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Methodenkompetenzen der Kindheitspädagogik

Lektion 1: Elternarbeit als Bildungs- und Erziehungspartnerschaft


1.1 Grundlagen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft
Von der Elternarbeit zur Bildungs- und Erziehungspartnerschaft
Arbeit mit Eltern = eins der 3 zentralen Elemente der modernen kindheitspädagogischen Praxis (anderen zwei: Arbeit mit
Kindern und Netzwerkarbeit)
Bildungs- und Erziehungspartnerschaft = besondere Ausprägung der Elternarbeit
 Kern: besonders enge und spezifisch konfigurierte Kooperation abbilden zw. Fachkräften, Eltern, anderen Akteuren
 in Vgl. zu Elternarbeit: formuliert explizit eine idealisierte Zielsetzung (Elternarbeit = beinhaltet auch problematische
Aspekte der Kooperation)
Ob bzw. wie weit in Theorie umgesetzt bis lang empirisch nicht bzw. wenig erforscht
Leicht überspitzt formiert: Elternarbeit im 20 Jh.
= lediges Anhängsel der kinderbezogenen Arbeit  theoretisch u praktisch wenig elaboriert
 Rückmeldung an Eltern: ehr zufällig und nicht systematisch  heute schon
 Bild von Eltern + Bild von Beziehung zw. Fachkräften und Eltern = grundsätzlich anders
Heute: Ideal = gleichwertiger, fairer und dialogischer Austausch  bindet Eltern mit ihren Kompetenzen verantwortlich und
strukturell ein
Früher: Eltern = Objekt einer Tätigkeit  waren zu informieren, zu beruhigen oder brauchen selbst Erziehung oder Hilfe
Bildungs- und Erziehungspartnerschaft etabliert erst mit Aufkommen/Anerkennung des eigenes Bildungsauftrags der
Kindheitspädagogik bzw. seit Beginn des 21. Jh.
Gründe für Neuorientierung
 5 zentrale Gründe
1. Eltern-Fachkraft-Kooperation = große Bedeutung für Erleben und Entwicklung der Kinder
Roth: Kinder können umso freier ihrer Welt zu eigen machen + erforschen, desto spürbarer Erwachsene an einem
Strang ziehen oder sich respektieren + Kooperation anstreben
Elternarbeit, wirkt unmittelbar auf Bildungstätigkeit des Kindes  Kinder können desto ehr ein positives Bild von
sich + sich in der Welt entwickeln, desto stärker sie das Gefühl haben, dass sie/ihre Familie respektiert wird
Grundlegende Erkenntnis: Erziehung/Bildung eines Kindes = Co-Poduktion von Eltern, Fachkräften und sich
2. Eltern + Fachkräfte = gemeinsame Verantwortung für Wohl des Kindes
nur auf Basis kooperativen Zusammenarbeit können Entwicklung und Bildung des Kindes optimal begleitet werden
gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaft = Kinder, Eltern und Fachkräfte ergänzen und unterstützen sich
gegenseitig , anstatt zu konkurrieren
3. Eltern = wichtigste Bezugspersonen und Erziehungsstil wirkt sich wesentlich auf die Entwicklung der Kinder aus
Bindungsforschung: frühe Eltern-Kind Interkationen und die daraus resultierende Bindung zu Eltern = zentral für
Fähigkeit der Kinder, ihre Welt zu erforschen und zukünftige Bindungen einzugehen
= moderne Kindheitspädagogik, die Entwicklung unterstützen möchte, MUSS Eltern maßgeblich mit einbinden.
4. Eltern aufgrund gesellschaftlicher Herausforderungen zunehmend belastet + hinsichtlich der Erziehung verunsichert
 daher vielfach auf Unterstützung durch Fachkräfte angewiesen
Studien: Fachkräfte werden zunehmend bewusst als Unterstützung wahrgenommen + gezielt aufgesucht Bildungs-
und Erziehungspartnerschaften = wichtige gesellschaftliche Unterstützungsleistung für Eltern
5. Auch für Unterstützungsleistungen sonst schwer erreichbare Eltern können aufgrund der Niedrigschwelligkeit von
kindheitspädagogischen Institutionen mittels Elternarbeit gut für Themen der Elternbildung sensibilisiert werden

Voraussetzung für ein Gelingen von Bildungs- und Erziehungspartnerschaften


- entstehen nicht von alleine, müssen gezielt entwickelt und gepflegt werden
 professionelle Aufgabe von Kindheitspädagogen – tragen die Verantwortung AUCH WENN Eltern sonst
gleichberechtigt eingebunden werden
- wichtige Voraussetzung liegt in Fachkraft selber: Haltung gegenüber Arbeit mit Eltern
wenig hilfreich z.B. Eltern als Konkurrenten oder inkompetente Laien zu verstehen
hilfreiche Elemente auf Handlungsebene:
1. Eltern + ihre Sichtweisen wertschätzen und Interesse zeigen

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Eltern zuhören, Sichtweisen gezielt erfragen und als gültig anerkennen, auch wenn sie sich von den Sichtweisen der
Fachkraft unterscheiden
Grundlage = dialogische Haltung
2. Ressourcenorientierung = ermöglicht, primär die Stärken des Gegenübers, nicht die Defizite, wahrzunehmen
die Bereitschaft von Eltern, zuzuhören, sich einzubringen, Freundlichkeit
3. Expertenstatus der Eltern anerkennen
u. a. Experten für ihre Familie, Biografie des Kindes, Bedürfnisse des Kindes, familiären Lebensbedingungen
4. Eigenen Vorurteile bewusst sein + versuchen, Eltern nicht zu be- oder verurteilen.
 eigene Biografie vergegenwärtigen + eigene Ideale reflektieren (um sie nicht höher zu bewerten als die der
Eltern)  Grundlage: Bereitschaft zur Selbstreflexion
5. Sensibilität für ethnische und soziale Kulturen
 Bewusstsein der Vielfalt an Erziehungskulturen, sich achtsam und anerkennend gegenüber unterschiedlichen
Familienkulturen verhalten
Hilfreich: gegenseitiger Verstehensprozess  erleichtert es Eigenarten nachzuvollziehen
Um Haltung umsetzen zu können, müssen Fachkräfte sich ihrer erworbenen Haltung (durch ihre Geschichte) bewusst
werden
 Reflexion der eigenen Biografie und erworbenen Werte = wichtige Grundlage
Themen zu reflektieren sind u.a.:
 Elternideale, also wie Eltern sein sollen und wie nicht, z. B. jung oder alt, ruhig oder aufgedreht
 Erziehungsideale, also wie Eltern ihre Kinder erziehen sollen, z. B. mit Geduld oder mit klaren Grenzen
 Geschlechtsrollenbilder
 das Verhältnis der Geschlechter
 Einstellungen zur Fremdbetreuung von Kindern
Ziel: eigene Haltung + Entstehungsgeschichte bewusst wahrnehmen, um Eltern als Gegenüber bewusst wahrnehmen zu
können + eigene Erfahrungen nicht zum Maßstab zu machen
 wird möglich eigene Meinung zu aüßern, ohne das Gegenüber verurteilen zu müssen

Gesetzliche Grundlage der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft


Bildungspolitisch: enge Zusammenarbeit mit Eltern, in Schule und im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe = Standard
Pflege und Erziehung der Kinder (gemäß Art. 6 Abs. 2 GG ) = natürliches Recht der Eltern (Elternrecht)
Aufgabe der Gesellschaft + Institutionen = Eltern zum Wohle der Kinder zu unterstützen (
Neben Elternrecht gibt es ein eigenständiges Recht der Kinder
 Orientierung am Wohl des Kindes, somit Unterstützung der Eltern notwendig werden lässt
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen
und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" (SGB VIII § 1 Abs. 1)
 Kinder = Anspruch auf Förderung und somit die Eltern auf Unterstützung
Arbeit in Kindertageseinrichtungen:
- Auftrag zur Unterstützung der Eltern konkretisiert in § 22 Abs. 2 SGB VIII: „Tageseinrichtungen für Kinder […]
sollen […] 2. die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen, 3. den Eltern dabei
helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.“
- weitere Konkretisierung in § 22a Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 letzter Satz SGB VIII  sichergestellt werden, dass
Fachkräfte mit den Eltern zum Wohl der Kinder und zur Sicherung des Erziehungsprozesses zusammenarbeiten
Auch Beteiligung der Eltern wird festgeschrieben: „Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in
wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen.“
- weitere rechtliche Grundlage für die Ausgestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft = jeweilige
Betreuungsvertrag
 Für Betreuungszeit: Aufgaben der Erziehungsberechtigten dem Träger der Einrichtung übertragen. Öffentliche/
kommunale Träger: Betreuungsverhältnis häufig durch öffentlich-rechtliche Satzung geregelt
 rechtlichen Grundlagen: z. T. in Landesregelungen, z. B. in Ausführungsgesetzen und -verordnungen zum SGB VIII,
näher konkretisiert

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- weitere Grundlage, wenn auch nicht rechtlich bindend: Bildungspläne der Länder  nutzen alle den Begriff der
Bildungs- und Erziehungspartnerschaft + enthalten alle Hinweise zu deren Gestaltung
Sie konkretisieren u. a.:
 die Bedeutung der Eltern und der Familie für die Kinder
 die Zusammenarbeit mit Eltern im Rahmen von Übergängen, z. B. der Eingewöhnung
 den regelmäßigen Austausch mit den Eltern, z. B. im Rahmen von Entwicklungsgesprächen
 die Beteiligung der Eltern
Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe = rechtlichen Rahmen im SGB VIII
Schulbereich = Eltern nicht die originären Auftraggeber
- Schule = eigenständigen Erziehungsauftrag  Art. 7 des GG, schränkt elterliche Erziehungsrecht ein
 andere rechtliche Grundlagen für die Zusammenarbeit mit den Eltern  Regelungen in Schulgesetzen der
Länder (normieren Regelungen zur Elternvertretung im Vergleich zur Kinder- und Jugendhilfe deutlich stärker)
Zentrales Ziel = Realisierung der elterlichen Mitsprache im Schulsystem auf struktureller Ebene = weniger um
individuelle Zusammenarbeit im Hinblick auf das einzelne Kind

1.2 Umsetzung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft


Unterschiedliche Rollen und Kompetenzen
Umsetzung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft durch Fachkräfte verantwortet und aktiv gestaltet
Fachkräfte:
 schaffen die Voraussetzungen, z. B. indem sie sich Zeit für Gespräche nehmen und eine Vertrauensbeziehung zu
den Eltern aufbauen
 stellen den jeweils notwendigen Rahmen her, z. B. indem sie einen Raum für ein Gespräch herrichten
 pflegen die Struktur, z. B. indem sie regelmäßig zu Entwicklungsgesprächen einladen
 speisen wichtige Inhalte ein, z. B. Dokumentationsmaterial
Eltern tragen nicht die Verantwortung für den Prozess und nehmen freiwillig teil  können sich sehr begrenzt oder intensiv
einbringen.
In Bezug auf Wissensgrundlagen und Kompetenzen unterscheiden sich beiden Gruppen
Die Fachkräfte bringen z. B. ein:
 pädagogisches Fachwissen, z. B. zur kindlichen Entwicklung oder zur Initiierung von Bildungsprozessen
 Kenntnisse der Gesprächsführung
 Erfahrungen mit dem Kind in der Gruppe
Die Eltern hingegen bringen die folgenden Wissensbestände ein:
 Wissen um Verhaltensweisen des Kindes in anderen Kontexten,
 Wissen um die aktuellen Lebensbedingungen in der Familie,
 Wissen um die Bedürfnisse und Reaktionsweisen des Kindes,
 Wissen um die Biografie des Kindes und der Familie.

Teamarbeit im Hintergrund
Kern der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft = Beziehung zwischen Eltern und einer Fachkraft  Team der Fachkräfte
trotzdem: wesentlicher Bedeutung für Gelingen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaften
Team = verschiedene Persönlichkeiten, mit unterschiedliche Kompetenzen
 ermöglicht es, Fachkräfte spezifischen Kindern bzw. deren Eltern zuzuweisen, z. B. wenn die Behinderung eines Kindes
besondere Kompetenzen aufseiten der Fachkraft notwendig macht
Team = für jede einzelne Fachkraft im Idealfall eine wichtige Ressource:
1. können sich im Hinblick auf Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaften gegenseitig anregen
2. können sich in schwierigen Fragen/bei Problemen in der Arbeit mit den Eltern unterstützen
3. Gespräche mit anderen Fachkräften ermöglichen es eigene Emotionen oder Ideale zu reflektieren
4. Fkönnen sich in einer positiven Feedbackkultur stärken, aber auch gegenseitig produktiv korrigieren
5. Austausch im Team ermöglicht es, vor Entwicklungsgesprächen verschiedene Wahrnehmungen und Perspektiven in
Bezug auf ein Kind einzuholen und so ein umfassendes Bild zu erarbeiten

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6. In schwierigen, z. B. konflikthaften Gesprächen = gegenseitig unterstützen
7. Gemeinsam können grundlegende Elemente der Gestaltung der Elternarbeit entwickelt werden

Ebenen und Ziele der Bildungs- und Erziehungspartnerschaften


Arbeit mit den Eltern = auf unterschiedlichen Ebenen, kann sehr unterschiedliche Ziele verfolgen
Einerseits = großer Teil der Arbeit mit Einzelnen  bezieht sich auf die individuelle Situation der Eltern und Kinder, wird
individuell ausgestaltet
Elemente der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Einzelnen können sein:
 die erste Kontaktaufnahme, das Aufnahmegespräch, die Eingewöhnungsphase, Entwicklungsgespräche,
anlassbezogene Gespräche, Tür-und-Angel-Gespräche, Hausbesuche und Hospitationen
Andererseits = zweiter großer Teil der Arbeit auf die gesamte Elternschaft/auf Gruppen der Elternschaft
Elemente der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaften mit Gruppen können sein:
 Infoabende, Tage der offenen Tür, Elternabende, Elterngesprächskreise, Elternseminare zur Elternbildung, z. B.
Erziehungskurse, Kreativnachmittage, Projekte, Feste, Elternbriefe, Elternbefragungen, Elternbeiräte
Weitere Unterscheidungen: temporäre Maßnahmen der Elternarbeit und strukturell verankerte Kooperationsformen
 vielfältig sind die jeweiligen Ziele (im Voraus für jede Maßnahme geklärt werden)
Ziele können z. B. sein:
 Förderung eines einzelnen Kindes, Stärkung der Elternkompetenz eines Elternteils, Information der Eltern über die
pädagogische Arbeit, Steigerung der Elternkompetenz einer Gruppe, Vermittlung wichtiger Informationen zu einem
Thema, Kontakt der Eltern untereinander, Mitbestimmung der Eltern, Einbezug der Eltern in den pädagogischen
Alltag

1.3 Zusammenarbeit mit Einzelnen


Individualität der Eltern
Wichtige Grundlage = Wahrnehmung und Berücksichtigung ihrer Individualität
 notwendig, weil Eltern sehr unterschiedliche Einstellungen gegenüber Institution, Fachkräften und der Zusammenarbeit
mitbringen
Beispiele für unterschiedliche Einstellungen und Haltungen sind:
 das Interesse, die Kinder und ihre Begleitung komplett abzugeben – kein Bedürfnis nach Austausch
 das Interesse, ein freundschaftliches Verhältnis zu Fachkräften herzustellen, auf dessen Basis ein intensiver Dialog
gewünscht ist
 der Wunsch, – auch für sich selbst – intensive Unterstützung von Professionellen zu erfahren
 Ängste vor Institutionen und möglichen Eingriffen in die Familie
 exemplarisch genannten Haltungen  Mischverhältnisse möglich  sollten von Beginn an exploriert/ransparent
besprochen werden
Anstreben: gegenseitiges Verständnis  am einfachsten über explizite Information und Nachfragen hergestellt Fachkräfte
sollten eigenes Verständnis der unterschiedlichen Rollen und der Zusammenarbeit + die Hintergründe dieses Verständnisses
darstellen + Eltern explizit nach ihrer Vorstellung fragen
Erwartungen an Leistungen können sehr stark variieren
 Eltern erwarten u. a.:
 bestmögliche Förderung
 zuverlässige Betreuung
 Erlernen von Disziplin
 Berücksichtigung spezieller Erziehungsideen, z. B. religiöser Aspekte
 Berücksichtigung spezieller Ernährungswünsche
!alle Erwartungen sollten erfragt werden!
Ziel = nicht, die Elternwünsche zu 100 Prozent zu erfüllen, sondern Austausch über das Mögliche und auch fachlich
Sinnvolle  verhindert Missverständnisse, Konflikte und Unzufriedenheiten  nur so können gemeinsame
Ziele/Aufgaben/Vorgehen entwickelt werden

Das Aufnahmegespräch
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gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaft beginnt vor Aufnahme der Kinder
Erste wichtige Meilenstein: Aufnahmegespräch
- Zentrales Ziel: Eltern für zukünftige Zusammenarbeit zu motivieren  tragfähige Beziehung aufbauen und
Bedeutung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft nähergebringen
Weitere Ziele und Inhalte des Aufnahmegesprächs sind:
 persönliches Kennenlernen,
 Kennenlernen der Einrichtung,
 fachliche Informationen zum kindheitspädagogischen Bildungs- und Erziehungsverständnis in der Einrichtung,
 Erläuterung des Konzepts der Einrichtung,
 Austausch gegenseitiger Erwartungen,
 Planung der nächsten Schritte sowie vielfältige Informationen zum Kind
Von Beginn an: Individualität des Kindes + Individualität der Eltern berücksichtigt  Eltern sollten Erfahrung machen, dass
ihre Erwartungen, Wünsche und Sorgen im Austausch mit der Fachkraft einen festen Raum haben
Ideal: einen im Team der Fachkräfte erarbeiteten Leitfaden nutzen, der Thematisierung aller wichtigen Aspekte sicherstellt
 einheitlicher Qualitätsstandard der Aufnahme ABER nur notwendigen Inhalte vorgeben, nicht Struktur oder andere
Inhalte ausschließen  ermöglichen den Relevanzen der Eltern zu folgen
 wichtige Aspekte schriftlich fixieren
Anderes potenzielles Element eines Aufnahmegesprächs: Erziehungsinterview  Erziehungsideen der Eltern systematisch
abgefragen  ermöglicht bzw. forciert den Austausch über erziehungs- und bildungstheoretische Fragen. Vorgehensweisen
der Einrichtung und Zuhause können abgeglichen werden
Mögliche Themengebiete sind u. a.:
 häusliche Regeln,
 Erziehungswerte, wie z. B. Selbstständigkeit, Gehorsam etc.,
 Bedürfnisse des Kindes,
 häufige Konflikte und diesbezügliche Umgangsweisen,
 Fähigkeiten des Kindes,
 weitere Erziehungsbeteiligte und Geschwisterkinder

Die Eingewöhnung
Zweites zentrales Element der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft: Eingewöhnungsphase
Ziel: Kinder entwickeln ein ausreichendes Sicherheitsgefühl, auch wenn Eltern nicht mehr anwesend
Gelingt Kooperation von Fachkräften und Eltern, erleichtert dies den Ankommensprozess der Kinder und die Bildungs- und
Erziehungspartnerschaft selbst kann sich maßgeblich vertiefen
Für gelingen elementar: Erwartungen der Eltern und Vorerfahrungen der Kinder einzubeziehen
 einige Eltern = intensiven Austausch brauchen + Kinder eine intensive Eingewöhnungsphase benötigen
 anderenFamilien = Übergang ohne große Mühe + reibungslos
Gründe sind z. B. Bindungserfahrungen der Kinder, einerseits mit den Eltern und andererseits mit anderen Bezugspersonen
In Eingewöhnung = alle Beteiligten intensiv gefordert
- Kinder müssen neue Umgebung aneignen + neue Beziehungen eingehen
- Fachkräfte müssen emotionalen Bedürfnisse des Kindes wahrnehmen + Beziehungsangebote machen und gestalten
+ die emotionalen Herausforderungen der Eltern begleiten.
- Eltern müssen z. B. ihre Kinder loslassen, den Fachkräften vertrauen und eigene Ängste oder Schuldgefühle
überwinden
 Um Herausforderungen zu meistern, ist meist ein intensiver und täglicher Austausch nötig, der auf der bisher
entwickelten Bildungs- und Erziehungspartnerschaft aufbaut + sie vertieft
Konkrete Gestaltung = verschiedenen Eingewöhnungskonzepten

Entwicklungsgespräche
 in allen Bildungsplänen der Länder thematisiert und z. T. durch Ländergesetze konkretisiert
 knüpfen im Idealfall an enge Zusammenarbeit während der Eingewöhnung an
 deutlich ausführlicher als Tür-und-Angel-Gespräche + im Voraus geplant
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 können unterschiedliche Inhalte haben, z. B.:
 eine Rückschau auf den Zeitraum seit dem jüngsten Entwicklungsgespräch,
 einen themenbezogenen Rückblick, z. B. zu Stärken, Problemen etc.,
 einen Ausblick auf die kommende Zeit,
 Zielformulierungen
Bewährt haben sich Entwicklungsgespräche auf Grundlage systematischer Beobachtungen bzw. von Material aus dem Alltag
der Einrichtung z. B.: Portfolios, Kunstwerke der Kinder, Sprechende Wände, Bildungs- und Lerngeschichten,..
 Gemeinsame Blick auf Entwicklungen der Kinder lässt die für die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft wichtige
gemeinsame Perspektive entstehen oder intensiviert sie
Großer Bedeutung = konsequent ressourcenorientierte Perspektive Eltern nicht in Situation kommen, sich selbst oder ihre
Kinder verteidigen zu müssen
 Größeres Interesse der Eltern, wenn es nicht um eine defizitorientierte Bewertung ihrer Kinder geht
Ziel: gegenseitigen Austausch zu evozieren, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wahrnehmung austauschen
 geht um Etablierung eines dialogischen Verhältnisses - Mittelpunkt = gemeinsame Überlegen zur weiteren Entwicklung
und Förderung des Kindes
Regelmäßige Entwicklungsgespräche = stabilisieren Vertrauen, lassen vertieften Austausch entstehen und machen
Veränderungen sichtbar
- produktive Ergänzung = strukturierte Beobachtungsbögen – Eltern können ebenfalls systematisch ihre Kinder
beobachten  sollte ressourcenorientiert gestaltet sein.
Wichtig: Vorbereitung von Entwicklungsgesprächen  folgenden Aspekte im Vordergrund:
 Reflexion und Sammlung eigener Wahrnehmungen,
 Einholen von Wahrnehmungen aus dem Team,
 Reflexion der Teilnehmer und ihrer Erwartungen,
 Bereitlegen des Dokumentationsmaterials und
 Vorbereitung ressourcenorientierter Rückmeldungsinhalte.

