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Handbuch
Dieselmotoren
2., korrigierte und neu bearbeitete Auflage
i Springer
Bandherausgeber:
Professor Dr.-Ing.Klaus Mollenhauer
Orber Straße 25
14193 Berlin
Handbuch Dieselmotoren I Hrsg.: Klaus Mollenhauer. - 2. korrigierte und neu bearb. Auf!.
(vDI-Buch)
ISBN 978-3-663-07710-8 ISBN 978-3-662-07709-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-07709-2
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der
Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk-
sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in
Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ver-
vielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der
gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9· Sep-
tember 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zu-
widerhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
http://www.springer.de
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
Ursprünglich erschienen bei Springet-Verlag Betlin Heidelbetg New York 2002
Softcoverreprint of the hardcovet znd edition 2002
1 Das Zitat entstammt einem Brief Diesels vom 3. Juli 1895 an seine Frau, nachdem zuvor am
26. Juni erstmals ein Nutzwirkungsgrad von über 16% ermittelt worden war [E. Diesel: Diesel,
der Mensch, das Werk, das Schicksal. Stuttgart: Reclam 1953, a. a. 0., S. 194/ 195].
VI Vorwort zur 1. Auflage
100 Jahren 2, dazu beizutragen, die Idee Rudolf Diesels vom "rationellen Wär-
memotor" zu verbreiten.
Dass der Dieselmotor bis heute die wirtschaftlichste Wärmekraftmaschin e ist
und sich zu dem heutigen Stand eines High-Tech-Produkte s entwickelte, ist der
Arbeit vieler Generationen von Werkern, Ingenieuren, Wissenschaftlern und
Professoren zu danken. Ich widme daher dieses Buch dem Andenken meiner
akademischen Lehrer an der Technischen Universität Berlin, meiner langjährigen
Wirkungsstätte, deren Namen mit der Entwicklung des Dieselmotors in beson-
derem Maße verbunden sind:
2 Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors zum Ersatz der Dampf-
maschinen und der heute bekannten Verbrennungsmotoren. Berlin: Springer-Verlag 1893.
Vorwort zur 2. Auflage
Die gute Aufnahme der 1. Auflage sowie die weitere Entwicklung der Dieselmo-
torentechnik - ganz im Sinne des Diesel-Zitats im Vorwort zur 1. Auflage -
bedingten eine 2. Auflage, um u. a. der sich bereits 1997 abzeichnenden Ablösung
der indirekten Einspritzung durch die Hochdruck-Direkteinspritzung mittels
des Common-Rail-Systems bei den Pkw-Dieselmotoren Rechnung zu tragen.
Inzwischen ist das Common-Rail-System bei Dieselmotoren aller Gattungen zu
finden. Dabei war die Dieselmotorenentwicklung auch weiterhin vorrangig da-
rauf ausgerichtet, die Abgasreinheit zu verbessern: Konnten bisher die Abgas-
Grenzwerte unter Einsatz von Abgasrückführung und Oxidations-Katalysatoren
weitgehend mit innermotorischen Maßnahmen erreicht werden, so lassen sich
die angekündigten Emissionsgrenzen oftmals nicht ohne eine aufwendige
Abgas-Nachbehandlung einhalten.
Angesichts dieser Entwicklungen wurden die Abschnitte über die dieseimo-
torische Gemischbildung und Verbrennung, über Einspritzsysteme und Verfah-
ren zur Abgasnachbehandlung gründlich überarbeitet und ergänzt. Neu ist ein
Abschnitt über Brenngase und Gasmotoren. Obwohl genau genommen nicht in
ein "Handbuch Dieselmotoren" gehörend, ist diese Erweiterung dadurch
gerechtfertigt, dass zum einen Gasmotoren nahezu ausschließlich an den Gas-
betrieb angepasste Dieselmotoren sind und zum anderen auch der Einsatz von
Wasserstoff in Dieselmotoren diskutiert wird. Selbstverständlich wurden auch
neue Entwicklungen in anderen Bereichen der Motortechnik berücksichtigt.
Die Neubearbeitung war nur möglich, weil die Autoren bereit waren, trotz
erheblicher beruflicher Belastung das Handbuch dem herrschenden Stand der
Dieselmotorentechnik anzupassen. Einige Autoren sind inzwischen in den
"Unruhestand" gewechselt und ließen es sich dennoch nicht nehmen, ihre Bei-
träge zur 1. Auflage zu überarbeiten. Ihnen allen schulde ich aufrichtigen Dank!
Ein besonderer Dank gilt den neu hinzugekommenen Autoren für ihre Be-
reitschaft, einzelne Abschnitte neu zu fassen. Schließlich habe ich auch den Mit-
arbeitern des Springer-Verlages für die fruchtbare Zusammenarbeit und die
gute Betreuung zu danken, insbesondere Herrn Thomas Lehnert in der Planung
und Frau Sigrid Cuneus im Lektorat des Verlages.
Auf dem an der Schwelle des neuen Jahrtausends erstmalig abgehaltenen
Weltingenieurtag "World Engineers Convention 2000" waren "Energie" und
"Mobilität" zentrale Themen angesichts des in den nächsten 20 Jahren erwar-
Vorwort zur 2. Auflage IX
teten Anstiegs der Weltbevölkerung auf 8 Milliarden und der begrenzten fossi-
len Ressourcen. Somit ist der ökologische Imperativ, d.h.
rationellste Nutzung aller Ressourcen bei geringster Umweltbelastung,
das Gebot der Stunde, wie nachdrücklich für alle Energieträger gefordert wur-
de.
Auf diese Weise ist die über 100 Jahre alten Idee RunoLF DIESELS vom "ratio-
nellen und rauchfreien Wärmemotor" auch in Zukunft von großer Aktualität,
was das ungebrochene Interesse an der z. Z. rationellsten Wärmekraftmaschine
- dem Dieselmotor - beweist und durch die in den letzten Jahren für Diesel-
motoren jeglicher Art gestiegenen Produktionszahlen belegt wird. Bei den Pkw-
Neuzulassungen wuchs der Anteil der Diesel-Pkw in den letzten fünfJahrenvon
rund 20% auf etwa 30o/o!
So hoffe und erwarte ich, dass das "Handbuch Dieselmotoren" auch in der
2. Auflage von vielen Lesern genutzt wird, sei es von Studenten zur Vertiefung
des Studiums, sei es von den in der Praxis Tätigen, um Informationen und Anre-
gung für ihre Arbeit zu gewinnen, oder einfach von all jenen, die sich für die
Technik des modernen Dieselmotors interessieren.
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI
Teil I
Der Arbeitsprozess des Dieselmotors
2.1 Ladungswechsel . . . . . . . . . . . 49
2.1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . 49
2.1.2 Viertaktverfahren . . . . . . . . 50
2.1.2.1 Steuerorgane . . . . . . . . . . . 50
2.1.2.2 Ventilhubkurven und Steuerzeiten . . . . . . . . . . . 51
2.1.2.3 Ventilquerschnitt und Durchflussbeiwert . . . . . . . 54
2.1.2.4 Einlassdrall . . . . . . . . . . . 56
2.1.2.5 Einfluss der Einlassleitung . . . . . . . . . . 57
2.1.3 Zweitaktverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.1.3.1 Besonderheiten des Zweitaktladungswechsels
gegenüber dem Viertaktladungswechsel . 58
2.1.3.2 Spülverfahren . . . . . . . . . . . . . . 59
2.1.3.3 Messung des Spülerfolgs, Spülmodelle 61
4 Kraftstoff-Einspritzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Teil II
Zur Konstruktion von Dieselmotoren
8 Motorkühlung . . . . . . . . . . . . . . . 426
Teil 111
Betrieb von Dieselmotoren
14 Abwärmeverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
Teil IV
Umweltbelastung durch Dieselmotoren
18 Fahrzeugdieselmotoren 807
Anhang
Farbbilder 989
Literaturverzeichnis 1009
Sachverzeichnis . . . . 1057
Inserentenverzeichnis 1068
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Aepler, Eberhard, Prof. Dr.-Ing. habil., Nedlitz b. Magdeburg (vorm. Technische Universität
Otto-von-Guericke Magdeburg): Abschn. 15.2
Anisits, Ferenc, Dr.-Ing., Haidershofen/ A (vorm. BMW Motorenges.m.b.H., Steyr/Österreich):
Abschn.18.1
Boehner, Wolfgang, Dr. rer. nat., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.2
Bonse, Bernhard, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Ab sehn. 4.2.3.2, 4.2.3.3 und 4.2.4
Bozung, Hanns-Günther, Dr.-Ing., Augsburg (vorm. MAN B&W Diesel AG, Augsburg): Ab-
sehn. 19.3
Egler, Walter, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 4.2.2
Esche, Dieter, Dipl.-Ing., Deutz AG, Köln: Abschn. 8.1 und 8.4
Fränkle, Gerhard, Dr. techn., Remshalden (vorm. DaimlerChrysler AG, Stuttgart): Kap. 16
Gairing, Max, Dip!.-Ing., Albmannsweiler (vorm. DaimlerChrysler AG, Stuttgart): Ab sehn. 3.2
und 10.1
Gerdes, ]ürgen, Dipl.-Ing., Wärtsilä NSD Switzerland Ltd., Winterthur/Schweiz: Abschn. 19.4
Göllnitz, Heinz, Dr. rer. nat., Ottobrunn (vorm. BERU Ruprecht GmbH & Co. KG, Ludwigs-
burg): Kap. 12
Herd in, Günther, Dr. techn., Jenbacher Energie, Jenbach/Österreich: Abschn. 3.5
Hirschbichler, Pranz, Dr. techn., MDE Dezentrale Energiesysteme GmbH, Augsburg: Abschn.
14.1 und 14.2
Hlousek, ]aroslav, Dipl.-Ing., Robert Bosch AG, Hallein/Österreich: Abschn. 4.2.3.5
Hummel, Karsten, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.1
Kampichler, Günter, Ing. (grad.), Hatz GmbH & Co. KG, Ruhstorf/Rott: Abschn. 19.1
Kochanowski, Hans-Alfred, Dr.-Ing., Hatz GmbH & Co. KG, Ruhstorf/Rott: Ab sehn. 17.6
Kollmann, Kar/, Dr.-Ing., Leonberg (vorm. DaimlerChrysler AG, Stuttgart): Abschn. 3.1
Krieger, Klaus, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 4.2.3.1
Lang, Otto R., Prof. Dr.-Ing., Neuenstadt a. Kocher (vorm. Mercedes-Benz AG, Stuttgart):
Abschn. 7.1 und 7.4
Lochbichler, Wolfram, Dip!.-Ing., MAN B&W Diesel AG, Augsburg: Ab sehn. 19.3
XXXII Autorenverzeichnis der 2. Auflage
Mollenhauer, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Berlin (vorm. Technische Universität Berlin): Abschn. 1.1
und 1.2
Müller Eckart, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Braunschweig: Abschn. 8.1 und 8.2
Neitz, Alfred, lng. (grad.), Wendelstein (vorm. MAN Nutzfahrzeuge AG, Nürnberg): Abschn.
18.3
Paehr, Georg, Dr.-Ing., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 8.1 und 8.2
Parr, Oswald, Dr.-Ing., Ludwigsburg (vorm. Mann & Hummel GmbH, Ludwigsburg): Abschn.
13.1
Pfister, Wolfgang, Dipl.-Ing., J. Eberspächer, Esslingen: Abschn. 13.2
Pucher, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin: Kap. 2
Röhrle, Manfred, Dr.-Ing., OstfiJ.dern (vorm. MAHLE GmbH, Stuttgart): Abschn. 7.6
Rottenkolber, Paul, Dipl.-Ing., Wolfsburg (vorm. Volkswagen AG, Wolfsburg): Abschn.18.2
Schmitt, Frank, Dr. rer. nat., Deutz AG, Köln: Abschn. 8.3
Schopf, Eckhart, Dr.-Ing., Federal Mogul Wiesbaden GmbH, Wiesbaden: Abschn. 7.5
Schreiner, Klaus, Prof. Dr.-Ing., FH Konstanz (vorm. MTU Friedrichshafen GmbH): Abschn.
1.3
Schulz, Gerhard, Dipl.-Ing., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn.19.2
Schuster, Hubert, Dipl.-Ing. (FH), Fellbach (vorm. DaimlerChrysler AG, Stuttgart): Abschn.
15.1
Seidemann, Heinz, Dipl.-Ing., Friedberg (vorm. MAN B&W Diesel AG,Augsburg): Abschn. 6.1
Siebert, Hans-foachim, Ing. (grad.), Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 4.1 und 4.3
Spessert, Bruno, Prof. Dr.-Ing., Fachhochschule Jena: Kap. 17
Steinle, Wolfgang, Dipl.-Ing., J. Eberspächer, Esslingen: Abschn. 13.2
Stühler, Waldemar, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin: Abschn. 7.2 und 7.3
Teetz, Christoph, Dr.-Ing., MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen: Abschn.18.4
Trebs, foachim, Dipl.-Ing., Friedrichshafen, (vorm. MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichs-
hafen): Kap. 9
Treutlein, Wolfgang, Dipl.-Ing., Detroit Diesel Corporation, Michigan/USA: Abschn. 10.2
Tschöke, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Abschn. 4.2.1,
4.2.3.4 und Koordination von Kap. 4 und 5
Vilser, Leonhard, Dr.-Ing., J. Eberspächer, Esslingen: Abschn. 13.2
Weigand, Andreas, Dipl.-Ing., Siemens VDO Automotive AG, Regensburg: Abschn. 7.2 und 7.3
Wilken, Harald, Prof. Dr.-Ing., Stuttgart (vorm. BEHR GmbH & Co., Stuttgart): Abschn. 14.3
Woschni, Gerhard, Prof. Dr.-Ing., München (vorm. Technische Universität München): Abschn.
6.2
Zacharias, Friedemann, Dr.-Ing., Weinheim (vorm. MWM Diesel- und Gastechnik GmbH,
Mannheim): Abschn. 14.3.5
Zelenka, Paul, Dr.-Ing., AVL List GmbH, Graz/Österreich: Abschn. 3.4
Zigan, Detlef, Dr.-Ing., Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel: Abschn. 3.3
Zima Stefan, Prof. Dr.-Ing., Fachhochschule Gießen-Friedberg: Kap. 11
Teil I
Der Arbeitsprozess des Dieselmotors
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1.1
Historie des Dieselmotors
Am 27. Februar 1892 meldet der Ingenieur RunoLF DIESEL beim Kaiserlichen
Patentamt zu Berlin ein Patent auf "Neue rationelle Wärmekraftmaschinen"
an, worauf ihm am 23. Februar 1893 das DRP 67207 über "Arbeitsverfah-
ren und Ausführungsart für Verbrennungskraftmaschinen", datiert auf den
28. Februar 1892, erteilt wird: Ein wichtiger, erster Schritt auf dem Weg zu
dem selbst gesetzten Ziel, das DIESEL seit seiner Studienzeit beschäftigt, wie
seiner Biographie zu entnehmen ist:
Geboren am 18. März 1858 in Paris als Sohn deutscher Eltern verschlägt es
ihn, noch ein Schuljunge, mit Ausbruch des Deutsch-französischen Krieges
1870/71 über London nach Augsburg, wo er bei Pflegeeltern aufwächst. Ohne
familiären und finanziellen Rückhalt ist der junge RunoLF DIESEL gezwungen,
sein Leben selbst zu organisieren und u. a. durch Nachhilfeunterricht zum
Unterhalt beizutragen. Stipendien ermöglichen ihm schließlich ein Studium am
Polytechnikum München, der späteren Technischen Hochschule, das er 1880 als
bester aller bis dahin Examinierten verlässt.
Dort, in den Vorlesungen von Professor LINDE über die "Theorie der Calori-
schen Maschinen", wird dem Studenten DIESEL klar, welche enorme Energie-
verschwendung die Dampfmaschine, die dominierende Wärmekraftmaschine
jener Zeit, betreibt, wenn man sie an dem von CARNOT 1824 formulierten Ideal-
prozess der Energiewandlung misst, s. Abschn. 1.2. Bei Wirkungsgraden von
ca. 3 o/o wird außerdem durch die lästige Rauchentwicklung damaliger Kessel-
feuerungen die Luft erheblich verschmutzt!
Erhaltene Kolleghefte bezeugen, dass sich schon der Student DIESEL Gedan-
ken über eine Realisierung des Carnot-Prozesses machte, möglichst durch un-
mittelbare Nutzung der in der Steinkohle enthaltenen Energie ohne Dampf als
Zwischenmedium. Auch während seiner Tätigkeit für Lindes Eismaschinen, die
ihn über Paris nach Berlin führt, verfolgt er ehrgeizig die Idee eines rationellen
Motors, von dessen Erfindung er sich wirtschaftliche Unabhängigkeit verbun-
den mit sozialem Aufstieg verspricht. Schließlich kommt es zur bereits erwähn-
ten Anmeldung und Erteilung des Patents [1-1] mit folgendem Anspruch 1:
"Arbeitsverfahren für Verbrennungskraftmaschinen, gekennzeichnet da-
durch, dass in einem Cylinder vom Arbeitskolben reine Luft oder anderes in-
4 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
differentes Gas (bzw. Dampf) mit reiner Luft so stark verdichtet wird, dass die
hierdurch entstandene Temperatur weit über der Entzündungstemperatur des
zu benutzenden Brennstoffes liegt (Curve 1-2 des Diagramms Fig. 2), worauf die
Brennstoffzufuhr vom toten Punkt ab so allmälig stattfindet, dass die Ver-
brennung wegen des ausschiebenden Kolbens und der dadurch bewirkten
Expansion der verdichteten Luft (bzw. des Gases) ohne wesentliche Druck- und
Temperaturerhöhung erfolgt (Curve 2-3 des Diagramms Fig. 2), worauf nach
Abschluss der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion der im Arbeitscylinder
befindlichen Gasmasse stattfindet (Curve 3-4 des Diagramms Fig. 2)".
Nach der Entspannung auf den Ausgangsdruck erfolgt längs der Isobaren 4-1
(Bild 1-1) die Wärmeabfuhr und somit das Schließen des Prozesses.
Ein 2. Anspruch erhebt Patentschutz auf eine mehrstufige Kompression und
Expansion, wozu DIESEL einen dreizylindrigen Compoundmotor vorschlägt,
Bild 1-2. In zwei, um 180° versetzt laufenden Hochdruckzylindern 2, 3 erfolgt die
adiabate Kompression sowie die Selbstzündung des im oberen Totpunkt über
den Trichter B so zugeführten Brennstoffs (DIESEL spricht zunächst von Kohlen-
staub), dass eine isotherme Verbrennung und Expansion erfolgt, die nach Brenn-
schluss in eine adiabate übergeht. Nach Überschieben des Verbrennungsgases in
den doppeltwirkenden, mittleren Zylinder 1 findet dort die Restexpansion auf
Umgebungsdruck und nach Bewegungsumkehr das Ausschieben statt, gleichzei-
tig mit der isothermen Vorverdichtung unter Wassereinspritzen bzw. dem vor-
hergegangenen Ansaugen der Frischladung für den parallel dazu ablaufenden
zweiten Arbeitsprozess, sodass pro Umdrehung ein Arbeitsspiel erfolgt.
DIESEL greift also zur Realisierung des Carnot-Prozesses auf das seit NIKO-
LAUS ÜTTO zum "Stand der Technik" gehörende Viertakt-Verfahren zurück. Er
glaubt, durch die isotherme Verbrennung bei maximal 800 oc die Temperatur-
belastung im Motor so gering halten zu können, dass er ohne Kühlung aus-
kommt. Diese Grenztemperatur bedingt Kompressionsdrücke von ca. 250 at,
womit sich DIESEL weit über den geltenden "Stand der Technik" erhebt: Das ver-
leiht dem "Seiteneinsteiger" DIESEL einerseits die notwendige Unbedarftheit
1.1 Historie des Dieselmotors 5
maschinen ist. Der Vertrag enthält Konzessionen Diesels an den Idealmotor: Der
Höchstdruck wird von 250 at auf 90 at, später auf 30 at gesenkt, die 3-zylindrige
Verbundmaschine auf einen Hochdruckzylinder reduziert sowie Kohlenstaub als
Kraftstoff verworfen. Dem für DIESEL lukrativen Vertrag treten mit Krupp und
bald danach Sulzer zwei weitere Firmen des Schwermaschinenbaus bei.
Im Frühsommer 1893 beginnt man in Augsburg mit dem Bau des ersten,
ungekühlten Versuchsmotors mit einem Hub von 400 mm bei 150 mm Bohrung.
Als Kraftstoff ist zwar Petroleum vorgesehen, doch wird am 10. August 1893 bei
geschlepptem Motor zunächst Benzin eingespritzt, in der irrigen Annahme, dass
es leichter zündet: Das Prinzip der Selbstzündung erfährt zwar seine Bestäti-
gung, wenn auch bei Drücken von über 80 bar der Indikator platzt!
Die weitere Entwicklung kann man anhand ausgewählter Indikatordia-
gramme verfolgen, Bild 1-3: Nach Umbau des 1. Motors, der später eine Wasser-
1. Versuchsreihe
10.8.1893
1. Zündung
2. Versuchsreihe
17.2.1894
1. Leerlauf
...:
4. Versuchsreihe
11.10.1894
1. "richtiges" Diagramm
5. Versuchsreihe
26.6.1895
1 . Bremsversuch
2
6. Versuchsreihe
17.2.1897
1 . Abnahmeversuch
Bild 1-3. Indikatordiagramme zur Entstehung des Dieselmotors nach [1-3]. Die vom Druck-
verlauf über dem Zylindervolumen eingeschlossene Fläche entspricht der inneren Arbeit des
Motors, s. Abschn. 1.2
1.1 Historie des Dieselmotors 7
kühlung erhält, zeigt sich, dass der Kraftstoff nicht direkt, sondern nur mit Hil-
fe von Druckluft eingespritzt, zerstäubt und verbrannt werden kann. Mit dem
1. Leerlauf des bisher geschleppten Motors wird der Motor am 17. Februar 1894
selbständig. Schließlich erfolgt am 26. Juni 1895 ein erster Bremsversuch: Mit
Petroleum als Kraftstoff und fremderzeugter Einblaseluft wird bei einem Ver-
brauch von 382 g!PSh ein indizierter Wirkungsgrad von 'li = 30,8% und ein
Nutzwirkungsgrad von 'le = 16,6% ermittelt.
Doch erst mit einer Neukonstruktion, dem mit einer einstufigen Luftpumpe
versehenen 3. Versuchsmotor [1-2], gelingt der Durchbruch: Am 17. Februar
1897 führt Professor MORITZ SCHRÖTER von der Technischen Hochschule
München Abnahmeversuche durch, deren Ergebnisse er gemeinsam mit DIESEL
und Buz am 16. Juni 1897 auf einer VDI-Hauptversammlung in Kassel vorstellt,
damit die erste Wärmekraftmaschine mit einem seinerzeit sensationellen Wir-
kungsgrad von 26,2% [1-5] präsentierend!
Dazu musste die im Grundpatent beanspruchte isotherme Wärmezufuhr auf-
gegeben werden: Spätestens beim Auftragen der theoretischen Indikatordia-
gramme (Bild 1-4), muss auch DIESEL klar geworden sein, dassangesichtsder
schmalen Diagrammfläche, die der indizierten Arbeit proportional ist, und der
infolge der hohen Drücke zu erwartenden Reibungsverluste der Motor keine
Nutzarbeit leisten würde. Bemüht, das Grundpatent nicht zu gefährden, stellt er
frühzeitig Überlegungen zur Verlängerung der "Admissionsperiode" an, womit
ein Anheben der Linie der isothermen Wärmezufuhr im p, V-Diagramm
gemeint ist, Bild 1-1. Eine zweite Patentanmeldung vom 29. November 1893
(DRP 82168) führt auch den Gleichdruckprozess auf, der wegen "nicht wesent-
licher Druckerhöhung" in Übereinstimmung mit dem Grundpatent gesehen
wird. Mit der Patenterteilung wird übersehen, dass entgegen dem Grundpatent
sowohl die Brennstoffmasse als auch die maximale Temperatur zunehmen!
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8 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
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Bild 1-5. Vorschläge DIESELS zum Verbrennungssystem. a Kolben mit Kolbenmulde (1892);
b Nebenbrennraum (1893 ); c Pumpe-Düse-Aggregat (1905 ), s. Abschn. 4.2
1.1 Historie des Dieselmotors 9
Entwicklungslinie
"leistungsstarker Großdieselmotor"
1897 Erster Lauf eines Dieselmotors mit einem Wirkungsgrad von 'le = 26,2% bei der
Maschinenfabrik Augsburg.
1898 Auslieferung des ersten Zweizylinder-Dieselmotors mit 2 x 30 PS bei 180 min- 1 an
die Vereinigten Zündholzfabriken AG in Kempten.
1899 Erster Zweitakt-Dieselmotor der MAN von HuGo GüLDNER (nicht marktfähig).
1899 Erster kreuzkopfloser Dieselmotor, Typ W, der Gasmotorenfabrik Deutz.
1901 Erster MAN-Tauchkolben-Dieselmotor von lMANUEL LAUSTER (Typ DM 70).
1903 Erster Einbau eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolben-Dieselmotors mit 25 PS in
ein Schiff (Kanalboot PETIT PIERRE) durch die Firma Dyckhoff, Bar le Duc.
1904 Erstes MAN-Dieselkraftwerkmit 4 x 400 PS geht in Kiew in Betrieb.
1905 ALFRED BücHI schlägt die Nutzung der Abgasenergie zur Aufladung vor.
1906 Erster umsteuerbarer Zweitaktmotor der Gehr. Sulzer, Winterthur, für den Schiffs-
antrieb mit 100 PS/Zyl. (s!D = 250/155) vorgestellt.
1912 Erstes seegehendes Schiff, MS SELANDIA, mit zwei umsteuerbaren Viertakt-Diesel-
motoren der Firma Burmeister & Wain mit je 1088 PS in Dienst gestellt.
1914 Erster Probelauf eines doppeltwirkenden Sechszylinder-Zweitaktmotors mit
2000 PS/Zyl. der MAN Nürnberg (s!D = 1050/850).
1951 Erster MAN-Viertakt-Dieselmotor (Typ 6KV30/45) mit Hochaufladung: 'le = 44,5%
bei wemax = 2,05 kJ/l,pzmax = 142 bar und PA= 3,1 W/mm2 •
1972 Bisher größter Zweitakt-Dieselmotor (s!D = 1800/1050,40000 PS) geht in Betrieb.
1982 Markteinführung von Superlongstroke-Zweitaktmotoren mit s!D = 3 (Sulzer, B &W).
1984 MAN B & Werzielt Verbrauch von 167,3 g/kWh (1Je = 50,4%).
1987 Größte dieselelektrische Antriebsanlage mit neun MAN-B & W-Viertakt-Dieselmo-
toren und einer Gesamtleistung von 95 600 kW zum Antrieb der "Queen Elizabeth 2"
wird in Dienst gestellt.
1991/92 Zweitakt- und Viertakt-Experimentiermotoren von Sulzer (RTX54 mit p zmax = 180 bar,
PA= 8,5 W/mm2 ) und MAN B &W (4T50MXmitpzmax = 180 bar, PA= 9,45 W/mm2 ).
1997 Sulzer12RTA96C (s/D = 2500/960: 2T-Dieselmotor, Pe = 65880 kW bei n = 100 min- 1
geht in Betrieb.
1998 Sulzer-Forschungsmotor RTX-3 zu Erprobung der Common-Rail-Technik bei 2T-
Großdieselmotoren.
2000/01 MAN B&W 12K98MC-C (s/D = 2400/980): derzeit leistungsstärkster 2T-Dieselmo-
tor mit Pe = 68520 kW bei n = 104 min- 1•
Entwicklungslinie
"schnelllaufender Fahrzeug-Dieselmotor"
Entwicklungslinie
"schnelllaufender Fahrzeug-Dieselmotor"
1906 DRP 196514 für die Firma Deutz auf Einspritzung in Nebenkammer.
1909 Grundpatent DRP 230 517 von L'ORANGE auf Vorkammer.
1910 Brit. Patent 1059 von McKENCHIE auf direkte Hochdruckeinspritzung.
1912 Erster kompressorloser Deutz-Dieselmotor, Typ MKV, geht in Serie.
1913 Erste Diesel-Lokomotive mit Vierzylinder-Zweitakt-V-Motor der Gehr. Sulzer vorge-
stellt (Leistung 1000 PS).
1914 Erster diesel-elektrische Triebwagen mit Sulzer-Motorenbei den Preußischen und
Sächsischen Staatsbahnen.
1924 Erste Nutzfahrzeug-Dieselmotoren der MAN Nürnberg (direkte Einspritzung) bzw.
der Daimler-BenzAG (indirekte Einspritzung in Vorkammer) vorgestellt.
1927 Beginn der Serienfertigung von Oiesei-Einspritzanlagen bei Bosch.
1931 Musterprüfung des Sechszylinder-Zweitakt-Gegenkolben-Flugdieselmotors JUMO 204
der Junkers-Motorenbau GmbH: Leistung 530 kW (750 PS}, Leistungsmasse 1,0 kg!PS.
1934 V8-Viertakt-Dieselmotor mit Vorkammer der Daimler-BenzAG für LZ 129 HINDEN-
BURG mit 1200 PS bei 1650 min- 1 (Leistungsmasse: 1,6 kg!PS einschl. Getriebe).
1936 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG (Pkw Typ 260 D)
und Hanomag in Serie.
1953 Erster Pkw-Dieselmotor mit Wirbelkammer von Borgward bzw. Fiat.
1978 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung in Serie (Daimler-Benz AG).
1983 Erster schnelllaufender Hochleistungsdieselmotor der MTU mit Doppelaufladung in
Serie: Wemax = 2,94 kJ/1 bei Pzmax = 180 bar, Kolbenflächenleistung PA= 8,3 W/mm2•
1988 Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung in Serie (Fiat).
1989 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung und direkter Einspritzung bei
Audi in Serie (Pkw Audi 100 DI).
1996 Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung und Vierventilbrennraum (Opel-
Ecotec-Dieselmotor).
1997 Erster aufgeladener Pkw-Dieselmotor mit direkter Common-Rail-Hochdruckein-
spritzung und variabler Turbinengeometrie (Fiat, Mercedes-Benz).
1998 Erster V8-Pkw-Dieselmotor: BMW 3,91 DE-Turbodiesel, P. = 180 kW bei 4000 min- 1,
Mmax = 560 Nm (1750 ... 2500 min- 1).
1999 "Smart-cdi'~ 0,8 dm3 Hubraum, derzeit kleinster Pkw-Turbo-Dieselmotor mit
LLK und Common-Rail-Hochdruckeinspritzung: P. = 30 kW bei 4200 min-I, mit
3,41/100 km erstes "3-Liter-Auto" der Fa. DaimlerChrysler.
sowie heutige Entwicklungen in der Bahntechnik [1-8] mit der durchaus realis-
tischen Vision von über Satellit ferngesteuerten, fahrerlosen Güterwagen vor-
wegnehmend [1-4], sah in dem schweren Versuchsmotor mit dem samt Kreuz-
kopftriebwerkvom Dampfmaschinenbau entlehnten A-Gestell nur die Vorstufe
auf dem Weg zu einem leichten, "kompressorlosen" Dieselmotor.
Mit dem widerwillig zugestandenen Bau eines Compoundmotors, der die in
ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen konnte, und einigen Tastversuchen mit
Kohlenstaub und anderen, alternativen Kraftstoffen, endete die Entwicklungs-
tätigkeit Diesels bei der Maschinenfabrik Augsburg.
1.1 Historie des Dieselmotors 11
at w/mm 2
% 300 8
70 7
t,j 250 - ~
E
" 60 N
c. Cl 6
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~ 40 ~ 150 4
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10 50 """
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"'""'
"""
1897 2000 1897 2000 1897 2000
Bild 1-6. Vergleich von effektivem Wirkungsgrad IJe> maximalem Zylinderdruck Pzmax und
Kolbenflächenleistung PA heute und vor gut 100 Jahren (Höchst- bzw. Bestwerte von Serien-
motoren)
Ein späterer Versuch Diesels, zusammen mit der kleinen Firma Safir der Ent-
wicklungslinie "Fahrzeug-Dieselmotor" zum Durchbruch zu verhelfen, scheitert
u. a. an der unzureichenden Kraftstoffdosierung. Ein Problem, das erst durch das
Diesel-Einspritzsystem der Firma Bosch gelöst wird [1-9].
Das Schicksal Rudolf Diesels erfüllt sich während einer überfahrt von Ant-
werpen nach Harwich vom 29. zum 30. September 1913, nur wenige Wochen nach
Erscheinen seines Buches: "Die Entstehung des Dieselmotors"! Nach den jahre-
langen Kämpfen und Anstrengungen, die seine geistigen und körperlichen Kräf-
te auf das Äußerste beanspruchten, droht der finanzielle Zusammenbruch, trotz
der enormen, millionenschweren Einkünfte aus seiner Erfindung: Zu stolz, Fehl-
spekulationen und Irrtümer einzugestehen oder Hilfe anzunehmen, sieht
DIESEL, wie sein Sohn und Biograph darlegt, nur im Freitod einen Ausweg [1-10 ].
Geblieben ist sein Lebenswerk, der aus der Theorie der Wärmekraftmaschi-
nen hervorgegangene Hochdruckmotor, der seinen Namen trägt und nach 100
Jahren noch das ist, was sein genialer Schöpfer RunoLF DIESEL zum Ziel hatte:
Die rationellste Wärmekraftmaschine ihrer und auch noch unserer Zeit, Bild 1-6:
Gegenüber 1897 hat sich der Wirkungsgrad etwa verdoppelt und entspricht der
von Diesel geschätzten Annäherung an den Carnot-Wirkungsgrad. Der maxima-
le Zylinderdruck Pzmax hat sich mehr als verfünffacht und erreicht bei heutigen
Hochleistungs-Dieselmotoren (MTU 8000, s. Abschn. 18.4) mit 230 bar nahezu
den von Diesel für den Carnot-Prozess vorgeschlagenen Höchstwert bei mehr als
zehnfacher Leistungsdichte PA heutiger Dieselmotoren.
Gemessen am "ökologischen Imperativ" schont der Dieselmotor durch seinen
hohen Wirkungsgrad und die Vielstofffähigkeit unsere begrenzten Ressourcen
und mindert die Belastung der Umwelt mit dem Treibhausgas Kohlendioxid.
12 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1.2
Motortechnische Grundlagen
1.2.1
Einleitung
Dieselmotor wie Ottomotor sind prinzipiell Energiewandler, die im Kraftstoff
chemisch gebundene Energie in mechanische Energie (Nutzarbeit) wandeln,
indem sie die im Motor durch Verbrennung freigesetzte Wärme einem thermo-
dynamischen Kreisprozess zuführen und als Druck-Volumen-Arbeit nutzen.
Die Energiebilanz über die Systemgrenzen des als "Black-Box" dargestellten
Wandlers (Bild 1-7) lautet
Es+EL + We+ LEv=O.
Ist die auf den Umgebungszustand bezogene Energie der Verbrennungsluft
EL = 0, so ist die mit dem Kraftstoff m8 zugeführte Energie gleich der Nutzarbeit
We und der Summe aller Energieverluste LEv.
Das technische System "Dieselmotor" ist auch Teil eines vielfach vernetzten
globalen Systems, das durch die Begriffe "Ressourcen" und "Umweltbelastung"
umrissen wird. Eine nur energetische, ökonomische Sicht mit dem Ziel, die Ver-
luste LEv zu minimieren, genügt nicht heutigen, durch den ökologischen Im-
perativ beschriebenen Ansprüchen, wonach jede Wandlung von Energie und
Materie mit maximalem Wirkungsgrad bei minimaler Umweltbelastung zu
erfolgen hat. Das Ergebnis der angesichts dieser Forderung notwendigen, auf-
wendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist der Dieselmotor unserer
Tage, der sich vom einfachen Motor zu einem komplexen, aus mehreren Teil-
I
I
'
!I .......
, Es
\
/
1.2 Motortechnische Grundlagen 13
Verbrennungssystem
Kraftstoffsystem
Bild 1-8. Der moderne Dieselmotor als ein Komplex von Teilsystemen
1.2.2
Konstruktive Grunddaten
\
' I /
'-t-""
2r
Dabei entspricht Vmin dem Kompressionsvolumen V.: und das max. Zylinder-
volumen Vmax der Summe aus V.: und Hubvolumen Vh, für das mit der Zylinder-
bohrung D und dem Kolbenhub s gilt
=s rrD 2/4.
Vh
Entsprechend ist VH =zVh das Hubvolumen eines Motors mit z Zylindern.
Durchgesetzt hat sich das Tauchkolbentriebwerk, Bild 1-9. Nur Zweitakt-Groß-
motoren, s. Abschn. 19.4, besitzen ein Kreuzkopftriebwerk zur Entlastung des
Kolbens von den Seitenführungskräften (s.Abschn. 7.4). Beide Bauarten werden
nur noch mit einseitig beaufschlagten Kolben eingesetzt. Zwischen dem Kur-
beldrehwinkel cp als normierte Zeitgröße und der Drehgeschwindigkeit w be-
steht der Zusammenhang
w =dcp!dt =2 rrn.
Wird die Drehzahl n nicht als Drehzahlfrequenz (s- 1) sondern, wie im Motoren-
bau üblich, in Umdrehungen pro Minute (min- 1) angegeben, so ist w = rrn/30.
Der Arbeitsprozess eines Verbrennungsmotors spielt sich in dem möglichst
dichten Zylinderraum Y;; ab, der sich mit der Kolbenbewegung zK innerhalb der
Grenzen Vmax und Vmin periodisch ändert:
1.2.3
Die motorische Verbrennung
1.2.3.1
Grundlagen der Verbrennungsrechnung
Für das "Angebot" der im gesamten Motor enthaltenen Luftmasse mLz aller
Zylinder (Vz = z Vz) gilt
(1-4)
Bei meist unbekannter Dichte ('z der Zylinderladung weicht man i. allg. auf
die Definition des Liefergrades A1 (s. Abschn. 2.1) und die Dichte (>L der Frisch-
ladung unmittelbar am Eintritt in den Zylinderkopf aus:
(1-5)
1.2.3.2
Vergleich motorischer Verbrennungsverfahren
Der Verbrennung voraus geht das Aufbereiten des meist flüssigen Kraftstoffes,
um ein zündfähiges Gemisch aus gasformigem Kraftstoffdampf und Luft zu
erhalten. Ein Vorgang, der bei Diesel- und Ottomotor unterschiedlich verläuft,
Tabelle 1-2.
Beim Dieselmotor, s. Abschn. 3.1, setzt die innere Gemischbildung mit dem
Einspritzen des Kraftstoffes in die hoch verdichtete und erwärmte Luft kurz vor
OT ein, wogegen die äußere Gemischbildung beim klassischen Ottomotor außer-
halb des Arbeitsraumes mittels Vergaser oder durch Einspritzen in das Saugrohr
erfolgt und sich oft über Ansaug- und Verdichtungstakt erstreckt.
Im Gegensatz zum homogenen Kraftstoff-Luft-Gemisch eines Ottomotors
weist der Dieselmotor vor der Entzündung ein heterogenes Gemisch auf, be-
stehend aus über den Brennraum verteilten Kraftstofftröpfchen von wenigen
Tausendstel Millimeter Durchmesser, die teils flüssig, teils von einem Kraftstoff-
dampf-Luft-Gemisch umgeben sind.
