Sie sind auf Seite 1von 16

1.

Zu den Begriffen Ökokritik und ökologischer Jugendroman

1.1. Die Ökokritik in den Kultur- und Literaturwissenschaften

1.1. Zum Ökokritik-Begriff nach William H. Rueckert

›› I am going to experiment with the application of ecology and ecological concepts to the study of
literature‚ because ecology (as a science‚ as a discipline‚ as the basis for a human vision) has the
greatest relevance to the present and future of the world we all live in […], I could say that I am going
to try to develop an ecological poetics by applying ecological concepts to the reading, teaching, and
writing about literature‹‹ (Rueckert 1978‚ 73) 1

Der Begriff Ecocriticism wurde zuerst 1978 von William Rueckert in seinem
vielzitierten Aufsatz „Literature and Ecology: An Experiment in Ecocriticism
“ verwendet wird, Ökokritik stellt seitdem ein stetig wachsendes, aber recht
divergentes kultur- und literaturwissenschaftliches Forschungsgebiet dar, als dessen
gemeinsamer Untersuchungsgegenstand die Thematisierung von Natur und das
Verhältnis zwischen Menschen und Natur bzw. Mensch und Umwelt auszumachen
ist2. Das von Rueckert formulierte sogenannte „erste Gesetz der Ökologie“- ›› that
everything is connected to everything else‹‹ ist bis heute der wichtigste Leitsatz der
Ökokritik. Sein ambitioniertes Ziel ist es, der Zerstörung der Biosphäre Einhalt zu
gebieten, indem das schöpferische Potenzial der Literatur erkannt wird. Literatur ist für
ihn eine Pflanze, die Energie beinhaltet und transferiert werden kann 3. Dieses Prinzip
der Literaturkritik geht also auch von einer möglichen Beherrschung der Natur durch
die Stärkung des Umweltbewusstseins aus. Angesichts dieser vermeintlichen
Sackgasse besteht der ökokritische Anspruch meiner Arbeit nicht darin, die Welt zu
verbessern, sondern einerseits auf die Zweckmäßigkeit der Beziehung des Menschen
zur Natur aufmerksam zu machen und andererseits zu zeigen, dass diese
Zweckmäßigkeit Brüche aufweist, die beweisen, dass der Mensch die Kontrolle über
die Natur niemals innehatte und auch niemals innehaben wird.

1
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2016) Ecocriticism. Grundlagen – Theorien – Interpretationen. J.B. Metzler Verlag
GmbH‚ Stuttgart‚ S.29.
2
 SOLLTE-GRESSER, Christiane ̸ SCHMIDT‚ Claudia (2013): Literatur und Ökologie. Neue literatur- und
kulturwissenschaftliche Perspektiven, Saarbrücken: Universität des Saarlandes, S. 2
3
EDL‚ Andrea‚ (27 März 2013) Vom Ursprung ökokritischen Denkens zu einem kosmopolitanen Ansatz der urbanen
Ökokritik‚ Peter Lang GmbH‚ internationaler Verlag der Wissenschaften‚ Frankfurt am Main‚ S.22
Seiner Ansicht nach gibt es in der Literaturwissenschaft einen sinnlosen Pluralismus
immer neu wieder konzipierter literarischer Theorien‚ deren einziges Ziel es sei‚ alte
Konzepte abzulösen. Für Rueckert ist der Ecocriticism daher eine Intervention in die
Literaturtheorie‚ da er dem ››principle of relevance‹‹ folge (Rueckert 1978‚ 73). 4 Mit
dem Kriterium der Relevanz begründen die ersten Vertreter des Ecocriticism die
notwendige Umstellung der Literaturwissenschaft - angesichts der Umweltkrise führen
ihrer Meinung nach "Theorien", die auf "close reading", die Selbstreferenz literarischer
Werke oder die Textualität der Kultur abzielen, zur politischen und kulturellen
Irrelevanz der Disziplin. Stattdessen ist die Ökologie als Disziplin und als Grundlage
für menschliche Visionen am relevantesten für die Gegenwart und Zukunft der Welt,
in der wir alle leben.5

Er versucht, eine Ökologie der Literatur oder eine ökologische Poetik zu entwickeln,
indem er ökologische Konzepte auf das Lesen, Lehren und Schreiben von Literatur
anwendet. Für Rueckert ist ein Text gespeicherte Energie und damit das verbale
Äquivalent zu fossilen Brennstoffen - nur dass die Literatur eine Form der
erneuerbaren Energie ist. Das Lesen, Lehren und kritische Diskutieren von Literatur
setzt gespeicherte Energie frei, die dann in die menschliche Gesellschaft fließen kann.

