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CAS „Interkulturelle Theologie und Migration“3.-4. September 2021 in Solothurn
Diese Ebene ist in der reformierten Kirche stark vertreten. Hier wird
vertreten, dass jede*r Gläubige* r selber die Bibeltexte interpretieren
kann und soll.
- Ergänzung durch Youssef: Auch in der koptischen Kirche gibt es Interpretationen von
Bibelstellen von den Kirchenvätern, auf die wir uns stützen. Aber: auch die
Kirchenväter interpretieren die Bibelstellen unterschiedlich, dies gibt daher auch
Freiraum.
- Ergänzung durch Moises: Er erzählt von einer Frau, die viel Missbrauch erlebt hat.
Aus diesem Grund müsse sie Gott als Frau denken, nur so hat sie Zugang zu Gott.
Nach Claudia ist dies ein schönes Beispiel dafür, wie die Lebensumstände, die einem
geprägt haben, beeinflussen, wie man die Bibel versteht und interpretiert.
3. Hermeneutische Schlüssel
Hermeneutische Schlüssel = «Hermeneutik» meint «Verstehen», es geht also um Schlüssel,
die einem helfen, die Bibel zu verstehen.
These: Die Bibeltexte bleiben immer ein Stück weit deutungsoffen. Dass sie verständlich
werden, braucht es hermeneutische Schlüssel.
Sechs Schlüssel zum Bibelverstehen:
Schlüssel, die historisch mit der Bibel arbeiten:
- Bibel-Umwelt-Wissen: Bei diesem Schlüssel setzt man sich mit der Zeit auseinander, in
der die Bibel entstanden ist. Dem sagt man, sich «historisch-kritisch» mit den
Bibeltexten auseinandersetzen. Anliegen: Begriffe und Symbole aus der Bibel müssen
heute neu gedeutet werden, nur dann können wir sie verstehen. Ein Beispiel: Was es
bedeutet «sein Licht nicht unter einen «Scheffel» zu stellen» (siehe z.B. Mt. 5,14-15), ist
heute nicht mehr einfach so verständlich.
- Textvergleich
POZEK-Methode (Zu Bedeutung POZEK: Siehe Powerpoint)
Anliegen: Vielstimmigkeit der Bibel aufzeigen. Darlegen, dass Bibeltexte verschiedene
Akzente betonen auch wenn sie ähnliches erzählen. Beispiel: Vergleichen von ähnlichen
Texten, die in unterschiedlichen Evangelien vorkommen.
Schlüssel, die existenziell mit der Bibel arbeiten:
- Über Lebensumstände die Bibel erschliessen
Methode: Bibel teilen (Kommt aus Südafrika und Südamerika (Befreiungstheologie))
Die Methode hat sieben Schritte (siehe Powerpoint). Anliegen: Bibel muss an die Basis,
das normale Volk muss gemeinsam die Bibel interpretieren.
- Mit Hilfe kultureller Unterscheidungsbereiche:
Wie unterscheidet sich meine Kultur von anderen Kulturen? Was gibt es für Bilder und
Bereiche, in denen wir uns unterscheiden? Anliegen: Kontextverbundenheit, wie wir die
Bibel verstehen, zum Ausdruck bringen.
Christian Weber unterscheidet verschiedene Unterscheidungsbereiche:
1. Versch. Denkmodelle (Wie denke ich über Dinge nach)
2. Versch. Zeitverstehen
3. Versch. Kommunikationsspiele (Wie wir miteinander sprechen)
4. Versch. Ordnungssysteme (z.B. ob Kirchen hierarchisch organisiert sind oder alle auf
einer Ebene Theologie betreiben)
5. Versch. Kreativitätsformen
Schlüssel, die interkulturell mit der Bibel arbeiten:
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CAS „Interkulturelle Theologie und Migration“3.-4. September 2021 in Solothurn
- Bibelkommentare aus versch. Kontexten der ganzen Welt (vgl. kommentierte Liste
Bibelkommentare und Beispiele für kontextbezogene Bibelauslegungen von Christian
Weber im Reader, S.1-13).
Z.B. Regionale Bibelkommentare für best. Bevölkerungsgruppen, für verschiedene
Länder etc.
- Bilder zu Bibeltexten aus versch. Kontexten der ganzen Welt (vgl. Liste, wo man Bilder
findet von Christian Weber in der ppt und im Reader S. 14f.)
Anliegen: Bilder schaffen einen anderen Zugang zur Wirklichkeit. Sie haben einen
grösseren Interpretationsraum und es ist ganz vieles in ihnen gleichzeitig zu entdecken.
