Sie sind auf Seite 1von 222

- + 2 /&T /// C.

-->

-
KÄU
ÄT
sº - -- - - 73,

Ä
Äſº# –F
:
ÄÄÄ
es –OF
F ººy OF

51
Okkultistische
Unterrichtsbriefe
Zehn Lehrbriefe
zur Entwickelung der Willenskraft und
der Okkulten Fähigkeiten

Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage

Bearbeitet von

Johannes Balzli

6 D

Theosophisches Verlagshaus, Leipzig


- KF --
Sº P CFF
°Fes
LLC 6 924
N

Alle Rechte vorbehalten.


Nachdruck und Übersetzung verboten.
VORQWORAT
Nachfrage und Bedürfnis haben die Neuherausgabe und Um
arbeitung dieses Werkes veranlaßt.) Die erste Auflage war trotz
ihrer noch unvollkommenen und mangelhaften Form sehr begehrt
und hat auch ihre Aufgabe so gut erfüllt, daß schon weit früher
eine neue Auflage hätte erscheinen müssen. Es war indes nicht
angängig, die Lehrbriefe unverändert in der Form wiederaufzulegen,
die ihnen Karl Brandler-Pracht gegeben hatte. Die Notwendigkeit,
die gesamten Lehrbriefe kritisch durchzusehen und stark umzu
arbeiten, ließ sich nicht von der Hand weisen. Die Neubearbeitung
konnte jedoch nicht in einem Zuge durchgeführt werden. Und das
war gut. Denn nur so war es dem Bearbeiter möglich, immer neue
Verbesserungen vorzunehmen und wiederholt feilende Hand anzu
legen.
Da es sich als unstatthaft erwiesen hat, auch von der Grundlage
des Lehrkurses abzuweichen, müssen dem Werke notwendig auch
jetzt noch da und dort Mängel anhaften. Der Bearbeiter der zweiten
Auflage würde die Lehrbriefe wesentlich anders verfaßt haben. Er
hat jedoch so zahlreiche Verbesserungen vorgenommen, daß das
Werk in der vorliegenden Gestalt selbst hohen Ansprüchen vorerst
noch vollauf genügen dürfte. Wen trotzdem nach weiterer Unter
weisung verlangt, dem stehen noch zahlreiche andere Werke zur
Verfügung.

*) Nachfrage und Bedürfnis haben sich geäußert in einer außerordentlich


regen Korrespondenz zwischen den Beziehern der Lehrbriefe und dem Verlags
hause. So wurde es dringend notwendig, eine zweite Auflage erscheinen zu
lassen.
IV

Wir wissen im voraus, daß gewisse Kreise versuchen werden,


dieses Buch herunterzureißen. Es besteht aber kein Grund, für
diese Leute lange Rechtfertigungen zu formulieren. Uns genügt es,
zu wissen, daß die Lehrbriefe vielen geholfen haben und daß die
unverminderte Nachfrage ihre fernere Daseinsberechtigung erweist.
Es wäre mithin völlig unnütz, weitere Worte der Erklärung zu - ver
lieren.
Ein Wort noch an den, der die Lehrbriefe nicht bloß durch
lesen, sondern auch zur Anwendung bringen will! Niemand darf

als
mehr Zeit und Kraft auf die Übungen verwenden, ihm nach

zu
Lebensstellung und Pflichten Gebote stehen. Man muß ohnehin
Geduld haben, wenn man zu wirklichen Ergebnissen kommen will.
Wer nicht warten gelernt hat im höchsten und besten Sinne, der
taugt noch nicht zum Schüler dieser Lehrbriefe und der würde auch
keine Wirkungen erzielen, die größeren Wert haben. Auch der
kann nicht weit kommen, der nicht über sich bringt, eine Übung,
es

die (scheinbar) unzählige Male mißglückt ist, wieder und wieder


geduldig durchzuführen. Geduld (Ausdauer), Selbstvertrauen und
Mut sind die Lichter, die dem Tätigen immerdar leuchten.

Der Bearbeiter
ſ

EINFUHRQUING
Das alte Wahre war schon längst gefunden,
hat edle Geisterschaft verbunden.
Das alte Wahre, – faß es an!
GOETHE

»Diese plumpe Welt«, schreibt Goethe, »aus einfachen Elemen


ten zusammenzusetzen und sie jahraus, jahrein in den Strahlen der
Sonne rollen zu lassen, hätte GOTT
wenig Spaß gemacht, wenn
ER nicht den Plan gehabt hätte, auf dieser materiellen Unterlage
sich eine Pflanzschule für eine Welt von Geistern zu gründen«.
Im tiefen Schachte seiner Einsicht hat Goethe (gleich vielen an
dern Großen und Größten) empfunden und erkannt, daß die Welt
ist

nicht eine bloße Sammlung von sog. Zufällen, sondern daß die
Menschheit die Bestimmung hat, sich aus einer rein äußerlichen
zu

Kultur zur Höhe geistiger Anschauung erheben. Ihm stand vor


Augen die Zeit, da, wie Claude Bernard sagt, »der Physiolog, der
Dichter und der Philosoph die gleiche Sprache sprechen und ein
ander verständnisvoll begegnen«. Die gegenwärtige Menschheit ist,
nach einem Ausspruche von Lamartine, ein Weber, der von außen
schafft und würkt am Webstuhle der Zeiten; nur muß sie bald
hinübertreten auf die andere Seite, um das grandiose Bild zu be
trachten, das sie durch lange Epochen hindurch Faden auf Faden
gewebt hat. Auf diesem neuen Standpunkte aber wird die Mensch
an

an

heit erkennen, nichts anderem gearbeitet hat, als


daß sie der
Wiederaufrichtung der Uralten Weisheit, der Geistesforschung und
Theosophischen Anschauung, die sie bislang abgelehnt hatte, weil
und immer nur der Meinung
sie sie für leere Abstraktion erachtete
war, das menschliche Erkenntnisvermögen könne nicht gesteigert
werden.
VIII

Es gibt in der Tat eine Uralte Weisheit, eine Ewige Philosophie


– perennis quaedam philosophia, wie Leibniz sich ausdrückt die –,
das Band bedeutet zwischen Naturwissenschaft und Religion,
zwischen Wissen und Glauben, und ihre endliche Einheit ist. Diese
Uralte Weisheit, die sich stets dem Zeitgeiste anpaßt und heute
den Namen THEOSOPHIE führt –
und das ist nichts anderes als
–,

ist
Armanismus, Brahma-Vidya, Gnostik, Gnosis, Humanität”) der
Naturwissenschaft, der Sinneserfahrung, durchaus nicht entgegen
ihre Neubelebung und Fortsetzung, die Er

ist
gesetzt,sondern sie
füllung von Hoffnungen, die den besten Denkern seit Jahr

in
herangereift (Wer scharf sieht, dem kann un

es
hunderten sind.
möglich entgehen,
daß die Naturwissenschaft seit Bacon und
Descartes unbewußt zur Uralten Weisheit wieder hinstrebt. Und
es
welchem Gebildeten fällt nicht auf, daß seit Herder das Suchen
der größten Geister auf die geheime Wirkungsweise des geistigen
Entwickelungsstromes der Menschheit gerichtet ist?) Für den
ist

Materialisten das Werk der Natur abgeschlossen mit dem, was


sie ihm geschenkt hat, und weil
so
nur an der Oberfläche tastet,
er in er

die Kräfte ihres Wirkens ihr selbst zu suchen, ist

er
in
anstatt
Zweifelsucht verfallen und hat seinen Blick verschlossen und
verweigert dem Lichtquell der Erkenntnis. Im Gegensatz

zu
ihm
erkennt die Geistesforschung (die Mystik) allem Dasein den ge
in

waltigen Entwickelungszug des »Emporl«, den siegfrohen Drang


zur Vergeistigung und Vergottung. Keineswegs aber stellt die
Mystik Programme auf, wie man von unreifen Reformern ge
es

wohnt ist, die lediglich Wirkungen sehen und nur an Symptomen


herumkurieren, weil sie bloß die Außenseite des Lebens betrachten
zu

und nicht verstehen, die Wirklichkeit schöpfen auf dem Urgrunde


ihrer Seele. Die Mystik (die Theosophische Anschauung, der
Praktische Okkultismus) erfaßt das Leben lebensvoll, sie stellt sich

Wenn Eigenbrödlersich besonderer Namen bedienen, um das entliehene


*)

so
zu

Weisheitsgut, mit dem sie schachern gehen, klangvoll bezeichnen, bleibt


die Quelle doch immer und immer die gleiche. Das möchten wir besonders von
der sog. Anthroposophie und der Anthroposophischen Gesellschaft betont haben.
Es klingt mehr als eigentümlich, wenn man gewisse Personen von einer "anthro
posophisch orientierten« Geisteswissenschaft reden hört; denn mit dem gleichen
Rechte könnte man von »europäisch murmelndem Wasser« sprechen.
IX

ihre Aufgaben aus dem Leben selbst heraus. Alles Dasein enthält
die Anlagen der Zukunft in sich. Daher liest die Uralte Weisheit

ist
die Programme immer ab aus dem, was ist, und so sie auch
selbst Programm. Sie untergräbt und bekämpft nichts, sie reißt

nicht nieder, sie steht jenseits und über allen Parteien und bringt
ihnen Frieden. Aufbauen, vertiefen und erweitern will die Theo
sophische Anschauung. Infolge dieser weltumspannenden Parole

in
ihrer Eigenschaft als Zentral-
und Universal-Wissenschaft
macht sie auch keine Konvertiten, keine Proselyten; sie weist viel
mehr die Horchenden an, die Wahrheit allen Bekenntnissen zu

in
suchen: nicht nur bei Buddha, Zoroaster und Christus-Jesus, son
mithin jed

ist
dern auch bei. Lamarck, Darwin und Haeckel.*) Es
wede Gegnerschaft wider die Theosophische Anschauung (die
Geistesforschung) völlig unberechtigt, und alle Einwendungen
irgendwelcher Widersacher sind nichts weiter als willkürliche Ge
dankengänge und bewußte oder unbewußte Vorurteile.

Vielfach wird behauptet, die »angeblichen« Erkenntnisse der


Theosophischen Anschauung müßten erst »bewiesen« werden. Diese
so

Forderung kennzeichnet recht die Kritikasterei, den oberfläch


lichen Journalistengeist der Gegenwart. Der Materialist kann die
Theosophische Anschauung nicht verstehen, weil das gesunde
er

Gefühl und damit den eingeborenen


Sinn für das Wahre
in

die derbe, handgreif


ist
Er

sich abgestumpft hat. nur gewohnt,


liche »Wirklichkeit« zu fassen, den Sinn für das Höhere, für das
wirklich Wahre, aber will nicht wecken. Ihm ist nur zu antworten,
er

daß man die Geisteswissenschaft an ihren Früchten erkennt: wer

Völlig unbegründet und unnütz


ist

sonach die Behauptung, dem Christen


*)

tume (das man prätentiös »die Religion« nennt) drohe Gefahr durch die Theo
sophische Anschauung. Die Geisteswissenschaft lehnt das Christentum und die
Bibel nicht ab, doch sie verwahrt sich gegen die heute übliche materialistische

Auslegung. Sie will das Christentum nicht verdrängen denn sie bekämpft
nichts, weil sie für alles, was besteht, eine bestimmte Aufgabe sieht sondern –,
so

sie will erhöhen und erweitern. Wenn sie überhaupt etwas tilgen will,
es

ist
der Christianismus, das Pfaffentum. Damit aber handelt sie ganz im Sinne des
es

echten und wahren Christentums. Die Theosophische Anschauung stimmt Herz


und Gemüt des Menschen im schönsten und höchsten Sinne religiös, sie ist die
beste Förderin tiefsten religiösen Empfindens.
X

sie richtig anwendet, dem beweist sie sich dadurch, daß sie das
Leben gesund, stark und neu macht; dadurch, daß sie das Bewußt
sein erweitert und das ganze menschliche Wesen erhöht. Wenn
der Materialist sich seiner »realistischen« Denkungsart rühmt und
die Theosophische Anschauung für »tolle Phantastik«, für »graue
Theorie«, für »leere Abstraktion« erklärt, so macht er eben nur ein
Zerrbild von der Geisteswissenschaft zurecht und kämpft gegen ein
Etwas, das bloß in seiner Einbildung besteht, aber nie und nimmer
das Wesen und die Art der Theosophischen Anschauung wiedergibt.
Wer imstande (objektiv und vorurteilslos genug) ist, die wahre Gestalt
der Theosophischen Anschauung ins Auge zu fassen, dem fällt die
Widerlegung dieser Beschuldigungen gar leicht. Er bemerkt nämlich,
daß gerade der Materialist mit nichtssagenden allgemeinen Redens
arten operiert, während die Geisteswissenschaft eine Summe lebens
voller Tatsachen ist, eine realistische Sache für das Leben. Die
Unzufriedenheit vieler Gemüter zeigt am besten, daß die Natur
forschung in der Tat an ihrem toten Punkte angelangt ist. Hier
nun, wo die bloß gedachte Logik des Materialismus versagt, wo sie
ihre Zweckdienlichkeit vollendet hat, da setzt die Uralte Weisheit,
die wir heute Theosophie nennen, mit einer lebendigen Logik ein.
Diese Logik wird im Menschen zum lebendigen Wesen, so daß wir
statt dürrer Begriffe, wie bisher,
lebendig Waltendes erfassen und
durchdrungen werden von diesem lebendig Waltenden, um zu

ist
steigern alle Fähigkeiten. Die Theosophische Anschauung mit
hin nicht dazu da, daß man über sie debattiere, sondern dazu, daß
man ihre Erkenntnisse durch Anwendung fruchtbar gestalte und
so

das Leben bereichere. Wer, anstatt aus vorgefaßter Meinung


zu

heraus voreilig kritisieren und sich dadurch den Erkenntnisweg


zu

zu

verbauen, sein Urteil zurückhält, um schweigend lernen, dem


zeigt sich, daß die Uralte Weisheit nicht allein für die Gesamt
es

heit, sondern auch für jeden einzelnen Rat und Hilfe bringt selbst
Lebensfragen die Mittel und Wege
so

und
in

den elementarsten
aufzeigt, wie der Mensch sein Schicksal (Karma) überwinden und
wahrhaft frei werden kann.

Die Uralte Weisheit lehrt, daß der Mensch,


so

wie sich für


er

gewöhnlich zeigt, nichts weniger als vollkommen ist. Zugleich aber


XI

zeigt sie auch, daß in der Erscheinung des Menschen ein Geist in
zu Ewigkeit

ist
einer Seele schlummert, der von Ewigkeit und den

zu
Körper überdauert. Diesen Gottmenschen sich selbst finden

in
zu
und damit seine Unsterblichkeit erkennen, leitet die Theosophische
Anschauung Menschen an. Die Geistesforschung zeigt also,
den
daß im Sinnesmenschen (der Persönlichkeit oder Tiernatur, dem
Schein-Ich), der nur Form und Werkzeug ist, ein Geistesmensch
GOTT
ist
lebt,der der wahre Mensch und uns mit verbindet.
Als Geistesmenschen (Iche, Egos, Individualitäten) sind wir aber Bürger
zweier Welten: der Sinnenwelt sowohl als auch der Überwelt.

zu
Auch kennen wir, wenn wir uns erheben diesem Höheren Selbst,
keine Trennung und keine Gegensätze mehr, wir halten uns nicht
mehr jeder einzelne für ein besonderes Reich, für eine Sonderheit,
die selbstsüchtige Interessen vertritt: wir leben im Ganzen und für
das Ganze, und das Ganze ist uns und für uns. So fußen wir
in

unserer Hingabe das über-egoistische


an

Leben wohl auf der


in

»Erde«, mit dem Haupte aber ragen wir den »Himmel«. Damit
in

aber sind wir nicht nur Ebenbilder, sondern auch Mitarbeiter und
Verbündete GOTTES, deren Aufgabe lautet:
Hilfe allen Wesen
!

im

Alles, wasder Zeit entsteht, hat seinen Ursprung Ewigen.


in

Während sich im Physischen nur Wirkungen zeigen, ruhen die Ur


Ewigen und Übersinnlichen.
im

sachen Und nur aus der tiefsten


Erfassung dieses Übersinnlichen heraus kann der Mensch wahres
Wissen (Weisheit) erwerben, das Leben recht verstehen und seine
Bestimmung erfassen. Da jedoch das Ewige der sinnlichen Wahr
nehmung nicht zugänglich ist, muß der Mensch sein Erkenntnis
vermögen erweitern, wenn sich selbst erkennen und GOTT
er

in

für die Mitwelt leben und wirken will. Fichte sagt treffend: »Wer
kein wahrnehmendes Auge hat, der kann die Farben nicht sehen;
wer keine aufnahmefähige Seele besitzt, der kann den Geist nicht
der Tat so: Wer nicht Mystiker“) wird, ver
ist

schauen«. Es
in

Mystik ist nicht Mysticismus. Mystik ist klarstes Erkennen durch Erweite
*)

rung des Bewußtseins und läßt sich einzig von der Menschenliebe leiten; Mysti
cismus hingegen ist krankhafte Schwärmerei, die selbstsüchtig auf einen Extra
platz einem Schlaraffenland von Jenseits hofft.
in
XII

leugnet die Natur. Dem Menschen sind die Wege offen zur Wahr
nehmung des Ewigen und Übersinnlichen. Aber die erste Bedin
gung, Erkenntnisse der Wirklichkeit (der Überwelt) zu erlangen,
besteht doch darin, daß man eine Empfindung habe für die Möglich
keit der Erweiterung des Bewußtseins und diese Möglichkeit auch
anerkenne. Wenn der Materialist schon (irrtümlich) an die Ab
stammung des Menschen vom Affen") glaubt, wenn er eine so ge
waltige Entwickelung für möglich hält, –
sollte er da Denken und
Empfinden für starr und unbeweglich, der Erweiterung nicht für
fähig halten? Doch es genügt nicht einmal, Entwickelung zu kennen
und zu wissen: man muß sie auch leben. Der Mensch muß seine
schlummernden Kräfte –
die Organe der Menschheit der Zukunft
– so ausbilden, daß er das Ewige auch erkennt. Tut er das mit
Ernst und Treue, so dringt er vom Vergänglichen vor zum Unver
gänglichen und er erkennt dann das, was keine Zeit zerstören kann.
(Alles, was der Sinnenwelt angehört, unterliegt der Zeit. Die Zeit
aber zerstört auch, was in der Zeit entstanden ist. Das Wesent
liche hingegen ruht im Übersinnlichen und läßt im Physischen nur
Wirkungen schauen.)

Die Okkulte Schulung bildet im Menschen die Fähigkeiten aus,


durch die er sich Erkenntnis der Wirklichkeit erwirbt und Weisheit
gewinnt. Sie gibt ihm die Mittel in die Hand, sich selbst zu ver
vollkommnen und sich mit der Zeit ganz zu verwandeln. Das ist
nicht so zu verstehen, als ob irgendetwas abgetötet oder vernichtet
werden sollte. Keineswegs!
»Steigen will das Leben und steigend
sich überwinden« (Nietzsche). Alles Niedere dient dem Höheren,
dient der Entwickelung, dient der Seele zum Sammeln von Erfah
rungen. Umwandlung, Veredelung, Vergeistigung, Vergottung, –
ist

das die wahre »Abtötung«. Ein Verwandelter muß der Mensch


werden, bevor die Geistessonne treten kann. Er muß wan
er
in

deln, erhöhen seine ganze physische, moralische und intellektuelle


zu

Wesenheit: dadurch, daß Zuflucht nimmt seinem Höheren Selbst


er
ist

Der Mensch nicht aus dem Affen hervorgegangen, sondern der Affe
5)
ist

vom Menschen degeneriert. Die Anthropoiden (»Menschenaffen“) benutzen


Formen, die von der Menschheit aufgegeben worden sind.
XIII

und aus dieser Urgrundlage heraus die Evolutionrichtet auf seine


Natur (Persönlichkeit). Darin besteht die Okkulte Schulung, nicht
etwa in theoretischem Lernen.
Es gibt verschiedene Methoden.") Das vorliegende Lehrbuch
ist einer der ersten Versuche, alle Systeme im wesentlichen zu
sammenzufassen. Wir sind nicht so vermessen, das Buch für er
schöpfend zu halten; vielmehr müssen wir noch auf die Theosophi
sche Literatur verweisen, in der die Fragen behandelt werden, die
zu subtil sind, als daß sie in einer so gedrängten Darstellung durch

ist
gesprochen werden könnten. Eins aber gewiß: dieses Buch macht
alle kostspieligen Traktate über »Christian Science« (»Christliche
Wissenschaft«), »Mental-Science« (»Mentale Wissenschaft«), »Mind
Cure« (»Gedanken-Heilung«), »Neugedanken-Lehre«, »Mazdaznan
Philosophie« usf. völlig entbehrlich. Unser Buch hat dabei noch
zu

Vorzug, Gegensatze allen diesen Bestrebungen


es

den daß im
und Sekten unter dem Gesichtspunkte des Altruismus (der Hilfs
bereitschaft und der Menschenliebe), nicht aber der Selbstsucht und
der Habgier die Tore des Geistigen herantritt. Wir legen dem
an

Schüler das Buch die Hand mit der eindringlichen Mahnung,


in

nur aus Liebe zum Ganzen die Schulung einzutreten, nur mit
in

zu

selbstlosen Absichten die Arbeit beginnen. Flammenschrift


In

soll einem jeden Schüler allezeit vor Augen stehen der Leitsatz:
»Jede Erkenntnis, die du suchst, nur um dein Wissen zu
bereichern, nur um Schätze dir anzuhäufen, führt ab dich von
in

deinem Wege. Jede Erkenntnis aber, die du suchst, um Arbeit


zu verrichten im Dienste der Menschenveredelung und der
Weltentwickelung, die bringt dich einen Schritt vorwärts. Jede
Idee, die dir nicht zum Ideal wird, ertötet deiner Seele eine
in

Kraft; eine jede Idee hingegen, die dir zum Ideal wird, erschafft
dir Lebenskräfte«.
in

Bei einem Schüler, der von vornherein den rechten Pfad ein
schlägt, steigern sich alle Eigenschaften, die den Menschen tüchtig

Was diesem Buche geboten wird, ist natürlich keine Eso


in
°)

terische Schulung. Die echte Geheimschulung (Einweihung) geht ganz


andere Wege. Die Unterweisungen der Lehrbriefe sind nur Vorbereitung,
Sie sollen den Menschen erst einmal aus dem Schlamme der Alltäglichkeit
herausholen.
XIV

machen. Aber er geht nicht auf eigenen Gewinn aus, sondern er


will sein Glück nur in dem Maße vergrößern, als er es andern ver
schafft. Er weiß, daß man nur durch Dienen, nur durch rückhalt

ist
loses Sich-schenken wahrhaft frei wird. Immerdar eingedenk

er
zu
der Goldenen Regel: »Wenn du einen Schritt vorwärts machen
der Erkenntnis (Weisheit), mache zugleich drei

so
versuchst

in
Schritte vorwärts der Vervollkommnung deines Charakters zum

in
Guten Wie Herakles am Scheidewege entschließt sich voll

er

Gesinnung Hingabe egoistische

an
heroischer zur das über (har

-
monistische) Leben und verzichtet auf die irdischen Genüsse. Ihm
geht auf die Weisheit des Brahmanen-Wortes: »Das bist du« (»tat
twam asi«), und so wird selbst ein Schöpfer.

er
Johannes Balzli
Brief I
Die Okkulte Schulung hat das Ziel, Geistnaturen heranzu
bilden: Menschen, die willensstark, ausdauernd, tüchtig, intuitiv,
selbstlos und erfolgreich sind; Menschen voller Selbstvertrauen, die
ein geordnetes, ausgeglichenes, reines und fruchtbares Gedanken
leben haben; starke, zielbewußte Charaktere; Menschen mit einer
gesunden Seele und einem gesunden, wohlorganisierten Körper.
Die Gewinnung absoluter Herrschaft des Geistigen über den
ist

Stoff der Zweck dieses Lehrkurses. Der Schüler muß seinen


Körper, seine Gedanken, sein Gemüt vollständig unter die Kontrolle
seines bewußten höheren Willens bringen. (Dieser höhere Wille
fließt aus dem Urquell des Ewigen
ist

göttlichen Ursprunges,
er

Seins, ist ein Teil des Unendlichen.)


er

Halten wir den Körper, die Gedanken oder unser Gemüt nicht
so

beständig unter strenger Aufsicht und zielbewußter Führung, ent


ziehen wir dem eingeborenen All-Willen das Instrument, durch das
wirken will, oder wir verstimmen
es

und ersticken den harmo


er

nischen Einklang, dem sich der uns eingeborene und


in

uns
in

individualisierte Göttliche Wille mit seinem Vater, dem All-Willen,


allezeit offenbaren soll. Der beste Künstler ist nicht imstande, auf
zu

verstimmten Harfe seine Kunst zur Geltung bringen;


er

einer
muß sich erst der mühevollen Arbeit unterziehen, sein Instrument
die Verfassung zu bringen, die allein ihm erlaubt, seinem seeli
in

zu

schen Empfinden vernehmlichen Ausdruck verleihen.


Harmonie zu kommen mit dem All-Willen, sich frei zu
In

machen von der Gewalt des Stoffes und zu durchbrechen die Um


nachtung, uns gefangen hält, die das Edelste
die uns hindert,
in

VATER,
ist

entwickeln und emporzuwechsen zum



zu

sich das
unsere Hauptaufgabe, und nur zu diesem Zwecke soll der Mensch
1
2

seine Okkulten Kräfte entwickeln. Die Okkulten Kräfte und Fähig


keiten dürfen ihm nur als Schlüssel dienen zum Austritt aus dem

ist
Kerker, in dem unser Göttliches Sein angeschmiedet mit eisernen

Ist

zu
uns einmal gelungen, diese Pforte sprengen, dann

es
Banden.
strömt auf uns ein die Fülle des Lichtes, das vom VATER kommt,

je
und heller um uns wird, desto leichter werden uns die Ketten,

es
bis sie endlich von selbst herabfallen und der Befreite eingehen
kann den Garten der Reife (Weisheit), das Land der Freiheit.
in

in
Wer sich aber verleiten läßt, das Tor aus anderen Motiven zu
öffnen, wer seine Kräfte entwickelt, nur um seinem materiellen

zu
Willen zum Siege verhelfen,
um das Göttliche im Menschen zu


zu
selbstsüchtigen Zwecken mißbrauchen, der wird Enttäuschungen
erleben und schweren Schaden nehmen an Leib und Seele. Nicht
dem Sonnenlichte hat das Tor seines Kerkers geöffnet, sondern
er

einer noch tieferen und schwärzeren Nacht: nicht Erkenntnis wird


ihm werden, sondern Verwirrung, und was aus der Finsternis her

zu
aus sich offenbart und sich schmeichelnd ihm Füßen das legt,
wird mit der Zeit zur Qual und Pein für ihn werden. Wer die
Geisteskräfte sich weckt ohne den reinen Willen zur Hilfsbereit
in

schaft, zur Erkenntnis, zur Wahrheit, –


der frevelt, der richtet sich

zu
zugrunde. Die Praxis schwarzer selbstischer Magie hat
h.
d.

allen Zeiten bitteren Lohn gefunden.


Wer seine Psychischen Kräfte entwickelt, der tritt heraus aus
der gewöhnlichen Kette des Lebensheraufganges: stellt sich auf
er

einen exponierten Posten, wird zur Zielscheibe starker Gewalten.


er

undurchdringliche Panzer,
an
ist

Reines Wollen allein der dem alle


Pfeile gegnerischer Kräfte zerschellen. Entfernt sich aber der Schüler
von seinen reinen Vorsätzen,
so

wird sein schützendes Gewand (das


»Goldgewobene Hochzeitskleid«) undicht, und die Pfeile der dunklen
schwerer. Darum prüfe sich jeder
so

Gewalten treffen ihn um


Schüler, ob auch die Kraft habe, mutig auszuharren und die Kon
er

zu

sequenzen einer Entwickelung ertragen, die der »Abtötung«


in

der egoistischen Persönlichkeit!) gipfelt.


-

Der Mensch ist ein zusammengesetztes Wesen: die Persönlichkeit (die


*)

Tiernatur, das Schein-Ich) ist seine niedere Hälfte, sie ist vergänglich und wech
selt jeder Inkarnation; die Individualität (das Ego oder Ich) ist des Menschen
in

höhere Hälfte, der wahre Mensch, der als Gottesfunke ewig war und ewig bleibt.
3

Der regelrechte Entwickelungsgang geht zum überwiegenden


Teile von innen nach außen. Er hat darum nichts gemein mit
Entwickelungssystemen amerikanischer Aufmachung, die den un
sinnigen Weg einschlagen, einzig von außen nach innen wirken zu
wollen. Diese „Systeme“ bezwecken in erster Linie, das Leben
genußreich und angenehm, den Körper schön, gesund und lang
lebig zu machen, Reichtum zusammenzuscharren, die Mitwelt aus
zubeuten usf. Der eigentliche Zweck des Lebens wird dabei voll
ständig verkannt: der Innere Mensch (die Individualität) kommt zu
kurz, und nichts wird gewonnen! Im Gegenteil! Ein derartiges

ist
Ungeheuer, wie diese Systeme es aus dem Menschen machen,
noch mehr denn ehedem ein Schädling: der alte Egoismus lebt
noch, aber nunmehr stehen ihm Kräfte zur Verfügung, die ihm er
lauben, auf Kosten der Mitmenschen sich noch mehr zu entfalten.
Freilich bleibt das böse Ende niemals aus; was wir säen, das ernten
wir auch, und wer die Saat des Unkrauts die Erde wirft, der
in

darf sich nicht wundern, wenn ihm eines Tages Dornen und Disteln
die Füße blutig reißen.
Das vorliegende System entwickelt den Schüler nach beiden
Richtungen, also auch teilweise von außen nach innen. Das geschieht
zu

jedoch nur dem Zwecke, den mählich erwachenden Inneren Men


zu

schen bei der Arbeit am äußeren Menschen unterstützen.


Die Kräfte-Entwickelung, wie sie hier gelehrt wird, hat eine
ethische Grundlage. Die Erweckung des Inneren Menschen hat
auch eine Neugestaltung und Veredelung des äußeren Menschen
ja
ist

zur Folge, und damit eine günstige Veränderung aller Lebens


umstände gewährleistet. Wenn wir lernen, gut, gerecht und liebe
zu

voll fühlen,
werden wir auch gut, gerecht und liebevoll denken.
so

Gute, edle, reine und gerechte Gedanken werden aber auch reine

Die Individualität weiß nichts von Not und Tod; sie kennt keine Leidenschaften.
Sobald wir zum höheren Bewußtsein erwachen, leben wir der Individualität:
in

wir schauen GOTT uns selber; solange wir aber Wünsche, Leidenschaften, Be
in

gierden, Sympathie und Antipathie, Trauer und Übermut pflegen, solange wir am
Materiellen, am Scheine kleben, und nicht das Geistige, GOTT, jedem Ding,
in

der Persönlichkeit, im
an

jedem Ort der Welt erkennen, solange leben wir


in

Selbstwahn, solange sind wir Menschentier, nicht Gottmensch. Erst die Über
es

windung des Selbstwah der Persönlichkeit mit ihren Trieben öffnet das
d.
h

Tor zum Himmelsgarten, der Individualität, der Einheit mit GOTT.


-

1*
4

und selbstlose Handlungen gebären, und wer gute und gerechte


Handlungen, Liebe und Selbstlosigkeit vollbringt, der gleicht einem
Säemann, der zur günstigen Zeit guten Samen der Erde anvertraut:
reiche Ernte wird sein Lohn sein!
Der Verfasser der ersten Auflage dieser Lehrbriefe hatte die
amerikanische Neugedankenlehre (New Thought) in Verbindung ge
bracht mit der Entwickelungslehre der Indischen Yoga-Philosophie
und hatte damit ein System des Semi-Okkultismus aufgestellt.
Da aber dem Verfasser Irrtümer unterlaufen waren, mußten wir auf
vielseitiges Verlangen die Lehrbriefe einer gründlichen und kritischen
Neubearbeitung unterziehen. Wir
wollen dem Schüler den Weg
weisen zum Praktischen Okkultismus.
höchste Lebensbejahung (Real

ist
Der Praktische Okkultismus
fußt auf der (wenig bekannten) Tatsache der gei
Er

Idealismus).
stigen Strömungen und der stofflichen Realität der Gedanken:

er
Geisteswissenschaft.
ist

angewandte

Gedanken sind Dinge, sind Substanzen.


Wir erzeugen (produzieren) keine Gedanken, sondern wir greifen
Gedankenformen auf und beleben (reproduzieren) sie.

Je
»kräftiger«
wir denken, desto intensiver haben wir die Gedankenformen belebt”)
Wenn man sich vor Augen hält, daß jede Gedankenform Schwin
gungen verursacht,die sich nach allen Seiten fortpflanzen, um sich
zu

gleichgestimmten Gedankenformen vermählen und dann vereint

Alles Denken beginnt, wie Lorber beschreibt, im Herzen.


Die Gedanken
*)

formen dringen ins Herz ein und steigen von empor zum Kopfe (zum Gehirn),
da

auf daß die Seele sie beschaue und nach ihnen den Erdenleib bewege. Im Kopfe
werden die Gedankenformen deutlicher und schärfer, dann kehren sie zum Herzen
zurück, werden stark, treten aus dem Menschen heraus und gestalten seine Um
gebung. Bei Menschen, die noch der Persönlichkeit leben, die noch nicht die
in

rechte Liebe haben, erscheinen die Gedanken zwar auch im Herzen, sie werden
aber nicht im Herzen wahrgenommen, weil
zu
es

materiell ist: sie treten erst im


Kopfe ins Bewußtsein. Das sind die einseitigen, kalten, rohen, glaubenslosen,
intellektuellen »Kopfgedanken«. Der Kopfgedanke ist die Theorie, das rein for
male Denken; der »Herzgedanke« ist das Schauen, die Praxis. Erst die Einheit
von Herz- und Kopfgedanke schafft das vollkommene Wort, die vollkommene Tat.
Der Kopf ohne Herz weckt brutalen Selbstwahn, Eitelkeit und Narretei, das Herz
ohne Kopf führt auf sentimentale Abwege. Wohl aber muß man sich bewußt
bleiben, daß die Gedankenwelt im Herzen wurzelt. »Selig sind, die reinen Herzens
sind; denn sie werden GOTT schauen!«
5

zum Aussender zurückzukehren, an den sie nunmehr für längere


Zeit gebunden bleiben, so kann man leicht begreifen, daß der Op
timist (Real-Idealist), der Gedanken des Erfolges, der Gewißheit,
der Freude denkt, sich in seiner sog. »positiven« Gedankenwelt ein
Heer schafft, das ihm im Lebenskampfe unsichtbar und treu zur
Seite steht, das ihn zum Siege führt. Der Zweifelsüchtige, der Mut
lose, Gedrückte und Hoffnungslose hingegen züchtet sich mit seiner
»negativen« Gedankenwelt einen furchtbaren Feind, der ihn immer
mutloser macht, der ihn von einem Mißerfolg zum andern führt.
Das Geheimnis des Erfolges liegt im Menschen selbst, in seiner
»Willenskraft«, in seinem ganzen Wesen, in seinem »persönlichen
Magnetismus«. Die Kraft des geschulten Willens bringt Glück, Ge
sundheit und Erfolg; der konzentrierte Wunsch, die Mitwelt glück
lich zu machen, bringt Liebe, Vertrauen, Dankbarkeit. Die geheimen
Kräfte, die im Menschen schlummern, schaffen uns die wahre
Freiheit und ertüchtigen uns, unser Schicksal (Karma) selbst in die
Hand zu nehmen, sobald sie durch zweckmäßige Übungen erweckt
und verbunden werden mit ethischer Höherentwickelung.
Es hieße Zeit vergeuden, wollten wir den Schüler aufhalten mit
langen theoretischen Abhandlungen. Wir finden es angemessener,
sofort zu den Übungen zu schreiten. Den Wert des vorliegenden
Systems wird der Schüler selbst schätzen lernen, sobald er seine
Kräfte einigermaßen entfaltet hat, sobald er sich freier, edler und
harmonischer fühlt.
Vorerst vertraue er unserer Führung; er beweise gleich zu Beginn
des Studiums, daß er gesonnen ist, auszuharren, bis das Ziel ge
wonnen ist.
Seine ersten »positiven« Gedanken müssen in dem Gelöbnis
gipfeln, nichts werde imstande sein, ihn vom Wege der Läuterung
abzulenken. Er ist fest entschlossen, auch um den Preis der schwer
sten Kämpfe und Mühen die Willenskraft zu erweitern und
durch sie die Kräfte zu entwickeln, die uns der All-Geist gab, da
mit wir den dornenvollen Weg des Lebens siegreich durchwandern
möchten: nicht als schwächliche, von allen Leidenschaften durch
wühlte, in sklavischer Abhängigkeit von allen Gewalten beherrschte
Kreaturen, sondern als freie, geistige, selbstbewußte, nach GOTTES
Ebenbild erschaffene Geistmenschen.
Die Übungen des ersten Lehrbriefes bilden die Grundlage der
ganzen Unterweisung. Darum ihnen Sorgfalt

ist

zu
schenken. Diese
Übungen sind wohlerprobt. Sofern ihr praktischer Wert nicht so
gleich zutage tritt, wenn vielleicht ihre Einfachheit den Schüler

so
stutzig oder lässig macht, müssen wir betonen, daß das ganze
Lehrgebäude einem Mosaikgewölbe gleicht, das aus lauter kleinen
und kleinsten Steinchen erbaut wird und infolgedessen des harmo
nischen Gesamteindruckes wie der Festigkeit ermangeln muß, sobald
auch nur das geringste Steinchen fehlt.
Die amerikanischen Schulen bilden (um den Kursus die Länge

in
jeder Fähigkeit besonders aus, und
zu

es
ziehen) ihre Schüler

in
dauert dann ziemlich lange, bis kombinierte Übungen vorgenommen
werden können. Da aber erst die kombinierten Übungen richtige
Erfolge schaffen, sehen die Schüler meist erst spät die erwar
so

teten Fortschritte.

Der vorliegende Lehrgang meidet alle Umwege, alle Hemmungen.


Alle Fähigkeiten werden ziemlich gleichzeitig entwickelt. Das er
fordert keinesfalls besondere Anstrengungen des Schülers; denn

es
genügen täglich zwei Stunden für die verschiedenen Übungen, die
jeder Tageszeit durchgeführt
zu

außerdem mit einigen Ausnahmen


werden können.

Wir stellen dem Schüler verschiedene Bedingungen, bevor wir


mit der Unterweisung beginnen.
Wir fordern Geduld.
1.

Die Erfolge können sich nicht augenblicklich einstellen. Wer


ein fremdes Land reist, muß zuvor lernen, sich dort zu
in

rechtzufinden, ehe etwas unternimmt, und wer einen weiten


er

Ausblick haben will, darf die Mühe des Aufstiegs nicht scheuen.
Nur die Geduld führt zum Ziel: Der Beharrliche findet immer
seinen Lohn; der Ungestüme aber schafft sich Mißerfolge.
Der Schüler soll schweigen.
2.

Wer seiner Entwickelung


anderen Personen von seinen
in

Übungen und Fortschritten Mitteilung macht, der geht der


Erfolge wieder verlustig. Nur wer seine Ausbildung voll
endet, wer seine Kräfte gefestigt hat, nur der könnte über
7

haupt von seinen Okkulten Fähigkeiten sprechen. Indes,


der Praktische Okkultist gebraucht seine Kräfte schweigend
und veranstaltet keine Schaustellungen.

3. Die Übungen sollen nicht unterbrochen werden.


Das gilt vornehmlich für den Anfänger. Unterbrechungen
erschweren und verlängern das Studium. Es gibt nur einen
Grund zur Unterbrechung der Übungen: Krankheit. Diesen
Grund kann man aber für jeden ernstlichen Schüler aus
schließen; denn wer seine Kräfte entfaltet, der verschließt
den Krankheiten Tür und Tor.

Wir erwarten, daß der Schüler sich die Höhere Weltanschauung,


das Höhere Ethos, zu eigen mache und daß er unsere Lehrsätze zu
begreifen suche.

Die Okkulte Forschung hat ergeben, daß die Materie in meh


reren Zuständen existiert: in der grobstofflichen (sinnfälligen)
und
in der feinstofflichen d. h. nur den höheren Sinnen zugänglichen
(transzendenten, metaphysischen) Form.
Wir wissen heute, daß die Persönlichkeit des Menschen eben
falls aus zwei solchen Zustandsformen besteht: aus einem grobstoff
lichen Körper d. h. der fleischlichen Erscheinung und aus einem
feinstofflichen Leibe, der nur unter gewissen Bedingungen sichtbar
ist: dem Astralkörper. Diese beiden stofflichen Erscheinungsformen
werden belebt und organisiert von einem nichtstofflichen, rein geistigen
Prinzip: der Individualität, die ewig und unvergänglich ist.")

*) Genaue Tabelle der Siebenfachen Konstitution (Hermetischen Einteilung)


des Menschen:
Physischer Körper
Ätherkörper (Lebensleib)
Persönlichkeit oder
Astralkörper (Empfindungsleib) Tiernatur (Quaternität),
(sterblich)
Intellekt (Kama-Manas) -

Geistselbst (Manas) Individualität,


Lebensgeist (Buddhi) N Ego, Ich, Höheres Selbst;
Geistmensch (Atma) J (unsterblich).
Literatur: Heindl, »Rosenkreuzerische Unterichtsbriefe« (Mk. 15.–); Besant,
»Die Sieben Principien« (Mk. 2.–, geb. Mk. 3.–).
Die Seele, der vom All-Geist losgelöste und in uns individuali
sierte Geistesfunke, wird durch die Gebundenheit an den Stoff
verdunkelt und des Bewußtseins ihrer himmlischen Heimat beraubt.
daher unsere Aufgabe, die Seele trotz der fleischlichen Um

ist
Es

zu
klammerung der Erkenntnis ihrer göttlichen Wesenheit führen,

zu
da ihr nur diese Erkenntnis die wahre Glückseligkeit bringen kann.
Die Seele muß durch die Materie auf sich selbst wirken, soll sie
diese hohe Aufgabe vollenden können. Sie muß sich von der
Macht des Stoffes lösen, sie muß Herrin ihrer leiblichen Hülle und
werden, um ihre Schwingen

zu
ihrer Kräfte entfalten.
-

Das Programm der Kräfte-Entwickelung lautet demnach:


Beherrschung des Stoffes –
Befreiung der Psychischen Kräfte

!
Die Beherrschung des Stoffes erfordert erster Linie Geduld und

in
Ruhe. dieser Beziehung versagen die meisten Menschen. Ganz
In

abgesehen davon, daß nur sehr wenige imstande sind, die Ruhe
des Herzens zu bewahren, ist für die meisten schon sehr schwer,
es
zu

nur nach außen hin ruhig bleiben.


Ruhe, Geduld, Ausdauer und Pünktlichkeit müssen wir vor
allem erwerben. Tag für Tag müssen wir
zu
einer bestimmten Zeit
absolute Ruhe an und Körper herstellen. Wir müssen
in

unserem
zu

eben lernen, die Substanz (den Stoff) beherrschen, das Fleisch


zu

unsere Gewalt bekommen: da müssen wir also hauptsächlich


in

mit den unwillkürlichen Muskelbewegungen den Kampf aufnehmen.


Die Vorherrschaft (die Suprematie, das Primordium) des Geistes
verlangt, daß nichts Körper geschehe ohne Zustimmung
an

unserm
des bewußten Willens.

Unser materieller Körper strahlt dauernd ein feines Fluid aus.


Dieses Fluid, das auch »Od« genannt wird,
ist

der Träger unserer


psychischen Eigenschaften und unseres Willens.
so

Wenn wir auf irgendwen unseren Einfluß richten wollen,


übertragen wir unbewußt die odische Emanation auf ihn. Diese
Überstrahlung erleidet jedoch durch unsere vegetativen (unwillkür
lichen) Muskelbewegungen fortwährend Unterbrechungen. Das hat
zur Folge, daß auch die odische Strahlung unterbrochen wird und
somit die Kraft der Übertragung eine erhebliche Einbuße erfährt.
9

Der Geist wird ebenfalls durch die gleichen Störungen von


seinen Objekten abgezogen und muß seine Aufmerksamkeit diesen
nichtigen Bewegungen zuwenden. Das ist jedoch Kraftzersplitterung!
Zur Überwindung dieser Schwäche macht der Schüler mit Fleiß
und Ernst alltäglich zu einer bestimmten Stunde folgende Ubung:
Er setzt sich an einen Tisch, aufrecht und in freier Haltung;
die Fersen müssen fest geschlossen sein, ebenso die Knie. Während
der ganzen Üebung müssen die Knie und die Fersen ohne jede
Spannung so fest geschlossen bleiben, daß sich auch nicht ein
Blatt Papier zwischen ihnen hindurchschieben läßt. Dann legt der
Schüler beide Hände so auf den Tisch, daß die Daumen unter die
Tischkante zu liegen kommen, und schließt die Hände zusammen,
indem er Zeigefinger an Zeigefinger drückt. Vor sich auf dem
Tische oder in Kopfhöhe an der Wand, keinesfalls aber in einer
weiteren Entfernung als 1–2 Meter, hat der Schüler ein Bild vor
sich, das erhebend und begeisternd wirkt. Bilder, die irgendwie
erregen oder Leidenschaften erwecken, sind zu meiden.
Während man in dieser unbeweglichen und entspannten Hal
tung am Tische sitzt, hat man das Bild ohne jede Kopfbewegung
ruhig zu betrachten. Man richtet seine Gedanken nur auf dieses
Bild und weist jeden anderen Gedanken ab, der sich etwa ein
schleichen will. Man muß sich geistig so in das Bild ver
senken, daß die ganze Umgebung schwindet; es dürfen für den
Schüler während dieser Übung nur zwei Dinge existieren: er selbst
und das Objekt, das Bild.
Diese Übung soll mindestens eine Viertelstunde währen; wer
über genügend Zeit verfügt, mag sie langsam bis zu einer halben
Stunde ausdehnen.
Die meisten Menschen sind auch beim Sprechen, also gerade
dann, wenn sie Eindruck machen, wenn sie ihre Strahlungen ver
werten wollen und sollen, in derartiger Unruhe, daß sie nur un
günstigen Eindruck machen. Man macht zu viele ganz unnötige
und unangebrachte Körperbewegungen. Die Gebärde muß mit den
Worten übereinstimmen. Ja, für den, der sich eines klaren sprach
ist

lichen Ausdruckes bedient, die Unterstützung des Wortes durch


Gebärden nur selten, meist aber überhaupt nicht erforderlich. Das
ist

allzu lebhafte Gebärdenspiel beim Sprechen Kraftvergeudung.


10

ist
Damit nicht gesagt, daß man einem Gartenpfosten gleichen solle,
wohl aber muß man darauf achten, die vegetativen (unbewußten)

zu
Muskelbewegungen beherrschen lernen und den Körper scharf
zu kontrollieren.
Das betrifft Linie das Gesicht. Alles unbewußte

in
erster
Mienenspielwährend des Sprechens muß vermieden werden. Das
Auge und die ganze Umgebung des Auges, die Stirne, die Wangen
müssen unbeweglich bleiben; nur die Muskeln müssen tätig sein,

ist
zu
die zum Sprechen nötig sind. Um das erreichen, folgende
Ubung durchzuführen:
Der Schüler setzt sich vor einen Tisch und nimmt eine leichte
und ungezwungene, aber aufrechte und völlig entspannte Haltung
sich während der Übung nicht

zu
ein: so, daß bewegen braucht.
er

Vor ihm auf dem Tische soll ein Spiegel stehen. Die Aufgabe des
Schülers besteht darin, sein Spiegelbild während einer Viertelstunde
Es

darf sich während der ganzen Übung,


zu

genau beobachten.
wiewohl das Auge nach allen Richtungen schauen hat, kein Lid, kein

zu
Muskel bewegen: das Gesicht muß wie aus Marmor gemeißelt sein.
Man muß alle Willenskraft aufwenden, um diese Übungen
fehlerlos durchzuführen. Das anfängliche Mißlingen darf den
Schüler nicht entmutigen; was ihm heute nicht gelingt, gelingt ihm
morgen. Auf keinen Fall darf die Übungen vor einer Viertel
er

stunde beenden, wenn auch anfänglich seine Muskeln noch nicht


er

nach Wunsch die Gewalt bekommt und mehrfach durch Zucken


in

und Blinzeln unterbrochen wird.


Auch Geduld muß sich der Schüler erwerben. Nur wer Geduld
zu

hat, weiß sich meistern, nur der Geduldige vermag andere


leiten. Die folgenden Ubungen sind,
zu

so

Menschen einfach sie


zu

auch scheinen mögen, vorzüglich geeignet, den Schüler Geduld


und Ausdauer zu erziehen:
je

Man schüttet einen Becher eine Handvoll Erbsen,


1.

in

Bohnen, Linsen, Reiskörner, Kaffeebohnen usf., vermengt den


ist

Inhalt tüchtig und leert ihn dann auf den Tisch. Es des Schülers
zu

zu

Aufgabe, den Inhalt des Bechers sortieren, Bohnen Bohnen,


Linsen zu Linsen, Erbsen zu Erbsen usf. Wenn man dabei nervös
und ungeduldig wird und die ganze Arbeit über den Haufen werfen
möchte, ermanne man sich sofort und, eingedenk des Zieles, zwinge
11

man sich unter zur Durchführung der Übung.


allen Umständen
Schlimmstenfalls erinnere man sich einer heiteren Begebenheit oder
man summe eine Melodie: das wird den Unmut vertreiben.
2. Man lasse sich ferner von einer zweiten Person ein Knäuel
Wolle vollständig verwirren. Dann versucht man die Wolle zu
entwirren und alle Knoten zu lösen. Der Knäuel darf nicht allzu
groß sein, da die Lösung
nicht zuviel Zeit beanspruchen darf.
Keine Geduldsübung braucht länger als eine halbe Stunde zu dauern.
Man übe den einen Tag das Körnerauslesen, den zweiten das Faden
entwirren. Wer Geduldsspiele besitzt, übe sichauch an ihnen.
Der Schüler wird ernstlich gemahnt, Fleiß auf diese Übungen zu
verwenden; denn nur Ruhe, Geduld und Beharrung führen zum Ziel.
Der Schüler soll sich außerdem noch jeden Tag einmal eine
Arbeit auferlegen, die er bisher nur ungern verrichtet hat. Jede Arbeit,
gut, sofern sie nur einem Mit
ist

welcher Art sie auch sein mag,


menschen Nutzen bringt und unserem Gewissen nicht widerstreitet.
So soll man auch recht oft mit einer Person verkehren, die man
unsympathisch nennt oder mit der man Zwistigkeiten hatte; mehr je
Überwindung dieser Verkehr kostet, desto mehr frommt der
er

Entfaltung der Willenskraft und des Inneren Lebens. Die Übung


bezweckt, daß man mit dieser Person liebevoll verkehre und sich
von ihr unter keinen Umständen aus der Ruhe bringen lasse. Der
Ruhige ist der Mächtigste.
Der Schüler muß sich des Genusses von Alkohol enthalten.
Auch erregende (narkotische) Getränke (wie Tee, Kaffee und Kakao)
muß meiden. Das Rauchen ist, wie schon Goethe betont, eine
er

schimpfliche Leidenschaft:
es

muß unterbleiben. Man merke sich


ferner, daß mindestens zwei Stunden vor jeder Übung nichts ge
gessen werden darf. Der Schüler kann auch mit fortschreitender
Entwickelung kein Fleisch mehr genießen. Die Diät muß individuell
und blähungsfrei sein. (Näheres über die Grundgesetze der indi
viduellen blutlosen Diät findet man im Zentralorgan für Praktischen
Okkultismus »Prana«.Verlag dieser Lehrbriefe.)
Der Schüler wird vor den landläufigen Abendvergnügungen
gewarnt. Er soll Varietés, Konzerte, Bierhäuser usf. meiden. Auf
einer späteren Entwickelungsstufe wird ihm klar werden, warum
es

wir ihm derartige (scheinbare) Einschränkungen auferlegen müssen.


12

Der Schüler, auch der verheiratete, muß sich von heute an des
sexuellen Verkehrs enthalten. Sollte aber einmal eine einmalige
Befriedigung nicht hintanzuhalten sein, so müssen die Übungen für
36 Stunden unterbrochen werden. Ledige Personen dürfen keinen
Geschlechtsverkehr pflegen, sie müssen ihre Reinheit unter allen
Umständen bewahren. Der Keusche sammelt einen unverlierbaren
Schatz dadurch, daß er sich nicht ausgibt. Der Schüler muß in
sexueller Beziehung so kalt wie nur möglich sein. Die Keuschheit
verstärkt die odische Emanation und die geistigen Fähigkeiten.“)
Vor allem aber das Gedankenleben muß keusch sein: Gedanken
sünden sind schlimmer als Tatsünden, weil ihnen keine Schranken
vor

ist
gesetzt sind, weil sie die Seele vergiften. Die Keuschheit
nehmlich ein innerer Zustand, eine bestimmte Verfassung der
Seele, Unschuld der Sinne. Bloße physische Unberührtheit hat
keinen Wert.
Der Schüler halte sich streng zwei Mahlzeiten;

an
soll

er
zu

mittags und abends Speise sich nehmen. Man esse nur bis zur
leichten Sättigung, der Magen darf nie überladen werden.
Der Schüler muß ferner unbedingt nachts um Uhr schlafen.

12
Er geht Uhr zur Ruhe.
10

bald nach
Weiterhin muß sich der Schüler insbesondere abends der größten
Ruhe befleißigen, und hauptsächlich vor dem Einschlafen darf

er
sich weder Erregungen noch Leidenschaften hingeben. Die Abend
stunden gehören der Schulung, und die Zeit vor dem Einschlafen
muß mit bestimmten Übungen ausgefüllt werden.
Die für bestimmte Zeiten, für den Morgen oder den Abend,
B.
z.

vorgeschriebenen Übungen müssen pünktlich eingehalten werden.


zu

Alle anderen Übungen kann


der Schüler jeder Tageszeit vor
nehmen. Nach dem Essen darf nicht geübt werden.
Der erste Lehrbrief will den Schüler nicht mit Übungen über
bürden. Er will zunächst nur die Grundlinien des Entwickelungs
ganges darstellen.

Die Zeugungsstoffe sind eben am stärksten mit Lebenskraft (Prana, Od)


*)

geladen. Sie sind ferner das konzentrierteste Produkt der roten Blutkörperchen.
Ihre mutwillige Vergeudung bringt daher schweren Schaden.
13

Das Voll- und Tiefatmen muß erlernt werden. Der Lebens


prozeß des Atmens wird zu wenig beachtet. Wir wissen kaum, daß
wir atmen, so oberflächlich atmet man. Wir sollen aber gerade
lernen, bewußt zu atmen, tief und regelmäßig, und zwar von oben
nach unten. Bei unserer verkehrten Atmungsweise (Schlüsselbein
atmung) oblitterieren (veröden) die Lungen teilweise. Die Einatmung
und die Ausatmung müssen bei geschlossenem Munde allezeit
durch die Nase erfolgen. Die folgende Übung zur Vertiefung des
Atems macht man bei warmer Witterung im Freien oder im Zimmer
beim weit geöffneten Fenster. In der kalten Jahreszeit übt man in
einem gut gelüfteten und erwärmten Zimmer, in dem nur die Ober
fenster geöffnet werden, so daß die einströmende kalte Luft die
Lungen nicht unmittelbar trifft. Diese Übung muß täglich morgens
und abends vorgenommen werden.
Der Schüler steht beim Fenster. Die Arme hält er wagrecht
ausgestreckt, dann führt er sie im Bogen nach rückwärts und
schließt die Hände hinter dem Kopfe, um die Brust herauszudrücken
und den Kopf ein wenig rückwärts zu neigen. In dieser Stellung
atmet er mit geschlossenem Munde durch die Nase in einem an
fänglich fünf Sekunden langen Zuge die Luft tief ein, drückt sie so
weit als möglich in den Körper hinunter, staut sie fünf Sekunden
und atmet sie dann durch die Nase so wieder aus, daß die Aus
atmung ebenfalls fünf Minuten währt. Die ganze Übung, die eine
Viertelminute in Anspruch nimmt, wird siebenmal wiederholt. Nach
einigen Tagen kann man von fünf Sekunden auf je sieben, dann
auf je zehn und schließlich auf je fünfzehn Sekunden für die Ein
atmung, das Stauen und die Ausatmung steigen. Vor jeder Atem
übung muß die Lunge von Rückständen (Residualluft, Kohlensäure)
gründlich geleert werden durch kräftige Ausatmungen oder durch
die Rezitation eines längeren Spruches in einer einzigen Ausatmung:
man atmet tief ein und rezitiert dann den Spruch während der
langsamen Ausatmung so lange, bis die Lunge luftleer ist. Diese
ist

Vorübung sehr wichtig: nur die von allen Rückständen geleerte


Lunge kann belebende Kräfte einsaugen.
14

Das Auge des Menschen birgt eine große Macht. Die odischen
(ätherischen, magnetischen) Ausstrahlungen des Auges sind von
hohem Werte beim Verkehre mit den Menschen. Sie wirken auf
die Umgebung nach Maßgabe unseres
Charakters. So spricht man
vom »Zauber des Auges«, vom magischen Blicke, vom »bösen Blicke«
(malocchio, jettatura) usf. Unser Auge muß erst geschult werden.
Unser nervöses, zerstreutes Schauen mit seiner Hast und Unruhe
unterbindet jede energische Strahlung und kann deshalb nicht den
großen, gewaltigen Eindruck machen, den ein ruhiges, geschultes
Auge mit dem konzentrierten Blicke erzielt. Dieser konzentrierte
Blick wird durch folgende Übung vorbereitet:
Der Schüler malt auf ein weißes Papier einen schwarzen Kreis
in der Größe eines Fünfmarkstückes. Er befestigt dieses Papier
in Kopfhöhe an der Wand oder an einem Möbelstück, setzt sich
dem Papier gegenüber in einer Entfernung von zwei Meter und
richtet seinen Blick auf den schwarzen Kreis. Es ist seine Aufgabe,
jedes Blinzeln und Zucken der Augen, jede Bewegung der Muskeln,
ja sogar des ganzen Kopfes streng zu vermeiden. Die Augen
müssen drei Minuten lang fest und unbeweglich auf den Kreis ge
richtet sein: es darf für den Übenden, außer ihm selbst, nichts mehr
existieren als der Kreis. Auch das Tränen der Augen darf daran
nichts ändern. Die Übung kann zu jeder Zeit gemacht werden;
nach der Übung soll der Schüler sein Gesicht in ein mit lauem
(169–189 R) Wasser gefülltesBecken tauchen, um unter Wasser die
Augen zu öffnen und hin und her zu drehen. Nach einer Weile
erhebt er den Kopf, um Atem zu holen, worauf er das Augenbad
noch sechsmal wiederholt. Diese Übung des Auges
ist

sehr wichtig,
Durch das anfängliche Tränen darf man sich nicht abschrecken
im

lassen. Das Auge wird Gegenteil mit der Zeit durch die Übung
gestärkt. (Dazu trägt auch das Augenbad mit bei) Nach dem
Augenbade trocknet man die Augen und verbleibt längere Zeit
in

einem geschlossenen, zugfreien Raume.


zu

Der Schüler muß ferner lernen, deutlicher als bisher denken:


muß »plastisch denken« lernen. Das plastische Vorstellungs
er


für
ist

vermögen die Grundlage die spätere Konzentration der Gedanken


Der Schüler vermerkt auf einem Zettel 15–20 Gegenstände
die sich nicht seiner unmittelbaren Umgebung befinden
in

d.
h.

