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und Satire
Zum JLebenswerk von Karl Kraus
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VHJLOLOgY
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Kahle/Austin Foundation
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STUDIES
IN
MODERN
PHILOLOGY
9
STUDIES IN MODERN PHILOLOGY
Series Editors
Käroly Manherz
Jänos Szävai
von
JÄNOS SZABÖ
Alle Rechte Vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des
Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reprodu¬
ziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet
werden.
Printed in Hungary
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
I. Ostmitteleuropäische Satire im ersten Drittel
des 20. Jahrhunderts 9
II. Der Kulturkritiker (1899-1914) 35
III. Kraus und der Weltkrieg (1914-1918) 75
IV. In der Republik (1918-1936) 95
V. Zur Sprachauffassung von Karl Kraus 1 13
Anhang: Karl Kraus und Ungarn 1 39
Anmerkungen 149
5
EINLEITUNG
geben.
vernachlässigt werden.
8
I. OSTMITTELEUROPÄISCHE SATIRE
IM ERSTEN DRITTEL
DES 20, JAHRHUNDERTS
1.
Der Satiriker versteht näm¬
lich keinen Spaß.
F 360, 1912, 12
tung war.
dienen .
10
das Künstlerische. Dabei kommt er auch in künstlerischen
für die Betroffenen ist. Satire gilt aber als eine be¬
ist, daß der Autor nicht ganz das sagt, was er meint.
liche Wirkungsmöglichkeiten.
11
Leser nicht mehr unmittelbar gegeben ist. Auf diese Weise
rakter der Satire, als daß sich eine ganze Reihe von
ihrer Wirkung auf einen ganz engen Raum, wobei man etwa
Rolle zu als der Emotion. Der Mensch ist nach dem lachen¬
12
Handlungsweise bekehrbares Wesen; der strafende Satiriker
13
Die Satire wurde früher von vielen als Literaturgat¬
Films.
halten um; die stolzen Töne wurden nicht selten von kri¬
14
Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den Volksstücken
tion ergibt sich aber auch dann, wenn man die politische
und Karl Beck) untersucht, die für eine Weile sogar die
drängte.
nicht von der Kanzel her, wie der große Wiener Satiriker
an Satire lieferte.
2.
15
läge der Satire in den Widersprüchen der objektiven
Wirklichkeit enthalten ist, andererseits daraus, daß die
16
sehen und französischen Aufklärung, während der revolu¬
17
untersuchen; es werden etliche scharfe Bemerkungen über
- dies ist aus der Szene des Bosniers Peter Kocic Der
18
satirischer Angriffe. Haäek und Kisch entlarven die
und warum gerade so. Bei der Suche nach der Erklärung
Frage für ihn das Problem Mann - Frau sei, so könnte dies
19
alles gesellschaftlich Negative in den Frauenfiguren zu
komprimieren weiß).
Sieht man die Satiriker infolge ihrer momentanen Lage
20
historischen Figuren sollten bei der Bewältigung der
beibehalten werden.
21
Die satirischen Werke der ersten Jahrzehnte des 20.
liefern.
Eine weitere Schicht der schriftstellerischen Ver¬
zum Ausbrechen.
22
Sie gehören so sehr zur kritisierten Welt, daß deren
23
thy ein Klassiker der Parodie, der Wiener Karl Kraus da¬
schön verdeutlicht.
Die Existenz der ostmitteleuropäischen satirischen
24
früheren kurzen Arbeiten auf: Sie bestehen aus locker zu¬
Joseph Roth galt die in der Person von Kaiser Franz Joseph
25
Sind die Grenzen des hier vorgestellten ostmittel¬
26
3.
Tier. Falls ich mich nicht irre - ich habe wirklich schon
klärt, warum ich gern mit den Leuten plaudere, die ich
zum ersten Mal im Leben sehe, warum ich mich in ihr Ge¬
27
10
Karinthys Feuilleton Halandscha , das ursprünglich
welsch bezeichnet.
