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/ tl r a
Intensiv
Standort: O R/O ryan isation/M a terial/N RW
Inhaltsübersicht Kurseinheit
Grundrechte
A. Literaturdatei
B. Grundlegende Ubersichten:
1. Arten der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte 4
11. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. 6
111. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde- Einzelprobleme. 11
c. Ad. 12 1(;(;
1. Ubersichten:
1. Aufbau Art. 12 1 GG - Berufsfreiheit 26
2. Berufsfreiheit - Einzelprobleme. 29
3. Berufsfreiheit- 3-Stufentheorie 31
D. Ad.8GG
1. Ubersichten:
1. Aufbau Art. 8 1 GG - Versammlungsfreiheit. 52
2. Versammlungsfreiheit - Einzelprobleme. 55
11 Fall:"XYZ" 57
[Versattlmlungsß' eiheit/Eilversamm ]un g/Sü' aßenrech/Polizei]estigkeit]
E Ad. 5GG
1. Ubersichten:
1. Art. 5 GG - Grundstruktur 75
2. Aufbau Art. 5 1 1 1. Hs. GG - Meinungsfreiheit. 76
3. Meinungsfreiheit - Einzelprobleme. 78
4. Aufbau Art. 5 1 1 2. Hs. GG - Informationsfreiheit 81
5. Aufbau Art. 5 1 2 1. Fall GG - Presseßeiheit 82
6. Aufbau Art. 5 1 2 2. Fall GG Rundfunkfreiheit 83
7. Aufbau Art. 5 1 2 3. Fall GG - Filmfreiheit 84
8. "Allgemeines Gesetz" 85
9. AufbauArt. 5 13 1. Fall GG - Kunstfreiheit 86
10.Kunstfreiheit - Einzelprobleme. 88
l l .Aufbau Art. 5 1 3 2. Fall GG - Wissenschaftsfreiheit 89
11 Fall: "Pazifisten" 91
[Meinungsßeiheit/A[[getneine
Gesetze
i.S.d.Art. 5 11GG ]
F. AN.4GG
1. Ubersichten:
1. Aufbau Art. 4 1, ll GG - Glaubensfreiheit. 101
H Ad13GG
1. Ubersichten:
1. Aufbau Art. 13 1 GG - Unverletzlichkeit der Wohnung. 122
2. Unverletzlichkeit der Wohnung - Einzelprobleme. 126
J AÜ.IOGG
Übersicht: Aufbau Art. 10 1 GG - Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis 159
K. AN.3GG
1. Ubersichten:
1. Struktur der Gleichheitsgrundrechte. 162
2. Aufbau Art. 3 1 GG - Allgemeiner Gleichheitssatz. 163
3. An.3111GG 165
L. Art.lIGa
U bersichten:
1. Aufbau Art. 11 1 GG - Freizügigkeit. 173
2. Freizügigkeit- Einzelprobleme 176
M AÜ.9GG
Ubersichten:
1. AufbauArt. 9 1GG - l(oalitionsfreiheit 177
2. Aufbau Art. 9 111GG - Vereinigungsfreiheit. 179
3. Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit - Einzelprobleme. 182
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Literatur
l yerfassltngsbesch werde
1. Scherzberg, Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, JURA 2004, 373 (Teil 1) und
513 (Teil 2)
2. Scherzberg, Die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bei der Rüge von Freiheits-
verletzungen,JURA 2004, 663
Allgetneine Grundrechtslehren
1. Voßkuhle, Der Grundrechtseingrift JuS 2009, 3 13
2. Kielmansegg, Die Grundrechtsprüfiing, JuS 2008, 23
3. Fischinger, Der Grundrechtsverzicht, JuS 2007, 808
4. Seifert, ProblemkreisedesGrundrechtsverzichts,JURA 2007, 99
5. Pischel, Konkurrenz und Kollision von Grundrechten, JA 2006, 357
6. Gusy, Gesetzesvorbehalte im Grundgesetz, JA 2002, 610
7. Murswiek, Das Bundesverfassungsgerichtund die Dogmatik mittelbarer 8
Grundrechtseingrifbe,
NVWZ2003,1
8. Lege, Nochmals: Staatliche Warnungen, DVBL 1999, 569
9. Michael,Grundfällezur Verhältnismäßigkeit,
JuS2001, 866
10. Schoah,
GrundrechtsÜhigkeit juristischerPersonen,
JURA2001, 201
Allgetneine Handlungs.freiheit
1. Kahl, Grundfälle zu Art. 2 1GG, JuS 2008, 499, 595
2. Kahl,Grundfälle zu Art. 2 1 i.V.m. Art. 1 1GG, JuS 2008, 682
3. Lege, Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäßArt. 2 1GG, JURA 2002, 753
Gleichheitssatz
1. Schwarz,Grundfällezu Art. 3 GG, JuS. 2009.315
2. Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, 945
3. Scherzberg/Mayer, Die Prüfung des Gleichheitssatzes in der
Verfassungsbeschwerde,
JA 2004, 137
4. Welti, Rechtsgleichheitund Gleichstellung von Frauenund Männern JA 2004, 3 10
.x Religionsfreiheit
1. Neureither, Grundfälle zu Art. 4 1, 11 GG, JuS 2006, 1067; JuS 2007. 20
2. Tillmanns, Die Religionsfreiheit (Art. 4 1,ll GG), JURA 2004, 619
3. Engelken,Nach dem Kopßuchurteil des BVerfG, BayVBI 2004, 97
4. Sydow, Ausnahmegenehmigung fÜr das Schächten, JURA 2002, 614
5. Zur Problematik der Schranken des Art. 4 GG vgl. auch Schoah in: FS Hollerbach
2001, 149
Ärt.SGG
1.
1. Lepsius, Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Sonderrecht, JURA 20 10. 527
2. Schulze-Fielitz, Das Lüth-Urteil - nach 50 Jahren. JURA 2008. 52
3. Schoah, Das Grundrecht der In6ormationsÜeiheit, JURA 2008. 25
4. Epping, Das Grundrecht der Meinungsßeiheit (Art. 5 1 1 GG), JURA 2007, 881
5. Kobor, Grundfälle zu Art. 5 111GG, JuS 2006. 695
6. No1(e/sams, Grundfälle zu Art. 5 1 1 GG, JuS 2004. 1 1 1 ft: 199 ft
7. Nolte, Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit, JA 2002, 259
8. Obergfell, WissenschaRsßeiheitund Tierschutz , ZRP 200 1, 193
XIII. Versamtnlltngsfreilteit
Papier,Das Versammlungsrecht in der Rechtsprechungdes BVerfG, BayVBI. 2010
Vereinigungsfreiheit
+ Günther, Grtmdfälle zu Art. 9 GG, JuS 2006, 788, 873
Intensiv
3
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte; Literatur
Fernmeldegelteitnnis
'b Schoah, Der verfassungsrechtliche Schutz des Fernmeldegeheimnisses, JURA 201 1
194
XV]. Freizügigkeit
+ Schoch,Das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 GG), JURA 2005, 34
xvII. Berufs.freiheit
1. Nolte/Tams. Grundfälle zu Art. 12 1GG, JuS 2006, 31, 130, 218
2. Kluth. Das Grundrecht der Berufsfreiheit - Art. 12 1GG, JURA 2001, 371
3. Kimms, Das Grundrecht der Berußsfteiheit in der Fallbearbeitung, JuS 2001 664
Eigentum
1. Lege, Das EigentumsrechtausArt. 14 GG, JURA 201 1, 507; 826
2. Fehling, Durchblick: Grund und Grenzen des Eigentums- und Vermögensschutzes:
JuS2006.18
3. Berg, Entwicklung und Grundstrukturen der Eigentumsgarantie, JuS 2005, 96 1
4. Jochum/Durner, Grundfälle zu Art. 14 GG, JuS 2005, 220ff; 320ft; 412R.
5. Stangel, Die Enteigung, JA 2000, 574
6. Jarass,Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? NJW 2000, 284 1
,4rf. .26GG
+ Hu6eld, Art 16 GG: Ausbürgerung und Auslieferung im Kontext, JA 2007, 41
XXI. Ja/9GG
1. Krausnick. Grundfälle zu Art. 19 1und ll GG, JuS 2007, 991fr; 1088H.
2. Bickenbach,Grundfälle zu Art. 19 IV GG, JuS 2007, 813
A Freiheitsrechte
Die weitaus meisten GrLmdrechtesind Freiheitsrechte. Sie dienen dazu. den Freiheitsbereichdes einzelnen
Menschen vor EingriHen der staatlichenGewalt zu schützen.
Beispiele: Art. 2 1, ll 1, 2 GG, Art. 4 GG, Art. 5 1 1, 2. 111GG. Art. 8 1GG.
B Gleichheitsrechte
Die Gleichheitsrechte verbieten es, vergleichbare Personengruppen oder Sachverhalte ohne sachlichen Grund
ungleich zu behandeln.
Beispiele:Art. 3 1,ll 1, 111GG, Art. 33 1-111
GG.
=.
Verfahrensrechte(sog.Justizgnmdrechte)
Als Ausfluss des in Ait. 20 111GG normierten Rechtsstaatsprinzipsbeinhalten einige Grundrechte und
grundrechtsgleichen Rechte Garantien hinsichtlich des einzuhaltendel] gerichtlichen Verfahrens.
Beispiele: Art. 19 IV l GG, Art. 101 1 2 GG, Art. 103 1 GG.
Grundrechtsgleiche Rechte
Bei den grundrechLsgleichenRechten handelt es sich um VorschriRen, die zwar ebensostrukturiert sind wie die
Grundrechte,jedoch nicht im ersten Abschnitt des GG zu finden sind. Sie werden in Art. 93 1 Nr. 4a GG
aufgelistet und dort den Grundrechtengleichgestellt, indem unter Berufung auf diese Rechte die
Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann.
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Arten der Grun hen Rechte
\. Abwehrfunktion(status negativus)
Dies ist die klassische Funktion der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte. Sie sollen nach einer in der
Literatur verwendeten Standardformulierung Eingriße in Freiheit und Eigentum abwehren. Dem Einzelnen soll
ein Bereich verbleiben. in dem er frei von staatlicher Einflussnahme ist und sich selbst verwirklichen kann.
B Vornahmefunktion(status positivus)
Die Vomahmeftinktion der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte ist angesichts der Erkenntnis
entwickelt worden. dass der Einzelne seine Grundrechte häufig nicht ohne staatliches Handeln wahmehmen
kann. Auf eine Kurzformel gebrachtbedeutetdies, dasses nicht nur um die Freiheit vor dem Staat, sondern
auch um die Freiheit durch den Staatgeht.
In diesem Zusammenhanghaben sich einige Untergliederungen herausgebiIdet:
1. Schutzgewährfunktion
Nach dieser Funktion der Grundrechteund grundrechtsgleichenRechte muss der Staat vorbeugend
Schutzmaßnahmenergreifen, wenn es bei Grundrechtsverletzungen zu irreparablen Schäden kommen
kann.
Beispiele: Schutz des ungeborenen Lebens, Schutz vor den Gefahren der Atomenergie.
2. Teilhabefunktion
Bei der Teilhabeftinktion der Grundrechteund grundrechtsgleichenRechte geht es darum, staatliche
Leistungen chancengleich zu verteilen. Das bedeutetes muss fur jeden die gleiche Möglichkeit geben, in
den Genussdieser staatlichen Leistungen zu kommen.
Beispiele: Vergabe einer begrenztenAnzahl von Studienplätzen.
3. Leistungsfunktion
Diese Funktion erfasst die unmittelbar im GG verankerten Leistungsansprüchedes Bürgers gegen den
Staat. Sie windensich im GG nurvereinzelt, z.B. Art. 6 IV GG, Art. 19 IV l GG.
Es ist im Ubrigen bei der Herleitung von nicht ausdrücklich vorgesehenen Leistungsansprüchen im
Wege der Interpretation Vorsicht geboten. Denn die Begründung eines Anspruchs unter unmitte\barem
Rückgriff auf die Grundrechteist bereits wegender finanziellen Auswirkungen regelmäßigeine derart
wesentlicheAngelegenheit,
dass der Parlamentsgesetzgeber
sie selbst regeln muss (sog
Wesentlichkeitstheorie).
Dem widerspricht es, wenn Rechtsanwenderwie Gerichte und Behörden derartige Ansprüche
konstruieren.
Mitwirkungsfunktion(status activus)
Einige Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte gewährleisten dem Bürger die Teilhabe an der staatlichen
Willensbildung.
Beispiele:Art. 38 11GG.
+
[). Einrichtungsgarantien
Einige Grundrechte und grundrechtsgleichenRechte verbürgen nicht nur Recht des Einzelnen, sondern
gewährleistenauch objektive Einrichtungen. Dabei wird zwischen dem Schutz privater Einrichtungen (sog
Institutsgarantie, z.B. Art. 6 1GG, Art. 14 1 1 GG) sowie dem Schutz öffentlich-rechtlicher Einrichtungen (sog.
institutionelle Garantie,z.B. Art. 33 V GG) diHerenziert.
W
E. Objektive Wertordnung
Schließlich kommt den Grundrechten nach der Rechtsprechungdes BVerfG noch eine Ausstrahlungswirkung
zu, indem sie objektive Wertentscheidungen verkörpern. Das bedeutet, bei der Auslegung und Anwendung des
unterhalb des GG stehendensog. einfachen Rechts sind die Grundrechte zu beachten,insbesonderewenn eine
Norm unbestimmte Rechtsbegrine aufweist (sog. grundrechtskon6ormeAuslegung).
1. Zuständigkeit desBVerfG
Das BVerfG ist gem. Art. 93 1 Nr. 4a GG fÜr die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde
zuständig, wenn es um die Verletzung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts aus dem
GCI geht. Werden Verstöße gegen die in einer Landesverfassung nomlierten Grundrechte gerügt,
steht - sofern das Landesrecht dies vorsieht - nur der Weg zu den Landesverfassungsgerichten offen
BVerfG und Landesverßassungsgericht
können geh. $ 90 111BVerfGG grundsätzlichparallel
angerufen werden, es sei denn, eine landesrechtliche VorschriR schließt dies aus.
11. Grundrechts-/Beschwerde-/Beteiligtenßähigkeit
Def: Beschwerdefähig ist gem. Art. 93 1 Nr. 4a GG 'jedermann", d.h. jede natürliche oder juristische
Person, die Träger von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten sein kann
(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 1255).
Zum Aufbau: Vereinzelt wird die Grundrechtsfähigkeit abstrakt, also unabhängig von dem
konkret einschlägigen Grundrecht bestimmt (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn.
1255). Demgegenüber nimmt die überwiegende Ansicht an dieser Stelle bereits
die konkret betroffenen Grundrechte in den Blick, weil dem PrüfÜngspLmktsonst
kaum Bedeutung zukommt (vgl. Scherzberg, Jura 2004, 373 [375]).
Da es sich um eine Aufbauftage handelt, wird diese nicht diskutiert. Unten
Zugrundelegung der abstrakten Betrachtungsweise sind die nachfolgenden
Ausfuhrungen im Rahmen der Beschwerdebefügnis vorzunehmen.
1. Natürliche Personen
Die GrLmdrechtsfähigkeitnatürlicher Personen beginnt prinzipiell mit der Geburt und endet mit
dem Tod.
Fraglich ist, ob und inwieweit fÜr den naciturus sowie für Verstorbene Ausnahmen von diesem
Grundsatz anzuerkennen sind, vgl. dazu
a) Deutsche
b) Ausländer
Ausländer können sich auf alle Grundrechte berufen. deren Schutzbereich nicht auf
Deutsche beschränkt ist, z.B. Art. 2 1, ll GG (sog. Jedermannsrechte). Die sog.
Deutschenrechte bzw. Bürgerrechte (z.B. Art. 8 1 GG) können sie hingegen grundsätzl ich
nichtrügen.
Fraglich ist, ob sich ein Ausländer im Bereich eines Deutschenrechtsauf den subsidiär
anwendbaren Art. 2 1 GG beruhen kann, vgl. dazu
Ferner ist die Anwendung der Deutschenrechte auf Unionsbilrger umstritten, vgl. dazu
2. Juristische Personen
6
./ u r a
Intensiv
Standort: ÖR / Grundrechte / Zulässjgk
Der BegrifFderjuristischen Person gem. Art. 19 111GG ist nicht identisch mit demjenigen
des einfachen Rechts, da es sonst der einfache Gesetzgeberin der Hand hätte, einen
verfassungsrechtlichen Begriff zu definieren. Zudem tritt bei juristisch weniger
verselbständigtenVereinigungen wie der GbR der Mensch als das eigentliche
Schutzobjekt des GG stärker in den Vordergrund als z.B. bei einer Gmbh (Tonikidis, Jura
2012,517[517f.]).
Def: Inländischist eine juristische Personnach Art. 19 111
GG. wenn sich ihr tatsächliches
Aktionszentrum im Inland befindet. Auf den satzungsmäßigen Sitz der Hauptverwaltung
kommt es a]so nicht an (Tonikidis. Jura 2012, 517 [519.]).
Die Begrenzung auf inländische juristische Personenfindet ihren Grund in dem Umstand,
dass die Behandlung ausländischerjuristischer Personenin Deutschland mit Blick auf die
Behandlung deutscher juristischer Personen im Ausland im Wege völkerrechtlicher
Vereinbarungen ausgehandelt werden sollte.
Auf Deutschenrechte können sich nur juristische Personen beruhen, die nicht von
Ausländern beherrscht werden. Anderenfalls könnte sich ein Zusammenschlussvon
Ausländern auf das betreuende Deutschenrecht stützen, während diese Möglichkeit dem
einzelnenAusländernicht eröffnet ist (BVerfG, NVWZ 2000, 1281 [1282]; a.A
Tonikidis, Jura 201 2, 51715 19]).
Def; Seinem Wesen nach anwendbar ist ein Grundrecht auf eine juristische Person. wenn
es nicht an die nattlrlichen Qualitäten des Menschen anknüpft (Kingreen/Poscher,
Grundrechte, Rn. 172f.).
Fraglich ist, ob es darüber hinaus noch aufein sog. personales Substrat ankommt, vgl. :>
dazu
Weiterhin ist problematisch, ob die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische :>
Für ausländische juristische Personen gelten wegen Art. 19 111 GG die meisten
Grundrechte nicht. Sie können sich wegen des umfassenden Rechtsstaatsprinzips aber auf
die sog. Justizgrundrechte aus Art. 19 ]V ], ]O1 1, ]03 1 GG beruhen (Jarass/Pieroth, GG,
Art. 19, Rn. 21).
Bei ausländischen
juristischen Personenm t Sitz in der EuropäischenUnion stellt sich
auch das von den Einzelpersonen bekannte ]ii]].
lll Prozessfähigkeil/Grundrechtsmündigkeit
Def: Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestimmten Vertreter vorzunehmen
(Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 1256).
Keine Regelung im BVerfGG, daher ist darauf abzustellen, ob der BeschwerdeNhrer reif genug ist,
in dem von dem jeweiligen Grundrecht geschützten Bereich eigenverantwortlich zu handeln. Bei
Fehlender Prozessfähigkeit handelt der gesetzl ichs Vertreter.
lv. Beschwerdegegenstand
Beschwerdegegenstand
ist gem.Art. 93 1Nr. 4a GG ein Akt der ÖHentlichenGewalt.
Def: Ein Akt der öffentlichen Gewalt ist jedes Verhalten der Legislative, Exekutive und Judikative, vgl.
$$ 93 1, 111,
95 11.111BVerfGG (Kingreen/Poscher.Grundrechte, Rn. 1258f.).
Erfasst werden nur Akte der deutschenöffentlichen Gewalt, denn nur diese sind an die Grundrechte
gebunden. Maßnahmen intemationaler Organisationen sind demnach nicht beschwerdefähig, wobei
dies mit Blick auf das Verhältnisdes deutschenRechtszum GemeinschaRsrecht
nicht immer
unproblematisch ist (Stichwort "Solange-Rechtsprechung", Näheresdazu im Europarecht).
Die Grundrechtsbindung der Exekutive und damit das Vorliegen eines tauglichen
Beschwerdegegenstandes
ist fraglich, wenn die Verwaltung mittels des Privatrechtshandelt
oder sich privater Rechtssubjektebedient (z.B. Stadtwerke-Gmbh). Einhellig bejaht wird sie,
wenn auf diesem Weg unmittelbar öffentliche Aufgaben erfullt werden (sog
Verwaltungsprivatrecht).Denn der Staat soll sich durch die Privatisierung seines Handelns
nicht der Grundrechtsbindungentziehen können ("keine Flucht ins Privatrecht"). Fernergeht
die h.M. auch dann von einer Grundrechtsbindung aus, wenn es sich zwar um eine juristische
Person des Privatrechts handelt, diese aber vom Staat beherrscht wird. Eine solche
Beherrschungliegt i.d.R. vor, wenn der Staat mehr als 50% der Gesellschaftsanteile
hält. Zur
Begründurlg kann auf Art. 1 111 GG verwiesen werden. dem eine umfassende
Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt in jeglicher Erscheintmgs6ormzu entnehmen ist
Ferner besteht sonst die Gefahr, dass sich der Staat durch privatrechtliche Handlungs6ormen
oder -organisationen seiner prinzipiellen Grundrechtsbindung entzieht (BVerfG,
Urt.v.22.2.201 1, 1 BvR 699/06, Rn. 45-60, RA 201 1, 169f:F)
Zu dem Sonderfall der Gnadenentscheidungen vgl. :;M
2. Akte der Judikative
Notwendig ist grundsätzlich, dass die streitgegenständliche Norm schon verkündet wurde
Etwas anderes gilt jedoch ausnahmsweise fÜr Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen
Verträgen gem. Art. 59 ll l GG. Sie können und müssen nach Abschluss des
parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens, aber vor ihrer Verkündung durch den
Bundespräsidenten angegriHën werden. Bei einer nachträglichen Normenkontrolle besteht
nämlich die Gefahr, dass der völkerrechtliche Verlag zwischenzeitlich verbindlich
geschlossen
wird. Die darausresultierende
Bindungswirkung
wird aber durcheine
nachträglicheAufhebungdes deutschenZustimmungsgesetzes
durch das BVerfG nicht
tangiert(Scherzberg,
Jura2004,373 [378]).
V. Beschwerdebefugnis
© ./rrra Intensiv (00020.EK.OeR NRW GrundR Zulaessigkeit VerEassungsberwschw Grob) Seite 3 von 5
8
Standort: OR / Grundrechte / ?114
1. Selbstbetronenheit
2. Gegenwärtige Betroffenheit
Def: Der Beschwerdeftlhrer muss schon oder noch betroffen sein (Kingreen/Poscher.
Grundrechte, Rn. 1276).
Es genügt demnach nicht, wenn der Beschwerdefuhrerirgendwann einmal in der ZukunR von
dem angegrinenenAkt der öffentlichen Gewalt betroffen sein könnte (sog. virtuelle
Betroffenheit). Allerdings ist es ausreichend, wenn der Hoheitsakt ihn zwar zurzeit noch nicht
direkt belastet,jedoch mit Blick auf die ZukunR Dispositionengetronen werdenmüssen,die
später nlcllt
später nicht menü
mehr Korrlgieit
korrigiert werden können, z:.l.i.
wclucll ltullllcli, z.B. f'Lulvau
Aufbau q'neve
einer 1
Altersvorsorge
1vtalrvB'PvaÖ-wegen
''-ÖW--
gesetzllcn
gesetzlich vorveriegten
vorverlegten KeiiLeii uiuius \r
Renteneintritts (Kingreen/Poscher, Grundrechte,.-\'''
iitë;tt; 11/1 v=bllvl, \..nullulu-'lüt-') Rn. 1276)
'-'v/.
Vergangene Beeinträchtigungenbegründen eine gegenwärtige BetroHenheit, wenn eine
Wiederholung des angegriHenen Hoheitsaktes zu befürchten ist, der gerügte
Grundrechtseingriff besonders schwerwiegend ist und es um die Klärung einer
verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, die beeinträchtigende
Wirkung des hoheitlichenVerhaltensnoch andauertoder die Beeinträchtigung
des
Beschwerdeführers so kurzzeitig ist, dass er eine Entscheidung des BVerfG nicht rechtzeitig
erlangen kann (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 1277).
Zum Aufbau: Das BVerfG ist mir der Annahme einer gegenwärtigen BetroHenheit großzügig
(Kingreen/Poscher,
Grundrechte,
Rn. 1277).
Die vergangenen Beeinträchtigungen können auch im Rahmen des
Rechtsschutzbedürfnissesdargestellt werden (vgl. Scherzberg, Jura 2004, 5 13
3. Unmittelbare BetroHenheit
Def: Unmittelbar ist der Beschwerdeführerbetroffen, wenn kein weiterer Vollzugsakt zur
Umsetzung der angegriffenen hoheitlichen Maßnahme notwendig ist (Kingreen/Poscher.
Grundrechte, Rn. 1279)
Das Er6ordemis der unmittelbaren Betroffenheit gilt nicht fÜr Straw- und
Bußgeldbestimmungen, da dem Beschwerdefuhrer hier eine Durchfuhrung des Straw-oder
BußgeldverEahrens
nicht zuzumutenist (Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 1279). Femer
kann er sich unmittelbar gegen ein Gesetz wehren, wenn der konkretisierende Einzelakt (z.B.
Telefonüberwachung) mangels Kenntnis nicht angegriHen werden kann (BVerfGE 109, 279
[306f.])
Soweit das genügtehoheitliche Verhalten in einem Unterlassen besteht,setzt die Beschwerdebehgnis
die substanziierte Darlegung einer Handlungspflicht voraus, die gegenüber dem Beschwerdefuhrer
besteht
sie
Zu beachten ist, dass im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung von Grundrechten
und grundrechtsgleichen Rechten gerügt werden kann. Folglich ist eine Berufung aufdie Verletzung
des einfachen Rechts unzulässig. DessenUberprüfting obliegt den Fachgerichtenwie z.B. dem BGH.
Das BVerfG ist also keine sog. "Superrevisionsinstanz". Bei ihm kann nur die Verletzung
spezifischen Verfassungsrechtsgerügt werden, d.h. dass der angegrißene Akt der öffentlichen
Gewalt ein Grundrecht übersehen oder falsch angewendet hat (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn
1304-1320)
Gem. $ 90 ll l BVerfGG kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtsweges
erhoben werden
Form und Frist sind in $$ 23 1 1, 92, 93 1, 111 BVerfGG geregelt. Die Jahresßist des $ 93 111
BVerfGG beginnt mit dem Inkrafheten des Gesetzeszu laufen, bei rückwirkenden Gesetzenmit
deren Verkündung (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 1296).
10
Intensiv
Standort:
Kann sich ein Ausländer im Bereich eines Deutschenrechtsauf den subsidiär anwendbaren Art 2 1 GG
berufen?
Setzt die wesensmäßigeAnwendung eines Grundrechts auf eine inländischejuristische Person gem.
Art. 19 111GG ein personalen Substrat voraus?
Sind die Grundrechte aufjuristische Personen des öffentlichen Rechts sowie aufjuristische Personen des
Privatrechts mit staatlicher Beteiligung anwendbar?
Juristische Personendes öffentlichen Rechts können nach h.M. keine Grundrechte geltend machen. Denn zum
einen können sie nicht zugleich Berechtigte und Verpflichtete der Grundrechte sein (sog. Konftisionsargument).
Zum anderenhandeln sie aufgrund von Kompetenzen und nicht in Ausübung menschlicher Freiheit. Ihnen fehlt
das personale Substrat bzw. die grundrechtstypische Gefährdungslage. Das gilt auch, wenn sich die .juristische
Person des ÖHentlichen Rechts privatrechtlicher HandlungsGormen bedient oder im konkreten Einzelfall keine
öüentlichen Aufgaben erfullt, sondern z.B. fiskalische HilßsgeschäRetätigt (Guckelberger, Jura 2008, 819
[820-822];Tonikidis,Jura2012,5171522]). ' ' ' '
Eine Ausnahme besteht einerseits wegen des umfassenden Rechtsstaatsprinzipsfur die Justizgrundrechte aus
Art. 101 1 2, 103 1 GG. Sie können auch von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gerügt werden. Str.
ist dies hingegen bzgl. Art. 19 IV l GG, der zwar hinter Art. 19 111GG steht, was daür spricht, dass die
einschränkenden
Anforderungendes Art. 19 111GG nicht gelten. Andererseitsspricht die Stellung des
Art. 19 IV GG im Abschnitt "Grundrechte" dafür, dass Art. 19 111GG - wie bei allen anderen Grundrechten
zu beachten ist (Guckelberger, Jura 2008, 8 19 [822f.]; Tonikidis, Jura 2012, 5 17 [52] ])
Weiterhin sichem einige Grundrechte die Autonomie bestimmter öffentlich-rechtlicher Einrichtungen
gegenüber dem Staat, so dass diese Einrichtungen insoweit auch grundrechtsfähig sind. Das ist anerkannt fur
Rundfunkanstalten mit Blick auf Art. 5 1 2 2. Fall GG, fur Universitäten und ihre Fakultäten bezüglich
Art.5 1111 2. Fall GG sowie fÜr die nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 V WRV öffentlich-rechtlich
organisierten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaf:len. Letztere sind umfassend grundrechtsberechtigt,
weil sie nicht in die Staatsverwaltung
eingegliedertsind, also keiner staatlichenAußicht unterstehen,vgl'
An. 4 GG Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 111WRV (Guckelberger, Jura 2008, 819 [821]; Tonikidis, Jura 2012,
Juristische Personen des Privatrechts mit staatlicher Beteiligung sind nach h.M. ebenfalls nicht
grundrechtsfähig,
wenn der Staateinenbeherrschenden
Einfluss hat, d.h. i.d.R. mehr als 50% der
GesellschaRsanteile
hält. Aus Art. 1 111GG folge eine umfassende
Grundrechtsbindung
der staatl.Gewalt in
jeglicher Erscheinungsform, so dass der Staat nicht zugleich grundrechtsberechtigt sein kann (BVerfG, Urteil
vorn 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Rn. 45-60, RA 201 1, 169 f:E; Tonikidis, Jura 2012, 5171523[])
Nach überwiegender Ansicht soll es sich bei Gnadenentscheidungen um rechtlich nicht überprüfbare
Entscheidungen handeln es gelte der Grundsatz "Gnade vor Recht" (BVerfGE 25, 35 [358n]); 30, 108
[1 10]).
O./lira Intensiv (00030.EK OeR NRW GrundR Zulaessigkeit Verlässungsberwschw Einzel) Seite2 von 2
12
J u r a
Intensiv
Standort: OR/ Grund!
Zulässigkeitder Landesverfassungsbeschwerde,
Art 75 Nr. 5a Verf NRW, $$ 12Nr. 9, 53 n. VGHG NRW
Der VerfGH ist gem. Art. 75 Nr. 5a Verf NRW zuständigfur Verfassungsbeschwerden,
die sich
gegen einen Hoheitsakt des Landes richten und auf Rechte aus der VerfNRW gestützt werden.
11. Grundrechts-/Beschwerde-/Beteiligtenfähigkeit
Dieser PrüfiJngspunkt ist inhaltlich identisch mit demjenigen bei der BundesverFassungsbeschwerde.
111. Prozessfähigkeit/Grundrechtsmündigkeit
IV. Beschwerdegegenstand
Beschwerdegegenstand
ist gem. $ 53 1 VGHG NRW die öffentliche Gewalt des Landes,also jeder
Akt der Legislative, Exekutive und Judikative. Kein tauglicher Beschwerdegegenstandsind folglich
bundesrechtliche Normen und Akte von Bundesorganen, wozu insbesondere auch Entscheidungen
von Bundesgerichten zählen. Gleiches gilt fur die Entscheidung eines Gerichts des Landes, soweit
diese nach einer Zurückweisung unter Bindung an die Maßstäbe des Bundesgerichts ergangen ist. In
diesen Fällen beruht die behaupteteRechtsverletzung des Betrogenen nicht auf der Ausübung der
ÖHentlichenGewalt des Landes, sondem des Bundes (LT-Drs. 17/2122, S.25; Mayen,
NWVB[. 2019,265 [267]).
Der 2. Halbsatzdes $ 53 1 VGHG NRW verdeutlicht,dassdie Landesverfassungsbeschwerdenur
gegenüber einer tatsächlich eingelegten Bundesverfassungsbeschwerde subsidiär ist, um
Ëli=:=.=.ill=='
:.:===:".''il='im: .lëmGI':;:T; =;;;:;ü=h"l;:'' :il
erheben.schließt die Landesverfassungsbeschwerde
somit nicht aus, so dass der Betroffene
grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen Bundes- und LandesverCassungsbeschwerde hat (LT-
Drs. 17/2122,S.25f.).
$ 53 ll 11.. Hs. VGH(i NRW schränlü
VGHG NRW schränkt öen
den xnwenaungsoereicn
Anwendungsbereich aer der Laiiuusvcl tassuiiböwö'''wu-uu
Landesverfassungsbeschwerde
ein, weil die UberprüfÜng
eln, Uberprurung von nonellsaKlen
Hoheitsakten aes
des Laiiucs,
Landes, uiu
die auf Dulluu
Bundesrecht
l v--' 'N-u--v--,
beruhen, --n-uv--'
inzident uw
zu
einer unzulässigen Kontrolle des höherrangigen Bundesrechtsam Maßstab der nachrangigen Verf
NRW fuhrt. Dabei sind mit "ausführt" i.S.v. $ 53 ll VGHG NRW Akte der Verwaltungund mit
anwendet"Akte der Rechtsprechung gemeint(LT-Drs. 17/2122, S.25; Mayen,NWVBI. 2019, 265
l WWT$$:#; ;gB$$11:Ü11'#ËëÜ111ËËEI«äl
zugrunde, wonach es sich bei derartigen Rechtsverstößenum Hoheitsakte der Landesstaatsgewalt
15.10.1997,2 BvN 1/95, juris Rn. 61). Konkret bedeutetdies, dass der Beschwerdefuhrer
die
Verletzungseiner
verletzung seiner JUSLIZgrUllUIEClILC
Justizgrundrechte (z.B. l\Recht
\z-D. auf den
111 auf gesetzlichen
u\'ll 6u v llvllvl Richter) w=''''
auv--'--/ durch w---
ein
Landesgericht geltend machen darf und der Verfassungsgerichtshof deshalb die Entscheidung des
1:::::E::::::;:===='=:;':1=''
Drs. 17/2122, S.25).
==."=;:";=Ë=:'i=='
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V. Beschwerdebefugnis
W
Intensiv
Standort:
!beschwerde
O./z/pa Intensiv (0003 1 EK OeR NRW GrLmdR.Zulaessigkeit Landesverfässungsberwschw Grob) Seite 2 von 2
14
J u r a
Intensiv
Standort: ÖR/
A. Prüfungsmaßstab
und Durchsetzung grundgesetzlich garantierter individueller Rechtspositionen ist und in gleicher Weise ein
spezifisches Rechtsschutzmittel des oUektiven Verfassungsrechts darstellt (BVerfGE 45, 63 [74];
Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 1298-1303).
B. Eingriff in denSchutzbereichdesGrundrechts
[. Persone]]erSchutzbereich
11. SachlicherSchutzbereich
2. Geschütztes Verhalten
11 Schranken-Schranken
Die dargelegten Schranken erlauben dem Gesetzgeber,in die Grundrechte einzugreifen, dem
Grundrechtsgebrauchalso Schranken zu setzen.Um eine Aushöhlung der Grundrechte zu verhindem,
kann dies nicht zügellos geschehen, sondem der Gesetzgeber muss bei seinem
grundrechtsbeeinträchtigenden
Wirken selbst gewissenSchrankenunterliegen.Das sind die sog.
Schranken-Schranken.
Die Verfassungsmäßigkeit
des materiellenGesetzes
wird vom Ablauf genausogeprüRwie
didenige des formellen Gesetzes. Zu beachten ist, dass das BVerfG nur Verfassungsrecht und
kein einfachesRechtprüft. Erörtert werdenkannalso z.B. Art. 80 1 1. 3 GG. nicht aber
beispielsweise im Rahmen der Kontrolle eines Bebauungsplanseine VerfährensvorschriR aus
dem BauGB.
3
Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts
16
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Freiheitsrechte
Ubersicht Freiheitsrecht(Teil l)
21GGI.V.m.l 21GG
Artikel lIGG IGG
2111 GG
Schutzbereich Defa Leitidee ist die allgemeine Leben ist kör- geschützt ist allein
die Menschen- freie Selbst- Handlungsfreiheit perliches Dasein die körperliche
würde ist ver- bestimmung der Körperliche Un- Fortbewegungs-
letzt, wenn der Persönlichkeit versehrtheit um- freiheit
Mensch bloßes + im Hinblick fasst die physi-
Objekt staat- auf modeme sche Gesundheit
lichen Handelns Entwicklungen
ist und dadurch ist der Schutz-
seine Subjekts- bereich nicht
qualität prinzi- abschließend
piell in Frage bestimmbar. zur
gestellt wird Konkretisierung
sind jedoch ver-
schiedene Fall-
gruppen ent-
wickelt worden
verfassungs-
unmittelbar
verfassungs-
immanent
Verhältnis- (-) Fallgruppen i.d.R. reichen ver- strenge Prüfung strenge Prüfling
mäßigkeit nünRige Erwä-
gungen des All-
gemeinwohls zur
Rechtfertigung
aus
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Freiheitsrechte
Übersicht Freiheitsrecht(Teil 2)
Schutzbereich Glaube ist jede Gewissensentsc Recht in Kriegs- Meinung ist Quelle kann jeder
Überzeugung, heidung istjedc und Friedens- jedes Werturteil, Informationsträger
die der Einzelne cmste. sittliche zeiten aus Gewis- .jede Ansicht, sein, unabhängig
von der Stellung an den Katego- sensgründen den jede Anschau- davon. ob er
des Men schen rien von "Gut Dienst mit der ung, die durch Meinungen, Tat-
in der Welt und und "Böse Waffe zu ver- Elemente der sachen. öffentliche
seinen Bezie- orientierte Ent- welgem Stellungnahme oder private An-
hungen zu höhe- scheidung, die und des DafÜr- gelegenheiten be-
ren Mächten der Einzelne in haltcns geprägt trifR. Allgemein
und tieferen einer bestimm- ist zugänglich ist eine
Seinsschichten ten Lage als Quelle, wenn sie
hat subjektiv binden geeignet und be-
irn Sinne einer stimmt ist. der
unbedingten Allgemeinheit, also
Verpflichtung nicht nur einem
erfährt bestimmtbaren Per-
sonenkreis. Infor-
mationen zu be-
schaHen
Schranken (-)
eint Gesetzes-
vorbehalt
qual. Gesetzes-
vorbehalt
.:L .:\
verfassungsunmi
ttelbar
verfassungsimm
anent
18
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Freiheitsrechte
Übersicht Freiheitsrecht(Teil 3)
Schutzbereich Der Begriff der Rundfunk ist jede Ubermittlung wenn das Werk
Presse umfasst jede an eine von Gedankenin- Strukturmerk-
alle zur Verbrei- unbestimmte halten durch male aufweist.
tung geeigneten Vielzahl von Bilderreihen. die aufgrund deren
und bestimmten Personen ge- zur Prcjektierung es einem be-
Druckerzeug- richtete draht- bestimmt sind stimmten Werk-
nasse lose oder draht- typ zugeordnet
gebundene werden kann
Ubermitt lung oder wenn das
von Gedanken- Werk das ge-
inhalten durch formte Ergebnis
physikalische beier schöpferi-
Wellen scherGestaltung
ist oder wenn
das Werk inter-
pretationsEähig
und --bedürRig
tst
Schranken
qual. Gesetzes=
vorbehalt
verfassungs-
unmittelbar
Verfassungs-
immanent
Zitiergebot (-) (-) (-) (-) kali. VfR (-) koll. VfR
19
Standort: Intensiv
OR/ Grundrechte/ Freiheitsrechte
Ubersicht Freiheitsrecht(Teil 4)
qual. Gesetzes
vorbehalt
Verfassungs-
un mittelbar
20
Standort: OR/ Grundrechte/ Freiheitsrechte
Ubersicht Freiheitsrecht(Teil 5)
verfassungs-
unmittelbar
verfassungs- (+) (+)
immanent fur V's in
geschlossenen
Räumen
Übersicht Freiheitsrecht(Teil 6)
Schranken (+)
emf. Gesetzes- 1212GG
vorbehalt
qual. Gesetzes-
vorbehalt
verfassungs-
unmittelbar
verfassungs-
immanent
22
J u r a
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Konkurrenzen
Ubersicht Grundrechtskonkurrenzen
Konkurrenzfragen stellen sich, ein Eingriff ein Verhalten eines Grundrechtsträgers beeinträchtigt, und
diesesVerhalten in den Schutzbereichmehrerer Grundrechte fällt.
Hingegen liegt keine Konkurrenz vor, wenn mehrere getrennt zu prüfende EingriHe jeweils ein grundrechtlich
geschütztes Verhalten beeinträchtigen
Im Gutachtenaufbau ist die Konkurrenzftage regelmäßig nur eine gedankliche Vorüberlegung zur Festlegung der
Prüftlngsreihen6olge.
Ist die Frage im Einzelfall pr oblematisch, so ist darauf zu Beginn der Prüfling einer Grundrechtsverletzung
einzugehen
Grds. ist die Frage der Konkurrenzen nur einzel nallbezogen zu beantworten, jedoch kann zwischen den folgenden
Konstellationen unterschieden werden:
1. Spezialitätsverhältnis
1. Lex specialis
2. Partielle Spezialität
Def! Die Schutzbereiche von zwei Grundrechten überschneidensich teilweise und fÜr diesen Teil-
bereich ist eines der Grundrechte Spezialregelung
ll. Idealkonkurrenz
DgË Ein Verhalten fällt zugleich in den Schutzbereichvon zwei Grundrechten,die nicht im
Spezialitätsverhältnis stehen.
speziaiilalsvernaimisl GGeundArt. 12 1GG hinsichtlich kommerzieller Werbung (BVerfGE 102, 347 ff:)
Folge: Grds. ist nach h.M. das Grundrecht vorrangig, das "nach seinem Sinngehalt die stärkere sachliche
Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverha]taufweist" (BVerfGE 64, 2291238])
=> dezienung
zu aem zu prurenaen öacnveeses'Grundrechts zu prufen, wobei allerdings im Rahmen der
Verhältnismäßigkeit die Wertungen des verdrängten Grundrechtenzu berücksichtigen sind.
111. Exklusivitätsverhältnis
Def! Ein Verhalten fällt entweder in den Schutzbereich des einen oder des anderenGrundrechts.
B$U Presseoder Rundfunk, Art. 5 12, 1. Fall GG <-> Art. 5 12, 2. Fall GG.
Folge: Im Rahmen des sachlichen Schutzbereichs ist abzugrenzen, welches der beiden Grundrechte im
konkreten Fall einschlägigist.
1.
Schutzbereichtangiert
11
Eingrifrin den Schutzbereich
l ll
Rechtsfolge
Gesetzesvorbehalt (+) Gesetzesvorbehalt(+) Gesetzesvorbehalt(-)
24
Standort Intensiv
ÖR/B
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
B. Prüfungsablauf
l l legitimer Zweck
1. Welchen Zweck verfolgt der Staat durch seine Maßnahmen?
2. Ist der Zweck legal? nicht lclplcr
Zweck
3. Welches Mittel setzt der Staat ein?
cO nicht legalcs Mittel
4. Ist das Mittel legal?
z.B. Einfuhrungder
Todcsstraüc (vgl
Art. 102 GG) zur
+ Bekämpfung der
Winscha ftskriminali
tät
[$ UntFcignet
11. 1 DasMittel mussgeeignet sein unzureichende
Maßnahme
1. Defintion: Das Mittel ist geeignet, wenn der mit ihm verfolgte Zweck Erfüllung der
Maßnahme ist obj
überhaupt erreicht werden kann.
unmöglich
IV. l Das Mittel muss angemessen (: verhältnismäßig i.e.S.) sein cO' tiiliutgcincsscil
Art. 12 1 GG - Bei'ufst'reiheit
A.Konkurrenzen
1. 1ex specialis (Vorrangig gegenüber)
Art. 4, 5 1, 111GG (str., Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 2a, 24a, 105; Nolte/Tams. JuS 2006.
1. Personeller Schutzbereich
1. Natürliche Personen
Geschützt sind Deutscheim Sinne des Art. 116 1GG (Deutschenrecht). Zu dem Problem:
ob und wiev /Ausländer,
uölallu\'l) üpGZ.Iglu
speziell Unionsbürger,
uitluilsuuigtn) gcs;nutzt
geschützt werden,
wer(len, VË
vgl. die Übersicht
Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde- Einzelprobleme".
2. Juristische Personen
© ./zl/a Intensiv }e
26
Intensiv
Standort: OR / Grundrec
=ßJEBS::iBU=TE=Ki€#mE
[193]l Kingreen/Poscher, Grundrechte. Rn. 901-903).
Auf Dauer angelegt ist eine Tätigkeit im Sinne der Definition nur dann nicht, wenn sie
sich in einem einmaligenErwerbsakt
erschöpR.
Hingegenkommt es auf ihre
selbständigeoder unselbständigeAusübung nicht an (BVerfGE 97, 228 [253];
Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 903). Der Schaffung und Erhaltung einer
Lebensgrundlage
dienen lediglich solche Tätigkeiten nicht, die gar nichts zum
Lebensunterhalt beitragen wie z.B. Hobbys (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 903).
/ Geschütztes Verhalten
Art. 12 1 1 GG schützt jede Art der Berufstätigkeit, insbesonderedie Berufswahl und die
Berufsausübung.Femer wird auch die negative Freiheit geschützt, keinen Beruf zu
ergrei6enoder auszuüben(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 904).
Neben den klassischen Eingrinen in den Schutzbereich der Berufsfreiheit wie z.B. der
Festlegung von Ladenschlusszeitenkommen auch mittelbare Eingrine in Betracht. Sie müssen
nach der Terminologie des BVerfG eine suUektiv oder oUektiv berußsregelnde Tendenz haben.
Eine subjektiv berußregelndeTendenz liegt vor, wenn der Staatzielgerichtet eine berufliche
Betätigung beeinträchtigt oder unterbindet. Demgegenüberspricht man von einer oUektiv
berußsregelnden Tendenz, wenn ein staatliches Verhalten einen Personenkreis in seiner
Berufsüeiheit behindert und dabei von einigem Gewicht ist (BVerfGE 47, 1 [21]; 97, 228
[253f.];Kingreen/Poscher,
Grundrechte,
Rn.915f.).
Der Eingriff kann die durch Art. 12 1 GG geschützteFreiheit der Berufswahlsowie der
Berufsausilbung betreffen. Da diese Beeinträchtigungen eine unterschiedliche Intensität
aufweisen, diHerenziert das BVerfG zwischen ihnen im Sinne der sog. Drei-Stuben-Theorie,
vgl. dazu
Zum Aufbau: Der Prüftingsstandort der Drei-Stuben-Theorie ist durchaus umstritten.
Teilweise wird sie bereits im Rahmen des Eingrins in den Schutzbereich
geprüR. Nach anderer Ansicht gehört sie zur verfassungsrechtlichen
Rechtfertigung(vgl. Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 939). Beide
Aufbauvarianten sind in der Klausur vertretbar.
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 12 1 GG / Berufsfreiheit
11. Schranken-Schranken
3. Verßassungsmäßigkeit
des Einzelakts
Auch hier ist im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auf die Drei-StuGen-
Theorie
einzugehen,
s.o.
'+l!:!J
]E3]
Theorie einzugehen, s.o. '+
28
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Art. 12 1 1 GG/ Berufsfreiheit/ Einzelnrobleme
Das Merkmal des Erlaubtseins kann sich nicht auf einzelne Tätigkeiten beziehen, da es sonst der einfache
her
Gesetzgeberin der Hand hätte, den Schutzbereichdes Art. 12 1 1 GG zu definieren(Kind
Grundrechte, Rn. 901f).
Daher wird vorgeschlagen nur solcheTätigkeitenvom Schutzbereich der Berußsfteiheitauszunehmen,die
gemeinschaftsschädlich sind, bei denen die Gesamtheit der beruflichen Tätigkeiten einen fortdauemden
Rechtsverstoß darstellt, z.B. Berufsspione, Zuhälter Taschendiebe (BVerwGE 22, 286 [289]
Kingreen/Poscher Grundrechte, Rn. 902). Problematisch ist allerdings, dass dieses Kriterium äußerst vage
und daher nur schwer zu handhabenist. Deshalbscheintes vorzugswürdigzu sein, auf das Merkmal der
erlaubten Tätigkeit im Schutzbereich des 12 1 1 GG ganz zu verzichten. Die notwendigen
Einschränkungen des Grundrechtsschutzes, insbesondere bei gemeinschaRsschädigendem Verhalten, können
werden
aufder Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingrins vorgenommen
Auf welche Stufe im Sinne der Drei-Stufen-Theorie ist der Eingriff einzuordnen?
Innerhalb der Berufswahlregeln ist nochmals zu diHerenzieren. Denkbar sind einerseits oUektive
Berußswahlregeln(sog. objektive Zulassungsschranken).Sie verlangen fur das Recht, einen Berufausüben zu
dürfen, die Erfüllung von Voraussetzungen, die nicht an natürliche Fähigkeiten oder EigenschaRen
anknüpfen, z.B. Bedürfhisklauseln wie $ 13 IV PBefG (Satorius 1, Nr. 950). Angesichts ihres oläektiven,
vom Betroffenen nicht zu beeinflussendenCharaktersstellen sie den intensivsten Eingriff in die
Berufsfreiheit dar. Andererseits gibt es subjektive Berußswahlregeln (sog. subjektive
Zulassungsvoraussetzungen), die an persönliche EigenschaRen oder Fähigkeiten des Betroffenen anknüpfen,
z.B. Lebensalter, Studienabschluss.
Demnach steigert sich die Intensität des Eingriüs in das Grundrecht aus Art. 12 1 1 GG von der
Berufsausübungsregelüber die subjektive Berufswahlregel bis zur objektiven Berufswahlregel
30
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32
Intensiv
Standort: ÖR/Grundrechte
Dem seit 12 Jahren in einem städtischen Krankenhaus tätigen 55-jährigen Chefarzt A wird wegen
der Auflösung der Krankenhausabteilungwirksam gekündigt. Im Rahmendessenerhält A eine
Abfindung von 950.000 €. A möchte nun als Kassenarzttätig werden. Er stellt somit einen Antrag
aufZulassung als Kassen- und Vertragsarzt. Dieser Antrag wird jedoch .unter Berufung auf $ 98 11
Nr. 12 SGB V und $ 25 der Zulassungsverordnung fÜr Kassenärzte ( Ärzte-ZV) abgelehnt:.Nach
diesen VorschriRen ist die Zulassung eines Arztes, der das funfiindfilnfzigste Lebensjahr vollendet
hat, ausgeschlossen; hiervon abweichen kann der Zulassungsausschuss nur in Ausnahmefällen,
wenn dies zur Vermeidung von unbilligen Härten erforderlich ist.
