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Beitrag  
 

 
 
Autor: Professor Dr. Klaus Quelle:
Moritz
Dokumenttyp: Aufsatz
  Verlag Recht und Wirtschaft,
Frankfurt
Fundstelle: BB 1995, 420-423

Vertragsfixierung durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben


 
 
Professor Dr. Klaus Moritz, Hamburg

1. Einführung

Der Vertragsschluß durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben scheint nirgends so exzessiv


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gehandhabt zu werden wie in Deutschland . Es ist zu fragen, ob der in Rechtsprechung und
Literatur formulierte weite abstrakte Rechtssatz gerechtfertigt ist und ob er bei Fallentscheidungen
tatsächlich angewandt wird. Die bei einzelnen Fallgruppen unterschiedliche Interessenlage könnte
eine Differenzierung des Rechtssatzes nahelegen. Als zentrales Problem erweist sich die Beweislast,
die von der Rechtsprechung zugunsten des Absenders des Bestätigungsschreibens verschoben wird.
Die hier dargestellte Auffassung entspringt einer ökonomischen Effizienzprüfung und verbindet die
materielle mit der prozessualen Sicht.

2. Materiellrechtliche und prozessuale Probleme der Rechtsprechung


a) Voraussetzungen des Vertragsschlusses durch Bestätigungsschreiben

Die Rechtsprechung zum Vertragsschluß durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben leidet


darunter, daß die Voraussetzungen sehr abstrakt und weit formuliert werden, obwohl es sich um eine
Billigkeitsentscheidung handelt. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben soll unter
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folgenden Voraussetzungen als zustimmende Willenserklärung angesehen werden :

(1) mündliche, telefonische oder den Kern betreffende fernschriftliche Vertragsverhandlungen über
wesentliche Teile des Vertrages zwischen Kaufleuten oder Geschäftstreibenden, die aus der Sicht des
Absenders zu einer Einigung geführt haben;

(2) geringfügige Abweichung des Bestätigungsschreibens in Einzelpunkten von dem Ergebnis dieser
Verhandlungen, vor allem Beifügung von AGB;

(3) kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers.

Diese scheinbar klaren Voraussetzungen des Vertragsschlusses durch Schweigen des Empfängers
haben zwei vage Zonen:

Zu (1) wird nicht ein Vertragsschluß verlangt, sondern nur die Vorstellung des Absenders, daß die
mündlichen Verhandlungen zu einem Konsens geführt haben.

Zu (2) ist fraglich, wann eine Abweichung vom mündlich Vereinbarten so erheblich ist, daß der
Absender mit der Annahme durch den Empfänger nicht rechnen kann.

Zwischen diesen beiden Voraussetzungen besteht ein logischer Bruch: Wenn es ausreicht, daß der
Absender nur an einen mündlichen Konsens glaubt, dann kann fast nie eine erhebliche Abweichung
angenommen werden, wenn mündlich tatsächlich kein Konsens erzielt war. Konsequent würde das
Schweigen des Empfängers in diesem Fall Zustimmung bedeuten, obwohl er der Auffassung sein
kann, daß gar kein Vertrag mündlich verabredet war. Die Gerichte weichen dem Problem aus, indem
sie die Lösung in der Beweislastverteilung finden.

b) Beweislast

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Aus den materiellrechtlichen Voraussetzungen wird die folgende Beweislastverteilung abgeleitet :
Der Absender trägt die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen (Kaufleute, Verhandlungen
und eine subjektive Vorstellung vom Erfolg, rechtzeitiger Zugang des Schreibens). Der Empfänger hat
die rechtshindernden Tatsachen zu beweisen (Arglist des Absenders, wesentliche Abweichung vom
Verhandlungsergebnis).

Aufgrund dieser Beweislastverteilung wird der Empfänger um seine Rechtsposition praktisch


'enteignet'. Denn der Grad der Abweichung von dem Verhandlungsergebnis ist für die Wirkung des
Schweigens entscheidend: Bei großer Abweichung von dem mündlich Vereinbarten braucht nicht
widersprochen zu werden. Geht man davon aus, daß schriftliche Erklärungen einen hohen Beweiswert
haben, wird es dem Empfänger des Schreibens meist nicht gelingen, eine gravierende Abweichung
von dem Verhandlungsergebnis zu beweisen.