Beim Ottomotor wird die Verbrennung über eine gesteuerte Fremdzündung
durch Auslösen einer elektrischen Entladung an einer Zündkerze eingeleitet,
vorausgesetzt das Luftverhältnis des homogenen Gemisches liegt innerhalb der
Zündgrenzen. Beim Dieselmotor erfolgt an bereits aufbereiteten, d. h. von einem
zündfähigen Gemisch umgebenen Tröpfchen eine Selbstentzündung, wobei nur
für das Mikro-Gemisch im Bereich des Kraftstofftröpfchens Zündgrenzen im
Bereich des stöchiometrischen Gemisches (A.v = 1) bestehen (s. Abschn. 3.1).
Der Dieselmotor benötigt für eine normale Verbrennung einen Luftüber-
schuss: A.v 2: Amin > 1. Folglich erfolgt das Anpassen der Energiezufuhr an die
Motorbelastung beim Dieselmotor über das Luftverhältnis, also die Gemisch-
qualität (Qualitätssteuerung), beim Ottomotor wegen der Zündgrenzen über
die Gemischquantität (Quantitätssteuerung) durch verlustreiches Drosseln
beim Ansaugen der Frischladung.
Art der Zündung und Gemischbildung bestimmen die Anforderungen an den
Kraftstoff: Dieselkraftstoff muss zündwillig sein, ausgedruckt durch die Getan-
Zahl, Benzin für Ottomotoren zündunwillig, d. h. hohe Oktanzahlen aufweisen, um
keine unkontrollierte Verbrennung durch ungesteuerte Selbstzündungen aus-
zulösen. Letzteres wird durch leichtsiedende, kurzkettige, somit thermisch stabile
Kohlenwasserstoffe (C5 bis C10) erfüllt. Dieselkraftstoff besteht dagegen aus
schwersiedenden, langkettigen Kohlenwasserstoffen (C9 bis C30 ), die eher zerfallen
und dabei die Selbstzündung begünstigende freie Radikale bilden (s.Abschn. 3.1).
1.2.4
Thermodynamische Grundlagen
1.2.4.1
Ideale Zustandsänderungen von Gasen
Der Zustand einer Gasmasse m ist durch zwei thermische Zustandsgrößen über
die allgemeine Zustandsgleichung für ideale Gase bestimmbar
p·V=m·R·T
(p absoluter Druck in Pa, T Temperatur in K, V Volumen in m 3, R spezifische
Gaskonstante,z.B.für LuftR1 =287,04 J/kg · K).Ideale Gase zeichnen sich durch
einen von Druck, Temperatur und Gaszusammensetzung unabhängigen, kon-
stanten lsentropenexponenten x aus (Luft: x = 1,4; Abgas x.,. 1,36).
Der Zustand eines Gases lässt sich somit mit dem Wertepaar (p, V) in einem
p, V-Diagramm darstellen und verfolgen, wobei sich Zustandsänderungen
durch Konstantsetzen einer Zustandsgröße einfach berechnen lassen, in dem
18 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1.2.4.2
Idealer Kreisprozess und Vergleichsprozess
Bei einem idealen Kreisprozess erfährt das Gas eine in sich geschlossene
Zustandsänderung, sodass es nach Durchlaufen des Prozesses wieder den An-
fangszustand erreicht. Somit gilt für die innere Energie U = U ( T)
pdU=O.
Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, der die Erhaltung der Energie in
geschlossenen Systemen beschreibt,
oQ=dU+pdV,
folgt damit, dass die im Verlauf des Kreisprozesses umgesetzte Wärme Q als
mechanische Arbeit anfällt
!fioQ=!fipdV= wth,
d. h. die Druck-Volumen-Änderung entspricht der theoretisch nutzbaren Arbeit
w;h des idealen Prozesses.
Ein idealer Kreisprozess wird zum Vergleichsprozess für eine thermische
Maschine, wenn man ihn den Realitäten anpasst. Für den Hubkolbenmotor
bedeutet dies, dass sich Ideal-Prozess und realer Arbeitsprozess gleichermaßen
zwischen zwei Volumen- bzw. Druckgrenzen abspielen, gegeben durch Vmax und
Vmin bzw. Pmax und Pmin. Die obere Druckgrenze Pmax entspricht dem aus Festig-
keitsgründen zulässigen maximalen Zylinderdruck Pzmax und Pmin dem Druck
PL vor Einlass in den Motor, Bild 1-10a. Als weitere Vorgaben müssen Verdich-
tungsverhältnis E und die zugeführte Wärme Qzu bzw. QB übereinstimmen:
Qzu = QB = mBHu.
Dabei wird die Kraftstoffmasse mB bei gegebener Masse der Frischladung mLz•
Gl. (1-4}, durch das Luftverhältnis .Av bzw. den Gemischheizwert hu beschränkt,
hu = Qzul(mß + mLz) =Hu/(1 + AvLmin>·
Angelehnt an den Arbeitsprozess des Dieselmotors bei Annahme eines verlust-
losen Ladungswechsels längs der Isobaren Pmin• s. Abschn. 2.1, beginnt der
Vergleichsprozess in 1 mit einer adiabatischen Verdichtung auf p2 =p, =p 1 E",
Bild 1-10a. Anschließend erfolgt die Wärmezufuhr: Zunächst isochor bis zum
Erreichen des Grenzdruckes Pmax in 3', darauf isobar bis 3. Die dann folgende
1.2 Motortechnische Grundlagen 19
3' 3
pmax +--9--:,.......,.9-------------,
-o
2
0
4
Pmin Tmin
100
50
0
0 0,2 0,4 0,6 0,8
relatives Zylindervolumen
9.'0
!----
55 ~~:.--
lli' 2
&~/-=
)?;---- --
1.5
50 .,........... 1.2
1.0
tlf/ V ---
45 /
40
3"
6 8 10 12 14 16 18 20
Verdichtungsverhältnis E
1.2.5
Der reale Arbeitsprozess des Dieselmotors
1.2.5.1
Zweitakt- und Viertalct-Verfahren
1.2.5.2
Wirkungsgrade des realen Motors
Neben dem thermischen Wirkungsgrad, der eine Abschätzung nach oben er-
möglicht, interessiert in erster Linie der effektive Wirkungsgrad
(1-8)
der sich auch als Produkt aus dem thermischen Wirkungsgrad und den Ver-
gleichsgrößen zur Beschreibung der Verlustanteile angeben lässt. Verluste durch
unvollständige Verbrennung erfasst der Umsetzungsgrad
Tlu = QzufmsHu.
22 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Der Gütegrad
'lg = WiJWth
beschreibt Abweichungen des realen vom idealen Prozess durch
• Verwenden eines realen stattidealen Arbeitsgases,
• Wandwärmeverluste statt adiabater Zustandsänderung,
• reale Verbrennung statt idealisierter Wärmezufuhr,
• Ladungswechsel (Drossel-,Aufheiz- und Spülverlust).
Der mechanische Wirkungsgrad
'lm = W./Wi
umfasst nach DIN 1940 die Reibungsverluste am Kolben und in den Lagern, die
Verlustarbeit aller für den Motorbetrieb erforderlichen Aggregate und die aero-
dynamischen bzw. hydraulischen Verluste am Triebwerk.
Durch das als Indizieren bezeichnete Messen des Zylinderdruckverlaufs
(s. Abschn. 15.2) ist die am Kolben anstehende, indizierte Arbeit Wi (schraffierte
Fläche in Bild 1-10 a) ermittelbar und damit der innere (indizierte) Wirkungsgrad
'li = Wj/mBHu = ~pzdV!mBHu.
1.2.5.3
Motorbetrieb und Motorkenngrößen
Nutzarbeit und Drehmoment
Die Nutzarbeit W. folgt aus dem an der Abtriebswelle des Motors messbaren
DrehmomentMund der "Taktzahl" a
W. = 2 naM = w. VH. {1-9}
Bezieht man W. auf das Hubvolumen VH, so bezeichnet die spezifische Arbeit w.
in k]!dm3 die aus einem Liter Hubraum gewonnene Nutzarbeit Sie ist damit
neben der mittleren Kolbengeschwindigkeit Cm, Gl. (1-1}, die wichtigste Motor-
kenngröße zur Charakterisierung des "Standes der Technik". Traditionsbewusste
Motorenfirmen verwenden oft noch die Größe p., den "Mitteldruck" oder "mitt-
leren effektiven Druck", der jedoch trotz Angabe in "bar" keinem messbaren
Druck entspricht, sondern aus der Historie des Maschinenbaus herrührt 1• Für
Umrechnungen gilt:
1 bar ,,mittl. effektiver Druck" ~ 0,1 kJ/dm3•
1 Bei der Vielzahl der Autoren aus Industrie und Hochschulen war kein Konsens zu erzielen,
sodass der Leser gebeten wird, dies bei den einzelnen Abschnitten zu beachten, insbesondere
bei Zahlenangaben. Das neuerdings verwendete "spezifische Drehmoment" in Nm!l ent-
spricht nach Gl. (1-9) den Größen w. bzw.p.!
1.2 Motortechnische Grundlagen 23
Die Frischluftmasse mLz im Motor, GI. (1-4), ist durch Liefergrad A.1 und
Ladungsdichte (JL, GI. (1-5), festgelegt, sodass für die spez. Nutzarbeit folgt:
We = 'leAJ(pL/RLTd (HufA.vLmin). (1-11)
Sieht man die kraftstoffspezifischen Größen ebenso wie den direkt nicht zu
beeinflussenden Wirkungsgrad als gegeben an, so verbleibt nur die Steigerung
des Druckes PL durch Verdichtung, z. B. durch Abgasturboaufladung mit Lade-
luftkühlung (s.Abschn. 2.2) als frei wählbare Option, die Nutzarbeit zu steigern,
da sowohl für den Liefergrad mit (A.1)max ~ E!(e- 1) als auch für das Luftver-
hältnis A.v ~ Amin > 1 Grenzen bestehen.
Zur Umrechnung der auf obige Bezugsbedingungen bezogenen Leistung P eines Motors in die unter Messbedingungen (Index "x") gemessene
~
Leistung Px gilt für Dieselmotoren ('lm: mechan. Wirkungsgrad; 'lm = 0,85 falls nicht bekannt): ~
Px= aP.p (1)
a = k- c(1- k) · [(1/'lm)- 1] (2)
k = HPx- b 1/Jxp,..J/(p- b 1/J p.)}m (T/Tx)n (TcfTcx)q (3)
Diese Beziehungen gelten für DIN ISO 3046, Teil1, unter der Voraussetzung, dass Turboladerdrehzahl und Abgastemperatur vor Turbine den unter
Bezugsbedingungen auftretenden Werten entsprechen (d.h. bei Verfahren zur Leistungsanpassung). Die für andere Normen bzw. Regeln angegebe-
nen Beziehungen wurden den Gln. (1) bis (3) angepasst.
i
~
t::l
n;·
"'
J
• Lt. DIN-Mitteilungen Nr. 11 (1986) wurde beschlossen, DIN 70020, Teil 6, dann zurückzuziehen, wenn Typprüfungen nach dieser Norm gegen-
i-..>
standslos geworden sind bzw. Harmonisierungen mit der EU-Richtlinie (EWG) und ECE-Regelung auf der Basis der ISO 1585 durchgeführt
wurden. ~
b Geändert durch 88/195/EWG und 89/491/EWG. s
c Eine relative Luftfeuchte von 30% bei 298 K entspricht einem Wasserdampf-Partialdruck Po = cfJ Ps = 1 kPa und damit einem Druck der trockenen ~
Luft von PT= 99 kPa (p 5: Sättigungsdruck bei T). [
d Exponenten gelten bei Abgasturboaufladung mit/ohne LLK: Für selbstansaugenden Betrieb und mechanische Aufladung ist m = 1; n = 0,7.
"'
&
• Es ist ß= 0,036 (qlr)- 1,14 für 40 :S qlr :S 65; ß= 0,3 für q/r < 40 bzw. ß= 1,2 für q/r > 65 mit r = rr1 : Ladedruckverhältnis bzw. auf Absolut-Drücke,
s. Abschn. 2.2. q = a · 60000 · msiVH · n: spez. Kraftstoffdurchsatz ISO 1585 mit a = 2 für Viertakt- bzw. 1 für Zweitaktmotoren, Kraftstoffdurchsatz Cl
"'
ms in mg/s; Hubvolumen VH in dm 3; Motordrehzahl n in min- 1• Vorgeschriebene Hilfseinrichtungen: Lüfter (Elektro-/Visco-Lüfter mit max. §
Schlupf), Abgasreinigung, belasteter Generator. e::
f DIN ISO 1585 z. Zt. in Vorbereitung. ~
~
g Exponenten gelten bei Abgastruboaufladung ohne und mit Wasser/Luft-LLK (n = 1,2 bei Luft/Luft-LLK): Für selbstansaugenden Betrieb und
mechanische Aufladung ist m = 1; n = 0,7.
h Siehe •,jedoch mit folgender Änderung:
ß = 0,036 (qlr)- 1,14 für 37,2 :S qlr :S 65; ß= 0,3 für qlr < 37,2 bzw. ß= 1,2 für qlr > 65.
i Kühlwassertemperatur Eintritt Ladelüftkühler Tc= 298 K (25 °C).
i Für selbstansaugende Motoren bei Lastbegrenzung durch Rußgrenze (Luftmangel).
k UIC- Union Internationale des Chemins de Fer (Internationaler Eisenbahnverband): Keine Umrechnung für aufgeladene Motoren zugelassen, nur
für selbstansaugenden Betrieb: Sofern die Korrektur zu einer Abweichung von über 5% führt, ist die tatsächlich angewendete Korrektur auf einen
festen Wert von 5% zu beschränken.
1 IACS - International Association of Classification Societies (Internationale Vereinigung der Klassifikationsgesellschaften): Abgesehen
von Kühl-
wassertemperaturEintritt Ladeluftkühler Tc= 305 K (32 oq erfolgt Umrechnung n. DIN ISO 3046, Teil!.
N
V1
26 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
P,.
[,
Anmerkung: Die angegebenen Mittelwerte umfassen, falls kein anderer Hinweis gegeben wird,
für den spezifischen Kraftstoffdurchsatz b. bzw. Luftdurchsatz z.,
das Verbrennungsluftver-
hältnis Av und die Abgastemperatur TA (nach Abgasturbolader bzw. nach Motor) eine Spanne
im Bereich von ca. ± 5%.
• Die Abweichungen liegen im Bereich von± 10%.
b Beim Saugbetrieb von Motoren mit IDE entspricht Av dem unteren Grenzwert Avmin.
' Die Abweichungen liegen im Bereich von± 10%, wobei für Vk-Motoren TAmax = 800°C.
d Bei einer Spanne im Bereich von ca. ± 5% gilt der obere Grenzwert für kleine Kolben-
durchmesser D ohne, der untere Grenzwert für große Kolbendurchmesser mit Nutzturbine
(I]- Booster).
e Die Abweichungen liegen im Bereich von ± 20 o/o.
Rauchgrenze ~ MVollast
~o=...c-~-..,...._,~.,.-~max= konst.
:::E ~N
~ 0.75 f..N
E
0
E
..c 0.5f!.N
...
CU
"E
.B0
:::E 0.25F!,N
--r--L _____ _
M5 I
I
nMmax
Motordrehzahl n
Bild 1-14. Kennfelddarstellung des Motordrehmoments M mit Linien P. =konst. bzw. 'le =
konst. sowie Angabe ausgewählter Bedarfskennungen: 1 Drehzahldrücken, 2 Generatorbe-
trieb und 3 Propellerkurve
Liefer- und Bedarfskennung. Der Einsatz des Motors zum Antrieb von Aggre-
gaten oder Fahrzeugen erfordert in der Regel ein Anpassen der Lieferkennung,
wie der Verlauf des Drehmomentes M über der Drehzahl bezeichnet wird: Mit
Annäherung an das Vollastdrehmoment sinkt das Luftverhältnis A.v, sodass mit
A.v ~ Amin die Rauchgrenze erreicht wird, die einer noch als zulässig angese-
henen Abgasschwärzung entspricht. Mit zunehmender Spreizung der Dreh-
zahlgrenzen nA und nN (Anfahr- und Nenndrehzahl) besteht bei Fahrzeugmo-
toren eine Überhöhung im mittleren Drehzahlbereich, die dem Motor eine
größere Elastizität im Fahrverhalten verleiht, Bild 1-14. Derartige Motorkenn-
felder enthalten neben der Rauchgrenze und den Leistungshyperbeln (Kurven
konstanter Leistung) oft noch Kurven konstanten Wirkungsgrades bzw. Kraft-
stoffverbrauchs oder anderer Motorparameter. Spezielle Bedarfskennungen
sind u.a.:
1.2 Motortechnische Grundlagen 29
- -----"'Rutschgrenze
cCl>
E
0
E
cn
g
-g
0::
Raddrehzahl nR
1.3
Berechnung des realen Arbeitsprozesses
1.3.1
Einleitung
Die Vorgänge im Zylinder des Dieselmotors verlaufen stark instationär, da in
Sekundenbruchteilen die Arbeitstakte Verdichtung, Verbrennung, Expansion
und Ladungswechsel aufeinander folgen. Aus diesem Grund kann man den
Dieselmotor nicht mit den einfachen Mitteln des idealen Vergleichsprozesses in
einer für die Motorenentwicklung ausreichenden Genauigkeit berechnen. Viel-
mehr muss man die Differentialgleichungen der Massen- und Energieerhaltung
unter Berücksichtigung der thermischen und kalorischen Zustandsgleichungen
mit numerischen Methoden lösen.
Die Entwicklung der Datenverarbeitung ermöglichte in den sechziger Jahren
erstmals die numerische Lösung dieser Differentialgleichungen [ 1-17]. Die
ersten Untersuchungen wurden in der Großmotorenindustrie durchgeführt, da
dort durch die hohen Versuchskosten der numerische Aufwand am ehesten
gerechtfertigt war.
Inzwischen ist die Berechnung des realen Arbeitsprozesses ein Standard-
werkzeug der Motorenentwicklung mit zunehmender Bedeutung [1-18].
Dabei reichen die Anwendungen von einfachen Beschreibungen des Prozesses
im Zylinder bis hin zu den komplexen, transienten Vorgängen bei der insta-
tionären Lastaufschaltung an Dieselmotoren mit zweistufiger Registeraufla-
dung unter Berücksichtigung des dynamischen Verhaltens des Verbrauchers
[1-19], [1-20], [1-21]. Für die Zukunft ist eine Echtzeitsimulation des Diesel-
motors zur Unterstützung von Regelung und Steuerung durchaus denkbar.
Im Rahmen einer Einführung in die Berechnung des Realprozesses können
natürlich nicht alle thermodynamisch interessanten Baugruppen des Motors wie
Zylinder, Abgasturbolader oder Luft- und Abgasleitungssystem berücksichtigt
werden. Daher werden in den folgenden Abschnitten nur die Grundlagen der Real-
prozessrechnung anhand der Modeliierung der thermodynamischen Vorgänge in
einem Zylinder ohne unterteiltem Brennraum exemplarisch erläutert. Für weiter-
gehendes Interesse wird auf die angegebene, vertiefende Literatur verwiesen.
1.3.2
Thermodynamische Grundlagen der Realprozessrechnung
1.3.2.1
Unterschiede zwischen idealem und realem Arbeitsprozess
Bei der Betrachtung idealer Arbeitsprozesse im Abschn. 1.2 wurden einige Vor-
aussetzungen getroffen, die bei der realen Berechnung für einzelne physika-
lische Teilmodelle [1-22] nicht mehr beibehalten werden, Tabelle 1-5.
Will man den realen dieseimotorischen Prozess mit den Methoden der Pro-
zessrechnung erfassen, so müssen zunächst die einzelnen thermodynamischen
Modelle formuliert werden.
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 31
Tabelle 1-5. Unterschiede verschiedener Teilmodelle im Ideal- und Realprozess
1.3.2.2
Thermodynamisches Modell
3000?---~----~----~--~----~---.
:.:::
.!:
B
~ 2500
Gl
a.
E
Gl
1- 2000 ····j···----··-··----!---···---
1500
. .
············· · • ····· · · ······'·····........ - ~··· · --· · · ···-r···· -····-
0 ~---+----T----T----T---~--~
240 280 320 360 400 440 480
Kurbelwinkel in •K.W
dOw
~
Systemgrenze
brauchte Luft (hohe Temperatur). Beide Zonen sind durch eine infinitesimal
kleine Flammenfront getrennt, in der die (primäre) Kraftstoffoxidation erfolgt.
Bild 1-16 zeigt für den Hochdruckprozess eines Dieselmotors sowohl die mitt-
lere Temperatur des Einzonenmodells als auch die Temperaturen der beiden
Zonen des Zweizonenmodells. Man kann deutlich erkennen, dass das Tempera-
turniveau in der Zone des Verbrannten deutlich höher liegt als beim Einzonen-
modell.
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 33
p·V=m·R·T (1-16)
mit der Gaskonstanten R und der Gesamtmasse m als Summe der Teilmasse der
einzelnen Komponenten:
(1-17)
Betrachtet man die Zylinderladung als reales Gas, so muss man Gl. ( 1-17) durch
eine der vielen in der Literatur bekannten Zustandsgleichungen für reale Gase
ersetzen (z.B. [1-25], [1-26]).
Aus den Zustandsgrößen p und T folgt mit Hilfe der kalorischen Zustands-
gleichung die spezifische innere Energie U; für jede Komponente i. Im Falle des
idealen Gases lautet sie
du;=cv,;(DdT (1-18)
mit der spezifischen isochoren Wärmekapazität cv. Sie ist i. allg. temperaturab-
hängig. Im Falle von realen Gasen ist cv und damit u von Temperatur und Druck
abhängig und kann beispielsweise entsprechenden Tabellenwerken [1-27] ent-
nommen oder berechnet [1-26] werden.
Gesetze von der Erhaltung der Masse und der Energie. Im Zylinder befindet
sich eine Ladungsmasse m mit bestimmter Zusammensetzung. Die Masse kann
sich dadurch ändern, dass Masse über das Einlassventil d mE, das Auslassventil
dmA oder das Einspritzventil dmB zu- oder abgeführt wird. (Gasverluste durch
Undichtigkeiten werden hier vernachlässigt.) Aus dem Massenerhaltungssatz
ergibt sich die folgende Gleichung:
(1-19)
Dabei werden die einströmenden Massen positiv und die ausströmenden Mas-
sen negativ in Gl. ( 1-19) eingesetzt.
Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt die Erhaltung der Energie.
Danach kann sich die innere Energie U im Zylinder nur ändern, wenn über die
Systemgrenze Enthalpie dH im Zusammenhang mit einer Masse dm, Wärme
dQw oder Arbeit (dW = -p · d V) zu- oder abgeführt wird. Die durch die Ver-
brennung des eingespritzten Kraftstoffes freigesetzte Energie wird als innere
Wärmezufuhr d QB angesehen. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen
34 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
LadungswechseL Die Enthalpien der über die Ein- und Auslassventile ein-
und ausströmenden Massen ergeben sich aus dem Produkt von spezifischer
Enthalpie h und Massenänderung d m:
dHE= hE · dmE
(1-22)
dHA =hA · dmA
Die spezifischen Enthalpien werden mit der jeweiligen Temperatur vor, im oder
nach dem Zylinder berechnet. Die über die Systemgrenze tretenden Massen-
elemente ergeben sich aus folgender Gleichung [1-22]:
Die Zustände "v" bzw. "n" beziehen sich jeweils auf die Bedingungen vor bzw.
nach dem betrachteten Ventil (beim Einlassventil und normaler Einströmung,
also ohne Rückströmung, beispielsweise auf den Zustand der Ladeluft und den
Zustand im Zylinder).
Gleichung (1-23) liegt die Durchflussgleichung für die isentrope (reibungs-
freie und adiabate) Kanalströmung idealer Gase zugrunde [1-22]. Die Fläche A
bezeichnet den momentan vom Ventil freigegebenen geometrischen Durch-
strömquerschnitt (vgl.Abschn. 2.1).
Im realen Motorbetrieb führen Reibungsverluste und Strahlkontraktion zu
einem gegenüber dem idealen Wert reduzierten Massenstrom, was durch am
Blasprüfstand experimentell ermittelte Durchflusszahlen p unter Definition
eines Bezugsquerschnittes berücksichtigt wird [1-31]. Deshalb müssen beim
Vergleich von Durchflusszahlen (auch mit pa oder a bezeichnet) immer die
zugehörigen Bezugsflächen bekannt sein (s. Abschn. 2.1).
Zur Berechnung des Ladungsdurchsatzes nach Gl. (1-23) werden die Drücke
vor dem Einlassventil und nach dem Auslassventil benötigt. Im Fall des abgas-
turboaufgeladenen Motors ergeben sie sich als Ladedruck und Abgasdruck
vor der Turbine aus einer ATL-Bilanz mit Hilfe gemessener Kennfelder von Ver-
dichter und Turbine.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Verbindung zwischen Zylinder
und Abgasturbolader durch Rohrleitungen erfolgt, die man entsprechend model-
lierten muss. Dazu bieten sich verschiedene Methoden an, die mit zunehmender
Komplexität die realen Verhältnisse auch genauer beschreiben. Im einfachsten
Fall geht man von konstanten Drücken in den Ladeluft- bzw.Abgasleitungen (d. h.
unendlich große Behälter) aus. Bei der sog. Füll- und Entleermethode modelliert
man die Leitungen als Behälter endlichen Volumens, die diskontinuierlich von
den Zylindern und kontinuierlich vom Lader bzw. der Turbine befüllt bzw. ent-
leert werden, wobei der Druck zeitlich, aber nicht örtlich (d. h. unendliche große
Schallgeschwindigkeit) in den Leitungen variiert. Bei Verwendung der Gleichun-
gen für die instationäre, eindimensionale und kompressible Rohrströmung erfasst
man die Zustandsänderungen im Einlass- und Auslasssystem mit den Methoden
der instationären Gasdynamik (Charakteristiken-Verfahren oder vereinfach-
tes akustisches Verfahren [1-32]). Dieses eindimensionale Verfahren kann auch
örtliche Druckunterschiede und Rohrverzweigungen berechnen, wobei der
numerische Aufwand gegenüber der Füll- und Entleermethode wesentlich
größer ist. Im allgemeinen wird heute dazu das Programmsystem PROMO
[1-33], [1-34] verwendet (s. auch Abschn. 2.2 sowie [1-22] und [1-35]).
Brennverlauf. Die durch die Verbrennung freigesetzte Energie ergibt sich aus
dem Heizwert Hu und der verbrannten Kraftstoffmasse d mB:
(1-24)
unter Vernachlässigung der Enthalpie des eingespritzten Kraftstoffes dHB.
Der zeitliche oder kurbelwinkelabhängige Verlauf der durch die Verbrennung
freigesetzten Energie (Brennverlauf dQB/dq>) ist eine der wichtigsten Vorgabe-
größen für die Realprozessrechnung. Im Gegensatz zu den Idealprozessen (Ab-
36 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1~ .1 ... 1 Kurbelwinkel
Einspritz- Zünd-
verzug verzug
sehn. 1.2), bei denen sich der Brennverlauf aus dem gewünschten Druckverlauf
direkt ergibt (z.B. Gleichdruck-oder Gleichraumprozess), ist der Brennverlauf
beim realen Motor von vielen Parametern abhängig.
Optimal wäre eine Vorgehensweise gemäß Bild 1-18: Einzige Vorgabegröße ist
der Förderverlauf der Einspritzpumpe. Mit geeigneten Modellen wird dann das
Einspritzsystem (Einspritzpumpe, -leitung und -düse) simuliert, um aus dem
Förderverlauf den Einspritzverlauf zu berechnen. Bei ausreichender Kenntnis
der physikalischen Vorgänge bei Strahlauflösung, Verdampfung und Gemisch-
bildung könnten mit entsprechenden Rechenmodellen der Zündverzug und die
Verbrennung (Brennverlauf) ermittelt werden [1-36], [1-37].
Nach heutigem Kenntnisstand sind die bislang entwickelten Modelle und
Methoden allerdings noch nicht in der Lage, die dieseimotorische Verbrennung
mit der für die Berechnung des Realprozesses gewünschten Genauigkeit vor-
auszubestimmen. Die Kenntnisse über die Verbrennungsvorgänge in Ver-
brennungsmotoren stammen meist aus der Zylinderdruckindizierung. Diese
Messung liefert Aufschluss über die Vorgänge im Inneren des Zylinders, wobei
bei hoher zeitlicher Auflösung, beispielsweise alle 0,5 °KW oder weniger, über-
wiegend piezoelektrische Druckaufnehmer verwendet werden, s. Abschn. 15.2
bzw. [1-38] bis [1-40]. Ist der Zylinderdruckverlauf bekannt, so kann in Umkeh-
rung von Gl. (1-20) daraus der Brennverlaufbestimmt werden (Druckverlaufs-
analyse), und man erhält somit Kenntnisse über den Energieumsatz im Motor.
Für die Realprozessrechnung verwendet man üblicherweise nicht den aus
der Druckverlaufsanalyse ermittelten Brennverlauf, sondern eine einfache
mathematische Funktion, den Ersatzbrennverlauf. Die Parameter dieser Funk-
tion können mittels Optimierungsverfahren so gewählt werden, dass der aus der
Druckverlaufsanalyse bekannte Brennverlauf möglichst gut wiedergegeben
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 37
A-
- (/JBD= ( _Av )-0•6 ( _n ) 0•5 rzo,6 (1-27)
A(/JBD,o Avo no u
:
Q)
1/1
2
.!!!
~
Q)
c:
w
0
1,0
-: :I
111 0,8
~1:
1: 0,6
!!!
..c
1:
Q) 0,4
E
E
::I
(/) 0,2
rel. Kurbelwinkel
Der Verbrennungsbeginn ergibt sich aus dem Förderbeginn cpp8 , dem Ein-
spritzverzug AcpEv und dem Zündverzug Acpzv:
/icpEV n
=
AcpEv,o no
(1-29}
Weitere Ansätze für den Zündverzug finden sich in [1-43] bis [1-45].
Da die Vibe-Funktion wegen ihrer einfachen mathematischen Form die
Brennverläufe insbesondere bei schnellaufenden Dieselmotoren mit Direkt-
einspritzung nicht in ausreichender Genauigkeit wiedergeben kann, verwendet
man zuweilen die Oberlagerung zweier Vibe-Funktionen zu einer "Doppel-
Vibe-Funktion" [1-46]. Bild 1-20 zeigt die Wiedergabe eines Betriebspunktes
bei einem schnellaufenden Hochleistungsdieselmotor durch die Vibe-Funktion.
Man kann erkennen, dass die einfache Vibe-Funktion [Gl. (1-26)] nicht in der
Lage ist, den raschen Anstieg des Brennverlaufs zu Beginn der Verbrennung
("Premixed-Peak") zu beschreiben.
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 39
Kurbelwinkel in "KW
1.3.2.3
Indizierte und effektive Arbeit
Die Lösung der Differentialgleichung Gl. ( 1-20) für den 1. Hauptsatz der Thermo-
dynamik liefert den Druckverlauf im Zylinder und damit die indizierte Arbeit Wi,
woraus man den mittleren indizierten Druck Pi bzw. die spezifische indizierte
Arbeit wi als Kenngrößen des Motors herleiten kann, vergl. Abschn. 1.2. Jedoch
interessiert i.allg. meist der sog. mittlere effektive Druck Pe bzw. die spezifische
Nutzarbeit we. Im Rahmen der Realprozessrechnung verwendet man daher
Modellansätze für die Berechnung der Reibungsverluste, ausgedrückt durch den
mittleren Reibdruck Pr als Differenz von Pi und Pe (Pr= Pi-Pe), falls dieser nicht
aus Messungen bekannt ist.
In der Literatur finden sich unterschiedliche Vorschläge zur Berechnung der
Reibarbeit [1-47] bis [1-49], die je nach Verfasser abhängig von Drehzahl, Last,
Motorgeometrie, Ladedruck sowie Wasser- und Öltemperaturen sein können.
Ausgehend von dem in einem Auslegungspunkt bestimmten Reibdruck [Index 0
in Gl. (1-31)] gilt z.B. nach [1-47] für die Reibarbeit bzw. den sog. Reibmittel-
druck Pr in bar
wonach nur Drehzahl und mittlerer indizierter Druck gegeben sein müssen.
40 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1.3.3
Typische Beispiele für die Anwendung der Realprozessrechnung
1.3.3.1
Einleitung
1.3.3.2
Ergebnisse der Realprozessrechnung
~
.5 2000
:; 1600
~
GI 1200
a.
E 800 160 i;;
~ 400 120 ~
30 80 ~
~
cb!._.. 20 40 2
E-, 0
~"" 10 0
"" c:
:=::: 0 900 :;
"OUl IV
c: :::>
<V;:: -10 600 ~ ~
3: ~ 300 §!::.:;
Cl 15 o,E~
.5 10
5
0
-5
-10
-15 +---+--+---t--i---i....:::~::;:::::::;::=-1
180 270 360 450 540 630 As 810 900 990
Kurbelwinkel in •KW
Kann man zusätzlich zum Zylinder auch noch den Abgasturbolader bei-
spielsweise unter Verwendung entsprechender Verdichter- und Turbinenkenn-
felder thermodynamisch beschreiben, so berechnet die Realprozessrechnung
den Druck vor und nach dem Zylinder. Als Eingabegröße gilt dann der Umge-
bungszustand. Modelliert man im weiteren Verlauf der Prozessrechnung den
eventuell vorhandenen Ladeluftkühler mit, dann ist auch die Ladelufttempera-
tur ein Ergebnis der Realprozessrechnung bei Vorgabe der Umgebungstempera-
tur zusätzlich zu der Wassertemperatur bei Wasserkühlung der Ladeluft.
Bild 1-21 zeigt exemplarisch für einen Motor mit einem Zylinderhubvolumen
von 4 dm 3 und einem we von 2 kJ/dm3 die Ergebnisse der Realprozessrechnung für
den Betriebspunkt n = 1500/min. Dargestellt sind Druck, Temperatur, Brennver-
lauf, Massendurchsatz im Zylinder und an den Ventilen sowie Wandwärmeverluste
in Abhängigkeit vom KurbelwinkeL Die übereinstimmung zwischen der Realpro-
zessrechnung und der Realität überprüft man, indem man Globalwerte wie Abgas-
temperatur, Ladungsdurchsatz oder Ladedruck mit Messwerten vergleicht. Wenn
diese übereinstimmen, so nimmt man an, dass auch die nicht überprüfbaren Wer-
te, wie beispielsweise Temperatur- oder Massenverlauf, richtig berechnet wurden.
1.3.3.3
Paran7eterstudien
Ein wesentliches Anwendungsgebiet der Realprozessrechnung ist die Durch-
führung von Parameterstudien, um den Einfluss von Randbedingungen auf den
42 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
We =2 kJ/dm3 & =
14
Pe = 20 bar llm =0,9
n = 1500 min·1 llTL = 0,5
To =20"C Äy = 2,0
Po = 1 bar
E
~ 1900 ~ 840 150 E ~
lll 1-
....
e1800
Q)
g 820 140 24
a. r:i
E
~ 1700 ~ 800 130 18 1-
0
E .t=
0
1600 780 12 m
c:
~ 0,40 +--;---;---;---r----;-----"1
20 30 40 50 60 70 80
Brenndauer in "KW
Bild 1-22. Einfluss der Brenndauer auf wichtige Prozessparameter bei konstantem Verbren-
nungsbeginn (/Jvs
w. = 2 kJ/dm 3 E = 14
Pe = 20 bar 11m = 0,9
n = 1500 min-1 11TL = 0,5
Ta =20oC "-v = 2,0
Po = 1 bar
*"'
1900 :; 840 150 E ~
1-
Q) 0
> 820
e
N 1800 140 24
c_ ci.
E
x
tU 1700 ~ 800 130 18
E
1-
1600 780 12 0
.r:
0
tU
c
"6
" ~
~0,46 0 .!:
e! "-
Cl
~0,44 -6
"'
9-
äi
c
::J
.><
€.
:s: 042
.!::
' -12
:t::
Q) 0,40
20 30 40 50 60 70 80
Brenndauer in °KW
Bild 1-23. Einfluss der Brenndauer auf wichtige Prozessparameter bei konstantem maxima-
len Zylinderdruck Pz max ( (/Jsp: Lage des Schwerpunktes beim Brennverlauf)
w. =2 kJ/dm 3 Tl TL =0,5
Pe =20 bar "-v =2,0
n =1500 min-1 Ta =20oc
11m =0,9 Po =1 bar
~ 0,500 ..,----:------:----,....---....,..---...,
-c
I
!!!
~
0,475 ···················?··················l··················i·······\::.:·······1···················
~
:g 0,450
0,425
0,400
0,375
;r·················1···················'··················1········
0,350 +---+---+---+---+-----!
5 6 7 8 9 10
Bild 1-25. Abhängigkeit des effektiven Wirkungsgrades '!e vom Verhältnis PzmaxlPe (Pzmaxlw.)
und dem mechanischen Wirkungsgrad 'Im
Im Bild 1-25 wird die Abhängigkeit des effektiven Wirkungsgrades vom Ver-
hältnis PzmaxiPe bei konstanten Werten für Luftverhältnis und ATL-Wirkungs-
grad dargestellt. Das Verdichtungsverhältnis wurde jeweils hinsichtlich eines
maximalen 'kWertes gewählt. In der Darstellung sind drei Kurven für verschie-
dene mechanische Wirkungsgrade eingetragen sowie Angaben zum optimalen
Verdichtungsverhältnis gemacht. Diesem Bild · ist zu entnehmen, dass man
im Sinne eines maximalen effektiven Wirkungsgrades einen möglichst großen
Zahlenwert für das Verhältnis PzmaxiPe wählen sollte. Das führt dazu, dass
Dieselmotoren zur Erzielung eines geringen Kraftstoffverbrauchs mit sehr
hohen Verbrennungshöchstdrücken betrieben werden müssen.
Bild 1-26 zeigt die Abhängigkeit des effektiven Kraftstoffverbrauchs vom
Luftverhältnis und dem ATL-Wirkungsgrad bei konstant gehaltenem Verbren-
nungshöchstdruck und mechanischem Wirkungsgrad. Man erkennt, dass im
Sinne eines maximalen 1Je-Wertes das Luftverhältnis insbesondere bei kleinen
ATL-Wirkungsgraden relativ klein gewählt werden sollte, allerdings unter Be-
achtung der Grenzwerte für die Abgastemperatur vor der Turbine Tvr und die
Abgasschwärzung.
46 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
~ 0,500
"~
Cl
f/1
Cl 0,475
c j
::J
~
~
::::CD 0,450
0,425
0,400
0,375 ···················:···················:·····
0,350 +---....;-----;...---;.-.3o.--;-......>.---"-i
1,5 1,7 1,9 2,1 2,3 2,5
Luftverhältnis A.v
Bild 1-26. Abhängigkeit des effektiven Wirkungsgrades 'le vom Luftverhältnis Av und dem
Turboladerwirkungsgrad 'ITL
1.3.3.4
Weitere Anwendungsbeispiele
• Temperaturfeldberechnung:
Berechnung der Wärmebilanz von Motoren und Ermittlung der thermischen
Belastung (Eingabegröße für die Berechnung der Temperaturfelder in Zylin-
der, Laufbuchse, Kolben und Ventilen) s. Abschn. 6.1
• Gasdruckverläufe für weitergehende Untersuchungen:
Berechnung der Gasdruckverläufe als Eingabegröße für weitergehende Un-
tersuchungen wie Festigkeitsberechnung, Drehschwingungsuntersuchung,
Simulation der Kolbenringbewegung
• Nasskorrosion:
Untersuchung der Gefahr von Nasskorrosion (Unterschreitung der Tau-
punkttemperatur des Abgases)
• Stickoxidemissionen:
Verwendung eines Verbrennungsmodells (z.B. Zweizonenmodell) zur Unter-
suchung der Stickoxidemissionen [1-22] bis [1-24]
• Umgebungsbedingungen:
Bestimmung der Betriebswerte von Motoren bei veränderten Umgebungs-
bedingungen (Druck und Temperatur)
• Plausibilitätsüberprüfung:
Überprüfung der Plausibilität von Messwerten oder von Hypothesen bei der
Schadensanalyse
• Übertragung von Einzylinder-Versuchsergebnissen aufVollmotoren:
Umrechnung der an Einzylinder-Versuchsmotoren gemessenen Betriebs-
werte auf Vollmotorbedingungen.