A hält $ 98 ll Nr. 12 SGB V und $ 25 Ärzte-ZV sowie die darauf beruhende Verweigerung der
kassenärztlichen Zulassung fÜr verfassungswidrig. Das Festlegen einer Altersgrenze stelle eine
Verletzung der grundrechtlich geschützten Berußfreiheit dar. Der durch"diese Altersgrenze
verfolgte Zweck, nämlich die Vermeidung.einer finanziellenÜberforderungder
Krankenversicherung,sei auch ohne Begrenzung der Ärztezahl allein durch"die Budgetierung der
Gesundheitsausgaben zu erreichen.Im Ubrigen könne eine Begrenzungder Ärztezahlbesserdurch
eine Verschärfung der ZulassungsbeschränkungenfÜr Berufsanfänger als durch eine Altersgrenze
erreicht werden, da es fur eine ausreichende medizinischer Versorgung der Erfahrung älterer Arne
bedarf Die von A form- und ÜistgerechteingelegtenRechtsmittelgegendie Entscheidungsind
erfolglos. A erhebt daraufhin vor dem BVerfG Verfassungsbeschwerde.
Bearbeitervermerk:
Diejormelle Verfasstlngsmäßigkeit von $ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 2S Ärzte-ZV ist zu unterstellen.
33
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Theorie
asseilai'zt''
A. Zulässigkeit
1. Zuständigkeit
11. Antragsberechtigung, $ 90 1BVerfGG
111.Beschwerdegegenstand,$ 90 1 BVerfGG
IV. Beschwerdebefügnis,$ 90 1BVerfGG
V. Rechtswegerschöpftlng, $ 90 ll l BVerfGG
VI. Form, $ 23 1 BVerfGG
VII. Frist, $ 93 1BVerfGG
B. Begründetheit
1. An.121GG
1. Schutzbereichbetroffen
2. Eingriff
a) Verkürzung des Schutzbereichs
b) Einordnung des Eingrims nach der Drei-Stufen-Lehre
3
Verfassungsrechtl
scheRechtfertigung
a) Vertassungsmäßigkeitder $ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 25 Ärzte-ZV
(1) Formelle Vernassungsmäßigkeit
(2) Materielle Verfassungsmäßigkeit
(i) Legitimer Zweck
(ii) Geeignetheit
(iii)Erforderlichkeit
(iv)Angemessenheit
1) Anforderungen nach der Drei-Stuten-Theorie
2) Durchbrechung der Drei-Stuben-Theorie
b) Verfässungsmäßigkeit des Einzelaktes
11.An.31GG
A. Zulässigkeit
1. Zuständigkeit
Die Zuständigkeitdes Bundesverfassungsgerichts
ergibt sich aus Art. 93 1 Nr. 4a GG, $$ 13 Nr. 8a, 90 1
11.Antragsberechtigung, $ 90 1 BVerfGG
Antragsberechtigt istjedermann, der Träger der in $ 90 1BVerfGG genannten Rechte sein kann. also auch A als
natürlichePerson.
lll.Beschwerdegegenstand, $ 90 1 BVerfGG
Gem. $ 90 1 BVerfGG ist Beschwerdegegenstandein Akt der ÖHentlichen Gewalt. Als solche kommen Akte der
Exekutive, der Legislative und der Judikative in Betracht (vgl. Scherzberg,JUM 2004, 373 [378, 379]). A
wendet sich zum einen dagegen, dass ihm die kassenärztliche Zulasstmg verweigert wurde und zum anderen
gegen die Urteile, die diese Entscheidung bestätigten. Dies sind Akte der Exekutive sowie der Judikative.
34
Intensiv
2
Standort: ÖR/Grundrechte
Schwerpunkt
V. Rechtswegerschöpfung, $ 90 ll l BVerfGG
A hat den Rechtsweggemäß $ 90 ll l BVerfGG erschöpR, indem er zunächst die Fachgerichteanrief.
VI.Form, $ 23 1 BVert(;G
Ein Verstoßgegendie Fomtvorschrif:ldes $ 23 1 BVerfGG ist nicht ersichtlich
B Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn A durch die Verweigerung der kassenäralichen Zulassung in
seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 1GG oder der Gleichheitssatz aus Art. 3 1GG verletzt wird.
l Art.121GG
Es müsste ein Eingriffen den Schutzbereich des Art. 12 1 1 GG vorliegen
l Schutzbereich betroffen
Der Schutzbereich des Art. 12 1 1 GG müsste betrogen sein. Art. 12 1 1 GG schützt den Beruf. Unter Beruf
versteht man jede auf Dauer angelegt und nicht bloß vorübergehende, erlaubte Tätigkeit, die der Schaffiing
und Erhaltungeiner Lebensgrundlagedient (BVerfGE 7, 377 [397]; Nolte/Tams,JuS 2006, 3 1[32]) Bei der
Tätigkeit als Arzt handelt es sich um eine auf Dauer angelegte, nicht schlechthin gemeinschädliche Tätigkeit
die der Schafmngund Erhaltung der Lebensgrundlagedient, und damit um einen Berufi.S.d. Art. 12 1GG.
Der Schutzbereichdes Art. 12 1GG ist damit betroffen.
2. Einpritl
In den Schutzbereichdes Art. 12 1 1 GG müssteeingegrinen worden sein. Eingriff ist jede unmittelbare,
bewusste, zielgerichtete Beeinträchtigung des Schutzbereiches (BVerfGE 53, 30 [49]) . Bei.EingriHen in die
Berufs6eiheit werden dabei nach der im Apothekerurteil entwickelten Drei-Stufen-Theoriedie Stufen der
Regelung der Berufsausübung,der subjektiven und der objektiven Zulassungsregelungenunterschieden.Von
Stufe zu Stufe steigt die Eingrinsintensitätund somit auch die Anforderungen,um den Eingriff zu
rechtfertigen (BVerfGE 7, 377 [379 fr]). Die Verweigerung der kassenärztlichenZulassung betrifR den
Schutzbereichder BeruRsfteiheit.Zu klären ist, um welche Regelungsstufe es sich handelt.
Zur Klärung dieser Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Berufswahl und Berufsausübung ist die
sogenannte Berußsbildlehre heranzuziehen. Danach erfolgt eine gewisse Typisierung der Berufe nach der
allgemeinen Verkehrsaunassung bei natürlichen Betrachtungsweise (BVerfGE 16, 147 [163 f]). Die
Entscheidung zwischen eigenständigem "Beruf' und "Berußsmodalität" erfolgt durch eine Bewertung von
rechtlichen und tatsächlichen Begebenheiten, insbesonderesozialen und wirtschaftlichen Belangen. Fehlt
es an einer gesetzlichen Fixierung des Berufsbildes, kommt es fur die Frage, ob ein eigenständiger Beruf
35
./ tl r a
3 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
ß!!!Blerpunkte: Art. 12 GG/ Drei-Stufen-Theorie
vorliegt, wesentlich auf die Anschauung der Allgemeinheit, auf die Beurteilung der jeweiligen
Berufsaustibendenselbst und deren Vertragspartner an (vgl. BVerfGE 77, 84 [ 105]).
[Arim. : Die nach der Berufsbi]d]ehre vorgenotttmene Typisierung vati Berufen bedeufetjedoch nicht, dass
intypische Tätigkeiten nicht mehr von Ärt. 12 1 GG geschützt werdeta (BVerfGE 7, 3771397J). Vielmehr
.st die BerufsbildLehre dahingehend zu verstehen, dass dem Gesetzgeberdie Befugnis obliegt, typische
berufsbilder gesetzlich ztt ß)deren, d.h. sowohl den Inhalt der berußichen 'Tätigkeit als auch die
/oraussetzungetlßlr die AuJhahrtleder Berufsatlsiibung zu root'mieret](ByerjGE 13, 97 []06]). Dies kann
!ur Folge haben, dass der Einzelne aufdie Wahl des so geprägten Berufesfestgelegt wird. während ihm
lie Möglichkeit zu einer unQpischenBetätigung in diesetnLebensbereichals eigeristäncligetlBeruf
genotnmertwird(BVerfGE 21, 173]180]).] ' '
Entscheidend
ist, ob die Tätigkeit als Kassenarztals eigenesBerufsbildgesetzlichfixiert oder nach
Anschauung der Allgemeinheit als solches anerkannt ist. Eine gesetzliche Fixierung des Berufsbildes
"Kassenarzt" ist nicht gegeben. Es ist somit darauf abzustellen, ob nach der allgemeinen
Verkehrsaunassungdie Tätigkeit als Kassenarzt einen eigenenBeruf darstellt oder nur eine besondere
Ausübungs6orm des Berufs des frei praktizierenden Arztes ist. Es mag ärztliche Tätigkeiten geben, die
sich in der Aufgabenstellungund durch ihre rechtlicheAusgestaltungso sehr vom Beruf des ßei
praktizierenden Arztes unterscheiden,dass man sie als besonderenBerufansehen muss, wie etwa die des
Amtsarztes.Die Tätigkeit des Kassenarztesist jedoch im Ganzendie gleiche wie die des nicht zu den
Kassen zugelassenen Arztes. Die Beschränkung in der Wahl der Behandlungsweise und bei der
Verschreibung von Heilmitteln, die ihm aus Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Krankenkassen auferlegt wird, unterscheiden sich nur der Form nach von Beschränkungen,die sich bei
der Behandlung von Privatpatienten aus deren finanzieller Leistungsfähigkeit ergeben. Sogar der
Patientenkreis des Kassenarztesund des nicht kassenärztlich zugelassenenArztes ist rechtlich. wenn auch
nicht faktisch derselbe; der Kassenarzt darfjederzeit Privatpatienten behandeln, wie umgekehrt der nicht
zugelasseneArzt jederzeit Kassenmitgliederbehandelndarf sofern die bereit sind. ihn selbst zu
honorieren. Die Zulassung zu den Krankenkassen hebt daher den Kassenarztnicht so aus dem Kreis der
übrigen ßei praktizierenden Ärzte heraus, dass man seine Tätigkeit als besonderen Beruf bezeichnen
könnte. Die Zulassung oder der Verzicht auf die Zulassung bewirken, wie auch die Ärzteschaft selbst
annimmt, keinen Berufswechsel;vielmehr ist die Tätigkeit desKassenarztesnur eineAusübungs6ormdes
Berufesdesfrei praktizierenden
Arztes(vgl. BVerfGE 11, 30 [41]).
Es handelt sich vorliegend somit um eine Berußsausübungsregelung
Es wurde hier also in der Form der Berufsausübungsregelungin Art. 12 1GG eingegrinen
3
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriffkönnte verfassungsrechtlichgerechtfertigt sein. Dann müssteer durch die Schranken des Art. 12
1 1 GG gedecktsein. Gem. Art. 12 1 2 unterliegt die Berufsausübung
einem Gesetzesvorbehalt,
der sich
entgegen des Wortlautes auch auf die Berufswahl bezieht. Diese wird nämlich durch die Berufsausübung
i.mrner wieder neu bestätigt (BVerfGE 7, 377 [401]; Nolte/Tams, JuS 2006, 130). $ 98 11Nr. 12 SGB V, $ 25
Arzte-ZV müsstenals wirksame Schrankenformell und materiell verfassungsmäßigsein. Außerdem müssten
sie in verfassungsmäßiger Weise angewendet worden sein.
©lzz/'a Intensiv (00121.EK OeR NRW GrundR Kassenard Loos) Seite 3 von 7
36
Intensiv
4
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunk
(ii) Geeignetheit
$ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 25 Ärzte-ZV müsstengeeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen oder
zumindest zu fördem. Die geregelte Altersgrenze für die Zulassung als Kassenarzt vermeidet ein
Uberangebotan Arzten. Mitjedem neu hinzukommenden Arzt würden mehr Leistungen erbracht oder
veranlasst Wenn gleichzeitig die Honorierung ärztlicher Leistungengleich bliebe, wären die
Krankenkassen finanziell überfordert. Hierdurch wäre das gesamte Krankenversicherungssystem
gefährdet.
Indem die Altersgrenzedes $ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 25 Ärzte-ZV auf eine Vemleidung des
Uberangebotesan Ärzten abzielt, wird also gewährleistet, dass das KV-System funktioniert und
finanzierbar ist. Ebenso wird durch die Einfuhrung einer Altersgrenze den jüngeren Arzten der
Einstieg in das Berufsfeld erleichtert. Auf diesem Wege wird die Verwirklichung des medizinischen
Fortschrittes in der Praxis gefördert, indem die jüngeren Ärzte ihre in der Ausbildung erlangten
Kenntnisse über den neustenmedizinischen Forschungsstandauch in der Praxis anwenden.
(iii)Erforderlichkeit
$ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 25 Ärzte-ZV müsstenauch erforderlich sein, d.h. es dürre kein gleich
geeignetes,milderes Mittel ersichtlich sein, um das Ziel zu erreichen. Nach der Drei-Stuben-Theorie
ist der Grundsatz der Erforderlichkeit regelmäßig verletzt, wenn der gesetzgeberischeZweck auch auf
einer niedrigeren Stubemit geringerer Eingrinsintensität erreicht werden kann (Jarass/Pieroth,a.a.O.,
Art. 12 Rn 34). Der Gesetzgeber
darf die nächstschär6ere
Beeinträchtigungsstuüe
nur dann und
insoweit betreten.wenn mit hoher Wahrscheinlichkeitdargetanwerden kann, dass die befürchteten
Gefahren mit Mitteln einer weniger beeinträchtigenden Regelung nicht wirksam bekämpR werden
können(BVerfGE 7, 377 [408]). Auch auf ein und derselbenStufe kann es mehr oder weniger
intensive Eingrine geben. Zu klären ist, ob eine andere mildere, gleich geeignete Ausilbungsregelung
ersichtlich ist.
Bei der Wahl des Mittels hat der Gesetzgeberdabei einen gewissen Beurteilungsspielraum, den er nur
dann überschreitet,
wenn seine Erwägungenso offensichtlichunveruetbarsind, dass sie
vernünRigerweise keine Grundlage fur gesetzgeberischeMaßnahmen abgeben können (BSG,
NSZ 1994, 329 [329]). Die vorgesehenen Maßnahmen und die in Frage kommenden Altemativen
massen hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit und Wirksamkeit, aber auch hinsichtlich nachteiliger
Nebenwirkungen beurteilt werden, die den angestrebtenNutzen aufheben oder sogar überwiegen
können(BSG, NSZ 1994, 3291331]).
Fraglich ist, ob die zur Zeit bestehendeBudgetierung sämtlicher Ausgaben nicht als milderes, gleich
geeignetesMittel ausreichend ist, ohne das es einer zusätzlichen Beschränkung der Arztzahlen bedarf.
Nach dem geltenden Budgetierungssystembesteht sowohl ein limitierten Ausgabevolumen fur jeden
einzelnen Arzt als auch eine Begrenzung der gesamten bereitgestellten Honorarsumme."Fraglich ist,
inwieweit das Budgetierungssystem
auch noch bei einer erheblichenZunahmeder Arztezahl zu
überzeugen vermag. Ein gleichbleibendes Budget fur jeden einzelnen Arzt kann bei Zunahme der
Ärztezahl nur dann gewährt werden, wenn das gesamte Budget erhöht wird. Dann wären die
37
5 Intensiv
Standort: ÖR/Grundrechte
Schwernunkte: Art. ]2 GG/ Drei-Stufen-Theorie
Krankenkassenaber finanziell überlastet und ihre Funktionsfähigkeit gefährdet. Wird hingegen an der
gesamten bereitgestellten Honorarsumme trotz Zunahme der Arztzahl festgehalten, würde dies zu
einem geringeren Budgetjedes einzelnen Arztes f:uhren. Dies hättejedoch zur Folge, dass infolge des
zu geringen Einkommens der Ärzte in zahlreichen Arztpraxen nicht mehr die erforderlichen
Untersuchungsgeräte finanziert werden könnte, so dass auf diesem Wege die medizinische
Untersuchung beeinträchtigt wäre. Ebenso würden einzelne Untersuchurlgen, für welche das Budget
bereits nach kurzer Zeit erschöpR ist, von den Ärzten trotz medizinischer Notwendigkeit nicht mehr
durchgeführt werden, da sie hierfur nicht mehr honoriert würden. Im Übrigen würde sich der
Wettbewerb um die Patienten, nach dessen Anzahl sich die Höhe des Budgets eines einzelnen Arztes
auch bestimmt, noch verschärfen. Ärzte könnten dann versucht sein. Patienten durch medizinisch
nicht indizierte Gefälligkeitsleistungenan sich zu binden. Folge hiervon wäre eine vermehrteund
zweckwidrige Ausrichtung des Behandlungsverhaltenan ökonomischen Gesichtspunktenstatt an
Behandlungsnotwendigkeiten (vgl. BSG, NSZ 1994, 329 [332]). Eine a]]einige Budgetierung ohne
gleichzeitige Beschränkung der Arztzahl stellt infolge der damit verbundenen nachteiligen
Nebenwirkungen demnach kein gleich geeignetes milderes Mittel dar.
(iv)Angemessenheit
Die Einfuhrung der Altersgrenze Mr Kassenärzte nach $ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 25 Ärzte-ZV müsste
auch angemessensein. Hierbei ist miteinander zu vergleichen, wie schwer in das Grundrecht des A
eingegrinen wird und wie hoch das ÖÜentliche Interesseist, das KV-System aufrecht zu erhalten und
medizinischen Fortschritt zu verwirklichen .
38
Intensiv
6
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: 4rl 12 (;G/ Dr'ei-Stufen-Theorie
[Anm.: Die aufgezeigten Ungereimtheiten bei der Anwendung der Stufentheorie haben z.T. zur
Ablehmtrtg der Drei-Stufen- Theorie gebührt. Die der Stufentheorie zugeschriebeneAutotnatik vergabe
deiltttach, wenn es hinsichtlich der Eingri#sschweie und dell Eingri#svoraussetzungerlzu evidenten
Disparitäten komme. Es mussevielmehr wie bei anderen Grutldrechtsvelletzungen auch eine aufden
konkreten Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüßngstaftßnden. bei welcher die im
Apothekelurteil entwickelten Stufen lediglich als Abwägurtgsgesichtspunkte
und Entscheidungshilfe
dienen können.]
Fraglich ist demnach,ob das Allgemeininteressean einer Vermeidung der finanziellen Uberlastung
der Krankenkassenund damit der Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystemssowie an der
Verwirklichung des medizinischen Fortschritts in der Praxis so schwer wiegt, dasses den Vorrang vor
der ungehindertenberuflichen Entfaltung der betroffenen Ärzte verdient. Hierbei ist zum einen zu
berücksichtigen, dass ca. 90 % der deutschen Bevölkerung zu den Mitgliedem der gesetzlichen
Krankenkassezählt. Es bestehtsomit bei dem Großteil der Bevölkerungein Interessedaran,dassdas
Krankenkassensystemfinanziell gesichert und nicht in seiner Existenz gefährdet ist. Ferner ist zu
beachten. dass eine finanzielle Uberlastung des gesetzlichen Krankenkassensystemszwangsweise ein
Erhöhung der Beitragssätzezur Folge hätte, was dem Interesseder Mitglieder entgegensteht.Im
Ubrigen könnte sich eine finanzielle Uberlastungder Krankenkassen
negativ auf die
Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems und damit auf die medizinische Versorgung
auswirken. Die Gesundheit gehört jedoch als wesentliches Element der körperlichen Unversehrtheit i.
S. d. Art. 2 ll l GG zu einem grundrechtlich geschützten Schutzgut von hohem Gewicht. Ebenso
bestehtauch ein erhebliches Interesseder Allgemeinheit an der Gewährleistungdes medizinischen
Fortschritten. Neue Forschungsergebnissekönnen zu einer schnelleren Genesung verhelfen, so dass
die Anwendung der neuen Forschungserkennmissein der Praxis fur die körperliche Unversehrtheit ein
wesentlicher Bestandteil ist. Demgegenüber steht das Schutzinteresse der Ärzte. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass die Regelung des $ 98 ll Nr. 12 SGB V, $"25 Ärzte-ZV eine Klausel fÜr
Härtefälleenthält. hemer betril:Rdie Vorschrift in der Regel nur Ärzte, die zur Bestreitungihres
Lebensunterhaltes nicht mehr auf die Kassenarztzulassung angewiesensind. Es wird den Arzten
lediglich die Möglichkeit verwehrt, im fortgeschrittenemAlter und bei gesicherterExistenzeine
bestimmte Berufstätigkeit neu aubunehmen. Das Schutzinteressehat hierbei nicht das gleiche
Gewicht wie bei einer objektiven Zulassungsbeschränkung
fÜr Berufsanfänger.Damit überwiegtdas
öffentliche Interesse auf Erhaltung der Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenkasse das
Schutzinteresseder Ärzte. Die in $ 98 ll Nr. 12 SGB V, $ 25 Ärzte-ZV getroffenen Regelung ist somit
angemessen.
39
7 Intensiv
Standort: ÖR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 12 GG/ Drei-Stufen-Theorie
Lebensunterhaltes bedarf Die Interessenabwägung ergibt mithin, dass die Verweigerung der
kassenärztlichen Zulassung auch angemessen und demnach verhältnismäßig ist.
Der EingriH'in die BeruRsßeiheit
des A ist damit verfassungsrechtlich
gerechtfertigt.Er ist nicht in
Art. 12 1GGverletzt.
11. Art.31GG
Fraglich ist, ob eine Verletzung des Art. 3 1 GG vorliegt. Danachdarf wesentlich Gleiches nicht willkürlich
ungleich, wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandeltwerden. "Wesentlich gleich" sind zwei
Fallgruppen, wenn sich ein gemeinsamerOberbegriff finden lässt, der gerade die Vergleichsgruppen hinreichend
konkret kennzeichnet. Als Vergleichsgruppen kommen hier zum einen andere freie Berufe in Betracht. in denen
keine oder mildere Altersgrenzen existieren (z.B. die Anwaltschaft). Zum anderen kann die Situation mit
jüngeren Arzten unter 55 Jahren verglichen werden. Eine Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt, wenn sie
nicht willkürlich bzw. verhältnismäßig ist. Die Regelung ist wie gesehen, verhältnismäßig. Mit ihr werden
besorlderswichtige Allgemeinwohlbelange bezweckt, so dasssie nicht willkürlich ist.
Art. 3 1GG ist hier also nicht verletzt.
'Anm.: in Einzelfällen kann eine Regelung, die von Ärt. 12 1 GG gedeckt ist, wegen Verstoßes gegen Ärt. 3 1 GG
/er$assuttgswidrigsein. Dies wäre z.B. der Fall, wenn eine bestimmte Sachkundein einepttBerufsnveig verlangt
viirde.(z. B. Leberlsrtlittelrecht). aber nicht jeder Betro#etle gleich risikobehcÜete Ware anbietet(z.B. Äufsteller
;on Kaugumrtiiatttomaten). Würde danla ohne Ausrlahltierttögtichkeit voll allen die gleiche Sorgfalt verlangt,
vetstießedas Gesetzzwtl nicht gegenÄrt. 12 1GG. aber gegenArt. 3 1 GG.]
IAnln. : Selbstvel'stündlich ist es auch vertretbar, Ärt. 3 1 GG im Vergleich zu Arlwälten bereits dararl scheitelti
ztt lassen, dass diese Berufsgruppen wegen ihrer völlig Mutet'schaedlichen Tätigkeiten tlttd der Tatsache, dass es
wine " Kassenanwälte" gibt. schürt nicht vergleichbar' sind].
Literatur:
e Friehe,"Heißer" Nebenjob im Studium, JA 2016, 602 n. - Klausur -
e Heintzen/Albrecht, Nichtraucherschutzin Berliner Kiezkneipen, JURA 2009, 787 n. - Klausur
e Lindner, Landesgrutldrechte- Bedeutung, Dogmatik, Klausurrelevanz, JuS 2018, 233 ft
B Musil/Rox, Streit um dasneueLadenschlussrecht, Jura 2008, 701 n - Klausur
e Pollin, Arbeitsfteie Samstags,JA 2016,272 ft - Klausur
e Prehn, Alles Gute kommt von oben, JA 2010, 438 ft - Klausur
B Reuter/Wiedmann, Blauer Dunst ade, JURA 2009, 221 ft - Klausur -
40
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Intensiv
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41
W
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
FaU; iAlcopops''
In Diskotheken, Gaststätten und bei sonstigen geselligen Anlässen erfreuen sich sogen. "Alcopops" - mit
hochprozentigem Alkohol verschnittene Limonaden-Mixgetränke - zunehmender Beliebtheit. Diese werden
vor allem von Jugendlichen rege konsumiert. Der Bundesregierung ist diese neumodische Erscheinung
suspekt. Sie befurchtet, dass infolge fehlender Informationen über deren Zusammensetzung und die Wirkung
von Alkohol die Gefahr des übermäßigen Konsums bestehen könnte, zumal gerade Jugendlichen oR die
notwendigen Erfahrungen im Umgang mit dem Alkohol fehlen. Deshalb stellt das
Bundesgesundheitsministeriumeine Liste der in Deutschland hergestellten und angebotenen Alcopops
zusammen,in der die Produkte mit Namen, Abfuller und Alkoholgehalt aufgefuhrt sind. Diese Liste wird in
Form einer Informationsbroschüre verbreitet.
Der "Schutzvereinder Ab- und Umfuller von Flaschengetränken"(SAUF) hält die Verönentlichung einer
solchenListe fur rechtswidrig. Seiner Ansicht nach gebe es keine rechtliche Grundlage dafur. Es werde ohne
Rechtfertigung in Grundrechte der im Schutzverein organisierten Getränkeabfuller eingegriffen, die bereits
tiber sinkende Umsätzebei Alcopops klagten. Zwar hielten sich diese noch in Grenzen,es sei aber den
Anfängen zu wehren. Offenbar hätten bereits zahlreiche besorgte Eltern ihren Kindern den Konsum
!ntersagt, nachdem sie aus der Liste von dem hohen Alkoholgehalt solcher Getränke erfahren hätten. Im
Ubrigen sei dieser bereits aufden Flaschen selbst fur jedermann lesbar angegeben.
Abwandlung l :
Das Bundesgesundheitsminlsterium fügt der Liste einen Begleittext bei, in dem es u.a. heißt, Alcopops seien
gerade fur Jugendliche "schlecht", da "gefährlich" und "suchtRördernd". Infolge dieser Veröffentl ichung geht
der Umsatz von Alcopops nunmehr erheblich zurück. Der SAUF meint, mit dieser Wortwahl habe das
Ministerium nun endgültig die Grenzedes Zulässigen überschritten.
Abwandlung 2:
Das Bundesgesundheitsministeriummöchte, dass Alcopops gänzlich vom Markt verschwinden. Da im
Parlament ein gesetzliches Verbot jedoch nicht mehrheitsfähig wäre, entscheidet es sich dafur, in einer groß
angelegten Kampagne mit Werbespots in den Medien, Plakaten, Zeitungsannoncen usw. vor Alcopops zu
warnen, wobei die dringende Empfehlung an Jugendliche ausgesprochen wird, auf deren Genuss gärulich zu
verzichten.
42
l ntenslv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkten
1. Teil: Ausgangsfall
A. Ermächtigungsgrundlage
AÜ.121GG
1. Schutzbereichbetroffen
a) Personaler Schutzbereich
b) SachlicherSchutzbereich
2. Eingriff
a) Eingriff im klassischenSinn
b) ModerneEingrinslehre
(1) Subjektiv-berufsregelnde Tendenz
(2) Objektiv-berufsregelnde Tendenz
[l. Art. 14 1 GG
lll.An.21GG
B. Formelle Rechtmäßigkeit
Verbandskompetenz
1. An.87GG
2. Art.70n. GG
3. Verwaltungskompetenz aus Natur der Sache
4. Gubernative Staatsleitungskompetenz
a) Rechtsprechung
b) Literatur
c) Stellungnahme
ll. Organkompetenz
C. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Legitimer Zweck
11.Geeignetheit
[ll. Er6order]ichkeit
Angemessenheit
2.Teil: Abwandlung l
A. Ermächtigungsgrundlage
1. Subjektiv-berufsregelnde Tendenz
ll. Objektiv-berufsregelnde Tendenz
111.Gesetzesvorbehalt
1. BVerfG
2. Literatur
3. Stellungnahme
B. Formelle Rechtmäßigkeit
C. Materielle Rechtmäßigkeit
3. Teil: Abwandlung 2
1. Teil: Ausgangsfall
Die Verönentlichungder Liste des Bundesgesundheitsministeriums
ist rechtmäßig,wenn sie sich im Rahmender
rechtsstaatlichenAnforderungen hält, namentlich der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz entspricht,
Art. 20 111
GG.
A Ermächtigungsgrundlage
Nach diesem sogen. Grundsatz vom "Vorbehalt des Gesetzes" bedarf ein Verwaltungshandeln dann einer
(parlamentsgesetzlichen) Ermächtigungsgrundlage, wenn die Maßnahme wesentlich ist (sogen.
"Wesentlichkeitstheorie"
des BVerf(i, vgl. BVerf(iE 33, 125 [163]; 49, 89 [126]; 61, 260 [275]; 88, 103 [1 16];
Krebs, JURA 1979, 304). Wesentliche Maßnahmen sollen dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber
vorbehalten bleiben. Indiz fur die Wesentlichkeit eines Verwaltungshandelns ist dessen Grundrechtsrelevanz
(BVerfGE 47, 46 [79]; 57, 295 [321]; v. Münch, GG, Art. 20 Rn. 46), denn Grundrechte können - wenn überhaupt -
nur durch oder aufgrund eines Gesetzeseingeschränkt werden, das ihre ausdrücklichen oder verfassungsimmanenten
Schrankenkonkretisiert. Fraglich ist also, ob die Veröffentlichung in Grundrechte eingreiR.
[Ant?t.: Det' " Vorbehalt des Gesetzes" wird z.T. um)litte]bar aus Art. 20 11] GG. z.T. aus den Freiheitsgrundrechten
und deren Schranken, z.T. aus beidem hergeleitet. Eine Entscheidung tiber seine konkrete Grundlage ist hier aber
43
2 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Mittelbarer Grundrechtseingriff
dicht angezeigt, da sich an dieser Stelle aus der urlterschiedLichen Fundierung keine sachlichen Kotlseqtlenzen
ergeben. Lösutlgst'elefant ist allein, dass der Gesetzesvorbehaltexistiert ulm bei wesentlichen Maßnahmen
atlsgelöst wit'd. Dies ist aber tlnstreittg. Eine Entscheidung wäre also rein dogmatisch uttd damit in einer Fallösurtg
iiber[iüssig.]
1. Art.121GG
In Betracht kommt zunächstein Eingriff in den Schutzbereichdcs Art. 12 1 GG der mit Fimla und Produkt
aufgelisteten Hersteller von Alcopops
1. Schutzbereich betroffen
Hinsichtlich der SchutzbereichsbetroHenheit
ist zwischen der persönlichenund der sachlichenKomponente
zu diHerenzieren. Erstere bestimmt, wer sich auf das Grundrecht berufen kann, letztere dessen
Schutzumfang.
a) Personaler Schutzbereich
In personaler Hinsicht schützt Art. 12 1 1 GG alle Deutschen. Solange nicht ausschließlich ausländische
Hersteller in der Liste genanntworden sind - und hierfür gibt der Sachverhaltnichts her - ergebensich
insoweit keine Probleme. Soweit es sich bei den betrogenen Untemehmen um juristische Personen
handeln sollte, können diese sich nach einhelliger Aunassung auf Art. 12 GG berufen, weil das
Grundrecht über Art. 19 111GG "dem Wesen nach" aufsie anwendbar ist (BVerfGE 30, 292 [312]; 50,
290 [363];Tettinger,AÖRNr. 108,S. 92, ]04).
[Exktirs: Was genau tlttter dem Merkmal "deut Wesen nach anwendbar" i.S.d. Art. 19 1i} GG zl{
verstehen ist, ist streitig. Das Bye:fG joldert ein "personates Substrat" , indem es vclraussetzt, dass eine
rerkülztlng des Schtttzbereichsauf die hinter der jtitistischen Person stehendennatürlichen Personen
dtlrchschlägt" (BVe4GE 21, 362 [369J; 61, 82 [101J; 68, 193 [205]). Nach dieser Konzeption ist eine
juristische Persongrundrechtsfähig,wenn sich tlalilrliche Personendieser zup Äiisilbting ihrer
Grundrechte bedienen(BVerfGE 45, 63179]). Die Litaalur stellt hingegenilberwiegend auf eine
gtundrechtstypische G(;fährdungstage" ab(v. Mutlos, JURA 1983, 30135J; Klein, FS Scupin. S. 16S.
168; Erichsen/Scherzberg,NVWZ1990. 8fl]]) Danach ist ein Grundrecht dem Wesennach au/eine
juristische Person anwendbar, wenn eine aktiv ari ihrer Stelle stehendertatilrliche Person ebenfalls
betrqßen wäre. Zu ttntet'schaedlichenErgebnissen kommen die Theorien nur in seltenen Fetten, z.B. bei
der(fühlenden) Grundrechtsßähigkeitjuristischer Personen des ö#entlichen Rechts. Da llinter diesen
keine natürlichen Personen stehen,fehlt es mit dem BVerfG unproblematisch am "personalen Substrat
Die Literatur tut sich hier deutlich schueler. Sie tnüsstebspw.dle Grundrechtsjähigkeiteiner Getlteinde
bei Ärt. }4 1 GG bejahen, 3venneine Nachbargetneinde durch Ettlissionen deren Grtittdstück belastet,
della dadurch sinkt der Grultdstückswertunabhängig von der Frage, ob nun eine Getneindeoder ein
Privatntann Eigentümer ist. Eine "grttndrechtstypische Ge$ährdungstage" läge also vor. Ätlch das dann
zur Hitlë genommene"Korgüsionsargument", wonach ein Rechtsträger nicht zugleich Berechtigter !ind
relpßichteter sein kann, preiß ntlt' im Verhältnis zum Bürger, nicht aber, werth- wie it)i Beispiel ein
(anden'er)Hoheitsträger in das Grundrecht eingreiß. Die Ansicht des BVerfG erscheitt{hier also
votzugswiirdig.]
b) Sachlicher Schutzbereich
Art. 12 1 1 GG schützt die BerufsÜ'eiheit als einheitliches, sich aus Berufswahl und Berufsausübung
zusammensetzendes
Grundrecht. Unter einem Beruf i.S.d. Art. 12 1 1 GG ist jede auf Dauer angelegte,
auf Erwerb der Lebensgrundlagegerichtete und erlaubte Tätigkeit zu verstehen. Der Produktionsbetrieb
eines Getränkeherstellers ist auf Dauer angelegt und auf die ErwirtschaRung von Erträgen ausgerichtet,
aus denen die Unternehlnenseigner ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wann genau eine Tätigkeit "erlaubt:
im vorgenanntenSinne ist, ist umstritten. Teilweise wird gefordert, dass sie nicht gesetzlich verboten sein
darf(BVerfGE 7, 377 [3971;68, 272 [2811; 78, 179 [193]). Nach dieserAnsicht ist die Herste]]ungvon
Alcopops erlaubt, denn das Abfüllen und Verueiben derselben ist nicht gesetzlich verboten .
Nach andererAnsicht könne der Schutzbereich eines Grundrechtsnicht zur Disposition des einfachen
Gesetzgebersgestellt werden. Daher komme es nicht auf gesetzliche Verbote, sondern allein darauf an,
ob die Tätigkeit von vornherein auf gemeinschädliches Handeln ausgerichtet sei(BVerwGE 22, 286
[288 f]). Nur generell sozia]- oder gemeinschaRsschädliche Betätigungen lägen von vornherein
außerhalb der Freiheitsverbürgung des Grundgesetzes. Das Abfüllen und Vertreiben von alkoholhaltigen
Getränken mag zu deren übermäßigem Konsum verleiten und damit verbundene Gesundheitsgefahren
auslösen; es zielt jedoch nicht von vornherein auf diese Folgen ab. Sie treten erst durch unangemessenen
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Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Mittelbarer GrundrechtseingrifT
Konsum der Erwerber auf und mögen den Herstellern im Gegenteil unerwünscht sein. Bei maßvollem
Genusssind ihre Produkte unschädlich. Mithin fällt deren Herstellung auch nach dieser Ansicht in den
Schutzbereich des Art. 12 1 1 GG.
Sofern man das Merkmal "erlaubt" gänzlich fur entbehrlich hält und auch von vomherein
sozialschädlichen Tätigkeiten allein auf Schrankenebene begegnen will, fällt die Produktion von
Alcopops erst Recht unter den Schutz der Berufsfreiheit.
2 Eingriff
Fraglich ist, ob die Veröffentlichung der Liste des Bundesgesundheitsministeriumseinen Eingriffdarstellt
b) Moderne Eingriftslehre
Der klassischeEingrinsbegriff ist jedoch nach heute ganz h.M. zu eng. Dies gilt zunächstfur das
Er6ordemis eines erzwingbaren Rechtsakts. Denn im Bereich des schlichten Verwaltungshandelns können
dessen tatsächliche Folgen den Betrogenen ebenso belasten wie rechtliche Wirkungen. Der
Grundstückseigentümer wird bspw. durch den (faktischen) Abriss seines Hauses nicht minder belastet als
durch die (rechtliche) Enteignung.Aber auch das Festhaltenan den Kriterien der Finalität und
Unmittelbarkeit würde zu unerträglichen Härten fuhren. Denn fur den Betrogenen macht es auch keinen
Unterschied,ob eine ihn belastendeFolge gewollt oder ungewollt war und/oder erst durch das
Hinzutreten weiterer Zwischenakte eintritt, insbesondere wenn diese naheliegende und fÜr jedermann
vorhersehbareFolge des hoheitlichen Handelnsist. Heute wird unter einem Eingriff daher jede
Verkürzung des Schutzbereichsverstanden,mag sie rechtlich oder tatsächlich, final oder ungewollt,
unmittelbar oder mittelbar sein (BVerfGE 66, 39 [60]; BVerwG, NJW 1989, 3269; Tillmanns,
JURA2004, 619 [625]). Entscheidendist allein, dasses sich um einen Hoheitsakthandelt, der eine
spürbare Beeinträchtigung (im Gegensatz zur bloßen Bagatelle) h interlässt.
So wie der klassischeEingrinsbegriH'einer Erweiterung bedarf. kann andererseitsaber auch nach der
modernen Eingrinslehre nicht jede Folge staatlichen Handelns dem Hoheitsträger zugerechnet werden.
Gerade Arbeite- und Wettbewerbsbedingungenkönnen sich durch eine Vielzahl von Ursachen verändem,
die mittelbar auf staatlich-politische Entscheidungen zurückfuhrbar sein mögen, fur die der Staat jedoch
keine Verantwortung mehr übemehmenkann. Das BVerfG hat daher zu Art. 12 GG das Er6ordemiseiner
:berufsrege]ndenTendenz" herausgebildet(BVerfGE 82, 209 [223 f]; BVerfG, NJW 1998, 1627 [1628]).
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Standort: OR/Grundrechte
ßghwerpunkte: Mittelbarer Grundrechtseingriff
Abwehr von gesundheitlichen Gefahren fur die Bevölkerung, insbesonderefur Jugendliche, angekommen
ist. Leitungsfiinktion inrlerhalbdes Angebots von Alcopops kam der Liste auch nicht zu, da sämtliche
Getränke dieser Art außgefilhrt waren. Über ihre Vorzüge oder Nachteile gegentlber anderen.
nichtalkoholischen
Getränkenenthielt sie auch keine Angaben,da bewusstauf eine
Verhaltensempfehlung verzichtet wurde.
11 Art.141GG
Es könnte jedoch ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Hersteller nach Art. 14 1GG vorliegen. Dann müsste
zunächst der Schutzbereich betrogen sein. Zum Eigentumsbegriff des Art. 14 1 GG zählt jede vermögenswerte
Position, die dem Einzelnen durch die Gesetzezugewiesen ist. Nicht geschützt sind hingegen Erwerbsaussichten.
Die befurchteten Umsatzeinbußenbetreten nur den Erwerb, so dass schon der Schutzbereich des Art. 14 1 GG
nicht berührt ist.
lll.Art.21GG
Art. 2 1 CiG tritt als Aunanggrundrecht hinter dem spezielleren AH. 12 1 GG zurück, dessenSchutzbereich ja
betroffen war
B Formelle Rechtmäßigkeit
Neben dem "Vorbehalt des Gesetzes" folgt aus Art. 20 111GG aber auch der "Vorrang des Gesetzes", wonach die
Verwaltung nicht gegen bestehendeNormen handeln darf {n formeller Hinsicht sind also - soweit existent
Zuständigkeits-, Verfahrens- urld FormvorschriRen zu beachten. Verfahrens- und FormvorschriRen sind hier nicht
ersichtlich; insbesondere greifen die Regeln fur Verwaltungsakte (z.B. $$ 28, 37 VwVfG) für Realakte wie das
Herausgeben einer Informationsbroschüre nicht ein. Jedoch ist fraglich, ob das Bundesgesundheitsministerium
hierfür zuständig war. Diesbezüglich ist zwischen der Verbands- tmd Organkompetenzzu unterscheiden:
O./z//.a Intensiv (00141.EK OeR NRW GrundR Alcopops Lees) Seite 4 von 9
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Schwerpunkte: Mittelbarer Grundr$$ht?eingriff
l Verbandskompetenz
Die Verbandskompetenz regelt die Frage des zuständigen Rechtsträgers. Hier kommen an Stelle des Bundes
auch die Länder in Betracht. in deren Hand nach Art. 30 GG alle Staatsgewalt- und damit grds. auch die
Verwaltungskompetenz - liegt. Fraglich ist, ob eine hiervon abweichende Kompetenzzuweisung zugunsten des
Bundes vorliegt. Diese müsste sich nach Art. 30 GG aus dem Grundgesetz selbst ergeben.
l Art. 87 GG
Die Verwaltungskompetenz des Bundes könnte aus Art. 87 GG resultieren, der die bundeseigeneVerwaltung
regelt. Die Information über bestimmte Produkte lässt sich jedoch unter keinen der dort genannten
Gegenständesubsumieren. Im Ubrigen begründet Art. 87 GG eine Verwaltungskompetenz des Bundes nicht
originär, sondem regelt nur die Bereiche, in denen der Bund eigene Behörden einrichten und deren
Zuständigkeitendurch Organisationsgesetze regeln kann (Heintzen, NJW 1990, 1448 [1449]). Fällt eine
Aufgabe schon nicht in einen der genanntenBereiche,gibt es hierfür natürlich erst Recht kein
Organisationsgesetz, das einer bestimmten Bundesbehörde diese Aufgabe zuwiese. Das BVerfG (NJW 2002,
2623) will die Oßentlichkeitsarbeit der Regierung ohnehin ganz aus dem Regelungsprogrammder Art. 83 f:t
GG herausnehmen. Diese calle in den Bereich der Staatsleitung (Gubernative), die von der Verwaltung i.S.d.
Art. 83 ft GG zu unterscheidensei. Art. 87 GG scheidet hier also als Kompetenztitel aus.
2. Art. 70 ff. GG
Die Verbandskompetenz des Bundes könnte aus dessen Gesetzgebungskompetenzresultieren. Immerhin
enthalten Art. 74 1 Nr. 11, 20 GG die Gesetzgebungskompetenzdes Bundes fur den Verbraucherschutz im
Zusammenhang
mit Lebensmitteln.
Ein Rückschluss
von der Gesetzgebungskompetenz
auf die
Verwaltungskompetenz ist jedoch nicht zulässig (Schoch, DVBL. 1991, 667 [673]: "bedarf keiner
Begründung"), da ansonsten die diHerenzierte Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes zwischen
Exekutive und Legislative überflüssig wäre und der Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 ll GG) ausgehöhlt
würde. Schon deshalb gibt es auch keine Verwaltungskompetenz als "Annex" zur Gesetzgebungskompetenz
4. Gubernative Staatsleitungskompetenz
Die Bundeskompetenz könnte jedoch aus einer besonderen Staatsleitungsbefugnis der Bundesregierung
Folgen. Einen solchen Kompetenztitel enthält das Grundgesetz ausdrücklich auch nicht. Streitig ist, ob sich
ein solcher gleichwohl als ungeschriebenenGrundsatz aus Art. 62 f:EGG herleiten lässt.
a) Rechtsprechung
Das BVerf(l und das BVerwG bejaheneine solche Kompetenz.Aus Art. 62 R. GG ergebesich die
Verantwortung der Bundesregierungfur die Staatsleitung. Diese umfasse InHormations-und
Öffentlichkeitsarbeit. So habe die Bundesregierung dem Bundestag Rede und Antwort zu stehen (Art. 43
GG) und musseden Abgeordneten Informationen verschaHen,die diese zur Ausübung ihres Mandats
benötigen. Ferner stehe die Bundesregierung zwangsläufig in der Öüentlichkeit. Sie masse und dürfe sich
daher auch ihr gegenüber äußem. Diese In6ormationskompetenz der Bundesregierung grenze sich von der
Länderkompetenz dadurch ab, dass die Informationen länderübergreifenden Charakter oder
Auslandsbezughabenmassen(BVerfG, NJW 2002, 2621 [2623]; NJW 2002, 2626 [2629]; ebenso
BVerwGE 82, 76, [79 n.]; NJW 1991, 1770). Das BVerfG und BVerwG sehen in der
Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein Indiz Hüreinen solchen überregionalen Bezug.
Ein überregionaler Bezug liegt hier vor, da Alcopops im garden Bundesgebietvertrieben und konsumiert
werden. Zudem ist das vom BVerfG angesprochene Indiz der Gesetzgebungskompetenzmit Ait. 72, 74 1
Nr. 11, 20 GG erf:Üllt (s.o.). Dieser Ansicht folgend ließe sich aus Art. 62 ft GG also eine gubernative
Staatsleitungskompetenz des Btmdes zur Veröffientlichung der Liste entnehmen.
b) Literatur
In der Literatur (Bethge, VVSStRL 57 (1998), 7 [48J; Gusy, NJW 2000, 977 [980]; Murswieck,
NVWZ 2003, 1 [7]) wird diese Konstruktion überwiegend abge]ehnt. Sie ehre dazu, dass entgegen
Art. 20 ll GG eine vierte Staatsgewalt- die Gubernative- eingefilhrt werde, verstoßealso gegen
elementarePrinzipien unsererDemokratie. Ferner bestündedie Gefahr, dassder Bund unter Berufilng auf
die "Staatsleitung" die Befiignisse der Länder umgehen und entgegen Art. 30 GG an sich reißen könnte.
Der Begriff der "Staatsleitung" sei auch zu unbestimmt, als dass er als Abgrenzungskriterium dienen
könne (zu allem eingehend Lege, DVBL. 1999, 569 [574 fF]). Danach bestünde keine
Verbandskompetenz des Bundes.
c) Stellungnahme
Die Meinungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodassder Streit entschieden werden muss.
Für die Ansicht der Rspr. spricht zunächst, dass die aus der Staatsleitungfolgende Kompetenz des
Bundes zur Oßentlichkeitsarbeit bei überregionalem Bezug einer effektiven Problemlösung dienen kann,
weil die Stimme der Bundesregierung im Gegensatz zu landesinteinen Vorgängen auch überregional
gehört wird. Diese Kompetenz soll nach Ansicht des BVerfG neben die entsprechendeKompetenz der
Länder und der zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden treten (BVerfG, NJW 2002, 262 1 [2623]). Den
Ländern wird also nichts genommen, die Gefahr einer Aushöhlung ihrer Kompetenzen entgegen Art. 30
GG besteht insoweit nicht. Auch wird keine vierte Staatsgewalt eingefuhrt, denn Regierungsarbeit ist und
bleibt Exekutive. Die Ansicht der Rspr. führt lediglich dazu, dassaus dem GG neben Art. 83 fE GG noch
andere Exekutivkompetenzen folgen können (BVerfG, NJW 2002, 2621 [2623] zu Art. 83 ft GG: "Die
Regierungstätigkeit ist nicht Verwaltung im Verständnis dieser Normen".). Ferner dient das Merkmal des
überregionalenBezugs" auch als Abgrenzungskriterium, gibt der Kompetenz des Bundes also die
Kantenschärße,die von der Lit. vermisst wird. Zudem sind öffentliche Äußerungen der Bundesregierung
zu den die Bevölkerung interessierendenThemen unvermeidlich. Ist die Oßentlichkeitsarbeitaber der
Regierungsarbeit zwangsläufig immanent, muss auch eine entsprechendeKompetenz den Art. 62 ft GG
immanent sein. Der Rspr. ist daher zu folgen.
11 Organkompetenz
Die Organkompetenz liegt nach Art. 65 GG bei der Bundesregierung, wobei .jedesMinisterium nach Aa. 65 S. 2
GG seinenAufgabenbereichselbstständigwahrnimmt. Der Konsum von Lebensmittelnund die aus Alkohol
resultierenden
Gefahrenfallen in den Bereich des Bundesgesundheitsministeriums,
dem somit die
Organkompetenzzukommt. Da die Liste auch von diesem herausgegebenwurde, ist die Zuständigkeit und damit
die formelle Rechtmäßigkeit insgesamtzu bejahen.
c. Materielle Rechtmäßigkeit
Fraglich bleibt, ob die Herausgabe der Liste auch in materieller Hinsicht rechtmäßig war. Das zu verneinende
Er6ordemis einer Ermächtigungsgrundlage bedeutet nicht, dass die Exekutive außerhalb des Gesetzesvorbehalts
nach Belieben handeln kann. Der bereits erwähnte "Vorrang des Gesetzes" zwingt nämlich tiber die Beachtung der
bestehendenKompetenzregelungenhinaus auch zur Einhaltung der materiell-rechtlichen Grenzen des
Verwaltungshandelns, namentlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus Art. 20 111GG (BVerfG, NJW 2002,
2626 [2630]; NJW 1989, 3269 [3270]; BVerwGE 82, 76 [8 11; Murswieck, NVWZ 2003, 1 [7]). Frag]ich ist a]so, ob
die Herausgabe der Liste zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen war.
l Legitimer Zweck
Die Verwaltungverfolgt einen legitimenZweck, wenn sie sich nicht bereitsmit dcm Ziel ihres Handelnsin
Widerspruch zur Rechtsordnungsetzt. Die Herausgabe der Liste sollte der Aufklärung der Verbraucher über das
Marktangebotan Alcopops und deren Zusammensetzung,insbesonderederen Alkoholkonzentration. dienen.
Eine solche InHormationstätigkeit setzt sich nicht nur nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung, sondern wird von
dieseran vielen Stellen - vgl. nur die oben bereits angesprocheneGesetzgebungs-und Verwaltungskompetenz
sowie den Grundrechtsschutzder Verbraucher, insbes. Art. 2 11GG - sogar ausdrücklich gebilligt.
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Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Mittelbarer Grundrechtseingljg
11 Geeignetheit
Geeignet ist die Maßnahme, wenn sie den legitimen Zweck zumindest fördert. Die Liste kann von Verbrauchern
angefordert und eingesehenwerden, dient also zu deren Information.
ll l.Erforderlichkeit
Eine Maßnahmeist nur erforderlich, wenn keine milderen, gleich eHektiven Mittel zur Zweckerreichungzur
Verfugung standen. Der SAUF macht geltend, bereits die auf den Alcopops-Flaschen vorhandene Angabe der
Alkoholkonzentration informiere den Verbraucher hinreichend. Dem ist entgegen zu halten, dass diese
Information regelmäßig nur dem Konsumentenselbst zugänglich ist, nicht aber Dritten (z.B. Ehem
Mindedähriger)im Vorfeld des Konsums.Zudem liegt der Informationswerteiner Liste gerade in deren
Zusammenstellung, also der Übersicht über die verschiedenen Produkte. Diese Vergleichsmöglichkeit kann ein
Aufdruck auf einer Flascheebensowenig bieten wie die Information über den Alkoholgehalt andererAlcopos.
Der FlaschenauHdruckist daher zur Verbraucherinformation schon nicht gleich geeignet wie die Liste.
