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Dekubitus

Ein drückendes
Problem
Eine Informationsschrift
13. Auflage
13. Auflage

Herausgeber: IGAP - Institut für Innovationen


im Gesundheitswesen und
angewandte Pflegeforschung e.V.
Stader Str. 8
27432 Bremervörde
Tel.: 0 47 61 / 8 86 -74
Fax: 0 47 61 / 8 86-69

Text und wissen- Natascha Woltemade, Dipl. Pflegewirtin


schaftliche Beratung: Ute Geitmann, Pflegefachkraft
Marion Saller, Dipl. Pflegewirtin

Initiative: IGAP ist eine Initiative der Thomashilfen-Gruppe

Illustration: Jeremy Nagele


61118 Bad Vilbel

Gestaltung, Satz: Petra Zey


27446 Selsingen/Granstedt

Schutzgebühr: 2,50 €
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
vor 15 Jahren wollten wir eine Broschüre für pfle- Mindestens die Hälfte der Kosten könnten durch eine
gende Angehörige erstellen und entwickelten konsequente Durchführung der Dekubitusprophylaxe
unsere Informationsschrift „Dekubitus – Ein und –therapie eingespart werden, so erklärt unter
drückendes Problem“. Wie sich mit der Zeit her- anderem das Robert-Koch-Institut. Angesichts die-
ausstellte, bewirkten wir nicht nur bei unserer ses Wissens ist die Versorgung vieler Krankenkassen
ursprünglichen Zielgruppe eine positive Resonanz, mit Hilfe von Ausschreibungen umso erstaunlicher.
sondern auch bei professionell Pflegenden, Ärz- Denn wenn das einzige Zuschlagkriterium der nied-
ten und Therapeuten. rigste Preis ist, kann eine individuelle und an die
Jetzt halten Sie, nach über 230.000 bestellten Bedürfnisse des Betroffenen angepasste Versorgung
Exemplaren, die 13. Auflage in den Händen. nicht gewährleistet werden.
Wir freuen uns über das nach wie vor ungebro- Auch für die Pflegenden könnte eine angepasste,
chene Interesse und möchten Ihnen weiterhin Infor- individuelle Hilfsmittelversorgung eine positive
mationen an die Hand geben, die die Komplexität Unterstützung sein, wird doch die Qualität ihrer
des Themas „Dekubitus“ aufzeigen und so den Arbeit am Nichtvorhandensein eines Dekubitus
Blick auf in der Versorgung von Dekubituspatienten gemessen.
relevante Sachverhalte lenken. Die Berliner Prävalenzerhebung zeigte auch in
Der „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der 2008 einen deutlichen Rückgang an Dekubital-
Pflege“ leistet bereits seit dem Jahr 2000 einen geschwüren in den befragten Krankenhäusern und
effektiven Beitrag zum Dekubitusmanagement. Pflegeheimen, im Vergleich zu den Vorjahren.
Seine Überarbeitung im Jahr 2010 bewirkte Umstrittene Hilfsmittel, von deren Anwendung
nochmals einen Schritt hin zu einer modernen, wis- bereits abgeraten wurde, wie Felle, Fersenscho-
senschaftlich fundierten Pflege. Immer wieder in ner oder Sitzringe, sind weitestgehend aus dem
der Presse erscheinende Berichte über Dekubi- Pflegealltag verbannt.
tusfälle haben zwar eine hitzige Diskussion über Diese positive Entwicklung ist zu einem großen Teil
Pflegequalität entfacht, Gerichte und Rechtsme- auf den „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe
dizin bemüht, aber gesicherte Zahlen zum Deku- in der Pflege“ zurückzuführen. Pflegekräfte sind
bitusaufkommen in Deutschland und zu den Folge- sich des Problem wesentlich bewusster als früher
kosten liegen leider immer noch nicht vor. Bei der und leisten hier professionelle Arbeit um Deku-
Betrachtung des Problems müssen wir uns seit bitalgeschwüre aus dem Alltag zu verbannen.
Jahren auf Expertenschätzungen berufen. Nach Trotz allem besteht vielerorts, bei allen an der Ver-
diesen Schätzungen entwickeln jährlich mehr als sorgung Beteiligten, noch Informations- und somit
400.0001) Menschen einen behandlungsbedürf- Handlungsbedarf in der Prophylaxe und Therapie
tigen Dekubitus. Betroffen sind insbesondere von Druckgeschwüren.
immobile, kranke zumeist ältere Menschen. Es trifft Diese Broschüre soll informieren und einen Bei-
demzufolge zumeist Bewohner von Pflegeheimen trag zur Hilfestellung und Aufklärung bei der Betreu-
und Patienten in Krankenhäusern sowie Pflege- ung und Pflege von Dekubituspatienten leisten.
bedürftige im häuslichen Bereich. Dieser Zahl ste-
hen – ebenfalls geschätzte – Kosten in Höhe von IGAP Februar 2014
1 bis 2 Milliarden Euro gegenüber, die pro Jahr
für die Therapie von Druckgeschwüren aufge- 1)
Gesundheitsberichterstattung des Bundes, RKI, 2) vergl. Pelka 1997, zitiert
wendet werden.2) nach DNQP 2002

1
Inhaltsverzeichnis

Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Definition eines Dekubitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Die Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Entstehung des Dekubitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Entstehungsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
- Intrinsische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
- Extrinsische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
- Bewegungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
- Risikoeinschätzung mit Braden-Skala . . . . . . . . . . . . . . 16
- Lagerungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
- Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
- Hautpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
- Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25
- Bettklima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Dekubitusstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Dekubitustherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Kontaktadressen / Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

2
Einleitung
Einleitung
Dekubitus
Das Wundliegen eines Patienten, der Dekubi- chen Druckgeschwürs sein. Dazu müssen
tus, ist in der pflegerisch-medizinischen Versor- verschiedene aufeinander abgestimmte, aktivie-
gung immer noch ein großes Problem. Das bewei- rende und rehabilitierende Maßnahmen durch-
sen die Zahlen aus verschiedenen veröffentlichten geführt werden. Die wichtigsten sind die Bewe-
Studien. Danach haben Stichproben ergeben, dass gungsförderung, die richtige Positionierung und
ca. 13 % aller im Krankenhaus behandelten Pati- die Druckentlastung des Betroffenen. Zur Durch-
enten ein oder mehrere Druckgeschwüre ver- führung dieser Maßnahmen werden Fachwissen
schiedener Schweregrade davontragen. Im und ein ausreichendes Maß an Zeit benötigt.
Bereich der älteren und alten Patienten steigt diese Zur Unterstützung der Durchführung von Pro-
Zahl sprunghaft auf bis zu 30% und mehr an, da phylaxe und Therapie werden verschiedene Hilfs-
diese Patientengruppe besonders gefährdet ist. mittel gegen Dekubitus angeboten. Das Angebot
reicht von speziellen Schaumstoffmatratzen zur
Stichwort: Kosten Weichlagerung, über luftgefüllte Wechseldruck-
Die Angaben der durchschnittlichen Kosten für systeme bis hin zu Systemen zur Stimulation von
die Therapie eines Dekubitus können auf bis zu Mikrobewegungen. Da es nicht das „beste“ Hilfs-
50.000 EURO beziffert werden. Der daraus resul- mittel gibt, das für alle richtig ist, richtet sich die
tierende volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich Wahl des Hilfsmittels nach den individuellen
auf 1,0 – 2,0 Milliarden EURO pro Jahr. Bedürfnissen des Betroffenen.
Antidekubitus-Lagerungssysteme dienen der
Diese Zahlen sind mehr als beeindruckend. Doch Unterstützung von Prophylaxe und Therapie.
viel entscheidender ist, was die betroffenen Per- Sie sollten jedoch als das gesehen werden, was
sonen durchleiden müssen. Ein Dekubitus ver- sie sind, nämlich Hilfsmittel. Die pflegende Per-
ursacht dem Betroffenen permanente starke son wird durch solche Hilfen nicht ersetzt. Sie muss
Schmerzen, die oft nur mit einer geeigneten weiterhin sämtliche Risikofaktoren, wie z. B.
Schmerztherapie beseitigt werden können. Jede Immobilität, Hautveränderungen und Ernährungs-
Bewegung und Aktivität wird zur Qual. Der häu- zustand richtig einschätzen und die entspre-
fig zwei- bis dreimal täglich stattfindende Ver- chenden Pflegehandlungen einleiten. Profes-
bandswechsel (bei Verwendung von klassischen sionelles pflegerisches Wissen und Handeln,
Verbandsmitteln) stellt sowohl für den Patienten kombiniert mit einem guten Hilfsmittel, das den
als auch für die entsprechende Pflegekraft eine Bedürfnissen
enorme Belastung dar. Die Therapie eines Druck- des Patienten
geschwürs nimmt oft Monate in Anspruch. Neben entspricht, bil-
den Schmerzen bewirkt ein Dekubitus eine starke den den Ansatz
psychische Belastung. Patienten äußern sich oft zur Lösung der
in der Form, dass sie sich vorkämen, als verfaulten Dekubituspro-
sie bei lebendigem Leibe. Der Kontakt zu ande- blematik im
ren Menschen, häufig selbst zu nächsten stationären und
Angehörigen, wird gemieden. Depressionen sind im häuslichen
oft die Folge. Bereich.
Das Ziel der Patienten und aller an ihrer Versor-
gung Beteiligten muss die Vermeidung eines sol- Abb.1 Dekubitus II. Grades

3
Definition Die Haut

Was ist ein Dekubitus?


Aufgaben der Haut
„Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Die Haut ist mit einer Fläche von ca. 1,5 bis 1,8 m2 und
Schädigung der Haut und/oder des darunter einem Gewicht von 3,5 bis 10 kg das größte
liegenden Gewebes, in der Regel über Organ des Menschen. Die Haut hat mehrere
knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck lebenswichtige Funktionen zu erfüllen:
oder von Druck in Kombination mit Scher-
kräften. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren,
welche tatsächlich oder mutmaßlich mit Deku- Schutzfunktion
bitus assoziiert sind, deren Bedeutung ist aber Die Haut dient dem Körper als Schutz vor
noch zu klären.“ (NPUAP und EPUAP 2009, chemischen, mechanischen und thermi-
S.7, Expertenstandard Dekubitusprophylaxe schen Einflüssen.
in der Pflege, 2010)
Was nach wie vor deutlich wird bei allen Ver-
öffentlichungen zu dem Thema ist, dass wir Säureschutzmantel
trotz aller Wissenschaft nicht die genauen Der Säureschutzmantel der Haut wehrt
Zusammenhänge zur Entstehung eines Deku- vielerlei Krankheitserreger ab.
bitus kennen und viele Mechanismen noch
nicht geklärt sind.
Sinnesorgan
Ein Dekubitus kann unterschiedlich groß und tief Die Haut ist mit ihren verschiedenartigen
sein. Solche Wunden infizieren sich in der Regel. Tastkörperchen wichtiges Sinnesorgan
Dieses führt dazu, dass die Heilung nicht selten und dient damit der Vermittlung von Druck,
Monate in Anspruch nimmt. Bei sehr tiefen Temperatur und Schmerz.
Geschwüren bleiben chirurgische Eingriffe oft nicht
aus. Aber auch abgestorbenes Gewebe, soge-
nannte Nekrosen, müssen entfernt werden. Temperaturregulation
Die Haut kann durch Weit-Engstellung
Um die Problematik und die Entstehung eines der Gefäße die Temperatur des Körpers
Dekubitus in seinem Ausmaß zu verstehen ist es regulieren.
notwendig, sich mit dem Aufbau und der Funk-
tion der Haut zu befassen.
Wasserhaushalt
Die Haut hat Anteil am Wasserhaushalt,
indem sie einerseits den Körper vor
Austrocknung schützt und andererseits
Flüssigkeit und Salze abgibt.

Sie ist auch „Spiegel der Seele“. Durch sie wer-


den Emotionen und die körperlich-geistige Ver-
fassung eines Menschen ausgedrückt.

4
Die Haut
Eine intakte Haut kann ihre vielfältigen Funk-
tionen erfüllen. Aus diesem Grund ist es abso- Die Haut besteht aus drei
lut wichtig, die Haut adäquat zu pflegen. Aber verschiedenen Schichten:
auch die konsequente Beobachtung der Haut ist 1. Die Oberhaut - Epidermis
unerlässlich, um Veränderungen, z.B. von • Sie bildet die Grenze des Körpers zur
Leberflecken, sofort zu erkennen. Bei jeglicher Außenwelt.
Art von auffälligen Hautveränderungen sollte ein • Sie ist eine gefäßlose Schicht.
Arzt konsultiert werden. Eine vorgeschädigte Haut, • Sie erneuert sich innerhalb von 30 Tagen.
sei es durch natürlichen Alterungsprozess
bedingt oder durch Krankheit, kann ihren Auf- 2. Die Lederhaut - Dermis
gaben nicht gerecht werden und erhöht das • Sie verleiht der Haut Elastizität und
Risiko, einen Dekubitus zu erlangen, um ein Viel- Dehnungsfähigkeit.
faches. • Sie stülpt sich in die Oberhaut ein.
3. Die Unterhaut - Subcutis
Bei stetig zunehmenden Anteil der älteren Bevöl- • Sie besteht aus lockerem Bindegewebe.
kerung wird deutlich, dass uns die Problematik des
• In ihr sind Fettzellverbände eingelagert,
Dekubitus in Zukunft noch mehr herausfordern
die formgebende, isolierende und
wird. speichernde Funktion haben.

