der offenen Linie
Schlußangriff auf den König mit sämtlichen Kräften

Die allgemeine Strategie eines Angriffs am Königsflügel läßt sich klar umreißen, die
Einzelheiten der Ausführung müssen j edoch vom taktischen Standpunkt aus sorgfältig
überprüft werden.
Um einen Königsangriff unternehmen zu können, muß man die Herrschaft in der Mitte
besitzen oder mindestens das Zentrum festgelegt haben, so daß der Gegner dort keine
ernsthafte Handlung beginnen kann. Der Gegner muß irgendeine Schwäche oder
Angriffsmarke am Königsflügel aufweisen. Sobald die Bedingungen erfüllt sind, besteht die
allgemeine Technik eines Königsangriffs in folgendem:
1) s o viele Figuren wie möglich für ein sofortiges Eingreifen bereitzustellen;
2) so viele Linien wie möglich zu öffnen - vertikale und diagonale;
3) die Figuren eine nach der anderen in zunehmend günstige Stellungen zu bringen, wenn
möglich mit Tempogewinn, so daß der Gegner keine Zeit für notwendige
Verteidigungsmaßnahmen findet;
4) wenn nötig opfern, um die richtige Figur auf die Schlüsselfelder zu befördern;
5) den feindlichen König fortwährend belästigen, ihn von j edem Schutz entblößen und für
diesen Zweck tauschen oder opfern, was immer erstrebenswert sein mag;
6) im höchsten Maß von Drohungen Gebrauch machen.
Die richtige Anwendung dieser Technik nimmt dem Gegner j ede Gelegenheit, seine eigenen
Figuren ins Gefecht zu werfen, die Drohungen werden überwältigend und der feindliche
König oft in einem unzerreißbaren Netz gefangen.

71
WEISS: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR eine Figur kosten; b) er räumt dl für den
SPANISCH - GESCHLOSSENE VARIANTE Turm, der auf die d-Linie einwirken so l l .
1. e2-e4 e7-e5 Weiß könnte hier auch das Hauptspiel
2. Sgl-f3 Sb8-c6 6. Tel mit der gleichen Drohung wählen. Es
3. Lfl-b5 a7-a6 ist wichtig, e4 gedeckt zu haben; welches
4. Lb5-a4 Sg8-f6 Abspiel man wählt, ist Sache des Tempera­
5. 0-0 Lf8-e7 ments oder Geschmacks. In beiden Fällen
Die Grundidee der geschlossenen Variante wird das Feld fl geräumt, das der Sbl später
ist, so rasch wie möglich die Entwicklung zum Manövrieren braucht.
zu vervollständigen. Schwarz baut sich Andere Züge wie 6. Sc3 oder6. d3 sind
eine feste Stellung auf und hofft, das nicht so scharf und ermöglichen dem
Zentrum zu behaupten, d.h. seinen Be5 Schwarzen, sein Ziel auf einfachere Art zu
nicht abtauschen zu müssen. erreichen; z.B. 6.d3 b5 (um den Verlust
Neben 5 . . . . Se4 : (Partie 5) ist auch 5 . des Be5 zu vermeiden) 7.Lb3 d6 usw. Daß
Lc5 möglich, was dem Weißen die diese Züge weniger scharf sind, bedeutet
Handhabe zum Scheinopfer mit Gabeltrick j edoch nicht, daß sie schlecht sein müssen.
nach 6. Se5 : Se5 : 7.d4 gibt. Das führt Sie haben lediglich zur Folge, daß Schwarz
j edoch nicht zu merklichem Vorteil nach 7. nicht bereits in der allerersten Partiephase
. . . Se4 : 8 .De2 Le7 9.De4 : Sg6. Die Theorie schwierigen Problemen gegenübersteht. -
zieht daher 6x3 dem Scheinopfer vor. Man beachte, daß 6.Lc6 : nebst Se5 : dem
6. Ddl-e2 Schwarzen nicht schadet, der sowohl Dd4
wie Se4 : verfügbar hätte.
6. b7-b5
Wie in Partie 5 schiebt Schwarz diesen
Zug bis zum letztmöglichen Augenblick
auf, denn der weiße Läufer steht auf a4
nicht so unmittelbar wirkungsvoll wie auf
b3 (von wo er auf f? zielt). Der Angriff auf
f7 ist aber nicht mehr so bedeutungsvoll,
Der Worral l -Angriff. Dieser Zug hat einen
nachdem Schwarz zur Rochade bereitsteht.
doppelten Zweck: a) Weiß schützt e4 und
7. La4-b3 0-0
droht nun den Be5 zu erobern, z.B. 6 . . . . 0-
8. c2-c3
O? 7.Lc6 : dc6 :
Bereitet d2-d4 vor und macht Platz für den
8 . Se5 :Dd49. Sf3, undnunwürde9 . . . . De4 :
„Angriffsläufer" Lb3 , der mit
1 0 .De4 : Se4 : 1 1 . Tel f5 1 2 . d3

72
Sa5 getauscht zu werden drohte. Es ist kann. Sehr oft spielt Weiß 9.h3 , um die
schon im allgemeinen nicht günstig, einen folgende Fesselung zu vermeiden.
Läufer für einen Springer abzutauschen; es 9. Lc8-g4
ist jedoch noch schlechter, den
"
Angriffsläufer" gegen einen Springer
abtauschen zu lassen. Zwar sind die
Angriffsmöglichkeiten dieses Läufers hier
nicht sehr deutlich, auf die Dauer treten sie
aber doch zutage.
8. d7-d6
Schwarz ist bestrebt, e5 zu schützen und
Ein Angriff auf die weiße Mitte -Schwarz
baut eine solide Bauernkette auf Dies ist
fesselt den Sf3 und droht auf d4 einen
der naheliegende Zug, um die I
Bauern zu erobern. Um dieser Drohung zu
Entwicklung weiterzuführen. N icht selten
begegnen, hat Weiß verschiedene
wird an dieser Stelle 8 . . . . d5 bevorzugt. Die
Möglichkeiten:
Partie kann dann nach 9.ed5 : (?) im
1) 1 0.Le3
Gambitstil weitergeführt werden:
la) 1 0 . . . . ed4 : 1 1 . cd4 : Sa5 12.Lc2 Sc4
1) 9 . . . . Sd5 : 1 0 . Se5 : Sf4 ! 1 1 . De4 Se5 :
1 3 .Lc 1 mit Ausgleich;
la) 12. Df4 : Ld6 ! mit siegreichem Angriff;
lb) 10. ... Se4 : 11. Ld5 Dd7 (ein
Ib) 12. Da8 : Dd3 mit entscheidendem
Scheinopfer) 1 2.Le4 : d5 1 3 . Lc2 e4 und
Angriff;
Schwarz steht etwas besser.
l c) 12. d4 ! Lb7 ! 1 3 . Db7 : Se2+ 14. Khl
2) 1 0.Tdl
Scl : 1 5 . Te l : Sd3 1 6 . Tfl c5 mit Aus­
2a) 10 . . . . ed4 : 1 1 . cd4 : d5 12. e5 Se4 1 3 .
gleich. Etwas besser für Weiß könnte 1 3 .
Sc3 Sc3 : 1 4 . bc3 : Sa5 1 5 . Lc2 Dd7 mit
Df4 : Sd3 1 4 . Df3 sein.
gleichem Spiel (Theorie);
2) 9 . . . . Lg4 1 0 . dc6 : e4 1 1 . d4 ef3 : 12. gf3 :
2b) 1 O. . . . Dc8 (ein Versuch, das Zentrum
Lh5 mit glänzenden Chancen für Schwarz.
zu behaupten); nicht schlecht, jedoch in der
Es ist nicht leicht, diesen Abspielen zu
Meisterpraxis nicht üblich.
folgen; sie geben jedoch einen Begriff von
In allen diesen Abspielen hat die Erfahrung
den möglichen Verwick 1 ungen. In der
bewiesen, daß die schwarze Stellung
Praxis pflegt Weiß das Gambit stets mit 9.
wegen des starken Lg4 gesund ist. Aus
d3 abzulehnen.
diesem Grund schließt Weiß das Zentrum
9. d2-d4
ab so daß er sich nicht länger darum zu
'

Weiß nimmt das Zentrum m Besitz,


sorgen braucht.
obwohl Schwarz mit Lg4 angreifen
10. d4-d5

73
In dieser Stellung ist der Lg4 nicht mehr so Weiß strebt nach emem Angriff am
stark. Die Pointe ist, daß Weiß ihn immer Königsflügel, für den sich die Manöver h2-
mit h2-h3 und g2-g4 zurücktreibenkann. h3 , g2-g4, Sb l -d2-fl -g3 -f3 in nächster Zeit
Solche Züge schwächen den weißen anbieten. Der Lc2 wird nur dann in diesen
Königsflügel, wenn die Stellung offen ist, Plan eingeschaltet, wenn Schwarz
aber nicht, wenn sie geschlossenen versucht, das weiße Zentrum mit Zügen
Charakter hat, wie es nach dem 1 0 . Zug wie f7-f5 oderdö-d5 (nach c6 und dc6 :)
des Weißen der Fall ist. anzugreifen. Schwarz zielt auf emen
Dieser Zug hebt den Druck auf das Angriff am Damenflügel, der durch
Zentrum auf, und unter bestimmten Vormarsch der dortigen Bauern eingeleitet
Umständen könnte Schwarz den Vor­ wird. Die Einzelheiten seiner Strategie
postenbauern d5 mit c7-c6 angreifen und können nicht so klar umrissen werden wie
praktisch Bauerntausch erzwingen. Sollte die des Weißen.
es Schwarz gelingen, später d6-d5 11. c7-c5
durchzusetzen, erringt er die Mehrheit im Besser war wohl 1 1 . . . . c6, um den Weißen
Zentrum. Gelingt es ihm nicht, behält er mehr oder weniger zu d5xc6 zu zwingen,
einen rückständigen Bauern auf einer was ihm j etzt wahlweise offen steht und
offenen Linie. wonach Schwarz einen rückständigen d­
10. Sc6-a5 Bauern behält. Er wird jedoch immer den
Zwingt Weiß, einen Zug zu verlieren, um Vorstoß dieses Bauern durchsetzen
den Lb3 nicht gegen den Springer tauschen können, und er braucht sich mit Sc6 : nicht
zu lassen, und macht Platz für den Vorstoß zu beeilen, sondern kann zuerst d6-d5
c7-c5 . vorbereiten mit Zügen wie Dc7 und Td8 .
11. Lb3-c2 12. h2-h3
Der erste Schritt in der Strategie des
Weißen, die auf Königsangriff zielt. Der
Zug beseitigt auch die Fesselung des Sf3 .
Schwarz hat nun die Wahl unter drei
Zügen: a) 1 2 . . . . Lf3 : , was dem Weißen das
Läuferpaar überließe (nur ein geringer
Vorteil in dieser geschlossenen Stellung);
b) 12 . . . . Ld7, üblich, weil der Läufer im
Die Partie ist nun in eme neue Phase
vorliegenden Aufbau am Königsflügel
eingetreten. Bei befestigtem Zentrum
wenig Arbeit findet und etwas im Weg
können beide Parteien beginnen, Pläne zu
steht; c) der Textzug 1 2 . . . . Lh5 .
entwerfen.
12. Lg4-h5

74
Der Nachteil dieses Zuges liegt vor allem Der Springer strebt nach c5, wo er einen
darin, daß der Läufer auf d7 aktiver stünde, guten Platz einnehmen wird.
zweitens, daß er auf dieser Brettseite 18. Kgl-h2
hinderlich sein könnte. Auf h5 steht er dem Um die g-Linie für den Turm zu räumen.
Manöver Sf6-h5-f4 im Weg, und geht er 18. Sb7-c5
nach g6, kann Schwarz die oft Der Be4 ist nun ebenso oft angegriffen wie
wünschenswerte Umgruppierung Te8, Lf8, verteidigt.
g6 und Lg7 nicht m seine Pläne 19. Lcl-g5
einbeziehen. Man könnte hier 1 9 . Sf5 erwarten, doch
13. Sbl-d2 scheint der geschehene Zug ein wenig
Der zweite Schritt in der umnssenen stärker zu sein. Weiß nutzt den Rückzug
Strategie des Weißen. Der Springer wird 1 4 . . . . Lf8 aus, um den Sf6 zu fesseln.
nach fl gehen und dann entweder nach e3 19. Lf8-e7
oder g3, das reguläre Verfahren in der
Spanischen Partie.
13. Tf8-e8
Der Turm macht Platz für den Läufer, der
auf e7 nur im Weg steht.
14. Tfl-dl Le7-f8
15. Sd2-fl c5-c4
Der Anfang des schwarzen Angriffs am
Schwarz nimmt semen 14. Zug zurück,
Damenflügel. Er macht c5 für seinen
Springer frei. droht aber immerhin Sd5 : , wie wir sehen
16. g2-g4 werden.
Erst j etzt stößt Weiß vor, denn er mußte 20. Sg3-f5
mit dem Opfer Sg4 : rechnen. Jetzt hat er ei Der Springer hat endlich semen ange­
nen starken Verteidiger in Gestalt des Sfl . strebten Platz auf feindlichem Gebiet
Weiß schiebt Se3 oder Sg3 hinaus, bis der erreicht, wo er Druck auf den Königsflügel
g-Bauer vorgestoßen ist. Kann er nun den ausübt und droht, durch Tausch auf e7 die
Sfl nach f5 bringen und er wird vom Fesselung des Sf6 zu erneuern. Schon
Läufer geschlagen, nimmt der g-Bauer Steinitz, der Begründer des Positionsspiels,
zurück und die g-Linie öffnet sich für den entdeckte in der zwei-
Königsangriff.
16. Lh5-g6
17. Sfl-g3 Sa5-b7

75
ten Hälfte des 1 9 . Jh. den Plan, das
Zentrum zu schließen und dann am
Königsflügel durch Vormarsch der Bauern
anzugreifen. Wie gleich offenbar wird, hat
der Springerzug nach f5 einen Bauern­
verlust in Kauf genommen.
20. Lg6xf5
Nicht sofort Sd5 : wegen 2 1 .Le7: Se7:
22. Sd6 : usw. Der für den Bauerngewinn 23 . Se5 : sah verführerisch aus, die Analyse
also notwendige Tausch auf f5 öffnet dem zeigt j edoch, daß Schwarz seinen Bauern
Weißen j edoch die g-Linie zum Angriff behauptet: 23 . . . . Sf5 : ! 24. ef5 : Te5 : bzw.
Ohne die Aussicht auf Bauerngewinn hätte 24. Sf7: (der Springer ist Desperado - er
Schwarz vielleicht emen späteren verkauft sein Leben so teuer wie möglich)
Zeitpunkt zum Tausch gewählt. Der Druck 24 . . . . Kf7: 25 .Dh5+ g6 26.Dh7:+ Sg7 und
des Springers ist noch nicht überwältigend, Weiß hat ungenügenden Gegenwert für die
und so bestand noch kein fühlbarer Zwang Figur.
zum Abtausch. 23. f7-f6
21. g4xf5 Sf6xd5 Auf Kh8 käme 24. Sg5 Tf8 25 .Dh5 .
Eine typische und wohlbekannte Wen­ 24. Sf3-h4
dung: der demaskierte Le7, seinerseits Bringt nicht nur den Springer näher heran,
gedeckt vom Sd5, droht auf g5 zu sondern macht auch der Dame Platz.
schlagen. Nun beginnt der Kampf um die 24. Ta8-a7
Frage, was schwerer wiegt, die offene Weiß drohte eine rasche Entscheidung
Linie oder der Bauer. durch 25 .Dg4 zu erzwingen. Nun hätte
22. Lg5xe7 Sd5xe7 Schwarz die Antwort Sc8.
Die Strategie des Weißen geht dahin, die 25. De2-h5 d6-d5?
g-Linie zu besetzen und alle seine Kräfte Das ist zweifelhaft. Schwarz hofft,
gegen den schwarzen König zu richten. Gegenspiel zu bekommen und sich
Schwarz muß auch mit gelegentlichem f5- gleichzeitig von dem rückständigen Bauern
f6 rechnen. zu befreien, spielt dabei j edoch mit dem
23. Tdl-gl Feuer. Richtig war 25 . . . . Sc8. Darauf wird
Weiß die Türme in der g-Linie verdoppeln
und vielleicht zu

76
gegebener Zeit Tg6 spielen. Daß kein 28.fg6 : h6 29.Dh6 : + ! Kh6 : 30. Sf5+ Kh5
zwingender Gewinn zu sehen ist, bedeutet, 3 1 .Ldl matt. Etwas besser ist daher hier
daß der Ausgang des Kampfes noch offen 28 . . . . Kh8, doch dringt der Angriff auch
wäre. Wir dürfen daher den 20. und 2 1 .Zug dann durch: 29. Sf5 Se6 3 0 . ed5 : usw. Daher
des Schwarzen nicht zu stark kritisieren. spielt Schwarz:
26. Tglxg7+ 27. ](g7-h8
28. Dh5-h6
Nun scheitert 28 . . . . Sg8 an 29. Sg6 matt.
Dagegen wäre das scheinbar starke 28 .Df?
zweifelhaft wegen 28 . . . . Sf5 : 29.Da7: Te7
3 0.Dc5 : Sh4 : .
28. Se7xf5

Unter welchen Umständen kann Weiß ein


solches Opfer in Betracht ziehen?
a) er hat vier mächtige Figuren, Dame,
Springer und beide Türme gegen den
König des Schwarzen bereitgestellt;
b) die Königsstellung ist unzureichend
geschützt, eigene Figuren blockieren Schwarz ist gezwungen, eme Figur
zudem die Flucht des Königs. Dennoch zurückzugeben, und sein König bleibt in
muß Weiß genau rechnen. einer sehr bedenklichen Lage. Trotz seines
26. ](g8xg7 starken Angriffs befindet sich Weiß nun in
27. Tal-gl+ einer wohlbekannten Klemme : nimmt er
Weiß hat weniger Figuren, doch sind alle den Springer an, behält er zwar Angriff,
bis auf den Läufer im Angriff, während die hat aber die Qualität weniger und Schwarz
schwarzen verhältnismäßig wenig leisten. genügend offene Linien, damit seine Figu­
Weiß muß hier sehr sorgfältig vorgehen: a) ren dem belagerten König zu Hilfe
dem Schwarzen keine Gelegenheit geben, kommen können. Schwarz kann beinahe
seine untätigen Figuren zur Geltung zu zwangsläufig den Abtausch eimger
bringen; b) den schwarzen König an der Angriffsfiguren erreichen, so daß die
Flucht hindern. Chancen des Weißen ernstlich geschwächt
Was kann Schwarz nun tun? a) 27 . . . . Kf8 erscheinen. Z.B. 29. Sf5 : Tg8 oder 29. ef5 :
28.Dh6+nebst Matt; b) 27 . . . . Sg6 Tg8 30. Sg6+ Tg6 : 3 1 .fg6 : e4 ! 32.g7+ Kg8
und Weiß hat

77
keine klare Fortsetzung. Er muß daher etwas besser als die Partiefortsetzung. Es
emen kräftigeren Weg finden, seinen hätte weitergehen können: 3 3 . . . . Kd6
Vorteil wahrzunehmen, und der liegt in 34.Ta7: de4 : 3 5 .b4 ! cb3 : (Sd3 3 6. Ta6:+)
den Möglichkeiten eines Doppelschachs. 3 6. ab3 : und a) Weiß hat nur einen Bauern
Man achte darauf, daß in manchen weniger; b) der schwarze König steht sehr
Abspielen der Lc2 wiederbelebt wird und unsicher, von der 7.Reihe abgeschnitten; c)
einige Angriffskraft ausübt. Weiß droht 3 7.b4 nebst 3 8 . Ta6 :+ sowie
29. Sh4-g6+ Kh8-g8 3 7.Le4 : mit Rückgewinn des Bauern und
30. Sg6-e7++ neuen Drohungen; d) Schwarz kann sich
Durch das Doppelschach wird Schwarz nicht befestigen (3 6. . . . Te7 oder Dc8
daran gehindert, auf g7 zwischenzuziehen, 3 7.Df6 :+). Weiß muß also gewinnen, wenn
und der weiße Springer schneidet die auch nicht ohne Kampf Wie so oft greift
Dame von der Deckung des Punktes f6 ab. Schwarz fehl, weil er materialistisch denkt.
Man beachte, daß auf 30. Se5 :+ Turm oder Die Qualität, die er gewonnen hat, zählt
Springer auf g7 dazwischengehen, und nicht viel.
Weiß hat keine Gewinnfortsetzung. 33. Df5xf6+ Kd6-c7
30. Kg8-f7 Wenn 33 . . . . Se6, so 34. Sf5+ und a) 34 . . . .
Der einzige Zug. Wenn 3 0 . . . . Kh8, so 3 1 . Kc7 3 5 .De5 :+ und gewinnt, freilich nicht
Df6:+. ganz bequem; oder b) 34 . . . . Kc6 3 5 . ed5 :+
31. Dh6xh7+ Kf7-e6 Dd5 : 36. Tdl Dc5 (Df3 ? 3 7. Se7+)
32. Dh7xf5+ 3 7. Td6+.
34. Tgl-g7
Einkreisung. Das unmittelbare 34.Dc6+
führt zu nichts. 34. Sd5 :+ gewinnt auch,
aber nicht so sehne 1 1 .
34. Sc5-d7
Was sonst? Weiß drohte Damengewinn
mittels 3 5 . Sc6+.
35. Se7xd5+ Kc7-b7
32. Ke6-d6?
36. Df6-d6 Kb7-a8
Wenn32. . . . Ke7: , soerobert3 3 .Tg7+ den
Nach 36 . . . . Kc8 gewinnt Weiß auf die
Ta7 und gibt Weiß die Herrschaft über die
gleiche Art eine Figur.
7.Reihe. Dennoch wäre das

78
37. Tg7xd7 Ta7xd7 Gegner
38. Sd5-b6+ Ka8-b7 mit einem kleinen Trick einen Bauern ab.
39. Sb6xd7 Te8-h8 Vielleicht war ihm nicht klar genug, daß
40. Sd7-c5+ Kb7-c8 Weiß als Gegenwert sehr starken Angriff
41. Dd6xa6+ auf der offenen Linie erhalten würde. Der
Schwarz gab auf, denn 4 1 . . . . Kc7 42. Se6+ Amateur zeigte j edoch in dieser Partie,
kostet die Dame. mehr als in früheren, Initiative, während
seine Verteidigung, weit entfernt, fehlerlos
Obgleich der Lc2 nicht unmittelbar am zu sein, im allgemeinen doch einen guten
Angriff beteiligt war, übte er einen Eindruck machte. Der ganze Partieverlauf
indirekten Einfluß aus. Sobald Schwarz wurde durch das Bauernopfer des Weißen
versucht hätte, die weiße Mitte stark beeinflußt. Hätte Schwarz sich nicht
anzugreifen, konnte der Läufer in Tätigkeit darauf eingelassen, hätten beide Seiten
treten. In dieser Partie arbeitete er ihren Druck verstärkt, Weiß am K-Flügel,
vorbeugend, d.h. er hinderte Schwarz an Schwarz am D-Flügel. Ein Bauernopfer
Gegenmaßnahmen. Bis zu seinem 24. Zug bietet in der Praxis oft Chancen und sollte
spielte der Amateur eme gute, daher nicht allein auf unbedingte
unternehmende Partie. Er behandelte die Korrektheit beurteilt werden. Schach ist
Eröffnung recht gut und nahm seinem ein Spiel, keine mathematische Formel.

79
80
Partie 7

Die Berliner- und die Steinitz­


Verteidigung der Spanischen Partie
Wie man Ausgleich im Zentrum erreicht
Die Aufgabe des Zentrums
Motive für den Damentausch
Die Gefahr des indirekten Angriffs
Das Durchsetzen strategischer Ziele
Vergrößern eines Stellungsvorteils
Angriff gegen den rückständigen Bauern

Der Gegenpol glänzenden Kombinationsspiels mit seinen wagemutigen Opfern und


Großangriffen ist das ruhige Stellungsspiel, das aus einer allmählichen Anhäufung kleiner
Vorteile besteht. Es hat nichts mit tiefen Kombinationen und versteckten Angriffen zu tun.
Als Positionsspieler strebt der Schwarze zuerst einfach den Ausgleich an, bringt dann die
Figuren auf die richtigen Plätze, so daß sie handlungsbereit sind, wenn die Zeit kommt.
Positionelle Technik ist weniger spektakulär als die kombinatorische; sie ist aber feiner und
daher vielleicht schwieriger abzuwehren. Für den Amateur ist es manchmal schwerer, der
langsamen, höllischen Umzingelung der Schlange zu entgehen als den unmittelbaren,
kraftvollen Angriffen des Löwen. Das erklärt, warum Weltmeister wie Petrosjan, Smyslow
und Capablanca derartig hohe Ergebnisse gegen den schwächeren Teil der Turnierfamilie zu
erzielen pflegten.
Der Amateur weiß, daß jede Initiative, jeder Vorstoß Schwächen schaffen und einem fähigen
Gegner eine willkommene Zielscheibe darbieten kann. In seiner Furcht, etwas zu
unternehmen, das seine Stellung entblößen könnte, geht er meist zu weit in der
entgegengesetzten Richtung. Genau das geschieht in dieser Partie. Weiß baut sich eine feste
Stellung auf, versäumt jedoch, die Initiative wahrzunehmen. Statt dessen macht er Wartezüge,
während sein Gegner fortwährend seine Stellung verstärkt und als erster Drohungen aufstellt,
die bald nicht mehr ausreichend parierbar und so stark sind, daß das materielle Verhältnis
gestört wird. Erst nach dem Verlust eines Bauern wird dem Amateur klar, daß er seine eigene
Partie spielen muß, aber dann ist es natürlich schon zu spät.

81
WEISS: AMATEUR SCHWARZ: MEISTER De2
SPANISCH - STEINITZ-VARIANTE Sd6 7.Lc6 : bc6 : 8 . de5 : Sb7 (die Rio-de­
Janeiro-Variante) und Weiß hat seinen
1. e2-e4 e7-e5 Bauern bei etwas besserer Stellung wieder.
2. Sgl-f3 Sb8-c6 Der Kampf ist j edoch nicht leicht.
3. Lfl-b5 Sg8-f6
4. d7-d6
Die Berliner Verteidigung, die wie eme Durch Zugumstellung haben Wlf die
ausgezeichnete Erwiderung aussieht. Ein
Steinitz-Variante erreicht, die nach Ansicht
wichtiger Springer wird auf das natürliche
der Theorie dem Schwarzen weniger
Feld entwickelt und greift den Be4 an. Die
Gelegenheit zum Gegenspiel gibt als viele
Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß Schwarz andere Abspiele. Ein allgemeiner Nachteil
mit diesem System eine beengte Partie er­ von 4. . . . d6 liegt darin, daß der Lf8
hält. Das hinderte frühere Generationen eingesperrt ist. Das ist in vielen Fällen
freilich nicht, es anzuwenden. Gegenwärtig unvermeidbar, wenn man die schwarzen
geht die allgemeine Ansicht dahin, daß 3 . . . .
Steine führt. Schwarz ist gewöhnlich nicht
a6 4.La4 Sf6 (siehe Partien 5 und 6) in der Lage, die Initiative zu ergreifen. In
Schwarz eine freiere Partie mit mehr
vielen Fällen muß er sich mit einer
Möglichkeiten zum Gegenangriff gibt. Die
beengten, dafür festen Stellung begnügen.
Eröffnungsforschung läßt aber die An­ Das besagt nicht, daß er sich von
sichten der Meister über die relative Stärke
vornherein mit einem Remis abfinden
verschiedener Abspiele nicht selten
muß, er sollte j edoch riskante Varianten
wechseln. So gab es Zeiten, da sowohl 5 .
vermeiden, die sich bei Versuchen
Le7 wie 5. Se4 : in obiger
ergeben, unmittelbaren Ausgleich zu
Hauptvariante als sehr fragwürdig
erringen oder verfrüht die Vorhand an sich
angesehen wurden, und manche Spieler
zu reißen, und er kann wohl so bald wie
bevorzugten andere Abspiele, darunter 3 . . . .
möglich vereinfachen, um die Initiative des
Sf6. Heute werden 5 . . . . Se4 : und 5 . . . . Le7
Weißen nicht zu sehr anwachsen zu lassen.
als gut spielbar betrachtet. Neben 4. . . . Se4 : (siehe oben) könnte
4. 0-0 Schwarz auch 4 . . . . Lc5 spielen, wonach
Weiß macht einen Entwicklungszug und das Scheinopfer 5 . Se5 : nur zu gleichem
verteidigt e4 indirekt, denn nach 4 . . . . Se4 :
Spiel führt: 5 . . . . Se5 : 6.d4 Se4 : 7.De2 De7
kann er den Bauern mit 5 . Tel (oder 5 . De2
8 .De4 : Sc6L Richtig ist 5 . c3 , z.B. 5 . . . . Lb6
bzw. 5 . Lc6 :) zurückerobern, weil 5 . . . . d5
6.d4 0-0 7. Tel d6 8 . a4 a5 9.Lg5 und Weiß
wegen 6. Se5 : nicht empfehlenswert wäre.
steht etwas besser.
Noch aussichtsreicher ist 5 . d4, z.B. 5 . . . .
5. d2-d4
Le7 (sehr gefährlich ist 5 . . . . ed4 : 6 . Te l ) 6.
Die folgerichtige Fortsetzung - ein

82
Entwicklungszug mit emer Drohung, 6. Sbl-c3
nämlich Bauerngewinn durch 6.de5 : . Weiß entwickelt eine wichtige Figur und
Ferner kann Schwarz auf e4 nicht nehmen: deckt damit den Be4.
5 . . . . Se4 : ? 6.d5 a6 7.Ld3 und beide 6. Lf8-e7
Springer sind angegriffen. Betrachten wir Schwarz braucht 7.Lc6 : Lc6. 8 . de5 : nicht
die Auswirkungen des Zuges d4-d5 nach zu fürchten, weil er sich am Be4 schadlos
einer anderen Antwort des Schwarzen: 5 . halten würde: 8. . . . de5 . 9. Se5 : Le4 :
. . . Lg4 6.d5. Allgemein ist e s so : greifen 1 0 . Se4 : Se4 : mit ausgeglichener Partie .
Sie eine gefesselte Figur an, so erobern Sie Schwarz konnte auch 6 . . . . ed4 : spielen,
sie. Hier hat Schwarz einen Ausweg. Man womit er „das Zentrum aufgibt", wie man
beachte, daß dieser Stellungstyp sich oft sagt. Das heißt hier, daß er sich auf drei
ergibt, ob am Damen- oder am Reihen beschränkt, während der Gegner
Königsflügel. Schwarz befreit sich, indem vier besetzt hat. Im allgemeinen ist es am
er die fesselnde Figur angreift und besten, das Zentrum nicht aufzugeben,
abdrängt: 6. a6. Weiß hat nun wenn es nicht unabänderlich geworden ist.
dieWahlzwischen: a)7.La4b5 8 . dc6 : ba4 : 7. Tfl-el
und Weiß hat nicht viel; bevor er versucht,
den schwachen Ba4 anzugreifen, muß er e4
decken; außerdem i st c6 ebenso schwach
wie der schwarze a-Doppelbauer; b) 7.dc6 :
ab5 : 8 . cb7: Tb8 sieht gut aus, eine
einfache Analyse zeigt aber, daß Weiß
semen Bb7 nicht verteidigen kann;
c)7.Lc6 :+ bc6: 8 . dc6 : Se4 : und die
Nachdem der Be4 nun vom Turm gedeckt
schwarzen Bauern sind bestimmt besser als
ist, droht Weiß tatsächlich Bauerngewinn.
die weißen. Daher ist 6.d5 keine ernste
7 . . . . 0-0? ist ein bekannter Fehler, wie
Drohung. Sie beschränkt j edoch die M
folgende Abspiele zeigen: 8 .Lc6 : Lc6 :
öglichkeiten des Schwarzen, wie wir bei 5 .
9.de5 : de5 : 1 0.Dd8 :
. . . Se4 : ? gesehen haben. Am besten spielt
a) 1 0 . . . . Tad8 : l l . Se5 : Le4 : 12. Se4 : Se4 :
Weiß nach 5 . . . . Lg4 6.de5 : Lß. 7.Df3 : de5 :
(Weiß kann nicht wiedernehmen wegen
8 .Lc6 :+, und Schwarz hat keinen
des Matts auf der ersten Reihe) 1 3 . Sd3 ! f5
Gegenwert für die /ersplitterten Bauern.
14. f3 Lc5+ 1 5 . Sc5 : ( 1 5 .Kfl
5. Lc8-d7
Der übliche Zug. Schwarz zieht es vor, den
Sc6 sofort zu entfesseln und damit die vom
d-Bauern ausgehenden Drohungen zu
paneren.

83
könnte mit Lb6 beantwortet werden; 1 6 . Der nächste Zug des Weißen ist schwer zu
fe4 : fe4 :+ l 7 . Sf4 g5) 1 5 . . . . Sc5 : 1 6.Lg5 finden. Er spielt:
Td5 l 7.Le7, evtl. gefolgt von 1 8 . c4, und 9. Lb5-fl
Schwarz büßt wenigstens die Qualität ein. Er möchte nicht, daß zwei Figuren
b) 1 0 . . . . Tfd8 : l l . Se5 : Le4 : 12. Se4 : Se4 : getauscht werden (Schwarz hätte sonst
1 3 . Sd3 f5 1 4 . f3 Lc5+ 1 5 .Kfl! und Schwarz Sd4. nebst Lb5 . fortsetzen können), denn
verliert eine Figur. Bemerkenswert, wie j eder Tausch ist für den, der beengt steht,
sich das weiße Spiel darauf einrichtet, eine Erleichterung. Besser war vielleicht
welcher Turm im 1 0 . Zug schlägt. Das ist 9.Lc6 : , um Schwarz einen Doppelbauern
bezeichnend für die Kombination: eine ge­ zu verschaffen. Das ist das gebräuchlichste
ringfügige Änderung der Stellung macht Abspiel, und die Partie könnte
einen großen Unterschied. Hier ist ein weitergehen: 9 . . . . bc6 : 1 0 . Lg5 h6 1 1 . Lh4
klares Beispiel, m dem Schwarz Sh7 12. Le7 : De7 : . Auch 9. Sc6 : bc6 :
gezwungen ist, die Mitte aufzugeben. 1 0.Ld3 oder 1 0 . La4 wird gespielt. Ebenso
7. e5xd4 wie bei 9.Lc6 : bc6 : hat Schwarz einen
Anders ist der bedrohte Bauer nicht zu Gegenwert für die geschwächten Bauern in
retten. Weiß hat nun ein kleines Plus. der offenen b-Linie und in der Kontrolle
8. Sf3xd4 über d5 . Der Zug 9 . f4, der unter­
Weiß hat nun em freies Spiel. Sein nehmungslustig aussieht, darf nicht ohne
Problem ist: a) wie ist dieser Vorteil sorgsame Untersuchung gemacht werden,
auszunutzen? (Angriff nach sorgfältiger denn er schwächt die Stellung, z.B. 9. . . .
Vorbereitung); b) wie ist der Vorteil Sd4 : 1 0 .Dd4 : Lb5 : l l . Sb5 : d 5 ! 1 2 . e5 Se4,
festzuhalten, der fast automatisch drohend Lc5, oder 1 2 . ed5 : Sd5 : und wenn
verschwindet - wie in der Partie -, sobald 1 3 . c4, so Sb4. Offenbar räumt die Öffnung
Schwarz zu d6-d5 kommt. der Schrägen g l -c5 dem Schwarzen
8. 0-0 Chancen ein, außerdem behindert der Bf4
Die Strategie des Weißen sollte nun sein: den Lei. Ein Zug wie f2-f4 ist nur dann
a) den Schwarzen an d6-d5 zu hindern; b) ratsam, wenn Weiß sicher ist, die
seine Figuren sorgfältig zur Entfaltung zu Bauernfront e4/f4 erhalten zu können, die
bringen; c) viel später einen Angriff am unter Umständen als Grundlage eines K­
Königsflügel vorzubereiten. Die Strategie Angriffs dienen kann.
des Schwarzen muß sein: a) Figuren zu 9. Sc6xd4
tauschen; b) d6-d5 durchzusetzen und so Wie schon gesagt, begünstigt jeder Tausch
die Partie zu öffnen. den Schwarzen. Das bedeutet nicht, daß er
durch Abtausch in Vorteil kommt, sondern
nur, daß er sich freier bewegen kann. Das

84
bringt eine Beschneidung der weißen Angriffschancen
mit sich und trägt zum Ausgleich bei.
10. Ddlxd4
Bis zu diesem Zug hat der Amateur die
Partie wie ein Meister behandelt. Zu
schwer hatte er es nicht, weil er nur den
Empfehlungen der Theorie zu folgen
brauchte. Nun ist er auf sich selbst gestellt.
Niemand sagt ihm, was er mit der Stellung
anfangen kann, denn einmal ist jede
Theorie zu Ende. Er wartet einfach, bis
Schwarz im Zentrum ebenbürtig ist. Ihm
entgeht, daß der ganze Kampf in dieser
Partie-phase sich um die Anstrengungen
des Schwarzen dreht, seinen d-Bauern vor­
zustoßen.
10. Tf8-e8
Schwarz übt einen gewissen Druck auf der
e-Linie aus. Unter „indirektem Druck" ist
die Wirkung zu verstehen, ilie fühlbar
wird, wenn eine auf der offenen Linie im
Weg stehende Figur den Platz geräumt hat.
Indirekte Angriffe können sehr tückisch
sein, wie der Partieverlauf zeigen wird.
11. f2-f3

85
Weiß scheint eme Mauer aus Bauern 13. Lcl-d2
errichten zu wollen, um den Schwarzen am Soll Da5 verhindern, em Zug, an dem
Angreifen zu hindern. Dem Zug mangelt es Schwarz gar nicht interessiert war. Zu
j edoch an Nachdruck. Gelingt es Schwarz, erwarten wäre 13 .Le3 gewesen, um den
d6-d5 durchzusetzen, wird sich f2-f3 als Damentausch zu vermeiden.
Schwächung erweisen. Daß die Diagonale 13. Dd8-b6!
g l -c5 geöffnet ist, kann sich ebenfalls für Schwarz bannt die Gefahr emes
Schwarz günstig auswirken. Möglich war Königsangriffs, der nur mit Damen für ihn
hier l l .b3 nebst Lb2. Auch die natürlichen gefährlich werden könnte.
Züge 1 1 .Lg5 oder 1 1 .Lf4 nebst 12. Tadl 14. Sc3-a4?
hätten zu einem guten Ausgleich genügt. Verteidigt den Bb2, entfernt jedoch den
11. Ld7-e6 Springer aus der Mitte, so daß der Punkt d5
Schwarz bereitet sich deutlich auf den für Schwarz entlastet wird. Weiß wollte
Vormarsch des d-Bauern vor. nicht 1 4.Db6: ab6 : spielen, weil ihm die
12. Dd4-f2 Öffnung der a-Linie nicht behagte. Diese
Ein ängstlicher Zug, der aber nicht hätte den Nachteil des Doppelbauern
unbedingt schlecht ist. Weiß wagt es nicht, aufgewogen, aber nicht mehr. Weiß
die Dame auf d4 stehen zu lassen, weil er antwortet a2-a3 und hat keine besonderen
fürchtet, daß Schwarz mit c7-c5 nebst d6- Schwierigkeiten in der a-Linie.
d5 fortsetzen wird. Auf 12 . . . . d5 hat er 14. Db6xf2+
1 3 . e5 Sd7 14.f4 mit mächtigem Angriff 15. Kglxfi d6-d5
geplant (bewegliche Bauernmehrheit am Mit einer Reihe sehr einfacher Züge hat
K-Flügel). Hätte Weiß 1 2 . Tdl gespielt, Schwarz seme Strategie durchgesetzt.
käme wie in der Partie 12 . . . . c6. 1 2.Lg5 Weiß muß zudem auf zwei Dinge
führt nach 12 . . . . d5 1 3 . ed5 : Sd5 : 1 4.Le7 : Rücksicht nehmen: auf den Sa4, der
Se7 : zu vollem Ausgleich. vorübergehend außer Spiel ist, und den
12. c7-c6! König, der sich auf einer offenen
Schwächt zwar den d-Bauern, gibt aber Diagonale befindet (die Schwarz bald zur
Schwarz das Mittel in die Hand, d6-d5 zu Verfügung steht) und von eigenen Bauern
ziehen, wann immer er es für behindert wird.
wünschenswert ansieht. Wir haben
gesehen, daß ein sofortiger Vorstoß nichts
leistet (12. d5 1 3 . e5). Nach
Damentausch (Db6 ! ) j edoch könnte der
Zentralstoß sehr stark werden.

86
Züge war auch nicht zu erwarten, daß
Weiß noch vollständigen Ausgleich in der
Hand haben würde.
16. Sf6-d7
Der Be5 ist nun indirekt bedroht, d.h.
sobald beide Läufer die e-Linie (mög-lichst
mit „Tempo") verlassen haben. Weiß steht
vor zwei Problemen: a) wie soll er

Der wohlvorbereitete Stoß in der Mitte gibt Bauernverlust nachb7-b5, Lc5+ und Lf5

Schwarz nun wegen der zwei erwähnten (siehe Partie) vermeiden; b) wie kann er

Schwächen des Weißen mehr als einen guten Platz für seinen König nach

Ausgleich. b7-b5 und Lc5+ vorbereiten?

16. e4-e5? 17. g2-g3

Sieht stark aus, weil der Bauer auf Weiß sieht die entfernte Gefahr der

feindliches Gebiet vorrückt und eine eingeschränkten Stellung seines Königs,

Mehrheit am K-Flügel errichtet wird. Ohne j edoch nicht die unmittelbare Gefahr für

Dame kann Weiß jedoch nicht auf einen seinen Bauern. Er erkennt nicht, daß beide

Mattangriff rechnen. Außerdem ist der e­ Läufer, die die Drohung Te5 : maskieren,

Bauer schwach, solange er nicht vom f­ mit „Tempo" wegziehen können. l 7.f4

Bauern unterstützt wird, und wir werden bringt ebenfalls Nachteile mit sich: 1 7 . . . .

aus der Partie erkennen, daß es nicht leicht b 5 1 8 . Sc3 Lc5+ 1 9.KÖ ( 1 9 .Le3 d4) 1 9 .

ist, den nötigen Schutzmittels f3 -f4 zu . . . g5 !undbei20.fg5 : Lf5 ! stünde der K sehr

gewähren. Hätte Weiß eingesehen, daß er gefährdet, weil es ihm an Bauerndeckung

die Chance versäumt hat, aus seinem mangelt. Man beachte, daß l 7.g4, das Lf5

Raumvorteil Nutzen zu ziehen, hätte er verhindert und Platz für den K schaffen

sofort auf Vereinfachung gespielt und soll, ein Versehen wäre wegen Lh4+.

Bauern getauscht. Er glaubte aber, daß er 17. Le6-f5

auf der Grundlage der Eröffnung das Recht Gewinnt ein Tempo durch Angriff auf c2.
18. Tal-cl
und vielleicht die Pflicht habe etwas zu
'

Weiß ist gezwungen, den Turm als


unternehmen. Dafür fehlt j edoch die
Verteidiger des Bc2 zu mißbrauchen, weil
Voraussetzung. Indem er d6-d5 zuließ,
nach 1 8 . c3 b5 der Springer verloren wäre.
verzichtete er auf Stellungsvorteil. Nach
Nach 1 8 .Ld3 Ld3 : 1 9 . cd3 :
1 6 . ed5 : Sd5 : l 7.c4 Sb4 stünde Schwarz
nur ein wenig besser - seine Leichtfiguren
sind zentralisiert und arbeiten gut zu­
sammen. Nach einer Reihe farbloser

87
b5 20. Se3 Lc5+ ginge der e-Bauer wie in 21. Lf5-g6
der Partie verloren, und bei l 8c4 dc4 : 22. Kg2-g3
1 9 .Lc4 : ? b5 eine Figur. Gibt dem g-Bauern zusätzlichen Schutz, so
18. b7-b5 daß Weiß nun 23 . f4 und 24.f5 droht.
19. Sa4-c3 Le7-c5+ 22. h7-h5
Auf bewundernswert einfache und klare 23. Ld2-f4
Weise hat Schwarz seinen Stellungsvorteil Um den starken Springer zurückzutreiben.
so weit vergrößert, daß er jetzt einen 23. f7-f6
Bauern erobert. 24. Lf4xe5
20. Kf2-g2 Sd7xe5 Er will den lästigen Springer loswerden
und eventuell Ld3 spielen.
24. f6xe5
Der Tausch hat Schwarz em starkes
Bauernzentrum verschafft.
25. Lfl-d3
Weiß nimmt einen vereinzelten Bauern in
Kauf, um den Tc 1 beweglich zu machen
(nach Ld3 : 26. cd3 : würde schon SxB
Die indirekte Drohung, die mit dem
drohen).
1 0.Zug von Schwarz eingeleitet wurde,
25. Lg6-f7
führte zum Gewinn dieses Bauern. Aber
Schwarz will sem Läuferpaar noch
nicht nur das, Schwarz hat auch die
behalten und legt auch keinen Wert darauf,
Initiative erhalten. Man vergleiche diese
den Tel wirksamer zu stellen.
Stellung mit der vor acht oder zehn Zügen.
26. g4-g5 g7-g6
Schwarz hat seine Kräfte beträchtlich
Schwarz will g5-g6 nicht zulassen, denn
ausgedehnt. Nun beherrscht er vier Reihen
der Bauer würde starken Druck ausüben.
und Weiß nur drei.
27. Tel-e2 Lc5-d6
21. g3-g4
Befestigt die Mitte und droht zugleich
Weiß, der bisher übervorsichtig war, macht
e5-e4+.
nun emen rücksichtslosen, brutalen
Versuch, das verlorene Terrain
wiederzugewinnen. Er reißt die Initiative
an sich, freilich nur für wenige Züge.

88
28. Kg3-g2 Kg8-g7 Der Beginn emes Angriffs gegen den
29. Tcl-el rückständigen Bf3, der bald zum Gewinn
eines zweiten Bauern führt.
31. Sdl-f3 Lf7-e8
Macht Platz für den zweiten Turm.
32. b2-b3
Wiederum Verzweiflung. Weiß sah wohl
32. Sh3 T7f7 3 3 . Sgl c5 (droht c5-c4) 34.c3
Lc6 mit hoffnungsloser Stellung voraus.
Schwarz hat vielerlei Drohungen: c5-c4,
Endlich arbeiten alle weißen Figuren ! Es
d5-d4, e5-e4, wovon die letzte die
ist Weiß gelungen, sie zum Zusam­
kräftigste ist: 3 5 . . . . e4 3 6.fe4 : de4 : 3 7.Le4 :
menspiel zu bringen, wenn auch auf
Le4 :+ 3 8 . Te4 : Tf2+ nebst Matt. Das
Kosten emes schwachen f-Bauernund
Traurige ist, daß Weiß seine Stellung auf
bestimmter anderer Nachteile. So hat er
keine Art verstärken kann. 3 5 . Tf2und
dem Gegner das Läuferpaar und den vollen
3 5 . Tfl werden durch 3 5 . . . . e4 widerlegt.
Besitz des Zentrums überlassen. Das
Weiß entschließt sich daher, emen
hatzurFolge, daß die schwarzen Läufer
zweitenBauern preiszugeben, und hofft, in
nicht auf Dauer durch die Bauern blockiert
der emen oder anderen Richtung
sind, solange das Zentrum beweglich
Gegenspiel zu bekommen.
bleibt. Dagegen ist die Beweglichkeit der
32. Te7-f7
weißen Figuren beschränkt.
Wieder führt der klare Stil des Meisters -
29. Te8-e7
keine tiefe Kombination, nur das
30. Sc3-dl
Überführen der Figuren auf die strategisch
Um den Springer auf bessere Felder zu
richtigen Plätze - zur Eroberung eines
bringen und dem Zug Lb4 vorzubeugen.
weiteren Bauern.
Vorzuziehen war Sc3 -b l -d2 zum Schutz
33. c2-c4
des Bf3, der nun bald ernstlich schwach
Es gab nichts Besseres.
wird. Entsprechend dem Gedanken daß '

33. Tf7xf3
die Angriffsstrategie sich an den gegneri­
34. c4xd5 c6xd5
schen Schwächen ausrichten solle, spielt
35. Ld3-bl Le8-c6
Schwarz nun:
30. Ta8-f8

89
Wieder wird eine Figur auf das richtige
Feld gestellt. Zwei Läufer und zwei Türme
sind nun auf den weißen König gerichtet -
eine gewaltige Ansammlung von Kräften.
36. Tel-dl Tf3-f4
37. Lbl-e4
Die letzte schwache Hoffnung.
37. Ld6-c5
Gewinnt zwangsläufig.
38. Sf2-d3
Bei anderen Zügen geht eme Figur
verloren.
38. d5xe4
39. Sd3xc5 e4-e3+
Weiß gab auf: 40.Kgl Tg4+ bzw. 40.Kg3
Tg4+ 4 1 .Kh3 Tf3 matt.
Die ganze Partie ist bemerkenswert durch
das gesunde, einfache Spiel des Schwarzen
und die hoffnungslosen Bemühungen des
Weißen, dem eisernen Griff semes
Gegners zu entkommen.

90
91
Partie 8

Die Theorie der Holländischen Verteidigung


Das Erreichen des Ausgleichs in der Mitte
Die wirkungsvollsten Plätze für Läufer und Springer
Vorbeugungsstrategie
Das Beibehalten der Spannung in der Mitte
Die Folgen planlosen Spiels
Entwurf und Ausführung eines langfristigen strategischen Plans
Schaffen und Besitzergreifen eines starken Punkts

Einer der auffallendsten Unterschiede zwischen Meister und Amateur liegt in Entwurf und
Ausführung ihrer Strategie. Der Amateur tappt unentschlossen nach einem Plan, oft unsicher,
worin die richtige Strategie besteht, oft unrichtig i n der Ausführung, ist der Plan einmal
gefaßt. Der Meister versteht die Stellung als Ganzes und bezieht seine Strategie aus den
Erfordernissen j ener Stellung. Er entwirft einen vernünftigen Plan und geht dann an seine
Ausführung, wobei er sich den taktischen Gegebenheiten anpaßt, Zugeständnisse macht, hier
und da Kleinigkeiten ändert. Jeder Zug verfolgt einen Zweck. Es überrascht daher nicht, daß
seine Figuren gewöhnlich genau an der richtigen Stelle stehen und im gemeinsamen Angriff
gegen die Schwächen seines Gegners zusammenarbeiten.
Dem Amateur fehlt nicht nur eine klar umgrenzte Strategie; beim Versuch, Verwicklungen zu
vermeiden, macht er es dem Gegner leichter, seine Pläne zu verwirklichen. Z.B. liebt der
Amateur im allgemeinen keine unaufgelösten Spannungen auf dem Brett, weil diese Lage den
Spieler zwingt, ständig eine Vielzahl von Möglichkeiten zu bedenken; sie macht es viel
schwerer und manchmal unmöglich, eine bestimmte Strategie festzulegen. Der Amateur zieht
es vor zu wissen, woran er ist. Er neigt dazu, Spannungen durch Bauerntausch zu beseitigen.
Dabei erleichtert er aber nicht nur seine eigene Aufgabe, sondern auch die des anderen.
Solange die Spannung anhält und vielfache Möglichkeiten bleiben, ist es schwierig, einen
bestimmten Plan zu fassen. Wird die Spannung aufgehoben und eine beständige Lage
geschaffen, gibt der Amateur seinem Gegner die willkommene Gelegenheit, eme
wohlbegründete Strategie einzuschlagen.

92
WEISS: AMATEUR SCHWARZ: MEISTER drücken '
und den Nachteil, daß das
HOLLÄNDISCH schwarze Zentrum geschwächt erscheint,
solange es Schwarz nicht gelungen ist, den
1. c2-c4 e-Bauern nach e5 vorzustoßen.
Dieser Zug, den wir bereits in Partie 3
5. e2-e3
gesehen haben, stimmt mit dem Grundsatz
Weiß hat die Wahl, ob er den Lf 1 nach e2
überein die Mitte zu beherrschen. Er
'
oder g2 entwickeln soll. Das Fianchetto ist
schwächt auch den Damenflügel nicht und
heute weitaus üblicher.
besitzt das zusätzliche Merkmal, sehr
5. 0-0
wandlungsfähig zu sein und in viele andere
6. Lfl-e2
Eröffnungen übergehen zu können.
Der Läufer steht auf e2, von wo er später
1. f7-f5 nach f3 gehen könnte, besser als auf d3 ,
Auch dieser Zug spielt auf Beherrschung
wo er gegen eine Bauernkette gerichtet ist
der Mitte und kann außerdem später zur
und Sorgen machen könnte, falls Schwarz
Lanzenspitze eines schwarzen Angriffs auf
zum Vorstoß des e-Bauern käme.
dem Königsflügel werden. Zugleich kann
Andererseits könnte der Läufer auf d3 den
der Zug aber auch eine Schwächung der Vorstoß e3 -e4 unterstützen - mit Vor-und
eigenen K-Stellung bedeuten. Nachteilen.
2. d2-d4
6. e7-e6
Durch Zugumstellung münden wir in die
Holländische Verteidigung em. Die
normale Folge ist l.d4 f5 . Viele Spieler
zögern jedoch, sofort 1 . . . . f5 zu spielen,
weil sie 2.e4 fürchten, das Staunton­
Gambit, das zu sehr scharfem Spiel führen
kann.
2. Sg8-f6
Schwarz plant e6-e5 nach entsprechender
3. Sbl-c3 g7-g6
Vorbereitung, d.h. nach d7-d6 und Sb8-d7.
Die Leningrader Variante. Genau so gut ist
Warum er nicht gleich d7-d6 spielt, ist
3 . . . . e6.
positionell lehrreich. Es folgt 7.d5 e5
4. Sgl-f3 Lf8-g7
8 . de6 : Le6 : und Weiß erhält die
Diese Stellung unterscheidet sich von
Möglichkeit, seinen Springernach d5 zu
Königsindisch (l. d4 Sf6 2.c4 g6) nur darin,
bringen (später und nach sorg-
daß der f-Bauer schon auf f5 steht. Das hat
den Vorteil, gegen e4 zu

93
faltiger Vorbereitung). Wird dieser Schwarz hat sem Ziel erreicht und steht
getauscht, nimmt der c-Bauer wieder und nun m der Mitte ebenbürtig. Daß der f­
Schwarz behält einen rückständigen c­ Bauer schon auf f5 den e-Bauern
Bauern, der leicht zum Gegenstand eines unterstützt, gibt Schwarz 1m Zentrum
Angriffs werden könnte. Tauscht Schwarz bereits die Initiative.
nicht, sondern treibt den Springer mit c7- 10. Ddl-c2
c6 zurück, dann könnte der Bd6 schwach Mit diesem Zug macht Weiß die erste
werden. Spielt Schwarz nach 7.d5 aber Reihe für die Bewegung der Türme frei. Er
Sbd7, um den Springer auf c5 zu postieren, hofft, Druck auf der noch geschlossenen c­
setzt Weiß mit 8 . Sd4 fort, und Schwarz Linie ausüben zu können.
hätte ständig Ärger mit der Schwäche des 10. c7-c6
Feldes e6.
7. 0-0 d7-d6
8. Lcl-d2(?)
Auf d2 stärkt dieser Läufer die weiße
Stellung lediglich vom Standpunkt der
Verteidigung aus. Außerdem steht er
anderen Figuren, wie der Dame und dem
Sf3, im Weg. Es wäre daher besser, ihn
Hindert den Weißen daran, Sd5 zu spielen,
offensiv zu entwickeln, obwohl Schwarz in
was im Fall von De7 oder De8 stark sein
diesem Fall seinen c-Bauern ohne weitere
könnte, weil durch Tausch auf d5 die c­
Vorbereitung vorstoßen könnte: 8 .b3 e5
Linie geöffnet wird. Schwarz denkt
9.de5 : de5 : 1 0 . Se5 : ? Se4 l l . Se4 : Le5 : .
gegenwärtig nicht an d6-d5, weil ihm nicht
Anstelle von 1 0 . Se5 : ? könnte Weiß aber
an einer Öffnung der c-Linie liegt. Die
1 0.La3 spielen und eine schöne Partie
Eröffnung ist nun beendet, und es gibt
erhalten, z.B. 1 0 . . . . Te8 l l .Dd8 : Td8 :
keine drängenden taktischen Probleme.
1 2. Tfdl Te8 1 3 . Sd5 ! Sd5 : 1 4 . cd5 :und
Weiß bestimmt daher an dieser Stelle die
Schwarz ist in Nöten, weil sein Bc7 leicht
allgemeine Linie, der sein Spiel folgen
schwach werden könnte. Daraus geht
soll, in anderen Worten seine Strategie.
hervor, daß 8 . . . . e5 verfrüht ist. Es ist
Weiß überlegt zwei Wege:
immer gefährlich, das Spiel zu öffnen,
a) l 1 . de5 : de5 : 1 2. Tfdl. Nach diesem
wenn die Entwicklung zurückgeblieben ist.
Tausch hätte e5-e4 nicht mehr so viel Kraft
8. Sb8-d7
wie zuvor, weil der Sf3 auf d4 postiert
Bereitet e6-e5 vor.
werden könnte.
9. Tal-cl e6-e5

94
b) 1 1 .b4 in der Hoffnung, am D-Flügel offenen c-Linie hätte aber jedenfalls an
angreifen zu können. Es sollb4-b5 folgen, Kraft gewonnen. Man sehe: 1 5 . a4 Le6 1 6 .
und Schwarz könnte kaum tauschen, weil bc6. bc6 : 1 7 . a 5 Ta5 . (Sc4 1 8 . Se4 : kostet
sich dann die c-Linie, auf der Weiß so einen Bauern) 1 8 . Se4 : Ta2 1 9 . Sf6:+ Lf6 :
stark ist, öffnet. Man kann nicht sagen, 20. Dd3 mitverteilten Aussichten.
welches System das beste ist; j edes hat 13. Kg8-h8
seine Vor- und Nachteile. Weiß muß sich Entzieht den König einem Schach von c4
j edoch mit der Lage vertraut machen und aus, falls Weiß mit b4-b5 fortfährt.
sich eine Vorstellung davon verschaffen, 14. f2-f3
was er plant und warum. Er wählt b) und
spielt:
11. b2-b4 e5-e4
Auch Schwarz trifft eine wichtige stra­
tegische Entscheidung. Er beschließt, am
K-Flügel vorzugehen, wohin der
geschehene Zug das Schwergewicht
verlagert. Schwarz hat dort zur Zeit
Weiß hat offenbar sem Vorhaben b4-b5
deutlichen Raumvorteil. 1 2. Sf3-el
vergessen. Dennoch ist der Textzug gut.
Der Springer wäre auf d l besser postiert,
Weiß wendet sich gegen die Lanzenspitze
doch der L nimmt ihm das Feld.
der schwarzen Bauernkette. Nach 1 4 . . . .
12. a7-a6
ef3 : 1 5 . Lf3 : ist das Vorgehen e3 -e4 nicht
Schwarz möchte sich bei seinem Vorgehen
zu verhindern. Schließlich greifen die
am K-Flügel nicht durch
weißen Figuren beschleunigt in den Kampf
Verteidigungsmaßnahmen am D-Flügel
ein. Folgt Weiß seinem ursprünglichen
ablenken lassen und macht daher diesen
Plan mit 1 4.b5, sieht sich Schwarz einigen
Zug, um dem Vorgehen b4-b5 angemessen
Problemen gegenüber. Er sollte nicht mit
entgegnen zu können. Durch Tausch öffnet
1 4 . . . . cb5 : die c-Linie öffnen, weil das die
sich Schwarz dann die a-Linie.
Verdoppelung dort rechtfertigt. Auch 14.
13. a2-a4(?)
ab5 : 15. cb5 : ist nicht
Eine unnötige Vorbereitung. Sofortiges
1 3 . b5 ! war gut spielbar, z.B. 13. ... vertrauenerweckend, denn Weiß hätte

ab5 : 1 4 . cb5 : Sb6. Schwarz läßt dann Le6 Druck gegen c6 und könnte aus der
halboffenen c-Linie Vorteil ziehen. Am
folgen, um den Punkt d5 zu beherrschen.
besten wäre 1 4 . . . . c5, doch hätte Weiß in
Die weiße Batterie auf der
diesem Fall das Feld d5

95
zurückerobert, und Schwarz könnte nicht um die Bauernkette erörtern Wlf 1m
d6-d5 zur Unterstützung des Be4 spielen. einzelnen in Partie 1 9 .
14. Tf8-e8 16. g2-g3
Schützt e4 und räumt f8 für den Sd7. Macht Platz für den Springer. Man
15. f3-f4? bemerkt, daß Weiß keinen wirklich
Weiß mißversteht die strategischen nutzbringenden Plan hat. Tatsächlich hat er
Erfordernisse der Stellung und hebt mit überhaupt keinen wirklichen Plan. Der
dem Textzug den Druck gegen e4 auf Amateur tappt im Dunkeln, spielt von Zug
Schwarz hat es nun leichter, emen zu Zug.
Gesamtplan zu fassen, weil er nicht länger 16. Lc8-e6
die Verwundbarkeit des Be4 einzubeziehen Der Läufer muß entwickelt werden,
braucht. Spannung im Zentrum sollte nie, außerdem wird j etzt c8 für den Ta8 frei.
außer wenn unbedingt nötig, aufgehoben Sobald Schwarz seine Dame nach f7
werden. Weiß konnte 1 5 . fe4 : Se4 : 1 6 . Se4 : gebracht hat, steht der Bc4 unter Druck,
fe4 : spielen mit Aussichten auf beiden und Weiß mag sich zu c4-c5 veranlaßt
Flügeln, aber auch den Wartezug 1 5 .Khl, sehen, womit das Feld d5 in die Gewalt des
um auf e4 zu tauschen, nachdem Schwarz Schwarzen überginge. Der Angriffsplan
15. Sf8 gespielt hat (was er des Weißen am Damenflügel, der einmal
wahrscheinlich tun wird, um die Schräge so aussichtsreich schien, verspricht jetzt
für den Lc8 freizumachen) . Nach einem weit weniger: l 7.b5 ab5 : 1 8 . cb5 : Sd5 und
Tausch auf e4 wäre der beste Platz für den Schwarz ist die Besetzung des wichtigen
Sd7 das Feld f6. Weiß tauscht also am Zentralfeldes gelungen, bzw. 1 8 . ab5 : Dc7
besten erst dann, wenn der Sd7 nebst Df7 und Schwarz drückt gegen die
weggegangen ist. weiße Bauernstellung.
15. Sd7-f8 17. Sc3-dl
Der letzte weiße Zug hat eine Befestigung
des schwarzen Zentrums mit sich gebracht.
Schwarz setztnunseine Strategie des K­
Angriffs mit direkteren Maßnahmen fort,
um nach passender Vorbereitung g6-g5 zu
spielen. Man kann dabei von einer Art

Bauernketten-Strategie sprechen, bei der


die Spitze der weißen Bauernkette e3/f4
angegriffen wird, weil die Basis e3
unzugänglich ist. Die Strategie rund

96
Der Springer soll über f2 nach h3 und 21. g3-g4
vielleicht g5 gehen. Unter den Umständen am besten -zwecks
17. Dd8-e7 Vereinzelung des e-Bauern. Das richtet
Verbindet die Türme und ermöglicht Df?. j edoch offensichtlich kaum Schaden an.
18. Sdl-f2 h7-h6 21. Sf8-g6
Bereitet g6-g5 vor. Es ist bemerkenswert, Bringt den Springer ins Spiel und räumt
wie langsam in geschlossenen Stellungen die 8.Reihe, damit sich die Türme frei
Pläne Gestalt annehmen -ein Zug an bwegen können. In dieser Partiephase ist
einem, dann am anderen Flügel, em keine deutliche Richtung zu erkennen.
Abwarten auf die günstigste Gelegenheit. Schwarz versucht, seme Figuren auf
1 9 . h2-h3 bessere Plätze zu entwickeln und Kräfte
Weiß plant selbst semen g-Bauern anzusammeln. Möglicherweise wird der
vorzustoßen, denn 1 9 . Sh3 fruchtet wegen Sg6 nach h4 gehen.
S8h7 nichts. 22. g4xf5
19. g6-g5 Hier und im nächsten Zug ist Weiß
Schwarz wäre mit dem Tausch auf g5 sehr ungeduldig, möchte nicht abwarten und
einverstanden, weil dann die h-Linie offen versucht, sich etwas zu befreien. Vielleicht
ist. hätte er seinen Angriff am D-Flügel mit
20. f4xg5? b4-b5 wieder aufnehmen sollen, auch
Viel besser wäre 20. Sg2 gewesen, um auf wenn dies nicht so viel ergibt wie einige
f4 mit dem Springer zurücknehmen zu Züge zuvor.
können. Schwarz hätte sich dann darauf 22. Le6xf5
einstellen müssen, den B nach g4 und evtl. 23. Sf3-g4 Lf5xg4
später den h-Bauern nach h4 vorzurücken - Schwarz tauscht hier nur mit dem Läufer,
nach sorgfältiger Vorbereitung. Der um den B auf einem Feld zu fixieren, wo
Amateur macht es dem Gegner, wie im er ihn anzugreifen vermag. Der andere
1 5 .Zug, zu leicht. Weg 23 . ... Sg4 : 24.hg4 : verlöre ein
20. h6xg5 Tempo, so daß Weiß seine schwachen
Wichtig ist, daß sich die h-Linie nun für Punkte festigen könnte.
den Angriff geöffnet hat. Viel später, weil 24. h3xg4
die Umgruppierung Zeit kostet, wird Zu erwägen war 24.Lg4 : , um eine weitere
Schwarz Turm und/oder Dame auf diese (untätige) Figur zu tauschen.
Linie bringen.