F
15

seinen Blicken nicht so leicht erreichbar sind. Vorerst sollen es


Gebrauchsgegenstände sein, wie Schere, Messer, Notizbuch, Uhr,
Trinkglas usf.
Der Schüler wählt aus seiner Liste einen Gegenstand, spricht
ihn aus und versucht dann, das Bild dieses Gegenstandes blitzschnell
vor seinem Geistesauge erscheinen zu lassen. Das leibliche Auge
mag vorläufig bei dieser Übung geschlossen bleiben. Die Aufgabe
besteht darin, den Gegenstand sofort und in derartiger plastischer
Deutlichkeit zu sehen, daß man ihn förmlich greifen könnte. Die
plastische Vorstellung wird natürlich nicht im Handumdrehen er
worben. Man muß den fraglichen Gegenstand so oft vor das
geistige Auge rufen, bis das Experiment tadellos gelingt. Danach
erst kann man zu einem anderen Gegenstand übergehen. Wir
wiederholen, daß man den betreffenden Gegenstand nicht in der
Nähe, womöglich überhaupt nicht im Übungszimmer haben darf.
Diese Übung soll mindestens eine Viertelstunde währen.
Der Schüler verbringe alle freien Stunden, besonders die Abende,
bei guten Büchern, die ihn einführen in die Höhere Weltanschauung.
Wir empfehlen ihm besonders die Monatsschrift »Prana« (Mk. 7.–),
die »Rosenkreuzerischen Unterrichtsbriefe« (Mk. 15.–)und
sämtliche Werke von Dr. Franz Hartmann. (Alles zu beziehen
vom Verlage dieser Lehrbriefe). Romane, Zeitungen und ähnliche
Lektüre sind, besonders abends, nicht angebracht.
Knapp vor dem Schlafengehen macht der Schüler bei frischer Luft
noch einmal die Vollatmung; er setzt den unbekleideten Körper einige
Minuten der Luft aus und bewegt sich dabei; dann geht er zur Ruhe.
Vor dem Einschlafen sollen seine Gedanken nur auf das Hohe
und das Edle gerichtet sein: auf Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und
alle Tugenden. Man rekapituliere im Geiste den vergangenen Tag
und forsche ernstlich, ob alle Handlungen einwandfrei gewesen seien
oder nicht. Man wird da ein großes Sündenregister bekommen, in
dem der Egoismus eine üble Rolle spielt. Wir sollen unsere Fehler
nun nicht verneinen, sondern eingestehen. Nur durch Bejahung
kommt man zur Besserung. Mit scharfer Willenskraft gelobe man
sich, fürderhin besser zu handeln: das hilft mehr, als alle unfrucht
bare Reue. Nach dieser Selbstkritik, nach dieser eigenen Prüfung
auf Herz und Nieren pflege man Gedanken der Ruhe und des
16

Friedens, mangelobe sich ernstlich, allezeit friedlich zu bleiben


und das seelische Gleichgewicht nicht mehr zu verlieren. Diese
Gedanken müssen die letzten sein; in diesen Gedanken suche man
einzuschlafen. –
Wenn der Schüler diese Anweisungen befolgt,
wird er mit einem Glücksgefühl erwachen, wie er es nur als Kind
gekannt hat. Diese Übung darf keinen Abend versäumt werden.

ist
Des Morgens bereits angekleidet


der Schüler macht
man nach der Atemübung noch folgende Übung: Man steht am
geöffneten Fenster (nur die Oberflügel sind geöffnet)

in
strammer
Haltung, alle Muskeln sind angezogen. Dann erhebt man die Arme
und streckt sie wagerecht nach links und rechts aus, spannt alle
Muskeln straff an, atmet tief durch die Nase und geht

in
dieser
strammen Haltung mit erhobenem Haupte und gehobener Brust sieben
oder acht Mal durchs Zimmer und hält dabei ohne Unterlaß den
einen Gedanken fest:
»Ich bin eins mit dem ALLGEGENWÄ TIGEN. Ich bin ein
Teil des All-Willens, und darum gibt für mich kein Hindernis,

es
keinen Mißerfolg. Die All-Macht ist weise, gut und edel, und auch
ich will weise, gut und edel werden. Ich bin ein Teil des All
Willens, darum verbanne ich jede Schwäche aus mir, jeden Klein
mut; ich bin Kraft, ich bin Gesundheit, ich bin Harmonie, und
nichts Erlaubtes kann meinem ernsten Streben versagt sein!«
Danach geht man die Arbeit. Erfolge werden sich bald ein
an

stellen; denn mit dieser letzten Übung wachsen die Zuversicht, das
Können, der Mut und die innere Ruhe!

Sämtliche Übungen Tage berech


14

dieser Lehrbriefe sind auf


net. Wir erwarten, daß der Schüler allen Anforderungen des Lehr
briefes gerecht wird: jeder neue Lehrbrief das Erklimmen einer
da

höheren Sprosse bedeutet, ist erforderlich, daß der Schüler den


es

Lehrstoff eines jeden Briefes lückenlos beherrsche, bevor


er

den
folgenden Angriff nimmt.
in
Brief II
Mit der Entwickelung der Willenskraft und der Okkulten Fähig
keiten muß peinliche und sorgfältige individuelle Hygiene (Diät
und Körperpflege) Hand in Hand gehen. Ein schwächlicher Körper
ist

kein geeignetes Instrument zur Verwirklichung der höchsten


geistigen Wahrheiten diesem Leben. Der Schüler muß daher
in

sein Augenmerk auch auf Entgiftung, Verfeinerung und Stählung


seines Erdenleibes richten. Wenn Licht, Luft, Sonne, Wasser
er

und individuelle blutlose Diät zu seinen Medizinen erwählt, wird

er
Er

sein Ziel gar bald erreichen. setze sich, sobald seinen Körper
er
durch blutlose Diät (–
alles Nähere ersieht man aus der Monats
schrift »Prana« –)
entgiftet hat, häufig dem Sonnenlichte aus, sorge
tagsüber für Zutritt von frischer Luft sein Arbeitszimmer, schlafe
in

auf hartem Lager (in hölzernem Bette) ohne Federdecken und


scheue nicht die Nachtluft. Ein Flügel eines Fensters im Schlaf
raum soll stets geöffnet sein. Wer gewohnt war, bei geschlossenen
zu

Fenstern schlafen,
muß sich für den Anfang durch eine Bett
wand oder eine ähnliche Vorrichtung vor der direkten Berührung
mit der Nachtluft schützen. Empfindliche Personen sollen vorerst
das Fenster im Nebenraume geöffnet halten und erst dann, wenn
die Nachtluft gewöhnt haben, mögen sie das Fenster
an

sie sich
des Schlafzimmers geöffnet halten.
den wärmeren Jahreszeiten muß der ganze Körper des
In

Morgens rasch abgewaschen werden, wozu man am besten einen


Gummischwamm oder ein Handtuch verwendet. Hierauf trocknet
und bearbeitet den ganzen Körper tüchtig mit
ab

man sich rasch


den Händen. Auf dieses Frottieren, Reiben, Kneten und Klopfen
der Haut mit den Händen muß streng geachtet werden; man darf
niemals unterlassen, weil die Odstrahlung durch diese Mani
es

2*
20

pulation vermehrt wird. In der kalten Jahreszeit oder an kalten


Tagen genügt ein kurzes Luftbad im warmen Zimmer, dem sich solche
Behandlung der Haut anschließt. Allzuvieles Baden soll vermieden
werden, –
es genügt, wenn der Schüler 1 2mal wöchentlich ein Bad–
nimmt, dem aber jedesmal ausgiebige Hautbehandlung folgen muß.
Haut

ist
Alle Hautbehandlung durch leichtes Einölen (Salben) mit
funktions-Ol (wir

M.
empfehlen

G.
E.
Gottlieb's Hautfunktions

zu
Öle »Diaderma«, die für jede Konstitution und Diathese haben

ist
zu

sind) vervollständigen. sehr wichtig. Ebenso


Dieser Punkt
dürfen nur Pflanzenfett-Seifen verwendet werden. Längeres Ver
weilen im Wasser (besonders im kalten) hat Odverlust zur Folge:

zu
wer täglich badet, hat somit für die Übungen wenig Odkraft
zur Verfügung. Die Haut besitzt Selbstreinigungskraft; das Baden
soll die Reinigung lediglich unterstützen, viel mehr aber das Nerven
system anregen. Selbstredend ist allezeit auf Reinlichkeit des
zu

Körpers achten; die Hautporen dürfen nicht untüchtig sein, damit


eine kräftige Hautatmung (perspiratio insensibilis) nicht behindert
wird.“)
Allzu dichte Kleidung ist selbst im Winter nicht

zu
empfehlen:
es

gibt warme und dabei poröse Kleiderstoffe, die die Haut anregen
und einen dichten Wärmemantel um den Körper

zu
bilden.*) Die
landläufige Bekleidung stört und verdirbt die Funktionen der Haut.
Und gerade aus dem mangelhaften Hautleben erwachsen die ge
fürchteten Erkältungen. (Die Unterkleidung soll nicht nur porös
sein, sondern auch unserem Temperament entsprechen: Leinwand
ist elektrisch, Baumwolle, Wolle und Rohseide sind magnetisch.)
Man muß sich viel frischer Luft bewegen. Der Schüler soll sehr
in

im

darauf achten, seine Mußestunden zum Teil Freien zuzubringen.


Eine gute Abhärtung bringt auch das Luftbad, das zu jeder
Jahreszeit durchgeführt werden kann: im Winter im vorher durch

Näheres über die metaphysische Seite von Hygiene und Hautpflege der
in
*)

Monatsschrift »Prana«. Ignoranten behaupten gerne, das Einölen »verstopfe« die


Poren. Dem ist durchaus nicht so; denn die Haut hat spiralförmige (Kundalini
einen aufsaugenden und einen ausscheidenden Tonus, der
h.

Shakti) Peristaltik
d.

der Zusammenziehung (Systole) und der Ausdehnung (Diastole) des Herzens ent
spricht.
Bezugsquelle: Friedrich Hammer, Forst (Lausitz).
*)
21

lüfteten und gewärmten Zimmer, im Sommer bei offenem Fenster


oder im Freien. Man setze den nackten Körper täglich 10–30
Minuten je nach Konstitution und Bedürfnis der Luft aus und mache
sich während dieser Zeit tüchtig Bewegung. Kaltwasserfanatismus
führt nicht zur Abhärtung, sondern zur Lähmung der Haut und zum

ist
Zusammenbruch der Nerven. Wahre Abhärtung aber Wider
standsfähigkeit und Unempfindlichkeit gegen extreme Temperaturen
und schroffen Temperaturwechsel. Sie wird nur erzielt durch
gleichmäßige Verwertung der Kälte- und der Wärmereize sowie
durch Anwendung der Salbung (vor und) nach dem Bade oder
für sich allein.
Der Schüler kann die weiter unten erwähnten gymnastischen
Übungen mit dem Luftbad verbinden. Bevor wir diese Übungen
angeben, müssen wir betonen, daß auch Darmreinigung notwendig
ist (durch Diät); nötigenfalls nimmt man lauwarme Klystiere, denen
stets ein kleines (kühleres) Bleibeklystier folgen muß. Man darf
-

auf keinen Fall Ansammlungen verbrauchter Stoffe im Darme dulden,


denn sie beeinträchtigen die Wirkung vieler Übungen.
zu

zu

Die von Lehrbrief Lehrbrief höheren Leistungen fort


schreitende Atemtechnik verlangt auch Reinhaltung der Nasen
gänge. Der Schüler soll sich angewöhnen, täglich bei seiner
Morgentoilettedreimal aus der hohlen Hand lauwarmes Wasser
durch die Nase aufzuziehen und es durch den Mund wieder heraus
Nach einigen Sekunden zieht auf die gleiche Art etwas
er

zulassen.”)
so

kälteres Wasser ein. Leidet an Erkältungen, empfehlen wir


er

ihm, außerdem jeden Abend die inneren Nasenräume mit etwas


Hautfunktions-Öl oder mit Venotonic-Salbe einzureiben.

Wir kommen nunmehr zur Körpergymnastik. Diese Übungen


sind wichtig und notwendig,
da

sie nicht nur die Säftezirkulation


regeln, physische Kraft erzeugen und die Gesundheit fördern, son
dern auch als Grundlage dienen für die verschiedenen Übungen.
Alle Entwickelungssysteme, die den Schüler ohne körperliche Vor
zu

bereitung Übungen anleiten, sind nicht nur einseitig, sondern

und Schnupfen vorzubeugen


Das Wasser kann man um Katarrhen


*)

mit Hensels »Physiologischem Salz« versehen.


22

auch gefährlich. Die Technik der Schulung, wie sie hier geschildert
wird, verlangt Körperstellungen, die ohne Vorübung und Vor
bereitung leicht schädigen oder –
erfolglos sind.
Für die körpergymnastischen Übungen gelten folgende allge
meine Vorschriften: -

Wer es ermöglichen kann, mache diese Übungen bei leerem


Magen und Darm möglichst kurz vor der Mittags-Mahlzeit. Zwischen
dem Ende der Übung und dem Anfange der Nahrungsaufnahme
soll aber eine Ruhepause von mindestens 15 Minuten liegen. Wer
nur über eine kurze Mittagspause verfügt, kann die Übungen vor
dem Abendessen durchführen. Vor jeder Übung soll die Blase
geleert werden. Der Schüler übt nackt, wie wir bereits erwähnt
haben. Diese Übungen sind täglich und ohne Hast oder Über
treibung (wiewohl mit straffer, angespannter Muskulatur) durchzu
führen. Man hüte sich vor jedem Zuviel und halte sich genau an
die Vorschriften. Nach jeder Übung wird der Körper mit den leicht
eingeölten Händen gerieben und geklopft, bis er gut durchblutet ist.
Eine Tiefatmung muß überall da eingeschoben werden, wo sie
ausdrücklich vorgeschrieben ist. Bei den Übungen muß der Mund
dauernd geschlossen sein; das Atmen geschieht ausschließlich
durch die Nase.
Zu Beginn der Übung stellt man sich mit geschlossenen Fersen
in strammer Haltung hin und sorgt dafür, daß die Brust heraus
gedrückt und die Wirbelsäule eingezogen ist. Dann macht man
eine gründliche Tiefatmung durch die Nase.”)

I. Mit geballten Fäusten nimmt man die Arme an die Brust


und stößt sie dann kraftvoll vorwärts. Das macht man
zehnmal. Die gesamte Armmuskulatur muß bei beiden
Bewegungen straff gespannt sein.
an

Die Arme werden abermals die Brust gezogen und dann


II.

mit geballten Fäusten straff seitwärts gestoßen. Diese


Bewegungen werden auch zehnmal durchgeführt.
zu

Vom rein esoterischen Standpunkte wird man einer andern Gymnastik


*)

(Eurhythmie) kommen. Doch kann davon hier nicht gehandelt werden. Die Übungen,
die hier gegeben werden, sind für den Anfang unentbehrlich.
23

Die Arme mit geballten Fäusten werden an die Brust ge


zogen und straff nach oben gestoßen. Zehnmal.
Armstoßen in gleicher Weise nach unten. Zehnmal.
. Tiefatmen durch die Nase.
Bei straffer Stellung der Beine beugt man den Körper vor
und rückwärts in horizontale Lage, sechsmal hintereinander.
. Man stemmt die Arme in die Hüften und beugt den Rumpf
bei straffen, festgeschlossenen Beinen nach links und nach
rechts, soweit es möglich ist, sechsmal hintereinander.
VIII. Tiefatmen durch die Nase.
IX. Die Arme werden in die Hüften gestemmt. Dann hebt man
abwechselnd das linke und das rechte Bein in starker Knie
beugung so hoch, daß das Knie der Brust nahe kommt.
Dabei muß der Oberkörper stramm und unbeweglich ge
halten werden, ebenso das ruhende Bein. Die Übung wird
fünfmal hintereinander gemacht.
X. Die Fersen fest geschlossen, die Arme in den Hüften,
Oberkörper stramm und unbeweglich. In dieser Haltung
erhebt man sich auf die Fußspitzen und läßt sich achtmal
niedersinken, so daß das Gesäß in die Nähe der Fersen
kommt, aber nicht auf ihnen ruht.
XI. Man steht aufrecht und hat die Hände in die Hüften ge
stützt. Abwechselnd wird das linke und das rechte Bein
wie bei Übung IX hochgehoben und mit voller Muskel
anspannung nach vorn gestreckt. Das ruhende Bein und
der Oberkörper müssen stramm und unbeweglich bleiben.
Diese Übung wird mit jedem Beine fünfmal durchgeführt.
. Tiefatmen durch die Nase.
Übung I dreimal, gleich danach Übung VI zweimal, dann
Übung V zweimal, Übung II dreimal, Übung VII zweimal,
Übung IX zweimal, dann Übung dreimal, Übung zwei
XI
III
IV

mal und Übung dreimal. Diese kombinierte Übung


ist ohne Ruhepause durchzuführen.
XIV. Tiefatmen durch die Nase.

Wenn der Schüler die Übungen des ersten Lehrbriefes beherrscht,


ergänzt sie durch die nachbenannten Übungen.
er
24

Die Spiegelübung zur Beherrschung der Muskeln bleibt beibe


halten; ebenso die Ruheübung mit geschlossenen Knien und Fersen
unter Konzentration auf das Bild.
Dagegen kann das Sortieren der Körner bzw. das Lösen des ver
wirrten Wollenknäuels wegfallen. Diese Übung soll man nunmehr
nur noch dann machen, wenn man sich ungeduldig oder gereizt
fühlt. In solchen Augenblicken nimmt man sofort diese Übung vor.

Der Schüler darf unter keinen Umständen mehr Regungen des


Zornes oder der Ungeduld aufkommen lassen; er muß sie augen
blicklich bekämpfen; denn sie sind Feinde und Hemmschuhe erfolg
reicher Entwickelung. Zorn und Ungeduld zersplittern die Kräfte;
sie gleichen leichtsinnigen Menschen, die ihre Habe in toller Hast
verjubeln.
Man gewöhne sich an, stets einen Becher mit Körnern oder ein
stark verwirrtes Knäuel Wolle bei sich zu tragen, um sie gegebenen
falls sofort verwenden zu können. Zu diesem Zwecke kauft man
einen flachen Becher, wie er bei Touristen gebräuchlich ist: er kann
bequem in der Tasche getragen werden.

Wir gehen über zu der (für den Anfänger besonders wichtigen)


Atemübung. Der Schüler hat sie inzwischen bis zu 15 Sekunden,
*/4

also die ganze Atemprodezur bis auf Minuten, gesteigert. Seine


ist

das Voll- und Tiefatmen gewöhnt. Trotzdem


an

Lunge nunmehr
I);

weiter (vgl. Lehrbrief jedoch verbindet jetzt die Übung


er

er

übt
mit folgendem Experiment:
Man atmet bei geschlossenem Munde stoßweise durch die Nase
ein. Es werden hintereinander zehn bis fünfzehn kurze Atemzüge
genommen (ohne dazwischen auszuatmen), bis die Lunge ganz mit
Luft gefüllt ist. Hat man mit ganz kurzen Atemzügen die Lunge
gefüllt, dann wird der Atem noch einige Sekunden gestaut, um
schließlich mit einem einzigen langen Zuge durch die Nase wieder
werden. Diese Übung, die stets dreimal hintereinander
zu

entfernt
gemacht werden soll, folgt vorläufig auf alle Atemübungen: sie dient
zur Reinigung der Lunge.
Auch die Übung mit dem schwarzen Kreise wird beibehalten.
Jedoch nimmt der Schüler fortan einen kleineren Kreis; der Kreis
25

soll nur mehr ein Markstück groß sein. Diese Übung läßt sich
auch noch dadurch fördern, daß wir tagsüber, bei jeder passenden
Gelegenheit, z. B. wenn wir uns in unserer Arbeit eine kleine Pause
gönnen, für einige Minuten einen scharf hervortretenden Punkt irgend
eines Gegenstandes in das Auge fassen, um ihn unverwandt anzu
sehen, ohne dabei die Stellung des Auges zu verändern und ohne
zu blinzeln oder mit den Lidern zu zucken.
Das plastische Vorstellungsvermögen muß weiter geübt wer
den, doch empfiehlt es sich, nunmehr die Augen bei der Übung
geöffnet zu halten. Dadurch wird das Experiment allerdings etwas
schwieriger; denn fortan sieht man die Gegenstände mit der größten
körperlichen Deutlichkeit vor den leiblichen Augen. Hier muß die
Vorstellungskraft sehr viel nachhelfen; man muß sich mit dem Auf
gebot der ganzen Willenskraft zwingen, bei offenem Auge die Gegen
stände in der Luft schweben sehen zu wollen!
Der Schüler muß überhaupt seine Aufmerksamkeit auf stetes
plastisches Denken richten. Die meisten Menschen denken nur mit
Worten und nicht mit Vorstellungen. Der Schüler muß sich be
streben,beides zugleich zu tun. Jedes Wort muß sich sofort mit
der zugehörigen Vorstellung verbinden, und zwar in lebenswarmer
Klarheit und Plastik. Wer z. B. einen Satz denkt, der von Gegen
ständen handelt, muß diesen Gegenstand und die zugehörige Hand
lung gleichzeitig mit dem gedachten Worte in plastisch greifbarer
Deutlichkeit vor seinem geistigen Auge aufsteigen lassen.
Nach und nach muß es gelingen, die ganze Gedankenwelt so
intensiv zu gestalten, daß die Gedanken im Augenblicke des Ent
stehens nicht nur mit plastischen Vorstellungen, sondern auch mit
lebenswarmen Empfindungen verbunden sind. Richtig denken heißt:
alles Gedachte geistig erleben!
Wir müssen auch beginnen, uns in der Gedankenkonzentration
zu üben. Je schärfer wir unsere Gedanken auf einen einzigen Mittel
punkt zu konzentrieren vermögen, gleichsam wie man die Sonnen
strahlen in einer Sammellinse auffängt, desto mehr ziehen sich die
Eindrücke der Außenwelt zurück.
Wir nehmen Gebrauchsgegenstand zur Hand, etwa eine
einen
Schere, ein Taschenmesser oder einen Bleistift. Der Anfänger soll
nicht allzu einfache Gegenstände wählen; denn je einfacher ein
26

ist

zu
Gegenstand ist, desto schwieriger es, sich auf ihn konzen
trieren. Ein Taschenmesser wird dieser Hinsicht gewiß

in
B.
z.
weniger Schwierigkeiten bereiten, als ein Bleistift oder gar ein un
beschriebenes Blatt Papier.
Der Schüler sucht einen abgeschlossenen Raum auf,

in
dem
nicht gestört werden kann, setzt sich bequem nieder und ver
er

schließt seine Ohren mit Wattepfropfen, die tüchtig mit Wachs durch
einer Schnur befestigt sind, damit man sie leicht
an
knetet und
wieder aus dem Ohre entfernen kann. Bevor man sie das Ohr

in
steckt, muß man sie immer erst etwas durchkneten, um sie weicher
zu

zu
gestalten und eine birnartige Form
in bringen. Hat man
auf diese Weise seine Ohren hermetisch verschlossen, so daß kein
Geräusch einzudringen vermag, dann legt man den gewählten Gegen
stand vor sich auf den Tisch und zwingt die Gedanken, sich aus
zu

schließlich mit ihm beschäftigen. Der Gedankengang, der sich


hierbei entwickelt, befaßt sich vorläufig nur mit dem Äußeren und
mit der Bestimmung dieses Gegenstandes. Haben wir

B.
eine

z.
so

Schere gewählt, würden wir wohl folgende Gedanken pflegen:


»Das ist eine Schere. Sie besteht aus zwei Teilen, die durch
eine Niete zusammengehalten werden. Jeder dieser beiden Teile
ist

der Innenseite scharf geschliffen und hat unten am Handgriff


an

eine ovale Ausrundung, die zur Aufnahme der Finger dient. Die
ist

gemacht, ungefähr Zentimeter lang und


15

Schere aus Metall


ist

schön poliert. schon seit längerer Zeit


Sie meinem Besitze
in

und dient zum Zerschneiden von Papier und Stoffen.«


Hat man diesen Gedankengang beendet, muß man ihn so
so

fort wiederholen, ohne auch nur dem geringsten anderen Gedanken


zu

Raum geben. Diese Gedankenübung wird durch volle fünf Minuten


eingehalten. Dabei darf kein anderer Gedanke die Konzentration
stören, man muß immer und immer wieder die gleichen Gedanken
festhalten. Sobald sich ein anderer Gedanke einzuschleichen ver
sucht, muß
er

sofort wieder vertrieben werden und zwar mit aller


Energie und Willenskraft. Für den Schüler besteht für die Dauer
der Konzentration nichts anderes als der Gegenstand, auf den
er

sich konzentriert, und er, der Schüler, selbst bzw. seine Gedanken.
Das Gefühl seiner Körperlichkeit sowie seine Umgebung müssen
vollständig versinken.
27

Erst dieser Zustand der Verinnerlichung macht die Konzentration


vollkommen. Der Schüler muß auf diese Übung sehr viel Sorgfalt
verwenden. Die Konzentration entwickelt die Willenskraft und ist
der Hebel zur Ausübung der Magie.
Der Schüler muß sich ferner angewöhnen, stets positiv zu
denken. Er muß von dem Bewußtsein durchdrungen sein, daß er
ein Teil ist des Allgegenwärtigen, der Allmacht, des Allwissens und
der All-Liebe. Er muß drei Leitsätze in sich lebendig werden lassen:

»Ich bin – ich will – ich kann!«

Wer sein Denken, Fühlen und Wollen schult an den ewigen


Gesetzen des Daseins, der wird allezeit positiv (bejahend) denken.
Furcht, Sorge, Zweifel (und wie sie alle heißen, diese großen
Feinde der Menschheit) haben für den Schüler keine Existenz
berechtigung mehr. Wer Sieg denkt und ihn ernstlich will, der
wird ihn sich erringen. Wer Niederlage denkt, wer sich von Furcht
und Zweifel entmutigen läßt, der wird bestimmt unterliegen. Der
Schüler muß sich angewöhnen, bei jedweder Handlung selbst –
bei scheinbar unwichtigen –
die siegesfrohe Zuversicht des Ge
lingens in sich zu tragen. Wenn sich auch anfänglich trotzdem
Mißerfolge zeigen, so darf man sich keineswegs entmutigen lassen.
Man hält sich dann vor Augen, daß man die Mißerfolge selbst ver
schuldet hat. Den Grund des Mißerfolges wird man schon finden.
Nicht bei anderen suche die Ursachen des Mißlingens, sondern bei
dir selbstl Die Selbstkritik wird erweisen, daß der Schüler es ent
weder an Vorsicht, Achtsamkeit, Fleiß oder an der nötigen geistigen
Sammlung (Konzentration) hat fehlen lassen. Bei allen mißlungenen
Handlungen wird strenge Selbstkritik Segen bringen; denn sie wird
zum Lehrer!

Der Schüler muß auch sein Gedächtnis üben und stärken. Später
wird er sein Gedächtnis durch besondere Experimente schärfen;
nötig, dieses Ziel teilweise auf mechanischem
ist

es

vorerst aber
zu

Wege erstreben. Durch diese Methode wird auch die Willens


-

kraft gestärkt.
Alle erfolgreichen Menschen erfreuen sich eines guten Gedächt
nisses. Wer vergeßlich ist, versäumt günstige Gelegenheiten, viel
28

kostbare Zeit und bringt sich Schaden. Vergeßlichkeit führt auch


zu Nachlässigkeit.
Zur Stärkung des Gedächtnisses muß der Schüler fleißig memo
rieren. Er suche alles Gelesene wortgetreu zu behalten. Man übt
vorerst an kleinen Lesestücken. Sofort nach dem Lesen ruft man
sich das Gelesene noch einmal ins Gedächtnis zurück, indem man
sich an die Worte des Originals zu halten sucht. Man durchdenke
alles plastisch, mit Aufmerksamkeit und Konzentration, und lasse
sich durch Eindrücke von außen in keiner Weise stören. Diese
Übung wiederholt man einige Male und bringt dann das Gedachte
zu Papier, um es mit dem Originale
zu vergleichen. Nach einer
oder zwei Stunden zwingt man sich nochmals zu einer wortgetreuen
schriftlichen Wiedergabe aus dem Gedächtnis und stellt abermals
Vergleiche mit dem Originale an. Wenn ein halbwegs günstiges
Resultat zustande kommt, so mag man andere Lesestücke wählen.

sie
Diese Übung kann zu jeder Tageszeit durchgeführt werden und
so

soll wiederholt werden, oft der Schüler Zeit und Gelegenheit hat.
Auch das Rückwärtsdenken übt das Gedächtnis. Man zwinge
sich, vorerst die Zahlen von bis 10, die Tonleiter, später das Al
1

phabet und schließlich irgendeinen Satz rückwärts sprechen. Diese

zu
Übung, die unzählige Variationen zuläßt, empfehlen wir dringend.
Man stelle sich für den Anfang nicht allzu schwierige Aufgaben;
erst nach und nach steigere man die Anforderungen, gelingt,

es
bis
kleinere Aufsätze und Gedichte vorwärts und rückwärts fehlerfrei
zu

aus dem Gedächtnisse sprechen.")


Wir erwähnten schon im vorhergehenden Briefe, daß wir be
ständig eine feinstoffliche Substanz aus unserem Körper ausstrahlen.
Wir nennen diese Ausstrahlung (nach Freiherrn Dr. Karl von Reichen
bach) das »Od«. (Der Name stammt von dem nordischen Gotte
Odin, dem Weltenordner.) Dieses Od (Prana) erfüllt das ganze
Universum; entstrahlt allen organischen und auch den sog. »an
es

organischen« Körpern. Dem menschlichen Organismus als auch jedem


Tierkörper entströmt Od, auch der Pflanze, dem Mineral, den Me
im

Das Gedächtnis hat seinen Sitz Ätherleib. Was kräftigend auf den
*)

Ätherleib wirkt, stärkt daher nicht nur die physische Gesundheit, sondern auch
das Gedächtnis. Näheres der Monatsschrift »Prana«.
in

29

tallen.Wir erzeugen durch unsern Stoffwechsel fortwährend Od


und überstrahlen (verladen) es bei jeder Bewegung, bei jedem Atem
zuge auf alle Gegenstände, mit denen wir in Berührung kommen.
Die neueren Entdeckungen der Naturwissenschaft bestätigen,
daß »alles strahlt«. Die geheimnisvollen N-Strahlen z. B. sind iden
tisch mit dem Od: das wurde durch die Experimente der Gelehrten
Blondlot und Charpentier bewiesen. Die grobstoffliche Materie ist
also in dauernder Gestaltung einer feinstofflichen strahlenden Sub
stanz begriffen. Diese Tatsache

ist
auch erwiesen worden

u.
a.
durch die photographische Platte, die, lichtdichter Kassette ein

in
geschlossen, sich der Form der Hand schwärzt, wenn man län
in

gere Zeit eine Hand auf die Kassette legt.


Das meiste Od entströmt den Händen, den Füßen, den Haaren
und den Augen. (Große Verluste treten ein beim geschlechtlichen
Ergusse des Samens beim Manne und des Schleimes beim Weibe:
verbietet sich aus diesem Grunde jede sexuelle Betätigung von
es

selbst). Und auf das Od, auf die Quantität und Qualität der Strah
lung, gründet sich im wesentlichen der »persönliche Eindruck«, den
ein Mensch auf den anderen macht. Da das Od der materielle
Träger der Gedanken und auch der psychischen Eigenschaften ist,
begreiflich erscheinen, daß ihm im »persönlichen Magne
es
so

muß
tismus« große Bedeutung zukommt. Unsere nächste Aufgabe besteht

zu

darin, diese odische Strahlung sehen, damit wir sie bewußt zur
Anwendung bringen können. Diesem Zwecke dient folgende Ubung:
zu

Der Schüler geht jeden Abend einer bestimmten Stunde zu


seinem Lesepult und behängt
es

In

mit einem schwarzen Tuche.


Ermangelung eines solchen Pultes kann man auch ein sehr großes
so auf den Tisch stellen, daß die beiden Ein
es

Buch nehmen und


banddeckel auf der Tischplatte auseinander stehen und der Rücken
zu

nach oben liegen kommt. Über dieses improvisierte Pult wird


also ein schwarzes Tuch geworfen oder aber man legt vor die eine
schiefe Fläche des Buches einen Bogen schwarzes Papier. Dann
auf die Tischplatte, daß die ausge
so

legt man den rechten Arm


streckte Hand über die schwarzbehangene schiefe Fläche des Pultes
zu

bzw. des Buchdeckels liegen kommt. Die linke Hand mag den
rechten Arm unterstützen, damit die Ermüdung länger hintangehalten
nötig,
ist

wird. Es nicht daß die innere Handfläche direkt auf dem


Z0

schwarzen Untergrunde aufliege, sie kann ungefähr 1 cm von ihm


abstehen. Die Beleuchtung des Zimmers hat man schon vor Beginn
der Übung so reguliert, daß sich die Lampe in größerer Entfernung
hinter dem Pulte (auf keinen Fall aber hinter dem Rücken des
Übenden) befindet. Die schwarze Fläche darf also nicht beleuchtet
sein. Es soll vielmehr im Zimmer nur schwaches Dämmerlicht
herrschen, das jedoch stark genug ist, die Umrisse der Hand deut
lich auf dem schwarzen Untergrunde erkennen zu lassen. Rote Be
leuchtung ist
vorzuziehen.") Der Sinn des Experimentes liegt darin,
daß man alle Willenskraft aufwende, um die erwähnte Strahlung
vorerst aus den Fingerspitzen und bei späteren Übungen auch aus
dem Handrücken heraustreten zu sehen und zwar Form eines

in
leichten Nebels, der sich nach und nach immer kräftiger von der

ist
schwarzen Fläche abhebt. Es ganz verschieden, wann der Erfolg
eintritt, bei dem einen Schüler vielleicht schon bei der dritten oder
vierten Sitzung, bei andern erst später. Eintreten muß der Erfolg;
ist

denn die odische Strahlung eine Tatsache. Rochas beschäftigte


sich unausgesetzt mit der Exteriorisation des menschlichen Ods;

es
ist

ihm auch mehrfach gelungen, diese Ausstrahlungen auf die


zu

photographische Platte bannen. Auch Professor Crookes, Camille


Flammarion, Professor Lombroso, Professor Morselli haben sich,

u.
a.
teils im Verein mit Rochas, teils unabhängig von ihm, intensiv mit
diesen Experimenten beschäftigt und die gleichen Erfolge erzielt.
Der Schüler kann deshalb überzeugt sein, daß auch sein Körper
dieses Fluid entsendet:
es

es
wird auch sehen, sofern
er

er sehen
will. Er wird zuerst nur »einbilden«,
es

sich vielleicht aber die


Imagination wird schließlich zur Wirklichkeit.
Wenn man auf das entströmende Od bläst und wenn es sich
der Gipfel des Ex
ist
so

dann nach dieser Richtung hin bewegt,


perimentes erreicht. Diese Übung soll Minuten währen, sie kann
15

aber auch beliebig ausgedehnt werden. Dieses Strahlensehen


ist

ebenfalls eine sehr wichtige Übung und soll daher vom Schüler
täglich und mit viel Fleiß ausgeführt werden, Folge
da

sie der
in

Die Bedeutung des Rot kann man nur aus geisteswissenschaftlichen


!")

(eso“
terischen) Erkenntnissen und Erwägungen heraus richtig verstehen Exoterische
Anschauung muß hier fehlgreifen. Das Rot ruft im Innern des Schülers den Ein
druck von Grün hervor, und darauf kommt bei den Übungen
es

an.
Z1

zeit ebenfalls ein wichtiger Faktor zur Entfaltung der Okkulten


Kräfte ist.

Die Entwickelung unserer Willenskraft muß beschleunigt werden.


Wir müssen uns besser beherrschen lernen. In erster Linie müssen
wir unser seelisches Gleichgewicht unter allen Umständen zu er
halten wissen. Wir müssen das Verlangen (die Begierde) besiegen,
wir müssen den Zorn, die Selbstsucht, die Geschlechtslust, die Un
wahrheit, die Ungeduld –
alle die vielen Widersacher der Har

ist
monie mit unbarmherziger Strenge ausmerzen. Dasaber nur
möglich, wenn wir uns einmal unserer Nacktheit erkennen, ohne
in

Beschönigung, ohne Verhüllung: Selbsterkenntnis.


in
so

Wir müssen oft als möglich unbarmherzige Selbstkritik


üben. Zu diesem Zwecke ziehen wir uns mehrmals der Woche

in
abends zurück und unterwerfen das vergangene Leben strengem
Urteil. Wir müssen über uns und unsere Handlungen

zu
Gericht
sitzen, nicht wie der Freund über den Freund, der Bruder über den
Bruder, sondern wie ein harter Richter über einen Angeklagten.
Vor den prüfenden Blicken des Richters unserm Innern muß aller
in

»Schliff« der Kultur, müssen alle anerzogenen gesellschaftlichen


»Formen« fallen, und werden wir wenig erfreut sein über den
da

wahren Zustand. Diese Selbstkritik zeigt uns, wo Besserung nottut.


so

Wenn wir unsere »schwachen Seiten« erkannt haben, nehmen


wir wöchentlich mindestens dreimal folgende Ubung vor:
Gesetzt den Fall, wir haben herausgefunden, daß unsere schwer
sten Fehler der Zorn und die Sinnlichkeit sind. Wir werden uns
unser Zimmer einschließen und über den Zorn und die Sinnen
in

lust nachdenken; wir werden uns den Zustand versenken, den


in

in

wir durch den Zorn oder die fleischliche Lust geraten, wir steigern
intensiv, daß wir beinahe Zorn oder Begierde emp
so

das Gefühl
finden, um uns dann blitzschnell die entgegengesetzte Verfassung
in
zu

zu

versetzen: wir zwingen uns sofort Gedanken der Ruhe, der


Harmonie und des Friedens bzw. der Keuschheit, Unschuld, Rein
heit, Entsagung und Vergeistigung. Wir denken uns mit lebhafter
Vorstellungskraft einen Menschen, der von solchen Gefühlen ge
ist

knebelt und lassen uns auch von derartigen Begierden für einen
Augenblick erfassen.
32

Diese Übung sehr heilsam; nur müssen wir darauf bedacht

ist
sein, unsere Gedanken stark wie möglich auf unser Vorhaben

zu
so

zu
sammeln und fremden Gedanken keinen Einlaß gewähren.
Wir gedenken unserer göttlichen Abstammung und schauen auf
unser hohes Ziel, das weit jenseits und über allen tierischen Wün
schen und Begierden liegt.

Die Lehrbrief für den Abend und die Zeit vor dem Ein
in

I
schlafen vorgeschriebenen Übungen müssen fortgesetzt werden. Auch
fernerhin suche man nur einzuschlafen mit Gedanken des Segens
und des Friedens für alle Wesen, mit Gedanken der Ruhe und des
Geborgenseins. Die Morgenübung bleibt ebenfalls bestehen; nach
der Atemübung muß, wie früher, die Erfolgübung gemacht werden.

Die vorstehenden Übungen sind bei normaler Entwickelung

die
14

ebenfalls auf ungefähr Tage berechnet. Der Schüler soll


Übungen des dritten Lehrbriefes nur dann Angriff nehmen, wenn

in
den Übungsstoff der beiden ersten Lehrbriefe sein eigen nennt.
er

Mißerfolgen und Ent


ist

zu
Jede Hast zwecklos: sie führt nur
mutigung. Wer langsam aufwärts steigt, erreicht den Gipfel ohne
Fährlichkeit; wer unvorsichtig vorwärts stürmt, steht fortwährend

in
Gefahr, zu fallen.
Brief III
Nach wie vor wird dem Schüler anbefohlen, eine edlere Lebens
führung einzuhalten und alles zu tun, was auch den Körper ver
bessern und verfeinern kann. Selbstverständlich müssen dabei alle
Extreme vermieden werden.
Schwammbad, Luft- und Lichtbad, Hautpflege, Nasenreinigung
usf. müssen dauernd beibehalten bleiben.

Der Schüler muß Selbstvertrauen entwickeln. Dieses Selbst


vertrauen muß nach außen zur Geltung kommen in Gang und Hal
tung. Wer mit geneigtem Kopfe oder mit gekrümmtem Rücken
einhergeht, dem wird man kaum Kraft und Energie zutrauen, und
wer den tänzelnden Schritt eines Sohlengängers hat, der verrät
Leichtfertigkeit, Weichlichkeit und Oberflächlichkeit. Die Haltung
aufrecht. Die Schultern müssen zurückgezogen sein,
ist

des Schülers
die Brust herausgehoben, die Wirbelsäule eingezogen. Der Kopf
sei weder nach vorn noch nach hinten geneigt, damit den Augen
nach allen Seiten freier Spielraum bleibe. Auch alle Atemübungen
ist

verlangen diese Haltung. Sie erlaubt nur einen Schritt und das
der Schwebegang oder das Ballengehen. Mit den Fersen darf man
immer nur ganz leicht antreten: bei einiger Übung läßt sich das
zu

bewerkstelligen. Wer mit den Fersen hart antritt oder gar auf
zu

den Boden aufschlägt, der gerät nur leicht den militärischen


in

Schritt;die Haltung wird gezwungen aufrecht und dadurch unfrei.


Der Schüler wird später erst (bei der Erlernung des rhythmischen
3*
36

Atmens beim Gehen) begreifen, warum (schon jetzt) auf Gang und
Haltung Wert gelegt wird.!!)

Die gymnastischen Übungen des zweiten Lehrbriefes wer


den jetzt so vorgenommen, daß immer ein Tag eingelegt wird, an dem
die unten angeführten gymnastischen Übungen durchzuführen sind. ſe

Wir wollen die Übungen des zweiten Lehrbriefes mit A bezeichnen, E

die des vorliegenden Lehrbriefes mit B. Der Schüler übt also fortan
Gruppe A den einen Tag, Gruppe B den zweiten Tag, Gruppe A den
dritten, Gruppe B wieder den vierten Tag usf. regelmäßig.
Gruppe A erfährt aber eine Abänderung bzw. eine Ergänzung.
Es werden Übung 1–4 nunmehr sechsmal, Übung 6 und 7 fünf
mal, Übung 9–11 dreimal mit jedem Beine durchgeführt, worauf,
wie bekannt, Punkt 12: Tiefatmen durch die Nase, folgt. Hierauf
werden zur Ergänzung die Übungen 13 und 14 bzw. 13–17 ange
schlossen, und zwar:

Man legt sich in gestreckter Lage mit dem Rücken auf den
13.
Teppich, so daß der Körper vollkommen wagerecht zu liegen kommt.
Die Hände werden hinter dem Genick geschlossen. Dann hebt man
den Rumpf langsam bis zur senkrechten Stellung, ohne aber im
geringsten die Beine zu bewegen; die Beine müssen sowohl bei den
Knien als auch an den Füßen fest geschlossen bleiben. Nur der
Rumpf allein hat die Aufwärtsbewegung bis zur sitzenden Stellung
zu machen. Sodann hat man auf die gleiche Art, wieder ohne jede
Beinbewegung, in die Rückenlage langsam zurückzukehren. Diese
Übung, die anfangs etwas schwierig sein wird, muß dreimal hinter
einander gemacht werden.
Man legt sich, lang ausgestreckt, mit der Brust auf den
14.
Teppich und legt die Hände flach auf die Erde auf. Nunmehr er
hebt man langsam den ganzen Körper, bis er auf den ausgestreckten
Armen und den Fußspitzen ruht. Auch bei dieser Übung müssen

*) Vgl.: »Eurhythmie – Künstlerische Gymnastik und harmonische Kultur“


in Jahrgang VII (1916/17) der Monatsschrift für angewandte Geisteswissenschaft
»Prana«.
Verkrüppelte Füße kann man allmählich wieder schön und gerade gestalten,
indem man den sog. »Zehenkammer-Schuh« trägt.
37

die Beine fest geschlossen bleiben. Hierauf läßt man sich ebenso
langsam wieder auf den Boden zurücksinken. Diese Übung wird
ebenfalls dreimal hintereinander vollführt.
15. Tiefatmen durch die Nase.
16.

Daran schließt man ohne Pause die kombinierte Übung an,


wie folgt: Übung dreimal, daran anschließend Übung zweimal,

6
1

dann Übung zweimal, Übung dreimal, Übung zweimal, Übung


10

9
zweimal, Übung dreimal, Übung zweimal, Übung dreimal,

11

4
3

Übung einmal und Übung Darauf folgt:


13

14
einmal.
17. Tiefatmen durch die Nase.

Man vergesse niemals nach beendeter Übung der ganzen Gruppe


den Körper stets mit ganz leicht eingeölten Händen (Hautfunktions
zu

zu

Öl) reiben und kneten und sich dann eine Ruhepause von
zu

gönnen, die man am besten liegender


15

mindestens Minuten

in
Stellung verbringt. Wer noch nicht hinreichend abgehärtet ist, mag
sich dabei mit einer leichten Decke verhüllen.

An den Zwischentagen wird Gruppe durchgeführt, und zwar:


B

Man steht strammer Haltung, mit geschlossenen Fersen, her


in

ausgedrückter Brust und eingezogener Wirbelsäule. Danach macht


man eine Tiefatmung durch die Nase. Dann beginnen die Übungen:
Die Arme werden mit geschlossenen Fäusten bis zur Achsel
1.

die Brust herangezogen. Jetzt stößt man die Fäuste kraft


an

höhe
voll nach rückwärts; alle Muskeln müssen dabei angespannt sein.
Diese Übung macht man sechsmal.
Die wagerecht vorgestreckten, straff gespannten Arme werden
2.

nach rechts und nach links mit kraftvollem Schwunge hin- und her
daß sie einen Halbkreis beschreiben. Diese Übung ent
so

bewegt,
spricht der Bewegung des Schnitters mit der Sense, nur muß der
Oberkörper aufrecht bleiben, auch darf die Fußstellung nicht ge
ändert werden. Die Beine bleiben fest geschlossen und die Knie
eingezogen. Man macht sechs Schnitterbewegungen hintereinander.
Die nach oben gestreckten Arme werden mit kräftiger An
3.

spannung der Muskeln nach unten und wieder nach aufwärts be


38

wegt, derart,
daß sie einen Kreis beschreiben. Man muß bei der
oberen Kreishälfte die Arme so nahe als möglich beim Kopf vor
beizuführen suchen. Diese Übung wird sechsmal hintereinander
ausgeführt.
4. Tiefatmen durch die Nase.

5. Man steht mit geschlossenen Beinen da und stützt die Arme


in die Hüften. Dann beschreibt man mit dem Rumpfe, der sich
nur in den Hüften drehen darf, einen weiten Kreis von rechts nach
links oder umgekehrt. Diese Übung macht man fünfmal.
6.Stramme Haltung mit fest geschlossenen Beinen. Man neigt
den Oberkörper nach vorne. Sodann führt man eine Art Säge
bewegung durch und zwar derart, daß der eine Arm mit großer
Kraft nach vorn abwärts und der andere Arm zu gleicher Zeit mit
gebeugtem Ellbogen und angespannten Muskeln nach hinten auf
wärts geführt wird. Diese Bewegung soll nicht zu schnell durch
geführt werden. Man macht sie fünfmal hintereinander.

7. Man steht aufrecht da mit (seitwärts) gespreizten Beinen und


straff angezogenen Muskeln. Beide Arme sind nach oben ausge
streckt. Man führt den Oberkörper mit Kraft nach abwärts, als
wolle man Holz spalten. Diese Übung macht man ebenfalls fünfmal.
8. Tiefatmen durch die Nase.
9. Die Hände ruhen in den Hüften. Man steht auf dem linken
Fuße, streckt das rechte Bein aus und führt es soweit als möglich
seitwärts nach oben; hierauf führt man es wieder in die Ausgangs
stellung zurück. Dann beschreibt man mit dem gleichen Beine einen
Kreis nach vorwärts und rückwärts. Beide Bewegungen werden dar
auf mit dem linken Beine ausgeführt, indem man unbeweglich auf
dem rechten Beine steht. Wechselseitig macht man diese Übung
sechsmal hintereinander.
10.

Die gleiche Übung wie Gruppe


A.
10

Man läßt sich bei


in

geschlossenen Fersen, indem man sich auf die Fußspitzen erhebt,


langsam mit aufrechtem Oberkörper nieder, bis das Gesäß die Fersen
erreicht, ohne indes auf ihnen aufzuliegen. Die Hände ruhen
in

den Hüften. Dann streckt man abwechselnd das rechte und das
linke Bein wagerecht aus, soweit möglich ist. Bei dieser Be
es

wegung kann das Gesäß der Ferse des ruhenden Beines auf
Z9

liegen. Man suche diese Übung, die sehr schwer ist, dreimal hinter
einander durchzuführen. Wem diese Bewegung zu schwer fällt, der
mag es bei Übung 10 der Gruppe A bewenden lassen.
11. Tiefatmen durch die Nase.
12.

A:
Übung von Gruppe das Erheben des Rumpfes aus
13

der liegenden Rückenstellung. Diese Übung wird aber Gruppe

in

B
-
fünfmal durchgeführt. -

A:
13.

Übung von Gruppe das Erheben des Körpers auf die


14

Fußspitzen und das Ausstrecken der Arme der liegenden Brust

in
lage. Gruppe soll diese Übung fünfmal durchgeführt werden.
In

-
15. Tiefatmen durch die Nase.
16.

Übung. Dreimal Übung zweimal Übung

5,
Kombinierte

1,
zweimal Übung dann dreimal Übung zweimal Übung zwei
3, 2,
9,

7, 6,
mal Übung 10, hierauf dreimal Übung zweimal Übung zwei
13.

mal Übung und zweimal Übung


12

17. Tiefatmen durch die Nase.

Zur Vorbereitung auf ein späteres Experiment soll der Schüler


zu

wöchentlich zweimal, am besten der Dämmerung, anderen


in

Zeiten bei verdunkeltem Zimmer, folgende Entspannungs- (Er


schlaffungs-)Übung machen:
Mus
in Er

legt sich völlig entspannt ohne Anspannung der


d.
h.

Er

keln ausgestreckter Rückenlage auf einen Teppich.


soll mit
dem Haupte nach Norden und mit den Füßen nach Süden liegen.
dieser Übung
zu

Ein langes, leicht verschiebbares Ruhebett kann


ebenfalls verwendet werden, der Kopf nur sehr wenig erhöht
da

liegen soll. Die Arme liegen ausgestreckt am Körper. Es kommt


bei dieser Übung darauf an, mindestens 25–30 Minuten lang sich
rühren. Es muß absolute Ruhe im Körper herrschen, kein
zu

nicht
Finger darf zucken, kein Muskel sich bewegen. Auch die Gedanken
müssen zur Ruhe kommen. Man vermeide alle irgendwie erregen
den Gedanken (Beruf, Geschäft): man muß sich einer vollkommenen
Untätigkeit überlassen. Wichtig ist, sich vor dem Einschlafen
zu

hüten! Mit wachen Augen und stumpfen apathischen Sinnen ver


harrt man absoluter körperlicher und geistiger Ruhe.
in

Die Ruheübung (Sitzen mit geschlossenen Knien und Fersen)


braucht jetzt nicht mehr täglich vorgenommen werden, –
zu

es
40

genügt, wenn wir sie nunmehr jeden zweiten Tag durchführen. Wir
müssen fortan bei dieser Übung unsere Gedanken ausschließlich
konzentrieren auf hohe Tugenden Christi oder auf die Idee des Bildes,
das wir gebrauchen. Wir müssen uns sehnen, dem Ideale näher zu
kommen und seine Tugenden ebenfalls zu entwickeln. Unser Sehnen
muß sich vornehmlich auf Entfaltung der Harmonie und der Näch
stenliebe richten.
Die Spiegelübung wird täglich ausgeführt. Sie erfährt aber eine
kleine Erweiterung oder Umformung. Wir müssen in den Spiegel
sprechen; wir müssen uns mit unserem Spiegelbilde unterhalten,
ohne jedoch auch nur im geringsten die Gesichtsmuskeln in Be
wegung zu setzen. Nur die zum Sprechen bestimmten Muskeln
dürfen sich bewegen.
für

Wir stellen uns die Dauer der Übung vor, das Spiegelbild
sei unser Bruder oder unsere Schwester, und wir hätten ihm oder

zu
ihr eine wichtige Angelegenheit berichten. Das müssen wir
auch wirklich tun wir sprechen klar und deutlich auf unser
h.
d.

Spiegelbild ein und erzählen ihm irgendeine (erfundene) Geschichte.


Aufgabe ist, daß das ganze Gesicht während der Übung dauernd
unbeweglich bleibe. Auch verschiedene Gemütsbewegungen nehmen
zu

wir Hilfe. Man versichert das Spiegelbild seiner Liebe, man


es

tadelt oder man ist sehr erzürnt Dann drückt man, immer

in
.
.
.

passenden Worten, auch Furcht, Trauer oder Unentschlossenheit usf.


aus; diese ganze Empfindungs-Skala muß unser Gesicht vollkommen
ruhig lassen. Glatt und unbewegt, wie aus Stein gehauen, muß
bleiben; der Affekt darf nur auf das Auge übertragen werden
d. es

dem Auge allein müssen alle die geschilderten Empfindungen


h.

entströmen, das Auge muß Leid, Lust, Liebe, Verwirrung und Zorn
klar und deutlich ausstrahlen, ohne daß dabei die Umgebung des
Auges Mitleidenschaft gezogen wird. Kein Lid darf zucken, keine
in

Falte erscheinen. Auch die Stirne muß glatt und unbewölkt bleiben,
und der Mund darf nur die Bewegungen machen, die zum Sprechen
erforderlich sind; darf sich also auf keinen Fall, beim Aus
er

B.
z.

druck der Freude oder der Liebe, zu einem Lächeln verziehen.


Allein das Auge hat diese Gemütsbewegung
zu

bezeugen durch
so

seine Strahlung, die stark sein muß, daß man sie deutlich dem
Spiegelbilde entströmen sieht.
41

Wem es an Vorstellungskraft gebricht, der mag sich anfänglich

als
diese Übung insofern erleichtern, den Spiegel ein drama

in
er
tisch sehr bewegtes Gesicht hineinspricht, dem alle eben ge

in
schilderten Gemütsbewegungen spielen. Selbstverständlich muß der

im


Effekt der gleiche sein: Eherne Ruhe Antlitz, Entwickelung
der geistigen Klaraugen.
Diese Übung erheischt hohe Willenskraft. mehr man im

Je
stande ist, die Gedanken auf die betreffende Gemütsbewegung

zu
sammeln (konzentrieren), desto kräftiger wird die Wirkung sein. Diese
Übung muß mindestens eine Viertelstunde währen.