Tür-und-Angel-Gespräche
insbesondere zu Bring- und Abholzeiten = Alltag vieler kindheitspädagogischer Institutionen
Trotz scheinbarer Beiläufigkeit erfüllen sie wichtiger Funktionen:
1. positives Übergangsritual: helfen insbesondere kleinen Kindern beim Ankommen
2. Eltern können wichtigen Informationen mitteilen, z. B. zur Situation zu Hause, zu gesundheitlichen Aspekten…
3. Fachkräfte können wichtige Informationen zu den Erlebnissen der Kinder in der Kita vermitteln
4. Längere und intensivere Gespräche können angebahnt bzw. geplant werden.
5. können kurze Rückmeldungen zu in Entwicklungsgesprächen vertieften Themen gegeben werden

Hospitationen der Eltern


= weiteres Element einer gelungenen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft
- Eltern können sich ein eigenes Bild vom Kita-Alltag machen, Vertrauen in die Erzieher entwickeln und Respekt für
die Leistungen der Fachkräfte erlangen
- weiterer Austausch kann entstehen, der die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft vertieft
- Eltern können im Rahmen von Hospitationen gezielt Informationen vermittelt werden – Elternbildung wird
realisiert

1.4 Zusammenarbeit mit Gruppen


Öffentliche Dokumentationen
z. B. den Alltag in der jeweiligen Einrichtung, Ausflüge oder Leistungen der Kinder veranschaulichen
 machen Arbeit der Fachkräfte transparent + bieten Anknüpfungspunkte für Gespräche
Mögliche Elemente sind:
 digitale Bilderrahmen im Eingangsbereich,
 Fotowände,
 eine Darstellung der Konzeption mit Bildern aus dem Alltag und
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 Kunstwerke der Kinder
 Leistungen der Kinder und Fachkräfte können gewürdigt werden, im Austausch können Beziehungen entstehen oder
vertieft werden

Elternbefragungen
- Schriftliche Elternbefragungen ermöglichen, Rückmeldungen zur Einrichtung und geleisteten Arbeit einzuholen
- Mögliche Themen sind das Gebäude, Öffnungszeiten oder einzelne Elemente der Zusammenarbeit
- Befragungen haben drei Funktionen:
1. Sie signalisieren den Eltern, dass ihre Meinung wichtig ist.
2. Sie bieten unmittelbare Anregungen zur Optimierung der Einrichtungsgestaltung.
3. Regen einen Austausch unter den Eltern, unter den Fachkräften und auch zwischen Fachkräften und Eltern an.
Wichtige Voraussetzungen für Gelingen: Durchführung transparent und auf Anmerkungen erfolgt eine Reaktion

Allgemeine Elternabende
= in vielen Einrichtungen fest etablierte und regelmäßige Veranstaltungen
- greifen kein tieferes inhaltliches Thema auf  dienen nicht der Elternbildung
- können stattdessen u. a. die folgenden Funktionen haben:
1. informieren die Eltern über das anstehende oder vergangene Jahr.
2. ermöglichen den Eltern ein gegenseitiges Kennenlernen.
3. bieten den Eltern Raum, um eigene Themen einzubringen.
4. bieten die Möglichkeit, Elternbeiräte zu wählen.

Themenbezogene Elternabende
= richten sich in der Regel an alle an einem Thema interessierten Eltern
- können eine Fülle an Themen aufgreifen, die für die Eltern sowie die Einrichtung relevant sind
- Beispiele sind:
 Fragen der Erziehung, kindliche Entwicklung, Umgang mit Aggressionen, Ängste von Kindern, kindliche
Sexualität, sexueller Missbrauch, Trennung und Scheidung, Ernährung, Umwelterziehung.
Planung: für Auswahl des Themas bzw. der Themen sollten Eltern zuvor befragt werden
Gestaltung: große Vielfalt an Möglichkeiten, z. B.:
 Vorträge, Diskussionsmethoden, Filme, Gruppenarbeiten, Rollenspiele, Brainstormings und Erarbeitung
gemeinsamer Lösungsvorschläge für Probleme.
Häufig Einladung von Experten = sinnvoll
- Eltern aktiv beteiligen und ihre Erwartungen und Wünsche sowie unterschiedliche kognitive und sprachliche
Niveaus berücksichtigen  sonst: Motivation gering
- Ziele und Ablauf = transparent
- zu bedenken: Passung des Raumes, die Sitzordnung sowie eine ansprechende Gestaltung der Einladung

Gesprächskreise für Eltern


= Elterngruppen genannt  finden meist regelmäßig statt
- Neben jeweiligen Themen ist der persönliche Austausch von Bedeutung  ermöglicht den Eltern, Erfahrungen und
Sorgen auszutauschen und in einem geschützten Rahmen individuelle Fragen aufzuwerfen
- Eltern können im Umgang mit Problemen voneinander lernen
- Je nach Bedürfnis können Gesprächskreise unterschiedlich intensiv von Fachkräften begleitet werden

Elternkurse
= intensive Möglichkeit der Elternbildung
 großen Aufwandes + benötigten Know-hows empfiehlt es sich, mit anderen Einrichtungen zusammenzuarbeiten
Thema der meisten Elternkurse sind im weitesten Sinne die Erziehungskompetenzen der Eltern  richten sich an sehr
unterschiedliche Elterngruppen  im Voraus prüfen, ob das jeweilige Programm zur eigenen Elternschaft passt.
Verbreitete Programme sind u.a.
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 FUN (Familie und Nachbarschaft), HIPPY, Liebevoll und kompetent, Ostapje, Eltern-AG, Starke Eltern – starke
Kinder, STEP und Triple P.

Projektorientierte Mitarbeit
z.B. der Bau eines Spielgerätes, kulturelle Feste, das Anlegen eines Gartens oder ein Ausflug = nicht nur für Kinder
interessante Bildungsgelegenheiten, sondern auch für die Zusammenarbeit mit Eltern wichtig. Gelingt es, Eltern für
Mitarbeit zu gewinnen = Fachkräfte entlastet und bestehende Bildungs- und Erziehungspartnerschaften können sich vertiefen

Elternbeiräte
= in größeren Einrichtungen gesetzlich verankerten Elternbeiräte
= wichtige Schnittstelle zwischen den Fachkräften und der Elternschaft  gute Kooperation an dieser Stelle trägt
maßgeblich zu einer konstruktiven Atmosphäre zwischen Eltern und Fachkräften bei
Elternbeiräte erfüllen u. a. die folgenden Funktionen:
1. bringen Wünsche/Sichtweisen der Elternschaft in die Weiterentwicklung der Einrichtungen ein.
2. leisten einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung.
3. können maßgeblich zum Erfolg von Angeboten der Elternarbeit beitragen, z. B. indem sie Feste mitausrichten,...
4. können in Konfliktfällen vermitteln
Wahlverfahren, Zusammensetzung, Arbeitsweisen, Ziele und Kompetenzen der Elternbeiräte = allen Eltern transparent

Elternbeschwerden und Konflikte


= gehören zum Alltag von Institutionen
 auf den ersten Blick: eher störend, können dennoch als wertvolle Anlässe betrachtet werden, um Einrichtung
weiterzuentwickeln und um Beziehung zu Eltern zu intensivieren
Nutzung als Ressource gelingt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen:
1. innere Haltung gegeben sein, welche Beschwerden/Konflikte als Chance betrachtet  sonst: Abwehrreaktionen der
Fachkräfte.
2. Beschwerden und Konflikte dürfen nicht als persönlich betrachtet werden.
3. Umgang mit Beschwerde/Konflikt muss geklärt sein  Beschwerdemanagement nötig  regelt
Kommunikationswege und Verantwortlichkeiten
4. Fachkräfte sollten in der Lage sein, Konfliktgespräche zu führen.

Lektion 2: Gesprächsführung
2.1 Grundlagen der Gesprächsführung
- professionelles und bewusstes Führen von Gesprächen = Kernaufgaben von kindheitspädagogischen Fachkräften
 täglich mit Kindern, Eltern, Kollegen, dem Einrichtungsträger oder anderen professionellen Akteuren kommunizieren
Jede Zielgruppe = unterschiedliche Anlässe, Ziele und Formen der Gespräche
- informelle und vorbereitete Gespräche
- Informelle Gespräche:
 Alltagsgespräche mit Kindern,
 Tür-und-Angel-Gespräche mit Eltern und
 kurze Absprachen oder Unterhaltungen mit Kollegen.
- Vorbereitete Gespräche mit Kindern:
 Morgenkreise,
 Kinderkonferenzen und
 Kinderinterviews.
- Vorbereitete Gespräche mit Eltern:
 Elterninformationsgespräche,
 Entwicklungsgespräche,
 Eingewöhnungsgespräche und
 Übergangsgespräche.

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- Vorbereitete Gespräche mit Kollegen und anderen professionellen Akteuren:
 Fallbesprechungen,
 Teamsitzungen,
 kollegiale Beratung,
 Personalgespräche und
 Kooperationsgespräche, z. B. mit Schulen
Theoretischen Grundlagen für Verständnis von Gesprächen + normativen Implikationen dieser Modelle = auf alle
Zielgruppen übertragbar
„Faktoren, die Gespräche zwischen Erwachsenen erfolgreich machen, lassen sich auf Gespräche mit Kindern grundsätzlich
übertragen“
Wertschätzung des Gegenübers/der Versuch, das Gegenüber zu verstehen = in jedem Gespräch hilfreich

Klientenzentrierte Gesprächsführung (1981):


- Von Carl Rogers (1902–1987) – ein Protagonist der humanistischen Psychologie – entwickelt
- bietet vertieftes Verständnis der Bedeutung, welche der Beziehung zwischen Fachkräften und Eltern zukommt
- Anregungen zur Umsetzung von Gesprächen und zur Gestaltung der Beziehung ableitbar
- mittels empirischer Studien fand Roger heraus, wie wichtig eine auf bestimmte Weise qualifizierte Beziehung für
Veränderungsprozesse im Rahmen von Hilfeprozessen ist
 Erkenntnisse lassen sich auf kindheitspädagogische Gesprächssituationen übertragen, werden noch heute als
bedeutsam für die Kindheitspädagogik betrachtet
- Rogers identifizierte 1959 drei Bedingungen, welche realisiert werden müssen, damit in Gesprächen ein
wachstumsförderndes Klima entsteht  denkt, diese drei Bedingungen sind auf alle Beziehungen übertragbar
- Folgendermaßen werden sie auf die Fachkraft-Eltern-Beziehung übertragen:
1. Erste Bedingung: „Kongruenz“
Fachkraft mit sich selbst übereinstimmt  Fachkraft sollte keine „Rolle“ spielen, eigenes Erleben sollte in die
Kontakte mit den Eltern eingebracht werden
Offensein für sich selbst ermöglicht Eltern, Vertrauen zu fassen, in ihrem Verhalten offener und echter zu sein
und die Wertschätzung der Fachkraft annehmen zu können
2. Zweite Bedingung: „unbedingte Wertschätzung“
Wertschätzung, die an keine Bedingungen geknüpft ist
Eltern werden von der Fachkraft wertgeschätzt, wie sie sind, möglicherweise problematisches Verhalten ändert
nichts an dem Wert der Eltern
Wichtig: Eltern sollen diese unbedingte Wertschätzung spüren können (nicht nur verbal, sondern auch
nonverbal) Unbedingte Wertschätzung befriedigt das Grundbedürfnis, akzeptiert und anerkannt zu werden
 macht möglich, dass sich Eltern mit all ihren Gefühlen, Gedanken und Bewertungen kennenlernen können
Selbstachtung wird geprägt und Möglichkeit wird gegeben, Angst- und Verteidigungsverhalten abzubauen
3. Dritte Bedingung: „empathische Verstehen“.
„den inneren Bezugsrahmen des anderen möglichst exakt wahrzunehmen, mit all seinen emotionalen
Komponenten und Bedeutungen, gerade so, als ob man die andere Person wäre, jedoch ohne jemals die ‚Als-
ob‘-Position aufzugeben“
ermöglicht Eltern, ihre Empfindungen aus einer Distanz wahrzunehmen und ihre
Einstellungen/Werthaltungen zu hinterfragen
 Eltern werden angeregt, sich mit ihrem Erleben auseinanderzusetzen und durch Differenzierungen und
Konkretisierungen ihrer Ziele Konflikte zu klären
Für Realisierung des empathischen Verstehens ist die Fähigkeit, zuzuhören, zentral Eltern sollten einfühlsam
beobachtet und ihre Sichtweisen und Gefühle nachvollzogen werden.

Das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun (2008)


- von Friedemann Schulz von Thun entwickelt
- basiert auf den von Paul Watzlawick entwickelten Axiomen der Kommunikation

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- hilfreich, um Gespräche vorzubereiten, den Verlauf eines Gesprächs zu verstehen und Gespräche nachzubereiten
- Insbesondere Missverständnisse können vermieden und/oder aufgeklärt werden
- zentrale Aussage des Sender-Empfänger-Modells: Botschaften werden auf vier unterschiedlichen Ebenen gesendet
und empfangen werden
- Ebenen sind in jedem Gespräch enthalten, auch wenn es
vordergründig um sachliche Aspekte geht.

 „Sachinhalt (oder: Worüber ich informiere)“


 „Selbstoffenbarung (oder: Was ich von mir selbst kundgebe)“
 „Beziehung (oder: Was ich von dir halte und wie wir
zueinander stehen)“
 „Appell (oder: Wozu ich dich veranlassen möchte)“

Ein Beispiel:
Ein Mann sagt zu seiner Frau, die am Steuer eines Autos sitzt: „Du, da vorne ist grün!“ Sie antwortet: „Fährst du oder fahre
ich!?“
Diese Situation lässt sich wie folgt interpretieren:
1. Sachebene: Mann informiert die Frau darüber, dass die Ampel grün ist.
2. Selbstoffenbarungsebene: u. a. interpretiert werden, dass der Mann es eilig hat.
3. Beziehungsebene: lässt sich die Aussage des Mannes interpretieren, dass „er seiner Frau nicht recht zutraut, ohne
seine Hilfe den Wagen optimal zu fahren“.
4. Appellebene: Mann gibt der Frau zu verstehen, dass sie schneller fahren soll.
Antwort der Frau zeigt, dass für sie die Sachebene in diesem Fall nicht zentral ist reagiert nicht auf Sachebene
 reagiert eher auf die Beziehungs- und Appellebene  gibt Mann zu verstehen, dass sie sehr wohl in der Lage ist, das
Auto zu fahren  Appel an ihn: Sie in Ruhe fahren zu lassen.
Das Beispiel zeigt: Aussagen können sehr unterschiedliche und komplexe Botschaften enthalten, welche vom Empfänger
sehr unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden können.
Kindheitspädagogischen Gesprächen: hilfreich eigenen Botschaften vorbereitend zu reflektieren und zu überlegen, wie die
Aussagen beim Gegenüber ankommen könnten
Trotzdem Konflikt: Gespräch im Nachhinein zu analysieren, um das nächste Gespräch besser vorbereiten zu können

Merkmale gelingender Gesprächsführung


Diskursen um Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit und in der Kindheitspädagogik  Merkmale gelingender
Gesprächsführung entworfen  können in Gesprächen hilfreich sein (basieren überwiegend auf den genannten Modellen):
 wertschätzende und zugewandte Haltung, unabhängig von persönlicher Sympathie;
 Dialogorientierung bzw. Partizipation;
 Interesse an den Themen und Botschaften des Gegenübers;
 Verständigung über Gesprächsregeln, zum Beispiel in Teamgesprächen;
 positiver Abschluss des Gesprächs, zum Beispiel durch die Wiederholung des erarbeiteten gemeinsamen Ziels;
 Klarheit und Transparenz, zum Beispiel zu den Zielen oder den Folgen eines Gesprächs;
 Situationsangemessenheit, z. B. keine intimen Themen in Tür-und-Angel-Gesprächen;
 Metakommunikation, z.B. zu Beginn eines Gesprächs Absprachen über Vorgehen, Ziele und Inhalte eines
Gesprächs;
 sensible Wahrnehmung eigener und fremder Gefühle;
 selbstverantwortliche Sprache, zum Beispiel die Verwendung von „ich“ statt „man“ und Wünschen statt
Vorwürfen,
 selektive Authentizität.