97
24. De7-d7 27. Tclxc4 Sf6-d5
25. Dc2-dl Von diesem beherrschenden Feld kann der
Erzwungen, denn 25. Tf5 verliert: Sh4 26. Springer nicht vertrieben werden und
Tg5 : Lh6 und der Turm hat keinen kontrolliert den ganzen Damenflügel. Ein
Rückzug. solcher Posten ist als starkes Feld bekannt '

25. d6-d5 das von feindlichen Bauern unerreichbar


ist und in oder nahe dem feindlichen
Gebiet liegt.
28. Ddl-el
Der Druck gegen g4 hat sich verringert, so
daß die Dame ziehen kann. Der
geschehene Zug erreicht aber nicht viel.
Weiß plante 29. Dg3 , 30. Tfc l und 3 1
.Kf2, doch so weit kommt es nicht.
Um die Diagonale b8-h2 für die Dame
Vielleicht war 28. Le l besser. Wenn dann
zugänglich zu machen und auch, wenn
Dd6, so 29.Lf2 nebst Del und Lg3 .
Weiß nicht c4-c5 spielt, das Feld d5 für
Möglich war auch der Versuch, mittels 28.
den Springer zu sichern. Man beachte daß '

Kf2 mit dem König zu entfliehen. Aber


Schwarz diesen Zug erst macht, nachdem
auch wenn dieser in die Mitte entkommt '

auf der c-Linie keine Gefahr mehr droht.


übt der Sd5 einen beengenden Einfluß aus.
26. Sel-g2(?)
28. Dd7-d6
Weiß hätte nicht zulassen sollen '
daß
Das hindert nicht nur die Dame, nach g3 zu
Schwarz den starken Punkt d5 in die Hand
gehen, sondern bereitet auch den Angriff
bekommt. Schlecht wäre 26. cd5 : ? Sd5 :
Lf6, Kg7, Th8 nebst Dh2+vor.
,gut jedoch 26. c5 ! ,weil dann der Springer
29. Tc4-cl(?)
nicht nach d5 käme. In diesem Fall erreicht
Ein schwerer Zeitverlust. Der weiße König
Schwarz sein anderes Ziel - zum Angriff
ist in beklagenswerter Lage. Etwas mußte
auf der h-Linie zu kommen. Er setzt mit
getan werden, möglicherweise 29. Tf5
Kh7, Th8 und Kg8 fort. Sein Angriff wäre
nebst 3 0.Df2 und, wenn nötig, Flucht des
kaum abzuwehren. Des Nachdenkens wert
Königs auf der l .Reihe.
wäre auch 26.b5, wenngleich Schwarz
auch danach d5 besetzt: 26 . . . . dc4 : 27.
bc6 : bc6 : 28. Tc4 : Sd5.
26. d5xc4
1·· r
Das Feld d5 1�u den S pnnger wiegt
·

schwerer als die Schwäche des Be4, der


sowieso nicht angreifbar ist.

98
29. Lg7-f6 steht klar überlegen. Alle Figuren stehen
30. b4-b5 zum Eingreifen bereit - ein Beispiel für die
Viel zu spät. Am besten war immer noch Anhäufung von Energie. In anderen
der Versuch 3 0. Tf5 . Worten: die Idee Lc4 nebst Ld5 : ist
30. a6xb5 allgemein gesehen gut - als Verteidiger soll
31. a4xb5 Kh8-g7 man drohende Figuren abtauschen, um den
Alles plangemäß. Schwarz steht nun bereit, Angriff zu schwächen -, hier j edoch genügt
mit Th8 usw. fortzusetzen. sie nicht mehr. Oder 3 3 . Tf5 Th8 34. Lfl
32. b5xc6 b7xc6 Dh2+ 3 5 . Kf2 Sh4 und gewinnt immer,
33. Kgl-f2 denn Schwarz spielt einfach Sf5 : undTh3 .
33. Te8-f8
Zwingt den König zurück.
34. Kf3-gl Tf8-h8
35. Tcl-al Dd6-h2+
36. Kgl-f3 Ta8-f8
Weiß gab auf
Die Drohung 3 7 . . . . Ld4 :+ oder irgendein
anderer L-Abzug verspricht großen
Unfruchtbar, aber für eine Rettung ist es zu
Materialgewinn für Schwarz, und auf j eden
spät, z.B. 3 3 .Lc4 Th8 34.Kf2 Th2 mit der
Fall ist der weiße König so eingebaut, daß
Drohung Sh4. Schwarz
es keinen Ausweg gibt.

99
Partie 9

Die Theorie der Grünfeld-Verteidigung


Die Schwäche eines breiten Bauernzentrums
Motive für den Damentausch
Ausnutzung von zwei Schwächen
Angriff gegen den entblößten König
Das Mattnetz

In früheren Partien haben wir gesehen, wie die Spieler das Zentrum kontrollierten, indem sie
es entweder mit Bauern besetzten oder durch Figurendruck von weither beherrschten. In der
Grünfeld-Verteidigung gestattet Schwarz seinem Gegner mit Vorbedacht, die Mitte mit
Bauern zu besetzen, und greift sie später an. In der vorliegenden Partie schwächt er das breite
weiße Bauernzentrum durch Abtausch und zwingt Weiß, das, was übriggeblieben ist, mit dem
König zu verteidigen. Schließlich bricht er die Mitte vollständig auf, und der nackte weiße
König wird zur Zielscheibe für den schwarzen Turm und die beiden Läufer, die hin und her
schießen, den König in Ungelegenheiten bringen, wo immer es möglich ist, und keine Gnade
kennen.

Die typische Grünfeld-Bauernstellung

Die Wirksamkeit der beschriebenen Technik hängt von der Art des Bauernzentrums ab, das
Weiß aufbaut. An geringen Unterschieden liegt es mitunter, ob ein Bauernzentrum gesund
oder ungesund ist. So erspart ein Sc3 (nach 1 . d4 Sf6 2.c4 g6 3 . Sc3 d5 4.cd5 : Sd5 : 5 . e4) dem
Schwarzen ein Tempo, weil er tauschen kann, so daß ihm diese Zugfolge attraktiver erscheint
als etwa 1 . d4 Sf6 2.c4 d5 3 . cd5 : Sd5 : 4 . Sf3 g6 5 . e4 usw.
Es ist nicht leicht für den Amateur, in diesen Eröffnungen seinen Weg zu finden, weil es auf
diese feinen Unterschiede ankommt. Gut aussehende Züge können sich als schwere Fehler
erweisen. Eine genaue Kenntnis der einschlägigen Varianten ist erforderlich.

1 00
In dieser Partie macht der Amateur einen offensichtlichen Zug, der sich als strategischer
Irrtum erweist. Dann verteidigt er sich gut und hätte bei einem Partner gleichen Kalibers wohl
Remis oder sogar mehr erzielt, der Meister j edoch zieht ein Höchstmaß an Nutzen aus dem
Fehler des Gegners und läßt ihm keine Chance.

WElß : AMATEUR SCHWARZ: MEISTER d) c6 : 3 .g3 c6 4.d5 (Partie 20).


GRÜNFELD-VERTEIDIGUNG Es ist wichtig zu wissen, unter welchen
Umständen diese verschiedenartigen
1. d2-d4 Sg8-f6 Formationen anwendbar sind. Das kann
2. c2-c4 g7-g6 nicht scharf umrissen werden. Wir werden
Der charakteristische Zug der königs­
einige davon in dieser und in den
indischen Eröffnungen (Partien 20-22). Die
erwähnten Partien sehen.
klassische Strategie sah die Besetzung der
3. Sbl-c3 d7-d5
Mitte mit Bauern vor. Beispiele findet man
Der Themazug der Grünfeld-Verteidigung.
in Spanisch und in gewissem Maß in
Das ist ein spezieller Weg, im Zentrum
Nimzoindisch (Partien 1 ,2,5-7). Der aktiv zu werden: ein Mittelbauer wird als
schwarze Aufbau in dieser Partie zeigt die
Tauschobj ekt für emen Flügelbauern
moderne Strategie, die nicht auf Besetzung angeboten. Schwarz ist willens, mit einer
des Zentrums mit Bauern aus ist, sondern
klaren Minderheit m der Mitte
Figuren gegen das Zentrum richtet, also fortzusetzen, jedoch mit der Möglichkeit,
lediglich auf das Zentrum drückt, abwartet, das-breite Bauernzentrum des Weißen auf
was der Gegner dort tun wird und dann
wirkungsvolle Weise anzugreifen. Dabei
entsprechend handelt. Abhängig davon,
kommen ihm die Gelegenheit zum Tausch
wie Weiß fortsetzt, kann Schwarz im
auf c3 und die Stellung des Lg7 zugute.
Königsindisch verschiedene Für den Weißen gibt es verschiedene
Bauernformationen wählen:
Methoden, dem Vorgehen des Schwarzen
a) c7/d6/e5 (Partie 1 0, mit wLe2 und Partie entgegenzutreten: 4. Sf3, 4. Db3 , 4. Lf4, 4.
22 mit wLg2)
e3 und schließlich den Textzug.
b) e7/d6/c5 : 3 .g3 Lg7 4.Lg2 d6 5 . Sc3 0-0
4. c4xd5
6 . Sf3 und nun 6 . . . . c5 7. 0-0 (Jugoslawisch) Weiß beschließt, den Bauern zu schlagen
oder 6 . . . . Sc6 7.d5 Sa5 (Panno-Variante). und das schwarze Zentrum zu zerstören.
c) d5 : Neben der Grünfeld-Verteidigung
4. Sf6xd5
im Text noch 3 .g3 d5 oder 3 .g3 Lg7 4.Lg2
5. e2-e4
d5 (Partie 2 1 ), oder 3 . Sc3 Lg7 4 . Sf3 0-0
Weiß nimmt das Zentrum in Besitz.
5 .g3 d5 . Diese Variante ist vielleicht ein
wenig günstiger für Schwarz als die
vorhergehende.

101
Antwortet er 5 . e3 , um Schwarz keine soll lediglich das weiße Zentrum ver­
breite Angriffsfläche in der Mitte zu wundbar gemacht werden. Weiß könnte
bieten, käme dieser nach 5 . . . . Lg7 6 . Sf3 c5 7.d5 spielen; ein Mittelbauer, der sehr früh
zum Abtausch seines c- gegen den weißen vorrückt, kann j edoch leicht zum Tausch
d-Bauern und stellt damit das gezwungen werden, und das bedeutet
Gleichgewicht in der Mitte wieder her. Zeitverlust, in diesem Fall auch vereinzelte
Ebenso erleichtert auch 5 . Sd5 : Dd5 : die Bauern, z.B. 7 . . . . Lg7 8.Ld2 e6 9.Lc4Da5
Entwicklung des Schwarzen. 1 0.Dc2 b5 und nach l l .Le2 ed5 : 1 2 . ed5 : 0-
5. Sd5xc3 0 kann der Bd5 sehr schwach werden.
6. b2xc3 Schwarz hat zudem bereits die Initiative.
Nach 1 3 . Sf3 Te8 kann Weiß nicht
rochieren.
7. Sgl-f3
Weiß möchte d4 em drittes Mal ver­
teidigen. Deshalb wird vielfach dem
Aufbau 7 .Lc4 nebst Se2 der Vorzug
gegeben, wobei Lg4 mit f2-f3 beantwortet
wird. In der Regel folgt 7 . . . . Lg7 8 . Se2
Das weiße Zentrum sieht nun stärker aus
Sc6 9 .Le3 . Der Bd4 ist viermal
als es ist, weil Schwarz den Punkt d4
angegriffen, viermal gedeckt, so daß Weiß
mehrfach angreifen kann. Der Bc3 hilft
sein Zentrum behauptet hat. Von emem
nicht viel, denn nach c7-c5 wird er
Vorteil seinerseits kann man nicht
beseitigt, und dc5 : kommt wegen der
sprechen, denn der Besitz des Zentrums
entstehenden schlechten Bauernstellung
bedeutet nur dann ein greifbares Plus,
nicht in Frage, abgesehen davon, daß
wenn einer oder beide Bauern vorgehen,
Schwarz dann den Bauern leicht
Figuren vertreiben oder Raum für
zurückgewinnt.
Angriffszwecke schaffen können. Weiß
6. c7-c5
kann hier kaum etwas Derartiges tun. Die
Schwarz könnte auch zuerst Lg7 spielen.
Theorie fährt z.B. fort mit 9 . . . . 0-0 1 0 . 0-0
Der Bauernzug muß aber j edenfalls folgen,
cd4 : l l . cd4 : Lg4 12.f3 Sa5 1 3 .Ld3 , eine
weil sonst der Lg7 keine Kraft hätte. Man
vielfach erprobte, sehr schwierige Stellung
findet den Zug c7-c5 m vielen
mit beidseitigen Chancen. Altmodisch ist
Eröffnungen, stets in der Absicht, den c­
7.Lb5+, z.B. 7 . . . . Ld7 8 .Ld7 :+ Dd7 : (um
gegen den d-Bauern ZU tauschen und im
sich die Möglichkeit Sc6 zu erhalten) 9 . Sf3
Zentrum auszugleichen. Das ist hier nicht
Lg7 1 0 . 0-0 cd4 : 1 1.cd4 : Sc6. Zweifelhaft
der Fall; es
ist 7 . . . . Sc6 8 .Lc6 :+bc6 :9.Le3 Lg7 1 0 . Se2

1 02
cd4 : 1 1 . cd4 : c5, denn Weiß kann nun opfern: 1 2 . dc5 : Lal : 1 3 .Dal : mit guten
Chancen ( 1 3 . . . . 0-0 1 4.Lh6).
7. Lf8-g7
8. Lfl-c4
Wenn nichts droht, setzt man eben die
Entwicklung fort. In Verbindung mit Sf3
wird dieser Läufer allerdings heutzutage
fast ausnahmslos nach e2 gestellt, um die
Fesselung Lg4 zu entkräften. Zu Lc4 paßt,
wie oben erwähnt, besser Se2, um auf Lg4
mit f3 zu antworten.
8. c5xd4
Der Tausch setzt den Bd4 direktem Angriff
aus, wie die Folge zeigt. Schwarz könnte
auch 8 . . . . Sc6 oder 8 . . . . Lg4 spielen und
den Druck gegen d4 verstärken; er hat aber
bereits eine zwangsläufige Zugfolge im
Auge. Spielt er 8 . . . . Dc7 mit mittelbarer
Bedrohung des Lc4, so wäre 9.Ld3
schlecht wegen 9 . . . . cd4 : 1 0 . cd4 :Dc3+ mit
Figurgewinn. Weiß könnte entweder 9.Lb3
(cd4 : 1 0 . cd4 : Dc3+ 1 1.Ld2) oder 9.Db3
spielen.
9. c3xd4

Auf 9. Sd4 : bliebe der Bc3 sehr schwach.


9. Sb8-c6 ist als die eigene, oder b) der Tausch
10. Lcl-e3 strategisch oder taktisch zu seinen Plänen
1 0.Lb2 verteidigte genau so und vielleicht paßt. Hier hat Schwarz ein direktes
stärker. Weiß kann nicht 1 0 . d5 spielen, Vorgehen gegen den d-Bau-crn im Auge.
weil der Tal hängt. Die Bloßstellung des wK ist ihm dabei sehr
Betrachten wir nun 1 0 . e5, das spielbar von Nutzen.
aussieht, weil es den Einfluß des Läufers 12. Kelxd2
auf der Schrägen vermindert. In
bestimmten Stellungen dieses Typs ist e4-
e5 sehr stark (siehe Partie 2 1 , wo dieser
Vorstoß hilft, aus der Schwäche des
Punktes f6 Vorteil zu ziehen). Positionell
schafft es aber zwei entschiedene und
dauerhafte Schwächen: der d-Bauer und
das Loch auf d5 . Es ist allerdings für
Wie kann Schwarz die Schwäche des
Schwarz nicht einfach, diese Blößen
Punktes d4 wahrnehmen? Er muß einen
aufzudecken.
Zug finden, der einen Verteidiger von d4
Hierkäme 1 0 . e5 Lg4 1 1 . Le3 0-0 12. 0-0
bedroht und zugleich den Weg zu
Lf3 : und Weiß muß mit dem B zu­
weiterem Angriff auf d4 und darüber
rücknehmen. Das schwächt den K-Flügel.
hinaus den wK frei macht. Daher spielt er:
Schwarz könnte mit e7-e6, Se7 und Sd5
12. Lc8-g4!
fortfahren und das Loch besetzen.
13. Kd2-c3
10. Dd8-a5+
Das geringste Übel wäre wohl 1 3 . e5
Weiß soll gezwungen werden, entweder
gewesen, z.B. 1 3 . . . . Lf3 : 14.gf3 : 0-0 1 5 .
das Rochaderecht aufzugeben oder d4
K. e2, doch am Ende wird auch hier die
mittels Dd2 bzw. Ld2 noch mehr zu
schwarze Mehrheit am D-Flügel zählen.
schwächen.
Der Amateur zeigt, daß er sich nicht
11. Ddl-d2
fürchtet, seinen K in die Gefahrenzone zu
Vielleicht war l l .Ke2 vorzuziehen. Auf 1 1
bringen. Wahrscheinlich war ihm bewußt,
.Ld2 käme Da3 ! . Dann ist der Bd4
daß dieser gut stehen wird, sobald die
zweimal angegriffen, und 1 2.Le3 scheitert
schwarzen Drohungen zu Ende sind. Im
an Dc3+.
Endspiel soll der K möglichst an die
11. Da5xd2+
„Front" gehen. Natürlich gibt es auch
Im allgemeinen wird der Angreifer nicht
schlechtere Züge: 1 3 . d5 verliert die
die Damen tauschen. Er tut es, wenn a) die
Qualität,
gegnerische Dame stärker

1 04
1 3 .Kd3 kostet nach 1 3 . . . . Lf3 : 1 4.gf3 : 0-0-0 Damit ist auch der andere Turm bereit zum
1 5 .Ld5 ( 1 5 .Lf?. : ? Se5+) 15. ... Sb4+ Eingreifen. Man beachte, daß Schwarz
1 6.Kc4 Sd5 : l 7.ed5 : Td7 usw. Material. nicht unmittelbar auf Ausnützung der
13. Ta8-c8 Schwäche ausgeht. Als Grundregel gilt:
Droht bereits Figurengewinn durch Sa5 . verstärke zuerst deine Stellung, d.h.
Weiß hat zwei Schwächen: den Bd4 und sammle deine Kräfte. Der Versuch, die
seme Königsstellung. Schwarz hat die Schwäche des Lc4 sofort mit Sa5
Wahl, die neuen Schwächen mit Tc8 wahrzunehmen, führt nach 1 5 .Kb4 zu
auszunützen oder den Druck auf die eine nichts.
Schwäche durch Td8 zu verstärken. Es ist 15. Thl-dl
schwieriger, sich gegen zwei Schläge aus Wieder gut gespielt. Weiß ist entschlossen,
verschiedenen Richtungen zu verteidigen, standzuhalten und den Sturm zu
als gegen zweifachen Angriff aus einer überdauern. Als er über diesen Zug
Richtung. Verschiedenartige Schwächen nachdachte, fragte er sich, wie Schwarz
sind am schwersten zu schützen. Sie sind Vorteil daraus ziehen soll, daß der Kc3 in
ein fortschreitendes Übel. Schwarz hebt der Linie des Tc8 steht. Was ist mit b7-b5?
sich also die Möglichkeit Tfd8 auf Er Er überdachte die naheliegende
hätte auch 1 3 . . . . Lf3 : spielen, so den Druck Fortsetzung 1 6.Lb5 : Sd4:+ 1 7.Kb4 ! . Wie
gegen d4 verstärken und dem Gegner einen soll Schwarz weiterkommen? Mit 1 7 . . . .
Doppelbauern verschaffen können. Das Sc2+ 1 8 .Ka4Tc3 (droht Matt auf a3)
wäre recht gut, überließe aber dem Weißen 1 8 . Td3 ist nichts zu erreichen. Weiß
die zwei Läufer, die auf Dauer den schloß, daß er in dieser Stellung etwas
möglichen Verlust eines Bauern vielleicht besser dran wäre als zuvor.
auszugleichen vermögen (vgl. die Schlußfolgerung: b7-b5 gewinnt nicht
Bemerkung zum 1 8 .Zug von Schwarz). unmittelbar, und darum entschloß sich
Schwarz hat ein erhebliches Maß an Weiß zum Textzug.
Selbstbeherrschung bewiesen, weil er nicht Was hätte er auch sonst tun können? a)
abgetauscht hat. 99 von 1 00 Spielern 1 5 .Kb3 ? Lf3 : 1 6.gf3 : Ld4 : mit
hätten das aus reiner Bequemlichkeit Bauernverlust; b) 1 5 .Kd3Lf3 : 1 6.gß : ist
getan, denn Schwarz muß von hier an ebenfalls sehr günstig für Schwarz: 1 6 . . . .
immer berücksichtigen, ob der Springer Tfd8 l 7.Ld5 Sb4+ 1 8 .Kd2 Sd5 : 1 9 . ed5 : f5
seinen Platz verlassen und so die weißen und die weiße Position ist sehr
Chancen verbessern kann, ohne emen bloßgestellt; c) 1 5 . e5 b5 ! ist stärker für
Nachteil in Kauf nehmen zu müssen. Schwarz als in der Partie, weil der Bauer
14. Tal-cl 0-0 auf e5 schwächer ist als auf e4; d) 1 5 . a4
a6 und Weiß hat dasselbe Problem bzw.
dieselben Züge zur Wahl wie eben.

1 05
15. b7-b5!

Schwarz nützt die mittelbare Fesselung aus


(ohne den Sc6 wäre sie unmittelbar) . Die
Kombination führt zum zwangsläufigen
Bauerngewinn in wenigen Zügen, wie wir
bald sehen werden.
Schwarz hätte 1 5 . . . . Tfd8 fortsetzen und so
seinem Grundprinzip, zuerst die Kräfte zu
sammeln, treu bleiben können. Das wäre
annehmbar gewesen. Es ist eine Frage des
Vergleichs der Vorteile, die man erreichen
kann, wenn der Schlag sofort oder später
geführt wird. Hier wäre der Unterschied
nicht sehr groß gewesen. Weiß hat
praktisch nichts anderes als 1 6 . e5, und 1 6 .
. . . b5 führt zu ähnlichen Entwicklungen
wie in der Partie.
16. Lc4xb5 Sc6xd4+
17. Kc3-b4 Sd4xD
Sehr stark ist auch 1 7 . . . . Sc2+, aber nicht
entscheidend. Der geschehene Zug ist
vorzuziehen, weil er einen Bauern m

ausgezeichneter Stellung erobert.


18. g2xf3 Lg4xf3
Nun ist klar, warum Schwarz im

10 6
1 3 . Zug nicht tauschte. Auf f3 steht jetzt 21. a7-a5!
ein Läufer statt eines Springers. Das macht Verteidigt mittelbar den Be7 wegen
einen mächtigen Unterschied aus. Mit Lb4+.
einem S könnte Weiß 1 9.La7 : spielen, und 22. Lb5-d3 Tc8-b8
obschon Schwarz dann seinen materiellen
Vorteil mit 1 9 . . . . Sh2 : behaupten könnte,
wäre der freie, von beiden Läufern und
dem K unterstützte a-Bauer ein starker
Trumpf des Weißen. Man sieht daran, was
zwei Läufer unter besonderen Umständen
bedeuten können.
19. Tclxc8
Weiß hat keine Wahl. 1 9 . Td7 Txcl 20.Lxcl Mit Drohungen wie 23 . . . . Ldl (23 . . . . Tb4)
Tc8 2 1 .Le3 ergäbe die gleiche Stellung wie nebst 24 . . . . Lb2 matt.
in der Partie. 23. Ld3-c2
19. Tf8xc8 Um die Drohungen, so gut er kann,
20. Tdl-d7 abzuwehren. Eine andere Möglichkeit wäre
23 . Tc7 Le5 ! 24. Ta7 Ldl mit undeckbarem
Matt bzw. 24. Tc4 Ldl ! 25 .Lc2 Le2 und der
weiße Turm ist verloren. Man sieht die
Kraft, die T und zwei L gegen den K im
Freien ausüben Gefahr von
Doppelangriffen und Matt.
23. Lf3-e2
Droht den weißen Turm mit 24 . . . . Lb2+

Die einzige Gegenchance. 25 .Ka4 Lb5+ zu erobern. Hätte Schwarz

20. Lg7-c3+ 23 . ... Tb4 gespielt, ließen sich die

Auch 20. . . . Le4 : wäre gut; Schwarz Drohungen mit 24.Lb3 oder Lei abwenden.
möchte jedoch das Äußerste aus seinen 24. Td7-c7

Läufern gegen den entblößten K Wenn 24.Ld3 , so Ldl 25 .Lcl Lb4+ 26.Kb2
herausholen. Ld2+ nebst baldigem Matt, oder 24. Ta7

21. Kb4-a3 Lb2+ 25.Ka4 Lb5+.


Wenn 2 1 .Kb3 a5 22. Te7 : , so Ldl+ 23 .Ka3
Lb4+.

1 07
24. Lc3-e5! Im Vergleich mit früheren Partien er­
Weiß gab auf kennen wir hier eine erhebliche Ver­
besserung auf Seiten des Amateurs. Sein
Der Turm hat keine Züge: a) verläßt er die stärkeres Spiel besteht in
c-Linie, gewinnt 25 . . . . Lb2+ 26.Ka4 Lb5+; a) einer Reihe unternehmungslustiger
b) 25. Tc6 analog; c) auf 25. Tc5 Ld6 bleibt Königszüge;
Schwarz bei 26.Ka4 Lc5 : 27.Lc5 : Tc8 und b) der Bereitschaft, die Initiative zu
bei 26.Lb3 Tc8 im Mehrbesitz eines übernehmen, falls der Gegner die richtige
Turms. Fortsetzung verpaßt;
c) genaue Verteidigung gegen die vielen
feinen Drohungen des Gegners.

1 08
Partie 10

Die Zukertort-Reti-Eröffnung (1.Sf3)


Wie sich hängende Bauern ausnutzen lassen
Wie man Vorteil aus vereinzelten Doppelbauern zieht
Motive für Damentausch

Im Lauf seiner Praxis trifft der Schachspieler auf verschiedenartige typische Strukturen, die
besondere Merkmale aufweisen und ein bestimmtes Konzept von beiden Seiten erfordern.
Sogar ein Spieler von erheblicher Stärke kann solche Strukturen oft nicht richtig behandeln,
wenn er noch nie von ihnen gehört und keine Ahnung von ihren Tücken hat. Eine gegebene
Struktur zu erkennen ist eine Warnung, daß es gut sein mag, sie näher zu betrachten, ihre
Stärken und Schwächen kennenzulernen und die gebräuchliche Technik, mit ihnen fertig zu
werden.
Diese Partie zeigt, wie ein Spieler, dem die Gefahren der „hängenden Bauern" nicht bewußt
waren, unbedenklich in eine Lage gerät, die schon vor dem 1 0 .Zug praktisch unhaltbar ist.
Durch Tausch von Mittelbauern bleibt einem manchmal ein Bauernpaar auf benachbarten
Linien, das von allen anderen Bauern wenigstens durch eine Linie auf j eder Seite getrennt ist.
Dies nennt man „hängende Bauern" . Sie können unter bestimmten Umständen stark sein,
unter anderen mögen sie ein größeres Problem darstellen als ein Einzelbauer, weil sie j a
sozusagen ein Duett zweier Einzelbauern sind.

Wenn sich viele Figuren, insbesondere leichte, auf dem Brett befinden, können sich die von
den hängenden Bauern bestrichenen Felder in starke Vorposten verwandeln. In dieser Partie
hingegen sind die hängenden Bauern schwach, hauptsächlich infolge der schlechten
Entwicklung. Für das Vorgehen gegen hängende Bauern gibt es mehrere Grundsätze:
a) Man greife sie mit Figuren an und zwinge den Gegner, sie mit seinen Figuren zu
verteidigen. Dann greife man die Verteidigungsfiguren an und tausche sie

1 09
1m günstigen Augenblick ab. Diese Technik ergibt entweder Bauerngewinn oder neue
Schwächen des Gegners.
b) Man zwinge einen der Hängebauern zum Vorrücken und postiere dann eine Figur vor dem
zurückgebliebenen Bauern.
c) Man greife einen der hängenden Bauern mit einem eigenen an, erzwinge einen Tausch und
verschaffe so dem Gegner einen vereinzelten Bauern.

WElß : MEISTER SCHWARZ: AMATEUR Ld7 6.Dc4 : Lc6 7. 0-0 Sbd7 8 .Dc2 Le7
ZUKERTORT-RETI-SYSTEM 9. Sc3 0-0 1 0 . Tdl Sb6 l l . e4 Dc8 1 2 . d4.
Dieweiße Strategie ist ein rückhaltloser
1. Sgl-f3 Erfolg gewesen. Weiß besetzt das Zentrum
Das verhindert e7-e5 ohne Zuhilfenahme mit beiden Mittelbauern, und Schwarz
eines Bauern. Weiß hat sich noch auf keine steht sehr beengt.
bestimmte Eröffnung festgelegt (vgl. die 2. c7-c5
Anmerkungen zum 1 . schwarzen Zug in 3. Lfl-g2 Sb8-c6
Partie 1). Diese Antwort ermöglicht dem Weißen,
1. d7-d5 die Grünfeld-Verteidigung mit
Wir haben nun eine Art Indisch im Anzug. vertauschten Farben zu spielen. Das ginge
2. g2-g3 nicht, falls Schwarz 3 . . . . Sf6 oder 3 . . . . g6
Mit diesem Zug lenkt Weiß in Königs­ gezogen hätte.
indisch im Anzug ein (man sehe Partien 4. d2-d4
1 9-22 betreffs der königsindischen
Grundideen). 2.c4 ergäbe die eigentliche
Zukertort-Reti-Eröffnung (mit ähnlichen
Stellungen wie in Partie 25), deren
Grundidee darin besteht, die Besetzung des
Zentrums mit Bauern zu verzögern. Falls
Schwarz sich dieser Strategie nicht anpaßt
und die Mitte mit einem oder zwei Bauern
besetzt, wird Weiß diese mit seinen c- und Grünfeld im Anzug ! Wegen der grund­
f-Bauern angreifen, in der Regel zunächst legenden Grünfeld-Abspiele siehe Partie 9.
mit dem c-Bauern. Ist das Zentrum auf Wir müssen uns merken, daß Weiß hier die
diese Weise bereinigt, betritt Weiß später Grünfeld-Stellung mit einem Zug mehr
mit seinen Bauern die Mittelfelder. Ein hat; sein Läufer steht schon auf g2 statt fl .
typisches Beispiel : 2 . . . . e6 3 .g3 Sf6 4.Lg2
dc4 : 5 .Da4+

11 0
4. e7-e6 Bauern, kann Weiß zu gegebener Zeit auf
Die ruhigste und solideste Fortsetzung. c5 tauschen und so den Bd5 vereinzeln.
Andere Züge wie 4 . . . . Sf6 sind ebenfalls Das führt allerdings in die Bahnen des
möglich. Damengambits (Tarrasch-Verteidigung,
Nicht empfehlenswert ist 4 . . . . cd4 : , das zur die sich in der Regel nach l.d4 d5 2.c4 e6
Tauschvariante führt: 5 . Sd4 : e5 6. Sc6 : 3 . Sc3 c5 4.cd5 : ed5 : 5 .g3 Sc6 6.Lg2 Sf6
bc6 : 7 . c4 und Schwarz gerät in große 7. 0-0 ergibt) und ist für Schwarz durchaus
Schwierigkeiten. Dies ist genau die akzeptabel.
Stellung aus Partie 9 mit umgekehrten 6. b7-b6?
Farben und einem Zug mehr für Weiß. Es Ein sehr schlechter Zug, denn a) er erlaubt
ist klar, daß ein Zug mehr in dieser Weiß, das schwarze Zentrum durch den
lebhaften Stellung mehr bedeuten muß als Abtausch der beiden Mittelbauern zu
in einer ruhigen, und aus diesem Grund ist schwächen; b) er schwächt die bereits vom
e7-e6 wohl am besten. Lg2 beherrschte Schräge und c) er
5. 0-0 Sg8-f6 schwächt auch die Schräge a4-e8 . Nach 6.
Entwicklungszüge. . . . dc4 : 7.Da4 Ld7 (nötig, um die Folgen
6. c2-c4 des dreifachen Angriffs gegen den Sc6
durch Sf3 -e5 zu vermeiden) 8 . dc5 :
Lc5 : 9.Dc4 : hätte Weiß ein gutes Spiel, die
schwarze Stellung wäre j edoch nicht klar
minderwertig. Andererseits wäre die weiße
Stellung nach 6 . . . . cd4 : 7. Sd4 : bestimmt
vorzuziehen. Weiß droht dann das
schwarze Bauerngerippe durch 8 . cd5 : Sd5 :
9. Sc6 : zu schwächen. Am sichersten dürfte
Das erste Anzeichen, daß Weiß einen Zug
6 . . . . Le7 sein, um den oben erwähnten
mehr hat als in der analogen Grünfeld­
Übergang zur Tarrasch-Verteidigung anzu­
Stellung. Dieser Zug ermöglicht es ihm,
steuern.
die Initiative im Zentrum nachdrücklicher
7. c4xd5
zu ergreifen, als es sonst der Schwarze
Dieser und der folgende Tausch lösen zwar
kann. Weiß plant 7.cd5 :, und wenn
das weiße Bauernzentrum auf; die weißen
Schwarz mit dem Springer zurückschlägt,
Figuren erhalten j edoch Gelegenheit, den
erringt Weiß mit e2-e4 eine klare Mehrheit
verbleibenden schwarzen Mittelbauern
in der Mitte. Nimmt Schwarz dagegen mit
aufs Korn zu nehmen.
dem

11 1
7. e6xd5 (d4 l l . Sd4:) H.Da4Dd7 1 2,Tadl 0-
Dieser Bauer wird sehr schwach, und 0 1 3 .Lf6 :Lf6: 14. Sd5 :Ld5 : 1 5 . e4Lb2 :
darum war 7 . . . . Sd5 : ein wenig günstiger. 1 6. Td5 : Db7 l 7. Tc5 : mit Gewinn emes
8. d4xc5 b6xc5 Bauern.
(Siehe Diagramm in der Einleitung) 9 . . . . Le6 1 0.Lg5 d4 (Le7 führt zur vorigen
Schwarz nahm nicht mit dem Lf8 zurück, Spielweise) l l . Se4 ! wäre gewiß nicht
um emen vereinzelten Bauern zu besser für Schwarz. Nach 9 . . . . d4 1 0. Sd4 :
vermeiden Gn diesem Fall wäre b7-b6 in gewinnt Weiß durch die Kraft seines
der Tat sinnlos gewesen). Er hat dafür die Lg2 : 1 0 . . . . cd4 : H.Lc6 :+Ld7 1 2.La8 : .
sogenannten „Hängebauern" m Kauf 10. Lcl-g5
genommen, die zweimal so schwach sein Greift den Bd5 indirekt an. Der Amateur
können wie ein Einzelbauer, denn j eder ist gerät schon in diesem frühen Partiestadium
sozusagen für sich vereinzelt. in eine verlorene Stellung. Auch der beste
Es gibt Lagen, in denen Hängebauern Verteidigungskünstler der Welt könnte
haltbar und sogar stark sind. Hier sind sie sein Spiel nicht mehr retten.
j edoch so bloßgestellt, daß ihre Schwäche 10. d5-d4
außer Frage steht. Sie können ein Trumpf Praktisch erzwungen, denn Züge wie 1 0 . . . .
sein, wenn ihre Partei die Initiative und Sa5 oder 1 0 . . . . Sb8 könnten mit 1 1 . Se5
viele Figuren entwickelt hat. Hier ist das und verstärktem Druck gegen d5
ganz entschieden nicht der Fal 1 . Die beantwortet werden.
Bauern sind schwer zu verteidigen und 11. Sc3-e4
ganz leicht anzugreifen. Dies eröffnet Angriffsmöglichkeiten gegen
9. Sbl-c3 den Bc5 und droht außerdem Tausch auf
Ein Vorbereitungszug, der eme Figur f6, der Schwarz emen häßlichen
entwickelt und Druck auf das schwarze Doppelbauern verschaffen würde.
Zentrum ausübt. 11. Lf8-e7
9. Lc8-b7? Verhindert zwar diesen Doppelbauern
Besser war 9. Le7. Das folgende nicht, weil j a c5 gedeckt bleiben muß, aber
Abspiel, eine mehr oder weniger logische Schwarz hat keinenbesseren Zug.
Zugfolge, zeigt j edoch, daß die 12. Lg5xf6
Schwierigkeiten des Schwarzen auch in Das Entstehen emes vereinzelten
diesem Fall bald unüberwindbar werden Doppelbauern im gegnerischen Lager ist
könnten, weil die Bauern d5/ c5 so im allgemeinen ein genügender
verwundbar sind: 1 0.Lg5 Le6

11 2
Grund, das Läuferpaar aufzugeben. 13. Dd8-b6
Außerdem sind zwei Läufer nur dann zu 14. Sh4-f5
fürchten, wenn sie aggressiv werden. Hier Mit der Möglichkeit 1 5 . Sed6+, Tausch des
sind die schwarzen Läufer reme Lb7 und Exponieren der schwarzen Dame
Verteidigungsfiguren. auf der Schrägen des Lg2. Außerdem ist
12. g7xf6 klar, daß Weiß seinen Druck gegen den
Bc5 durch Tausch des Le7 verstärken
kann, wann immer er es wünscht.
14. Ta8-d8
Verhindert das Schach auf d6. Wenn
stattdessen 1 4 . . . . 0-0, so leitet 1 5 .Del einen
siegreichen Angriff em. Es droht
1 6.Dh6.Wennl5 . . . . Kh8 1 6.Dh6Tg8 l 7 . Sf6 :

Wenn 1 2 . . . . Lf6 : , so 1 3 . Sc5 : . An diesem und gewinnt.


Punkt steht Schwarz hoffnungslos. Alle 15. Ddl-cl
seine Bauern sind schwach. Wie soll Weiß Bedroht den Bc5 (mittels Se7 : nebst Sc5 :)
j edoch fortsetzen, um Vorteil aus diesen und beabsichtigt außerdem den Ausflug
Schwächen zu ziehen? Es ist weder nötig nach h6. Das droht auf g7 einzudringen mit
noch möglich, daß er unmittelbar auf den unmittelbarem Materialgewinn. Außerdem
Bc5 losgeht. Nach 1 3 . Tcl Db6 1 4.Dc2 Sb4 ist auch 1 6 .Df4 mit Wiederaufleben der
erhält Schwarz etwas Gegenspiel. Drohung Sed6+ möglich.

13. Sf3-h4! 15. Lb7-c8


Ein ausgezeichneter Zug, weil der Springer Dringend notwendig ! Der Sf5 ist so stark,
nach f5 zu gehen droht, wo er vor dem daß es eine Frage von Leben und Tod ist,
Doppelbauern unver-treibbar stünde und ihn unmittelbar zu einer Erklärung zu
den Königsflügel lähmen würde. zwmgen.
Ein vereinzelter Bauer hat einen zwei­ 16. Sf5xe7
fachen Nachteil : a) er ist nicht von anderen Er vereinfacht, und das ist am besten, denn
Bauern zu decken und daher leichter 1 6 . Sg7+ Kd7 (Kf8 ist wegen l 7.Dh6 nicht
angreifbar; b) eine gegnerische Figur vor empfehlenswert) l 7.Df4 mit der Drohung
diesem Bauern ist von Bauern nicht zu 1 8 .Lh3 matt erlaubt die starke
vertreiben. Das bedeutet, daß dieses Feld Verteidigung Se5, wonach em klarer
gewöhnlich ein starkes ist. Gewinn nicht zu sehen ist. Man wähle
immer die Variante, die

11 3
am klarsten zu einer günstigen Fortsetzung
fuhrt. Auch wenn wie hier der erzielte
Vorteil „nur" m emem gewonnenen
Bauern besteht, ist er einem unklaren
Mattangriff vorzuziehen.
16. Ke8xe7
17. Dclxc5+
Weiß erzwingt den Damentausch, weil der Verpflichtet den Td8 zu bleiben, wo er ist,

Sieg im Endspiel am bequemsten zu und die doppelte Aufgabe zu erfüllen, den

erzielen ist. Weiß hat nicht nur einen Bd4 zu verteidigen und die 7 .Reihe zu

Bauern mehr, sondern auch die weit bewachen (das wird notwendig, sobald der

bessere Bauernstellung. Das war das Ende Sc5 zieht). Der Turm ist überlastet.

der „hängenden Bauern", und kein Günstiger wäre es, stünde der Th8 auf d8

besonders ruhmvolles. und der andere Turm könnte zur

17. Db6xc5 Verteidigung der 7 .Reihe verwendet

18. Se4xc5 werden.


20. d4-d3
Kostet sofort einen Bauern; die Stellung
war j edoch in keinem Fall zu halten. So
käme auf 20 . . . . Td6 2 1 . Sb3 mit erneutem
Angriff auf d4 und drohendem Eindringen
auf c7 :
1 ) 2 1 . . . . Thd8 22. Tc7+ T8d7 (Ke8 23 .
Ta7:) 23 . Td7 :+ mit Eroberung des Bd4;
Die Partie wechselt j etzt in eine neue Phase 2) 2 1 . . .. d3 22. ed3 :
über. Schwarz hat nicht nur einen Bauern 2a) 22 . . . . Sd3 : 23 . Tc7+ Ke6 (Td7 24.
weniger, sondern ist in Gefahr, weitere Td7 :+ gewinnt eine Figur) 24. Ta7 : Sb2 :
Einbußen zu erleiden. 25. Tel+ mit Gewinn einer Figur.
18. Sc6-e5 2b) 22 . . . . Ld3 : 23 . Tc7+ und Schwarz
19. Tal-cl verliert mindestens einen zweiten Bauern.
Um Nutzen aus der offenen Linie zu 2c) 22 . . . . Td3: 23 . Td3 : Sd3 : 24. Tc7+
ziehen. Kd6 25. Tf?: mit dem gleichen Ergebnis -
19. Lc8-f5 Weiß erobert einen zweiten Bauern und hat
20. Tfl-dl einen sicheren Gewinn.
21. e2xd3 Se5xd3 derstand. Nach 24 . . . . Ke6 2 5 . Ta7 : könnte
22. Sc5xd3 Td8xd3 Schwarz einen Gegenangriff mit 25 . . . . Tc8
23. Tdlxd3 Lf5xd3 (drohend 26 . . . . Tel+) versuchen. Er kann
24. Tcl-c7+ j edoch auf 26.Lb7 Tel+ (Tc7? 27.Ld5+)
Schwarz gab auf Gegen zwei verbundene 27.Kg2 Lfl+ 28.Kf3 Tc2 29.La6 ! nichts
Freibauern gibt es keinen Wi- mehr erfinden.
116 -------
Partie 1 1

Die Theorie des abgelehnten Damengambits


Verwendung der offenen Linie
Ausnützung der 7.Reihe
Verwertung der 8.Reihe
Binden der gegnerischen Figuren

Das Damengambit ist eine der beliebtesten Eröffnungen im Turnierspiel, weil der Ausgleich
für Schwarz schwieriger ist als in den meisten anderen Eröffnungen. Spielt Schwarz genau,
wird er schließlich den Ausgleich erreichen, tut er es aber nicht, hat Weiß die verschiedensten
Mittel, seinen leichten Anfangsvorteil zu vergrößern, je nachdem wie Schwarz spielt.
Dank des Zuges 2.c4 hat Weiß in den meisten Varianten des abgelehnten Damengambits die
Möglichkeit, durch Bauerntausch die c-Linie zu öffnen. Schwarz kann auf c4xd5 mit e6xd5
antworten, wonach er eine halboffene e-Linie, Weiß eine halboffene c-Linie erhält (vgl. Partie
1 3). Hat Schwarz aber vorher c7-c6 gezogen, könnte er auch c6xd5 antworten, wobei sich die
c-Linie für beide Parteien völlig öffnet.
Die Strategie des Spiels auf der offenen Linie ist gänzlich anders geartet als bei emer
halboffenen Linie. Im Fall der offenen Linie liegt der Vorteil bei der Seite, die die Linie
beherrscht und den Gegner daran hindert, sie zu besetzen. Das Mittel, dieses Ziel zu
erreichen, besteht vor allem darin, die Linie mit so vielen Schwerfiguren wie möglich zu
besetzen.
Ist der Besitz der Linie einmal gesichert, geht man daran, aus diesem Vorteil vollen Nutzen zu
ziehen. Die angezeigte strategische Methode besteht darin, in die feindliche Stellung über die
7. und 8.Reihe einzudringen. Im Hinblick darauf, daß Bauern am verwundbarsten gegen
seitliche und rückwärtige Angriffe sind, ist dieses Eindringen der erfolgversprechendste Weg,
die offene Linie im Endspiel zu verwerten. Es kann auch dazu dienen, einen frontalen Angriff
am Königsflügel von der Seite zu unterstützen. Das eine und das andere sind Themen dieser
Partie.

11 7
WElß : MEISTER SCHWARZ: AMATEUR (siehe Partie 1 4).
ABGELEHNTES DAMENGAMBIT
(KLASSISCHE VARIANTE)

1. d2-d4 d7-d5
2. c2-c4
Das Damengambit. Es gibt keine andere
Eröffnung, in der die Ideen hinter den
Zügen klarer darzulegen sind. Weiß
bekämpft sofort den Versuch des
Schwarzen, die Mitte zu beherrschen. Der
Zug bezieht eine Anzahl von Folgerungen
em:
a) Er lädt Schwarz ein, 2 . . . . dc4 : zu spielen
und so emen Mitte 1 - gegen emen
Flügelbauern zu tauschen. Die Theorie
zeigt, daß Schwarz den Bauern auf die
Dauer nicht verteidigen kann; versucht er
es, erhält er eine schlechte Stellung.
b) Er droht 3 . c4xd5 mit vollständiger
weißer Beherrschung der Mitte, z.B. 3 . . . .
Dd5 : 4. Sc3 Da5 5 . e4.
c) Durch 3 . c4xd5 ist außerdem die
Öffnung der c-Linie für Weiß beabsichtigt.
2. e7-e6
Schwarz hat hier keine große Auswahl an
wirkungsvollen Zügen. Er muß der
Drohung c4xd5 begegnen. Spielbar sind:
a) 2 . . . . e6, der Textzug, der d5 schützt und
zugleich eine feste Stellung aufbaut.
EinNachteil ist die Einschließung des Lc8 .
Der ist aber nicht sehr ernsthaft, weil der
Läuferwegen der Schwäche des Bb7 auf
seinem Ausgangsfeld vorläufig ganz gute
Dienste leistet.
b) 2. . . . c6, die Slawische Verteidigung

11 8
c) 2 . . . . Sf6(?) 3 . cd5 : Sd5 : 4 . S f3 nebst 5 . e4 zen. Diese Variante gilt als nicht so solid
und Weiß beherrscht das Zentrum. wie die klassische, weil der Läufer keine
d) 2. dc4 :, das Angenommene große Bedeutung auf b4 hat, wenn Weiß
Damengambit. Ein oft gewähltes Abspiel den Sc3 gut verteidigen kann.
ist 3 . Sf3 Sf6 4.e3 e6 5 .Lc4 : c5 (ein sehr Spielt Schwarz statt dessen 4 . . . . Ld6, was
wichtiger Zug, mit dem Schwarz versucht, Amateure manchmal mit der Idee tun, den
im Zentrum gleichzuziehen) 6. 0-0 a6, und Läufer für einen eventuellen Angriff auf h2
Schwarz erhält gewisse Gegenchancen am zu benützen, so kann Weiß seine Drohung
Damenflügel zum Ausgleich für die leichte ausführen: 5 . cd5 : ed5 : 6.Lf6: nebst 7. Sd5 :
Minderheit im Zentrum. mit Bauerngewinn. Weiß darf aber nicht
3. Sbl-c3 die Züge umstellen und auf die Fesselung
Druck auf d5 und e4. Unter Umständen des Sf6 vertrauen: 6 . Sd5 : ? kostet wegen
soll e2-e4 geschehen. Sd5 : ! 7.Ld8 : Lb4+ 8 .Dd2 Ld2 :+ 9.Kd2 :
3. Sg8-f6 Kd8 : eine Figur.
Ein Entwicklungszug, der den Absichten 5. e2-e3
des letzten weißen Zuges entgegenwirkt. Ein gesunder Entwicklungszug, der die
4. Lcl-g5 Mitte stärkt und eine Schräge öffnet, so
Weiß droht 5 .Lf6 : , und Schwarz müßte daß der Lfl den Bc4 schützt. Günstig ist
einen vereinzelten Doppelbauern in Kauf ferner, daß der Lc 1 schon entwickelt ist
nehmen, will er keinen Bauern einbüßen. undnichteingesperrtzuwerdenbraucht.
4. Lf8-e7 Gleichfalls gut ist 5 . SG. An dieser Stelle
Entfesselt den Springer und bereitet die oder bald danach spielen Amateure
Rochade vor. Das ist der logische Platz für manchmal 5 .Lf6 : in der irrigen Annahme,
den Läufer im Hinblick auf die Ziele des daß ein Springer stärker sei als ein Läufer.
Schwarzen zur Kontrolle der Mitte. Er Statistiken zeigen, daß es im Gegenteil
pariert gleichzeitig die erwähnte Drohung. mehr Stellungen gibt, wo der Läufer
Durch4. . . . Lb4 (die Manhattan-Variante) vorzuziehen ist, als umgekehrt, und das
wird die Drohung infolge der bedeutet, daß entschiedene Gründe für ei­
Springerfesselung ebenfalls aufgehoben. nen Tausch Läufer gegen Springer
Die Partie könnte weitergehen: 5 . e3 Sbd7 vorliegen sollten. Umgekehrt ist der
6.cd5 : ed5 . 7.Ld3 nebst S I e2, um den Tausch Springer gegen Läufer stets
gefesselten Sc3 zu stüt- angezeigt, falls nicht klare Gründe dagegen
sprechen.
Über den allgemeinen Gründen für oder
gegen einen Tausch steht die immer
erforderliche Untersuchung der konkreten
Lage. 5 .Lf6 : ließe den L

11 9
vom Brett verschwinden, während
Schwarz ohne Zeitverlust seinen L auf ein
wirksameres Feld (f6) bringt, wo er Druck
auf einer Hauptdiagonalen ausübt.
5. Sb8-d7

Auf diesem Feld hat der Springer zwei


verschiedene Aufgaben, abhängig von der
Partiefortsetzung.
a) Er unterstützt den Sf6, was wichtig sein
kann, falls Weiß sich mit Ld3 und Dc2
aufbaut. Nach der kurzen Rochade droht
Weiß dann Lf6: nebst Lh7 :+. Außerdem
wird der Sd7 manchmal nach f8 dirigiert,
wo er h7 schützt.
b) Er bildet eine der nötigen Vorberei­
tungen für die Befreiung der schwarzen
Partie.
Schwarz hat als Nachziehender wemger
Bewegungsfreiheit als Weiß. Um
Ausgleich zu erzielen, muß er einmal seine
Stellung öffnen, und das geschieht
gewöhnlich durch den sogenannten
Befreiungszug. Das ist ein Bauernzug in
der Mitte, der einen Tausch durch eine der
Parteien erzwingt und dabei eine offene
oder halboffene Linie schafft. In der
Partiestellung erkennen wir, daß Schwarz
durch den Zug e6-e5, falls er

12 0
ohne Nachteil durchzusetzen ist, Ausgleich fene verwandeln, auf der er verschiedene
im Zentrum und Bewegungsfreiheit für Manöver auszuführen vermag:
seme leichten Figuren, insbesondere den Turmverdopplung, Dame nach c2 usw.
noch eingesperrten Lc8, erlangt. Wir 7. c7-c6
bemerken ferner, daß unter bestimmten Bereitet den Befreiungszug vor, wie bald
Umständen auch c7-c5 als Befreiungszug deutlich wird.
angesehen werden kann. Das Problem, das 8. Lfl-d3
Spiel zu befreien, wird deutlicher, Bisher hat Weiß diesen Zug hinausge­
nachdem Schwarz seine Entwicklung am zögert, um ohne Zeitverlust zurücknehmen
K-Flügel vollendet hat und der Notwen­ zu können, falls Schwarz auf c4 schlägt.
digkeit gegenüber steht, seine anderen 8. d5xc4
Figuren ins Spiel zu bringen. Es wird nun Jetzt schlägt Schwarz, a) weil der Ld3 ein
klar, daß 5 . . . . Sc6, ein von Anfängern gern zweites Mal ziehen muß, b) weil er das
gemachter Zug, gewöhnlich minderwertig Feld d5 für den Springer braucht und c) als
ist, einesteils weil der Sc6 den Sf6 nicht Beginn einer Zugfolge, die seine Stellung
unterstützt, zum anderen weil er den c­ befreien so 1 1 .
Bau-ern blockiert und so auf die eine oder 9. Ld3xc4 Sf6-d5
andere Weise die Befreiung des schwarzen
Spiels erschwert.
6. Sgl-f3
Von seinem natürlichen Feld aus wirkt der
S dem Befreiungszug e6-e5 entgegen.
Später könnte er vielleicht einmal e5
besetzen, von wo aus er den Angriff
unterstützt und schwarzen Aktionen kräftig
Der zweite Schrittzur Befreiung. Täte
entgegenwirkt.
Schwarz nichts in dieser Hinsicht, bliebe
6. 0-0
seine Stellung beengt und äußerst passiv,
Schwarz vervollständigt nun seme
während Weiß ungehindert alle Figuren
Entwicklung. Er bringt seinen K auf einen
auf wirkungsvolle Plätze bringen könnte.
sicheren Platz und den Turm auf ein Feld,
Es ist nun klar, daß Sd5 ohne das
von dem aus er leichter tätig werden kann.
vorbereitende c7-c6 nicht möglich
7. Tal-cl
gewesen wäre.
Dies ist ein wichtiger strategischer Zug.
Durch späteren Tausch auf d5 kann Weiß
die c-Linie in eine halbof-

121
10. Lg5xe7 chung führt, die es dem Weißen schwer,
Der natürliche Zug. wenn nicht unmöglich macht, die
10. Dd8xe7 strategischen Ziele zu verwirklichen, die
11. 0-0 die Stärke des Damengambits ausmachen.
Es ist fast immer richtig, den K in Es gibt mehrere Fortsetzungen:
Sicherheit zu bringen, bevor Maßnahmen a) 1 3 . de5 : Se5 : 14. Se5 :De5 : 1 5 .f4(um die
in der Mitte unternommen werden. weiße Bauernmehrheit am K-Flü-gel in B
Auf l l . e4 käme 1 1 . . . . Sc3 : 12.Tc3 : e5 und ewegung zu setzen) 1 5 . . . . Df6 (hier steht
Weiß muß auf seinen ungedeckten Be4 die D am besten, um den weißen Vorstoß
aufpassen. Falls dann 1 3 . d5, so 1 3 . . . . zu hemmen) 1 6 . f5 (engt die
cd5 : 1 4 . ed5 : Dd6, und der blockierte Bewegungsfreiheit des Lc8 ein) 1 6 . . . . b5
Einzelbauer ist eher schwach als stark. nebst b4 mit annäherndem Ausgleich.
11. Sd5xc3 b) 1 3 .Dc2 (überläßt dem Schwarzen die
Solange der Sd5 doppelt angegriffen ist, Entscheidung: will er den Sd7 ziehen, muß
kann Schwarz nicht e6-e5 spielen. Er vorher der Be5 tauschen oder vorgehen.
tauscht daher. Die weiße Dame drückt auf der
12. Tclxc3 Diagonalen b l -h7 und auf der c-Linie) 1 3 .
Wir haben nun eine Standard-Stellung in . . . e4 ( 1 3 . . . . ed4 : 1 4 . ed4 : gäbe Weiß Spiel
dieser Eröffnung erreicht. Das strategische auf der e-Linie und amK-Flügel) 14. Sd2
Ziel besteht darin, 1m Zentrum Sf6 1 5 .Lb3 Lf5 1 6 . f4, um die Stellung
auszugleichen und den Lc8 zu befreien. festzulegen. Nach allgemeiner Ansicht ist
Weiß etwas besser dran (wegen des Drucks
auf der halboffenen Linie).
c) 1 3 .DM e4 14. Sd2 Sf6 1 5 .b4, ebenfalls
mit etwas Spiel für Weiß. Es gibt viele
Möglichkeiten; die Ergebnisse der
theoretischen Forschung lassen j edoch
nicht den Schluß zu, daß Weiß in
irgendeinem dieser Abspiele entschiedenen
Die übliche Fortsetzung lautet 12 . . . . e5,
Vorteil hat.
der Befreiungszug, der außer den
12. c6-c5
erwähnten Zielen zu einer Vereinfa-
Die Abweichung von der „orthodoxen"
Linie. Sie bringt einige Schwierigkeiten für
Schwarz mit sich, die aber nicht
unüberbrückbar sind. Schwarz setzt sein
strategisches Ziel, Im Zentrum

1 22
auszugleichen, durch; für seinen Lc8 ist freilich noch nichts getan.
Ein Nachteil besteht auch darin, daß Weiß
die Herrschaft über die c-Linie erringt.
Daher muß 1 2 . . . . e5 als etwas stärker und
mehr m Übereinstimmung mit der
angezeigten Strategie des Schwarzen
angesehen werden.
13. Ddl-c2
Weiß spielt auf die c-Linie und droht z.B.
14. Ld3 mit Doppelangriff auf c5 und h7.
13. c5xd4

Um das weiße Zentrum aufzulösen und die


erwähnte Drohung abzuwehren. Weiß muß
nun entscheiden, ob er mit dem B oder
dem S zurückschlagen wi 1 1 . Das ist keine
leichte Aufgabe, weil davon Leben und
Tod abhängen könnte. Überlegen wir die
Vor- und Nachteile der beiden Wege: a)
1 4 . ed4 : . Vorteil - mehr Spielraum für
Weiß, insbesondere die Möglichkeit, den S
nach e5 zu bringen und den Tc3 zum K­
Flügel; der Be6 ist am Vorgehen gehindert.
Nachteil - der vereinzelte Bd4, der
schwach werden könnte, und das Feld vor
ihm (d5), das der Gegner besetzen kann.