1.3.4
Zukünftige Arbeiten auf dem Gebiet der Realprozessrechnung
Bei der Berechnung des Ladungsdurchsatzes mit Gl. (1-23) ergeben sich
zuweilen Unterschiede zu gemessenen Durchsätzen: Mögliche Ursache könnte
die Vernachlässigung der dynamischen Vorgänge beim Beschleunigen und Ab-
bremsen der Ladeluft vor dem Einlassventil sein. Bei hohen Genauigkeitsan-
forderungen (z.B. bei Stoßaufladung) ist das Programmsystem PROMO [1-34]
zu verwenden, um gasdynamische Effekte berücksichtigen zu können.
Hinsichtlich des Brennverlaufes wird daran gearbeitet, ihn direkt aus den
Einspritzdaten zu berechnen [1-23], [1-36], [1-37], bzw. die Modelle für den
Ersatzbrennverlauf und seine Umrechnung im Kennfeld zu verbessern [1-56]
bis [1-58], um die Stickoxidemissionen mit besserer Genauigkeit berechnen zu
können [1-23].
Auf dem Gebiet der Umrechnung des Reibmitteldrucks im Kennfeld werden
ebenfalls weitere Untersuchungen durchgeführt mit dem Ziel, den Beitrag der
einzelnen Baugruppen auf die gesamten Reibungsverluste zu ermitteln [1-48].
2 Ladungswechsel und Aufladung
2.1
Ladungswechsel
2.1.1
Allgemeines
Mit Abschluss des Expansionshubes setzt der Ladungswechsel ein. Dieser über-
nimmt im Grunde zwei Aufgaben, nämlich
• den Austausch der verbrauchten Zylinderladung (Abgas) gegen Frischgas
(Luft beim Dieselmotor) als eine Grundvoraussetzung für einen Motor mit
innerer Verbrennung sowie
• die zum Schließen des thermodynamischen Kreisprozesses erforderliche
Wärmeabfuhr.
Der Ladungswechsel kann nach dem Viertakt- oder nach dem Zweitaktverfah-
ren erfolgen. Unabhängig davon lässt sich das Ladungswechselergebnis durch
eine Reihe dimensionsloser Kenngrößen charakterisieren und bewerten. Dazu
sei zunächst vereinbart:
mz gesamte Masse des Arbeitsgases im Zylinder bei Ladungswechselende,
m1 gesamte durch das Einlassorgan in den Zylinder eingeströmte Luftmasse,
m1 z Masse der Frischluft im Zylinder bei Ladungswechselende,
mRG Masse des Restgases im Zylinder bei Ladungswechselende,
'h Dichte der Luft vor den Einlassorganen
m1 theor theoretische Luftmasse.
Die theoretische Luftmasse
(2-1)
entspricht der in den Zylinder einzubringenden Masse an Luft mit der Dichte
(>1 , um exakt das Zylinderhubvolumen Vh damit zu füllen.
Der Luftaufwand
(2-2)
50 2 Ladungswechsel und Aufladung
ist ein Maß dafür, wieviel Luft relativ zur theoretischen Luftmasse während des
Ladungswechsels insgesamt in den Zylinder eingeströmt ist. Er entspricht für
einen stationären Motorbetriebspunkt dem gemessenen Luftdurchsatz.
Der Liefergrad
(2-3)
(2-5)
2.1.2
Viertaktverfahren
2.1.2.1
Steuerorgane
2.1.2.2
Ventilhubkurven und Steuerzeiten
AUSLASS EINLASS
ZOT UT UT ZOT
I I
EXPANSION ~--- ----1 KOMPRESSION
1 I
I I
I I
I I
I I
I
0
Aö Eö As Es
Auslass öffnet (Aö ). Beim Öffnen des Auslassventils besteht zwischen dem
Druck im Zylinder und dem Druck in der Auslassleitung normalerweise ein
überkritisches Druckverhältnis, sodass das Abgas durch den engsten Quer-
schnitt (am Ventilsitz) zunächst mit Schallgeschwindigkeit ausströmt. Dadurch
baut sich der Druck im Zylinder relativ rasch ab, sodass die beim anschließen-
den Aufwärtshub des Kolbens von diesem aufzubringende Ausschiebearbeit
nicht allzu groß wird. Würde man zur Minimierung dieser Ausschiebearbeit die
Steuerzeit "Aö" jedoch sehr früh legen, würde entsprechend die während des
Expansionstaktes vom Arbeitsgas auf den Kolben übertragbare Expansions-
arbeit verringert. "Aö" liegt demnach dann optimal, wenn die Summe der Ver-
lustarbeiten (Verlust an Expansionsarbeit,Ausschiebearbeit) ein Minimum bzw.
die innere(= indizierte) Arbeit ein Maximum wird. Dieses Optimum ist relativ
"flach" und liegt im Bereich von 40 bis 60 °KW vor UT.
As Eö Eö As Eö As
li<P= 0°KW li<P= 40 ... so•Kw ~'~<~>=so ... 120•Kw
r·· ;·
E A E A
...... 00 0 ~/
vc
OT "•tV 0
a b c
Bild 2-2. Einfluss der Ventilüberschneidung 11 q> auf die Restgasausspülung
2.1 Ladungswechsel 53
Einlassventil bereits vor dem oberen Totpunkt öffnet und das Auslassventil auch
noch über den oberen Totpunkt hinaus offen bleibt, übt die abströmende Abgas-
säule eine Sogwirkung auf den Zylinder und den damit verbundenen Einlass-
kanal aus, sodass Frischgas (Luft) in den Zylinder strömt und das Restgas
ausgespült wird, Bild 2-2b. Bei einem Saugmotor kann allerdings nur eine Ven-
tilüberschneidung bis etwa 40 bis 60 °KW realisiert werden, was jedoch für eine
weitgehende Restgasausspülung ausreicht. Würde sie, im Wesentlichen sym-
metrisch zu LOT, wesentlich größer gewählt, würde beim Ausschubhub Abgas
auch in die Einlassleitung geschoben und beim anschließenden Saughub Abgas
aus der Abgasleitung angesaugt werden. Bei hochaufgeladenen Dieselmotoren
(s. Abschn. 2.2), bei denen der mittlere Druck vor Einlass über dem mittleren
Druck in der Abgasleitung liegt, kann die Ventilüberschneidung deutlich länger
gewählt werden (bis zu 120 °KW), was dazu genutzt wird, über die Restgasaus-
spülung hinaus Frischluft durch den Zylinder zu spülen, Bild 2-2c. Dadurch
wird zum einen eine thermische Entlastung der brennraumbegrenzenden Bau-
teile erreicht, zum anderen lässt sich damit die Abgastemperatur vor der Turbo-
laderturbine nach oben begrenzen, was insbesondere für den Schwerölbetrieb
von Großdieselmotoren von Bedeutung ist (s.Abschn. 3.3).
Einlass schließt (Es). Einlass schließt ist so zu legen, dass die Füllung mit Frisch-
luft, d.h. der Liefergrad ...\I> ein Maximum wird, da sie für ein bestimmtes Luft-
verhältnis die fahrbare Motorlast bestimmt. Somit kommt der Festlegung von
"Es" eine ganz besondere Bedeutung zu. "Es" wird normalerweise nach UT
gelegt (s. Bild 2-1), weil das Einströmen in den Zylinder wegen der Trägheit der
einströmenden Luft auch dann noch anhält, wenn der Kolben mit Erreichen der
UT-Nähe praktisch keine Saugwirkung mehr ausübt. Wird "Es" allerdings zu
weit nach UT gelegt, kommt es zu einem unerwünschten Zurückschieben von
bereits eingeströmter Luft in die Einlassleitung. übliche Werte liegen bei "Es" =
20 bis 60 °KW nach UT. Der optimale Wert für "Es" ist so wie der Liefergrad vor
allem drehzahlabhängig. Bei einem festen Wert für "Es" nimmt der Liefergrad
über der Drehzahl einen wie in Bild 2-3 (durchgezogene Linie) gezeigten Verlauf
an. Der Abfall dieser Kurve links bzw. rechts des Scheitelpunktes hängt vor allem
damit zusammen, dass im zugehörigen Drehzahlbereich "Es" zu spät bzw. zu
früh liegt. Sollte z. B. der betreffende Motor künftig hauptsächlich im oberen
Drehzahlbereich betrieben werden, dann wäre es sinnvoll, "Es" entsprechend
später zu legen (gestrichelte Kurve in Bild 2-3).
0
a
- 1
::1. N
::1.
.i.,
..Cl
.i.,
..Cl
:ll :ll
.:!
~
~:J 'E
:J
Cl 0 ~========~ 0 Cl
0 0 hvmax
b Ventilhub hv c Ventilhub hv
2.1.2.3
Ventilquerschnitt und Durchflussbeiwert
Bei festliegender Konstruktion von Ventil und Ventilkanal hängt die während
der Öffnungsdauer durchgeströmte Gasmasse außer vom anliegenden Druck-
verhältnis vor allem vom Verlauf des Ventilhubes ab. Dieser beeinflusst unmit-
telbar den freien Strömungsquerschnitt
Der vom Ventil bei einem bestimmten Hub hv(cp) freigegebene geometrische
Ventilquerschnitt Av ( cp) berechnet sich mit dem inneren Ventilsitzdurchmesser
di und dem Ventilsitzwinkel pgemäß Bild 2-4 nach
Av(cp) =TC· hv(cp) · cos ß· [di + 0,5 · hv(cp) · sin 2ß]. (2-8)
Der der Strömung bei einem bestimmten hv(cp) tatsächlich zur Verfügung
stehende effektive Ventilquerschnitt Aveff(cp) ist in der Regel kleiner als Av(cp).
Er entspricht demjenigen Querschnitt, welcher in die Saint-Venantsche Durch-
flussgleichung, Gl. (2-9), einzusetzen ist, um bei gegebenen Werten für den
Ruhezustand des Gases auf der Anströmseite (p01 , T01 ) und den statischen
Druck p2 auf der Abströmseite den tatsächlichen Massendurchsatz rh zu er-
halten:
rh~R · T01
Aveff = -----;:=~::========::::: (2-9)
2x ~(p 2 )~ p)"t ( 2
1
]
x-1 ~ Poi Poi
Zur experimentellen Bestimmung von Aveff( cp) auf einem stationären Durchfluss-
prüfstand werden gemäß Bild 2-5 der zu untersuchende Zylinderkopf auf ein Rohr
mit einem Innendurchmesser gleich dem Zylinderdurchmesser D und an das
2.1 Ladungswechsel 55
Bild 2-5. Messung der Ventildurchflussbeiwerte und der Drallzahl im stationären Strö-
mungsversuch
äußere Kanalende des zu untersuchenden Ventils ein Rohr mit einem Innenquer-
schnitt entsprechend einer Fortführung des Ventilkanalquerschnittes AK gesetzt.
Der Ventilkanal kann nun hinsichtlich seines effektiven Querschnitts Aveff
abhängig vom Ventilhub für beide möglichen Strömungsrichtungen untersucht
werden. Dazu misst man zu definierten Ventilhüben jeweils
• den Ruhezustand an der Stelle 1 (p01 , T01 )
• den statischen Druck an der Stelle 2 (p 2 )
• den Massendurchsatz rh.
In A veff sind definitionsgemäß alle Strömungsverluste berücksichtigt, die zwischen
den Kontrollstellen 1 und 2 auftreten. A veff wird daher in der Regel immer kleiner
als der zugehörige geometrische Kanalquerschnitt AK (Bild 2-4a) sein.
Solche stationären Durchflussmessungen liefern zum einen die ent-
sprechenden Randbedingungen für die reale Motorprozessrechnung (s. Abschn.
1.3), zum anderen aber auch unmittelbar eine Aussage über die strömungstech-
nische Qualität einer gegebenen Ventil- bzw. Ventilkanalkonstruktion. Bei einem
Aven-Verlauf, wie in Bild 2-4a gestrichelt eingezeichnet, der vor Erreichen des
maximalen Ventilhubes waagerecht verläuft, ist ein zu großer Hub gewählt
worden, sofern der Liefergrad zufriedenstellend ist. Ist der Liefergrad dabei
nicht ausreichend hoch, liegt ein im Vergleich zum maximalen Ventilhub zu
enger Ventilkanal vor. Die Ventil- und die Ventilkanalgeometrie sowie der maxi-
male Ventilhub sind so aufeinander abzustimmen, dass für den gesamten Ven-
tilhubbereich der engste Strömungsquerschnitt immer im Ventilsitz liegt.
In der Praxis werden die Ventildurchflusseigenschaften meist nicht über den
effektiven Ventilquerschnitt Aveff(h v) dargestellt, sondern über einen Ventil-
durchflussbeiwert J1 (hv ), welcher nach
Version 1: Abez = AK
Mit dem konstanten Kanalquerschnitt AK (s. Bild 2-4) als Bezugsquerschnitt
ergibt sich ein Durchflussbeiwert p.1 , der für den gesamten Ventilhubbereich im
Bereich 0 ::::; p. 1 ::::; 1 liegt, Bild 2-4 b.
2.1.2.4
Einlassdrall
(2-11)
unddamit
c.
n=--. (2-12)
2. s
Das Verhältnis nnln verändert sich mit dem Ventilhub und muss in geeigneter
Weise über diesen gemittelt werden, wenn der für einen bestimmten Ventilkanal
repräsentative mittlere Drall (Drallzahl D) gesucht ist [2-2]:
10jj I
f - - - - - - - - - - - , ,----J I = l1
a0- \
~----------'=--/~-
I
Zeit
0
0.
'
101~ ,.'"
0.
-"'
u
2 t = 12
0
C\-ao
f----------'----''-----------1 t = 13
10
11
0
Weg X
2.1.2.5
Einfluss der Einlassleitung
Der in Gl. (2-3) definierte Liefergrad A- 1 hängt außer von der Geometrie und der
strömungsgünstigen Gestaltung des Einlasstraktes innerhalb des Zylinder-
kopfes (Ventil, Einlasskanal) in besonderer Weise auch noch von der Geometrie
der angeschlossenen Einlassleitung ab.
Man stelle sich dazu, wie in Bild 2-6 schematisch dargestellt, einen Viertakt-
Einzylindermotor mit einem auf der Einlassseite angeschlossenen glatten Rohr
vor. Das Rohr habe die (gestreckte) Länge L und verfüge am zylinderabgewand-
ten Ende über ein "offenes Rohrende". Unmittelbar vor Eö herrsche im Inneren
des Rohres ein Druck p gleich dem Außendruck p0 (plp 0 = 1). Beim Öffnen des
Einlassventils bewirkt der infolge des Saughubes im Zylinder sich einstellende
Unterdruck, dass sich eine Saugwelle (plp 0 < 1) vom Einlassventil in Richtung
offenes Rohrende ausbreitet (t1). Nach der dieser Überlegung zugrundeliegen-
den akustischen Theorie läuft diese Saugwelle mit der Schallgeschwindigkeit a0 ,
die gemäß
a 0 =~x·R·T0 (2-14)
unmittelbar von der Gastemperatur T0 im Rohr abhängt, die hier als konstant
angenommen sei. Nach der Zeit t = L!a 0 trifft die Saugwelle am offenen Rohr-
ende ein und wird dort als Druckwelle (p > p0 ) reflektiert (t 2), die nun ihrerseits
mit der Geschwindigkeit a0 zum Einlassventil zurückläuft (t3 ). Ist beim Eintref-
fen der Druckwelle das Einlassventil noch geöffnet, so kann diese den Liefergrad
58 2 Ladungswechsel und Aufladung
steigern. Dazu muss die gesamte Wellenlaufzeit At= 2Lia0 kürzer sein als die
zeitliche Ventilöffnungsdauer A tEö _Es. Daraus lässt sich die Bedingung
ao
L :5 720. n A(/)Eö-Es (2-15)
2.1.3
Zweitaktverfahren
2.1.3.1
Besonderheiten des Zweitakt/adungswechsels gegenüber dem Viertakt/adungswechsel
2.1.3.2
Spülverfahren
a Umkehrspülung b Gleichstromspülung
.
....
I
.!:!..c:
.. u
.
::1'0
~;;:::
"0>
::J c:
I ~
·===
W:O
Aö Eö UT Es As
I As
Kurbelwinkel rp
Bild 2-7. Schematische Darstellung der Spülströmung und Steuerdiagramm für zwei wesent-
liche Zweitakt-Spülverfahren
60 2 Ladungswechsel und Aufladung
strömung ausbilden soll, wie in Bild 2-7a angedeutet. Nach der Umkehr des
Kolbens in UT schließt dieser beim Aufwärtshub zunächst die Einlassschlitze
und schiebt ab "Es" einen Teil der Zylinderladung durch die Auslassschlitze wie-
der aus. Dieser mit dem sog. Nachauslass verbundene Frischgasverlust ist ein
wesentlicher Nachteil aller Schleifenspülverfahren und hat im (zu UT) symme-
trischen Steuerdiagramm seine Ursache.
Für Zweitakt-Großdieselmotoren hat sich seit Beginn der achtziger Jahre
die Gleichstromspülung gegenüber der Umkehrspülung mehr und mehr
durchgesetzt und wird heute bei allen Herstellern für Neuentwicklungen
eingesetzt, was durch den Zwang zu größeren Hub/Bohrungs-Verhältnissen
bedingt ist (s. Abschn. 19.4). Die Gleichstromspülung wird allgemein über
Einlassschlitze und ein einzelnes, zentral im Zylinderkopf angeordnetes
Auslassventil realisiert, s. Bilder 19-39 und 19-45. Durch die damit mögliche
freie Wahl der Auslasssteuerzeiten werden ein unsymmetrisches Steuer-
diagramm (s. Bild 2-7b) möglich und ein Nachauslass vermieden. Durch eine
entsprechende Anstellung der Einlassschlitzkanten kann der von unten
nach oben verlaufenden Längsspülrichtung ein Drall überlagert werden,
wodurch die Spülung zusätzlich stabilisiert wird und auch Einfluss auf
Gemischbildung und Verbrennung genommen werden kann. Wesentlich ist
dabei, die hohe thermische Belastung des Auslassventils zu beherrschen
(s. Abschn. 6.1).
Mit den in Abschn. 2.1.1 definierten Kenngrößen kann man den in
Bild 2-8 dargestellten Zusammenhang herleiten, um Zweitakt-Spülverfahren
beurteilen zu können. Der bestmögliche Spülverlauf, nämlich die reine
Verdrängungsspülung, liegt dann vor, wenn der Luftaufwand .A. nur entspre-
chend dem Volumen Vh + Yc oder .A. = f./ t:- 1 getrieben werden muss, um den
Spülgrad A5 = 1,0, d.h. vollkommene Ausspülung zu erreichen. Die Gerade
A5 = 0 entspricht der Kurzschlussströmung, d.h. bei noch so großem Luft-
aufwand .A. wird keine Spülwirkung erreicht. Die als totale Mischung gekenn-
zeichnete Kurve entspricht einer Spülung, bei der jedes in den Zylinder ein-
tretende Frischladungs-Massenelement sich mit der momentan insgesamt im
Zylinder befindlichen Zylinderladungsmasse vollkommen vermischt und
über den Auslass nur Massenelemente aus der momentanen Mischladung
abströmen.
Es ist sicherlich leicht nachzuvollziehen, dass die Gleichstromspülung unter
allen Spülverfahren der reinen Verdrängungsspülung am nächsten kommt.
0
0 1 t"-E/(E-1) 2
Luftaufwand Aa
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 61
2.1.3.3
Messung des Spülerfolgs, Spülmodelle
2.2
Aufladung von Dieselmotoren
2.2.1
Allgemeines
2.2.1.1
Definition und Ziele der Aufladung
Die Aufladung des Verbrennungsmotors stellt primär ein Verfahren zur Steige-
rung seiner Leistungsdichte dar, wie die folgende Überlegung verdeutlichen soll:
62 2 Ladungswechsel und Aufladung
(2-17)
mit a =2 für Viertakt, a = 1 für Zweitakt (vgl.Abschn. 1.2). Diese besagt, dass die
effektive Leistung eines bestimmten Motors (VH, a) unter Verwendung eines
bestimmten Kraftstoffes (Hu,Lmin) und eines bestimmten Brennverfahrens (A.v)
bei einer bestimmten Drehzahl nM (~ ..\1 = konst.) abgesehen vom effektiven
Wirkungsgrad rze nur noch von der Dichte ~L der Luft vor Motoreinlass abhängt.
Wird deni Motor die Luft vor Einlass mit einer Dichte höher als die der Um-
gebungsluft angeboten, liegt Aufladung vor.
Da nach der Gaszustandsgleichung
(2-18)
die Dichte ~L vom Druck PL und der Temperatur TL bestimmt wird, und TL im
Normalfall nicht unter die Umgebungstemperatur abgesenkt werden kann,
versteht sich die Aufladung in erster Linie als eine Anhebung des Drucks vor
Einlass auf einen Wert oberhalb des Umgebungsdrucks, den sog. Ladedruck PL.
Das dazu eingesetzte Aggregat wird als Lader bezeichnet.
Die Möglichkeiten zur Aufladung sind nach DIN 6262 festgelegt.
2.2.1.2
Vergleich von Abgasturboaufladung und mechanischer Aufladung
l 1
~
Lf,lz
c.
~
u
2
c
dass die Zylinderladung vom Zustand 5 Z auf den Druck p 1 (nach Auslassventil)
gedrosselt und nicht auf diesen isentrop entspannt wird (Verlust durch unvoll-
kommene Dehnung).
Im Falle der Abgasturboaufladung ist bei gleichem Ladedruck p2 und
gleicher Hochdruckphase des Motorprozesses wie bei der mechanischen
Aufladung auch die gleich große Laderarbeit WL aufzubringen. Ferner liegt
auch der gleiche Zylinderzustand bei Expansionsende (SZ) vor. Die Lader-
arbeit WL wird nunmehr jedoch nicht von der Kurbelwellenarbeit abgezweigt,
sondern von der (flächengleichen) Turbinenarbeit WT abgedeckt, die aus der
Abgasenergie entnommen wird. Da die Abgastemperatur T3 vor Turbine
höher ist als T2 , liegt unter der Bedingung WT = WL der Abgasdruck p3 vor
Turbine niedriger als p 2 , sodass sich auch hier eine positive Ladungswechsel-
arbeit Www einstellt. Darüber hinaus ist wegen des höheren Gegendrucks am
Auslass der Arbeitsverlust infolge unvollkommener Dehnung der Zylinder-
ladung (senkrecht schraffierte Fläche) geringer als im Falle der mecha-
nischen Aufladung. Dass ein Teil dieses zylinderseitigen Arbeitsverlustes von
der Abgasturbine sogar zurückgewonnen wird, kommt darin zum Ausdruck,
dass die Temperatur im Punkte 3 größer ist als die bei 3', welche sich bei
isentroper Expansion der Zylinderladung auf den Abgasdruck p3 einstellen
würde. Auch wenn Bild 2-9 nur idealisierten Zustandsänderungen entspricht,
so deutet sich doch bereits an, dass bezüglich des Motorgesamtwirkungs-
grads die Abgasturboaufladung wohl günstigere Voraussetzungen bietet als
die mechanische Aufladung.
64 2 Ladungswechsel und Aufladung
2.2.2
Zusammenwirken von Motor und Lader
2.2.2.1
Laderbauarten und ihre Kennfelder
Roots-Lader Drehkolben-Lader
Optimalparabel
0 I
•
~I
I
Lader-
kennlinie
2.2.2.2
Motorschlucklinie
bringen, die besagt, dass bei einer bestimmten Motordrehzahl nM und damit
auch gegebenem Liefergrad Ä 1 für eine bestimmte Ladelufttemperatur TL
Ladedruckverhältnis rrL und durchgesetzter Volumenstrom V1 direkt propor-
tional sind, was in Bild 2-12 einer Geraden durch den Ursprung entspricht.
Für eine höhere Drehzahl (nM 2 > nM 1) weist die entsprechende Gerade einen
geringeren Anstieg auf. Praktischen Sinn besitzt diese Geradenschar aller-
dings nur für Druckverhältniswerte rrL 2: 1, wobei rrL = 1,0 dem Saugmotor
entspricht.
Soll berücksichtigt werden, dass TL mit rrL ansteigt, ergibt sich für rrL 2: 1 die
dick gezeichnete Linienschar. Wirdambetrachteten Motor zusätzlich eine Ven-
tilüberschneidung (VÜ) realisiert, so nehmen die Schlucklinien die gestrichelt
gezeichneten Verläufe an. Dabei ist unterstellt, dass auf der Auslassseite der
Druck p1 anliegt.
ohne
mit
bez. Volumenstrom V1
bez. Volumenstrom V1
2.2.2.3
Motorbetriebslinien
bez. Volumenstrom V1
STRÖMUNGSLADER
Motorbetriebs-
linie
bez.Volumenstrom 1 v.
~/
'>~7
~/
/
1 L-------------~L---~~---------
0 bez. Volumenstrom "V-1
M=100%
ZWEITAKT
nL =konst.
- Motorbetriebslinie
1 ~~----------------~-----------
0 bez. Volumenstrom V1
2.2.3
Abgasturboaufladung
Bei der Abgasturboaufladung wird die Laderdrehzahl nicht wie bei der mechani-
schen Aufladung direkt von der Motordrehzahl bestimmt, sondern vom momen-
tanen Abgasenergieangebot (Abgasleistung) des Motors an den Abgasturbolader.
Bild 2-15 zeigt im oberen Teil einen Auslegungsfall, bei dem für einen Vier-
taktdieselmotor im Nennleistungspunkt der gewünschte Ladedruck erreicht
wird. Davon ausgehend verschiebt sich der Betriebspunkt im Laderkennfeld je
nach Belastungskennung (s. Abschn. 1.2).
Bei Generatorbetrieb (nM = nNenn = konst.) verschiebt sich mit abneh-
mender Motorleistung wegen der damit auch abnehmenden Abgasleistung
70 2 Ladungswechsel und Aufladung
2.2.3.1
Turboladerhauptgleichungen, Turboladerwirkungsgrad
(2-23)
(2-25)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 71
s
h
45
s
(2-26)
schreiben.
Da Turbine und Lader eine gemeinsame Welle besitzen, sind die zugehörigen
mechanischen Verluste im mechanischen Wirkungsgrad 'lmTL des Turboladers
zusammenzufassen:
Unter Verwendung von Gl. (2-29) lässt sich Gl. (2-26) umstellen in die I. Turbo-
laderhauptgleichung:
Pz ,
mT CpT T3 [ ( P4 )KT -1]
---x;:- ) Kt-1
KL
JrL = - = ( 1 + -.- • - •-. 'lTL • 1- - • (2-30)
P1 mL CpL T1 P3
Abgesehen davon, dass das Ladedruckverhältnis danach mit Zunahme von
Abgasdruck und, -temperatur sowie des Turboladerwirkungsgrades 'lTL
steigt, folgt ferner, dass bei Übergang zu einem Turbolader mit höherem
Wirkungsgrad 'lTL für einen angestrebten Ladedruck p2 ein nur geringeres
Aufstauen der Abgase vor der Turbine (kleinere Werte für p3 , T3) erforderlich
ist, worauf der Motor mit einer besseren Restgasausspülung und, wegen der
nun geringeren Ausschubarbeit, mit einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch
reagiert.
Gleichung (2-30) lässt sich zudem umformen in die Bestimmungsgleichung
für den Turboladerwirkungsgrad:
thL CpL Tl
(-Pz)Kt~Ll -1
Pl
I-(;:)"
'lTL =- •- •- •--'---'--r-----c--Kr----:-1 ' (2-31)
mT CpT T,
Sie stellt gleichzeitig auch die Bestimmungsgleichung für den sog. Auflade-
wirkungsgrad dar. Dieser Begriff ist ganz allgemein auf Aufladesysteme mit Ab-
gasenergienutzung anwendbar.
Das Aufladesystem wird dabei als eine "black box" betrachtet, der Abgas mit
dem Zustand p 3 , T3 zugeführt wird, das darin auf den Gegendruck p 4 entspannt
wird, und die im Gegenzug Luft vom Ansangzustand p 1 , T1 auf den Ladedruck
p2 verdichtet. Diese "black box" kann außer für einen (einstufigen) Abgasturbo-
lader auch für einen Druckwellenlader (COMPREX) oder ein zweistufiges
Turboladeraggregat samt Zwischenkühler stehen.
Bei der Übernahme konkreter Zahlenwerte für 'lTL in eigene Überlegungen
ist immer darauf zu achten, über welche Bestimmungsgleichungen diese zu-
standegekommen sind, insbesondere ob die Zustandsgrößen (p, T) für die
Zustände 1 bis 4 als statische Größen oder als Gesamtzustandsgrößen berück-
sichtigt worden sind.
Aus der Tatsache, dass bei stationärem Betrieb der Abgasmassenstrom des
Motors dem der Turbine zugeführten entspricht, folgt die II. Turbolader-Haupt-
gleichung
Sie entspricht der Durchflussgleichung für eine Drosselstelle mit dem effektiven
Querschnitt gleich dem effektiven Turbinenquerschnitt ATeff> der außer von der
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 73
(2-34)
2.2.3.2
Stoss- und Stauaufladung
Stoßaufladung. Die Stoßaufladung geht auf das Büchi-Patent von 1925 zum sog.
Druckwellen-Verfahren zurück [2-8]. Danach sollen in Rohrleitungen mit einem
Strömungsquerschnitt gleich dem Zylinderkopfaustrittsquerschnitt die Abgase
von jeweils nur solchen Zylindern einer Zylinderreihe zu einem gemeinsamen
Abgasleitungsteilstrang zusammengefasst und auf einen separaten Turbinenein-
tritt geleitet werden, die im Zündabstand so weit auseinander liegen, dass sie sich
nicht gegenseitig während des Ladungswechsels behindern. Der Zündabstand
zwei er aufeinanderfolgend ausschiebender Zylinder eines Teilstrangs sollte aber
wiederum auch nicht so groß sein, dass der Abgasdruck im zugehörigen Abgas-
leitungstenstrang zwischen zwei Auspuffstößen bis auf den Turbinengegen-
druck abfällt.
Diese Forderungen werden am besten von der Dreierstoß-Aujladung erfüllt,
die bei Viertakt einen Zündabstand von 3 x 240 °KW aufweist, bei Zweitakt
74 2 Ladungswechsel und Aufladung
PA
p,--'>L+--:-+----=-r---t---t---t---->Lt-
1,6
2.503.4
einen von 3 x 120 °KW. Wie Bild 2-17 verdeutlicht, wird bei Stoßaufladung ein
Unterschwingen des Abgasdrucks PA unter den Ladedruck PL während der Ven-
tilüberschneidungsphase erreicht, wodurch selbst dann noch eine Spülung des
Zylinders stattfindet, wenn der mittlere Abgasdruck gleich hoch oder gar höher
liegt als der Ladedruck: Allerdings ist die als ideal anzusehende Dreierstoß-Auf-
ladungnur bei Zylinderzahlen von z = 3 n (n = 1, 2, ... N) je Zylinderreihe rea-
lisierbar.
Für andere Zylinderzahlen, sofern sie ganzzahlig durch zwei teilbar sind,
kommt die symmetrische Zweierstoß-Aujladung in Betracht. Da der Zünd-
abstand (beim Viertaktmotor) nunmehr 2 x 360 °KW beträgt, fällt der Ab-
gasdruck nach jedem Auspuffstoß bis auf den Turbinengegendruck ab.
Andererseits baut sich der einzelne "Abgasdruckberg" aber langsamer ab als
beim Dreierstoß, weil der jedem Abgasleitungsteilstrang zugeordnete Turbinen-
teilquerschnitt das Abgas von nur zwei Zylindern aufzunehmen hat und
dementsprechend kleiner ist als im Falle des Dreierstoßes, s. Bild 2-18. Eine
spülungsbehindernde Auswirkung der letztgenannten Erscheinung kann
durch ein Späterlegen der Ventilüberschneidung weitestgehend ausgeschaltet
werden.
Für Motoren mit 5 oder 7 Zylindern je Zylinderreihe kann die Stoßaufladung
nur durch eine Kombination aus zwei- bzw. dreifachem unsymmetrischen Zwei-
erstoß und jeweils einem Einerstoß realisiert werden, wobei die für den symme-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 75
p·r;r
Eö As Es
Eö As Es
UT OT UT
Kurbelwinkel \j)
5,0
UT OT UT OT
I
bar
.1
Messst.@ (\ D= 520 mm
1\r !'-..
s = 550mm-
(~ ~
Pe=
n =
17,65bar
428 min·'
I !'--- r---....._ 7 ~
1/ 1'----..
.. .. Steuerzeiten Zyl. 1 und 3
As
der engeren Abgasleitung nach Öffnen des Auslassventils der vom Zylinder "ver-
spürte" Abgasgegendruck schnell nahezu bis auf das momentane Zylinder-
druckniveau ansteigt.
Zur Frage des vorteilhafteren Einsatzes von Stau- oder Stoßaufladung bei
stationär betriebenen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren abhängig vom
Aufladegrad gilt heute allgemein, dass ab mittleren effektiven Drücken von
Pe"" 18 bar bzw. einer spezifischen Arbeit we"" 1,8 kJ/dm 3 die Stauaufladung von
Vorteil ist, was etwa Ladedrücken von ca. 3,4 bar entspricht [2-10] .
Bezüglich Teillast- und Beschleunigungsverhalten schneidet die Stoßaufladung
grundsätzlich immer günstiger ab als die Stauaufladung. Bei niedriger Motor-
leistung und dementsprechend geringem Abgasenergieangebot der Motorzylin-
der arbeitet die Turbine nämlich in beiden Fällen mit einem sehr niedrigen Wir-
kungsgrad. Die Stoßaufladung liefert wegen der geringeren Drosselverluste am
Zylinder jedoch etwas mehr nutzbare Abgasenergie an die Turbine. Zudem
ermöglicht das bei Stoßaufladung prinzipbedingte "Unterschwingen" des Abgas-
drucks unter den Ladedruck während der Ventilüberschneidung eine verbesserte
Restgasausspülung und damit einen größeren Sauerstoffgehalt im Zylinder bei
Ladungswechselende. Dessen Höhe ist aber entscheidend dafür, wieviel der bei
Einleitung des Beschleunigungsvorgangs erhöhten Kraftstoffrate auch wirklich in
Beschleunigungsleistung umgesetzt werden kann.
Da bei Fahrzeugmotoren ein gutes Beschleunigungsverhalten besonders
wichtig ist, sollten deren Abgasleitungen weitgehend nach den Forderungen der
Stoßaufladung gestaltet werden. Für alle übrigen Motorenkategorien sollten,
einmal abgesehen von etwaigen Firmentraditionen, außer dem Aufladegrad vor
allem die überwiegende Einsatzart eines Motortyps die Entscheidung für die
Stoßaufladung oder die Stauaufladung bestimmen.
Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Turboladerwirkungsgrade gene-
rell enorm gesteigert werden konnten, entschärft den genannten Zielkonflikt
und ermöglichte Abgasleitungsausführungen, die als Mischformen und jeweils
optimaler Kompromiss aus Stoß- und Stauaufladung anzusehen sind (s. dazu
Bild 2-20).
A,
Bild 2-20. Abgasleitung des Motors MWM TBD 604 BV 16 (D = 170 mm, s = 195 mm)
78 2 Ladungswechsel und Aufladung
2.2.3.3
Ladeluftkühlung
Bei der Verdichtung der Luft in einem Lader vom Zustand 1 auf den Druck Pz
steigt mit dem Druck auch die Temperatur, die am Laderaustritt (Tz) normaler-
weise höher liegt als die entsprechende Temperatur Tz 5 bei isentroper Verdich-
tung. Ist der isentrope Laderwirkungsgrad 'lsL bekannt, der nach
Tzs- Tl
'lsL=-T T mit (2-35)
z- 1
im Versuch zu bestimmen bzw. dem Laderkennfeld zu entnehmen ist, lässt sich
die Temperatur Tz berechnen:
(2-36)
vgl. Bild 14-3. Durch eine isobare Rückkühlung (bei Pz = konst.), also durch
Ladeluftkühlung in einem Ladeluftkühler, lässt sich der motortechnisch uner-
wünschte Temperaturanstieg im Lader teilweise zurücknehmen.
Die mögliche Temperaturabsenkung im Ladeluftkühler LLK (s. Bild 2-21)
wird außer vom Temperaturniveau des verfügbaren Kühlmediums (Kühlmittel-
eintrittstemperatur TKe) von der Wirksamkeit des Ladeluftkühlers bestimmt, die
im Rekuperationsgrad 'lLLK> auch Ladeluftkühlerwirkungsgrad genannt, zum
Ausdruck kommt:
Tz- Tz•
'lLLK = -T
T, • (2-37)
Z- Ke
L
s
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 79
2.2.3.4
Stationäres und instationäres Motorbetriebsverhalten bei Abgasturboaufladung
..---. CD Generatorbetrieb
Zugkrafthyperbel \
(PA= konst.) •••• @ Propellerbetrieb
·••·· •• A @ DrehzahldrückunQ
-111
c
15 'iii
c
0 0
:::;; ~
0~--~------------~
1.0 +---r:::....____:__ _ _ _ _ _ _ _ __.__ _ _ _ _ ___,
0 ns 0
a Motordrehzahl nM
b bez. Volumenstrom v,
Bild 2-22. Motorbetriebslinien in Motorkennfeld (links) und Laderkennfeld (rechts) bei ab-
nehmender Motorleistung; Viertaktdieselmotor mit ungeregeltem Abgasturbolader (ATL)
25 50 75 100 % 0 25 50 75 100 %
Volumenstrom V
0 25 50 75 100 % 125
Leistung
2.2.3.5
Down-Sizing
Von Down-Sizing spricht man, wenn eine gewünschte Motornennleistung über
einen kleineren Motor (kleineres Hubvolumen) dargestellt wird, der dementspre-
chend höher aufgeladen sein muss. über die dabei verringerte Motorreibung
84 2 Ladungswechsel und Aufladung
steigt der mechanische und damit auch der effektive Wirkungsgrad des Motors.
Zudem nimmt das Motorgewicht ab, was besonders wichtig für Fahrzeugmotoren
ist. Bei zu weit gehendem Down-Sizing können allerdings ein stark verringerter
innerer Motorwirkungsgrad und ein geringerer Aufladewirkungsgrad die Vorteile
aus der verringerten Reibung aufzehren.
