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Frühe Kindheit

SoSe 2021
Dr. Julia Schindler
(betreut von PD Dr. Sandra Schmiedeler)
Gruppe 01 (VL)
Fragestellungen der Sitzung

Fragestellungen der Sitzung


Welche physischen und psychischen Entwicklungen finden vor der Geburt statt?
Welche Einflüsse kann die Umwelt auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes nehmen?

Welche Untersuchungsmethoden werden im Säuglingsalter angewendet?

Wie entwickelt sich die Wahrnehmung (Fühlen, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken) in den ersten beiden
Lebensjahren?
Wie verläuft die motorische Entwicklung in den ersten beiden Lebensjahren?
Wie verläuft die emotionale und soziale Entwicklung in den ersten beiden Lebensjahren?
Wie entsteht Bindung?
Welche Bindungsstile gibt es und welche Auswirkungen können sie auf die weitere Entwicklung des Kindes haben?

2
Pränatale Entwicklung und Teratogene
Pränatale Entwicklung

Entwicklung vor der Geburt

• durch biologische Reifeprozesse gekennzeichnet


• aber: Interak8on von Anlage und Umwelt

3.-8. SSW 22.-24. SSW 37. SSW 40 Wochen


ab der 9. SSW

Embryo Fötus
https://www.deutsche-apotheker-
überlebensfähig keine Spätgeburt zeitung.de/news/artikel/2017/10/26/wann-zahlt-einer-
schwangere-in-der-apotheke
bei Frühgegurt Frühgeburt ab der 42.
mehr SSW

1. & 2. SSW ab der 8. SSW ab der 12. SSW ab der 20. SSW ab der 28. SSW ab der 30. SSW 40. SSW
Keimzelle erste erste erste Wachheit und Lungen reifen Geburt (ca 50cm und
ab der 3. SSW unkoordinierte koordinierte ReakBonen Inaktivität, aus, Bilden 3300g)
Entstehung Bewegungen Bewegungen, auf Geräusche zunehmende einer
Nervensys- und einfache Geschlecht und Lichtreize Reaktionsbe- Fettschicht,
tem, innere Reaktionen erkennbar (erste reitschaft und Antikörper aus
Organe und auf Berührun- Bewegungen erste Reflexe Blut der
Extremitäten gen von außen Mutter
Herzschlag ab spührbar) 4
der 5. SSW
Pränatale Entwicklung Stress

Teratogene

• potenziell schädigende Umwelteinflüsse auf die pränatale Entwicklung


• Abhängig von Art des Einflusses, Dosis und Zeitpunkt
Zigaretten Ernährung

Umwelt- Alkohol
giDe

Medikamente Ionisierende Strahlung


Drogen 5
Krankheiten der MuGer
Pränatale Entwicklung

Frühgeburten als Entwicklungsrisiko


• Geburt vor der 37. SSW verbunden mit unzureichender körperlicher
Entwicklung (Gewicht unter 2500g)
• Überlebenschance zwischen 22. und 24. SSW <60%
• ab 26. SSW ca. 80%

Probleme: Elsner & Pauen (2018, S.167)


• noch nicht auf Leben außerhalb des Mutterleibs vorbereitet
• Reifungsprozesse in unnatürlicher Umgebung
• Stimuli und gewohnte Reize des Mutterleibs fehlen (z.B. Atmengeräusche, Dunkelheit, Stimme, Herzzschlag,
Bewegungen) à Versuche, diese zu simulieren (z.B. durch Känguru-Pflege)
• Stimuli neuer Umgebung bei gleichzeitigem Fehlen von Schutzmechanismen
• oft intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich (Brutkasten, Medikamente, künstliche Beatmung, künstliche
Ernährung) à Nebenwirkungen, z.B. Überversorgung durch Sauerstoff, Über- oder Fehlstimulierung
• Eltern-Kind-Beziehung belastet durch Sorge, Unsicherheit im Umgang mit dem Kind, fehlenden Körperkontakt, psychische
Belastung
• Erhöhtes Risiko für spätere Probleme der motorischen Koordination, Erregungskontrolle, Informationsverarbeitung,
Aufmerksamkeit à großes Interesse an Erforschung von Riskio- und Schutzfaktoren
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Pränatale Entwicklung

