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100 Jahre Konrad Wölki

(27.12.1904 – 05.07.1983)
von Edwin Mertes

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Vorwort Unterricht auf der Mandoline erhielt er bei
Der Vorstand des BZVS gedenkt im Reinhold Vorpahl, musiktheoretischen
Dezember 2004 des hundersten Geburts- Unterricht bei Hofrat Rudolf Groß.
tages des großen Protagonisten des Lieb- Nach dem ersten Weltkrieg absolvierte er
habermusizierens mit Volksmusikinstru- erst einmal „als Brotberuf“ eine Buch-
menten. Konrad Wölki war einer der binderlehre.
führenden Persönlichkeiten der deutschen Durch autodidaktische Weiterbildung
Zupfmusikbewegung des 20. Jahrhunderts. wurde er Musiklehrer und gründete 1923
Als Komponist, Pädagoge, Publizist und die „Berliner Lautengilde“, welche er 50
Experte, der die Ereignisse und Jahre sehr erfolgreich leitete (die
Strömungen der Zupf- und Volksmusik stufenweise Namensentwicklung wurde
wach und kritisch wahrnahm und andernorts wiederholt dargestellt).
reflektierte, genoss er internationale 1934 –1940 hatte er eine Anstellung als
Anerkennung. Lehrer für Zupfinstrumente am
Wölki hat in seinen über hundert Stern´schen Konservatorium in Berlin, und
Kompositionen und in seiner Instrumental- seit 1939 war er Mitglied des Prüfungsaus-
pädagogik maßgeblich das Musizieren mit schusses für die Staatliche Musiklehrer-
Mandolinen und Gitarren geprägt und den prüfung. Ferner übte er beratende Tätigkeit
epochalen Stilwandel herbeigeführt. Wir in Volksmusikfragen für die Preußische
Saarländer gedenken seiner in großer Akademie der Künste und für den Reichs-
Dankbarkeit. Auf dem Fundament seiner verband der Volksmusik aus.
Dirigenten- und Spielerlehrgänge von 1954 Von 1948-1959 war er Leiter der
bis 58 in unserem Lande basieren sowohl Volksmusikschule Berlin-Reineckendorf
unsere weiterentwickelte saarländische und von 1962-1966 Leiter des Seminars
Lehrgangstradition in Rehlingen und für Jugendmusikerzieher am Städtischen
Ottweiler und das Saarländische Zupf- Konservatorium Berlin.
orchester. Später war er freischaffender Komponist
Mit der Darstellung einiger Daten und und Publizist. Und selbst noch in reiferen
Fakten wollen wir gerade auch für die Jahren wirkte er als Juror bei Jugend-
jüngere Generation das Gedenken an eine musiziert. Konrad Wölki ist Schöpfer
überaus verdienstvolle Musikerpersönlich- zahlreicher Spielmusiken und Lehrwerke
keit aufrecht halten. für verschiedene Volksmusikinstrumente.
Edwin Mertes, der „Chronist“ unseres Er ist sachkundiger Verfasser vieler
Verbandes, hat an acht Lehrgängen unter Aufsätze in Musikzeitschriften und
der Leitung von Konrad/Gerda Wölki Herausgeber der „Lautengilde“ und
teilgenommen. anderer Zupfmusik-Journale. 1972 wurde
Wir haben ihn gebeten, seine Erinnerungen er gemeinsam mit Heinrich Konietzny,
an den großen Musikpädagogen für unsere Siegfried Behrend und Hermann
Leser aufzuzeichnen. Ambrosius - vom BDZ zum Ehrenmitglied
ernannt. Bis ins letzte Lebensjahr betrieb
Biographisches er eine umfangreiche Korrespondenz mit
Komponisten-Kollegen, Funktionären,
Konrad Wölki wurde am 27.12.1904 als Verlagen, Verbänden und Musikfreunden,
Arbeiterkind in Berlin-Moabit geboren. und er ordnete akribisch seinen
Dank seiner klaren, hellen Stimme kam er umfangreichen Nachlass mit einem
1916 in den Knabenchor der Königlichen Systematischen Verzeichnis. Diese
Oper. „Sammlung Konrad Wölki“ steht in
Die Instrumentenwahl - Mandoline und Trosssingen mit einer Fülle von
Gitarre - gehörten – wie er selbst Notenmaterial, Schriften, Veröffent-
darstellte, - zur Arbeiterklasse und zur lichungen und Dokumentationen der
Wandervogel- und Jugendbewegung. interessierten Nachwelt zur Verfügung.

