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Beugungsmethoden
Durch die grundlegenden Arbeiten von Max
von Laue, Walter Friedrich und Paul Knip-
ping im Jahr 1912 wurde eindeutig nach-
gewiesen, dass es sich bei kristallinen Fest-
körpern um eine regelmäßige Anordnung
von Atomen handelt. Der Nachweis wurde
über die Beugung von Röntgenstrahlen an
Kristallen geführt. Heute wissen wir, dass
elektromagnetische Wellen und Materiewel-
len (Neutronen, Elektronen) an Kristallgit-
tern gebeugt werden, wenn ihre Wellenlänge Beugungsbild eines Quasikristalls (Dirk Frettlöh, FU Berlin)
von der gleichen Größenordnung wie die Git-
terkonstante der Kristallstrukturen ist. Beu-
gungsmethoden sind heute bei der Aufklärung des atomaren Aufbaus von Kristallen unver-
zichtbar. Sie geben insbesondere Aufschluss über (i) die Größe der Elementarzelle, (ii) die
Zahl und Anordnung der Atome in der Elementarzelle und (iii) die Verteilung der Elektro-
nendichte in der Elementarzelle. Im Gegensatz zu den in Abschnitt 1.6 diskutierten direkten
Abbildungsmethoden, die Aufschluss über die lokale Realstruktur eines Festkörpers geben,
mitteln die Beugungsmethoden über ein sehr großes Volumen des Festkörpers und geben
sehr genaue Daten über die Idealstruktur von Festkörpern. Die direkten Abbildungsverfah-
ren eignen sich also besonders gut für die Untersuchung von Abweichungen von der pe-
riodischen Struktur (Defekte, Oberflächen, Grenzflächen) und geben nur relativ ungenaue
Informationen über den periodischen Aufbau von Festkörpern. Im Gegensatz dazu eignen
sich die Beugungsmethoden besonders gut für die Analyse der periodischen Struktur von
Festkörpern und nur wenig für die Untersuchungen von lokalen Abweichungen von dieser
Periodizität.
Die in diesem Kapitel diskutierte Beugung von Wellen an periodischen Strukturen ist von
fundamentaler Bedeutung für die Festkörperphysik. Wir werden am Beispiel der Beugung
wichtige Grundbegriffe wie das reziproke Gitter und die Brillouin-Zonen einführen. Diese
Begriffe werden uns an verschiedenen Stellen (z. B. bei der Diskussion der elektronischen
Struktur von Festkörpern) wieder begegnen. Einige Konzepte bezüglich der Streutheorie
sind auch wichtig für andere Gebiete der Physik wie die Kern- und Teilchenphysik, wo In-
formationen über die Struktur von Kernen und Teilchen aus Streuexperimenten gewonnen
werden.
R = n 1 a1 + n 2 a2 + n 3 a3 (2.1.1)
die im Allgemeinen nicht die Periodizität des Bravais-Gitters hat. Wir können dann folgende
Definition für das reziproke Gitter geben:
Der Satz aller Wellenvektoren k, die ebene Wellen mit der Periodizität des Bravais-Gitters
ergeben, bildet das zum Bravais-Gitter reziproke Gitter.
Ψk (r) = Ψk (r + R) (2.1.3)
oder
e ik⋅R = 1 (2.1.5)
für alle R gelten muss. Dies führt uns zu einer äquivalenten Definition des reziproken Gitters:
Sei R = n 1 a1 + n 2 a2 + n 3 a3 ein Bravais-Gitter. Das hierzu reziproke Gitter besteht aus allen
Vektoren G, für die gilt:
e iG⋅R = 1 . (2.1.6)
Hierbei ist G ein Wellenvektor aus dem reziproken Gitter, während k ein beliebiger Wellen-
vektor ist.
2.1.2 Fourier-Analyse
Aus der Fourier-Analyse ist uns bekannt, dass wir eine periodische Funktion in eine Fourier-
Reihe entwickeln können.1 , 2 , 3 Falls die Funktion f (r) die Periodizität des Bravais-Gitters
besitzt, muss gelten:
f (r) = f (r + R) . (2.1.7)
1 −ık⋅r 3
fk = ∫ f (r) e d r. (2.1.9)
Vc
Zelle
Hierbei wird über eine primitive Gitterzelle mit dem Volumen Vc integriert.
Falls f (r) zum Beispiel die Elektronendichte in einem Kristall ist und damit die Periodizität
des Bravais-Gitters besitzt, so finden wir
f (r) = f (r + R)
(2.1.10)
∑ fk e
ık⋅r
= ∑ f k e ık⋅(r+R) = ∑ f k (e ık⋅r ⋅ e ık⋅R ) .
k k k
Hieraus folgt sofort, dass e ıkR = 1 erfüllt sein muss. Da R ein Vektor des Bravais-Gitters ist,
muss deshalb k = G gelten, d. h. die erlaubten Wellenvektoren sind nur reziproke Gittervek-
toren. Wir können also folgende Schlussfolgerung ziehen:
In der Fourier-Zerlegung einer Funktion mit der Periodizität des Bravais-Gitters können
nur Wellenvektoren auftauchen, die zum reziproken Gitter dieses Bravais-Gitters gehören.
R = n 1 a1 + n 2 a2 + n 3 a3 (2.1.11)
1
Otto Föllinger, Laplace-, Fourier- und z-Transformation, bearbeitet von Mathias Kluw, 8. überar-
beitete Auflage, Hüthig, Heidelberg (2003).
2
Burkhard Lenze, Einführung in die Fourier-Analysis, 2. durchgesehene Auflage, Logos Verlag, Ber-
lin (2000).
3
M. J. Lighthill, Introduction to Fourier Analysis and Generalised Functions, Cambridge University
Press, Cambridge (2003).
aus, wobei n 1 , n 2 und n 3 ganze Zahlen und a1 , a2 und a3 die primitiven Gittervektoren sind.
Die Vektoren aus dem hierzu reziproken Gitter schreiben wir als
2π
b1 = a2 × a3
Vc
2π
b2 = a3 × a1 (2.1.14)
Vc
2π
b3 = a1 × a2 .
Vc
(a) y (b) v
[11]
b2
a2 90°- J
a2
(11)
J J
J a1 a1
90°- J
x u
b1
Abb. 2.1: Zum Zusammenhang zwischen Raumgittervektoren (a) und Vektoren des reziproken Git-
ters (b) für ein zweidimensionales Gitter. Die kartesischen Koordinaten im direkten Raum sind (x, y),
im reziproken Raum (u, v). Es ist jeweils die zweidimensionale Einheitszelle dargestellt. In (a) ist auch
die (11) Linie und der auf ihr senkrecht stehende reziproke Gittervektor [11] eingezeichnet.
4
Hierbei benutzen wir, dass a ⋅ (a × b) = b ⋅ (a × a) = 0.
Da G ⋅ R = 2πn mit ganzzahligem n gelten muss, muss offenbar h, k und ℓ auch ganzzahlig
sein. Wir können also für die reziproken Gittervektoren folgende Definition angeben:
aufgespannt. Dabei sind die reziproken Gittervektoren durch (2.1.14) bestimmt und die
Koeffizienten h, k und ℓ müssen ganzzahlig sein.
Ohne Beweis (siehe hierzu Übungsaufgaben) wollen wir folgende Tatsachen festhalten:
2.1.3.1 Beispiele
Den Gittervektoren a1 , a2 und a3 bzw. den reziproken Gittervektoren b1 , b2 und b3 können
wir Matrizen
⎛a 1x a 2x a 3x ⎞ ⎛b 1x b 2x b 3x ⎞
A = ⎜a1 y a2 y a3 y ⎟ und B = ⎜b 1 y b 2 y b 3 y ⎟ (2.1.18)
⎝ a 1z a 2z a 3z ⎠ ⎝ b 1z b 2z b 3z ⎠
zuordnen, die die kartesischen Komponenten der Vektoren enthalten. Zwischen den Matri-
zen besteht der Zusammenhang
⎛1 0 0⎞ −1
AT B = 2π ⎜0 1 0⎟ oder B = 2π (AT ) , (2.1.19)
⎝0 0 1⎠
⎛1 0 0⎞ 2π ⎛
1 0 0⎞
A = a ⎜0 1 0⎟ und B= ⎜0 1 0⎟ . (2.1.20)
⎝0 0 1⎠ a ⎝0 0 1⎠
Das reziproke Gitter des kubisch primitiven Gitters ist also wiederum ein kubisch primi-
tives Gitter.
2. Kubisch flächenzentriertes Gitter:
Für das kubisch flächenzentrierte Gitter erhalten wir (siehe hierzu Abb. 2.2a)
−1 1 1 ⎞
a⎛
0 1 1⎞
2π ⎛
A= ⎜1 0 1⎟ und B= ⎜ 1 −1 1 ⎟ . (2.1.21)
2 ⎝1 1 0⎠ a ⎝ 1 1 −1⎠
Vergleichen wir diese Matrix mit derjenigen eines kubisch raumzentrierten Gitters (sie-
he (2.1.22)), so sehen wir, dass das reziproke Gitter der kubisch flächenzentrierten Struk-
tur dem kubisch raumzentrierten Kristallgitter entspricht.
Die drei primitiven Gittervektoren schließen beim kubisch flächenzentrierten Gitter
einen Winkel von 60○ ein und spannen eine primitive Zelle auf, deren Volumen nur ein
Viertel des Volumens der konventionellen Zelle beträgt.
z
a1
y
x
a2
a1 a3
a2
z
a3 y
(a) (b) x
Abb. 2.2: Primitive Gittervektoren a1 , a2 und a3 des kubisch flächenzentrierten (a) und des kubisch
raumzentrierten Gitters (b). Eingezeichnet ist ebenfalls die konventionelle Zelle und das zugrunde-
liegende kartesische Koordinatensystem. In (b) sind zur Veranschaulichung die drei benachbarten
Einheitszellen gezeichnet. Die primitiven Gittervektoren enden auf den gelb markierten Atomen im
Zentrum der benachbarten Zellen.