Pränatales Lernen
• Säuglinge erinnern sich an Erfahrungen aus dem Mutterleib
teilweise auch noch mehrere Monate nach der Geburt
• 2-3 Tage alte Neugeborene erinnern sich an Klang einer
gereimten Geschichte, die die Mutter im 8. und 9.
Schwangerschaftsmonat zweimal täglich laut vorgelesen hat
(De Casper & Spence, 1986)
è Lernfähigkeit und Gedächtnis sind schon so weit entwickelt, h<ps://de.dreams>me.com/stockfoto-schlie%C3%9Fen-sie-oben-vom-
dass Erfahrungen noch nach Geburt erinnert werden können babybauch-mit-kopH%C3%B6rern-image81398228

(allerdings unbewusst und nur mit externer Gedächtnisstütze)

Unterscheidung zwischen Bekanntem und Unbekanntem


• Präsentation z.B. eines Tons auf Bauch der Mutter à
Orientierungsreaktion
• nach einigen Durchgängen Habituation
• wird neuartiger Reiz präsentiert à erneute
Orientierungsreaktion (=Dishabituierung) 7
è Lernen und kurzfristiges Wiedererkennen (schon ab 32. SSW) Elsner & Pauen (2018, S.172)
Haben Sie noch Fragen?
Forschungsmethoden für die Untersuchung von Säuglingen
Forschungsmethoden

HabituaNon/ DishabituaNon

• Präsentation eine neuen Stimulus/ wahrnehmbaren Reizes


à Orientierungsreaktion
• nach einigen Durchgängen Habituation
• wird neuartiger Reiz präsentiert à erneute Orientierungsreaktion

Saugpräferenz (sucking procedure)

• Registrieren der Saugfrequenz (Anzahl von Phasen, in denen


Saugdruck auf Schnuller aufgebaut und locker gelassen wurde) à
höhere Saugfrequenz = höheres Level an Erregung/ Aufmerksamkeit
• Bsp.: Kind kann steuern, welcher von zwei Reizen dargeboten
wird
• Saugrate wird so reguliert, dass bevorzugter Stimulus erscheint
Siegler et al. (2016, S.50)

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Forschungsmethoden

Head turn preference


• Kind schaut länger in Richtung
• interessanter, neuer Stimuli inmitten bekannter
• bekannter inmitten unbekannter Stimuli
• Ablenkstimulus, um Aufmerksamkeit des Kindes zu
erregen, dann Präsentation eines visuellen/ auditiven
Stimulus
• Blickzeit = als Maß der Aufmerksamkeitsdauer
• Verschiedene Abwandlungen des Paradigmas möglich h<ps://www.researchgate.net/publica>on/235628752_Prosody_cues_word_order_in_7-month-old_bilingual_infants/figures?lo=1
http://web.uvic.ca/~lalonde/psyc243/notes/lecture02.html

Paired visual preference

• Präsentation von zwei visuellen Stimuli


• Blickzeit wird als Maß der Aufmerksamkeitsdauer
erfasst
• Kinder blicken länger auf bevorzugte Stimuli
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Forschungsmethoden

ErwartungsenUäuschungsparadigma

• Erwartung wird durch Habituation aufgebaut


• Erwartung wird enttäuscht (d) vs. nicht enttäuscht (c)
à wurde Erwartung des Kindes tatsächlich enttäuscht?
• Messen von Blickzeiten

• Z.B. Untersuchungen zur Objektpermanenz, wenn Kinder noch


zu jung sind, um nach Objekten zu greifen

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(Siegler et al., 2016, S.186)
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Entwicklung der Wahrnehmung
Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Fühlen

Somatosensorik (Fühlen)
• Somatosensorisches System ab der 8. SSW
funkNonsfähig

• Über Rezeptoren in der Haut nehmen Neugeborene


bereits Druck, Temperatur und VibraNon wahr
(Exterozep8on)
• Ermöglicht Explorieren von Objekten mit Händen
und Mund
• Sowie Bewegungskontrolle

• Belegt durch Reflexe, die oD durch Druck, Berührung


ausgelöst https://www.familien-gesundheit.de/studie-babys-hilft-streicheln-bei-schmerzen/

• Beruhigung durch Berührung, Unterscheidung der


Berührungsqualität (angenehm, unangenehm,
schmerzhaD) 15
Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Schmecken

Geschmackssinn
• Durch Rezeptoren in Mund und
Nase vermiGelt
• bereits beim Fötus à trinken mehr
Fruchtwasser, wenn es gesüßt
wurde
• Dient möglicherweise Einstellung h<ps://www.umamiinfo.com/what/wha>sumami/
auf kulturelle Nahrungspräferenzen
• Neugeborene zeigen mimische ReakNonen auf sauer (zusammengezogener Mund), biGer (geöffneter Mund
und Zunge raus), süß (entspanntes Gesicht)
• Neugeborene bevorzugen süß, mit 4 Monaten hingegen eher salzig