Haar
Oberhaut
(Epidermis)

Blut-
Schweiß- versorgung
drüse

Lederhaut
(Dermis)

Unterhaut
Fettzelle (Subcutis)

Abb. 2 Aufbau der Haut

5
Entstehung
Wie entsteht ein Dekubitus?
Auf Grund der Definition ist klar, dass es sich
beim Dekubitus um ein Geschehen handelt, das Stichwort: Scherkräfte
auf Grund von Druck und Scherkräften entsteht. Untersuchungen haben ergeben, dass neben
Die Hauptursache für die Entstehung eines Deku- dem Druck auch Scherkräfte bei der Ent-
bitus ist die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit stehung eines Dekubitus in bedeutendem
eines Patienten. Dadurch ist es ihm nicht mög- Maße mitwirken. Unter Scherung wird im pfle-
lich, den Druck, der durch die Belastung des Sit- gerisch-medizinischen Sprachgebrauch die
zens oder Liegens innerhalb einer gewissen Zeit Ver schie bung der verschiedenen Haut -
entsteht, durch Ausgleichsbewegungen zu ver- schichten gegeneinander verstanden. Sie
lagern. ergibt sich beim Umdrehen, Ziehen und Lagern
Dieser Druck führt zunächst zu einer Zellver- des Patienten. Die Scherung bewirkt eine
formung, die unter Umständen sehr komplex sein Verdrillung der Blutgefäße und unterbindet
kann. Neueste Untersuchungen haben ergeben, damit ebenfalls die Blutzirkulation.
dass diese Verformung der Zellen vor allem im
Muskelgewebe besonders zu Beginn des Drucks
auf das Gewebe eine zentrale Rolle bei der Ent- größeren Verletzlichkeit bei gleichzeitig
stehung eines Druckgeschwürs einnimmt. Erst verlangsamter Wundheilung. Aus diesen
nach längerer Zeit gewinnen Minderdurchblutung speziellen Gründen ist es wichtig, gerade auf die
und Übersäuerung des Gewebes an Bedeutung. Haut älterer Patienten ein besonderes Augen-
(nach Schröder, Kottner, 2012) merk zu richten und sie mit großer Sorgfalt zu
behandeln.
Gerade bei älteren Menschen können durch
Scherkräfte ganze Hautschichten voneinander Es ist in der täglichen Praxis häufig schwierig,
getrennt werden. Dafür verantwortlich sind die wenn nicht gar unmöglich die eindeutige Dia-
Hautveränderungen dieser Altersgruppe. Die gnose „Dekubitus“ zu stellen. Manche Dekubi-
Haut älterer Personen erfährt eine Abnahme talgeschwüre zeigen sich zunächst gar nicht an
des Wassergehalts und einen Elastizitäts- der Hautoberfläche sondern finden in den tie-
verlust. Sie wird schlaffer, das Unterhautfett- feren Gewebsschichten statt. Häufig muss man
gewebe wird zunehmend weniger. Durch die genau die Mechanismen untersuchen, die zur
nachlassende Aktivität der Talgdrüsen trocknet bestehenden Hautläsion geführt haben, um ent-
die Altershaut vermehrt aus. Diese Besonder- scheiden zu können um was es sich im vorlie-
heiten der Altershaut führen zu einer insgesamt genden Fall genau handelt.

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Entstehung

Immobilität

Druck

Verformung der Zellen

Komprimierung der Blutgefäße

Sauerstoff- und Mangel- Nerven-


Nährstoffmangel durchblutung schädigungen

Übersäuerung

Weitstellung der Gefäße

Flüssigkeitsaustritt

Ödembildung Blasenbildung Gefäßthrombose

Dekubitus

Abb. 3 Entstehung eines Dekubitus

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Entstehungsorte
Wo entsteht ein Dekubitus?
Ein Dekubitus entsteht bevorzugt an Körper- Am häufigsten treten Druckgeschwüre in der
stellen, die sich Steißregion, an den großen Rollhügeln (Trochan-
a) durch Knochenvorsprünge und teren) und an den Fersen auf. Aber auch die
b) geringe Abpolsterung durch Muskel- Ohren, der Hinterkopf, Schulterblätter und Zehen
und Fettgewebe auszeichnen. können betroffen sein.

Abb. 4 Primäre Entstehungsorte für Dekubitus in verschiedenen Körperpositionen

in Rückenlage

im Sitzen z. B. im Bett

in 90° Seitenlage

in Bauchlage im Rollstuhl

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Risikofaktoren
Risikofaktoren
Neben den primären Ursachen der Haut- Es können intrinsische und extrinsische
schäden müssen Risikofaktoren bedacht werden, Risikofaktoren unterschieden werden, also
die die Entstehung und Entwicklung eines nach Risikofaktoren, die im Patienten selber oder
Dekubitus fördern. in der Umwelt begründet sind. Nachfolgend sol-
len einige Risikofaktoren kurz erläutert werden:

Abb. 5 Risikofaktoren

Medikamente

Scherkräfte Verbände
Immobilität
Alter
Untergewicht, Mangelernährung
Hebe- und
Lagerungs- Stoffwechselstörungen Sonden
techniken Neurologische Erkrankungen
Körperliche und seelische Verfassung
Sensibilitätsstörungen
Lagerung, Durchblutungsstörungen Katheter
Positionierung Infektionen

Zu harte Körpernahe
Auflageflächen Fixierungen

Extrinsische Faktoren Intrinsische Faktoren

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Intrinsische Faktoren
Intrinsische Faktoren
➔ Reduzierte Mobilität/Immobilität
Ältere Menschen
Unter reduzierter Mobilität/Immobilität versteht
man eine krankheits- oder altersbedingte, einge- • Die Haut älterer Menschen weist
schränkte Beweglichkeit. Sie stellt den wichtigsten Veränderungen ihrer Struktur auf:
Risikofaktor für die Entstehung eines Druckge- daraus resultiert eine größere Verletz–
schwürs dar. Durch stark reduzierte Mobilität ist lichkeit.
es dem Patienten oft gar nicht oder nur unzurei- • Ältere Menschen leiden meistens unter
chend möglich, seine Lage im Sitzen oder Liegen Grunderkrankungen, die sich negativ auf
zu verändern. Er kann dem Druck auf bestimmte das Dekubitusrisiko auswirken können.
Körperregionen keine Entlastung entgegensetzen. • Insgesamt besteht oft ein reduzierter
Zu diesen Auswirkungen der Immobilität kommen Allgemeinzustand.
noch eine schlechte Lungenbelüftung, eine ver- • Oft ist die Mobilität durch das Alter
langsamte Verdauung, das Steifwerden der eingeschränkt.
Gelenke, die Abnahme der Skelettmuskulatur etc.
hinzu. Aber auch die Psyche eines Patienten ist • Diese Personengruppe trinkt in der
durch Immobilität stark beeinträchtigt. Solche Pati- Regel zu wenig und ist dadurch häufig
enten neigen oft zu depressiven Verstimmungen, ausgetrocknet.
die die Immobilität wiederum fördern und ver-
stärken. nachts aktiviert, was den häufigen nächtlichen
Harndrang erklärt. Selbstverständlich wird die-
➔ Alter ser Sachverhalt als lästig empfunden und das
Das Alter eines Patienten ist zur Bestimmung des Trinken somit gerne eingeschränkt. Inkontinenz
Dekubitusgefährdungsgrades von großer Bedeu- erhöht darüber hinaus den Wunsch, noch weni-
tung. Muss ein älterer bis hochbetagter Mensch ger zu trinken. Ohne das Wissen um diese
betreut bzw. gepflegt werden, sind folgende Punkte Zusammenhänge, bringt sich der ältere Mensch
zu berücksichtigen: also oft selbst in den fatalen Zustand des
Flüssigkeitsmangels.
➔ Austrocknung Exsikose
Patienten in reduziertem Allgemeinzustand trin- Bei der lebenswichtigen Versorgung des
ken häufig zu wenig. Der Flüssigkeitsmangel im Patienten mit einer ausreichenden Menge
Körper bewirkt die Austrocknung der Haut. Flüssigkeit können z.B. pflegende Ange-
Neben dieser Auswirkung führt eine solche hörige einen bedeutenden Teil der Pflege
Exsikose auch zu Veränderungen der geistigen leisten.
Fähigkeiten. Die Patienten sind eingetrübt und
artikulieren sich in einer für sie ungewöhnlichen ➔ Gewicht
Art und Weise. Sowohl sehr dünne als auch dicke (adipöse)
Verschiedene Faktoren tragen dazu bei. Zum Patienten neigen stärker zur Entwicklung eines
einen lässt im Alter das Durstempfinden nach, Dekubitus als normalgewichtige Menschen, da
d.h. der ältere Mensch merkt nicht, dass er durch die anatomischen und physikalischen
einen Flüssigkeitsmangel hat. Zum anderen Verhältnisse große Druckwerte auf die gefährde-
sind im höheren Lebensalter die Nieren eher ten Körperstellen einwirken.

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Intrinsische Faktoren
➔ Untergewicht/Mangelernährung durchblutung zusätzlich von außen kompri-
Mangelernährung führt zu einem reduzierten miert, ist das Absterben der entsprechenden
Allgemeinzustand, Mattigkeit, Abgeschlagenheit Zellen unausweichlich. Aber auch die Wund-
und Schwäche. Dadurch wird letztendlich eben- heilung schon bestehender Druckgeschwüre ist
falls die Immobilität eines Patienten gefördert. durch die schlechte Blutversorgung äußerst
Bei schon vorhandenem Dekubitus verzögert sie langwierig und kompliziert.
zudem den Prozess der Wundheilung. Studien
belegen, dass untergewichtige Menschen wesent- Die Symptomatik eines Schlaganfalls können,
lich mehr Risiko haben, einen Dekubitus zu erlei- entsprechend seiner Äthiologie (Herkunft),
den als Normal/- bzw. übergewichtige Menschen Sensibilitäts- und Lähmungserscheinungen sein.
Die Sensibilitätsstörungen führen zu einer vermin-
➔ Inkontinenz derten Reizweiterleitung. So kann wiederum
Inkontinenz ist das Unvermögen, Harn oder Stuhl Druck schlecht oder überhaupt nicht wahrge-
kontrolliert ausscheiden zu können. Obwohl ein nommen werden. Die einseitigen Lähmungs-
Patient in einem solchen Fall mit Inkontinenz- erscheinungen (Paresen) reduzieren die Mobilität
artikeln, wie beispielsweise Windelhosen, versorgt des Patienten erheblich. Häufig werden die betrof-
wird, wirken Stuhl, Urin und Bakterien permanent fenen Körperseiten negiert, d.h. der Patient sieht
auf die Haut ein. Hautschäden sind die Folge. diese Körperhälfte nicht mehr als zu ihm dazu-
gehörig an. Auch hier besteht durch die Grunder-
➔ Stoffwechsel- und neurologische krankung ein erheblich erhöhtes Dekubitusrisiko.
Erkrankungen
Durch Auswirkungen und Komplikationen beste- ➔ Infektionen
hender Grunderkrankungen, wie beispielsweise Infektionen greifen negativ in den Stoffwechsel
die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder ein und schwächen die körpereigene Abwehr
den Schlaganfall (Apoplexie) wird der und damit auch den Allgemeinzustand des
Entstehung eines Druckgeschwürs Vorschub Patienten. Zudem entwickeln Infektions-
geleistet. patienten Fieber, welches wiederum zu einer
vermehrten Schweißsekretion führt. Die damit
Die Spätkomplikationen des Diabetes mellitus verbundene Feuchtigkeit weicht die Haut auf
sind Nervenleiden (Neuropathien), Gefäßkrank- und setzt, wie schon beschrieben, die
heiten (diabetische Makro- und Mikroangio- Widerstandskraft der Haut herab.
pathien), krankhafte Veränderungen der Nieren
(Nephropathien) und Veränderungen des Augen- ➔ Sensibilitätsstörungen
hintergrundes (Retinopathien). Bei Sensibilitätsstörungen handelt es sich um
Die Neuropathien führen häufig zu einem das völlige Fehlen, die Herabsetzung oder die
reduzierten Schmerzempfinden, d.h., dass Steigerung eines Sinnesreizes. Zu diesen
Schmerz, der durch Druck entsteht, vom Sinnesreizen zählen beispielsweise die Tempe-
Patienten nicht wahrgenommen wird. Es raturempfindung oder die Wahrnehmung von
erfolgen keine Bewegungen, die zu einer Berührung und Schmerz.
Druckentlastung führen. Sensibilitätsstörungen können dazu führen,
Diabetische Makro- und Mikroangiopathie bewir- dass der Patient nicht auf den durch Druck ent-
ken eine reduzierte Blutzirkulation. Werden stehenden Schmerz mit einem Positions- bzw.
Blutgefäße bei bereits vorherrschender Minder- Lagerungswechsel reagieren kann.