−1 1 1 ⎞
a⎛ 2π ⎛
0 1 1⎞
A= ⎜ 1 −1 1 ⎟ und B= ⎜1 0 1⎟ . (2.1.22)
2 ⎝ 1 1 −1⎠ a ⎝1 1 0⎠
Vergleichen wir diese Matrix wiederum mit der eines kubisch flächenzentrierten Git-
ters (siehe (2.1.21)), so sehen wir, dass das reziproke Gitter der kubisch raumzentrierten
Struktur dem kubisch flächenzentrierten Kristallgitter entspricht.
Die drei primitiven Gittervektoren schließen beim kubisch raumzentrierten Gitter einen
Winkel von 109○ 28′ ein und spannen eine primitive Zelle auf, deren Volumen nur halb
so groß ist wie das der konventionellen Zelle.
Die Konstruktion der ersten Brillouin-Zone des reziproken Gitters erfolgt völlig analog zur
Konstruktion der Wigner-Seitz Zelle des direkten Gitters (siehe hierzu Abb. 2.3 und Ab-
schnitt 1.1.1). Wir legen den Ursprung in einen Gitterpunkt des reziproken Gitters, verbin-
den diesen Punkt mit den Nachbarpunkten und zeichnen durch die Mittelpunkte der Ver-
bindungslinien Flächen (Linien in 2D), die auf den Verbindungslinien senkrecht stehen. Wir
nennen diese Flächen Bragg-Flächen, da wir später sehen werden, dass alle k-Vektoren, die
6
Léon Nicolas Brillouin, siehe Kasten auf Seite 67.
(a) (b)
Abb. 2.4: (a) Die erste Brillouin-Zone des kubisch raumzentrierten (bcc) Gitters ist ein rhombisches
Dodekaeder. Die Zelle ist im reziproken Raum gezeichnet und das reziproke Gitter ist ein fcc-Gitter.
(b) Die erste Brillouin-Zone eines kubisch flächenzentrierten (fcc) Gitters ist ein abgestumpfter Ok-
taeder mit 8 Sechsecken und 6 Quadraten. Die Gitterzellen sind im reziproken Raum gezeichnet und
das reziproke Gitter ist ein bcc-Gitter.
auf diesen Flächen enden, die Bragg-Bedingung erfüllen. Die erste Brillouin-Zone ist nun
genau der Bereich im reziproken Raum, der vom Ursprung aus erreicht werden kann, ohne
irgendeine Bragg-Ebene zu überschreiten. In analoger Weise können wir eine Brillouin-Zo-
ne n-ter Ordnung als den Bereich im reziproken Raum definieren, der durch Überschreiten
von genau (n − 1) Bragg-Flächen (aber nicht weniger) erreicht werden kann (siehe hierzu
Abb. 2.3). Wie wir später sehen werden sind die Brillouin-Zonen von großer Bedeutung für
die Beschreibung der Beugung sowie der elektronischen Struktur von Festkörpern.
Da das reziproke Gitter des bcc-Gitters ein fcc-Gitter ist, ist die 1. Brillouin-Zone des bcc-
Gitters die Wigner-Seitz Zelle des fcc-Gitters. Die erste Brillouin-Zone hat die Gestalt eines
Rhombendodekaeders (siehe Abb. 2.4a). Andererseits ist das reziproke Gitter des fcc-Gitters
ein bcc-Gitter. Deshalb ist die 1. Brillouin-Zone des fcc-Gitters die Wigner-Seitz Zelle des
bcc-Gitters. Wir erhalten ein Polyeder (siehe Abb. 2.4b).
zusammen alle Punkte des Bravais-Gitters enthalten und fragen uns, wie wir diese Ebenen-
schar klassifizieren können. Wir stellen hierzu die Behauptung auf:
Schreiben wir
so sind die ganzen Zahlen h, k und ℓ die Millerschen Indizes der Ebenen.
Statt dieses Theorem zu beweisen,7 wollen wir uns seine Bedeutung veranschaulichen. Wir
benutzen dazu folgende Sachverhalte:
1. Für alle Punkte R des Bravais-Gitters gilt e ıG⋅R = 1, wenn G ein reziproker Gittervektor
ist.
2. Ebene Wellen haben in Ebenen senkrecht zum Wellenvektor den gleichen Wert.
Wir betrachten nun das in Abb. 2.5 gezeigte zweidimensionale Bravais-Gitter. Wir können
die Ebenenschar als Wellenfronten von ebenen Wellen mit Wellenvektor k auffassen und
zwar so, dass auf jeder Ebene die ebene Welle den gleichen Wert hat (o. B. d. A. den Wert 1).
Daraus folgt
für alle Gitterpunkte R auf der Ebenenschar. Da die Punkte R aber die Punkte eines Bravais-
Gitters sind, muss k = G ein reziproker Gittervektor sein. Da k senkrecht auf den Ebenen
(Wellenfronten) steht, muss dies also auch für G gelten.
G
Abb. 2.5: Zum Zusammenhang zwischen
(12) Gitterebenen und Millerschen Indizes in ei-
nem zweidimensionalen Bravais-Gitter mit
den primitiven Gittervektoren a1 und a2 .
a2 Gezeigt sind die (12) Ebenen. Der zugehö-
rige reziproke Gittervektor steht senkrecht
a1
auf dieser Ebenenschar.
7
Der Beweis dieses Theorems kann in Festkörperphysik, N. W. Ashcroft, N. D. Mermin, Oldenbourg
Verlag, München (2012) gefunden werden.
(a)
≈ 4S/d
Abb. 2.6: Zur Verdeutlichung der
(b)
Existenz eines minimalen rezipro-
ken Gittervektors Gmin = 2π/d.
In (a) ist λ = d/2 und die ebene
Welle hat den gleichen Wert auf al- ≈ 2S/d
len Gitterpunkten. Dies trifft auch (c)
für (b) zu, wo λ = λmax = d. In (c)
ist λ = 2d. Hier kann die ebene a2
Welle nicht mehr auf allen Gitter- a1 ≈ S/d (10) d
punkten den gleichen Wert haben.
Wir müssen jetzt noch zeigen, dass es einen kleinsten reziproken Gittervektor Gmin gibt. Dies
sehen wir leicht anhand von Abb. 2.6 ein. Wegen k = 2π/λ entspricht ein kleinster minimaler
Gittervektor einer größtmöglichen Wellenlänge λmax der ebenen Welle. Offenbar muss aber
λ ≤ d gelten, damit die ebene Welle auf allen Punkten des Bravais-Gitters den gleichen Wert
hat. Daraus folgt
2π 2π
Gmin = = . (2.1.26)
λmax d
Zusammenfassend können wir Folgendes festhalten: Jede Kristallstruktur hat zwei Gitter,
nämlich das direkte, auch Raum- oder Kristallgitter bezeichnete, und das reziproke Gitter.
Die beiden Gitter sind über (2.1.14) miteinander verknüpft. Wir werden im Folgenden se-
hen, dass das reziproke Gitter mit dem Beugungsmuster bei der Beugung von Wellen an
einem Kristallgitter verbunden ist.
Wir wollen im Folgenden die Beugung am Kristall näher diskutieren. Dazu machen wir fol-
gende Grundannahmen:
1. Die Wellenlänge der benutzten Wellen liegt im Bereich der Gitterkonstante des Kristalls.
2. Die Wellen werden elastisch gestreut, d. h. ohne Energieverlust.
2d sin θ = nλ n = 1, 2, 3, . . . . (2.2.1)
Die ganze Zahl n gibt hierbei die Ordnung des Reflexes an. Wir sehen, dass die Bragg-Be-
dingung nur für λ ≤ 2d erfüllt werden kann. Deshalb können wir nicht sichtbares Licht mit
einer Wellenlänge (etwa 400 bis 800 nm) verwenden, die groß gegen den Abstand d der Kris-
tallebenen (im Ångström-Bereich) ist.
T T
T T
d
Abb. 2.7: Zur Ableitung
der Bragg-Bedingung.
8
siehe Kasten auf Seite 70.
Die Bragg-Bedingung ist eine direkte Konsequenz der Periodizität des Kristallgitters, die es
uns erlaubt, alle Gitterpunkte des Kristallgitters auf parallelen Ebenen unterzubringen. Es ist
allerdings zu beachten, dass die sehr vereinfachende Betrachtung von Bragg die Zusammen-
setzung der Basis völlig außer Acht lässt. Wir werden später sehen, dass die Zusammenset-
zung der Basis für die relative Intensität der verschiedenen Beugungsreflexe entscheidend
ist.
Wir wollen auch auf folgende Sachverhalte hinweisen:
∎ Für Röntgenlicht reflektiert jede Ebene nur etwa 10−3 bis 10−5 der einfallenden Intensität.
Es tragen deshalb 103 bis 105 Gitterebenen zur Interferenz bei. Diese Vielstrahlinterfe-
renz einer großen Anzahl von interferierenden Wellen führt zu einer außerordentlichen
Schärfe der Reflexe.
∎ Für eine einfallende Welle mit vielen Wellenlängen sind natürlich viele Reflexe möglich.
∎ Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, ein Bravais-Gitter in Ebenenscharen zu unter-
teilen. Es gibt deshalb viele verschiedene Netzebenenabstände d und deshalb selbst bei
Bestrahlung mit monochromatischem Röntgenlicht viele verschiedene Streuwinkel θ,
für die konstruktive Interferenz beobachtet wird.
