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„Einführung in die deutsche

Sprachwissenschaft“ (V)

Syntax I:
Der einfache Satz
Gliederung

1) Was ist ein Satz?


2) Satzklammer / Satzfelder
3) Satzglieder
4) Satzbaupläne
5) Ergänzungen vs. Angaben
6) Attribute
7) Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen: die
dependenzielle Syntax
8) Satzarten (Satztypen)
9) Satzkomplexität
Was ist ein Satz?

1 Er öffnet die Tür. - ... dass ich dem Kind einen Ballon schenkte
2 Ich schlafe. - Sie raucht. - ... während ich schlief.
3 Es regnet. - Es schneit.
4 Mach die Kaffeemaschine an! - Nimm das Glas!
5 Hört auf! - Trinkt! - Geh!

Unterschiede:
- in 1: Struktur Subjekt - finites Verb - Objekt (Er - öffnet - die Tür)
("prototypischer" Satz)
- in 2: Subjekt - finites Verb
- in 3: kein Subjekt, nur finites Verb + Platzhalter-es
- in 4: kein Subjekt, nur finites Verb im Imperativ + Objekt
- in 5: kein Subjekt, nur finites Verb im Imperativ

6 Schlafen! - Stillgestanden! - um ihn zu besänftigen - den Riesen


besänftigend
- in 6: zwar Verb vorhanden, aber nicht in finiter Form
Was ist ein Satz?

Mögliche Kriterien für die Definition von Sätzen:

- Vorhandensein eines Subjekts + finiten Verbs + Objekts


- Vorhandensein eines Subjekts + finiten Verbs
- Vorhandensein eines finiten Verbs
- Vorhandensein eines Verbs

Gängigste Definition:
- finites Verb als Grundbedingung (Geh! = Satz, Stillgestanden! = kein
Satz)
- Subjekt + finites Verb als prototypischer Fall
- finites Verb und alle "Mitspieler" als voll ausgebauter Satz
Was ist ein Satz?

7 Er rein, ich hinterher! Tür zu, und wir schnell weg.


- in 7: kein finites Verb und nur noch Teile des infiniten Verbs
vorhanden (rein[gegangen], zu[geworfen], weg[gerannt])
= elliptische Sätze

8 Was? - Nö. - Schön! - Hunde - Ich Ratten - Ich Tarzan - Du Jane


- in 8: nur einzelne Wörter vorhanden
Was ist ein Satz?

8: keine Sätze, aber mögliche Äußerungen

Beispiele:
(Ich will dir was sagen.) - Was?
(Hast du Hunger?) - Nö.
(Ich hab gekocht.) - Schön!
(Für welche Tiere muss man noch Steuern zahlen?) - Hunde.
(Ich habe Mäuse im Keller.) - Ich Ratten.
(Ich heiße Jane.) - Ich Tarzan.
Du Jane. - (Ja, Tarzan?)

- Äußerungen sind sprachliche Konstruktionen in einem Kontext


- Sätze sind grammatische Einheiten, Äußerungen sind
handlungsbezogene (pragmatische) Einheiten
- Sätze müssen formale Kriterien erfüllen, Äußerungen nicht
Was ist ein Satz?

Er öffnet die Tür.


... dass ich dem Kind einen Ballon schenkte
... während ich schlief. = Sätze
Mach die Kaffeemaschine an!
Hört auf!

*Öffnet die er Tür.


*... Ballon ich einen dem schenkte dass Kind
*... während schlief ich = keine Sätze
*Mach Kaffeemaschine die an!
*auf hört!

- Reihenfolge von Elementen muss eingehalten werden


Was ist ein Satz?

Die junge Dame geht mit ihrer Mutter samstags mit großem Vergnügen
am Ostufer spazieren.
Mit ihrer Mutter geht die junge Dame samstags am Ostufer mit großem
Vergnügen spazieren.
Samstags geht die junge Dame am Ostufer mit großem Vergnügen mit
ihrer Mutter spazieren.
Spazieren geht die junge Dame mit großem Vergnügen samstags mit
ihrer Mutter am Ostufer. usw.

