Sie sind auf Seite 1von 12

Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

IR-Spektroskopie organischer Moleküle

Die Infrarot-Spektroskopie dient in der Organischen Chemie der Ermittlung von


Strukturelementen, funktionellen Gruppen und ggf. von Isomeren und Konformeren. Ein
Schwingungsspektrum eines organischen Moleküls lässt sich in substanzspezifische
Schwingungen (a) und charakteristische Schwingungen (b) aufteilen.
a) Im Bereich 1500 cm-1 liegen Absorptionsbanden, die durch starke
Schwingungskopplung hervorgerufen werden. Gekoppelte Schwingungen sind stark
vom Molekülrest abhängig, weswegen der Wellenlängenbereich <1500 cm-1
Fingerprint-Bereich genannt wird, da er für die Substanz spezifisch ist.
b) Charakteristische Schwingungen sind nahezu unabhängig von der Molekülstruktur,
die Schwingungen treten also quasi „lagenkonstant“ auf. D.h. die Absorptionsbanden
können einer bestimmten Atomgruppe zugeordnet werden.

1. Schwingungsarten
Unter einer Schwingung versteht man die Bewegung der Massenträger relativ zum
Schwerpunkt. Der Schwerpunkt selbst ändert die Lage nicht. Man unterscheidet hauptsächlich
die Valenzschwingung und die Deformationsschwingung.

Valenzschwingung Deformationsschwingung

Abbildung 1: Schwingungsarten

1
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

2. Lage und Intensität charakteristischer Schwingungen


Die Intensität der Bande ist proportional zu der Größe der Änderung des Dipolmomentes. Die
Lage der Schwingungen im IR-Spektrum hängt von der Kraftkonstanten, f, und der
reduzierten Masse, µ, der beteiligten Atome ab.

1 f
vosz = ⋅
2π µ
m1 ⋅ m2
µ=
m1 + m2
Die Kraftkonstante steigt mit
a) der Bindungsordnung ( fC-C < fC=C)
b) zunehmenden s-Charakter im Hybrid-Orbital (f=C-H (sp2) > f-C-H (sp3)
c) der effektiven Kernladungszahl
Bei großen Massendifferenzen ist die reduzierte Masse klein, somit hat die Schwingung
zwischen Atomgruppen mit großer Massendifferenz eine hohe Frequenz.

Abbildung 2: Übersicht über die Lage der Absorptionsbanden der funktionellen Gruppen.

2
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

In den folgenden Tabellen sind die charakteristischen Wellenzahlen für verschiedene


funktionelle Gruppen zusammengestellt. Die Auflistung hat keinen Anspruch auf
Vollständigkeit (siehe auch ausführliche Tabellenwerke z.B. Hesse, Meier, Zeeh
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie).

Übersicht über charakteristische Schwingungen

Tabelle 1: Charakteristische Gruppenschwingungen

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

OH-, NH- und CH 3650 – 2800


OH – Valenzschwingung (Tabelle 2) 3650 - 3000 Meist breite Bande
NH – Valenzschwingung (Tabelle 3) 3500 - 3300 Meist breite Bande
2
CH - Valenzschwingung (sp ) (Tabelle 5) 3100 - 3010
3
CH - Valenzschwingung (sp ) (Tabelle 4) 2960 – 2850

Dreifachbindung u. kummulierte Doppelbindung 2300 - 1900


C≡C Valenzschwingung 2300 – 2100
C≡N Valenzschwingung 2250 Scharfe Bande
-N=C=O Cyanate, Valenzschwingung 2270
-N=C=S Thiocyanate, Valenzschwingung 2150
C=C=C Allene, Valenzschwingung 1950

Doppelbindungen Valenzschwingung 1850 – 1500


C=O – Valenzschwingung (Tabelle 7) 1850 – 1650 Intensive Bande
C=C – Valenzschwingung (Tabelle 6) 1600 – 1500
C=N – Valenzschwingung 1690 – 1630

Fingerprintbereich < 1500


Schwingungskopplungen führen zu einem Absorp-
tionsmuster, das für eine bestimmte Substanz
charakteristisch ist.
CH- Deformationsschwingungen in Alkanen (Tabelle 4) 1465 – 1355 Intensive Banden
CH – Out of plane Schwingungen bei Alkenen (Tabelle 5) 990 – 660
CH - Deformationsschwingung am Aromaten (Tabelle 6) 900 - 690

3
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

Schwingungen der OH-Gruppe

Tabelle 2: OH - Valenz- und Deformationsschwingungen

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

OH – Valenzschwingungen 3650 – 3000


Freie OH-Valenz (Gasphase, hoch verd. Lösungen) 3650 - 3520
Spezifische Einzelbrücken 3550 - 3450 Scharfe Bande
Höhere Assoziate 3400 – 3200 Breite Bande
Carbonsäure-Dimere um 3000 Extrem breite Bande

OH - Deformationsschwingungen 1420 – 650


In plane bending 1420 - 1330
Out of plane bending (Alkohole und Phenole) 770 - 650
Out of plane bending (Carbonsäure-Dimere) 920