Gesprächsvorbereitung
- wichtige Grundlage für Führung von Gesprächen: gute Gesprächsvorbereitung

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- Widulle entwickelt in Anlehnung an Benien (2003): fünfstufiges Modell, integriert das Kommunikationsmodell
1. erster Schritt: Klärung des Kontextes, der Vorgeschichte und des Anlasses des jeweiligen Gesprächs  u. a.
die Bedeutung des Gesprächs, der Auftrag, den die Fachkraft durch die Institution hat, die Funktion des
Gesprächs und die übergeordneten Ziele der Fachkraft
2. zweiter Schritt: Selbstklärung (orientiert sich am Modell von Schulz von Thun)  die beabsichtigen
sachlichen Inhalte, die beabsichtigten Appelle, die Selbstoffenbarungsebene und die Beziehungsebene sind zu
klären
3. dritter Schritt: Perspektivwechsel  Vermutungen zum jeweiligen Gesprächspartner, u. a. die Sichtweisen,
Bedürfnisse, Motive, Ängste, Erwartungen etc. des Gegenübers
4. vierter Schritt: Wahl der Gesprächsform + Ablauf planen  wie ist der Gesprächspartner miteinzubeziehen,
welche Struktur soll das Gespräch haben, wo können Schwierigkeiten auftreten und welche Instrumente steht,
wie zum Beispiel Leitfäden, zur Nutzung zur Verfügung
5. letzter Schritt: Klärung des Rahmens  organisatorische Fragen und um die Einladung, u. a. der geeignete
Zeitpunkt für das Gespräch, der benötigte Zeitaufwand, die Auswahl eines geeigneten Raums, potenzielle
Störquellen sowie die geeignete Einladungsform

2.2 Gespräche mit Kindern


= zentraler Aspekt des kindheitspädagogischen Alltags
= zahlreiche Anlässe, die bewusst genutzt werden können, zum Beispiel:
 alltägliche Routinen, wie zum Beispiel das Frühstück,
 zufällige Begegnungen im offenen Spiel,
 Spaziergänge,
 Spiele, Experimente,
 Kreativarbeit, Bilderbuchbetrachtungen.
Gespräche mit Kindern, nicht einfach nur ein banaler Aspekt des Alltags, sondern kann wichtige Funktionen für die
Entwicklung der Kinder haben, wenn die Gespräche professionell geführt werden:
1. Anregung und Förderung sprachlicher Entwicklung
2. Gespräche = sinnstiftend
3. Gespräche = wichtiges Element kindlicher Bildungsprozesse
4. Gesprächen realisieren Partizipation
5. Gespräche pflegen und bauen Beziehungen aus
Arbeit mit Kindern  Beziehungsaufbau = zentral, Kinder sind auf sichere Beziehungen angewiesen, um sich aktiv
aneignend ihrer räumlichen materiellen und sozialen Umwelt zuzuwenden
- schon für ganz kleine ist die Sprache im Austausch mit erwachsenen Bezugspersonen wichtig
 ruhiger Tonfall, bekannte Wörter und Sätze, vertraute Lieder oder vertraute Stimmen = beruhigende und
Vertrauen gebende Wirkung
- Kleine Kinder initiieren Kommunikation, indem sie mittels eigener Laute eine Antwort der Erwachsenen
provozieren
 Formen früher verbaler und nonverbaler Kommunikation  beobachtbar in ruhigen Situationen, wie zum
Beispiel beim Wickeln
In jedem Alter der Kinder ist es wichtig, Gespräche bewusst zu führen.
Hilfreich für eine gelungene Umsetzung von Kommunikation mit Kindern = Idee des handelnden Dialogs (Bedeutung der
Verbindung von verbaler und körperlicher Sprache):
- kleine Kinder nicht in der Lage, alle Bedeutungen zu verstehen, = besonders auf die Köpersprache der Erwachsenen
angewiesen
- Wichtig: Kongruenz zwischen verbalem und körpersprachlichem Ausdruck
Weltzien formuliert folgende Merkmale erfolgreicher Gesprächsführung mit Kindern:
 zugewandte Gesprächshaltung,
 eine von Wohlbefinden und Geborgenheit geprägte Gesprächssituation,
 aktives Zuhören,
 deutliche Signale und Klarheit bezüglich des Wunsches nach einem/keinem Gespräch in dem Moment
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 ernsthaftes Interesse an den Relevanzen der Kinder,
 ein Gespür für die Gesprächsbedürfnisse der Kinder,
 keine starr vorgegebenen Themen und Strukturen von Gesprächen,
 keine vorgegebene Länge von Gesprächen und
 positiver Abschluss des Gesprächs, welcher bei beiden Gesprächspartnern ein positives Gefühl erzeugt.
unterschiedliche Formen, Situationen und Qualitätsmerkmale der Gesprächsführung mit Kindern, die aus unterschiedlichen
theoretischen Kontexten entstanden:
1. Gemeinsames Nachdenken/Sustained Shared Thinking (SST) = Form der Interaktion, die als besonders wertvoll
gilt. Erkenntnis bzw. Begriff entstanden im Rahmen der EPPE-Studie  untersuchte Zusammenhang zwischen
kindheitspädagogischen Einrichtungen und kognitiven Entwicklung von Kindern
Merkmale dieser Gespräche: Aushandlung eines gemeinsamen Themas, echtes Interesse der Fachkräfte für die
Relevanzen der Kinder und ein Austausch über die subjektiven Bedeutungen der Beteiligten
Ergebnis: Prozess, in welchem die Fachkräfte die Selbstbildung der Kinder anregend und unterstützend begleiten
2. Partizipative und dialogorientierte Gespräche berücksichtigen Machtgefälle zw. Erwachsenen und Kindern 
streben gleichberechtigten Austausch zwischen den ungleichen Partnern an
Ähnlich dem Konzept des SST ist das Ziel: Perspektiven und Empfindungen der Kinder ernst zu nehmen, sich auf
eine Augenhöhe zu begeben und die Kinder nicht zu belehren  Kindern ermöglicht, ihre Meinungen und
Wünsche in den Alltag der Einrichtung einzubringen
3. Kinderinterviews: bewusst geplante und initiierte Gespräche  drücken Anerkennung gegenüber den Kindern aus,
stärken die Kinder (wenn ressourcenorientiert gearbeitet wird) und stellen Bildungssituationen dar
Kinder genießen die ihnen bewusst zugedachte Zeit der Bezugsperson
produktive Grundlage: Bildungs- und Lerngeschichten oder Portfolios  weil sie Themen anregen, welche die
Kinder interessieren, und vor allem, weil sie eine ressourcenorientierte Perspektive mitbringen.

2.3 Gespräche mit Eltern


 in der Regel im Rahmen der Realisierung von Bildungs- und Erziehungspartnerschaften = Kerntätigkeiten von
Kindheitspädagogen in vielen Einrichtungen. Die wesentlichen Formate sind:
 Aufnahmegespräche,
 Eingewöhnungsgespräche,
 Tür-und-Angel-Gespräche,
 Entwicklungsgespräche
Gesprächsführung mit Eltern: gelten grundsätzlichen Merkmale gelingender Gesprächsführung aber einige Aspekte sind von
besonderer Bedeutung, weil es sich um Eltern handelt:
1. Gespräche mit Eltern = häufig von besonderer Emotionalität geprägt, weil in der Regel ein starkes Interesse am
Wohlergehen ihrer Kinder haben  auch Ängste stark ausgeprägt  sehr schnelle Entwicklung emotional
ausgetragene Konflikte
2. Eltern aufgrund ihres Engagements für die Kinder = im positiven Sinne besonders empfänglich für Gespräche und
tauschen sich gerne mit Fachkräften aus  besteht große Gesprächsbereitschaft
3. Eltern sind zum Teil unsicher und daher auch empfindlich, wenn es um Fragen des Erziehungsverhaltens, der
familiären Situation oder Schwierigkeiten der Kinder geht
 zwei Konsequenzen ableitbar:
1. Besonders wichtig, auf die Beziehungsebene zu achten  Fachkräfte sollten also, wenn es möglich ist, eine gute
Beziehung zu den Eltern herstellen gibt nötige Sicherheit, bevor sie z.B. problematische Aspekte ansprechen 
kann verhindern, dass Eltern sich persönlich angegriffen fühlen und in einen Gegenangriff oder eine
Verteidigungshaltung übergehen.
2. großer Bedeutung: gemeinsamen und vor allem positiven Blick auf das Kind, seine Stärken und Potenziale zu
entwickeln  Schulterschluss :vereinfacht Austausch, auch von Unsicherheiten oder Ängsten
Hilfreich: Sensibilität für Gesprächsbiografien der Eltern zu sein  bringen unterschiedliche Erfahrungen, Erwartungen und
resultierende Strategien in Gesprächssituationen mit
Zum Beispiel kann es sein, dass Eltern sich in Bildungsinstitutionen eher unsicher fühlen oder dass sie eine ablehnende
Haltung gegenüber Institutionen haben.
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 könnten Bereitschaft zur Zusammenarbeit sehr erschweren und Eltern müssen ggf. erst überzeugt werden TROTZDEM
die Herstellung einer Beziehung = wichtig.
Wichtig: Erfahrungen, Erwartungen und Wünsche der Eltern explizit anzusprechen oder ihnen ermöglichen, sie
anzusprechen.

2.4 Schwierige Gespräche


= Gespräche können besondere Herausforderungen mit sich bringen, zum Beispiel, wenn besonders emotionale Themen im
Raum stehen, wenn die Fachkräfte ein Verhalten der Eltern als problematisch einordnen oder wenn sich die Orientierungen
und Einstellungen der Eltern von denen der Fachkräfte oder der pädagogischen Grundkonzeption der Einrichtung
unterscheiden.
 Gespräche gut vorbereitet und die Durchführung überdacht werden
übergeordnete Ziel: (meistens) mit den Eltern ein gemeinsames Ziel zu entwickeln bzw. sie von den eigenen Zielen für die
Kinder zu überzeugen und sie zu einer Mitarbeit zu motivieren
Gegebenenfalls geht es zunächst darum, ein Problem oder eine Handlungsnotwendigkeit zur Kenntnis zu nehmen. In einem
zweiten Schritt geht es dann erst darum, gemeinsam Lösungsideen zu entwickeln.
Thiesmeier arbeitet Hinweise zur Vorbereitung und zum Vorgehen bei schwierigen Gesprächen heraus:
1. Fachkräfte sollten ihre emotionale Bereitschaft und Fähigkeit hinterfragen. z. B. geht um sexualisierte Gewalt und
eigene Betroffenheit ist sehr groß, sodass es zu stark ablehnenden Gefühlen den Eltern gegenüber kommt, kann es
eventuell sinnvoll sein, dass andere Fachkräfte die Elternarbeit übernehmen.
2. Fachkräfte sollten eigenen Emotionen deswegen reflexiv prüfen, um sie im Gespräch wahrnehmen zu können und
die eigenen (appellierenden und selbstoffenbarenden) Botschaften vorauszusehen.
3. Fachkräfte sollten vor Beginn Ziele für das Gespräch klären, aber auch für die Ideen/Wünsche der Eltern
offenbleiben.
4. Gewinn fürs Kind sollte möglichst konkret geklärt werden. Wichtig, weil er hilft, die Eltern für die Mitarbeit zu
gewinnen
5. emotionale Lage der Eltern und mögliche Reaktionen sollten antizipiert werden. Erwartungen und Befürchtungen
vor dem Gespräch sollten bedacht werden  erlaubt es, passende Reaktionen im Voraus zu erarbeiten, die es
ermöglichen, die Eltern für eine Mitarbeit zu gewinnen und somit handlungsfähig zu bleiben.
6. Zur eigenen Klärung kann es helfen: Gespräch im Team durchzusprechen und ggf. zu proben.  eigene Gefühle
sowie mögliche Reaktionsweisen und Gefühle der Eltern können antizipiert werden.

Hinweise zum Vorgehen


Thiesmeier gibt neun Hinweise zum Vorgehen:
1. Gesprächsbereitschaft der Eltern würdigen
2. Eine ruhige, ungestörte und angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen
3. Eltern fühlen sich schnell missverstanden, verletzt oder erleben das Gespräch als Einmischung in sehr private
Aspekte. Daher ist es sehr schwer, „den richtigen Ton zu finden“. Notwendig: Beziehungsarbeit, wie z. B.
Verständnis für die Situation und Gefühle der Eltern, und notwendige Deutlichkeit, welche das Thema und die
Interessen in Bezug auf das Kind erfordern und auch Veränderungsnotwendigkeiten aufseiten der Eltern
ansprechen.
4. Zu Beginn, aber auch im Gesprächsverlauf, ist es hilfreich, auch positive Aspekte in Bezug auf das Kind in das
Gespräch einfließen zu lassen  hilft Eltern, die möglicherweise problematischen Aspekte anzunehmen + schafft
positive Atmosphäre  Hilfreich: positive Anekdoten aus dem Alltag, die positive Gefühle/Wohlwollen
signalisieren
5. Ziel im weiteren Gesprächsverlauf sollte es sein, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und sich letztlich an die
Seite der Eltern zu stellen, um einen gemeinsamen Blick auf die Bedürfnisse des Kindes zu haben. Aus dieser
gemeinsamen Perspektive können dann gemeinsame Ziele und Handlungsstrategien erarbeitet werden.
6. Hilfreich für ein Verständnis der Eltern sind z. B. Fragen nach den Gefühlen der Eltern, nach ihrem Verständnis der
Situation, nach ihren Erklärungen und ihren Wünschen für ihr Kind. Weniger hilfreich sind z. B. Schuldvorwürfe.
7. Die eigenen Ziele und Wünsche für das Kind sowie die eigenen Ansichten: mittels Ich-Botschaften transparent
machen. Eigene Gefühle, wie z. B. Ängste und Grenzen, können zur Sprache kommen  gegenseitiges Verständnis

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8. Wenn kein gemeinsamer Blick entsteht und die Eltern ausschließlich feindlich oder mit Rückzug reagieren, sollte
die eigene Position noch einmal klargemacht werden und um weitere Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt
gebeten werden. Auf diese Weise bekommen die Eltern Zeit, die Situation zu überdenken.
9. Der Gesprächsverlauf sollte zuletzt resümiert werden und Handlungsvereinbarungen, Ziele, aber auch Konflikte
schriftlich festgehalten werden.

2.5 Gespräche im Team


= gehören zum Alltag kindheitspädagogischer Institutionen
- in der Regel regelmäßig und unterliegen spezifischen Routinen
- wichtige Funktionen für das Team haben, werden trotzdem nicht selten als „nutzlos, überflüssig, langweilig, zäh
oder schwierig erlebt“
- Ursache: Probleme auf zwei Ebenen: Einerseits treten Probleme der Sitzungskultur auf. Beispiele sind Konflikte,
Passivität, Machtkämpfe oder fehlende Informationen. Andererseits treten Probleme der Sitzungstechnik auf .
Beispiele sind fehlende Ziele, fehlende Tagesordnungen, fehlende Moderation oder eine schlechte Vorbereitung der
Teilnehmer.
Um Schwierigkeiten zu vermeiden/zu beheben, gelten einige Durchführungshinweise als hilfreich:
1. Gesprächsklima sollte reflektiert und bewusst gestaltet werden  Atmosphäre schaffen, die allen Beteiligten
Wertschätzung vermittelt und Wohlfühlen ermöglicht. Umsetzungsmöglichkeiten sind u. a.:
1. eine persönliche und freundliche Begrüßung,
2. ausreichend Zeit,
3. ein freundlicher und ausreichend großer Raum,
4. eine Versorgung mit Getränken und Snacks.
2. Verantwortlichkeiten klären: wer die Teamsitzung vorbereitet und wer sie moderiert
3. Gespräch sollte einer vorgegebenen Struktur folgen und Räume für spontane Ideen bereithalten.
4. Die jeweils zu behandelnden Themen und Ziele sollten transparent und klar benannt werden. Abschweifungen im
Prozess sollten angesprochen und ggf. unterbunden werden.
5. Alle Teilnehmer sollten mittels spezifischer Moderationstechniken beteiligt werden.
6. An verschiedenen Stellen sollte den Teilnehmern ein Überblick ermöglicht werden.
7. Instrumente für den kindheitspädagogischen Arbeitsalltag sollten gemeinsam bzw. ggf. in einer Arbeitsgruppe
entwickelt werden.
8. Alle Teilnehmer sollten über wichtige Aspekte zukünftiger Teamsitzungen informiert werden.

Lektion 3: Übergänge und Vernetzung


3.1 Vernetzung
Zusammenarbeit mit anderen Institutionen = dritter wichtiger Bereich kindheitspädagogischer Praxis dar
Zusammenarbeit im Sinne von Vernetzung = große Bedeutung zugeschrieben, u. a. im Hinblick auf die Gestaltung von
Transitionen
große Bedeutung:
1. sozialpolitisch begründet: Kindertagesstätten im Sozialraum = Schlüsselfunktion in Bezug auf Inklusion
und den Ausgleich von Benachteiligungen  sozialräumliche Orientierung = seit achten Jugendbericht der
Bundesregierung als wichtiges Qualitätsmerkmal der Jugendhilfe
2. Notwendigkeit einer sozialräumlichen Orientierung unmittelbar aus der fachlichen Praxis: Eltern wenden
sich im mit Fragen und Sorgen aus ihrem Alltag an die Fachkräfte  können diese nicht einfach
beantworten  Häufig: Verweis an andere Institutionen wertvoll  für Fachkräfte von Bedeutung, andere
Institutionen im Umfeld der Einrichtung und ihre Angebote und Leistungen zu kennen + im Idealfall direkt
auf eine Kontaktperson verweisen zu können.
Fachkräfte müssen sich also Netzwerkkenntnisse erarbeiten
Gesetzlich festgeschrieben:
§ 22a (2) des SGB VIII: „Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren
Einrichtungen zusammenarbeiten

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1. mit Erziehungsberechtigten und Tagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des
Erziehungsprozesses,
2. mit anderen kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen, insbesondere solchen
der Familienbildung und -beratung,
3. mit den Schulen, um den Kindern einen guten Übergang in die Schule zu sichern und um die Arbeit mit
Schulkindern in Horten und altersgemischten Gruppen zu unterstützen."
 gesetzlicher Auftrag, der Fachkräfte in kindheitspädagogischen Einrichtungen dazu anhält, Kooperationen zu entwickeln
und zu pflegen
Potenzielle Netzwerkpartner sind zum Beispiel
 Schulen,
 Vereine,
 Tageseltern und andere Institutionen der Kindertagespflege,
 Geschäfte und Betriebe,
 Beratungsinstitutionen, zum Beispiel Erziehungs- und Familienberatungsstellen, Schuldnerberatung,
 weitere soziale Dienste und Ämter, wie zum Beispiel: Jugendamt, Gesundheitsamt, Agentur für Arbeit,
Migrationsdienste und Alteneinrichtungen,
 Ärzte,
 Institutionen der Familienbildung, z. B. Familienbildungsstätten und Volkshochschulen.
 müssen gezielt entwickelt und gepflegt werden
Ein hilfreicher Ansatz: Netzwerkarbeit

Netzwerkarbeit
= methodischer Ansatz der Sozialen Arbeit  konkretisiert den seit den 1970er-Jahren entstandenen Trend, Menschen in
sozialen Bezügen wahrzunehmen
- Nimmt Perspektive des Individuums ein
- fragt z.B. nach Personen, Institutionen oder Orten, die helfen können, Probleme zu verhindern oder zu bearbeiten
Grundidee: Menschen sind in soziale Beziehungen unterschiedlicher Qualität eingebunden  lässt sich auf Institutionen
übertragen
Verbindungen lassen sich bildhaft darstellen: Personen und Institutionen = Knotenpunkte, zwischen ihnen verlaufen
Verbindungslinien = Gleisanlagen. Auf diesen Gleisanlagen finden unterschiedlichste Austauschprozesse statt
Drei Typen von Netzwerken (=Beziehungsgeflecht und die eigebundenen Akteure) werden unterschieden:
1. primäre/mikrosoziale Netzwerke: Familie, Verwandtschaft, Freunde oder Nachbarschaft,
2. sekundäre/makrosoziale Netzwerke: Institutionen: Schulen/Beratungsstellen, Arbeitsplatz ,Freizeiteinrichtungen
3. tertiäre/mesosoziale Netzwerke: zwischen privatem und öffentlichem Sektor verortet, Selbsthilfegruppen, NGOs
und Vereine
Austauschprozesse auf den Gleisen können auf unterschiedlichen Ebenen analysiert werden. Gefragt werden kann nach
 den Interaktionsinhalten, zum Beispiel emotionale Unterstützung oder Informationen;
 den Interaktionskriterien, zum Beispiel wie oft oder mittels welchen Mediums;
 der Qualität der Interaktion, also zum Beispiel der Intensität oder der Verlässlichkeit.
zentralen Techniken der Netzwerkarbeit = Netzwerkanalyse mittels einer Netzwerkkarte
Beispielsweise aus Sicht einer kindheitspädagogischen Institution: alle relevanten Knotenpunkte und Verbindungslinien
werden eingezeichnet und im Hinblick auf die genannten Merkmale näher erläutert. Im Ergebnis wird deutlich, in welchen
für die Einrichtung oder die Klienten wichtigen Bereichen oder zu welchen Themen noch keine Kooperationspartner zur
Verfügung stehen. Zum Beispiel kann deutlich werden, dass noch kein Kontakt zu einer Sexualberatungsstelle besteht, die
für Fragen der Sexualerziehung von Bedeutung ist, weil es in diesem Bereich häufig Auseinandersetzungen zwischen
Fachkräften und Eltern gibt
In Folge kann ein Soll-Zustand formuliert und Strategien für die Optimierung des Netzwerkes entwickelt werden
Ausbau eines institutionellen Netzwerkes kann mittels folgender Maßnahmen umgesetzt werden:
 Besuche anderer Institutionen mit gegenseitiger Vorstellung,
 Mitarbeit in Arbeitskreisen, zum Beispiel zum Kinderschutz,
 Einladung anderer Institutionen, zum Beispiel zu Jubiläen oder zu Vernetzungstreffen,
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 Abschluss von Kooperationsverträgen,
 Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel Verteilen von Flyern in anderen Einrichtungen,
 Öffnung der Institution in den Sozialraum, zum Beispiel durch Feste oder einen „Tag der offenen Tür“.
Schließen von Kooperationsverträgen = besondere Bedeutung  stellen sicher, dass Kooperationen längerfristig bestehen
bleiben und nicht mit dem Ausscheiden von Personen enden

Early Excellence Centers


= Vorbild für institutionelle Vernetzungsprozesse im Kontext von Kindertagesbetreuung
- 1990er-Jahren in Großbritannien entwickelte
- Kernidee: Transformation von Kindertageseinrichtungen in Familienzentren, nicht nur Betreuung, sondern viele
weitere Angebote unter einem Dach bündeln
- Die Vernetzung wird räumlich umgesetzt.
- Weitere Angebote, die an die Kindertageseinrichtung angedockt werden, sind zum Beispiel:
 Spielangebote, Sportangebote,
 Elternberatung,
 Gesundheitsamt, Beratungsstellen,
 Hebammen,
 Angebote der Erwachsenenbildung und Unterstützung für Arbeitssuchende
Wichtigstes Ziel: Entwicklung eines Lebensraums, der Familien in allen Lebenslagen durch familienfreundliche
Infrastruktur unterstützt
Weitere Ziele sind:
 die Prävention in Bezug auf Benachteiligungen von Kindern und deren Familien,
 Familienbildung,
 Gesundheitsvorsorge,
 Hilfen für Eltern und
 gesellschaftliche Integration
 örtlichen Zugang zu familienunterstützenden Angeboten vor Ort  entsteht eine Niedrigschwelligkeit = zentrales
Merkmal von Early Excellence Centers
 veranschaulicht, wie Verständnis von Kindertageseinrichtungen als Knotenpunkte im System entwicklungsförderlicher
Institutionen für Familien umgesetzt werden kann

3.2 Der Übergang von der Familie in frühkindliche Institutionen

Transitionsforschung
- bewusster und fachlich gestalteter Übergang von der Familie in die Kindertageseinrichtung = wichtige
Voraussetzung für Gelingen von außerfamiliärer Bildung, Erziehung und Betreuung  Transitionsforschung
entwickelt, die verschiedene Disziplinen – insbesondere die Soziologie und die Psychologie – verbindet
- Die früheren Stufenmodelle der Entwicklungspsychologie nutzend und erweiternd, betrachtet sie die Übergänge
zwischen den festeren Phasen
„Unter Transition versteht man krisenhafte Phasen in der Biografie von Familien, die durch erst- oder einmalige markante
Ereignisse ausgelöst werden“
- Bedeutsame Transitionen im Lebenslauf: Geburt eines Kindes, der Übergang in eine Kindertageseinrichtung oder
die Schule
- Kennzeichnend für die Phasen des Übergangs: Ablösung von Routinen und die Notwendigkeit, sich neue
Fähigkeiten, Räume, Beziehungen etc. anzueignen  heftige und widersprüchliche Emotionen können entstehen
Eintritt in Kindertageseinrichtung, aber auch in die Schule = für Kinder, Eltern und auch andere Beteiligten eine große
Herausforderung
- Transitionsforschung beschäftigt sich mit allen Beteiligten als Akteuren eines sozialen Systems
- Transitionsmodell von Griebel und Niesel (2017): zeigt Komplexität von Übergängen  Übergang keinesfalls nur
eine Aufgabe für das Kind und hängt daher auch nicht nur von dessen Kompetenzen ab  Herausforderung für das
gesamte soziale System zu sprechen  Kinder und Eltern müssen den Übergang aktiv bewältigen, Fachkräfte
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moderieren den Übergang, Eltern = Doppelrolle, selbst Bewältigungsleistungen erbringen müssen + ihre Kinder
unterstützen
notwendige Zeitbedarf: individuell, da Kinder unterschiedlich viel Zeit benötigen, um sich sicher zu fühlen
 abgeschlossen, wenn das Kind sich wohlfühlt und die Bildungsangebote
Kinder und Eltern sind jeweils auf drei Ebenen herausgefordert:
1. müssen sich auf individueller Ebene entwickeln, z.B. mit neuen Emotionen umgehen + neue Kompetenzen
entwickeln
2. müssen sich auf der Beziehungsebene entwickeln  sind gezwungen, neue Beziehungen zu knüpfen, und
gleichzeitig verlieren alte Beziehungen an Bedeutung
3. müssen sich den neuen Kontext aneignen, der sie zum Beispiel mit neuen Zeitstrukturen und Regeln konfrontiert.