Der Schüler muß sich angewöhnen, stets mit geschlossenem


Munde und durch die Nase zu atmen, sowohl auf der Straße als
auch zuhause und beim Berufe. Er muß allezeit darauf achten,
daß der Atemprozeß rhythmisch vor sich gehe. Das Einatmen wie
das Ausatmen soll langsam und gleichen Zeiträumen geschehen,
in

achten, Ausatmung ebensoviel (oder mehr,


h.

man soll darauf zur


d.

aber nicht weniger) Zeit verwenden wie zur Einatmung. Das


zu

Atmen durch die Nase hat auch den Vorteil, zum Voll- und Tief
atmen zu zwingen.
Bei den täglichen Atemübungen muß man jetzt für die ange
gebene Zeitdauer (15 Sekunden) den Atem bei fest geschlossenem
Munde durch das rechte Nasenloch ziehen, die eingezogene Luft
=
so

tief als möglich den Leib (bis zum Sonnengeflechte Plexus


in

Sekunden lang stauen (anhalten),


15

solaris) pressen und sie dort


um sie dann durch das linke Nasenloch, ebenfalls bei fest geschlos
senem Munde, restlos auszuatmen. Nach und nach wird die Zeit
dauer gesteigert. Auch diese Atemübung wird siebenmal wieder
holt. Sie dient als Vorübung für ein wichtiges Experiment, das
»Pranayama«, das der Schüler später kennenlernen wird. Auch das
stoßweise Ein- und Ausatmen (zweiter Lehrbrief) wird weiter geübt.
Das Ausatmen durch das linke Nasenloch darf auf keinen Fall
stoßweise geschehen, sondern gleichmäßigem Zuge und
es

muß
in

genau lange durchgeführt werden, als die Einatmung oder das


so

je
15

Stauen des Atems Zeit erfordert, also vorerst Sekunden. Dieses


Zeitmaß wird langsam gesteigert. Die Atemübungen müssen natür
lich nach wie vor morgens und abends vorgenommen werden. Der
42

Schüler muß sich auch frühzeitig angewöhnen, bei den Atemübungen


stets eine aufrechte Haltung mit eingezogener Wirbelsäule einzu
nehmen.
Einen wie großen Einfluß das Atmen auf das Gemütsleben”) hat,

zu
ersehen, daß alle aufgeregten Men
ist
schon aus dem Umstande
schen kurzatmig sind. nervöser, fahriger und aufgeregter ein

Je

ist
Mensch ist, desto oberflächlicher sein Atem. Wer dagegen ruhig
und harmonisch ist, atmet regelmäßig langen und ebenmäßigen

in
Zügen. Wir beginnen unser irdisches Leben mit der Atmung und
auch mit dem letzten Atemzuge. Der Atmungsprozeß
es

beenden
darum physiologisch von großer Bedeutung.”)
ist

Wer erregt ist, wer sich im Zorne oderleidenschaftlicher Er

in
regung befindet, kann durch folgende Übung sehr rasch wieder die
Herrschaft über sich selbst erlangen:
Man legt sich ausgestreckt auf den Rücken nieder. Dann schließt

zu
man die Augen und beginnt langsam tief und voll

Es
atmen.
ist

zu

peinlich darauf achten, daß das Ausatmen ebensolange (oder


länger) dauert wie das Einatmen und daß die Atemzüge möglichst
tief sind, allerdings unter Vermeidung aller Spannung und Anstren
gung. Die Aufmerksamkeit muß während des ganzen Experimentes
ausschließlich dem Atmen gehören: keinem andern Gedanken darf
man Raum geben. Man muß sich bei dieser Übung, die

"l.
bis
*,

Stunde dauert, sehr hüten, einzuschlafen; die Neigung dazu wird


vorhanden sein. Nach und nach wird man spüren, wie das Gemüt
ruhig wird, wie der Zorn verraucht, wie die Leidenschaft vergeht.
Man beende aber diese Übung auf keinen Fall früher, als bis man
sich vollkommen ruhig weiß, andernfalls sind Rückfälle und Rück
schritte nicht zu vermeiden.

Auch die Übung


mit dem kleinen schwarzen Kreise (vgl. Lehr
wird beibehalten. Diese Übung wird ausgedehnt
II)

in

brief der
im

Weise, die bereits zweiten Lehrbriefe angegeben ist. Diese Seh


*)

Denken, Fühlen und Wollen haben. Entsprechungen Nerven, Atmung


in

und Stoffwechsel.
Alles atmet, selbst die Steine. Vgl.: Jakob Lorber, »Kleinere Naturzeug
1)

nisse«.
43

übung muß der Schüler außerdem noch auf folgende Weise erwei
tern: Nachdem er sie derart ausgeführt hat, daß er dem Kreise
gegenüber saß, befestigt er nunmehr den Kreis in gleicher Höhe
rechts von sich, behält aber seine Körperstellung bei und ändert
auch die Richtung des Gesichtes nicht. Dann dreht er langsam
die Augen (und nur sie!) so weit nach rechts, bis er den Kreis er
blickt. In dieser Stellung verharrt er 2–3 Minuten, ohne zu blin
zeln. Das Auge muß starr und unbeweglich sein. Hierauf befestigt
er den Kreis links, nimmt die vorige Stellung ein und dreht die
Augen langsam so weit nach links, bis er den Kreis erblickt. Auch
diese Stellung der Übung hat 2–3 Minuten zu währen, ohne daß
mit dem Auge geblinzelt oder gezuckt wird. Der Schüler muß dieser
Übung sehr viel Aufmerksamkeit und Geduld widmen, er muß aus
harren, auch wenn sie ihm anfänglich schwer fallen sollte. Sie soll
im Verein mit den ersten Übungen jeden Tag vorgenommen werden.
Diese Übung wird naturgemäß dem Auge anfänglich Schwierig
eine derartige Stellung nicht ge
ist

keiten bereiten; denn das Auge


wöhnt. Dessen ungeachtet soll der Schüler doch große Sorgfalt
auf sie verwenden und keinesfalls lässig sein.
Zur völligen Beherrschung der Muskulatur und der Reflexe des
Auges
ist

erforderlich, bei jeder geeigneten Gelegenheit folgende


es

Übung vorzunehmen. Man setzt sich mit einem Zweiten ins Ein
vernehmen und läßt sich von ihm Hindernisse vor die Augen bringen,
die geeignet sind, Zucken oder Blinzeln hervorzurufen. Die betref
fende Person soll plötzlich mit den Fingerspitzen ganz nahe
B.
z.

vor die Augen fahren, soll scheinbar (und mit Vorsicht!) einen Schlag
gegen unser Auge führen, kurz: soll versuchen, uns mit allen Mitteln
zum Blinzeln zu reizen. Sie muß sich natürlich der äußersten Vor
zu

sicht befleißigen, um uns nicht verletzen. Der Schüler hat die


Aufgabe, trotz aller drohenden Bewegungen das Auge völlig unbe
zu

wegt, starr und ruhig halten: kein Lid darf zucken, kein Muskel
Bewegung kommen.
in

Der Schüler muß sich ferner angewöhnen, seinem Blicke Frei


zu

heit und Sicherheit geben. Der Blick muß durchdringend wer


den; der Schüler muß lernen, mit einem einzigen Blicke seine
ganze Umgebung sofort bis ins Kleinste zu erfassen. Das übt
dadurch, daß sich angewöhnt, irgendeinen Gegen
er

und erlernt
er
44

stand für einen Augenblick scharf ins Auge zu fassen, dann hin
wegzusehen und sich diesen Gegenstand nunmehr mit allen seinen
Einzelheiten zu beschreiben. (Das geschieht für den Anfang am
besten schriftlich.)

Auch den Spiegel nimmt man wieder zu Hilfe und sieht sich
in die Augen. Man muß sich bemühen, sein Spiegelbild, trotzdem
man den (ruhigen!) Blick nur an die Augen heftet, in allen seinen
Teilen klar und deutlich zu erkennen. Unser Blick darf sich von
den Augen des Spiegelbildes nicht eine Sekunde entfernen und
trotzdem müssen wir unsere Haare, Ohren, das Kinn usf. so voll
endet scharf sehen, als ob wir den Blick eigens dorthin gerichtet
hätten. Selbst an den äußersten Partien des Spiegelbildes muß alles
klar und deutlich vor uns stehen.
Wenn wir die Übung einigermaßen beherrschen, so können wir
sie auch an unsern Mitmenschen versuchen und zwar an den Vor
übergehenden auf der Straße oder an interessanten Gegenständen
usf. Bei jeder Begegnung mit einem Menschen gewöhne man sich
an, dessen Erscheinung sofort mit einem Blicke so zu erfassen, daß
wir besonders seine Gesichtsbildung in allen Teilen vollkommen be
herrschen: so, daß es gelingt, sich nach einiger Zeit dieses Bild
naturgetreu wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Man darf es auf
keinen Fall bei unklaren Vorstellungen bewenden lassen. Man rufe
sich das Bild immer wieder und so lange ins Gedächtnis zurück,
bis es gelingt, eine dem Originale unbedingt ähnliche Vorstellung
zu erhalten. So übt man das Physiognomien-Gedächtnis, das bei
den meisten Menschen kaum entwickelt ist. Ebenso verfährt man
bei Gegenständen.
So oft es Zeit und Gelegenheit erlauben, soll der Schüler die
Innenschau d. h. Selbstkritik (zweiter Lehrbrief) üben. Der Wert der
Übung hängt weniger davon ab, was man erschaut, als davon, daß
man in sich die Kraft findet, die innere Ruhe zu entwickeln, die in
jedem Augenblicke das Unwesentliche vom Wesentlichen zu unter
scheiden vermag.
Er soll ferner auch die Barmherzigkeit pflegen. Keiner hat so
wenig, daß er nicht imstande wäre, seinem darbenden Mitmenschen
ist

zu helfen. »Geben seliger denn nehmen« heißt es, und dem


45

Schüler muß das Geben zur zweiten Natur werden. Wehe ihm,
wenn er bewußt an einem Darbenden vorübergeht, ohne ihm sein
Scherflein zu spenden. Er darf sich nicht scheuen, öffentlich Barm
herzigkeit zu üben. Andere Menschen mögen seine Mildherzigkeit
sehen; denn sein gutes Beispiel wird sie zu gleichem Tun erziehen.
Andererseits aber darf er die Gabe nicht zu dem Zwecke geben,
sich für seine Opferwilligkeit bewundern zu lassen, das wäre seiner
unwürdig.
Der Schüler muß selbstlos werden. Er darf, wenn er Hilfe
irgendwelcher Art spendet, nicht denken und erwarten, eine solche
Tat fördere seine ethische Entwickelung, noch weniger: sie könnte
ihm irdische Vorteile bringen. Er muß helfen aus dem mächtigen
inneren Verlangen heraus, nach bestem Vermögen Gutes zu stiften.
Wir alle sind Teile eines Urquells, sind im letzten Grunde eine
Einheit. Wen wir vor uns sehen, ob er in Armut und Niedrigkeit
ist, ob er im Reichtum prangt, ob er ungebildet oder gelehrt, fromm
nur die augenblickliche Erscheinungs
ist

oder ungläubig ist, jeder


ist

form, die Rückstrahlung seiner Entwickelung, nicht das innere


er

Wesen selbst; denn wir sind nicht der Körper. Und alles strebt
zum Guten, Ewigen, Göttlichen. Wenn sich der Schüler dieser Wahr
bleibt, auch das geistige Band er
er

heit immer bewußt dann wird


blicken, alle Geschöpfe verbindet; wird die Wesenseinheit
er

das
alles Beseelten erkennen, und wahre Nächstenliebe, Nachsicht, Dul
dung und Barmherzigkeit werden sein Herz einziehen.
in
ist

zu

Es des Schülers Grundsatz, streng sein gegen sich selbst,


Er

duldsam und nachsichtig gegen die anderen.*) soll niemals ver


gessen, mit Gedanken der Harmonie, Reinheit und Liebe einzu
schlafen.

Eine sehr wichtige Übung zur Beherrschung der Willenskraft


wird folgendermaßen ausgeführt:

Man muß imstande sein, sich selbst wie einem Fremden gegenüberzustehen.
*)

ihre Vor
so

Begegnet man aber andern Menschen, vertiefe man sich liebevoll


in

züge, und man wird Kraft gewinnen; man tadle hingegen ihre Schwächen nicht
unausgesetzt, sonst raubt man sich selber Erkenntniskräfte. Über Mitmenschen
sprechen und denken, daß die Gedanken vereinbar sind mit der
so

darf man nur


Achtung vor Menschenfreiheit und Menschenwürde.

46

Der Schüler nimmt sich (vorerst für die Dauer eines Tages) am
Morgen vor, den ganzen Tag über kein unnützes Wort zu sprechen.
Er denkt dabei an die Zersplitterung der geistigen Kräfte, die beim
unnötigen und unangebrachten Reden erfolgt. Es nicht gemeint,

ist
er solle dieser Zeit überhaupt nicht sprechen, wohl aber soll

er
in
alle überflüssigen Bemerkungen und alle nichtssagenden Redens

so
arten peinlich meiden; hat sprechen,

zu

er
bedient sich einer

er
kurzen, logischen und bestimmten Ausdrucksweise unter Vermeidung
aller Weitschweifigkeit und unnützer Wendungen. Trotzdem muß
sich jeder Schroffheit, Roheit und Herzenskälte enthalten, wozu
er

die irrtümliche Auffassung dieser Übung gerne verleitet. Man ge


wöhne sich gleichwohl eine energische Tonart an, die aber auf


keinen Fall herrisch oder lieblos klingen darf,
sie soll nur sicher
und bestimmt sein. Hat man diese Übung einen Tag über befolgt,
so

setzt man einen Tag aus; am dritten, vierten und fünften Tage
(hintereinander) verwirklicht man den gleichen Vorsatz; danach setzt
man wiederum einen Tag aus; hierauf wird die Übung sieben Tage
(eine Woche) lang ausgeführt, dann setzt man wieder einen oder
zwei Tage aus usf. aufsteigender Linie. Hat man gelernt, die
so in

Schweigen des
im
zu

Zunge zähmen, übe man sich auch


Urteils. Man muß lernen, sein Urteil zurückzuhalten. Niemand
kann lernen, der sogleich prüfen will, was Das Lernen
er
lernt.
ja

und Üben soll uns erst reif machen zum Prüfen und Urteilen.
Der Schüler wird bald erfahren, wieviel Kraft dem Umstande
er

verdankt, daß immer wieder allen Dingen gegenüber auf das Gute
er

sieht und mit dem richtenden Urteile zurückhält; vorausgesetzt,


das nicht bloß als äußerliche Lebensregel betrachtet, sondern
er

daß
auch vom Innersten seiner Seele Besitz ergreifen läßt.
es

Die Übung des Strahlensehens bleibt beibehalten. Der Schüler


muß außerdem tagsüber bei jeder passenden Gelegenheit versuchen,
zu

die odische Strahlung auch bei hellem Lichte sehen, indem


er

seine Finger gegen einen dunklen Hintergrund, gegen seine


B.
z.

Kleidung, hält. Jede Pause der täglichen Beschäftigung kann


in

dazu verwendet werden. Selbst das hellste Tageslicht darf kein


zu

bilden, wenn gilt, die Strahlung


es

Hindernis sehen.
Der Schüler muß hierbei viel Geduld und große Willenskraft
47

zeigen. Er muß die Strahlung sehen wollen, und mit der Zeit wird
er sie wirklich sehen. Die Vorstellungskraft muß anfänglich sehr
rege sein; was man zuerst nur glaubt, zu sehen, ist schließlich
Wirklichkeit, wenn der Schülernoch an Einbildung denkt. Wir
wiederholen, daß das Strahlensehen sehr wichtig ist; der Schüler
darf sich durch anfängliche Mißerfolge nicht abschrecken lassen.
Geduld und Ausdauer bringen ihn auch hier zum Ziele, und er wird
dann mit Staunen erkennen, daß sein Körper fortwährend eine feine
Ausstrahlung zeigt.
Die Übung des plastischen Vorstellungsvermögens an Gegen
ständen bleibt beibehalten. Diese Übung wird nunmehr folgender
maßen ausgedehnt: man nimmt eine Photographie zur Hand und
betrachtet sie fünf Minuten lang andauernd und eifrig. Alle Ge
danken, die mit dem Bilde nicht in Zusammenhang stehen, müssen
sorgfältig ferngehalten werden. Man darf auch nur den Gedanken
Raum gewähren, die der äußeren Erscheinung des Originals ent
sprechen, nicht aber seinen Charaktereigenschaften oder Episoden,
die man vielleicht mit ihm erlebt hat. Hat man diese Konzentration
fünf Minuten lang einwandfrei durchgeführt, so legt man das Licht
bild beiseite und ruft es sich mit starker Willenskonzentration vor
das geistige Auge. Man darf nicht ruhen, bis man das Bild bei
geschlossenem Auge so klar und deutlich vor sich stehen sieht,
daß man imstande ist, alle Einzelheiten wahrzunehmen. Die be
treffende Person muß mit großer Plastik, mit greifbarer Schärfe vor
uns stehen. Gelingt das nicht, dann wiederholt man das Experiment
unverzüglich. Diese Übung soll jeden zweiten Tag durchgeführt
werden und möglichst stets zu der gleichen Zeit.
Auch folgende Übung ist wertvoll. Man schreibt auf ein Blatt
Papier einen kurzen Satz, z. B.:

»Ich will energisch werden!«

Die Wahl des Satzes bleibt dem Schüler überlassen, nur soll er
Worte wählen, die zu seiner Entwickelung passen. Diese Worte
liest er einigemale mit voller Konzentration. Dann zwingt er sich,
sie an der Wand zu sehen. Auch dieses Experiment muß solange
durchgeführt werden, bis er die Worte klar und deutlich an der
Wand erblickt d. h. der Schüler muß immer wieder den Satz auf
48

dem Papier ansehen und sich darauf konzentrieren, um den Ver


such, ihn an der Wand zu erblicken, ebenso oft zu wiederholen.

sie

ist,
Diese Übung

ist
überaus wichtig. Sobald einmal gelungen
stellt man sich mit großer Willenskraft vor, die geistige Schrift
der Wand für das Auge fest haften bleiben. Danach geht

an
müsse
man zur Arbeit; jedenfalls entfernt man sich aus dem Raume,

in
dem man geübt hat. Nach einiger Zeit, anfänglich nach einer
Stunde, kehrt man wieder dieses Zimmer zurück, und auch jetzt

in
gelingen, den betreffenden Satz wieder

an
es

muß der alten Stelle


an der Wand zu erblicken und zwar ebenso klar und deutlich, wie
beim Beginn des Experimentes. Diese Übung macht man ebenfalls
jeden zweiten Tag.
Auch die Konzentration auf Gegenstände wird weitergeübt.
Der Schüler muß sie nunmehr mit unverschlossenem Ohre und an

Er
einfacheren Gegenständen durchführen. soll auch die Dauer
der Konzentration langsam erhöhen.

Gedanken sind reale, feinstoffliche Dinge. Sie durchdringen


den Grobstoff. Man kann bei entwickelter Willenskraft seine Ge
danken das Gehirn eines anderen Menschen übertragen; man
in

kann telepathisch auf ihn einwirken.

Die Gedankenübertragung (Telepathie) wird am besten durch


folgende Ubung eingeleitet. Wenn man auf wenig belebter Straße
hinter einer Person hergeht,
so

denkt man scharf und unausgesetzt:


»Du mußt dich umdrehen!« Man denkt sich bei diesem Experi
mente den rückwärtigen Teil des Gehirnes dieser Person offen da
liegen und diese Gehirnmasse hinein treibt man seinen Willen,
in

scharf und unausgesetzt, ohne jede Abschweifung. Mit einiger


Willenskraft wird das Experiment
sehr bald gelingen. Man kann
Anwendung bringen.
es

auch im Theater usf. zur

Die Gedächtnisübungen des zweiten Lehrbriefes werden fleißig


fortgesetzt.

Wenn man auf der Straße geht, bleibe man öfters vor schön
oder abwechslungsreich dekorierten Schaufenstern stehen. Man
zwinge sich (anfänglich innerhalb längerer, später aber ganz
in
49

kurzer Zeit), den Inhalt des Schaufensters zu erfassen, daß


derart
man, sobald man die Augen für einen Augenblick schließt, vor dem
geistigen Auge ein in allen Teilen getreues Bild erhält. Dann öffnet
man die Augen wieder und prüft das Bild, das man innerlich ge
schaut hat, an dem Objekte. Dieses Experiment wird nicht sofort
gelingen. Wenn man sich unbeobachtet weiß, wiederholt man es,
und zwar so oft, bis das innere Bild mit der »Wirklichkeit« voll
ständig übereinstimmt. Dann geht man nach Hause und läßt sich
durch nichts vom Bilde ablenken. Zu Hause ruft man sich das
Schaufenster wieder ins Gedächtnis zurück und versucht, es durch
Schrift oder Zeichnung möglichst naturgetreu bis in alle Einzelheiten
wiederzugeben. Sobald es sich günstig trifft, geht man abermals
zu dem Schaufenster und vergleicht die Niederschrift oder die Zeich
nung mit dem Inhalte des Schaufensters.
Man macht diese Übung so oft, als sich Gelegenheit dazu findet,
und man läßt bei keinem Objekte früher nach, als bis das Gedächt
nis das Geschaute in photographischer Treue wiedergibt.
Man gebe sich überhaupt nach allen Ausgängen genaue Rechen
schaft von dem, was man erlebt und gesehen hat. Selbst unschein
bare Kleinigkeiten soll man im Gedächtnis registrieren. Das lernt
man aber nur dadurch, daß man bei jeder Gelegenheit, da Ein
drücke an uns herantreten, also besonders bei unseren Ausgängen,
wachsam ist, alles aufzunehmen und rasch zu erfassen, und dann
das Gedächtnis zu treuer Wiedergabe zwingt.
Das soll man auch jeden Abend üben. Alle Handlungen und
Ereignisse des Tages lasse man vor dem geistigen Auge vorüber
ziehen, vorwärts und rückwärts. Diese Übung hat zwei Vorteile:
sie übt das Gedächtnis und gibt uns Selbsterkenntnis. Sind wir
mit unsern Handlungen nicht völlig zufrieden, so müssen wir uns
ernstlich vornehmen, fürderhin besser zu handeln. Diese abendliche
Selbstkritik, die mit großer Strenge durchgeführt werden soll, kann -

nicht warm genug empfohlen werden.


Die Abend- und die Morgenübungen bleiben bestehen, mit ihnen
auch die morgendliche Erfolgübung.
50

Noch ein Rat sei dem Schüler ans Herz gelegt: er sammle Merk
sprüche für sein Gemüt, für seine ethische und okkulte Entwickelung.
Beispiele:
»Meine Okkulten Kräfte werden sich allseitig entfalten,
ich bin vom endlichen Erfolge fest überzeugt I«

»Ich werde unbedingt Herr meiner Leidenschaften werden!


Ich fühle mich rein, harmonisch und freil«

»Weh dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld,


sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein l«

»Wer nur an sich als Person denkt,


der ist im Grunde ein gemeiner, kleiner, schlechter und
dabei verächtlicher Mensch l«

»Es horcht ein stilles Herz


auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung
und übt sich insgeheim in jedem Guten.«

Jeden zweiten Tag wechselt man mit den Merksprüchen, die


man auswendig lernt und, so oft man sich unbeobachtet weiß, halb
ist

laut vor sich hersagt. Es beim anstrengendsten Beruf möglich,


diese kleine Übung jede Stunde einmal vorzunehmen. Mit dem
Hersagen dieser Merksprüche soll die plastische Vorstellung ver
bunden sein, man habe den erstrebten Zustand bereits erreicht und
man empfinde ihn. Diese Vorstellung beschleunigt den Erfolg.
Brief IV
Der Körper muß nicht äußerlich, sondern auch innerlich rein
gehalten werden.Der Schüler darf unter keinen Umständen die
Ansammlung fauliger Stoffe und Gase in seinem Körper dulden.
Individuelle blutlose Diät verjüngt und entgiftet alle Organe.
Vor allem muß öfters der Darm gereinigt werden. Der Yogi
macht das mit Hilfe seiner Willenskraft. Er führt sich ein Bambus
röhrchen in den After ein und zieht das Wasser in den Leib. Durch
seine Willenskraft und eigenartige Muskelbewegungen
treibt er das
Wasser im Darmkanal hin und her und erzielt dadurch gründliche
ist

Reinigung. Dieses Experiment nicht ungefährlich und erfordert


bedeutende Willenskraft und Körperbeherrschung. Der Schüler er
reicht gute Wirkungen durch eine einfachere Maßnahme.
Er benützt einen Irrigator. Dieser Apparat besteht aus einem
kleinen Wasserbehälter, der an der Wand (nicht allzuhoch, um Be
schädigungen verhüten!) aufgehängt oder auf irgendein Möbel
zu

stück gestellt wird. Von diesem Wasserbehälter führt ein (ungefähr


einem verschließbaren Hartgummi
zu

langer) Gummischlauch
m
1

röhrchen. Das Wasserbecken wird mit lauwarmem Wasser gefüllt


oder auch mit Kräutertees (Wermut, Rosenblüten usf.). Der Schüler
legt sich auf die Erde
und zwar mit der Brust nach unten. (Wer
sich auf ein Sofa legen will, muß natürlich den Apparat ent
sprechend höher anbringen.) Manche Personen ziehen die Knie
Ellbogenlage oder auch das Stehen vor. Dann führt man das
leicht eingeölte Röhrchen den After ein. Durch den Druck wird
in

Wasser den Darmkanal gepreßt. Wenn genügend Wasser einge


in

treten ist, legt man sich auf den Rücken und versucht durch Ein
54

ziehen der unteren Bauchmuskeln bzw. durch kreisförmiges Streichen


der Bauchdecken von rechts nach links unter dem Nabel vorbei
das Wasser so hoch als möglich hinauf zu treiben. Dem Streichen
folgt ein mehrmaliges vollständiges Einziehen und Losschnellen des
Bauches. Dann werden abwechselnd die linken und die rechten
Bauchmuskeln eingezogen. Dadurch, daß man diese Muskelbewe
gungen kräftig acht- bis zehnmal wiederholt, wird das Wasser in
alle Darmbuchten gedrückt. Erst jetzt folgt man dem Stuhldrange.
Der Einlauf muß wiederholt werden, bis das Wasser den Darm klar
und rein wieder verläßt. An das Darmbad muß sich ein kleines,
kühleres Bleibeklystier anschließen, d. h. man bringt in den Behälter
etwas kühles Wasser, ungefähr ein kleines Trinkglas voll, und läßt
es auf die beschriebene Weise in den Körper eindringen. Diesen
letzten Einlauf soll man unter allen Umständen behalten. Das Wasser
aufgesogen werden. Das

ist
soll von der Dickdarm-Schleimhaut
leicht durchführbar, wenn man einige Minuten ruhig liegen bleibt.
(Neuerdings sind besondere Darmbadeapparate den Handel ge

in
kommen. Solche Apparate und ebenso Pflanzenfettseife, Hautfunk
tions-Öl, Hautreinigungs-Öl usf. liefert der Verlag dieser Lehrbriefe)
zu

Ab und trifft man auch folgende Maßnahme zur Darm


reinigung. Man füllt den Wasserbehälter nur halb mit lauwarmem
weichen Wasser und hängt ihn noch niedriger als zuvor. Da der
Wasserdruck nunmehr geringer ist, muß der Schüler versuchen, das
Wasser durch After und Mastdarm den Körper einzuziehen und
in

dann die beschriebenen Muskelbewegungen vorzunehmen. Bei der


nächsten Übung erschwert man das Experiment weiterhin dadurch,
daß man den Wasserbehälter gleicher Höhe mit dem Körper an
in

bringt. einer starken Willensanstrengung bedürfen, um


es

Da wird
das Wasser den Körper einzuziehen. Man lasse sich durch an
in

fängliche Mißerfolge keinesfalls abschrecken. Nach und nach wird


auch dieses wichtige Experiment gelingen.
Bei den Darmbädern ist Vorsicht zu üben! Wer eine reine Diät
pflegt und seine Nahrung richtig und gründlich kaut (fletchert), be
darf des Darmbades nur einmal oder doch nur selten. Allein beim
Übergang von der Alleskost und der fauligen Fleischnahrung zur
individuellen blutlosen Diät sind wiederholte Einläufe angebracht
und heilsam. Der Schüler beachte unsere Anweisungen und be
55

denke, daß Übertreibungen den Darm schlaff machen, somit das


Übel verschlimmern. -

Nach jeder Abwaschung (Schwammbad) muß der Körper be


kanntlich mit den Händen frottiert werden. Da der Schüler mäh
lich sensitiver wird, da er aufnahmefähiger wird für feinere Schwin
er,

zu
gungen, so muß um stets weitere Fortschritte erzielen, allezeit
die besten Körperpflegemittel verwenden. Die Alten haben vor
und nach Waschungen den Körper mit wohlriechenden Ölen einge
rieben. Diese Maßnahmen entsprangen hygienischen Erwägungen.
Wir reiben heute, im gleichen Sinne, nach Bädern und Waschungen

Öl
den Körper mit Gottliebs Hautfunktions-Öl ein. Das muß gut
die Poren gerieben werden. Man berücksichtigt dabei vornehm
in

lich den Plexus solaris (Sonnengeflecht, Nabelgegend) und die Wir


belsäule. Auf Plexus solaris (Nabel, Magengrube) verreibt
dem
Öl

kreisrunden Bewegungen. Die Wirbelsäule wird

in
in

man das
Längsstrichen eingerieben. Schließlich behandelt man auch die
Schläfen leicht mit dem Öle und zwar ebenfalls kreisrunden Be
in

wegungen. Mineralische und tierische Fette (Petrolatum, Vaseline,


meiden, da sie dem physiologischen Betriebe der
zu

Lanolin) sind
Hautart artfremd sind.
Der Schüler muß seine Diät blähungsfrei machen. Darum sind
zu

vor allem falsche Speisen Zusammenstellungen meiden. Statt


-
ist

zu

Hefenbrot Vollkorn-Brot gebrauchen. (Der Schüler soll lernen,


zu

seine Speisen selbst Solche Tätigkeit gleicht vieles


in

bereiten.
ihm aus und macht ihn unabhängig von Speisehäusern. Anleitungen
im

der Monatsschrift »Prana« und »Reformkochbuch» [Mk. 3.50].)


in

Der Schüler soll mit allen Mitteln darauf bedacht sein, sein
die Speisen
zu

Blut entgiften. Wöchentlich einmal beschränke


er

zu
36

zufuhr und nehme Stunden lang Tag und Nächte) nichts


(1

Vor übertriebenem
ist

sich. Fleisch keine Nahrung für ihn.


Fasten warnen wir. Was für den Hindu gut ist, kann noch lange
nicht gelten für den Europäer, der ganz anderen klimatischen,
in

sozialen und kulturellen Verhältnissen lebt. Unsere Verhältnisse be


dingen einen weit größeren Kräfteaufwand, unsere Nervensubstanz
wird viel intensiver verbraucht; wir müssen daher auch den nötigen
Ersatz schaffen. neuerer Zeit machen verschiedene Schwindel
In

a.)

systeme (Mazdaznan Aufsehen, deren größte Weisheit einem


in
u.
56

mehr als extremen Fasten beruht. Dieses Mißverstehen indischer


(»persischer«) Lehren schafft alles andere als eine kräftige und wider
standsfähige Menschheit. Eine Ernährung, die nicht in Einklang
steht mit dem Kräfteverbrauch, führt zu Blutentmischung. Allzu
langes Fasten ist durchaus unstatthaft. Für des Leibes normale Aus
eine quantitativ mäßige und qualitativ höchstwertige

ist
bildung
individuelle Ernährung notwendig. Alle Extreme wirken auch hier
schädlich.

soll alle Lei

Er
Dem Rauchteufel muß der Schüler entsagen.
denschaften ablegen. Spirituelles Wirken steht ihm höher und be
glückt ihn mehr, als alle tierischen „Genüsse“. Die materiellen „Ge
böse Folgen, daß sie eine Versündigung
so
nüsse“ haben zudem
sind gegen den Willen GOTTES, der uns gesunde Körper bestimmt
hat. So rächt sich jede Leidenschaft durch Krankheit, Leid und
Schmerzen am Menschen, selbst

an
seinen Kindern.
Auch der Alkoholgenuß (in jeglicher Form) muß allmählich auf
gegeben werden. Das Verlangen nach Alkohol entsteht durch falsche,
gedankenlose und unreine Diät. Unsere Diät macht alles Trinken
überflüssig (sie schont daher die Nieren) und erweckt Widerwillen
gegen geistige Getränke. Die Spirituosen sind abnorme, satanische
Getränke, die böse Mächte uns brauen lehrten, um unsern Aufstieg
zu

zu

GOTT unterbinden.

Die Abendstunden gehören den Übungen und der geistigen


Sammlung. Der Schüler darf nicht vergessen, daß sich seine Ent
wickelung auch während des Schlafes vollzieht. Da aber der Schüler
während dieser Zeit des kontrollierenden Wachbewußtseins ermangelt,
muß vor dem Einschlafen alle schädlichen Einflüsse verbannen;
ist er

das ihm aber nicht möglich, solange sich abends zerstreuende


er

in

Gesellschaft oder öffentliche Lokale begibt, –


ahnt nicht, welche
er
in

nach Hause bringt, Einflüsse, deren schreck


er da

Influenzen von
er

lichen Wirkungen dann des Nachts ausgesetzt ist.


Seine Gedankenwelt muß der Schüler allezeit rein und keusch
erhalten. Es muß jeder Gedanke vermieden werden, der irgendwie
sexuell erregen könnte. Besonders des Abends muß sich der Schüler
vor solchen Gedankenformen energisch schützen.
57

Diese Lehrbriefe predigen nicht eigenwillige Askese. Der Schüler

ist
meidet schädliche, unwürdige und irdische Genüsse, weil er frei
und über dem Ameisenkribbelkram der Herdenmenschen steht, nicht
sog. »Gelübde« abgelegt hat. Nur Schwächlinge und
er
etwa, weil
unsichere Kantonisten bedürfen eines Gelübdes. Es gibt eine wahre
und eine falsche Askese. Der falsche Asket übt Askese, weil ge
rade sie für ihn höchster Genuß oder auch –
Ruhm (daher keine
wahre Askese!) ist. Die »Askese« des Schülers ist Freiheit: sie
führt ihn vom Vergänglichen zum Unvergänglichen.

III)
Die Übungen Körpergymnastik (vgl. Lehrbrief
werden
in

der
fortgesetzt.Ebenso muß die Ruheübung ausgestreckter Lage auch

in
fernerhin vorgenommen werden; dagegen braucht der Schüler die
Ruheübung sitzender Stellung, mit geschlossenen Knien, noch
in

nur zweimal wöchentlich durchzuführen. Die Spiegelübung mit dem


Selbstgespräch hingegen bleibt bestehen und soll mindestens jeden
zweiten Tag an die Reihe kommen.

er
ist

zu
Es des Schülers Aufgabe,
Liebe bei allen Menschen
wecken, die mit ihm verkehren. Das ist keinesfalls so schwer, als
man glaubt. Selbst Personen, die uns feindlich gegenüberstehen,
zu

können wir besserer Gesinnung erziehen. Freilich müssen wir


zuerst selbst dieses Gefühl uns mächtig werden und erstarken
in

lassen. Wenn jeder Gedanke uns dahin zielt, dem Bruder und
in
zu

Mitmenschen helfen, wenn alles, was wir sprechen und tun, auf
dem Wunsche fußt, andern zu nützen, dann wird die selbstlose All
Liebe gar bald einziehen und sich auch nach außen offenbaren.
Durch zwei Methoden zugleich muß der Schüler dieses Ziel ge
zu

winnen suchen. Einmal dadurch, daß sein ganzes Wesen von


er

wahrer Menschenliebe durchdringen läßt, und zweitens dadurch, daß


diese Liebeskraft durch bewußte Übertragung seinen Mitmenschen
er

einflößt. Wir strahlen bekanntlich fortwährend Od (Prana) aus. Das


ist

Od psychisch gefärbt. Wenn wir Haß denken und fühlen, wird


unser Od diesem Sinne geladen sein und als Fluch wirken. Wenn
in

wir Liebe, Güte, Barmherzigkeit und Nachsicht fühlen und denken,


dann wird auch unser Od diese reinen Tendenzen haben und Segen
stiften. Übertragen wir unser Od durch die bewußte Willenskraft
58

auf unsere Mitmenschen, so werden sie Eindrücke empfangen, die,


sobald sie von ihnen verarbeitet worden sind, in ihnen die gleichen
Empfindungen wecken.

Der Tag bringt manche Unannehmlichkeiten und Widerwärtig


keiten kleinerer und oft auch schwerwiegender Natur. Sich rasch
damit abzufinden, sei des Schülers Losung. Damit soll nicht Leicht
sinn gepredigt werden. Aber man nehme die Dinge, wie sie wirk
lich sind, und lasse sich nicht täuschen durch den Schein. Das

ist
»Übel« in der Welt nur Entwickelungs- und Erziehungsmittel.
Wer sich bewußt ist, daß alles »Unangenehme« seine nützliche Kehr
seite hat, daß alles Leid einen Schritt näher zur Erkenntnis bringt
und uns reifer macht, der wird auch Gewinn zu ziehen wissen aus

zu
allem, was ihn augenblicklich stört und aus dem Gleichgewicht
bringen droht. Wenn uns ein Leid widerfährt,
sollen wir sagen:

so
das Leid schmerzt mich jetzt wohl, aber aus einem guten Grunde
mir widerfahren. Das Leben ist Ursache und Wirkung. Die
es

ist
Wirkung hat mich empfindlich getroffen, aber wo liegt ihre Ursache?
Wer den ehrlichen Willen zum Guten hat und, anstatt kopfhänge
rischem Brüten und alberner Gefühlsduselei sich hinzugeben, eine
unparteiische Prüfung aller Umstände vornimmt, die ihm Leid ein
gebracht haben, der wird bald genug sehen, daß das Übel aus ihm
selber stammt. Er wird, wenn die ganze Kette von Ursachen
er

überblickt, die das Übel geschaffen haben, bald erkennen, daß

er
durch ein liebloses Wort, durch eine egoistische Handlung,
B.
ja z.

vielleicht auch schon durch wiederholte unreine oder lieblose,


egoistische und unschöne Gedanken den ersten geistigen Anstoß
zum Unheil gegeben hat. Hat man einmal dieser Hinsicht Klar
in
so

heit gewonnen, kann man sich nicht mehr negativen Gedanken


zu

hingeben. Sie führen nichts und schaffen nur neues Elend, neues
Leid. Der Mensch muß sich vielmehr aufraffen, positiv werden
und künftig edler denken, reden und tun. Gute Gedanken, Gute
Worte, Gute Taten wollen wir vom Schüler sehen.
Der Schüler muß allen Fällen positiv denken. Er wird sich
in

sagen: »Ich habe Ursachen gelegt, die mir Leid eintragen mußten.
Doch ich habe gelernt aus dem Leide, ich will besser werden«.
Auch wenn nur indirekt der Urheber seines Leides war, so hat
er
59

er dem direkten Urheber seines Ungemaches geistig und wörtlich


(persönlich) zu vergeben. Wenn er das selbstverschuldete Übel
auf sich nimmt und es ohne seelische Erregung trägt, wenn er dem
Übel positive Gedanken der Selbstbeherrschung, der Ruhe und des
Friedens entgegensetzt, dann hat er dem Leide schon den Stachel
genommen und er wird in viel kürzerer Zeit von seinen Wirkungen
frei werden, als ein anderer, der sich seinem Schmerze willenlos
hingibt.
Das Leid hat nur den einen Zweck, uns zur Besinnung und zur

ist
Erkenntnis zu bringen, uns zu bessern; das erreicht, dann hat
das Leid seinen erzieherischen Wert verloren,

es
und wir brauchen
nicht mehr. seiner Wunde; doch der Weise,
Nur der Tor wühlt
in

der des Leides Sinn versteht, wird alles tun, die Wunde zu heilen.
Dazu verhelfen ihm die Einsicht und die Willenskraft. Bei kleineren
Übeln gelingt das leichter, obwohl gerade sie für den Willens
schwachen den größten Stachel haben.
zu

Um auch gegen großes Leid gewappnet sein, stärke man


die Willenskraft durch folgende Ubungen:
Sobald den Schüler eine Beunruhigung trifft, sobald eine er
zu

Unbill tragen
hat oder ihn sonst ein Kummer überfällt, nehme
sich vor, nachdem ihre Ursache erforscht hat, eine bestimmte
er

er

so zu

Stunde des Tages nicht mehr daran denken. Das wird für den
Anfang nicht leicht sein und
je
ist

um schwerer, tiefer uns das


ist

Übel ergriffen hat. Wem mit seiner Schulung und


es

aber ernst
Entwickelung, wird
sich zur bestimmten Stunde heherrschen
der
und seine Gedanken durch nützliche anstrengende Tätigkeit ablenken.
Und mit Staunen wird bemerken, daß nach Ablauf dieser
er

er

Stunde schon mit leichteren Gefühlen an seinen Kummer denkt.


Am anderen Tage macht das Experiment Stunden lang, am
er

dritten Tage Stunden lang usf. Nach Ablauf einiger Wochen wird
3

von seinem Schmerze geheilt sein oder doch mit voller Ruhe
er

ohne jeden Schmerz und ohne Bitterkeit


an

das Leid denken.

Der Schüler muß jeden Tag wenigstens eine gute Tat voll
bringen, die anderen Menschen zum Besten dient. Und wer seinen
Werdegang veredeln und beschleunigen will, der sucht gerade solche
zu

gute Handlungen vollführen, die ihm schwer fallen, die ihm


60

Opfer kosten an Mühe, Zeit, Geld oder an Selbstüberwindung. An


Gelegenheiten dazu fehlt es keinem Menschen. Man braucht nur
das Auge offen halten, man darf nur sehen wollen. Wer achtlos
und nur auf sich selbst bedacht durchs Leben schreitet, in dem
schläft freilich das Auge der Barmherzigkeit.

Das Strahlensehen wird nunmehr auf den ganzen Körper aus


gedehnt. Ja, alles strahlt und ist von der »odischen Lohe« um
geben, nicht allein die Hände, sondern auch jeder Körperteil. Man
suche die Strahlung des Armes, der Brust usf. zu sehen. Auch bei
anderen Menschen kann man diese Übung anwenden. Wenn wir
einer Person gegenüber sitzen, so versuchen wir, selbstverständlich
ohne jede Aufdringlichkeit, diese Strahlung zu sehen. Wir müssen
uns mit Willenskraft darauf sammeln (konzentrieren) und uns be
wußt bleiben, daß die odische Strahlung eine Tatsache ist. Aus
dauer und fester Wille führen auch hier zum Erfolge.

Folgendes Experiment dient zur Entwickelung des psychischen


Sinnes:
Man verschließt sich die Ohren mit dem bekannten Wachs
Watte-Pfropfen. Dann setzt man sich an einen Tisch und stützt den
Kopf in die Hände, und zwar so, daß man mit den Fingerspitzen
die Augen verschlossen hält. (Es darf jedoch nur mäßiger Druck
auf die Augen ausgeübt werden.) In dieser Stellung verharrt man
vollkommen ruhig und achtet darauf, welche Farben sich langsam
im Innern des Auges d. h. vor dem Geistesauge zeigen. Man wird
vorerst nur unbestimmtes Dunkel sehen. Aber dieses Dunkel wird
sich nach und nach lichten, wird farbigen Tinten weichen: nach
einiger Übung wird es gelingen, die Farben zu erkennen und zu
bestimmen.
Bald werden sich die Farben mehr und mehr vertiefen, reiner
und bestimmter werden. Diese Farben werden zu den verschie
denen Zeiten des Tages wechseln. Der Schüler wird einmal rot,
ein andermal grün oder blau sehen; vielleicht auch mehrere Farben
zusammen, z. B. als Grundfarbe rot und rund herum einen leichten
blauen Kranz. Die Übung des Farbensehens
z. ist

sehr wichtig; denn


sie entschleiert große Geheimnisse;
so

B.

kann der Schüler aus


61

diesen Farben, die seine augenblickliche Schwingung repräsen


tieren, leicht erkennen, in welcher Gemütsverfassung er bzw. andere
sich gegenwärtig befinden. Es schlummern nämlich in uns zeit
weise – und zwar so verborgen, daß wir im Wachbewußtsein ihre
Existenz nicht vermuten – gefährliche Triebe und Disharmonien.
Es bedarf oft nur des leisesten Anstoßes von außen, und diese ver
borgenen Stimmen treten aus ihrer Latenz zutage; sie belästigen
uns, schaffen uns Unannehmlichkeiten, Leiden und Kämpfe. Da
wir jedoch durch das Farbensehen unsere Stimmung augenblicklich
zu erkennen vermögen, so werden wir stets gewarnt sein und uns
nicht überraschen lassen. Wir werden vielmehr in solchen Fällen
unsere geschulte Willenskraft zu Hilfe nehmen und die gefährlichen
Schwingungen durch vermehrte Harmonie ausgleichen.

Zur Pflege und Einhaltung des positiven Denkens soll auch


folgendes Experiment häufig geübt werden. Wenn sich der Schüler
einer Person gegenüber befindet, der er durch Freundschaft, Bluts
verwandtschaft oder Liebe verbunden ist, mit der er also in regem
Verkehre steht, soll er sich stark auf einen bestimmten Gedanken
konzentrieren. Er muß dabei den festen Willen haben, jener Person
diesen Gedanken zum Bewußtsein zu bringen. Er stellt sich im
Geiste den Astralkörper der Person vor und projiziert diesen Ge
danken unaufhörlich und mit starkem Willen in den Kopf des Astral
körpers. Man muß natürlich anfänglich einfache Gedanken wählen
und zwar Gedanken, die im Ideenkreise jener Person liegen. Man
wird nach einigen Übungen den Erfolg darin sehen, daß die be
treffende Person plötzlich von selbst über diesen Gedanken zu
sprechen beginnt.

Die meisten Menschen sind Rechtshänder. Das hat zur Folge,


daß nur die linke Gehirnhälfte kräftig ausgebildet und funktions
tüchtig ist. Um auch die andere Gehirnhälfte zur gleichen Reg
samkeit zu bringen und vermehrte geistige Tätigkeit und Freiheit
zu erlangen, soll man auch die linke Hand ausbilden: man zwingt
sich, vorerst die leichteren Handhabungen auch mit der linken Hand
auszuführen und geht nach und nach dazu über, sich volle Freiheit
62

und Fertigkeit im beider Hände zu erringen.*)


Gebrauche Man
versuche später, mit der linken Hand sogar zu schreiben. Wenn
das auch viel Mühe kostet, so muß es doch jedem Menschen ge
lingen. Man darf freilich nicht ausschließlich linkshändig werden
– das wäre ja kein Fortschritt –,
sondern man muß beide Hände
zu jeder Handhabung gebrauchen können. Manchmal wird empfohlen,
den rechten Arm wochenlang in einer Binde zu tragen, um zum Ge
brauche und zur Übung der linken Hand gezwungen zu sein. Vir
tuosen und Künstler bilden übrigens spontan die linke Hand aus
(Adolf von Menzel). Der Lohn der Übung liegt in der Zunahme der
geistigen Kraft, da eben mit jeder Hand auch die entsprechende
Gehirnhälfte ausgebildet und ertüchtigt wird.

Die Gedächtnisübungen werden fortgesetzt. Sie sollen vorge


nommen werden, so oft sich Zeit und Gelegenheit dazu bieten.
Außerdem macht der Schüler jeden zweiten Tag folgende Übung:
Er denkt an einen Gegenstand, an ein Wesen oder an irgendeinen
Begriff und sucht blitzschnell den entgegengesetzten Begriff oder
Gegenstand in seiner Vorstellung zu erwecken. Stellt er sich z. B.
die Farbe »schwarz« vor, so muß sich ihm sofort der Begriff »weiß«
aufdrängen. Auf »Sonnenschein« muß »Regen« folgen, auf »klug«
folgt »dumm«, auf »Eltern« muß »Kinder« erscheinen usf. Diese
Übung soll nicht allzu kurz gemacht werden; ihre Wirkung besteht
darin, daß man lernt, stets entgegengesetzte Begriffe so schnell als
möglich und ohne jedes Zögern und Nachdenken zu erfassen. Der
Erfolg wird bald eintreten. Dann erschwert man die Übung. Man
versenkt sich lebhaft in irgendeine Situation des täglichen Lebens.
Man denkt sich z. B., man sei beim Abschlusse eines vorteilhaften
Geschäftes beteiligt und führt sich die Begleitumstände einer der
artigen Situation deutlich vor das Geistesauge. Plötzlich bricht man
ab und versenkt sich mit der gleichen Plastik, und ohne nur im
geringsten zu zögern, in die gegenteilige Vorstellung, etwa in die
Vorstellung Nach erfolg
eines großen Verlustes im Geschäftsleben.
reichen Versuchen steigert man diese Übung folgendermaßen: Man

*) Die Fähigkeit, beide Hände in gleichem Maße zu gebrauchen, heißt


Ambidextrie.
63

versenkt sich in einen angenehmen Gedankengang, z. B. in die Vor


stellung des freudigen Wiedersehens mit einem Freunde, der lange
ferne war. An einem bestimmten Punkte wird schnell abgebrochen:
man wendet sich z. B. irgendeiner neuen Erfindung zu, für die man
großes Interesse hat. . . . . Mit voller Sammlung verfolgt man eine
Zeitlang den neuen Gedankengang, um dann plötzlich und ganz
unvermittelt zur ersten Vorstellung zurückzukehren. Aufgabe ist, so
fort bei dem Punkte anzuknüpfen, bei dem man abgebrochen hatte.
Man nimmt während einer Übung vier- bis fünfmal den Wechsel
verschiedener Begriffe vor.
Zur Stärkung des Gedächtnisses lernt der Schüler kleinere Lese
stücke auswendig und versucht, sie von rückwärts herzusagen. An
fangs wird das nur unvollkommen gelingen, mit Fleiß und Ausdauer
aber wird sich der Erfolg einstellen, und der Übende wird sich durch
vermehrte Zuverlässigkeit seines Gedächtnisses belohnt finden.
Die Konzentration auf Gegenstände wird dauernd geübt, nur
die Zeitdauer der Übung nach und nach
ist

zu

erhöhen. Man kann


zu

eine Pflanze als Gegenstand der Konzentration


ab

auch und
wählen,
B.

einen Blumenstock. Schließlich konzentriere man sich


z.

auf ein Tier der Umgebung. Das beste Objekt für diese Kon
in

ein Vogel seinem Käfig. Nunmehr wird die Auf


ist

zentration
in

gabe schon schwieriger! Das Flattern des Vogels und das Herum
hüpfen allein schon werden anfänglich stören. Aber fleißige Übung
überwindet auch diese Schwierigkeiten. Später wählt man einen
Singvogel. Nach einigen anstrengenden Übungen wird uns auch
der Gesang des Tieres nicht mehr stören.
Die Übung des plastischen Vorstellungsvermögens darf nie
mals versäumt werden.
an

Ebensosoll die bekannte Übung Hand der Photographie


auch fernerhin vorgenommen werden. An diese Übung schließt
man jeden zweiten Tag folgendes Experiment zur Stärkung der gei
stigen Kraft an: man stellt sich mit lebhafter Deutlichkeit einen
größeren Gegenstand vor, der sich nicht im Übungszimmer befindet,
und zwar bei geschlossenen Augen. Man muß sich dabei solange
auf den Gegenstand konzentrieren, bis man imstande ist, ihn dauernd
so

im geistigen Auge festzuhalten. Hat man das erreicht, öffnet man


rasch die Augen und versucht den Gegenstand an der Wand oder
64

an irgendeiner hellen Fläche deutlich zu sehen. Mit dem Aufgebote


der ganzen Willenskraft muß man sich zwingen, diesen wichtigsten
Teil der Übung zu ermöglichen. Das wird keinesfalls sofort ein
wandfrei gelingen, darum wiederholt man das Experiment mit Ge
duld. Man darf sich durch die anfänglichen –ganz selbstverständ
lichen – Mißerfolge nicht entmutigen lassen; der Erfolg kommt so
sicher, wie der Tag der Nacht folgt. Dieses Experiment schärft die
geistige Vorstellungskraft bedeutend und hat großen Einfluß auf das
Gedächtnis.

Wir gehen über zur weiteren Ausbildung des magnetischen


Blickes.
Die Sehübung mit dem schwarzen Kreise mag auch weiterhin
beibehalten werden, nur muß man jetzt einen noch kleineren Kreis
wählen. Das Fixieren des Kreises von vorne, sodann von rechts
und links wird auch fernerhin geübt, aber womöglich etwas länger
als bisher. Abwechselnd ergänzt man die Übung auf folgende Weise:
Man behält die Stellung dem Kreise gegenüber bei und dreht den
Kopf langsam nach rechts (so weit als nur möglich) und ebenso
wieder zurück nach links bis zur äußersten Grenze. Dabei darf
man jedoch auf keinen Fall den Punkt aus den Augen verlieren.
Wenn sich auch der Kopf dreht, –
die Augen müssen starr und
unbeweglich an dem schwarzen Kreise haften bleiben; jedwedes
Blinzeln und Zucken hat zu unterbleiben.
Nunmehr befestigt man den Kreis so hoch als möglich und,
ohne den Kopf in seiner geraden Haltung zu verändern, richtet man
die Augen langsam in die Höhe und sieht in dieser Augenstellung
starr und unbeweglich den Kreis so lange als möglich an. Später
wird das Experiment in der Weise ausgeführt, daß man den Kreis
sehr tief anbringt.
Die Übung des magnetischen Blickes im Spiegel wird noch
einige Zeit fortgesetzt. Es ist zu empfehlen, sich ab und zu auf
einen bestimmten Punkt des Spiegelbildes zu konzentrieren, ohne
jedoch die Augen von den Augen des Spiegelbildes zu lösen.
Man sieht sich z. B. unverwandt in die Augen und zwingt sich
dabei, ohne hinwegzusehen, den Mund und das Kinn deutlich zu
erblicken. Man muß diese Gesichtspartien so klar sehen, als halte
65

man die Augen auf sie gerichtet. Das Experiment dauert so lange,
bis man die kleinsten Einzelheiten scharf und deutlich erkennt.

Der Schüler vermag jetzt voll und tief zu atmen. Immerhin ist
seine Atmung noch etwas einseitig. Es gibt einen Hochatem und
einen Tiefatem. Der Schüler hat bis jetzt ausschließlich die gründ
liche Tiefatmung der Bauchatem, der allein schon

ist
erlernt: das

zu
imstande ist, den Körper gesund und kräftig erhalten. Durch
eingesogen werden,

da
das Tiefatmen kann am meisten Luft die
Lungenflügel bei ihm größeren Spielraum haben. Immerhin aber
wird dabei nur ein Teil der Lunge mit Luft versehen; die kleinere
zu
obere Lungenpartie kommt dabei kurz. Beim ausschließlichen
Hochatmen, das die meisten Menschen, vornehmlich die Frauen,
wie jedermann beobachten kann, aus Unwissenheit und Nachlässig
keit pflegen, erhält nur die oberste Lungenpartie das nötige Quantum
Luft, während die größeren unteren Lungenteile nur spärlich bedacht
werden. Das ist die bedenklichste Art, zu atmen. Der Schüler ver
bindet diese Atmungsarten und erreicht damit den Vollatem, wie
gesunden Säuglingen, bei denen die
an

wir ihn beobachten können


Natur noch die Oberhand hat.
Der Vollatem füllt die ganze Lunge gleichmäßiger
Weise
in

mit Luft und gestattet somit die Aufnahme der größtmöglichen Sauer
stoffmenge (vitale Kapazität das größtmögliche ein- und aus
h.
d.

gründlicher wir die Lunge bei jedem


Je

atembare Luftvolumen).
Atemzuge mit Luft anfüllen können, um
so

mehr führen wir uns


auch die der Luft enthaltenen feinen und feinsten Kräfte zu.
in
da

Und wir dieser Kräfte zur Weiterentwickelung dringend bedürfen,


müssen wir den Vollatem erringen.
Man übt den Vollatem vorerst mit beiden Nasenlöchern.
Der Schüler zieht den Atem durch beide Nasenlöcher der
in

gewohnten Weise tief ein, indem durch einen leichten Druck auf
er

den Unterleib die Bauchwand vorwärts drängt. Der Druck soll sanft
von oben nach unten geführt werden.
Bei unausgesetztem Einatmen dehnt dann den untern Brust
er

korb etwas aus: dadurch füllen sich die mittleren Lungenteile; der
letzte Teil des Einatmens bewirkt Ausdehnung der oberen Brust,
wobei der Unterleib leicht eingezogen wird. Das sind einem
in
5
66

Atemzuge scheinbar drei Bewegungen, die aber mit fortgesetzter


Übung völlig in eine verschmelzen müssen.
Beim Atemstauen (Kumbhaka) werden die Brust- und Bauch
muskeln gänzlich entspannt. Das Ausatmen muß die Lungen rest
los entleeren; denn nur gründliche Ausstoßung aller luftförmigen
Schlacken ermöglicht vollständige und verjüngende Einatmung. Die
Ausatmung muß später durch Mantras (Spruchsprechen) noch be
sonders gepflegt werden.
Die Vollatem-Übung tritt an Stelle der früheren Tiefatmungs
Übung; sie soll täglich zweimal, und zwar morgens und abends,
siebenmal hintereinander durchgeführt werden.
Auch während der übrigen Zeit des Tages soll der Schüler ab
und zu eine Vollatmung vornehmen. Nach und nach muß er sich
diese Atmungsweise überhaupt so zu eigen machen, daß sie ihm
zur physiologischen Gewohnheit wird. Er soll später nur mehr den
Vollatem aufweisen.
Wenn er den Vollatem beherrscht, so kann er, wie früher beim
Tiefatmen, diese Übung so durchführen, daß er mit dem rechten
Nasenloche einatmet, den Atem staut und dann durch das linke
Nasenloch ausatmet. Die Dauer der einzelnen Phasen dieses Atems
beträgt anfänglich wieder je 15 Sekunden und soll langsam erhöht
werden.

