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Elisabeth Elliot

Mann sein
Frau sein
••
Verschiedenartigkeit
und Gleichberechtigung

Christliche Literatur-Verbreitung e. V.


Postfach 11  01  35  ·  33661 Bielefeld
© 1981 by Elisabeth Elliot Gren
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Mark of a Man«
im Verlag Fleming H. Revell (Baker Publishing Group),
Grand Rapids, Michigan, USA.
All rights reserved.

© der überarbeiteten deutschen Ausgabe 2012 by CLV


Christliche Literatur-Verbreitung
Postfach 11 01 35 · 33661 Bielefeld
Internet: www.clv.de

(früher erschienen im Verlag SCM Hänssler, Holzgerlingen)


Übersetzung: Dr. Werner Papke
Umschlag: Lucian Binder, Marienheide
Satz: CLV
Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN 978-3-89397-295-1
Für Peter Henry deVries
Inhalt

Einleitung 9
Wie die Dinge sind 14
Gleich, weil erschaffen 16
In gleichem Bilde 19
Gleich hinsichtlich moralischer Verantwortung 21
Die Verschiedenheiten 24
Von dem die Unterschiede stammen 28
Nur eine Person 30
Das Dilemma, in dem wir stecken 33
Eine Lotrechte im Raum 37
Die alte Geschichte 39
Zu wunderbar für Salomo 43
Kein Kavaliersdelikt 46
Männlichkeit heißt Initiative ergreifen 48
Weiblichkeit heißt antworten 51
Die Absicht 54
Göttliches Bildnis 56
Vorurteil oder Gabe? 60
Zwei Theater 64
Der Entwurf 67
Nicht Verdienst, sondern Auftrag 70
Wer Verantwortung übernimmt, der dient 74
Das gesprochene Wort 76
Richtig und falsch 80
Autorität ist eine Quelle der Macht 82
Einführung ins Mannesalter 86
Die Straße zum Leben 89
Autorität ist angemessen 95
Wer freit? 99
Autorität bedeutet Opfer 103
Führerschaft durch Leiden 107
Sachwalter des Geheimnisses 112
Höflichkeit 117
Vom seid’nen Ich 121
Warten können 124
Helden 128
Männlichkeit heißt gehorsam sein 133
Vergebung 137
Zärtlichkeit 141
Liebe ist läuterndes Feuer 143
Verliebt sein oder lieben 148
Wenn man eine Familie hat 153
Eine Kontrollliste 158
Wie man mit der Kontrollliste umgeht 165
Wenn du sie nicht verstehst 168
Einleitung
••
Du würdest überrascht sein, Peter, wenn du wüsstest, wie oft
ich an dich denke. Und sooft ich an dich denke, bete ich für dich
–  und für meine beiden anderen Neffen, die in heiratsfähigem
Alter sind, Thomas und Benjamin. Ich bete, dass Gott euch zu
richtigen Männern macht und – wenn er will, dass ihr heiratet –
er euch Ehefrauen gibt, die richtige Frauen sind.
Auch jetzt, an diesem dunklen Wintertag, bin ich in Ge­danken
bei dir. Das Meer, auf das ich durchs Fenster neben meinem
Schreibtisch schaue, ist grau wie ein Schlachtschiff und kräuselt
sich sanft vor einer Brise aus Nordost. Drei kleine Wasser­hühner
gleiten auf den Wellen dahin, von Zeit zu Zeit verschwinden sie
ganz unter Wasser, um dann unverhofft wieder aufzutauchen
–  wie Korken. Die Brandung zischt und schäumt und schlägt
gegen die großen Felsen unter der Klippe  –  zum Lobe Gottes.
»Loben sollen sie den Namen des Herrn! Denn er gebot, und sie
waren geschaffen. Und er stellte sie hin für immer und ewig; er
gab ihnen eine Satzung, und sie werden sie nicht überschreiten.
Lobt den Herrn … ihr Wasserungeheuer und alle Tiefen.«1
Es ist eine gute Woche her, seit du Lars und mich zum Flug­
hafen gefahren hast. Das war in dem kleinen Wagen, der un­­
bedingt neue Sitze braucht, in deinem Saab, den du glaubtest,
preiswert erworben zu haben. Ich erinnere mich an die Schwie-
rigkeiten, die du in diesem Studienjahr hattest – eben genau jene
Probleme, die man bei einem jungen Mann erwartet: dein Auto,
deine akademischen Titel, deine Freundin(nen!). Und als du
mich am Telefon um Rat fragtest, sagte ich dir: »Du weißt doch
sicher, was ich antworten werde, Peter?«
»Klar! Darum rufe ich ja an. Ich muss es noch einmal hören.«

1 Psalm 148,5-7.

• 9 •
So sprachen wir darüber, wie man Gott kennenlernt. Glaube
muss sich mitten im ganz normalen Leben hier unten auf Erden
bewähren. Zum normalen Leben gehören Schwierigkeiten. Wenn
alles nach Wunsch geht, scheint oftmals kein Glaube nötig zu
sein. Erst wenn alles durcheinandergerät, suchen wir nach Ant-
worten oder Hilfen. Woher sollten sonst die Prüfungen für den
Glauben eines jungen Mannes kommen, wenn nicht auf diesen
drei Gebieten, in denen du Probleme hattest?
»Stimmt!«, sagtest du.
Dann war da die Frage, ob du dich nicht einer christlichen Stu-
dentengruppe anschließen solltest. Nur wenige von uns schaf-
fen es, ganz allein auf sich selbst gestellt Christen zu sein. Wir
sollen doch eine Herde oder ein Leib sein. Wir brauchen Hilfe:
jemanden, mit dem wir die Bibel lesen können – jemanden, mit
dem wir beten können – einen, der uns aufrichtet, wenn wir am
Boden liegen. Du hast versprochen, dich nach einem christlichen
Freund umzusehen.
Natürlich betete ich jedes Mal inniger für dich, wenn du an­­
gerufen oder geschrieben hattest.
Letzte Woche musste ich wieder an dich denken, als ich bei
einer Studentenversammlung  –  unter anderem  –  über die ver­
heiratete Frau auf dem Missionsfeld sprach. Ich war überrascht,
dass unter den Zuhörern außer verheirateten Frauen auch meh-
rere Männer und ledige Frauen waren. Als ich behauptete, dass ein
gravierender Unterschied zwischen Männern und Frauen besteht,
dass sie nicht auswechselbar sind, wurde mir klar, wie entsetz-
lich die Dinge allein in den letzten zehn Jahren verzerrt worden
sind. Denn als ich darum bat, es sollten die Männer ihre Hand
heben, die wegen meiner Behauptung eine Aussprache wünschen,
da musste ich erstaunt feststellen, dass mehrere Hundert Hände
emporschnellten. Ich hätte wohl lieber fragen sollen, wer keine
Aussprache wünschte (ich weiß nicht, ob sich überhaupt jemand
gemeldet hätte), aber ich war äußerst überrascht und verwirrt.
Als ich vorschlug, an der Rückwand des Hörsaals eine Liste aus-
zuhängen, in die man sich eintragen könnte, wurde wie verrückt

• 10 •
geklatscht, gelacht und gekreischt (am lautesten juchzte wohl eine
ledige Frau). Alle waren erheitert, nur ich nicht. Als Kinder dieser
Zeit, die immer nur von Gleichberechtigung und Persönlichkeits-
entfaltung hören, wissen sie nicht mehr, was eigentlich der Unter-
schied zwischen den Geschlechtern ist. Sie sind sich nicht einmal
sicher, ob es gerechtfertigt ist, einen Unterschied zu sehen, oder
ob man nicht besser so tun sollte, als gäbe es keinen.
Ja, Peter, es gibt einen Unterschied.
»Ach, hör doch auf damit!«, wirst du sagen. »Meinst du, ich
weiß das nicht?«
Natürlich weißt du das. Jeder weiß das. Der biologische Unter-
schied ist nun einmal eine nicht zu leugnende Tatsache. Einfache
Fakten sind irgendwie »unverrückbar«. Sie lassen sich nicht ver-
drängen. Doch die »Wissenschaft« tut alles, um dies gründlich
zu ändern. Gott bewahre uns davor, dass es ihr gelingt!
Aber in unserem Zeitalter der Gleichberechtigung haben
wir unser Bestes versucht, die natürlichen Fakten auszuradie-
ren, zu leugnen, zu überwinden oder wenigstens zu verwischen.
Manchmal hoffen wir, über allem zu stehen, wenn wir nur rich-
tig zivilisiert und »befreit« werden, und meinen, es »transzendie-
ren« zu können, wenn wir schrecklich »geistlich« werden. Die-
ses »Transzen­dieren« entspricht jedoch überhaupt nicht einer
wahren christlichen Sicht, sie ist vielmehr eine zutiefst welt­
liche Zwangshandlung mit dem Ziel, die Dinge so hinzubiegen,
dass sie in unser humanistisches Weltbild passen. Feministinnen
schrei­ben eifrig nicht nur die gesamte Geschichte, sondern auch
die Psychologie, die Mythologie, die Soziologie und sogar die
Theologie um, damit alles dem Zeitgeist entspricht. Und wenn
man zu sagen wagt: »Halt, so geht es aber nicht!«, dann weißt
du, wie man dich nennen wird.
Es gibt aber einen Unterschied über den rein biologischen hin-
aus.
»Du willst doch nicht etwa die alten Kamellen aufwärmen:
Der Mann soll dies tun, die Frau soll das tun? Nichts als Forde-
rungen! Nichts als Krampf!«

• 11 •
Ich kenne diese Antwort. Rosemary Radford Ruether, Pro-
fessorin für historische Theologie, spricht in ihrem Buch From
Machismo to Mutuality2 davon, dass Männlichkeit und Weiblich-
keit als »gesellschaftliche Ideologien« »entlarvt« werden sollten.
Ach! Christen haben ihre Vollmacht verloren, wenn sie einen sol-
chen Standpunkt vertreten.
Nein, Peter. Ich rede nicht von Biologie oder alten Kamellen
oder gesellschaftlichen Ideologien. Ich rede über die Bedeutung
von Sexualität (Männlichkeit und Weiblichkeit). Frag nicht län-
ger, ob die Physiologie etwas bedeutet! Ich bitte dich: Hör auf
damit und staune. Denn es gibt hier eine ganze Menge mehr, als
man mit dem Auge wahrnimmt – mehr, als sich durch Sitte oder
Kultur erklären lässt.
Es gibt ein Geheimnis. Gerade von diesem Geheimnis möchte
ich dir schreiben. Du bist ein Mann, Peter – das ist klar, wenn ich
dich anschaue. Ich danke Gott für deine Männlichkeit.
Manchmal muss ich auch den Atem anhalten, wenn ich an den
kleinen Jungen denke, den ich noch vor nicht allzu langer Zeit
gekannt habe. Du hast keine Möhren gemocht. Aber du warst
gehorsam, und wenn deine Mutter sagte: »Iss deine Möhren!«,
dann stopftest du sie in den Mund. Nicht immer gingen sie viel
weiter, wie sich einmal in Quito in Ecuador heraus­stellen sollte.
Deine Eltern und ich waren bei einer Missionarsfamilie zum Mit-
tagessen eingeladen. Du warst ungefähr vier Jahre alt, denke
ich, und machtest nach der Mahlzeit ein Nickerchen im Schlaf­­
zimmer des Missionars-Ehepaars, während wir noch ein wenig
plauderten. Auf dem Heimweg, rund eine Stunde später, mur-
meltest du: »Muss ich die Möhren ganz aufessen?« Sie waren
immer noch in deinen kleinen Pausbacken verstaut.
Ich besitze ein Foto von dir und deiner Cousine Valerie, wie
ihr in Atlantic City auf Taubenjagd gingt. Es ruft Erinnerungen
wach, wie sie ganz sachte auf Zehenspitzen ging und versuchte,
sich so nahe wie möglich an die Tauben heranzuschleichen,

2 Auf Deutsch so viel wie »Vom Männlichkeitswahn zur Gegenseitigkeit«.

• 12 •
und wie du dann in deinen klobigen Schühchen laut stampfend
daherkamst und so sehr enttäuscht warst, als die Tauben mit
einem Husch davonflogen.
Man könnte meinen, es seien nur ein paar Tage seit deiner
Kindheit vergangen. Du wohntest damals auf den Philippinen. Ich
habe dich dort nur einmal besucht. Wie hast du da auf dem Flug-
platz von Puerto Princesa gestanden, der kaum mehr als ein Kiosk
war, und eine riesige Fahne geschwungen: WILLKOMMEN,
TANTE BETTY UND ONKEL ADD! Du warst ungefähr dreizehn,
glaube ich, konntest aber schon Motorboot und Wasserski fahren
und tauchen, einen Dieselgenerator anwerfen, einen Kurzwellen-
empfänger reparieren und wunderschön Geige spielen.
In den Jahren, die seitdem vergangen sind, hast du viele
Fä­hig­­­­­keiten dazuerworben. In den Weihnachtsferien hast du
mir einmal eine Fluoreszenzlampe in der Küche installiert. Du
hast Skilaufen und Reiten gelernt und den Magister für Konzert­
violine gemacht.
Die Welt braucht dringend Männer, die stark sind: stark in
ihrer Überzeugung, stark im Führen, im Ausharren, im Leiden.
Ich bete, dass du so ein Mann wirst, Peter, der froh ist, von Gott
als Mann geschaffen zu sein, froh, die Bürde der Männlichkeit
auf seine Schultern zu nehmen in einer Zeit, da solch ein Ver­
halten oft verächtlich belächelt wird. Ich rufe dir zu, was Paulus
in seinem Brief den Gläubigen in Ephesus schrieb:
»Gebt nun acht, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise,
sondern als Weise, die die gelegene Zeit auskaufen, denn die
Tage sind böse. Darum seid nicht töricht, sondern verständig,
was der Wille des Herrn sei.«3
Dieses Buch handelt von den Dingen, die solche Männer aus-
zeichnen. Ich hoffe zuversichtlich, alles gründlich genug belegt
zu haben, damit du überzeugt wirst, dass es nicht einfach um
eine interessante oder antiquierte Ansicht geht, sondern in der
Tat um Wahrheit, die dich selig macht.

3 Epheser 5,15-17.

• 13 •
Wie die Dinge sind
••
Vor einigen Monaten schrieb ein Wissenschaftler namens Free-
man Dyson einen Zeitschriftenartikel über frühere Erkenntnisse
der Wissenschaft. Es bereitete ihm sichtlich Vergnügen, mit Kris-
tallen, Magneten, Prismen und Spektroskopen einige berühmte
alte Experimente durchzuführen, von denen er im Voraus
wusste, welche Resultate sie liefern würden. Es schien ihm wie
ein Wunder, als er die elektrische Spannung maß, die durch ver-
schiedenfarbiges Licht erzeugt wurde, das auf eine Metallober-
fläche fiel, und er so Einsteins fotoelektrischen Effekt bestätigt
fand. Aber bei dem Öltropfen-Versuch von Millikan hatte er
geradezu eine Offenbarung. Robert Millikan, ein Physiker der
Universität Chicago, bestimmte als Erster die elektrische Ladung
von Elektronen. Er zerstäubte Öl zu winzigen Tropfen und be­­
obachtete unter dem Mikroskop, wie sie sich in einem elektri-
schen Feld zwischen zwei Kondensatorplatten bewegten. Dyson
befolgte Millikans Angaben und konnte so die Öltropfen schön
schweben lassen. Da drückte er, um das elektrische Feld zu ver-
ändern, den falschen Knopf und fiel der Länge nach hin.
Diese ungewollte kurzzeitige Auslieferung an ein unabänder­
liches Gesetz, das ihm fast zum Verhängnis geworden wäre,
offenbarte Dyson, was Einstein gemeint hatte, als er sagte: »Das
ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit.« Dyson
erkannte, dass seine komplizierten Berechnungen darüber, wie
ein Elektron sich verhalten sollte, nur zeigen konnten, wie es
sich immer verhalten würde, unabhängig davon, ob er je die Be­­
wegung des Elektrons berechnen wollte oder nicht. Die Elek-
tronen in dem Öltropfen wussten genau, was sie tun sollten,
und taten es –  zu seinem Schaden, als er den falschen Knopf
erwischte.
Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Die Menschen mischen
sich in Gottes Verordnungen ein und betätigen die falschen

• 14 •
Knöpfe. Das Ergebnis ist nicht immer so dramatisch und un­­
mittelbar, wie es für Dyson war, aber es ist ebenso unerbittlich:
Was der Mensch sät, das wird er auch ernten.
In den letzten Monaten kam ich in engeren Kontakt mit Ehe-
paaren, die in großen Schwierigkeiten sind, weil sie, wie ich
glaube, von der Theorie angesteckt waren, Männlichkeit und
Weiblichkeit seien nicht weiter wichtig. Sie haben sozusagen »an
den falschen Knöpfen gedreht«, indem sie von Gott ge­gebene
Gaben verleugnen und versuchen, Mann und Frau »gleich« und/
oder austauschbar zu machen. Das Gerede von Befreiung, von
gegenseitiger Austauschbarkeit und von Gleichberechtigung
klingt harmlos genug, ja sogar einleuchtend, aber es ist äußerst
gefährlich, und Menschen gehen daran förmlich zugrunde.
Es gibt nämlich wirklich eine bestimmte Verordnung sowohl
für Männer als auch für Frauen  –  genauso sicher, wie es eine
für Elektronen gibt. Unabhängig vom Beobachter, unabhängig
davon, wie sorgfältig der Wissenschaftler im Laboratorium seine
Versuche durchführt, müssen die Elektronen bestimmte Dinge
tun. Sie müssen sie tun, weil sie dazu geschaffen wurden, sie zu
tun. So sind die Dinge eben.
Für Einstein war die Welt »begreifbar« – das heißt, er erkannte
in ihr einen Plan und eine Berechenbarkeit, die in sich selbst
gerade das Unbegreifliche an ihr sind. Sollen wir, die wir an den
Schöpfer der Welt glauben, die gewaltigste aller Unbegreiflich-
keiten an den Menschen verleugnen – den Plan für Geschlecht-
lichkeit? Sollen wir unser Augenmerk stattdessen auf etwas
Schwaches und Geringes, auf etwas vom Gesetz Verordnetes
oder – schlimmer! – soziologisch Definiertes richten?

• 15 •
Gleich, weil erschaffen
••
Auf meinen Reisen erfahre ich immer wieder, wie viele Män-
ner an jenen Fragen eigentlich nicht sonderlich interessiert sind,
die durch die »Befreiungs«-Bewegungen aufgeworfen werden.
Ehrlich gesagt: Ich war daran auch nicht interessiert. Die ganze
Angelegenheit langweilte mich, aber weil ich nun einmal in der
Öffentlichkeit spreche, wurde ich des Öfteren aufgefordert, dazu
Stellung zu nehmen. Folglich musste ich mich zu Hause hin­
setzen und herausfinden, worum es dabei eigentlich geht. Je mehr
ich davon begriff, desto unwohler wurde mir, besser gesagt: Das
Ganze entsetzte mich immer mehr. Ich fing an zu begreifen, dass
es in der dahinterstehenden Philosophie echte Anzeichen für
Dämonie gibt, obwohl sie gemeinhin »Befreiung« genannt wird,
und dass man Begriffe entleert hat und ihnen Bedeutungen gab,
die dem oft fast  –  und manchmal völlig  –  widersprachen, was
wir früher darunter verstanden haben. Erlösung bedeutet nun-
mehr »Selbst-Verwirklichung« oder »Selbst-Erfüllung«. Freiheit
bedeutet »Entbindung von Verantwortung«. Und Sünde scheint
wenig mehr als »ein persönliches Anpassungsproblem« zu sein.
Dadurch wird es Menschen fast unmöglich gemacht, auch nur zu
»hören«, was Gott sagt. Jedes Wort, das aus dem Munde Gottes
kommt, wird neu definiert, abgeschwächt und angepasst, um es
für eine weltliche Denkungsart akzeptabel zu machen. Dasselbe
wird mir jedes Mal knallhart bewusst, wenn ich nach einem Vor-
trag noch Fragen beantworte. Selbst wenn ich be­sonders darum
bitte, man möge versuchen, die Einwände so lange wie mög-
lich zurück­zuhalten und ehrlich darüber nachzudenken, was
ein bestimmter biblischer Grundsatz wirklich bedeutet, so lau-
tet dennoch meistens die erste Frage: »Aber das be­­deutet doch
sicher nicht …?«, oder: »Glauben Sie denn nicht, dass das eine
Frage der Interpretation ist?«, oder: »Man kann bei diesem
Thema auch übertreiben.« Was ich eben noch vor­geschlagen

• 16 •
hatte, wird völlig vergessen. Die Fragesteller haben nicht einmal
ein paar Sekunden lang überlegt, etwa um zu fragen: »Was will
Gott mir sagen?« Sie sind schon so vorprogrammiert, dass sie
das absolut Gültige relativieren und »existenzialistisch« deuten
oder von den Umständen abhängig machen.
Was »Sache der Frau« genannt wird, ist ganz eindeutig Sache
des Mannes! Ich schreibe an dich, Peter  –  an dich und an alle
anderen Männer –, und bitte dich inständig, einmal nachzuden-
ken, theologisch darüber nachzudenken, was wirklich vor sich
geht. Wir alle sind natürlich vor Gott verantwortlich  –  Frauen
genauso wie Männer  –, aber ich glaube, dass ihr Männer eine
besonders große Verantwortung habt. Und wenn du dieses Buch
aufmerksam gelesen hast, wirst du wohl verstanden haben,
warum.
Zu den Wörtern, deren Bedeutung ganz allmählich verändert
wurde, gehört das Wort »Gleichheit«. Wenn in der US-amerika-
nischen Unabhängigkeitserklärung steht, dass »alle Menschen
gleich geschaffen sind«, dann bezieht sich das nicht auf Intelli-
genz, Aussehen, Temperament, Größe, Gewicht oder Einkom-
men. Es geht vielmehr um gewisse Rechte, die »unveräußerlich«
sind, weil man sie nicht entwenden kann. Sie sind nicht etwas,
was einer dem anderen geben kann. Alle Frauen und Männer,
heißt es, sind mit diesen Rechten »von ihrem Schöpfer ausgestat-
tet«. Welche Rechte sind das? »Leben, Freiheit und das Streben
nach Glück.« Das heutige Gerede von »gleichen Rechten« deckt
so viele verschiedene Gebiete ab, dass wir ganz vergessen haben,
welche Rechte die Unabhängigkeitserklärung uns US-Amerika-
nern garantieren wollte. Wir haben anscheinend auch vergessen,
dass ein Schöpfer erwähnt wurde. Es ist vernünftig, anzuneh-
men, dass wenn uns ein Schöpfer ausgestattet hat, er auch einen
bestimmten Zweck damit verfolgt.
Über diesen Schöpfer erfahren wir etwas in der Bibel. Sie
beginnt mit der Erschaffung von Himmel und Erde. Wir lesen
dann von Licht und Finsternis, von der dünnen Luftschicht und
den Wassern, vom trockenen Land und von den Meeren, von

• 17 •
Sonne, Mond und Sternen, von Pflanzen und Tieren, von Mann
und Frau:4 eine faszinierende Liste von Gegensätzen! Beim Lesen
der Liste würde man kaum an das Wort »gleich« denken. Wir
finden wirklich nur Unterschiede und Gegensätze.
Aber unser Thema heißt »Mann und Frau«. Und Mann und
Frau sollen gleich sein, daran werden wir mit ermüdender Regel-
mäßigkeit erinnert.
Nun, ja, aber inwiefern? Heißt denn »gleich« so viel wie »auf-
geweckt« oder »hübsch« oder »drollig« oder »groß« oder »dick«
oder »reich«? Quatsch! Bedeutet es »austauschbar«? Sicher nicht.
Gehen wir doch einmal ins Detail und schauen uns das Buch
näher an, das uns sagt, wer Mann und Frau erschuf und wie und
warum er das tat. Wenn Mann und Frau nicht austauschbar sind,
wenn es bedeutsame Unterschiede gibt, müssen wir diese klar
erkennen, ehe Männer wirklich Männer und Frauen wirklich
Frauen sein können.
Nach allem, was wir aus dem ersten Kapitel des 1.  Mose-
Buches erfahren, müssen wir schließen, dass Mann und Frau,
abgesehen von dem geschlechtlichen Unterschied, der nur
nebenbei erwähnt wird (»männlich und weiblich schuf er sie«5),
von Gott im Hinblick auf besondere Eigenschaften gleich erschaf-
fen wurden.
Die erste ist, dass sie beide erschaffen wurden. Wir könn-
ten deshalb sagen, dass sie gleich sind, weil sie gemacht wur-
den. In dieser Hinsicht waren sie auch dem Licht und der Fins-
ternis gleich, der Sonne und den Sternen, dem Land und der
Luft, sogar den Elektronen. Sie wurden von jemandem gemacht.
Theo­rien vom Anfang, die nicht dem biblischen Bericht entspre-
chen, erfordern weit mehr Glauben als diese einfache Aussage,
für die wir uns entscheiden wollen.

4 Vgl. 1. Mose 1.
5 Vgl. 1. Mose 1,27.

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In gleichem Bilde
••
Das Nächste, worin Mann und Frau gleich sind, hebt sie sofort
von allen anderen Geschöpfen ab. Der Mensch wurde im Bilde
Gottes erschaffen.
»Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild.«6 Diese Aus-
sage ist klar genug. Aber für den Fall, dass es nicht klar genug
ist, wird es im selben Vers noch einmal wiederholt: »… im Bild
Gottes schuf er ihn«.7 Es ist, als ob Gott sagen will: »Habt ihr’s
jetzt verstanden?«
Ja! Wir sind im Bilde Gottes gemacht! Ich glaube das. Aber
ich dachte, Gott sei Geist.8 Wie kann er dann durch ein mensch-
liches Wesen abgebildet werden? Ein Geistwesen hat keinen Kör-
per. Doch die Bibel spricht von Gottes Augen,9 Gottes Hand,10
Gottes Arm.11 Das sind alles menschliche Begriffe – aber es sind
nur Bezeichnungen. Sie erklären nicht, was damit gemeint ist.
Die Bibel erklärt also nicht, wie oder warum wir im Bilde Gottes
gemacht sind. Sie sagt uns einfach, dass wir das sind.
Sie sagt uns auch, dass zwei verschiedene Aus­führungen
nötig waren, um dieses göttliche Bild darzustellen: männlich
und weiblich. Warum? Ist Gott ein geschlechtliches Wesen? Wäre
nicht ein geschlechtsloses Wesen oder vielleicht ein ein­zelliges
Gebilde ein angemesseneres Bild gewesen? Was nur können
Mann und Frau mit dem Bild des allmächtigen, ewigen Gottes
zu tun haben?
Möchtest du die Antwort wissen, Peter? Ich auch. Aber sie
wird uns nicht verraten. Sie ist ein Geheimnis. Im aller­ersten
Kapitel des ersten Buches der Bibel kommen wir mit dem

6 1. Mose 1,27.
7 Ebd.
8 Vgl. Johannes 4,24.
9 Vgl. z. B. Psalm 11,4.
10 Vgl. z. B. Psalm 78,42.
11 Vgl. z. B. Jesaja 40,10.

• 19 •
Geheimnis der Geschlechtlichkeit in Berührung. Sie ist eine der
Bedingungen, um Mensch zu sein. Wenn du ein Mensch sein
möchtest, musst du geschlechtlich sein. Du musst entweder ein
Mann oder eine Frau sein. Und als Mann oder Frau stellst du
die Imago Dei dar. Es ist dieses »Bild Gottes«, das den Menschen
von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Die Jerusalemer
Bibel merkt dazu an: »Es beinhaltet eine allgemeine Ähnlichkeit
der Wesensart. Dazu gehören Intellekt, Wille und Autorität. Der
Mensch ist also eine Person. Diese Erkenntnis ebnet den Weg zu
einer höheren Offenbarung: Der Mensch hat Anteil an der gött-
lichen Natur aufgrund der Gnade.«
Das menschliche Leben ist darum voller Bedeutung und
»Transzendenz«. Es ist nicht leer, nicht belanglos, nicht bloß
mechanisch.

• 20 •
Gleich hinsichtlich
moralischer Verantwortung
••

Aber Mann und Frau sind nicht nur gleich, weil sie beide von
Gott gemacht sind, und dies im Bilde Gottes – sie können auch
gleich genannt werden, weil sie unter moralische Verantwor-
tung gestellt wurden. Gott gab ihnen einen Befehl, dem beide
verpflichtet waren und den keiner ohne den anderen ausführen
konnte: »Seid fruchtbar und mehrt euch!«12 Dazu gehören zwei.
Die sexuelle Unterscheidung ist nötig, damit es »funktioniert«.
So sind sie zwei Geschöpfe, die sich erstaunlich gleichen und
wunderbar verschieden sind.
Wo dem Menschen ein Befehl gegeben ist, da ist eine Wahl zu
treffen – eine moralische Wahl. Im Bilde Gottes gemacht zu sein,
schließt die Fähigkeit zu wählen ein, was wiederum einen Willen
erforderlich macht. Mann und Frau wurden mit dieser Fähigkeit
ausgestattet. Sie können moralisch völlig frei handeln und sind
frei, zu gehorchen oder nicht zu gehorchen.
Wenn Gott im Voraus wusste, in welche missliche Lage sie
wegen dieser Freiheit geraten würden, warum erlaubte Gott
ihnen diese Freiheit? Es ist dies ein weiteres tiefes Geheimnis.
Aber eins kann mit Sicherheit gesagt werden: Gott hatte den
sehnlichen Wunsch, dass wir uns entscheiden würden, ihn zu
lieben. Die Freiheit, uns so entscheiden zu können, wäre sinn-
los, wenn wir nicht auch frei gewesen wären, ihn nicht zu lieben.
Die Freiheit zu gehorchen ist abhängig von der Freiheit, nicht zu
gehorchen.
Adam und Eva taten ihr Bestes, soweit wir wissen, um den
Befehlen des ersten Kapitels des 1. Mose-Buches Folge zu leisten:
»Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie

12 1. Mose 1,28.

• 21 •
euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über
die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde
regen!«13
Es war das Gebot des zweiten Kapitels, dem sie nicht gehorch-
ten – aber dazu komme ich später. Wenn das, was im ersten Kapi-
tel des 1.  Mose-Buches enthalten ist, alles wäre, was wir über
Mann und Frau wüssten, wäre es ganz richtig, sie als »gleich«
zu bezeichnen, einzig die geschlechtliche Verschiedenheit aus­
genommen.
Diejenigen, die sich Feministinnen nennen  –  ob »biblische«
oder sonst wie –, scheinen einen Glauben gemeinsam zu haben,
und nur einen, den ich aus ihren Argumenten ableiten konnte:
Sie sind sich darin einig, dass es  –  abgesehen von dem physio-
logischen  –  keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt.
In dieser Hinsicht, und nur in dieser allein, sehen sie Mann und
Frau als funktional nicht auswechselbar an. Weil sie nicht be­­
greifen, dass das Physiologische auf etwas Höheres hinweist,
vermögen sie auch die Unverwechselbarkeit theologisch über-
haupt nicht zu definieren. Unter diesen Voraussetzungen wür-
den sogar »biblische« Feministinnen nichts in 1.  Mose  1 fin-
den, worüber man streiten müsste, und in der Tat könnten wir
dann alle mit Freude »Feministinnen« sein. Wenn es nur um das
Physiologische ginge, gäbe es diesen Begriff sicher nicht – man
würde über Männlichkeit und Weiblichkeit nicht weiter nach-
denken, und niemand würde etwas beweisen wollen. Aber wenn
wir zu 1. Mose 2 kommen, scheiden sich die Geister.
Es sollte hier betont werden, dass diejenigen, die den bio­
logischen Unterschied herunterspielen (Feministinnen genauso
wie Homosexuelle), normalerweise auch keinen anderen Unter-
schied anerkennen. Wenn wir nicht durch und hinter das Kör-
perliche schauen, werden wir wohl nicht einmal das Körperliche
so sehen, wie wir es sehen sollten: als das Instrument zur Ver-
herrlichung Gottes schlechthin.

13 Ebd.

• 22 •
Der Druck von der Welt her ist immer groß, Peter. Gegen­
wärtig ist der Druck von Säkularismus und Humanismus mas-
siver denn je zuvor.
Genau diese Philosophien haben einen Einfluss darauf, wie
Gläubige über Sexualität denken. Schlag einmal im Humanis­
tischen Manifest (I und II – 1933 und 1973 abgefasst) nach, wenn
du genau wissen willst, womit wir es zu tun haben. Humanisten
betrachten das Universum als »in sich selbst bestehend und nicht
erschaffen«, sie halten das Übernatürliche für »entweder sinn-
los oder bedeutungslos für die Frage nach … der Vollendung
der menschlichen Rasse … Wir fangen mit den Menschen an,
nicht mit Gott … Wir können keinen göttlichen Zweck und keine
göttliche Vorsehung für die menschliche Spezies entdecken …
Mo­ralische Werte haben ihre Quelle in menschlicher Erfahrung,
sie brauchen keine theologische Billigung.«
Humanismus wird in der Tat unverhohlen eine »Religion«
genannt! Christen wissen oft nicht, wo die Frontlinie verläuft,
und übernehmen dann unkritisch die Begriffe so, wie sie von der
gegnerischen Seite definiert werden.

• 23 •
Die Verschiedenheiten
••
Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, Gerechtigkeit im Sinne
von Gleichheit aufzufassen, dass wir gerade die offensichtlichen
Verschiedenheiten übersehen, mit denen uns der Schöpfer aus-
gestattet hat. Vielleicht sollte man sie vorsichtshalber als »Unter-
schiede« anstatt als »Verschiedenheiten« bezeichnen, da das
zweite Wort oft ein Werturteil einzuschließen scheint. Zu den
von Gott gewirkten Unterschieden gehören Rasse, Geschlecht,
Hautfarbe und Intelligenz-Quotient. Man hat Menschen als Ras-
sisten und Sexisten bezeichnet, nur weil sie überhaupt Notiz von
der Existenz verschiedener Rassen und Geschlechter nahmen. Es
ist bisweilen schwierig zu beurteilen, was die Begriffe wirklich
bedeuten.
Neulich stiegen wir in einem Hotel ab, wo ein Treffen von
Lehrern schwarzer Kinder stattfand. Niemand hat etwas gegen
eine solche Organisation. Niemand nennt sie rassistisch. Aber
wenn es ein Treffen von Lehrern weißer Kinder gewesen wäre,
hätte vielleicht jemand dagegen protestiert.
Lehrer wagen nicht, das begabte Kind auszusondern und sei-
nen Leistungen gemäß zu belohnen. Es könnte ja als ein Her-
absetzen von weniger begabten Kindern aufgefasst werden.
Andererseits wird leistungsschwachen Kindern eine besondere
Behandlung zugebilligt. Die Verleihung von Titeln halten man-
che Erzieher für undemokratisch oder gar für elitäres Denken,
wodurch das Selbstwertgefühl ernsthaft zerstört würde  –  wie-
der sind es die Dummen, deren Ich sorgfältige Behandlung erfor-
dert. Das Ich des Kindes, das eine Auszeichnung verdient hätte,
sie aber nicht bekam, hält man hingegen nicht für verletzbar.
Das Interesse an den Rechten von Kriminellen ist so angestie-
gen, dass man sie vor Gericht und manchmal sogar in Gefäng-
nissen bevorzugt behandelt. Manchmal scheint die Öffentlich-
keit ihnen mehr Sympathie entgegenzubringen als ihren Opfern.

• 24 •
Virginia Mollenkott und Letha Scanzoni haben ein Buch mit
dem Titel Is the Homosexual My Neighbor?14 geschrieben, in dem
sie eine »vertraglich geregelte homosexuelle Beziehung pro-
pagieren, einen Bund Gleichgeschlechtlicher«, der  –  so mei-
nen sie – die »Mitmenschlichkeit der Schöpfung« nicht verletzt.
Homosexuelle, so sagen sie uns, könnten sich dann mit dem
anderen Geschlecht »auf nicht-sexuelle Weise« vereinen.
Das alles sollte uns erst dann überraschen, wenn wir erfah-
ren, dass diese Frauen sich selbst als »biblische Feministinnen«
bezeichnen, und zumindest Mollenkott nennt sich selbst eine
»christliche Humanistin«. Beides scheint mir ein Widerspruch
in sich zu sein. Ihre Einstellung ist jedenfalls feministisch und
humanistisch. Es ist schwer einzusehen, wie sie feministisch
und humanistisch sein kann und zugleich biblisch und christ-
lich. Denn sie geht von der völlig weltlichen Voraus­setzung
aus, dass Mann und Frau nur in biologischer Hinsicht verschie-
den seien. Darüber hinaus gibt sie Anlass zu der Frage, ob über-
haupt ein sozialer oder moralischer Unterschied zwischen dem
Homosexuellen und dem Heterosexuellen gemacht werden kann
oder sollte. Irgendeinen Unterschied zwischen Mann und Frau
zu machen, ist nach Ansicht von Mollenkott und Scanzoni bes-
tenfalls Unkenntnis, schlimmstenfalls Bigotterie und Sünde. In
Wirklichkeit ist ihre Neuordnung der Gesellschaft kein Fort-
schritt, sie basiert auf einer völlig falschen Vorstellung von Gott,
Mensch und Welt und führt schließlich zu Zerfall und Chaos.
Was uns hier interessiert, ist der Unterschied zwischen Mann
und Frau, nicht der Unterschied zwischen Homosexuellen und
Heterosexuellen. Aber es ist notwendig, beides zu untersuchen,
da der Feminismus das grundsätzliche Problem verdeckt hat.
Einige Feministinnen sähen gerne, dass wir von dem Unter-
schied zwischen Mann und Frau ebenso wenig Notiz nähmen
wie von dem Unterschied zwischen »fröhlich« und »redlich«, als
ob der erste Unterschied nicht sonnenklar und der zweite nicht

14 Auf Deutsch so viel wie »Ist der Homosexuelle mein Nächster?«.

• 25 •
undurchsichtig wäre. Männlichkeit und Weiblichkeit strahlen
als Bestandteile des ursprünglichen Plans Herrlichkeit aus. Sie
leuchten. Sie sind die Normen, die in sich selbst etwas von dem
Bild Gottes tragen. Homosexualität dagegen ist eine Ab­weichung
von dem ursprünglichen Plan. Sie verdunkelt die Herrlichkeit
des Bildes Gottes.
Oft begegne ich Frauen, die sich selbst als Feministinnen
bezeichnen, weil sie leidenschaftlich an die »Gleichheit der
Geschlechter« glauben. Aber sie würden sich gegen die Mollen-
kott-Scanzonische Verteidigung eines homosexuellen Lebensstils
wehren. Sie haben das Problem eben nicht gründlich durchdacht.
Es ist äußerst wichtig zu beachten, dass, sobald die erste Prä-
misse des Feminismus zugestanden wird (dass der Unterschied
der Geschlechter bloß biologisch ist und nicht theologisch), es
dann vernünftig scheint zu schließen, Männer und Frauen dürf-
ten ihre »sexuellen Vorlieben« zum Ausdruck bringen. Wo man
das eigentliche Wesen und die Bedeutung der Geschlechtlichkeit
verkennt, wird sie eher zur Geschmackssache anstatt zum Prin-
zip.
Mollenkotts Schlussfolgerung überrascht mich überhaupt
nicht. Was mich überrascht, ist ihre Forderung, sich der Auto-
rität der Bibel zu unterwerfen, wo sie doch diese Autorität
gerade radikal infrage stellt. Wo die Geschlechtlichkeit des Men-
schen nicht mehr als ein Sinnbild erkannt wird, oder wo dieses
wichtige Sinnbild seine Bedeutung eingebüßt hat, kann selbst­
verständlich behauptet werden, die Gleichheit der Geschlechter
sei entscheidend. Wenn man dagegen die Geschlechtlichkeit des
Menschen als einen unerlässlichen Bestandteil des Bildes Gottes
sieht, die auf ein Geheimnis hinweist, dann ist die Vorstellung
von Gleichheit völlig fehl am Platze.
Die Sprachverwirrung zeigt die Verwirrung des Denkens an.
Sexuelle Ausschweifungen nehmen zu, weil niemand mehr die
moralischen Grundsätze ernst nimmt. Die daraus ent­stehende
Verwirrung zeigt sich im Wortschatz. Ein an sich guter poli-
tischer Begriff wie »Gleichheit« wird auf alles Mögliche an­­

• 26 •
gewandt, einerlei, ob der Zusammenhang politisch ist oder
nicht. Allmählich erhält das Wort die Bedeutung »so viel wert
sein wie« oder »etwas wert sein« oder einfach »menschlich sein«.
Ich habe ganz unterschiedliche Fälle erwähnt, in denen das Wort
ver­­wendet wurde. Sie machen deutlich, wie schwer es ist, zu
erfassen, was wirklich unter dem Wort zu verstehen ist.
Ich würde nicht einen Augenblick lang meinen, dass der
Unterschied zwischen Mann und Frau auf derselben Ebene liegt
wie der Unterschied beispielsweise zwischen gescheiten und
dummen Leuten oder zwischen Kriminellen und gesetzestreuen
Bürgern oder zwischen Homosexuellen und Hetero­sexuellen.
Doch diese Unterschiede werden oft unkritisch behandelt, sodass
wir prüfen müssen, ob sie wichtig sind und wie wichtig sie sind
und inwiefern das Wort »Gleichheit« auf sie zutrifft.
Geschlechtlichkeit ist ein herrliches Unterscheidungsmerk-
mal. Ich wage, es sogar ein herrliches »Verschiedenheitsmerk-
mal« zu nennen, damit wir verstehen, wie wichtig es ist und wie
ganz und gar unauswechselbar Mann und Frau sind. Wenn wir
das begreifen, werden wir uns darüber freuen – uns freuen, dass
Gott daran gedacht und ihm eine so große Bedeutung beigemes-
sen hat. Weit davon entfernt, es herunterzuspielen, möchten wir
es vielmehr rühmen.