Entwicklung als Aufgabe


= hilfreiches Konzept für das Verständnis von Transitionen
- Menschen werden im gesamten Lebenslauf immer wieder vor Entwicklungsaufgaben gestellt  erfolgreiche
Bewältigung für die weitere Entwicklung bedeutsam
- Einzelne Entwicklungsabschnitte werden betrachtet und lebensphasenspezifische Lernherausforderungen benannt
und beschrieben
- Übergang in eine Kindertagesstätte = Entwicklungsaufgabe
- jeweilige Entwicklungsaufgabe wird keinesfalls als isolierte individuelle Leistung des Kindes betrachtet 
Zusammenwirken von individueller Leistungsfähigkeit, kulturellen Erwartungen und individuellen Zielsetzungen
- heute: Bewusstsein, dass Kinder angemessene Ressourcen zur Verfügung haben müssen, um den Übergang zu
bewältigen
- wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung des Übergangs in die Kindertagesstätte = Erfüllung der seelischen
Grundbedürfnisse der Kinder (
- erstes Lebensjahr: Bindung; zweites/drittes Lebensjahr: Grundbedürfnisse nach Autonomie und Kompetenzerleben

Bindung und Exploration


= zweite zentrale Grundlage für das Verständnis von Übergängen = Bindungstheorie bzw. die Bindungsforschung  hat
gezeigt, dass Säuglinge von Geburt an über ein Verhaltenssystem verfügen ermöglicht es zu einer oder mehreren Personen
eine enge Bindung herzustellen
- Bindungsverhalten zielt darauf ab, Nähe herzustellen oder aufrechtzuerhalten (Überlebensnotwendig)
- Komplementär zeigen sie ein Explorationsverhalten = Grundlage jeglichen Lernens
- Kann also nur das Bindungs- oder das Explorationsverhaltenssystem aktiviert sein
- wenn die Bindungsbedürfnisse des Kindes befriedigt sind  Exploration seine Umgebung  kommt es einem
Unwohlsein wird das Bindungsverhalten aktiviert
- Antwortverhalten der Eltern = Pflegeverhaltenssystem, mit dem Begriff Feinfühligkeit charakterisiert
- feinfühliges Verhalten, also die Wahrnehmung, korrekte Deutung und Reaktion auf die Bedürfnisse des Kindes, gilt
als Voraussetzung für den Aufbau einer emotional vertrauensvollen Beziehung
- vertrauensvolle Beziehung = sichere Basis, von der aus, Kinder die Welt erkunden können
 Dieser Zusammenhang wird im Kontext der frühen Transitionen auf die Gestaltung des Übergangs übertragen

Die Eingewöhnung
Ziel: Herstellung einer vertrauensvollen Beziehung als sichere Basis für die Kinder.
- elternbegleitete, bezugspersonenorientierte und abschiedsbewusste Eingewöhnung = Qualitätsstandard setzt
Erkenntnisse der Bindungsforschung um
- Elternbegleitet: Eltern nehmen zunächst am Alltag der Kindertagesstätte teil, um den Kindern als sichere Basis zur
Verfügung stehen, von der aus sie die Kita, aber vor allem auch die neuen Menschen kennenlernen können
- Bezugspersonenorientiert: eine Erzieherin widmet sich dem Kind intensiv, um eine vertrauensvolle Beziehung
aufzubauen und um auf diese Weise zu einer sicheren Basis für das Kind zu werden
- Abschiedsbewusst: klar und transparent kommunizierter Abschied, zu dem das verinnerlichte Vertrauen gehört,
dass die Mutter wiederkommt

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Empirische Forschungen: Eingewöhnung ohne die Eltern = extreme Belastung für die Kinder, auch wenn sie zum Teil
weniger protestieren
Erfolg der Eingewöhnung lässt daran erkennen, dass das Kind bei der Erzieherin Trost und Hilfe sucht  die Erzieherin =
sichere Basis für das Kind
Erzieher übernehmen eine der Mutter partiell ähnliche Funktion für die Kinder  von Erzieher-Kind-Bindung gesprochen
Fünf Merkmale einer gelingenden Erzieher-Kind-Beziehung:
 Zuwendung, z. B. in Form von emotionaler und warmer Kommunikation,
 Sicherheit, z. B. in Form von Verfügbarkeit in Problemsituationen,
 Stressreduktion, z. B. in Form von Trost und Unterstützung in misslichen Lagen,
 Explorationsunterstützung, z. B. in Form von Ermutigung und Unterstützung,
 Assistenz, z. B. in der Bearbeitung von negativen Emotionen.

Kinder unter drei Jahren


 Eingewöhnung gilt als besondere Herausforderung in der Praxis und macht deutlich, dass Eltern und Fachkräfte eng und
kooperativ zusammenarbeiten müssen
- Durch Kommunikation und Partizipation sollte Einigkeit und Übereinstimmung entwickelt werden, damit der
jeweilige Übergang gelingen kann
Es lassen sich im Vergleich zu älteren Kindern einige Besonderheiten benennen:
1. Mütter und Väter ganz junger Kinder = besonders in elterlichen Identität berührt  stellen sich häufig eine Reihe
an Fragen, die gesellschaftlich evoziert sind, wie zum Beispiel die Frage, ob kleine Kinder fremd betreut werden
sollten.  sind mit Vorurteilen, Schuldgefühlen und Zweifeln konfrontiert
bei ganz jungen Eltern kann der Übergang in die Elternschaft noch nicht abgeschlossen sein, was weitere
psychosoziale Probleme hervorrufen kann  dient die enge Kooperation mit den Eltern nicht nur der Begleitung
der Eingewöhnung der Kinder, sondern auch der Unterstützung der Eltern selbst
Ziel: Eltern in ihrer Identitätsarbeit zu unterstützen und sie mit ihren Emotionen nicht allein zu lassen
2. Für Kinder unter drei Jahren ist der Aufbau einer engen Beziehung zu einer Erzieherin = ganz besonderer
Bedeutung + besondere Herausforderung
Erst auf dieser Basis kann das Kind die Angebote der Kindertagesstätte
Im ersten Jahr benötigt das Kind häufige, individuelle und fürsorgliche Zuwendung, die seine Signale unmittelbar
beantwortet  muss auch körperliche Nähe beinhalten und ist in Kindertagesstätten aufgrund der Gruppengrößen
häufig schwierig umzusetzen
Im zweiten Jahr befinden sich Kinder häufig in der „Fremdelphase“  Bindungssystem wird sehr schnell aktiviert
+ der Körperkontakt zur Mutter wird benötigt  sehr sanfte Eingewöhnung häufig hilfreich
3. Kinder in den ersten drei Jahren erleben häufig negative Gefühle, wie zum Beispiel Aggressionen, Neid oder
Eifersucht, die sie noch nicht alleine bewältigen können, und brauchen hierbei Unterstützung durch die Erzieher
Die Rolle der Fachkraft in der Eingewöhnung

Die Rolle der Fachkräfte in der Eingewöhnung


Fachkräfte = Übergangsexperten:
1. berücksichtigen die Erwartungen und Vorerfahrungen der Eltern (
2. nehmen die Bedürfnisse und Vorerfahrungen der Kinder wahr, die sehr unterschiedlich sozialisiert sein können
3. stellen bindungstheoretisches Fachwissen zur Verfügung und kommunizieren dies gegenüber den Eltern
4. initiieren und moderieren die Kommunikation mit den Eltern, tragen Sorge dafür, mit den Eltern klare Absprachen
zu treffen
5. gestalten die Beziehung zum Kind feinfühlig und reagieren auf die jeweiligen
6. nehmen die Sorgen der Eltern wahr und geben Raum zur Kommunikation.
7. gestalten die täglichen Übergabesituationen
8. informieren die Eltern über alle relevanten Aspekte, die ihr Kind betreffen, um ihnen auch nach einer ersten
Trennung Sicherheit zu geben
Gestaltung der Eingewöhnung ist mittels speziell entwickelter Eingewöhnungskonzepte möglich

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Das Münchener Eingewöhnungsmodell
= basiert auf zwei theoretischen Hintergründen - Erkenntnisse der Transitionsforschung und die grundlegende Idee des
kompetenten Säuglings (Kerngedanke: Kinder von Geburt an als kompetent und reich an Möglichkeiten) = nicht als
passive Empfänger von Hilfe durch die Erwachsenen verstanden. Bereits Säuglinge äußern ihre Bedürfnisse, erforschen ihre
Umwelt und gehen von Anfang an Beziehungen zu ihren Bezugspersonen ein  Äußerungen der kleinen Kinder für den
Verlauf der Eingewöhnung im Rahmen des Münchener Modells von großer Bedeutung.

Handlungskonzept
Ziele werden für die Gestaltung des Eingewöhnungsprozesses formuliert:
1. Alle Beteiligten gestalten die Zeit aktiv mit und unterstützen sich gegenseitig.
2. Erst wenn die Kindertagesstätte für das Kind keine fremde Situation mehr darstellt, verabschieden sich die Eltern.
3. Eingewöhnende Kind entscheidet aktiv über Ablauf der Eingewöhnung  Bedürfnisse sind maßgeblich für Tempo

Fünf Phasen der Eingewöhnung werden unterschieden:


1. Vorbereitungsphase: Information der Eltern und Kennenlernen sowie Austausch zwischen den Eltern und den
Fachkräften  Bezugserzieherin stets anwesend, da sie zur zentralen Ansprechpartnerin der Eltern werden soll
2. Kennenlernphase: dauert circa eine Woche, Schnupperwoche
Kind besucht gemeinsam mit den Eltern an mehreren Tagen für einige Stunden die Kindertagesstätte und hat somit
Gelegenheit, in Ruhe zu erkunden, was die Kindertagesstätte zu bieten hat
Kind darf nach seinen Interessen und Tempo die Einrichtung erkunden  wird eingeladen, an Aktivitäten
teilzunehmen, aber keinesfalls gedrängt
Anwesenheit der Eltern = unverzichtbar, weil sie die sichere Basis für das Kind darstellen
Wichtig: Kind soll Alltag umfassend erleben und nicht nur einen Ausschnitt  besonders die Wahrnehmung der
Interaktionen zwischen Kindern und Erziehern sind wichtig, da das Kind anhand der Interaktionen erkennen kann,
Erzieher die Rolle der Eltern. Darüber hinaus kann das Kind anhand der Gleichaltrigen erkennen, was es hier
erwartet
3. Sicherheitsphase: Eltern weiterhin vor Ort
Bezugserzieherin geht stärker auf das Kind zu + versucht, an möglichst vielen Stellen die Rolle der Eltern zu
übernehmen  zeigt dem Kind, dass sie zuständig ist + baut eine unterstützende Beziehung auf Wichtig: , dass sie
Bedürfnisse des Kindes wahrnehmen
Ziel: Sicherheit, Kinder können Ereignisse langsam vorhersehen und entwickeln zunehmendes Vertrauen in
Erzieher
4. Vertrauensphase: wenn das Kind die Sicherheit empfindet  Kind kann Eltern gehen lassen.
Um diese Phase zu erkennen = genaue Beobachtung wichtig  Vertrautheit des Kindes sichtbar, dass es sich auch
an Erzieher wendet, um Hilfe oder Unterstützung zu erhalten
keine Garantie, dass die Trennung ohne Tränen oder Protest verläuft, da Trennungen fast immer Stress für die
Kinder bedeuten
Wichtig: erste Trennung durchzusprechen, sodass alle wissen, warum sie jetzt erfolgt  transparente Entscheidung
Abgeschlossen, wenn Kind mit der Verabschiedung einverstanden ist oder wenn es sich nach der Verabschiedung
schnell wieder beruhigt und in Kontakt zu anderen Kindern oder der Erzieherin geht. Trauert es sehr lange oder
zieht es sich zurück, sollte die Vertrauensphase verlängert werden
5. Auswertungs- und Reflexionsphase: primär für Erwachsene, bietet Raum, die entstandene Bildungs- und
Erziehungspartnerschaft zu würdigen und die kommende Zusammenarbeit zu planen.

3.3 Der Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule


= Herausforderung für Kinder und ihre Eltern
- Beide stehen einer Reihe neuer Aufgaben gegenüber: Zum Beispiel: neue Strukturen aneignen, neue Beziehungen
zu Menschen aufbauen und neue Handlungsmuster erlernen  sind sie mit Unsicherheiten konfrontiert
- erforderlichen Anpassungsleistungen müssen von Kindern und Eltern erbracht werden, aber auch Kindergarten und
Schule müssen für einen erfolgreichen Übergang entscheidende Beiträge leisten Bedeutung einer professionellen
Gestaltung des Übergangs

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Bedeutung einer professionellen Gestaltung des Übergangs
= ist in den vergangenen Jahren aufgrund vielfältiger gesellschaftlicher Entwicklungen gestiegen:
1. veränderte Bedingungen des Aufwachsens = Kinder bringen zunehmend körperliche, seelische und soziale
Überforderungen mit. Werden diese sehr heterogenen Lernvoraussetzungen nicht berücksichtigt, kommt es zu
vielfältigen negativen Rückmeldungen und einem Ausschluss der Kinder.
2. Abnahme primärer Bezugspersonen = nimmt Bedeutung sekundärer Bezugspersonen zu  steigt Verantwortung
von Fachkräften, die nötigen Unterstützungsleistungen zu erbringen
3. sozialen und gesellschaftlichen Selektionsmechanismen  steigt die Anzahl an Übergangsverlierern und
Risikokindern, die den Anschluss im Bildungssystem frühzeitig verlieren. Auslöser: z.B. Armut, die frühe Weichen
der Selektion darstellen.
4. In vergangenen Jahren wurde große Bedeutung der Sprache für die kindliche Entwicklung und den Schulerfolg von
Kindern ersichtlich. Sprachförderung = wichtigen Überschneidungsbereich von Kindergarten und Grundschule
Sprachstandserhebungen und Sprachförderung dürfen daher nicht erst in der Grundschule beginnen
5. Diskontinuitäten in Bildungsbiografien nehmen zu und müssen zusätzlich zu den Übergängen von Kindern und
Eltern bewältigt werden
Ausschlaggebend für Übergangsgestaltung: Schulsystem selbst
In Abhängigkeit vom Schulsystem stellt sich die Frage nach dem Übergang in sehr unterschiedlicher Form: Länder mit einer
längeren gemeinsamen ersten Schulphase – wie zum Beispiel Schweden mit einer neunjährigen Grundschule – lösen einen
deutlich verringerten Selektionsdruck aus  Übergang verliert deutlich an Bedeutung, weil ausreichend Zeit für das
Ankommen und die Lernentwicklung der Kinder gegeben ist
Nichtsdestotrotz hat sich auch international die Erkenntnis durchgesetzt: guter Start wichtig für die gesamte Grundschulzeit

Niederschlag in Gesetzen
Angesichts der Bedeutung des Übergangs: gesetzliche Vorgaben entwickelt, welche Grundschulen und Kindergärten dazu
auffordern und zum Teil verpflichten, entsprechende Kooperationen und individuelle Fördermaßnahmen zu entwickeln
Ziel: Anschlussfähigkeit von Kindergärten und Schulen zu verbessern  Forderungen und Empfehlungen in den
spezifischen Schulgesetzen der Bundesländer, in den Bildungs- und Erziehungsplänen sowie in den jeweiligen
Ländergesetzen

Herausforderungen für die Kinder


Drei Bereiche differenzieren, in denen die Kinder herausgefordert werden:
1. Personale Herausforderungen: Kinder müssen sich in ihrer Identität vom Kindergartenkind zum Schulkind
entwickeln und Emotionen wie Neugier, Vorfreude, Stolz, Unsicherheit und Angst bewältigen. Als Schulkind:
andere und deutlich höhere Anforderungen  selbstständiger arbeiten, neue Regeln einhalten, neue
Kulturtechniken und Verhaltensweisen erlernen und vermehrt Arbeiten erledigen, die von Unlust geprägt sind.
2. Beziehungen: Kinder müssen eine Reihe unterschiedlicher Beziehungsveränderungen bewältigen  neue
Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschülern aufbauen und mit dem Verlust oder der Veränderung bestehender
Beziehungen zu Erziehern oder Freunden klarkommen. Auch die Beziehungen zu den Eltern verändern sich
aufgrund neuer Erwartungen der Eltern.
3. Umfeld: Kinder müssen sich Schule als Lebensbereich aneignen, der unterschiedlichste Anforderungen an sie stellt.
Beispiele sind die Funktionalität der Räume sowie Zeit- und Lernvorgaben

Chancen und Risiken des Übergangs


Notwendigkeit, Übergänge professionell zu begleiten = durch empirischen Untersuchungen deutlich  30–45 Prozent der
Kinder und Eltern erleben Übergangsprobleme
schlimmsten Fall: Zurückstellungen, Verweisen oder einem Wechsel an eine Förderschule
Frühe Selektions- und Stigmatisierungserfahrungen, welche eine fortgesetzte negative Entwicklung anstoßen = Folge
Erfolgreicher Übergang: Kind fühlt sich an Schule wohl  wesentlichen Beitrag zum Wohlfühlen: soziale Umfeld, indem es
die Leistungen und Fortschritte des Kindes anerkennt, seine Interessen wahrnimmt und das Kind somit soziale Bestätigung
erfährt  Übergangsbewältigung auch eine Kompetenz des sozialen Systems
System muss Erfolge ermöglichen und soziale Bestätigung zukommen lassen

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Einen weiteren Beitrag zum Wohlfühlen: soziale Integration der Kinder. In Abhängigkeit von der sozialen Einbindung, der
Entwicklung von neuen Beziehungen, entwickelt sich die Motivation der Kinder, zur Schule zu gehen  aufseiten der
Kinder sind zunächst soziale Kompetenzen wichtiger als kognitive Kompetenzen
Übergang gilt auch als Chance  neuen Anforderungen = intensive Entwicklungsanreize, die Ressourcen der Kinder
freisetzen können und immense Leistungen der Kinder provozieren  „verdichteten Entwicklungsanforderungen“, auf
die die Kinder mit verstärkter Lernbereitschaft reagieren

Probleme der Zusammenarbeit


erfolgreiche Unterstützung der familiären und kindlichen Anpassungsleistungen = Kooperation von Kindergarten und Schule
als zentral
Kooperation trotz gesetzlicher Verpflichtungen nach wie vor nicht ausreichend umgesetzt
Hierfür werden unterschiedliche Erklärungen herangezogen:
1. Beide Bereiche sind in unterschiedlichen Theorietraditionen verortet. Elementarbereich: sozialpädagogisch,
lebensweltbezogen und ressourcenorientiert und nicht als Teil des Bildungssystems, ist die eigentlich
bildungstheoretisch verwurzelte Schule: eher qualifikations- und selektionsorientiert  widerspricht dem heutigen
Bildungsverständnis der Kindheitspädagogik
2. Beide Bereiche sind organisatorisch anders verortet. Kindergärten: organisatorisch und juristisch Teil der Kinder-
und Jugendhilfe, Schulen: Kultusbehörden. Organisatorische und kommunikative Probleme sind vorprogrammiert.
3. Zudem scheinen gegenseitige Animositäten des Personals zu bestehen. Möglicherweise: aufgrund unterschiedlichen
Theorietraditionen und den damit verbundenen Denkweisen scheinen sich die unterschiedlichen Fachkräfte
gegenseitig abzulehnen
Um Gräben zu überbrücken:, wird u. a. die Entwicklung einer gemeinsamen Bildungsphilosophie gefordert, 
Konzentration verbindende Elemente
verbindendes Element: Verständnis des Kindes als aktiver Lerner und eine Orientierung an den kindlichen Lernbedürfnissen
 Ausgehend von der Perspektive des Kindes könnten dann die Bildungsziele und -inhalte abgestimmt werden, um den
Übergang kooperativ zu realisieren
gemeinsame Perspektive wurde bereits von der Jugendminister- und Kultusministerkonferenz grundgelegt und als
„Gemeinsamer Rahmen der Länder für die Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“ verabschiedet  Wie sich die
theoretischen und politischen Kooperationsideale empirisch niederschlagen werden, bleibt jedoch abzuwarten.