- Manche Einheiten sind trennbar, andere hängen eng zusammen (die


junge Dame, mit ihrer Mutter, am Ostufer, mit großem Vergnügen)
- Sie können nur zusammen verschoben werden (Permutationstest, s.o.).
- Sie können als Ganzes gegen ein einfacheres Element ausgetauscht
werden (Substitutionstest): Sie geht mit ihr samstags gerne dort
spazieren.
> Nicht nur die Anordnung der Elemente im Satz, sondern auch deren
Relationen untereinander sind von Bedeutung.
Was ist ein Satz?

Formale Beschreibung von Sätzen

Der gute Nikolaus hat den lieben Kindern einen Ball geschenkt.
ART+ADJ + N V ART+ADJ + N ART + N V

NP NP NP

VP

VP = Verbalphrase
NP = Nominalphrase

Phrase = formale Einheit zwischen Wort und Satz


(i.d.R. aus mindestens zwei Elementen)
Was ist ein Satz?

Funktionale Beschreibung von Sätzen

Der gute Nikolaus hat den lieben Kindern einen Ball geschenkt.
Subjekt Prädikat Dativobjekt Akk.-Objekt Prädikat

Satzglied = funktionale Einheit unterhalb der Satzebene


Satz = eine Reihung von Satzgliedern

Eine Phrase kann verschiedene Satzgliedfunktionen haben:


im obigen Beispiel: NP = Subjekt, Dativobjekt oder Akkusativobjekt

Ein Satzglied kann u.U. durch verschiedene Phrasen (oder Einzelwörter)


realisiert sein. Beispiel:
Satzglied: Adverbiale Bestimmung - mögliche Phrasen:
- Präpositionalphrase: aus gutem Grund
- Nominalphrase: des Morgens (= am Morgen)
- Adverb: heute
Satzklammer / Satzfelder

Die deutsche Satzklammer und Einteilung in Satzfelder:

Der Typ hat ja wirklich schon viel getrunken was?

Vorfeld Mittelfeld Nachfeld

Satzklammer
Satzklammer / Satzfelder

Die deutsche Satzklammer und Einteilung in Satzfelder:

Der Typ hat ja wirklich schon viel getrunken was?

Vorfeld Mittelfeld Nachfeld

Satzklammer

Du, der Typ hat ja wirklich schon viel getrunken was?

Vor-
Vorfeld

Typische Elemente des Vor-Vorfeldes (in der gespr. Sprache):


also - ja - hörmal - ich sach ma - ich mein ...
Satzklammer / Satzfelder
Andere Formen der Satzklammer

Konstruktionen mit Modalverben:


Ich mag ihm nichts zu trinken geben.
darf
muss

Vorfeld Mittelfeld Nachfeld

Satzklammer
Satzklammer / Satzfelder
Andere Formen der Satzklammer

Konstruktionen mit Modalverben:


Ich mag ihm nichts zu trinken geben.
darf
muss
Konstruktionen mit Verbzusätzen:
Ich nehme das auf jeden Fall an.
trinke aus.
mache mit.

Vorfeld Mittelfeld Nachfeld

Satzklammer
Satzklammer / Satzfelder
Andere Formen der Satzklammer

Konstruktionen mit Modalverben:


Ich mag ihm nichts zu trinken geben.
darf
muss
Konstruktionen mit Verbzusätzen:
Ich nehme das auf jeden Fall an.
trinke aus.
mache mit.
Nebensätze mit einleitender Subjunktion:
dass er nichts getrunken hat.
obwohl

Vorfeld Mittelfeld Nachfeld

Satzklammer
Satzglieder
Subjekt und Objekte:
Subjekt: Der gute Nikolaus ist da.
Akkusativobjekt: Ich sehe den guten Nikolaus.
Dativobjekt: Ich gebe dem guten Nikolaus die Hand.
Genitivobjekt: Ich entsinne mich des guten Nikolauses.
Präpositionalobjekt: Ich hoffe auf den guten Nikolaus.

