Je sorgfältiger die Planungsarbeiten durchge- führen kann), und die vor allem im wirtschafts-
führt wurden, um so weniger prinzipielle Pro- nahen Bereich sehr elaborierten Darstellungs-
bleme wird die Durchführung des konkreten hilfen (Medien bei Vorträgen, optische Auflok-
Projektes machen. Trotzdem wäre es eine Illu- kerung) werden an der Universität nur selten
sion, außerhalb von sehr kleinen und über- in vergleichbar intensiver Weise gepflegt. Hin-
schaubaren Projekten von einer reibungslosen weise zu solchen Fragen gibt Abschnitt 6.3.
Durchführung auszugehen. Zumindest bei län-
gerfristigen Vorhaben sind Schwierigkeiten im
Bereich der Organisation zu erwarten, typische 6.1 Organisatorische Fragen
Beispiele und Maßnahmen für deren partielle
Behebung werden im Abschnitt 6.1 diskutiert. Die wichtigsten Organisationsprobleme finden
Weniger mit Unsicherheiten behaftet ist die sich im Bereich des Personals – sowohl bei den
sachgerechte Durchführung der Auswertungs- Projektmitarbeitern, als auch bei Auftraggebern
arbeiten, doch muß man auch dort auf eine oder anderen für die Durchführung erforderli-
sorgfältige Fehlerkontrolle und die Einhaltung chen Kontaktpersonen (zum Beispiel Lehrer,
der Vertraulichkeits- bzw. Datenschutzbestim- Verwaltungsbeamte etc.). Zumindest für die ei-
mungen achten. Bei aller Mühe aber nicht ver- genen Mitarbeiter kann man einige Schwierig-
meidbar ist das prinzipielle Problem, daß von keiten vermeiden, wenn man rechtzeitig auch
der unübersehbaren Vielzahl der denkbaren deren Einschulungsbedürfnisse und ihre per-
Auswertungen nur ein kleiner Teil erfolgen sönlichen Interessen, zum Beispiel im Hinblick
kann und diese Auswahl stets mit dem Vorwurf auf ihre weitere berufliche Entwicklung, bei der
von «Manipulation» rechnen muß. Fragen die- Projektplanung und der Personalführung be-
ser Art werden im zweiten Abschnitt dieses Ka- achtet (6.1.1). Darüber hinaus muß man sich
pitels besprochen (6.2). im klaren sein, daß größere Vorhaben nicht
ohne explizite Kontrolltechniken durchgeführt
Am Schluß des Evaluationsprojektes steht meist werden können, wenn man vermeiden will,
eine schriftliche, oft durch eine mündliche Prä- daß sich am Ende einer zum Beispiel zweijähri-
sentation ergänzte Berichtlegung an den Auf- gen Arbeitsphase nicht mehr behebbare Pro-
traggeber, ggf. auch an andere Instanzen (zum bleme auftürmen und u.U. das ganze Projekt
Beispiel Öffentlichkeit, Schulleiter). Die damit ergebnislos abgebrochen werden muß. Einige
verbundenen Darstellungs- und Kommunika- Hinweise, die eine entsprechend sorgfältige Ein-
tionsprobleme werden von Akademikern ohne arbeitung natürlich nicht ersetzen können, fin-
einschlägige Erfahrung oft unterschätzt. Man den sich im Abschnitt 6.1.2.
lebt innerhalb einer universitären Bezugs- Nahezu alle Organisationsprobleme lassen
gruppe in einem für Außenstehende schwer sich lösen, wenn man rechtzeitig an ihr Auftre-
nachvollziehbaren Abstraktionsniveau, einer ten denkt, also eine (in den Evaluations-Begrif-
fachspezifischen Begriffsbildung (die leider fen gemäß Diagramm II/2) «antizipatorische In-
nicht nur manchmal unverständlich ist, son- put-Evaluation» für das eigene Projekt mit
dern auch zu Mißverständnissen bei «Laien» ausreichender Aussagekraft anstellt.
146 Durchführung von Evaluationsstudien
Bei aller Sorgfalt muß trotzdem davon ausge- • Bei befristeten Projekten wird die Situation
gangen werden, daß sich zum Teil vorherseh- noch durch regionale Mobilitätseinschrän-
bare, zum Teil aber völlig überraschende «Kata- kungen erschwert, da viele Interessenten
strophen» ergeben, die ein bei aller Sorgfalt der zögern, für vielleicht nur ein Jahr über grö-
Planung doch sehr flexibles Krisenmanagement ßere Entfernungen hinweg den Wohnort zu
erfordern. Einige Beispiele finden sich in 6.1.3. wechseln.
dürfnisse des Partners zu erkennen, auch emo- des jeweiligen Projektbudgets, also ohne Be-
tional zu akzeptieren und bei der Durchsetzung rücksichtigung der zugeschlüsselten Gemeinko-
der eigenen Ziele so weit wie möglich zu be- sten, gar nicht so seltene Fehler sind:
rücksichtigen. Die besonderen Arbeitsbedin-
gungen an kleinen privaten Instituten sollte
• Keine Berücksichtigung der Lohnneben-
kosten (vgl. Kapitel V, Einleitung)
man bei der persönlichen Stellensuche stark
beachten. Viele Absolventen, die in einer stark
• Kalkulation der Projektarbeiten auf der Basis
eines 52-Wochen-Jahres; im Durchschnitt ist
formell gegliederten großen Organisation sich
wegen Urlaubs- und anderen Ausfallzeiten
zu sehr eingeschränkt und zu wenig in ihrer
der deutsche Arbeitnehmer nur 43 Wochen
Individualität beachtet fühlen, können bei sol-
im Jahr produktiv tätig; werden etwa Ur-
chen kleinen Arbeitgebern mehr Entfaltungs-
laubszeiten bei der Planung nicht beachtet,
möglichkeiten finden. Wer Sicherheit, starke
kann dies zu einem ganz erheblichen Kosten-
Arbeitsteilung oder hierarchischen Aufstieg
faktor (Ablösung des Urlaubsanspruches
sucht, fühlt sich vermutlich in großen Institu-
bzw., sofern überhaupt möglich, die Bezah-
tionen wohler.
lung von Ersatzkräften) werden;
• Keine Reserven für die Überbrückung von
Ausfällen (vorzeitige Kündigungen, Mutter-
6.1.2 Kontrolltechniken des
schaftsurlaub, längere Erkrankungen);
Projektverlaufes und des
• Keine rechtzeitige Einplanung von (inflati-
Konfliktmanagements onsbedingten) Lohn- und Preissteigerungen.;
Größere Evaluationsprojekte mit längerer Lauf-
Besondere Probleme können auftreten, wenn
zeit können auch von «genialen» Projektleitern
mit dem Auftraggeber kein Festpreis, sondern
nicht ohne eine regelmäßige Rückmeldung
zumindest in Teilen der Ersatz der tatsächlichen
über die Einhaltung von
Aufwendungen verabredet wurde. Dies kann
• Zeitplanung zum Beispiel dann erforderlich sein, wenn sich
• Kostenrahmen die Kosten mancher Arbeitsschritte in der
• Vereinbarte Qualitätsstandards Planungsphase nicht realistisch abschätzen las-
sen oder wesentlich von dem späteren Verhal-
durchgeführt werden.