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Intrinsische und Extrinsische Faktoren
➔ Körperliche und seelische Verfassung Manche werde in dieser Auflistung das Problem
Körperliche Schwäche und depressive Ver- „Inkontinenz“ vermissen. Hierbei gilt anzumer-
stimmungen wirken sich unmittelbar negativ auf ken, dass es keinen wissenschaftlichen Zusam-
die Mobilität des Patienten aus. Gerade hier ist menhang zwischen der Dekubitusentstehung
es wichtig, erste Anzeichen zu erkennen und und der Hautfeuchtigkeit gibt. Sollte es aller-
entsprechende Maßnahmen in die Wege zu lei- dings aus anderen Gründen zu einem
ten, um das Problem zeitnah an der Wurzel Dekubitus kommen, kann die vorhandene
packen zu können und weitere Immobilität zu Inkontinenz und damit die Verunreinigung der
verhindern. Wunde zu massiven Komplikationen im Sinne
von Infektionen führen.

Extrinsische Faktoren
➔ Lagerung/Positionierung können. In jedem Fall muss die Gefährdung
Wie bereits in Abbildung vier dargestellt, gibt es eines Patienten dem Arzt mitgeteilt werden, so
Lagerungsarten, die die Entstehung eines dass dieser die medikamentöse Therapie des
Dekubitus fördern können. Als klassisches Patienten darauf abstimmen kann.
Beispiel sei hier die 90°-Seitenlagerung
genannt. Verweilt der Patient über einen länge- ➔ Verbände
ren Zeitraum in dieser Position kann davon aus- Falsch angelegte oder zu fest sitzende
gegangen werden, dass sich wahrscheinlich ein Verbände können massiven Druck auf das
Druckgeschwür bilden wird. Aber auch das per- Gewebe auslösen
manente Sitzen oder das Liegen auf dem
Rücken über einen längeren Zeitraum sind ➔ Sonden und Katheter
Lagerungen, die einen hohen Gefährdungsgrad Ebenso können Sonden und Katheter sowie kör-
in sich bergen. pernahe Fixierungen, die immer an der gleichen
Stelle Druck ausüben, zu massiven Schädi-
➔ Hebe- und Lagerungstechniken gungen führen. Gerade bei Sonden und
Bei falschen Hebe- und Lagerungstechniken Kathetern ist es auch fatal, dass die Pflegekraft
kann die Haut durch Reißen, Verschieben und die Defekte nicht sofort bemerken kann, da die
Drücken des Patienten Verletzungen erfahren. Schädigungen im Körper liegen und erst spät
Hier sei an die beschriebenen Scherkräfte erin- die Komplikationen nach außen treten.
nert.
➔ Harte Auflageflächen
➔ Medikamente Insbesondere harte OP-Tische, Tragen und
Bei dekubitusgefährdeten Patienten sollte nach Behandlungsliegen können hier nach kürzester
Möglichkeit auf sedierende, also ruhigstellende Zeit zu massiven Schädigungen des Gewebes
Medikamente verzichtet werden, da sie sich führen aber natürlich auch Stühle und zu harte
mehr oder weniger stark auf die Mobilität eines Matratzen müssen hier genannt werden.
Patienten auswirken. Aber auch Schmerzmittel Ebenso können zu feste Lagerungsmaterialien
können bewirken, dass durch Druck verursach- Druck auf ohnehin gefährdete Körperstellen
te Schmerzen nicht wahrgenommen werden ausüben.

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Prophylaxe – Bewegungförderung
Vorbeugende prophylaktische Maßnahmen
Ein Druckgeschwür stellt eine große • Gewährleistung der kontinuierlichen Durch-
Belastung für den Patienten dar. Die führung prophylaktischer Maßnahmen
Therapie eines Dekubitus ist in der Regel • Einschätzungskompetenz über die Effek-
schmerzhaft und dauert häufig mehrere tivität der prophylaktischen Maßnahmen
Wochen bis Monate.
1. Risiko erkennen
Der Patient zieht sich oft vom gesellschaftlichen Um ein Dekubitusgeschwür zu verhüten ist es
Leben zurück. Daraus resultieren nicht selten zunächst einmal wichtig, das Dekubitusrisiko
Depressionen bei den Betroffenen. Darum soll- eines Patienten richtig einzuschätzen. Dazu
te erst gar kein Druckgeschwür entstehen. Zur kann man sich einer Auflistung der einzelnen
Vorbeugung müssen gezielte Maßnahmen Risikofaktoren bedienen und überprüfen, ob von
ergriffen werden. Trotz des Expertenstandards diesen einige zutreffen. In den letzten Jahren
Dekubitusprophylaxe, der eine fundierte bediente man sich hierfür häufig einer soge-
Handlungsrichtlinie bietet, wird häufig noch ver- nannten Dekubitusrisikoskala und es entbrann-
altetes Fachwissen angewendet. Unsachge- ten heftige Diskussionen unter den Pflege-
mäße pflegerische Handlungen, wie z. B. die kräften darüber, welche der bekannten Skalen
Einreibung mit Melkfett oder das Massieren (Norton, modifizierte Norton, Braden, Waterlow,
gefährdeter Hautpartien ist nach wie vor vorzu- etc.) wohl am besten geeignet ist um ein
finden. Dekubitusrisiko zu ermitteln.
Der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe aus Die aktuelle Version des Expertenstandards
dem Jahr 2000 und seine Aktualisierung 2010 Dekubitusprophylaxe von 2010 spricht hier
dient hier als Grundlage für die nachfolgenden deutliche Worte:
Ausführungen. „Dekubitusrisikoeinschätzung ist mehr als die
Anwendung einer Skala“ (Schröder, Kottner,
Zur Schaffung einer qualitativen und einheitli- 2012, S.71)
chen Basis ist im August 2000 der nationale
Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe ver- Ein Dekubitusrisiko bedeutet, dass eine Person
öffentlicht worden. Dieser dient hier als Grund- verschiedene sowohl intrinsische als auch
lage für die nachfolgenden Ausführungen. extrinsische Faktoren aufweist, die die
Wahrscheinlichkeit, ein Druckgeschwür zu ent-
Der Expertenstandard umfasst wickeln erhöhen. Diese Faktoren variieren von
folgende Schwerpunkte: Person zu Person und deren Zusammenwirken
• Aktuelles Wissen über Dekubitusentstehung ist nicht ausreichend erforscht und belegt.
und Einschätzungskompetenz des Was wir klar aussagen können ist, dass eine
Dekubitusrisikos Beeinträchtigung der Fähigkeit sich selbst zu
• Gewebeschonende Bewegungs-, bewegen oder selbständig einen Lagewechsel
Lagerungs- und Transfertechniken anzubahnen, den größten Risikofaktor über-
• Unverzüglicher Einsatz angemessener haupt darstellt. Immobilität stellt also den größ-
Hilfsmittel ten Faktor dar und kann zusammen mit den
• Schulung der Patienten und deren bereits genannten zusätzlichen Faktoren zur
Angehöriger Enstehung eines Druckgeschwürs führen.

13
Prophylaxe – Bewegungförderung
2. Gewebeschonende Bewegungs-, Die Durchführung entsprechender Maßnahmen
Lagerungs- und Transfertechnik nennt man Mobilisierung. Zu diesen Maßnahmen
Die Fähigkeit, sich selbständig zu bewegen und gehören:
sich in der eigenen Umgebung frei bewegen zu kön-
nen, ist für die Selbstbestimmung und somit für • die richtige Lagerungstechnik,
das Wohlbefinden eines Menschen von größter • die Durchführung von Bewegungsübungen,
Wichtigkeit. Ist die dafür notwendige Bewegungs- • Veränderungen der unmittelbaren
fähigkeit reduziert bzw. nicht mehr vorhanden, Umgebung eines Patienten und
hat dies zahlreiche negative Folgen auf die Psy- • die geistige Anregung eines Patienten,
che des Betroffenen, aber vor allem auf die Gesun- sowie
derhaltung seines Körpers. • Bewegungs- und Transfertechnik.

Wie bereits vorher beschrieben, kann die


Bewegungsfähigkeit eines Menschen so stark Die richtige Lagerungstechnik/Positio-
eingeschränkt sein, dass er eine Druckentlastung nierung
nicht mehr selbständig durchführen kann. Er ist
nicht mehr in der Lage, seine Körperposition zu Der Begriff „Lagerung“ ist zwar im pflegerischen
verändern. Sprachgebrauch sehr weit verbreitet, impliziert
jedoch komplette Passivität des „Zu Lagernden“.
Somit stellt der Erhalt der Bewegungsfähigkeit Daher wird im Folgenden der Begriff Lagerung
eine der wichtigsten prophylaktischen Maßnah- durch den Begriff der Positionierung ergänzt, dass
men dar. das Einnehmen einer Position Aktivität des Betrof-
fenen erfordert. (Nach Wagner, 2012)
Ist die Beweglichkeit eines Patienten durch Behin-
derung, Erkrankung oder einfach aufgrund des Die für den Patienten richtigen Lagerungen/Posi-
Alters eingeschränkt, müssen Pflegende und tionierungen werden im nächsten Abschnitt
Therapeuten Maßnahmen ergreifen, um weitere gesondert beschrieben. Die Abbildungen werden
Bewegungseinschränkungen zu vermeiden, die Ihnen zeigen, was man sich unter den entspre-
noch vorhandene Bewegungsfähigkeit zu chenden Positionen vorstellen muss.
fördern und verlernte Bewegungsabläufe wieder
zu erlernen. Ziel einer gewebeschonenden Lagerung ist es, den
Patienten in eine Position zu bringen, in der die
Entscheidend sind hierbei also die Faktoren Druck- gefährdeten Körperstellen relativ druckunbelastet
entlastung, Druckverteilung und das Vermeiden bleiben. Dieses kann beispielsweise durch unter-
von Scherkräften. schiedlichste Bewegungs-, Lagerungs- und Trans-
Pflegende werden angehalten, gerade beim fertechniken nach Bobath oder Kinästhik erfolgen.
Transfer der Patienten darauf zu achten, dass die Schon durch die Handhabung des Lagerns wer-
Hautschichten geschützt werden und nicht den dem Körper des Patienten die wichtigen akti-
unnötiges Abscheren der Hautschichten das Deku- ven bzw. passiven Bewegungen ermöglicht.
bitusrisiko weiter steigert bzw. die Enststehung des
Dekubitus fördert. Darum muss der Vorgang des Lagerns in für den
Betroffenen nachvollziehbaren, langsamen
Bewegungen erfolgen. Bereits hierbei ist es mög-

14
Prophylaxe – Bewegungförderung
lich, dem Patienten den eigenen Bewegungs- Klassische Mobilisation
spielraum erfahrbar zu machen und so zu
seiner Erhaltung beizutragen. Unter Mobilisierung versteht man Maßnahmen zur
körperlichen und geistigen Aktivierung von Pati-
enten, vor allem bei Bettlägerigkeit oder nach Ope-
Bewegungsförderung rationen. Zu diesen Maßnahmen gehören
z. B. das Aufsetzen am Bettrand, das Gehen mit
Der Einfluss von körperlicher Aktivität in Form Unterstützung eines Helfers oder aber auch pas-
z.B. von Bewegungsübungen oder leichtem Sport sive und aktive Bewegungsübungen.
auf die Verlangsamung des körperlichen wie
des mentalen Alterungsprozesses wird immer
wieder hervorgehoben. Dementsprechend soll- Hinweis zu Mobilisation Sitzen
ten Bewegungsübungen konsequent durchge-
führt werden. Natürlich ist es wichtig dem Patienten bei den
Art und Ausdauer dieser Übungen richten sich unterschiedlichen Mobilisationstechniken auch
nach der körperlichen Konstitution des Betref- anzubieten, das Blickfeld zu verändern bzw. den
fenden. Von entscheidender Wichtigkeit ist es, Raum zu wechseln.
die Bewegungsübungen nicht losgelöst von pfle- Durch moderne Untersuchungen wissen wir aber
gerischen Tätigkeiten durchzuführen, sondern auch, dass hoher Druck über kurze Zeit die Haut
sie in die Tätigkeiten zu integrieren. Es sollte auch sehr stark schädigen kann und einem Dekubitus
über die Versorgung mit Mobilitätshilfen nach- Vorschub leistet. Der entstehende Druck auf das
gedacht werden. Häufig reicht schon ein Stock Gesäß ist im Sitzen erheblich höher als im Liegen.
oder eine Gehhilfe aus. Solche Mobilitätshilfen Aktuelle Untersuchungen belegen, dass ein
sollten vom Patienten ausprobiert werden. Heute Dekubitus bei einstprechendem Risiko bereits nach
gibt es ein großes Angebot, das die Bedürfnisse 10 bis 20 Minuten entstehen kann. Dies bedeu-
jedes Patienten decken kann und hilft, die Bewe- tet, dass bei Menschen, die ein hohes Dekubi-
gungsfähigkeit und damit die Selbständigkeit des tusrisiko aufweisen, die Zeit des Sitzens stark
Betreffenden zu erhalten. begrenzt werden muss. Manchmal so weit, dass
Sitzen nur zur Nahrungsaufnahme ermöglicht wer-
den kann.
Die geistige Anregung des Patienten