Allerdings hat er diesen Ansatz nicht weiterverfolgt‚ erst der Amerikanist Hubert Zapf
entwickelte ihn weiter (Zapf 2008; s 2.3.4). Rueckert widmet sich dagegen einer
anderen Ausrichtung‚ nämlich der Ermöglichung von Kreativität und Gemeinschaft
durch das Fließen der Energie von der Poesie zu den einzelnen Individuen (››creativity
and community‹‹).6

Die amerikanische und britische Betrachtungsweise lassen sich jedoch nur bedingt auf
den deutschsprachigen Raum übertragen. Hier findet (bisher) nur vereinzelt
wissenschaftliche Auseinandersetzung statt:

4
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2016) Ecocriticism. Grundlagen – Theorien – Interpretationen. J.B. Metzler Verlag
GmbH‚ Stuttgart‚ S.29.
5
GERSDORF‚ Catrin ̸ Mayer‚ Sylvia‚ (2005) Beiträge zu Ökologie und Literaturwissenschaft. Universitätsverlag
Winter‚ Heidelberg‚ S.31.
6
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2016) Ecocriticism. Grundlagen – Theorien – Interpretationen. J.B. Metzler Verlag
GmbH‚ Stuttgart‚ S.34.
„Trotz des internationalen Rufs von Deutschland als 'Ökoland' und der zentralen Stellung von Natur in
der deutschen Kulturtradition und Philosophie scheint ökologisches Denken dagegen bislang in der
deutschen Literaturwissenschaft vergleichsweise wenig Beachtung gefunden zu haben. In
Standardwerken zur Gegenwartsliteratur, die eine thematische Gliederung bieten, findet man zwar
Kapitel oder Abschnitte zur Literatur der Studentenbewegung, zur Literatur der Arbeitswelt und
ethnischer Minderheiten, zur DDR-Literatur und zur Frauenliteratur, nicht jedoch zur literarischen
Produktion im Umfeld der Ökologiebewegung.“7

Diese Bewertung der 1990er Jahre wird auch von Jonas Torsten Krüger (2001)
bestätigt8, der das Ende der literarischen Beschäftigung und das gleichzeitig
wachsende Interesse der deutschsprachigen Literaturwissenschaftler an der Ökologie
in den 1990er Jahren verortet Axel Goodbody erklärt die Gründe für die sporadische
Auseinandersetzung damit, dass "die Beschäftigung mit ökologischer Literatur" durch
politisierende Begriffe wie 'ökologischer Roman' und 'ökologische Lyrik' behindert
wurde, die eine plumpe und oberflächliche Agitation suggerieren und das Schreckbild
eines platten ökologischen Realismus heraufbeschwören.9

Rueckerts Ausführungen verdeutlichen ein grundsätzliches Problem der


literaturtheoretischen Rezeption ökologischer Begriffe: Zum einen beziehen sich diese
Definitionsversuche auf einen "bestimmten" historisch definierten Stand der
ökologischen Forschung, zum anderen handelt es sich um "sehr allgemeine Begriffe",
die normativ verwendet werden10.

1.1.2. Zu theoretisch-konzeptuellen Aspekten des Ecocriticism


7
GERSDORF‚ Catrin ̸ Mayer‚ Sylvia‚ (2005) Beiträge zu Ökologie und Literaturwissenschaft. Universitätsverlag
Winter‚ Heidelberg‚ S.12.
8
KRÜGER‚ Jonas Torsten‚ ( von 1945 bis 2000) Ökologische Texte in Prosa, Lyrik und Theater. Eine Grüne
Literaturgeschichte Marburg‚ S.228
9
GOODBODY, Axel‚ (1998) Literatur und Ökologie, Editions Radopi B.V. Deutsch Verlag‚ S.34.
10
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2016) Ecocriticism. Grundlagen – Theorien – Interpretationen. J.B. Metzler Verlag
GmbH‚ Stuttgart‚S.34.
1.1.2.1. Zum Verhältnis von Natur und Mensch

„Es genügt nicht‚ die Welt zu verändern. Das

tun wir ohnehin. Und Weitgehend geschieh

das sogar ohne unser zutun. Wir haben Diese

Veränderung auch zu interpretieren. Und

zwar‚ um diese zu verändern. Damit sich

die Welt nicht weiter ohne uns verändere.

Und nicht schließlich in eine Welt ohne uns. “ 11

Im Mittelpunkt dieser literarischen Analyse steht die Beziehung zwischen Mensch und
seine Umwelt. Es geht um die Frage‚ wo die Handlungsmöglichkeiten des Menschen
liegen von ihr gestalten lässt. Wie er seine Umwelt (bewusst oder unbewusst) gestaltet
oder sich von ihr gestalten lässt.

Vor dem Hintergrund der Industrialisierung und der gegenwärtigen Technologisierung


drängt sich eine Frage in unserer Gesellschaft immer mehr in den
Vordergrund‚ welche Auswirkungen hat das Verhalten des Menschen für die Natur?

Die wesentlichen Annahmen‚ Ideen und Methoden der Ökokritiker lassen sich wie
folgt zusammenfassen:

- Sie glauben‚ dass die menschliche Kultur mit der physischen Welt verbunden ist.

- Die Ökokritik geht davon aus‚ dass alle Lebensformen miteinander verbunden sind.

- Sie erweitert den Begriff der "Welt" auf die gesamte Ökosphäre.

-Darüber hinaus gibt es eine eindeutige Verbindung zwischen Natur und Kultur‚ wobei
die literarische Behandlung‚ Darstellung und "Thematisierung" von Land und Natur
das Handeln auf dem Land beeinflussen.

- nicht-menschliche Akteure als handlungsstragende Elemente.