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Persönliche Erinnerungen an Konrad Wölki
von Edwin Mertes

Ein autorisierter Nachruf und umfassende Wölki muss ein totaler Idealist gewesen
Expertisen und Würdigungen über die sein, diese Strapazen auf sich zu nehmen,
Persönlichkeit Konrad Wölki und sein um dann noch 7 Tage einen Lehrgang
verdienstvolles Wirken für die Zupf- und alleine zu leiten und zu gestalten. Noten,
Volksmusik sind von berufeneren Schulwerke und Spielstücke hatte er bei
Kapazitäten veröffentlicht worden. Der Musikverlag Ragotzky, Berlin rechtzeitig
geneigte Leser wird bald merken, dass zum Versand in Auftrag gegeben.
diese Reminiszenz keine historisch Am Dirigentenkurs nahmen 44 Musikanten
relevante Würdigung Wölkis darstellt. mit Mandolinen, Mandolen, Mandolon-
Über 20 Jahre pflegte ich Kontakte und celli, Gitarren und Bässen teil. Drei Zither-
Korrespondenzen mit dem Berliner spieler und vier Akkordeonisten ergänzten
Musikpädagogen. Aus Anlass seines 100. die buntgewürfelte Spielschar.
Geburtstages bin ich aufgefordert worden, (Auf die stümperhafte Spieltechnik und die
meine persönlichen Begegnungen und miserable Qualität der Instrumente und
Erfahrungen anekdotenhaft zusammen- Saiten kann hier nicht eingegangen
fassen. werden .)
Ich war damals - mit 15 Jahren - einer der
Wölki leitet 1954 den ersten jüngsten Kursteilnehmer.
saarländischen Dirigentenkurs Wölkis pädagogische Leistung ist
angesichts der damaligen Bedingungen
Im August 1954 begegnete ich erstmals phänomenal oder gigantisch zu nennen.
Konrad Wölki. Der jungdynamische Bund Instrumentalunterrichte mussten vermittelt
für Volks- und Zupfmusik Saar (BZVS) und Dirigiertechniken eingeübt werden. Er
hatte wenige Monate nach seiner bildete Spielgruppen. Im kompletten
Gründung den Direktor der Volksmusik- Lehrgangsorchester sorgte er für die
schule Berlin-Reinickendorf als Lehr- Integration der Akkordeonspieler und der
gangsdozenten ins „französisch besetzte“ Singstimme einer Teilnehmerin.
„Saargebiet“ eingeladen. Konrad Wölki Aber vor allen Dingen: in der Spielweise
nahm zwei Tage als Gast am ersten und Literatur kamen völlig neue Welten
Bundesmusikfest des BZVS in Oberthal auf uns zu. Es ging in der Methode Wölkis
teil und leitete im Anschluss daran vom – in der damaligen Zeit - um einen
01.bis 07.08.1954 den ersten saarländi- Paradigmenwechsel: Neue Anschlags- und
schen „Dirigentenkurs“ in Tholey. Spieltechniken, ein neuer Musizierstil,
Eine Zugreise in der damaligen Zeit über neue Literatur. Man könnte diesen
diverse Zonengrenzen von Berlin bis Stilwandel skizzieren: weg vom schwel-
Saarbrücken, war ein langwieriges, gerisch-pseudoromantischen und hin zum
strapaziöses Unterfangen. Ich weiß nicht, kultivierten und transparenten Klangideal.
wie oft der damals 50jährige mit Dabei hat er seine eigenen Ouvertüren und
Mandoline und großem Koffer umsteigen Frühwerke, die manche von uns schon
musste, und wie oft er Pass, Visum und gespielt hatten, als „Jugendsünden“
Deklaration über mitgeführte Instrumente abgetan.
und andere Wertgegenstände bei seiner Ich glaube, für die jüngeren von uns waren
Reise über Helmstett und Köln, die fast 20 die neuen musikalischen Welten spannend
Stunden dauerte, vorzeigen musste. und gewissermaßen logisch, wenn uns
auch vieles zu leicht und zu simpel