∎ θ ist der halbe Streuwinkel.
k´
r cos M´
M´ r
0
M
r cos M
|k| = |k´| Abb. 2.8: Zur Ableitung der von Laue Bedingung für kon-
struktive Interferenz bei der Streuung am dreidimensiona-
k len Punktgitter.
Kugelwellen berücksichtigen wollen. Wir wollen ferner nur elastische Streuung betrachten,
d. h. ∣k∣ = ∣k′ ∣. Für konstruktive Interferenz muss der Gangunterschied ein ganzzahliges Viel-
faches der Wellenlänge λ sein. Es muss also gelten:
Wir führen die Einheitsvektoren in Richtung der einlaufenden und der gestreuten Welle
̂ k k λ
k= = = k (2.2.3)
∣k∣ 2π/λ 2π
̂ k′ k′ λ ′
k′ = ′ = = k (2.2.4)
∣k ∣ 2π/λ 2π
ein und erhalten damit
∣r∣ cos φ = r ⋅ ̂
k (2.2.5)
Benutzen wir dies in (2.2.2), so können wir die Bedingung für konstruktive Interferenz
schreiben als
(k̂′ − ̂
k) ⋅ r = nλ n = 1, 2, 3, . . . (2.2.7)
k′ − k = Δk = G . (2.2.10)
Wir erhalten also folgenden wichtigen Sachverhalt:
k´
G
Abb. 2.9). Von einem beliebigen Punkt des reziproken Gitters, den wir als Koordinatenur-
sprung wählen, tragen wir den Vektor −k ab. Den Endpunkt dieses Vektors (bzw. den An-
fangspunkt von +k) nehmen wir dann als Mittelpunkt für eine Kugel (Kreis im Zweidimen-
sionalen), deren Radius k = 2π/λ beträgt. Diese Kugel ist die so genannte Ewald-Kugel. Ein
Beugungsreflex tritt nun immer nur genau dann auf, wenn auf der Ewald-Kugel ein Gitter-
punkt des reziproken Gitters zu liegen kommt. In diesem Fall weist die gebeugte Röntgen-
strahlung in die Richtung von k′ = k + G. Wir sehen, dass wir durch Änderung des Betra-
ges von k oder seiner Richtung immer erreichen können, dass Gitterpunkte des reziproken
Gitters auf der Ewald-Kugel zu liegen kommen und wir dadurch die Beugungsbedingung
erfüllen.
k´
G k´ sin T = k sin T
T T
Netzebene T
Abb. 2.10: Zur Ableitung der Bragg- (hkℓ) ┴ G k sin T
Bedingung aus den Laueschen Gleichungen. k
woraus sich mit k = 2π/λ sofort die Bragg-Bedingung ergibt. Wir sehen also, dass die von
Laue- und Bragg-Bedingung äquivalent sind.
̂=G.
k⋅G (2.2.16)
2
Dies ist eine äquivalente Form der von Laue Bedingung (2.2.10). Wir sehen, dass die Pro-
̂ genau G/2 sein muss. Dies ist aber, wie Abb. 2.11 zeigt,
jektion des Wellenvektors k auf G
gerade für alle Punkte auf der Mittelebene zwischen 0 und G erfüllt. Vergleichen wir dies
mit der Konstruktionsvorschrift der Brillouin-Zonen, so erhalten wir folgenden wichtigen
Sachverhalt:
Jeder Wellenvektor vom Zentrum zum Rand einer Brillouin-Zone erfüllt die von Laue Be-
dingung.
(a) (b)
k´
G
0 k 1. BZ Abb. 2.11: (a) Zur Veranschaulichung
der äquivalenten Formulierung der
k 0
von Laue Bedingung. (b) Jeder Wel-
lenvektor vom Zentrum zum Rand der
k´ G 1. Brillouin-Zone erfüllt die von Laue
Bedingung.
P B
|k| = |k´|
Abb. 2.12: Schematische Darstellung der Streu-
ung: Die Quelle Q ist genügend weit von der L
zu untersuchenden Probe entfernt, so dass die
bei der Probe ankommenden Kugelwellen als
ebene Wellen approximiert werden können.
Das gleiche gilt für den Beobachtungspunkt B. Q
Bei unserer Diskussion der Streuamplituden gehen wir von Abb. 2.12 aus. Die von einer
Punktquelle Q auslaufenden Kugelwellen können in genügend großem Abstand von der
Quelle gut durch ebene Wellen approximiert werden. Die Amplitude am Ort P des Streu-
zentrums zur Zeit t kann deshalb als
geschrieben werden.10
Die relativen Phasen der einlaufenden Welle an verschiedenen Punkten P sind durch den
positionsabhängigen Phasenfaktor in (2.2.17) gegeben. Erlauben wir nun die Streuung der
einlaufenden Welle in der betrachteten Probe, so wird jeder Probenpunkt P Kugelwellen
emittieren, deren Amplitude und relative Phase zur einlaufenden Welle durch eine komplexe
Streudichte ρ(r) beschrieben werden kann. Die Zeitabhängigkeit dieser Kugelwellen soll in
unserer Betrachtung durch die Zeitabhängigkeit der einlaufenden Welle bestimmt werden
(erzwungene Schwingung). Die am Beobachtungspunkt B ankommenden Wellen können
deshalb durch
′ ′
e ık ⋅(L −r)
ΨB (t) = ΨP (r, t)ρ(r) ′ (2.2.18)
∣L − r∣
beschrieben werden. Für große Abstände des Beobachters B können wir ∣L′ − r∣ ≃ L′ setzen
und erhalten durch Einsetzen von (2.2.17) in (2.2.18)
Ψ0 ık⋅L ık′ ⋅L′ −ı ω 0 t ′ ′
ΨB (t) = ′
e e e ρ(r)e ık⋅r e−ık ⋅r . (2.2.19)
L
Wir nutzen nun noch aus, dass wir für große Abstände von Q und B (L, L′ ≫ r) in guter
Näherung annehmen können, dass für alle Positionen P in der Probe die Wellenvektoren k
10
Es soll hier darauf hingewiesen werden, dass die wohldefinierte Phase der einlaufenden Welle na-
türlich nur für eine ideale kohärente Lichtquelle gilt. Bei realen Lichtquellen werden Photonen
mehr oder weniger unkorreliert emittiert. Bei der Bestimmung der Intensität müssen wir dann
über eine große Zahl von individuellen Streuprozessen mitteln.
und k′ etwa gleich sind und wir k ∥ L und k′ ∥ L′ setzen können. Wir können dann nähe-
rungsweise schreiben:
Ψ0 ı(k L+k ′ L′ ) −ı ω 0 t ′
ΨB (t) = e e ρ(r)e ı(k−k )⋅r . (2.2.20)
L′
Die gesamte Streuamplitude am Beobachtungspunkt erhalten wir, indem wir über alle Posi-
tionen P im Probenvolumen aufintegrieren:
′
ΨB (t) ∝ e−ı ω 0 t ∫ ρ(r)e ı(k−k )⋅r d 3 r . (2.2.21)
Für Streuprozesse an einem starren Gitter ist ρ(r) zeitunabhängig und die Zeitabhängig-
keit von ΨB enthält nur die Frequenz ω 0 . Dies entspricht elastischer Streuung. Erlauben wir
dagegen Schwingungen des Gitters, so erhalten wir auch gestreute Wellen mit ω ≠ ω 0 . Dies
entspricht inelastischer Streuung.
In Beugungsexperimenten wird nicht die Amplitude sondern die Intensität
2
I(Δk) ∝ ∣ΨB ∣2 ∝ ∣∫ ρ(r)e−ı Δk⋅r d 3 r∣ (2.2.22)
gemessen, wobei wir den Streuvektor Δk = k′ − k eingeführt haben. Wir erkennen, dass die
Streuintensität dem Absolutquadrat der Fourier-Transformierten der Streudichte ρ(r) ent-
spricht. Wir können daraus ableiten, dass wir umso größere Δk und damit Wellenvektoren k
der einlaufenden Welle benötigen, je kleiner die Strukturen sind, die wir auflösen wollen.
Die Tatsache, dass wir in Beugungsexperimenten nur die Intensität messen können, führt
zu einigen Schwierigkeiten. Könnten wir nämlich die komplexe Streuamplitude messen, so
könnten wir einfach eine inverse Fourier-Transformation vornehmen und hätten die gesuch-
te Streudichte bestimmt. Dies ist leider nicht möglich, da wir beim Experiment die Phasenin-
formation verlieren. Um aus I(Δk) auf die gesuchte Streudichte und damit die Kristallstruk-
tur zu schließen, müssen wir deshalb umgekehrt vorgehen. Wir wählen eine wahrscheinliche
Modellstruktur aus, berechnen I(Δk) und vergleichen die berechnete Intensität mit der ge-
messenen. Wir variieren dann die strukturellen Parameter so lange, bis wir eine genügend
gute Übereinstimmung zwischen Rechnung und Experiment erhalten haben.
Wir können nun einige Eigenschaften der Fourier-Transformation benutzen, um das obige
Ergebnis weiter zu diskutieren. Zunächst nutzen wir aus, dass für eine reelle Funktion das
Betragsquadrat seiner Fourier-Transformierten der Fourier-Transformierten seiner Auto-
korrelationsfunktion entspricht. Wir können also schreiben:11 , 12 , 13
11
Otto Föllinger, Laplace-, Fourier- und z-Transformation, bearbeitet von Mathias Kluw, 8. überar-
beitete Auflage, Hüthig, Heidelberg (2003).
12
Burkhard Lenze, Einführung in die Fourier-Analysis, 2. durchgesehene Auflage, Logos Verlag, Ber-
lin (2000).
13
M. J. Lighthill, Introduction to Fourier Analysis and Generalised Functions, Cambridge University
Press, Cambridge (2003).