1 23
b) 14. Sd4 : . Ein guter Zug mit allen Arten Auf 1 5 . . . . Dd6 könnte Weiß mit 1 6 . Se5
von Möglichkeiten, aber mit dem Nachteil, ein Bauernopfer bringen, um nach 16 . . . .
daß Weiß keins der vier Mittelfelder mehr Dd4 : mit l 7. Th3 oder l 7.Tg3 oder gar
mit einem Bauern besetzt hat und daß die 1 7. Tf3 einen Angriff zu beginnen.
B-Stellung beider Parteien symmetrisch ist. 15. b7-b6
In solcher Stellung kann man einen Vorteil Ein plausibler Zug, wie j edoch die
erlangen, der j edoch häufig vorübergehend Partiefortsetzung zeigt, zu langsam. Sehen
ist, weil er nicht auf der Bauernstellung wir uns nach anderen um.
beruht. Vorteile aufgrund der a) 1 5 . . . . h6 (um Sg5 zu verhindern)
Bauernstellung sind dem Charakter nach 1 6 . Tc7 Dd6 l 7. Se5 (errichtet einen
viel dauerhafter als j ene, die von der machtvollen Vorposten im feindlichen
Figurenstellung abhängen. Figuren Gebiet) 1 7 . . . . Sd5(wennDd4 : 1 8 . Sf? : Tf?:
verändern ihren Standort oder werden 1 9 . Tc8 :+) 1 8 .Lh7+ Kh8 1 9 . Sf?:+, und man
getauscht, das Bauerngerippe bleibt für erkennt bereits die Kraft der Beherrschung
eine gewisse Zahl von Zügen bestehen. der 7 .Reihe sowie daß es Schwarz in dieser
Weiß hält es für vorteilhafter, einen Variante nicht gelingt, die weiße Vorherr­
größeren Einfluß im Zentrum zu haben, schaft auf einfache Weise einzudämmen.
und spielt: b) 1 5 . . . . g6 ! 1 6.Tc7 Dd6 1 7 . Se5 Sd5 führt
14. e3xd4 Sd7-f6 zu nichts für Weiß. Er muß daher Sd5
Es ist wichtig, den Springer auf den K­ verhindern, bevor er die 7.Rei-he besetzt.
Flügel zum Schutz des Punktes h7 Richtig ist in diesem Fall 1 6.Le4. Schwarz
zubringen. Nach 14 . . . . Sb6 1 5 .Ld3 (mit kann nun seme Entwicklung nicht
Tempo) 15. . . . h6 1 6 . Tc7hatWeiß Zeit fortsetzen, und auch nach Se4 : 1 7 .De4 : ist
gewonnen, die 7 .Reihe zu erobern. er für den Augenblick in Verlegenheit, wie
15. Lc4-d3 er verhindern soll, daß Weiß seine Linien­
Ohne Zeitgewinn. Das Ziel des Weißen strategie mit Tfl -cl weiterführt oder auch
besteht nun darin, die c-Linie auszunützen, mit Se5 oder Sg5 den Angriff auf die
die offen und von ihm vollständig geschwächte K-Stellung aufnimmt. Zu
beherrscht ist. Die Bemühungen des erwägen ist 1 7 . . . . Tb8 nebst Ld7.
Schwarzen gehen dahin, dem Weißen die Der Textzug zeigt, daß der Amateur die
c-Linie zu entwinden und den Lc8 zu Bedeutung des Eindringens der weißen
befreien. Wie wir im nächsten Zug sehen Figuren auf die 7.Reihe nicht genügend
werden, hätte Schwarz die Partie mit 1 5 . . . . würdigte. Vielleicht erwartete er, den
g6 ausgleichen können. Darum fragt es eingedrungenen Turm ohne viel Mühe
sich, ob der offensichtliche Zug 1 5 . Tel hier zurücktreiben zu können.
nicht besser gewesen wäre.

1 24
Die Folge beweist, daß er sich geirrt hat. f?, sondern auch c8 verteidigen muß.
16. Tc3-c7 Außerdem kann der Springer eventuell
Die 7 .Reihe ist das gegebene Ziel des nach e4 gehen und den Sf6 angreifen. Auf
Turms auf einer offenen Linie. 1 7 . Tfcl, drohend 1 8 . Tc8 : Tac8 : 1 9 .Dc8 : ,
16. De7-d6 kann Schwarz sichmit 1 7 . . . . g 6 verteidigen
Schwarz zieht auf das unter den Um­ und dann den Tc7 mit Sd5 verjagen.
ständen günstigste Feld. Dd8 wäre zu 17. h7-h6
passiv. Ld7 verursacht eine Selbstfesselung Wenn 1 7 . . . . g6, so 1 8 . Sf?: ! (Herrschaft
und kostet nach 1 7 . Se5 mindestens einen über die 7.Reihe ! ) 1 8 . . . . Dd4 : ? (besser Tf?:
Bauern. Nun, da Weiß die 7.Reihe besetzt 1 9 . Tc8 :+ usw. und Schwarz hat emen
hat, fragt sich, was er damit tun kann. Wie Bauern weniger) 19. Lg6 : ! mit
kann er seinen Vorteil erhöhen? Das ist überwältigendem Angriff
Teil der Mittelspieltechnik, die nicht in 18. Sg5-h7
eine allgemeine Regel gefaßt werden kann. Einfacher wäre die eben erwähnte
Die Methode kann j edoch durch das Kombination gewesen: 1 8 . Sf? : Tf?: (Dd4 :
Beispiel beschrieben werden. ist riskant wegen 1 9 . Tdl) 1 9 . Tc8 :+ usw.
Weiß erkennt, daß der Zug Le4 sehr Weiß hofft jedoch, aus dem Besitz der
günstig wäre, könnte der Läufer nicht 7 .Reihe mehr herausholen zu können,
getauscht werden: der Ta8 müßte ziehen, indem er den Springer, der nach d5 zu
und Ta7 : wäre möglich. Weiß sieht sich gehen droht und außerdem den Läufer
daher nach einem Weg um, den störenden nicht nach e4 läßt, abtauscht. Verlockend,
Sf6 zu beseitigen. aber nicht ausreichend wäre 1 8 .Lh7+ Kh8
17. Sf3-g5 1 9 . Sf?:+ Tf?: 20.Tf?: Sh7 : 2 1 .Dg6 Dd4 : .
18. Sf6xh7
Schwarz konnte 1 8 . . . . Sd5 versuchen, was
infolge bestimmter taktischer Feinheiten
der Stellung große Verwicklungen
hervorruft, z.B. 1 9. Tc6 und nun:
a) 1 9 . . . . De7 20. Sf8 : Sb4 (die Pointe des
schwarzen Gegenspiels) 2 1 . Tc8 : Sc2 :
22. Sg6+ Tc8 : 23 . Se7 :+ usw. ;
Droht nicht nur 1 8 .Lh7 :+, sondern auch
b) 1 9 . . . . Db8 20. Sf8 : Sb42 1 .Dc4Sc6: 22.Dc6 :
1 8 . Sf? : , weil der Tf8 nicht nur
Lb7 (Kf8 : 23 .Le4) 23 .Dd7
Kf8 :24. Tc1Ld525. Tc7De826.De8 :+ Ke8 :
und Weiß beherrscht die 7 .Reihe, die ihm
auf Dauer den Sieg bringen wird.
Nach dem Springertausch im Text braucht
Weiß nicht mehr zu fürchten, daß sem
Turm zurückgetrieben wird. Die
strategische Niederlage des Schwarzen
istnun eme Tatsache; trotzdem verteidigt
Eine interessante Stellung. Zu beachten ist,
sich der Amateur mit großem
wie Weiß mit Tempogewinn seme
Erfindungsreichtum und Zähigkeit. Der
Felderbeherrschung ausdehnt.
Meister muß mit Raffinesse vorgehen, um
22. Dd4-e5
seinen Vorteil zu bewahren und noch zu
Deckt den Tb8, der sonst „hängt" und eine
steigern.
Kombination ermöglicht, z.B. 22. . . . Df6
19. Ld3xh7+ Kg8-h8
23 .Dc7 ! . Aufschlußreich ist auch die
20. Lh7-e4
Erwiderung 22 . . . . Dc5 . Dabei fällt auf, daß
Entsprechend dem Plan. Antwortet
nach 23 .Dc5 : bc5 : der Tf8 zur
Schwarz nun 20. . . . La6 2 1 . Tcl Tac8,
Verteidigung des K auf der 8.Reihe
sogewinnt22. Tc8 :Tc8 :23 .Dc8 :+.Die
gebunden ist. Weiß kann daher mit 24. Tf? :
Schwäche des Königs auf der S.Reihe !
fortsetzen. Die Schwäche der Grundreihe
20. Ta8-b8
infolge der Trennung der Türme wird von
21. Tc7xa7
hier ab deutlich erkennbar. Wenn 22 . . . .
Das erste greifbare Ergebnis des Ein­
Db4 23 . a3 (23 . Tf? : ? Tf?: 24. Td8+ Tf8)
dringens auf die 7.Reihe. Weiß erobert
Db5 24. Tf? : . Das gleiche Thema tritt auch
nicht nur einen Bauern, er erweitert auch
in der Partie auf
den Spielraum auf der 7.Reihe, so daß dort
23 . Ta7xf7
Manöver möglich werden. Der Triumph der 7 .Reihe ! Der Tf8 ist
21. Dd6xd4 überlastet.
Schwarz bewahrt das materielle 23. Lc8-a6
Gleichgewicht, jedoch nicht für lange. Schwarz macht die 8.Reihe frei und
22. Tfl-dl entlastet damit den Tf8 .
Siehe Diagramm nächste Seite. 24. Tdl-d7
Man beachte, daß Weiß nicht selbst
tauscht, womit er die Spannung ver-
ringern würde, sondern er erhält den Druck wiedernehmen. Man bemerke die wichtige
auf der 7 .Reihe aufrecht und vergrößert Rolle, die in dieser Partie die 1 . bzw.
ihn, indem er den anderen Turm zur 8.Reihe für beide Parteien spielt.
Unterstützung seines Kollegen entsendet. Der Amateur zeigt eine Zunahme semer
24. Tf8xf7 Spielstärke, indem er diesen Zug gefunden
Schwarz tauscht natürlich, um den Angriff hat.
abzuwehren und sich zu entlasten. Auf 24. 27. h2-h3 Td8-d4
. . . Tb/fc8 antwortet Weiß 2 5 . Tc7 und Ein Gegenangriffszug, der wie em
vermeidet damit j eden Gegenangriff. Bumerang wirkt. Der schwarze T kann es
25. Td7xf7 Kh8-g8 sich nicht leisten, die 8.Reihe zu verlassen.
Es ist wichtig, die Mattdrohung auf der 28. Le4-h7+
8.Reihe zu beseitigen, wie aus 25 . . . . Tc8? Der schwarze König wird entweder nach
26.Dc8 :+ nebst 27.Tf8 matt hervorgeht. f8 gezwungen, wo er Angriffen auf den
26. Tf7-c7 offenen Linien ausgesetzt ist, oder nach h8,
wo ihm wieder das Grundlinienmatt droht.
28. Kg8-h8
Nach 28 . . . . Kf8 29. Ta7 hätte der La6 kein
gutes Feld. 29 . . . . Tc4 wird durch 3 0.Ddl
Td4 31 .Df3+ usw. widerlegt.
Offensichtlich steht der K auf f8 sehr
unsicher. Ebensowenig ist er j edoch auf h8
in Sicherheit. Weiß sucht nun nach einem
Der Turm kehrt auf die c-Linie zurück, wo
Weg, um die Beherrschung der 8.Reihe
er von der D unterstützt wird. Wiederum
auszunützen, und findet emen Zug mit
beherrscht er die Linie und übt fortgesetzt
emer Doppeldrohung, den er mit
Druck entlang der 7 .Reihe aus.
Tempogewinn ausführen kann.
Schlecht ist 26. Ta7? wegen Tc8 !
29. Tc7-a7
(27.Dbl?De4 : !).
Droht außer Ta6 : auch Ta8+.
26. Tb8-d8!
29. La6-c8
Droht sowohl De4 : als auch Dc7 : , denn
Schwarz braucht Dc8 :+ wegen Kh7 : nicht
Weiß könnte wegen Tdl+ nicht
zu fürchten.

1 27
30. Ta7-a8 Erzwungen. Weiß kann nun das vor­
Droht 3 1 . Tc8 :+nebst Matt. Weiß muß gestellte Matt nicht mehr verwirklichen.
immernoch sorgfältig verfahren. Seine D Die Drohung hat aber Schwarz in eine
kann sich nicht frei bewegen, weil auf der weniger vorteilhafte Stellung gezwungen,
1 .Reihe Matt droht. Außerdem muß sie wo kein Gegenmatt mehr auf der 1 .Reihe
den Lh7 gedeckt halten. zu befürchten ist.
30. Td4-d8 32. Dc2xc5
Weiß kann die Damen tauschen, um sich
einen starken, vom feindlichen K weit
entfernten Freibauern zu verschaffen.
32. b6xc5

Hier haben wir einen Stellungstyp, der dem


Schachspieler oft den größten Kummer
bereitet. Weiß hat eine gewonnene Partie,
denn er kann, wenn sich nichts Besseres
findet, die Figuren tauschen und den
Schwarz ist nun vollständig gebunden: der
Mehrbauern zur Geltung bringen. Er weiß,
L kann nicht ziehen, der T nicht die
daß es jedoch emen kürzeren und
8.Reihe verlassen, sem Khat keine
eleganteren Gewinnweg geben muß, den er
wirkungsvollen Züge, und Bauernzüge
aber nicht finden kann. Was tun? Der Kh8
sind bedeutungslos. Im Gegensatz zur
ist eingeklemmt und fast m emem
Lähmung des Schwarzen stehen die
Mattnetz. Ein mögliches Matt zeigt sich
weißen Figuren aggressiver hat einen B
bei folgender Erwägung: „Stünde der
mehr und außerdem einen freien a-Bauern.
weiße Läufer auf g6 und die Dame auf c8,
33. a2-ä4 Kh8-g8
könnte Schwarz das Matt nicht mehr
34. a4-a5 Kg8-f8
decken. " Weiß zieht daher:
35. a5-a6 Kf8-e7
31. Lh7-g6
36. Ta8xc8
Droht 32.Dc8 : .
Am elegantesten.
31. De5-c5
36. Td8xc8
37. Lg6-e4 Tc8-c7
38. Le4-b7
Schwarz gab auf, weil er die Umwandlung

128
des Bauern nicht mehr verhindern kann.

1 29
130 -------
Partie 12

Das frühzeitige Tel im Abgelehnten Damengambit


Wie der Zug b7-b6 zu behandeln ist
Wie man dem Gegner „hängende Bauern" verschafft
Der Angriff auf die „hängenden Bauern"
Schwächen und Stärken der „hängenden Bauern"
Die Bedeutung der genauen Analyse taktischer Möglichkeiten

Die 1 0 . Partie und die vorliegende beleuchten die Verwundbarkeit einer Bauernformation, die
man die „hängenden Bauern" nennt. In Partie 1 0 j edoch entstanden sie durch einen Irrtum des
Amateurs, hier ergeben sie sich als logische Entwicklung der naturgemäßen Strategie, die mit
der gewählten Eröffnung verbunden ist. Die Bauernstellung c5-d5 erweist sich als so
dynamisch, daß die „Hängenden" zugleich eine merkliche Schwäche und eine potentielle
Kraftquelle für Schwarz bedeuten. Im Partieverlauf zeigt sich die außerordentlich
wirkungsvolle Technik des Angriffs auf die hängenden Bauern. Diese Technik hat nur durch
einen zufälligen taktischen Witz Erfolg: der schwarze Se7 steht ein und ermöglicht so dem
Weißen, vorteilhaft zu vereinfachen. Hängende Bauern bringen aber auch zwei Elemente der
Stärke mit sich: die Möglichkeit, durch das Vorgehen eines oder beider Bauern Linien zu
öffnen und Raum zu gewinnen, und die Möglichkeit, Schlüsselfelder zu beherrschen, die als
Vorposten für Springer oder Läufer dienen können.

Das Diagramm weist auf eine Variante der vorliegenden Partie hin, falls Weiß 2 1 . b3 (anstelle
von 2 1 . Sd3 ! ) gespielt hätte. Durch d5-d4 könnte Schwarz eine Linie öffnen mit allen
Gefahren und Vorteilen. Spielen wir einmal 2 1 . . . . d4 ! 22.Lb7: (Weiß kann die
Verstümmelung seines Königsflügels durch Tausch auf f3 nicht zulassen) 22 . . . . Db7 : 23 . Tc5 :
(23 . ed4 : cd4 : und Schwarz ist wirkungsvoller aufgestellt) 23 . . . . de3 : ! 24. Td8:+ (24. Tc8 : ef2 :+
und Schwarz steht beweglicher, während der weiße König nicht mehr sicher ist) 24 . . . . Td8 :

13 1
25 .fe3 : De4 mit Rückgewinn des Bauern bei wiederum beweglicherer Figurenstellung.
Dies als Beispiel, wie man hängende Bauern benützen kann, Linien zu öffnen, mehr Raum zu
beherrschen und die Kraft seiner Figuren zu erhöhen. Spielt Weiß wie in der Partie 2 1 . Sd3
(statt 2 1 .b3) 2 1 . . . . c4 (erzwungen) 22. Sf4 (sicherer als 22.De7 :), dann antwortet Schwarz 22 . . . .
Tc5 .

Der Bauer d5 ist rückständig; er kann nicht ohne weiteres vorrücken. Der Bc4 hingegen bildet
einen Stützpunkt, so daß der Se7 früher oder später auf d3 auftauchen könnte, wo er
phänomenalen Druck auf die ganze weiße Position ausüben würde. Weiß könnte seinerseits
den Springer nach d4 überführen. Täte er das, erleichterte er andererseits dem Schwarzen das
Manöver Se7-g6-e5-d3 . Von unmittelbarerer Bedeutung als dieses drohende Springermanöver
ist die Schwäche des weißen Damenflügels; denn sobald der Se7 gedeckt ist, droht Ta5 .
Dafür, daß er dem Weißen den starken Punkt d4 überlassen hat, besitzt Schwarz ausreichende
Manövrierfähigkeit und gewisse Angriffschancen.

WElß : MEISTER SCHWARZ: AMATEUR Schwarz rochiert normalerweise 1m


ABGELEHNTES DAMENGAMBIT Abgelehnten Damengambit frühzeitig, und
(TARTAKOWER-SYSTEM) er kann das anstelle von 5 . . . . Sbd7 (Partie
1 1 ) tun. Wenn Weiß natürlich j etzt auf f6
1. d2-d4 d7-d5 tauscht, könnte Schwarz nicht mit einem
2. c2-c4 e7-e6 Springer zurücknehmen; meistens unterläßt
3. Sbl-c3 Sg8-f6 der Weiße diesen Tausch, weil er dem
4. Lcl-g5 Lf8-e7 Gegner nicht die zwei Läufer überlassen
5. e2-e3 möchte. Der einzige Grund für Weiß,
Soweit wie in Partie 1 1 , wo die Ideen 6.Lf6: zu spielen, durch
wäre,
dieser Züge besprochen wurden.
Zugumstellung eine Art Abtauschvariante
5. 0-0 (siehe Par-

132
tie 1 3 ) zu erreichen: 6 . . . . Lf6 : 7.cd5 : ed5 : daß Weiß bei dieser Zugfolge eimge
8 .Db3 c6 9.Ld3 , und Weiß hat ein Tempi gewonnen hat und zum
bequemes Spiel ohne Entwicklungssorgen Minderheitsangriff (siehe Partie 1 3 ) bereit
und mit der klaren Mittelspielstrategie des steht.
„Minderheitsangriffs " . Auf lange Sicht 6. h7-h6
werden aber auch die zwei Läufer des Ein für Schwarz m zweifacher Hinsicht
Schwarzen zur Geltung kommen. vorteilhafter Zug: er entfernt den Bauern
6. Tal-cl von h7, wo er ein direktes Angriffsziel für
Dc2 und Ld3 bilden kann, und er zwingt
Weiß zwischen drei Zügen zu wählen, von
denen die ersten beiden etwas nachteilig
sein könnten, nämlich a) 7.Lf6: mit dem
Läuferpaar für Schwarz, b) 7.Lf4 (Abbau
des Drucks gegen die Mitte) und c) 7 .Lh4
mit andauerndem indirektem Druck.
Für Schwarz bedeutet h7-h6 eine kleine
Der Turm geht auf sein natürliches Feld,
Schwächung der Rochadestellung. Sobald
wo er die c-Linie beherrschen wird, die
ein Bauer vor dem König bewegt worden
sich öffnet, sobald auf d5 bzw. c4
ist, hat der Gegner ein Angriffsziel.
getauscht wird. Der Textzug ist em
7. Lg5-h4
Versuch, sowohl 6. ... c5 (eine Art
Weiß wählt den verhältnismäßig besten
Tarrasch-Variante, m der Schwarz das
Weg. Auf 7.Lf4 hätte Schwarz unmittelbar
Spiel frühzeitig zu öffnen trachtet) als auch
7. . . . c5 gespielt, die Standardantwort in
6. . . . Se4 (die Lasker-Variante, in der
solchen Stellungen; andernfalls könnte er
Schwarz em leichtes Remis durch
wegen des gemeinschaftlichen Drucks von
Vereinfachung anstrebt) entgegenzutreten.
Tel und Lf4 gegen den Punkt c7 in Verle­
Die folgenden Varianten zeigen, wie der
genheit kommen, sobald Weiß auf d5
Turmzug mit beiden Antworten fertig
tauscht.
wird:
7. b7-b6
a) 6 . . . . c5 7.Lf6 : (um Lf6: zu erzwmgen
Das Tartakower-System. Die Entwicklung
und dem Bc5 den Schutz des Läufers zu
des Lc8 ist eines der schwerwiegendsten
rauben) 7. . . . Lf6 : 8 . dc5 : (nicht 8 . cd5 :
Probleme für Schwarz im Abgelehnten
wegen 8 . . . . cd4 :).
Damengambit. Hier beabsichtigt er, ihn zu
b) 6 . . . . Se4 7.Le7 : De7 : 8 . cd5 : Sc3 :
flankieren.
(erzwungen) 9. Tc3 : ed5 . 1 0.Dc2 c6 l l .Ld3
h6 12. Se2. Dem mit der Lasker-Variante
Vertrauten wird klar,

13 3
8. c4xd5 den Lc8 geöffnet. Mit Rücksicht darauf,
Weiß tauscht fast immer auf d5, wenn daß sein c-Bauer praktisch rückständig ist,
Schwarz in solchen Stellungen fian­ wird eine strategische Maßnahme darin
chettiert. Das öffnet nicht nur die Linie, die bestehen müssen, den Bauern nach c5
der Tel bereits besetzt hat, sondern nimmt vorzustoßen, sobald es geht, und vielleicht
auch dem Läufer auf b7 viel von seiner zu versuchen, etwas Angriff gegen den in
Wirksamkeit, wenn Schwarz e6xd5 der Mitte befindlichen König zu erlangen.
antwortet und die Diagonale schließt. Weiß Sobald der Bc7 auf c5 steht, wo er 1m
mußte allerdings auch die Folgen des allgemeinen baldigst getauscht wird,
Textzugs berechnen. entstehen hängende Bauern auf c5 und d5,
8. Sf6xd5 die das Thema für die weitere Strategie
9. Sc3xd5 beider Seiten abgeben. Weiß sieht sich nun
Man kann auch zuerst auf e7 tauschen. nach einem Plan um, der auf die
9. e6xd5 gegnerischen Schwächen gegründet ist:
Erzwungen, denn 9 . . . . Lh4 : 1 0 . Sc7 : würde den c- und den d-Bauern. Ein Angriff auf
Bauer und Qualität kosten. d5 mit Lfl -e2-f3 bietet sich an, gefolgt von
10. Lh4xe7 Dd8xe7 Sg l -e2-f4 oder c3 (vorzugsweise f4, wobei
die c-Linie zu keinem Zeitpunkt verbaut
wird). Er denkt auch daran, den König
gegen verfrühte Angriffe zu sichern, und
spielt
11. Lfl-e2!
Nehmen wir aber einmal an, Weiß hätte
stattdessen beschlossen, den schwachen c­
Bauern anzugreifen und den plausiblen
Die erste Phase der Partie ist nun vorüber.
Zug l l .Dc2 (?) zu machen: 1 1 . . . . c5
Weiß hat nur eine Figur und zwei Bauern
1 2 . dc5 : d4 ! .Dasist gefährlich für Weiß : a)
entwickelt, und sein noch unrochierter
1 3 . Sf3 de3 : 1 4.Lb5 (um Te8 zu
König scheint Angriffen ausgesetzt zu
verhindern) 1 4 . . . . Sa6 und nun 1 ) 1 5 . cb6 : ?
sein. Andererseits beherrscht er die offene
Db4+ mit Gewinn emer Figur; 2)
c-Linie mit dem Turm. Seine Strategie
1 5 .La6 : ?La6 : und Weiß kann nicht
wird also darin bestehen, am Damenflügel
rochieren, die Drohung ef2:+ hängt über
anzugreifen. Schwarz hat rochiert und
seinem Haupt, und die schwarzen Türme
Linien für
können sich auf der 8.Reihe frei bewegen;
3) 1 5 . 0-0 Sc5 : 1 6 . Tfel ef2:+ l 7.Df2: Df6
und Weiß hat keinen nennenswerten

13 4
Gegenwert für den Bauern. Noch wemger verspricht b) 1 3 .Ld3
de3 : 1 4.Le4ef2 :+ 1 5 .Kf2 : Te8 1 6.La8 : De3+
1 7 .Kfl La6+ und gewinnt.
11. Tf8-d8
1 1 . . . . cS 1 2.Lf3 Lb7 1 3 . Se2Td8 wäre nur
Zugumstellung. Auf 1 3 . . . . c4 (statt 1 3 . . . .
Td8) erhält Weiß mit 1 4.b3 b 5 1 5 . Sc3
Stellungsvorteil, wie Turnierbeispiele
zeigen. Die Pointe ist, daß Schwarz in der
gegenwärtigen Lage auf keine Weise aus
den Möglichkeiten Vorteil ziehen kann, die
sonst das Problem der hängenden Bauern
lösen und ihm manchmal sogar eine
Bauernmehrheit am Damenflügel verschaf­
fen.
Schwarz muß an dieser Stelle auch
überlegen, ob das Spiel mit 1 1 . . . . Db4+
1 2.Dd2 Dd2:+ 1 3 .Kd2 : c6 vereinfacht
werden kann. Hierbei muß er den c-Bauern
auf eine Weise verteidigen, die den
Springer an diesen kettet. Die Fortsetzung
könnte sein: 1 4 . Sf2 Lb7 1 5 . Se5 ! Tc8
1 6.b4und Schwarz steht schlecht, weil sein
Damenflügel schwer zu entwickeln ist und
seine Figuren an die Verteidigung des c­
Bauern gebunden sind. Die beste Idee ist
nach heutiger Ansicht jedoch 1 1 . . . . c5
1 2.Lf3 und nun 12 . . . . cd4 : . Schwarz muß
ausnutzen, daß der strategisch sehr gute
weiße Plan die einzige Schattenseite hat,
Zeit zu kosten. Es könnte folgen 1 3 .Dd4 :
Lb7 14. Se2 ( 1 4.Ld5 : ? Td8) 1 4 . . . . Sc6 und
wenn Weiß nun auf d5 nimmt, erhält
Schwarz mit 1 5 .Dd5 : Tad8 1 6 .Df5 Se5
hervorragendes Spiel ( 1 7.0-
0Sf3 : + 1 8 .gf3 : Td2).Auchnach 1 5 .Dd2 Se5
hat Schwarz dank des
Zeitgewinns aktivere Möglichkeiten als in
der Partie, die den isolierten Bd5 etwa
aufwiegen dürften. Somit bleibt nach 1 1 .
. . . c5 das direkte 1 2 . dc5 :bc5 : 1 3 .Dd5 : zu
prüfen, doch 1 3 . . . . Lb7 1 4.Dc5 : Dc5 :
1 5 . Tc5 : Lg2 : 1 6.U3 Lhl: 1 7.Lhl : Sa6
(möglich ist auch Sd7) 1 8 . Ta5 Tac8
1 9 . Ta6 : Tel+ sichert den schwarzen
Qualitätsgewinn. Das Endspiel bleibt
danach offen, z.B. 20. Ke2 Tgl: 2 1 . Ld5
Tel 22. Ta7 : Tc2+ nebst Tb2 : .
12. Le2-f3
Der schwarze c-Bauer ist rückständig,
solange er auf c7 bleibt. Früher oder später
muß er vorrücken. Daß dieser Vorstoß
hängende Bauern herbeiführt, bedeutet
nicht, daß er fehlerhaft ist; wie in der
Einleitung ausgeführt, sind solche Bauern
manchmal stark, manchmal schwach.
Andere Faktoren auf dem Brett sind dafür
maßgebend.
12. c7-c5
13. Sgl-e2
Gemäß dem Plan. Weiß könnte hier 1 3 .
dc5 : spielen. Der Zugkönnte durch
Umstellung zur Textfolge führen ( 1 3 . . . .
bc5 :); Schwarz könnte jedoch auch
versuchen, Vorteil aus der zurückge­
bliebenen Entwicklung des Weißen zu
ziehen, z.B. 1 3 . . . . Lb7 14. Se2 d4 1 5 .Lb7:
Db7 : 1 6 . 0-0 bc5 : und die Verwicklungen
sind nicht ungünstig für Schwarz.
13. Sb8-c6
Um den Springer aufsein natürliches Feld
zu entwickeln und Druck auf d4
auszuüben.
14. 0-0 Wenn 1 5 . . . . Le2 : 1 6 . Te2 :, und nun ginge
Auf j eden Fall muß der König in Sicherheit 1 6 . . . . cd4 : nicht wegen l 7.Tc6 : .
gebracht werden. Weiß zögert den Tausch 16. Se2-f4
auf c5 noch hinaus, denn je später er ihn Zwingt den Sc6 in die Defensive.
ausführt, umso weniger kann Schwarz von 16. Sc6-e7 Der einzige Zug.
der Öffnung der b-Linie profitieren. In 17. Ddl-a4
Weiß stellt die Dame auf einen Platz wo
einer Hinsicht allerdings könnte das Auf­ '

schieben des Tauschs für Weiß ungünstig sie mehr Felder beherrscht, räumt die d­
Linie für den Te 1 und greift den
sem, nämlich wenn Schwarz vorteilhaft
ungeschützten La6 an, der unter Tem­
eme Damenflügelmehrheit mit c5-c4
schaffen könnte. In der Anmerkung zum poverlust einen Defensivposten beziehen
muß.
1 1 .Zug haben wir j edoch gesehen, daß c5-
c4 im Augenblick zum Vorteil von Weiß 17. La6-b7

ausfiele. 18. d4xc5


Endlich ist die Zeit für den Bauerntausch
14. Lc8-a6
gekommen. Weiß zieht nun daraus den
Anstatt den Läufer zur Deckung des
größtmöglichen Nutzen: der Ta8 ist an die
Schwächlings d5 zu verwenden, setzt
Schwarz ihn aktiver auf einer offenen Verteidigung von a7 gebunden, so daß
keine Gefahr auf der geöffneten b-Linie
Diagonalen ein, wo er den Se2 fesselt und
droht.
indirekten Druck gegen d4 ausübt. In
taktischer Hinsicht hoffte Schwarz auf 18. b6xc5

1 5 .Da4 Le2 : ! 1 6.Le2 : Sd4 : ! . Aber sein


Läufer hängt auf a6, wie sich im 1 7 .Zug
zeigt; darum wäre 14 . . . . Lb7 vorzuziehen
gewesen.
15. Tfl-el
Entfesselt den Springer, um mit dem
Angriff gegen den Bd5 fortzufahren.
15. De7-d6 Schwarz hat die „hängenden Bauern".
Hält den Schutz von d5 aufrecht stützt den
'
Diese können, wie in Partie 1 0 angemerkt,
eine Schwäche darstellen, müssen es aber
ungedeckten Sc6 und räumt für diesen e7.
nicht unbedingt. Das
Auf 1 5 . . . . c4 1 6. Sf4 stünde Schwarz vor
dem Problem, Bd5 zu verteidigen, z.B.
16 . . . . Sb4 1 7 . a3 Sd3 1 8 . Sd3 : cd3 : mit
gutem Spiel für Weiß.

13 7
hängt davon ab, wie aktiv die leichten Der Springer hat seine Pflicht auf f4 erfüllt
Figuren stehen. Die Hängebauern erfordern und hilft nun beim Angriff gegen c5 mit.
von Seiten des Gegners eine besondere Der Zweck dieses Angriffs besteht darin,
Strategie; siehe die Aufzählung bei Partie den Schwarzen zu einer Schwächung zu
10. Verfolgen Wlf, wie Weiß ihre zwmgen der tiefere Sinn des
Schwäche in dieser Partie ausnützt. Positionsspiels. Man beachte, daß Weiß
19. Tel-dl sofort handeln muß, weil Schwarz sein
Zunächst stellt er den Königsturm auf das Spiel mit d5-d4 zu befreien drohte. Man
bestmögliche Feld, von dem aus er sehe z.B. die Analysen in der Einleitung zu
zusätzlichen Druck gegen den Bd5 ausübt. dieser Partie. Auf den Textzug jedoch ist
19. Dd6-b6 Schwarz gezwungen, den c-Bau-ern, den er
Im allgemeinen ist die Dame zu wertvoll, kein weiteres Mal schützen kann,
als daß man sie auf der Linie eines vorzurücken.
feindlichen Turms stehen lassen könnte, 21. c5-c4
auch wenn noch eine Figur oder ein Bauer Im allgemeinen steht ein Paar benachbarter
dazwischen steht. So weicht die Dame dem Bauern auf der gleichen Reihe am besten.
Turm aus und verteidigt den Ba7, damit Sobald einer vorrücken muß, ergeben sich
der Ta8 ins Spiel eingreifen kann. Schwächen, u.a. daß der Gegner starke
20. Da4-a3 Felder erhält, die seinen Figuren zugute
Der Weiße wendet seine Aufmerksamkeit kommen. Hier kann Weiß das starke Feld
nun dem anderen hängenden Bauern zu - d4 besetzen. Andererseits hat die diagonale
ein Manöver, das für die Technik des Formation auch Vorteile, wie in der
Angriffs gegen diese Formation typisch ist. Einleitung zu dieser Partie ausgeführt.
Dies ist die Fortsetzung des direkten Gäbe es an dieser Stelle keine taktischen
Angriffs, der mit 1 6 . Sf4 begann. Einzelheiten zu berücksichtigen, keine
20. Ta8-c8 Drohungen, würde der Weiße
Bis hierher war Schwarz in der Lage, beide wahrscheinlich versuchen, so zu ma­
hängenden Bauern zu schützen; dabei sind növrieren, daß er d4 besetzen oder
j edoch alle seine Figuren gebunden. Er hat vielleicht den Druck gegen den ge­
keine Möglichkeit, irgend etwas anderes zu schwächten Bd5 verstärken kann. Schwarz
unternehmen. würde seinerseits versuchen, gegen b2 zu
21. Sf4-d3! drücken oder den Springer nach d3 zu
bringen, obwohl dies ziemlich lange Zeit in
Anspruch nähme. Da jedoch der weiße und
der schwarze Springer einstehen, muß
Weiß vor allem taktisch analysieren und

13 8
insbesondere feststellen, ob nach c4xd3 der schwarze Freibauer stark oder
schwach sein wird. Denn wenn er sich als
stark erweisen sollte, wird er sehr stark
sein !
22. Da3xe7
Dieser Entschluß erforderte 1m Hinblick
auf den Bd3 (s. o.) und die Lebendigkeit
der schwarzen Figuren außer dem Läufer
eine sehr genaue Analyse. Sie mußte die
Abschätzung der schwarzen Möglichkeiten
einschließen, die nach Auftauchen des Bd3
entstehen, nämlich a) was der Bd3 selbst
tun könnte; b) was auf Db2 : passieren
würde; c) die Folgen von Tc8-c2; d) wie
die Chancen von Weiß aussehen, den Bd3
zu erobern; e) die eigenen Angriffschancen
des Weißen, die sich als sehr bedeutsam
erweisen und doch ganz zufällig
auftauchen, denn normalerweise ist man
überrascht, daß allein Dame und Läufer
emem wohlgeschützten Königsflügel
gefährlich werden könnten. Hier j edoch
verstärken verschiedene zufällige
Umstände den weißen Angriff, wie der
verwundbare Turm, daß die Dame den
Läufer gedeckt halten muß und noch
andere Funktionen ausübt, die sie daran
hindern, sich frei zu bewegen. Den weißen
Angriff kann Schwarz sogar leicht
abwehren, doch dann verliert er semen
wertvollen d-Bauern.
Tatsächlich stand dem Weißen keine
andere wirklich überzeugende Fortsetzung
zur Verfügung. Er konnte den Angriff mit
22. Sf4 fortsetzen (siehe Einleitung), doch
das Ergebnis ist unklar.

13 9
22. c4xd3 26. Lg4xc8 Da6-e2
23. Tclxc8
Um Txc 1 zu vermeiden und den Turm auf
der d-Linie zu halten, wo er den Bd3
angreift und blockiert.
23. Td8xc8
24. b2-b3
Als erstes muß Weiß seinen Bb2 ver­
teidigen. Nach 24.Lg4 Tc7 ergeben sich
Droht Matt durch Ddl:+ oder Del+. Sobald
ein paar überraschende Kombinationen: a)
Schwarz eines Zwangszuges enthoben
25 .De8+ Kh7 26.Lf5+ g6 27.Ld3 : Db2 :
wäre kann er selbst mattsetzen. Wenn 26.
'

usw. ; b) 25 .Dd8+ Kh7 26.Lf5+g6


. . . Lc8 : 27. Dd8+ Kh7 28. Dd5 : .
27.Ld3 : Tcl !
Weiß verfügt nun über eine zwangsläufige
24. Db6-a6
Fortsetzung und kündigt ein Matt in sieben
25. Lf3-g4!
Zügen an: 27.De8+Kh7 28.Lf5+ g6
Ein kraftvoller Zug - er greift den Tc8 an,
29.Df? :+ Kh8 3 0.Df6+ ! Kg8 3 l .Le6+ Kh7
der die 8.Reihe wegen De8+ nicht
32.Df?+ Kh8 3 3 .Dg8 matt.
verlassen darf, und bringt den Läufer auf
Der Amateur hat die Partie gut gespielt und
den Weg nach f5, von wo aus er den Bd3
wäre zum Gegenspiel gekommen, hätte der
zu erobern und am Angriff gegen den
Meister nicht jeden Zug zur rechten Zeit
König teilzunehmen droht. Ein stiller Zug
getan. Nur der 25 .Zug von Schwarz war
in solcher Lage wäre sehr gewagt. Schwarz
schwach und beschleunigte die Niederlage.
droht Tc2, wo der Turm die 2.Reihe
Dieser Zughatte eme alltägliche
beherrscht und d3 -d2 vorbereitet.
psychologische Ursache - Schwarz sieht,
25. d3-d2
daß er einen Bauern verliert, und
Schwarz glaubt, daß er den Trumpf seines
unternimmt das Un-mögliche.
Freibauern ausspielen und die Diagonale
a6-fl vorteilhaft einsetzen kann. Er droht
De2, sobald der weiße Läufer die
Diagonale d l -h5 verläßt. Vorzuziehen war
25 . . . . Tf8, aber dann holt sich Weiß den
gefährlichen Bauern mit 26.Lf5 . Die Partie
könnte weitergehen: 26 . . . . Dc6 27.Ld3 : d4
28.e4. Schlecht wäre in diesem Fall 26 . . . .
Lc8 27.Ld3 : Da2 : 28.Lh7+ ! .
Partie 13

Die strategische Bedeutung der halboffenen Linie


Der Minderheitsangriff
Vorgehen gegen den rückständigen Bauern
Schaffung einer zweiten Front
Zugzwang bei vollem Brett

Wie schon bei Partie 1 0 ausgeführt, ist es viel schwieriger, eine Theorie des Mittelspiels
aufzustellen als eine der Eröffnungen oder des Endspiels. Trotzdem gibt es eine bestimmte
Anzahl typischer Mittelspiellagen, auf die eine Standardstrategie angewendet werden kann.
Eine der bekanntesten ist der Minderheitsangriff, der am häufigsten aus dem abgelehnten
Damengambit hervorgeht ( siehe Diagramm) .

Typische Bauernstellung im Minderheitsangriff: Weiß hat am Damenflügel 2+ 1 gegen 4


schwarze Bauern.

Nach passender Vorbereitung rückt Weiß den Bb2 vor, bis er in Berührung mit demBcö gerät.
Gewöhnlich ergibt sich eine Schwächung der schwarzenBauern-stellung, die Weiß
anschließend ausnützt.
Schwarz steht dabei vor einer schweren Aufgabe, auch wenn ein Meister gegen einen Meister
spielt. Gewöhnlich bleibt der Verteidiger ohne Gegenspiel, und der Angreifer kann seine
Bestrebungen umso leichter und kraftvoller verfolgen. Wenn der Gegner sich nicht verteidigt,
sondern den Gegenangriff sucht, wird die Minderheitsattacke noch stärker und
wirkungsvoller. Jedoch hängt viel davon ab, wer zuerst kommt. Im allgemeinen hat Schwarz
bei dieser Art Stellungen kaum Gelegenheit zum K-Angriff; darum wird das Vorgehen des
Weißen im allgemeinen erfolgreich sein.
In der Schachliteratur gibt es nur wenige Beispiele, daß Schwarz eine Partie gewann, in der
Weiß den Minderheitsangriff unternommen hat.

1 42
WElß: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR daß es für Weiß weit einfacher ist,
ABGELEHNTES DAMENGAMBIT greifbare Ergebnisse zu erzielen.
(ABTAUSCH-VARIANTE) 3. e6xd5
4. Sbl-c3 Sg8-f6
1. d2-d4 d7-d5
5. Lcl-g5 Lf8-e7
2. c2-c4 e7-e6
6. e2-e3
3. c4xd5 In einer derartigen Stellung muß Schwarz
Man mag überrascht sein, daß Weiß hier
zwei gefährliche Angriffsarten beachten: a)
tauscht denn Schwarz kann mit dem Be6
'
einen kombinatorischen Angriff am K­
zurücknehmen und seinen Lc8 befreien,
Flügel, bei dem Weiß in der Regel lang
dessen Entwicklung im Normalfall ein
rochiert; b) den Minderheitsangriff wie in
Hauptproblem dieser Eröffnung bildet
dieser Partie, der positioneller Natur ist.
(siehe Partie 1 1 ). Es gibt j edoch einen
6. 0-0
Umstand bei diesem Tausch, der die weiße
7. Ddl-c2
Strategie erklärt.
Die Dame wirkt nicht nur auf der c-Linie,
Weiß tauscht, um die halboffene c-Linie
sondern auch auf der Diagonalen b l -h7.
zur Verfügung zu haben. „Halboffen" ist
eine Linie, auf der der Bauer einer Partei
entfernt worden ist, während der der
anderen verbleibt. Offene Linien sind oft
nutzlos weil beide Seiten sie mit Türmen
'

besetzen können; darum sind halboffene


Linien strategisch oft wichtiger und
vielversprechender als der fruchtlose Ver­
7. c7-c6
such eine offene Linie zu beherrschen.
'

Früher oder später notwendig zum Schutz


des Bd5 .
8. Lfl-d3
Droht 9.Lf6 : nebst 1 0.Lh7 :+ mit
Bauerngewinn.
8. Sb8-d7
Schwarz konnte auch 8 . . . . h6 spielen,

In der vorliegenden Stellung kann Weiß in


der halboffenen c-Linie operieren, Schwarz
in der halboffenen e-Linie. Die Praxis hat
j edoch gezeigt,

1 43
um denbedrohten Bauern mit Tempo­ 11. Lg5-f4
gewinn zu sichern. Der Zug könnte sich Auf 1 1 .Lh4 könnte sich Schwarz mit Se4
allerdings einmal als Schwäche bemerkbar etwas befreien. Der Rückzug nach f4 ist im
machen. allgemeinen vorzuziehen, denn von dort
9. Sgl-f3 Tf8-e8 aus kontrolliert der Läufer wichtige Felder
am Damenflügel und kann sich am
Minderheitsangriff beteiligen. Andererseits
ist zu beachten, daß er mittels Sh5 ab­
getauscht werden kann. Weiß spielt aus
diesem Grund oft vorbeugend h2-h3 , um
den Rückzug nach h2 zu öffnen.
11. Sd7-f8
In diesem besonderen Fall spielt es keine
Wenn sich Weiß nun für den
Rolle, daß Weiß noch nicht h3 gezogen
kombinatorischen Angriff entscheidet,
hat, denn Sh5 würde durch das schon beim
könnte er lang rochieren und dann mit den
9.Zug erwähnte Scheinopfer 12. Sd5 :
Bauern am K-Flügel vormarschieren. Die
widerlegt ( 1 2. . . . cd5 : ? 1 3 .Lc7 mit
Fortsetzung nach 1 0 . 0-0-0 könnte sein:
Damengewinn).
a) 1 0 . . . . Sf8 H.h4Le6 12. Tdgl Tc8 1 3 .Lf6 :
12. h2-h3
Lf6 : 14.g4;
Jetzt braucht der L ein Rückzugsfeld.
b) 10. . .. h6 l l .Lh4 (auch l l .Lf4 mit der
12. Le7-d6
Falle 1 1 . . . . Sh5? 12. Sd5 : ! cd5 : 1 3 .Lc7
Schwarz tut gut daran, die Läufer zu
bzw. 12 . . . . Sf4 : 1 3 . Sf4 : ist spielbar) 1 1 . . . .
tauschen, einerseits um Platz zu schaffen
Se4 1 2.Le7 : De7 : 1 3 .Le4 : de4 : 14. Sd2 f5
und möglicherweise einen K- Angriff zu
1 5 .g4.
beginnen, andererseits um den Lf4 zu
10. 0-0
beseitigen und den Druck gegen den
Indem er kurz rochierte, ist klar, daß Weiß
Damenflügel zu erleichtern.
sich zum positionellen Kurs entschieden
13. Lf4xd6 Dd8xd6
hat.
Weiß konnte seinen Damenläufer nicht
10. h7-h6
erhalten; er hat jedoch noch immer einen
Ein gesünderer Plan ist das heute all­
kleinen Vorteil, weil ihm der „gute"
gemein übliche 1 0 . . . . Sf8. Schwarz kann
Läufer, dem Schwarzen der „schlechte"
in vielen Fällen mit dem Manöver g7-g6,
(auf der Farbe der Zentralbauern)
Sf8-e6-g7-f5 fortsetzen oder zuweilen sich
verbleibt.
mit Se4 entlasten.
14. Tal-bl nie gegenüber dem schwarzen Turm, und
Vorbereitungszüge wie Tfc 1 , Db3 wären
vonnöten, denn sofortiges 1 6.b5? wäre
wegen 16 . . . . cb5 : 1 7 . Lb5 : Se4 verfehlt.
16. b4-b5

Bereitet den Minderheitsangriff vor! Der


Ausdruck rührt von der Bauernminderheit,
die auf eine Mehrheit losmarschiert, her.
Bei diesem Angriff steht der schwarze c­
Bauer stets auf c6. Der Zweck des Vorgehens besteht darin,
14. Lc8-d7 das feindliche Bauerngerüst zu schwächen.
Schwarz hätte 14. a5 spielen können; Es gibt nun vier Möglichkeiten: a) wenn
Weiß hätte 1 5 . a3 erwidert, und am Schwarz tauscht, vereinzelt er den Bd5 ; b)
Gesamtbild hätte sich nichts geändert. wenn Weiß auf c6 tauscht und Schwarz
15. b2-b4 nimmt mit dem Bb7, so behält er emen
Der erste Vorstoß gegen den Bc6. rückständigen Bauern auf der halboffenen
15. Dd6-e7? c-Linie; c) nimmt Schwarz auf c6 mit dem
Schwarz will mehr Raum gewinnen und L zurück, wird der Bd5 wie bei a)
mit Se4 fortsetzen. Das verbände em vereinzelt; d) spielt Schwarz c6-c5, kann
Befreiungsmanöver mit einem Angriff Weiß mit dem gleichen Ergebnis tauschen
Im allgemeinen ist gegen emen - ein vereinzelter Bd5 und ein starkes Feld
Minderheitsangriff wenig zu unternehmen. d4 für den weißen Springer. Was immer
Ein Zug wie 1 5 . . . . a6 wird mit 1 6 . a4 Schwarz also beschließt, ihm bleibt eme
beantwortet. Schwarz versäumt hier aber minderwertige Bauernstellung, eme
eine Gelegenheit, das weiße Vorgehen zu Schwäche, die Weiß dann ausnützen kann.
behindern und 1 5 . . . . Tac8 zu spielen. In 16. Sf6-e4
diesem Fall stünde die weiße Dame Das ist kein schlechter Zug. Schwarz will
ungünstig auf der c-Li- sich befreien und etwas Druck auf die
weiße Stellung ausüben. Der Zug
beschränkt die Handlungsfreiheit des

145
Weißen, indem er ihn verpflichtet, den Sc3 Schwarz hat jetzt mehrere Möglichkeiten:
gedeckt zu halten. Vermutlich wäre aber a) 1 8 . . . . cb5 : 1 9 . Sd7 : Sd7 : 20.Tb5 : Sb6 2 1
c6-c5 doch das geringere Übel gewesen. .Db3, gefolgt von a2-a4-a5 mit allerlei
17. Sf3-e5 Aussichten für Weiß, denn b7 und d5 bei
Droht Bauerngewinn auf e4 und nimmt Schwarz sind schwach;
den wichtigen Verteidigungsläufer d7 aufs b) 1 8 . . . . c5 1 9 . Sd7 : ( 1 9.Dc5 : ? Dc5 : kostet
Korn. den S) 1 9 . . . . Sd7 : 20. dc5 : . Schwarz hat
17. Se4xc3 einen vereinzelten Bd5, steht aber sonst
Es gab nichts Besseres. Keine Erleich­ nicht so schlecht, weil alle seine Figuren
terung verschafft 1 7. . . . f6, denn nach mitwirken;
1 8 . Sd7 : Sd7 : 1 9.bc6 :bc6 : istdieLage für c) 1 8 . . . . Tec8, der Textzug.
Weiß sehr günstig, der mit 20. Se4 : de4 : 2 1 18. Te8-c8
.La6 fortsetzen könnte bei deutlicher Droht c6-c5xd4 und drängt so den Weißen,
Schwäche des Bc6. Oder 1 8 . . . . Dd7 : sich zu entscheiden. Der von ihm gewählte
1 9.bc6 : Dc6 : (bc6 : 20. Se4 : kostet einen Weg ist günstig, denn Schwarz bleibt mit
Bauern) 20. Sd5 : ebenfalls einem rückständigen Bc6 zurück, eines der
mitBauerngewinn (Dd5 : ? 2 1 .Lc4) : 20 . . . . Hauptziele des Weißen 1m
Dc2 : 2 1 .Lc2 : Sd2 22. Sc7 und Weiß Minderheitsangriff.
behauptet seine Beute. Weiß kann also 19. b5xc6 Ld7xc6
entweder die Bauern schwächen oder einen Auf 1 9 . . . . bc6 : geschieht 20.Tb7 mit
Bauern gewinnen. Wenn 17. ... Sd6 zusätzlichem Druck auf der 7 .Reihe.
1 8 .bc6 : Lc6 : 1 9 . Sc6 : bc6 : 20. Sa4, und der 20. Se5xc6 b7xc6
Angriff auf den geschwächten Bauern hat
eingesetzt - gerade wie in der Partie.
18. Dc2xc3

Erzwungen, denn 20 . . . . Tc6 : 2 1 .Db3 kostet


emen B. Endlich haben Wlf die
Bauernstruktur, die Weiß anstrebte.
Schwarz hat einenrückständigenBcö. Eine
neue Partiephase beginnt. Wie
kann Weiß daraus Nutzen ziehen? Durch 22. De6-d6
direkten Angriff gegen c6 kann er nicht Auch 22. g6 23 . Tb7 wäre nicht besser
viel erreichen, weil Schwarz genügend gewesen.
Abwehrkräfte hat. Das Spiel des Weißen 23. Tbl-b7!
muß sich gegen zwei Fronten richten. Er Ein starker Zug, der alle schweren Figuren
muß in der Lage sein, den kritischen Punkt des Schwarzen bindet, z.B. 23 . . . . Tc7
c6 anzugreifen und außerdem etwas an 24. Tc7 : Dc7:25 .Dc6 : , oder 23 . . . . Tab8
anderer Stelle zu unternehmen. Das ist das 24. Ta7 : .
Geheimnis, wie em Stellungsvorteil 23. Sf8-e6
ausgenutzt wird. Wenn es an zwei Stellen Der S ist die einzige Figur, die ziehen
brennt, wird Schwarz es schwer haben, kann. Der Textzug verfolgt den Gedanken,
sich an beiden Fronten zu wehren, und c6-c5 durchzusetzen und so die Schwäche
schließlich zusammenbrechen. loszuwerden. Der Bc6 ist nicht nur eine
21. Tfl-cl Schwäche, sondern auch ein Hindernis.
Der logische Zug. Er verstärkt den Druck Seinetwegen können die Türme und die
auf der c-Linie und verhindert c6-c5, das Dame sich nicht frei bewegen. Kann
die Schwäche auflösen würde. Durch den Schwarz Bc6 auflösen, wird Bd5 schwach,
Druck gegen c6 ist es für Schwarz auch aber kein Hindernis sein.
schwieriger, einen T auf der b-Linie Nach 23 . . . . a5 (oder a6) erobert Weiß den
entgegenzustellen (wegen 2 1 . . . . Tab8 Bc6 mit 24. Tb6. Der Ausfall 24 . . . . Da3
22. Tb8: Tb8 : 23 .Dc6 :). (mit Druck gegen Ld3 und Ba2) nützt
21. De7-e6? wegen 2 5 . Tc6 : Tc6 : 26.Dc6 : nichts, und
Die D verläßt die 7 .Reihe, um den Bc6 zu der Ta8 ist angegriffen. Schwarz könnte
schützen, und bietet Weiß so eine zweite den sofortigen Ausfall 23 . . . . Da3 erwägen.
Front an, den Besitz der T.Reihe. Schwarz Daraufgäbe es mehrere Erwiderungen für
hätte 2 1 . . . . Tc7 spielen sollen. Weiß hätte Weiß; die einfachste ist 24 .Dc3 ! Dc3 :
dann 22.Da5 Dd6 23 .Da6, drohend 24. Tb7, (Da2 : ? 25. Tal und die D hat keinen Rück­
fortgesetzt. zug) 25. Tc3 : mit Stellungen ähnlich der
22. Dc3-c2 Partie, z.B. 25 . . . . Se6 26.Lf5 Kf8 27.Le6 :
Droht mit 23 .Lf5 die Qualität zu erobern. fe6 :28.g3 und Schwarz ist im Zugzwang.
Er hätte auch sofort 22.Tb7 spielen können Schließlich erleichtert auch 23 . . . . Sd7 die
(die Antwort wäre 22 . . . . Sd7). Weiß sucht Lage nicht wegen 24.Lf5 .
vorher die Diagonale f5-c8 zu erringen. 24. Ld3-f5

1 47
Der emz1ge Zug, der unmittelbaren
Materialverlust vermeidet. Genau ge­
nommen ist der Zugzwang aufgehoben,
weil der K j etzt ziehen kann.
25. Lf5-g4
Macht Platz für die D und behält eine Art

Zugzwang bei, soweit die schwarzen


Figuren betroffen sind (mit Ausnahme des
Hindert Schwarz daran, semen Plan K).
auszuführen (rückt Schwarz den Bc6 vor, 25. Kg8-g7
tauscht Weiß den Springer und erobert Der einzige Zug, wie aus den beim 24.Zug
einen B). aufgeführten Möglichkeiten hervorgeht.
Schwarz ist nun in einer Art Zugzwang bei 26. g2-g3
vollem Brett. Das ist erstaunlich. Er kann Weiß konnte hier sofort 26. df5 ziehen; der
keine einzige Figur ziehen, ohne Zug gewinnt aber an Kraft, wenn der K auf
wenigstens einen Bauern einzubüßen. g8 steht. Daher macht Weiß emen
Untersuchen wir die Stellung im einzelnen. Wartezug, der den Gegner in die weniger
a) 24 . . . . Kh8 2 5 . Tf? : günstige Stellung zwingt.
b ) 2 4 . . . . Kf8 25 .Le6 : nebst 26.Dh7 26. Kg7-g8
c) 24. . . . Da3 25 .Le6 : fe6 :26.Dg6 Df8 Wiederum der einzige Zug.
27.De6 :+ 27. Dc2-f5
d) 24 . . . . Dd8/f8 25 .Le6 : fe6 : 26.Dg6 Df6
27.Df6 : gf6 : 28. Te7
e) 24 . . . . Tab8 2 5 . Ta7 :
f) 24 . . . . Tc7 25.Tc7 : und 26.Dc6 :
g) 24 . . . . Tc8 anders 25 .Dc6 : h)24 . . . .
Se6bel. 2 5 .Lc8 :
i) 24 . . . . a6 25.Tb6
j)24 . . . . c5 25 .Le6 : De6 : (fe6 :26.Dg6)
26.dc5 : Weiß hebt den Druck auf Bc6 auf, weil er
k) 24 . . . . f6 25 .Le6 :+ De6 : 26.Dg6 erkennt, daß er am anderen Flügel
1) 24 . . . . g6 25 .Lg6 : fg6 : 26.Dg6 :+ entscheidenden Vorteil erzielen kann.
m) 24 . . . . h5 25.h4 und Schwarz ist
wieder im Zugzwang
n) 24 . . . . g5 (der Textzug)
24. g7-g5

148
27. Se6-d8
Infolge der Entlastung von c6 wäre
scheinbar 27. ... Tc7 möglich; Weiß
gewinnt aber darauf auch j etzt einen B
mittels 28.Tc7 : Sc7 : (hoffnungslos ist Dc7 :
29.Df6 mit der Doppeldrohung 3 0.Le6 :
und 3 0.Dh6 :) 29.Dd7 !
28. Tb7-d7 Dd6-e6
Andere Damenzüge sindnicht besser, z.B. Weiß geht dem Turmtausch aus dem Weg,
28 . . . . Da3 29. Tc2 oder 28 . . . . Df8 29. Td5 : weil sein T stärker ist als der feindliche.
usw. Imfolgenden wird die Kraft des weißen T
29. Df5-f3 deutlich.
Weiß hätte auch mittels 29.De6 : einen B 33. Ta8-b8
gewinnen können: 29 . . . . fe6 : 3 0 . Te7 Kf8 33 . . . . Kf?, um den K nicht einsperren zu
3 l . Th7. Der Textzug ist noch besser. lassen, hätte 34.Tc7+ Kf6 3 5 .Lb7 Sb7 :
29. De6-e4 3 6 . Tb7: zur Folge. Weiß steht weiterhin
Andere Züge kosten sofort einen Bauern überlegen und wird nicht viel
(29 . . . . Dg6 3 0.Td5 :). Schwierigkeiten haben, den Mehrbauern zu
30. Df3-f6 verwerten. Dennoch wäre das gegenüber
Greift h6 an und zwingt die D zurück. der Partie etwas besser gewesen.
30. De4-g6 34. Tcl-c7
Nach 30 . . . . Dh7 gewinnt Weiß mit 3 1 . Te7 Greift a7 an, so daß Schwarz nicht 34.
gleich, weil nicht nur 32. Te8+, sondern Tb2 (wegen 3 5 . Ta7 :) spielen kann.
auch 32.Lc8 : droht. 34. a7-a5
31. Df6xg6+ f7xg6 Der S kann nicht ziehen, weil auf 34.
32. Td7xd5 Sf? 3 5 . Le6 folgt. Das geringste Übel
Möglich ist auch 32.Td6. wäre 34 . . . . Kf8gewesen(3 5 . a4usw.).
32. c6xd5 35. Tc7-c5
33. Lg4xc8 Siehe Diagramm nächste Seite.