Adverbiale Bestimmungen:
Ich warte jetzt auf den guten Nikolaus. (temporal)
zu Hause (lokal)
deshalb (kausal)
gerne (modal)
um mich beschenken zu lassen (final)
im Notfall (konditional)
trotz meiner Erkältung (konzessiv)

Prädikativum:
Er ist fleißig. - Er ist ein guter Schüler. - Er malte die Wand weiß.
Satzglieder

Anzahl und Art von Satzgliedern in Abhängigkeit vom Verb

Die Frau schenkt dem Kind einen Ballon Subj. - V - Dat. - Akk.
Der Lehrer verteilt die Hefte an die Schüler Subj. - V - Akk. - Präp.
Ich hoffe auf Wetterbesserung. Subj. - V - Präp.
Sie gedenken der Verstorbenen. Subj. - V - Gen.
Er schläft. Subj. - V
Es regnet. V

Valenz (Wertigkeit):
- Eigenschaft von Wörtern, Leerstellen um sich zu eröffnen, deren
Füllung durch Ergänzungen den aktuellen Satz ergibt
- Umstand, dass in der Umgebung eines Wortes (bzw. einer Wortklasse)
nicht beliebige, sondern nur bestimmte syntaktische Einheiten (bzw.
Klassen von Einheiten) möglich sind
Satzglieder

Abstufungen in der Verbvalenz

Nullwertige Verben (avalent):


Es regnet. Es schneit. Es donnert.

Einwertige Verben (monovalent):


Er schläft. Er träumt.

Zweiwertige Verben (divalent):


Er liebt dich. Er sucht sein Telefon. (= transitive Verben)
Ich hoffe auf Wetterbesserung. Ich gedenke seiner.

Dreiwertige Verben (trivalent):


Er schenkt seinem Sohn ein Fahrrad. Er gibt X ein Y.
Er teilt X ein Y mit. Er bezeichnet X als Y.
Satzglieder

Adjektivvalenz

gierig auf ..., hungrig auf ..., stolz auf ..., aufmerksam auf ...
einer Sache bedürftig
arm an ..., reich an ...

Substantivvalenz

Hoffnung auf ..., Verdacht auf ..., Gedanke an ..., Erinnerung an ...,
Erwartung dessen ...
Satzbaupläne

Verb (Prädikat) + Ergänzungen (in der Valenz angelegt) = Satzbauplan

Satzbaupläne nach der Duden-Grammatik (7.Aufl. 2006):

Gruppe A: Prädikat + 1 Ergänzung (3 Baupläne)


Gruppe B: Prädikat + 2 Ergänzungen (13 Baupläne)
Gruppe C: Prädikat + 3 Ergänzungen (16 Baupläne)
Gruppe D: Prädikat + 4 Ergänzungen (2 Baupläne)
Satzbaupläne

Gruppe A: Prädikat + eine Ergänzung

1. Subjekt + Prädikat
Er schläft.

2. Akkusativobjekt + Prädikat
Mich hungert. Ihn dürstet. (selten, i.d.R. ersetzt)

3. Dativobjekt + Prädikat
Mir schwindelt. (selten, zunehmend ersetzt)
Satzbaupläne

Gruppe B: Prädikat + zwei Ergänzungen

B1: Subjekt + Prädikat + Objekt

4. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt


Sie trinkt ein Bier.

5. Subjekt + Prädikat + Dativobjekt


Der Bürgermeister hilft dem Antragssteller.

6. Subjekt + Prädikat + Genitivobjekt


Der Befragte enthält sich eines Urteils.

7. Subjekt + Prädikat + Präpositionalobjekt


Der Arzt achtet auf die Blutwerte.
Satzbaupläne

B2: Subjekt + Prädikat + Prädikativ

8. Subjekt + Prädikat + Prädikativer Nominativ / prädikatives Adjektiv


Die Studentin wird Lehrerin. Anna ist glücklich.