2.2.4
Sonderformen der Abgasturboaufladung
2.2.4.1
Zweistufige Aufladung
Unter zweistufiger Aufladung wird die Reihenschaltung zweier freilaufender
Abgasturbolader verstanden, s. Bild 18-59. Wesentlicher Beweggrund dafür ist das
Erfordernis von Ladedruckverhältnissen bis zu sechs und darüber, wenn mittlere
effektive Drücke im Bereich von Pe =30 bar und größer darzustellen sind [2-12].
Schaltet man z.B. zwei Lader (Verdichter) hintereinander, von denen jeder
ein Druckverhältnis von rc1 = 2,5 bei einem isentropen Laderwirkungsgrad
von 'lsL = 80% aufbaut, so wird damit ein Gesamt-Ladedruckverhältnis von
rr1 ges = 6,25 mit einem isentropen Wirkungsgrad über beide Laderstufen von
immerhin noch 77,5 o/o erreicht. Ein Ladedruckverhältnis von 6,25 ließe sich
zwar u. U. auch noch über eine einzige Radialverdichterstufe verwirklichen,
jedoch nur mit einem deutlich niedrigeren Wirkungsgrad. Dieser Vorteil der
zweistufigen Verdichtung wird noch verstärkt durch die Einbindung eines
Zwischenkühlers. Dieser verringert die Temperatur der Luft vor Eintritt in den
Hochdrucklader und damit gemäß Gl. (2-23) die für das gewünschte Druckver-
hältnis aufzubringende Verdichterleistung. Jeder der beiden genannten Effekte
wirkt sich positiv auf den Aufladewirkungsgrad und damit auf den spezifischen
Kraftstoffverbrauch des Motors aus.
Der allein aus der Sicht der Prozessführung durchaus sinnvollen Überlegung,
die genannten Vorteile der zweistufigen Aufladung auch schon für niedrigere
Aufladegrade zu nutzen, stehen der komplexere Aufbau des Aufladesystems und
der damit verbundene höhere Investitions- und Wartungsaufwand entgegen. Als
Erfahrungswert aus dem Bereich der Mittelschnellläufer gilt, dass der Übergang
von einstufiger zu zweistufiger Aufladung sich erst dann "rechnet", wenn damit
eine Pe-Steigerung um mindestens 5 bar verbunden ist. Die positive Wirkung
der Zwischenkühlung auf den Aufladewirkungsgrad und damit mittelbar auf
den Motorgesamtwirkungsgrad wird um so kleiner, je mehr der momentane
Ladedruck (bei Teilleistung) vom maximalen Ladedruck (bei Nennleistung)
abweicht, weil es dann auch entsprechend weniger zu kühlen gibt.
Um bei derart hohen Aufladegraden, wie sie die zweistufige Aufladung
ermöglicht, die mechanische Belastung des Motors durch den maximalen
Zylinderdruck (Zünddruck) beherrschbar zu halten - es werden dabei ohnehin
bereits Werte bis Pzmax = 170 bar [2-15] gefahren -wird das Verdichtungsver-
hältnis E gegenüber den bei einstufiger Aufladung üblichen Werten deutlich
abgesenkt. Eine E-Absenkung stellt als Einzeleinfluss aber immer eine Wir-
kungsgradverschlechterung dar, ein wesentlicher Grund für die grundsätzlich
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 85
2.2.4.2
Turbocompounding
NT
M ... Motor
VT .. ~ Verdichterturbine
NT ... Nutzturbine
2.2.5
Druckwellenaufladung (COMPREX)
der Zelle befindliche Abgas entspannt. Die aus der Zelle abströmende Abgas-
säule saugt über das inzwischen zur Luftsaugseite (L-ND) offene linke Zellen-
ende Luft aus der Atmosphäre in die Zelle und der geschilderte Vorgang beginnt
von neuem. Dieser sich für die einzelne Zelle periodisch wiederholende, stark
gasdynamisch geprägte Ablauf stellt sich jedoch insgesamt wie ein stationäres
Durchsetzen von Abgas und Luft durch das Aufladeaggregat dar, sodass sich für
den Druckwellenlader wie für den Turbolader nach Gl. (2-37) der Auflade-
wirkungsgrad berechnen lässt.
Bild 2-28 zeigt auch die in der von der Umfangsabwicklung des Zellenrades
gebildeten Zeit-Weg-Ebene verlaufenden Spuren der Druckwellen (Machlinien)
und - als gepunktete Linie - die Trennlinie zwischen Abgas und Luft. Danach
gelangt das Abgas nicht bis zum Gehäuseschlitz an der Ladeluftleitung, wenn-
gleich sich durch eine entsprechend andere Anordnung des Schlitzes erreichen
lässt, dass ein Teil des Abgases in die Ladeluftleitung einströmt (Abgasrück-
führung), so wie andererseits auch eine mehr oder weniger große Luftdurch-
spülungzur Auslassseite hin realisiert werden kann.
Ein wesentliches Problem bei der Entwicklung des Comprex hatte darin
bestanden, dass die Druckwellenvorgänge innerhalb des Zellenrades mit - im
Wesentlichen konstanter - Schallgeschwindigkeit ablaufen, das Zellenrad daher
eigentlich bei allen Motorbetriebspunkten mit nahezu gleicher Drehzahl um-
laufen müsste, tatsächlich aber proportional zur Motordrehzahl angetrieben
wird. Dieses Problem wurde durch die Anordnung sog. Gastaschen im Gehäuse
gelöst (GT in Bild 2-28). Inzwischen ist auch prototypisch der Weg beschritten
worden, das Zellenrad durch eine geänderte Gasführung mit Drallwirkung auf
der Einlassseite vom Abgasstrom selbst antreiben zu lassen und damit auf den
Keilriemenantrieb verzichten zu können. Dies beseitigt einen entscheidenden
Nachteil gegenüber dem Turbolader, nämlich, dass der erforderliche Riemen-
trieb die Freizügigkeit im Anbau an den Motor einschränkt [2-24].
.9
0
::E 1000
'ä; 500
~
Ol L.
'i5
c m/s
lu 2
cn
Ql
Ol
l: 0
& 0 2 4 6 s 8
Zeit
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 89
2.2.6
Mechanische Aufladung
Wie unter Abschn. 2.2.2 ausgeführt, steht bei üblicher mechanischer Aufladung
schon im unteren Drehzahlbereich ein relativ hoher Ladedruck an, wodurch
sich im Vergleich zum Basissaugmotor das Volllastmoment etwa parallel zu
höheren Werten verschiebt, Bild 2-30. Durch die Kopplung Ladedruck - Motor-
drehzahl erfolgt dies nicht nur im stationären, sondern auch im instationären
Betrieb (Beschleunigen). So sehr dieses Argument für die Anwendung der
mechanischen Aufladung im Pkw-Dieselmotor spricht, so sehr spricht der
All-AUFLADUNG MECHAN.AUFLADUNG
M+
~
120 ATL- Aufladung Mechan. Aufladung
Nm
~
E so
0
E
.c.
~
0 40
0~--~--~--~~
2000 4000 min- 1 2000 4000min-1
Drehzahl Drehzahl
40 600
mbar
400-n
2
-o
GJ
-o
~-~-=-:::..__-+ - mechan. Aufladung 200 .3
(PIERBURG
- Drehkolbenlader)
0
0 5 10 15 20 s 25
Zeit
2.2.7
Elektrischer Laderantrieb
2.3
Programmierte Ladungswechselberechnung
Neben der Berechnung der zylinderinternen Zustandsänderungen bildet die Be-
rechnung der Zustandsänderungen in den Ein- und Auslassleitungen, die sog.
Ladungswechselrechnung, den Kern der Motorprozesssimulation (s.Abschn. 1.3).
Abgesehen von Rechenverfahren, die von der stark vereinfachenden An-
nahme eines zeitlich und örtlich konstanten Gaszustandes in der Einlass- und
Auslassleitung ausgehen, lassen sich die in Anwendung befindlichen Ladungs-
wechsel-Rechenprogramme in zwei Gruppen einteilen.
Programme, die auf dem quasi-stationären Verfahren der Füll- und Ent-
leermethode basieren, berechnen nur den zeitlichen Verlauf der Zustandsän-
derungen in den Gaswechselleitungen. Dazu wird z. B. die Abgasleitung eines
abgasturboaufgeladenen Mehrzylindermotors als ein Behälter konstanten
Volumens betrachtet, der entsprechend der Zündfolge der angeschlossenen
Zylinder intermittierend mit Abgas gefüllt und über die Abgasturbine konti-
nuierlich entleert wird. Im Wesentlichen unter Ansatz der Gleichungen für die
Massen- und Energiebilanz und der Gaszustandsgleichung für dieses Kontroll-
volumen lassen sich für dieses die Verläufe von Druck und Temperatur und
damit u. a. auch das Abgasenergieangebot an der Turboladerturbine berechnen.
Dass sich damit durchaus realitätsnahe Ergebnisse erzielen lassen, bestätigt
Bild 2-32 mit einem Rechnungs-Messungsvergleich.
Die Grundvoraussetzungen der Füll- und Entleermethode sind umso weniger
erfüllt, je höher das Drehzahlniveau und je länger und schlanker die Gaswech-
selleitungen des zu berechnenden Motors sind. Dann muss auch die Ortsverän-
derlichkeit der Zustandsgrößen in den Gaswechselleitungen berücksichtigt
werden, wozu ein entsprechend instationär arbeitendes Rechenverfahren, wie
das Charakteristikenverfahren, heranzuziehen ist. Dabei reicht es in den meisten
Fällen aus, die Strömung in den Gaswechselleitungen als eindimensionale insta-
tionäre Rohrströmung zu behandeln.
In [2-29] werden die quasistationäre Füll- und Entleermethode und das
Charakteristikenverfahren in der Anwendung auf unterschiedliche Viertakt-
dieselmotoren miteinander verglichen, Bild 2-33: Der für einen schnelllaufen-
den Hochleistungsdieselmotor mit symmetrischer Zweierstoßaufladung stark
gasdynamisch geprägte Abgasdruckverlauf kann vom Charakteristikenverfah-
ren ziemlich gut, von der Füll- und Entleermethode jedoch nur noch in der
groben Tendenz nachgebildet werden.
92 2 Ladungswechsel und Aufladung
~3
2
CJ
~
2 ci
·~\Messstelle
Q;520mm, S; 550mm
Pe; 17.55 bar
Eö AS ES . _,
Aö nM; 430 mm
ba r
I
. \
-Rechnung
---- Messung
I \\
\
.A- ~
\
'
<
c. ',
7 ~ ---------I!- ~ ', }
ij3
2
CJ
' ',
_,
' ""'""'
Bild 2-32. Rechnungs-Messungsvergleich zur Füll- und Entleermethode für einen Mittel-
schnellläufer [2-29]
5,0
bar
4,0
Cl 2,0-k<,__ _ _ _---=J:~~7i.t.1-----l---.::::,.~i<'51!1---+------=:::~;:::,
c:
B
~ 1,0+------------4-------------l--------------+-----------~
"'
iii ---Messung
2,5 m
"'
<(
- - Charakt. verfahren
Q;
"0 - - - Füll- u. Entleermethode
.<:
g 3•0 ~-----~-- D = s = 230 mm---ff~--.--------,
c bar Pe = 12,75 bar
l----1'--""-----8-''\-\-- n = 1500 min·'
1,0 1-----~----~-=----.....L.----...J
0 180 360 540 °KW 720
Kurbelwinkel 'I'
Bild 2-33. Quasistationäre und instationäre Ladungswechselrechnung im Vergleich zur
Messung
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung 93
3.1
Die dieseimotorische Verbrennung
3.1.1
Ablauf der Gemischbildung
3.1.1.1
Verfahrens~~nerk~~na/e
3.1.1.2
Gemischbildung
IOberflächenpertubation I
0 0
t t t t t t t t t t
Bild 3-2. Aufbereitung eines Kraftstofftropfens bei niedriger (links) und hoher (rechts)
Anströmgeschwindigkeit
3.1.1.3
Zündung und Zündverzug
12 100
bar/°KW bar
r\
\
10 80
00
Ql
·.;:;
8
6
-
:::J
~ 40
60
\
\
1/
!/)
c Ql
----~
>
"'
-"' -"'
g 20
\ \ Druckverlauf
lW ~ ~nad elhub
0
1
-2
2 4V
120 90 60 30 OT 30 60 90 120 150 180
°KWv,OT °KWn,OT
3.1.1.4
Verbrennung und Brennverlauf
I
OT
Pz
dOs
dljl
dms
dljl
Der erste Abschnitt beginnt mit der Entflammung des bereits zündfähigen
Gemisches im Brennraum und ist beendet, sobald die während der Zündver-
zugszeit aufbereitete Kraftstoffmenge verbrannt ist. Hier wird der Brennverlauf
noch reaktionskinetisch von der Niedertemperatur-Chemie gesteuert. Beim
übergang in den zweiten Abschnitt ist die Geschwindigkeit der exothermen
Energiefreisetzung bereits gekennzeichnet durch die Hochtemperatur-Reak-
tion, die jedoch schnell von den im Brennraum auftretenden turbulenten
Durchmischungsvorgängen überdeckt und beeinflusst wird. Der Brennverlauf
wird im wesentlichen durch die Geschwindigkeit bestimmt, mit der die Ge-
mischbildung mit dem Kraftstoff erfolgt, der erst nach dem Zündverzug in den
Brennraum gelangt ist und aufbereitet werden muss. Die Brennrate wird danach
vollständig von den turbulenten Austauschvorgängen bestimmt.
Der anschließende dritte Abschnitt ist durch die vergleichsweise langsame
Umsetzung des zuletzt aufbereiteten Kraftstoffes gekennzeichnet. Ursache hier-
für ist die deutlich abnehmende Gastemperatur, eine Verlangsamung der turbu-
lenten Ladungsbewegung sowie eine Abnahme des Luftüberschusses bzw. Sau-
erstoffangebotes gegen Ende der Verbrennung.
Der erste Abschnitt im Brennverlauf ist von entscheidender Bedeutung vor
allem für die Härte der dieseimotorischen Verbrennung. Um starkes Ver-
brennungsgeräusch zu vermeiden, muss die während der Zündverzugszeit
im Brennraum aufbereitete bzw. die in dieser Phase eingespritzte Kraftstoff-
menge limitiert werden. Mit den bis vor kurzem verfügbaren Einspritzan-
lagen konnten Gemischbildung und Verbrennung nur in begrenztem Umfang
beeinflusst werden. Erst in jüngster Zeit wurde mit der Einführung moderner
Hochdruckeinspritzsysteme die Voraussetzung für die Erschließung weiterer
Potenziale bei der Gestaltung des Brennverlaufes geschaffen. Wichtigster Ver-
fahrensparameter ist hierbei die variable Einspritzratenformung durch elektro-
nisch gesteuerte Mehrfacheinspritzung. Ein wesentlicher Schritt in diese Rich-
tung war die Einführung einer Vor- oder Piloteinspritzung, die mit Einspritz-
mengen von 1,0 bis 2,5 mm 3 in definiertem Abstand zur Haupteinspritzung
erfolgt, Bild 3-5.
Am gezeigten Beispiel ist mit Hilfe der Voreinspritzung eine Geräuschredu-
zierung um 5 dBA im Teillastpunkt bei 2 bar und 2000 min- 1 realisiert worden.
Auch der zweite und dritte Abschnitt des in Bild 3-4 gezeigten Brennverlaufs
kann durch eine gezielte Einspritzratenformung günstig beeinflusst werden.
Vorteilhaft sind daher solche Einspritzsysteme, die über eine Voreinspritzung
hinaus Mehrfacheinspritzungen ermöglichen, wie sie schematisch in Bild 3-6
dargestellt sind [3-6]. Neuere Forschungsarbeiten zeigen, dass insbesondere mit
einer zusätzlichen Nacheinspritzung (Postinjection) deutliche Erfolge hinsicht-
lich einer Absenkung der Rußemission erzielt werden können. Die Kombination
von frei wählbarem Einspritzdruck bis in Bereiche von 1800 bis 2000 bar mit
einer variablen Mehrfacheinspritzung schafft Parametervariationen, die viel-
versprechende Potenziale hinsichtlich Verbrauch sowie Geräusch- und Abgase-
missionen eröffnet.
Ein Common-Rail-System mit piezogesteuertem Injektor bietet hier beson-
ders gute Voraussetzungen, um diese Zukunftsanforderungen zu erfüllen.
102 3 Kraftstoff und Verbrennung
I i
86
~ 30
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1'\ I
5
0 I -
-5
150 160 170 180 190 200 210 220 230 240
Kur.b elwinkel " KW
Bild 3-5. Brennverlauf und Verbrennungsgeräusch mit und ohne Voreinspritzung [3-5]
Piloteinspritzung
Doppel-Piloteinspritzung
Geteilte Einspritzung
Nacheininspritzung
Ziel der Brennverlaufsoptimierung sollte auch ein frühes und rasches Brenn-
ende sein. Neben der Einspritzanlage spielt hierbei die geeignete konstruktive
Gestaltung der Brennraumform und die sorgfältige Abstimmung der Strö-
mungsvorgänge im Brennraum eine entscheidende Rolle. Die komplexen Zu-
sammenhänge beim dieseimotorischen Gemischbildungs- und Verbrennungs-
vorgang sind in Bild 3-7 dargestellt. Man erkennt, dass durch isolierte Betrach-
tung einzelner Parameter kein Verständnis der Zusammenhänge des Gesamt-
systems möglich ist [3-7]. Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt, ist
das motorische Verhalten in hohem Maße von den Aufbereitungsmechanismen
im Einspritzstrahl und in der späteren Phase von der Wechselwirkung des Kraft-
stoffstrahles mit der Zylinderinnenströmung abhängig. Wichtig ist dabei die
3.1 Die dieseimotorische Verbrennung 103
3.1.1.5
Ladungswechsel und Strömungsvorgänge im Brennraum
Quetsch-
strömung
4- Loch -
Strahlausbreitung
mit Luftdrall
3-8 3-9
Bild 3-8. Strömungsvorgänge im Brennraum mit luftverteilter Einspritzung bei einer Vier-
loch-Einspritzdüse
6,5
6 Füll ur
--...
~skanal geschl ssen
5
.5
5,5
5
"' ~
\
:!! 4,5 ~
B
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(JJ
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"
3,5
.5
3
!'-....
be de Elnl sskanl eollen
2,5
2
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Öffnungswinkel EKAS-Kiappe in o
Bild 3-10. Drallverlauf in Abhängigkeit von der Stellung der Einlasskanalklappe [3-11]
dadurch, dass die im Spalt zwischen Kolben und Zylinderkopf befindliche Luft
gegen Ende des Kompressionstaktes in die Kolbenmulde gepresst wird, Bild 3-8.
Mit Beginn des Expansionstaktes kehrt sich die Strömungsrichtung um. Hierbei
handelt es sich um eine turbulente Luftbewegung, deren Intensität von Brenn-
raumgeometrie und Motordrehzahl bestimmt wird. Sie unterstützt die Ge-
mischbildung unmittelbar vor der Zündung und während der ersten Phase der
Verbrennung und trägt damit ebenfalls zu einer guten Lufterfassung bei.
Mit Einführung der modernen Hochdruckeinspritztechnik mit Einspritz-
drücken bis zu 2000 bar hat die Bedeutung der Ladungsbewegung mit Hilfe von
Drall- und Quetschströmung aufgrund der veränderten Strahlstruktur bei der
Einspritzung stark abgenommen. Die Gemischbildungsenergie lässt sich da-
durch zunehmend von der Ladungsbewegung hin zur Einspritzung, d. h. von der
luftgeführten zur strahlgeführten Kraftstoffverteilung verlagern [3-8]. Dieser
Entwicklungstrend ist bei großvolumigen Motoren mit kleinen Drehzahlver-
hältnissen (< 4), wie sie vor allem in Nutzfahrzeugen und als Großmotoren zum
Einsatz kommen, schon sehr ausgeprägt zu erkennen. Aufgrund der dort herr-
schenden geometrischen Verhältnisse hat die Drall- und Quetschströmung
gegenüber der Strahlausbreitung bei der Einspritzung für die Gemischbildung
schon immer eine geringere Rolle gespielt. Neueste Entwicklungen verzichten
bereits weitgehend auf eine gezielte Drall- und Quetschströmung.
Auch bei kleinvolumigen Motoren für die Pkw-Anwendung verändert sich
das Bild zunehmend, obwohl hier ein vollständiger Verzicht auf die drallbehaf-
106 3 Kraftstoff und Verbrennung
tete Luftführung noch nicht erkennbar ist. Trotzdem nutzt man auch hier die
Übertragung der Gemischbildungsenergie auf die Einspritzung mit folgenden
Vorteilen:
• geringere Abhängigkeit von der Motordrehzahl,
• geringere Ladungswechselarbeit,
• erhöhte Zylinderfüllung,
• niedrigerer konstruktiver Aufwand,
• geringere Drallempfindlichkeit der Verbrennung,
• höhere Fertigungstoleranz.
Ursächlich für diese Veränderung des Gemischbildungsverhaltens ist der deut-
lich angehobene Einspritzdruck, der aufgrund des höheren Strahlimpulses zu
einer Erhöhung der Eindringtiefe der Flüssig- und Dampfphase, einer Zunahme
der Verdampfungsgeschwindigkeit sowie einer Erweiterung des Strahlkegel-
winkels an der Düse führen. Die Verbesserung der Kraftstoffzerstäubung ist
auch an der deutlichen Verringerung der mittleren Sauterdurchmesser der
Tröpfchen zu erkennen. Der mittlere Sauterdurchmesser d32 entspricht dem Ver-
hältnis von mittlerem Tröpfchenvolumen zur gemittelten Tröpfchenoberfläche:
= =
d32 = f x 3q(x)dx I f x 2 q(x)dx), q = Tröpfchenzahlverteilung.
0 0
3.1.2
Konstruktive Merkmale
3.1.2.1
Gestaltung des Brennraumes
Hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung des Brennraumes unterscheidet man
zwischen Motoren mit unterteiltem Brennraum, d.h. mit indirekter Einsprit-
zung des Kraftstoffes in eine Vor- oder Wirbelkammer (Nebenkammer), und
Motoren mit nicht unterteiltem Brennraum, d. h. mit direkter Einspritzung in
die Kolbenmulde. Aufgrund des günstigen Geräuschverhaltens waren Neben-
kammermotoren mit ihrer zweistufigen Verbrennung über viele Jahrzehnte die
bevorzugte Motorbauart für die Anwendung in Personenkraftwagen, während
der Direkteinspritzer wegen seines günstigen Kraftstoffverbrauchs vorzugswei-
se in Nutzfahrzeugen und im Bereich der Großmotoren zum Einsatz kam. Mit
der Weiter- bzw. Neuentwicklung der Einspritzsysteme auf den heutigen Stand
hat sich hier ein bedeutsamer Wandel vollzogen. Zusammen mit der weiterent-
wickelten Aufladetechnik entstand in den letzten Jahren eine völlig neue Gene-
ration von kleinvolumigen, schnelllaufenden Direkteinspritz-Dieselmotoren,
die durch ihre attraktiven Eigenschaften für eine große Akzeptanz dieses Motor-
typs im Pkw-Markt gesorgt haben. Sie sind im Begriff, die Nebenkammermoto-
ren mehr und mehr aus dem Markt zu verdrängen. Neuentwicklungen im Sinne
der bisherigen Nebenkammer-Technologie sind daher in naher Zukunft nicht
mehr zu erwarten. Deshalb wird auf Dieselmotoren mit indirekter Einspritzung
hier nicht mehr eingegangen (s. dazu: Handbuch Dieselmotoren, l.Aufl.1997).
3.1 Die dieseimotorische Verbrennung 107
a b c d
Bild 3-11. Brennraummulden von Dieselmotoren mit direkter :Einspritzung
108 3 Kraftstoff und Verbrennung
3.1.2.2
Anordnung und Gestaltung der Einspritzdüse
JLYt-
Abstand VE- HE
•• , Zeit
VE-Menge
Sitzlochdüse Minisacklochdüse
3.1.2.3
Auswirkungen der Aufladung
bessern. Je kleiner der Hubraum, desto schwieriger wird es, bei kleinen Dreh-
zahlen einen ausreichenden Ladedruck bereitzustellen. Man half sich mit
immer kleineren Turbinenrädern, um die Verzögerung beim Einsetzen des
Laders zu minimieren [3-10]. Die Verkleinerung des Turbinenrades führt jedoch
zu erhöhter Ladungswechselarbeit. Bei hoher Drehzahl muss zudem ein Teil des
Abgasstromes verlustreich über ein Waste-Gate abgeblasen werden. Beide Maß-
nahmen verschlechtern den Wirkungsgrad und damit den Kraftstoffverbrauch
des Motors.
Ein wichtiger Schritt zur Lösung dieses Problems war daher die Einführung
der variablen Turbinengeometrie (Variable Nozzle Turbine VNT) mit verstell-
baren Leitschaufeln im Einströmbereich der Turbine. Im Vergleich zum Waste-
Gate-Lader lässt sich der Ladedruck bei kleinen Motordrehzahlen deutlich
anheben und der Abgasgegendruck bei hohen Drehzahlen absenken. Damit
wird eine signifikante Verbesserung der Ladungswechselkenndaten bei Volllast
erreicht. Lediglich bei Motordrehzahlen unter 1600 min- 1 tritt eine Verschlech-
terung des Spülgefälles ein, die durch den Betrieb der Turbine mit annähernd
geschlossenen Leitschaufeln und dabei sehr niedrigem Turbinenwirkungsgrad
verursacht wird [3-11]. Daraus leiten sich zwei zu beachtende Problempunkte
ab: Die Reduzierung des Spülgefälles bei sehr niedrigen Drehzahlen hat zur
Folge, dass bereits Anfahrschwierigkeiten auftreten können; andererseits be-
steht die Gefahr, dass instationär kurzzeitig Pumpvorgänge auftreten, wenn aus
einem Fahrzustand mit hohem Verdichterdruckverhältnis plötzlich verzögert
wird und dabei die Motordrehzahl schnell absinkt. Das Schluckvermögen des
Motors nimmt rasch ab, während das Laufzeug des Ladersaufgrund seiner Träg-
heit noch mit hoher Drehzahl dreht. Dadurch können sehr hohe thermische und
mechanische Belastungen bzw. Überlastungen auftreten. Ein schneller Regelein-
griff muss dem entgegenwirken.
Das durch den Lader verbesserte Luftangebot im Brennraum und die inten-
sivierte Ladungsbewegung wirken sich positiv auf den Verbrennungsablauf aus.
Mit Ausnahme der Stickoxide werden auch Verbesserungen der Emissionen
erzielt. Um die Füllung weiter zu erhöhen, aber auch um im Hinblick auf die
NOx-Bildung die Temperatur im Brennraum nicht weiter ansteigen zu lassen, ist
der Einsatz eines Ladeluftkühlers sehr vorteilhaft.
3.1.2.4
Abgasrückführung
4,0
I I I I I
- ohne Einlasskanalabschaltung
3,5 • • • • • • mit Einlasskanalabschaltung -
3,0
2,5 \
z
U)
u. 2,0 ~
"
1,5
1,0
••
••••
••• "'...." ······
~~
............... --..
-
0,5
······· ······ ······ ······ .
0,0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0
NOxin g/kWh
Bild 3-15. Einfluss des Dralls aufNOx und Schwärzungszahl (FSN) für einen Pkw-Dieselmo-
tor bei konstanter Teillast und variabler AGR-Rate [3-8]
3.1 Die dieseimotorische Verbrennung 113
3,5
'' \
~ - Raildruck: 550 bar
3,0
• • • • Raildruck: 650 bar
\ •• • • • • • • Raildruck: 750 bar
2,5
2,0
', \ - •- Raildruck: 850 bar
z •
•• ~\
t/)
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1,5 • ~
\',
•• '- ~
~ .. •••
-
1,0
•••
' .... .... .... .............. ............. .......__
' -·-~-- ······ ·-··
0,5
0,0
····· ·-· .:I=:Zir-
...... _'!!
.:.:~~ ~:::::
-··- ~·-
~~···· ~
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5
NOxin g/kWh
Bild 3-16. Einfluss des Einspritzdrucks (Raildruck bei CR-System) auf NOx und Schwär-
zungszahl (FSN) für einen Pkw-Dieselmotor bei konstanter Teillast und variabler AGR-Rate
[3-8]
3.1.3
Alternative Verbrennungsverfahren
.----- Brennraummulde
3.1.4
Prozesssimulation von Einspritzverlauf und Brennverlauf
3.2
Dieselkraftstoff für Fahrzeugmotoren
3.2.1
Einführung
3.2.2
Herstellung
Dieselkraftstoff, wie er heute weltweit verwendet wird, gewinnt man fast aus-
schließlich aus Rohöl/Erdöl. Die gewinnbaren Erdölreserven werden regel-
mäßig von den großen Mineralölfirmen veröffentlicht. Die Mengen sind abhän-
gig von der verfügbaren Technik, die dramatisch weiterentwickelt wurde, und
vom Kapital, das eingesetzt wird. Je teurer das Rohöl auf den internationalen
Märkten ist, desto mehr Kapital wird für Erkundung, Erschließung, Förderung
und Transport aufgebracht. Eine wesentliche Größe zur Beurteilung der Erdöl-
reserven ist das Verhältnis zwischen jährlicher Förderung und sicher gewinnba-
ren Reserven. Vorkommen und Verbrauch an Rohöl sind weltweit sehr ungleich-
mäßig verteilt.
Die meisten Reserven liegen im Nahen Osten, knapp 500 Millionen Barrel.
An zweiter Stelle folgt Russland. Die Förderung von konventionellem, leicht ver-
arbeitbarem Rohöl außerhalb des Nahen Ostens erreichte bereits 1997 ihren
Höhepunkt und sinkt seitdem. Da man davon ausgeht, dass so gut wie alle Reser-
ven bekannt sind, ist abzusehen, dass die Förderung von Erdöl im 21. Jahrhun-
dert ihren Höhepunkt erreichen wird. Abhängig vom jeweiligen Szenario sind
lediglich Zeitpunkt und maximale Fördermenge strittig [3-17]. Neben Überle-
gungen zur Nutzung alternativer Kraftstoffe (s.Abschn. 3.4 bzw. 3.5) ist auch die
Methanerzeugung aus Kohle wieder von Interesse. Daneben wird eine globale
118 3 Kraftstoff und Verbrennung
übereinkunft der EU mit der OPEC zur Erfassung und abgestimmten Nutzung
aller Reserven diskutiert [3-18].
Die DK-Ausbeute aus dem Rohöl ist unterschiedlich, je nachdem welche Art
Rohöl (leicht, niedrigviskos, schwefelarm oder schwer, hochviskos, schwefel-
reich) eingesetzt wird und welche Verarbeitungsverfahren in der Raffinerie an-
gewendet werden.
Erdöle und die daraus gewonnenen Produkte sind ein Gemisch unterschied-
licher Kohlenwasserstoff-Verbindungen, grob eingeteilt in Paraffine, Naphtene,
Aromaten und Olefine. Andere Elemente, z. B. Schwefel, sind in sehr geringen
Konzentrationen vorhanden, aber trotzdem von großer Bedeutung.
Neben der einfachen Destillation gibt es eine ganze Reihe von Veredelungs-
verfahren (thermisches oder katalytisches Cracken, Hydrocracken), die unter-
schiedlich sind im Investitionsaufwand und Energiebedarf. Die sich ergebende
DK-Qualität ist in den einzelnen Eigenschaften auch entsprechend verschieden.
Der DK-Verbrauch in Deutschland ist dem Jahresbericht des Mineralölwirt-
schaftsverbandes (MVW, Hamburg) zu entnehmen.
3.2.3
Qualitätsanforderungen
3.2.4
Wesentliche Kennwerte
3.2.4.1
Zündwilligkeit, Cetonzohl, Cetonindex
disierung geht dies jedoch nur in Einzylinder-Motoren, wobei weltweit der CFR-
Motor, in Deutschland auch der BASF-Motor (ASTM D 613 bzw. DIN 51773) ver-
wendet wird. Die so ermittelte Cetanzahl ist nur ein Vergleichswert und nur
für konventionellenDKauf Erdölbasis in einem bekannten Bereich gültig. Der
Cetanindex ist eine reine Rechengröße, für den diese Einschränkungen noch
mehr gelten. Cetanzahl-erhöhende Additive, ob gut oder wenig wirksam, be-
rücksichtigt der Cetanindex nicht. Je höher Cetanzahl/Cetanindex, desto besser
ist die Verbrennung, d. h. der Kaltstart, die Emissionen, das Geräusch, Verbrauch
und Leistung.
überlegungen und Versuche, die Zündwilligkeit mit einer "Bombe" zu über-
prüfen, sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten. Es ist kaum anzunehmen,
dass hier die erforderliche Korrelation zu modernen Motoren erreichbar ist.
3.2.4.2
Siedeverhalten
3.2.4.3
Schwefelgehalt
3.2.4.4
Tieftemperatur-Fließfähigkeit
3.2.4.5
Dichte
Der Kraftstoff wird meistens volumetrisch eingekauft und auch die Einspritz-
pumpe misst dem Verbrennungsraum ein bestimmtes Kraftstoffvolumen zu.
Der für die Verbrennung sehr wichtige Energieinhalt ist jedoch von der Masse
abhängig. Aus diesem Grunde erwarten die Motorenkonstrukteure eine mög-
lichst enge Spezifizierung der Dichte. Es ist nämlich nicht möglich, bei einer
gegebenen Einspritzpumpeneinstellung einerseits mit einem sehr leichten
Kraftstoff die erforderliche Leistung zu erzielen und andererseits mit einem
sehr schweren Kraftstoff die vorgegebenen Abgaswerte einzuhalten.
Allgemein gilt, dass eine geringe Dichte günstig hinsichtlich der Abgasemis-
sion ist, evtl. auch für den Druckanstieg, jedoch nicht für die Leistung, und
entsprechend umgekehrt. Die Dichte als Folge unterschiedlicher Zusammenset-
zung ist jedoch keine Brenneigenschaft.
122 3 Kraftstoff und Verbrennung
3.2.4.6
Viskosität
Die Viskosität des Dieselkraftstoffes ist verantwortlich für die Fließvorgänge im
Einspritzsystem und für das Verschleißverhalten der Einspritzpumpe. Die
Zerstäubungsvorgänge im Brennraum werden ebenfalls von der Viskosität
beeinflusst. Auch hier gilt, dass eine möglichst enge Begrenzung vorteilhaft ist,
wobei die Viskosität im Zusammenhang mit der Dichte, dem Siedeverlauf und
den anderen Eigenschaften zu sehen ist. Diese sind fast alle voneinander abhän-
gig. Wird eine dieser Eigenschaften geändert, so ändern sich die anderen
zwangsläufig.
3.2.4.7
Flammpunkt
Der Flammpunkt selbst ist für den Motor unwichtig, er kann jedoch z. B. ein
Hinweis dafür sein, dass eine Vermischung mit Benzin vorliegt. Aus sicherheits-
technischen und versicherungsrechtlichen Bestimmungen darf der Flamm-
punkt jedoch 65 °C nicht unterschreiten.
3.2.4.8
Aromaten
Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass die "Aromaten" für die dieseimotorische
Verbrennung ungeeignet sind. Problematisch war es jedoch, eine geeignete
Messmethode zu finden, mit der man die Aromaten im DK bestimmen konnte.
Inzwischen weiß man, dass die unterschiedlichen Aromaten (ein-, zwei- oder
mehrkernig) sehr verschieden auf das Abgas, vor allem die Partikelbildung wir-
ken. Um eine gute DK-Kraftstoffqualität zu erzielen, muss sowohl der Gesamt-
aromatengehalt, als auch der Gehalt an mehrkernigen Aromaten eng begrenzt
werden.
3.2.4.9
Reinheit
3.2.4.10
Schmierfähigkeit
Es hat sich gezeigt, dass beim Einsatz von DK mit sehr geringem Schwefelgehalt
bei mit Kraftstoff geschmierten Verteilerpumpen Verschleißprobleme auftreten.
Hierfür ist jedoch nicht der fehlende Kraftstoffschwefel direkt verantwortlich,
sondern verschleißmindernde, polare Substanzen, die bei der Entschwefelung
mit entfernt werden. Es ist jedoch gelungen, geeignete Additive zu entwickeln
und einzusetzen, die die erforderliche Schmierfähigkeit (lubricity) gewährleis-
ten. Zur absoluten Sicherheit über die Wirkung sind langdauernde Pumpenteste
notwendig, routinemäßige Kontrollen können mit einem Kurztest (HFRR)
durchgeführt werden.
3.2.4.11
Sonstige Qualitätsmerkmale
3.2.5
Einfluss der Kraftstoffqualität auf motorisches Verhalten
zahlen. In modernen Vollmotoren sind sie nicht immer gleich wirksam, heben
jedoch in aller Regel die Zündwilligkeit etwas an.
Neben wirksamen Additiven, um Korrosion in Tanks, Leitungen und Kraft-
stoffaulagen zu verhindern, sind bei längerer Lagerung, häufigem Umschlagen
und höheren Temperaturen Stabilitätsverbesserer zur Verhinderung von Abla-
gerungen notwendig. Da bei Vorhandensein von Wasser Bakterien auftreten
können, sind in Sonderfällen vorbeugend Bioeide zuzugeben. Bei DK mit einem
Schwefelgehalt < 0,05% ist es notwendig, Schmierfähigkeitsverbesserer einzu-
setzen. Werden Farb- oder Markierungsstoffe verwendet, ist ihre Unschädlich-
keit sicherzustellen. Additive, die das Abgas direkt verbessern, werden zwar
immer wieder erwähnt, sind bis heute jedoch noch nicht verfügbar. Die vorhan-
denen Wirkungen sind stets indirekt.
Es ist sinnvoll, alle genannten Einzeladditive zu einem Gesamtpaket zusam-
menzustellen und so dem Kraftstoff beizumischen. Mögliche Auswirkungen auf
künftige Abgas-Nachbehandlungssysteme sind dabei sehr sorgfältig zu über-
prüfen.
3.2.6
Prüfverfahren
3.2.6.1
Chemisch-physikalische Labormethoden
Außer der Cetanzahlbestimmung kennt man in Spezifikationen nur chemisch-
physikalische Labormethoden, um die DK-Qualität festzustellen. Man kann mit
diesen Methoden, wenn sie von erfahrenem Personal in einem akkreditierten
Labor korrekt angewendet werden, sehr viel über die DK-Qualität erkennen.
Die Labormethoden werden in Deutschland vom DIN/FAM (Fachausschuss
für Mineralöl- und Brennstoffnormung) betreut, europaweit von CEN/TC19,
weltweit von ISO/TC28. Der FAM hat hierzu Taschenbücher herausgegeben, in
denen die Normen, ihr Anwendungsbereich, die Geräte, die Durchführung usw.
eindeutig beschrieben sind. Die Übertragung der Labordaten in die Anwen-
dungstechnik erfordert jedoch Erfahrung und Sorgfalt. Ebenso sind mögliche
Labormethoden auf ihre Anwendbarkeit vor Aufnahme in das Normenwerk zu
prüfen, wie beispielsweise gegenwärtig die Frage einer detaillierten Analyse des
Aromatengehaltes auf ein- und mehrkernige Aromaten.
3.2.6.2
Cetanzahlprüfmotoren und motorische Verfahren
Die Bestimmung der Cetanzahl ist in DIN 51773 geregelt. Dazu wird in einem
Einzylindermotor der Zündverzug, d. h. die Zeitspanne zwischen Einspritz-
beginn und Selbstzündung, für den zu prüfenden Kraftstoff und für eine defi-
nierte Mischung aus Cetan und Alpha-Methyl-Naphtalin gemessen. Da Cetan
definitionsgemäß die Cetanzahl 100, Alpha-Methyl-Naphtalin die Cetanzahl 0
hat, bestimmt dann der Cetan-Volumenanteil in % bei gleichem Zündverzug
beider Kraftstoffe die Cetanzahl.