Die morgendliche Erfolgübung darf nicht vergessen werden.


Desgleichen sind auch alle anderen Vorschriften für den Morgen und
den Abend einzuhalten.
Brief V
Seiner Diät kann der Schüler nicht Aufmerksamkeit genug
schenken. Wer es ermöglichen kann, sei sein eigener Koch. Es
ist unbedingt notwendig, stets im Einklange mit der Jahreszeit (den
kosmischen und planetaren Strömungen) zu leben, d. h. stets die
Produkte Monats zu genießen.
des Alle blähenden Speisen und
alle falschen Speisenzusammenstellungen sind peinlich zu meiden.
Vgl. »Diätetische Unterrichtsbriefe« und »Praktische Ratschläge für
die Jahreszeit« in der Monatsschrift »Prana« (Jahrg. VI und VII)
und »Lebenskunst für Esoteriker« in der Monatsschrift »Theosophie«
(Jahrg. VII).
Auch alle Reizmittel müssen gemieden werden. Anstelle von
Kaffee, Kakao oder Tee genießt man Zitronen-Milch, Kräutertees,
Kakaoschalentee, Honigwasser. Gewürze sind nur den magnetischen
Temperamenten mäßig gestattet. Allezeit sorge man für äußere und
innere Reinlichkeit des durch die früher erwähnten Me
Körpers
thoden. Kalte Bäder sollen nur selten und mit Vorsicht genommen
werden; das gilt mehr für magnetische als für elektrische Tempera
mente. Dagegen sind die kühlen Schwammbäder mit nachfolgen
der Handfrottierung und Salbung*) geboten. Heiße ansteigende
Bäder sollen alle 5–9 Tage genommen werden; sie sollen nach –
Bedarf – mit einer kalten Abwaschung, stets aber mit Frottierung
und Salbung abgeschlossen werden. Alles Wasser, mag es kalt oder

”) Die Salbung ist wichtiger als die Wasseranwendung. Wenn des öfteren
kein Wasser angewendet wird, so muß doch die Haut, so oft ihre Geschmeidig
keit nachläßt, geölt und gesalbt werden. Die Behauptung der Wasserfexen, das
Hautfunktions-Öl „verstopfe die Poren“, zeugt von absoluter Unkenntnis der
Physiologie.
70

noch so heiß sein, ein negativer Faktor

ist

es
entzieht Lebens

d.
h.
wärme. Längerer Aufenthalt im Wasser wirkt also unserem Ziele,

zu
Od sammeln, entgegen. Dampfbäder sind nicht ungefährlich.
Allezeit muß sich der Schüler, ledig oder verheiratet ist,

ob
er
strengster Keuschheit befleißigen, Worten, Taten und hauptsäch

in
lich in Gedanken. Jede geschlechtliche Erregung bedeutet großen
Odverlust. Da uns Od aber als psychischer Mittler den Höheren

in
Welten dienen soll, darf diese Kraftquelle nicht geschwächt werden.
Bei der sexuellen Vereinigung der Geschlechter findet eine Ver

so
mischung der odischen Lohen statt, die intensiv ist, daß ein jeder
des anderen Od übernimmt und längere Zeit seiner Einwirkung
untersteht. Da erwachsen große Gefahren durch psychisch gefärb
tes Od. Das Od des zornigen Menschen vermittelt Zorn, das eines
disharmonischen Menschen macht disharmonisch. Wenn sich der
Schüler, der doch allen Leidenschaften entwachsen soll, trotzdem
mit irgendwem geschlechtlich einläßt, dessen Seele noch von tie
so

rischen Trieben besessen ist, wird niederes Od übernehmen und


er
entsprechende Leidenschaften und Astralwesen anziehen (bzw. seinem
Unterbewußtsein einverleiben).

zu
Der Schüler wird gemahnt, seines Zieles allezeit eingedenk
sein. Er muß sich auch nach außen edler Haltung befleißigen. Alle
ist
zu

Hast vermeiden, muß ruhig, sicher und selbstbewußt sein,


er

Anmut, Ernst, Liebe und Milde Worten und Blicken zeigen.


in

Der Schüler muß die bekannte, nunmehr für jeden zweiten Tag
angesetzte Ruheübung (geschlossene Beine, die Hände auf dem
Tische) auch weiterhin ausführen, nur soll das Bild ausschalten
er

und die Übung folgendermaßen umgestalten:


Hat die richtige Stellung eingenommen und völlige Ruhe
er

in
Er
so

seinen Körper gebracht, schließt die Augen. versucht dann


er

zu

mit dem geistigen Auge eine Innenschau seinem Körper unter


in

nehmen. Mit festem Willen stellt sich vor, das Sonnengeflecht


er

Es

gleich
ist
zu

der Nähe der Magengrube liegt) erblicken.


in

(das
gültig, welche Vorstellung sich von dem Aussehen dieses Nerven
er

geflechtes macht. Jedes illustrierte anatomische Werk gibt ihm


übrigens die richtige Vorstellung, weniger auf die
es

doch kommt
71

richtige Vorstellung des physischen Aussehens dieses Nervengeflechtes


an, als vielmehr auf geistige (Willens-) Durchstrahlung des Geflech
tes. Der Schüler hat sich zu konzentrieren auf diese geistige Willens
durchstrahlung des Sonnengeflechtes mit der innigen Sammlung,
die er bereits früher an verschiedenen Gegenständen geübt hat.
Folgender Gedankengang muß dabei festgehalten und wiederholt
werden:

ist
»Das Sonnengeflecht der Sitz meiner Lebenskraft, meiner
Empfindungen und meiner Gefühle. Es verteilt die Nervenkraft
(Prana) so, daß sie alle Regionen des Erdenleibes Gleichmaß

in
durchflutet. Jeder Gedanke, dem ich Raum gebe, beeinflußt diese
Zentrale meiner Lebenskraft. Die Nervenströme werden dadurch
zu

Trägern
meiner Gedanken, sie werden psychisch geladen und
durchwandern meinen Körper. Pflege ich positive (bejahende, wohl
wollende) Gedanken der Liebe, der Hilfsbereitschaft und der Barm
so

herzigkeit, der Gesundheit, des Erfolges, wirke ich gutem Sinne

in
ein auf mein Sonnengeflecht: wird nur gute Gedankenformen
es

und gute Kräfte aus dem Universaläther aufnehmen und sie durch
den ganzen Körper senden. Diese Ströme werden aufbauend wirken,
sie werden mich gesund und glücklich machen. Sie werden mich
mit Liebe erfüllen, mit Kraft und Sicherheit, der ganze Organismus
wird ergriffen werden von diesen Gefühlen, und meine odische Aus
strahlung wird somit diesem Sinne meine Umgebung beeinflussen.
in

Ich werde fortan weder schwächliche und negative noch böse Ge


danken aufkommen lassen, denn ich weiß, daß üble Gedankenwellen
mein Sonnengeflecht schädlich treffen und die Anziehung harmonisch
göttlicher Kräfte vereiteln. Krankheit, Leid, Unglück, böse Hand
lungen und ein schweres Karma müßten die Folge meiner Torheit
sein. Meine schlechte odische Strahlung müßte auch meine Um
gebung verderben: ich würde dann auch der Urheber fremden Leides
werden. Das aber muß ich auf alle Fälle vermeiden. Ich will rein
sein Gedanken, Worten und Werken, ich will Wohlwollen, Liebe,
in

Zuversicht und Vernunft üben.


Ich werde durch Güte und Reinheit erstarken an Leib und Seele
und frei werden von Selbstsucht und Leidenschaft, frei von Furcht
und Mutlosigkeit. Ich will nur die schöpferischen Kräfte mir er
in
zu

starken lassen, ich will sie aussenden allen Wesen. Ich will
72

eins werden mit der himmlischen Kraft, deren irdischer Abglanz


ich bin.«
Diese Gedanken und Gefühle sollen den Schüler während der
Konzentration bewegen. Die Übung soll möglichst eine halbe Stunde
dauern, ohne jede Unterbrechung. Der Erfolg wird gesteigert durch
folgende Ubung:
Gleich nach der Übung legt man sich auf ein Ruhebett, lockert
die Kleidung und streckt die Arme wagerecht aus. Der Kopf darf
nicht zu hoch liegen. Man versucht, möglichst wenig zu denken:
zu diesem Zwecke fixiert man einen Punkt an der Decke. Wenn
sich trotzdem Gedanken aufdrängen, so müssen es Gedanken des
Friedens, der Ruhe und der Harmonie sein. Nunmehr zieht man
die Magengrube straff an, um sie nach einigen Sekunden wieder
loszulassen. Das macht man siebenmal hintereinander. Hierauf
spannt man alle Muskeln des Körpers mit festem Ruck an, löst nach
einigen Sekunden die Anspannung wieder und läßt langsam alle
Muskeln völlig erschlaffen. Auch diese Übung wird siebenmal ge
macht. Dann atmet man langsam und tief bei geschlossenem Munde
durch die Nase ein und staut den Luftstrom einige Sekunden in der
oberen Lunge, um ihn dann in den Unterleib zu drücken; man macht
mit gestautem Atem mindestens dreimal die oben beschriebene
Vibration mit der Magengrube, um danach die Luft langsam wieder
durch die Nase entweichen zu lassen.
Das Einatmen, das Stauen und das Verschieben wie auch das
Ausatmen der Luft soll rhythmisch geschehen, und jede Phase soll
die gleiche Zeitdauer erfordern. Die ganze Atemübung geschieht
ebenfalls siebenmal. Beim Stauen des Atems im Unterleibe bzw.
während der Vibration müssen wir dem Gedanken leben, das Sonnen
geflecht zu erwecken und zu reger Tätigkeit zu bringen. Man denkt
dabei mit festem Willem: »Sei tätig; erwache; mache mich gesund,
weise und harmonisch«. Selbstverständlich müssen bei dieser Übung
im Sommer die Fenster geöffnet sein, während im Winter für gute
Lüftung gesorgt wird.

Durch nichts wird die Willenskraft so sehr gestärkt, wie durch


die Versagung liebgewordener Gewohnheiten. Wenn man einen
brennenden Wunsch empfindet, versage man sich die Erfüllung.
73

Mitunter handelt es sich um Kleinigkeiten, aber gerade die sich zu


versagen, verlangt und entwickelt große Kraft. Wer z. B. gewöhnt
ist, bei seinen Spaziergängen stets einen liebgewordenen Ort auf
zusuchen, meide ihn; wer ein Buch liest, das ihn fesselt, lege es
bei der schönsten Schilderung beiseite und übersehe es einige Tage;
wer sich ein Vergnügen gestattet (das selbstverständlich den Leit
linien unserer Schulung nicht widersprechen darf), unterbreche es
im Augenblicke frohen Genießens usf. Durch die Überwindung
kleiner Regungen und durch die Ertötung schlechter Gewohnheiten
d. h. dadurch, daß man sich selbst Widerstand entgegensetzt, wird
Kraft gespart und Kraft entwickelt. Durch diese Ersparnisse im
Geistigen gewinnen wir die Kraft und Fähigkeit, große Notwendig
keiten, berechtigte Wünsche, hohe Dienste zu realisieren. Bequem
lichkeit, Nonchalance, Dickfelligkeit, Phlegma und die ölige Weich
tierhaftigkeit, –
alle diese erbärmlichen Schwächen müssen über
wunden und geknebelt, ja: gewandelt werden in Selbstbestimmung,
Wunschlosigkeit, Mut und Freiheit. Diese Willensübung ist bekannt
unter dem Namen »Okkultationsregister«, weil viele Schüler sich
Merkbücher anlegen, in denen sie die gelungenen Widerstandsakte
verzeichnen.

Auch die Spiegelübung wird weiterhin jeden zweiten Tag ge


pflegt.Sie wird erweitert durch die Aufgabe, dem Auge eine nach
ist

außen wirkende seelische Kraft zu geben. Das Auge der Spiegel


des Körpers!?) und der Seele!”). Der Schüler erzieht die Seele, um
zu

Harmonie und Frieden gewinnen. Er sucht sich das Glück


in

zu finden. Was empfängt, das will auch allen geben, die da


er

er

mühselig und beladen sind. Sein Herzensfriede und seine seelische


Harmonie sollen seinem Auge entstrahlen, nach außen viel Segen
und Frieden künden und das Dasein aller Brüder und Schwestern
erleuchten und erwärmen. Seine Liebe, Güte und Hilfsbereitschaft
werden auch Liebe und Freundschaft wecken und ihm die Herzen
öffnen. Dann muß alle Seelen, die ihm zugetan sind, den Keim
er
in

pflanzen einer höheren, edleren, reineren Auffassung des Daseins.

Wie die Augendiagnose beweist.


*) ”)

Wie die Dichter einstimmig sagen.


74

Der Fortgeschrittene gewinnt, da der Körper von der Seele be


einflußt wird (und nicht so sehr umgekehrt, wie verschiedene ameri
kanische Schwarzmagier-Sekten ihren Lehrlingen weismachen), mäh
lich eine äußere Erscheinung, die der psychischen Entwickelung
entspricht. Aber diese Umwandlung braucht Zeit. Der Schüler soll
aber auch die Entwickelung seiner äußeren Erscheinung beschleu
nigen. Da ein liebestrahlender und liebezündender Blick die Seele
des andern erwärmt, so muß sich der Schüler diesen Blick aneignen.
Er wird jeden zweiten Tag bei seiner Spiegelübung trachten, diesen
Blick dem Auge anzuerziehen. Das kann er freilich nur erreichen,
wenn er selber im Innersten Liebe, Güte und Reinheit denkt und
fühlt. Er muß also während der Spiegelübung Gedanken des Frie
dens, der Hilfsbereitschaft und der All-Liebe pflegen. Er muß hilf
reiche Liebe und Nachsicht gegen alle Wesen empfinden, aber Strenge
gegen sich selbst; er muß sich erkennen als Funken des Ewigen
Lichtes, das nur Gutes wirkt und zum Besten führt. Er muß sich
versetzen in die Empfindung grenzenloser Menschenliebe, der Nach
sicht, der Barmherzigkeit, des Dienens. Er muß durch seinen Blick
diese Gefühle widerspiegeln. Er stellt sich vor, sein Spiegelbild sei
ein Mensch, dem er die Fülle inneren Glückes mitteilen will, um
ihn zu erheben und zum Guten anzuhalten. Diese Übung soll er
ausdehnen auf eine halbe Stunde und mehr. Danach suche er diesen
Blick beizubehalten fürs Alltagsleben. Die übrigen Augen-Übungen be
halten wir bei, in der Reihenfolge, die in Lehrbrief IV angegeben wurde.

In Lehrbrief IV wurde dem Schüler geraten, sich im Sehen der


Farben zu üben, die sich bei geschlossenem Auge den inneren Sinnen
zeigen. Der Schüler wird im Farbensehen wohl schon einige Fer
tigkeit besitzen. Es ist daher an der Zeit, ihm Kontrollmittel für
dieses Farbensehen an die Hand zu geben. Selbstverständlich er
fordert diese Kontrolle auch wieder vertiefte Übung; der Schüler
muß daher auf anfängliche Mißerfolge gefaßt sein. Der Schüler
nimmt zu dieser Übung erbsengroße Glas-, Holz- oder Porzellan
Perlen (Tattva-Perlen) in den Farben indigo, grün, rot, orange und
silberviolett”). Die Perlen müssen 8–10 mm groß und durchgefärbt

”) Zu beziehen vom Verlag der Lehrbriefe.


75

sein. Er nimmt von jeder Farbe eine Perle, legt sie vor sich auf
den Tisch und reinigt sie folgendermaßen von dem anhaftenden
fremden Od: er fährt mit den Fingerspitzen von außen nach innen
(also von den beiden äußersten Perlen nach den inneren zu) über
die Perlen hin und nimmt mit festem Willen das fremde Od fort,
dann bewegt er sogleich die Hände im großen Bogen wieder nach
außen und schleudert diese Influenzen zur Seite. Diese Manipula
tion wird siebenmal gemacht. Darauf reinigt er die Hände und odet
durch das entgegengesetzte Verfahren den Perlen seine eigenen
Influenzen ein, indem er jetzt den Strich von den mittleren Perlen
rechts und links nach außen führt. Dann bringt er seine Finger im
großen Bogen wieder zur mittleren Perle zurück und wiederholt diese
Manipulation ebenfalls siebenmal.
Sieben Striche sind erforderlich zum Ausoden und sieben Striche
zum Einoden. Beim Einoden muß sich der Schüler plastisch vor
stellen, wie das Od seinen Fingerspitzen entströmt und sich den
Perlen mitteilt. Er muß den Willen haben, daß die Perlen mit ihm
in odische Verbindung treten und daß es ihm durch diesen Rapport
gelinge, jedesmal gerade die Perle aus einem kleinen Täschchen zu
ziehen, die er mit seinem geistigen Auge sieht. Das kleine Täsch
chen (eine kleine Börse, die man in der Westentasche trägt), wird
auf die gleiche Weise wie die Perlen aus- und neu eingeodet. Nun
mehr behaucht der Schüler Perlen und Täschchen sehr stark mit
der gewohnten Willenskonzentration und bringt die Perlen in das
Täschchen. –
Es ist Bedingung zum Erfolge, daß kein fremdes
Auge die Perlen erblicke; denn aus dem Auge strahlt Od, und ein
fremder Blick würde sofort den Perlen fremdes Od aufladen. –
Der Schüler schließt die Augen und sammelt sich auf die Farben,
die vor dem inneren Auge erscheinen; dann zieht er eine Perle aus
seinem Täschchen (ohne sie vorher zu besehen). Diese Perle soll
die Farbe zeigen, die er im Inneren geschaut hat, und diese Farbe
soll die Farbe des Tattva sein, das gegenwärtig schwingt. Der
Schüler soll auch auf den Geschmack achten, der sich bei dem
Experimente auf der Zunge zeigt. Nur durch Übung gewinnt man
das Ziel.
Der Schüler soll diese Übung bei jeder Gelegenheit vornehmen,
da er sich allein weiß. Er mag sie täglich 15–20mal durchführen,
76

– sie nimmt ja jedesmal kaum 1 Minute in Anspruch. Für die


Übung des inneren Schauens brauchen die Ohren nicht mehr mit
Wachspfropfen verschlossen zu werden; der Schüler schließe fortan
mit den mittleren Fingern die Augen und mit den Daumen das Ohr.
Die Farben, die uns im inneren Auge erscheinen und die uns die
Perlen nach der früher erwähnten Methode bestätigen sollen, ent
sprechen den Fünf Tattvas. Die Tattvas und ihre hauptsächlichen
Entsprechungen sind:

Tattva: Prinzip: Sinn: Farbe: Form: Silbe: Richtung: Wurzelrasse:

1. Akasa”) | Äther | Raum, Schall; Gehör Indigo 3 Ham Mitte Polarische


2. Vaju?) Luft Bewegung; Gefühl Grün O | Pam Norden Hyperboräische
3. Tejas”) Feuer Ausdehnung, Hitze; Gesicht Rot A | Ram Süden Lemurische
4. Apas”) Wasser Zusammenzieh; Geschmack Violett | D | Yam Osten | Atlantische
5. Prithvi?) | Erde Geruch Orange O Lam Westen Arische

*) Akasa ist der Resonanzboden der Natur. Er ist die Gottheit, das Eine
Leben, die Eine Existenz. Daher wurde Jupiter als höchster Gott »Vater Äther“
(rarP alſhºf) genannt. Auch Indra und Uranus galten als die ätherisch-himm
lische Ausdehnung. Auch der biblische GOTT wird als Äther (rveöpa), als Hei
liger Geist, beschrieben. Im Praktischen Okkultismus ist Akasa der Dritte Logos,
die schöpferische Kraft in der offenbaren Welt. (Logos = Iswara = Kwan Jin.)
ist

*) Die Substanz dieses Tattva gasig.


Tejas
ist ist

das Feld unserer Atmosphäre (tejas


*) *) *)

leuchtend).
Apas die wässerig-flüssige Substanz und Kraft.
ist

Prithvi die feste erdige Substanz, der irdische Geist, die irdische
Kraft; das niedrigste Tattva.
Während die Sanskrit- und Hindu-Philosophie von fünf Tattvas spricht,
nennt der Praktische Okkultismus deren sieben, die der Siebenheit der Natur
in

Aber: die zwei höheren Tattvas (Adi


=

entsprechen. Erster Logos, Urkraft,


Brahmas Ei; Anupadaka Zweiter Logos) sind dem Durchschnittsmenschen
=

noch ebenso ferne, wie der sechste und der siebente Sinn. Exoterisch gibt
es

also tatsächlich nur fünf Tattvas, während dem Praktischen Okkultisten, dem
Esoteriker, Akasa erst das dritte Tattva ist: für ihn ist Akasa allein Göttlicher
Raum (Pleroma) und wird Äther nur der offenbaren Welt. Die fünf körper
in

lichen Sinne entsprechen den fünf niederen Tattvas, während die beiden noch
unentwickelten Sinne des Menschen Entsprechungen der beiden höheren Tattvas sind.
Die (sieben) Wurzelrassen (vgl »Rosenkreuzerische Unterrichtsbriefe«) werden
von den sieben Tattvas regiert. während jeder Rassenrunde regiert ein
D.
h.

Tattva und dieses Tattva entwickelt jedesmal bestimmte Fähigkeiten im Menschen.


ist

Jedes Manvantara die Schwingungszeit eines Haupt-Tattva, und jede Runde


ist das Arbeitsfeld eines Unter-Tattva.
77

Die Tattvas sind die Grundschwingungen alles Daseins. Sie


sind Varianten der schaffenden, gestaltenden und verkörpernden Kraft
des Universums, der absoluten Energie, die wir Prana (Jiva, Fohat)
die schöpfe

ist
nennen. Prana mit seinen fünf tattvischen Aspekten
rische Kraft der Welt, die Lebenskraft (élan vital, spiritus vitae,
anima, ziveÜuo), die uns erhält.
Bevor der Schüler diese Kräfte anwenden lernt, muß sie erst

er
kennen. Dem eben erwähnten Experimente muß unendliche Ge

er
duld und Aufmerksamkeit widmen, wenn diese Kräfte will kennen

er
und beherrschen lernen.

Die morgendliche und die abendliche Vollatmungs-Übung müssen


auch weiterhin eingehalten werden. Tagsüber führt man die Voll
zu

atmung ab und wechselweise durch und zwar so, daß man bei
der ersten Atemgruppe (Einziehen, Stauen, Ausatmen) den Atem
links einzieht, staut und rechts ausatmet, bei der nächsten Gruppe
aber rechts einatmet, staut und links ausatmet usf., stets abwech
selnd, siebenmal. Am folgenden Tage macht man diese Wechsel
atmungs-Übung dergestalt, daß man rechts einatmet und staut und
links ausatmet, dann wieder links einatmet, staut und rechts aus
atmet; hierauf atmet man wieder rechts ein, staut und atmet links
aus; dieser Weise werden wieder sieben Atmungsgruppen geübt.
in

Bei den Vollatmungs-Übungen am Morgen und Abend eines jeden


Tages aber müssen zum Einatmen stets das rechte Nasenloch und
zum Ausatmen das linke benutzt werden.
ist

Rhythmus Das taktmäßige Marschieren


Kraft und Harmonie.
ist

der Soldaten keine alberne Marotte: durch gleichen Schritt


in

geschlossener Reihe und gegenseitige Anpassung bleiben sie viel


länger marschfähig und ermüden sie viel weniger, als wenn sie
allein gehen würden. Dieses Gesetz der Harmonie und des Rhythmus
gilt auch für den Atem. Wir müssen schon aus lebensökonomischen
Gründen rhythmisch atmen.
Als Maßstab für das rhythmische Atmen gilt der normale Herz
schlag. Da nicht bei allen Personen gleich ist, müssen wir ihn
er

beobachten lernen. Der Schüler lege häufig den Daumen auf den
Er

Puls (arteria radialis) seiner Hand und zähle die Schläge. wird
78

dadurch die Zeit, die zwischen zwei Pulsschlägen*) liegt, geistig


abmessen lernen: sie wird langsam in sein Bewußtsein eingehen,
der Rhythmus der Pulsschläge wird sich seinem Gedächtnisse ein
prägen.

Die Zeit von einem normalen Pulsschlage zum andern gilt als
Einheit. Nach solchen Zeit-Einheiten werden sowohl das Einatmen
wie das Stauen (Kumbhaka) und das Ausatmen gemessen. Auch
die Zeit, die zwischen zwei vollendeten Atemzügen liegt, zählt nach
Puls-Einheiten.

Hat der Schüler durch scharfe Selbstbeobachtung seinen Herz


schlag und die Zeiteinheit des Pulses kennen gelernt, so ist er für
folgende Übungen bereit: Er legt sich nieder und entspannt alle
Muskeln langsam von oben bis herab zu den Füßen oder auch in
dieser Reihenfolge: rechter Fuß, Wade, Knie, Oberschenkel, Hüfte –,
linker Fuß, Wade, Knie, Oberschenkel, Hüfte –,
rechte Hand, Unter
arm, Oberarm, Schulter –,
linke Hand, Unterarm, Oberarm, Schul
ter –, Schädel, Nacken, Unterkiefer, Zunge, Rücken, Brust, Bauch,
Genitalien. Vorher muß gründlich ausgeatmet werden. In dieser
ruhigen Lage konzentriert er seine Gedanken auf Harmonie, Seelen
frieden und Höherentwickelung. Hierauf zieht er den Atem (dieses
Mal durch beide Nasenlöcher) während 7 Pulseinheiten voll ein,
staut ihn während 3 Pulseinheiten und atmet ihn durch die Nase
während 7 Pulseinheiten wieder aus. Dann erfolgt eine Atmungs
pause von 3 Pulseinheiten, worauf das Einatmen in der vorbeschrie
benen Weise wieder beginnt usf. Wir wiederholen: durch 7 Puls
schläge durch 3 anhalten, durch 7 ausatmen, durch
einatmen,
3 Pulsschläge Pause, hierauf wieder durch 7 Pulsschläge einatmen,
durch 3 anhalten, durch 7 ausatmen, durch 3 Pause usf. im gleichen
Rhythmus 15–20 Minuten lang. Nach Beendigung der Übung sollen
jedesmal 9–12 rhythmische Atemzüge ohne Unterlaß gemacht wer
den und zwar 5 Pulsschläge während des Einatmens und 5 Puls
schläge während des Ausatmens. Nach 2–3 Wochen schon wird
es dem Schüler gelingen, dauernd rhythmisch zu atmen. Das Ein
atmen soll ebensoviele Pulseinheiten erfordern, wie das Ausatmen;

*) Unter »Puls« versteht man physiologisch die periodischen Schwankungen


des Blutdruckes in den Arterien, die von der Herztätigkeit bestimmt werden.
79

die Ausatmung darf länger dauern als die Einatmung, aber nicht
umgekehrt. Die rhythmische (individuelle) Atern muß dauernd an
die Stelle des angeborenen Mutteratems treten. Der »7-Sekunden
der beste rhythmische Atem.*) Dieser Atem überwindet
ist

Atem«
Schwäche und Krankheit, vitalisiert das Blut und vernichtet die
Suggestionen der Vorfahren (die Sünden der Väter); wer ihn sein
eigen nennt, der hat viel erreicht. –
Das rhythmische Atmen darf
nur zu besonderen Atemübungen unterbrochen werden.

Unser Atem strömt nicht gleichzeitig durch beide Nasenöffnungen


mit gleicher Stärke: pulsiert zweistündigen Intervallen entweder
er

in

links oder rechts stärker. Man versuche, den Atem durch die Nase
auf eine ungetrübte Spiegelfläche strömen zu lassen, und man wird
diese Verschiedenheit erwiesen sehen: der Spiegel wird auf einer
Seite stärker getrübt werden. Man halte sich ferner abwechselnd
das eine und das andere Nasenloch zu und man wird finden, daß
man durch das eine Nasenloch besser (und ohne Beschwerde) atmen
kann, als durch das andere. Wenn man zwei Stunden später das
Experiment wiederholt (vorausgesetzt, daß man gesund ist, daß weder
Erkältung noch Fieber bestehen),
so

wird man erfahren, daß der


stärkere Atemstrom auf das andere Nasenloch übergegangen ist.
Daraus folgt, daß der Atem tatsächlich alle zwei Stunden von der
einen Nasenöffnung zur andern wechselt. Die Inder nennen den
rechtsströmenden Atem Pingala oder Surya (Sonnenatem), weil
er

das erwärmend-positive oder elektrische Prinzip darstellt. Der links


strömende Atem heißt Ida oder Chandra (Mondatem): ist das
er

kühlend-negative (magnetische) Prinzip. Während des Wechsels


strömt der Atem für kurze Minuten durch beide Nasenlöcher gleich
schwach; man nennt diese Periode Sushumna.
Der Wechsel des Atems lenkt unser körperliches und seelisches
Wohl und Wehe. Der Schüler wird im nächsten Lehrbriefe nähere
Aufklärung erhalten. Vorerst ist seine Aufgabe, durch fleißige
es

Übung diese physiologischen Eigenarten seines Atmungsapparates

*) Auch der Atem enthält die Sieben Prinzipien, vgl. »Die Wissenschaft
des Atmens« von Dr. med Franz Hartmann, »Prana«, VI. Jahrgang,
S.

150–153.
(Preis Mk. 8,50 gebunden; enthält viele wertvolle Aufsätze und die Grundregeln der
Diät und Körperpflege.)
80

wahrzunehmen. Er muß schließlich jederzeit mit Leichtigkeit die


rechte oder die linke Atemströmung unterscheiden können. Er braucht
nur das eine, dann das andere Nasenloch zu schließen und er wird
aus dem freieren oder mühsameren Atmen durch das offene Nasen
loch erkennen, auf welcher Seite sein Atem stärker strömt, also ob
er unter Chandra oder unter Surya atmet.

Das Strahlensehen muß allezeit geübt werden. Nach und nach


versucht man die odischen Strahlungen auch an Tieren und schließ
lich auch an Pflanzen zu beobachten. Die Versuchsobjekte wird
man zweckmäßig für den Anfang in einen dunklen Raum bringen.
Sobald man Erfolge sieht, versucht man die Strahlungen der Tiere
und der Pflanzen auch bei Tageslicht zu erkennen.

Auch das plastische Vorstellungsvermögen bedarf wöchentlich


öfterer Übung. Daneben sind mindestens jeden dritten Tag folgende
Übungen vorzunehmen:
Man unterstreicht in einem Buche mehrere Sätze mit einem
Farbstift, liest sie dann mehrmals aufmerksam durch, schließt die
Augen und versucht das Gelesene geistig zu schauen. Später dehnt
man die Übung dahin aus, daß man eine dramatisch sehr bewegte
Stelle wählt, den Text vor dem geistigen Auge erscheinen läßt und
dann versucht, die Handlung plastisch vor das geschlossene Auge
zu zaubern.
Wöchentlich zweimal übt der Schüler auch folgendes Experi
ment: er stellt ein größeres Lichtbild (Photographie) eines Bekann
ten auf den Tisch, setzt neben den Tisch einen Sessel und setzt sich
auf einen zweiten Stuhl vor das Bild. Er konzentriert sich sehr
scharf auf die Photographie, mindestens 15 Minuten lang. Dann
fixiert er den Sessel, und seinem starken Willen muß es gelingen,
die Person des Lichtbildes allmählich auf dem Sessel sichtbar wer
den zu lassen. Anfänglich werden nur schattenhafte Umrisse er
scheinen, bei jeder späteren Übung aber wird die Vorstellung immer
plastischer und deutlicher werden.

Die Konzentration auf lebende Tiere muß dauernd geübt wer


den. Ferner versuche der Schüler die Konzentration auf einen
81

Gegenstand – nicht
in der Abgeschlossenheit, sondern öffentlich
– durchzuführen. Gelegenheit hierzu bietet der Besuch eines öffent
lichen Lokales, am Abend allerdings nicht. Es darf auch kein Lokal
sein, in dem geraucht wird. Der Schüler konzentriert sich dort auf
eine Gabel, einen Teller oder einen sonstigen Gegenstand; von dem
Lärme der Umgebung darf er sich unter keinen Umständen beein
flussen lassen. Ein andermal lese er an einem derartigen
Orte die
Zeitung. Dazu wählt er einen kleinen spannenden Aufsatz, liest ihn
mehrmals durch, konzentriert sich scharf auf seinen Inhalt und ver
sucht ihn dann wörtlich aus dem Gedächtnisse niederzuschreiben. –
Bei beiden Übungen darf sich der Schüler nicht einen Augenblick
ablenken lassen. Werden die Übungen exakt durchgeführt, so be
reiten sie wohl Schwierigkeiten, gelingen aber stets dem Fleißigen
und Ausdauernden.

Dem Schüler wird noch folgende wichtige Übung empfohlen,


die den –
für die Entwickelung der Okkulten Kräfte unentbehr
lichen –
»negativen Zustand« herbeiführt:
Der Schüler zieht sich jeden zweiten Tag zurück; er versieht
sich mit einer Weckuhr und sorgt dafür, daß er nicht gestört wer
den kann. Er muß sich im Zustande ungetrübter Ruhe und Har
monie befinden. Bei Beginn der Übung stellt er das Schlagwerk
der Weckuhr so, daß es eine Viertelstunde später tönen muß. Dann
legt er sich nieder (Bett oder Teppich), entspannt in der bekannten
Weise langsam alle Muskeln und atmet rhythmisch. Wenn er voll
ends zur Ruhe gekommen ist, sieht er starr auf die Decke des Zim
mers und versucht jedweden Gedanken nach Möglichkeit zu ver
bannen. Nach einigen Minuten versucht er (nach dem Vorbilde
der Übung des plastischen Vorstellungsvermögens) an der Zimmer
decke eine helleuchtende Scheibe zu sehen, die ungefähr 20 cm
im Durchmesser mißt und sich um ihren Mittelpunkt dreht. Jetzt
muß die schärfste Konzentration einsetzen! Nichts mehr darf auf
der Welt für den Schüler existieren außer der leuchtenden Scheibel
– – –,
ist

Sie dreht sich dreht sich dreht sich fort und fort das
der einzige Gedanke, den der Schüler darf aufkommen lassen. Vor
dem Einschlafen muß der Schüler auf der Hut sein. Das Experi
ment wird die Länge gezogen, bis die Weckuhr ertönt. Für den
in

6
82

ist

zu
Anfang verschließen, falls durch

es
gut, sich die Ohren
Straßengeräusche die Konzentration gestört werden könnte;

in
dem
Falle muß aber die Weckuhr dicht neben dem Ohre aufgestellt
werden, am besten auf einem hohlen Blechgefäße oder auf einem
umgestürzten Waschbecken. Der Schüler muß dieser Übung volle
Aufmerksamkeit schenken, damit sie später vertieft werden kann.

Die gymnastischen Übungen werden fortgesetzt. Auch die Ge


dächtnisproben, die Übungen mit dem magnetischen Blicke, am
Kreise usf. dürfen nicht vernachlässigt werden, wie der Schüler
überhaupt nach Zeit und Gelegenheit die einführenden Übungen
ab und zu wieder vornehmen muß, damit bei keiner Linie der Ent
wickelung Stillstand oder Rückschritt eintrete und alle bisherigen

zu
Fähigkeiten auch behauptet werden.
Der Schüler mag fortan
beliebiger Zeit üben. Wem Zeit gebricht, der mag

an
es

B.
die

z.
für jeden Tag angesetzten Übungen nur jeden zweiten oder jeden
dritten Tag vornehmen; das verlängert lediglich die Entwickelungs
zeit. Keinesfalls aber dürfen die Übungen eines neuen Lehrbriefes
Angriff genommen werden, bevor der Schüler den Stoff der
in

-
früheren Briefe beherrscht.

Die täglichen Morgen- und Abendübungen bleiben bestehen.

Der Schüler soll auch mit einer befreundeten oder geistesver


wandten sensitiven Person zwecks telepathischer Übungen Ver
in
bindung treten. Am besten wählt dazu Personen, die ihm nahe
er

stehen: den Ehegatten, Eltern, Geschwister


o.
a.

Die Telepathie (Gedankenübertragung) erfordert geschulten Wil


len und starke Konzentration. Die Od-Strahlungen, hauptsächlich
die des Kopfes (der Augen), sind die Träger dieser Gedanken. Wenn
so

zwei Personen Gedankenübertragung üben, ist jedesmal eine Per


son der Aussender (Agent), die andere Person der Empfänger (Per
zipient).
Der Schüler muß beides üben: muß Gedanken aussen
er

den und Gedanken empfangen lernen.


Fürs nehmen wir nur einfache Experimente vor. Der
erste
Er

Schüler sieht sich mit seinem Partner ein Kartenspiel an.


B.
z.

Einverständnis mit seinem Partner von jeder Farbe eine


im

wählt
83

Karte, im ganzen also vier Karten. Im Anfang vermeide man jedoch


die Figuren. Der Partner soll zuerst den Empfänger darstellen. Er
setzt sich bequem auf einen freistehenden Stuhl, schließt die Augen
mit einem Tuche, verstopft die Ohren und bemüht sich, alle Ge
danken auszuschalten. Er verhält sich abwartend. Der Schüler er
greift als Aussender eine der gewählten Karten, z. B. Herz-Aß, ohne
daß der Partner (Empfänger) etwas bemerkt; er tritt dann hinter
den Empfänger, hält die Karte vor sich hin und versucht, seinem
Partner das Bild der Karte geistig zu übertragen. Er sieht in seiner
Vorstellung den Hinterkopf des Empfängers geöffnet und denkt mit
scharfer Konzentration und festem Willen das Bild der Karte in das
Gehirn des Empfängers hinein; er muß sozusagen das Bild der Karte
in das Gehirn des Partners versenken, mit dem Willen, der Emp
fänger müsse dieses Bild empfangen und in sein Bewußtsein auf
nehmen.

Diese Übung erfordert viel Geduld. Der Aussender (Agent)


darf keinem fremden Gedanken Raum geben, er muß von seiner
Aufgabe vollkommen erfüllt sein, er darf sich durch nichts ablenken
lassen. Der Empfänger muß sich ebenfalls aller fremden Gedanken
erwehren und enthalten: er darf nur den einen Wunsch hegen, die
Karte, die der andere gewählt hat, geistig zu erblicken. Der Emp
fänger darf sich von den Bildern, die im Anfange auftauchen, nicht
täuschen lassen; er muß sich gedulden, bis eines der vier Karten
bilder deutlich wird und vorherrscht. Dann erst äußert er sich über
das Bild, das er sieht. Die Gedankenübertragung glückt nicht so
gleich, sie gelingt erst nach häufiger geduldiger Wiederholung.
Diese Übung stärkt die Willenskraft. Erfolg eingetreten,
Ist

der
wechseln die Rollen: der Schüler wird Empfänger,
in so

übt sich
er

der Passivität, im Empfangen geistiger Ströme. Später muß stets


abgewechselt werden: der Empfänger wird Aussender und umgekehrt.
beiden Rollen einige Erfolge erzielt,
so

Hat man wählt man


in

andere Objekte: Früchte, Figuren, Briefmarken oder Münzen usf.”)


”)

Schon der Einleitung wurde betont, daß das vorliegende Lehrbuch


in

(Theosophie, vermittelt, sondern daß


es

nicht Esoterik Geisteswissenschaft) nur


der neuen Bear
es

vorbereitend schulen soll und kann. (Geschrieben wurde


in

6*
84

beitung, weil allgemein Nachfrage nach einem solchen Elementarbuche sich zeigte.)

ist

so
Wenn daher hier die Rede von telepathischen Übungen, darf man

B.
z.
nicht annehmen, daß solche Kräfte etwa Theosophie und Geisteswissenschaft

in
zum Auffinden von Erkenntnissen über Geistiges dienten. Alles das ist nicht
Geisteswissenschaft, sondern erst verfeinerte Physiologie und gehört das Ge

in
biet des phänomenalen Okkultismus bzw. der feineren Nuturwissenschaft. Hin
führen aber kann und soll solches Training zu Esoterik und geistiger (spiritueller)
Schulung.
Unser Buch soll den Schüler nicht erziehen zur Weltfremdheit, sondern zum

ja
tätigen Anteil am Leben, zur edelsten, verständnisvollsten Praxis. Der Schau

ja

es
platz unserer Schulung ist letzten Endes doch das Leben selbst, wie sich
abspielt zwischen Mensch und Mensch. Wer sich allmählich dem Leben im
Geiste zuwenden und sich von einem edleren Streben tragen lassen will, als von
dem Haschen nach sinnlich-alltäglichem Wohlsein, der darf nicht den Fehler be
gehen, daß die Flucht vor dem Leben ergreift. Das rechte Verhältnis zum
er

Leben seiner Seele soll der Schüler gewinnen, und daraus soll zur zweck

er
mäßigen Behandlung aller Lebensfragen und -aufgaben sich finden. Auch inner
halb der Dinge, die ihn umgeben, soll der Schüler den Geist erkennen. Denn
nicht diese Dinge und Erscheinungen, wenn sie auch nur Wirklichkeits-Oberflächen

zu
sind, sind geistlos, sondern der allein, der nicht die richtige Stellung ihnen
zu nehmen vermag.
Brief VI
Die Nahrungsaufnahme dient der Erhaltung des Erdenleibes.
somit ein wichtiges Moment im Dasein. Der Mensch kann
ist

Sie
auf zweifache Art Speise kann seine Speisen
zu

er
sich nehmen:
gedankenlos
zu

sich nehmen, allein aus physiologisch-tierischem


Bedürfnis; kann aber auch mit Konzentration essen, aus Lebens
er

Diese Art der Nahrungsaufnahme allein richtig.


ist

ökonomie.

Im fünften Lehrbriefe wurde dem Schüler geschlechtliche Ent


haltsamkeit anbefohlen. Heute soll erfahren, wie die durch
er

er

Keuschheit ersparten sexuellen Energien für höhere Zwecke ver


werten, wie die aktive Sexualität umsetzen kann geistige Pro
er

in

duktion.
stark mit vitalen Kräften geladen, wie die Pro
ist

Nichts
so

dukte der Sexualorgane (Samen beim Manne, Lutein und Schleim


beim Weibe). Die Erschöpfung, die jedem sexuellen Akte folgt,
rührt von dem außerordentlichen Od-Verluste her, den bedingt.
er

Der Hellseher bemerkt bei sexuell erregten Menschen eine außer


gewöhnlich starke und dichte Ausstrahlung gleich einer breiten Hülle.
bemerkt auch, daß bald nach der sexuellen Befriedigung die Od
Er

Strahlung unternormal wird. Daraus erklärt sich der maßlose Ver


lust feinstofflicher (und grob physischer!) Kräfte durch sexuelles
-

Leben.
Die Liebeskraft muß für höhere Zwecke verwertet werden. Es
sie ist

Wahnsinn, vergeuden, verschleudern,


zu

zu

diese Kraft sie wo


doch die Quelle vitaler und geistiger Kräfte sein soll.
Folgende Ubungen unterstützen die Umwandlung der Ge
schlechtskraft geistige Energie:
in
88

Wünscht der Schüler die Zeugungsenergie in vitale Kraft um


zuwandeln und als Reservekraft aufzuspeichern, so muß er die
sexuellen Kräfte mit starkem Willen in höhere Kräfte umwandeln
und diese Kräfte in den Solarplexus (Sonnengeflecht) heraufziehen.
Wünscht er die Zeugungsenergien in intellektuelle Gehirnkraft
umzusetzen, so muß er die sexuelle Kraft in das Gehirn herauf
ziehen.
Bei diesen Übungen setzt sich der Schüler in aufrechter Hal
tung ruhig nieder. Der Kopf sei nur wenig geneigt, die Hände ruhen
zur Seite, der Blick ist auf den Unterleib gerichtet.
1. Theoretischer Teil. –
In dieser Stellung konzentriert der
Schüler alle Gedanken auf die Umwandlung (Transmutation) der
Liebeskraft. Er stellt sich vor, wie diese Kraft von den Zeugungs
organen dem Solarplexus zuströmt, und er sieht, wie sie sich dort
sammelt.
2. Praktischer Teil. – Der Schüler atmet rhythmisch
durch
beide Nasenlöcher ein. Dabei muß er sich plastisch vorstellen, wie
die Zeugungsenergien in den Plexus emporsteigen. Beim Stauen
des Atems stellt er sich vor, wie die ätherialisierten Zeugungssäfte
(das Prana oder Od) vom Solarplexus aufgesogen werden. Beim
rhythmischen Ausatmen konzentriert er sich auf den Wunsch, die
transmutierte Kraft müsse den Körper verjüngen und die geistigen
Fähigkeiten stärken und erhalten. Diese Übung (Einatmen, Stauen
und Ausatmen) wird siebenmal hintereinander durchgeführt. Da
nach pflegt der Schüler ernste Betrachtungen über den Zweck seiner
Einkörperung und über sein himmlisches Ziel. Er denkt Gedanken
der Reinheit und der Harmonie und nimmt sich vor, unablässig an
seiner ethischen Vervollkommnung zu arbeiten.
Wenn sein Glaube an die Wirkung dieses Experimentes uner
schütterlich ist und wenn ein reiner Wille in ihm lebt, so wird sehr
bald eine Fülle von Kraft seinen Körper durchströmen. Diese Übung
soll wöchentlich einmal durchgeführt werden; sie braucht nicht länger
als eine halbe Stunde zu währen.
Wünscht der Schüler die Zeugungsenergien ausschließlich zur
Verfeinerung der Atome des Gehirns zu verwerten, so muß er sich
bei der Übung darauf konzentrieren, daß die Zeugungskräfte durch
den Wirbelkanal zur Zirbeldrüse wandern. Die Übung bleibt unver
89

ändert, nur konzentriert man beim Einatmen den Willen darauf, daß
die sublimierte Liebeskraft an der Wirbelsäule entlang (Wirbelkanal)
bis in das Gehirn steige. Beim Stauen desAtems (Kumbhaka)
stellt man sich vor, wie diese Kraft vom Gehirn aufgesaugt wird.
Beim Ausatmen hat man den Wunsch und Willen, die ätherialisierte
sexuelle Kraft müsse der Entwickelung des Verstandes, des Gedächt
nisses, überhaupt aller geistigen Kräfte, dienen.

In diesen Lehrbriefen wurde mehrfach der Name Prana er


ist

wähnt. Prana die gestaltende Kraft der sichtbaren Welt, die

in
absolute Energie, die »Lebenskraft«. Prana ist alle Kraft im Ur
zustande, das tvsiua des Galenus, der archaeus bzw. spiritus vitae
des Paracelsus, das nephesh der Genesis, der élan vital der moder
ist ist

nen Philosophen. Prana die Ursache des Lebens, das Substrat


im

der Naturgesetze.Prana die Bewegung grenzenlosen Raume,


Schwere, Nervenstrom, Magnetismus, Elektrizität, Gedanke, Leben.
ist

ist

es ist
Ohne Prana keine materielle Kundgebung möglich. Prana
nicht wägbar, nicht meßbar, nicht ohne weiteres sichtbar, aber
offenbart sich uns als das gestaltende Leben tausend Formen.
in

Die moderne Elektronentheorie und die Radiumforschung sind die


Herolde der bevorstehenden »Entdeckung« des Prinzips Prana –
durch die Naturwissenschaft.
zu

des Schülers Aufgabe. Mit jedem Atem


ist

Prana meistern,
zuge saugt der Mensch Prana ein. Die Atemtechnik sondert das
zu

Prana von der eingeatmeten Luft und läßt


es

vom Willen den


verschiedenen Organen tragen. Alles, was besteht, fließt über von
Prana, auch die Luft, aber die Luft ist nur eine Erscheinungsform
von Prana. Der geschulte Wille führt dieses manifestierte Prana
auf sein Urwesen zurück und läßt das reine volle Prana auf den
ist

Körper wirken. Auch das Prana der Zeugungskraft eine beson


Erscheinungsform;
es

dere die Willenskraft führt auf die Urkraft


zurück und leitet dann das reine Prana zu den Nervenzentren, um
zu

zu

sie und
stärken beleben. Obwohl Prana für die groben Sinne
nicht wahrnehmbar ist, muß der Schüler doch imstande sein, den
pranischen Strom seinem Leibe zu fühlen. Er sollte die Vor
in

stellung üben, sehe und empfinde Prana als eine unendlich feine,
er

weißliche, gasartige Substanz. Wiewohl diese Vorstellung den Tat


90

sachen nicht entspricht, wird sie doch dem Schüler die späteren
Ubungen erleichtern und ihn schneller zum Ziele führen.

Der Schüler muß fortan bei seinen morgendlichen und abend


lichen Vollatmungs-Übungen die pranische Strömung bewußt ver
werten. Er weiß, daß er beim Einatmen Prana aufnimmt. Beim
Atemstauen vergegenwärtigt er sich, daß Prana nunmehr frei wird
und sich rasch in seinem Körper verteilt. Beim Ausatmen konzen
triert er sich darauf, daß Prana bereits im Körper wirke und mit
der Kohlensäure, die er ausatmet, alle unreinen Triebe und Kräfte
aus dem Körper entferne.

Der Schüler hat rhythmisch atmen gelernt; er soll sich aber


auch bestreben, rhythmisch zu gehen. Er richtet sich dabei nach
seinen Pulseinheiten. Durch Übung und Beobachtung lernt er bald,
wieviele Schritte auf einen Atemzug kommen. Das läßt sich sogar
im Zimmer feststellen. Wenn er z. B. beim rhythmischen Einatmen
7 Schritte macht, so muß er auf das Atemstauen 3–4 Schritte und
auf das Ausatmen wieder 7 Schritte verwenden. Macht er nur
4 Schritte beim Einatmen, so muß er 2 Schritte auf das Atemstauen
und 4 Schritte auf das Ausatmen verwenden. Es läßt sich dafür
keine Norm aufstellen; auf alle Fälle aber muß der persönliche
Rhythmus beim Gehen eingehalten werden.
Hat der Schüler den Rhythmus seines Atems auf das Gehen
übertragen, so soll er folgende Ubung so
oft

als möglich
im
Freien
vornehmen. (Jeder Spaziergang sollte für diese Übung, die vorerst
mindestens zweimal wöchentlich durchzuführen ist, verwendet wer
den.) Der Schüler muß besorgt sein, daß seine Schritte weder
er
zu

lang noch kurz wähle, soll ein ruhiges Schreiten pflegen.


zu

er

Bevor den Spaziergang bzw. das rhythmische Gehen beginnt,


er

soll feststellen, ob sein Atem aus Chandra (links) oder aus Surya
er

(rechts) strömt. Seite, auf der gerade der Atem strömt,


Auf der
muß der erste Schritt erfolgen. Man tritt also bei Chandra links,
bei Surya rechts an. Beim Gehen achtet man darauf, daß der
Rhythmus allezeit eingehalten wird. Die Spaziergänge sollen an
fangs nicht länger als eine halbe Stunde währen; später können
sie ausgedehnt werden. Man soll sie allein vornehmen, alle Ge
91

sellschaft ablehnen, sich gerade halten und sich durch die Außen
welt nicht beeinflussen lassen. Dieses rhythmische Gehen schafft
ein erhebendes Gefühl der Zufriedenheit, der Kraft und der Har
monie. Das Gehen wird zum hoheitsvollen Schwebegang, und die
Haltung wird würdiger. Wer sich geistig oder körperlich abgespannt
fühlt, braucht nur eine Viertelstunde auf diese Weise in der frischen
Luft zu lustwandeln –
und er wird sich wie neugeboren fühlen.
Die beste Wirkung hat das rhythmische Gehen, wenn es mit
Surya begonnen werden kann. Strömt aber Sushumna, so soll
der Schüler die Übung nicht unternehmen.

Die Atem-Vibration des fünften Lehrbriefes soll fortan eben


falls mit der Vorstellung ausgeführt werden, daß Prana aufgenom
men und verwertet werde. Jede Atemübung, bei der diese Vor
stellung gebraucht wird, heißt »Pranayama«.

in oft
Der Schüler soll außer den vorgeschriebenen Übungen, so
Gelegenheit hat, ein Pranayama durchführen. Er soll das
er

einer bestimmten Stellung am teppichbelegten Boden tun.


Der Yogi bedient sich zur Ausübung des Pranayama zweier
Stellungen, die abwechselnd anwendet. Diese Stellungen sind:
er
Er

sitzt nach orientalischer Art am Boden mit gekreuzten


1.

Beinen, die den Leib herangezogen sind.*) Dabei muß die Ferse
an

so

liegen kommen, daß sie


zu

des einen Beines unter den Damm


ihn angepreßt wird; die andere Ferse liegt obenauf. Die Hal
an

tung muß völlig aufrecht, das Rückgrat eingezogen und der Kopf
so

geneigt sein, daß das Kinn auf die Brust liegen kommt. Die
zu

Augen fixieren die Nasenwurzel den Punkt zwischen den Augen


d.
h.

ist

brauen,
an

dem die Nase entspringt. Das die »Siddhasana«-


Stellung.”)
Der Yogi nimmt die gleiche Stellung ein, nur kommt die
2.

zu

liegen;
an

rechte Ferse die Gesäßfurche des linken Oberschenkels


die linke Ferse dagegen liegt gleicher Weise am rechten Ober
in

Dieser orientalische Sitz hat auch den Vorteil, die Organe der unteren
*)

zu

zu

Körperhälfte entspannen und Verlagerungen beseitigen.


An der Nasenwurzel liegt ein wichtiger Plexus (Geflecht) des Ätherkörpers
*)

(Lebensleibes).
92

schenkel. Die Stellung ist nur dann richtig, wenn es gelingt, mit
den auf den Rücken gekreuzten Händen die Zehen zu erfassen, so,
daß man imstande ist, die rechte Zehe mit der rechten Hand und
die linke Zehe mit der linken Hand zu ergreifen. Ist diese Probe
gelungen, so werden die Hände auf den Schoß gelegt, der Kopf
nach vorn geneigt, bis das Kinn die Brust erreicht, und die Zunge
wird oben an den harten Gaumen gelegt, so daß sie an die Vorder
zähne stößt. Der Körper muß aufrecht, die Wirbelsäule gerade ge
halten werden. Diese Stellung heißt »Padmasana«.
Bei Stellung No. 1 wird der Atem nur durch das rechte Nasen
loch eingezogen und durch das linke wieder entlassen; dabei wird
jedesmal das zweite Nasenloch mit der Hand verschlossen. Bei
Stellung No. 2 wird der Atem mit beiden Nasenlöchern eingezogen
und durch beide wieder ausgestoßen. -

Diese Stellungen (immer gegen Osten) verlangen längere Übung,


bevor sie zum Pranayama verwertet werden können.
Hat der Schüler die nötige Fertigkeit erreicht, so kann er zum
Pranayama in diesen Stellungen übergehen, indem er sich beim
Einatmen das Eindringen von Prana, beim Stauen die Ansammlung
im Plexus vorstellt und die Empfindung hat, daß Prana sich rasch
allen Regionen seines Körpers mitteile, und indem er schließlich
beim Ausatmen das plastische Empfinden hat, daß Prana ihn geistig

ist
und körperlich kräftige und von allem Niedrigen befreie. Das
die einfachste Form des Pranayama.
es
Der Schüler soll wöchent
lich mindestens zweimal (und zwar abwechselnd beiden Stel
in

lungen) vornehmen.
Sollten diese Stellungen dem Schüler trotz redlicher Mühe nicht
so

gelingen, mag den gewöhnlichen orientalischen Sitz einnehmen.


er
zu Er

so

setzt sich auf den Teppich, daß sein Körper auf das Gesäß
ruhen kommt. Die Beine sind gekreuzt, und zwar liegt der
rechte Fuß unter dem linken Schenkel und der linke unter dem
rechten Schenkel.") Die Haltung muß, trotzdem der Kopf geneigt
”)

Unter »Arabischem Sitz« dagegen versteht man die kauernde oder sog.
Hock-Stellung, bei der die Knie der Brust anliegen und das Gesäß den Fersen
aufsitzt. Diese Stellung sollte der Schüler beim Stuhlgang stets einnehmen, da
sie den Darm entspannt, völlige Entleerung ermöglicht und

vornehmlich auf

fremden Klosetts! vor Ansteckung schützt.


93

wird, unbedingt aufrecht sein. Die Wirbelsäule darf unter keinen


Umständen eingezogen werden. Das Antlitz muß stets nach Osten
gerichtet sein. Der Atem wird rechts eingezogen.
Keines dieser Experimente darf in unfriedlichem Zustande
unternommen werden. Ein Pranayama, das im Zorne oder in leiden
schaftlicher Erregung durchgeführt wird, hat schlimme moralische
Folgen und schafft oft auch körperliche Schäden. Das Pranayama
ist in der Erregung nur dann gestattet, wenn es diese Erregung
dämpfen soll. Des Schülers Denken muß allezeit sein: Frieden allen
Wesen! Segen allen Wesen! Hilfe allen Wesen!
Der Schüler muß auch lernen, seinen Atemstrom willkürlich
zu wechseln (vorerst auf mechanischem Wege). Er weiß und hat
an sich selbst erfahren, daß der Atem in zweistündlichen Intervallen
von einem Nasenloch zum andern wechselt. Beim harmonischen
und gesunden
Menschen tritt der Atem am 1. Tage des Neu
mondes mit Sonnenaufgang in das linke Nasenloch ein, nach 2 Stun
den in das rechte, nach weiteren 2 Stunden wieder in das linke
usf. 3 Tage lang, an denen er bei Sonnenaufgang stets links be
ginnt. Am Tage beginnt er rechts, auch am 5. und 6. Tage, wäh
4.
rend er am 7. Tage bei Sonnenaufgang wieder links eintritt. Dieser
Wechsel währt solange, bis der Atem am 1. Tage des Vollmondes
bei Sonnenaufgang wieder rechts strömt. Am 4. Tage des Voll
monds geht der Atem bei Sonnenaufgang wieder links, ebenso am
5. und 6. Tage, während er am 7. Tage wieder rechts zu strömen
beginnt usf.
ist

Dieser Vorgang bedeutungsvoll und muß beachtet werden.