9. Subjekt + Prädikat + prädikative Präpositionalphrase


Die Raupe verwandelte sich in einen Schmetterling.

10. Subjekt + Prädikat + prädikative Konjunktionalphrase


Kramnik gilt als exzellenter Schachspieler.
Satzbaupläne

B3: Subjekt + Prädikat + Adverbial

11. Subjekt + Prädikat + Lokaladverbial


Otto wohnt in Dresden.

12. Subjekt + Prädikat + Temporaladverbial


Die Sitzung dauerte fünf Stunden.

13. Subjekt + Prädikat + Modaladverbial


Die Besucher benahmen sich unverschämt.

14. Subjekt + Prädikat + Kausaladverbial


Der Mord geschah aus Habgier.
Satzbaupläne

B4: Prädikat + zwei Objekte

15. Akkusativobjekt/Dativobjekt + Prädikat + Präpositionalobjekt


Mich/Mir ekelt vor diesem Essen.
Satzbaupläne

Gruppe C: Prädikat + drei Ergänzungen

C1: Subjekt + Prädikat + zwei Objekte

16. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + Akkusativobjekt


Der Yogalehrer lehrte sie eine neue Technik.
17. Subjekt + Prädikat + Dativobjekt + Akkusativobjekt
Die Zahnärztin zog dem Patienten einen Zahn.
18. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + Genitivobjekt
Der Anwalt bezichtigte den Beklagten der Untreue.
19. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + Präpositionalobjekt
Paul zählt den Nachbarn zu seinen Freunden.
27. Subjekt + Prädikat + Dativobjekt + Präpositionalobjekt
Die Lottofee verhilft den Spielern zum Glück.
Satzbaupläne

C2: Subjekt + Prädikat + Objekt + Prädikativum

20. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + prädikativer Akkusativ


Der Richter nannte den Beklagten einen Lügner.

21. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + prädikative Adjektivphrase


Die Schwester färbte ihr altes Kleid blau.

22. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + prädikative Präposit.phrase


Die Jury erklärte die Kandidatin zur Siegerin.

23. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + prädik. Konjunktionalphrase


Paul sieht seine Schwester als Konkurrentin.
Satzbaupläne
C3: Subjekt + Prädikat + Objekt + Adverbial
24. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + Lokaladverbial
Sie hängt das Bild an die Wand.
25. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + Temporaladverbial
Der Richter vertagte die Sitzung auf Dienstag.
26. Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt + Modaladverbial
Er behandelt den Kunden wie einen Verbrecher.
28. Subjekt + Prädikat + Dativobjekt + Lokaladverbial
Das Wasser lief ihm in die Schuhe.
29. Subjekt + Prädikat + Dativobjekt + Modaladverbial
Das Kleid steht ihr gut.
31. Subjekt + Prädikat + Präpositionalobjekt + Modaladverbial
Der Arzt geht einfühlsam mit dem Patienten um.
Satzbaupläne

C4: Subjekt/es + Prädikat + Adverbial + Adverbial

32. Subjekt + Prädikat + Lokaladverbial + Modaladverbial


Es ging bei der Party lustig zu.
Satzbaupläne

Gruppe D: Prädikat + vier Ergänzungen

D: Subjekt + Prädikat + zwei Objekte + Prädikativum/Adverbial

33. Subjekt + Prädikat + Dat.obj. + Akk.obj. + prädikative Adj.phrase


Der Lehrling färbt der Kundin die Haare grün.

34. Subjekt + Prädikat + Dativobjekt + Akkusativobjekt + Lokaladverbial


Der Vater legt dem Kind die Hand auf die Schulter.
Ergänzungen vs. Angaben

Sonntags joggt er bei schönem Wetter gerne aus gutem Grund im Wald.
1 V 2 3 4 5 6

Verb joggen + wieviel Ergänzungen? Sechs?