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erschein. Und natürlich lästerten wir auch selbst beim abendlichen Vorspiel - zu, dass
über diese „Hämmerchenmusik“. Aber in die Teilnehmer ihre überkommenen
einigen neugierigen, talentierten Seelen hat Märsche und Operetten spielten. Wir, die
dieser Musizierstil ein Licht entzündet. Teilnehmer, wohnten in der Jugend-
Und viele versuchten, die neue Spielkultur herberge 3 km entfernt im Wald, wo wir
und Literatur im heimatlichen Orchester auch verpflegt wurden. Folglich wanderten
gegen den Widerstand der Älteren wir - singend und spielend - täglich 4 mal
umzusetzen. zwischen Jugendherberge und unserem
Was soll man an Wölki´s universellem Probelokal „Hotel zur Post“ hin und her.
pädagogischen Geschick zuerst nennen ? Wölki selbst wohnte mit den Herren des
Geduld, Toleranz, Kompetenz, Souverä- Bundesvorstandes ( Hans Schmitt, Edi
nität, Überzeugungskraft. Musikpädagogen Willmes, Richard. Müller) die die
mit Erfahrungen in Lehrgängen, Work- „organisatorische Kursleitung“ innehatten,
shops und Seminaren von Verbänden und im Hotel in der Dorfmitte.
Akademien wissen, dass man dieser
Anzahl und Heterogenität der Teilnehmer In den folgenden Jahren 1956, 1957 und
nur mit einem größeren Dozententeam 1958 leitete Konrad Wölki - auch
aufgabenteilig gerecht wird, wie z.B.: teilweise mit seiner Frau Gerda und
Organisationsleitung, fachbezogene Mitgliedern der Lautengilde - weitere
Instrumentalunterrichte, allgemeine musik- Lehrgänge in Rehlingen/Saar. 1956 und
theoretische Fächer, Dirigieren, kammer- 1958 gingen - wie bereits 1954 - jeweils
musikalische Zirkel bilden und betreuen am Wochenende zuvor Bundesmusikfeste
usw.. Konrad Wölki war ein Allround- des BZVS voraus, an denen Konrad Wölki
Talent und unbestritten eine Autorität und als Gast teilnahm.
enorm belastbar. Wenn ich mich 50 Jahre
zurückerinnere, dann glaube ich, er hatte Wölki hält gemeinsam mit Alfred
das Aussehen eines Buchalters, die von Beckerath den 2. saarländischen
Konzilianz eines Studienrates, den
Dirigentenkurs
feinsinnigen Humor eines Schlitzohres und
die Unerschütterlichkeit eines Büffels.
Im Rahmen des Bundesmusikfestes 1956,
Er nahm die Leute dort ab, wo sie standen.
welches in Mettlach stattfand, hatte die
Zwei Tage lang hatte er ja schon am
Bundesleitung eine kleine touristische
Bundesmusikfest den damaligen saar-
Rundfahrt zur Cloef und Saarschleife
ländischen Standard – in Spielmethode und
organisiert, an der Konrad Wölki, Berlin,
Literatur – kennengelernt. Er ließ es –
Alfred von Beckerath, München und Erich
Krämer, Leipzig, (der Vorsitzende der
Volksmusikkammer der Ostzone) die als
Ehrengäste des BZVS in Mettlach
einquartiert waren, teilnahmen. Als Wölki
später erfuhr, dass ich in Mettlach geboren
sei, gratulierte er mir zu meiner
„wunderschönen“ Heimat.