Die Autokorrelationsfunktion der Streudichte besitzt Maxima, immer wenn r einem Vektor
zwischen zwei Atomen in der Kristallstruktur entspricht.
Wir können weiter den Faltungssatz benutzen, der besagt, dass die Fourier-Transformierte
der Faltung zweier Funktionen gleich dem Produkt der Fourier-Transformierten der beiden
Originalfunktionen ist. Die Faltung zweier reeller Funktionen f und g ist dabei durch
∞
h(r) = f ⊗ g ≡ ∫ f (r′ )g(r − r′ )d 3 r ′ (2.2.25)
−∞
gegeben. Es ist leicht einzusehen, dass wir die Streudichte ρ(r) der gesamten Kristallstruk-
tur, die ja aus Gitter und Basis besteht, als Faltung einer Gitterfunktion g(r) und einer Streu-
funktion ρ B (r) der Basis schreiben können. Die Gitterfunktion g besteht dabei nur aus einer
Summe von δ-Funktionen, g(r) = ∑R δ(r − R), wobei wir über alle N Gitterpunkte R des
Bravais-Gitters in der betrachteten Probe aufsummieren müssen. Durch Anwendung des
Faltungssatzes können wir dann für die Streuamplitude schreiben:
ΨB ∝ FT(g ⊗ ρ B ) = FT(g) ⋅ FT(ρ B ) . (2.2.26)
Für die Fourier-Transformierte der Gitterfunktion, die häufig auch als Interferenzfunktion
bezeichnet wird, erhalten wir14
⎧
⎪
⎪N für Δk = G
FT(g) = ∫ ∑ δ(r − R)e−ı Δk⋅r d 3 r = ∑ e−ı Δk⋅R = ⎨ . (2.2.27)
R R ⎪
⎪0 für Δk ≠ G
⎩
Wir erhalten das bekannte Ergebnis, dass konstruktive Interferenz nur dann auftritt, wenn
Δk = G (von Laue Bedingung). Das Gitter wählt uns also die möglichen Streuvektoren
Δk = G aus.
Um die Streuamplitude von Gitter und Basis zu erhalten, müssen wir jetzt noch mit der
Fourier-Transformierten der Streudichte der Basis multiplizieren. Diese wird als Struktur-
faktor S G bezeichnet und ist gegeben durch:
Der Strukturfaktor wird häufig auch mit den Millerschen Indizes (hkℓ) versehen, da diese
den reziproken Gittervektor G festlegen.15 Die gesamte Streuamplitude am Beobachtungsort
14
Zur Herleitung der Fourier-Transformierten der δ-Funktion sowie einer Summe von δ-Funktio-
nen siehe M. J. Lighthill, Introduction to Fourier Analysis and Generalised Functions, Cambridge
University Press, Cambridge (2003).
15
Falls keine Absorption der Strahlung im untersuchten Festkörper erfolgt, ist ρ B (r) eine reelle Funk-
tion, d. h. es ρ hkℓ = ρ ∗h kℓ und damit S hkℓ = S hkℓ . Diesen Sachverhalt bezeichnet man als Friedel-
Regel.
ΨB ∝ N ∫ ρ B (r)e−ıG⋅r d 3 r = N ⋅ S G (2.2.29)
Zelle
Wir können nun den Faltungssatz nochmals anwenden, um Gleichung (2.2.28) noch weiter
zu zerlegen. Wir können nämlich die Funktion ρ B wiederum als Faltung einer Basisfunktion
j
b(r) = ∑ j δ(r − r j ) und einer Atomfunktion ρ A schreiben. Erstere besteht aus einer Summe
von δ-Funktionen, die uns die Positionen r j der Atome in der Basis angeben. Die Atom-
j
funktion ρ A beschreibt die Streudichte des Atoms an der Position r j . Die Anwendung des
Faltungssatzes ergibt
j j
S G = FT [b ⊗ ρ A ] = FT(b) ⋅ FT(ρ A ) (2.2.30)
und damit
j
Die Fourier-Transformierte der Streudichte ρ A (̃
r) um das j-te Basisatom können wir schrei-
ben als
r)e−ıG⋅̃r d 3̃
j j
FT(ρ A ) = ∫ ρ A (̃ r. (2.2.33)
Atom
Hierbei gibt ̃
r den Ortsvektor vom Zentrum des betrachteten j-ten Atoms zu einem Volu-
menelement seiner Elektronenhülle an (siehe Abb. 2.13). Damit erhalten wir insgesamt
⎡ ⎤
⎢ ⎥
SG = ∑ e −ıG⋅r j ⎢ j
⋅ ⎢ ∫ ρ A (̃
r)e r 3 ⎥
−ıG⋅̃
r ⎥ = ∑ f j e−ıG⋅r j .
d ̃ (2.2.34)
⎢ ⎥
j ⎣ Atom ⎦ j
16
Anmerkung: Wir könnten die von Laue Bedingung auch aus (2.2.29) ableiten, indem wir ρ(r), d. h.
die Streudichteverteilung des gesamten Kristalls, Fourier-zerlegen. Da ρ(r) gitterperiodisch sein
sollte, gilt
ρ(r) = ∑ ρ G e ıG⋅r .
G
Für genügend große Kristalle findet man, dass das Integral nur Beiträge liefert, falls G = k′ − k =
Δk.
Den Ausdruck in den rechteckigen Klammern nennt man den Atomformfaktor oder ato-
maren Streufaktor:
r)e−ıG⋅̃r d 3̃
j j
f j = FT(ρ A ) = ∫ ρ A (̃ r. (2.2.35)
Atom
Wir sehen, dass der Strukturfaktor durch die Summe der Fourier-Transformierten der La-
dungsverteilung der einzelnen Basisatome gegeben ist, wobei jeder Term noch mit einem
geeigneten Phasenfaktor multipliziert werden muss, der von der Position r j des Atoms in
der Basis abhängt. Für eine Basis mit nur einem Atom erhalten wir S G = f .
Für Atome mit einer kugelförmigen Ladungsverteilung vereinfacht sich die Integration
in (2.2.35), da der Atomformfaktor nur von ∣G∣ abhängt. Wir erhalten (wir ersetzen ̃
r
durch r)
RA π 2π
f (G) = ∫ ρ A (r)e−ıG⋅r d 3 r = ∫ dr ∫ dϑ ∫ dφρ A (r)r 2 sin ϑe−ıGr cos ϑ . (2.2.36)
Atom 0 0 0
Die Integration über r erfolgt dabei bis zum Rand R A des Atoms. Führen wir die Integration
über die Polarwinkel aus, so erhalten wir
RA
sin Gr
f (G) = ∫ 4πr 2 ρ A (r) dr . (2.2.37)
Gr
0
wobei a B der Bohrsche Radius ist. Setzen wir diese Ladungsverteilung in (2.2.37) ein und
lassen die Integrationsgrenze R A → ∞ gehen, so erhalten wir den Atomformfaktor zu
1
f (G) = . (2.2.39)
2 2
[1 + ( 12 a B G) ]
Grenzfall Gr → 0 näher zu betrachten. Da hier sin Gr/Gr → 1, vereinfacht sich die Integra-
tion in (2.2.37) zu
RA
f (Gr → 0) = ∫ 4πr 2 ρ A (r)dr = Z . (2.2.40)
0
Dieser Grenzfall ist für sehr kleine Streuvektoren, also in Vorwärtsrichtung realisiert. Da die
Streuintensität proportional zu f 2 ist, ist sie bei kleinen Streuwinkeln also proportional zu Z 2
und wird damit ausschließlich durch die Elektronenzahl des Atoms bestimmt. Für Röntgen-
j
streuung ist die Streuamplitude ρ A durch die Elektronendichte des j-ten Atoms bestimmt.
Wir erwarten deshalb, dass die Streuintensität etwa proportional zu Z 2 ist. Wir sehen also,
dass leichte Elemente neben schweren Elementen durch Röntgenbeugung nur schwer nach-
gewiesen werden können.
Zusammenfassend wollen wir folgenden wichtigen Sachverhalt festhalten:
Bei der Strukturananlyse mittels Beugungsmethoden kann die Form und die Abmessun-
gen der Einheitszelle aus der Lage der Röntgenreflexe bestimmt werden. Der Inhalt der
Einheitszelle, also die Basis, muss dagegen aus den Intensitäten der Reflexe bestimmt wer-
den.
Wir sehen also, dass wir eine starke Abschwächung der Intensität verschiedener Beugungs-
reflexe erhalten können.
1. Für T > 0 erhalten wir thermisch angeregte Schwingungen des Kristallgitters (siehe Ka-
pitel 5).
2. Selbst für T = 0 erhalten wir so genannte Nullpunktsschwingungen, deren Existenz wir
mit einer quantenmechanischen Betrachtung verstehen können.
Wir wollen im Folgenden auf den Einfluss der Gitterschwingungen auf die beobachteten
Beugungsreflexe eingehen. Bei einer naiven Betrachtung könnten wir vermuten, dass durch
die Bewegung der Atome die elastischen Beugungsreflexe stark verbreitert würden. Wir wer-
den allerdings sehen, dass dies nicht der Fall ist. Die Beugungsreflexe bleiben scharf, aller-
dings nimmt ihre Intensität ab.
Bei Raumtemperatur sind die typischen Schwingungsamplituden der Atome in der Größen-
ordnung von bis zu 10 % des Atomabstandes. Die Abweichungen von der strengen Periodi-
zität des Gitters, die durch diese Schwingungen erzeugt werden, sind also signifikant. Auf-
grund der Schwingungen des Gitters erhalten wir auch gestreute Wellen mit ω ≠ ω 0 . Dies
entspricht inelastischer Streuung. Bei der inelastischen Streuung wird beim Streuprozess
Energie von der einlaufenden Welle auf das Gitter übertragen und umgekehrt.