Sein geordneter Gang wird durch Disharmonie, Erregung oder Krank
heiten sofort gestört. Der Schüler muß daher lernen, den Atem
zu

strom regulieren, um Störungen dieser für das psychische wie


das physische Wohlergehen wichtigen Funktion augenblicklich
so
zu

beilegen können. Dem entwickelten Menschen gelingt das durch


einen einfachen Willensakt; der Schüler aber ist vorerst noch auf
mechanische Mittel angewiesen. der Atem rechts pul

B.

Wenn
z.

siert, aber auf der linken Seite strömen sollte, dann muß sich der
Schüler mit der rechten Seite auf den harten Fußboden legen und
sich ungefähr der Gegend der Rippe (von unten gezählt) ein
in

5.

sehr hartes Kissen unterschieben, auf das seinen Körper bzw. die
er
04

rechte Seite preßt. Er verbleibt in dieser Stellung längere Zeit und


verschließt dabei das rechte Nasenloch mit dem Finger. Bald wird
der Atem nach links überströmen. Der Schüler soll sich nicht früher
erheben, ehedem er sich vom Bleiben des Erfolges überzeugt hat.
– Strömt der Atem links anstatt rechts, so wird die Korrektur
Übung links vorgenommen.
Der Schüler soll sich –
auch dann, wenn sein Atem richtig
strömt –
des öfteren in der Regulierung des Atemstromes üben.
Das wird ihm später auch in sitzender Stellung gelingen; ja, nach
Wochen sogar beim Stehen, nur muß dabei die Seite in der Gegend
der 5. Rippe fest und anhaltend gepreßt werden.

Auch die gymnastischen Übungen werden jetzt mit der Vor


stellung von Prana durchgeführt.
Die drei Phasen der Atemtechnik heißen »Puraka« = Einatmen,
»Kumbhaka« = Stauen und »Rechaka« = Ausatmen.
Der Schüler benützt wieder die gymnastischen Übungen des
dritten Lehrbriefes und zwar heute die Übungen der Gruppe A und
morgen die Übungen der Gruppe B. Mehr als zweimal wöchent
lich brauchen sie nicht geübt zu werden. Als Pranayama sind diese
Übungen keine einfache Gymnastik mehr, sondern Hatha-Yoga.")

Gruppe A. –
Bei den Übungen 1 4 macht man vorerst Puraka
mit kräftiger Vorstellung von Prana. Bei Kumbhaka läßt man den
Prana-Strom in die Arme dringen; dabei macht man die Übungen,
doch jede nur einmal. Dann wird Rechaka eingeleitet. Während
dieser Übung stellt man sich vor, daß sich eine große (Lebens)-

*) Yoga
ist

die Praxis der geisteswissenschaftlichen (okkulten) Gesetze, die


Entwickelung des irdischen Menschen zum Geistmenschen, zum Übermenschen.
Yoga
ist

eine angewandte Wissenschaft, ein System von Gesetzen, die ausgeübt


einem bestimmten Zwecke: um den Aufstieg zum höheren Menschen
zu

werden
erzielen. Raja-Yoga der Weg zum Ego durch das Ego, der psycho
ist
zu

tum
Hatha-Yoga der Weg zum
ist

spirituelle Pfad, die metaphysische Methode.


Ego durch die Persönlichkeit, der psycho-physiologische (wissenschaftliche) Pfad,
Raja-Yoga der bessere Weg,
ist

ist aber für


er

die niedere Methode. Zweifellos


Auch Hatha-Yoga sollte mit reinen Mo
zu

den Durchschnittsmenschen hoch.


tiven ausgeübt werden, sonst kostet Leib und Seele.
er
95

Kraft in den Armen entwickele, daß alle Säftestockung behoben


werde, daß Knochen und Muskeln kräftig werden.
Es folgen die Übungen 6 und 7 nach Puraka je zweimal wäh
rend Kumbhaka, wobei man den Pranastrom in die mittleren Körper
partien und den Unterleib eindringen läßt. Bei Rechaka muß die
Vorstellung der Kräftigung des Unterleibes, der Verdauungsorgane,
des Herzens, der Leber usf. eintreten.
Die Übungen 9, 10, 11 werden nach Puraka, also während
Kumbhaka, je einmal durchgeführt. Bei Rechaka herrscht die Vor
stellung der Kräftigung der unteren Extremitäten. Man läßt den
Prana-Strom mit großer Willenskraft während Kumbhaka, also wäh
rend der Übung, in die genannten Körperstellen dringen.
Auch die Übungen 13 und 14 werden in gleicher Weise durch
geführt. Der Prana-Strom wird hierbei während Kumbhaka durch
ist

den ganzen Körper geleitet. Rechaka von der Vorstellung der


völligen Gesundung und Kräftigung des ganzen Organismus be
gleitet.
Hierauf begibt man sich sofort eine der beiden Yogi-Stel
in

lungen (oder, wenn das nicht möglich ist, den gewöhnlichen


in

orientalischen Sitz) und vollendet die ganze Übung, indem man noch
dreimal das Pranayama macht, das ebenfalls mit der Verteilung von
Prana durch den ganzen Körper und mit der Vorstellung allgemeiner

Kräftigung des ganzen Organismus verbunden sein soll. Der
Schüler mag dabei leicht bekleidet oder auch unbekleidet sein.
Natürlich darf die Hautpflege nie vernachlässigt werden,
da

die
Haut ebenfalls ein Atmungsorgan ist, das kosmische Energien über
mittelt.
Gruppe
B.

ist

Die Übung
ganz ähnlich: Zuerst zieht man
(selbstverständlich durch beide Nasenlöcher), dann tritt
an

Puraka
Kumbhaka ein, wobei der Prana-Strom mit starkem Willen die
in

übenden Körperteile geführt wird. Danach folgen sofort die Übungen.


Auch während der gymnastischen Exerzitien muß man fühlen, wie
Prana den übenden Körperteilen schafft. Bei Rechaka, wenn
in

im

der Körper wieder Ruhezustande ist, muß stets die Vorstellung


der Gesundung der betreffenden Körperteile eintreten.
Man macht bei Gruppe die Übungen 1–3 einmal, die
je
B

Übungen 5–7 ebenfalls


je

je

einmal, die Übungen 9–10 zweimal


96

und die Übungen 12–13 ebenfalls je einmal. Auch Gruppe B wird


mit einem dreimaligen Pranayama in der Yogi-Stellung im orien
talischen Sitze beendet.
Nach Absolvierung der beiden Übungsgruppen soll man sich
einige Minuten recht ruhig verhalten und dabei rhythmisch atmen.
Sobald diese Übungen unbekleidet vorgenommen werden, darf da
nach das bekannte Reiben (und Salben) der Haut nicht unterbleiben.
Wir empfehlen, die gymnastischen Übungen öfters auch ohne die
Vorstellung von Prana nebenbei durchzuführen.

ist
nunmehr derart geschult, daß

er
Der Blick des Schülers
experimentell verwertet werden kann. Der Schüler muß den »zen
tralen Blick« schulen. Er setzt sich vor einen Spiegel und malt
sich mit einer leicht abwaschbaren dunklen Farbe einen etwa erbsen
großen Punkt auf die Nasenwurzel. Dann blickt konzentriert,

er
also starr und unbeweglich, auf sein Spiegelbild, jedoch so, daß

er
fixiert. Diese Übung soll vor
an

nur den Punkt der Nasenwurzel


erst nur Minuten währen, sie kann später langsam gesteigert wer
3

den. Der Zweck dieser Übung besteht darin, daß man lerne, die
Augen nicht eine Sekunde von dem Punkte an der Nasenwurzel
des Spiegelbildes abzuwenden, obwohl man gleichzeitig das ganze
Gesicht, also das ganze Spiegelbild, allen Einzelheiten sehen
in

muß. Das Gesicht muß vollständig ruhig gehalten werden; jedes


Blinzeln und Zucken muß unterbleiben. Der Schüler nimmt diese
Übung jeden zweiten Tag einmal vor.

Wir üben auch fernerhin den »negativen Zustand«. Die Übung


des fünften Lehrbriefes (drehende Scheibe) wird fortgesetzt, jedoch
muß jetzt die Weckuhr auf eine längere Zeit, etwa 25–30 Minuten,
gestellt werden. Sobald sich der Schüler die Vorstellung der
in

drehenden Scheibe versenkt hat, muß sehen, wie die Scheibe


er

langsam kleiner und kleiner wird. Er muß sich die Vorstellung,


in

daß die Scheibe langsam Größe abnimmt, mit aller Kraft ver
an

setzen: die Scheibe dreht sich –


dreht sich – wird immer kleiner
– und kleiner

und ganz klein, zum drehenden Punkte, und dann


existiert für den Schüler im ganzen Umkreise nichts mehr außer
diesem Punkte. Nunmehr wird die Weckuhr ertönen, und das Ex
97

ist


periment Sobald der Schüler Erfolg hat, kann die

er
beendet.
Übung dahin ausdehnen, daß auch den Punkt verschwinden

er
sieht. Da erwächst ihm aber die schwere Aufgabe, an Stelle des
Punktes das »Nichts« zu setzen! Es existiert nichts mehr – keine
Scheibe – kein Punkt – keine Zimmerdecke – kein Gedanke –
nichts! Es wird dem Schüler nur für wenige Sekunden gelingen,

ist
diesen Zustand festzuhalten. Aber das schon ein großer Erfolg,
der als Vorbereitung für ein späteres wichtiges Experiment dient
Auch das Strahlensehen muß weiter geübt werden. Es muß
dem Schüler nunmehr gelingen, auch die odische Lohe der sog.
Der Tisch, das
zu
»toten« oder »anorganischen« Materie sehen.
Glas, das Messer, alles, was zur Hand nimmt, jeder Gegenstand
er
ist

seiner Umgebung einen leichten feinen Rauch gehüllt. Es


in

kann dem Schüler nicht schwer werden, sich auch dieser Weise

in
vervollkommnen, wenn jede Gelegenheit zur Übung seiner
zu

er

Fertigkeiten wahrnimmt.

Wir schreiten jetzt zur willkürlichen Veränderung der Tattvas.


Wer die tattvischen Kräfte anzuwenden weiß, der hat einen Schlüssel
zur Magie. Die Tattvas äußern sich durch Licht, Ton, Farbe,
u.
a.

daher notwendig, diese Manifestationen


ist

Geruch und Geschmack. Es zu


durch den Willen und das plastische Vorstellungsvermögen
schaffen. Wer das Tejas-Tattva sich wecken will, muß im
B.

in
z.

zu

stande sein, sein ganzes Wesen mit der roten Farbe verbinden,
muß mit »Rot« völlig verschmelzen, selbst dann, wenn seine tat
er

sächliche Umgebung ausgesprochen grün ist. Das Grün muß für


ihn vollständig verschwinden; alles um ihn her und ihm muß
in
zu

rot werden. Um diese Fertigkeit erlangen, macht der Schüler


jeden zweiten Tag folgende Ubung:
je Er

beschafft sich den


in

Farben indigo, grün, rot, violett, orange Bogen Glanzpapier


2

und klebt die beiden Bogen einer jeden Farbe auf Pappe, so,
daß eine steife farbige Fläche von doppelter Bogengröße ent
steht. Wenn dann den roten Deckel vor sich hinstellt und sich
er

ausschließlich mit der Vorstellung


der roten Farbe beschäftigt,
so

unverwandt das Papier ansieht,


es

muß ihm nach


er

indem
Minuten oder einer Viertelstunde gelingen, sobald seine Augen
10

er

zu

von dem roten Papier entfernt, alles, was anblickt, rot sehen.
er

7
98

– Diese Übung wird an den folgenden Tagen mit den übrigen


Farben durchgeführt.
Auch die Erzeugung eines bestimmten Geschmackes im Munde
muß beherrscht werden. Man zwingt sich, im Munde heute einen
süssen Geschmack,morgen einen sauern und ein andermal einen
salzigen, dann einen bitteren zu empfinden. Diesen Geschmack
muß man mit Willen und Vorstellungskraft immer stärker und aus
gesprochener machen, so lange, bis er ganz deutlich ist.
Beide Übungen erfordern Sorgfalt und Ausdauer. Ihr Wert wird
dem Schüler erst später klar werden.

Die Gedankenübertragung (Telepathie) wird jetzt auf Gegen


stände ausgedehnt. Man legt 10–15 Gebrauchsgegenstände (Ta
schenmesser, Bleistift, Uhr, Schlüssel) auf den Tisch. Die Übenden
– Aussender und Empfänger –betrachten diese Gegenstände
genau. Dann setzt sich der Empfänger (Perzipient) wieder mit ver
bundenen Augen nieder, während der Aussender (Agent) leise einen
dieser Gegenstände ergreift, hinter den Rücken des Empfängers
tritt und das Bild dieses Gegenstandes dem Gehirn seines Partners
zu übertragen sucht. Der Agent muß konzentriert sein, er muß das
Bild des Gegenstandes in das Gehirn des Empfängers förmlich ver
senken. Der Empfänger muß sich absolut ruhig verhalten, er darf
nicht fremden Gedanken nachhängen, sondern er muß den starken
Wunsch haben, den gewählten Gegenstand geistig zu erblicken.
Diese Experimente gelingen nur dem Geduldigen. Auch bei diesen
geänderten Übungen gewechselt werden, sodaß
sollen die Rollen
also der heutige Aussender beim nächsten Male Empfänger wird.
Brief VII
Der Schüler muß mit voller Kraft an seiner ethischen Vervoll
kommnung arbeiten. Er steht nunmehr an der Grenze, an der schon
viele Schüler versagt haben. Er muß wählen zwischen Schwarzer
und Weißer Magie, zwischen Selbstsucht und Selbstlosigkeit. Die
okkulten (geistigen) Kräfte sind in ihm erwacht und suchen ein Feld,
da sie wirken können. Unsere Anweisungen geben den Kräfte
äußerungen Zweck und Ziel. Die inneren Kräfte haben aber immer
eine Doppelnatur, die bedingt durch die ethische Entwickelungs
ist

stufe des Kandidaten. Auch die gute Gesinnung kann zum dunklen
Aspekte der Schwarzen Magie führen, wenn nicht der entwickelte
und geschulte Wille und die innere Festigkeit die Okkulten Kräfte
überwachen und lenken.
Harmonie und (innere) Ruhe sind Bedingungen zum Erfolge.
Wer fürderhin noch disharmonischen Schwingungen unterliegt, wer
sich durch äußere Umstände seiner Seelenruhe stören läßt, der
in

wird das Ziel verfehlen. Augenblicke innerer Ruhe soll der Schüler
sich schaffen, und diesen Augenblicken soll das Wesentliche
er
in

vom Unwesentlichen unterscheiden lernen. Sich selbst muß


er

gegenübertreten mit der inneren Ruhe des Beurteilers. Er wird da


durch seine Erlebnisse schärferem Lichte sehen. Im äußeren
in

Leben treten keine Störungen ein durch die Befolgung dieser Regel:
nicht nur wird der Schüler dem äußeren Leben und seinem Berufe

nicht entfremdet, wird tiefer hineingeführt und gewinnt Tüch


er

tigkeit jedem guten Sinne. Durch innere Ruhe wachsen vor allem
in

zu

aber die Fähigkeiten, die höheren (übersinnlichen) Erkenntnissen


ist

führen. manchen Lebenslagen viel Kraft und Wille erforder


In

je
zu

lich, sich Augenblicke innerer Ruhe schaffen. Aber schwie


riger die Übung ist, desto umfassender
ist

auch der Erfolg.


102

Absolute Reinheit des Herzens und tiefste Seelenruhe in allen


Lagen des Lebens werden vom Schüler gefordert. Das Gedanken
leben muß im strengsten Rhythmus bleiben, kein Gedanke, der
nicht die Probe auf seinen ethischen Wert und Nutzen bestehen
kann, darf geduldet werden. Aus den Gedanken erwachsen die
Handlungen, und die Handlungen schmieden das Schicksal. Unreine
Gedanken rufen niedere Elementale (Astralwesen) herbei und schaffen
ein widriges Geschick. Sie sind Feinde, die den Schüler auf gefähr
iche Wege treiben. Das gelingt ihnen besonders leicht bei Übungen,
die eine gewisse Passivität des Schülers verlangen. Im Verein mit
gegnerischen Kräften verderben sie den Schüler, sie verzögern oder
verhindern den Erfolg, ja sie schaffen Wirkungen, die zur selbstischen
(schwarzen) Magie”) führen.
Negative (magnetische) Naturen geraten in noch größere Ge
fahren, sofern sie nicht inzwischen gelernt haben, sich in Seelen
frieden und Harmonie zu erhalten und in absoluter Herzensreinheit zu
leben. Dauernde oder zeitweilige Besessenheit, hochgradige Nerven
zerrüttungen, Gehirnlähmungen u. a. sind die Meilensteine des selb
stischen Weges. Wir lesen in Bulwers Roman »Zanoni«*), daß
der »Hüter der Schwelle« *) sich nur dem ungestraft zeige, der Herr
seiner selbst geworden ist. (»Alterius non sit, qui suus esse potest«
sagt Paracelsus.)

Dem Schüler muß nunmehr psyschisch und physisch derart ge


schult und immun sein, daß er niederen Intelligenzen und Wesen
heiten keine Angriffspunkte mehr bietet. Erst dann kann er gefahr
los

Er

experimentieren. wird sich dann bei seinen Übungen keiner


in

Die Weiße (selbstlose) und die Schwarze (selbstische) Magie unterscheiden


*)

sich durch die guten oder üblen Motive der Praktikanten und damit auch durch
die Folgen, die diesen Motiven entspringen.
4.–,
*)

»Zanoni«. Ein okkulter


E.

Roman von Bulwer. Brosch. Mk.


L.

geb. Mk. 5.–. Geschenkausgabe: eleg. Bände, Mk. 10.–. Theosophisches Ver
2

lagshaus, Leipzig.
Es gibt drei Arten von »Hütern der Schwelle« von Kräften, die
*)

h.
1. d.

dem Schüler den Zugang zum Höheren Leben verwehren: die Elementale
nichtmenschliche Bewohner der Astralwelt; die Gedankenformen unserer
2.

Vergangenheit die Begierdennatur (Kama


=

die vorgeburtlichen Einflüsse;


3.

Manas), sofern der Mensch sie nicht überwindet (Transmutation), sondern sich
mit ihr identifiziert und ihr unterliegt, wobei seine Höhere Natur vergißt.
er
103

ist
Weise schädigen; denn
er Herr der Okkulten Kräfte, und vom
Schilde seiner Reinheit prallen alle feindlichen Geschosse ab.

Wir warnen wiederholt vor übereiltem Studium


dieser Lehrbriefe. den Lehrgang auf viele Mo

Es
ist
besser,
zu

nate verteilen, so, daß der Schüler schon sein eigener Führer,

an
Herr und Lehrer geworden ist, bevor die höchsten Aufgaben

er
zu
herantritt, als übereiltem Studium versuchen, die Okkulten
in

Kräfte zu meistern, ehedenn man sich selbst zu meistern weiß. Die


Lehrbriefe müssen nicht nur gelesen, sondern gründlich studiert und
mit treuer Sorgfalt die Tat umgesetzt werden. Kein neuer Lehr
in

brief darf Angriff genommen werden, bevor der Schüler die vor
in

hergehenden praktisch vollständig beherrscht.

Insonderheit der mono-ideistischen Übung muß Zeit, Geduld


und Sorgfalt gewidmet werden. Der Vormitternachtsschlaf muß


eingehalten werden. Um die zwölfte Stunde der Nacht vollzieht
sich ein magnetischer Ausgleich (Kulmination der magnetischen
Kräfte), der nur im Schlafe oder im abgezogenen Zustande der Me
ditation verwertet werden kann. Die astrale Sammlung, die dieser
in

Zeit stattfindet,
wirkt der Richtung, die der letzte Gedanke vor
in

ist

dem Einschlafen eingeschlagen hat. Der Mono-Ideismus ein


Mittel zur Selbsterziehung und somit von hohem Werte für den
Schüler. Der Schüler muß sich bemühen, allezeit konzentrierten
in

Gedanken der Harmonie, der Nächstenliebe, der Reinheit, der Selbst


ist
zu

zucht entschlummern. Hier der Schlüssel zur Entwickelung!


Wer mit Gedanken des Friedens einschläft, wird mit friedevollem
Herzen erwachen; wer mit der Sehnsucht einschläft, ein besserer
zu

Mensch werden, der wird am andern Tage die moralische Wider


standskraft gegen Schwächen und Leidenschaften einer Weise
in

gestärkt sehen, die den Sieg erleichtert. Schwere Fehler lassen sich
auf diese Art ausmerzen: die für die Höherentwickelung unentbehr
liche dauernde Seelenruhe wird durch diese Übung gefestigt.
Alle Rückfälle müssen seltener und seltener werden. Der Schüler
muß die Begegnung mit niederen Influenzen meiden, wo sie ihm
überwinden wissen. Die Übung des pas
zu

aber entgegentreten, sie


siven Zustandes muß die Geister des Linken Pfades der selb
h.
d.
104

stischen Magie herbeiführen, wenn der Schüler noch in irgendeiner


Weise der Spielball unreiner Gedankenformen ist.

oft
Bei der Übung des passiven Zustandes stellen sich Ver
suchungen ein, erst recht bei der Entwickelung des Hellsehens und
des Hellhörens. Da kommen dann unter der betrügerischen Maske
des „geistigen Führers“ niedere Wesenheiten, die dem Schüler der
art den Kopf verdrehen, daß alle Kritik und Selbstbestimmung

er
einbüßt und zum willenlosen Werkzeug unheimlicher Mächte wird.
Auf einen jeden Schüler wartet sein MEISTER.*) Eben darum
suchen niedere Wesenheiten, die (auf dem betreffenden Plan mit
Hilfe des Odes der Schüler) Unfug treiben, dem Eingreifen des wirk
lichen MEISTERS zuvorzukommen; sie suchen durch List und

zu
Schlauheit den unvorsichtigen Schüler übertölpeln, ihn für ihre
unsauberen Zwecke auszunützen und dem MEISTER den Zögling
zu verderben.

Die Übungen des vorliegenden und die der nächsten Lehrbriefe


sind schwierig und ernster Natur. Der Schüler steht seiner Ent

in
wickelung vor einer neuen Etappe, die ihn tiefer die okkulten

in
(geistigen) Reiche führt und ernsten Gebrauch der nach Gestaltung
ringenden Kräfte gebeut.

so
Das Strahlensehen muß weiter geübt werden, und zwar oft
als möglich, bei jeder passenden Gelegenheit; fortan aber muß sich

Er
der Schüler im Erkennen der psychischen Strahlungen üben.
diesem Zwecke auf den Solarplexus seiner Gegen
zu

konzentriert sich
über. Es kommt dabei hauptsächlich darauf an, die Strahlung des
Nervengeflechts klar und deutlich Diese Strahlen er
zu

erkennen.
scheinen dem ungeübten Auge anfänglich wohl weißlich-grau. Später
erlangt der Schüler durch die tattvischen Übungen die Fähigkeit,
zu

die Strahlung des Plexus ihren Farben deutlich


in

erkennen.
Aus diesen Farben wird an Hand der tattvischen Gesetze den
er

zu

augenblicklichen Gemütszustand der betreffenden Person beur


ist

vermögen, wichtig
im

teilen und das Verkehr mit den Menschen


die Plexus-Strahlung stark rötlich
B.

und vorteilhaft. Wenn sich


z.

erweist, schwingt die betreffende Person Tejas-Tattva. Unter


in

Vgl. den Aufsatz »Einweihung«, Monatsschrift »Prana«, VI.Jahrg., Heft


*)

9/10.
105

dem Einflusse Tattva wird diese Person zum Widerspruch,


dieses
zum Zorn und zum Streite geneigt sein: man kann sich somit ihrem
Verhalten anpassen. Der Schüler soll vorerst durch öftere und
sorgsame Übungen an sich selbst wie an seinen Mitmenschen die
quantitative Strahlung des Solarplexus feststellen und sich bemühen,
sie immer klarer und schärfer zu erkennen.

Sonne und Mond sind unerschöpfliche pranische Kraftquellen,


die bekanntlich die Priester und Weisen des Altertums sich zunutze
zu machen wußten. Das universelle (positive) Prana der Sonne wirkt
anders auf den Menschen als das (negative) Prana des Mondes. Das
Sonnenprana schafft elektrische, das Mondprana magnetische Kräfte.
Der Schüler bedarf starker elektrischer Kräfte. Er kann sie fol
gendermaßen von der Sonne in sich aufnehmen: An allen sonnigen,
wolkenlosen Tagen begibt er sich vormittags, am besten zwischen
10 und 11 Uhr, an einen einsamen Platz im Freien, wo er vor Be
obachtung sicher ist; dazu eignen sich Waldlichtungen vortrefflich.
Er stellt sich der Sonne gegenüber, erhebt die Hände – die Hand
flächen der Sonne zugewandt –so weit, bis sie von den Sonnen
strahlen völlig getroffen werden; in dieser Stellung verharrt er einige
Minuten. Dabei konzentriert er sich mit festem Willen darauf, daß
er das Sonnen-Prana kräftig anziehe und daß es seine Handflächen
durchflute. Dann führt er die Hände nahe an die Stirne und kreuzt
sie dergestalt, daß die rechte Hand auf die linke und die linke Hand
auf die rechte Stirnhälfte weisen, und fährt mit den gekreuzten Hän
den in einem Abstande von ungefähr 2 cm über das Gesicht und
den Körper nach abwärts, soweit es die gekreuzten Hände zulassen.
Während dieser Prozedur muß er sich vorstellen, wie das Prana,
das er von der Sonne empfangen hat, sich aus den Fingerspitzen
und aus den Handflächen in lebendigem Strome auf ihn ergießt und
von allen Regionen des Körpers durstig eingesogen wird. Vorerst
ist dem Schüler das Sonnen-Prana nicht sichtbar; dieser Anblick
stellt sich erst bei späteren Übungen ein; aber der Schüler bedarf
zum Gelingen des Experimentes wenigstens der Vorstellung. Er
muß sich während der magnetischen Striche, durch die er das Sonnen
Prana auf seinen Körper überleitet, von diesem Prana ganz durch
flutet fühlen. Nach Beendigung der magnetischen Striche fährt er
106

mit den Händen wieder in weitem Bogen nach auswärts und kehrt
die Handflächen abermals der Sonne zu, um neues Prana mit der
gleichen starken Konzentration aufzunehmen und es wiederum durch
magnetische Striche auf den Körper zu übertragen.
Der Schüler soll das Experiment anfänglich nur dreimal hinter
einander wiederholen. Es darf nicht länger als 5 Minuten währen.
Erst später darf es etwas ausgedehnt werden. Bedingung ist, daß
man bei der Übung unbeobachtet bleibe und daß man sich mit

ist
festem Willen auf den Zweck der Übung konzentriere. Es nur
ein Vorteil, wenn infolge dieser Übung der „Appetit“ nachläßt. Der
Körper wird jetzt von einer großen Kraftmenge durchflutet, daß

so
nur geringer Nahrungsaufnahme bedarf.”) Mehr als einmal des
er

Tages darf man die Übung nicht vornehmen, dagegen soll man
danach streben, sie unbedingt jedem sonnigen Tage auszuführen.

an
Eine weitere günstige Folge dieser Übung

ist
die Entwickelung
starker Positivität. Wer öfter diese Übung macht, der läuft weniger
Gefahr, die Beute niederer Einflüsse zu werden. Ihm wird auch die
folgende Übung leichter gelingen und gute Erfolge bringen.

Der Schüler muß fremde odische Influenzen und fremde Ein


flüsse abwehren können und zwar dadurch, daß sich mit einem

er
odischen Schutzmantel umgibt. Auf der Eisenbahn, im Gedränge,
auf der Straße, Gesellschaft, überall wo allzu enge Berüh
er
in
in

rung mit Menschen kommt, deren Od und deren Einflüsse den


Rhythmus seiner Vehikel stören könnten, überall
da

soll sich
mit dem Schutzmantel umgeben, an dem alle unerwünschten odischen er
Strahlungen und alle gemeinen Einflüsse wirkungslos abprallen.
Das Experiment kann anfänglich nur der Abgeschlossenheit
in in

geübt werden. Der Schüler zieht sich sein Zimmer zurück,


nimmt eine der Yogi-Stellungen ein, zieht den Atem kräftig
an

mit
plastischen Vorstellung, große Mengen
er

der daß von Prana mit


dem Atem aufnehme, und verweilt längere Zeit Kumbhaka.
in

Dazu muß sich bisher schon im Atemstauen mehrfach geübt


er

haben. Man muß dahin kommen, den Atem


in

Kumbhaka bis zu
zu

einer Minute völlig stauen.

„Appetit“ ist eine Krankheit des Geistes (des Ego), ein spiritueller Ban
*)

kerott; echter Hunger


ist

eine organische Notwendigkeit, die Stimme der Seele.


107

Während des Kumbhaka konzentriert man sich mit aller Kraft


darauf, daß infolge der starken Aufnahme von Prana ein dichter
Od-Strom aus dem Körper dringe, der sich am Kopfe sammelt und
sich von dort aus gleich einem Schleiergewebe mantelartig über
den ganzen Körper ausbreitet und sich immer mehr verdichtet, bis
man sich von ihm völlig eingehüllt fühlt. Diesen Mantel lädt
man mit dem festen Willen, er müsse seine Leitfähigkeit verlieren
und alle andringenden Influenzen abstoßen. Man versetzt sich in
die Vorstellung, daß dieser Od-Mantel nach außen hart und un
durchdringlich sei wie Stahl. Dann atmet man aus, um das Expe
riment noch zweimal zu wiederholen. Schließlich muß das Gefühl
absoluter Sicherheit den Schüler durchrieseln: Er muß das Bewußt
sein haben, daß er nunmehr psychisch gewissermaßen unverwundbar
ist! Nach öfteren Übungen wird es gelingen, den Schutzmantel
der Tat nicht das Trugbild einer hyste
ist

sogar zu sehen: Er
in

rischen Phantasie, sondern ein feinstoffliches Schutzgebilde, das


unser Wille undurchdringlich macht.
Sobald der Schüler gewisse Fertigkeit dieser Übung erlangt
in

hat, soll sie auch Gegenwart anderer Menschen ausführen,


er

in

jedoch nicht der Yogi-Stellung, sondern im Stehen; vorerst aber


in

zu
nur im Beisein fremder Menschen, von denen keine Störung be
fürchten ist, vielleicht einem Parke, im Eisenbahnwagen oder im
in

Vegetarischen Speisehause. gilt erst dann als ge


Das Experiment
lungen, wenn man den odischen Mantel sieht. Späterhin muß man
sogar imstande sein, den Mantel auch Gesellschaft bekannter
in

Personen, mit denen man sprechen muß, bilden. Das gelingt


zu

erst dann, wenn man die Fertigkeit erlangt hat, Kumbhaka unauf
zu

fällig halten, sich auch Gegenwart anderer Menschen rasch


in
zu

und sicher konzentrieren und das ganze Experiment wenigen


in

Augenblicken durchzuführen.
Dieses Experiment verlangt geschulte Konzentrationsfähigkeit.
Zur Steigerung der Konzentrations-Kraft suche man Gelegenheiten,
die Ablenkung bringen. Inmitten des größten Lärmes und im Volks
gedränge muß man sich mit voller Klarheit andauernd auf einen
Punkt konzentrieren können. Die Meisterschaft
in

dieser Fähigkeit
hat der gewonnen, der bei derartigen Gelegenheiten imstande ist,
alles, was um ihn vorgeht, vollständig ins Bewußtsein aufzunehmen
108

und sich trotzdem einem bestimmten Gedankengange mit aller


Kraft zu überlassen. Solche Personen beherrschen jede Gefahr mit
Seelenruhe. Im Toben der Elemente, im Brüllen der Schlacht, im
Schrecken der Todesgefahr bewahren sie ihres Herzens tiefe Ruhe.
Der Schüler besuche Volksversammlungen, er benütze verkehrs
reiche Straßen und übe sich dabei allezeit in der Konzentration,
indem er sich z. B. bemüht, schwierige Rechenexempel zu lösen.
Dessenungeachtet muß er auf seine Umgebung achten, es darf ihm
kein Vorfall entgehen, keine Merkwürdigkeit der Straße, und auf
gefärlichen Straßenübergängen muß er der Sicherheit seiner Person
volle Aufmerksamkeit schenken, ohne sich aber auch nur einen
Augenblick von seinem rechnerischen Exempel ablenken zu lassen.
Der Schüler muß gewissermaßen ein doppeltes Bewußtsein haben.
Er muß sich einmal ausschließlich in sein Inneres vertiefen, zum
andern aber auch gleichzeitig alle äußeren Eindrücke aufnehmen
können, ohne in seiner Vertiefung gestört zu werden.Er muß beide
Bewußtseinszustände je nach der Situation zu beherrschen wissen.
Das Doppelbewußtsein kann auch dadurch geübt werden, daß
man bei Unterhaltungen sich lebhaft an einem Gespräche beteiligt
und dennoch versucht, gleichzeitig im Inneren einem anderen Ge
dankengange zu folgen. Das muß mit Fleiß und Ausdauer gelingen.
Bei der gleichzeitigen geistigen Arbeit in zwei verschiedenen Rich
tungen muß man jedem der beiden Gedankengänge gerecht werden.
Diese Übung soll aber nicht zur Gewohnheit werden, das Doppel
bewußtsein muß ein Willensakt bleiben.

Eine neue Aufgabe steht vor dem Schüler: Er muß nunmehr


die Brücke schlagen von der Konzentration zur Meditation. Dazu
dient folgende Übung:
Bei der Konzentration auf Gegenstände hat der Schüler bisher
nur an die Formseite der Dinge gedacht. Er konzentrierte sich auf
Farbe, Form, Bestandteile und Zweck der Gegenstände. Fortan
aber muß er die Konzentration auf die Lebensseite (das innere Wesen)
der Dinge richten. – Er beginnt wiederum in vollkommener Ab
geschlossenheit mit elementaren Übungen. Im zweiten Lehrbriefe
haben wir uns auf eine Schere konzentriert. Wir behalten diesen
Gegenstand bei und nehmen die veränderte Übung vorerst eben
109

falls mit einer Schere vor. Da es sich jetzt aber nur in unterge
ordnetem Sinne um Form, Farbe und Zweck des Gegenstandes
handelt, kann man bei der Meditation den körperlichen Gegen
stand, also hier die Schere, entbehren. Man konzentriert sich auf
das geistige Bild der Schere und versucht, sie mit plastisch-greif
vor dem inneren Auge erstehen zu lassen. Man
barer Deutlichkeit
muß dabei die lebhafte Vorstellung pflegen, daß alle Aggregate der
immerwährenden Substanz beseelt sind, daß alle Materie, in jeder
Dichtigkeit,in jeder Form, nur ein sinnfälliger (kristallisierter) Aus
druck des Geistes ist. Das Dasein der Schere an sich erfolgt aus
einem geistigen Willensakt, der den Erfinder überschattet und der
sich auch den Herstellern mitgeteilt hat. Die Schere hat demnach
eine Art »Seele«: Dieses Seelenprinzip ein Aspekt des Schöp
ist
fungsgedankens. Sie hat aber auch ein astrales Dasein, denn

es
gibt keinen Grobstoff, der nicht der feinstofflichen Welt ein
in

Spiegelbild hätte.
Bei diesen Meditationen muß der Schüler die plastische Vor
stellung der Lebensseite seiner Objekte aufrecht erhalten, ohne eineist
zu

Abschweifung dulden. Die Frucht der Meditation die klare


Erkenntnis, daß alles lebt, weil alles beseelt ist, daß aber alles per
sönliche (irdische, tierische) »Leben« nur Vorstellung (Illusion, Maya)
ist, keine absolute Wahrheit. Auch bei unscheinbaren Objekten
muß die Meditation zur Erkenntnis des Geistes als des einzig Sei
enden führen. Und wenn des Schülers Meditation sich nunmehr
auf das All-Eine und All-Gegenwärtige richtet, wenn der Schüler
dieses höchste Prinzip versenkt, dann ist
er

sein inneres Wesen


in

bei der reinen Meditation angelangt. (Die reine Meditation [Kon


im
ist

templation] das Sich-auf-sich-selbst-Besinnen des Göttlichen


Menschen. Sie geht hindurch durch die drei Stufen: Gleichmut,
ist

Abgeschiedenheit, Fülle. Ein Leben der Seele Gedanken sie,


in
zu

das sich mehr und mehr erweitert einem Leben geistiger


in

Wesenheit. Indem sie den Menschen zu dem erhebt, was ihn mit
dem Geistigen [Ewigen]
verbindet, belebt sie ihm das, was
so in
in

durch Geburt und Tod, und


ist

ihm ewig ist, was nicht begrenzt


verleiht sie übersinnliche Erkenntnis. Der Meditierende ist im Be
Er

wußtsein eins mit allen Wesen. fühlt und empfindet mit ihnen,
versteht sie. Und so lebt durch die Meditation die Erinner
er

und
110

ung auf an Erlebnisse, die jenseits von Geburt und Tod liegen:
was Theosophie (Mystik) und Geisteswissenschaft lehren, das schaut
der Meditierende selbst, er »beweist« es sich selber durch Werden
und Erleben. – Nicht schwelgen in Gefühlen soll der Schüler wäh
rend der Versenkung! Wie nur der eindringen kann in Theosophie
und Geisteswissenschaft, der allem Aberglauben und aller Schwär
merei abhold ist, so muß der Schüler während der Meditation auf
seine Gefühle achten, wie man im Physischen auf die Schritte achtet.
Aus solcher Meditation quillt dann nicht Lässigkeit, sondern Kraft,
Erkenntnis, Weisheit.)
Diese höheren Konzentrations-(Meditations-)Übungen sollen so
oft als tunlich vorgenommen werden.

Im fünften Lehrbriefe wurde auf Seite 80 eine Übung gezeigt,


bei der man die Lektüre bei geschlossenen Augen plastisch vor
sich auftreten und handeln lassen soll. Dieses Experiment wird
jetzt dadurch verändert, daß man sich bemüht, bei offenen Augen
die Handlung des Buches in getreuen plastischen Bildern vor sich
zu sehen.
Auch das Experiment mit der Photographie einer bekannten
Person wird jetzt erschwert und zwar dadurch, daß man sich die
betr. Person fortan ohne Mithilfe einer Photographie lediglich aus
dem Gedächtnisse vorstellt und sie immer- plastischer und körper
licher werden läßt.
Beide Übungen verlangen viel Sorgfalt, und nur einem ener
gischen Willen gelingen sie. Sie sind sehr wichtig; denn sie dienen
als Grundlage für folgendes Experiment.
Der Schüler begibt sich des Abends in ein völlig verdunkeltes
Zimmer. Er setzt sich mit dem Rücken gegen das Fenster und
blickt ruhig in die Dunkelheit. Mit festem Willen konzentriert er
sich darauf, die feinstofflichen Gebilde seiner Umgebung zu sehen.
Nach längerer ununterbrochener Konzentration und ruhigem zu
versichtlichen Abwarten werden sich dem Schüler feine weißlich
graue Nebelmassen zeigen. Seine entwickelte Vorstellungskraft muß
diese Nebelmassen zwingen, sich zu sammeln und zu verdichten
Je stärker sein Wille ist, desto schneller wird das geschehen. Dann
wird die Übung sofort beendet. – Der Schüler wird dringend ge
111

warnt, der Neugier nachzugeben. (Er muß überhaupt alle Affekte


einige Abende geübt hat, vor

ist
beherrschen.) Erst wenn er

in er
bereitet, dieses Experiment fortzusetzen. Sobald sich der

er
Übung sicher fühlt, kann das eigentliche Experiment ausgeführt
Zu

werden. Beginn der Übung umgibt


sich mit dem bekannten

er
Er
odischen Schutzmantel. konzentriert sich auf die Verdichtung
der Nebelmassen (Od) an einer bestimmten Stelle; dann beobachtet
die Formen, die diese Nebelmassen annehmen, und zwingt sie
er


zu

mit seiner Willenskraft wachsender Verdichtung und Plastik.


Diese Übung darf nicht
zu

lange ausgedehnt werden, keinesfalls


über eine halbe Stunde hinaus. Der Zweck der Übung wird dem
Schüler erst später klar werden.

Die Ausbildung des zentralen Blickes erfährt eine Erweiterung.


Der Schüler übt ihn fortan ohne Anwendung des Punktes an der
so

Nasenwurzel. Er macht oft als möglich das im sechsten Lehr


briefe (Seite 96) geschilderte Experiment, unterläßt
es
aber, die Nasen
wurzel mit Farbe zu markieren. Er muß nunmehr den zentralen
Blick auch ohne Hilfsmittel gewinnen. Diesen Blick muß auch
Umgebung gegenüber er
an seiner üben. Er setzt sich einer Person

zu
und fixiert ihre Nasenwurzel der angegebenen Weise, ohne
in

blinzeln oder zu zucken, 2–3 Minuten lang. Später steigert die


er

Dauer der Übung auf Minuten und darüber. Hat sich auf
er
5

diese Art gut vorbereitet, den magnetischen Blick


er
so

entwickelt
dadurch, daß durch Willenskraft dem Auge eine vermehrte Od
er

Strahlung mitteilt. Da das Od psychisch gefärbt ist,


er
so

kann
den Blick zum Träger seiner Gefühle und seines Willens machen.
Der zentrale magnetische Blick mit starker Odstrahlung hat mäch
tige Wirkung. Er kann schädlich, aber auch nützlich sein,
je

nach
den Motiven und dem Charakter eines Menschen. Man kann mit
diesem Blicke auf andere Menschen Güte, Zorn, Haß, alle Tugen
den und alle Leidenschaften, übertragen. Der niedrigen Individuen
ist

(jettatori) zugeschriebene »böse Blick« (malocchio) nichts anderes,


zu

als der schlechten Zwecken mißbrauchte magnetische Blick. Alle


magischen Wirkungen, mögen sie gut oder böse sein, haben eine
gemeinschaftliche Quelle. Der gleiche Blick, der Unheil und Ver
derben stiftet, kann bei gutem Willen und reinen (selbstlosen) Mo
112

tiven auch Liebe, Zuversicht und Kraft spenden. Kein Schuldiger


wird dem Wahrheit heischenden magnetischen Blicke eines mora
lisch hochstehenden Richters widerstehen. Für den Erzieher ist
dieser Blick ein gewaltiges Zuchtmittel: durch nichts kann man Men
schen, die dem Guten widerstreben, besser bezwingen, als eben
durch den magnetischen Blick. Freilich muß seine Anwendung in
scharfer Willenskonzentration – und nur in reiner Absicht! – er
folgen, aber diese Konzentration, dieser feste Wille und die Rein
heit der Motive sind ja schon Eigenschaften des Schülers geworden.
– Wertvoll ist dieser Blick vornehmlich in der Stunde der Gefahr:
er vermag Bestien aller (auch menschlicher) Art niederzuzwingen.
Der Schüler soll die Macht dieses Blickes erproben und entfalten.
Er suche so oft als tunlich aufgeregte, zornige Menschen mit diesem
Blicke zur Ruhe zu zwingen; er wende ihn an, wenn er glaubt, be
logen und betrogen zu werden; er stelle sich bösen Hunden gegen
über und zwinge sie zur Flucht. –
Es ist selbstverständlich, daß
auch bei der Anwendung des magnetischen Blickes der volle Erfolg
erst nach längeren Übungen eintreten kann, aber der Schüler wird
sich bald von der Wirkung dieses Blickes überzeugen und Zuver
sicht fassen.

Der Schüler muß auch den negativen Zustand beherrschen und


anwenden lernen. Die Übung des Experimentes, das im sechsten
Lehrbriefe (Seite 96) mitgeteilt wurde, hat ihm die Fähigkeit gebracht,
den negativen Zustand bis zu einer halben Minute auszudehnen und
zu halten. Der Schüler muß fortan alle Hilfsmittel fallen lassen und
lernen, diesen Zustand schneller und ohne besondere Vorbereitungen
herbeizuführen.
Man setzt sich an einen Tisch, stützt den Kopf in die Hände
und verschließt mit den beiden Daumen die Ohren, mit den übrigen
Fingern die Augen (ohne jedoch einen Druck auf sie auszuüben).
Dann zieht man den Atem ein und staut ihn (Kumbhaka), etwas
länger als früher. Während dieser Zeit muß man rasch und sicher
den negativen Zustand gewinnen, ohne an eine Scheibe oder ein
anderes Hilfsmittel zu denken. Ein leichter Druck, der von der
Zirbeldrüse (im Gehirn) ausgeht, bewirkt die sofortige Ausschaltung
aller Gedankenarbeit. Dieser »Druck« ist nicht etwa mechanischer
113

ist
sondern geistiger Art! Es eine Willensströmung, die von der
Zirbeldrüse (Epiphysis, Coronarium, Glandula pinealis) ausgeht und
sich über das ganze Gehirn verbreitet.
Der Schüler übe gerade dieses Experiment mit peinlicher Sorg
falt. Anfängliche Mißerfolge dürfen ihn nicht entmutigen; wird

er
das Ziel mit Geduld und Ausdauer doch erreichen. Er muß den
passiven (negativen, rezeptorischen) Zustand beherrschen lernen,

da
dieser Zustand die weitere Entwickelung vielen Beziehungen be

in
einflußt.

Lehrbrief VI hat den Schüler auf die Wichtigkeit des rechts


seitigen und des linksseitigen Atem-Stromes (Chandra und Surya,
Ida und Pingala) aufmerksam gemacht. Nunmehr kann der Schüler
dank der bisherigen Übungen die Regulierung des Atems leicht auf
mechanischem Wege bewerkstelligen.
Bei Chandra (linksseitigem Atem) wird man mit Vorteil Geld
geschäfte betreiben, neue Kleider bestellen, Schmuck und Edelsteine
einkaufen, eine weite Reise antreten, ein Bildwerk beginnen, ein
Haus bauen oder ein neues Haus zum ersten Male betreten, eine
Ehe schließen, die Ernte oder die Aussaat beginnen, Verwandte
oder Höhergestellte besuchen, zum ersten Male eine Stadt oder ein
Dorf betreten oder sich dort niederlassen. Man beginnt während
des Chandra-Atems mit Erfolg das Bohren eines Brunnens, macht
Geschenke, kehrt nach Hause zurück, nimmt kühlende oder nährende
Arzneien") ein, beginnt den Unterricht, vollbringt barmherzige Hand
lungen, kauft Tiere oder beginnt die Anlegung von Sammlungen usf.
zu

Flüssigkeiten nimmt man am besten bei diesem Atem sich.


Alles, was dauernde und anhaltende Wirkung haben oder her
vorbringen soll, beginnt man im Chandra-Atem mit guten Aus
Sichten.
*)

Über die Bedeutung der verschiedenen Therapien (Heilmethoden), über


die Notwendigkeit der Kurierfreiheit und der freien Arztwahl sowie über die Ge
meingefährlichkeit der modernen Staatsmedizin (Impfung, Serum-Spritzerei) muß
sich der Schüler unbedingt orientieren. »Prana«, Jahrgang VI flg.,
u.

Literatur:
»Zentralblatt für Parität der Heilmethoden« (Heidelberg, Handschuhsheimer
Landstr. 41), »Archiv für rationelle Therapie«, Bände, jeder Band Mk. 5.–.
3

Wir empfehlen auch den Beitritt zum »Zentralverband für Parität der Heil

methoden“, jedermanns eigenem Interesse (Schutz gegen die Übergriffe der


in

Staatsmedizin).
8
114

Während des Surya-Atems (rechts) beginnt man das Studium


schwerer Wissenschaften, reitet, jagt oder schwimmt, übt man Sport,
beginnt man eine Seereise oder die Besteigung eines Berges, schreibt,
zeichnet oder malt, badet oder ißt man, läßt man sich rasieren oder
die Haare schneiden, beginnt man ein Spiel, nimmt man erregende
Arzneien ein, macht man Gesuche und Audienzen usf. Alle Hand
lungen, die schwieriger oder hitziger Natur sind oder nur vor
übergehende Wirkungen erzielen sollen, beginnt man während
des Surya-Atems mit Aussicht auf guten Erfolg. (Ehelichen Um
gang pflege man, wenn überhaupt, nur während des Surya-Atems,
auch soll man nur während dieses Atems Lebenskraft abgeben d. h.
magnetisieren.)
Der Schüler muß beachten, daß der Chandra-Atem kühlend,
herabstimmend, bindend und ausgleichend wirkt, während der Surya
Atem erregt, umformt, erwärmt und löst. Demnach wird der Schüler
während des Chandra-Atems lieber nicht baden, denn er würde sich
erkälten; er wird ferner während des Surya-Atems keine Ehe schließen,
da sie infolge der umformenden und lösenden Tendenz des Surya
Atems bald zur Trennung führen würde. Nach diesen Grundsätzen
kann man bei einer jeden Handlung des Lebens leicht die richtige
Atemform bestimmen!”) Manche Handlungen, z. B. das Musizieren,
entsprechen beiden Prinzipien und können daher bei jedem Atem
(Chandra oder Surya) unternommen werden.
In Krankheitsfällen, die hitziger, fieberiger Natur sind, hilft
die Überleitung auf den Chandra-Atem; bei Erkältungskrankheiten
aber leitet man den Surya-Atem ein. Das ist leicht zu erklären:
jede Erkältung verursacht ein längeres (mehr als zweistündiges) Be
harren des Chandra-Atems, und jedes Fieber eine Verlängerung des
Surya-Atems. Davon kann man sich oft praktisch überzeugen.
Der Schüler wird also zu jeder wichtigeren Handlung den
erforderlichen Atem auf mechanische Art einleiten. (Später wird
ihm ein noch einfacherer Weg gelehrt werden.)
Im allgemeinen soll sich der Schüler (mit den Unterbrechungen
für verschiedene Handlungen) bemühen, tagsüber den Chandra

*) Diesen Gesetzen fölgt der Schüler selbstredend nicht dadurch, daß er zu


jeder Handlung den richtigen Atem erst abwartet, sondern dadurch, daß er den
ist

erforderlichen Atem einleitet! Die Anwendung dieser Grundsätze also leicht.


115

Atem und während der Nacht den Surya-Atem festzuhalten; min


destens muß er beim Einschlafen den Surya-Atem
herbeiführen.
Während des Sushumna d. h. in der Übergangszeit, wenn der
Atem aus beiden Nasenlöchern strömt, soll man nichts beginnen.
ist

Diese Phase das Prinzip der Verwirrung, sie beeinträchtigt daher


diesem Sinne alle Handlungen,die man mit oder ihr beginnt.
in

in
Sushumna ist aber günstig für die Meditation.
Die Beobachtung bzw. die Einleitung und Beherrschung des

an
jeweils erforderlichen Atems gibt dem Schüler ein Mittel die

zu
Hand, sich vor Unbill und Schaden bewahren. Er bilde sich
aber nicht ein, könne durch diese Manipulationen dem Willen
er

des UNENDLICHEN, der Evolution, dem Schicksal oder dem Karma

so
vorgreifen.*) Wenn ihm ein karmisches Leid widerfährt, kann
Fertigkeiten aufhalten;
er
es

trotz dieser nicht wird vielleicht


er

in
diesem besonderen Falle die Umleitung des Atems gar nicht oder
nicht immer bewerkstelligen können. Nur vor Schaden und Unbill,
die aus menschlichen Ränken erwachsen, vermag ihn die Beherr
zu

schung der beiden Atemarten schützen.


Bei der Einleitung des erforderlichen Atems muß auch auf das
derzeitige persönliche Tattva geachtet werden, damit dessen Wir
kung der Atemwirkung nicht entgegenstehe. So sind während
Chandra nur das Prithvi- und das Apas-Tattva günstig, dagegen
soll man während Chandra bei Vayu, Tejas und Akasa nichts unter
ist

nehmen. Bei Surya das Vayu-, das Tejas- und vielen Fällen
in

auch das Prithvi-Tattva günstig, Apas und Akasa ungünstig. Akasa


bringt Mißerfolg sowohl bei Chandra als auch bei Surya.
Der Schüler muß sein jeweiliges Tattva erkennen und auch
verändern lernen. Schon im sechsten Lehrbriefe wurde der Schüler
Er

die willkürliche Tattva-Änderung eingeführt. lernte Farbe und


in

Geschmack eines Tattva hervorrufen. Heute geht einen Schritt


er

Akasa: Mit der


weiter. Vorstellung der indigoblauen Farbe


und der Empfindung des bitteren Geschmackes muß auch sofort

Karma ist das Schicksal, das wir uns selber schmieden. Das Schicksal
*)

ist

je

die Wiederverkörperungen gut oder übel, nach


sind sein Territorium


dem wir selber gute, verbrecherische oder leidenschaftliche Menschen sind. Das
unserer Erziehung, zur Vergottung;
zu

gewissem Sinne ist


es

Karma dient ein


in

innerer Vorgang. Vgl.: Besant, »Karma«, Mk. 1.20, geb. Mk. 1.80.
A.

8*
116

das Bild einer Figur erscheinen, die einem Ohre ähnlich ist; ferner
die Vorstellung einer Wirbelbewegung und des alles durchdringen
den Äthers. –
Vayu: Mit der Vorstellung der grünen Farbe und
der Empfindung des sauren Geschmackes muß sich gleichzeitig
die Vorstellung einer ovalen Figur (Null) und der Bewegung im
spitzen Winkel sowie des luftigen Prinzips verbinden. Tejas: –
Mit der Vorstellung der roten Farbe und der Empfindung des schar
fen hitzigen Geschmackes sucht der Schüler die Vorstellung eines
Dreiecks und der aufwärtsstrebenden Bewegung sowie der Hitze und
des Lichtes zu vereinen. – Prithvi: Der Schüler verbindet mit
der Vorstellung der orangegelben Farbe und der Empfindung des
süßen Geschmackes die Vorstellung einer viereckigen Figur und der
horizontalen Bewegung sowie des klumpig-erdigen Prinzips. –
Apas: Der Schüler muß mit der Vorstellung der violetten Farbe
und der Empfindung des herben (zusammenziehenden) Geschmackes
die Vorstellung des Halbmondes, der abwärts gerichteten Bewegung
sowie des Wassers und der Kälte verbinden.
oft

Diese Übungen soll man so als möglich durchführen. Man


muß die verschiedenen Vorstellungen plastisch erleben, gleichzeitig
(oder mindestens sehr rasch hintereinander) erzeugen, festhalten und
auf Tejas konzentriert,

so
verbinden. Wenn der Schüler sich
B.
z.

sofort alles rot sehen und einen scharfen hitzigen Geschmack


er

muß
empfinden. Zu gleicher Zeit muß vor seinem geistigen Auge ein
rotes Dreieck erscheinen, dem eine Flamme auswärts steigt, und
in

sein ganzer Körper muß Hitze empfinden. ähnlicher Weise wird


In

diese Übung für die andern Tattvas durchgeführt. Der Schüler


wähne aber nicht, sei jetzt schon imstande, die Tattvas willkür
er


zu

ändern oder hervorzurufen,


es

lich handelt sich hier immer


noch nur um propädeutische (einleitende) Übungen, Übungen, die
unentbehrlich sind und die daher mit Fleiß und Eifer durchgeführt
werden müssen.

Zur Ausbildung des Hellhörens (des geistigen Ohres) müssen


wir uns vorerst mechanischer Hilfsmittel bedienen”) Die Abge
49)

Der vulgäre Ausdruck »Er hört das Gras wachsen« kann eine tiefe Be
deutung haben; denn ein Mensch, dessen geistiges Ohr sich geöffnet hat, hört
gewissem Sinne das Gras wachsen, kann feinere Vorgänge
er

tatsächlich
in

d.
h.

beobachten.
117

schlossenheit in einem ruhigen dunklen Raume begünstigt die Ex


perimente. Der Schüler setzt sich ruhig nieder, macht sich passiv,
verschließt die Augen mit einer Binde und die Ohren mit Watte
pfropfen. In dieser ruhigen Haltung, bei der der Atemprozeß ein
wenig heruntergestimmt werden soll, achtet er auf die geistigen
Vorgänge in seinem Innern, d. h. im Astral- und im Mental-Körper.
So wird die Grundlage zum geistigen Hören geschaffen. Das
geistige Hören gleicht nicht dem Hören mit dem physischen Ohr.
Das (geistige) Hellhören läßt uns das Denken fremder Wesenheiten
vernehmen. Diese Übung, die erst einleitender Natur ist, soll stets
mindestens 20 Minuten dauern und zweimal wöchentlich vorge
nommen werden. An den übrigen fünf Abenden der Woche nimmt
der Schüler eine Muschel mit möglichst vielen Windungen zur Hand
– sie muß ziemlich groß und dünnwandig sein –, sucht wiederum die
Einsamkeit seines verdunkelten Zimmers auf, macht sich passiv, ent
spannt die Muskulatur, stimmt den Atem herab und verschließt das
eine Ohr mit einem Wattepfropf. Das andere Ohr bedeckt er mit der
Muschel. An dem wirren Sausen und Brausen der Muschel wird er
später mit Hilfe bestimmter Kräfte (von denen in einem späteren Lehr
briefe die Rede sein wird) das geistige Ohr erproben und kennen

ist

lernen. Diese Übung nur die Vorbereitung zum geistigen Hören.