IV.Angemessenheit
Fraglich bleibt, ob der verfolgte Zweck in einem angemessenenVerhältnis zu den Beeinträchtigungen steht, die
das zu seiner Erreichung eingesetzte Mittel fur Dritte mit sich bringt. Wie bereits oben ausgefuhrt, halten sich
die mit der Herausgabeder Liste verbundenenBeeinträchtigungenin engenGrenzen.Auswirkungen sind nur in
Bezug auf die Hersteller von Alcopops zu erwarten, und auch diese sind nur mittelbar-faktischer Natur und
überschreiten die Schwelle zum Grundrechtseingriff nicht. Dem steht das Informationsinteresse der Verbraucher
gegenüber,das in neutraler, sachlicher Form befriedigt wird. Eine unangemesseneBeeinträchtigung von Rechten
Dritter lässt sich folglich nicht erkennen.
Die Herausgabeder Liste war daher auch verhälmismäßig und somit insgesamtrechtmäßig.
2. Teil: Abwandlung l
A. Ermächtigungsgrundlage
Auch in der Abwandlung stellt sich zunächst die Frage, ob die Veröffentlichung einer gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage bedarf. Dann musste sie "wesentlich" i.S.d. Wesentlichkeitstheorie, also
grundrechtsrelevant sein. Insoweit kommt wieder ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 1 GG in Betracht.
Hinsichtlich der Schutzbereichsbetronenheit
gilt das im Ausgangstall Gesagte.Fraglich ist aber, ob sich aus dem
Begleittext zur Liste nunmehr eine Eingrinsqualität ergibt.
l Subjektiv-berufsregelnde Tendenz
Es könnte zunächst final in die Berufsfreiheit der Alcopops-HerstellereingegriHenworden sein. Dem
Bundesgesundheitsministeriumging es um den Verbraucherschutz, wobei besondersJugendliche vor der Gefahr
übermäßigen Genusses und der frühen Gewöhnung an Alkohol bewahrt werden sollten. Die Verkürzung der
Berufs6eiheit der Hersteller von Alcopops hatte sie hingegennicht im Auge. Allenfalls könnte darangedacht
werden, dass sie den zurückgehendenUmsatz als Resultat der Veröffentlichung als unvermeidlich
vorausgesehenund dann auch gebilligt hätte. Das bloße Inkaufhehmen einer mittelbaren Folge ist jedoch keine
Absicht im Sinne einer Finalität, bei der die Auswirkungenja geradeangestrebtsein müssen(BVerfG,
N[W 2002, 2626 [2628]).
11 Objektiv-berufsregelnde Tendenz
Die Vorhersehbarkeit der mittelbaren Folgen ist neben deren Schwere aber ein Element der objektiv-
berußsregelnden Tendenz (BVerwG, DVB]. 1991, 699 [700]; Lege, DVB]. 1999, 569 [571]). Diese kann hier im
Gegensatzzum Ausgangsfall nicht schon mit dem Argument verneint werden, dass lediglich wahre Tatsachen
mitgeteilt werden, denn Attribute wie "gefährlich", "suchtRördemd"und "schlecht für die Jugend" enthalten
Wertungen.
Für das Ministerium musste es nahe liegen, dass die Verbraucher ihr Konsumverhalten anlässlich der
Verönentlichung ändem würden. InsoRemwaren die Umsatzeinbußenbei den Herstellem als mittelbare Folge
vorhersehbar. In der Lit. werden an diesesMerkmal ohnehin keine strengen Anforderungen gestellt; prägend sei
die Schwereder Folgen (Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 [544]; Robbers,AfP 1990,84 [86]). Hielten sich
die Umsatzeinbußenim Ausgangsfall noch in Grenzen, sind diese nunmehr als "erheblich" zu bezeichnen. Auch
fur die Folgenlast ist i.U. die Wortwahl zu beachten. Wertende BegriHe wie "gefährlich" und "suchtfÖrdernd"
wirken eindringlicher auf den Verbraucher und dessenKonsumverhalten als die reine Mitteilung von Tatsachen
in Form einer Marktübersicht. Von einer hinreichenden Schwere ist daher ebenfalls auszugehen.Somit liegt ein
(mittelbar-faktischer)
Eingriff in Art. 12 1GG vor.
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Schwerpunkten Mittelbarer Grundrechtseingriff
lll.Gesetzesvorbehalt
Fraglichist jedoch, ob damit automatischeine "wesentliche"Maßnahmei.S.d. Wesentlichkeitstheorie
des
BVerfG vorliegt, m.a.W. auch jeder mittelbar-taktische Eingrif:f in Grundrechteden Gesetzesvorbehaltauslöst
Dies ist streitig:
l BVerfG
Das BVerfG verneint dies. Die "Wesentlichkeitstheorie" habe sich zu Zeiten des "klassischen
Eingrinsbegrins gebildet, sodasszunächst nur finale, unmittelbare und erzwingbare Rechtsaktewesentliche
Maßnahmensein sollten. Zwar sei es richtig, dass sich der EingrinsbegriH'im Laubeder Zeit ausgeweitet
habe und nunmehr- wie oben gezeigt - auch mittelbar-faktische
Auswirkungenerfasse;der
Gesetzesvorbehalt sei damit aber nicht automatisch mitgewachsen (BVerfG, NJW 2002, 2626 [2629]). Denn
der Gesetzesvorbehaltdiene - andersals die Grundrechte - nicht in erster Linie dem Schutz des Bürgers
sondem der Demokratie und dem Rechtsstaat insgesamt, wo wesentliche Maßnahmen durch die Legislative
getroHën werden müssten, um die Machtfülle der überwiegend nur mittelbar demokratisch legitimierten
Verwaltung zu begrenzen.Zum Schutz der Bürger reiche es aus, wenn zur Rechtfertigung mittelbar-
Eaktischer Beeinträchtigungen infolge staatlicher Äußerungen lediglich die Zuständigkeit und die
Verhältnismäßigkeit herangezogen werden (BVerfG, NJW 2002, 2621 [2622]). Eines Tätigwerdens des
Gesetzgebersbedürfe cs in diesen Fällen nicht.
2 Literatur
In der älteren,vor der o.g. Rspr. des BVerfG veröffentlichtenLiteratur wird überwiegendfur jeden
Grundrechtseingriffeine Ermächtigungsgrundlagegefordert (vgl. DiFabio, JuS 1997, 1 [4] m.w.N.). A]s
Reaktion auf die o.g. Rspr. des BVerfG wird daran zumindest fÜr die Fälle festgehalten, in denen sich die
Außerung gerade auf die betroffene Personengruppe beziehe; keiner Ermächtigungsgrundlage bedürfe sie
hingegen dann, wenn deren BetroHenheit sich lediglich aus mittelbar-faktischen Folgen einer Äußerung in
anderer Sache ergebe (Murswieck, NVWZ 2003, 1 [6]). Danach wäre hier der Gesetzesvorbeha]t ausge]öst.
Fordert man fur jeden Eingriff eine solche, liegt dies auf der Hand. Aber auch wenn man eine
gruppenbezogene Außerung verlangt, lässt sich diese durch die ausdrückliche Bezugnahme aufAlcopops und
deren Bewertung als "gefährlich" usw. bejahen.
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Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Mittelbarer Grundrechtseinpriff
B Formelle Rechtmäßigkeit
Bezüglich der Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministeriumskann auf oben verwiesen werden. Danach ergibt
sich diese aus der ungeschriebenen,jedoch aus Art. 62 ü. GG ableitbaren gubemativen Staatsleitungsbeftignis.
c. Materielle Rechtmäßigkeit
Fraglich ist jedoch, ob die Veröffentlichung verhältnismäßig war. Dann musste sie zur Erreichung eines legitimen
Zwecks geeignet, erforderlich und angemessengewesensein. Auch insoweit kann überwiegendauf den
Ausgangsfall verwiesen werden. Abweichungen könnten sich allerdings hinsichtlich der Angemessenheit ergeben,
da die getroffenen Wertungen wie "gefährlich" und "suchtRördemd" über eine bloße Tatsachenmitteilung
hinausgehen.Auch der SAUF meint, damit sei die Grenze des Hinnehmbaren überschritten. Fraglich ist also, ob bei
der gebotenen Abwägung zwischen dem angestrebten legitimen Zweck des Verbraucher- und Jugendschutzes
einerseits und der betrogenen Berufsfreiheit der Alcopops-Hersteller andererseits die Grenze des Hinnehmbaren
überschritten worden ist. Diese verläuR nach Ansicht des BVerfG dort, wo die staatlichen Außerungen
diHamierendenCharakter annehmen(BVerfG, NJW 2002, 2626 [2631]). SolcheAnwürHesind durch Gründe des
Verbraucherschutzes nicht mehr gerechtfertigt, weil sie einerseits nur geringen Informationsgehalt bieten,
andererseits die Betroffenen besonders stark belasten.
Die Bezeichnung alkoholhaltiger Mixgetränke als "schlecht", "gefährlich" und "suchtRördernd"mag wertende
Elemente enthalten, betritt jedoch nicht die Ebene des Persönlichen. Weder werden die Hersteller angegangen, noch
verlässt das gewählte Vokabular den Rahmen. Hinzu kommt, dass gerade unerfahrene Jugendliche als potenzielle
Konsumenten wegen ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit Alkohol besonderen Schutzes bedürfen. Zudem
vermittelt Art. 12 1 GG - wie im AusgangsCallausgefuhrt - keinen Anspruch darauf. dass die eigenen Produkte von
Dritten in der ÖHentlichkeit positiv dargestellt werden. Die Außerungen sind daher auch in der vorliegenden Form
nicht unverhälmismäßig und somit insgesamtrechtmäßig.
3: Teil: Abwandlung 2
Auch in der zweiten Abwandlung stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlageim
Hinblick aufArt. 12 1CiG. Hier liegt allerdings schon eine subjektiv-berufsregelnde Tendenz vor, da in diesem Fall das
Verhalten des Ministeriums geradeauf das Verschwinden der Alcopops vom Markt gerichtet war. Die Kampagne ging
über bloße Tatsachenmitteilungen zur Verbraucherin6ormation, aber auch über lediglich vorhersehbare, mittelbar-
faktische Wirkungen hinaus. Vielmehr wurde gehandelt,um die Verbreitung der Alcopops einzudämmen.Zu diesem
Zweck wurde eine Warnung ausgesprochenund ein Konsumverzicht empfohlen. Darin liegt finales Handeln, das nach
der Wesentlichkeitstheorie gerade deshalb einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage bedarf. weil die
Verwaltung im demokratischenRechtsstaatnicht am Gesetzgebervorbei -bzw. wie im vorliegenden Fall gar gegen
dessenWillen - in Grundrechte eingreifen können soll (Murswieck, NVWZ 2003, 1 [6]; DiFabio, JuS 1997, 1 [5]). Die
Finalität ist das tragende lüiterium fur den Par]amentsvorbeha]t(BVerwGE 90, 112 [1 20]).
Eine parlamentsgesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist aber zugunsten des Bundesgesundheitsministeriums nicht
ersichtlich. Die insoweit allenfalls in Betracht kommendenNormen wie $ 8 ProdSichGoder die Generalklauselndes
Ordnungsrechts der Länder ermächtigen sämtlich Behörden aufunterer Ebene, nicht aber das Ministerium.
Rechtsprechung
e BVerf{3, NJW 2002, 2626 = RA 2002, 449 (Wamung vor Osho-Sekte)
. BVerfG, NJW 2002, 2621 - RA 2002, 494 (Wamung vor Glykol-Wein)
Literatur
B Nolte/Tams, Grundfälle zu Art. 12 1GG, JuS 2006, 31
Intensiv
Standort: ÖR/ Grundrechte/ Art. 8 1 GG/ Versammlungsfreiheit
Art. 8 1 GG - Versammlungsfreiheit
A.Konkurrenzen
An.21GG
Arg.: Art. 2 1GG ist ein Aunanggrundrecht.
1. Personeller Schutzbereich
1. Natürliche Personen
2. JuristischePersonen
Nach Art. 19 111GG ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit auch auf inländische
juristische Personendes Privatrechts anwendbar (Jarass/Pieroth,GG, Art. 8, Rn. l l ).
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Intensiv
Standort OR / Grundrechte
b) Waren
Def: Waffen sind alle technischenWaffen im Sinne des $ 1 WaffG sowie jeder
Gegenstand, der zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen
geeignet ist und zu diesem Zweck mitgeführt wird (Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG.
$ 1, Rn. 143; Kingreen/Poscher,Grundrechte. Rn. 778).
Das Tatbestandsmerkmaldes Mitführens von Waben wird zuerst geprüR, weil ein
solches Verhalten die Unßiedlichkeit des jeweiligen Versammlungsteilnehmers
vermuten lässt.
c) Friedlich
Def: Friedlich ist eine Versammlung. die keinen gewalttätigen und aufrührerischen
Verlauf nimmt (vgl. $ 4 Nr. 3 SächsVersG),bei der also keine Gewalttätigkeiten
oder aggressivenAusschreitungengegen Personenoder Sachen unmittelbar
bevorstehen oder bereits stattfinden. Dabei ist Gewalt im Sinne des $ 240 STGB
ebenso wenig ausreichendwie ein einfacher Regelverstoß, da ansonsten der
Gesetzesvorbehalt
des Art. 8 ll GG ilbernüssigwäre (BVerfGE73, 206 [248];
Rusteberg, N.JW 201 1, 2999 [3000]).
2 Geschütztes Verhalten
Itttenslv
Standort OR/ Grundrechte/ Art. 8 1 GG/ Versammlungsfreiheit
1. Gesetzesvorbehalte
a) Art. 8 ll GG
Def: Versammlungenfinden unter freiemgHimmel statt, wenn sie keine feste seitliche
Begrenzung haben, wobei die Seiten derart umschlossen sein mËlssen,dass kein Kontakt
mit dem allgemeinen Publikumsverkehr möglich ist (Kingreen/Poscher, ; Grundrechte,
Rn.786).
b) Art. 17a l GG
2. Verfassungsimmanente Schranken
Findet diejeweilige Versammlung nicht unter freiem Himmel statt, kommt Art. 8 ll GG
nicht zum Zuge. Der Eingriff kann dann nur durch die verfassungsimmanenten
Schranken gerechtfertigt werden. Art. 8 GG kann daher als zweiteiliges Grundrecht
bezeichnet werden, das teilweise unter Gesetzesvorbehalt steht, zum Teil jedoch auch
vorbehaltlos geschützt ist.
11. Schranken-Schranken
1. VerCassungsmäßigkeit
deseingreifëndenformellen Gesetzes
Bei der Erörterung der Verhältnismäßigkeit des Einzelakts können Probleme auheten.
Zum einenist fraglich,gegenwen die Behördeneinzuschreiten
haben,wenn die
Versammlung durch eine gewaltbereite Gegendcmonstration gestört wird, vgl. dazu
Weiterhin wirr das Einschreitender Verwaltung gegen sog. Spontan- und
Eilversammlungcn rechtliche Fragen aut vgl. dazu
Schließlich ist fraglich, ob wegen einer Gefahr fur die öffentliche Ordnung eine
Versammlung verboten bzw. aufgelöst werden darf vgl. dazu
Versammlungsfreiheit,
Art. 8 1GG Einzelprobleme
Nach einer sehr engen Rechtsaunassung kann von einer Versammlung nach Art. 8 1 GG nur ausgegangen
werden, wenn die zusammengekommenen Personen öffentliche Angelegenheiten diskutieren (sog. enger
Versammlungsbegrift).
DieserNorminterpretationhat sich wohl auch das BVerfG angeschlossen
(BVerf{3,
NJW 2001, 245912460f]; BVerwGE 26, 135]137]).
Zur Begründung wird die historische Auslegung herangezogen,wonach Art. 8 1 GG in Reaktion auf die
Weimarer und NS-Zeit primär dem Schutz politischer Veranstaltungen diene. Femer stehe das Grundrecht in
einem besonderen Bezug zum Demokratieprinzip, indem es einen Ausgleich fÜr die geringen plebiszitären
Mitwirkungsrechte des Einzelnen ermögliche (BVerfG, NJW 2001, 2459 [2460]; Meßmann, JuS 2007, 524
Ein extensiveres Normverständnis hält es demgegenüber fÜr ausreichend, wenn eine kollektive
Meinungsbildung oder -äußerung erfolgt, gleichgültig ob diese ÖHentliche oder private Themen behandelt (sog.
erweiterte Versammlungsbegrifi) (BVerwGE 56, 63 [69j; VGH München, NVWZ 1988, 1055 [1056]).
Die Vertreter dieser Rechtsaunassungverweisen auf den ihrer Meinung nach bestehendenZusammenhang
zwischen Art. 5 1 1 1. Hs. GG und Art. 8 1 GG. Die Versammlungsfreiheit habe eine Komplementärfiinktion
zur MeinungsÜ'eiheit. Art. 8 1 GG schütze die Meinungsbildung in Gruppen6orm (vgl. Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 772).
Eine letzte Aunassung geht davon aus, dassjeder Zweck ausreichend ist, solange nur eine innere Verbindung
zwischen den Versammelten besteht (sog. weiter Versammlungsbegriff). Diese innere Verbindung soll fehlen,
wenn die Veranstaltung auf bloßen Konsum ausgelegtist bzw. dort ihren Schwerpunkthat. Das wird z.B.
regelmäßig bei Musikkonzerten oder Kinobesuchen der Fall sein (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 774-
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die von den beiden anderen Rechtsaunassungen
vorgesehenenEinschränkungen keine Stütze in Wortlaut und Systematik des GG finden würden. Insbesondere
der enge Versammlungsbegriffberuhe aufeiner LJberbetonung der historischen Auslegungsmethode. Vom Sinn
und Zweck habe Art. 8 1 GG letztlich das Ziel, eine Isolierung des Einzelnen zu verhindern und somit die
Persönlichkeitsentfaltungin Gruppenform zu gewährleisten, so dassein weites Normverständnis geboten sei.
Die Missachtung der in $ 14 1 Vermg normierten Anmeldepflicht rechtfertigt fur sich alleine nicht das Verbot
bzw. die Auflösung einer Versammlung. Denn ohne das Hinzutreten einer Gefahrensituationmuss dieses
formale Erfordernis hinter dem besondershochwertigen Grundrecht der Versammlungsfreiheitzurücktreten
(BVerfGE69,3 15 [351]).
Des Weiteren kommt die Anmeldepflicht bei einer Spontanversammlung (= ungeplante Versammlung, die sich
aus einem aktuellen Anlass bildet und keinen Veranstalter hat) überhaupt nicht zum Tragen, da ansonsten
innerhalb der 48-Stunden-Frist keine Versammlung möglich wäre, der einfache Gesetzgeber es also in der
Hand hätte, einen versammlungsfreienZeitraum zu definieren (BVerfGE 69, 315 [350f.]). Bei einer
Eilversammlung (= geplante Versammlung, deren Zweck bei Einhaltung der 48-Stunden-Frist nicht erreicht
werden kann) ist die Frist dahingehendzu modifizieren, dass die Anmeldung zu erfolgen hat, sobald der
Entschlusszur Durchfuhrung der Versammlung feststeht (BVerfGE 85, 69 [75]). Sowohl bei Spontan- als auch
bei Eilversammlungen hat also eine verfassungskonforme Auslegung des $ 14 VersG stattzufinden.
Prüfüngsstandort: Angemessenheit des Einzelakts.
Intensiv
Standort: ÖR/ Grundrechte/ Art. 8 1 GG/ Versammlungsfreiheit/ Einzelprobleme
P4 Darf eine Versammlung wegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung verboten bzw. auf'gelöst
werden?
Grundsätzlich ist das Schutzgut der ÖHentlichen Ordnung nicht geeignet, das Verbot oder die Auflösung einer
Versammlung zu legitimieren. Das folgt aus dem besonderen Wert der Versammlungsfreiheit, die air einen
demokratischen
Rechtsstaat
geradezukonstitutiv ist. Damit verträgt es sich nicht, unter Rückgriff auf
außerrechtliche Verhaltensregeln ein Vorgehen gegen eine geschützte Versammlung zu legitimieren (vgl.
BVerfGE69, 315[348f.]).
Strittig ist allerdings, ob dies auch fur Versammlungen rechtsextremistischerVereinigungen gilt.
Zum Teil wird die öffentliche Ordnung speziell bei diesen Versammlungen als Verbots- bzw. Auflösungsgrund
akzeptiert (OVG Münster, DVB]. 2001, 1624 [1624f.]; Battis, NJW 2004, 3459; ders./Grigoleit, NVWZ 2001,
121 [123, 124, 128]). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass das Merkmal der ÖHentlichen Ordnung
einer verfassungskonformenAuslegung zugänglich sei. Das GG sei primär eine Antwort und Reaktion auf die
Zeiten der nationalsozialistischenGewaltherrschaR.Die Ablehnung der entsprechendenIdeologie bringe es
deutlich zum Ausdruck, z.B. durch Art. 1 1, 11, 20 1-111,21 11, 24 11, 26 GG. Folglich verdienten
rechtsextremistische Äußerungen keinen Schutz, und zwar auch nicht im Versammlungsrecht. In diesem Sinne
sei das Merk(malder öffentlichenOrdnung auszulegenund könnte,so verstanden,auch als Verbots- bzw.
AuHösungsgrund dienen.
DieseArgumentationwird von der h.M" insbesonderevom BVerfG zurückgewiesen(BVerfG, NJW 2004,
2814; DVBL. 2001, 897 [899f.]; DVB]. 2001, 1054 [1056]). Wegen der Grundrechtsrelevanz, die auch einem
Verbot rechtsextremistischerÄußerungen bzw. Versammlungen zukomme, sei eine detaillierte Regelung durch
den Parlamentsgesetzgeber notwendig (Wesentlichkeitstheorie). Diesen Anforderungen genüge der relativ
unbestimmteRechtsbegriH'derÖHentlichenOrdnung nicht. Ein Rückgriffaufdieses Merkmal würde zudem die
Gefahr hervorrufen, dass unbequemeMeinungsäußerungenunterdrückt werden. Weiterhin ergebe sich mit
Blick auf das in Art. 21 ll GG verankerte Parteienprivileg eine Konfliktsituation. Rechtsextremen Parteien
könnte unter Zugrundelegung der a.A. ein Großteil der öffentlichen Werbung fur ihre politischen
Überzeugungen untersagt werden. Das liefe aber gerade bei den typischerweise kleineren rechtsextremen
Parteien,die auf diese Art der ÖHentlichkeitsarbeit angewiesen sind, auf ein taktisches Parteienverbot hinaus,
was im Gegensatzzum Verbotsmonopol des BVerfG stehe.
Gestützt auf eine Gefahr fÜr die öffentliche Ordnung können jedenfalls die in $ 15 Verse genannten Auflagen
erlassen werden (z.B. Verlegung der Demonstrationsroute), wenn durch das Verhalten der
Versammlungsteilnehmer cin EinschüchterungseHekt sowie ein Klima der Gewaltdemonstration und
potentiellen Gewaltbereitschafterzeugt wird. Denn Art. 8 1 GG schützt Aufzüge und keine Aufmärsche
(BVerfG, DVBL. 2001, 897 [899f]).
Fall:''XYZ''
X und Y drucken am Vortag der Veranstaltunginnerhalb kürzester Zeit Flugblätter und Plakate, in
denen zur Teilnahme an ihren jeweiligen Demonstrationen aufgefordert wird, und lassen diese
durch Helfer verteilen bzw. ankleben.Noch währenddes Drucks meldet X die von ihm geplante
Kundgebung beim Polizeipräsidium Köln telefonisch mit allen relevanten Angaben an. Y hingegen
unterlässt eine Anmeldung, da er sie der Kürze der Zeit fÜr zwecklos hält.
Am Vormittag des Veranstaltungstagserhält X einen Anruf . Ihm wird mitgeteilt, dass man
beabsichtige, seine Kundgebung zu verbieten. Zur Begründung fuhrt die Behörde aus, dass X die
rechtzeitige Anmeldung unterlassenhabe. Außerdem, so die Behörde, hätte X fÜr die
Demonstration eine straßenrechtlicheSondernutzungserlaubniseinholen müssen. Die von X
geäußerten Gegenargumente überzeugen die Behörde nicht, so dass noch am Telefon das Verbot
ausgesprochen wird. X sagt die Demonstration daher kurzfristig ab.
Die von Y geplante Kundgebung hingegen findet mit etwa ]00 Teilnehmern statt. Dabei kommt es
währendeiner Rededes Y zu Störungendurch den übermotivierten DemonstrantenZ, der seiner
Abneigung mittels einer Trillerpnei6e ausdauernd Ausdruck verleiht. Y, dessen Rede nicht mehr zu
verstehen ist, ruR hilResuchenddie Polizei. Von deren Eintreffen lässt Z sich zunächst nicht
beeindruckenund setzt seine Störmaßnahmen dort. Ein Polizist schließt Z deshalb aus der
Versammlung aus und erteilt ihm anschließend einen Platzverweis.
Vor Ort stellt die Polizei allerdings auch fest, dassdie Versammlungdes Y nicht angemeldetwar.
Sie teilt den Vorgang einige Tage später der zuständigenStaatsanwaltschaRmit, die sodann
Anklage gegen Y wegen Durchfuhrung einer Versammlung ohne Anmeldung. Das Amtsgericht
verurteilt Y zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.
X, Y und Z fühlen sich durch die ihnen gegenüber getroHenen Maßnahmen in ihren Grundrechten
verletzt, Y zudem in seinem grundrechtsgleichenRecht ausArt. 103 ll GG. Zu Recht?
57
/ u I' a
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Versammlungsfreiheit
A Grundrechte des X
EröfhungdesSchutzbcrcichs
desArt. 8 1GG
1. Persönlicher Schutzbereich
2. Sachlicher Schutzbereich
11. Eingriff
111.
Rechtfertigung
1. Ermächtigungsgrundlage
2. Formelle Rechtmäßigkeit des Verbots
a) Zuständigkeit
b) Verfahren
c) Form
3. Materielle Rechtmäßigkeit des Verbots
a) Of'Fentliche Versammlung unter #eiem Himmel
b) Gefährdung der ÖHentlichen Sicherheit
(1) Verstoß gegen $ 14 1VersammIG
(i) Generelle Verfassungsmäßigkeit
(ii) Eilversammlungen
(2) Verstoß gegen $ 18 1 2 Sü'WG NRW
(i) Sondernutzung
(ii) Erlaubnispflichtigkeit
(3) Verstoß gegen Straßenverkehrsrecht
B Grundechtedes Y
Verletzung
vonArt. 8 1GG
1. Eingriffin den Schutzbereich
2. Rechtfertigung
a) Verfassungsmäßigkcit
des$ 26 Nr. 2 VersammIG
(1) Anmeldepflicht bei Eilversammlungen
(2) Bestimmtheitdes$ 26 Nr. 2 i.V.m. $ 14 1 VersammIG
b) Anwendung
11. Verletzung von Art. 103 ll GG
C Grundrechte des Z
Ausschluss aus der Versammlung
1. Eingriffin den Schutzbereich
2. Rechtfertigung
a) Schranken
b) Anwendung
(1) Formelle Rechtmäßigkeit
(2) Materielle Rechtmäßigkeit
11 Platzverweis
1. Eingriffin den Schutzbereich
2. Rechtfertigung
a) Schranke
(1) Polizei6estigkeit von Versammlungen
(2) Ende der Polizei6estigkeit
b) Anwendung
(1) Formelle Rechtmäßigkeit
(2) Materielle Rechtmäßigkeit
A. GrundrechtedesX
In Betrachtkommtdas durchArt. 8 1 GG gewährleistete
Grundrecht
der Versammlungsfreiheit.
Die
Versammlungsftciheit ist verletzt, wenn das Versammlungsverbot in ungerechtfertigter Weise in den Schutzbereich
des Art. 8 1 GG eingreiR.
58
./ u r a
2
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Versammlungsfreiheit
l EröffnungdesSchutzbereichs
desArt. 8 1GG
1. Persönlicher Schutzbereich
Die Versammlungsfreiheit ist dem Wortlaut des Art. 8 1 GG zufolge ein Deutschen- oder Bürgerrecht. In
Ermangelung gegenteiliger Sachverhaltsangaben ist davon auszugehen, dass X Deutscher ist.
2 Sachlicher Schutzbereich
Der sachliche Schutzbereichdes Art. 8 1GG ist eröffnet, wenn X eine Versammlung i.S.d. Art. 8 GG geplant
hat. Eine Versammlung setzt zunächst voraus, dass sich mindestens drei, einer Gegenaumassungzufolge
mindestens zwei Personen zusammenfinden (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 771). Die von X
geplante Demonstration sollte weit mehr Teilnehmer anziehen, so dass das Kriterium der Teilnehmerzahl
r
erfüllt ist
Des Weiteren ist erforderlich, dass die Teilnehmer einen gemeinsamen,verbindendenZweck verfolgen.
Streitig ist nur, wie dieser Zweck auszusehenhat. Nach der engstenAnsicht muss die ZusammenkunRder
Erörterung oder Kundgabe öffentlicher Angelegenheitendienen (BVerfG, NVWZ 2005, 80; zum
Meinungsstandvgl. Trurnit, JURA 2014, 486). Die von X geplanteKundgebungsoll auf die öffentliche
Meinung einwirken, indem mit Hilfe von Reden und Transparentendie Ablehnung des Politikers P durch die
Versammlungsteilnehmer
kundgetanwird. Da somit auch nach restriktivster Ansicht der erforderliche
Versammlungszweck gegeben ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den übrigen, weniger sn-engen
Aunassungen. Der sachliche Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist somit eröffnet.
11.Eingriff
Das Polizeipräsidium Köln hat die von X geplante Versammlung verboten. Hierin liegt ein unmittelbare,
zielgerichtete(finale), mit Befehl und Zwang durchsetzbareSchutzbereichsverkürzung
und somit sogar ein
klassischer" Eingriff in die Versammlungsfreiheit des X.
lll.Rech tfertigun g
Die Versammlungsfreiheit des X ist nur verletzt, wenn das Versammlungsverbot ungerechtfertigt ist. Dies ist
nicht der Fall, wenn das Verbot von den Schrankender Versammlungsfreiheit,s. Art. 8 ll GG, gedeckt ist. Zu
prüfen ist also, ob das Polizeipräsidium in rechtmäßiger Art und Weise von einer Ermächtigungsgrundlage
Gebrauch gemacht hat, die den Anforderungen des Alt. 8 ll GG sowie denen des allgemeinen Verfassungsrechts
enu
genügt
l Ermächtigungsgrundlage
Als Ermächtigungsgrundlage fur das Verbot kommt ersichtlich nur $ 15 1 VersammIG in der Variante
'Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" in Betracht. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit bestehen in
dieser Variante keine Bedenken. Insbesonderegenügt $ 15 1 VersammIG den speziellen Anforderungen des
Art. 8 ll GG, denn er erlaubt Maßnahmen nur gegen Versammlungen "unter freiem Himmel", wie sich aus
der amtlichen ÜberschriR des dritten Abschnitts des VersammIG ergibt.
a) Zuständigkeit
Gem. $ 1 der ZuständVO VersammIGNRW sind in Nordrhein-Westfalendie Kreispolizeibehördenfur
Versammlungsverbote
nach $ 15 1 VersammIGzuständig. Gem. $ 2 1 Nr. l POG NRW sind in
Polizeibezirken mit mindestens einer kreisfreien Stadt die Polizeipräsidien Kreispolizeibehörden. Aus
$ 1 a) Nr. 12 KreispolizeibehördenVO NRW ergibt sich, dass es einen Polizeibezirk "kreisfreie Stadt
Köln" gibt und dementsprechend
das PolizeipräsidiumKöln Kreispolizeibehördeist. Somit war das
Polizeipräsidium Köln 6ür das Versammlungsverbot zuständig.
b) Verfahren
Bei dem Versammlungsverbot handelt es sich um einen belastendenVerwaltungsakt i.S.v. $ 35 VwVfG.
X musste somit gem. $ 28 1 VwVfG NRW angehört werden. Die Erlassbehördemuss dem anzuhörenden
Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahmezu den entscheidungserheblichenTatsachen geben. Es
genügt die tatsächliche Äußerungsmöglichkeit, eine ausdrückliche AuHorderung durch die Behörde ist
grundsätzlich nicht erforderlich. X hatte während des Telefonats am Tag der geplanten Demonstration
Gelegenheit, zu den ihm mitgeteilten Gründen fur das Verbot Stellung zu nehmen. Die erforderliche
Anhörung ist somit erfolgt.
59
./ tl r a
3 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Versammlungsfreiheit
c) Form
Gem. $ 37 ll l VwVfG NRW kann cin Verwaltungsaktu.a. mündlicherlassenwerden.Auch der
Hernmündliche Erlass ist möglich. Das Verbot ist demnach formell rechtmäßig ergangen.
(ii) Eilversammlungen
Bei der von X geplantenKundgebungkönnte es sich um eine sog. Eilversammlunghandeln,die
dadurch gekennzeichnetist, dass die 48-stündige Anmeldefrist des $ 14 1 VersammIG ohne
Gefährdung des Versammlungszwecks nicht eingehalten werden kann. Die von X geplante
Versammlung diente dem Zweck, die Aufmerksamkeit des P und der OHentlichkeit aufdie Positionen
60
4 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkten Versammlungsfreiheit
der Versammlungsteilnehmer zu lenken. Dieser Zweck kann am Tag der Wahlkampfveranstaltung des
P zweifellos bessererreicht werden als an einem der darauHolgendenTage. Da der Ausritt des P erst
am Vortag der Veranstaltungbekanntwurde, konnte die 48-Stunden-Fristohne Gefährdungdes
genannten Versammlungszwecks nicht eingehalten werden. Somit hatte X eine Eilversammlung
n
geplant
Nach anderer Ansicht ist eine verfassungskonforme Auslegung in Anbetracht des klaren Wortlauts
des$ 14 1 VersammIGnicht möglich; die Anmeldefristgelte folglich fÜr Eilversammlungen
nicht,
vielmehr sei $ 14 1 VersammIG insoweit verfassungswidrig und damit nichtig (Sondervotum der
Verfassungsrichter Seibert und Henschel, BVerfGE 85, 69 [77 n.]). Auch auf Basis dieser Ansicht
hätte X sich rechtmäßig verhalten, denn er hätte eine Anmeldung auch ganz unterlassen können.
Eine Streitentscheidung ist vorliegend entbehrlich, da beide Auffassungen zu dem Ergebnis gelangen,
dassdie Durchführung der von X geplanten Veranstaltung nicht gegen die Anmeldepflicht des $ 14 1
VersammIG verstoßen hätte.
Im Ergebnis liegt kein die öffentliche Sicherheit gefährdender Verstoß gegen die Anmeldepflicht des
$ 14 1 VersammIG vor.
[Anm.: yon der Eilversamtnlung ist die sog. Spontanversantmlung zu unterscheiden.Voneiner solchen
wird gesprocilett, wehrt sich eine yetsamntlung aus momentatlem Atatass tlngeplallt, also ohne
!''eranstatter bildet. Für Spolatanvetsammturtgen
gilt nach einheiiiger Au#assttng keine A}2meldl#'ist;
$ 141 VetsallamtG
ist insofern vel:fassttngskollform
einschränkendattszutegen(s.nur Biel:fGE 8S, 69
[74ß]). De: Grund hierfür liegt darin, dass jede Altme]depßichtSpontanvelsammlungen notwendig
unzulässig tllachen wilrde, della es gibt weder einen Veranstalter. der die Versatllmlung anmelden kömlte,
bloch Zeit, dies zt{ ftlll. Sponfanvetsatllmlungert abel lniisseft in einer jreiheitiichen Dentoklatie ebenso wie
Eilversammiutlgetl g:'utldsätzlichzttlässig sein.]
(i) Sondernutzung
Ein Verstoß kann nur vorliegen, wenn die geplante Versammlung Sondemutzungvon Straßen
dargestellt hätte. Zunächst ist festzustellen, dass ein ÖHentlicher Platz gem. $ 2 1 StrWG NRW eine
öffentliche Straßei.S.d. StrWG NRW darstellt, ohne dasses darauf ankommt, ob der Platz für den
motorisiertenVerkehr freigegebenist.
Gemeingebrauch ist gem. $ 14 1 1 StrWG NRW der Gebrauch einer Straßeim Rahmen der Widmung
und der VerkehrsvorschriRen. Gewidmet sind Straßenzunächst der Fortbewegung. Im innerörtlichen
Bereich umfasst die Widmung u.a. auch einen "kommunikativen" Gebrauch. denn es ist normal, dass
sich auförtlichen StraßenMenschen drehenund unterhalten. Die Grenze des Gemeingebrauchs dürre
jedoch bei nicht ganz kleinen Versammlungenim ÖHentlichenVerkehrsraum überschrittensein, da
61
./ tl r a
5 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Versammlungsfreiheit
diese den allgemeinen Verkehr wesentlich beeinträchtigen Demnach hätte die von X geplante
Versammlung eine Straßensondernutzungdargestellt.
(ii) Erlaubnispflichtigkeit
Zu beachten ist jedoch, dass eine straßenrechtliche Erlaubnispflicht der in Art. 8 1 GG garantierten
Erlaubnisfteiheit von Versammlungen widerspräche. Anders als die Anzeigepflicht gem. $ 141
VersammIG (vgl.o.) ließe sich eine Erlaubnispnicht auch nicht mit Gemeinwohlerwägungen
rechtfertigen, da sie einen weit schwereren Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellen, ja diese in
ihr Gegenteil verkehrenwürde. Im Ubrigen hat der Gesetzgeberdurch die spezielle VorschriR des
$ 14 1 VersammIG zum Ausdruck gebracht, dass Versatnmlungeneben nur anmeldepflichtig sein
sollen. Eine straßenrechtlicheErlaubnispflicht, die praktisch jede Versammlung unter freiem Himmel
träfe, würde dies konterkarieren.
VerkehrsspeziHische
Aspekte, insb. Verkehrsbehinderungen,
kann und muss die
Versammlungsbehördeberücksichtigen. Sie kann zum Schutze des Verkehrs gem. $ 15 1VersainmIG
geeignete Auflagen erlassenoder die Versammlung im Extremfall verbieten (Beispiel: Fahrraddemo
auf der Autobahn), wobei die Versammlungsfreiheit stets besonderszu berücksichtigen ist. Man
spricht in diesem Zusammenhang von der "Konzentrationswirkung" des Versaminlungsrechts, da
ausschließlich die Versammlungsbehörde berufen ist, versammlungsspeziflscheGefahren zu
bekämpfen - dies hat den positiven Ncbenenekt, dasssich ein Veranstalter mit nur einer öffentlichen
Stelle auseinander setzen muss (VGH Kassel, NJW 1988, 2125; Enders, Jura 1998, 642 [644];
Kanther, NVWZ 2001, 1239]1240, 1241j; v. Alemann/Schemczyk, JA 2013, 407141 1f]).
Im Ergebnis stellen Versammlungen im öffentlichen Verkehrsraum eine verfassungsrechtlich
besonders geschützte und durch das VersammIG besondersgeregelte, in Abweichung von $ 18 12
StrWG NRW erlaubnisfreie Straßennutzungdar.
X musste demnach entgegen der AuHässung des Polizeipräsidiums keine straßenrechtliche
Sondernutzungserlaubniseinholen. Ein die öffientliche Sicherheit beeinträchtigender Verstoß gegen
$ 18 12 StrWG NRW lag also nicht vor.
[Xtlm.: Er]aubnispßichtig sind hingegen Sonde'nutzungen, die zwar an]äss]ich einer Versattttu]ung
vorgenommet} werden, jedoch selbst nicht versammlungsspezißsch sind, etwa das Äu$steiten eines
Wilrstchenstandes.]
Andere von der geplanten Versammlung ausgehende Gewährensind nicht ersichtlich. Die Versammlung
hätte die öffentliche Sicherheitnicht gefährdet. Damit lagen die Voraussetzungenair ein Verbot gem.
$ 15 1 VersammIG nicht vor. Das Versammlungsverbotwar materiell rechtswidrig. Somit wurde die
Versammlungsßeiheit
desX ausArt. 8 1GG verletzt.
[Atlttt. : Sofern die Fa]]frage aNleiHe VerfassungsbeschwerdeBelichtet wäre, ergäbe sich daraus ein besollderes
Problem: Nichtjede Grundrechtsverletzungbegründet eine Verfassungsbeschwerde.Hintergltlnd ist, dassjeder
Grtlndrechtseingri$, der lacht vollständig mit dem ein$achetaRecht in Einklang steht, wegen des in Art. 20 111
GG velallkertenVorbehaltedes Gesetzes
das Griindrecht verletzt.Das BVerfGkann tirid soll aber lacht
uttllassend die richtige Ätlwendung des eirdächen Rechts durch Vei'waLtttng und Fachgerichte kontlollielen. Es
neusssich auf den Schlitz des eigentlichen Verfasstingslecbtskonzentrierett. Das B Vermgist nl.a,W. keine
Superrevisionsinstanz". Eine Vet$asstmgsbeschwerdegegen Vel'waittings- lind Gerichtsentscheidungen ist
daher nach Üblicher Filme! mir begründet, wenn "spezißsches Vetlässungsrecht" 'verletzt wti!.de.
Das B Vermgbejaht die erforderliche Spezißtät,wenn bei der Auslegungoder Allwetldung einfachenRechtsder
Ein$1ttssder Verfasstlng, insb. der GI'undrechte, grundlegend verkannt wit'd. Dies wieder'ttm ist del' Fa!{, wenn
eine einschlägige Vel:fasstlngsnormilbersehert oder gltindsätzlich falsch bewertet wild. Dabei haftet die
62
Intensiv
6
Standort: OR/Grundrechte
Schw$!punkte: Versammlungsfreiheit
gebotene und vom B VermgnachgezeichtletePrülfÜngsdichte(also die '' Velzeihlicllkeit" von Fehlern) wesentlich
davon ab. wie intensiv der Gruncllechtseingriß ist. Ein Eingn#in ein spezielles Grundrecht eMa wiegt schwerer
als einer in die allgemeine
Handlungsfreiheit
gem.Art. 2 1 GG. Vor allettt im Bereichder
Kommunikationsgrundrechte(Art. S, Art. 8 GG) legt das BVerfG stl'enge Maßstäbe arl(tesetaswert zum Ganzen
Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 1304-}320).
Diese GI'undsätze sind nicht mil' auf Verfassungsbeschwerdengegen Urteile der Zivil- und Strclfgerichte
beschränkt. wie gelegentlich au/grund des Stichworte " Urteilsverfassungsbeschwelde" angertottlmenwird. Auch
belastende Venvaltungsmaßnahlnenwerden nämlich in aller Regeljachgerichtlich kontrolliert. bevor sie mit der
rerfassungsbeschwelde angegri#eta wet'dell können, vgl. das Erfordernis der Rechtswegerschöp/ung gem.
$9011 Brei:fGG. Gegenstand
der Verfassungsbeschwerde
sind in diesettlFall nebendem VÄ auch die
bestätigendetl Urteile der Verwaltungsgerichte, so dass eberlfalls von einer Urteilsverfassungsbeschwerde
gesprochen wild.
lln vorliegenden Falk hat das Polizeipräsidium Köln bei der Auslegung pott $ 14 1 VetsattlmIG und $ 18 1 2
Streg NR Wdie Bedeutung des Art. 8 1 GG o#elabar'vollständig verkannt. Dies wiegt besotldels schwer. weil ein
denkbar intensiver Eingriß in das JÜr eine Demokratie besondersbedeutsameGlundlecht der
rersamm[ungsfreiheit vorliegt. Die erfoldertiche Verfassungsspezißtätist wäre somit zu bejahen.]
B. Grundechte des Y
1. VerletzungvonArt. 8 1GG
2. Rechtfertigung
Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn er von den Schrankendes Grundrechtsgedeckt ist, d.h. das AG Köln
einen vernassungsgemäßenStraftatbestand als Schranke in verEassungsgemäßer
Art und Weise angewandt
hat
63
7 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwe!.punkte: Versammlungsfreiheit
b) Anwendung
Den Tatbestand von $ 26 Nr. 2 i.V.m. $ 14 1 VersammIG hat Y verwirklicht, indem er eine öffentliche
Versammlung unter ßeiem Himmel ohne die gem. $ 14 1 VersammIG erforderliche Anmeldung
durchgefuhrt
hat. Die Verhängung
einer Geldstrafevon 30 Tagessätzen
als Rechtsfolge
ist vom
Strafrahmendes $ 26 Nr. 2 VersammIG gedeckt. Gegen die Strafhöhe im konkreten Fall bestehen
ersichtlich keine Bedenken.
Der Eingrif:rin den Schutzbereichdes Art. 8 1 GG ist somit gerechtfertigt.Y ist durch die vom AG Köln
verhängte Geldstrafe nicht in seiner Versammlungsn'eiheit aus Art. 8 1 GG verletzt.
C. Grundrechte des Z
Bezüglich einer Grundrechtsverletzungdes Z ist zwischen seinem Ausschluss aus der Versammlung des Y und dem
anschließenden Platzverweis zu diHerenzieren.
2. Rechtfertigung
Fraglich ist, ob der Eingriffvon den Schranken des Art. 8 ll GG gedeckt ist
64
8
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Versammlungsfreiheit
a) Schranken
aus Art. 8 ll GG kommt hier $ 18 111VersammIG in
Als Konkretisierungdes Gesetzesvorbehalts
Betracht, der den Ausschluss Einzelner von einer Versammlung regelt.
b) Anwendung
Fraglich ist jedoch, ob $ 18 111VersammIG in formeller und materieller Hinsicht ordnungsgemäß
angewendet wurde.
11 Platzverweis
Auch der Platzverweis könnte Z zunächst in Art. 8 1 GG verletzten. Infolge des vorherigen Ausschlusses aus der
Versammlung war er aber im Zeitpunkt des Platzverweisesnicht mehr Teilnehmer einer solchen. Deshalb war
der Schutzbereichdes Art. 8 1 GG nicht (mehr) eröfhet. Es kommt aber eine Verletzung von Art. 2 1 GG in
Betracht.
2 Rechtfertigung
Der Eingrif:fwäre gerechtfertigt, wenn er von den Schranken des Art. 2 1GG gedeckt wäre
a) Schranke
Zu den Schranken des Art. 2 1 GG gehören die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das
Sittengesetz ("Schrankentrias"). Zur "vereassungsmäßigen Ordnung" wiederum gehört jeder Rechtssatz.
Als Konkretisierung dieser Schranke kommt ein Platzverweises nach $ 34 1 1 PoIG NRW in Betracht.
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Norm bestehen nicht.
65
9 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Versammlungsfreiheit
b) Anwendung
Fraglich ist jedoch, ob $ 34 1 PoIG in formeller und materieller Hinsicht ordnungsgemäßangewendet
wurde.
Literatur:
e Büchner/Grosche, Mahnende Besen kehren aus, JURA 20 14, 1 163 n. - Klausur
e Handschell, Verbot von Killerspielen, JURA 2010, 461 fE - Klausur
+ Horst/Kommer, Demonstration im Shopping-Center, JA 2013, 445 n. - Klausur
e Otto, Grundrechte - Versammlungsfreiheit/Flashmob, JuS 201 1, 143 ft - Klausur
e Schoot, Der Wanderkessel, JURA 2009, 382 n. - Klausur
e v. Altmann/Schenczyk, Aktuelle Fragen der Gestaltungsßeiheit von Versammlungen, JA 20 13, 407 ß
66
Intensiv
Standort OR/Grundrechte
Bearbeitewermel k:
Aufs 42a des Wa#engesetzeswird hingewiesen. Dieser lautet auszugsweise.
67
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: ScheinwaHe
A Ermächtigungsgrundlage
1. Versammlung
ll. Of'Tentlich
111.
Unter freiem Himmel
IV.Auflösung
1. Minusmaßnahmenzulässig
2. Minusmaßnahmen nur als Obligation
3. Minusmaßnahmcn generell unzulässig
4. Stellungnahme
V. Wirksamkeit
B Formelle Rechtmäßigkeit
C Materielle Rechtmäßigkeit
OfFentliche Sicherheit
1. Wortsinn
2. Verfassungskonforme Auslegung
a) Kunst i.S.d. Art. 5 1111 GG
b) Subsumtion
c) Zwischenergebnis
ll. OfbentlicheOrdnung
Abwandlun
A. Schutzbereichbetroffen
1. Personal
11. Sachlich
B. Eingriff
C. VerfassungsrechtlicheRechtfertigung
[. Schranken
1. $ 15 1VersG
2. $ 18 111VersG
3. $ 8 1 Pole
a) Polizeifestigkeit der Versammlung
b) Vorfeldmaßnahmen
c) Stellungnahme
11. Schranken-Schranken
1. Formelle Rechtmäßigkeit
2. Materielle Rechtmäßigkeit
Die Polizeiverfugung war rechtmäßig, sofern sie auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhte und diese in
6orme1lerund materieller Weise ordnungsgemäßangewendet worden ist.
A l(rmächtigungsgrundlage
Zunächst müsste nach dem Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 111GG eine wirksame gesetzliche Grundlage fÜr die
Polizeiverfugung existieren. Als solche kommt hier zunächst $ 15 111Verse in Betracht. Dieser stellt im Vergleich
zum allgemeinenPolizei- und Ordnungsrecht
der Länder eine Spezialregelung
dar, soweit eine öffentliche
Versammlung unter Üeiem Himmel aufgelöst wird.
l Versammlung
Eine Versammlung setzt zunächst voraus, dasssich mindestens drei, einer GegenauHässungzufolge mindestens
zwei Personen zusammenfinden (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 771). An der Veranstaltung des V
nahmen sieben Personenteil, sodassdas Kriterium der hinreichenden Teilnehmerzahl in jedem Fall erfullt ist.
Dcs Weiteren ist erforderlich, dassdie Teilnehmer einen gemeinsamen,verbindenden Zweck verfolgen. Streitig
ist nur, wie dieserZweck auszusehenhat. Nach der engstenAnsicht muss die Zusammenkunßder Erörterung
oder Kundgabe öffentlicher Angelegenheiten dienen (BVerfG, NVWZ 2005, 80). Die von V durchgemhrte
Veranstaltungsollte auf die öffentliche Meinung einwirken, indem mit Hilde von Zurschaustellungenund
Flugblättern die Ablehnung der staatlichen Unterstützung fÜr deutscheGroßbanken kundgetan wurde. Da somit
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auch nach restriktivster Ansicht der erforderliche Versammlungszweckgegeben ist, bedarf es keiner
Auseinandersetzungmit den übrigen, weniger strengen Aunassungen. Eine Versammlung lag in jedem Fall vor.
ll. Offentlich
ÖHentlich ist eine Versammlung, wenn sie potenziell fur jedermann zugänglich ist. Für eine beabsichtigte
Zugangsbeschränkungist vorliegend nichts ersichtlich, vielmehr hat V öffentlich fÜr seinen Ansichten geworben
und noch vor Ort Flugblätter an Passantenverteilt. Somit ist das Versammlungsgesetzanwendbar.
lll.Unter freiemHimmel
Das Vermg diHerenziert weiter danach,ob es sich um eine Versammlung in geschlossenemRaum handelte
($$ 5 ß. VersG) oder diese unter freiem Himmel stattfand ($$ 14 ft VersG). Letzteresist der Fall, wenn - wie
hier - eine breite Ausdehnungsmöglichkeit besteht.
[Anm.: Es komlttt hingegen }licht dalaufan, ob der Veranstaltungsort ilbetdacht ist oder nicht. Das B Vermghat
diese Erkenntnis in sehet "Fraport"-Entscheiclnung (ByerJ(3, RA 2011, 169 [1 71]) besonders weit ausgedehnt:
Im Tetminal l des Frutlkßnter Flughafenssoll man sich "unter freiem Himmel" beenden,obwohl es sich
o#ensichtlich tim ein Gebäude handelt. Für das BVerfG wal aber nul entscheidend, dass selbiges besonders
weit[äußg ist und durch zahlreiche Eittgänge voll jedem'manni'ei betretetaund ver]assell wet'denkUrtH.]