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CAS „Interkulturelle Theologie und Migration“3.-4. September 2021 in Solothurn
- Durch das «Age of Migration» befasst sich die Interkulturelle Th. auch mit den
Migrationskirchen innerhalb Europas.
Anmerkungen aus der Gruppe:
Sela: Das «ausserhalb Europas» und der Name des Fachs «Aussereuropäisches Christentum»
klingt symptomatisch, da man immer von Europa aus sieht! Ausserhalb Europas
wegstreichen!
Ergänzung Claudia:
- Berechtigte Kritik: Dieser Begriff ist historisch bedingt (Mission/Kolonialismus), dieses
Denken «klebt» ihm immer noch an!
- Gleichzeitig aber: Jeder und jede nimmt einen Standpunkt ein. Wenn man
Schweizer*in ist, ist dies der Standpunkt und den gilt es klar zu machen! Man ist
geprägt von der eigenen Kultur etc.: Man kann daher sagen, dass man Theologie aus
der weltweiten Perspektive treibt, aber man macht dies immer von einem
spezifischen Standpunkt aus.
3. «Interkulturelle Theologie» als Fach:
In der Schweiz gibt es dieses Fach nur in Basel unter dem Namen «Aussereuropäisches
Christentum». Früher hiess es «Missions- und Ökumenewissenschaft». Dieser Name wurde
von der Universitätsleitung problematisiert und angepasst. Dies jedoch ohne zu bemerken,
dass damit dasselbe Problem weiterbesteht. Wie der Name korrekt heisst, bleibt nach wie
vor zu diskutieren! In DE gibt es einige Lehrstühle zum Fach Interk. Th., meistens kombiniert
mit Ökumene- und Religionswissenschaft. Im englischen Raum heisst das Fach «World
Christianity/Global Christianity».
Weitere Fächer in der Theologie: Systematische Theologie (Ethik/Dogmatik, z.B. Gotteslehre,
Eschatologie («was passiert am Ende»)), Kirchengeschichte, Praktische Theologie (z.B.
Homiletik (Predigtlehre), Liturgik Religionspädagogik, Seelsorge), Bibelwissenschaft (Altes
und Neues Testament, Alte Sprachen), Religionswissenschaft (andere Religionen).
Eigentlich gälte es jedoch die ganze Theologie «interkulturell» zu betreiben!
Überschneidungen gibt es z.B. in:
- Kirchengeschichte: Missionsgeschichte
- Praktische Theologie: Seelsorge, Ekklesiologie (was bedeutet für uns Kirche? Wie wollen
wir die bauen? Sollen die national oder international gestaltet werden?)
- Dogmatik: Was sind unsere Werte und Normen? Z.B. Was bedeutet das Gebet in einer
koptischen Kirche, was bedeutet es in der Schweiz?
- Religionswissenschaft (RW): RW kommt aus einer anderen Tradition, es ist ein
Kulturwissenschaftliches Fach, mit anderen Methoden und Theorien. Diese sind sehr
wichtig in der Interkulturellen Theologie.
Positionspapier zum Thema «Missionswissenschaft als Interkulturelle Theologie und ihr
Verhältnis zur Religionswissenschaft» (2005)
- 2005 war eine Weichenstellung, da die «Missionswissenschaft» zur «Interkulturellen
Theologie» umbenannt wurde. Das Papier zeigt diesen Umschwung. Seither sind einige
Standardwerke zur Interkulturellen Theologie entstanden: Z.B. Henning Wrogemann
«Interkulturelle Theologie/Missionswissenschaft», Volker Küster «Einführung in die
Interkulturelle Theologie», Klaus Hock «Einführung in die Interkulturelle Theologie».
- Die Aufgaben, Inhalte und Kompetenzen im Positionspapier sind auch heute noch
aktuell: Interk. Th. beschäftigt sich mit der Geschichte (Missionsgeschichte,
Interkulturellen Theologiegeschichte), mit kontextuellen Theologien (z.B. mit Mercy
Amba Oduyoye aus Ghana oder Ivone Gebara aus Brasilien) und mit der Hermeneutik
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von interreligiösen Beziehungen und Missionstheologien (z.B. Warum und wie soll man
missionieren?)