ten des Auftraggebers selbst abhängen. Beispiele
sind etwa die teilweise mühevollen und mit
Relativ einfach ist dies bzgl. des Zeitablaufes,
Dienstfahrten verbundenen Einholungen von
wenn bei der Projektplanung ein detaillierter
Zustimmungen von Eltern, Lehrern und Schü-
Zeitplan (vgl. Diagramm V/6) erarbeitet wurde. In
lern bei Schuluntersuchungen, oder die u.U.
diesem Fall muß man nur sicherstellen, daß die
langwierigen Kommunikationsprozesse zwi-
einzelnen Teilschritte nicht über Gebühr über-
schen der technischen Entwicklungsabteilung
zogen und dadurch die Pufferzeiten zu früh auf-
und den Projektmitarbeitern bzgl. der Erarbei-
gebraucht werden. Ein wenig schwieriger ist es
tung einer neuen Produktvariante auf der Basis
für den «nur-sozialwissenschaftlich» ausgebil-
vorläufiger Projektergebnisse im Falle einer for-
deten Projektleiter, sich auch ein sachgerechtes
mativen Produktevaluation. In solchen Fällen
Bild über die tatsächlich entstandenen Kosten
müssen die Bestimmungen des Auftraggebers
zu erarbeiten. Zwar wird es im Regelfall nicht
(zum Beispiel Höchstbeträge für Übernach-
notwendig sein, umfangreiche formalisierte
tungs- und Verpflegungsspesen, Kilometergeld,
Kontrolltechniken wie bei Wirtschaftsprojekten
anzurechnendes Stundenhonorar) zusätzlich zu
üblich (vgl. dazu Ziegenbein, 1984; Bramse-
der eigenen Kalkulation beachtet werden.
mann, 1978; Wöhe, 1982) einzusetzen, aber
eine regelmäßige (evtl. wöchentliche) Gegen-
überstellung der bis zum jeweiligen Arbeits- Die laufende Kontrolle der dem Auftraggeber
schritt geplanten Ausgaben, der durch Verträge zugesicherten Qualitätsstandards kann in for-
eingegangenen Zahlungsverpflichtungen und malisierter Form nur für die eher quantitativen
den bereits tatsächlich verausgabten Beträgen Teile der Projektarbeit (Rücklauf von Fragebö-
sollte selbstverständlich sein. Selbst innerhalb gen, Verweigerungsraten von mündlichen In-
Durchführung von Evaluationsstudien 149
terviews, Ausfälle durch fehlende Zustimmung 48-Stunden-Dauerschlafes; eine andere Institu-
von zum Beispiel Schulen und Kliniken) durch- tion hat die Kooperation mit einem Institut ein-
geführt werden. Hinweise auf entsprechende gestellt, nachdem alle an einem Experiment zur
Verfahren gibt etwa der Bundesminister für For- Optimierung von Beipack-Zetteln beteiligten
schung und Technologie, 1977. Die Sicherung weibliche Versuchspersonen am nächsten Tag
der eher qualitativen Anforderung wie Erfolg wegen Übelkeit arbeitsunfähig waren, obwohl
der Interviewerschulung, Informationsaus- die verschiedenen Beipack-Varianten aus-
schöpfung, sicherstellende Kodierung offener schließlich mit einem Placebo kombiniert ge-
Antworten oder umfassend aussagekräftige geben wurden und damit tatsächliche Medi-
Datenauswertung bleibt während der Projekt- kamentenfolgen ausgeschlossen waren.
arbeit meist dem subjektiven Eindruck des
Leiters, der auf der Basis seiner persönlichen Nicht-vorhersehbare Reaktanz; so mußte etwa die
Erfahrung das laufende mit erfolgreich abge- empirische Evaluation eines Studienganges ei-
schlossenen Projekten vergleichen kann, über- ner Hochschule abgebrochen werden, weil sich
lassen. die Studenten des Fachbereiches geschlossen
weigerten, als Interviewpartner zur Verfügung
Eine Übersicht über einige Kontrolltechniken zu stehen. Die Ursache war, daß der Unter-
findet sich im Diagramm V/3 (vgl. Abschnitt suchungsleiter als Finanzier des Evaluations-
5.1.3). projektes das zuständige Landes-Wissenschafts-
ministerium (für die Studenten damals ein
Feindbild) und nicht, wie es auch faktisch rich-
6.1.3 Unerwartete Störfälle tig gewesen wäre, die Hochschule selbst als Auf-
traggeber genannt hatte.
Prinzipiell muß man davon ausgehen, daß na-
hezu jede denkbare Katastrophe im Verlaufe ei- Überlappung des Untersuchungsdesigns mit ande-
nes längerfristigen Evaluationsprojektes auch ren Zielsetzungen; so fanden sich in einer auf
tatsächlich eintreten kann. Typische Beispiele: zwei Jahre geplanten Evaluation verschiedener
Formen von Arbeitsgestaltung am Ende der Pro-
Änderung der Zielsetzung des Projektes; Ursachen jektphase nur noch zwei Personen in der Be-
dafür kann ein anderer Verwertungszusammen- dingungskombination, in der sie aufgrund der
hang sein (vgl. dazu etwa die Szenario-Technik, Untersuchungsplanung hätten sein sollen, die
Diagramm IV/3), ein Personalwechsel beim Auf- übrigen waren entweder auf eigenen Wunsch
traggeber mit entsprechend unterschiedlicher (Schichtwechsel, bevorzugte Zusammenarbeit
Schwerpunktsetzung (als konkretes Beispiel: mit bestimmten Kollegen, vielleicht auch Ab-
Plötzliche Aufgabe des vorher als unverzichtbar lehnung der zufällig zugeteilten Arbeitsform)
bezeichneten Grundsatzes, alle Unternehmens- oder aufgrund von gemäß Erfordernissen der
teile als Einheit im Hinblick auf die «cooperate Arbeitsorganisation erfolgten Änderungen
identity» aufzufassen und die PR-Maßnahmen nicht mehr in der entsprechenden Design-
auf dieser Grundlage zu optimieren) oder Ent- Zelle.