Aus der kohärenten elastischen Streuung am starren Kristallgitter erhalten wir Informatio-
nen über die Anordnung der Atome im Kristallgitter. Diese steckt in den erlaubten Streuvek-
toren Δk = G (von Laue Bedingung) und der für diese Streuvektoren gemessenen Streuin-
tensität, die durch den Strukturfaktor S G gegeben ist. Um Auskunft über die Dynamik des
Gitters zu bekommen (diese werden wir im Detail erst in Kapitel 5 diskutieren), müssen
wir die in Abschnitt 2.2.4 gemachten Überlegungen vertiefen und in der Streutheorie die
zeitliche Veränderung der Position der Gitteratome berücksichtigen.
Wir schreiben die momentane Position r eines Atoms als
wobei R ein Gittervektor, r j die Ruheposition des Atoms in der Gitterzelle und u(t) die
momentane Auslenkung des Atoms aus seiner Ruhelage r j ist. Wir benutzen ferner den all-
gemeinen Ausdruck (2.2.21) für die gesamte am Beobachtungspunkt B erhaltene Streuam-
plitude
Wir nutzen nun aus, dass die Auslenkung u(t) der Atome klein gegenüber dem Gitterab-
stand a ist. Da 1/Δk ≤ 1/Gmin = 2π/a und u ≪ a folgt Δk ⋅ u(t) ≪ 1. Wir können deshalb
Wir werden zunächst nur den konstanten und linearen Entwicklungsterm berücksichtigen.
Die Diskussion des quadratischen Terms folgt im nächsten Abschnitt. Er führt zu einer Re-
duzierung der elastischen Streuintensität, die durch den Debye-Waller-Faktor angegeben
wird.
Setzen wir (2.2.48) in (2.2.47) ein, so erhalten wir
Den elastischen Beitrag haben wir bereits in Abschnitt 2.2.4 diskutiert. Wir haben dort gese-
hen, dass wir eine endliche Streuintensität nur dann bekommen, wenn die von Laue Bedin-
gung Δk = G erfüllt ist. Der genaue Wert der Streuintensität war durch den Strukturfaktor
S G gegeben.
Wir wollen nun den zweiten Term auf der rechten Seite von (2.2.49) diskutieren, den wir
inelastischen Streuprozessen zuordnen können. Hierzu müssen wir einen vernünftigen An-
satz für die Auslenkung u(t) der Atome machen. Wie wir in Kapitel 5 sehen werden, ist ein
geeigneter Ansatz eine Überlagerung von ebenen Wellen
mit Amplituden uq , die vom Wellenvektor und der Temperatur abhängen. Setzen wir diesen
Ansatz in (2.2.49) ein, so erhalten wir für die inelastische Streuamplitude
Wir sehen sofort, dass wir eine endliche Streuintensität nur für die modifizierte Streubedin-
gung
Δk ± q = G (2.2.52)
erhalten. Bilden wir das Zeitmittel, so sehen wir, dass sich eine endliche Streuintensität nur
unter der Bedingung
ω0 ± ωq = ω (2.2.53)
17
Wir benutzen: ex = 1 + x + 12 x 2 + . . .
ergibt. Wir können (2.2.52) und (2.2.53) mit dem Planckschen Wirkungsquantum multipli-
zieren und erhalten
Diese Ausdrücke können wir als Impuls- und Energieerhaltung bei einem inelastischen
Streuprozess interpretieren. Wir werden in der Tat in Kapitel 5 sehen, dass wir die Quanten
der Gitterschwingungen – wir werden diese als Phononen bezeichnen – als Teilchen mit
Energie ħω q und Quasiimpuls ħq auffassen können. Der Impuls ħG wird an den Kristall als
Ganzes übertragen.
ΨB ∝ N S G = N ∑ f j e−ıG⋅r j . (2.2.56)
j
Wir ersetzen nun r j durch r j + u(t) und bilden den zeitlichen Mittelwert ⟨. . .⟩ t .18 Dabei
nehmen wir vereinfachend ferner an, dass die Basis aus gleichen Atomen besteht, d. h. u(t)
ist für alle Atome der Basis gleich. Wir erhalten dann
Dabei ist S Gstat der so genannte statische Strukturfaktor.19 Da G ⋅ u ≪ 1, können wir die Ex-
ponentialfunktion entwickeln und erhalten
T
18
Zeitlicher Mittelwert einer Funktion f (t): ⟨ f (t)⟩ t = 1
T T→∞ ∫
lim f (t)dt.
0
19
Man beachte: S Gstat ≠ S G (T = 0) aufgrund von Nullpunktsschwingungen.
Da bei einer zufälligen thermischen Bewegung der Atome die Richtung von u und G völlig
unkorreliert ist, gilt
⟨ıu(t) ⋅ G⟩ t = 0 . (2.2.59)
Führen wir den Winkel ϑ = ∢(u, G) ein, so können wir den quadratischen Term schreiben
als
1
2
⟨(u(t) ⋅ G)2 ⟩ = 12 ⟨u 2 (t)G 2 cos2 ϑ⟩ t = 16 G 2 ⟨u 2 (t)⟩ t . (2.2.60)
Hierbei ist ⟨u 2 (t)⟩ das mittlere thermische Auslenkungsquadrat. Der Faktor 1/3 entsteht
dabei durch die Mittelung von cos2 ϑ über eine Kugel.20
Setzen wir das Ergebnis (2.2.60) in (2.2.58) ein, so erhalten wir
2
⟨u 2 (t)⟩
⟨S G ⟩ t = S Gstat [1 − 16 G 2 ⟨u 2 (t)⟩ t + . . .] ≃ S Gstat e− 6 G
1
, (2.2.61)
wobei wir für die Näherung im letzten Term wiederum die Entwicklung der Exponential-
funktion zugrunde gelegt haben. Für die im Experiment beobachtete elastische Streuinten-
sität I ∝ S G2 erhalten wir
2
⟨u 2 (t)⟩
I = I 0 e− 3 G
1
. (2.2.62)
Der Exponentialfaktor wird als Debye-Waller-Faktor bezeichnet21 , 22 .
Um die Temperaturabhängigkeit des Debye-Waller-Faktors zu analysieren, müssen wir be-
achten, dass die mittlere potenzielle Energie ⟨U⟩ t eines harmonischen Oszillators in 3 Di-
mensionen gerade 32 k B T beträgt (dies folgt aus dem Gleichverteilungssatz). Wir können also
schreiben
⟨U⟩ t = 12 k⟨u 2 (t)⟩ t = 12 Mω 2 ⟨u 2 (t)⟩ t = 32 k B T . (2.2.63)
Hierbei
√ ist k die Kraftkonstante, M die Atommasse und für die Schwingungsfrequenz gilt
ω = k/M. Einsetzen in (2.2.62) ergibt:
k T
− MBω 2 G 2
I hkℓ = I 0 e . (2.2.64)
Dabei sind (hkℓ) die Millerschen Indizes, bzw. die Indizes des reziproken Gittervektors G =
hb1 + kb2 + ℓb3 . Das Resultat (2.2.64) ist in Abb. 2.15a dargestellt.
Wir können aus (2.2.64) folgende Schlüsse ziehen:
1. Die Intensität der elastischen Beugungsreflexe nimmt mit zunehmender Temperatur ab,
verschwindet aber nicht.
2. Bei fester Temperatur nimmt die Intensität mit wachsendem h + k + ℓ ab.
2π
∫0 dφ ∫0π dϑ sin ϑ cos 2 ϑ
20
Es gilt: cos2 ϑ = 2π dφ ∫0π dϑ sin ϑ
= 13 .
∫0
21
P. Debye, Interferenz von Röntgenstrahlen und Wärmebewegung, Ann. d. Phys. 348, 49–92 (1913).
22
I. Waller, Zur Frage der Einwirkung der Wärmebewegung auf die Interferenz von Röntgenstrahlen,
Zeitschrift für Physik A 17, 398–408 (1923).
(a)
10
0 (b) 10
(200) Bragg T=0
(400) 8 Reflex
I (bel. Einh.)
(600) 6
Ihkl / I0
(800) 4
2 diffuser T>0
(10,00)
10
-1 Untergrund
0
0 100 200 300 400 40 45 50 55 60
T (K) T(°)
Abb. 2.15: (a) Abnahme der elastischen Streuintensität mit zunehmender Temperatur und zunehmen-
dem h + k + ℓ. Die Kurven wurden nach (2.2.64) für Mω 2 /G 2 = 2 × 10−19 J berechnet. In (b) ist die
Umverteilung der elastischen Streuintensität aus dem Bragg-Reflex in einen inelastischen Untergrund
bei Erhöhung der Temperatur veranschaulicht.
Die für einen elastischen Beugungsreflex beobachtete Intensität I hk ℓ ist nur durch die kohä-
rente, elastische Streuung gegeben. Diese resultiert in einem scharfen Beugungsreflex, dessen
Intensität mit wachsender Temperatur abnimmt. Die inelastisch gebeugten Strahlen resul-
tieren in einem diffusen Untergrund, dessen Intensität mit zunehmender Temperatur wächst
(siehe Abb. 2.15b).
Wir wollen abschließend noch anmerken, dass nicht nur die elastische Streuintensität son-
dern auch die inelastische Streuintensität um den Debye-Waller-Faktor reduziert wird. Dies
wollen wir hier nicht explizit zeigen. Allgemein kann gezeigt werden, dass die Potenz, mit
der die Auslenkung u in der Entwicklung (2.2.48) vorkommt, der Zahl der am Streuprozess
teilnehmenden Gitterschwingungen (Phononen) entspricht. Der konstante Term entspricht
also (elastischen) Null-Phononen-Prozessen, der lineare Term Ein- und der quadratische
Zwei-Phononen-Prozessen. Prozesse noch höherer Ordnung können wegen Δk ⋅ u ≪ 1 in
sehr guter Näherung vernachlässigt werden.