Jetzt zeigt sich die prozessuale Tragweite der materiellrechtlichen Voraussetzung:

- Muß der Empfänger darlegen und beweisen, daß das Schreiben extrem vom Verhandlungsergebnis
abweicht (so die h. M.), wird ihm das nicht gelingen, weil das Schreiben einen ersten Anschein der
Konformität mit den Vertragsverhandlungen liefert.

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- Müßte der Absender dagegen die Schwere der Abweichung beweisen , so liefe der Vertragsschluß
mittels kaufmännischen Bestätigungsschreibens oft leer. Dem Hinweis des Empfängers, daß die
Vertragsverhandlungen ganz anders gelaufen seien, könnte der Absender des Schreibens nichts
entgegensetzen. Auch ohne Widerspruch gälte die Vertragsänderung als nicht erfolgt.

Erst durch die Beweislastverteilung der h.M. wird der materiellrechtliche Widerspruch entschärft:
Wenn der Empfänger nicht beweisen kann, daß mündlich kein Vertrag geschlossen ist, genügt die
entsprechende 'redliche' Behauptung des Absenders. Und dann fehlt es an einem Widerspruch
zwischen den Voraussetzungen (1) und (2), weil ja von einem Vertragsschluß ausgegangen werden
kann.

Richtig müßte die h. M. ihre Voraussetzung (1) also wie folgt definieren:

Vom Absender des Schreibens behaupteter mündlicher Vertragsschluß, den der


Empfänger nicht widerlegen kann.

Dann geht es bei Voraussetzung (2) nur noch darum, ob die Abweichung des Schreibens von dem
vom Absender Behaupteten erheblich ist. Das wird kaum zutreffen.

Vielleicht ist diese Unklarheit Grund dafür, daß in den Kommentaren keine Diskussion zur Beweislast
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zu finden ist .  

- BB 1995, 421 -

Sinnvoll ist es, bei erheblichen Abweichungen vom Verhandlungsergebnis zwischen Dissens und
fehlender Vertretungsmacht zu unterscheiden.

aa) Dissens

In früheren Entscheidungen hat der BGH die Beweislastverteilung scheinbar rigoros gehandhabt.

Auf eine telefonische Preisanfrage des beklagten Großhändlers schickte der klagende Produzent ein
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Bestätigungsschreiben über den Kauf von Pommes Frites . Es wird als unerheblich angesehen, daß
es eventuell gar nicht zu einem telefonischen Vertragsschluß gekommen war. Der Beklagte habe dies
nicht beweisen können und damit auch nicht die erhebliche Abweichung vom mündlich Vereinbarten.
Sein Schweigen gilt als Annahme. Richtig wäre es wohl - vom Standpunkt der h. M. -, wenn man
zwar die Bestätigung als erhebliche Abweichung vom mündlich Vereinbarten bewerten würde, der
Empfänger jedoch den hierfür erforderlichen Nachweis nicht erbringen konnte.

Ähnlich rigoros wird auf den fehlenden Gegenbeweis des Empfängers abgestellt, wenn der Inhalt der
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Verhandlungen unklar ist .

In neueren Entscheidungen wird dagegen eine freie Beweiswürdigung vorgenommen, indem die
Umstände der Vertragsdurchführung oder der Vertragsverhandlungen herangezogen werden. So
meint das OLG Hamm, daß aus der Sicht des Absenders ein telefonischer Vertragsschluß erfolgt sei.
Und der Adressat des Schreibens habe die angeblich vermieteten Kompressoren auch abgeholt!
In der Erfüllungshandlung wird hier also eine Bestätigung des Vertragswillens des Empfängers des
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Schreibens gesehen .

Der BGH hat in einem Fall den fehlenden Beweis eines Vertragsschlusses dem Absender des
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Schreibens angelastet, weil die Anzeichen für die Position des Empfängers sprachen . Es ging
um die Frage, ob sich der Beklagte in einem Rahmenvertrag verpflichtet hatte, Holzschnitzel in
größerem Umfang vom Kläger transportieren zu lassen, oder ob er frei war, ad hoc Einzelverträge
abzuschließen. In diesem Fall deutete die Geschäftspraxis der Parteien aus dem Vorjahr - der
Empfänger des Schreibens hatte ein entsprechendes Vertragsangebot auch damals nicht
angenommen, sondern gegen das Schreiben sogar protestiert - eher auf unverbindliche Gespräche
über den Geschäftsrahmen hin. Vielleicht hat hier auch mitgespielt, daß der Auftraggeber keinen
Grund hatte, sich längerfristig zu binden, weil der Markt eine überschüssige Tonnage verzeichnete.
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Vergleicht man diese Entscheidung mit der von 1974 , so fällt die sorgfältige Heranziehung der
Umstände auf, während damals recht knapp dem Händler aufgegeben wurde, dem Schreiben zu
widersprechen.