Im Anschluss an dieses BMF fand dann


sechs Tage lang der „zweite saarländische
Dirigentenkurs“ im Rehlinger Lehrgangs-
heim statt. Konrad Wölki hatte die Leitung
inne und übernahm überwiegend die
Auf dem Weg zur Jugendherberge, Tholey 1954 instrumentalpraktische Unterweisung der
1.Reihe: E.Mertes, W.Marxen, T.Frank, A.Zewe Mandolinisten. Alfred von Beckerath

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unterrichtete Musiklehre/Musikgeschichte Wölki freundet sich mit Joachim
und bemühte sich um die Gitarristen. Krause an
Regelmäßig wurde gesungen und Kanons
und Quodlibets einstudiert. Im „Lehr- Zu den „Segnungen“ der staatlichen
gangsbericht“ an das Kultusministerium ist Kulturförderung im Saarland gehörte
nachzulesen: „Die beiden Dozenten waren auch, dass seit 1953 in Saarbrücken am
über die Singfreudigkeit der Teilnehmer staatlichen Büchereiamt eine Institution
überrascht und erfreut.“ zur kostenlosen Notenausleihe eingerichtet
Beckerath komponierte in dieser war. Joachim Krause (1904 - 1990),
Lehrgangswoche eine Spielmusik in erfahrener Chorsachverständiger und
gemäßigt zeitgenössischem Stil. Diese Komponist, leitete diese Einrichtung und
„Rehlinger Zupfmusik“ lag aber weit beriet Chorleiter und Dirigenten. Er kam
jenseits unserer Hörerfahrungen. Das Werk ab 1956 regelmäßig nach Rehlingen,
wurde vom Komponisten mit dem platzierte dort eine Notenausstellung und
Lehrgangsorchester einstudiert, und es kam referierte über das verfügbare Repertoire
im Abschlusskonzert zur „Uraufführung“. und die Ausleihkriterien. Bei den
Der Rezensent R.Gillen schrieb dazu in der jährlichen Ergänzungskäufen seines
„Kulturgemeinde“ 9/56: „ Diese Urauf- Bestandes ließ er sich von Konrad Wölki,
führung war als Beispiel neuartiger Leo Clambour und Hans Schmitt mit
Klangmöglichkeiten zu werten.“ Wir Literaturvorschlägen beraten.
hatten den Eindruck, dass das Stück Herrn Krause hatte sich mit dem gleichaltrigen
Wölki auch nicht besonders gefiel, aber er Konrad Wölki angefreundet und unter
ermutigte uns trotzdem bei den Proben. dessen fachlich-kritischen Augen und vor
Beckerath war ziemlich verärgert, als wir allem im Zusammenwirken mit Frau Gerda
Jugendliche ihm quasi zu verstehen gaben, Wölki entstand 1957 seine erste
dass diese asiatisch anmutenden Quart- Zupfmusikkomposition nach einem
und Quintparallelen überhaupt nicht zu Renaissance-Thema, („Variationen in F-
dem gemütlichen Rehlingen passten. Wir Dur über eine Courante von Michael
schlugen ihm vor, er solle sie „Japanische Prätorius“) die wir mit dem
Zupfmusik“ nennen. Als das Werk später Lehrgangsorchester in Rehlingen
bei Ragotzky verlegt wurde, trug es die einstudierten. In der späteren Drucklegung
Widmung: „Für das Saarländische Zupf- ist nachzulesen: „dem Saarländischen
orchester“. Zupforchester unter der Leitung von Gerda
Wölki gewidmet“.

Wölki empfängt Gäste

Von der Ägide Behrend wurde später


geschrieben: „Rehlingen wurde zum
Mekka der Zupfmusik: Komponisten,
Verleger, Instrumentenbauer, Presse,
Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und
Wirtschaft gaben sich die Klinke in die
Hand.“
Bereits Konrad Wölki empfing in
Rehlingen regelmäßig hochrangige
Musiker und Kulturschaffende. Professor
v.l. : Joachim Krause, Leo Clambour,
Dr. Josef Müller-Blattau, der Direktor des
Ehefrau Ingeborg Clambour 1958 Saarbrücker Konservatoriums (der späteren
Musikhochschule) und Josef Reichert,
Abteilungsleiter beim Saarländischen