Als zentrales Thema der drei Feuilletons gilt die
Probleme der Zeit. Der Aspekt, von dem aus Karl Kraus,
kation nicht fähig sind; der Prager macht sie - samt Er¬
28
leben, sie zu guten Zwecken einzusetzen. Für Karl Kraus
29
auch anders sein - in der Geschichte von Karl Kraus. Sie
Gespräch mit einer Frau, durch die selbst er, der schier
30
bis ins Phantastische gehenden Bemühungen des kompromi߬
worten .
" Ja, durch Schaden wird man klug." - "Wann i nur amal
31
angibt. Kraus spielt - wie auch sonst so oft - mit einem
32
bemerkt und in den Zeitungen genannt zu werden. Hier aber
damit basta!"^
33
'
II. DER KULTURKRITIKER
(1399-1914)
1.
Produktion.
hört hatte - wurde hier aus dem Anlaß, daß sie wegen
35
verfrühte Abgeklärtheit, Posen, Grössenwahn, Vorstadt
Asche und gibt auf die Frage, was ihm denn fehle, immer
3
nur zur Antwort: Die Heimat...!"
36
fängnisses Ji£in am Kleben der Papiersäcke beteiligt - es
sauber auseinanderzuhalten.
37
existentielle Sicherheit und ständige Publikations¬
vordergründig befriedigt.
Außerordentlich wirksam wurde diese Arbeitsteilung
sie, gab aber auch dem Hof und der Aristokratie, was
des Feuilletons der NFP berief, war er schon mit der Vor¬
sollte.
38
tener, vielmehr ein Publicist, der auch in Fragen der
39
knüpfte er sich eben im Interesse der Kritik nicht: "Das
gewählt." (F 1, 1899, 1)
Etwa ein Jahr später wurde das, was hier mit Hilfe
40
schmutz davor liegt, den wegzufegen eine penible, aber
(F 5 , 1 899 , 1 1 f.)
sieder gesagt wird, daß sie Schöpfer sind, und sie werden
41
umso gewisser verkürzt, wenn die Administration über den
2,
42
darunter so unterschiedliche Persönlichkeiten wie die
1907, 23)
43
Kraus. Bereits frühe Facke^-Artikel hatten übrigens ge¬
44
Sittlichkeit und Kriminalität - so ist der vielleicht
des Leibes und des Lebens und anderen greif- und umgrenz¬
denn, wie ein Kind auf die Frage, was denn unschicklich
45
gisch dagegen, daß der Gesetzgeber "immer dabei sein"
sprechen, von der Ehe gebrochen wurde, bevor sie die Ehe
z.B., daß der Mann seine Ehefrau schon lange vor ihrer
46
Die Behandlung des Privatlebens vor dem Gericht ist
47
existiert, die des Geistes: "Wie sie nun sieht, daß der
heit, die Kraus für die Frau verlangt, ist ohne andere
48
liehen, von der Gesellschaft noch nicht verdorbenen Zu¬
3,
[...] das Theater -ist so sehr
der Spiegel des Zeitalters,
daß er mit diesem erblindet
[•••1
F 668, 1924, 60
49
sich auf verschiedenen kulturellen Gebieten betätigen,
dem Felix alles das zusammen und noch viel mehr und auch
50
Ziehungen zu ihm. Das alte und neue Burgtheater wurde
"Ein Gedicht ist so lange gut, bis man weiß, von wem es
51
ohne die selbst der affirmative Teil Krausscher Produk¬
52
zu lassen: 'und die soziale Frage ist gelöst!' - so
war er ein Weiser. Denn der Text war ein seichter Spaß,
nen Lande nicht Prophet sein kann, denn dort ist der
wiegen.