IV.Auflösung
Gegen öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel kann, wenn sie bereits stattfinden, nach $ 15 111VersG
eingeschritten werden. Dieser erlaubt allerdings wörtlich nur die "Auflösung" der Versammlung, während es
hier lediglich darumging, die AnscheinswaHennicht mehr ÖHentlichzu fuhren. Im Gegensatzzu $ 15 1 VersG
erwähnt $ 15 111Vermg "Auflagen" als milderes Mittel nicht. Dennoch stellen sie ein "Weniger" im Verhältnis
zur Auflösung dar. Ob solche "Minusmaßnahmen" deshalb auch aufl 15 111VersG gestützt werden können, ist
streitig
l Minusmaßnahmen zulässig
Nach einer Ansicht werden sog. Minusmaßnahmennach Beginn der Versammlunggemäß $ 15 111VersG
zugelassen(BVerwGE64, 55 n.). Dass$ 15 111VersG keineanderenMaßnahmenals die Auflösung der
Versammlung nenne, bedeute nicht, dassdie zuständige Behörde den durch eine Versammlung verursachten
Gefahren ausschließlich durch deren Auflösung begegnen könne oder dürfte. Ebenso wie das vorgängige
Veranstaltungsverbot nach $ 15 1 Vermg, aufdessen Voraussetzungen $ 15 111Vermg verweise, stelle auch
die nachträgliche Auflösung nur das letzte, äußerste Mittel zur Gefahrenabwehr dar. Wenn die Auflösung
dafur nicht erforderlich oder unverhältnismäßig und deswegenübermäßig belastend sei, müsse die zuständige
Behörde im Rahmen der ihr zum Zwecke der Gefahrenabwehr zustehenden Befiignisse ein milderes und
angesichts der konkreten Sachlage angemessenes Mittel einsetzen dürfen.
Nach dieser Ansicht hätte P dem V lediglich eine Auflösung der Versammlung fur den Fall in Aussicht
stellen dürften,dass sie die AnscheinswafFenweiterhin fuhren. Er hätte deren Entfernung also nicht selbst
regelnd anordnen, sonden den Teilnehmem Gelegenheit geben müssen, sich selbst zu überlegen, ob sie die
Versammlung unter dem Eindruck einer möglichen Auflösung so fortsetzen oder "ßeiwillig" der
Obliegenheit nachkommen wollen. Zur Rechtfertigung einer verbindlich regelnden Untersagungsverfugung
käme $ 15 111Vermg hingegen nicht in Betracht.
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Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Scheinwaße
der ganzenVersammlungoder den Ausschlusseinzelner Teilnehmer, nicht aber minder intensive Eingrine
zulasse (Schoah, JuS 1994, 479 [482]), so dass die vor]iegenden Maßnahmen schon desha]b rechtswidrig
waren
4. Stellungnahme
Liegen die strengenVoraussetzungendes $ 15 111Vermgvor, ist nach dem Willen des Gesetzgeberssogar
eine Versammlungsauflösungzulässig. Dann müssen aber erst Recht mildere Maßnahmenzulässig sein.
Dadurch werden die Rechte der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 1 GG auch nicht zusätzlich beschränkt,
sondern im Gegenteil geschont, weil sie sonst mit einer Auflösung zu rechnen hätten, die ihre Versammlung
insgesamt beendete, während sie nach richtiger Ansicht ihre Versammlung unter Auflagen fortsetzen können.
Bestärktwird dies durch den Verweis in $ 15 111VersG auf $ 15 1 VersG. Im Übrigen wäre mit der
Literaturmeinung air die Versammlung wenig gewonnen: Von einer "freiwilligen" Befolgung einer
unverbindlichen Aunorderung kann wohl kaum die Rede sein, wenn als Alternative die Auflösung droht.
Somit kommt $ 15 111Verse hier als taugliche Ermächtigungsgrtmdlage in Betracht.
[Xnm.: Manche Autorerl zitieren Jiir Mimismaßnahmen "$ 15 111 i.y.ttt. $ 15 1 yersG" a]s
Elmächtigungsgrurtdlage, manche "$ 15 111yersG i. y.tn. $ 8 1 PotG NRW", teilweise wird aber auch Flur
$ 15 111VetsG'' zitiet't. Letztereserscheint vorztlgswürdig, verstellen doch die arlderen Zitate den Blick
daßlr, dasses tatbestandlich Flur au/die yoratlssetzungen des $ 15 111Verse ankomttü,]
v. Wirksamkeit
Aus $$ 15 111Vermg kann aber nur eine Rechtfertigung des polizeilichen Handelns folgen, wenn dieser selbst
wirksam ist. Hieran könnte in formeller Hinsicht gezweifelt werden.Obwohl die Gesetzgebungskompetenz
des
Bundes durch Streichung des Versammlungsrechts als Gegenstand der konkurrierenden
Bundesgesetzgebungskompetenz
in Art. 74 Abs. l Nr. 3 GG im Zugeder sog.Föderalismusreform
im
Jahre2006 auf die Länder übergegangen
ist, ist das bundesrechtliche
Versammlungsgesetz
nach der
Ubergangsregelung des Art. 125 a 1 1 GG in NRW noch heranzuziehen, weil es bisher durch Landesrecht nicht
ersetzt worden ist.
B. Formelle Rechtmäf3igkeit
In formeller Hinsicht muss die zuständige Behörde nach ordnungsgemäßemVerfahren in der richtigen Form
gehandelt haben. Dies ist laut Sachverhalt zu unterstellen.
c. Materielle Rechtmäßigkeit
In materieller Hinsicht muss der Tatbestandder Ermächtigungsgrundlage erfullt und die richtige Rechtsfolge gesetzt
worden sein. Tatbestandlichregelt $ 15 111VersG vier Auflösungsgrtlnde, deren Vorliegen nach dem oben zur
ErmächtigungsgrundlageGesagten einerseits auch zum Erlass von Minusmaßnahmen berechtigt, andererseits fur
solche aber auch Voraussetzungist. Von den genannten Fällen kommt hier nur in Betracht, dass die Voraussetzung
fur eln Verbot nach $ 15 1 Vermg vorgelegen haben könnten. Dann musstevon der Versammlung eine unmittelbare
Gefahr für die öüentliche Sicherheit oder Ordnung ausgegangen sein.
l öffentliche Sicherheit
Zu den Schutzgütemder ößentlichen Sicherheit gehören die Individualrechte und -rechtsgüter,die staatlichen
Einrichtungen und Veranstaltungen sowie das gesamte geschriebene Recht. Bestandteil des letzeren ist auch das
Wanengesetz,dessen$ 42a l das Führen von Anscheinswaffen verbietet. Zwei Teilnehmer waren hier mit
täuschend echten Sturmgewehrattrappen bewaffnet, führten also entgegen $ 42a Watt(i eine AnscheinswaHe.
Somit könnte ein Verstoß gegen die ÖHentliche Sicherheit in Form der Verletzung geschriebenenRechts
vorliegen.
Allerdings nimmt $ 42a ll WafTG u.a. "Theaterauffuhrungen" von diesem Verbot aus. Fraglich ist, ob es sich bei
der vorliegenden Versammlung um eine solche handelte.
1. Wortsinn
Unter einer Theateraufmhrungist die visuelle Inszenierungeiner dramatischenVorlage durch Schauspieler
auf einer Bühne oder zumindest einem vom alltäglichen Leben erkennbar abgegrenzten Ort zu verstehen
Jedenfalls
an der Bühnebzw. dem abgegrenzten
Ort fehlt es auf offenerStraße.Ob die in
©lu/'rz Intensiv (00181.EK OeR NRW.GrundR Kunst Commerz Lees) Seite3 von 7
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Schwerpunkte: Scheinwaße
2. Verfassungskonforme Auslegung
Jedochkönntees sich hier um Kunsti.S.d.Art. 5 1111 GG gehandelthaben.Die KunstReiheitist
schrankenlosgewährleistet, unterliegt m.a.W. keinem Gesetzesvorbehalt.Unter diesem Gesichtspunkt könnte
es also geboten sein, $ 42a ll WaflG verfassungskonform weit dahingehend auszulegen, dass
'Theateraufmhrung" in diesem Sinnejede Form von darstellenderKunst umfasst.
b) Subsumtion
Die beiden als Bundeswehrsoldaten
verkleideten Teilnehmer haben durch ihre Postierung als
Wachsoldaten vor der C-Bank den von ihnen kritisierten Einsatz der Bundeswehr zum Schutz
wirtschaftlicher Interessensymbolhaft-bildlich dargestellt.Diese rein mimisch-surrealeDarstellung
bedurRekeiner gesprochenenTexte, wohl aber einer genauenDramaturgie,die nicht nur den Ablauf
sondern insbesondereauch die fÜr die bildhafte Aussage entscheidendeAusstattung der Darsteller
umfasste.Somit lag ein künstlerisches Scharen ("Werkbereich") durchaus vor.
Durch diese Darstellung, welche die durch die anderen, Flugblätter verteilenden Personennoch verstärkt
wurde, haben die Teilnehmer die Passantengezielt verunsichert und irritiert, um bei ihnen emotionale
und/oder rationale Prozessein Gang zu setzen,die - schon ohne die ergänzendverteilten Flugblätter, aber
erst Recht mit ihnen - zu einer kritischen Beschäf:tagung
mit der dargestellten,mindestensbefremdlich
erscheinendenSituation fuhren sollten. Somit liegt auch eine Einwirkung auf den Betrachtervor
("Wirkbereich").
c) Zwischenergebnis
Danach ist in verfassungskon6ormerAuslegung und Anwendung der Ausnahmevorschrift des $ 42a ll l
Nr. l WaflG die ein politischesStraßentheater
darstellendeAktion als "Theateraufführung"im Sinne
dieser Vorschrift mit der Folge anzusehen, dass das öffentliche Führen der AnscheinswaHen in Form der
Gewehramappen, die für die Aussage der Darstellung notwendigerweise authentisch aussehenmussten,
nicht waRenrechtlich verboten war.
Für eine Gefährdung anderer Schutzgüter der ÖHentlichen Sicherheit - namentlich sonstiger Rechtsnormen,
Individualrechtsgütern oder staatlichen Einrichtungen oder Veranstaltungen - ist hier auch nichts ersichtlich. Die
öffentliche Sicherheitist mithin nicht betrogen.
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Schwerpunkte: ScheinwaHe
11 öffentliche Ordnung
Es bliebe an eine unmittelbareGefährdung der "Öffentlichen Ordnung" zu denken. Diese ist betroffen, wenn
gegen eine ungeschriebeneVerhaltensregel verstoßen wird, die von der jeweils herrschenden Anschauung als
unerlässlich
fur ein gedeihliches
Zusammenleben
angesehen
wird. Die herrschende
Anschauung
in der
Bundesrepublik Deutschlandsteht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischenGrundordnung, die das
Grundgesetzmanifestiert. Bei der Ausfullung dieses unbestimmten Rechtsbegrins sind daher die Wertmaßstäbe
des Grundgesetzeszu berilcksichtigen. Dieses schützt - wie oben beschrieben - die Versammlung des V nicht
nur tiber Art. 8 1 GG, sondern auch tiber Art. 5 111GG. Die Ausübung von Grundrechten kann sch]echterdings
nicht gegen die jeweils herrschendeAnschauung verstoßen, mögen sich hier auch einzelne Passantenirritiert
gefühlthaben
Die tatbestandlichen Voraussetzungendes $ 15 111VersG lagen nicht vor. Das polizeiliche Handeln war aus diesem
Grunde material l rechtswidrig.
Abwandlung:
T wäre in seiner Versammlungsfreiheit
aus Art. 8 1 GG verletzt, wenn ein nicht gerecht6ertigter
Eingriff in den
Schutzbereich derselben vorläge.
A. Schutzbereich betroffen
1. Personal
In personaler Hinsicht ist T zunächst mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt Deutscher i.S.d
AN.116GG.
11 Sachlich
In sachlicher Hinsicht stellte die Veranstaltung des V - wie oben gezeigt - eine Versammlung dar. Allerdings
war T in dem Zeitpunkt, als er von P angesprochen wurde, noch nicht Teilnehmer derselben, sondern erst auf
dem Weg dorthin. Fraglich ist, ob Art. 8 1 GG auch den Weg zur Versammlung schützt. Zwar liegt im Vorfeld
begrimich noch keine Versammlungvor; jedoch könnte der Schutzbereichdes Art. 8 1 GG durch sog.
"VorReldmaßnahmen"
komplett unterlaufen werden, würde man die Anreise nicht als mit geschützt ansehen.
Deshalb unterfällt jedenfalls der Weg zur Versammlung auch dem Schutzbereich des Art. 8 1GG (BVerfGE 69,
315 [349])
[AttPtt.: Entsprechendes gibt ßür die Abreise. Ferner wird sich sogar eine Beeittfrächtigung des Schutzbereichs
bejahen !assen, wenn im Vorfeld der Versammlung aufden Willensentschluss zur Teilnahme eingewirkt wird.
aktie dass dafür Voraussetzung wäre, dass der Betro#etle sich bei'bits aufdetl Weg geltxacht hal(vgl. Flur OVG
Nds., RÄ 2006, 364 zur Problematik des sog. "GeßhrdePanschreibens").]
B Eingriff
Ein Eingriff liegt in jeder Verkilrzung desSchutzbereichs,soweit es sich nicht lediglich um eine Bagatelle llandelt.
Wie oben gezeigt,hat die Versammlungsfreiheitein kollektives (ZusammenkunRmehrererPersonen)und ein
kommunikativesElement (Teilnahmean der öffentlichen Meinungskundgabe). Indem T untersagtwurde, die
Anscheinswaffemitzufuhren, wurde in den kommunikativen Bereich eingegrinen. Die von den
Versammlungsteilnehmem angestrebteAussage wurde ohne die AnscheinswaHen weniger deutlich, wenn nicht gar
die Veranstaltung insgesamtin Frage gestellt wurde. Somit liegt ein Eingriff vor.
C Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Fraglich ist, ob der Eingriffvon den Schrankengedeckt ist
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Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Scheinwa#e
1. Schranken
Art. 8 11GG stellt Versammlungen unter freiem Himmel unter (einfachen) Gesetzesvorbehalt.Fraglich ist, ob P
sich hier aufein Gesetzt stützen konnte.
l $ 15 1 VersG
In Betracht kommt zunächst und vor allem wieder das Versammlungsgesetz.Hier handelte es sich um eine
Maßnahme im Vorfeld einer Versammlung, die nicht von $ 15 111VersG, sondem von $ 15 1Vermg erfasst
wird. Bei der Aunorderung an T, die AnscheinswaRe abzulegen, könnte es sich um eine "Auflage" in diesem
Sinne handeln. Jedoch kann Adressat einer Maßnahme nach $ 15 1 Verse nicht ein einzelner Teilnehmer
sein, sondern nur der Veranstalter (Diesel/ Gintzel/Kniesel, VersG, $ 15, Rn. 108 ft).
[Anm.: Letzteres dilr$e entscheideridsein. Das BVerfG hat komrtientatlos $ 15 1 yelsG auch im Vorfeld einer
/ersamtnlung ats anwelldbat anerkatltat. solange sich die Maßnahme tInI an den Veranstcllter richtete
(ByerJG, RÄ 2010, 451 zur Außage, a]]e Tei]nehmet vor Versatnm]ungsbeginn durchsuchen zu lassen).]
2 $ 18 111VersG
Gegenüber Einzelnen kennt das VersG nur den Versammlungsausschlussnach $ 18 111Verse. Fraglich ist
hierjedoch schon, ob nicht zumindest der Ausschluss aus einer Versammlung begrifflich bereits voraussetzt,
dass eine Versammlung tatsächlich zustande gekommen ist. Femer müsste eine Ausschlussvernügung
bestimmt genug sein. Einem Versammlungsteilnehmer muss hinreichend und unmissverständlich bedeutet
werden, dass gerade er von der Versammlung ausgeschlossen wird, so dass ihm dadurch klar sein muss, dass
er sich nicht mehr aufdie Versammlungsfreiheitberuhenkann und sich aus der Versammlungzu entfernen
hat. Hier könnte man durch das Verbot, die Anscheinswaffezu fuhren, allenfalls an einen partiellen,
konkludenten Versammlungsausschlussdenken, der nach dem zuvor Gesagten aber nicht möglich ist (vgl.
BVerfG, RA 2005, 75 [78]; RA 2007, 679 [684 [j; VGH Kasse], RA 201 1, 482 [483]). Vor a]]em aber ist in
keinser Weise ersichtlich, dassT eine Störung i.S.d. $ 18 111VersG begangenoder beabsichtigt hätte.
3 $ 8 1PoIG
Nach alledem hält das VersG keine taugliche Schrankebereit. Fraglich ist, ob in diesen Fällen auf das
allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht der Länder zurückgegrinen werden kann.
b) Vorfeldmaßnahmen
Streitig ist allerdings, ob dies auch fur Vor6eldmaßnahmengilt
Nach einer Ansicht ist dies nicht der Fall. Die Erstreckungder "Polizeiüestigkeit"aufVorfeldmaßnahmen
würde dazu fuhren, dassdiese - da im Vermg nicht geregelt - generell unzulässig wären. Dieses Dilemma
wird dadurch gelöst, dass fur Vor6eldmaßnahmen ausnahmsweise der Rückgriff auf das allgemeine
Polizei- und Ordnungsrecht
der Länderzugelassen
wird, um eine eßektiveGefahrenabwehr
zu
ermöglichen (VGH München, RA 201 1, 295 [300]; Gröpl, JURA 2002, 18 [23]; Kment, JA 2005, 492
[493]: Trurnit, JURA 2014, 486 [493]).
Nach dieser Ansicht käme $ 8 1 PoIG als taugliche Schrankedes Art. 8 1GG in Betracht.
Die Gegenmeinung
(Dietel/Gintzel/Kniesel,
VersG, $ 15, Rn. 5; Sigrist, Die Polizei 2002, 133 f:E;krit.
auch Deger, NVWZ 1999, 265, 267) verweist hingegen darauf dass das Versammlungsrecht sehr wohl
Vor6eldmaßnahmenregelt, und zwar nicht nur gegenüberdem Veranstalter wie in $ 15 1 Vermg, sondem
auchgegenübereinzelnenTeilnehmen wie z.B. das Mitfuhrungsverbotvon (echten)Waren in $ 2 1112
VersG. Außerdem zitierten die Polizei- und Ordnungsgesetzeder Länder Art. 8 1GG entgegenArt. 19 1 2
CIG nicht, was ebenfalls gegen ihre Anwendbarkeit spricht (Degen,NVWZ 1999, 265 [267j; Selk,
JuS1992,816 [819]). Femerkönntendie Länder,die jetzt die Gesetzgebungskompetenz
fur das
Versammlungsrecht innehaben, eigene Versammlungsgesetze erlassen, wenn ihnen das Verse des
Bundes unzureichend im Hinblick aufVor6eldmaßnahmen erscheint.
Danach schwede ein Rückgriffauf $ 8 1 PoIG NRW hier aus.
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7 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Scheinwa#e
c) Stellungnahme
Für die erste Ansicht spricht, dass der Gesetzesvorbehalt aus Art. 8 ll GG zwar eine gesetzliche
Grundlage fur EingriHë in die Versammlungsfreiheit fordert, dort allerdings nichts davon steht, dass diese
in einer Norm des VersG liegen muss. Tatsächlich wird auch die Anwendbarkeit anderer Spezialgesetze
nebendem VersGfur zulässiggehalten(vgl. z.B. BVerfG, RA 2011, 169 [171] zum Rückgriffauf
$$ 903, 1004 BGB zur Rechtfertigung eines Hausverbots gegenüber Flugblattverteilem). Dass die
strengerenVoraussetzungendes VersG umgangen werden könnten, würde man den Rückgriff auch auf
allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht zulassen, ist zwar einzuräumen; jedoch soll dies ja nicht
pauschal, sondem nur fur einen eng umgrenzten Bereich im Vorfeld einer Versammlung geschehen,den
das VersG nicht oder jedenfalls nur unzureichenderfasst,um eine effektive Gefahrenabwehrzu
ermöglichen. Die Voraussetzungendes $ 15 1 VersG sind zudem nicht wesentlich strengen als jene des
$ 8 1 PoIG, denn hier wie dort kann bei Vorliegen einer Gefahr fur die ÖHentliche Sicherheit und Ordnung
cingeschritten werden (und die "Unmittelbarkeit" im Tatbestand von $ 15 1 Verse ist im allgemeinen
Polizei- und Ordnungsrecht auf Störerebene durch die Theorie der LmmittelbarenVerursachung ebenfalls
zu beachten). Hinsichtlich des Zitiergebots ist festzustellen, dass das PoIG NRW Art. 8 GG in $ 7 PoIG
NRW tatsächlichnicht zitiert. Das BVerfG hat jedoch anerkannt,dassdasZitiergebotnur greifen soll,
wenn das betrogeneGrundrechtspezifisch-final eingeschränktwird (BVerfG, RA 2000, 45; Deger,
NVWZ 1999,265 [267]), wie z.B. beim "finalen Rettungsschuss"im Hinb]ick aufArt. 2 111 GG. $ 8 1
PoIG umfasstaber eine Vielzahl von Gefahrensituationen,die Norm richtet sich nicht spezifisch gegen
die Versammlungsßeiheit.
11.Schranken-Schranken
Jedochmussdie Schranke
zur Rechtfertigung
des Eingrinsihrerseitsverfassungsgemäß
und in
ordnungsgemäßerWeise angewendetworden sein. An der VerEassungsmäßigkeitdes $ 8 1 Patg NRW selbst ist
nicht zu zweifeln. Jedochstellt sich die Frage nach seiner ordnungsgemäßenAnwendung.
[Xtlm. : Das B VeÜG ist keine "Superrwisionsinstanz". Es preß int Rahmen einer Vel:fassurigsbeschwel'de defa
ihttt vorgelegtett Sachverhalt daher nicht aufdie Vereinbarkeit des Hoheitsaktes mit einfachem Recht. sondern
nul aufdie spezißsche Verletzungvon Verfassungsrecht, also z.B. im Hinblick aufseine Verhältnistnäßigkeil, die
in Art. 20 111GG verankertist. Hier spielt der Fall jedoch Fliehtvor dem BVerfG, sodasseine delaltige
Beschränkung des Prülungsumfangs nicht vorliegt. " Ordnungsgemäße" Anwendung im o.g. Birth heißt daher
recllttnäj3ige" Anwendung.]
l Formelle Rechtmä13igkeit
In formeller Hinsicht flat P laut Sachverhalt rechtmäßig gehandelt
2 N'materielle Rechtmäßigkeit
In materieller Hinsicht setzt $ 8 1 PoIG tatbestandlich zunächst eine Gewährfür die ÖHentlichc Sicherheit oder
Ordnung voraus. Wie bereits oben gezeigt, ist jedoch durch das Mitfuhren der ScheinwaHen weder das Eine
noch das Andere der Fall. Die gebotene verfässungskon6orme Auslegung des $ 42a WafTG im Lichte der
KunstfreiheitausAlt. 5 111
GG wird sich- ähnlich wie die Versammlungsfreiheit
- auchaufdas Vorfeld der
Darbietung erstreckenmassen,da sonst auch die Kunst6'eiheit dadurch völlig ausgehöhlt werden könnte,
dass man dem Künstler durch Entziehung seiner Werkstoffe an der Schafliing eines Kunstwerks hindert.
Somit ist $ 8 1 PoIGjedenfalls nicht rechtmäßigangewendetworden.
Eine Rechtfertigung des Eingrins gelingt nicht, T ist in Art. 8 1GG verletzt
Literatur:
B Mücke, Pantomime aufdem Gelöbnis. JURA 1998, i52 ft - Klausur
e y. Weschpfennig,Metal-Sampling,Jura 20 17,705 ft - Klausur
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J u r a
Intensiv
Standort: ÖR/ Grundrechte/Art. 5 GG/ Grundstruktur
Art. 5 GG - Grundstruktur
1. Art. 5 12 1. Fall GG -
Presseßeiheit
2.Art. 5 12 2. Fall GG -
Rundfiinkfreiheit
2. Art. 5 1 2 2. Fall GG -
Rundfunkfreiheit
3. Art. 5 1 2 3. Fall GG -
Film freiheit
C. Systematik
Der qualifizierteGesetzesvorbehalt
desArt. 5 11
GG steht zwischen Art. 5 1 GG und Art. 5 111GG.
Er gilt somit nur Hürdie Grundrechteaus Art. 5 1
GG. während fur die Grundrechte aus Art. 5 111
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Intensiv
Standort OR / Grundrechte / Art. 5 1 1 1. Hs. GG / Meinungsfreiheit
A.Konkurrenzen
Art. 8 1GG (Epping/Lenz, Jura 2007, 881 [883]; Jarass/Pieroth,GG, Art. 8, Rn. 2)
Arg.: Aa. 8 1 GG schütztversammlungsspezifische
Tätigkeiten,
währenddie
Mcinungskundgabe als solche über Art. 5 1 1 1. Hs. GG geschützt wird.
Art. 12 1 1 GG (Jarass/Pieroth,GG, Art. 5, Rn. 2a).
Personeller Schutzbereich
Sachlicher Schutzbereich
Gegenstand: "Meinung
Def: Meinung ist also jed- ing, die durch die Elemente der
Steliungnahme. oder Meinens im Rahmen einer geistigen
Auseinandersetzung geprägt ist (BVerfGE 65, 1gl9li Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn
615)
Typisch für Meinungsäußerungen ist, dass sie durch subjektive Einschätzungen des
Außerndengeprägt und dem Wahrheitsbeweis daher nicht zugänglich sind. Auf den
Wert, die Richtigkeitoder Vernünßigkeitder Außerungkommt es nicht an
(Epping/Lenz,
Jura2007,881 [882]).
Fraglich ist, ob auch Tatsachenbehauptungendem Schutzbereich unterfallen, vgl. dazu
Das gleiche Problem tritt hinsichtlich beleidigender Außerungen aut vgl. dazu
O./il/a Intensiv(00200 EK OeR NRW GrundR Art 5 1 Meinungsürei Grob) Seite l von2
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Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 5 1 1 11.Hs. GG / Meinungsfreiheit
Geschütztes Verhalten
Die in Art. 5 1 1 1. Hs. GG normierte Aufzählung ist nur beispielhaR, geschützt ist jede
Form der Meinungsäußerung,auch das Verwendenvon Symbolenoder Zëichen
(Epping/Lenz,
Jura2007,881 [883])
Weiterhin verbürgt die Meinungsfreiheit auch, dass die Meinung beim Adressaten
ankommt, von diesem also empfangen werden kann
Fraglich ist, ob das gewaltsame Aufzwingen einer Meinung geschützt wird, vgl. dazu
Geschützt wird auch die negative Freiheit, eine Meinung nicht äußern zu müssen. Das
gilt auch fur den Fall, eine fremde Meinung als eigene mitteilen zu müssen. Hingegen ist
der Schutz-bereich nicht betrogen, wenn eine fremde Meinung erkennbar als 6'emde zu
äußern ist, z.B. Wamhinweise auf Produkten (Epping/Lenz, Jura 2007, 881 [883])
1. Art.511GG
2. Art. 17a l GG
Qualinlzierter Gesetzesvorbehalt
fur Angehörige der StreitkräRe und des
Ersatzdienstes.
11. Schranken-Schranken
Bei der Erörterung der Angemessenheit einer staatlichen Maßnahme treten gewisse
Gesichtspunkte immer wieder auf. vgl. dazu +lp8.l
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Intensiv
Standort OR / Grundrechte / Art. 5 1 1 1. Hs. GG / Meinungsfreiheit / Einzelprobleme
Tatsachensind Vorgänge oder Zustände in der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich
sind, während ein solcher bei Meinungsäußerungen nicht möglich ist. Es besteht also theoretisch ein klarer
Unterschied, der sich auch in einzelnen Rechtsgebieten wie dem Presserechtoder dem Strafrecht ($$ 185 H'. STGB)
wiederfindet (Kingreen/Poscher, Grundrecht, Rn. 6 17). Daher wird zum Teil vertreten, dass Tatsachenäußerungen
per se nicht vom Schutzbereichdes Art. 5 1 1 1. Hs. GG crßasstwerden (Huster, NJW 1996, 487; Ridder, Die
Grundrechte
11,S.243,264).
Dem wird entgegengehalten,
dass sich Tatsache und Werturteil häufig nicht strikt trennen ließen. Eine
Tatsachenbehauptungsei regelmäßig zumindest stillschweigend mit einem Werturtei} des Behauptendenverbunden.
Schon die Entscheidung, dass, wann, wo und wie eine Tatsache behauptet wird, habe wertende Qualität. Aufgrund
dieser Untrennbarkeit müssten Tatsachenäußerungen generell in den Schutzbereich der Meinungsßeiheit fällen
(Erichsen,Jura 1996,84 [85]).
Das BVerFG schlägt stattdesseneinen Mittelweg vor. Danach sind Tatsachenbehauptungendutch Art. 5 1 1 1. 1is
GG geschützt, wenn sie Voraussetzung für die Bildung einer Meinung und weder bewusst noch erwiesen unwahr
sind (BVerfGE 90, 241 [249]; 94, 1 [7]; Epping/Lenz, Jura 2007, 881 [882]). Mit der Einschränkungbezüglich
unwahrerTatsachenmacht dasBVerfG deutlich, dassjedenfalls die bewussteLüge nicht schutzwürdigist. Das
Gleiche muss fÜr Tatsachenäußerungengelten, von denen allgemein bekannt ist, dasssie unwahr sind. Jenseits dieser
beiden Konstellationen können auch falsche Tatsachenbehauptungen dem Schutz des Art. 5 1 1 1. Hs. GG unterfallen,
da die Meinungsfreiheit auch die Freiheit zum irrtum beinhaltet (Epping/[.enz, Jura 2007, 88] [882];
Kingrecn/Poscher,Grundrechte, Rn. 620).
Nicht geschütztsind demnachstatistischeAngaben oder die Außerung,im Dritten Reich habe cs keine
Judenverfö[gung gegeben, sog. "Auschwitz]üge" (BVerfGE 65, 1 [40[1; 90, 241 [249]). Schutzwürdig können
hingegen Fragesätze sein (rhetorische wie echte), wenn sie die genannten Definitionsmerkmale aula'eisen.
Beleidigende Außerungen werden grundsätzlich vom Schutzbereich der Meinungsfi'eiheit erfasst. Ihr geringer
inhaltlicherWert ist erstaufder Ebeneder verfassungsrechtlichenRechtfertigungdes Eingrins, und zwar im Rahmen
der Prüfung der Angemessenheitder staatlichen Maßnahme, zu berücksichtigen. Bei einem anderenNormverständnis
wäre die Schrankeder persönlichenEhre in Art. 5 ll GG übernüssig(Kingleen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 615)
Teilweise wird eine Ausnahme für die sog. Schmähkritik gcEordert.Sie zeichnet sich dadurch aus, dass nicht mehr
die Auseinandersetzungin der Sache, sondem die Dinamierung und l leiabsetzung der Person im Vordergrund steht.
Jedoch geht die Rechtsprechungdavon aus, dass auch derartige Werturteile dem Schutzbereich der Meinungsfi'eiheit
unterfallen (BVerfG, RA 2007, 229 [230])
Allerdings ist wie üblich bei SchutzbereichsbegrenzungenVorsicht geboten.Die Anforderungen an das Vorliegen
einer Schmähkritik sind hoch. Sie darf zudem nicht mit der schutzwürdigenpolemischenoder überspitztenKritik
verwechselt werden. Daher sollte in Zweifelsfällen der Schutzbereich bäaht werden, um dann wie dargelegt auf der
Ebeneder verfässungsrechtlichenRechtfertigung eine Abwägung vornehmen zu können.
Flq Ste[[t das gewaltsame Aufzwingen einer Meinung ein geschütztes Verha]ten im Sinne des Art. 5 1 1 ]. Hs.
GG dar?
O./i//a Intensiv (00210 EK OeR NRW.GrundR Art 5 1 Meinungsfrei Einzel) Seite l von 3
78
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Art. 5 ll 1. Hs. GG/ Meinungsfreiheit/ Einzelprobleme
Elia Was ist ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 ll GG?
Def: Allgemeine Gesetze sind solche Bestimmungen, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche
richten, sondern dem Schutz eines höherrangigenRechtsguts dienen, also dem Schutz eines
Gemeinschaftswerts,
der gegenilberder Betätigungder Meinungsfreiheit
den Vorrang hat (BVerfGE7, 198
[20W.]).
Das BVerfG hat mit dieser Definition die früher verhetene Sonderrechtslehreund die Abwägungslehre vereint (vgl.
dazu Kingreen/Poschcr, Grundrechte, Rn. 653-658).
Das Gericht fordert weiterhin, dass das eingreiGendeGesetz die besondere Bedeutung, die dem Grundrecht aus Art. 5
1 1 1. Hs. GG in einem demokratischen Gemeinwesen zukommt. beachtet. Das bedeutet. dass das in die
Meinungsfreiheit eingrei mendeGesetz seinerseits begrenzt wird durch die hohe Wertigkeit des Grundrechts aus Art. 5
1 1 1. Hs. GG (BVerfGE 7, 198 [208[]). Diese sog. Wechse]wirkungs]ehre
ste]]t nichts anderesa]s eine
vernassungskonHorme Auslegung dar, wie sie bei jedem anderen Grundrecht auch erfolgen kann (Epping/Lenz, Jura
2007, 88 1 [886]; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 66 1). Der Begriff "Wechselwirkungslehre" bezeichnet also nur
etwas bereits allseits Bekanntes. Gleichwohl sollte er in einer Klausur verwendet werden. weil der Korrekter dies
erwartet.
Neben der sehr weiten Schranke der allgemeinen Gesetze kommt den anderen in Art. 5 ll GG genannten Schranken
der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre nur cin sehr enger
Anwendungsbereichzu.
Zum Aufbaus Mit dem Abstellen auf ein höherrangiges Rechtsgut verlangt die Schranke der allgemeinen
Gesetzeim Kem nichts anderes als eine Verhältnismäßigkeitsprül\ing. Fraglich ist, ob diese hier
durchgeführt werden soll. Dafür spricht, dass anderenfalls der PrüfÜngszusammenhangzerrissen
wird. Gleichwohl geht die h.M. andersvor und ehrt diese Prüliing wie sonst üblich im Rahmen
der materiellen Vernassungsmäl3igkeit des formellen Gesetzes durch.
Flg Haben Jugend- und Ehrschutz neben den allgemeinen Gesetzen eine eigenständige Bedeutung?
Das BVerFG geht davon aus, dass auch Vorschrilien zum Jugend- und Ehrschutz "allgemein", d.h. meinungsncutrul
sein müssen (BVerfG, RA 2009, 693 [698[]). Damit haben diese beiden Schranken neben der Schranke der
allgemeinen Gesetze keine eigenständigeBedeutung. Zur Begründung verweist das BVerl'G darauf dass das
ErGordemisder Allgemeinheit einen Schutz vor Diskriminierungen bzgl. bestimmter Meinungen gewährleisten soll.
Speziell für politische Anschauungen ergebe sich das auch aus dem systematischen Vergleich mit Art. 3 1111 GG.
Die daraus resultierende rechtsstaatliche Distanz zum Schutz der Meinungsßeihcit müsse auch bei Jugend- und
Ehrschutzbcstimmungen gelten. Weiterhin waren Jugend- und Ehrschutz bereits unter der Geltung der WRV nur
Ausprägungen der allgemeinen Gesetze. Das wurde auch bei den Beratungen zum GG so gesehen (vgl. JÖR Bd. l
( 1951), S. 79n:).
Zu kritisieren ist an dieser Rechtsaumassung,
dass dadurch zwei ausdrücklich normierte SchrankenHunktionslos
werden. Ihre separate Normierung spricht bei unbenangcncrBetrachtung des Gcsctzestextes gerade dafür, dass sie
nicht "allgemein" sein müssen.
Nach Ansicht dcs BVerfG muss ein Gesetz nicht "allgemein" i.S.d. Art. 5 ll GG sein, wenn es um die Sanktionierung
der propagandistischen
Guthcißungder NS-Gewa]therrschaR
geht (BVerfG, RA 2009, 693 [699[]). Derartige
Meinungskundgaben stellen wegen der Einmaligkeit der Verbrechen während der NS-Zeit eine Sonderkonstellation
dar, so dass das ErHordemis der Allgemeinheit der einschränkenden Gesetze dann nicht gelten könne. Es handele sich
um eine immanente Ausnahme von Art. 5 ll GG, da das GG gerade ein Gegenentwurfzu den Zuständen während der
NS-Zeit sei. Diese immanente Ausnahme sei daher auf andere Konstellationen nicht übertragbar (problematisch
deshalb die Bezugnahme des $ 15 ll l Nr. 2b) SächsVersG aufdie "kommunistische GewaltherrschaR" (Bcyerbach,
JA 2015, 881 [886t m.w.N.]). Um allerdings eine übermäßigeAusweitung dieser immanenten Schmnke zu
verhindem, sieht das BVerfG eine propagandistischeGutheißung der NS-GewaltherrschaR nur als gegebenan, wenn
durch die Meinungskundgabe die konkret fassbare Gefahr einer Rechtsverletzung hervorgerufen wird (z.B. Appelle
zum Rechtsbruch,unmittelbareEinschüchterung
von Dritten). Rein innere überzeugungen/Gesinnungen
werden
nicht crEasst.
Der Rechtsauffassung des BVerfG kann entgegengehalten werden, dass sie eine außerordentlich schwer zu
handhabendeAusnahmekonstellationkonstruiert, deren Existenz nicht zwingend notwendig erscheint. So bleibt
Qüen, wieso das Gericht die Schranke des Ehrschutzcs zunächst faktisch beseitigt (s.o.), um ihn dann auf diesem
Weg Hr die Opfer der NS-Gewaltherrschali gleichsam wieder einzuführen. Auch wäre zu erwägen, die
Unanwendbarkcit
der Schranke
des Art. 5 ll GG dadurchzu kompensieren,
dasssubsidiär
auf die
verfässungsimmanentenSchranken zurückgcgrimen wird, bevor eine ungeschriebene Ausnahme von Art. 5 ll GG
konstruiert wird.
80
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte/ Art. 5 1 1 2. Hs. GG / Informationsfreiheit
A.Konkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
Die Informationsfreiheit schützt Ausländer wie Deutsche sowie inländische juristische Personen des
Privatrechts nach Art. 19 111GG, die sich informieren möchten (Schoah,Jura 2008, 25 [3 1f.]).
Def: Informationsquellen
sind alle Trägervon Informationen.
unabhängig
davon,ob die
Infomtationen Meinungen oder Tatsachen enthalten oder ob sie öffentliche oder private
Angelegenheitenbetreffen. Auch das Ereignis selbst (z.B. ein Verkehrsunfall) gehört dazu
(Schach,Jura 2008,25128]).
Allgemein zugänglich ist die Informationsquelle, wenn sie dazu geeignet und bestimmt ist, einem
individuell nicht näher bestimmten Personenkreis Informationen zu beschaffen (Schach, Jura
2008, 25 [28]).
Geschützt ist die schlichte Entgegennahme,aber auch das aktive BeschaHen von Informationen,
unabhängig von den dabei angewendeten Methoden. Geschützt werden auch die erforderlichen
Vorbereitungshand[ungen, z.B. das Aufste]]en einer Parabo]antenne (Schach, Jura 2008, 25 [3 1]).
Die negative In6ormationsfteiheit verhindert, dass dem Einzelnen Informationen aufgedrängt
werden(Schoah, Jura 2008, 2513 1]).
Da die Informationsfreiheitin erster Linie ein Abwehrrechtist, zwingt sie den Staatnicht, allgemein
zugänglicheInformationsquelleneinzurichten.
Vgl. die Ausfuhrungen in der Übersicht zur Meinungsßeiheit. Allerdings greif die Schranke des Art. 17a l GG
hier nicht.
81
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 5 1 2 1. Fall GG / Pressefreiheit
A.Konkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
Die Presseßeiheit schützt alle im Pressewesen tätigen Personen, wenn sie eine pressespezifische
Tätigkeit ausüben. Auch HilßstäLigkeiten werden erfasst, soweit sie sich auf eine Pressetätigkeit
beziehen,z.B. Ausbringen von Zeitungen. Geschützt werden Ausländer wie Deutsche sowie inländische
juristische Personen des Privatrechts nach Art. 19 111GG.
1. Gegenstand: "Presse
Def: Der Begriff der Presse umfasst alle zurg Verbreitung geeigneten und bestimmten
Druckerzeugnisse, unabhängig davon obgsie periodisch erscheinen oder nur einmalig gedruckt
werden (Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 632).
Geschützt werden auch reine Anzeigenblätter, allerdings kommt ihr geringerer inhaltlicher Wert
im Rahmen der Rechtfertigung des EingriHs bei der Verhältnistnäßigkeitsprüfiing zum Tragen.
Weiterhin spielt der intellektuelle Wert des Produktskeine Rolle. Ob Internet-Ausgaben
von
Zeitungen und ZeitschriRen der Presse- oder der RundfÜnkü'eiheit unterfallen, ist fraglich (vgl.
Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 632 m.w.N.).
2. GeschütztesVerhalten
Vgl. die Ausfuhrungen in der Ubersicht zur Meinungsfreiheit. Allerdings greif die Schranke des
Art. 17a l GG hier nicht.
A.Konkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
Die Rundfunkfreiheit schützt Ausländer wie Deutsche sowie inländische juristische Personen des
Privatrechts nach Art. 19 111GG, die eigenverantwortlich Rundfunk veranstalten und betreiben. Nicht
grundrechtsberechtigt sind hingegen die Rundftinkteilnehmer. Sie werden durch Art. 5 1 1 2. Hs. GG
geschützt (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 642).
Weiterhin erfasst die RundfiinkÜ'eiheit auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten,die somit
ausnahmsweise zugleich Grundrechtsberechtigte und Grundrechtsverpflichtete sind. Vgl. im Einzelnen
die Übersicht "Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde- Einzelprobleme"
1. Gegenstand: "Rundfunk"
Def: Rundfunk ist jede an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder
drahtgebundene übermittlung von Gedankeninhaltendurch physikalische Wellen
(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 639).
Erfasst werden auch das Fernsehen (sog. Femsehrundfiink) sowie neuartige Dienste wie Pay-TV,
Videotext oder das Intemet. Dabei spielen Inhalt und Niveau des Programmskeine Rolle.
Weiterhin werden auch Wahl- und Werbesendungen
geschützt.Letztere wegen ihrer
redaktionellen Bearbeitung oder, wenn eine solche fehlt, wegen ihrer Finanzierungsfunktion fur
die anderen Programminhalte.
2. Geschütztes Verhalten
Die Rundfünkfteiheit schützt alle wesensmäßig mit der Veranstaltung von Rundfunk
zusammenhängendenTätigkeiten, von der Beschaffung der Informationen und der Produktion der
Sendungenbis hin zu ihrer Verbreitung. Es gelten die Ausführungen in der Ubersicht zur
Pressefreiheitentsprechend.
Ein Eingriff in die Rundfiinkfteiheit liegt bei jeder staatlichen Maßnahme vor, die den geschützten
Personenkreis in seinen geschützten Tätigkeiten behindert, insbesondere wenn der Staat Einfluss auf
Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung des Rundftinkprogramms nimmt. Vgl. im Ubrigen die Ausfuhrungen
in der Ubersicht zur Pressefreiheit.
Vgl. die Ausführungenin der Übersichtzur Meinungsfreiheit.Allerdings greift die Schrankedes Art. 17al GG
hier nicht.
A. l(onkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
Die FilmReiheit schützt Ausländer wie Deutsche sowie inländischejuristische Personen des Privatrechts
nach Art. 19 111GG, soweit sie eine geschützte Tätigkeit ausüben.Nicht grundrechtsberechtigtsind
hingegen die Zuschauer. Sie werden durch Art. 5 1 1 2. Hs. GG geschützt
1. Gegenstand:"Film
Der Filmbegriff ist ebenso wie der Rundfiinkbegriff oben fur neue Entwicklungen, so dass z.B.
auch Videobänder erfasst werden. Der notwendige Bezug zur ÖHentlichkeit liegt bereits vor,
wenn die erstellten Filme an einen unbestimmten Personenh'eis adressiert sind. In diesem Fall
sind reine PrivatvorfÜhrungen unschädlich. Inhalt und Niveau der Filme sind unerheblich.
2. Geschütztes Verhalten
Die Filmfteiheit schützt Herstellung und Verbreitung der Filme sowie alle damit
zusammenhängenden
Tätigkeiten.
Es geltendie Ausfuhrungen
in den Übersichten
zur
Pressefreiheit und Rundftin k h-eiheit entsprechend.
Vgl. die Ausfuhrungen in der Ubersicht zur Meinungsheiheit. Allerdings greif die Schranke des Art. 17a l GG
hier nicht.
84
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Allgemeine G!Pelze vs. Sonderrechte
GESETZ
Abwägungstehte -} Sorlderrechtstheotie
A. Kon kurrenzen
1. PersonellerSchutzbereich
1. Gegenstand: "Kunst"
anhaltund Niveau des Kunstwerks sind unerheb]ich (Jarass/Pieroth,GG, Art. 5, Rn. 106a)
2. Geschütztes Verhalten
Neben der eigentlichen künstlerischen Tätigkeit (sog. Werkbercich) wird auch die
Darbietung und Verbreitung des l(unstwerks einschließlich der diesbezüglichen
Werbung (sog. Wirkbereich) geschützt. Geht es hingegen ausschließlich um die
wirtschaRliche Verwertung eines Kunstwerks, sind andere Grundrechte, insbesondere
Art. 121 1 GG, einschlägig(BVerfGE 67, 213 [224]; Kobor,JuS2006,593 [595]).
Weiterhin ist fraglich, ob auch solche Tätigkeiten vom Schutzbereich des Art. 5 1111 1.
Fall GG erfasst sein können, die Rechte [)ritter beeinträchtigen,vg]. dazu
11. Schranken-Schranken
87
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 5 1111 1. Fall GG / Kunstfreiheit / Einzelprobleme
Angesichts seiner Weite könnte es unmöglich sein, den Begriff "Kunst" generell zu definieren. Eine
AbgrenzungzwischenKunst und "Nicht-Kunst" ist fur die Rechtsanwendung
jedoch zwingendgeboten,
wobei von einem weiten Begrinsverständnisauszugehenist, um eine inhaltliche Qualinlzierungder Kunst
durch staatlicheStellen und somit eine Verengung des Schutzbereichs
des Art. 5 1111 1. Fall GG zu
verhindem(BVerfGE 67, 2131224f]).
In der Sachewerden im wesentlichen drei Kunstbegrime vertreten.
Nach dem sog. formalen KunstbegrifFzeichnet sich Kunst dadurch aus, dass das Kunstwerk einem
bestimmten Werktyp, d.h. einer klassischen Kunstrichtung (z.B. Malerei, Bildhauerei, Theater, Dichtung)
zuzuordnen ist (BVerfGE 67, 2 13 [226f.]; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 683).
Nach dem sog. materiellen Kunstbegriff besteht das Wesen der Kamst in einer freien schöpferischen
Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten
Formensprachezur unmittelbaren Anschauung gebracht werden. Jede künstlerische Tätigkeit ist danach eine
Verquickung von bewussten und unbewussten Vorgängen, bei denen Intuition, Phantasie und Kunstverstand
zusatnmenwirken(BVerfGE
30, 173]189j; 67, 2131226]).
Der sog. offene Kunstbegriff erkennt das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin,
dass es wegen der Vielfältigkeit des Aussagegehaltsmöglich ist, einer Darstellung im Wege einer
fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, so dass sich eine praktisch
unerschöpfliche Informationsvermittlung ergibt (BVerfGE 67, 2 13 [227]; Kingreen/Poscher, Grundrechte,
Rn. 683f.)
Diese Kunstbegrine werden vom BVerfG nebeneinander verwendet. In Zweifelsfällen wird als weiterer
Anhaltspunkt herangezogen,ob der Urheber ein Werk als Kunstwerk betrachtet. Ferner ist das Merkmal der
Drittanerkennung bedeutsam,d.h. es wird daraufabgestellt, ob ein in Kunstßagen kompetenter Dritter es fur
vertretbar hält, das in Frage stehendeGebilde als Kunstwerk anzusehen(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn.
685)
Flq Ist auch solche Kunst geschützt, die in Rechte Dritter eingreift?
Das BVerfG hat es ursprünglich abgelehnt, demjenigen die Berufung auf Art. 5 1111 1. Fall GG zu gestatten,
der für seine künstlerische Darstellung eigenmächtig fremdes Eigentum nutzt, was insbesonderebei sog.
Sprayern" regelmäßig der Fall ist (BVerfG, NJW 1984, 1293 [1294]). Gegen eine so]che Begrenzung des
Schutzbereichsspricht jedoch, dass der Verfassungsgesetzgebersie üblicherweise ausdrücklich anordnet, so
sie denn gewollt ist, vgl. Art. 8 1 GG. Des Weiteren betrifR eine solche Einschränkungbereits die
vorzunehmendeAbwägung der widerstreitenden Rechtsgüter,die erst im Rahmender Rechtfertigungdcs
Eingrins erfolgt. Femer bestehtdie Gefahr, dass der Schutzbereichder Kunstßeiheit zu sehr eingeschrärlkt
wird. Im Ubrigen ist auch bei Eröfhung des Schutzbereichsdurchausdie Möglichkeit gegeben,die Rechte
des Driften zu wahren. Sie werden sich im Rahmen der Rechtfertigung des Grundrechtseingrins regelmäßig
gegenüberder Kunstfreiheit durchsetzen(Kobor, JuS 2006, 593 [595]; so inzwischen auch BVerfG, Urteil
vom 31.5.2016, 1 BvR 1585/13, Rn. 90).
©lz//'a Intensiv (00280 EK.OeR NRW GrundR Art 5 1 Kunstltei Einzel) Seite l von l
88
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Intensiv
Standort OR / Grundrechte / Art. 5 1H 1 2. Fall GG / Wissenschaftsfreiheit
A.Konkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
Die WissenschaRsfreiheit schützt Ausländer wie Deutsche sowie inländische juristische Personen
des Privatrechts gem. Art. 19 111GG, soweit sie eigenverantwortlich in wissenschaRlicher Weise
tätig werden wollen. Darüber hinaus sind auch Universitäten und ihre Fakultäten geschützt, obwohl
es sich dabei um juristischePersonen
des öffentlichenRechtshandelt.Sie sind somit
ausnahmsweisezugleich Grundrechtsberechtigte und Grundrechtsverpflichtete (Kobor, JuS 2006,
695 [697]). Vg]. im Einzelnen die Übersicht "Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
-
Einzelprobleme
WissenschaR ist der Oberbegriff fur Forschung und Lehre (BVerfGE 35, 79 (1 13); Jarass/Pieroth,
GG,Art. 5, Rn. 121; Kobor,JuS2006,695).
Def; WissenschaftlicheForschungist jede Tätigkeit. die nach Inhalt und Foml als ernsthafter und
p[anmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BVerfGE 35, 79 [1 13]).
Wissenschaftliche Lehre ist die fundierte übermittlung der durch die Forschung gewonnenen
Erkenntnisse(BVerfGE
35,79]1 13]).