• 27 •
Von dem die Unterschiede stammen
••
Gott bringt Unterschiede hervor! Wir haben schon erwähnt,
dass das Sechs-Tage-Werk einige scharfe Gegensätze zur Folge
hatte. Die Erde war zunächst »wüst und leer, und Finsternis war
über der Tiefe«.15 Mit dem mächtigen Befehl »Es werde Licht!«16
wurde es Licht. Gott trennte die Dinge (wie das Licht von der
Finsternis17) und gab ihnen Namen (wie »Tag« und »Nacht«18).
»… Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag.«19
Dann trennte er die Wasser unter der »Ausdehnung« von den
Wassern über der »Ausdehnung« und nannte die »Ausdehnung«
»Himmel«. Das war am zweiten Tag.20
Und so weiter. Fünf Tage lang fuhr Gott fort, Unterschiede
hervorzubringen. Er machte das trockene Land und die Meere,
die Pflanzen und die Bäume. Er ließ Sonne und Mond er­strahlen,
um Tag und Nacht zu beherrschen. Dann bildete er Lebe­wesen,
die dem Medium angepasst waren, in dem sie leben sollten:
Vögel, um in der Luft zu fliegen, und Fische und andere Meeres-
tiere, um die Meere zu bevölkern (erst gestern wurde an einem
nahe gelegenen Strand eine 400  Pfund schwere Riesenkrake
angespült, und zehn Männer mussten sie forttragen), Kriechtiere
und »Tiere der Erde«,21 um auf dem trockenen Land zu leben.
»Und Gott sah, dass es gut war.«22
Er krönte sein gewaltiges Werk, indem er das herrlichste von
allen irdischen Geschöpfen ins Leben rief  –  den Menschen  –,
geschaffen in seinem Bilde und dazu bestimmt, über die ganze
Erde zu herrschen. Aber selbst dieses Geschöpf erschien, wie

15 1. Mose 1,2.
16 1. Mose 1,3.
17 Vgl. 1. Mose 1,4.
18 Vgl. 1. Mose 1,5.
19 1. Mose 1,5.
20 Vgl. 1. Mose 1,6-8.
21 Vgl. 1. Mose 1,24.
22 1. Mose 1,10.12.18.21.25.

• 28 •
andere Lebewesen, in zwei unterschiedlichen Formen: männ-
lich und weiblich. Der Unterschied war Gottes »Einfall«. Wir hät-
ten nicht daran gedacht. Stell dir eine geschlechtslose Welt vor.
Wenn man ein langweiliges Kaff sucht, das wär’s, nicht wahr?
Wir wissen zur Genüge, wie es in der »Unisex«-Welt der Blue
Jeans aussieht. Wenn Männer und Frauen den geschlechtlichen
Unterschied bejahen und sich darüber freuen, dann kommt
Farbe, Sinn und Vielfalt in ihr Leben hinein. Wenn sie anfangen,
den Unterschied zu leugnen oder zu glauben, dass er irgendwie
verwischt werden sollte, dann ziehen sie die ganze Farbe wieder
heraus (nur nicht die Textilfarben, obwohl sie auch da ver­suchen,
einiges zu bleichen, damit das Kleidungsstück »modern« wird).
Es fällt einem schwer, die Männer von den Frauen zu unter-
scheiden, wenn am Wochenende alles vom College aus-
schwärmt: mit Daunenjacke und Rollkragen, in Jeans und klo-
bigen Schuhen, die Haare bis in die Augen herabhängend, den
Rucksack über der Schulter.
»Du liebe Zeit!«, werden da einige von ihnen sagen. »Sie mag
uns nicht!«
Aber ich finde es einfach schade! Noch eine Unterscheidung
über Bord geworfen! Du bist klug genug, Peter, um zu er­kennen,
dass ich nicht verdamme. Ich beschreibe. Und wenn die Be­­
schreibung zutrifft, dann geraten die Leute in Verlegenheit. Ich
halte ihnen nur einen Spiegel vor und sage ihnen: »Schaut euch
selbst an! Was seht ihr?« Wenn sie Eintönigkeit erblicken, ver­
anschaulicht das meinen Standpunkt: »Gleichmachen« bedeutet
»der Herrlichkeit berauben«.

• 29 •
Nur eine Person
••
Nach einem Vortrag, den ich in einer Gemeinde in Boston hielt,
kam eine Person (ich gebrauche bewusst dieses Wort) auf mich
zustolziert, die Hände in den Jeanstaschen vergraben, das kämp-
ferische Kinn nach vorn geschoben und energisch ein Kaugummi
bearbeitend.
»Wissen Sie, ich bin mit vielem, was Sie da sagen, nicht ein-
verstanden.«
»In Ordnung! Sie müssen nicht mit mir übereinstimmen. Aber
können Sie das ein wenig erläutern? Nennen Sie mir zwei Dinge,
mit denen Sie nicht einverstanden sind!«
»Ja, ich weiß nicht, ich meine, zum Beispiel, wissen Sie, ich mag
eben einiges von dem Zeug nicht, das Sie da über Frauen sagen.«
Ich hatte keine Zeit, den Unterschied zwischen »nicht mögen«
und »nicht übereinstimmen« zu erklären. Ich stelle immer wie-
der fest, dass die Studenten in meinem Seminar beides oft ver-
wechseln. Abneigung ist reine Geschmackssache. Niemand kann
mit Geschmack argumentieren. Aber wenn man mit etwas nicht
einverstanden ist, muss man es widerlegen können. Man muss
fähig sein, die Löcher in der Logik zu zeigen, oder einen Fall
anführen, der die Logik des anderen zertrümmert. Aber ich ließ
mich auf die Worte dieser Person ein.
»Na gut! Sagen Sie mir, was sie nicht mögen?«
»Ja, zum Beispiel, wissen Sie, ich mag es eben nicht, von mir
selbst, na ja, als Frau zu denken.« Das Kaugummi nahm eine ent-
setzliche Form an.
»Wirklich? Wie möchten Sie denn dann über sich denken?«
»Eben nur als Person, wissen Sie?«
Alles an dieser Frau bezeugte, dass sie sich in dieser Hinsicht
abmühte. Sie tat ihr Bestes, keine Frau zu sein. Aber es war ein
armseliger Anblick  –  denn, denk einmal darüber nach, es gibt
nicht so viele Möglichkeiten. Es gibt nicht so etwas wie eine

• 30 •
geschlechtslose Person. Eine Person zu sein bedeutet, ein Mann
oder eine Frau zu sein. Deshalb wird sie sich wohl so offensicht-
lich wie ein Mann benommen haben  –  wie ein ungehobelter
obendrein.
Sie tat mir leid, Peter. Du kennst diesen Menschentyp. Wir
haben darüber gesprochen und waren uns einig, dass es Tau-
sende gibt, die wie sie betrogen wurden. Man hat sie dahin
gebracht, dass sie das Gefühl hatte, Geschlechtlichkeit sei etwas,
dessen man sich schämen müsse  –  und das im Zeitalter der
»Freiheit«! Sie hat tatsächlich jenen manchmal sehr klugen, aber
immer unlogischen Frauen Glauben geschenkt, die ihr erzählten,
ihre Freiheit bestehe darin, möglichst so zu werden, dass man sie
von Männern nicht mehr unterscheiden kann. »Tu ihre Sache«,
scheinen sie zu sagen, das heißt: »Tu, was Männer tun!«
Das Humanistische Manifest, das von vielen der freimütigs-
ten feministischen Führer unterzeichnet wurde, erklärt, dass
keine Form des sexuellen Verhaltens zwischen Erwachsenen ver-
boten werden sollte, auch sollten »die vielen Spiel­arten sexuel-
ler Erkundungen« nicht als schlecht betrachtet werden. Wör-
ter wie »ideal«, »normal«, »Männlichkeit« und »Weiblichkeit«
sind nach Meinung vieler Feministinnen der Freiheit ab­träglich,
weil sie auf Haltungen der Intoleranz deuten, die das se­xuelle
Verhalten ungebührlich hemmen. Mit anderen Worten: Ein
Ziel der Er­ziehung in öffentlichen Schulen ist, Kindern  –  sogar
Erst­klässlern  – die »Freiheit« zu gewähren, sich für Bisexuali-
tät, Asexuali­tät, Homosexualität oder Heterosexualität »zu ent­
scheiden«. Die »Nationale Organisation der Frauen« ist ent-
schlossen zu er­reichen, was sie »volle Rechte für lesbische
Frauen« nennt. Und die »Allianz homosexueller Lehrer« kämpft
in Kalifornien dafür, dass der Sexualunterricht an Grundschulen
das Thema Homosexualität einschließt. Gloria Steinem beklagte
1977 auf der Versammlung zum Internationalen Frauenjahr in
Colorado, dass wegen des häufigen Fehlens des Themas Homo­
sexualität im Sexualunterricht die »Kinder ihrer vollen mensch-
lichen Be­gabung beraubt werden«.

• 31 •
Kein Wunder, dass das arme Mädchen in Boston sich schul-
dig fühlte, weil es eine Frau war. Das Leben wäre doch so viel
leichter, so schien es ihm, wenn wir das Geschlecht vergessen
könnten. Es wusste nicht, wohin es gehörte. Auch viele Männer
wissen nicht, wohin sie gehören, und dadurch geraten wir in ein
Dilemma.

• 32 •
Das Dilemma, in dem wir stecken
••
Vor einigen Monaten trafen sich 150 Männer und Frauen in der
Harvard Divinity School (einem katholisch­-theologischen Semi-
nar) zur Zweiten Konferenz der lesbischen und homo­sexuellen
Seminaristen. Ein gewisser Brian McNaught erzählte die
Geschichte seines »Wasserfastens«, des Versuchs, seinen Bischof
wenigstens dazu zu bewegen, dass er die »Gleich­berechtigung
von Homosexuellen als Gottes Kinder« anerkannte, wenn er sie
schon nicht ordinierte. Da taucht das Wort schon wieder auf!
Wir würden zustimmen, dass unter den Kindern Gottes genauso
Homosexuelle wie auch alle anderen Arten von Sündern sind
– Paulus zählt eine ganze Liste davon in 1.  Korinther  6 auf:
»Hurer [Unzüchtige], Götzendiener, Ehebrecher, Weichlinge,
Knabenschänder, Diebe, Habsüchtige, Trunkenbolde, Schmä-
her, Räuber«.23 »Und solches sind einige von euch gewesen;
aber ihr seid abgewaschen  …«24 Das ist die Bedingung! Ganz
sicher würde kein gläubiger Christ ehe­malige Homo­sexuelle aus
der Gemeinde ausschließen wollen, wenn sie sich im Blut Jesu
gereinigt haben und »… geheiligt [sind,] … gerechtfertigt wor-
den [sind] in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist
unseres Gottes«.25 Aber was jene Seminaristen forderten, war
die Annahme und Gleichberechtigung praktizierender Homo­
sexueller, einerlei, ob sie Buße tun würden oder nicht. Sie ver-
langten das Ausmerzen eines Unterschieds, der nicht nur gesell-
schaftliche, sondern für den Christen auch moralische Folgen hat.
Denn gemäß dem Wort Gottes ist sexuelle Betätigung strikt auf
die Ehe beschränkt. Wenn jemand sich zum gleichen Geschlecht
hingezogen fühlt, dann ist er wie alle anderen, die nicht verheira-
tet sind, zur Ehelosigkeit verpflichtet.

23 Vgl. 1. Korinther 6,9-10.
24 1. Korinther 6,11.
25 Ebd.

• 33 •
Eine andere Frau auf derselben Seminaristenkonferenz
»erfüllte uns mit Freude«, so schrieb Suzanne Searle, »als sie uns
sagte, dass wir besser als irgendjemand sonst wissen, was die
Fleischwerdung des Wortes bedeutet, weil wir sie täglich aus-
leben … Wir, die Lesbierinnen und Homosexuellen der Kirche,
sind Narren für Christus … Wir sind ein Volk, ein starkes Volk,
und ein großes Volk. Wer sich uns anschließen möchte, ist herz-
lich nach New York in diesem Frühjahr eingeladen.«
Die Argumente, die angeführt werden, um Homosexualität
zu begünstigen, wurden in einem satirischen Artikel von Monday
Morning, einer Zeitschrift für Pastoren, behandelt. Der Schrei-
ber stellt sich eine Zeit in naher Zukunft vor, wo ein Kandidat
zur Ordination vom Presbyterium abgelehnt wird, nur weil er
unumwunden und stolz bekennt, die Vielweiberei zu praktizie-
ren:

Ich kann mir keine lieblosere und unchristlichere Handlung


vorstellen als dieses Urteil. Man hat mich für »moralisch un­­
fähig« erklärt, in der Vereinigten Presbyterianischen Kirche
der Vereinigten Staaten von Amerika ein Lehramt zu über­
nehmen … Es ist an der Zeit, dass wir, die am meisten vernach-
lässigte, unterdrückte, missverstandene und verhasste Min­
der­­heit in dieser ungerechten Gesellschaft volle An­­erkennung
und gleiche Rechte erhalten … Ich bin zutiefst erschüttert über
diese schroffe Verdammung durch den Leib Christi.
Als ob drei oder auch vier Erwachsene nicht ein sinnvolles
und dauerhaftes Liebesverhältnis haben könnten! Polygamie
ist keine Promiskuität! … Was die häufig zitierte Aussage des
Apostels Paulus in 1. Timotheus 3,2 betrifft, ein Aufseher solle
der »Mann einer Frau« sein, so kennen wir seine Probleme bei
der Behandlung sexueller Fragen. Jedenfalls sind sich heute
die meisten Gelehrten darüber einig, dass er sich wahrschein-
lich auf einen besonderen Missbrauch in einer spe­­ziellen
Gemeinde bezog, der nicht auf alle Christen in jeder Situation
zutrifft.

• 34 •
Es ist an der Zeit, dass wir Polygamisten aus der Einengung
ausbrechen und unsere Rechte fordern. Die Kirche sollte die-
sen Vorstoß zu einem neuen Zivilrecht anführen.

Der Schreiber des Artikels gab sich als monogam aus und
erwähnte, dass er ein gutes Verhältnis zu seinen Presbytern habe.
Wir mögen seine Satire belächeln – doch ihre genaue Erfüllung
ist heute schon sichtbar … Nur einen Monat, nachdem ich diesen
letzten Satz geschrieben hatte, erfuhr ich von einer Organisation,
die sich selbst »christlich« nennt und ernsthaft den Inzest als eine
wertvolle »christliche Alternative« propagiert. Auch das Maga-
zin Time druckte einen Artikel mit dem Titel »The Last Taboo«26
ab, in dem berichtet wird, dass viele den Inzest nicht mehr für
strafbar oder abnorm halten.
Seabury Press, das offizielle Verlagshaus der Episkopal­
kirche, hat vor Kurzem ein Buch mit dem Titel »The Sex Atlas«
herausgegeben, in dem der Autor Erwin J. Haeberle jede »Ein-
mischung der Gesellschaft im Falle von sexuellem Verkehr zwi-
schen Mensch und Tier« strikt ablehnt. Belästigung von Kindern
und Inzest »sollten nur dann Verbrechen genannt werden, wenn
sie ohne Einverständnis der Kinder geschehen«. Bei der Paarung
eines Menschen mit einem Wasserbüffel sollen wir dann wohl
annehmen, dass das Tier damit »einverstanden« war.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Bücher mit Titeln wie
»Ist der Pädophile mein Nächster?« oder »Ist der Polygamist mein
Nächster?« von Autoren erscheinen, die sich »evangelikal« nen-
nen. Die Antwort wird natürlich heißen: »Ja!«  –  Mein Nachbar
braucht mich, wie der unter die Räuber Gefallene in Jesu Gleich-
nis den Samariter brauchte.27 Der Samariter schloss nicht wie der
Priester seine Augen vor der Lage des Mannes und ging nicht
an ihm vorüber, sondern erkannte, dass er Hilfe brauchte. Doch
diese Hilfe besteht nach der Bibel einzig darin, dass alle Männer
und Frauen errettet werden müssen. Ihnen ist nicht geholfen mit
26 Auf Deutsch so viel wie »Das letzte Tabu«.
27 Vgl. Lukas 10,30-35.

• 35 •
dem Gerede: »Bei mir ist alles in Ordnung, und bei dir wird auch
schon alles in Ordnung sein!« Die richtige Arznei (wie Öl und
Wein im Gleichnis) muss zur Anwendung kommen. »Das Blut
Jesu … reinigt uns von aller Sünde.«28
Aber wenn die ursprüngliche, die lebenswichtige Unter-
scheidung zwischen Mann und Frau verlorengeht, werden wir
schließlich auch keine Unterschiede im sexuellen Verhalten mehr
erkennen. Das ist die logische Folgerung. Wenn Geschlechtlich-
keit keine transzendente Bedeutung hat, dann ist es ganz egal,
mit wem du ins Bett gehst. Dann sind Promiskuität, Homo­
sexualität, Inzest, Sodomie und jede andere Perversion erlaubt.
Hingegen beruht die einzig gültige Berechtigung, solch ein Ver-
halten zu verurteilen, auf der von Gott eingesetzten Beziehung
zwischen Mann und Frau.

28 1. Johannes 1,7.

• 36 •
Eine Lotrechte im Raum
••
Vor Jahren las ich einmal einen faszinierenden Bericht über
fünf Männer, die acht Tage in einer Raumkapsel verbracht hat-
ten. Was sie wegen der Schwerelosigkeit durchstehen muss-
ten, machte mir spontan klar, wie wichtig es für uns ist zu wis-
sen, wo oben und unten ist. Die Männer hatten keine »Lotrechte
im Raum«, das heißt, keinen Bezugspunkt außer ihrem eigenen
Körper – denn die Raumkapsel, in der sie waren, war ein Zylin-
der, der relativ zu ihnen »geneigt war«. Sie konnten nicht gehen,
sie schwebten. Sie mussten sich von der Wand abstoßen in
der Hoffnung, ungefähr dorthin zu gleiten, wo sie hinwollten.
In diesem Zustand der Schwerelosigkeit konnten sie unmög-
lich baden, weil das Wasser nicht in der Badewanne blieb. Sie
konnten nicht duschen, weil das Wasser nicht herabfloss. Es
schwebte wegen der Oberflächenspannung in Form von Kügel-
chen herum, oder wenn es mit etwas in Berührung kam, bildete
es wegen der Kohäsion an jeder Oberfläche Halbkugeln. Tablet-
ten ließen sich nicht so einfach aus einer Schachtel nehmen, und
die Speise blieb nicht auf der Gabel liegen. Bücher entfalteten
sich wie Blüten, die zotteligen Haare eines Mannes sahen aus
wie ein wilder Sandsturm, und die Gesichter der Männer waren
aufgedunsen, weil das Blut infolge der fehlenden Schwerkraft
nicht zu den Füßen hinabgezogen wurde. Wenn sich einer der
Männer rasieren wollte, musste er sein Etui vorsichtig öffnen,
damit nicht alles herausflog  –  und oft musste er sich krampf-
haft bemühen, sein Rasiermesser und seine Rasiercreme aus der
Luft zu schnappen. Als ein Mann mit dem Schraubenzieher eine
Schraube festziehen wollte, drehte die Schraube ihn. Sein ganzer
Körper drehte sich im Kreis, während die Schraube sich über-
haupt nicht bewegte.
Nichts ging so, wie es gehen sollte. Sogar die Sonne ging in
vierundzwanzig Stunden sechzehn Mal auf und unter.

• 37 •
Als man einen der Männer wegen der extremen Orientie-
rungslosigkeit befragte, die sie in jenen endlosen Wochen erfah-
ren hatten, sagte er: »Ach, das ist so ekelhaft, dass ich nicht ein-
mal darüber reden möchte. Man möchte, dass die Dinge ihre
Ordnung haben.«
In Sprüche 19,10 heißt es: »Nicht geziemt einem Toren Wohl-
leben; wie viel weniger einem Knecht, über Fürsten zu herr-
schen!«
Der Prophet Jesaja beschreibt den Tag des Herrn der Heer-
scharen als eine schreckliche Zeit, wo wegen Gottes Gericht
Unordnung herrschen wird.
»Der Herr … nimmt von Jerusalem und von Juda Stütze und
Unterstützung weg … Held und Kriegsmann, Richter und Pro-
phet und Wahrsager und Ältesten; den Obersten über Fünfzig
und den Angesehenen und den Ratgeber und den geschickten
Künstler und den Zauberkundigen. Und ich werde Jünglinge zu
ihren Fürsten machen, und kleine Kinder sollen über sie herr-
schen. … Mein Volk – seine Bedrücker sind kleine Kinder, und
Frauen herrschen über es. Mein Volk, deine Leiter führen irre,
und den Weg deiner Pfade haben sie zunichtegemacht.«29
Chaos! Aber klingt das nicht vertraut? Alles durcheinander!
Diejenigen, die rechtmäßig Autorität besitzen, sind ihrer beraubt,
während diejenigen, die normalerweise Untergebene sind, nun
eine verantwortliche Stellung innehaben. Wir brauchen eine Lot-
rechte im Raum, einen Bezugspunkt, der von uns selbst verschie-
den ist – einen, der sich nicht verschiebt.

29 Jesaja 3,1-4.12.

• 38 •
Die alte Geschichte
••
Alle Völker haben ihre Mythen und Sagen, in denen berichtet
wird, wie Himmel und Erde und alles Lebendige entstanden
sein sollen. Das Wichtigste an diesen Geschichten ist aber, dass
mit ihnen die vorherrschenden sittlichen Normen be­gründet
und gerechtfertigt werden.
Wenn ich zum Beispiel sagen würde, der Bericht aus 1. Mose
über die Schöpfung und den Sündenfall des Menschen sei ein
solcher Mythos, dann würden einige Leser froh, andere aber auf-
gebracht sein. Ich sage in der Tat, dass auch wir in der Bibel sol-
che »Geschichten vom Anfang« haben, die aber wahr sind, weil
Gott sie uns gegeben hat, und aus denen wir lernen sollen, wie
Gott uns gedacht hat. Und als solche bezeugen sie dem tiefs-
ten Bewusstsein in uns, was es heißt, ein Mensch zu sein. Wir
alle haben in uns das Bewusstsein, dass der Mensch sich radi-
kal vom Tier unterscheidet, dass es weit wichtiger ist, ein Mann
oder eine Frau zu sein, als kein Fell, keine Federn und keine
Flossen zu besitzen, und dass wir als rationale Geschöpfe auch
Ver­antwortung haben. Dieses Bewusstsein wird durch die
Schöpfungs­geschichte erklärt, die wie die ganze Bibel von Gott
inspiriert ist. Wir erhalten durch sie unseren Sinn und finden in
ihr unsere Lotrechte.
Wir sahen, was im ersten Kapitel der Bibel über den Anfang
ausgesagt wird. Das zweite Kapitel der Bibel berichtet ausführ­
licher über die Erschaffung des Menschen. Wir erfahren, dass
der Mann zuerst erschaffen wurde.
Ich besuchte einmal in Texas eine Klasse, in der sogenannte
»außergewöhnliche Kinder« waren, nämlich Kinder mit Lern-
schwierigkeiten. Die Lehrerin hatte mich darauf vorbereitet, dass
die Kinder normalerweise sehr schüchtern seien, wenn ein Frem-
der zugegen ist, aber sie versprach, ihr Bestes zu tun, dass die
Kinder mit mir sprechen. Sie wusste, dass ich das gern wollte.

• 39 •
»Erzählt der Dame doch einmal«, sagte sie zu den Schülern,
»woraus Gott den ersten Menschen machte.«
»Dreck!«, rief ein kleiner Junge.
»Gut! Und was machte er dann?«
»Er blies Sinn in ihn hinein!«, rief ein anderer.
Das war eine wirklich lebhafte Übersetzung von: »Und Gott
der Herr bildete den Menschen, Staub vom Erdboden, und
hauchte in seine Nase den Odem des Lebens …«30
Wir könnten aus allem, was wir bisher über die beiden
Geschlechter gelernt haben, folgern, dass sie »gleich« sind mit
Ausnahme eines (kleineren?) Details der Standard-Ausrüstung
zum Zweck der Vermehrung. Da musste verständlicherweise ein
Unterschied sein – aber nur, damit es funktionierte. Sonst hatte
es keine Bedeutung.
Wirklich nicht? Wir sollten besser auf einige Einzelheiten in
diesem zweiten Kapitel achten. Sie lehren uns einige Fakten, die
ein viel tieferes Geheimnis in diesem Bereich der Geschlechtlich-
keit vermuten lassen, als man vielleicht im ersten Kapitel wahr-
genommen hat. Diese Fakten weisen auf das hin, was ich die
»lebenswichtigen Gemeinsamkeiten« nenne.
Alles, was Gott machte, erschien ihm gut oder sehr gut, bis er
zu etwas Besonderem kam. Er hatte den Mann in seinem Bilde
erschaffen, hatte »Sinn in ihn geblasen«, ihn in einen Garten
gesetzt und ihm Arbeit gegeben, ihn mit Nahrung versorgt, ihn
über die eine Gefahr unterrichtet und dann »bemerkt«, wenn wir
dieses Wort gebrauchen dürfen, dass eines nicht gut war. Es war
nicht gut, dass der Mann allein war. Er brauchte einen zu ihm
passenden Helfer. Dann brachte Gott der Herr Tiere des Feldes
und Vögel des Himmels, die er »aus dem Erdboden«31 gemacht
hatte, zu dem Mann, »um zu sehen, wie er sie nennen würde«.32
Ich stelle mir lebhaft vor, wie Gott ein Tier nach dem anderen zu
Adam brachte und wartete, bis Adam sich Namen für sie aus­

30 1. Mose 2,7.
31 Vgl. 1. Mose 2,19.
32 Vgl. 1. Mose 2,19.

• 40 •
gedacht hatte. Was immer Adam sich ausdachte, Gott war damit
zufrieden. Aber in dem ganzen Zoo, von der Ameise bis zum
Zebra, gab es keinen einzigen Helfer, der Adam wirklich ent-
sprach. Es gab kein Tier, das den Besonderheiten des Mannes
angemessen war.
Deshalb schuf Gott einen Helfer, der dem Mann entsprach. Er
ließ Adam in tiefen Schlaf fallen und nahm eine seiner Rippen,
schloss die Stelle mit Fleisch und schuf aus der Rippe eine Frau.
Es gibt da noch eine weitere Einzelheit, auf die ich eingehen
möchte: die erste Begegnung der beiden. Gott brachte dieses
brandneue Geschöpf zu Adam, und Adam erkannte es sofort als
zu ihm gehörig. Die Geschichte ist an dieser Stelle sehr kurz, viel
zu kurz für meine Begriffe. Ich hätte gern etwas Näheres darüber
gewusst, wie beide genau aussahen, wie sich Eva dem Adam
näherte, wie er sie anschaute, was er dachte und ob Gott etwas
sagte, als er sie Adam vorstellte. Doch wir wissen alles, was
wir wissen müssen. Adam gab ihr einen Namen. Er nannte sie
»Frau« – ischah im Hebräischen, weil sie vom Mann, isch, genom-
men war.
In dieser kleinen Geschichte, die nur 17 Verse umfasst33, kön-
nen Mann und Frau ihre »Lotrechte« finden. Vier äußerst wich-
tige Ereignisse zeigen, wo die Frau im Verhältnis zum Mann
steht. Ich sehe darin, wer ich als Frau bin und wer du als Mann
bist.
1. Sie wurde für den Mann gemacht. Den Besonderheiten ent-
sprechend war sie von Gott dazu bestimmt, seine Bedürfnisse
genau auszufüllen – ihm angemessen zu sein und auf ihn einzu-
gehen.
2. Sie wurde aus dem Mann gemacht, buchstäblich, aus einer
seiner Rippen erbaut. Er war der Grund ihres Seins, ihre Quelle,
ein Wort, das im griechischen Neuen Testament auch »Haupt«34
bedeutet. Wenn man die Aussage von 1. Mose 2 nicht erfasst hat,
kann man in 1. Korinther 11,8-9 nachschlagen: »Denn der Mann
33 Vgl. 1. Mose 2,7-23.
34 Vgl. 1. Korinther 11,3.

• 41 •
ist nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann; denn der
Mann wurde auch nicht um der Frau willen geschaffen, sondern
die Frau um des Mannes willen.«
»Na ja«, hat man mir gesagt, »Sie deuten die Dinge eben auf
Ihre Art. Es gibt eine Menge anderer Auslegungen.«
Wirklich? Dann nennen Sie mir doch drei Beispiele!
3. Sie wurde zum Mann gebracht. Gott machte Eva dem Adam
zum Geschenk, nicht den Adam der Eva. Sie gehörte ihm.
4. Sie erhielt vom Mann ihren Namen. Im Alten Testament
war die Vollmacht, jemanden zu benennen, äußerst wichtig. Es
bedeutete die Übernahme von Verantwortung. Der Mann nahm
Verantwortung auf sich.
Das ist die alte Geschichte.

• 42 •
Zu wunderbar für Salomo
••
Auf die alte Geschichte folgt ein »Darum«. Die einfache Tat­sache,
dass die Frau auf diese Weise erschaffen und mit dem Mann
zusammengebracht wurde, bedeutet die göttliche Ein­setzung
der Ehe. Die Konsequenzen dieser Einsetzung werden in dem
Satz angedeutet, der unmittelbar auf diese Geschichte folgt:
»Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter ver­lassen
[Verzicht] und seiner Frau anhangen [die Aufrichtung einer
neuen und beständigen gesellschaftlichen Einheit], und sie wer-
den ein Fleisch [völlige und unauflösliche Vertrautheit] sein.«35
Mann und Frau wurden getrennt erschaffen, um sich ver­
einigen zu können. Diese Vereinigung erforderte eine weitere
Trennung, jetzt von den Eltern. Mann und Frau sind dann nicht
mehr zwei, sondern »ein Fleisch«, wie Jesus den Pharisäern
erklärte.36 Gott hat sie vereint.
Das ist gar nicht so einfach, Peter. Manchmal hört man Men-
schen sagen, dass die Geschlechtlichkeit eine »völlig natürliche
Angelegenheit« sei, womit man meint, sie sei nicht anders oder
nicht wichtiger als Essen und Trinken. Da irrt man sich gewaltig!
In der gesamten Geschichte gab es Menschen, die wussten, dass
hier eine ganze Menge mehr auf dem Spiel steht als bei an­deren
»natürlichen Trieben«. Deshalb wurde die Geschlechtlichkeit
immer mit Zeremonien und Sanktionen, Vorschriften, Tabus und
Geheimniskrämerei umgeben.
Ich lernte bei den Auca-Indianern, dass sie sehr oft und sehr
frei über alle körperlichen Betätigungen sprachen, nur nicht
über die Geschlechtlichkeit. Wohl sprachen auch sie über das
Geschlecht, aber auf ganz andere Weise. Sie bezogen sich nicht
auf ihre eigenen Betätigungen. Sie machten Scherze über das ver-
meintliche Geschlechtsleben von jedem anderen und lachten sich
35 1. Mose 2,24.
36 Matthäus 19,5.

• 43 •
krank über die angebliche Vereinigung von irgend­jemandem mit
einer Baumkröte oder einem Tukan, aber sie kümmerten sich
nicht ernsthaft darum, was wirklich geschehen war, und ver­­
rieten auch ihre eigenen Tricks nicht.
Wer auch nur eine kurze Zeit über Geschlechtlichkeit nach-
denkt, begreift, dass es sich hier um ein Geheimnis handelt. Wer
versteht wirklich alles, was mit dem Verzicht, der neuen Einheit
und Intimität verbunden ist? Wer vermag die Dynamik zwischen
einem Mann und einer Frau zu erklären? Salomo, der weiseste
Mensch, der je gelebt hat, bekannte seine eigene Ohnmacht:

Drei sind es, die zu wunderbar für mich sind,


und vier, die ich nicht erkenne:
der Weg des Adlers am Himmel,
der Weg einer Schlange auf dem Felsen,
des Weg eines Schiffes im Herzen des Meeres,
und der Weg eines Mannes mit einer Jungfrau.37

Auch der Apostel Paulus gestand ein, dass die Ehe viel mehr ent-
hält, als er sich vorstellen konnte. Doch davon später.
Einige Feministinnen schätzen die Ehe so ein, als ob sie eine
teuflische Erfindung wäre. »Wir müssen die Institution der
gesetzlichen Ehe reformieren und abschaffen«, sagte Gloria Stei-
nem. In der Erklärung zum Feminismus, die 1972 in Minnea­polis
abgefasst wurde, hieß es: »Die Ehe hat zum Vorteil des Man-
nes bestanden. Das Ende der Institution Ehe ist eine notwendige
Bedingung für die Befreiung der Frauen. Wir müssen dafür sor-
gen, dass sie zerstört wird.«
Vor Kurzem beschrieb Germaine Greer in einem Fernseh-
interview, was sie ihr »gesetzeswidriges Geschlechtsleben«
nannte, und fuhr fort: »Die Ehe sollte ein sozioökonomischer
Vertrag sein. Jemanden zu heiraten, den man liebt, ist verrückt.«
Als Dick Cavett sie fragte, ob sie auch etwas Gutes über die Ehe

37 Sprüche 30,18-19.

• 44 •
sagen könnte, antwortete sie: »Hoffnungslos!« Wie steht es mit
Gott? Sie ließ keinen Zweifel darüber, was sie über dieses Thema
dachte: »Ich glaube nicht an Gott. Wenn es einen Gott gibt, dann
mag ich ihn nicht  –  ich meine, die Vorstellung. Er und ich ste-
hen auf verschiedenen Seiten. Ich würde mit ihm im Guerilla-
krieg liegen. Wenn es ihn wirklich gibt, was zum Teufel macht er
denn?«
Solche Frauen lassen sich ganz einfach gehen. Doch es gibt
Frauen, die ihnen blind folgen in der Hoffnung, dass sie Frei-
heit und Erfüllung erhalten. Die furchtbare Wahrheit ist aber,
dass ihnen Bindung und Zerstörung angeboten werden. Denn
sie wollen uns alle  –  Männer wie Frauen  –  jedes Geheimnisses
und letztlich unseres wahren Menschseins berauben. Man kann
nicht Mensch sein, ohne ein geschlechtliches Wesen zu sein. Man
kann nicht Mensch sein und nicht im Bilde Gottes gemacht sein.
Man kann nicht Mensch sein und kein Träger eines Geheimnis-
ses sein. Man kann nicht Mann in Bezug zur Frau sein und nicht
ganz dicht an eines der allertiefsten Geheimnisse herankommen.

• 45 •
Kein Kavaliersdelikt
••
Die alte Geschichte ist nicht nur ein Märchen, das man beim
Lagerfeuer erzählt: »Es war eine dunkle, stürmische Nacht …«
Sie hat etwas mit unserer augenblicklichen Situation zu tun, mit
etwas Umfassendem, Geheimnisvollem, das dennoch unleugbar
vorhanden ist. Sie ist der Schlüssel zum Wesen der Dinge.
Wir alle stehen in der Versuchung, die Dinge nur oberfläch-
lich zu betrachten und zu meinen: »Es ist nichts als dies oder
das«, und sie zu bloßen Gegenständen ohne »Innenleben« zu de­­
gradieren. Das ist kein »Kavaliersdelikt«, wie jemand es nannte,
nein, es ist ganz einfach schändlich. Das kann man nicht neu­tral
sehen. Ich meine, etwas für bedeutungslos zu halten, was vol-
ler Bedeutung ist, das ist schändlich. Wie es etwa schändlich ist,
den Namen Gottes zu »missbrauchen« und ihn gedankenlos aus­
zusprechen.38
Männlichkeit und Weiblichkeit werden schändlich be­handelt.
Ich kann sie nicht einfach ein für alle Mal festlegen oder alle
Auswirkungen bis ins Letzte darlegen oder im Einzelnen vor­
schreiben, wie sie heutzutage aussehen sollten. Sie sind, zu­­
gegeben, schwer fassbare Symbole. Ich kann nur versuchen, dich
in deiner Überzeugung zu bestärken, dass deine Ahnungen und
In­­tuitionen und dein undeutliches Bewusstsein von der Bedeu-
tung der Unterschiedlichkeit der Geschlechter richtig sind. Viel-
leicht sind es nur Blasen, die zur Oberfläche aufsteigen, aber es
gäbe keine Blasen, wenn nicht auf dem Grund etwas vorhan-
den wäre, was Blasen werfen kann. Es gibt etwas, was für deine
menschliche Natur und deine Identität als Mann unendlich viel
wichtiger ist, als es vielleicht irgendeine rechtliche oder gesell-
schaftliche Stellung sein könnte. Es gab eine Zeit, wo wir dies als
gegebene Tatsache annehmen konnten, obwohl uns dies gewöhn-

38 Vgl. 2. Mose 20,7.

• 46 •
lich nicht bewusst war. Es war etwas, was man mehr glaubte als
man es verstand. Aber mit den vielen wilden Absurditäten, die
uns heute serviert werden, ist die Zeit gekommen, dass wir her-
ausfinden müssen, ob es wirklich »nichts als« ein anatomisches
Detail ist.
Man spricht sehr viel über Scheidung, Abtreibung, »Heirat«
Homosexueller, über Ordination von Frauen oder Homosexuel-
len und über die Rolle von Männern und Frauen in der christ-
lichen Gemeinde und zu Hause. Leider vergeudet man damit
viel Zeit, weil die vorrangige Frage nie gestellt wird. Versuch es
einmal bei deinen Freunden, Peter! Stell ihnen einmal die wich-
tige Frage: »Ist Geschlechtlichkeit mehr als Biologie?« Sie wer-
den dich einen Augenblick entgeistert anschauen und fragen:
»Mann, wo kommst du her?« »Aber ich meine es ernst. Be­deutet
es etwas?« Sie werden nicht verstehen, wovon du eigentlich
sprichst, obwohl die meisten von ihnen über alles, was mit die-
sem Thema zusammenhängt, eine ganz klare Meinung haben.
Du brauchst nur die Möglichkeit eines Geheimnisses zu er­wägen,
und du wirst sehen, wie überrascht sie reagieren werden.
Daher ist es kein Wunder, dass es unwesentlich scheint, ob
Familien überleben oder sich auflösen, ob man mit Männern
oder Frauen ins Bett geht, ob Ehemänner die Führung in der Ehe
übernehmen oder Frauen »die Hosen anhaben«. Die Schändlich-
keit hat uns sorglos gemacht. Wie die Männer in der Raumkapsel
schweben wir überall dort, wo kein Gesetz mehr gilt. Dann wis-
sen wir nicht, wo oben und unten ist.

• 47 •
Männlichkeit heißt Initiative ergreifen
••
»Gott ist so männlich«, schrieb C. S. Lewis, »sodass die ganze
Schöpfung dagegen weiblich ist.« Die Erde hat man sich immer
schon weiblich vorgestellt  –  als »Mutter Erde« oder »Mutter
Natur«. Die Sonne denkt man sich  –  trotz des weiblichen Arti-
kels im Deutschen – jedoch oft männlich, oft als einen Gott. Die
Erde nämlich empfängt, man wirkt auf sie ein, und sie gibt als
Frucht zurück, was in sie gepflanzt wurde, während die Sonne
von der Erde nichts erhält, sondern in ihrer Kraft auf sie herab-
scheint und in ihr das Leben weckt. Hier haben wir das uralte,
tief eingeprägte menschliche Bewusstsein von Männlichkeit und
Weiblichkeit.
Die Natur, die draußen vor meinem Fenster ist, während ich
schreibe – der Atlantische Ozean –, scheint heute alles andere als
weiblich zu sein. Obwohl die Sonne an diesem Wintertag hell
scheint, tobt weit draußen auf dem Meer ein gewaltiger Sturm,
wie der Wetterbericht meldete, und darum tosen die Wellen und
schlagen gegen die riesigen Felsen unterhalb des Hauses, galop-
pierend wie Rosse mit gesenkten Häuptern und weißen wehen-
den Mähnen – so stürmen sie in die Felsen hinein, bäumen sich
auf zum Sprung, um dann in wallende Federn und Wolken aus
Gischt zu explodieren. Während das Wasser zurückgesaugt
wird, wirbelt der Schaum auf, ergießen sich tausend Ströme die
Felswand hinab, und dann ist es einige Sekunden still, als ob die
See vor dem nächsten Kavallerie-Angriff den Atem anhält. Die
Wucht, der Donner und die Angriffslust sind für mich männlich.
Wenn jemand meint, sie seien nur für mich männlich, und auch
nur wegen der üblichen Vorurteile, dann möchte ich ihn auf die
Dichtung, auf Legenden, Mythen und die Geschichte hinweisen.
Und natürlich auf die Bibel. Gott wählte Bilder der Stärke in der
Natur – von denen eins das Meer ist –, um sich darin selbst dar-
zustellen:

• 48 •
»Ich … werde viele Nationen gegen dich heraufführen, wie
das Meer seine Wellen heraufführt. Und sie werden die Mau-
ern von Tyrus zerstören und seine Türme abbrechen; und ich
werde seine Erde von ihm wegfegen und es zu einem kahlen
Felsen machen.«39
»Der Herr in der Höhe ist gewaltiger als die Stimmen großer
Wasser, als die gewaltigen Wogen des Meeres.«40

Doch sogar das Meer, so mächtig es auch erscheint, ist Gott unter-
tan. Das Meer ist sein, und er hat es gemacht. Es erhält seine Exis-
tenz und seine täglichen Befehle von dem Schöpfer und Erhalter
der Welt. Gott ist der Urheber, der Initiator. Und Männlichkeit
bedeutet im Grunde genau dies: Initiative er­­greifen. Die ganze
Schöpfung reagiert auf Gottes »Initiative«. Mehr kann die Schöp-
fung nicht tun.
Das Prinzip der Initiative wird deutlich in der Geschichte von
Adam und Eva illustriert. Sogenannte Wunschvorstellungen von
Männlichkeit sind tiefer als Stereotype. Stereotype haben mit der
Oberfläche der Dinge zu tun. Es sind feste und konventionelle
Vorstellungen davon, wie Menschen angeblich aussehen und
sich verhalten.
Allerdings sagen die großen »Befreier«: »Wir wollen von den
Stereotypen loskommen. Stereotype hindern uns. Sie sind durch
die Gesellschaft bedingt.«
Ich stimme dem zu. Womit ich nicht übereinstimme, ist die
Meinung, Männlichkeit sei bloß ein Stereotyp. Viele unserer Vor-
stellungen sind genaue Spiegelbilder von Archetypen – Formen
von stark emotionalem Charakter, die in gewisser Weise die
innere Struktur der Welt widerspiegeln. Sie sind ursprüngliche
Modelle oder Muster, aus denen alle anderen Dinge der gleichen
Art gemacht sind, also alles andere als gesellschaftlich bedingt.
Psychologen beschreiben manchmal den Glauben an Gott
den Vater als einfache Projektion des Stereotyps »Vater«. Ihnen
39 Hesekiel 26,3-4.
40 Psalm 93,4.