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Rundfunk kamen regelmäßig nach „feierlich-romantisches“ Musikstück, in
Rehlingen und referierten dort gelegentlich dem wir reichlich tremolieren durften
über Haus- und Volksmusik. Auch (aber vor allem sein donnerndes Vehikel )
Hermann Ambrosius (1897-1983) aus imponierte uns mächtig. Niemand von uns
Engen im Südschwarzwald kam ab 1957 wollte glauben, dass er eine Art „Revo-
wiederholt ins Saarland. Er war für uns lutions-Musik“ geschrieben haben soll.
jugendliche Lehrgangsteilnehmer ein
besonders interessanter Gast. Das Wölkis Assistentinnen begeistern
spannende war: er wurde von Wölki Rehlinger Jungzupfer
geheimnisvoll angekündigt, er fuhr ein laut
knatterndes Motorrad mit Beiwagen, und 1957 und 58 brachte Wölki Assistentinnen
er „arbeitete“ mit uns. Am Morgen erzählte mit, u.a. seine spätere langjährige
uns Wölki von einem befreundeten Konzertmeisterin der Berliner Lautengilde,
Komponisten. Dieser habe ein „epochales“ Fräulein Marlies O, mit der ich mich
Werk geschrieben, welches 1935 in Köln anfreundete und circa zwei Jahre einen
bei einem großen Musikfest uraufgeführt Briefwechsel führte.
wurde. Als Reaktion auf diese „Suite Nr.6“ So erfuhr ich manches aus Berlin und den
sollen sich quasi die Deutschen Zupf- Aktivitäten und Programmen der Berliner
musiker zerstritten und in „zwei Lager Lautengilde. Auf diesem Wege sandte ich
geteilt“ haben. Herrn Wölki auch eine meiner frühen
Am frühen Nachmittag, Wölki hielt meist Kompositionen, die ich mit meinem
ein kleines Mittagschläfchen, und wir Mettlacher Mandolinenorchester schon
waren im Freien, fuhr ein großer, erfolgreich aufgeführt hatte. Seine knappe
schlanker, sportlicher (60-jähriger ! ) Herr Rückmeldung lautete nur: „Schon ganz
mit Getöse am Lehrgangsheim vor und nett!“ Ich glaube, ich hielt das damals für
erkundigte sich nach Herrn Wölki. In der eine Ermutigung, weiterzumachen.
nachfolgenden Arbeitsphase wurde uns Den Fortgeschrittenenkurs 1957 gestalteten
Hermann Ambrosius vorgestellt, und er Frau Gerda Wölki als Lehrgangsleiterin
studierte mit uns seinen „Feierlichen mit Marlies O. allein. Bei der Gelegenheit
Reigen“. Der feine Herr und sein wollte ich Frau Wölki einen Handel
vorschlagen: wenn sie mir ihre Assistentin
überlässt, erhält sie mein Mandoloncello.
Der Tausch wurde im Bild festgehalten,
aber ansonsten blieb es bei einer
jugendlichen Schwärmerei.