2. Geschütztes Verhalten
Geschützt werden Gegenstand, Form, Inhalt und Methode der wissenschaRlichen Betätigung. Das
gilt nicht nur fur die Hochschulen, sondem auch fur private Forschungs- und Lehreinrichtungen.
Hingegen ist der Unterricht an den Schulen nicht erfasst, insoweit ist Art. 7 1 GG spezieller
(Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 122ae; Kobor, JuS 2006, 695 [696]; Kingreen/Poscher,
Grundrechte, Rn. 696).
Fraglich ist hier ebensowie bei der Kunstfteiheit, ob der Schutzbereichdes Art. 5 1111 2. Fall GG
eröffnet ist, wenn die wissenschaRlicheTätigkeit in RechteDritter eingreiR.Vgl. dazu die Ubersicht
Kunstheiheit, Art. 5 1111 1. Fall GG - Einzelprobleme
Intensiv
Standort OR / Grundrechte / Art. 5 1111 2. Fall GG / Wissenschaftsfreiheit
11. Schranken-Schranken
90
Intensiv
Standort OR/Grundrechte
Fall: ''Pazifisten''
A ist überzeugter Pazifist. Er verteilt in NRW jede Woche Flugblätter, auf denen er bekanntgibt,
wieviel Menschen pro Woche in kriegerischen Auseinandersetzungen von Soldaten getötet wurden.
Gleichzeitig enthalten seine Flugblätter die AufschriR "Warum? Soldaten sind Mörder". Der
BundeswehrsoldatB sieht ein solches Flugblatt und fuhr sich durch die Aussage,Soldaten seien
Mörder, in seiner persönlichen Ehre gekränkt. Er stellt daher Strafantrag gegen A. Dieser wird
wegen Beleidigung gem. $ 185 STGB verurteilt. Das Gericht begründet die Strafbarkeit
ausschließlich damit, dass die Äußerung des A nur dahingehend gedeutet werden könne, dass die
Soldaten der Bundeswehr als Teilgruppe aller Soldaten mit Mördern gleichgestellt werden; damit
bringe A zum Ausdruck, sie seien zu besonders niederträchtigen Verhalten gegenüber anderen
Menschen willens und fähig. Eine Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. $ 193 STGB scheide
aus, da es sich um Schmähkritik handele, bei welcher die Kommunikationsfreiheit stets hinter dem
Ehrenschutz zurücktrete, ohne dass es einer Abwägung im Einzelfall bedürfe.
A fuhr sich in seiner Presse- und Meinungsäußerungsßeiheit verletzt und erhebt nach
RechtswegerschöpfÜng Verfassungsbeschwerde.Ist die zulässige Verfassungsbeschwerde
begründet?
Abwandlung:
B hält die fur die erste Maiwoche angegebenenZahlen der Opfer fur viel zu hoch. Er verlangt daher
von A den Abdruck einer Gegendarstellung.A, der die Zahlen einer seriösen Zeitung des Vortages
entnommen hat und daher von ihrer Richtigkeit überzeugt ist, verweigert diese. B stellt daher vor
dem Zivilgericht Antrag auf Abdruck seiner Gegendarstellungnach $ 11 PresseG.A macht geltend,
$ 11 PresseGsei wegen fehlender Gesetzgebungskompetenzund Verstoßes gegen Art. 5 1 2 GG
verfassungswidrig. Es sei insbesondere nicht mit seiner Pressefreiheit vereinbar, wenn er unwahre
Gegendarstellungen abdrucken müsse.
$ 11 PresseGNRW: Gegendarstellungsanspruch
(1) Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpllichtct, eine Gegendarstellungder
Personoder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dein Druckwerk aufgestellteTatsachenbehauptung betroücn ist. Die
Verpflichtung erstreckt sich auf alle Neben- oder Untemusgabendcs Druckwerke, in denen die Tatsachenbehauptungerschienen ist.
(2) Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstcllung besteht nicht, wenn
a) dic bctroüene Person oder Stelle kein berechtigtes Interessean der Veröllëntlichung hat oder
b) die Gegendarstellung ihrem Umfange nach nicht angemessenist oder
c) es sich um eine Anzeige handelt, die ausschließlich dcm geschäftlichen Verkehr dient
Überschreitetdie Gegendarstellungnicht dcn Umfang dcs beanstandetenTextes, so gilt sie als angemessen.Dic Gegendarstellung
muss sich auFtatsächliche Angaben beschNinken und darf keinen strafbaren Inhalt haben. Sie bedmf der SchriRform und muss von
dem Bctrollënen oder seinem gesetzlichenVertreter unterzeichnetsein. Der BctroHëneoder sein Vertreter kann dcn Abdruck nur
verlangen, wenn die Gegendarstellungunverzüglich, spätestensinnerhalb von drei Monaten nach der Vcrönentlichung, dem
verantwortlichen Redakteur oder Verleger zugeht
(3) Die Gegcndantcllung muss in der nach Empfang der Einsendungnächstfolgenden, Hr dcn Druck nicht abgeschlossenenNummer
in dem gleichen Teil dcs Druckwerke und mit gleicher Schritt wie der beanstandeteText ohne Einschaltungenund Weglassungen
abgedruckt
werden;sie darf nicht in der FormeinesLcserbriefs
erscheinen.
Dcr Abdruckist kostenfrei.Wer sich zu der
Gegendarstellungin derselben Nummer äußert, muss sich auf tatsächlichs Angaben beschränken.
(4) Für die Durchsetzung des vcrgebl ich geltend gemachten Gegendarstellungsanspruchsist der ordentliche Rechtsweg gegeben. [".]
© Jzl/'a Intensiv (00300.EK.OeR.NRW.GrundR.Pazi listen.SV) Seite l von l
91
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 5 GG
Ausaanasfall:
A. Pressefreiheit.Art. 5 1 2 GG
B. Meinungsß'eiheit,Art. 5 1 1 GG
1. Schutzbereich
11.Eingriff
111.
Verfässungsrechtliche
Rechtfertigung
1 . Verfassungsmäßigkeitdes $ 185 STGB
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit
(1 ) Schranken des Art. 5 ll GG
(i) Sonderrechtslehre(Formelle Theorie)
(ii) Abwägungslehre
(iii)BVerfG
(iv)Recht der persönlichen Ehre
(v) Schrankenverhältnis
(2) Verhältnismäßigkeit
(i) Geeignetheit
(ii) Erforderlichkeit
(iii)Verhältnismäßigkeit i.e.S
2. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes
a) Grundrechtsverstoßbei Deutung der Aussage
(1) Nachprüfbarkeit durch BVerfG
(2) Außerachtlassung altemativer Deutungen
b) Grundrechtsverstoß
beiAuslegungund Anwendungvon $$ 185 ffStGB
Abwandlun
A. Vertassungsmäßigkeit
des $ 11 PresseG
1. Überprüfbarkeit der Verfassungsmäßigkeitdurch Zivi lgericht
11. Formelle Verfassungsmäßigkeit
111.Materielle Verfässungsmäßigkeit
1. Schutzbereich
2. Eingriff
3. VerfassungsrechtlicheRechtfertigung
a) Schrankenan6orderung
b) Verhältnismäßigkeit
(1) Geeignetheit
(2) Erforderlichkeit
(3) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
B. Anspruch nach $ 11 PresseG
A Pressefreiheit, Art. 5 1 2 GG
A könnte in seiner Pressefreiheitgemäß Art. 5 1 2 GG verletzt sein. Dann müsste der Schutzbereichder
Presseheiheit betroffen sein. Der Begriff der Presse umfasst alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten
Druckerzeugnisse.
Zur Pressegehörendamit nicht nur periodischerscheinende
Druckwerkewie Zeitungenund
ZeitschriRen, sondern auch solche, die nur einmalig gedruckt werden wie etwa Bücher, Flugblätter, Handzettel,
Aufkleber und Plakate.Die Pressefreiheitreicht dabei von der Beschaffungder Information bis zur Verbreitungder
Nachrichten und Meinungen (BVerfGE 20, 162 [176]); sie umfasst damit grundsätzlichauch das Verteilen von
Flugblättern.
Vorliegend könnten die Flugblätter des A jedoch gleichzeitig eine von Art. 5 1 1 GG geschützte Meinungsäußerung
enthalten. In den Fällen, in denen das Presseerzeugnis zugleich eine Meinungsäußerung beinhaltet, wird die
Presseßeiheit nicht als ein Spezialfall der Meinungsäußerungsfteiheit angesehen. Der Schutzbereich der
Pressefreiheit nach Art. 5 1 2 GG wird vielmehr nur dann bejaht, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen
in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen
Voraussetzungen und Ratnnenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt geht
© Jura [ntensiv (00301.EK OeR"NRW.GrundR.Pazi fasten Laos) Seite ] von 9
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2
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 5 GG
B. Meinungsfreiheit, Art. 5 1 1 GG
Es könnte das Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäßArt. 5 1 1 GG verletzt sein
l Schutzbereich
Der Schutzbereichmüsste betroffen sein. Art. 5 1 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrie
und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungensind jedes Werturteil, jede Ansicht oder Anschauung,
unabhängig davon, ob sie private oder ÖHentlicheAngelegenheiten betrifR. Sie sind im Unterschied zu
Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußemden zum Gegenstand der Äußerung
gekennzeichnet (BVerfG NJW 1995, 3303 [3303]). Tatsachenbehauptungen sind demgegenüber dadurch
geprägt, dass sie grundsätzlich dem Beweis zugänglich sind und oUektiv nach den Kategorien richtig oder falsch
überprüR werden können. Durch seine Außerung, Soldaten seien Mörder, hat der A nicht von bestimmten
Soldaten behauptet, sie hätten in der Vergangenheit einen Mord i.S.d. $ 21 1 STGBbegangen. Er hat vielmehr ein
persönlichesUrteil über Soldatenund über den Soldatenberufzum Ausdruck gebracht, der unter Umständen
zum Töten andererMenschenzwingt. Es ist damit vom Vorliegeneines Werturteils,nicht von einer
Tatsachenbehauptung auszugehen.
Fraglich ist jedoch, ob jede Art von Werturteilen von Art. 5 1 1 GG geschützt wird. Die Außerung des A ist fÜr
Soldaten verletzend formuliert, da sie dadurch als Verbrecher dargestellt werden. Werturteile sind jedoch
durchweg von Art. 5 1 1 GG geschützt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Außerung wertvoll oder wertlos,
richtig oder falsch, emotional oder rational. Der Schutz bezieht sich dabei nicht nur aufden Inhalt der Außerung,
sondem auch auf ihre Form. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht schon
dem Schutzbereichdes Grundrechts(BVerfG, NJW 1994, 2943 [2943]; NJW 1995, 3303 [3303]). Der
Schutzbereich des Art. 5 1 1 GG ist demnach betroffen.
11. EingriH'
Die strafrechtliche Verurteilung wegen der Meinungsäußerungstellt einen Eingriff in den Schutzbereichdes
Art. 5 1 1 GG dar.
lll.VerfassungsrechtlicheRechtfertigung
Der Eingriff könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dasser durch die Schranken des
Grundrechtsgedecktist. Nach Art. 5 ll GG findet die Meinungsßeiheitihre Schrankenin den allgemeinen
Gesetzen,den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Als
gesetzliche Bestimmung ist vorliegend $ 185 STGBeinschlägig. Diese kann nur dann taugliche Schranke sein,
wenn sie als verßassungsmäßigeVorschriR den Schrankenanforderungen des Art. 5 ll GG entspricht.
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
An der formellen Verfassungsmäßigkeitvon $ 185 STGBbestehenkeine Bedenken
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit
$ 185 STGB müsste materiell verCassungsgemäß sein. Dies setzt voraus. dass er den
Schrankenanforderungendes Art. 5 ll GG entspricht und verhältnismäßig ist.
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3 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerptmkte: Art. 5 GG
(i) Sonderrechtslehre(formelle Theorie)
Nach der Sonderrechtslehre sind allgemeine Gesetze solche, die nicht Sonderrecht gegen die
Meinungsfreiheit sind, also nicht ausschließlich das Verbot einer Meinung als solche zum Ziel haben
(Hesse, Versr Rn. 399; Pieroth,JURA 1986, 220). $ 185 STGBzielt nicht daraufab, eine Meintmg als
solche zu verbieten. Nach dieser Ansicht handelt es sich somit um ein allgemeines Gesetz.
(ii) Ab4vägungslehre
Nach der Abwägungslehre sind solche Gesetze allgemein, die dem Schutz eines schlechthin, ohne
Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgut dienen (Friesenhahn,FestschriR fur
Kunze 1969, S. 21). $ 185 STGBdient dem Schutz der persönlichen Ehre. Dieser genießt im Rahmen
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.S.d. Art. 2 1 GG i.V.m. Art 1 1 GG selber grundrechtlichen
Schutz. Es handelt sich demnach um ein schlechthin zu schützendes Rechtsgut. Auch nach dieser
Auffassung liegt mithin ein allgemeines Gesetz vor.
(iii) BVerf(}
Nach ständiger Rechtsprechungdes BVerfG sind allgemeine Gesetze solche, die nicht eine Meinung
als solche verbieten, sich also nicht gegen die Außerung einer Meinung als solche richten, die
vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützendes
Rechtsgut dienen, dem Schutz eines GemeinschaRswertes,der gegenüber der Betätigung der
MeinungsfreiheitVorrang hat (BVerfG, NJW 2010, 47 [49]; BVerfGE 7, 198 [209f]; Lepsius,
JURA 2010, 527 [530]). Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnungallgemein und damit
unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungenoder auf andere Weise verletzt
werden kann (BVerfG, RA 2009, 693 [696]). Ausgangspunkt fur die Prüfung, ob ein Gesetz allgemein
ist, ist zunächst die Frage, ob eine Norm an Meinungsinhaltc anknüpß. Erfasst sie das fragliche
Verhaltenvöllig unabhängig
von dem Inhalt einerMeinungsäußerung,
bestehen
hinsichtlichder
Allgemeinheit keine Zweifel. KnüpR sie demgegenüberan den Inhalteiner Meinungsäußerungan,
kommt es darauf an, ob die Norm dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnunggeschützten
Rechtsguts dient. Ist dies der Fall, ist in der Regel zu vermuten, dass das Gesetz nicht gegen eine
bestimmte Meinung gerichtet ist, sondern meinungsneutral-allgemein
auf die Abwehr von
Rechtsverletzungenzielt. In soweit nimmt nicht schonjede Anknüpfling an den Inhalt von Meinungen
als solche einem Gesetz den Charakter als allgemeines Gesetz (BVerfG, RA 2009, 693 [696]; Ernst,
JURA 2012, 145[]48]; Lepsius,JUM 2010, 527 [530]).
Problematisch erscheint insoweit, dass das Rechtsgut der persönlichen Ehre nur durch die
Tathandlungder Beleidigungverletzt werden kann und somit kein allgemeinesGesetznach der
vorgenannten Definition sein könnte (Lepsius, JURA 20 10, 527 [530]).
Wiejedoch aus $ 194 1112 STGBzu entnehmen ist, bezieht sich der Schutz von $ 185 STGBallerdings
nicht nur auf Personen, sondern auch auf Behörden oder sonstige Stellen, die Aufgaben der
öf'fëntlichenVerwaltung wahmehmen. Einer staatlichen Einrichtung könne hierbei keine
;persönliche" Ehre oder ein Persönlichkeitsrecht zukommen. (BVerfGE 93, 266 [291];
Lepsius, JURA 2010, 527 [530]).
Insoweit schütze $ 185 STGB nicht nur die persönliche Ehre, die nur durch Meinungsäußerung
angegriÜen werden kann. Das von $ 185 STGB mit geschützte Rechtsgut der staatlichen Einrichtungen
könne hingegenauf vielfältige Weise (z.B. auch durch Sachbeschädigung)
verletzt werden. Das
Rechtsgut ist also allgemein, d.h. unabhängig von Meinungsäußerungen,geschützt. (BVerfGE 93, 266
[291]; Lepsius,JURA 2010, 527 [530]). Die Norm richtet sich also nicht gegendie Außerung einer
Meinung als solche und dient einem ohne Rücksicht auf eine Meinung zu schützendenRechtsgut. Es
handele sich daher um ein allgemeines Gesetz.
[Xnm. : Streitig ist, welche Bedeutung den weiteren Schrattkendes Art. 5 1} GG, also den gesetzlichen
Bestitnmtingenzum Schlitz der Jugend und dern Recht der persönlichenEhre zlikolllntt. Nach h.L.
erlangen sie(nur, aber immerhin) dann eigenständige Bedeuttlng, weltn ein Gesetz nicht "altgelllein
ist(Sachs, GG, Art. 5, Rn. i59). Mif arlderen Worten kanytztlm Schlitz der Jugend oder der Ente Glich
eine bestitnmte Meinung t nterbtinden werden. Ist das Gesetzbereits altgemeirt, wird aber auch nach
diesel Ansicht allein linker die "allgemeinen" Gesetzesttbstittliert. Das BVerfG geht sogar noctl
weiter: stich Gesetzezum Schlitz der Jugend oder der persönlichen Ehre meissten"atlgetnein" sein
(Buer/G, RÄ 2009, 693). Nach dieser Ansicht vertiefenJugeltd- lind Ehrschtttzjede eizelle
Bedetltung: Ist das einschränkende Gesetz "a!!gelllein", {ässt es sich bereits unter die Schranke der
aligenleinen Gesetze"stibst€tllieten;isf es nicht aitgettlein, nutzt Glich der Jugend- oder Ehlschtttz
nichts
C
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4 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 5 GG
ANleiHe Stellungnahme wird es }lltr in den seltenen Fällen a)lkommen,in denen ein }licht allgemeines
Gesetz dem Jugend- oder Ehrschutz dient. Dankt sind setbsNel'ständlich beide Ansichten vertretbar,
wobei.jill die h.L spricht, dass die weiteren Schrankelldes Art. 5 ll GG ilberjtüssig wären, wollte
titan sie }uit dem ByetjG auch dem Atlgemeinheitsgebot ttlltel"öierfen.
Das BVerfG(RÄ 2009, 693) macht vom Allgemeinheitsgebot wiederum eine Attstiahtnefür die Fälle,
in denen eine Noir der propagandistischen Gutheißung des Nazi-Regimes Grenzen setzt(so
geschehen .air $ 130 1y STGB). Davon stehe zwar )lichts in Art. 5 ll GG; das gesamte GG sei jedoch
ein ßeiheitlich-demokratischem Gegenentwurf zum totatitätert Naziregittte mit det' Folge, dass es dettl
GG immanent sei. dass die propagandistische Gutheißung des Nazi-Regimes unterbunden weiden
dürfe. File $ 130 1V STGB bedeutet dies, dass es sich zwar nicht um ein ctllgemeines Gesetz handelt, es
deshalb(nach Ansicht des BVerfG, a.A. die h.L., s.o.) auch nicht tiber den Schutzder persönlichen
Ehre der Opfer desNazi-Regimes:u rechdertigenist, es aber dennochverfassungsgemäßist, wei!
detll GG eine solcheSchrankeimmanentsei. l)amir wird de facto nebenArt. 5 ll GG noch eine
ungeschriebene, verfassungsimmanetlte Schlanke der Grundrechte aus Art. S l GG eingeßihrt.]
(2) Verhältnismäßigkeit
$ 185 STGBdürre Art. 5 1 1 GG nicht unverhältnismäßigeinschränken
(i) Geeignetheit
$ 185 STGB fördert den Schutz der persönlichen Ehre, indem er AngriRe gegen sie unter Strafe stellt
Die VorschriR ist damit zum Schutz der persönlichen Ehre geeignet.
(ii) Erforderlichkeit
Es ist auch kein gleich geeignetes, milderes Mittel zum Schutz der persönlichen Ehre ersichtlich
Mithin ist die nach $ 185 STGBvorgesehenenBestrafiing auch erforderlich.
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5 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 5 GG
solche Verurteilung nachteilig auf die Ausübung des Grundrechtsim Allgemeinen auswirkt, weil
Außerungswillige selbst wegen fernliegender oder unhaltbaren Deutungen ihrer Außerungen eine
Bestrafung riskieren. Da unter diesen Umständen schon auf der DeutungsebeneVorentscheidungen über
die Zulässigkeit oder Unzulässigkeitvon Äußerungen fallen, ergebensich aus Art. 5 1 1 GG nicht nur
Anforderungen an die Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze, sondern auch an
die Deutung umstriUenerÄußerungen (BVerfG, NJW 1995, 3303 [3305]). Ein Verstoß gegen Art. 5 1 1
GG liegt dabei zum einen vor, wenn das Urteil den objektiven Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar
verfehlt und darauf seine rechtliche Würdigung stützt. Zum anderen ist ein Grundrechtsverstoß
anzunehmen, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung fuhrende Bedeutung
zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen
zu haben(BVerfGNJW 1995,3303 [3305]).
Nach anderer AuHässung steht der begrenzte Prüfüngsumfang des BVerfG der Uberprüfilng der
Sinnennittlung nicht entgegen (BVerfG, NJW 1995, 3303 [3395]).
Entscheidend ist mithin, wie weit der PrüfÜngsumCang des BVerfG reicht. Das BVerfti kann gerichtliche
Entscheidungennur daraufhin überprüfen, ob die Gerichte den Grundrechtscinfluß ausreichend beachtet
haben (BVerfGE 1 8, 85 [92 f.]; EUGRZ 2000, 7 1 (79). Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung der
angegrimenenEntscheidungfuhrt, liegt nur dann vor, wenn übersehenworden ist, dassbei der Auslegung
und Anwendung der verEassungsmäßigenVorschriRen Grundrechte zu beachten waren. Die Aufklärung
und WürdigLmgdes Sachverhaltes
obliegt hingegenausschließlich
den Fachgerichten
und sind der
Nachprüfung durch das BVerfG entzogen (BVerfGE 97, 391 [401]; BVerFG, EUGRZ 2000, 71 [79]).
Auch bei VerurteilungenwegenAußerungsdelikten prior dasBVerfG nur, ob die GerichteBedeutungund
Tragweite des Grundrechts verkannt haben, nicht jedoch die Aufklärung des Sachverhaltesals solche wie
z.B. Fragen, ob die umstriHenen Äußerung tatsächlich gefallen ist, welchen Wortlaut sie hatte, von wem
sie stammte. Die Anforderungen, die Art. 5 1 1 GG an die Sinnermittlung von Äußerungen richtet,
unterliegen damit der Nachprüfung durch das BVerfG.
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Intensiv
6
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 5 GG
auf die persönliche Ehre der einzelnen Soldaten durchschlägt. Bezieht sich die herabsetzendeAußerung
hingegen auf die aktiven Soldaten der Bundeswehr, handelt es sich um eine hinreichend überschaubare
Gruppe, so dassjeder einzelne Angehörige der Bundeswehr i.S.d. $ 185 STGB beleidigt werden kann
(BVerfG, N.]W t995, 3303 [3306]). Da sich die AussagedesA ihrem Wortlaut nach auf Soldatenim
Allgemeinen und nicht speziell auf Bundeswehrsoldatenbezieht, hätten die Strafgerichte ihre Auslegung
näher begründen müssen. Der Hinweis, dass die Soldaten der Bundeswehr eine Teilgruppe aller Soldaten
bilden, ist nicht ausreichend,da jedes große Kollektiv in kleinere Untergruppenzerfällt. Da sie ihre
Auslegung nicht näher begründet haben, haben sie gegen Art. 5 1 1 verstoßen (BVerfG, NJW 1995, 3303
3o7
[3307])
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7 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
schwerpunkte: Art. 5 GG
11 Formelle Verfassungsmäßigkeit
Das Land NRW müsstefUr die Gesetzgebungzuständigsein. Nach Art. 70 1 GG habendie Länder die
Gesetzgebungskompetenz, soweit das Grundgesetz nicht dcm Bund Gesetzgebungsbefiignis verleiht.
Vor der Föderalismusreform
warendie allgemeinen
Rechtsverhältnisse
der PresseTeil der
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 1 Nr. 2 GG). Auch der Gegendarste1lungsanspruch zählte
zum Presserechtund fiel mithin unter Art. 75 1 Nr. 2 GG (Sachs, GG, Art. 75, Rn. 28). Nach Art. 75 1GG hatte
der Bund damit das Recht, unter den Voraussetzungen
des Art. 72 GG, RahmenvorschriRen
fUr die
Gesetzgebung der Länder zu erlassen. Im Bereich des Presserechts hatte der Bund von seiner
Gesetzgebungskompetenznach Art. 75 1 Nr. 2 GG jedoch keinen Gebrauch gemacht. Das Land NRW war
mithin in seiner Gesetzgebungaufdem Gebiet des Presserechtesnicht eingeschränkt und damit auch zum Erlass
von $ 11 PresseG NW befiigt.
Im Zuge der Föderalismusreform ist Art. 75 GG zusammen mit dem Institut der Rahmengesetzgebung
abgeschafnworden. Es stellt sich daher die Frage nach der heutigen Kompetenzfur das Presserecht.
Dic
Materien des Art. 75 GG sind überwiegendin die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz verlagert worden
und der Abweichung durchdie Länder geöffnet worden (vgl. Art. 72 111GG). Das Presserechttauchtallerdings
im Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung nicht auf Speziell der Gegendarstellungsanspruchaber könnte
heute in den Bereich des bürgerlichen Rechts fallen und von der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 1
Nr. l GG erfasstwerden.Hierfür könntesprechen,dass der Gegendarstellungsanspruch
als Ausprägungdes
allgemeinen Persönlichkeitsrechtszivilrechtlichen Charakter hat. Andererseits ist es auch denkbar, dass der
Reformgcsetzgeber das Presserecht in seiner Gesamtheit den Ländern zuweisen wollte. Darauf deutet die
Begründung zum Grundgesetzänderungsgesetz (BT-Drucks. 16/813) hin. Darin heißt es auf S. 8, rechte Spalte
ausdrücklich, dass das dic Regelung der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse in die ausschließliche
Gesetzgebungskompetenz der Länder überführt wird. Die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse seien vom
Bundesgesetzgeber
vor der Reformnicht kodifiziert worden, so dassauf diesemGebietkein Bedürfnisnach
einem Fortbestandder Kompetenzzuweisunggesehen werde (vgl. BT-Drucks. 16/813, S. 8, rechte Spalte).
Daher haben nunmehr die Länder nach Art. 70 1 GG die ausschließlichc Gesetzgebungskompetenzauf dem
Gebietdes Presserechtes.
Hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens
und der Form bestehenkeine Bedenken
$ 1 1 Pressen ist demnach formell verCassungsmäßig.
lll.Materielle Verfassungsmäßigkeit
$ 11 PresseGNW müsste auch materiell verfassungsmäßig sein. Es könnte ein Verstoß gegen Art. 5 1 2 GG
vorliegen.
l Schutzbereich
Art. 5 1 2 GG schützt die Presseßeiheit. Es wird die Wahrnehmung aller wesensmäßig mit der Pressearbeit
im Zusammenhang stehendenTätigkeiten geschützt. Im Zentrum der Pressefreiheit steht die Gründung und
Gestaltung von Presseerzeugnissen(BVerfG, NJW 1998, 1381 [1382]). Die Gesta]tungsßeihcit wird sowohl
in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht gewährleistet. Zur inhaltlichen Gestaltungsßeiheit gehört die
Bestimmung, welche Themen behandelt und welche Beiträge in eine Ausgabe aufgenommen werden sollen.
Zur formalen Gestaltungsneiheit gehört die Entscheidung über die äußereDarbietung der Beiträge sowie ihre
P[atzierung innerhalb der Ausgabe (BVerfG, NJW 1998, 1381 [1382]). Die Gesta]tungsßeiheit umfasst damit
auch das Recht, über den Abdruck einer Gegendarstellung und ihre Auftnachung frei zu entscheiden.
Fraglich ist jedoch, ob die Verweigerung des Abdrucks einer Gegendarstellungnicht vorrangig von der
negativen Mcinungsäußerungsfreiheitnach Art. 5 1 1 GG geschützt wird. Ob es sich bei dem Abdruck einer
Gegendarstellungum eine Meinungsäußerungdes Redakteurs handelt, kann dahingestellt bleiben, wenn
vorrangigder Schutzbereich
der Pressefreiheit
einschlägig
ist. Wie obendargelegt
ist die
Meinungsäußerungsßeiheit im Verhältnis zur Pressefreiheit dann einschlägig, wenn cs unabhängig vom
Verbreitungsmediumum die Freiheit der Meinung geht. Steht hingegen das Presseerzeugnisselbst im
Vordergrund, ist die Presseßeiheiteinschlägig. Bei der Veröffentlichung einer Gegendarstellunggeht es
gerade nicht um die Äußerung einer Meinung unabhängig vom Verbreitungsmedium.Um der
Gegendarstellung die gleiche publizistische Wirkung wie der Erstmitteilung einzuräumen, kommt es gerade
darauf an, dass sie in dem Druckwerk veröHentlicht wird, in dem auch die Erstmitteilung erschienen ist.
Damit steht das Presseerzeugnisselbst als Verbrcitungsmedium und seine Gestaltung im Vordergrund.. Beim
Abdruck einer Gegendarstellung ist mithin der Schutzbereich der Pressefreiheit betrogen (BVerfG,
NIW 1998,1381[1383]).
2 Eingriff
$ 1 1 PresseG könnte in den Schutzbereich der Pressen'eiheit eingreifen. $ 1 1 1 PresseG räumt der Person oder
Stelle, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptungbetroffen ist, einen Anspruch auf
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8
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte; Art. 5 GG
3 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dann müsste $ 11 Pressen den
Schrankenanforderungen des Art. 5 ll GG entsprechen und verhältnismäßig sein.
a) Schrankenanforderung
Es müsste sich um ein allgemeines Gesetz handeln. Wie oben ausgeführt sind nach ständiger
Rechtsprechungdes BVerfG allgemeine Gesetzesolche, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sich
also nicht gegendie Äußerungeiner Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutz eines
schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützendes Rechtsgut dienen, dem Schutz
eines Gemeinschaftswertes,der gegenüberder Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang hat (BVerfGE 7,
198 [209f]). $ 11 Pressen greif nicht zielgerichtet in die Pressen'eiheitein und verbietet die Vomahme
einer Pressetätigkeit als solche. $ 11 PresseGsoll vielmehr den einzelnen vor Gefahren schützen, die ihm
durch die Erörterung seiner persönlichenAngelegenheitenin der Pressedrohen. Er dient damit dem
Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches seinerseits verfassungsrechtlich in Art. 2 1 GG
i.V.m. Art. 1 1 GG geschützt(BVerf{3, NJW 1998, 1381 [1382]). Es handeltsich somit um einen
verfassungsrechtlich geschützten GemeinschaRswert, welcher gegenüber der Pressefreiheit vorrangig sein
kann. $ 11 PresseGstellt demnach ein allgemeines Gesetzi.S.d. Art. 5 ll GG dar.
b) Verhältnismäßigkeit
$ 1 1 PresseG dürre Art. 5 1 2 GG nicht unverhältnismäßig einschränken
(1) Geeignetheit
$ 11 PresseGräumt dem von einer Mitteilung in einem periodischen Druckerzeugnis Betroffenen die
Möglichkeit ein, dieser mit seiner eigenen Darstellung entgegenzutreten.Auf diesem Weg kann sich der
Einzelne gegen Einwirkungen der Druckwerke auf seine Individualsphäre schützen (BVerfG, NJW 1998,
138 1 [1382]). $ 11 PresseGist somit zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsgeeignet.
(2) Erforderlichkeit
Es ist auch kein gleich geeignetes,milderes Mittel zum Schutz des Persönlichkeitsrechtsersichtlich
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9 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 5 GG
eine Auslegung, nach der in Fällen oHensichtlicher Unwahrheit der Gegendarstellung ein berechtigtes
Interessean ihrem Abdruck gemeint wird (BVerfG, NJW 1998,1381 [1383]). Durch $ 11 PresseGwird
der Wertgehalt der Pressefreiheitsomit ausreichend gewahrt. $ 11 PresseGist mithin verhältnismäßig im
engeren Sinne und demnach verfässungsmäßig.
Literatur:
e Bäcker, Die O-Söhne, JuS 2013, 522 ft - Klausur -
e Bieder/Przygoda,Meinungsfreiheit im Eilrechtsschutz - "Freie Rede über ßagwürdige Helden?", JuS 2010
1004 ft - Klausur
e Gas, Unheimliche Wamhinweise der heimlichen EG-Gesundheitsminister: grundrechts6est?,JURA 2010, 700 ft
Klausur
B Geiger, Grundlagen rechtsstaatlicher Demokratie im Bereich der Medien, JURA 2004, 182 n.
e Kronenberger, Ronald Mcdonald und die Ernährungswende, Jura 2017, 333 n. - Klausur -
B Linke, Der Streit in der Schule,JuS 20 16. 520 ft - Klausur
e Mielke, ReligionsgemeinschaRen und die Meinungsßeiheit, JURA 2008, 548 R. - Klausur
+ Nolte/Tains, Der Schutzbereichder Meinungsfreiheit, JA 2002, 259 n.
Rüchardt, Strafbare Satire?, JA 2017, 5 14 ß. - Klausur -
100
J u r a
Art. 4 1, ll GG - Glaubensfreiheit
A.Konkurrenzen
- Art. 4 111
GG (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 4, Rn. 52a)
- Art. 7 11-VGG (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 4, Rn. 6, 6a)
Arg: SondervorschriRen.
Vgl. dazu
1. Pe rsoneller Schutzbereich
1. Natürliche Personen
Grundsätzlich auch Kinder. Jedoch wird dieses Grundrecht durch das Erziehungsrecht
der Ehem überlagert,die daher im Ergebnisdie Glaubensfreiheitdes Kindes bis zu
dessen sog. Religionsmündigkeit ausüben. Die Religionsmündigkeit tritt mit dem 14.
Lebenqahrein, vgl. $ 5 S. l RelKErzG(Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 144).
2. Juristische Personen
Fraglich ist, ob sich sich juristische Personen direkt auf Art. 4 1, ll GG berufen können
oder aber AJt. 19 111GG heranzuziehenist, vgl. dazu
Zu beachtenist, dass GlaubensgemeinschaRen
auch als juristische Personendes
öffentlichen Rechts umfassend grundrechtsfähig sind. Denn sie sind, wie Art. 140 GG
i.V.m. Art. 137 111 WRV beweist, nicht in die Staatsverwaltungeingebunden,
insbesonderebesteht kein staatliches Außsichtsrecht. Etwas anderes gilt nur, wenn sie
ausnahmsweise ÖHentliche Gewalt ausüben, z.B. Kirchensteuern erheben (Barczak, Jura
2015,463 [470,472]).
11. Sachlicher Schutzbereich
a) Individuelle Glaubensfreiheit
Geschützt ist die Freiheit, einen Glauben zu bilden und zu haben (sog. Herum
intemum) sowie die Freiheit, diesen Glaubenzu äußem und danachzu handeln
(sog.forum externum)(BVerfGE 69, 1 [33f.]).
Maßgeblich ist das religiöse bzw. weltanschauliche Selbstverständnis des
Einzelnen oder der Glaubensgemeinschaft,der er angehört.Dabei kommt es auf
ihre zahlenmäßigeStärkeund soziale Relevanznicht an. Folglich werdenauch
vereinzelt aufhetende Glaubensüberzeugungenvon Art. 4 1, 11 GG geschützt. Um
allerdings eine uHerloseWeite des Schutzbereichszu verhindem, verlangt das
BVerfG, dass der Einzelne die Glaubensgeleitetheit seines Verhaltens nicht nur
behauptet, sondern plausibel darlegt (BVerfGE 83, 341 [353]; Barczak, Jura 20 15,
463 [467]). Weiterhin wird ein anderweitig motiviertes Hande]n,das nur re]igiös
verbrämtist, vom Schutzbereichder Glaubensfreiheitnicht erfasst.z.B. Verkauf
von Getränkenbei einemPEarrgemeindeHest (BVerfGE 19, 129 [133]; Barczak,
Jura2015,463[467]).
Wie bei jedem Grundrecht wird auch durch Art. 4 1, ll GG nicht nur eine positive,
sondern auch eine negative Freiheit geschützt. Diese besteht darin, nicht zu
glauben, einen Glauben nicht zu bekennen (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn.
b) Kollektive Glaubensßeiheit
Ausreichend ist, wenn der Staat Bildung und Bestand religiöser oder weltanschaulicher
Uberzeugtmgenindoktrinierend beein flusst (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 593)
2. Forum externum
102
Standort: OR/ Grundrechte/ Art. 4 GG/ Glaubensfreiheit Intensiv
1. Gesetzesvorbehalte
d) An.911GG
Nachh.M. soll Art. 9 ll GG im BereichdesArt. 4 1, ll GG anwendbar
seinund
damit Beschränkungender kollektiven Glaubensfreiheitlegitimieren können, weil
an einem Glaubensbezug ein Verbot verfassungswidriger Vereinigungen im
Hinblick auf die GefahrRürdie freiheitlich-demokratische
Grundordnung
nicht
scheiternkann(BVerwGE 105, 117t121]).
2. Verfassungsimmanente
Schranken
Soweit die genanntenausdrilcklichen Gesetzesvorbehaltenicht greifen, kann ein Eingrif:r in
Art. 4 1, ll GG nur durch die verfassungsimmanenten Schranken gerechtfertigt werden
(Kingreen/Poscher,Grundrechte,Rn.605f.).
11. Schranken-Schranken
3. Verfassungsmäßigkeit
des Einzelakts
Intensiv
Standort OR/ Grundrechte/ Art. 4 GG/ Glaubensfreiheit/ Einzelnrobleme
Wie ist das Verhältnis von Art. 4 1, ll GG zu Art. 140 GG i.V.m. Art. 136, 137 WRV?
Art. 140 GG und die in Bezug genommenen Artikel der WRV stellen schon aufgrund ihrer systematischen
Stellungkeine Grundrechtedar. Da sie zudem in Art. 93 1 Nr. 4a GG nicht als grundrechtsgleiches
Recht
genannt werden, können sie nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden (BVerfGE 19,
129]135];Neureither,
JuS2007,20122]).
Wegen des weiten Schutzbereichs des Art. 4 1, ll GG kommt Art. 136 1, ll WRV hinsichtlich der Gewährung
von Rechtenkaum eine eigenständigeBedeutumgzu. Mit Blick auf die durch Art. 136 ll WRV garantierte
Zulassung zu öffentlichen Ämtern ist zudem Art. 33 ll l GG spezieller.
Schließlich könnte auch das in Art. 137 111WRV verbürgte Selbstverwaltungsrechtder ReligionsgesellschaRen
unter den weiten Schutzbereich des Art. 4 1, ll GG gefasst werden, so dass der Norm kein eigenständiger
Regelungsgehalt
zukommt.Das BVerfG sieht in der Norm jedoch eine selbständigeGewährleistungder
Selbstverwa[tLmgsautonoinie
der Re[igionsgese[[schaRen (BVerfGE 53, 366 [40 1]).
Auswirkungen hat diese unterschiedliche Einordnung der Bedeutung des Art. 137 J11 WRV nicht, insbesondere
stellt
Woraus ergibt sich bei Art. 4 1, ll GG die Grundrechtsberechtigung von juristischen Personen?
Nach überwiegender Aunassung ist Art. 19 111GG heranzuziehen, um zu ermitteln, ob sich eine juristische
Person auf Art. 4 1, ll GG beruhen kann. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass Alt. 19 111GG die
spezielle Bestimmung sei, welche die Anwendung von Grundrechten aufjuristische Personen regele (BVerfGE
105, 279 [293f.]; Barczak, Jura 201 5, 463 [470]).
Nach andererAnsicht soll der Schutzjuristsicher Personendirekt ausArt. 4 1,ll GG folgen. Die Norm enthalte
ein Doppelgrundrecht von individueller und kollektiver Glaubens6eiheit. Allein diese Herleitung gewährleiste
einen eÜektiven Grundrechtsschutz(vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 4, Rn. 19).
Enthält Art. 140 GG i.V.m. Art 136 1 WRV einen Gesetzesvorbehaltfür die individuelle Glaubens
freiheit nach Art. 4 1, ll GG?
Das BVerfG und Teile der Literatur halten AH. 136 1 WRV im Bereich des Art. 4 1, ll GG fur unanwendbar.
Zur Begründung wird daraufverwiesen, dassArt. 4 1, ll GG absichtlich ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt
in die Spitze des GG gestellt worden sei, um die besondere Bedeutung der Glaubensßeiheit zu betonen. Das
werde durch die historische Auslegung bestätigt. Folglich überlagernder "starke" Art. 4 1, ll GG den Art. 136 1
WRV(BVerfGE 33, 23131]; Barczak, Jura 2015, 4631474]).
Die Gegenauaassung geht demgegenüber von der Anwendbarkeitdes Art. 136 1 WRV aus, wobei diese
Schrankezum Teil so interpretiertwird wie Art. 5 ll GG, d.h. ein einschränkenden
Gesetzdiir6e sich nicht
gegen eine bestimmte Glaubensrichtung wenden, sondem müsse dem Schutz eines höherrangigen Rechtsgutes
dienen. Dabei wird daraufverwiesen, dass die inkorporierten Artikel der WRV - auch nach der Rechtsprechung
des BVerfG - voll gültiges Verfassungsrecht seien. [)ann müsse Art. 136 1 WRV auch ein Anwendungsbereich
zukommen. Zudem sei es widersprüchlich, in Art. 136 1112 WRV einen Gesetzesvorbehaltzu erkennen, nicht
aber in Art. 136 1 WRV (BVerwGE 1 12, 227 [231]; 127, 302 [360n.]).
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 4 GG / Gewissensfreiheit
Art. 4 1, ll - Gewissensfreiheit
A.Konkurrenzen
1. 1ex specialis (vorrangig gegenüber)
Art. 4 ll l GG (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 4, Rn. 52a)
- Glaubensfreiheit, h.M. (Jarass/Pieroth,GG, Art. 4, Rn. 44)
Arg.: Soweit eine Uberschneidung vorliegt, ist die Glaubensfreiheit ein spezieller Unterfall der
Gewissensfreiheit(partielle Spezialität).
- Art. 7 11-VGG (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 4, Rn. 6, 6a,44)
Arg: Sondervorschrißen.
1. Personeller Schutzbereich
Träger des Grundrechts der Gewissensfreiheit sind natürliche Personen. Insoweit gelten die Ausmhrungen
zur Glaubensfreiheit entsprechend. Nicht geschützt sind juristische Personen. Denn die fur eine
Gewissensentscheidungnotwendige Gewissensnot können nur natürliche Personen empfinden (Barczak,
Jura2015,463[472]).
1. Gegenstand: "Gewissen
Die Gewissensfreiheit steht in engem Zusammenhang mit der Glaubensfreiheit. Gleichwohl wird sie
als eigenständiges Grundrecht angesehen (Jarass/Pieroth, GG, Art. 4, Rn. 44).
Def: Als eine Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche. d.h. an den Kategorien von "Gut" und
Böse" orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich
bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste
Gewissensnot handeln könnte (BVerfGE 12. 45 [55][ Barczak, Jura 2015, 463 [471]).
Die staatlichen Verhaltensweisen, die einen Eingrif:l'in den Schutzbereich der Gewissensßeiheit
hervorrufen können, sind identisch mit denjenigen im Rahmender Glaubensfreiheit.
105
a
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 4 GG / Gewissensfreiheit
Nach h.M. existiert ßür den Bereich der Gewissens#eiheit kein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt.Die im
Rahmender Glaubensfreiheiterörterten Schrankender WRV betreten nach ihrem Wortlaut nur das
religiöse Bekenntnis. Daher können Eingrime hier nur über die verfassungsimmanenten Schranken
gerechtfertigtwerden(BVerwGE 105,73 [78]).
11. Schranken-Schranken
W
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 4 GG / Verweigerung des Kriegsdienstes
A.Konkurrenzen
Art. 4 111GG ist gegenüberArt. 4 1, ll GG lex specia]is(Magen,JuS2009,995 [998]).Nach h.M. soll die
VorschriR eine abschließende Regelung enthalten. Das bedeutet, hinsichtlich des in Art. 12a ll GG vorgesehenen
Ersatzdiensteskann sich der Betrogene nicht auf Art. 4 1, ll GG berufen, so dassdie sog. Totalverweigerung
verfassungsrechtlich nicht geschützt ist (BVerfGE 19, 135 [1381; 23, 127 [132]). Das ist nicht unproblematisch,
gibt der Wortlaut des Art. 4 111GG eine solche Auslegung doch nicht her. Mit dem Ersatzdienst beschädigt sich
die Vorschriß überhaupt nicht (Jarass/Pieroth,GG, Art. 12a, Rn. 6).
1. Personeller Schutzbereich
Träger desGrundrechtsist jeder, der zum Kriegsdienstmit der Wake herangezogenwird, auch der bereits
eingezogene Soldat. Dahingegen kann das Recht juristischen Personen naturgemäß nicht zustehen
(Kingreen/Poscher,
Gmdrechte,
Rn.590).
1. Gegenstand: "Gewissen
2. Geschütztes Verhalten
Die Verweigerung des Dienstes mit der Ware umfasst die WaHenanwendungselbst sowie jede
unmittelbare Unterstützung der Wamenanwendung anderer wie beispielsweise den Transport von
Waren. Nicht erfasst sind hingegen die Dienste des Helfers in der Rüstungswirtschaft und im Zivil-
oder Katastrophenschutz(BVerfGE 69, 1 [56]; Jarass/Pieroth,GG, Art. 4, Rn. 53).
"Kriegsdienst"meint nicht nur den Dienst mit der Ware im Krieg, sondemauch die Ausbildung an
der Ware im Frieden. Denn es ist sinnlos, einen Wehrpflichtigen an der Ware auszubilden,der im
Kriegsfall die Wamenfuhrungverweigern kann. Zudem sieht der Gesetzgeberin Art. 12a ll GG den
anstelle des Kriegsdienstes abzuleistenden Ersatzdienst gerade fur Friedenszeiten vor (BVerfGE 12,
45 [56]; Magen,JuS2009,995 [997]).
Die Entscheidunggegen den Kriegsdienstmuss nach h.M. schlechthinerfolgen, so dass eine
Verweigerung des Dienstes fur bestimmte Kriege oder Situationen nicht anzuerkennensein soll (sog.
situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung) (BVerfGE 12, 45 [571; 69, 1 [23]). Dem ]ässt sich
entgegenhalten, dass Gewissensentscheidungen auch ansonsten situationsbedingt sind.
Wie bei der Glaubens- und Gewissensfreiheit muss der Betroffene die Gewissensgeleitetheit seiner
Verweigerungshaltung substanziiert darlegen (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 590, 598).
Ein Eingriff liegt stetsvor, wenn der Betrogene zum Kriegsdienst mit der Ware gezwungen wird, sei es
durch die Einberufiing oder durch die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen wegen der Verweigerung
des Dienstes.
Festlegung derSchranke
107
Intensiv
Standort OR/ Grundrechte/ Art. 4 GG/ Verweigerung des Kriegsdienstes
11. Schranken-Schranken
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
M ist Mitglied der "Liga aller Muslime Münsters" (kurz: LAMM). Bei der LAMM handelt es sich
um einen eingetragenenVerein, der nach seiner Satzung die Aufgabe hat, die religiösen Interessen
seiner Mitglieder zu vertreten und diesen ein Informations- und Gesprächs6orum zu bieten. Die
MitgliedschaR steht allen volljährigen, natürlichen Personenoffen, die im Großraum Münster
wohnen und sich zum Islam bekennen.Die LAMM verfugt über ca. 4.000 Mitglieder.
Um die einzelnen, auch in der LAMM zahlreich vertretenen Glaubensrichtungen des Islam in
Streitfragen miteinander in Einklang bringen zu können, verfügt die LAMM über einen "Rat", der
als internes Organ streitige Glaubensfragen schlichtet und dessen Beschlüsse (sogen. "Fatwas")
nachder Satzungder LAMM fur die Mitglieder verbindlich sind. Bereits 1995 hatte dieser Rat die
innerhalb des Islam umstrittene Frage, ob beim islamischen Opfer6est die vorherige Betäubung des
Op6erlamms zulässig sei, in einer fÜr alle Mitglieder der LAMM verbindlichen Fatwa verneint.
Unter Berufiing auf seine MitgliedschaR in der LAMM beantragte M bei dem Oberbürgermeister
der Stadt Münster als zuständigen Tierschutzbehörde, ihm fur das Ende März stattfindende
Op6erÜestdas betäubungslose Schlachten eines Lamms (sogen. "Schächten") zu gestatten. M selbst
fuhr sich einer Richtung des Islam zugehörig, die zwar das Schlachten eines Tieres anlässlich des
Opßer6estesvorschreibt, nicht jedoch dessenvorherige Betäubung verbietet.
M beantragt daher festzustellen, dass das betäubungslose Schlachten eines Opferlamms durch ihn
anlässlich des islamischen Opfer6esteskeiner Genehmigung bedürfe; hilfsweise beantragt er die
Verpflichtung der Behörde zum Erlass der Genehmigung.
Mit Erfolg?
109
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
Die Klage hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist
A. Hauptantrag
1. Zulässigkeit
l Verwaltungsrechtsweg
Vorliegend könnte der Verwaltungsrechtswegeröffnet sein. Mangels außdrängenderoder abdrängender
Spezialzuweisung
richtet sich dies nach $ 40 1 1 VWGO,der eine öffentlich-rechtlicheStreitigkeit
nichtverfassungsrechtlicher Art voraussetzt. Die Streitigkeit ist nach der modifizierten Subjektstheorie
öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidendenNormen ausschließlicheinen Hoheitsträgerberechtigen
bzw. verpflichten. Dies ist mit $$ 4, 4a TierSchG, welche das Schlachten von Warmblütern regeln, der Fall.
Femer ist die Streitigkeit nichtvertassungsrechtlicher Art, da vorliegend über Verwaltungs- und nicht über
Verfassungsrechtgestritten wird und zudem nicht ausschließlich Verfassungsorganeam Rechtsstreit beteiligt
sind (keine "doppelte Verfassungsunmittelbarkeit"). Der Verwaltungsrechtsweg ist mithin eröffnet.
2. Statthafte Klageart
Die statthaReKlageart richtet sich gem. $ 88 VWGO flach dem Begehren des Klägers. M begehrt die
Feststellung, dass er ohne Genehmigung zum Schächten von Tieren anlässlich des islamischen Opnernestcs
berechtigt ist. StatthaReKlageart hierfur könnte eine Feststellungsklage i.S.d. $ 43 1 VWGO sein. Mit dieser
Klage kann u.a. die Feststellungdes Bestehensoder Nichtbestehenseines Rechtsverhältnisses
begehrt
werden
r
a) Rechtsverhältnis
Als Rechtsverhältnis sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen
Regelungsich ergebendenrechtlichen Beziehungen einer Personzu einer anderenPersonoder zu einer
Sacheanzusehen(BVerwG, NVWZ-RR 2005, 71 1; BVerwGE 89, 327 [329]; Ehlers, JURA 2007, 179).
110
./ u r a
Intensiv
2
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
b) Keine Subsidiarität
Gem. $ 43 ll l VWGO ist die Feststellungsklage außerhalb der NichtigkeitsHeststellungsklage subsidiär zu
Gestaltungs- oder Leistungsklagen. Vorliegend könnte M möglicherweise gleich auf Erteilung einer
Genehmigung klagen; dies würde ihm auch die Möglichkeit eröff:hen, das Opferfest gemäß der von ihm
fÜr sich als verbindlich erachteten Regeln der LAMM zu begehen. StatthaR hierfur wäre die
Verpflichtungsklage nach $ 42 1, 2. Fall VWGO als besondere Form der Leistungsklage. Bei wörtlicher
Auslegung des $ 43 ll l VWGO wäre die Feststellungsklagedaher subsidiär zur Verpflichtungsklage und
damit unzulässig.