3.2 Dieselkraftstoff für Fahrzeugmotoren 125
3.2.7
Kraftstoffnormen
3.2.7.1
0/N 51601
3.2.7.2
EN 590
Nach jahrelangem Bemühen erschien im Mai 1993 die erste Buropanorm DIN
EN590, die eine Mindest-Cetanzahl von 49 forderte. Auch der Siedeendbereich
war besser definiert. Dass die Additivierung nur erwähnt wurde, ist als Mangel
zu betrachten, ebenso dass eine mögliche Aromatenbegrenzung überhaupt
nicht angesprochen wurde.
Für die arktischen Länder wurden besondere Klassen mit entsprechend nied-
rigem CFPP und CP (Cold Filter Plugging Point und Cloud Point/Filterver-
stopfungs- und Trübungspunkt) eingeführt. Auch für Deutschland wurde die
Frage des Tieftemperaturverhaltens befriedigend geklärt.
Die europäische Norm EN590 gilt in allen in der europäischen Normen-Orga-
nisation CEN (Comite Europeen de Normalisation) vertretenen Ländern; jedes
Land kann jedoch in einem nationalen Anhang individuelle Regelungen treffen.
Anfang 2000 erschien eine Neuauflage von DIN EN590, mit einer Mindest-
Cetanzahl von 51 und einem Schwefelgehalt von max. 350 ppm. Die maximale
Dichte wurde auf 845 kglm 3 eingeschränkt. Diese jetzt geltende EN590 beinhal-
126 3 Kraftstoff und Verbrennung
tet die gesetzlichen Regelungen der EU-Direktive und die zwischen Automobil-
und Mineralölindustrie in CEN, TC19, WG24 ausgehandelten Kompromisse.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat die "Kraftstoffqualitäts-
verordnung" (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der
Qualität von Kraftstoffen - 10. Bundes-Imissionsschutz-Verordnung) und die
dazugehörenden Durchführungsbestimmungen (Allgemeine Verwaltungsvor-
schrift zur Durchführung der 10. B ImSchV) erlassen. Behörden der Landesre-
gierungen können und müssen die im öffentlichen Verkauf angebotenen Diesel-
kraftstoffe auf ihre Konformität mit der Norm prüfen. Die EU-Kommission ist
dabei, ein entsprechendes, europaweites überprüfungssystem einzuführen.
Ziel dieser Bemühungen ist sicherzustellen, dass der Kunde, wenn er einen
mit DIN EN590 ausgezeichneten Kraftstoff kauft, sicher sein kann, dass dieser
Kraftstoff für seinen Motor geeignet und umweltverträglich ist.
3.2.7.3
World-Wide Fuel Charter
Alle Hersteller von Dieselmotoren weltweit waren Anfang der 90er-Jahre mit den
spezifizierten Mindestanforderungen an DK unzufrieden. So haben Peugeot
und Renault ein "Cahier des Charges" erstellt, in dem neben günstigeren Labor-
grenzwerten auch ein Prüfverfahren für die Sauberkeit (Additivierung) enthal-
ten war.
Die Automobilverbände in Europa, USA und Japan haben Lastenhefte für gute
DK-Qualitäten erstellt. Im Rahmen der Globalisierung war es eine logische
Folge, dass die Automobilverbände der Welt ein "World-Wide Fuel Charter" er-
stellten, dessen zweite Ausgabe, April 2000, vorliegt. Es enthält vier Kategorien
für unterschiedlich entwickelte Märkte, wobei diese insbesondere durch die
Anforderungen an die Kontrolle der Emissionen (Abgasgesetzgebung) definiert
sind.
In diesem Fuel Charter sind Labormethoden und motorische Prüfverfahren
mit den dazu gehörenden Grenzwerten aufgeführt. Kategorie 4 verlangt schwe-
felfreien Kraftstoff, d. h. max. 5 bis 10 ppm.
3.2.7.4
Referenzkraftstoffe
fluss. Deshalb wird zur Zeit in den meisten europäischen Dieselmotoren bei
Öltests ein CEC Referenzkraftstoff eingesetzt.
3.2.7.5
Biodiesel
Pflanzenöle sind als DK für heutige und zukünftige Motoren ungeeignet. Durch
Veredelung sind jedoch Produkte herstellbar, die als Pflanzenölmethylester
oder auch als Fettsäuremethylester brauchbar sind, wenn sie den Anforderun-
gen entsprechen, die in TC19/WG24 erarbeitet werden. Diese können dann so-
wohl rein sein als auch bis 5% dem mineralölbasischen Kraftstoff zugemischt
werden. Aufgrund der Verfügbarkeit handelt es sich jedoch nur um kleine Men-
gen. Wettbewerbsfähig ist Biodiesel nur, wenn für ihn keine Steuer bezahlt wer-
denmuss.
Qualitätsanforderungen und Qualitätsüberwachung sind beim Biodiesel
mindestens genauso wichtig wie beim DK auf Mineralölbasis, s. Abschn. 3.4.
3.2.8
Zukunftsaussichten
3.3
Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren
3.3.1
Was ist Schweröl?
Schweröl ist eine Mischung aus Rückstandsölen, die bei der Verarbeitung von
Erdöl (Rohöl) durch fraktionierte Destillation anfallen. Ihre Hauptbestandteile
sind Kohlenwasserstoffverbindungen, die als hochsiedende Fraktionen nach
der Destillation von Rohöl zurückbleiben. Da Rückstandsöle erheblich preis-
günstiger als Destillate sind, wie z. B. Benzine oder leichtes Heizöl, ergibt sich
ein wirtschaftlicher Anreiz zur Verwendung dieser Komponenten als Brenn-
stoff.
In den meisten Fällen sind den Rückstandsölen Destillate beigemischt, um
bestimmte Produkteigenschaften sicherzustellen, insbesondere um eine vorge-
gebene Viskositätsobergrenze einzuhalten.
128 3 Kraftstoff und Verbrennung
Schweröle weisen Viskositäten zwischen 4,5 und 55 mm 2/s (cSt) bezogen auf
100 oc auf und sind in der Norm ISO 8217 spezifiziert.
Auf der Basis dieser ISO-Norm hat die CIMAC (CIMAC =Conseil Internatio-
nal des Machines a Combustion) eine Einteilung der Schweröle in Abhängigkeit
der physikalisch-chemischen Daten mit noch weitergehenden Anforderungen
vorgenommen. Diese "Requirements for residual fuels for diesei engines" sind
Bestandteil von Betriebsvorschriften aller Hersteller schwerölfähiger Diesel-
motoren, s. Bild 3-19.
Die Eigenschaften bzw. die Zusammensetzung von Schwerölen variieren in
weiten Grenzen je nach Herkunft (Provenience) der Rohöle sowie in Abhängigkeit
der unterschiedlichen Verfahrensprozesse in den Raffinerien, s. auch [3-19].
Abgesehen von wesentlich höheren Viskositäten sind Schweröle im Vergleich
zu Destillaten i. Allg. gekennzeichnet durch hohe Dichten, hohe Schwefelgehalte
und hohe Verkokungsneigung. Der Gehalt an Unverbrennbarem (Asche) ist um
zwei Zehnerpotenzen höher, die Zünd- und Durchbrenneigenschaften sind
durch höhere Aromaten- bzw. Asphaltgehalte schlechter, außerdem können
nennenswerte Mengen von Wasser und festen verschleißfördernden Verun-
reinigungen vorhanden sein.
Die gegenüber Gasöl (DK) größere Dichte des Schweröls weist auf Zunahme
des Massenverhältnisses C/H von Kohlenstoff zu Wasserstoff hin. Daraus er-
gibt sich abhängig vom Schwefelgehalt eine Verringerung des Heizwertes Hu,
Bild 3-20.
Eine ständige Tendenz der Qualitätsminderung bei Schwerölen resultiert aus
einer zunehmenden Verbreitung von Konversionsverfahren wie katalytisches
und thermisches Kracken in modernen Raffinerien zur besseren Ausnutzung
der Rohöle (Rückstandsanteil bei der klassischen atmosphärischen Destillation
32 bis 57%, bei der Konversionsraffinerie 12 bis 25%). Der damit verbundene
höhere Gehalt an Aromaten verringert zum einen die Zündwilligkeit, vgl.
Abschn. 3.3.4.1, der erhöhte Anteil an Asphalteneo die Stabilität, wodurch in-
folge verstärkter Schlamm- und Harzbildung Störungen bei der Kraftstoffauf-
bereitung verursacht werden können.
Weitere negative Einflüsse ergeben sich aus einem verstärkten Trend zur Ent-
sorgung gebrauchter Schmieröle, organischer Lösungsmittel oder Chemieab-
fälle in die Rückstandsöle.
Um unter diesen Voraussetzungen einen wirtschaftlichen störungsfreien
Schweröleinsatz in Dieselmotoren zu ermöglichen, kommen zum einen der
Anpassung der Dieselmotoren an gegebene Verhältnisse zum anderen der
Qualitätssicherung der Schweröle durch Normen (ISO, CIMAC, Bild 3-19) und
insbesondere einer optimalen Schwerölaufbereitung besondere Bedeutung zu.
3.3.2
Schwerölaufbereitung
Die Aufbereitung des Schweröls ist unerlässliche Voraussetzung für den Einsatz
als Brennstoff im Dieselmotor. Sie sorgt für eine Beseitigung oder weitgehende
Reduzierung von unerwünschten Begleitstoffen wie Wasser, mit den darin ggf.
Requlrements (1990) for residual fuels for dlesel englnes (as dellvered) '""'
Cl>
'""'
Designation: Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC Cl MAC
A10 810 C10 015 E25 F25 G35 H35 K35 H45 K45 H55 K55
....
r
o:
Related to ISO 8217 (87): F- RMA 10 RMB10 RMC10 RMD15 RME25 RMF25 RMG35 RMH35 RMK35 RMH45 RMK45 RMH55 - 0'
~
Characteristic Dim. Limit ....
•Density at 15°C kg/m 3 max 950 975 980 991 991 1010 991 1010 991 1010
'
i
n;·
0"
Ci
cSt') max 10 15 :::3
Kinematic 25 35 45 55 Cl>
viscosity at 100 •c ') g.
min') 6 15
~
Flashpoint •c min 60 60 60 60 60 60
':'
~
:::3
Pour point •c max 24 30 30 30 30 30 0..
~ 3)
;!.'
~
Garbon Residue %(m/m max 12 14 14 15 20 18 22 22 22 I ö'
:::3
p):
Ash %(m/m max 0.10 0.10 0.10 0.15 0.15 0.15 0.15 ;
') Approximate equivalent viscosities (for Information only) : ') 1cSt = 1 mm'/sec
3 ) Applies to region and season in which fuel is tobe stored and used.
Kinematic viscosity (cSt) at 1oo•c 6 10 15 25 35 45 55
(upper value winter quality, bottom value summer quality)
Kinematic viscosity (eS!) at 50°C 22 40 80 180 380 500 700 ') Recommended value only. May be lower if density is also lower.
See appendix, part 3
Sec. Redwood I at 1oo•F 165 300 600 15oo 35oo 5ooo 7ooo
N
Bild 3-19. Einteilung verfügbarer Schweröle in Klassen gemäß CIMAC/ISO, Originalauszug \1:)
-
130 3 Kraftstoff und Verbrennung
2000
1000
500
r-......._ "' .........
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I
G r7nze ~ er Jump ~ a-· h 19· lke1t·
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4
"<!I '~;~ " <>;.., ~
I'-- ..........
"~Ö/. :1.·
0";,
!'--
0 50 100 150 T ("C)
Über den Tagestank, ausgelegt als Puffer für mindestens 8 Stunden Volllast-
betrieb, wird das Schweröl dem Boostersystem zugeführt. Hier erfolgt die
Vorwärmung auf die erforderliche Einspritzviskosität, geregelt von einer Visko-
sitätsregeleinrichtung. Der Systemdruck liegt über dem Verdampfungsdruck
von Wasser, um Dampf- bzw. Gasbildung zu vermeiden.
Ein automatisches Rückspülfilter mit sehr feiner Maschenweite (10 J.lm) sorgt
für eine Nachreinigung des Brennstoffs und stellt anhand seiner Rückspül-
häufigkeiteinen nützlichen Indikator über die Wirksamkeit der vorgeschalteten
Aufbereitungsorgane dar.
3.3.3
Besonderheiten von Schwerölmotoren
3.3.3.1
Schwerölmotoren und ihre Probleme
~
~
t I
Vorfilter
-- 500JLm
Separator 2
~
::;::>
· - Feinfilter "'0
~~~%!I
Schlammtank Mischtank Dampf- Elektro- J. ~
Separator - L 34 JLm ~
Zubringerpumpe Endvorwärmer ·-·-·-·-· ::3
0..
;$
Bild 3-222. Schwerölaufbereitungssystem, schematisch &
@
::3
::3
~
::3
CfQ
3.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 133
3.3.3.2
Auswirkungen auf Motorkomponenten
Einspritzausrüstung
Schwerölmotoren werden mit Einzel-Einspritzpumpen ausgerüstet, Schweröl-
Common-Rail-Systeme sind in der Einführungsphase (s. Abschn.19.4.5).
Die Einspritzausrüstung kommt direkt mit dem vorgewärmten Schweröl in
Berührung. Je nach Viskositätsklasse des verwendeten Schweröls beträgt die
Vorwärmtemperatur gemäß Bild 3-21 bis zu 160°C, um die gewünschte Ein-
spritzviskosität von 12 cSt sicherzustellen. Allein dieses relativ hohe Tem-
134 3 Kraftstoff und Verbrennung
Aufladung
Zur Aufladung schwerölbetriebener Motoren sind einige besondere Gesichts-
punkte zu beachten:
Generell werden die Motoren mit einem hohen Lufüberschuss betrieben, so
dass das Luftverhältnis in allen Betriebzuständen Av > 2 ist. Das heißt, die zur
Verbrennung zur Verfügung stehende Luftmenge ist mindestens doppelt so
groß wie stöchiometrisch notwendig. Der wesentliche Grund ist, die Hoch-
temperaturkorrosion der den Brennraum umgebenden Bauteile, insbesondere
der Auslassventile, durch niedrige Gastemperaturen und in der Folge niedrige
Bauteiltemperaturen zu vermeiden. Hierzu wird der Ladedruck entsprechend
hoch gewählt. Die kritische Temperatur am Ventilsitz, oberhalb derer sich Na-
trium-Vanadiumverbindungen als flüssige Asche korrosionsfördernd anlagern,
beträgt ca. 450 oc. Es gilt also, hierzu einen genügenden Sicherheitsabstand ein-
136 3 Kraftstoff und Verbrennung
Bei Schiffen, die mit einem Propeller mit konstanter Steigung, sog. "Fest-
propeller", ausgerüstet sind, kann bei Teillastbetrieb infolge des damit ver-
bundenen Drehzahlabfalls (s. Abschn. 1.2) eine thermische Überlastung des
3.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 137
bar
Brennraumgestaltung
Thermischer Wirkungsgrad, Kraftstoffverbrauch. Die Gestaltung des Brenn-
raumes ist mitbestimmend über die Gemischbildung und Verbrennung und ent-
scheidet letztlich über die Fähigkeit des Motors, Schweröl im Dauerbetrieb
betriebssicher zu verbrennen. Ein hoher Wirkungsgrad erfordert ein schnelles
Durchbrennen des aufbereiteten Gemisches, somit einen kompakten, unzer-
klüfteten Brennraum mit einem hohen Verdichtungsverhältnis, s. Bild 3-25. Es
ist erforderlich, den Kraftstoff gleichmäßig über den gesamten Brennraum zu
verteilen. Dies wird durch eine möglichst hohe Anzahl von Kraftstoffstrahlen
erreicht, die weit nach außen gerichtet sind (Viertaktmotoren). Bei Zweitakt-
138 3 Kraftstoff und Verbrennung
3.3.4
Betriebsverhalten von Schwerölmotoren
3.3.4.1
Zünd- und Brennverholten
150r------.-------.------.-------.------.------.
bar
125+-------~------r-----~~-----+------,_----~
0.
~2~0----~~------~----~0±T------~4~0------8~0~.-K-W--~
Kurbelwinkel cp
Bild 3-26. Zylinderdruckverlauf bei der Verbrennung eines hocharomatenhaltigen Versuchs-
kraftstoffs, Motor nicht angepasst
CCAI
880
1 ,02
kg 870
860
1 ,00
850
0 ,99
840
ü
lo
-C4
0,98
..... 830
0 .97
Ql 820
1:
0 0 ,96
0
0 ,95
0 ,94
0 ,93
0 ,92
Bild 3-27. Zulässigkeit von Kraftstoffen in Abhängigkeit von Dichte und Viskosität gemäß
Bedienungsanleitung MaK
200 2000
bar bar
I
::J
\
t·~
0
::J
\
Q)
II c.
"C
.5
VPE (I)
c:
) =,rJ I
I
üi
~
50 I J I
I
"\
~ 500
I "
"'
/
~--
~ - 1 \L
0 0
-60 -30 OT 30 o KW 60
Kurbelwinkel cp
Bild 3-28. Einspritzdruck- und Zylinderdruckverlauf im Gasöl- und Schwerölbetrieb, Nutz-
mitteldruck p. = 22 bar
60
Al
Bild 3-29. Brennverlauf und kJ
Durchbrennfunktion im kg •"KW
Gasöl- und Schwerölbetrieb 50
I
I
dQ/dcp
I
I /
I
9- 40
"C
.....
!5 Dur9~brennfunktion
'S
al
30
-.:: 20
V1 i
00
1
I
Schweröl--·- 75
~
c:
c: 1\ Gasöl -----------
~ 10 50
lll
0 J ~I
V
25
0
-60 -30 OT 30 60 90 o KW 120
Kurbelwinkel cp
3.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 143
3.3.4.2
Betriebsdaten
Die oben genannten Merkmale von Schwerölmotoren sind in den Betriebsdaten
wiederzufinden. So zeigt Bild 3-30 den Ladedruckverlauf über der Motorleistung
als Vorbedingung für einen hohen Luftüberschuss im gesamten Betriebsbereich
mit einem Luftverhältnis Av > 2. Zusammen mit einer geeigneten Brennraurn-
auslegung und Gemischbildung bewirkt dies eine niedrige thermische Bauteil-
belastung, wie beispielhaft die Auslassventilsitztemperatur TA-Ventil zeigt: Sie ist
im gesamten Bereich geringer als 400 oc, wodurch die Hochtemperaturkorrosion
an den Auslassventilen ausgeschlossen wird. Der Kraftstoffverbrauch ist für die
Motorgröße und die spezifische Leistung als sehr günstig einzustufen.
Die Turbinenverschmutzung, resultierend aus Rückständen der Schwerölver-
brennung, wird durch eine niedrige Gaseintrittstemperatur von unter 500 oc
vermieden. Die Abgastemperatur nach Turbine, die als Indiz für die thermische
Motorbelastung und den Wirkungsgrad angesehen werden kann, ist mit we-
niger als 350 °C sehr günstig.
500
oc
450
.,
1-
c
~
:::J 400 l---t------'~t---t-~><::_-j----17"o::__---l2.6 'ß
iü ;iij
Gi0. .r:
230"5 350 ~
:::J
2 1250
~
X /PL :::J
OS
220ii 325 E
<II
C.
~:::J 1000 I \ /
V ti;
.>
!!
210::: 300 "E
=
iii
"0
__.OS 750 '/ ~
200 1;;
~
500 / ~
~ 190 ~
~
20
V 40 60 80
180 .,
100 % 120
0.
Motorleistung
3.3.4.3
Emissionsverhalten
3.3.5
Schmieröl für Schwerölmotoren
1,5
-
~ Partikel n. EPA ( c:::J flüchtig bei
g/kWh
!ZZl Staub n. TA-Luft
23o·c
Ruß= f(SZ)
:E
a.. 1,0
c
0
"iii DK HF
.E
U)
Q)
Qi
~
'E 0,5
ro
a..
Nfz-Motor 4T-Mittelschnelllaufer
Bild 3-31. Abgastrübung SZ bzw. daraus rechnerisch ermittelte Rußemission, nach TA-Luft
gemessene Staubemission und EPA-konform gemessene Partikelemission eines Mittel-
schnellläufers (s/D = 320/240 mm/mm) bei Volllast für Gasöl (DK) und Schweröl IF 380 (HF)
im Vergleich zu den Volllastwerten eines Nfz-Dieselmotors älterer Bauart
3.4
Alternative Kraftstoffe für Dieselmotoren
3.4.1
Verwendung von Alternativkraftstoffen
3.4.1.1
Geschichtlicher Rückblick
3.4.1.2
Wirtschaftliche Aspekte
Pülpe
g>~-----r--T-----1
Rüben- ~
-
korper c:
·~
Cl
c:
Saft 2
'"'CJ 1--::--.,.--- - i
Ql
B'
(ij
Fabrik (/)
gebundene
Sonnen-
energie
161,1 GJ/ha
Energie
für techn.
Mittel
17 GJiha
gesamte
Prozessenergie
4,5 GJ/ha Prozessenergie I. Entschleimung
u. Entsäuerung 0,5 GJ/ha
Bild 3-32. Energieflussdiagramme für die Herstellung von Ethanol (oben) und teilraffinier-
tem Rapsöl (unten) [3-36]
Volkswirtschaft. Nach der ersten Energiekrise in den 70er-Jahren wurde die Ver-
wendung der Alkohole wiederentdeckt, um die Abhängigkeit von den Rohöl-
einfuhren zu verringern. Auch die Pflanzenöle wurden in die Überlegungen
einbezogen, wobei sich in den letzten Jahrzehnten das Schwergewicht zu
3.4 Alternative Kraftstoffe für Dieselmotoren 149
3.4.1.3
Umweltaspekte
Einfluss auf Abgasemission. Hinsichtlich der Umweltbelastung bieten Alkohole
und Pflanzenöle im Vergleich zu den Mineralölkraftstoffen einige Vorteile. Der
günstige Energiekettenwirkungsgrad vermindert den Primärenergiebedarf für
eine bestimmte Transportleistung und damit mittelbar auch die Emissions-
belastung im Umwandlungsbereich. Alkohole - mit Ausnahme des giftigen
Methanols - reduzieren außerdem das Transportrisiko, da sie in jedem Ver-
hältnis mit Wasser mischbar sind und somit bei Unfällen Umweltschäden, z. B.
im Erdreich, leicht zu beseitigen sind.
Infolge des molekulargebundenen Sauerstoffs (Methanol: 50%, Ethanol:
33%, Rapsölmethylester RME: 10%) ist die Rußemission bei dieselmotorischem
Betrieb mit Alkoholen praktisch an der Nachweisgrenze. Ebenso wird mit RME
die Abgasschwärzung bis um 50% reduziert.
Die Stickoxidemission wird beim Alkoholbetrieb von Dieselmotoren infolge
der hohen Verdampfungswärme (Innenkühlung) bei entsprechender Anpas-
sung gesenkt. Dagegen muss man beim Einsatz von Pflanzenölen i. Allg. eine
Zunahme der NOx-Emission aufgrundihres Sauerstoffgehaltes in Kauf nehmen,
sodass eine Abstimmung des Einspritzsystems erforderlich ist, um das Emis-
sionsniveau auf das des vergleichbaren Diesel-Basismotors zu senken.
Die Emission an Kohlenwasserstoffen, das heißt unverbrannten bzw. teiloxi-
dierten Kraftstoffanteilen, ist bei Alkoholbetrieb geringer als im Benzin- oder
Dieselbetrieb. Viel wesentlicher als ihre absolute Höhe ist die Zusammensetzung
dieser Bestandteile. Hier sind bei Alkoholmotoren nahezu ausschließlich ein-
fache Verbindungen zu finden, die rasch zerfallen. Polyzyklische Aromaten und
solche Verbindungen, die zu hoher Inversionsbelastung führen, sind nicht oder
nur in sehr geringen Mengen vorhanden.
150 3 Kraftstoff und Verbrennung
3.4.2
Alkohole als Alternativkraftstoff
3.4.2.1
Chemisch-physikalische und verbrennungstechnische Eigenschaften
Heizwert, Gemischheizwert, Luftbedarf, Dichte. Gemessen an den Hauptmerk-
malen der otto- und dieseimotorischen Verbrennung (s. Abschn. 1.2) entschei-
den die Kraftstoffeigenschaften über den Einsatz von Alkoholen in Otto- oder
Dieselmotoren. Von für die Praxis kaum relevanten Ausnahmen abgesehen
[3-38] werden hauptsächlich Methanol CH 30H (C/H-Verhältnis = 3) und Etha-
nol C2H50H (C/H-Verhältnis = 4) verwendet, deren wichtigste Stoffwerte und
Kenngrößen der Tabelle 3-1 zu entnehmen sind (Dieselkraftstoff DK: C/H-Ver-
hältnis "" 6,5).
Charakteristisches Merkmal der Alkohole ist ihr durch die OH-Gruppe
bedingter Sauerstoffgehalt, der den geringeren Heizwert gegenüber reinen Koh-
lenwasserstoffen bedingt. Dem höheren C/H-Verhältnis von Ethanol entspricht
ein geringerer Sauerstoff-Massengehalt (35 o/o) und folglich ein höherer Heizwert
als von Methanol, wo der Sauerstoff-Massenanteil 50 o/o beträgt. Der nur etwa halb
so hohe Heizwert der Alkohole im Vergleich zu dem von Benzin oder DK bedeu-
tet, dass für gleiche Leistung bei gleichem Wirkungsgrad ein größerer Kraftstoff-
durchsatz erforderlich ist, was für Fahrzeugmotoren bei der Festlegung der
Kraftstofftankgröße zu berücksichtigen ist. Der Sauerstoffgehalt der Alkohole
bedingt aber auch einen niedrigeren Mindestluftbedarf als für Dieselkraftstoff,
so dass der Gemischheizwert als Maß für die mögliche Leistungsausbeute von
Verbrennungsmotoren für alle in der Tabelle aufgeführten Kraftstoffe etwa den
gleichen Wert von rund 3 MJ/kg beträgt (bezogen auf Av = 1). Somit ist bei mit
Alkohol betriebenen Motoren prinzipiell kein Leistungsabzug gegenüber nor-
malen Dieselmotoren zu erwarten, sofern konstruktiv (Kraftstoffdüsen, Ein-
spritzpumpe) dem größeren Kraftstoffdurchsatz Rechnung getragen wird.
3.4.2.2
Technische Möglichkeiten des Einsatzes von Alkoholen in Dieselmotoren
Ottomotorische
Verfahren
(Fremdzündung)
Ferner existieren Misch- oder Hybridverfahren, die über eine Zündhilfe die Ent-
zündung des direkt eingespritzten Kraftstoffes bewirken. Dazu zählen
• das Zündstrahlverfahren,
• der Einsatz von elektrischen Zündkerzen,
• das Schaffen von heißen Stellen, entweder durch sog. "Hot Spots'~ z. B. am
Kolben, oder durch Verwenden von Glühstiften, um die Selbstzündung ein-
zuleiten.
Dieselmotorische Verbrennung
Selbstzündung durch hohe Verdichtung. Die extrem zündunwilligen Kraftstoffe
Methanol und Ethanol erfordern hohe Verdichtungsverhältnisse (E > 25, Bild
3-34), um zu zünden. Außerdem ist eine zusätzliche Vorwärmung der Ansang-
luft erforderlich. Bewährt hat sich die Vorheizung über Wärmetauscher bzw.
eine lastabhängig gesteuerte Abgasrückführung, um bei Vo111ast-Leistungs-
einbußen durch hohe Ladungstemperaturen zu vermeiden. Als Starthilfen und
beim Betrieb des noch nicht betriebswarmen Motors dienen auch elektrische
Heizelemente zur Lufterwärmung oder Flammstartanlagen, s. Kap. 12. Gegen
die Verwendung eines zusätzlichen Startkraftstoffes sprechen die Nachteile
eines Zwei-Kraftstoffsystems mit zusätzlichem Tank, zusätzlicher Überwachung
und Steuerung [3-35].
Die extrem hohe Verdichtung ermöglicht zwar einen zufriedenstellenden
Vo111astbetrieb, jedoch ist es problematisch, auch bei geringer Last bzw. noch
nicht betriebswarmem Motor einen einwandfreien Rundlauf zu gewährleisten.
Außerdem wirken sich der extrem hohe Zylinderdruck Pzmax und Druckanstieg
dpzldqJ nachteilig auf die Wirtschaftlichkeit - ein wesentlicher Vorteil des
Dieselverfahrens- aus, indem höhere Triebwerksbelastungen auch höhere Rei-
bungskräfte und dadurch höhere mechanische Verluste bedingen. Dies dürfte
ein Hauptgrund dafür sein, dass dieses Verfahren über das reine Forschungs-
stadium nicht hinausgekommen ist [3-40].
26
24
0)22
c:
~ 20
0
'E 18
~
16 i i i
I I I I
14 : Super : Normal : Destil : Qf'hl .. ,.f.t...:
Benzin
12+-----+-----.-----.-~~-----,----~
0 10 20 30 40 50 60
Getanzahl
Bild 3-34. Notwendige Verdichtung eines Dieselmotors zur Selbstzündung von Kraftstoffen
unterschiedlicher Zündwilligkeit [3-40]
3.4 Alternative Kraftstoffe für Dieselmotoren 155
Hybrid-Verbrennungsverfahren
Zündstrahlverfahren. Das bereits von RuooLF DIESEL vorgeschlagene Zünd-
strahlverfahren ermöglicht, zündunwillige Alkoholkraftstoffe ohne Zündver-
besserer in Dieselmotoren zu verbrennen. Hierzu ist eine relativ geringe Menge
an Dieselkraftstoff notwendig, die zur Selbstzündung gebracht wird, während
156 3 Kraftstoff und Verbrennung
Luftwirbel
Schnitt A-B
0- Verfahren Z- Verfahren
Zündhilfe mittels Zündkerze. Wie beim üblichen Dieselmotor wird bei diesem
Verfahren der Kraftstoff zunächst in den Brennraum eingespritzt. Dazu müssen
neben dem Einspritzvorgang der Zündzeitpunkt und die Lage der Zündkerze
sowie die Brennraumkonfiguration und Verdichtung sehr sorgfältig aufein-
ander abgestimmt werden, um sowohl einwandfreie Zündbedingungen in allen
Last- und Drehzahlbereichen zu erreichen, als auch steile Druckanstiege und
Klopfen durch intensive Turbulenz zu vermeiden. In der Literatur zu findende
Probleme und Lösungsansätze stammen überwiegend aus japanischen Ver-
öffentlichungen und betreffen Verfahren der Direkteinspritzung mit überwie-
gend luftverteiltem Kraftstoff. Hiernach wurde das Forschungsstadium bereits
verlassen, indem eine große Anzahl von Prototypmotoren im Rahmen von
Flottenversuchen in kleineren und großen Nutzfahrzeugen erprobt werden.
Einen Weg, die mit dem luftverteilten Kraftstoff verbundene Probleme zu
beherrschen, bietet die bei wandverteiltem Kraftstoff mögliche Schichtladung.
Hierbei wird der Alkohol in eine im Kolben angeordnete Brennraummulde ein-
gespritzt [3-44]. Ausbildung des Einspritzverlaufes, der Muldenform sowie des
Luftdralls erfordern zwar eine sorgfältige Abstimmung und somit einen erhöh-
ten Entwicklungsaufwand,jedoch besitzt dieses Verfahren einige deutliche Vor-
teile gegenüber dem reinen Diesel- oder Ottomotor:
• Die hohe Verdichtung lässt sich auf ein Wirkungsgradoptimum hin auslegen,
ohne Rücksicht auf den Kaltstart des Motors, wie oftmals bei Dieselmotoren
zu finden.
• Durch reine Qualitätssteuerung in allen Lastbereichen werden die bei Moto-
ren mit Zündkerzen als Zündhilfe üblichen Drosselverluste vermieden.
• Die Trennung von Gemischbildung und Zündung im Brennraum erlaubt eine
weitgehende Anpassung an die Betriebsverhältnisse.
• Ein großer Vorteil dieses Motorprinzips ist die Unempfindlichkeit gegenüber
Qualitätsschwankungen von Kraftstoffen. Sowohl niedrige Oktanzahlen als
auch niedrige Cetanwerte werden toleriert, was von besonderem Vorteil bei
der Verwendung unterschiedlicher Alkohole ist.
Ein typischer Vertreter dieser Motorbauart ist der Alkoholmotor der Fa. MAN
(Bild 3-36) bei dem sich der Kraftstoff in der kugelförmigen Mulde anlagert und
nach der Zündung kontinuierlich abdampft und verbrennt. Als weiterer Vorteil ver-
ringert das Abdampfen die Wärmebelastung der Bauteile, wobei die sonst verlore-
ne Wandwärme dem Prozess wieder zugeführt wird. Gegenüber bauartgleichen
Dieselmotoren macht sich das in einem zusätzlichen Wirkungsgradanstieg um ca.
3 o/o bemerkbar. Die hohe Verdampfungswärme der Alkohole, besonders des
Methanols, sowie der rußfreie Betrieb gestattet eine Steigerung des Mitteldrucks
um etwa bis zu 10%, ohne kritische Bauteiltemperaturen zu erreichen.
Die gasförmigen Abgasemissionen von HC und CO erreichen ähnliche
Größenordnungen wie die von Dieselmotoren, die Stickoxidemission NOx ist
wie bei allen Alkoholmotoren wesentlich niedriger und beträgt ca. 35 bis 50%
158 3 Kraftstoff und Verbrennung
Glühkerzen- Glühkerze
halter
Glühkerze
heiße
Oberfläche
Schutzhülse
Ottomotorische Verbrennung
Saugrohreinspritzung. Von den dargestellten Möglichkeiten wird die Ottomoto-
rische Saugrohreinspritzung bereits mit Erfolg in USA (Kalifornien) eingesetzt,
und zwar als FFV (Flex-Fuel Vehicle) bzw. nur für die M85 genannte Mischung
aus 15% Methanol und 85% Benzin (dedicated engine). Alle anderen, bereits
teilweise und überwiegend in USA eingesetzten Verfahren, belegen nur einen
Nischenmarkt, hauptsächlich als Antrieb für Busse in Ballungsgebieten.
,-----11~
3.4.3
pflanzenöle als Alternativkraftstoff
3.4.3.1
Chemisch-physikalische und verbrennungstechnische Eigenschaften
0
II
C- (CH 2), 6 - CH 3 Stearinsäure
0
II
CH 2- 0 - C- (CH 2) 7 - CH = CH- (CH 2) 7 - CH 3
Glycerin Ölsäure
Von den aufgeführten Pflanzenölen gilt dem Rapsöl das größte Interesse, da
Raps in unserem Klimabereich angebaut werden kann und im Vergleich zu
Sonnenblumen unempfindlicher gegenüber Schädlingen, den herrschenden Bo-
denverhältnissen sowie den klimatischen Gegebenheiten ist. Somit beziehen sich
die weiteren Ausführungen mehrheitlich auf Rapsöl als Alternativkraftstoff.
3.4.3.2
Technische Möglichkeiten des Einsatzes von Pflanzenölen in Dieselmotoren
Stoffmengenverhältnis
1000 kg Triglycerid •)
+
110 kg Methanol
Methanol +
Katalysator~.....---'---, Katalysator
Energie
1000 kg RME
+
110 kg Glyzerin
+
Katalysator
•) Rap,söl
Bild 3-40. Schema zum Umesterungsprozess [3-37]
wodurch der Kaltstart erleichtert wird. Der Sauerstoffanteil ist höher als beim
Dieselkraftstoff und somit der (untere) Heizwert niedriger. Durch den Um-
esterungsprozess wird auch die Zündwilligkeit (Cetanzahl) erhöht und erreicht
die Werte eines guten Dieselkraftstoffes. Die Verkokungsneigung im Brennraum
unterscheidet sich nicht wesentlich von der bei Betrieb mit Dieselkraftstoff.
Deutliche Unterschiede im Vergleich zu Dieselkraftstoff bestehen beim
Lösungsverhalten gegenüber Elastomeren (Kunststoffen) und Lacken, sodass
hochwertige Materialien, z. B. Fluorkautschuk, eingesetzt werden müssen [3-54].
Ein großer Vorteil von Rapsölmethylester liegt in der gegenüber Dieselkraft-
stoff besseren biologischen Abbaubarkeit. So besitzt RME die Wassergefähr-
Motorbetrieb mit Rapsöl. Die Frage nach einem Einsatz der ersten oder
zweiten Variante - Anpassen des Motors an den Kraftstoff bzw. des
Kraftstoffes an den Motor - reduziert sich letztendlich für den Verbraucher
auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung [3-55]. Bei den Kosten sind zu berück-
sichtigen:
• Motorpreis einschl. notwendiger Entwicklungskosten,
• Kosten für Service und Reparaturen,
• Kraftstoffpreis über die Motor-Lebensdauer.
Entsprechend ist bei den Literaturangaben über den Motorbetrieb mit reinem
Rapsöl [3-55] bis [3-57] zu unterscheiden, ob diesen nur geringfügig ver-
änderte Serienmotoren oder weitgehende Motor-Neuentwicklung zu Grunde
lagen.
Bei kleineren direkt- und indirekteinspritzenden Motoren für den Einsatz im
Serien-Pkw ergibt sich zunächst die Schwierigkeit, dass die in den überwiegend
verwendeten Verteilereinspritzpumpen eingesetzte Flügelzellenpumpe unter-
halb von + 10°C nicht in der Lage ist, den Kraftstoff aus dem Tank zur Ein-
spritzpumpe zu fördern bzw. die Förderung nicht für höhere Motorleistungen
ausreicht. Nur durch ein zusätzliches Pumpensystem im Tank kann der für den
Betrieb notwendige Vordruck sichergestellt werden [3-52] . Die bei Reihen-
einspritzpumpen verwendeten Kolbenförderpumpen bereiten hier weniger
Schwierigkeiten.
Abgasemissionsmessungen bei kleinvolumigen indirekt einspritzenden Mo-
toren zeigen eine deutlichere Verschlechterung der HC- und CO-Emissionen
[3-54] bei gleichzeitig geringfügig verbesserter NOx-Emission, Bild 3-41. Die
Abgasschwärzung kann bedingt durch den kraftstoffgebundenen Sauerstoff um
mehr als 50% verringert werden, jedoch erhöht sich die Partikelemission auf-
grund der starken Zunahme der löslichen Anteile, bedingt durch die hohe
Siedetemperatur des Rapsöls. Zusätzlich verschlechtern sich durch Ablagerung
und erhöhten Verschleiß die bereits hohen Abgasemissionen nach längerer Be-
triebsdauer.
HG CO NOx Partikel
166 3 Kraftstoff und Verbrennung
MV
MV Magnetventil
ÜV Überströmventil
T Thermoschalter
-
-~
Pflanzenöl-
-
Tank
. ;;:--
HeiZU'I<J üv
HC CO NOx Partikel
5 0,1
.c it 4 .c
a.. a..