bb) Fehlende Vertretungsmacht

Die Verhandlungen mit einem Vertreter ohne Vertretungsmacht stellen eine weitere Fallgruppe
der Bestätigung eines nicht zustande gekommenen Vertrages dar. Die Gerichte erkennen in
dem Bestätigungsschreiben dann eine konstitutive Wirkung. Geht dem Unternehmen, das einen
vollmachtlosen Vertreter hat verhandeln lassen, ein Bestätigungsschreiben zu, dann soll Schweigen
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als Genehmigung des Vertreterhandelns gelten . Der BGH formuliert den Rechtssatz allerdings
weiter: '(Dies gilt auch dann), wenn die dem Schreiben vorangegangenen Verhandlungen noch
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nicht zu einem festen Vertragsschluß geführt haben.' Die Formulierung erfaßt auch die Fälle des
Dissenses. Richtig - nämlich bezogen auf die betroffene Fallgruppe - ist dann der folgende Satz: 'Es
kommt folglich auch nicht darauf an, ob der Verhandelnde Abschlußvollmacht hatte.'

Bei dieser Fallgruppe kommt es nicht auf die Beweislast an. Dem Empfänger wird in jedem Fall
aufgegeben, dem Schreiben zu widersprechen, wenn er den Vertragsschluß vermeiden will.
Schützenswert erscheint der Absender.

Im folgenden soll geprüft werden, ob diese Interessenbewertung ökonomisch effizient ist.

3. Ökonomische Analyse
a) Transaktionskosten

Ökonomisch effizient ist die Annahme eines Vertragsschlusses durch Schweigen auf ein
kaufmännisches Bestätigungsschreiben, wenn dadurch Transaktionskosten gespart werden.
Als Transaktionskosten kommen Aufwendungen des Vertragsschlusses und der späteren
Konfliktaustragung in Betracht. Es sind vor allem zwei Sachverhaltskonstellationen zu unterscheiden:

aa) Im Normalfall werden Kosten dadurch eingespart, daß der Empfänger des Schreibens auf
dieses nicht wiederum schriftlich zu erwidern braucht. Die Bestätigung ist im Geschäftsleben ein
üblicher Vorgang, der meist keine Vertragsänderungen beinhaltet, sondern Präzisierungen des
mündlich im Grundsatz vereinbarten Inhalts (deklaratorische Wirkung). Wird diese Änderung rechtlich
durch Schweigen bestätigt, erweist sich die Abweichung vom Vertragsschema als effizient. Denn nur
im Ausnahmefall muß der Adressat die Kosten des Widerspruchs aufbringen, nämlich dann, wenn er
mit der Präzisierung nicht einverstanden ist.
bb) Problematisch ist die Effizienzfrage bei erheblichen Abweichungen oder gar bei fehlendem
mündlichen Vertragsschluß. Was ist erheblich? Wer bestimmt, was mündlich vereinbart war? Die
Lösung der Rechtsprechung läßt beide Fragen offen. Der Adressat braucht nicht zu antworten. Er
trägt aber auch das Risiko des Beweises der erheblichen Abweichung des Schreibens vom mündlich
Vereinbarten. Die Lösung wird auf die Konfliktaustragung verschoben, im Zweifel also auf den
Prozeß. Die dadurch entstehenden Transaktionskosten sind hoch. Zusätzlich wird der Adressat
'entrechtet', wenn er den Beweis des mündlich Vereinbarten erbringen muß. Wenigstens werden
ihm Transaktionskosten aufgebürdet, wenn er das Schreiben auf Änderungen durchsehen muß. AGB
können praktisch nur von Juristen kontrolliert werden, deren Rat teuer ist.

cc) Effizient erscheint die Lösung, bei erheblichen Abweichungen die Kosten der Vertragsänderung
beim Absender zu erhöhen:

- Der Absender muß einen deutlichen Hinweis auf die Art der Änderung vornehmen. Nur dann braucht
der Empfänger die Vertragsänderung genau zu prüfen, und nur dann führt Schweigen zur Akzeptanz
der Änderung.