2.2.7.1 Zahlenbeispiele
Abnahme von I bei Raumtemperatur: Mit einer Gitterkonstanten a von einigen
Ångström folgt G = n 2π a
∼ 1011 m−1 . Mit einer typischen Schwingungsfrequenz von
ω ∼ 10 s und typischen Atommasse M ∼ 10−25 kg erhalten wir Mω 2 /G 2 ≃ 10−19 J. Bei
14 −1
Raumtemperatur (k B T ≃ 4 × 10−21 J) ergibt sich daraus Mk BωT2 G 2 ∼ 0.04 und damit für I/I 0
ein Wert von ≃ 0.96. Wir sehen, dass die Abnahme der Intensität der Beugungsreflexe nicht
dramatisch ist.
− 2Mħ ω G 2
I hkℓ = I 0 e . (2.2.65)
Mit den obigen Zahlen erhalten wir ħG 2 /2Mω ∼ 0.05 und damit I/I 0 ∼ 0.95. Wir sehen,
dass selbst bei T = 0 aufgrund der quantenmechanischen Nullpunktsschwingungen nur et-
wa 95 % der gestreuten Intensität aus elastischen Streuprozessen resultiert.
p2 ħ2 k 2 E γ2
R= = = . (2.2.68)
2M 2M 2Mc 2
Für E γ = 100 keV und M = M n = 1.67 × 10−27 kg (Neutronenmasse) folgt R = 8.5 ×
10−19 J = 5.3 eV. Diese Rückstoßenergie ist wesentlich größer als die natürliche Linien-
breite des Strahlungsübergangs, der im Bereich von 10−7 eV liegt.
Die thermische Verbreiterung der Spektrallinie eines Atoms aufgrund seiner thermischen
Bewegung ist Δν ≃ ν(v th /c), da die mittlere thermische Geschwindigkeit v th ≪ c. Den dar-
aus resultierenden Dopplereffekt
⟨Δω 2 ⟩ ⟨Δv 2 ⟩
= (2.2.69)
ω2 c2
können wir unter Benutzung von 12 M⟨v 2 ⟩ ≃ k B T zu
ω2 ω 2 2k B T
⟨Δω 2 ⟩ = ⟨Δv 2
⟩ = (2.2.70)
c2 c2 M
abschätzen. Wir erhalten daraus
E 02
⟨ΔE 2 ⟩ = ħ 2 ⟨Δω 2 ⟩ = 4k B T = R ⋅ 4k B T . (2.2.71)
2Mc 2
Für E 0 = 100 keV und M = M n erhalten wir für T = 300 K für die Energieverschmierung
⟨ΔE 2 ⟩1/2 ≃ 0.7 eV ≃ 0.1R. Wir sehen also, dass sowohl die Rückstoßenergie und die Dopp-
lerverbreiterung wesentlich größer sind als die natürliche Linienbreite und deshalb keine
Resonanzabsorption, d. h. die Absorption eines emittierten γ-Quants durch ein gleicharti-
ges Atom, auftreten kann (siehe hierzu Abb. 2.16).
Die Situation ändert sich völlig, wenn wir ein in ein Kristallgitter eingebautes Atom betrach-
ten. Dem Rückstoß des freien Atoms entspricht hier die Emission oder Absorption eines
Quants der Gitterschwingung, d. h. eines Phonons (siehe hierzu Kapitel 5). Wir können auch
rückstoßfreie γ-Emission oder Absorption erhalten, wenn kein Phonon emittiert oder ab-
sorbiert wird. Die dadurch erhaltene Linie nennen wir Null-Phononenlinie oder Mößbauer-
Linie.
10
Emission Absorption
8
I (bel. Einh.)
6
natürliche
Abb. 2.16: Bei der Emission eines 4 Linienbreite
γ-Quants von einem freien Atom ist
die natürliche Linienbreite wesentlich 2 -R +R
kleiner als die Rückstoßenergie R. Die
entsprechenden Linien für Emission
bei E 0 − R und Absorption bei E 0 + R 0
-2 -1 0 1 2
haben keinen Überlapp, so dass keine
Resonanzabsorption stattfinden kann. (E-E0) / R
In Analogie zu (2.2.64) in Abschnitt 2.2.7 können wir die Intensität der Mößbauer-Linie
relativ zur Gesamtintensität durch
k T
I − B2 k 2
D(T) = = e MωPh (2.2.72)
I0
ausdrücken. Hierbei ist k der Wellenvektor des γ-Quants und ω Ph die Phononenfrequenz.
Für T = 0 erhalten wir aufgrund der Nullpunktsschwingungen
I − ħ
2
k2
D(0) = = e 2M ħωPh . (2.2.73)
I0
Die rückstoßfreie Emission und Absorption von Kern-Gammastrahlung, wird heute inten-
siv für die so genannte Mößbauer-Spektroskopie verwendet. Die Mößbauer-Spektroskopie
ist eine Kernspektroskopiemethode. Etwa 40 Elemente besitzen die für die Beobachtung des
Mößbauer-Effektes nötigen niederenergetischen Gammaübergänge. Die Mößbauer-Spek-
troskopie an Eisen hat aufgrund des häufigen Vorkommens dieses Elementes in der Erd-
kruste Bedeutung für viele Forschungsgebiete, so etwa für die Festkörperchemie, die Metall-
urgie, die Geologie, die Biologie, die Medizin, oder die Entwicklung von Magnetspeichern.
Die Energie des Kernübergangs des Isotops 57 Fe vom Grundzustand mit Kernspin I = 1/2
zum ersten angeregten Zustand mit I = 3/2 beträgt 14.4 keV. Wegen der äußerst geringen
energetischen Breite der Emissionslinie führen geringfügige Energieverschiebungen des Zu-
standes des Atomkerns in einem typischen Energiebereich von 10−4 eV zu einer Zerstörung
der Resonanzbedingung und es findet keine Absorption mehr statt. Solche Energieverschie-
bungen und quantenmechanische Aufspaltungen werden über elektrische und magnetische
Felder von der chemischen und kristallographischen Umgebung des Eisenatomkerns verur-
sacht und diese sind charakteristisch für jede Eisenverbindung, also quasi der Mößbauer-
Fingerabdruck jedes eisenhaltigen Minerals. Das Problem lautet also: Wie kann man einen
so geringen Energieunterschied bei einem Energieübergang von 14.4 keV messen? Dies ge-
lingt nur mit Hilfe des Mößbauer-Effekts, also der rückstoßfreien Resonanzabsorption. Man
kann die Energieverschiebungen vermessen, indem die Energie des von der radioaktiven
Quelle emittierten γ-Quants mittels des Dopplereffekts, d. h. durch Bewegen der Quelle mit
einer bekannten Geschwindigkeit, so weit geändert wird, bis wieder Resonanzabsorption
stattfindet.
2.3.1 Wellentypen
Beugungsexperimente können nicht nur mit elektromagnetischen Wellen (Röntgen-Strah-
lung), sondern auch mit Materiewellen (z. B. Elektronen, Neutronen, Helium-Atomen)
durchgeführt werden. Letzteren können wir über die de Broglie23 Beziehung eine Wellen-
länge
h
λ= (2.3.1)
p
zuordnen. Für nicht-relativistische Teilchen besteht zwischen der kinetischen Energie E und
dem Impuls eines Teilchens mit der Masse M der Zusammenhang
√
p = 2ME . (2.3.2)
Für die de Broglie Wellenlänge erhalten wir damit
h
λ= √ . (2.3.3)
2ME
Die Abhängigkeit der Wellenlänge von der Energie ist für einige Wellentypen in Abb. 2.17
dargestellt. Wir sehen, dass für Neutronen eine Energie von 0.08 eV einer Wellenlänge von
1 Å entspricht. Diese Energie ist nahe bei der thermischen Energie k B T ≃ 0.025 eV für T =
300 K. Wir sprechen deshalb bei den für Beugungsexperimente verwendeten Neutronen von
thermischen Neutronen.
Bei der Auswahl der Wellenart für Beugungsexperimente müssen wir Folgendes beachten:
1. Die Wellenlänge muss in der Größenordnung der Gitterkonstante des Kristallgitters lie-
gen, d. h. λ ∼ 1 Å, um die Bragg-Bedingung erfüllen zu können.
23
Louis Victor de Broglie, geboren am 15. August 1892 in Dieppe, Frankreich, gestorben am 19. März
1987 in Louveciennes, Frankreich, Nobelpreis für Physik 1929.
1
10
O (Å)
0
10
Abb. 2.17: Die de Broglie Wellen-
E | kB 300 K
länge von Photonen, Elektronen,
Neutronen und Heliumatomen als
Funktion der Teilchenenergie ange-
geben in Einheiten von 100 keV für
Photonen, 1 keV für Elektronen und -1
1 eV für Neutronen und Heliumato- 10 -2 -1 0
10 10 10
me. Der hinterlegte Bereich markiert Photonen: 100 keV
den thermischen Energiebereich für Energie Elektronen: 1 keV
Neutronen zwischen 20 und 30 meV. Neutronen, Helium: 1 eV
2. Die Dämpfung der Wellen im Festkörper sollte nicht zu groß sein. Die Intensität der
Welle nach Durchdringen der Dicke d ist durch I = I 0 e−μd gegeben, wobei μ die Absop-
tionskonstante bzw. 1/μ die Absorptionsdicke ist. Für Untersuchungen der Kristallstruk-
tur sollte diese mindestens so groß sein wie die Kristallabmessungen, also typischerweise
1–10 mm.
