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Monumental, farbig gefasst, stetig gepflegt –

die Stadtbrunnen von Solothurn


JÜRG MICHAEL HIRSCHI

Seit mehreren Jahrhunderten bereichern die aussergewöhnlichen Brunnen Solothurns Altstadt.


Sie bedürfen aber ständiger Pflege. Flechten- und Moosbefall, Vogelexkremente, klimatische
Faktoren und Vandalismus schädigen sie in ihrer Substanz oder Statik. Während der letzten beiden
Jahre mussten deshalb Säulen und Figuren von Georgs-, Simson-, Mauritius-, Gerechtigkeits-
und Fischbrunnen sowie der Klosterplatzbrunnen erneut restauriert werden.

Die Trinkwasserversorgung der Altstadt schliessend fächerförmig zu den verschiedenen


Die Trinkwasserbrunnen der Altstadt von Solothurn Brunnen und Waschstellen (Abb. 4 ). Aufgrund des
wurden bis in das erste Drittel des 17. Jahrhunderts Wassermangels versorgte man die Altstadt ab 1638
allein durch die Quellen in der Weiermatt westlich zusätzlich von Westen her mit Frischwasser; die so-
von Langendorf und im Brüggmooswald oberhalb genannte Bellacher Leitung führte, wie die beiden
der Steingruben gespeist. Die ‹Lengendörfer Brunn- bestehenden Leitungen, das Wasser zunächst in höl-
leitung› und die Brüggmoosleitung vereinigten sich zernen, später in steinernen Teucheln in die Stadt.
nördlich der Befestigung beim Sommerhaus Vigier Nach einer Typhusepidemie ersetzte man ab den
und wurden dann parallel zum Stadtbach über den 1870er Jahren bis 1904 die alte Trinkwasserzufuhr
Schanzengraben in die Stadt hineingelenkt (Abb. 1). durch eine moderne Wasserversorgung, wobei das
In einer Brunnstube innerhalb der Schanzenmauern Frischwasser weiterhin aus den traditionellen Quell-
sammelte man das Wasser und verteilte es an- gebieten bezogen wurde.1
1
Abb. 1
Solothurn, Blick gegen die
nördliche Stadtmauer: In der
Bildmitte der innere Aquädukt
des Stadtbachs, der zwischen
dem Franziskanerkloster und
der Gerberei in die Stadt gelei-
tet wurde. Lavierte Sepiazeich-
nung von Ludwig Schulthess,
1840.
Repro Kant. Denkmalpflege Solothurn

Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn ADSO 24 2019 109


Denkmalpflege Monumental, farbig gefasst, stetig gepflegt – die Stadtbrunnen von Solothurn

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Abb. 2 Abb. 5
Georgsbrunnen am Börsen- Säule und Figur des Gerechtig-
platz, mit dem berittenen Heili- keitsbrunnens an der Ecke
gen, dem Drachen und der ­P fistern-/Hauptgasse, nach der
betenden Königstochter, nach Restaurierung. Foto 2018.
der Restaurierung. Foto 2019.
Abb. 6
Abb. 3 Fischbrunnen am Marktplatz,
Simsonbrunnen, Friedhofplatz. Stock, Säule und Figur des
Foto 2019. Venners nach der Restaurie-
rung. Foto 2019.
Abb. 4
Die Altstadt von Solothurn
mit eingezeichneten Wasser­
leitungen, Plan von Johann
Ludwig Erb, 1738 (Ausschnitt).

Kant. Denkmalpflege Solothurn.