Im

diese oder die vorherige Übung kann auch


an

Anschluß
eine Vorübung zum geistigen Sehen stattfinden. Der Schüler setzt
sich einer Entfernung von ungefähr Meter vor einen dunklen
in

Schrank mit polierter glatter Fläche. Die Fläche soll spiegeln.


Ein mit Fournierholz belegter Schrank
ist

wohl am besten für unsere


im

Übung geeignet.Das Licht, das sich Rücken des Schülers


(einen Meter entfernt) befindet, muß sehr stark abgedreht bzw. ver
dunkelt werden, sodaß nur gerade soviel Licht bleibt, um die Um
zu

risse der Gegenstände erkennen lassen. Der Schüler muß sich


die Ohren verstopfen. Bei ruhigem (etwas zurückgehaltenem) Atem
aufrechter Haltung blickt passiver (empfänglicher)

und
er
in

in

Er

Stimmung andauernd auf die polierte Schrankfläche. soll


irgendeinen wahrnehmbaren helleren Punkt der Mitte der Fläche
in

dauernd ins Auge fassen, dabei aber das Auge selbst nicht umher

schweifen lassen. Auch diese Übung soll 20–30 Minuten währen


und soll zwei- oder dreimal wöchentlich durchgeführt werden.
118

Wir kommen jetzt zu einer sehr wichtigenÜbung (Exteriorisation):


In der schönen Jahreszeit begibt man sich ins Freie und sucht
einen Platz auf, wo man ungestört und unbelauscht ist. Falls diese
Bedingungen gegeben sind, kann man auch einen oder den eigenen
Garten wählen. Wer keinen Garten hat, geht am besten in den
Wald und sucht eine Lichtung auf. (Diese Übung soll aber keines
falls im Anschluß an das Experiment zur Aufnahme von Sonnen
Prana stattfinden.) Der Schüler legt sich ins Gras, verstopft seine
Ohren, entspannt alle Muskeln und schaut unverwandt in die
Himmelsbläue. Er verfolgt die wandernden Wolken und konzen
triert alle Gedanken darauf, die Körperschwere aufzuheben (Levi
tation), als ob er Flügel hätte und mit den Seglern der Lüfte dahin
schweben könne. Diese Gedanken müssen so intensiv sein, daß
sie
im

Verlaufe der Übung zur treibenden Sehnsucht werden.


Bei dieser Übung, die häufig wiederholt werden muß,

so
oft
die Umstände erlauben, liegt man mit dem Haupte nach Norden,
es

so
mit den Füßen nach Süden. Man verharrt dieser Haltung

in
als

lange irgend möglich. Während dieser Übung muß rhyth


misch geatmet werden.

Die Übungen des Lehrbriefes VI, die noch keine Abänderungen


erfahren haben, bleiben bestehen. Der Schüler darf sie nicht ver
so

nachlässigen, wenn sie auch nicht mehr häufig wie zuvor wieder
holt werden müssen.

Die Übungen für den Morgen und den Abend jedoch müssen
regelmäßig und unverändert fortgesetzt werden.
Brief VIII
Das mono - ideistische Experiment dient der intensiven Ent
wickelung der geistigen (okkulten) Kräfte.
Jeder konzentrierte Gedanke, der als absolut letzter Gedanke
mit in den Schlaf hinübergenommen wird, beeindruckt wirkungsvoll
den Astralkörper und zwingt ihn, in seiner (des Gedankens) Rich
ist

tung weiter zu arbeiten. Der Erfolg


ja
groß, weil der Astral
körper während des Schlafes und der Ruhe des Physischen Körpers
gelockert wird und dann freier und nachdrücklicher wirken kann.
(Vgl. darüber auch: »Träume«. Theosophische Studie. Von W.
Leadbeater. Bearbeitet von Johannes Balzli.) C.

Der Schüler begreift jetzt, weshalb besondere Reinheit der Ge


danken vor dem Einschlafen verlangt wurde. Nichts fördert die
geile Sucht unserer Zeit mehr, als das Lesen aufreizender oder
schlüpfriger Bücher vor dem Einschlafen. Unter dem Drucke der
schmutzigen Worte und Bilder arbeitet der Astralkörper begehr
in

licher Richtung weiter, flammt vor Leidenschaft und wird von


er

leidenschaftlichen Vorstellungen geschüttelt.


Dazu sind die viehischen
Triebe der Astralwelt viel intensiver und glühender, als der
in

in

grobkörperlichen Sphäre. Die Rückstrahlung dieser starken astralen


Einflüsse beeinflußt aber auch die Physis derart, daß der Körper
ist

nach dem Erwachen von sinnlichen Schwingungen besessen und


ausschweifenden Handlungen gedrängt
zu

von bestialischen Trieben


wird.
Reiner Selbstmord ist daher auch die Gewohnheit der meisten
Menschen, ihre Sorgen den Schlaf hinüberzutragen. Wir erschweren
in

unsere Lage damit nur noch mehr. Nicht nur, daß wir am andern
Morgen der übelsten Stimmung erwachen und schon dadurch
in
122

neues Ungemach heraufbeschwören; nicht nur, daß wir durch diese


albernen Suggestionen den Astralkörper der Fähigkeit berauben,
günstigere Gedankenbilder und Handlungen herbeizuführen, wir–
verschlimmern unsere Lage vornehmlich dadurch, daß wir ein ganzes
Heer von mißgünstigen Elementarwesen herbeiziehen, deren Einfluß
noch größere Schwierigkeiten schafft. »Die Geister, die ich rief,
werd' ich nun nicht wieder los!«

Das mono-ideistische Experiment wirkt auf das Gemüt und auf


die psychische Entwickelung wie ein Zaubermittel, das hat der Schüler
an sich erfahren. Er weiß, daß Frieden und Harmonie vor dem
Einschlafen das Erwachen in den gleichen Gefühlen ermöglichen.
Diese Gefühle bleiben dann den Tag über erhalten, ja sie stimmen
auch die Umgebung friedlich. Auf die gleiche Weise kann man
auch die intellektuelle Entwickelung beschleunigen und die Entfaltung
der okkulten (geistigen) Kräfte fördern. Jeder reine Wunsch, jedes
selbstlose Verlangen, das als absolut letzter Gedanke in den Schlaf
mit hinübergenommen wird, zwingt den Empfindungsleib (Astral
körper) zur Arbeit in dieser Richtung und schafft daher die Vor
bedingungen zum gewünschten guten und reinen Erfolge.
Wer mit dem einzigen Gedanken an ein Problem, das er im
tagwachen Zustande nicht zu lösen vermochte, einschläft, und zwar
so, daß der Gedanke an sein Problem ein konzentrierter Gedanke
und der absolut letzte Gedanke ist, der wird des anderen Tages
die Lösung finden, oft schon sofort nach dem Erwachen. Dem
Schüler dieser Lehrbriefe kann es nicht schwer fallen, einen Ge
danken solange festzuhalten (und jeden, selbst den leisesten Neben
gedanken zu verbannen), bis er vom Schlafe überrascht wird.
Großen Nutzen bringt das mono- ideistische Experiment dem
Schüler dann, wenn er sich beim Einschlafen folgendermaßen verhält:
Am ersten Abend schläft er ein mit Gedanken des Friedens,
der Harmonie, der Nächstenliebe, der Selbstzucht, und mit dem
konzentrierten Wunsche, immer besser, immer edler, immer selbst
loser und liebevoller zu werden. Am zweiten Abend pflegt er die
gleichen Gefühle und läßt dann seine Meditation in den konzen
triertenWunsch ausklingen, seine latenten geistigen (okkulten)
Kräfte müßten nunmehr erwachen und sich kräftig entfalten. Man
123

kann dabei besondere Wünsche stärker betonen, z. B. Reinheit,


Selbstlosigkeit, Gott-Schauen, raschere Entwickelung des Hellsehens,
des Hellhörens, der Tattva-Beherrschung, die volle Erweckung des
psychischen Sinnes usf. Diese besonderen Wünsche müssen sieben
mal wiederholt werden. Man darf nicht z. B. bei der einen Übung
schnellere Entwickelung der Exteriorisation (Astralleib-Aussendens)
und bei der nächsten Übung schon die Förderung des Hellsehens
verlangen. Wer z. B. die raschere Entwickelung der Tattva-Beherr
schung wünscht, muß diesen Wunsch durch sieben Übungen fest
halten, und erst dann kann er einen neuen Wunsch aussprechen.

Die Entfaltung der psychischen Kräfte wird auch durch folgen


des Experiment gefördert:
In Lehrbrief VII wurde der Schüler gelehrt, das Universal
Prana der Sonne aufzunehmen, um starke elektrische Kräfte zu ent
wickeln. Zur Verstärkung der magnetischen Kräfte, die besonders
der Entwickelung höherer Empfindsamkeit und des psychischen
Sinnes dienen, muß er auch das Universal-Prana des Mondes auf
nehmen.
Zur Zeit des zunehmenden Mondes bis zum Vollmonde begibt
sich der Schüler an (möglichst) wolkenfreien Abenden zu einem
Orte, wo die Strahlen des Mondes seinen ganzen Körper treffen
können. Dieser Ort muß einsam sein. Am besten wird diese Übung
im Freien, im Hausgarten, auf einer Wiese oder in einer Waldlich
tung vorgenommen. Bedingung zum Erfolge ist, daß der Übende
nicht gestört und von keinem Menschen gesehen werde. Wenn es
die Umstände nicht gestatten, sich ins Freie zu begeben, so kann
das Experiment auch in der Wohnung ausgeführt werden; man muß
in dem Falle aber ein Fenster haben, durch das der Mond längere
Zeit hereinscheinen kann. Zum Schutze vor neugierigen Blicken
verhängt man die unteren Fensterflügel: der Mond muß also durch
die geöffneten Oberflügel auf den Übenden strahlen. Der Schüler
muß sich in dem Raume allein befinden und vor jeder Störung
sicher sein.

Das Experiment wird, gleichgültig ob es im Freien oder im


Zimmer stattfindet, folgendermaßen ausgeführt:
124

Der Übende richtet mit ausgestreckten Armen die Handteller


und die Fingerspitzen gegen den Mond, in der Weise, daß er ihn
zwischen den beiden Händen sieht. In dieser Stellung verharrt er
einige Minuten so ruhig als möglich; er blickt starr und unentwegt
auf den Mond. Der Übende muß ruhig, harmonisch und empfäng
lich (passiv) sein, wenn sich Erfolg einstellen soll. Dann holt er
tief Atem, staut die Luft (Kumbhaka) und entwickelt mit konzen
triertem Willen folgenden Gedankengang:
»Ich ziehe jetzt die magnetischen Kräfte des Mondes in mich
ein. Ich fühle, wie seine Strahlen meinen Körper durchdringen und
meine Seele beleben; ich fühle mich leicht und ledig aller irdischen
Schwere. Der Einfluß des Mond-Prana wird mich ruhig und har
monisch machen, er wird mich dem geistigen Urquell näherbringen.
Meine magnetischen Kräfte werden erwachen; ich werde in hohem
Maße sensitiv werden, der innere Sinn wird sich öffnen, und alle
okkulten Fähigkeiten werden in mir erwachen und sich kräftig ent
falten.«
Der Schüler ballt hierauf die Fäuste, kreuzt die Arme nahe vor
der Stirne, indem er ihr die Handflächen zukehrt, öffnet die Fäuste
rasch, sodaß die gespreizten Finger der Stirne gegenüberstehen,
und fährt danach langsam in einem Abstande von 2–3 cm mit den
gekreuzten Händen über das Gesicht und am Körper entlang, soweit
es den gekreuzten Händen möglich ist. Dabei muß er den festen
Willen und die plastische Vorstellung haben, daß das (von seinen
Händen aufgenommene) Mond-Prana nunmehr von seinem Körper
aufgesogen werde. Der Schüler muß bei dem magnetischen Striche
streng darauf achten, daß seine rechte Hand die linke und seine
linke Hand die rechte Körperhälfte bestreiche (Gegenpole).
Wenn er in Kniehöhe angelangt ist, so führt er die Hände seit
lich nach außen und atmet gründlich aus. Da er sich schon früher
darin geübt hat, den Atem zu stauen d. h. Kumbhaka so lange als
möglich zu halten, so muß er auch bei diesem Experimente den
Atem für die Dauer der Konzentration und des magnetischen Striches
stauen können.
Er führt dann die Hände in weitem Bogen wieder nach außen in
die Ausgangsstellung zurück – die Handflächensind gegen den Mond
gerichtet – und wiederholt das ganze Experiment noch zweimal.
125

Jeder halbwegs wolkenfreie Abend in der Zeit des zunehmen


den Mondes bis zum Vollmond soll für diese Übung benutzt wer
den. Anfänglich soll die Übung nur dreimal hintereinander gemacht
werden, später aber fünfmal und bei einiger Fertigkeit auch sieben
mal; keinesfalls aber öfter als siebenmal; denn Überladung mit
lunarem Prana ist gefährlich. Der Schüler muß die Striche lang
sam und ruhig ausführen und dabei aber immer starr und unbe
weglich in den Mond blicken.
Die besten Erfolge bringt dieses Experiment an Abenden, an
denen es in den Vormitternachts-Stunden durchgeführt werden kann,
und zwar dann, wenn der Mond noch östlich steht d. h. den Zenith
(die Scheitel-Linie)noch nicht überschritten hat. Geht der Mond
erst spät in der Nacht auf, so muß der Schüler eben seinen Schlaf
unterbrechen und die Übung in einer Nachmitternachts-Stunde vor
nehmen.
Bedingung zum Erfolge ist, daß der Schüler nach dem Experi
mente so schnell als möglich die Ruhe aufsuche; er soll nichts mehr
sprechen und seine Gedanken nur auf das Experiment und seine
Wirkung richten. Hat er die Übung außerhalb seiner Wohnung
gemacht, so darf er sich mit keinem Menschen mehr einlassen; er
muß auf dem Heimweg allein sein und darf nicht mehr sprechen.
Er darf sich ferner nach diesem Experimente keiner fremden odi
schen Influenz mehr aussetzen. Es ist daher ratsam, daß er sich
nach der Übung sofort mit dem odischen Schutzmantel umgibt.
Wenn er sich durch den odischen Mantel zu schützen versteht, so
mag er auf dem Heimwege ein öffentliches Gefährt benutzen: er
in ist

nunmehr gegen odische Überstrahlung gefeit; jedoch darf


er

sich
kein Gespräch Wenn außerdem nach diesem Ex
er

einlassen.
perimente vor dem Einschlafen die mono-ideistische Konzentration
auf die Entfaltung aller oder bestimmter geistiger (okkulter) Fähig
so

ausführt, stellt sich der Erfolg unfehlbar kurzer Zeit ein.


in

keiten
er ist

Der negative
(passive) Zustand ein Beruhigungsmittel. Er
hilft Leid und Schmerz überwinden, bringt Hoffnung und Zuver
sicht. Der negative Zustand öffnet die Pforte zur (inneren) Erleuch
tung. Seine praktische Verwertung setzt gute Konzentration voraus.
Allen Kopfarbeitern, Gelehrten und Künstlern, allen nach Erkennt
126

nis ringenden Menschen, allen, die sich in Nöten befinden, die keine

ist
Hilfe mehr wissen, kurz: in jeder Lage des Lebens der negative
Zustand ein Hilfsmittel, das direkte Verbindung mit den inneren
jeder

zu
(geistigen) Prinzipien bedeutet. Der negative Zustand kann
Zeit, jedem Orte, jeder Umgebung herbeigeführt werden.

an

in
Der Schüler muß lernen, diesen Zustand herbeizuführen, ohne
daß die Organe der sinnlichen Wahrnehmung schließt mit
er

d.
h.
offenem Auge, mit offenem Ohr, im Stehen und im Gehen.
Vorerst versucht seinem Übungszimmer bei der Einleitung

er
in
dieses Zustandes die Augen offen behalten. Vor ihm, auf dem

zu
der Wand, befindet sich ein ungefähr quadratmeter
an

Tische oder
großer Bogen reines weißes Papier. Der Schüler stützt der üb

in
lichen Art den Kopf die Hände und verschließt nur mit den
in
Daumen die Ohren. Die Augen dagegen bleiben geöffnet und sind
auf das weiße Papier gerichtet. Dann zieht den Atem ein und

er
staut ihn (Kumbhaka). Durch den bekannten Druck auf die Zirbel
drüse leitet dann den negativen Zustand ein. Das Auge darf von
er

Dieses Experi


der weißen Papierfläche keinesfalls abschweifen.
ment wird erst nach Wiederholungen gelingen.
Ist wiederholt Erfolg eingetreten, muß der Schüler den nega
so

tiven Zustand auch ohne Fixierung des Auges herbeiführen können.


Die Ohren muß jedoch wieder mit den Daumen verschließen.
er

Der Blick hingegen muß absichtlich verschleiert werden, daß der


so

Schüler seine Umgebung sich von ihr gedanklich


wohl sieht, aber
nicht berühren läßt. Nach und nach wird gelingen, mit offenen
es

Augen sozusagen
zu

ein leeres »Nichts« Hat der Schüler


in

starren.
erreicht, negativen
so

das kann Zustand leicht auch mit


er

den
offenen Augen durchführen.
Der Schüler soll sich auch darin üben, sein Gehör auszuschalten,
zu

ohne die Ohren verschließen. Das bedarf großer Willenskraft


und nicht minder großer Geduld. Die Töne rauschen dann am Ohre
vorüber als unbestimmtes Klingen, sie dürfen vom Gehörsinn nicht
mehr registriert werden. Man muß nach und nach lernen, sich
Ist

bei offenen Sinnen von der Außenwelt vollständig abzuziehen.


das gelungen, muß man versuchen, den negativen Zustand mit
so

offenem Auge und mit offenem Ohr einzuleiten, im Stehen und bald
auch im Gehen.
127

Wenn irgendwo der Schüler auf die äußerste Geduldsprobe ge


stellt wird, so geschieht es bei diesem Experimente. Viele Schüler
brauchen Monate, bis sie hier Erfolg haben.
Ist der Erfolg wiederholt eingetreten, so muß der Schüler auch
den stillen Raum verlassen; er muß lernen, den negativen Zustand
inmitten des stärksten Lärmes an den belebtesten Orten durchzu
führen. Freilich darf er in diesem Falle seine persönliche Sicher
heit nicht außer acht lassen. Übt man auf der Straße, so suche
man wenigstens eine geschützte Stelle auf, wo man sich stützen
oder anlehnen kann.
Der negative Zustand hat nur dann praktischen Wert, wenn
ihm feste Konzentration in bestimmter Richtung vorangegangen ist.
Um Erleuchtung zu gewinnen, muß man sich vor der Einleitung
des negativen Zustandes erst in der betreffenden Richtung konzen
trieren. Wenn man sich z. B. in einer wissenschaftlichen Frage, bei
einem künstlerischen Problem oder in einer bedrängten Lage des
Lebens im Zweifel befindet, so konzentriert man sich 10–15 Minuten
lang mit aller Kraft, mit dem deutlichen Wunsche nach Wissen und
Klarheit und mit allen Gedanken auf diese Frage, auf das Problem
oder die unangenehme Lage, in der man sich befindet, und man
führt danach sofort den passiven Zustand herbei, um so lange als
möglich in ihm zu verweilen. In den meisten Fällen wird sich die
Lösung sofort nach Beendigung des negativen Zustandes, oft auch erst
einige Stunden später, in überraschender Weise einstellen. Völliger Miß
ist

erfolg bei richtiger Durchführung des Experimentes ausgeschlossen.


Die Aufgabe, den negativen Zustand nach vorheriger Konzen
tration mitten im Lärme des Tages und mit offenen Sinnen durch
zuführen, soll den Schüler lehren, diesen Zustand auch Stunden
in
zu

der Gefahr gebrauchen können. Im allgemeinen aber empfiehlt


sich, ihn der stillen Abgeschiedenheit anzuwenden und dabei
es

in

Auge und Ohr


ist
zu

mit den Fingern verschließen. Es auch gut,


gleichzeitig mit den beiden kleinen Fingern die Nasenlöcher ver
zu

schließen; der Schüler wird dann den Atem leichter stauen können
(Kumbhaka). Erleuchtung wird der Stille, der Abgeschieden
in

in

heit gewonnen, aber etwas weiter öffnet sich das Tor der Höheren
Welten erst dann, wenn der negative Zustand unter völligem Aus
schluß der Sinne der Einsamkeit vollzogen wird.
in
128

Der Schüler darf nicht nachlassen, nicht ermatten in Geduld


und Ausdauer, wenn die Experimente ihn besser, reiner und stärker
machen sollen. Wer auch nur ein einziges Mal den passiven Zu
stand einwandfrei herbeizuführen vermochte, der wird ihn in allen
Fällen des Lebens gebrauchen und schätzen. Freilich muß er Vor
sicht üben und die Gabe der Unterscheidung gebrauchen, sonst kann
ihn dieser Zustand auf Abwege führen; vornehmlich dann, wenn er
vergißt, daß der negative Zustand nur dann herbeigeführt werden
darf, wenn die Seele ruhig bleibt, wenn sie frei ist von aller
Leidenschaft, wenn Harmonie und Friede in ihr wohnen. Wer
daher den negativen Zustand einleitet, um einer Sorge, einer quälen
den Unfreiheit, um des Leides Herr zu werden, der muß zuvor un
bedingt in seinem Innern erwartungsvolle, ergebene und empfängliche
Ruhe herbeiführen (durch die früheren, von rhythmischem Atem
begleiteten Übungen). Ferner darf der negative Zustand niemals
bei vollem Magen, also nicht unmittelbar nach Mahlzeiten, statt
finden. – Durch das Tor, das diese Übung uns öffnet,
kann Gutes
wie Böses strömen. Von der körperlichen und der moralischen Ver
fassung des Schülers hängt es ab, welche Gäste bei ihm einziehen,
ob er zur Beute des Lügengeistes wird oder ob es ihm vergönnt
ist, aus dem Bronnen der Wahrheit Erleuchtung und Frieden zu
schöpfen.

Vielleicht schon früh, meist aber erst dann, wenn der Schüler
den negativen Zustand beherrscht, wird sich in diesem Zustande
ein leuchtendes Bild vor des Schülers Geistesauge entfalten. Da
erwächst dem Schüler eine schwere Aufgabe. Er denke nicht, er
dürfe während des negativen Zustandes keine Eindrücke aufnehmen.
Das müßte ja Unterbrechung und Mißlingen des Experimentes zur
Folge haben. Er darf aber auch nicht staunen, nicht Verwunderung
oder Entzücken aufkommen lassen, er muß es unterlassen, die auf
ist

tauchenden Bilder in seinem Bewußtsein Es


zu registrieren.
das
ganz ähnlich, wie wenn man mit offenen Augen diesen Zustand
herbeiführt; man sieht die Dinge, nimmt sie aber nicht
in

sich auf
Auf einer höheren Stufe der Entwickelung des Schülers will die
Er
scheinung dem Augenblicke, wo sie volle Klarheit erreicht, dem
in

Schüler bedeuten, den negativen


er

daß Zustand beenden könne


129

daß die inneren Kräfte das gedankenfreie Gehirn, das in diesem


Zustande einem unbeschriebenen Blatte Papier gleicht, nunmehr
mit ihren geheimnisvollen Lettern bedeckt haben; daß es Zeit ist,
in den tagwachen Zustand zurückzukehren, damit jene Schrift in
fruchtbare Gedanken verwandelt werde.

Wer und was diese Erscheinung ist, das erfährt der Schüler
durch den negativen Zustand selbst.
Dem Geübten wird diese Erscheinung weiteren Nutzen bringen,
sobald er weiß, mit wem er es zu tun hat. So abstrus es dem
ist

Laien auch klingen mag, es doch wahr, daß der Geübte (der
Sensitive) imstande ist, ohne auch nur den leisesten Gedanken zu

haben, also bei völliger Leerung des Gehirnes von Ideen und
Gedanken –, dennoch die Bildung und Entwickelung eines Phäno
zu

mens beobachten. Der passive Zustand lockert eine Kraft

in
uns, die ermöglicht, daß wir geistige Eindrücke ohne Gedanken
es

arbeit, also ohne Mithilfe des physischen Gehirnes, aufnehmen. Hier


wirken die inneren Prinzipien des Menschen, die unserm soge
in

nannten »normalen« tagwachen Zustande schlafen. Diese Kräfte


h.
d.

ermöglichen es, die mähliche Bildung des Phänomens


zu

beobachten.
Wenn sich nun das himmlische Auge ernst und drohend, oder wenn
sich das geistige Angesicht kalt und starr dem inneren Schauen
zeigt,dann weiß der Schüler, daß eine Mißbilligung erfährt, eine
er

Warnung, die sich meist auf die (selbstischel?) Ursache bezieht, um


deretwillen das Experiment eingeleitet wurde. Wenn ein ausge
sprochen egoistisches (selbstisches) Motiv das Experiment veran
laßt hat, dann mag der Schüler während des negativen Zustandes
mit seinem inneren Sehvermögen ein düster- drohendes Auge
in

ratsam ist, die betr. Ange


Er

wird dann wissen, daß


es

blicken.
zu

legenheit nicht weiter verfolgen, sondern ihr freien Lauf


zu

lassen.
Die Warnung des Phänomens wird vornehmlich dann eintreten, wenn
sich bei dem Experimente um einen Eingriff karmische Ver
es

in

bindungen und Verwickelungen handelt.

Ex
zu

Der negative Zustand wird auch verschiedenen andern


perimenten verwendet; insbesondere führt er, wenn vertieft wird,
er er
so

den Schüler weit die Geisteswelt hinein, daß (der Schüler)


in

-
9
130

das Bewußtsein seiner Körperlichkeit


verliert. Vorerst aber muß sich
der Schüler noch unermüdlich der Entwickelung des negativen Zu
standes widmen.

Die Vorübungen zur willkürlichen Tattva-Anderung werden


abermals erweitert. Der Schüler muß sich jetzt vertraut machen
mit dem Grundton seines Wesens.
Jeder Mensch zeigt individuelle Grundschwingungen. Sie ent
sprechen den Vibrationen des Tierkreiszeichens, dem er zugehört.
Der Mensch wird von dem Tierkreiszeichen beeinflußt, das im Augen
blicke seiner Geburt am östlichen Horizonte aufstieg. (Näheres in
»Prana«, Organ für angewandte Geisteswissenschaft. VII. Jahr: »Ok
kulte Buchstaben- und Ton-Lehre«)
Jedes Tierkreiszeichen hat seinen bestimmten Ton, und zwar:

Widder Y . . . . c Löwe Q . . . . . . e | Schütze . . . . . . gis


Stier 8 . . . . . . cis | Jungfrau mp . . . . f | Steinbock # . . . a
=a-

Zwillinge II . . . . d | Wage fis Wassermann =: ais

.
.

.
.
.
.

Krebs dis Skorpion Fische

h
)(
g
D

mu
.
.
.
.
.
.

.
.

.
.
|
.

.
.
.
Der Grundton eines Menschen, der im Zeichen Stier (8) ge
boren wurde, demnach Cis. Dieser Ton, der seinem Wesen
ist

urverwandt ist, wird ihm das Streben nach Erringung und Be


in

hauptung des seelischen Gleichgewichtes Wenn län

er
wecken.
gere Zeit diesen Ton hört, muß gelassen, friedvoll und harmonisch
er

werden.
Der Schüler muß seinen Grundton finden. Wer astrologische
Kenntnisse hat*), stellt
zu

diesem Zwecke sein eigenes Horoskop


sich von einem bewährten Astrologen*) anfertigen.
es

oder läßt
er

Es kommt dabei auf die genaue sphärisch-trigonometrische Berech


im

nung des Punktes der Ekliptik an, der Augenblicke unserer Ge


burt den östlichen Horizont kreuzte. Das Tierkreis-Zeichen, dem

dieser Punkt zugeordnet ist, zeigt unseren Grundton an.

Vgl. »Astrologische Bibliothek«. Bände. Verlag der Lehrbriefe.


**)

-
9

Wir empfehlen für diesen Fall das Buch »Astrologie, ihre Technik und Ethik“,
Mk. 6.–.
*)

Adressen durch den Verlag der Lehrbriefe.


131

In Ermangelung eines genauen Horoskopes kann der Grundton


auch mit Hilfe eines Instrumentes ermittelt werden. Dazu eignet
sich am besten ein Harmonium oder eine Violine d. h. ein Instru
ment, auf dem mehrere Oktaven eines Tones längere Zeit ohne
Unterbrechung festgehalten werden können. Auch ein Piano ist
dazu geeignet, doch stört das häufige Anschlagen des Tones und
es verzögert auch den Erfolg.
Der Schüler setzt sich vor das Instrument, konzentriert sich dar
auf, seinen Grundton zu erkennen, und leitet dann den passiven
(negativen) Zustand ein. Nach Beendigung des passiven Zustandes
schlägt er auf dem Instrumente alle Töne von c bis h in der mitt
leren Oktave an, verweilt bei einem jeden Tone und prüft sorglich
den Eindruck, den jeder
Ton in seinem Gemüte hinterläßt. Den
Ton, bei dem ihn nicht nur Sympathie, sondern auch das Gefühl
der Ruhe, des Gleichgewichtes und der Urverwandtschaft erfüllt,
untersucht er folgendermaßen genauer:
Man atmet rhythmisch und versenkt sich in friedliche und
empfängliche Verfassung. Dann schlägt man den fraglichen Ton
in allen Oktaven hintereinander an. Hierauf zieht man den Atem
ein und staut ihn (Kumbhaka), schlägt dann den Ton in allen Ok
taven gleichzeitig an und überläßt sich der Wirkung der Tonwellen
so lange, bis man sich mit diesem Tone eins fühlt. Kann dieser
Zustand bei dem betreffenden Tone nicht erreicht werden, so muß
das Experiment wiederholt werden, damit ein anderer Ton, der ver
wandt erscheint, näher geprüft werde.
Schließlich gelingt es, den individuellen Grundton zu finden.
Das Instrument muß »normal« gestimmt sein. Dieses Experiment
soll aber keinesfalls während Akasa vorgenommen werden.
Hat man den Grundton gefunden, so muß man sich mit ihm
so vertraut machen, daß man ihn zu jeder Zeit in allen Oktaven
rein und klar in sich selber wecken kann. Das bedarf aber vieler
Übung und steter Kontrolle am Instrumente.
Wenn der Schüler fortan harmonische Gedanken mit diesem
Tone begleitet d. h. wenn er bei seinen Gedanken in seinem In
neren den Grundton weckt, so werden die Gedanken an Güte, Kraft
und Wirksamkeit gewinnen. Das ganze Innenleben soll auf diesen
Ton gestimmt und eingestellt werden.
O*
132

Der individuelle Grundton wird den Schüler in einer bestimm


ten Oktave am innigsten berühren. Diese Oktave entspricht dem
Grade seiner Entwickelung. Diese Oktave soll er auch beim Spruch
sprechen (Mantram-Yoga) innehalten. Der Schüler soll überhaupt
öfters erhebende poetische Worte und Verse (Zaubersprüche) im
Grundtone rezitieren. Das gibt Kraft zur Überwindung der Tier
natur und festigt den inneren Frieden.
Der Grundton des Schülers ist auch bei der willkürlichen Tattva
Änderung von Bedeutung. Der Schüler muß ihn mit der Vorstel
lung der Tattva-Eigenschaften folgendermaßen verbinden:
Bei Akasa: Mit der Vorstellung der indigoblauen Farbe, des
bitteren Geschmackes, der ohrähnlichen Figur, der Wirbelbewegung
und des alles durchdringenden Äthers verbindet er die Vorstellung
des unbegrenzten Raumes, die Erweckung des Grundtones in der
mittleren Oktave und die Rezitation des Wortes »Ham« in der
gleichen Tonlage (mittleren Oktave).
Bei Vayu: Mit der Vorstellung der grünen Farbe, des sauren
Geschmackes, der ovalen Figur (Null), der Bewegung im spitzen
Winkel, des luftigen Prinzips, eines säuerlich-scharfen Geruches ver
eint er die Erweckung des Grundtones in einer sehr hohen Oktave
und die Rezitation des Wortes »Pam« in der gleichen hohen Tonlage.
Bei Tejas:
Der Schüler verbindet mit der Vorstellung der
roten Farbe, des scharfen hitzigen Geschmackes, des flammenden
Dreiecks, der aufwärtsstrebenden Bewegung, des Feuers, der Hitze
und des Lichtes sowie der Ausdehnung und eines heißen beißen
den Geruches die Erweckung des Grundtones in einer hohen Ok
tave Oktave tiefer als bei Vayu) und die Rezitation des Wortes
(1

»Ram« in der gleichen hohen Tonlage.


Bei Prithvi: Die Vorstellung der orangegelben Farbe, des
süßen Geschmackes, der viereckigen Figur, der horizontalen Bewe
wegung, des klumpigen erdigen Prinzips, der Kohäsion und eines
süßen Geruches vereint sich der Erweckung des Grundtones in
einer sehr tiefen Oktave und der Rezitation des Wortes »Lam« in
der gleichen tiefen Tonlage.
Bei Apas: Zu der Vorstellung der violetten Farbe, des herben
zusammenziehenden Geschmackes, des Halbmondes, der nach ab
wärts gerichteten Bewegung, des Wassers und der Kälte sowie der
133

Zusammenziehung als auch des zusammenziehenden Geruches ge


sellt sich die Erweckung des Grundtones in einer tiefen Oktave
(1 Oktave höher als bei Prithvi) sowie die Rezitation des Wortes
»Yam« in der gleichen tiefen Tonlage.
Der Schüler muß diese Vorübungen zur Tattva-Änderung ernst,
mit Ausdauer und so oft als tunlich durchführen.

Die Methode des Lehrbriefes VII (Seite 118) zur Vorberei


tung der Exteriorisation (Aussenden des Astralleibes) kann auch
als Vorbereitung zu den tattvischen Übungen dienen, und zwar
dadurch, daß der Schüler nach den Übungen noch einige Zeit
in seiner Stellung verharrt und starr in den blauen Himmel blickt,
ohne zu zucken und zu zwinkern. Er läßt dabei seine Gedanken
ruhen und atmet rhythmisch. Da werden sich bald vor seinen Augen
am Firmamente wogenartige Gebilde zeigen, die dem Wasserdampfe
in der Atmosphäre entstammen. Bei den späteren Übungen aber
werden am Himmel allmählich die Farben der Tattvas erscheinen.*)
Dann vermag der Schüler selbst den Lauf der Unter-Tattvas zu ver
folgen. Jedes Tattva schwingt normalerweise 24 Minuten lang, der
ganze Tattva-Lauf vollzieht
sich also in 2 Stunden.*) Herrscht
ein Tattva länger als 24 Minuten im Körper vor, so bedeutet das
eine Störung im Organismus. Bei starken Fiebern z. B. hält Tejas
dauernd an, oftmals Tage und Wochen lang. Im normalen Kreis
laufe zeigt jedes Tattva die Unterströmung des ganzen Tattvalaufes.
Wenn z. B. Tejas eintritt, so wird ungefähr 4,8 Minuten lang Tejas
mit Akasa-Unterströmung, die weiteren 4,8 Minuten Tejas mit Yayu
Unterströmung, später reines Tejas, die darauf folgenden 4,8 Minuten
Tejas mit Prithvi-Unterströmung und schließlich Tejas mit Apas

*) Eshandelt sich hier nicht etwa um Halluzinationen (Gesichtstäuschungen),


sondern um Tatsachen. Die Vorgänge, um die es sich handelt, sind ganz geistig
seelischer Art, und schon ihre bloße Beschreibung müßte davor behüten, an pa
thologische Zustände zu denken. Während krankhafte Seelenzustände und -vor
gänge das Bewußtsein unter den Stand herabdrücken, den es im wachen Menschen
einnimmt, der seine gesunden Seelenorgane voll gebraucht, erlebt der Schüler
bei seinen Ühungen eine Steigerung des Bewußtseins.
*) Dabei kommen nur die fünf Tattvas in Betracht, die gegenwärtig offen
4
bar sind.
134

Unterströmung fließen. Während dieser Zeit herrscht die rote Farbe,


lediglich an der Peripherie oder im Zentrum

ist
die Farbe der
Unterströmung

zu
erkennen.
Diese Übung bringt noch einen weiteren Erfolg. Wenn der
der Lage ist, sie häufig anzuwenden, wird

es
Schüler ihm bald

in
gelingen, Strahlung Sonnengeflechtes

an
der des (Solar-Plexus) so
wohl seines eigenen Körpers wie an andern Menschen das

in
ihm
oder ihnen vorherrschende Tattva zu erkennen.
in

»Gesegnet sei der Yogi«, heißt im Indischen, »der im

es
stande ist, durch die Knochen zu atmen«!
Folgendes Experiment wird dem Schüler den tiefen Sinn dieses
Wortes erhellen:
Er legt sich auf das Sofa, stimmt sich friedevoll und ruhig und
Er

atmet rhythmisch. entspannt alle Muskeln. Dann setzt

er
seinen
Willen und seine Vorstellungskraft Während des Tätigkeit.

in
ruhigen rhythmischen Atmens zieht das Prana durch die Füße
er

in
die Knochen und stößt die verbrauchten Stoffe wieder aus. Seine
Vorstellungskraftmuß ihm das Bild der Hautfunktionen vor das
geistige Auge führen und sicher erkennen lassen. Mit seiner gei
stigen Empfindung muß das Prana der Luft der Haut wie
er

in

in
einem Schwamme aufsaugen und
es

dann durch die Füße

in
die
Er

Knochen einströmen muß sich geistig vorstellen, wie


lassen.
das Prana diese Organe völlig durchdringt, wie Blut und Säfte
es

stockungen löst und alle verbrauchten Substanzen durch die Poren


Auf die gleiche Weise atmet durch die Beine, durch
er

entfernt.
den Unterleib, den Magen,
schließlich durch die Brust, die Arme
und durch den Scheitel. Dann läßt gleichermaßen den pra
er

nischen Atem beim Sonnengeflecht (Solar-Plexus) eintreten, zieht


ihn mit festem Willen den Wirbelkanal und läßt ihn darin auf
in

so

und niedersteigen. Wird diese Übung gut ausgeführt, wird der


Schüler sich geradezu neugeboren fühlen, sein ganzer Organismus
wird von lebendiger Kraft durchdrungen sein.
auch folgende Ubung:
ist

Sehr wichtig
die

Der Schüler nimmt zur Durchführung eines Pranayama


Padmasana-Stellung ein. (Wem das nicht möglich ist, der wählt
Er

Sitz) atmet tief ein, mit der Vorstellung,


da

den orientalischen
135

er viel Prana einsauge. Während der Atemstauung (Kumbhaka) muß


er dann die Vorstellung entwickeln, daß sich das eingeatmete Prana
im Solar-Plexus sammle. Darauf drückt er das Prana in den Wirbel
kanal, was durch leichtes Zusammenziehen der Kehle
und durch
starken Willen erreicht wird. Er zieht sodann den After ein wenig
zusammen und läßt das Prana im Wirbelkanal aufwärts strömen.
Durch leichte Ausdehnung des Afters treibt er das Prana im Wirbel
kanal wieder abwärts. Das wird beim Stauen des Atems (Kumb
haka) siebenmal wiederholt; erst dann kann Rechaka eingeleitet
werden. Das ganze Experiment, das nur die Vorbereitung zu einem
wichtigeren ist, wird ebenfalls siebenmal wiederholt. (Der Schüler
wird gemahnt, bei allen Übungen die Wirbelsäule aufrecht zu
halten.) Man macht dieses Experiment mindestens zweimal wöchent
lich, doch darf es nur in Harmonie und Seelenruhe vorgenommen
werden.

Die Vorübung zur Exteriorisation (Aussenden des Astralkörpers)


erfährt eine Erweiterung. Während der Schüler unverwandt in den
Himmel schaut, konzentriert er sich darauf, seinen Empfindungs
leib (Astralkörper) zu lockern und zu lösen und ihn mit dem Auf
trage der Rückerinnerung an seine Erlebnisse auszusenden. Die
Muskeln müssen völlig entspannt sein. Nach der Konzentration
geht man in den passiven Zustand über und verweilt darin so lange
als möglich. Dann holt man Atem, konzentriert sich wiederum und
leitet abermals den passiven Zustand ein. Der Schüler mag diese
Ubung nach Belieben ausdehnen, soll sie aber keinesfalls mehr als
siebenmal hintereinander durchführen. Wer wenig ins Freie geht,
mag sich ein Ruhebett zum geöffneten Fenster schieben und auf
dem Ruhebette die Übung ausführen; doch muß er Vorsorge treffen,
daß er vor einem Sturze bewahrt bleibt, sofern durch die Lockerung
oder Lösung des Astralkörpers eine gewisse äußere Bewußtlosigkeit
eintreten sollte. Auch darf der Schüler während der Übung von
keinem Menschen beobachtet werden.


sie

Die Übungen des Lehrbriefes VI werden soweit nicht


abgeändert worden sind nunmehr seltener durchgeführt, keines


falls aber dürfen sie gänzlich aufgegeben werden. Die Übungen
136

des Lehrbriefes VII, die nicht erweitert worden sind, bleiben vor
läufig noch beibehalten. Der Schüler darf sie nicht vernachlässigen.

Die Erfolgübung soll stets im rhythmischen Atem durchge


führt werden.

ist
Nicht ganz belanglos es, welcher Umgebung der Schüler

in
lebt und die Übungen vornimmt. Die Atmosphäre der Großstadt
ist durch den selbstischen »Kampf ums Dasein« ungünstig

so
B.
z.

beschaffen, daß sie unbedingt Einfluß hat auf die Entfaltung der
seelischen Organe. Es sind zwar die innern Entwickelungsgesetze
der feineren Fähigkeiten stark, aber schaden kann schlechte Um
gebung doch. Der stille Friede des Landlebens und die Anmut der
unberührten Natur muß helfend eingreifen. Der Anblick der Pflanzen
welt und sonniger Berge, das Miterleben der astralen Umwandlungen
im Leben der Erde während der Jahreszeiten (vgl. darüber: Mabel
Collins, »Wenn die Sonne nordwärts geht«), das Weben der Einfalt
treibt die Okkulten Fähigkeiten Harmonie aus ihrem Schlummer
in

auf. Wer die Stadt garnicht verlassen kann, muß wenigstens seinen
wachsenden Fähigkeiten inspirierten Lehren der Eingeweihten
die
und Menschheitsführer als Nahrung zuführen, muß sich umso
er
gewissenhafter versenken die »Bhagavad-Gita«, die »Nachfolge
in

Christi«, den »Cherubinischen Wandersmann«, die »Stimme der


Stille«, »Licht auf den Weg« usf.
in
Brief IX
Der Schüler hat die Schwelle erreicht, die keiner überschreitet,
ehedenn seine Zeit gekommen ist.
Der Apfel fällt vom Baume, wenn er reif geworden ist. So
öffnet sich das Tor der Höheren Welten nur dem, der sich durch
harte Selbstzucht den Schlüssel errungen und erworben hat. Dieser
die geschulte Willenskraft, die Beherrschung der
ist

Schlüssel aber
Begierde, die Fähigkeit der scharfen Konzentration, die sichere
Gewalt über die Gedankenwelt. Der Mittler, der zur Vollendung
ist

führt, die Entwickelung der Gedanken- und der Willenskräfte,


ohne deren Entfaltung und zielbewußten Gebrauch
in
selbstloser
Liebe –
mit dem reinen Willen zum Guten! –
kein Mensch höher
zu steigen vermag.
nach den Anleitungen der bis

Selbst wenn der Schüler


die aufgezeigte Entwickelung erreicht hat, be

herigen Lehrbriefe
den Bergen der Er
zu

noch großer Anstrengung, den Weg


es

darf
lösung freizulegen, denn der bloße Besitz des Schlüssels öffnet das
zu

Tor noch lange nicht. Der Schüler muß das Schloß finden wissen
und den Schlüssel handhaben lernen, denn der ist von besonderer
Art und von eigentümlichem Baue.
Hat aber der Schüler das Tor zu den Gefilden der wahren Frei
heit geöffnet, dann muß darauf bedacht sein, dieses Land wür
in
er
zu

diger Verfassung betreten.


Hier kann nur der ungestraft eintreten, dessen »Hochzeitsgewand«
ist

blütenweiß ist, der ledig aller irdischen Bürde, der alle Leiden
Er

schaften überwunden hat, alle Unrast und alle Friedlosigkeit.


muß Herr geworden sein über seinen Körper und über die Sinne,
Er

muß rein geworden sein Körper und


an

Herr über sein Gemüt.


Seele.
140

In Reinheit des Herzens und der Gedanken, in Bedürfnislosig


keit, in Liebe und Barmherzigkeit für alle Geschöpfe, in Selbstlosig
keit und All-Liebe muß er die Schwelle überschreiten. Auf seiner
Stirne muß die Liebe thronen, aus seinen Augen muß der Friede
strahlen, in seinem Herzen muß die Tugend wohnen. Wenn auch
die Füße in der Erde wurzeln, sein Haupt muß in den Himmel
ragen!

ist
Nur in dieser Verfassung würdig,

er
einzutreten den

in
»Garten der Reife«, die Ewigkeit wohnt, das Land, wo

da
der

er
in
Wahrheit ins Antlitz sehen darf.
Der Schüler, der diese Stufe erreicht hat –


und allein!

er
mag getrost die Übungen des vorliegenden und die des nächsten
Lehrbriefes Angriff nehmen. Wer aber über das »Menschliche«
in

sich, über das Niedere Selbst, über die Persönlichkeit noch nicht
in

hinausgestiegen ist, der versuche nicht,

an
dem verschlossenen Tore
zu

rütteln: würde sich körperlich und geistig Wunden schlagen.


er

Er vertiefe das Erlernte und harre des Tages, seine ethische Ent

da
wickelung die geforderte Stufe erreicht hat, sei

es
diesem oder

in
späteren
Leben. Kraftvoll halte das Errungene fest
er
in

einem
und sei für die Zeit seines Lebens immer bedacht, sein Inneres,
zu

das Höhere Selbst, fördern. Was erreicht hat, geht ihm nie
er

gün
es

verloren: einem späteren Dasein bildet den Grund für


in

stigere und schnellere Entwickelung.


Wer hoch steigt, kann tief fallen! Der Inhalt des neunten und
ist

des zehnten Lehrbriefes daher zum großen Teile nur für den
zur praktischen Anwendung bestimmt, der sich nach ehrlicher Prü
fung sagen darf, daß ein Sturz und Rückfälle bei ihm ausgeschlossen

sind! Jeder andere aber soll mit Ausnahme der Übungen


in

der Telepathie, der Psychometrie, dem Hellsehen und Hellhören


sowie im Magnetisieren die weiteren Experimente unversucht

lassen.

Lehrbrief VI
hat dem Schüler gezeigt, wie auf mechanische
er

Art den Atemstrom zu regeln vermag.


Die Überleitung des Atems von der einen auf die andere Seite
nur für den Anfänger nötig. Der Fort
ist

durch Rippenpressung
zu

geschrittene vermag das gleiche Resultat durch folgende Übung


141

erzielen. Wer z. B. Chandra-Atem (links) hat und den Atem nach


rechts (Surya) überleiten will, der schließe das rechte Nasenloch
mit dem Finger, atme durch das linke Nasenloch tief ein, drücke
den Atem in den Solar-Plexus (Sonnengeflecht) und staue ihn dann
mit dem konzentrierten Willen, er (der Atem) solle nach rechts
(Surya) strömen. Sodann wird der Atem vom Plexus in die rechte
Leibgegend gepreßt, indem man durch leichten Druck die rechte
Lunge etwas aufbläht. Dieses Hinüberpressen soll nur kurze Zeit
dauern. Man konzentriert sich dabei darauf, daß die drei Flügel
der rechten Lunge und nach und nach auch die ganze rechte Seite
vom Sonnenprana durchflutet und erfüllt werden. Dann zieht man
den Atem durch den rechten Lungenflügel fühlbarherauf, treibt
ihn durch die rechte Seite des Halses und atmet bei geschlossenem
linken Nasenflügel durch den rechten langsam aus, mit dem festen
Willen, der Atem müsse nunmehr rechts strömen. Für eine Reihe
von weiteren Atemzügen – etwa 7 oder 12 – bleibt das linke
Nasenloch mit dem Daumen verschlossen, und es wird dabei immer
rechts eingeatmet und der Atem wird jedesmal auf die beschrie
bene Art und mit der entsprechenden Konzentration über den Solar
Plexus nach rechts gepreßt. Dann erst kann man wieder frei atmen,
um zu sehen, ob das Experiment den gewünschten Erfolg hat. –
Das wird bei der ersten Anwendung schwerlich der Fall sein. Man
lasse sich aber nicht entmutigen und wiederhole die Übung sofort,
nach Möglichkeit sogar vier- oder fünfmal. Sollte auch der volle
Erfolg tagelang ausbleiben, der Beharrliche erreicht ihn doch, und
mit der Zeit wird es sogar nur eines einzigen Atemzuges und des
leichten Druckes auf die entgegengesetzte Seite bedürfen, um sofort
die gewünschte Atemströmung herbeizuführen.
Das Experiment kann sich der Schüler dadurch erleichtern, daß
er sich beim Wechsel zum Surya-Atem in seiner geschulten Vor
stellungskraft von Wärme durchströmt fühlt und sich geistig mit
dem Feuer und der Sonne verbindet. Beim Wechsel zum Chandra
Atem entwickelt er in seiner Vorstellung das Gefühl der Kälte und
des Wassers und verbindet sich geistig mit dem Monde.
Diese Übung führt man in der ersten Zeit in einer der Yogi
Stellungen durch, später aber auch im Liegen, Sitzen oder Stehen,
keinesfalls aber beim Gehen oder bei einer andern Bewegung. Ferner
142

ist

zu
darauf achten, daß der Übende nicht beobachtet werde und
daß voller Harmonie und Ruhe sei, auch darauf, daß sich sein

er
in
Magen nicht Beginne der Verdauungstätigkeit befinde.

im
Es
es ist
verboten, durch diese Übungen Sushumna herbeizuführen.
Wenn beim Übergang des Atems von einer Seite zur andern
für ganz kurze Zeit von selbst eintritt, warte man den Wechsel

so
ruhig ab. Die Verbindung mit der Sonne bzw. mit dem Monde
wird dadurch erleichtert, daß man sich schon vor Beginn des Ex
perimentes dazu bereitet, indem man geistig mit den Sonnen- bzw.
Mond-Übungen Beziehung tritt und sich deutlich vorstellt, daß
in
der Plexus durch ein fluidales Band mit dem Monde bzw. mit der
Sonne verbunden sei und für die ganze Dauer der Übung auch ver
bunden bleibe.
Die willkürliche Änderung der Tattvas bedarf nur mehr einer
Einige Wochen lang betreibe

einzigen vorbereitenden Übung.
man die Umleitung vorerst auf folgende Art: liegender Stellung

In

ist
zu

einer Zeit, man vor jeder Störung gesichert


da


leitet
man einem abgesonderten Raume die Übung mit rhythmischem
in

Atmen ein, das einige Minuten währen soll. Dann macht man ein
Pranayama. Beim Einziehen der Luft (Puraka) richtet man die
Gedanken auf die Natur des Tattva, das erreicht werden soll. Im
siebenten Lehrbriefe wurde bereits auf die Verbindung der Tattvas
mit dem rechtsseitigen oder dem linksseitigen Atem aufmerksam
gemacht. Dazu müssen wir bemerken: bei Chandra nur Apas ist
besonders günstig, höchstens noch Prithvi, bei Surya dagegen
Tejas und Prithvi. Ferner ist Vayu –

nicht allen Fällen bei


in

Surya günstig. Eine bessere Übersicht der Zusammengehörigkeit


der beiden Akasa-Modifikationen erhalten wir durch Beobachtung
der Natur sowohl der Tattvas wie der beiden Atemströme: Apas
und Vayu sind die beiden kühlen Tattvas, Tejas und Prithvi sind
die warmen. Da nun der Mondatem (Chandra) ebenfalls kühler
eigentlich mit Vayu und Apas. Der
so

Natur ist, korrespondiert


er
ist

Sonnenatem (Surya) warmer Natur, daher sind ihm Tejas und


Prithvi zugeordnet. Da sich hier weniger um die günstige Wir
es

kung eines Tattva während eines bestimmten Atemstromes handelt,


so

als vielmehr um die Erzeugung eines Tattva, muß man sich auf
die Natur des gewünschten Tattva konzentrieren.

Man wird also


143

vor dem Einziehen Atemstromes je nach der Natur des ge


des
wünschten Tattva Chandra oder Surya einleiten. Ist das geschehen,
so wird für das darauf folgende Pranayama der Atem durch das
Nasenloch eingezogen, das dem gewünschten Tattva entspricht:
wenn Prithvi oder Tejas gewünscht wird, durch das rechte, bei Vayu
oder Apas durch das linke Nasenloch.
Schon beim Einziehen des Atemstromes denkt man sich das
Prana des Atemstattvisch durchstrahlt. Die lebhafte Vorstellung
muß uns alle tattvischen Eigenschaften empfinden lassen und sie
uns auch fühlbar machen. Dabei muß das Symbolum des betref
fenden Tattva in der entsprechenden Tonhöhe sozusagen laut ge
dacht werden. Wenn Kumbhaka einsetzt, so muß man den so ge
färbten Prana-Strom einigemale durch den ganzen Körper strömen
lassen, um ihn schließlich in einem starken Willensakt durch den
Wirbelkanal bis hinauf in die Zirbeldrüse (Epiphysis, Coronarium)
zu bringen. müssen immer in der Vorstellung die Eigen
Dabei
schaften des betreffenden Tattva festgehalten werden. So verfährt
man auch beim Ausatmen (Rechaka), das durch das Nasenloch zu
erfolgen hat, mit dem eingeatmet worden ist. Man setzt bei Re
chaka mit der starken Konzentration ein, daß man nunmehr wirk
lich in dem gewünschten Tattva schwinge. Wenn der ganze Vor
gang siebenmal wiederholt worden ist, verharrt man noch kurze
Zeit in gelassener Haltung und atmet rhythmisch. Dann kann man
den Erfolg mit Tattva-Perlen, mit geistigem Schauen oder durch
geistige Betrachtung des Solar-Plexus prüfen.
Beispiel:
Man will z. B. das Tejas-Tattva erzeugen.
Wenn man äußere
wie innere Ruhe gefunden hat, atmet man einige Minuten rhythmisch.
Dann leitet man, wenn man augenblicklich Chandra-Atem hat, auf
die bekannte Weise den Surya-Atem (rechts) ein. Falls voller Er
folg eintritt, beginnt man mit dem Pranayama. Man zieht also den
Atem langsam rechts ein; damit verbindet man die intensive Vor
stellung und die Empfindung der roten Farbe, des scharfen, hitzigen
Geschmackes, des flammenden Dreiecks (in das man sich hinein
denkt), aufwärtsstrebenden Bewegung, des Feuers, der Hitze
der
und des Lichtes, der Ausdehnung, eines heißen, beißenden Ge
ruches; dazu kommt ferner die Erweckung des Grundtones in einer
144

hohen Oktave und – in Gedanken – das wiederholte Rezitieren


des Wortes »Ram« in der gleichen Tonlage. Nicht nur an sich
selbst, sondern auch an dem eingesogenen Luftstrome muß der
Übende die Eigenschaften des Tejas-Tattva erkennen. – Danach
macht man das Kumbhaka; dabei läßt man den so gefärbten Prana
Strom einigemale durch den Körper gehen, um ihn schließlich mit
großer Kraft durch den Wirbelkanal hinauf in die Zirbeldrüse zu
ziehen, die stark mit den Eigenschaften des Tejas gesättigt werden
muß. Auch jetzt muß unaufhörlich die Silbe »Ram« in der betref
fenden Tonlage gewissermaßen laut gedacht werden. Hierauf er
folgt das Ausatmen (Rechaka) durch das rechte Nasenloch in dem
festen Willen, daß sich die Umwandlung in Tejas bereits vollzogen
habe. Auch während dieser Konzentration darf man die Vorstellung
der Eigenschaften des Tattva keineswegs fallen lassen noch ver
nachlässigen.
Dieser Prozeß wird siebenmal hintereinander ohne Unterlaß
durchgeführt. Nach einigen Minuten der Ruhe, die man mit rhyth
mischem Atmen verbringt, kann man mit den Perlen und mit dem
(durch das Strahlensehen entwickelten) geistigen Schauen auf den
Solar-Plexus den Erfolg prüfen; ferner dadurch, daß man die Augen
schließt und mit den Händen bedeckt.
Auch dieses Experiment kann nicht sofort zufriedenstellende Er
gebnisse aufweisen. Geduld und Ausdauer sind auch hier notwendig.
ist

Diese Übung die Grundlage für das letzte, das entschei


dende Experiment, das Lehrbrief angegeben wird und das die
in

unmittelbare Beherrschung und Verwertung der Tattvas lehrt.


Der Schüler darf das Akasa vorläufig nicht herbeiführen,
er
würde sich sonst schädigen.

