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"Antike Motive in" Sonetten zum Orpheus " von R. M.

Rilke"
Mythologie hat immer eine wichtige Rolle in der Fiktion gespielt. Laut YM
Lotman, Z. G. Mints und EM Meletinsky wurde der Mythos in verschiedenen
Epochen nicht nur verwendet, um die Fabula zu bauen, Allegorien und universelle
Verallgemeinerungen zu formulieren, sondern auch die Mythologie für die
unabhängige künstlerische Mythologisierung usw. Jahrhundert unter dem Einfluss
von R. Wagner und F. Nietzsche entsteht der "Neomyphologismus" als eine neue
Vision der Mythologie in der Zeit der Moderne. Für den Neomyphologismus ist
die Kombination von verschiedenen und multidirektionalen Traditionen
charakteristisch. Hier, schreiben die Autoren, werden aktiv Bilder und Geschichten
aus Mythen verwendet, und es werden auch eigene Variationen dieses oder jenen
Mythos (Bild) geschaffen. Mit Hilfe der Mythologisierung, so die Wissenschaftler
weiter, zeigen die Künstler nicht nur ewige Themen wie Liebe, Freundschaft, Tod
usw., sondern lenken den Leser auch auf den Unterschied zwischen der
Vergangenheit und der modernen Welt hin, betonen die Lücke des Zeitrahmens.
Der modernistischen Periode gehört auch das Werk von R. M. Rilke, insbesondere
seine «Sonette zum Orpheus» (1923), in denen die mythologische Schicht auftritt.
Wir werden analysieren, welche Rolle die mythologische Handlung und die Bilder
in diesem Werk spielen.
Im ersten Sonett des ersten Teils lernt der Leser sofort den lyrischen Helden
Orpheus kennen. Die eigentlichen Sonette gewidmet sind. In den folgenden Zeilen
sehen wir eine vollständige Übereinstimmung der Beschreibung des lyrischen
Helden bei Rilke mit der Biographie von Orpheus in dem Buch von N. A. Kuhn "
Legenden und Mythen des antiken Griechenlands»:
O Orpheus singt! <…>
Tiere aus Stille drangen aus dem klaren
gelösten Wald von Lager und Genist;
und da ergab sich, daß sie nicht aus List
und nicht aus Angst in sich so leise waren,
sondern aus Hören. Brüllen, Schrei, Geröhr
schien klein in ihren Herzen. <…>
da schufst du ihnen Tempel im Gehör
« da schufst du ihnen Tempel im Gehör », schreibt Rilke, nach dem Orpheus
ein fast gottesfürchtiges Wesen ist (s.: «Der Tempel <...> des Hörens»), das alle
nicht nur erstaunt, sondern auch mit seinem Spiel veredelt. Selbst wilde Tiere
hören auf, «Brüllen» und «Schreien» zu machen. Das gleiche Bild findet der Leser
und «Legenden und Mythen des antiken Griechenlands“ in dem Buch von N. A.
Kuhn: „Die ganze Natur hörte einen wunderbaren Gesang. Eine solche Kraft klang
im Orpheus-Lied, so eroberte sie und zog zum Sänger, dass um ihn herum, wie
verzaubert, wilde Tiere standen, die die umliegenden Wälder und Berge verließen.
Die Vögel flogen, um den Sänger zu hören. Sogar die Bäume bewegten sich von
ihrem Platz und umzingelten Orpheus.“
Und fast ein Mädchen wars und ging hervor
aus diesem einigen Glück von Sang und Leier
Im 2. Sonett geht es um ein Lied, das alle begeisterte. Wir können auch hier
eine biografische Reminiszenz sehen, nämlich in der Gestalt von Oakama-Knoop –
auch eine Tänzerin, wie in der griechischen Melika, wo das Wort (Gesang), Musik
(Lyra) und Tanz (Mädchen) in der Synthese waren. Immerhin ist die griechische
Melika das gleiche Wort unter der Begleitung der Lira. Zum Beispiel schuf
Anacreont in seiner Melika das Bild eines wandernden Dichters, der sang,
Lebensfreude und sorglose Liebe. Was auch mit dem Bild von Orpheus selbst
korreliert werden kann.
Aufmerksamkeit sollte auch dem fünften Sonett des Zyklus «Sonette zum
Orpheus» von R. M. Rilke geschenkt werden.