Umsetzung der Übergangsbegleitung


Wichtige Ausgangslage: Verständnis, dass Kinder, die in die Schule kommen, nicht mit Bildung beginnen, sondern
begonnene Bildungsprozesse fortführen  geht um Gestaltung von Anschlüssen
Vor dem Übergang steht die Förderung von Kompetenzen im Vordergrund, welche den Kindern ihren Übergang in die
Grundschule erleichtern.
vorbereitend keinesfalls um die Vorwegnahme von schulnahen Inhalten, sondern beispielsweise das Interesse der Kinder zu
wecken, sie in ihren sozialen Kompetenzen zu fördern oder sie mit schulischen Strukturen vertraut zu machen, um
Unsicherheiten abzubauen  Kinder in ihren Übergangsbewältigungsfähigkeiten zu fördern
Elemente der Übergangsgestaltung sind zum Beispiel:
 regelmäßige Gespräche zwischen Erziehern und Lehrern,
 der Austausch von Materialien,
 ein gemeinsamer Schnuppertag,
 gemeinsame Feste,
 Patenschaften zwischen Schulklassen und Kindergartengruppen,
 gegenseitige Hospitationen,
 gemeinsame Elternabende und
 gemeinsame Fortbildungen.
Hilfreich: schriftliche und verbindliche Kooperationsvereinbarung erwiesen
Mögliche Inhalte sind
 die rechtlichen Grundlagen der Kooperation, zum Beispiel die entsprechenden Schulgesetze oder die Bildungspläne
der Länder,
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 die Ziele der Kooperation,
 das konkrete Vorgehen und die zeitliche Terminierung der Kooperation, z. B. in Form eines Kooperationsfahrplans
 die Nennung der Kooperationsbeauftragten.

Sind Kinder in der Grundschule angekommen  Ziel: neuen Anforderungen zu kalibrieren, dass sie den individuellen
Kapazitäten der Kinder entsprechen und dementsprechend Über- oder Unterforderungen vermieden werden
ersten beiden Schuljahren über sogenannten Anfangsunterricht gelingen  unterschiedliche Entwicklungsstand
berücksichtigen, keine Noten vergeben und der Aufstieg in das zweite Jahr findet ohne Versetzungsentscheidung
Vordergrund: Lernen mit allen Sinnen, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, entdeckendes Lernen und eine große
Fehlertoleranz
Eine andere Möglichkeit: jahrgangsgemischte Schuleingangsphase = gemeinsamer Unterricht für die Klassen 1 und 2,
Patensysteme, eine flexible Verweildauer und kein Sitzenbleiben und hierüber frühe Stigmatisierungen

Lektion 4: Der Kinderrechtsansatz


4.1 Die Entwicklung der Kinderrechte

Kinderrechte heute
Kinder = von Geburt Träger eigener Rechte  müssen sich diese nicht erarbeiten oder erwerben, sind vielmehr Ausdruck
der jedem Kind innewohnenden und unveräußerlichen Würde.

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Menschenwürde und Kinderrechte = untrennbar: Um die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, bedarf es der
Menschen- und Kinderrechte
Menschenwürde achten, bedeutet respektieren, dass jeder Mensch um seiner selbst willen, als Zweck an sich, existiert und
nicht zum Objekt herabgewürdigt werden darf
Kinder als Rechtssubjekte zu respektieren und zu behandeln sowie ihre Würde zu achten = heute allgemeine
gesellschaftliche Aufgabe
Umsetzung: durch eine kinderrechtsbasierte Einrichtungs- und Praxisreflexion sowie ihre Umgestaltung 
Kindheitspädagogische Fachkräfte müssen mit Kinderrechten vertraut sein und sie in ihrer Bedeutung für die Gestaltung des
Alltags mit Kindern verstehen und umsetzen können

Das Bild vom Kind in historischer Perspektive


heutige Sicht: Kinder = eigene Rechtssubjekte, wie sie sich in den Kinderrechten widerspiegelt  historisch betrachtet
relativ neu  erst innerhalb der vergangenen 100 Jahre entwickelt. Zuvor galten Kinder = nicht vollwertig, den
Erwachsenen unterlegen und waren ihnen nicht rechtlich gleichgestellt
Im Römischen Reich: Vater entschied ob ein Kind leben darf  Kinder hatten kein Recht auf
Erst mit der Betonung von „Caritas“ (der Nächstenliebe) im Christentum: Kinder = Recht auf Leben eingeräumt 
Waisenhäuser entstanden
Ein weiterer Wandel: Aufklärung im 18. Jahrhundert: Kindheit = eigener Lebensabschnitt mit eigenen Bedürfnissen
Kinder = Recht auf Leben und eine besondere Förderungswürdigkeit
19. Jahrhundert: Kindergärten und Schulen als Orte der Erziehung und Bildung + Verbote grober Misshandlung und
unangemessener Züchtigung
20. Jahrhundert: Erste Bestrebungen, Kinder nicht mehr nur als Objekte, sondern individuelle Persönlichkeiten und
Rechtssubjekte zu betrachten
Ende des 20. Jahrhunderts wurden Kinder weltweit als Träger von Rechten anerkannt

Die Geschichte der Kinderrechte


wichtiger Startpunkt für die Entwicklung der heutigen Kinderrechte: 1920  Gründung erste internationale Lobbyverband
für die Interessen von Kindern - das britische Komitee „Save the Children International Union“  verfasste die fünf
Punkte umfassende „Children’s Charter“  kurz darauf vom neu gegründeten Völkerbund übernommen und als „Geneva
Declaration“ verabschiedet
Zeitgleich: forderte der Pädagoge Janusz Korczak ein Recht jedes Kindes auf unbedingte Achtung seiner Persönlichkeit
und setzte es in der Praxis um. Des Weiteren forderte er umfassende Mitwirkungsrechte der Kinder und überwand hiermit
das Verständnis von Kindern als auf Schutz und Förderung angewiesene Objekte. An dessen Stelle tritt ein Verständnis, das
von Gleichwertigkeit und Respekt geprägt ist
Rückschlägen durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg  Vereinten Nationen (UN) nahm die Arbeit an
den Menschenrechten wieder auf
1948: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet  zehn Jahre später auch die Deklaration über die Rechte
des Kindes  war nicht rechtsverbindlich, aber wies Kinder erstmals als Träger eigener Rechte aus und führte wichtigen
Begriff des Kindeswohls ein.
Ab den 1980er-Jahren: Arbeit an einer völkerrechtsverbindlichen Kinderrechtskonvention  Ergebnis wurde im Jahr 1989
einstimmig verabschiedet: Die Konvention über die Rechte des Kindes (KRK)  bis heute das weltweit am meisten
ratifizierte Menschenrechtsübereinkommen und wurde von 194 Staaten ratifiziert

Die Geschichte der Kinderrechte in Deutschland


Erster Schritt: im Jahr 1922 mit Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes  keine Rechtsansprüche, aber es wird in
§ 1 Absatz 1 jedem deutschen Kind ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit
zugesprochen.
Nächster Schritt: Sorgerechtsreform im Jahr 1980, die den Übergang von der elterlichen Gewalt zur elterlichen Sorge
vollzog + § 1626 Absatz 2 in das BGB eingefügt, der die Mitsprache von Kindern an allen sie betreffenden elterlichen
Entscheidungen rechtsverbindlich vorsah.
1990 trat dann das Kinder- und Jugendhilfegesetz in Kraft  ersetzte das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz.

23
 Kinder als Träger eigener Rechte ausgewiesen, so zum Beispiel in § 1 Absatz 1, welcher das Recht jedes jungen
Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen
Persönlichkeit festschreibt. § 8 Absatz 1 formuliert grundsätzliche Beteiligungsrechte, ähnlich denen in der
Kinderrechtskonvention. Die Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung bleiben jedoch ausschließlich Elternrecht. § 45
Absatz 3 SGB VIII verpflichtet Einrichtungen der Jugendhilfe, geeignete Verfahren zur Sicherung der Rechte von Kindern
und Jugendlichen sowie Verfahren der Beteiligung und Beschwerdemöglichkeiten vorzuhalten und anzuwenden.
Im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform von 1998: Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder und Kinder erhielten
das Recht, mit beiden Eltern Umgang zu haben
Weiterer Meilenstein: Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung im Jahr 2000. Mit § 1631 Absatz 2 (BGB) wurde
Kindern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung eingeräumt
Entwicklungen waren wichtige Schritte, trotzdem gelten die Kinderrechte in Deutschland als noch immer nicht umfassend
verwirklicht
Weder findet sich der Vorrang des Kindeswohls im SGB VIII, noch sind Kinder als Träger eigener Rechte im Grundgesetz
vorgesehen. Sie tauchen dort lediglich als Anhang ihrer Eltern auf.

4.2 Die Kinderrechte


Kinderrechte = Menschenrechte für Kinder  Gedanke zugrunde, dass Kinder genau wie Erwachsene Menschen sind und
die gleichen Rechte haben. Gleichzeitig unterscheiden sie sich jedoch von Erwachsenen und haben besondere Bedürfnisse.
Kinder sind zugleich „Seiende“ und „Werdende“.
Ankerkennung der besonderen Bedürfnisse = Erkenntnis, dass Kinder besonderen Menschenrechtsschutz brauchen
verbunden  Jahr 1989 die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) verabschiedet  formuliert keine neuen Rechte, sondern
spezifiziert die allgemeinen Menschenrechte und erweitert sie

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat vier besonders
wichtige Rechte als allgemeine Prinzipien herausgestellt:
Artikel 2: umfassendes Diskriminierungsverbot  verbietet
Benachteiligungen von Kindern aufgrund von individuellen
Merkmalen, wie zum Beispiel Geschlecht, Herkunft oder
Behinderungen.
Artikel 3: räumt bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen der
Berücksichtigung des Kindeswohls einen Vorrang ein.
Artikel 6: schreibt jedem Kind das Recht auf Leben und bestmögliche
Entwicklung zu.
Artikel 12: sichert den Kindern das Recht auf Beteiligung in allen sie
betreffenden Angelegenheiten zu.
Des Weiteren lassen sich Schutz-, Förder-, und Beteiligungsrechte
unterscheiden.

Schutzrechte (Protection)
orientiert sich an traditionellen Kindheitsbildern und Kindheitsverständnissen, gehen von gefährdeten und schutzbedürftigen
Kindern aus
Die Schutzrechte greifen das Leitbild gewaltfreier Erziehung auf und finden ihre Umsetzung in umfassenden und vielfältigen
Präventions-, Hilfs-, und Beratungsangeboten
In einer Dialektik (innerer Widerstand in Dingen) stehen sie den eigenständigen Rechtsansprüchen der Kinder auf
Beteiligung gegenüber  können Entscheidungsmöglichkeiten und die Wünsche der Kinder in der Praxis massiv
einschränken
Gefahr: kindlichen Erfahrungsräume und Freiheiten werden den Schutzmaßnahmen unterworfen
Die Schutzrechte finden sich in den Artikeln 2, 8, 9, 16, 17, 19, 22, 30, 32, 33 und 38 der Kinderrechtskonvention. Beispiele
sind das Recht auf Schutz der Privatsphäre (16) sowie das Recht auf Schutz vor körperlicher oder geistiger
Gewaltanwendung, Misshandlung oder Vernachlässigung (19).

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Förderrechte oder Versorgungsrechte (Provision)
fokussiert primär infrastrukturelle Aspekte im jeweiligen Land, zum Beispiel die Bereitstellung von Gesundheitsversorgung
und von sozialer Sicherheit
Gleichzeitig wird auf internationale Problemlagen, wie zum Beispiel Hungersnöte, fehlende Bildungsinfrastrukturen oder die
Unterdrückung religiöser Gruppen verwiesen
Die Förderrechte bzw. Versorgungsrechte finden sich in den Artikeln 6, 10, 15, 17, 18, 23, 24, 27, 28, 30, 31 und 39.
Beispiele sind das Recht auf Leben und bestmögliche Entwicklung (6), das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit (14), das Recht auf Zugang zu Medien (17), das Recht auf Bildung von Geburt an (28) und das Recht auf
Spiel (31).

Beteiligungsrechte oder Partizipationsrechte


„Kinder als Träger von Rechten zu begreifen heißt auch, sie an allen Angelegenheiten, die sie betreffen, zu beteiligen“
Die Beteiligung kann sehr unterschiedlich interpretiert werden, da sie aus Perspektive der Erwachsenen eingeschränkt wird.
Die Beteiligung soll sich nach § 12 der Kinderrechtskonvention an den sich entwickelnden Fähigkeiten der Kinder
orientieren. Kinder = Rechtssubjekte, können aber ihre Rechte nicht selbst ausüben, da ihr Recht durch Erwachsene
interpretiert und kanalisiert wird. Beispiele für Beteiligungsrechte sind das Recht auf Berücksichtigung der Meinung des
Kindes (12), das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Informationsbeschaffung und Informationsweitergabe (13)
und das Recht auf Nutzung der Medien (17).

4.3 Der Kinderrechtsansatz in Kindertageseinrichtungen


Umsetzung bedeutet, sämtliche Aspekte der Kita, wie zum Beispiel alltägliche Verrichtungen, das Leitbild oder die
Eingewöhnungsphase, an den Rechten der Kinder zu orientieren  keineswegs einfach.
Grund: besondere Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern.
Die Kinder sollen im Kinderrechtsansatz zwar genau wie Erwachsene als Träger eigener Rechte gesehen werden, aber die
Erwachsenen haben die Verantwortung für die Realisierung der Kinderrechte. Es besteht also ein asymmetrisches Verhältnis
zwischen Fachkräften und Kindern. Die Fachkräfte müssen demgemäß ihre Macht im Sinne der Kinder einsetzen
Gleichzeitig: eigene Interessen und müssen beide Interessen ausbalancieren
Schwierig: die Umsetzung von Beteiligung, die durch die Fachkräfte ermöglicht werden muss  Beteiligungsmöglichkeiten
sind für die Fachkräfte z. T. mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden und können zudem zu Entscheidungen führen, die
die Fachkräfte nicht favorisieren  widerspricht ihren eigenen Interessen und verleitet dazu, die Beteiligung auf ein
Mindestmaß bzw. eine Scheinbeteiligung zu reduzieren.
Vier grundlegende Prinzipien liegen der Umsetzung der Kinderrechte zugrunde:
1. Universalität: Kinderrechte gelten für alle Kinder. Dementsprechend darf in einer kindheitspädagogischen
Einrichtung nicht nur eine Gruppe an Kindern beteiligt werden. Auch zum Beispiel Kinder mit einer Behinderung,
die sich nicht so einfach äußern können, müssen beteiligt werden.
2. Unteilbarkeit: nicht nur eines oder wenige der Kinderrechte dürfen umgesetzt werden. Dementsprechend dürfen
Fachkräfte zum Beispiel nicht das Recht auf Beteiligung aussparen, weil es unbequem oder arbeitsaufwendig ist.
3. Die Kinder werden als Träger eigener Rechte angesehen, die sie nicht erwerben müssen  Rechte dürfen in der
Praxis nicht von bestimmtem Verhalten oder individuellen Eigenschaften, wie zum Beispiel dem Alter, abhängig
gemacht werden
4. Die Erwachsenen sind die Verantwortungsträger für die Umsetzung der Kinderrechte  kindheitspädagogischen
Fachkräfte müssen sicherstellen, dass die Kinderrechte in ihrer Einrichtung umgesetzt werden.

In kindheitspädagogischen Institutionen in Deutschland sind insbesondere die folgenden Kinderrechte von Bedeutung:
1. Das Diskriminierungsverbot (Artikel 2 KRK): Kinder dürfen aufgrund von spezifischen Merkmalen, wie zum
Beispiel dem Geschlecht oder der Herkunft, nicht benachteiligt werden.
kindheitspädagogische Einrichtungen müssen allen Kindern gleichermaßen leicht zugänglich sein müssen.
2. Das Recht auf Vorrang des Kindeswohls (Artikel 3 KRK): Das bedeutet, dass in allen das Kind betreffenden
Entscheidungssituationen das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt werden muss. Es geht darum, was dem
Kind guttut (Bedürfnisse und Rechte) und was es selbst will (Kindeswille). Das Konzept Kindeswohl und somit

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auch die fraglichen Entscheidungen sollen sich also neben dem Kindeswillen an den Grundrechten und an den
Grundbedürfnissen der Kinder orientieren.
3. Das Recht auf Berücksichtigung des Kindeswillens (Artikel 12 KRK): Der Wille der Kinder soll entsprechend
ihrem Entwicklungsstand in allen sie betreffenden Entscheidungen berücksichtigt werden
4. Die vorrangige Verantwortung der Eltern für das Kindeswohl und ihr Anspruch auf Unterstützung zur
Nutzung von Betreuungseinrichtungen im Falle von Berufstätigkeit (Artikel 18 KRK): Die vorrangige
Verantwortung der Eltern umzusetzen, bedeutet zum Beispiel, sie in alle Belange, die ihr Kind in der Einrichtung
betreffen, intensiv miteinzubeziehen.
5. Das Recht auf Schutz vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Misshandlung oder
Vernachlässigung, einschließlich des sexuellen Missbrauchs (Artikel 19 KRK): Dies bedeutet z. B., dass
kindheitspädagogische Einrichtungen Schutzkonzepte entwickeln und umsetzen müssen.
6. Das Recht auf besondere Förderung von Kindern mit Behinderung (Artikel 23 KRK): Dieses Recht
umzusetzen, bedeutet zum Beispiel, alle Prozesse und Strukturen in einer Einrichtung so zu gestalten, dass auch
Kinder mit Behinderung teilnehmen können.
7. Das Recht auf Bildung von Anfang an (Artikel 28 KRK): Dieses Recht umzusetzen bedeutet u. a., auch kleinere
Kinder in Einrichtungen nicht „nur“ zu betreuen, sondern ihnen vielfältige Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung
zu stellen.
8. Die Orientierung an Bildungszielen, die darauf gerichtet sein müssen, die Persönlichkeit, die Begabung und
die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen (Artikel 29 KRK):
Dieses Recht umzusetzen bedeutet, Bildungsziele in kindheitspädagogischen Institutionen nicht an politischen oder
ökonomischen Interessen, sondern an der Entfaltung der Kinder auszurichten.
9. Das Recht auf Spiel, Freizeit, Ruhe und Erholung (Artikel 31 KRK): Das bedeutet zum Beispiel, dass Kinder in
kindheitspädagogischen Einrichtungen auch Räume und Zeiten für Ruhe und Erholung vorfinden müssen.

Maywald identifiziert die folgenden alltäglichen Situationen, Prozesse und Strukturen, die entsprechend den Kinderrechten
reflektiert und gestaltet werden sollten:
 die erste Begegnung,
 die Eingewöhnung,
 Begrüßung und Ankommen am Morgen,
 das freie Spiel,
 Angebote und Projekte,
 Gestaltung der Mahlzeiten,
 Körperpflege und kindliche Sexualität,
 Rückzugsmöglichkeiten,
 die Verabschiedung am Nachmittag und
 der Übergang in die Schule.
Ergänzend zur konkreten Umsetzung der Kinderrechte im Alltag ist die Kinderrechtsbildung eine wichtige Aufgabe  Ziel:
Kinder über ihre Rechte altersangemessen zu informieren und sie darin zu unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen
Sie ist auf drei Ebenen umzusetzen:
1. Fachkräfte sollten Vorbild in Sachen Kinderrechte sein und die Kinder in ihren Rechten achten. An diesem Vorbild
können die Kinder die Kinderrechte modellhaft nachvollziehen.
2. Die Kinderrechte sollten in altersgerechten Bildungsangeboten konkret vermittelt werden, zum Beispiel über Bilder,
Filme, Erzählungen und Gespräche.
3. Die Kinder sollten Gelegenheit erhalten, rechtebasierte und demokratische Verhaltensweisen auszuprobieren und
einzuüben. Partizipation z. B. können die Kinder am besten nachvollziehen, wenn sie selbst an einer Entscheidung
beteiligt werden.