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Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Riechen

Riechen
• positive mimische Reaktionen auf Gerüche ”guter”
Nahrungsmittel (z.B. Banane, Vanille, Schokolade)

• Erkennen von Personen, die das Überleben sichern


• bereits 4 Tage alte Babys bevorzugen Geruch der
Brust der Mutter gegenüber anderer stillender
Frau

• Neugeborene bevorzugen Geruch des eigenen


Fruchtwassers gegenüber fremdem (à Geschmacks- https://www.baby-und-familie.de/Stillen/Stillen-klappt-nicht--was-tun-495513.html

und Geruchssinn bereits vor der Geburt gekoppelt)

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Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Hören

Hören
• Föten können bereits ab der 20. SSW Geräusche
wahrnehmen

• Neugeborene sind leicht schwerhörig


• erkennen schon feine Unterschiede in Sprachlauten (in den
ersten Lebensmonaten sogar oD noch deutlich differenzierter
als Erwachsene)
• Neugeborene bevorzugen
• komplexe Laute (z.B. S8mmen) gegenüber
einfachen Tönen
• Ammensprache gegenüber normaler Sprache
• SNmme der MuUer gegenüber S8mme von
anderen Frauen
• MuUersprache gegenüber anderen Sprachen
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Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Visuelle Wahrnehmung


Sehen
• Ab der 20. SSW reagiert Fötus auf Lichtreize
• Nach Geburt: visuelle Gehirnareale und Augen noch nicht voll ausgebildet, können
aber bei opbmalem Sehabstand bis ca. 25cm scharf sehen
• ab 8 Monaten Sehschärfe wie Erwachsene h<ps://i.pinimg.com/originals/23/d9
/79/23d979ddd6fe654462232c1db8
a9b514.jpg

Wie findet
man das
heraus?

à Blickpräferenzuntersuchungen: Wie schmal dürfen die Streifen sein, dass das Kind sie der grauen Fläche gegenüber noch bevorzugt?

• Kinder bevorzugen
• komplexe Muster gegenüber homogenen Flächen
• Farben und s-w-Kontraste gegenüber grau
• vertikal symmetrische gegenüber horizontal symmetrischen Mustern
• sich bewegende gegenüber statischen Objekten 19
Siegler et al.
(2016, S.159)

Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Visuelle Wahrnehmung


Sehen
• ab 2-3 Monaten
• Farbwahrnehmung der von Erwachsenen schon recht ähnlich
• folgen Kinder sich bewegenden Objekten mit geschmeidigen Blickbewegeungen 1 Monat 2 Monate
• werden komplexe Formen detaillierter ‘abgetastet’
• Von Geburt an Bevorzugung von Gesichtern, entwickeln schnell die Fähigkeit zwischen Gesichtern zu
unterscheiden à 9 Monate: prototypische Vorstellung von menschlichen Gesichtern

• Muster- und Objektwahrnehmung:

Siegler et al.
(2016, S.162-164)

7 Monate 8 Monate 4 Monate 20


Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Visuelle Wahrnehmung

Tiefenwahrnehmung
• visual cliff-Experiment (Gibson & Walk, 1960)
• 6-8 Monate alte Babys bewegen sich auf der ‘sicheren’ Seite
und krabbeln nicht über den Abgrund
• Herzfrequenzmessungen für jüngere Kinder à ab 1,5 Monaten
erhöht, wenn sie über Abgrund gesetzt werden
https://revelpreview.pearson.com/epubs/pearson_feldman/OPS/xhtml/ch05_sec_12.xhtml

Looming Wahrnehmungskonstanz
• Objekt expandiert, was den
Eindruck des Näherkommens a) b)
erweckt
• schon 1 Monat alte Kinder
zeigen Abwehrreak8on

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Frühkindliche Entwicklung

Wahrnehmung – Intermodale Wahrnehmung

Intermodale Wahrnehmung
• Integra8on von Informa8on aus verschiedenen Sinneskanälen zu einem einheitlichen Wahrnehmungseindruck
• Bsp.: Neugeborene bekommen einen speziell geformten Schnuller; gleichzei8g Präsenta8on eines Bildes des
Schnullers sowie eines anders geformten Schnullers; Kinder schauen länger auf Schnuller, den sie im Mund
haben
è Integra8on hapi8scher und visueller Reize

h<ps://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2015/07/sind-schnuller-schaedlich-welche-vorteile-und-
nachteile-haben-sie-und-welche-saugerform-und-welches-material-ist-das-beste.html