In Tabelle 2.1 fassen wir einige wichtige Größen von Röntgenstrahlung und einigen Mate-
riewellen zusammen. Es werden allerdings keine Angaben zur Absorptionsdicke gemacht,
da diese stark von der Energie der Strahlung sowie der Dichte und Massenzahl des bestrahl-
ten Materials abhängt. Die typischen Werte für die Absorptionsdicke liegen für Elektronen
im nm- bis μm-Bereich. Deshalb müssen für die Elektronenbeugung die zu untersuchen-
den Proben auf kleine Dicken abgedünnt werden, was in vielen Fällen einen erheblichen
Aufwand bedeutet. Für Röntgenstrahlung und Neutronen liegen die Absorptionsdicken da-
gegen typischerweise im mm- bis cm-Bereich.
2.3.1.1 Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlung kann durch Beschuss eines Metalltargets (z. B. Cu, Mo) mit hochenergeti-
schen Elektronen erzeugt werden.24 Bei der Abbremsung der schnellen Elektronen entsteht
Röntgenstrahlung, die aus einem kontinuierlichen Bremsspektrum besteht, dem charakte-
ristische Röntgenlinien überlagert sind. Das Bremsspektrum entsteht durch die Abbremsung
der Strahlelektronen im Target. Die charakteristischen Röntgen-Linien entstehen durch das
Herausschlagen von Elektronen aus den inneren Schalen der Targetatome und anschlie-
ßendes Wiederauffüllen mit Elektronen aus höheren Schalen. Die so genannte K-, L- oder
M-Strahlung entsteht dabei durch den Übergang von Elektronen aus den äußeren Schalen
in die K-, L- oder M-Schale.
Für Cu- und Mo-Anoden erhalten wir für die Wellenlänge der charakteristischen K α 1 -Linie:
Die obige Tabelle zeigt, dass man mit den üblichen Röntgenröhren keine hohe Brilli-
anz25 erzeugen kann. Die heute erreichten Werte liegen üblicherweise unterhalb von 108
Photonen/mm2 s mrad2 0.1 %BW (BW = Bandbreite). Wesentlich höhere Werte im Bereich
von 1020 Photonen/mm2 s mrad2 0.1 %BW erreicht man heute mit Synchrotron-Strahlungs-
quellen der dritten Generation. Die Röntgenstrahlung wird hier durch die Ablenkung der
hochenergetischen Elektronen eines Beschleunigerrings durch Magnetfelder erzeugt. Rönt-
genstrahlung ist heute mit einer sehr hohen Intensität und guter Monochromasie verfügbar.
Sie eignet sich aufgrund ihrer großen Absorptionsdicke sehr gut für Strukturuntersuchun-
gen. Allerdings werden leichte Elemente mit Röntgenstrahlung schlecht gesehen, da der
Streuquerschnitt mit Z 2 geht.
2.3.1.2 Elektronen
Die in einen Kristall eingeschossenen Strahlelektronen werden an den Gitterbausteinen
durch Coulomb-Wechselwirkung mit den Hüllenelektronen sowie den Kernen der Gitter-
atome gestreut. Die im Unterschied zur Röntgenstrahlung zusätzliche Wechselwirkung mit
den Atomkernen ist bei der Berechnung des atomaren Streufaktors zu berücksichtigen. Aus
Abb. 2.17 entnehmen wir, dass Elektronen mit einer Wellenlänge von etwa 1 Å eine Energie
von nur etwa 150 eV besitzen. Die Reichweite von solchen niederenergetischen Elektronen
in Festkörpern ist sehr klein (1–5 nm für E = 10–1000 eV), weshalb sich die Elektronen-
beugung hauptsächlich für die Untersuchung von Kristalloberflächen eignet (z. B. LEED:
Low Energy Electron Diffraction; RHEED: Reflection High Energy Electron Diffraction).
Mit der Elektronenbeugung können insbesondere sehr dünne Oberflächenschichten (z. B.
Oxidschichten auf Metallen) untersucht werden. Diese lassen sich mit Röntgenbeugung nur
schlecht erfassen.
24
W. C. Röntgen, Über eine neue Art von Strahlen, vorläufige Mitteilung, in Aus den Sitzungsberichten
der Würzburger Physik, medic. Gesellschaft, Würzburg (1895).
25
Die Brillianz einer Lichtquelle ist durch die Zahl der Photonen pro Flächeneinheit, Zeiteinheit,
Winkelelement und Frequenzband gegeben.
2.3.1.3 Neutronen
Die Masse des Neutrons ist 1836 mal größer als die des Elektrons. Deshalb ist bei gleicher
de Broglie Wellenlänge die Energie des Neutrons um den gleichen Faktor geringer. Aus
Abb. 2.17 entnehmen wir, dass zu einer Wellenlänge von 1 Å Neutronen mit Energien ge-
hören, die etwa der thermischen Energie k B T ≃ 25 meV bei Raumtemperatur entsprechen.
Die verwendeten Neutronenquellen müssen also für die Strukturuntersuchung so genann-
te thermische Neutronen in genügend hoher Intensität liefern. Kernreaktoren liefern heu-
te einen Fluss von etwa 1015 Neutronen/cm2 s (Hochflussreaktor in Grenoble, Garchinger
Forschungsreaktor FRM II). Mit so genannten Spallationsquellen, bei denen Protonen auf
ein Target (z. B. Pb) geschossen werden und dadurch Neutronen erzeugt werden, können
Flüsse von mehr als 1016 Neutronen/cm2 s erzielt werden, allerdings bei gepulstem Betrieb.
In Abb. 2.18 ist das Dreiachsen-Spektrometer PUMA am Garchinger Forschungsreaktor
FRM II gezeigt. Zur Monochromatisierung von Neutronen werden üblicherweise Einkris-
tallspektrometer, bei denen die Beugungsbedingung zur Wellenlängenselektion verwendet
wird, oder Flugzeitspektrometer, bei denen Neutronen mit bestimmter Energie über ihre
Flugzeit zwischen zwei rotierenden Blenden ausgewählt werden, eingesetzt.
Neutronen sind ungeladene Teilchen, so dass die Coulomb-Wechselwirkung, die bei Elek-
tronen dominiert, hier keine Rolle spielt. Neutronen wechselwirken mit den Kernen der
Gitteratome. Während allerdings der atomare Streufaktor bei der Röntgenstrahlung einer
systematischen Abhängigkeit (proportional zur Ordnungszahl) folgt, hängt er für Neutro-
nen stark vom jeweiligen Kern ab. So kann der atomare Streufaktor für zwei benachbarte
Elemente des Periodensystems (tatsächlich sogar für zwei Isotope des gleichen Elements)
sehr unterschiedlich sein. Ein typisches Beispiel ist die Untersuchung der Ordnung in einer
FeCo-Legierung. Kühlt man eine FeCo-Legierung genügend langsam ab, so können sich die
Fe und Co Atome in einer geordneten Struktur anordnen, die einer CsCl-Struktur (siehe Ab-
schnitt 1.2.7) entspricht. Untersucht man diese Struktur mit Röntgenbeugung, so kann man
wegen des fast identischen Streufaktors von Fe und Co (Nachbarn im Periodensystem) kaum
zwischen einer geordneten und einer ungeordneten Struktur unterscheiden. Für Neutronen
unterscheidet sich dagegen der atomare Streufaktor von Fe und Co um den Faktor 2.5, so
dass Neutronenbeugungsexperimente eine genaue Analyse der Ordnung erlauben.
Ein spezifischer Vorteil von Neutronen ist die Tatsache, dass leichte Elemente, insbesonde-
re Wasserstoff, ein großes Streuvermögen haben. Man benutzt Neutronenbeugung deshalb
mit Vorliebe für die Lokalisierung von Wasserstoffatomen in Kristallgittern (insbesondere in
Reaktor
FRM II
Geschwindigkeitsselektor
Analysator-
Detektor-Einheit
mit Probentisch
Abb. 2.18: Das Dreiachsen-Spektrometer PUMA für thermische Neutronen am Garchinger For-
schungsreaktor FRM II (Quelle: FRM II).
organischen Systemen). Insgesamt sind aber die Absoprtionsdicken von Neutronen relativ
groß, so dass sie sich in idealer Weise für die Strukturanalyse von Kristallen eignen. Neutro-
nen besitzen außerdem ein magnetisches Moment. Die magnetische Wechselwirkung dieses
Moments mit den Gitteratomen erlaubt die Untersuchung von magnetischen Strukturen in
Festkörpern. Die Untersuchung von magnetischen Strukturen in Festkörpern ist eine Do-
mäne der Neutronenbeugung.
(a) Detektor-
(c)
6H-SiC in
ebene (0001)-Orientierung
Kristall
6-zählige Symmetrie
der hexagonalen
Struktur
kontinuierliches
Röntgenlicht
Goniometer
(d)
(b)
Si
4-zählige Symmetrie
der Diamant-
Struktur
Abb. 2.19: (a) Schematische Darstellung des Laue-Verfahrens. (b) Zur Veranschaulichung der Entste-
hung des Punktgitters bei Laue-Verfahren. (c) Laue-Aufnahme von 6H-SiC in (0001)-Orientierung.
Man erkennt die 6-zählige Symmetrie der hexagonalen Struktur. (d) Laue-Aufnahme eines Si-Kristalls
(4-zählige Symmetrie des Diamantgitters).
Diese Tatsache wird zur Bestimmung der Kristallsymmetrie und der Orientierung von Ein-
kristallen verwendet. Das Laue-Verfahren ist allerdings unpraktisch für die Strukturbestim-
mung, da man häufig eine Überlagerung von Reflexen mit solchen höherer Ordnung erhält.