> Welcher Satzbauplan liegt hier vor?

Auflösung: Satzbauplan 1 liegt vor (nur eine Ergänzung!)


Er joggt
Subjekt Prädikat

Alle anderen Satzglieder sind keine Ergänzungen, sondern Angaben.


Sonntags Temporalangabe
bei schönem Wetter Modalangabe
gerne Modalangabe
aus gutem Grund Kausalangabe
im Wald Lokalangabe
Ergänzungen vs. Angaben

Ergänzungen: Angaben:
- abhängig von der Valenz - unabhängig von der Valenz
- meist obligatorisch, seltener - fakultativ
fakultativ

Beispiele: Beispiele:
Er denkt an morgen. Er denkt am Morgen an die Uni.
Er hofft auf besseres Wetter. Er singt auf der Bühne.
Wir pfeifen auf den Gurkenkönig. Wir pfeifen auf der Straße.
Er verteilt Hefte an die Schüler. Er verteilt Hefte am Freitag.
Sie aß den ganzen Braten. Sie schlief den ganzen Tag.
Er entsann sich eines Tages im Er besann sich eines Tages,
Mai, an dem er ... dass er noch ...

"obligatorisch", "fakultativ" = in syntaktischer Hinsicht


[Ob etwas semantisch oder pragmatisch notwendig ist, ist eine andere Frage!]
Ergänzungen vs. Angaben

Analyse eines Beispielsatzes:


Der junge Mann, augenscheinlich Student, betrat mit federnden
Schritten das Zugabteil des Schnellzuges Hamburg-Berlin, sah sich
suchend um und nahm schließlich neben einer älteren Dame am
Fenster Platz, die erschreckt ihre lederne Handtasche an sich presste.

Valenz der Verben (Verb + Ergänzungen):


betreten: 2wertig Subjekt + Akkusativobjekt
(der junge Mann + das Zugabteil ...)
sich umsehen: 1wertig Subjekt (implizit: er)
Platz nehmen: 1wertig Subjekt (implizit: er)
pressen: 3wertig Subjekt + Akkusativobjekt + Präpos.objekt
(die + ihre lederne Handtasche + an sich)

Angaben:
augenscheinlich, mit federnden Schritten, suchend, schließlich, neben
einer älteren Dame, am Fenster, erschreckt
Attribute

Der junge Mann, augenscheinlich Student, betrat mit federnden


Schritten das Zugabteil des Schnellzuges Hamburg-Berlin, sah sich
suchend um und nahm schließlich neben einer älteren Dame am
Fenster Platz, die erschreckt ihre lederne Handtasche an sich presste.

junge der junge Mann (Subjekt)


federnden mit federnden Schritten (Angabe)
des Schnellzuges HH-Berlin das Zugabteil des ... (Akkusativobjekt)
älteren neben einer älteren Dame (Angabe)
lederne ihre lederne Handtasche (Akk.objekt)
= Attribute

- Attribute = keine Satzglieder, sondern Teile von Satzgliedern (d.h. von


Ergänzungen oder Angaben)
- jeweils bezogen auf ein Nomen (Mann, Schritten, Zugabteil, Dame,
Handtasche) und diesem untergeordnet
Attribute
Arten von Attributen

1.) Adjektivattribute: das alte Buch


2.) Genitivattribute: der Hut des Mannes, das Land der Träume,
Deutschlands Kanzlerin, Herberts Motorrad
3.) Präpositionalattribute: das Buch mit Fadenheftung
4.) Enge Apposition: der Maler Klecks, die Operndiva Callas, der
Freistaat Sachsen, ein Liter Bier
5.) Relativsätze
a) Restriktive: Die(jenigen) Vertragsklauseln, die rechtswidrig sind,
können Sie ignorieren.
b) Nicht restriktive: Wir treffen eine Vereinbarung, die allen nützt.
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Formalisierung in der Syntax:


- Verwendung von Kürzeln zur Kennzeichnung von sprachlichen
Einheiten wie Morphemen, Wortarten, Phrasen, Satzgliedern
(Ergänzungen, Angaben) usw.
- grafische Darstellung von syntaktischen Relationen, v.a. durch
Baumdiagramme

Kürzel für Wortarten und Phrasen:


- Wortarten: V (Verb), N (Nomen), ADJ (Adjektiv), ADV (Adverb), ART
(Artikel), PRO (Pronomen), PRÄ (Präposition), KON (Konjunktion),
SUB (Subjunktion), PAR (Partikel) ...
- Phrasen: vor allem NP (Nominalphrase), VP (Verbalphrase), PP
(Präpositionalphrase)
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Kürzel für Satzglieder:


- Ergänzungen (= Subjekt, Objekte, Prädikativum):
Enom (Nominativergänzung), Eakk (Akkusativergänzung), Edat
(Dativergänzung), Egen (Genitivergänzung), Eprp (Präpositional-
ergänzung), PRÄD (Prädikativum) ...
- Angaben (= adverbiale Bestimmungen, nach semantischen Kriterien
differenziert):
Alok (Lokalangabe), Atemp (Temporalangabe), Akaus (Kausalangabe),
Afin (Finalangabe), Akond (Konditionalangabe), Akonz (Konzessiv-
angabe) ...
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax
Grafische Darstellung syntaktischer Relationen
Grundprinzip: Darstellung von Abhängigkeitsbeziehungen (Dependenzen)
zwischen Verb und Satzgliedern und zwischen den Einheiten, aus
denen Phrasen bestehen
Dependenzstrukturen in Phrasen
NP - Beispiel: der gute Mann
- ART der und ADJ gut sind abhängig von N Mann (das Nomen gibt das
Genus vor, Artikel und attributives Adjektiv werden angepasst)
- ADJ gut ist abhängig von ART der (der Artikel gibt die Deklination vor,
das Adjektiv wird angepasst: der gut-e Mann, ein gut-er Mann)
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax
Grafische Darstellung syntaktischer Relationen
Grundprinzip: Darstellung von Abhängigkeitsbeziehungen (Dependenzen)
zwischen Verb und Satzgliedern und zwischen den Einheiten, aus
denen Phrasen bestehen
Dependenzstrukturen in Phrasen
NP - Beispiel: der gute Mann
- ART der und ADJ gut sind abhängig von N Mann (das Nomen gibt den
Kasus vor, Artikel und attributives Adjektiv werden angepasst)
- ADJ gut ist abhängig von ART der (der Artikel gibt die Deklination vor,
das Adjektiv wird angepasst: der gut-e Mann, ein gut-er Mann)
Darstellung: Mann

der

gute
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Dependenzstrukturen in Phrasen
PP - Beispiel: (die Suche) nach dem verschollenen Bild
- die NP dem verschollenen Bild ist abhängig von der PRÄP nach (die
Präposition gibt den Kasus vor)
- innerhalb der NP ist wiederum das ADJ abhängig vom ART, der ART
abhängig vom N
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Dependenzstrukturen in Phrasen
PP - Beispiel: (die Suche) nach dem verschollenen Bild
- die NP dem verschollenen Bild ist abhängig von der PRÄP nach (die
Präposition gibt den Kasus vor)
- innerhalb der NP ist wiederum das ADJ abhängig vom ART, der ART
abhängig vom N

Darstellung: nach

Bild

dem

verschollenen
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Beispiel für eine komplexere Struktur: die Sorge um die Bauern in Holstein

Sorge

die um

Bauern

die in

Holstein
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Beispiel für eine komplexere Struktur: die Sorge um die Bauern in Holstein

Sorge

die um

Bauern

die in
PP
Holstein
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Beispiel für eine komplexere Struktur: die Sorge um die Bauern in Holstein

Sorge

die um

Bauern

die in NP

Holstein
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Beispiel für eine komplexere Struktur: die Sorge um die Bauern in Holstein