11
GÜNTHER‚ Anders‚(2002) Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten
industriellen Revolution. München ‚ S.5.
- Joseph Meeker hat in einem frühen Werk‚ The Comedy of Survival: Studies in
Literary Ecology (1972)‚ den Begriff ‚literarische Ökologieʽ verwendet‚ um „die
Untersuchung biologischer Themen und Beziehungen‚ die in literarischen Werken
auftauchen“ zu bezeichnen. Sie ist gleichzeitig ein Versuch‚ herauszufinden‚ welche
Rolle die Literatur in der Ökologie der menschlichen Spezies gespielt hat? 12

Der ökokritische Naturbegriff geht insofern über ein naturwissenschaftliches


Verständnis hinaus‚ als dass besonders die Wechselwirkungen zwischen Natur und
Kultur hinterfragt werden und die Gegenüberstellung von Natur und Gesellschaft ist
eine Konstruktion des 19. Jahrhunderts‚ die dem Doppelzweck diente‚ die Natur zu
beherrschen und zu ignorieren‚ vielmehr erscheinen die unterschiedlichen Aspekte im
Ecocriticism wieder: Zum einen spielt die Zentrierung auf den Menschen hin eine
fundamentale Rolle‚ da sein Umgang mit der Umwelt und die Einwirkungen der
Umwelt auf ihn Ausgangspunkt und Gegenstand des Ecocriticism sind. Zum anderen
jedoch ist auch die Dezentrierung des Menschen eine Grundthese des
Ecocriticism‚ geht es ihm gerade um die Einbettung des Menschen in die Umwelt –
der Mensch ist wie jeder Organismus nur ein Element in einem komplexen › Netzwerk
‹ von Beziehungen. Schließlich stellt die Umakzentuierung des Gegenstandbereiches
einen wichtigen Wendepunkt im Ecocriticism dar: Während man in der Anfangsphase
einen emphatischen Begriff von › Natur ‹ fokussierte‚ nahm man später sowohl
historisch und kulturell bedingte Konstruktionen von › Natur ‹ als auch
Repräsentationen natürlicher‚ sozialer und technischer Umwelten in den Blick. 13

1.1.2.2. Zur dystopischen und eschatologischen Sprache:

In den 2000 er Jahren erschienen zahlreiche Jugenddystopien und wenig später begann
14
auch die Forschung mit diesem Phänomen zu befassen Die Ursprünge der
jugendliterarischen Dystopien dürfte im Zusammenhang mit dem problemorientierten
12
https://literariness.org/2016/11/27/ecocriticism/#:~:text=Ecocriticism%20is%20the%20study%20of,of%20the
%20contemporary%20environmental%20situation.com [Stand: 04.08.2021]
13
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2006) Ecocriticim Grundlagen – Theorien – Interpretationen. . J.B. Metzler Verlag
GmbH‚ Stuttgart‚ S.40.

14
BASU‚ Balaka ̸ BROAD‚ Katherine‚ u.a. (7-Mai-2013) Contemporary Dystopian Fiction for Young Adults‚ New
York‚ S.2.
Jugendroman in den 1970 er Jahren zu sehen sein. Seitdem haben verschiedene
Dystopien mit einem starken gesellschaftlichen Diskurs ihren in die Jugendliteratur
gefunden: angefangen bei der „Entindividualisierung“ in Michael Endes Momo und
über die Atomkraft in Gudrun Pausewangs Werke.15

Einige aktuelle Werke der ökologischen Jugendliteratur greifen brennende Fragen des
Umweltschutzes und des Klimawandels auf‚ also verschiedene Aspekte des
Klimawandels bis zur Atomenergie wurden und werden viele Themen dystopisch und
eschatologisch in der Literatur verarbeitet.

Insgesamt lässt sich feststellen‚ dass Themen des Umwelt und Klimaschutzes‚ welche
auch in unserer gesellschaftlichen Realität einen immer höheren Stellenwert
erlangen‚ eine sehr große Rolle in den untersuchten Werken spielen. Oftmals sind sie
ein konstituierendes Element für den Roman‚ beeinflussen also sehr stark die
dargestellte Welt oder die Handlung. 16

Dystopie handelt es sich im literaturwissenschaftlichen Sinn um eine fiktionale in der


Zukunft spielende Erzählung (schlechter Ort) und die Werke dieses Genres waren
immer stark verbunden mit gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen und
Phänomenen und dem Ruf nach Veränderungen in der Gesellschaft. Das sind
Geschichten zwischen Traum und Wirklichkeit mit weibliche Hauptfiguren‚ welche
schlussendlich‚ wie schon gesagt eine tatsächliche Veränderung schaffen. 17

Der zentrale Aspekt dieser Literatur sei der Hoffnung auf Veränderung zum Positiven
und die Verknüpfung dieser mit dem Prinzip Realität.

Das Erkenntnisprinzip der Sichtbarmachung lautet: Alles erscheint natürlich, was


sichtbar ist, doch das Sichtbare muss erst sichtbar gemacht werden. Und dieses
Sichtbarmachen kann nur im Rahmen einer ganz bestimmten Ordnung vollzogen
werden und die Produktion einer bestimmten Wirklichkeit ist immer auch eine
Verortung der Objekte. Die Verortung im Raum ist eine Basiskategorie jeglicher
Repräsentationssysteme, doch im Prozess der Ordnung und Verortung bildet sich eine

15
https://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/begriffe-und-termini/594-dystopie.com [07-15.2021].
16
https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/4526702/full.pdf.com [08-07-2021].
17
Duden: Dystopie. Online unter: URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Dystopie.com [08-10-2021].
spezifische Brille, durch deren Gläser die (geographische) Wirklichkeit angeschaut
und damit reproduziert wird. 18