Kinderrechtsbasierte Eckpunkte guter Qualität

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Die Deutsche Liga für das Kind hat die Kinderrechte in Qualitätsrichtlinien für die Gestaltung von Kindertageseinrichtungen
übersetzt  wurden fachliche Mindestanforderungen formuliert, die sicherstellen, dass Kinderrechte umgesetzt werden
können und die zugleich konkrete Anregungen für die Gestaltung von Einrichtungen geben.
Orientierungsqualität
1. Leitbild + schriftliche Konzeption sollen vorhanden sein (u. a. Artikel 18 KRK).
2. Das Leitbild soll an den Kinderrechten, am Vorrang des Kindeswohls und an den Grundbedürfnissen von Kindern
orientiert sein (u. a. Artikel 2, 3 und 12 KRK).
3. Die Konzeption soll den Bildungsplan des jeweiligen Bundeslandes konkretisieren und die unterschiedliche soziale,
kulturelle und sprachliche Herkunft von Familien sowie die Situation im Sozialraum berücksichtigen. Zudem soll
die Konzeption den Anforderungen an die Inklusion von Kindern mit einer Behinderung gerecht werden (u. a.
Artikel 23, 28, 29 KRK).
4. Das Leitbild und die Konzeption sollen allen Akteuren zur Verfügung stehen. Insbesondere die Eltern sollen
informiert werden (u. a. Artikel 18 KRK).
5. Das Leitbild und die Konzeption sollen permanent weiterentwickelt werden (u. a. Artikel 3 KRK).
6. Fachkräfte sollen regelmäßige Fort- und Weiterbildungen absolvieren (u. a. Artikel 3 KRK).
7. Die Fachkräfte sollen über ein reflektiertes Verständnis ihrer eigenen Rolle und ihres Verhaltens verfügen (u. a.
Artikel 3 und 12 KRK).
Strukturqualität
1. Eine den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende Fachkraft-Kind-Relation soll regelmäßig gegeben sein.
Diese ist abhängig vom Alter der Kinder, vom jeweiligen Förderbedarf und der Gruppenzusammensetzung (u. a.
Artikel 2, 3, 23, 29 KRK).
2. Die Gruppengröße soll in Abhängigkeit von Alter und Alterszusammensetzung der Kinder festgelegt werden und
sich hierbei an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Je jünger die Kinder sind, desto kleiner sollte die
Gruppe sein (u. a. Artikel 3 und 7 KRK).
3. Die Gruppenzusammensetzung soll derart gestaltet sein, dass für jedes Kind genügend gleichaltrige Spielpartner
gegeben sind (u. a. Artikel 3 und 31 KRK).
4. Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder sollen durch ausgebildete Fachkräfte durchgeführt werden (u. a.
Artikel 3 und 28 KRK).
5. Die Fachkräfte sollen die für die jeweilige Arbeit notwendigen spezifischen Kenntnisse und Kompetenzen besitzen.
Zum Beispiel müssen für die Arbeit in einer Krippe spezifische entwicklungspsychologische, rechtliche,
pädagogische und pflegerische Kenntnisse zur Arbeit mit kleinen Kindern vorliegen (u. a. Artikel 3, 28, 29 KRK).
6. Die Leitung der Einrichtung soll wissenschaftlich ausgebildet sein und z. B. Kenntnisse in den Bereichen der
kindlichen Entwicklung, der kindlichen Bildung, der Arbeit mit Eltern, der Familienberatung, des Rechts und des
Sozialmanagements haben (u. a. Artikel 3 KRK).
7. Mindestens 16,5 Prozent der Arbeitszeit der Fachkräfte soll für mittelbare Tätigkeiten vorbehalten sein. Gemeint
sind Tätigkeiten, die nicht die unmittelbare Betreuung der Kinder betreffen (u. a. Artikel 3 KRK).
8. Die Leitung soll ausreichend Zeitkontingente für Leitungsaufgaben zur Verfügung haben (u. a. Artikel 3 KRK).
9. Jede Gruppe einer Kindertagesstätte verfügt mindestens über einen Gruppen- und einen Nebenraum mit mindestens
fünf bis sechs Quadratmetern pro Kind. Des Weiteren sollen Schlaf- und Sanitärräume sowie Spielflächen im
Innen- und Außenbereich zur Verfügung stehen (u. a. Artikel 3, 28, 31 KRK).
10. Die Raumausstattung soll vielfältige Sinneserfahrungen, Spiele, Erholung, Ruhe sowie Bewegung ermöglichen. Die
gegebene Ausstattung soll altersangemessen und entwicklungsfördernd sein (u. a. Artikel 31 KRK).
Prozessqualität
1. Die Eingewöhnung soll nach anerkannten Standards und unter Einbezug der Eltern durchgeführt werden (u. a.
Artikel 3 und 18 KRK).
2. Während der Eingewöhnung steht eine Fachkraft für den Beziehungsaufbau und als zentrale Bezugsperson zur
Verfügung. Eine vertraute und verlässliche Beziehung soll erreicht werden. Die Fachkraft soll zugleich
Ansprechpartnerin für die Eltern sein.
3. Eine beziehungsvolle Pflege und wertschätzender Dialog sollen Grundlage des pädagogischen Handelns sein. Die
Fachkräfte sollen feinfühlig, responsiv und wertschätzend agieren.

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4. Die Fachkräfte sollen einen autoritativen und gewaltfreien Erziehungsstil pflegen. Grenzen sollen situations- und
altersangemessen gesetzt werden, aber nicht aus rein disziplinarischen Gründen (u. a. Artikel 3, 12, 19 und 29
KRK).
5. Der Tagesablauf soll ein ausgewogenes Verhältnis von Struktur und Flexibilität bieten (Artikel 3 und 31 KRK).
6. Bildungsangebote sollen in allen Bildungsbereichen gegeben sein und eine individuelle Förderung jedes Kindes
unabhängig von seiner Herkunft oder Behinderungen ermöglichen (u. a. Artikel 2, 28 und 7 KRK).
7. Den Kindern soll eine gesunde Ernährung zur Verfügung gestellt werden (u. a. Artikel 3 KRK).
8. Die Fachkräfte sollen in Erster Hilfe ausgebildet sein (Artikel 3 KRK).
9. Hinweise auf Gefahren und Gewalt sollen ernst genommen werden. Die Einrichtungen sollen über ein
Schutzkonzept verfügen und der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung soll erfüllt werden (u. a. Artikel 3 und
19 KRK).
10. Freundschaften zwischen den Kindern sollen unterstützt und gefördert werden (u. a. Artikel 3 und 31 KRK).
11. Kinder sollen altersgerecht an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (u. a. Artikel 3 und 12 KRK).
12. Beobachtung und Dokumentation sollen fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit sein. Sie sollen u. a. den
Dialog mit Eltern und Kindern unterstützen (u. a. Artikel 12 und 18 KRK).
13. Die Familien der Kinder sollen einbezogen werden. Sie sollen sich willkommen fühlen und Raum und Zeit für
Gespräche soll zur Verfügung stehen (u. a. Artikel 2, 3 und 18 KRK).
14. Die Elternarbeit soll in Form von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften durchgeführt werden, die sich durch
eine regelmäßige und kooperative Planung von Eltern und Fachkräften auszeichnen. Gemeinsam soll die für die
Kinder bestmögliche Unterstützung und Förderung geplant werden (u. a. Artikel 3, 18 und 29 KRK).
15. Die Eltern sollen umfangreich an der Gestaltung der Einrichtung beteiligt werden, zum Beispiel über eine
Elternvertretung und ein Beschwerdemanagement (u. a. Artikel 18 KRK).
16. Die Einrichtung soll in das Gemeinwesen hinein geöffnet werden und für Anregungen von außen offen sein. Die
Ressourcen des Sozialraums sollen für die Kinder und deren Familien genutzt werden (u. a. Artikel 2, 18 und 19
KRK).
17. Die Einrichtungen sollen sich im Sozialraum vernetzen und mit anderen Einrichtungen und Diensten
zusammenarbeiten (u. a. Artikel 3, 19 und 23 KRK).
18. Geeignete Verfahren der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung sollen Anwendung finden.

Lektion 5: Partizipation und Demokratie


5.1 Partizipation, Bildung und Demokratie
Umsetzung von Partizipation in Kindertagesstätten ist weder eine neue Idee noch eine neue Praxis.  Reggio-Pädagogik als
auch der Situationsansatz haben partizipative Aspekte
Seit Ende des 20. Jahrhunderts = über diese Ansätze hinausgehendes und vertieftes Verständnis von Partizipation  Ideal:
auch Kinder in kindheitspädagogischen Institutionen sollen die Gelegenheit bekommen, sich umfassend und auch strukturell
zu beteiligen.
Ein Beispiel für die zunehmende Etablierung dieses Ideals ist der Niederschlag in Rechtekatalogen und Gesetzen.
Partizipation findet sich u. a. zentral in der von den UN verabschiedeten Kinderrechtskonvention sowie im deutschen
Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII).
Partizipation wird in drei unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert:
 Partizipation und Demokratie,
 Partizipation und Bildung,
 Partizipation und die Qualität pädagogischer Beziehungen.

Partizipation und Demokratie


- Partizipation = Weg, Demokratie erfahrbar zu machen

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- fachliche und politische Diskurs reagiert auf gesellschaftliche Entwicklungen, wie zum Beispiel den in Europa
zunehmenden Rechtspopulismus
- Ziel: Stärkung der Demokratie  um Ziel zu erreichen, wird eine frühzeitige Demokratieförderung angestrebt
- Ein Beispiel ist der Programmbereich „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ im Rahmen des
Bundesprogramms „Demokratie leben!“, der durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) gefördert wird und das Ziel verfolgt, Kindertagesstätten als erste Orte der Demokratie zu stärken
- Partizipationserfahrungen sollen Normen und Werte der Demokratie erfahrbar machen
- Grundannahme derartiger Projekte: Verständnis für das Zusammenleben von Menschen entwickelt schon im
Kindesalter  Idealfall: demokratisch
- Zentraler theoretischer Bezugspunkt: Demokratiepädagogik Ziel: Demokratie praktisch erfahrbar zu machen,
anstatt sie zu lehren
- Gedankengang geht auf den Pädagogen, Philosophen und Demokratietheoretiker John Dewey zurück, der bereits
Anfang des 20. Jahrhunderts einforderte, dass Demokratie als Regierungsform auch die Erfahrung von Demokratie
als Lebensform beinhalten muss  heute: davon ausgegangen, dass Demokratie Gelegenheit und Orte braucht, an
denen Menschen demokratisches Handeln, Strukturen und Prozesse altersgerecht erproben können
- liegt nahe, in kindheitspädagogischen Institutionen Demokratie erfahrbar zu machen, da Kindertagesstätten für viele
Kinder der erste Ort sind, an dem sie die Organisation einer Gemeinschaft erleben, die nicht verwandtschaftlich
geprägt ist
- Konsequenz: Demokratiebildung = elementare Aufgabe von Kitas verstehen  nicht, Demokratie zu unterrichten,
sondern Demokratie über gelebte Beteiligungsprozesse erfahrbar zu machen
- Partizipation gilt also als ein „Schlüssel zur Demokratie“

Partizipation und Bildung


Partizipation ist auf mehrere Weisen mit Bildung verbunden
Partizipation als Ziel und Methode der Bildung
Partizipation als Praxis + die Partizipationsfähigkeit von Kindern = Ziele von Bildung und sind in der Mehrheit der
Bildungspläne der Länder enthalten
Bildungsprozesse sollen dementsprechend die Partizipationsfähigkeit von Kindern fördern und zu einer Realisierung von
Partizipation beitragen.
Andererseits ist Partizipation auch die Methode, mittels derer Partizipationsfähigkeit – im Sinne eines „Learning by Doing“
– erreicht wird. Nur durch Partizipation selbst kann also das Ziel der Partizipation erreicht werden.
Partizipation als konstituierendes Element von Bildung
Ausgehend von einem modernen kindheitspädagogischen Bildungsverständnis, wie es Schäfer (2011) entwickelte, oder auch
vom humboldtschen Bildungsideal, wird deutlich  Bildung ist ohne Partizipation nicht denkbar  Bildung wird
vorwiegend als Selbstbildung verstanden – als individueller und aktiver Prozess der Auseinandersetzung mit der Welt, in
welchem Bekannte mit Neuem verknüpft wird.
Bildung wird nicht in ein passives Gefäß eingegossen, sondern ist auf Entscheidungen der Kinder angewiesen  Kinder
„müssen“ sich entscheiden – und entscheiden dürfen – welchen Gegenstand der Welt sie sich aneignen möchten
Orientierung an den Interessen der Kinder = Schlüssel für Bildungsprozesse
Partizipation und die Qualität pädagogischer Beziehungen
Qualität pädagogischer Beziehungen und Interaktionen = eng mit dem Gedanken von Partizipation verbunden.
Partizipationsprozesse = auf anerkennende und respektvolle pädagogische Beziehungsgestaltung angewiesen
Nur wenn die Äußerungen der Kinder wahrgenommen und berücksichtigt werden, kann Partizipation realisiert werden 
Fachkräfte müssen sich also grundlegend mit der Gestaltung pädagogischer Beziehungen beschäftigen, wenn sie
Partizipation umsetzen möchten  beinhaltet: Reflexion der eigenen Haltung gegenüber Kindern, des Rollenverständnisses
in der Erwachsenen-Kind-Interaktion
= Partizipationsprozesse und die Qualität pädagogischer Beziehungen beeinflussen sich

5.2 Partizipation in kindheitspädagogischen Institutionen

Definition Partizipation

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Partizipation kann unterschiedlich umgesetzt und verstanden werden
verschiedenen Verständnisse unterscheiden sich insbesondere bezüglich des Umfangs und der Reichweite der angestrebten
Partizipation  Umstritten ist z. B., über welche Angelegenheiten Kinder mitbestimmen dürfen, etwa, ob sie nur bei
Entscheidungen mitbestimmen dürfen, die ihre eigene Person betreffen, oder ob sie auch in Entscheidungen einbezogen
werden, welche die gesamte Organisation betreffen, wie zum Beispiel die Personalauswahl
Das Wort Partizipation = Lateinisch „participare“ = „teilnehmen, Anteil haben“
Heutige fachlichen Auslegungen: Teilnahme noch keine Partizipation  geht um mehr als nur Teilnahme oder ein
Engagement für eine Sache und auch um mehr als die Übernahme einer Aufgabe
Partizipation thematisiert die Möglichkeiten des Einzelnen, auf seine Umwelt Einfluss zu
„Partizipation heißt, Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und
gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden“.
„Partizipation meint das Recht aller Beteiligten – nicht von Mächtigen gewährte,Gnade‘ – die eigenen Interessen und
Positionen öffentlich […] auszudrücken, sie in gemeinsame Diskussions- und Entscheidungsprozesse einzubringen,
Lösungsvorschläge zu prüfen und zu diskutieren, um letztlich zu Entscheidungen zu kommen, die von allen oder möglichst
vielen Beteiligten mitgetragen werden“.
 Definitionen zeigen grundsätzliche Kennzeichen von Partizipation auf:
1. Partizipation setzt ein Verständnis von Kindern als Subjekten voraus, also als Menschen mit eigenen Interessen, die
sich einmischen können und wollen
2. Partizipation wird als ein Recht von Kindern gesehen.
3. Partizipation stellt eine „Möglichkeit“ dar und ist dementsprechend freiwillig.
4. Partizipation setzt je eigene Interessen bei allen Beteiligten voraus.
5. Partizipation thematisiert und regelt Einflussmöglichkeiten bzw. Machtverhältnisse.
6. Partizipation findet in sozialen Interaktionen statt.

Partizipation und Macht


In Kindertagesstätten: Beteiligung grundsätzlich an allen Entscheidungen möglich
Durch die Brille der Partizipation kann daher gefragt werden, wer über welche Aspekte entscheidet und wann und wie die
Kinder mitentscheiden können. Partizipation fragt nach Entscheidungsbefugnissen und damit auch nach der Machtverteilung
in einer Institution
Macht nach Max Weber „als jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben
durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“ verstehen.  Fachkräfte sind deutlich im Vorteil  wissen mehr,
haben mehr Ressourcen, mehr Erfahrung, sind sprachgewandter und sind qua ihrer Rolle als Erzieher und Erwachsene mit
mehr Macht ausgestattet
 Fächkräfte müssen Macht als konstituierendes Merkmal von Pädagogik anerkennen und bewusst Macht abgeben, wenn
Partizipation realisiert werden soll
 bedeutet nach Weber, dass den Kindern die Chance eingeräumt wird, ihren Willen durchzusetzen – auch gegen das
Interesse der Fachkräfte
Abgabe von Macht  können im Idealfall ergebnisoffene und symmetrische Aushandlungsprozesse entstehen
Partizipation bedeutet nicht die Abgabe aller Macht an die Kinder
 Insbesondere bei Fragen, die nicht unmittelbar die Kinder betreffen, müssen die Fachkräfte entscheiden, ob und inwieweit
sie die Kinder betreffen und inwieweit diese in Entscheidungen einbezogen werden sollen (

Prinzipien der Partizipation in Kitas


Hansen/Knauer/Sturzenhecker formulieren fünf Prinzipien für die Realisierung von Partizipation in
Kindertageseinrichtungen:
Das Prinzip der Information
Kinder sollten ausreichend informiert werden, worum es im jeweiligen Partizipationsprozess geht. Nur auf der Basis von
Informationen – etwa bezüglich der Tragweite einer Entscheidung für das eigene Leben – können Kinder Entscheidungen
treffen.
Das Prinzip der Transparenz

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Kinder sollten ausreichend über die Prozesse und Strukturen der Partizipation informiert werden  müssen z.B. wissen, wie
und wo Entscheidungen getroffen werden und wann sie auf welche Weise mitentscheiden können
Strukturen und Prozesse müssen also für alle Beteiligten nachvollziehbar sein und dürfen nicht zu komplex sein  hilfreich
gelten wiederkehrende Gremien, Orte, Verfahren und Zeiten, weil sie den Kindern ausreichend Sicherheit geben 
ermöglicht die Zuwendung zu den Sachfragen
Das Prinzip der Freiwilligkeit
Kindern überlassen bleiben, ob, wann und an welchen Verfahren der Beteiligung sie teilnehmen. Das Recht auf Partizipation
schließt auch das Recht ein, keine Meinung zu haben oder sie nicht zu äußern
Das Prinzip der Verlässlichkeit
bezieht sich auf unterschiedliche Aspekte der Partizipation
Zum Ersten: Sicherheit, dass sie in Partizipationsprozessen nicht alleingelassen werden, ihnen Partizipation aber zugetraut
wird. Notwendig: maßvolle Begleitung.
Zum Zweiten: Sicherheit einer verbindlichen Zusammenarbeit mit Fachkräften  Gremiensitzungen müssen wie geplant
stattfinden und Beteiligungsrechte und -verfahren dürfen nicht willkürlich übergangen werden, weil Fachkräften eine
Entscheidung nicht passt
Das Prinzip der individuellen Begleitung
Kinder sollten entsprechend ihren Fähigkeiten und den zu bewältigenden Herausforderungen individuell unterstützt werden.
Z.B. müssen die Fachkräfte wahrnehmen, welche Infos die Kinder benötigen, welche Verfahren sie bewältigen können,…

Gründe für die Realisierung von Partizipation


unterschiedliche Gründe, die für eine Umsetzung von Partizipation in kindheitspädagogischen Institutionen :
1. Kinder haben gemäß der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Partizipation und auch im Kinder- und
Jugendhilfegesetz werden ihnen umfassende Beteiligungsrechte eingeräumt.
2. Durch Partizipation lernen Kinder Demokratie.
3. Partizipation ermöglicht Bildungsprozesse und ist zugleich ein Ziel von Bildung gemäß der Mehrheit der
Bildungspläne der Länder.
4. Partizipation steigert die Qualität kindheitspädagogischer Einrichtungen, weil Qualität erst in der Aushandlung
unterschiedlicher Interessen und Erwartungen entstehen kann.

