Sie sind auf Seite 1von 2

Interview mit Utah Limbach, Präsident des Goethe-Instituts

(Diskussion über den interkulturellen Dialog und die Rolle der Sprache)

Sie sind seit drei Monaten im Amt. Was ist Ihre Vorstellung von dieser größten
Mittlerorganisation in Deutschland?
Dies ist eine sehr verantwortungsvolle und jetzt die wichtigste Aufgabe. Es spiegelt
überraschenderweise ein breites Verständnis von Kultur wider. Auch die Mitarbeiter des Instituts
faszinieren mich: Aufgrund des Rotationsprinzips müssen Mitarbeiter nicht nur Kulturarbeit
leisten, sondern je nach Gegebenheit auch Aufgaben in den Bereichen Management, Finanzen,
Personal wahrnehmen können.
Sie werden natürlich versuchen, die gute alte Tradition beizubehalten. Aber gibt es Dinge,
die Sie grundlegend ändern möchten?
Das neue Präsidium wird sicherlich versuchen, die gute alte Tradition zu bewahren. Aber ich
möchte den Kreis unserer Adressaten neu definieren: Wir müssen uns nicht nur an die
kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Eliten wenden, zu denen wir immer Kontakte
pflegen. Vor allem sollten wir uns an normale Bürger und vor allem an junge Leute wenden. Ob
wir in Zukunft in Frieden und Ruhe leben werden, hängt vom Verständnis und der Weite des
Horizonts der jungen Generation unserer Länder ab.
Arbeiten Sie deshalb an neuen Programmen?
Es gibt viele Möglichkeiten: In London, Barcelona und Madrid werden junge deutsche
Schriftsteller inzwischen mit Interesse beobachtet. Unser Institut lädt Autoren der sogenannten
"Popliteratur" ein, etwa Judith Herman oder Christian Kracht, und mit ihnen junge Schriftsteller
aus dem Partnerland. Das zieht vor allem junge Leute an.
Afghanistan und der interkulturelle Dialog sind Schlüsselwörter. Hat sich nach dem 11.
September etwas an der Arbeit des Goethe-Instituts geändert?
Was jetzt unter dem Namen Dialog der Kulturen in Umlauf gebracht wird, war schon immer in
unserem Institut. Goethe sagte: "Erkenne dich im Vergleich zu anderen!". Die Bedeutung dieses
Satzes ist, dass Ihr Weltbild und Ihre Werte am besten verstanden werden können, indem Sie sie
mit den Taten und dem Denken eines anderen Menschen vergleichen.
Verbirgt sich hier nicht genau das Gegenteil, dass Sie Missionare westlicher Werte sind?
Das Goethe-Institut folgt immer der Regel, auf die Rolle des Missionars oder des Vormunds zu
verzichten. Nur wer die Richtung der Gedanken anderer respektiert, kann einen fruchtbaren
Dialog mit Menschen anderer Kulturen führen. Wenn wir nicht wissen, dass im muslimischen
Recht das religiöse Recht Vorrang vor dem staatlichen Recht hat, dann sollten wir uns nicht über
gegenseitige Missverständnisse wundern. Ich bin überzeugt, dass wir als einheitliche Welt nur
überleben können, wenn wir die demokratischen Prinzipien der Freiheit und des Rechtsstaats
einhalten.
Somit sind die beiden Säulen des Goethe-Instituts Kulturarbeit und Sprachenlernen. Wie
groß ist das Interesse an der deutschen Sprache im Ausland?
Heute lernen 20 Millionen Menschen auf der Erde Deutsch. Das ist viel. Etwa 140.000
Menschen studieren jährlich in den Außenstellen unseres Instituts im Ausland, 25.000 in
Deutschland selbst. Darauf sind wir sehr stolz. Besonders großes Interesse in Osteuropa. In
Südamerika lernen immer mehr Menschen Deutsch.
Ich villeicht mich irren, aber macht es im Zeitalter der Globalisierung überhaupt Sinn,
Deutsch zu lernen?
Aber es geht nicht nur um die Notwendigkeit, sich irgendwie zu einigen! In diesem Fall würde
nur Englisch für die internationale Kommunikation ausreichen! Aber wenn ich die Kultur meines
Landes öffnen möchte, ist es unmöglich, sich nicht darum zu kümmern, ob die Menschen in
anderen Ländern meine Sprache sprechen oder nicht. Sprache ist nach wie vor das wichtigste
Kommunikationsmittel, wenn Menschen ihre kulturellen Errungenschaften an andere
weitergeben wollen.

Das könnte Ihnen auch gefallen