1.1.2.3. Der Risiko-Gesellschaft-Begriff nach Ulrich Beck

Aus der Benennung von Becks Konzept geht bereits hervor, dass die Komponente des
Risikos einen zentralen Platz in dessen Gegenwartsdiagnose einnimmt. Tatsächlich
sieht Beck im Risiko das kennzeichnende Merkmal unserer heutigen Gesellschaft.
Unter dem Begriff ist folgendes zu verstehen: „Risiko bedeutet die Antizipation der
Katastrophe. Risiken handeln von der Möglichkeit künftiger Ereignisse und Entwicklungen, sie
vergegenwärtigen einen Weltzustand, den es (noch) nicht gibt. [...] Risiken sind immer zukünftige
Ereignisse, die uns bevorstehen, uns bedrohen. Aber da diese ständige Bedrohung unsere Erwartungen
bestimmt, unsere Köpfe besetzt und unser Handeln leitet, wird sie zu einer politischen Kraft, die die
Welt verändert.“ 19

„Ein Risiko ist also die Erwartung eines (negativen) Ereignisses in der Zukunft, das bereits unser
gegenwärtiges Handeln beeinflusst. An dieser Stelle muss man sich natürlich fragen, warum gerade
dieses Phänomen für die moderne Gesellschaft charakteristisch ist. Denn auch die Menschen früherer
Epochen kannten das Risiko als handlungsbestimmenden Faktor.“20

Mit anderen Worten: Ulrich Beck assoziiert mit dem Begriff Risiko die kulturell
variable Antizipation negativer Ereignisse in der Zukunft , die jedoch bereits das
gegenwärtige Agieren der Menschen in sehr hohem Maße lenken und manipulieren.
Allerdings steht erst das tatsächliche Eintreten eines derartigen Geschehens für eine
reale Katastrophe.

Der Bereich der Risikoanalyse ist nicht neu in der Atomdebatte. Als Ulrich Beck
wenige Wochen nach dem Unglück in Tschernobyl seine Arbeit über die
Risikogesellschaft im Jahre 1986 veröffentlichte, wurde sein Text wirklich
umgewertet, denn er schrieb theoretisch über eben solche Unfälle. Tschernobyl-Vorfall
ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür‚ wie eine Risikogesellschaft funktioniert. Das
Risiko der Atomkraft gehört zu Becks Konzept des Nichtwissens oder der Unfähigkeit
eine Ungewissheit einzuschätzen. Gewissenmaßen handelte die westdeutsche

18
https://www.diplomarbeiten24.de/document/286095 .com [24.05.2O21].
19
BECK‚ Ulrich‚ (19-03-2007) Risikogesellschaft: Auf der Such nach der verlorenen Sicherheit. Suhrkamp
Verlag‚ Frankfurt am Main‚ S.29.

20
BECK‚ Ulrich‚ (31-01-1986) Risikogesellschaft: Auf den Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp Verlag KG‚ Frankfurt
am Main‚ S.28.
Regierung nach Tschernobyl mit einem bestimmten Nicht-Wissen-Wollen, das zum
Bereich des Nichtwissens gehört (Beck, World at Risk 4).

Er hat die These eines reflexiven Modernisierungsprozesses im 20. Jahrhundert


entwickelt‚ mit dem die Folgeprobleme der technisch-ökonomischen Entwicklung in
den Mittelpunkt rücken . Nach Beck erhalten Risiken im 20. Jahrhundert eine neue
Qualität‚ sie ›› gefährden das Leben auf dieser Erde‚ und zwar in all seinen
Erscheinungsformen‹‹. Und auch Beck hebt hervor‚ dass in Risikogesellschaften ein
politisches Potential von Katastrophen entsteht. 21

Tschernobyl-Vorfall ist ein gutes Beispiel für das Funktionieren einer


Risikogesellschaft.

1.1.2.4. Katastrophismus und die Tschernobyl-Krise

„Ich schreibe lieber über andere Themen als über Katastrophen. Aber leider Gottes sind eben diese
Themen oft mit der Gefahr‚ die von Katastrophen ausgehen‚ verbunden.“ 22

Die Allgegenwart der apokalyptischen Rede und der um sie entbrannte Streit wären
unverständlich ohne die realen Gefahren, die das menschliche Leben heute und in
jeder vorstellbaren Zukunft bedrohen. Die Fähigkeit zur atomaren Selbstvernichtung,
das ungebremste Bevölkerungswachstum und die fortschreitende Zerstörung der
natürlichen Ressourcen sind dabei anders als der Kältetod, den das Gesetz der Entropie
für eine unabsehbare zeitliche Ferne in Aussicht stellt, konkret erfahrbare
Wirklichkeit: Tschernobyl, Bevölkerungsmigrationen in Richtung der nördlichen
Hemisphäre, sterbende Wälder und Gewässer sind prägende Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte. Die apokalyptischen Ängste der Gegenwart haben ihren Ursprung nicht
mehr in religiösen oder geschichtsphilosophischen Untergangs-und
Erneuerungsfantasmen, sondern im Prozeß der Zivilisation selbst. Der Untergang wird
im zwanzigsten Jahrhundert kaum mehr theologisch, sondern eher
geschichtsphilosophisch, kulturkritisch oder ökologisch bzw. vom atomaren Holocaust
her imaginiert. Indem sie die negative Verheißung des Untergangs im Ton einer
absoluten, göttlich vermittelten Gewißheit vortragen, haben die posttheologischen
21
https://www.jstor.org/stable/40878489.com [08.04.2021].