• 49 •
scheint niemals in den Sinn gekommen zu sein, dass wenn zwei
Dinge sich ähneln, man sich fragen sollte, ob das erste eine Kopie
des zweiten oder das zweite eine Kopie des ersten ist. Warum
sollte es nicht mindestens genauso logisch sein anzunehmen,
dass menschliche Väter Kopien des Originals sind? Wer die Bibel
als Maßstab nimmt, sieht Gott als Archetyp an. Von ihm sind alle
Vorstellungen darüber, wie Väter sein sollten, abgeleitet.
Bloße Stereotype zu beseitigen, weil sie nutzlos oder hinder-
lich geworden sind, kann sehr heilsam sein. Aber wenn wir in
dem Bemühen, sie loszuwerden, fälschlich angreifen, was in
Wirklichkeit ein Archetyp ist, geraten wir in große Schwierig­
keiten. Wir hatten versprochen, zu befreien und zu erleuchten,
aber stattdessen haben wir letztlich nur die Wahrheit über unsere
geschlechtliche Natur eingeschränkt und verdunkelt.
Gott ist der Initiator. Die Pronomen, die Namen und die Bil-
der, die er für sich selbst wählte, sind zum größten Teil männ-
lich. Dem Mann Adam übertrug er die Stellung des Initiators.
Ich schließe das aus der chronologischen Reihenfolge der Schöp-
fung. Adam wurde zuerst gemacht, dann Eva.41
Ich würde nicht wagen zu behaupten, dass dies Adams Voll-
macht über Eva beweise, wenn das alles wäre, was wir zum
Beweis anführen könnten. Die chronologische Reihenfolge
könnte in der Tat »beweisen«, dass die Meerestiere Vollmacht
über Adam hätten, weil sie gemäß 1. Mose 1 vor ihm erschaffen
wurden. Aber wir haben eine Deutung des Neuen Testaments,
die aufschlussreich ist. Der Grund, warum Paulus der Frau keine
Vollmachtstellung über den Mann einräumt, beruht auf der Rei-
henfolge der Schöpfung und auf der Reihenfolge, in der Mann
und Frau sündigten.42
Es gibt weitere triftige Gründe dafür, dass Männlichkeit Ini­
tiative bedeutet. Ehe wir darauf eingehen, müssen wir wissen,
was Weiblichkeit bedeutet.

41 Vgl. 1. Mose 2,7.22.
42 Vgl. 1. Timotheus 2,12-14.

• 50 •
Weiblichkeit heißt antworten
••
Eva wurde zu einem ganz bestimmten Zweck erschaffen. Gott
sah, was Adam brauchte, und bildete die Frau so, dass sie in jeder
Weise genau zu Adam passte. Wenn du die richtige Frau heiraten
möchtest, Peter, dann musst du dir eine suchen, die bereit ist, sich
dir anzupassen. Glaube aber nicht, dass du unbeweglich bleiben
kannst. Wenn zwei Menschen Tag und Nacht zusammen­leben,
ein ganzes Leben lang, müssen beide geben und nehmen – und
ich werde darüber später noch mehr sagen. Aber wenn du eine
Frau findest, die bereit ist, dorthin zu gehen, wo du hingehst, und
zu tun, was du tust, ohne auf »ihre persönlichen Wünsche« zu
pochen, dann hast du einen Schatz gefunden. Sie wird zu­allererst
eine Frau sein müssen, die sich selbst Gott ergeben hat  – denn
sonst wird sie auf die beharrlichen Stimmen um sie herum ach-
ten, die ihr sagen, dass sie unabhängig und selbstständig sein
muss, dass sie nicht »nur« irgendjemandes Frau oder Mutter
sein sollte, dass sie für sich selbst Erfüllung suchen soll und dass
diese nur jenseits der Bindungen der Familie zu finden ist. Wenn
sie sich Gott untergeordnet hat und versteht, dass Gott die Frau
schuf, damit sie antwortet – sodass Mann und Frau erfüllt sind –,
dann wird sie sich mit dieser Regelung zufriedengeben.
Ihre Weiblichkeit beschränkt sich nicht nur darauf, dass sie für
den Mann gemacht ist, sie ist auch aus ihm gemacht. Ihre Exis-
tenz hing davon ab, dass er zuerst da war. Aber es hätte nie einen
zweiten Mann gegeben, wenn es keine Frau gegeben hätte. Pau-
lus sagt es ganz deutlich: »Dennoch ist weder die Frau ohne den
Mann noch der Mann ohne die Frau im Herrn. Denn so wie die
Frau vom Mann ist, so ist auch der Mann durch die Frau; alles
aber von Gott«43  –  eine Wiederholung dessen, dass alle Schöp-
fung im Vergleich zum Schöpfer »weiblich« ist.

43 Vgl. 1. Korinther 11,11-12.

• 51 •
Es ist für dich als Mann, Peter, ganz wichtig, daran zu den-
ken, dass eine Frau eigentlich nicht »antworten« kann, wenn
der Mann nicht der richtige »Initiator« ist. Er muss die Führung
übernehmen, damit sie folgt, wie beim Tanzen. Die Bereitschaft
von beiden, die »Schritte« auszuführen, die vorgeschrieben sind,
gibt dem anderen erst Freiheit.
Im Neuen Testament wird für die Stellung der Frau das Wort
hypotassō gebraucht, was »sich unterordnen«, »sich unter den
Einfluss von etwas bringen« bedeutet. Es wird von den Geis-
tern der Propheten gebraucht, die den Propheten untertan sind,44
und von der ganzen Schöpfung, die Christus unterworfen ist.45
Jesus war als Knabe seinen Eltern untertan,46 hier steht dasselbe
Wort, das auch für die Dämonen gebraucht wird, die den Jün-
gern in Jesu Namen untertan waren.47 Es hat etwas mit der Ver-
anlagung zu tun. Es besagt keinesfalls, dass der eine weniger
wert ist, genauso wenig, wie man schließen kann, dass die Engel
mehr wert seien als Jesus, weil er eine Zeit lang als Mensch eine
Stellung innehatte, die »ein wenig unter die Engel … erniedrigt
war«.48 (Er hatte in der Tat freiwillig diese Stellung eingenom-
men, was dazu führte, dass er Gott ihm einen Namen gab, »der
über jeden Namen ist«.49)
Eine junge Frau erzählte mir, wie sehr sie darüber verärgert
war, dass sie sich ihrem Ehemann unterordnen sollte. Sie dachte
vor allem, dass diese Ansicht für die Frauen erniedrigend sei.
Sich unterzuordnen, hieß ihrer Meinung nach, weniger wert
zu sein. Als sie dann die Herrschaft Christi in ihrem Leben an­­
erkannte, begriff sie schließlich, dass Unterordnung unter ihren
Ehemann einer der »Untertitel« dieser Herrschaft Christi war. Sie
hatte keine Schwierigkeiten mehr, sich unterzuordnen, nachdem
sie ihr Leben grundsätzlich unter die Herrschaft Christi stellte.

44 Vgl. 1. Korinther 14,32.
45 Vgl. Hebräer 2,8.
46 Vgl. Lukas 2,51.
47 Vgl. Lukas 10,17.
48 Hebräer 2,9.
49 Philipper 2,9.

• 52 •
Wenn ein Mann versucht ist, seine Selbstsucht oder sein auto-
ritäres Gebaren und seine Tyrannei damit zu entschuldigen, dass
die Frau ihm untertan sein soll, dann wird er sicher innehalten,
wenn er an den »Überbau« denkt  –  dass nämlich die Frau sich
eigentlich Christus unterwirft, wenn sie sich dem Mann unter-
ordnet50 –, und durch die Gnade Gottes milde gestimmt werden.
Wenn der Ehemann sein Geschenk der Initiative als Vorrecht
betrachtet statt als Recht, und wenn die Ehefrau ihr Geschenk des
Antwortens ebenso als Vorrecht auffasst statt als Verpflichtung,
werden beide vielleicht überrascht sein, dass Jesu Ver­heißung in
ihrem Leben wahr wird: Das Joch erweist sich als sanft, und die
Last als leicht.51

50 Vgl. Epheser 5,21.22.
51 Vgl. Matthäus 11,29.30.

• 53 •
Die Absicht
••
Einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung von Männlichkeit
und Weiblichkeit finden wir in der strukturellen Absicht. Weil für
uns Christen die Welt nicht trübe ist, sondern von der Herrlich-
keit durchwoben, ist für uns auch der Stoff der Welt – alle phy-
sische Materie – mit Bedeutung geladen. »Die Himmel er­zählen
die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner
Hände Werk.«52
»Denn das Unsichtbare von ihm [Gott] wird geschaut, sowohl
seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Er­schaffung
der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden …«53
Gott offenbart uns auch heute noch geistliche Wahrheiten durch
physische Dinge, wenn wir nur Augen haben, um sie zu sehen.
»Bilder des Wahren« nannte sie Amy Carmichael von Indien.
Aber wir sehen nicht immer gut. Jesus wehrte sich gegen
das, was ich »Schändlichkeit« nannte: nämlich das Unvermögen
der Menschen, die Dinge unter mehreren Aspekten zu sehen.
Als Jesus mit der Samariterin am Jakobsbrunnen sprach, hielt
sie das Wasser, das er verhieß, nur für eine Art magisches Was-
ser, das sie für immer von der Plackerei befreien würde, Was-
ser aus dem Brunnen zu schöpfen. »Nein«, sagte Jesus zu ihr, »es
ist etwas anderes: Es ist Wasser des Lebens.«54 Als er vom Brot
sprach, konnten die Jünger nur an gewöhnliches Brot denken.
»Nein«, sagte er zu ihnen, »es ist das Brot des Lebens.«55 Als er
vom Tempel sprach, dachten die Juden an den Tempel von Jeru-
salem, aber er meinte seinen Leib.56 Wir sind »von der Erde, von
Staub«57, und unser geistiges Auge ist oft verdunkelt.58 »Gott
52 Psalm 19,2.
53 Römer 1,20.
54 Vgl. Johannes 4,14.
55 Vgl. Johannes 6,35.
56 Vgl. Johannes 2,21.
57 Vgl. 1. Korinther 15,47.
58 Vgl. Klagelieder 5,17.

• 54 •
liebt die Materie«, sagt C. S. Lewis. Wir auch, aber wir sind uns
nicht immer sicher, ob wir es tun sollten. Wir meinen leicht, dass
Materie dem Geist entgegensteht, obwohl sie doch das von Gott
vorgesehene »Vehikel« des Geistes ist – das Mittel, durch das wir
erkennen, was der Geist Gottes uns zeigen will – wenn wir nur
unsere Augen dafür öffnen würden!
Der physische Körper sollte uns einiges sagen. Oft wird in der
Bibel der Leib (vor allem die Zunge, die Augen, die Ohren und
die Hände) erwähnt, um geistliche Dinge zu veranschaulichen.
In Jesaja 50,4 heißt es: »Der Herr, Herr, hat mir eine Zunge der
Belehrten gegeben, damit ich wisse, den Müden durch ein Wort
aufzurichten. Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr,
damit ich höre wie solche, die belehrt werden.« In Psalm 19,9
steht: »Das Gebot des Herrn ist lauter und erleuchtet die Augen.«
Die Männer sollen an allen Orten beten und »heilige Hände auf-
heben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung«.59 Das Herz wird
in der ganzen Bibel als Quelle unserer Handlungen – als Ort des
Willens – angesehen.
Die Menschen kommen mit einer »Standardausrüstung« zur
Welt. Mann und Frau haben Zunge, Augen, Ohren, Hände, ein
Herz. Aber es gibt auch Ausrüstung, die verschieden ist: die Fort-
pflanzungsorgane. Ihre Funktion ist klar genug. Sie sind un­­
bestreitbar für »Einführung« und »Aufnahme« geplant. Ist es
unvernünftig, tiefer zu loten, über die zeitliche Funktion hin-
aus, und zu erkennen, dass auch sie ein Zeichen ist? Dürfen
wir daraus wie aus der Reihenfolge der Schöpfung nicht auf
die Be­deutung der Männlichkeit schließen, nämlich Einführung
oder Initiative, und auf die Bedeutung der Weiblichkeit, nämlich
Erwiderung oder Antwort? Das ist der zweite Schlüssel.
Nummer eins war die Reihenfolge. Nummer zwei ist die
Absicht.

59 1. Timotheus 2,8.

• 55 •
Göttliches Bildnis
••
Aber es gibt noch einen Hinweis, und zwar einen starken, dass
die Rolle des Initiators eine streng männliche ist. In seiner Be­­
ziehung zu seinem Volk Israel vergleicht Gott sich mit dem Bräu-
tigam und Israel mit der Braut: »… wie der Bräutigam sich an der
Braut erfreut, so wird dein Gott sich an dir erfreuen.«60 Hesekiel
vergleicht das Volk Israel mit einem unerwünschten Kind, das
ungewaschen und nackt aufs offene Feld geworfen wurde, das
der Herr fand, vor dem Sterben errettete und aufzog: »Und ich
ging an dir vorüber und sah dich, und siehe, deine Zeit war die
Zeit der Liebe; und ich breitete meinen Zipfel über dich aus und
bedeckte deine Blöße; und ich schwor dir und trat in einen Bund
mit dir, spricht der Herr, Herr, und du wurdest mein.«61 Das
ist ein deutliches Bild von jemandem, der findet und sorgt und
wirbt und hegt und »gattet«. »Gatte sein« bedeutet ursprünglich
einfach »aufziehen« oder »Sorge für etwas tragen«.
Im Neuen Testament wird dieses Bild wiederholt bei der
Beschreibung und Beziehung von Christus und der Gemeinde.
Christus ist der Bräutigam. Wir gläubigen Männer und Frauen,
die wir seine Gemeinde bilden, werden seine Braut genannt. Wir
sind alle, wie C. S. Lewis es sagt, »vergleichsweise weiblich«.
Die Braut wird in der Offenbarung mit der »heiligen Stadt«,
dem »neuen Jerusalem«, gleichgesetzt. Johannes sieht die Stadt
»… aus dem Himmel herabkommen von Gott, bereitet wie eine
für ihren Mann geschmückte Braut«, und er hörte eine laute
Stimme sagen: »Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und
er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und
Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne
von ihren Augen abwischen …«62 Dass der allmächtige und ewige

60 Jesaja 62,5.
61 Hesekiel 16,8.
62 Offenbarung 21,2-4.

• 56 •
Gott uns erwählen würde und uns zu seiner Braut zu­bereiten
und zu sich an seinen Wohnort nehmen und sich dann darauf
beschränken würde, mit uns zu leben und sich unserer Bedürf-
nisse liebevoll anzunehmen  –  welch eine Beschreibung ewiger
Liebe! Und welch eine Lektion, Peter, für Bräutigame!
Ich wurde gebeten, in Virginia an einer Tagung über die Rolle
von Mann und Frau in der Gemeinde teilzunehmen. Als ich dar-
auf hinwies, dass Gott als Bild für sich in der Schrift den Bräu-
tigam gewählt habe, protestierte ein Tagungsteilnehmer. »O«,
sagte er, »ich glaube, das spielt überhaupt keine Rolle.« Ich fragte:
»Glauben Sie wirklich, Gott hätte sich genauso gut als Braut
darstellen können und die Gemeinde als Bräutigam?«
»Natürlich!«, sagte er. »Das ist nur bildlich zu verstehen.«
Ich dachte immer, bildliche Sprache bedeutete etwas. Ich
dachte, sie vertrete ein Konzept im Sinne eines anderen Kon-
zepts, das ihm ähnlich ist. So denke ich immer noch. Diese bild-
lichen Redewendungen sind nicht ohne Grund gewählt worden.
Gerade dann, wenn die gewöhnliche Sprache nicht ausreicht, um
tiefgründige Dinge auszusprechen, wendet man die bildliche
Sprache an. Die Bilder stehen für etwas sehr Wichtiges. Hier ste-
hen sie für eine Wesensart Gottes.
Einige werden hier einwenden, dass es auch weibliche Sprach-
bilder in Bezug auf Gott gibt: Jesus gebrauchte das Bild der
Henne, wie sie ihre Küken unter »unter ihre Flügel« versammle,
als er davon sprach, dass er Jerusalem versammeln wollte.63 »Wie
einen, den seine Mutter tröstet, so werde ich euch trösten«, heißt
es bei Jesaja64 – aber dies bezieht sich auf sein Trösten des Volkes
Israel durch die Stadt Jerusalem. In diesem Fall ist Jerusalem wie
eine Mutter: »Freut euch mit Jerusalem und frohlockt über sie,
alle, die ihr sie liebt! Seid hocherfreut mit ihr, alle, die ihr über sie
trauert, damit ihr saugt und euch sättigt an der Brust ihrer Trös-
tungen …«65

63 Vgl. Matthäus 23,37; Lukas 13,34.


64 Jesaja 66,13.
65 Jesaja 66,10.11.

• 57 •
Man könnte noch andere Verse zitieren, aber ihre Zahl ist
klein im Vergleich zu denen, die eindeutig Männliches vertreten.
Zu erwähnen ist auch, dass für Gott ausschließlich das männ­
liche Personalpronomen gebraucht wird.
Bei einer Versammlung (sie nannten es »Ausschuss«) evange-
likaler Frauen vor einigen Jahren war das Eröffnungslied »ent-
männlicht« worden. Statt »Lieber Herr und Vater der Mensch-
heit« sang man »Liebe Mutter/Vater von uns allen«. »Herr« und
»Menschheit« wurden als sexistische Begriffe ausgemerzt.66
»Vater« wurde nur akzeptiert, wenn »Mutter« vorausging. Dies
ist eine bewusste Verwerfung der inspirierten Offenbarung Got-
tes. Man sagt damit im Grunde nichts anderes, als dass auch
Jesus gelogen hat, als er von sich behauptete, Gott sei sein Vater.
Einige behaupten, Jesus habe sich nur deshalb auf diese
»sexistischen« Begriffe eingelassen, damit er nicht die Juden
beleidigte, deren patriarchalische Gesinnung von vornherein
eine so revolutionäre Ansicht wie die Gleichheit von Mann und
Frau ausschloss. Es ist dies ein verzweifeltes und fadenscheini-
ges Argument, um es einmal harmlos auszudrücken. Jesus hat
immer eine klare Stellung bezogen. Er sagte folgenschwere revo-
lutionäre Dinge: »Wer … sein Leben verliert …, wird es finden.«67
»Liebt eure Feinde.«68 »Wer aber irgend zu seinem Bruder sagt:
Raka!, wird dem Synedrium verfallen sein; wer aber irgend
sagt: Du Narr!, wird der Hölle des Feuers verfallen sein.«69 »So
erscheint auch ihr zwar von außen den Menschen gerecht, innen
aber seid ihr voll Heuchelei und Gesetzlosigkeit. Wehe euch,
Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler!«70 War das keine
auf­­rührerische Sprache? Hat sie nicht verletzt? Und was sol-
len wir zu seiner ungeheuerlichen Behauptung sagen: »Ich und
der Vater sind eins«?71 Dieser Ausspruch erzürnte die Juden so

66 Anmerkung des Herausgebers: Das englische Wort für »Menschheit« – »mankind«/»man­


hood« – ist von »Mann« – »man« – abgeleitet.
67 Matthäus 16,25.
68 Matthäus 5,44.
69 Matthäus 5,22.
70 Matthäus 23,28.29.
71 Johannes 10,30.

• 58 •
sehr, dass sie Steine aufhoben und ihn zu Tode steinigen woll-
ten. Als Jesus fragte, für welche guten Werke, die er getan hatte,
sie ihn steinigen wollten, antworteten sie, sie wollten ihn nicht
wegen irgendeines guten Werkes steinigen, sondern wegen sei-
ner Gottes­lästerung: »…  weil du, der du ein Mensch bist, dich
selbst zu Gott machst«.72
Er fürchtete sich nicht vor ihnen, weder vor ihrer Kenntnis
des Gesetzes noch vor ihrer Macht oder ihren patriarcha­lischen
»Vorurteilen«. Und wenn der einzigartig geborene Sohn Gottes,
der in des Vaters Schoß ist, ihn »Vater« nannte, wie ver­wegen
müssen wir sein, wenn wir diesen Namen ändern und ver­
bessern wollen?

72 Johannes 10,33.

• 59 •
Vorurteil oder Gabe?
••
Wer Dinge ablehnt, die nicht zu ändern sind oder nicht geändert
werden sollten, ist ein Neurotiker. Je eher und je aufrichtiger wir
die Rolle von Mann und Frau bejahen, desto größer wird unser
Friede sein und desto harmonischer unsere Welt. Vorurteile füh-
ren dagegen zu Neurosen und Bindungen.
Adam und Eva hatten mit Gott keine Probleme wegen seines
ersten Gebots an sie bekommen, sondern wegen einer bestimm-
ten Frucht. Gott setzte den Menschen in einen Garten, den er
bebauen sollte. Er durfte von jedem Baum essen, nur nicht vom
Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen – denn dann müsse
er sterben.73 Dies sagte Gott dem Adam, ehe Eva erschaffen war.
Aber als sie später mit der heuchlerischen Schlange zusammen-
traf, die ein reizvolles Geschöpf gewesen sein muss, überredete
diese die Eva, Gottes Befehl nicht so ernst zu nehmen. Es ist klar,
dass Adam ihr von Gottes Befehl gesagt hatte, weil Eva ihn ziem-
lich genau aufsagen konnte und ihn sogar noch verschärfte – sie
sagte, dass sie die Frucht nicht nur nicht essen, sondern nicht ein-
mal berühren sollten. (Dies könnte natürlich Adam hinzu­gefügt
haben, wenn er bis dahin schon ein wenig von der Eigenart der
Frau erfahren hatte.) Unsinn! Das war der Angelpunkt in der
Antwort der Schlange. Gott wäre doch wohl ein bisschen knau-
serig, wenn er ihnen solch eine Kleinigkeit nicht gönnte. »Ihr
werdet durchaus nicht sterben, sondern Gott weiß, dass an dem
Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein
werdet wie Gott …«74 Selbstverständlich begann Eva zu ahnen,
dass es keine Kleinigkeit war, die Gott verboten hatte. Es war ein
riesiges Vergnügen. Es war Leben und Erfüllung und Glück, das
Gott ihnen vorenthielt. Gott war ein Sadist. Es wäre viel besser
für sie, wenn sie die verbotene Frucht äße. Sie würde tatsächlich
73 Vgl. 1. Mose 2,17.
74 1. Mose 3,4.5.

• 60 •
nicht mehr »nur« eine Frau sein oder nur menschlich. Sie würde
göttlich sein. Sie liebte diese Vorstellung. Sie war logisch und
ver­­lockend und versprach Erfüllung.
Wir lesen dann, dass sie sah, dass der Baum gut zur Speise
war, eine Lust für die Augen, und dass der Baum begehrenswert
war, weil er klug machte.75 Offensichtlich hatte sie dies vorher
nicht bemerkt, vielleicht hatte sie nicht einmal gewagt, den Baum
anzusehen. So probierte sie. Nur ein bisschen, denke ich, aber
genug, um der Schlange zu beweisen, dass sie diese verstanden
hatte. Die Frucht schmeckte köstlich, und genau wie die Schlange
vorausgesagt hatte, passierte nichts Schlimmes. Alles war in Ord-
nung. Darum übernahm sie die Initiative, und dadurch wurde
es nur noch schlimmer. Adam und Eva vertauschten ihre Rollen.
Eva bot Adam die Frucht an, und Adam versagte in seiner Ver-
antwortung, für Eva Sorge zu tragen, und ging auf den bösen
Vorschlag ein.76 So kam der Tod in die Welt.
Der Gott, der entschied, dass in dem von ihm geschaffenen
Universum zwei und zwei vier ergibt und dass sich Elektronen
in einer bestimmten Weise verhalten, hatte entschieden, dass
dieser Mann und diese Frau sich frei entscheiden konnten. Er
enthielt ihnen die Information nicht vor, die sie brauchten, damit
sie sich weise entscheiden konnten, aber sie vertrauten ihm nicht.
Gott bot ihnen Leben oder Tod an. Aber sie meinten, es besser zu
wissen als Gott.
Wir sind nun zu einer weiteren Gemeinsamkeit gelangt.
Adam und Eva waren in gleicher Weise vor Gott verantwort-
lich  –  das lernten wir in 1.  Mose  1  –, und jetzt waren sie glei-
chermaßen ungehorsam und gleicherweise schuldig geworden,
gemäß der Geschichte in 1. Mose 3.
Sie konnten den Schaden nie rückgängig machen, den sie
durch ihren Ungehorsam angerichtet hatten. Ihre schöne Welt
war zerbrochen. Leid, Sünde und Tod nahmen mit jener einen
törichten und verwegenen Tat ihren Anfang. Nichts konnte ihren
75 Vgl. 1. Mose 3,6.
76 Ebd.

• 61 •
Fehltritt ungeschehen machen, keine noch so große Entschuldi-
gung würde ihn ausgleichen oder einfach auslöschen. Gläubige
wissen, dass nur das Lamm Gottes, das vor Grundlegung der
Welt geschlachtet wurde77, dies bewerkstelligen konnte.
Eva machte ihre Rechte geltend. Doch was sie als ihr Recht
ansah, hatte nichts mit dem Willen Gottes zu tun und darum
letztlich auch nichts mit ihrem Glück, so sehr sie das auch meinte.
Als vor einiger Zeit Papst Johannes Paul II. die USA besuchte,
wurde er mit verärgerten Frauen konfrontiert, die ihn beschul-
digten, er beraube katholische Frauen ihrer Rechte, weil er ihnen
die Priesterweihe nicht zugestehe. Er ließ sich durch ihre Wut
nicht aus der Fassung bringen. »Die Ordination von Frauen
(zum katholischen Priester)«, sagte er ihnen, »ist keine Frage der
Menschenrechte. Es ist eine Frage des Willens Gottes.«
Eine Frau schrieb an den Herausgeber des Nachrichten­­
magazins »Time«:

»Dass der Papst den Bann gegen die Ordination von Frauen
bekräftigte, war natürlich ein Schlag ins Gesicht aller (katho-
lischen) Frauen. Es war jedoch auch ein Verstoß gegen Gott.
Denn es wird Gott ein Vorurteil untergeschoben, das er
per definitionem nicht haben kann. Gott gab Männern und
Frauen gleichen Sinn, ein gleiches Herz und die gleiche Fähig-
keit, ihn zu lieben und ihm zu dienen. Warum also weiterhin
das Priesteramt abhängig machen von einem anatomischen
Unterschied, der für diese Angelegenheit völlig belanglos ist?
Tradition ist keine ausreichende Antwort darauf.«

Arme Frau! Auch ihre Meinung ist ein Schlag ins Gesicht  –  ins
Angesicht Gottes. Ihre Auffassung von Gleichheit schließt jede
Würdigung der verschiedenen Gaben des Mannes und der Frau
aus. Solche Unterschiede würden ihr zufolge »ein Vorurteil«
Gottes anzeigen, »das er per definitionem nicht haben kann«.

77 Vgl. Offenbarung 13,8.

• 62 •
Während eines Vortrags einer evangelikalen Frau, die auch
eine Feministin ist, saß neben mir mein Freund Joe Bayly. Uns
beiden wurde ganz unwohl zumute, als sie über die Gleich-
heit von Mann und Frau sprach und zu zeigen versuchte, dass
sie völlig austauschbar sind. Sie schien zu meinen, dass Frauen
durch das uralte »Vorurteil«, das sie dazu »verdammte«, für
Ehemann, Haus und Kinder zu sorgen, »betrogen« wurden. Joe,
ein Mann, der keinen Sinn für das Absurde hat, neigte sich zu
mir herüber und flüsterte: »Ich möchte gern schwanger werden.«
Er wird es nie werden. Ist es ein Vorurteil, das dies unmöglich
macht? Ist er betrogen worden? Und wenn, von wem? Von der
Gesellschaft? Die simple Antwort ist, dass ihm  –  nicht von der
Gesellschaft, sondern von einem weisen und liebenden Schöp-
fer – andere Gaben gegeben wurden, die andere Verantwortlich-
keiten und Freuden zur Folge haben.
Gott hat nicht aus purem Vorurteil Spinnen so ausgestattet,
dass sie übers Wasser gleiten können, oder Löwen so ausgestat-
tet, dass sie springen können, und Esel, dass sie Lasten tragen
können. Er war um ein Universum besorgt, dessen Teile mit-
einander in Harmonie agieren konnten. Die Rolle, die jedes Teil
in dieser Harmonie spielen sollte, war so genau  –  oder eigent-
lich unendlich viel genauer  –  abgestimmt als die Orchestrie-
rung einer Symphonie. Gott tat es mit Freigebigkeit, mit Liebe
und Gnade. Seine Gaben an Männer und Frauen sind nicht
»gleich« – so wenig wie seine Gaben an Löwen und Spinnen. Sie
ergänzen sich vielmehr. Sie tragen zur Harmonie oder zum Plan
bei. Aus Gnade wurden solche Gaben gegeben, wie uns die Bibel
lehrt. Außerdem ist der anatomische Unterschied alles andere als
bedeutungslos für den Gesamtplan. Er ist im Gegenteil auf wun-
derbare Weise ganz entscheidend.

• 63 •
Zwei Theater
••
Wenn Männer wie Männer und Frauen wie Frauen handeln, füh-
ren sie ein Drama auf. Das Drama ist eins der wirkungsvolls-
ten Mittel der Kommunikation, wie auch Hamlet erkannte, als
er – entschlossen, den Mörder seines Vaters zu überführen – den
Einfall hatte, ein Schauspiel aufführen zu lassen. Während eine
Theaterszene gespielt wurde, die dem geschehenen Mord ähn-
lich war, beobachtete er genau den Verdächtigten. Das war der
König. Gefiel diesem das Stück nicht, so konnte Hamlet daraus
seine Schlüsse ziehen.
Genauso ist es, wenn das Drama unserer Sexualität uns
Gewissensbisse macht – dann verstehen wir vielleicht besser als
irgendwie sonst, was auf dem Spiel steht und was wir eventuell
falsch gemacht haben.
Im Mittelalter zogen Schauspieler mit Karren umher und hiel-
ten auf Marktplätzen, um sogenannte »Mysterienspiele« auf-
zuführen. Sie sollten dem ungebildeten Volk die Dinge –  meist
religiöse Themen, die die Leute am meisten interessierten – ver-
ständlich machen, weil sie ja nicht lesen konnten.
Als mein Mann Jim und ich mit Analphabeten in den Armuts-
vierteln von Ecuador arbeiteten, nahmen wir manchmal zu un­­
seren eigenen Spielen Zuflucht. Das waren Pantomimen der
Wahrheit, die wir dadurch verständlich machen wollten. Wir
begannen mit geistlichen Wahrheiten  –  denn auf sie kommt es
vor allem an. Jim machte ein Kreuz, indem er zwei Bretter auf
den Boden legte, und dann legte er sich darauf, um den In­­
dianern zu zeigen, was »Kreuzigung« bedeutete. Sehr einfach,
aber sehr klar! Man muss nicht viele Quechua-Wörter kennen,
um auf diese Weise den Menschen etwas zu sagen.
Gott gebraucht oft visuelle Hilfsmittel. Er zeigt uns nicht
nur das ganze Panorama der Welt, das uns durch die fünf
Sinne erkennen lässt, wer er ist. Er bekundete sich auch seinem

• 64 •
Volk auf besondere Weise, etwa am Berg Sinai, als er Mose die
Gesetzestafeln übergeben wollte. Er gab ihnen sichtbare Zei-
chen – eine Wolkensäule und eine Feuersäule78 sowie Blitze und
Rauch79 – und hörbare Zeichen – Donner und sehr starken Posau-
nenschall.80 Dies ließ die Israeliten etwas von der Heiligkeit Got-
tes erahnen, was durch noch so viele Worte oder auch durch »all-
tägliche« Naturereignisse nicht möglich gewesen wäre.
Gerade in diesen sichtbaren und hörbaren Dingen wird das
Unsichtbare gesehen, das Unhörbare gehört und sogar das
Unaussprechliche ausgedrückt. Dies alles ist geheimnisvoll, das
heißt: unerklärlich.
Das christliche Leben ist voll von Geheimnissen. Alle gro-
ßen Glaubenslehren sind letztlich Geheimnisse. Wer vermag die
Schöpfung zu erklären (»Und Gott sprach: Es werde … Und es
wurde …«81), den Ursprung des Bösen (»… durch einen Men-
schen [ist] die Sünde in die Welt gekommen … und durch die
Sünde der Tod«82), das Wesen Gottes (Gott ist Geist83, unend-
lich84, ewig85, unwandelbar86 …), die Natur des Menschen (in
Gottes Bild geschaffen87; »Und Gott … hauchte in seine Nase den
Odem des Lebens.«88) oder die Fleischwerdung Jesu (»Und das
Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns …«89), die Leidens­
geschichte (»diesen [Jesus], hingegeben nach dem bestimm-
ten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes, habt ihr durch
die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und
umgebracht.«90), die Auferstehung (»Und er ist … der Anfang …,
der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang

78 Vgl. 2. Mose 13 – 14.
79 Vgl. 2. Mose 19,16; 20,18.
80 Ebd.
81 Vgl. 1. Mose 1.
82 Römer 5,12.
83 Vgl. Johannes 4,24.
84 Vgl. Jeremia 23,24.
85 Vgl. Psalm 90,2; 1. Timotheus 1,17.
86 Vgl. Jakobus 1,17.
87 Vgl. 1. Mose 1,27.
88 1. Mose 2,7.
89 Johannes 1,14.
90 Apostelgeschichte 2,23.

• 65 •
habe.«91) oder die Himmelfahrt (»… eine Wolke nahm ihn auf
von ihren Augen weg.«92)? In der Theologie werden diese Dinge
behandelt und beschrieben. Aber das erklärt sie noch nicht.
Sexualität ist ein Geheimnis. Es stellt eines der tiefsten geist-
lichen Geheimnisse dar: die Beziehung zwischen Christus und
der Gemeinde. Wir werden das besser verstehen, wenn die-
ses Geheimnis in Szene gesetzt wird. Es gibt zwei »Theater«, in
denen dieses Geheimnis zur Schau gestellt wird: in der christ-
lichen Familie und in der örtlichen Gemeinde. Dies ist meines
Erachtens der Grund, warum so klare und eindeutige Anweisun-
gen erteilt wurden, wie Mann und Frau sich an diesen beiden
Stätten verhalten sollen. Sie sind Schauspieler in einem Schau-
spiel, in dem gewaltige himmlische Geheimnisse in Szene gesetzt
werden. Wir müssen uns an die jeweiligen Rollen halten und
dem Regisseur folgen, und wenn wir dies tun, werden wir unser
wahres Wesen und unsere wahre Bestimmung erkennen  –  was
sonst nicht möglich wäre.

91 Kolosser 1,18.
92 Apostelgeschichte 1,9.

• 66 •
Der Entwurf
••
Die Personen in diesem Schauspiel wurden von Gott selbst ent-
worfen. Die Männer sollten, so entschied er, die Stellung der
Autorität einnehmen. Die Frauen sollten sich ihnen unter­ordnen.
Die Männer vertreten in diesem Spiel eigentlich (halt dich jetzt
fest!) Christus – sie spielen in den zwei irdischen Theatern seine
Rolle in Bezug auf die Frau. Der Mann ist »Gottes Bild und
Herrlichkeit«.93
Eine freizügige christliche Frau hielt vor einigen Jahren eine
Arbeitstagung ab über die »gleichberechtigte Ehe«, wie sie es
nannte. Ich hörte mit wachsendem Vergnügen zu, als sie ihre
eigene gut funktionierende und sehr befriedigende Halb-und-
halb-Vereinbarung in der Ehe beschrieb. Sich offensichtlich über
den göttlichen »Entwurf« lustig machend (sie fasste ihn bloß als
Tradition auf), hatten sie und ihr Mann sich hingesetzt und nach
individueller Vorliebe die Rollen ausgesucht, bis beide damit
zufrieden waren. Sie sind beide Soziologen. Beide machen Haus-
arbeit. Alles ist zweifach aufgeteilt, und sie fühlen sich wohl
dabei. Wenn es in der Bibel keinen Hinweis gäbe und wenn wir
unsere eigenen Pläne für die Aufgaben von Mann und Frau in
der Ehe ausarbeiten müssten, hätte das Ganze einen Augenblick
ganz gut ausgesehen. Es schien bei ihnen zu funktionieren, und
sie mochten es so.
Aber so kann man das nicht machen. Die Rollen sind bereits
verteilt worden. Und was mich am meisten enttäuschte, war,
dass die Dame diese »gangbare Möglichkeit« mit Epheser 5
rechtfertigte. Ich gab mir große Mühe, sie zu verstehen, aber
letztlich lief es darauf hinaus: Paulus sagt, jeder soll sich dem
anderen unterordnen, fertig. Du ordnest dich mir unter, und ich

93 1. Korinther 11,7.

• 67 •
mich dir. »Bitte nach dir, meine liebe Amalie!« »Nein, bitte nach
dir, Gustav!«
Die Verse, die in meiner Bibel folgen und die davon handeln,
wie eine Gott wohlgefällige Unterordnung in bestimmten Fäl-
len aussehen soll, waren für sie überhaupt nicht wichtig. Dass
Frauen sich ihren Männern unterordnen sollen, Kinder ihren
Eltern, Sklaven ihren Herren  –  auf all das können wir verzich-
ten. Wir müssen nur die Aufgaben verteilen. Sie drückte sich vor
der Konsequenz, dass Eltern sich ihren Kindern oder Herren
sich ihren Knechten unterwerfen müssten. Darüber zu sprechen,
wäre peinlich gewesen.
Man konnte dann Fragen stellen. Natürlich hatte ich auch
eine. »Sehen Sie einen Unterschied«, wollte ich wissen, »zwi-
schen der Art und Weise, wie ein Mann sich seiner Frau unter-
wirft, und der Art und Weise, wie eine Frau sich ihrem Mann
unterwirft?« Sie konnte darin keinen Unterschied finden. »Sind
denn die Po­sitionen vertauschbar?« »Ja!« »Darf man dann die
Substantive in diesem Bibelabschnitt vertauschen?« »Natürlich!«
Ich fing an zu lesen: »›Ihr Männer, ordnet euch euren eigenen
Frauen unter, als dem Herrn.  Denn die Frau ist das Haupt des
Mannes, wie auch die Versammlung das Haupt des Christus
ist …‹«94
Sie unterbrach mich. »Sie dürfen die Analogie so weit nicht
treiben«, sagte sie.
Es war die Analogie Gottes. Er nahm die zentrale und intimste
menschliche Beziehung und zeigte, wie sie eine viel tiefere geist-
liche Beziehung illustriert, wenn sie sich in bestimmten Linien,
das heißt, in Gottes Ordnung bewegt. Eine Analogie setzt immer
voraus, dass es noch mehr Ähnlichkeiten geben kann.
Wenn der Ehemann in diesem Drama die Rolle Christi spielt,
dann spielt die Ehefrau die Rolle der Gemeinde. Da sind wir wie-
der bei Initiative und Antwort. Christus, der Bräutigam, initiiert,
die Gemeinde antwortet.

94 Der korrekte Text steht in Epheser 5,22.23.

• 68 •
Du siehst, wie äußerst gefährlich es ist, die Dinge selbst in die
Hand nehmen zu wollen und die Rollen neu zu verteilen oder
umzukehren. Es ist ein Mysterienspiel. Mit Geheimnissen muss
man sehr vorsichtig umgehen. Man kann es sich nicht immer so
leicht machen.
Was für das Theater zu Hause zutrifft, muss auch für das
Theater in der Gemeinde gelten. Christus ist das wahre Haupt.
Der Mann repräsentiert Christi Vollmacht in dem örtlichen Leib
von Gläubigen. Die Frau, die sich Christus unterwirft, ist auch
stellvertretender Autorität unterworfen – nicht weil sie weniger
kompetent oder weniger wert wäre, sondern einfach weil hier
ein Drama aufgeführt wird. Diese Ordnung bedeutet etwas.