So sehr Kraus auch die "unsagbare Gemeinheit" der
53
"Freudengenius" und "größten Satiriker aller Zeiten",
dessen Platz an Mozarts Seite wäre. In Offenbachs Operet¬
ten, die die Möglichkeiten der Gattung restlos verwirk¬
lichen, kommt der Musik eine primäre Funktion zu, die
Krämpfe zu lösen hat, der Vernunft Erholung und Lockerung
schaffen soll, um auf diese Weise die Grundlage zur ge¬
danklichen Tätigkeit zu schaffen. Kausalität ist in der
Operette aufgehoben, da herrschen Gesetze des Chaos. Da¬
durch ist sie die einzige dramatische Form, die den
Möglichkeiten der Bühne entspricht, ein harmonisches Ge¬
samtkunstwerk von Aktion und Musik, in der - im Gegensatz
zum Schauspiel im allgemeinen und besonders zur Oper -
eine "souveräne Planlosigkeit" herrschen kann: "Daß
Operettenverschwörer singen, ist plausibel, aber die
Opernverschwörer meinen es ernst und schädigen den Ernst
ihres Vorhabens durch die Unmotiviertheit ihres Singens.
Wenn nun der Gesang der Operettenverschwörer zugleich das
Treiben der Opernverschwörer parodiert, so ergibt sich
jene doppelte Vollkommenheit der Theaterwirkung, die den
Werken Offenbachs ihren Zauber verleiht [....]".
In dieser Traumwelt muß jeder, der "soziale Nähe her-
stellen", psychologisieren will, scheitern: "Der Komiker,
der keine Komik hat und sein Lied schlecht singt, muß
freilich ein Menschenschicksal darstellen; wer aber ein
Menschenschicksal darstellt, macht die Narrheit, dabei zu
singen, erst komplett, und das Gedudel im Orchester setzt
den Respekt vor einem Seelendrama wie der 'Lustigen
Witwe' beträchtlich herab." (F 270, 1909, 11)
Diese bewußte Transponiertheit und Fiktionalität
schafft dem Künstler - laut Kraus - eine vorzügliche
Möglicheit, seine Meinung über die Wirklichkeit zu
äußern. Trägt die ganze Welt Masken, wie etwa im "Urquell
des Übels", in der Fledermaus, so weiß er, Kraus, zu be¬
gründen, warum er dies auch tut: weil er es nämlich so
54
will. So nimmt er den Traum, eins der typischsten Elemen¬
tes Leben und nicht Illusion des Lebens sei vom Theater
nicht die Ausstattung: " [...] also ich werde als Irrer
bloß aus Subjekt und Prädikat besteht, die man zur Not
bringen kann, und daß jedes Wort sein Leben, seinen Ton
55
intensive Aktivitäten im Kaffeehaus auskommen, den iso¬
56
letzung. Offenbach, der ihm die ursprüngliche, ideale
Forschung gilt.
Karl Kraus fühlt sich angezogen durch den Mann, in
stets mißdeutet wurde, hielt man ihn doch für einen Spa߬
57
die literaturhistorische Rolle von Nestroy ins rechte
58
Satiriker unmittelbar die Wirklichkeit geißelt, betont
ist. Und wie hat sie beides zusammen: vom Ideal das ganze
Ideal und dazu die Ferne! Sie ist nie polemisch, immer
schöpferisch, während die falsche Lyrik nur Jasagerei
sie die wahre Symbolik, die aus den Zeichen einer gefun¬
59
anders einstellt als ein Ding der Außenwelt, damit ihr
60
von Angriffen aus verschiedenen Richtungen - Heine galt
61
als ausschließlicher Vorgänger betrachtet wurde. In erster
62
es, als ob zum erstenmal in der Welt Abschied genommen
würde und solches 'Lebt wohl!' wiegt das Buch der Lieder
Heine.
des Wortes ist die Lust des Gedankens. Was bog dort um
63
Setzung des Journalismus mit Geisteselementen, die aber
64
5.
65
stellt, zu den großen selbstkritischen Satiren der
schweben .