Nach diesen eben behandelten Punkten sollte MiS Micro-Stimulation


ein weiteres Augenmerk auf die geistige Anre-
gung eines Patienten gerichtet werden, denn kör- Leider erreichen die Maßnahmen der klassischen
perliche Beweglichkeit fängt im Kopf an. Mobilisation häufig nicht das gewünschte Ziel. Oft
Gespräche, Fernsehen, Zeitung lesen, Ausüben liegt es daran, dass die Pflegebedürftigen nicht in
von Hobbies etc. dienen der geistigen Fitness. der Lage sind, sich zu bewegen oder es schlicht-
Häufig können Betroffene aufgrund einer Seh- weg ablehnen. Der Grund für diese Haltung kann
schwäche nicht mehr lesen oder fernsehen. In darin bestehen, dass der Patient unter massiven
einem solchen Fall sollte dem Patienten vorge- Körperwahrnehmungsstörungen leidet. Diese
lesen werden. Aber auch das Hören von Hör- Störungen resultieren oftmals aus einer gewissen
spielen bietet dem Patienten Anregung. Reizarmut. Aus verschiedenen Bewegungskon-

15
Prophylaxe – Bewegungförderung
zepten ist seit vielen Jahren bekannt, dass sich Dekubitusprophylaxe. MiS Micro-Stimulation
ein Mensch nur dann bewegen kann, wenn er bedeutet, durch Berührung und kleine Bewegungen
zuvor Reize wahrnehmen konnte und diese infol- die Wiederherstellung der Körperwahrnehmung
gedessen mit einer Bewegung beantworten des Patienten zu unterstützen und dadurch die
kann. Eigenbewegung zu fördern. Dadurch wird Druck-
Das Bewegungs- und Wahrnehmungskonzept der verteilung/ und –entlastung im Gewebe gewähr-
MiS Micro-Stimulation nimmt diese Grundgedanken leistet, so dass das Auftreten von Druckgeschwüren
auf und verbindet sie mit den Anforderungen zur verhindert wird.

Risikoeinschätzung
Wie bereits besprochen ist es unerlässlich, das Deku- Diabetes mellitus, Lähmungen, Narkosen, etc.)
bitusrisiko individuell einzuschätzen, um passende • Medizinische Geräte und Applikationen, die
Maßnahmen zu Vermeidung eines Druckgeschwürs sich in unmittelbarem Kontakt zur Haut/
in die Wege zu leiten. Die Einschätzung muss sofort Schleimhaut befinden (Katheter, Kanülen,
bei der Übernahme des Pflegeauftrages erfolgen und Sonden, Verbände, Anti-Thrombosestrümpfe,
in realistischen Intervallen wiederholt werden bzw. körpernahe Fixierungen, etc.)
immer dann, wenn sich am Zustand des Patienten • Bestehender oder abgeheilter Dekubitus
etwas verändert. • Untergewicht
• Alter
Hierbei berücksichtigen wir die folgenden Faktoren:
(nach Schröder/Kottner, 2012, S, 92)
• Einschränkungen der Mobilität und Aktivität Bei aller Einschätzung von Mobilität ist und bleibt
(Lähmungen, Sedierung, Depressionen, jedoch nicht entscheidend, was der Patient kann oder
Schmerzen, Schonhaltungen, Erkrankungen, können müsste, sondern was er tatsächlich tut. Also
etc.) nicht nur die Bewegungskompetenz sondern vor allem
• Einschränkungen der Sensibilität und/oder die tatsächliche Aktivität und Bereitschaft zur Bewe-
des Bewusstseins (Polyneuropathien z.B. bei gung und Kooperation mit den Pflegekräften.

16
Prophylaxe – Lagerungstechniken
Was ist eine Mikrolagerung? Schmerzpatienten oder den nächtlichen Positions-
wechsel. Sie bietet die Möglichkeit, schnell und sanft
Der gesunde liegende Mensch führt in einer Stunde Lageveränderungen durchzuführen, indem der Pati-
zwischen 8 und 40 Mikrobewegungen durch. An die- ent nur minimal bewegt wird.
sem physiologischen Bewegungsmuster orientiert sich
die Mikrolagerung. Angestrebt werden physiologische
Positionsveränderungen in den Gelenken sowie unter- Wie wird die Mikrolagerung durchgeführt?
stützende Lageveränderungen durch Druckverteilung
an Kopf, Schultern, Hüfte und des Fersenbereichs. Es können bei jedem Patientenkontakt kleinste Lage-
und Positionsveränderungen durchgeführt werden.
Diese Maßnahme kann beispielsweise im Uhrzei-
Welche Ziele hat die Mikrolagerung? gersinn erfolgen. Dazu kann ein zusammengefaltetes
Handtuch unter das Becken geschoben und nach kur-
Es gilt mittlerweile als gesichert, dass kleinste Schwer- zer Zeit unter der Schulter positioniert werden.
punktverlagerungen ausreichen, um eine prophy-
laktische Wirkung zu erzielen. Die Häufigkeit und Kon-
tinuität in der Nachahmung des physiologischen Welche Hilfsmittel können eingesetzt
Bewegungsmusters dient unterstützend der Ver- werden?
meidung von Sekundärerkrankungen wie z. B. Deku-
bitus, Pneumonie, Thrombose und Kontrakturen. Zur Durchführung einer Mikrolagerung eignen sich
besonders gut Handtücher, Bettdecken (gefaltet/als
Eine Druckentlastung von bestimmten Körperarea- Rolle) sowie Kissen. Der Hilfsmitteleinsatz sollte unter
len, wie bei der Makrolagerung, wird nicht erzielt. Die dem Aspekt „weniger ist mehr“ erfolgen, um nega-
Mikrolagerung dient der zeitweiligen Entlastung tive Auswirkungen auf Bettklima und Bewegungs-
(Druckverteilung), aber ersetzt nicht das regelmäßige freiheit des Patienten zu vermeiden.
Umlagern. Da keine speziellen Lagerungshilfsmittel zum Einsatz
kommen, kann die Mikrolagerung auch von pfle-
genden Angehörigen durchgeführt werden.
Bei wem kann die
Mikrolagerung ange-
wendet werden?

Die Mikrolagerung kann


bei allen Patienten ange-
wendet werden, die sich
nicht ausreichend selbst
bewegen können und auf-
grund dessen seitens der
Pflege Unterstützung in
ihrer Bewegung und
Mobilität bedürfen. Diese
Lagerungsvariante eignet
sich besonders gut für

17
Prophylaxe – Lagerungstechniken
Im Folgenden stellen wir die verbreitetsten Lage- Die Mikrolagerung kann bei allen Patienten ange-
rungs-/ Positionierungsvarianten vor. Diese lassen wendet werden, die sich nicht ausreichend selbst
sich natürlich mit allem durchführen, was gerade bewegen können und aufgrund dessen seitens der
in der häuslichen Pflege immer vorrätig ist, aller- Pflege Unterstützung in ihrer Bewegung und Mobi-
dings muss darauf hingewiesen werden, dass per- lität bedürfen. Sie bietet die Möglichkeit, schnell
fekte Lagerung und Positionierung auch perfektes und sanft Lageveränderungen durchzuführen,
Material erfordert. Es gibt auf dem Markt mittler- indem der Patient nur minimal bewegt wird. Insbe-
weile ein breites Sortiment für Lagerungshilfsmittel sondere Schmerzpatienten profitieren von dieser
sodass für jede Situation das geeignete Material Lagerungsvariante. Bereits mit kleinsten Schwer-
verfügbar ist (z.B. Lück, Russka, Wulff, etc.). punktverlagerungen wird eine prophylaktische
Wirkung erzielt.
3. Lagerung/Positionierung
Die bekannteste Form ist die 30-Grad- Angestrebt werden physiologische Positionsverän-
Schräglage. Bei dieser Lagerung wird entweder derungen in den Gelenken sowie unterstützende
die rechte oder linke Gesäß- bzw. Körperhälfte bela- Lageveränderungen durch Druckverlagerungen an
stet. Diese Stellen eignen sich zur Druckbelastung, Kopf, Schultern, Hüfte und des Fersenbereichs.
da sie durch die Gewebemuskulatur gut abge-
polstert sind und sich keine Knochenvorsprünge Als Lagerungshilfsmittel eignen sich besonders gut
darunter befinden. Diese Stellung wird mit Hilfe Handtücher, Bettdecken (gefaltet /als Rolle)
von zwei großen Kissen erreicht, die auf die Hälfte sowie Kissen. Dazu kann beispielsweise ein gefal-
(Schiffchen) gefaltet werden. tetes Handtuch unter der Schulter positioniert und
Das erste wird rechts oder links der Wirbelsäule nach kurzer Zeit unter das Becken geschoben wer-
unter den Rücken gelegt, das zweite unter den ent- den. Der Einsatz von Lagerungshilfsmitteln sollte
sprechenden Oberschenkel. Diese Form der Lage- unter dem Aspekt „weniger ist mehr“ erfolgen, um
rung bedarf einiger Übung und Drehtechnik, sie negative Auswirkungen auf Bettklima und
kann jedoch schnell erlernt werden. Bewegungsfreiheit des Patienten zu vermeiden.

Besteht bereits eine Druckstelle im Bereich des


Steißbeins, ist auf die Rückenlage
völlig zu verzichten.

Abb. 6 Abb. 7
30°-Lagerung Mikrolagerung

18
Prophylaxe – Lagerungstechniken
Gefährdete oder betroffene Körperstellen können
auch durch eine Freilagerung entlastet werden.
Die Fersen eignen sich hierfür besonders gut. Als
Lagerungshilfsmittel kann ein einfaches Handtuch
dienen. Bei der Freilagerung ist jedoch darauf zu
achten, dass man durch diese Maßnahme keine
anderen Körperstellen extrem belastet bzw.
einem Druck aussetzt, der die Blutzirkulation beein-
trächtigt. Folglich dürfen Sitzringe aus Schaum-
stoff oder aus Gummi nicht eingesetzt werden.
Ebenso ist darauf zu achten, dass das Knie nicht
überstreckt ist, was mit einer Handtuchrolle unter
dem Knie leicht zu vermeiden ist.
Abb. 8
135°-Lagerung

Neben den beschriebenen Formen ist auch die


135-Grad-Lagerung möglich. Sie bietet einen
besonderen Vorteil bei bereits vorhandenen
Druckgeschwüren im Bereich des Steißbeins. Die Abb. 9
meisten Patienten empfinden diese Haltung als Fersen-
recht angenehm. Auch hier wird wiederum mit zwei Freilagerung
Kissen gearbeitet, wobei eines unter eine Hälfte
des Oberkörpers gebracht wird und das andere
unter die entsprechende Hüfte und Oberschenkel. Zusammenhang Position/Schlafkomfort

Nicht jede Position ist für jeden Menschen geeig-


net. Gerade diejenigen unter uns, die schon ein-
Falttechniken zur Mikrolagerung
mal durch Krankheiten, Operationen, Verbänden
oder Schwangerschaft gezwungen waren, in unge-
3-fach Faltung
wohnten Positionen zu schlafen, wissen wie sehr
(z.B. zur Lagerung des
dies die Schlafqualität beeinträchtigen kann.
Schulterblatts)
Schlechte Schlafqualität bedeutet weniger Mikro-
bewegungen, weniger Mikrobewegungen bedeu-
Rolle ten ein höheres Dekubitusrisiko. Schlechter
(z.B. zur Lagerung der Schlaf und Unausgeschlafenheit am Tage bedeu-
Gesäßregion) ten ebenfalls eine Abnahme der Mobilität bzw. der
Bereitschaft zu Mobiliät.
Also ist es nicht damit getan, die geeignete pro-
„Brezel“-Faltung phylatische Lagerung anzubieten, sondern auch
(z.B. zur Lagerung der eine Position zu wählen, in der sich der Betroffene
Extremitäten) optimal entspannen und schlafen kann.