22
https://journals.openedition.org/allemagne/2266?lang=en .com [14.07.2021].
Diskurse gleichwohl an der theologischen Tradition der einen unbezweifelbaren,
absoluten Wahrheit teil.23

Während der Begriff des Risikos im Zentrum der Überlegungen zur Moderne und
ihren zeitgenössischen Formen (Postmoderne, reflexive Moderne usw.) stand -
insbesondere in den 1980er und 2000er Jahren in Europa aufgrund technologischer
(nuklearer) und ökologischer Risiken, aber auch vor dem Hintergrund der Entstehung
eines neuen Paradigmas: der "Risikogesellschaft" (U. Beck) - wurde der Begriff der
Katastrophe völlig vernachlässigt oder nur auf Einzelfälle angewandt‚ auch dieser
Begriff wurde einem neuen wissenschaftlichen Paradigma in der Jugendliteratur und
verweist nun nicht mehr nur auf Ereignisse‚ sondern auch auf Prozesse und schließlich
auf permanente Zustände.

Tschernobyl steht für den größten Unfall in der Geschichte der zivilen
Atomenergienutzung und sei das das wichtigste Ereignis des 20. Jahrhunderts‚ schreibt
die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexejewitsch in ihrem Buch Tschernobyl.
Eine Chronik der Zukunft Wichtiger als alles andere, als die Weltkriege und auch als
der Vernichtungsirrsinn des Totalitarismus? Tschernobyl ist in ihrer Logik nicht etwas,
das im April 1986 passierte und das die Menschheit glücklich überstanden hat, sodass
man in diesem Frühjahr ein paar gemütliche Gedenktage einlegen kann. Tschernobyl
hat gerade erst angefangen. Tschernobyl ist die Zukunft24.

Auch der Ecocriticism folgt des Öfteren einer apokalyptischen Rhetorik‚ zumal seine
Anfänge gerade in der Betroffenheit über die literaturwissenschaftliche Ignoranz
gegenüber der globalen Umweltkrise liegen. Glen Love führt in seinem wichtigen
Vortrag ››Revaluing nature: Toward an ecological criticism‹‹ ( 1990) die gesamte
Palette möglicher Katastrophen vor‚ wobei uns allen der Katalog aktueller und
potentieller Schrecknisse bekannt sei: die Drohungen eines nuklearen ››holocaust‹‹
inklusive radioaktiver Verseuchung‚ biologische und chemische
Kriegsführungen‚ Wachstum der Weltbevölkerung‚ globale Erwärmung‚ Zerstörung
der Ozonschicht‚ Schäden durch sauren Regen‚ Abholzen der

23
GERHARD‚ R. Kaiser‚ (01-Januar-1991) Poesie der Apokalypse Verlag- Koenigshausen-
Neumann‚ Wurtzburg‚ S.9.
24
https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/tschernobyl/223575/tschernobyl-ist-die-zukunft.com [02.07.2021].
Tropenwälder‚ Überfischung‚ Vergiftung der Ozeane oder Überschwemmung durch
Müll. Und dennoch: Noch angesichts der Bedrohungen unseres biologischen
Überlebens (››biological survival‹‹) machten wir alle weiter bisher – so auch die
Literaturwissenschaften‚ die in keinerlei Weise Fragen der Umwelt thematisierten.

Zukunftfiktionen‚ die das denkbar Schlimmste‚ die mögliche Auslöschung sämtlichen


Lebens auf der Erde imaginieren‚ haben mit dem Überschreiten der ›ökologischen
Epochenschwelle‹ um 1970 Konjunktur. Der amerikanische Biologe Paul Ehrlich
legte bereits 1986 sein Buch The Population Bomb vor‚ in dem er enorme
Hungersnöte aufgrund der exponentiell wachsenden Bevölkerung prognostizierte. In
seinem Artikel ››Eco-catastrophe!‹‹ (1969) entwickelt Ehrlich ein
Zukunftsszenario‚ in dem er beschreibt‚ Wie die Welt in zehn Jahren aussehen konnte‚
wenn die gegenwärtige Umweltzerstörung fortgesetzt würde. 25

1.2. Zum ökologischen Jugendroman

1.2.1. Entstehungsvoraussetzungen des Ökoromans

Wie keine andere Literaturform hat sich die Kinder- und Jugendliteratur intensiv mit
dem Thema Ökologie auseinandergesetzt und damit eine zentrale Rolle bei der
ästhetischen Umsetzung sozialer Innovationsprozesse eingenommen. Neu ist auch,
dass die Kinder und Jugendlichen von heute, Gleichzeitig hat das Thema der
menschlichen Natur und der Umwelt den Inhalt und die Poetik der KJL verändert, so
dass die traditionellen Grenzen von Geschlecht und Erzählung zu verschwimmen
beginnen.26

Auch deutsche Autoren widmen sich seit einigen Jahren vermehrt diesem Thema. Die
Atomkatastrophe tritt in der gängigen deutschsprachigen Literatur der letzten Jahre als
Hintergrundschauplatz für die eigentliche Handlung‚ als Ursache für eine größere
Katastrophe‚ oder auch als wichtiges Thema für die einzelne Charaktere in
Erscheinung. Obwohl das Land selbst keine Atombomben erlebt hatte‚ was das
Gefahrenbewusstsein wegen der geographischen Lage als "Front" des westlichen