66
tiefer als irgend eines anderen in den wahren Bedürfnis¬
kommen. Und wenn das Reich sich auflöst, das Komitee löst
tee gibt nicht auf, man sucht mit Hilfe einer einflu߬
Rasse und läßt mich deshalb auf das Essen warten. Der
67
von dieser Wichtigtuerei nicht besonders betroffen: "Eine
das eine Mal mich kennen lernen und das andere Mal ein
ich sah, wie ein Kellner vor einem Trinkgeld, das ein
68
in der Kritik am Fortschritts- und Technikglauben seiner
Zeit.
das sich nicht bloß ohne Pferd, sondern auch ohne den
breitung des Staubes. Vollends aber ging mir der Sinn des
69
ging ein radikaler Spritzwagen einher, der sich durch den
1909, 33 f.)
70
liest keinen Leitartikel und weiß darum noch nicht, daß
den Bauch vor Lachen, und Städte und Staaten und Waren¬
1908, 4)
71
Kultur, Parlamente, Redaktionen und Universitäten könnte
7)
So bleibt Kraus nichts übrig als die pathetische Ver¬
wird: "Und das Chaos sei willkommen; denn die Ordnung hat
72
Der in den früheren Fackel-Heften kaum erwähnte
und daß sein Leben wie ein Schatten auf der abscheulichen
Heiterkeit dieses Staatswesens lag, sichert seinem An¬
Für Karl Kraus beweist also der Tod von Franz Ferdi¬
73
der die Bombe geschleudert, und hinter diesem Mittel¬
lichen Wirklichkeit.
74
III. KRAUS UND DER
WELTKRIEG
(1914-1918)
1.
ich noch gekannt habe, wie sie so klein war; die wieder
"Die jetzt nichts zu sagen haben, weil die Tat das Wort
75
Etwa ein Jahr später, im Oktober 1915, kann Kraus
der Extraausgaben, daß nach all der Zeit doch auch der
76
Vergleicht man lediglich den letzten Satz im Artikel und
wir sie bewahren gegen das Gleichmaß, mit dem die Narren
nicht mehr "Narren der Zeit und der Szene", sondern um¬
77
retiro" für österreichische Dichter galten, wo sie in
ren konnten.
Kraus beschrieb Richtung und Ziel seiner weitgehend
Zeilen:
(F 443, 1916, 4)
sollte:
Wiese im Park
78
Nicht weiter will ich. Eitler Fuß, mach Halt!
nicht nur dort blitzen kleine Seen, nicht nur dort grüßen
Thal) :
Vallorbe
Mai 1917
79
sehnt sich - auch damit an zahlreiche Zeitgenossen erin¬
Als Fest gilt für Kraus außer der Kindheit der Frühling
80
Kraus' dualistische Denkweise kommt auch hier zum Aus¬
Der Sterbende ist mit dem bangen Läufer des vorigen Ge¬
81
mit ihm identisch sein muß, so ist der Kraussche Ursprung
enttäuscht wurde.
jahren .
82
sich aber inhaltsmäßig unterscheiden, indem jene auf S.
muß man aber schon auf die Wiener Straße. Den ersten
suggerieren.
hänger .
83
über das Berliner Theaterleben - zwei Aspekte der Lage in
Heftes, die Lage des Theaters und die sich daran an¬
2.
tendste und bekannteste Werk von Karl Kraus ist das Drama
84
Abende umfassen würde, ist einem Marstheater zugedacht.
halten. Denn es ist Blut von ihrem Blute und der Inhalt
geordnet.
85
auch bekannt, so beschäftigte ihn vor allem die Gestal¬
fassen wird".
Das Grundmaterial zum Stück entstammte zwar der End¬
sein. " (5 08 f .) ^
86
und unverständlichen Sprache werden im Kriegsministerium
87
können, eben diese den Blicken den Außenstehenden fast
was sie tun, nicht einmal ganz bewußt sind und trotzdem
empört sich:
"Elfriede Ritter: Ja aber was denn - da muß ich doch
pressung :
handelt wurden.