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Die Figurenbrunnen nächst simpel als «stokbrunnen» bezeichnet, bereits derts die meisten Becken und ergänzte sie teilweise anlage mit dem heutigen Trog, auf dessen Brunn-
Die beeindruckenden Brunnen der Altstadt Solo- 1366 lokalisierbar. 1395 ist er als «Sinne» und 1466 mit Nebentrögen; manchmal erhielten die Brunnen- stock man schliesslich die Säule mit der Skulptur des
thurns stammen vor allem aus dem 16. und dem als «Sinnbrunnen» belegt, also als Ort, der für die säulen und -figuren neue Farbfassungen. 1939 und heiligen Georg aufsetzte (Abb.  2). Beides wurde am
18. Jahrhundert, wobei die meisten bereits Vorläufer amtliche Eichung und Visierung von Gefässen dien- in den 1970er und 1980er Jahren wurden sie erneut alten Ort nicht mehr benötigt, da man den Gurzeln-
im 14. und 15. Jahrhundert besassen. So ist der Vor- te. Plausibel erscheint die Bezeichnung «stokbrun- restauriert.5 gassbrunnen ebenso erneuerte.6
gänger des heutigen Gerechtigkeitsbrunnens, zu- nen» aufgrund seiner auffälligen Gestalt mit dem Bei letzteren Restaurierungen wurden bei allen Figu- Aus einem geteilten, auf einer quadratischen Grund-
schon 1546 in Johannes Stumpfs Holzschnitt der renbrunnen die ursprünglich wohl mit Ölfarbe aus- form mit halbrunden Ausbuchtungen aufbauenden
4
Altstadt dargestellten, runden oder polygonalen Be- geführte Farbfassung vollständig abgelaugt. Bei der Becken mit daran angefügtem Nebenbecken wächst
cken mit zentralem Stock. Dies hebt ihn aus dem Neufassung verwendete man Kunstharzfarben, wel- ein Postament für den farbig gefassten Brunnen-
Kreis der übrigen, rechteckigen Brunnen mit seitli- che aus heutiger Sicht problematisch sind, weil sie stock. Dieser untere, kannelierte Teil mit zwei ge-
chem Stock heraus.2 den Stein völlig abdichten und einmal eingedrunge- genständigen Ausgussrohren aus Solothurner Kalk-
Die prächtigen Figurenbrunnen entstanden im Ver- nes Wasser nicht mehr austreten lassen. Erstaunli- stein (um 1780) setzt sich in dem aus Hauterive-
lauf des 16. Jahrhunderts. In Bezug auf die Meister, cherweise haben sich diese Farbfassungen in den Kalkstein gefertigten, spiralartig gedrehten Säulen-
die sie fertigten, und auf ihre Form als Säulenbrun- letzten Jahrzehnten sehr gut gehalten und nur we- schaft fort, welcher eine grosse Ähnlichkeit mit dem
nen besteht eine Verbindung zu zahlreichen Brun- nige Schäden hervorgerufen. Dies spricht für einen Vennerbrunnen in Biel von 1546 aufweist.7 Über
nen in kleineren und grösseren Städten im schweize- sorgfältigen Farbauftrag, bedingt aber auch, dass dem baldachinartigen Kapitell mit den schalmei­
rischen Mittelland.3 Aber im Gegensatz zu Bern die Fassungen ständig überprüft und Fehlstellen so- blasenden Engeln und den durch Spruchbänder ver-
dominieren Solothurns Brunnen nicht einzelne Gas- fort ausgebessert werden. bundenen Drachenköpfen in den Ecken thront die
senabschnitte – der Fischbrunnen am Marktplatz Figurengruppe. Diese besteht aus dem berittenen
bildet die Ausnahme –, sondern akzentuieren, sze- Georgsbrunnen heiligen Georg, der den Drachen mit der Lanze töd-
nografisch mit den umliegenden Häusern verbun- Die Entstehung des Georgsbrunnens scheint etwas lich durchbohrt, und der verschonten, betenden
den, kleinere Plätze. Auffallend ist die Häufung der umständlich, bekrönten doch zunächst die 1548 von ­Königstochter.
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öffentlichen Brunnen im Raum der Kreuzung von Bildhauer Laurent Perroud (Lorenz von Grissach) ge- 1975 wurden Brunnensäule und -figur restauriert:
Hauptgasse und Judengasse/Schaalgasse, ein Um- schaffene Säule und die Figur des Heiligen bis 1780 Dabei erfolgten der Ersatz des Kapitells in Hauterive-
stand, der dem vorhandenen Gewerbe in diesem den Gurzelngassbrunnen in der gleichnamigen Gas- Kalkstein und eine Neufassung der gesamten Figu-
Bereich geschuldet sein kann.4 se. Als im Winter 1779 der Brunnentrog am Börsen- ren und der Säule mit Kunstharzfarben.8 Das origi-
Alle Figurenbrunnen in Solothurn wurden im Laufe platz (ehemalige Bezeichnung: Gensbrunnen) durch nale Kapitell befindet sich im Steinmuseum an der
der Jahrhunderte repariert oder verändert: So er- Unachtsamkeit barst, erstellte man im darauffolgen- Hauptgasse. Der Brunnen wurde im Jahr 1988 er-
setzte man in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- den Jahr an jener Stelle eine ganz neue Brunnen­ neut re­stauriert.