J: J: J:
0, 0, 0,
3
0,05 0,05
2
0 0
- =
.... Dieselkraftstoff (s 0,05 Gew.-%) unlöslich (Ruß)
l'ioX"i .... RME
Kraftstoff } organisch
l'ioX"i .... RME und Oxidationskatalysator
Öl löslich
80
20 20
0 0
Chrysen
-
~ .... RME
=
.... Dieselkraftstoff (S 0,05 Gew.-%) Benz (bl Fluorathen
Benz (a Pyren
.... RME und Oxidationskatalysator lndeno 1.2.3.-c.d.) Pyren
Benz (a) Anthracen
Beimischen von Rapsöl oder RME zum Dieselkraftstoff. Neben dem Einsatz von
reinem Rapsöl bzw. Rapsölmethylester ist auch deren Beimischen zum Diesel-
kraftstoff möglich. Jedoch sind in beiden Fällen praktisch keine zusätzlichen
Vorteile bzw. keine Minderung der Nachteile im Vergleich zur Verwendung der
reinen Formen erzielbar [3-54] . So wurde bei 10 bis 30% Anteil Rapsöl zum
Dieselkraftstoff keine Verbesserung des Emissionsverhaltens gegenüber dem
Dieselkraftstoffbetrieb erzielt. Probleme, die mit reinem Rapsöl im Hinblick auf
das Dauerlaufverhalten auftreten, traten bei Rapsöl/DK-Mischungen in etwas
abgeschwächter Form und nach etwas längeren Betriebszeiten ebenfalls auf.
Ebenso verlieren die Emissions-Vorteile des reinen RME-Betriebes an Wir-
kung, wenn RME/DK-Mischungen im Verhältnis 5:95, wie derzeit in Frankreich
erprobt, eingesetzt werden.
Ökologisch sinnvoller könnte dagegen das Beimischen von reinem Rapsöl
zum Heizöl bei Heizungsanlagen sein, wie ein Großversuch mit einem
Rapsölanteil von 15% ergab [3-87]. Neben einer verringerten Emission an Stick-
oxiden ( 10 bis 15%), Schwefel und Ruß liegt der Vorteil auch in der C0 2- neutra-
len Verbrennung, die bei REM nicht gegeben ist. Bei Anbau und Verarbeitung
von Raps zu REM werden C0 2- oder C0 2-äqivalente Emissionen frei, sodass der
spezifische C0 2- Vorteil gegenüber DK - je nach energetischer Nutzung der
Nebenprodukte - nur noch 30 bis 80% beträgt [3-88]. Hinzu kommt, dass selbst
bei Ausschöpfen der von der EU zugestandenen Anbauquoten weniger als 0,5%
3.4 Alternative Kraftstoffe für Dieselmotoren 169
3.4.4
Dimethylether (DME) als Alternativkraftstoff
Dieselkraftstoff DME
Spritzlochquerschnitt 100% Spritzlochdurchmesser 250%
.8 1200
... 800
2
I"'
c:
400
w
0
10 20 30 40 50 10 20 30 40 50
"NW "NW
Bild 3-45. Verhalten von Dieselkraftstoff und DME im Kraftstoffeinspritzsystem bei gleicher
eingespritzter Kraftstoffmasse [3-62]
170 3 Kraftstoff und Verbrennung
'
"-"
[ß.fl ~
180
90
chg
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~
-
70
! :~ltLI : 0 4 8
Pe - bar
12 16
- Dieselkraftstoff = DME
0,10
0,05
NOx CO NMOG
3.5
Brenngase und Gasmotoren
3.5.1
Historischer Rückblick
3.5.2
Brenngase, Kenngrößen
3.5.2.1
Brenngase für Gasmotoren
In Tabelle 3-5 sind die für den Einsatz in Gasmotoren wichtigsten Brenngase mit
ihren brenntechnischen Kennwerten enthalten, wobei die aufgeführten Reingase
lediglich in Gasmischungen, wie den Erdgasen, auftreten. Lediglich Wasserstoff
H2 kann, sofern er zur Verfügung steht, als Reingas eingesetzt werden. Deponie-
und Klärgas gelten als regenerative Brenngase, die bei der Zersetzung von Bio-
masse - Fäkalien, Gartenabfälle oder Stroh - entstehen, wobei die Umwelt dop-
pelt entlastet wird: Ihre Freisetzung wird vermieden und ihre Nutzung entlastet
die fossilen Ressourcen. Die wesentlichen Bestandteile sind Methan und Koh-
lendioxid, jeweils 40 bis 60%. Daneben können sie aber auch Schadstoffe, wie
Chlor-, Fluor und Schwefelwasserstoffe enthalten, die damit auch der Umwelt als
Gefahrstoff der Umwelt entzogen werden. Für eine Verbrennungsrechnung mit
Tabelle 3-5. Kenngrößen der wichtigsten Brenngase, bezogen auf das Gasvolumen im Norm-
zustand
Tabelle 3-6. Einfluss der Isomerie auf die brenntechnischen Kenndaten von Butan
Gasen gelten prinzipiell die gleichen brenntechnischen Kennzahlen wie bei flüs-
sigen Kraftstoffen, s. Abschn. 1.2.3.1, jedoch wird als Bezugsgröße oft das Gas-
volumen m~ bei Normzustand gewählt.
Die im Erdgas enthaltenen Kohlenwasserstoffe sind hauptsächlich Paraffine
(Alliphaten) mit kettenförmiger Anordnung der C- und H-Atome und der
Strukturformel CnHzn+Z. Auf Methan CH4 , den einfachsten Kohlenwasserstoff,
folgen Ethan C2H6 , Propan C3H8 und Butan C4 H 10 , die wie Methan bei Normzu-
stand gasförmig sind. Schon beim Butan tritt die als Isomerie bezeichnete Ände-
rung der kettenförmigen Struktur im Aufbau der Moleküle auf, sodass sich
beim Iso-Butan gegenüber der Normalform (n-Butan) bei gleicher molarer
Masse die physikalischen Eigenschaften ändern, s. Tabelle 3-6. Auf diese Gege-
benheiten muss besonders bei der Verwertung von Chemieabfallgasen in Gas-
motoren Rücksicht genommen werden.
3.5.2.2
Brenntechnische Kenngrößen
Methanzahl MZ
Die Methanzahl MZ wird definiert durch das volumetrische Mischungsverhält-
nis von Methan (MZ = 100) sowie Wasserstoff (MZ = 0) und gibt damit direkt
174 3 Kraftstoff und Verbrennung
Laminare Flammengeschwindigkeit
Die laminare Flammengeschwindigkeit gibt an, mit welcher Geschwindigkeit
sich die Flamme bei laminaren Strömungsverhältnissen ausbreitet. Im Bereich
----:J-.~% A
a
Bild 3-48. Aufbau eines Dreiecksdiagramms zur Ermittlung der Methanzahl für ein Gemisch
aus drei Gasen [3-48]
3.5 Brenngase und Gasmotoren 175
vvv
/'
20 '\. '\ 30 '
~"' ~\/--*"~f-**7'~~ %
~ ~~~~~~~:\tk~ ~
130 ~~~ ~20.,
J4~~·~/.~~~~~~~~~r.~~~~~~
,/' :""/\. ,, '\
Bild 3-49. Dreiecksdiagramm für Klärgas aus Methan, Kohlendioxid und Stickstoff [3-48]
.!!! 45
E
u
. .' . .
40 . ------------
--- -- -/~-r-~g_~~- -- ---- j---------------j---------------j---------------
c:: ····-------------------- ---- --------
. -------··· --------------------
.
~
35
.r:.
u
111
Ql
30 ------- .
----- --- .
. ---- -- ----- - ---------- --- - - - --~. -- --- - ---- - - - --~-------
. . . - -------
Cl
c::
25
Ql
E 20
E
nl 15
u::
...
Ql
nl
10
5
.Ec:: -------------- -~-- ---- --- --- ---~-------- -
.!!! 0
1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
Luftverhältnis A.
Bild 3-50. Einfluss des Luftverhältnisses ...lauf die laminare Flammengeschwindigkeit in cm/s
176 3 Kraftstoff und Verbrennung
..<
············...--..············
1,95
2,94
········------
2,04
...
1 .....
..................... 0,59 .. ................. .
·········---L...-.....1---·········
0,33
0,14 0,14
0,1
CO C:lia
Bild 3-51. Zündgrenzen der elementaren Gase Wasserstoff H2; Methan CH4; Kohlenmonoxid
CO und Propan C3H8
Zündgrenzen
Ein weiteres Kriterium für die Gemischbildung ist bei Brenngasen durch die
Zündgrenzen der Einzelgase gegeben, Bild 3-51. Sie geben an, bei welchen unter-
oder überstöchiometrischen Luftverhältnissen noch eine Zündung erfolgen
kann. Wasserstoff hat die weitesten Zündgrenzen, Methan einen relativ kleinen
Zündbereich. Für die Entflammung im Brennraum ist es daher wesentlich, die
Vorgänge bei der Gemischbildung genau zu verstehen, um entsprechende Maß-
nahmen setzen zu können. Wird Wasserstoff als Brennstoff benutzt, sind die
Anforderungen an die Gemischbildung bzw. die gemischbildende Einrichtung
eher bescheiden. Bei Erdgas werden besonders hohe Anforderungen an die
Homogenität des Gemisches gestellt, vor allem bei extremem Magerbetrieb.
3.5.3
Gemischbildung
3.5.3.1
Möglichkeiten der Gemischbildung
Vergleichbar mit den Pkw-Ottomotoren kann bei Gasmotoren ebenfalls unter-
schieden werden zwischen einer
- zentralen Gemischbildung mittels gemischbildender Einrichtung, dem Gas-
mischer (entspricht einer "Single-Point-Injection"), und einer
- Einzel-Gemischbildung vor Einlass in den Brennraum oder im Brennraum des
Motors (entspricht den Möglichkeiten der "Multi-Point-Injection").
Bei aufgeladenen Gasmotoren kann der zentrale Gasmiseher vor oder nach dem
Verdichter der Aufladegruppe angeordnet werden. Die Anordnung auf der Saug-
3.5 Brenngase und Gasmotoren 177
a
0
hydraulische Einblase-
ventilbetätigung
Gaseintritt
Lufteintritt
b
Bild 3-52. Zufuhr des Brenngases über Gaseinblasventil. a in den Ansaugkanal; b direkt in den
Brennraum bei Zweitaktmotor (Vermeiden von Gasverlusten)
seite hat den Vorteil, dass nur ein geringer Gas-Vordruck anstehen muss, wie es
z. B. bei Klär- oder Deponiegas (30 -100 mbar) der Fall ist. Ein weiterer Nutzen
entsteht durch die Homogenisierung des Gemisches im Verdichter, sodass bei V-
Motoren jede Reihe ein exakt gleiches Lambda erhält. Wird der Gasmiseher auf
der Druckseite (p 2) angeordnet, ist ein entsprechend höherer Gasvordruck not-
wendig, der fallweise über einen eigenen Gasverdichter erzeugt werden muss.
Außerdem ist die Gefahr eines durchschlagenden fetten Strömungsfadens
immer gegeben, und es ist dann zweckmäßig, eine homogenisierende Einheit
dem Gasmiseher nachzuschalten.
Einzel-Gemischbildung ist bei größeren Motoren (D >140 mm) zu finden.
Sofern es sich nicht um Saugmotoren handelt, ist der Gasdruck auch hier anzu-
heben, auf jeden Fall bei der direkten Gaszufuhr in den Zylinder. Erforderlich
sind in beiden Fällen zusätzliche Gaseinlassventile (Bild 3-52), was konstruktive
Eingriffe am Zylinderkopf erfordert. Bei Drosselung der Luftzufuhr (üblicher-
weise mittels Drosselklappe) zur Änderung des Drehmoments ist der Ventil-
querschnitt am Gasventil so anzupassen, dass das Gemisch weiterhin zünd-
fähig ist.
178 3 Kraftstoff und Verbrennung
3.5.3.2
Gasmiseher
Die meisten Gasmiseher arbeiten nach dem Venturi-Prinzip: Durch eine im
Ansaug-Luftstrom angeordnete Venturidüse sinkt der stationäre Druck im engs-
ten Querschnitt, wo sich die über einen Ringkanal miteinander verbundenen
Bohrungen für den Gaszutritt befinden, Bild 3-53. Mit Erhöhen der Zylinder-
ladung, z.B. bei Drehzahlzunahme, steigt auch der Differenzdruck am Gaszu-
tritt und damit die einströmende Gasmasse. Wegen der sich dabei gleichzeitig
ändernden Dichten von Gas und Luft sind zusätzliche Regeleingriffe erforder-
lich, um das gewünschte Luftverhältnis einzuhalten.
Bei Motoren mit geringen Emissionsanforderungen wird häufig der "variable
restriction" Gasmiseher (Impco) verwendet. Das Funktionsprinzip ist in Bild
3-54 dargestellt. Die Besonderheit dieses Typs ist das "gas metering valve", des-
sen äußere Form einen massenstromabhängigen Lambdaverlauf relativ einfach
erreichen lässt. Wird eine andere Charakteristik gewünscht, so wird die Form
des Steuerventils dem gewünschten Mischungsverhältnis angepasst. Eine weite-
re Eingriffsmöglichkeit ist durch die Festlegung der in der Unterdruckkammer
befindlichen Feder gegeben. Dieser Gasmischertyp kann auf der Saugseite oder
der Druckseite eingesetzt werden. Als wesentlicher Vorteil dieses Typs ist die
einfache Mechanik zu nennen, da kein elektronisches Stellglied vorhanden ist.
~ Gaseinlass
Justier-
schraube
....
~-- Drosselklappe
Lufteinlass --4•t-..-::;
Unterdruckkammer
Der Nachteil ist jedoch eine entsprechend der Geometrie fixierte Einstellung
und damit ein bestimmtes Lambda während des Einstellvorganges. Für Anfor-
derungen, die nicht der TA-Luft entsprechen, wie z.B. 2 g NOxfhph nach US-
Limits, reicht dieses einfache Konzept aus. Mit diesem Konzept ist kein Regel-
eingriff zur Kompensation variabler Heizwerte bzw. zu sich verändernden
Umgebungsbedingungen (Ansaugtemperatur und Luftdruck) möglich.
Für aufgeladene Gasmotoren hoher spezifischer Leistung ist dieser Mischer-
typwegen seiner hohen Strömungsverluste und den damit verbundenen Fül-
lungsverlusten nicht geeignet.
Ein ebenfalls verbreitetes Grundkonzept stellt das Mischungsverhältnis über
das Flächenverhältnis von Luft- und Gasquerschnitt ein. Die bereits relativ alte
Grundidee - sie entspricht der eines Gleichdruckvergasers - wurde von der
Ruhrgas AG Mitte der 80er-Jahre aufgegriffen und auf den heutigen Stand
gebracht (Markenname HOMIX).
Für Magermotoren hat dieses Konzept den Vorteil, dass mit relativ einfachem
Aufwand das Flächenverhältnis Luft/Gas im Betrieb nachgestellt werden kann.
Dieser Gasmischertyp erfordert immer einen Druckregler (Nulldruckregler),
der die Druckverhältnisse in der Gaszuführung dem Druck im Saugrohr vor
dem Verdichter anpasst.
Um das in den Gasnetzen vorhandene Druckniveau an die bei dem Gasmotor
vorgesehene Gemischbildung anzupassen, ist eine sog. Gasregelstrecke erfor-
derlich. Neben der Druckanpassung werden in diese Gasregelstrecke, auch "Gas-
straße" genannt, meist die vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen inte-
griert [3-68].
3.5.4
Zündung und Verbrennung
3.5.4.1
Gas-Ottomotoren
VerfahrensmerkJnale
Bei den fremdgezündeten Gasottomotoren werden zwei grundsätzlich verschie-
dene Zündungskonzepte unterschieden. Bei den schnelllaufenden Motoren (n ~
1500 min· 1) mit bis zu 170 mm Bohrungsdurchmesser wird, bis auf wenige Aus-
nahmen, die in Bild 3-55a dargestellte Direktzündung verwendet. Im We-
sentlichen entspricht dieses Konzept auch den bei Pkw-Otto-Motoren einge-
setzten Zündungskonzepten. Bei kleinerer Drehzahl (n = 800-1200 min- 1) und
fetterer Verbrennung (A. ~ 1) ist die Flammengeschwindigkeit im Brennraum
groß genug, um auch dieses Konzept bis zu einem Bohrungsdurchmesser von
250 mm einzusetzen. Für Magermotoren mit Bohrungsdurchmesser von 200 mm
und größer wird eine sog. Vorkammerzündung erforderlich (Bild 3-55 b ), wozu
der Brennraum in Haupt- und Nebenbrennraum, Vorkammer genannt, unter-
teilt wird. Im Vergleich zu den Pkw-Vorkammer-Dieselmotoren macht hier die
Vorkammer nicht über 5% vom Gesamtvolumen aus. Außerdem wird zwischen
gespülter und ungespülter Vorkammer unterschieden. Die gespülte Vorkammer
180 3 Kraftstoff und Verbrennung
reines '
Brenngas ~M
~ homogoo"
Magergemisch
-~ 2Lt;
0 0
a Direktzündung b Zündung in Vorkammer
Bild 3-55. Direkte Zündung (a) und Vorkammerzündung (b) bei Gas-Ottomotoren
ist mit einer eigenen Gaszufuhr versehen, die i. Allg. das Gemisch in der Kammer
bis zu einem Luftverhältnis im Bereich A."" 1 anfettet, um eine Zündung sicher-
zustellen. Das Gemisch im Hauptbrennraum muss im Vergleich zur direkten
Zündung wesentlich magerer sein, gleiche NOx-Emission vorausgesetzt. Bei un-
gespülter Vorkammer ist die Zündkerze von einer Kammer umgeben, die mit
relativ kleinen Schusskanälen (Übertrittsbohrungen) mit dem Hauptbrennraum
verbunden ist. Wiederum gleiches NOx-Emissionsniveau vorausgesetzt, ist das
Luftverhältnis des Mager-Gemisches um 0,2 fetter als bei gespülter Vorkammer.
Elektrische Zündeinrichtung
Bei Gas-Ottomotoren erfolgt die Zündung des Gas/Luft-Gemisches wie bei Pkw-
Ottomotoren mit Hilfe einer Zündkerze. Die bis Anfang der 90er-Jahre verwen-
deten, mechanisch angetriebenen Zündgeneratoren (z.B. Fa. Altronic) wurden
zugunsten einer elektronischen Zündung, bei der ein Thyristor die Entladung
eines Kondensators steuert, aufgegeben, um damit den Zündzeitpunkt z. B. bei
Gefahr einer klopfenden Verbrennung problemlos variieren zu können. Wichtig
ist, zwischen der maximal möglichen Zündspannung (Zündspannungsangebot)
und der zur Funkenbildung erforderlichen Spannung (Zündspannungsbedarf)
zu unterscheiden. Deren Höhe wird primär durch das Spaltmaß zwischen
Mittel- und Massenelektrode bzw. die im Zündzeitpunkt herrschende Ladungs-
dichte bestimmt. Bild 3-56 zeigt den Zusammenhang zwischen Zündspan-
nungsbedarf und mittlerem effektivem Druck Pe· (bzw. spezifischer Arbeit we .)
zum Erreichen der NOx-Grenzwerte von 500 mglm~ nach TA-Luft (s. Abschn.
16.2.3.1) bzw. von 250 mg/m~ bei Gemischabmagerung und höherer Ladungs-
dichte.
Um die Lebensdauer der Zündkerzen in Stationärmotoren zu steigern, wer-
den mit Edelmetallen (Platin, Iridium oder Rhodium) armierte Elektroden auf
dem Markt angeboten, wie z.B. Champion RB 77WPC und Denso 3-1, wobei
einige Motorenhersteller auch auf Eigenentwicklungen setzen.
3.5 Brenngase und Gasmotoren 181
30
>
-"' 25
r::::
--- 250mg NO. Im ~
Cl
r:::: 20
:I
' '
' '
' '
0
0 5 10 15 20 25
mittlerer effektiver Druck in bar
Bild 3-56. Abhängigkeit des Zündspannungsbedarfs vom mittleren effektiven Druck p. und
dem Niveau der NOx-Emission
3.5.4.2
Gas-Dieselmotor
Zündstrahlverfahren
Neben der durch elektrische Entladung an einer Zündkerze eingeleiteten
Fremdzündung des Gasgemisches kann dies auch durch die Selbstzündung ein-
gespritzen Dieselkraftstoffes, des sog. Zündöls, erfolgen. Dieses Verfahren hat
bereits RunoLF DIESEL vorgeschlagen, um schwer entzündbare Kraftstoffe, wie
z.B. Kohle, verbrennen zu können. Diese Gas-Dieselmotoren (auch Diesel-Gas-
motoren, Zündstrahlmotoren oder Dual Fuel Engine genannt) können derzeit
die NOx-Grenzwerte nur mit SCR-Katalysatoren erreichen, da der Verbren-
nungsablauf des über die Einspritzstrahlen zündenden Gemisches mehr als
doppelt so hohe NOx-Werte ergibt {1500 bis 2000 mg NOx/m3n).
Auch die Diesel-Gasmotoren können ihrerseits klassifiziert werden. Das
bekannteste Konzept stellt die Gemischbildung außerhalb des Brennraumes
(Bild 3-57) dar. Die Gasmischeinheit kann je nach Erfordernis (vorhandener
Gasdruck) vor oder nach dem Verdichter angeordnet sein. Dieses Konzept hat
den Vorteil, dass bei Ausfall des Gases der Motor auch als Dieselmotor (vor allem
für Notstromanwendungen wichtig) betrieben werden kann. Der Motor wird als
Dieselmotor gestartet, um dann in Folge dem Luftstrom Gas als primären Ener-
gieträger zuzumischen. Die Zündstrahlmenge beträgt bei Volllast ca. 5% (ener-
getisch). Das Haupteinsatzgebiet dieser Motorentype ist dort, wo große Gas-
mengen mit geringen Heizwerten und schwerer Entflammbarkeit vorhanden
sind. Als Beispiel sind hier Gase mit hohen Inertanteilen zu nennen.
Der Hauptvorteil des Konzeptes wurde bereits angeführt; Schwierigkeiten
treten jedoch bei wenig klopffesten Gasen auf, da ein für die Selbstzündung
des Dieselkraftstoffes beim Startvorgang ausreichendes Verdichtungsverhältnis
gewählt werden muss. Bei methanzahlarmen Gasen oder Gasgemischen muss
182 3 Kraftstoff und Verbrennung
0
dann mit Gegenmaßnahmen, wie z.B. Lastreduktion oder "Abmagern" durch
Verschieben des Brenngasenergieanteiles zu größeren Zündstrahlmengen der
klopffreie Betrieb sichergestellt werden. Insbesondere ist das bei H2-reichen
Synthesegasen problematisch, da entweder nur bescheidene Mitteldrücke
(Saugmotorniveau) oder hohe Dieselverbrauchsanteile in Kauf genommen wer-
den müssen. Das zweite und modernere Konzept wird durch die Gemischbil-
dung im Brennraum (Bild 3-58) gekennzeichnet. Diese Entwicklung basiert auf
dem Vorhandensein von Hochdruckgas (ca. 200 bar), wie es beispielsweise auf
CNG-Schiffen als "Nebenprodukt" anfällt. Das Hochdruck-Brenngas wird dem
Zündstrahl vorgelagert, um anschließend durch den Dieselstrahl gezündet zu
werden.
Bei diesem Konzept sind die Wirkungsgrade praktisch genauso hoch wie bei
den Dieselmotoren. Die NOx-Emission der nach dem Zündstrahlkonzept arbei-
tenden Motoren erfordert aber in jedem Fall eine Abgasnachbehandlung über
einen Denox-Katalysator.
Das Verdichtungsverhältnis ist bei der üblichen Verwendung von Serien-Die-
selmotoren als Gas-Ottomotoren der Klopffestigkeit (Methan-Zahl) des zur Ver-
fügung stehenden Brenngases so anzupassen, dass keine Selbstzündung des
Gas/Luft-Gemisches eintreten kann. Bei Diesel-Gasmotoren muss das Verdich-
Hochdruck-Brenngas
Dieselkraftstoff
Verbrennungsluft
Bild 3-58. Gas-Dieselmotor mit interner Gemischbildung
3.5 Brenngase und Gasmotoren 183
tungsverhältnis noch so hoch sein, das einerseits die Selbstzündung des Zünd-
öles eintritt, andererseits darf das homogene Gas-/Luft-Gemisch, das die
Hauptenergie für den Motorbetrieb liefert, nicht zum Klopfen neigen, also eine
genügend hohe Methan-Zahl haben. Bei der Applikation von Serien-Dieselmo-
toren ist es dagegen für Gas-Dieselmotoren nicht notwendig, die Einspritzaus-
rüstung gegen Zündverteiler (Einspritzpumpe) und Zündkerze (Einspritzdüse)
auszutauschen wie bei Gas-Ottomotoren.
Da Diesel-Gasmotoren mit Luftüberschuss arbeiten, können minimal NOx-
Rohemissionen von 1500 bis 2000 mg/(m~ Abgas mit 5% 0 2 -Gehalt gemäß TA-
Luft) erreicht werden, die zur Reduktion die SCR-Technik erfordern. Ein weite-
rer Nachteil besteht in der Partikelemission, die vergleichbar mit der normaler
Dieselmotoren ist. Der konventionelle Gas-Dieselmotor (Zündstrahlmotor) ist
von denneueren Konzepten mit einem Pilot-Zündstrahl (0,5 bis 1 o/o Dieselkraft-
stoff) zu unterscheiden.
Wasserstoftbetrieb von Gas-Dieselmotoren
In dem Bemühen um die Nutzung alternativer Kraftstoffe und die Minderung
der Umweltbelastung durch Motorabgase ist in der Zukunft dem Wasserstoff
große Bedeutung zuzumessen [3-70]. Voraussetzung ist jedoch, dass zu seiner
Gewinnung durch Elektrolyse keine mit fossilen Kraftstoffen erzeugte elektri-
sche Energie eingesetzt wird. Um später einmal Wasserstoff auch in Groß-Die-
selmotoren einsetzen zu können, wurden entsprechende Untersuchungen an
einem Einzylinder-Dieselmotor mit 240 mm Kolbendurchmesser durchgeführt
[3-71]. In der jetzigen Entwicklungsstufe wird auf 300 bar verdichteter Wasser-
stoff dem Motor über ein Einblaseventil mit mehreren Blaslöchern, das die zen-
tral angeordnete Einspritzdüse ersetzt, kurz vor dem oberen Totpunkt zuge-
führt, worauf es zu einer Selbstzündung des Wasserstoff-Luft-Gemisches
kommt. Das Verdichtungsverhältnis wurde dazu im Laufe der Versuche von
ursprünglich E = 13,7 in der Dieselversion auf 16,8 bis 17,6 erhöht. Der große
Zündbereich des Wasserstoff-Luftgemisches erlaubt weitgehend eine sog. Qua-
litätsregelung, vergleichbar der üblichen Lastanpassung bei Dieselmotoren. Die
im Versuchsbetrieb des aufgeladenen Motors erreichten mittleren effektiven
Drücke von ca. 19 bar, entsprechend einer spezifischen Arbeit We = 1,9 dJ/dm3,
lassen für die weitere Entwicklung zukünftig ca. 25 bar erwarten, vergleichbar
dem Leistungsniveau heutiger Schiffs-Dieselmotoren.
Die Verbrennung verläuft rußfrei, das "Treibhausgas" Kohlendioxid C02
sowie Kohlenmonoxid CO und Kohlenwasserstoffverbindungen HC treten nur
in vernachlässigbar kleinen Konzentrationen auf. Einzige quantitativ relevante
Komponente sind die Stickoxide, deren Konzentration das Emissionsniveau
schadstoffoptimierter Dieselmotoren übertrifft. Die Ursache hierfür ist in den
starken Inhomogenitäten des Gas/Luft-Gemisches und in der sehr kurzen
Brenndauer mit großen Umsatzraten zu sehen, die örtlich hohe Temperaturen
im Brennraum bedingen und den damit verbundenen Anstieg der NO-Bildung.
Hier wird noch weitere Entwicklungsarbeit erforderlich. Eventuell notwendig
werdende Nachbehandlungssysteme zur NOx-Minderung können jedoch wegen
der Reinheit des Abgases sehr wirksam arbeiten.
184 3 Kraftstoff und Verbrennung
Ist der mit Wasserstoff betriebene Dieselmotor aus heutiger Sicht noch eine
Option auf die Zukunft, so erfüllt er doch bereits zwei Visionen RunoLF DIESELS,
nämlich die vom rauchfreien Betrieb seines rationellen Wärmemotors sowie die
der Eignung auch für Brenngasel
3.5.5
Abgasemission von Gasmotoren
3.5.5.1
Verbrennung homogener Gasgemische
10000
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0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8
Luftverhältnis !..
te nicht, wie oft üblich, auf die Leistung, sondern auf den Ladungsdurchsatz in
m~ bei einem 0 2-Gehalt des Abgases von 5% bezogen werden. Damit ist es ohne
Belang, ob wenig oder viel Strom aus der gleichen Menge an Brenngas erzeugt
wird, da der Nutzwirkungsgrad nicht in die ermittelten Emissionswerte eingeht.
Deshalb berücksichtigen einzelne Länder, wie z. B. Dänemark, den effektiven
Wirkungsgrad bei der Festsetzung ihrer Limits. Außer für NOx, CO und HC
bestehen Emissionslimits auch für NMHC (Non Methanic Hydro Carbons: Koh-
lenwasserstoffe mit Ausnahme von Methan), für die Staub- oder Partikelemis-
sion (abhängig vom vorgeschriebenen Messverfahren, s. Abschn. 16.6.2) sowie für
C-Verbindungen geordnet nach C1 , C2 , C3 etc., ferner für Dioxine und Furane.
3.5.5.2
Gasmotoren mit stöchiometrischem Gemisch
Vergleichbar den Pkw-Ottomotoren ist ein stöchiometrisches Gas/Luftgemisch
Voraussetzung für den Einsatz des Drei-Wege-Katalysators, der gleichzeitig die
Emission von CO, HC und NOx durch Nachoxidation bzw. Reduktion senkt. Vor-
aussetzung ist eine Regelung des Gas-Luftgemisches mittels einer sog. Lambda-
sonde, die die Funktion des Katalysators innerhalb der sehr engen Grenzen des
"Lambda-Fensters" von 0,980-0,991 sicherstellt. Nur bei unterstöchiometri-
scher Verbrennung (..\ "' 0,997) ist eine wirkungsvolle Reduktion von NOx zu
erreichen.
Durch hohe thermische Belastung, verbunden mit Einflüssen durch Ölaschen
und im Brenngas enthaltene Problem gase, sinkt der Katalysator-Wirkungsgrad.
Daher sind die Service- und Wartungskosten relativ hoch, was den Einsatz des
Drei-Wege-Katalysators auf Motoren geringer Leistung, vorwiegend Saugmoto-
ren, beschränkt (Pe::; 8 bar bzw. We::; 0,8 kJ/dm 3). Durch die Kombination der
Abgasturboaufladung mit einer Abgasdrückführung ist es jedoch möglich, die
thermische Belastung und gleichzeitig die NOx-Rohemission und damit die
Kosten zu senken.
3.5.5.3
Mager-Gemisch-Motoren
Gemischreglung mittels Mager-Sonde
Der sog. Magerbetrieb zur Einhaltung der Grenzwerte der TA-Luft bedingt die
Mager-Gemisch-Aufladung, um durch Aufladung die mit einer "mageren" Ver-
brennung verbundenen Verluste an Nutzarbeit kompensieren zu können. Dabei
hat sich gezeigt, dass sich das vorgemischte Gas/Luftgemisch problemlos im
Verdichter des Abgasturboladers mit Vorteil für die Gemisch-Homogenisierung
vorverdichten lässt, s. Abschn. 3.5.3.1. Für mit Schadstoffen, wie Chlor-, Fluor-,
Siliziumverbindungen, Schwefelwasserstoff H 2S, beladene Biogase können nur
Mager-Gemisch-Motoren eingesetzt werden, da diese "Katalysatorgifte" einen
3-Wege-Katalysator in kürzester Zeit außer Funktion setzen würden.
Die notwendige Konstanz des Luftverhältnisses des mageren Gas-Luftgemi-
sches kann (vergleichbar mit einem "Lambda -1-Betrieb") durch einen geschlos-
186 3 Kraftstoff und Verbrennung
Leanox-Verfahren. Das von der Firma Jenbacher [3-71] entwickelte und paten-
tierte Konzept verwendet die nach der Drosselklappe gemessenen Werte von
Druck und Temperatur, die bei gegebener Motoreinstellung der Energiezufuhr
entsprechen. In Verbindung mit den zugehörigen NOx-Werten besteht eine Kor-
relation zwischen dem Luftverhältnis und der NOx-Emission. Der Vorteil dieses
Konzeptes ist seine Unabhängigkeit von der Betriebsdauer des Motors, die ohne
Einfluss auf die Messung ist. Sie gleicht auch eine Abnahme des Heizwertes aus,
indem der Regler dies als Abweichen in Richtung "mager" deutet, was zum
gewünschten Anfetten des Gemisches führt.
lonenstromsensor. Die Fa. Caterpillar verwendet für ihre große Baureihe 36 eine
Ionenstromsonde. Das Grundprinzip beruht auf die Erfassung der Geschwin-
digkeit der Flammenfront von der Zündkerze zu der in Büchsenbundnähe ange-
ordneten Ionenstromsonde. Die Geschwindigkeit der Flamme wird bei der "Ein-
messung" einer NOx-Emission zugeordnet. Bei sehr magerer Verbrennung ist
das von der Sonde gelieferte Signal relativ unscharf, sodass die Regelung nicht
mehr präzise genug arbeitet.
kostenintensiv, beschränkt die Genauigkeit des Verfahrens und damit auch sei-
ne Anwendung.
Abgasnachbehandlung
Oxidationskatalysator. Für Gasmotoren ist nach TA-Luft die CO-Emission auf
~ 650 mg/m~ begrenzt. Die Rohemission von wirkungsgradoptimierten Gasmo-
toren liegt gemäß dem Stand der Technik bei ca. 800 bis 1100 mg CO/rn~. Primär
wird das CO durch nicht vollständige Reaktionen bei der Verbrennung verur-
sacht. Bei Formaldehyd liegt ein Zwischenprodukt der Oxidation von Methan
vor. Beide Emissionskomponenten sowie auch höhere Kohlenwasserstoffe kön-
nen bei ausreichender Dimensionierung (Raumgeschwindigkeit und Edelme-
tallgehalt) des Oxidationskatalysators stark reduziert werden.
Thermische Nachoxidation. Sie wird bei Biogasen mit dem bereits erwähnten
Gehalt von Problemgasen, die als "Katalysatorgift" die Wirkung von Oxida-
tionskatalysatoren in kürzester Zeit außer Kraft setzen, eingesetzt, um teil- oder
unverbrannte Komponenten im Abgas wirkungsgradoptimierter Gasmotoren
zu reduzieren. Je nach Verbrennungskonzept befindet sich ausreichend Sauer-
stoff 0 2 im Abgas, das jedoch auf die erforderliche Oxidationstemperatur von
> 760 oc gebracht werden muss. Um den energetischen Aufwand zu reduzieren,
werden rekuperative oder regenerative Wärmeübertrager eingesetzt. Bei Depo-
niegasanlagen hat sich derzeit das System CL.AIR der Firma Jenbacher durch-
gesetzt.
4 Kraftstoff-Einspritzsystem
4.1
Anforderungen an Einspritzanlage und Einspritzvorgang
Die Einspritzanlage hat die Aufgabe, den Kraftstoff vom Tank zum Motor zu
fördern, unter hohem Druck zeitgerecht in den Brennraum des Dieselmotors
einzuspritzen und die Motorleistung über die eingespritzte Kraftstoffmasse- in
der Praxis als Einspritzmasse bezeichnet - zu steuern. Dazu werden in der Regel
ein Niederdruckkreislauf, die eigentliche dieseltypische Hochdruckeinsprit-
zung, Einrichtungen für Steuerungsfunktionen, wie z. B. zur Änderung des Ein-
spritzzeitpunktes (Spritzverstellung) oder anderer Einflussgrößen, sowie ein
Regler benötigt.
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b NOx [ ppm] NOx [ ppm]
Spritzverstellung. Der Kraftstoff wird beim Dieselmotor gegen Ende der Ver-
dichtung in den Brennraum gespritzt. Der Einspritzzeitpunkt hat dabei einen
wesentlichen Einfluss auf Kraftstoffverbrauch, Abgasemission und Geräusch
der Motoren. Späte Einspritzung wird angewendet, um die NOx-Emission nied-
rig zu halten. Dies führt zu Kraftstoffmehrverbrauch und vor allem bei kalten
Motoren zu erhöhter Kohlenwasserstoffemission. Um diese Nachteile zu mini-
mieren, muss der Spritzbeginn für jeden Betriebspunkt als Kompromiss bezüg-
lich aller erwähnten Auswirkungen optimiert werden. Das bedeutet, dass der
Beginn der Einspritzung, insbesondere für Motoren mit sehr niedriger Abgas-
emission, in weiten Grenzen last-, drehzahl-und temperaturabhängig einstell-
bar sein muss. Die zum Teil starke Abhängigkeit der Schadstoffkomponenten
(NOx und HC) erfordert dabei eine hohe Genauigkeit(± 1 °KW).
In Bild 4-2 ist ein typisches Spritzbeginnkennfeld dargestellt. Da sich im
realen Betrieb die Betriebspunkte sehr schnell ändern können, sollte der Spritz-
beginn verzögerungsfrei folgen. Zur Einhaltung der Abgasemissionen in den
bekannten Tests ist allerdings eine Verstellgeschwindigkeit von 20 °KW/s aus-
reichend.
-15
c
c
Öl -5 100
CD
.c
!!
i:
c. OT
(/) 1
% 100
Einspritzma
sse
Bild 4-2. Kennfeld-Beispiel für den Einspritzbeginn, abhängig von Einspritzmasse und Dreh-
zahl für den betriebswarmen Motor
200~------------------------------------------.
n = 1900 min-1
stationäre
mg/Arb.-Sp.
Volllost
150
(])
tJ)
l:l
-~0.. 100
tJ)
c
jjj
o+-~~--~~--~~~-T~~~~~~~~~~
Bild 4-3. Einspritzmasse für stationäre und instationäre Volllast in Abhängigkeit vom Lade-
druck bei 1900 min- 1 für einen Nkw-Motor
4.2 Einspritzsystem 193
4.2
Einspritzsystem
4.2.1
Systemübersicht
4.2.1.1
Aufbau von Einspritzsystemen
Bild 4-4. Genereller Aufbau eines Diesel-Einspritzsystems mit fünf Subsystemen, den wich-
tigsten Funktionen, Unterscheidungsmerkmalen und Baugruppen
a
cro c
cro
1
\
d e
Bild 4-5. Einspritzsysteme, bei denen die Einspritzleistung pro Arbeitstakt des Motors er-
zeugt wird und die Mengenzumessung durch Kanten- oder Hubsteuerung erfolgt (Nocken-
Hub-Steuerung). a Reihenpumpe; b Reihenpumpe mit Hubschieber; c Steckpumpe; d Axial-
kolbenverteilerpumpe; e Radialkolbenverteilerpumpe
4.2.1.2
Systemkomponenten
Bild 4-7 zeigt ein typisches Einspritzsystem mit seinen wichtigsten Einzelkom-
ponenten.
r
\
a b c
d
cro e
Bild 4-6. Einspritzsysteme, bei denen die Einspritzleistung pro Arbeitstakt des Motors er-
zeugt und die Mengenzumessung durch Ansteuerung eines elektrischen Ventiles zeitlich
gesteuert wird (Nocken-Zeit-Steuerung) sowie ein Speicher-Einspritzsystem (reine Zeit-
Steuerung). a Axialkolbenverteilerpumpe; b Radialkolbenverteilerpumpe; c Pumpe-Düse-
Einheit; d Pumpe-Leitung-Düse-Einheit; e Speicher-Einspritzsystem
24 25 21 71 28
zyklus des Motors angetrieben werden muss. Der Kraftstoff wird unter hohem
Druck im sog. Rail gespeichert. Die Dosierung der eingespritzten Masse und
der Zeitpunkt der Einspritzung erfolgt bei diesen Systemen über elektronisch
ansteuerbare Ventile, die direkt an der Düse angebracht sind, Bild 4-6 e. Ande-
re Ausführungen erzeugen den Einspritzdruck erst im Injektor selbst durch
Druckübersetzungskolben. Hierfür sind Kolbenpumpen mit größerer Förder-
menge, aber geringerem Druckniveau erforderlich.
für die Mengen- und Drehzahlvorgabe. Wird dieser mechanische Regler durch
einen elektronischen ersetzt, benötigt man ein Stellglied (elektromagnetisches
Stellwerk oder elektrisch betätigtes Ventil) und ein elektronisches Ansteuer-
system, das unterschiedliche Sensorsignale verarbeiten kann.