• 69 •
Nicht Verdienst, sondern Auftrag
••
NICHTS, WAS GOTT MACHT, IST OHNE STRUKTUR.
Um aus den Israeliten ein heiliges Volk zu machen, gab er
ihnen zehn größere Gebote und mehr als hundert kleinere.
»Wenn er gewollt hätte, dass sie in einer Welt ohne moralische
Normen lebten«, sagte Daniel Weiss, der Präsident des Eastern
College, »hätte er ihnen zehn Vorschläge gemacht.«
Er gab ihnen Gebote, und er gab ihnen auch einen Führer. Es
musste jemand vor Gott die Verantwortung tragen. Mose, der
Mann, den er dafür auserwählte, war über diese Aufgabe nicht
sonderlich erfreut und erhob seine eigenen Einwände:
1. »Das Volk wird mir nicht glauben.«95
2. »Ich kann nicht reden.«96
3. »Es wäre vielleicht besser, einen anderen zu senden.«97
Gott willigte ein, dass sein Bruder Aaron der »Mund« Moses
war, aber Mose sollte ihm »wie Gott« sein.98 Genau das bedeutet
Führerschaft.
Nun, es kam ein Tag, an dem ein Mann namens Korah eine
Rebellion gegen Mose anzettelte. Es war die erste über­lieferte
öffentliche Demonstration für »Gleichheit«. Sie folgte auf eine
Begebenheit, bei der ein Mann gefasst wurde, der am Sabbat
Holz auflas. Er wurde vor Mose und Aaron gebracht. Diese
sperrten ihn ein, weil sie nicht wussten, welche Strafe er verdient
hatte. Der Herr gab die Antwort:
»Der Mann soll gewiss getötet werden; die ganze Gemeinde
soll ihn außerhalb des Lagers steinigen.«99

95 Vgl. 2. Mose 4,1.
96 Vgl. 2. Mose 4,10.
97 Vgl. 2. Mose 4,13.
98 Vgl. 2. Mose 4,16.
99 4. Mose 15,35.

• 70 •
Korah brachte 250 Vorsteher zusammen, »Männer von
Namen«,100 die genug davon hatten, dass Mose ihnen immer
befahl, was sie tun sollten. Was glaubte er wohl, wer sie waren?
»… die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist in
ihrer Mitte! Und warum erhebt ihr euch über die Versammlung
des Herrn?«101
Moses spontane Reaktion ist ein Kennzeichen eines wahren
Führers. Er fiel auf sein Angesicht. Nicht aus Furcht, sicher nicht
aus Scham, sondern in Demut. Es war nicht der richtige Zeit-
punkt, um zu argumentieren oder sich selbst zu rechtfertigen.
»Am Morgen, da wird der Herr kundtun, wer sein ist und wer
heilig ist, dass er ihn zu sich nahen lasse …«,102 sprach Mose. Er
erkannte genau, dass die Rebellion nicht eine persönliche An­­
gelegenheit war. Es war eine Rebellion gegen Gott, mit der Gott
fertig werden musste.
Mose als Mann Gottes tat, was angebracht war: »Nehmt euch
Räucherpfannen, Korah und seine ganze Rotte, und morgen
tut Feuer hinein und legt Räucherwerk darauf vor dem Herrn;
und es soll geschehen, der Mann, den der Herr erwählen wird,
der sei der Heilige. Lasst es genug sein, ihr Söhne Levis! … Ist
es euch zu wenig, dass der Gott Israels euch aus der Gemeinde
Israel ausgesondert hat, um euch zu sich nahen zu lassen, damit
ihr den Dienst der Wohnung des Herrn verrichtet und vor der
Gemeinde steht, um sie zu bedienen, dass er dich und alle deine
Brüder, die Söhne Levis, mit dir hat herzunahen lassen? Und ihr
trachtet auch nach dem Priestertum!«103
Ihnen war die Rolle nicht gut genug, die sie spielen sollten. Sie
wollten unbedingt etwas Höheres haben. Wie üblich, entsprang
der Protest für »Gleichheit« nicht reiner Gerechtigkeitsliebe, son-
dern einem fundamentalen Hass gegen alles Über­geordnete.
Deshalb »… spaltete sich der Erdboden, der unter ihnen war,

100 4. Mose 16,2.
101 4. Mose 16,3.
102 4. Mose 16,5.
103 4. Mose 16,6.7.9.10.

• 71 •
und die Erde öffnete ihren Mund und verschlang sie und ihre
Familien und alle Menschen, die Korah angehörten, und die
ganze Habe. … und die Erde bedeckte sie, und sie wurden mit-
ten aus der Versammlung vertilgt.«104
Es war ein dramatischer Beweis dafür, dass die Vollmacht von
Mose und Aaron aus der Vollmacht Gottes kam. Sie trug sein
Siegel und wurde durch seine Gerechtigkeit verteidigt. Sie hat-
ten sie nicht durch Verdienst erworben. Sie hatten sie als Auftrag
erhalten.
Die Parallelen mit heutigen Ereignissen sind frappierend.
Frauen protestieren, dass Herrschaft und Unterordnung ein
Fluch sind, der sie ihrer »Persönlichkeit« beraubt, dass sie selbst
dadurch zu »Bürgern zweiter Klasse« gemacht werden. »Was
glaubt ihr wohl, wer ihr seid?«, sagen sie zu Männern, die ver-
teidigen, was oft verächtlich »eine traditionelle Ansicht« genannt
wird. »Biblische« Feministinnen heben die hierarchische Sicht
der Beziehungen zwischen Mann und Frau, wobei den Männern
die Führung obliegt, als »fleischlich« auf.
Es klingt zunächst vernünftig, wenn gesagt wird: »Die ganze
Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist in ihrer Mitte!«105
Das stimmte, als Korah es sagte, und es trifft auch auf uns Chris-
ten heute zu. Wir sind »eine königliche Priesterschaft, eine hei-
lige Nation«.106 Welches Recht hat jemand oder eine Klasse von
Personen, sich selbst höher einzustufen? »Und warum erhebt ihr
euch über die Versammlung des Herrn?«107 Was Korah und seine
Rotte dem Mose sagten, sagen heute Frauen den Männern.
Lass dich nicht von ihnen einschüchtern, Peter! Von ganzem
Herzen sage ich: Lass dich nicht einschüchtern! Biete ihnen die
Stirn! Steh fest zu deiner Berufung als Mann! Wahre Frauen wer-
den immer froh und dankbar sein, wenn Männer willens sind,
richtige Männer zu sein.

104 4. Mose 16,31-33.
105 4. Mose 16,3.
106 1. Petrus 2,9.
107 4. Mose 16,3.

• 72 •
Stell diesen Frauen mal die Fragen, die Mose sinngemäß dem
Korah stellte: »Lasst es genug sein! Ist es euch zu wenig, dass
der Gott Israels euch ausgesondert hat vor den Männern, ihm zu
nahen, damit ihr euer Amt ausübt, das kein Mann tun kann, und
vor eure Ehemänner und Prediger tretet, um ihnen zu dienen?
Und würdet ihr wirklich Gleichheit suchen? Würdet ihr die Auf-
gaben auch erfüllen wollen, die Gott den Männern gegeben hat?«
Erinnere sie daran, dass Jesus »… es nicht für einen Raub ach-
tete, Gott gleich zu sein«,108 obwohl er seit eh und je der gött-
lichen Natur teilhaftig war. Er war dem Vater untertan. Kann
irgendeine Frau meinen, sie habe ebenso viel Recht auf Gleich-
heit mit den Männern, wie Jesus es auf Gleichheit mit seinem
Vater hatte?
Hab keine Angst! Schäm dich nicht! Mose tat es auch nicht.
Er war einfach demütig. Er wusste – und das müsst ihr Männer
auch wissen –, dass er sich nicht selbst in diese Stellung gebracht
hat. »Am Morgen, da wird der Herr kundtun, wer sein ist und
wer heilig ist …«109 Dies ist eine Lektion für alle Männer in
un­seren Tagen. Gottes Autorität wird infrage gestellt. Es ist Got-
tes Sache, mit denen zu handeln, die rebellieren. »Wie Sünde der
Wahr­­sagerei ist Widerspenstigkeit«,110 sagt Gott. Er sucht Män-
ner, die es als das erkennen, was es ist – Rebellion –, und dann
sogar angesichts sozialer Ächtung und trotz Spott an ihm fest-
halten.

108 Philipper 2,6.
109 4. Mose 16,5.
110 1. Samuel 15,23.

• 73 •
Wer Verantwortung übernimmt,
der dient
••

Autorität erscheint in einem gesetzlosen Zeitalter als etwas Ent-


setzliches. Sie ist für dich und mich entsetzlich, weil wir einfach
Sünder sind. Niemand hat es gern, dass ihm jemand sagt, was er
tun soll, wenn er meint, er wisse es bereits – noch dazu, wenn er
etwas einsehen soll, was er nicht einsehen will.
Es gibt jedoch Zeiten, in denen sich auch die »Fortschrittlichs-
ten« von uns nach Autorität sehnen, weil wir nicht mehr wis-
sen, was wir tun sollen. Wir fühlen, dass wir verloren sind, und
möchten, dass uns jemand den Weg zeigt. Wir brauchen Füh-
rung.
Wo sind die Männer, die Verantwortung übernehmen? Autori-
tät hat in der Bibel nichts mit Rechthaberei oder Herrschsucht zu
tun, auch nichts damit, dass man anmaßend oder eingebildet oder
tyrannisch ist. Sie hat vielmehr eine ganze Menge mit der Bereit-
schaft zum Dienst zu tun. Sie erfordert tiefe und echte Demut.
Debora und Barak sangen Gott Lobpreis für die Befehlshaber
Israels: »Weil Führer führten in Israel, weil freiwillig sich stellte
das Volk, preist den HERRN!«111 Die Aufopferung für die an­­
deren – das ist der Preis wahrer Autorität. Weil Jesus sich »selbst
erniedrigte« – bis zum bitteren Tod –, wurde er über alle anderen
im Himmel und auf Erden erhöht.112 Seine Erhöhung setzte seine
Erniedrigung voraus. Der Weg nach oben geht erst nach unten!
Vielleicht erinnerst du dich an eine Geschichte, die dein Onkel
Edward manchmal erzählte. Als er Dekan eines kleinen Colleges
in Pennsylvania war, bemerkte er, dass die Wände in einem Stu-
dentenwohnheim mit Rasierseife, Erdnussbutter und Marmelade
verschmiert waren. Er wollte die Sache untersuchen. Natürlich
111 Richter 5,2.
112 Vgl. Philipper 2,8.9.

• 74 •
hatte weit und breit keine Seele eine Ahnung, wie das geschehen
konnte. In jedem Zimmer traf er auf überraschte Unschuld.
Es gab mehrere Möglichkeiten. Er konnte alle Studenten des
Wohnheims auffordern, die Wände zu putzen. Er konnte den
Hausmeister rufen. Der Hausmeister konnte zupacken, er war
ein liebenswürdiger und wertvoller Mensch. Den Dreck abzu-
schrubben, wäre über seine Pflicht hinausgegangen, aber er
hätte es getan. Es gab eine dritte Möglichkeit. Edward ging hin
und nahm einen Eimer und eine Bürste und machte sich an die
Arbeit. Tür um Tür öffnete sich, Köpfe wurden herausgestreckt,
und die Meldung verbreitete sich, was der Dekan des Colleges
machte, und bald war er nicht mehr allein mit der Schrubberei
beschäftigt. Da zeigte sich die Macht des Dienens! Sie bewirkt
Respekt. Doch sie beansprucht das nicht.
Auch Jesus »nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich«.113
Edward Nason West definierte die Liebe, die mit dem griechi-
schen Wort agape beschrieben wird, als »ein tiefes Besorgtsein um
das Wohl des anderen, ohne einen Wunsch, den anderen zu kon-
trollieren, den Dank des anderen zu erhalten oder an dem Vor-
gang Freude zu haben«. Sie gibt sich selbst. Sie legt das Leben ab.
Ein Mann oder eine Frau mit starkem Charakter ist nötig,
um das Leben abzulegen. Paulus sagte von seinen Mitarbeitern
Priska und Aquila, dass sie für sein Leben »ihren eigenen Hals
preisgegeben haben«114 wie unter das Schwert des Scharfrichters.
Diese Art Charakterstärke passt nicht in das populäre Bild des
Mannes mit Verantwortung, aber es passt sehr gut in Gottes Bild.
»So auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch be­fohlen
ist«, sagte Jesus, »so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir
haben getan, was wir zu tun schuldig waren.«115 Vielleicht wäre
das ein gutes Motto für einen Mann, um es an den Innenspiegel
seines Autos zu stecken, oder für eine Frau, um es über das Spül-
becken oder die Schreibmaschine zu heften.

113 Johannes 13,4.
114 Römer 16,4.
115 Lukas 17,10.

• 75 •
Das gesprochene Wort
••
Manchmal reden die Leute davon, wie sie mit gewissen Din-
gen »ringen« oder sich »durch sie durcharbeiten«, wenn sie in
Wirklichkeit nicht gehorchen wollen. »Ich habe da ein Problem«,
sagen sie, oder: »Ich bin damit noch nicht ganz im Klaren« – und
sie meinen dann eigentlich: »Was, ich? Ich soll gehorchen? Nie-
mals!«
Viele, zu viele christliche Ehemänner verbannen ihre Füh-
rungsrolle in diese Schublade. Wenn sie sich einmal durch alle
Ecken durchgearbeitet haben, wollen sie damit anfangen.
Die Autorität eines Mannes in seinem eigenen Haus ist nicht
etwas, was nach und nach erreicht wird, man bekommt auch
nicht irgendwann einmal Lust dazu. Es ist eine Aufforderung,
und kein Mann kann davon »überzeugt« werden, bis er darauf
eingeht. Gewissheit kommt durch willigen Gehorsam. »Wenn
jemand seinen [Gottes] Willen tun will«, sagte Jesus, »so wird er
von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist …«116
Die großen Führungspersönlichkeiten der Bibel wussten sich
von Gott gerufen. »Und der Herr hatte zu Abram gesprochen:
Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus
dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde.
… Und Abram ging hin, wie der Herr zu ihm geredet hatte …«117
An einen jungen Mann, Sohn eines Priesters in einem Ort
namens Anatot, erging das Wort des Herrn: »Bevor ich dich im
Mutterleib bildete, habe ich dich erkannt, und bevor du aus dem
Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt: Zum Prophe-
ten an die Nationen habe ich dich bestellt.«
»Ach, Herr, Herr«, sagte Jeremia, »siehe, ich weiß nicht zu
reden, denn ich bin jung.«

116 Johannes 7,17.
117 1. Mose 12,1.4.

• 76 •
»Sage nicht: Ich bin jung«, antwortete der Herr, »denn zu
allen, wohin ich dich senden werde, sollst du gehen, und alles,
was ich dir gebieten werde, sollst du reden. Fürchte dich nicht
vor ihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu erretten …«118
Ein in die babylonische Gefangenschaft geführter Priester
mit Namen Hesekiel sah Gesichte von Gott. Das Wort des Herrn
erging an ihn, als er am Fluss Kebar weilte: »… dort kam die
Hand des Herrn über ihn.«119
Paulus beginnt seinen Brief an die Römer mit folgenden Wor-
ten: »Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel, abgesondert
zum Evangelium Gottes …«120 In fast allen seinen Briefen bekräf-
tigt er seine Berufung – etwas, was nicht seiner eigenen Meinung
oder Neigung entsprungen, sondern ihm »auferlegt« war, dem
er nicht ausweichen konnte. Das war kein Grund, sich zu rüh-
men, sondern ein Grund, sich unterzuordnen.
Es war die Überzeugung von unausweichlicher, göttlicher
Autorität, die Abraham, Jeremia, Hesekiel und Paulus befähigte,
die Dinge zu tun, die sie für Gott tun sollten. Diese Berufung war
es, die sie groß machte – nicht ihre persönliche Befähigung. Sie
waren klug genug, dies zu erkennen, und bescheiden genug,
dies zuzugeben.
Die Befehle in der Heiligen Schrift sind überaus eindeutig: Tu
dies, tu das nicht. Hier eine kleine Auswahlliste: »Steht fest!«121,
»Seid stark!«122, »Seid mannhaft!«123, »Freut euch!«124, »Ver-
leugne dich selbst!«,125 »Seid nicht gleichförmig dieser Welt, son-
dern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes«126,
»Sucht, was droben ist … Sinnt auf das, was droben ist, nicht
auf das, was auf der Erde ist«127, »Gebt nun acht, wie ihr sorg­

118 Jeremia 1,4-8.
119 Hesekiel 1,3.
120 Römer 1,1.
121 1. Korinther 16,13; Philipper 4,1; 2. Thessalonicher 2,15.
122 1. Korinther 16,13; Epheser 6,10.
123 1. Korinther 16,13.
124 Römer 12,12; Philipper 2,18; 3,1; 4,4; 1. Thessalonicher 5,16; 1. Petrus 4,13.
125 Vgl. Matthäus 16,24; Markus 8,34; Lukas 9,23.
126 Römer 12,2.
127 Kolosser 3,1-2.

• 77 •
fältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise … seid nicht
töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei.«128
Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass hier der Wille
des Mannes ins Spiel kommen muss. Manchmal behandelt man
die königliche Aufforderung, als ob sie eine Einladung wäre, der
man aus Höflichkeit oder Bescheidenheit nicht nachkommen
sollte. Wir sind nicht dieser Meinung. Männer haben nicht die
Wahl, in der Familie oder in der Gemeinde Verantwortung zu
übernehmen oder nicht. Ihnen ist Verantwortung auf­erlegt. Ver-
antwortung ist das Kennzeichen eines Mannes von dem Augen-
blick an, da Gott eine Frau bildete, die Adams Bedürfnissen
entsprach, und sie zu Adam brachte und Adam sie als zu ihm
ge­hörig erkannte, sie als »Hilfe« annahm und ihr einen Namen
gab.129 Mannsein bedeutet, sich nicht vor der Verantwortung zu
drücken.
Als Adam und Eva gesündigt hatten, wussten sie sofort, dass
sie schuldig waren. Sie versuchten, ihre Blöße mit Feigenblättern
zu bedecken und sich vor Gott dem Herrn zu verstecken, als er
in der Abendkühle durch den Garten ging. Gott rief den Mann.
Das ist wichtig. Beide hatten von der Frucht gegessen, und die
Frau hatte sie sogar zuerst genommen. Aber man beachte: Gott
zog den Mann zur Verantwortung. »Adam, wo bist du?« Adam
versuchte, der Frage auszuweichen. Er erwähnte, dass er nackt
war, was schließlich Gottes Schuld war, nicht seine. Doch als
Gott den Finger auf das eigentliche Problem legte – die verbotene
Frucht –, da wies Adam die Verantwortung von sich. »Die Frau,
die du mir beigegeben hast, sie gab mir von dem Baum …«130
Adam verleugnete, dass er ein Mann war. Er wollte die
Schande für sich oder seine Frau nicht annehmen. Und als Gott
den Fluch über ihn aussprach, geschah es aus zwei Gründen:

128 Epheser 5,15.17.
129 Vgl. 1. Mose 2,21-24.
130 Vgl. 1. Mose 3,6-12.

• 78 •
»Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und gegessen
hast von dem Baum …«131
Es ist bestenfalls eine verfehlte Ritterschaft und schlimmsten-
falls Unverantwortlichkeit, wenn man sich aus der Affäre zieht
und die Frau alles machen lässt. Wenn du so handeln willst,
wirst du zwar nicht ein »männlicher Chauvinist« genannt, aber
du bist ungehorsam.
Eine oft gestellte Frage ist: »Warum übernimmt gerade die
Frau so oft die Führung in geistlichen Dingen  –  zu Hause und
in der Gemeinde? Warum ziehen sich die Männer zurück und
wagen nicht, ihren Mund aufzumachen?« Ich freute mich, als
ein Prediger ohne Zögern sagte: »Ich kann das mit einem Wort
beantworten: Ungehorsam!«
Gehorsam wird dir heutzutage sehr wahrscheinlich übel
angekreidet. Das ist aber nichts Neues. Gehorsam war noch nie
populär. Die Frage ist einfach: Wer ist dein Herr? Wenn das ein-
mal klar ist, fragst du, ob dein Herr ein Wort gesprochen hat.
Wenn dem so ist, war das sein Befehl an dich.

131 1. Mose 3,17.

• 79 •
Richtig und falsch
••
»Ich glaube, dass die wichtigste intellektuelle Unternehmung
die Unterscheidung von richtig und falsch ist«, sagte William F.
Buckley in einem Interview. Wir müssen in einer Zeit intellektu-
eller Unduldsamkeit leben – denn die Unterscheidung von rich-
tig und falsch wird zunehmend verwischt. Es ist populär, die
Kriminellen zu verteidigen, alle Schuld auf die Gesellschaft zu
schieben, unser eigenes Land zu geißeln und mit jedem Land zu
sympathisieren, das uns angreift. Was zählt, ist nicht, ob etwas
richtig oder falsch ist, sondern nur, wie wir uns dabei fühlen.
Da man sich auf Gefühle nicht verlassen kann, fangen wir an zu
schwimmen – ohne Maßstäbe zu besitzen.
Gott hat uns nicht der Barmherzigkeit der Gefühle überlassen.
Er gab uns Richtlinien. Die dem Mann speziell gegebenen Richt-
linien sind folgende:
– Ein Mann ist das »Haupt« der Frau.132
– Er vertritt unmittelbar die Person und Herrlichkeit Gottes.133
– Der Mann ist das »Haupt« der Frau in derselben Weise, wie
Christus das Haupt der Gemeinde und der Retter des Leibes
ist.134
– Der Mann muss der Frau dieselbe Liebe erzeigen, wie Chris-
tus sie der Gemeinde erzeigt hat, als er sich für sie hingab.135
– Männer sollten ihren Frauen dieselbe Liebe zuwenden, die sie
natürlicherweise für ihren eigenen Körper haben.136
– Ein Mann soll Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau
hängen.137

132 Vgl. 1. Korinther 11,3.


133 Vgl. 1. Korinther 11,7.
134 Vgl. Epheser 5,23.
135 Vgl. Epheser 5,25.
136 Vgl. Epheser 5,28.
137 Vgl. Matthäus 19,5.

• 80 •
– »Doch auch ihr [Männer], ein jeder von euch liebe seine Frau
so wie sich selbst …«138
– Männer sollen versuchen, ihre Frauen zu verstehen, und sie
ehren als das schwächere Geschlecht, doch als solche, die glei-
chermaßen wie sie selbst Erben der Gnade des Lebens sind.139
Und nun vergleiche die Liste der Befehle für die Männer mit
der Liste für die Frauen:
– Die Frau hat keine vollen Rechte mehr über ihre eigene Per-
son, sondern teilt diese mit ihrem Mann.140
– Die Frau spiegelt die Person und Ehre ihres Mannes wider.141
– »Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter, als
dem Herrn.«142
– Die willige Unterordnung der Gemeinde unter Christus sollte
in der Unterordnung der Frauen unter ihre Männer wieder­
zufinden sein.143
– Die Frauen sollen ihre Männer ehren.144
– Ihre Rolle ist, still zu sein.145
– Heilige Frauen früherer Zeiten vertrauten auf Gott und waren
ihren Männern untertan.146
Jetzt siehst du deutlich den Gegensatz zwischen dem, was
von Männern, und dem, was von Frauen erwartet wird. Die Lis-
ten sind verschieden. Was für Männer richtig ist, ist falsch für
Frauen. Die Rollen ergänzen sich gegenseitig. Sie sind so geplant,
dass Mann und Frau zusammen wirken können, ohne dass einer
den anderen verdrängt oder sie sich gegenseitig auf die Füße tre-
ten. Sie sollen gegenseitig geben statt nehmen, befreien statt ein-
schränken.

138 Epheser 5,33.
139 Vgl. 1. Petrus 3,7.
140 Vgl. 1. Korinther 7,4.
141 Vgl. 1. Korinther 11,7.
142 Epheser 5,22.
143 Vgl. Epheser 5,24.
144 Vgl. Epheser 5,33.
145 Vgl. 1. Timotheus 2,12.
146 Vgl. 1. Petrus 3,5.

• 81 •
Autorität ist eine Quelle der Macht
••
Als mein Bruder David noch klein war, hasste er den Ozean. Ich
erinnere mich daran, wie meine Mutter immer wieder versuchte,
ihn zu überreden, ins Wasser zu kommen und mit ihr »auf den
Wellen zu reiten«, aber er schrie und lief davon. Als unser Auf-
enthalt in Belmar in New Jersey sich dem Ende zuneigte, wagte
er sich endlich zögernd ins Wasser. Bald aber sprang er und
tauchte und stampfte spritzend durch die Wellen. Er geriet tat-
sächlich in eine Ekstase des Entzückens. Doch plötzlich wurde
ihm bewusst, dass diese Freude sehr bald enden sollte, weil der
Sommer vorbei war und wir morgen in die Stadt zurück­kehren
würden. Er brach in Tränen aus und schrie meine Mutter an:
»Warum hast du mich nicht gezwungen, ins Wasser zu gehen?«
Je eher wir uns dem Herrn des Lebens unterordnen und
denen, die er über uns setzt, desto eher werden wir unsere Frei-
heit und Freude finden. Er möchte uns allen letztlich nur Freude
bereiten – denn er ist Liebe! Es ist bemerkenswert, dass die Bibel
nicht sagt, Gott sei Gerechtigkeit oder Macht. Sie sagt: Gott ist
Liebe.147 Wie sollte er denn etwas Geringeres beabsichtigen als
unsere höchste Freude?
Meine Mutter wünschte David, dass er sich in den Wellen des
Ozeans nach Herzenslust tummeln konnte. Welcher Junge liebt
das nicht, wenn er es einmal probiert hat? Aber David wollte sich
nicht ihrem Willen oder den Wellen hingeben. Er dachte: »Ganz
sicher werden sie mich umbringen.« Er vertraute seiner Mutter
nicht, obwohl er allen Grund hatte, ihr zu vertrauen. So rauben
wir uns selbst unendlich mehr als nur einen Sommerspaß, weil
wir überzeugt sind, dass Gott uns schaden will.
»Ich bin vom Himmel herabgekommen«, sagte Jesus, »nicht
um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich

147 Vgl. 1. Johannes 4,8.16.

• 82 •
gesandt hat. … Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der
mich gesandt hat. … Wer von sich selbst aus redet, sucht seine
eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat,
dieser ist wahrhaftig, und Ungerechtigkeit ist nicht in ihm.«148
»Der Mensch wurde erschaffen, um dieses Muster nachzu-
ahmen«, schreibt C. S. Lewis in The Problem of Pain,149 »und wo
der vom Schöpfer mitgeteilte Wille in freudigem Gehorsam vom
Geschöpf vollkommen erwidert wird, dort ist unzweifelhaft
Himmel, und dort handelt der Heilige Geist.«150
Gestern Abend aßen wir in einem eleganten Club auf einem
Turm in Dallas mit einem Christen, der viel reist, schnell spricht
und klar denkt. Er beschrieb ein Treffen, das er für fünfundzwan-
zig Freunde organisiert hatte zu dem einzigen Zweck, sich ernst-
haft zu unterhalten. Ihnen wurde gleich zu Anfang mitgeteilt,
dass man nicht über belanglose Dinge reden und die Gruppe sich
nie mehr treffen würde, sodass man keine Rang­ordnung auf­
stellen oder eine besondere Taktik entwickeln musste. »Waren
alle Männer Christen?«, fragten wir. »Ja«, sagte er, sie mussten
es sein. Denn wo keine gemeinsame Autorität vorhanden ist,
kann es keinen fruchtbaren Austausch geben. Es war interes-
sant festzustellen, wie bei jedem neuen Thema, das aufgegriffen
wurde, derjenige, der sich auf dem Gebiet auskannte, sehr bald
An­erkennung fand. Das Wort Gottes war ihr Bezugspunkt, und
das Spezialwissen jedes Einzelnen wurde in diesem Zusammen-
hang gewürdigt. Es war die Autorität des Wortes Gottes, der sie
sich unterordneten und die der Gruppe Einheit verlieh und den
Diskussionen den Zusammenhalt gab.
Die Befehle an Männer und Frauen sind unsere Bezugspunkte.
Die besonderen Gaben, die Männern und Frauen ge­geben wur-
den, finden ihren reinsten Ausdruck im Zusammenhang mit
dem Plan Gottes. Eine Frau findet den vollständigsten Ausdruck
ihres Frauseins als Gegenüber eines Mannes, der willens und

148 Johannes 6,38; 7,16.18.
149 Auf Deutsch unter dem Titel »Über den Schmerz« erschienen (im Brunnen-Verlag).
150 C. S. Lewis, The Problem of Pain, 1943, S. 79.

• 83 •
froh ist, seine Gabe der Initiative auszuüben. Der Mann findet
den vollständigsten Ausdruck seines Mannseins als Gegenüber
einer Frau, die ihre Rolle des Reagierens annimmt.
Eine vielleicht etwas seltsame Illustration kommt mir in den
Sinn. Ich sah im Fernsehen einmal eine Herde Nilpferde, die sich
in einem großen graugrünen öligen Fluss in Ostafrika suhlten.
Langsam tauchten die beiden kugeligen Augenlider auf, gefolgt
von den Nasenlöchern und dem monströsen Maul. Die riesi-
gen Körper stiegen schwerfällig aus dem Wasser, um gleich dar-
auf wieder ins Wasser zurückzusinken. Und dann kam ein schö-
ner weißer Silberreiher daher, der landete auf dem schmutzi-
gen Kopf des Nilpferds und pickte sacht das Ungeziefer auf,
von dem das Nilpferd geplagt wurde. Welch eine freundliche
Abmachung! Das Nilpferd lieferte die Nahrungsgrundlage, und
der Vogel führte den gesundheitsfördernden Dienst aus. Jeder
tat, was der andere nicht vermochte, und so ergänzten sie sich
gegenseitig.
Was tue ich da? Ich vergleiche tatsächlich die Rolle des Man-
nes in Bezug auf die Frau mit der eines Nilpferds in Bezug auf
einen Silberreiher? Nun, in gewisser Weise schon. (Du dachtest,
ich würde dem vehement widersprechen, nicht wahr?) Jedes
wohlwollende Zusammenspiel zwischen Gottes Geschöpfen,
von der Paarung der kleinsten Krebstierchen bis zu den Begeg-
nungen zwischen Menschen und Engeln, spricht mich an. Es
spricht von einem Gott, der der Geber des Lebens ist und der
an alle möglichen Weisen gedacht hat, in denen seine Geschöpfe
leben und in Harmonie miteinander umgehen sollen.
»Es ist die Leidenschaft fürs Leben und seine Größe, der die
Rebellion die Wurzeln abfrisst«, schrieb P. T. Forsyth. »Unterord-
nung ist göttlich. Das Prinzip hat seine Wurzeln in dem Zusam-
menhalt der ewigen Dreieinigkeit selbst. Keinen Herrn oder
Meister anzuerkennen, ist satanisch. Ich bestehe auf dem christ-
lichen Prinzip, das unmittelbar aus der Natur Gottes abgeleitet
ist und wesentlich ist für die Männlichkeit und Weiblichkeit, die
Gott geschaffen hat. Ohne den Geist der Unterordnung gibt es

• 84 •
keine echte Frömmigkeit, keinen männlichen Adel und keinen
weiblichen Charme!«
In tödlicher Opposition zu diesem christlichen Prinzip steht
die Ansicht des Feminismus, Herrschaft und Unterwerfung seien
ein Fluch. Kein Wunder, dass Germaine Greer sagte: »Wenn es
einen Gott gibt, dann bin ich im Guerillakrieg mit ihm.«

• 85 •
Einführung ins Mannesalter
••
Einige Schwierigkeiten in unserer Gesellschaft rühren daher, so
meine ich, dass es keine Zeremonie gibt, welche die Unterschei-
dung zwischen Jünglingsalter und Mannesalter deutlich macht.
In Naturvölkern wird gewöhnlich irgendeine Form der Ein-
weihung verlangt. Die Nuer-Leute im südlichen Sudan machen
Stammeszeichen an die Stirn der jungen Männer, sie schneiden
tiefe Linien in die Haut, sodass Narben zurückbleiben. Außerhalb
des Frauenbereichs muss der junge Mann sich auf den Boden
legen, mit dem Kopf in Ochsenmist, während die Schnitte aus-
geführt werden. Das Blut strömt aus, und er darf nicht zurück-
zucken oder auch nur eine Miene verziehen. Gleichzeitig wird
ein Bulle kastriert, und der junge Mann nimmt den Namen des
Bullen an, tanzt mit ihm und identifiziert sich so mit dem Tier,
das für ihn seine Geschlechtskraft eingebüßt hat. Niemals darf
der junge Mann wieder in der Hütte seiner Mutter schlafen oder
eine Kuh melken. Er ist jetzt ein Mann – befähigt zu kämpfen, zu
jagen und zu heiraten.
In vielen alten Mythen und Legenden wird von einem Helden
erzählt, der durch einen dunklen Gang gehen oder eine Probe
bestehen muss, mit wilden Tieren oder Drachen ringt, das Böse
überwindet und siegreich in ein neues Leben, eine neue Erkennt-
nis und neue Verantwortung hinübergeht. In gewissem Sinne
veranschaulicht diese Handlung jede größere Krise im mensch-
lichen Zyklus von Geburt, Pubertät, Heirat und Tod. Man muss
dem Alten entsagen (zum Beispiel der Wärme und Sicherheit
der Gebärmutter), die Leiden des Durchgangs erdulden (die
Geburt selbst – schmerzvoll und furchterregend), jede Opposi-
tion überwinden (lernen, mit Licht, Schall und Kälte fertig zu
werden, atmen lernen) und ein neues Leben beginnen. Während
der Pubertät lässt der Mann die Unschuld der Kindheit zurück
– er muss beweisen, dass er fähig ist, zu ertragen und zu über­

• 86 •
winden, und er tritt in ein neues Leben, in eine neue Erkenntnis
ein – und in die neue Verantwortung, Mann zu sein. Es ist durch-
aus möglich, dass einer der Gründe, warum Männer in unserer
modernen Gesellschaft keine Männer sind, der ist, dass sie keine
»Pubertätsriten« haben. Im Sport kommen sie am nächsten an sie
heran, aber leider wird im Sport das Leben nur in einer äußerst
kontrollierten und künstlichen Art und Weise nachgeahmt. Män-
ner müssen sich irgendwie beweisen, und da keine wilden Tiere
erlegt werden müssen, um die Nahrungsversorgung sicherzu-
stellen, auch keine Feinde zu skalpieren oder mit dem Speer zu
durchbohren sind, es keine körperlichen Strapazen zu erdulden
gibt, um in der zivilisierten Welt zu überleben, sind sie in künst-
liche »Gefahren« geflüchtet: Spiele, Scuba-Tauchen, Drachen-
fliegen, Bergsteigen, Surfen und sogar Glücksspiele. Das Wag-
nis ist ein notwendiger Beweis der Männlichkeit, aber die ein­
gebaute Schwäche des Sports bedingt, dass Wagemut nicht nötig
ist. Abgesehen von professionellen Sportlern hat Sport nichts mit
der Nahrungsbeschaffung und dem Schutz der Familie zu tun.
Dabei ist es nicht so, dass das Leben selbst keine Tests liefern
kann. Leiden kommt in der einen oder anderen Form auf uns alle
zu, und wenn wir es auch durch verschiedene Mittel eine Zeit
lang aufschieben oder vermeiden können, so werden wir doch
früher oder später damit konfrontiert. »Wenn (junge Männer)
nur erwarteten, was kommt, und annähmen, was ihnen auferlegt
ist, würden sie in der Hälfte der Zeit Männer werden«, schrieb
George MacDonald.151 »Man empfängt mehr aus den verordne-
ten Widerwärtigkeiten in den Dingen als aus dem geräuschlosen
Lauf der Räder der Welt.«
Du hast einige kleinere »verordnete Widerwärtigkeiten«
erfahren  –  die Probleme, die in der Einleitung dieses Buches
genannt wurden: Freundinnen, Autos, Examen. Wozu dienten
sie, wenn nicht dazu, dich zu einem Mann zu machen, Peter?

151 Rolland Hein, Hrsg., The World of George MacDonald, 1978, S. 48.

• 87 •
Der wahre Test der Männlichkeit, so scheint es mir, ist nicht
der Boston-Marathon, sondern »der vor dir liegende Wettlauf«,
der in Hebräer 12,1 erwähnt wird. Paulus schrieb an den jungen
Timotheus:
»Übe dich aber zur Gottseligkeit; denn die leibliche Übung ist
zu wenigem nützlich, die Gottseligkeit aber ist zu allen Dingen
nützlich, da sie die Verheißung des Lebens hat, des jetzigen und
des zukünftigen.«152
Wir müssen unsere Reife nicht denen beweisen, die uns eben-
bürtig sind. »Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus
und den auserwählten Engeln, dass du diese Dinge ohne Vor­
urteil beachtest, indem du nichts nach Gunst tust.«153 Du hast
vielleicht nicht genau dieselben Pflichten zu erfüllen wie Timo-
theus. Dennoch wirst du dich demselben Richterstuhl stellen
müssen.154

152 1. Timotheus 4,7.8.
153 1. Timotheus 5,21.
154 Vgl. 2. Korinther 5,10.

• 88 •
Die Straße zum Leben
••
Die Bibel ist voller Beispiele dafür, wie Gott sich Männlichkeit
vorstellt. Abraham nahm das gewaltige Wagnis auf sich, Gott zu
glauben und seinem schockierenden Befehl zu gehorchen: »Geh
aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem
Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde.«155 Es
war eine Initiationsszene. Wenn er ein Mann Gottes sein wollte,
musste er sich der schweren Prüfung unterziehen. Er ordnete
sich unter und ging.
Mach dir einmal klar, was es bedeutet, das Angenehme und
Vertraute zu verlassen und Gefahren auf sich zu nehmen. Kannst
du dir seine Begleitung vorstellen, wahrscheinlich mindes­tens
sechzig Leute: »… und alle ihre Habe, die sie erworben, und
die Seelen, die sie in Haran gewonnen hatten, und sie zogen
aus …«?156
Wenn du bedenkst, was in dem Land zwischen Haran und
dem verheißenen Land alles geschehen konnte, dann weißt du,
dass das Risiko, das Abraham auf sich nahm, ganz ge­waltig,
ja furchtbar war. Was, wenn sie verhungerten? Wenn plötzlich
nicht genügend Wasser für Menschen und Tiere vor­handen
wäre? Was wäre, wenn feindselige Menschen ihnen begegneten?
Sie haben tatsächlich auch einmal Hunger erlebt. Es gab einen
Streit zwischen Abrahams und Lots Hirten. Lot wurde ge­fangen
genommen. Abraham erlebte an einem Ort »Schrecken, dichte
Finsternis«.157 Es gab ein Stammeszeichen. Gott setzte den Bund
der Beschneidung ein, ein spezifisch männliches Zeichen, um
Abraham und seine Nachkommen auf ewig an Gott zu binden.
Die Analogien lassen sich fortsetzen. Nicht einmal, sondern wie-
der und wieder ging Abraham durch dunkle »Gänge« hindurch.

155 1. Mose 12,1.
156 1. Mose 12,5.
157 1. Mose 15,12.

• 89 •
Die größte Prüfung seines Lebens kam sicher, als Gott ihn auf-
forderte, seinen einzigen Sohn auf einem Altar zu opfern. Er
schreckte nicht einmal davor zurück, sondern ging aus der Ver-
suchung glänzend hervor.158 Ein richtiger Mann!
Das Kennzeichen des Mannes Daniel war Selbstbeherrschung.
Er widerstand der reichen Tafel des Königs. Er hielt bestimmte
Gebetszeiten ein. Er erlangte großes Ansehen: »Da übertraf
dieser Daniel die Vorsteher und die Satrapen, weil ein außer­
gewöhnlicher Geist in ihm war.«159 Dies brachte ihm den Neid
seiner Rivalen ein, die dann dem König seine Gottergebenheit
berichteten. Daraufhin wurde er in eine Löwengrube geworfen,
aber er wurde daraus befreit, »und keine Verletzung wurde an
ihm gefunden, weil er auf seinen Gott vertraut hatte«.160
David war ein weiteres Beispiel für jemanden, der durch die
Prüfungen der Männlichkeit hindurchging. »Aber ganz Israel und
Juda hatten David lieb, denn er zog aus und ein vor ihnen her.«161
Was sie zu Männern machte, war ihre Bereitschaft, sich selbst
für die Sache Gottes und für andere Menschen hinzugeben.
Sport ist ein schlechter Ersatz für solche »Riten«. Man betreibt
ihn nicht um Gottes willen oder für andere, sondern für sich
selbst, für eigene Ehre und für Gewinn.
Das Leben Jesu verdeutlicht uns in jeder Weise die ganze
Bedeutung des Lebens und des Todes – denn sein Leben auf der
Erde war immer mit dem Tod verbunden.
»Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Chris-
tus Jesus war, der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für
einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu
nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleich-
heit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein
Mensch er­funden  …«162 Hier sehen wir das höchste Beispiel
– die bewusste Willensentscheidung Jesu, sich selbst »zu nichts

158 Vgl. 1. Mose 22.


159 Daniel 6,4.
160 Daniel 6,24.
161 1. Samuel 18,16.
162 Philipper 2,5-7.

• 90 •
zu machen« – oder »zu entleeren«, wie das griechische Wort hier
eigentlich zu übersetzen ist. Er machte sich selbst zu nichts. Oft-
mals wird in Stammesriten gefordert, dass ein Mann sich selbst
zu nichts macht  –  ein Symbol dafür, dass man alles wegwirft,
was mit dem alten Leben verbunden ist. Jesus kam, wie Henry
Barraclough es in einem Lied ausdrückt:

Hervor aus Edelsteinpalästen


Kam er in eine Welt voll Sündenleid.
Nur seine ewig große Liebe,
Die machte meinen Herrn dazu bereit.