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Abb. 7 Abb. 8
Mauritiusbrunnen auf dem Georgsbrunnen. Rechter Steig-
Zeughausplatz, nach der Res- bügel aus Eisen mit stark
taurierung. Foto 2019. degradierter Vergoldung und
abblätternden Farbschichten.
Foto 2018.

Abb. 9
Georgsbrunnen. Rechter Steig-
bügel nach dem Entfernen
der losen Bereiche. Foto 2018.

Abb. 10
Georgsbrunnen. Rechter Fuss
mit Steigbügel mit diversen
Rissen. Foto 2018.

Abb. 11
Georgsbrunnen. Rechter Fuss
mit Steigbügel: Die Risse wur-
den mit Injektionsharz geklebt,
die Farbfassungen retuschiert

Daniel Derron, Luterbach.

Daniel Derron, Luterbach.


und die Steigbügel neu vergol-
det. Foto 2018.

10 11

Daniel Derron, Luterbach.

Daniel Derron, Luterbach.


Simsonbrunnen rung von Säule und Figur. Dabei wurden, dem re­
Wie beim zeitgleichen Georgsbrunnen ist der stauratorischen Zeitgeist entsprechend, Figur und
Schöpfer der Figur und Säule des auf dem Friedhof- Kapitell demontiert, die Farbfassung bis auf den
platz stehenden Simsonbrunnens Laurent Perroud. Stein abgelaugt, etwaige Fehlstellen mit einem mi-
Der ursprüngliche Trog von Peter Pagan wurde 1772 neralischen Mörtel aus Weisszement, Weisskalk so-
ersetzt.9 Er steht auf einem kreisrunden, gestuften wie Steinmehl aufmodelliert und mit einer Zwei-
Sockel und wurde zusammen mit dem Stock aus So- komponenten-Kunstharz­farbe neu gefasst.11
lothurner Kalkstein gefertigt. Aus dem geteilten Be-
cken erwächst, wie beim Georgsbrunnen, eine farb- Mauritiusbrunnen
lich gefasste Säule mit glattem Schaft im unteren Der Mauritiusbrunnen ist auf dem Zeughausplatz als
Bereich und zwei gegenständigen Ausgussröhren, Abschluss der Blickachse vom Rathaus vor der Fassa-
darüber die kannelierte Fortsetzung mit umlaufen- de der alten Propstei platziert (Abb. 7). Erstmals er-
dem Festongehänge, welches von einem Kompo­ wähnt wurde der Brunnen bei der Propstei 1496; er
sitkapitell mit Blattwerk, Voluten und daraus wach- dürfte aber an dieser Stelle einen älteren Vorläufer
senden Fratzen abgeschlossen wird. Der alttesta- aus Holz aufweisen, wie 1555 beim Beschluss seines
mentarische Simson, Sinnbild der Stärke, ist im Be- Ersatzes angemerkt wurde. Das Becken wurde 1556
griff, den Löwen zu zerreissen, den er mit einem von Jakob Pfyffer aus Solothurner Kalkstein gefer-
Kant. Denkmalpflege Solothurn.

Bein zu Boden drückt und dessen Maul er auseinan- tigt. Im gleichen Jahr schufen Michael Has das Eisen-
derreisst (Abb. 3). Perroud folgt in seiner Darstellung werk und Hans Gieng aus Freiburg im Üechtland den
dem Bildhauer Hans Gieng, welcher die Simson- aus Hauterive-Kalkstein bestehenden Brunnenstock
brunnen in Bern (1544) und Freiburg im Üechtland samt Figur, welche ein Jahr später durch Hans Schilt
(1547) schuf.10 1988 –1989 erfolgte eine Restaurie- bemalt wurde.