v.l.: Gerda Wölki, Marlies Onland, Edwin Mertes

Tanzstunde in Rehlingen 1957

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Wölkis und die Berliner Lautengilde Rahmenbedingungen - nämlich dass die
geben 1958 ein Sonderkonzert in Konzerte nicht in einem Zelt stattfanden -
als „bemerkenswerten Fortschritt“. Er
Ludweiler
fuhr fort: „Die augenfälligste Entwicklung
hat sich seit 1954 in der musikalischen
Die Berliner Lautengilde reiste1958 mit 29
Haltung vollzogen. In Oberthal ließ man
Personen zum Bundesmusikfest in
der Musizierfreudigkeit freien Lauf, ohne
Ludweiler/Warndt an.
nach dem musikalischen Wert des
Gebotenen zu fragen. Mettlach (1956)
brachte erste Ansätze einer Niveau-
steigerung, aber in Ludweiler (1958) hat
der verantwortliche Programmgestalter
seine Hand offensichtlich entscheidend im
Spiel gehabt. Die Vortragsfolgen zeigten
Stil und Geschmack, ohne deswegen einer
Einseitigkeit zu verfallen. Das ganz billige
Machwerk war überhaupt nicht mehr
vertreten. ...... Einzelne Leistungen, wie
die Uraufführung des Konzertes für
Akkordeon und ZO von Hans Schmitt,
Ankunft der Berliner Lautengilde 04.06.1958
Mitte vl: Adolf Bosch, Konrad Wölki, Marlies O. hätten in jedem seriösen Musikfest in
Ehren bestanden. Hier ist in vier Jahren
eine anderwärts vollzogene Entwicklung
Am Sonntag, den 06.07.58 begeisterte
von Jahrzehnten fast nachgeholt worden.
dieses berühmte Berliner Zupforchester im
Erfreulich, dass eine weitere Uraufführung
Festkonzert der überfüllten kath. Volks-
eines saarländischen Komponisten
schule Ludweiler, welches vom SR
(Joachim Krause) vorgenommen werden
übertragen wurde, unzählige Gäste. Im
konnte. Damit zeichnen sich hoffnungsvolle
ersten Programmteil mit Werken aus
Beziehungen zwischen den Fachmusikern
Renaissance und Barock- dirigiert von
und dem Laienmusikanten ab, wie ja
Konrad Wölki - gab es die Uraufführung
überhaupt die Isolierung der Volksmusik
der „Variationen über eine Courante von
an der Saar weit geringer ist als in
Prätorius“ unseres Saarländers Joachim
anderen deutschen Gauen.“
Krause und das Blockflötenkonzert von J.
Baston mit Gerhild Klotz als Solistin. Im ( Hier darf angemerkt werden: Unter den 21
zweiten Teil dirigierte Frau Gerda Wölki musikalischen Darbietungen der Zupforchester
u.a. Wölki´s jüngstes Werk, „Die waren elf Wölki-Kompositionen)
Tafelmusik“ und im Zusammenwirken mit
dem Volksliederchor des SR „Die kleine Es gab natürlich auch eine fachliche
Jagdmusik“ und „Die Handwerksmusik“. Reflexion dieses Ereignisses im Bundes-
Die Presse lobte einmütig das kultivierte musikausschuss des BZVS. Dem gehörten
und dynamische Orchesterspiel und die neben dem Bundesmusikleiter und den
„variationsreiche Skala aller möglichen Kreisdirigenten Leo Clambour und
Besetzungen“ mit Gitarrenchor, Block- Heinrich Konietzny als Fachberater an.
flöte, Akkordeon und Zupforchester. Die Kreisdirigenten fassten ihre Be-
geisterung über das Konzert der Lauten-
In seiner eigenen Würdigung dieses Festes: gilde in Superlative, wie: „hervorragend,
„Oberthal – Mettlach – Ludweiler / Eine gepflegt, nuancenreich, vorbildlich“.
Bilanz“, die in der „Kulturgemeinde“ 7/58
veröffentlicht wurde, fand Wölki viel Lob
für die saarländische Zupfmusikent-
wicklung. Er beschrieb schon die