Allerdings ist es vor allem Sinn und Zweck des $ 43 ll l VWGO, die Prozessökonomiezu wahren und zu
verhindem, dass die Gerichte unnötig zweimal mit einer Streitßage belastet werden. Denn im Regelfall
macht die Leistungsklage die Feststellungsklageüberflüssig (wer gleich auf Leistung klagen kann, bedarf
nicht erst noch der Feststellung,
dasser die Leistungbeanspruchen
kann). Wenndurch eine
Feststellungsklage allerdings ausnahmsweise eine Vielzahl von Leistungsklagen vermieden wird, verhält
es sich gerade umgekehrt: Dann ist die Feststellungsklage prozessökonomischer und
rechtsschutzintensiver.
In diesenFällengilt die Subsidiaritätsklausel
folglich nicht (BVerwGE32, 333;
37, 247; 40, 327; Ehlers, JURA 2007, 179 [184]).
Hauptbeispiel hierfur ist die behaupteteGenehmigungsfreiheit eines Verhaltens (BVerwG, DVBL 1974,
681; vgl. auch BVerwGE 39, 249), insbes. bei wiederkehrenden Leistungen. Statt jedes Mal aufs Neue
eine verweigerte Genehmigung per Verpflichtungsklage einklagen zu müssen, wäre der Kläger mit der
Feststellungder Genehmigungsfreiheitfur alle ZukunR von dieser Last befreit. Mithin ist auch das
Feststellungsbegehren des M nicht subsidiär zu einer möglichen, hier erst im Hilfsantrag erhobenen
Verpfl ichtungsklage auf Genehmigungsertei l ung.
[Xtam.: Gleiches gilt im Ubrigen auch dann. werth aufdiese Weise eine Vielzahl von Änfechtungsklagen
vetmiedert weiden kann.]
3 Feststellungsinteresse
M musste weiterhin gem. $ 43 1 VWGO ein berechtigtes Interesse an der mit der Klage begehrten
Feststellung haben. Dieses umfasst grundsätzlich jedes öffentlich-rechtliche und privatrechtliche,
schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaRlicher oder ideeller Art (BVerwGE 50, 60 [62]; BVerwG,
NJW 1982, 2205). M rügt eine Verletzung seiner Glaubensfreiheit durch den Genehmigungsvorbehalt. Diese
ist in Art. 4 1, ll GG rechtlich geschützt.Folglich hat M ein rechtlichesInteressean der gerichtlichen
Feststel lung der Genehmigungsfreiheit des Schächtens.
4. Klagebefugnis
Streitig ist, ob darüber hinaus eine Klagebefugnisanalog $ 42 ll VWGO, also die Möglichkeit einer
Verletzung eigener Rechte des Klägers, zu fordern ist (ablehnend z.B. Schoah, JuS 1987, 783 [790];
Erichsen, JURA 1994, 385 [386]; Laubinger, VerwArch 82, 459 [494]; bdahend das BVerwG in st. Rspr.,
vgl. BVerwG, NVWZ 1991,470 [471]; NJW 1996, 139; Voßkuhle, JuS 2009, 16 [17j; Ehlers,JURA 2007,
179 [188]; Schlette,JURA 2004, 90 m.w.N.). Die Streitentscheidungmagjedoch dahinstehen,da M - wie
gezeigt - mit Art. 4 1, 11GG ein Recht zur Seite steht, dessenVerletzung hier zumindest nicht von vomherein
ausgeschlossenund damit möglich erscheint. M ist alsojedenfalls klagebefiigt.
[Anm. : So]ite eine Streitenlscheidurlg doch eimnal erforderlich sein. spricht ßir die Rspr. und wohl h.M. , dass
auch die Subsidiaritätsklausel
des $ 43 ll l VWGOdaran anknü12ft,
dass der Kläger seine "Rechte
andelnveitig verfolgen kann. Würde mala eine leine Interessenverletzung getliigen !assen, wäre diese Klausel
Irletwant. Dies zeigt bereits, dass auch die Feststelltltigsklagekeine reine Intelessentenklagesein kann.
sondern eine Verletztenklage ist. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit einer Rechtsverletzullg schon aus der
Tatsache,dass lahr ein Rechtwerhäitnis,nicht aber eine reine Intelessenbeziehung,
Gegenstand
der
lll
3 Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
Feststellungsklage sein kath. Auch kann }licht argu17ientiert werden, dass voll $ 43 1 a. E. VWGOgebot'delle
Feststellungsinteresse sei dann iiber$üssig; dieses karla aLs Ausprägung des allgeitteinen
Rechtsschutzinteressesvielmehr imnter noch die Fälle heraltsßltern, in denen eine einfachere, bessereoder
schnellere Möglichkeit der Rechtsverfolgung besteht oder eine gerichtliche Feststellung aus atldereti
Gründen entbehrlich oder tinttinlich ist.]
5. Klagegegner
Der Klagegegnerbei einer Feststellungsklageist in der VWGOnicht geregelt.Er bestimmt sich mithin nach
dem das gesamte deutsche Prozessrecht durchziehenden, allgemeinen Rechtsü'ägerprinzip (vgl. Ehlers,
JURA2007, 179 [189]; Rozek, JuS 2007, 601 [603]; K]enke, NWVB]. 2004, 85). Rechtsträger
Oberbürgermeistervon Münster ist die kreisfreie Stadt Münster. Diese ist mithin richtige Beklagte.
11. Begründetheit
Die negative Feststellungsklage ist begründet, wenn das Rechtsverhältnis, d.h. hier eine Genehmigungspflicht
bzgl. des Schächtenseines OpRerlammsanlässlich des islamischenOpGer6estes,
nicht besteht(vgl. Ehlers,
JURA 2007, 179 [189]).
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
In formeller Hinsicht unterliegt dies keinem Zweifel; insbesonderehat der Bund gem. Art. 72, 74 1Nr. 20
GG die Gesetzgebungskompetenz
für den Tierschutz, welchemdasTierSchGdient.
b) Materielle Verfässungsmäßigkeit
In materieller Hinsicht könntejedoch ein Verstoß gegen die von Art. 4 GG geschützteGlaubens- und
Religionsfreiheit sowie das Verbot einer Ungleichbehandlung wegen des Glaubens aus Art. 3 111GG
vorliegen.
(ii) Eingriff
Unter einem Grundrechtseingriff ist mit der modernen Eingrinslehre jede Verkürzung des
Schutzbereichs zu verstehen; ausgenommen sind lediglich Bagatellfälle (Tillmanns, JURA 2004,6 19
[625]). In dem grundsätz]ichen Verbot mit Genehmigungsvorbeha]t könnte ]edig]ich eine Bagate]]e zu
112
Intensiv
4
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
sehen sein, wenn die Genehmigungserteilung allein von den religiösen Überzeugungendesjeweiligen
Antragstellers abhänge,die Genehmigung also zwingend zu erteilen wäre, sobald jemand vorträgt, fur
ihn sei das betäubungsloseSchlachten eines Tieres aus Glaubensgründen verbindlich. $ 4a ll Nr. 2
TierSchG stellt jedoch bei den Voraussetzungenfur eine Genehmigungserteilung geradenicht auf die
individuellen Uberzeugungen eines Einzelnen ab, sondem lässt das Schächten nur nach Maßgabe
zwingender VorschriRen einer ReligionsgemeinschaRzu. Macht der Gesetzgeberdie Ausübung eines
Grundrechtsjedoch vom Verhalten, dem Willen oder der ÜberzeugungDritter abhängig,verkürzt er
damit dessenFunktion als Individualrecht. Damit liegt ein Eingriffen Art. 4 1, ll GG vor.
(iii)Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, d.h. von den Schranken des Art. 4 GG
gedecktsein.
1) Schranken
Streitig ist bereits, welchen Schrankendie Glaubensfreiheit unterliegt
a) Gesetzesvorbehalt
Nach einer Literaturansicht(Ti]]manns, JURA 2004, 619 [626]) sowie der Rechtsprechungdes
BVerwG (BVerwG, DVBL 2001, 485 [487]) unterliegt Art. 4 1, ll GG über Art. 140 GG i.V.m.
Art. 136 1 WRV einem Gesetzesvorbehalt.Nach Art. 136 1 WRV, welcher über Art. 140 GG als
VerfassungsrechtHortgilt, können die staatsbürgerlichen Pflichten durch die Religionsausübung nicht
beschränktwerden.Da zu den staatsbürgerlichen
Pflichtenzuerst und vor allem die Pflicht gehört,
bestehendeGesetzezu befo]gen(BVerwG, DVB] 2001, 485 [487]), sei Art. 136 1 WRV ein
Gesetzesvorbehaltzu entnehmen. Dieser wird ganz überwiegend als qualiHjzierter Gesetzesvorbehalt
verstanden, der - vergleichbar Art. 5 ll GG - nur zum Erlass "allgemeiner" Gesetze ermächtigt
(BVerwG, DVB] 2001, 485 [487]). Allgemein ist ein Gesetzdann,wenn es nicht spezifisch aufeine
Verkürzung des Schutzbereichs des Grundrechts abzielt, sondern dem Schutz anderer, wichtiger
Rechtsgüter dient. Das Verbot des betäubungslosen Schlachtens in $ 4a l TierSchG richtet sich an alle
RechtsunterworGenen
ohne Rücksicht auf ihre Religion. Der Gesetzgeberhat zwar in $ 4a ll Nr. 2
TierSchG Ausnahmemöglichkeiten im Hinblick auf die Angehörigen bestimmter
ReligionsgemeinschaRen vorgesehen. Das entkleidet aber das zugrunde liegende Verbot nicht seines
allgemeinen Charakters. Ein allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 136 1WRV liegt mithin vor.
b) Vertässungsimmanente Schranken
Nach der Gegenaunassung, welche in der Literatur (Fehlau, JuS 1993, 441, 442; Schnapp/Dudda,
NWVB[ 1992,375 [377]) und vor a]]emvom BVerfG (BVerfGE33, 23 [30 fr]) vertretenwird,
unterliegt Art. 4 1, ll GG keinem Gesetzesvorbehalt,sondem ist nur verCassungsimmanent
durch
Grundrechte Dritter oder andere Rechtsgüter von Verfassungsrang beschränkbar. Ein
Gesetzesvorbehaltsei vom VerEassungsgeberzunächst erwogen, sodannjedoch bewusst aus Art. 4 11
GG herausgenommen
wurdenund folglich nicht gewollt gewesen.Das BVerfG nimmt eine
Uberlagerung" des Art. 136 WRV durch Art. 4 GG an, da die Glaubensfreiheit nach dem GG einen
höheren Stellenwert genieße als zu Zeiten der WRV.
Nach dieser Ansicht wäre eine Beschränkung des Art. 4 1, ll GG durch ein einfaches Gesetz nur
möglich, wenn diesesals Konkretisierung einer verfassungsimmanenten
Schrankeanzusehenist. Da
$ 4a TierSchG wie das gesamte TierSchG dem Tierschutz dient, käme diese Ansicht zum selben
Ergebnis wie die Vertreter des Gesetzesvorbehalts,wenn der Tierschutz Verfassungsrang genießen
wilrde
r
113
5 Intensiv
Standort: C)R / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / VerfassungsimmanenteSchranken /
Tierschutz
Werden Tiere aber nicht um ihrer selbst Willen geschiltzt, könnte daraus gefolgert werden, dassTiere
immer dann nicht in den Schutzbereichfällen, wenn sich der Mensch ihrer bedient, also z.B.
bei Nutz, Haus- tmd Versuchstieren. Tatsächlich wurde zur ursprünglichen Fassung des Art. 20a GG
vertreten, dass die "natürlichen Lebensgrundlagen" ihrerseits den Tierschutz schon umfassten,
allerdings nur bzgl. der wild lebenden Tiere (z.B. Jarass/Pieroth,GG, 6. Aufl., Art. 20a, Rn. 3 m.w.N.;
fur die Ausklammerung von Versuchstieren auch BVerwGE 105, 73 [81]).
Allerdings lasst sich dieses rein anthropozentrische Verständnis der ursprünglichen Fassung fur den
nunmehr ausdrücklich aufgenommenen Zusatz "und die Tiere" nicht auÖ'echterhalten. Zwar hat der
VerRassungsgesetzgeber es versäumt, zur Klarstellung - wie von der Literatur verschiedentlich (z.B.
von Caspar, ZRP 1998, 441) vorgeschlagen - den Tierschutz in einen eigenen Art. 20b GG
aufzunehmen; in der Gesetzesbegründungheißt es jedoch ausdrücklich, dass sich "der Schutzaufhag
auch auf die einzelnen Tiere" erstrecken und dem "ethischen Tierschutz dadurch Verfassungsrang
verliehen" werden sollte (zit. nach Caspar/beissen, NVWZ 2002, 913, FN 7). Mithin verleiht Art. 20a
GG den Tieren auch um ihrer selbst Willen einen ethisch-pathozentrischen
Schutz,der als
verfässungsimmanente Schranke mit dem Grundrecht aus Art. 4 1, ll GG konkurriert (Caspar/Geissen,
NVWZ 2002, 913; Obergfell, NJW 2002, 2296 [2297]).
Eine Stellungnahmezu den verschiedenen Ansichten ist mithin entbehrlich. Ob $ 4a TierSchG nun als
Konkretisierung eines Gesetzesvorbehaltsnach Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 1 WRV oder der
Staatszielbestimmungdes Art. 20a GG zu sehen ist, mag auf sich beruhen. Die Glaubensfreiheit kann
in beiden Fällen nach $ 4a TierSchG eingeschränkt werden.
2) Schranken-Schranken
Um taugliche Schrankedes Art. 4 1, ll GG zu sein, müsste $ 4a TierSchG aber auch im übrigen
verfassungskonform sein, d.h. den qualifizierten Schrankenanforderungen und den übrigen
Verfassungsprinzipien entsprechen.
Fraglich ist insoweit allein, ob $ 4a TierSchG im Hinblick aufArt. 4 1, ll GG dem aus Art. 20 111GG
ableitbaren Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Dann müsste er zur Erreichung eines legitimen
Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Legitimer Zweck des Verbots mit Genehmigungsvorbehalt ist der Tierschutz. Zu dessenFörderung ist
der Genehmigungsvorbehaltauch geeignet und, da zumindest kein gleich enektives, milderes Mittel
ersichtlich ist, auch erforderlich. Fraglich ist lediglich die Angemessenheit
der Regelung,in der
geschütztes (Tierschutz) und beeinträchtigtes Rechtsgut (Glaubensfreiheit) abzuwägen sind.
Möglicherweise wäre es im Lichte des Art. 4 1, ll GG, der immerhin ein Individualgrundrecht
darstellt, angemessener
gewesen,fur die Erteilung der Genehmigungnicht eine kollektive, sondern
eine individuelleGlaubensüberzeugung
zur Voraussetzung
zu machen.Würdejedoch allein auf
individuelle GlaubensüberzeugungenEinzelner abgestellt, wäre die Gefahr eines Missbrauchs kaum
einzuschränken. Das Abstellen auf eine GlaubensgemeinschaR bietet zudem eine höhere
Wahrscheinlichkeit
dafih, dassdem Antrag auf Erteilungeiner Ausnahmegenehmigung
eine
ernsthaReund verantwortete Glaubensentscheidung zugrunde liegt (BVerwG, DVBL 200 1, 485 [487]).
Auch das MerkJnal der "zwingenden Vorschriften" in $ 4a ll Nr. 2 TierSchG ist nicht unangemessen
eng, sondem eine sachgerechteBegrenzung des Rechts auf Religionsßeiheit. Durch dieses Merkmal
wird gewährleistet, dassdie Erlaubnis nur in Anspruch genommen werden kann, um dem Betroffenen
C)./z/Fzz
Intensiv (00351.EK OeR NRW GrundR.Opferlamm Loes) Seite 5 von 8
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Intensiv
6
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass $ 4a 1, 11Nr. 2 GG nicht gegen Art. 4 1, ll GG verstößt
B. Hilfsantrag
1. Zulässigkeit
l Ver\t'altungsrechtsweg
Fraglich ist, ob auch fur den Hilfsantrag der Verwaltungsrechtswegeröffnet ist. Im Rahmender hier allein
fraglichen öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.d. $ 40 1 1 VWGO kommt es wiederum aufdie Rechtsnatur
der streitentscheidenden
Norm an. Da sich der Anspruchauf eine Genehmigungnur aus $ 4a ll Nr. 2
TierSchG ableiten kann, dessen öffentlich-rechtliche Rechtsnatur bereits oben festgestellt worden ist, kann
auf die dortigen Ausfuhrungen verwiesen werden.
2. Klageart
Das nach $ 88 VWGO fur die Bestimmung der statthaf:lenKlageart maßgebliche Begehrendes M ist aufdie
Erteilung einer Schächtungsgenehmigung
gerichtet. Diese stellt unzweifelhaR einen Verwaltungsakt dar,
welcher mit der Verpflichtungsklage nach $ 42 1 1, 2. Fall VWGO zu erstreiten ist.
115
7 Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
3. 1(lagebefugnis
Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossenund damit möglich, dassM einen Anspruch auf Erteilung
der Genehmigung aus $ 4a ll Nr. 2 TierSchG hat. Mithin kann er die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen
Rechtes"geltend machen" und ist somit nach $ 42 ll VWGO klagebefiigt.
4. Vorverfahren
Ein Vorverfahren ist gem. $ 68 1 2, 1i VWGO i.V.m. $ 110 1 1, 2 JustG NRW entbehrlich
5. Frist
Von der Einhaltung der l(lageftist des $ 74 1 2, ll VWGO ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte
auszugehen.
6. Beklagter
Richtiger Klagegegner bei der Verpflichtungsklage ist gem. $ 78 1Nr. l VWGO der handelnde Rechtsträger
hier also die Stadt Münster.
11 Ob.jektive Klagehäufung
Feststellungs-und Verpflichtungsbegehren können gem. $ 44 VWGO zur gemeinsamenEntscheidung verbunden
werden. Zu verklagen ist jeweils die Stadt Münster. Dass mit dem VG Münster dasselbeGericht zuständig ist,
ergibt sich z.T. bereits aus der Rechtswegprüfmg, i.Ü. aus $ 45 VWGO und $ 17 JustG NRW. Hinsichtlich des
Sachzusammenhangszwischen den Begehren genügt jeder rechtliche oder tatsächliche Zusammenhang. Da die
Frageder Genehmigungspflichtrechtlich wie tatsächlich untrennbarmit der Frageder Genehmigungserteilung
verbundenist, liegt cin solcher vor.
lll.Begründetheit
Die Verpflichtungsklage ist begründet, soweit die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts rechtswidrig war,
der K[äger dadurch in seinen Rechtenver]etzt worden und die Sachespruchreif ist, $ 113 V Vv-'(]0. Dies
wiederumist der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlassdes abgelehntenVerwaltungsaktshat.
Fraglich ist also, ob dem M ein solcher zukommt.
l Anspruchsgrundlage
Anspruchsgrundlage kann nur $ 4a ll Nr. 2 TierSchG sein
2. Tatbestandliche Voraussetzungen
Fraglich ist, ob der Tatbestandder Anspruchsgrundlage erfullt ist
a) Antragspflicht
In formeller Hinsicht ist zunächstein Antrag auf Erteilung der Genehmigungan die hierRir zuständige
Behörde zu fordern. Zuständig fÜr den Vollzug des TierSchG ist der Oberbürgermeisters von Münster
(vgl. $ 1 der VO über die Zuständigkeiten nach dem TierSchG in NRW - Zuständigkeit der
Kreisordntmgsbehörden - i.V.m. $ 3 0BG NRW). Dort hat M auch vergeblich eine
Schächtungsgenehmigung beantragt.
Unter einer Religionsgemeinschaft i.S.d. $ 4a ll Nr. 2 TierSchG ist ein Verband, der die Angehörigen ein-
und desselbenGlaubensbekenntnisses
zur allseitigen Erfullung der durch das gemeinsameBekenntnis
vorgegebenen Aufgaben zusammenfasst, zu verstehen.
O./ura Intensiv (00351.EK OeR NRW GrundR Opfërlamm Loes) Seite 7 von 8
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Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Glaubensfreiheit / Verfassungsimmanente Schranken /
Tierschutz
[Anln. : Wer - was zumindest cent'eßbar el'sciaeint - die LAMM ais Re]igionsgenteinsch(gt i.S.d. $ 4a ]]
Nr. 2 TierSchGansieht, ll issuesich weiter mit der Frage auseinandersetzen,ob ittnerhaib de!'seiberteine
zwingende Glaubensvorschriß" i.S.d. $ 4a ll Nr. 2 TierSchG existiert. Dclßr golügt es Flieht bereits,
dass die Mitglieder der LAMM eine etttsptechende Fahva als ßlr sich verbindlich anerkannthabell.
rielttlehr ttllterlieg{ das Selbshetstältdnisder Religionsgemeinschaß del Kontlotle durch die Gerichte
(Byerv\?GE 99, ] [4J; DVBL 200}, 48S [488]). Die Rspr. geht nahezu einheitlich davon alis, dass
jedetifatls " der lstanl" ein solchesGebotnicht a14fsteilt(BVerwG,NVWZi996, 6il63J; OVG Hambw'g,
NVWZ !994, 592 [595]; yG Kobtel?z,NVWZ !994, 6]5 [6}6]). Die Gerichte verianger}, dass der
Antragste!!er des Schächtens oder Velspeisens des geschäciltetetl Fleisctles sowie die I'eligiöse}2
Konsequenzen.air den Fair darlegen, dass das Schächten'pon der Behörde nicht etlattbt wild. Weiterhin
ist eine konkrete Bescllreibttng des }eiigiösen Lebens der Mitglieder der Religionsgemeinschaftsowie der
Ausübung der Retigionspra)ciserforderlich. Wird schließlich die Genehllüglttlgßir das Schächtennli} alis
Anlass eines bestie?tratenFeiettages beantragt, muss der Äntragstelter darlegen, welches Fleisch int Rest
des Jahres verzehrt wild(yGH München, RA 20}0, 197 [199]).].
Literatur:
e Barczak, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes,Jura 2015, 463 H.
e Friedrich, Uber Kreuz mit der Verfassung?,NVWZ 2018, 1007 fr
e Laskowski/Dietrich, Eine Richterin mit KopRuch?, Jura 2002, 271 ft - Klausur -
B Pschorr/Drechsler, Die VerCassungsmäßigkeitder Ehe Rüralle, Jura 2018, 122 ft - Klausur
e Rademacher/Janz,Schulpflicht auch im Glauben?, Jura 2008, 223 n. - Klausur
B Sydow, Ausnahmegenehmigung fur das Schächten, Jura 2002, 614 ft
117
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte / Art. 6 1GG / Schutz von Ehe und Familie
Konkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
I'räger des Grundrechts sind nur natürliche Personen, Ausländer wie Deutsche. Aufjuristische Personen ist
das Grundrecht wesensmäßignicht anwendbar im Sinne des Art. 19 111GG (Jarass/Pieroth,GG, Art. 6,
Rn. 12)
1. Gegenstand
a) Ehe
Dabei handeltes sich um Ehen, die nur pro forma geschlossenwerden, um einen Namen
weiterzugeben oder um in den Genuss eines ausländerrechtlichenAufenthaltstitels zu gelangen.
Nach h.M. werden sie wegen des beabsichtigten Rechtsmissbrauchs nicht geschützt
(BVerwGE 65, 174 [180]). Demgegenüber hält eine Mindermeinung in der Literatur den
Schutzbereich des Aß. 6 1 GG auch bei diesen Ehen für eröfhet, weil sonst eine unzulässige
Motivforschung bei den Eheleuten drohe (Franz/Günther, JuS 2007, 626 [627]).
bb) Mehrehen, da Ehe im Sinne des Art. 6 1 GG nur die Einehe ist (BVerwGE 71, 228 [231[];
Franz/Günther, JuS 2007, 626 [627]).
cc) Nichteheliche Lebensgemeinschaften,da es an einer gesetzlichen Begründung der
Gem einschaR fehlt.
b) Familie
Def:äFamilie ist die umfassende Gemeinschaft der Eltern mit Ihren Kindern, seien die Eltern
miteinanderverheiratet oder nicht. Ferner spielt es keine Rolle, ob die Kinder minder- oder volljährig,
Adoptiv,- Stief- oder Pflegekinder, aus einer Ein- oder Mehrehe hervorgegangen sind (Franz/Gilnther.
JuS 2007,6261627]).
2. Geschütztes Verhalten
©li/ra Intensiv (00360 EK OcR NRW.GrundR Art 6 1 Schutz Ehe Fam Grob) Seite l von 2
118
Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte / Art. 6 1 GG / Schutz von Ehe und Familie
Da die BegriHe Ehe und Familie der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedürfen, kann nicht
jede gesetzliche Regelung in diesem Bereich einen Eingriffdarstellen. Erforderlich ist, dassdie betreffende
Regelung die Ehe und Familie schädigt, stört oder sonst beeinträchtigt (Franz/Günther, JuS 2007, 626
[629]). Zum Sonderprob]em, ob die Ausweisung von Aus]ändern, die in Deutsch]and verheiratet sind oder
Kinder haben, ein Eingriffist, vgl. Franz/Günther, JuS 2007, 626 [629].
Der Schutz unterliegt keinem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt, so das nur die vertassungsimmanenten
Schranken greifen, also die Grundrechte Dritter sowie andere Rechtsgüter von Verfassungsrang
(Franz/Günther,
JuS2007,626[629]).
11. Schranken-Schranken
b) Materielle VerEassungsmäßigkeit
des formellen Gesetzes
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 6 1] 1 GG / Elterlichen Erziehungsrecht
A.Konkurrenzen
Art. 6 ll l GG ist gegenüberArt. 6 1GG die speziellere Bestimmung (Jarass/Pieroth,GG, Art. 6, Rn. 3).
1. Personeller Schutzbereich
Träger des Grundrechtsist jeder Elternteil, d.h. die Ehem ehrlich geborenerKinder, die Muüer des
außerehelichenKindes, Adoptiveltern,der nichtehelicheVater (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 6, Rn. 46). Für
Pflegeeltern ist dies umstritten (vgl. Franz/Günther, JuS 2007, 7 16 [7 18]).
Def: Pflege ist die allgemeineSorge file die Person des Kindes, fur sein körperlichesWohl und ftlr
seine charakterliche und geistige Entwicklung (Kingreen/Poscher. Grundrechte, Rn. 721).
Def: Erziehung ist dle Sorge air die Ausbildung und Bildung durch Entfaltung der Fähigkeiten des
Kindes (Kingreen/Poscher. Grundrechte, Rn. 721).
Eine genauereAbgrenzung der beiden Begrime ist nicht notwendig und wenig sinnvoll, da "Pflege und
Erziehung" als einheitlicher Begriffzu verstehen ist (Franz/Günther, JuS 2007, 7 16 [7 18]).
2. GeschütztesVerhalten
Ebenso wie im Rahmen des Art. 6 1 GG steht dem einfachen Gesetzgeber hier ein Ausgestaltungsspielraum
zu. Vgl. deshalbdie Ausfuhrungenin der Ubersicht "Art. 6 1GG - Schutzvon Ehc und Familie
2. Verfassungsimmanente Schranken
11. Schranken-Schranken
a) FormelleVerCassungsmäßigkeit
des formellen Gesetzes
b) Materielle VerEassungsmäßigkeit
des formellen Gesetzes
A.Konkurrenzen
l Personeller Schutzbereich
Geschützt wird jeder Bewohner einer Wohnung im Sinne des Art. 13 1GG. Fraglich ist, ob sich
die betreffende Person zugeht in der Wohnung aufhalten muss, um in den Genuss des
Grundrechtsschutzes zu gelangen, vgl. dazu ] + ]E]]
11 Sachlicher Schutzbereich
Gegenstand: "Wohnung'
Def: Wohnung sind alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche
Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind (BGH,
NJW 1997, 1018 [1019J; Schoch. Jura 2010, 22 [23]).
Erfasst werden demnach nicht nur die Wohnung im engeren Sinne, sondem auch die zur
Wohnung gehörenden Nebenräume wie l(faller, abgeschlossene Höfe, ferner Gast- und
Hotelzimmer. Wohnboote, Vereinshäuser und Clubräume sowie das beftiedete
Besitztum,wenn es gegenüberder Öffentlichkeit real abgeschirmtist oder sich in der
unmittelbaren Nähe eines Gebäudes befindet. Nicht geschützt sind hingegen Autos,
Strandkörbe und Räumevon HäRlingen (Jarass/Pieroth,GG, Art. 13, Rn. 4).
Fraglich ist, ob auch Arbeits-, Betriebs- und GeschäRsräumevon Art. 13 1GG geschützt
werden, vgl. dazu
2 Geschütztes Verhalten
Art. 13 1GG sichert in räumlicher Hinsicht die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dem
Einzelnen soll ein Bereich verbleiben. in dcn er sich zurückziehen kann. in dem er also
"in Ruhege]assenwird" (BVerfGE32, 54 [72]; 65, 1 [40]; Schach,Jura2010,22 [24]).
Intensiv
Standort OR/ Grundrechte/ Art. 13 GG/ Unverletzlichkeit der Wohnung
1. Durchsuchungen, Art. 13 ll GG
Es geht um die Suche nach Personenoder Sachen,die sich in der Wohnung befinden, um
dem Augenschein oder Zugriff entzogen zu sein, nicht um die Prüfung des Zustands der
Wohnung oder ihres fiinktionsgemäßen Gebrauchs. Femer ist, in Abgrenzung zu Art. 13
lll-VI GG, ein körperliches Eindringen des Staatesin die Wohnung erforderlich (Schoah,
Jura2010,22 [25f.]).
l Festlegung derSchranke
Verfassungsunmittelbare Schranke
11. Schranken-Schranken
aa) Art. 13 ll GG
dd) Art.13V GG
Zum Merkmal der dringenden Gefahr s.o. Zu beachten ist, dass einfach-
gesetzliche Eingrimsgrundlagen, die insbesondere das Betreten einer
Wohnung legitimieren, den Anforderungen des Art. 13 Vl1 2. Fall GG
genügenmüssen.Sollte dies nicht der Fall sein wie beispielsweisebei der
polizeilichen Generalklausel, ist die jeweilige Bestimmung
verfassungskonform auszulegen, d.h. die Voraussetzungen des Art. 13 Vl1 2.
Fall GG sind auf dieseBestimmungzu überm'agen,
so dasseine dringende
Gefahr vor]iegen muss (BVerwGE 47, 3 1 [40]; Schach, Jura 20 10, 22 [29]).
3
Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts
125
Intettslv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 13 1 GG / Unverletzlichkeit
der Wohnung/
Einzelprobleme
Nach einer Ansicht ist nur der rechtmäßigeBesitzer einer Wohnung schutzvrürdigund kann sich somit auf
den Schutz des Art. 13 1 GG berufen. Denn der Rechtsbrecher sei nicht schutzwürdig (Maunz/Dürig, GG,
Art. 13, Rn. 12). Demgegenüber stellt die Gegenansicht entscheidend aufdie Tatsache des Wohnens ab. Die
damit verbundene Privatsphäre sei durch Art. 13 1 GG geschützt, unabhängig von der zivilrechtlichen
Rechtmäßigkeit der Wohnungsnutzung. Eine Ausnahme ist aber eventuell bei dem Hausbesetzerzu machen.
der eine Wohntmg zwangsweisenutze. Es widerstrebt, diese Person durch die Geltung des Art. 13 1 GG für
ihr Handeln zu "belohnen" (Jarass/Pieroth,GG, Art. 13, Rn. 6).
Werden auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume von Art 13 1GG geschützt?
Eine Ansicht in der Literatur diHerenziert in diesem Zusammenhang.Art. 13 1 GG soll danach nur bei
Arbeits-, Betriebs-und GeschäRsräumen eröffnet sein, die entweder in die eigentliche Wohnung integriert
sind oder aber zwar von der Wohnung getrennt, jedoch dem unkontrollierten öffentlichen Zutritt entzogen
sind, z.B. Arztpraxen. Unkontrolliert zugängliche Räume hingegen verdienten den Schutz des Art. 13 1 GG
nicht. Der Wohnungsinhaber habe sich gleichsam, zumindest während der Öflhungszeiten, seines
grundrechtlichen Schutzesbegeben(Schoah, Jura 20 10, 22 [23]).
Demgegenübergeht die h.M. von der uneingeschränkten Anwendbarkeit des Art. 13 1 GG bei Betriebs- und
GeschäRsräumenaus und reguliert die unterschiedliche Schutzwürdigkeit erst auf der Ebene des Eingrims in
das Grundrecht. Zur Begründung wird aufdie historische Entwicklung des Wohnungsbegrins verwiesen, der
von alters her auch Betriebs- und Geschäftsräume erfasse. Femer steht Art. 13 1 GG in Beziehung zum
allgemeinen Persönlichkeitsrechtaus Art. 2 GG l i.V.m. Art. 1 1 1 GG. Die Norm schütze gleichsam die ßeie
Entfaltung der Persönlichkeitin räumlicher Hinsicht. Die Persönlichkeitsentfaltungfinde aber in starkem
Maße am Arbeitsplatz statt. Folglich seien die entsprechenden Räumlichkeiten auch schutzwürdig (BVerfGE
76,83 [881;97,228 [265]).
Die GegenauHässung
geht hingegendavon aus, dass mit Blick auf die geschützten
Räumlichkeiten
zu
diHerenzierensei. Betriebs-und GeschäRsräumeseien wegen ihrer Öffnung fur den Kundenkreisweniger
schutzv\'ürdig als reine Privatwohnungen. Bei ihnen sei daher ein Eingriff in den Schutzbereich
ausgeschlossen, wenn eine besondere gesetzliche VorschriR zum Betreten und Besichtigen ermächtigt, diese
Maßnahmen einem legitimen Ziel dienen und Rür dessen Erreichung erforderlich sind, das betreffende Gesetz
den Zweck des Betretenssowie Gegenstandund Umfang der Besichtigung verdeutlicht und es schließlich
nur ein Betreten und Besichtigen während der übl ichen GeschäRszeitenzulässt (BVerfGE 32, 54 [75-77]).
Um in diesem Fall dem Verfugungsberechtigten über die Räume einen verfassungsrechtlichen
Mindestschutz zu gewährleisten, soll trotz Eröffnung des Schutztxreichs des Art. 13 1 GG der (eigentlich
subsidiäre) Art. 2 1 GG anwendbar sein.
O./lira Intensiv (00390 EK.OeR NRW GrundR.Ai1 13 1 Unverletzlichk Wohnung Einzel)Seitel von l
126
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Nachforschungen ergeben tatsächlich erheblich Missstände der gerügten Art. Um diesem Umstand
entgegentreten zu können, legt die Landesregierung dem Landtag des Landes N den Entwurfeines
"Gesetzeszur Sicherung kommunaler Abgaben" (SAG) vor. Nach diesem Gesetz soll den
Mitarbeitern der Kommunen vor Festsetzungder Abgaben die Möglichkeit gegeben werden, vor
Ort Betriebsbesichtigungen durchzuNhren. Das Gesetz lautet auszugsweise:
$ 1 Siclterungsbe.fugnisse
Die von den zuständigen Abgabenbehörden mit der Einnahme des Augertscheins betrauten
Amtshäger sind, soweit dies zur E)'mittlung der Abgabenschuld erforderlich ist, berechtigt,
Betriebsgrundstiick, Beü'iebsräume und sonstige Beh'iebseinrichtungen während der üblichen
Geschäfts-undArbeitszeit auch gegenden Willett desInhabers zt{ betreten.
Weitere VorschriRen des SAG konkretisieren Gegenstand und Umfang der zugelassenen
Besichtigung und Prüfling
127
./ u 1- a
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Schutzbereich und Schranken/Betretungsrechte
A Verstoß
gegenArt. 13GG
Schutzbereich berührt
1. Mindermeinung
2. Herrschende Meinung
3. Stellungnahme
11.Eingriff
1. Durchsuchung
2. Akustische Wohnraumüberwachung
3. Sonstiger Eingriff
a) Literaturansicht
b) BVerfG
c) Stellungnahme
111.Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
1. Schranken
2. Schranken-Schranken
B Verstoß gegen Art. 12 GG
C VerstoßgegenArt. i4 GG
$ 1 SAG ist materiell verfassungsmäßig,sofern die Norm nicht gegen materielles Verfassungsrechtverstößt. In
Betracht kommt hier ein Verstoß gegen Grundrechte.
l Schutzbereich berührt
Dann müsste zunächst der Schutzbereich des Art. 13 GG berührt sein. Art. 13 1 GG schützt die Unverletzlichkeit
der Wohnung. Unter einer Wohnung ist der private Lebensraum eines Menschen zu verstehen,in den dieser sich
zurückziehen kann und in dem er das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden (BVerfGE 89, 1 [12]; 75, 318
[328]). Fraglich ist, ob auch die hier allein betrogenen Betriebs- und GeschäRsräumeunter diesen BegriH' der
Wohnung"i.S.d.Ait. 13 1GG fallen.
l Mindermeinung
Eine Mindermeinung will dies verneinen (Schoah, JURA 20 10, 22 [30]; diHerenzierend: Pieroth/Schlink u.a.,
Grundrechte,Rn. 972f.). Sie hält eine derartig weite Definition des WohnungsbegrinsfÜr nicht mehr
zeitgemäß.Unter dem Begriff "Wohnung" seien nur solche Räumlichkeitenzu verstehen,die auch
tatsächlich dem privaten Aufenthalt von Menschen dienten. In Betrieben seien heutzutage vorwiegend
Angestellte und Arbeiter beschädigt, die dort ihr Grundrecht auf ü'cie Berufsausübung verwirklichten. Die
Betriebsräumeseien somit eher unter den Schutzbereichdes Art. 12 1 GG zu fassen.Zudem stünden
zumindest große Unternehmenzumeist im Eigentum von AktiengesellschaRen.Der Schutz dieser
AktiengesellschaRenwiderspräche aber der Tatsache, dassder Grundrechtsschutz des GG in erster Linie dem
Menschenals natürliche Personzukommen solle. Diese Meinung fasst Büro- und GeschäRsräume
general
nicht unter den Schutzbereichdes Art. 13 1 GG.
2 Herrschende Meinung
Die h.M. erstreckt den Schutz des Art. 13 GG auch auf die Betriebs- und GeschäRsräume(BVerfGE 32, 54
[68]; BVerfG, RA 2007, 641, 642). Sie stützt sich dabei zum einen auf ein historischesArgument. Sowohl
die Paulskirchcnvertassung als auch die Preußische Verfassung von 1848/1850 sowie die Weimarer
Reichsverfassung bezogen GeschäRsräume in den Schutzbereich der Wohnungsßeiheit ein. Der
Verfässungsgesetzgeber
habe hieran erkennbar nichts ändern, sondern den traditionellen Schutz der
GeschäRsräumeals Wohnräume fortschreiben wollen. Zum anderen begründet sie ihre Aumassung
teleologisch. Die Arbeit stelle cin wesentliches Stück der Persönlichkeitsentfaltung dar; ihr käme innerhalb
der individuellenLebensgestaltung
des Einzelnen cin besondershoher Rang zu. Dann sei es auch
folgerichtig, dem räumlichen Bereich, in dem sich die Arbeit vollzieht, einen entsprechendwirksamen
rechtlichen Schutz angedeihen zu lassen.
128
J u r a
2 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Schutzbereich und Schranken/Betretungsrechte
3 Stellungnahme
Der von der MindermeinungangesprocheneSchutz der Arbeiter und Arbeiterinnendurch Art. 12 1 GG
bedeutet keinen hinreichend wirksamen Grundrechtsschutzdes Eigentümers der Betriebs- und
GeschäRsräume.Dieser Schutz kann eHektiv nur über Art. 13 GG erreicht werden. Auch das zweite
Argument kann nicht durchgreifen.Art 19 111GG stellt klar, dassGrundrechtsschutznicht nur natürlichen,
sondem auch juristischen Personen zukommen kann. Gerade Sachverhalte wie dieser sind dabei typische
Anwendungsfälle dcs Art. 19 111GG.
Daher sind Betriebs- und Geschäftsräumemit den Argumenten der h.M. grundsätzlich unter den
Anwendungsbereich des Art. 13 1GG zu fassen.
11.Eingriff
Fraglich ist aber, ob die vorgesehenen Betretungsrechte des $ 1 SAG tatsächlich einen Eingriff in den eben
skizzierten Schutzbereich darstellen. Art. 13 GG unterscheidet verschiedene Eingrinsformen:
l Durchsuchung
Die vorgesehen Rechte könnten eine Durchsuchung nach Art. 13 ll GG sein. Durchsuchen i.S.d. Art. 13 11
GG ist das planmäßige, zielgerichtete Vorgehen staatlicher Organe, um etwas Verborgenes aufzudecken
(BVerfGE 51, 97). Inhalt dieser Suche soll dabei sein, "etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung
von sich aus nicht herausgeben will, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken
oder ein Geh eimnis zu lünen"
$ 1 SAG hat jedoch eine andereIntention. Durch ihn erfolgt kein ziel- und zweckgerichtetesSuchenin
konkreten Einzelfällen. Vielmehr sollen allgemeine Betretungserlaubnissezugelassenwerden, durch die
generell die ordnungsgemäßeAbführung der Kommunalabgabenüberwacht werden. Bei solchen
Betretungsrechten
6eh[t es schon am Merkma] der P]anmäßigkeit(BVerfGE 32, 54 [73]). Die
Betretungsrechte nach $ 1 SAG können somit nicht als Durchsuchung i.S.d. Art 13 ll GG qualifiziert werden.
2. Akustische Wohnraumüberwachung
Eingrime in Art. 13 1 GG durch technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen gem
Art. 13 111- V GG sind durch $ 1 SAG erkennbar nicht vorgesehen.
3. Sonstiger Eingriff
Die Betretungsrechte können damit allenfalls einen sonstigen EingriH'nach Art. 13 Vll GG darstellen
a) Literaturansicht
In der Literaturwird Art. 13 Vll GG vielfachals AufEangtatbestand
Hüralle Eingrineund
Beschränkungen angesehen, die nicht als Durchsuchungen nach Art. 13 ll GG bzw. als technische
Überwachung nach Art. 13 111- V GG zu charakterisieren sind (Pieroth/Schlank u.a., Grundrechte,
Rn. 978, 988f.; Dagtoglou, JuS 1975, 761). Danach würde hier ein "sonstiger Eingriff' i.S.d. Art. 13 Vll
GG vorliegen.
b) BVerfG
Das BVerf(3 nimmt bloße Betretungsrechtejedoch aus dem EingriHsbegriff des Art. 13 Vll GG heraus,
sofern sie zum Betreten von GeschäRsräumenwährend der üblichen Offnungszeiten ermächtigen
(BVerfG,RA 2007,641 [642]).
[Xnm.: Ändel's wäre es außer'halb der { b icttetl Geschäßszeiten,bei t'eitaert Wohnt'ätiinetl titld bei sog.
Mischrälittlen, die sowotl{ gewerblich als atlcll privat gemltzt werden (z.B. Heimbilro). DoN würde eilt
Betlett{ lgsrecht auch nach det?tB yerlfGArt. }3 yli GG ttntellfallen, ein Streit bestehtdalln )licht.]
Zur Begründung wird angefuhrt, solche Betretungsrechte ließen sich, wollte man einen Eingrif:f i.S.d.
Art. 13Vll GG annehmen,unter den strengenSchrankenanforderungen
des Art. 13 Vll GG nicht
rechtfertigen; sie Art. 13 Vll GG zu unterwerfen hieße somit automatisch, sie fur verfassungswidrig zu
erklären. Es lasse sich aber nicht erkennen,dass der Verfassungsgeber
mit der Einführung von
Art. 13 Vll GG (der ursprünglich - in identischer Form - als Art. 13 111GG in das GG aufgenommen
wurde) die seit langem bekannten und bestehenden Betretungsrechte habe abschaHen wollen
(BVerfGE 32, 54 [77] zu $ 17 ll HandwO).
$ 1 SAG ermächtigt nur zum Betreten von GeschäRsräumen während der üblichen Betriebszeiten. Nach
dieserAnsicht läge also auch hier kein Eingriff i.S.d. Art. 13 Vll G(3 vor. Um andererseitsaber den
Wohnungsinhaber nicht völlig schutzlos vor derartigen Betretungsrechtenzu lassen, vertritt das BVerfG
129
3 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Schutzbereichund Schranken/Betretungsrechte
(a.a.O.)die Ansicht, dassein Eingriffeigener Art vorliege,der in Art. 13 Vll GG nicht geregeltsei(und
somit - wie noch zu zeigen sein wird - auch eigenen RechtfertigungsanforderungenaufSchrankenebene
unterliegt).
[Arim. : Die älteren Entscheidungendes B Vermg ließetaeher vermtlten, dass das Gelacht einen Eingri#in
Art. 13 Vll GG bei Betretttngsrechtenvon Geschäftsräutnenwährendder ilblichen Oßhungszeitetlganz
vel'teilten und diese statt an Art. 13 i GG(nur) att Art. 2 1 GG messenwollte (vg}. ByellfGE 32, S4
[77f]). Dies wal' dogmatisch schon immer höchst probleltiatisch, denn da der Schutzbereichdes Art. 13 1
GG nach Ansicht des BVerfGja auch bei Geschäßsräumell betro#etl ist. wäre Art. 2 1 GG als subsidiär
zuri[ckgetreteti mld sortiit nicht anwendbar. ]n B Vermg.RA 2007, 6411642] hat das BVerfG seine Rspr.
aber präzisiert. Dort heißtes attsdrück]ich: "Zwar ist das in einer Reihevon Gesetzenden Behörden[...]
eingeräumte Recht, zil Kotltrollzwecketl Geschäßsräumezu betreten und darin Besichtigulagetaund
Prüfungen verschiedenerÄrt vorzunehmen, nicht als Eingri#im Sinne von Ärt. 13 Äbs. 7 GG anzusehen.
Allerdings ttliissell auch ßir solche Betretungs- und Besichtlgurlgsrechte
von Vel:fasstlngswegen
bestimltite Votatissefzungctlel$üllt sein, tlp ging BeejnträchtigunR des Rechts auf UnverletzlicFikeit der
W!!!!1111uEa!!ë;!iëcblig13g!!:''Die Betretungsrechte werden also ari Clturtdrecht auf Unverletzlichkeit der
Wohntlng aus Ärt. 13 1 GG gemessen. nicht an Art. 2 1 GG.]
c) Stellungnahme
Für die Literaturansicht könnte sprechen, dass die Rspr. des BVerfG inkonsequent ist: Wenn Betriebs-
und Geschäftsräumegenerell unter den Schutzbereich des Art. 13 1 GG gefasst würden, dann mussten
auch die Schranken
der Abs. 2 bis 7 insoweitvoll durchgreifen,
so dassjeglicheArt von
Schutzbereichsberührungen
an den dort aufgestellten Voraussetzungenzu messensei. Tatsächlich ist
jedoch das Gegenteil der Fall: Das BVerfG vertritt im Schutzbereich einen extrem weiten
Wohnungsbegrift der pauschal alle GeschäRsräume umfasst. Der Bürger ist somit nach dieser Ansicht
besonders
gut geschützt.
Wennman dem folgt, so ist es auf der anderenSeitegerechtfertigt,
die
Anforderungen an den Eingriff und die Rechtfertigung desselbenetwas zu senken, um im Wege der
Wafbengleichheit
dem Staatzu ermöglichen,legitime Ziele zu verfolgen.Hinzu kommt, dass
GeschäRsräumegegenüberreinen Wohnräumen und Mischräumenetwas weniger schützenswertsind,
weil sie zwar auch (s.o. zun] Schutzbereich), aber nicht im selben Umfang Privatsphäre vermitteln wie
jene. Und schließlich bleibt der Bürger trotz NichtanwendungdesArt. 13 Vll CiG auch nicht schutzlos,
denn das BVerfGnimmt ja ebenfallseinen Eingriff in Art. 13 Vll GG an, welcherder
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf.
Es liegt somit - der Ansicht des BVerfG folgend - ein Eingrif:l'eigener Art vor, der nicht an den
Schranken des Art. 13 Vll GG zu messenist.
[.4nm.: Sofern hier der Gegenansicht der Literatur gefolgt wird, wäre im nächsten Schritt unter 111.die
verfhssutlgsrechtllche Rechtfertigung des Eingri#s anhand der Voraussetzungendes Art. t3 yll GG zu
prüfen. Diese setzt erihpeder eine gemeine Gefahr bzw. eine Lebensgefahr IMr einzelne Personen oder
eine dringende Gefahr Jill die ö#entliche Sicherheit tlrtd Ordntlrtg 'voraus. Beide Ältelriativen köntletl im
vorliegenden Fall nicht angettomtttenwerden. Insbesondere ist keitte dringende Gefahrlilr die ö#etllliche
Sicherheit und Ordnung gegeben, da daßlr Rechtsgüter von einettt besonderen Gewicht gefährdet sein
müssen, was im vortiegerldetl Sachverhalt nicht der Fall ist. Die Literatur muss demnach eine
verfassungsrechtlicheRechdertigung des Eingri#s vettteinen und damit einen Verstoßdes $ 1 SÄG gegen
das C[l'uridrecht aus Art. 13 GG annehtnen.$ 1 SAG wäre damit ver]assungsw]dr]g.]
lll.Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff ist verfassungsrechtlichgerechtfertigt, wenn er von den Schrankendes Grundrechts gedeckt ist
l Schranken
Wie gezeigt, sind auf Betretungsrechte von GeschäRsräumen während der üblichen Öffnungszeiten die
geschriebenenSchranken des Art. 13 GG, insbesondere die des Art. 13 Vll GG, nicht anwendbar. Um aber
einer u6erlosen
Ausweitungder Betretungs-tmd Besichtigungsrechte
vorzubeugen,
hat das BVerfG
(BVerfGE 32, 54 [77 f.]; BVerfG, RA 2007, 641 [642]) folgende Voraussetzungen aufgestellt, die zur
Rechtfertigung des Eingrins vorliegen müssen:
130
./ u r a
4 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Schutzbereich und Schranken/Betretungsrechte
Eine besondere gesetzliche Vorschrift muss zum Betreten der Räume ermächtigen
Das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung sei nur zu Zeiten statthaR,
in denen die Räume normalerweise Mr die jeweilige geschäRliche oder betriebliche Nutzung zur
Verfügung stünden.
Das Betreten muss einem erlaubten Zweck dienen und fur dessenErreichung erforderlich sein
Das Gesetz muss den Zweck des Betretens, den Gegenstand und Umfang der zugelassenen
Besichtigung und Prüfling deutlich.erkennen lassen.
2 Schranken-Schranken
Fraglich ist, ob $ 1 SAG diesen qualifizierten Anforderungen genügt. Es handelt sich zunächst - im
Unterschied etwa zu den Generalklauselndes allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts- um eine besondere
gesetzliche VorschriR, die speziell zum Betreten von GeschäRsräumenermächtigt. Dabei wird das
Betretungsrecht auf die üblichen Öfhungszeiten beschränkt. Der erlaubte Zweck liegt in der Kontrolle der
Betriebe auf Einhaltung ihrer Abgabenschulden. Ein Betretungsrecht ist zur Erreichung diesesZwecks auch
erforderlich, da eine Kontrolle überhauptnicht möglich wäre, wenn das Betriebsgeländegegen den Willen
des Betriebsinhabers nicht einmal betreten werden dürre. Und schließlich ist dieser Zweck im Gesetz auch
explizit erwähnt und in weiteren VorschriRen nach Gegenstandund Umfang der zugelassenenBesichtigung
und Prüfung konkretisiert.