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12 15 16
Abb. 12 Bemerkenswert ist der auf der Grundform eines Abb. 15
Simsonbrunnen. Auf der rech- Rechtecks mit abgeschnittenen, vorderen Ecken be- Mauritiusbrunnen. Figur des
ten Seite der Figur ist eine star- heiligen Mauritius, Vorzustand.
ke Oberflächenverschmutzung ruhende Brunntrog aus Wandplatten mit vertieften, Foto 2018.
und eine partielle Degradie- diamantförmigen Füllungen. Es ist das älteste Be-
rung der Goldbereiche sichtbar. cken der Solothurner Brunnen. Darüber erhebt sich Abb. 16
Kleinste Partien der Blattalumi- Mauritiusbrunnen. Figur des
niumbeschichtung sind an den eine reichverzierte, mit Renaissance-Beschlagwerk heiligen Mauritius, Schluss­
weisslichen Stellen am Harnisch und Gesichtern angereicherte Brunnensäule aus zustand. Die Figur wurde
erkennbar. Foto 2018. ­Solothurner Kalkstein. Ihr unterer Teil verfügt über ­gereinigt, partiell retuschiert
und vergoldet. Foto 2018.
Abb. 13 zwei Gussröhren mit Drachenmotiven, welche aus
Simsonbrunnen. Verschmut- plastischen Fratzen herauswachsen. Das Komposit- Abb. 17
zung und Vermoosung des kapitell weist am Abakus geflügelte Engelsköpfe Mauritiusbrunnen. Die Figuren-
Figuren- und Kapitellbereichs. Sockelzone weist diverse Risse
Foto 2018. auf. Darüber erhebt sich die Figur des Mauritius, wie und grössere Fehlstellen in der
beim Fischbrunnen als Bannerträger ausgestaltet. Farbfassung bis auf die Stein-

Daniel Derron, Luterbach.


Abb. 14 Dessen gestalterische Qualität wurde hier an der substanz auf. Foto 2018.
Simsonbrunnen. Schlusszu-
stand des Figuren- und Kapi- Hauptgasse 73 bei weitem übertroffen und steht für Abb. 18
tellbereichs. Foto 2018. eine der gehaltvollsten und künstlerisch wertvolls- Mauritiusbrunnen. Die Risse
ten Bannerträgerfiguren des 16. Jahrhunderts auf der Figuren-Sockelzone wur-
den geklebt und die schadhaf-
Schweizer Brunnen.12 ten Stellen gekittet. Foto 2018.
13
Die 1971 erfolgte Restaurierung beinhaltete eine
Neuanfertigung und Neufassung von Säule und Ka- Abb. 19
Mauritiusbrunnen. Vorzustand
pitell, deren Originale sich ebenso im Steinmuseum

Daniel Derron, Luterbach.

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einer Partie der Brunnensäule
befinden. Ferner erfolgte ein Ersatz der rechten mit Beschlagwerk, Fratzen,
Armprothese aus Blei durch eine aus Polyesterharz, Schaftringen und Blattwerk.
Foto 2018.
welche im Anschluss neu bemalt wurde.13
Bedauerlicherweise kam dem Heiligen vor einiger Abb. 20
Zeit das Schwert abhanden. Ein Ersatz durch eine Mauritiusbrunnen. Säule nach
17 18 der farblichen Retuschierung
Kopie wird zurzeit noch geprüft. von Beschlagwerk, Fratzen,
Schaftringen und Blattwerk.
Gerechtigkeitsbrunnen Foto 2018.
Der sich an der Ecke Haupt-/Pfisterngasse befinden-
de Gerechtigkeitsbrunnen wurde vorgängig wegen
seiner Standorttreue und seiner traditionsreichen
Vergangenheit schon erwähnt. Meister Peter Pagan
schuf 1545/46 wohl jenen Vorgängerbrunnen mit

Daniel Derron, Luterbach.

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rundem oder polygonalem Trog und einer einfachen
Säule, welcher bereits 1546 bei der Vogelschau So-
Daniel Derron, Luterbach.