- Andernfalls braucht der Empfänger bei erheblicher Abweichung keinen Widerspruch zu erheben.
Der Absender trägt das Risiko einer zu großen Abweichung, weil er die Konkordanz mit dem mündlich
Vereinbarten beweisen muß.

Die dadurch geschaffene Vertragsklarheit verhindert Kosten der Konfliktaustragung und ist daher
effizient. Der Empfänger trägt nicht die Last, längere Verträge (besonders AGB) sachverständig
prüfen zu lassen, um Abweichungen in ihrer Tragweite beurteilen zu können. Der Absender kann mit
wenig Aufwand die Situation klären.  

- BB 1995, 422 -

Ein Beispiel dafür findet sich in der Rechtsprechung: Bei einem Ölhandelsgeschäft weist der Absender
in seinem Bestätigungsschreiben auf den Selbstlieferungsvorbehalt hin und führt diesen in seinen
13
AGB detailliert aus . Der Empfänger kann sich mit dieser - im Ölhandel wichtigen - Einschränkung
der Lieferantenhaftung befassen, ohne die AGB genau durchsuchen lassen zu müssen.

b) Ergebnis

Beide Argumente - Transaktionskosten des Vertragsschlusses und der Konfliktaustragung - zusammen


ergeben folgendes Ergebnis der Effizienzprüfung:

aa) Prinzipiell ist das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das den Vertrag
leicht ändernd präzisiert, als Willenserklärung zu bewerten, weil Transaktionskosten gespart werden.
Den Beweis der geringen Abweichung vom mündlich Vereinbarten hat der Absender des Schreibens
zu tragen.

bb) Bei komplizierten Verträgen und größeren Abweichungen vom Verhandlungsergebnis trägt der
Absender das Risiko, die Grenze des Akzeptierbaren überschritten zu haben. Er kann es dadurch
mindern, daß er auf Abweichungen besonders hinweist; in diesem Fall erhält der Empfänger die
Pflicht, zu widersprechen; andernfalls gilt die Änderung als akzeptiert.

cc) Nur noch bei offenkundig großen Abweichungen - es ist z. B. gar nicht verhandelt worden - gilt die
allgemeine Regel, daß Schweigen nicht die Annahme des Vertragsangebots ausdrückt.

4. Neuere Literatur: Vertrauensgedanke

Die ökonomische Betrachtung kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie einige neuere
Literaturmeinungen. Sie möchten die Verbindlichkeit des kaufmännischen Bestätigungsschreibens
auf die Fälle beschränken, in denen der Empfänger auf die Richtigkeit des Inhalts vertrauen
konnte. Daher lehnen sie einen Vertragsschluß mittels Bestätigungsschreibens ab, wenn die
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mündliche Verhandlung noch zu keinem Ergebnis geführt hat . Selbst die Übersendung von
15
AGB wird als nicht mehr mit den Vertragsverhandlungen konform bezeichnet . Dies geht
sicher zu weit, wenn die Inhalte der AGB üblich sind, wie z. B. der Haftungsausschluß beim
16
Gebrauchtwagenkauf . Ebensowenig ist die genaue Definition des im Vertrag ausdrücklich
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erwähnten Selbstlieferungsvorbehalts in AGB zu beanstanden . Denn es ist typisch, daß das
Bestätigungsschreiben konkretisierend auf die eigenen AGB verweist, die ja nicht Gegenstand
mündlicher Verhandlungen sein können.

Aus dem Vertrauensgedanken stammt ein Argument, das die Fallentscheidungen - vor allem bei
Dissens in den Verhandlungen - maßgeblich bestimmt: Wenn der Empfänger den Vertrag erfüllt
oder die Erfüllung angenommen hat, kann darin generell ein Akzeptieren des Vertragsschlusses
gesehen werden. Dann ist nicht mehr zu prüfen, ob überhaupt mündlich ein Vertrag geschlossen
bzw. ob der geäußerte Widerstand gegen eine Vertragsvorstellung der Gegenseite aufrechterhalten
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wurde . Auf diese Weise könnte die problematische Fallgruppe des Dissenses normativ befriedigend
gelöst werden.

