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)
Author(s): Ernst Fuchs and Josef Kohler
Source: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, Vol. 12, No. 1 (Oktober 1918), pp.
10-24
Published by: Franz Steiner Verlag
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/23683464
Accessed: 18-12-2017 20:54 UTC
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Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie
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ío h echts- ixnd Staatsphilosopkie
') Vgl. dazu den schönen Aufsatz yon Ehrlich: Die juristische Logik im
Arch. f. ziv. Pr. 1917, 125 ff.
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Fuchs, Jhering und die Freirechtsbewegung 1 ]
201) : „Zeigt uns ein Jurist oder gar ein Gericht eine Klippe,
so schwimmen wir Juristen darauf zu wie der Fisch auf
einen Köder. Will uns aber einer eine gefahrlose Rinne
zeigen, so sind wir voller Misstrauen. Man sagt, wenn drei
Juristen beieinander sitzen, gebe es vier Meinungen. Leider
ist an diesem Scherzwort ein wahrer Kern. Warum? Weil
die Juristen vielfach, statt das allein Vernünftige, vom ge
sunden Sinn für die Lebensnotwendigkeiten Eingegebene zu
finden oder nur zu. suchen, sich in juristischen Klaubereien
ohne jedes vernünftige Ziel ergehen, an ihrer eigenen Spitz
findigkeit, an entdeckten Schwierigkeiten, mehr Freude haben,
als an einem einfachen, aber brauchbaren Ergebnis ihres
Forschens. Das ist leider noch immer Juristenart." Ver
gleichen wir die Art, wie die juristischen Kontroversen
handelt werden, mit denen irgend einer anderen Wissenscha
so fällt uns sofort der Unterschied in die Augen. Zwar gib
es auch in den andern Wissenschaften Begriffsformalismu
Nehmen wir als Beispiel die Meinungsverschiedenheit zwisch
zwei Psychiatern, ob eine bestimmte Geistesschwäche ei
„Imbezillität" darstelle. Dann dreht sich auch der Streit um
den Begriff und die Definition der Imbezillität. Ein solche
Streit ist dann genau so unfruchtbar und formalistisch, w
die Kontroversen der Begriffsjurisprudenz, z. B. ob die Sa
miete begrifflich ein obligatorisches oder ein dingliches Rec
ist, oder ob die Hypothek begrifflich ein Pfandrecht oder ei
Realobligation ist. Jede Vorschrift des Gesetzes über die Sac
miete und die Hypothek und jede Auslegung einer solchen
Vorschrift ist gut oder schlecht aus andern Gründen, als a
dem Einpassen unter eine solche Definition. Bei den andern
Wissenschaften, namentlich den praktischen d. h. den wie d
Rechtswissenschaft ins Leben einzugreifen bestimmten, ist d
vorherrschende Charakter der sachliche, nicht der formal
logische Kampf. Wo in einer anderen praktischen Wissen
schaft z. B. in der Medizin oder der Erfindungstechnik Grenz
fälle zu beurteilen sind, da gibt es freilich genau so sicher und
so viele Meinungsverschiedenheiten wie bei den Juristen. In
der gutachtlichen Aeusserung eines unserer ersten Psychiater
über die Zurechnungsfähigkeit (Verantwortlichkeit) einer
Person heisst es: „Die Entscheidung im vorliegenden Falle
liegt an der Grenze des Gebiets zwischen dem Ja und Nein,
so dass ein Auseinandergehen der Meinungen beinahe selbst
verständlich, jedenfalls erfahrungsgemäss in solchen Fällen
die Regel ist." Der juristische Streit über die Unterordnung
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12 Rechts- und Staatsphilosophie
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Fuchs, Jhering und die Freirechtsbewegung 13
treten könnte und die sich nicht infolge dessen auf diese beiden
widerstreitenden Begriffe bringen liesse. Man müsse daher
an eine Umwälzung der hergebrachten (formalen) Logik gehen.
Denken bestehe jetzt gewöhnlich darin, von den Begriffen zu
den Dingen zu gelangen und nicht von den Dingen zu den
Begriffen. Aber die gewöhnliche Verstandesarbeit sei in Wirk
lichkeit weit davon entfernt, eine unbeteiligte Arbeit zu sein.
Im allgemeinen trachten wir nicht zu erkennen, um zu er
kennen, sondern zu erkennen, um Partei zu ergreifen für eine
Meinung, die wir aus anderen Gründen als aus den logischen
haben. Das geschehe mehr oder weniger unbewusst, und
diese anderen Gründe seien seither, als sie zum klaren Be
wusstsein kamen, entweder ins Innerste verschlossen oder
höchstens, sei es ganz, sei es teilweise, im Schosse des Kolle
giums oder der Amtsverschwiegenheit vergraben worden.