lothurns von Stumpf dargestellt wurde. Ab 1395


fungierte der Brunnen als «Sinne», bis man diese
Funktion 1744 an den Klosterplatzbrunnen verlegte.
19 20
Bis zu jenem Jahr behielt er seine alte Bezeichnung,
obwohl er bereits 1561 mit einer Gerechtigkeitsfigur
14
geschmückt wurde, was ihm schliesslich seinen Na-
men gab.14 Einmal mehr wurden Figur, Kapitell und
oberer Teil der Säule von Laurent Perroud geschaf-
fen und von Hans Schilt farblich gefasst (Abb. 5); der
Trog mit dem glatten Teil der Säule stammt aus dem
Jahr 1789 von Josef Müller, nach einem Riss von
­Paolo Antonio Pisoni. Das auf Kugelfüssen ruhende
und querformatige Becken aus Solothurner Kalk-
stein basiert auf einer verschliffenen Kreuzgrund-
form mit gebauchten Wänden und wurde aus einem
Werkstein gehauen. Daneben befindet sich ein klei-
neres Becken mit der Jahreszahl 1789.
Aus dem glatten Schaft der Säule mit den herabhän-
genden Lorbeerbündeln ragen die gegossenen
Brunnenröhren mit ihren Drachenabschlüssen und
den schmiedeeisernen Verstrebungen. Sie mündet
in den oberen, kannelierten Teil der Säule mit Akan-
thusmanschette und an Löwenköpfen aufgehäng-
Daniel Derron, Luterbach.

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ten Festons mit den Jahreszahlen 1561 und 1789.
Auf dem mit männlichen Fratzen über den Eckvolu-
ten angereicherten Kompositkapitell steht die mit
den traditionellen Attributen von Augenbinde, erho-

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21 22 25
Abb. 21 Der heutige Brunnen entstand in mehreren Phasen: Abb. 25
Gerechtigkeitsbrunnen. Vorzu- Am ältesten ist die ausgezeichnete, reliefierte Säule Fischbrunnen. Vorzustand der
stand mit der verbogenen und südlichen Figurensockelzone
zerbrochenen Waage und den mit den geflügelten Köpfen, Akanthusblättern, mit der durch Risse und Abplat-
fehlenden Attributen von Sul- fischschwänzigen Fabelwesen und dem Kapitell mit zungen geschädigten Plinthe
tan und Schultheiss. Foto 2017. den Widdern. Sie wurde 1587 von Jakob Perroud, und den zur Stabilisierung an-
gefügten Chromstahlplatten.
Abb. 22 Sohn des vor 1586 verstorbenen Laurent Perroud, Foto 2018.
Gerechtigkeitsbrunnen, aus Hauterive-Kalkstein gefertigt. Eine Generation
Schlusszustand. Die gereinigte jünger und nicht ganz die Qualität der Säule errei- Abb. 26

Daniel Derron, Luterbach.


Figur der Justitia mit der repa- Fischbrunnen. Detail der So-
rierten Waage und dem er- chend ist die 1613 durch den Delsberger Heinrich ckelzone, Vorzustand. Durch
gänzten Säbel des Sultans und Müller gehauene Figur des Venners aus Bourrignon- Moos und Flechten unterwan-
dem Schultheissenzepter. Kalkstein.19 1828 kam es zu Brunnenversetzungen, derte Farb- und Steinfragmen-
Foto 2017. te, die teilweise bereits abge-
um mehr Platz an der Gurzelngasse und auf dem fallen waren. Foto 2018.
Abb. 23 Marktplatz zu gewinnen. Den 1589 durch Michel
26
Fischbrunnen. Nordseitiges Gutt und Hans Schneller geschaffene Plattentrog Abb. 27
Wappen mit abgefallenem Fischbrunnen, Sockelzone.
Teilstück, vor der Restaurie- versetzte man an den Klosterplatz und tauschte ihn Südseite nach der Freilegung
rung. Foto 2018. durch das Becken des Gurzelngassbrunnens aus. und Festigung. Foto 2018.
Dieser monolithische, vorbauchende Trog auf Kugel-
Abb. 24 Abb. 28
Fischbrunnen. Schlusszustand füssen mit den schuppenartigen Akzentuierungen Fischbrunnen, Sockelzone.
des nordseitigen Wappens wurde 1780 durch Claus Schnetz aus Solothurner Südseite mit Kittbereichen und
nach der Aufmodellierung, Kalkstein gehauen.20 mit Kalksteinmörtel geschlos-
Farbfassung und Vergoldung. senen Fehlstellen. Foto 2018.
Grössere Restaurierungen in den Jahren 1885, 1939

Daniel Derron, Luterbach.