19
Prophylaxe – Hilfsmittel
4. Hilfsmittel schmerzreduzierende, bewegungsfördernde
Zur Unterstützung der prophylaktischen und Systeme)
therapeutischen Maßnahmen sollten Hilfsmittel Häufig finden auch Kombinationen zwischen
gegen Dekubitus zum Einsatz kommen. Weichlagerung und Wechseldruck Anwendung.
Wichtig ist es zu wissen, dass es nicht „DAS
EINE“ passende Hilfsmittel für alle Menschen Weichlagerungs-Systeme
gibt, sondern es immer darauf ankommt, indi- Eine Vielzahl von Antidekubitus-Systemen basiert
viduell das passende Hilfsmittel für den auf dem Wirkprinzip der Vergrößerung der Aufla-
Patienten zu finden. gefläche des Körpers. Dieses wird durch eine opti-
male Anpassung des Hilfsmittels erreicht. Es gilt:
Je besser sich die Hilfsmitteloberfläche an den Pati-
Hilfsmittel enten anpasst, desto größer wird die Auflagefläche.
• unterliegen nicht dem Budget des Der Auflagedruck wird gleichmäßig verteilt.
verordnenden Arztes. Viele Jahre hat man Patienten sehr weich gelagert.
• Ihre Verordnung ist nach SGB V §33 Diese Lagerung wurde auch als Super-Weichla-
geregelt gerung bezeichnet.
• Sollen den Erfolg der Krankenbehand- Studien haben belegt, dass diese Art der Lagerung
lung sichern gewisse unerwünschte Nebenwirkungen, wie z. B.
Oder die Verlangsamung der Feinmotorik, mit sich bringt.
• Einer drohenden Behinderung vorbeugen Insofern sollte bei der Auswahl eines Weichlagerungs-
Systems darauf geachtet werden, dass der Patient
genügend Halt auf der Matratze findet. Dieses ist
Das Angebot reicht von einfachen Lagerungs- bedeutend für die Durchführung selbständiger Bewe-
kissen zur Unterstützung der Freilagerung, bis gungen und für den Erhalt der Körperwahrnehmung.
zu sehr teuren Spezialbetten. Die Idee hinter
diesen Hilfmitteln ist immer die gleiche: Der Wechseldruck-Systeme
Druck, der auf gefährdete Hautstellen einwirkt, Wechseldruckmatratzen bestehen aus verschie-
soll gemindert werden. Dieses kann bei den angeordneten Luftkissen. Diese werden
Liegesystemen auf verschiedenste Arten abwechselnd mit Luft aufgepumpt. Dadurch wird
erreicht werden. Zum einen kann der Druck der eine mehrfach stündlich wechselnde Druckent-
gefährdeten Körperzonen auf eine größere lastung geboten.
Auflagefläche verteilt werden und zum ande- Wechseldruck-Systeme sind über viele Jahre unein-
ren kann dafür gesorgt werden, dass der Druck geschränkt zum Einsatz gekommen. Doch auch
nur über einen kurzen Zeitraum einwirkt. beim Einsatz von Wechseldruck-Systemen können
beim Patienten negative Begleiterscheinungen auf-
Daraus ergeben sich drei Gattungen Liege- treten. Beispielsweise kann sich der Muskeltonus
systeme gegen Dekubitus: eines Patienten erhöhen oder sogar Spastiken her-
• Weichlagerungs-Systeme (z. B. Schaum- vorgerufen werden.
stoffmatratzen, Gelauflagen, Luftkissen etc.) Zudem sollten bestimmte Patientengruppen nicht
• Wechseldruck-Systeme (z. B. klein- und mit Wechseldruck-Systemen versorgt werden.
großzellige Wechseldruck-Systeme) Dazu zählen vor allem Schmerz-Patienten und wahr-
• Systeme zur Stimulation von Mikro- nehmungsgestörte Patienten, wie beispielsweise
bewegungen (wahrnehmungsfördernde, Demenzerkrankte oder Schlaganfallpatienten.

20
Prophylaxe – Hilfsmittel
Hierbei muss ebenfalls wieder auf das Thema Schlaf der Handhabung und es konnten bisher keine
hingewiesen werden. Ein Wechseldrucksystem bein- Nebenwirkungen bzw. Kontraindikationen beob-
haltet immer ein Aggregat, welches Geräusche von achtet werden.
sich gibt und den Schlaf massiv stören kann. Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es kein uni-
Ein weiteres Problem, das Auftreten kann ist, dass versell einsetzbares System, das allen Patienten
die Bedienung und Überprüfung der Systeme häu- gleichermaßen hilft. Insofern müssen die Bedürf-
fig kompliziert ist und die Matratzen je nach Qua- nisse des zu versorgenden Patienten sehr genau
lität eine hohe Störanfälligkeit aufweisen können. abgewogen werden.
Anmerkung: Die sog. kleinzelligen Wechseldruck- Folgende Kriterien sollten Beobachtung finden:
systeme sind weitestgehend aus dem Markt ver- • Grunderkrankung des Patienten
schwunden, da sie keinerlei therapeutischen Nut- • Pflege- und Therapieziele
zen und auch keine lange Lebensdauer haben. • Maß der Eigenbeweglichkeit des Patienten
• Bedienbarkeit (anwenderfreundlich)
Systeme zur Stimulation von Mikrobe- • Akzeptanz durch den Patienten
wegungen (z.B. Thomashilfen Thevo, etc.) (persönliche Bedürfnisse)
Das Wirkprinzip der Micro-Stimulations-Systeme • Abwägung des zu erwartenden Nutzens
basiert wesentlich auf den theoretischen Grund- • Soziales und pflegerisches Umfeld (wer ver-
lagen der Basalen Stimulation, dem Bobath- Kon- sorgt den Patienten)
zept und der Kinästhetik. Sie bestehen aus einer Sind diese Punkte abgeklärt, lässt sich eine nach
Unterfederung mit Flügelfedern und einer dazu pas- den Bedürfnissen des Patienten ausgerichtete, opti-
senden Schaumstoffmatratze. Jede (Mikro-) male Hilfsmittelversorgung vornehmen. Wichtig
Bewegung wird von dieser Unterfederung aufge- ist es jedoch, nachdem man mit einem bestimm-
nommen und kommt dem Patienten als Bewe- ten Wirkprinzip versorgt hat, zu überprüfen, ob
gungsimpuls wieder zu gute. Dadurch fördern und das therapeutische Ziel tatsächlich damit erreicht
erhalten Micro-Stimulations- Systeme die Eigen- wird und ob der Patient mit diesem Hilfsmittel
bewegung, Restmobilität und Wahrnehmung zurecht kommt.
des Patienten und unterstützen das Senken der
Muskelspannung.
Außerdem bieten MiS Micro-Stimulations-Systeme Wichtig
dem Körper des Patienten eine einheitliche Auf- Bei der Nutzung eines Antidekubitus-Systems
lagefläche zur gleichmäßigen Druckverteilung. ist in aller Regel die kontinuierliche Umlagerung
Durch diese Eigenschaften eignet sich diese Art des Patienten trotzdem unumgänglich. Jedoch
von Systemen besonders gut zum Einsatz bei können die Lagerungsintervalle verlängert wer-
Schmerzpatienten, Demenzerkrankten, bei Pati- den. Nach dem heutigen pflegewissen-
enten mit Körperbildstörungen (z. B. Multipler schaftlichen Stand sollten folgende Hilfsmittel
Sklerose, Schädel-Hirn-Trauma, Querschnitt etc.) nicht mehr zur Versorgung von Dekubituspa-
und bei Schlaganfallpatienten. Erfahrungen tienten eingesetzt werden:
haben auch gezeigt, dass ihr Einsatz sich positiv • Felle
auf das Schlafverhalten von Demenzerkrankten • Wassermatratzen
auswirken kann. Weitere Informationen sind bei • Sitzringe
IGAP erhältlich. • Watteverbände
In der Praxis haben sich MiS Micro-Stimulations- • Fellschuhe
Systeme bisher gut bewährt. Sie sind einfach in

21
Prophylaxe – Hautpflege
5. Hautpflege Folglich sollte möglichst kühles Wasser ohne
„Schmieren und Salben hilft allenthalben“ – Waschzusätze verwendet werden. Kann aufgrund
Jahrhunderte lange war dies ein bewährtes von Verunreinigungen (z.B. mit Kot) nicht auf rei-
Motto in der Pflege. Es existieren zahllose nigende Substanzen verzichtet werden, sollten
Präparate auf dem Markt zum Thema Haut- flüssige, waschaktive Substanzen benutzt
pflege bei Dekubitusprophylaxe. In der Aktua- werden. Diese Lotionen haben einen großen Anteil
lisierung des Expertenstandards Dekubitus an rückfettenden Bestandteilen, die jedoch in der
wurde ein Meilenstein gesetzt. Demnach exi- Regel nicht ausreichen, um den ursprünglichen
stiert kein Zusammenhang zwischen Haut- Zustand der Haut wiederherzustellen. Nach dem
pflege und Dekubitusprophylaxe, mit anderen Gebrauch von Seifen und Waschlotionen sollte mit
Worten, ein Dekubitus kann nicht durch Cre- klarem Wasser nachgewaschen werden. Handelt
mes, Lotionen oder Salben verhindert werden. es sich bei der Haut des zu Pflegenden um eine
Genauso wenig prophylaktische Wirkung ausgesprochen trockene und spröde Haut,
bringt das Einmassieren von solchen Pro- sollten möglichst Ölbäderzusätze benutzt
dukten in die Haut (Scherkräfte!!!) werden. Bei Ölbädern ist darauf zu achten, dass
Natürlich ist eine gute Hautpflege aus ganz es sich um Emulsionen handelt, die sich mit dem
anderen Gründen wichtig. Z.B. das Wohlbe-
finden des Patienten, intakte Haut neigt nicht
zu Infektionen oder wunden Stellen, kein
Körperwaschung
Juckreiz für den Patienten. Hier sind beson-
• Die Wünsche des Patienten sind zu
ders Lotionen mit der Kennzeichnung W/O
berücksichtigen.
empfehlenswert, also Wasser in Öl Präparate.
Auch sollte darauf geachtet werden, nicht zu • Dem Patienten muss Schritt für Schritt
stark parfümierte Produkte zu benutzen um erklärt werden, welche Handlung folgen
die Altershaut nicht zu sehr zu belasten. wird.

Im Folgenden sollen noch einige Hinweise zur • Es sollten vertraute Körperpflegemittel


Körperwaschung gegeben werden. eingesetzt werden, wie z.B. die gewohnte
Grundsätzlich gilt, dass jeder Wasser- Seife oder die eigene Körperlotion.
kontakt den natürlichen Schutzmantel der
Haut angreift. Dementsprechend sollte die • Der Patient sollte die Handlungen, die er
selber ausführen kann, auch selbstständig
pflegende Person genau abwägen, wann, wie
ohne Hilfe der Pflegeperson ausüben.
und ob der Patient gewaschen werden soll.
Es können therapeutische und reinigende • Der Pflegende sollte nur dann aktiv
Ganz- oder Teilkörperwaschungen ausge- werden, wenn der Patient bestimmte
führt werden. Handlungen gar nicht ausführen kann.

Bei der reinigenden Körperwaschung ist • Die Körperpflege sollte im vertrauten


folgendes zu bedenken: Diese Form der Badezimmer stattfinden
Waschung ist ausschließlich unter dem Reini-
gungsaspekt zu sehen. Sie sollte nur dann erfol- • Die Intimsphäre des Patienten ist zu
gen, wenn es wirklich notwendig ist. Warmes schützen
Wasser schädigt die Haut stärker als kaltes.