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Konietzny, der sich gerne einer plastischen Wölki korrespondiert mit dem
Bildersprache bediente, meinte (sinn- BZVS und muss sein Honorar
gemäß): „Der Leistungsvergleich zwischen
rechtfertigen
Lautengilde und einem Teil unserer
Mandolinenclubs ist wie zwischen einer
Seit 1956 nahm Leo Clambour hinter den
Dreisterne-Gastronomie und einer Brat-
Kulissen einen deutlichen Einfluss auf die
wurstbude. Jedoch bei allem Lob und allen
BZVS-Aktivitäten. Man könnte salopp
positiven Attributen, ich empfand dieses
sagen, Konrad Wölki war ein „Fuchs“, er
„Galaessen“ so solide und hausbacken wie
hatte bald die Kompetenzen und
gehobene und gesundheitsbewusste Haus-
Hierarchien durchschaut und führte neben
mannskost auf einer goldenen Hochzeits-
dem offiziellen Briefwechsel mit dem
feier. Was mir gefehlt hat, war ein wirklich
Bundesvorsitzenden eine parallele Korres-
herausragender, pikanter Gaumenschmaus
pondenz mit Clambour, insbesondere über
oder so etwas wie ein Feuerwerk.“
Lehrgänge, Dozenten, Honorare, Reise-
kosten, die Mitwirkung am Bundesmusik-
Mit der Vokabel „verantwortlicher Pro-
fest 58 und ähnliches.
grammgestalter“ zeigt sich Wölki als
An Ostern 1957 hatten zwei saarländische
Schelm. Dies war ein verschlüsseltes Lob
Mandolinenvereine (Roden u. Klarenthal )
auf Leo Clambour und dessen berufliche
die „Volksmusiktage“ in Halle (DDR)
Stellenbeschreibung beim Saarländischen
besucht. Mitreisende Herren des Bundes-
Rundfunk. Clambour hatte dem Bundes-
vorstandes hatten dort dem Leiter des
vorstand, dem er seit 1956 als Beisitzer
Volksmusikausschusses der DDR, Erich
angehörte, nahegelegt, dass der Rundfunk
Krämer, Hoffnungen gemacht, ihn als
die Konzerte nur mitschneidet und sendet,
Dozenten nach Rehlingen zu verpflichten.
wenn die Programme dies „qualitativ“
Mit den angebotenen 200 DM Honorar
zuließen.
zeigte sich Krämer mehr als zufrieden.
(die konnte man zu der Zeit 1 : 4 und mehr in
Ostmark umtauschen, was 800-900 DM entsprach).
Obwohl Krämer nur Gitarre gespielt hatte,
versuchte der Bundesvorstand und Leo
Clambour dieses Angebot gegenüber Herrn
Wölki als Lehrgangsleiter gewissermaßen
in Konkurrenz zu bringen, um damit bei
den „Berlinern“ die Honorarhöhe zu recht-
fertigen. Für die verfügbaren, staatlichen
Fördergelder, mit denen die Lehrgänge
finanziert wurde, wollte man natürlich das
Optimum an Qualität erreichen.
Wölki musste für seine eigenen beschei-
denen Dozentenhonorare und die seiner
Mitarbeiter immer wieder mit Ausdauer
und allen Argumentationskünsten
Wölki Team und Teilnehmer 1958 „kämpfen“. Er schrieb u.a.: „Arbeiten wir
Westberliner dagegen 16 Tage (14 Kursus-
( Ganz nebenbei: Clambour hatte herausgefunden, und 2 Reisetage) für 200 DM, dann
dass für die weite Reise des Berliner Teams ein entspricht das einem Tagessatz von 12,50
deutlich günstigerer „Auslandstarif“ bei der DM bzw. einem Monatseinkommen von
Reichsbahn zu erzielen sei, wenn die Fahrkarten
von Berlin bis (zum französischen) Metz, welches 375 DM ! Ich kann mir nicht vorstellen,
gut 70 km hinter Saarbrücken liegt, gelöst würden.) dass eine solche Unterbewertung unserer
Arbeit jemals beabsichtigt war.“

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Konrad Wölki benutzt ein Orchester entwickelt hatte !“ Das war
Pseudonym allerdings fast der einzige positive Satz. Es
ist bekannt, dass es zwischen Wölki und
Zu den Stücken, die wir im Lehrgang 1957 Behrend aus unterschiedlichen Gründen
einstudierten, gehörten auch die Pommer- harte (und lebenslange) Differenzen gab.
schen und Altdeutschen Bauerntänze von Diese wurden durch die Dominanz, die
Klaus Klingemann. Jemand von uns hatte Behrend im BDZ gewann und seine
herausgefunden, dass dies ein Pseudonym avantgardistische Handschrift bei
von Konrad Wölki war. Das fanden wir Bundesmusikfesten noch erheblich
kolossal witzig und spannend, dass eine so verstärkt.
seriöse Persönlichkeit sich eine Art
Doppelleben zulegt.
Bald wussten wir in Bezug auf
Pseudonyme dann auch, dass Rudolf Krebs
unter Ralf Crevetti und Georg Claußnitzer
geschrieben hatte und Arno Starck hinter
Olav King steckte. Es war offenbar Mode,
unter Pseudonymen zu schreiben. Und
Joachim Krause belehrte uns, dass selbst
der alte Michael Prätorius in Wirklichkeit
„Schultheiß“ hieß.