25
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2006) Ecocriticim Grundlagen – Theorien – Interpretationen. . J.B. Metzler Verlag
GmbH‚ Stuttgart‚ S.179-180-177.
26
STOBBE‚ Urte ̸ Dürbeck‚ Gabriele (28-10-2015) Ecocriticism. Eine Einführung‚ Böhlau Verlag GmbH‚ Köln‚ S.39.
Lagers zum östlichen stets vorhanden. Was die „friedliche Nutzung der Kernenergie"
angeht‚ wurde die Zuversicht durch den Super-GAU von Tschernobyl (1986)
‚ infolgedessen Deutschland trotz einer Entfernung von 1400 Km von radioaktiver
Verseuchung betroffen wurde‚ stark erschüttert. In diesem Zusammenhang entstanden
27
zwei Werke‚ die die atomare Gefahr zum Zentralthema. Das sind die mittlerweile
weltbekannten Jugendromane "Die letzten Kinder von Schewenborn" (1983) und "Die
Wolke" (1987) von Gudrun Pausewang‚ die als Reflex auf die Katastrophe von
Tschernobyl entstanden.

Vorallem aber bestimmte seit dem 26.April.1986 die Reaktorkatastrophe in


Tschernobyl die öffentliche Diskussion. Dass auch hier nicht nur das Ereignis
selbst‚ sondern die Wahrnehmung von Ereignissen entscheidend ist‚ zeigt sich an
einem Unfall‚ der weit weniger Aufmerksamkeit erhielt‚ wird auch hier die
Auseinandersetzung mit dem Klimawandel zum Anlass für eine Neubestimmung des
Verhältnisses von Natur- und Kulturwissenschaften. Letztere sollten sich auf ihre
eigenen Kompetenzen besinnen und damit einen eigenständigen Beitrag leisten. Genau
hier setzt auch der Ecocriticism ein‚ der zum einen von den Literaturwissenschaften
ein ökologisch-politisches Bewusstsein einfordert‚ Zum anderen einen eigenständigen
Beitrag zur Debatte um ökologische Probleme leisten möchte. Das kann das Ereignis
als Warnung an die Zukunft begriffen werden.28

1.2.2. Ökologisches Bewusstseins vs. apokalyptisches Erzählen

„Nicht nur der Geschichtsunterricht kann zeitgeschichtliches Denken und Bewusstsein in Gang setzen,
beeinflussen und steuern; in besonderem Maße ist dazu die Literatur und vor allem die KJL in der
Lage. Sie vermag mit Hilfe anschaulich-erlebnishafter Darstellungen und durch ihre Identifikations-
angebote eine Vorstellung der Nazi-Zeit zu wecken, ein Hineinversetzen in die damalige Situation und
ihre Probleme erleichtern und eine emotionale wie kognitive Auseinandersetzung in Gang zu
setzen29.“

Das Thema Kernenergie in einer KJL, die in den 1980er Jahren begann, die
Umweltdebatte zu unterstützen. Einerseits war die Bedrohung durch Kernkraftwerke
27
https://literaturkritik.de/id/21859.com 14.08.2021.
28
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2006) Ecocriticim Grundlagen – Theorien – Interpretationen. J.B. Metzler Verlag GmbH‚ Stuttgart‚
S.21-22.
29
Günter‚ Lange‚(2000) Taschenbuch der Kinderliteratur. B1. Grundlangen - Gattungen. Hohengehren: Schneider-Verlag.
S‚485.
angesichts des Reaktorunfalls von Tschernobyl wörtlich genommen. Andererseits sind
die Gefahren 1980er Jahre, als der Kalte Krieg und das atomare Wettrüsten die
internationalen Beziehungen bestimmten. Die Möglichkeit einer Atomkatastrophe ist
nun buchstäblich im deutschen Bewusstsein angekommen, das Problem wird als
potenziell ‚deutsches erkannt und zugleich mit der Möglichkeit ziviler
Kernkraftunglücke verknüpft: „Die Katastrophe rückt räumlich wie zeitlich näher und
wird damit zu einer unmittelbaren Gefahr“ (Krah (2004), S. 332) 30

So gibt die Ökokritik der Literaturwissenschaft äußerst dynamische Impulse, die z.B.
das politische Selbstverständnis der Literatur- und Kulturwissenschaft betreffen, die
Frage nach der Wirkung von Literatur und dem Verhältnis von Diskurs und
Wirklichkeit aufwerfen oder Schemata wie den Natur-Kultur-Dualismus
problematisieren und auch ist eine politisch gerichtete Theorie‚ das den Vertretern
nicht nur um eine neue Lektüre von Texten geht‚ sondern um die Einleitung eines
kulturellen Wandels‚ Um ein Umdenken angesichts der Umweltkrise.31