88
Füchsl: Ich kann Ihnen nur sagen, mit solchen Dingen
um Judaslohn verlassen -
89
eines Angsttraums wiederholen. Jeder Akt beginnt mit der
Tritt hört man: "ich hab gelesen", "haben Sie heut dar¬
Presse.
Wie bestimmend die Presse auf Verhalten und Denken
lesers ist aber der "alte Biach", der zugleich mehr als
90
Richter, Wissenschaftler, Geistliche sind. Traditionen
ihm lassen -
91
solche Hecheleien nicht aufgelegt. Passen Sie auf, er
wirds bald billiger geben. Wissen Sie, was ich ihm gönnen
lesung, ich bin froh wenn ich ihn nicht seh. Mit so einem
Epilogs vorbereiten.
92
läufig Oberhand gewinnen muß. Es gehört nicht eng zur
bezeichnen sich aber die "persoha" und der sich mit ihr
spricht für sich und sichert, daß Kraus' Drama mit weit
.
IV. IN DER REPUBLIK
(1918-1936)
der Nörgler das Wort bekommt. Seine Wut auf die zerfal¬
95
rungen physischer und sittlicher Reinheit widersprach,
96
statt den Grafen Czernin, wie er war, zu erkennen." (F
für eine Schande der Nation zu halten, wählt man ihn ins
Parlament der Republik.
gessen, was sie sich angetan hat. Die Staaten, die Krieg
der eigenen Pforte kehren, und wehe dem, der sich selbst
ten und vertieften Dummheit mit dem Leben und ein paar
97
Monarchie erhalten gebliebene Denkschemata, Verhaltens¬
verjagt hat und die noch da sind. Solange wir die Jour¬
den man auf dem Feld der Schande erwirbt, oder mit dem
98
diesem Staat, wo "die Presse die Hosen trägt", unge¬
(F 743 , 1 926 , 6)
genauso wie die der Satire, Kritik und Humor, sie drückt
von Kraus stand der Polemik schon immer nahe. Auch früher
99
Leser immer weniger zu, er geht zur direkten Behandlung
100
Wortes. Das offizielle Wien nahm die Kraussche Parole
("Hinaus aus Wien mit dem Schuft!") zwar nicht an, stand
[...] die er zwischen 1914 und 1918 mit 500 bis 600
101
Stücker Gottliebs ä 30 bis 50 Mark verdient hat!" (F 834,
1930, lOf.)
Obwohl Kerr auf diese Forderung natürlich nicht ein¬
Grenzen erkennen.
schen Republik, dem 15. Juli 1 927, setzte sich der Dichter
ging; die Position von Schober wurde aber durch die Her¬
Johann Schober
102
Karl Kraus
denten, oder aber erkennt sie an, daß sie sich nicht um
1930, 30)
Kraus gelangt dadurch 1930 in einen apathischen Zu¬
103
wird: "Die Wahrheit ist, daß vor dem Weltuntergang, dem
Namen und Vorwand die Lumperei immer führen mag, die die
2.
In zweifelhaften Fällen
entscheide man sich für das
Richtige.
F 259, 1908, 38
104
wähnt. Anderthalb Monate nach dem Wahlaufruf steht bei¬
worden, und das Alter muß man ehren." (F 46, 1900, 21)
veröffentlicht.
der Fackel erst zwei Monate nach der Wahl {An alle, die
105
von Menschlichkeit und Dichtung" in der Fackel ab. Die
Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als
106
7
kritisierte, im Gegensatz zur Partei, der er bereits
führen wollte.