4. Unique selling points der Interkulturellen Theologie: Siehe dazu Powerpointpräsentation
Module des CAS und relevante Fragen dazu
Forschungsschwerpunkte in der Interkulturellen Theologie:
- Kontextuelle Theologien:
o Befreiungstheologien: Entstanden vor allem in Lateinamerika in den 60er
Jahren. Sie kritisieren sozioökonomische Strukturen und wollen die Stimme der
«Armen» sein und zu Befreiung von Ausbeutung, Entrechtung und
Unterdrückung beitragen.
o Inkulturations-/Dialogstheologien: Auseinandersetzung mit Kultur-
/Dorfstrukturen des eigenen Landes und damit, was diese für den eigenen
christlichen Glauben für eine Rolle spielen. Lange war dies für
England/Deutschland/Schweiz nicht so wichtig, weil das Christentum in diesen
Ländern schon so lange dominierend präsent war. In anderen Ländern, vor
allem ehemalig kolonialisierten Ländern, wurde dies jedoch essentiell: Für das
eigene Selbstverständnis dieser Länder ist es wichtig, wieder zu den eigenen
Traditionen zurückzukehren und diese einzubeziehen.
- Migrationskirchen und interkulturelle Gemeinde: Seit 20 Jahren wird wissenschaftlich
dazu geforscht. Es sind Kirchen, die in einem Kontext heimisch werden, der ihnen
eigentlich fremd ist. Forschung zu diesen Kirchen begann in der Interkulturellen
Theologie, wird heute aber immer mehr auch in anderen Fächern gemacht, z.B. in der
Praktischen und der Systematischen Theologie.
- Pfingstbewegung: In der Schweiz und DE galten diese lange als Sekten. Das Fach der
Interk. Th. befasst sich aber schon lange aus einer anderen Perspektive damit, nämlich,
dass in ihnen die Vielfältigkeit des Christentums zum Ausdruck kommt.
- Missionsgeschichte
- Ökumene: Ökumene wird zweierlei verstanden: Kleine Ökumene: innerchristlich
(Zusammenspiel zw. den versch. christl. Kirchen), Grosse Ökumene: interreligiös
(Zusammenspiel mit Hinduismus, Buddhismus, Islam, Judentum…)
Vgl dazu die Gruppenarbeit auf google docs: was kommt an den kommenden CAS
Wochenenden auf mich zu? Welche Fragen habe ich?
https://docs.google.com/document/d/1XEFO2CFjFecnvPPYD-
TX01wxfhc54y8GZ8vOCxxJ0nM/edit
Die Teilnehmenden ordnen sich selber im globalen Christentum ein
1. Globales Christentum (vgl. Artikel von Todd Johnson/Sun Young Chun im Reader S. 18f)
- Das Christentum wird im 20./21. Jahrhundert als «Boom Religion» bezeichnet (Buch
von Philip Jenkins). Er zeigt, dass das Christentum heute nicht abnimmt, sondern
Zuwachs hat. Dies jedoch vor allem im globalen Süden.
- Das Christentum hat sich im 20. Jh. sehr stark verändert: Anfangs des 20 Jhd. war das
Christentum eine Religion, die aus dem Westen kommt und auch die dominierende
Religion im Westen. Ende des 20. Jhd. ist es nun eine nicht-europäische Religion, die
meisten Christ*innen leben im globalen Süden. Das Christentum hat sich sowohl
quantitativ (Zahl der Gläubigen) als auch qualitativ stark verändert. Qualitativ: Durch
die Verlagerung in den Süden gibt es viele neue Ansätze, die sich noch entwickeln
müssen.
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- Das Christentum ist polyzentrisch: Über seine ganze Geschichte hindurch hatte es
unterschiedliche Zentren. Schrumpft ein Zentrum, blüht ein neues an anderer Stelle
auf. Blühen und absterben führt dazu, dass das Christentum heute durch
unterschiedliche kulturelle Hintergründe geprägt ist.
- Das Christentum lebt davon, dass es immer wieder Grenzen überschreitet: Sprach- und
Kulturgrenzen («Translatable faith», Lamin Sanneh, Andrew F. Walls) Es werden immer
wieder Bilder und Symbole von anderen Kulturen übernommen und übersetzt. Sela
ergänzt: in Papua Neuguinea war das Wort «Lamm» nicht bekannt, aus diesem Grund
musste das «Lamm Gottes» mit Worten übersetzt werden, welche auch für die
Menschen in diesem Kontext den Sinn dieses Begriffs wieder erschliessen lässt.
2. Ausbreitung des Christentums (siehe Atlas in der Powerpoint und Artikel Andrew Walls im
Reader S.16f)
Um 100 n.Ch. breitete sich das Christentum als erstes um den Mittelmeerraum herum aus.