Wölki spielte öffentlich kein


Instrument

Wir Jugendlichen fanden es befremdlich,


dass Konrad Wölki - außer seinen Demon-
strationen zur Haltung und Anschlags-
technik - nie selbst ein Instrument spielte.
3-4 Jahre später, als uns die Musizierkunst
und Spieltechnik eines Siegfried Behrend
und Takashi Ochi verblüffte und
faszinierte, empfand ich Wölkis Spiel-
abstinenz als pädagogisches Manko,
welches er allerdings mit Leo Clambour Weil ich Wölkis Kritik ungerecht empfand,
teilte. Letzterer hatte Klavier und schrieb ich eine Entgegnung, die aber auf
Akkordeon studiert, spielte aber in seiner dem Weg bis zur Drucklegung von
langjährigen Ägide als Lehrgangsleiter in „höherer Stelle“ noch angereichert wurde
Rehlingen niemals aktiv ein Instrument. und letztendlich sehr respektlos, unsachlich
und polemisch ausfiel. Später, um 1970,
Korrespondenz per Leserbrief hatte ich im Arbeitszirkel „Terminologie“
des BDZ wieder mit Wölki zu tun. Er war
1954 urteilte K. Wölki: „Das Saargebiet nicht nachtragend. Er sagte mir sinngemäß:
hinkt in der Zupfmusikentwicklung den „Ich kenne die Saarländische Zupfmusik-
bundesdeutschen Vereinen um Jahrzehnte szene sehr gut, und ich weiß, wer Ihnen
hinterher“! In einem Leserbrief 1965 Gift in die Tinte gegossen hat!“.
schrieb er nach den Berliner Festwochen
vom 03.10.1965 über das Konzert des
SZO: „Aufhorchen ließ gleich bei den
ersten Stücken die Klangkultur, die das

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Resümee
Die Deutsche Zupfmusik darf das Ver-
Konrad Wölki ist zwar mit der mächtnis Konrad Wölkis mit Respekt und
zeitgenössisch-avantgardistischen und Dank bewerten, bewahren und pflegen.
speziell der graphisch-experimentellen
Musizierpraxis an seine persönlichen
Grenzen gestoßen. Aber er war keineswegs
unflexibel und unbelehrbar konservativ. Im
Gegenteil, sein stilistischer Wandel
spiegelt die Zeitgeschichte der
Mandolinenmusik des 20. Jahrhunderts Quellen:
wider. In seiner Jugend schrieb er - persönliche Erinnerungen
romantisch-symphonische Orchesterwerke - Gespräche mit Zeitzeugen: Hans Schmitt,
( mit ausschließlichem Tremolo ) mit Josef Schuh, Reiner Schwamberger
Bläsern und Pauken. Zwischen 1935 und - BZVS-Archiv
55 propagierte und praktizierte er in - „Die Kulturgemeinde“, Jahrgänge 1954-60
- „Die Zupfmusik“, Jahrgänge 1964-93
seinem eigenem Schaffen den
transparenten, neobarocken Stil unter
weitgehendem Tremoloverzicht. In
unseren gemeinsamen Gesprächen zur
Terminologie (im Bundesmusikausschuss
des BDZ) bedauerte er später, dass er den
unseligen „Stakkato“- Begriff für das reine
Anschlagsspiel in die Zupfmusik-Literatur
maßgeblich mitgeprägt und eingeführt
hatte.
In seinen reiferen Jahren lernte er neue
Klangwelten hinzu und komponierte
Spielmusiken in einer „moderneren“
Tonsprache.

Für mich war Konrad Wölki ein wichtiger


persönlicher Lehrer. Er war authentisch
und überzeugend. Er war ein universell
gebildeter Mensch und eine Autorität. Er
kannte die Zupfmusikwelt, ihre
Geschichte, Literatur, Komponisten,
Strömungen, Publikumsneigungen, aber
auch die komplizierten Gesamtzusammen-
hänge von Laienmusizieren, Verbands-
politik, Zeitgeist, Könnern und Blendern,
Funktionären und Lobbyisten.

Die Pflege des klassisch-tradierten Erbes


und die Erziehung und Hinführung der „Erinnerung an Konrad Wölki“
Jugend zum aktiven Musizieren und Dezember 2004
Singen und zu kulturellen Werten waren
ihm sein Leben lang ein ehrliches Edwin Mertes
Herzensanliegen, ein Leben für die Zupf-
und Volksmusik..

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