Die Erniedrigung des Herrn der Welt durch die Schwanger-


schaft einer jungen Frau aus dem kleinen Ort Nazareth und dann
durch sein Kommen als ein hilfloses Kind in diese Welt, in der
kein Raum für ihn war, all dies wird in einem alten Kirchenlied
so ausgedrückt:

Gelobet seist du, Jesu Christ,


Dass du Mensch geboren bist
Von einer Jungfrau, das ist wahr;
Des freuet sich der Engel Schar.
Kyrieleis!

Des ew’gen Vaters einig Kind


Jetzt man in der Krippen findt,
In unser armes Fleisch und Blut
Verkleidet sich das ewig Gut.
Kyrieleis!

Den aller Welt Kreis nie beschloss,


Der liegt in Marien Schoß;
Er ist ein Kindlein worden klein,
Der alle Ding’ erhält allein.
Kyrieleis!

• 91 •
Das ew’ge Licht geht da herein,
Gibt der Welt ein’n neuen Schein;
Es leucht’t wohl mitten in der Nacht
Und uns des Lichtes Kinder macht.
Kyrieleis!

Der Sohn des Vaters, Gott von Art,


Ein Gast in der Welt hier ward
Und führt uns aus dem Jammertal,
Er macht uns Erben in sein’m Saal.
Kyrieleis!

Er ist auf Erden kommen arm,


Dass er unser sich erbarm’,
Und in dem Himmel machet reich
Und seinen lieben Engeln gleich.
Kyrieleis!

Das hat er alles uns getan,


Sein’ groß’ Lieb’ zu zeigen an.
Des freu’ sich alle Christenheit
Und dank’ ihm des in Ewigkeit.
Kyrieleis!163

Sogar seine Geburt war mit dem Tod verwoben. Jede Minute
seines Erdenlebens war für ihn ein Tod, jede Minute bedeutete
Aufopferung seiner selbst und seines Willens, doch – wie er sei-
nen Jüngern sagte – den Willen seines Vaters zu tun, war seine
Speise.164
Wir erkennen in seinem Erdenleben einen ganz neuen Weg,
mit Menschen umzugehen, sie zu lieben und ihnen zu dienen auf
Kosten seiner selbst. Aus diesem täglichen Sterben, wegen dieses
Sterbens, das in seinem leiblichen Tod, als er wie ein Verbrecher
163 Martin Luther, 1524.
164 Vgl. Johannes 4,34.

• 92 •
gekreuzigt wurde, seinen höchsten Ausdruck fand, erwuchs uns
das Leben. Er ist die Auferstehung. Er ist Leben. Er möchte uns
Leben geben.
Das wird von dir verlangt, um ganz und gar ein Mann zu sein,
Peter. Du musst am Leben Christi teilhaben. Ohne ihn kannst
du nichts tun – einfach gar nichts. Aber mit ihm kannst du alles
tun!165 Die Bereitschaft eines Mannes, sein Leben aufzuopfern für
seine Familie, seine Frau oder einen anderen Menschen, der ihn
braucht, ist nicht das Ende aller Dinge. Es ist nur das Ende sei-
nes Ichs.
Ich weiß, dass es so ist. Es gibt Zeiten, in denen alles in uns
widerstrebt, den nächsten Schritt zu tun, der getan werden muss.
Denk an Abraham, wie er wirklich seine Habe zusammenpackte
und sich verabschiedete und sich auf die Reise durch die Wüste
machte. Denk an die Entscheidung, die Daniel traf, nachdem er
den Beschluss des Königs vernommen hatte. Sollte er trotzdem
einfach weitermachen und die Fenster, die nach Jerusalem zeig-
ten, öffnen und niederknien, wo er doch schon sowieso leicht
verspottet werden konnte, um nun aber auch noch ein Wag-
nis auf Leben und Tod auf sich nehmen? Alles im Leben dieser
Männer muss geschrien haben: »Nein!« Alles, außer einer Sache:
ihrem Wunsch, Gott zu gefallen.
Vor einigen Tagen habe ich mit einem Mann gesprochen, der
gerade auf höchst dramatische und traumatische Weise auf­
gefordert wird, »Nein« zu sich selbst zu sagen. Sein Stolz, sein
An­­sehen und sein Eigenimage machen ihm zu schaffen. Er
möchte, fast wie ein Verräter, »Ja« sagen, aber er weiß, dass er
»Nein« sagen soll. Ich wünschte von ganzem Herzen, ich könnte
ihn zu der Erkenntnis bringen, dass die Welt nicht zusammen-
bricht, wenn er »Nein« sagt. Es wäre wirklich nur das Ende sei-
nes Ichs, und dieses Ende wird Freiheit und Freude und Licht
und Vergnügen sein  –  ja, ich bin mir ganz sicher, Vergnügen!
Aber dieses Vergnügen stellt sich nicht ein trotz des Verzichts,

165 Vgl. Markus 9,23; Johannes 15,4-7.

• 93 •
sondern gerade deswegen. Das »Nein« ist die Voraussetzung
dafür. »Die Männer, die durch das Kreuz gekennzeichnet sind«,
schrieb G. K. Chesterton, »gehen vergnügt durch die Finsternis.«
Das Leben entsteht nicht trotz, sondern wegen des Todes.
Gott vermochte seinen Willen durch Abraham auszuüben, nicht
trotz der Leiden und Opfer Abrahams, sondern gerade ihret­
wegen. Daniel ist ein strahlendes Beispiel für echten Glauben
(und belebt zugleich auch unseren Glauben), nicht trotz der Dro-
hung mit der Löwengrube, sondern gerade weil er sie erduldete.
Solch ein »Tod« war notwendig, um einen lebendigen Glauben
sichtbar zu machen.
Wer ganz und gar ein Mann ist, hat das Recht auf sich selbst
aufgegeben. »Nimm mein Blut«, schrieb Jim Elliot in sein Col-
lege-Tagebuch, »nimm es ganz! Lass es ausgeschüttet sein für
das Leben der Welt.« Als die Chance sich ergab, etwas Großes
im Gehorsam gegenüber Gott zu wagen, nahm er die Chance
wahr  –  er ging »vergnügt«! Ich bezweifle, dass er sich an die
Worte dieses Gebets erinnerte, aber die Sache war lange vorher
abgemacht. Die Straße zum Leben sollte der Weg des Todes sein.

• 94 •
Autorität ist angemessen
••
Wenn Gott möchte, dass wir eine Arbeit tun, dann wird er uns
auch die Gaben geben, die für diese Arbeit notwendig sind. Dar-
auf können wir uns felsenfest verlassen.
»Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber der-
selbe Geist; und es sind Verschiedenheiten von Diensten, und
derselbe Herr; und es sind Verschiedenheiten von Wirkungen,
aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Einem jeden aber
wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben. … Denn
auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft wor-
den …«166
Ein Körper braucht einen Kopf. Er braucht eine Quelle der
Autorität. Christus ist die Quelle jeder Autorität.
»Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die
in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die
unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürsten-
tümer oder Gewalten: Alle Dinge sind durch ihn und für ihn
geschaffen. Und er ist vor allen, und alle Dinge bestehen durch
ihn. Und er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, der der
Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem
den Vorrang habe.«167
Hier ist nun etwas Erstaunliches festzustellen. »Der Mann«,
so wird uns in Epheser 5,23 gesagt, »ist das Haupt der Frau, wie
auch der Christus das Haupt der Versammlung ist; er ist des Lei-
bes Heiland.«
Unzählige Seiten sind geschrieben worden, um zu beweisen,
dass die »Führungsrolle« des Mannes nicht das Geringste mit
Autorität zu tun hat. Der Mann ist bloß die »Quelle«. Es ist schon
richtig, dass er die Quelle der Frau ist  –  das heißt, die Quelle
ihres Seins –, wenn sie aus einer seiner Rippen gemacht wurde,
166 1. Korinther 12,4-7.13.
167 Kolosser 1,16-18.

• 95 •
aber in dem zitierten Bibelabschnitt geht es um den Vergleich der
Beziehung des Kopfes einer Person zu ihrem Körper. Die Arme
und die Beine erhalten Befehle vom Kopf. Man kann einen Arm
oder ein Bein abschneiden, trotzdem bleibt der Körper funk­
tionstüchtig. Aber wenn der Kopf abgeschnitten wird, ist es mit
dem Körper vorbei.
Wenn der Mann das »Haupt« der Frau ist, wie auch Chris-
tus das Haupt der Gemeinde ist, dann muss er über sie Autorität
ausüben. Dies zu verleugnen, bedeutet, die Analogie ihrer zen­
tralen Aussage zu berauben.
Die Bereitschaft Christi, das Haupt der Gemeinde zu sein, war
ein Teil seiner Unterordnung unter den Vater. Die Bereitschaft
eines Mannes, das Haupt seiner Frau zu sein, ist eine Frage der
Unterordnung  –  unter Christus. Für die Frau bedeutet Oppo-
sition gegen die Autorität des Mannes Opposition gegen Gott.
Wenn der Mann die Autorität verwirft, ist er Gott ungehorsam.
Mann und Frau empfangen die Gaben, die sie für ihre Arbeit
benötigen. Was wir sind  –  Männer oder Frauen  –, entscheidet
darüber, was wir tun. Die Welt sieht die Geschlechtlichkeit als
etwas materiell Gegebenes an, das wir nach Belieben gebrau-
chen können. Für den Christen ist das Geschlecht des anderen
zuerst eine – mächtige und nicht zu leugnende – Gabe, die in den
Gedanken und der Liebe Gottes ihren Ursprung hat. Diese Gabe
bestimmt, wer er oder sie ist, und sie bestimmt in gewaltigem
Ausmaß, was er oder sie tut. Denn die Gabe ist seiner oder ihrer
Berufung angemessen  –  nicht nur der »Berufung«, die Spezies
fortzupflanzen, sondern auch der Berufung, in der Welt, in der
Gemeinde und in der Familie ein Mann oder eine Frau zu sein.
Es ist bemerkenswert, dass neuere Studien in der Ethno­
logie, Anthropologie, Endokrinologie und experimentellen Psy-
chologie dazu tendieren zu bekräftigen, was Mütter und Dich-
ter schon immer gewusst haben – dass Mann und Frau nicht nur
unterschiedlich gebaut sind, sondern auch unterschiedlich den-
ken und handeln. Zwei bekannte Psychologen, Karl H. Pribram
und Diane McGuinness, haben gefolgert, dass Frauen »kom-

• 96 •
munikative« Wesen sind, die mehr auf Menschen orientiert
sind, während Männer »manipulativ« und mehr an den Dingen
interes­siert sind. Als man Jungen und Mädchen dreidimensio-
nale Gegenstände gab, die sie auseinandernehmen sollten, haben
die Jungen die Mädchen bei Weitem übertroffen.
Die Meinung, dass verhaltensmäßige Unterschiede bei Jungen
und Mädchen nur das Ergebnis der Umwelt seien, ist nicht mehr
haltbar; denn es gibt immer mehr Beweise für eine »genetische
Komponente in bestimmten Arten des Verhaltens – zum Beispiel
Aggression und Fürsorgetrieb  –, die gewöhnlich als spezifisch
männlich oder weiblich angesehen werden … In keiner mensch-
lichen Kultur, die je untersucht wurde, war die Frau aggressiver
als der Mann.«168
Es passt vorzüglich, dass der eine führt und der andere folgt.
Es geht alles besser so, und es ist eine Erleichterung, nicht ab­­
stimmen zu müssen, wer führen soll. (Welch eine zeitraubende
Angelegenheit wäre das!) Gott hat das alles schon bewerkstelligt,
und wenn wir mit seinem Plan übereinstimmen, geschieht alles,
wie er es haben möchte: freundlich und ordentlich.
Wenn Paulus den Kolossern schreibt: »Und alles, was immer
ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn
Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn«,169 dann gibt er
ihnen sofort danach ein Beispiel dafür, was zu diesem »alles, was
immer ihr tut« dazugehört: »Ihr Frauen, ordnet euch euren Män-
nern unter! … Ihr Männer, liebt eure Frauen!«170
Wer sich ehrlich bemüht hat, dies zu befolgen, weiß, dass es
harte Arbeit ist. Es hat keinen Zweck, so zu tun, als ob wir etwas
»im Namen des Herrn Jesus« tun, wenn wir es nicht in seiner
Weise tun.
»Was Männer aus eigener Initiative tun«, schreibt Mircea
Eliade in The Sacred and the Profane,171 »ist profan und deshalb

168 Tim Hackler, Women Vs. Men: Are They Born Different?.
169 Kolosser 3,17.
170 Kolosser 3,18.19.
171 Auf Deutsch so viel wie »Das Heilige und das Profane«.

• 97 •
eitel, illusorisch, unecht.« Doch uns wurde ein Vorbild gegeben,
an dem wir uns orientieren können: In Jesus müssen die Prin­
zipien und Verhaltensmuster gesucht und erkannt werden.

• 98 •
Wer freit?
••
Es ist angebracht, Peter, dass der Mann Autorität nicht nur des-
halb ausübt, weil er genetisch als »Aggressor« festgelegt ist, son-
dern auch weil ihm geistliche Verantwortung gegeben wurde.
Die Frage des »Freiens« ist nicht unwichtig.
Eine junge Frau ging in einer Seminar-Bibliothek auf einen
Mann zu, der in sein Studium vertieft war. Sie kniete sich neben
seinen Stuhl und ließ schüchtern ein Zehn-Cent-Stück über den
Tisch neben seinen Büchern gleiten.
»Das ist alles, was ich habe«, sagte sie. »Aber wenn du fünf
Cent hast, können wir gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken.«
Obwohl der Mann unwillig war, weil er nicht nur in seinen Stu-
dien unterbrochen, sondern auch in solch eine undefinierbare
Situation gebracht wurde, ging er doch mit ihr und zahlte zwei
Tassen Kaffee, weil er sah, wie verzweifelt sie war.
Du könntest diese Episode sicher durch zwanzig andere
ergänzen. Ich erinnere mich daran, wie du mir von dem Abend
erzählt hast, an dem du für eine Catering-Firma auf einer Hoch-
zeitsparty beschäftigt warst. Eine der etwas attraktiveren jungen
Damen bat dich zum Tanz.
Das war wirklich eine peinliche Situation, denn sie konnte
dich unmöglich für einen Gast gehalten haben: Du trugst deinen
weißen Kellneranzug mit schwarzer Fliege. Aber du benahmst
dich wie ein Kavalier und hast ihr  –  pflichtbewusst, wie du
bist – einen »Korb« gegeben.
Frauen werben heutzutage zu sehr um die Männer. Ihre Tak-
tik ist unsäglich töricht, aber vielleicht hat sich nie jemand die
Mühe gemacht, ihnen zu erklären, warum diese Vorgehensweise
unangebracht ist. Ich weiß von Mitteilungen, die in Briefkästen
des Seminars geworfen werden, von Anrufen, »zufälligen« Tref-
fen auf den Fluren, die auf geheimnisvolle Weise sich zu wieder-
holen schienen.

• 99 •
Studentinnen fragen mich, wie sie mit den »Brüdern« »in
Beziehung treten« können. Es ist nicht so leicht, diese Frage rich-
tig zu beantworten. Mehrere Trugschlüsse verbergen sich da­­
hinter. Sie benutzen einen Ausdruck, »Brüder«, der eine geistliche
Beziehung beschreibt, um zu verbergen, dass sie sich erhoffen,
es möge etwas Persönliches und Gefühlvolleres dabei heraus-
kommen. Sie behaupten, sie wünschten sich Ge­meinschaft, aber
diese könnten sie auch mit ihren Zimmerkameradinnen haben.
Sie sind an Freunden interessiert, was denn sonst, und ich gönne
es ihnen von Herzen! Ich mag Männer. Was ich beklage, ist, dass
sie die Verantwortung übernehmen wollen. Sie versuchen, einen
»Bruder« in eine »Beziehung« zu verstricken. Sie täten viel bes-
ser daran, ihre Energie darauf zu lenken, Gott zu vertrauen und
das Freien dem Mann zu überlassen, den Gott für sie aus­ersehen
hat.
»Sie meinen, ich soll überhaupt nichts tun?«, fragen mich
Frauen manchmal.
»Das habe ich nicht gesagt«, antworte ich dann. »Gott zu ver-
trauen, ist das Größte, was man je tun kann. Gott zuzutrauen,
dass er für Ihr Liebesleben sorgt, ist  –  das weiß ich aus Er­­
fahrung – eine harte tägliche Glaubensübung.«
Es ist völlig richtig, dass Christen Brüder und Schwes-
tern sind. Sogar eine verheiratete Frau kann eine »Schwester«
genannt werden. »Haben wir etwa nicht das Recht, eine Schwes-
ter als Frau mit uns zu führen …?«,172 fragt Paulus. Dies zeigt,
dass christlich gesprochen »Bruder« und »Schwester« Synonyme
sind. Ältere Frauen sollten, so teilte Paulus dem Timotheus mit,
nicht als Schwestern, sondern als Mütter betrachtet werden.173 Er
beschreibt Beziehungen innerhalb der Familie Gottes. Als Kinder
des einen himmlischen Vaters sind wir miteinander verwandt.
Hier zeigt sich der zweite Trugschluss, der sich hinter der
Frage der Frauen verbirgt: »Wie können wir in Beziehung tre-
ten?« Die Beziehung zwischen christlichen Brüdern und Schwes-
172 1. Korinther 9,5.
173 Vgl. 1. Timotheus 5,2.

• 100 •
tern ist nicht etwas, was wir erst schaffen müssen. Sie besteht
bereits. Wir sind Glieder untereinander, und wir sind auf­­
einander bezogen, sodass die Anstrengungen der eifrigen ein­
samen Frauen, die ich beschrieben habe, völlig verfehlt sind.
Ich behaupte nicht, das Gesetz vom Sinai auf meiner Seite zu
haben in Bezug auf die Regeln der Brautwerbung, noch weni-
ger die Regeln der jetzt fast ganz ausgestorbenen Sitte des Ren-
dezvous. Aber sicherlich hat das Vorbild der Beziehung Christi
zu dessen Braut eine gewisse Bedeutung für die Art und Weise,
wie ein christlicher Mann und eine christliche Frau in die Ehe
gehen. Wenn ein Mann seine Frau lieben soll, wie Christus die
Gemeinde liebt, wenn er in bestimmter Weise das Haupt seiner
Frau sein soll, wie Christus das Haupt der Gemeinde ist, dann
muss er die Frau suchen, muss um sie werben und sie gewinnen.
Zweifellos ging es viel ungezwungener zu, als Eltern oder
andere ältere oder weise Menschen die Wahl des Ehepartners
trafen. Verabredete Ehen funktionierten in der Regel besser als
die Mehrzahl der »spontanen« Ehen heute. Aber wir stecken in
dem jetzigen System, und das Beste, was ein Mann tun kann, um
seinen Weg durch die schrecklichen Schwierigkeiten zu gehen,
die durch dieses System entstehen, ist, das Vorbild zu studieren.
»Er zog mich mit Stricken der Liebe und band mich so an sich«,
wie es in einem Lied heißt.
Suchen, freien und gewinnen, wenn man nicht mehr die Hilfe
einer altehrwürdigen und weisen Sitte hat – denn die Sitten wer-
den verachtet –, kann dennoch sinnvoll, züchtig und mit Gebet
geschehen. Der Herr hat allen, die ihn darum bitten, Weisheit
versprochen.174 Er hat denen Leitung verheißen, die bereit sind,
den Weg anzunehmen, den Gott wählt.175 Er hat verheißen, die
Wünsche aller zu erfüllen, die ihn fürchten.176
Das Lied eines unbekannten Dichters beschreibt, wie Chris-
tus wirbt:

174 Vgl. Jakobus 1,5.
175 Vgl. Psalm 37,5.
176 Vgl. Psalm 145,19.

• 101 •
Ich suchte den Herrn, doch jetzt sehe ich,
Er wirkte in mir; denn auch er suchte mich.
O treuer Erretter, dein Herz sehnte sich,
So bin ich jetzt selig, gefunden durch dich.177

Die Bibel spricht oft davon, dass Gott die Liebe seines Volkes
suchte, wie ein Liebender die Geliebte sucht. Ich habe schon
darauf hingewiesen, wie Hesekiel Jerusalem mit einem un­­
erwünschten Kind vergleicht, das aufs freie Feld geworfen und
gerettet wurde und zu einem hübschen Mädchen heranwuchs.
»… und ich schwor dir und trat in einen Bund mit dir, spricht der
Herr, Herr, und du wurdest mein.«178 Ephraim wird mit einem
Kind verglichen, das gehen lernt, in Gottes Arme ge­nommen,
geheilt und geführt wird »mit Seilen der Liebe«.179 Diese Vor-
stellung weist wieder auf die Transzendenz der geschlecht­lichen
Be­­ziehung hin. Es ist sicher nicht verfehlt, diese Transzendenz
anzuerkennen, wann immer es möglich ist  –  sogar bei einer so
offensichtlich flüchtigen Gelegenheit wie einem Rendezvous,
denn ein Rendezvous ist zumindest ein erster Zugang zur Ehe –
und in unserer Gesellschaft vielleicht der einzige aus alter Zeit
übernommene förmliche Zugang.

177 Übertragung ins Deutsche durch Hermann Grabe.


178 Hesekiel 16,8.
179 Hosea 11,4.

• 102 •
Autorität bedeutet Opfer
••
»Was ist, wenn sie mir einen Korb gibt?« Es gibt zwar Männer,
die stolz damit prahlen, sich diese Frage nie zu stellen, doch in
Wirklichkeit nimmt der Initiator immer Risiken auf sich. Chris-
tus nahm sie um unsertwillen auf sich. »Er kam in das Seine, und
die Seinen nahmen ihn nicht an.«180
Einer der hübschesten jungen Männer, die ich kenne, erklärte
mir, dass er sich mit einem bestimmten Mädchen treffe, nur weil
er einsam sei, und sie machte ihm deutlich, dass sie noch frei sei,
aber er hatte Angst, dass er abgelehnt werden könnte. Weil ich
die Klagen der Mädchen kenne, die vergeblich in den Studen-
tenheimen auf einen einzigen Telefonanruf warten, fand ich es
tatsächlich schwer zu glauben, dass dieser hervorragend aus­
sehende Mann fürchtete, abgewiesen zu werden.
Aber wir alle glauben das. Denn lieben zu wollen, statt geliebt
werden zu wollen, erfordert Opfer. Die Liebe streckt sich aus,
bereit, abgelehnt oder belästigt zu werden, sie erwartet keine
persönliche Belohnung, sie möchte nur geben.
»Aber das ist ein unmöglicher Maßstab für einen liebenden
Menschen«, wirst du sagen. Wir sind nicht wie die »Immer­
währende Liebe«  –  sondern weit davon entfernt. Die un­­
angenehme Tatsache ist jedoch, dass dieser »unmögliche« Maß-
stab der einzig richtige Maßstab ist. Es gibt keinen anderen
Maßstab, an dem wir unsere Liebe messen sollen. »…  dass ihr
einander liebet, wie ich euch geliebt habe«,181 sagt Jesus, und
Paulus schreibt: »Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der
Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hin­
gegeben hat, damit er sie heiligte, sie reinigend (denk an das
weg­geworfene Kleinkind auf dem Feld!) durch die Waschung
mit Wasser durch das Wort, damit er die Versammlung sich
180 Johannes 1,11.
181 Johannes 15,12.

• 103 •
selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder
etwas dergleichen habe (denk daran, dass das Kind zu einer hüb-
schen Frau heranwuchs!), sondern dass sie heilig und untadelig
sei.«182 So gehen die Bedingungen weiter.
Denk über diese Liebe nach, Peter! Sie ist meilenweit ent-
fernt von dem sentimentalen egoistischen Gefühl, das die Welt
»Liebe« nennt. Sie hat damit wirklich nichts zu tun. Sie ist die
hochheilige Aufforderung, dich selbst zu vergessen.
»Mich selbst vergessen? Niemals!« Das ist eine normale
menschliche Reaktion. Und natürlich geht das nicht ohne die
Gnade Gottes.
Wir sind dazu berufen, mit Christus an seinem eigenen Werk
teilzunehmen, mit seiner Liebe zu lieben, zu tun, was er für
andere tut. Das kann man in der Welt nicht allein schaffen. Wir
können es tun, weil er sein Leben in uns lebt.183
Wenn du dich bei dem Gedanken ertappst: »Aber ist es nicht
höchste Zeit, dass ich auch ein wenig gewürdigt werde? Hat sie
nicht auch Verantwortung zu tragen? Mensch, was mache ich
alles für sie!«, dann ist es an der Zeit, noch einmal den Maßstab
anzusehen: »Liebt …, wie auch der Christus die Versammlung
geliebt … hat.«184
Du möchtest, dass deine Frau sich unterordnet? Dann musst
du lange und ständig auf die Art von Liebe schauen, die Christus
gab. Sie beruhte auf Selbstaufopferung. Dies ist die Grundlage
für Autorität. Sie beginnt mit dem Opfer. Sie wird durch Opfer
erhalten. Napoleon sagte einmal, dass er ein Reich auf Gewalt
errichtet habe, während Jesus ein Reich auf Liebe gebaut hat.
Denn seit zweitausend Jahren gab es keine Zeit, da nicht Hun-
derttausende bereit waren, für ihn zu sterben. Keine Macht auf
Erden kann sich mit der Macht der opfernden Liebe messen.
Es reicht nicht aus, einfach »auf deine Gefühle zu vertrauen«.
Du weißt nie, wohin deine Gefühle dich treiben. Manchmal

182 Epheser 5,25-27.
183 Vgl. Galater 2,20.
184 Epheser 5,25.

• 104 •
wirst du dich fühlen, als ob du aufgeben oder ausweichen müss-
test. Pantoffelhelden sind gewöhnlich solche, die dieser Ver-
suchung erlegen sind. Wenn die kleine Frau es wünscht, was
immer es sei – vom Kauf des Geschirrspülers bis zur Vollmacht
über das Scheckheft –, geben sie es ihr. Indem sie so ihre Pflicht
ver­­säumen, geraten diese »großzügigen« Männer selbst immer
mehr in Unterordnung, statt in verantwortlicher Stellung aus­
zuhalten.
Es gibt aber auch die entgegengesetzte Versuchung, näm-
lich wie ein Feldwebel zu befehlen. Schwache Männer, die ihrer
Autorität nicht gewiss sind, neigen vor allem dazu.
»Was würden Sie tun«, fragte ich vor Kurzem einen be­kannten
Theologen, »wenn Ihre Frau Ihnen den Gehorsam verweigerte
und beispielsweise nicht antworten will, wenn Sie sie fragen, wo
sie gewesen ist?«
»Ich neige mehr dazu zu befehlen, als zu fragen«, antwortete
er.
Weder das eine Extrem (seine Pflicht zu versäumen) noch das
andere (zu tyrannisieren) kennzeichnet einen wahren Mann. Der
wahre Mann weiß, wann für ihn etwas zu schwer ist und er Hilfe
braucht. Er wird zu dem Einzigen getrieben, der weiß, wie man
so liebt, und er bittet ihn auf seinen Knien um Hilfe. Dies wird
ihn von der Wut befreien, die oft auf Gehorsamsverweigerung
folgt, und von dem Gefühl der Hilflosigkeit und von verletztem
Stolz. Er hält seine Frau dem Herrn entgegen, weil er sie liebt
und für sie betet. Er macht sie zum Opfer und zur Gabe, wenn er
auf Gewalt verzichtet. Er gibt auch sich selbst hin. Das macht ihn
heilig und Gott angenehm.
Es gäbe sicher viel weniger Ehescheidungen, wenn Männer
wüssten, wie sie aufopfernd lieben sollen. Die meisten Vernünf-
teleien, die als Gründe für die Scheidung angegeben werden,
drehen sich um das Glück der beiden Menschen. Sie haben sich
verändert, seit sie im Alter von 20  Jahren geheiratet haben. Sie
sind nicht mehr der Mann und die Frau, die sie damals waren.
Sie haben sich auseinandergelebt. Der eine oder andere findet

• 105 •
keine Erfüllung. Da heißt es: »Wir haben einander nie ›wirk-
lich geliebt‹.« (Kann man dem Gedächtnis in dem Maße ver-
trauen?) Wenn Menschen sich hassen, können sie sich wahr-
scheinlich nicht mehr erinnern, wie es war, als sie sich liebten.
Die Be­­ziehung funktioniert einfach nicht mehr. So meinen sie,
getrennt viel freier zu sein. »Unser Leben zu vergeuden, wäre
eine Sünde«, heißt es in einem Lied. Aber trotzdem gilt: Schei-
dung ist nicht möglich. Gott hasst sie.185 Man wählt aus freien
Stücken eine Frau – und dann bindet man sich, durch feierliches
Ver­­sprechen vor Gott und Zeugen, dass man sie lieben, ehren
und pflegen will, bis der Tod die beiden scheidet. Man ver-
spricht, von allen anderen sich zu trennen.
Niemand kann ein solches Versprechen aus eigener Kraft hal-
ten. »Der Arm aus Fleisch wird dir versagen. Du darfst dir selber
nicht vertrau’n«, heißt es in einem alten Lied. Wer überwindet,
tut das nicht durch seine Kraft oder seinen Willen oder durch
übergroße Charakterstärke, sondern durch das Blut des Lam-
mes. Ein Opfer musste Christi Liebe für uns bringen. Und nichts
weniger als ein Opfer wird von uns verlangt, wenn wir ernsthaft
ein Leben lang lieben wollen.

185 Vgl. Maleachi 2,16 (Schlachter 2000).

• 106 •
Führerschaft durch Leiden
••
Ärzte sind sich im Allgemeinen einig, dass Männer im Leiden
keine gute Figur machen. Eine Freundin sagte mir, sie habe
nichts dagegen, dass ihr Mann ins Bett geht, wenn er erkältet ist
oder einen kleinen Anfall von Wintergrippe hat. Es macht ihr
nichts aus, ihm die Zeitung und die heiße Zitrone zu bringen. Es
macht ihr auch nichts aus, ihm Hühnersuppe zu kochen. »Aber
wenn das Stöhnen losgeht …!« Das macht ihr etwas aus.
Einer anderen Freundin wurde der Dickdarm entfernt. Als
ich sie anrief, um sie zu trösten und ihr zu sagen, wie sehr ich
ihren Schreck verstehe, den sie empfinden müsse, weil sie nun
so verstümmelt sei, da lachte sie und sagte: »Ach, ich glaube,
ich habe nicht einmal daran gedacht. Es geht mir gut, wirklich!«
Ich erwähnte dann, was Ärzte über die Fähigkeit der Frauen,
Schmerzen zu ertragen, sagen, und wieder lachte sie. »Ich
glaube, es muss so sein, weil Frauen gewohnt sind, sich elend zu
fühlen.«
Das mag stimmen oder nicht  –  ich weiß, dass Führerschaft
durch Leiden entwickelt wird. Die Männer, die zur Führung
bestimmt sind, müssen lernen, wie sie führen sollen. Es lebte ein-
mal ein Mann, der eine Stellung aufgab, die weit über den Engeln
war, und viel niedriger wurde als sie, um dem Schmerz und Tod
unterworfen zu sein, »sodass er durch Gottes Gnade für alles den
Tod schmeckte«.186 Er schmeckte ihn an jedem Tag seines Erden-
lebens, indem er nicht tat, was er wollte, sondern was sein Vater
ihm gebot, dass er es tun sollte.187 Er wuchs in einem einfachen
Arbeiterhaus auf, wirkte wahrscheinlich viele Jahre als Zimmer-
mann und war in den letzten drei Jahren seines kurzen Lebens
ein Wanderprediger, der, wie George MacDonald sagt, »an­­
gesichts der Vorurteile der Frommen, der die Wahrheit hassen-
186 Hebräer 2,9.
187 Vgl. Johannes 6,38.

• 107 •
den Heuchler, der in Formen erstarrten Religion und der stump-
fen Buch-Gelehrsamkeit erklärte: ›Ich bin das Leben!‹«188 Jedes
Ereignis seines Erdenlebens war ein Geschmack des Todes. Eines
der frühesten Geschehnisse wird dies zu verdeutlichen helfen. Er
ging in die Synagoge von Nazareth, wo er aufgewachsen war,
und als der Diener der Synagoge ihm die Buchrolle reichte, stand
er auf und las aus Jesaja 61 vor. Er setzte sich und sagte dann:
»Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.«189 Die Gnade,
mit der er sprach, verwunderte die Zuhörer. Heiligkeit war mit-
ten unter ihnen, die Gegenwart Gottes selbst, doch ihre Antwort
war herausfordernd und ablehnend: »Ist dieser nicht der Sohn
Josephs?«190 Genau wie wir alle reagieren: Statt uns der Wahrheit
zu stellen, greifen wir den an, der sie spricht, und suchen seine
Glaubwürdigkeit zu unterminieren, damit wir dem Schwert aus-
weichen, das bis ins Mark dringt.191
Jesus wusste, was es heißt, ignoriert, missverstanden und ver-
höhnt zu werden  –  er kannte Opposition. Er wurde schließ­­lich
von einem Jünger verraten,192 von denen, die ihm am nächs­­ten
stan­­den, verlassen,193 gefangen genommen194 und angeklagt,195
man verbreitete Lügen über ihn,196 er wurde geschlagen,197 ge­­
ohr­feigt,198 entkleidet199 und zuletzt wie ein gemeiner Verbrecher
an ein Holzkreuz genagelt.200
»Denn es geziemte ihm [Gott]«, sagt der Schreiber des
He­bräer­­­briefs, »um dessentwillen alle Dinge und durch den
alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte,

188 Vgl. Johannes 11,25; 14,6.


189 Lukas 4,21.
190 Lukas 4,22.
191 Vgl. Hebräer 4,12.
192 Vgl. Lukas 22,47.48.
193 Vgl. Matthäus 26,56.
194 Vgl. Lukas 22,54.
195 Vgl. Lukas 23,2.
196 Vgl. Matthäus 26,59.60.
197 Vgl. Johannes 19,1.
198 Vgl. Johannes 19,3.
199 Vgl. Matthäus 27,28.
200 Vgl. Lukas 23,33.34.

• 108 •
den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu
machen.«201
Ein Mann, der ein Führer sein soll, muss sich auf die Führer-
schaft vorbereiten, genauso wie Jesus sich vorbereitete: indem
er bereit war zu leiden. Das Wort klingt fast fremd für moderne
Ohren. Was wissen wir in diesem wunderbaren Land vom Lei-
den? Als Nation202 haben wir nie wirklich Mangel gekannt. Wir
sind nicht verfolgt worden. Es gab während unseres ganzen
Lebens nie einen Krieg auf unserem eigenen Boden. Es gab natür-
lich Erdbeben, Überschwemmungen und vor einiger Zeit den
Ausbruch des Vulkans St. Helens203 im Bundesstaat Washing-
ton. Es gibt immer Krankheit. Es gibt Tumulte, Streiks und Ver­
brechen. Gewaltsamer Tod bedroht uns auf den Autobahnen und
in den Städten. Obwohl wir durch das Fernsehen für die mög-
lichen Gefahren ein weit ausgeprägteres Bewusstsein haben als
frühere Generationen, liegen vernünftige Menschen auch heut-
zutage nicht nächtelang wach, um darüber nachzusinnen, wel-
ches Unheil sie treffen könnte. Die meisten von uns haben
zu­gegebenermaßen ihre Zeiten der Angst, wenn die Fantasie sie
übermannt und sie sich auf verschiedene Weise aus­malen, wie
der Boden unter ihren Füßen schwanken könnte.
Aber was muss der Mann Gottes tun in Bezug auf dieses so­­
genannte Leiden? Ich glaube nicht, dass er danach suchen muss.
Er trifft bestimmte Entscheidungen in seinem Leben: Er wählt
eine Karriere, eine Frau, einen Ort zum Leben. Wenn er reif und
verantwortungsbewusst ist, nimmt er die Bedingungen dieser
Entscheidungen an, auch wenn einige von ihnen Leid der einen
oder anderen Art mit sich bringen. Wir halten wohl kaum die
normalen »Unterbrechungen« unseres Lebens für Leiden – doch
die moralischen, seelischen, körperlichen und finanziellen Ver-
pflichtungen, die ein Mann gewöhnlich auf sich nimmt, wenn er
eine Frau oder Frau und Kinder hat, bergen manche Schwierig­

201 Hebräer 2,10.
202 Anmerkung des Herausgebers: Gemeint sind hier die USA.
203 Anmerkung des Herausgebers: Gemeint ist der große Ausbruch am 18.05.1980.

• 109 •
keit. Die Jagd nach einer angemessenen Arbeit, um die Aus­gaben
finanzieren zu können, außerdem der Stress wegen Be­förderung
und Wettbewerb, dazu die Pflicht, Familienoberhaupt zu sein
–  ganz zu schweigen vom täglichen Pendeln, und obendrein
das Instandhalten von Haus, Hof und Auto, und dabei noch
ein gutes Gemeindemitglied sein  –,  all das ergibt eine schwere
Last, die ein menschliches Wesen auf seinen Schultern tragen
muss. Kein Wunder, dass Thoreau die meisten Männer als sol-
che beschreibt, die ein Leben der »stillen Verzweiflung« führen.
Angst vor diesen Lasten verursacht Krebs, Herzbeschwerden,
Magen­geschwüre und eine lange Liste anderer Krankheiten.
Verzweiflung führt sie zu Ehescheidung und Selbstmord. Chris-
ten wissen jedoch, dass es einen gibt, der das Joch erleichtert.204
Das englische Wort für Leiden, suffer, kommt aus dem Latei-
nischen und bedeutet einfach »unter etwas tragen«. Ein Füh-
rer ist ein Mann, der nicht unter Lasten stöhnt, sondern sie als
selbstverständlich hinnimmt, sie zulässt, sie – mit einem Schuss
Humor  – erduldet. Er weiß, seinen Mund bezüglich seiner
Schwierig­­­­­­keiten zu halten, und weiß, wie er seinen Tag verbrin-
gen muss, indem er still tut, was im Augenblick notwendig ist.
Solchen Männern werden Menschen folgen.
Wieder muss ich dir sagen: Tu es nicht allein. Vielleicht meinst
du, ich reite zu sehr auf diesem Punkt herum. Aber wenn auch
die »Regeln« zur Führerschaft keineswegs übernatürlich schei-
nen, müssen wir uns ständig daran erinnern, dass Christus der-
jenige ist, der uns ruft – Christus, der uns fähig macht – Chris-
tus, der seine Gegenwart und Kraft verheißt. Wen rief er, seine
Jünger zu sein? Waren es nicht ganz einfache Männer? Keiner
war, soweit wir wissen, vor seiner Berufung zum Jünger außer-
gewöhnlich. Nicht ungewöhnliche Gaben waren es oder eine
besondere Geistlichkeit oder eine erfolgreiche weltliche Stellung,
die Jesu Aufmerksamkeit auf sie zog. Er verbrachte eine Nacht
im Gebet vor seinem Vater, ehe er sich entschied, und dann ließ

204 Vgl. Matthäus 11,28-30.

• 110 •
er den Ruf ergehen – in völliger Übereinstimmung mit dem Wil-
len seines Vaters.205 Ich bete, Peter, dass du (und andere, die dies
lesen) auf den Ruf antwortest, bereit zu sein, Leiden zu ertragen,
um zu führen, und der Letzte zu sein, damit du der Erste bist.

205 Vgl. Lukas 6,12.13.

• 111 •
Sachwalter des Geheimnisses
••
Der Mann ist das Haupt der Frau. Die Bibel sagt nicht, er sollte
es sein oder er müsse danach streben, es zu werden. Sie sagt:
Er ist es, genauso wie Christus das Haupt der Gemeinde ist.206
Ganz gleich, wie oft ich über diese gewichtige Versicherung des
Paulus nachdenke – ich verstehe sie nicht. Paulus sagte, es sei
ein großes Geheimnis.207
In einer anderen Bibelstelle spricht er davon, dass wir »Ver-
walter der Geheimnisse Gottes«208 sind. Ich denke, dass er vor
allem von Dienern oder Aposteln spricht. Aber wenn ein Mann
das Haupt seiner Frau ist, ist er ebenfalls für ein Geheimnis ver-
antwortlich – verantwortlich, sein eigenes Leben und das seiner
Frau zu ordnen gemäß dem, was die Ehe versinnbildlicht.
»Ja, schön  –  alles sehr theologisch und tiefgründig«, wirst
du sagen. »Aber was hat das damit zu tun, unter einem Dach
zusammenzuwohnen, am selben Tisch zu sitzen und im selben
Bett mit einer Frau zu schlafen?«
Die Antwort: Alles! Alles hat mit der Ehe zu tun, also damit,
was Christus für uns tut.
»Sein Leben hinzugeben« für die Ehe, wie Christus sein Leben
hingab für seine Braut,209 bedeutet zunächst, dich zu entschlie-
ßen, deine Privatsphäre und deine Unabhängigkeit aufzugeben.
Diese Frau wird in allem vorhanden sein.
»Lass eine Frau in dein Leben«, sang Rex Harrison im Musical
»My Fair Lady«, »und deine Heiterkeit ist hin!«

Sie wird eine schallende, lärmende Familie haben,


die über dich herfällt en masse.