Mithin ist der Eingriffin Art. 13 1GG gerechtfertigt. Art. 13 1GG ist nicht verletzt
Literatur:
e Jochum, Grabmalgestaltung zwischen Religion und gutem Geschmack, JuS 2009, 733 n. Klausur
e Kube, Kein Sonnenstudio fur MindeÜährige, JuS 20]4, 726 n. - Klausur
e Morlok/Disci,Teenager-Terroristen,
JA 2016, 45 n. - Klausur
B Schach, Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG, JURA 2010, 22 ft
131
Intensiv
Standort: ÖR/ Grundrechte/ Art. ll l GG/ Menschenwürde
A.Rechtsnatur
Fraglich ist, ob Art. 1 1 1 GG überhaupt ein Grundrecht verkörpert. Das wird zum Teil unter Hinweis aufden
Wortlaut des Art. 1 111GG ("nachfolgenden Grundrechte") abgelehnt. Ferner sei der Schutz durch die anderen
Grundrechte ohnehin lückenlos. so dass es des Grundrechtsschutzes über Art. 1 1 1 GG nicht bedürfte.
Demgegenüberqualifiziert die ganz h.M. Ai"t. 1 1 1 GG als Grundrecht. Das ergebe sich bereits aus dei
ÜberschriR des entsprechenden Abschnitts des GG. Ferner spreche die Entstehungsgeschichte fÜr dieses
Normverständnis. Allein auf diesem Wege werde im Übrigen der zentralen Bedeutung des Art. 1 1 1 GG
ausreichend Rechnung getragen (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 375).
B. l(onkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
Geschützt werden alle natürlichen Personen, Deutsche wie Ausländer. Unerheblich ist, ob der Träger
sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst wahren kann. Art. 1 1 1 GG ist hingegen seinem Wesen
nachnicht gem. Art. 19 111GG aufjuristische Personenanwendbar,da das Grundrechtan das
Merkmal "Mensch" anknüpft(Jarass/Pieroth, CiG, Art. 1, Rn. 7).
Fraglich ist, ob und inwieweit Ai"t. 1 1 1 GG auch das ungeboreneLeben(nasciturus)und den
Verstorbenen schützt. Vgl. dazu die Übersicht "Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Einzelprobleme
Def: Mit der Menschenwürdeist der soziale Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen
wegen seines Menschseins zukommt (BVerfGE 87, 209 [228jl Jarass/Pieroth,GG, Art. 1. Rn. 6)
Konturen gewinnt diese recht abstrakte Definition im Zusammenhangmit der Frage, welche
MaßnahmenEingrine in die Menschenwürdedarstellen,s.u..
Ein Eingrif:f in den Schutzbereichder Menschenwürde liegt vor, wenn der Mensch zum bloßen Objekt
staatlichen Handelns gemacht wird (sog. Objektformel). Wegen des mit Art. 1 1 1 GG verburldenen
absoluten Schutzes(s.u.) sind die Anforderungen streng. Notwendig ist eine Emiedrigung,
Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung des Einzelnen, wie dies beispielsweise bei der Sklaverei,
Folter oder Gehirnwäsche der Fall ist (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 389-394 m. Bsp.).
Ein Eingriff scheidet nicht deshalb aus, weil der Betrogene auf den Grundrechtsschutz verzichtet hat.
Da die Menschenwürde
gem. Art. 1 1 1 GG unantastbarist, ist sie der Dispositionsbefügnisdes
Einzelnen entzogen(str., s. Jarass/Pieroth,GG, Art. 1, Rn. 13). Davon zu trennen ist die Frage, ob den
Staat unter allen Umständen eine Schutzpflicht trier, den Einzelnen von der Preisgabe seiner Würde
abzuhalten.Hier tritt eine Kollision mit dem Selbstverwirklichungsrecht
des Betrogenenauf (vgl.
Jarass/Pieroth,
GG,Art. 1, Rn. 14)
Weiterhin sind Eingrine in Art. 1 1 1 GG auch durch Privatpersonen möglich. Das Grundrecht bindet
also - ebensowie Art. 9 1112 GG - ausnahmsweiseauch Private unmittelbar. Das folgt aus dem
besonderen Wert des Art. 1 1 1 GG (Jarass/Pieroth, GG, Art. 1, Rn. 4)
133
Intettslv
Standort: OR / Grundrechte / Menschenwürde
(hM) Grundrecht(BVerfGE
61,126]137])
Arg 1: Systematik -> UberschriR zu Abschnitt l des GG lautet "Grundrechte
Gegen:nichtjede Norm im Abschnitt l ist ein Grundrecht
Arg 2: Systematik -> der Staat existiert um des Menschen willen und nicht umgekehrt, deshalb
ist das GG tendenziell anspruchsfreundlich => vor diesem Hintergrund wäre es widersprüchlich
der strukturgebenden
Fundamentalnorm
des Art. 1 1 GG die subjektiv-rechtliche
Qualität
abzusprechen.
Gilt fur den nasciturus bereits der absolute Schutz der Menschenwürde?
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 2 1 GG / Allgemeine Handlungsfreiheit
A.Konkurrenzen
Art. 2 1 GG ist ein Aunanggrundrecht,d.h. die VorschriR tritt zurück, wenn der Schutzbereich
eines speziellen Freiheitsgrundrechts betroH'en ist.
1. Personeller Schutzbereich
2. Geschütztes Verhalten
Das von Art. 2 1GG geschützte Verhalten hängt vom strittigen Schutzumfang der Norm
ab.
Fraglich ist, ob bei Zugrundelegung eines weiten Schutzbereichs in Gestalt der allgemeinen
Handlungsfreiheit zur Korrektur nur der klassische Eingriflsbegriff Anwendung Findet, vgl.
1. Festlegungder Schranke
11. Schranken-Schranken
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 2 1 GG / Handlungsfreiheit / Einzelprobleme
Nach einer Rechtsansichtschützt Art. 2 1 GG nur die engere persönliche Lebenssphäre.D.h. von dem
Grundrecht
sollennur Verhaltensweisen
erfasstwerden,die von besonderer
Relevanz
fur die
Persönlichkeitsentwicklung sind. Zur Begründung wird auf den Wortlaut des Art. 2 1 GG verwiesen
(BVerfGE abwM 80, 137 [168f.]).
Nach ganz h.M. schützt Art. 2 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit, d.h. jedes menschliche Verhalten. Das
ergibt sich anhand eines historischen Vergleichs mlt dem sog. Herrenchiemseer Entwurf Danach sollte
jedermann die Freiheit haben, innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten Sitten alles zu tun,
was anderennicht schadet.Lediglich aus stilistischen Gründen wurde diese Formulierung nicht in den
endgültigen Gesetzestextübemommen. Darüber hinaus führt nur das weite Verständnis des Art. 2 1 GG zu
einem umfässendenGrundrechtsschutz und somit zu einer lückenlosen Kontrolle aller staatlichen Gewalt
anhand der Grundrechte (BVerfGE 6, 32 [1 4[]).
Teilweise wird vertreten, den weiten Schutzbereich des Aa. 2 1 GG bereits dadurch zu korrigieren, dass nur
der klassischeEingrinsbegriff Anwendung findet. D.h. ein EingriH' in die allgemeine Handlungsfreiheit
würde nur vorliegen, wenn er die finale und unmittelbare Folge eines hoheitlichen Handelns ist, dieses
hoheitlicheHandelnzudem rechtlicheWirkungen hat und mit Befehl und Zwang angeordnetoder
durchgesetztwird. Auf diesem Weg soll dem Problem begegnet werden, dass die Möglichkeit, eine
Verfassungsbeschwerde zu erheben, aufgrund des weiten Verständnisses des Art. 2 1 GG ausu6ert
(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 422f).
Die h.M. lässtjedoch auch mittelbare Eingrine genügen, fordert allerdings zur Vermeidung einer Inflation
von Verfassungsbeschwerdenentweder eine Finalität oder eine besondere Intensität der Belastung, gerade im
Falle der Betroffenheit eines Dritten (Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 13).
136
J u r a
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 1 GG /
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
A.Konkurrenzen
1. Personeller Schutzbereich
1. Natürliche Personen
2. JuristischePersonen
1. Festlegungder Schranke
Das allgemeinePersönlichkeitsrecht
weist zwar eine Beziehungzu Art. 1 1 1 GG auf.
weil es weniger das Verhalten eines Menschen als vielmehr seine Qualität als Subjekt
schützt. Es wurzelt jedoch primär in Art. 2 1 GG, weil es wie die allgemeine
Handlungsfreiheit nicht auf bestimmte Lebensbereiche begrenzt ist, sonden in allen
Lebensbereichen
relevantwird. Deshalbkommt hier wie bei Art. 2 1 GG die sog
Schrankentrias
zur Anwendung,wobei aber insbesondere
an die
Verhältnismäßigl(eitsprüfiing strengere Anforderungen zu stellen sind, da Art. 2 1 GG
i.V.m. Art. 1 1 1 GG als spezielles Freiheitsgrundrecht einen engeren
Anwendungsbereich hat als Art. 2 1 GG, so dass die Schranke ebenfalls enger sein muss
(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 427f).
Vgl. im Einzelnen zur Schrankentrias die Ubersicht "Art. 2 1 GG - Allgemeine
Handlungsßeiheit
11. Schranken-Schranken
O./i4ra Intensiv (00450 EK.OeR NRW GrundR Art 2 1.alle PersoenlichkeitsR.Grob) Seite2 von 2
138
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 2 1 i.V.m. Art. 1 1 1 GG / Allgemeines
Persönlichkeitsrecht
llËll Können sich juristische Personen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen?
Nach einer in der Literatur vertretenenAnsicht können sich inländischejuristische Personennicht auf das
allgemeine Persönlichkeitsrechtberufen. Denn sie seien weder handlungsfähig,noch komme ihncn eine
Menschenwürde zu. Daher könnten sie sich auch nicht auf das zusammengesetzteGrundrecht aus Art. 2 1
i.V.m. Art. ] ] ] GG berufen(Jarass,NJW 1989,857 [859]; Schach,Jura2008,352 [356]).
Die h.M. hält das allgemeine Persönlichkeitsrecht hingegen grundsätzlich auf juristische Personen fur
anwendbar. Allerdings müsse hinsichtlich der konkreten Einzelausprägungendes Schutzbereichsjeweils
geprüR werden, ob sie fur juristische Personengelten können. Anwendbar sei demnach beispielsweise das
Recht am eigenen Wort sowie das Recht aufGegendarstellung, nicht aber das nemo-tenetur-Prinzip (- Recht,
sich nicht selbst belastenzu müssen), weil es dafur an der notwendigen höchstpersönlichen Zwangslage fehle
(BVerfGE 63, 13111421;95, 22012411; 106, 281421; Gemiann, Jura 2010, 73417411; Martini, JA 2009, 839
[842])
Wird das allgemeine Persönlickeitsrecht aufjuristische Personen angewandt, dann stützt es sich nur auf Art.
2 1 GG. d.h. Art. 1 1 1 GG wird nicht zitiert, weil die Menschenwürdebei juristischen Personennicht greif
(BVerfGE 118, 1681203]; Germann, Jura 2010, 7341741]).
Femer werden oRmals die Grundrechte aus Art. 12 1, 14 1 1 GG vorrangig einschlägig sein, z.B. wenn es um
den Schutz von GeschäRs-und Betriebsgeheimnissengeht.
Nach der Sphärentheorie bestehen gestuRe Anforderungen an die Angemessenheit eines Eingrims, je
nachdem welche Sphärebetrogen ist:
1. Stube: Eingrine in die Intimsphäre sind nie gerechtfertigt , da hier der Wesensgehaltdes Grundrechts
berührt ist. Kennzeichnend fur diesen Bereich ist sein höchstpersönlicher Charakter, d.h. es geht um den
Kernbereich privater Lebensgesta[tung(BVerfGE 6, 32 [41]). Das BVerfG hat einen so]chen Eingriff in
seinen Entscheidungenbisher noch nicht erkennen können. Insbesonderegeht es davon aus, dass die
Eingrinsintensität durch Schutzmaßnahmen minimiert werden kann. So dürfen beispielsweise
Tagebuchaufzeichnungenin einen Strafprozesseingefuhrt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur die
Passagenverlesen werden, die mit der konkreten StraRat in Zusammenhang stehen (BVerfGE 80, 367
[374f]).
3. Stube: Eingrine in die Sozialsphäre stellen keine besonderen Anforderungen an das zu schützende
Rechtsgut, d.h. es findet eine "normale" Abwägung statt. Mit der Sozialsphäre ist das Verhalten in der
Of6entlichkeit gemeint.
Zu beachten ist, dassdie Sphärentheorie,ähnlich wie die Drei-Stuben-Theorie im Rahmen des Art. 12 1 GG -
nichts anderesist als eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit.Sie veranschaulichtlediglich noch einmal sehr
deutlich, dass mit wachsender Eingrinsintensität auch die Recht6ertigungsanforderungen steigen. Das
entbindet natürlich nicht von der Pflicht, mit Blick auf den konkreten Einzelfall eine Abwägung
vorzunehmen.
A. Konkurrenzen
Es besteht Idealkonkurrenz zu den anderenFreiheitsgrLmdrechten(v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 92).
1. Personeller Schutzbereich
Träger des Grundrechts sind natürliche Personen, Deutsche wie Ausländer, nicht hingegen juristische
Personen,weil die Merkmale Leben und körperliche Unversehrtheit ihrem Wesen nach auf diese dicht
angewendet werden können (BVerwGE 54, 2 1 1 [220]).
Def: Leben ist das körperliche Dasein,$d.h. die biologisch-physische Existenz (Kingreen/Poscher.
Grundrechte, Rn. 438).
Fraglich ist, ob und ab welchem Zeitpunkt das ungeborene Leben geschützt wird, vgl. dazu die
Übersicht "Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde- Einzelprobleme
DasLeben und damit der Schutzdes Art. 2 ll l GG endetmit dcm Tod. Darunter ist nach h.M. die
irreversib[e Funktionsunfähigkeit des Organs Him zu verstehen (Augsburg, JuS 20 11, 28 [3 1]).
Def: ß.Das körperlichem Wohlbefindens umfasst die physische und psychische Gesundheit
(Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 439).
Die Ausdehnung des Schutzes auf die psychische Gesundheit folgt zum einen aus dem engen
Kontext des Art. 2 ll l GG mit der Menschenwürde, die ebenfalls nicht auf den körperlichen
Bereich beschränktist. Zum anderen entspricht diese Erweiterung des Schutzbereichsder
Entstehungsgeschichte des Art. 2 ll l GG. Das Grundrecht ist eine Reaktion aufdie Verbrechen der
NS-Zeit, die auch in psychischem Terror und seelischen F'olterungen bestanden (Augsburg, JuS
2011, 128[131]).
Nicht geschützt wird allerdings das bloße Wohlbefinden.
2. GeschütztesVerhalten
Nach h.M. wird zwar positiv das Recht auf Leben, nicht aber negativ das Recht auf den Tod, also
der Suizid, geschützt. insoweit ist nur Art. 2 1GG einschlägig (Augsberg, JuS 20 11, 28 [32]).
Ein Eingriff in das Schutzgut Leben ist bei jeder rechtlichen oder tatsächlichen hoheitlichen Maßnahme
gegeben, die den Tod eines Menschen herbei fuhrt.
In das Recht aufkörperliche Unversehrtheit wird durch alle hoheitlichen Maßnahmen eingegrinen, welche
die Gesundheit des Betroffenen beeinträchtigen, z.B. körperliche Straßenund Züchtigungen, Impfzwang,
Blutentnahme(Jarass/Pieroth,GG, Art. 2, Rn. 87). Fraglich ist, ob es auf die Intensität der staatlichen
Maßnahmeankommt. Nach h.M. soll es bei ganz geringfugigen und zumutbaren Belastungen(z.B.
Hirnstrommessung,Veränderungder Haar- und BartRacht) an einem Eingrif:f fehlen (BVerfGE 17, 108
[1 15]; BVerwGE 46, 1 [7]), während nach der Gegenansicht ein Eingriff vorliegt und dessengeringfugige
intensität erst im Rahmen der Rechtfertigung des Eingrims zu berücksichtigen ist (Augsburg, JuS 201 1,
128 [13 1]; Kingreen/Poscher,Grundrechte,Rn. 44 1f.).
Auch eine Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit stellt einen Eingrifrdar, wenn eine
tatsäch[icheBeeinträchtigung der Schutzgüter ernsthaR zu befurchten ist (Augsberg, JuS 20 11, 28 [32]).
O./i//-a Intensiv(00470 EK OeR NRW.GrundR Art 2 ll Recht..Leben Unversehrtheit Grob) Seite l von 2
140
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 2 ll l GG / Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit
C. RechtfertigungdesEingriffs in Art. 2 ll l GG
11. Schranken-Schranken
a) Formelle VerEassungsmäßigkeit
desformellen Gesetzes
b) Materielle Ver€assungsmäßigkeitdes formel len Gesetzes
[n materie]]er Hinsicht sind einige spezie]]e Schranken-Schrankenzu beachten:
aa) Art. 104 12 GG
Während Eingrine in die körperliche Unversehrtheit nicht Hestgehaltener
Personen
gerechtfertig sein können, sch]ießt Art. ]04 1 2 GG dies in seinem
Anwendungsbereich gegenüber festgehaltenen Personen kategorisch aus. Das
Merkmal der Misshandlung ist dabei weit auszulegen, da die Norm sonst neben Art. l
1 1 GG keinen Anwendungsbereich hätte (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 445).
Def: Die seelische Misshandlung besteht in einer entwürdigenden und entehrenden
Behandlung, z.B. in schweren Beleidigungen. Als körperliche Misshandlung wird ein
übles, unangemessenes Behandeln angesehen, das entweder das körperliche
Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht unerheblich beeinträchtigt. z.B.
Folter (Jarass/Pieroth,GG, Art. 104. Rn. 8).
bb) An. 102GG
Eine absolute Schranke-Schrankestellt auch das in Art. 102 GG enthaltene Verbot der
I'odesstraße dar.
Def: Todesstrafe ist die Tötung eines Menschen als staatliche Reaktion auf die
Verwirklichung einer Straftat (Jarass/Pieroth,GG, Art. 102, Rn. 2)
Keine Todesstrafe in diesem Sinne stellt der polizeiliche finale Rettungsschuss.Hier
liegt der Schwerpunkt bei der Gefahrenabwehr und nicht bei der repressiven
Bestrafung (Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 452f)
cc) Wesentlichkeitstheorie
dd) Wesensgehaltsgarantie,
Art. 19 ll GG
Der Entzug des einzelnen Lebens kann nicht gegen Art. 19 ll GG verstoßen, weil
ansonsten
Art. 2 ll 3 GG ins Leereließe.Die Wesensgehaltsgarantie
ist dahererst
tangiert, wenn es um kollektive EingriHe geht.
141
Intensiv
Standort: ÖR / Grundrechte/ Art 2 ll 2 GG / Freiheit der Person
A.Konkurrenzen
Art. 2 ll 2 GG steht grundsätzlich in Jdealkonkurrenz zu den anderen Freiheitsgrundrechten, ist also neben
diesenanwendbar. Fraglich ist dies nur bezüglich Art. 11 1GG. Hier geht die h.M. vom Vorrang des Art. 2
112 GG aus. da in den meisten Fällen des Art. 2 ll 2 GG auch Art. 1 1 1 GG betroffen ist, dessen Schranken
jedoch nicht auf StraRatenzugeschnitten sind, deren Ahndung in erster Linie zu Eingrinen in die Freiheit
der Person führt (v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 74, 92).
1. Personeller Schutzbereich
Träger des Grundrechts sind natürliche Personen, Deutsche wie Ausländer, nicht hingegen
juristische Personen,weil die "Freiheit der Person" ihrem Wesen nach auf diese nicht angewendet
werden kann.
Def: Geschützt wird die körperliche Bewegungsfreiheit (BVerfGE 94: 166 [198j; Kingreen/Poscher,
Grundrechte, Rn. 463).
Diese Begrenzung des weiten Wortlauts des Art. 2 ll 2 GG folgt aus der Entstehungsgeschichte
sowie aus der Parallelgarantie des Art. 104 GG.
2. GeschütztesVerhalten
Art. 2 ll 2 GG schützt positiv das Recht, jeden an sich zugänglichenOrt aufzusuchen,sich dort
aufzuhalten oder ihn zu verlassen. In negativer Hinsicht schützt Art. 2 ll 2 GG das Recht, an dem
Ort zu bleiben, an dem man sich befindet oder jeden beliebigen Ort zu meiden (Brodowski, JuS
2012,980 [98]]).
111. Eingriff in den Schutzbereich
Für die Annahme eines Eingrins in den Schutzbereich des Aa. 2 ll 2 GG ist die Entstehungsgeschichte des
Grundrechts von Bedeutung. Es steht in der Tradition des Instituts des "habeas corpus", mit dessenHi16e
festnahmenund verwandte,mit körperlichem Zwang verbundeneFreiheitsbeschränkungen
durch die
Öffentliche Gewalt begrenztund verfahrensrechtlichen Anforderungen untcrworGenwurden. Daher setzt ein
Eingriff voraus, dassdie Bewegungsheiheit des Betrogenen auf einen relativ begrenzten Raum beschränkt
wird und gegen das Verlassen dieses Raumes besondere Sicherungen bestehen, indem er entweder
verschlossen ist oder bei dem Versuch des Verlassene des Raumes sofortiger unmittelbarer Zwang droht
(Brodowski,JuS2012, 980[981]).
Def: Eine Freiheitsentziehung liegt vor, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit auf einen eng umgrenzten
Raum beschränkt wird, so dass die Bewegungsfreiheit in jede Richtung aufgehoben ist (BVerwGE 62, 325
[327f.]).
Angesichts der strengenAnforderungen des Art. 104 1T-IV(K) muss die Aufhebung der Bewegungsfreiheit
eine gewisse Mindestdauer angehalten haben. Wenige Stunden genügen nicht, um von einer
Freiheitsentziehungausgehenzu können (Jarass/Pieroth, GG, Art. 104, Rn. l l).
O./lira Intensiv (00480 EK OeR NRW GrundR.Art.2 11 Freiheit Person Grob) Seite ] von 2
142
J u r a
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art 2 ll 2 GG / Freiheit der Person
C. RechtfertigungdesEingriffsin Art. 2 ll 2 GG
11. Schranken-Schranken
Clem. Art. 104 1 1 GG ist eine Freiheitsbeschränkung nur aufgrund eines Parlamentsgesetzes
zulässig. Dieses muss zudem FormvorschriRen enthalten, d.h. Zuständigkeit, Verfahren und
Form regeln (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 470).
Für Freiheitsentziehungenstellt Art. 104 11-IV GG weitere detaillierte Anforderungen auf.
An die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sind wegen des hohen Werts der Freiheit der
Person strenge Anforderungen zu stellen. Vgl. dazu im Einzelnen: Kingreen/Poscher,
Grundrechte. Rn. 476-478
Der konkrete Einzelakt muss den speziellen Anforderungen des Art. 104 11-IV GG genügen, wenn es sich
um eine Freiheitsentziehung handelt.
Weiterhin sind auch an die Verhältnismäßigkeit des Einzelakts strenge Anforderungen zu stellen.
143
Intensiv
Standort OR/Grundrechte
In der ZeitschriR Z wurden Fotos von der Prinzessin P abgebildet. Auf einem Bild ist P in einer
versteckten Nische eines Gartenlokals mit einem Freund in einer vertraulichen Situation abgebildet.
Ein anderesFoto zeigt P auf der Straßemit ihrem Sohn, wie sie ihn tröstet, nachdemer sich
gestoßenhatte.
P sieht in der VeröHentlichung der Bilder einen Verstoß gegen ihre Privatsphäreund gegen ihr
Recht am Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie klagt vor dem
Zivilgericht erfolglos auf Unterlassungder Verömentlichung der Fotos, auch die Berufung und
Revision bleiben ohne Erfolg. Daraufhin erhebt P Verfassungsbeschwerde vor dem
Bundesverfassungsgericht.Hierbei macht sie geltend, dass die Auslegung und Anwendung von $$
22, 23 KUG durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen gegen ihr allgemeines
Persönlichkeitsrecht verstießen.
Die weite Auslegung des $ 23 1Nr. l KUG dahingehend, dassdem Bereich der Zeitgeschichteauch
Personen zugeordnet werden, deren Bild die OHentlichkeit nur um der dargestellten Person willen
der Beachtung wert binde, beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht unverhältnismäßig
Des Weiteren sei bei der Auslegung und Anwendung des $ 23 1 Nr.l KUG verkannt worden, dass
das allgemeine Persönlichkeitsrechterfordere, dass die einwilligungsfreie Verönentlichung auf
Bilder beschränktwerde, die Personenvon zeitgeschichtlicher Bedeutung bei der Ausübung der
Funktionen zeigen, die sie in der GesellschaR wahrnehmen. Ebenso entspräche auch die
vorgenommene Auslegungvon $ 23 ll KUG nicht den AnforderungendesArt. 2 1i.V.m. 11GG. In
den angegriHenen Entscheidungen sei air die Auslegung des Tatbestandsmerkmalsdes
"berechtigten Interesses" das Kriterium herangezogen worden, ob sich die abgebildete Person in
ihrem häuslichen Bereich befindet. Nach Aumassung der P schränke jedoch das Kriterium des
häuslichen Bereichs die Privatsphäre unverhältnismäßig ein. Im übrigen müsse hinsichtlich der
Fotos,auf denendie P mit ihremKind abgebildetist, berücksichtigt
werden,dassdie
persönlichkeitsrechtliche Schutzposition der P noch durch Art. 6 GG verstärkt wird. Diesem
Umstand sei bei der Auslegung des $ 23 ll KUG jedoch nicht Rechnung getragen worden.
$ 22 KUGBildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zu Schau gestellt werden.
Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafur, dasser sich abbilden ließ, eine Entlohnung
erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen
des Abgebildeten.
$23KUG
(1) Ohne die nach $ 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte;
2. Bilder, aufdenen die Personennur als Beiwerk neben einer LandschaR oder einer sonstigen Ortlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen
teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellungangefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellungeinem höheren
Interesse der Kunst dient:
(2) Die Befiignis ersüecktsichjedochnicht aufeine Verbreitung und Schaustcllung,durch die ein berechtigtesInteresse
desAbgebildeten oder, fälle dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
©[z/ra ]ntensiv (00490 EK OeR NRW GrundR Paparazzi SV) Seite ] von ]
144
./ u r a
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeinesPersönlichkeitsrecht/
Drittwirkung von Grundrechten
A Zulässigkeit
1. Zuständigkeit
11.Antragsberechtigung, $ 90 1 BVerfGG
111.Beschwerdegegenstand,$ 90 1 BVerfGG
IV. Beschwerdebefügnis,$ 90 1 BVerfGG
V. Rechtswegerschöpfung,$ 90 ll l BVerfGG
VI.Form, 23 1BVerfGG
VII. Frist, $ 93 1 BVerfGG
VIII. Ergebnis
B Begründetheit
Eingriffin den Schutzbereich
1. Schutzbereich
2. Eingriff
11.VerfassungsrechtlicheRechtfertigung
1. Beschränkbarkeit
2. Verfassungsmäßigkeitder $$ 22, 23 KUG
a) Formelle VerEassungsmäßigkeit
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit
(1) Legitimer Zweck
(2) Geeignetheit
(3) Erforderlichkeit
(4) Angemessenheit
3. VerCassungsmäßigkeit des Einzelaktes
a) $ 23 1Nr.l KUG
(1) Legitimer Zweck
(2) Geeignetheit
(3) Erforderlichkeit
(4) Angemessenheit
(a) Recht$ertigungsan6orderungen
(b) Abwägung
b) $ 23 ll KUG
(1) Legitimer Zweck
(2) Geeignetheit
(3) Erforderlichkeit
A. Zulässigkeit
1. Zuständigkeit
Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichtsergibt sich aus Art. 93 1 Nr. 4a GG, $$ 13 Nr. 8a, 90 1
BVerfGG.
11.Antragsberechtigung, $ 90 1 BVerfGG
Antragsberechtigt ist jedermann, der Träger der in $ 90 1 BVerfGG genannten Rechte sein kann, also auch P als
natürlichePerson.
lll.Beschwerdegegenstand, $ 90 1 BVerfGG
Gem. $ 90 1 BVerfGG müssteBeschwerdegegenstand
ein Akt der öffentlichen Gewalt sein. Also solche
kommen Akte der Exekutive, der Legislative und der Judikative in Betracht. Vorliegend wendet sich P gegen die
zivilrechtlichen Entscheidungen und damit gegen Akte der Judikative.
IV.Beschwerdebefugnis, $ 90 1 BVerfGG
P müsstegem. Art. 93 1Nr. 4 a BVerfGG behaupten,in einem ihrer Grundrechteverletzt zu sein. Eine bloße
Verbalbehauptung ist nicht ausreichend, sondern es muss zumindest die Möglichkeit einer
145
2 Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeines Persönlichkeitsrecht /
Drittwirkung von Grundrechten
Grundrechtsverletzung bestehen.Voraussetzung fÜr die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ist, dass der
Beschwerdeführerdurch die angegrineneMaßnahme in seinerGrundrechtsstellungtangiert wird. Das ist der
Fall, wenn der Beschwerdefuhrer durch den angegrinenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig und unmittelbar
betroffen ist (BVerfGE 45, 204 [216]). Vorliegend macht P eine Grundrechtsverletzungihres allgemeinen
Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG geltend.
Fraglich ist jedoch, inwieweit die zivilrechtlichen Urteile hinsichtlich ihres inhalts überhauptder
Grundrechtsbindungunterliegen. Das Urteil eines Zivilgerichts kann durch seinen Inhalt ein Grundrecht des
Beschwerdeführersdann verletzen, wenn diesesGrundrecht bei der Urteilsfindung zu beachtenwar (BVerfGE 7,
198 [203])
V. Rechtswegerschöpfung, $ 90 ll l BVerfGG
Gem. $ 90 ll l BVerfGG kann die Verfassungsbeschwerdeerst nach Erschöpfungdes Rechtswegeserhoben
werden. Vorliegend hat P den Rechtsweg erschöpR.
VI.Form, 23 1 BVerfGG
Eine Einhaltung der FormvorschriR ist zu unterstellen
146
3 Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeinesPersönlichkeitsrecht /
Drittwirkung von Grundrechten
VIII. Ergebnis
Die Verfassungsbeschwerdeist zulässig
B. Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, soweit P durch die angegrimenen Urteile in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 1GG i.V.m. 1 1 GG verlebt ist.
l Schutzbereich
Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts müsste betroffen sein.
Das allgemeine Persönlichkeitsrechthat sich aus einem Teilbereich des Art. 2 1 GG in Verbindung mit
Art. 1 1 GG zu einem eigenen Grundrecht entwickelt. Seine Aufgabe ist es, im Sinne der Würde des
Menschen die engere persönliche Lebenssphäreund die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten,
die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen
(BVerfGE54, 148 [153]). Das allgemeinePersönlichkeitsrecht
sichert damit jedem Einzelneneinen
autonomenBereich privater Lebensgestaltung,in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann
(BVerfGE 79, 256 [268]). Der Grundrechtsträger erfährt dabei einen Schutz in zwei Richtungen: zum einen
dient das allgemeinePersönlichkeitsrecht
dem Schutz der Privatsphäre(BVerfGE 54, 148 [153]). Zum
anderen schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Darstellung des Grundrechtsträgers in der
OHentlichkeit (Sachs, GG, Art. 2, Rn. 71). Danach soll der Einzelne selbst darüber befinden dürfen, wie er
sich gegenüber Dritten oder der OHentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch
ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfugen können, indem sie diese zum
Ciegenstand ÖHentlicher Erörterungen machen (BVerfGE 35, 202 [220]). Das Bundesverfassungsgericht hat
hierzu Einzelverbürgungen anerkannt wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am eigenen Wort, das Recht
auf Gegendarstellung, der Schutz der Ehre und das Recht des Strafgefangenen auf Resozialisierung (vgl.
Sachs, GG, Art. 2, Rn.71). Darüber hinaus umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung,worunter man versteht, dass der Einzelne grundsätzlich selbst
entscheiden darf. wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte oHenbart werden
(BVerfGE65, 1 [41 f.]).
Die OfFentlichkeit erhält durch die Fotos Einblicke in das Alltags- und Privatleben der P, ohne dass sie sich
mit der Veröffentlichung der Fotoseinverstandenerklärt hat. Es ist damit ihr Rechtam eigenenBild und das
Recht ihrer Privatsphäre bedrohen. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist eröffnet.
2 Eingriff
Es müsstein den Schutzbereicheingegrinenwordensein. Durch die Urteile wird der Schutzbereichdes
allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverkürzt, ein Eingriff liegt damit vor
11.Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingri f:Fkönnte verEassungsrechtl
ich gerechtfertigt sein
l Beschränkbarkeit
Dann müsste der Eingriffdurch die Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gedeckt sein.
Fraglich ist, welchen Schranken das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht stützt sich aufArt. 2 1GG und Art. 1 1GG. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht könnte
entsprechend der Menschenwürde gem. Art. 1 1 GG unantastbar sein und damit keiner Einschränkung
unterliegen.Dagegensprichtjedoch, dassdie Verbindung desArt. 2 1GG mit der in Art. 1 1GG geschützten
Menschenwürde
lediglich als Interpretationsdirektive
und Schutzverstärkung
fur Art. 2 1 GG dient. Es sind
damit die SchrankendesArt. 2 1GG heranzuziehen,diejedoch infolge der Verknüpfung mit Art. 1 1GG in
der Verhältnismäßigkeitsprüfung verstärkten Rechtfertigungsanforderungen unterliegen. Demnach ist das
allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 1 GG nur im Rahmen der verEassungsmäßigen Ordnung
gewährleistet (vgl. BVerfG, EUGRZ 2000, 71 [78]). Als Teil der verfassungsmäßigenOrdnung kann jedes
Gesetz Schranke des Art. 2 1GG sein, also auch das vorliegende Kunsturhebergesetz.Dann müssten $$ 22,
23 KUG formell und materiell verfassungsgemäß sein.
147
4
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeinesPersönlichkeitsrecht /
Drittwirkung von Grundrechten
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
Hinsichtlich der formellen Verßassungsmäßigkeitder $$ 22, 23 KUG bestehenkeine Bedenken,da der
Bund gem. Art. 73 1Nr. 9 GG i.V.m. Art. 71 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenzhat.
b) Materielle Verfässungsmäßigkeit
$$ 22, 23 KUG musstenmateriellverfassungsmäßig
sein. Fraglichist hier lediglichdie
Verhältnismäßigkeit der Regelungen.$$ 22, 23 KUG müssten einen legitimen Zweck verfolgen und zur
Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.
(2) Geeignetheit
Die Regelungender $$ 22, 23 KUG müssten zur Zielerreichung geeignet sein. Nach $ 22 S. l KUG
dürftenBildnissenur mit Einwilligung des Abgebildetenverbreitet oder öffentlich zur Schaugestellt
werden. Von diesem Grundsatz nimmt $ 23 1 KUG u.a. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus
(Nr. 1). Dies gilt geld. $ 23 ll KUGjedoch nicht fÜr eine Verbreitung, durch die ein berechtigtesInteresse
des Abgebildeten verletzt wird. Mit diesem abgestuRen Schutzkonzept ist die Regelung geeignet, einen
angemessen
Ausgleichzwischen der Achtung der Persönlichkeitund dem Informationsinteresse
der
Allgemeinheit zu scharen.
(3) Erforderlichkeit
Ein milderes,gleich geeignetesMittel zur Zielerreichung ist nicht ersichtlich. Die Regelungist damit zur
Zweckerreichung auch erforderlich.
(4) Angemessenheit
Die Regelung müsste auch angemessen sein, d.h. der beabsichtigte Zweck dürre nicht außer Verhältnis
zur Schweredes Eingrins stehen. Dem Interesse der Abgelichteten aufAchtung der Persönlichkeit stehen
die Inüormationswünsche
der Öüentlichkeit
und die Interessen
der Medien,dieseWünsche
zu
beßiedigen, gegenüber.Das Informationsinteresse der ÖHentlichkeit wird dabei von der in Art. 5 12 GG
geschützten Pressefreiheiterfasst und unterliegt damit ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht
grundrechtlichen Schutz. Mit dem abgestuRen Schutzkonzept in $$ 22 S. 1, 23 1 und $ 23 ll KUG tragen
die Regelungensowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person als auch dem Informationsinteresse
der OHentlichkeit und den Interessender Medien, diese Wünsche zu befriedigen, ausreichend Rechnung
(BVerfGE 35, 202 [224 []); BVerfG, EUGRZ 2000, 71 [79]). ]m Übrigen bietet die Rege]ung mit ihren
offenen FormulierungenausreichendRaum fur eine grundrechtskon6ormeAuslegung und Anwendung
(BVerfG, EUGRZ 2000, 7 1 [76]). Die Rege]ung ist damit angemessen.
148
Intensiv
5
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeines Persönlichkeitsrecht /
Drittwirkung von Grundrechten
a) $231Nr.l KUG
In den angegriHenen Entscheidungen wird $ 23 1 Nr. l KUG dahingehend ausgelegt, dass dem "Bereich
der Zeitgeschichte" auch Bildnisse von Personenzugeordnet werden, die das öffentliche Interesse nicht
punktuell durch ein bestimmtes zeitgeschichtlichen Ereignis auf sich gezogen haben, sondem unabhängig
von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine ÖHentliche
Aufmerksamkeit finden. Des Weiteren erfolgt eine Auslegung dahingehend, dass die Verönentlichung
von Abbildungen von Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung auch außerhalb ihrer repräsentativen
Funktion als zulässig angesehen wird.
Fraglich ist, ob diese Auslegung verhältnismäßig ist.
(2) Geeignetheit
Die Auslegung des $ 23 1Nr. l KUG dahingehend,dassdem "Bereich der Zeitgeschichte" auch Personen
zugeordnet
werden,derenBild die Of6entlichkeit
lediglichum der dargestellten
Personwillen der
Beachtung wert findet, fördert zumindest die Befriedigung des Informationsinteresse. Ebenso dient es
auch dem Informationsinteresse, dass Bildnisse von Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung
außerhalb ihrer repräsentativen Funktion ohne deren Einverständnis veröüentlicht werden dürfen. Die
vorgenommene Auslegung und Anwendung sind somit geeignet.
(3) Erforderlichkeit
Die vorliegende Auslegung und Anwendung des $ 23 1 Nr. l KUG müssten erforderlich sein. Als
milderes Mittel könnte hier eine Auslegung dahin in Betracht kommen, dass dem "Bereich der
Zeitgeschichte" nur Bildnisse von Personenzugeordnet werden, die das öffentliche Interessedurch ein
bestimmtes zeitgeschichtlichen Ereignis auf sich gezogen haben. Dem steht jedoch entgegen, dass
gleichermaßen ein Informationsinteresse bezüglich der Personen besteht, die aufgrund ihres Status und
ihrer Bedeutung allgemeine Aufmerksamkeit erregen und auch fur Betätigungen außerhalb ihrer
repräsentativen Funktion.
Demnach sind die von den Zivilgerichten vorgenommene Auslegung und Anwendung erforderlich
(4) Angemessenheit
Die vorgenommene Auslegung und Anwendung des $ 23 1Nr. l KUG müsste angemessensein d.h. der
beabsichtigte Zweck darfnicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingrins stehen.
(a) Rechtfertigungsanforderungen
Fraglich ist, was fur Anforderungen an die Angemessenheit des Eingrims in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht zu stellen sind. Die Verknüpfiing des Art. 2 1 GG mit dem unbeschränkbaren
Art. 1 1GG macht deutlich, dasshöhere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen sind als
bei einem Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheitgem. Art. 2 1 GG. Um den verschiedenen
Bereichen der Persönlichkeitsentfaltung gerecht zu werden, wurde die Sphärentheorie entwickelt.
Nach dieser war zwischen Intim-, Privat- und Sozialsphäre zu unterscheiden.Ähnlich wie bei der 3-
Stu6en-Theorie im Rahmen des Art. 12 1 GG stieg von Stute zu Stube die SchutzbedürRigkeit der
Betroffenen. Gegen die Sphärentheoriespricht jedoch, dass sich einzelne Sphären nur schwer
abgrenzen lassen und sie fur verschiedene Menschen von verschiedenen Inhalten sind (Sachs, GG,
Art. 2, Rn. 105). Unabhängigvon der Konstruktionunterschiedlicher
Sphärensteigernsich die
RechtÜertigungsan6orderungen vielmehr mit zunehmender Intensität der Belastung der geistig
sittlichen Integrität der Person (Sachs, GG, Art. 2, Rn. 105). Lediglich der letzte unantastbare Bereich
privater Lebensgestaltung,
der der öffentlichenGewalt schlechthinentzogen ist, taucht als
Wesensgehalt oder Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weiterhin auf (BVerfGE 80,
367 [373
7
f.])
(b) Abwägung
Es bedarf einer Abwägung zwischen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsund dem
Informationsinteresse der Allgemeinheit unter Berücksichtigung der oben genannten
Recht6ertigungser6ordemisse.
Hierbeiist zu berücksichtigen,
dass$ 23 1Nr. l KUG nicht nur im
149
6 intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeines Persönlichkeitsrecht /
Drittwirkung von Grundrechten
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass prominente Personen in der Regel üür bestimmte
Wertvorstellungen und Lebenshaltungen stehen und Leitbild- oder Kontrastfiinktionen erfüllen. Dies
gibt nicht nur fur Personendes po]itischcn Lebens(BVerfG, EUGRZ2000, 71 [79]). Auch den
sogenannten "absoluten Personen der Zeitgeschichte", d.h. den Personen, deren Bild die
Öffentlichkeit um der dargestellten Person willen der Beachtung wert findet, kommt diese
LeitbildfÜnktion zu. so dassein schützenswertes Informationsinteresseder ORentlichkeit besteht.
Dem grundrechtlich geschützten Informationsinteresse der OfFentlichkeit steht dabei das Recht des
Abgebildeten auf Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegen. Die insoweit gebotene
Abwägungeröfhet $ 23 ll KUG dadurch,dassein berechtigtesInteressedesAbgebildetenzu prüfen
ist. Eine Auslegung des $ 23 1 Nr. l l(UG nach dem Maßstab des Informationsinteresses, bei welcher
auch die Bilder von " absoluten Personen der Zeitgeschichte" grundsätzlich veröffentlicht werden
dürften, erscheint somit angemessen (vgl. BVerfG, EUGRZ 2000, 71 [79 f]).
b) g 23ll KUG
$ 23 ll KUG wird dahingehend ausgelegt und angewendet, dass ein "berechtigtes Interesse" des
Abgebildeten nur dann bejaht werden kann, wenn sich die abgebildete Person in ihren häuslichen Bereich
zurilckgezogenhat. Nicht berücksichtigt wurde, dasses sich um einen Fall des familiären Umgangsmit
Kindern handelt. Diese vorgenommene Auslegung und Anwendung mussten verhältnismäßig sein.
(2) Geeignetheit
Durch die vorgenommeneAuslegung des Begrines des "berechtigten Interesses" wird beiden Interessen
Raum gegebenund somit der von $ 23 ll KUG bezweckte Interessenausgleichgefördert. Mithin ist die
Auslegung geeignet.
(3)Erforderlichkeit
Als milderes Mittel könnte eine Auslegung des Begrines des "berechtigten Interesses" dahingehend
erfolgen, dass das Kriterium des häuslichen Bereichs nicht zwingend erfüllt sein muss. Eine solche
Auslegung würde sich jedoch zu Lasten des Informationsinteresses auswirken. Es handelt sich somit nicht
um ein gleich geeignetes,milderes Mittel zur Erreichung eines Interessenausgleiches.Im Ubrigen muss
150
7 Intensiv
Standort: OR / Grundrechte
Schwerpunkte: Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG / allgemeinesPersönlichkeitsrecht /
Drittwirkung von Grundrechten
hierbei beachtetetwerden, dassbei der Wahl des Mittels ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht. Die
vorgenommeneAuslegung und Anwendung des $ 23 ll KUG sind somit auch erforderlich.
(4) Angemessenheit
Fraglich ist, ob das Heranziehen des Kriteriums des häuslichen Bereichs einen angemessenAusgleich
zwischen dem Informationsinteresseder OHentlichkeit und dem Schutzinteressedes Abgebildeten auf
Achtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsschaft. Dem Informationsinteresse kann nur dann genüge
getan werden, wenn das Alltags- und Privatleben von Personen der Zeitgeschichte der Berichterstattung
nicht vollkommen entzogen wird. Auf der anderen Seite muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Abgebildeten ausreichendbeachtet werden. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre erheblich
behindert, wenn der Einzelne nur im eigenen Haus der öffentlichen Neugier entgehen könnte. Deswegen
muss der Einzelne grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch in der freien, gleichwohl
abgeschiedenen Natur oder an Ortlichkeiten, die von der breiten OHentlichkeit deutlich abgeschieden
sind, in einer von öüentlicher Beobachtungfielen Weisezu bewegen(vgl. BVerfG, EUGRZ2000, 71
[77]). Demgegenüberwird das Informationsinteresse nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn der
Begriffdes "berechtigten Interesses" nicht an dem Kriterium des häuslichen Bereichs, sondern stattdessen
an dem Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit ausgelegt wird. Auf diesem Wege wird das Alltags-
und Privatleben von Personen der Zeitgeschichte der Bildberichterstattung nicht völlig entzogen. Das
Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung überwiegt gegenüberdem Informationsinteresse.
Ein enge Auslegung des BegriHes der "berichtigten Interessen" dahingehend, dasssie sich am Kriterium
des "häuslichen Bereichs" orientiert, ist somit unangemessen.
Femer verlangt die Rspr. fÜr diese Bilder einen Zusammenhangzur der zeitgeschichtlichenBedeutung
der Personender z. B. bei Urlaubsfotosnicht gegebensei(BGH, Urteil vom 03.07.2007,VI ZR 164/06).
Fraglich ist hemer, ob die vorgenommene enge Auslegung des Begrins des "berechtigten Interesses'
unangemessenist, soweit es um die Verömentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche
Hinwendung zu den Kindem zum Gegenstand haben. Es ist anerkannt, dass Kinder eines besonderen
Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl.
BVerfGE 24, 119 [144]; 57, 361 [383]; BVerfG, EUGRZ 2000, 71 [78]). Der Bereich, in dem Kinder sich
ßei von ößentlicher Beobachtungbuhlen und entfalten dünen, muss deswegenumfassendergeschützt
sein als dedenige erwachsener Personen.Auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern fällt
grundsätzlichin den Schutzbereich
von Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG. Der Schutzbereich
des
allgemeinen Persönlichkeitsrechtsernährtdann eine Verstärkung durch Art. 6 1und ll GG. Der Staat wird
verpflichtet, die Lebensbedingungen
des Kindes zu sichem, die fur sein gesundesAufwachsen
erforderlich sind und zu denen insbesonderedie elterliche Fürsorge gehört (vgl. BVerfGE 56, 363 [384J;
57, 361 [382 f.]; BVerfG, EUGRZ 2000, 71 [79]). Auch wenn es an den Voraussetzungen der ört]ichen
Abgeschiedenheit fehlt, überwiegt dann das durch Art. 6 GG verstärkte allgemeine Persönlichkeitsrecht
gegenüberdem Informationsinteresse.Dies wurde bei der Auslegung des Begrines des " berechtigten
Interesses"
nicht berücksichtigt.
Die von den Zivilgerichtenvorgenommene
Auslegungist damit
unangemessen.
151
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
$ 10 Online-Dttrchstlchung
Die VerfassLlngsschutzbehörde wird zur nachrichteridiensttichen Informationsbeschci#ung
ermächtigt,zllr Abwehr konkreter Gefahren für die tyfentliche Sicherheit heimlich Zugrjß auJ
informationstechnische Systemezu nehmen, dies ittsbesondere atlch tlnter Einsatz technischer
}dittel
$ 1l Internet- Uberwachung
Die Verfassungsschtltzbehörde wird ztlr Bekämpfung konkreter Gefühl"etafür die ö#entliche
Sicherheitzum heimlichen Beobachtenund sonstigen AulfkLärender Kommunikation tiber das
Internet ermächtigt. Dazu gehört insbesondereauch die verdeckte Teilnahme an seinen
Kommunikatiottseirtrichtungen tlrtd die Suche nach ihrtert.
Weitere VorschriRen des VSG regeln die Speicherung und Verarbeitung der auf diese Weise
gewonnenenErkenntnisse sowie deren Löschung. Ferner ist dem Zitiergebot des Art. 19 1 2 GG
genügt
152
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Online-Durchsuchung; Internet-Uberwachung
Die Ermächtigungen zur Online-Durchsuchung und zur Internet-Überwachung verstoßen gegen ein Grundrecht, wenn
ein nicht gerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich eines solchen vorliegt. Diesbezüglich ist zwischen den beiden
Regelungen zu diHerenzieren.
A. Online-Durchsuchung, $ 10 VSG
Der heimliche Zugriff auf informationstechnischeSystemekönnte gegen Art. 13 1 GG, Art. 10 1 GG und Art. 2 1
i.V.m. 1 1GG verstoßen.
[Xmn.: Wie die folgende Prüfung zeig!, lasst sich hier kaum haube!' zwischen "Schutzbereich" !ttld "Eirlgriß'
trenllell. Es ist daher atißailtechnisch zweckmäf3ig, diese Punkte zttsaluntenzu$assen.]
Allerdings vermittelt Art. 13 1GG eben nur raumbezogenenSchutzder Privatsphäre.Einen generellen,von den
Zugrimsmodalitäten unabhängigen Schutz gegen die Infiltration eines informationstechnischen Systems gewährt
Art. 13 1GG hingegennicht, auch wenn sich diesesSystemin einer Wohnungbefindet(BVerfG, RA 2008, 172;
Wegener,
JURA2010, 847[850]).
$ 10 VSG setzt weder voraus, dass physisch in die Wohnung eingedrungen wird, noch dassVorgänge innerhalb
der Wohnungwahrgenommen
werden. Spielendie Ver€assungsschutzbehörden
etwa über das Interneteinen
'Trcjaner" auf die auszulesende Festplatte eines Computers auC ist weder das eine noch das andere der Fall.
Jedenfalls soweit die Infiltration des betrogenen Rechners dessen Verbindung zu einem Rechnernetzwerk
153
2 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Online-Durchsuchung; Internet-Uberwachung
ausnutzt, lässt sie also die durch die Abgrenzung der Wohnung vermittelte räumliche Privatsphäre unberührt.
Der Standort des Systemswird in vielen Fällen fur die Ermittlungsmaßnahme ohne Belang und oRmals fÜr die
Behördenicht einmal erkennbar sein. Deshalb liegt ein Eingrif:Fin den Schutzbereich des Art. 13 1GG nicht vor.
[Xmtl. : Damit ist zugleich gesagt, dass $ 10 VSG nicht ztlm Eindl'innen in eine WohFutngel'tnächtigt. Dringt ein
Vellassungsschutzmitarbeitergleichwohl in eine Wohrulng ein, etwa um über eine Diskette einen " Trojaner
auszuspielen,bedarf dieses Eindringen einer gesonderten,'pon der Frage des ZugrjÜs au/ die Daterl
utlabhängigetl EI'mächtigurtgsgruttd]age.]