Ferner warf er der Partei vor, daß sie nicht gegen
107
einem Schriftsteller unterordnen. Kraus rief daraufhin
Worte zu: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur
Anzeige auf das, was vor einem Jahr geschah: die bezahlte
Hüben und Drüben (F 876, 1932, 1-31) aus. Bis ins Extreme
nie ein größeres Mißlingen gegeben hat als das Tun dieser
108
Feind wieder im eigenen Lager suchend, verlor Kraus, der
Verbündeten.
enthält die Trauerrede auf Adolf Loos (als eine Art Erin¬
Gedicht:
Es geht vorbei;
109
großen Umfang sehr kompakte Kampfschrift gegen den
15. Juli 1927 - mit keinem Wort gegen das Blutbad der
110
ten sie ihre Wunder erleben, wie ich ihn zu reklamieren
9
vermag!
ab: Kraus hatte aber nicht mehr die Kraft, seine Anschau¬
111
V. ZUR SPRACHAUFFASSUNG
VON KARL KRAUS
1.
sucht .
113
Veränderungen durch Urbanisation, Vervollkommnung des
breitet wurde.
Diese Entwicklung betraf in besonderem Maße die Bel¬
oder nicht. Falls ja, so bedeutete das für ihn den Ver¬
114
Die ungelöste Nationalitätenfrage, einer der wich¬
(1898) .
Für österreichische Schriftsteller stellt sich des¬
115
Klischees; Elias Canetti schreibt im Roman Die Blendung
Sprache unser!
gen und Studien unter dem Titel Schlechte Wörter; der Ort
folgt aus:
ihr Zeithof -
ein Tümpel,
Graugrätiges hinter
dem Leuchtschopf
2
Bedeutung.
auf:
116
Die Sprache, der du im Wort bleibst,
[...]
Aus ihr sind die Häuser gemacht, die Brücken,
zitiert."5
117
seine eigentlichen Gefühle selbst dann nicht zum Aus¬
wäre.
von deren Worten mir auch nicht eines bekannt ist, eine
118
Sprache, in welcher die stummen Dinge zu mir sprechen,
frieden mit der Rede, weiß aber um Wert der Sprache und
wie Schnitzler zeigt, die mit den Worten lügen. Der Autor
weiß ja, daß nicht die Worte schlecht sind, sondern die
119
wortungslos, so entschuldbar macht, aus der Sprache etwas
120
Denken mit Sprechen und versuchte aus dieser Gleich¬
Malerei) verbinden.
Karl Kraus gilt als eine der Schlüsselfiguren dieser
121
an einem Punkt unterscheidet sich jedoch seine Auffas¬
2.
122
aber für minderwertig; die richtige Beziehung (der Gegen¬
weisen darauf hin, daß die Sprache für Kraus eine Art Ur¬
wie die Frau im allgemeinen; als Lohn dafür wird der Mann
dung mit ihr, aus der ich Gedanken empfange, und sie kann
mit mir machen, was sie will. [...] Die Sprache ist die
sperrt ihm den Schoß." (F 272, 1909, 48) Auf dem Gebiet
123
Die Herrin Sprache wird von Kraus als so erhaben und
Wort.") Dieses führt einen zum Urquell: "Je näher man ein
der Suche nach dem richtigen Wort, das sogleich auch den
nicht sind. Bei den ersten gehören Inhalt und Form zu¬
sammen wie Seele und Leib, bei den zweiten gehören Inhalt
und Form zusammen wie Leib und Kleid." (F 259, 1908, 44)
124
geistreichen Aphorismen formulierten Sprachgedanken des
Wort anders aussieht als sein Inhalt klingt und daß jedes
der ’Smaragd’ gesagt hat, als das erste Auge ihn sah,
und gar nicht anders konnte als ihm diese Konsonanten ab¬
125
menhang ist für ihn der Reim, den er schon 1916 so
apostrophiert:
reimt, das heißt, was von innen dazu aufgetan ist. Der
Zwang und Klang ist ein Erlebnis, das sich weder der
126
zu dem Zauber, den an und für sich leeren Klang in einen
"alte Wort": ags. skip, ahd. skif, mhd. schif oder nhd.