Foto 2018.
und 1976/1977 betrafen unter anderem die Rüstung Abb. 29
der Figur; so wurden 1976 Blechelemente an Gesäss Fischbrunnen, Sockelzone von
Westen: Die Stahlklammern
und Schultern entfernt und die Schulterplatten in wurden nach unten verlängert
Kunststoff rekonstruiert, was der Figur ihr heutiges und eine 8 bis 3 mm dicke
Aussehen verlieh.21 Insbesondere bereitete die Figu- Schrägfläche auf der Kapitell­
27 oberseite zur Ableitung von
rensockelzone in den vergangenen Jahrzehnten Pro- Oberflächenwasser aufmodel-
bleme, die sich auf die Statik der Figur auswirkten: liert. Die Plinthe wurde einmal
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So musste die Plinthe unter der Figur schon vor der lasierend gestrichen.
Foto 2018.
Restaurierung im Jahr 1977 mit einem Eisenrahmen
befestigt werden, da sie Risse aufwies. Nachdem
auch eine Einrahmung aus Hauterive-Kalkstein keine
längerfristige Stabilisierung brachte, wurde die Plin-
benem Schwert und Waage versehene, kräftige Jus- Fischbrunnen the 2002–2004 erneut konsolidiert und mit den ak-
titia. Sie trägt ein stark gefälteltes Kleid, ein bestick- Der seit dem 15. Jahrhundert archivalisch fassbare tuell vorhandenen Chromstahlplatten gesichert. Bei

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tes Mieder mit darunterliegender, plissierter Bluse. Fischbrunnen am Marktplatz wird im Volksmund der jüngsten Restaurierung 2018 (Abb. 23–29) zeig-
Zu ihren Füssen wachsen die Halbfiguren Kaiser, auch als Marktplatz- oder St.-Ursen-Brunnen be- ten sich erneut viele Risse und Steinablösungen im
Papst, Schultheiss und Sultan als Symbole der welt­ zeichnet, obwohl letztere Namen weder historisch Bereich der P­ linthe und des linken Fusses, die sich
lichen und geistlichen Macht aus dem Sockel (vgl. noch ikonografisch korrekt sind. Zu sehen ist hier aber glücklicherweise nicht auf die Standfestigkeit
Abb. 21–22). Auch bei dieser Darstellung ist die Ver- nicht einer der Stadtpatrone, sondern ein Venner der Figur auswirkten. Offene Risse wurden mit Injek-
28
wandtschaft zum Berner Gerechtigkeitsbrunnen oder Bannerträger, also eine der höchsten Amtsper- tionsharz verklebt und Fehlstellen in der Steinsub­
von Hans Gieng (1543) oder zu einer gemeinsamen sonen der Stadt nach dem Schultheissen. Er ist mit stanz mit Kalksteinmörtel ergänzt. Um die Ableitung
Vorlage erkennbar.15 Harnisch, Schwert, Schild und Banner dargestellt, von Regenwasser zu gewährleisten, modellierte
Der Gerechtigkeitsbrunnen wurde 1971 und 1988 wie es auch an weiteren Beispielen in Bern, Neuchâ- man auf der Kapitelloberfläche eine Schrägfläche
restauriert.16 Bei der jüngsten Restaurierung 2017 tel und Büren a.d. Aare zu sehen ist. Die Solothurner mit Kalksteinmörtel auf und verlängerte die Chrom-
wurden unter anderem die defekte Waage, fehlen- Figur hält zudem in ihrer Rechten das Thebäerban- stahlzangen. Um die Eingriffe sichtbar zu belassen,

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de oder defekte Goldappliken sowie die beiden ge- ner. Namensgebend für den Brunnen in Solothurn wurde die Plinthe nur lasierend und ohne Schutzlack
stohlenen Attribute des Sultans und des Schultheis- war aber nicht die Funktion des Abgebildeten, son- behandelt. Ferner erfolgten, analog zu den anderen
sen ergänzt, geflickt oder ersetzt und anschliessend dern wohl eher der Standort am ehemaligen, städti- Brunnen, die im Folgenden erläuterten Restaurie-
neu vergoldet und montiert.17 schen Fischmarkt, dem heutigen Marktplatz.18 rungsmassnahmen.22
23 24 29
Zustand, Schadensbilder und Massnahmen
bei den Figurenbrunnen
Alle Figurenbrunnen wiesen eine mittlere bis stark
verschmutzte Oberfläche durch Moos- und Flech-
tenbefall sowie Vogelexkremente auf. Diese wurden
mit Wasser und Bürste oder Schwamm gereinigt.
Die Farbfassung der Brunnen war durch etliche, aber
meist kleinflächige Fehlstellen, welche aber teilweise
Daniel Derron, Luterbach.