Der Schüler muß sich auch Meditation mehr und mehr


in

der
üben.
Der gereinigte und vergeistigte Schüler bedarf dieser Meditation
nicht nur zur Erhaltung seines fleckenlosen Kleides, das stets
zu in

Gefahr steht, von der Flut niederer Wesenheiten beschmutzt


werden, sondern sie dient ihm auch zur Erhebung, zur zeitweisen
Befreiung seines Höheren Selbst, zur Festigung seiner Tugenden,
als Weg zur Erkenntnis.
145

Die Meditation soll unser Inneres denn UNENDLICHEN öffnen.


ist

Sie eine Schulung der Seele, gleichwie man auch den Körper

zu
»trainiert und ihn durch bestimmte Übungen Gesundheit und
Tüchtigkeit erzieht.

ist
Sie das Sich-auf-sich-selbst-besinnen des
Göttlichen im Menschen.
Eine erfolgreiche Meditation setzt voraus, daß man Herr aller
seiner Sinne ist. Die Übungen der früheren Lehrbriefe liefen der

in
Mehrzahl auf diesen Zweck hinaus. Die Entwickelung der Willens
kraft erzielt sowohl eine Steigerung der Sinnestätigkeit als auch ver
leiht sie die Macht, die Sinne einzeln oder alle insgesamt auszu
schalten. Schon durch die Übung des passiven Zustandes hat der
Schüler sich vorbereitet, seine Sinne nach Belieben gebrauchen
-
zu lernen.

zu
Er muß weiterhin lernen, bei geöffnetem Auge nicht sehen,
bei unverschlossenem Ohre nicht zu hören. Er muß sich eine

in
Apathie (Lethargie)
versenken können,

es
gewisse der keine in
Außenwelt mehr für ihn gibt. Der Schüler soll sich

zu
diesem
möglich
so

Behufe oft wie sein Zimmer zurückziehen und sich


in
so

zur Ruhe stimmen, daß seine Sinne einzuschlafen beginnen.


zu

Er übe sich, mit offenen Augen ein Nichts sehen und keine
in

ist
zu

Töne von außen registrieren. Es gut, sich bei derartigen


begeben. Der Atem muß rhyth
zu

Übungen eine Yogi-Stellung


in

misch, dabei aber auf das geringste Maß heruntergestimmt sein.


Daneben übe sich der Schüler unausgesetzt im Atemstauen
(Kumbhaka). Er muß auch darin große Fertigkeit erlangen.
Wenn seiner Sinne einigermaßen Herr geworden ist, wenn
er
zu er

den Atem mehrere Minuten mühelos stauen kann, dann mag


er

folgender Ubung schreiten:


Er

geht eine der Yogi-Stellungen und vollführt dann das


in

Pranayama mit dem konzentrierten Willen, daß ihm die Übung


so

gelingen müsse. Darauf atmet tief ein und staut den Atem
er

lange wie möglich.


er

sich darauf,
In

diesem Stadium konzentriert


daß sich seine Sinne der Außenwelt verschließen. Dann überläßt
sich wieder dem leichten rhythmischen Atmen und zwar so, daß
er

alle seine Gedanken nur auf das Atmen gerichtet sind. Er darf
an nichts anderes denken, als an den rhythmischen Lauf des Atem
1O
146

Stromes. Dabei muß langsam alles in ihm ersterben, er darf nichts


sehen, nichts hören, nichts empfinden! Dieser Zustand muß so
lange wie möglich erhalten bleiben. Der Schüler muß sich hüten,
seine Gedanken vom Atemprozeß abirren zu lassen.
Sobald mit dieser Übung Erfolge erzielt werden, soll man

sie
vertiefen und sich mehr und mehr ihrem eigentlichen Zwecke nähern.
Man nehme die Abendstunden oder die Nacht zu Hilfe und

#
zu
lerne, den Schlaf bekämpfen. Auch die Entziehung und Über
windung des Schlafes –
die natürlich nicht zur Regel werden darf,
am allerwenigsten zum Besuche von Lokalen! –
will geübt sein.
Wie man ohne Schaden für den Körper die leibliche Nahrung auf
–,


das geringste Maß herabsetzen kann durch Aufnahme von Prana
kann man auch durch entsprechende Pranayama den Schlaf be
so

kämpfen. Eine Nacht, die man Meditation verbringt, bedeutet

in
eher eine Stärkung denn eine Schwächung des Körpers, besonders
dann, wenn man vor und nach dieser Übung das Zentralnerven
system durch das Pranayama auffrischt.
Ein oder zweimal der Woche soll also der Schüler, nachdem
in

ein Pranayama mit dem konzentrierten Willen zur Stärkung seiner


er

Nerven geübt hat, das oben geschilderte Experiment nächtlich


durchführen, jedoch mit dem Unterschiede, daß sich während

er
des rhythmischen Atmens, also nach dem Kumbhaka, nicht mehr
auf den Atem konzentriert, sondern dauernder körperlicher Emp
in

Er
findungslosigkeit Betrachtungen pflegt.
ernste muß den Geist
beherrschen lernen und das Gewoge des Denkens mit eisernem
Er

Willen regulieren. mag irgendein ernstes Thema wählen: den


Zweck des Daseins, eine Tugend oder die Siebenfache Konstitution
zu

des Menschen. Seine Betrachtungen müssen stets dem einen


Ziele führen, das alles mündet: zum
in

EWIG UNGENANNTEN,
mit dem wir im innersten Wesen alle eins sind. Ist
er

bei diesem
beginnt sofort und ohne jede Unterbrechung
so

Punkte angelangt,
er

die Meditation von neuem. Nunmehr erstrebt eine noch


er

größere

Vertiefung, geht bei der Meditation langer ununterbrochener


er

in

Betrachtung des Themas von der Wirkung aus, um die Ursache


zu

ergründen. Mit äußerster Willenskraft bannt jede Abirrung.


er
147

Diesemeditativen Übungen sind eine seelische Kraftquelle


Sie führen zur Erleuchtung und zu Erkenntnissen, die dem gewöhn

ist
lichen Denken (cogitatio) nicht zugänglich sind. Es wichtig,
bei diesen Übungen die wachen Sinne so zu verschließen, daß sie
passiv sind und keine Störung verursachen können.
Die häufige Wiederholung dieses Experimentes schafft nach
und nach einen eigentümlichen körperlichen Zustand, der einer
leichten Bewegungslosigkeit (Pratyahara) gleicht. Die körperlichen
Funktionen werden während der Übung auf das Mindestmaß beschränkt.
Bei späteren Wiederholungen kann man auch nach Beendigung
der Meditation sofort den negativen Zustand herbeiführen, um ihn
so

lange als möglich Nach Beendigung des passiven


zu

halten.
Zustandes achtet man auf die Eingebungen, die von Oben kommen,
indem man noch einige Zeit dieser Stellung verharrt und die Sinne
in

verschlossen hält. Erst dann macht man das kräftigende Pranayama


und begibt sich danach zur Ruhe.
Ab und kann man auch bei dieser Übung das Gemüt auf
zu

Dinge und Gegenstände richten, mögen sie weit entfernt sein oder
nahe liegen, ferner auch auf einen Menschen, eine Nation, auf ein
bestimmtes Geschick, auf eine Pflanze usf. Nur muß man jedes
mal im Bewußtsein vollständig mit dem Objekte verschmelzen. Dann
wird sich auch das innere Wesen aller Dinge enthüllen.
ist

zu

Über die äußere Ausbildung nicht viel mehr sagen.


Der Schüler hat seinen Blick entwickelt, versteht das odische
er

Schauen, das den Blick machtvoll und erhaben macht. Er muß


diesen Blick lediglich mehr und mehr vertiefen.
zu

Ein solcher Blick vermag andere Menschen gutem Sinne


in

beeinflussen. Es muß dem Schüler gelingen, seinen Blick die


in

lassen, um sie durch die ge


zu

Seele anderer Menschen dringen


zu

schulte odische Strahlung verbessern. weit höherem Maße,


In

bei unentwickelten Individuen der Fall ist, wird seinem Auge


es

als
eine odische Garbe entspringen, die machtvoll wirkt vermöge der
guten psychischen Eigenschaften, mit denen sie geladen ist.

Folgende wichtige Anweisung muß der Schüler treulich be


achten:
1O*
148

Bevor er sich zur Ruhe begibt, muß er sich jedesmal mit dem
odischen Schutzmantel umgeben! Diese Vorsichtsmaßregel ge

ist
boten, weil sich der Schüler durch den negativen Zustand dem Un
sichtbaren jetzt schon mehr geöffnet hat. Es kann dem Feinde nicht
allzuschwer fallen, bei geöffnetem Fenster nächtlicherweile einzu

zu
steigen und den wehrlosen Schläfer kann nie

es
überraschen:

zu
deren Wesenheiten (Elementalen) glücken, den Schüler über
wältigen; denn der Ausfall (im Schlafe) des Wachbewußtseins macht
ge

ja
ist
ihn wehrlos, und seine Konstitution infolge der Übungen

so
aber den odischen Mantel um sich gelegt,

ist
öffnet. Hat

er

er
guter Hut, und alle Überfälle bleiben wirkungslos.
in

Der Schüler muß sein Gemüt stets heiter und fröhlich erhalten.
Darum raten wir ihm, viel zu singen, mag eine gute oder eine

er
schlechte Stimme haben. Ein ernstes erhebendes Lied hilft jede
Verstimmung überwinden!
Wenn singt,

so
mit offenem Munde wird seine Nerven
er

er
stärken.
Singt mit Aufbiß mit zusammengepreßten Zähnen (Sum
er

d.
h.
so

men), sein Selbstbewußtsein und die Kraft der Über


stärkt
er

windung. Auch das allgemeine Bewußtsein wird dabei gestärkt.

so
Geiste singt, auch Nutzen,
im

da
Wenn nur hat
er

er
diese
zu

singen das Gedächtnis stärkt.

º
Art
Gute Musik anzuhören, ist keine verlorene Zeit für den Schüler.
Die Harmonie der Töne beruhigt und erhebt das Gemüt und lehrt

zu
ihn, allen Dingen den verborgenen Rhythmus erkennen. »Musik
in
ist

eine höhere Offenbarung als alle Weisheit und Vernunft« sagt


Beethoven.
Des Theaterbesuches soll sich der Schüler enthalten. Klassi
sche und esoterische Stücke sind ausgenommen. Stücke,
in
denen
echte Kunst sich auslebt; Stücke also, die die mystischen Seelen
an

wege enthüllen und das künden, was tieferen Vorgängen sich


im

im

abspielt Kosmos
sowohl wie Innern des Menschen. Stets
aber, wenn sich
einer größeren Menschenansammlung befindet,
er

in

muß den odischen Schutzmantel um sich legen, muß alle Ein


er

er

flüsse abwehren, die unter seiner Entwicklungsstufe stehen. Von


Varietés soll sich der Schüler hauptsächlich deshalb fernhalten,
149

weil dort die Wogen bestialischer Leidenschaften von den Darstellern


täglich neu belebt und durch die lüsterne Teilnahme des Publikums
zu brutalen Formen entwickelt werden. Der Reine soll eben seinen
Fuß nicht ohne zwingenden Grund in den Schmutz setzen.

Zur Entwickelung der intellektuellen Fähigkeiten soll der Schüler


des öfteren ein Pranayama durchführen, wo immer möglich in der
Padmasana- oder in der Sidhasana-Stellung, andernfalls im gewöhn
lichen orientalischen Sitze. Die Augen sollen nach innen aufwärts
gerichtet sein, so daß sich die Verlängerungen der Sehlinien (Linae
visus) ungefähr in der Stirnmitte treffen. Dann erfolgt kräftige Kon
zentration in allen drei Phasen des Atems (Einatmen, Stauen, Aus
atmen) zur Entfaltung des Intellekts. Dieses Pranayama wird stets
siebenmal gemacht. Auch bei allen andern Übungen, die fremden
Zwecken dienen, aber den Blick zur Stirnmitte (den »Bergen«) vor
schreiben, tritt als Nebenwirkung stets eine Kräftigung des Intel
lektes ein.
Wer sich spiritueller (seelischer) machen will, soll oft ein Prana
yama in einer der drei Yogi-Stellungen üben. Jedoch richtet man
dabei die Augen nach innen abwärts, so daß die Verlängerungen
der Sehlinien die Nasenspitze treffen. Auch hier muß bei allen drei
Phasen des Atems eine kräftige Konzentration einsetzen, die starke
Entfaltung spiritueller (seelischer) Kräfte, Vorzüge und Fähigkeiten
verlangt. Das Experiment besteht in siebenmaliger Wiederholung
der drei Atemprozesse. Alle Übungen, die wohl fremden Zwecken
gelten, aber den Blick auf die Nasenspitze (Seelenatem) vorschreiben,
fördern die seelisch-spirituelle Entwickelung.

Tief im Inneren des Kopfes, an der Basis des Gehirns, liegt


eine kleine Drüse ohne Ausführungsgang, die, obwohl ihr die Natur
wissenschaft keine »nachweisbare« Funktion zuschreibt (Hormon
Wirkung) und nur wenig mit ihr anzufangen weiß, dennoch eine
sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen hat: die Zirbeldrüse (Epiphysis,
ist

Coronarium, Corpus pineale). Sie das parietale »Dritte Auge«


und entspricht dem Stege einer Violine.”) Sie spannt gewisser
ist

aber auch die Entsprechung des Uterus (Gebärmutter),


*)

Sie und ihre


Schenkel (Habenulae) entsprechen den Tuben (Eileitern).
150

maßen die Nervensaiten und unterstützt dadurch die Vibrationen


der Gehirngewebe. Zur vollen Entfaltung der Okkulten Kräfte
(Siddhis) muß sie in Tätigkeit versetzt werden. Beim Durchschnitts
menschen schlummert sie; ja, sie ist durch Nichtgebrauch und durch
Exzesse (Alkohol, Sexualleben) atrophiert.
Völlig latent

ist
sie beim Schüler längst nicht mehr; die bis
herigen Übungen haben sie bereits teilweise erweckt. Um sie aber
zu

zu
voller Funktion bringen und dadurch die höchste Entfaltung
ermöglichen, dazu bedarf

zu

es
der Okkulten Kräfte -
bestimmter
Übungen.
engen Beziehungen

zu
Die Zirbeldrüse steht den verschie

in
denen Gehirnpartien,

zu
den Funktionen des Stirnhirns (Gyri

B.
z.
zu

frontales), ferner den Funktionen des Cerebellum (Kleinhirns).


ist

Außerdem sie eng verbunden mit dem Rückenmark und mit den
Nervenpartien, die der Nasenwurzel liegen. Überhaupt unter
an

hält die Zirbeldrüse Beziehungen zum ganzen Nervensystem, sie


regiert allen seinen Regionen.”)
es
in

kräftiger Funktion
zu

zu
Um die Zirbeldrüse erziehen, kann der
Er

Schüler zwei Wege gehen. benützt sowohl die (in diesem Lehr
briefe angezeigte) Meditation als auch ein pranisches Experiment.
– Die Meditation befaßt sich mit der Zirbeldrüse selbst, mit ihrer
Bestimmung, ihrer Lage, ihrer Entwickelung: sie ist der buddhische
Brennpunkt der Entwickelung der Okkulten Kräfte.
*)

In
ihrem
Äußeren unterscheidet sie sich bei sehr jungen wie bei sehr alten
oder gar idiotischen Leuten von denen, die mittleren Jahren und
in

der Blüte ihrer Gesundheit stehen.*) sie


in

Descartes nannte den


*)

zu

Die Physiologen leugnen diesen Zusammenhang. Darauf ist erwidern,


daß die Physiologen (Anatomen) ihre Beobachtungen
an


Leichen machen die
Vivisektion des Menschen haben sie sich, bis heute wenigstens, noch nicht ange“
und daß, wie diese Kreise selber zugeben, die Gehirnmaterie sofort nach

maßt
dem Tode (am schnellsten von allen Organen!) ihre Form ändert und zerfällt.
im

Ferner spielen sich viele von den Vorgängen, die wir hier erwähnen, unsicht

baren Ätherleibe (Lebensleib) ab. Die Erweckung der Zirbeldrüse erfolgt durch
Vermittelung des Hirnanhangs (Hypophysis).
Die okkulten (geistigen) Kräfte werden als Siddhis bezeichnet.
*) *)

Der Gehirnsand die gelben sandartigen Körnchen, die wir


in
d.
h.

der
Zirbel finden und die aus phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk sowie einer
sog. organischen Grundlage bestehen, erscheint erst bei Menschen, die älter sind
als sieben Jahre die das Prinzip Manas als Anlage besitzen. Bei kleinen
d.
h.
151

»Sitz der Seele«. Und in der Tat, ihre Lage als Brennpunkt des
Gehirns und ihre symmetrischen Beziehungen zu ihrer Umgebung
erweisen ihre wichtige Aufgabe. Tibetanische Mahatmas nannten
die Zirbeldrüse das »Auge Shivas«.*) –
Man meditiert also in dieser
Weise über die Zirbeldrüse und läßt die Meditation in dem kon
zentrierten Willen gipfeln, die Zirbel müsse zur höchsten Entfaltung
kommen. Ein MEISTER beherrscht die Zirbeldrüse vollkommen;
daher korrespondieren die Vibrationen seines Gehirnes mit der Syn
these des Tones und des Lichtes: Raum, Zeit und Kausalität (Karma)
empfindet er als das, was sie sind; denn er lebt nur mehr in dem
Einen Allgegenwärtigen.

ist
Das pranische Experiment zur Ertüchtigung der Zirbeldrüse
ein Pranayama einer Yogi-Stellung, bei der die Wirbelsäule unbe
in

dingt aufrecht gehalten werden muß. Während des Kumbhaka


(Atemstauen) muß der Schüler das Prana durch den Wirbelkanal bis
zur Zirbeldrüse ziehen und die Zirbel plastischer Vorstellung mit
in

dem Prana-Strome durchtränken. Auch hier wird der Atemprozeß


(Puraka, Kumbhaka und Rechaka) siebenmal wiederholt.


Diese beiden Übungen Meditation und Prana-Experiment

macht man am besten abends oder zur nächtlichen Stunde, min


destens dreimal wöchentlich.

hat im Laufe der Schulung seine Psychischen


Der Schüler
Kräfte (Siddhis) zum großen Teile entwickelt; nicht allein oder
weniger zum Selbstzweck der Höherentwickelung, sondern vornehm
lich dem heiligen Wunsche, diese Kräfte zum Wohle der Müh
in

seligen und Beladenen zu verwerten.


Durch die verschiedenen Übungen wird die odische Lohe des
ist

stark, als sie bei Alltagsmenschen ist. Sie


so

Schülers zehnfach
kräftig als bei Philistern, weil seine
so

beim Geschulten zehnmal


odische Emanation psychisch rein gefärbt ist. Dadurch wird sie
Heilfaktor. ihrer Wirkung wird sie noch verstärkt durch
In

zum
die hohe Willenskraft, die der okkult Geschulte besitzt.

Kindern und bei Idioten fehlt der Gehirnsand (Acervulus). Berühmte Physiologen,
Margagni, bringen den Gehirnsand
B.

ebenfalls mit dem Gemüte bzw. dem


z.

Verstande (Manas) Verbindung.


in
*)

Shiva ist der dritte Aspekt der Höheren Atmischen Dreiheit: der zer
störend-wiederzeugende.
152

Der Schüler muß bereit sein, mit seiner Kraft allezeit da ein
zuspringen, wo ihm der Himmel ein leidendes Geschöpf entgegen

ist
führt. Damit nicht gesagt, daß sich der Schüler etwa zum Be
rufsmagnetiseur ausbilden müsse. Das berufsmäßige Magnetisieren

ist
um Geld ein verächtliches Handwerk. Wirkliche Heilung durch
Magnetismus kann nur die selbstlose Liebe zustande bringen. Die
höheren Mächte, die eines jeden Weltenwanderers Entwickelung
lenken, geben dem, der berufen und auserwählt ist, oft genug Ge

zu
legenheit, auch als Heiler Menschenliebe beweisen. Dazu dienen
auch die magnetisch-odischen Kräfte.
Der Heilmagnetismus war schon den alten Ariern und Ario
Indern bekannt. Viele Stellen den Veden legen dafür Zeugnis

in
Er

war ferner bekannt bei den Assyrern, Persern, Ägypten,

in
ab.
Griechenland und bei den Römern. (In der lateinischen Literatur
in

vgl. die Berichte von Plautus, Seneca, Plinius; der griechischen

in
die Hinweise von Herodot, Xenophon, Homer, Pythagoras, Thales,
Platon, Aristoteles, Hippokrates, Apollonius. Vgl. auch Keil-Inschriften

im
und Papyrus) den Tempel-Zeremonien und Somnambulismus
In

der Pythonissen und Sybillen finden wir ihn wieder. Ärzte aller
Zeiten weisen auf ihn hin (Claudius, Galenus, Albertus, Magnus,
Bacon, Paracelsus usf., Mesmer, Papus, Durville, du Prel, Rei

v.
chenbach).
weit führen, hier Anleitungen zur heilmagnetischen
zu

Es würde
Krankenbehandlung
zu

geben.
Im Buchhandel sind Werke erschie
nen, die dieses Thema eingehend behandeln.") An Hand dieser
Lehrbücher kann sich der Schüler die zur magnetischen Heilung
erforderlichen Kenntnisse leicht aneignen. (Ausführliche Abhand
lungen »Prana«, Jahrg. VI, 310–317, und
im

»Archiv für ra
S.
in

tionelle Therapie«.) Doch mögen hier die Grundprinzipien des Heil


magnetismus erläutert werden:
Er

Der Schüler magnetisiere täglich ein Glas Wasser. nimmt


zu

dazu ein Glas, das bis


1/2

cm vom Rande mit Wasser angefüllt


ist, die linke Hand, wendet sich mit dem Antlitz nach Osten,
in

hält die rechte Hand bzw. ihre Fingerspitzen einer Entfernung


in

von ungefähr cm über den Wasserspiegel und konzentriert sich


1

Leipzig
*)

Auskunft und Lieferung durch das Theosophische Verlagshaus,


153

darauf, daß das Od von seinen Fingerspitzen in kräftigen Strahlen


auf das Wasser ströme. Er wird die Strahlung auch sehen, da sein
Blick geübt ist. Nach einer Minute streicht er langsam über den
Wasserspiegel und an der Glaswand abwärts – immer im gleichen
Abstande –,
um von unten mit der Hand in großem Bogen wieder
nach auswärts zu fahren. Dabei beschreibt er einen Kreis, der die
Fingerspitzen schließlich wieder über das Wasser führt. Hier hält
er abermals an, doch nur 20–30 Sekunden lang. –
Dieser Prozeß
wird zwölfmal wiederholt. Dann ballt man dreimal die Hand über
dem Wasser zur Faust, öffnet sie rasch wieder und spreizt die
Finger mit einer energischen Bewegung auseinander. Man nennt
dieses Verfahren: das »Spargieren«. –
Danach zieht man durch beide
Nasenlöcher den Atem ein, staut ihn längere Zeit (Kumbhaka) und
atmet dann durch denMund auf den Wasserspiegel aus. Das der
maßen eingeodete Wasser wird seine Wirkung ausüben, je nach
der Kraft der Konzentration, die bei der Einodung stattgefunden hat.
Der Schüler soll fürs erste dieses Experiment nur zur odischen
Reinigung durchführen. Bei der Übung muß er sich ohne Unterlaß
auf den Wunsch konzentrieren, daß seine Finger alles schlechte
und psychisch minderwertige Od entladen und in das Wasser strömen
lassen. –
Diese Übung hilft auch Gemütsbewegungen, Unruhe, Ver
stimmungen usf. zu überwinden. Nach der Übung muß das Wasser
stets ausgegossen werden, und das Glas ist sorgfältig zu reinigen.
Später kann der Schüler das Wasser zur Stärkung der Nerven,
des Gedächtnisses und der intellektuellen Fähigkeiten, zur Erweckung
der inneren Kräfte, zur Beschleunigung seiner Entwickelung ein
oden. In allen diesen Fällen muß er das eingeodete Wasser schluck
weise trinken.
Bei einiger Fertigkeit kann man das Wasser zu Heilzwecken
odisch laden und Kranken zu trinken geben. Die Einodung des
Wassers muß in dem konzentrierten Willen erfolgen, daß das Wasser
die betreffende Krankheit heilen werde. Der Schüler darf niemals den
geringsten Zweifel aufkommen lassen, sonstgeht ihm der Erfolg verloren.
Wenn man in Frieden, Seelenruhe und in Harmonie ein Glas
Wasser zu dem Zwecke magnetisiert, daß es einem erregten Men
schen Ruhe und Frieden bringen soll, so wird der Erregte ruhig
werden, sobald er das richtig eingeodete Wasser getrunken hat.
154

Neben dem magnetisierten Wasser sind die magnetischen Striche


zu Heilzwecken geeignet. Man heilt mit magnetischen Strichen ent
weder örtlich, also am Sitze der Krankheit, oder durch Allgemein
behandlung (mit Längsstrichen). –
Der Schüler setzt sich dem Er
krankten gegenüber und zwar so, daß beider Knie sich berühren,
er erfaßtdie Hände des Patienten und sieht darauf, daß eines jeden
Daumen geschlossen sind. Er blickt dem Kranken ruhig, liebevoll
und zuversichtlich in die Augen und konzentriert sich einige Minuten
darauf, daß der Kranke sein Od annehme und daß dieses Od in
starkem Strome des Kranken Leib durchflute. Dann steht er auf,
führt die Arme in weitem Bogen nach auswärts bis zum Kopfe des
Kranken und macht ganz langsam Längsstriche (in einem Abstande
von 1 cm) über das Gesicht und den ganzen Körper des Patienten,
indem die rechte Hand seine linke und die linke Hand seine rechte
Seite bestreicht. Wenn er bei den Füßen des Kranken angelangt
ist, werden die Hände wieder im Bogen nach auswärts geführt und
ungefähr in der Mitte des Bogens kräftig ausgeschleudert, mit dem
Willen, das vom Patienten übernommene kranke Od müsse von den
Händen fallen. Hierauf geht der Magnetiseur im gleichen Bogen
wieder zum Kopfe des Patienten zurück, läßt dort das Od einige
Sekunden einstrahlen und beginnt dann wieder mit den Längsstrichen.
– Die ganze Prozedur wird zwölfmal wiederholt. Sie muß in der
scharfen Konzentration erfolgen, daß das Od Heilwirkung habe und
in den Organen des Kranken den molekularen Rhythmus der Ge
sundheit wiederherstelle.
»In einfachsten Erscheinungen des Lebensmagnetismus«,
den
sagt Wallace, »wo die Muskeln, die Sinne und die Vorstellungen
des Kranken dem Willen des Heilers unterworfen sind, wirkt Geist
auf Geist durch die Vermittlung einer eigentümlichen Verwandtschaft
zwischen der Lebenskraft der beiden Menschen (polare Attraktion,
Wahlverwandtschaft der peripheren Nerven. –
Der Bearbeiter). Auf
ist

diese Weise der Magnetiseur durch seinen Willen befähigt, für


er zu

den Kranken eine vollkommenere Welt erzeugen«.


Der Schüler muß darauf achten, daß keinen sog. Gegenstrich
mache, keinen Strich von unten nach aufwärts, weil dadurch
h.
d.

die Heilkraft des Odes verloren geht. Ferner darf während des
er

Magnetisierens sich selbst nicht mit den Händen bestreichen und


155

seinen eigenen Körper nicht berühren, wenn anders er nicht das


kranke Od des Patienten aufnehmen will. Bei ansteckenden Krank
heiten stellt man zu Füßen des Patienten eine Schüssel Wasser, in
die man das übernommene kranke Od ablädt. Nach jeder Behand
lung muß man die Hände mehrmals kräftig ausschleudern, um sich
des übernommenen Odes zu entledigen. Danach reinigt man die
Hände tüchtig mit Wasser und Pflanzenfettseife. Erst jetzt darf man
den eigenen Körper berühren.
Die örtliche heilmagnetische Behandlung erfolgt teils durch
kurze Striche, teils (und das ist die beste Methode) durch Hand
auflegen für die Dauer mehrerer Minuten. Dem Handauflegen
folgt kräftiges Behauchen schmerzenden Stellen. Zu diesem
der
Zwecke muß der Atem vorher eingesogen und während der Stauung
(Kumbhaka) mit starker Konzentration auf heilsame Wirkung ge
schwängert werden.
Vor und nach jeder Behandlung soll der Schüler ein Prana
yama machen: vor der Behandlung mit dem konzentrierten Willen,
daß sein Od Heilung
bringe, nach der Behandlung mit scharfer
Konzentration auf sofortigen Ersatz der verausgabten vitalen Kräfte.
In Lehrbrief X werden dem Schüler Anleitungen gegeben wer
den, wie er seine Heilkunst mittels pranischer und tattvischer Prin
zipien erfolgreicher gestalten kann.
Daß der Heilmagnetismus nicht etwa auf Suggestion beruht,
also nicht mit Hypnotismus zu verwechseln ist, geht aus der Tat
sache hervor, daß auch Tiere und Pflanzen sich magnetisieren lassen
das Gleiche der Fall, wie bei
ist

und dabei gesund werden. (Es


der Homöopathie. Auch beweisen die Heilerfolge Tieren,
da

an

daß Suggestion gar nicht Frage kommt sondern Heilung durch


in

Od oder Prana].)

Wir erweitern nunmehr auch die Übungen, die der Exteriori


sation dem Aussenden des Empfindungsleibes (Astralkörpers)
d.
h.

gelten.
Im

einsamen und vor jeder Störung sicheren Übungszimmer


so

macht man, nachdem man die Weckuhr gestellt hat, daß sie
zu

Beginn der Übung ein Prana


40

nach ungefähr Minuten ertönt,


yama mit scharfer Konzentration auf die Zirbeldrüse sowie auf den
156

Solar-Plexus und mit dem festen Wunsche nach starker pranischer


Durchsättigung dieser okkulten Zentren; ferner mit dem Wunsche,
das Experiment möge gelingen
sowie in der Erinnerung haften
bleiben. Dann legt man sich bequem auf das Sofa, ohne irgend
wie die Gedanken von dem Vorhaben abirren zu lassen. Alle
Muskeln werden entspannt.
Man meditiert ausschließlich über das
Vorhaben und läßt dabei langsam alle Glieder und Muskeln er
starren. Man zieht dann den Atem ein und versenkt sich während
eines langen Kumbhaka in den negativen Zustand, der so lange wie
möglich zu halten ist. Jetzt muß des Schülers geübte Vorstellungs
kraft einsetzen. Er stellt sich vor, wie erst die Fußspitzen, dann
die Beine leblos werden, wie der Atem nachläßt, wie alle Muskeln
starr, die Arme leblos werden und wie schließlich der ganze Körper
erstarrt. Man muß sich nach und nach völlig unbeweglich fühlen
bei völliger Entspannung aller Muskeln. Die Augen richtet man
auf die Nasenwurzel (individueller Atem). Dann pflegt man fol
gende Vorstellung: »Ich fühle mich nicht mehr als grobmateriellen
Körper, sondern als Astralwesen. Als Astralwesen steige ich lang
sam aus dem unbeweglichen Physischen Körper heraus. Alle
Glieder lösen sich vom Physischen Körper, der Leib vom Leibe,
der Kopf vom Kopfe, bis ich den Physischen Körper vor mir liegen
sehe.« –
Das Gefühl der Freiheit, das in diesem Augenblicke den
Schüler erfaßt, wird dazu benutzt, sich durch Anspannung des
Willens vorwärts zu bewegen. Er läßt seinen materiellen Leib zu
rück und entschwebt ins Freie. Die dichte Materie bietet ihm keine
Hemmungen mehr, wenn sein Wille stark ist. Die Weckuhr führt
ihn zur rechten Zeit wieder in den Erdenleib zurück. –
Diese Übung
soll zweimal wöchentlich durchgeführt werden.

Zur weiteren Entfaltung der telepathischen Fähigkeiten macht


man in Gemeinschaft mit einem Partner, dem man in aufrichtiger Nei
gung verbunden ist, folgende Experimente:
Man überträgt sich gegenseitig nach der bekannten telepathi
schen Methode Zahlen. Man nimmt von einem Abreißkalender die
Zahlenblätter 1 bis 10, wählt eines aus und überträgt die Zahl in
das Gehirn (besser gesagt: in die Zirbeldrüse) des Partners. Es darf
nicht eher mit einer Zahl gewechselt werden, als bis sie vom Part
157

ner erkannt worden ist. Scharfe Konzentration und plastische Vor


stellung sind die Bedingungen zum Erfolge. Später läßt man die
Kalenderblätter beiseite und überträgt die Zahlen aus der eigenen
Vorstellung. Noch später macht man diese Versuche mit Farben,
schliesslich mit einzelnen Worten und kleinen Sätzen. Auch kann
der Partner seine Eindrücke zeichnerisch wiedergeben.

Die psychometrische Empfindung wird herbeigeführt durch


öftere Pranayams mit fester Konzentration auf die Zirbeldrüse und
das Sonnengeflecht. Diesen Pranayams muß allezeit der negative
Zustand auf dem Fuße folgen. –
Man nimmt kleine Päckchen zur
Hand, die man mit kleinen Mengen von Salz, Zucker, Pfeffer, Zimt
(oder anderen Stoffen von besonderem Geschmacke) gefüllt hat.
Diese Päckchen müssen derart verschlossen sein, daß man weder
durch das Gefühl noch durch den Geruch den Inhalt bestimmen

kann. Der Inhalt soll zur späteren Prüfung des Experimentes am


Rande der Päckchen mit ganz kleiner Schrift vermerkt sein. Man
schließt die Augen, macht sich ganz passiv und hält eines dieser
Päckchen an die Stirne. Allmählich werden sich odische Wirkungen
bemerkbar machen, die sich in Geschmacksempfindungen oder in
Vorstellungen des Inhaltes äußern und schließlich so stark werden,
daß man imstande ist, den Inhalt des Päckchens anzugeben. Erst
bei öfterer Wiederholung wird das Experiment einwandfrei gelingen.
Der Schüler muß daher Geduld darauf verwenden; er soll bei einer
Übung nur zwei oder drei Päckchen prüfen und sie bis zu einer
Viertelstunde an die Stirne halten, solange, bis die Eindrücke stark
und unverwischbar sind.
Hat man bei dieser Übung wiederholt Erfolg gehabt, so nimmt
man verschiedene Briefe von Freunden und Angehörigen, steckt sie
in gleichartige unbeschriebene Umschläge und experimentiert mit
ihnen (nach vorherigem Pranayama und negativem Zustand) auf
die gleiche Weise, wie mit den Päckchen. Man hält jeden Brief
solange an die Stirne, bis man durch feste, klare Vorstellung den
Schreiber erkennt.
Diese beiden Experimente sollen ziemlich oft ausgeführt werden.

Auch dem Experimente mit der Muschel zur Entwickelung des


Hellhörens mögen jetzt ein Pranayama mit tiefer Konzentration auf
158

die Zirbeldrüse und den Solar-Plexus sowie danach der negative


Zustand vorangehen. Wenn dann die Muschel ans Ohr gesetzt
wird, soll der Atem herabgestimmt und im Verlaufe der Ubung
öfter ein längeres Kumbhaka (Atemstauen) durchgeführt werden.

Bei der Übung zur Erweckung des geistigen Gesichts (Hell


sehen) kann man insofern abwechseln, als man jetzt in nur sehr
schwach erhelltem Zimmer ein Glas benützt, das man bis zum Rande
mit Wasser füllt und mit einem schwarzen Tuche umhüllt. Man blickt
dann andauernd in die dunkle Wasserfläche. Vorher muß ein Prana
yama gemacht werden mit dem konzentrierten Wunsche nach Ent
wickelung des Hellsehens, ferner muß man sich auf die Zirbeldrüse
und den Solar-Plexus konzentrieren. Der negative Zustand leitet
dann das Experiment ein. Bei der Übung selbst stimmt man den
Atem ebenfalls stark herab und staut ihn auch öfters (Kumbhaka).
Man übt am besten erst an der polierten Schrankfläche und das
andere Mal mit dem Glase Wasser.

Der letzte Lehrbrief erst wird die Hauptübungen zur Entfaltung


und Entwickelung des geistigen Gesichts (Hellsehen) und des gei
stigen Gehörs (Hellhören) bringen.

t_1 …”
---.………
“… ºrae pae, ***** •*…- .**

Brief X
Wiederholung ist der Weg, der im Verein mit Geduld und
Ausdauer (Konzentration) zum Ziele führt. Das Grundwissen muß
vertieft werden, um ein dauerhaftes Fundament für neue Kennt
nisse und Fähigkeiten bilden zu können. Übereilung macht blind,
Übereifer unsicher. Der Schüler muß allezeit gelassen sein, er darf
das Ziel nicht aus dem Auge verlieren! Nichts darf verabsäumt
werden, was dem Fortschritt dient. Gerade das scheinbar Neben
sächliche zeugt die großen und die größten Wirkungen. Die Übungen
der bisherigen Lehrbriefe, insbesondere die des Briefes IX, müssen
gründlich vertieft werden, bevor der Schüler an das Studium dieses
(X.) Lehrbriefes geht. Zur Wiederholung der bisherigen Lektionen
sind 10–12 Wochen erforderlich. Der Schüler darf erst dann mit
dem Studium des vorliegenden Lehrbriefes beginnen, wenn er die
Grundlagen völlig beherrscht.

Der Schüler muß nunmehr ein Künstler im Atmen sein. Seine


Aufgabe besteht nur mehr darin, das Atemstauen immer länger
auszudehnen. Dabei muß aber Vorsicht geübt werden, damit nicht
durch allzu rasches und unvermitteltes Steigern der Atemstauung
(d. h. des Kumbhaka) Störungen im Organismus (Lungen-Ektasie,
Emphysem) eintreten. Insbesondere darf die Epiglottis (der Kehl
deckel) nicht durch gewaltsames Stauen des Atems mißhandelt wer
den. Ganz allmählich nur darf die Steigerung eintreten, bis man
den Atem längere Zeit – ohne jede körperliche Anstrengung –
nur kraft des Willens zu halten vermag. Überhaupt muß bei diesen
Übungen nach und nach jede körperliche Anstrengung entbehrlich
11
162

werden. Der Druck, mit dem man beim Atemstauen das Prana in
das Sonnengeflecht leitet, darf schon zu Beginn der Übungen nicht
groß sein, sollen Beschädigungen der Lunge, des Kehlkopfes und
des Zentralnervensystems verhütet werden. Dieser Druck soll weniger
körperlicher als vielmehr mentaler Art sein; die mechanische Kör
perarbeit soll also bewußten Willensakten weichen.
Die höchste Leistung in der Dauer der bewußten Atemstauung
ist

Im
bei den einzelnen Schülern sehr verschieden. allgemeinen
muß der Atem solange gestaut werden können, bis man spürt, daß

zu
das Prana den ganzen Körper vom Kopfe bis den Füßen kräftig
durchdringt.

Zur vollkommenen Beherrschung des Pranayama muß sich der


Schüler mit den Kraftzentren der menschlichen Konstitution

d.
h.
in
im

(d.
Ätherleibe bekannt machen, die sowohl materiell

h.
durch
Atemübungen und durch Zuleitung von Prana) wie durch Meditation
verbessert werden müssen.
Diese Kraftzentren, die im Sanskrit Chakras oder Padmas heißen
(was bewegte Scheibe oder Rad bzw. Lotus bedeutet), sind Trans
formatoren für die Universalkraft.*)

einem jeden unserer Vehikel oder Körper (vgl. die Siebenfache Kon
*)
In

zu
Menschen) gibt Am leichtesten
es

stitution des Chakras. erkennen sind die


Zentren des Lebensleibes, der das protoplasmatische Urbild des Physischen Kör
pers ist. Die Chakras sind die Mittler des Kraftstromes vom Logos, der aus
einem Vehikel das andere fließt. Sie haben nicht allein die Bestimmung, den
in

Physischen Körper lebendig


zu

erhalten, sondern noch eine zweite Aufgabe, die


aber erst zutage tritt, wenn die Zentren (Padmas) zu voller Tätigkeit erwacht sind.
Die Wirbelzentren des Lebensleibes (Ätherkörpers) liegen oberflächlich, die vier

liegen im Innern des


sind ihrer ebenfalls sieben


es

dimensionalen astralen
Vehikels. Die ätherischen Kraftzentren korrespondieren nicht genau mit gewissen
Nervengeflechten (Plexus) des Physischen Körpers, wie häufig angenommen wird.
Außer den sieben Chakras, die wir nennen (siehe oben!), gibt

es

noch drei
niedere Zentren, aber diese Zentren gebrauchen nur die Magier der Linken Hand
(Dugpas).
Die sieben Wirbelzentren sind die Entsprechungen der sieben Farben (rot,
orange, gelb, grün, blau, indigo, violett), der sieben Töne (Sanskrit-Tonleiter: sº,
la,
ri,

ga, ma, pa, da, ni; italienische Tonleiter: do, re, mi, fa, sol, si), der sieben
Planeten (Mars, Sonne, Merkur, Saturn, Jupiter, Venus, Mond), der sieben Zahlen
7,

(10) bis sieben bestimmter Buchstaben des Alphabetes, der sieben Formen
1
163

Sieben Kraftzentren im Lebensleibe (Ätherkörper) vermitteln


die okkulte Entwickelung des Weißen Magiers. Sie werden durch
bestimmte Übungen und Meditationen zu voller Wirksamkeit erweckt.
Die ätherischen Chakras liegen:

. in der Wirbelsäule am unteren Ende: Kundalini.


. im Nabel: Iccha.
. in der Milz: Mahanipuraka.
. im Herzen: Anahata.
im Kehlkopf: Visuddhi.
. an der Nasenwurzel: Aguha.
im Kopfe: Sahasvara.

Diese Kraftzentren sind an und für sich tätig, da sie durch die
Aufnahme und die Umwandlung der Universalkraft bzw. der sieben
Strahlen des Logos das physische Leben erst ermöglichen. Beim
Alltagsmenschen schlafen sie aber nahezu. Die Erweckung dieser
Kraftzentren differenziert und verfeinert die Okkulten Fähigkeiten
des Menschen.
Aber: die Kanäle (Disken) dieser Zentren ermöglichen, sobald
sie einmal geöffnet worden sind, allen Kräften den Zutritt, auch den
verderblichen. Allein der reine und redliche Schüler vermag diese
Kraftzentren straflos zu öffnen: der Reine zieht das »Böse« nicht
mehr an. Wenn aber der Unberufene, einer, der seine moralische
Entwickelung noch nicht vollendet hat, diese Zentren öffnet, so wird
er Geister rufen, die nicht nur sein moralisches Wachstum hemmen,
sondern ihm auch leiblich und geistig Schaden bringen. Ein jeder
prüfe sich ernsthaft, ob er sich rein und reif genug fühlt, diesen
Weg zu gehen.
Das wichtigste dieser Zentren liegt am unteren Ende der Wirbel
säule. In ihm schlummert die geheimnisvolle Kraft, die das Sanskrit
Kundalini (Schlangenfeuer, Welten-Mutter) nennt. Wenn diese Kraft

von Prana (der Lebenskraft) usf. In der Dichtung werden sie als »Blumen« ge
schildert, die sich durch die Zahl ihrer Blütenblätter unterscheiden.
Wenn die Wirbelzentren zu voller Tätigkeit erwacht sind, haben sie neben
der Erhaltung des Physischen Leibes die Aufgabe, alles das, was in den ent
sprechenden astralen Padmas als Eigenschaft, Erlebnis oder Erfahrung besteht,
ins Hirnbewußtsein herabzutragen.
11*
164

erwacht, so erweckt sie durch ihre ungeheure Kraft auch alle an


deren Zentren. Die Wirkung des erwachten Kundalini auf die übrigen
Wirbelzentren besteht darin, daß die Kräfte der entsprechenden
astralen Padmas ins physische (intellektuelle) Bewußtsein treten. Es
bedarf eisernen Willens und eines reinen Herzens, den Strom des
Kundalini so zu lenken, daß er zum Besten dient. Kundalini ist ein
verzehrendes Feuer dem Unvorsichtigen und Schwachen, ein Segen
und ein Born des Glückes dem Reinen und Starken. Die Beherr
schung von Kundalini bringt Erkenntnis. Wer aber noch eine Spur
von unreinen Neigungen in sich trägt, der belebt nur seine Schwächen
durch die Entfaltung dieser geistig-feurigen Kraft zu solcher Macht,
daß er ihnen nicht mehr widerstehen kann und noch tiefer in das
Laster der Vergangenheit zurücksinkt.”)
Die Entfaltung des zweiten Zentrums,Iccha (Nabel), schafft
erhöhte Sensitivität (für astrale Einflüsse) und öffnet die psychischen
Sinne.
Das dritte Padma, Mahanipuraka, liegt in der Milz. Seine Er
weckung stellt die (dämmerhafte) Verbindung und die Vereinigung
zwischen dem astralen und dem grobkörperlichen Bewußtsein her.
Das vierte Kraftzentrum, Anahata, hat seinen Sitz in der Herz
gegend. Seine Erweckung steigert das reine Gefühlsleben (das
Mitgefühl), überwindet die Begierden und stellt die Brücke her zum
Innern anderer Menschen.
Das fünfte Zentrum, Visuddhi (Kehlkopf, Schlund), öffnet bei
voller Entwickelung dauernd das geistige Ohr (Hellhören) auf dem
ätherischen und dem astralen Plan.
Das sechste Chakram, Aguha, liegt (zwischen den Augenbrauen)
an der Nasenwurzel. Seine vollständige Erweckung öffnet dauernd
ist

das geistige Gesicht (Hellsehen). Dieses Wirbelzentrum ein


astrales Auge zur Vergrößerung mikroskopisch kleiner Gegenstände

der Hatha-Yoga-Pradipika III,7: »Dem Yogi


*)

Von Kundalini heißt


es
in

bringt sie Befreiung, dem Narren Knechtschaft«. »Schlangenfeuer« heißt


das Kundalini deshalb, weil der Lauf, den die Kraft nach ihrer Erweckung durch
den Körper aufwärts gehen soll, spiralförmigen Windungen gleich den Be
in

wegungen einer Schlange geht.


Vgl. auch:
C.

W. Leadbeater, »Das Innere Leben«, 461–478a:


S.

Band
I,

»Das Schlangenfeuer«.
165

und zur Verkleinerung ungeheuer großer Dinge; es läßt sich zur


Einstellung auf das Objekt, das betrachtet werden soll, ausdehnen
oder zusammenziehen, je nachdem es sich um einen großen oder
einen kleinen Gegenstand handelt. – Wenn das Schlangenfeuer (auf
dem normalen spiraligen Wege) das Aguha-Zentrum mit aller Macht
durchflutet, verleiht es die Kraft, die Stimme des MEISTERS d. h.
des Ego (des Höheren Selbst) zu vernehmen, und zwar dadurch,
daß sie den Hirnanhang (Hypophysis, Schleimkörper, Glandula pitui
taria) zum Leben erweckt und durch ihn die Verbindung zum Emp
findungsleibe (Astralkörper) herstellt: dadurch wird es möglich, daß
Mitteilungen aus dem Innern nach außen gelangen.
Das siebente dieser Zentren, Sahasvara, das oben am Schädel
liegt, ermöglicht es uns, sobald wir es voll erwecken, mit dem Astral
körper den Erdenleib nach Belieben zu verlassen (Exteriorisation)
und uns nach der Rückkehr unserer Arbeit in der Astralwelt zu ent
sinnen.
Die unzeitige Erweckung dieser Zentren bringt zum mindesten
große Gefahren, selbst wenn die Kraftströme den normalen Weg
aufwärts –
in einer bestimmten Ordnung, die zuweilen variiert –
nehmen. Verderben, Siechtum und mitunter sogar der Tod treten
ein, wenn Kundalini infolge mangelhafter Reinheit und ungenügender
Willensentwickelung des Schülers abwärts strömt oder im Aufwärts
streben einen ungeregelten Lauf nimmt, der nicht in Spiralen geht.
Wie der Reine durch Erweckung von Kundalini zur höchsten
Weisheit gelangt, so wird diese Kraft den Schwachen allen niederen
Einflüssen bedingungslos ausliefern.– Die unzeitige Erweckung von
Iccha (Kraftzentrum am Nabel) erregt unbändige Sinnenlust; die vor
zeitige Entfaltung von Anahata (Chakram am Herzen) weckt alle
Leidenschaften und Begierden; die gewaltsame Eröffnung von Visuddhi
(Zentrum am Kehlkopf) ertötet alles Mitleiden und alle Liebe; die
vorschnelle Entfaltung von Aguha (Padma an der Nasenwurzel) wirft
in den schauerlichsten Egoismus zurück, vernichtet die Geduld und
alle Sanftmut, und die unzeitige Entwickelung von Sahasvara (Cha
kram am Schädel) tötetdie Intelligenz und die Denkfähigkeit, sie
kann Wahnsinn und bleibende Verblödung herbeiführen.
Der Schüler, der sich nach ernster Prüfung moralisch rein und
reif genug fühlt und seinen Willen hinreichend geschult hat, mag
166

als Vorübung zur schließlichen Erweckung des Kundalini die Kraft


zentren durch pranische Beeinflussung vorerst beleben. Dazu dienen
folgende Ubungen:

Der Schüler beeinflußt zuerst an mehreren Tagen der Woche


das unterste Kraftzentrum (Kundalini, am unteren Ende der Wirbel
säule). Er macht jedesmal in einer der Yogi-Stellungen ein kräf
tiges Pranayama und läßt während der Atemstauung (Kumbhaka)
den Pranastrom fühlbar – d. h. seiner entwickelten Vorstellungs
kraft wahrnehmbar –auf das unterste Ende der Wirbelsäule und
ihre Umgebung einwirken. Die Konzentration bei der Übung gipfelt
in dem Wunsche, die latente Kraft an dieser Stelle anzuregen, –
keinesfalls also schon zu erwecken, sondern eben nur zu beleben.
Die Konzentration muß hier mit dem scharfen Willen erfolgen, daß
fürs erste nur eine Belebung dieser Kraft eintrete. Der Atemprozeß
– Einatmen, Stauen und Ausatmen – wird, wie immer, siebenmal
wiederholt. Nach Beendigung dieses Experimentes meditiert man
ungefähr eine halbe Stunde lang über die Bedeutung von Kundalini.

In der folgenden Woche beeinflußt der Schüler auf die gleiche


Weise an mehreren Tagen das Wirbelzentrum am Nabel (Iccha);
er läßt während des Kumbhaka den pranischen Strom wieder in das
untere Ende der Wirbelsäule eintreten, leitet ihn aber sofort zur
Nabelgegend usf.

An den übrigen Tagen der zweiten


Woche wird auch das Padma
an der Milz, Mahanipuraka, beeinflußt, und zwar so, daß der pra
nische Strom wiederum unten an der Wirbelsäule eintritt und sofort
an die Nabelgegend geleitet wird, um, ohne dort zu verweilen, so
gleich in die Milzgegend hinauf gezogen zu werden.
Während einer späteren Woche wird das Pranayama auf das
Kraftzentrum im Herzen, Anahata, gemacht, indem man vom Ende
der Wirbelsäule her den pranischen Strom spiralförmig über das
Nabelzentrum zum Zentrum der Milz und von dort sofort zum
Herzen zieht.

An den übrigen Tagen dieser Woche macht man das gleiche


Experiment, leitet aber den pranischen Strom vom unteren Ende
der Wirbelsäule spiralförmig über den Nabel und die Milz zum
Herzen und von dort weiter zum Kehlkopfe (Visuddhi).
167

In der vierten Woche wird an mehreren Tagen während des


Pranayama der Prana-Strom vom unteren Ende der Wirbelsäule
spiralförmig über den Nabel, die Milz, das Herz und den Kehlkopf
bis in die Stirne zur Nasenwurzel, also bis zum Aguha-Zentrum,
gezogen.
Dieses Experiment macht man an den übrigen Tagen der vier
ten Woche auch mit dem Kraftzentrum im Schädel, Sahasvara,
indem man den pranischen Strom abermals vom unteren Ende der
Wirbelsäule über den Nabel, die Milz, das Herz, den Kehlkopf und
die Nasenwurzel zur oberen Schädelgegend leitet, doch so, daß er
auf dem Wege zwischen der Nasenwurzel und der oberen Schädel
partie den Hirnanhang und die Zirbeldrüse”) streift.
Bei allen diesen Übungen muß die Wirbelsäule peinlich gerade
und aufrecht gehalten werden.

Während dieser vier Wochen muß der Schüler auch die Haupt
übung zur Beherrschung der Tattvas, mit der wir ihn jetzt bekannt
machen, so oft wie möglich vornehmen, um die willkürliche Er
zeugung der Tattvas zu erlernen.
Zuvor aber muß folgende Übung einige Male während der Nacht
vorgenommen werden. (Bei einigem Erfolge kann man auch die
Tageszeit wählen.)
Der Schüler steht während der Nacht (nach der zwölften Stunde)
auf, wäscht sich den Scheitel und das Genick und macht danach
ein Pranayama mit dem konzentrierten Willen, die Beherrschung
der Tattvas nunmehr wirklich in die Hand zu bekommen. Er prüft
das Tattva, in dem er augenblicklich schwingt, und vergewissert
sich dann, auf welcher Seite sein Atem strömt. Danach nimmt er
die Stellung in der Himmelsrichtung ein, die dem gewünschten
Tattva entspricht. Akasa hat bekanntlich keine Himmelsrichtung
(Mitte), Vayu hat nördliche, Tejas südliche, Prithvi westliche, Apas
östliche Richtung.
Jetzt beginnt die Hauptübung.Nehmen wir an, der Schüler
habe gefunden, daß er in Tejas schwingt und den Surya-Atem hat,
und er wolle Apas erzeugen. Da wird er vorerst Tejas durch seine

*) Illustration im VI. Jahrgange der Monatsschrift »Prana«.


168

Willenskraft stark herabstimmen, indem er sich auf den Mond und


auf Kälte konzentriert. Dann stellt er sich mit dem Antlitz nach
Osten (Apas). Er macht in aufrechter Stellung das Pranayama, in
dem er den Atem langsam links (Chandra-Swara) einzieht. Gleich
zeitig muß in ihm die intensive Vorstellung und Empfindung leben,
daß er sich inmitten des Mondes (den er sich sichelförmig denkt)
befinde, daß er eine abwärts gerichtete Bewegung und Kälte emp
finde. Er wird ferner einen zusammenziehenden Geschmack und
einen ähnlichen Geruch empfinden, er wird überall silberviolette
Farben erblicken, eine gewisse Zusammenziehung in seinem Innern
fühlen, um sich herum von oben herab Wasser strömen sehen, das
ihn wie in einen Mantel einhüllt und durchdringt, und er wird auch
gleichzeitig die Silbe »Yam« in einer tiefen Oktave seines Grund
tones »laut denken«.

Beim Stauen des Atems (Kumbhaka) führt er den so gefärbten


Prana-Strom zum Kundalini-Padma und überträgt mit starker Willens
kraft die oben genannten Empfindungen und Vorstellungen auf
dieses Wirbelzentrum, um es in die gewünschte Apas-Schwingung
zu versetzen. Hierauf läßt er den pranischen Strom –
unter steter
Beobachtung der entsprechenden Gefühle und Vorstellungen in –
der bekannten Reihenfolge durch alle Kraftzentren ziehen, also
durch die Nabelgegend (Iccha), die Milz (Mahanipuraka), das Herz
(Anahata), den Kehlkopf (Visuddhi), die Nasenwurzel (Aguha) und
über die Zirbeldrüse zur oberen Schädeldecke (Sahaswara). Wenn
das geschehen ist, so muß man fühlen, wie der mit Apas gefärbte
Prana-Strom von jedem Kraftzentrum aus den ganzen Körper durch
flutet.5*)
Das Ausatmen erfolgt wieder auf der linken Seite in der willens
starken Überzeugung, daß man nunmehr in Apas schwinge. Wäh
rend dieser Willens-Konzentration darf der Schüler keinen Augen
blick die Betonung der dem Apas-Tattva entsprechenden Gefühle
und Vorstellungen vergessen. Einatmen, Atemstauen und Ausatmen
erfolgen in der gewohnten Weise siebenmal hintereinander ohne
Unterbrechung. Die beim rhythmischen Atmen einsetzende Kon

- *) Der Schüler muß immer berücksichtigen, daß die Padmas im Lebensleibe


(Ätherkörper), nicht im Physischen Körper liegen.
169

zentration auf das gewonnene Tattva (und seine Eigenschaften)


vollendet das Experiment, von dessen Gelingen man sich durch die
Strahlung des Solar-Plexus, das innere Schauen und auch durch
die Perlen überzeugen kann.
(Auch jetzt soll der Schüler es noch vermeiden, Akasa zu
erzeugen.)
Beständige Übung vereinfacht das Verfahren mehr und mehr.
Der ganze Prozess verläuft bei einiger Übung in wenigen Minuten,
ja, wer rein genug und reif ist, das Schlangenfeuer (Kundalini) in
sich zu entzünden, der vermag sein Tattva in Sekunden zu ändern.
Bei ihm wirken Konzentration und Vorstellungskraft so schnell und
so intensiv, daß das gegenwärtige Tattva fast augenblicklich ge
ändert werden kann.