(Von mir sog. Kryptosoziologie.)
Das ableitende (deduktive) juristische Denken von oben
nach unten ist von allen Mittelmässigkeiten mechanisch und
ohne Lust erlernbar und bedarf entfernt nicht in dem Masse
der feinsehenden, feinhörigen und sachkundigen Beobachtung
der Rechtstatsachenwelt und der Menschen wie das nur von
wirklich Begabten durch eisernen Fleiss verbunden mit wahrer
Lust erlernbare soziologische und psychologische (induktive)
juristische Denken von unten nach oben. Es ist eine falsche
Ueberschätzung der „reinen" Denktätigkeit (sog. Intellek
tualismus oder Rationalismus), wenn man glaubt, durch
blosses Nachdenken Wahrheiten zu ermitteln. Bei der Ein
führung der bedingten Begnadigung sind die schlimmsten
Ergebnisse vorhergesagt worden. Der Versuch, die Erfahrung,
strafte die Warner Lügen. Anderseits führt das blosse
unfachkundige Beobachten zu keiner wissenschaftlichen Er
kenntnis. Es gilt, die Erscheinungen zu „studieren", um zu
Schlüssen auf ihre Ursachen und Gesetze zu gelangen. Von
einem einzigen erhabenen Genius (Newton) ist auf diesem
Weg mehr Licht ausgegangen, als ein Jahrtausend vor ihm
hervorzubringen vermochte. (Liebig). Jahrtausende lang
hatte die Menschheit die grausig schöne Erscheinung des
Gewitters beobachtet oder vor ihr gebebt, und doch bedurfte
es erst des klassischen Experiments von Franklin, um Ein
blick in das Wesen des Vorgangs zu gewinnen und um sich dann
praktisch vor ihm schützen zu können. (Braunshausen). Aber
die Kenntnis der Dinge, die Anschauung, ist das erste. „Die
Hauptsache bleibt immer, dass die Anschauungen den Be
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14 Rechts- und Staatsphilosophie
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10 Rechts- und Staatsphilosophie
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Fuchs', Jhering und die Freirechtsbewegung 17
*) Aus dem grossen Strauss, den man alljährlich hier noch pflücken
kann, nur eine Prachtblüte aus allerjüngster Zeit. Das RG. muss aussprechen
(JW. 1918, 375), dass der Oeffentlichkeitsgrundsatz nicht verletzt ist, wenn
bei einer Grubenbesichtigung wegen der schwierigen Raumverhältnisse des Leiter
schachtes und der Ruhebühnen nicht in jedem Augenblick alle Prozessbeteiligten
sich an diesen Punkten aufhalten können, geschweige denn Publikum! Ueber so
etwas kann bei uns noch veröffentlichungsreif bis ans RG. gestritten werden.
Archiv für Rechtsphilosophie. Bd. XII.
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18 Rechts- und Staatsphilosophie
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Fuchs, Jhering und die Freirechtsbewegung 19
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20 Rechts- und Staatsphilosophie
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Fuchs, Jkering und die Freirechtsbewegung 21
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22 Rechts- und Staatsphilosophie
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Fuchs, Jhering und die Freirechtsbewegung 23
Nachwort.
Von
Josef Kohler.
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24 Recbts- und Staatsphilosophie
Otto Fischer.
(Schluss.)
Wenn es so hier und da zweifelhaft sein kann, ob die
Rechtsprechung für die Sittenwidrigkeit und die Bestimmung
ihrer Folgen das richtige getroffen hat, so beweist das nur,
dass diese Aufgabe recht schwierig ist und hohe Anforderungen
an Auffassung und Urteilsgabe stellt. Im grossen und ganzen
befindet sie sich aber, wie ich schon bemerkte, sicher auf dem
richtigen Wege.
Und nun zu der besonderen Darlegung der Billig
keitsgrundsätze, die, wie ich schon hervorhob, eigentlich
nur ein Ausschnitt aus dem allgemeinen Gebiete der guten Sitten
sind. Vor allem ist die Durchführung der Billigkeit für das
grosse Gebiet des Schadensersatzes gewährleistet durch die
prozessrechtliche Bestimmung, dass die Frage des Daseins und
der Höhe eines Schadens ganz vom richterlichen Ermessen
abhängt, unter Befreiung von den sonst bestehenden Yer
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