127
Homonyme sind nicht zufällig, sondern immer mit er¬
Sinnesunterschiede verursacht.
3.
und der schlechten Rede nimmt Karl Kraus ganz bewußt vor.
128
Linguistik einführte: "Die deutsche Sprache ist die
Die Einheit von Form und Inhalt, die laut Kraus die
V
Wort und Gedanken, hier sind die Phrase und die Sache
äußerst ernst; man dürfe nur reden, meint er, wenn man
129
Am Anfang seiner Laufbahn hatte Kraus noch die Wahl
gebrauch an, oder aber das Zitat, das heißt das bloße
12
Aufzeigen vorhandener Redefakten. Obwohl erstere Ver¬
ter war und auch von Kraus nicht völlig verachtet wurde,
Spationierung gekennzeichnet.
sen zwischen 1914 und 1918 macht deutlich, über wie viel¬
130
ten überfallen werden könnten..." (F 508 , 1 91 9, 59)^
besitzt.'
schen das Feuer gebracht hat, durch das sie jetzt für
selbst ein Zitat ist und der Text der Glosse die Be¬
131
Die Wirkung des Zitats bei Kraus wird noch dadurch
ter auf das Drama hingewiesen: "[...] und der die 'Letz¬
132
Sozialdemokraten einen Ausspruch von Kaiser Wilhelm I.
heißt: "Und wenn die Welt voll Teufel wär". Schon ein¬
133
weiß natürlich, daß Wörter nicht an sich bestehen können
renden k.u.k. Welt bei Menschen, die noch Wert auf Ge¬
wickeln .
134
Wahrheit aufmerksam machen: "Ein Literaturprofessor mein¬
verwandeln.
135
(A) und "Unsinn" (B); "Absatz" "Teil des Schuhs" (G),
kann aus der Verbindung der zwei Zeichen der Sinn ent¬
136
Stellungen und Gedankenketten charakterisiert. Eine
beleuchten.
teristikum der Satire von Karl Kraus, die als einer der
137
■
ANHANG
Kraus an Herczeg.
139
Dr. Philipp Berger, der spätere Herausgeber des Bandes
Worten an: "Wie ich höre, wollen und werden Karl Kraus
140
Ferner lobt Ady das soziale Engagement von Kraus, das
141
"Sein [Karl Kraus'] Antijournalismus wird hier von
Ungarische Monarchie).
142
Ungarn der 20er Jahre unerwünscht, seine Zeitschrift ver¬
spielende Zeitstrophe:
Kraus dar.
143
28
Schrift Ovgovdny Kraus in zwei Vorlesungen - am 16.
Aus dem Jahre 1927 stammt ein Brief von B61a Rei-
43
nitz an La;jos Hatvany, in dem der im Wiener Exil leben¬
144
"Ich bin nun aus der Patsche. Das ist jedenfalls an¬
würde' .
Mi?!
Ön pimasz!
145
Fallotai: Micsoda? Majd meginutatom magänak (,) ki a
.,,46
pimasz!
Es gab aber nicht nur Konfrontation zwischen Kraus
146
Krausschen Humanismus den Zeittendenzen entgegenstellte.
schaft wieder.
147
•
ANMERKUNGEN
rung gekennzeichnet.
EINLEITUNG
149
einer Ausstellung des Bundesministeriums für Auswärtige
I. OSTMITTELEUROPÄISCHE SATIRE
IM ERSTEN DRITTEL DES 20. JAHRHUNDERTS
Belang.
Fachliteratur angenommen.
1964, 382.
150
standenen Aussagen hervorgehoben. Sein "philosophischer
tur in den zehn bis zwölf Jahren nach den Ereignissen des
348-352.
1937, 39-42.
248-250.
151
bürgerlichen Ästhetik. Berlin 1959 - N.V. Bogdanov:
Prosa vom Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts und
152
Mythos in der österreichischen Literatur. Salzburg 1966 -
305 .
1963, 29.