Der Schüler muß seiner weiteren Entwicklung sehr viel Zeit


gönnen, er darf nicht hastig vorwärts stürmen. Überstürzung
würde ihm keinen Gewinn bringen und nur zu Enttäuschungen
führen. Geistige Kräfte erobert man nur durch Beharrung und
Ausdauer. Man schreite ganz langsam vorwärts, Schritt für Schritt,
und arbeite emsig an der ethischen Läuterung. Für den,
allezeit
der uns bis hierhin hat folgen können, der diesen Punkt der Ent
wicklung erreicht hat, für den gibt es keinen Stillstand mehr:
Er muß das Irdische hinter sich lassen und zum Ewigen pilgern,
er muß unaufhaltsam höher steigen. Jede noch so leise Regung
der Gefühle, jeder Wunsch und jeder Gedanke muß unter der be
wußten Kontrolle des Höheren Selbst (des MEISTERS im Innern)
stehen.

Die Meditation nicht vernachlässigen. Mit


darf der Schüler
Hilfe der Meditation erst wird es ihm gelingen, seine Okkulten
Kräfte (Siddhis) voll zu entwickeln und dauernd zu befestigen.

Zur Entwickelung des geistigen


Gesichtes (Hellsehen) macht
der Schüler wöchentlich einmal eine Meditation, bei der die Augen
auf die Nasenspitze gerichtet werden. Je tiefer diese Meditation
ist, die sich mit Aguha und seiner Bedeutung befaßt, desto wirk
170

samer wird sie auch sein. Danach leitet der Schüler Tejas ein.
Dieser Übung folgt ein siebenmaliges Pranayama, bei dem die
Augen abermals auf die Nasenspitze gerichtet werden. Der Schüler
führt den zum Aguha-Padma und zwar vom
pranischen Strom
unteren Ende der Wirbelsäule (Kundalini) aus spiralförmig durch
die mittleren Zentren. Die Konzentration während der Übung gipfelt
in dem Wunsche nach vollendeter Entfaltung der hellseherischen
Fähigkeiten. Der passive (negative) Zustand (von beliebiger Dauer),
dem einige Minuten lang rhythmisches Atmen folgt, beendet die Übung.

An den folgenden Abenden –


mindestens zweimal wöchent
lich –übt sich der Schüler im Hellsehen selbst, nachdem er vorher
stets Tejas eingeleitet und das oben beschriebene Pranayama ge
macht hat. –
Der Schüler fertigt zu dieser Übung einen Spiegel
an.*) Käufliche Spiegel sind durch die Emanationen der Hersteller

*) Das sogenannte »Kristallsehen« zur Erweckung des astralen Auges (Hell


sehen) ist Exoterismus und nicht ungefährlich: einmal kann es das Augenlicht
empfindlich schädigen, und zweitens erblickt man zunächst nur die eigene Aura;
die subjektiven Bilder der eigenen Aura aber nimmt der Ungeübte für objektive
Erscheinungen; daher die falschen „Propheten“ und „Meister“. – Das Kristallsehen
besteht darin, daß man auf eine größere Kristallkugel starrt. Dadurch werden
die Optici (Augennerven) gelähmt, die irdische Sehkraft wird aufgehoben, und an
ihre Stelle tritt das astrale Auge. Es gibt zuverlässige Kristallseher, die Künf
tiges zu enthüllen vermögen; aber bei ihnen haben wir es mit prädisponierten
Leuten zu tun. Es braucht nicht betont zu werden, daß der Mißbrauch dieser
Fähigkeit (Gelderwerb) schweren moralischen und karmischen Schaden bringt.
Es ist eine altbekannte Tatsache, daß die längere Betrachtung einer spiegeln
den Fläche oder eines geschliffenen Steines vorübergehende (mediale) Hell- und Fern
sichtigkeit eintreten läßt: wir erinnern an den Zinnbecher Jakob Böhmes; an den
Spiegel der Katharina von Medici; an den Ring Gustav Adolfs, der vor der Schlacht
bei Lützen zersprang (Anmeldung des Todes!); an den Brustschild der israeliti
schen Hohenpriester, der mit 12 Edelsteinen besetzt war; an die antiken »Quellen
der Weissagung«; an die »Vergessenheitsringe« des Moses und des Salomo; an
die Wasserflasche des Cagliostro usf. Alle diese Gegenstände vermittelten Zu
stände, in denen die Genannten den Geschöpfen ins Herz, in die Werkstatt der
Natur und in das Buch der Kausalität zu blicken vermochten. Außer der Übung,
die wir oben anführen, kann das Hellsehen in der Tinte, im Wasser usf. geübt
und entwickelt werden. Der Entwickelte aber bedarf dieser Krücken nicht: er ist
nicht medialer, sondern bewußter Seher. – Vgl.: C. W. Leadbeater, »Hellsehen».
Das sogen. »Kristallsehen« ist die Verzerrung einer Meditationsübung, über
die Dr. Steiner folgendes sagt: » . . . Der erste Anfang wird damit gemacht, in
einer bestimmten Art verschiedene Naturwesen zu betrachten, z. B. einen durch
171

und der Händler verunreinigt. Man kauft sich in einer Handlung


für photographische Apparate fehlerfreies Chrombilderglas:
ein
eine hohlgeschliffene Glasplatte, die ungefähr 9><12 cm oder 12><18 cm
groß ist. Die konvexe (hohle) Seite wird gut gereinigt (am besten
mit Spiritus); dann bestreicht man sie dick mit schwarzem Spiritus
lack. Der Anstrich muß gleichmäßig sein; er muß wiederholt werden,
sobald er trocken geworden ist: leere Stellen müssen solange über
pinselt werden, bis sie völlig verschwunden sind. Sobald der An
strich trocken geworden ist, muß man den Spiegel ausoden, indem
man die Striche mit den Fingerspitzen von den beiden schmalen
Seiten des Spiegels nach der Mitte zu führt und zwar so, daß die
Handrücken einander zugekehrt sind. In der Mitte hebt man dann
in scharfer Konzentration das frende Od sozusagen heraus, fährt in
weitem Bogen zurück und schüttelt die Hände aus, um dann die
ganze Prozedur noch sechsmal zu wiederholen.
Der zur Aufnahme dieses Spiegels bestimmte Behälter (Holz-,
Metall- oder Pappschachtel) wird mit Watte ausgelegt und ebenfalls
auf diese Art ausgeodet. Bevor der Spiegel in diesen Behälter ge
bracht wird, muß er eingeodet werden. Man führt die Striche (die
Handrücken einander zugekehrt) von der Mitte des Spiegels nach
außen; ebenfalls siebenmal. Dann behaucht man den Spiegel. Das
Einoden und das Behauchen müssen mit der scharfen Konzentration
geschehen, daß der Spiegel unser geistiges Auge wecke und alle

sichtigen, schöngeformten Stein (Kristall), eine Pflanze und ein Tier. Man suche
zuerst die ganze Aufmerksamkeit auf einen Vergleich des Steines mit dem Tier
in folgender Art zu lenken. Die Gedanken, die hier angeführt werden, müssen,
von lebhaften Gefühlen begleitet, durch die Seele ziehen. Und kein anderer Ge
danke, kein anderes Gefühl dürfen sich einmischen und die intentiv aufmerksame
Betrachtung Man sage sich:
stören.
»Der Stein hat eine Gestalt; das Tier hat auch Gestalt. Der Stein bleibt
ruhig an seinem Orte, das Tier verändert seinen Ort. Die Begierde veranlaßt
das Tier, seinen Ort zu ändern. Und den Trieben dient auch die Gestalt des
Tieres. Seine Organe, seine Werkzeuge sind nach diesen Trieben ausgebildet.
ist

Die Gestalt des Steines nicht nach Begierden, sondern durch begierdelose
Kraft gebildet.«
Wenn man sich intensiv diese Gedanken versenkt und dabei mit gespannter
in

Aufmerksamkeit Stein und Tier betrachtet: dann leben der Seele zwei ganz ver
in

schiedene Gefühlsarten auf. Aus dem Steine strömt die eine Art des Gefühls,
aus dem Tiere die andere Art unsere Seele.«
in
172

trügerischen Bilder fernhalte. Die gleiche Prozedur wird mit dem


Behälter gemacht; danach kann man den Spiegel in ihm verwahren.
Der Schüler muß den Spiegel vor fremden Augen hüten, andern
falls muß er ihn ausoden und wieder einoden.
Bei den Übungen am Spiegel muß gedämpftes Licht herrschen.
Dazu eignen sich rote Dunkelkammerlaternen; die beste Beleuch
tung aber liefern Laternen mit violetten Gläsern. Das Licht muß
etwas niedergeschraubt werden; es muß sich im Rücken des Übenden
befinden. Da der Übende durch seine Vertiefung von der Außen

ist
welt ziemlich abgezogen und daher keine Kontrolle über die
brennende Lampe ausüben kann, muß eine ungefährliche Beleuch
tung gewählt werden.
Der Schüler leitet, sobald Tejas erzeugt hat, den passiven

er
(negativen) Zustand ein und blickt nach Beendigung dieses Zu

Er
standes ruhig und entspannter Körperstellung den Spiegel.
in

in
soll sich ruhig stimmen, abwartend verharren und alle Gedanken
möglichst ausschalten. Die Dauer der Übung

25 ist
nach oben hin
unbegrenzt, sie soll aber keinesfalls weniger als Minuten währen.

Um das Körperinnere lernen, macht der Schüler


zu
schauen
wöchentlich einmal eine längere Meditation (Augen auf die Nasen
spitze richten [Seelenatem]), die dem Kraftzentrum der Nabel

in
Er

gegend (Iccha) gilt. leitet Tejas ein und beginnt mit sieben
maligem Pranayama; dabei bleiben die Augen ebenfalls auf die
Nasenspitze gerichtet. Der Prana-Strom wird diesem Falle vom
in

unteren Ende der Wirbelsäule (Kundalini) nur bis zur Nabelgegend


– geleitet, auf die man ihn kräftig einwirken

Iccha-Zentrum
läßt. Die Konzentration gilt der Entwickelung der Fähigkeit, die
inneren physischen Organe und ihre Funktionen, den Blutkreislauf,
die Nerventätigkeit usf. sowohl am eigenen Leibe wie auch
an

anderen Menschen zu sehen und zu erkennen, also das Innere des


zu

Körpers schauen können. Die Übung schließt mit dem passiven


(negativen) Zustande (von beliebiger Dauer) und mit rhythmischem
Atmen.
An übrigen Abenden der Woche

den mindestens zweimal


wöchentlich macht der Schüler abermals das Pranayama auf


die Nabelgegend (Iccha) mit dem konzentrierten Willen,
er

werde
173

das Innere des Körpers sehen (Innere Autoskopie). Vorher muß


Tejas erzeugt werden. Alsdann geht man in den negativen Zustand,
den man so lange als möglich innehält. Die Beleuchtung sei bei
diesem Experimente, ähnlich wie bei der Übung am Spiegel, ein
rötliches oder violettes Halbdunkel. Der Schüler stellt sich das
Innere seines Körpers vor: Er beginnt beim Gehirn und wandert
langsam abwärts, indem er bei jedem Organe so lange verweilt,
bis es sich ihm deutlich zeigt. Es handelt sich um Schauen mit
dem geistigen Auge!
Schließlich versucht man diese Übung bei gedämpftem Lichte
und später bei hellem Tageslichte durchzuführen. Sobald Erfolg
eingetreten ist, muß man sich durch einen einfachen Willensakt
instandsetzen können, den Körper selbst anderer Menschen auch
innen zu sehen. Das soll man bei jeder Gelegenheit üben.*)

Zur vollen Entwickelung des geistigen Ohres (Hellhören) soll


der Schüler wöchentlich einmal zur Abend- oder Nachtzeit eine
Meditation (Augen auf die Nasenspitze gerichtet!) auf das Kraft
zentrum Visuddhi (beim Kehlkopf) ausführen. Nach der Meditation
leitet er Akasa ein. Da der Schüler dieses Experiment zum ersten
Male macht, muß er folgende Punkte beobachten:
ist

Sein augenblickliches Tattva durch den Willen stark herab


zustimmen. Beim Akasa braucht der Schüler keine bestimmte
Himmelsrichtung einzuhalten (wohl aber bei den übrigen Tattvas
muß völlig aufgehen den Vorstel
Er
in

in

der bekannten Weise).


Er

lungen und Empfindungen, die dem Akasa eigen sind. muß


sich einer großen ohrförmigen Wolke sehen, eine nach allen
in

Seiten strahlende und alles durchdringende Bewegung empfinden,


muß das Gefühl des unendlichen leeren Raumes und des all
er

Er

gegenwärtigen Äthers haben. muß ferner einen bittern Geschmack


empfinden und lauter indigoblaue Farben sehen. Die ovale (ohr

Die »Innere Autoskopie« ist sogar


*)

der Naturwissenschaft bekannt und


in

anerkannt. So überliefert die medizinische Literatur einen Fall, dem eine Frau,
in

die an Appendicitis (Blinddarm-Entzündung) litt, sich selbst ein Knochenstück


in

chen sah, das im Processus vermiformis (Wurmfortsatz) des Blinddarmes fest


geklemmt war. Bei der Operation fanden die Ärzte das Knochenstückchen genau
an der Stelle, die die Kranke gesehen und genannt hatte.
174

ist
artige) Erscheinung,in der er sich befindet, das Zentrum eines
weiten dunklen Raumes, der von diesem Zentrum aus strahlenförmig
vom Universaläther erfüllt wird. Zu gleicher Zeit muß der Schüler
die Silbe »Ham« seinem Grundtone laut und intensiv (in der

in

so
mittleren Tonlage) denken, dabei muß aber der Atem viel als
möglich herabgestimmt werden. Dann folgt ein siebenmaliges Prana
yama, bei dem der Atem durch beide Nasenlöcher eingesogen
wird. Beim Kumbhaka, das bei diesem Experimente lange als

so
möglich gehalten werden soll, wird der von diesen Vorstellungen
(die beim Pranayama gleicher Stärke betont werden müssen) ge

in
färbte Prana-Strom Ende der Wirbelsäule direkt (also
vom unteren
berühren) zum Kehlkopfe ge

zu
ohne die mittleren Kraftzentren
zogen, dessen Kraftzentrum mit den Eigenschaften des Akasa be
arbeitet werden soll. Nur wenn der Prana-Strom ausschließlich

in
der Mitte sich bewegt, nur dann kann Akasa erzeugt werden. Das
Ausatmen geschieht mit einer gewissen Zurückhaltung,

h.
d.
sehr
langsam; erfolgt ebenfalls durch beide Nasenöffnungen zugleich.
es

Es muß dem Willen geschehen, daß man nunmehr im Akasa


in

schwinge. Dabei müssen die Vorstellungen und Empfindungen, die


dem Akasa entsprechen, immer wieder betont werden.
Darauf folgt einige Minuten lang rhythmisches Atmen mit

ist
scharfer Konzentration auf das Akasa. Nunmehr die Überleitung
des Akasa erfolgt und beendet. Von dem Erfolge überzeugt man
sich durch die bekannten Mittel.
Die Tattvas kann man nach Erweckung der entsprechenden
Empfindungen durch scharfe Willenskonzentration (also ohne Prana
yama) längere Zeit festhalten. Normalerweise dauert jedes Tattva
nur 24 Minuten = Charis; ein Tattva-Lauf = Charis = Stunden.
so 5

2
1

Hat der Schüler das Akasa eingeleitet, führt für einige


er

Minuten den negativen Zustand herbei. Hierauf macht


er

abermals
ein siebenmaliges Pranayama, bei dem wiederum durch beide Nasen
löcher ein- und ausgeatmet werden muß (langsam und ohne jede
Anstrengung).

Beim Atemstauen (Kumbhaka) wird der Prana-Strom
vom untern Ende der Wirbelsäule abermals und wieder mit Um
gehung der mittleren Kraftzentren

direkt das Zentrum Visuddhi


in

(Kehlkopf) gezogen. Die Konzentration bei dieser Übung will voll


kommene Ausbildung des geistigen Ohres (Hellhören). Man schließt
175

auch diese Übung mit dem passiven Zustande und mit rhythmi
schem Atmen.

An andern –
wieder mindestens zweimal wöchent
Abenden
lich –
wird das Hellhören selbst geübt. Der Schüler leitet Akasa
ein, macht das siebenmalige Pranayama mit der entsprechenden
Konzentration, setzt sich dann im schwach rot- oder violett-beleuch
teten Zimmer entspannt") nieder und hält (auf die bekannte Weise)
die Muschel Den negativen Zustand führt er zu mehreren
ans Ohr.
Malen hintereinander herbei. Die Augen richtet er dabei immer
auf die Nasenspitze.
Später wird die Muschel nach und nach entbehrlich. Man
lauscht dann mit verstopften Ohren den astralen Vorgängen. Schließ
lich kann man auch den Ohrverschluß entbehren. Das geistige
(astrale) Ohr entwickelt sich sehr langsam; es ist
daher notwendig,
daß der Schüler bei diesen Übungen seine Gedanken auszuschalten
verstehe und sich sehr passiv verhalte. Selbst wenn Erfolge schon
eingetreten sind, übt man weiter, solange, bis sich die okkulte
Fähigkeit des Hellhörens
so

gefestigt hat, daß nur der Einstel


es

lung auf den Äther durch die Willenskraft bedarf, um sofort und
zu

empfangen.
an

allen Orten durch Hellhören Eindrücke

Telepathie
ist

Zur weitern Ausbildung erforderlich,


es
in

der
daß sich der Schüler mehr als sein Partner zum Empfänger eigne.
Die folgenden Übungen werden ihm dazu verhelfen. Wenn aber
in

sein Partner ebenfalls diese Lehrbriefe studiert und wenn sich


er
so

gleicher Weise entwickelt hat, sollen sich eben beide Schüler


höhere telepathische Empfänglichkeit aneignen.
Der Schüler macht wöchentlich einmal eine Meditation auf die
Zirbeldrüse (Augen zur Stirnmitte gerichtet!). Danach leitet Vayu
er
”)

»Die Körperlage muß bequem (asanam) sein, damit der Geist nicht durch
physische Unbehaglichkeiten an das Dasein des Körpers erinnert werde, denn
So
ja

soll ihn während der Übung vergessen.“ gewöhnlich exote


er

es

heißt
in

rischen Büchern. Esoterik aber sagt: »Die Konzentration des Geistes muß so
stark sein, daß alle körperliche Unbequemlichkeit vergessen wird«. (Der Fakir
stun
so

stark, daß kein Unbehagen empfindet, wenn


er

er
B.
z.

konzentriert sich
denlang auf einem Beine steht.)
176

ein und schließt ein siebenmaliges Pranayama an, bei dem er eben
falls die Augen immer noch zur Stirnmitte (den »Bergen«) richtet.
Der pranische Strom wird in Spiralen vom untern Ende der Wirbel
säule (Kundalini) durch alle Padmas (Kraftzentren) hindurch bis zur
Zirbeldrüse geführt. Die gleichzeitige Konzentrationsübung will Ver
vollkommnung der telepathischen Empfänglichkeit. Danach geht
man in den passiven (negativen) Zustand.
An den andern Tagen dieser Woche übt sich der Schüler direkt
in den verschiedenen telepathischen Experimenten, indem er (eventuell
auch sein Partner) vorher Vayu einleitet und das Pranayama wie
zuvor durchführt.
Die (gegenseitige) telepathische Übertragung erfolgt fortan in
der Weise, daß zwischen dem Empfänger und dem Aussender eine
Trennung stattfindet: Einer von ihnen begibt sich in ein ent
ferntesZimmer. Fürs erste mögen sich die Experimentierenden
durch eine lange Schnur verbinden, deren Ende ein jeder von ihnen
an die Stirne hält. Wenn der Schüler den Empfänger macht, soll
er mehrmals hintereinander in den negativen Zustand gehen. (Das
gilt auch für den Partner, wenn er ebenfalls Schüler ist.) Später
vergrößert sich der Zwischenraum zwischen den Experimentierenden
und zwar so, daß sich der eine von ihnen in einer andern Wohnung
in einer entfernten Straße, schließlich auch in einer andern Stadt,
befindet.
Die telepathischen Übungen lassen so viele Variationen zu, daß
hier unmöglich alle angeführt werden können. Die beiden Schüler
werden wohl selbst verschiedene Steigerungsmöglichkeiten finden
und ihre Experimente ausgestalten lernen.

Psychometrie. Der Schüler macht wöchentlich einmal eine


tiefe und lang andauernde Meditation auf das Iccha-Padma. Die Augen
richtet er auf die Mitte der Stirne. Er leitet Prithvi oder Apas ein,
am besten abwechselnd bei der einen Übung Prithvi, bei der an
dern Apas usf.Dann folgt ein siebenmaliges Pranayama. Die Augen
sind immer noch auf die Mitte der Stirne gerichtet. Beim Atem
stauen (Kumbhaka) wird der Atemstrom über das untere Ende der
Wirbelsäule (Kundalini) nach der Nabelgegend (Iccha) gezogen. Bei
der Konzentration will man volle Entwickelung der psychometrischen
177

Fähigkeiten.Man beendet die Übung mit dem passiven (negativen)


Zustande und mit rhythmischem Atmen.
An verschiedenen Abenden –
wöchentlich zweimal macht –
man direkte Übungen in der Psychometrie. Man leitet sie nach
Erweckung von Prithvi oder Apas ein durch siebenmaliges Prana
yama auf die Nabelgegend in der bekannten Weise und beendet
sie durch den negativen Zustand. An Stelle der Briefe (oder im
Wechsel mit ihnen) verwertet der Schüler verschiedene Gegenstände
psychometrisch: er nimmt z. B. eine alte Münze, eine Reliquie,ein
altes Bildchen, einen Schmuckgegenstand und ähnliche kleine Gegen
stände und schließt sie in kleine Päckchen ein, die gleich groß sein
müssen und den Inhalt von außen nicht verraten können. Diese
Päckchen hält er im schwach rot- oder violettbeleuchteten Zimmer
an die Stirne. Er beobachtet dann die Vorstellungen, die in ihm
aufsteigen, und er prüft sie mit den bekannten Mitteln.
Bei Fleiß und Ausdauer wird sich diese Fähigkeit bald so stark
entwickeln, daß man von einem jeden Gegenstande die Vorgeschichte
erkennt, wenn man ihn an die Stirne oder an die Herzgrube hält.
Altertümer werden fesselnde Berichte geben und ihre Vergangenheit
enthüllen. Ja, schließlich braucht der Geschulte nur seine Hände
auf einen Gegenstand zu legen und die Augen zu schließen, um
in einer Reihe von klaren und deutlichen Vorstellungen und Emp
findungen die Geschichte dieses Gegenstandes zu erfahren.
Gedankenformen und Ideen kann man psychometrisieren. Es
ist das eine Art Seelenmessung für die Gedankenformen und Ideen.
Man kann Gedankenformen und Ideen geistig messen, sie bis zu
den Denkern verfolgen und alles Wünschenswerte erfahren. (Vgl.:
C. W. Leadbeater, »Das Innere Leben x, Band
II,

ff.)
S.

u.

157ff. 201

Bei den psychometrischen Experimenten, beim Versuche, hell


zusehen, überhaupt bei allen Übungen, die Bilder aus der Vergangen
heit und Zukunft zeigen, muß der Schüler folgenden Umstand wohl
beachten. Gewisse Kräfte und Triebe haben die Neigung, sich mit
zu

den Personen identifizieren, die den geistigen Vorstellungen


in

auftreten. Diesen Trieben muß man mit festem Willen entgegen


treten; andernfalls wird man die Leiden dieser Personen zwecklos
miterleben. Wenn eben schöne Bilder erscheinen und die Personen
12
178

dieser Bilderim Glücke schwimmen, so läßt man sich leicht zu


sehr davon ergreifen und man ergibt sich unbewußt diesen Vor
stellungen. Wenn sich dann die Situation ändert, wenn der Freude
Leid folgt, so muß der unvorsichtige Experimentator mitfühlen und
mitleiden. Der Schüler muß darum allezeit ein gelassener, objek
tiver und neutraler Zuschauer sein.

Auch zur vollen Entwickelung der Fähigkeit, den Astralleib


auszusenden (Exteriorisation), soll der Schüler die Meditation heran
ziehen.
Er macht einmal in der Woche eine Meditation auf das Kraft
zentrum Mahanipuraka (Milz), um das astrale Bewußtsein dem
grobkörperlichen zu übertragen; ein anderes Mal richtet sich die
Meditation auf das Kraftzentrum Sahaswara (Schädel), um die Fähig
keit der beliebigen und bewußten Lostrennung des Empfindungs
leibes voll zu entwickeln. Bei beiden Meditationen, die in jeder
Woche abwechselnd vorgenommen werden, richtet man die Augen
zur Mitte der Stirne. Nach der Meditation leitet man Vayu ein und
macht ein siebenmaliges Pranayama; der Prana-Strom wird bei der
einen Übung (Mahanipuraka) vom untern Ende der Wirbelsäule
spiralförmig über den Nabel zur Gegend der Milz, bei der zweiten
(Sahaswara) vom unteren Ende der Wirbelsäule spiralförmig über
Nabel, Milz, Herz, Kehlkopf, Nasenwurzel und Zirbeldrüse zur Schädel
decke geleitet. Die Konzentration will im ersten Falle die Über
tragung des astralen Bewußtseins auf den Grobkörper (damit alle
Erlebnisse des ausgesandten Astralkörpers bewußte und klare Ein
drücke im physischen Gehirne hinterlassen), im zweiten Falle die
volle Fähigkeit, den Empfindungsleib bewußt auszusenden. Der
negative Zustand schließt die Übung. v

An einigen Abenden jeder Woche vervollständigt der Schüler


die Experimente zur Exteriorisation (Aussendung des Astralleibes).
Er leitet vorher stets Vayu ein und macht das siebenmalige Prana
yama”) auf das Kraftzentrum Mahanipuraka (Milz) mit dem kon

*) geistiges Atmen. Der Tiermensch (die


ist

Das wirkliche Pranayama


Persönlichkeit) atmet atmosphärische Luft, der Geistmensch (die Individualität)
mehr sich der Geist sammelt (konzentriert), umso ruhiger ver
Je

atmet Geist.
179

zentrierten Willen, der Physis Bewußtsein zu verleihen.


das astrale
Dann meditiert er eine Viertelstunde lang auf das Gelingen des
Experimentes und macht abermals ein siebenmaliges Pranayama auf
das Kraftzentrum Sahaswara (Schädel) mit der scharfen Konzen
tration, daß der Astralleib sich löse und außerhalb des Körpers
wirke. (Auch jetzt übt man im rötlichen [violetten] Halbdunkel.)
Der Schüler legt sich bequem nieder und leitet unter Beibehaltung
von Vayu und bei völliger Entspannung der Muskeln den negativen
Zustand ein, um ihn so lange als möglich zu halten. Die Augen
richtet er (auch beim Pranayama) auf die Mitte der Stirne. Wiederum
muß die völlige Bewegungslosigkeit eintreten, von der wir im vorigen
Lehrbriefe sprachen, ferner die Vorstellung der vollen Loslösung
des Astralkörpers. Ein merkwürdiger Vorgang tritt jetzt ein. Ein
Willensakt, der scheinbar noch vom körperlichen Bewußtsein aus
geht, muß den Empfindungsleib veranlassen, in seiner Freiheit be
wußte Arbeiten zu verrichten, sich zu entfernen, vielleicht auch
den Partner aufzusuchen, mit dem der Schüler telepathische Übungen
macht, und sich vor ihm durch Vermittlung des Odes zu verdichten
usf. Der Schüler soll sich vor Beginn des Experimentes, wenn er
sich niederlegt (also vor dem negativen Zustande), das ganze Pro
gramm der astralen Arbeit vorstellen; denn wenn er im Laufe des
Experimentes die Kontrolle über sein körperliches Bewußtsein ver
liert, muß er den Empfindungsleib frei handeln lassen.
Nach der Rückkehr des Astralkörpers, die durch den Ruf einer
einer leisen (nicht schrillen) Weckuhr vermittelt wird (die Dauer
ist

des Experimentes muß jetzt sehr ausgedehnt werden), dank der


bisherigen Übungen und Meditationen das volle Bewußtsein
an

die
Erlebnisse des Empfindungsleibes vorhanden.

Die weitere Unterweisung übernimmt nunmehr der Meister und gei


stige Lehrer im Innern des Schülers, das Höhere Selbst. Diese Un
h.
d.

terrichtsbriefe konnten die Entwickelung des Schülers nur anregen; der

läuft das physische Atmen. Umgekehrt fördert auch ruhiges physisches Atmen
die innere Sammlung des Gedankens; daraus dürfen aber keine falschen Schluß
folgerungen gezogen werden; denn der ewige Geist ist dem vergänglichen Körper
übergeordnet, nicht umgekehrt.
12*
180

tatsächliche Aufstieg zum Geist- und Übermenschen kann nur aus dem
Schüler selbst heraus –
durch Läuterung und durch Überwindung der
Persönlichkeit und durch die Verbindung mit dem Allgegenwärtigen

als

ist
und Ewigen erfolgen. Wichtiger alle Übungen der rechte
Glaube, die Seele muß feststehen im Bewußtsein der Wahrheit.

h.
d.

zu
Es wäre eine Narrheit, wähnen, man könne Gott und der ewigen
Seligkeit dadurchnäher kommen, daß man Atemübungen und
andere Künste ausführt! Nein, die Übungen dieser Unterrichtsbriefe
dienen lediglich dazu, den Schüler physisch, astral und mental
zu
(intellektuell) reinigen, ihn auf die wirkliche Schulung erst

d.
h.
vorzubereiten. Das bitten wir wohl zu bedenken und keine

zu
trügerischen Vorstellungen pflegen!

Der Schüler muß lange Meditationen pflegen (am besten

in
der Stille der Nacht), die sich mit dem Höheren Selbst beschäftigen.

Die volle Erweckung des Schlangenfeuers und die geistige


Versenkung das All Bewußtsein (Samadhi) darf kein Schüler
in

vornehmen ohne Leitung und Kontrolle des Lehrers und Führers


seinem Innern bezw. des Guru (Lehrers), dem nunmehr zu

er
in

ist

geordnet und der ihn durch Zeit und Raum beobachtet. Die
volle Erweckung des Schlangenfeuers (und mit ihm aller Kraftzentren)
wirkt eben auch auf die physische Natur des Schülers und ruft,
sobald sie unrichtig geleitet wird, große Störungen der mensch
in

lichen Konstitution hervor: den moralischen Tod immer, häufig


auch den leiblichen.

Ist der Schüler der Entwickelung


seiner geistigen (okkulten)
zu in

so

Kräfte (Siddhis) bis diesem Punkte gelangt, kann die Kräfte,


er

die jetzt unter seiner Herrschaft stehen, nach vielen Richtungen


Er kann seinen Empfindungsleib bewußt
in

hin verwenden.
B.
z.

die irdische Astralsphäre, ja, selbst außerirdische (überpersönliche)


in

kann mit Hilfe des Vayu während des


Er

Verhältnisse senden.
Kumbhaka Levitations-Phänomene (Überwindung der Schwerkraft,
Schweben) erzeugen, kann sich bei Apas gegen Feuer und Hitze
er

unverwundbar machen und vermag sich mit Prithvi gegen kör


er

perliche Verletzungen
zu

schützen.
181

Wenn er über Karma und die Reinkarnation meditiert und


danach in den negativen Zustand geht, wird er Kenntnis von seinem
vergangenen Leben erhalten und Zukünftiges erfahren.
Wenn er andauernd auf die Zirbeldrüse meditiert, so werden
sich ihm Lichtgestalten zeigen, und er wird mit dem geistigen Ohre
ihre Einflüsterungen
vernehmen. Aber er wird, des nahenden
MEISTERS eingedenk, diesen Erscheinungen kein Gehör geben;
denn er weiß: sie würden ihn täuschen und seiner ethischen Ent
wickelung Schaden bringen.
Er wird auch die Gedanken seiner Mitmenschen lesen, wenn
er sich durch Konzentration und Willenskraft mit ihrer Zirbeldrüse
in Verbindung befindet, kurz: er kann (okkulte) Phänomene hervor
bringen, wenn er seine Kräfte durch Meditation, den passiven Zu
stand und die (entsprechenden) Tattvas zur Anwendung bringt.
Wir warnen aber, irgendein Phänomen ohne zwingende Gründe
ist

vorzunehmen. Es verwerflich und gefährlich, okkulte Phänomene


zu

zu
veranlassen, nur um die Neugierde anderer Menschen stillen
zu

und der eigenen Eitelkeit dienen. Überzeugen kann man durch


Schaustellungen nicht;
denn die Zweifelsucht der Zuschauer wird
immer eine lächerliche Erklärung zur Hand haben und damit den
Experimentator zum Betrüger, Hypnotiseur und Gaukler stempeln.
Wer noch nicht reif ist, die Wahrheit und die Wirklichkeit zu ver
nehmen (und nur selten besitzt einer diese Reife), der wird auch

durch ein selbst einwandfreies Experiment nicht überzeugt.


Die Okkulten Kräfte dürfen nur in Fällen der Ge
fahr, nur zur sachlichen Forschung und nur zur
Hilfeleistung gebraucht werden.
ist

Diese Warnung
zu

wohl beachten!

Wenn der Schüler magnetisiert,


so

soll dabei sowohl die


er

feinsten Kräfte seines Astralkörpers als auch die Tattvas benutzen.


Beim Magnetisieren mit dem Astralkörper muß der Schüler die
bekannten Manipulationen mit dem Grobkörper machen und dabei
die Vorstellung haben, wie sein Empfindungsleib aus der fleisch
lichen Hülle heraustritt und die gleichen Manipulationen ausführt.
läßt man neben der körper
so

Magnetisiert man innere Organe,


182

lichen Manipulation die astralen Hände in das (dem Geistesauge


offene) Organ des Kranken eintreten und die magnetische Mani
pulation vornehmen.
Bei Verwendung der Tattvas achtet man auf die negativen und
die positiven Krankheitsformen. Jede negative (und jede chroni
sche) Krankheitsform bedarf eines positiven Tattva (Tejas oder
Prithvi), jede positive (und jede akute) Krankheit eines negativen
Tattva (Vayu und Apas). Der Schüler muß in sich selbst das er
forderliche Tattva erzeugen und es auf den Kranken überleiten,
indem er ihn mit großer Willenskraft von dem Tattva durchdringen
läßt (auf die bekannte Weise vom unteren Ende der Wirbelsäule
spiralförmig durch alle Kraftzentren hindurch). Bei blutenden Wun
den wird das zusammenziehende Apas, zur Wundheilung das Prithvi
verwandt.
ANHANG
Die Zwölf Prana-Exerzitien
Zur Ertüchtigung des Physischen Körpers und zur wirksamen Be
handlung in Krankheitsfällen dienen dem Schüler noch einige beson
dere dynamische Atemübungen: die Zwölf Prana-Exerzitien. Diese
zwölf Übungen regulieren die Zirkulation des Blutes und der Nerven
kraft(Prana). Und des Leibes völlige Gesundheit verlangt ja geordneten,
kräftigen und regelrechten Nervenkraft- und Blut-Kreislauf. Die ver
schiedenen Körperstellungen bei diesen zwölf Exerzitien bezwecken
völlige Durchblutung und Vitalisierung auch der distalen (entfernten)
Körperregionen. Die Zwölf Prana-Exerzitien sind viel wirksamer als
die gewöhnlichen gymnastischen Übungen, weil sie nicht, wie die
Gymnastik, rein mechanischer Natur sind, vielmehr die rhythmische
Bewegung mit dem bewußten Atem verbinden. Die Luft
ist

ein
unentbehrliches Lebenselement. Auch sie enthält die Sieben Prin
zipien, und jedes von ihnen dient zur Ernährung des entsprechen
den Teiles unserer Konstitution. Selbst für die Physis bietet die
in

Luft Nahrung: vornehmlich Stickstoff. Personen mit gesunden Lungen


können aus der Luft durch bewußtes Atmen einen großen Teil des
Stickstoffes (Eiweiß) aufnehmen, den sie zur Erhaltung des Daseins
bedürfen. Und auch die Nervenkraft entstammt der Luft: sie ist
umgewandelter Lebensodem (Jiva, Prana). Der bewußte Atem muß
somit ein treffliches Heilmittel sein. Aber dieses Heilmittel ist ein
zweischneidiges Schwert: bringt Tod und Verderben bei unrech
es

tem, Gesundheit, Freude und Fortschritt bei rechtem Gebrauche.


Der Schüler, der unsere Anweisungen allezeit gewissenhaft befolgt
hat und niemals rastet seiner ethischen Vervollkommnung, kann
in
186

nicht Gefahr laufen, sich durch selbstischen Gebrauch des Atems


Schaden und Strafen zuzuziehen; denn er kennt den Weg. Der
Atem muß vor allem die Aura (die ätherisch-astrale Ellipse) des
Menschen verbessern. Die Aura korrespondiert mit den elliptischen
Sonnenstrahlen, denen der Zodiakus (Tierkreis) folgt. Die Zodiakal
zeichen haben Entsprechungen in unsern Organen. Wenn die Sonne
(Prana) z. B. durch den Widder geht, empfangen wir pranische
Strahlen, die auf unsere Aries-Aura und das entsprechende Organ
(Kopf, Gehirn) wirken sowie den Blutumlauf und die Zirkulation der
Nervenkraft (Prana) regeln.
Das Tiefatmen heilt nicht nur Krankheiten durch Zuführung von
Sauerstoff, durch Verbrennung von Stoffwechselschlacken und durch
Ausstoßung der blutmörderischen Kohlensäure, sondern es schützt auch
– bei richtigem geistigen Verhalten! – vor Kontagien (Ansteckung).
Der Erfolg und die Wirkung der Zwölf Prana-Exerzitien") liegen
nicht zum wenigsten im vorschriftsmäßigen Ballen der Faust, bei
dem die Spitzen der Finger tief in den Handteller eingegraben wer
den müssen.
Man übt zunächst die Stellung der vier Finger und läßt den
Daumen noch außeracht. Die obersten Phalangen (Fingerglieder)
müssen die untersten berühren. Der Zeigefinger wird in die Lebens
linie des Handtellers, der kleine Finger in die Kopflinie tief einge

*) Da es der Sekte Mazdaznan, einer Schule, die Atem-Übungen lehrt, um


die Gerissenheit und den Sinn für Geldmachen zu steigern, beifallen könnte, wie
alles, was an Erziehungs-Methoden existiert, so auch diese Prana-Exerzitien als
ihre Erfindung und ihr Eigentum zu beanspruchen (–nach ihrem Leitsatze: »Gott
meinl« –),
ist

müssen wir bemerken, daß alle diese Übungen


ist

so

gut, und alles


weit älter sind als die Sekte Mazdaznan und folglich auch nicht ihr Eigen
tum sein können. Die Übungen, die diesen Briefen gelehrt werden, gehen
in

zum Teil auf alte indische Systeme zurück, sind sie moderne Errungen“
T.
z.

schaften. Für die Moral der Sekte Mazdaznan aber nur ein Beispiel: Ende 1916
fand Leipzig eine Zusammenkunft der wenigen Mazdaznan-Anhänger statt, die
in

von der früheren Herrlichkeit noch verblieben sind. Diese letzten Stützen, die
zu

bereits ebenfalls abzuschwenken drohten, suchte man dadurch fangen, daß man
ihnen Übungen vorführte, die angeblich vorbehalten geblieben waren für die »Ge
treuen«, die sich auch durch die schlimmsten Enthüllungen nicht abschrecken
lassen und der Sekte anhangen, bis sie von selbst zerfällt. Diese Übungen aber
waren nichts anderes, als Dalcroze'sche Exerzitien! So beutet die Sekte Maz

daznan die Gutgläubigen aus! Wer wird ihr noch glauben, wenn sie behauptet,
alle Atem-Übungen, die heute gelehrt werden, seien von ihr entlehnt?
187

graben, so daß alle vier Finger in einer geraden Linie liegen. Jetzt
preßt man den Daumen über den Zeigefinger, den Mittelfinger und
möglichst auch über den Ringfinger; je weiter man den Daumen
die Wirkung der

ist
über den Ringfinger führen kann, desto größer
Übungen.
Man übe jeden Finger einzeln, besonders den Mittelfinger; man
beuge einen jeden für sich, daß die Fingerspitze die Wurzel be

so
rührt, während die übrigen Finger unverändert der Faust liegen

in
bleiben.

BUNGEN
Ü

Erste Übung
Balle beide Fäuste und bringe die Arme links
Knie nieder.
1.

so

und rechts an den Hals, daß die Handrücken hinter den Ohren
am Halse, die Fäuste der Höhlung zwischen Lungenspitze (Pleura
in

kuppel) und Hals auf beiden Schultern liegen. Leere die Lungen
gründlich durch Singen oder durch Mantram-Sprechen, darauf atme

so
tief und kräftig ein, staue den Atem und beuge den Oberkörper

weit nach vorn, daß der Kopf den Boden berührt nicht bloß mit
der Stirne, sondern auch mit dem Kinn. dieser Stellung verharrt
In

man mit gestautem Atem (Kumbhaka) solange als möglich, dann


geht man unter Ausatmen die Ausgangsstellung zurück. Dabei
in

entspannt man die Fäuste blitzschnell und vollständig.


Sobald man einige Fertigkeit gewonnen hat, erweitert man die
Übung folgendermaßen:
zu

Anstatt den Oberkörper vorwärts beugen, beugt man ihn


2.

rückwärts, bis der Kopf den Boden berührt.


Beuge dich soweit wie möglich nach rechts.
Im 5. 4. 3.

Beuge dich soweit wie möglich nach links.


Beuge dich nach vorn wie bei der ersten Stellung.
Anfang
man vor jeder einzelnen Beugung tief und
atme
kräftig ein und staue den Atem nur während dieser einen Beugung.
Später mache man nach gründlicher Einatmung alle fünf Stellungen
einer Atemstauung und atme dann aus unter blitzschneller und
in

völliger Entspannung der Fäuste und des ganzen Körpers.


O
188

Zweite Übung
Knie nieder. Balle die Fäuste und grabe sie (mit den Knöcheln
der Finger und den darüber liegenden Daumen) so tief als möglich
in die Armhöhlen hinein, ohne die Stellung der Faust zu ändern.
Entleere die Lungen, atme tief und kräftig ein, staue den Atem und
übe die erwähnten fünf Stellungen zunächst wieder einzeln, dann
alle hintereinander mit gestautem Atem.

Dritte Übung
Knie nieder.Balle beide Fäuste, bringe sie auf den Rücken
und schiebe sie so hoch wie möglich nach oben, mindestens bis
zwischen die beiden Schulterblätter, und zwar so, daß die Hand
rücken dem Rücken aufliegen und die Handknöchel die Wirbel des
Rückgrates berühren. In dieser Stellung übe in Kumbhaka die fünf
Beugungen. (Die Fäuste bilden gleichsam einen Ruhesitz für den
Rücken.)
O

Vierte Übung
Knie nieder. Man ballt die rechte Hand zur Faust, so daß der
Daumen auf den Mittelfinger gepreßt wird (nicht über den Ring
finger), und schiebt die Faust auf dem Rücken an den Wirbeln ent
lang bis zwischen die Schulterblätter. Dann atmet man tief ein,
staut den Atem, dreht den Kopf nach links, führt den linken Arm
vor dem Gesicht vorbei und über das rechte Ohr hinweg zum Nacken.
Man führt die geöffnete linke Hand immer weiter, bis sie das linke
Ohrläppchen erfaßt; daran zieht man herzhaft. Dann läßt man beide
Arme blitzschnell und entspannt herunterfallen und ausschwingen
und entspannt den ganzen Körper, insbesondere die Faust; dabei
wird gründlich ausgeatmet.
Beim zweiten Teile dieser Übung wird die linke Faust geballt
und zwischen die Schulterblätter gebracht, und mit der rechten Hand
erfaßt man das Ohrläppchen.

O
189

Fünfte Übung
Knie nieder. Balle die rechte Hand zur Faust und schiebe sie
am Rückgrat soweit wie möglich hinauf. Darauf lege die linke Hand
unter den rechten Ellbogen und lasse ihn im Handteller ruhen. In
dieser Stellung atmet man kräftig 5–5 Minuten lang. Darauf läßt
man die Arme fallen, entspannt den ganzen Körper blitzartig und
macht noch folgende Entspannungsübungen. Man hebt die Arme
hoch und schüttelt völlig entspannt die Hände; dann bringt man
die Arme nach vorn und schüttelt auch hier die Hände, zuerst vom
Körper weg, dann auf den Körper zu, wie um Luft zuzufächeln;
dann bewegt man die Handgelenke kreisförmig links und rechts,
schließlich schüttelt man völlig entspannt die Ellbogen und die
Schulterblätter. Man beendet die Übung durch ein Pranayama.
Beim zweiten Teile dieser Übung wird die linke Faust am Rück
grat hinaufgeführt, während die rechte Hand dem linken Ellbogen
als Stütze dient. Diese Stellung eignet sich gut zum Mantram
Sprechen.
P
O

Sechste Übung
Knie nieder. Man ballt die linke Faust und schiebt sie auf dem
Rücken so hoch wie möglich hinauf. Die rechte Faust bringt man
in die rechte Armhöhle, atmet tief ein und beugt den Oberkörper
vorwärts, bis das Kinn den Boden berührt; dabei hält man den
Atem an. Dann drückt man mit dem Knöchel der linken Faust die
Wirbel des Rückgrates bis zum letzten jeden einzelnen kräftig, mög
lichst schnell. Hierauf bearbeitet man mit der linken Faust über
die linke Schulter hinweg die obersten Wirbel des Rückgrates in der
gleichen Weise von oben nach unten bis zu dem Wirbel, bei dem
die vorhergehende Behandlung begonnen hat. Während der ganzen
sie
ist

zu

Übung der Atem stauen, muß deshalb schnell ausgeführt


werden. das ganze Rückgrat behandelt worden ist, geht
Sobald
die kniende Stellung zurück, atmet dabei aus und entspannt
in

man
den ganzen Körper.
Beim zweiten Teile dieser Übung wird das Rückgrat der
in

gleichen Stellung mit der rechten Hand behandelt, während die linke
der linken Armhöhle ruht.
in
190

Später kann man die Übung in der Rückwärts-Beugung aus


führen.
O

Siebente Übung
Man stützt den rechten Ellbogen in die linke Hand und bringt
die rechte Hand zum rechten Magennervenzentrum, das zwischen
Nacken und Schulter schräg abwärts vom siebenten Halswirbel liegt.
Dann atmet man und quetscht, drückt, schlägt und stößt dieses
Nervenzentrum unter stetem Ausatmen.
Danach macht man diese Übung auf der linken Seite.
Diese Übung hilft bei verdorbenem Magen und auch gegen
Halsschmerzen. Hat man Krämpfe im Fuße, so hebe man das lei
dende Bein und grabe die Fingerspitzen und die Nägel tief in die
Kniekehle und bearbeite das Knie ringsherum. Während der ganzen
Übung muß ständig ausgeatmet werden.

Achte Übung
Man bringt die rechte Hand mit der Handfläche über die rechte
Schulter auf das rechte Schulterblatt. Dann schiebt man die linke
Hand (Handrücken dem Rückgrat zugekehrt) von unten her am
Rücken so weit hinauf, bis die Finger der linken Hand in die Finger
der von oben kommenden rechten Hand einhaken können. In dieser
Stellung macht man die fünf Beugungen; dabei muß richtig ein
und ausgeatmet werden. Nach den Beugungen löst man die Hände
nicht plötzlich, sondern ganz gelassen und allmählich; erst wenn
die Hände gelöst sind, läßt man die Arme plötzlich entspannt fallen.
Beim zweiten Teile der Übung führt man umgekehrt die linke
Hand von oben und die rechte von unten her zusammen. Man
achte, wie bei allen Übungen, auch hier darauf, daß man –
stets
in Kumbhaka – zunächst eine Weile nur die erste Beugung macht,
erst nach einiger Zeit die anderen. Man unterlasse auch niemals,
die Prana-Exerzitien mit einem Pranayama abzuschließen.

O
191

Neunte Übung
Man kniet nieder und nimmt folgende Stellungen ein:
1. Man ballt die Fäuste, bringt die Ellbogen an die Hüften und
streckt die Unterarme mit den Fäusten wagerecht vorwärts.
2. Man ballt die Fäuste und streckt die ganzen Arme mit den
Fäusten wagerecht vorwärts.
3. Man ballt die Fäuste und streckt die Arme mit den Fäusten
senkrecht hoch.
In diesen drei Stellungen übt man die fünf Beugungen und
achtet dabei auf richtiges Einatmen, Atemstauen und Ausatmen.
Die Armstellungen bleiben bei den Beugungen unverändert: der
Körper muß sich den Arm- und Fauststellungen anpassen.

Zehnte Übung
Knie nieder. Man bringt die Knöchel der geballten Faust zu
den Halswirbeln unter dem Atlas (ersten Halswirbel) und übt in
dieser Stellung die fünf Beugungen. Dabei werden die Knöchel
recht tief in die Wirbel hineingegraben.
Zuweilen sollen nicht nur die Wirbel massiert, sondern der
ganze Körper soll mit den richtig geballten Fäusten – die Arme

müssen dabei völlig entspannt sein geklopft und gehämmert werden.
(Bei einiger Übung kann man schließlich nicht nur mit der Hand, son
dern auch mit der Faust jeden Körperteil erreichen und behandeln.)
Diese Übung kann bis zu einer halben Stunde ausgedehnt
werden; meist aber hat man schon nach einigen Minuten Erfolg.
als

Derartige Übungen haben größeren therapeutischen Wert, die


mechanische Gymnastik.
O

Elfte Übung
Knie nieder. Man legt die Handflächen zusammen, den linken
Daumen über den rechten, die Finger richtet man nach oben und
drückt dann die Hand an das Herz. Dann hebt man das linke Knie
und stellt den linken Fuß auf den Boden, daß der linke Unter
so

schenkel mit dem Oberschenkel einen rechten Winkel bildet, wäh


192

rend nur noch das rechte Bein kniet. Darauf schiebt man den
linken Fuß in gerader Linie vorwärts, bis das linke Bein völlig
ausgestreckt ist, so daß also das Körpergewicht auf der linken Ferse
und dem rechten Knie ruht. Jetzt zieht man den linken Fuß in
der gleichen geraden Linie zurück und streckt das Bein so weit
rückwärts, bis das Körpergewicht auf der linken Fußspitze und
dem rechten Knie ruht. Diese Stellung
wiederholt man mehrmals
– in gerader Linie –
nach vorn und nach hinten so weit als
möglich. Dann kehrt man in die kniende Grundstellung zurück
und übt mit dem rechten Beine.
Diese Übung erreicht Muskeln und Nerven, die keiner anderen
Übung zugänglich sind.
Während der Übung bringe man den ganzen Körper durch
Singen im Grundtone in Schwingung. Da man aber während der
Übung den Atem stauen soll (Kumbhaka), so übt man am besten
in Gruppen: die eine Gruppe singt oder summt, während die andere
Gruppe übt und mit gestautem Atem dem Gesang im Geiste folgt.
Wird diese Übung neunmal hintereinander richtig ausgeführt,
so schafft sie vollkommenes körperliches und seelisches Gleichgewicht.

Zwölfte Übung
Die Kreuzigung des Körpers
Man ballt die rechte Hand zur Faust, bringt den
Knie nieder.
Daumen so weit als möglich über den Ringfinger, atmet tief ein,
staut den Atem und legt die rechte Faust auf die Brust. Dann
schlägt man mit der rechten Faust leicht auf die Mitte der Stirn
und danach in rascher Folge auf das Sonnengeflecht (Magengrube),
die Armgruben auf der Brust rechts und links und zuletzt wieder
auf das Sonnengeflecht. Man wiederhole das dreimal oder öfter
erst mit der rechten, dann mit der linken Faust. Dabei muß man
immer auf den Atem achten.
Diese Übung kann auch im Stehen vorgenommen werden. In
diesem Falle berührt man (mit der richtig geballten Faust!) an
Stelle des Sonnengeflechtes den Boden, ohne die Knie zu beugen.
NACHWORQT
Der Bearbeiter dieses Buches hat mehrfach betont, daß die
- Lehrbriefe keine Esoterische Schulung d. h. keine Anleitung zur
Einweihung sind, sondern nur ein vorbereitendes Training voll
bringen. Wer wirklich in die Geistessonne treten und die einzige
z Realität – das Ewige, Übersinnliche, Geistige –
erleben will, der
darf nicht stehen bleiben bei dem, was er durch die Anwendung
e des hier Gebotenen erreicht.
Das Bewußtsein und der Wissenskreis des Menschen erweitern
sich in dem Maße, als der Mensch sich selbst entwickelt. Der
Mensch kann sich, wie Goethe in seinem rastlosen Einheitsstreben
erkannt hat, durch die Entwickelung seiner Fähigkeiten zu einer
Höhe erheben, wo sein Geist nicht mehr bloß die Abbilder der ge
schaffenen Dinge wie im Spiegel der Wissenschaft sieht, sondern
wo er durch Einleben in das Schöpfungswerk die Urbilder in sich
erstehen Auf diesem Wege dringt der Mensch hinter die Ober
läßt.
fläche der Dinge zu den ewigen Ideen vor, die nicht schattenhafte
Abstraktionen, sondern die lebendigen Gestaltungskräfte der Dinge
und Wesen selbst sind. Wie das zu machen? Durch Hinhorchen
auf die Quellen, die auch in der Gegenwart aus dem Urgrunde des
Daseins fließen!
Die Perspektiven, die sich dem Schüler der Uralten Weisheit
(Theosophie) eröffnen, sind unermeßlich. »Wenn man sie zum ersten
Male erblickt«, sagt Eduard Schuré, »empfindet man die Schauer
des Unendlichen«. Dinge, die nicht erkennbar erscheinen, treten
in den Bereich der Erkenntnis, und es wiederbeleben sich Ideen,
die zwar für den Verstand im Schoße der Zeiten ruhen, im Men
scheninnern aber ewige Gegenwart haben. Das- Tor des Unsicht
13
194

baren springt auf, und der Mensch verwandelt sich in das, was als
das große Ziel der Menschheit vorgeschwebt hat von altersher.
»Wache, Jünger des Lebens, Schmetterlingspuppe, arbeite an
deiner künftigen Entfaltung!« ruft Amiel dem Erwachenden zu. Jede
Sphäre des Seins strebt einer höheren Sphäre entgegen, die sich
ihr öffnet durch Ahnungen und Offenbarungen. Die Stufen der Ent
wickelung sind zahllos, aber sie haben doch ein Ziel: das Göttliche
Leben. Indem der Mensch in sich alle Gesetze der Entwickelung
und die ganze Natur wiederholt und zusammenfaßt, beherrscht er
sie und erhebt er sich über sie, um »auf dem Wege des Bewußt
seins und der Freiheit in das unendliche Reich des Geistes zu
dringen«.
Schüler dieser Lehrbriefe, die weitere Beratung wünschen, mögen
sich vertrauensvoll an das Verlagshaus wenden: alle Anfragen wer
den sorgfältig und gewissenhaft beantwortet werden.

– Heil und Segen –


Juni 1917 Der Bearbeiter
Empfehlenswerte Literatur
»Bhagavad-Gita: das Hohe Lied von der Unsterblichkeit«. Mk. 2.–
(geb. Mk. 3.–).
Collins, »Das Licht auf dem Wege«. Eine Botschaft zum Heile -

derer, die unbekannt sind mit der Weisheit des Ostens, unter
ihren Einfluß aber treten wollen. Mk. 2.– (geb. Mk. 3.25).
Blavatsky, »Die Stimme der Stille«. Mk. 3.– (geb. Mk. 4.–).
Krisnamurti, >Zu Füßen des Meisters«. Mk. 1.– (geb. Mk. 1.50).
B. Y. R., »Das Licht vom Himavat«. Mk. 1.50.
B. Y. R., »Aus dem Lande der Leuchtenden«. Mk. 1.50.
Wille zur Freude«. Mk.
B. Y. R., »Der 1.50.
>Yoga-Aphorismen des Patanjali«.
Heindl, »Rosenkreuzerische Unterrichtsbriefe«. Mk. 15.–.
Leadbeater, »Das Innere Leben». 2 Bände. Mk. 3.30 (geb. Mk. 4.50)
und Mk. 5.– (geb. Mk. 6.–).
Sinnett, »Das Wachstum der Seele«. Mk. 6.– (geb. Mk. 7.–).
Besant, »Eine Studie über das Bewußtsein. Ein Beitrag zur Psycho
logie«.Mk. 4.– (geb. Mk. 5.–). -

Steiner, »Wie erlangt man Erkenntnis der Höheren Welten?«


Mk. 3.50 (geb. Mk. 4.50).
List, »Die Armanenschaft der Ario-Germanen«. 2 Teile. Teil I:
Mk. Teil zus. geb. Mk. 10.40).
II:

1.50, Mk. 6.60 (Teile


u.
II
I

Balzli, »Guido List: Ein Wiedererwecker Uralter Weisheit«.


v.

»VegetarischesReform-Kochbuch Mk. 3.50.


«.

Paulk, »Das Buch des Mannes«. Mk. 3.– (geb. Mk. 4.–).
Faßbender, »Wollen: eine königliche Kunst«. Mk. 260 (geb.
Mk. 340).

13*
This book should be returned to
the Library on or before the last date
stamped below.
A fine of five cents a day is incurred
by retaining it beyond the specified
time.
Please return promptly.
-
24215.1452
--- Okkultische unterrichtsbriefe,
Widener Library
002842154

3 2044 089 033 435


-

Das könnte Ihnen auch gefallen