Sorge

die um

Bauern
PP
die in

Holstein
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Beispiel für eine komplexere Struktur: die Sorge um die Bauern in Holstein

Sorge

die um

Bauern NP

die in

Holstein
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Dependenzstrukturen im Satz
- Ausgangspunkt: das Verb (als strukturelles Zentrum des Satzes)
- Dependenzrelation: V bestimmt die Anzahl und Art seiner Mitspieler, der
Ergänzungen (Verbvalenz)
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Dependenzstrukturen im Satz
- Ausgangspunkt: das Verb (als strukturelles Zentrum des Satzes)
- Dependenzrelation: V bestimmt die Anzahl und Art seiner Mitspieler, der
Ergänzungen (Verbvalenz)

Abstraktes Diagramm mit Angabe der Ergänzungsarten

Beispiel: der Vater legt dem Kind die Hand auf die Schulter

V
legt

Enom Edat Eakk Eprp


der Vater dem Kind die Hand auf die Schulter
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Explizites Diagramm mit Angabe aller Valenzstrukturen

V
legt

Nnom Ndat Nakk PRÄP


Vater Kind Hand auf

ARTnom ARTdat ARTakk Nakk


der dem die Schulter

ARTakk
die
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax
Komplexes Beispiel mit Ergänzungen und Angaben:

V
verteilt

Nnom PRÄP ADV Nakk PRÄP


Lehrer aus heute Aufgaben an

ARTnom Ndat PROakk Nakk


der Nettigkeit keine Schüler

ADJnom ADJdat ADJakk ARTakk


junge reiner schweren die
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax
Komplexes Beispiel mit Ergänzungen und Angaben:

V
verteilt

Enom Akaus Atemp Eakk Eprp


Nnom PRÄP ADV Nakk PRÄP
Lehrer aus heute Aufgaben an

ARTnom Ndat PROakk Nakk


der Nettigkeit keine Schüler

ADJnom ADJdat ADJakk ARTakk


junge reiner schweren die
Ansätze zur Formalisierung syntaktischer Strukturen:
die dependenzielle Syntax

Literaturhinweis zur dependenziellen Syntax:

Ulrich Engel: Syntax der deutschen Gegenwartssprache. 3., völlig neu


bearb. Aufl. Berlin 1994.

Lucien Tesnière (1893-1954)


gilt als Begründer der Dependenzgrammatik

Hauptwerk:
Élements de syntaxe structurale. Paris 1959.

Auf deutsch:
Grundzüge der strukturalen Syntax. Herausgegeben und übersetzt von
Ulrich Engel. Stuttgart 1980.
Satzarten (Satztypen)

Ich bin ein Berliner. Deklarativsatz (= Konstativsatz)


Ist er ein Berliner? Interrogativsatz
Sei ein Berliner! Imperativsatz
Wärst du doch ein Berliner! Desiderativsatz
Ist dás aber ein Berliner! Exklamativsatz

Keine zwingende Verknüpfung von Satzarten mit bestimmten


pragmatischen Funktionstypen ("Äußerungsarten"):
Deklarativsatz kann auch für Fragen stehen:
Du hast die Prüfung bestanden?
Deklarativsatz kann auch für Aufforderungen stehen:
Sie bringen mir die Entwürfe vor 10 Uhr.
Interrogativsatz kann auch für Feststellungen stehen:
Hast du nicht alle Tassen im Schrank? Ist das nicht schön?
Wie uncool ist das denn?
Satzarten (Satztypen)

Satzarten werden nach rein formalen Kriterien (nicht nach


pragmatischen Funktionen) definiert.

Wichtigste Unterscheidungskriterien:
- Stellung des Verbs (an erster, zweiter, dritter Position)
- Modus des Verbs (Indikativ, Konjunktiv, Imperativ)
- Intonationsstruktur des Satzes (fallend, steigend)
Satzarten (Satztypen)

Deklarativsatz (Aussagesatz)
Ich bin ein Berliner.
Diese Aufgabe könnte ich nicht lösen.