1 49
38. La4-b3
Der Bd5 ist verloren.
38. Ta2-al+
39. Kgl-g2 Kg8-f8
40. Lb3xd5
Schwarz gab auf Sein S ist vom weißen L
eingesperrt. Zieht er, wird er getauscht,
und Weiß behält mit zwei verbundenen
Trotz Angriffs auf zwei ungeschützte
Freibauern em leicht gewonnenes
Bauern kann der T keinen von ihnen
Endspiel. Wenn ein Spieler überhaupt
schlagen, bevor der Lc8 in Sicherheit ist.
keine Gegenchancen hat, bleibt ihm nichts
Andererseits kann Schwarz (außer Tbl+)
anderes übrig, als auf den Schlag zu warten
den T nicht von der 8.Reihe entfernen '

und sich darauf einzustellen. Genau das


ohne das Schlagen eines B zu ermöglichen.
geschah in dieser Partie. Man kann kaum
Auf einen Zug wie 3 5 . . . . Kg7 käme
mit Sicherheit sagen, ob ein Meister oder
3 6.Lg4 nebst Td5 : oder Ta5 : .
ein Amateur die schwarzen Steine geführt
35. a5-a4
hat, außer beim 2 1 .Zug von Schwarz, als
36. Lc8-d7
er seinem Gegner eine zweite Front anbot.
Beide Bauern sind nun ernstlich bedroht.
Ein Meister hätte das gewiß nicht getan.
36. Tb8-b2
Abgesehen davon kann man es nur als
37. Ld7xa4 Tb2xa2
Pech für den Amateur bezeichnen, daß er
in eine Lage geriet, die so schwer zu
verteidigen ist.
-------
151
Partie 14

Die Theorie der Slawischen Verteidigung


Das Auffinden eines Planes für das Mittelspiel
Die Bedeutung der Zentralisierung
Motive für den Tausch von Figuren
Die Nachteile einer „Figur außer Spiel"
Löcher in der Stellung
Turmtausch im Endspiel
Lähmung der feindlichen Figuren im Endspiel
Die Rolle des Königs im Endspiel

Zu den dringlichsten Problemen im Schach gehört die Wahl emer wirkungsvollen


Mittelspielstrategie. Sie muß auf Stellungsmerkmalen beruhen; und wenn es keine feindlichen
Schwächen zum Angreifen gibt, muß sie sich einfach daraufrichten, die gegnerischen
Versuche zum Anhäufen von Macht zu neutralisieren, die Stellung zu befreien usw.
Ein strategischer Urteilsfehler ist nicht so leicht zu bestrafen wie ein taktischer Irrtum. Hat ein
Spieler an einem gegebenen Punkt nicht die beste strategische Linie gewählt, so ist er
deswegen nicht unbedingt zwangsläufig verloren. Setzt er später richtig fort, so kann er sich
erholen und eine Stellung erreichen, in der sein leicht überlegener Gegner sich vor die
schwere Aufgabe gestellt sieht, mehr als ein Remis herauszuholen.
Die Möglichkeit, eine etwas ungünstige Stellung innerhalb der Remisgrenze zu halten, bietet
sich sowohl im Mitte 1 - wie im Endspiel an. Die folgende Partie zeigt, daß der Amateur in der
kritischen Phase, als es einen Plan zu fassen gilt, fehlgreift; sie zeigt aber auch, daß er in der
gleichen Phase an verschiedenen Punkten so spielen konnte, daß es auch für einen Meister
schwierig gewesen wäre, mehr als Remis zu erreichen.

1 52
WElß: AMATEUR SCHWARZ: MEISTER überläßt damit das Feld b4
SLAWISCHES DAMENGAMBIT dem Schwarzen. Mit späterem Lb4 wird
Schwarz den Sc3 fesseln und das Feld e4
1. d2-d4 d7-d5 kontrollieren. Amateure spielen an dieser
2. c2-c4 c7-c6 Stelle oft (wie früher auch Meister) 4 . . . .
Leitet die Slawische Verteidigung ein. Im
Lf5 . Der Nachteil, die Schwächung des
Gegensatz zur klassischen (e7-e6)
Punktes b7, tritt sofort zutage, z.B. 5 . cd5 :
vermeidet Schwarz die Einsperrung des cd5 : (das geringere Übel wäre 5 . . . . Sd5 :,
Lc8 . was dem Weißen das Zentrum überläßt)
3. Sgl-f3 6.Db3 und Schwarz hat Sorgen, denn der
Nimmt Schwarz nun das Gambit an und Bb7 ist angegriffen und der Bd5 unter
spielt 3 . . . . dc4 :, so gewinnt Weiß den B auf
Druck gesetzt. Am besten wäre noch 6 . . . .
die übliche Weise zurück: 4.e3 b5 5 . a4 e6 Lc8 (wie Capablanca gegen Alj echin
6.ab5 : cb5 : 7.b3 usw. Hat Weiß 3 . Sc3
spielte -New York 1 927), aber das zeigt,
gespielt, so ergeben sich nach 3 . . . . dc4 : wie schlecht 4 . . . . Lf5 wirklich ist. Nach 6.
andere Varianten. Schwarz kann auch in
. . . Dd7 7. Se5 fällt entweder b7 oder
diesem Fall den Bauern nicht halten:
d5 . 0der6 . . . . Db67. Sd5 :Db3 : 8 . Sf6:+ ef6 :
a) 4.e4 ! 9.ab3 : und Weiß hat einen Bauern mehr,
al) 4 . . . . b 5 5 . a4 b4 (a6? 6.ab5 : cb5 : 7 . Sb 5 : ) obwohl er noch einige Schwierigkeiten zu
6. Sa2 und gewinnt entweder den Bb4 oder überwinden hat.
den Bc4· wenn 6 . . . . b3 7. Sc3 La6, so erhält
'
5. a2-a4
Weiß den B nach 8 . Sf3 gefolgt von 9. Se5
Spielbar, wenngleich nicht besser, ist
bzw. Sd2 doch, und zwar unter noch
auch5 . e3b56.a4b4a)7. Sb1La6und Schwarz
günstigeren Umständen, zurück. a2) 4 . . . .
hält den B für eine Weile und bekommt
e5 5 . Sf3 ed4 : 6.Dd4 : Dd4 : 7. Sd4: b 5 8 . a4
Gegenspiel durch c6-c5, nachdem Weiß
b4 9. Sdl La6 1 0 . Se3 , immer mit
den B zurückgewonnen hat; b) 7. Sa2 e6
Rückerhalt des Bauern.
und der Sa2 braucht zwei Züge, um wieder
b) 4.e3 b5 5 . a4 b4 6. Sa2 mit gleichem
ins Spiel zurückzukehren. Ein Gambit ist
Ergebnis.
5 . e4 b5 (6. a4? b4).
3. Sg8-f6
5. Lc8-f5
4. Sbl-c3 d5xc4 Gegen e2-e4 gerichtet.
Für die Aufgabe des Zentrums hat Schwarz
6. e2-e3
Gegenwerte. Er droht, den Bc4 mit b7-b5
Hier wird oft auch 6. Se5 gespielt, was
zu verteidigen. Um den Bauern
nach 6 . . . . e6 7.f3 (7. Sc4 : Lb4) 7 . . . . Lb4
wiederzugewinnen, schwächt Weiß 8 . e4 Le4 : 9.fe4 : Se4 : zu einer heute sehr
gewöhnlich seine Stellung mit 5 . a4 und
beliebten Opfervariante

153
führen kann, die für beide Seiten schwer zu zu spielen: Zentralisierung m der Er­
behandeln ist. Ob es jemals zu ihrer öffnungsphase.
endgültigen Klärung kommt, bleibt die Weiß sollte daher entweder 9 .De2 (gefolgt
Frage. von e3 -e4) oder 9. Se5 (Vorbereitung von
6. e7-e6 f2-f3 und e3 -e4) spielen. Der letztere Zug
7. Lflxc4 Lf8-b4 wird mit 9. . . . c5 beantwortet, was das
Folgerichtig gegen den Punkt e4 gespielt. weiße Zentrum neutralisiert. Man
An dieser Stelle haben beide Parteien drei vergleiche die Stellung am Ende dieser
Figuren entwickelt; diesmal ist es j edoch beiden Varianten: a)9. Se5c5 1 0 . Sa2La5
der we iße Damenläufer, der unentwickelt l l . dc5 :Ddl: 1 2 . Tdl: Lc7 mit gleichem
geblieben ist. Beide schwarzen Läufer sind Spiel, b) 9 .De2. Nun kann Schwarz nicht
gut herausgekommen, und das bedeutet ein auf dieselbe Weise ausgleichen: 9 . . . . c5?
gewisses Gegengewicht gegen die (besser ist Lg4 oder Se4) 1 0 . Sa2 La5
Mehrheit des Weißen in der Mitte. l l . dc5 : Sc6 12. Tdl De7 1 3 . Sd4Tfd8 1 4.b4 !
8. 0-0 0-0 und Weiß gewinnt. 1 4 . . . . Lb4 : kostet nach
1 5 . Sc6 :bc6 : 1 6 . Sb4 : eine Figur. 1 4 . . . . Sb4 :
1 5 .Ld2 ist verwik-kelt; Schwarz verliert
aber auch dabei Material, z.B. 15.
. . . Dc5 : (Sc6 1 6. Sc6 : bc6 : l 7.La5 :) 1 6 . Sb3
Db6 l 7. Sa5 : usw.
9. Dd8-e7
Schwarz verteidigt zugleich den Lb4 und
den Bb7. Das ist notwendig, weil auf 9 . . . .
Wir haben nun eme Mittelspielstellung
a5 1 0 . Sa2 ! stark wäre und den Tausch des
erreicht, in der Weiß versuchen muß, einen
Lb4 erzwänge. Weiß hat irrtümlich
guten Plan zu finden. Er erkennt, daß der
geglaubt, Schwarz müsse 9 . . . . Lc3 : spielen.
Lb4 hängt und der Bb7 ungedeckt ist, und
Es gibt eine Anzahl von Gründen für
spielt
Schwarz, hier nicht zu tauschen. Erstens
9. Ddl-b3
aus strategischer Sicht:
In der Hoffnung, den Tausch des Lb4 zu
a) Man tausche nie Läufer gegen Springer,
erzwingen oder den Bb7 zu erobern. Weil
wenn keine bedeutsamen Erwägungen
das aber nicht zu erreichen ist, wäre es
dafür sprechen.
richtig gewesen, nach dem allgemeinen
b) Stärke nicht das gegnerische Zentrum
strategischen Grundsatz
(9 . . . . Lc3 : 1 0.bc3 : ! und Weiß hat eine
stärkere Bauernmitte).
c) Öffne keine Linien für den Gegner (nach
Lc3 : 1 0.bc3 : kann der Lc 1 , bis- her untätig, nach a3 ziehen; später kann
auch die offene b-Linie für den Turm
wichtig sein).
Außerdem ist der Tausch aus taktischer
Sicht, nämlich wegen 1 0 .Db7 : ! , verfehlt.
10. Lcl-d2
Die Zusammenhänge sind m dieser
schwierigen Stellung für den Amateur
nicht leicht zu erkennen. Nach der
naheliegenden Antwort 1 0. Sbd7 wäre
l l . e4 ! sehr stark, denn Se4 :
12. Se4 :kosteteineFigur,Le4 : 12. Se4 :
ebenfalls, und l l . . . . Lc3 : 1 2 . ef5 :Ld2 :
1 3 . Sd2 : ef5 : 1 4.Db7: ist günstig für Weiß.
An dieser Stelle würde 1 0 . Sa2 nach dem
Grundsatz der Zentralisierung mit 1 0 . . . .
Ld6 beantwortet werden. Schwarz kann
j etzt so spielen, weil sein Bb7 geschützt ist.
10. a7-a5

Sichert den Lb4 noch einmal und ver­


hindert so e3 -e4.
11. Tfl-dl?
Einer der für den Amateur typischen
Irrtümer. Er macht eben einen Wartezug
ohne bestimmtes Ziel. Steht der

155
Turm auf dl besser als auf fl? Das ist a) Weiß erhält eine befriedigende Stellung
zweifelhaft. In manchen Abspielen könnte nach 1 1 . . . . Ld6 12. Sg3Lg6(Lg4 1 3 . Se5 ist
der Fesselungszug Lg4 für Weiß Sorgen vorteilhaft für Weiß wegen 1 3 . . . . Le5 :
bringen. Die Stellung ist kritisch, und 1 4 . de5 : Sfd7 1 5 .Db7: ! ) 1 3 .Lc3 , denn 1 3 . . . .
beide Parteien versuchen, die Lage in der Sbd7 1 4.Db7: (man beachte den
Mitte zu ihren Gunsten zu klären. 1 1 . Tfdl Unterschied zwischen diesem Zug und
? erreicht nichts und ist daher nur 1 3 .Db7: nach 12. . . . Ld6 wie in der
Zeitverschwendung. In manchen Partiefolge) gestattet dem Schwarzen
Stellungen ist ein Wartezug zweckmäßig, höchstens Remis nach 1 4 . . . . Tfb8 1 5 .Dc6 :
um zu sehen, was der Gegner zu tun Tc8 1 6.Db5 Tab8 l 7.Da6 usw. Schwarz
gedenkt; aber niemals ist das in einer würde nach 1 3 .Lc3 fortsetzen mit 1 3 . . . . c5
kritischen Stellung der Fall, in der bestimmte nebst 14 . . . . Sc6.
Ziele verwirklicht werden müssen. Hätte 11. Sb8-d7
Weiß 1 1 . Tfe 1 mit der Drohung e3 -e4 Bereitet e6-e5 vor und verbindet die
gespielt, wäre die Sache ganz anders. Ob Türme. Das ist nützlich für Verteidigungs­
gut oder schlecht, jedenfalls entspräche der und Angriffszwecke.
Zug den Stellungsmerkmalen. Nach 1 1 . . . . 12. Sc3-a2(?)
S8d7 1 2 . e4 Lg4 1 3 . e5 Sd5 1 4.Lg5 wäre es Um den Läufertausch herbeizuführen. Der
schwierig, die Aussichten abzuschätzen. Sa2 ist aber nun vollständig außer Spiel.
Das bedeutet nicht, daß 1 1. Tfel derrichti" - Viel besser wäre immer noch 12. Se2 Ld6
ge Zug gewesen wäre - er wäre lediglich 1 3 . Sg3 Lg4 1 4.Db7: und Schwarz muß mit
eine der Möglichkeiten und verdient 1 4 . . . . Tab8 1 5 .Da6 ( 1 5 .Dc6 : ? Tb6 ! ) 1 5 . . . .
untersucht zu werden. Eine nähere Ta8 usw. Remis erzwmgen. Man
Untersuchung der Stellung führt zu dem vergleiche die Stellung des S auf a2 in der
Schluß, daß die folgende strategische Partie mit der des gleichen S auf g3 nach
Spielweise am besten ist: 12. Se2.
a) Weiß sollte planen, den Sc3 nach g3 zu 12. Lb4-d6
bringen, wo er ebenfalls auf e4 wirkt, nicht
getauscht werden kann und eine Reaktion
des Lf5 erzwingt;
b) Weiß sollte den Ld2 wirksamer nach c3
stellen.
Die strategischen Züge des Weißen wären
also Sc3 -e2-g3 und Lc3 . Man überzeuge
sich, daß 1 1 . Se2 zu einer Stellung führt, in
der Schwarz keinen Vorteil hat:
Schwarz: wird nun in der Lage sein, eine a) Nach 1 3 . . . . Lg4 oder 1 3 . . . . Se4 lebt die
klare Überlegenheit in der Mitte zu Möglichkeit 1 4.Db7: wieder auf Siehe das
erlangen. Er beherrscht e4, und Weiß kann Abspiel beim 12.Zug unter 12. Se2.
ihn nicht daran hindern, e6-e5 zu spielen. b) Schwarz möchte seinen Einfluß auf e4
Sein Vorteil ist j edoch geringfügig, wie so nicht verlieren.
viele Stellungsvorteile in dieser Art Eröff­ c) Schwarz ist gern einverstanden, den
nung. guten Ld3 zu tauschen, nicht aber damit,
Weiß muß sich nun nach einem Weg zum den schlechten Ld2 gegen den Ld6
Ausgleich umsehen. Man beachte, daß einzuhandeln. Man vergleiche das mit dem
1 3 .Db7: ?(das nach 12. Se2zum Remis 1 2.Zug von Schwarz, als er seinen guten
geführt hätte) hier an 1 3 . . . . Tfb8 14.Dc6 : Läufer zurückzog.
Le4 1 5 . d5 Lf3 : 1 6.gf3 : Se5 scheitert. Weil 14. Db3xd3 e6-e5
es keine Möglichkeit für Weiß gibt, das
drohende e6-e5 zu vermeiden, das den Sf3
beseitigen und den weißen K-Flügel einem
starken Angriff aussetzen wird, beschließt
Weiß, semen verhältnismäßig Wlf­
kungslosen Lc4 nach d3 zu bringen. Nach
Abtausch auf d3 käme die D zur
Verteidigung in die Mitte und stärkt auch
das Feld e4. Der Befreiungszug. Untersuchen wir seine

13. Lc4-d3 Einwirkung auf die Stellung:


Es wäre jedoch besser gewesen, den a) Schwarz besetzt das Mittelfeld e5,
gleichfalls angreifenden Zug Lc3 zu während bis hierher nur Weiß einen B in
machen, der nach 1 3 . . . . e5 14.de5 : Se5 : der Mitte hatte, auf d4.
1 5 . Se5 : Le5 : 1 6.Le5 : De5 : zu allgemeinem b) Er erzwingt einen Tausch der Bauern
Abtausch geführt hätte, wonach nicht mehr und Figuren in der Mitte und erhöht so die
viel in der Stellung ist. Um dies zu Wirksamkeit der schwarzen Figuren.
vermeiden, könnte Schwarz 1 3 . . . . Se4 c) Er vergrößert den Raum des Schwarzen.
spielen, um zuerst seinen S gegen den L zu d) Er schwächt die Verteidigung des
tauschen und erst dann den Be6 vorzu­ Weißen, weil er zum Abtausch des Sf3
stoßen. führt, der besten Verteidigungsfigur des
13. Lf5xd3 weißen K-Flügels. Manbeachte, daß
Schwarz tauscht aus mehreren Gründen: Schwarz selbst tauschen kann, falls Weiß
die Spannung

157
aufrecht erhält. Aber noch wirkungsvoller chen, die D nach h3 und den S nach g4 zu
ist die Drohung e5-e4. Nach 1 5 .De2 e4 befördern. Man sehe, wie zwecklos der
1 6 . Sei ist der Sf3 aus seiner starken Sa2 ist.
Stellung vertrieben, und Schwarz kann Im Augenblick droht Weiß allerdings, mit
einen überzeugenden Angriff aufbauen mit 1 8 .Lc3 eine Figur zu gewinnen. Besonders
1 6 . . . . Sd5 und etwa 1 7 . . . . f5 . Aus diesen 1m Mittelspiel muß man sem
Gründen ist Weiß gut beraten, zu tauschen. Hauptaugenmerk daraufrichten, welche
15. d4xe5 Sd7xe5 Drohungen aufzustellen und welche zu
16. Sf3xe5 parieren sind.
Vorzuziehen war wohl 1 6.De2 Sf3 :+ (bei 17. Sf6-e4!
1 6 . . . . Tfd8 vereinfacht 1 7 .Lc3) 1 7 .Df3 :
Se4 oder 1 7 . . . . De5 1 8 .Dg3 , und die
Schwächung der weißen IC-Stellung ist
nicht zu erzwingen.
16. De7xe5
Weiß ist nun genötigt, die Bauernstellung
vor seinem K auf irgendeine Art zu
schwächen, entweder mit l 7.f4 oder l 7.g3 .
Ein besonders guter Zug, weil er viererlei
Spielt er l 7.f4, antwortet Schwarz 1 7 . . . .
vollbringt: a) er pariert die Drohung
De7 und hält den Punkt e4 unter Kontrolle.
1 8 .Lc3 ; b) er bereitet Se4-g5-f3 (h3) vor; c)
Das ist schwerwiegend, denn Weiß hat den
er schützt den Ld6 und d) er räumt f6 für
schlechten L, der durch die Bauern e3 und
die schwarze D, von wo aus sie f2
f4 eingesperrt ist, und solange Schwarz e4
angreifen kann.
beherrscht, kann Weiß den Be3 nicht
18. Sa2-c3
vorstoßen. Wir bemerken ferner, daß l 7.f4
Der S soll in den Kampf eingreifen. Es gibt
De7 1 8 .La5 : beantwortet
j edoch eine schärfere Spielweise: 1 8 .Lc3
würdemitTa5 : 1 9.Dd6 :Dd6 :20.Td6 : Ta4 :
Sc3 : 1 9.Dd6 : ( 1 9 . Sc3 : Lb4 ist ein wenig
und die Fesselung auf der a-Li-nie ist
günstiger für Schwarz) 1 9 . . . . Dd6 : 20.Td6 :
tödlich.
Sa2 : 2 1 . Ta2 : Tad8 mit leicht überlegenem
17. g2-g3
Endspiel für Schwarz, der die d-Linie
Wie immer in Stellungen dieser Art,
beherrschen wird.
verursacht dieser Zug Löcher in der
18. Se4-c5
Rochadestellung. Die Felder f3 und h3 sind
Schwarz kann nicht tauschen, weil er nach
so geschwächt, daß sie von schwarzen
Sc3 : 1 9 .Lc3 : den Ld6 verlöre.
Figuren besetzt werden könnten. Hier
könnte Schwarz versu-

158
Außerdem geht er dem Tausch aus d-Linie mit 20.Le 1 , antwortet Schwarz 20.
strategischen Gründen aus dem Weg -der S . . . Tfd8 und steht für De6-b3 bereit. Weiß
ist nützlich wegen der geschwächten kann das Eindringen am Damenflügel nicht
Bauernstellung des Weißen. vermeiden, sondern nur versuchen, die
Die Alternative 1 8 . . . . Sg5 kostet nach 1 9 . f4 Folgen zu mildern. Am besten wäre hier
eine Figur: a) 1 9. . . . Sf3+20.Kg2 Dh5 20. Se2, um den L auf das wirksamere Feld
2 1 .De2 (nicht 2 1 . dd6 : ? Tad8 nebst Sd2:); c3 und den S nach d4 zu bringen.
b) 1 9 . . . . Sh3+ 20.Kg2 De6 (Dh5 2 1 .Dd6 :) 20. Tf8-d8
2 1 .f5 Dh6 22. e4 Dh5 23 .Dd6 : . Schwarz konnte sofort 20 . . . . Db3 spielen.
Bitte beachten Sie, daß die weißen Felder Er zieht es vor, zuerst auf der d-Linie
in der weißen Stellung schwach sind; es Posten zu beziehen.
sind Löcher auf beiden Flügeln vorhanden. 21. e3-e4 (?)
Man fühlt hier den Wert des guten Läufers In strategischer Hinsicht ermöglicht dieser
zum Schutz dieser weißen Felder. Zug dem Weißen, Schwächen am K-Flügel
19. Dd3-c2 zu beseitigen (dazu ist noch f2-f3 nötig)
Weiß möchte den Gegner daran hindern, und seinen L zu befreien. Wie j edoch die

b3 zu besetzen. Nach 1 9.Dfl erreicht Folge zeigt, führt er praktisch zum Verlust

Schwarz erheblichen Druck auf die weiße eines Bauern. Mit 2 1 .Lei war das zu ver­

meiden, z . B . 1 . . . . Db5 22. De2.


Stellung mit 1 9 . . . . Sb3 , etwa 20. Tabl Lb4
2 1 .Dc4 De6 21. De6-b3

22.De6 :fe6:23 . Se4Tad824.Lb4 : ab4 :


2 5 . Td8 : Td8 : und Weiß ist so eingeengt,
daß er kaum atmen kann.
19. De5-e6
Schwarz beabsichtigt nun, zur Besetzung
von b3 oder d3 zu kommen. Der Druck auf
die weiße Stellung wird zur Beherrschung
der d-Linie oder zur Eroberung eines Nun scheint der Bauer nicht mehr zu
Bauern führen, wie aus dem Partieverlauf retten:
hervorgeht. 1) 22.DM Le5
20. Kgl-g2 la) 23 . Ta3 Dc4 !
Er möchte Dh3 nicht zulassen. Zwar war lal)24. f3Lc3 : nebst De2+
das im Augenblick nicht das Vorhaben des la2) 24.b3 Db4 25 . Sb5 De4:+
Schwarzen, könnte es aber jederzeit
werden. Räumt Weiß die

159
l a3)24.Le3 Tdl.25 .Ddl: Se4 : Weiß hat nun drei Möglichkeiten:
1 b)23 . f4Lc3 : a) Überhaupt keinen T zu tauschen: 26.Tbl
l b l ) 24.Lc3 : Tdl: 25 .Ddl: Ddl: Kf8 . Das ist wahrscheinlich am besten.
26. Tdl: Sa4 : 27.La5 : Sb2 : ! b) Beide Türmezu tauschen: 26. Td8 :+ Td8 :
lb2) 24.bc3 : Dc4 und die Drohung 27. Tdl Tdl: 28. Sdl: Schwarz muß dieses
De2+ läßt eine Verteidigung des Be4 Endspiel sehr sorgfältig spielen, wenn er
nicht mehr zu. den gewonnenen B erfolgreich verwerten
2) 22. Tdcl Le5 23 . f3 (23 . Ta3 Dc2 : wi 1 1 . Diese Variante wird nach dem
24. Tc2 :Lc3 :25 .Lc3 : Se4 :)23 . . . . Dc2 : 24.Tc2 : 26.Zug untersucht.
Sb3 25. Tdl Lc3 :26.bc3 : Td3 27.Tb2 Sc5 c) Einen T zu tauschen; dies überläßt dem
und Schwarz bleibt um mindestens einen Schwarzen j edoch die d-Linie und
Bauern im Vorteil, z.B. 28. Ta2 Tad8 verschafft ihm einen zusätzlichen Vorteil.
29.Kf2 Sa4 : oder 28 .Kf2 Sa4 : 29.Tb7 : ? InT-Endspielen wird die stärkere Seite die
Sc3 : usw. Türme tauschen, wenn im übrigbleibenden
Daher spielt Weiß Leichtfigurenendspiel ihr König besser
22. Dc2xb3 Sc5xb3 steht als der feindliche. Das wäre bestimmt
23. Tal-bl Ld6xg3 der Fall, wenn ihr K in die feindliche
Der Abzugsangriff auf den Ld2 bringt Stellung eindringen kann, was mit Türmen
schließlich einen B ein. selten möglich ist.
24. h2xg3 26. Tdlxd8+ Ta8xd8
Zu erwägen war 24. Lg5 . Schwarz setzt Angenommen, Weiß erzwänge nun den
mit 24 . . . . Td l : 25. Td l : Le5 fort. Tausch der verbleibenden Türme durch die
24. Sb3xd2 Drohung, die d-Linie zu beherrschen:
Schwarz nimmt nicht mit dem Turm, weil 27. Tdl Tdl: 28. Sdl:, so scheint es, daß der
er auf diese Weise die aktive Verwendung schwarze K auf geradem Weg
des Tbl verhindert, die 24 . . . . Td2 : 25. Td2 : vormarschieren kann. Untersuchen Wlf

Sd2 : 26. Tdl zeigt. aber die Stellung etwas sorgfältiger.


25. Tbl-cl Sd2-b3 a) 28 . . . . Kf8 29.Kf3 (?) Ke7 3 0.Ke3 Kd6
und der weiße K kann nicht mehr näher
kommen, weil 3 l .Kd3 Sc5+ einen weiteren
Bauern verlöre, und Schwarz gewinnt
leicht. Aber es gibt den Gegenangriff 29.
Se3 ! , z.B. 29 . . . . Sc5 30. Sc4 ! Sa4 : 3 1 . Sa5 :
Sb2 : 32. Sb7 : oder 29 . . . . Ke7 30. Sf5+ und
der Kö-
mg muß mit 30. . . . Kf6 den Bg7 ver­ 29. Tc2-f2 Sb3-d2
teidigen, worauf 3 1 . Sd6 folgt. Der
Bauerntausch führt nicht zu einem klaren
Gewinn.
b) 28 . . . . Sc5 ! 29. Sc3 Kf8 (erst nachdem er
den weißen S festgebunden hat; Schwarz
könnte allerdings auch29. . . . Sd3 30. Sdl
einschalten) 3 0.Kf3 Ke7
3 l .Ke3Kd632.Kd4Se6+3 3 .Kc4.Der weiße
Schwarz hat einen sehr einfachen Plan:
K muß sich zu weit vom K-Flügel
zuerst will er so viele weiße Figuren wie
entfernen, um das Eindringen des
möglich binden und dann soll sein K
Schwarzen am D-Flügel zu verhindern.
vorrücken. Der Textzug greift f3 an und
Man beachte, wie schlecht der weiße S für
eröffnet Aussichten wie Sd2-c4-e3+. Der
den Gegenangriff postiert ist (als Ergebnis
Sc3 kannnurnach a2 ziehen, wo er
des 28.Zuges). 3 3 . . . . g5 ! (Droht h7-h5-h4).
wirkungslos steht.
In Springerendspielen entscheidet oft der
30. g3-g4
entfernte Freibauer. Nach 34.g4 kann der
Sonst könnte Schwarz mit h7-h5 und g7-g5
schwarze K am K-Flügel eindringen, Ke5
fortsetzen, um sich nach weiterer
usw.
Vereinfachung einen Freibauern zu
Alles m allem hätte Schwarz nach dem
verschaffen.
Tausch aller Türme noch „technische"
30. Sd2-c4
Schwierigkeiten zu überwinden. Weiß
31. Kg2-g3 Sc4-e5
wählt j edoch die ungünstigste der drei
Der schwarze S steht auf dem Zentralfeld
Möglichkeiten und spielt
besser, wo er die weißen Figuren bindet
27. Tcl-c2
und eventuell die Besetzung von f4
Wichtig ist, daß Schwarz nun zwei Vorteile
vorbereitet. Schwarz darf
aufweist: er hat emen Bauern
nicht3 1 . . . . Sb2 :32.Tb2 : Tc3 : 3 3 .Tb7:
mehrundbeherrscht eme offene Linie mit
spielen. Das würde das weiße Spiel
dem Turm. Es ist schwierig, sich gegen
befreien und ihm Gegenchancen
zwei Waffen gleichzeitig zu verteidigen.
einräumen. Das Geheimnis für den
Im Schach sind zwei Vorteile größer als
schwächeren Teil im Endspiel heißt
zweimal ein Vorteil.
Gegenangriff! In Stellungen wie dieser ist
27. f7-f6
sogar em erheblicher Vorteil stark
28. f2-f3 Td8-d3
entwertet, wenn man dem Gegner
Droht Bauerngewinn durch die Wendung
irgendeine Initiative gewährt.
29 . . . . TD : 3 0.Kf3 : Sd4+.

161
32. Kg3-g2 g7-g5 Kd4 3 9 . Th7 : Td2 (analog der vongen
Schwarz sichert sich das Feld f4. Er denkt Variante) ist der Rettungszug 40 . Td7+
an Se5-g6-f4+. Ist dann der weiße K nach möglich.
g3 gezwungen, ergeben sich Mattgefahren, 38. Sc3-a2 Ke6-e5
wie später offensichtlich wird. Jetzt kann der K vorrücken.
33. Kg2-g3 Se5-g6 39. Sa2-c3 Ke5-d4
Schwarz hätte sofort seinen K nach vorn 40. Sc3-a2 Kd4-c4
bringen können; das bedeutet j edoch Man bemerke, daß der weiße T allzeit
keinen großen Unterschied. Es ist gleich, mittelbar gebunden ist, denn j eder Zug
ob der weiße T durch Angriff gegen f3 könnte mit Sh4 oder Se5 beantwortet
gebunden wird oder indirekt durch werden. 40 . . . . Ke3 fände die Erwiderung
Mattdrohungen. 4 1 . Sei, und Weiß bekäme eimge
34. Sc3-a2 Gegenchancen.
Weiß ist hilflos. Er muß abwarten, was der 41. Sa2-c3 Kc4-b3
Gegner unternimmt. 42. Kg3-g2 Sg6-e5
34. Sg6-f4 43. Kg2-g3 Se5-c4
Solange der S hier steht, kann der weiße T
nie zu einem Gegenangriff kommen, weil
Td3 -d2-g2 matt droht.
35. Sa2-c3 Kg8-f7
Dem K sind nun, da der weiße K un­
beweglich ist, keine Steine mehr in den
Weg zu rollen.
36. Sc3-a2 Kf7-e6
Bevor er seinen K in die Mitte bewegt,
mußte Schwarz 3 7 . Th2 Ke5 ! 3 8 . Th7 : Td2
3 9 . Th2 Se2+ 40.Kh3 (sonst Scl+) 40 . . . .
Tb2 : 4 1 . Sc3 Sgl+ 42.Kg3 Th2 : 43 .Kh2 :
Sf3 : + und gewinnt in seine Berechnungen
einbeziehen.
37. Sa2-c3 Sf4-g6
Um 3 8 . Th2 mit Sh4 beantworten zu
können. Nach 3 7 . . . . Ke5(?) 3 8 . Th2
Nun fällt der Bb2 und anschließend auch
a4. Weiß gab auf Nur eine Variante, um
zu zeigen, wie nahe Gewinn und Remis
beieinander stehen: 44. Th2 Sb2 : 45. Se2 a)
45. Sa4 : ?? 46. Scl+ b)45 . . . . Td2?
46. Scl+Kc2 47. Td2:+ Kd2 : 48. Sb3+ mit
Remischancen;
c) 45 . . . . Ka4 : ? 46. Scl Tdl 47.Tb2 : Tel:
48.Tb7: mit Remischancen;
d) 45 . . . . Td7 ! mit leichtem Gewinn, denn
Schwarz hat den Gegenangriff auf der h­
Linie vermieden. Weiß kann den Verlust
des Ba4 nicht mehr abwenden
(46. Scl+Ka3), und Schwarz behält drei
verbundene Freibauern mehr am
Damenflügel.
Der hauptsächliche Unterschied zwischen
Amateur und Meister in dieser Partie liegt
in dem Grad, wie j edervon ihnen die
Stellung unmittelbar nach der Eröffnung
behandelt. Der Amateurversäumt, eigene
Pläne zu fassen, erkennt die Pläne des
Meisters nicht und begegnet ihnen nicht
auf die richtige Weise.

1 63
164 -------
Partie 15

Die Theorie der Caro-Kann-Verteidigung


Das Mittelspiel planen
Ausnützung einer hängenden Figur
Scharf berechnete Taktik, um die Initiative festzuhalten
Schwächung der feindlichen Königsstellung
Planen des Mattnetzes
Ablenken einer Figur von einer kritischen offenen Linie

In fast jeder Partie kommt die Zeit, wo eine Phase vorüber ist und eine andere beginnen soll,
wo keine dringenden taktischen Probleme bestehen und der Spieler sich fragen muß : „Was
soll ich als nächstes tun? In welcher Richtung soll die Partie weitergehen? " Ein solcher
Zeitpunkt könnte „Augenblick der Entscheidung" genannt werden, in dem ein Plan
beschlossen werden muß, der oft rein strategisch, manchmal aber auch taktisch ist.
Mit Entscheidung meinen wir das Entwerfen eines allgemeinen Plans, wie das Spiel
fortzusetzen ist. Sie wird gewöhnlich gefällt, wenn die Dinge verhältnismäßig ruhig
verlaufen, wenn keine Figuren einstehen, keine feindlichen Drohungen, keine angespannte
taktische Lage, die den Vorrang beansprucht, bestehen.
Manchmal ist es möglich, einen Plan für die ganze Partie zu fassen, gewöhnlich aber wird die
Entscheidung nur für eine Partiephase getroffen, die, sagen wir, fünf bis zehn Züge umfaßt.
Sobald sich ein Spieler klar geworden ist, daß der Augenblick der Entscheidung gekommen
ist, muß er die Stellung sorgfältig von allen Seiten aus untersuchen. Er muß seine eigenen
Stärken und Schwächen und die seines Gegners abschätzen und die Einzelheiten der Stellung
wägen, wie Bauernverteilung, Platz des gegnerischen Königs, offene und halboffene Linien
usw. Der Plan wird auf einer oder mehreren allgemeinen Ideen fußen - Ziele, die anzustreben
sind. Ein zielbewußtes Vorgehen ist nur möglich, wenn ein Spieler ein bestimmtes Ergebnis
vor Augen hat. Wer es versäumt, einen Plan zu fassen, wandert ziellos von Zug zu Zug oder
verläßt sich auf rein taktische Augenblicks-Gegebenheiten, die ihm Vorteil einbringen
könnten. Nicht daß ein Plan unabänderlich ist, wenn man ihn einmal gefaßt hat. Was der
Gegner tut und die taktischen Erfordernisse des Augenblicks können die Lage ändern, so daß
ein Spieler immer bereit sein muß, seinen Plan zu überprüfen, zu ändern oder ihn vollständig
zu wechseln, falls die Umstände es erfordern. Wichtig ist, Ziele zu haben und einen Plan, sie
zu erreichen.
Manchmal ist die Stellung so, daß ein einziger Plan sich aufdrängt - keine andere Fortsetzung
wäre ebenso logisch. Ein anderes Mal - und das ist natürlich

1 65
der kompliziertere Fall - mögen mehrere Pläne brauchbar sein. In diesem Fall ist die Wahl
teils vom verhältnismäßigen Wert der verschiedenen Möglichkeiten abhängig, teils vom
Temperament des Spielers, ob er z.B. ein Angriffsspiel mit Risiken und Opfern vorzieht oder
eine positionelle Lösung, die den Gegner langsamer, dafür umso sicherer zu Boden wirft.

WElß: MEISTER SCHWARZ: AMATEUR


CARO-KANN

1. e2-e4
Schwarz hat nun die Auswahl. Er kann
a) ebenfalls mit 1 . . . . e5 die Mitte besetzen
(das Vorspiel vieler Eröffnungen)
b) d7-d5 vorbereiten (Französisch, Caro­
Kann)
c) den Be4 beunruhigen ( 1 . . . . Sf6, Alj
echin-Verteidigung)
d) eine unabhängige Gegenaktion am
Damenflügel beginnen mit 1. c5
(Sizilianisch)
e) sich gar nicht um die Besetzung des
Zentrums kümmern (Fianchetto-Ver­
teidigung)
1. c7-c6
Schwarz bereitet einen Stoß gegen das
weiße Zentrum mit d7-d5 vor. Er könnte
auch sofort 1. ... d5 spielen (Skan­
dinavisch), jedoch nicht ohne emen
gewissen Nachteil in Kauf nehmen zu
müssen. Als Vorbereitung hat 1 . . . . c6
gegenüber 1.... e6 (Französisch) den
Vorteil, daß der Lc8 nicht eingesperrt
bleibt, dagegen denNachteil, dem Sb8 das
natürliche Feld c6 zu nehmen und ein
Tempo für die Entwicklung zu verlieren.
Unter Entwicklung versteht man einen der
folgenden Züge: a) Herausbringen einer
Figur; b) die

1 66
Rochade; c) ein Bauernzug, der eine Linie den Lc8 nach f5 zu kommen, ein Zug, der
für einen Läufer öffnet. Daher ist e7-e6 ein einen wichtigen Zweig des klassischen
Entwicklungszug, c7-c6 nicht. Abspiels bildet. Setzt Schwarz nun mit 3 . . . .
2. Sbl-c3 d4 fort, so folgt 4. Se2 c5 5 . d3 , gefolgt von
Der traditionelle Zug ist 2.d4, der Besitz 6.g3 usw. Weiß spielt dann Königsindisch
vom Zentrum ergreift. Der Textzug beruht mit vertauschten Farben und zwei Tempi
auf dem Gedanken, daß Weiß 1m mehr: a) das Anzugstempo, b) der durch
Augenblick den Punkt d4 nicht zu besetzen c7-c6-c5 verursachte Zeitverlust. Schwarz
braucht. Wenn er d2-d4 aufschiebt, erhält sieht sich nun nach einer annehmbaren
er beträchtlichen Entwicklungsvorsprung, Fortsetzung um. Er überlegt: a) 3 . . . . Sf6 ist
der ihm baldige Aktivität verheißt und in möglich, aber nicht leicht nach 4. e5 Se4; b)
manchen Fällen ein sehr wichtiges Tempo 3 . . . . Lg4 ist befriedigend nach 4.h3 Lf3 :
gewinnt (siehe Bemerkung nach 4. Se4:). (nicht Lh5 5 . g4 Lg6 6.ed5 : cd5 : 7.h4 ! h6
2. d7-d5 8 . Se5 usw. - sehr lehrreich) 5 .Df3 : und
3. Sgl-f3 Weiß hat die zwei Läufer, doch dies ist
keine offene Partie, in der die Läufer am
brauchbarsten sind; die Chancen sind
gleich; c) 3 . . . . e6 hemmt den Lc8 ; d) 3 . . . .
de4 : bricht die Spannung, bringt jedoch
den Sc3 in eine bessere Stellung. Im
allgemeinen lieben Amateure keine
ungelösten Spannungen auf dem Brett.
Daher wählt er
Diese Fortsetzung ist vielseitiger als das 3. d5xe4
klassische Abspiel, das immer noch mit 4. Sc3xe4
3 . d4 zu erreichen war. Wie beim 4.Zug Wie soll Schwarz nun spielen? Im
gezeigt wird, hindert sie klassischen Abspiel (l. e4 c6 2.d4 d5 3 . Sc3
de4 : 4. Se4:) setzt Schwarz oft
wirkungsvoll mit 4 . . . . Lf5 und dann 5 . Sg3
Lg6 6.h4h6 7 . Sf3 Sd7 ! fort und verhindert
damit 8 . Se5 . Im Text j edoch wäre 4 . . . . Lf5
fragwürdig, weil Weiß schon seinen S auf
f3 statt gl wie in der klassischen Variante
hat. Es würde dann weitergehen: 5 . Sg3
Lg6 (gerade noch spielbar ist 5 . . . . Lg4)
6.h4 h6 7. Se5 (das kann Schwarz 1m
klassischen Abspiel, wie oben gezeigt,
verhindern) 7 . . . . Lh7 8 .Dh5 g6 9.Lc4 ! mit Weiß mußte vor diesem Zug die Vor-und
Mattdrohung. Weiß hat eine mächtige Nachteile abwägen. Dafür: der Abtausch
Entwicklung; der Lh7 ist nutzlos, und wäre für Schwarz günstig gewesen, der
Weiß hat andere Drohungen, die die weniger Raum beherrscht. Dagegen: der
schwarze Stellung weiter behelligen. Zug verliert ein Tempo, denn der S steht
Die Theorie gibt u.a. 4 . . . . Lg4 an(5 .h3 Lf3 : auf g3 gewiß nicht besser als auf e4.
usw.), oder die Textfortsetzung: 7. Lf8-e7
4. Sb8-d7 8. d2-d4
Heute sehr populär. Schwarz will Sg8-f6 Der richtige Zug zur rechten Zeit. Weiß
fortsetzen und die Verdopplung der Bauern entwickelt diesen wichtigen Bauern,
auf f6 vermeiden. Das Problem des besetzt die Mitte, erlangt Kontrolle über c5
unentwickelten Lc8 wird gelöst durch und e5 und befreit den Lei. Zuvor war es
baldiges c6-c5 und b7-b6. wichtig, eine Anzahl von Figuren in den
5. Lfl-c4 Kampf zu werfen. Nun ist es Zeit, die
Oder 5 . d4 nebst 6.Ld3 . Der Textzug Mitte zu besetzen. Ein gutes Beispiel
wendet sich gegen den wunden Punkt f7. modernen Schachdenkens.
Wenn Schwarz nicht e7-e6 spielt, kann er 8. 0-0
früher oder später auf den Punkten f7 oder 9. Ddl-e2
e6 ins Gedränge kommen; z.B. 5 . . . . b6?? Die D übt Druck auf der e-Linie aus,
6.Lf?:+ Kf? : 7. S3g5+ Ke8 8 . Se6 und schützt die 2.Reihe, macht die 1 . frei für
erobert die Dame. 5 . . . . Sb6 könnte wie freie Bewegung der Türme und räumt dl
folgt Schwierigkeiten bringen: 6.Lf7:+Kf7 : für einen Turm.
7. Se5+ Ke8 8 .Dh5+ g6 9. Sg6 : hg6 : 9. c6-c5
1 0.Dh8 : oder 9 . . . . Sgf6 1 0 . Sf6 :+ef6 : 1 1 . Schwarz hat den c-Bauern ein zweites Mal
Sh8 :+. Auch auf 5 . . . . Sgf6 hat Weiß die gezogen; dieser Zeitverlust war jedoch
Chance, einen Angriff zu starten mit unvermeidbar. Das ursprüngliche c7-c6
6. S3g5 e6 7 . Sf? : Kf? : 8 . Sg5+. Es ist nicht war nötig, um d7-d5 vorzubereiten; j etzt ist
sicher, ob der Angriff durchdringt, aber der c6-c5 erforderlich, um das weiße Zentrum
schwarze König steht unbequem, so daß zu neutralisieren.
Schwarz manche Probleme zu lösen hat. Ein Tempo im Mittelspiel ist im all­
Also erzwingt Lc4 mehr oder weniger die gemeinen weniger bedeutsam als in der
Einschließung des Lc8 . Eröffnung. Wenn der zweiteilige
5. e7-e6 Doppelzug zwei verschiedenen Ge­
6. 0-0 Sg8-f6 sichtspunkten folgt, sollte man ihn m

7. Se4-g3 Erwägung ziehen und sich vergegen-

1 68
wärtigen, daß er den Gegner auf bestimmte Punkte in der Schachpartie. Manchmal
Weise zwingt, und man könnte sich kann Weiß seinen nächsten Zug auf einen
vorstellen, daß er unter gewissen wohldurchdachten, langfristigen Plan
Umständen eher zum Gewinn als zum gründen, manchmal muß er seinen Zug auf
Verlust eines Tempos führt. Versuchen der Grundlage allgemeiner Prinzipien
wir, diesen Gedanken zu illustrieren. wählen. In j edem Fall j edoch muß er im
Vergleichen Sie nach 1 . d4 d5 2.c4 Sc6 Geist eme Anzahl von Schritten
3 . Sc3 e5 4.cd5 : Sd4 : die Fortsetzungena) durchdenken, um den besten oder
5 . e4undb) 5 . e3 Sf5 6.e4 Sd4. wenigstens einen spielbaren Zug zu finden.
Die Stellung nach a) ist genau die gleiche Zunächst fragt er sich: „Hat Schwarz
wie nach b) mit dem wesentlichen irgendwelche taktischen Drohungen? " Hier
Unterschied, daß nach a) Schwarz am Zug hat Schwarz nichts weiter als c5xd4. Als
ist, nach b) jedoch Weiß. Also hat Weiß in zweites fragt er: „Wie wird wohl die
a), wo er e2-e4 in einem Zug gespielt hat, Strategie des Schwarzen aussehen?"
ein Tempo verloren, während er in b) mit Offenbar wird er die Entwicklung mit Dc7
e2-e3-e4 eins gewonnen hat. und Lb7 fortsetzen. Drittens erwägt er:
10. Tfl-dl „Was sind die offensichtlich besten Züge
Der T kann starken Druck auf der d-Linie für mich, und wohin werden sie führen?"
ausüben, um so mehr als sich die schwarze Es gibt folgende Möglichkeiten:
D noch auf dieser Linie befindet. a) l l .Lf4 Lb7 1 2 . dc5 : Lc5 : 1 3 . Se5 De7.
10. b7-b6 Das scheint zu befriedigendem Spiel für
Schwarz zu führen.
b) 1 1 .Lg5, um zu versuchen, im Hinblick
auf Lf6: Lf6 : Druck gegen d7 auszuüben
•• (dem Sd7 wird die Dek-kung des Sf6
geraubt). Als Beispiel : 1 1 . . . . Lb7 1 2 . dc5 :
bc5 : 1 3 . Se5 und Schwarz ist in großen
Schwierigkeiten. Weiß droht 14.Lf6 : und
1 5 . Sd7 : . Auch 1 3 . . . . Dc7 14. Sd7 : würde
Entsprechend dem Plan, den Wlf beim
eine Figur kosten, und 1 3 . . . . De8 trifft auf
4.Zug von Schwarz erwähnten. Die
1 4.Lb5 oder auch 14. Sd7 : Sd7 : 1 5 .Le6 : ,
Entwicklung des Weißen ist praktisch
ein Scheinopfer, das einen Bauern gewinnt.
beendet. Das Mittelspiel ist erreicht. Hier
Um den Druck zu erleichtern, spielt
liegt einer der schwierigsten
Schwarz am besten 1 1 . . . . h6, wonach
1 2.Lf6 : Lf6: 1 3 . dc5 : bc5 : 1 4.Lb5 De7 die
Sorgen zu bannen scheint.
c) 1 1 . Se5 ist ebenfalls ein starker

1 69
Versuch. Er droht den Druck mit 12. Sc6 zu griff Wie sich in der Partie zeigt, braucht
verstärken und den Le7 zu tauschen. Schwarz den Schutz von f6. Daß Schwarz
Einige der naheliegenden Antworten nach bc5 : zwei vereinzelte Bauern am D­
scheinen nicht auszureichen: Flügel behält, ist höchstens im Endspiel,
cl) l 1 . . . . Lb7 1 2 . dc5 :bc5 : (oderLc5 :) 1 3 .Lb5 kaum aber im Mittelspiel von Belang.
und gewinnt; c2) 1 1 . . . . Dc7 sieht gut aus. 12. Sf3-e5
Aber 12. Sf?: ! (eine der Absichten des Die Kraft des vorangegangenen Tauschs
letzten Zuges von Weiß) 1 2 . . . . Kf? : (Tf? : wird nun klarer: Er öffnete die d-Linie und
1 3 .De6 : und gewinnt den T) 1 3 .De6 :+ Ke8 gestattet Weiß, seinen Raumvorteil und die
(Kg6 14.Df5 matt) 14. Sf5 ist lästig für Fesselung des Sd7 auszunutzen.
Schwarz, denn es droht Matt: 1 4 . . . . Sb8 12. Dd8-c7
1 5 .Lb5+Kd8 1 6 . dcS :+usw. c3) Ein wenig Schwarz muß die Fesselung sofort
besser wäre der Springertausch 1 1.... abschütteln, sonst geht er unter (Lb7?
Se5 : 1 2 . de5 : Sd7 (Sd5 1 3 . Sf5 ist unbequem 1 3 .Lb5). Er wählt das beste Feld für die D,
für Schwarz) 1 3 . Se4 Dc7 14. Sd6 Ld6 : wo sie c6 vor einem Einbruch des Se5
1 5 . ed6 : oder 1 5 .Td6 : und Weiß hält den schützt, diesen angreift und b7 beherrscht,
Druck, der mit dem m der Partie so daß eventuelles Df3 mit Lb7
vergleichbar ist, fest. c4) Die beste beantwortet werden kann.
Antwort für Schwarz ist wohl 1 1 . . . . Ld6, 13. Lcl-f4
wonach 1 2 . Sf? : nicht zu genügen scheint: Die Dc7 ist nun einem indirekten Angriff
1 2 . . . . Tf7: 1 3 .De6 : De7 (T + 2B für L+S, ausgesetzt, der die Doppeldrohung 14. Sd7 :
aber Schwarz hat danach eine gute und 14. Sg6 beinhaltet. Man beachte die
Entwicklung). 1 2 . dc5 : Le5 : bringt auch Fehlkombination 1 3 . Sf? : ?Tf? : 14.De6 :
nichts ein, und 12. Sd7 : Ld7 : festigt das Se5 ! .
schwarze Spiel ( 1 3 . dc5 : Lc5 : 1 4.Lg5 Le7). 13. Sd7xe5
d) l l.dc5 : scheint von allen am günstigsten 14. Lf4xe5 Dc7-e7
zu sein, denn nun kommt der Druck des T
auf der d-Linie zur Geltung und schafft
unmittelbar taktische Möglichkeiten.
11. d4xc5 Le7xc5
Auch 1 1 . . . . bc5 : wäre nicht so schlecht,
weil der Le7 dann die Kontrolle über f6
behielte. In vielen Spielweisen leistet er
auf e7 größere Dienste für die
Verteidigung als auf c5 für den an-
Weiß hatte viele Wege, die schwarze
Stellung anzugreifen, und es war das
Problem des Schwarzen, sie auf em
Mindestmaß zu vernngern. In ver-
schiedener Hinsicht hat er gute Arbeit
geleistet - nur em verwundbarer Punkt
bleibt, f6, wie die Folge zeigt. Die j etzige
Stellung ist wichtig und lehrreich für die
Methode der Schachanalyse. Betrachten
Wlf sie. Ließe Weiß ihm Zeit, spielt
Schwarz Lb7, macht dem Weißen die
offene d-Linie mit einem seiner Türme
streitig, und was hätte Weiß dann? Wahr­
scheinlich nicht mehr als Ausgleich. Sein
Vorteil hätte sich aufgelöst. Er muß daher
nach irgendeinem Mittel Ausschau halten,
aus semer überlegenen Entwicklung
Kapital zu schlagen, bevor Schwarz
gleichziehen kann. Wie muß er vorgehen?
Wenn ein Spieler die überlegene Ent­
wicklung hat, ist es für ihn wichtig,
sorgfältig nach Wegen zu suchen, seinen
Vorteil nutzbringend zu verwenden, ehe
sein Gegner die Entwicklung beendet oder
ausgeglichen hat. Hier steht ein schwarzer
Turm ungedeckt, er „hängt" . Eine
hängende Figur ist immer ein Zeichen
dafür, nach einer Kombination zu suchen.
Auch wenn die hängende Figur geschützt
werden kann, wird es Zeit kosten, die dem
Angreifer ein Tempo zusätzlich einbringt.
Weiß untersucht nun das folgende Abspiel :
1 5 .Df3 (greift a8 an) 1 5 . . . . Lb7 1 6.Lf6 : Lß :
l 7.Le7 : Ldl: 1 8 .Lf8 : und er hateine Figur
mehr. Er erkennt, daß er dabei gewinnt,
und setzt seine Untersuchungen fort, denn
Schwarz

171
hat sicher günstigere Varianten. Er c) 1 7, . . . Tfd85 1 8,Dh6 KkS l9, Sk5 Tg8 und
überlegt: „Mit 1 5 .Df3 Lb7 1 6.Lf6: zwinge Schwarz hat Gegenchancen. Beim
ich Schwarz zu gf6 : , reiße ihm die Vergleich mit der Partie kommen wir zum
Rochadestellung auf und erhalte Chancen Schluß, daß 1 7 .Df4 tatsächlich
auf Königsangriff. " vorzuziehen ist.
15. De2-f3 Lc8-b7 17. Df3-f4
16. Le5xf6 g7xf6 Behält den Druck gegen f6 bei und
überläßt das Feld h5 dem S .
17. Kg8-h8

Weiß hat nun sein strategisches Ziel, den f­


Doppelbauern, erreicht. Es erhebt sich die
Frage: „War seine Strategie gesund? Wird Andere Möglichkeiten sind weniger gut:
die aufgerissene Königsstellung zu einem a) 1 7 . . . . e5? 1 8 .Dh6 (droht 1 9 . Sh5 und
erfolgreichen Mattangriff führen oder wird 1 9 . Sf5);
Schwarz die halboffene g-Linie seinerseits b) 17 . . . . Tfd8 1 8 . Sh5 (droht 1 9.Dg3+ nebst
für einen Gegenangriff nutzen können, Matt) 1 8 . . . . Kh8 1 9 . Sf6 : Df8 (um 20.Dh6
insbesondere in Verbindung mit seinem zu verhindern) 20.g3 . Weiß hat gute
Lb7?" Angriffschancen und außerdem emen
Das Problem des Weißen besteht darin, die Bauern mehr. Verglichen mit c) beim
Schwächen des Schwarzen, den lö.Zug des Schwarzen sehen wir, daß 1 7 .
gefährdeten K und den verwundbaren Bf6, Df4 (statt 1 7 . Dh5) diese Verteidigung
auszunützen. Der Angriff gegen diese weniger wirkungsvoll gemacht hat.
beiden Schwächen muß miteinander c) 1 7 . . . . f5 1 8 . Sh5 Kh8 1 9 .De5+ f6
verbunden werden. Weiß sieht zwei Wege, 20.De6 : mit materiellem Vorteil. Der
den Angriff fortzusetzen: a) l 7.Dh5 undb) Königszug dient dazu, 1 8 . Sh5 mit Tg8
l 7.Df4. U ntersuchen wir zunächst 1 7 und Gegenchancen auf der g-Linie
.Dh5 . Ein paar Möglichkeiten: beantworten zu können. Damit ist noch
a) 1 7. . . . Kh8? 1 8 .Ld3 ff 1 9 . Sf5 : ef5 : einmal eine kritische Stellung erreicht.
20.Lf5 : f6 2 1 . Td7 und gewinnt; Weiß muß jetzt und keinen
b) 1 7 . . . . f5 1 8 .Dh6 führt zur Partie;
Zug später eine zwingende Antwort finden, 23. Dd7xe6
denn wenn Schwarz einen Zug Zeit hat, 24. Dc3-g3+ Kg8-f7
festigt er sich mit Tad8 oder Tg8 . 25. Dg3-g7+ Kf7-e8
Betrachten wir die Kombination 1 8 . Td7 26. Dg7xb7!
Dd7 : 19. Df6:+ Kg8 20. Sh5mit Schwarz gab auf Er ist verloren, weil nicht
Mattdrohung. Aber Schwarz kann sich nur 27. Sg7+, sondern auch 27.Da8 :+ droht,
retten mit 20 . . . . Dd4 oder 20 . . . . Ld4. Das z.B. 26 . . . . De5 27. Sg7+ Kd8 28. Tdl+ usw.
erklärt den folgenden Zug: oder 26 . . . . Dc8 27.Tel+.
18. b2-b4! Wie in vielen vorhergehenden Partien
Um den L vom Zugang zu d4 abzulenken. verlor der Amateur, weil er im Augenblick
18. Lc5xb4 der Entscheidung, der meistens unmittelbar
19. Tdl-d7! nach der Eröffnung kommt, nicht tief
Weiß möchte mit 20.Df6 :+und 21 . Sh5 genug sah. In dieser Partie können wir den
fortsetzen. Schwarz hat keine Wahl. 1 1 .Zug des Schwarzen bemängeln, nicht
19. De7xd7 dagegen planloses Spiel. Im Gegenteil,
20. Df4xf6+ Kh8-g8 seine Strategie war sehr klar: zuerst
21. Sg3-h5 Lb4-c3 entwik-keln, dann das Zentrum des
Das einzige. Gegners neutralisieren, dann alle Figuren
22. Df6xc3 f7-f6 zu einem Höchstmaß an Wirkung bringen.
Alles erzwungen. Es erwies sich als äußerst schwie-rig für
23. Lc4xe6+ den Meister, diesen Plänen zu begegnen
Lenkt die D von g7 ab. und die Pläne auszuführen, die er selbst
entworfen hat. Auf die Dauerj edoch blieb
der Widerstand des Amateurs, der sich
tapfer und zäh verteidigte, hoffnungslos
gegenüber den vielen brillanten Zügen des
meisterhaft spielenden Partners.