Errichtet keinen Denkstein. Laßt die Rose
nur jedes Jahr zu seinen Gunsten blühn.
Denn Orpheus ists. Seine Metamorphose
in dem und dem. Wir sollen uns nicht mühn
um andre Namen. Ein für alle Male
ists Orpheus, wenn es singt. Er kommt und geht.
Ists nicht schon viel, wem, er die Rosenschale
um ein paar Tage manchmal übersteht?
O wie er schwinden muß, daß ihrs begrifft!
Und wenn ihm selbst auch bangte, daß er schwände.
Indem sein Wort das Hiersein übertrifft,
ist er schon dort, wohin ihrs nicht begleitet.
Der Leier Gitter zwängt ihm nicht die Hände.
Und er gehorcht, indem er überschreitet.

In Griechenland und anderen Ländern ist die Rose mit der Beerdigung, dem
Tod verbunden und verwies oft auf die Idee der Auferstehung. Das heißt, so wird
Orpheus in neuen Formen wiedergeboren.
Orpheus-singt in verschiedenen Bildern, und egal, was er sein wird, das eine
oder andere Mal, die Hauptsache ist, dass er ist. Wir können ihn überall erkennen.
Orpheus ist überall, es gibt keine Barrieren für ihn, weil er eine Metapher für
die Kunst ist. Das ist es und ewig (ars longa, vita brevis), es gibt keine
Hindernisse.
R. M. Rilke im 11. Sonett behauptet, dass alles eins ist, das eine kann nicht
ohne das andere existieren. Die Einheit kann in der Kunst als Ganzes gesehen
werden, denn Orpheus ist die Metapher der Kunst.
Ist nicht so, gejagt und dann gebändigt,
diese sehnige Natur des Seins?
Weg und Wendung. Doch ein Druck verständigt.
Neue Weite. Und die zwei sind eins. <...>
Doch uns freue eine Weile nun,
der Figur zu glauben. Das genügt.
Dieser Gedanke entwickelt sich im 13.Sonett, in dem der Autor Beispiele für
die sogenannte «Zweiheit»nennt. Die Früchte der Bäume sind eine Vorfreude.
Etwas Neues auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln, die Welt zu kennen und
sich damit zu vereinigen. Früchte sind in diesem Fall nicht nur eine süße und
frische Quelle des Lebens, sondern auch gleichzeitig ein Bild des Todes, denn
während eine Person durch die Frucht gestärkt wird, sterben (Tod). Das ist die
Kahlheit von allem auf der Welt.
Voller Apfel, Birne und Banane,
Stachelbeere... Alles dieses spricht
Tod und Leben in den Mund... Ich ahne...
Lest es einem Kind vom Angesicht,
wenn es sie erschmeckt. <…>
Wo sonst Worte waren, fließen Funde,
aus dem Fruchtfleisch überrascht befreit.
Wagt zu sagen, was ihr Apfel nennt.
Diese Süße, die sich erst verdichtet,
um, im Schmecken leise aufgerichtet,
klar zu werden, wach und transparent,
doppeldeutig, sonnig, erdig, hiesig —:
O Erfahrung, Fühlung, Freude —, riesig!
Es ist notwendig, auf das 21.und 9. Sonett zu achten. Im ersten Fall verstehen
wir, dass die Erde auch lehrt, denn in ihren Wurzeln liegen die weisen Ältesten.
Und um zu erkennen, muß der Mensch die Sprache der Erde lernen. (blau-Himmel,
Meer; grün-Gras, Erde, Frühling):
Nun, wie du Grüne, das Blaue heiße,
dürfen wir fragen: sie kanns, sie kanns!
<…>O, was der Lehrer sie lehrte, das Viele,
und was gedruckt steht in Wurzeln und langen
schwierigen Stämmen: sie singts, sie singts!
In der zweiten gibt es nicht nur einen wichtigen Moment im Leben von
Orpheus, als der Abstieg des Sängers in Hades für seine Frau Eurydike, sondern
auch eine Verbindung mit der Erkenntnis:
Nur wer die Leier schon hob
auch unter Schatten,
darf das unendliche Lob
ahnend erstatten. <…>
<…>Erst in dem Doppelbereich
werden die Stimmen
ewig und mild.