Typische formale Eigenschaften:


- Verb an zweiter Position (= linke Satzklammer)
- Verb im Indikativ oder Konjunktiv (nicht im Imperativ)
- fallende Intonation
Satzarten (Satztypen)

Interrogativsatz (Fragesatz)
Ist er ein Berliner? (Entscheidungsfrage)
Wirst du ihn treffen? (Entscheidungsfrage)

Typische formale Eigenschaften:


- Verb an erster Position (= linke Satzklammer), leeres Vorfeld
- Verb im Indikativ oder Konjunktiv II
- steigende Intonation

Wer ist ein Berliner? (Ergänzungsfrage)


Wen willst du treffen? (Ergänzungsfrage)

Typische formale Eigenschaften:


- Verb an zweiter Position (= linke Satzklammer)
- Interrogativpronomen im Vorfeld
Satzarten (Satztypen)

Imperativsatz (Aufforderungssatz)
Sei ein Berliner!
Hör doch auf!
Lasst uns anfangen!
Fangen wir an!

Typische formale Eigenschaften:


- Verb an erster Position, leeres Vorfeld
- Verb im Imperativ
- fallende Intonation
Satzarten (Satztypen)

Desiderativsatz (Wunschsatz)
Wäre er doch ein Berliner! (Typ 1)
Wenn er doch ein Berliner wäre! (Typ 1)

Es lebe der Berliner! (Typ 2)


Man preise und lobe ihn! (Typ 2)

Typische formale Eigenschaften des Typs 1:


- Verb an erster Position (leeres Vorfeld) oder an letzter Position
- Verb im Konjunktiv II
- fallende Intonation

Typische formale Eigenschaften des Typs 2:


- Verb an zweiter Position
- Verb im Konjunktiv I
- fallende Intonation
Satzarten (Satztypen)

Exklamativsatz (Ausrufesatz)
Ist dás aber ein Berliner!
Gérn wäre ich ein Berliner!
Was dás für ein Berliner ist!

Typische formale Eigenschaften:


- Verbposition unspezifisch (erste, zweite oder letzte Position)
- Verb im Indikativ oder Konjunktiv II
- fallende Intonation und Hervorhebung einer Einheit im Satz
Satzkomplexität

Trotz mehrfach wiederholter, intensiver Ermahnungen seitens der


bereits allmählich unruhig werdenden Eltern will das unartige Kind
heute auf keinen Fall etwas von seinen leckeren Naschis abgeben.
Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zur
mittleren Jahrestemperatur, zur Temperatur des kältesten wie des
wärmsten Monats und zur aperiodischen monatlichen
Temperaturschwankung. (R. Musil)
Der letzte Grund meines Unvermögens zur Einordnung in eine offizielle
deutsche Korporation ist mein tiefes Misstrauen gegen die deutsche
Republik. (H. Hesse)
Welche Sätze sind "einfach",
welche sind "komplex"?
Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Er kam, sah und siegte.
Ich denke, also bin ich.
Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Wer hat, der hat.
Ich hoffe, sie bleibt.
Satzkomplexität

Trotz mehrfach wiederholter, intensiver Ermahnungen seitens der


bereits allmählich unruhig werdenden Eltern will das unartige Kind
heute auf keinen Fall etwas von seinen leckeren Naschis abgeben.
Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zur
mittleren Jahrestemperatur, zur Temperatur des kältesten wie des
wärmsten Monats und zur aperiodischen monatlichen
Temperaturschwankung. (R. Musil)
Der letzte Grund meines Unvermögens zur Einordnung in eine offizielle
deutsche Korporation ist mein tiefes Misstrauen gegen die deutsche
Republik. (H. Hesse) = Einfache Sätze

Der Mensch denkt, Gott lenkt.


Er kam, sah und siegte.
Ich denke, also bin ich.
Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Wer hat, der hat.
Ich hoffe, sie bleibt. = Komplexe Sätze

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