400 n.Ch. war Äthiopien das christliche Zentrum. Um das 12. Jhd. nimmt das Christentum in
Europa stark zu und verbreitet sich zunehmend über die ganze Erdkugel.
Das Christentum hat sich verlagert. Bis ins 15. Jhd. waren bis 90% der Christ*innen im
europäischen Raum verbreitet. Mit dem Kolonialismus setzte eine Südbewegung ein (zuerst
mehr westwärts, dann ab 19. Jhd. sehr stark südwärts, im 20. Jhd. auch stark ostwärts -> z.B.
nach China). Die Schwerpunktverlagerung zeigt, dass wir Theolog*innen aus der südlichen
Hemisphäre brauchen, um Interkulturelle Theologie zu betreiben!!
Zu den Zahlen im Atlas: Die Erhebung der Daten gilt es kritisch zu betrachten! Oft handelt es
sich wohl einfach um Schätzungen. Ebenso ist die Perspektive der Autoren mitzubenken
(amerikanisch?) Jedoch zeigen die Grafiken das Ausbreitungsverlangen des Christentums
schön auf.
3. Grosse christliche Traditionen
Orthodoxe Kirche (aufgeteilt in die östlich-orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirche),
Römisch-katholische Kirche, Anglikanische Kirche, Protestantische Kirche, (Startpunkt war
die Reformationszeit. Seither gehören eine Vielzahl von Kirchen zu ihnen (Presbyterianer,
Mennoniten, Methodisten u.w.), Unabhängige Kirchen (Sind im globalen Süden entstanden
und wurden dann unabhängig. Z.B: AIC. Sie identifizieren sich nicht mit den trad. Kirchen,
sondern verstehen sich als unabhängige Kirchen), Marginale Kirchen: Z.B. Mormonen und
Zeugen Jehovas, bezeichnen sich selber als Christen, unterscheiden sich aber in
grundsätzlichen Fragen.
Prozentzahlen der Christenheit (1910-2010):
Die Römisch-katholische Kirche ist stabil, die grossen Gewinner sind die Unabhängigen
Kirchen, die Orthodoxe Kirche hat am meisten Mitglieder verloren, vor allem wegen dem
Kommunismus in Osteuropa und der Türkei.
Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen den Traditionen jedoch auch immer mehr: Die
«Evangelicals» (aus dem puritanischen und pietistischen Umfeld kommend) und die
«Renewalists» (Menschen aus den Pfingstbewegungen) finden sich in allen Traditionen.
Christ*innen aus der Gruppe «Renewalits» nehmen seit 100 Jahren weltweit stark zu, diese
Zunahme ist ein Merkmal des vergangenen Jahrhunderts. Annahme für deren Erfolg: In
armen Ländern werden durch die Botschaft, dass der Heilige Geist, jede*n dazu ermächtigt,
ihr/sein Leben verändern zu können, viele Menschen angezogen. Ausserdem werden die
spirituellen Gaben individuell gelebt, das heisst, auch Frauen können in den Kirchen eine
Rolle spielen.
(Zu den «Renewalist» vgl. Artikel von Julie Ma/Allan Anderson im Reader S.20f)
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CAS „Interkulturelle Theologie und Migration“3.-4. September 2021 in Solothurn
Literaturangaben:
Christian Weber, Wie andere Kulturen die Bibel sehen. Ein Praxisbuch mit 70 Kunstwerken
aus 33 Ländern, Zürich: tvz, 2020.
Stephen Castles/Mark Miller, The Age of Migration, London: Palgrave, 1st edition 1993.
Julia Reuter/Paul Mecheril, Schlüsselwerke der Migrationsforschung. Pionierstudien und
Referenztheorien, Wiesbaden: Springer, 2015.
Todd M. Johnson/Kenneth R. Ross, Atlas of Global Christianity, 1910-2010. Edinburgh:
Edinburgh University Press, 2010.
Philipp Jenkins, The Next Christendom. The Coming of Global Christianity, New York: Oxford
University Press, 2002.
Henning Wrogemann, Lehrbuch Interkulturelle Theologie/Missionswissenschaft. 3 Bde,
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2012-2015.
Henning Wrogemann, Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie. Lehrwerk
Evangelische Theologie (LETh) Bd 10, Leipzig: EVA, 2020.
Klaus Hock, Einführung in die Interkulturelle Theologie, Darmstadt: wbg, 2011.
Volker Küster, Einführung in die Interkulturelle Theologie, Göttingen:
Vandenhoeck&Ruprecht, 2011.