153
5. Die Parole "Aussprechen, was ist" stammt bekannt¬
"Weib" für das natürliche, das Wort "Frau" für das ge¬
sellschaftliche Wesen.
138 f.
149.
praxis.
reichen Arbeiten.
154
Aus tausend, die jeder etwas meinen,
18. Für das Denken von Kraus ist, wie für das vieler
bezeichnend.
1 46 .
1911 , 17)
21. Literatur zum Thema: Theodor W. Adorno: Sittlich¬
155
Karl Kraus und der Expressionismus. Erlangen 1968 - Max
Egon Erwin Kisch und Karl Kraus. In: Literatur und Kri¬
156
III. KRAUS UND DER WELTKRIEG (1914-1918)
16 und 17; III. 35 und 36; V. 17 und 18; IV. 30, 31 und
157
9. Das Erscheinen wurde selbstverständlich auch
26 .
10. Zur Erhöhung der Wirkung läßt Kraus die Schalek
158
der Menschheit. In: Das deutsche Drama vom Barock bis zur
1972.
(1931) .
159
5. In "Theater der Dichtung" werden - im Gegensatz
zialwissenschaften .
Die Funkton der Polemik bei Karl Kraus. In: Sigurd Paul
160
Gunild Feigenwinter-Schimmel: Karl Kraus. Methode der
161
the Satire of Karl Kraus. In: Sigurd Paul Scheichl,
22 .
6. Zitiert nach: Robert Mühlher: Komödie und Sprache.
57.
7. Hugo von Hofmannsthal: Ein Brief. In: Gesammelte
1950, 340 f.
162
gefaßt ist: "Das Wort 'Familienbande' hat manchmal einen
gar nichts zur Sache. Er war ein Mann, nehmt alles nur
163
19. "Ein Dichter, der liest. Ein Anblick, wie ein
Dichter, der liest: ein Anblick, wie ein Koch, der ißt."
1924) .
Mit Gott
Vor solchem Saldo, solchem Siege
(F 472 , 1917 , 2)
als Lehrmeister. In: Stimmen über Karl Kraus zum 60. Ge¬
164
Karl Kraus als Sprachkritiker. In: Muttersprache 77,
165
1965 - Christian Wagenknecht: Die Vorlesungen von Karl
Übersetzer.
166
12. Mihäly Kärolyi: Andrässy, vagy az arisztokrata
ler.
15. Tamäs Moly: Karl Kraus. In: Nyugat 1913, II, 962.
1916, 15.
167
24. Karl Kraus Szlovenszkoban (Karl Kraus in der
Karl Kraus). In: Becsi Magyar Ujsäg 30. Juli 1922, Iro-
Kraus und der Weltkrieg). In: Becsi Magyar Ujsäg 28. Juli
1947, 160-168.
1973, 187-191.
168
34. Imre Forbäth (1898-1967), ungarischer Dichter in
der Tschechoslowakei.
blizist .
1928, 7-10.
(Noch einmal über den Fall Bdkessy). In: Pesti Futär 15.
Text.
169
46. Die deutsche Übersetzung könnte etwa lauten:
642-644 .
1 936 .
170
55. Zoltän Fäbry (1897-1970), ungarischer Ästhet,
Kritiker in der Tschechoslowakei.
56. Zoltän Fäbry: Karl Kraus (1956). In: Ember az
embertelensegben. Bratislava 1962, 87-90.
57. Eiöd Haläsz: A nemet irpdalom törtenete (Ge¬
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Filolögiai Közlöny 4, 1978, 397-412 - Ders.: Chr. Dark.
171
In: Kraus-Hefte 10-11, 1979, 20 - Ders.: Das Lachen über
172
- Ders.: Üj könyvek Karl Krausröl (Neue Bücher über Karl
173
612129
DATE DUE / DATE DE RETOUR
MAß *2 1 199Ä
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5'
1 9
Untergehende; Monarchie
und Satire^
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