Auch bei Verhandlungen mit vollmachtlosen Vertretern kann ein präziser Rechtssatz formuliert
werden: Formell ist auch hier noch kein Vertragsschluß mündlich erfolgt. Im Gegensatz zu dem obigen
Fall des Dissenses besteht hier jedoch inhaltliche Übereinstimmung. Der Empfänger des Schreibens
hat einen Vertrauenstatbestand durch Entsendung eines vollmachtlosen Vertreters geschaffen. Er
muß diesen durch Protest zerstören.

Das Vertrauensargument führt somit zu ähnlichen Ergebnissen wie das der ökonomischen Effizienz.
Dies erstaunt nicht, weil ein Vertrauenstatbestand meist mit wenig Kosten verhindert werden
kann (nämlich durch bloße Mitteilung). Es ist dann effizient, demjenigen die Folgen des Vertrauens
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aufzubürden, der es hätte verhindern können .

5. Ergebnis

Zusammenfassend können die Voraussetzungen des Vertragsschlusses durch Schweigen auf


kaufmännisches Bestätigungsschreiben für drei Fallgruppen differenziert werden:

1. Fallgruppe: Modifizierter Vertrag

(1) Vertragsverhandlungen zwischen Kaufleuten haben zu einem Vertragsschluß geführt (mündlich,


telefonisch oder auf den Kern beschränkte schriftliche Äußerungen);

(2) geringe Abweichung im kaufmännischen Bestätigungsschreiben,

(3) kein Widerspruch.

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Unter (2) fallen die Fälle der AGB-Beifügung, wenn diese typische Klauseln enthalten .

2. Fallgruppe: Nachträglicher Vertragsschluß oder erhebliche Abweichung vom


mündlich Vereinbarten

(1) Vertragsverhandlungen, evtl. ohne Ergebnis.

(2) Kaufmännisches Bestätigungsschreiben weicht erheblich vom Vereinbarten ab bzw. postuliert den
nicht vereinbarten Vertragsschluß.
Die Offenlegung der Vertragsänderung macht es dem Empfänger leicht, dazu eine Position zu
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beziehen und eventuell durch Widerspruch die Änderung zu vermeiden . Die Beweislast für den
mündlichen Vertragsschluß trägt der Absender. Daher kann kein Vertrag zustande kommen, wenn
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er den Beweis des Vertragsschlusses nicht erbringen kann . Dem Absender wird aber ein Anreiz
gegeben, durch Offenlegung der Differenz zu dem Verhandlungsergebnis das Irrtums-Risiko auf
den Empfänger abzuwälzen. Problematisch bleiben die Fälle, in denen der Empfänger scheinbare
Erfüllungshandlungen vornimmt, obwohl er nicht den durch das Bestätigungsschreiben postulierten
Vertrag, sondern einen anderen zu erfüllen meint. In diesem Fall trägt er die Beweislast, daß
mündlich gar kein Vertrag abgeschlossen ist, da er mit der Erfüllungshandlung die Akzeptanz des
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Bestätigungsschreibens kundgetan hat .  

- BB 1995, 423 -

3. Fallgruppe: Verhandlungen mit vollmachtlosem Vertreter

(1) Vertragsverhandlungen führen noch nicht zum Vertragsschluß wegen fehlender Vollmacht des
Vertreters;

(2) Bestätigungsschreiben postuliert aber den Vertrag;

(3) kein Widerspruch des Empfängers;

(4) Vertrag ist geschlossen.

Hier hat der Empfänger durch Entsendung eines vollmachtlosen Vertreters Vertrauen erzeugt, das er
durch Widerspruch gegen das Bestätigungsschreiben zerstören muß. Andernfalls liegt im Schweigen
24
die Genehmigung des Vertreterhandelns .

Auf diese Weise wird dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben die Position in der
Rechtsgeschäftslehre und im Prozeß eingeräumt, die ihr zugedacht war: Es soll das Problem der
Konkurrenz von mündlichen Vertragsverhandlungen und differierender schriftlicher Fixierung gelöst
werden. Dies muß prinzipiell zugunsten der schriftlichen Fixierung erfolgen, da ein gewisser Anschein
für dessen Richtigkeit spricht. Der Empfänger muß i. A. widersprechen, wenn die Vertragsänderung
nicht gewollt ist.