fallen der eigentlichen Untersuchungsgrund-
lage (etwa bei der formativen Evaluation einer Das Auftreten inakzeptabler Methodenartefakte; so
Werbekonzeption, wenn von der Konkurrenz wurden in einer Studie zu verschiedenen Mög-
ein in jeder Hinsicht überlegenes Produkt über- lichkeiten der Wohnungsgestaltung auch un-
raschend auf den Markt gebracht wird). tersucht, wie hoch die vermutliche Verweil-
dauer in den einzelnen Wohnungsformen für
Plötzliches Auftreten nicht bekannter oder zu- Personen mit verschiedenem Alter, Lebenslauf-
mindest vom Auftraggeber verschwiegener zyklus und dgl. sein würde; als Folge des ver-
«Nebenwirkungen»; als ausschließlich der Praxis wendeten multipel-linearen Regressionsan-
entnommene Beispiele: Versäumen einer satzes ergab sich für alle Personen mit einem
Staatsprüfung einer studentischen Versuchsper- Einzugsalter von über 55 eine negative progno-
son bei der Erprobung der therapeutischen Wir- stizierte Verweildauer, was infolge des Fehlens
kung eines Psychopharmakons als Folge eines rechtzeitiger Qualitätskontrollen erst sehr
150 Durchführung von Evaluationsstudien
Keines der hier genannten Beispiele ist erfun- Fehler können sich in jeder Phase der Projekt-
den, sofern kein Literaturzitat angegeben ist, arbeit mit Daten einschleichen:
kommen sie aus der persönlichen Projektarbeit
• Bei der Erhebung: zum Beispiel Probleme mit
der Verfasser oder wurden von absolut zuver- Interviewern bei mündlicher Befragung oder
lässigen Kollegen mündlich berichtet. Man hohe systematische Antwortverweigerungen
sieht daran vielleicht die Vielfältigkeit der auf- bei schriftlichen (postalischen) Erhebungen
tretenden Störungen, vielleicht auch einige
• Bei der Datenaufbereitung: Kodierfehler, fal-
Strategien zu ihrer Begrenzung. Das Problem sche EDV-Eingabe
ist, daß die Kombination aller denkbaren
• Bei der Auswertung: Verwechseln von
Verhinderungsmaßnahmen für Störfälle jede Variablennummern oder Codes, falsche
Untersuchung wesentlich verteuern und u.U. (Sub-) Dateien
so aufwendig machen würde, daß sie nicht
mehr in Auftrag gegeben werden könnte. Man Eine völlige Sicherheit gegen alle solche
wird «Katastrophen» nie voll ausschließen kön- projektbedingten Fehler kann nicht garantiert
nen, was es um so wichtiger macht, mit dem werden, vieles läßt sich aber durch organisato-
Auftraggeber ein möglichst positives Verhältnis rische Maßnahmen erreichen.
herzustellen. Korrektes, entgegenkommendes
und auch gegenüber Verhaltensweisen des Auf- Datenerhebung durch Interview
traggebers «fehlerfreundliches» Verhalten kann
viel dazu beitragen, im Notfall dessen Verständ- Interviewer sollten Arbeitsbedingungen erhal-
nis für unvorhergesehene Störungen zu finden. ten, die eine ehrliche Datenerhebung nahele-
Durchführung von Evaluationsstudien 151
gen und Verfälschungen zumindest nicht pro- die Testung bzw. Befragung der Schüler ein-
vozieren. Neben einer als zu niedrig empfunde- gesetzten Studenten in den von ihnen sub-
nen Bezahlung können sich vor allem folgende jektiv bevorzugten Schulformen gezielt Hin-
Bedingungen negativ auswirken: weise für das optimale Ausfüllen gegeben
haben sollen).
• Bezahlung der Interviewer nach «erfolgreich»
durchgeführtem Interview ohne faires Ent- Neben der Vermeidung solcher organisatori-
gelt für erfolglose Besuche (Proband nicht scher Mängel (wobei man auch die Position
angetroffen, Antwort verweigert) «sparsamer» Projektleiter sehen muß: häufig
• Keine Vorgabe von Namen und Adressen von werden Projekte auf der Basis von Ausschrei-
zu befragenden Personen (da dann der Inter- bungen vergeben, was zu knapper Kalkulation
viewer weiß, daß kein nachträgliches Kon- zwingt!) sollte man sich um eine gute
trollieren des Stattfindens des Interviews Interviewerschulung bemühen, die meist von
möglich ist); sofern sich dies nicht vermei- den Projektmitarbeitern selbst zu gestalten ist.
den läßt, ist eine Lösungsmöglichkeit das Diese sollte die Problematik gefälschter Daten
nachträgliche Notieren dieser Daten (aus im Hinblick auf die Aussagekraft des gesamten
Vertraulichkeitsgründen unabhängig vom ei- Ergebnisses deutlich machen und versuchen,
gentlichen Interviewbogen), dies stößt aber bei den Interviewern auch intrinsische Motiva-
häufig auf erhebliche Reaktanz bei den Be- tion und Identifikation mit dem Gesamtprojekt
fragten (man kann zum Beispiel kaum je- zu erreichen. Auch sollte man die Interviewer
mand auf der Straße ansprechen und ihn auf die Durchführung von Kontrollen hinwei-
über seine Meinung etwa zu einer politisch sen.
relevanten Maßnahme fragen, ihm Anony- Ein auch bei massiver Schulung nicht völlig
mität zusichern, und anschließend Name ausschließbares Problem sind Interviewerein-
und Adresse aufschreiben). flüsse (für die dadurch ausgelösten Effekte vgl.
• Quotenvorgaben; wenn der Interviewer je- etwa König, 1972; Roth, 1984, S. 150 ff.). Wenn
weils bestimmte Prozentsätze von zum Bei- es die Größe des Projektes zuläßt, kann man
spiel Geschlecht, Alter und Berufsgruppe durch ein bewußte Streuung der Interviewer-
befragen muß, kann leicht die Situation ent- merkmale einen Ausgleich der einzelnen Stör-
stehen, daß er gegen Ende seiner Daten- effekte anstreben, jedenfalls ist es ungünstig,
sammlung verzweifelt einen 20jährigen einen einzelnen Interviewer zu große Fall-
männlichen Altersrentner benötigt. Findet er zahlen zuzuordnen (in der Praxis relativ be-
einen solchen nicht, muß er entweder auf währt haben sich etwa 10, bei größeren Studi-
einen Teil der bereits durchgeführten Inter- en ausnahmsweise auch 15 Interviews als
views verzichten (die er dann auch nicht ab- Höchstgrenze). Daraus ergeben sich natürlich
rechnen kann) oder einen Lösungsweg wäh- erhöhte Aufwendungen für Interviewer- Suche
len, den man nicht mehr als «empirische und Schulung, die man aber in Kauf nehmen
Datenerhebung» bezeichnen kann. sollte.