206 Vgl. Epheser 5,23.


207 Vgl. Epheser 5,32.
208 1. Korinther 4,1.
209 Vgl. Epheser 5,25.

• 112 •
Sie wird eine große, selbstbewusste Mutter haben,
deren Stimm’ zerschmettert Glas.

Vielleicht ist es nicht immer so schlimm, aber dein Haus wird


dir nicht mehr allein gehören. Es gehört »uns«. Du wirst lernen
müssen zu sagen: »Komm hierher, wo wir wohnen«, nicht mehr:
»… wo ich wohne«. (Und es wird gut sein, wenn du dich mit
deiner Frau besprichst, bevor du Einladungen verschickst!) Du
wirst bemerken, dass einige Sachen nicht dort bleiben, wo du
sie hingelegt hast. Dies hat seine Vorteile, wenn du zu den Män-
nern gehörst, hinter denen her man immer aufräumen muss. Du
kannst Dinge auf den Boden fallen lassen, doch das Haus bleibt
trotzdem aufgeräumt. Es kann dich jedoch zur Raserei bringen,
wenn die Autoschlüssel nicht mehr auf der Waschmaschine lie-
gen, wo du sie hingelegt hast, und dass die Karten fürs Fußball-
spiel nicht mehr in der Tasche deiner Golfjacke sind  –  weil die
Golfjacke in der Reinigung war.
Erinnere dich daran, bevor du alles über den Haufen wirfst,
dass du diese Frau in dein Leben eingeladen hast. Eins der
Opfer, das die Liebe zeitigt, ist die Aufgabe der Privatsphäre.
Denk daran, welch ewige »Unruhe« sich Gott bereitete, als er uns
zunächst schuf und dann uns einlud, seine Braut zu sein!
Eine weitere Analogie in diesem Geheimnis ist der Name,
den du ihr gibst. Gott erwählte das Volk Israel, seinen Namen
zu tragen. Die Propheten sprechen oft von dem Volk Gottes, das
»nach seinem Namen genannt ist«.210 Eine Frau – wenn sie nicht
gerade eine Feministin ist oder keine Ahnung davon hat, dass
es ein wichtiger Unterschied ist – nimmt den Namen ihres Man-
nes an. Sie macht damit deutlich, dass sie ihn als ihre Identität
annimmt. Sie wird immer unter diesem Namen geführt werden.
Sie verliert ihren eigenen Namen  –  in jeder Hinsicht. Ich hörte,
wie eine Witwe gerade in der vorigen Woche sagte, dass, als ihr
Mann starb, sie »keine Identität« mehr hatte. »Warum nicht?«,

210 Vgl. z. B. Jesaja 43,7.

• 113 •
wollte ich fragen. Sie war immer noch dieselbe Frau, die sie vor
seinem Tod war. Sie hatte noch seinen Namen. Sie war nun seine
Witwe, aber nicht mehr seine Frau, und das war ihre Identität.
Dabei brauchte sie wirklich nichts zu tun, um zu zeigen, dass sie
selbst jemand war.
Wir gehören dem Herrn. Wir tragen seinen Namen. Wir sind
Christen. Diese Identität kann manchmal verfolgt und belächelt
werden, aber das sind wir. Du gibst deinen Namen mit allem,
was er beinhaltet, der Frau, die du heiratest. Und von da an wird
sie mit dem identifiziert, was du bist.
Ein Mann bittet seine Frau, mit ihm sein Los zu teilen. Was
ihm gehört, wird ihr zuteil. Wohin er geht, wird auch sie gehen.
Was er leidet, wird sie leiden. Seine Vorrechte werden ihre sein.
Sie sieht nicht oft den Preis voraus, den sie zahlen muss. Sie sieht
die Freuden. Aber beides ist ihr Teil. Deshalb sind Eheverspre-
chen so notwendig. Sie erinnern beide Ehepartner daran, dass
die Geschichte nicht nur zum Besseren, in Reichtum, in Gesund-
heit ablaufen wird. Und so versprechen sie, zusammenzuhal-
ten auch im gegenteiligen Fall: zum Schlechteren, in Armut, in
Krankheit.
Jesus erinnerte daran, dass er keinen Ort habe, wo er sein
Haupt hinlegen könne.211 Waren die Jünger bereit, dieses Geschick
mit ihm zu teilen? Sie mussten diese Frage zuerst be­antworten,
aber es war nicht die ganze Geschichte. »Wenn wir ausharren, so
werden wir auch [mit ihm] mitherrschen …«,212 heißt das ruhm-
reiche Ende. Ein Teil der Bestimmung Christi ist Königtum.
»Kind, du bist allezeit bei mir, und all das Meine ist dein.«213
Es ist keine Einbahnstraße. Wenn ein Mann sein Privatleben
und seine Unabhängigkeit aufgibt, dann hat er auch jemanden,
zu dem er nach Hause kommen kann. Sie ist da. Sie mag bis­
weilen lästig sein und voreingenommen, aber er kann sich bei ihr
beklagen. Er weiß, er ist jemandem nicht gleichgültig. Obwohl er

211 Vgl. Matthäus 8,20.
212 2. Timotheus 2,12.
213 Lukas 15,31.

• 114 •
manches Mal plötzlich in der Nacht aufwachen und sich wun-
dern mag, was ihn jemals dazu veranlasst hat, für diese Frau, die
da neben ihm schläft, Verantwortung zu übernehmen und für
alle Schulden, die sie macht, und ebenso die Verantwortung für
die Kinder (und vielleicht die Adoptivkinder), so wird er doch
manchmal auch spüren, dass es kein zu großer Preis war, den er
zahlen musste.
»Ich weiß, du denkst, das ist es wert«, sagte ich zu Lars (denn
er lässt es mich auf vielerlei Weise wissen). »Kannst du mir einige
Beispiele dafür geben, warum das so ist?«
Er schaute verdutzt. Dann sagte er: »Ich weiß nicht, ob ich sol-
che Gedanken des Nachts je hatte, aber wenn ein Mann mit den
Gedanken aufwacht, die du erwähnt hast, dann braucht er nur
hinüberzulangen und zu fühlen, wie sie warm im Bett neben ihm
liegt, und sich erinnern, wie es war, als er noch allein schlafen
musste. Wenn er nach einem schweren Arbeitstag in die Garage
fährt, dann kann er sich erinnern, wie es war, als er in ein lee-
res Haus kam, wo niemand auf ihn wartete, kein Abendessen be­­
reitet wurde und niemand mit ihm sprach.«
Ehemann zu sein, bedeutet, wie ich schon sagte, »Sorge für
jemanden zu tragen«, »zu pflegen«, wie Christus seinen eigenen
Leib, seine Braut umsorgt und pflegt.214 So hegt und pflegt ein
Mann seine Frau. Er hat sie lieb, ehrt sie, behandelt sie zart. Ist
das zu viel erwartet von einem Mann?
Denk daran, wie du deinen eigenen Körper pflegst. Es macht
dir keine Schwierigkeiten, ihn zu lieben, ihn hoch einzuschätzen
und zart zu behandeln. Gib deiner Frau dieselbe Zuneigung.
Pass auf! Achte darauf, wenn sie müde ist oder erkältet oder
entsetzt oder deine Umarmung braucht.
»Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Denn niemand hat
jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt
es, wie auch der Christus die Versammlung.«215

214 Vgl. Epheser 5,29.


215 Epheser 5,28.29.

• 115 •
Die Stiftshütte der Israeliten vertrat auf geheimnisvolle Weise
gewisse ewige Dinge, die die Israeliten noch nicht verstehen
konnten. Es war erstens ein »Heiligtum, ein weltliches«216 für
den ewigen Gott. Zweitens war es »ein Gleichnis auf die gegen­
wärtige Zeit«,217 drittens wies es hin auf »Satzungen des Flei-
sches, auferlegt bis auf die Zeit der Zurechtbringung«.218 Und
die Priester waren die Verwalter dieser Geheimnisse. Ebenso ist
der Mann als Priester in seinem Haus beauftragt, Geheimnisse
zu hüten. Es ist seine Aufgabe, sich klarzumachen, wofür die Ehe
ein Bild ist – die himmlische Vereinigung des Christus und sei-
ner Braut  –, und darauf zu achten, dass er dies täglich mit der
Frau, die Gott ihm gab, auslebt.
Der Versuch wird oft so lächerlich erscheinen, so verzerrt, so
ganz anders, als es sein sollte, dass beide sich wundern werden,
warum Gott ihnen überhaupt solch eine feierliche Pflicht über-
tragen hat. Wenn das Toastbrot anbrennt, das Telefon klingelt,
das Baby die Milch über den Rücken der Mutter spuckt und der
genervte Ehemann seine Aktentasche sucht, dann wird er sich
in solchen Augenblicken nicht wie ein »Verwalter von Geheim-
nissen« fühlen. Dennoch ist er einer. »Und niemand nimmt sich
selbst die Ehre, sondern er wird von Gott berufen …«,219 sagt der
Schreiber des Hebräerbriefs. »So hat auch der Christus sich nicht
selbst verherrlicht, um Hoherpriester zu werden …«220
Du würdest sie für dich nicht wählen, Peter, aber wenn du
bedenkst, dass du von Gott zu dem Werk berufen bist, und wenn
du diesem Ruf in deinem Heim Folge leistest, dann wird es eine
heilsame, das Leben verändernde Realität sein.

216 Hebräer 9,1.
217 Hebräer 9,9.
218 Hebräer 9,10.
219 Hebräer 5,4.
220 Hebräer 5,5.

• 116 •
Höflichkeit
••
Als ich einmal einen Versammlungsraum betrat, in dem zehn
Männer saßen, standen drei auf. Nach der Etikette hätte nur einer
aufstehen müssen, wenn die Versammlung bereits be­gonnen
hätte, aber man hatte noch nicht angefangen. Die drei beachteten
eine Zeremonie, eine formale Handlung, die durch Sitte als einer
Situation angemessen gilt. Die sieben, die sitzen blieben, be­­
achteten sie nicht, weil sie es nicht besser wussten oder obwohl
sie es besser wussten – aber sie verwarfen die Sitte, aus welchen
Gründen auch immer, oder sie waren vielleicht nicht aufmerk-
sam, oder – und dies ist ein allgemeiner Grund, der eine wich-
tige grundsätzliche Einstellung offenbart – sie wollten nicht alt-
modisch erscheinen.
Ich fragte in einer Seminar-Klasse, wie viele von denen, die
verheiratet waren, ihrer Frau jemals bei Tisch in den oder aus
dem Stuhl halfen, wenn keine Gesellschaft zugegen war. Nicht
ein Einziger meldete sich. Das Thema meiner Vorlesung an
jenem Tag war Höflichkeit. Deshalb »gab ich’s ihnen« zwei Stun-
den lang, was Höflichkeit in einem christlichen Haus bedeutet.
Sind es lauter törichte und sinnlose Gewohnheiten, die Chris-
ten im Interesse der Ehrlichkeit und Einfachheit über Bord wer-
fen können? Ich glaube, nein, und ich versuchte, ihnen zu zeigen,
warum ich das glaube. Ich ließ ihnen eine Woche Zeit, darüber
nachzudenken, und dann bat ich sie wieder, sich zu melden: »Ist
hier jemand, der aufgrund der Vorlesung der letzten Woche sein
Verhalten gegenüber seiner Frau, wenn auch nur geringfügig,
geändert hat?« Wieder meldete sich niemand. Du brauchst diese
Vorlesung nicht, Peter. Du bist immer selbstlos höflich gewesen.
Wenn ich jedoch länger darüber nachdenke, dann hast du dir
wahrscheinlich über den Sinn hinter den guten Sitten nicht wei-
ter Gedanken gemacht. Darum hoffe ich, dich besser überzeugen
zu können als jene Seminaristen.

• 117 •
Höflichkeit ist ein Symbol des Opfers. Wir haben über Opfer
gesprochen, das tief durch alle christliche Wahrheit hindurch-
läuft. »Denn jeder … Hohepriester wird … bestellt …, damit er
sowohl Gaben als auch Schlachtopfer für Sünden darbringe«,221
heißt es im Hebräerbrief. Als Christen, als »Priester Gottes«, brin-
gen auch wir Opfer dar: zuallererst unsere Leiber,222 dann unser
Lob und unseren Dank223 und unseren Glauben.224 Dies alles
wird in Gottes Wort »Opfer« genannt. Es ist selbstverständlich,
dass wir menschliche Wesen nichts haben, was wir Gott opfern
könnten, außer dem, was uns von ihm gegeben wurde.225 Und
deine Männlichkeit ist ein Geschenk, das du Gott zurückgibst.
Es ist auch eine Gabe, die du deiner Frau machst. Ohne dieses
Opfer ist sie nicht frei, vollkommen Frau zu sein. Denn ganz Frau
zu sein, heißt, zu reagieren, zu empfangen, zu folgen. Du musst
ihr die Gabe deines Mannseins geben – Initiative er­greifen, ver­­
walten, führen. Genau das möchten Frauen im tiefsten Grunde
ihres Herzens haben.
Ich sage, dass Höflichkeit ein Symbol für Opfer ist, weil jede
Handlung ein ganz kleines Zeichen dafür ist, dass du bereit bist,
dein Leben für das ihre zu geben. Wenn du ihr das Salz reichst,
sagst du: »Du zuerst!« Wenn du ihr in den Mantel hilfst, sagst du
nicht: »Du bist zu schwach, das zu tun«, sondern du willst damit
zeigen, dass du bereit bist, für sie zu leiden. »Guten Morgen, Lie-
bes, wie geht es dir heute Morgen?«, ist natürlich eine Konven­
tion. (Konventionen sind nur darum Konventionen ge­worden,
weil sie sich bewährt und eine lange Zeit etwas bedeutet haben).
Aber wenn du darüber nachdenkst, könntest du mit diesem
konventionellen Gruß meinen: »Nicht mein Wohlbefinden ist
mir wichtig, sondern das deine.« Als Sir Walter Raleigh um der
Königin willen seinen Mantel in die Pfütze legte, da war das

221 Hebräer 5,1.
222 Vgl. Römer 12,1.
223 Vgl. Psalm 116,17.
224 Vgl. Philipper 2,17.
225 Vgl. 1. Chronik 29,14.

• 118 •
ganz ungewöhnlich, um das Mindeste zu sagen. Liebe ist bereit,
unkonventionell zu sein.
Es ist ein Fehler, Sitten mit den Worten zu verwerfen: »Es ist
nur eine Sitte.« Es ist Sitte, aber wir praktizieren Egoismus oder
Selbstlosigkeit im Rahmen der Sitten. Erinnerst du dich an die
Geschichte, als Jesus ein Mahl im Haus des Pharisäers Simon ein-
nahm? Als »eine Frau, die in der Stadt war, eine Sünderin«,226
eine Geste der Bewunderung anbot – nämlich die Füße Jesu mit
ihren Tränen zu waschen und mit ihren Haaren zu trocknen
und dann Salböl darauf zu gießen –, war der Gastgeber verletzt.
Welch eine Blamage, dass dieser Rabbi Jesus einer solchen Per-
son erlaubte, die ihm von Simon verwehrten drei Höflichkeiten
zu erweisen! Simon hatte nämlich versäumt, Jesus als Gast Was-
ser für seine Füße zu geben, ihn zu küssen und sein Haupt mit Öl
zu salben. Es ist offensichtlich, dass Jesus diese Sitten des Nahen
Ostens schätzte. Wenn sie ihm nichts bedeutet hätten, hätte er sie
nicht vermisst.
Als zwei Engel nach Sodom kamen, beachtete Lot die Höflich-
keiten seiner Zeit: Er stand von seinem Sitz auf, beugte sich mit
seinem Gesicht zur Erde, lud sie ein, die Nacht in seinem Haus
zu verbringen, und bot ihnen an, sich ihre Füße zu waschen.
Als sie die Einladung angenommen hatten, backte er Kuchen.
Er fühlte sich verantwortlich für ihre Sicherheit, als die Männer
der Stadt sie angreifen wollten: »Nur diesen Männern tut nichts,
da sie nun einmal unter den Schatten meines Daches gekommen
sind.«227
Petrus ermahnte Christen, alle Menschen und vor allem den
König zu ehren.228 Paulus sagte: »In Ehrerbietung geht einer
dem anderen voran.«229 Im Hohelied der Liebe heißt es: »Sie [die
Liebe] gebärdet sich nicht unanständig …«230

226 Lukas 7,37.
227 1. Mose 19,8.
228 Vgl. 1. Petrus 2,17.
229 Römer 12,10.
230 1. Korinther 13,5.

• 119 •
Falls die Vorschriften von Petrus und Paulus in unserer Zeit
der Situationsethik als überholt erscheinen, tun wir gut daran,
das zu bedenken, was ein moderner Philosoph, Eric Hoffer,
schrieb: »Grobheit ist die Nachahmung von Stärke durch einen
Schwächling.«
Höflichkeit muss eine Sitte werden, »eine charakteristische
Geistes- oder Körperhaltung, eine Gewohnheit, etwas, was oft
und darum leicht getan wird, eine Absicht, die sich in einer
bestimmten Weise ausdrückt«.
Klingt das schlecht? Ist es darum unbedeutend, nur weil es
eine Sitte ist? Ich glaube das nicht. Denn wenn du gewohnt bist,
höflich zu sein, dann wirst du immer noch richtig handeln, sogar
wenn du nicht richtig denkst oder fühlst. Und die Handlung ist
es, die bei anderen zählt. Genau dafür bist du vor Gott verant-
wortlich, nicht für die Launen deines Gemüts oder deiner Stim-
mung. Was du anderen tust, das tust du dem Herrn.231
Denn wie ein berühmter Philosoph es einmal ausdrückte:
»Das ist der Beginn der Zivilisation, uns anderen gegenüber
erträglich zu machen, um der Mitmenschen willen uns zu
waschen, zu kleiden – und damit unaufhörlich fortzufahren.«

231 Vgl. Kolosser 3,23.

• 120 •
Vom seid’nen Ich
••
Vor einigen Jahren wurde ich gebeten, mich auf einer Schrift-
steller-Konferenz in einem College kritisch über die Lesung
moderner Dichtung zu äußern. Etwa eine Stunde hörte ich zu,
was heute als Dichtung ausgegeben wird: Da wurden Themen
behandelt wie Hunger, Terrorismus, Vietnam, Krieg, Sexismus,
Abtreibung. Ein paar Gedanken haben sich meinem Gedächt-
nis eingegraben: gefährliche Mikroben … eine Welt, in der man
nicht mehr leben kann … die Lüge unseres Lebens … männ­
liche Gesinnung … eine wehrlose Frau … ein Heroinsüchtiger,
der sich erhängte … Verlassenheit … meinen Kopf einsperren …
ich erlaube mir selbst, mich entzweizuschneiden, ich war die fal-
sche Hälfte … Macht dringt in alles ein, was wir tun … das Blick-
feld des Bösen ist zu breit … Reise ins Ich, um mich selbst zu er­­
kennen und die Wahrheit des Lebens, das ich lebe.
Die Dichter überfielen uns mit Fragen, mit Verdammungs­
urteilen für unsere kollektive nationale Schuld und für unsere
persönlichen Sünden. Fast alles in den USA wurde beklagt. Es
gab großes Wehklagen um unsere Einsamkeit und unser Ver­
lassensein und unsere Heuchelei. Wir wurden durchsucht,
seziert und zur Schau gestellt, abgekanzelt, angegriffen und ver-
dammt, aber auch gebeten, Mitleid zu haben, zu sympathisie-
ren, zu trauern, empfindsam, geduldig und fürsorgend zu sein.
Doch wurde uns nie gesagt, wie wir das tun sollen. Wir wurden
zum Handeln aufgerufen – aber niemand sagte, weshalb. Es gab
Schlagwörter, aber keine Kriterien zur Prüfung. Ich versuchte
vergeblich, irgendeinen Hinweis darauf zu hören, dass es eine
Antwort außerhalb von uns geben könnte. Die Voraussetzung
für eine Änderung schien gemäß diesen Dichtern eine vage Reise
ins Ich zu sein.
W. H. Auden sagte einmal, als man ihn fragte, ob er Dichtung
schreibe, um sich selbst auszudrücken: »Nein, wenn ich nichts

• 121 •
Besseres hätte, als mich selbst auszudrücken, würde ich nicht
dichten.«
Die meisten von uns nehmen heutzutage die Psychologie
schrecklich ernst – besonders wenn sie von der Sache nichts ver-
stehen.
Während wir uns nicht mehr vorstellen können, in den Hades
oder einen Ort der Drachen hinabsteigen zu müssen, um uns
selbst kennenzulernen, haben wir stattdessen eine Reise in das
Verlies unseres Herzens angetreten, wo »je tiefer die Lampe
herab­­gelassen wird, umso abscheulichere Ungeheuer zum Vor-
schein kommen«.
Dieses Verlies ist nicht der Ort, wo man die Wahrheit findet!
Die Ungeheuer dort endlose Stunden lang auf der Couch eines
Psychiaters erscheinen zu lassen oder in einer Therapiegruppe
alle Gefühle »herauszuhängen«, ist nicht nur zwecklos, sondern
führt zur Verzweiflung, wenn dem Patienten nicht ein Weg aus
diesem Kerker gezeigt wird.
Der Ausweg ist nicht tief in uns, sondern weit außerhalb von
uns. Die Aufforderung, ganz Mann und ganz Frau zu sein, ist die
Aufforderung, uns selbst zu verlassen und zu verlieren. Keine
Worte könnten stärker sein als die, die Jesus gebrauchte: »Wenn
jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine
Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und
Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht
mein Jünger sein.«232
Diese Forderungen wurden mir zum ersten Mal durch die
Schriften von Amy Carmichael aus Indien lebendig. Sie war ein
regelrechter »Soldat«, der den Ruf zum Dienst mit einem wahren
Feldzug für die Seelen der Kinder in Indien beantwortete. Die
Lebensgeschichte dieser Frau zu lesen, bedeutet, zu vergessen,
dass Weiblichkeit schon immer Zurückhaltung und Geziertheit
gewesen ist. Jüngerschaft stellt an Mann und Frau genau die­

232 Lukas 14,26.

• 122 •
selben Forderungen, wie Amy Carmichael in einem Gebet so klar
zeigt:

Bewahr mich zu bitten, Herr Jesus, dass ich


Vom Sturm nichts verspüre, der tobt gegen dich.
Befreie von Furcht, wo es gilt, aufzusteh’n,
Erlöse von Angst, wo es heißt: »Aufwärtsgeh’n!«
Vom schmeichelnden Ego, o Feldherr, befrei
Den Krieger, dass er ganz dein Nachfolger sei!

Vor trüglichem Wunsch, es mög’ einfacher geh’n,


Vor Aufweich-Tendenzen bewahr uns, wir fleh’n;
Denn so wird die Seele nicht kampfesgestählt,
Und so tat es nicht der gekreuzigte Held.
Nimm alles, was trübt mir den Blick in die Höh’,
Dass ich dich, Lamm Gottes, auf Golgatha seh’!

O, gib deine Liebe! Den Weg zeigt sie dann


Und Glauben, den gar nichts entmutigen kann,
Und Hoffnung, die keine Enttäuschung verdirbt,
Ein brennendes Herz, dessen Feuer nicht stirbt,
Dass ich nicht versinke in Trägheit und Trott,
Nein, hell lodernd brenne, als Flamme für Gott!233

233 Das englische Original findet sich in Toward Jerusalem, S. 94; Übertragung ins Deutsche durch
Hermann Grabe.

• 123 •
Warten können
••
Während ich dies schreibe, bist du, soweit ich weiß, noch immer
ledig. Du bist auch ein Christ. Eine Studentengruppe in Boston
bat mich, zu ihnen über »Sex und den ledigen Christen« zu spre-
chen.
Ich begann meinen Vortrag, indem ich sagte, wenn sie etwas
über sexuelle Betätigung bei ledigen Christen hören wollten, es
die kürzeste Rede sein würde, die ich je gehalten habe. Die Bibel
ist in diesem Punkt ganz offen und rigoros und völlig klar. Es
gibt keine sexuelle Betätigung für Ledige. Wenn du ledig bist,
dann bist du zu sexueller Abstinenz verpflichtet, ohne Kompro-
misse, Revisionen oder »existenzielle Ausnahmen«, also ohne
Wenn und Aber. Der Stahl des männlichen Charakters wird im
Feuer der Selbstbeherrschung und des Verzichts geschmiedet.
Man kann nicht sagen, dass unser Körper für sexuelle Frei­
zügigkeit erschaffen wurde. Er wurde für Gott erschaffen, und
Gott ist die Antwort auf unser tiefstes Verlangen.
Wie du weißt, Peter, bin ich zweimal verwitwet gewesen, und
ich weiß, was »sexueller Hunger« ist, obwohl der einer Frau von
dem eines Mannes verschieden ist, wie man sagt – aber wer kann
das wirklich wissen? Es ist meine Erfahrung, dass Gott das kör-
perliche Verlangen nicht beseitigt. Es ist ein natürlicher Hunger,
der noch verschlimmert wird, wenn er einmal erwacht ist und
befriedigt wurde (und C. S. Lewis sagt, es habe keinen Zweck,
an die Himmelstür zu klopfen wegen irdischer Belange). Aber
es ist keineswegs das tiefste Verlangen eines Mannes oder einer
Frau – unabhängig davon, wie sehr er oder sie darauf pocht, dass
es so sei. Frag einen Ehemann oder eine Ehefrau, die ihren Part-
ner lieben, ob Sex sie völlig befriedigt. Das tut Sex nicht. Selbst
das leidenschaftlichste Paar, das beharrlich alle komplizier-
ten Techniken ausprobiert hat, die in dem »Christlichen Kom-
pendium für verrückte Sexualpraktiken« stehen, weiß, dass da

• 124 •
immer noch diese »von Gott geschaffene Leere« ist. (Du brauchst
nicht auf die Suche nach diesem Buch zu gehen, es handelt sich
nur um einen Titel, den mir ein bekannter Theologe vorgeschla-
gen hat!) Wenn, wie die Bibel sagt, unser Körper ein Bestandteil
des Christus selbst ist,234 dann gibt es eine Menge mehr, als die
perfekteste und ekstatischste menschliche Beziehung befriedigen
kann.
Glaub nur nicht, Peter, dass es so leicht ist, sich sexuell in
der Gewalt zu haben. Du hast sicher von den üblichen Vor-
schlägen wie »kalte Dusche« und »Jogging« gehört. Sie wer-
den nicht alle Erwartungen erfüllen. Niemand wird dir sagen,
dass es einfach ist, die Stärke deiner Männlichkeit zu fühlen und
sie zu zähmen  –  als Lediger oder in Zeiten der Enthaltsamkeit,
zum Beispiel, wenn deine Frau krank ist oder in fortgeschritte-
ner Schwangerschaft oder einfach gerade besonders müde ist,
oder wenn andere Umstände dich davon abhalten. Es gibt keine
einfache Antwort, aber es gibt ein Wort: Ausharren! Männer,
die bei dem Wort höhnisch lachen oder sagen: »Das ist Frauen­
geschwätz!«, verleugnen die Tatsache, dass Jesus selbst aus-
harrte, obwohl er in allem wie ein Mann versucht wurde,235 und
dass Hunderttausende seiner Nachfolger um seinetwillen und
zu seiner Ehre (ich wiederhole: um seinetwillen und zu seiner
Ehre!) ebenfalls ausgeharrt haben. Es ist feige, die Möglichkeit zu
verleugnen. Natürlich ist es ungewöhnlich, auszuharren, warten
zu können, und es ist in unserer Zeit wahrscheinlich ganz außer-
gewöhnlich. Man wird dir sagen, dass du ein komischer Kerl
bist. Aber niemand soll dir sagen, dass es unmöglich ist. Gehor-
sam gegenüber Gott ist immer möglich.
Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Thessalonicher
von einem »Ausharren der Hoffnung«.236 Wie soll ein Mann aus-
harren? Petrus antwortet: »Da nun Christus für uns im Fleisch

234 Vgl. 1. Korinther 6,15.
235 Vgl. Hebräer 4,15.
236 1. Thessalonicher 1,3.

• 125 •
gelitten hat, so wappnet auch ihr euch mit demselben Sinn.«237 Es
muss im Inneren beginnen – mit einer völligen Auslieferung dei-
nes Willens und deiner Handlungen an die Autorität Gottes.
Ledigsein ist ein Geschenk, das nicht jeder für das ganze Leben
bekommt, das aber allen eine gewisse Zeit gegeben wird. Paulus
bekräftigte, wie weise es ist, dass jeder Mann seine eigene Frau
hat und jede Frau ihren eigenen Mann wegen der Ver­­suchung
zur Unmoral.238 Aber es gibt auch »Eunuchen«. Einige werden so
geboren, andere werden von anderen dazu gemacht (die Kastra­­
tion aus verschiedenen Gründen war zur Zeit Jesu nicht un­­
gewöhnlich), und manche machen sich selbst zu Eu­nuchen um
des Himmelreiches willen  –  »Wer es zu fassen vermag«, sagt
Jesus, »der fasse es.«239 Ich vermute, dass Paulus in die letzte
Kategorie der »Eunuchen« gehört. Nicht dass er sich buchstäb-
lich entmannt hätte, sondern weil er die Gabe des Alleinseins
angenommen hatte (vielleicht war er verwitwet), um umso bes-
ser das ihm von Gott aufgetragene Werk zu tun. »Ich sage aber
den Unverheirateten und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie
bleiben wie auch ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können,
so lasst sie heiraten, denn es ist besser zu hei­­raten, als entbrannt
zu sein.«240
Der große Schlüssel zu diesem verwirrenden siebten Kapi-
tel des ersten Korintherbriefs ist das Wort »berufen« oder »Be­­
rufene«, das achtmal in den Versen 17 bis 24 vorkommt. »Doch
wie der Herr einem jeden zugeteilt hat, wie Gott einen jeden
berufen hat, so wandle er.«241 Das Leben eines Ver­heirateten,
eines Verwitweten oder eines Ledigen sind alles wertvolle Zu­­
stände, in denen ein Christ dem Herrn dienen kann. Es geht
darum, Gottes Ruf zu erkennen. (Wenn du mein Büchlein über
Führung ge­lesen hast [A Slow and Certain Light242], dann hast du

237 1. Petrus 4,1.
238 Vgl. 1. Korinther 7,2.
239 Matthäus 19,12.
240 1. Korinther 7,8.9.
241 1. Korinther 7,17.
242 Auf Deutsch so viel wie: Ein schwaches, aber sicheres Licht.

• 126 •
darin ein paar Anhaltspunkte gefunden, wie ein Mann den Ruf
Gottes vernehmen kann.)
Die Bereitschaft, zu leiden und auszuharren, scheint heute
nicht mehr zu unseren Übungen zu gehören. Sogar im Mili-
tär dient man freiwillig, und um Männer dorthin zu locken,
bekommt man immer weniger Verantwortung übertragen.
Ein guter Soldat ist dazu gerufen, Härte zu erdulden. Härte ist
immer schwer zu tragen. Jedoch: »Keine Versuchung hat euch
ergriffen als nur eine menschliche; Gott aber ist treu, der nicht
zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet.«243

243 1. Korinther 10,13.

• 127 •
Helden
••
Viele junge Menschen, die mir erzählen, wie sehr Jim Elliots
Leben ihr eigenes Leben inspiriert hat, leiten überraschender-
weise ihre Berichte mit Einschränkungen wie diese ein: »Ich
möchte nicht, dass Sie denken, ich wolle ihn auf ein Podest
stellen«, oder: »Ich meine nicht, dass er ein Held ist«, oder der­
gleichen.
Gut, was ist ein Held denn überhaupt? Ich denke, das ist
jeder, der wegen seines Mutes, seiner edlen Haltung oder seiner
Taten bewundert wird, der bei entscheidenden Ereignissen die
Hauptfigur ist und für außergewöhnliche Eigenschaften geehrt
wird. War Jim kein Held? Wir haben Helden so bitter nötig. Wie
sonst sollen wir die Bedeutung von Mut oder Stärke oder Hei-
ligkeit begreifen? Wir müssen solche Wahrheiten sehen, die im
Leben von Menschen sichtbar werden, und bei Jim war das der
Fall, meine ich.
Ich war erstaunt, dass das Wort »Helden« in 2.  Samuel  23
gebraucht wird: »Dies sind die Namen der Helden, die David
hatte …«244 Da waren Joscheb-Baschebet, Eleasar und Schamma,
»die drei Helden«,245 die sich durch ihren Mut in der Schlacht
auszeichneten. Dann waren da die dreißig Helden.246 Das waren
Männer, die auf die eine oder andere Weise Mut bewiesen hat-
ten, wie Benaja, der an einem Schneetag in eine Grube hinab-
stieg, um einen Löwen zu töten.247
Vielleicht wagen wir nicht, solche Unterscheidungen zu tref-
fen. Ich vermute, dass diese Furcht nicht immer einer gesunden
Erkenntnis der Fehlbarkeit und Sündhaftigkeit aller Menschen
entspringt, sondern eher ganz einfach unserem Stolz. Aus einem

244 2. Samuel 23,8.
245 2. Samuel 23,16.17.
246 Vgl. 2. Samuel 23,23.
247 Vgl. 2. Samuel 23,20.

• 128 •
Mann einen Helden zu machen, heißt, unser eigenes Versagen
zuzugeben. Dieser Mann hat getan, was wir nie getan haben und
auch nie tun werden. Ihn aufs Podest zu erheben, bedeutet, seine
Überlegenheit anzuerkennen. Und heute ist das – im Bereich des
moralischen Mutes oder der Reinheit ebenso wie in fast allen
anderen Bereichen außer beim Sport – eine »Todsünde«.
Eric Heiden hat fünf Goldmedaillen bei den Olympischen
Spielen gewonnen. Wir US-Amerikaner haben nichts dagegen,
solch einen Helden zu besitzen. Wir bewundern ihn für das,
was wahrscheinlich niemand von uns sonst hätte tun können.
Aber moralische Courage zu zeigen oder zu einem Löwen in
eine Grube zu steigen – dazu braucht man kein spezielles Trai-
ning oder angeborene physische Gaben oder langsam erworbene
Fähigkeiten. In Wirklichkeit (wir müssen es zu unserer Schande
gestehen) hätten wir es tun sollen. Um das zu überspielen, tun
wir, als hätten wir solche Beweise unserer Kraft nicht nötig. Wir
sagen, dass wir es hätten tun können, es nur nicht wollten. Wir
sind am Ende noch stolz auf uns, dass wir keine besonders Hei-
ligen oder Tugendbolde sind. Es bereitet uns sogar Vergnügen,
»sündiger als der andere« zu sein.
Aber ein wahrer Mann sieht schnell, was wirklich be­­
wunderns­­wert am anderen ist. Er identifiziert sich mit ihm,
denkt darüber nach, was ihn zu einem solchen machte, und ver-
sucht, sich die Methode dieses Mannes anzueignen, um die ihm
gesteckten Ziele zu erreichen.
Helden sind Musterbeispiele. Sie zeigen, wie Stärke oder Mut
oder Reinheit wirklich aussehen.
Jesus war in diesem Sinne ein Held. Er zeigte uns in norma-
len alltäglichen Dingen, wie Mut aussieht. Betrachten wir einen
Augenblick seine letzte Nacht vor der Kreuzigung. Nachdem er
das großartige Gebet aus Johannes 17 gebetet hatte – ein Gebet
für uns alle –, war er mit seinen Jüngern zu dem gewohnten Ort,
einem ruhig gelegenen Garten gegangen, den auch Judas kannte.
Judas erschien mit der Wache und Soldaten, die von Jesu Erz-
feinden, den Hohenpriestern und Pharisäern, bestellt waren. Sie

• 129 •
kamen »mit Schwertern und Stöcken«.248 Der natürliche Instinkt
eines Mannes hätte befohlen, zu fliehen oder sich zu verstecken.
»Jesus nun, der alles wusste, was über ihn kommen würde,
ging hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr?«249 Es war eine
Demonstration des stillen Mutes, geboren aus dem Wissen, dass
er durch den souveränen Willen seines Vaters gehalten wurde.
Es war ein ganz und gar männlicher Akt.
Jesus war viel mehr als ein Held. Er war selbst der Weg,
die Wahrheit und das Leben.250 »Denn das Leben ist für mich
Christus«,251 sagt Paulus. Diese Wahrheit ist radikal und ver­
ändernd.
In seinem Nachruf auf Mr. Pierson Curtis, den ehemaligen
Leiter der Stony-Brook-Schule, schrieb David Hicks, einer seiner
früheren Schüler:

»Für viele von uns wurde ›PC‹ … die uneingeschränkte Auto-


rität in unserem Leben, die nicht Furcht, nicht Ehrfurcht, aber
auch nicht Rebellion ausstrahlte  –  sondern Herzlichkeit. Er
war der wohlwollende Despot, den sich jeder Junge zum Vater
wünscht. Es war die Distanz zwischen ›PC‹ und uns Jungen,
weil es die richtige Distanz war, die gerechte Distanz, die uns
ihm nahebrachte. Er fühlte sich selten ge­­zwungen, uns Jun-
gen sein System zu erklären oder zu rechtfertigen. Es war für
ihn so klar, so selbstverständlich, dass er es eben ohne viele
Kommentare auslebte … Es gab für ihn einen richtigen und
einen falschen Weg, alles zu tun: einen Satz zu formulieren,
ein Mahl zu bereiten, einen Prediger anzureden, ein Gedicht
vor­­zutragen, ein Segel zu hissen oder ein Feuer zu ent­­zünden.
›PC‹ hielt sich an bestimmte bewiesene, un­veränderliche
Absoluta des sensiblen Denkens und des gesitteten Han-
delns, die im modernen Schwall des militanten und ruhe­losen

248 Vgl. Matthäus 26,47.


249 Johannes 18,4.
250 Vgl. Johannes 14,6.
251 Philipper 1,21.

• 130 •
Wechsels für ein dadurch gefährdetes, aber leidenschaft­liches
Leben wichtig sind … Wir liebten ihn, weil er grundsätzlich
das akzeptierte, von dem wir alle wussten, dass es richtig war.
Trotz unserer verfluchten Selbstbespiegelung und un­­seres
faulen philosophischen Relativismus sahen wir, dass es im
Leben einen richtigen und einen falschen Weg gibt – und dass
wir unerbittlich den richtigen Weg wählen müssen.«

Ich saß hier heute Nachmittag und dachte über den ständigen
Widerstand gegen die Vorstellung des Heldentums nach, als das
Telefon klingelte. Ein befreundeter Verleger wollte wissen, was
ich über ein bestimmtes Manuskript dachte, das er mir zur Ein-
sichtnahme geschickt hatte. Ich sagte ihm, es sei kein gutes Buch,
weil es nicht ausreichend präzise und kritisch war. Dem Buch
fehle, was ich für die Hauptbedeutung des Ereignisses hielt, das
es beschrieb. Aber es war gut geschrieben und gut illustriert. Es
war interessant. Es wird sich wahrscheinlich gut verkaufen las-
sen, wirklich!
»Ja, das habe ich mir auch gedacht«, sagte der Mann. »Wir
können viel Geld damit verdienen. Aber wir sind natürlich nicht
auf das Geld aus.«
»Wenn Sie es nicht veröffentlichen, wird es sicher ein an­derer
tun.«
»Genau das fürchte ich.«
»Da können Sie sich ganz sicher sein.«
»Es ist schrecklich schwer, ein Christ zu sein und zu ver­
suchen, ein Gleichgewicht zwischen dem Dienst für den Herrn
und dem Gelderwerb zu erzielen! Einerseits muss man Geld ver-
dienen, andererseits muss man der Wahrheit die Ehre geben,
und … das macht mich verrückt!«
»Es könnte bedeuten, dass man wählen muss, nicht wahr?
Nicht ein Gleichgewicht zu erreichen, sondern einfach zu ver­
lieren. In diesem Fall Geld zu verlieren, wenn Sie sich ent­
scheiden, dass es ein Buch ist, mit dem Sie nichts zu tun haben
sollten.«

• 131 •
»Ja, ja, das könnte es bedeuten.«
»Aber ist es nicht das, was das Christsein überhaupt aus-
macht? ›Wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es
finden.‹«252
»Ja, das ist es. Genau richtig!«
Höchstwahrscheinlich dachte er: »Die schon wieder mit ihren
vereinfachenden Antworten!« Und ich dachte: »Er wird es nicht
schaffen, mit einer Entscheidung wie dieser wirklich ein Held zu
werden.« Er konnte nämlich sehr wohl seine Stellung verlieren.
Doch Wochen später rief er an, um mir zu sagen, dass er sich
entschlossen hatte, das Buch nicht zu veröffentlichen.
Wir alle müssen uns täglich moralisch entscheiden. Wie wir
uns entscheiden, enthüllt, aus welchem Stoff wir sind. Es ist letzt-
lich die Bereitschaft, die Konsequenzen aus unseren Entschei-
dungen auf uns zu nehmen, die uns zu Helden machen – sodass
wir wie Luther sagen können: »Hier stehe ich, ich kann nicht
anders. Gott helfe mir, Amen!«

252 Matthäus 10,39.

• 132 •
Männlichkeit heißt gehorsam sein
••
Als König David im Sterben lag, sagte er zu seinem Sohn
Salomo: »So sei stark und sei ein Mann; und versieh den Dienst
des Herrn, deines Gottes, dass du auf seinen Wegen wandelst,
indem du seine Satzungen, seine Gebote und seine Rechte und
seine Zeugnisse hältst …«253
Sich als Mann zu erweisen, bedeutete für Salomo, zu tun, was
Gott sagte. Das bedeutet es auch heute noch. Natürlich wird man
heftig dagegen protestieren. Gehorsam war noch nie populär.
Du musst bereit sein, manchmal wie ein Querkopf zu erscheinen,
weil du nicht tust, was jeder andere tut.
Heutzutage ist eine bestimmte Vorstellung von Männlichkeit
verbreitet, die durch das Wort »Macho« gekennzeichnet wird. Es
beinhaltet Aggression, Unbarmherzigkeit, Angeberei, ja, sogar
Grausamkeit.
Eine Frau, die sich gerade von ihrem Ehemann scheiden las-
sen wollte, beschrieb ihn als »Macho«: »Er ist an die vierzig Jahre
alt und hat plötzlich ein neues ›Image‹ angenommen  –  Voll-
bart, eine seetangartige Dauerwelle, modische Jeans, eine Kette
um den Hals. Er hat sich einen leicht gefederten Landrover mit
dicken Reifen und roten, weißen und blauen Streifen gekauft. Er
verbringt viel Zeit in heruntergekommenen Bars, und ich glaube,
er hat sich eine Geliebte zugelegt.« Man kann nicht umhin, die
Schlussfolgerung zu ziehen, dass er sich nicht mehr auf dem
Boden der Realität befindet. Es sieht so aus, als ob er weder sein
Alter akzeptiere noch seinen ehelichen Stand, sein Image als ein
geachteter Mittelklasse-Geschäftsmann oder seine Verpflichtun-
gen. Er möchte »Freiheit« und »Stärke«.
Paulus ermahnt die Epheser, »als Weise« zu wandeln, »nicht
als Unweise … Darum seid nicht töricht, sondern verstän-

253 1. Könige 2,2.3.