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Motorische Entwicklung
Frühkindliche Entwicklung

Motorische Entwicklung/ Reflexe

• Föten führen bereits koordinierte Bewegungen aus


• Unterstützung durch Fruchtwasser

Neugeborene
• müssen erst entsprechende Muskulatur auhauen
• kommen i.d.R. mit einer Reihe von angeborenen Reflexen auf
die Welt
à Basis für spätere Verhaltensweisen?
• Aber: einige verschwinden im Verlauf der ersten
Lebenswochen wieder à Reifung der Großhirnrinde und
Ablösung durch differenziertere, willentliche
Verhaltensweisen?

Siegler et al. (2016, S. 171)

25
Frühkindliche Entwicklung
Stimulation Reaktion Auftreten Funktion

Saugen Objekt im Mund Rhytmisches Saugen bis ca. 4 Wochen Nahrungsaufnahme

Blinzeln Licht in Augennähe Schnelles Schließen der permanent Schutz vor starker
Augen Reizung
Suchen Berühren der Wange Kopf drehen zur bis ca. 3 Wochen Nahrungsaufnahme;
berührten Seite, Öfnnen Kontakt
des Mundes
Greifen Berühren der Schließen der Hand bis 3-4 Monate Kontakt;
Handfläche Vorbereitung auf
Greifen
Moro- Andeutes des Arme ausstrecken und bis ca. 6 Monate Kontakt,
Umklammer Fallenlassens wieder an Körper führen Schutzsuche
ung
Schwimmen Baby mit Gesicht nach Schwimmbewegungen, Geburt bis 4-6 mglw. kurzzeitige
unten ins Wasser legen Anhalten des Atems Monate Überlebensfunktion
Schreiten Baby aufrecht halten, rhythmische bis ca. 2 Monate Vorbereitung des
Füße berühren den Gehbewegungen Gehens
Boden
Babinski Streicheln der Fußsohle Zehen fächern sich bei verschwindet gegen unbekannt
von der Zehe zur Ferse Krümmung des großen Ende des ersten
26
Zehs Jahres
Frühkindliche Entwicklung

Motorische Entwicklung/ Reflexe

• cephalocaudaler
Trend: Kontrolle
wird vom Kopf
abwärts über
Körperteile erlangt

Siegler et al. (2016, S. 172)

27
Frühkindliche Entwicklung

Motorische Entwicklung/ Reflexe

• cephalocaudaler
Trend: Kontrolle
wird vom Kopf
abwärts über
Körperteile erlangt

• gleichzeitig
proximodistaler
Trend: Kontrolle
zuerst über
Körperteile, die
näher am Zentrum
des Körpers liegen

Elsner & Pauen (2018, S. 177) 28


Haben Sie noch Fragen?
EmoNonale und Soziale Entwicklung
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung

Temperament
• “stabile individuelle Unterschiede in der Qualität und Intesität emotionaler
Reaktionen, in der emotionalen Selbstregulation sowie im Aktivierungsniveau
der Aufmerksamkeit.” (Elsner & Pauen, 2018, S.174)
à Fundament für spätere Persönlichkeit?
http://modules.ilabs.uw.edu/module/temperament/
• Temperamentstypen nach Chess & Thomas (1984)
• einfache Kinder (ca. 40%): Interesse und Zuwendung auf neue Reize, stabile biologische Rhytmen, positive
Grundstimmung, leicht zu beruhigen
• schwierige Kinder (ca. 10%): negative Reaktionen auf neue Reize, unregelmäßige Körperfunktionen, leicht
irritierbar, schwierig zu beruhigen
• nur langsam aktiv werdende Kinder (ca. 15%): wenig Aktivität, benötigen mehr Zeit, um sich neuen Reizen
zuzuwenden, Grundstimmung eher negativ

• relativ stabil (v.a. hinsichtlich Audruck und Ausleben von Emotionen), teilweise bis ins Jugendalter
• aber auch Umwelteinflüsse à Passung Anlage und Umwelt, Erziehungsmaßnahmen 31
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung

Sozialer Kontakt
• Entscheidend: Blickkontakt und feinfühliges Reagieren auf Signale des Kindes