• Unbefriedigende Arbeitskonditionen, fehler-
behaftete Adressenvorgabe (ein hoher Anteil
von nicht auffindbaren Personen), schlecht Interviewerkontrolle
aufgebaute Fragebögen (zum Beispiel mit vie-
len Verweigerungen aufgrund unverständ- Besonders aussagekräftig sind nachfassende
lich formulierter oder in der Reihenfolge un- Kontrollen bei den Probanden. Dies sollte nicht
günstig positionierter Fragen) oder fehlender unbedingt als «Kontrollanruf» erkennbar sein,
Spesenersatz für erfolglose Fahrten. günstiger ist ein Anruf bei einer (angeblich) be-
• Massive Interviewer- bzw. Untersuchungs- fragten Person mit der Bitte um Aufklärung ei-
leitereffekte sind zu erwarten, wenn sich die- nes Details oder einer Beurteilung des
ser Personenkreis mit bestimmten Evalua- Interviewerverhaltens. Ein solches Vorgehen ist
tionsergebnissen identifiziert (ein Beispiel natürlich nur bei Interviews mit bekannten Pro-
dafür sind etwa die Gerüchte, daß bei man- banden, etwa bei vorgegebenen Adressen aus
chen Schulvergleichsuntersuchungen die für einer Stichprobe, möglich.
152 Durchführung von Evaluationsstudien
zahl die Zusammenhänge zwischen der Beur- Beispiel im Öffentlichen Dienst können aus ei-
teilung von Sach- und Personalausstattung von ner irrtümlichen oder wegen seiner persönli-
Leitenden Angestellten völlig verändert (kon- chen Einschätzung «zu großzügigen» Geneh-
kret in einem Projekt passiert) oder gegenüber migung von Vorhaben deutliche Nachteile
der Erwartung völlig entgegengesetzte empiri- entstehen, die Verhinderung von Projekten
sche Befunde auftreten. Trotzdem sollte man in bleibt für ihn selbst meist völlig folgenlos. Bei
allen solchen und ähnlichen Fällen die Aus- einer solchen Reinforcementstruktur führen
wertung kontrollieren, ggf. von einem damit schon einfachste subjektive Nutzenüberlegun-
noch nicht befaßten Mitarbeiter unabhängig gen (ausführlicher bei Wottawa und Hossiep,
von den bisherigen Eingaben neu durchführen 1987, S. 48ff.) zu einer Bevorzugung restrikti-
lassen. ver Auffassungen.
Ein besonderes Problem sind «selbstgestrick-
te» Programme für die Auswertung. Zwar hat Bei Laien bestehen zum Teil erheblich Mißver-
die weite Verfügbarkeit publizierter, ausgeteste- ständnisse bezüglich des Begriffes «Daten-
ter Programme die projektspezifische Program- schutz».
mierarbeit eingeschränkt, doch ist auch die Pu- Wesentlicher Gesetzesinhalt des Bundesda-
blikation keine Garantie für Fehlerfreiheit. Ein tenschutzgesetzes (BDSG) ist der Schutz des ein-
negatives Beispiel ist etwa bei Härtner et al., zelnen vor den Gefahren der Verbreitung von
(1979) zu finden, der Programmfehler wurde Daten, die sich auf Personen beziehen. Dabei
erst wesentlich später entdeckt (s. Baumert et bezieht es sich, ohne zwischen verschiedenen
al, 1988). Allerdings ist bei «eigenen» Program- Arten von Daten zu unterscheiden, auf alle per-
men die Fehlerchance im Regelfall besonders sonenbezogenen Daten und regelt die Daten-
hoch, weil weniger Zeit für das Austesten (und verarbeitung von Behörden und Privatunter-
manche Fehler zeigen sich nur in seltenen Si- nehmen.
tuationen) verbleibt. In einem konkreten Fall Im ersten Abschnitt des Gesetzes werden Be-
(Überprüfung der Nebenwirkungen eines griffsbestimmungen, Zuverlässigkeitsvorausset-
Pharmakons unter Benutzung eines seltenen zungen für die Datenverarbeitung und Rechte
statistischen Verfahrens) wurde ein Programm- der Betroffenen geregelt (§1–§6 BDSG).
fehler nur dadurch entdeckt, daß die «Sig- Der zweite Abschnitt befaßt sich mit Daten-
nifikanzen» so massiv waren, daß diese Un- verarbeitung durch öffentliche Verwaltungen
glaubwürdigkeit zu einem Nachrechnen von (§7–§21 BDSG). Als Überwachungseinrichtung
Hand führte (es war bei Korrekturarbeiten im ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz
Programm ein Statement mit einer Divisions- vorgesehen.
anweisung irrtümlich gelöscht worden). Klei-
ne Ursachen können erhebliche Auswirkun- Für die Datenverarbeitung im privaten Bereich,
gen haben! insbesondere im Verhältnis zwischen Arbeitge-
ber und Arbeitnehmer, gilt der dritte Abschnitt
(§22–§30 BDSG), während der vierte Abschnitt
6.2.2 Datenschutz Sondervorschriften für solche Unternehmen
enthält, die Daten für Dritte verarbeiten (§31–
Der gerade für den EDV-Einsatz in Behörden §40 BDSG). Der fünfte und sechste Abschnitt
und anderen Verwaltungen potentiell beson- des Gesetzes enthalten die Regelungen von
ders gefährdete Schutz der «Privatsphäre» hat Sanktionen sowie Übergangs- .und Schlußvor-
eine massive öffentliche Diskussion verursacht, schriften (§41–§47 BDSG). Einige für die
die auch die Möglichkeiten in Forschungs- Evaluationsarbeit besonders wichtige Paragra-
projekten wesentlich beeinflußt. Die Wahrung phen finden sich im Diagramm VI/1.
des Persönlichkeitsschutzes ist ein wichtiges
Anliegen, gerade auch in sozialwissenschaftli- Die Problematik «Datenschutz» dürfte an sich
chen Evaluationsprojekten, sollte aber nicht zu für die meisten Evaluationsprojekte keinerlei
einer sachlich nicht nachvollziehbaren Behin- Schwierigkeiten bereiten, da eine personenbe-
derung der Projektarbeit führen, was leider ge- zogene Datenauswertung im Regelfall nicht er-
legentlich vorkommt. Für einen Juristen zum forderlich ist.
Durchführung von Evaluationsstudien 155
Diagramm VI/1
Auszug aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) (vgl. Kittner, 1987)
Die European Science Foundation hat bestimmte wandfreieste Methode in der Einholung der Zu-
Grundsätze und Richtlinien für die Verwen- stimmung der Befragten, doch kann diese in
dung personenbezogener Daten zu Forschungs- Folge von Befürchtungen der Probanden die
zwecken herausgegeben. Einige Hauptpunkte Verweigerungsraten deutlich erhöhen.
sollen an dieser Stelle extrakthaft wiedergege-
ben werden (nähere Erläuterungen bei Lecher,
1988, S. 28 ff.): Schutz der Privatsphäre
• Jede Verarbeitung personenbezogener Daten Im Gegensatz zu den Datenschutzbestimmun-
für Forschungsziele setzt eine ausdrücklich
gen im engeren, gesetzlichen Sinn kann der
gesetzliche Ermächtigung oder die informier-
Schutz der Intimsphäre sowie das Problem des
te Einwilligung des Betroffenen voraus.