• 133 •
dig, was der Wille des Herrn sei. Und berauscht euch nicht mit
Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist
erfüllt.«254
Ein Mann Gottes ergreift ebenfalls die Initiative, wie es für ihn
bestimmt ist, aber er ist nicht aggressiv. Er ist stark, aber nicht
unbarmherzig, selbstsicher, aber nicht angeberisch, hart, wenn es
sein muss, aber nicht grausam.
P. T. Forsyth sagt, dass Hierarchie  –  die Überordnung über
andere  –  nicht dem Vorrecht dient oder besonderen Vergüns­
tigungen oder der Herrschaft, sondern der Führerschaft.
Und Führerschaft bedeutet Dienst, Opfer, Hilfe, Aufrichtung,
Be­freiung und Kreuz. Führerschaft ist nicht zum Ausbeuten
gedacht, sondern um zu erheben; nicht um auszulöschen, son-
dern um zu retten; nicht zum Zerreißen, sondern zum Ver­
söhnen; nicht zum Verschlingen, sondern zum Tragen; nicht zur
Vorherrschaft, sondern zum Vorangehen. Sie bedeutet letztlich
Gehorsam und Dienst, ja, sogar den Tod für andere.
Die Gier nach Macht ist so weit von der Demut des wahren
Führers unter der Herrschaft Gottes entfernt, wie es die Lust auf
Sex von der wahren Liebe ist. Die Macht- und Sexgier kennzeich-
net einen Menschen, der für sich selbst lebt.
Täusch dich nicht! Wenn Gehorsam einen richtigen Mann
auszeichnet, kann es kein geringerer Gehorsam sein als der, den
eine richtige Frau kennzeichnet. Das Problem bei uns allen ist,
dass es uns an diesem Gehorsam fehlt. Wir sind eine Bande von
»miserablen Übertretern«, wie es in einem Gebetbuch heißt, »da
ist nichts Gutes an uns«. Frauen fragen mich oft, was sie tun kön-
nen, damit ihre Männer ihre Verantwortung in Gemeinde und
Familie erkennen. Die erste Antwort, die ich ihnen gebe, ist: »Seid
Frauen! Wenn ihr versucht, die Verantwortung zu übernehmen,
die die Männer von sich gewiesen haben, seid ihr nicht mehr
weiblich, und euer Ungehorsam hilft auch ihrem Un­­gehorsam in

254 Epheser 5,15.17.18.

• 134 •
keiner Weise. Er trägt nur noch mehr zur Entmensch­lichung aller
bei.«
Manchmal sieht es so aus, als ob eine besondere Ermahnung
oder Handlung richtig, aber nutzlos wäre. Wir überlegen hin
und her, ob wir es wagen oder wenigstens versuchen sollten,
doch wir sind selbst davon überzeugt, dass es nichts bringt, und
sagen resignierend: »Es ist zu nichts nütze.« Das ist nicht immer
eine richtige Einsicht. Manchmal bedeutet Gehorsam die Bereit-
schaft, das scheinbar Nutzlose zu tun, damit Gott das Große tun
kann. Weißt du noch, wie Gott Mose rief? Nachdem er ihm in
einem Dornbusch erschienen war, sagte er ihm, er solle zum
Pharao gehen und ihm befehlen, sein Volk ziehen zu lassen, aber
er fügte hinzu: »Aber ich weiß wohl, dass der König von Ägyp-
ten euch nicht ziehen lassen wird, auch nicht durch eine starke
Hand.«255 Es mag Mose absurd erschienen sein, eine Botschaft
zu übermitteln, die sowieso nicht beachtet werden würde. Wenn
Gott den König zwingen wollte,256 wieso brauchte er dann noch
Mose?
Später, als das Volk Israel in einer ausweglosen Situation war,
vor sich das Meer und hinter sich die verfolgenden Ägypter, ver-
mochte Mose im Glauben zu verkündigen: »Der Herr wird für
euch kämpfen, und ihr werdet still sein.«257 Dann befahl Gott
Mose, seinen Stab zu erheben und seine Hand über das Meer
auszustrecken, um es zu teilen, sodass das Volk trockenen Fußes
hindurchgehen konnte. Wenn nun etwas nutzlos erschien, dann
doch diese Geste – die Hand über das Meer auszustrecken! Doch
als Mose es tat, trieb der Herr das Meer zurück »durch einen
starken Ostwind …, die ganze Nacht«.258
Im ersten Fall hätte Gott gewiss den König von Ägypten
zwingen können, ohne dass Mose zu ihm hinabgegangen wäre
und mit ihm gesprochen hätte, und im zweiten Fall hätte Gott

255 2. Mose 3,19.
256 Vgl. 2.Mose 3,20.
257 2. Mose 14,14.
258 2. Mose 14,21.

• 135 •
das Meer durch ein einfaches Befehlswort austrocknen können.
Warum brauchte er Mose, dessen Stab und dessen Hand? Die
Antwort auf diese Frage liegt in dem Geheimnis des mensch-
lichen Willens, der frei ist, und des Willens Gottes, der souve-
rän ist. Gott »brauchte« auch den Ostwind, und der Ostwind
gehorchte ihm.
Ich kann mir gut vorstellen, dass manchmal die Haltung der
Frau einem Mann so schrecklich erscheint wie Pharaos Eigensinn
und die ägyptische Armee dem Mose. Seine eigenen Worte, sein
Stab, die Geste des Handerhebens über das Meer – wie schwach
müssen sie ihm vorgekommen sein! Doch die Macht Gottes war
es, mit der er rechnete. Sein Gehorsam war ein Zeichen seines
Vertrauens auf diese unbegrenzte Macht.
Was, wenn ein Mann im Vertrauen auf Gott und aus Liebe
zu seiner Frau sie rügen oder mit ihr sprechen müsste, weil sie
etwas vernachlässigt hat, an dem sie gemäß ihrer Bestimmung
festhalten sollte? »Das ist doch zwecklos. Sie wird nur verletzt
sein«, sagst du, oder: »Sie würde nicht auf mich hören«, oder:
»Sie würde sich ärgern. Es hätte gar keinen Sinn.« Und wenn du
nichts sagst, hast du deine Ruhe.
Aber das stimmt nicht! Eine Frau wünscht sich einen Mann,
der fähig ist, ihr die Stirn zu bieten. Sie möchte, dass er gott­
ergeben ist – ich habe nicht »artig« gesagt. Das heißt, sie möchte,
dass er wie Daniel »offene Fenster nach Jerusalem hin«259 hat und
wie Jesus sein »Angesicht« fest nach Jerusalem gewandt hat.260
Wenn dies die Richtung ist, auf die er zustrebt, dann wird sein
Gehorsam in Wirklichkeit eine Befreiung für sie sein.

259 Daniel 6,11.
260 Vgl. Lukas 9,51.

• 136 •
Vergebung
••
Neulich hörte ich eine lange, traurige Geschichte über das Un­­
recht, das eine Frau von ihrem Mann erduldet hatte. Da ich beide
nicht sehr gut kannte, hatte ich zur Beurteilung keine andere
Grundlage als ihre Geschichte, in der natürlich ihr Mann als bru-
tal und rüpelhaft beschrieben wurde.
»Aber Sie müssen ihm natürlich vergeben«, sagte ich.
»Ihm vergeben? Niemals!«
»Wie soll Ihnen dann vergeben werden?«
»Wie mir vergeben werden soll? Wofür?«
»Für Ihre Sünden.«
»Welche Sünden?«
»Alle Ihre Sünden.«
»Aber ich habe nichts getan.«
»O! Sie haben nicht gesündigt?«
»Ich habe ihm nichts getan. Ich habe mein Bestes versucht, mit
ihm auszukommen. Ich bin nicht schuldig!«
Ich versuchte ihr zu helfen, damit sie erkannte, dass sie un­­
möglich ohne Schuld in Beziehung zu ihrem Mann sein konnte,
und wenn sie mich nicht verstehen wollte, versuchte ich ihr zu
zeigen, dass ihr überhaupt keine Sünde vergeben werden könnte,
wenn sie sich weigerte, ihrem Mann zu vergeben. Wenn sie nicht
erkannte, dass sie selbst Gnade nötig hatte, konnte sie unmöglich
ihrem Mann in Gnade begegnen.
Eine andere Frau, mit der ich sprach, nahm die entgegen­
gesetzte Position ein. Sie leugnete nicht, dass sie selbst Ver­
gebung nötig hatte. Sie bekannte sich schuldig  –  hoffnungslos
schuldig, wirklich. Ihre Ehe war kaputt. Aber sie erwartete keine
Heilung mehr. Sie konnte in perfekter rechtgläubiger Weise theo-
retisch über die Erlösung durch die Gnade reden, aber wenn wir
auf ihre eigenen Fehler und Sünden zu sprechen kamen, konnte
oder wollte sie die Gnade nicht annehmen, die doch dazu da

• 137 •
war, um diese zu tilgen. Während die erste Frau nichts annahm,
weil sie meinte, sie brauche es nicht, nahm diese Frau es nicht
an, weil sie meinte, mehr zu brauchen, als sie für erhältlich hielt.
In beiden Fällen weigerten sie sich, ihren Männern zu vergeben,
weil sie selbst keine Vergebung angenommen hatten.
»Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben denen, die sich
entschuldigen« – so scheinen viele von uns das Gebet zu beten,
das der Herr seine Jünger lehrte. Jesus sagte uns, wir sollen
denen vergeben, die uns etwas schuldig sind.261
Keine Ehe kann ohne Vergebung überleben. Jede Ehe ist eine
langzeitige intime, allumfassende, völlig ungewisse, tägliche
und Jahr um Jahr sich vollziehende Verbindung zwischen zwei
Sündern. Wie wollen sie ohne Vergebung auskommen?
Eine Freundin von mir, die viele Stunden in der Woche damit
verbringt, Frauen zu helfen, die Probleme in der Ehe haben,
erzählte mir, das Erste, was sie tue, sei, ihnen zu helfen, dass sie
ihre eigenen Übertretungen gegenüber ihren Ehemännern er­­
kennen. Das ist nicht einfach  –  denn sie sind davon überzeugt,
dass alles seine Schuld sei. Eine Geschichte, die ihnen oftmals
hilft, das Ganze anders zu sehen, ist die, welche Jesus dem Petrus
erzählte, als er fragte, wie oft ein Mensch seinem Bruder ver­­
geben sollte. Sind siebenmal nicht genug?
Nein, sagte Jesus, das reiche nicht. Siebzig mal sieben komme
dem schon näher. Dann erzählte er ihm die Geschichte von dem
König, dem ein Mann »zehntausend Talente« schuldete. Der
König befahl, man solle ihn als Sklaven verkaufen und seine Frau
und seine Kinder und alles, was er besaß, und den Erlös dem
König geben. Auf die Bitte des Mannes erließ der König ihm alle
Schulden, woraufhin der Schuldner geradewegs zu einem Mann
ging, der ihm eine relativ kleine Summe schuldete, ihn an der
Gurgel packte und sprach: »Zahl mir!« Als der Mann um Barm-
herzigkeit bat, ließ er ihn ins Gefängnis werfen.
Da rief ihn der König zu sich.

261 Vgl. Matthäus 6,12.14.

• 138 •
»Du böser Knecht!«, sagte er. »Jene ganze Schuld habe ich dir
erlassen, da du mich ja batest; hättest nicht auch du dich deines
Mitknechtes erbarmen sollen, wie auch ich mich deiner erbarmt
habe?«262 Und sein Herr übergab ihn den Peinigern, bis er die
ganze Schuld bezahlt haben würde.
Die Wahrheit der Geschichte leuchtet ein, nicht wahr? Aber
wie viel bereitwilliger nimmt unser Verstand diese Wirklichkeit
an als unser Herz! Wir begreifen gleich, wie gemein der Schuld-
ner war, dem alles vergeben wurde. Wer würde sich so be­­
nehmen?
Ach! Kein anderer als wir. Wir sind diejenigen, die »zehn­
tausend Talente« schuldig sind.
»So wird auch mein himmlischer Vater euch tun«, sagte Jesus
dem Petrus, »wenn ihr nicht jeder seinem Bruder von Herzen
vergebt.«263 Die Sünde, über die wir so erzürnt sind, ist höchstens
»hundert Denare« wert.
Es kann keine Vergebung geben, wenn wir nicht an­erkennen,
dass wir gesündigt haben. Vergebung ist keine Entschuldi-
gung. Etwas zu entschuldigen, bedeutet, die Sünde zu nichts zu
machen – zum Beispiel, wenn man sagt, er wollte das nicht, oder
er konnte nichts dafür, oder er meinte das nicht so. Oft besagt
das nichts anderes, als dass der andere noch nicht urteilsfähig
oder noch unreif ist. Zu vergeben bedeutet zunächst einmal, der
Wahrheit ins Angesicht zu schauen: Es war falsch. Dann heißt es,
die Person so zu behandeln, als ob die Sache nie geschehen wäre,
und bereit zu sein, sich zu versöhnen.
Vergebung umfasst Leiden. Manchmal kann man gegen uns
sündigen, ohne dass wir es merken  –  oder so, dass wir es fast
nicht bemerken. Aber es gibt Augenblicke, wo es sehr wehtut.
Das ist oft richtig verletzend. Es gehört zur menschlichen Natur,
sich irgendwie zu rächen, auch wenn es nur darum geht, den
anderen merken zu lassen, dass er uns verletzt hat – und das ist
manchmal, davon bin ich überzeugt, eine Form der Rache. Es
262 Matthäus 18,32.33.
263 Matthäus 18,35.

• 139 •
liegt nicht in der menschlichen Natur, zu vergeben. Ich habe zeit-
weilig in meinem eigenen Herzen die sündige Lust verspürt zu
sehen, wie der andere »angekrochen kommt«.
Wer wirklich ein Werkzeug des Friedens Gottes ist, bietet
als Erwiderung auf Verletzung nur eines an: Vergebung. Dabei
erinnert er sich an die »zehntausend Talente«, die er selbst dem
König schuldete, und wie völlig ihm vergeben wurde.
Gibt es überhaupt einen Zeitpunkt, während dem man über
die Fehler redet? Ja! Jesus sagte: »Wenn aber dein Bruder gegen
dich sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm
allein.«264 Ich glaube, das bezieht sich manchmal auch auf eine
Frau. Sicherlich sollen wir nicht immer zu Menschen gehen,
die gegen uns gesündigt haben, besonders wenn sie sich nicht
bewusst sind, dass sie uns wehgetan haben. Oft ist es besser, ein-
fach vor Gott im Herzen zu vergeben – und vielleicht hat die Per-
son dadurch Gelegenheit, ihr Vergehen ohne deinen Anstoß zu
erkennen, und wird zu dir kommen.
»Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Läste-
rung sei von euch weggetan, samt aller Bosheit. Seid aber zu­­
einander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in
Christus euch vergeben hat.«265

264 Matthäus 18,15.
265 Epheser 4,31.32.

• 140 •
Zärtlichkeit
••
Es gibt auf der ganzen Welt nicht einen Mann und nicht eine Frau,
die sich nicht nach Zärtlichkeit sehnt. Als ich auf dem College
war, wurde ein Mädchen, das auf meinem Gang im Studenten-
wohnheim wohnte, von einer Anzahl junger Männer auf dem
Universitätsgelände verfolgt. Wenn das Telefon im Gang läutete,
nahmen wir an, dass es für sie war. Sie war ein Typ, der »jeden
haben konnte«, so schien es, und sie behandelte die meisten von
ihnen mit beiläufiger Gleichgültigkeit.
Aber besonders ein junger Mann ließ sich in seinem Be­streben,
sie zu gewinnen, nicht entmutigen, obwohl sie ihn nicht an sich
herankommen ließ und einige seiner Einladungen abschlug. Sie
nahm seine Aufmerksamkeit nicht so wichtig, wie sie es ja auch
bei vielen anderen machte, aber eines Tages erhielt sie einen Blu-
menstrauß von ihm. Wie jede Frau zog sie hastig die Karte aus
dem kleinen Umschlag. Obwohl man es auch mit »Blumen«
sagen können soll, sind wir alle auch klare Worte gewohnt. Auf
der Karte standen zwei Wörter: »Zärtlich, Richard.« Ich glaube,
das warf sie um. Sie war ein sympathisches Mädchen, ging gern
aus, sah gut aus, war manchmal etwas leichtfertig, aber dieses
Wort drang bis in ihr Herz. Als sie mir die Karte zeigte, hatte
ich –  durch ein einziges mächtiges Wort  –  eine ganz neue Vor-
stellung von diesem Mann. Er war überhaupt nicht hübsch. Er
war ziemlich einfach. Aber plötzlich sah ich ihn als stark und
un­­gewöhnlich begehrenswert an. Ich hatte nicht gewusst, dass
Zärtlichkeit ein absolut notwendiger Bestandteil eines Mannes
war, aber ich wusste es sofort, als ich die Karte sah, und ich fügte
im Geiste die Zärtlichkeit zu der Liste der Eigenschaften hinzu,
die ich wünschte, dass mein zukünftiger Mann, wenn ich je einen
finden sollte, sie haben sollte.
Gestern erzählte mir eine Frau, sie habe mich immer als
jemanden angesehen, die verstandesmäßig und nicht nach dem

• 141 •
Gefühl handelt. Zuerst klang es wie ein schlechter Witz. Ich bin
mir nicht sicher, ob sie es als Tadel meinte oder als Kompliment,
aber jedenfalls ist es nicht wahr.
Wenn sie sündige Gefühle im Sinn hatte  –  wenn sie also
dachte, ich würde nie zulassen, dass diese Gefühle mein Ver­­
halten be­­­­­­einflussten  –, dann war es ein Kompliment. Die Bibel
sagt, dass wir nicht aufgrund von Motiven wie etwa Rivalität
oder Neid handeln sollen. Gefühle sind zweifellos kein sehr ver-
lässlicher Führer für unser Verhalten. Aber wenn sie mich als
eine Frau ansah, die nie von Mitleid oder Zärtlichkeit bewegt
wird, die nie durch das, was andere mir antun oder sagen,
berührt wird, dann war es kein Kompliment.
»Christentum ist hart wie Nägel«, schrieb C. S. Lewis. »Hart
und zart zugleich. Es ist die Mischung, auf die es ankommt;
keine von beiden Eigenschaften wäre gut ohne die andere.«
Manchmal muss ein Mann hart wie Nägel sein  –  bereit, der
Wahrheit über sich selbst und die Frau, die er liebt, ins Angesicht
zu schauen und Kompromisse abzulehnen, wenn sie falsch sind.
Aber er muss auch zärtlich sein. Keine Waffe vermag den Panzer
des weiblichen Grolls so zu durchdringen wie Zärtlichkeit.
Vielleicht wirst du sie nicht verstehen. Du magst sie in jeder
Hinsicht unvernünftig und unlogisch und unnahbar finden, aber
nicht bei ehrlicher Zärtlichkeit. Wenn sie glauben kann, wenn
auch nur für einen Augenblick, dass du sie wirklich verstehen
willst, dass du ernsthaft versuchst, dich in ihre Lage hineinzu-
versetzen, wird sie sich ändern. Ich weiß es. Ich bin eine Frau,
und ich scheine manchmal unbeweglich zu sein, aber ich weiß
auch, wie die Umarmung eines Mannes meine Bastionen nieder-
reißt.

• 142 •
Liebe ist läuterndes Feuer
••
Ein altes Evangeliumslied beschreibt, wie wir zu Christus kom-
men:

»So wie ich bin, so muss es sein,


Nicht meine Kraft, nur du allein,
Dein Blut wäscht mich von Flecken rein …«266

Gottes Einladung ist ohne Bedingung. Wir brauchen, wir können


nicht irgendwelche Voraussetzungen erfüllen. Wir kommen, wie
wir sind.
In einem modernen Lied heißt es, dass Gott mich liebt, »ein-
fach, wie ich bin«. Der Text des Liedes schließt in die Liebe Got-
tes alles ein, was um uns herum ist. Das vergossene Blut wird
jedoch nicht erwähnt.
Natürlich liebt uns Gott. Er ist Liebe.267 Aber seine Liebe endet
nicht bei dem, was wir sind oder wer wir sind, wenn wir zu ihm
kommen. Er will uns grenzenlos lieben und uns in sein eigenes
Bild verwandeln, von einer Herrlichkeit zur anderen.268 Wie kann
Liebe aber erfüllt werden, solange der Geliebte noch irgendwie
unvollkommen ist?
Wenn ein Mann eine Frau liebt, wie Christus die Gemeinde
geliebt hat,269 dann wird er alles in seiner Macht Stehende
tun  –  er wird sogar sein Leben hingeben  –, damit sie geheiligt
wird. Er wird zärtlich sein, aber auch wahrhaftig.
Liebe ist nicht bloß ein leichter Anstoß. Sie ist ein reinigendes
Feuer. Es brennt, um zu reinigen.

266 »So wie ich bin« von Charlotte Elliott.


267 Vgl. 1. Johannes 4,8.16.
268 Vgl. 2. Korinther 3,18.
269 Vgl. Epheser 5,25.

• 143 •
»Was soll ich tun: Feuer an sie legen?«, fragte ein Mann. »Soll
ich bei jedem kleinen Fehler oder jeder Angewohnheit, die ich
nicht mag, kritisieren und wieder und wieder darauf zurück-
kommen?«
Nein! Du sollst genau das tun, was Christus tat. Du musst
dich selbst hingeben. Christus kam nicht, um zu verdammen,
sondern sein Leben dahinzugeben.270 Das Kreuz verändert! Jesus
gab sich selbst am Kreuz, und es gibt keine Macht auf Erden, die
mit der Kraft der Selbsthingabe vergleichbar wäre. Es ist eine
starke Waffe, gegen die nur Stolz ein Schild ist. Paulus schreibt
den Ephesern über die Braut Christi: »… die nicht Flecken oder
Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und
untadelig sei«.271 Das möchte Christus. Das möchte jeder Mann.
Aber wie um alles in der Welt erreicht er das?
Wenn ein Mann einen Fehler an seiner Frau entdeckt, ist es
natürlich, dass er ihn kritisiert. Wenn er Untreue entdeckt, ist
es natürlich, dass er außer sich gerät, verärgert ist, sich ernied-
rigt fühlt und sofort beginnt zu überlegen, wie er von ihr los-
kommt. Wenn er diesen »natürlichen« Weg einschlägt, wird es
ihm höchstens gelingen, sie zu verärgern und einen breiten Gra-
ben zwischen ihr und ihm zu schaufeln, die Grundlage der Kom-
munikation zu zerstören und sich selbst unglücklich zu machen.
Sie wird durch diese Methode nicht gereinigt werden. Der ȟber-
natürliche« Weg ist: »Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der
Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hin­
gegeben hat, damit er sie heiligte.«272 Es war nie Jesu Absicht, es
jemandem »heimzuzahlen«.
Ich meine, das Erste, was ein Mann tun muss, wenn er seine
Frau reinigen will, ist, sich selbst zu reinigen, zu heiligen.
»Das ist eine Aufgabe fürs ganze Leben«, wirst du sagen. »Da
kann der Mann ja kaum noch an eine andere Aufgabe denken.«

270 Vgl. Markus 10,45; Johannes 3,17.
271 Epheser 5,27.
272 Epheser 5,25.26.

• 144 •
Ja, es ist eine lebenslange Arbeit, und er muss daran ar­beiten
(»bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern«273). Aber
wenn er sich darum bemüht, immer im Bewusstsein der Tat­
sache, dass er selbst der Gnade und Vergebung bedarf, und sich
der Beschränktheit seines eigenen Urteilsvermögens bewusst
ist, dann wird er sie reinigen, oftmals auf eine Art, die ihm nicht
bewusst ist.
»Das Beste, was Eltern tun können, damit ihre Kinder gut wer-
den, ist: selbst gut zu sein«, hat jemand gesagt. Das gilt genauso
für Ehemänner, die möchten, dass ihre Frauen gut und heilig
werden.
Du weißt, dass ich es mag, wenn Dinge ordentlich ausgeführt
werden. Ich bin in vielen Dingen sehr eigen. Ich hänge Hemden
draußen auf die Wäscheleine mit dem Saum nach oben. Ich halte
die Arbeitsflächen in der Küche fast ganz frei. Ich mag keine klei-
nen Ziergegenstände in der Wohnung stehen haben. Das ist alles
mein Bereich und stört Lars überhaupt nicht. Aber wenn ich ver-
suche, seinen Schreibtisch aufzuräumen und seine Bücherregale
zu ordnen, dann ist das eine andere Sache. Er meint manchmal,
es wäre eine gute Idee, aber nicht in dieser Woche – und nicht so,
wie ich es will.
Er möchte, dass ich meine Haltung verbessere. Ich habe daran
mein ganzes Leben gearbeitet mithilfe vieler Menschen, ehe ich
Lars kennenlernte, und ich weiß, sie hatten alle recht, und er
hat recht. Aber meine Haltung ist immer noch nicht gut genug.
Wenn er jedoch sieht, wie ich mich bemühe, dann lobt er mich.
Das ermutigt mich, es so intensiv zu versuchen, wie es keine
Kritik bewirken könnte. Ich glaube, das nennt man »positive
Rückkopplung«.
Dich selbst zu opfern, bedeutet, dazu bereit zu sein: durch
dasselbe reinigende Feuer zu gehen, das du auch für deine Frau
nötig erachtest. Dazu brauchst du viel Gebet.

273 Philipper 2,12.

• 145 •
»Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz«, betet der
Psalmist, »prüfe mich und erkenne meine Gedanken!«274 Gott
wird das Gebet beantworten, wenn es ehrlich ist, und sein Er­­
forschen kann schmerzlich und überraschend sein. Der Fehler,
den du in deiner Frau siehst, wird sich wahrscheinlich auch in
dir deutlich zeigen. Dein Ich wird anfangen zu leiden. »Prüfe
mich!«, bittest du Gott, und wenn er antwortet, dann weiche
nicht aus!
»… und sieh, ob ich auf bösem Weg bin, und leite mich auf
dem ewigen Weg!«275 Die Bereitschaft, die sichtbar geworde-
nen »bösen Wege« anzuerkennen, und eine ernste Bitte um Füh-
rung sind das, was Gott von uns allen will. Das macht uns nicht
sogleich vollkommen. Es verschont uns auch nicht vor zukünf-
tigem Versagen. Aber der Mann, der täglich in dieser Haltung
zu Gott kommt, ist in einer Stellung, in der er »sie heilig machen
kann«, wie es ihm zu tun befohlen ist.
Klingt das unerfüllbar? Die Forderungen Christi klingen uns
Sündern oft unerfüllbar. Er verlangt das Unmögliche, wie er es
von dem Mann mit der verdorrten Hand verlangte. Er forderte
ihn zu etwas auf, was der Mann unmöglich tun konnte: »Strecke
deine Hand aus!«276
Je mehr ein Mann Christus ähnlich ist, desto mehr wird es ihn
kosten, seine Frau zu der Frau zu machen, die sie sein sollte. Er
weiß, dass er weit davon entfernt ist, vollkommen zu sein, und
wenn er je versucht, sie zurechtzuweisen oder zu ermahnen,
wird sie ihn sicher später immer wieder gezielt daran erinnern.
Die kürzlich begangenen Sünden werden ihr den Stoff für leb-
hafte Illustrationen liefern. Und es ist nur menschlich, von sol-
chen »Erinnerungen« eingeschüchtert zu werden. Die Schrift
lehrt uns, dass wir erst uns selbst ansehen sollen, ehe wir andere
verurteilen.277 Denn auch wir können versucht werden, die glei-

274 Psalm 139,23.
275 Psalm 139,24 (Schlachter 2000).
276 Matthäus 12,13.
277 Vgl. Matthäus 7,1-5.

• 146 •
che Sünde zu begehen.278 Aber das entbindet uns nicht von der
Zurechtweisung.
Wenn es um das Thema der Kultivierung des sanften Geistes
geht, dann haben wir Gottes Autorität auf unserer Seite. Du wür-
dest dir diese besondere Verantwortung sicher nicht selbst aus-
gesucht haben, um nichts in der Welt (und ich hätte dieses Kapi-
tel auch nicht eingefügt, wenn ich es nicht in der Bibel gefunden
hätte). Kritik, Entrüstung, Streitsucht, leichtfertige Verdam-
mung: All das kommt nur zu natürlich bei uns vor und kostet
uns nichts, es auszuteilen. Aber ein treues Wort der Wahrheit, in
Liebe gesprochen, ist etwas ganz anderes. Die Bereitschaft, sich
selbst in dem Feuer der Liebe zu reinigen, gehört eben in eine
andere Kategorie. Das zu tun, war Jesus bereit. Er ging den gan-
zen Weg, gehorsam, sogar bis zum Tod, für uns.279
Und wenn alles gesagt und getan ist, wird es immer noch
solche geben, die ungerührt bleiben, die keine Rüge oder Er­­
mahnung annehmen wollen  –  einerlei, wie liebevoll sie aus­
gesprochen wurde. Der reiche junge Mann ging »sehr betrübt«
davon.280 Und Jesus hielt dennoch an seinen Worten fest und zog
ihn nicht am Ärmel zurück. Wenn einige nicht einmal auf ihn
hören wollten, warum sollten sie auf uns hören?

278 Vgl. Römer 2,1; 1. Korinther 10,12.
279 Vgl. Philipper 2,8.
280 Vgl. Lukas 18,23.

• 147 •
Verliebt sein oder lieben
••
Es ist eine Sache, verliebt zu sein. Es ist etwas ganz anderes,
zu lieben. Du verstehst inzwischen sicherlich, Peter, dass die-
ses Buch nicht vom Verliebtsein handelt. Die Buchläden und die
Bücherregale in den Flughäfen und Supermärkten sind brechend
voll davon, aber sie sind alle weit davon entfernt, die wahre
Liebe zu beschreiben. Ich habe über Liebe gesprochen: die Liebe
eines richtigen Mannes zu einer richtigen Frau nach Gottes Wil-
len. Lieben ist unendlich wichtiger als Verliebtsein.
Ich möchte das Verliebtsein jedoch nicht ganz außer Acht las-
sen. Es war Gottes Idee ganz am Anfang, und er hat die Welt
so eingerichtet, dass das Verliebtsein nötig ist. Er machte es zu
einem hohen Vergnügen  –  sogar voll Heiterkeit und Glücks­
gefühl. »Erfreue dich an der Frau deiner Jugend«,281 sagte
Salomo. »Ihre Brüste mögen dich berauschen.«282 Isaak wird als
einer beschrieben, der mit seiner Frau »vertraut scherzte«.283 Das
hebräische Wort bedeutet »spielen«. Aber Gott beließ es nicht
dabei.
Streng, wie die alttestamentlichen Gebote uns oft zu sein
scheinen, war dennoch in einer ganzen Reihe von ihnen viel
Menschlichkeit zu spüren, die dich überraschen mag. Besondere
Vorkehrungen wurden beispielsweise für den frisch verheira-
teten Mann getroffen: »Wenn ein Mann vor Kurzem eine Frau
geheiratet hat, so soll er nicht in den Krieg ziehen, und es soll
ihm keinerlei Sache auferlegt werden; er soll ein Jahr lang frei
sein für sein Haus und seine Frau erfreuen, die er genommen
hat.«284

281 Sprüche 5,18.
282 Sprüche 5,19.
283 1. Mose 26,8 (Schlachter 2000).
284 5. Mose 24,5.

• 148 •
Denk einmal: Gott möchte, dass junge Männer glücklich sind,
und er erlässt eigens einen Befehl, um dies sicherzustellen.
Eine Freundin erzählte mir, dass alles, was ihre Mutter sie
kurz vor ihrer Hochzeit über Sex lehrte, war: »Versage dich nie
deinem Mann. Aber sag niemals, dass du es genießt!« Arme
Frau! Sie hat sicher versucht, sehr pflichtbewusst und sehr christ-
lich zu sein, aber welch ein Missverständnis in Bezug auf Gottes
wahren Plan für Geschlechtlichkeit steckt dahinter! Durch welch
düsteren Stoizismus hat sie ihn ersetzt! Stell dir den armen Ehe-
mann vor! Niemals sicher, ob sie jemals etwas freute, was er tat!
Wenn die Tochter den Rat der Mutter befolgt hätte, könnte das
ihre Ehe ruiniert haben.
Geschlechtsverkehr bewirkt, dass du zu einem Fleisch mit
einem anderen Menschen wirst.285 Dies trifft auch zu, wenn die
andere Person eine Prostituierte ist.286 Das sollte uns zu denken
geben! »Flieht die Hurerei!«, sagte Paulus. »Oder wisst ihr nicht,
dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch
wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid?
Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun
Gott in eurem Leib.«287
Ein Fleisch mit der Frau zu werden, die Gott dir gibt, ist ganz
und gar richtig und angebracht. Gott beabsichtigt, dass du dich
selbst verlässt und dich daran erfreust. »Lebe nach dem Grund-
satz, dass jede Situation, in der du glaubst, der Wille Gottes ist«,
schrieb Jim Elliot. Ich kann bezeugen, dass er nicht zögerte, das
Prinzip auf sein Geschlechtsleben anzuwenden, wobei die ent-
scheidende Bedingung der Wille Gottes war. Ehe es nicht der
Wille Gottes war (und du weißt von seiner Geschichte, wie sie
im Buch Im Schatten des Allmächtigen288 nachzulesen ist, dass es
manchmal Jahre dauerte, bis es klar war), zähmte er seinen Leib
und beherrschte sich, wie Paulus es tat.289

285 Vgl. z. B. Epheser 5,31 (Zitat aus 1. Mose 2,24).


286 Vgl. 1. Korinther 6,16.
287 1. Korinther 6,18-20.
288 Erschienen im Verlag SCM R. Brockhaus (Originaltitel: »Shadow of the Almighty«).
289 Vgl. 1. Korinther 9,27.

• 149 •
Sexuelle Erfahrung, die im Gehorsam und in der Hingabe an
den Geber dieser guten Gabe geschieht, wird die Wahrheit über
Christus und die Gemeinde sichtbar machen. Sie ist ein wei­teres
der mannigfachen physischen Zeichen geistlicher Tatsachen.
Indem wir verlieren, finden wir, indem wir geben, empfangen
wir, wenn wir sterben, werden wir geboren. Geschlechtlichkeit
illustriert alle drei Facetten dieser befreienden Wahrheit. Wenn
wir auf diesen Seiten zu sehr das Geben und Sterben zu be­tonen
scheinen, dann geschieht dies, weil wir das in dieser Zeit des »Sei
gut zu dir!« und »Tu, was dir gefällt!« bitter nötig haben.
Nirgendwo in unserer modernen Welt sieht man die ra­dikale
Verkehrung der Symbole so erschreckend deutlich wie in der
Sinnentleerung der Sexualität. Man sucht den Geschlechts­
verkehr ohne Liebe, die Liebe ohne Ehe, die Ehe ohne Verant-
wortung. Die geschlechtliche Beziehung ist tatsächlich eine »Epi-
phanie«. Das heißt, sie ist die Offenbarung einer Wirklichkeit,
die nicht von dieser Welt ist. Solche Wirklichkeiten lassen sich
am besten durch Symbole verstehen, und wenn wir solche Sym-
bole nicht aufrichtig erfassen, verlieren wir überhaupt die Sicht
für die Wirklichkeit.
Geschlechtlichkeit ist eine geheimnisvolle Darstellung der
Liebe Gottes zu uns und der verblüffenden Tatsache der Ver­
einigung mit ihm. Sie macht uns unsere Beschränkungen als
Männer und Frauen bewusst: Jeder ist abhängig vom anderen,
beide sind abhängig von Gott, um Leben, Bedeutung und Er­­
füllung zu haben, jedoch ergänzen sie sich in jenen Beschränkun-
gen wunderbar durch die Tatsache, dass Erfüllung Vereinigung
bedeutet. Wie wir das Leben Gottes teilen und in sein eigenes
Leben und seine Freude eintreten, so teilen wir in der Ehebezie-
hung das Leben des anderen und treten in die tiefste mensch-
liche Vereinigung ein, wo Männlichkeit und Weiblichkeit in herr-
lichster Weise ausgedrückt und vollendet werden.
Ich sagte soeben, dass du dich selbst verlassen solltest. Es gibt
keinen besseren Ausdruck für den Unterschied zwischen »Ver-
liebtsein« und »Lieben«. Verliebtsein bezieht sich auf ein Gefühl,

• 150 •
das nur etwas haben will und nichts enthält, was im Entferntes-
ten echter Liebe gleichkommt. Zu lieben dagegen erfordert, sein
Ich zurückzulassen, es zu verlassen für den anderen.
Und doch: Wie soll ich angemessen über den Lohn dieser Art
von Liebe schreiben? Wie kannst du wissen, dass dieses para-
doxe Prinzip tatsächlich funktioniert, wenn du nicht selbst so
handelst?
Eine Wahrheit, die von Christen oft verdunkelt oder verges-
sen wird, ist, dass die Auferstehung, auf die wir warten, eine Auf­
erstehung des Leibes ist. Man scheint vielfach als selbstverständ-
lich anzunehmen, dass es im Himmel keine Geschlechtlichkeit
mehr gibt. Die Bibel sagt das nicht. Sie sagt, dass man nicht mehr
heiraten wird oder verheiratet werden wird, und dass wir in die-
ser Hinsicht »wie Engel« sein werden.290 Aber sie sagt nicht, dass
wir keine sexuellen Wesen mehr sein werden. Wir werden alle
einen Leib haben.291 Engel haben keinen Leib, nur in besonde-
ren Fällen erhalten sie einen Leib, um eine bestimmte Aufgabe zu
erfüllen. Engel werden als »dienstbare Geister« beschrieben.292
Das meiste von dem, was uns über den Himmel be­richtet
wird, ist ganz unvorstellbar. Sogar die eindrucksvollen Bilder
der Offenbarung sind für die meisten von uns zu großartig. Der
Grund dafür, warum wir die Bilder nicht verstehen können, wird
uns in Römer 8 gesagt:
»Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen wor-
den  …, auf Hoffnung, dass auch die Schöpfung selbst frei­­
gemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbens
zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes … Auch wir
selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst
seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung
unseres Leibes.«293

290 Vgl. Matthäus 22,30.
291 Vgl. 1. Korinther 15,44.
292 Vgl. Hebräer 1,14.
293 Römer 8,20.21.23.

• 151 •
Ich kann mir nicht vorstellen, was diese »Erlösung unseres
Leibes« bedeuten wird. Kannst du es, Peter? Ich kann es ein-
fach nicht begreifen. Aber ich ahne, dass es eine Freude sein
wird, so riesig und überwältigend, so allumfassend und befriedi-
gend, dass Gott nicht wagte, uns mehr als leichte Andeutungen
zu geben, damit wir von dem Verheißenen nicht so sehr über-
wältigt werden, dass wir unsere Arbeit vernachlässigen. Wenn
wir diese Andeutungen im Gedächtnis halten, wird Liebe viel-
leicht nicht bloß etwas sein, was wir von Zeit zu Zeit »machen«,
sondern etwas, was wir leben. Liebe wird dann die Atmosphäre
unserer Familie bestimmen.