Die Einzelzylinder- und Speichereinspritzsysteme arbeiten heute fast aus-
schließlich mit elektronischen Regelsystemen, die direkt auf elektrisch betätigte
Ventile einwirken.
Steuergeräte und Sensoren. Zur Steuerung und Regelung der Pumpen-, Motor-
und Fahrzeugfunktionen sind bei elektronischen Einspritzsystemen elektro-
nische Steuergeräte und Sensoren erforderlich. Zur Kommunikation zwischen
den verschiedenen Systemen dient ein schnelles Bussystem. Die Überwachung
der einzelnen Funktionen geschieht ebenfalls im Steuergerät, das zusätzlich mit
einer Diagnoseschnittstelle versehen ist.
4.2.2
Einspritzhydraulik
4.2.2.1
Einführung
Unter "Einspritzhydraulik" wird hier weitaus mehr verstanden als der Begriff
Hydraulik im eigentlichen Wortsinn erwarten lässt.
Einspritzsysteme sind hochgradig instationär arbeitende "Strömungsma-
schinen". Die Förderung des Kraftstoffes aus dem Tank, Druckaufbau und Ent-
lastung in Pumpe, Leitung und Düse gemäß der geforderten Einspritzverlaufs-
form, die Bewegung von Ventilen, die Verformung hochdruckbelasteter Bauteile,
damit verbundene Leckagen und die Strahlbildung werden mit Methoden der
Strömungsmechanik, der technischen Mechanik und der Thermodynamik be-
schrieben. Einspritzhydraulik ist damit die interdisziplinäre Anwendung dieser
Fachgebiete und der Hydraulik auf die Einspritztechnik mit dem Ziel, Schwie-
rigkeiten zu beherrschen, die durch Drücke von ca. 2000 bar und die Geschwin-
digkeit bedingt sind, mit der diese auf- und abgebaut werden müssen: Die Ein-
spritzung für schne111aufende Motoren erfordert Be- und Entlastung des Sy-
stems innerhalb von ca. einer Millisekunde!
Die Folge sind Stoßbelastungen, die komplexe Druckwellenvorgänge in den
Leitungen verursachen und Antriebswellen und Ventilfedern zu Schwingungen
anregen, die nur mit ausgereiften Simulationstechniken hinreichend beschrie-
ben werden können. Weitere Phänomene, die durch die rapiden Entlastungs-
geschwindigkeiten besonders hervortreten, sind Kavitationsvorgänge und die
starke Erwärmung des Kraftstoffes durch Drosselverluste und Leitungsreibung.
Kavitationsvorgänge sind ein Beispiel für Problemkreise, wo laufende For-
schungsarbeiten noch deutliche Fortschritte in Modellbildung und numerischer
Simulation erbringen sollen.
4.2 Einspritzsystem 201
0.95 3.01
g/cm3 kJ/(kg·K)
0.90 2,6
ci 2.4
., 0,85 .,"
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0,75 1,4
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0.70 1,0 I I I I
0 500 1000 bar 2000 0 500 1000 bar 2000
a Druck b Druck
4.2.2.2
Theoretische Grundlagen
Mit cp::::: 2,1 kJ/(kg · K) ändert sich die Temperatur bei 100 bar Druckänderung
umca.l,2 K.
a und p sind dabei über das Volumen V gemittelte Größen, 11 ist der Geschwin-
digkeitsvektor. Die entsprechende differentielle Bilanz mit der Geschwindigkeit
w längs einer Stromröhre mit der Koordinate x lautet
2 2 2
J[aw!at]dx + f(li(J)dp + (w~- w1)/2 + f rdx = 0. (4-8)
I I I
und Unstetigkeitsstellen (z. B. aus [4-7], [4-8]) einfließen. Die damit verbundene
Dissipation kinetischer Energie kann zu beträchtlicher Erwärmung des Kraft-
stoffes führen, die über die Temperaturabhängigkeit der Stoffwerte auf die Ein-
spritzhydraulik zurückwirkt.
Einspritzung und Absteuerung sind isenthalpe Drosselungen, bei denen sich
der Kraftstoff um ca. 4,5 K pro 100 bar Druckabbau erwärmt.
Durch geeignete Anwendung des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik kann
u.a. das Temperaturniveau in Einspritzleitungen berechnet werden, das bei
hochbelasteten Systemen weit über 100°C liegt.
Spaltströmungen. Die Leckage in Führungen von Kolben und Ventilen kann als
ebene Strömung aus der Reynoldsschen Schmiermittelgleichung [4-9] berech-
net werden, solange sie laminar bleibt.
4.2.2.3
Simulationsprogramme für die numerische Berechnung von Einspritzvorgängen
Für Einspritzsysteme kann - wie auch für andere hydraulische Anlagen - mit
den vorliegenden Grundlagen auf Basis der Stromfadentheorie ein Baukasten
aus mathematischen Modellelementen formuliert werden, wie beispielsweise in
[4-12] oder [4-13] angegeben. Bild 4-9 zeigt hierzu einige Grundelemente wie
Behälter, Leitungen oder Ventile und Bild 4-10 beispielhaft ein aus diesen Ele-
menten aufgebautes Einspritzsystem.
Behälter stehen z. B. für die kraftstoffgefüllten Teile von Pumpenzylindern
oder Ventilen; zugeordnet ist Gl. (4-4). Zu druckgesteuerten Ventilen gehört die
Bewegungsgleichung eines Feder-Masse-Dämpfer-Systems, wobei neben Feder-
kräften und Strömungskräften evtl. vorhandene Magnetkräfte berücksichtigt
werden können. Konstante Durchflussquerschnitte stehen z. B. für Drosseln,
zwangsgesteuerte Durchflussquerschnitte für Absteuer- oder Auslassquerschnitte.
Ihnen ist, wie auch den kurzen Rohren, Gl. (4-8) zugeordnet. In Leitungen muss
204 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
a b c
l I
J L
e f g h
Bild 4-9. Modellelemente für die Beschreibung hydraulischer Anlagen (Index i: Zählung der
Elemente im System). Behälter: a geschlossen, b zwangsgesteuert, c zur Umgebung offen;
druckgesteuerte Ventile: d normal, e als Düse; Verbindungselemente: f zwangsgesteuerter
Durchflussquerschnitt, g konstanter Durchflussquerschnitt (Ki) bzw. kurzes Rohr (Ri) oder
Leitung (LJ; h Spaltströmung
infoige der Trägheit und Kompressibilität des Kraftstoffes der Ausbreitung von
Druckwellen Rechnung getragen werden, was entweder durch Kombination der
Gin. {4-5) und {4-7) oder der Gin. (4-4) und {4-8) geschehen kann. Auf die
Lösung des resultierenden Gleichungssystems wird neben [4-12] und [4-13] z. B.
in [4-14] bis [4-22] eingegangen.
Mit der Simulation instationärer Vorgänge auf Basis der Stromfadentheorie
werden Einspritzausrüstungen effizient ausgelegt und optimiert. Bild 4-11 zeigt
typische Simulationsergebnisse für eine direkteinspritzende Ausrüstung mit
4.2 Einspritzsystem 205
0 -"' -"'
2,0
0
0 ~ 400 400 ~
u 0' c
c
.2 "
E
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1,5 300 300
C1000
100 100
0 00 0 0
5 10 15 20 25 30 35 40 5 10 15 20 25 30 35 40
Grad NW Grad NW
a b
0,3_ 500
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E X Rechnung .&>
X Rechnung
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0 Messung 0 Messung
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o,o.+--l!&fM30~-~>EIIloetl>af.**~
T"T I T I"T
-..,I
5 10 15 20 25 30 35 40 5 10 15 20 25 30 35 40
Grad-NW Grad-NW
c d
Bild 4-11. Simulationsergebnisse und Vergleich mit Messergehnissen für eine Ausrüstung mit
Zwei-Feder-Düsenhalter eines Pkw-Dieselmotors mit direkter Einspritzung. a Hub und Ge-
schwindigkeit c1000 (auf EinspritzpumpendrehzahllOOO min- 1 bezogen) des Pumpenkolbens:
X c1000 ; 0 Hub; b pumpenseitige Drücke: x Leitungsdruck; 0 Elementdruck; c Düsennadelhub:
x Rechnung; 0 Messung; d düsenseitiger Leitungsdruck: x Rechnung; 0 Messung
Stromfaden
Düsenloch verrundet
.".. ..-·-·-·
Stromfaden
.....
."
/
/
.,.
I
Düsenloch unverrundet
Bild 4-12. 3-D-Strömungssimulation für die Innenströmung einer Sitzlochdüse. Die Einzel-
heiten zeigen die Geschwindigkeitsverteilungen für verrundete und für unverrundete Düsen-
löcher
4.2.3
Einspritzpumpen
4.2.3.1
Reiheneinspritzpumpen
Autbau und Arbeitsweise
Die Bezeichnung Reiheneinspritzpumpe besagt, dass -vergleichbar dem Reihen-
motor - bei dieser Bauart für jeden Motorzylinder ein eigenes Pumpenelement
in einem gemeinsamen Gehäuse in Reihe angeordnet vorhanden ist. Sie ist nur
ein Teil des kompletten Einspritzaggregates, zu dem noch ein mechanischer
oder elektrischer Regler zur Zumessung der Einspritzmenge, eine Förderpumpe
zur Förderung des Kraftstoffes vom Kraftstoffbehälter zur Einspritzpumpe und
evtl. ein Spritzversteller zur drehzahlabhängigen Verstellung des Förderbeginns
gehören. Aufschaltgeräte am Regler oder an der Einspritzpumpe ermöglichen
eine Anpassung der Einspritzmenge, z. B. in Abhängigkeit von Ladedruck (LDA),
Temperatur (TLA) oder Höhe (ADA).
4.2 Einspritzsystem 207
~~~~_. .,-=-
4 ---1-.2'-<?~ ll~.H..
5 ----fi+Jolillfn'i~
6 -----tt~~~l~~~
7 -------.f-7'1~NPI.I
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11 ----~~~~~ ~~~~
12 --11~~~~r~
13 - -I:J'---t"'il':-"-:itl\
damit zwischen Nullförderung und maximaler Menge (i. Allg. Startmenge) re-
guliert werden. Die in Bild 4-14 prinzipiell dargestellte Schrägkanten-Steuerung
bewirkt den von der Drehwinkelposition des Pumpenkolbens abhängigen
Nutzhub.
3,0- 1,, 16
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110° 130° 150° 170° 110° 130° 150° 170°
Nockenwinkel Nockenwinkel
Bild 4-15. Nockenformen.links: Tangentennocken mit konstantem übergangsradius; rechts:
Nocken mit konstanter Kolbengeschwindigkeit im Förderbereich
7 --v:?AJW~~- 6
9
~~ST;Tt-- 5
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+bL-7"-+-- 3
6 7
3 ~~-+J,L..,.Lit--- 4
4
5
2
Start-frOh
Baureihen, Varianten
Den entsprechenden Motorleistungen angepasst, gibt es Einspritzpumpen in
verschiedenen Größen. Die Pumpentypen sind in Baureihen zusammengefasst
und überlappen sich in ihrer Leistung. Die Einspritzdrücke liegen bei heutigen
Reihenpumpen zwischen 400 und 1200 bar pumpenseitig, je nach Verwendung
für Kammer- oder Direkteinspritzmotoren.
Zwei typische Baureihen aus dem Angebot der Fa. Bosch sind die A- und die
P-Pumpe. Die A-Pumpe, die pumpenseitig Drücke bis ca. 600 bar erlaubt, wird in
kleine Nutzfahrzeugmotoren eingebaut. Das Pumpenelement wird bei dieser
Pumpe von oben direkt in das Aluminiumgehäuse eingesetzt und über den
Druckventilhalter gegen das Pumpengehäuse gepresst.
Bei der P-Pumpe (Bild 4-18) dagegen ist das Pumpenelement einteilig, das
heißt die Hochdruckverschraubung kann mit wesentlich größeren Drehmo-
menten angezogen werden und deshalb auch höhere Drücke aufnehmen. Die
hohen Drücke belasten bei dieser Bauart nicht mehr direkt das Pumpenge-
häuse.
Innerhalb der Baureihen P gibt es verschiedene Varianten, für die allgemein
gilt, dass der konstruktive Aufwand zunimmt, je höher die Drücke und je größer
die eingespritzten Mengen sind.
Hubschieber-Reihenpumpe
Insbesondere zur Verminderung der Schadstoffemissionen wurden für Nutz-
fahrzeuge Hubschieber-Reihenpumpen entwickelt. In der Regel werden diese
Einspritzaggregate mit elektrischen Mengen- und Einspritzbeginnstellwerken
betrieben. Deshalb können die Einspritzmengen und die Spritzbeginne optimal
den Bedingungen angepasst werden. Gegenüber den konventionellen Reihen-
pumpen haben die Hubschieber-Reihenpumpen sog. Hubschieber, die die
Förderbeginn- und damit Spritzbeginnsteuerung übernehmen. Diese Schieber
werden- je nach gewünschtem Spritzbeginn-im "Hub" verstellt, sodass ent-
sprechend den Anforderungen in unterschiedlichen Bereichen der Nockenerhe-
bung gefördert wird, Bild 4-19.
4o2 Einspritzsystem 213
I Druckventilhalter; 2 Füllstück;
3 Druckventilträger; 4 Flanschzylinder;
5 Elementkolben; 6 Kugel; 7 Regel-
stange; 8 Regelhülse; 9 Kolbenfahne;
10 Feder; 11 Federteller; 12 Rollen-
stößel; 13 Nockenwelle
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NockenwinkeL
4.2.3.2
Verteilereinspritzpumpen
Aufbau und Arbeitsweise
Die Verteilereinspritzpumpe ist eine kompakte, kostengünstige Bauart mit
hoher Flexibilität bezüglich Funktion und Applikation sowie mit geringem Bau-
raumbedarf.
Haupteinsatzbereich sind Pkw-Direkteinspritzmotoren (DE), aber auch in
Nfz-Motoren bis ca. 45 kW/Zyl. findet die Verteilerpumpe Anwendung. Die
Zylinderanzahl ist auf sechs begrenzt.
Üblicherweise besteht die Verteilerpumpe aus folgenden Baugruppen [4-24]:
• Hochdruckpumpe mit Verteiler,
• Drehzahl/Mengen-Regler,
• Spritzversteller,
• Niederdruck-Förderpumpe,
• elektrische Abstellvorrichtung (Pumpen mit Regelschieber),
• Funktionsaufschaltgruppen (mechanisch geregelte Pumpen).
Die Hochdruckpumpe kann als Axialkolben- oder Radialkalben-Pumpe ausge-
führt sein.
4.2 Einspritzsystem 215
7 8 9 10
6 11 4 5 3 2
Bild 4-20. Elektronisch geregelte Verteilereinspritzpumpe in Axialkolbenbauart (Typ VE,
Robert Bosch GmbH). 1 Verteilerkolben; 2 Magnetventil für Spritzverstellung; 3 Regelschie-
ber; 4 Spritzversteller; 5 Hubscheibe; 6 Förderpumpe; 7 elektrisches Mengenstellwerk
mit Rückmeldesensor; 8 Stellwelle; 9 elektrische Abstellvorrichtung; 10 Druckventilhalter;
11 Rollenring
2 3
4 6 7 8
Bild 4-21. Elektronisch geregelte Verteiler-Einspritzpumpe in Radialkolbenbauart (Typ VP44,
Robert Bosch GmbH). 1 Drehwinkelsensor; 2 Pumpensteuergerät; 3 Verteilerwelle; 4 Flügel-
zellen-Förderpumpe; 5 Nockenring; 6 Spritzversteller; 7 Magnetventil; 8 Pumpenauslass
Druckventil (s. auch Abschn. 4.2.3.1). Bei Kammermotoren, d.h. bei indirekter
Einspritzung, werden üblicherweise Gleichraumventile mit Rückströmdrossel
verwendet.
Bei schnelllaufenden Direkteinspritzmotoren reicht häufig die "Volumenent-
lastung" durch das Druckventil mit Entlastungskolben nicht aus, um im ge-
samten Betriebskennfeld Kavitation, Nachspritzer und Rückblasen der Verbren-
nungsgase in die Düse sicher zu vermeiden. Zur Dämpfung der Druckwellen
finden daher Rückströmdrosselventile ohne Kombination mit Gleichraurn-
ventilen Verwendung, Bild 4-22. Bei ihnen werden die rücklaufenden Druck-
218 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
4-23
2
-
10mm
wellen, die beim Schließen der Düse entstehen, über eine Drossel soweit abge-
baut, dass keine schädlichen Druckreflexionen mehr verbleiben. Grundsätzlich
ist auch der Einbau von Gleichdruckventilen möglich.
5 2
10mm
4 3 ~
Zur Erhöhung der Dynamik und einer verbesserten Linearität bei geringe-
rer Hysterese wird der sog. Nachlaufkolben-Spritzversteller (NLK) eingesetzt,
Bild 4-24. Der Innendruck wirkt dabei zunächst auf einen Steuerkolben. Dieser
ist im eigentlichen Verstellkolben geführt und steuert über Steuerkanten den
Mengenfluss zum Spritzverstellerkolben. Der Steuerkolben reagiert auf Druck-
änderungen schnell und unabhängig von Reibung am Rollenring und Spritz-
verstellerkolben.
Varianten
Mechanisch geregelte Verteilereinspritzpumpe. Die rein mechanisch geregelte
Verteilerpumpe ist gekennzeichnet durch verschiedene, individuell auslegbare
Funktionsaufschaltungen wie z. B.
LDA lade.druckj!bhängiger Volllastanschlag,
KSB .Kalt.s_tart-I!eschleuniger (Spritzverstellung in Richtung früh),
PLA v.neumatische I,eerlaufj!nhebung,
ADA j!tmosphären.druckj!bhängiger Volllastanschlag,
ALFB j!bschaltbare, lastabhängige .Eörderheginnverstellung und
FSS .Eörder.s_ignal.s_ensor.
Hinzu kommen weitere Funktionen, z. B. Volllastangleichungen (federgesteu-
ert), Potentiometer oder Schalter am Verstellhebel der Pumpe zur Laststeuerung
der Abgasrückführung (ARF), mechanische Feder-Dämpfer-Systeme zur Last-
schlagdämpfungund das getaktete Spritzversteller-Magnetventil für die Spritz-
oder Förderbeginnregelung.
Die Drehzahlregelung erfolgt über Fliehkraftregler, siehe [4-24] und Ab-
sehn. 5.1.
220 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
• weitere Einspritzdruckerhöhung,
• Verbesserung der Spritzversteller-Dynamik sowie Erweiterung des Spritzver-
steller-Kennfeldes durch den Einsatz von Proportionalventilen.
4.2.3.3
Einzelpumpen-Systeme
Vorbemerkung
Für emissionsoptimierte Pkw- und Nkw-Motoren stehen neben Reihenpumpen,
Verteilerpumpen und Speichereinspritzsystemen nocken-zeitgesteuerte, zylin-
dermodulare Einzelpumpensysteme zur Verfügung. Dabei sind grundsätzlich
die folgenden zwei Systeme zu unterscheiden, für die sich zunehmend die
englischen Bezeichnungen durchgesetzt haben:
• Unit-Injector-System für Pumpe-Düse-Einheit PDE,
• Unit-Pump-System für Steckpumpe SP oder Pumpe-Leitung-Düse PLD.
Unit-Injector- und Unit-Pump-Systeme sind heute die dominierenden Ein-
spritzsysteme im Bereich der schweren Nutzkraftwagen und haben die bis
vor wenigen Jahren vorherrschende Reiheneinspritzpumpe als Einspritzsystem
weitgehend abgelöst.
~------~------~---- 9
H;F=-n
iri.---~~~--~HC~d---- 8
~~~~-=~--~-------- 7
Bild 4-27. Unit Injector für Nfz, Einbau im Zylinderkopf. 1 Zylinderkopf; 2 Nockenwelle;
3 Kipphebel; 4 Pumpedüsekörper; 5 Magnetventil; 6 Einspritzdüse; 7 Kraftstoffzulauf;
8 Kraftstoffrücklauf; 9 Pratze; 10 Motorventile
punkt wird der Elektromagnet angesteuert und das Ventil geschlossen. Durch
Auswertung des Stromverlaufs im Magnetventil wird der genaue Schließ-
zeitpunkt ("elektrischer Spritzbeginn" oder Förderbeginn) ermittelt und zur
Spritzbeginnregelung und Korrektur der Ansteuerimpulsdauer (Reduzierung
der Mengentoleranzen) verwendet. Der Kraftstoff im Hochdruckraum wird
infolge der Bewegung des Pumpenkolbens komprimiert. Mit Erreichen des
Düsenöffnungsdrucks {"tatsächlicher Spritzbeginn") wird die Düsennadel an-
gehoben und der Kraftstoff in den Verbrennungsraum eingespritzt. Infolge der
hohen Förderrate des Pumpenkolbens steigt der Druck während des gesamten
Einspritzvorgangs weiter an. Der maximale Spitzendruck wird kurz nach Ab-
schalten des Elektromagneten erreicht, danach bricht der Druck sehr schnell zu-
sammen. Die Dauer der Ansteuerung des Magnetventils bestimmt die einge-
spritzte Kraftstoffmenge.
Da die Füllung des Elementraumes ausschließlich über das Magnetventil
erfolgt, kann - bei ständig geschlossenem Magnetventil - kein Kraftstoff in den
Hochdruckraum gelangen und es erfolgt keine Einspritzung. Das Gleiche gilt
bei ständig offenem MagnetventiL Das System ist dadurch eigensich er.
Im Unit Injector für Pkw [4-31], [4-32] ist eine mechanisch-hydraulisch ge-
steuerte Voreinspritzung zur Geräusch- und Schadstoffverringerung integriert,
Bild 4-28. Damit lassen sich sehr kleine Voreinspritzmengen realisieren. Nach
Schließen des Magnetventils und Erreichen des Düsenöffnungsdrucks erfolgt
die Voreinspritzung durch Öffnen der DüsennadeL Gleichzeitig wird der Spei-
224 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
10
~~~~~----- 13
~~~~~~Er--~-----7
25
26
27
4.2.3.4
Speicher-Einspritz-Systeme
10 9 8
2 3
T~
4 5 6
Lage rringe
Rail. Das Rail wird in Schmiedetechnik ausgeführt. Die Dimensionierung ist ein
Kompromiss zwischen ausreichendem Volumen, um Druckschwingungen aus
der Hochdruckförderung und der Einspritzung möglichst klein zu halten, und
möglichst kleinem Volumen, um hohe Dynamik beim Druckaufbau zu gewähr-
leisten. Außerdem ist der verfügbare Bauraum zu beachten.
9
a b
Bild 4-32. Injektoren für Common-Rail-Systeme. a mit Magnetventil (Robert Bosch GmbH);
b mit Piezo-Ventil (Siemens VDO Automotive). I Kraftstoffzulauf (Hochdruck); 2 Kraftstoff-
rücklauf; 3 elektrischer Anschluss; 4 elektrischer Aktor; 5 Steuerventil; 6 Steuerkolben; 7 Zu-
laufkanal zur Düse; 8 Düsennadel; 9 Spritzlöcher; 10 Hochdruckkammer Düse; 11 Hebel;
12 Ventilkolben
Die Grundfunktion ist in Bild 4-33 dargestellt. Der Systemdruck liegt sowohl
auf der Rückseite des Steuerkolbens als auch an der Druckschulter der Düse an.
Wegen der größeren Fläche am Steuerkolben bleibt die Düse geschlossen. Öffnet
das Steuerventil (Kugelventil), wird der Druck im Steuerraum abgebaut und die
Druckkraft an der Düse wird größer als die Gegenkraft aus Druck im Steuer-
raum und Düsenfeder, die Düse öffnet. Dies ist nur möglich, weil der Steuerraum
durch eine Zulaufdrossel vom Hochdruckraum Rail-Düse abgekoppelt ist und
im Rail genügend Volumen unter Systemdruck vorhanden ist, um die abfließen-
de Steuermenge zu kompensieren. Schließt das Steuerventil, baut sich im Steuer-
raum der Systemdruck wieder auf, und die Düsennadel schließt wieder. Über
eine dem Steuerventil vorgeschaltete Ablaufdrossel kann das dynamische Öff-
nungsverhalten der Düse und damit die Einspritzrate zu Beginn der Einspritzung
und die Steuermenge beeinflusst werden.
Im Gegensatz zu konventionellen Düsenhalterkombinationen ist beim Injek-
tor sowohl der Öffnungs- als auch der Schließvorgang hydraulisch gesteuert. Die
Düsenfeder hat lediglich die Aufgabe, die Düse geschlossen zu halten solange
sich kein Raildruck aufgebaut hat.
230 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
Leckmengenrilcklauf
4.2.3.5
Großpumpen
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der Großpumpen für Viertakt-Dieselmotoren er-
streckt sich
• auf Zylinderleistungen von 70 bis 2000 kW (bei langsamlaufenden Zweitakt-
Großdieselmotoren bis 4500 kW) ,
4.2 Einspritzsystem 231
3
~t-+---4
7711----s
4-34
Bild 4-34. Reihenpumpe (P9, Fa. Bosch).l Gleichdruckventil; 2 Prallschutz; 3 Zylinder; 4 Kol-
ben; 5 Regelstange; 6 Rollenstößel; 7 Nockenwelle; 8 Zwischenlager
Bild 4-35. Einzylinderpumpe mit integriertem Rollenstößel (PFRlCY, Fa. Bosch). 1 Gleich-
druckventil; 2 Zylinder; 3 Kolben; 4 Gehäuse; 5 Rollenstößel
6
4.2 Einspritzsystem 235
*I ff11111 Regelstangenweg
ginns bzw. Spritzbeginns wie auch der Fördermenge aufweisen und damit die
zukünftigen Anforderungen erfüllen können.
In Bild 4-36 ist ein Beispiel für eine Einzylinderpumpe dargestellt, die - ein-
gebaut im Motorgehäuse - von der Motornockenwelle angetrieben und von
einem Magnetventil gesteuert wird.
Als nächster Schritt in dieser Motorenkategorie zeichnet sich bereits heute
der Einsatz von Common-Rail-Einspritzsystemen ab, s. Abschn 4.2.3.4. Damit
wird neben Menge und Spritzbeginn auch der Einspritzdruck und die Form des
Einspritzverlaufes in weiten Grenzen frei steuerbar, eine Notwendigkeit, um
zukünftige Emissionsanforderungen in diesem Motorenbereich zu bewältigen.
4.2.4
Einspritzdüsen und Düsenhalter
4.2.4.1
Einspritzdüsen
a b c
Bild 4-38. Einspritzdüsen. a Drosselzapfendüse; b Sacklochdüse; c Sitzlochdüse. 1 Druckzap-
fen; 2 Düsenkörper; 3 Düsennadel; 4 Zulaufbohrung; 5 Druckkammer; 6 Spritzloch; 7 Spritz-
zapfen; 8 Sackloch
Dichtsitz, wenn die Kraft auf der Federseite der Düsennadel die Druckkraft auf
der Stirnfläche der Düsennadel übersteigt.
Für Motoren mit unterteiltem Brennraum (Vorkammer, Wirbelkammer) wer-
den meistens Drosselzapfendüsen verwendet und für Motoren mit direkter
Einspritzung Lochdüsen.
Drosselzapfendüsen
Bei Drosselzapfendüsen (Bild 4-38a) endet die Düsennadel stromab der Sitz-
kante in einem Spritzzapfen. Dieser taucht in das Spritzloch des Düsenkörpers
ein. Dadurch wird der Spritzquerschnitt bei kleinem Nadelhub, also am Beginn
des Einspritzvorganges verkleinert. Der so erzeugte Einspritzverlauf vermin-
dert den Verbrennungsdruckanstieg und reduziert das Verbrennungsgeräusch.
Nachdem die Entwicklung von Kammermotoren (IDE) zugunsten der DE-
Motoren praktisch eingestellt wurde, hat die Drosselzapfendüse an Bedeutung
verloren.
Lochdüsen
Die Spritzlöcher der Lochdüsen (Bild 4-38b und c) werden stromab der Sitz-
kante in den Düsenkörper gebohrt oder erodiert, ihre Anzahl ist auf den Luft-
drall abgestimmt. Bei kleinem Luftdrall wird eine große Spritzlochzahl, derzeit
bis 12, gewählt. Der kleinste mögliche Serien-Spritzlochdurchmesser liegt heute
bei ca. 0,12 mm. Damit die Kraftstoffstrahlen dem Brennraum genau zugeord-
net werden, ist die Lage der Düse relativ zum Brennraum über Stifte fixiert. Dies
ist besonders wichtig, wenn Düsenachse und Brennraumachse zueinander ge-
neigt sind. Für eine geringe Kohlenwasserstoffemission ist es wichtig, dass das
238 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
4.2.4.2
Düsenhalter
6 7
(
\
3 2
4.3
Anpassen des Einspritzsystems an den Motor
Die Anpassung oder Applikation des Einspritzsystems an den Motor ist ein
komplizierter Prozess. Während bei den mechanisch geregelten Einspritzsys-
temen die Anpassung vorwiegend über Geometrieänderungen der Bauteile des
Einspritzsystems erfolgt, geschieht dies bei den elektronisch geregelten Sys-
temen überwiegend durch Softwareanpassung. Allerdings ist dadurch die Zahl
der Einflussparameter gestiegen. Nachfolgend können nur einige Grundzusam-
menhänge dargestellt werden
4.3.1
Eingespritzte Kraftstoffmasse
Start
c
GI
E
:s
~
-~
Ul
c
jjj
Drehzahl
• Abgastemperatur,
• Drehzahl des Motors und
• Drehmoment- oder Drehzahlgrenzen.
Unter Berücksichtigung aller genannten Randbedingungen lässt sich für den
Betriebsbereich eines Motors ein Kennfeld festlegen, wie es idealisiert in Bild
4-44 dargestellt ist. Es zeigt das Kraftstoffvolumen als Funktion der Drehzahl n
bei verschiedenen Betriebszuständen sowie die abhängig von Temperatur und
Luftdruck erforderlichen Korrekturen.
Bei Annahme eines spezifischen Kraftstoffverbrauches b. für die geforderte
Leistung P. eines Viertaktmotors gilt mit der Kraftstoffdichte (JK für das mittlere
Einspritzvolumen V jedes einzelnen Zylinder:
in g/kWh
m b ·P in mg/Einspritzung
V= ____!S_ = 33,33 e e
inmg/mm3
(JK z. n. (JK
in mm 3/Einspritzung
inkW
in min- 1
Zylinderzahl
rungvon 0,3 kW/Zyl., bei Pkw-Direkteinspritzmotoren von 0,5 kW/Zyl. und bei
Nfz-Motoren von 0,25 kW/Zyl. Hieraus werden die hohen Genauigkeitsanfor-
derungen hinsichtlich des Gesamt-Einspritzvolumensund der gleichmäßigen
Verteilung auf die einzelnen Zylinder ersichtlich. (Zum Vergleich: Das Volumen
eines Regentropfens beträgt ca. 30 mm3.)
Das rechnerisch ermittelte Einspritzvolumen gilt als Richtwert für die Aus-
legung eines Einspritzsystems. Besonders im unteren Drehzahlbereich wird die
Volllastkennlinie durch die Rauchgrenze des Motors und im oberen Drehzahl-
bereich durch die zulässigen Abgas- bzw. Bauteiltemperaturen begrenzt. Die
tatsächlich benötigte Kraftstoffmasse wird empirisch am Motor ermittelt. Da die
Auslegung üblicherweise im Bereich Normal-Niveau (NN) erfolgt, werden die
Leistungswerte auf dieses Niveau korrigiert. Bei Höhenbetrieb muss die Kraft-
stoffmasse zur Vermeidung von Rauch entsprechend der barometrischen Hö-
henformel reduziert werden. Als Richtwert gilt: 7% Luftdichteverringerung pro
1000 m Höhenzunahme.
Um ein "Durchgehen" oder "Ausgehen" des Dieselmotors bei Kraftstoffzu-
fuhr ohne adäquate Motorbelastung zu verhindern, muss die eingespritzte
Kraftstoffmasse begrenzt werden, z. B. durch einen Leerlauf- bzw. Enddrehzahl-
regler, s. Abschn. 5.1.
4.3.2
Einspritzsystem und Motorprozess
4.3.2.1
Kraftstoffaufbereitung
Für die Anpassung des Einspritzsystems stellt sich die Frage, wie die in
Bild 4-45 aufgeführten Einflussgrößen zu verändern sind, um im Motor eine
optimale Energieumsetzung bei geringstmöglicher Schadstoffemission zu er-
zielen. Dazu ist die generelle Forderung "die richtige Kraftstoffmasse zur rich-
tigen Zeit mit dem richtigen Druck an die richtige Stelle" noch durch die For-
derung "möglichst toleranzlos und ohne Veränderung während der Laufzeit des
Motors" zu ergänzen.
Die konstruktiven Parameter des Einspritzsystems zur Anpassung der für die
Gemischbildung verantwortlichen Einflussgrößen sind in Bild 4-46 dargestellt.
4.3.2.2
Ausgewählte Parameter
Kraftstoff-
Luftaufbereitung aufbereitung
Gemischbildung
N
~
U1
246 4 Kraftstoff-Einspritzsystem
a) Nockengetriebene Einspritzsysteme
Nockengeschwindigkeit
Element-0
Druckventil I Entlastungsgrad
Einspritzverlauf Druckventilfeder
-länge
Tröpfchengröße
Druckstufe (Schließdruck)
Spritzlochanordnung
Sacklochgestaltung
Einspritzdruck
b) Common-Raii-System
Hochdruckpumpe
Railvolumen
Raildruck
Totvolumina (Gesamtausrüstung)
-anzahl
Druckleitungslänge und - 0
Spritzloch { -0
Ausflussquerschnitt
-länge
Querschnittsverlauf (hydr. Durchflus Nadelhub
Tröpfchengröße Düsendruckstufe
Sacklochgestaltung
Einspritzdruck
wird dagegen i. Allg. ein zunächst ansteigender Verlauf mit steilem Abfall am
Ende gefordert, sodass in der Zündverzugsphase wenig Kraftstoff eingespritzt
und die Verbrennung schnell und sauber beendet wird.
Einspritzbeginn SB. Der Beginn der Einspritzung in den Brennraum wird durch
das Anheben der Düsennadel markiert, dem der Förderbeginn FB vorausgeht.
Der Beginn des Nutzhubes des Kolbens in der Einspritzpumpe wird bei kanten-
gesteuerten (konventionellen) Einspritzsystemen durch den geometrischen Vor-
hub fest vorgegeben. Bei zeitgesteuerten (modernen) Einspritzsystemen wird
der Förderbeginn relativ zu einer festen Kurbelwinkelmarke durch z. B. ein
Magnetventil angesteuert. Die Differenz zwischen Förderbeginn und Spritz-
beginn nennt man Spritzverzug. Wegen der Bedeutung des Spritzbeginns für die
Energieumsetzung im Motor (vgl. Abschn. 3.1) und des kausalen Zusammen-
hangs mit dem Förderbeginn, ist der Förder- bzw. Spritzbeginn für das gesamte
Motor-Betriebskennfeld anzupassen und abhängig vom atmosphärischen und
motorischen Zustand zu korrigieren.
Besonders problematisch bei der Applikation des Einspritzsystems erweist
sich der gegenläufige Einfluss einzelner Parameter auf die wesentlichen Zielgrö-
ßen Kraftstoffverbrauch und Abgasemission, aber auch auf einzelne Schadstoff-
komponenten untereinander, z. B. das Verhalten von Stickoxiden und Partikeln.
Umso wichtiger ist daher auch die Forderung nach deutlicher Reduzierung der
Toleranzen bei der Einspritzung, sowohl was den Spritzbeginn als auch die
Kraftstoffmasse betrifft.
5.1
Mechanische Regelung der Dieseleinspritzung
5.1.1
Aufgaben des mechanischen Drehzahlreglers
Mechanische Regler finden auch heute noch aus Kostengründen sowie wegen
ihrer Robustheit und einfachen Handhabung im Service weltweiten Einsatz, ins-
besondere bei Off-Highway-Anwendungen und für Stationärmotoren. Wenn-
gleich für moderne Hochleistungsdieselmotoren im Pkw- und Nfz-Bereich
heute ausschließlich Einspritzsysteme mit elektronischer Regelung Anwendung
finden, gelten die nachfolgend beschriebenen allgemeinen Anforderungen an
die Dieselmotorenregelung für beide Prinzipien gleichermaßen. Die Grund-
funktionen der mechanischen Regelung werden im Folgenden überwiegend am
Beispiel der Reihenpumpe dargestellt.
Minimierung der Schadstoffemissionen, Senkung des Kraftstoffverbrauches,
Leistungssteigerung und Komfortoptimierung des Fahrzeug-Dieselmotors sind
nur möglich, wenn das Kraftstoff-Einspritzsystem hohe Anforderungen erfüllt
(s. auch Abschn. 4.1):
Kennzeichen einer Regelung ist ein geschlossener Wirkkreis, bei dem eine "Stell-
größe" [5-1], beispielsweise die über die Regelstangenstellung einer Reihenein-
spritzpumpe als "Stellglied" vorgegebene Einspritzmenge, die Ausgangsgröße
dieser Regeleinrichtung ist. Wird die eingespritzte Kraftstoffmasse bei gleich-
bleibendem Belastungsmoment erhöht, würde dies zum Anstieg der Drehzahl
als "Regelgröße" führen, die wiederum als Eingangsgröße der Regeleinrich-
tung, des eigentlichen Reglers, diese zum Eingreifen veranlasst. Somit ergibt
sich ein geschlossener Regelkreis, wobei oft noch eine Vielzahl zusätzlicher
Einflussgrößen (Führungsgrößen) zu berücksichtigen sind. Je nach Anforde-
rung werden daher mechanische oder elektronische Dieseleinspritzpumpen-
5.1 Mechanische Regelung der Dieseleinspritzung 249
5.1.1.1
Haupt- und Zusatzfunktionen
Leerlaufregelung. Nach dem Start des kalten Dieselmotors stellt sich nach
Zurücknahme des Fahrpedals die Leerlaufdrehzahl bei B ein, Bild 5-l. Während
des Warmlaufes verringert sich die Reibleistung, der Kraftstoffbedarf sinkt
und die Leerlaufdrehzahl steigt bis zum LeerlaufeinsteHpunkt L des warmen
Motors an.