22
Prophylaxe – Hautpflege
Wasser gut mischen. Die Verwendung von reinem der Haarwuchsrichtung zu arbeiten. Um die beru-
Öl, wie z.B. Babyöl, im Waschwasser hat keinen higende Wirkung der Waschung zu verstärken
Nutzen, da dieses Öl lediglich auf der Wasser- kann Lavendellotion dem Wasser zugesetzt wer-
oberfläche schwimmt und nicht in die Haut ein- den.
zieht.
Es kann aber auch belebend, stimulierend
Die beruhigende Körperwaschung dient der gewaschen werden. Dazu sollte die Wasser -
Entspannung des Patienten. Selbst bei aufge- temperatur 25° bis 28° C betragen. Hier ist
regten und nervösen Patienten fördert sie den es, um die belebende Wirkung zu erreichen,
Schlaf. Gesteigerte Puls- oder Blutdruckwerte wichtig, gegen die Haarwuchsrichtung zu
können durch eine solche therapeutische waschen und abzutrocknen.
Waschung gesenkt werden.
Zur Verstärkung dieser therapeutisch-pflegeri-
Um diese Wirkung zu erzielen, sollten schen Waschung kann Rosmarinlotion im Was-
einige Punkte bei der Durchführung dieser ser verwendet werden. Die Auswirkungen einer
Waschung beachtet werden. Wichtig ist, dass die solchen Pflegehandlung stehen im Gegensatz zu
Temperatur des Wassers 40° bis 42° C (bei denen der beruhigenden Waschung. Der Patient
Fieberpatienten 30° C) betragen sollte. Begon- wird in einen sehr wachen, aktiven, aufnah-
nen wird diese Waschung bei Oberkörper und mefähigen Zustand versetzt. Die Anspannung
Armen, beendet im Gesicht. Grundsätzlich sollte der Muskulatur steigt, der Kreislauf wird ange-
mit der Haarwuchsrichtung gewaschen wer- regt. Der Patient kann im Anschluss besonders
den. Bei diesem Vorgang sollte die pflegende Per- gut mobilisiert werden.
son völlige Ruhe ausstrahlen. Auch das Abtrock-
nen des Patienten sollte nicht durch Hautpflege trägt nicht zur Dekubituspro-
„Trockenrubbeln“ erfolgen, auch hier ist mit phylaxe bei!

23
Prophylaxe – Hautpflege
Wichtige Hinweise:
Jahrelang wurde die prophylaktische achtbar sind. Außerdem weisen die Präparate
1 Maßnahme des „Eisens und Fönens“
praktiziert. Durch die Kalt-Warm-Wechse l -
eine hohe Quecksilbertoxizität auf und wirken
sich damit langfristig auf das zentrale Nerven-
wirkung versprach man sich die Blut - system und die Leber aus. Die meisten dieser
zirkulation im Gewebe zu verbessern. Unter- Präparate sind ohnehin bereits aus o.g.
suchungen haben jedoch ergeben, dass sich Gründen aus dem Markt verschwunden.
diese nicht verbessert und außerdem die Haut
durch das Einreiben mit Eis geschädigt wird. Leider werden heute noch relativ oft
Das anschließende Fönen trocknet die Haut
zusätzlich aus. Die Untersuchungsergebnisse
5 reine Fettprodukte, wie z.B. Melkfett,
Vaseline oder Babyöl zur Hautpflege benutzt.
lassen dementsprechend die Anwendung die- Die Anwendung dieser Produkte ist nicht zu
ser Methode zur Dekubitusprophylaxe nicht empfehlen, da aufgrund der Abdichtung der
weiter zu. Hautporen keinerlei Wärmeaustausch stattfin-
den kann. Zudem befinden sich in Melkfett
Auch alkoholische Einreibungen, wie und Vaseline häufig unerwünschte Zusätze
2 z.B. mit Franzbranntwein, sind zur
Dekubitus prophy laxe nicht geeignet, da
von Antibiotika oder Desinfektionsmittel.

Alkohol zur Austrocknung der Haut führt.


Häufig äußern Patienten jedoch den Wunsch,
wegen des erfrischenden Effekts mit Verbot von:
Franzbranntwein eingerieben zu werden.
Diesem Wunsch kann im Hinblick auf eine • Hyperämisierende Substanzen, wie
individuelle, patientenbezogene Pflege nach- ABC-Salbe, Phlogont, Phardol
gekommen werden. Jedoch sollte die entspre-
chende Hautpartie mit einem W/O-Präparat • hautabdeckende Pasten und Puder,
nachbehandelt werden. z.B. Pasta zinci, Babypuder

• porenverstopfende Fettsubstanzen,
Gelegentlich wird auch Zinkpaste zur
3 Prophylaxe eingesetzt. Diese Maßnahme
ist absolut nicht ratsam. Die weiße Paste
z.B. Vaseline, Babyöl, Melkfett

• Seife
deckt die Haut optisch ab und macht eine
Haut beobachtung schwierig. Zinkoxid hat • hautreizende, allergenisierende
zudem auf intakter Haut keine sinnvolle Mixturen, z.B. Franzbranntwein, Alkohol
Funktion, es trocknet die Haut sogar aus.
• Desinfektionsmittel
Weiterhin nicht empfehlenswert zur Vor-
4 beugung eines Druckgeschwürs ist das
Verwenden von färbenden quecksilberhalti-
• farbige, quecksilberhaltige Mixturen
• Massage der gefährdeten Hautstellen
gen Lösungen. Diese Lösungen verfärben das
entsprechende Hautareal so stark, dass
Hautveränderungen nur sehr schlecht beob-

24
Prophylaxe – Ernährung
6. Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung verhindert die Ent- abwechslungsreiches Angebot an Lebensmitteln.
stehung eines Dekubitus nicht, aber sie beeinflusst Das Lebensmittelangebot lässt sich in sieben Grup-
die Risikofaktoren zu dessen Entstehung, wie z.B. pen aufteilen. Zur gesunden Ernährung sollten
einen schlechten Hautzustand, Mangel- bzw. Unte- Lebensmittel aus allen sieben Gruppen regelmäßig
rernährung oder die Mobilität des Patienten. gegessen werden. Aber auch die Produkte inner-
Genauso kann Ernährung/ Essenseinnahme halb dieser einzelnen Gruppen sollten variieren.
hervorragend zur Mobilisierung und Ressour-
cenförderung der Patienten eingesetzt werden. Besonders zur Wundheilung ist die ausreichende
Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen
Die vollwertige Ernährung eines Menschen ist wichtig. Die Heilung einer Wunde, also auch die
die Voraussetzung zur Erhaltung der Gesund- eines Dekubitus, schreitet nicht voran, wenn die
heit und die Überwindung von Krankheiten. Mineralstoffe, Natrium, Zink, Calcium, Kalium,
Zu einer ausgewogenen Ernährung gehört ein Phosphor und Chlor fehlen.

Abb. 11 Die sieben Lebensmittelgruppen mit deren wichtigsten Inhaltsstoffen


und den Verzehrempfehlungen

Lebensmittel Wichtige Inhaltsstoffe Verzehrempfehlungen


Gruppe 1
Milch/Milchprodukte Kalzium tägl. 1/4 l Milch und
z.B. Käse, Quark, Joghurt Vitamin A 2 Scheiben Käse
Vitamin B2, B12
Gruppe 2
Fleisch, Wurst Eisen höchstens 3 – 4 mal pro Woche,
Vitamin A, B1 1 Portion Fleisch max. 150 g,
nicht jeden Tag Wurst
Leber Eisen nur alle 2 – 3 Wochen eine
Vitamin A, B12 Portion Leber max. 150 g
Folsäure
Seefisch Jod wöchentlich 1 – 2 Portionen
Selen Seefisch 150 g
Vitamin D, E
Eier Vitamin A wöchentlich 2 – 4 Stück

25
Prophylaxe – Ernährung

Lebensmittel Wichtige Inhaltsstoffe Verzehrempfehlungen


Gruppe 3
Brot Eisen tägl. 5-7 Scheiben Brot
Ballaststoffe 200 – 350 g
Vollkornreis Magnesium 1 Portion Nudeln o. Reis,
oder -nudeln Vitamin B1 roh 75 – 90 g,
Folsäure gekocht 150 – 200 g
Ballaststoffe
Kartoffeln Kalium 1 Portion Kartoffeln,
Vitamin B1 250 – 300 g =
Vitamin C 4 – 5 mittelgroße Kartoffeln
Gruppe 4
Gemüse, Salat Magnesium tägl. mindestens 1 Portion
Kalium Gemüse ca. 200 g und eine
Vitamin A, C Portion Salat ca. 75 g

Folsäure
Hülsenfrüchte Magnesium 1 Portion = ca. 100 g roh
Kalzium bzw. 200 g gekocht
Eisen
Vitamin B1
Folsäure
Ballaststoffe
Gruppe 5
Obst Kalium tägl. mindestens 1 Stück
Vitamin C oder 1 Portion ca. 150 g
Gruppe 6
Fette (Butter, a-Linolsäure tägl. höchstens 40 g Streich-
Pflanzenmargarine Linolsäure oder Kochfett, z.B. Esslöffel
und -öle Vitamin A, E Butter oder Margarine und
1 Esslöffel hochwertiges
Pflanzenöl
Gruppe 7
Getränke Wasser tägl. mind. 1,5 l Flüssigkeit,
z.B. Mineralwasser, Tee,
Kaffee, verdünnte Obst- oder
Gemüsesäfte

26
Prophylaxe – Bettklima
7. Bettklima werden. Wenig lohnenswert ist der Einsatz von
Im Rahmen der prophylaktischen Maßnahmen billigen, qualitativ schlechten Produkten, da sie
sollte auch an das Bettklima gedacht werden. häufiger gewechselt werden müssen und die
Häufig ist zu beobachten, dass Patienten in Haut nicht trocken genug halten. Heute wird von
einem nassgeschwitzten Bett liegen. Extreme einigen Herstellern eine gute, breite Palette
Feuchtigkeit im Bett ist nicht nur sehr unange- angeboten. Für Ratsuchende fungieren oft pro-
nehm, sondern fördert auch Erkältungen und fessionelle Pflegekräfte und Sanitätshäuser als
Verspannungen. Letztendlich sorgt sie aber für Ansprechpartner.
das Aufquellen der obersten Hautschicht und
damit für eine Mazeration der Haut. Nicht nur Inkontinenzprodukte können das
Bettklima verschlechtern. Auch falsche Nacht-
Die Mazeration ist ein durch Feuchtigkeit ver- und Bettwäsche kann zur vermehrten
ursachtes Auf- und Erweichen der Haut, bei der Schweißproduktion führen. Achten Sie beim
die Oberhaut zunächst weißlich aufgequollen Kauf dieser Wäsche darauf, dass sie atmungs-
ist. Durch Reibung erfolgt dann eine Entfernung aktiv ist. Sie schaffen durch Verwendung dieser
des aufgeweichten Areals und ein oberflächli- Materialien ein gutes Bettklima und damit ein
cher, juckender und brennender Hautdefekt gutes Hautmilieu.
(Intertrigo) entsteht, der oft fälschlicherweise
als Dekubitus Stadium 2 betrachtet wird. Neben den oben genannten Textilien und
Inkontinenzprodukten hat die Beschaffenheit
Bettklima von Matratzen großen Einfluss auf das
Bettklima. Eine gute Matratze sollte Feuchtig-
Die Abgabe von ca. 700 ml Körperflüssigkeit keit absorbieren können. Der Grad der
ist während einer Nacht völlig normal. Ein Drit- Luftdurchlässigkeit einer Matratze wird unter
tel davon wird abgeatmet; zwei Drittel vertei- anderem durch das Vorhandensein von Be- und
len sich auf die Bettwäsche und die Matratze. Entlüftungskanälen bestimmt.
Von atmungsaktiver Bett- und Nachtwäsche,
sowie einer gut belüfteten Matratze wird diese Ein Wellenprofil auf der Matratzenoberfläche
Flüssigkeitsmenge problemlos absorbiert. sorgt zusätzlich für einen Luft- und Flüssigkeits-
austausch. Diese Wellen führen zu einer gewis-
Leider werden aufgrund bestehender Inkonti- sen Weichheit der Matratze, die empfindliche
nenz häufig eine ganze Menge an unnötigen Körperstellen, wie Fersen, Ellenbogen und
Inkontinenzartikeln, wie beispielsweise Gum- Schulterblätter schützen.
milaken und dergleichen, in die Betten der
Patienten gelegt. Dadurch staut sich Wärme 8. Anleitung und Schulung
und Feuchtigkeit. Bei der Nutzung von Für eine wirkungsvolle Prophylaxe und Therapie
Inkontinenzprodukten gilt: So wenig wie mög- müssen alle an der Versorgung Beteiligten
lich, so viel wie nötig! Lieber sollten die zusammenarbeiten. Dies bezieht die Angehöri-
Inkontinenzvorlagen öfter gewechselt werden, gen und die Patienten mit ein. Diese
als das Bett in einen hautschädigenden „Brut- Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn
kasten“ zu verwandeln. Bei der Versorgung des Patienten und deren Angehörige gut informiert
Patienten mit Inkontinenzartikeln sollten die und geschult sind. Es ist die Aufgabe von
Produkte gemäß seiner Bedürfnisse gewählt Pflegekräften und Ärzten, ihre Patienten mit