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bis auf die Steinoberfläche reichten und vor allem an
waagrechten Stellen mit rauer Texturoberfläche vor-
kamen, beeinträchtigt. Diese wurden durch den Re-
staurator retuschiert oder partiell überarbeitet. Risse

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Abb. 30 in der Steinsubstanz, welche durch Wasseraufnah- Der Klosterplatzbrunnen Abb. 34
Klosterplatzbrunnen. Vorzu- me teilweise zu Schalenbildung und Substanzverlust Ein Brunnen bei St. Peter wurde als erster Brunnen Der Klosterplatzbrunnen nach
stand des Brunnenbeckens. der Restaurierung. Foto 2019.
Gut ersichtlich sind Massnah- führten, wurden mit Injektionsharz geklebt. Durch Solothurns schon 1303 erwähnt. Möglicherweise
men von früher erfolgten den teilweise fehlenden Schutzlack bei blattvergol- handelte es sich dabei bloss um einen Sodbrunnen.
­Restaurierungen wie die Ver- deten Bereichen waren diese besonders durch bio- Offenbar besass er aber keine Kontinuität, sodass
mörtelungen von Rissen und
die Abdeckung mit elastischen logischen Befall sowie Vogelexkremente degradiert man ihn, nach mehrmaligem Betreiben im 17. und
Neoprenbändern. Foto 2018. oder vollständig erodiert. Nicht störende Fehlstellen 18. Jahrhundert, wohl erst 1738 neu erstellte. Dabei
im Blattgold wurden belassen, störende mit Blatt- wurde im Zuge der Neueinrichtung der alte Trog des
Abb. 31
Klosterplatzbrunnen. Zustand gold retuschiert. Die auf mittelgrauem Anstrich nur St.-Ursen-Brunnens am Fuss der Kirchentreppe nach
nach der Restaurierung. noch fragmentarisch vorhandenen Bereiche der unten an den Klosterplatz versetzt und wahrschein-
Foto 2018. ehemaligen ‹Versilberung› bei Rüstungen, welche lich auch die heute noch bestehende Vase in Ré-
Abb. 32 man bereits bei jüngeren Unterhaltsarbeiten nicht genceformen auf dem Stock platziert. Aber erst
Klosterplatzbrunnen. Fugen mehr mit Blattaluminium ergänzte, sondern direkt 1828 fand der Brunnen schliesslich zu seiner endgül-
mit Bentonitband, Knautsch- mit einer Schutzlackschicht überzog, wurden so be- tigen Gestalt, indem man den aus dem Jahr 1589
masse und Fugenmörtel, von
links nach rechts. Foto 2018. lassen. Bedauerlicherweise wurden diese, zusam- stammenden Plattentrog des Fischbrunnens vom
men mit weiteren Kittungen und Retuschen, nicht Marktplatz an den Klosterplatz verschob und auf
Abb. 33 dokumentiert. Instabile Schichten des Schutzlacks einem neuen Stock die besagte, urnenförmige Vase
Klosterplatzbrunnen. Vorzu-
stand des Winkeleisens und wurden mit Abbeizpaste entfernt und zusammen von 1738 aufstellte (Abb. 34).
der darunterliegenden Fugen- mit matt gewordenen Partien erneut mit Schutzlack Der achteckige Trog aus Einzelplatten mit Füllungen
vermörtelung. Foto 2018. überzogen.23 sowie Fusswulst und gerundeter Gesimsplatte ist

Kant. Denkmalpflege Solothurn.