• 6-8 Wochen soziales Lächeln


• Schon Neugeborene können imitieren (bis zum 3. oder 4. Monat),
• 3-4 Monate differenzierte Wahrnehmung von Blickrichtung, Gefühlen in Gesichtsausdrücken
und Stimme
• ab 4 Monaten Blickrichtung folgen
• ab 7-9 Monaten Zeigegeste folgen
• Unterscheiden fremder und bekannter Personen (ab 8. Monat Fremdeln)
• ab 9 Monaten “joint attention”: zwei Personen beziehen sich auf gleichen Gegenstand in der
Umwelt und sind sich dessen bewusst
• ab 1 Jahr Nachahmung von Lauten und Körperbewegungen
• soziales Referenzieren: Kind prüft mit Blick auf Erwachsenen, ob sein Verhalten akzeptiert wird
• emotionales Referenzieren: Suchen nach Gefühlsreaktion eines Erwachsenen, um Situation
https://br.freepik.com/fotos-premium/mae-olhar-
besser einschätzen zu können bebe-mentindo-berco_1525826.htm

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Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Gefühle und Selbstregulation


• bei stabilem Umfeld (auf Bedürfnisse des Kindes eingehen und gewisse Regelmäßigkeit) können Kinder schon im
1. Lebensjahr Strategien der emotionalen Selbstregulation lernen (z.B. Selbstberuhigen durch Lutschen am
Daumen/Schnuller oder Selbststimulation durch Lautieren bei Langeweile)

Ausdifferenzierung von Emotionen


• ab 4-8 Monate allgemeines Unwohlsein entwickelt
sich zu zielgerichteter Frustration
• ab 6-9 Monate allgemeine Furchtreaktion wird zu
komplexerer Angstreaktion, der eine Bewertung
der Situation vorausgeht
• ab 6-9 Monate Empfinden von Verlust/Traurigkeit

https://www.familie.de/baby/wenn-babys-trotzig-sind/
33
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Bindung
• mit 9 Monaten haben Kinder besondere Beziehung zur Bezugsperson aufgebaut und zeigen Bindungsverhalten
• evolutionärer Nutzen: Schutz vor Gefahr und Verlorengehen

Bindungsverhalten

Bezugsperson Reaktion Kind


intuitives Elternverhalten Bindungssignale (z.B. tiefes
(spontan) und angeborenes Vertrauen) und
Fürsogeverhalten (in Bindungsverhalten (z.B.
Reaktion auf Verhalten des Erwartung; Weinen, Lächeln,
Kindes) Signale Hinterherkrabbeln)

• in unsicheren Situationen à Bindungsverhalten (Nähe zur Bezugsperson), wenig Erkundungsverhalten


• in sicheren Situationen à Erkundungsverhalten 34
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Fremde-SituaQon-Test (Ainsworth, 1973)


• Zur Einschätzung der Bindungsqualität bei 12-24 Monate alten
Kindern
• BindungssNle sind relaNv stabil
• inneres Arbeitsmodell der Bindung basierend auf früheren
Erfahrungen à Erwartungen darüber, ob Bezugsperson in kri8scher
Situa8on verfügbar ist und unterstützt

• Das Arbeitsmodell beeinflusst:


• Wahrnehmung Anderer (Urvertrauen vs. Urmisstrauen)
• Selbstwahrnehmung
• Selbstwertgefühl (Bin ich liebenswert?)
• Sozialverhalten

Elsner & Pauen (2018, S. 185)


35
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Fremde-Situation-Test (Ainsworth, 1973)

Elsner & Pauen (2018, S. 185)


36
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Sicherer Bindungsstil
• ca. 53% (Siegler et al., 2016, S.403)
• Bezugspersonen reagieren verlässlich,
offen und freundlich Erkundungsverhalten
• Effektive soziale Emotionsregulation durch
(psychische) Nähe zur Bindungsperson
Bindungsverhalten

Kontakt und Beruhigung


Bindungsverhalten

Kontakt und Beruhigung


Elsner & Pauen (2018, S. 185)
37
Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Unsicher-vermeidender Bindungsstil
• ca. 24% (Siegler et al., 2016, S.403)
• Bezugspersonen reagieren wenig
sensitiv (zu stark oder zu schwach)
Wenig Exploration
• missbilligen starke
Emotionsausbrüche, erwarten
Emotionsregulation des Kindes
• Ausdruckskontrolle, aber Ruhig, wenig Kummer;
ggf. Trost durch FP
ineffektive individuelle
Emotionsregulation Keine Begrüßung, evtl. abwenden
(à Stressreaktionen)
Ruhig, wenig Kummer