27
Prophylaxe – Versorgungsqualität
dem notwendigen Wissen zu versorgen. Dies beobachtung unumgänglich. Um zu entschei-
kann durch Gespräche und über die Versorgung den, ob es sich bei einer Hautrötung um einen
mit Informationsmaterial erfolgen. Viele Dekubitus handelt oder um einen rein ober-
Krankenkassen bieten zu diesem Zweck bereits flächlichen Prozess, muss sanft mit einem
Seminare für Patienten und deren Angehörige Finger auf die Rötung gedrückt werden.
an. Wichtig: Es ist von großer Bedeutung, die (Daumentest) Lässt sich diese Rötung
Bedürfnisse des Patienten mit den prophylakti- „wegdrücken“ handelt es sich um einen rein
schen und therapeutischen Maßnahmen in Ein- oberflächlichen Prozess, bleibt die Stelle rot ,
klang zu bringen, um dessen Akzeptanz zu weist dies auf ein tieferes Geschehen hin, auf
erhöhen. einen Dekubitus. In diesem Fall müssen die
Ursachen ermittelt, die geplanten und durchge-
9. Kontinuität der Versorgung führten Maßnahmen genauer Prüfung unterzo-
In aller Regel sind an der prophylaktischen gen werden. Danach werden die Maßnahmen
Versorgung von dekubitusgefährdeten Patienten entsprechend angepasst, um weitere Schäden
verschiedene Berufsgruppen beteiligt. Hier ist zu vermeiden und den entstandenen Schaden
es wichtig dafür Sorge zu tragen, dass alle abheilen zu lassen.
Personen die Umsetzung der vorbeugenden In aller Regel kann das Auftreten eines Druckge-
Maßnahmen kontinuierlich garantieren. schwürs verhindert werden. Es gibt jedoch
Diskontinuität führt mit großer Wahrschein- Ausnahmesituationen, die die Umsetzung der
lichkeit zum Misserfolg der Dekubitus- prophylaktischen Maßnahmen erschweren bzw.
prophylaxe und damit zur Entstehung eines verhindern. So können beispielsweise lebensbe-
Druckgeschwürs. drohliche Umstände eine Prioritätenver-
schiebung erforderlich machen. Auch in der
10. Überprüfung der Effektivität der Sterbephase eines Patienten müssen eventuell
Dekubitusprophylaxe andere, die Lebensqualität erhöhende Maßnah-
Die Maßnahmen zur Verhinderung eines Druck- men (Schmerzfreiheit, Luftzufuhr, Flüssigkeits-
geschwürs müssen regelmäßig überprüft wer- zufuhr), den dekubitusprophylaktischen Maß-
den. Dazu ist eine engmaschige Haut- nahmen vorgezogen werden.

Dekubitusstadien
Dekubitalgeschwüre zählen zu den chroni- eines Dekubituspatienten gerichtet werden, da
schen Wunden. Liegt ein Druckgeschwür vor, ein Großteil der Betroffenen unter diesen
muss unverzüglich mit einer fachgerechten negativen Begleiterscheinungen leidet.
Behandlung begonnen werden. Sie nimmt
häufig einen längeren Zeitraum, nicht selten Der Schweregrad eines Dekubitus richtet sich
mehrere Wochen, in Anspruch. Insofern for- nach der Ausdehnung in die Tiefe des
dert sie von allen Beteiligten Geduld und ein Gewebes. Es werden üblicherweise vier
konsequentes Vorgehen in der Umsetzung der verschiedene Dekubitusgrade bzw. -stadien
Therapiemaßnahmen. Ein besonderes Augen- voneinander unterschieden.
merk sollte auf die Schmerzsymptomatik

28
Dekubitusstadien
Stadium I
Bei Fingerdruck („Fingertest“) nicht ab-
blassende, umschriebene Hautrötung bei
intakter Haut. Weitere klinische Zeichen können
Ödembildung, Verhärtung, lokale Überwärmung
und Verfärbung der Haut (insbesondere bei Per-
sonen dunkler Hautfarbe) sein.

Bei kontinuierlicher Druckentlastung verschwin-


det die Hautrötung nach einigen Stunden bis
Tagen. Findet keine Druckentlastung statt,
kommt es zur verstärkten Einlagerung von
Flüssigkeit mit anschließender Blasenbildung. I

Stadium II
Teilverlust der Haut. Epidermis bis hin zu
Anteilen der Dermis sind geschädigt. Der
Druckschaden ist oberflächlich und stellt
sich klinisch als Blase, Hautabschürfung
oder flaches Geschwür dar.

Es ist ein nässender, sehr infektionsanfälliger


Hautdefekt ist entstanden.

II

Stadium III
Verlust aller Hautschichten und Schädigung
oder Nekrose (abgestorbenes Gewebe) des
subkutanen Gewebes, die bis auf den drun-
ter liegenden Muskel reichen kann. Der
Dekubitus zeigt sich klinisch als tiefes offe-
nes Geschwür.

Aufgrund des durch das eigene Körpergewicht


von Seiten des Knochens von innen auf das
Gewebe wirkenden Druckes und der daraus
III
Abb. 12 Dekubitusstadien

29
Dekubitusstadien
resultierenden Schädigung im tieferen Gewebe
ist es möglich, dass die Stadien I und II nicht
bemerkt werden und der Dekubitus erst im
Stadium III erkennbar wird. Gesunde Haut ist
von nekrotischen Taschen unterminiert. Darum
ist bei der Versorgung auch immer auf ertast-
bare klinische Zeichen, wie Überwärmung,
Druckschmerz und Verhärtung zu achten.

Stadium IV
Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter
Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung
von Muskeln, Knochen oder unterstützenden
Strukturen (Sehnen, Gelenkkapsel) IV

(Quelle: EPUAP European Pressure Ulcer Advisory Panel, Fotos: Fa. Hartmann Heidenheim
www.epuap.org/gltreatment.html)

Dekubitustherapie
Erstbeurteilung / Wundanamnese helfen eine erfolgversprechende Therapieform
Bei der Erstbeurteilung eines Patienten muss auszuarbeiten. Zur Evaluierung des Patienten-
der Dekubitus exakt beschrieben werden. status zählen:
Anhand dieser Wundbeschreibung kann dann • Grunderkrankung des Patienten
eine adäquate Lokaltherapie erarbeitet werden. • Dekubitusrisikoerhebung
Zur genauen Beschreibung der Wunde gehören • Ernährungsstatus
viele Faktoren wie beispielsweise: • Medikamente
• Lokalisation (Fotodokumentation) • Störfaktoren der Wundheilung
• Stadium des Druckgeschwürs • Schmerzerhebung
• Größe des Druckgeschwürs
(Länge, Breite, Tiefe)
• Taschenbildungen
• Beschreibung der Wundheilungsphase Wichtige Störfaktoren
(Reinigungsphase, Granulationsphase, • schlechte bis fehlende Hautdurchblutung
Epithelisierungsphase • abgestorbenes Gewebe
• Beschreibung der Wundränder
und Wundumgebung • bestehende Wundinfektion
• ein reduzierter Allgemeinzustand
Neben der Wunddokumentation muss eine • falsche lokale Wundbehandlung
Erfassung des gesamten Patientenstatus erfol- • unzureichende Ernährung
gen. Auch die hier gewonnenen Erkenntnisse

30
Dekubitustherapie

Ein Dekubitus sollte nach folgendem


Behandlungsablauf therapiert werden:

Weiterführen und Überprüfen der


Überwachen der Therapie Therapiemaßnahmen

Abb. 13 Behandlungsablauf

31
Dekubitustherapie
Behandlung dann sinnvoll, wenn dadurch andere Körper-
Die Behandlung eines Druckgeschwürs gliedert stellen nicht zusätzlichem Druck ausgesetzt
sich in zwei Teile. Einerseits in die Lokaltherapie werden (siehe auch Seite 18 ff.).
und andererseits in die Kausaltherapie. Beide
Behandlungszweige sind gleichermaßen bedeu- zu 2: Ernährungssituation verbessern
tend. Häufig wird der Fokus immer noch alleinig Patienten mit Dekubitalgeschwüren benötigen
auf die Lokaltherapie gelegt. Das Resultat: Die eine spezielle Ernährung. Der Umstand, dass
Wundheilung verzögert sich oder stagniert. Energie- und Proteinbedarf beträchtlich anstei-
Langfristige zeitliche Verzögerungen führen zur gen, erfordert Seitens des Ernährungsmanage-
Frustration auf Seiten des Patienten und aller ments eine besondere Vorgehensweise. Dieses
beteiligten Therapeuten. gilt insbesondere für die Aufnahme von
Vitaminen und Mineralstoffen.

Kausaltherapie Energiebedarf pro Tag


Zur Kausaltherapie zählen im wesentlichen vier • Der Grundenergiebedarf liegt bei ca. 25 kcal
Faktoren: pro Kilogramm Körpergewicht
1. vollständige Druckentlastung • Bei einem Dekubituspatienten steigt der
2. Ernährungsverbesserung Energiebedarf auf 35 – 40 kcal pro Kilo-
3. Schmerztherapie gramm Körpergewicht 1)
4. Verbesserung des Allgemeinzustandes
Proteinbedarf pro Tag
zu 1: Vollständige Druckentlastung • Der Grundbedarf entspricht 0,8 g Proteine
Das absolut wichtigste Vorgehen bei der pro Kilogramm Körpergewicht
Dekubitustherapie ist die Wiederherstellung • Bei einem Dekubituspatienten steigt der
der Durchblutung des entsprechenden Haut- Proteinbedarf auf 1,2 – 1,5 g (bis 2 g)
areals. Dies wird durch die komplette Druck- pro Kilogramm Körpergewicht 2)
entlastung des betroffenen Gebietes erreicht.
3)
Die Druckentlastung führt zu einem sofortigen Vitamine und Mineralstoffe pro Tag
Aufbau der Mikrozirkulation und damit zur • Vitamin C, K, A
Versorgung der Wunde mit Sauerstoff, sowie C –> unterstützt den Aufbau
mit anderen biologisch wichtigen Stoffen, die von Bindegewebe
für den Wundheilungsprozess dringend erfor- K –> fördert die Blutgerinnung
derlich sind. A –> beeinflusst die Membranbildung

Die gleichmäßige Druckverteilung wird durch • Mineralstoffe Natrium, Zink, Selen, Kupfer
verschiedene Lagerungstechniken und –arten Notwendig für enzymatische Reaktionen,
erzielt. Hierzu wird eine ganze Reihe von die die Wundheilung fördern
Lagerungssystemen und -hilfen, wie z.B. spezi-
elle Kissen und Keile, angeboten. Häufig kann über die Normalkost eine ausrei-
chende Versorgung des Organismus mit
Durch den Einsatz dieser Hilfen muss eine mög- Energie- und Nährstoffen nicht gewährleistet
lichst großflächige Druckverteilung sichergestellt werden. Hier können Spezialnahrungen als
sein. Das Freilagern von Körperregionen ist nur Nahrungsergänzung unterstützen.

32
Dekubitustherapie
zu 3. Schmerztherapie • Es muss für eine ausgewogene Ernährung
Viele Jahrzehnte ging man von Seiten der gesorgt werden, die eiweiß- und vitaminreich
Therapeuten davon aus, dass Druckge - ist und damit die Wundheilung unterstützt
schwüre bzw. alle chronische Wunden keiner- wird.
lei Schmerzen verursachen. Doch diese
Annahme ist grundsätzlich falsch. Bei einer • Durch eine aktive und passive Mobilisation
chronischen Wunde handelt es sich um ein wird der Patient in die Lage versetzt, sich
sehr empfindliches, meist entzündetes, Haut- selbständig zu bewegen und damit Lage-
areal. Infolge dessen verursachen Druck - wechsel ausführen zu können.
geschwüre Schmerzen, die therapiert werden Zudem wird die Aktivität aller Organsysteme
müssen. Dabei darf die Frage nach sonstigen gefördert. Die Mobilisierung des Betroffenen
Schmerzen, die beispielsweise aufgrund der hat positive Auswirkungen auf die Psyche.
Grunderkrankung existieren, nicht außer acht • Insgesamt muss auf das psycho-soziale
gelassen werden. Wohlbefinden des Patienten geachtet werden.
Oftmals leiden Patienten mit chronischen
Es muss also eine genaue Schmerzerfassung Wunden unter Depressionen, die behandelt
vorgenommen werden, um eine entsprechende werden müssen.
begleitende Schmerztherapie durchführen zu
können (siehe Abb. Seite 34).
Lokaltherapie
Neben der Schmerzerhebung kann auch ein Die lokale Dekubitusbehandlung ist ein zweiter
sog. Schmerztagebuch zur Therapiefindung die- wichtiger Aspekt der Gesamttherapie. Sie
nen. Diese Unterlage kann über den Hausarzt besteht aus:
oder die Apotheke bezogen werden.
• Nekrosenentfernung/ Débridement
Auch wenn die Schmerzthematik im • Infektionsbekämpfung
Zusammenhang mit Druckgeschwüren negiert • phasengerechte Wundversorgung
wurde, so ist sie doch ein wichtiger Bestandteil • feuchte Wundbehandlung
der Dekubitustherapie. Einerseits verbessert sie • Wundkonditionierung
den Allgemeinzustand des Patienten und dient • weitere Therapieformen
darüber hinaus der Bewegungsförderung.

zu 4. Verbesserung des
Allgemeinzustandes
Eine solche Verbesserung kann nicht von heute
auf morgen realisiert werden – es handelt sich
also um ein mittelfristiges Ziel. Um es zu errei-
chen, sollten nach Möglichkeit folgende
Maßnahmen getroffen werden:

• Der Patient muss mindestens eine Menge


von 1,5 Litern Flüssigkeit am Tag zu sich
nehmen.