Ebenen der Partizipation


Partizipation auf der Ebene der Beziehung zwischen Fachkräften und Kindern
durch aktives Zuhören der Fachkräfte und eine Anerkennung der Interessen der Kinder in
der Interaktion umgesetzt, basiert auf einer die Subjektivität der Kinder anerkennenden
Haltung.
Strukturell verankerte Partizipation
in Form einer Kitaverfassung mit spezifischen Beteiligungsverfahren und -gremien
Partizipation in Bezug auf den öffentlichen Bereich
Ausgehend von Partizipation kann es Kindern ermöglicht werden, sich in öffentliche
Angelegenheiten einzumischen, etwa die Gestaltung eines öffentlichen Spielplatzes

Formen der Partizipation


Institutionalisierte Formen der Partizipation
- verankern Beteiligung strukturell in kindheitspädagogischen Einrichtungen
- stellen Kontinuität sicher
- repräsentative Formen handeln, wie zum Beispiel ein gewähltes Kinderparlament, oder offene Formen der
Beteiligung, die allen Kindern offenstehen, wie zum Beispiel Kinderkonferenzen oder Vollversammlungen
- Die wichtigsten institutionalisierten Formen sind
1. Gruppenkonferenz: wiederkehrendes Dialogforum für alle Kinder einer Gruppe
2. Formlose Kinderkonferenz: freiwillige und spontane Bildung eines Stuhlkreises einiger Kinder, etwa um zu
einem bestimmten Anlass, wie einem Konflikt, zu diskutieren

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3. Vollversammlung: alle Kinder einer Einrichtung, um gemeinsame Entscheidungen zu treffen oder um von
gewählten Vertretern aus anderen Gremien informiert zu werden.
4. Kinderparlament: gewähltes Gremium, das sich in einem regelmäßig trifft. Zum Beispiel können jeweils zwei
Kinder unterschiedlicher Gruppen in das Parlament entsandt werden, um die Interessen der jeweiligen Gruppen
zu vertreten.
5. Kinderrat: gewähltes Gremium, in das Delegierte entsandt werden kann regelmäßig tagen, aber auch bei
Bedarf einberufen werden.
Projektorientierte Formen der Partizipation
- zeitlich und auf spezifische Themen begrenzt
- Ziel: gemeinsame Erarbeitung eines Produktes, wie zum Beispiel die Gestaltung eines Raumes oder eines
Spielplatzes  kann sich um komplexe Projekte handeln, an denen mehrere Gruppen über einen langen Zeitraum
beteiligt sind, wie zum Beispiel das Anlegen eines Gemüsegartens, oder um einfache Projekte, die mit einem
geringeren Zeitaufwand von wenigen Kindern bearbeitet werden können, wie zum Beispiel die Planung eines
Geburtstagsfestes.
Hansen/Knauer/Sturzenhecker identifizieren sechs Phasen eines Beteiligungsprojekts:
1. „Themenfindung: Um welches Thema geht es in dem Projekt?
2. Zielformulierung: Welches Ziel oder welche Ziele verfolgt das Projekt?
3. Zerlegen komplexer Fragestellungen: Welche Projektschritte sind zum Erreichen der Ziele erforderlich?
4. Klärung der Entscheidungsbefugnisse: Worüber sollen die Kinder (mit)entscheiden? Worüber nicht?
5. Meinungsbildungsprozess: Was brauchen die Kinder, um den jeweiligen Projektschritt gehen/die jeweilige
Entscheidung fällen zu können? Wie wird ihnen das vermittelt?
6. Entscheidungsprozess: Wer muss jeweils beteiligt werden/welche Entscheidungsgremien sind erforderlich? Welche
Entscheidungsverfahren sollen angewendet werden?“.

Themen und Grenzen der Partizipation


Grundsätzlich: allen Entscheidungen einer Institution beteiligt
- Häufige Themen in Kindertagesstätten sind u. a. die Mahlzeiten, die Kleidung, Tagesstrukturen, Körperhygiene und
-pflege, Raumgestaltung, Materialien und Spielzeuge, Anschaffungen, Aktivitäten und Feste
- Zu Beginn von Partizipationsprozessen: Sorge im Raum, dass Kinder weitreichende Befugnisse erhalten, dass sie
sich selbst schaden  führt zu intensiven Diskussionen der Grenzen von Partizipation
- Ängste verschwinden, wenn geklärt wird, dass die letztendliche Verantwortung immer bei den Fachkräften bleibt
 haben Aufgabe, gesunde und sichere Rahmenbedingungen herzustellen und zu erhalten
- n der Praxis: Fürsorge für die Kinder bzw. die Wahrung von Gesundheit und Sicherheit = Grenze von Partizipation
- Auch wenn Ängste durch solche Klarstellung schwinden, bleiben die intensiven Diskussionen erhalten 
unterschiedlich gedeutet wird, wie viele Risiken den Kindern als Konsequenzen ihrer Entscheidungen zugemutet
werden sollen
- Hansen/Knauer/Sturzenhecker sprechen von einem Recht auf Scheitern und auf Risiken  Grenze muss im
Team zunächst grundsätzlich und dann immer wieder neu bzw. ergänzend austariert werden
- weitere Grenze: Komplexität von Partizipationsprozessen und Strukturen  dürfen Kinder nicht systematisch
überfordern
- Insbesondere zu Beginn der Umsetzung von Partizipation in einer Einrichtung sollte Komplexität begrenzt sein und
erst schrittweise erweitert werden  für den Einstieg besonders projektorientierte Formen der Beteiligung sind
thematisch und zeitlich begrenzt.
- Keine Grenze: Alter der Kinder  schon kleine Kinder können ihre Meinung äußern  Herausforderung: Wege
finden, um den Willen und die Interessen der Kinder wahrzunehmen und diesbezügliche Dialoge zu gestalten
- geht nicht um Frage, ob Partizipation umgesetzt werden soll, sondern um die Frage, wie sie den Fähigkeiten und
Bedürfnissen der Kinder gerecht werden kann
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5.3 Die Kinderstube der Demokratie
- ein Modellprojekt
- 2001 bis 2003 in Schleswig-Holstein sieben Kitas durchgeführt, seitdem vielfach erprobt und angewandt wurde

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- Ziel: Partizipation im Alltag von kindheitspädagogischen Institutionen zu verankern
- ursprüngliche Intention dieses Projekts Kindern Demokratie erfahrbar zu machen  hat sich jedoch im Prozess des
Projektes erweitert, wurde deutlich, dass Partizipation viel mehr bewirken kann, als „nur“ Demokratie erfahrbar zu machen:
Bildungsprozesse werden ermöglicht und in den Einrichtungen werden umfassende Entwicklungsprozesse angestoßen

Zentrale Ergebnisse des Projekts


Hansen/Knauer/Sturzenhecker fassen sechs zentrale Ergebnisse des Projektes zusammen:
1. Voraussetzung für Partizipation = dass Erwachsenen Partizipation zulassen, da Kinder sich ihre Beteiligungsrechte
nicht selbst erkämpfen können
2. Partizipation =Schlüssel zu Bildung und Demokratie. für Bildung, weil erfolgreiche Bildung aktive, selbst
gestaltete und selbstbestimmte Bildung ist. Nur wenn Fachkräfte wissen, was Kinder interessiert, können sie sie in
ihren Bildungsprozessen unterstützen.  für Demokratie, weil Kinder durch Partizipation Demokratie erfahren und
erlernen können
3. Partizipation kann nur mit spezifischen didaktischen und methodischen Kompetenzen umgesetzt werden. Zum
Beispiel sind die Fähigkeiten notwendig, komplexe Projekte für Kinder verständlich zu gestalten und Dialoge unter
ungleichen Partnern ergebnisoffen zu halten.
4. Gelingende Partizipation entsteht durch Erleben und Reflexion  wichtig für die Realisierung einer individuellen
Partizipationspraxis
5. Partizipation katalysiert Teamentwicklungsprozesse muss vom gesamten Team getragen werden  intensive
Auseinandersetzungen, die pädagogische Schlüsselthemen berühren und daher ein großes Entwicklungspotenzial
für Teams bergen, nötig.
6. Kinder = in der Lage, umsichtig und verantwortlich mitzuentscheiden. Voraussetzung: Partizipationsprozesse
werden angemessen gestaltet

Das Fortbildungskonzept als Kern des Projekts


= Tragende Säule des Projekts „Die Kinderstube der Demokratie“
- mehrerer Fortbildungen  gesamtes Kita-Team wird bei der Planung, Durchführung und Reflexion von
Partizipation begleitet
Zentrale Merkmale der Fortbildungsreihe
Hansen/Knauer/Sturzenhecker nennen fünf zentrale Merkmale der Fortbildungsreihe:
1. gesamte Team muss teilnehmen und sich auf ein gemeinsames Vorhaben einigen.
2. Team muss sich intensiv mit dem Umgang mit Macht in der Einrichtung beschäftigen, da Partizipation die Abgabe
von Macht voraussetzt.
3. Fachkräfte treffen alle Entscheidungen bezüglich des Partizipationsprojektes im Rahmen der Fortbildung
4. Fortbildungskonzept beinhaltet einen Wechsel von Planung, Erprobung und Reflexion  gelingende Partizipation
kann nur durch Erfahrung und Reflexion entstehen
5. Die Fortbildungen = Teamentwicklungsprozess.
Die Phasen des Fortbildungskonzepts
Erste Phase: dreitägigen Einstieg ins Thema Partizipation.
folgenden Themen werden bearbeitet:
1. wird u. a. geklärt, was unter Partizipation zu verstehen ist, wie sie aussehen kann, warum sie sinnvoll ist und welche
Anforderungen sie an die Fachkräfte stellt.
2. Partizipationsvorhaben wird umrissen  u. a. wie und woran die Kinder beteiligt werden sollen.
3. Partizipationsvorhaben wird differenziert geplant. Entweder handelt es sich dabei um ein beteiligungsorientiertes
Projekt mit einer inhaltlichen und zeitlichen Begrenzung oder um die Planung institutionalisierter
Beteiligungsformen, etwa eines Kinderparlaments.
4. Im Rahmen einer sogenannten Dialogwerkstatt werden Dialoge mit Kindern erprobt und reflektiert.
Zweite Phase: Durchführung in ihrer Einrichtung. Ziel: nicht, ein perfektes und umfassendes Partizipationsverfahren
durchzuführen, sondern erste Erfahrungen zu machen und zu reflektieren
Fachkräfte sollen erleben, wie sie Partizipation umsetzen können und was diese bei Kindern bewirkt  Häufig entstehen aus
diesem ersten kleinen Projekt später umfassendere Vorhaben

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Begleitend: Coaching, welches die Fachkräfte bei der Bewältigung von auftretenden Schwierigkeiten unterstützt
Dritte Phase: gesammelten Erfahrungen werden reflektiert und der Transfer in den Alltag wird vorbereitet
Das bislang in einem geschützten Rahmen erdachte und mit viel Zeit geplante Partizipationsvorhaben wird auf seine
Alltagstauglichkeit geprüft und weitere konkrete Schritte für die Umsetzung von Partizipation werden geplant

Die Kita-Verfassung
= zentrales Instrument
- Dreh- und Angelpunkt der Umsetzung institutionalisierter Beteiligungsformen, legt konkrete Beteiligungsthemen
und -formen fest
- Prozess der Entwicklung der Verfassung: Rechte der Kinder werden auf Selbst- und Mitbestimmung sowie deren
Grenzen definiert
- Fachkräfte legen fest, wo sie ihre Macht mit den Kindern teilen
- erster Schritt: bestimmen, über welche Aspekte die Kinder entscheiden können und welche Aspekte nicht dem
Einfluss der Kinder unterliegen sollen  Prinzip, dass Kindern nur solche Rechte zugestanden werden, mit denen
alle Fachkräfte einverstanden sind
- zweiter Schritt: die Formen der Beteiligung festzulegen  Ausgehend von den Rechtekatalogen

Lektion 6: Vielfalt und Inklusion


6.1 Vielfalt
Begriffe: Vielfalt, Diversität und Heterogenität = synonym gebraucht  stehen im Rahmen unterschiedlichster Konzepte für
zunehmende Wahrnehmung, Anerkennung und zum Teil auch konzeptionelle Berücksichtigung von Unterschieden
- Vielfalt menschlicher Entwicklungsverläufe hinsichtlich unterschiedlichster Merkmale und die sehr ungleichen
Startbedingungen von Menschen in pädagogischen Institutionen werden fokussiert
- zunehmende diskursive Erfassung von Vielfalt korrespondiert mit zunehmenden Pluralität von Gesellschaft
- Kinder wachsen heute sehr unterschiedlich auf  bringen bei Eintritt ins öffentliche Bildungssystem sehr
unterschiedliche Ausgangsbedingungen mit

Merkmale von Vielfalt


- Unterschiedliche Ausprägungen von Vielfalt = Heterogenitätsdimensionen, Differenzlinien oder als Facetten von
Diversität bezeichnet
- Einerseits: individuellen Perspektive kindliche Merkmale von Vielfalt
- Andererseits: gesellschaftlichen Perspektive soziostrukturelle Merkmale der Vielfalt
- Weltzien/Albers sprechen von einer und großen Vielfalt.
- Largo unterscheidet vier Dimensionen von kindlicher Vielfalt:
 Heterogenität als Variabilität zwischen Kindern  in unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen begründet
zum Beispiel eine unterschiedliche Intelligenz von Geburt an
 Singularität als Verschiedenheit aufgrund unterschiedlicher Entwicklungsverläufe  durch bisherigen
Lebensweg ergeben hat, zum Beispiel das Aufwachsen in Armut oder Reichtum
 Vielfalt als unterschiedliche Lern- und Interessensbereiche, zum Beispiel die Freude an Sport oder das
Interesse an Mathematik;
 kontext-temporäre Variabilität von Kindern = Unterschiede im Verhalten  aus konkreten situativen
Bedingungen, zum Beispiel der Familienkonstellation
 Zusätzlich werden soziostrukturelle Vielfaltsmerkmale:
o Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Hintergrund, ethnische und kulturelle Zugehörigkeit, Migration,
Sprache, Familienform, Lerndispositionen, Religion und Behinderungen
- alltägliche Wahrnehmung von individuellen und gruppenbezogenen Merkmalen der Vielfalt = positiv besetzt, zum
Beispiel dort, wo vielfältige Kulturen als Bereicherung der Gesellschaft wahrgenommen werden oder wo Kinder
ungewöhnliche Kompetenzen einbringen.  löst auch Ängste und Widerstände aus, insbesondere, wenn subjektive
Normen des „Normalen“ überschritten, Fremde Kleidung kann zum Beispiel als Bereicherung, eine
Vollverschleierung hingegen als bedrohlich und „unnormal“ empfunden werden.

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- individuelle Wahrnehmung und Umgang mit Vielfalt = immer mit subjektiv oder kollektiv konstruierten Normen
verbunden den entsprechend werden Gruppen „konstruiert“. Zum Beispiel führt ein spezifisches Verhalten oder
eine körperliche Konfiguration zur Wahrnehmung und Behandlung eines Menschen als behindert. Folge:
beispielsweise verschiedene Zugänge verschlossen und dies wiederum hat Auswirkungen auf seine Entwicklungs-
und Bildungschancen.
- gesellschaftliche Normvorstellungen sind im Zuweisungsprozess zu und innerhalb der kindheitspädagogischen
Einrichtungen relevant und wirksam  entscheiden, wo und wie ein Kind institutionell gebildet, erzogen und
betreut wird. Beispielsweise wird ein Kind aufgrund einer Behinderung einer Fördereinrichtung zugewiesen.
Kategorien und Gruppen bergen dementsprechend die Gefahr, zu generalisieren, und führen zur Segregation von
Menschen
 führt zu erheblichen Nachteilen für Menschen mit spezifischen Merkmalen
- Nachteile, die aus Zugehörigkeit zu gesellschaftlich konstruierten Gruppe entstehen, können dabei zusätzlich mit
Nachteilen aus anderen Zugehörigkeiten kumulieren oder gegenseitig beeinflussen. z.B. sind Kinder, die in Armut
aufwachsen und eine körperliche Einschränkung aufweisen, besonders benachteiligt
 Verwobenheit von Benachteiligungen und Auswirkungen auf einzelne Menschen = Intersektionalität

Vielfalt im deutschen Bildungssystem


Pädagogische Institutionen weisen aufgrund von Homogenisierungsstrategien des Bildungssystems bislang wenig Vielfalt
auf
Gesellschaft insgesamt ist eher segregiert  nach Merkmalen wie etwa dem Alter oder einem Migrationshintergrund
getrennt.  Grund: selektierenden Schulsystem
- ab Grundschulalter werden vielfältigen Kinder und ihre Eltern mit Normerwartungen konfrontiert
Kinder im gleichen Alter sollen gleichen Bildungsinhalte auf gleiche Weise erlernen  Kinder werden selektierend
auf unterschiedliche Schulen verteilt + Grundschulen produziert die soziokulturelle Zusammensetzung des
jeweiligen Einzugsbereichs  meist ebenfalls aus segregierenden Prozessen
- durch Selektion und Segregation werden unterschiedlichen Zugänge zu Bildung und sozialer Teilhabe verstärkt 
bereits bestehende soziale Ungleichheit wird forciert
- Über Bildungserfolge entscheiden weniger das individuelle Lern- und Leistungsvermögen als soziale und kulturelle
Unterschiede
- seit der PISA-Studie: deutsche Bildungssystem massiv in der Kritik  produziert systematisch Bildungsverlierer
früher: Mädchen aus ländlichen Regionen, die begrenzte Bildungschancen hatten, heute: Jungen mit türkischem
oder arabischem Migrationshintergrund
System der frühkindlichen Bildung nicht so gestaltet, dass gesellschaftliche Vielfalt abbildet und allen Kindern gleiche
Chancen einräumt werden kann

Migration und Milieu


Deutschland = Einwanderungsland  zunehmend größeren Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund  zeigt sich
auch im Elementarbereich
- Eltern mit Migrationshintergrund nehmen Betreuungsangebote weniger in Anspruch und haben weniger den
Wunsch nach einer außerfamiliären Betreuung
- Elementarbereich kann soziale Ungleichheiten, die mit Migrationshintergrund verbunden sind, zum Beispiel
Sprachprobleme, nicht ausgleichen  reproduziert diese
- Ursächlich: keinesfalls ausschließlich der fehlende Betreuungswunsch der Eltern mit Migrationshintergrund gelten.
- Vielmehr muss berücksichtigt werden  Kindertagesstätten erreichen Eltern mit Migrationshintergrund nicht
gleichermaßen, z.B. meisten Kindertagesstätten: ausschließlich deutsche und christliche Feste gefeiert.
- Migrationshintergrund allein greift als Unterscheidungsmerkmal zu kurz, um Betreuungswünsche von Eltern mit
Migrationshintergrund zu erfassen und erklären, da innerhalb der Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund
bedeutende Unterschiede gibt  hilfreiches bzw. ergänzendes Konzept: Milieus
- Milieu = Personengruppe, die gleiche oder ähnliche Wahrnehmungs- und Denkmuster sowie Einstellungen,
Haltungen und Handlungen aufweist, die sie von anderen Gruppen unterscheiden, z.B. bildungsnahes und ein
bildungsfernes Milieu unterschieden

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- Migrationserfahrungen und Milieuzugehörigkeiten wirken gleichermaßen auf Nachfrageorientierung
- weitere Merkmale, z.B. Arbeitslosigkeit, können sich auswirken  zeigt Verwobenheit der Wirkung von
Vielfaltsmerkmalen  können sich gegenseitig verstärken oder reduzieren
In diesem Beispiel: soziale Ungleichheit schon bei (Nicht-)Eintritt in Kindertageseinrichtung verstärkt
Um ungleichen Startbedingungen auszugleichen = interkulturelle Öffnung von Kindertageseinrichtungen = adäquate
Strategie  u. a. Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrationshintergrund erforschen und in der Praxis gezielt reduzieren,
z.B. werden mehrsprachige Internetseiten entwickelt oder Feste aus anderen Religionen und Kulturen in den Alltag der
Kindertagesstätte integriert.

Armut als Lebenslage


= weiteres soziokulturelles Vielfaltsmerkmal  führt zu Benachteiligungen von Kindern = Kinderarmut  in vergangenen
Jahren stark zugenommen
Studien: Kinderarmut = Lebenslage, mit deutlich schlechteren Bildungschancen verbunden
 zeigt sich auch in Kindertagesstätten:
 materiell, zum Beispiel anhand fehlender Essensgeldzahlungen,
 kulturell, zum Beispiel anhand von Auffälligkeiten im Sprach- oder Arbeitsverhalten,
 sozial, zum Beispiel an geringerer sozialer Aktivität oder Ausgrenzung,
 gesundheitlich, zum Beispiel anhand fehlender Gesundheitsvorsorge
 Um Benachteiligungen auszugleichen = im Elementarbereich erhebliche Anstrengungen notwendig und steht nicht viel
Zeit zur Verfügung  Grundschule verschärft die Benachteiligungen eher
Zwei Ansatzpunkte notwendig: Einerseits auf politischer Ebene für mehr Teilhabegerechtigkeit gesorgt werden, über
zusätzliche Mittel für Familien. Andererseits auf lokaler und institutioneller Ebene sozialräumliche Präventions- und
Interventionsmaßnahmen.
Vielfältige niedrigschwellige Hilfen müssen bereitgestellt werden, über Entwicklung von Kindertagesstätten zu
Familienzentren

6.2 Inklusion und inklusive Bildung


Inklusion = international und national zunehmend etablierende pädagogische und politische Vision und Leitidee  gegen
Ausgrenzung von Menschen, auf Menschenrechten basiert und zugleich als Strategie gegen soziale Ungleichheit
Inklusion als praxisorientiertes Konzept im Bildungssystem soll „zur Überwindung von Benachteiligung und
Diskriminierung im Bildungssystem aufgrund von individuellen Zuschreibungen oder Merkmalen zugunsten einer
Orientierung an den Ressourcen eines jeden Kindes“ beitragen
Ziele von Inklusion in pädagogischen Kontexten sind:
 Überwindung von Zuschreibungen, beispielsweise „behindert“ oder „mit Migrationshintergrund“,
 Überwindung von Ausgrenzung/Diskriminierung, von Kindern mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen,
 Anerkennung von Vielfalt als Normalität und als Bereicherung,
 Ausgleich von Benachteiligungen und Bildungsgerechtigkeit sowie
 Gleichbehandlung aller Menschen und gleichzeitig die individuelle Förderung.