«Geheimnisverrates» in Evaluationsstudien
sehr relevant werden. Wie man an der Darstel-
• Eine informierte Einwilligung liegt vor, wenn lung einiger wichtiger Rahmenbedingungen in
die Betroffenen ausdrücklich und eindeutig Diagramm VI/2 entnehmen kann, ist die Situa-
darüber aufgeklärt worden sind: tion für «Berufspsychologen mit abgeschlossener
a) daß die Datenerhebung freiwillig ist; Ausbildung» und andere Sozialwissenschaftler
b) daß die Weigerung der Datenerhebung kei- verschieden. Dies kann zu der etwas paradoxen
nerlei Konsequenzen hat Situation führen, daß ein als Interviewer einge-
c) welchen Zweck das Forschungsprojekt ver- setzter Sozialwissenschaftler dann unter §203
folgt; StGB fällt, wenn der Leiter des Evaluations-
d) wer Auftraggeber der Erhebung ist bzw. projektes ein Diplom-Psychologe ist, diese zu-
wer erhebt; sätzliche Strafbewährung des Schutzes der In-
timsphäre aber nicht besteht, wenn der
• Die für Forschungszwecke zur Verfügung ge- Projektleiter eine andere Vorbildung hat. Dies
stellten personenbezogenen Daten sollten entspricht in keiner Weise der Intention des
nicht für andere Zwecke verarbeitet werden, Gesetzes, mit diesem Paragraphen sollte an sich
insbesondere nicht für solche, die später für die Arbeit der genannten Berufsgruppen er-
den Betroffenen Konsequenzen haben. leichtert werden, da es zum Beispiel im Rah-
men psychologischer Therapien sicher leichter
• Die Leiter von Forschungsprojekten, die mit fällt, eine offene Gesprächsatmosphäre zu er-
der Verarbeitung personenbezogener Daten zeugen, wenn der Klient zusätzlich zum per-
verbunden sind, sollten die Verantwortung sönlichen Vertrauen auch noch auf eine recht-
dafür tragen, daß die gemachten Angaben liche Absicherung der Vertraulichkeit der
den aktuellen Datenschutz-Vorschriften Gesprächsinhalte bauen kann.
auch dem momentan herrschenden Technik-
stand entsprechen.
Datenschutz auch bei Änderung der
Es darf aber nicht übersehen werden, daß Rahmenbedingungen!
es auch datenrechtlich problematische For-
schungsstrategien gibt. In der Psychologie gibt Die Vertraulichkeit von Informationen ist auch
es Projekte, bei denen eine volle Aufklärung der ohne böse Absicht besonders dann gefährdet,
Beteiligten erst nach ihrem Abschluß erfolgen wenn die befragte bzw. beobachtete Person und
kann. In solchen Fällen muß diese Bedingung, der Projektmitarbeiter untereinander verbunde-
in Verbindung mit dem Angebot des jederzeit nen Sozialnetzen angehören (zum Beispiel Be-
möglichen Rücktritts, den Betroffenen ausdrück- fragung von Studenten durch Studenten des
lich erklärt und von ihnen akzeptiert werden. gleichen Faches, Befragungen in räumlicher
Probleme können auch entstehen, wenn Nachbarschaft). Der Versuchung zur Verbrei-
zum Beispiel aus Gründen einer Längsschnitt- tung personenbezogener «Anekdoten» sollte
untersuchung (mehrfache Befragungen bei der man stets mit dem Hinweis auf die Rechtslage
gleichen Person) eine Identifikation der Daten- gemäß Diagramm VI/2 schon bei der Schulung
sätze gesichert werden muß. Hier liegt die ein- der Mitarbeiter entgegentreten.
Durchführung von Evaluationsstudien 157
Diagramm VI/2
Wichtige rechtliche Rahmenbedingungen für Psychologen
Relativ schwer zu lösen ist das Problem verän- lagen. Es erfordert ein sehr hohes Maß der Ver-
derter Zugangsberechtigungen zu Aktenmate- innerlichung abstrakter Normen, nicht in den
rial. Typisch ist hier etwa die Situation in Uni- die eigenen Person betreffenden Vorgängen zu
versitäten, wo in Zusammenhang mit der schmökern. Strukturell Gleiches gilt für den
Besetzung von Professorenstellen externe Gut- hierarchischen Aufstieg in Verwaltungen, Schu-
achten eingeholt werden müssen, die nur dann len, Kliniken und Unternehmen. Für Evalua-
wirklich aussagekräftig sind, wenn der Gut- tionsprojekte wichtig kann dieses strukturelle
achtenersteller von vertraulicher Behandlung Problem werden, wenn die Bewertung von
ausgehen kann (bei allen anderen Regelungen Maßnahmen eng mit Personen verknüpft ist.
würde eine erhebliche Gefahr von Gefälligkeits- Dies trifft zum Beispiel bei Untersuchungen zur
gutachten, evtl. auf wechselseitiger Basis, ent- Bewertung verschiedener Weiterbildungssemi-
stehen). Dieses Material wird gemeinsam mit nare zu, wo es bei unzureichender Anonymisie-
den anderen Personalunterlagen üblicherweise rung der Unterlagen durchaus passieren kann,
im Dekanat gespeichert, die Bewerber haben daß nach einem beruflichen Aufstieg einer der
dazu keinen Zutritt. Nach Ernennung durch bewerteten Seminaranbieter mit Interesse liest,
den Minister (es kann ohne weiteres sein, daß was seine jetzigen Untergebenen damals an
nicht der in den Gutachten besonders gut ab- Kritikpunkten genannt haben. Überlegungen
schneidende Erstplazierte, sondern vielleicht dieser Art sprechen übrigens dafür, in Zweifels-
ein gerade noch akzeptabel erscheinender Kan- fällen eher externe Evaluatoren heranzuziehen,
didat schließlich die Position erhält) dauert es als die entsprechenden Informationen firmen-
oft nicht lange, bis der oder die «Neue» zum intern auszuwerten.