1 73
Partie 16

Die Theorie der Sizilianischen Verteidigung


Die Drachenvariante
Eröffnungsvarianten
Inbesitznahme der offenen Linien
Der Druck des Lg7 auf den weißen Damenflügel
Fortgesetzter Angriff auf den weißen Damenflügel
Neutralisieren gegnerischer Züge
Beherrschen der 7. (bzw. 2.) Reihe
Abschneiden gegnerischer Verbindungslinien
Der unwiderstehliche Freibauer

Keine Eröffnung ist so stark, daß die gegnerische Seite nicht mit den richtigen Zügen zum
Ausgleich kommen könnte. Um das aber zu erreichen, muß man die Ideen hinter der
Eröffnung verstehen und wissen, wonach der Gegner strebt. Dies trifft insbesondere auf
Sizilianisch zu, das zu den tiefsten Eröffnungen gehört. In den meisten Varianten ist Schwarz
nicht auf direkte Beherrschung des Zentrums aus, und er versucht fast nie einen Angriff auf
den K, wenn er kurz rochiert hat.
Hinter Sizilianisch scheinen sich geheimnisvolle Ideen zu verbergen; in Wirk-lichkeit sind sie
j edoch deutlich umrissen. Schwarz geht aufwenig ins Auge fallende, aber nichtsdestoweniger
wirksame Vorteile am Damenflügel aus. Zuerst öffnet er die c-Linie, dann sucht er
gewöhnlich auf dieser Druck mit Dame und einem Turm auszuüben. Oft bringt er den Sb8
über c6 nach a5, um auf den Punkt c4 zu drücken oder ihn zu besetzen. In der
Drachenvariante flankiert er den Lf8 nach g7, wo er entlang der ganzen Diagonalen drückt
und besonders stark ist, weil er gegen die Punkte al, b2 und c3 wirkt. Diese Strategie ist so
tief, daß sie oft den Zusammenbruch der weißen Damenseite bewirkt, ohne daß Weiß etwas
dagegen zu tun vermag und obwohl er genau weiß, was sich ereignet.

1 74
WElß: AMATEUR SCHWARZ: MEISTER Flankierung
SIZILIANISCHE DRACHENVARIANTE durchsetzen, weil er die Entwicklung des
1. e2-e4 c7-c5 Sb8 verschoben hat.
Eine der verwickeltsten Antworten auf 3. d2-d4
l . e4. Sizilianisch hat emen modernen Weiß besetzt d4. Wennj etzt 3 . . . . cd4 :
Charakter. Die weiße Partie erhält ein 4. Sd4. Sd4 : 5 .Dd4 : , so verliert Weiß kein
anderes Gesicht als es normalerweise bei Tempo, weil der Sb8 bereits abgetauscht
den 1 . e4-Eröffnungen zu sehen ist. ist.
Schwarz will dem Vorgehen des Weißen in 3. c5xd4
der Mitte nicht am gleichen Ort, sondern Nimmt Schwarz nicht, könnte 4.d5 mit
zunächst am Damenflügel entgegentreten. Raumgewinn folgen. Der wichtigste Punkt
Mit 1 . . . . c5 kontrolliert er den Punkt d4 des sizilianischen Aufbaus besteht gerade
und ist vorbereitet, die c-Linie für das darin, daß er einen Flüge 1 - für emen
Gegenspiel am D-Flügel zu öffnen, Mittelbauern abtauscht und so eme
nachdem Weiß d2-d4 spielt. potentielle Mehrheit im Zentrum schafft.
2. Sgl-f3 Nach dem Tausch besitzt Schwarz den e­
Das sofortige d2-d4 würde mit 2 . . . . cd4 : und d-B, während Weiß nur noch den e-B
3 .Dd4 : Sc6 beantwortet, mit Gewinn eines hat. Die Frage, wann die Spannung im
Tempos für Schwarz. Zentrum aufrecht erhalten werden und
2. Sb8-c6 wann man tauschen soll, ist im Schach
An dieser Stelle wird auch oft 2. . . . d6 wichtig. Im allgemeinen wird man
gespielt, um gelegentliches e4-e5 zu tauschen,
verhindern. Es ist interessant, den a) wenn man durch Ablehnen des Tauschs
Unterschied zwischen Sc6 und d6 zu ein Tempo verlöre, z.B. 1 . e4 d5 2.e5? mit
untersuchen. Zeitverlust, während 2.ed5 : Dd5 : 3 . Sc3 ein
a) 2 . . . . Sc6 3 . d4cd4:4. Sd4 : Sf6 5 . Sc3 Tempo gewönne;
d6 6.Lg5 b) wenn man anderen Schwierigkeiten aus
b) 2 . . . . d6 3 . d4 cd4 : 4. Sd4 : Sf6 5 . Sc3 dem Weg gehen möchte, z.B. Le4d5
g6 2. Sc3 d4.
In a) stößt das Fianchetto im 5 .Zug auf 4. Sf3xd4
Bedenken, weil 5 . . . . g6? ! 6. Sc6 : nebst e4- Derweiße S stehtnun m der Brettmitte;
e5 als günstig für Weiß gilt, obwohl es Schwarz kann ihnj edoch mitunter mit e7-
gelegentlich immer wieder versucht wird. e5 verj agen (siehe Partie 1 8).
Und 6 . . . . g6 würde nach 7.Lf6: ef6 : eine 4. Sg8-f6
ernstliche Schwächung des Bauerngerüsts Greift den Be4 an und zwingt Weiß, ihn zu
bedeuten. In b) kann Schwarz die decken. Dies wird er am zweck-

1 75
mäßigsten mit 5 . Sc3 tun. Damit hat
Schwarz aber erreicht, daß Weiß nicht so
leicht zu c2-c4 kommt, womit er ein
Gegenspiel in der c-Linie erschweren und
den Punkt d5 stark in den Griff bekommen
würde.
5. Sbl-c3
Wie schon beim 2.Zug von Schwarz
erwähnt, droht Weiß nun 6. Sc6 : nebst e4-
e5 . Man beachte, daß der Bauernvorstoß
einen Zug vorher nicht möglich war, weil
nach 4. Sc6 : bc6 : 5 . e5? Da5+ der Be5
verloren ginge.
5. d7-d6
Ein anderes System, den Lf8 zu ent­
wickeln, beginnt mit 5 . . . . e6. Wenn nun
6. Sc6 : bc6 : 7.e5, so ist 7 . . . . Sd5 möglich.
Die übliche Fortsetzung ist daher 6. Sdb5
(am besten, um den Auswirkungen der
kommenden Fesselung zu begegnen) 6 . . . .
Lb4 7.a3 Lc3 :+ 8 . Sc3 : d5 9.ed5 : ed5 : und
Schwarz hat einen vereinzelten Bd5, doch
kann Weiß dessen Vorstoß nach d4 nicht
verhindern, der Schwarz einigen Raum als
Ausgleich für das weiße L-Paar verschafft.
Vielleicht steht nach heutiger Theorie
Weiß aber doch eine Idee besser.
6. Lfl-e2

17 6
des Schwarzen, emem indirekten Angriff
auf d4, zeigt sich der Nutzen. An dieser
Stelle wird auch 7. Sb3 gespielt, sogar
bevor Schwarz Lg7 gezogenhat. Die Idee
ist, emem Vorstoß d6-d5
entgegenzuwirken und nach ausreichender
Vorbereitung (Weiß muß zuerst e4 decken)
Sc3 -d5 nebst c2-c4 folgen zu lassen mit
Im Sizilianer ist e2 ein gutes Feld für den
Einschnürung des schwarzen Spiels.
Lf 1 . Von hier aus deckt er g4 zur
7. Lf8-g7
Vorbeugung gegen einen Springerausfal 1 .
Im Lauf der Partie muß Weiß dafür sorgen,
Ein anderes gutes Feld ist c4, was oft
daß der Druck des L entlang der
bevorzugt wird, mit der Idee 6.Lc4 g6?
Diagonalen h8/al neutralisiert wird. Er
7. Sc6 : bc6 : 8 . e5 ! (de5 : ?? 9.Lf7 : + ! ) .
muß auch den Tal im Auge behalten, der
Das Feld d 3 ist i m Sizilianer für den L
zwar vom Lg7 durch mehrere Steine
nicht immer gut, teils weil der Be4 im Weg
getrennt ist, sich aber nie sicher fühlen
steht, teils weil der Sd4 den Schutz der
kann, solange er sich auf al befindet.
Dame benötigt. Der Richter-Rauser­
8. 0-0 0-0
Angriff 6.Lg5 zwingt Schwarz in das e7-
e6-System: 6 . . . . e6 7.Dd2 Le7 8 . 0-0-0 ist
weit ausanalysiert, mit beidseitigen
Chancen.
6. g7-g6
Die Drachenvariante. Schwarz will den L
nach gl entwickeln, wo er nach der
Rochade den K schützt und Druck auf der
langen Schrägen ausüben so 1 1 . Zum 9. h2-h3(?)
Scheveninger System führt 6 . . . . e6. Die Um Sf6-g4 zu verhindern mit Tausch eines
Idee besteht darin, auf der c-Linie zu L gegen den S; heutzutage hält man das
manövrieren und evtl. 1m Zentrum aber für überflüssig. Sofort 9.Dd2 Sg4
vorzugehen. Zum Boleslawsky-System 1 0.Lg4 : Lg4 : l l . Sd5 ist gut spielbar für
führt 6 . . . . e5 (siehe Partie 1 8). Weiß, wenn auch wohl nicht mit Vorteil
7. Lcl-e3 verbunden, während l l . f4 die
Der L geht auf ein Feld, wo er den Punkt Ausgleichswendung 1 1 . . . .
d4 verstärkt. Nach der Antwort

1 77
Sd4 : 1 2.Ld4 : e5 ! 1 3 .Le3 ef4: usw. zuläßt. geschaffen hat. Dieses Loch wird in den
Der üblichste und am meisten analysierte meisten Fällen keine ernsten Folgen haben,
Zug ist hier 9. Sb3 . gibt aber dem Gegner immer zusätzliche
9. Lc8-d7 Chancen (abgesehen von der Möglichkeit,
Entwickelt den L und macht Platz für den
evtl. auf h3 zu opfern). Man beachte
Ta8 . Von d7 aus kann der L einmal nach
ferner daß an dieser Stelle 1 1 .Lhö eine
'

b5 oder a4 gehen; er deckt außerdem den


Figur gekostet hätte, weil die Dd2 nicht
Sc6, so daß a6 nebst b5 möglich wird.
gleichzei-t ig den Lh6 und den Sd4
10. Ddl-d2 schützen kann.
Macht die 1 .Reihe frei und ermöglicht
11. Ta8-c8
späteres Le3-h6, um den starken Lg7
Im Sizilianer geht der Ta8 normalerweise
abzutauschen und schwache Felder in der
nach c8 einmal um mit dem Druck auf der
'

schwarzen Stellung zu schaffen.


halboffenen c-Linie zu beginnen, aber auch
10. a7-a6 um aus der langen Diagonalen
Ein thematischer Zug im Sizilianer -der
fortzukommen, wo er dem Einfluß eines
Anfang eines Angriffs am D-Flügel mit
auf ß auftauchenden Läufers ausgesetzt
b7-b5-b4 oder b5 nebst Sa5 . Außerdem
wäre.
verhindert er Sd4-b5 und bereitet so Dc7
12. Le2-f3 Dd8-c7
vor.
11. f2-f4
Um die weiße Überlegenheit im Zentrum
zu erhöhen und späteres Sc6-e5 zu
vermeiden. Der Zug dient teils dazu, e5 zu
kontrollieren, teils dazu, Lf3 vorzubereiten,
ohne den f-B zu verstellen. Außerdem ist
unter bestimmten Umständen der weiße
Vorstoß g4, f5, g5 für Schwarz sehr Schwarz verstärkt seinen Druck auf der c­
Linie. Der Zweck wird bald ersichtlich.
gefährlich. Andererseits wird die weiße
Der Entwicklungsplan des Weißen sieht
Stellung verwundbarer, wie wir später
sehr harmonisch aus: hinter den Be4/f4 die
sehen werden. Der Punkt e4 kann nicht
L und S bereit /.um Losschlagen, und die
mehr vom f-B verteidigt werden. Man
Dd2 vervollständigt diesen Wohlklang.
beachte daß der Bh3 zwar dem positiven
'

Zweck dient, Sg4 zu verhindern, dafür Man hat ein halbes Jahrhundert gebraucht,

j edoch ein Loch auf g3 um herauszufinden, daß dieser Aufbau


nicht harmonisch, sondern im Gegenteil
sehr verwundbar ist.

1 78
13. Tal-el(?)
Besser wäre 1 3 . Tadl, weil nach 1 3 . . . . Sa5
(drohend Sc4) 1 4.Dd3 Sc4 1 5 .Lcl (wie auch
in der Partie) ein zusätzlicher Schutz des
Sd4 wichtig wäre. 1 3 . Sd5 wäre gewaltig,
falls c2 ausreichend geschützt wäre. An

dieser Stelle kostet der Zug j edoch einen


B : 1 3 . . . . Sd5 : 1 4 . ed5 : Sd4: 1 5 .Ld4 : Ld4 :+
1 6 .Dd4 : Dc2 : . Schwarz hat eine für den Sizilianer ideale
1 3 . Tael sieht gut aus als Vorbereitung von Stellung erreicht. Er hat a) die Herrschaft
14. Sd5 . In diesem Fall antwortet Schwarz über die halboffene c-Li-nie; b) einen
j edoch 1 3 . . . . Sa5 14. Sd5 Sd5 : 1 5 . ed5 : Sc4 Angriff gegen b2; c) die Drohung des
1 6.De2 Se3 : oder 1 6 . . . . Sb2 : . Drucks gegen c3 , denn um den Sc4 zu
13. Sc6-a5 vertreiben, müßte Weiß b3 spielen, und der
Ebenfalls ein thematischer Zug, der Sc4 Sc3 wäre ungenügend gedeckt;
droht mit beherrschender Stellung des S . d) die Möglichkeit b7-b5-b4; e) die
Mit 1 4.b3 ist die Drohung nicht Möglichkeit e6, gefolgt von d5 .
abzuwehren, weil der Sc3 verlorenginge. 15. Le3-cl
Der Sa5 hat die Bahn der schweren Versucht Weiß sich mit 1 5 .b3 zu ver­
Figuren auf der c-Linie freigegeben. teidigen, erobert Schwarz mit 15. ...
14. Dd2-d3 Sb2 1 6.Dd2Dc3 : l 7.Dc3 : Tc3 : 1 8 . l x l Sh5
In Erwartung von Sc4. Zöge Weiß die D nebst 1 9.Lh5 :Ld4 :+20.Kh2Tc2 : oder
j etzt nicht, so würde Schwarz nach 1 4 . . . . 1 9 . Tdl Ld4 :+20. Td4 : Tc2 : eine Figur.
Sc4 zum Tausch des S gegen den Le3 15. Dc7-b6
kommen. Das wäre sehr unbequem für Mit der Doppeldrohung Sb2 : und e5 .
Weiß, denn der Le3 schützt das Außerdem gibt es noch die indirekte
bedeutsame Feld d4, und der Lg7 gewönne Bedrohung des Sd4 durch den Lg7 !
an Kraft. Außerdem hätte Schwarz die 16. b2-b3
Möglichkeit 15.... Sb2 : . Besser wäre
vielleicht 1 4.Df2 Sc4 1 5 .Lcl und Schwarz
kann auf b6 mit der Dame nicht fesseln
wie in der Partie.
14. Sa5-c4
Kombination zweier Überlegungen: a) daß
die schwarze Dame den Sd4 fesselt; b) daß
sich der Lg7 ebenfalls auf der Diagonale
mit dem S befindet. Schwarz spielt daher:
16. Sf6-h5
1ndem er die Schräge freimacht, greift er
nun d4 zum zweiten Mal an.
17. Sc3-e2!
Deckt zwar, aber die ärgerliche Fesse-lung
Die Stellung sieht nun prachtvoll für bleibt. Eigenartig ist, daß trotz
Schwarz aus, weil der Sd4 nicht ziehen einstehendem Sc4 Weiß eine Figur verlöre,
und j ederzeit emem zusätzlichen schlüge er diesen: l 7.bc4 : ? Dd4:+ usw.
Angriffdurch den Lg7 ausgesetzt sein 17. Sh5-g3!
kann. Dennoch gibt es nur einen einzigen G reift den Verteidiger e2 an, der über­
Weg, der auch nur geringen Vorteil beansprucht ist (d4 und g3). Andere
einbringt. Erwägen wir die Möglichkeiten: Fortsetzungen ergeben nichts: 1 7 . . . . e5
a) 1 6 . . . . Se4 : ? l 7. Te4 : f5 1 8 . Te7 : Dd4:+ 1 8 .bc4 : ed4 : 1 9.Lh5 : gh5 : und Schwarz hat
1 9 .Dd4 : Ld4 :+ 20.Khl Lc3 : 2 1 . Td7 : Sa5 nichts erreicht.
22.La3 und Weiß hat nichts zu fürchten. 18. Se2xg3
b) 1 6 . . . . Se5? 1 7.fe5 : de5 : 1 8 .Le3 ed4 : Nach 1 8 .bc4 : kostet Sfl : ? 1 9.Kfl: Schwarz
1 9 .Ld4 : und Weiß steht gut. Material. Richtig ist 1 8 . . . . Se2 :+nebst
c) 1 6 . . . . e5? l 7.bc4 : ed4 : 1 8 . Sd5 und Weiß Dd4 :+mit Bauerngewinn.
kann zufrieden sein. 18. Db6xd4+
d) 1 6 . . . . Sg4?. Es scheint, als könne es sich 19. Dd3xd4
Schwarz leisten, seinen S einzustellen, weil Vorzuziehen war 1 9 .KM Dd3 :20.cd3 : Sa5
auch der Sd4 hängt. Nach l 7. S3e2 sind und Schwarz steht etwas besser, weil sein
aber zwei schwarze S bedroht. Der T die offene Linie beherrscht und die L
Versuch, die Lage mit 1 7 . . . . Sge5 1 8.fe5 : wirkungsvoll stehen.
Se5 : zu retten, scheitert an 1 9 .De3 19. Lg7xd4+
(entfesselt) Sf3 :+ 20. Sf3 : . 20. Kgl-h2 Sc4-a5
In verwickelten Mittelspielstellungen muß
man alle Möglichkeiten untersuchen, man
kann aber nicht sicher sein, etwas Klares
zu entdecken. Es gibt gleichwohl oft ein
Motiv, das anzeigt, auf welcher Linie der
beste Zug liegen könnte. Hier liegt das
Motiv in der
überwältigender Angriff gegen den
feindlichen B, der die Linie schließt. Das
strategische Ziel ist fast immer das
Eindringen des Turms auf die 2. (bzw. 7.)
Reihe.
22. c4xb5
22.Ld2 kann Schwarz mit Lb6 beantworten
und Weiß stünde wieder vor dem gleichen
Problem. 23 .La5 : La5 : 24. Tcl wäre kein
Eine Phase des Mittelspiels ist zu Ende
befriedigender Ausweg wegen 24 . . . . Ld2
gegangen; eine neue setzt j etzt ein. Die
nebst Lf4 : .
weiße Stellung wird charakterisiert durch
die Verletzbarkeit seiner Bauern des D­ 22. Ld7xb5
Schwarz beherrscht nun die c-Linie mit
Flügels und die Unmöglichkeit, seine
seinem T und die wichtigen Diagonalen
Stellung durch c2-c4 zu festigen, wie die
mit seinem Läuferpaar. Weiß beherrscht
Partie zeigen wird. Die schwarze Stellung
überhaupt nichts. Dennoch geht es nicht
zeichnet sich durch die Ansammlung von
ganz nach dem Kopf des Schwarzen.
Figuren am D-Flügel aus.
23. Lf3-e2
21. c2-c4
Natürlich ist Weiß bestrebt, den Einfluß
Praktisch erzwungen. Im allgemeinen wäre
des Schwarzen zu verringern. Der Tausch
dieser Zug für Weiß sehr gut; in diesem
besonderen Fall j edoch kann Schwarz ihn eines wirkungslosen L gegen einen, der

ausnützen. Versucht Weiß, c2 mit 2 1 . Te2 wichtige Felder beherrscht, verringert den
weißen Nachteil.
zu schützen, so kann 2 1 . . . . Lc3 mit der
Drohung Lb5 kommen, oder 2 1 . . . . b5 und 23. Tc8-c2
Schwarz kann den Läufertausch nicht
Bc2 bleibt schwach.
vermeiden und vergrößert seinen Einfluß
21. b7-b5!
von einer anderen Seite her: Kontrolle der
Ein sehr wichtiger strategischer Zug. Er
2.Reihe - der eigentliche Sinn einer
öffnet Linien und Schrägen. Der Bc4 ist
offenen Linie. Nach 23 . . . . Le2 : 24.Te2 :
dreimal angegriffen, nur einmal gedeckt.
Öffnet ein Spieler eine Linie, muß er sich hätte Weiß zwei Ziele erreicht: a)
Beseitigung eines der Läufer; b) Schutz der
vergewissern, daß er mehr Nutzen daraus
2.Reihe.
zieht als sein Gegner. Hier ist ein typisches
Beispiel der Besitzergreifung der 24. Le2xb5 a6xb5

halboffenen Linie - ein 25. Tel-e2


Weiß setzt die Strategie fort, den Griff des 29. Lb4xa5
Schwarzen auf den offenen Linien und Nach29. Scl erobert Sc6 30. Sd3Ta2 : einen
Reihen zu lösen. B.
25. Tf8-c8 29. Tc2xe2
Durch die Turmverdopplung behauptet
Schwarz die 2.Reihe.
26. Lcl-a3 Ld4-a7!

Bedroht zugleich a2 und e4. Man beachte,


daß der T den S nicht hätte nehmen
können, befände sich der L auf b6.
Jetzt droht 27 . . . . Te2 : 28. Se2 : Tc2, weil
Schwarz hätte auf a5 zurücknehmen
kein Ld4 mehr vom Se2 ange­
müssen (siehe Anmerkung zum 26.Zug).
griffenwäre.ZumRemis würde 26 . . . . Lb6
Das Gesamtergebnis des schwarzen Spiels
27.Lb4 Te2:28. Se2 : Tc2 29.La5 : La5 :
besteht 1m Gewinn emes B, das
30. Scl Ld2 3 l . Sd3 ! Ta2 : 32.Tf2 führen.
unmittelbare Resultat der Herrschaft über
Nach einigen Zügen wird klar, warum La7
die offene Linie und des Eindringens auf
mehr leistet als Lb6.
die 2.Reihe.
27. La3-b4
30. Tfl-cl
Wenn 27. Tfel Lf2 28.Tc2 : Tc2 : 29. Te2
Der Be4 ist nicht zu verteidigen. Darum
Lg3 :+ und gewinnt.
eignet sich der T die c-Linie an. 3 0 . e5 hätte
27. Tc2xe2
Schwarz am besten mit de5: 3 1 .fe5 : Lb8 !
28. Sg3xe2 Tc8-c2!
beantwortet.
Statt 28. . . . Sb7, das den S auf em
30. Te2xe4
unwirksames Feldbrächte, tauscht ihn
Hin Zentralisierungszug, der Schwarz e i
Schwarz gegen den aktiveren weißen. nen freien und einen halbfreien Bauern
Schwarz hätte lieber 28 . . . . Sc6 gezogen, verschafft. 3 0 . . . . Ta2 : hätte ebenfalls einen
Mehrbauern gegeben, der Gewinn wäre
aber dann verfügt Weiß über den
j edoch technisch erheblich schwieriger
Ausgleichszug 29.Tc 1 . Falls nach dem gewesen. Die takti-
Textzug der Se2 gehalten wird, kann Sc6
sehr gut geschehen.
sehen Gegebenheiten hätten Weiß mehr rung durch Te2. Man beachte, wie die
Gegenspiel eingeräumt: 3 1 . Tc8+ Kg7 Figuren des Weißen nun ernstlich
32. lx3+f6 3 3 . e5 de5 :34.fe5 : und Weiß hat beschränkt sind.
die Drohung 3 5 . ef6:+ und 36. Tc7+. Nach 36. Tc8-b8 Te3-e4
34 . . . . fe5 : 3 5 .Le5 :+ Kf? 3 6 . Th8 ist die
Lage nicht klar. Besonders in Endspielen
mit T und leichten Figuren sollte man
vermeiden, dem Gegner die Führung zu
überlassen. Im allgemeinen ist die Initiati­
ve fast einen Bauern wert.
31. Tcl-c8+ Kg8-g7
32. La5-c3+ f7-f6
Verteidigt b4 und greift f4 an.
33. Kh2-g3
37. Kh2-g3
Auf 3 3 .g3 käme Te2+ und Ta2 : .
Wenn 3 7.g3, so gewinnt Te2+3 8.Khl
33. Te4-e3+
Ta2 : 3 9.Lb4 : Lf240.g4Lg3 4 1 . f5 gxf5
34. Kg3-h2
42.gxf5 Tf2 oder 3 7 . . . . h5, um die weißen
Der K darf nicht ins offene Feld und in
Bauern mit h5-h4 zu lähmen. In all diesen
feindliches Gebiet marschieren. Wenn
Fällen behält Schwarz nicht nur zwei
34.Kg4? h5+ 3 5 .Kh4 Tc3 : 3 6 . Tc3 : Lf2+
Bauern mehr, außerdem steht der weiße K
37.g3 Kh6 gefolgt von g5+nebst Matt.
sehr unsicher.
34. La7-c5
37. Kg7-f7
Um die Verbindung zum Tc8 abzu­
Beide Parteien werden versuchen, ihre
schneiden und den La7 von einer ver­
Könige in die Mitte zu bringen. Besonders
wundbaren Stelle zu entfernen, denn Tc7
Weiß ist daran gelegen, den Te4 von
könnte lästig sein.
seinem zentralen Standort zu vertreiben.
35. Lc3-a5
38. Tb8-b7
Nach 3 5 .Ld2 oder Lb2 gmge durch Te2
Ein Zug ohne besonderes Ziel, Weiß muß
der Ba2 verloren.
aber irgend etwas tun. Versucht er, mit
35. b5-b4
seinem König näher zu kommen, so treten
Der La5 ist von e 1 abgeschnitten und die
wieder einige sehr hübsche Kombinationen
Stellung des Lc5 gestärkt, denn Weiß kann
ans Tageslicht:
nicht mehr b4 spielen. Außerdem ist der
3 8 .Kf3 Te3+ 3 9Kg4 h5+ 40.Kh4 Tf3 4 1 .g3
Ba2 bewegungsunfähig, und Schwarz
(4 1 .gf3 : Lf2 matt) 4 1 . . . . Tf4:+
droht seine Erobe-

1 83
42.gf4 : Lf2 matt. lieren. Die einzige Schwäche im Spiel des
38. Kf7-e6 Amateurs taucht um den 1 0 . Zug herum
39. La5-d8 d6-d5 auf, als er ein wenig zu zuversichtlich im
Schwarz kann e7 auf einfache Weise Hinblick auf die Chancen seines Angriffs
decken. Außerdem ermöglicht er Ld6 und ist. Das ist jedoch in einer Eröffnung wie
rückt den Freibauern vor. Sizihanisch leicht verständlich, bei der die
40. Ld8-c7 d5-d4! schwarzen Streitkräfte lange 1m
41. Tb7-b5 d4-d3! Hintergrundbleiben und erst viel später
Schwarz kann es sich hier schon leisten, hervorbrechen,
den L zu opfern, weil der d-B nach 42. Tc5 :
d2 nicht mehr aufzuhalten wäre.
42. f4-f5+
Um das Feld f4 für den Läufer freizu­
machen und den Bauern aufzuhalten.
42. g6xf5
43. Lc7-f4 Te4xf4
Weiß gab auf
Nichts kann den Freibauern an der
Umwandlung hindern. Schwarz kam durch
den gewonnenen Bauern, seme
Zentralisierung, die größere Beweglichkeit
seines T und L sowie die unsichere
Stellung des weißen K zum Erfolg. Der
Amateur läßt in dieser Partie keine der
typischen Mängel, die m den
vorangegangenen Spielen auftraten,
erkennen. Er entwickelt strategische Pläne
unmittelbar nach der Eröffnung, er zeigt
Unternehmungslust, er entdeckt feindliche
Drohungen, die er so gut wie möglich
abwehrt, und sein Widerstand läßt nicht
nach, auch nachdem er begonnen hat,
infolge des gleichbleibend starken Spiels
semes meisterlichen Gegners Terrain zu
ver-

1 84
so daß Weiß leicht zur Auffassung
kommen kann, besser zu stehen. In einer
Partie zwischen zwei starken Gegnern, in
der der eine seine Stellung überschätzt, ist
es leicht, gleichwohl aber gefährlich für
ihn, die Remisvarianten zu umgehen, die
unter den gegebenen Umständen die besten
gewesen wären.

1 85
18 6 -------
Partie 17

Der Wert der f2-f3-Variante im Sizilianer


Der Königsangriff des Weißen
Erzwingen einer offenen Turmlinie
Das Standardopfer, das den feindlichen König dem Angriff der
schweren Figuren aussetzt

Angriffe auf Königsbastionen, die keine Schwäche aufweisen, erfordern normal erweise weit
mehr Vorbereitungszeit als Angriffe auf geschwächte Königs-s i c 1 1 ungen. Wenn beide
Seiten versuchen, den rochierten König anzufallen, so ist die Zeit gewöhnlich der
entscheidende Faktor. Im Hinblick auf das Gesagte können Schwächen in der Königsstellung
schwer wiegen. Während der Schwarze im Sizilianer die für den Angriff am Damenflügel
nötigen Züge macht (siehe vorige Partie), setzt Weiß oft eine schwere Attacke am
Königsflügel in Bewegung, die gute Aussichten hat, zu einer Gefahr zu werden; besonders in
der Drachenvariante, wo Schwarz seine Königsbauernphalanx etwas schwächen mußte, um
den Läufer fianchettieren zu können. Der Bg6 gibt dabei dem Weißen eine Angriffsmarke.
Dem weißen Vorgehen kann Schwarz nur mit energischem Spiel entgegentreten, das
entweder auf die Entwicklung eines eigenen Angriffs oder auf einen Gegenstoß in der Mitte
gerichtet ist. Sonst dringt der weiße Angriff durch, bevor Schwarz dazu gekommen ist, den
Gegner zu beschäftigen.
Diese Partie ist ein Beispiel für den weißen Königsangriff und das Vorgehen des Schwarzen
am Damenflügel. Die Verteidigungs- und Angriffskraft des Zuges f2-f3 kommt zum
Vorschein, dann wie das Versäumnis des Schwarzen, aktives Gegenspiel zu suchen,
verhängnisvoll wird und schließlich die Methode des Weißen, die Bauernbarriere um den
schwarzen König aufzubrechen, die h- Linie zu öffnen und zum Mattsetzen auszunützen.

1 87
WElß : MEISTER SCHWARZ: AMATEUR nicht anwendbar, u.a. weil der Bc7 fehlt.
SIZILIANISCH - Trotz des zu erwartenden Angriffs dürfte
MODERNE DRACHENVARIANTE es nichts Besseres für Schwarz geben als
den Textzug.
1. e2-e4 c7-c5 9. 0-0-0
2. Sgl-f3 d7-d6 Weiß vervollständigt so seme Ent­
Wegen des Unterschieds gegenüber 2. wicklung. Er istnun bereit, seinenPlan
Sc6 siehe Partie 16. auszuführen: Vorstoß des h- und g-B ;
3. d2-d4 c5xd4 Öffnung der h-Linie; Abtausch des Lg7
4. Sf3xd4 Sg8-f6 durch Lh6 oder Ld4; Mattangriff gegen
5. Sbl-c3 g7-g6 den schwarzen K.
6. Lcl-e3 9. Lc8-d7
Stellt den L auf wichtige Diagonalen, Die Theorie sagt, daß Schwarz nicht
unterstützt den Sd4 und hilft die 1 .Reihe untätig bleiben darf Er kann 9. . . . Sd4 :
für die Rochade freizumachen. nebst Le6 spielen; das Beste dürfte aber
6. Lf8-g7 nach moderner Ansicht das Bauernopfer 9.
Nicht etwa 6 . . . . Sg4 wegen 7.Lb5+ mit ... d5 sein. In den dann möglichen
entscheidendem Materialgewinn für Weiß. Verwicklungen muß man freilich
7. f2-f3 unbedingt stets auf der Höhe der
Dieser Zug hat eine ganz besondere theoretischen Entwicklung bleiben.
Bedeutung: er unterbindet den Ausfall Sg4, 10. g2-g4
stärkt die Mitte und läßt erkennen, daß der Weiß beginnt den Angriff, der sich auf den
strategische Plan des Weißen die lange schwächenden Zug g7-g6 und auf die
Rochade beabsichtigt sowie emen „heterogenen Rochaden" gründet. Durch
Königsangriff, der mit g2-g4 eingeleitet Vorstoß der g- und h-Bau-ern wird Weiß
wird. eine Linie öffnen, auf der Türme und
7. Sb8-c6 Dame zur Geltung kommen.
8. Ddl-d2 10. a7-a6
Macht den Weg für die lange Rochade frei Der thematische Zug in den meisten
und erlaubt gelegentliches Lh6, um den Varianten des Sizilianers. Schwarz strebt
schwarzen K emer wichtigen b5 und evtl. b4 an. Hier fruchtet diese
Verteidigungsfigur zu berauben. Damenflüge l -Demonstration nichts, denn
8. 0-0 der weiße Angriff ist zu scharf und die
Der schwarze K kann nicht in der Mitte
schwarze Antwort zu langsam. Nach dem
bleiben. Die lange Rochade ist hier
9.Zug steht

1 88
Schwarz aber schon kaum eine andere Idee b) 1 2 . . . . hg4 : 1 3 . Sf6:+Lf6: 14. Sc6 : bl)
zur Verfügung. 1 4 . . . . bc6 : 1 5 .h5 gß : 1 6.hg6 : und Weiß hat
11. h2-h4 einen starken Angriff, z.B. 1 6 . . . . fg6 :
l 7.Lc4+ e 6 1 8 .Dd6 : Tf? 1 9.Dg3 ! und
gewinnt; b2) 1 4 . . . . Lc6 : 1 5 .h5 gf3 : 1 6.hg6 :
und wieder ist der weiße Angriff über­
wältigend, z.B. 16. Le4 : l 7.Dh2
Lg6 : 1 8 .Ld3 oderl6 . . . . fg6 : l 7.Lc4+. In all
diesen Abspielen scheint die Öffnung der
h-Linie entscheidend zu sein.
12. h4-h5
11. b7-b5
Das erste Ergebnis der weißen Strategie:
Ohne auf den weißen Plan Bedacht zu
Schwarz kann den Weißen nicht daran
nehmen, führt Schwarz seine Geschäfte am
hindern, die h-Linie zu öffnen. Wenn j etzt
Damenflügel weiter. Anstelle seines zu
1 2 . . . . gh5 : , so 1 3 .g5, um die h-Linie eher
langsamen Vorgehens hätte er hier auf
als die g-Linie zu öffnen. Allerdings wäre
Verteidigung umschalten sollen. Das war
auch 1 3 .gh5 : sehr stark, z.B. 1 3 . . . . Te8
bis zu einem gewissen Grad möglich durch
1 4 . Tgl Kh8 1 5 .h6 Lf8 und die schwarze
den seltsam aussehenden Zug 1 1 . . . . h5, der
Stellung ist nicht beneidenswert. Vielleicht
die K-Stellung freiwillig durch Vorrücken
hätte der Weiße es aber doch schwerer als
eines Schutzbauern weiter schwächt. Nach
in der Partie, zum Erfolg zu kommen.
einiger Überlegung wird man sehen daß '

12. b5-b4
12.gh5 : Sh5 : dem Schwarzen ein neues
Schwarz setzt scheinbar emes semer
Bollwerk gibt und auch I2.g5 den weißen
strategischen Ziele durch: den Sc3 zu
Angriff nicht fördert. Weiß müßte seine
vertreiben, eine der allgemein anerkannten
Strategie ändern: bevor er aufh5 tauscht '

Absichten im Sizilianer. Hier freilich spielt


muß der Sl'6, ein mächtiger Verteidiger,
er zwar nach allgemeinen Grundsätzen
beseitigt werden. Die Fortsetzung könnte
'

ohne j edoch die besondere Lage zu


12. Sd5 sein, und weiter: a) 1 2 . . . . Sd5 :
berücksichtigen. Das Ergebnis ist, daß der
1 3 . ed5 : Sd4 : 1 4.Ld4 : Ld4 : 1 5 .Dd4 : hg4 :
Sc3 nach d5 geht, und dieser Zug gehört in
1 6.fg4 : und Weiß kann seinen heftigen
mancher Hinsicht zum Plan des Weißen
Flügelangriff in . iller Ruhe mit Zügen wie
'

die Verteidiger des K-Flügels abzu-


g5 nebst h5 (sofort h5 blockiert die
tauschen und so den Angriff zu verstärken.
Stellung) wieder aufnehmen · '

1 89
13. Sc3-d5 schon so weit, daß er die Gegendrohung
unberücksichtigt lassen kann, um alle seine
Reserven für den Schlußanprall
bereitzustellen. Ist eine Stellung so stark
und der Angriff so gewaltig, kann der
Spieler es sich leisten, die
Gewinnkombination auszurechnen, ohne
Zeit für die Verteidigung zu verlieren. Hier
würde z.B. 1 7.KM mit Dc5 beantwortet;
13. Sf6xd5 die weiße Dame müßte ihre beherrschende
Dieser Tausch ist für den Angreifer Stellung in der Mitte aufgeben und damit
günstig, weil alle Verteidigungskräfte des die weißen Angriffschancen erheblich
Schwarzen verschwinden; aber was sollte herabsetzen. Freilich muß der Weiße sich
er tun? Wenn 1 3 . . . . Se8 14. Sc6 : Lc6 : 1 5 . überzeugt haben, daß sein Angriffsweg
Lh6 mit der Drohung hg6 : ,Lg7 : und Dh6+. zum Ziel führen wird. Spielt er l 7.h6 (mit
14. e4xd5 Sc6xd4 Mattdrohung auf g7), so ist 1 7 . . . . f6 eine
15. Le3xd4 ausreichende Antwort. Der weiße Angriff
Nun hängt der Bb4, und außerdem droht wäre dann für viele Züge zum Stillstand
Weiß sofort zu gewinnen mit Lg7 : , hg6 : gekommen.
und Dh6+. 17. Lfl-d3
15. Lg7xd4 Die Kraft dieses Zuges ist aus der Partie
16. Ddlxd4 Dd8-a5 ersichtlich. Der L räumt die Grundlinie und
ermöglicht so dem Tdl, zur h-Linie
hinüberzuwechseln. Außerdem greift er g6
an, wo er sich unter Umständen zu opfern
droht.
17. Da5xa2
Spielt Schwarz nun 1 7 . . . . Dc5, erwidert
Weiß 1 8 .Df4 und droht 1 9.Dh6 mit
Mattangriff; daran ändert auch 1 8 . . . . Dd5 :
Die erste Drohung des Schwarzen; es ist nichts.
j edoch bereits zu spät. Weiß ist 18. h5xg6 f7xg6
Der Bh7 darf natürlich wegen Matt auf h8
nicht nehmen.
19. Thlxh7!
Ein Standardzug ! Weiß droht 20.Dh8 matt. 21. Kg8-f7
Doch auch ein Standardopfer sollte genau 22. Th8-h7+! Kf7-e8
geprüft werden. Ein . Scheinbar 23. Dd4-g7!
unbedeutender Umstand könnte die ganze Die Pointe. Schwarz gab auf Die
Kombination verderben. Man beachte, daß Treibj agd entlang der 7.Reihe auf den
1 9 . Lg6 : keinen Erfolg gehabt hätte, weil König, die sich nur durch zwei Schach­
der K nach 1 9 . . . . . hg6 : 20. Dh8+ Kf? 2 1 . gebote und Dazwischenstellen des Turms
Dh7+ den Schlupfwinkel e8 hat. aufschieben ließe, führt unweigerlich zum
19. Kg8xh7 Matt: 23 . . . . Kd8 24. De7 :+ Kc7 25. Dd7 :+
Auch bei 1 9 . . . . Dal+ 20. Kd2 Dd l :+ 2 1 Kb6 26. Dc7 matt. Von der Seite des
.Kd l : Kh7 : wäre Schwarz verloren: 22.De4 Weißen aus sehen Wlf einen klaren
und wenn Tg8, so 23 .De7 :+ Tg7 24.Dd6 : strategischen Entwurf, der zur Öffnung der
usw. h-Linie und deren Ausnützung auf die
20. Tdl-hl+ Kg7-h8 gleiche gradlinige Art führt.
Die Strategie des Schwarzen ist vielleicht
ebenso gradlinig, hingegen viel langsamer
und weniger wirkungsvo 1 1 . Tatsächlich
befand sich die schwarze D auf emem
Alleingang. Dennoch mußte Weiß
sorgfältig alle möglichen
Gegendrohungenparieren. Das Opfer auf
h7 ist die logische Folge der übermacht
21. Thl-h8+!
des Weißen am K-Flügel. Man beachte die
Weiß macht auf einfache, dennoch
verschiedenen Mattbilder m den
elegante Art Schluß. Der Erfordernis des
verschiedenen Abspielen. Ein zusätzlicher
Oferspiels, den bloßgestellten König
Gesichtspunkt der Lage ist die
erbarmungslos zu verfolgen und seine
Wirkungslosigkeit der schwarzen D, denn
Sicherung zu verhindern, entspricht auch
trotz der Drohung Da 1 +besaß sie keine
2 1 .Dh8+! Kf? 22.Lg6 :+ Kg6 :23 .Dh7+
besondere Kraft, weil das Schachgebot
Kf6 (oder Kg5 24.Dh6 matt) 24.g5+ Kg5 :
nach Kd2 zu nichts führt. Das ist während
25 .Dh6+ Kf5 26. Th5 matt. Hier müßte
der Partie nicht leicht zu erkennen, denn
man aber noch genau rechnen. Daß es
man nimmt an, daß eine Dame schweren
schon mehrere Wege nach Rom gibt,
Schaden anrichten kann. Sobald es j edoch
beweist die Überlegenheit der
dem Weißen klar geworden ist, daß die
weißenStellung.
schwarze Dame auf der 1 .Reihe nichts
ausrichten wird, kann er ruhiger und
solider vorgehen.
Dies ist von seiten des Amateurs keine
große Partie. Er konnte sich an keiner
Stelle bestätigen, sein Angriff kam nicht
ins Rollen und er versäumte zu erkennen,
wie stark der gegnerische Angriff war.
Hätte er gewußt, daß der weiße Sturm so
rasch kommen würde, wäre ihm vielleicht
ein zäherer Widerstand geglückt. Solche
weitreichenden Entwicklungen zu beurtei­
len, ist jedoch immer schwierig. In diesem
Fall hat die Eröffnungstheorie die
Einschätzung für uns vorgenommen.
Dies zeigt besonders für den modernen
Amateur auf, wie problematisch die
Eröffnungswahl für ihn sein kann. Gerade
wenn er scharfe Systeme spielt, reicht es
oft nicht aus, nur allgemeine

192
Prinzipien zu kennen. Hier machte er m denen sich das Scheitern dieses Plans
keinen echten Fehler, folgte richtig einem immer wieder bestätigte. Dies läuft
sizilianischen Schemaplan, doch das wiederum darauf hinaus, daß gerade im
reichte aus, um sem Schicksal zu Stadium unmittelbar nach der Eröffnung
besiegeln, weil dieser Plan m der sehr oft die Überlegenheit des Meisters
gegebenen Stellung zu langsam war. Ein zutage tritt, weil er ein erweitertes Wissen
Meister weiß das, nicht nur weil er die nicht nur über Varianten, sondern auch
konkret besten Varianten gelernt hat, über gute und schlechte Pläne etc. besitzt.
sondern auch weil es Vorbildpartien gibt,

1 93
Partie 18

Sizilianisch - Boleslawsky-Variante
Eine neue Behandlungsweise des wichtigen Zentralfelds d5 im
Sizilianer
Aufschieben des Schlages
Motive für das Opfer der Qualität
Die Bedeutung aktiven Spiels auch bei Materialvorteil
Angriff und Gegenangriff

Zu den reizvollsten Eigenheiten des Schachs gehört, daß man semer Natur und »emen
Techniken immer wieder neue Seitenabgewinnen kann. Was eine Schachgeneration als
schlecht ansah, betrachtet vielleicht die nächste als unbedingt gut.
Im allgemeinen bedeutet ein „Loch" eine ernsthafte Schwäche, weil es der gegnerischen Seite
gestattet, dort Figuren zu postieren. In der Boleslawsky-Variante verschafft sich Schwarz mit
Vorbedacht ein Loch, weil er weiß, daß er entweder in der Lage sein wird, es zu semem
Vorteil aufzulösen oder an anderer Stelle Gegenwerte einzutauschen.
Als Ergebnis seiner Strategie und einer scharf berechneten Kombination findet Kich Schwarz
im Mittelspiel im Vorteil von zwei Bauern. Wie soll der Spieler etzen, hat er einmal
materiellen Vorteil? Diese Partie zeigt den Wert kräftigen Spiels bei materiellem
Übergewicht.
I\s ist überraschend, daß man in vielen Fällen die Partie zweimal gewinnen muß, bevor man
seinen Zähler verbuchen kann. Zuerst muß der Spieler seinen Gegner strategisch schlagen,
indem er ihn in klaren Stellungsnachteil bringt (Hier ihm einen Bauern oder mehr abnimmt.
Veranlaßt dies den Gegner nicht
um A ufgeben, muß man ihn auch in taktischer Hinsicht besiegen. In der Praxis iinen die
Schachfreunde nicht immer die Bedeutung dieser zweiten Partiephase. Sie neigen zu der
Überzeugung, daß sie nach Erlangen eines strategilichen Sieges ohne ihr Zutun gewinnen
müßten. Oft ruht der Spieler mit dem strategischen Vorteil auf seinen Lorbeeren aus und
begnügt sich mit einer passiven Rolle, anstatt die unternehmendsten Züge zu finden - Züge,
mit denen er die Initiative behält. Solche Strategie der Tatenlosigkeit kann tödlich sein. Die
Initiative ist im Schach äußerst bedeutsam. Manchmal ist sie ein bis zwei Bauern wert,
manchmal sogar mehr.

1 94
WElß : AMATEUR SCHWARZ: MEISTER abfinden. "
SLZILIANISCH - BOLESLAWSKY-SYSTEM Andererseits gewinnt e7-e5 ein Tempo für
Schwarz, indem er Weiß zwingt, den Sd4
1. e2-e4 c7-c5 zu ziehen, und sollte es Schwarz später
2. Sgl-f3 Sb8-c6 gelingen, d6-d5 durchzusetzen, so erlangt
3. d2-d4 c5xd4 er die Mehrheit in der Mitte.
4. Sf3xd4 Sg8-f6 Diese Eröffnung zeigt wieder einen
5. Sbl-c3 d7-d6 bemerkenswerten Aspekt des modernen
6. Lfl-e2 e7-e5 Denkens. Früher verurteilte man, wie es
der obige Kommentar zeigt, eine solche
Variante gern pauschal aufgrund
„allgemeiner Prinzipien". Boleslawsky
verband damit jedoch einen konkreten
Spielplan, der beweisen sollte, daß der
formale Nachteil im gegebenen Fall
aufgewogen bzw. überwunden werden
kann. Die Praxis zeigt in der Tat, daß
Dies ist der seltsam aussehende, von
Schwarz vor allem gegen schablonenhaftes
Boleslawsky herrührende Zug, der um
Spiel meistens sein Ziel erreicht und dann
1 940 in die Praxis eingeführt wurde.
schon Weiß nach Ausgleichswegen
Warum berührt er uns merkwürdig? Weil
fahnden muß. Auch sachgerechteres
er in schlagender Mißachtung der üblichen
Vorgehen der Weißspieler brachte bis j etzt
schachlichen Grundsätze das Feld d5
keine „Widerlegung" des schwarzen
ungeschützt läßt. Kurz vor dem Krieg
Systems hervor, das nach wie vor als
schrieb ein führender Meister über die
vollwertig gilt.
Sizilianische (nach 4. Sd4 : ) : „Weiß hat nun
7. Sd4-b3
einen Springer in beherrschender Zentral­
Möglich ist auch 7. Sf3 mit ähnlicher
stellung. Schwarz könnte ihn nur mit e7-e5
Fortsetzung. Nach 7. Sc6 : bc6 : erhielte
vertreiben. Der Zug e7-e5 schüfe j edoch
Schwarz die Kontrolle über d5 wieder.
auf d5 ein absolutes Loch, das weit
7. Lf8-e7
schlimmer wäre als der vorübergehende
Weiß kann an dieser Stelle noch nicht
Nachteil, den der starke weiße Sd4
8 . Sd5 spielen wegen Se4 : . Aber auch wenn
verursacht. Aus diesem Grund kann der
Sd5 später möglich wird, bringt es meist
weiße Springer erst nach langer
nach Sd5 : und ed5 : nicht viel ein, denn das
Vorbereitung aus dem Weg geräumt
Feld d5 ist nicht mehr schwach für
werden, und in der Zwischenzeit muß sich
Schwarz, wenn dort ein weißer Bauer
Schwarz mit einer etwas beengten Stellung

1 95
steht. Strategisch wäre 8 .Lg5 ein starker Zug, um
den Sf6 zu tauschen und so das Feld d5
weiter zu schwächen. Schwarz hätte aber
den taktischen Ausgleichszug 8 . . . . Se4:,
z.B. a) 9. Se4 : Lg5 : 1 0 . Sd6 :+ Ke7. Nun
hängt der Sd6, und nach 1 1 . Se4 Ddl :+
12. Tdl: stünde der schwarze König wie
gewöhnlich im Endspiel in der Mitte
günstiger, als es auf dem Flügel der Fall
gewesen wäre; auch nach 1 1 , Sc8 :+ Tc8 :
hat Schwarz nichts zu fürchten, b) 9 .Le7 :
Sc3 : 1 0.Ld8 : Sdl: 1 1 . Td l : Kd8 : 1 2 . Td6 :+
Ke7 und Schwarz kann zufrieden sein.
8. Lcl-e3 a7-a5
Schwarz plant a4 und vielleicht a3 mit
einer Schwächung des weißen D-Flügels.
Im allgemeinen ist dieser Zug 1m
Sizilianernicht viel wert, weil er durch a2-
a4 gestoppt werden kann. Hier j edoch
überläßt dies dem Sc6 das Feld b4, wo er
den Einfluß auf d5 erhöht.
9. a2-a4
Möglich war auch 9.a3 . Schwarz ant­
wortet 9 . . . . a4 1 0. Sc l Le6 gefolgt von d6-
d5 und erreicht sein strategisches Ziel. Am
besten dürfte nach neuerer Theorie sofort
9 .Lf3 sein, und nach dem konsequenten
9 . . . . 0-0 1 0 . 0-0 a4 1 1 . Sd2 a3 1 2.b3 Sb4
hätte Weiß mit 1 3 . Sc4 Chancen, durch den
a-Bauern-Vormarsch verursachte
Schwächen (Feld b6) zu nutzen
9. 0-0
10. 0-0 Sc6-b4!
Schlag hinauszuzögern, denn der Gegner
weiß nicht genau, wo er sich verteidigen
so 1 1 . Man sehe auch die Anmerkung zum
1 3 .Zug von Weiß.
12. Tfl-dl
Wenn nun 1 2. . . . d5, so 1 3 . ed5 : Sfd5 :
14. Sd5 : Sd5 : 1 5 . Sc5 und Weiß steht gut.
Es ist nun fast unmöglich für Weiß, den 12. Ta8-c8
Gegner an d6-d5 zu hindern. Probiert Weiß Schwarz denkt an die folgende Kom­
1 1 .Lf3 , erwidert Schwarz Le6. Wenn 1 1 bination: 1 3 . f3 d5 ! 1 4 . ed5 : Sfd5 : 1 5 . Sd5 :
.Lg5 Le6 (Se4 : ? 1 2.Le7 : Sc3 : 1 3 .bc3 :De7 : Tc2 : 1 6 . Se7 :+ De7 : . Er erobert die Figur
1 4 . cb4 : kostet nun eine Figur) 1 2.Lf6 : Lfö : zurück, weil Weiß den Spinger nicht
1 3 .LS Db6 ! ist ebenfalls gut für Schwarz, schützen kann, und hat Beute gemacht.
denn er droht eine typische Wendung: 14. 13. Tal-cl?
... Sc2 : 1 5 .Dc2 : Lb3 : . Daher muß Weiß Verständlichj edochnicht gesund, wie die
14. Sd2 antworten, und Schwarz spielt Partie zeigt. Vorzuziehen war 1 3 .Ld3 ,
Tfd8, gefolgt von d5 . worauf Schwarz mit d6-d5 ein recht
11. Ddl-d2 zufriedenstellendes Spiel erhält. Er hat
Weiß plant, den Druck auf der d-Linie zu wohlplazierte Springer und emen
verstärken und einen der Türme nach dl zu Raumvorteil. Der Zug 1 3 .Ld3 zeigt, was
bringen. man durch Verzögern des Schlags
11. Lc8-e6 profitiert - nach 1 1 . . . . d5 käme Weiß nie
Schwarz hätte schon 1 1 . . . . d5 spielen auf die Idee, einen so passiven Zug zu
können, was ihm wenigstens gleiches Spiel machen. Nun stellt er die einzige
verschafft hätte: 1 2 . ed5 : S6d5 : 1 3 . Sd5 : Verteidigung dar, weil andere Schläge in
Sd5 : und nun 1 4 . Tfdl Se3 : der Luft liegen.
1 5 .De3 :Dc7 oderl4.Lc5Lc5 : 1 5 . Sc5 : Sf4 ! 13. Tc8xc3! !
1 6.Dd8 :?? Se2:+. Die Technik geht dahin,
zuerst den Druck entlang der c-Linie zu
verstärken und dann erst den Bd6
vorzustoßen. Diesen Druck verwirklicht
Schwarz indem er c8 für den T freimacht.
'

Häufig kann em wirkungsvoller


Nervenkrieg darin bestehen, den

1 97
Nimmt der L auf b3, erobert er gleich­
zeitig die Qualität. Der Meister sieht die
charakteristischen Merkmale und versucht,
ihnen mit einer Kombination Gestalt zu
geben. Er sucht nach Zügen, die den
Gegner zwingen. Er fuhrt die Züge nicht
sofort aus, sondern spielt sie im Geist und
versucht, zu einem Ergebnis zu kommen.

Eine überraschende, vierzügige Kom­ 16. Le6xb3


Schwarz erobert so die Qualität zurück und
bination, nicht besonders tief, aber
behält zwei Bauern mehr.
unbedingt zwangsläufig. Sie beruht auf
emer Anzahl scheinbar unwichtiger 17. Tc2-b2 Lb3xdl

Umstände, die bei ihrem Auftauchen 18. Le2xdl

erklärt werden. Der erste ist, daß e4 seine


Deckung einbüßt, so daß Schwarz für die
Qualität mindestens den Be4 erhält.
14. b2xc3
Auf 1 4.Dxc3 käme die gleiche Antwort:
1 4 . . . . Se4 : 1 5 .Del Sc2 : ! 1 6 . Tc2 : Lb3 : oder
1 6.Da5 : Lb3 : und Schwarz ist in beiden
Fällen materiell im Vorteil. Solche Stellungen sind sehr trickreich.
14. Sf6xe4 Schwarz hat zwei Bauern gewonnen, die
15. Dd2-el im Augenblick noch nicht recht zählen.
Erzwungen. Der zweite Umstand: Daher besteht gegenwärtig eine Art „Feld­
beschränkte Beweglichkeit der weißen Gleichheit" . In solchen Stellungen ist der
Dame. Der dritte Umstand: die unsichere Spieler mit der größeren Bauernzahl
Stellung des Sb3 (nur von c2 verteidigt, geneigt, den Kampf zu vermeiden im
der genommen wird). Glauben, er dürfe wegen semes
15. Sb4xc2! Übergewichts kein Risiko eingehen. Das
16. Tclxc2 ist falsch. Er muß tätig werden und
Wieder erzwungen, denn 16.Dfl kostete kämpfen. Er kann es sich nicht leisten,
noch mehr Material : 1 6 . . . . Se3 : l 7.fe3 : passiv zu bleiben. Spielt er furchtsam oder
Lb3 : . Der vierte Umstand: die diagonale unentschlossen, kann es passieren, daß er
Aufstellung Sb3/Tc2/Tdl. seinen ganzen Vorteil einbüßt.

1 98
Hier muß Schwarz den angegriffenen Bb7 wichtige Felder in der weißen Stellung
verteidigen. Zugleich kann er den Bc3 unter Druck setzt. Schwarz hat sich mit
angreifen. 1 8 . . . . Dc7 könnte jedoch aus einem Doppelbauern abgefunden, um das
zwei Gründen ungesund sein: weiße Läuferpaar zu beseitigen.
a) Lb6 zu einem späteren Zeitpunkt; 20. f5xe4
b) späteres Tb7 : würde ebenfalls die D 21. Del-bl
angreifen. Greift b7 und e4 gleichzeitig an.
18. Dd8-c8 21. Dc8xc3
Das erlaubt Schwarz außerdem, entlang 22. Tb2xb7 Le7-f6
der Schrägen c8/h3 zu ziehen, Der L arbeitet, zwar verteidigend, aber er
insbesondere nach e6. ist wenigstens nicht mehr wie zuvor
19. Ldl-f3 ungedeckt.
Abgesehen vom Bauernminus steht Weiß
nicht schlechter, sondern eher besser als
Schwarz. Weiß hat das Läuferpaar, der Le7
istuntätig, dieBa5 und b7 sind schwach,
auch d6 braucht Schutz.
19. f7-f5
Man beachte, daß die schwarzen Figuren
defensiv postiert sind; sie wirken nicht
Man sehe, welcher Wechsel in der Stellung
angriffsmäßig zusammen. Zugunsten des
eingetreten ist ! Schwarz ist jetzt ein
Textzuges spricht, daß er das weiße
gleichwertiger Partner. Auch wenn es
Läuferpaar neutralisiert und den Kampf um
einen der eroberten Bauern gekostet hätte
die Initiative aufnimmt, die völlig in die
(was nicht der Fall war), wäre es ratsam, in
Hände des Weißen überzugehen drohte.
solchen Stellungen zu „spielen", anstatt zu
Wenn 19 . . . . Sc3 : , so 20. Tc2 mit Gewinn
warten. Die Schlacht ist noch nicht
einer Figur. Weiß erhielte gute Remis­
gewonnen, doch Schwarz hat jetzt ebenso
chancen nach 1 9 . . . . Dc3 :20.Dc3 : (oder
wie Weiß Trümpfe in der Hand.
20.DM) 20 . . . . Sc3 : 2 1 . Tb7: Ld8 22.Lb6.
23. h2-h3
20. Lf3xe4
Wegen der Mattgefahr auf der Grundlinie
Weiß tauscht, weil einesteils der Lf3 nicht
muß Weiß diesen Zug verlieren, damit
zur Geltung kommt, wenn er vom S
seine Dame beweglich wird.
blockiert wird, andernteils weil der S
entfernt werden muß, der mehrere

1 99
23. d6-d5
Deckt e4 und bereitet d5-d4 vor. Schwarz
will so schnell wie möglich durch Vorstoß
der B auern Drohungen schaffen. In
solchen Stellungen hängt oft alles von der
Frage ab, wer zuerst zu drohenden Zügen
kommt.
24. Dbl-b5
Natürlich muß Weiß versuchen, eine Art
Gut sieht 25 .Dd5+ Kh8 26.Df7 aus;
von Angriff hervorzuzaubern.
Schwarz spielt j edoch 26 . . . . Dc8 ! 2 1 . Tel
24. d5-d4
Dd8 und Weiß verliert eine Figur, weil D
Gerade noch im letzten Moment. Der Bd5
und L angegriffen sind. Es ist klar, daß nun
war bedroht, und sein Vorstoß liegt nahe.
25 . . . . gh6 : wegen 26.Dd7 ! nicht geschehen
Im folgenden tritt jedoch zutage, daß Weiß
darf
einen gefährlichen Angriff hat, der durch
25. e4-e3!
Gegenspiel gerade abzuwenden ist. Wäre
Zugleich Verteidigung und Gegenangriff.
das nicht möglich gewesen, wäre 24.
Schwarz hat nun eine Anzahl von
. . . Dd3 der richtige Zug, weil 25 .Dd3 : sofort
Drohungen: 26 . . . . ef2 :+, 26 . . . . Del + und
verlöre - es überließe dem Gegner, der
26 . . . . gh6 : 27.Dd7 Dd3 usw. Nach einem
schon zwei Bauern mehr hat, einen starken
verhältnismäßig ruhigen Zug wie 25 . . . . d3
Freibauern -, aber nach 25 .Lc5 gäbe es
müßte sich Schwarz mit 26.Dd7 und
Probleme, z.B. 25 . . . . Db5 : 26. Tb5 : (auch
starken Drohungen auseinandersetzen. Er
26. ab5 : ist gut - derBb5 wird gefährlich)
beschleunigt mit dem Textzug daher seinen
26 . . . . Td8 27. Ta5 : d4. Man beachte die
Angriff 26. Db5-d5+
Untätigkeit des Lf6 hinter den Be5 und d4.
Nicht viel würde 26.Dd7 nützen, denn
Im Mittelspiel, als er die wichtige Aufgabe
nach 26 . . . . Del+ 27.Kh2 ef2 : wäre Weiß
hatte, g7 zu schützen, war das vertretbar;
verloren.
im Endspiel müssen j edoch alle Figuren
26. Kg8-h8
mitwirken.
27. Dd5-f7
25. Le3-h6!
Ein gefährlicher Zug des Amateurs, der
28.Df8 : matt und 28 .Lg7 :+ Lg7 : 29.Dg7 :
Siehe Diagramm nächste Seite.
matt droht.
27. e3xf2+
Natürlich nicht 27 . . . . Tf7: 28.Tb8+ nebst
Matt.