1. Schutzbereich betroffen
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die iteie Entßalttmg der Persönlichkeit. Hierzu haben sich in der
Rspr. des BVerf(3 Fallgruppen herausgebildet, in denen der Schutzbereich betroffen ist. Fragl ich ist, ob hier
ein solcherFall vorliegt.
a) Privatsphäre
In seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem
Einzelnen einen räumlich und thematisch bestimmten Bereich, der grundsätzlich frei von unerwünschter
Einsichtnahme b[eiben so]] (vg]. BVerfGE 27, 344 [350 n.]; 44, 353 [372 f.]; 90, 255 [260]; 101, 361
[382 f.]). Das Schutzbedürfnis des Nutzers eines informationstechnischen Systems beschränkt sich jedoch
nicht allein auf Daten,die seiner Privatsphärezuzuordnensind. Eine solcheZuordnunghängt zudem
häufig von dem Kontext ab, in dem die Daten entstandensind und in den sie durch Verknüpfiing mit
anderen Daten gebracht werden. Den Daten selbst ist vielfach nicht anzusehen, welche Bedeutung es für
den Betrogenen haben(Wegener, JURA 20 10, 847 [850]). Deshalb ist die Privatsphäre nicht betroffen.
b) Informationelle Selbstbestimmung
Seit dem "Volkszählungsurteil"des BVerfG (E 65, 1 ß.) ist bernerdas Recht auf informationelle
Selbstbestimmung anerkannt. Selbiges geht über den Schutz der Privatsphäre hinaus. Es gibt dem
Einzelnen die Befiignis, grundsätzlichselbst über die Preisgabeund Verwendung seiner persönlichen
Daten zu bestimmen (vg]. BVerfGE 65, 1 [431; 84, 192 [194]). "Persönliche Daten" ist dabei in einem
weiten Sinne zu verstehen. Es muss sich m.a.W. nicht um Informationen handeln, die bereits ihrer Art
nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschütztwerden. Auch der Umgang mit
personenbezogenen Daten, die fur sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach
dem Ziel des Zugrins und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfilngsmöglichkeiten,
C)Jurc7
Intensiv (00501 EK OeR NRW GrundR.BigBrother
Loes)Seite2 von 6
154
3 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Online-Durchsuchung; Internet-Überwachung
[Anm.: Fi]r das Recht aufinfotmatione]]e Se]bstbestilnmungbleiben danach die Fä]]e ilbrig. in denen
einzelne, gezielteZugri#e aufpelsonenbezogeneInformationetaerfolgen. Dies mag auch ltüttels eines
I'rojaners" geschehen. etwa eines solchen, det ge:belt nach einem bestimmten Datensatz sticht.]
[Amtt. 2: in pelsona]ei Hinsicht, die hier keine Rothespielt, so]] nach BVerfG. RA 2008, 172 ntu der
Nutzer des eigenen infotmationstechtlischen Systemsgeschützt sein. Mit anderen Worten könnte sich z.B.
ein Kunde eines Intettietcclfes nicht dagegen wehren, dass Daten über sein Nutzungsverhaltetl ausgelesen
werden, die sich noch aufdal dortigen Festplatten beenden.]
2. Eingriff
$ 10 VSG ermöglicht auch und gerade einen Zugrif:l: auf derartige Massenspeicher.Mithin liegt ein Eingriff
in den Schutzbereich des Rechtsauf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systemevor.
3 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingrif:l' ist verfassungsrechtlichgerechtfertigt, wenn er von den Schrankendes Grundrechts gedeckt ist
a) Schranken
Zu dcn Schrankendes allgemeinen Persönlichkeitsrechtsgehört insbesonderedie in Art. 2 1GG genannte
Verfassungsmäßige Ordnung". Darunter ist grds. jeder Rechtssatz zu verstehen. $ 10 VSG ist ein
Parlamentsgesetz und damit jedenEalis taugliche Schranke des Grundrechts.
b) Schranken-Schranken
Allerdings muss die Schranke ihrerseits wiederum verCassungskonHorm sein, d.h. sie darf nicht gegen
sonstige Bestimmungen des Grundgesetzesverstoßen. In formeller Hinsicht liegen keine Anhaltspunkte
fur eine Verfassungswidrigkeit vor. Insbesondere besteht die Gesetzgebungskompetenz des Landes aus
Art. 70 GG, da es sich um eineder Gefahrenabwehr
dienende
Norm handeltfur die eine
Bundeskompetenznach Art. 70 ft GG nicht ersichtlich ist. In materieller Hinsicht muss ein
grundrechtsbeschränkendesGesetz vor allem den Vorgaben der Art. 19 und 20 GG genügen. Dazu gehört
155
4 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Online-Durchsuchung; Internet-Uberwachung
auch der aus Art. 20 111GG ableitbare GrLmdsatz der Verhältnismäßigkeit. Verhältnismäßig ist eine
Norm, die zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, cr6orderlich und angemessenist.
(2) Geeignetheit
Durch den heimlichenZugriff auf informationstechnischeSystemewerden die Möglichkeiten der
Verßassungsschutzbehörde
zur Aufklärung von Bedrohungslagen erweitert. Sie erlauben den Zugriff auf
Daten und damit die Gewinnung von Erkenntnissen, die anderweitig nicht hätten gewonnen werden
können. Darunter mögen auch solche sein, die der Gefahrenabwehr dienen. Somit ist $ 10 VSG geeignet,
den o.g. Zielen zu dienen.
(3) Erforderlichkeit
Ein ebenso wirksamer, aber den Betrogenen weniger belastender Weg zul In6ormationsgewinrlung ist
nicht ersichtlich.Zwar mag eine offene Durchsuchungdes Zielsystemsgegenüberdem heimlichen
Zugriff als milderes Mittel anzusehen sein. Eine solche Möglichkeit scheidet aber dann aus, wenn der
BetrofT'enevon der Datenerhebungkeine Kenntnis haben soll, etwa weil die Ermittlungsbehörden horten,
er werde das informationstechnischeSystem weiterhin nutzen und ihnen auf diese Weise weitere
Erkenntnisse liefern. OHene Durchsuchungen mögen also milder sein, sie sind aber in vielen Fällen nicht
gleich eßektiv. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist somit nicht verletzt.
(4) Angemessenheit
Das Gebot der Angemessenheit(oder "Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne") verlangt, dass die
Schweredes Eingrins bei einer Gesamtabwägungnicht außer Verhältnis zu dcm Gewicht der ihn
rechtfertigenden
Gründestehendarf(vgl. BVerfGE 90, 145 [173]; 109,279 [349 ft]; 113,348 [382]).
Der Gesetzgeberhat das Individualinteresse, das durch einen Grundrechtseingriff beschnitten wird, den
Allgemeininteressen, denen der Eingriff dient, angemessenzuzuordnen. Die Prüfling an diesem Maßstab
kann dazu fuhren, dass ein Mittel nicht zur Durchsetzung von Allgemeininteressen angewandt werden
darf weil die davonausgehenden
Grundrechtsbeeinträchtigungen
schwerer
wiegenals die
durchzusetzendenBelange(vgl. BVerfGE 115, 320 [345 f]; BVerfG, NJW 2007, 2464 [2469]).
Der Eingriff in dasallgemeinePersönlichkeitsrechtist hier besondersschwerwiegend.Es wird auf sehr
umfangreichesDatenmaterialzugegriHën. Eine Erhebung solcher Daten beeinträchtigt mittelbar die
Freiheit der Bürger, weil die Furcht vor Uberwachung, auch wenn diese erst nachträglich einsetzt, eine
unbefangeneIndividualkommunikationverhindem kann. Dazu trägt vor allem die Heimlichkeit der
staatlichenErmittlung bei. Zudem weisen solche Datenerhebungeneine beträchtliche, das Gewicht des
Eingrins crhöhende Streubreite auC als mit den Kommunikationspartnem der Zielperson
notwendigerweise Dritte erfasst werden. Schließlich ist auch zu bedenken, dass durch den Eingriff in das
informationstechnische System dessen Funktion beeinträchtigt werden kann.
Auf der anderenSeite stehenaber auch gewichtige staatlicheRegelungsinteressen.
Der Schutz vor
Straßaten,insbesondereterroristischen Anschlägen, und der Bestand der Bundesrepublik Deutschland
haben überragende Bedeutung fur das Gemeinwohl.
Ein solches Spannungsverhältniszwischen individuellem Abwehr- und staatlichem Regelungsinteresseist
im Wege der "praktischen Konkordanz" zu lösen. Es ist ein Ausgleich der widerstreitenden Interessenzu
erreichen (vgl. BVerfGE 109, 279 [350]). Dies kann dazu nähren, dass bestimmte intensive
Grundrechtseingrime einerseits zwar nicht von vornherein unzulässig sind, andererseits aber nur bei
besonderenGefährdungslagen
vorgenommenwerden dürfen (vgl. BVerfGE 115, 320 [358]).
EntsprechendeEingrinsschwellen sind durch die gesetzliche Regelung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE
100, 313 [383 f.]; 109, 279 [350 n]; 1 15, 320 [346]). $ 10 VSG beschränkt die On]ine-Überwachung
aber nicht auf den Schutzsolcher überragend wichtiger Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die
Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt
(Funktionsfähigkeit des Staates,Menschenwürde, Leben usw.). Vielmehr lässt er sie bei jedweder Gefahr
fur die ÖHentliche Sicherheit zu. Darin liegt ein unangemessener Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Menschen.
156
5
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Online-Durchsuchung; Internet-Uberwachung
$ 10 VSGverstößtgegenArt. 2 1i.V.m. 1 1 GG
[Allm. : Neben der Beschränkutag au/den Schutz überragend wichtiger Güter(1.) Jlordert das Bret:fG im Rahmeta
der praktischen Konkordanz, dass der Eingri#in die yeitraulichkeit und Integrität in$ormationstechriischerSysteme
unter Richtervorbehalt gestellt weiden muss(2.) undjedenfalls ein Kernbereichprhater Lebensgestaltungvöllig
unangetastetbleiben milsse(3.), wie etwa das intime yei'hältnis unter Ehegattenoder die Beziehungzu iht'en
Kindern(BVerfG, RA 2008, 172).Aufdie letztenbeidetaKriterien. die eber\fallsnicht vorliegen.kottlmt es hier nicht
mehr an. Jedoch ist festzuhalten.dass die Angemessenheit
)lur bejaht werden kann, wenn diese drei
rolattssetztingen kttmtt[atlv voriieget2.]
B. Internet-Uberwachung, $ 1l VSG
Fraglich ist, ob die Ermächtigung zum (heimlichen) Aufklären des Internetverkehrs in $ 11 VSG verfassungsgemäß
ist
2. Informationelle Selbstbestimmung
Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht betrogen. Eine Kenntnisnahme ößentlich
zugänglicher Informationen ist dem Staatgrundsätzlich nicht verwehrt. Daher wird der Schutzbereichdes
allgemeinen Persönlichkeitsrechtsnicht tangiert, wenn eine staatliche Stelle auf im Internet verfugbare
Kommunikationsinhalte zugreiR, die sich an jedermann oder zumindest an einen nicht weiter abgegrenzten
Personenkreis richten. So liegt es etwa, wenn die Behörde eine allgemein zugängliche Webseite aufruf, eine
jedem Interessierten
oben stehendeMailingliste abonniertoder einen arenen Chat beobachtet.Aber auch
wenn der Verfassungsschutz unter falscher Identität an einer Online-Kommunikation mitwirkt, liegt es so.
Niemand kann im anonymen Internet darauf vertrauen, dass der Kommunikationspartner tatsächlich eine
authentischeIdentität verwendet (vgl. zu Ermittlungen durch verdeckte Ermittler BVerwG, NJW 1997,
2534). Es ist jedem Teilnehmer bewusst, dass er die Identität seiner Partner nicht kennt oder deren Angaben
tiber sich jedenfalls nicht überprüftenkann. Sein Vertrauen darauf dass er nicht mit einer staatlichen Stelle
kommuniziert, ist in der Folge nicht schutzwürdig.
[Anm.: Nach Ansicht des BVerfG beschränktsich dieser andererseitsaber auch auf das heimliche
Übel'wachen der Kommunikation. Art. 10 1 GG schütze hingegen )licht davor, dass das Vel't)'Quellin die
Idetatität des Kommutlikationspartners etattäuschtwerde. Die Benutzungjatscher Identitäten ist danach kein
Eingrißl, solange dem Kommunikationspartnernur klar ist, dass er kommurüziertund dass seine
Kommlinikation lvahrgenomltlen wird (B yellfG, RÄ 2(]08, } 72).]
157
6 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: On]ine-Durchsuchung;
internet-Uberwachung
2 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Dieser Eingriffkönnte durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 10 ll l GG als Schranke gedeckt sein. $ 11 VSG
ist ein Parlamentsgesetz
in diesem Sinne. Allerdings rechtfertigt der Gesetzesvorbehalt
einen
GrundrechtseingriH'nur, wenn die eingrei mendeNorm ihrerseits auch im Übrigen verfassungsgemäßist, also
den sog. "Schranken-Schranken" des Grundgesetzes genilgt. Als solche kommt hier wiederum der aus Art.
20 111GG ableitbareGrundsatzder Verhältnismäßigkeit in Betracht. Dassdie Abwehr von GefahrenfUr die
ÖHentliche Sicherheit ein legitimer Zweck ist, wurde oben zur Online-Durchsuchung bereits ausgeführt.
Ebenso gelten die obigen Ausführungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit hier sinngemäß: Zur
Geeignetheit genügt bereits eine Zweckfärderung, die in der Erweiterung der Kenntnisnahmemöglichkeiten
durch die Verfassungsschutzbehördenliegen, und in einer offenen Teilnahme am Internetverkehr mag eine
mildere, aber vieiEacheben nicht gleich eHektive Erkenntnismöglichkeit
liegen, sodassauch die
Erforderlichkeit nicht entßä1lt.Fraglich bleibt nach alledem, ob die Internet-Uberwachungin der geregelten
Form nach dem Grundsatz "praktischer Konkordanz" angemessen ist. Hierzu sind die widerstreitenden
Interessen in einen Ausgleich zu bringen.
Für einen besondersintensiven Eingriffspricht emeut, dass er heimlich vonstatten gehen kann und dadurch
beim Bürger eine besondere Sorge vor Überwachtmg hervorgerufen wird, die eine unbeschwert-freie
Kommunikation hemmt. Zudem nimmt der Staat zwangsläufig auch von der Identität Dritter Kenntnis, also
etwa von Kommunikationspartnern, die selbst nicht in die Gefährdung der ÖHentlichen Sicherheit involviert
sein mögen. Ein derart schwerwiegender Grundrechtseingriff setzt - ähnlich wie die Online-Durchsuchung
auch unter Berücksichtigung des erheblichen Gewichts der Ziele des VerfassLmgsschutzes die Beschränkung
auf bestimmte, besonders erhebliche Gefährdungssituationen voraus. Indem $ 11 VSG jedoch jede
Gefährdung
der ÖHentlichen
Sicherheitzulässt,geht die Norm unverhälmismäßig
weit. Die
verfässungsrechtl
scheRechtfertigunggelingt nicht.
l,krim.: Im Lichte des Ärt. 10 1 GG fordert das BVerfG - insoweit ebetifatls vergleichbar mit der Otatine-
Dut'chsuchting -, dass das Gesetzbel der Intarlet- tJberwachung den Ket'tlbereichsprivater' LebetasgestaltungvÖllIg
iinarlgetastet lassen muss. Ittt Unterschied zur Online Durchsuchung fordert das Gericht hier aber keinen
Richteworbehatt.]
Literatur:
B Schoah, Der verEassLmgsrechtlicheSchutz des Fernmeldegeheimnisses, JURA 20 1 1, 194
e Wegener, Das "neue Grundrecht" auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität inHormationstechnischer
Systeme,
JURA2010, 847
158
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Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/ Art. 10 1 GG/ Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
A.Konkurrenzen
l Personeller Schutzbereich
Geschützt sind Ausländer wie Deutsche sowie inländische juristische Personendes Privatrechts nach Art.
19 111GG (Jarass/Pieroth,GG, Art. 10, Rn. 10). Weiterhin muss die betreffendePersonals Partner am
Kommunikationsvorgang beteiligt sein, d.h. als Absender oder als Empfängerauftreten. Nicht geschützt ist
nach h.M. das Kommunikationsunternehmen selbst. Denn das Brief-, Post- und Femmeldegeheimns
besteht nicht in ihrem Interesse, sondem zum Schutz der Kommunikationsteilnehmer (Schoah, Jura 20 1 1,
ILJ4 11q91\
11 Sachlicher Schutzbereich
Nach seinem Wortlaut verbürgt Art. 10 1 GG mehrere Grundrechte. Wegen der gleichen Struktur
des Grundrechtsschutzes
kann Art. 10 1 GG jedoch auch als einheitlichesGrundrechtauf
Vertraulichkeit individueller Kommunikation angesehenwerden.Das hat zudem den Vorteil, dass
sich Abgrenzungsprobleme zwischen den geschützten Teilbereichen des Art. 10 1 GG
vermeiden lassen(vgl. Jarass/Pieroth,GG, Art. 10, Rn. l).
Def: Das Briefgeheimnis schützt alle erkennbar individuellen schriRlichen Mitteilungen davor, dass
die öffentliche Gewalt von dem Inhalt Kenntnis erlangt (Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 851).
Bei verschlossenenSendungengenügt es, dasssie eine individuelle Mitteilung enthalten könnten,
denn der Verschlusssoll gerade dafür sorgen, dass ihr Inhalt nicht erkannt werden kann
(Jarass/Pieroth,GG, Art. 10, Rn. 3). Für den oüenen Versand (z.B. Postkarten) ist fraglich,ob der
Schutzbereich des Art. 10 1 GG eröfhet ist. Dafur spricht das Gebot des effektiven
Grundrechtsschutzes
(vgl. BVerwGE 76, 152 [153f]; Jarass/Pieroth,
GG, Art. ]O, Rn. 3). Nicht
erfasst werden jedenfalls Drucksachen, die erkennbar nicht individuelle schriftliche Mitteilungen
beRördem wie z.B. Zeitungs- und Büchersendungen oder PostwurEsendungen (Funke/Lüdemann,
JuS 2008, 780 [781])
Def: Das Postgeheimnis schützt die körperliche Übermittlung von Infomlationen und Kleingütern
durch Postdienstleister(Jarass/Pieroth, GG, AR. 10, Rn. 4).
Geschützt sind demnach Briefe, Pakete, Päckchen, wobei durchaus Überschneidungen mit dem
Briefgeheimnis bestehen. Bedeutung hat das Postgeheimnis vor allem deshalb, weil es über das
Briefgeheimnis hinausgeht, indem es auch denjenigen Sendungen Schutz gewährt, die keine
individuellen Mitteilungen enthalten wie die oben erwähnten Zeitungs- und Postwurßendungen
(Funke/Lüdemann,
JuS2008,780[782]).
159
W
Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 10 1 GG / Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
Def: Das Fernmeldegeheimnis schËltzt die gesamte individuelle Kommunikation Elberdas Medium
drahtloser oder drahtgebundener elektromagnetischer Wellen, wobei es weder auf die konkrete
Übermittlungsartnoch auf die Ausdrucksform ankommt. Geschiltzt sind demnach Telefon- und
Telegrammverkehr, aber auch dielKommunikation liber Mobilfunk und Internet (Schach. Jura 2011,
194 [194f., 197]).
2. GeschütztesVerhalten
Geschützt ist der gesamte Kommunikationsvorgang, von der Absendung der Nachricht bis zu ihrem
Empfang. Das betrifft einerseits den Inhalt der Information sowie andererseits Mitteilungspflichten
betreffend Ort, Zeit und Art und Weise der Kommunikation (Jarass/Pieroth,GG, Art. 10, Rn. 6-9).
Einen Eingriffin das Grundrechts aus Art. 10 1 GG stelltjede Erfassung, Speicherung und Weitergabe von
Kommunikationsinhalten und -daten dar, insbesondere das Abhören von Telefongesprächen. Fraglich iq
ob das auch fur die sog. betriebsbedingten Maßnahmen gilt. Darunter wird die Kenntnisnahme der Post
von Kommunikationsinhaltenverstanden,die der Vermittlung der Kommunikationund der Vermeidung
von Störungendienen,z.B. Sortierender Briefe fur die Zustellung.Hier fehlt esjedenfalls am Eingriff
wenn die streitige Maßnahmeschlechterdingsunerlässlichist, um die Kommunikation zu vermitteln und
von den Benutzern auch vorausgesetztwird (Kingreen/koscher, Grundrechte, Rn. 862-868).
Kein Eingriff ist die bloße Verhinderung von KommLmikation, da insoweit andereGrundrechte einschlägig
sind. Des Weiteren ist auch das vom Empfänger gestattete Mithören/Mitschneiden von Telefongesprächen
kein Eingrin. Denn in diesem Zusammenhang ist nicht das Vertrauen in die Sicherheit der zur
Kommunikationsübermittlung eingesetzten Einrichtung verletzt, sondern das personengebundene
Vertrauenin den Kommunikationspartner.
Es liegt also ein Fall des Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 1 GG
(Recht am eigenen Wort) vor(Schoah, Jura 2011, 194]198]).
Verpnichteter des Grundrechts ist der Staat. Im Übrigen gelangt Art. 10 1 GG nicht unmittelbar zur
Anwendung, d.h. gegenüber privaten Kommunikationsunternehmen kommen die Grundrechte nur
mittelbar über ihre Ausstrahlungswirkung zum Zuge. Ferner trier den Staat eine Schutzpflicht hinsichtlich
der in Art. 10 1 GG genanntenGrundrechte, d.h. er hat per Gesetz sicherzustellen,dass auch
Privatunternehmendiese Grundrechte ausreichend beachten(Funke/Lüdemann, JuS 2008, 780 [782]).
1. Art.10111 GG
Die Norm enthält einen einfachen Gesetzesvorbehalt(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 869).
2. Art. 10 ll 2 GG
Art. 10 112 GG erweitertden Gesetzesvorbehalt dcs Art. 10 11 1 GG. Die Norm stellt eine
Ausnahmevon der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV l GG dar, vgl. Art. 19 IV 3 GG. Ihre
Verßassungsmäßigkeit
ist fraglich.Zum Teil wird in der Norm ein VerstoßgegenArt. 79 111GG
i.V.m. Art. 1 1, 20 111GG gesehen, so dass es sich um eine verfassungswidrige Verfässungsnorm
handeln soll. Das BVerfG hingegen hat die Bestimmung bei der gebotenenrestriktiven Handhabung
f:Ürverfassungskonformerklärt (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 873).
11. Schranken-Schranken
Von besonderer Bedeutung ist das Bestimmtheitsgebot. Die Voraussetzungen und der
Umfang des EingriHs massensich erkennbaraus dem Gesetz ergeben.Der
Verwendungszweck muss bereichsspeziflschund präzise bestimmt werden. Weiterhin ist der
Betrogene von der heimlichen Überwachungzu unterrichten,sobald der Zweck der
Maßnahme dadurch nicht mehr gefährdet wird (Schoch, Jura 201 1, 194 [198f, 202]; Lepsius,
Jura2006,929[934-936]).
Darüberhinaussindmit Blick aufdie intensiveEingrimswirkungim Fall desArt. 10 ll 2 GG
an die Verhältnismäßigkeitsprüfiing besondersstrengeAnforderungen zu stellen. So muss die
in der Norm vorgesehene parlamentarische Kontrolle vertahrensmäßig und materiell der
gerichtlichen Kontrolle gleichwertig sein. Die Kontrollergebnissedürftennur zu den in Art.
10 [1 2 GG genanntenZwecken verwendet werden (Schach, Jura 201 1, 194 [204]).
2 (ggf.) Verfassungsmäßigkeit des eingrei lenden materiellen Gesetzes
161
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162
Intensiv
Standort OR / Grundrechte / Art. 3 1 GG / Allgemeiner Gleichheitssatz
Art. 3 1GG ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich behandelt wird
A.Ungleichbehandlung
Def: Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn wesentlich Gleiches ungleich
behandelt wird. Das ist der Fall. wenn eine Personengruppeoder Situation rechtlich anders behandelt wird als eine
vergleichbare andere Personengruppe oder Situation (BVerfGE 49. 148 [165]l Schoch, Übungen im Öffentlichen
Recht 1.S. 292).
Um eine solche Ungleichbehandlung festzustellen bedarf es der Festlegung eines gemeinsamen Oberbegrins als
Bezugspunkt, unter den die verschiedenen Personengruppen oder Situationen fallen (Kingreen/Poscher,
Grundrechte, Rn. 487).
An der Vergleichbarkeit der unterschiedlich behandelten Personen oder Situationen fehlt es insbesondere, wenn
sie nicht derselben Rechtsetzungsgewalt unterfallen (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 485).
Eine Ungleichbehandlung auch in Gestalt einer indirekten (mittelbaren) Diskriminierung auftreten, z.B. wenn eine
gesetzliche Regelung zwar geschlechtsneutral €onnuliert ist, tatsächlich aber in erster Linie zu Nachteilen bei
Frauen fuhrt.
Die Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht. Denn das GG verbietet nur
die grundlose Ungleichbehandlung, will aber nicht eine absoluteGleichheit erzwingen. Ansonsten wäre Art. 3 11,
111GG, der eine Ungleichbehandlung nur aus bestimmten Gründen verbietet, überflüssig.
a) ggf An.191,11GG
b) ggf sonstigeVerfassungsprinzipien
c) Verhältnismäßigkeit
Fraglich ist, ob auch bei den Gleichheitsgrundrechten eine VerhältnismäßigkeitsprüfÜng
durchzufuhren ist. Das ist nach der sog. neuen Formel der Fall, wenn verschiedene
Personengruppenund nicht nur verschiedene Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden; das
gilt insbesondere, wenn die betroffenen Personen das Unterscheidungsmerkmal kaum oder gar
nicht beeinflussenkönnen (z.B. Alter) oder das Dinerenzierungskriterium einemder verbotenen
Unterscheidungsmerkmaledes Art. 3 111GG ähnelt. hemer ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfiing
geboten, wenn die Ungleichbehandlungzugleich in den Schutzbereicheines speziellen
Freiheitsgrundrechts eingreiR. Dahingegen verbleibt es bei der bloßen Willkürprüfung vor allem
im Bereich der Leistungsverwaltung, z.B. bei Subventionen (Jarass/Pieroth,GG, Art. 3, Rn. 17-
25)
[st nach Maßgabe dieser Kriterien eine Verhä]tnismäßigkeitsprüfÜng durchzufuhren, sind
folgende Gesichtspunkte zu prüfen:
aa) Legitimes Ziel des Gesetzes,d.h. der Ungleichbehandlung
bb) Verwendung zulässiger Dinerenzierungskriterien, d.h. Beachtung der Anforderungen der
speziellen Gleichheitssätze.
SpezielleGleichheitssätze
finden sich in Art. 3 11,111,6 1, V, 33 1-111,
38 1 1 GG. Dort
werden bestimmte Unterscheidungsmerkmale genannt, die unzulässig sind, so dass sie von
vornherein keinen sachlichen Grund fur eine Ungleichbehandlung darstellen können. Bei
Verwendung eines solchen verbotenen Unterscheidungsmerkmals ist daher grundsätzlich
eine Verletzung des Gleichheitsgrundrechtsgegeben.
Intensiv
Standort OR/Gr!
Eine Ausnahmebestehtallerdings, wenn die Ungleichbehandlungunter Verwendungeines
verbotenen DiHerenzierungskriteriums aufgrund äußerer Umstände, die der Gesetzgeber
nicht beeinflussenkann (z.B. Mutterschutznur fÜr Frauen)oder durch kollidierendes
Verfassungsrecht (z.B. Art. 3 ll 2, 12a IV 2 GG) legitimiert werdenkann. In dieser
Situation ist das verbotene Unterscheidungsmerkmal ausnahmsweise zulässig, wobei
jedoch die restliche Verhältnismäßigkeitsprüfüng besonders streng auszufallen hat.
Anm:l Bei Vorliegen eines speziellen Gleichheitssatzes ändert sich am PrüfÜngsaufbau
nichts. Allerdings ist An. 3 1 GG dann nicht zu zitieren, da die speziellen
Gleichheitssätze hinsichtlich der dort geregelten Dinerenzierungskriterien
vorrangig sind (vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 2).
cc) Geeignetheit der Ungleichbehandlung
dd) Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung
VerhältnismäßigkeitsprüfÜng.
EigenständigePrüftJngist auf dieser Ebene allerdings nur sinnvoll, wenn das Gesetz der Verwaltung
bczüglich der Gleichbehandlung/Ungleichbehandlung noch einen Entscheidungsspielraumlässt.
© ./lira Intensiv (00530 OeR NRW GrundR.Art 3.1 alle Gleichheitssatz Grob) Seite2 von2
164
Standort Intensiv
$ätz"
Konkurrenzen
H.M.: bei Ungleichbehandlungenist allein Art. 3 1111, 1. Fall GG und nicht Art. 3 ll GG Prü tb (BVerfGE
85,1911206])
Arg.: Art. 3 ll GG ist lex specialis bezüglich der Di ig der Gleichberechtigung der Geschlechter
A.A.: Art. 3 ll und 3 1111 GG sind zu prüfen
A Inhaltsgleichheit
B
Ungleichbehandlung
Ung=chend istdfäktische Auswirkung => nach neuerer Rspr. (BVerfGE 89,2761288]) kommt es nicht darauf an, ob
Dct
Abstammung ist die natürlich biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren (BVerfGE
Def Rasse ist die Gruppe von Menschen mit bestimmten vererbbaren Merkmalen, wobei cs ausreicht. wenn die
Staatsgewalt von der Existenz der Merkmale ausgeht. '
Def: llcimat ist der örtliche Herkunltsort,also der Bereich, durch den man während seiner Kinder- und
Jugendjahre gcpdigt wird (BVerfGE 5,17122]).
Det
(B\rerFGi48,281[288]).ch'sozialeAbstammungund Verwurzelung,insb. die sozialeStellung der Ehem
Def:
Spracheschützt vor Diskriminierungen aufgrund der M uttersprachcinkl. Dialekten.
aber:
Festlegung des Deutschen als Amtssprache ist keine Diskriminierung (BVerFGE 64, 135[ 156]).
Def Glaube um fasstauch areligiöse Einstellungen.
Def:
politische Anschauung umfasst "Haben" sowie Äußem und Umsetzung der Einstellung (BVerwGE
g1:29911Q4]L ' '
C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
[. Forme]]e VerEassungsmäßigkei{
GesetzgebungskompetenzrVerEahren
1. Wesentlichkeitstheorie
4. Verhältnismäßigkeit
StrengePrüfung:
1. Feststellung des Di ncrenzierungsziels
2. Gecignethcit und Notwendigkeit der Ungleichbehandlung
165
Intensiv
Fall: ''Martina"
Der 21jährige, deutsche Staatsangehörige Martin M. fühlt sich dem weiblichen Geschlecht
zugehörig.Er bekennt sich offen zu seiner Transsexualität und tritt seit seinem 17. Lebensjahr
seineräußerenErscheinungnach privat wie in der ÖHentlichkeit als Frau auf. Im Freundes-und
Bekanntenkreis lässt er sich mit "Martina" anreden.
M beabsichtigt nun, seinen Vornamen auch oHlziell von "Martin" in "Martina" umändern zu lassen
und stellt einen entsprechendenAntrag beim örtlichen Amtsgericht. Dieses ist von dem ehrlichen
und dauerhaRenZugehörigkeitsempHmden des M zum weiblichen Geschlecht überzeugt, nachdem
es hierzu die zwei nach $ 4 111des Transsexuellengesetzes(TSG) notwendigen, unabhängigen
Sachverständigengutachten eingeholt hat, sieht sich an der Stattgabedes Antrags jedoch durch $ 1 1
Nr. 3 TSG gehindert.
$ 1 TSG lautet:
$ 1 Voraussetzungen.
(1) Die Vornamen einer Person,die sich aufgrund ihrer transsexuellenPrägung nicht mehr dem in
ihrem Geburtseintrag angegebenen,sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und
seit mindestensdrei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechendzu leben, sind
auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
1. sie Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist oder wenn sie als staatenlosenoder heimatloser
Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder als Asylberechtigter oder ausländischerFlüchtling
ihren Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und
2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr ZugehörigkeitsempHindenzum
anderenGeschlecht nicht mehr ändern wird, und
3. sie mindestens funftindzwanzig Jahre alt ist.
(2) in dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künRig fuhren will.
t:''8BEUU$BIUUHË%=$ZË='
123) die entsprechende Altersgrenze fÜr Namensänderungen nach Geschlechtsumwandlungen ($ 8 1
TSG, sogen. "große Lösung") bereits fur verfassungswidrigerklärt habe. Seither sei eine
Namensänderungnach Geschlechtsumwandlungohne Altersbeschränkung möglich. Dann müsse
dies aber erst Recht fur die wesentlich weniger belastende"kleine Lösung" einer Namensänderung
ohne Operation gelten.
A Formel le Verfassungsmäßigkeit
B. Materielle VerEassungsmäßigkeit
Vereinbarkeit
mit Art. 3 1GG
1. Wesentlich Gleiches
2. Ungleichbehandlung
3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
a) VerßassungsgemäßerZweck
b) Verfassungsgemäßes Mittel
c) Verfassungsgemäße
Zweck-Mittel-Relation
(1) Hohe Belastungsintensität
(a) Personenbezogene Merkmale
(b) Freiheitsgrundrechte betrogen
(c) Keine Einflussmöglichkeit
(2) Verhältnismäßigkeit
(a) Geeignetheit
(b) Erforderlichkeit
(c) Angemessenheit
11. Vereinbarkeit mit Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1GG
1. Schutzbereich betrogen
2. Eingriff
3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
$ 1 1 Nr. 3 TSG ist ver€assungsgemäß,sofem die formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen: die das
Grundgesetzan den Erlass von Bundesgesetzenstellt.
A Formelle Verfassungsmäßigkeit
In formeller Hinsicht müsste$ 1 1 Nr. 3 TSG vom zuständigenOrgannach ordnungsgemäßem
Verfahrenin der
i;iUi?;is'ißSUus$%!i
VSBB$q Ë
Personenstandswesens
nicht ein. Die EinhaltungdesVerfahrensnachArt. 76 ft GG und der FormdesArt. 82 GG
unterliegt keinem Zweifel.
B Materielle Verfassungsmäßigkeit
Fraglich ist, ob $ 1 1 Nr. 3 TSG auch in materieller Hinsicht mit dem GG vereinbar ist. In Betracht kommt
insbesondereein Verstoß gegen Grundrechte, namentlich den Gleichheitssatz des Art. 3 1 GG und das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Art. 2 1 GG i.V.m. 1 1 GG. '
l Wesentlich Gleiches
Um Normadressaten und Vergleichsgruppe vergleichen zu können, massen denknotwendig Unterschiede
bestehen.Bei völliger Gleichheit (Identität) gibt es keine Ungleichbehandlung. Es ist daher erforderlich. aber
auch ausreichend,dassgeregelter und nicht geregelter Fall "wesentlich" gleich sind (BVerfGE 49, 148 [1 65];
eroth/Görisch,NWVBI. 2001, 282). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach,ob sich ein gemeinsamer
Oberbegrif:r ("genus proximum") finden lässt, der einerseits die zu vergleichenden Gruppen hinreichend
konkret bezeichnet, sie andererseits aber auch von anderen Gruppen abgrenzt (Koenig, iuS 1995, 3 15).
167
2 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkte: Gleichbe nlichkeitsrecht
Allgemeine Begrine, welche die nötige Kantenschärüe vermissen lassen (z.B. "Menschen", "Sache" und
dergleichen), scheiden daher aus.
Verglichen werden sollen hier transsexuelle Personen unter und über 25 Jahren, welche die sonstigen
Voraussetzungen fur eine Namensänderung nach dein TSG erfullen. Durch die im TSG normierten
Anforderungenan Nationalität ($ 1 1 Nr. 1) und Zugehörigkeitsempflndenzum anderenGeschlecht($ 1 1
Nr. 2) sowie den Wunsch, den Vomamen auch ohne Geschlechtsumwandlung ändernzu wollen, grenzen sich
diese Personen mit hinreichender Schärfe von anderen Gruppen ab.
2. Ungleichbehandlung
Normadressaten und Vergleichsgruppe müssen ungleich behandelt werden. Personen über 25 Jahren, welche
die übrigen Voraussetzungennach dem TSG erfullen, können ihren Vornamen ohne Operation gem. $ 1 TSG
indem lassen.während Personenunter 25 Jahren dies nur nach Geschlechtsumwandlung
gem. $ 8 1TSG
können. Die Ungleichbehandlung liegt also in der Notwendigkeit, eine Geschlechtsumwandlung durchfuhren
zu massen, wenn eine transsexuelle Person unter 25 Jahren den Vomamen ändem lassen will
3 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Diese Ungleichbehandlung verstößt aber nur dann gegen Art. 3 1 GG, wenn sie sich verfassungsrechtlich
nicht rechtfertigen lässt. Fraglich ist, welche Anforderungen an eine solche Rechtfertigung zu stellen sind.
a) Verfassungsgemäßer Zweck
Ursprünglich wurde Art. 3 1 GG als reines Willkürverbot verstanden(vgl. BVerfGE 91, 118 [123];
Bryde/K[einedieck, JURA 1999, 36 [37]). Danach genügte jeder sachliche Grund zur Rechtfertigung
einer Ungleichbehandlung, eine Abwägung zwischen diesem Grund - also dem vom Gesetzgeber
angestrebten Ziel der Ungleichbehandlung - und den beeinträchtigten Rechten und Interessen der
benachteiligtenGruppe bandnicht statt. Ein Verstoß gegenArt. 3 1GG wurde m.a.W. nur angenommen,
wenn sich ein vernünRiger, einleuchtender Grund fur die gesetzliche DiHerenzierung nicht finden ließ,
kurzum die Bestimmung a]s wi]]kür]ich bezeichnet werden muss (so wört]ich BVerfGE 1, 14 [52]).
Diesen Mindestanforderungen muss auch heute noch jede Ungleichbehandlung genügen. Lässt sich schon
kein legitimer Zweck fur die Ungleichbehandlungfinden, erübrigt sich jede weitere Prtlfilng
(Scherzbcrg/Mayer,
JA 2004, 137 [139]). Allerdings ist es in der Demokratiein erster Linie Sachedes
Gesetzgebers,Zielvorgaben zu entwerfen und diese durch Gesetze umzusetzen. Ihm ist daher ein weiter
Spielraum darin einzuräumen, welche Ziele er verfolgen will. Deshalb lassen sich nur evident
willkürliche Beweggründe
nicht rechtfertigen(BVerfGE 55,72 [90j; 77, 182 [2001;80, 109 [1 18]).
Mit der Altersgrenze nach $ 1 1 Nr. 3 TSG sollten junge Menschen vor übereilten Entschlossenbewahrt
werden(vg[. die in BVerfGE 88, 87 [88 f.] zitierten Motive). Die Änderung des Vornamensals
Erkennungsmerklnalder Geschlechtszugehörigkeit
hat weit reichendeFolgen für den Betrogenenund
seine Stellung in seiner sozialen Umgebung. Es ist daher nicht evident willkürlich, fur eine solche
Entscheidung eine gewisse Reiße zu verlangen. [)ass diese bei 25 Jahren angesetzt wurde, liegt ebenfalls
nicht völlig außerhalb eines vertretbaren Rahmens, zumal sich ein bis zum Wunsch der Namensänderung
drängendesZugehörigkeitsgefuhl zum anderen Geschlecht häufig erst über einen langen Zeitraum bilden
und derart verfestigen wird, dass ein solcher Schritt trotz des bei der "kleinen Lösung" auseinander
fallenden tatsächlichen Geschlechts mit dem im Vornamen verkörperten Geschlwht gerechtfertigt
erscheint
S
b) Verfassungsgemäßes
Mittel
Femer müsstedas Dinerenzierungskriterium verCassungsgemäß,
also willkürftei im o.g. Sinne sein. Die
speziellen Gleichheitsgrundrechte enthalten selbst die Kriterien, nach denen nicht di Herenziert werden
darf(z.B. Art. 3 111GG) bzw. nach denen ausschließlich zu diHerenzieren ist (z.B. Art. 33 ll GG). Aber
auch bei Art. 3 1 GG, der selbst eine solche Vorgabe nicht enthält, darf das gewählte IGiterium nicht
gegendie Wertmaßstäbedes Grundgesetzes verstoßen (Bryde/K]einediek, JURA 1999, 36 [4 1 [])
Dinerenzierungskriterium ist hier eine über das Alter definierte Entscheidungsrei6edes Antragstellers. Es
ist nicht ersichtlich, dass das Grundgesetz Alter oder Entscheidungsreifeals untaugliche Merkmale
einstuft
stu
c) Verlassimgsgemäße Zweck-Mittel-Relation
Genügte nach der ursprünglich vom BVerfG vertretenen "WillkürHormel" bereits die Sachlichkeit von
Zweck und Mittel fur die verfassungsrechtliche
Rechtfertigung,so hat sich mit der sogen."neuen
Forme[" (erstma]s: BVerfGE 55, 72 [88, 91]) die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Willkürverbot die
Rechte und Interessender benachteiligten Gruppe nicht hinreichend berücksichtigt. Jedenfalls bei solchen
168
3 Intensiv
Standort: ÖR/Grundrechte
!ypdsatz/Allg. Persönlichkeitsrecht
IBsp. : Eine DijFerenzierurig }aach Normadressaten liegt vor, wenn bestimmte Personengruppen
genanntwerden,z.B. eine Ungleichbehandlung
von Beattttetlund Angestellten.
Xtl
Lebcnssachverhalteangeknüpß wird hingegen losgelöst von Personen, wenn also z.B. in besonderen
Lagen(Ballnhöfe etc.) Ausnahmen vom Ladenschluss gerttacht wet'den.]
Probleme bereitete jedoch die Abgrenzung dieser beiden Fälle, denn da Personen die
Lebenssachverhalte ausfullen, ist bei genauer Betrachtung in aller Regel sowohl das eine wie das
anderebetrogen (vgl. hierzu ausfuhrlich Bryde/Kleinediek, JURA 1999, 36 [40 f]).
Deshalb stellt man heute daraufab, ob das gewählte Kriterium einem der in Art. 3 111GG genannten,
personenbezogenen Dimerenzierungsverbotezumindestähnelt (BVerfGE 88, 87 [96J; 92, 26 [5 11;
Michael, JuS 2001, 866; Pieroth/Görisch,NWVBI 2001, 282 [283]). Wählt der Gesetzgeberein
solches (Bsp.: Dinerenzierung nach Körpergröße, Haar- oder Augenfarbe usw.), ist wegen der Nähe
zu den absoluten Di ßerenzierungsverboteneine Verhältnismäßigkeitsprüfting angezeigt. Das Alter ist
ein personenbezogenes Merkmal, fällt also bereits unter diese Fallgruppe. Ein Indiz fur eine besonders
hohe Belastungsintensität liegt damit vor.
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Intensiv
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Standort: OR/Grtmdrechte
Schwelp
NWyB[. 2001, 282 [283]). Deshalb ist die fehlende Beeinflussbarkeit das dritte Indiz fur eine hohe
Belastungsintensität. Dass niemand an seinem Alter etwas ändern kann, liegt aufder Hand.
Mithin sprechenhier alle Indizien fÜr eine hohe Belastungsintensität und damit für die Notwendigkeit
einer Abwägung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
(a) Geeignetheit l dann, wenn es den angestrebten Zweck zumindest fördert. Eine Altersgrenze
wäre also schon ungeeignet, wenn ein höheres Alter nicht vor einer übereilten Entscheidung bewahrte.
Es lässt sich jedoch sagen, dass ein höheres Lebensalter ein Mehr an Lebenserfahrungenmit sich
bringt. Zudem findet die hier interessierendesexuelle Orientierungi.d.R. erst in oder nach der
Pubertät statt, sodassgerade in diesem Fall eine über das 18. Lebengahr hinaus gehende Sperrfrist
heißenmag, hinreichende Sicherheit fur den Abschluss des Orientierungsprozesseszu bieten.
(b) Erforderlichkeit
Erforderlich ist das eingesetzteMittel nur dann, wenn keine milderen, weniger belastendenMittel zur
Verfugung standen, die den Zweck in gleicher Weise zu Rördem geeignet gewesen wären. Streitig ist
allerdings ob im Rahmen des Art. 3 1 GG eine solche Er6orderlichkeitsprüfiing überhaupt stattfindet.
Dagegen wird vor allem eingewendet, es musse dem Gesetzgeber überlassen bleiben, Nr welches
Mittel er sich politischentscheide;
das gewählteMittel könnevon der Rspr..(BVerfG).auf
Geeignetheit und AngemessenheitüberprüR werden, sie dürfe den Gesetzgeberaber nicht auf andere
Mittel verweisen. zumal die Erforderlichkeit ohnehin bei den Freiheitsgrundrechten geprüR werde,
also nur eine Wiederholung darstelle (Michael, JuS 2001, 866 [868]; Jarass,NJW 1997, 2545 [25491).
Dem wird entgegen gehalten, dass es auch unter Gleichheitsaspekten nicht einzusehen sei, wenn eine
Gruppe stärker als nötig belastet werde, sodass auch hier eine ErGorderlichkeitsprüfiing vorzunehmen
sei(Koanig' JuS 1995 3]3 [n,lwenn sich ein milderes,gleich eRektivesMittel jedenfalls nicht finden
ließe. Als Alternative käme eine niedrigere Altersgrenze in Betracht. Diese böte dann aber nicht die
gleiche Sicherheit fur eine ausgereiße Entscheidung, wie eine !ändere Orientierungsphase.Gleiches
gilt fur einen gänzlichen Verzicht auf eine Altersgrenze angesichts der Tatsache, dass gem $ 4 111
TSG bereits zwei Sachverständigengutachtendie dauerhaResexuelle Umorientierung bestätigen
müssen.Diese mögen auch der Zweckerreichung dienen, sind aber nicht gleich enektiv, da sie im
Gegensatz zu einem Ausschlusstatbestand wie der Altersgrenze die Möglichkeit des In"tums in sich
bergen. Eine Altersgrenze von 25 Jahren ist daherjedenCallsauch erforderlich.
Schließlich und vor allem aber ist eine "große Lösung", also die Änderung des Vornamens nach
operativer Geschlechtsumwandlungnach der gegenwärtigen Rechtslage ohne Altersgrenze (bei
Mindedährigen natürlich nur mit Einwilligung der Vertretungsberechtigten)möglich. Es bestehtdie
Gefahr, dass Personen unter 25 Jahren sich unter dem von ihnen aufrichtig empfundenen psychischen
Druck fur eine "große Lösung" entscheiden, deren Folgen weitaus schlimmer'- da unumkehrbar und
mit gesundheitlichen Risiken verbunden - sein können. Die Beschränkung der "kleinen Lösung" auf
eine Altersgrenze von 25 Jahren ist daher unangemessen (BVerfGE 88, 87 [96]; Scherzberg/Mayer,
JA 2004, 13711401; Bryde/Kleinediek,JURA 1999, 36140]). ' ' '' '
$ 1 1 Nr. 2 TSG ist also wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 1 GG materiell verfassungswidrig.
2 Eingriff
Unter einem Eingriff ist mit der modernen Eingrinslehre jede spürbare Verkürzung des Schutzbereichs zu
verstehen. Ausgenommen sind lediglich bloße Unannehmlichkeiten und Bagatellen. Von einer solchen kann
angesichts der oben skizzierten alltäglichen Probleme infolge eines nicht zum Geschlechtsempfinden bzw.
äußeren Erscheinungsbild lnssenden Vornamens sowie der mit seiner Führung verbundenen psychischen
Konflikte keineRedesein. Die mit der Altersgrenzenach $ 1 1 Nr. 3 TSG verbundeneUnmöglichkeitder
Anpassung des Vomamens vor Vollendung des 25. Lebensjahresverkürzt damit auch die 6eie Entfaltung der
Persönlichkeit.
3.
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff musstevon den SchrankendesGrundrechtsgedecktsein.Art. 2 1 GG i.V.m. Art. 1 1 GG wird
durch den Schrankentriasdes Art. 2 1 GG beschränkt, zu dem die verfassungsmäßigeOrdnung gehört. Diese
umfasstjeden Rechtssatz,mithin auch Bundesgesetze wie $ ] 1Nr. 3 TSG. Dieser ist allerdings nur von der
ranke gedeckt, soweit er seinerseitsim Übrigen verfassungsgemäßist. Dazu gehört insbesonderedie
Verhältnismäßigkeit,Art. 20 111GG. Wie oben gezeigt, ist die Altersgrenzejedoch-im Lichte der von ihr
g 1 1Nr. 3 TSG verstößt deshalb auch gegendas allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 1GG i.V.m. Art. 1 1GG
'Xllm.: Das B Vermg hat in sehet Origillalentscheidung(E 88. 87]101]) das alle. Persönlichkeitsrecht zwar am
:nde etlvähnt, aufeine PrËfungjedoch ausdrücklich verzichtet, weil es scholl nach der Prüfung des Art. 3 1 GG zul
\nichtigkeitder Altersgrenze gekottitnen war. Dies mag ßir ein Urteil richtig sein, ein Gutachten ist jedoch
do-maüschzu..ersten.en.Dass hier ein Gleichheitsgrundrecht vor einem Freiheitsgrundrecht geprüft wird ist
lieh"] '- "'iueuenKllcn una guracnlentecrtnLscnangezeigt, wenn der Schwerpunkt auf dem Gleichheitsverstoß
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6 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte
Schwerpunkt keitsrecht
Literatur:
Barczak, SexualstraRäteraufAbstand, JuS 2012, 156 n. - l(lausur
Enders/Jäckel, Selbstverschuldete Rettungsbeßagung, JA 201 2, 119 n. - Klausur
Germann, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, JURA 20 10, 734 n.
Hinz, Onlinedurchsuchungen,JURA 2009, 141 ft - Klausur
Jochum, Einsatz eines ISMI-Catchcrs, JuS 2010, 7 19 H. - Klausur
Kadelbach/Müller/Assakkali, Organspendeund Widerspruchslösung, JuS 20 12, 1093 n. - Klausur
B Kau. Keine Rosen fur den Staatsanwalt, JURA 2007, 869 n'. - Klausur
Scherzberg/Mayer,Die Prüfung des Gleichheitssatzes in der Verfassungsbeschwerde,JA 2004, 137 ß.
Wegener/Muth, Das "neue" Cirundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität
inüormationstechnischerSysteme,JURA 20 10, 847 ft
©lura Intensiv (00551 EK OeR NRW GrundR Martina Loos) Seite6 von 6
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Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. ll l GG/Freizügigkeit
Art. 1 1 1 GG - Freizügigkeit
A.Konkurrenzen
1. 1ex generalis (nachranejg gegenüber)
1. Personeller Schutzbereich
1. Natürliche Personen
Inländischejuristische Personen des Privaüechts können sich nach h.M. gem. Art. 19 111
GG auf das Grundrechtaus Art. 11 1 GG berufen, weil sie einen Sitz innehaben.an
dessenBeibehaltung oder Wechsel sie interessiert sein können (vg. Frenzel, JuS 2011,
595 [597]; Schach, Jura 2005, 34 [36]).
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Intensiv
Standort ÖR/
2 Verßassungsimmanente Schranken
Soweit die genannten qualifizierten Gesetzesvorbehalte nicht einschlägig sind, ist nach
wohl h.M. im Wege eines erst recht-Schlusses auf die verfassungsimmanenten
Schrankenzurückzugreifen (Frenzel, JuS 2011, 595 [598f]; Schoch, Jura 2005, 34
[39])
11 Schranken-Schranken
Verßassun
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