Die Autoren der ökologischen Kinder- und Jugendliteratur muteten den jungen Lesern
zu sich mit schweren Konflikten zu befassen‚ die sich nicht in Gesprächen in der Welt
erfordern und gingen es um Botschaften um einen pädagogischen Mehrwert von
Literatur‚ aber auch um das Erinnern. Sie wollen die jungen Leser Werte vermitteln.
Politische Haltungen und die Mündigkeit des Menschen‚ beides spielt eine wichtige
Rolle in der Demokratie und der Gesellschaft und eine der zentralen Aufgaben von
Kinder- Jugendliteratur darin bestehe, ihren kindlichen und jugendlichen Lesern
Kenntnisse und Werte zu vermitteln.32

1.2.3. Zum magischen Realismus

Die ökologische Jugendromane verarbeiten aktuelle Probleme unserer Zeit‚ aber auch
allgemeine Schwierigkeiten‚ mit denen Jugendliche zu kämpfen werden sollen‚ und

30
Julia von Dall Armi‚ (2017) Poetik der Spaltung : Kernenergie in der deutschen Literatur 1906 - 2011‚ J.B.
Metzler‚ S.223.
31
BENJAMIN‚ Bühler‚ (2006) Ecocriticim Grundlagen – Theorien – Interpretationen. J.B. Metzler Verlag GmbH‚ Stuttgart‚
S.27.
32
https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/135134/kinder-und-jugendliteratur-im-kontext-politischer-
bildung.com [09.07.2021].
stellt durch das Ineinandergreifen der realistischen und fantastischen Ebene einen
hohen Anspruch an seine Jungen Leser. Hier knüpft das Prinzip der
Realitätskonstruktion an – Besonders in Jugendromanen ist die Konstruktion von
realitätsnahen Situationen‚ Personen und Darstellungen wichtig für die
Übertragbarkeit der Fiktion aus der Realität des Lesers.33

Der magische Realismus ist eine literarische Schule, die zu Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts entstanden ist. Er ist auch als phantastischer Realismus oder
wundersamer Realismus. Sie gilt als die lateinamerikanische Antwort auf die
europäische Fantasy-Literatur34.

Mit dem Ausdruck magischer Realismus ist ein Stil der Fiktion und des literarischen
Genres‚ der eine realistische Sicht auf die moderne Welt zeichnet und gleichzeitig
magische Elemente hinzufügt  Es wird manchmal Fabulismus genannt, in Bezug auf
die Konventionen von Fabeln, Mythen und Allegorien. „Magischer Realismus“,
vielleicht der häufigste Begriff, bezieht sich häufig insbesondere auf Fiktion und
Literatur, wobei Magie oder das Übernatürliche in einer ansonsten realen oder
weltlichen Umgebung präsentiert werden, wie sie häufig in Romanen und
dramatischen Aufführungen zu sehen ist. Es gilt als Subgenre der Fantasie. Dieser
Prozess widerspricht der fantastischen Literatur, die durch das problematische,
quälende und mehrdeutige Eindringen des Irrationalen in die Realität gekennzeichnet
ist.35

1.2.4. Die Dystopische Future-Fiction

33
https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/135134/kinder-und-jugendliteratur-im-kontext-politischer-
bildung.com [04.08.2021].
34
https://www.hisour.com/de/magical-realist-literature-7957/.com [07.09.2021].
35
https://www.hisour.com/de/magic-realism-arts-21418/.com [05.08.2021].
„Unsere Zukunft oder besser – die Zukunft unserer Kinder und Enckel sieht düster aus
[...]‚ wenn wir den literarischen Entwürfen dieser und der vergangenen Jahre folgen“ 36

Auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteraturforschung gibt es viele Trends, die
sich zu verschiedenen Zeiten abzeichnen. Sie treten zu unterschiedlichen Zeiten auf,
manchmal über einen längeren oder kürzeren Zeitraum oder immer wiederkehrend.
Future Fiction ist ein Trend‚ der sich in den letzten fünf bis zehn Jahren langsam
entwickelt‚ etabliert und erlebt derzeit einen großen Aufschwung.37

Im Moment‚ es ist interessant festzustellen‚ dass diese Art von Zukunftsfiktion


nichtvollständig ist‚ sich aber dennoch in mancher Hinsicht von der Science-Fiction
unterscheidet‚ die wissenschaftlich plausibel und rational vorhersehbar. Darüber
hinaus, Jugendromane sind nicht ausschließlich in die Kategorie der Zukunftsromane
einzuordnen. Science-Fiction, wie es einige Kinder- und
Jugendliteraturwissenschaftler bevorzugen. Im Gegenteil: Zukunftsromane basieren
auf vielen Elemente der Science-Fiction und der Phantastik zurück und stellt eine sehr
enge Verbindung zur Utopie her. Daraus folgt, dass diese Romane der Future Fiction
einem besonderen Phänomen unterliegen, der sogenannten „Gattungstransgression,
d.h. der Inklusion anderer Gattungsmerkmale, darunter alle Formen phantastischer
Literatur, also Phantastik und Fantasy, aber [auch] Sagen, Mythen und
Märchen“‚ sowie Elemente der Science Fiction. Dies wirft in Folge die Frage auf, was
Future Fiction nun ausmacht und welche Stoffe oder Motive dieses Genre
konstituieren. Denn die Future Fiction ist weder zu hundert Prozent phantastisch noch
beinhaltet und verkörpert sie wirklich alle Elemente und Motive der Science-Fiction
und der Utopie. Daraus resultiert die Dringlichkeit, die Future Fiction als neues Genre,
welches sich irgendwo im Raum zwischen phantastischer Literatur und Science-
Fiction ansiedelt und von beiden Genres in gewisser Weise geprägt wird, zu definieren
und zu verstehen.38
36
Amend - Söchting‚ Anne‚ Maren Bonacker u.a. (2010) : Die Welt wie wir sie kannten. Zukunftsentwürfe im Jugendroman.
In: Bulletin Jugendliteratur‚ S.8.
37
Bonacker‚ Maren (2010) : Eine unendliche Geschichte. Fantasy-Fiction sprengt Genregrenzen und Regale. In: Bulletin
Jugendliteratur‚ S.11.
38
Gabriele von Glasenapp‚ ( Vortrag im Rahmen der Tagung „Albtraum Zukunft. Politisierung von Jugend und
Jugendliteratur“ vom 1.-3. Juni 2012 in der Evangelischen Akademie Tutzing ) : Apokalypse Now! Future-Fiction-Romane
„Es werden Gesellschaftskonzeptionen entworfen, die zeitgenössische Entwicklungen
und Tendenzen erkennbar in eine nicht allzu ferne Zukunft prolongieren. Damit
warnen sie nicht nur vor dem Missbrauch von Wissenschaft und Technik und dessen
möglichen sozialen, ethischen und ökologischen Folgen, sondern vor allem auch vor
der Kontrolle des Individuums durch einen übermächtigen autoritären Staat und den
Gefahren ideologischer Propaganda39“