Dekan gewählt wird oder eine andere, Zugang Ein theoretisch bestehendes, nach den ver-
zu den Dekanatsunterlagen bedingende Funk- fügbaren allgemeinen Informationen aber
tion in der akademischen Selbstverwaltung nicht allzu gravierendes Problem dürfte der
übernimmt. Damit automatisch verbunden ist Geheimnisverrat in Kombination mit finanzi-
die Zugangsmöglichkeit auch zu Personalunter- ellen Interessen sein. Man muß an diese Mög-
158 Durchführung von Evaluationsstudien
lichkeit aber bei wirtschaftsorientierten Eva- die Anzahl der statistischen Ergebnisse über-
luationsstudien (etwa formative Produkt- schritten. Selbst wenn man den unter metho-
evaluation, alle im Zusammenhang mit Mar- dischen Gesichtspunkten natürlich unsinnigen
keting-Maßnahmen durchgeführten Studien) Trick wählt, an der EDV nur die «sehr signifi-
denken. Man kann trotz dem Fehlen entspre- kanten» Resultate ausdrucken zu lassen, erhält
chender fundierter Gerüchte nicht ausschlie- man auch bei rein zufälligem Datenmaterial in
ßen, daß Dinge dieser Art vorkommen (vermut- diesem Fall ca. 10 000 «statistisch auffällige»
lich hätten im konkreten Fall alle Beteiligten Einzelbefunde. Es ist selbstverständlich, daß
ein erhebliches Interesse, den Vorgang mög- eine solche Auswertungsstrategie absolut unsin-
lichst nicht allzu publik werden zu lassen). An- nig wäre.
dererseits kann aber angenommen werden, daß
das bei sozialwissenschaftlich gestützter Evalua-
tion erhobene Material selten einen so hohen Rechtzeitige Auswahl der
Wert hat, daß sich das Risiko lohnt. Die effekti- Auswertungsdetails
ven informellen Kommunikationskanäle zwi-
schen den Unternehmen machen eine mittel- Die einzige Alternative zu einer allumfassen-
fristige Aufdeckung eines solchen Verhaltens den Auswertung ist, von Anfang an gezielt eini-
sehr wahrscheinlich, und selbst bei Vermei- ge der nahezu unendlich vielen Auffälligkeiten
dung einer Strafanzeige dürfte es sehr schwierig als potentiell erwartbar auszuwählen. Dies hat
sein, in diesem Berufsfeld später noch Karriere zur Folge, daß man:
zu machen.
• Nur jene Variablen in der Auswertung be-
rücksichtigt, die man subjektiv für «wichtig»
hält.
6.2.3 Auswertungspläne
• Vorher mit dem Auftraggeber abklären muß,
ob es bzgl. der vermuteten Wichtigkeit von
Es ist bei einem realistisch großen sozialwissen-
Effekten die gleichen Meinungen hat.
schaftlichen Evaluationsprojekt so gut wie aus-
geschlossen, sämtliche denkbaren Auswertun-
• Sehr sorgfältig prüft, ob man mit dieser Stra-
tegie nicht anstelle einer objektiven Befund-
gen durchzuführen. Nimmt man als Beispiel
erhebung nur die eigenen Vorurteile bestär-
eine Arbeit mit 40 berücksichtigten Variablen
ken möchte.
(was vor allem bei Verwendung von Codie-
rungsschemata für Interviews oder Verhaltens-
• Stets der Gefahr ausgesetzt ist, daß anders-
denkende Leser des Evaluationsberichtes die
beobachtungen, noch stärker als bei Fragebö-
gezielte Manipulationsabsicht bei der Daten-
gen, eine sehr kleine Zahl ist), ergeben sich
auswertung unterstellen, auch wenn dies im
bereits 780 mögliche, an der EDV mit geringem
Einzelfall nicht gegeben sein sollte.
Zeitaufwand berechenbare Korrelationen. Da
man jetzt aber jede Variable (als mindestens
zweistufigen) Moderator nehmen kann, was im Die Gefahr der Bestätigung der Vormeinung
übrigen auch für die wichtige Identifikation entsteht dadurch, daß man eben nur jene Ef-
von Wechselwirkungen sehr sinnvoll sein fekte ausweist, die man von Anfang an vermu-
kann, bekommt man selbst bei nur einer zwei- tet hat. So kann man zum Beispiel bei einer
stufigen Einteilung potentieller Moderatoren Schulsystemuntersuchung die Klassengröße,
weitere 29 640 Korrelationen. Geht man gar Details des Lehrerverhalten etc. erheben, aus-
dazu über, mehrere Variablen gleichzeitig als schließlich mit dem Ziel, diese Variablen als
Moderatoren zu verwenden (zum Beispiel die Kovariate zur präziseren Herausarbeitung des
Untersuchung der Fragestellung, ob die Kom- «eigentlich wichtigen» Systemunterschiedes
bination einer bestimmten Alters- und Be- heranzuziehen. Man wird in Anbetracht der bei
rufsgruppe einen von der Gesamtstichprobe ausreichender Trennschärfe stets widerlegbaren
verschiedenen korrelativen Zusammenhang Nullhypothese (vgl. dazu Abschnitt 5.3.1) auf
zwischen einer bestimmten Form der Arbeits- diese Weise auch mit guter Chance einen stati-
gestaltung und der Arbeitszufriedenheit zeigt), stisch bedeutsamen Systemunterschied ermit-
wird mit Leichtigkeit die Millionengrenze für teln. Ebenso gut könnte man aber auch umge-
Durchführung von Evaluationsstudien 159
kehrt vorgehen und prüfen, ob nicht die aus das geplante Auswertungsprogramm über-
der subjektiven Sicht nur als Störeffekte aufzu- nommen werden, so daß man deren relative
nehmenden Variablen um vieles bedeutsamer Bestätigung oder Widerlegung bereits mit in
sind als die eigentlich für wichtig gehaltenen, den Abschlußbericht aufnehmen kann.
was man entweder direkt (dann aber in Kon- • Vor allem bei öffentlichkeitswirksamen Eva-
fundierung mit dem Systemeffekt) oder unter luationsvorhaben nach Möglichkeit rechtzei-
Auspartialisierung des Beitrages der System- tig klären, welche Auswertungslücken vor
unterschiede machen kann. Schon aufgrund dem Hintergrund aktueller politischer Aus-
dieser geänderten Reihenfolge der Aufnahme einandersetzungen in der Öffentlichkeit, also
von Erklärungsvariablen in lineare Modell- insbesondere bei betroffenen Verbänden und
ansätze (s. Abschnitt 5.3.2) sind entsprechende Parteien, auf der Basis des vorläufigen Planes
Ergebnisunterschiede zu erwarten, die dann gesehen werden; dies setzt allerdings die
interpretativ entsprechend der eigenen Vor- Schaffung eines ausreichend dichten Netzes
meinung besonders herausgearbeitet werden informeller Kontakte voraus und sollte im
können. übrigen niemals ohne Abstimmung mit dem
Auftraggeber durchgeführt werden.