200
28. Kgl-h2
Auf 28. Kf2 : ginge überraschend 28. . . .
Tf? : 29. Tb8+ Ld8+!
28. Tf8-g8
Der einzige Zug, der aber genügt. Auf 29.
Lg7 :+ gewinnt Lg7 : (nicht Tg7 : 3 0 . Tb8+
nebst Matt) .
29. Tb7-bl
Was sonst?
29. Dc3-el
Weiß gab auf Eine spannende Partie ! Wie
in der vorhergehenden Partie hatte es hier
der Amateur mit einer Strategie zu tun, mit
der er nicht vertraut und der nicht einfach
mit den üblichen Standard-Entwicklungs­
zügen zu begegnen war. Er hatte es
außerdem mit emem nachteiligen
psychologi-schenFaktorzutun. Der
Amateur hatte den Eindruck, daß seme
Stellung vollständig sicher war. Wäre er
mit dem seltsam aussehenden und dennoch
starken System des Gegners besser bekannt
gewesen, hätte er sicher das überraschende
Opfer des Schwarzen im 1 3 .Zug nicht
übersehen. Abgesehen davon hat der
Amateur recht gut gespielt, besonders bei
seinem Versuch, nach dem Bauernverlust
Gegenchancen zu erlangen. Der Meister
konnte den Amateur nur durch sehr
scharfes Gegenspiel, das tief und genau
berechnet werden mußte, auf die Knie
zwmgen.
202 -------
Partie 19

Die Theorie der Königsindischen Verteidigung


Bauernketten-Strategie
Die offene Linie für Angriffszwecke
Die Aufgabe des Spitzenbauern als Bewacher des Königs
Die Aufspeicherung von Angriffskräften

Der Kampf im Zentrum kann zu einer großen Vielfalt von Bauernstrukturen führen. Einerseits
ist es möglich, daß eine Partei durch Abtausch beide Mittelfür Flügelbauern hergibt, und dann
ist klar, daß die andere Partei die erste Etappe des Kampfes für sich enschiedenundnun die
Pflicht hat, aus der erreichten Bauernmehrheit Vorteil zu ziehen. Andererseits könnte die
Spannung in der Mitte während eines Teils oder während der gesamten Mittelspielphase auf­
rechterhalten bleiben. Das bedeutet, daß der Kampf um das Zentrum nicht entschieden wurde.
Oder die Bauern können so vorrücken, daß sie in einer unbeweglichen Formation stehen, die
mit dem Begriff „Bauernketten" bezeichnet wird.
Dies erfordert eine ganz besondere Art von Strategie, die darin besteht, die Basis der
feindlichen Kette anzugreifen. Ein solcher Angriff, 1m richtigen Augenblick durch
Bauerntausch sorgfältig vorbereitet und ausgeführt, kann zu zwei Sorten von Vorteilen
führen:
a) Herbeiführen und Beherrschen einer offenen Linie; b) Schaffung eines schwachen Bauern
an der Basis der gegnerischen Bauernkette. Bei der Ausführung dieser Strategie ist immer die
Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Ausdehnung der Bauernkette zu erwägen, durch die
die Basis der gegnerischen Kette entwurzelt wird. Diese Ausdehnung erfordert einen sehr
präzisen Vergleich der Möglichkeiten vor und nach dem Vorgehen. 1 n dieser Partie, die sich
um die Bauernkette dreht, erzwingt Weiß einen schwachen Bauern an der Basis der
schwarzen Kette. Als Gegenwert erhält Schwarz die Herrschaft über die offene Linie, die er
geschaffen hat. Im Verlauf der Partie erweist sich der Angriff auf der offenen Linie als
bedeutsamer denn die Schwäche des Bauern an der Basis der Kette.
WElß: AMATEUR SCHWARZ: MEISTER punkt emes Angriffs benützen?" Weiß
KÖNIGSINDISCH sollte erkennen, daß er mit e2-e4 das Feld
(OHNE FIANCHETTO DES LFI) d4 in allgemeinem Sinn geschwächt hat,
weil er nicht mehr ohne weiteres die
1. d2-d4 Sg8-f6
Spannung im Zentrum aufrecht erhalten
2. c2-c4 g7-g6
kann. Nachdem Schwarz d6 und e5 (bzw.
3. Sbl-c3
c5) gespielt hat, drückt der schwarze B auf
Diese Züge kennen wir schon aus der
der 5 .Reihe in Zusammenarbeit mit dem
Grünfeld-Verteidigung (Partie 9).
Lg7 auf den Punkt d4. Allgemein
3. Lf8-g7
gesprochen: Kann die Seite, die das
4. e2-e4
Zentrum besetzt hat, die Spannung
aufrecht erhalten, ist es vorteilhaft. Mit
anderen Worten, es ist gut für Weiß, wenn
er die Formation c4-d4-e4 gegen die
schwarze d6-e5 behaupten kann. Spielt
Weiß aber d5 oder de 5 : , so gibt er die
Spannung auf und nimmt damit unter Um­
ständen Nachteile in Kauf Weiß hätte an
Die Grünfeld-Verteidigung (d7-d5) ist dieser Stelle auch 4 . Sf3 spielen können.
damit ausgeschaltet. Weiß hat nun eme Das gibt ihm nicht ganz so viele
eindrucksvolle Bauernphalanx auf der Möglichkeiten, oder 4. g3 , was Schwarz
4.Reihe. Er beherrscht die zentralen Felder mit 4. . . . d5 beantwortenkönnte, emer
c5, d5, e5 und f5 . Wie kann Schwarz es verstärkten Grünfeld-Verteidigung, denn
sich leisten, dem Weißen derartige das Fianchetto gehört nicht zu den nach­
Kontrolle über so viel Raum in der Mitte haltigsten Abspielen für Weiß. Der Zug
zu gewähren? Die Stärke eines Zentrums 4.e4 ist die logische Folge von 3 . Sc3 .
besteht a) m der Ausdehnung und Spielt Weiß ihn nicht, erhält Schwarz eine
Bedeutung der beherrschten Felder; b) in zweite und noch günstigere Gelegenheit,
der Art und Verfügbarkeit des Raums d7-d5 zu ziehen und nach cd5 : Sd5 : e4
hinter dem Zentrum, der als Sc3 : bc3 : den Angriff auf das weiße
Ausgangspunkt einer Handlung dienen Bauernzentrum mit c5 aufzunehmen,
kann. Man muß sich daher, will man den ähnlich wie in Partie 9.
Wert seines Zentrums feststellen, fragen: 4. d7-d6
„Beherrsche ich mehr und bessere Felder Um eimgen Einfluß im Zentrum zu
als mein Gegner? Kann ich den Raum gewinnen; denn es ist immer etwas gewagt,
hinter dem Zentrum als Ausgangs- dem Gegner ein so schönes
Zentrum zu überlassen und selbst kein angreifen. Vorher muß ich das Zentrum
Mittelfeld auf der 5 .Reihe durch einen mit d4-d5 schließen und lang rochieren. "
Bauern zu kontrollieren. Man findet den Z.B. 5 . f3 0-0 6 . Le3 e5 7 . d5 Sbd7 8 . Dd2
Zug d6 in einer Anzahl von Eröffnungen, a5 9. g4 Sc5 1 0 . h4 Ld7 1 1 . h5 ! mit
in denen Schwarz dem Gegner bis zu starkem Angriff
einem bestimmten Grad das Zentrum 5 . f4 schließlich führt zur sog. Vierbauern­
überläßt, wie m der Alj echin­ Variante. Das breite Zentrum hat
Verteidigung. Obwohl Schwarz dem bestimmte Vorteile; es ist hingegen nicht
Gegner gestatten kann, drei Bauern auf die immer leicht, die Angriffe des Schwarzen
4.Reihe in und nahe der Mitte zu bringen, gegen ein solches Zentrum abzuwehren.
wird es weniger empfehlenswert sein, ein 5. 0-0
weiteres Vordringen der e- und d-Bauern 6. Lfl-e2
kampflos zu gestatten. Dennoch könnte Verschiedene Nachteile hätte 6 .Ld3 : die
Schwarz auch 4 . . . . 0-0 spielen und auf weiße D würde ihren Einfluß entlang der
5 . e5 Se8. Er hätte dann immer noch die d-Linie einbüßen, und der L hat keine
Möglichkeit, die weißen Mittelbauern mit eigentliche Aufgabe auf d3 , denn die
d6 und c5 zu unterminieren. Dieses Diagonale b 1 -h7 ist bei der
Verfahren ist allerdings schwieriger als das Bauernstruktur f7/g6/h7 nicht verwundbar,
mit 4 . . . . d6 eingeleitete. und der L wird durch den eigenen Be4
5. Sgl-f3 verstellt. Auf e2 hat er zwar auch keine
Ein wichtiger Kreuzweg. Weiß hatte hier ganz bestimmte Aufgabe. Immerhin deckt
dieWahlunter5 . Sf3 , 5 .g3 , 5 .f3und5 . f4. Weiß er c4, ohne seiner D im Weg zu stehen,
mußte sich entscheiden, wie er den Lfl vermeidet eine Fesselung durch Lg4,
entwickeln will, ob er ihn nach 5 . Sf3 schützt manchmal das Feld g4 und
benützen soll, c4 zu schützen, oder ihn unterbindet u.U. späteres Sh5 .
nach5 .g3 zu flankieren. Diese Wahl ist 6. e7-e5
besonders wichtig bei der Lösung der Schwarz nimmt nun selbst ein Mittelfeld in
Frage, ob die Spannung in der Mitte Besitz. Er blockiert damit die Aktion des
beibehalten werden soll oder nicht. Dieses Lg7, hilft diesem aber zugleich, den Druck
Problem wird sich in wenigen Zügen auf der langen Diagonalen zu verstärken.
ergeben, wie auch der Lfl entwik-kelt Nach einem eventuellen ed4 : ist seme
werden mag. Das für diesen Entschluß Kraft beträchtlich erhöht. Spielt Weiß
benützte Kennzeichen ändert sich aber mit dagegen d4-d5, ist die Schräge endgültig
der Wahl, die Weiß an dieser Stelle trifft. geschlossen. Dieser Zug bedeutet aber
Andererseits besagt die Sämisch-Variante auch ein Zugeständnis von Seiten des
5 . f3 folgendes: „Ich möchte am K-Flügel Weißen.
mit Zügen wie g4 und h4-h5
Der Be5 ist zweimal angegriffen, nur 8. d4-d5
einmal verteidigt; ein Scheinopfer des Weiß beschließt, das Zentrum abzu­
Schwarzen, wie die Analyse beweist, z.B. schließen. Sobald er das tut, erhält
7.de5 : de5 : 8 . Se5 : Se4 : mit Rückgewinn des Schwarz Chancen auf dem K-Flügel. Vor
Bauern. Es ist wichtig für Schwarz, e5 an 8 . d5 würde ein gelegentliches f7-f5 nach
dieser Stelle zu spielen, um sich die Wahl de5 : und ef5 : zu Schwächen im schwarzen
zwischen der Entwicklung des Sb8 nach c6 Lager führen, das aus diagonaler Richtung
oder d7 zu lassen. Spielt er sofort 6 . . . . Sc6, verwundbar wäe. Es ist klar, daß diese
antwortet Weiß 7.d5 und schickt den S auf Gefahr durch d4-d5 ausgeschaltet wird.
sem Ausgangsfeld zurück. Kommt Welche anderen Möglichkeiten hatte
Schwarz nach 6 . . . . e5 zu Sc6, so kann er Weiß? Konnte er die Spannung im
auf d4-d5 mit Se7 einen guten Platz Zentrum mit größerer Bewegungsfreiheit
einnehmen. beibehalten, ohne Schwarz Gegenchancen
7. 0-0 einzuräumen? Weiß könnte 8 . Le3 Sg4 9.
Weiß könnte hier auch 7.d5 spielen. Das Lg5 f6 1 0 . Lc l versuchen, was ein ganz
verstößt zwar gegen den Grundsatz, die anderes Bild schaffen würde. Ist 8 . Le3
Spannung in der Mitte solange wie besser als 8 . d5? In einer Hinsicht j a, weil
möglich aufrecht zu erhalten, hindert aber die Spannung erhalten bliebe; in anderer
den S daran, c6 zu betreten. Hinsicht nein, denn Schwarz käme doch zu
7. Sb8-c6 seinem Spiel. 8 . de5 : de5 : gäbe keiner
Seite einen Vorteil. Nach 9. Dd8 : Td8 : 1 0.
Lg5 müßte Schwarz mit der Drohung 1 1.
Sd5 rechnen und etwa 10 . . . . Te8 antworten.
8. Sc6-e7

Droht Bauerngewinn mit 8 . . . . ed4. 9. Sd4 :


Se4 : 1 0 . Sc6 : Sc3 : l l . Sd8 : Sdl: 1 2 . Sf? :
Sb2 : . Der Textzug ist viel unternehmender
als 7. . . . Sbd7, weil er versucht, den
Weißen zu einer Erklärung in der Mitte zu Wir sehen nun eine Bauernkette, wie wir
zwmgen. sie schon im Zusammenhang mit

206
Partie 8 besprochen haben. Die Bauern e4 9. Sf6-d7
und d5 bilden die weiße, d6 und e5 die Ein defensiver Zug, der das Feld c5 gegen
schwarze Kette. Beide Parteien sollten den drohenden Vorstoß c4-c5 schützt und
versuchen, die Basis der gegnerischen ein eventuelles Sc5 ermöglicht, und ein
Kette, also den hintersten Bauern, offensiver Zug, weil er f7-f5 erlaubt
anzugreifen. Schwarz wendet sich somit (Angriff gegen die Basis e4).
gegen e4, Weiß gegen d6. Das Ziel eines Gutistauch9. . . . Se8, dochkönnte der S von
solchen Angriffs ist, eine Kette zu öffnen diesem Feld aus weder c4-c5 erschweren
und der Basis die Unterstützung zu noch den Punkt e5 stützen; andererseits
entziehen, um sie mit Figuren unter Feuer vermeidet er die Verstellung des Lc8 .
nehmen zu können. Linienöffnung ist nicht 10. Lcl-e3
ein unbedingtes Ziel. Oft wird die Linie Zur Vorbereitung von c4-c5 . Der Zug
nicht geöffnet; es genügt, wenn die geschieht an dieser Stelle, um den L im
Möglichkeit dazu besteht. Beispielsweise Besitz der wichtigen Schrägen gl -a7 zu
könnte Weiß nach sorgfältiger lassen. Falls notwendig, geschieht f2-f3 ,
Vorbereitung zu c4-c5 kommen und die damit er das Rückzugsfeld f2 erhält, denn
Basis d6 angreifen. Nach cd6 : cd6 : wäre Weiß muß mit f5-f4 rechnen.
die c-Linie geöffnet, und der Bd6 hätte die Auch für 1 0 . Sd3 sprechen gewichtige
Deckung des Bc7 eingebüßt. Weiß könnte Umstände: a) Weiß braucht keine Zeit zu
diesen Bauern nun mit Zügen wie La3 und verlieren, wenn Schwarz f4 spielt; b) das
Sb5 bedrohen. Wir sehen solche Manöver Feld d2 bietet dem L ebenfalls Aussichten,
in dieser Partie. Weiß ist natürlich nach c4- indem er nämlich nach b4 oder a5 gebracht
c5 nicht gezwungen, auf d6 zu tauschen. Er wird. Lange Zeit galt 1 0 . Sd3 als besser und
kann die Spannung beibehalten, um im 1 0.Le3 fast schon als schwach, doch in
richtigen Augenblick loszuschlagen, wenn neuer Zeit sieht man das nicht mehr so
Schwarz an anderer Stelle beschäftigt ist. klar. Inzwischen haben beide Züge ihre
Die Frage der Bauernkettenstrategie wird Daseinsberechtigung. Nicht im Einklang
auch bei einer anderen Stellung (Partie 22, mit der Kettenstrategie wäre 1 0 . f4?, was
9 .Zug von Weiß) besprochen. die Spitze und nicht die Wurzel der
9. Sf3-el gegnerischen Kette angreift. Schwarz
Ein Zug für Verteidigungszwecke, weil er antwortet ef4 : und erhält das Feld e5 für
f2-f3 zuläßt (um den Be4 nach f7-f5 seine Figuren ( 1 1 .Lf4 : Se5). Beim Angriff
stützen zu können), und für auf die Spitze der Bauernkette riskiert man,
Angriffszwecke, denn Sd3 wird er­ dem Gegner ein starkes Feld zu überlassen;
möglicht, wo der S den Zug c4-c5 allerdings kommen Ste 1 -
unterstützt.
lungen vor, in denen dieser Angriff reich anzugreifen, und darum zielt
erfolgreich ist (siehe Partie 8, 1 4.Zug von Schwarz auf Öffnung, nicht auf
Weiß). Schwächung. Das ist eme Verallge-
10. f7-f5 meinerung; es können j edoch besondere
Die angezeigte Strategie, Angriff auf die Umstände voherrschen. Man betrachte den
Basis. Punkt d6, der mit c5, Sb5 und (wenn der L
11. f2-f3 auf der Diagonalen c l -e3 geblieben wäre)
Öffnet dem L den Rückzug nach f2. Das Lb4 oder La3 unter Druck gesetzt wird. Es
Abspiel l l . ef5 : ist hier sehr lehreich und ist dagegen klar, daß der weiße Bf3 kaum
nicht schlecht. Mit 1 1 .... Sf5 : gäbe auf diese Weise angegriffen werden
Schwarz dem Weißen das starke Feld e4. könnte.
Auf 11 . . . . gfS : 1 2 . f4e4 (sicher nicht am Verfehlt wäre 1 1 . . . . fe4 : , denn Weiß
besten) erhielte Weiß den starken Punkt besetzt mit 12. Se4 : ein starkes Feld. Auch
d4, den er mit Sel -c2-d4 besetzen könnte, wenn er 12. fe4 : antworten müßte, wäre die
wobei der gedeckte Freibauer e4, blockiert sich ergebende Stellung für Schwarz nicht
vom Le3 , wertlos wäre und mehr Schaden gut, weil er nichts erreicht hätte. Die
als Nutzen anrichtet. Linienöffnung käme den Türmen beider
11. f5-f4 Parteien zugute.
12. Le3-f2 g6-g5
Beide Parteien verfolgen ihren Plan; es
wird jedoch noch beträchtliche Zeit
dauern, bevor eine Seite am Ziel ist.
13. Sel-d3
Hier wurden in jüngster Zeit diverse
andere Ideen versucht, so 1 3 . a4 nebst a5
oder sogar 1 3 .g4, um nach Möglichkeit
Ein sehr wichtiger Punkt in der Partie. Die
den Königsflügel abzuschließen.
Bauernketten sind länger geworden. Die
13. Tf8-f6
Basis der weißen ist nun f3 anstatt e4, und
Der T will nach g6 gehen, wo er die
die Strategie des Schwarzen besteht nun
Öffnung der g-Linie unterstützen und
darin, zu g5-g4 zu kommen. Der Zweck
angreifen wird. Manche Spieler ziehen 1 3 .
ist, die g-Linie zu öffnen, weniger f3 zu
Tf? vor, em etwas langsameres
schwächen. Je weiter entfernt die
Verfahren, das dafür die T.Reihe
feindliche Basis ist, umso schwerer ist sie
verteidigt, falls Weiß auf der c-Li-nie mit
erfolg-
T und S angreift. Am wirksamsten dürfte
aber nach derzeitiger

208
Ansicht im Angriffssinn die Aufstellung 16. a7-a6
Sf6 und Sg6 sein. Eine erzwungene Schwächung des Feldes
14. c4-c5 b6, aus der Weiß j etzt Nutzen ziehen muß.
Auch Weiß beginnt, sein strategisches Ziel Wie kann er das? Ein Weg ist a4-a5 nebst
zu verwirklichen. Kann er den Schwarzen Sa4-b6 oder einfach Sa4, Db3 , Sb6. Weiß
zu d6xc5 zwingen, wird die c-Linie besetzt den Punkt b6 und setzt dann den
geöffnet und der Be5 schwach. Angriff in der c-Linie fort. Schwarz kann
14. h7-h5 zwar j ederzeit b5 spielen, um das
Schwarz ignoriert das weiße Gegenspiel. Vorgehen des Weißen zu stoppen; doch
15. c5xd6 das bedeutet eine weitere Schwächung, die
Nicht schlecht; noch besser scheint Weiß späteres Sb4-c6 ermöglicht.
allerdings 1 5 . Tcl mit der zusätzlichen 17. b2-b3
Möglichkeit c5-c6 zu sein. Außerdem Plant Sb2-c4(a4). Das ist em drittes
blieben zwei Drohungen bestehen, cd6 : System, ebenfalls sehr lehrreich, aber ein
und Sb5 . Wenn es mehrere gute Züge gibt, wenig langsamer, so daß es in der
ist es eine gute Politik, den Gegner im verfügbaren Zeit weniger Chancen bietet.
unklaren über die eigenen Absichten zu 17. Tf6-g6
lassen. Schwarz kann es sich daher leisten, die
15. c7xd6 weiße Demonstration am D-Flügel zu
16. Tal-cl! ignorieren und eine schwere Figur auf die
Linie zu bringen, die er öffnen wi 1 1 .
18. Sd3-b2
Logisch - Weiß will d6 angreifen und den
Einbruch auf b6 vorbereiten.
18. Kg8-h8
Schwarz setzt die Vorbereitungen für den
Vorstoß g4 fort. Man beachte die äußerst
sorgfältigen Berechnungen, die er dabei
Ein sehr guter Zug, der die offene Linie
anstellt. Zunächst erwog er 1 8 . . . . Sf6, doch
besetzt und Sb5 droht. Es wäre sehr
hat dieser Springerzug Nachteile. Er ließe
unbequem, käme der S über b5 nach c7 -
b6 ungeschützt, außerdem könnte Weiß,
und eventuell e6 !
nachdem g5-g4 geschehen ist, Lh4 spielen.
Danach
wäre es schwer, den Angriff fortzusetzen. Deckungslinie zum Bd6 unterbräche);
Daher räumt Schwarz g8, um den anderen b)2 1 .g4fg3 :undnun22.hg3 : g4oder 22.Lg3 :
S über g8 nach h6 zu führen, wo er auf g4 h4 23 .LG g4 ! 24. fg4 : Sg4 : 25 .Lg4 : Sf6
wirkt. 26.h3 Sg4 : 27.hg4 : Lg4 : . In beiden Fällen
19. a2-a4 ist Schwarz in der Lage, den K-Angriff
Er will Sc4 spielen, ohne sofort durch b5 fortzusetzen, jedoch nicht so wirkungsvoll
vertrieben zu werden. wie in der Partie.
19. Se7-g8 21. g5-g4
20. Sb2-c4 Sg8-h6 Scheint einen Bauern zu kosten; das ist
aber nur vorübergehend. Schwarz hat sich
nun die Öffnung der g-Linie gesichert.
Man sieht, wie nutzlos der letzte Zug war;
er schwächte und arbeitete dem Gegner in
die Hände.
22. h3xg4 h5xg4
23. f3xg4 Sd7-f6
So gewinnt Schwarz den B zurück und
Soweit haben beide Seiten ihre strate­ macht den Weg für den T frei.
gischen Absichten auf logische Weise 24. g4-g5
verfolgt. Weiß hätte jetzt mit a5 und Sb6 Ein hübscher Versuch. Weiß erobert die
fortfahren und den schwarzen Angriff Qualität, verliert jedoch die Partie.
mißachten können. Statt dessen sah er sich Unzureichend sind ferner 24.Lb6De7 bzw.
nach einem Verteidigungsplan gegen die 24. Sb6 Tb8 . Weiß kann Sfg4 : keinesfalls
schwarze Dampfwalze g4 und h4 um. verhindern, und danach entstehen vielerlei
21. h2-h3? Drohungen, wie die Partie zeigt.
Der Vormarsch g5-g4 war auf keine Weise Wahrscheinlich war 24.Lh4 besser;
zu verhindern. Der Bauernzug ist lediglich Schwarz antwortet in diesemFall24 . . . .
eine unnütze Schwächung. Wenn Weiß die Shg4 : , und bevor er den Angriff wieder
Bauern aufhalten wollte, sollte er es auf aufnehmen kann, wird er
einem anderen Weg tun: Vorbereitungszüge wie Df8 machen
a) 2 1 . Del, um auf 2 1 . . . . g4 mit 22. Lh4 ! müssen, weil der Sf6 gefesselt ist.
zu antworten. In diesem Fall bereitet 24. Tg6xg5
Schwarz die Entgegnung Lf8-e7 vor (nicht 25. Lf2-h4 Sf6-g4!
sofort Lf6, weil das die

210
Der Tg5 kann nicht entschlüpfen. Wenn Chancen sehen also ganz gut für Weiß aus.
25 . . . . Tg6, so 26.Lh5 . 29. Ta8-g8
26. Lh4xg5 Hier erleben Wlf die „Ansammlung von
Es war nicht nötig, sofort zu schlagen. Kräften" . Zuerst bringe die Figuren in
Besser war zuerst 26.Lf3 , um Zeit für die Stellung. Die Drohungen folgen auto­
Verteidigung zu gewmnen. Nicht matisch !
gutist26. Sd6 : ?Se3 ! . 30. Tcl-c2
26. Dd8xg5 Überdeckung des Feldes g2 - ein Beispiel
Weiß hat die Qualität gewonnen, doch ist für die Ansammlung von
der schwarze Angriff sehr stark geworden. Verteidigungskräften. Hätte Weiß semen
Schwarz droht nun Dh4 nebst Dh2 matt. ursprünglichen Defensivplan ausgeführt,
27. Le2xg4 Lc8xg4 verstärkt Schwarz j edenfalls semen
Angriff: 30. Sd2 Dh5 3 1 . Sf3 Lf3 mit der
Drohung Ld8, gefolgt von 3 3 . . . . Lf3 :
34.Df3 : Lb6+oder auch 32 . . . . Lh3 .
An offensive Züge konnte Weiß überhaupt
nicht denken. So käme auf 30. Dh4? Lf6,
auf 30. Db6 Lf8 mit der Drohung Lf3 .
30. Dg6-h5

Wenn 27 . . . . Sg4 : , so könnte Weiß den


Schwarzen an der Ausführung seiner
Drohung mit 28. Tf3 hindern: 28 . . . . Dh4?
29. Th3 .
28. Ddl-d2 Dg5-g6
Um nicht durch Sd6 : gestört zu werden,
z.B. 28 . . . . Tg8 29. Sd6 : Möglicherweise
gelänge es dem S, das Feld f5 zu erreichen
und dort lästig zu werden. Den Bd6 läßt Schwarz im Stich, um ein

29. Dd2-f2 paar Züge zu gewinnen und auf 3 1 . Sd6 :

Ermöglicht Weiß Sd2-f3 (defensiv) oder mit Lf8 den Läufer kräftig ins Spiel

Dh4 bzw. Db6 (offensiv). Die eingreifen zu lassen (u.U. kann Lc5
folgen).
Schwarz will irgendeinen Zug mit dem Ke l g l D+ 42. Sg l : Dg l :+ 43 . Ke2 De3+
Lg4 machen, damit der Sh6 dessen Platz 44. Kfl Sh2+ ! 45. Th2:+ Lh3+ 46. Th3 :+
einnehmen und schließlich Dh2+ folgen Dh3 :+ 47. Ke l Tg l + und Matt in drei
kann. Auf 3 0 . . . . Ld7 wäre jedoch 3 1 .Dh4 Zügen. Eine köstliche Serie von
eme gute Antwort. Deshalb zögert Schachgeboten. Sicher gibt es noch viele
Schwarz einen Zug des Lg4 hinaus und andere Varianten. Sie alle aufzuführen,
versucht, beide Ideen zu vereinigen. würde aber nur Verwirrung stiften. Das
Die Aufspeicherung von Kräften wird gewählte Abspiel ist das für beide Parteien
allmählich überwältigend. Weiß hat keine schwierigste.
genügende Verteidigung mehr. Was kann Gehen wir nun zum Diagramm zurück und
er tun? versuchen 3 1 . Sd2 Lf6. Dann droht einmal
a) sein König ist in Gefahr, denn der Bg2 Lh4-g3 , unter Umständen aber auchLd8-
ist ein schwaches Bollwerk; b6.32. Sf3 Lf3 : 3 3 .Df3 : Sg4 34.Dh3 Dh3 :
b) alle schwarzen Figuren sind tätig; 3 5 .gh3 : Se3+kostet einen ganzen Turm. In
c) Schwarz hat die offene g-Linie; der Partie spielte Weiß
d) der schwarze Bf4 ist sehr stark. 31. Sc4xd6 Lg7-f8
Doch bedeutet das nicht, daß nun eme Gewinnt ein Tempo durch Angriff auf den
beliebige Angriffsmethode ausreichen Sd6.
würde. Schwarz muß sorgfältig spielen; 32. Sd6-c4
z.B. 3 1 . Db6 Wenn 32. Sf5, so Lf5 : 3 3 . ef5 : Sg4 und
a) nicht 3 1 . . . . Ld7 32. Sd2 Sg4 3 3 . Sf3 und gewinnt.
Schwarz hat nichts; 32. Lg4-f3!
b) nicht 3 1 . . . . Lf6 32. Dd6 : Lh4 3 3 . Man betrachte die aufgespeicherten Kräfte !
De5 :+; Jede Figur spielt ihre Rolle: der Tg8 drückt
c) jedoch 3 1 . . . . Lf8 (zunächst die g-Linie direkt auf den Bg2 und den dahinter
räumen ! ) ist richtig: 1) 32. Sd6 : Dg6 kostet versteckten König; der Lf3 verstärkt die
eine Figur; 2) 32.Kf2 Dh4+ und der K Wirkung des Turms; der Lf8 steht bereit,
kann wegen des starken Bf4 nicht nach c5 zu gehen, wo er die Df2 von ihrem
entkommen; 3) 32. Sd2 Le7 3 3 . Db7 : Lh4 Verteidigungsposten ablenken kann; der
34. Tfc l Lg3 3 5 . Sfl . Schwarz gewinnt Sh6 kann gleichfalls die D vertreiben und
nun, indem er von seinen Kräften auf die das Feld h2 angreifen, wenn er nach g4
wirkungsvollste Weise Gebrauch macht, kommt; die D arbeitet am Mattsetzen mit.
z.B. 3 5 . . . . Lc8 36. Db8 Sg4 37. Dd6 : 33. Df2xf3 Lf8-c5+
Lh2+ ! 3 8 . Sh2 : Dh2:+ 39. Kfl f3 ! - der Weiß gab auf, weil seine D verloren ist:
Schlüsselzug ! Es droht Dhl matt. Eine 34. Tc/ff2 Df3 : bzw. 34.Df2 Sg4 ! nebst
mögliche Folge wäre 40. Se2 fg2 :+ 4 1 . Matt.
In dieser Partie lieferte der Amateur einen 2 1 . Zug, als er versuchte, einen Vorstoß
guten Kampf, solange er seinen Angriff am aufzuhalten, der unaufhaltsam war. Das
Damenflügel vorantrieb. Er wählte zwar hatte ernste Folgen.
nicht den raschesten Weg, wie in der Dennoch fand der Amateur lange Zeit die
Anmerkung zum 1 6.Zug von Schwarz geeigneten Verteidigungszüge, und der
gezeigt, aber auch das langsamere System Meister mußte eine lange Reihe von
gab ihm gewisse Gegenchancen. Der Opfervarianten entdecken, um semen
entscheidende Fehler des Amateurs war Vorteil wahrzunehmen.
sem
214 -------
Partie 20

Die Flankierung des Lfl im Königsinder


Mittel, den Ausgleich des Schwarzen in der Eröffnung zu verzö­
gern
Das Verfahren, wenn Schwarz die Initiative in der Eröffnung zu
früh ergreift
Psychologische Gründe für Züge, die den Gegner zwingen, eine
Wahl zu treffen
Öffnung der Stellung zum Angriff
Eindringen in den offenen Königsflügel
Der Zwischenzug in der Kombination

In der Eröffnung besteht die Rolle des Schwarzen darin, seinen geringen Ausgangsnachteil
allmählich zu überwinden und Ausgleich zu erzielen. Bei bestem Spiel des Weißen kann
Schwarz nur mit einer Reihe von ruhigen, soliden Zügen zum Gleichstand kommen. Versucht
er verfrüht die Initiative zu ergreifen, riskiert er, wegen der besseren Ausgangsposition des
Weißen in Nachteil zu kommen.
Um in der Eröffnung die Führung übernehmen zu können, muß Schwarz normalerweise
einige Gefahren auf sich nehmen und gewisse Schwächen in seiner Stellung zulassen. In
solchen Fällen muß Weiß diese Schwächen aufspüren und den besten Weg finden, sie
auszunützen. Die Widerlegung vorzeitiger Maßnahmen liegt oft in einer Zunahme des weißen
Entwicklungsvorsprungs. Das Ergebnis kann sein, daß der Gegner nicht rechtzeitig zur
Rochade kommt. Solange die Stellung geschlossen bleibt, bedeutet das nicht allzu viel. Weiß
wird daher versuchen, die gewonnene Zeit zur Öffnung von Linien zu verwenden. Das
erreicht er, indem er seine Figuren an die Front nahe der schwarzen Stellung bringt. In der
folgenden Partie wird dieses wohlbekannte Verfahren gescheit, genau und erfinderisch
vorgetragen.
WElß : MEISTER SCHWARZ: AMATEUR erheblich beschränken würde. Zwar ist
KÖNIGSINDISCH: GEGENFIANCHETTO dieser auch durch den weißen Bd5 etwas
behindert, trotzdem kann er aber indirekt
1. d2-d4 Sg8-f6 eine wichtige Rolle spielen. Die Partie
2. c2-c4 g7-g6 selbst zeigt die vorbeugende Wirkung des
3. g2-g3 Lg2 : Schwarz wagte e7-e6 nicht, weil er
Weiß verzögert die Entwicklung des Sb l , fürchtete, die Diagonale des Läufers zu
um die eigentliche Grünfeld-Verteidigung verlängern.
(3 . Sc3 d5) zu vermeiden (Partie 9). Von g2 4. c6xd5
aus kontrolliert der L mehr Felder als von Nicht erzwungen, aber Schwarz hielt das
e2 oder d3 . Plant Weiß j edoch einen Folgende für günstig.
Angriff auf den Königsflügel, würde der L 5. c4xd5 Dd8-a5+? !
im allgemeinen auf e2 oder d3 bessere Ein Versuch, die Führung an sich zu
Dienste leisten. reißen, was für den Nachziehenden immer
3. c7-c6 gefärlich ist, wenn es zu früh erfolgt.
Um d7-d5 mit vollständigem Ausgleich in Schwarz sollte mit 5 . . . . d6 oder 5 . . . . Lg7
der Mitte zu spielen. Er hofft auf 4.Lg2 d5 fortfahren. Antwortet Weiß auf den
5 . cd5 : (schwer zu vermeiden, weil c4 letzteren Zug mit 6.d6, so 6 . . . . e6. Der Bd6
ungedeckt ist) 5 . . . . cd5 : 6. Sf3 Lg7 usw. drückt zwar, behindert aber die
mit symmetrischer Stellung, m der Entwicklung kaum. Außerdem kann er
Schwarz etwa ebenbürtige Chancen haben später schwach werden.
sollte. Weiß hält daher nach einem Zug 6. Sbl-c3 Sf6-e4?
Ausschau, der ihm gestattet, ein geringes Der schwache Punkt 1m Plan des
Übergewicht zu erzielen. Schwarzen liegt darin, daß er eine Schräge
4. d4-d5 bloßstellt, auf der noch kein Läufer steht.
Seine Absicht geht hervor aus 7.Dd3 Sc3 :
8 .bc3 : Lg7 9.Ld2 Sa6 mit Druck gegen den
weißen D-Flügel, und wenn 1 0 . c4, so Sb4 ! .
Relativ besser war z.B. 6 . . . .b 5 7.Lg2 d6,
was später einmal gespielt wurde. Das
verfrühte Unternehmen im 5 .Zug dürfte
Weiß etwas Vorteil sichern, aber dieser
wäre noch nicht so groß.
Weiß opfert em Tempo, um em Raum­
übergewicht zu erzielen und die Wirk­
samkeit des Lg2 zu erhöhen. Er hindert
Schwarz an d7-d5, ein Zug, der den L

216
7. Ddl-d4 Weiß konnte hier nicht 8 .Dh8 : spielen
Greift den Th8 an. Scheinbar stoppt auch wegen 8 . . . . Se4+ 9.Kdl Sf2:+.
dieser Zug die Pläne des Schwarzen nicht: 8. Th8-g8
7 . . . . Sc3 : unda) 8 .bc3 : Tg8 nebst Lg7 Besser war 8 . . . . f6. Schwarz träumt J

analog der vorigen Anmerkung, oder b) 8 edoch von Lg7. Der Textzug verzichtet
.Dc3 : Dc3 :+9.bc3 : Lg7 mit endgültig auf die kurze Rochade, und auch
Stellungsvorteil für Schwarz. Doch Weiß die lange sieht nicht verlok-kend aus (die
hat Besseres. c-Linie ist offen); die Aussichten des
7. Se4xc3 schwarzen Königs sind keinesfalls rosig.
8. Lcl-d2! 9. Ld2xc3 Da5-c7
10. Tal-cl
Schwarz drohte immernochLg7 nebst Lc3 : .
Nach dem Textzug wäre Lg7 nicht
vernünftig wegen 1 1 . Dd2 Lc3 : 12. Tc3 :
Dd8 1 3 . Dh6 mit Gewinn eines Bauern und
Angriff auf die schwarze Stellung vom
Flügel her. Man beachte, daß 1 0. Tel
durch indirekten Angriff auf die Dc7 die
Die Widerlegung des schwarzen Ausfalls, Initiative festhält.
wie die kritische Kombination 8 . . . . Dd5 : 10. d7-d6
9 .Dc3 : Sc6 (erzwungen, denn es drohte Macht Platz für die D und verhindert den
1 0.Dc8 : matt) 1 0.Dh8 : Dhl : 1 1 .Lhö zeigt. eventuellen Einbruch d5-d6.
Das beweist, daß Schwarz nun seinen K­ 11. Sgl-f3
Flügel mit f6 oder Tg8 schwächen muß. Es gibt keine direkte Methode, die
Worinbestand der Fehler des Schwarzen? bloßgestellte schwarze D und andere
Er handelte entgegen emem wichtigen Schwächen der feindlichen Stellung
allgemeinen Grundsatz: Strebe nicht nach auszunützen. Weiß kann also nichts
der Initiative ohne Entwicklungsvorsprung -
Besseres tun als seine Entwicklung zu
und er berechnete die Folgen nicht genau vollenden und frische Kräfte in den Kampf
genug. Man beachte also, daß man gegen zu werfen, um den bereits erreichten
Grundsätze verstoßen kann, wenn die Vorteil auszunützen.
Berechnungen es rechtfertigen. Prinzipien 11. h7-h6?
dienen als Hauptstraßen, und es ist immer Siehe Diagramm nächste Seite.
möglich, daß irgendeine Nebenstraße m
besonderen Fällen die kürzere ist.
weiteren Zug machen, denn auf d7 kann er
nicht gut bleiben, einmal weil er den Lc8
verstellt '
zum anderen weil er nicht
genügend Wirkung ausübt. Steht der S auf
f6 '
wohin er in zwei Zügen kommen
könnte, günstiger als auf a6, welches Feld
er sogleich besetzt? Vielleicht, sicher ist es
Schwarz fürchtete 12. Sg5 und entschließt aber nicht. Von a6 aus kann er nach c5
sich daher zu dieser weiteren Schwächung. gehen, im Augenblick aber auch dort
Übel muß fortwährend Übel gebären. Es bleiben. Auch von d7 aus steht ihm c5
war nicht unbedingt erforderlich, Sg5 offen · er hätte aber Eile, dorthin zu
'

abzuwehren. Es waren andere und kommen weil der Lc8 heraus wi 1 1 .


'

wichtigere Dinge am Damenflügel zu tun. 13. 0-0 g6-g5


Wenn man schon, wie Schwarz hier, nicht Schwarz möchte Lf5 spielen, vorher
gut steht, ist es gewöhnlich nicht möglich, j edoch Sh4 ausschalten. Das Heilmittel ist
alle Drohungen zu berücksichtigen, und es schlimmer als die Krankheit; der
ist daher eine gute psychologische Waffe, Bauernzug gestattet dem Weißen, in die
den Gegner vor eine Wahl zu stellen, die feindliche Stellung einzudringen.
ihn Zeit und Kraft kostet. Statt einen Zug 14. Dd4-d3!
zu machen, den der Gegner mühelos beant­ Verhindert Lf5 und kann auf der Schrägen
worten kann, wäre es z.B. hier für Schwarz b l -h7 in den geschwächten K-Flügel
besser, so zu spielen, daß Weiß Zeit und einbrechen. Weiß droht auch 1 5 .Lg7 ! , z.B.
Energie für B erechnun-gen aufwenden 15 . . . . Dd7 1 6.Lf8 : Tf8 : l 7.Dh7 mit Gewinn
muß. Nach 1 1 . . . . Sa6 oder IL. . . Sd7 müßte eines wichtigen Bauern und Druck auf die
Weiß zwischen der normalen Fortsetzung schwarze Stellung von der Flanke her.
der Entwicklung 1 2.Lg2 und dem aggressi­ 14. Dc7-d7
ven 12. Sg5 wählen. Was am besten ist, 15. Sf3-d4
kann nur durch genaue Analyse festgestellt Siehe Diagramm nächste Seite.
werden.
12. Lfl-g2 Sb8-a6
Man könnte sich wundern, warum sich der
S auf a6 vom Zentrum entfernt, statt d7, in
Richtung auf die Mitte, aufzusuchen. Dort
müßte er einen

218
Erzwungen. 1 7. . . . genügt nicht, wie
1 8 . Se6+ ! fe6 : 1 9 . Dg7 :+usw. beweist.
18. f4-f5
Droht wiederum Se6+.
18. Dd7-d8?
Wenn er überhaupt noch Widerstand
leisten wollte, war 1 8 . . . . Ld4 :+ 1 9.Ld4.
unerläßlich, obgleich der Schwarze dann
den Bh6 und später noch mehr verlieren
Die letzte Etappe beginnt - die Verwertung
muß.
des weißen Vorteils. Das Handikap des
19. Sd4-e6+
Schwarzen besteht in der unsicheren
Stellung seines Königs. Um daraus Nutzen
zu ziehen, muß Weiß mit seinen Figuren
vorstoßen und die Stellung entlang der f­
Linie öffnen. Beides geschieht bald. Der
Textzug verhindert Df5 und bereitet f2-f4
vor.
15. Lfs-g7
Weiß lll drohte 1 6 . Dh7 Tg6 l 7 . Se6 ! ; 1 5 . . . .
Sc5 hätte daran wegen 1 6 . Dh7 Tg6 l 7.b4 Eine leichte Kombination, weil die schwar­

Sa4 Se6 nichts geändert. zen Züge praktisch erzwungen sind.

16. Dd3-h7 Ke8-fs 19. Lc8xe6

Das war einer der Gründe für den letzten Oder 1 9 . . . . fe6 : 20. fe6 :+ Lf6 2 1 . Df?

schwarzen Zug. Endlich hat der K einen matt.

Platz - aber was für einen! Beachten Sie, 20. Lc3xg7+

daß er auf der Linie des weißen Turms Ein Zwischenzug, der die Antwort

steht, wenngleich noch zwei Bauern erzwingt. Man beachte, daß die genaue

dazwischen sind. Reihenfolge der Züge dieser Kombination

17. f2-f4! wichtig ist.

Der entscheidende Vormarsch. Weiß droht 20. Tg8xg7

die Stellung zu öffnen und unmittelbar zu 21. Dh7-h8+ Tg7-g8

gewinnen durch : hg5 : 1 9 . Se6+.


111
17. B 5 -g 4
22. Dh8xh6+ Tg8-g7 zeugenden Drohungen, und nach 24 . . . .
Hoffnungslos für Schwarz wäre auch 22 . . . . Db6+ 25. Khl Db2 : 26. Tcfl Kg8 ist
Ke8 23 . fe6 : und: a) 23 . . . . f6 24. Dh5+ ebenfalls kein direkter Gewinn zu sehen.
nebst Matt; b) 23 . . . . Tf8 24. Tf?: Tf?: 25. Nun hingegen käme auf 24 . . . . Kg8 2 5 . Th5
Dh8+ Tf8 26. Dh5+ nebst Matt; c) 23 . . . . Kf8 26.Tg5 wie in der Partie, und nach 24.
fe6 : 24. Dh5+ Kd7 25. de6 :+ Ke6 : 26. Df5 . .. Db6+ 25 .KM Db2 : 26. Tcfl gibt es
matt. wiederum gegen 27.Tg5 keine
23. f5xe6 f7-f6 Verteidigung.
24. Tfl-f5 24. Sa6-c7
Der Springer kommt zu spät.
25. Tf5-g5!
Schwarz gab auf 25. . . . fg5 : scheitert, wie
schon erwähnt, an 26. Dh8+ Tg8 27. Tfl +,
und 25 . . . . Se8 26. Dh8+ wäre ebenso
nutzlos.

Manchmal geht es mit emer Partie von


Von hier aus kann der T entweder nach g5
Anfang an verkehrt. Das trifft auch auf
gehen (wo er wegen Dh8+Tg8Tfl+ nicht
Meister zu, in verstärktem Maß aber für
genommen werden kann) oder nach h5 mit
Amateure. Eine verfehlte Idee, und die
verschiedenen Drohungen. Nicht so gut
Karre ist verfahren. In solchen Fällen ist es
wäre 24. Tf4, denn nach 24. . . . Kg8 gäbe es
schwierig, überhaupt irgend etwas zu
keine über-
erreichen, wie es auch dem Amateur in
dieser Partie erging.
Partie 2 1

Besetzung des Zentrums i n der Eröffnung


Austausch einer Schwäche gegen eine andere
Ausnützung des „Lochs"
Verzicht auf den unvorteilhaften Qualitätsgewinn
Den Königsflügel angreifen
Mit Zeitgewinn spielen
Das Mattopfer

Oft kommt es zu Stellungen, wo eme Partei em Zugeständnis macht, um emen


entsprechenden Vorteil dafür einzutauschen. Man könnte das als Tausch von Stellungswerten
bezeichnen, im Gegensatz zum Tausch von Bauern oder Figuren auf materieller Ebene. Es ist
sehr schwer, einen Stellungsvorteil gegen einen Stellungsnachteil abzuwägen. Auf diesem
Gebiet gibt es keine Waagschale, wie es im Reich der Bauern und Figuren der Fall ist. Alles
hängt von den besonderen Umständen ab. Bietet z.B. der Besitz des Läuferpars ausreichenden
Gegenwert für eine Schwächung des Bauerngerüsts? Oder wird das Loch in der weißen
Bauernstellung ausgeglichen durch das Loch am schwarzen Königsflügel? Der letztere Fall
erlaubt eine allgemeinere Antwort: Schwächen in der Nähe des Königs sind gewöhnlich
schwerwiegender als andere.
In dieser Partie spielen Stellungswerte eine wichtige Rolle. Im 1 0 . Zug rückt Weiß seinen Be4
vor und gibt dem gegnerischen S Gelegenheit, ein starkes Feld zu besetzen. Als Gegenwert
erhält Weiß die Chance, einen seiner Angriffsspringer an das Loch sehr nahe am schwarzen K
zu bringen. Das Scharmützel führt zu einer solchen Schwächung, daß von den drei
Schutzbauern, die sonst auf der 7.Reihe stehen, nur noch zwei auf der ö.Reihe vorhanden
sind. Diese doppelte Schwächung - ein fehlender Bauer, die beiden anderen ein Feld
vorgerückt - gibt Weiß Gelegenheit, die feindliche Stellung mit all seinen Figuren zu
erstürmen und den Kampf mit einem scharfen Opfer zu entscheiden.
WElß: MEISTER Weiß nützt augenblicklich die Gelegenheit,
SCHWARZ: MEISTERANWÄRTER das Zentrum zu besetzen. Wir haben diesen
KÖNIGSINDISCH: HALB-GRÜNFELD Vorstoß m anderen Partien mit
wechselndem Erfolg gesehen. Um diese
1. d2-d4 Sg8-f6 Art Bauernzentrumbeurtei-len zu können,
2. c2-c4 g7-g6 müssen wir die folgenden Tatsachen
3. g2-g3 Lf8-g7 berücksichtigen:
Im Gegensatz zu Partie 20 versucht a) den Grad der Beweglichkeit der Figuren
Schwarz hier nicht, einen defensiven verglichen mit denen des Gegners;
Bauernwall gegen den Lg2 zu errichten. b) die möglichen Unternehmungen, die
4. Lfl-g2 d7-d5 aus der größeren Beweglichkeit
Der aus der Grünfeld-Verteidigung hervorgehen;
bekannte Zug. Die Lage ist hier j edoch c) die Gefährdung des Zentrums. Der
etwas anders, weil der nach dem Tausch Besitz des Bauernzentrums bringt eme
auf d5 erscheinende S nicht die Verpflichtung mit sich. Gelingt es nicht,
Möglichkeit Sc3 : hat (vgl. Partie 9). Vorteil aus den Faktoren a) und b) zu
5. c4xd5 ziehen, wird man die Folgen von c) zu
Weiß tauscht an dieser Stelle, um den erleiden haben.
Druck des Lg2 auf die gründlichste Art Weiß wird sich einen K-Angriff erarbeiten
ausnützen zu können. Auf 5 . Sf3 oder müssen, der sich nicht von selbst darbietet.
5 .Db3 könnte Schwarz c7-c6 erwidern und Seine Aufgabe wird nicht leicht sein.
so den Lg2 einschränken. Auch 5 . . . . dc4 : 6. Sd5-b6
wäre in diesem Fall befriedigend für Wohin sollte der Springer ziehen? Soll
Schwarz. Schwarz nur nach dem sichersten Platz
5. Sf6xd5 Ausschau halten oder ein Feld suchen, wo
6. e2-e4 der S den Gegner belästigen und zu
weniger erstrebenswerten Zügen zwingen
könnte? In dieser Stellung ist die Antwort
6. . . . Sb6 zahm, weil sie den Gegner
unbehelligt läßt. Beim Umherschauen
finden wir den Zug 6 . . . . Sb4, der eine
Drohung aufstellt und so die weiße
Stellung und die Struktur des Zentrums
beeinflußt. Er erzwingt praktisch 7.d5, was
Schwarz mit c6 beantwortet. Sehen wir uns
6. Sb4 näher an:

222
a)7. Se2Ld4 : 8 . Sd4 :Dd4 : 9.Dd4 : Sc2+ und Schwarz hat einen B gewonnen;
b) 7.Da4+ S8c6 8.d5. Scheinbar verliert
Schwarz eine Figur, aber 8 . . . . b5 ! reißt das
Steuer herum, z.B. 9. Db5 : Sc2+ 1 0 . Kd l
Ld7, und Weiß darf keinen der Springer
schlagen: 1 1 . dc6 : ? Lc6 : + oderl 1 . Kc2 : ?
Sd4+.
c) 7.a3 S4c6 8.d5 Sd4 9. Se2 Lg4 1 0. S l c3
und Schwarz hat gute Chancen;
d) 7. d5 (am besten) 7 . . . . c6 8. Se2 cd5 : 9.
ed5 : und der Bd5 kann stark oder schwach
werden. Stark als Vorposten, d.h. jenseits
der Brettmitte, und schwach, weil er
vereinzelt ist. Nach heutiger Theorie dürfte
die Wahl zwischen 6 . . . . Sb4 und 6 . . . . Sb6
mehr oder weniger Geschmackssache sein.
7. Sgl-e2
Der S geht nicht nach f3 , weil ihn Lg4
fesseln würde, und der Bd4 wäre bereits
gefährdet. Außerdem soll die Schräge des
Lg2 frei bleiben.
7. 0-0
8. 0-0 e7-e6
Schwarz bereitet c7-c5 vor und will zuvor
den Punkt d5 kontrollieren. Der Zug hat
den Nachteil, das Feld f6 zu schwächen
und so ein Loch in der Nähe des K zu
schaffen. Wir werden bald sehen, was das
nach sich zieht. Schwarz hätte auch sofort
8 . . . . c5 ziehen können: 9.d5 e6 oder 9 . . . .
Sa6, und Schwarz hat eimge
Gegenchancen am Damenflügel. Es ist
klar, daß Schwarz 9.dc5 : nicht zu fürchten
braucht, denn er gewönne den B nach 9. . . .
Ddl: 1 0 . Tdl: Sa4 zurück. Eine andere
Möglichkeit ist noch 8 . . . .
e5 9.d5 c6. Wer sich näher mit dieser von d5 vor. Aber nach heutiger Ansicht ist
Stellung befassen will, wird um ein das zu langsam, und wenn Schwarz e7-e6
Studium der aktuellen Theorie nicht rechtfertigen will, muß er hier 1 0 . . . . f6
herumkommen. versuchen. Nach 1 1.efö: Df6: ist der Be6
9. Sbl-c3 Sb8-c6 nicht gerade schön, aber auch Weiß hat mit
Das geplante c7-c5 war unmöglich, weil d4 seine Probleme.
Weiß einfach 1 0 . dc5 : antwortet. Hätte 11. Sc3-e4
Weiß 9.h3 gespielt, könnte 9. . . . c5 Nun ist Lg5 nebst Besetzung von f6 eine
1 0 . dcS :Ddl: 1 1 . Tdl: Sa4geschehen. starke Drohung.
10. e4-e5! 11. h7-h6
Praktisch erzwungen, falls Schwarz sich
nicht zu 11. S4d5 1 2.Lg5 f6
entschließen wollte. Das wäre aber wohl
doch das geringere Übel gewesen.
12. Se4-f6+!
Dabei rechnete Weiß mit 12. . . . Lf6 :
1 3 . ef6 : Df6: 1 4.Lh6 : Te8 (Td8? 1 5 .Dd2
De7 1 6.Lg5 f6 l 7.Lf6: usw.) 1 5 . Dd2. Er
Der Schlüsselzug. Schwarz hat rochiert,
hat das Läuferpaar, ist besser entwickelt
die weißen Figuren sind ausreichend mobil
und außerdem steht der schwarze K
gemacht und bereit zu handeln. Weiß
unsicher.
beabsichtigt, das Loch f6 am schwarzen K­
12. Kg8-h8
Flügel durch Se4 und Lg5 auszunützen,
Der S steht auf f6 wunderbar. Er bedeutet
wie man in der Partie sehen wird. Auch
eine ständige Drohung für den feindlichen
Weiß hat zwar ein Loch auf f3 ; nicht eine
K. Die Frage ist, wie man diese günstige
einzige schwarze Figur kann sich j edoch
Lage am besten ausnützt. Im allgemeinen
diesem Feld nähern.
tauchen bei solchen Angriffen zwei große
Der Textzug hat einen Nachteil - er
Probleme auf: wie bringe ich eine Figur
überläßt das Feld d5 den schwarzen
auf ein starkes Feld, und wie ziehe ich
Figuren.
dann Vorteil daraus. Die letztere Frage er­
10. Sc6-b4?!
fordert in den meisten Fällen die Her­
Schwarz will die Schwächung seines D­
anführung anderer Figuren zur Unter­
Flügels durch 1 1 .Lcö : vermeiden und
stützung und Zuammenarbeit.
bereitet zugleich die Besetzung

224
13. h2-h4 Andere Versuche sind ebenfalls günstig für
Kann als Vorbereitung von h4-h5 dienen Weiß :
oder, wie die Partie zeigt, für das Manöver a) 1 4 . . . . cd4 : 1 5 . Lh6 :
Sg4, h6-h5, Lg5 . al) 1 5 . . . . Lh6 : 1 6 . Sh6 : d3 1 7 . Sc3 Kg7 1 8 .
13. c7-c5 Sg4 und obwohl eine unmittelbar zum Sieg
Die einzige Gegenchance des Schwarzen. führende Fortsetzung nicht vorhanden ist,
Die für ihn angezeigte Strategie besteht besteht an der Überlegenheit der weißen
darin, die weiße Zentralstellung Stellung kein Zweifel. Weiß beherrscht das
aufzubrechen, die Damen zu tauschen Loch f6 uneingeschränkt, der schwarze K
(womit die weißen Angriffschancen stark steht unsicher, der Bd3 kann schwach wer­
vermindert werden) und dem Sb4 die den und der Lg2 hat einen großen
Felder c2 und d3 zugänglich zu machen. Wirkungsgrad.
14. Sf6-g4 a2) 1 5 . . . . d3 1 6.Dd2 de2 : l 7.Lg7 :+ Kg7 :
1 8 .Dh6+usw.
b) 1 4 . . . . Kh7 1 5 .Dd2 h5 (erzwungen)
1 6 . Sf6+ Lf6: l 7.ef6 : Df6: 1 8 . dc5 : S6d5
1 9 . a3 Sc6 20.Ld5 : und erobert einen B,
weil 20 . . . . Td8 durch 21 .Dh6+ widerlegt
wird.
15. Lcl-g5
Plangemäß - Weiß erlangt die Macht über
Weiß setzt den planvollen Angriff fort.
f6 .
Spielbar, aber unlogisch wäre es gewesen,
15. Dd8-c7
auf die Absichten des Schwarzen
16. Sg4-f6
einzugehen und 1 4 . dc5 : Ddl: 1 5 . Tdl: Sc4
Die logische Fortsetzung der weißen
1 6.f4 zuzulassen, wenngleich Weiß dabei
Strategie.
den gewonnenen Bauern behauptet.
16. c5xd4
In der Partie sehen wir ein interessantes
17. Se2-f4
Beispiel für Handlung und Gegenhandlung
Schwarz hat keine Verteidigung mehr
auf entgegengesetzten Flügeln. In solchen
gegen S4 h5 : .
Fällen haben es beide Spieler eilig.
17. Dc7xe5
14. h6-h5
Was soll er sonst tun? Wenn 1 7 . . . . Dc2, so
einfach 1 8 .Dd4 : .
18. Sf4xh5
Wenn 2 1 . . . . Dd7 : , so 22.Dd2 Sc6 23 .Lh6+
Kg8 24.Lf8 : Kf8 : 25. Tadl und Schwarz
kann den Verlust des Bd4 nicht verhindern.
22. Lg5-f4
Man sieht deutlich, wie nach dem Tausch
des Lg7 die von ihm beherrschten dunklen
Felder schwach geworden sind. 22.Dd2
hätte wegen Th8 zu nichts geführt.