neben dem Mauritiusbrunnen der einzig erhaltene
30
Plattentrog aus dem 16. Jahrhundert in Solothurn.
Der Brunnen am Klosterplatz diente ab 1744 als Sin-
ne, als man diese Funktion vom Gerechtigkeitsbrun-
nen hierhin verlegte.24
Ständiges Thema beim Klosterplatzbrunnen ist seine
Dichtigkeit. Schon 1997 musste man das Brunnen- miprofilen und einem Deckmörtelauftrag, die Fugen  8 Gottlieb Loertscher, «Brunnen», in: Solothurnische Denk-
becken sowie die Zu- und Ableitung reparieren. Das ab. Ferner wurden die wasserführenden Risse geöff- malpflege. Bericht der Altertümer-Kommission über die
Jahre 1971–1976 (= Separatdruck aus dem Jahrbuch für
Hauptproblem waren dabei die Nutstellen der ein- net, gereinigt und verklebt. Bestehende Aufmörte- Solothurnische Geschichte 51, 1978), Solothurn 1978,
zelnen Elemente. Zunächst wurde ein 10 cm starker lungen wurden vom Steinbildhauer geprüft und bei S. 383–385.
 9 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 236–237.
Betonguss am Beckenboden entfernt, die Fugen Beschädigungen bis auf den gesunden Grund aus- 10 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 237.
11 Markus Hochstrasser, «Solothurn, Gerechtigkeits- und
gereinigt und mit verlängertem Kalkmörtel zuge- gehauen. Schliesslich wurden Fehlstellen mit farblich
Simsonbrunnen», in: Denkmalpflege im Kanton Solothurn
pflastert. Zusätzlich erfolgte eine Abdichtung mit angepasstem Restauriermörtel ergänzt.26 1988 (= Separatdruck aus dem Jahrbuch für Solothurnische
einem aufgeklebten, elastischen Neoprenband und Geschichte 62, 1989), Olten, 1989, S. 270–273.
12 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 241–243.
eine gründliche Überholung des Eisengurts.25 13 Josef Lisibach, Restaurierungsbericht des Mauritiusbrun-
In letzter Zeit verlor das Brunnbecken erneut Wasser. Solothurn, Altstadtbrunnen
Kant. Denkmalpflege Solothurn.

nens (Ausführung: Alfred Erb), Oktober 1971 (Archiv


Bei der jüngsten Restaurierung 2018 öffnete der An der Restaurierung beteiligt kantonale Denkmalpflege).
14 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 237–239.
Steinbildhauer die defekten Fugen nach einer Reini- Konservierung und Restaurierung: Daniel Derron, 15 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 237–239.
Luterbach 16 Hochstrasser 1988 (wie Anm. 11).
gung der Oberflächen, säuberte sie und versah sie
Metallarbeiten: Toni Maccaferri, Solothurn 17 Daniel Derron, Restaurierungsbericht des Gerechtigkeits-
mit Bentonitbändern. Dieses Quellprodukt dichtet, brunnens, September 2017 (Archiv kantonale Denkmal-
Steinbildhauer: Alois Herger, Derendingen
zusammen mit druckausgleichenden Schaumgum- pflege).
Kantonale Denkmalpflege: Stefan Blank 18 Markus Hochstrasser, «Solothurn, Marktplatz, Fisch-

31 32 brunnen-Figur», in: Archäologie und Denkmalpflege im


Kanton Solothurn 10, 2005, S. 115–117.
19 Hochstrasser 2005 (wie Anm. 18).
Anmerkungen 20 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 239–241.
 1 Benno Schubiger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Solo- 21 Hochstrasser 2005 (wie Anm. 18).

thurn. Band I. Die Stadt Solothurn I. Geschichtlicher Über- 22 Daniel Derron, Restaurierungsbericht des Fischbrunnens

blick, Stadtanlage und -entwicklung, Befestigung, Wasser- vom 21. Oktober 2018 (Archiv kantonale Denkmalpflege).
Alois Herger, Derendingen.

versorgung und Brunnen, Denkmäler, Brücken und 23 Daniel Derron, Restaurierungsberichte von Georgsbrun-

Verkehrsbauten. Mit einer Einleitung zum Kanton Solo- nen, Simsonbrunnen, Mauritiusbrunnen, Gerechtigkeits-
thurn, Bern 1994 (Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Band brunnen und Fischbrunnen von 2017/18 (Archiv kantona-
86), S. 233. le Denkmalpflege).
 2 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 233–235. 24 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 249–250.
 3 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 233–235. 25 Markus Hochstrasser, «Brunnen am Klosterplatz», in:
 4 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 233–235.
Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn 3,
 5 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 233–235.
33 1998, S. 113–115.
 6 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 235–236. 26 Alois Herger, Schlussbericht Klosterplatzbrunnen vom 11.
 7 Schubiger 1994 (wie Anm. 1), S. 235–236.
September 2018 (Archiv kantonale Denkmalpflege).
Kant. Denkmalpflege Solothurn.
Alois Herger, Derendingen.

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