Antizipatorische Konsensfindung Nach Durchführung solcher Vorarbeiten hat
man zwar einen vertretbaren Auswertungsrah-
Eine theoretisch denkbare Lösung wäre, die
men, aber meist auch das Problem, daß die Viel-
Auswahl der ausgewerteten Effekte auf wissen-
zahl der untersuchten Einzelergebnisse kaum
schaftliche Erkenntnisse zu gründen, zum Bei-
noch rezipierbar ist. Dies macht dann eine
spiel dann, wenn bereits aus Vorstudien das
nachträgliche Beschränkung bei der Bericht-
Auftreten mancher Zusammenhänge besonders
legung erforderlich, in deren Verlauf vieles an
plausibel erscheint. Dieser Weg scheitert bei den
guten Vorarbeiten verlorengehen kann.
meisten Evaluationsstudien aber daran, daß
sich aus wissenschaftlich-theoretischen Überle-
gungen oder auch aus der Fülle der Detail-
ergebnisse von Vorstudien für praktisch jede
Zusammenhangsanalyse eine zumindest nach-
6.3 Berichtlegung
träglich sehr plausibel klingende Begründung
Das letztlich für die Praxis relevant werdende
geben läßt. Es dürfte daher zweckmäßiger sein,
Ergebnis einer Evaluationsstudie ist nicht das,
die Auswertungsstrategie vorwiegend nutzen-
was im Laufe des Projektes von den dort Betei-
bezogen (natürlich nicht unter völligem Ver-
ligten erfahren wurde, auch nicht das, was in
zicht auf die Kenntnis von wissenschaftlichen
den entsprechenden schriftlichen und mündli-
Vorergebnissen) aufzubauen und nach Mög-
chen Berichten enthalten ist; relevant werden
lichkeit rechtzeitig folgende Schritte einzulei-
höchstens jene Informationen, die bei den
ten:
Adressaten der Berichte ankommen.
• Versuch einer Konsensbildung vorwiegend Wie groß die Unterschiede zwischen «gesen-
mit Wissenschaftlerkollegen, die eine gegen- deter» und «empfangener» Information sein
über den evaluierten Maßnahmen gegentei- können, zeigt etwa die Arbeit von Czerwenka
lige Voreinstellung haben und/oder anderen et al. (1988) zur Bewertung der Schule durch
wissenschaftlichen «Schulen» angehören. Schüler. Grundlage waren Aufsätze, in denen
• Mit den von den Evaluationsergebnissen be- Schüler verschiedener Klassenstufen und Schul-
troffenen Praktikern denkbare Auswertungs- formen in der Bundesrepublik Deutschland ei-
ergebnisse durchspielen (im Prinzip analog nem «Wesen von einem anderen Stern» schil-
zur Szenariotechnik bzw. Planspielen, vgl. dern sollten, was «Schule» ist. Diese Aufsätze
4.1.3), und mit diesen diskutieren, welche wurden dann unter anderem dahingehend aus-
Einwände sie gegen die aus ihrer Sicht uner- gewertet, ob Hinweise für ein eher positives
wünschten Ergebnisse vorbringen würden. oder negatives Lehrerbild enthalten waren, ob
Diese Hinweise auf denkbare alternative Er- die Schule eher Freude oder keine Freude macht
klärungsansätze können gesammelt und in usf. Die Resultate, die auch in den schriftlichen
160 Durchführung von Evaluationsstudien
Nahezu unvermeidbare Angriffspunkte Auch hier ist wieder die Schwierigkeit, daß alle
diese Kritikpunkte voll zutreffen können, die
Die Kombination aus notwendig reduzierter Möglichkeit von schlechten, elementaren pro-
Informationsdarstellung und der hohen Plausi- fessionellen Standards nicht genügenden
bilität von Störfaktoren dabei fordert natürlich, Evaluationsprojekten ist natürlich gegeben. Da
gerade bei emotional kontroversen Ergebnissen, sich aber die Argumente nahezu bei jeder, auch
Kritiker mit anderer Meinung heraus. Diese sind noch so sorgfältigen Studie (falls diese ausrei-
im allgemeinen bei ihrer Argumentation bzw. chend komplex angelegt wurde) verwenden
Informationsdarstellung mindestens den glei- lassen, bleibt es dem Kritiker der Evaluations-
chen Verzerrungen ausgesetzt wie die eigent- projektkritiker (mit beliebiger Verallgemeine-
lichen Autoren, häufig sogar in stärkerem rung dieses Meta-Kritiker-Begriffes) überlassen,
Maße, da sie subjektiv das Gefühl haben, einer die Angemessenheit der Gegendarstellung zu
verzerrten Darstellung entgegentreten zu müssen bewerten. Im praxisbezogenen Evaluations-
und nur durch Überpointierung ihres Stand- bereich greifen die dafür in der Wissenschaft
punktes bei dem Adressaten eine letztlich aus- etablierten Mechanismen (eine breite, vielfälti-
gewogene Meinung erreichen zu können. ge und relativ wenig interessensbezogene Dis-
Fast immer zur Abwertung veröffentlichter kussion, ein allmähliches «Vergessenwerden»
Evaluationsberichte mögliche Argumentations- unzutreffender Interpretationen) aufgrund des
figuren sind: meist bestehenden Zeitdruckes nicht. Lösungen
für dieses Problem können nicht angeboten
• Offensichtliche methodische Schwächen werden – leider.
(daß es diese bei jedem größeren Vorhaben
gibt, wurde zum Beispiel in Abschnitt 5.2.2
begründet). 6.3.3 Mündliche Präsentation
• Es wurde nicht alles berücksichtigt und aus-
gewertet, was man unbedingt hätte tun müs- Für diese, besonders wichtige Form der Ergeb-
sen (siehe 6.2.3) nisdarstellung gilt zunächst ebenso wie für den
• Die verwendeten Operationalisierungen bzw. schriftlichen Bericht eine besondere Betonung
Meßmethoden sind fehlerhaft (vgl. dazu Ab- der «Zuhörerfreundlichkeit». Die technischen
schnitt 4.2.3). Kompetenzdefizite in der mündlichen Reprä-
• Die Autoren widersprechen sich selbst (es ist sentation sind bei vielen Studienabgängern
bei umfangreicheren Berichten sehr unwahr- noch gravierender als bei schriftlichen Darstel-
scheinlich, daß sich nicht inhaltlich ähnli- lungen, selbst für die Benutzung üblicher Me-
che, aber in der Aussagerichtung verschiede- dien fehlt häufig sowohl theoretisches Wissen
ne Kleindetailergebnisse und entsprechende als auch praktische Übung. Selbstverständlich
Interpretationen finden). sollte die freie, gegebenenfalls mediengestützte
• Die Ergebnisse sind nur singulär und nicht (Dias, Overhead-Folien) Rede sein, das Vorlesen
verallgemeinerbar (ein oft zutreffendes und vorbereiteter Manuskripte ist für die Zuhörer
im übrigen rhetorisch sehr gutes Argument, meist trostlos. Das Schreiben eines Textes, der
da sich große Evaluationsstudien im Regel- bei mündlichem Vortrag die Verständlichkeit
fall nicht wiederholen lassen). der freien Rede erreicht, ist eine ausgesprochene
• Die Ergebnisse sind offensichtlich unsinnig, Kunst, die nur wenige beherrschen. Zumindest
da sie entweder gesicherten wissenschaftli- elementare Grundsätze der Rhetorik sollte man
chen Ergebnissen widersprechen (bei sorgfäl- beachten, sie finden sich zum Beispiel in
tiger Suche lassen sich fast immer einige wi- Hirsch, 1985, Schuh und Watzke, 1983.