• 152 •
Wenn man eine Familie hat
••
Eine Familie zu haben, steht sicher auf der Liste deiner Vor­
haben ganz unten. Ich frage mich sogar, ob es überhaupt auf dei-
ner Wunschliste steht. Ich meine, nie von einem Mann gehört zu
haben, der heiraten wollte, um eine Familie zu gründen – nicht
in unserer Gesellschaft. Von der einen oder anderen Frau habe
ich wohl gehört, dass sie es tun wollte.
Du wirst darüber irgendwann einmal nachdenken müssen,
und ich rate dir dringend, darüber mit jeder vorausschauenden
verheirateten Frau zu sprechen, auf die du triffst – denn neben
Geld, Verwandten und Sex ist es eines der potenziell explosivs-
ten Themen zwischen Eheleuten.
Vor einigen Jahren kam ein junges Paar zu mir und meinem
Mann und fragte uns, was wir von ihrer Entscheidung hielten,
keine Kinder zu haben. In einer Welt voller Leid, mit der Dro-
hung eines Atomkriegs und mit Überbevölkerung sahen sie
nicht, wie ein christliches Ehepaar guten Gewissens ein Kind in
die Welt setzen konnte.
Wir sagten ihnen, was wir dachten: Die ursprüngliche Absicht
des Geschlechtsverkehrs war Fortpflanzung. Gott wollte, dass
der Mensch sich selbst vermehrt.294 Wenn ein Mann und eine
Frau, die im normalen Alter sind, um Kinder zeugen und ge­­
bären zu können, eine Ehe schließen, ohne bereit zu sein, Kin-
der zu haben, dann weichen sie unserer Meinung nach dem gött-
lich verordneten Sinn der Ehe aus. Die Zahl der Kinder und die
Intervalle zwischen den Schwangerschaften sind andere Fra-
gen  –  aber Kinder zu haben oder nicht, ist nicht Geschmacks­
sache.
Im ersten Timotheusbrief gibt es einen sehr schwierigen
Abschnitt, über den schon viele Seiten geschrieben wurden:

294 Vgl. 1. Mose 1,28.

• 153 •
Frauen werden »gerettet werden durch Kindergebären«.295 Pau-
lus kann nicht meinen, dass Frauen, die keine Kinder haben, in
die Hölle fahren. Kann er vielleicht meinen, dass der Ehemann
seine Frau »rettet«, wie Christus seine Braut von Fruchtlosigkeit
befreit? Mit anderen Worten: Da es unsere »Rettung« ist, Gottes
Willen zu tun, findet die Frau, von der Gott will, dass sie Mut-
ter ist, ihre Rettung in diesem Sinne durch ihren Ehemann. Wenn
sie andererseits gegen den Willen Gottes rebelliert  –  das heißt,
gegen das Vorrecht, Kinder zu gebären und für Gott aufzuzie-
hen –, wird sie nicht ein solches Leben führen. Mann und Frau
werden »errettet«, indem sie den göttlichen Befehl respektieren.
C. S. Lewis schrieb einen Brief an ein Ehepaar, das in seiner
ganzen Ehe keine Kinder haben wollte, nicht aus solchen Grün-
den, wie sie unsere Freunde angeben, sondern weil sie sich ent-
schlossen hatten, dass ihr Leben völlig »ihnen« gewidmet sein
sollte  –  sie wollten bewahren, was eine vollkommene Liebe zu
sein schien. Lewis schrieb:

»Fangt ganz unten an! Was würden die ungebildeten, wil-


den Heiden denken? Sie würden sagen, die haben es zu toll
getrieben und haben die Göttin Nemesis provoziert, dass
sie ihnen Einhalt gebot. Geht eine Stufe höher: Die gebilde-
teren Heiden würden jeden Rückzug von den Forderungen
der all­­gemeinen Menschheit als unmenschlich, unsozial und
schändlich brandmarken. Wenn sie Stoiker sind, würden sie
sagen, dass es ›gegen die Natur‹ sei, zu versuchen, das, was
nur ein Teil des Ganzen ist, zu einem autonomen Ganzen zu
verzerren, das für sich selbst lebt. Fragt man die Christen, so
würden sie natürlich damit übereinstimmen, dass Mann und
Frau ›ein Fleisch‹ sind. Sie würden vielleicht zugeben, dass
dies sehr bewundernswert bei euch beiden realisiert ist. Aber
sicher würden sie hinzufügen, dass dieses ›eine Fleisch‹ nicht
›um seiner selbst willen‹ leben darf und auf die Dauer auch

295 1. Timotheus 2,15 (Schlachter 1951).

• 154 •
nicht leben kann, wie auch das einzelne Individuum nicht.
Das ›eine Fleisch‹ ist genauso wenig wie das Individuum um
seiner selbst willen erschaffen worden. Es wurde für Gott
erschaffen und (in Gott) für seine Mitmenschen  –  und unter
diesen zuerst und vor allem für die Kinder, die es hätte in die
Welt bringen sollen … Die Erfahrung einer Frau, der die Mut-
terschaft versagt blieb, kann ihr Mann niemals mit ihr teilen.
Wenn einem die Vaterschaft versagt blieb, ist das etwas ganz
anderes und vergleichsweise Triviales.«296

Das scheinen gewichtige Gründe gegen Kinderlosigkeit zu sein.


Was das Argument betrifft, dass die Kinder mit großem Leid
konfrontiert werden könnten, so bin ich versucht zu sagen: »Und
was gibt es sonst noch Neues?« Leid gehört zu unserer Exis-
tenz in einer gefallenen Welt, und wenn Gott souverän über Zeit
und Geschichte herrscht, so herrscht er auch souverän über das
Leben unserer Kinder, die, wie der Psalmist sagt, ein »Erbe« vom
Herrn sind.297 (Ich schreibe dies nicht leichtfertig, das kannst
du mir glauben. Ich habe Enkel. Was werden sie bis zum Jahr
2050 gesehen und erlitten haben?) Die große Lektion des Glau-
bens, die alle Eltern lernen müssen, ist es, bezüglich ihrer Kin-
der auf Gott zu vertrauen. Sie lieben sie, wie sie es sich niemals
vor­­stellen konnten, dass sie jemanden so lieben könnten, und es
verlangt einen ständig wachsenden Glauben, dass Gott sie noch
mehr liebt.
Kannst du dir dich als Vater vorstellen? Ich bin mir sicher,
dass du das kannst. Hast du schon einmal länger über deine
väterlichen Instinkte nachgedacht? Wenn du eine Frau liebst
und spürst, dass du sie beschützen möchtest, nimm sie in deine
Arme und halte sie von aller Gefahr fern, das ist der Anfang. Es
ist gewiss etwas Väterliches in der Liebe eines Mannes zu einer
Frau. Aber niemand kann dir die eigentliche Erfahrung der
Vaterschaft beschreiben oder dich darauf vorbereiten. Erst letzte
296 Sheldon Vanauken, A Severe Mercy, 1977, S. 207.
297 Vgl. Psalm 127,3.

• 155 •
Woche erhielt ich einen Brief von einem jungen Mann, den ich
in einem Seminar kennengelernt habe. Sein Sohn war gerade ge­­
boren worden. Er versuchte, mir zu erzählen, welch eine über-
wältigende Erfahrung es für ihn war. Er hatte vorher keine
Ahnung, überhaupt keine Ahnung, sagte er, wie sehr er dieses
kleine Baby lieben würde.
Ich kann mir denken, dass ein lediger Mann auf das ge­­
marterte junge Paar mit Tragetasche, Kindersitz, Nachttopf, Kin-
derwagen, Laufstall, Papierwindeln und einer Menge Spielzeug
mit einer gewissen mitleidigen Selbstzufriedenheit herabschaut.
»O weh! Muss das alles sein? Ist es das wert? Das ist nichts für
mich!«
Ja, man braucht eine Menge Ausrüstung, wenn man in der
westlichen Zivilisation lebt. (Inder geben sich mit einem einzi-
gen Gegenstand zufrieden: einem Tuchstreifen, etwa zwei Meter
lang und einen Meter breit, den die Mutter über der Schulter
zusammenknotet, um darin das Baby manchmal bis zum zwei-
ten Lebensjahr zu tragen.) Ja, das alles braucht man und eine
ganze Menge mehr, was du dir gar nicht vorstellen kannst. Aber
es lohnt sich Millionen Mal. Nichts für dich? Im Willen Got-
tes wird es auch für dich etwas bedeuten, und – du wirst dafür
dankbar sein!
Es gibt genug Bücher über Vaterschaft. Lass mich hier nur
noch eins sagen: Warum gibt Gott uns Kinder und Tiere, für
die wir sorgen müssen? Ich bin davon überzeugt, dass einer der
Gründe der ist, dass wir demütig werden. Sie fangen an, unsere
Herzen weich zu machen. Da ist dieser Mensch, dieses kleine
Geschöpf, das nicht überleben wird, wenn du nicht für es sorgst,
doch noch weit mehr liegt die Anmut eines neugeborenen Kin-
des, seine Unschuld, seine erbärmliche Hilflosigkeit, in dem
Geheimnis, zu wissen, dass dieses Wesen das Produkt deiner
Gene und deiner Liebe ist (und es ist dir, als erinnertest du dich,
wie du selbst aus deinen milchigen, weiten Äuglein im Augen-
blick der Geburt zum ersten Mal diese Welt erblicktest): Dies
alles wird dein Herz bewegen.

• 156 •
Dann, wenn du deine Vaterrolle ernst nimmst, wirst du an
jedem Tag wissen, dass du dieser Aufgabe nicht gewachsen bist,
nicht du allein. Und das ist demütigend. Deinen Beruf kannst du
vielleicht spielend bewältigen. Den Beruf des Ehemanns glaub-
test du vielleicht ziemlich mustergültig auszuüben. Du hast
wahrscheinlich nicht viel darüber nachgedacht, was es heißt, ein
Sohn oder ein Bruder oder ein Freund oder ein Enkel zu sein.
Aber ein Vater zu sein, wird dich auf deine Knie zwingen, wenn
nichts anderes es vermochte. Es wird dich vor dir selbst retten,
weil du gezwungen wirst, achtzugeben auf diesen win­­zigen
Menschen, für die du und seine Mutter verantwortlich sind.
Die Mütter werden jedoch meistens mehr durch diesen »Beruf«
gedemütigt, einfach weil gewöhnlich der Mutter die dreckigs-
ten Arbeiten überlassen bleiben. »Verschone mich davor, die
schmutzigen Windeln zu wechseln«, sagen Väter, womit sie sich
aus der Affäre ziehen können. Die Mutter hat keine Wahl.
E. Herman sagt Folgendes über Demut:

»Wir alle lassen uns leicht von der Idee der Stärke blenden –
aber wir merken nicht, dass jede wahre Stärke in der Demut
begründet ist. Wir relegieren Demut immer noch auf die blei-
chen Ränge passiver Tugenden und schmuckloser Gnaden,
während sie in ihrer legitimen Stellung eine Eigenschaft ist,
die dem Mutigen und Kämpfer zukommt. Demut ist wirklich
einfach ein Sinn für Realität und Verhältnisse. Sie ist gegrün-
det auf dem Wissen der Wahrheit über uns selbst und über
Gott. Gott liebt die Demut so sehr, weil er die Wahrheit so
sehr liebt. Demut ist aber nichts als Wahrheit, während Stolz
nichts als Lüge ist.«298

298 E. Herman, Creative Prayer, S. 13f.

• 157 •
Eine Kontrollliste
••
Einige Männer des Seminars, in dem ich lehrte, hörten, wie ich
meine Freundin Dorothy zitierte, die sagte: »Wir beide sind
keine besonders hervorragenden Persönlichkeiten, meine Liebe!
Lass uns nach dem Wesentlichen schauen und den Rest über
Bord werfen!« »Was ist das Wesentliche, wenn man sich nach
einer guten Frau umsieht?«, wollten die Männer wissen. Sie
baten mich, einen Abend darüber zu ihnen zu sprechen. Folgen-
des habe ich ihnen gesagt:
Ganz oben auf der Liste sollte stehen: Fraulichkeit und
Glaube. Sie muss eine richtige Frau sein und sie muss eine Chris-
tin sein. Kein Christ sollte meinen, er könne sich mit einer Frau
verbinden, der diese beiden wesentlichen Stücke fehlen.
Was meine ich mit Fraulichkeit? Ich habe ein ganzes Buch
darüber geschrieben (Als Frau leben299), und was ich in den ers-
ten Kapiteln dieses Buches gesagt habe, will ich hier zusammen­
fassen:
Zuallererst sollte sie froh sein, dass sie eine Frau ist. Ob sie
über ihre Weiblichkeit verärgert oder verunsichert ist, zeigt
sich gewöhnlich in ihrer Kleidung und in ihrem Benehmen. Es
ist nicht schwer, den Unterschied zu erkennen zwischen einer
Frau, die immer eine Hose und Wanderschuhe trägt, ob es die
Si­tuation nun erfordert oder nicht, und der Frau, die solche Klei-
dung nur trägt, wenn es angebracht ist, und es selbst dann durch
ihr Benehmen und ein wenig Fingerspitzengefühl fertigbringt,
dir zu zeigen, dass sie nicht versucht, ein Mann zu sein.
Mit anderen Worten: Eine richtige Frau hat die Gegeben­
heiten akzeptiert: eben ihre Weiblichkeit. Dies ist ein Glaubens-
akt. Sie erkennt den Platz an, den ihre Weiblichkeit ihr in Gottes
Welt zuteilt.

299 Erschienen bei CLV (Originaltitel: »Let Me Be a Woman«).

• 158 •
Sie weiß, dass sie vom Mann genommen, von Gott zum Mann
gebracht und von ihm benannt wurde.300 Sie begehrt nicht das
nicht Gegebene.
Eine richtige Frau versteht, dass der Mann erschaffen wurde,
um Initiative zu ergreifen, und dass sie unter dieser Vorgabe
reagieren kann. Dies ist vor allem eine Frage der Einstellung. Ich
bin davon überzeugt, dass die Frau, die den Unterschied zwi-
schen Mann und Frau versteht und mit Freude annimmt, weib-
lich sein wird, und zwar ungezwungen und unbewusst.
Eine christliche Frau erkennt Christus als ihren Herrn und
Meister an. Indem sie das tut, stellt sie sich selbst unter Gehor-
sam, was bedeutet, dass sie an das gebunden ist, was der Herr
sie zu tun lehrt. Weil die Bibel sagt, dass sie sich nach ihrem Ehe-
mann richten, sich ihm anpassen, sich ihm unterordnen und ihn
respektieren soll, will sie diese Dinge um des Herrn willen tun.
Dies ist nicht dasselbe, wie wenn sie es nur für ihren Mann täte.
Wenn sie es nur für ihren Mann tut, wird sie sich berechtigt füh-
len, sich nicht anzupassen oder unterzuordnen, wenn er versagt.
Wenn sie es für den Herrn tut, ändert sich das Bild.
Kein Mann möchte eine »Null« als Gefährtin. Eins und eins
gibt zwei  –  nicht eins und nichts. Eine Frau muss sich darüber
im Klaren sein – denn nur dann kann sie sich bewusst dafür ent­­
scheiden, diesen Mann als Ehemann, seinen Namen als den
ihren, sein Geschick als das ihre und seine Fehler als Teil der Be­­
dingungen dieser Ehe zu akzeptieren. Sie trifft eine Ent­scheidung.
Sie ist nicht der Gunst eines namenlosen Schicksals ausgeliefert,
sondern ist vielmehr mit dem Vorschlag eines fehlbaren mensch-
lichen Wesens einverstanden. Um diese Verein­barung zwischen
ihnen zu besiegeln, stehen sie vor der Öffentlichkeit, »vor Gott
und diesen Zeugen«, und geben ihr Versprechen.
Sie wird das Wort »gehorchen« nicht streichen wollen – denn
es passt zu der biblischen Beschreibung dessen, was eine christ-
liche Frau tut.

300 Vgl. 1. Mose 2,22.23.

• 159 •
Ich würde sicher einen Sinn für Humor auf die Kontrollliste
schreiben. Er ist wesentlich. Ich meine nicht, dass du eine Komö-
diantin finden musst, bei der du dich dauernd vor Lachen auf
dem Boden wälzt. Sie muss nicht gut Witze erzählen können.
Aber sie muss lachen können – zuallererst über sich selbst; denn
das ist eine »rettende Gnade«.
Dr. James Houston wies mich einmal darauf hin, dass das Ver-
siegen des Humors vielleicht durch fehlende Übereinstimmung
zu erklären ist. Wo es keine Übereinstimmung gibt, da kann es
keine Ungereimtheit geben, die das Wesen des Humors ist. Such
dir eine Frau, die das Absurde sehen kann.
Such dir eine Frau, die nicht alles so todernst nimmt, dass sie
immer darüber reden muss: »Wer bin ich? Wie wirke ich auf die
Leute? Wie fühle ich mich?« Mit Menschen, die nicht über sich
selbst lachen können, kann man nicht gut zusammenleben, weil
sie tun, was sie gemäß Paulus nicht tun sollen: Sie hegen über-
triebene Vorstellungen von sich selbst und ihrer Wichtigkeit.301
Auch nur ein flüchtiger Blick auf die riesige Lücke, die zwi-
schen dem klafft, was ich sein sollte, und dem, was ich wirklich
bin, sollte genügen, um solche übertriebenen Vorstellungen zu
dämpfen. Diese Diskrepanz ist, gelinde gesagt, »absurd« zu nen-
nen. Das ist natürlich traurig, aber es ist auch lächerlich.
Nun zur Frage der Karriere. Sieh sie dir genau an! Jede Frau,
die als Ehefrau infrage kommt, sollte bereit sein, ihren Mann
und ihre Kinder an die erste Stelle zu setzen, über ihre eigenen
In­teressen, einschließlich der Karriere. Das ist einfach vernünf-
tig. Wenn für sie eine Karriere genauso wichtig oder wichtiger
ist als die Ehe, dann heirate sie nicht. Ich weiß, das klingt ganz
schön dogmatisch. Aber glaube mir: Wenn man versucht, Ehe
und Karriere miteinander zu kombinieren, dann kann das die
größten Schwierigkeiten ergeben. Aber völlig unmöglich ist es,
Kindererziehung und Karriere miteinander zu kombinieren.

301 Vgl. Römer 12,3.

• 160 •
Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn eine Frau ar­beiten
muss, um ihre Kinder zu ernähren, wenn sie allein ist oder plötz-
lich verwitwet oder geschieden wurde. Ganze Scharen von
Frauen müssen das tun und tun es. Aber die Frau, die davon
träumt, beides zu tun, und das als ihr Ideal ansieht, muss sich
auf große Schwierigkeiten gefasst machen. Wahrscheinlich hegt
sie eigensüchtige Ambitionen für sich selbst. Sie möchte be­­
weisen, dass sie das fertigbringt. Sie möchte etwas gelten. In sol-
chen Wünschen ist nichts von Gott zu finden. Oft meinen solche
Frauen, sie müssten »der Menschheit« als Ärztinnen oder An­­
wältinnen oder als Beamtinnen »dienen«, und vergessen dabei,
dass es keinen größeren Dienst für die Menschheit gibt, als eine
christliche Familie zu führen. Andere Wege zu suchen, weil die
eigene Familie nicht auszureichen scheint oder weil andere Wege
interessanter und vielversprechender aussehen, ist eine Fehl­
entscheidung. Wenn sie an Rechte denkt  –  »Ich habe genauso
viel Recht auf einen Beruf wie jeder Mann« –, dann wirst du Pro-
bleme bekommen. Sieh dich vor der Frau vor, die von Rechten
spricht!
Wenn sie um ihrer Familie willen sich entschließt, eine Kar-
riere aufzugeben oder zumindest zeitlich zurückzustellen, dann
braucht deine Frau in hohem Maß deine Hilfe und Ermutigung.
Sie wird sicher eine intelligente Frau sein, und wahrscheinlich
wird sie eine gute Schulbildung genossen haben. Sie wird stän-
dig gefragt werden: »Was macht du jetzt?«, oder: »Welche Pläne
hast du?« Darauf zu antworten: »Ich bin Peters Frau«, oder: »Ich
plane, mich um mein Heim und meine Familie zu kümmern«,
wird Mut erfordern und eine stille Sicherheit, wie Jesus sie hatte:
die Sicherheit, die dem Wissen entspringt, woher man kommt
und wohin man geht. Wenn du als ihr Ehemann sie in ihrer Be­­
rufung bestärkst, wird es ihr leichter fallen, der unausweich­
lichen Kritik zu widerstehen.
Wieder werden Opfer verlangt werden. Man kommt nicht
um die Tatsache herum, dass wenn du dich von ganzem Herzen
dafür einsetzt, deine Kinder für Gott zu erziehen, du dich von

• 161 •
vielen Aktivitäten ausschließen wirst, die deine Freunde genie-
ßen. Das gilt oft auch von Aktivitäten, die nützlich erscheinen
– die nicht bloß sozialer Art sind, sondern vielleicht auch Akti-
vitäten, die Gemeinde, Familie, Geschäft und Staat betreffen. Du
musst Gott um Weisheit bitten, richtig zu wählen, und um Kraft,
bei der Entscheidung zu bleiben. (Achte nicht auf das Gerede,
dass du selbst daran schuld bist. Du schuldest nichts dir selbst,
sondern alles Gott.)
In einem Leitartikel mit der Überschrift »Frau als Krieger« in
der Dallas Morning News vom 27. November 1979 wies Wil-
liam Murchison auf die Bitte von General William Westmoreland
hin, dass Frauen nicht eingezogen werden sollten. Mit beißen-
der Ironie schreibt Murchison: »Nur männliche chauvinistische
Schweine würden eine Frau durch den Hinweis auf ihr Un­­
vermögen kränken, jemandem ein Bajonett in den Bauch zu sto-
ßen.« Er schreibt dann weiter:

»Die Durchschnittsfrau ist wichtiger als der Durchschnitts-


mann, wichtig in dem Sinne, dass die Gesellschaft durch sie
zusammengehalten wird und durch sie deren Auflösung in
Anarchie verhindert wird.
Das Wort ›Heim‹ zu erwähnen, genügt, um in der Brust
einer begeisterten Feministin Panik zu erwecken. Das Heim
ist etwas, wo zimperliche kleine Dummköpfe bleiben, die
ihre Strümpfe stopfen. Die wahren Frauen fahren Last­wagen
oder fliegen B52-Bomber. Aber wer hält Heim und Familie
zusammen, wenn nicht die Frauen? … Man hält es für alt­
modisch, zu versichern, ihr Platz sei zu Hause. Und doch ist
es absurd zu behaupten, das Heim könne ohne sie existieren.
Deshalb werden ja Frauen nicht eingezogen und in den Krieg
geschickt. Würden Frauen kämpfen  –  und getötet oder zu
Krüppeln gemacht  –, würde den Familien und damit natür-
lich der gesamten Sozialordnung ein ernsthafter Schlag ver-
setzt.

• 162 •
Solch eine Auffassung stellt für begeisterte Neuerer ein un­­
erträglich reaktionäres Gerede dar. In Wirklichkeit ist es noch
viel schlimmer! Denn solche Vorstellungen spiegeln das Den-
ken der Menschheit seit 6000 Jahren wider.«

Ein kanadischer Reporter beschuldigte mich, eine Ansicht über


das Frausein zu vertreten, die aus dem 19. Jahrhundert stammt.
»Sie ist sehr viel älter«, sagte ich ihm. Wir brauchen nur
2000 Jahre zurückzugehen, um zu finden, dass Paulus dem Titus
schreibt, die jungen Frauen sollten lernen, »…  ihre Männer zu
lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen, keusch, mit häuslichen
Arbeiten beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unter­
zuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde«.302
Es würde mich interessieren, wie viele Frauen manchmal
mehr aus Habsucht und einem Geist des Wettbewerbs zur Arbeit
gehen als aus Notwendigkeit, und kleine Kinder in Kinder­gärten
bringen, weil einfach kein starker Mann hinter ihnen stand, der
ihnen sagte: »Nein! Du bleibst zu Hause! Dies ist der einzige
Beruf, der wirklich wichtig für dich ist!« Andere Stimmen sind
oft zu laut, zu verlockend, klingen zu logisch. Doch welch eine
Erleichterung wäre die Stimme eines starken Mannes!
Sieh auch nach dem »unvergänglichen Schmuck des sanften
und stillen Geistes«.303 So beschreibt Petrus das Geheimnis der
Schönheit einer heiligen Frau.
Vor Kurzem hatte ich Valerie und ihre beiden Kinder – Wal-
ter, der drei Jahre alt ist, und Elisabeth, die ein Jahr alt ist – für
mehrere Wochen zu Besuch. Ich beobachtete sie und war erneut
beeindruckt, was für ein 24-Stunden-Job das Muttersein ist.
Und wie unentbehrlich zur richtigen Ausführung dieser Arbeit
ein »sanfter und stiller Geist« ist! Ich sah den Heiligen Geist in
Va­­lerie am Werk, der diesen »unvergänglichen Schmuck« be­­
wirkte.

302 Titus 2,4.5.
303 1. Petrus 3,4.

• 163 •
Sieh dich schließlich nach einer Frau um, die weiß, dass Liebe
kein Gefühl ist. Es ist wunderbar, wenn sie eine Menge liebender
Gefühle für dich hegt. Es ist großartig, wenn sie dich Liebe füh-
len lässt. Danke Gott für Gefühle  –  denn ohne sie könnten wir
nicht auf all die Sinneseindrücke in unserer Welt reagieren. Als
physische und psychische Wesen sind wir ein Bündel von Ge­­
fühlen. Aber, wie gesagt, sie sind kein Anker für eine Ehe. Die
Liebe, die eine Ehe ausstrahlt  –  und durch die die Ehe selbst
unterhalten wird –, muss aktiv sein.
Meine Freundin Dorothy sagte: »Wirf den Rest über Bord!«
Es ist schön, wenn du eine Frau findest, die hübsch ist, kochen
kann, Hausarbeit mag, dieselben Sportarten betreibt wie du, und
die Bücher liest, die du auch gern liest. Wenn sie nähen kann
und singen, Ski laufen, ein Zelt aufschlagen, einen Anhänger
ankoppeln, ein Feuer machen kann, etwas von Fußball versteht,
die Bilanz macht, den Vergaser reinigen kann, dann wirst du
ein überaus glücklicher Mann sein. Wenn du spät ins Bett gehst
und sie auch, dann sei dankbar (obwohl ich bei längerem Nach-
denken nicht weiß, wer dann das Frühstück zubereitet und die
Kinder in die Schule schickt). Sei besonders dankbar, wenn du
eine Frau findest, die nicht dauernd darauf erpicht ist, sich über
schwierige Themen zu unterhalten. Gottseligkeit mit Genügsam-
keit ist ein großer Gewinn, sagt die Bibel,304 und soweit ich weiß,
erfordert keins von beiden tägliche intellektuelle Gymnastik.

304 Vgl. 1. Timotheus 6,6.

• 164 •
Wie man mit der Kontrollliste umgeht
••
Es gibt fünf Möglichkeiten dafür, dass die Frau, die deine Ehe-
frau werden soll, eine Frau ist, wie du sie haben möchtest.
Zuerst: Sei ein Mann! Ich habe das hundertmal gesagt und
werde es wieder sagen. Du erwartest, dass sie eine richtige
Frau ist, aber du kannst das nicht erwarten, wenn du kein rich­
tiger Mann bist. In der Reaktion auf den vollsten Ausdruck dei-
ner Männlichkeit wird sie ganz Frau sein. Wenn sie nicht nach
deinen Erwartungen lebt, dann prüfe dich zuerst selbst: »Über-
nehme ich die Führung, wie ich es tun sollte – in demütiger Hal-
tung und Unterwerfung unter Christus? Habe ich immer daran
gedacht, dass ich für sie verantwortlich bin?«
Zweitens: Lass sie sich darüber freuen, dass sie eine Frau ist.
Ein Weg, dies zu tun, ist, ihr liebevolle Beachtung zu schenken.
Ein ehrliches Kompliment kann sie erfreuen. Wenn sie auch nicht
die allerschönste Figur hat, kann sie dennoch sehr hübsch aus-
sehen. Sag es ihr! Hat sie schöne Hände? Sag es ihr! Ein an­derer
Weg ist, höflich zu sein. Höflichkeit ist ein Mittel, sich gegenseitig
daran zu erinnern, dass du ein Kavalier bist und sie eine Dame.
Ganz einerlei, wie »altmodisch« ihr beide erscheint  –  du wirst
überrascht sein, welch ein Vergnügen es bereitet, wenn ihr euch
gegenseitig ein wenig Beachtung schenkt. Ich habe schon einige
besondere Dinge erwähnt: Biete ihr den Stuhl bei Tisch an, öffne
ihr die Tür. Führe solche kleinen Dinge auch aus, wenn du schon
länger verheiratet bist. Sie schwinden oft schnell dahin, weil der
Alltag alles erdrückt. Steh am Morgen auf und mach den Kaffee
und bring ihr eine Tasse ans Bett mit einer Margerite oder einem
Buch auf einem Tablett. Sie wird erstaunt sein.
Lars weiß, wie er mich froh darüber machen kann, dass ich
eine Frau bin. Schrittweise und geduldig zeigte er sich als Kava-
lier, sodass ich mich wie eine Dame fühlte. Aber der Hebel, der
schließlich den Felsen zum Kippen brachte, war, als er eines

• 165 •
Tages zu mir sagte: »Ich möchte Zäune um dich aufrichten und
zugleich auf allen Seiten stehen.«
Drittens: Du musst begreifen, dass Führerschaft ihr hilft und
ihr Erlösung bringt – und für dich bedeutet, bereit zu sein, Ver-
antwortung zu tragen. Das schließt ein, Fehler nicht zu entschul-
digen. Es schließt geistliche Leitung in deiner Familie ein. Viele
Männer spüren, dass ihre Frauen geistlicher gesinnt, empfind­
samer gegenüber Gott, gottesfürchtiger als sie selbst sind. Des-
halb übertragen sie ihnen das Familiengebet. Das sollten sie
nicht tun. Selbst wenn du meinst, dass deine Frau dir geistlich
über­legen ist, bist du der verordnete Priester der Familie. Du
brauchst mit ihr nicht zu wetteifern. Du musst sicher nicht an
jedem Morgen beim Frühstück eine Predigt halten. Übernimm
die Führung, indem du einen Abschnitt aus der Bibel oder aus
einem guten Andachtsbuch vorliest. Leite das Gebet! Es mag so
einfach sein, wie du willst, aber bete! Ruth Graham sagte, sie
glaube, wenn der Mann für seine Frau betet und für die Dinge,
die sie an diesem Tag zu tun hat, und wenn die Frau für ihren
Mann betet und für die Dinge, die er zu tun hat, dann wird diese
Ehe im Laufe der Jahre gefestigt. Man kann den Einfluss auf die
Kinder nicht ermessen, wenn ihr Vater sie durch tägliches Vor-
bild zu Gott führt.
Viertens: Liebe sie mit der Liebe, die in 1.  Korinther  13
beschrieben wird. Versuche, deinen Namen an die Stelle des
Wortes Liebe zu setzen: »Peter ist langmütig, erträgt alles, glaubt
alles, hofft alles, erduldet alles …«
Und zuletzt: Denk daran, dass ihr zusammen Erben der
Gnade des Lebens seid.305 Dies ist eine der großen Gemeinsam-
keiten in der Bibel, dass Mann und Frau Empfänger der Gnade
sind, die größer ist als alle unsere Sünde. Das wird alle ihre Sün-
den gegen dich bedecken. Es wird deine Sünden gegen sie be­­
decken. Es wird deine und ihre Vergangenheit zudecken. Es
wird alles in der Zukunft zudecken.

305 Vgl. 1. Petrus 3,7.

• 166 •
Wo die Gnade herrscht, verschwinden Unterschiede der
Nationalität, der sozialen Stellung und des Geschlechts. Da ist
nicht mehr Jude oder Grieche, Sklave oder Freier, Mann oder
Frau.306 Und wie es keine Unterscheidung zwischen männlich
und weiblich gibt bezüglich ihrer Gottesebenbildlichkeit und
ihrer moralischen Verantwortung Gott gegenüber, so gibt es auch
keine Unterscheidung in Bezug darauf, dass sie Gegenstand der
Gnade Gottes sind. Aber genauso, wie sie sich in ihren Körpern
voneinander unterscheiden, unterscheiden sie sich auch darin,
wie sie handeln sollen: Die Frau reagiert, der Mann ergreift die
Initiative.

306 Vgl. Galater 3,28.

• 167 •
Wenn du sie nicht verstehst
••
Eines Morgens im Juni vorigen Jahres, als ich gerade an einem
ruhigen Ort an der Ostküste Floridas wohnte, ging ich wie üblich
die Straße entlang zu dem langen weißen Sandstreifen, um die
anbrechende Morgenröte zu betrachten. Ein paar Sterne schie-
nen noch am dunklen Himmel, und ich ging und betete und
genoss den kühlen Wind vom Meer und die Stille um mich her.

»Und wer hat das Meer mit Toren verschlossen,


als es hervorbrach, hervorkam aus dem Mutterschoß,
als ich Gewölk zu seinem Gewand und Wolkendunkel zu sei-
ner Windel machte
und ich ihm meine Grenze bestimmte
und Riegel und Tore setzte
und sprach: Bis hierher sollst du kommen und nicht wei-
ter, und hier sei eine Schranke gesetzt dem Trotz deiner
Wellen?«307

Dort, wo das Meer endete, war eine Reihe von Muscheln, die
anzeigte, dass hier die tosenden Wellen zur Ruhe kamen. See-
tang hatte sich ein wenig höher in riesigen Klumpen angesam-
melt  –  ein Beweis dafür, dass die Wellen einige Tage früher so
weit und nicht weiter gestiegen waren.
Als der Himmel über dem östlichen Horizont sich blutrot zu
färben begann, setzte ich mich auf einer Sanddüne nieder, um
das Schauspiel der hervorbrechenden Sonne zu betrachten.

»Hast du, seitdem du lebst, einem Morgen geboten?


Hast du die Morgenröte ihre Stätte wissen lassen,

307 Hiob 38,8-11.

• 168 •
dass sie erfasse die Säume der Erde und die Gottlosen von ihr
verscheucht werden?
Sie verwandelt sich wie Siegelton,
und alles steht da wie in einem Gewand.«308

Als die Sterne erloschen und die blutrote Farbe zunahm und sich
aufhellte, den östlichen Himmel in Rosa einhüllend, sah ich, wie
im Süden sich Gewitterwolken auftürmten. Grelle Blitze zuck-
ten hinter ihnen und verwandelten das Meer und die Wolken-
ränder in Silber. Hinter mir hörte ich in den Zwergpalmen den
kalten, reinen Gesang der Lerche, durchsetzt mit dem üppigen
Pfeifen des Rotkardinals. Kleine Krebse glitten behände über den
Sand, ihre gekrümmten Beine schienen sich wie Räder zu dre-
hen, sodass sie aussahen wie winzige, zarte königliche Kutschen,
die auf einem märchenhaften Botengang dahineilten.
Die Sonne ging hinter den Wolken auf, plötzlich in einem
großen Lichtfächer hervorbrechend, mit Strahlen verschiedener
Intensität.
Weit unten am Strand konnte ich die Gestalt eines Mannes
erkennen, der sich gegen das prächtige Meer und den glitzern-
den weißen Sand abhob. Er war vornübergebeugt und unter-
suchte etwas. Ich wusste, was es war. Denn ich hatte sie selbst
untersucht: die Spuren der großen Seeschildkröten, die wäh-
rend der Nacht aus dem Meer gekommen waren, als die Flut am
höchsten war, um ihre Eier in den Sand zu legen. Er suchte das
Geheimnis zu ergründen, das ich auch ergründen wollte. Wie
wussten Schildkröten, wann die Flut ihren Höhepunkt erreicht
hatte? Woher wussten sie, dass sie ein tiefes Loch in den tro-
ckenen Sand graben mussten? Wie gruben sie es aus? (Hast du
schon einmal versucht, ein tiefes Loch in trockenem Sand zu
graben?)
Diese Geheimnisse sind nur, wie es im Buch Hiob heißt, »die
Säume seiner Wege«.309 Sie kommen aus dem weiten, lieben-
308 Hiob 38,12-14.
309 Hiob 26,14.

• 169 •
den Herzen unseres Schöpfers und Erlösers. Ich sah sie, und ich
neigte mich in Anbetung vor ihrer aller Schöpfer und dachte
daran, dass auch sie einstimmen werden in das gewaltige Lied
der Offenbarung: »Und jedes Geschöpf, das in dem Himmel und
auf der Erde und unter der Erde und auf dem Meer ist, und alles,
was in ihnen ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt,
und dem Lamm die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit
und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!«310
Wenn du im Willen Gottes heiratest, Peter, dann wirst du
wohl gelegentlich auf diese Frau blicken, die Fleisch von deinem
Fleisch ist und Bein von deinem Bein,311 von dem Geheimnis, das
du da siehst, ergriffen, aber auch verwirrt, manchmal vielleicht
sogar aufgebracht über das, was in ihr so geheimnisvoll ist und
zeitweise geradezu irrational scheint. Es mag sein, dass du dich
in den kurzen Nachtstunden auf einen Ellenbogen gestützt weit
über sie beugst und in das schlafende Gesicht schaust, auf die
vertraute Linie von Nase, Kinn, Hals, die Rundung der Brust.
Wer ist sie? Wie kam es, dass sie und nicht eine andere in dein
Leben trat, in dein Haus und in dein Bett? Was meinte sie mit
dem, was sie beim Abendbrot sagte? Warum begreift sie nicht,
was du meinst? Was erwartet sie vom Leben? Warum kannst du
sie nicht überzeugen? Warum kommt sie nicht aus sich heraus
und sagt, was sie denkt, statt von dir zu erwarten, dass du ihre
Gedanken lesen kannst?
»Ihr Männer …, wohnt bei ihnen nach Erkenntnis als
bei einem schwächeren Gefäß, dem weiblichen, ihnen Ehre
gebend«,312 schrieb Petrus in seinem ersten Brief; aber es gibt
einen Punkt dahinter, den du nicht ergründen kannst. Es gibt
Geheimnisse, die Gott dich nicht ausloten lässt. »Gottes Ehre ist
es, eine Sache zu verbergen.«313 Wenn du darum einmal außer dir

310 Offenbarung 5,13.
311 Vgl. 1. Mose 2,23.
312 1. Petrus 3,7.
313 Sprüche 25,2.

• 170 •
bist und Weiblichkeit für dich zu unermesslich ist, dann solltest
du diese Worte eines weisen Mannes beherzigen:

»Gesegnet ist die Einfachheit, die den Weg der schweren Fra-
gen verlässt und in den ebenen und festen Wegen der Gebote
Gottes wandelt.«
Viele haben ihren Eifer verloren, weil sie nach höheren Din-
gen Ausschau hielten, als ihnen gemäß ist. Glaube und ein
Gott wohlgefälliges Leben sind von dir gefordert, und nicht
die Höhe des Verständnisses noch die Tiefen der Geheimnisse
Gottes. Wenn du die Dinge, die in dir sind, nicht verstehen
noch erfassen kannst, wie willst du dann die Dinge begrei-
fen, die über dir sind? Ordne dich darum sanft Gott unter und
unterwirf auch deinen Verstand dem Glauben. Dann wird dir
das Licht der Erkenntnis und des wahren Verstehens gegeben
werden, wie es für dich höchst lohnend und notwendig ist.

Tu das, Peter, und mit Sternen, Gewitterwolken, kleinen Kreb-


sen, dem Rotkardinal, den Lerchen und Seeschildkröten magst
du, nur ein Mann, aber ganz ein Mann, deine Stimme erheben
und dem, der auf dem Thron sitzt, »die Segnung und die Ehre
und die Herrlichkeit und die Macht« entgegenjubeln.314

314 Vgl. Offenbarung 5,13.

• 171 •
Elisabeth Elliot
Als Frau leben

Erfahrungen einer Mutter


160 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-86699-230-6

Elisabeth Elliot gehört zu den begabtesten Schriftstellerinnen


der Christenheit. In diesem Buch »Als Frau leben« verbinden
sich ihre Beobachtungen und Lebenserfahrungen mit sorgfäl-
tigem Studium der Schrift. Dieses Buch ist das Geschenk einer
Mutter an ihre Tochter. Als ihr Vater, Jim Elliot, durch feind­
selige Auca-Indianer 1956 getötet wurde, ging ihr Schicksal der
ganzen christlichen Welt nahe. Jetzt ist Valerie eine junge Frau.
Sie steht kurz vor der Ehe und vor der Gründung einer eigenen
Familie.
Elisabeth Elliot schreibt Erkenntnisse und Erfahrungen ihres
Lebens für alle christlichen Frauen, die sich mit den Beziehun-
gen von Mann und Frau auseinandersetzen. Das Buch gibt
–  biblisch fundiert und glaubwürdig dargestellt  – Antwort
für das Leben in Ehe und Gesellschaft: eine umfassende Aus­
einandersetzung mit Gottes geschaffener Lebensordnung, mit
dem Wesen der Frau, des Mannes, der Partnerschaft, der Liebe.
Elisabeth Elliot
Im Schatten des Allmächtigen

Das Tagebuch Jim Elliots


288 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-89397-957-8

Das »Vermächtnis« des jungen Pioniermissionars Jim Elliot, der


1956 im Alter von 28 Jahren von den Auca-Indianern ermordet
wurde. Unzählige junge Christen haben durch dieses Buch ent-
scheidende Anstöße zu einem gottgeweihten Leben bekommen.
Elliot hat dieses Tagebuch vor allem während seiner Studien-
und Verlobungszeit geschrieben. Es beeindruckt jeden Leser
durch die Aufrichtigkeit und Hingabe, mit der er seine Zweifel,
Krisen, Niederlagen und Glaubenserfahrungen beschreibt. Hier
ringt ein junger Mann um jeden Preis um ein kompromissloses
Leben zur Verherrlichung Gottes. Eines der wenigen Bücher, die
jeder Christ neben der Bibel gelesen haben sollte.

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