Den Grund für das Auftreten eines Punktmusters beim Laue-Verfahren können wir uns ein-
fach klar machen, wenn wir zunächst die Beugung an einem eindimensionalen Punktmus-
ter betrachten. Die Bragg-Bedingung ist dabei für eine koaxiale Kegelfamilie erfüllt (siehe
Abb. 2.19b). Beim Übergang zu einem 2- bzw. 3-dimensionalen Punktmuster ist die Bedin-
gung auf den gemeinsamen Punkten von zwei bzw. drei aufeinander senkrecht stehenden
Kegelfamilien erfüllt. Die Schnittpunkte der Kegelfamilien ergeben das beobachtete Punkt-
muster.
Intensität (counts)
(001) (002) (003)
4
10
Sr2CrWO6 (004)
Sr2CrWO6 (008)
Sr2CrWO6 (002)
Sr2CrWO6 (006)
mono- Kristall
chromatische Z 10
3
Röntgen-
2
Strahlung 2T 10
1
10
0
Detektor 10
20 40 60 80 100
24 (°)
Intensität (a.u.)
M
4
Z FWHM = 0.023°
2T 2
F
Z Kristall mit 0
23.80 23.85 23.90 23.95
epitaktischem Film Z(°)
Abb. 2.20: (a) Schematische Darstellung des Drehkristall-Verfahrens. (b) Drehachsen bei einem
Vierkreis-Diffraktometer. (c) Röntgenspektrum eines (001) orientierten Sr2 CrWO6 -Films auf einem
(001) SrTiO3 -Einkristall. Im Spektrum sind wegen der Orientierung von Film und Substrat nur (00ℓ)-
Reflexe enthalten. Die c-Achse von Sr2 CrWO6 ist etwa doppelt so groß wie diejenige von SrTiO3 , wes-
halb die Röntgen-Reflexe sehr nahe beieinander liegen. Für Sr2 CrWO6 sind die (00ℓ) mit ungeradzah-
ligem ℓ ausgelöscht. (d) Rocking-Kurve des (002) Reflexes eines epitaktischen La2/3 Ca1/3 MnO3 Films,
der auf einem einkristallinen SrTiO3 Substrat aufgewachsen wurde.
(a)
Pulver-
mono- Probe Film
chroma-
tische 2T
2T
Röntgen-
Strahlung
Röntgenstrahlen, die an Netzebenen mit gleichen Millerschen Indizes reflektiert werden, lie-
gen auf einem Kegelmantel um den einfallenden Strahl und bilden mit ihm den Winkel 2θ.
Auf einem ringförmig um die Probe angeordneten Detektor (z. B. Film) werden kreisähn-
liche Bogenstücke dieser Kegelmäntel detektiert (siehe Abb. 2.21). Ein großer Vorteil des
Debye-Scherrer-Verfahren liegt darin begründet, dass es keine Einkristalle benötigt.
Literatur
N. W. Ashcroft, N. D. Mermin, Festkörperphysik, Oldenbourg Verlag, München (2012).
P. Debye, Interferenz von Röntgenstrahlen und Wärmebewegung, Ann. d. Phys. 348, 49–92
(1913).
O. Föllinger, Laplace-, Fourier- und z-Transformation, bearbeitet von Mathias Kluw, 8. über-
arbeitete Auflage, Hüthig, Heidelberg (2003).
B. Lenze, Einführung in die Fourier-Analysis, 2. durchgesehene Auflage, Logos Verlag, Berlin
(2000).
M. J. Lighthill, Introduction to Fourier Analysis and Generalised Functions, Cambridge Uni-
versity Press, Cambridge (2003).
W. C. Röntgen, Über eine neue Art von Strahlen, vorläufige Mitteilung, in Aus den Sitzungs-
berichten der Würzburger Physik, medic. Gesellschaft, Würzburg (1895).
I. Waller, Zur Frage der Einwirkung der Wärmebewegung auf die Interferenz von Röntgen-
strahlen, Zeitschrift für Physik A 17, 398–408 (1923).
Übungsaufgaben
A2.1 Reziprokes Gitter eines hexagonalen Raumgitters
Betrachten Sie ein Raumgitter mit hexagonaler Symmetrie (Achsen und Winkel der gebräuchlichen
Einheitszelle mit ∣a∣ = ∣b∣ ≠ ∣c∣, α = β = 90○ , γ = 120○ ). Wählen Sie geeignete primitive Gittervektoren
mit diesen Eigenschaften (aber γ = 60○ ) und benutzen Sie diese, um die primitiven Gittervektoren des
x und c ∥ ̂
reziproken Gitters zu definieren. Es ist geschickt, a ∥ ̂ z zu wählen. Welche Symmetrie besitzt
das reziproke Gitter? Durch welche Symmetrieoperationen kann man das reziproke Gitter wieder in
das Raumgitter überführen? Welche Volumina haben die primitive Zellen des Raumgitters und des
reziproken Gitters?
(a) Geben Sie die Anzahl der Atome in der kubischen Einheitszelle, sowie die Anzahl der nächsten
Nachbarn jedes Atoms an (jeweils kurze Begründung).
(b) Bestimmen Sie den Abstand der nächsten Nachbarn in Einheiten der Kantenlänge a der kubischen
Einheitszelle.
(c) Der Bragg-Peak 2. Ordnung an der (001)-Ebene unter Verwendung von Cu-K α -Strahlung (λ =
1.5413 Å) erscheint bei einem Einfallswinkel von θ = 25.24○ . Bestimmen Sie hieraus die Gitter-
konstante a von Cu.
(d) Warum tritt der (001)-Reflex 1. Ordnung nicht auf?
(e) Bestimmen Sie die Dichte von Kupfer ρCu mit der Atommasse von Kupfer mCu = 63.55 u (u =
1.660 538 782(83) × 10−27 kg).
(a) Jeder Ebenenschar im Raumgitter mit Ebenenabstand d, die alle Punkte des dreidimensionalen
Bravais-Gitters enthält, entsprechen zu diesen äquidistanten Ebenen senkrechte Gittervektoren des
reziproken Gitters, wobei der kürzeste dieser reziproken Gittervektoren die Länge 2π
d
besitzt.
(b) Umkehrung: Zu jedem reziproken Gittervektor G gehört eine senkrecht auf G stehende Ebenen-
schar des Raumgitters, deren einzelne Ebenen jeweils den Abstand d haben und alle Punkte des
Bravais-Gitters enthalten, wobei 2π
d
die Länge des kürzesten reziproken Gittervektors parallel zu G
ist.
(2π)3
(a) b1 ⋅ (b2 × b3 ) = a 1 ⋅(a 2 ×a 3 )
(2π)3
(b) das Volumen der ersten Brillouin-Zone gleich Vc
ist, wobei Vc das Volumen der primitiven Zelle
des Kristalls ist.
A2.5 Pulverdiffraktometrie
Sie untersuchen eine Pulverprobe eines kubischen Materials unter Verwendung von Cu-Kα -Strahlung
mit einer Wellenlänge von λ = 1.541 Å. Sie erhalten Röntgen-Reflexe bei den Winkeln 2θ 1 = 16.31○ ,
2θ 2 = 11.51○ und 2θ 3 = 9.39○ .
(a) Handelt es sich bei dem untersuchten Material um eine amorphe oder kristalline Substanz?
(b) Berechnen Sie den Abstand der Netzebenen, von denen die Beugungsreflexe stammen, unter der
Annahme, dass es sich um Beugungsreflexe 1. Ordnung handelt.
(c) Welchen Flächen im Elementarwürfel des kubischen Materials entsprechen diese Netzebenen?
(a) Identifizieren Sie die Kristallstrukturen der Proben A, B und C. Nehmen Sie dazu an, dass die
beobachteten Röntgenreflexe Beugungsreflexen 1. Ordnung entsprechen.
(b) Die Wellenlänge der Röntgenstrahlung sei λ = 1.5 Å. Welche Gitterkonstante a hat die konventio-
nelle kubische Zelle?
x a
L
Beobachter
Quelle
Wir nehmen nun an, dass auf den Gitterpunkten Atome sitzen, die kohärent von einer ebenen Wel-
le ΨQ = ΨQ ,0 e ı(k 0 y−ωt) angeregt werden (die Quelle befindet sich in großer Entfernung senkrecht zum
eindimensionalen Gitter, so dass sie beim Gitter als ebene Welle approximiert werden kann, siehe Skiz-
ze). Die Atome werden durch die einlaufende Welle angeregt und strahlen nun selbst Kugelwellen ab.
Da wir eine kohärente Anregung vorausgesetzt haben, strahlen alle Atome kohärent und ohne Pha-
senschiebung (alle Atome des Gitters sitzen auf der gleichen Wellenfront der einlaufenden Welle) mit
der Frequenz ω ab: Ψ = Ψr0 e ı(k⋅r−ωt) . Wir können also die Anordnung als lineares Emissionsgitter be-
trachten. Wir wollen nun Folgendes wissen:
(a) Welche Intensität I wird mit einem Detektor gemessen, der sich weit weg vom Gitter im Abstand L
auf der x-Achse befindet? Die am Detektor gemessene Intensität I zeigt als Funktion des Wellen-
vektors k bzw. der Wellenlänge λ charakteristische Maxima. Wie sieht I(k) aus und für welche k
treten Hauptmaxima auf?
(b) Wie groß ist die detektierte Intensität bei diesen Maxima?
(c) Wie groß ist die Halbwertsbreite der Maxima?
(d) Wie groß ist der Wert der über k integrierten Intensität für verschiedene N?
Vergleichen Sie die oben diskutierte Situation mit der in der Optik auftretenden Beugung am endlichen
Gitter.
1
f (q) =
2 2
[1 + ( qa2B ) ]