Nur wenn Sie beide Welten kennen (das Königreich Hades und die irdische
Welt), können Sie das Leben kennen und über das Ewige sprechen. Der Vermittler
zwischen diesen Welten ist Orpheus, dem als Dichter und Musiker eine solche
Erkenntnis zur Verfügung steht. Wenn er in Hades absteigt, fällt er zu den
Ursprüngen des Lebens, schreibt N. S. Litvinets. Nur Orpheus hat die Fähigkeit,
das Unendliche Zeitlose in den Dingen zu sehen. Nachdem er die Welt des Todes
verlassen hat, beginnt er auf andere Weise, die Welt der Erde, ihre Schönheit, ihre
wahren menschlichen Werte zu sehen.
Dies ist eine Metapher – Kunst hilft, die wichtige Bedeutung aller Dinge zu
vermitteln, dringt sie in das wahre Wesen der Dinge ein und öffnet sie den
Menschen. "Eine solche Kunst verkörpert Orpheus mit seiner ewig klingenden
Leier". Die Aufgabe der Kunst Orpheus, nach N. S. Litvinets, ist es, die Straßen
der menschlichen Gefühle zu entwirren. Bei Rilke, so der Forscher, ist die
Vorstellung von Kunst ethischer Natur, an die Person gerichtet, an die er besondere
Anforderungen stellt.
Rilke vergleicht in seinen Sonetten auch die Antike mit der modernen.
Die Bestätigung dafür ist im 19. Sonett zu sehen, in dem es darum geht, dass
Gott trotz des Wandels der Jahrhunderte lebt und seine Früchte sät. Eine Person
kann immer noch den Orpheus-Gesang, den Wind, das Geräusch des Regens und
andere Formen hören. Denn Kunst ist unendlich.
Über dem Wandel und Gang,
weiter und freier,
währt noch dein Vor-Gesang,
Gott mit der Leier. <…>
Einzig das Lied überm land
heiligt und feiert.
Einen ähnlichen Vergleich können wir auch im 24-ten Sonett des Zyklus
beobachten, in dem die Unterschiede zwischen Jahrhunderten, der Antike und der
modernen Welt gezeigt werden. Das Leben wird schneller, Wagen ersetzt durch
schnelle Autos, Bäder-Bäder und so weiter.
Sollen wir unsere uralte Freundschaft,
die großen
niemals werbenden Götter, weil sie der
harte
Stahl<…>
Unsere Gastmähler haben wir weit –,
unsere Bäder,
fortgerückt, und ihre uns lang schon zu
langsamen Boten
überholen wir immer, <…>
führen wir nicht mehr die Pfade als
schöne Mäander,
sondern als Grade. Nur noch in
Dampfkesseln brennen
die einstigen Feuer und heben die
Hämmer, die immer
größern. Wir aber nehmen an Kraft ab,
wie Schwimmer.
Wir sind alle irgendwo in Eile, unser Weg aus der Unendlichkeit verwandelt
sich in Kürze in eine gerade Linie. Hier widersetzt sich Rilke der antiken Welt der
modernen und beharrt auf der Vorherrschaft der Antike (Symbol – Mäander). Das
griechische Mäandermuster hat eine tiefe magische Bedeutung. Wie der Fluss
endlos fließt, und die Kurven der Musterlinien werden kontinuierlich wiederholt
und sind ein Abbild des menschlichen Lebens. Mäander ist ein Symbol der
Ewigkeit. Seine geraden Linien, die sich ständig biegen, sind ein Symbol der
Tugend, das heißt, das richtige Leben. Ein solcher Weg sei der einzig richtige,
meint Rilke, statt ein einfaches Leben in einer geraden Linie.
Durch den Vergleich der harmonischen Welt der Antike (Kultur) und der
Moderne (Zivilisation) erinnert uns Rilke daran, dass die Kunst lebendig ist,
solange wir sie erinnern und ergänzen, dass auch die «Maschine» sie niemals
ersetzen kann.
Im Zyklus von R. M. Rilke "Sonette zum Orpheus" sind die antiken Motive
ausgeprägt: die Lebensbeschreibung des Orpheus, der Sänger und seine unendliche
Lira – die Metapher der Kunst, der Vergleich der antiken und modernen Welten.

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