Keine Begrüßung, evtl. abwenden


Elsner & Pauen (2018, S. 185)
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Frühkindliche Entwicklung

Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung)

Unsicher-ambivalenter Bindungsstil
• ca. 18% (Siegler et al., 2016, S.403)
• Bezugspersonen reagieren nicht Wenig Explorabon
vorhersehbar
Wenig Exploration
• Kind zeigt übertriebenes
Bindungsverhalten, das Reaktion
der Bezugsperson provozieren soll
• ineffektive soziale Bindungsverhalten
Emotionsregulation (à keine
Beruhigung durch Bezugsperson Widerstand; keine Beruhigung
möglich)
Bindungsverhalten

Widerstand; keine Beruhigung


Elsner & Pauen (2018, S. 185)
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Frühkindliche Entwicklung

EmoNonale und Soziale Entwicklung (Tempereament, SelbstregulaNon, Bindung)

Desorganisierter Bindungsstil
• ca. 5%
• oft schwerwiegende familiäre Probleme wie
psychische Probleme, Kindesmisshandlung
oder Vernachlässigung
• Keine konsistente (teilweise sogar
wiedersprüchliche)
Stressbewältigungsstrategie; erscheinen oft
benommen oder desorientiert
• Kinder sind besonders gefährdet Bizarres Verhalten;
Verhaltensprobleme zu entwickeln Konflikt: Annäherung -
• Auch biologische/genetische Faktoren Angst
können eine Rolle spielen
Bizarres Verhalten; Konflikt:
Annäherung - Angst
40
Elsner & Pauen (2018, S. 185)
Frühkindliche Entwicklung Vor
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Emotionale und Soziale Entwicklung (Tempereament, Selbstregulation, Bindung) iver ie :
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Bindungsqualität
• Kinder tragen zu Bindung bei
• einfaches Temperament: Babys reagieren besser auf Kontaktsuche der Eltern als schwierige Babys und
nutzen Beruhigungshilfen zur Erregungsregula8on
• hängt u.a. ab von der Passung zwischen Arbeitsmodell der Eltern und Kinder
• familiäre Umstände, die die Einfühlsamkeit der Eltern beeinflussen können, haben u.U. Einfluss auf die
Bindungsqualität (z.B. Depression der Bezugsperson)
• Kinder können unterschiedliche Bindungsqualität und –verhalten für unterschiedliche Personen zeigen

Bindung und Persönlichkeit


• Einfluss des Bindungss8ls auf Persönlichkeit v.a. in regulatorischen Persönlichkeitsvariablen sichtbar (z.B.
Neuro8zismus)
• Bindungsverhalten kann auch im weiteren Lebensverlauf noch posiNv oder negaNv beeinflusst werden
• Auswirkung auch auf spätere Autonomieentwicklung (z.B. Ausdauer beim Lösen von Problemen), Freundschags- und
Liebesbeziehungen
Bindung = Vulnerabilität oder Schutzfaktor 41
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Literatur

Literatur

Ainsworth, M. D. S. (1973). The development of infant-mother aaachment. In B. M. Caldwell, & H. N. RicciuB (Hrsg.), Review of child development research (Bd. 3, S. 1–94). Chicago,
IL: University of Chicago Press.

Chess, S., & Thomas, A. (1984). Origins and evolu7on of behavior disorders from infancy to early adult life. New York: Brunner/Mazel.

DeCasper, A. J., & Spence, M. J. (1986). Prenatal maternal speech influences newborns’ percepBon of speech sounds. Infant Behavior and Development, 9, 133–150.

Elsner, B. & Pauen, S. (2018). Vorgeburtliche Entwicklung und früheste Kindheit (0-2 Jahre) . In Schneider, W. & Lindenberger, U. (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S. 163-189).
Weinheim: Beltz.*

Gibson, E. J., & Walk, R. D. (1960). The “visual cliff”. Scien7fic American, 202, 64–71.

Siegler, R., Eisenberg, N., DeLoache, J. & Saffran, J. (2016). Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter. München: Elsevier.

Zimmermann, P. (2007). Bindungsentwicklung im Lebenslauf. In M. Hasselhorn & W. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Entwicklungspsychologie (S. 326-335). Göqngen: Hogrefe.

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