Von der Integration zur Inklusion


Leitidee der Inklusion löst in Deutschland das Konzept der Integration ab und wird im Kontrast zur Integration klarer
deutlich:
Integration = Menschen mit spezifischen Merkmalen, etwa einer Behinderung, in ein bestehendes System einpassen
Inklusion = alle Menschen, egal, welche Merkmale sie aufweisen, von Anfang an als Teil des Systems und möchte das
System, beispielsweise die pädagogische Einrichtung, anpassen
Integration: Gruppen aufgrund von Merkmalsausprägungen Einzelner benennen und unterscheiden, etwa Menschen mit
einer Behinderung oder Kinder mit Migrationshintergrund
Inklusion: keine Unterscheidungen in Gruppen  System, etwa die Schule, soll für alle Menschen, unabhängig von
Merkmalsausprägungen des Einzelnen, passen
Integration: für Eigenarten und Merkmale von Gruppen aufmerksam
Inklusion: Aufmerksamkeit für jedes einzelne Kind jenseits von Zuordnungen
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Integrationsgedanke: alle als nicht normal etikettierte Merkmalsausprägungen von Menschen werden als problematisch
betrachtet
Perspektive von Inklusion: Vielfalt der Menschen kein Problem, sondern die Normalität  Problem ist die fehlende Passung
des Systems

Inklusive Bildung
 bezieht Inklusionsgedanken auf Bildungskontexte
- erstmals im Jahr 1994 auf der UNESCO-Weltkonferenz von Salamanca formuliert
- inzwischen auch national von großer Bedeutung
- wichtiger Bestandteil der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK), im Jahr 2009
von Deutschland ratifiziert
- Artikel 24 formuliert die UN-Konvention das Recht auf inklusive Bildung
- Alle Länder, welche die Konvention ratifiziert haben, verpflichten sich, Bildung für alle Menschen und ohne
Prozesse und Strukturen der Ausgrenzung umzusetzen
- Ziel: Leitidee in regionale Strukturen und in pädagogischen Einrichtungen übertragen  auch
kindheitspädagogische Einrichtungen aufgefordert, Bildung inklusiv umzusetzen
Platte formuliert sechs Charakteristika inklusiver Bildung:
1. Inklusive Bildung = globale Aufgabe und entwickelt sich in internationaler Vernetzung. Beispiel: internationale
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung
2. Inklusive Bildung ist Bildung im Sinne der Menschenrechte, jeder Menschen hat das Recht auf Bildung
3. Inklusive Bildung ist Aufgabe jeder Bildungseinrichtung und bedarf der Qualitätsentwicklung. Instrument: Index
für Inklusion
4. Inklusive Bildung benötigt Partizipation, individuell passende Förderung und Bildung ist nur unter Beteiligung des
Kindes und dessen Familie realisierbar
5. Inklusive Bildung basiert auf Werteorientierung. Zentrale Werte: Ablehnung von Diskriminierung +
Chancengleichheit.
6. Inklusive Bildung kann durch didaktische Fundierung im pädagogischen Alltag realisiert werden

Inklusion in Kindertagesstätten
= häufig eine besondere Bedeutung, weil im Elementarbereich die Basis für alle weiteren öffentlich verantworteten
Bildungsprozesse gelegt wird
„Kinder – und auch deren Eltern –, denen ein gemeinsames Spielen und Lernen selbstverständlich werden konnte, die
Partizipation praktizieren und ein Bewusstsein für Barrieren entwickeln konnten, werden auf dieser Grundlage ihren
weiteren Bildungsweg gestalten und mitbestimmen können“
 Hoffnung verbunden, dass sich ein inklusives Verständnis von Bildung und Gesellschaft in andere Institutionen und
Strukturen fortträgt
 Hoffnung, dass frühzeitige und qualitativ hochwertige institutionelle Förderung herkunftsbedingte Benachteiligungen
eher auffangen kann als beispielsweise eine Förderung im höheren Alter der Kinder
 Hoffnung verbunden, dass bei allen Kindern eine Einstellung erzeugt werden kann, die Vielfalt anerkennt, sodass
Inklusion einen wichtigen Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft leisten würde
Umsetzung: allen Kindern ein gemeinsames Aufwachsen zu ermöglichen, indem eine Trennung in Regelkindergärten,
Integrationskindergärten oder Förderkindergärten aufgehoben wird
 bedeutet nicht, alle Kinder gleich behandelen oder in Unterschiedenen nicht mehr wahrgenommen werden, ABER sie
alle haben die gleichen Rechte
Platte leitet sechs Merkmale für inklusive Bildung in kindheitspädagogischen Settings ab:
1. Jedes Kind und jede Familie werden von Beginn an entsprechend ihren Bedürfnissen ideal unterstützt.
2. individuelle Entwicklung der Kinder wird jenseits von Normerwartungen beobachtet und anerkannt.
3. Bildungsqualität wird vor allem als Bildungsgerechtigkeit verstanden.
4. Bildung wird für jedes Kind ermöglicht.
5. Alle Kinder spielen, lernen und leben von Anfang an gemeinsam.
6. Im kindheitspädagogischen Kontext wird das Zusammenspiel von Gemeinschaft und Individualität ersichtlich.

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Kosten und Nutzen inklusiver Bildung in Kindertagesstätten
Inklusion = finanzielle Herausforderung für Träger, weil Anpassung einer Einrichtung an alle Kinder sehr aufwendig
Umfangreiche Ressourcen müssen zur Verfügung stehen, um im Bedarfsfall jedes Kind aufnehmen zu  betrifft
Personalstärke, Gruppengrößen, räumlichen Voraussetzungen, Ausstattung mit Hilfsmitteln und Material + ausgebildetes
Fachpersonal  in kleineren Einrichtungen ist dies schwierig umzusetzbar.
- hohen Aufwand steht ein hoher Gewinn gegenüber  keinesfalls „nur“ auf ausgegrenzten Kinder bezieht
- Inklusion zielt auf individuelle Betrachtung und Förderung ab und ist nicht auf einzelne Kinder, etwa mit einem
ausgewiesenen Förderbedarf, begrenzt  alle Kinder profitieren
- Jedes Kind erhält Unterstützungsleistungen, die es braucht  betrifft auch Kinder, die im heutigen System einen
Regelkindergarten besucht hätten, aber eigentlich ein Mehr an Förderung benötigen würden
- Konsequenz: gesamtgesellschaftlich weniger Bildungsverlierer produziert werden + Bildungsgerechtigkeit nimmt
zu
- weiterer Gewinn: durch die Vielfalt entstehenden Anreicherung der Bildungspotenziale innerhalb der Einrichtung
- Kinder können Kompetenzen und Werte entwickeln, die aus dem Zusammenleben sehr unterschiedlicher Kinder
entstehen, etwa prosoziale Verhaltensweisen und die Fähigkeit, den anderen in seiner Einzigartigkeit anzuerkennen
Voraussetzung: politische Einsicht  Elementarbereich = Bildungsort und politische Wille, diesen entsprechend
auszustatten

6.3Die Umsetzung von Inklusion in Kindertagesstätten

Das ökologische Mehrebenenmodell


Umsetzung: gemäß dem ökologischen Mehrebenenmodell von Heimlich auf fünf Ebenen betrachten
Elternarbeit = weitere Ebene aus der Darstellung von Albers

Die Ebene der Kinder – individuelle Bedürfnisse


- thematisiert die Wahrnehmung und Berücksichtigung der
individuellen Bedürfnisse und Entwicklungsverläufe der Kinder
- Kinder kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in Kitas, der
Inklusionsgedanke formuliert das Recht der Kinder auf eine diesen
Voraussetzungen entsprechende und individuell passende Förderung
- Kinder sollen in Einzigartigkeit, jenseits Kategorien, wahrgenommen
und Stereotype und unzulängliche Generalisierungen sollen vermieden
werden.
Ziel: passgenaue Förderung und Ermöglichung von Bildungsprozessen
Trotzdem Sensibilität gegenüber typischen Lebenslagen wichtig
Kunst der Fachkräfte: Verschränkung von individuellem Fallverstehen und Wissen um Erkenntnisse über die Situation von
Menschen in spezifischen Lebenslagen  vielschichtige Formen sozialer Benachteiligung müssen bekannt sein, um sie
wahrnehmen und in Bezug zum Einzelfall bringen zu können  Ziel nicht eine Vereinfachung/Vereinheitlichung der
Intervention, sondern ein besseres Verständnis der Bedürfnisse des Kindes, um passgenaue Unterstützungsleistung
zuentwickeln
Berücksichtigung der Individualität der Kinder: Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren, die an Ressourcen des
Kindes ansetzen und das Zusammenspiel von personen- und umweltbezogenen Faktoren für die Entwicklung des jeweiligen
Kindes berücksichtigen, z.B. das Instrument der Lerngeschichten, wie es in Neuseeland entwickelt wurde
Instrument der Heilpädagogik: Individuelle Entwicklungspläne (IEP)  Verfahren zur Begleitung von Entwicklungs- und
Förderprozessen, die für einzelne Kinder beteiligungsorientiert je individuelle Ziele formulieren  können den Rahmen für
die Planung vorgeben und werden auch als Dokumentation genutzt, um heilpädagogische Förderstunden oder
Integrationshilfen zuzuweisen  Widerspruch entsteht = Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma: Um angemessene
Unterstützung zu erhalten, müssen Defizite benannt werden, obgleich die Konzeption der individuellen Entwicklungspläne
das Ziel verfolgt, eine ressourcenorientierte Sichtweise zu etablieren  inklusiven Perspektive: eher fragen, was eine
Einrichtung benötigt, um alle Kinder angemessen unterstützen zu können

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Zur Durchführung Individueller Entwicklungspläne gehört es, dass Eltern und Fachkräfte bei Aufnahme in die
Kindertagesstätte zunächst in einen intensiven Dialog treten, um alle wichtigen Informationen zu dem Kind auszutauschen.
Von Beginn: auf Beteiligung des Kindes und der Eltern achten, da Partizipation als sehr wichtig für den Erfolg mit
Individuellen Entwicklungsplänen im Speziellen, aber auch für Fördermaßnahmen im Allgemeinen gilt.
Für Fall, dass Kinder nur begrenzt Interessen äußern können, ist das Verfahren der Persönlichen Zukunftsplanung mit
Unterstützerkreisen hilfreich  Unterstützer übernehmen die Aufgabe, die Bedürfnisse des Kindes zu deuten und zu
formulieren
Albers formuliert fünf Schritte eines partizipativen Förderprozesses:

1. Stärken, Interessen und das Umfeld des Kindes analysiert und die
Familie wird über individuelle Förder- und Entwicklungsplanung
informiert
2. Ziele und Planungsschritte aus der Perspektive des Kindes erheben
Ziel: aus Sicht des Kindes ein positives Zukunftsbild zu skizzieren
und die notwendigen Schritte, Zwischenziele und Ressourcen zu
benennen. Zudem wird IEP-Treffen geplant, z. B. die Teilnehmer
oder die Schwerpunkte des Treffens
3. Planungsschritte werden skizziert bzw. konkretisiert, geht von
Ressourcen des Kindes aus – Stärken werden benannt
Anschluss: Bedürfnisse des Kindes und konkrete Vorhaben werden
benannt
Vorbereitung: Planungsschritte zu Hause vertiefend mit den Eltern
diskutieren
4. IEP-Treffen: Beisein aller Fachkräfte und der Familie werden die Inhalte der Individuellen Entwicklungsplanung
erarbeitet und festgehalten
Inhalte sind:
o Ausgangssituation bzw. die aktuellen Stärken, Ressourcen und Leistungsniveaus des Kindes,
o Ziele der Förderung,
o notwendigen Hilfen für das Erreichen der Ziele,
o Sichtweisen der unterschiedlichen Beteiligten,
o Rahmendaten der Förderung und
o Kriterien und Bewertungsmaßstäbe für die Erreichung der Ziele.
5. die im IEP erarbeiteten Inhalte werden aus Sicht des Kindes zusammengefasst, um einen resümierenden Überblick
zu erhalten  Ergebnisse können mit weiteren Unterstützern, Freunden etc. besprochen werden

Die Ebene der inklusiven Spiel- und Lernsituation


- reflektiert die Interaktionen zwischen den Kindern  weist auf große Bedeutung der Peerinteraktion für das
Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder hin
- Grundsätzlich sind Kinder daran interessiert, mit Gleichaltrigen zu spielen  hohe Selbstbestimmung bei Wahl der
Spielsituation kann immer auch zu Exklusion führen  Kinder wählen Spielpartner nach spezifischen Merkmalen,
siesortieren sie beispielsweise in die Kategorien „nett“, „komisch“, „krank“  manche Kinder, die beispielsweise
als „komisch“ etikettiert werden, haben große Probleme, Zugang zu Peerinteraktionen zu finden
- effektive kindliche Strategie in diesem Kontext: Kinder zunächst aus der Distanz einen Überblick verschaffen und
dann demonstrieren, dass sie mitreden können, ohne die Interaktion zu stören  Zugangsstrategien können Kinder
aber nur erwerben, wenn Fachkräfte nicht vorschnell autoritär eingreifen und einen Zugang erzwingen
- Ebene der Umsetzung und Analyse von Inklusion fragt nach Notwendigkeit und den Möglichkeiten der Fachkräfte,
die Interaktionen zwischen den Kindern zu beeinflussen  Deutlich, dass Gestaltung gelingender Interaktionen
zwischen Kindern in inklusiven Settings eine wichtige, aber herausfordernde Aufgabe ist
- Möglichkeiten der Einflussnahme der Fachkräfte: Initiierung von Spielen oder die Bereitstellung von Materialien,
welche sich für sehr unterschiedliche Kinder eignen

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Die Ebene des Teams bzw. der interdisziplinären Teamkooperation
- betrachtet die Teamentwicklung und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachkräfte in Erarbeitung
angemessener individueller Unterstützungsangebote für Kinder
- Reflektiert werden: Erarbeitung einer gemeinsamen Haltung und das Vorhandensein/die Gestaltung gemeinsamer
Fallbesprechungen
- Ausgangspunkt: diskursive Auseinandersetzung mit dem Begriff Vielfalt und mit eigenen Normen sein
- ertragreich und wichtig, da Voraussetzung für Inklusion: Bereitschaft der Fachkräfte, sich wiederholt auf neue
Kinder und neue Prozesse einzulassen
- Jedes Kind bringt unterschiedliche Bedürfnisse und Gegebenheiten mit, die berücksichtigt werden müssen. Daher
müssen Teams von Fachkräften zunächst zu einer Akzeptanz von Vielfalt und einer Akzeptanz der Aufgabe
Inklusion gelangen
 Ausgehend von dieser Haltung, geht es um stete Erweiterung und Entwicklung des Teams, keine Einrichtung kann sofort
mit allen Kindern arbeiten bzw. hat unmittelbar jegliches Know-how vor Ort  Gegeben sein muss die Bereitschaft, es zu
versuchen und sich neue Fertigkeiten und neues Wissen anzueignen, um allen Kindern gerecht werden zu können
- Einzelne muss bereit sein, sich weiterzuentwickeln
- hohe Flexibilität und Offenheit = wichtige Grundlagen + eigenen Werte, Vorstellungen und Normen müssen
wiederholt überdacht werden und je nach Kind müssen neue Kompetenzen erworben werden
- für Inklusion notwendige Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen = große, aber zugleich ertragreiche
Herausforderung  erfordert u. a. regelmäßige Absprachen, gegenseitige Transparenz der Arbeit, eine strukturierte
Aufgabenteilung und die Bereitschaft, voneinander zu lernen  Gelingt sie = Erweiterung der Kompetenzen auf
beiden Seiten
- ertragreicher Ausgangspunkt der Teamarbeit: Diskussion von Praxisfällen + Erarbeitung gemeinsamer Strategien
der Förderung
- weiterer Zugang für die Teamarbeit: Diskussion bzw. die Orientierung an Leitfragen, beispielsweise im Index für
Inklusion gegeben ist
Die Ebene der Einrichtungskonzeption
betrachtet die Berücksichtigung von Inklusion in der Konzeption der jeweiligen Einrichtung  sollte an Leitbegriffen von
Anerkennung, Chancengleichheit, Teilhabe und Inklusion orientiert sein
Die Ebene der externen Unterstützungssysteme
reflektiert die Öffnung der Kindertageseinrichtung nach außen  im Hinblick auf Kooperation und Einbindung von externen
Angeboten, die für Förderung aller Kinder als notwendig gelten, z.B. die Angebote der Frühen Hilfen oder der Elternbildung
Die Ebene der Elternarbeit
Familie = Ort bzw. der soziale Zusammenhang, der für das Aufwachsen der Kinder am wichtigsten ist und auch größten
Einfluss hat
Wesentliche Lernerfahrungen sind hier zu verorten oder werden vorbereitet und Benachteiligungen werden hier verringert
oder abgebaut, aber auch verfestigt
Eltern haben großen Einfluss auf Arbeit in der Kindertagesstätte, je nachdem, ob und wie sie die Arbeit der Fachkräfte
unterstützen bzw. wie gut die im Idealfall kooperative Zusammenarbeit funktioniert  Eltern sind ein wichtiger
Ansatzpunkt für die inklusive Bildungsarbeit
Sinnvoll: Familien als Ganzes durch vielfältige Angebote unterstützen
Hilfreich: Bildungs- und Informationsangebote für Eltern, aber auch für werdende Mütter und Väter
Methoden der Elternarbeit: alle Methoden, die generell in der kindheitspädagogischen Arbeit genutzt werden
Beispiel: Durchführung thematischer Elternabende  Elternabend kann nicht nur wichtige Informationen vermitteln,
sondern auch Ängste nehmen, einen Austausch ermöglichen und gegenseitige Unterstützungsprozesse anregen
Kern der Elternarbeit: regelmäßige Eltern- bzw. Entwicklungsgespräche.

Der Index für Inklusion als Instrument der inklusiven Qualitätsentwicklung


Umsetzung von Inklusion = große Herausforderung für kindheitspädagogische Einrichtungen
Der Index für Inklusion =Instrument, das dabei helfen kann, die Umsetzung von Inklusion zu analysieren, zu reflektieren und
zu planen  wurde erstmals 2004 vom „Centre for Studies on Inclusive Education“ (CSIE) veröffentlicht und 2007 von der
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in einer deutschen Fassung herausgegeben

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Kern des Index: Fragenkataloge, deren Beantwortung wichtige Hinweise zum Ist-Zustand der Umsetzung von Inklusion
geben  Fragen bieten Anregungen für die konkrete Umsetzung von Inklusion
Der Arbeitsprozess mit dem Index gliedert sich in fünf Phasen:
1. mit dem Index beginnen,
2. Beleuchtung der Einrichtungssituation,
3. Entwurf eines Plans,
4. Umsetzung des Plans und
5. Prozessevaluation.
Inhaltlich unterscheidet der Index drei Dimensionen, anhand derer die Einrichtung weiterentwickelt werden:
1. Dimension A „Inklusive Kulturen entfalten“ = Ziel: Entwicklung einer akzeptierende, kooperative und sichere
Gemeinschaftsatmosphäre  beruht auf geteilten inklusiven Werten
Prinzipien + Werte =für alle Entscheidungen leitend, werden allen neuen Eltern, Kindern und Fachkräften
vermittelt.
2. Dimension B „Inklusive Leitlinien etablieren“: Ziel = alle Konzeptionen und Pläne der Einrichtung an Inklusion
auszurichten  entstehenden Leitlinien sollen die Partizipation der Kinder unterstützen und klare Strategien für die
Umsetzung von Inklusion enthalten
3. Dimension C „Inklusive Praxis entwickeln“: Ziel: Aktivitäten entwickeln und gestalten, die Inklusion im Alltag
sichtbar werden lassen, die Vielfalt der Kinder berücksichtigen  Kinder sollen ermutigt werden, sich mit ihrem
Wissen und ihren Erfahrungen einzubringen und auch die Ressourcen aller anderen Beteiligten – inklusive des
sozialräumlichen Umfelds – sollen genutzt werden

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