Bei größeren Abweichungen vom mündlich Vereinbarten muß der Empfänger des Schreibens nur
dann widersprechen, wenn objektive Indizien für sein Einverständnis sprechen (Erfüllungshandlung,
offengelegte große Abweichung im Schreiben). Für den Empfänger, der den Vertrag erfüllt, ergibt sich
eine Obliegenheit zum Widerspruch, wenn er mit den Änderungen im Schreiben nicht einverstanden
ist. Der Absender vermeidet Risiken, wenn er auf größere Änderungen im Schreiben deutlich hinweist,
denn er muß sonst beweisen, daß die Abweichung nicht groß ist.

Bei Verhandlungen mit einem Vertreter ohne Vertretungsmacht konstituiert das Schreiben den
Vertrag, wenn der Empfänger nicht widerspricht.

 
Fußnoten
 

1) Esser, Die letzte Glocke zum Geleit? Kaufmännisches Bestätigungsschreiben im


internationalen Handel, ZfRV 1988, 167-193; Piltz, Internationales Kaufrecht in
praxisorientierter Darstellung, 1993, S. 88.

2) Vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 53. Aufl. 1994, § 148 Rn. 11; Soergel/Wolf, BGB,
12. Aufl. 1987, § 147 Rn. 34, 43; K. Schmidt, Handelsrecht, 3. Aufl. 1989, S. 503 ff.
Ausführlich Götz/Huhn, Das kaufmännische Bestätigungsschreiben, 1969, mit einer
Rechtsprechungssammlung bis 1968 (S. 85-166).

3) H. M., vgl. Palandt (Fn. 2 ), § 148 Rz. 21.

4) So MünchKomm- Kramer, BGB, 3. Aufl. 1993, § 151 Rz. 25.

5) Dagegen weist Esser, ZfRV 1988, 171, auf die Bedeutung der Beweislast hin; ebenso
MünchKomm- Kramer (Fn. 4 ), § 151 Rz. 25, 44.

6) BGH, 20.3.1974, NJW 1974, 991 - Pommes Frites.

7) BGH, 14.3.1984, DB 1984, 2190.

8) OLG Hamm, 22.3.1994, BB 1994, 1107 - Kompressoren.

9) BGH, 31.1.1994, BB 1994, 673 - Holzschnitzel.

10) BGH, 20.3.1974, NJW 1974, 991 - Pommes Frites.

11) OLG Düsseldorf, 15. 11. 1990, NJW-RR 1991, 374 - Gaststättenpacht; mit Bezug auf BGH,
27.1.1965, NJW 1965, 965 - Tieflader; BGH, 15.5.1964, NJW 1964, 1951.

12) BGH, 27.1.1965, NJW 1965, 965.

13) BGH, 6.3.1968, NJW 1968, 1085 - Heizöl II.

14) MünchKomm- Kramer (Fn. 4 ), § 151 Rn. 18 f., 31.

15) Medicus, Allg. Teil des BGB, 5. Aufl. 1992, Rn. 443.

16) BGH, 21.3.1966, NJW 1966, 1070 - Autoschütter.

17) BGH, 6.3.1968, NJW 1968, 1085 - Heizöl II.

18) OLG Hamm, 22.3.1994, BB 1994, 1107 - Kompressoren; BGH, 29.2.1968, NJW 1968, 1233 -
Heizöl I; BGH, 14.3.1963, NJW 1963, 1248.

19) Schäfer/Ott, Lehrbuch der Ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 1986, S. 318.

20) BGH, 21.3.1966, NJW 1966 - Autoschütter.

21) BGH, 6.3.1968, NJW 1968, 1085 - Heizöl II.

22) BGH, 31.1.1994, BB 1994, 673 - Holzschnitzel; anders jedoch BGH, 20.3.1974, NJW 1974, 991 -
Pommes Frites.
23) Im Fall BGH, 31.1.1994, BB 1994, 673, nahm der BGH die Beweiswürdigung zugunsten des
Empfängers vor; vgl. auch OLG Köln, 31.5.1991, CR 1991, 541 - Computer.

24) OLG Düsseldorf, 15.11.1990, NJW-RR 1991, 374 - Gaststättenpacht; mit Bezug auf BGH,
27.1.1965, NJW 1965, 965 - Tieflader; BGH, 15.6.1964, NJW 1964, 1951.

 
 
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