dersprechende Befunde in der Literatur
eruieren) oder von angesehenen Experten Im übrigen dürfte (abgesehen von langfristigen,
negativ bewertet wurden (in Anbetracht der geistesgeschichtlich bedingten Meinungswel-
Pluralität wissenschaftlicher Meinungen fin- len) dem Ansehen der Wissenschaft kaum etwa
det sich mit etwas Mühe auch dafür ein Be- so geschadet haben, wie die kontroverse öffent-
leg). liche Diskussion zu Evaluationsthemen, zum Bei-
spiel bzgl. gesetzlicher Regelungen, der Energie-
Durchführung von Evaluationsstudien 163
versorgung oder der Schulorganisation. Die übernimmt, eingeladen wird und zusätzlich
Unterstellung simpler Käuflichkeit wie etwa vielleicht noch in dem jeweiligen sozialen Netz-
durch den damaligen Vorsitzender der Gewerk- werk der zu einer bestimmten Meinung nei-
schaft Erziehung und Wissenschaft (Frister, gende Gruppe eingebunden ist, ist eine «gefärb-
1972) ist zwar für alle an Evaluationsvorhaben te» Betrachtungsweise sehr naheliegend. Da der
beteiligten Wissenschaftler eine Zumutung, aber Kollege den analogen Zwängen unterliegt,
in Anbetracht der dargelegten unvermeidbaren kann man sich wechselseitig so weit steigern,
Probleme bei Evaluationsprojekten und dem daß zum Schluß die Glaubwürdigkeit tatsäch-
fehlenden Kenntnisstand über diese Schwierig- lich fraglich wird und der Stil der Äußerungen
keit auch bei sich selbst kompetent fühlenden vielleicht manchmal an der Grenze dessen liegt,
Laien psychologisch verständlich. Im übrigen was man vor sich selbst gerne vertritt. Interes-
hat sicher auch der manchmal bedauerlich Stil sant ist das Phänomen, das nach dem offiziel-
von «wissenschaftlichen» Diskussionen in der len Teil solcher Veranstaltungen durchaus ein
Öffentlichkeit ganz wesentlich dazu beigetra- emotional herzliches Verhältnis zu dem Kon-
gen, das Ansehen (nicht nur, aber besonders) trahenten bestehen kann und man sich eigent-
der Sozialwissenschaften zu schädigen. Tatsäch- lich darüber einig ist, daß man jetzt ein biß-
lich führen verschiedene Formen der mündli- chen übertrieben hat.
chen Darstellung oder Diskussion von Evalua- Es ist schade, daß sich weder bei öffentlich-
tionsergebnissen zu Rollenzwängen, die eine im politischen noch bei kleineren, etwa für einen
Extrem selbst nicht mehr so ganz gerechtfertigt bestimmten Konzern oder eine bestimmte Kli-
erscheinende Überpointierung von Darstellun- nik relevanten Evaluationsvorhaben ein berufs-
gen nahelegen. Wenn man zu einer Veranstal- ethisch begründeter Konsens über akzeptable
tung schon als «Anwalt» für eine bestimmte Verhaltensweisen gerade bei der mündlichen
Position gemeinsam mit einem Kollegen, der Berichtlegung ergeben hat. Hier bleibt noch ei-
die gleiche Rolle für eine andere Auffassung niges zu tun.
164 Durchführung von Evaluationsstudien
Übersicht Kapitel 6:
Durchführung von Evaluationsstudien
6.1
Organisatorische Fragen
Fragen der Personalführung
Großfirma als Arbeitgeber Kleinere Unternehmen & private Kleininstitute
• meist professionelles Personal- aus der Sicht des Arbeitgebers aus der Sicht der Mitarbeiter
management & strukturierte • Mangel an fachlich qualifizier- • Unsicherheit des Arbeitsplatzes
Hierarchie tem Personal • Beschränkung auf Spezialisten-
• Informelle Machtstellung von tätigkeit
Spezialisten • geringe oder keine Aufstiegs-
• Unerwartete Kündigungen oder chancen
Ausfälle • geringe Unterstützung bei der
• Mangel an Personal zur individuellen Weiterbildung
Übernahme von Projekt-
Management-Aufgaben
Kontrolltechniken des Projektverlaufes
Krisenmanagement
Typische Beispiele
• Änderung der Zielsetzung des • Unbekannte oder vom • Nicht vorhersehbare Reaktion
Projektes Auftraggeber verschwiegene • Personalausfälle
• Überlappungsprozesse Nebenwirkungen • absolut Unvorhersehbares
• Methodenartefakte
6.2
Auswertungsarbeiten
Datenerhebung Datenaufbereitung
Probleme bei der Interviewerhebung Hauptproblem bei der postalischen Probleme
• Schlechte Arbeitskonditionen, Befragung • Kodierfehler
fehlerhafte Adressenvorgaben, • Rücklaufquote • fehlerhafte Dateneingabe
schlecht aufgebaute Fragebö-
gen, Interviewer- bzw. Unter- Vorbeugende Maßnahmen Vorbeugende Maßnahmen
suchungsleitereffekte, Quoten- • Absender der Probanden auf dem • Doppelarbeiten
vorgaben, Bezahlung nach Couvert • Bezahlung nach Zeit und nicht
erfolgreich durchgeführten • Ausstellen von Code-Nummern nach «Stückzahl»
Interviews auf den Fragebögen • Verrechnung gefundener Fehler
• Rückcouvert mit Projektnummern • Plausibilitätskontrollen
Datenauswertung Datenschutz
Probleme
• Verwechslung von Variablennummern oder Codes • Beachtung des Bundesdaten-
• Selbstentwickelte Programme schutzgesetzes und der grund-
Vorbeugende Maßnahmen sätzlichen Gesetzlichen Richt-
• sorgfältige Arbeit linien zum Schutz der Privat-
• semantische Plausibilitätskontrolle sphäre
6.3
Berichtlegung
Zielgruppenanalyse Informationsverdichtung Mündliche Präsentation
Abstimmung der Berichtlegung mit Probleme • Beachtung unterschiedlicher
den Adressaten unter Beachtung • Absichtliche Manipulation Präsentationsmöglichkeiten von
von: • Psychologische Prozesse, z.B. Evaluationsergebnissen
• Sprachstil der Adressatengruppen Selektive Aufmerksamkeit, Halo- • Unterstützung der Präsentation
• Verwertungs- bzw. Effekt, Dissonanzeffekte durch Medien bzw.
Entscheidungszusammenhang Moderationstechniken
• unsachliche – emotionale • Vorteil advokatorischer
Komponenten des Auftraggebers Darstellung