Dystopien und postapokalyptisches Romane sind wie Experimente‚ die das Gute und
das Böse des Menschen und das‚ was dazwischen liegt‚ in einer phantastisch-
chaotischen Welt präsentieren‚ die manchmal gar nicht so weit von unserem eigenen
Vorstellungsvermögen entfernt liegt‚ sie befassen sich mit Grundfragen des
menschlichen Daseins‚ sie setzen sich damit auseinander‚ welche möglichen Folgen
menschliches Handeln haben könnte und wie dies eine Gesellschaft beeinflusst und
umgekehrt.

Es handelt sich umfangreich ausgestaltete philosophische Gedankenexperimente‚ in


denen die Autorinnen und Autoren ihre Leserinnen und Lesern mit einer Situation
konfrontieren‚ die diese durchdenken sollen. Dadurch gewonnene Erkenntnisse sollte
sich dann im praktischen handeln anwenden lassen. Die literarische Werke dienen
somit der Reflexion‚ der Vorbildwirkung und der Warnung‚ die den Jugendlichen
Ungleichheit und Ausbeutung im realen Leben bewusstmachen kann.

„ Die ökologische Dystopie greift den ökologischen Diskurs auf‚ zeigt welche Folgen
atomare oder Umweltkatastrophen haben‚ benennt teilweise klar schuldige und spielt
in einer nahen Zukunft“40

Eine zerstörte Erde, ein repressives Regime, Überwachung und Selbstoptimierung,


drakonische Strafen. Jugendliche, die in diesem Umfeld ihren Platz und ihren Weg

und Dystopie für junge LeserInnen. https://www.uni-frankfurt.de/55285623/GlasenappBeitrag1.pdf.com [15.07.2021].

39
http://othes.univie.ac.at/35376/1/2014-12-15_0902545.pdf .com [16.10.2021].
40
7 BASU, Balaka, Katherine R. BROAD (2013) : Contemporary Dystopian Fiction for Young Adults. Brave New
Teenagers. New York und London: Routledge‚ S. 1.
suchen – und dabei mitunter zu Heldinnen und Helden werden. 41 Bei einer Dystopie
handelt es sich im literaturwissenschaftlichen Sinne um eine „fiktionale, in der
Zukunft spielende Erzählung o. Ä. mit negativem Ausgang“42

Die dystopische Literatur im Allgemeinen kann als eine der vielen Möglichkeiten
angesehen werden, wie soziale und politische Umstände und Probleme, aber auch
herrschende Systeme mit Hilfe apokalyptischer Weltanschauungen beschrieben und
vor allem kritisiert werden können. Sie konzentriert sich auf die Merkmale eines
sozialen Systems und einer politischen Situation, die negativ konnotiert und fehlerhaft
sind, um genau diese Fehler zu kritisieren. Obwohl die Dystopie in der Kinder- und
Jugendliteratur in vielerlei Hinsicht von der klassischen und allgemeinen Dystopie zu
unterscheiden ist, wird auch in diesem Genre der Kinder- und Jugendliteratur eine
gewisse Endzeitstimmung deutlich, die leider auch von vielen Kindern und
Jugendlichen heute erlebt wird. Kriege, ständige Modernisierung, technische und
virtuelle Überwachung nehmen überhand und eine gewisse apokalyptische Vorstellung
von der Zukunft lässt sich dadurch nicht leugnen.43

41
WEINKAUFF‚ Gina‚ Gabrielle von Glasenapp (2010) Kinder- und Jugendliteratur. Schönigh UtB Verlag. S‚34.
42
https://educalingo.com/de/dic-de/dystopie#:~:text=Eine%20Dystopie%20oder%20Anti- Utopie,zu
%20Thomas%20Morus'%20Utopia%20dar.com [21.08.2021].
43
ZEIßLER, Elena.(2008) Dunkle Welten. Die Dystopie auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. Marburg: Tectum
Verlag 2008‚ S. 15.

Das könnte Ihnen auch gefallen