Schwarz kann das Opfer natürlich nicht 22. Dd6-b6

annehmen, so daß Weiß seinen S gegen Erzwungen. Wenn 22 . . . . De7 23 .Dd4:+

den Lg7 tauschen und den Angriff über die gefolgt von 24.Ld6.

noch mehr geschwächten Felder 23. Lf4-e5+ f7-f6


weiterführen kann (Dd2,Lh6usw.). Wenn 24. Le5xd4

1 8 . . . . S6(4)d5, so setzt Weiß 1 9 . Tel Dd6


20. Sg7 : Kg7 : 2 1 .Dd4 : fort.
18. Sb6-d7 ' ' '
Schwarz versucht, die weiße Figur von f6
zu vertreiben. Weiß könnte nun auf
verschiedene Arten die Qualität erobern,
z.B. mit 1 9 . Sd7 : Ld7 : 20. Sg7 :
Kg7 : 2 1 .Le7oderl9. Sg4Dd620. Sg7 : Kg7 : 2 1 Was ist das Ergebnis all dieser ver­
.Lh6+. Die Aufgabe wäre aber wegen des wickelten Manöver? Materiell steht alles
Bd4 noch nicht leicht, der ein ernstes gleich. Trotzdem hat Weiß zwei Vorteile:
Hindernis darstellt. Weiß wählt daher eine a) er besitzt das Läuferpaar; b) die K­
Fortsetzung, bei der er vorher diesen Stellung des Schwarzen ist gschwächt.
Bauern beseitigt. 24. Db6-c7
19. Tfl-el Die Damenzüge müssen überlegt sem
Ein bequemer Zwischenzug. (Dd8? 25 .Lc5 oder Dd6?? 25 .Lf6 :+).
19. De5-d6 25. Tal-cl Sb4-c6
20. Sh5xg7 Kh8xg7 26. h4-h5!
21. Sf6xd7
Wenn 2 1 .Df3, so e5, womit 22. Sd7 : Ld7 :
23 .Df6+ verhindert wäre.
21. Lc8xd7
Weiß hat den geopferten Bauern ohne fe5 : 3 l .Dd6+ Kg7 32.Te5 : , und der weiße
Zeitverlust zurückerobert und setzt nun Angriff wäre unwiderstehlich. Mit dem
seinen Angriff fort. Er will die neue Textzug versucht Schwarz, eine neue
Verteidigungslinie systematisch zerstören. Widerstandslinie mit dem L zu errichten.
26. e6-e5 Es hilft jedoch nichts.
Wenn g5, so 27.Dd3 Le8 28.Te6 : . 30. Lg2xc6 b7xc6
27. Ld4-c5 Tf8-h8 31. Telxe5!
28. Lc5-d6
Man sehe, wie alle Züge des Weißen mit
Tempo geschehen.
28. Dc7-c8
Der Ld7 soll gedeckt bleiben.
29. h5xg6

Weiß kann sich dieses beträchtliche Opfer


leisten, weil die schweren Figuren des
Gegners von ihrem K getrennt sind. Die
Folgen der Annahme des Opfers müssen
sorgsam untersucht werden. Sie zeigen die
Hilflosigkeit eines K ohne Bauernschutz,
Wieder ist eine Barriere, hinter der sich der der von den Angreifern eingekreist wird:
schwarze K verstecken könnte, 3 1 . . . . fe5 : 32. Le5 :+ a) 32 . . . . Kf8? 3 3 . g7+
weggenssen worden. Die schwarze usw.
Stellung ist nun für den entscheidenden b) 32 . . . . Kg8 3 3 . Lh8 :
Schlag reif bl) 3 3 . . . . Kh8 : 34. Dh5+ Kg7 3 5 . Dh7+
29. Ld7-f5 Kf6 36. Df?+ Kg5 37. Tc5 ! bindet fast alle
29. . . . Lh3 hätte die gleiche Antwort schwarzen Figuren: 37 . . . . Tb8 3 8 . g7, und
erfahren. Warum schlägt Schwarz den Bg6 gegen 39. g8D nebst D/Tf5 :+gibt es keine
nicht sofort? Weil der Gegner dann die Verteidigung mehr.
restlichen Schutzbauern beseitigt und den b2) 3 3 . . . . Lg6 : . Weiß hat zwei Bauern
K glatt überfahren hätte (ähnlich wie in der mehr, abgesehen von seinen Angriffs­
Partie) : 3 0.Le5 : chancen, z.B. 34.Dd4Dc73 5 . Tc6 : Df?
3 6.Dg4.
c) 32 . . . . Kg6 : 3 3 .Lh8 : Dh8 : 34.Tc6 :+
cl) 34 . . . . Kg5 3 5 .f4 matt;
c2) 34 . . . . Kf? 3 5 .Dd5+ erobert den L
und mehr; findet die richtigen Verteidigungszüge an
c3 ) 34 . . . . Kg7 3 5 .Dd4+Kh7 3 6.Dh4+ Kg8 verschiedenen Stellen, kann aber nichts
3 7 .Dg5+ mit Rückgewinn des L. daran ändern, daß er schließlich vor
d) 32 . . . . Kh6 3 3 .Dd2+ Kh5 (Kg6 : 34.Lh8 : unlösbaren Problemen steht.
führt zu c) 34.Lf6 mit Mattdrohung auf g5 . Ebenso wie in manchen anderen Partien ist
Nach dieser Analyse beschließt Schwarz, die Spielweise des Amateurs von der des
das Opfer abzulehnen. Meisters kaum zu unterscheiden.
31. ](g7xg6
Etwas längeren Widerstand leistete 3 1 .
Lg6 : 32. Te7+ Lf?.
32. Te5-e7 Th8-h3
In der Hoffnung auf 33 . . . . Dh8, aber auch
andere Züge helfen nicht. Wenn 32 . . . . Th7
3 3 . Th7 : Kh7 : 34. Dh5+ Kg7 3 5 . Tel Le6
36. Lf4 ! und gewinnt - die weiße Dame
dringt ein. Wenn 32 . . . . Te8, so 3 3 . Tc7
und ein zweiter Bauer fällt.
33. Tcl-c4
Schwarz gab auf
Weiß droht 34.g4 Le6 3 5 .Dc2+. Auf 3 3 . . . .
Dh8 entscheidet 34. Tg4+ Lg4 : 3 5 .Dg4 :+
Kh6 36.Lf4 matt. Von Seiten des Meisters
eine sehr gute Partie, und auch der
angehende Meister hat sich gut geschlagen.
Er verlor die Partie, weil er mit der von
ihm gewählten Eröffnungsvariante nicht
völlig vertraut war. Deren Feinheiten
waren, als die Partie gespielt wurde, noch
nicht so bekannt. Kein Wunder, daß der
Nachziehende nichts Unmögliches
vollbringen konnte. Im geeigneten
Augenblick unternimmt er eme
Gegenaktion in der Mitte, bricht durch und
verhindert auf diese Weise indirekt das
Debakel am Königsflügel. Er

228
Partie 22

Die Theorie des Zuges g2-g3 im Königsinder


Die Verwendung des Sgl
Bauernkettentechnik
Spannungen
Einschränken der Beweglichkeit des Gegners
Das Versäumnis, im richtigen Moment zu vereinfachen
Die Gefahr schematischer Themazüge
Schaffung des Drucks auf einer offenen Linie
Das Scheinopfer

Einer der Vorzüge des Meisters besteht darin, daß er weiß, wonach er streben muß und daß er
stets einen obj ektiveren Maßstab dafür hat, was auf dem Brett geschieht. Dem Amateur fehlt
dieses Gesamtbild und er ist oft zu optimistisch. Wenn Dinge sich auf einer Seite des Brettes
günstig entwickeln, blickt er mit übertriebener Zuversicht in die Zukunft.
Der Amateur läuft Gefahr, zu dem Zeitpunkt in eine schwierige Lage zu geraten, wenn seine
Initiative sich verlangsamt. Trotz des Wechsels im Tempo neigt er dazu, weiter vom Erfolg zu
träumen. Der günstige Ausgang ist zwar zu diesem Zeitpunkt nicht in Sicht, der Amateur
neigt jedoch dazu, dies als ganz zufällig anzusehen und erwartet zuversichtlich das baldige
Wiederansteigen seiner Aktien. Er unterwirft die geänderte Lage nicht einmal einer neuen
Einschätzung, erstens weil ihm eine richtige und ins Einzelne gehende Einschätzung nicht
gelingen würde, zweitens weil er die Entdeckung scheut, daß sich die Dinge nicht so
aussichtsreich gestaltet haben wie er hoffte - eine typische Schwäche: er geht schlechten
Nachrichten aus dem Weg. Wenn die Initiative in kritischen Fällen abgebröckelt ist und der
Meister erkennt, daß nur sofortiges Spiel auf Remis eine andernfalls verlorene Partie retten
könnte, wählt er im allgemeinen die geeignete Fortsetzung und gibt sich mit der Punkteteilung
zufrieden. Der Amateur hofft jedoch oft auf das Unmögliche - daß die Initiative irgendwie aus
dem Nichts wiedererstehen und ihn zum Gewinn führen werde.
Dieses psychologische Motiv finden wir in der vorliegenden Partie. Der Amateur hat im
ersten Teil ziemlich stark gespielt, die Initiative ergriffen und versucht, die Frontlinie des
Gegners zu durchbrechen. Diese Linie war allerdings sehr gut befestigt, und dem Meister
gelang es, Nachteil zu vermeiden. Ohne einzusehen, daß er höchstens auf ein Remis hoffen
konnte, hielt der Amateur an seiner unternehmenden Taktik fest, und der Meister nützt das
unmotivierte Spiel seines Gegners aus und übernimmt die Führung. Der Schlußteil ist durch
hübsche taktische Wendungen gekennzeichnet; trotz zähen Wi-
derstands gelingt es dem Amateur auf die Dauer nicht, den kräftigen Streichen des Meisters
standzuhalten. Die verschiedenen Scheinopfer sind bemerkenswert, die in der Partie und in
den Varianten logisch hervortreten.

WElß: MEISTERANWÄRTER vielgespielten Haupt-


SCHWARZ: MEISTER
KÖNIGSINDISCH: FIANCHETTO DES LFl

1. d2-d4 Sg8-f6
2. c2-c4 g7-g6
3. Sbl-c3 Lf8-g7
4. e2-e4 d7-d6
Zur Eröffnung siehe Partie 1 9 .
5. g2-g3
Näheres zu diesem Zug siehe Partien 20
und 2 1 . Weiß stellt die Entwicklung des
Sgl noch zurück, weil er eventuell nach e2
gehen so 1 1 . Dort vermeidet er die
Verstellung des Lg2 und, was wichtiger ist,
des Bf2, der nach f4 vorrücken so 1 1 .
Gegen diesen Entwicklungsmodus hat
Schwarz Trümpfe - ein frühzeitiges e7-e5
(denn Weiß hat keinen Sf3) und eine Ver­
stärkung des Drucks danach durch Sc6.
Der S kann auf d4-d5 nach e7 ausweichen
(vgl. Text und auch Partie 1 9).
5. 0-0
6. Lfl-g2 e7-e5
Die Grundidee des Schwarzen 1m
Königsinder besteht darin, die Wirk­
samkeit des Lg7 zu erhöhen. Ein Mittel
dazu ist c7-c5, em anderes e7-e5 :
Verstärkung des Drucks gegen das
Zentrum. Schwarz könnte dem Zug e7-e5
vorausschicken: a) 6. . . . Sbd7, was ein
wemg passiver ist, aber zu emer

230
variante führt; zen gegen den Bd4 den Weißen bewogen,
b) 6 . . . . Sc6, das den Weißen zu sofortigem die Mitte abzuschließen. Schwarz kann
7.d5 provozieren könnte, z.B. 7. . . . Se5 sofort den Kampf um die Bauernkette
8 .De2 nebst9.h3 (um Lg4zu verhindern) aufnehmen, der ihm j ederzeit Chancen
und 1 0 . f4 mit Vertreibung des Springers. gibt, besonders unter den gegenwärtigen
7. Sgl-f3 Umständen (Entwicklungsvorsprung für
Schwarz), c) 7.Le3 , wegen 7. . . . Sg4
wemger günstig. Auch 7 .Lg5 wäre
zweifellos weniger empfehlenswert, denn
nach 7. . . . h6 müßte sich der L gegen den
Sf6 abtauschen oder mit Zeitverlust zu
einem Rückzug bequemen.
7. Sb8-c6
Verstärkt den Druck gegen d4. Zu einem
Weiß entschließt sich für dieses Feld, ganz anderen Partietypus führen die
damit der S gegen e5 und d4 zu drücken Möglichkeiten 7 . . . . ed4 : oder 7 . . . . Sbd7.
vermag. Möglich und ebenfalls recht gut, Die Theorie hält seit j eher die Textfolge
wenn auch von der heutigen Theorie als hier nicht für ganz so gut wie in der
nicht so nachhaltig betrachtet, war 7. Sge2. Hauptvariante ohne Fianchetto (Partie 1 9),
Außerdem sind drei weitere Züge zu doch zählt dies schon zu den Feinheiten,
untersuchen: die für eine praktische Partie noch nicht
a) 7.de5 : de5 : 8 .Dd8 : Td8 : und Schwarz unbedingt von entscheidender Bedeutung
beherrscht die d-Linie, während der Lg2 sein müssen. Zudem steht Weiß bei der
auf einer geschlossenen Schrägen stünde. gegebenen Zugfolge eine aussichtsreiche
Außerdem könnte das Feld d4 für Schwarz Möglichkeit nicht zur Verfügung (vgl.
stark werden. Anmerkung zum 9.Zug).
b) 7. d5 ist nicht schlecht; immerhin würde 8. d4-d5
Schwarz unmittelbar 7. . . . Se8 spielen, Weiß hat diesen thematischen Zug bis j etzt
gefolgt von 8 . . . . f5 . Das ist die richtige aufgeschoben, weil er die Spannung so
Strategie gegen die Bauernkette (vgl. lange wie möglich aufrecht erhalten wollte.
Partie 1 9). In dieser Variante hat der Druck Andere Möglichkeiten:
des Schwar- a) 8 . 0-0 ed4 : 9 . Sd4 : und Schwarz kann das
Scheinopfer 9. Se4 : ! 1 0 . Sc6 :
Sc3 : l l . Sd8 : Sdl: l 2 . Sb7:bringenmit der
Folge 1 2 . . . . Lb7 : 1 3 .Lb7: Tab8 1 4 . Tdl:
Tb7 : und Schwarz ist be-
stimmt nicht schlecht dran. Er kann sogar wickelt; Lc l bzw. Lc8 haben noch nicht
mit 1 2 . . . . Sb2 : einen B gewinnen, doch gezogen. Dies ist die Stelle, an der beide
wird die Sache dann etwas kompliziert. Ein mit der Kettenstrategie beginnen müssen,
Beispiel : 1 3 . Sd6 : cd6 : 1 4.La8 : Sc4 : 1 5 . TM die wir in Partie 1 9 erläutert haben.
Lf5 1 6 . Tb4 Ta8 : l 7. Tc4 :Ld3 . Das zeigt, Das erste Ziel ist der Angriff gegen die
wie weit man mitunter rechnen muß. Auch Basis: ein Bauer stößt vor, bis er in
die Kraft eines indirekten Angriffs (9 . . . . Berührung mit dem hintersten, dem Basis­
Se4 : ! ) ist daraus ersichtlich, wenn die Bauern gerät und einen „Hebel" bildet.
Angriffslinie einer Figur durch den Abzug Dieser führt eine Lage herbei, in der jede
einer anderen eigenen freigelegt wird. der beiden Parteien tauschen könnte. Die
b) 8 .Le3 wäre an dieser Stelle spielbar Bedeutung des Tauschs liegt darin, daß
(während 7.Le3 durch Sg4 praktisch eine Linie ganz oder teilweise geöffnet und
widerlegt wird), denn nach 8 . . . . Sg4 9.Lg5 den Türmen ein neuer Wirkungskreis er­
f6 1 0.Lcl hat der L zwar einige Züge öffnet wird. Schwarz strebt hier jedoch
verloren, andererseits hat Schwarz durch f6 nicht unbedingt nach Öffnung der Linie,
den Lg7 behindert, ein späteres f6-f5 wäre sondern eher (analog Partie 1 9) nach einer
nicht mehr so erstrebenswert, weil Weiß Erweiterung des von ihm beherrschten
nicht d4-d5 gespielt hat, und der Sg4 wird Raums am K-Flügel. Nach f7-f5 muß Weiß
mit Tempogewinn (h3) zurückgetrieben. zwar mit fe4 : rechnen, im Plan des
8. Sc6-e7 Schwarzen liegt hingegen häufig f5-f4.
Der Springer unterstützt den Vorstoß des B Man sollte ergänzen, daß Weiß, wenn er
nach f5 im Kampf der Bauernketten, der die Fianchetto-Variante spielt, heutzutage
bald beginnen wird. meist e2-e4 hinausschiebt. Hätte er dies
9. 0-0 getan und stünde der Bauer hier noch auf
dl, wäre das direkte 9. c5 ! ? eine zusätzliche
und vielleicht bessere Möglichkeit; aber
auch 9.e4 (womit die Diagrammstellung
erreicht wäre) hat keinen schlechten Ruf
9. Sf6-e8
Im allgemeinen ist es nicht erwünscht, den
S auf die Grundlinie „rückzu-entwickeln" .
Hier aber ist der Zug erforderlich, um f7-f5
In diesem Moment haben beide Seiten die zu ermöglichen. 9. . . . Sh5 zum gleichen
gleiche Anzahl Figuren ent- Zweck hat den Nachteil, daß der S hier in
Gefahr

232
geraten kann. So müßte Schwarz nach f7- Anstatt das Hauptziel der Bauernketten­
f5 immer mit ef5 : gf5 : Se5 : nebst Dh5 : strategie, den Angriff auf die Basis (hier
rechnen. Möglich wäre allerdings noch 9 . . . . d6) anzustreben, geht er auf das Nebenziel
Sd7, womit nicht die Grundreihe, dafür aus und nimmt den Spitzenbauern aufs
aber der Lc8 verstellt wird. Korn. Er bereitet den ebenfalls angängigen
Weiß steht nun vor dem Problem, ob er Zug f4 vor. Die Gefahr des Vorgehens
etwas gegen die schwarze Bauern­ gegen den Spitzenbauern liegt darin, daß
kettenstrategie unternehmen soll oder der Gegner nach dem Bauerntausch ein
nicht. Folgt er seinem Hauptziel und spielt starkes Feld erhalten könnte, so hier nach
1 0 . b4 als Vorbereitung von c4-c5, muß er etwaigem f4 und fe5 : Le5 : für den L. Auch
mit 1 0 . . . . a5 rechnen. Er kann nicht 1 1 . a3 1 1 . f4 ef4 : 12. Tf4 : ? ist gut für Schwarz,
spielen, weil sein Tal ungedeckt ist, der das Feld e5 beherrscht.
sondern müßte zu La3 , b5 oder ba5 : Die Folgerungen sind: a) Weiß wird f4 nur
greifen. Seine Aussichten, c4-c5 spielen, wenn er ef4 : mit gf4 : beantworten
durchzusetzen, wären erheblich verringert, und so das Feld e5 beherrschen kann; b) im
obwohl l l .ba5 : Ta5 : 1 2 . a4 nebst evtl. allgemeinen wird die Idee von f4 weniger
Ld2, Sb5 usw. von der Theorie gar nicht so im Tausch auf e5 als im weiteren
schlecht beurteilt wird. Warum spielt Weiß Vorgehen f4-f5 liegen. Im folgenden
dann nicht 1 0 .Le3 , wonach der Tal gedeckt Verlauf finden wir einige dieser Punkte
ist und b2-b4 ins Bild rückt? Analysieren illustriert.
wir etwas weiter: 1 0 . . . . f5 1 1 .b4 gefolgt 10. f7-f5
von: Auch für diesen Zug gilt, daß er 1m
a) 1 1 . . . . f4 12.gf4 : ef4 : 1 3 .Ld4 und Weiß allgemeinen nur gemacht werden sollte,
steht gut - er kann mit dem geplanten c4-c5 wenn der Bg6 zurücknehmen kann, weil
fortfahren. In dieser Variante stünde der sonst das Feld e4 in die Hand der weißen
Se8 erheblich besser auf d7, von wo er Figuren fiele.
sofort e5 besetzen und den Vormarsch 11. Lcl-g5!
semer K-Flügelbauern wirksam Ein guter Zug des Amateurs, der zeigt,
unterstützen könnte. daß er die Möglichkeiten, die die Lage
b) 1 1 . . . . h6 (umsichtiger und daher stärker bietet, verstanden hat.
- Schwarz bereitet den Vormarsch des Bg6 Der Zug schränkt die Bewegungsfreiheit
vor) 1 2 . c5 f4 (hier besser als ina) des Schwarzen ein, z.B. ist 1 1 . . . . h6 nun
1 3 .gf4 : ef4 : 1 4.Ld4g5 . Schwarz droht g4 unmöglich wegen 1 2.Le7 : nebst 1 3 . Sg6 : ,
nebst f3 und Sg6-e5 mit Besetzung des und Schwarz muß auf fe4 : nebst Sf5
starken Zentralfeldes. Daher spielt Weiß : verzichten (später wird die Bedeutung des
10. Sf3-h4 Springerzugs deutlich), weil der S gefesselt
ist. Die Idee
fe4 :/Sf5 scheint im Widerspruch zu dem
früher erörterten Prinzip, auf f5 mit einem
Bauern zurückzunehmen, geschieht hier
aber im Hinblick auf den weißen Sh4 : Sf5 :
gf5 : wäre gut für Schwarz, S f3 aber
Zeitverlust, und später geht der Sf5 nach
d4.
11. Se8-f6
Um den Se7 zu entfesseln. Wenn:
a) 1 1 . . . . f4 1 2.Dd2 ( 1 2.gf4 : ef4 : 1 3 .Dd2
Le5 mit dem L auf einem starken Feld
wäre gut für Schwarz) 12 . . . . fg3 : 1 3 . fg3 :
und Weiß steht überlegen, weil er besser
entwickelt ist und mehr Raum besitzt. Die
Öffnung der f-Linie ist nur für die besser
entwik-kelte Seite vorteilhaft.
b) 1 1 . . . . fe4 : führt zu nichts. Der Zug eilt
nicht. Weiß wird nicht freiwillig die
schwarze Stellung durch Tausch auf f5
verstärken. Das Spannungsverhältnis e4/f5
stellt eine schwere Aufgabe. Für Schwarz
ist im allgemeinen ef5 : günstig und für
Weiß fe4 : , wenn Schwarz nicht Sf5 folgen
lassen kann. Es besteht also eine Art

Schwebezustand, eme gegenseitige


Spannung.
12. Ddl-d2
Um h7-h6 zu verhindern und auch em 15. Lg2xe4 Dd8-d7
eventuelles f5-f4. Weiß kannnun auch Lh6 Der Tausch 1 5 . . . . Le4. gäbe Weiß mehr
ziehen, wann immer er es wünscht. Manövrierfreiheit; von sich aus würde er j a
12. Sf6xe4 nie auf f5 tauschen.
Der Anfang eines Plans. Schwarz gibt dem 16. f2-f4(?)
Weißen mit Bedacht das Feld e4 als Weiß greift die Spitze der Bauernkette an.
Gegenwert für Vorteile, die bald Ein unternehmender Zug, der vielleicht auf
ersichtlich werden. Es ist schwierig für 1 6 . . . . ef4 : 1 7 . Le7 : De7 : 1 8 . Lf5 : mit
Schwarz, länger zu warten, denn Weiß Gewinn einer Figur spekuliert und die e­
kann seine Lage eher verbessern als Linie zu öffnen versucht. Er beseitigt
Schwarz - er hat Züge wie Tfel, f2-f4 oder außerdem den Bf2 als mögliches
sogar b2-b4 und c4-c5 . Schwarz hat Angriffsziel des Schwarzen, öffnet jedoch
weniger Raum für seine Manöver. die f-Linie, auf der Schwarz Herr ist,
13. Sc3xe4 f5xe4 vollends und vergrößert außerdem den
14. Tfl-el! Einflußbereich des Lg7.
Weiß zeigt hier seine Fortschritte auf dem Von hier ab wird eine verkehrte Ein­
Weg zur Meisterschaft, indem er die stellung von seiten des Weißen erkennbar,
AufgabedesSchwarzenerschwert. Weiß der krampfhaft die Führung der Partie zu
konnte, und der durchschnittliche Amateur bewahren sucht, statt sich mit einer
hätte essicher getan, auch 1 4.Le4 : ruhigeren oder sogar vereinfachenden
erwidern; es wäre aber dann für Schwarz Fortsetzung wie unter a) und b) zufrieden
leichter gewesen, seine Partie zu befreien zu geben. Es gibt verschiedene Wege:
und die Abwesenheit des L von g2 a) Der weniger unternehmende Zug 1 6 . f3
auszunützen, indem er 14. Lh3 mit mußte erwogen werden.
Tempo spielt, z.B. 1 5 . Tfe 1 Dd7 und b) Befriedigend und vorzuziehen ist
danach Sf5 mit verschiedenen Chancen. 1 6 .Le7 : De7; l 7.f4 Lh6 1 8 .Dg2.
Bei 14. Tael wäre der Tfl eingeschlossen; Manchmal ist der weniger energische Zug
das könnte lästig sein. der bessere.
14. Lc8-f3 c) 1 6 .Le7 : gf5 : gäbe Schwarz, wie
Um die Entwicklung mit Dd7 fortzusetzen, mehrfach ausgeführt, em starkes
den S erneut zu entfesseln und TaeS Bauernzentrum.
folgenzu lassen. Sehwarz braucht Sf5 : 16. Lf5xe4
nicht zu fürchten, weil der Bg6 Es war schon immer die Absicht des
zurücknähme; Weiß wollte ja den Be4 nur Schwarzen, die Läufer zu tauschen und Sf5
vorübergehend preisgeben. folgen zu lassen, damit dieser S am Kampf
teilnehmen kann.
17. Telxe4 Se7-f5 die f-Linie beherrscht, während die e­
Linie, die dem Weißen zustehen sollte,
verstopft ist.
19. Tf8xf5

Der Plan ist schließlich verwirklicht. 1 8 .


Sf5 : gf5 : ist nicht zu fürchten; der S kann
nach d4 hüpfen, wo er wirksam postiert
wäre, und Schwarz droht 1 8 . . . . h6 mit Bei 19. . . . gf5 : hätte Schwarz emen
Materialgewinn. vereinzelten Bauern.
18. f4xe5 20. Tal-el?
Am besten der Lg5 erhält eme Der emz1ge ernsthafte Fehler des
Rückzugsstraße im Fall von h6. Nicht Amateurs. Zusammen mit dem frag-
empfehlenswert wäre 1 8 . Sf5 : gf5 : 1 9 . würdigen 16. Zug genügt das, seme
T4el e4. Position unhaltbar zu machen. Der Zug ist
18. Lg7xe5 zu schablonenhaft die Türme zu
19. Sh4xf5 verdoppeln ohne bestimmtes Ziel und die
Jetzt braucht Weiß gf5 ; nicht mehr zu Folgen der schwarzen Verdopplung im
befürchten, weil sich keine Bauernphalanx nächsten Zug zu übersehen, ist schlechtes
auf e5 und f5 mehr ergäbe. Der Amateur Schachdenken. Es gibt ein lateinisches
versteht den Unterschied, der im j etzigen Sprichwort: „Wenn zwei dasselbe tun, so
Tausch gegenüber früher liegt. ist es nicht dasselbe. " Schlecht wäre auch
a) 1 9 . Sg2 wäre ebenfalls gut gewesen, 20. Tfl Tfl :+ 2 1 . Kfl : Df5+ und falls dann
schlecht dagegen 1 9 . Sf3 Sg3 : 20. Se5 : 22. Tf4 Dg5 : 23 . Tf8+, so Tf8 :+
Se4; 2 1 . Sd7 : Sd2 : 22. Sf8 : Sf3+ nebst Tf8 : (Gegenschach ! ) und nicht die schwarze,
und Schwarz hat einen Bauern gewonnen; sondern die weiße Dame ginge verloren.
eine hübsche, mit einem Scheinopfer Weiß sollte 20. Lf4 Lf4 : 2 1 . Tf4 : Taf8
eingeleitete Abwicklung. 22. Tf5 : Df5 : und nun 23 .Tel oder
b) Nach 1 9 . Tael Sh4 : 20. Th4 : Df5 oder vielleicht einfacher 23 . De2 nebst 24. Tfl
20.Lh4 : Df5 steht Schwarz etwas besser, fortsetzen, mit weiterer Vereinfachung und
weil er wie in der Partie Remis. Es

236
bleibt zu wenig Material übrig, und beide Db2 : mit Bauerngewinn oder auch 26.
Seiten verfügen über eine offene Linie. Tf5 mit Druck.
20. Ta8-f8 22. Tf5-fl
Schwarz beherrscht jetzt die f-Linie und Erneuert die Drohung.
droht bereits auf f2 einzudringen (2 1 . . . . 23. Dd2-e3!
Tf2 22.Df2: ? Tf2: 23 .Kf2 : Df5+). Schlecht Pariert und plant zugleich ein eventuelles
wäre 20 . . . . Lb2 : ? 2 1 .Db2 : Tg5 : 22. Te7 ! c4-c5, um die Stellung des Le5 zu
21. Te4-e2 unterminieren. Jedenfalls könnte Schwarz
Wehrt die Drohung ab. Es ist deutlich, daß nicht dc5 : antworten.
Weiß sich bereits in der Verteidigung 23. Df7-f5
befindet. Dennoch findet der Amateur Auf sofortiges Tf3 wäre 24.Dd2 gut und
hier und später die richtigen Züge. Hier auch 24. De4 möglich. Jetzt hingegen
würde 2 1 .Lf4 die Stellung schwächen: droht 24. Tf3 25. De4 De4 : 26. Te4 :
2 1 . . . . Lf4 : 22. Tf4 : ? Tf4 : 23 .gf4 : Dg4+ und Tf2+ und gewinnt unter günstigen
Schwarz erobert einen Bauern, oder22. Umständen einen B .
gf4 : T5f7, um 23 . Te7 zu verhindern und f5 24. Lg5-h6!
für die D freizumachen, die j etzt auch nach Wieder ein sehr guter Verteidigungszug,
g4 oder h3 zu gehen droht. Der Bf4 wird der neue Möglichkeiten für die nahe
auf die Dauer verloren gehen. Zukunft schafft. Er vertreibt den Tf8 von
21. Dd7-f7 der 8 . Reihe, so daß Schwarz von nun an
Nun beginnt der Meister Druckmittel mit dem Schach auf e8 rechnen muß, wenn
anzuwenden. Er droht 22 . . . . Tfl+ 23 .Kg2 er den Le5 bewegen wi 1 1 .
(23 . Tfl : ? Dfl : matt) 23 . . . . Df3+ 24.Kh3 24. Tf8-f7
Tf5 und die Lage des Weißen ist prekär, 25. b2-b4
denn Schwarz droht 25 . . . . h6 und auch 25. Der Amateur findet nicht nur die beste
... Dh5+ mit Läuferfang. Verteidigung, sondern hält auch nach
22. Kgl-g2! Gegenchancen Ausschau. Der Zug ändert
Gute Verteidigung des Amateurs, der der die Stellung nicht wesentlich, bringt jedoch
erwähnten Drohung ausweicht. So wäre den Bb2 aus der Linie des Le5 und
22.De3 ? (um dem späteren Df3+ verstärkt ein späteres c4-c5 . Er überläßt
vorzubeugen) wegen 22 . . . . Tf3 23 . De4 dem Schwarzen die Wahl. Wenn 25 . c5
Tfl+ ! unzureichend gewesen: 24. Kg2 Tel: Tf3 a) 26. Dd2 Td3 27. Dg5 Dg5 : 28. Lg5 :
2 5 . Tel: Df2+ 26.Kh3 Td5 : ; b) 26.De4 De4 : 27. Te4 : Tf2+; c)
26.Dg5 Tf2+.
25. Tfl-B 27. Lh6-e3
26. De3-d2 Verhältnismäßig am besten. Schwarz hat
keine direkten Drohungen; aber jeder
weiße Zug kann die Stellung schwächen.
Man erinnere sich, daß 27.Lg5 nach 27 . . . .
Td3 28.Dc2 Df3 + 29.Kh3 Tf5 verliert: a)
zieht der Lg5 auf der Schrägen c 1 /h6,
setzt Th5 matt; b) 3 0.Le7 Th5+ 3 1 .Lh4
Th4 :+32.Kh4 : Dh5 matt; c) 3 0.Lh4 g5 mit
Figurgewinn oder Matt; d) 3 0.Dcl gibt die
Der einzige Zug, denn a) 26.Dg5? Tf2+
Berührung mit dem Td3 auf, so daß dieDf3
27.Kgl Te2 : gewinnt sofort: 28'. Te2 : Dfl
sich frei bewegen kann: 3 0 . . . . Dh5+ 3 1
matt oder 28 .Df5 : Tel:+; b) 26.De4 kostet
.Lh4 g5 . Beachtlich in dieser Variante ist
mindestens einen B wegen 26. . . . De4 :
'

daß der gut aussehende Zug 30. . . . Lg3 :


27. Te4 : Tf2+.
wegen 3 l . Te8+ zu Verwicklungen führen
26. Tf7-f6
würde.
Schwarz verhindert 27.c5 auf komplizierte
27. Df5-e4
Weise: 27 . . . . Td3 28 .Dg5 (man erkennt '

Droht Matt durch das Doppelschach des T


wie wichtig Tf6 war -der Drohung Dd8+
auf g3 !
ist vorgebaut) 28 . . . . Df3+ 29.Kh3 ! Td5 :
28. Kg2-gl
3 0 . cd6 : Ld6 : 3 1 . Te8+ Lf8. Das führt für
Wenn nun 28 . . . . Te3 : ? 29. Te3 : Ld4 30.
Weiß zum Verlust. Ohne diesen starken
Df2 ! ! , eme höchst bemerkenswerte
Zug hätte Weiß die Partie vielleicht halten
Entfesselung, die das Remis erzwingt. Dies
können:
ist ein feines, verborgenes Hilfsmittel des
a) Nicht 26 . . . . lx3?? wegen 27. Te8+ usw.
Amateurs. Schwarz geht jedoch nicht in
(siehe 24.Zug von Weiß);
die Falle. Er spielt das einfache
b) Auch nicht 26. . . . Td3 27.Dg5 und
28. De4xc4
Schwarz hatnichts: 27 . . . . Df3+28.Kh3 und
29. Tel-cl
Weiß droht wiederum Dd8+.
Wenn 29.Lf2 Tf2: 3 0 . Tf2: Ld4. Man achte
c) Ebensowenig nützt 26 . . . . Tc3 wegen
auf dieses Scheinopfer, das sich bei der
27.Dc3 : ! Lc3 : 28. Te8+ Tf8 29.Lf8 : ! (viel
Stellung des Kgl stets auf e3 oder f2
besser als 29.Tf8 :+) 29 . . . . Lei: 3 0.Lh6+
anbietet. Wie die Anmerkung zum 28.Zug
Kf? 3 l . Tf8+ Ke7 32. Tf5 : gf5 : und Weiß ist
von Weiß zeigt, schlägt es jedoch nicht in
etwas günstiger dran, weil Schwarz zwei
j edem Fall durch.
vereinzelte Bauern hat.
29. Dc4-g4 j etzt 3 0 . Tc7 : Tfl+ 3 1 .Kg2 Lg3 : 32.hg3 :
Df3+ 3 3 .Kh3 Thl+ 34. Th2 Dh5+ usw.
Ferner droht das Scheinopfer Te3 :
nebstLd4 sowie evtl. Lg3 : .
30. Te2-f3 Tf3xe3!
Wieder das Scheinopfer. Weiß gab auf,
denn 3 1 . Tf6 : Lf6 :32.De3 : Ld4 erobert
dieDbzw. 3 l .De3 : Tf2:32.Kf2. (oder Df2:)
Ld4 mit dem gleichen Ergebnis. Das
Schützt das Feld c8; das ist für das
Scheinopferthema hat die ganze
kommende Abspiel wichtig. Wenn
Schlußphase der Partie beherrscht.
Partie 23

Die Theorie der 4 De7-Variante der Italienischen Partie


....

Behauptung des Zentrumsbauern


Vermeiden des Tauschs a) wenn der Gegner beengt ist, b) um
das Läuferpaar zu behalten und c) um eine Angriffsfigur zu
bewahren
Tausch einer starken feindlichen Figur
Aufgeben des Zentrumsbauern
Finden des richtigen Plans
Kräfte auf Linien und Schrägen ansammeln

Manchmal kommt es vor, daß ein Amateur einen Meister oder sogar einen Großmeister
schlägt. Dann steht zunächst fest, daß der Amateur ausgezeichnetes Schach spielt und sich auf
bestem Weg befindet, selbst ein Meister zu werden; ferner, daß der besiegte Meister sich
irgendwie verrechnet hat. Im allgemeinen handelt es sich bei den Fehlern des Meisters um
andere als sie der Amateur zu begehen pflegt, so daß eine vom Meister gegen einen Amateur
verlorene Partie auf andere Weise lehrreich ist als wenn Amateure gegen Meister unterliegen.
In der folgenden Partie handelt es sich um die Behauptung des Zentrumsbauern, eines der
großen Probleme im Schach. Der Besitz der Mitte bedeutet gewöhnlich einen erheblichen
Vorteil, und das gilt besonders für die klassischen e4-Eröffuungen, weil hier die
Beherrschung des Zentrums gemeinhin Königsangriffe ermöglicht. Man findet daher in
Spanisch, Italienisch und anderen e4-Eröffnungen Abspiele, die in der Hauptsache auf die
Behauptung des Zentrumsbauern durch Schwarz gerichtet sind. Das soll nicht heißen, daß es
keine Alternative gibt. Der Spieler sollte ständig nach Möglichkeiten Ausschau halten, den
Zentrumsbauern auf günstige Art abzutauschen. Spielt man hingegen eine Variante, deren
ausgesprochener Sinn es ist, diesen Bauern auf seinem Platz festzuhalten, muß man
vollständig sicher sein, einen entsprechenden Gegenwert für die „Aufgabe des Zentrums" zu
erhalten, bevor man sich dazu entschließt. Das ist eine Frage der Einschätzung. Tauscht man
den Zentrumsbauern ab, wird die Spannung aufgehoben. Eine neue Lage entsteht, in der die
Überlegenheit des Gegners im Zentralbereich durch andere Vorteile aufgewogen werden muß.
In dieser Partie gibt der Meister das Zentrum ohne genügenden Gegenwert auf Seine
Einschätzung ist fehlerhaft, und er zahlt die Strafe. Man kann sein Spiel gleichwohl nicht zu
sehr bemängeln, weil er sich in einer Lage befand, die technische und psychologische Fragen
zugleich aufwarf. Sobald die Züge in einer angespannten Stellung auszugehen beginnen, mag
der Verteidiger fürchten, die Spannung zu lange erhalten zu haben. Dann liegt der

240
Versuch nahe, eine annehmbare Variante zu finden, bei der die Spannung aufgehoben wird.
Unter diesem Eindruck fällt ein obj ektives Urteil nicht leicht. So erklärt es sich, daß auch ein
Meister unter schwierigen Umständen fehlgreifen kann.
Beim Zusammentreffen von Meister und Amateur tritt noch ein anderer psychologischer
Faktor auf, nämlich die Verpflichtung des Meisters, zu gewinnen. Er wird sich mit einer
passiven Haltung nicht abfinden wollen, sondern lieber Gefahren in Kauf nehmen, um auf
Gewinn zu spielen. Unter solchen Umständen ist es für den Amateur eine kluge Politik,
einfache und solide Züge zu machen. Der Gegner soll nicht daran gehindert werden, in
seinem Eifer, die Führung zu übernehmen, zu stolpern.

WElß: MEISTERANWÄRTER
SCHWARZ: MEISTER
ITALIENISCH

1. e2-e4 e7-e5
2. Sgl-f3 Sb8-c6
3. Lfl-c4 Lf8-c5
4. c2-c3
Das klassische Abspiel. Weiß plant, das
Auf 5 . 0-0 setzt Schwarz die Entwicklung
schwarze Zentrum anzugreifen und die
mit d6 fort.
überlegene Zentralformation zu erhalten.
5. Lc5-b6
4. Dd8-e7
Mit 5 . . . . ed4 : würde Schwarz semer
Statt des gebräuchlichen Gegenangriffs Sf6
Absicht, e5 zu behaupten, untreu. Weiß
verteidigt Schwarz sein Zentrum mit der D,
antwortet 6. 0-0 (6. cd4 : De4:+ 7.Le3 Lb4+
um den Abtausch auf d4 vermeiden zu
8 . Sc3 d5 ! verlöre einen Bauern unter
können.
wemger günstigen Umständen), und
5. d2-d4
Schwarz hätte dann die Wahl :
a) 6 . . . . d6 (oder Sf6) 7.cd4 : und Schwarz 8 . d6) beachtliche Aussichten.
hätte das Zentrum ohne Gegenwert Zu 6.de5 : Se5 : 7. Se5 : De5 : vgl. die nächste
aufgegeben; seine D steht auf e7 schlecht, Anmerkung.
weil sie einem späteren Angriff durch Sc3 - 6. Sg8-f6
d5 ausgesetzt wäre. 7. Tfl-el
b) Die Annahme des Gambits 6 . . . . dc3 : Die Fesselung 7.Lg5 wäre zwecklos, weil
7. Sc3 : gibt Weiß beträchtlichen Weiß bereits rochiert hat, Schwarz aber
Entwicklungsvorsprung. Ein Beispiel : 7 . . . . nicht. Schwarz kann sich darum mit h6 und
d6 8 . Sd5 Dd8 9.b4 ! Lb4 : 1 0 . Sb4 : Sb4 : g5 gefahrlos entfesseln und zugleich eine
l l .Db3 Sc6 1 2.Lf7 :+ mit starkem Angriff Angriffsstellung aufbauen. Die Frage
auf Kosten eines einzigen Bauern. drängt sich auf, ob nicht 7.de5 : dem
c) 6 . . . . Se5 7. Se5 : De5 : 8.f4 dc3 :+ 9.Khl Schwarzen das Zentrum entwindet. Es ist
cb2 : (besser Dd4, aber nach 1 0.Db3 Sh6 j edoch für Weiß wenigervorteilhaft, auf e5
1 1 . Sc3 : verfügt Weiß wiederum über zu tauschen, als wenn Schwarz zu ed4 :
ausreichenden Gegenwert) 1 0.fe5 : bal :D gezwungen ist, wobei sich der Be5 gegen
l l .Dd5 und gewinnt: 1 1 . . .. c6 (gibt dem K den Bc3 abtauscht und Weiß das ideale
ein Fluchtfeld) 1 2.Df7:+ Kd8 1 3 .Lg5+ Kc7 Zentrum erhielte. Nach 7. de5 : Se5 : 8 . Se5 :
1 4.Dg7 : usw. De5 : 9.Khl (bereitet f4 vor) 9 . . . . d6 1 0 . f4
d) 6 . . . . d3 - eine solide, aber nicht ganz De7 steht Schwarz befriedigend, denn sein
ausreichende Fortsetzung; solid, weil Weiß Lb6 ist sehr stark. Weiß ist im Zentrum nur
den B nur mit Zeitverlust zurückbekommt wenig überlegen, während die schwarzen
und nicht die erstrebte ideale Figuren recht wirkungsvoll aufgestellt
Zentrumsformation aufbauenkann: 7. e5 ! sind. Schwarz droht Se4 : wie auch Sg4 und
d6 8 .Lg5 fo 9.efo : Sf6: 1 0 . Sld2 ( 1 0 . Tel hat günstige Aussichten, z.B. 1 1.Ld3 Sg4
Se5) 1 0 . . . . Lg4 1 Lb4Lb6 1 2 . a4a5 1 3 .h3 und 1 2.Df3 Sh2 : 1 3 .Kh2 : Dh4+oder l l . e5 de5 :
Weiß steht ein wenig besser, weil er schon 12.fe5 : De5 : 1 3 . Tel Se4 1 4.De2 Lf5
rochiert hat und den geopferten Bauern 1 5 . Sd2 0-0-0 usw.
j ederzeit zurückgewinnen kann, 7. d7-d6
währendKundD von Schwarz auf der e­ 8. h2-h3
Linie Gefahren ausgesetzt sind. Um den Fesselungszug Lg4 zu verhindern.
6. 0-0 Das ist hier wichtig, weil der S zur Abwehr
Eine wichtige Alternative ist 6.d5 Sb8 7.d6 des Drucks gegen d4 benötigt wird und der
Dd6 : 8 .Dd6 : cd6 : und Schwarz hat ein Vorstoß d4-d5 im Hinblick auf späteres f7-
beengtes Spiel. Besser ist 6 . . . . Sd8, doch f5 vermieden werden so 1 1 .
auch in diesem Fall bietet das Bauernopfer Der Zug 8.h3 schwächt allerdings. So muß
(vielleicht am besten in der Form 7.a4 a6 Weiß mit dem schwarzen Plan h6 nebst g5
rechnen, wiederum weil Schwarz nicht rochiert hat. Nach 8 . . . . h6
9. Sa3 g5 1 0 . Sc2 g4 l l .hg4 : Lg4 : 12. Se3
steht Weiß aber nicht übel. Nicht gut ist
8 .Lg5 (wie im vorigen Zug). Wenn 8 .Le3
Lg4.
8. 0-0
9. Sbl-a3!
Der S soll über c2 und e3 nach d5 geführt
werden, möglicherweise kann auch Ld3
nebst Sc4 folgen; man sehe 9 . . . . Sd8 (um
c6 vorzubereiten) 1 0.Lfl Se8? (um den
Punkt e5 mit f6 verstärken zu können)
l l . Sc4 f6 1 2 . a4 c6 1 3 . Sb6: ab6 : 1 4.Db3+
und erobert einen Bauern.
9. Kg8-h8
Schwarz muß das Zentrum halten -sobald
er auf d4 tauscht, steht seine D schlecht,
und es tauchen Drohungen wie e4-e5 auf
Der Textzug bereitet Sg8 oder Se8 nebst f6
vor. Außerdem muß Weiß j etzt mit ed4 :
cd4 : Se4 : rechnen, weil der Stützungszug
f5 nach dem Wegzug des K möglich ist.
10. Sa3-c2
Aus dem erwähnten Grund war 1 0.Lfl
nicht angängig, und 1 0.Ld3 kostet den
Bd4.
10. Sc6-d8
Um Le6 zu spielen und evtl. mit dem S
zurückschlagen zu können. Der Zug
ermöglicht auch c6, um den weißen S von
d5 abzuhalten. Hier geht 1 0 . . . . ed4 :
l l . cd4 : Se4 : wegen 12. Sg5 f5 1 3 . Sh7 :
Kh7 : 1 4.Dh5 matt nicht.
11. b2-b3
Se4:+ usw. Das zeigt, welche Folgen es
haben kann, wenn man nur an den
Bauerngewinn denkt, ohne die sich er­
gebende Stellung genau zu prüfen.
12. Sf6-g8
Der Schlüsselzug des ganzen Systems. Ist
Schwarz zu f6 gekommen, hat er sein
Zentrum gegen de5 : gesichert und kann
Ermöglicht 1 2 .La3 und stellt Schwarz vor
fe5 : antworten mit Öffnung der f-Linie, so
neue Probleme.
daß er schon höhere Ziele anstreben kann.
11. Lc8-e6
Kurz gesagt: das Thema der ganzen
Als Ausgleichsmaßnahme strebt Schwarz
Eröffnung ist: zuerst befestigen, dann nach
Läufertausch an. Der Vorstoß d4-d5 wäre
Initiative streben.
ihm natürlich auch sehr angenehm. Wenn
13. Sc2-e3
1 1.... Sg8, um den Be5 mit f6
Um den S nach d5 zu bringen, evtl. a4
(entsprechend dem Grundplan des
folgen zu lassen und a5 zu drohen, wie
Schwarzen) unterstützen zu können '
so
beim 9.Zug ausgeführt. 1 3 . de5 : würde
kommt Weiß mit 12. Se3 ! c6 1 3 .La3 bzw.
sicher nicht mehr als Ausgleich einbringen,
1 2 . . . . f6 1 3 . Sd5 Dd7 1 4 . a4 c6 1 5 . Sb6: ab6 :
wie 1 3 . . . . de5 : 14. Se5 : Lh3 : 1 5 .gh3 : De5 :
1 6.La3 mit der Drohung l 7.de5 : i n Vorteil.
zeigt; eher steht Schwarz besser, weil der
Er hat das Läuferpaar und Druck gegen das
weiße K-Flügel zersplittert ist.
Feld d6, während die schwarzen Figuren
13. fl-f6
ungenügend zusammenspielen.
12. Lc4-fl
Weiß möchte Läufertausch vermeiden;
j eder Tausch begünstigt die Seite, die an
Raummangel leidet. Wenn 1 2 . de5 : de5 :
1 3 . Se5 : Lh3 : 14. Sf?:+ (ein Desperado-Zug
- aus dem ohnehin verlorenen S will Weiß
so viel Kapital wie möglich schlagen) 1 4 .
. . . Sf?: 1 5 .gh3 : (Weiß hat zwar einen B
Soweit eme wohlbekannte theoretische
gewonnen, verliert aber die Partie) 1 5 . . . .
Variante. Schwarz hat das Zentrum
Se5 ! mit verheerendem Angriff, z.B.
gesichert und nun eine feste, wenn auch
1 6.La3 Lf2 :+ l 7.Kf2:
wenig dynamische Stel-
lung. Die Variante ist sehr logisch, was den Weiß verteidigt den S ein zweites Mal auf
Kampf um die Mitte angeht. Wäre es Weiß Kosten einer geringen Schwächung des
gelungen, ed4. zu erzwingen, stünde er Feldes d4. Zu erwägen war 1 5 . a4.
sehr gut. Schwarz hat das aber verhindert Daraufist 1 5 . . . . Ld5 : nicht befriedigend
und damit eine fast gleichstehende Partie wegen 1 6 . ed5 : Dd5 : ? 1 7.Lc4 Dc6 1 8 . a5 ! .
(Weiß hat noch einiges Raumübergewicht). Günstig ist jedoch 1 5 . . . . c6 1 6 . Sb6: wegen
Trotz seiner größeren Beweglichkeit kann des Zwischenzugs Lb3 : ! .
Weiß noch keinen K-Angriff beginnen, 15. Lb6-a5
weil er keine wichtigen Felder beherrscht. Um den Tausch des L gegen den Sd5 zu
Andererseits würde Schwarz, sobald Weiß vermeiden; außerdem hofft Schwarz mit
d4-d5 zieht, zur Strategie der Bauernketten 1 6.Ld2 Ld2 : seine Lage zu erleichtern und
übergehen und einen Vorstoß des f-Bau­ will den Druck auf d4 mit Sc6 verstärken.
ern lancieren. Das ist aber nicht möglich, solange der L
Obwohl Weiß sich freier bewegen kann, ist auf b6 steht( 1 5 . . . . Sc6?? 1 6 . Sb6 : ab6: l 7.d5).
der Druck der schwarzen Figuren und 16. Tel-e2 Sd8-c6
Bauern überall spürbar. Weiß muß auf der Die Alternative war 1 6 . . . . c6 l 7. Se3 c5,
Hut sein. Die klassische Variante ( 4. . . . um Weiß zu einer Erklärung zu zwingen.
Sf6) führt zu einem offenen Spiel mit Nach dem Tausch der Mittelbauern könnte
guten Angriffsmöglichkeiten für Weiß, Weiß seinen S wieder auf d5 postieren,
obwohl er dafür den Preis von ein oder doch Schwarz das gleiche tun: Sc6-d4. Das
zwei Bauern zahlen muß. Wenn Schwarz würde zu gegenseitiger Passivität führen.
für diesen Partietypus nichts übrig hat, Tauscht eine Seite den Springer, entstünde
sollte er sich für die 4 . . . . De7-Variante ein gedeckter Freibauer für die andere
entscheiden. Partei. Ein Tauziehen begänne; in diesem
14. Se3-d5 Fall wiese die weiße Stellung aber keinen
Weiß bringt nun eine Figur auf feindliches Raumvorteil mehr auf Remis wäre
Gebiet. Den Tausch braucht er nicht zu wahrscheinlich, und der Meister möchte
fürchten, denn er behielte die zwei Läufer. gewmnen.
Auch j etzt könnte sich Weiß natürlich mit 17. Lcl-b2
Sb6 : das Läuferpaar verschaffen; Schwarz
hätte nach ab6 : j edoch Gegenwerte in der
offenen a-Linie.
14. De7-f7
Droht Bauerngewinn auf d5 .
15. c3-c4
Spannung zu erhalten und dem Gegner die
Gelegenheit zu Fehlern zu geben. Schwarz
wollte den Kampf mit den beiderseitigen
Springern auf d5 bzw. d4, den er im lö.Zug
anstreben konnte, nicht, denn das
Gegenspiel des Weißen wäre zu leicht und
die Remisgefahr daher zu groß.
18. Sf3xd4 Sc6xd4
Weiß deckt den Bd4 noch einmal, räumt
19. Lb2xd4 Df7-d7
die 1 .Reihe für die Entwicklung des Ta 1
und schaltet späteres Lc3 (nach Tausch
aufd5) aus. Er droht nun 1 8 . a3 nebst 1 9.b4
und Gewinn einer Figur durch 20.c5 .
Schwarz wäre gezwungen, einen Zug
später unter ungefähr den gleichen
Umständen auf d5 zu tauschen. Das wäre
weder vorteilhaft noch nachteilig. Weil
Weiß droht, kann Schwarz nicht warten, Er bereitet Se7 vor und hindert Weiß an
keine Züge wie Tad8 oder Sge7 machen. g3 . Schwarz hätte gern gleich Se7 gespielt;
Es sieht so aus, als ob Schwarz ein Ver­ er fürchtete jedoch 20.b4 Ld5 : 2 1 . cd5 :
säumnis begangen hat, als er die Mög­ Lb4 : 22. Tb2 La5 23 . Tb7 : , und nun nützt
lichkeit, mit c7-c6 und c6-c5 ein zum Lb6 nichts wegen 24.Lb6 : . Günstig für
Remis neigendes Spiel zu erzwmgen, Weiß ist 1 9 . . . . Ld5 : . Er behält die zwei
ausschlug. Läufer und bekommt nach 20 . cd5 :
Der Versuch 1 7. . . . Sce7 kostet wegen außerdem die c-Linie für die Türme.
1 8 .b4 ! eine Figur, wie 1 8 . . . . Ld5 : 1 9. ed5 : 20. Ddl-c2
Lb4 :20.Da4 a5 2 1 . a3 beweist. Um Tad l und später c4-c5 spielen zu
17. e5xd4 können. Wenn 20.b4 Ld5 : 2 1 . cd5 : Lb4 :
Der Abtausch des Mittelbauern ist nicht 22. Tb2 (besser 22.Db3) 22 . . . . La5 23 . Tb7:
mehr zu vermeiden. Als Folge erhält Weiß Lb6 und der T ist, im Gegensatz zur
mehr Raum und Bewegungsfreiheit für vorigen Variante, tatsächlich gefangen,
seine Figuren. Er beherrscht vier Reihen, weil der Bc7 gedeckt ist.
der Gegner nur drei. Schwarz hoffte j edoch 20. Sg8-e7
auf Gegenspiel, allerdings vergeblich. Er
mußte eben 1 6 . . . . c6 spielen. Im allgemei­
nen versucht der stärkere Spieler die

246
Dem S winken die Felder c6 nebst e5 oder tes Remis im Bereich des Möglichen
g6 nebst f4. Nicht 20 . . . . c6 wegen der gewesen. Es ist jedoch immer entmutigend,
Schwächung des Bd6 auf einer offenen hart zu kämpfen und zu wissen, daß das
Linie, der wegen der weißen Bauern nicht Äußerste, das herauskommen kann, nicht
ohne weiteres vorrücken kann. Tatsächlich mehr als Remis sein wird. Darum sagt sich
scheint er nach Zügen wie Se3 , Dd3 , Tdl, der Meister an dieser Stelle: „Alles oder
Lb2 und La3 unhaltbar zu sein. Nichts", und der Amateur hat das
21. Sd5xe7 Verdienst, diese Atmosphäre geschaffen zu
Weiß tauscht, damit der schwarze S nicht haben, die zu einem solchen Entschluß des
zu stark wird. Von 2LSf4 Lf7 hätte Weiß Meisters führt.
nicht viel. 22. La5-b6
21. Dd7xe7 Verhindert c4-c5 . Der L braucht ja nicht
Weiß könnte nun 22. c5 spielen, z.B. 22 . . . . mehr zu fürchten, vom S getauscht zu
Tad8 23 . c6 bc6 : 24.Dc6 : Lb6. Als der werden.
schwächere Spieler will er aber nicht die 23. Ld4-b2
Initiative ergreifen. Er will den Stärkeren
ermüden, ihn verleiten, sichauf Wagnisse
einzulassenundihm Gelegenheit geben,
Fehler zu machen.
22. g2-g3
Nachdem der Bh3 entlastet ist, wird das
Fianchetto des Lfl möglich. Er drückt von
g2 aus auf den schwarzen D-Flügel. Weiß
Weiß möchte den L für den Angriff
festigt seine Stellung. Der Amateur spielt
bewahren; er ist hier sehr wichtig.
gegen den Meister psychologisch richtig.
Andererseits steht auch der schwarze L
Die Stellung ist nun etwas günstiger für
nun gut.
Weiß. Den Gewinn zu erzwingen, ist
23. De7-d7?
schwer, weil seine Überlegenheit so gering Um f5 folgen zu lassen. Das war allerdings
ist. In solchen Lagen nimmt der seiner nicht der richtige Plan. Richtig war 23 . . . .
Kraft bewußte Meister absichtlich ein Df7, entweder gefolgt von a5-a4 oder von
Wagnis in Kauf, damit er angreifen kann, c6 und d5 . Weiß wird j edoch den Vorstoß
obgleich er etwas schlechter steht. Dringt d5 kaum zulassen. Das ist einer der
er durch, gewinnt er, wenn nicht, verliert Zwecke des Zuges Lg2.
er. Hätte er nicht auf diese Chance gespielt,
wäre ein mit großem Kraftaufwand erziel-
Der Textzug ist em Meisterfehler, der z.B. 26 . . . . Tae8 27. Te8 : Te8 : gefolgt von
meistens auf einem falschen Plan oder den c6, Ld8 und Lf6. Zwar wäre die Lage
Folgen einer Fehleinschätzung beruht, schwierig geblieben, vielleicht aber noch
während ein Amateurfehler häufig ein nicht hoffnungslos. Weiß hat nun
reines Versehen darstellt. entscheidenden Vorteil. Von hier an wird
24. Kgl-h2 f6-f5? das Spiel zu einer wirklichen Meister­
Er verliert die Geduld. Schwarz verlangt gegen-Amateur-Partie, bei der der Amateur
zuviel von der Stellung. Er kommt nun in der Meister ist. Er nützt die erlangten
Schwierigkeiten, weil die e-Linie wichtiger Vorteile glänzend aus.
ist als die f-Li-nie. Außerdem öffnet er 27. Tal-el
zwei Schrägen für die gegnerischen Damit beherrscht Weiß die e-Linie; dazu
Läufer. Schwarz hoffte auf Druck gegen ist auch die Schräge al/h8 vollständig in
den Punkt f2. Der einfache Zug 28.f4 einem Besitz. Man sehe die vereinigten
macht aber allen Hoffnungen ein Ende, Möglichkeiten, die sich daraus ergeben !
und dem Schwarzen bleibt nichts übrig, als 27. Ta8-f8
die Folgen seines oberflächlichen Zuges zu 28. f3-f4
tragen. Immer noch war 24 . . . . a5, gefolgt Schaltet jede Gegenaktion aus. Von seiner
von Df?, richtig. Der Zweck ist, mit a5-a4 f-Linie hat Schwarz nichts. Er kann auch
die a-Linie zu öffnen oder auf b3 -b4 a4-a3 den Druck, den Weiß auf der Schrägen
zu spielen und sich so Gegenchancen zu ausübt, nicht abschütteln. Dieser Druck
verschaffen. binet Schwarz an mehreren Fronten und
25. e4xf5 Le6xf5 fördert Kombinationen des Weißen. Als
26. Dc2-c3 erstes droht 29.g4 Lg6 30.f5 h6 (macht
Platz für den L, falls Weiß sich nicht ent­
schließt, die Läufer zu tauschen) 3 l . fg6 :
Tfl : 32.Tfl: Tfl: 3 3 .Dg7 :+ (oder 3 3 .Te8+)
nebst Matt. Schwarz könnte 28. . . . h6
ziehen, um 29.g4 mit dem chancenreichen
Opfer Lg4 : zu beantworten. Weiß müßte
dann den Aufmarsch g4 vorbereien:
29.Lg2 c6 3 0.Df3 oder sogar 3 0.Lf3 Lh3 :
26. Tf8-f7?
3 l .Lh5 .
Die emz1ge Chance, das Spiel zu halten,
28. Dd7-d8
war der Tausch auf der e-Linie,
Gibt dem Lf5 einen Rückzug.