Angleichung. Die Angleichung wird ausgelegt nach der vom Motor im Volllast-
betrieb maximal rauchfrei verbrennenden Kraftstoffmenge bzw. nach der ge-
250 5 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzung
Motordrehzahl
Motordrehzahl
E
Q)
"E
•O
u.
n2
Motordrehzahl
Bei Dieselmotoren mit Aufladung steigt häufig der Kraftstoffbedarf bei Voll-
last im unteren Drehzahlbereich so stark an, dass die natürliche Fördermengen-
charakteristik der Einspritzpumpe nicht mehr genügt.
Abhängig von der Drehzahl oder dem Ladedruck muss eine Fördermengen-
angleichung an den Motorbedarf erfolgen. Die Regelstange wird im Bereich n1
bis n2 in Richtung Mehrmenge verschoben (negative Angleichung oder Anglei-
chung entgegen dem Regelsinn).
5.1.1.2
Proportionalitätsgrad (P-Grad)
nLo- nu
6=100 vO ino/o.
nvo
Durch einen größeren P-Grad lässt sich in der Regel ein stabileres Verhalten des
Gesamtsystems erzielen. Gebräuchliche P-Grade sind:
ca. 0 bis 5% für Stromerzeugermotoren,
ca. 6 bis 15% für Fahrzeugmotoren.
Häufig wird auch die proportionale Verstärkung in mm 3/(Hub · min) zur Beur-
teilung der Regelgüte angegeben.
252 5 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzung
5.1.2
Aufbau und Wirkungsweise mechanischer Drehzahlregler
5.1.2.1
Bauarten mechanischer Fliehkraftregler
5
6
5.1 Mechanische Regelung der Dieseleinspritzung 253
Bei den Reglern RSV, RS, RSF und bei Verteilerpumpenreglern drücken die
beiden Fliehgewichte über einen Verstellbolzen auf einen Spannhebel, an dem
die Regelfeder als Gegenkraft wirkt.
Beim RSV-Regler (Alldrehzahlregler) wird die jeweils gewünschte Drehzahl
durch Vorspannen der Hauptregelfeder über das Fahrpedal und den Reglerver-
stellhebel eingestellt. Bei RS, RSF und dem Standard-Verteilerpumpen-Regler
(Leerlauf-Enddrehzahlregler) ist die Hauptregelfeder auf die Enddrehzahl fest
eingestellt. Eine Beeinflussung durch das Fahrpedal ist nicht möglich.
Die Auslegung der Regelfedern wird so vorgenommen, dass bei der ge-
wünschten Drehzahl Federkraft und Fliehkraft im Gleichgewicht stehen. Bei
Drehzahlerhöhung wird durch die zunehmende Fliehkraft der Fliehgewichte
über das entsprechende Hebelwerk das Mengenstellglied der Einspritzpumpe in
Richtung kleinerer Fördermenge verstellt.
5.1.2.2
Reglerausführungen
-- - - Beispiel
Leerlaufdrehzahl- Endab-
regelung regelung
.-.11-'1.,.._----Ungeregelter Bereich
A Startregelweg
Angleichbereich
Angleichweg
n, nvo
RQ ..
RS .. 500 1500 2200
Motordrehzahl
Bild 5-6. Reglerkennfeld Leerlauf-Enddrehzahlregler mit positiver Angleichung. A Startre-
gellage; B Leerlaufpunkt bei kaltem Motor; L Leerlaufpunkt bei warmem Motor; n1u untere
Leerlaufdrehzahl; n1u obere Leerlaufdrehzahl; n 1 Angleichbeginn; n2 Angleichende; n'm obere
Volllastdrehzahl; n1u obere Leerlaufdrehzahl
• Nach dem Start und zurückgenommenem Fahrpedal pendelt sich die Dreh-
zahl in der Leerlaufstellung (B) ein.
• Ist der Motor warmgelaufen, stellt sich die Leerlaufdrehzahl (L) entlang der
Leerlaufkurve ein.
• Bei erneutem Start des warmen Motors ist im Allgemeinen nicht mehr die
größte Startmenge erforderlich. Die meisten Motoren starten auch mit Fahr-
pedalstellung Leerlauf. Mit Zusatzeinrichtungen kann selbst bei durchge-
tretenem Fahrpedal eine temperaturabhängige Startmenge gewährleistet
werden. Dadurch wird ein unzulässiger Rauchstoß beim Start vermieden.
• Wird das Fahrpedal bei stehendem Fahrzeug, aber laufendem Motor durch-
getreten, erhöht sich die Fördermenge auf den Wert für Vo111ast und die Dreh-
zahl von nLu auf n1 • Dort setzt die Angleichung ein. Die Fördermenge wird
geringfügig verringert, die Drehzahl steigt auf n2 , den Auslauf der Anglei-
chung. Eine weitere Drehzahlsteigerung erfolgt, bis die obere Vomastdrehzahl
nvo erreicht ist. Dann beginnt die Endabregelung entsprechend dem ausge-
legten P-Grad. Die Fördermenge wird reduziert bis zum Erreichen des oberen
Leerlaufs nLo.
• Im Fahrbetrieb steuert der Fahrer mit dem Fahrpedal den aktuellen Fahrzu-
stand, indem er ein Gleichgewicht zwischen erforderlichem Motormoment
5.1 Mechanische Regelung der Dieseleinspritzung 255
A
- - - normaler RQV-Regler
automatischer
Startregelweg - - - - - RQV mit größerer
Hebelübersetzung
14---Angleichbereich ..,
Cl
~
c:
Cl)
Cl
i
äi
Cl
Cl)
a:
Bild 5-7. Reglerkennfeld Alldrehzahlregler. L Leerlaufpunkt bei warmem Motor; n1o obere
Leerlaufdrehzahl; nVo obere Volllastdrehzahl
und aktuellem Fahrwiderstand herstellt, s. Abschn. 1.2. Dabei wird über die
Fahrpedalstellung und das angekoppelte Verstellgestänge die jeweilig erfor-
derliche Kraftstoffmenge von der Einspritzpumpe gefördert.
Alldrehzahlregler. Fahrzeuge, die eine bestimmte Fahrgeschwindigkeit oder
konstante Motordrehzahl einhalten müssen (z. B. Kehrmaschinen, Tankfahr-
zeuge, Ackergeräte) sind meist mit Alldrehzahlreglern (Verstellregler) ausge-
rüstet. Diese Regler regeln neben Leerlauf- und Enddrehzahl auch dazwischen-
liegende Drehzahlen, im Rahmen der ausgelegten P-Grade, unabhängig von der
Motorbelastung.
Sofern bei Schiffsmotoren in Verbindung mit Festpropellern eine gleich-
mäßige Schiffsgeschwindigkeit eingehalten werden soll, werden ebenfalls All-
drehzahlregler vorgesehen.
Bild5-7 zeigt exemplarisch ein Alldrehzahlregler-Kennfeld. Folgende Funk-
tionen sind zu entnehmen:
• Start des kalten Motors bei durchgetretenem Fahrpedal mit Startmenge (A),
• Leerlaufregelung nach Zurücknahme des Fahrhebels,
• Hochlaufen der Drehzahl entlang der Volllastlinie bei durchgetretenem Fahr-
pedal mit Angleichbereich n 1 bis n2 und Abregelung entlang der Verbindung
nvo bis nLo.
256 5 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzung
Zusatzgruppen
Übersicht. Für eine optimale Anpassung an die Motorcharakteristik und Ver-
besserung der Aufbereitung sind eine Reihe von Zusatzgruppen als Aufschalt-
geräte für mechanische Fliehkraftregler entwickelt worden.
5.2
Elektronische Regelung der Dieseleinspritzung
5.2.1
Einleitung
Die in den Abschnitten 4.1 und 5.1 genannten Anforderungen lassen sich opti-
mal mit einem elektronischen Diesel-Regelsystem erfüllen (EDC: Electronic
Diesel Control) [5-2]. Die EDC ermöglicht elektrisches Messen, flexible elektro-
nische Informationsverarbeitung und Regelkreise mit elektrisch ansteuer-
baren Aktoren. Dadurch ergeben sich im Vergleich zu herkömmlichen me-
chanischen Reglern verbesserte und zusätzliche Regelfunktionen. Diejenigen
258 5 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzung
• Sensoren zum Erfassen der Betriebszustände (Istwerte) und Geber zur Ein-
gabe/Vorgabe von Sollwerten. Physikalische Größen werden dabei in elektri-
sche Signale umgewandelt.
• Steuergerät mit Mikroprozessor, das die Informationen nach bestimmten
Regelalgorithmen verarbeitet und elektrische Ausgangssignale abgibt.
• Aktoren, die die elektrischen Ausgangssignale des Steuergerätes in mechani-
sche Größen umsetzen.
5.2.2
Sensoren
I Temperaturen
(Wasser, Luft, Kraftstoff)
I
I
____.. redundantes
Abstellventil
Einspritz-
pumpe
I Ladedruck
I
I c
;~~
~~~ c c
.S!
(ij
.Q
____.. elektro-pneumat. Wandler
mit AlL-Stellglied
I
.S! (/) c :l
Drehzahl I
:l
"lii 8l .Q ii ~~
.::
N'äicu (/)
Anzeige-Instrumente
eE
(/)
I
Cl""O
(Referenzmarken) Cl ~ c ·-
l e- .S•::J
c ca..o -Drehzahl
ca .Q ~ Cl •
Fahrgeschwindigkeit I . Cl
c
iii
~
~I I
.,t-
:l .
<(~ ...
-Verbrauch
I
l
andere Steuergeräte
I
Atmosphärendruck
I I Glüh- Steuergerät
I
I weitere Größen
I
I ,... Getriebe -Steuergerät
I
Sollwertgeber
~
!1----0 o.,,_,~,,
~ Fahrpedalstellung
~ Speicher
- Kennfelder
I
I
I Geschwindigkeitsvorwahl
-Parameter
~-1 Diagnose • Gerät I
Bild S-8. Systemblöcke und Komponenten der elektronischen Dieselregelung (EDC) am Bei-
spiel eines Dieselmotors mit Axialkolben-Verteilerpumpe
Temperaturprofil
1 - - - ohne Luftstrom
- - - - mit Luftstrom
Strömungsrichtung
Sensorzelle Pumpzelle
mA r-----------,
Diffusionsbarriere
Abgas Sensorsignal 3,0
...e- 2,0
E
e
1i) 1,0
c.
E
::J
a.. 0
-1,0
-2,0 L.....,....L...--L.-L-...L---L---:-1
0,7 1,0 1,3 1,6 1,9 2,2 2,5
5.2.3
Elektronisches Steuergerät
• Fahrpedalstellung,
• Drehzahl,
• Kühlwassertemperatur,
• Luftmasse
5.2.4
Aktoren
5.2.5
Regelkreise
Kraftstoffdosierung
Im EDC-Steuergerät sind Kennfelder für Startmenge, Fahrpedalcharakteristik,
Rauchbegrenzung u. a. programmiert. Über die Stellung des Fahrpedals gibt der
Fahrer den gewünschten Wert von Einspritzmenge bzw. Drehmoment in Ab-
hängigkeit von der Drehzahl vor. Im Motor-Steuergerät wird daraus unter
Berücksichtigung der Istwerte verschiedener Zustandsgrößen des Motors und
der gespeicherten Kennfeldwerte ein Sollwert für die Einspritzmasse bestimmt.
Unter Berücksichtigung der Drehzahl und der Kraftstofftemperatur wird dann
daraus ein Sollwert für die Position des Magnetstellwerks berechnet. Bei Syste-
men mit Hochdruckmagnetventilen wird deren Ansteuerdauer vorgegeben
(Ansteuerung s. Bild 5-12).
Die Einspritzmenge kann bei modernen Einspritzsystemen aus Komfort-
und Abgasgründen auf Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung verteilt werden. Die
Einspritzsysteme Common Rail, Pumpe-Düse und Verteilerpumpe bieten hier-
bei unterschiedliche Freiheitsgrade.
264 5 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzung
rl'ioiOr:S";u·e;gi;..T- - - - - - - - - - . - j
I I
I I
~ Magnet-
ventil I ~anr-
I I
Ansteue-
rung
geschw.-
Regler
I
I p-anr-
geschwind.
.1
I
I
~~I
Einspr - I
massen-
Sollwert f-t ARF- ~~I
Regler I
Einspritz-
Drehzahl-
Regler I
l.ltlmuM
J
einhalt r;
Lade-
~~
lJ.r
Einspritz- Aktiver- [
beginn Rucket- druck-
I
dampfer Regler
·t t I
I
--------- ------
I
I ~- --J
~F-Venti l
Wasser- r~- r:
L...:....=..J
Getriebe 1
templ
Einspritzventil lihll Abg•s
•
Motor
Einspritzbeginn
Programmierte Kennfelder enthalten den jeweils betriebspunktoptimalen Soll-
Spritzbeginn. Ein Sensor erfasst z. B. über die Bewegung der Düsennadel den
tatsächlichen Einspritzbeginn. Eine Abweichung hat bei Verteilerpumpensys-
temen eine Änderung des Ansteuer-Tastverhältnisses für das Magnetventil am
Spritzversteller zur Folge. Das Tastverhältnis wird vom Einspritzbeginnregler so
lange verändert, bis die Regelabweichung den Wert Null hat.
Wenn während des Startens und im Schiebebetrieb des Motors, bei dem keine
Einspritzung stattfindet, nur ungenügende oder keine Spritzbeginnsignale zur
Verfügung stehen, wird der Regler abgeschaltet und ein gesteuerter Betrieb
aktiviert. Das Tastverhältnis zur Ansteuerung des Magnetventils wird dabei
einem programmierten Steuerkennfeld entnommen.
Fahrgeschwindigkeit
Die gemessene Fahrgeschwindigkeit wird mit dem vom Fahrer vorgewählten
Sollwert verglichen. Bei Abweichungen verändert der Fahrgeschwindigkeits-
regler den Einspritzmassensollwert so lange, bis die Fahrgeschwindigkeit ihren
Vorgabewert erreicht hat.
Abgasrückführung (ARF)
Zur Reduzierung der NOx-Emission wird dem Abgas des Motors ein definierter
Teilstrom entnommen und der Ansaugluft zugemischt, wodurch der Ansaug-
luftmassenstrom in entsprechender Weise vermindert wird. Die von einem
Sensor ermittelte Ansaugluftmasse wird vom Steuergerät erfasst und mit dem
programmierten Sollwert, der vom Betriebspunkt und weiteren Zustands-
größen des Motors abhängt, verglichen. Bei einer Abweichung verstellt der ARF-
Regler die Lage des ARF-Ventils so lange, bis der Sollwert der Ansaugluftmasse
bzw. die erforderliche Abgasrückführrate erreicht ist.
Ladedruck
Zur Optimierung und Toleranzeinengung der Drehmomentcharakteristik bei
Volllast und zur Verbrauchsverbesserung kann eine Ladedruckregelung in-
266 5 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzung
5.2.6
Überwachungskonzept und Diagnose
übersieht
Neben der eigentlichen Funktionalität zum Betrieb des Motors nimmt die Reali-
sierung der Überwachung und Diagnose einen wesentlichen Funktionsumfang
in Motorsteuergeräten ein. Im Rahmen des Überwachungskonzeptes werden
während des Fahrzeugbetriebes mit· Bordmitteln Komponenten und Systeme
überwacht, sowie Fehlerzustände erkannt und behandelt. Die wichtigsten An-
forderungen sind:
• Überwachung der Systeme und Komponenten,
• Bereitstellung von Fehlerentprellmechanismen (s. u.),
• Fehlerreaktion zur Sicherstellung eines beherrschbaren Systemzustandes und
zum Schutz gefährdeter Komponenten sowie die Bereitstellung von Ersatz-
funktionen bzw. Ersatzwerten für einen Notlaufbetrieb,
• Fehleranzeige und Fehlerspeicherung,
• Unterstützung einer effizienten Fehlersuche bei der Reparatur in der Werk-
statt.
Darüber hinaus gibt es gesetzlich fixierte Anforderungen an die Überwachung
emissionsrelevanter Systeme und Komponenten, z.B. in den USA die Vorschrif-
ten zur On-Board-Diagnose (OBD). Dort sind im Rahmen der OBD II u.a. die
Anzeige emissionsrelevanter Fehler durch die Malfunction Indicator Lamp
(MIL) und die Abspeicherung von Fehlern inklusive eines Satzes von Umwelt-
daten (Freeze Frame) gesetzlich vorgeschrieben. In Anlehnung an die OBD II ist
in der Europäischen Union für Dieselfahrzeuge ab 2003 (für neue Pkw) bzw. ab
2006 (für neue Nfz) eine Europäische On-Board-Diagnose (EOBD) vorgesehen.
Zum Überwachungskonzept gehören weiterhin die Fehlererkennung und die
Fehlerbehandlung. ·
Fehlererkennung
Im Rahmen der integrierten Diagnose sorgen Überwachungsfunktionen für die
Detektion von Fehlern an Sensoren, Aktoren, Reglern, Spannungsversorgungen
und an der Steuergeräte-Hardware, aber auch für die Erkennung gestörter
Programmabläufe und kritischer Betriebszustände (Motorschutz). Bei der Sen-
sorüberwachung geschieht dies durch die Überprüfung auf Einhaltung des
zulässigen Signalbereiches mittels Signal-Range-Check (SRC). Weiterhin lassen
sich Fehler durch eine Plausibilitätsprüfung von Signalen in definierten Motor-
Betriebsbereichen detektieren, wie z. B. der Vergleich der Messwerte von Atmos-
phärendrucksensor und Ladedrucksensor bei LeerlaufdrehzahL
5.2 Elektronische Regelung der Dieseleinspritzung 267
Der Rechnerkern wird in der EDC u. a. mit Hilfe eines vom Microcontroller
hardwaremäßig unabhängigen Bausteins - dem Überwachungsmodul - über-
wacht. Controller und Überwachungsmodul überprüfen sich dabei gegenseitig
mittels einer Frage-Antwort-Kommunikation.
Fehlerbehandlung
Nach der Erkennung von Fehlern wird die Fehlerbehandlung eingeleitet. Dies
geschieht nach folgendem Schema:
• Fehlerentprellung: Ein gemeldeter Fehler wird zu dessen Validierung weiter
beobachtet. Kann der Fehler bestätigt werden, erfolgen weitere Schritte.
• Vorgabe eines Ersatzwertes: Bei einem defekten Sensor verarbeitet die Soft-
ware einen Ersatzwert weiter.
• Aktivierung von Ersatzfunktionen: Je nach Fehlerschwere kann dies zur Auf-
rechterhaltung eines Notbetriebs (z. B. Mengenbegrenzung bei Defekt am
Ladedrucksensor) oder zum Motorabstellen (z.B. Fehler am Drehzahlgeber)
erforderlich sein.
• Fehleranzeige über eine Lampe im Instrumentenfeld: Dem Fahrer können
bestimmte Defekte sowie Fehler, die aufgrund der einsetzenden Ersatzfunk-
tion nicht ohne weiteres bemerkbar sind, signalisiert werden (z. B. die MIL
bei OBD li).
• Fehlerspeicherung: Zur späteren Auswertung des Fehlerbildes erfolgt die
Speicherung fehlerspezifischer Informationen, wie Fehlerzustand, -art und
-code, sowie wichtiger Motor-Umweltbedingungen. Diese werden während
eines Steuergeräte-Nachlaufs in einen nichtflüchtigen Speicher (EEPROM)
abgelegt.
6.1
Mechanische und thermische Bauteilbelastung
6.1.1
Mechanische Bauteilbelastung
Fragen der Beanspruchung und Festigkeit der Bauteile spielen bei Diesel-
motoren eine bedeutende Rolle, wobei sie aus vielen Quellen der Belastung,
seien sie mechanischer oder thermischer Art, resultieren können.
Hauptquelle einer zeitlich wechselnden (instationären) mechanischen Belas-
tung ist der veränderliche Gasdruck im Zylinder, mit dem die den Brennraum
bildenden Wandteile unmittelbar beaufschlagt werden. In diese Bauteile (Kolben,
Zylinderkopf, Zylinderlautbuchse) eingeleitete Gaskräfte werden über anschlie-
ßende Bauteile weitergeleitet, so dass vom Gasdruck erzeugte Belastungen letzt-
lich in allen Bauteilen eines Dieselmotors nachweisbar sind. Um die an einem dis-
kreten Teil angreifenden Belastungen bestimmen zu können, ist es notwendig,
Kraftfluss und Kräftegleichgewicht innerhalb des Motors zu betrachten.
Bild 6-1 zeigt einen für Viertaktmotoren typischen Zeitverlauf des Gasdruckes.
Die Spannweite der heute realisierten Maximaldrücke reicht von ca. 80 bar bei
kleinen Saugmotoren bis 210 bar bei hochaufgeladenen Mittelschnelläufern. Aus
dem maximalen Gasdruck (Zünddruck) folgt die maximale Gaskraft, die für
viele Bauteile eine wesentliche Dimensionierungsgröße darstellt. Eine derartige,
vereinfachende quasi-statische Betrachtung ist dann nicht mehr zulässig, wenn
die elastischen Bauteile zu Schwingungen angeregt werden. Dies ist immer dann
der Fall, wenn Bauteile Eigenfrequenzen aufweisen, die durch starke harmoni-
sche Anteile der Gaskräfte angeregt werden, d.h. wenn ein Resonanzfall vor-
liegt. In Bild 6-2 wurde für den Gasdruckverlauf von Bild 6-1 eine harmonische
Analyse durchgeführt. Typisch für den Viertaktmotor ist, dass die stärksten
Anregungsfrequenzen bei der halben Motordrehzahl (entspricht der 1. Harmo-
nischen) auftreten und zu höheren Frequenzen hin schnell abklingen. Das be-
deutet, dass Resonanzzustände hauptsächlich bei Bauteilen mit niedrigen Eigen-
frequenzen zu befürchten sind. Das ist relativ häufig bei Anbauteilen, die am
kompakten Motorgehäuse befestigt sind, möglich, abhängig von der jeweiligen
Eigendämpfung, die eine Größenordnung von 1 bis 10% annehmen kann.
272 6 Belastung von Motorbauteilen
UT OT UT
200 2000
160 1600
~
120 :.:: 1200
I
.I;;
800
400
0 0
180 240 300 360 420 480 540
Grad Kurbelwinket
Bild 6-1. Zeitlicher Verlauf des Gasdruckes (Kurve a) und der Gastemperatur (Kurve b) bei
einem mittelschnellaufenden Viertaktmotor
30
24
18
... 12
0
.0
6
•
0 11•···········-····-- --
0 5 10 15 20 25 30 35 40
Harmonische
Bild 6-2. Harmonische Analyse des Gasdruckverlaufes von Bild 6-1
6.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 273
6.1.2
Thermische Bauteilbelastung
Die thermische Belastung ist relevant für Bauteile, die an den Brennraum an-
grenzen. Die Aufheizung dieser Bauteile erfolgt durch die während eines Ar-
beitsspieles stark schwankende Gastemperatur. Aus Bild 6-1 geht hervor, dass
bei Dieselmotoren kurzzeitig hohe Spitzentemperaturen erreicht werden. Diese
Temperaturschwankung wird allerdings infolge der Trägheit des Wärmeüber-
ganges an der Bauteiloberfläche praktisch nicht wirksam, wobei hier auch die
isolierende Wirkung von Rußschichten eine große Rolle spielt. Die in Bauteilen
auftretenden Temperaturfelder können demnach als quasistationär betrachtet
werden, d. h. bei unveränderter Motorbelastung ändern sich auch die Tempera-
turfelder nicht. Unterschiedliche Temperaturen in einem Bauteil (Temperatur-
gradienten) erzeugen unterschiedliche Wärmedehnungen und damit auch Wär-
mespannungen. Die absolute Höhe der Temperatur ist normalerweise nur für
die ertragbaren Spannungen (Werkstofffestigkeiten) wichtig, aber nicht für die
Höhe der auftretenden Spannungen. Dies gilt strenggenommen nicht, wenn in
Bauteilen Spannungen auftreten, die, infolge behinderter Ausdehnung, zu einer
bleibenden Verformung (örtliche Plastifizierung) führen.
In allen Brennraumbauteilen stellen sich wegen der Wärmeleitung Tempera-
turfelder ein, die von der beheizten Oberfläche in Richtung der gekühlten Ober-
fläche die größten Temperaturgradienten aufweisen. Dies ist auch an dem im
Bild 6-3 gezeigten Temperaturfeld des Auslassventils eines großen Zweitakt-
6.1.3
Bauteilbeanspruchung (Spannungsverteilung)
6.1.3.1
Allgemeine Zusammenhänge
6.1.3.2
Beanspruchung ausgewählter Motorbauteile
ar ....
bf l A A 1\ ./\.
h~k!,Jtvoß.vA.
cf '
fL <='
A._
- A
i r~qtvVU"4{""
f /\ t 1\
dV V V k~.Y\
F/\ - C\
f ZüncHlT
Ze".
Druckspam.mg
Bild 6-5. Zeitliche Spannungsverläufe am Pleuel eines Viertaktmotors aus Messungen mit
Dehnungsmessstreifen
6.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 277
0,28
·0,20
·0,43
Werte = <J/RP0,2
I
a vorgegebener, theoretischer Verlauf der
.I
Nockenerhebung; b berechneter Verlauf
der Ventilgeschwindigkeit; c berechneter
Verlauf der Ventilbeschleunigung;
d gemessene Spannung an der Oberfläche
des Ventilschaftes am übergangzum Kegel
b
lß_.v
erster Sitzkontakt
0 L---------:N:-ock....-en-w""'"ink
7 e-:-l----
6.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 281
zweifacher Hinsicht auf die Höhe der Massenkräfte auswirkt. Die Kurven b und
c in Bild 6-9 zeigen die Ergebnisse von Simulationsrechnungen. Deutlich ist zu
erkennen, dass bereits beim Öffnen des Ventils eine Eigenfrequenz des Ventil-
antriebes angeregt wird, die den gewünschten Geschwindigkeits- und Beschleu-
nigungsverlauf des Ventils verändert. Entscheidend ist, dass durch die überla-
gerte Schwingung die durch den Nocken vorgegebene Aufsetzgeschwindigkeit
stark beeinflusst wird. Je nach Geschwindigkeit bei Kontakt mit dem Ventilsitz
tritt eine mehr oder weniger große Verzögerung und eine entsprechend große
Massenkraft auf.
Bei dem in Bild 6-9d gezeigten Ergebnis der Spannungsmessung am Über-
gang vom Ventilkegel zum Ventilschaft wurden die Spannungsverläufe von
ca. 300 aufeinanderfolgenden Arbeitsspielen übereinander geschrieben. Es ist
zu erkennen, dass die Beanspruchung anscheinend von Arbeitsspiel zu Arbeits-
spiel stark variiert, so dass die Messung ein bereites Streuband für den Span-
nungsverlauf ergibt. Die Ursache dafür ist, dass sich der Ventilschaft innerhalb
seines Führungsspiels frei bewegen kann und dadurch das Ventil an unterschied-
lichen Punkten am Ventilsitz aufsetzt. Der dadurch ausgelöste exzentrische Stoß
bewirkt Biegeschwingungen im Ventilschaft, die sich an der Messstelle unter-
schiedlich auswirken.
6.1.4
Festigkeitsnachweis der Bauteile
Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bauteilen genügt nicht allein die Be-
stimmung der im Motorbetrieb auftretenden Spannungen (Wirkspannungen,
Ist-Spannungen). Ebenso wichtig ist die Ermittlung der ertragbaren Spannun-
gen, d. h. der Bauteilfestigkeit. Entscheidend ist das Verhältnis der ertragbaren
zur maximal auftretenden Spannung. Dieses Verhältnis ist gleichbedeutend mit
dem Sicherheitsbeiwert des Bauteiles.
Bei sehr vielen Dieselmotorenbauteilen sind die maximalen Wirkspannun-
gen durch die Gas- bzw. Massenkräfte gegeben. Die Anzahl der Belastungs-
zyklen eines Bauteiles erreicht dabei nach relativ kurzen Betriebszeiten Werte
in der Größenordnung von über 10 6 Lastwechsel, sodass eine Bemessung auf
Dauerfestigkeit notwendig ist. Geht man z.B. bei einem Lkw-Motor von einer
Lebensdauer von 20000 Stunden aus, so muss das Motorgehäuse in dieser Zeit
ca. 109 Belastungszyklen durch die maximale Gaskraft ohne Dauerbruch er-
tragen. Den hochfrequenten dynamischen Spannungen sind im Bauteil statische
Spannungen (z.B. durch Schraubenkräfte) und bei Brennraumbauteilen auch
Wärmespannungen überlagert. Wärmespannungen verändern sich mit der
Motorleistung, sodass sie strenggenommen auch als "Schwingbeanspruchung"
zu interpretieren wären. Da die "Spannungsamplituden" aus Wärmespannun-
gen jedoch extrem niederfrequent sind, werden Wärmespannungen im Moto-
renbau normalerweise als quasi-statisch angenommen. Nur in relativ seltenen
Fällen, wenn sie so hoch sind, dass bereits lokal eine plastische Verformung
auftritt, ist das zyklische Verhalten zu berücksichtigen; bekannt auch unter dem
Begriff "Low Cycle Fatigue" (LCF).
282 6 Belastung von Motorbauteilen
300
] 200
~
~ 100
j /
/
/
/
04-----~----~~----._----~----~----~
-400 -200 0 200 600 Nfrnm2 800
Mittelspannung CJm
6.1.5
Typische Bauteilschäden bei Dieselmotoren
6.2
Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor
6.2.1
Einleitung
Durch die ständige Leistungssteigerung der letzten Jahre, besonders durch die
Aufladung und Hochaufladung der Dieselmotoren, tritt die Beherrschung der
thermischen Belastung der Bauteile mehr und mehr in den Vordergrund. In
Berichterstattungen über neue Motoren nimmt die Beschreibung der Lösung
der thermischen Probleme einen immer breiteren Raum ein, da die thermi-
schen Belastungen heute neben den mechanischen Belastungen (Zünddrücke)
praktisch den leistungsbegrenzenden Faktor darstellen. 1977 ist ein Standard-
werk "Der Wärmeübergang in der Verbrennungskraftmaschine" von PFLAUM/
MOLLENHAUER erschienen [6-3],in dem die Probleme des Wärmeübergangs im
Verbrennungsmotor und die thermischen Belastungen der Bauteile umfassend
behandelt sind. Der hier vorliegende Beitrag gibt nur einen kurzen überblick
über die Probleme, einschließlich der seit 1977 gewonnen neuen Erkenntnisse.
Zum genaueren Studium des Wärmeübergangs und der thermischen Belastung
sei auf dieses Standardwerk verwiesen.
6.2.2
Wärmeübergang im Verbrennungsmotor
Seit den Anfängen des Motorenbaus interessiert die Frage nach dem Wärme-
fluss vom Arbeitsgas an die Brennraumwände, einmal zur Beurteilung des
durch den Wärmefluss bedingten Arbeitsverlustes und zum anderen um die
thermischen Belastungen der Motorbauteile bestimmen zu können. Da beim
Verbrennungsmotor infolge seiner instationären Arbeitsweise die Gastempe-
6.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 287
-
....
::J
0
....
t =t2
(II
0.
E
Tz (II
I-
t =t,
Bild 6-12. Instationäres Temperaturfeld im Zylinder und Auswirkung auf den Wärmeüber-
gangskoeffizienten
ratur über einem Arbeitsspiel periodisch zwischen 2000 bis 3000 K während
der Verbrennungsphase und ca. 300 K während des Ladungswechsels schwankt,
ergeben sich hochgradig instationäre Wärmetransportvorgänge, wobei der
Transport vom Arbeitsgas zur Wand während der Verbrennungs- und Ex-
pansionsphase den Transport von der Wand zum Gas während der Ladungs-
wechselphase bei weitem übersteigt und eine starke Kühlung der Motoren
erfordert.
Grundsätzlich zeigt Bild 6-12 die Auswirkung des instationären Einflusses
auf den Wärmeübergang. Links erkennt man den Verlauf der Gastemperatur
bis zur Brennraumwand während der Ladungswechselphase, wenn die Wand-
temperatur höher als die mittlere Gastemperatur ist, und den geänderten Ver-
lauf während der Verdichtungsphase, wenn gleichmäßig Energie durch die
Verdichtung in das Gas, und zwar bis in die Grenzschicht hinein, transpor-
tiert wurde. Die Temperatur bis in die Grenzschicht nimmt zu, sodass, ob-
wohl die mittlere treibende Temperaturdifferenz noch positiv ist, der Tempe-
raturgradient an der Oberfläche bereits sein Vorzeichen wechselt. Das führt,
wie rechts im Bild ersichtlich, zu einer Phasenverschiebung zwischen treiben-
der Temperaturdifferenz und Wärmestromdichte und damit zu einer Unste-
tigkeitsstelle im Wärmeübergangskoeffizienten und dazu, dass der Wärme-
übergangskoeffizient in der Verdichtungsphase höher und in der Expansions-
phase niedriger ist als im stationären Fall. Darüber ist in den zwanziger und
dreißiger Jahren viel diskutiert worden: MADER [6-17], HERZFELD [6-18],
PFRIEM [6-19]. NussELT [6-20] hielt den Einfluss wegen der geringen Aus-
dehnung der Grenzschicht für irrelevant, und es ist in der Tat bis heute nicht
gelungen, den Effekt experimentell nachzuweisen. In den sechziger Jahren hat
ÜVERBYE [6-21] diesen Effekt wieder in die Diskussion gebracht, was dazu
führte, dass in den USA praktisch bis heute keine Wärmeübergangskoef-
fizienten, sondern nur Wärmestromdichten angegeben werden.
Heute wird, mit einer Ausnahme [6-22], dieser Effekt nicht mehr als relevant
betrachtet, es ist viel mehr allgemein üblich, den Wärmefluss als quasi-stationär
288 6 Belastung von Motorbauteilen
Q= J; ·
AS
A ·(Tz- Tw) · dcp. {6-1}
(TzJ (TwJ
a= 0,99 · (1 + 1,24 · Cm) ·~Pi· Tz+ 0,362 · 100 100 . (6-3}
Tz- Tw
1939 gab EICHELBERG [6-25] eine neue Gleichung für den Wärmeübergangs-
koeffizienten im Verbrennungsmotor an, die er aufgrund von zeitlich ver-
änderlichen Oberflächentemperaturmessungen seiner Mitarbeiter an einem
langsamlaufenden Dieselmotor ermittelt hat [6-26] bis [6-29]:
Er hat dabei den von NussELT vorgeschlagenen Term~Pi · Tz modifiziert in ~Pz · Tz,
um so der Temperatur gegenüber dem Druck ein etwas größeres Gewicht zu
geben und damit den getrennten Strahlungsterm entfallen lassen zu kön-
nen. Aufbauend auf diesen beiden Beziehungen entstanden bis in die sech-
ziger Jahre hinein eine Anzahl verschiedener Gleichungen für den Wärme-
6.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 289
übergang im Motor, die sich nur um die Konstanten unterscheiden [6-30] bis
[6-33].
Erst Anfang der sechziger Jahre, als die schrittweise reale Arbeitsprozess-
rechnung entwickelt wurde, konnte man den Verlauf der Massenmitteltempe-
ratur gemäß dem tatsächlichen Brennverlauf genauer berechnen, und es stellte
sich heraus, dass die verschiedenen Gleichungen für den Wärmeübergang so-
wohl untereinander als auch gegenüber Messergehnissen starke Abweichungen
lieferten. Es wurden deshalb an verschiedenen Stellen, unabhängig voneinander,
neue Überlegungen zum Wärmeübergang im Motor angestellt. So wurde in
[6-34], ausgehend vom Wärmeübergang bei stationärer turbulenter Strömung,
folgende Beziehung für den Wärmeübergang im Motor abgeleitet:
Nu= C·Rem.
Löst man diese Beziehung, die der Ähnlichkeitsbeziehung für den Wärmeüber-
gang bei stationärer turbulenter Strömung entspricht, nach dem Wärmeüber-
gangskoeffizienten auf, so ergibt sich
a=C·:·(w~dr'
mit ..\ als Wärmeleitfähigkeit des Fluids, d einer charakteristischen Längen-
einheit, zweckmäßigerweise dem Zylinderdurchmesser, w der Geschwindigkeit
und v der kinematischen Zähigkeit des Fluids.
Schreibt man nun weiter für das Arbeitsgas
A"'c 1 T~· 75 und v=ql()
mit 11 = c2 T~·62 und () = Pzi(R · Tz),
so findet man schließlich
a= c. dm-1, PP. T~·7s-1,62·mwm.
Verwendet man für m den für das turbulent durchströmte Rohr gültigen Expo-
nenten m = 0,8, erhält man schließlich
a = c . d-o,z . p~,s . r;zo,s3 wo,s. (6-5)
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen, unabhängig voneinander, etwa gleichzeitig
ANNAND [6-35], SITKEI [6-36] und CHIRKOW [6-37].
Vergleicht man diesen Ansatz mit den Beziehungen von NussELT und EICHEL-
BERG, so stellt man fest, dass bei NussELT der Exponent für die Temperatur 0,3, bei
EICHELBERG 0,5 und bei Gl. (6-5} - 0,53 beträgt. Der Unterschied zwischen den
Temperaturexponenten in der NussELT- und Eichelberg-Beziehung war bereits
erläutert. Die Ursache für die Diskrepanz zur Nußeltschen Beziehung liegt darin
[6-38], dass NussELT nicht den Wärmeübergang bei turbulenter Strömung, son-
dern bei freier Konvektion weit nach Abschluss der Verbrennung in einem kugel-
förmigen Gefäß untersucht hat. Das hat aber mit den Vorgängen im Verbren-
nungsmotor nichts gemeinsam, so dass alle Gleichungen, die den Nußeltschen
oder Eichelbergsehen Term enthalten, für den Verbrennungsmotor rein empiri-
schen Charakter haben, mit engen, nicht angegebenen Gültigkeitsbereichen.
290 6 Belastung von Motorbauteilen
Der Wärmeübergang im Einlass- bzw. Auslasskanal NuEK bzw. NuAK ist also
abhängig von der mit dem Kanaldurchmesser und der augenblicklichen
Strömungsgeschwindigkeit gebildeten Reynolds-Zahl und dem Verhältnis von
der Ventilerhebung hv zum inneren Ventilsitzdurchmesser di.
Um den Wärmeübergang im Zylinder während des Ladungswechsels zu un-
tersuchen, verwendete ZAPF eine spezielle Nockenwelle, so dass sich lediglich
der Ladungswechsel periodisch wiederholte, jedoch Kompression und Expan-
sion unterblieben. Durch Variation der äußeren Parameter Drehzahl, Lade-
luftdruck und-temperaturkonnten damit die Exponenten in Gl. (6-5) exakt be-
stimmt werden, Bild 6-13. Wie es die Ähnlichkeitstheorie erfordert, fand ZAPF
für den Einfluss von Druck und Temperatur die Exponenten 0,8 bzw. 0,53, für
den der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm den Wert 0,8. Dieses Ergebnis war
deshalb zu erwarten, da der Gaszustand sich über dem Kurbelwinkel während
des Ladungswechsels praktisch nicht änderte. Damit wurde der Exponent
m =0,8 das erste Mal im Verbrennungsmotor experimentell ermittelt.
6.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 291
&. 100 V
,..; ~-cm0,8
~ 75 L
."A' I
0u
.X 3 4 5 6 7 8
c Cm in m/s
·- 250
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~ 150
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