33
Dekubitustherapie
Schmerzpatient:
Persönliche Daten des Patienten
1
Ersterhebung, Datum: Folgeerhebung, Datum:
Name, Vorname:
Geb.-Datum: Körpergröße: cm Gewicht: kg
Krankenkasse:
Diagnose/Krankheitsbilder:

2 I. Erhebung zur Schmerzeinschätzung: (Patient oder Pflegender markiert die Zeichnung und trägt die Schmerzintensität ein.)

links
rechts links links rechts
links

rechts

links rechts

rechts rechts links


links
Seit wann bestehen die Schmerzen ? Datum

3 Intensität
kein Schmerz starker Schmerz
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
(bitte auf Skala ankreuzen)

4 Qualität
stechend brennend ziehend
dumpf klopfend spitz

Ort, Datum, Unterschrift

34
Dekubitustherapie
Nekrosenentfernung Débridement
Nekrosen behindern die Wundheilung und fördern Feuchte Wundbehandlung
die Entwicklung von Entzündungen. Gerade Wichtig!
geschlossene Nekrosedeckel, schwarze Platten auf Ein Dekubitus, wie auch alle anderen chroni-
der Wunde, beinhalten ein besonders großes schen und sekundärheilenden Wunden, muss
Infektionsrisiko. Existieren Infektionen unter dem mittels feuchter Wundbehandlung therapiert
Nekrosedeckel, breiten sie sich durch tiefere werden. Die trockene Versorgung einer solchen
Gewebeschichten bis zum Knochen aus. Folglich Wunde muss heute als Therapiefehler bezeich-
muss das abgestorbene Gewebe entfernt werden. net werden, da sie die Wundheilung massiv
Bei großen Nekrosen erfolgt die Entfernung durch negativ beeinflusst. Arbeiten von Wintter (1971)
einen chirurgischen Eingriff. Sind die Nekrosen bieten die wissenschaftliche Grundlage für den
kleiner oder müssen Restnekrosen nach chirurgi- Ansatz der feuchten Wundtherapie.
schen Eingriffen beseitigt werden, können physi-
kalische, bio-chirurgische oder enzymetische Wundkonditionierung – weitere Therapien
Verfahren zur Lösung der Nekrosen dienen. Von einer Wundkonditionierung spricht man,
wenn ein granulationsfördernder Reiz auf die
Infektionsbekämpfung Wunde ausgeübt wird. Dieser Reiz kann durch
Aufgrund des Sauerstoffmangels und anderer verschiedene Maßnahmen ausgeübt werden.
patho-physiologischer Mechanismen ist ein Beispielsweise eignen sich Polyurethan-
Druckgeschwür besonders anfällig für Infek- Wundauflagen zur Konditionierung schlecht
tionen. Zur Bekämpfung dieser Infektionen sollte heilender Wunden. Sie können große Mengen
ebenfalls für eine ausreichende Sauerstoff- an Wundsekret und nekrotischem Material auf-
zufuhr gesorgt werden. nehmen. Zudem sorgen sie für ein feuchtes
Gegen die Infektion kann die Wunde direkt mit Milieu der Wunde. Handelt es sich um einen
einem Antiseptikum oder mit Spülungen mit 0,9% offenporigen Schaum, kann in diesen Gewebe
NaCl-Lösung bzw. Ringerlösung behandelt wer- einwachsen. Durch den Verbandwechsel wird
den. Wird ein Antiseptikum zur Wundreinigung die Wunde aufgefrischt und die Wundgranu-
eingesetzt, sollte dieses so gewählt werden, dass lation gefördert.
es keine zusätzlichen Schmerzen verursacht. Es Eine in Deutschland noch relativ unbekannte
darf nur so lange angewendet werden, bis die Behandlungsmethode, ist die der gepulsten
Entzündung abgeklungen ist und sich ein saube- elektrischen Stimulation. Dabei wird die
res, hell rotes Gewebe in der Wunde zeigt. Wunde mit Hilfe von zwei speziellen Elektroden
mit Impulsen positiver und negativer Polarität
Phasengerechte Wundversorgung behandelt. Diese Anwendung erfolgt 2 x täglich
Ein Druckgeschwür durchläuft verschiedene über 30 Minuten.
Wundheilungsphasen. Jede einzelne dieser Ein weiteres Therapieverfahren ist die soge-
Phasen erfordert speziell lokal-therapeutische nannte Vakuumversiegelungstechnik. Hier
Maßnahmen. Man unterscheidet: wird die Wunde mit einem Polyvinylalkohol-
die Reinigungsphase Schaumstoff mit ableitender Drainage ausge-
die Granulationsphase kleidet und mit einer Polyurethanfolie abge-
die Epithelisierungsphase deckt. Es wird durch die Drainagierung ein
Nach dem Wundheilungsstadium richtet sich Unterdruck erzeugt, der zu einer Förderung des
die Auswahl des Verbandmaterials. Aufbaus von Granulationsgewebe führt.

35
Dekubitustherapie
Verlaufsphase Anforderung an den Wundverband Geeignete Wundverbände (Beispiele)
Reinigungsphase Förderung der Selbstreinigungs-
mechanismen der Wunde
schwarze, trockene - Feuchtigkeit zuführen primär chirurgisches
Nekrose - Feuchtigkeitsretention Débridement, ansonsten:
- Aufweichen von Nekrosen - Hydrogele + Deckverband
- evtl. Feuchtverbände
grau-gelbe, - ausreichende Absorption chirurgisches Débridement.
feuchte Nekrose zusätzlich:
- Alginate in Kompressenform
- Auflösen von Belägen oder als Pamponade
- bei tiefen Wunden: Kontakt - Polyurethanschäume
zur Wundfläche - Hydrokolloide
- Erhaltung eines feuchten - Hydrogele + Deckverband
Wundmilieus
infizierte, belegte Aufnahme von Wundsekret, - Alginate
Wunde Bakterien und Eiter - Polyurethanschäume
- kristalline Kochsalzverbände
- Aktivkohle-Silber-Auflage
- Vorsicht bei Okklusivverbänden
Granulationsphase Förderung der Gewebsneubildung,
Schutz des neugebildeten Gewebes
blass-rosa - Absorption von Wundsekret - Alginate
schlechte - Wärmeisolierung - Hydrokolloide
Granulation - Erhaltung eines feuchten Wundmilieus - Kollagenschwämme
- Polyurethanschaumauflage
- Wundkonditionierung
rote, feste - Schutz vor Austrocknung - Hydrokolloide
Granulation - kein Verkleben mit der Wunde - Hydrogele + Deckverband
- Hydropolymere
- Kollagenschwämme
- Polyurethanschaumauflage
Epithelisierungs- Förderung der Zellteilung und

Urheber: ICW
phase -wanderung im feuchten Milieu
rosa - Schutz vor Austrocknung - dünne Hydrokolloidverbände
epithelisierend - mechanischer Schutz der Wunde - Hydrogele + Deckverband
- kein Verkleben mit der Wunde - Hydropolymere

Evaluierung so müssen die Therapiemaßnahmen sorgfältig


Sind die Lokal- und Kausaltherapie für den überprüft und angepasst werden.
Patienten ausgearbeitet und im versorgenden
Team besprochen und abgestimmt, gilt es diese Appell zur Heilung eines Dekubitus
mit absoluter Konsequenz umzusetzen. Der Um einen Dekubitus zur Abheilung zu bringen,
Wundheilungsprozess muss genauestens beob- muss nach dem eben beschriebenen Be-
achtet und dokumentiert werden. Auch bedarf handlungsschema verfahren werden. Alle an der
es einer präzisen, fachgerechten Bewertung der Therapie beteiligten Personen, wie Ärzte, Pfle-
Wundheilung. Es stellt sich hierbei die einfache gende, Patienten und Angehörige müssen Hand
Frage: „Heilt der Dekubitus ?“ Kann diese Frage in Hand arbeiten und sich an die ausgearbeitete
positiv beantwortet werden, gilt es die geplante Verfahrensweise halten, um den Wundheilungs-
Therapie weiterhin durchzuführen und zu über- prozess zu forcieren und dem Patienten unnöti-
wachen. Sollte jedoch festgestellt werden, dass ges Leid zu ersparen.
das Druckgeschwür nicht wie gewünscht abheilt,

36
Kontaktadressen
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Deutsches Netzwerk für
Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)
Theodor-Althoff-Str. 47, 45133 Essen Fachhochschule Osnabrück
Tel.: 0201 / 8327 – 0 Geschäftsstelle
Fax: 0201 / 8327 – 100 Caprivistr. 30a, 49076 Osnabrück
E-Mail: office@mds-ev.de Tel.: 0541 / 969 - 2004
www.mds-ev.de Fax: 0541 / 969 - 2971
E-Mail: dnqp@fh-osnabrueck.de
Deutsche Schmerzliga e.V. www.dnqp.de
Adenauerallee 18, 61440 Oberursel
Tel.: 06171 / 2860-53 Initiative Chronische Wunden e.V.
Fax: 06171 / 2860-59 Geschäftsstelle
E-Mail: info@schmerzliga.de Pölle 27/28, 06484 Quedlinburg
www.schmerzliga.de Tel.: 06455 - 7593965
Fax: 06455 - 7593967
B. Braun Melsungen AG E-Mail: organisation@icwunden.de
Carl-Braun-Straße 1, 34212 Melsungen www.icwunden.de
Tel.: 05661 / 71 - 0
Fax: 05661 / 71 - 4567 Deutsche Gesellschaft für Wundheilung
E-Mail: info@bbraun.com und Wundbehandlung e.V.
www.bbraun.de c/o Brigitte Nink-Grebe
Glaubrechtstr. 7, 35392 Gießen
Nestlé Deutschland AG Tel.: 0641 / 6868518
Lyoner Straße 23, 60528 Frankfurt / Main E-Mail: dgfw@dgfw.de
Tel.: 069 / 6671 – 0 www.dgfw.de
Fax: 069 / 6671 - 4785
E-Mail: verbraucherservice@de.nestle.com Paul Hartmann AG
www.nestle.de Paul-Hartmann-Str. 12, 89522 Heidenheim
Tel.: 07321 / 36 - 0
MiS Internationale Fördergemeinschaft Fax: 07321 / 36 - 3636
Microstimulation e.V. E-Mail: info@hartmann.info
Am Erlenteich 7, 21682 Stade www.hartmann.info

Quellennachweis:
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP): Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege.
Entwicklung – Konsentierung – Implementierung. Osnabrück 2002
Lubatsch, H.: Dekubitusmanagement auf der Basis des Nationalen Expertenstandards. Schlütersche, Hannover 2004
Bienstein, C.; Schröder, G.; Braun, M.; Neander, K.-D.: Dekubitus. Die Herausforderung für Pflegende. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart 1997
1)
www.nutrinews.de Nestle´- enterale Ernährungstherapie bei Dekubitus
2)
www.nutrinews.de Nestle´- enterale Ernährungstherapie bei Dekubitus
3)
www.nutrinews.de Nestle´- enterale Ernährungstherapie bei Dekubitus
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, 1. Aktuali-
sierung 2012
Gerhard Schröder, Jan Kottner (Hrsg) Dekubitus und Dekubitusprophylaxe. Verlag Hans Huber, Bern 2012
Uwe Wagner, Positionierung: Lagerungen und Positionswechsel, Urban & Fischer Verlag , 2012

37
Info-Service
Ich bin an weiteren Informationen interessiert. Bitte senden sie mir:
q Pflege-Infos zu den Themen „Dekubitus“ und „Demenz“
(alle aktuellen Pflege-Infos auch kostenlos zum Download unter: www.igap.de)

Absender:

IGAP · Tel.: 0 47 61 / 8 86 74 · Fax: 0 47 61 / 8 86 69 · www.igap.de

Art.-Nr. 95203, Stand: 04/2014

Stader Str. 8 · 27432 Bremervörde


Tel.: 0 47 61 / 8 86 74 · Fax: 0 47 61 / 8 86 69
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