248
29. Lfl-g2 36. Th6) 3 5 .Dh5+ Kg8 36.g4 G etzt nicht
Auch auf der anderen Schrägen wird 3 6 . Th6 wegen fg3 :+ und die schwarzen
gedrückt und zugleich der K besser Türme erwachen zum Leben) 3 6 . . . . Dd7
geschützt. 3 7.g5 (3 7. Th6? gh6 : 3 8 .Dg6+ Tg7) und
29. c7-c6 gegen g5-g6 gibt es keine Verteidigung.
Schwarz schwächt Bd6, aber nur unter Wir haben gesehen, wie stark die Drohung
Zwang (siehe den 20.Zug). 3 l .Lh5 ist. Wie kann Schwarz sie
30. Lg2-f3! parieren? Nehmen wir an, er spielt 30 . . . .
Kg8 3 l .Lh5 Lg6 32.Lg6 : hg6 : und hat bei
den obigen Varianten ein Tempo mehr.
Abgesehen von der Frage, ob das genügen
würde, die Partie zu halten (wir bezweifeln
es), hätte Weiß den stärkeren Zug 32.Lg4
(statt 32.Lg6 :), der 3 3 .Le6 und außerdem
3 3 . f5 droht.
30. d6-d5
Vernichtend ! Weiß läßt die neue Schwäche Verzweiflung ! Dennoch kann Weiß seme
außer acht und spielt weiter auf Angriff Es Drohung nicht ausführen, weil auf 3 1 .Lh5
droht 3 l .Lh5 . Der Tf? könnte nicht d4 die Diagonale schlösse.
ausweichen (Tc7 32.Te8). Schwarz müßte 31. c4-c5 Lb6-a5
daher die Verdoppelung nach 3 1 . . . . Lg6 Er hofft noch immer auf Gegenspiel. Auf
32.Lg6 : hg6 : zulassen. Es gibt Stellungen, 3 1 . . . . Lc7 käme 32.Lh5 Lg6 (erzwungen)
wo ein Doppelbauer nicht viel Schaden 3 3 .Lg6 : hg6 :34.Te6 g5 mit ähnlicher
stiftet; hier j edoch würde die Verteidigung Stellung wie beim 30. Zug ausgeführt.
erheblich beeinträchtigt, und Weiß behielte Weiß kann hier z.B. wie folgt gewinnen:
die Hände voller Trümpfe: offene e- und h­ 3 5 . Th6+ Kg8 36. Dd3 Tf5 (der einzige
Linie sowie die Diagonale. Wir geben ein Zug) 37. Tg6 T8f7 (T5f7 3 8 . Tg5 :) 3 8 .
paar Varianten, um zu zeigen, wie Weiß Tg7 :+ Tg7 : 39. Df5 : und Schwarz steht
diese Schwächung ausnützen könnte: hoffnungslos.
3 3 . Te6 g5 (oder Tf6 34.Df3 mit Angriff 32. b3-b4 d5-d4
auf den Turm. Nach dem erzwungenen 34. 33. Dc3-c4!
. . . Te6 : 3 5 .Te6 : g5 3 6.Dh5+ Kg8 3 7 . Th6 - Schlecht wäre 3 3 .Dd4 : Dd4 : 34.Ld4 : Lb4 : .
der alte Trick - wäre es aus) 34.Df3 gf4 : 33. b7-b5
(d5 3 5 .Dh5+ Kg8
34. Tf8xf7
35. Te2-e8+ Tf7-f8
36. Te8xd8 Lb6xd8
37. Lb2xd4 Lf5-d7
Um den Bc6 zu verteidigen. Scheinbar hat
Schwarz sich gerettet, nicht ohne Narben,
aber den Druck ist er los. Der weiße
Wenn 3 3 . . . . Lc7, so 34.Ld4 : und der Sieg Mehrbauer muß auf die Dauer entscheiden,
des Weißen stünde fest. Außer seinen gleichwohl rechnet man nicht mit einem
Stellungstrümpfen hätte er einen Bauern raschen Ende. Die schwarzen Figuren
mehr. können sich nicht frei bewegen, sie müssen
34. Dc4xf7! Bauern decken oder gegnerische Figuren
Ein Scheinopfer der Dame, um die 8.Reihe am Eingreifen hindern. Außerdem stehen
zu schwächen: Weiß bekommt die D sofort sie sich gegenseitig im Weg. Man beachte
unter günstigen Umständen zurück. Ohne den Tf8 der der Gnade des weißen
'

diesen überraschenden Zug wäre die Läuferpaars ausgeliefert ist. Und der
Gewinnführung noch schwierig gewesen: schwarze K braucht ständige Bewachung !
34.cb6: Lb6 : und der Bd4, der die 38. Ld4-e5
Diagonale al/h8 schließt, ist im Weg. Der
Amateur spielt hingegen wie ein Meister
- er hat die Augen für taktische
Möglichkeiten offen. Ein weiteres
Verdienst der Kombination zeigt folgende
Erwägung: begnügte sich Weiß mit dem
Gewinn eines Bauern, hätte er seme
überwältigende Stellung zu billig
aufgegeben. Der Amateur hat j edoch die Macht Platz für T dl.
Endstellung der Kombination nicht nur
38. Tf8-f7
materiell eingeschätzt (der gewonnene
Bauer), sondern auch positionell
(überlegene Beweglichkeit aller seiner
Figuren und weitere Schwächen am
schwarzen Damenflügel).
Schützt zwar vorsorglich den Ld7, In dieser Partie hat der Amateur gezeigt, a)
verbessert aber die Lage des Schwarzen gutes Stellungsurteil - sein Spiel ist fest,
nicht, der immer noch m semen so daß seiner Stellung schwer etwas
Bewegungen beschränkt ist. Wenn 3 8 . . . . anzuhaben ist; sie weist keine Schwächen
Lf6 39. Lf6 : gf6 : 40. Te7 Td8 4 1 . g4, und auf; b) gute kombinatorische Kraft - das
Schwarz steht hofflmngslos: er hat einen B Manöver Lg2-f3 -h5 war schließlich
weniger, Weiß hat die 7 .Reihe besetzt und tödlich; c) gute Psychologie - keine
droht Le4, oder 3 8 . . . . Le7 39. Lg7 :+; Übereilung, laß den Gegner nur kommen,
schließlich 38 . . . . Le8 39. Tdl Le7 40. Ld6 meine Stellung wird ihm standhalten.
und gewinnt mindestens einen zweiten Schwarz, der Meister, war ungeduldig: a)
Bauern. vermied das Remis im 16. Zug; b)
39. Tel-dl Kh8-g8 überschätzte seine Stellung; c) irrte sich
39. . . . Lf6 40.Lf6: gf6 : 4 1 . Td6 und bei der Beurteilung der Züge 24 und 26.
gewinnt („nur") einen weiteren B .
40. Lf3-g4
Schwarz gab auf, denn eme Figur geht
verloren.
252 -------
Partie 24

Die Theorie einiger Varianten der „Damenindischen"


Frühzeitige Befragung des weißen Damenläufers
Der Druck auf der langen Schrägen
Material gegen Stellung
Bauernraub
Unrichtige Stellungseinschätzung infolge psychologischer Fak­
toren
Angriff gegen die lange Rochade bei Vorhandensein von Schwä­
chen
Angriffskraft der verbundenen Freibauern im Endspiel

Vorausschauen können ist im Schach wichtig. Freilich soll man nicht so weit voraussehen,
daß man darüber die unmittelbaren Probleme vernachlässigt. Schach ist so verwickelt, und es
gibt so viele Varianten, daß beim Versuch, entfernte Möglichkeiten zu erfassen, leicht das
Naheliegende übersehen wird. Sobald der Meister in dieser Partie einen Bauern gewonnen
hat, beginnt er darüber nachzudenken, wie er seinen materiellen Vorteil im noch weit entfern­
ten Endspiel ausnützen kann. Um seinen weitreichenden Plan voranzubringen, macht er einige
Züge, die ausgezeichnet wären, wenn kein Gegner und keine unmittelbaren Probleme
vorhanden wären. Es war aber ein Gegner da, der durchaus darauf eingestellt war, aus der
einseitigen Strategie und den daraus hervorgehenden Schwächen Vorteil zu ziehen.
Diese Art Spiel ist in vielen Meisterpartien zu finden, besonders in j enen, wo einer der Gegner
stärker ist als der andere und sich daher verpflichtet fühlt, seine Überlegenheit zu beweisen.
Hier tritt wiederum der psychologische Gesichtspunkt hervor. Hätte der Meister einem
gleichwertigen Gegner den Bauern abgenommen, wäre er wohl nicht daran vorbeigegangen,
die Lage sorgfältig zu untersuchen und genauestens die Gegenwerte abzuschätzen, die sein
Partner für den aufgegebenen Bauern eingetauscht hat. Daß er einem schwächeren Gegenüber
den Bauern abnahm, verführte ihn, seinen materiellen Vorteil auszunützen, und dabei übersah
er bestimmte Schwächen in seiner eigenen Stellung.
Der Amateur verdient Anerkennung, daß es ihm gelungen ist, den Meister in eine solche
zweideutige Lage zu bringen und dessen verfehlte Strategie zu widerlegen. In dieser Partie
glänzt der Amateur in technischer und psychologischer Hinsicht.
WElß: MEISTERANWÄRTER 5. Lcl-g5
SCHWARZ: MEISTER Mittelbarer Kampf um das Feld e4. Ebenso
DAMENINDISCH gut ist 5 .Dc2 oder 5.g3 .
1. d2-d4 Sg8-f6 5. h7-h6
2. Sglf3 Sofortige Befragung des Lg5 : Tausch oder
Der gebräuchlichere Zug ist 2.c4. Der Rückzug? Es ist klug, den Zug sofort zu
Textzug ist nicht besser und nicht tun. Schiebt Schwarz ihn auf (z.B. mit 5 . . . .
schlechter; er schließt das Budapester Le7), hätte Weiß inzwischen mehr
Gambit (2. c4 e5) aus, vermeidet ein bald Anhaltspunkte hinsichtlich der Vor- und
mögliches Lb4, solange er c2-c4 Nachteile des Tauschs. Schwarz ist nun
aufschiebt, beraubt aber Weiß auch der auch für den Vorstoß g5, möglicherweise
Möglichkeit, Sge2 und ß zu spielen, was gefolgt von g4, bereit.
unter bestimmten Umständen er- 6. Lg5-h4
strebenswert sein kann. a) Nach 6. Lf6: Df6 :7. e4 hat Weiß das
2. b7-b6 Zentrum, Schwarz die zwei Läufer; eins so
Schwarz könnte auch 2. . . . d5 antworten wertvoll wie das andere, denn die Stellung
(Damenbauernspiel) oder 2. . . . g6 ist nicht offen (in einer offenen Stellung
(Königsindisch). wären die Läufer vorzuziehen).
3. c2-c4 Lc8-b7 b) 6. Lf4 bedeutet den Verlust eines halben
4. Sbl-c3 Tempos, d.h. man muß sich fragen:
Man beachte, daß Schwarz den Punkt e4 „Warum nicht schon im 5 .Zug Lf4, denn
nun zweimal, Weiß aber nur einmal h6 bedeutet ja hier keine Schwäche?"
beherrscht. Außerdem ist das Feld f4 hier nicht so
Weiß konnte hier auch 4.g3 spielen. Er wirkungsvoll wie in gewissen anderen
braucht Lß : 5 . eß : nicht zu fürchten, weil er Varianten. Der Zug Sb5 ist wegen d7-d6
das Läuferpaar behielte und nach baldigem nie gefährlich.
ß -f4 den Punkt e5 verstärken könnte. 6. Lf8-e7
4. e7-e6 Ebenso gut ist 6 . . . . Lb4. Damit wird das
In der Absicht, den Druck auf den Punkt e4 gleiche erreicht, nämlich der Ausgleich des
mit Lb4 erneut zu verstärken. 4 . . . . d5 ist Drucks gegen e4.
unlogisch, weil Weiß nach5 . cd5 : Sd5 : 7. e2-e3
schließlich den Punkt e4 in die Hand Derbeste Zug für rasche Entwicklung.
bekäme. 4. . . . g6 würde mit 5 .Dc2 Logisch ist ferner 7. Sd2, weil Weiß dann
beantwortet, und Weiß wird e2-e4 e4 ebenso oft beherrscht wie
durchsetzen.

254
Schwarz. In dieser Variante ist dieses Feld Zweifelhaft, weil Bg2 semen Schutz
so wichtig, daß seine Beherrschung die einbüßt und Schwarz in der Lage ist, einen
Preisgabe eines Tempos wert ist. Vielleicht Bauern zu erobern. Besser war 8 . Dc2 oder
erwidert Schwarz mit 7 . . . . d5, um 8 . e4 zu 8. Sd2, gefolgtvon f3 . Das Ziel der
verhindern, oder 7 . . . . c5, um das Zentrum nächsten Züge des Schwarzen ist: a) den
zu unterminieren. Daraus ist zu erkennen, Druck gegen das Feld e4 zu verstärken; b)
daß 2. Sf3 ein nachteiliges Element in sich die lange Schräge auszunützen.
birgt, weil Schwarz nach b6/Lb7 den Punkt 8. g7-g5
e4 unter Feuer nehmen kann. Sf3 schaltet Das Folgende zeigt, daß dieser Zug Teil
ein eventuelles f3 aus. Dagegen hat es den der Strategie ist, die Diagonale a8/hl zu
Vorteil, den Punkt e5 zu beherrschen, und verwerten. Man beachte das
f3 ist nicht immer günstig in seinen Aus­ Zusammenwirken des Lb7 mit den Bauern
wirkungen. am anderen Flügel.
7. d7-d6 9. Lh4-g3 g5-g4
Bereitet Sbd7, gefolgt von e5, vor. Der Ein ziemlich kühner Zug, der j edoch einen
Zug schafft ein Loch auf c6. Solange aber Bauern erobert. Außerdem braucht
der Lb7 vorhanden ist, hat das keine Schwarz die Schwächung seiner Bauern
ernsten Folgen. Die zurückhaltende am K-Flügel nicht zu sehr zu fürchten,
Aufstellung des Schwarzen in der Mitte weil er die lange Rochade plant. Soll Weiß
kann ergeben: nun seinen Bg2 mit Sh4 retten und seinen
a) e6-e5, das am besten ist, oder S abseits stellen? Oder soll er g2 aufgeben
b) d6-d5, das den Nachteil hat, den Lb7 und ein Gegenspiel auf fester strategischer
auf der langen Schrägen einzuschließen. Grundlage anstreben? Weiß muß sich
Schwarz hätte hier 7. . . . 0-0 spielen natürlich fragen, was wichtiger ist: den S
können. Er plant aber g7-g5 und schiebt für Unternehmungen bereit zu haben oder
deswegen die Rochade auf den B zu verteidigen. Er entschließt sich
8. Lfl-d3? für das erstere und spielt:
10. Sf3-d2
Der Amateur zeigt seinen Fortschritt,
indem er die Wahl eines Meisters trifft.
Soll Schwarz nun den B nehmen? Nach
dem schwächenden g5-g4 ist esrichtig,
semer Absicht treu zu bleiben und die
Beute einzuheimsen. Er sollte sich aber
diese Frage
stellen, bevor er g5-g4 zog. Wird Weiß e6-e5 auch mit Sbd7 vorbereiten können.
genügendes Gegenspiel für den B haben? Falls möglich, sollte aber e6-e5 ohne
Er wird immer emen Zeitgewinn Vorbereitungen gespielt werden, weil
verzeichnen können, eventuell aber auch Schwarz so mehr Auswahl hat, wohin der
Raumvorteil und ein besseres Zentrum, Sb8 gehen soll, abhängig vom Vorgehen
selbst wenn Schwarz den B nicht nimmt. des Weißen. Der Textzug hat den Vorteil,
Es handelt sich also nicht um einen Fall Weiß zu einer Erklärung zu nötigen (de5 :
von „Bauernraub" in der Form, daß ein oder d5). Daß der Be5 jetzt zweimal
Spieler auf Bauerngewinn spielt, wenn angegriffen und nur einmal geschützt ist,
seine ganze Stellung gefährdet ist. will nichts besagen, weil der Ld3 nach dem
10. Lb7xg2 Tausch ungedeckt wäre. Außerdem hätte
11. Thl-gl Lg2-b7 Weiß nach 1 3 . de5 : de5 : 1 4.Lc2 Sc6 ein
Wie wird Weiß nun seine Möglichkeiten schlimmes Loch auf d4.
am besten wahrnehmen? Ein Teil des 13. d4-d5
Gegengewichts besteht darin, daß er nun
das Feld e4 beherrscht.
12. e3-e4!
Der Amateur beweist wiederum das
Ansteigen seiner Spielstärke, indem er
beim Verlust eines B seinen Kopf behält
und zuversichtlich mit einem Zug fortfährt,
der auf soliden strategischen Erwägungen
Weiß beherrscht nun mehr Raum, aber
beruht. Weiß hat nun das Zentrum in
Schwarz hat einen Bauern mehr. Seine
Besitz, wenn auch nicht endgültig, weil
Strategie muß darin bestehen, sein Plus so
Schwarz j a mit seinen Mittelbauern die
bald wie möglich zu verwerten. Ein Weg
Felder d5 und e5 kontrolliert und mittels
wäre, den Bf7 nach f5 vorzurücken. Das ist
e6-e5 ebenfalls ausreichenden Einfluß auf
keine leichte Aufgabe, zumal Weiß in den
die Mitte ausübt.
kommenden Zügen die richtige Strategie
12. e6-e5
findet, den Gegner an der Verwirklichung
Schwarz beugt einem eventuellen e4-e5
seiner Ziele zu hindern.
vor. Dagegen sieht 12 . . . . d5 1 3 . cd5 : ed5 :
13. Sb8-d7
1 4 . e5 jetzt gut für Weiß aus. Erwägenswert
Recht gut sieht 1 3 . . . . c5 aus, ein Versuch,
ist auch 1 2 . . . . Sc6, denn 1 3 . Sb3 e5 1 4 . d5
die ganze Stellung abzuriegeln. Weiß
Sb4 1 5 .Le2 h5 1 6 . a3 Sa6 ließe den S am
stünde vor einer
Damenflügel ziemlich wirksam werden.
Schwarz hätte

256
schwierigen Wahl : nimmt er en passant, hier keine Zukunft. Weiß spielt 1 7 .Dc2
nähme der Sb8 zurück mit Ausblick auf und später evtl. b4. Wie sollte der Plan des
d4; nimmt er nicht, sind seine Aussichten, Weißen nach dem Textzug aussehen? Er
starken K-Angriff wie in der Partie zu könnte das Manöver Sfl -e3 -f5 ins Auge
erhalten, erheblich geringer. fassen, zieht es aber vor, ebenfalls rasch
14. f2-f3! zur langen Rochade zu kommen.
Öffnet die f-Linie, und das bedeutet 17. Ddl-e2
strategisch, daß es für Schwarz lange Zeit Für Schwarz günstig wäre 1 7 . Lh4 Sg6 1 8 .
unmöglich sein wird, seinen Plan f7-f5 Lf6 : Lf6: 1 9 . Lh5 : Lh4+ 20. Kfl Sf4. Den
auszuführen. Mit anderen Worten, das B hätte Weiß zurück, aber sein K stünde
Bauernplus des Schwarzen ist nach 1 4 . . . . hoffnungslos schlecht.
gf3 : 15 .Df3 : entwertet, weil em 17. Sf8-g6
rückständiger f-B auf einer offenen Linie Schwarz will das Feld f4 besetzen und so
übrigbleibt. Weiß, der Amateur, zeigt die f-Linie schließen in der Hoffnung,
Initiative und Positionsgefühl. hinter dem Rücken des Sf4 doch noch zu
Schwarz wird j edoch nicht gf3 : spielen, f7-f5 zu kommen.
weil er dem Weißen nicht entge­ 18. 0-0-0
genkommen wi 1 1 . Daß der c-B vorgerückt ist, kann in diesem
14. h6-h5 Fall nicht als Schwächung der K-Stellung
Nun zwingt aber Weiß seinen Gegner zum betrachtet werden. Weiß braucht seinen K
Tausch und damit zur Entwertung semes nur nach bl zu stellen, wo er vollständig
Mehrbauern wie folgt: sicher ist. Auch das wäre im Augenblick
15. Ld3-e2! g4xf3 überflüssig, weil keine der schwarzen
Denn nach 1 5 . . . . Tg8 1 6.fg4 : hg4 : l 7.Lh4 Figuren am D-Flügel eme Drohung
gewönne Weiß den verlorenen Bauern aufstellen kann.
zurück, und Schwarz verbliebe mit dem 18. Lb7-c8?
rückständigen Bauern. Siehe Diagramm nächste Seite.
16. Le2xf3
Auch 1 6 . Sf3 : verdiente Erwägung, um den
S über h4 nach f5 zu bringen.
16. Sd7-f8
Macht Platz für die D als Vorbereitung zur
langen Rochade. In Betracht kam auch 1 6 .
. . . Sc5, doch hat der S
Schwarz hofft, auf dem K-Flügel zu­
sätzlichen Druck auszuüben. Er wird
fortfahren, S und L auf starke Plätze zu
bringen. Diese Manöver haben j edoch
geringen Wert, weil sich der Hauptkampf
am D-Flügel abspielen wird.
20. Lg3-el
Ginge der L nach f2, würde nach Sf4 schon
Soweit hat der Meister den Gang des Sh3 drohen.

Verfahrens vorgeschrieben. Er hat einen B 20. Sg6-f4


gewonnen und dafür den Nachteil einer 21. De2-c2
beengten Stellung am D-Flügel und in der Schwarz strebt nach der langen Rochade.
Mitte in Kauf genommen. Jetzt aber Die D kann er erst herausziehen, nachdem

verlangt er zuviel von seiner Stellung. Er der L aus dem Weg ist.
überlegt, wie er das Äußerste aus dem 21. Lc8-h3
gewonnenen B herausholen kann. Daher 22. Sfl-e3! Dd8-d7
bereitet er die Überführung des L auf den 23. Lel-f3
K-Flügel vor, unterschätzt aber den Grad Um die Türme zu verbinden. Außerdem
der Schwächung, den dieses Vorgehen für zielt der L auf die K-Stellung, nachdem

den D-Flügel nach sich zieht, wo der Schwarz lang rochiert hat.
schwarze K einen sicheren Platz braucht. 23. 0-0-0

Die Tatsache, daß ein Meister immer auf Ein wichtiger Punkt m der Partie.
Gewinn spielt, in die Zukunft blickt, nach Nachdem Schwarz rochiert hat, beginnt ein

zu viel Initiative strebt, wenn die Initiative fürchterlicher Angriff Man ginge j edoch
und der Gewinn nicht in der Stellung zu weit, wollte man die Rochade als
stecken, ist für ihn manchmal em schweren Fehler brandmarken. Einerseits
Handicap. Richtig war 1 8 . . . . Dd7 nebst 0- ist sie wünschenswert, damit der Ta8 in

0-0. Schwarz hätte seinen Mehrbauern den Kampf eingreifen kann; Schwarz hat
behalten, freilich im Hinblick auf die also nur die Wahl zwischen zwei Übeln.

Umstände nur geringe Aussichten auf Sieg. Rochiert er nicht, wird es ihm nie gelingen,
19. Sd2-fl die Partie zu gewinnen, weil er die Stel­

Von e3 aus soll der S das Feld f5 kon­ lung nicht öffnen kann. Sein K steht in der
trollieren. Mitte des Bretts unsicher. Daß Schwarz

19. h5-h4 sich hier zur Rochade entschließt, muß als


eine Art Über-
Optimismus betrachtet werden, daß es ihm 26. d5xc6+
irgendwie gelingen werde, den Sturm zu Natürlich nimmt Weiß die Gelegenheit
überstehen. wahr, die Stellung zu öffnen. Der Textzug
24. a2-a4 macht die d-Linie und den Punkt d5 für
Der Angriff gegen die geschwächte einen S frei. So kann er den Sf4 auf eine
Königsstellung beginnt. Es spielt keine Weise angreifen, die praktisch den
wesentliche Rolle, ob man hier zuerst den Abtausch erzwingt - der für Schwarz ernste
a- oder b-B vorrückt. Ein Bauernvorstoß Folgen haben wird, denn der Be4 wechselt
gegen den feindlichen König ist nach d5 über, und der Lf3 erhöht
gerechtfertigt durch: a) dessen infolgedessen seine Wirkungskraft.
geschwächten Bauernschutz (hier infolge 26. Dd7xc6
von b7-b6; die Schwäche wird durch den 27. Se3-d5! Sf6xd5
fehlenden Lb7 noch vergrößert); b) gut 28. Sc3xd5 Sf4xd5
stehende Angriffsfiguren; c) Raumvorteil 29. e4xd5 Dc6-c8
(Weiß beherrscht fünf, Schwarz nur drei Unterstützt den Lh3 , der nun nach f5 gehen
Reihen). könnte. Schwarz macht so aktive Züge wie
Der Fortschritt des Amateurs zur möglich. Man beachte, daß das Problem
Meisterschaft geht daraus hervor, daß er des rückständigen Bf? plötzlich vollkom­
über die hier anzuwendende richtige men gelöst ist, denn sein Weg nach f5 ist
Strategie im Bild ist. frei. Schwarz hat sogar zwei verbundene
24. Kc8-b7 Freibauern. Der Amateur hat das offenbar
Zu versuchen war a7-a5 . alles durchdacht und genau erwogen. Er
25. b2-b4! c7-c5 hat den Wert des Freibauernpaars mit der
Abwarten wäre ebenfalls sehr gefährlich. Kraft seines Angriffs auf den schwarzen K
Man betrachte die Kraft der we1- verglichen. Solche Vergleiche gehören zu
f3 enZügeb5, Sa2-b4-c6. Schwarz hatte den schwierigsten Problemen im Schach,
keine große Wahl, denn nach 25 . . . . a5 und auch in dieser Hinsicht hat der
26.ba5 : ba5 :27.c5 dc5 : ist28. Sc4 fast Amateur beträchtliche Fortschritte
tödlich. Zu erwägen war 25 . . . . Ta8 . In gemacht. Ihm ist vollständig klar, daß sein
diesem Fall setzt Weiß am besten fort mit Angriff duchdringen muß und die Vorteile
26.a5, denn 26.b5 könnte mit 26 . . . . a5 des Schwarzen am anderen Flügel nicht
beantwortet werden, womit dem S das zählen.
Feldb4 genommen ist. Schwarz beschließt, 30. c4-c5!
tapfer zu sein. Er geht mitten in die Siehe Diagramm nächste Seite.
Feuerlinie hinein und hofft, den Folgen
begegnen zu können.
Weiß schätzt die Stärke des Lf2 in Schwächt den Punkt b6 und bereitet die
Verbindung mit dem c- und b-B richtig Öffnung der a-Linie vor.
ein. Der Amateur zeigt nicht nur 32. b6xa5?
Positions-, sondern auch feines Schwarz hofft auf 3 3 .ba5 : Da6, aber Weiß
Angriffsgefühl. kommt ihm zuvor. Besser war 32 . . . . Df5,
30. Td8-g8 doch scheint das Spiel auch dann nicht
Ein Versuch, die gegnerischen Streitkräfte haltbar zu sein, z.B. 3 3 .Da4 Df3 :
zu verringern und dem K ein weiteres 34.ab6:+ und gewinnt, oder 3 3 . . . . b5 ! 34.
Fluchtfeld einzuräumen. Etwa gleichwertig Db5 : Tb8 3 5 . Dd3 (oder auch 3 5 . Da6 mit
war 3 0 . . . . Lf5 3 1 . c6+. Nach 3 0 . . . . bc5 : ? noch verwickeiteren Folgen: 3 5 . . . . Df3 :
3 1 . bc5 : stünde der K noch offener, und ein 36. Da7:+ Kc8 37. Td2 und die Lage ist
weiteres 3 1 . . . . dc5 : ist natürlich wegen 32. schwierig, vermutlich aber für Weiß
d6+ ausgeschlossen. 3 1 . c5-c6+ gewonnen) 3 5 . . . . Df4+ 36. Td2. Das führt
Weiß erhält so einen mächtigen Frei­ zu einer komplizierten Stellung, die schwer
bauern. Weitere Öffnung der Stellung zu beurteilen ist. Alles hängt von zufälli­
durch a4-a5 (wenn nötig nach vorauf­ gen Einzelheiten ab. Angesichts der
gegangenem b4-b5) ist gesichert. Eine gute enormen Kraft des Lf2 müssen die
Alternative gab es übrigens nicht. cd6 : Chancen des Weißen als überlegen
hätte zum Damentausch und zur Auflösung angesehen werden. Diese Kraft ist
des weißen Angriffs geführt. dauerhaft und kommt immer wieder zum
31. Kb7-c7 Vorschein, sobald der schwarze
32. a4-a5 Gegenangriff zu Ende ist. Zwei mögliche
Fortsetzungen sind: a) 36 . . . . Db4 : 37. Ta2
f5 3 8 . Tg7 e4 39. Te7 :+ Kd8 40. Td7+ Ke8
4 1 .Dc2 ef3 : 42. Ta4 Db3 43 . Te4+ und
gewinnt; b) 36. . . . Lg5 3 7 . Tg5 : Dg5 :
3 8 .La7 : Tb4 : 39.Lb6+ Tb6 : (Kb8 40.Da6)
40. ab6:+ Kb6 : 4 1 .Db3+ und gewinnt.
33. Dc2-a4! Besser war 36 . . . . Ta8 37. Le3 Thb8, doch
Erneut stellt der Amateur seine Fortschritte sowohl 3 8 . Ld2 (zum Schutz von Bb4,
unter Beweis. Er behandelt diesen Teil der Behauptung der verbundenen Bauern und
Angriffsführung mit Präzision. mit der Drohung 3 9 . Tg7) als auch gleich
33. Kc7-b8 3 8 . Tg7 gewinnt für Weiß.
33 . . . . ab4 : ? 34.Da5+ Kb8 3 5 .Da7 : matt. 37. Tglxg5!
34. Da4xa5 Dc8-c7 Schnellstes Vormarschieren der Freibauern
35. Da5xc7+ ist mehr wert als die Qualität. Der
Weiß strebt nach zwei verbundenen Amateur ist bereit zu opfern -ein
Freibauern. Vermeidet er den Damen­ Merkmal meisterhaften Spiels.
tausch, behält Schwarz den Mehrbauern 37. Tg8xg5
und verteidigt sich: 3 5 .Db5+ Ka8 usw. 38. b4-b5 Lh3-g4
35. Kb8xc7 3 8 . . . . Tb8 39. Lb8 : + Kb8 : 40. b6 und
Nachdem die Damen vom Brett ver­ gewinnt.
schwunden sind, gibt der Amateur em 39. Lf3xg4 Tg5xg4
Beispiel seines erhöhten Könnens m 40. b5-b6+ Kc7-c8
genauer Behandlung des Endspiels.
36. Lf2xa7

Spielt Weiß nun 4 1 .b7+, erreicht er nicht


viel : 4 1 . . . . Kc7 42.b8D+ Tb8 : 43 .Lb8:+
Kb8 : . Aber sobald der weiße Turm
Beide Parteien haben ein Paar verbundene
eingreift, ist die Partie entschieden.
Freibauern; j edoch die weißen sind
41. Tdl-fl Tg4-g7
erheblich weiter vorgerückt. Er droht jetzt
Oder a) 4 1 . . . . Tf8 42. b7+ Kc7 43 . Tf? : + ! ;
b5-b6+.
b) 4 1 . . . . Tf4 (ein sehr lehrreiches Abspiel)
36. Le7-g5+
42. Tf4 : ef4 : 43 . b7+ Kc7 44. Kd2 und
Weiß holt sich alle
Bauern am K-Flügel. 44. Tg7-gl+
42. Tfl-f6 Th8-g8 45. Kcl-c2 Tg l -g2+
Wenn 42 . . . . Td8, so 43 . Td6 : . 46. Kc2-c3 Tg2xh2
43. Tf6xd6 Hofft auf ein ewiges Schach, beginnend
Nun droht 44. b7+ Kc7 45. Td7 matt. mit Tg3+. Aber der weiße Angriff ist
44. Td6-f6 bereits überwältigend.
Droht 4 5 . d6 usw. 47. b6-b7+ Kc8-c7
48. Tf6-f7+ Kc7-d6
49. Tf7-d7 matt.
Partie 25

Die Bauernmehrheit am Damenflügel


Wie die Bauern vorzustoßen sind
Wie man die Mehrheit als Waffe einsetzt, ohne sie zu früh zu
benützen
Spiel an zwei Fronten
Gegenangriff auf Kosten zweier Bauern
Die beengte Königsstellung
Durch genaue Berechnung aus einer schwierigen Lage heraus­
kommen
Ausnützung eines materiellen Vorteils im Endspiel mit leichten
Figuren

Oft wird die Schlacht nur an einem Teil des Bretts ausgefochten; in manchen Partien gibt es
aber mehrere Fronten. Partien, wo alle Teile des Bretts eine Rolle spielen, sind sehr
interessant, wenn auch sehr schwierig zu behandeln. Die Tatsache, daß der Spieler nur einen
Zug auf einmal machen kann, bedeutet, daß auch bei mehreren Fronten die Stellung j eweils
nur an einer Front verbessert werden kann. Tauchen an mehr als einer Front Gefahren auf,
muß er sich entscheiden, wo er sich zuerst verteidigen wi 1 1 . Das gleiche gilt, wenn er an
mehreren Fronten Chancen hat: der Spieler muß ein Urteil fällen, wo die Aussichten am
besten sein werden. In solchen Partien besteht die Stellungsbehandlung im fortwährenden
Vergleich der relativen Bedeutung, die die augenblicklichen Möglichkeiten an den
verschiedenen Fronten haben, und dem gültigen Entschluß, wo es zu handeln gilt. Partien mit
mehreren Fronten erfordern ein Höchstmaß an Können.
Manchmal erringt der Amateur den Sieg über einen Meister infolge emer emz1gen
glücklichen Eingebung, durch eine zufällige Kombination oder einen besonders günstigen
Spielverlauf. Wenn es aber dem Amateur gelingt, den Kampf über das ganze Brett zu
beherrschen, ohne die Übersicht über die einzelnen Teile zu verlieren, so kann das ohne
Übertreibung als Meisterleistung angesehen werden. In Partien mit mehreren Fronten können
nur Amateure von Meisterstärke ihren Weg durch das Labyrinth der Varianten finden, ohne
den Faden zu verlieren. Diese letzte Partie unserer Serie zeigt den Amateur, der volle
Meisterschaft auf vielen Gebieten erworben hat: in seinem positioneilen Erfindungsreichtum,
ohne diesen indes überzubetonen, in seinen kombinatorischen Fähigkeiten, seiner fehlerfreien
Berechnung der genauen Folgen eines Opfers, seiner Verteidigungskunst, wenn sein Gegner
mit Hilfe einiger Bauernopfer starken Gegendruck ausübt, und schließlich in seiner
Endspieltechnik.
WElß: MEISTERANWÄRTER der Vorposten d4 aufgelöst, kann sich
SCHWARZ: MEISTER unter Umständen der Zeitverlust des
RETI-SYSTEM Bauernvorstoßes bemerkbar machen.
Einen entsprechenden Zug finden wir
1. c2-c4 manchmal in der Folge 1. Sf3 d5 2.c4 d4,
Die Ideen, die hinter diesem Zug stekken, bei der Weiß über die starke Antwort 3 .b4
sind bei Partie 3 nachzulesen. verfügt. In der Partie ist 4. b4 verhindert,
1. e7-e6 und vermutlich entschloß sich Schwarz
Ein neutraler Zug, der viele Übergänge deswegen zu diesem Vorgehen.
offen hält. Noch gebräuchlicher ist 1 . . . . 4. e2-e3
Sf6, was meist zu indischen Weiß greift den Vorposten sofort an. Er
Verteidigungen führt. kann dies gefahrlos tun, denn 4. . . . de3 :
2. g2-g3 d7-d5 5.fe3 : gibt Weiß ein glänzendes Zentrum
Schwarz strebt nach Kontrolle der Mitte mit d2-d4 in Verbindung mit der offenen f­
mit Hilfe der Bauern, die logische Folge Linie, und 4 . . . . d3 behindert die weiße
seines ersten Zuges. Spielt Weiß nun 3 . d4, Entwicklung keineswegs; sein S geht nach
geht die Partie in die Katalanische c3 und sein L nach b2. Außerdem wird der
Eröffnung über. Schwarz könnte auch 2 . . . . Bd3 später schwach und auf die Dauer
f5 spielen a la Holländisch. Anders als unhaltbar, denn nach beendeter
nach 1 . d4 könnte Weiß aber den Kampf Entwicklung hat Weiß Züge wie Lfl , Se 1
um den Punkt e4 nun mit d2-d3 führen. und Db3 zur Verfügung.
3. Lfl-g2 Weiß könnte auch 4. Sf3 oder 4. d3
Der Routinezug 3 . b3 würde nach 3 . . . . dc4 : spielen; im allgemeinen istj edoch das
4.bc4 : Dd4 emen Bauern kosten, sofortige Vorgehen gegen den Vorposten
währendj etzt3 . . . . dc4 : wegen4.Da4+ nicht gegeben. Fürchtet der Weiße aber
zu fürchten ist. Als Faustregel kann dienen, unnötigerweise d4-d3 , mag er 4.d3
daß man in einem Fall wie diesem erst einflechten.
dann auf d5 tauscht, wenn dc4 : ernstlich 4. c7-c5 (?)
droht, weil man sonst den Lc8 befreit. Das hat einen Nachteil, wie aus der Folge
3. d5-d4 ersichtlich. Warum hat der Meister diesen
Üblicher sind neutrale Züge wie 3 . . . . Sf6 etwas fragwürdigen Zug gewählt?
oder 3 . . . . c6. Mit dem Textzug gewinnt Vielleicht wollte er absichtlich emen
Schwarz etwas Raum, andererseits gibt er j problematischen Zug machen. Nach
edoch dem Weißen eine Handhabe zur allgemeiner Meinung führt ein geringer
Linienöffnung. Wird Fehler allein nicht zum Verlust; erst der
zweite Fehler verliert. Es gibt Spieler, die

264
bewußt den ersten Fehler begehen und dafür
psychologische Gründe haben. Gelingt es
dann dem Gegenspieler nicht, in Vorteil zu
kommen, weil es keinen zweiten Fehler
gibt, wird er vielleicht mut- oder auch
sorglos werden. Andere Möglichkeiten
sind:
a) 4 . . . . de3 : (siehe 4.Zug von Weiß);
b) 4 . . . . Sc6, um Weiß von 5 . ed4 : ab-
zuhalten. Auf c6 hemmt der S j edoch das
Vorgehen des Bc7. Es könnte weitergehen:
5 . Se2 e5, gefolgt von der
Bauernkettenstrategie mit 6.d3 und 7.e4.
c) 4 . . . . e5, was den Raumvorteil behauptet,
dafür denNachteil eines Tempoverlustes in
Kauf nimmt.
5. e3xd4
Weiß schlägt in diesem Augenblick, um
eine Bauernmehrheit am D-Flügel zu
schaffen. Hätte Schwarz Sc6 gespielt, wäre
der Textzug nicht mehr so zweckmäßig,
weil der S wiedernehmen könnte. Spielbar
sind Züge wie 5 . Sf3 , 5 . Se2 und 5 .b3,
Routinezüge, die keinen bestimmten
Zweck verfolgen.
5. c5xd4
5 . . . . Dd4 : liegt nahe, doch der Bd2 ist
nurvorübergehendrückständig. Weiß wird
durch d3 , Sf3, Le3 immer die übermacht
über den Punkt d4 gewinnen und d3 -d4
durchdrücken können. Er erhält dann
ebenfalls die Bauernmehrheit am D-Flügel,
aber ohne den störenden schwarzen Bd4.
6. d2-d3
sofort 8 . b4 ! Der einzige Versuch ist das
unnatürliche 7. . . . a5 . Daraufbringt 8 .Dg4
den Nachziehenden ins Gedränge - er muß
sich mit 8 . . . . g6 schwächen, denn 8 . . . . Df6
9. Se2 Lc5 (Sc6? 1 0 .Lc6 :+ bc6 : l l . Sd4:)
1 0.Lg5 Df5 (Dg6 l l . Sf4) l l .Df5 : ef5 :
gäbe Schwarz ein ungünstiges Endspiel mit
Weiß hat nun die Damenflügelmehrheit zerrissenen Bauern. Diese Varianten
und dazu den Druck des Lg2 auf der deuten an, warum der Meister keinen
langen Schrägen, der sie unterstützt - ein kräftigen Versuch unternimmt, den
ideales Zusammenwirken. Schwarz Vorstoß der weißen Bauern aufzuhalten.
hingegen verfügt über die Mehrheit im Hätte Weiß 7.Ld2 statt 7.Kfl gespielt, wäre
Zentrum. es nach 7 . . . . a5 nicht möglich gewesen, die
6. Lf8-b4+ (?) Bauern vorwärts zu bringen, z.B. 8 . a3
Vielleicht ein wenig gedankenlos. Schwarz Ld2 :+9. Sd2 : a4 oder 8.Da4+ Ld7 9.Db3
hoffte auf 7.Ld2 Ld2 :+ mit Tausch seines Lc6. Daher ist 7.Kfl strategisch angezeigt.
L, der mehr oder weniger durch den Bd4 7. Sg8-e7
gehemmt war. Etwas besser war 6 . . . . Sc6 Wehrt die Drohung 8 .Da4+ ab (8 . . . . Sbc6
oder 6 . . . . Sf6. 9.Lc6 :+? Sc6:).
7. Kel-fl ! ! 8. a2-a3
Der Meister erwacht im Amateur! Die Verwertung der Bauernmehrheit am
Er schlägt einen originellen Weg zur D-Flügel beginnt.
Vorbereitung des Vorstoßes der D-Flügel­ 8. Lb4-d6
bauern ein und beweist damit ein gutes 9. b2-b4
Positionsurteil. Weiß droht jetzt
strategisch a3 nebst b4 und taktisch Da4+
mit Gewinn des Läufers. Die taktische
Drohung muß auf jeden Fall beachtet
werden. Gleichzeitig die strategische zu
parieren, ist schwierig. Stünde derL auf f8
oder e7 könnte Schwarz a2-a3 mit a7-a5
'

unschädlich machen. Wenn möglich, läßt


9. 0-0
er b2-b4 erst gar nicht zu. Hier genügt
j edoch 7 . . . . Le7 nicht, denn Weiß zieht
Der Leser, der sich an Partie 2 erinnert, als und den Vormarsch am D-Flügel un­
der Meister mit Schwarz einen ähnlichen terstützen; c) nachc4-c5 steht ihm auch das
Vorstoß zunichte machte, mag sich fragen: Feld c4 offen; d) er kann nach ß und evtl.
Warum nicht 9. . . . a5 hier? Weiß setzt mit g5 gebracht werden wie in der Partie.
1 0 . c5 lx7 1 1 .b5 fort, und die Mehrheit 12. fl-ß

hätte nichts von ihrem Wert eingebüßt. Die Um ein Gegengewicht in der Mitte zu
gleiche Lage tritt später in der Partie ein. erlangen und in der Hoffnung, eventuell
Der kritische Unterschied zwischen dieser e5-e4 oder f5-f4 spielen zu können. Der
und der 2.Partie zeigt sich darin: Kann Zug schwächt j edoch den Be5 und die
Weiß die Formation c5/b5 erreichen, ohne Schräge a2-g8, und das erweist sich zehn
einen Bauern zu verlieren, ist die Mehrheit Züge später als fast tödlich.
gesichert, denn schwarzes b7-b6 wird mit Kommentatoren pflegen solche Züge als
c5-c6 beantwortet. Andererseits ist die entscheidende Fehler zu brandmarken; das
Struktur b5/c4 nicht gut für Weiß, wenn er ist Unsinn. Hier handelt es sich nur um
c4-c5 nicht durchsetzen kann, weil einen Gesichtspunkt, der zufällig zehn
Schwarz das Feld c5 erhält. Auch die Züge später in den Vordergrund rückt.
Aufstellung b4/c5 kann nach b7-b6 cb6 : 13. a3-a4
Db6 : nebst a 5 a3 ab4 : ab4 : zu emem
vereinzelten Bauern führen.
10. Sgl-e2
Greift d4 an und hält die Schräge des Lg2
offen. So bleibt der Lc8 an die
Verteidigung des Bb7 gebunden.
10. Ld6-c7
Zu diesem Zug ist Schwarz beinahe
Mit Ausnahme des Thl stehen alle weißen
gezwungen, um den Bd4 zu verteidigen. Er
Figuren zweckvo 1 1 . Die Verwertung der
braucht jetzt wenigstens nicht immer mit
Bauernmehrheit kann nun mit voller Kraft
c4-c5 zu rechnen und kann nun vielleicht
betrieben werden.
a7-a5 ins Auge fassen.
13. a7-a5
11. Lcl-b2 e6-e5
Hält den Vormarsch nicht auf, sondern
12. Sbl-d2
versucht, eine Bresche zu schlagen. Weiß
Ein einfacher Entwicklungszug, der Weiß
ist praktisch zu b4-b5 genötigt und hat
eine Vielzahl von Möglichkeiten einräumt:
danach eine 2 : 1 -Mehr-
a) er schützt die Mitte gegen emen
möglichen Durchbruch e5-e4; b) der S
kann nach b3 gehen
heit (b- und c-B gegen b-B). Diese ist nicht 16. Kg8-h8
so leicht zu verwerten wie die 3 :2- Gibt dem Gegner weiter Gelegenheit zu
Mehrheit, weil nach dem späteren Vorstoß dem verfrühten c4-c5 . Schwarz hätte hier
des c-B em Einzelbauer entsteht. auch Sf6 spielen können, doch hätte Weiß
Außerdem schafft der Zug b5 ein Loch in nicht l 7.c5+ geantwortet (wegen 1 7 . . . .
der weißen Phalanx auf c5 und theoretisch S7d5), sondern eta 1 7 . Tel; danach ist Le6
auch auf b4. Das letztere ist allerdings wegen 1 8 . Sf4 nicht angebracht: 1 8 . . . . ef4 :
nebensächlich, weil kein schwarzer S ohne 1 9 . Te6 : fg3 : 20.hg3 : . Weiß hätte das
weiteres b4 besetzen kann. Läuferpaar, die offene h-Linie, Druck
14. b4-b5 gegenb7 usw. Nach 1 7 . Tel hätte früher
Der Tausch auf a5 würde zur Untätigkeit oder später doch Kh8 kommen müssen,
und fast zur Lähmung des D-Flügels denn Züge wie 1 7 . . . . Tb8 sind unmöglich,
führen (Weiß hätte nur noch die Chance solange der K auf g8 steht( 1 8 . c5+nebst
eines Drucks auf der b-Linie). 1 9.b6undderLc7 ist verloren).
14. Sb8-d7 17. Sd2-f3
Käme Schwarz noch zu Sc5, hätte er eine Droht 1 8 . Sg5 nebst evtl. 1 9 . Sf?+. Ein
gute Stellung, weil die weiße Mehrheit späteres c4-c5 könnte wegen Kombi­
mindestens vorläufig ausgeschaltet und das nationen in Verbindung mit Sf?+ und
Übergewicht des schwarzen Zentrums bald Abzugschach sehr kräftig werden. Das
zu merken wäre. sofortige l 7.c5 Sf6 gäbe Schwarz Vorteil,
15. Lb2-a3 Tf8-e8 weil er mehr Gegenspiel hätte als Weiß.
Entfesselt den Se7. Daß der Amateur nicht sofort 17.c5
16. Ddl-b3 folgen läßt, beweist, daß er gewachsen
Diese Phase der Partie ist außerordentlich ist. Er kennt nicht nur die Bedeutung
wichtig. Weiß zieht nicht c4-c5, sondern der Mehrheit am D-Flügel, er weiß sie
droht es und hindert den Schwarzen daran, auch zu nutzen und, noch wichtiger, ihm
Maßnahmen zur Besetzung von c5 zu ist klar, daß es Umstände gibt, die die
treffen. Bei c4-c5 muß Weiß Ausführung eines Plans verzögern. Um
berücksichtigen, daß der Gegner eventuell mit Tarrasch zu reden: „Die Drohung ist
das Feld d5 in die Handbekäme, z.B. 1 6 . c5 oft stärker als die Ausführung. " Man
Sf6 1 7.Db3+ S7d5 nebst Le6 und das weiße beachte, daß die unsichere Stellung des
Unternehmen auf der Damenseite ist blok­ weißen K mitspielenkönnte, wenn ihm die
kiert, dazu die Diagonale des Lg2 aktiven Züge ausgehen.
versperrt, während Schwarz zum 17. h7-h6
Gegenspiel in der Mitte bereit ist. Er will Sg5 nicht zulassen.

268
18. h2-h4! nicht nur zu fragen: „Was ist mein stärkster
Zug?", sondern auch: „Wie kann ich
meinen Gegner daran hindern, seinen
stärksten Zug zu machen?" Man denke an
Tarraschs „Schränke die gegnerischen
Figuren ein. " Mit anderen Worten Weiß '

hat keine eigentliche Drohung, doch alle


seine Streitkräfte stehen bereit, so daß sich
Schwarz fast mit j edem Zug selbst
Ein feiner Zug, der wieder Sg5 droht und
schädigt.
den Amateur als scharfen Rechner
19. Tal-el!
ausweist.
Volle Meisterschaft des Amateurs!
Z.B. 18 . . . . Sf6 1 9 . Sg5 Tf8 (hg5 : 20.hg5 :+
Weiß wird nun an einer dritten Front tätig:
Sh7 2 1 .Le7 : nebst 22.g6) 20.c5 und nun a)
außer beiden Flügeln auch im Zentrum.
20. . . . S7d5 2 1 . c6 mit Eroberung der
Was er hier unternimmt, wird keine
Qualität, denn der T muß ffverteidigen: 2 1 .
unmittelbaren Ergebnisse bringen, aber
. . . Ld6 22.Ld5 : La3 : 23 . Sf?+; b) 20 . . . .
j ede kleine Änderung der Stellung könnte
S6d5 2 1 .b6 Lb8 22. c6 ! bc6 :23 .b7; c) 20 . . . .
ems der verborgenen Abspiele
hg5 :2 l .hg5 :+Sh722. c6 ! bc6 :23 .Le7 :
Wirklichkeit werden lassen. Untersuchen
De7 :24.g6Le62 5 . Th7 :+Kg826.Dc2 Tf6 !
wir einige Möglichkeiten und erinnern uns
27.Dc6 : Tg6 : 28.Tg7 :+ Kg7 : 29.Da8 : mit
'

daß a) sehr günstig für Weiß ist, weil seine


Bauerngewinn.
D-Flüge ! -Mehrheit bereit ist
18. Sd7-f8
vorzumarschieren, aber erst dann, wenn
Stoppt das Opfer Sg5 und so den
damit klarer Vorteil verbunden ist. a) 1 9 . . . .
Königangriff. Wennj etzt 1 9 . Sg5? hg5 :
Tb8 (um b7-b6 spielen zu können und den
20.hg5 :+ Kg8 2 1 . CS+ Le6. Im Hinblick
strategischen Kampf um das Feld c5 zu
daraufliegt 1 9 . c5 nahe mit der erneuten
gewinnen) 20.b6 ! (benützt die Tatsache
Drohung 20. Sg5, nach 1 9 . . . . Le6 hätte
'

daß das Feldb8 nun besetzt ist · sonst


Weiß j edoch nichts außer einer schlechten '

bedeutet b5-b6 nur eine Schwächung der


Partie. Nun hat Schwarz einen klaren Weg,
Bauernstruktur) 20 . . . . Lb6 : 2 1 . Se5 : und
seine Stellung zu stärken, nämlich Le6 und
gewinnt: 2 1 . . . . Kh7 22. Sf7Dc7 (der Lb6
den anschließenden Versuch, den Punkt c5
muß gedeckt bleiben) 23 .Ld6 usw., oder
zu besetzen. Wie verhindert Weiß das?
2 1 . . . . Le6 22. Sf4 (droht 23 . Se6 : nebst
Eines der Merkmale meisterlichen Spiels
24. Sf?+) 22. Kh7 (Kg8
besteht darin, sich
23 . Se6 : Se6 :24. c5usw.)23 . Se6 : Se6 : 24. Sf?
mit Gewinn einer Figur, weil die D nicht
gleichzeitig L und S ver-
teidigen kann.
b) 1 9 . . . . Ta7 20.b6 führt zu gleichartigem
Spiel.
c) 1 9 . . . . Le620. S2gl ! eroberteinenB nach
20 . . . . Sd7 2 1 . Sd4 : oder 20 . . . . S7g6 2 1 .h5 .
Man beachte, wie nützlich die
Flügeltruppen des Weißen sind.
d) 1 9 . . . . Se6 20. Scl und der Be5 muß
fallen.
19. Lc7-d6
Er will c4-c5 herausfordern und dann Le6
mit Angriff auf die D einschalten. Man
sieht nun, wie umsichtig Weiß handelte,
als er den Vorstoß aufschob. Er gewinnt
nun mit dem Bauernzug zwei Tempi.
20. c4-c5 Lc8-e6
Nicht sogleich Lc7 wegen 2 1 . Sg5
(Unternehmungen an beiden Flügeln) 2 1 .
. . . hg5 : (erzwungen) 22. hg5 : + Sh7 und die
Partie wird mit 23 . Df? nebst Dh5
entschieden.
21. Db3-b2 Ld6-c7
22. Se2-gl

Vom Amateur scharf berechnet.


Festzustellen ist, daß Einwände gegen
22. Sei bestehen: 22 . . . . Ld5
23 . Se5 : Getzt oder nie) 23 . . . . Lg2 :+ 24. Der Fesselungszug 23 . . . . Le5 ist nicht zu
Kg2 : Dd5+ 25. Sf3 Tad8 (deckt d4) und fürchten, denn 24. Se6 : Lb2 : 25. Sd8 : La3 :
die Stellung wäre weit besser, wenn der 26. Sb7 : bedeutete die sichere Niederlage
Sei auf e5 stünde, weil f3 ein zweites Mal des Schwarzen.
geschützt ist (siehe unten). 23. Le6-d5
Wie setzt Schwarz auf den Textzug fort? Jetzt aber ist 24 . . . . Le5 eine gefährliche
22. . . . Ld5 führt nun zu nichts. Ein Drohung. Weiß muß auf zwei Dinge
Beispiel : 23 . Se5 : Lg2 :+ 24.Kg2 : Dd5+ achten: a) der Sd4 kann gefesselt werden,
25. Slß - fesselt selbst den S, der weil er auf der gleichen Diagonale steht
Unterschied zu obiger Variante ist aber wie die weiße D; b) die Unbeweglichkeit
deutlich zu sehen, etwa a) 25 . . . . Sg8 26. Sc4 des weißen K als Folge von Se2-gl,
Se6 27. Sb6 ! Lb6 :28.cb6: und die Drohung welcher Zug Vorteile hatte, aber, wie j etzt
Te5 nebst Thel, möglicherweise ersichtlich, auch Nachteile.
Triplierung mit De2, zwingt Schwarz, 24. d3xe4 Ld5-c4+
einen weiteren Bauern herzugeben; b) 25. 25. Sd4-e2
. . . Tad826.Te2 Sg8 27. Thel Weiß schaltet so eine Fesselung aus und
Sf628. Sc4Te2 :29. Te2 : Se4 3 0 . Sb6 Lb6 : begibt sich in eine andere. Andererseits ist
3 l . cb6: Sc3 32.Te5 Dd7 3 3 .Db3 und Weiß der ganze Block - Kf 1 , Se2, Lg2 und Bf2 -
beherrscht die Szene. untätig und verwundbar. 25. Sge2 verliert
Dies sind „Meistervarianten", die zeigen, wegen Le5 .
daß Schwarz aus der Fesselung Dd5-Sf3- 25. f5xe4
Kg2 nichts herausholen kann, weil er 26. Lg2xe4
immer auf den Bd4 achten und deswegen So kommt der L in die Feuerlinie des Te8;
Zeit verlieren muß, die Weiß für das Weiß muß jedoch versuchen,
Manöver Se5-c4-b6 benützt. standzuhalten. Der Textzug hat eine gute
22. e5-e4 Seite - er macht Platz für den K und
Eine der m der Stellung lauernden bereitet eine Umgruppierung vor, etwa
Möglichkeiten, die Ressource des Kg2, Sc3 und Sf3 . In drei Zügen könnte
Meisters. Nach 23 . de4 : Lc4+ 24. Se2 d3 Weiß ein glänzendes Spiel haben und
hätte Schwarz das Ruder herumgerissen. außerdem zwei Bauern mehr.
Ohne den Zug c4-c5 wäre das nicht 26. Se7-d5
möglich gewesen. Man bemerke, daß die Er läßt so viele Figuren wie möglich gegen
unsichere Stellung des weißen K das weiße Bollwerk auffahren. Der Zug hat
schließlich eine Rolle spielt. einen Nachteil - der Lc4 ist abgeschnitten.
23. Sf3xd4
27. Db2-d4 28. Df6xd4
Wenn nun 27 . . . . Lb3 28. Dd3 , und der L Weiß drohte 29 .Dc4 : . So hofft Schwarz die
müßte sich entschließen (28 . Fesselung auf der e-Li-nie (Tel ist
La4 : ??29.Ld5 :). ungedeckt) ausnützen zu können.
27. Dd8-f6! 29. Se2xd4 Sd5-f6
Alle Züge drehen sich nun um die neue
Fesselung. Schwarz hatte noch eine andere
Möglichkeit: 29. . . . Ld3 . Die Analyse
ergibt, daß der Textzug der beste ist, weil
Weiß die Qualität opfern könnte, z.B. Ld3
3 0.Ld5 : Tel: 3 l .Lb7 : und die verbundenen
Freibauern entscheiden.
30. f2-f3
Ein meisterhafter Ausweg. Die weiße
Der einzige Zug.
Stellung wäre nach 28.Df6: gf6: erheblich
30. Sf6xe4
gefährdet, weil der Gegner überlegene
Wenn 3 0 . . . . Ld5, so 3 l .b6 ! und Weiß ist im
Kräfte verfügbar hat, während die weißen
Vorteil, denn er treibt den L auf ein
ungenügend entfaltet sind. Am wichtigsten
schlechtes Feld (auf e5 hebt er die
ist die weiße Dame, die Schwarz darum
Fesselung auf, auf b8 oder d8 unterbricht
abtauscht. Trotz der natürlichen
er die Verbindung der Türme).
Verringerung der Möglichkeiten ohne
31. f3xe4 Lc4-d3
Damen droht Schwarz mit den
32. Sgl-f3
verbleibenden Figuen emen
Weiß muß einen der gewonnenen Bauern
überwältigenden Druck auszuüben. Wenn
wieder hergeben. Er hofft, daß der
z.B. (nach Damentausch) 29.Lc2 Lg3 : ,
übrigbleibende Plusbauer ausreichen wird.
oder 29.Ld5 : Ld5 : 3 0 . f3 Te6 3 1 .Kf2Tae8.
Nach 32. Kf3 Tad8 bliebe Weiß in Nöten.
28. Kfl-g2!
32. Ld3xe4
Endlich ist der K dem Visavis des L
Verhindert die Verdopplung der Türme,
entronnen. Das ist einer der drei erwähnten
z.B. 3 3 . Te3 Lf3 :+ 34.Kf3 : Te3 :+ nebst
Befreiungszüge. Der Amateur hat
Lg3 : oder 34.Tf3 : Te4 und Schwarz hat die
während der Zeit des Gegenangriffs
Linie. Bei 32 . . . . Te4 : 3 3 .Te4 : Le4 : 34. Tel
seinen Kopf behalten und eine
besäße Weiß die
ausgezeichnete Verteidigung gefunden.
Nicht 28 .Dc4 : ? Se3 matt !
Linie und hätte außerdem die gleichen Der Turmtausch stellt die einfachste
Möglichkeiten wie in der Partie, d.h. b5-b6 Gewinnmethode dar. Die Verteidigung des
nebst Sb5 . Damenflügels bricht zusammen, zumal
33. b5-b6! sich der schwarze K weit vom Schuß
Oberflächlich gesehen em stellungs­ befindet.
widriger Zug, der den Wert des eigenen L 38. Tb8xe8
herabzumindern und die Mehrheit in 39. Sd6xe8 Sf8-d7
gewissem Grad unbeweglich zu machen Es drohte 40. c6. 39. . . . Se6 hätte nichts
scheint. Er zwingt jedoch den Lc7 auf geändert.
einen ungünstigen Platz. 40. Se8xf6 g7xf6
33. Lc7-d8 41. Kf3-e4!
Schwarz gab auf, denn gegen die
Königswanderung nach b7 (über d5-d6-c7)
ist nichts zu erfinden.

34. Sd4-b5
Droht kräftig 3 5 . Sd6.
34. Ld8-f6
Um die Türme zu verbinden und der Die Schlußstellung

Drohung so gut wie möglich entge­


genzutreten.
35. Sb5-d6 Le4xß+
36. Kg2xf3 Te8xel
37. Thlxel Ta8-b8
38. Tel-e8
Schlußwort

Die Merkmale, die zur Stärke eines Schachspielers beitragen, haben wir in der Einleitung
aufgeführt und besprochen. Wenden Sie sie auf Ihr eigenes Spiel an, werden Sie fast mit
Sicherheit stärker spielen als zuvor. Die Meisterschaft zu erringen, ist eine andere Sache.
Schachmeister zu werden erfordert viel harte Arbeit, ausgedehntes Wissen und großes
Können, Anforderungen, die auch bei anderen Spielen und Sportarten wie Bridge, Tennis und
Boxen gestellt werden. Nicht jeder kann Schachmeister werden. Außer den erwähnten Dingen
gehört eine bestimmte natürliche Einsicht, ein Talent für das Spiel, ein angeborenes Gefühl
für das richtige Vorgehen in einer gegebenen Lage dazu. Vielleicht haben Sie diese
Eigenschaften, aber auch wenn das nicht der Fall ist und keine große Hoffnung besteht, daß
Sie ein wirklicher Meister werden, können Sie Ihre gegenwärtige Spielstärke beträchtlich
steigern, wenn Sie sich aufj edem Teilgebiet des Schachspiels systematisch verbessern.

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„C HER

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