Schwingungen der NH-Gruppe

Tabelle 3: NH - Valenz- und Deformationsschwingungen

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

NH - Valenzschwingungen 3500 – 3300


Primäre Amine 3500 Asymmetrische Schw.
3400 Symmetrische Schw.
Sekundäre Amine 3350 - 3310
Höhere Arylamine und heterocycl. N-H 3490 - 3450
Primäre Amide 3520 Asymmetrische Schw.
3400 Symmetrische Schw
Sekundäre Amide 3460 - 3400

NH - Deformationsschwingungen 1650 - 1500


Primäre Amine 1650 - 1580
Primäre Amide 1620 - 1590 Verd. Lösungen
Sekundäre Amide 1570 - 1510

4
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

CH-Schwingungen

Tabelle 4: CH - Valenz- und Deformationsschwingungen - Alkane

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

CH-Valenzschwingungen 2960 – 2850


CH3 (Alkane) 2962 u. 2872 je ± 10; νa > νs
CH2 (Alkane) 2926 u. 2852 je ± 10; νa > νs
CH (Alkane) 2890 meist nur schwach

CH – Deformationsschwingungen 1465 – 1355


CH3 (Alkane) 1450 u. 1375 νa > νs
CH2 (Alkane) 1465

Tabelle 5: CH - Valenz- und Deformationsschwingungen – Alkene, Alkine

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

CH-Valenzschwingungen 3300 – 3010


-CH=CH2 3040–3010 u.
3095 - 3075 Alle Banden sind
zumeist in Multipletts
R2C=CH2 3095 - 3075 aufgespalten
R2C=CHR 3040 – 3010
-CΞCH 3300 Scharf, wenig intensiv

CH - Deformationsschwingungen 990 – 660


RCH=CH2 990 u. 915
R2C=CH2 890
R-CH=CH-R´ Alkene (trans) 980 – 960
R-CH=CH-R´ Alkene (cis) 730 – 665
R2C=CHR 840 - 790

Tabelle 4: CH - Valenz- und Deformationsschwingungen – Aromaten

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

CH-Valenzschwingungen ~ 3030 Scharf, wenig intensiv

CH - Deformationsschwingungen 900 – 690


5 benachbarte H (Aromat) 770 – 690 zwei Banden (mono)
4 benachbarte H (Aromat) 770 – 735
3 benachbarte H (Aromat) 810 – 750 zwei Banden (meta)
2 benachbarte H (Aromat) 860 – 800
1 isoliertes H (Aromat) 900 - 860

5
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

C-C Schwingungen
Valenzschwingungen von C-C-Einfachbindungen liegen im Bereich von 1200 – 800 cm-1, sie
sind aber wenig intensiv und dienen daher nur als “fingerprint“ zur Identifizierung einer
spezifischen Substanz. C-C Deformationsschwingungen liegen < 500 cm-1 und liegen daher
außerhalb des Messbereiches.

Tabelle 6: C=C - Valenzschwingungen

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

C=C – Valenzschwingung bei Alkenen 1640 – 1680 wenig intensiv


RCH=CH2 ~ 1643
R2C=CH2 ~ 1653
R-CH=CH-R´ Alkene (trans) ~ 1673
R-CH=CH-R´ Alkene (cis) ~ 1657 ggf. Multiplettstruktur
R2C=CHR´ ~ 1670

C=C – Valenzschwingung bei Aromaten 1605 - 1440


Schwingungssystem mit vier Banden (zwei Hauptbanden 1605 – 1595 Hauptbande
und zwei Satteliten)
(1590 – 1575) Oft nur Schulter
~ 1500 Hauptbande
(1470 – 1440) Mittlere Intensität

Carbonylschwingungen
Je höher der Doppelbindungscharakter der Carbonyl-Bindung desto höher ist die Wellenzahl.
Daher verschieben elektronenziehende Substituenten Richtung höherer Wellenzahlen und
elektronenliefernde Substituenten Richtung niedriger Wellenzahlen. Basisterm ist
aliphatisches Keton mit ~ 1715 cm-1.

Tabelle 7: C=O - Valenzschwingungen

ν [cm ]
-1
Schwingung Bemerkung

C=O – Valenzschwingung RCX=O 1640 – 1680 Generell sehr intensiv


X = R´ (Keton) 1725 – 1705
-
X = O (Carboxylat) 1650 – 1550
X = NH2, NHR, NR2 (Amid) 1695 – 1650
X = H (Aldehyd) 1740 – 1720
X = OR´ (Ester) 1750 – 1735
X = OH (Carbonsäure) 1760 Monomer
X = Cl (Carbonsäurechlorid) 1815 – 1785
X = O-COR´ (Anhydrid) 1850 – 1800 Doppelbande
1790 - 1740

6
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

Beispielspektren

A)

B)

C)

7
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

D)

E)

F)

Summenformel: C6H12

8
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

G)

H)

I)

9
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

J)

K)

L)

10
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

3. Knobelaufgaben
a) Aus der Elementaranalyse ergibt sich eine Summenformel von C8H10. Um welche
Verbindung handelt es sich?

b) Ordnen Sie die beiden Spektren cis-2-Penten bzw. trans-2-Penten zu

11
Spektrenkurs IR-Spektroskopie organischer Moleküle

c) Um welche Verbindung mit der Summenformel C7H8O handelt es sich?

d) Sie haben Essigsäurechlorid mit Ethanol umgesetzt, hat sich das gewünschte Produkt
gebildet?

12

Das könnte Ihnen auch gefallen